Springer-Lehrbuch
B. Karges N. Wagner
Pädiatrie … in 5 Tagen Mit 96 Tabellen
123
Professor Dr. med. Beate Karges ...
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Springer-Lehrbuch
B. Karges N. Wagner
Pädiatrie … in 5 Tagen Mit 96 Tabellen
123
Professor Dr. med. Beate Karges Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin Universitätsklinikum Aachen, RWTH Aachen Pauwelsstraße 30 52074 Aachen
Professor Dr. med. Norbert Wagner Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin Universitätsklinikum Aachen, RWTH Aachen Pauwelsstraße 30 52074 Aachen
ISBN 978-3-642-01567-0 Springer Medizin Verlag Heidelberg Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer Medizin Verlag springer.de © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2010 Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutzgesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Planung: Renate Scheddin, Heidelberg Projektmanagement: Axel Treiber, Heidelberg Lektorat: Ursula Illig, Stockdorf Layout und Umschlaggestaltung: deblik Berlin Satz: Fotosatz-Service Köhler GmbH – Reinhold Schöberl, Würzburg SPIN 12653690 Gedruckt auf säurefreiem Papier
15/2117 – 5 4 3 2 1 0
V
Vorwort »Pädiatrie …in 5 Tagen« richtet sich an alle, die das große klinische Fach Kinder- und Jugendmedizin in sehr kurzer Zeit systematisch, knapp und trotzdem detailliert wiederholen wollen oder müssen. Geschrieben wurde das Buch zuerst für PJ-ler vor dem Hammerexamen – die Aufteilung in 5 Arbeitstage entspricht hierbei dem Klinischen Repetitorium an der RWTH Aachen – es eignet sich aber ebenso gut für die knackige »al dente«- Prüfungsvorbereitung allein oder in Kleingruppen. Das Buch ermöglicht einen schnellen Überblick über alle klinisch relevanten Bereiche der Pädiatrie, die jeweils von Fachexperten einheitlich zusammengefasst wurden. »Pädiatrie …in 5 Tagen« ist daher auch geeignet für Ärzte in einem pädiatrischen Rotationsjahr während der allgemeinmedizinischen Ausbildung oder alle diejenigen, die ihr Grundwissen nach dem Studium für die tägliche Praxis aktualisieren möchten. Unser besonderer Dank gilt zunächst den Autoren, ohne deren großes Engagement und Fachwissen das Werk nicht hätte realisiert werden können. Auch die zahlreichen Diskussionen und Anregungen von Seiten unserer Studierenden haben ganz wesentlich zur erfolgreichen Umsetzung des Buchprojektes beigetragen. Schließlich möchten wir den Mitarbeitern des Springer-Verlags, vor allem Renate Scheddin und Axel Treiber, für die produktive und in jeder Hinsicht gute Zusammenarbeit danken. Wir wünschen Ihnen eine erfolgreiche Prüfungsvorbereitung. Aachen, im Herbst 2009 B. Karges und N. Wagner
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VII
Inhaltsverzeichnis Tag 1 1
Wachstum und Entwicklung . . . . . . .
1
1.1 1.2 1.3
Kriterien der Beurteilung . . . . . . . . . . . Ernährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Krankheitsfrüherkennung und -prävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2 4 8
2
Neonatologie . . . . . . . . . . . . . . . . .
15
2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6
Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . Versorgung des Neugeborenen . . Erkrankungen des Frühgeborenen . Neonatale Lungenerkrankungen . . Neonatale Bluterkrankungen . . . . Neonatale Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts . . . . . . . . . Metabolische Störungen in der Neonatalzeit . . . . . . . . . . . . . . . Neonatale Infektionen . . . . . . . . . Embryofetopathien nichtinfektiöser Genese . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . .
17 17 24 32 36
. . . .
43
. . . . . . . .
46 49
. . . .
51
2.7 2.8 2.9
. . . . .
. . . . .
. . . . .
3
Genetische und metabolische Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.1 3.2
Chromosomale Störungen . . . . . . Störungen des Aminosäurestoffwechsels . . . . . . . . . . . . . . . . . Störungen des Kohlenhydratstoffwechsels . . . . . . . . . . . . . . . . . Störungen des Fettstoffwechsels . . Andere Stoffwechselerkrankungen
5 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 5.7 5.8
Erkrankungen des Respirationstraktes Angeborene Fehlbildungen . . . . . . Infektiöse Erkrankungen des oberen Respirationstraktes . . . . . . . . . . . . Infekte der unteren Atemwege . . . . Obstruktive Lungenerkrankungen . . Mukoviszidose . . . . . . . . . . . . . . Exogen-allergische Alveolitis (EAA) . . Fremdkörperaspiration . . . . . . . . . Pneumothorax . . . . . . . . . . . . . .
151
. . . 152 . . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
156 160 164 168 169 171 171
Tag 3 6
Kardiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173
6.1 6.2 6.3 6.4
Angeborene Herzfehler . . . . . . . . . . . . Entzündliche Herzerkrankungen . . . . . . Kardiomyopathien (KMP) . . . . . . . . . . . Elektrokardiogramm und Herzrhythmusstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Herzinsuffizienz im Kindesalter . . . . . . . Akzidentelles Herzgeräusch . . . . . . . . .
6.5 6.6
174 185 187 189 193 195
55
7
Hämatologie und Onkologie . . . . . . . 197
. . . .
56
. . . .
60
7.1 7.2 7.3 7.4
. . . . . . . . . . . .
75 83 88
4
Infektionskrankheiten . . . . . . . . . . .
95
Erkrankungen des Erythrozyten . . . . . Erkrankungen der Leukozyten . . . . . . Erkrankungen der Milz . . . . . . . . . . Erkrankungen der Thrombozyten und Gerinnungsstörungen . . . . . . . . . . . Leukämien . . . . . . . . . . . . . . . . . . Histiozytosen . . . . . . . . . . . . . . . . Maligne Lymphome . . . . . . . . . . . . Maligne solide Tumoren . . . . . . . . . Tumoren des Gehirns und des Spinalkanals . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6 4.7 4.8 4.9
Allgemeine Infektionslehre . . . . . Krankheitsbilder . . . . . . . . . . . Bakterielle Infektionen . . . . . . . . Virusinfektionen . . . . . . . . . . . . Pilzinfektionen . . . . . . . . . . . . . Erkrankungen durch Protozoen . . Wurmerkrankungen . . . . . . . . . Erkrankungen durch Arthropoden Impfungen . . . . . . . . . . . . . . .
3.3 3.4 3.5
Tag 2 . . . . . . . . .
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
97 98 104 124 138 140 142 145 146
7.5 7.6 7.7 7.8 7.9
. . 199 . . 206 . . 209 . . . . .
. . . . .
210 215 221 223 226
. . 236
8
Rheumatologie und Immunologie . . . 243
8.1 8.2
Rheumatologie . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 Immundefekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254
VIII
Inhaltsverzeichnis
Tag 4 9
Tag 5
Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes und der Leber . . . . . 261
9.1 9.2 9.3 9.4 9.5
Ösophaguserkrankungen . . . . . . . . . . Magenerkrankungen . . . . . . . . . . . . . Pankreaserkrankungen . . . . . . . . . . . . Darmerkrankungen . . . . . . . . . . . . . . Erkrankungen der Leber und Gallenwege
10
Nephrologie und Urogenitalerkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 287
10.1 Fehlbildungen der Niere und ableitenden Harnwege . . . . . . . . . 10.2 Harnwegsinfektionen, Pyelonephritis, Hydronephrose . . . . . . . . . . . . . . 10.3 Glomeruläre Erkrankungen . . . . . . 10.4 Tubulointerstitielle Erkrankungen . . 10.5 Niereninsuffizienz . . . . . . . . . . . . 10.6 Arterielle Hypertonie . . . . . . . . . . 10.7 Fehlbildungen und Erkrankungen des äußeren Genitale . . . . . . . . . .
11
262 265 266 268 277
. . . 288 . . . . .
. . . . .
. . . . .
294 297 303 305 307
. . . 308
Endokrinologie . . . . . . . . . . . . . . . . 317
11.1 Wachstumsstörungen . . . . . . . . . . . 11.2 Störungen der Sexualentwicklung . . . 11.3 Erkrankungen von Hypophyse und Hypothalamus . . . . . . . . . . . . . . . . 11.4 Schilddrüsenerkrankungen . . . . . . . 11.5 Erkrankungen des Kalzium-PhosphatStoffwechsels . . . . . . . . . . . . . . . . 11.6 Erkrankungen der Nebenniere . . . . . 11.7 Diabetes mellitus . . . . . . . . . . . . . . 11.8 Adipositas . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . 318 . . 321 . . 326 . . 329 . . . .
. . . .
333 337 343 348
12
Neurologische Erkrankungen . . . . . . 351
12.1 Störungen der kindlichen Entwicklung . 12.2 Fehlbildungen des Nervensystems . . . . 12.3 Zerebralparese – Folgen neonataler Hirnschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . 12.4 Hydrozephalus . . . . . . . . . . . . . . . . 12.5 Neurokutane Syndrome . . . . . . . . . . . 12.6 Zerebrale Anfälle und Epilepsien . . . . . 12.7 Neuromuskuläre Erkrankungen . . . . . . 12.8 Vaskuläre ZNS-Erkrankungen . . . . . . . 12.9 Bewegungsstörungen . . . . . . . . . . . . 12.10 Spezielle Erkrankungen des Kleinhirns . 12.11 Spezielle syndromale Erkrankungen . . . 12.12 Autoimmunerkrankungen des ZNS . . . 12.13 Besonderheiten kindlicher ZNS-Infektionen . . . . . . . . . . . . . . . . 12.14 Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.15 Kopfschmerzen im Kindes- und Jugendalter . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13
14
. . . . . . . . . .
357 358 359 361 368 377 378 379 381 383
. 385 . 386 . 387
Dermatologische Erkrankungen . . . . 389
13.1 Transiente Hautveränderungen im Neugeborenenalter . . . . . . . . . . . 13.2 Infektiöse Hauterkrankungen . . . . . 13.3 Erythematosquamöse Erkrankungen 13.4 Akne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
14.1 14.2 14.3 14.4 14.5
. 353 . 354
. . . .
. . . .
. . . .
390 392 395 402
Notfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405
Verbrennungen . . . . . . . . . . Ertrinkungsunfall . . . . . . . . . Vergiftungen und Verätzungen Schädel-Hirn-Trauma . . . . . . Kindesmisshandlung und Vernachlässigung . . . . . . . . . 14.6 Plötzlicher Kindstod und ALTE 14.7 Reanimation . . . . . . . . . . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
406 407 408 411
. . . . . . . 412 . . . . . . . 414 . . . . . . . 416
Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419
IX
Autorenverzeichnis PD Dr. med. Martin Häusler
PD Dr. med. Lutz von Müller
Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin Universitätsklinikum Aachen, RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen
Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene Universitätsklinikum des Saarlandes Kirrbergerstr. 66421 Homburg/Saar
Dr. med. Konrad Heimann
Prof. Dr. med. Thorsten Orlikowsky
Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin Universitätsklinikum Aachen, RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen
Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin Sektion Neonatologie Universitätsklinikum Aachen, RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen
Prof. Dr. Hedwig Hövels-Gürich
Universitätsklinik für Kinderkardiologie Universitätsklinikum Aachen, RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen
Dr. med. Hagen Ott
Universitäts-Hautklinik Universitätsklinikum Aachen, RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen
Professor Dr. med. Beate Karges
Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin Universitätsklinikum Aachen, RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen
Dr. med. Claudia Stollbrink-Peschgens
Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin Universitätsklinikum Aachen, RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen
Dr. med. Elisabeth Lassay
Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin Universitätsklinikum Aachen, RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen
PD Dr. med. Klaus Tenbrock
Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin Universitätsklinikum Aachen, RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen
Prof. Dr. med. Rolf Mertens
Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin Universitätsklinikum Aachen, RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen
Prof. Dr. med. Norbert Wagner
Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin Universitätsklinikum Aachen, RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen
Prof. Dr. med. Eberhard Mühler
Universitätsklinik für Kinderkardiologie Universitätsklinikum Aachen, RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen
PD Dr. med. Tobias Wenzl
Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin Universitätsklinikum Aachen, RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen
1 Tag 1
1 Wachstum und Entwicklung B. Karges
1.1
Kriterien der Beurteilung
–2
1.1.1 Perzentilen und Definitionen – 2 1.1.2 Psychomotorische Entwicklung – 3
1.2
Ernährung – 4
1.2.1 Säuglingsernährung – 4 1.2.2 Vitamin K und D, Fluorid- und Jodidsubstitution
1.3
–6
Krankheitsfrüherkennung und -prävention – 8
1.3.1 Neugeborenenscreening – 8 1.3.2 Vorsorgeuntersuchungen – 10
2
1
Kapitel 1 · Wachstum und Entwicklung
Eigene Notizen
1.1
Kriterien der Beurteilung
1.1.1
Perzentilen und Definitionen
4 Perzentilenkurven erfassen die interindividuelle Variabilität eines Entwicklungsmerkmals (z. B. für Körperlänge und Gewicht in Abhängigkeit vom Alter) 5 Die Verteilung eines Merkmals in der Normalpopulation wird beschrieben: J 50. Perzentile entspricht Median (Durchschnitt) J 3. und 97. Perzentile entsprechen zweifacher Standardabweichung (–2 SD bzw. +2 SD) J 3. und 97. Perzentile sind als Grenzen des Normalen definiert (nicht zwangsläufig pathologisch, da 6% der Normalbevölkerung außerhalb dieser Werte) 4 alters- und geschlechtsspezifische Perzentilenkurven dienen der Dokumentation, Interpretation und Verlaufsbeurteilung eines Entwicklungsoder Wachstumsmerkmals 5 perzentilenparalleler Verlauf (normal) oder Schneiden der Perzentilen nach oben/unten (abnormal) 5 Berechnung des SDS (standard deviation score) erlaubt exakte Definition der (Größen-) Abweichung und Vergleich unabhängig von Alter und Geschlecht 5 SDS = (gemessene Größe minus altersbezogene mittlere Größe)/ altersbezogene SD 5 ±2SDS entspricht dem Normbereich (3.–97. Perzentile) 4 Standard-Perzentilenkurven existieren z. B. für Körperlänge, -gewicht, Kopfumfang, Body-Mass-Index (BMI, kg/m2), Wachstumsgeschwindigkeit 4 spezifische Perzentilenkurven für Kinder unterschiedlicher ethnischer Abstammung (z. B. türkisch, asiatisch, afrikanisch), sowie für spezielle Erkrankungen (z. B. Turner-Syndrom) Definitionen
4 4 4 4 4 4 4 4
Kleinwuchs: Körperlänge <3. Perzentile Hochwuchs: Körperlänge >97. Perzentile Adipositas: Body-Mass-Index (BMI, kg/m2) >97. Perzentile Übergewicht: BMI zwischen 90. und 97. Perzentile Untergewicht: BMI <3. Perzentile oder Körpergewicht <3. Perzentile Mikrozephalie: Kopfumfang <3. Perzentile Makrozephalie: Kopfumfang >97. Perzentile arterielle Hypertonie systolischer und/oder diastolischer arterieller Blutdruck >95. Perzentile 4 ! Cave Definitionen im Kindes- und Jugendalter unterscheiden sich teilweise von Erwachsenen!
3 1.1 · Kriterien der Beurteilung
Normale Gewichts- und Längenentwicklung gesunder Kinder (orientierend) Alter
Gewicht
Länge
Bei Geburt
ca. 3400 g
50 cm
4 Monate
(×2) ca. 6800 g
64 cm
1 Jahr
(×3) ca. 10 kg
75 cm
6 Jahre
(×6) ca. 20 kg
116 cm
12 Jahre
(×12) ca. 40 kg
150 cm
1.1.2
Psychomotorische Entwicklung
4 Perzentilen für Meilensteine der Entwicklung geben an, in welchem Alter 25%, 50%, 75%, 90% der Kinder eine bestimmte Fähigkeit (z. B. freies Gehen) erreicht haben 4 Screening-Instrument (z. B. Denver-Test oder Bayley Scales of Infant Development) überprüft Entwicklungsbereiche Sozialkontakt, Sprache, Fein- und Grobmotorik im Verhältnis zur normalen Variation 4 hohe intra- und interindividuelle Variabilität der frühkindlichen Entwicklung, die innerhalb der Teilbereiche stark variieren kann (z. B. Sprache weiter entwickelt als Grobmotorik) Meilensteine der psychomotorischen Entwicklung (90% der gesunden Kinder haben zu diesem Zeitpunkt den Entwicklungsschritt erreicht), adaptiert an Denver-Entwicklungsskalen Sozialer Kontakt
Erwidert Lächeln Fremdelt Trinkt aus Tasse Wäscht und trocknet sich die Hände Zieht sich unter Anleitung an Zieht sich ohne Anleitung an
1–2 Monate 8 Monate 15 Monate 24 Monate 3½ Jahre 4¾ Jahre
Feinmotorik
Folgt mit Augen zur Mittellinie Greift nach Spielzeug (z. B. Würfel) Ergreift kleine Objekte (z. B. Rosinen) Baut Turm aus 4 Klötzen Baut Turm aus 8 Klötzen Malt Kreis nach
2 Monate 6 Monate 8 Monate 21 Monate 3 Jahre 4 Jahre
Sprache
Lacht und »quietscht« Imitiert Sprachlaute Sagt Papa oder Mama gerichtet Kombiniert 2 Wörter sinnvoll
4 Monate 13 Monate 15 Monate 2½ Jahre
Grobmotorik
Hält im Sitzen Kopf gerade Sitzt ohne Hilfe Läuft allein Geht Treppe hinauf Fährt Dreirad Hüpft auf einem Bein
4 Monate 9 Monate 16 Monate 21 Monate 3 Jahre 5 Jahre
1
Eigene Notizen
4
1
Kapitel 1 · Wachstum und Entwicklung
Eigene Notizen
1.2
Ernährung
1.2.1
Säuglingsernährung
4 postnataler Gewichtsverlust bis 10% des Körpergewichts ist bei gutem Allgemeinzustand physiologisch, im Alter von 10 Tagen soll Geburtsgewicht wieder erreicht sein 4 mittlere wöchentliche Gewichtszunahme beim gesunden Säugling: 1. Trimenon: 200 g, 2. Trimenon: 150 g, 3. Trimenon: 100 g, 4. Trimenon: 75 g Empfehlungen für die altersabhängige tägliche Nährstoffzufuhr (Deutsche Gesellschaft für Ernährung) Alter
Wasser (ml/kg)
Eiweiß (g/kg)
Kcal/kg
Bis 3. Monat
130
2,7/2,0/1,5a
92
4.–12. Monat
110
1,2
90
1.–4. Jahr
95
1,0
85
4.–7. Jahr
75
0,9
80
7.–10. Jahr
60
0,9
70
10.–13. Jahr
50
0,9
60
13.–18. Jahr
40
0,9
50
a0–1/1–2/2–4 Monate
Muttermilch
4 ideale Ernährungsform für Säuglinge in ersten Lebensmonaten 4 Stillen fördert Oxytocinsekretion → schnellere Uterusrückbildung nach Geburt 4 Formen der Muttermilch: 5 Kolostrum (bis ca. 4. Lebenstag) J hoher Proteingehalt (mindestens 50% sekretorisches IgA) J reich an Makrophagen, Granulozyten, Lymphozyten, hoher Gehalt antiinfektiöser Komponenten (z. B. Lysozym, Laktoferrin) → hochwertige immunologische Funktion J niedriger Energiegehalt (56 kcal/100 ml) 5 reife Frauenmilch (ca. ab 3. Woche) J höherer Energiegehalt (68 kcal/100 ml) J höherer Fett- (3,8 g/100 ml) und Kohlenhydratanteil (7,0 g/100 ml) J niedriger Proteingehalt (1,0 g/100 ml) 4 Vorteile der Muttermilchernährung: 5 Proteingehalt ↓, angepasst an Enzymausstattung des Säuglings, Caseinanteil nur 40% 5 Kohlenhydratanteil↑, Laktose/Oligosaccharide → Wachstum intestinaler Bifidusbakterien
5 1.2 · Ernährung
5 essenzielle Fettsäuren → wichtig für Entwicklung von ZNS, Retina 5 Lipase verbessert Fettresorption 5 Infektionsschutz u. a. durch Immunglobuline (vermitteln passiven Schutz im Intestinaltrakt) 4 Nachteile des Stillens: 5 Vitamin D und K nicht ausreichend → müssen substituiert werden 5 potenziell Infektionsübertragung von Mutter auf Neugeborenes (z. B. Hepatitis, CMV, HIV) 5 potenziell Anreicherung von lipophilen Pestiziden und Industrieschadstoffen 5 Belastung des Kindes bei Medikamenten-, Drogen-, Nikotin-, Alkoholabusus der Mutter 5 bei vegetarischer Ernährung der Mutter → Vitamin B12-, Folsäure-, Eisenmangel beim Kind 4 > Memo Ausschließliches Stillen ist bis 4.–6. Lebensmonat sinnvoll. Industriell hergestellte Säuglingsmilch
4 hochwertige Säuglingsmilchnahrung für nicht gestillte Neugeborene und Säuglinge 4 »Pre«-Nahrungen: höchste Anpassung an Muttermilch 5 Laktose als einziges Kohlenhydrat 5 für Neugeborene und Zufütterung zur Muttermilch 4 »1«-Nahrungen: enthält Laktose und Polysaccharide 5 längere Sättigung durch sämige Beschaffenheit 5 Caseinanteil wie in Kuhmilch (60%) 5 ! Cave Neigung zu Überfütterung (Gewichtskontrolle!) 5 nicht geeignet für Neugeborene, erst ab 6. Lebenswoche empfohlen 4 Folge-»2«-Nahrungen: aus Kuhmilch oder Sojaeiweiß hergestellt 5 höherer Protein- und Energiegehalt 5 günstige Nährstoffversorgung (Eisen) 5 ab dem 5. Lebensmonat 4 Säuglingsnahrung auf Sojabasis: nur bei besonderer Indikation z. B. Galaktosämie 4 hypoallergene »H.A.«-Nahrungen 5 allergenreduziert durch Eiweißhydrolysate 5 indiziert bei Kindern mit familiärer Allergiebelastung, wenn Stillen nicht möglich 4 hochgradige Eiweißhydrolysatnahrungen 5 indiziert bei Malabsorptionssyndromen, Kuhmilcheiweißallergie 5 nicht zur Allergieprävention gesunder Säuglinge, sehr teuer, schmeckt bitter Beikost
4 ab 5. Lebensmonat, spätestens ab 7. Lebensmonat schrittweise eine Milchmahlzeit ersetzen 4 Beginn mit Gemüse-Kartoffel-Fleisch-Brei → führt u. a. Ballaststoffe, Eisen, Zink, Vitamine zu
1
Eigene Notizen
6
1
Kapitel 1 · Wachstum und Entwicklung
Eigene Notizen
4 ab dem 6. Monat zusätzlich Milch-Getreide Brei → führt Mineralstoffe (v. a. Kalzium) zu 4 nach einem weiteren Monat ergänzend Getreide-Obst-Brei (milchfrei, proteinarm) 4 gegen Ende des 1. Lebensjahres schrittweiser Übergang auf Familienernährung
1.2.2
Vitamin K und D, Fluorid- und Jodidsubstitution
Vitamin K
4 wirkt bei Umwandlung der Gerinnungsproteinvorstufen in aktive Metabolite: Vitamin K abhängige Gerinnungsfaktoren sind Faktoren II, VII, IX, X, Proteine C und S 4 wegen geringer Plazentapassage und niedrigem Gehalt in Muttermilch → Gefahr der Vitamin-K-Mangelblutung (z. B. Hirnblutung), besonders im Alter von 3–12 Wochen Empfehlung zur Vitamin-K-Zufuhr (Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin) Dosis 2 mg Vitamin K oral (z.
Zeitpunkt B. 2 Tropfen Konakion®)
5 1. Lebenstag (U1) und 5 2.–7. Lebenstag (U2) und 5 4.–6. Lebenswoche (U3)
bei Resorptionsrisiko i.m. oder s.c. Gabe (0,1–0,2 mg)
Vitamin D
4 biologische Funktionen: 5 Kalziumresorption in Darm und Niere 5 renale Phosphatresorption 5 Osteoidmineralisation durch Erhöhung des Kalzium-PhosphatProduktes 5 hemmt Freisetzung von Parathormon 5 Immunregulation, Zelldifferenzierung 4 Tagesbedarf an Vitamin D (Vitamin D3 und D2) 5 Säuglinge ca. 400 IE 5 ältere Kinder ca. 200–400 IE 5 Frühgeborene ca. 1000 IE 4 Vitamin D Quellen 5 Vitamin-D-Gehalt/l: Muttermilch 12–60 IE, industrielle Säuglingsnahrung 400–500 IE 5 Eigensynthese über Sonnenlichtexposition (290–310 nm) in Haut ! Cave in Deutschland Sonnenbestrahlung von Oktober bis März zur Vitamin-D-Bildung in der Haut ineffektiv 4 Risiko für Vitamin D-Mangel-Rachitis
7 1.2 · Ernährung
5 reine Muttermilchernährung 5 vegetarische Ernährung ohne adäquate Kalzium-, Vitamin D und Fettzusätze 5 Kinder im 2. Lebensjahr, die keine Vitamin-D-angereicherte Milch mehr erhalten 4 generelle Prophylaxe der Vitamin-D-Mangel-Rachitis durch zusätzliche Zufuhr von Vitamin D Empfehlung zur Vitamin-D-Zufuhr (Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin) Vitamin D3 Dosis pro Tag als Tablette
Zeitpunkt
400–500 IE
1. Lebensjahr (ab Ende 1. Lebenswoche) und Wintermonate des 2. Lebensjahres
1000 IE bei Frühgeborenen
Bis Geburtstermin, danach wie oben
> Memo Bei chronischen Erkrankungen mit verminderter enteraler Vita-
min-D-Aufnahme (M. Crohn, zystische Fibrose), gestörter Vitamin-D-Synthese (Leber-, Niereninsuffizienz) oder erhöhter Vitamin-D-Metabolisierung (Antiepileptika) auf ausreichende Vitamin-D-Substitution achten! Fluorid
4 Fluoridsupplemente wirken topisch und systemisch zur Kariesprävention 4 fluoridiertes Speisesalz im Haushalt empfohlen 4 Verwendung fluoridhaltiger Zahnpasta (erbsgroße Menge) erst ab 3. Geburtstag, da Zahnpasta vorher verschluckt wird (Vermeiden einer systemischen Fluoridwirkung) 4 Kariesprophylaxe generell durch 5 Ernährungslenkung (Reduktion der Zuckerimpulse, keine »DauerNuckelflasche«) 5 Mundhygiene (tägliche Plaqueentfernung) 5 Fluoridnutzung nach Fluoridanamnese (Nahrung, Trinkwasser, Supplemente, Zahnpasta) 5 regelmäßige zahnärztliche Untersuchung und Beratung (zahnärztlicher Kinderpass) 4 > Memo Säuglinge/Kleinkinder in den ersten beiden Lebensjahren erhalten Fluorid 0,25 mg/d gemeinsam mit der Vitamin-D-Substitution (z. B. Fluor-Vigantolette®, D-Fluorette®). Ältere Kinder können durch Verwendung fluoridierten Speisesalzes ausreichend Fluorid erhalten. 4 ! Cave Chronische Fluoridüberdosierung (>0,1 mg/kg/d, besonders im Alter von 2–8 Jahren) führt zur Fluorose der bleibenden Zähne mit Zahnschmelzflecken (Dentalfluorose). Bei Trinkwasserfluorid >0,7 mg/l kein fluoridiertes Speisesalz verwenden!
1
Eigene Notizen
8
1
Kapitel 1 · Wachstum und Entwicklung
Eigene Notizen
Jodid
4 Jodaufnahme in Deutschland seit Verwendung von jodiertem Speisesalz deutlich verbessert 4 aktuell noch Jodmangel bei Schulkindern (schwer in 7%, moderat in 9%, leicht in 24%) 4 Jodmangel: Risiko für Hypothyreose, Struma, Schilddrüsenknoten und funktionelle Autonomie Empfehlungen zur täglichen Jodzufuhr (Deutsche Gesellschaft für Ernährung) Alter
Dosis (μg/d)
Säuglinge
50–80
Kinder 1–10 Jahre
100–140
Kinder 10–13 Jahre
180
Jugendliche 13–18 Jahre
200
Stillende/Schwangere: 200–250 μg/d
4 Jodsubstitution 5 gestillte Säuglinge → Gabe von 200 μg Jodid/Tag an die Mutter 5 nicht gestillte Säuglinge → adaptierte Milch mit Zusatz von 5 μg Jodid/100 ml 5 ältere Kinder: evtl. 50 μg Jodid/Tag, ab Pubertät evtl. 100 μg Jodid/ Tag zusätzlich
1.3
Krankheitsfrüherkennung und -prävention
1.3.1
Neugeborenenscreening
4 allgemeine Ziele: vollständige, frühzeitige Erkennung therapeutisch relevanter Erkrankungen 5 Testung aller Neugeborener 5 Sicherstellung eines adäquaten Therapiebeginns 5 Folgebehinderungen sollen möglichst gering gehalten werden 5 ! Cave Nichterkennen führt zu vermeidbarer irreversibler Schädigung des Patienten. 4 Bestandteil des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenkassen 4 Grundlage der Durchführung der Untersuchungen ist die Richtlinie des gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) der Ärzte und Krankenkassen in der aktuell gültigen Fassung Angeborene Stoffwechselerkrankungen und Endokrinopathien
4 untersuchte Zielerkrankungen 5 Hypothyreose 5 adrenogenitales Syndrom
9 1.3 · Krankheitsfrüherkennung und -prävention
5 5 5 5 5
Galaktosämie Phenylketonurie und Hyperphenylalaninämie Biotinidasemangel Ahornsirupkrankheit Störung der Fettsäureoxidation (MCAD-, LCHAD-, VLCAD-Mangel) 5 Carnitinzyklusdefekte 5 Glutarazidurie Typ 1 5 Isovalerianazidämie 4 Durchführung 5 Blutentnahme am 3. Lebenstag (48.–72. Lebensstunde) 5 Auftropfen auf Spezialfilterpapierkarte 5 Versand am Tag der Blutentnahme an Screeninglabor 5 unabhängig vom Lebensalter sollte eine Blutentnahme für das Screening erfolgen J vor Verlegung in andere Institution J vor Transfusion J vor Gabe von Kortikosteroiden oder Dopamin 5 bei Frühgeborenen <32. SSW oder Erstscreening <36. Lebensstunde → Zweitscreening 4 > Memo Positives Ergebnis im Neugeborenen-Screening bedeutet Verdacht auf Erkrankung → Diagnose umgehend durch unabhängige Methoden überprüfen → bei Bestätigung adäquate Therapie ohne zeitliche Verzögerung beginnen. Angeborene Hörstörungen
4 Häufigkeit: 1–2:1000 Neugeborene 4 ohne Intervention bleibende Entwicklungsstörung (Sprache, Intellekt, sozial, emotional) 4 Methoden: otoakustische Emissionen (OAE), akustisch evozierte Hirnstammpotenziale (AABR) 4 Untersuchung am 2.–10. Lebenstag 5 bei auffälligem Befund → Kontrolle innerhalb von 4 Wochen 5 vor Ende des 3. Lebensmonats soll Hörstörung sicher nachgewiesen/ausgeschlossen sein 5 bei permanentem Hörverlust Therapiebeginn vor Ende des 6. Monats 4 ! Cave Genetisch bedingte Hörstörungen können sich erst später zeigen → bei klinischem Verdacht auf Hörstörung spezifische Diagnostik wiederholen Hüftgelenksdysplasie
4 angeborene Dysplasie der Hüfte bei 3% der Neugeborenen, Mädchen: Jungen = 5:1 4 Untersuchung bei U3, bei vorhandenen Risikofaktoren (Geburt aus Beckenendlage, positiver Familienanamnese, Fußstellungsanomalie, Abspreizhemmung der Hüfte) bei U2 4 standardisierte Hüftsonographie nach Graf
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Eigene Notizen
10 Kapitel 1 · Wachstum und Entwicklung
1
Eigene Notizen
5 morphologische Beschreibung von knöchernem Pfannenerker, Hüftgelenkspfanne, knorpeligem Erker und Position des Hüftgelenkkopfes J Typ I (reif) J II a–c (reifungsverzögert) J III a–b (subluxiert) J IV (luxiert) 4 Therapie so früh wie möglich, spätestens in 6. Lebenswoche 5 Spreizhosenbehandlung ab Typ IIc, falls keine Hüftkopfreposition nach 3 Wochen → 5 Overheadextension und Ruhigstellung im Gips, bei Therapieversagen → 5 manuelle oder operative Reposition mit anschließender Gipsbehandlung 5 mögliche Komplikation: Hüftkopfnekrose in 5–10% 4 bei rechtzeitiger Behandlung normale Hüftgelenksentwicklung in >90% der betroffenen Kinder
1.3.2
Vorsorgeuntersuchungen
4 Ziel des Vorsorgeprogramms: Früherkennung von Erkrankungen, die die normale körperliche und geistige Entwicklung des Kindes gefährden 4 jede Vorsorgeuntersuchung (U/J) beinhaltet eine ausführliche Anamnese und komplette körperliche Untersuchung des Kindes mit Überprüfung spezifischer Fragestellungen (s. u.) 4 Dokumentation im »gelben Heft«: Gewicht, Körperlänge, Kopfumfang und ggf. pathologische Befunde mit Veranlassung diagnostischer und therapeutischer Konsequenzen 4 Teil des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenkassen (Ausnahme: U10, U11, J2 werden noch nicht von allen Krankenkassen übernommen) 4 Grundlage der Durchführung der Untersuchungen ist die Richtlinie des gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) der Ärzte und Krankenkassen in der aktuell gültigen Fassung Empfohlene Vorsorgeuntersuchungen im Kindes- und Jugendalter
4 U1 Neugeborenen-Erstuntersuchung (10–15 Minuten nach der Geburt) 5 Anamnese von Schwangerschaft und Geburt 5 Vitalzustand des Kindes beurteilen (APGAR-Schema) und Nabelschnur-pH-Wert bestimmen 5 Reifegrad beurteilen 5 Ausschluss von Geburtsverletzungen, Fehlbildungen (u. a. Nase, Ösophagus frei durchgängig) 5 Vitamin K 2 mg oral 4 U2 Neugeborenen-Untersuchung (3.–10. Lebenstag) 5 Neugeborenen-Screening bzgl. Stoffwechselerkrankung, Hörstörung, evtl. Hüftsonographie
11 1.3 · Krankheitsfrüherkennung und -prävention
5 Vitamin K 2 mg oral 5 Rachitis-, Fluor-, Jodprophylaxe erklären 4 U3 (4.–5. Lebenswoche) 5 Gewichtszunahme mindestens 150 g/Woche, Trinkmenge ca. 15% des Körpergewichtes 5 lautiert, reagiert auf laute Geräusche, reaktives Lächeln, fixiert/verfolgt Gegenstände 5 hält Kopf einige Sekunden in schwebender Bauchlage, Überprüfung der Primitivreflexe (s. u.) 5 Vitamin K 2 mg oral 5 Hüftsonographie Primitivreaktionen im ersten Lebensjahr Primitivreflex
Ablauf
Normaler Zeitraum
Saugreflex
Berühren der Lippen → Saugen
Bis 3. Lebensmonat
Oraler Suchreflex
Berühren der Wange → Mundöffnen und Kopfhinwendung
Bis 3. Lebensmonat
Handgreifreflex
Bestreichen der Handinnenfläche → Fingerbeugung
Bis 6. Lebensmonat
Fußgreifreflex
Bestreichen der Fußsohle → Zehenbeugung
Bis 11. Lebensmonat
Moro-Reaktion
Erschütterung der Unterlage/rasches Senken des Kindes aus Rückenlage → Streckung + Abduktion dann Beugung + Adduktion der Arme und Spreizen der Finger
Bis 3.–6. Lebensmonat
Galant-Reflex
Bestreichen des Rückens seitlich der Wirbelsäule → konkave Wirbelsäulenflexion
bis 3.–6. Lebensmonat
Asymmetrisch tonischer Nackenreflex
Seitwärtsdrehung des Kopfes → Streckung von Arm und Bein auf Gesichtsseite, Beugung von Arm und Bein auf Hinterkopfseite: Fechterstellung
bis 6. Lebensmonat
Symmetrisch tonischer Nackenreflex
Kopfbeugung → Beugung der Arme, Streckung der Beine; Kopfstreckung → Streckung der Arme, Beugung der Beine
bis 6. Lebensmonat
beurteilt wird der normale Ablauf, die Symmetrie und das zeitgerechte Persistieren der Primitivreflexe
4 U4 (3.–4. Lebensmonat) 5 Muskeltonus/Koordination: Hände in Mittellinie zusammenführen, Kopfkontrolle bei Traktion 5 Überprüfen des Sehens (Fixieren von Gegenständen/Personen) 5 Überprüfen des Hörens (Rassel, klatschen), lautiert (juchzt, quietscht und brabbelt) 5 Ernährungsberatung
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Eigene Notizen
12 Kapitel 1 · Wachstum und Entwicklung
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Eigene Notizen
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5 erste Impfungen (DTaP, Hib, IPV, Hepatitis B, Pneumokokken) empfehlen U5 (6.–7. Lebensmonat) 5 psychomotorische Entwicklung beurteilen: Kopfkontrolle vollendet, dreht sich von Rücken auf Bauch, symmetrische Abstützreaktion mit geöffneten Händen, gezieltes Greifen 5 Blickkontakt, Strabismus überprüfen 5 Reaktion auf akustische Reize, stimmhaftes Lachen 5 nach Vitamin D-, Fluor- und Jodprophylaxe fragen, zweite Impfungen (s. o.) U6 (10.–12. Lebensmonat) 5 Körperkoordination: sitzt frei mit geradem Rücken und gestreckten Beinen, kann mit Unterstützung stehen, Pinzettengriff 5 Sinnes- und Sprachentwicklung: Silbenverdopplung, Reaktion auf leise Geräusche, fremdelt 5 Ernährungsberatung 5 bei Strabismus → augenärztliche Untersuchung 5 bei Verdacht auf Hörstörung differenzierte Diagnostik veranlassen 5 Impfstatus überprüfen U7 (21.–24. Lebensmonat) 5 Motorik: freies Vor-/Rückwärtsgehen, schnelles Laufen, Treppensteigen, Aufrichten aus Hocke 5 Skelettdeformitäten erkennen und Zahnstatus erfassen 5 befolgt Aufforderungen, kann auf Körperteile zeigen, spricht Zweiwortsätze, kennt 10 Wörter 5 Frage nach Miktionsstörungen, Verhaltensauffälligkeiten (z. B. Schlafstörung), Fieberkrämpfen 5 Fluor- und Jodprophylaxe fortführen, Impfstatus überprüfen U7a (34.–36. Lebensmonat, 3 Jahre) 5 Frage nach Krampfanfällen, Miktionsstörungen, gehäuften Infektionen 5 Erkennen/Behandeln von allergischen Erkrankungen 5 Erfassen von Sprachentwicklungs-, Verhaltensstörungen 5 Erkennen/Behandeln von Zahn-, Mund-, Kieferanomalien 5 Primärprävention von Unfällen, Gewalt 5 Beratung über Ernährung, Zahnpflege, Impfungen, UV-Schutz U8 (46.-48. Lebensmonat, 4 Jahre) 5 Erfassen von Verhaltensauffälligkeiten (z. B. Enuresis, Enkopresis, Trotzreaktionen, Konzentrationsschwierigkeiten, Schlafstörungen, Aggressivität, Stereotypien) 5 Sprachstörungen (z. B. Stottern, Dyslalie, Dysarthrie, kein Sprechen in »Ich«-Form) 5 Sehprüfung (Testgerät, Tafeln) 5 Hörprüfung (Audiometer, Tympanometrie) 5 neurologische Untersuchung 5 Kindergartenfähigkeit besprechen 5 Urinuntersuchung mit Teststreifen, Blutdruck messen, Tuberkulintestung
13 1.3 · Krankheitsfrüherkennung und -prävention
4 U9 (60.–64. Lebensmonat, 5 Jahre) 5 Frage nach Infektionen, Sprachstörungen, Verhaltensauffälligkeiten oder Ungeschicklichkeit 5 Überprüfung der Motorik: Einbeinhüpfen, Seiltänzergang, grobe Kraft, Körperhaltung, Hand-Augen Koordination, Nachzeichnen von Kreis, Dreieck, Quadrat, Bild malen lassen 5 Sehprüfung (Testgerät, Tafeln) und Benennung von Bildern 5 Hörprüfung 5 Schulreife besprechen 5 Fluor-, Jodprophylaxe besprechen 5 Tuberkulintestung, Urinuntersuchung (Teststreifen), Blutdruck messen 4 U10 (7–8 Jahre) 5 Erfassen umschriebener Entwicklungsstörungen z. B. Lese-Rechtschreib-Schwäche, Rechenstörung, gestörte motorische Entwicklung, Verhaltensstörung 5 Primärprävention bzgl. Unfälle, Gewalt, Umgang mit Suchtmitteln in der Familie, Bewegungs-/Sportförderung, Allergieprävention, Beratung über Ernährung, Medien, Schule, UV-Schutz 4 U11 (9–10 Jahre) 5 Erkennen/Behandeln von Schulleistungsstörungen, Sozialisations-/ Verhaltensstörungen, gesundheitsschädigendem Medienverhalten 5 Zahn-, Mund-, Kieferanomalien 5 Primärprävention 7 U10 4 J1 (12–13 Jahre) 5 chronische Erkrankungen u. a. Hautprobleme, orthopädische Erkrankungen 5 psychischen Belastungen u. a. Schule, Familie 5 Essstörungen z. B. Magersucht, Übergewicht 5 Beurteilung der Pubertätsentwicklung 5 Urinuntersuchung, Cholesterinbestimmung im Serum, Blutdruckmessung 5 Impfstatus überprüfen 5 sexualhygienische Fragen besprechen 5 Umgang mit Suchtmitteln (Drogen, Rauchen) besprechen 4 J2 (16–17 Jahre) 5 Erkennen von Pubertäts-, Sexualitäts-, Sozialisations-, Verhaltensstörungen 5 Struma 5 Diabetesrisiko 5 Haltungsstörungen 5 Primärprävention 7 U10 5 Sexualität (Antikonzeption, HIV) 5 Berufsberatung
1
Eigene Notizen
2 Tag 1
2 Neonatologie T. Orlikowsky
2.1
Definitionen – 17
2.2
Versorgung des Neugeborenen
2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4 2.2.5
Postnatale Adaptation – 17 Erstversorgung – 18 Reanimation des Risikokindes – 21 Geburtstraumata – 22 Asphyxie (Pulslosigkeit) – 23
2.3
Erkrankungen des Frühgeborenen – 24
2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4 2.3.5 2.3.6 2.3.7 2.3.8
Atemnotsyndrom (»respiratory distress syndrome«, RDS) – 25 Persistierender Ductus arteriosus (PDA) – 27 Hirnblutungen (intrazerebrale Hämorrhagien, ICH) – 28 Periventrikuläre Leukomalazie (PVL) – 29 Apnoen – 30 Retinopathia praematurorum (ROP) – 30 Bronchopulmonale Dysplasie (BPD) – 31 Psychomotorische Retardierung – 32
2.4
Neonatale Lungenerkrankungen – 32
2.4.1 2.4.2 2.4.3 2.4.4 2.4.5 2.4.6 2.4.7
Mekoniumaspirationssyndrom (MAS) – 32 Transitorische Tachypnoe – 33 Pneumothorax – 33 Lungenhypoplasie – 34 Zwerchfellhernie – 34 Persistierende pulmonale Hypertension des Neugeborenen (PPHN) Neonatale Pneumonie – 36
– 17
– 35
2.5
Neonatale Bluterkrankungen – 36
2.5.1 2.5.2 2.5.3 2.5.4 2.5.5 2.5.6
Hyperbilirubinämie – 36 Morbus haemolyticus neonatorum – 38 Anämie – 40 Polyglobulie – 40 Morbus haemorrhagicus neonatorum – 41 Thrombozytopenie – 42
2.6
Neonatale Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts – 43
2.6.1 2.6.2 2.6.3 2.6.4
Gastroschisis – 43 Omphalozele – 43 Nekrotisierende Enterokolitis (NEC) Mekoniumileus – 46
2.7
Metabolische Störungen in der Neonatalzeit – 46
2.7.1 Hypoglykämie – 46 2.7.2 Hypokalzämie – 47 2.7.3 Neonatale Krampfanfälle
2.8
– 44
– 48
Neonatale Infektionen – 49
2.8.1 Bakterielle Infektionen – 49 2.8.2 Virale Infektionen – 50 2.8.3 Pilzinfektionen – 51
2.9
Embryofetopathien nichtinfektiöser Genese – 51
2.9.1 Fetales Alkoholsyndrom (FAS) 2.9.2 Drogenentzug – 52
– 51
17 2.2 · Versorgung des Neugeborenen
2.1
Definitionen
2
Eigene Notizen
Maßeinheit Zeit Gestationsalter
Schwangerschaftsdauer vom 1. Tag der letzten Menstruation
Reifes Neugeborenes
37 0/7–42 0/7 SSW (260–293 Tage)
Frühgeborenes
<37 0/7 SSW (<260 Tage)
Übertragenes Neugeborenes
>42 0/7 SSW (>293 Tage)
Neonatalperiode
Erste 28 Lebenstage
Maßeinheit Gewicht Normalgewichtiges (eutrophes) Neugeborenes (»appropriate for gestational age«, AGA)
10. Perzentile ≤ Gewicht ≤ 90. Perzentile
Untergewichtiges (hypotrophes) Neugeborenes (»small for gestational age«, SGA)
Gewicht <10. Perzentile
Übergewichtiges (hypertrophes) Neugeborenes (»large for gestational age«, LGA)
Gewicht >90. Perzentile
Sehr kleines Frühgeborenes (»very low birth weight«, VLBW)
Geburtsgewicht <1500 g
Extrem kleines Frühgeborenes (»extremely low birth weight«, ELBW)
Geburtsgewicht <1000 g
2.2
Versorgung des Neugeborenen
2.2.1
Postnatale Adaptation
Kardiorespiration
4 pränatal 5 Gasaustausch transplazentar; Alveolen flüssigkeitsgefüllt, Sättigung ca 65%, flache Atmung ohne relevanten Flüssigkeitstransport 5 Parallelschaltung rechter und linker Kreislauf: Foramen ovale (sauerstoffreich, v. a. zerebrale Durchblutung) + Ductus arteriosus → 90% rechtsventrikuläres Schlagvolumen in den linken Kreislauf 4 postnatal 5 Serienschaltung rechter und linker Kreislauf: Kräftige Atmung (Chemorezeptoren) + Sympathikusaktivität (Kälte, Stimulation, Licht, Schwerkraft) 5 Druckanstieg im linken Kreislauf → verringerter Shunt über Foramen ovale + Shunt-Umkehr im Duktus → Anstieg Sauerstoffpartialdruck → Absinken pulmonaler Gefäßwiderstand 5 funktioneller Duktusverschluss (beim gesunden Termingeborenen nach den ersten Atemzügen) 4 normale Atemfrequenz 40–60/min; Herzfrequenz ca. 120/min
18 Kapitel 2 · Neonatologie
Eigene Notizen
2
Temperaturregulation
4 pränatal keine eigene Wärmeproduktion 4 postnatal Wärmeverlust durch Strahlung, Konvektion, Verdunstung 5 Ziel: thermoneutrale Zone → geringster Energieaufwand, um Kerntemperatur aufrechtzuerhalten 5 umgekehrt proportional zu Gestationsalter und Gewicht > Memo Neugeborene frieren zitterfrei Energiebedarf
4 pränatal Energieversorgung kontinuierlich über Plazenta 4 nach Durchtrennung Nabelschnur → Deckung durch Glykogen (kleine Speicher) und braunes Fettgewebe (mitochondrienreich) Verdauung und Ausscheidung
4 pränatale Urinproduktion wichtig für Lungenreifung, insbesondere Alveolarisierung 4 postnatal spätestens nach 24 h 5 anfangs eingeschränkte renale Konzentrations- und Filtrationsleistung ! Cave reduzierte Kompensation bei respiratorischer Azidose, bei Anurie rasche Hyperkaliämie mit Rhythmusstörungen 4 Mekonium = »Kindspech«: Epithelien + Lanugo + Darmsekret + eingedickte Galle 5 Absetzen nicht pränatal ! Cave Mekoniumaspirationssyndrom, MAS 5 postnatal spätestens nach 48 h 5 nach einigen Tagen »Übergangs-Muttermilchstühle«: rasche Besiedelung des Dickdarmes (Bifidusbakterien, E. coli, Kommensalen) 5 optimale Zusammensetzung: Muttermilch: langsame Steigerung, bis koordinierte Peristaltik entwickelt Erythropoese
4 intrauterin ab 8. Embryonalwoche: fetales Hämoglobin 5 erhöhte Sauerstoffaffinität, Halbwertszeit ca. 80 Tage, wird abgebaut und postnatal adultes Hämoglobin (Halbwertszeit ca. 120 Tage) gebildet 5 Trimenonreduktion: physiologisch mit Nadir im 3. Lebensmonat 5 beim Frühgeborenen/kranken Neugeborenen → Anämie 4 > Memo bei Neugeborenen nur »intelligente« Blutentnahmen mit minimalen Volumina
2.2.2
Erstversorgung
Anamnese (Mutter und Schwangerschaft)
4 Grunderkrankungen (u. a. Lupus erythematodes: Rhythmusstörungen, AV-Block) 4 frühere Schwangerschaften (u. a. Fehl- Frühgeburten, Infektionen) 4 aktuelle Diabetes-, Infektionsanamnese (Vorsorgeheft, Hepatitis-/ TORCH-Serologie)
19 2.2 · Versorgung des Neugeborenen
4 Blutgruppe (kindliches Risiko AB0-, Rh-Inkompatibilität) 4 Medikamenten-/Drogenkonsum (kindliche Überwachung, Stillen, Entzug) 4 Probleme (Blutungen, HELLP-Syndrom, Mehrlinge, Daten pränatale Sonographie) Perinatale Kenngrößen Perinatale Kenngrößen
Störung
Mögliche Ursachen
Fruchtwassermenge
Oligo-/Anhydramnion
Blasensprung, Pottersequenz, Plazentainsuffizienz
Polyhydramnion
Ösophagusatresie, Darmstenosen, Akinesie
Grün
Mekoniumaspiration, intrauterine Stresssituation
Blutig
Plazentalösung
Übelriechend
Amnioninfektionssyndrom
Tachykardie
Amnioninfektionssyndrom
Bradykardie
Notfall mit Sauerstoffschuld
Nabelarterien-pH
Azidose
Nabelschnurumschlingung, Asphyxie
Geburtsgewicht
Hypotrophie
Plazentainsuffizienz, HELLP-Syndrom, Virusinfektion, Drogen-/Nikotinabusus, Syndrome
Hypertrophie
Maternaler Typ-I-/Gestationsdiabetes
Makrozephalie
Familiär, Hydrozephalus, Hirnfehlbildung
Mikrozephalie
Pränatale Infektionen, Syndrome, maternale Phenylkenonurie
Farbe/Beschaffenheit
CTG
Kopfumfang
4 Apgar-Score (1952 Anästhesistin Virginia Apgar): Punkteschema zur standardisierten Beurteilung (1, 5, 10 min) klinischer Zustand und Effekt von Reanimationsmaßnahmen bei (v. a. reifen) Neugeborenen 4 höchster prädiktiver Wert hinsichtlich Spätschäden nach 5 min 4 7–10 Punkte = normal, <7 immer verdächtig → Einleitung entsprechender Maßnahmen bzw. Überwachung APGAR-Schema Kriterium
0 Punkte
1 Punkt
2 Punkte
Herzfrequenz
Kein Herzschlag
<100/min
≥100/min
Atemantrieb
Kein
Unregelmäßig
Regelmäßig
Reflexe
Keine
Grimassieren
Kräftiges Schreien
Muskeltonus
Schlaff
Leichte Beugung
Aktive Bewegung
Hautfarbe
Blau, blass
Stamm rosig, Extremitäten blau
Gesamter Körper rosig
2
Eigene Notizen
20 Kapitel 2 · Neonatologie
Eigene Notizen
2
Untersuchung
4 gute Bedingungen 5 Licht (Beurteilung Hautkolorit) 5 Wärme (thermoneutral) 5 Neugeborenes satt (gestillt) und unbekleidet 4 Zeitpunkt 4 obligat U1 ≤24 Lebensstunden 4 U2 3.–10. Lebenstag 4 U3 am Ende der Neonatalperiode (4.–6. Woche) → Früherkennung + Prävention 4 Ablauf: Funduskopie/Auskultation (angewärmtes Stethoskop) zuerst, danach komplette körperliche Untersuchung und neurologische Einschätzung in Anwesenheit der Eltern 4 Nomogramm: Größe, Gewicht, frontookzipitaler Kopfumfang (Stahlband frontookzipital anlegen und bis zum größten Wert schieben) 4 Screening: behandelbare Stoffwechselerkrankungen (Trockenblutkarte: Massentandemspektroskopie), Hüftsonographie (Dysplasie), Hörscreening (Otoakustische Emissionen: Innenohrschwerhörigkeit 1–2:1000)
Einige Kriterien der körperlichen Untersuchung Kriterium
Wichtige Befunde
Hautfarbe
Rosig: Physiologisch Blau: persistierende pulmonale Hypertonie des Neugeborenen (PPHN), Vitium cordis, Asphyxie, Azidose, Schock Weiß: Anämie, Azidose, Schock Rot: Polyglobulie, Hyperviskositätssyndrom, Zustand nach. Geschrei Gelb: Icterus praecox, gravis, prolongatus Grün: Mekoniumaspiration Marmoriert: Infektion, »da stimmt was nicht« Petechien: Stauung (Geburt); Thrombozytopenie, Sepsis
Hautbeschaffenheit
Übertragungszeichen (Waschfrauenhände), Turgor, Hautfältelung, Unterhautdicke
Lokale Hautbefunde
Milien (harmlos), Hämangiome (Dermatolog. Konsil, meist Spontanremission; »wait and see«), Exanthema toxicum neonatorum (harmlos, Besiedelung obere Hautschichten mit Bakterien), Naevus flammeus, Staphylodermie (Staphylococcus aureus, gefährlich)
Schädel
Mikro-/Makrozephalus (Perzentilen) Fontanellengröße/-spannung, Kopfform, Symmetrie
Augen
Pupillenweite, Fundusreflexe (Katarakt)
Nabel
Anzahl Nabelgefäße, Omphalitis (Eintrittspforte)
Genitale
Hydrozele, Hodendeszension, Hypospadie Hymenalatresie, Vaginalpolypen
Wirbelsäule
Durchgängigkeit der Wirbelkörper (Spina bifida), Steißgrübchen
21 2.2 · Versorgung des Neugeborenen
4 neurologische Beurteilung: Muskeltonus (leichte Beugung), Spontanmotorik (symmetrisch), Reflexmuster (Auswahl): Saug-, Einstellreflex, Greifreflexe, Schreitreflex, asymmetrisch-tonischer Nackenreflex, Recoil (Arme federn in Beugehaltung zurück), Moro-Reflex (2 Phasen) Somatische Reifezeichen (Petrussa-Index): Gestationsalter (in Wochen) = 30 SSW + erreichte Punkte PetrussaIndex
0
1
2
Ohrknorpel und -form
Weich, ohne Form
Helix oben umgeschlagen
Fest, Helix völlig umgeschlagen
Haut
Rot, dünn, ohne subcutanes fett, ödematös
Rot oder ödematös
Rosig
Brustwarze
Punktförmig
Areola <5 mm
Areola ≥5 mm
Testes
Inguinal
Oberes Skrotalfach
Im Skrotum
Labia maiora
< Labia minora
= Labia minora
> Labia minora
4 weitere somatische Reifezeichen: Verteilung und Stärke Lanugobehaarung, Haltung der Extremitäten, Fusion der Augenlider, Finger-/Fußnagelwachstum ! Cave Somatische Reifezeichen versagen vor der 26. SSW. 4 reife Kinder gründlich abtrocknen, in neues Handtuch, Hautkontakt mit Mutter, zudecken und auf die Wöchnerinnenstation
2.2.3
Reanimation des Risikokindes
4 Voraussetzungen 5 Identifikation ideal vor Geburt 5 ausreichend qualifiziertes Personal 5 funktionierendes Equipment 5 richtige Maßnahmen: gute Vorbereitung, wenig Spontanimprovisation 4 Equipment: Reanimationsplatz mit Wärmelampe, Sauerstoffflasche, funktionierender elektrischer Absaugpumpe mit Sogbegrenzung, Beatmungsbeutel mit Masken, Intubationsbesteck, Tubus, ausgewählte Medikamente, ggf. Notfall-Blutkonserve 4 Wärmezufuhr: Strahler anschalten, Abtrocknen, neues Handtuch, Zudecken, Durchzug vermeiden, danach falls indiziert ABCD: 5 Atemwege freimachen: Absaugen (Mund vor Nase, zügig, kein »Stochern«), Auskultation: Belüftung, Herzfrequenz >100/min, keine Ateminsuffizienz → Aufhören 5 Beatmen: bei Ateminsuffizienz Blähbeatmung mit Maske, oft initial CPAP mit 21% O2 beginnen; wenn unter CPAP Bradykardie <100/ min und keine suffiziente Eigenatmung → Intubation
2
Eigene Notizen
22 Kapitel 2 · Neonatologie
Eigene Notizen
2
5 Cirkulation: Herzmassage (80/min) unter Beatmung; keine Pause 5 Drugs: Suprarenin, Volumengaben evtl. über Nabelgefäß, Schnellpufferung vermeiden (osmotisch induzierte Hirnblutung) 4 Ziel: Stabilisierung von drei Säulen: 5 Respiration (rasch Atemhilfe; nicht automatisch Sauerstoff) 5 Zirkulation (Messung von Blutdruck, ggf. Gabe von Volumen) 5 Metabolismus (Messung von Blutzucker, Basenexzess)
2.2.4
Geburtstraumata
4 kindliche Schädigungen aufgrund mechanischer Einwirkungen. 5 Risikofaktoren: traumatische Geburt, Missverhältnis mütterliches Becken/kindliche Größe, Mehrlinge, Makrosomie, Lageanomalie, vorangegangene Schulterdystokie, operative Entbindung (Vakuumextraktion, Zangenentbindung) ! Cave Kombinationen! 5 Prävention: rechtzeitiges Erkennen, schonende geburtshilfliche Entwicklungsverfahren; gute Dokumentation; bei Verdacht Nachbeobachtung durch Neonatologen (Forensik) 4 Schädel 5 Caput succedaneum (Geburtsgeschwulst) J ödematös, teigig, weich, eindrückbar, nicht auf Schädelnähte begrenzte Schwellung des vorangehenden Kopfteils (meist Os parietale), überschreitet Mittellinie J Rückgang meist innerhalb einiger Tage J harmlos, keine Therapie 5 Kephalhämatom J Scherblutung zwischen Knochen und Periost J 3% aller Neugeborenen J prallelastische, fluktuierende Schwellung (meist ebenfalls Os parietale), auf Knochennähte beschränkt J Resorption in Wochen J meist keine Therapie ! Cave Superinfektion, Verknöcherung, Icterus praecox 5 subgaleale Blutung J zwischen Galea und Kalotte J selten J ausgedehnt, aber mit großem Blutverlust (Schockzeichen) J Überprüfung des Gerinnungsstatus 4 Nerven 5 obere Plexuslähmung (Typ Erb-Duchenne) J Wurzel C5 und C6 durch Zerrung/Druck bei Schulterentwicklung mit typischer Haltung: herabhängender Arm + Adduktion + Innenrotation (»waiter’s tip position«), dabei Fingerbeweglichkeit, Greifreflex intakt J Plexus sonographisch darstellen J Therapie: Lagerung (Dessault- oder Gilchrist-Verband), später Krankengymnastik, bei Ausrissen mikrochirurgisch (selten)
23 2.2 · Versorgung des Neugeborenen
5 untere Plexuslähmung (Typ Klumpke) J Schädigung von C7, C8 (und Th1), schlaffe Lähmung der kleinen Handmuskeln, typische Schonhaltung des Armes, Greifreflex nicht vorhanden J ! Cave Horner-Syndrom J ggf. operative Korrektur (s. o.) 5 Fazialisparese J periphere Lähmung durch Zerrung des N. facialis J häufigste Lähmung (0,5%) J unvollständiger Lidschluss auf betroffener Seite, hängender Mundwinkel, »Schreigesicht« J gute Prognose, meist schnelle Rückbildung J Differenzialdiagnose Kernaplasie (Kernspintomographie) 4 Knochen 5 Klavikulafraktur J Schwellung, Schonhaltung (abgeschwächter Moro-Reflex), Krepitation über (meist distaler) Klavikula J Diagnose meist bei Kallusbildung J Röntgen nicht notwendig, keine spezifische Therapie 5 seltenere Traumata J Impressionsfrakturen (Ping-Pong-Fraktur) → neurochirurgische Intervention J epidurale Blutung (A. meningea media, Sinusvenen) → Hirndruckzeichen, Notfall-CT, neurochirurgische Intervention. J Epiphysiolysis humeri J Schaftfrakturen
2.2.5
Asphyxie (Pulslosigkeit)
4 Kreislaufversagen und Atemdepression bis -stillstand mit Hypoxie von lebensnotwendigen Organen und Hyperkapnie. Folge: Gemischte, (metabolische + respiratorische) Azidose 4 Schäden initial durch Ischämie, Zusammenbruch des zellulären Energiestoffwechsels, O2-Radikale, toxische Metabolite. Reperfusionsphase → inflammatorische Hyperstimulation 4 drei Kategorien von Ursachen: 5 vor Schwangerschaft: präexistente mütterliche Erkrankungen 5 in Schwangerschaft: EPH-Gestose, Diabetes, Infektionen, Blutgruppenunverträglichkeit 5 peripartal: Uterusruptur, -lösung, Nabelschnurvorfall, -abriss 4 Formen 5 Asphyxia livida: Zyanose, Schnappatmung 5 Asphyxia pallida (»weißer Scheintod«: prognostisch ungünstig, hohe Wahrscheinlichkeit der neurologischen Beeinträchtigung
2
Eigene Notizen
24 Kapitel 2 · Neonatologie
Eigene Notizen
2
Klinik 4 APGAR-Werte <4, Apnoe, Bradykardie, Hypotonie, Bewegungslosigkeit 4 blaues/weißes Kolorit 4 betroffene Organsysteme 5 Niere (Anurie) 5 ZNS (hypoxisch-ischämische Enzephalopathie, HIE) 5 Herz (Myokardischämie) 5 Lunge (PPHN) 5 Leber (Enzymerhöhung, Gerinnungsstörung)
Therapie 4 Reanimation mit erfahrenem Team, bei Blutverlust sofortige Transfusion mit Notfallkonserve 4 reifes Neugeborenes: kontrollierte Hypothermie (33°C) durch Kühlmatratze (Versuch Eingrenzung Reperfusionsschaden) 4 Überwachung (u. a. EEG), antikonvulsive Therapie bei Krämpfen, Intensivstation 4 intensive langfristige Anbindung an Spezialambulanz
2.3
Erkrankungen des Frühgeborenen
4 Frühgeburten (ca. 7% aller Geburten) in Deutschland eher zunehmend. 5 Überlebenswahrscheinlichkeit liegt ≥24. SSW ca. bei 60% und steigt mit Gestationsalter. Vor allem antenatale Lungenreife für akutes Überleben entscheidend 5 Hauptursachen: vorzeitige Wehen, Amnioninfektion, EPH-Gestose, HELLP-Syndrom, Drogen-/Nikotinabusus, höheres mütterliches Alter, In-vitro-Fertilisation, Plazentalösung, Zervixinsuffizienz; neonatale Sterblichkeit wesentlich durch Mortalität der Frühgeborenen determiniert 4 ! Cave Jungen, Mehrlinge und Frühgeborene mit zusätzlicher Bürde (Hypotrophie, Infektion etc.) besonders gefährdet! 4 Maßnahmen bei drohender Frühgeburt 5 frühzeitige Überweisung der Schwangeren in ein Perinatalzentrum (In-utero-Verlegung), dort interdisziplinäre Einschätzung (Sonographie, Pränataldiagnostik, CTG-Überwachung, ggf. andere Disziplinen) 5 oberste Priorität: Vermeidung extremer Frühgeburtlichkeit (ggf. Tokolyse, Bettruhe) 5 Lungenreifung: antenatale Gabe von Glukokortikoiden (Betamethason) über die Mutter 24 h antenatal → Anregung fetale Surfactant-Bildung, deutliche Reduktion von Atemnotsyndrom, bronchopulmonale Dysplasie, IVH 5 konsequente antibiotische Therapie der Mutter bei Infektionsverdacht 5 Planung von Entbindungstermin/-modalität mit Neonatologen
25 2.3 · Erkrankungen des Frühgeborenen
Zusammenstellung wesentlicher Krankheitsbilder von Frühgeborenen Organsystem
Schädigung
Lunge
Atemnotsyndrom (RDS, akut), bronchopulmonale Dysplasie (BPD, chronisch)
Herz/Gefäße
Persistierende pulmonale Hypertension (PPHN), persistierender Duktus (PDA)
Gehirn
Hirnblutungen, periventrikuläre Leukmalazie (PVL)
Atmung
Apnoe-Bradykardie-Syndrom
Magen-Darm
Mekoniumileus, nekrotisierende Enterokolitis (NEC)
Immunsystem
Bakterielle Infektionen (u. a. nosokomial), Pilzinfektionen
Augen
Retinopathia praematurorum (ROP)
Blutbildung
Anämie
Stoffwechsel
Hypoglykämie, Elektrolytimbalancen (Hyper-/Hyponatriämie)
Verhalten
Psychomotorische Retardierung, Teilleistungsschwächen
2.3.1
4 4 4 4
Atemnotsyndrom (»respiratory distress syndrome«, RDS)
bei ca. 60% <30 SSW durch fehlende Surfactant-Bildung bei Frühgeburten eine der häufigsten Todesursachen 35. SSW oder nach 48 Lebensstunden: Surfactant-Bildung ausreichend Surfactant = »surface active agent« 5 Verschiedene Phospholipide (u. a. Lecithin = Dipalmitoylphosphatidylcholin) + Apoproteine (u. a. immunologisch wirksam); Surfactant-Produktion durch Typ-II-Pneumozyten ab 24. SSW 5 verhindert Alveolenkollaps, erleichtert Atemarbeit, stabilisiert Alveolarsystem durch Reduktion Oberflächenspannung 5 RDS bei Fehlen (Frühgeborene), gehemmter Produktion (Asphyxie, mütterlicher Diabetes) und/oder sekundäre Inaktivierung (Pneumonie, Mekoniumaspirationssyndrom, Blutaspiration) 5 RDS → Oberflächenspannung hoch → exspiratorischer Alveolenkollaps + stark beeinträchtigter Gasaustausch → diffuse Atelektasen + pulmonale Vasokonstriktion + alveoläre Minderbelüftung → Azidose 5 RDS → Triggerung inflammatorischer Prozesse → Umbauvorgänge (Fibrose) + Gefäß-Remodelling; langfristig → hyaline Membranen (Mukopolysacharide und Glykoproteine)
Klinik 4 Tachypnoe (Atemfrequenz >60/min) 4 Dyspnoe/Einsatz von Atemhilfsmuskulatur: Einziehungen (sternal, jugulär, interkostal), Nasenflügeln, »Kopfwackel-Zeichen« (Kopf bewegt sich atemsynchron)
2
Eigene Notizen
26 Kapitel 2 · Neonatologie
Eigene Notizen
2
4 körpereigene Kompensationsmechanismen, um Alveolen offenzuhalten (Auto-PEEP): exspiratorisches Stöhnen, Stridor, »Knorksen« 4 systemische Zeichen: Hypothermie, abgeschwächtes Atemgeräusch, blass-graues Hautkolorit, Zyanose
Diagnostik 4 Klinik + Röntgenbild 4 ! Cave Klinischer und radiologischer Schweregrad können divergieren; u. U. schwerkrankes Frühgeborenes mit relativ geringen radiologischen Veränderungen.
Radiologische Einteilung des Atemnotsyndroms Radiologisches Stadium
Beschreibung
I
Feingranuläres Lungenmuster
II
I + über die Herzkonturen hinausreichendes Aerobronchogramm
III
II + partielle Auslöschung Herz- und Zwerchfellkontur
IV
Komplettverschattung (»weiße Lunge«), keine Abgrenzung von Herz-/Zwerchfell möglich
Differenzialdiagnose 4 . Tab.
Differenzialdiagnosen des Atemnotsyndroms Störung
Patienten
Charakteristika
Häufigkeit
SurfactantMangel
Frühgeborene
s. o.
Je unreifer, desto häufiger
Aspiration
(Früh-)/Termingeborene
Oft rasche Besserung
Seltener
Flüssigkeitslunge
Termingeborene, Sectio am wehenlosen Uterus
Besserung nach CPAP, uncharakteristische radiologische Veränderungen
Häufig
Pneumonie
Früh-/Termingeborene
Infektionszeichen
Häufig
Pneumothorax
Früh-/Termingeborene
Bradykardie trotz Reanimation
Selten bei Termingeborenen, bei Frühgeborenen häufiger
27 2.3 · Erkrankungen des Frühgeborenen
Therapie 4 kontrollierte O2-Gabe ! Cave Retinopathia praematurorum, ROP 4 »continuous positive airway pressure« (CPAP) mit positiv endexspiratorischem Druck (PEEP): »open up the lung and keep it open«) 4 frühzeitige Surfactant-Gabe(n) bereits im Kreißsaal, rasche Extubation, lungenschonende Beatmungsverfahren 4 ! Cave akute Komplikationen: Emphysem, Pneumothorax, Pneumomediastinum, Hirnblutung, chronische Komplikationen: bronchopulmonale Dsyplasie, Cor pulmonale
2.3.2
Persistierender Ductus arteriosus (PDA)
4 postnatal fehlender anatomischer/funktioneller Verschluss des Ductus arteriosus Botalli 5 Ursache: vasodilatatorischer Effekt erhöhter Prostaglandin-E2Spiegel 5 bei pulmonaler Hypertension zunächst Rechts-links-Shunt (hoher pulmonaler Gefäßwiderstand), bei Abfall → Shunt-Umkehr 5 hämodynamische Wirksamkeit: Links-rechts-Shunt so ausgeprägt, dass Kreislauf- und/oder Lungenfunktion beeinträchtigt 5 bei reifen Neugeborenen <1%, bei Frühgeborenen <26. SSW >50%
Klinik 4 Herzgeräusch: systolisch Crescendo + diastolisch Decrescendo, p.m. 2. ICR links ! Cave Fehlendes Geräusch schließt PDA nicht aus! 4 hyperaktives Präkordium (Volumenbelastung, systolische Hypotension) 4 hohe Puls-/Blutdruckamplitude bei niedrigem diastolischem Druck (Pulsus celer et altus) 4 zunehmender O2-Bedarf (Lungenüberflutung), ggf. Lungenblutung (hämorrhagisches Lungenödem) 4 Oligo-, Anurie (Steal-Phänomen) 4 Azidose, Herzinsuffizienz (Tachykardie, Hepatomegalie, Ödeme) 4 Spätfolgen: nekrotisierende Enterokolitis, periventrikuläre Leukomalazie (Steal-Phänomene)
Diagnostik 4 Röntgen: Herzvergrößerung, verstärkte Lungengefäßzeichnung 4 Echokardiographie 4 Vergrößerung linker Vorhof und Ventrikel, Beurteilung von PDA: Durchmesser, Shunt-Volumen, Flussmuster 4 Dopplersonographie: diastolische Steal-Phänomene in Zerebral- (A. cerebri anterior) und Abdominalarterien (Truncus coeliacus)
Therapie 4 Vermeidung Flüssigkeitsüberladung, ggf. akut Diuretika 4 medikamentöser Verschluss mit Prostaglandinsynthesehemmer (Indomethacin, Ibuprofen) 4 chirurgischer Verschluss (Clip)
2
Eigene Notizen
28 Kapitel 2 · Neonatologie
Eigene Notizen
2
2.3.3
Hirnblutungen (intrazerebrale Hämorrhagien, ICH)
4 Auftreten häufig ≤10 Lebenstag und umgekehrt proportional Gestationsalter: Risiko für höhergradige Blutung (s. u.) ca. 6% <32 SSW, ca. 25% <26 SSW 4 Lokalisation: germinale Matrix (subventrikuläre Zone über Kopf des Nucleus caudatus) 5 Grenzgebiet der arteriellen Versorgung, äußerst fragile zerebrovaskuläre Architektur → Gefäßeinriss → sekundäre Schäden durch venöse Stase bei Verlegung drainierender Venen → Parenchymuntergang 5 günstige Prognose bei Grad-1- und Grad-2-Blutungen; ab Grad 3 höhere Wahrscheinlichkeit der (motorischen) Behinderung, bei unilateraler Ausprägung oft spastische Hemiparese 5 Komplikationen: posthämorrhagischer Hydrocephalus occlusus (ggf. Shunt-Bedürftigkeit), bei Parenchymschwund Hydrocephalus e vacuo Sonographische Einteilung der intrazerebralen Blutungen nach Burstein/Papile Stadium
Beschreibung
Neurologische Folgen
I
Germinale Matrix
Sehr häufig folgenlos
II
I + intraventrikulär ohne Ventrikeldilatation
Häufig folgenlos
III
II + Ventrikeldiilatation/Ventrikulitis
Spätschäden wahrscheinlich
IV
III + Parenchymbeteiligung
Häufig Spätschäden
4 ! Cave Eine Frühaussage zur neurologischen Prognose aufgrund des Sonographiebefundes ist bei fortgeschrittenen Blutungen nicht möglich.
Klinik 4 Apnoe, Unruhe, Hypoglykämie, Schock 4 »verfallendes Kind« blass-graues Kolorit 4 Krampfanfall, gespannte Fontanelle, muskuläre Hypotonie
Diagnostik 4 Schädelsonographie: Ausdehnung, Flussprofil der Gefäße, Ventrikelweite, Ventrikulitis 4 Kopfumfang nach Blutung: Beurteilung Größenzunahme (biparietal + frontookzipital)
Therapie 4 symptomatisch 4 Prophylaxe durch Vermeidung/Therapie bekannter Risikofaktoren 5 zerebrale Hypo- und Hyperperfusion, Chorioamnionitis 5 insuffiziente Erstversorgung, Ischämie, Hypothermie 5 Azidose ! Cave rasche Bikarbonatgaben, Surfactant-Mangel, Pneumothorax
29 2.3 · Erkrankungen des Frühgeborenen
2.3.4
Periventrikuläre Leukomalazie (PVL)
4 ischämisch-/entzündliche Schädigung der weißen Substanz (ca. 3–5% <1500 g) 5 histologisch fokale Nekrosen mit zystischer Umwandlung lateral der Seitenventrikel in Grenzgebieten der vaskulären Versorgung der Aa. cerebri (Vulnerabilität der Gefäßarchitektur) 5 häufig symmetrisch (»Wasserscheideninfarkte«) 5 teils bereits pränatal entstanden (z. B. bei Amnioninfektionssyndrom) 5 multifaktorielle Genese mit prä-/peri-/postnatalen Faktoren 5 Risikofaktoren »Die üblichen Verdächtigen«: Blutungen, Chorioamnionitis, Mehrlinge, geburtshilfliche Komplikationen, persistierender Ductus arteriosus, Apnoen, Sepsis
Klinik 4 typisch: stummes Intervall mit Symptomlosigkeit in den ersten Wochen bis Monaten 4 oft beinbetonte Hypotonie, später beinbetonte spastische Diplegie 5 mediale Fasern des Tractus corticospinalis → Innervation der Beinmuskeln 4 Ausprägung unterschiedlich, ggf. Beeinträchtigung der kognitiven Funktionen 4 Epilepsie (z. B. West-Syndrom)
Diagnostik 4 Sonographie: perlschnurartige zystische Auflösung periventrikulär (ca. 3 Wochen nach Noxe sichtbar), später oft Anschluss ans Ventrikelsystem 4 NMR: sensitive Darstellung der Defekte 4 entwicklungsneurologische Meilensteine
Therapie 4 Frühförderung, Krankengymnastik 4 spezielle Nachsorgeambulanz Typische Hirnschädigungen bei Früh- und Termingeborenen Hirnblutung (ICH)
Periventrikuläre Leukomalazie (PVL)
Hypoxisch-ischämische Enzephalopathie (HIE)
Patienten
Frühgeborene
Frühgeborene
Termingeborene
Risikofaktoren
Vulnerabilität Gefäße
Hypoxie + Inflammation
Ischämie, Hypoxie, Asphyxie + Reperfusion
Läsion
Periventrikuläres Keimlager
Zystische Nekrose Marklager
Zelluntergang Stammganglien Kortexatrophie
Langzeitfolge
Krampfleiden Hydrozephalus
Retardierung Spastische Zerebralparese Taub-/Blindheit
Krampfleiden Retardierung
2
Eigene Notizen
30 Kapitel 2 · Neonatologie
Eigene Notizen
2
2.3.5
Apnoen
4 Unreife der zentralen Atemsteuerung (auch bei Fehlen sonstiger Erkrankungen) + Obstruktion → Apnoe (Atempause >20 s) + Bradykardie (Herzfrequenz <100/min) bzw. Kombinationen → Hypoxämie (Sauerstoffsättigung <80%). Wie häufig oder ausgeprägt diese sein können, um zerebrale Ischämien oder ROP zu verursachen, ist nicht genau bekannt.
Klinik 4 Apnoe → Bradykardie oder Bradykardie → Apnoe oder beides synchron
Diagnostik 4 Aufzeichnung thorakale + nasale Atmung, O2-Sättigung, Herzfrequenz: Differenzierung von zentraler, obstruktiver oder gemischter Apnoe (am häufigsten)
Therapie 4 pflegerische Maßnahmen: Erleichterung Atemarbeit (Bauch-/Stufenlagerung, orale Magensonde) 4 Atemanaleptika: Methylxanthine (Koffein), Doxapram 4 Atemhilfen: binasaler CPAP, geringe O2-Zufuhr 4 Ultima ratio (Re-)Intubation und Beatmung 4 > Memo Immer symptomatische Apnoen rasch ausschließen (u. a. Infektion, Krampfanfall, Hirnblutung, metabolische Entgleisung)!
2.3.6
Retinopathia praematurorum (ROP)
4 Netzhauterkrankung des Frühgeborenen 5 multifaktorielle Auslöser: erhöhte Empfindlichkeit der unreifen Netzhaut gegen Noxen, v. a. O2. 5 zunächst proliferieren maximal konstringierte Netzhautgefäße, durch Wachstumsfaktoren (vEGF) angeregt, unkontrolliert (Neovaskularisierung) → Blutungen, Ödem → narbige Kontraktionen, Netzhautablösung → Erblindung 5 Risikofaktoren (prophylaktische Maßnahmen setzen an der Vermeidung/Überwachung/Therapie an!) J Hyperoxie (wird unterschätzt) J Sauerstoffsättigungsschwankungen J Hypokapnie, Hyperkapnie, Hypotension, Apnoe J schwere Infektionen, persistierender Ductus arteriosus
Klinik 4 keine Frühzeichen 4 spät: fehlender Fundusreflex, Rindenblindheit (zu spät)
31 2.3 · Erkrankungen des Frühgeborenen
Diagnostik 4 regelmäßige Kontrollen des mydriatischen Fundus durch geschulte Augenärzte 4 landkartenartige Einteilung (Zonen), Ausbreitung (Sektoren) und Schweregrad (I–V)
Therapie 4 Laserkoagulation 4 Kryotherapie (ggf. Vitamin E prophylaktisch) 4 > Memo Regelmäßige augenärztliche Kontrollen, da vermehrt Komplikationen (Refraktionsanomalien, Kurzsichtigkeit)
2.3.7
Bronchopulmonale Dysplasie (BPD)
4 chronische Lungenerkrankung von Früh- (selten Termin-)geborenen mit Sauerstoffabhängigkeit nach korrigiert 36. vollendeten SSW und charakteristischen radiologischen Veränderungen 5 Risikofaktor für spätere Erkrankungen (Pneumonien, Asthma bronchiale) 5 je unreiferer und kränker, desto häufiger: ca. 20–30% <1000 g, >32. SSW selten 5 Ätiologie multifaktoriell: Unreife/Vulnerabilität der Lunge + Wassereinlagerung (verlängerte Diffusionsstrecken) + Inflammation (Umbau, Fibrose, Remodelling) + Sauerstofftoxizität (Radikalbildung) + Beatmungstrauma (v. a. Volutrauma) 5 erschwerend: Bakterielle Infektionen 5 histologisch Gefäßrarefizierung, fibrotischer Umbau, Überblähung 5 Stadien J mild: mit 36 SSW kein persistierend erhöhter O2-Bedarf J moderat (≤30% O2-Bedarf) J schwer (>30% und/oder Beatmung bzw. Atemunterstützung)
Klinik 4 persistierender Sauerstoffbedarf, Tachy-/Dyspnoe 4 grau-blasses Kolorit, mangelnde Gewichtszunahme 4 später: Rechtsherzbelastung, Cor pulmonale
Diagnostik 4 Röntgen 5 diffuse Überblähungsbezirke neben unzureichend belüfteten Arealen (Dys-/Atelektasen) 5 Herzvergrößerung 4 EKG, Echokardiographie: Rechtsherzbelastungszeichen
Therapie 4 restriktive Beatmungsindikation, schonende Beatmungsverfahren 4 Physiotherapie (Atemgymnastik), früh binasaler CPAP
2
Eigene Notizen
32 Kapitel 2 · Neonatologie
Eigene Notizen
2
4 Bronchodilatatoren, inhalative Steroide (sparen systemische Steroide) 4 Diuretika, systemische Steroide (cave; frühe postnatale Gabe → schwere neurologische Schäden) 4 hochkalorische Ernährung (ca. 130 kcal/kg KG) 4 dosiert überwachte O2-Gabe nach Sättigungsgrenzen 4 > Memo schwerer Verlauf bei pulmonalen Infektionen im Kindesalter → konsequente Impfung vor Entlassung und Sicherstellung des weiteren Impfverlaufes (Pneumokokken, Haemophilus, RSV)
2.3.8
Psychomotorische Retardierung
4 je unreifer ein Frühgeborenes, desto höher Risiko für gesundheitliche Beeinträchtigung (z. B. Asthma), Retardierung, kognitive Beeinträchtigung, psychische Störung (Angststörung), Teilleistungsstörung (Lese-/ Rechtschreibschwäche) oder ADHS
Klinik 4 oft erst im Schulalter (ADHS, kognitive Defekte) oder Pubertät (metabolisches Syndrom)
Diagnostik 4 auf (ehemalige) Frühgeborene spezialisierte Ambulanzen (interdisziplinärer Kontakt)
Therapie 4 Frühförderung (neuromuskuläre Stimulation, Elternintegration, Krankengymnastik, Ergotherapie, psychosoziale Hilfestellungen)
2.4
Neonatale Lungenerkrankungen
2.4.1
Mekoniumaspirationssyndrom (MAS)
4 symptomatische Aspiration von Mekonium 5 fetale Stresssituation (Hypoxie, Ischämie) → Hyperperistaltik des Darmes + Analsphinktererschlaffung → Mekoniumabgang ins Fruchtwasser → Aspiration ins bronchioalveoläre System ante-/ peripartal → Verlegung Atemwege (Hypoxie) + Überblähung einzelner Lungenabschnitte (Emphysem, Gefahr Pneumothorax) + herabgesetzte Compliance + sekundäre Surfactant-Inaktivierung (Atemnotsyndrom) + chemische Pneumonie (Inflammation) 5 mekoniumhaltiges Fruchtwasser häufig (10% aller Neugeborenen); nur 5% davon entwickeln MAS 5 Risikofaktoren: protrahierter Geburtsverlauf, Infektion, Plazentainsuffizienz, Übertragung, mütterliche Erkrankungen (Diabetes mellitus, Hypertonie), Wachstumsretardierung
33 2.4 · Neonatale Lungenerkrankungen
Klinik
Eigene Notizen
4 Zeichen der Asphyxie, Tachy-/Dyspnoe oder hypotones, schlaffes apnoeisches Kind 4 gelb-grün bis erbsbreiartiger Farbton (Haut, Fingernägel, Nabelschnur) 4 grobblasige Rasselgeräusche, Hypoperfusion, Schock
Therapie 4 Intubation und Tracheallavage, Surfactant-Gabe bei sekundärer Inaktivierung, Verlegung auf Intensivstation 4 schonende Beatmung, Sedierung, Maßnahmen zur Verringerung der pulmonalen Hypertension (inhalative Stickstoff-Monoxid-Beatmung); unter diesen Maßnahmen: Prognose deutlich verbessert 4 ggf. Antibiotika 4 in schweren Fällen extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO)
2.4.2
Transitorische Tachypnoe
4 verzögerte Resorption von Fruchtwasser (Synonym: Flüssigkeitslunge) 5 Risikofaktoren: (Wunsch-)Sectio am wehenlosen Uterus, mütterlicher Diabetes, mütterliche Analgesie
Klinik 4 vorübergehende (maximal 72 h andauernde) Tachydyspnoe, Stridor 4 geringer, nicht stark progredienter O2-Bedarf
Diagnostik 4 Ausschluss neonatale Pneumonie, ggf. Vitium cordis, Fehlbildung 4 Röntgen: zentrale Verdichtung/Überblähung in der Lungenperipherie
Therapie 4 O2-Gabe, bei Tachypnoe CPAP (Abpressen der Flüssigkeit), Sondieren statt Anlegen (Aspirationsgefahr)
2.4.3
2
Pneumothorax
4 breites Spektrum, vom asymptomatischen Mantel- zum Spannungspneumothorax 5 hoher PEEP → alveoläre Überblähung + Dystelektasen → Einreißen der Alveolarmembran → druckwirksame Ansammlung im Pleuraspalt → Spannungspneumothorax. 5 Risikofaktoren: MAS, Atemnotsyndrom, Zwerchfellhernie, Pneumonie, Fehlbildungen 4 ! Cave Beim atem-/kreislaufinsuffizienten Neugeborenen unter Reanimation an Pneumothorax denken, häufiger akuter Notfall auf Intensivstation!
34 Kapitel 2 · Neonatologie
Eigene Notizen
2
Klinik 4 rasch progrediente Tachydyspnoe, CO2-Retention, O2-Bedürftigkeit 4 rasche Bradykardie, Schock
Diagnostik 4 Diaphanoskopie (Transillumination mit Kaltlichtlampe) 4 falls genügend Zeit: Röntgen: fehlende Lungenzeichnung, Mediastinalverlagerung 4 unsicher: Herztonverlagerung, abgeschwächtes Atemgeräusch
Therapie 4 sofortige Pleurapunktion, spätere Pleuradrainage
2.4.4
Lungenhypoplasie
4 gestörte Organanlage und/oder Reifungsstörung 5 nach Ahydramnion bei Blasensprung <21. SSW 5 Vorkommen bei Nierenagenesie (Potter-Sequenz), neuromuskulären Erkrankungen (Myasthenia gravis), Akinesiesyndromen, Hirnfehlbildungen, Skeletterkrankungen 5 pränatale Entwicklung oft ungehindert 5 postnatal bei Gefäßrarefizierung rasche Entwicklung einer persistierenden pulmonalen Hypertension (PPHN), oft infauste Prognose
Klinik 4 pränatal unerkannt → progrediente kardiorespiratorische Insuffizienz 4 meist im Kreißsaal bereits beidseits Pneumothoraces 4 Aspekt: schmaler, glockenförmiger Thorax
Diagnostik 4 pränatale Sonographie: Fruchtwassermenge, Lungenwachstumskoeffizienten
Therapie 4 Entbindung in Perinatalzentrum, differenzierte Beatmungsstrategien 4 ggf. Behandlung von Grundkrankheit und PPHN
2.4.5
Zwerchfellhernie
4 gestörte Zwerchfellentwicklung mit Lücke ohne Bruchsack 4 Beginn 8. SSW → Bauchorganverlagerung in Thorax → Lungenhypoplasie unterschiedlicher Ausprägung. Pränatale Gesamtentwicklung häufig unbeeinträchtigt 4 4/10.000 Geburten; 90% linksseitig, Wiederholungsrisiko 2% 4 Lücke rechts (schlechtere Prognose): Herniation von Leber und Darm 4 Lücke links: Herniation von Magen, Darm, Milz 4 Überlebensrate je nach Zentrum zwischen 50 und 85%
35 2.4 · Neonatale Lungenerkrankungen
Klinik
Eigene Notizen
4 bei fehlender Pränataldiagnostik: Differenzialdiagnose atem-/kreislaufinsuffizientes Neugeborenes 4 Verlagerung der Herztöne, Auskultation von Darmgeräuschen thorakal (unsicher) 4 eingesunkenes Abdomen
Diagnostik 4 pränatale Sonographie und NMR-Untersuchung zur Risikoabschätzung (»Head-to-lung«-Ratio) → Pränatalzentrum (mit Kinderchirurgie und ggf. mit ECMO) zur geplanten Entbindung 4 Röntgen postnatal: fehlendes Zwerchfell, Enterothorax
Therapie 4 drei Phasen 5 I. präoperative Stabilisierung J elektive Sectio, primäre Intubation (intrathorakaler Darm soll sich nicht mit Luft füllen) J lungenschonende Beatmungsverfahren, Verringerung PPHN J Ausschluss weitere Fehlbildungen J ggf. ECMO (extrakorporale Membranoxygenierung) 5 II. Korrekturoperation J Rückverlagerung Abdominalorgane, Verschluss (direkt oder mit Muskel-, Dacronpatch) J bei großer Lücke mehrere Operationen, bei kleiner Lücke ggf. minimalinvasiv 5 III. postoperative Rekonvaleszenz (Schwerpunkt Therapie PPHN)
2.4.6
2
Persistierende pulmonale Hypertension des Neugeborenen (PPHN)
4 fehlendes/verzögertes Absinken des Widerstandes im Lungengefäßsystem → reversible PPHN, Inzidenz ca. 3:1000 Lebendgeburten, Mortalität bis 20% 5 Risikofaktoren J rarefizierte Gefäßarchitektur: Lungenhypoplasie, -fehlbildungen, Zwerchfellhernie J pulmonale Vasokonstriktion: Asphyxie, Azidose, Hypothermie, Infektion, Mekoniumaspirationssyndrom 4 Prognose abhängig Grundkrankheit
Klinik 4 graublaues Hautkolorit, deprimiertes Kind 4 Schock, arterielle Hypotension 4 Endstrecke vieler neonatologischer Notfallsituationen
36 Kapitel 2 · Neonatologie
Eigene Notizen
2
Diagnostik 4 transkutane Sauerstoffmessung: Sättigungsdifferenz prä- und postduktale Sonde (Rechts-links-Shunt über offenen Duktus) 4 Echokardiographie: Bestimmung Shunt-Volumina, Druckmessung/ -quotienten, Vorhofgröße
Therapie 4 Behandlung Grundkrankheit (Antibiotika, Transfusion, ggf. Pufferung) 4 Senken pulmonaler Widerstand (Sauerstoff, Stickstoffmonoxidbeatmung, ggf. Sildenafil) 4 Optimierung Lungenperfusion (Katecholamine, Volumengaben)
2.4.7
Neonatale Pneumonie
4 bakterielle/(virale) Infektion des Neugeborenen, häufigste Form der Frühinfektion (s. u.) 5 intrauterine, sub- oder postpartale Ansteckung 5 Risikofaktoren: vorzeitiger Blasensprung, Beatmung, Frühgeborene, Hypotrophie
Klinik und Diagnostik 4 7 Kap. Neonatale Infektion
2.5
Neonatale Bluterkrankungen
2.5.1
Hyperbilirubinämie
4 Besonderheiten des Bilirubinstoffwechsels beim Neugeborenen 5 erhöhter Abbau: Höhere Hämoglobinkonzentration und Erythrozytenzahl + kürzere -überlebenszeit des HbF (70–90 Tage) 5 verstärkte Rückresorption durch enterohepatischen Kreislauf (verzögerte Darmpassage + fehlende Darmflora) 5 verminderte Aktivität von Transportern + Konjugation (Glukuronyltransferase) 5 verminderte Bindung unkonjugiertes Bilirubin an Albumin 5 inaktivierende Substanzen der Glukuronyltransferase in Muttermilch 4 zusätzliche Risikofaktoren 5 Erkrankungen, die die Blut-Liquor-Schranke erniedrigen → Gefahr Bilirubinenzephalopathie 5 Hypothermie, Hypalbuminämie, Azidose, Frühgeburtlichkeit
37 2.5 · Neonatale Bluterkrankungen
2
Eigene Notizen
Formen der Hyperbilirubinämie Form
Charakteristika
Typisch
Physiologischer Ikterus
Unkonjugiertes Bilirubin ca. 15 mg/dl mit Zenit 3.–6. Lebenstag, danach Rückgang
60% aller Neugeborenen, kraniokaudales Fortschreiten der Gelbsucht
Icterus praecox
Beginn 1. Lebenstag, immer pathologisch
Differenzialdiagnose Hämolyse
Icterus gravis
Anstieg > ca. 15 mg/dl beim Termingeborenen
Differenzialdiagnose Unreife
Icterus prolongatus
Dauer >14 Tage
Differenzialdiagnose Stoffwechsel
4 ! Cave Gesamtbeurteilung der therapiepflichtigen Hyperbilirubinämie nicht durch starre Grenzen, sondern durch Dynamik, Alter, Gewicht und Komorbiditäten, welche Blut-Liquor-Schranke beeinflussen
Klinik 4 Haut- und Sklerenikterus 5 Prima vista: strohgelb = Hämolyse, prähepatisch, goldgelb = intrahepatisch, physiologisch, braungelb = Gallensäuren, posthepatisch 4 Bilirubinenzephalopathie (Kernikterus): irreversible Schädigung von Basalganglien, Nucleus caudatus, Hypothalamus, Hirnnervenkernen und Großhirnrinde durch lipophiles, unkonjugiertes Bilirubin → Schädigung des neuronalen Stoffwechsels, bei gestörter Blut-Hirn-Schranke tritt auch ans Albumin gebundenes Bilirubin über 5 Frühsymptome: Apathie, Hypotonie, Trinkschwäche, Erbrechen, abgeschwächte Reflexe 5 intermediär: schrilles Schreien, vorgewölbte Fontanelle, Opisthotonus, zerebrale Krampfanfälle 5 Spätfolgen: Taubheit, choreoathetoide Bewegungsmuster, mentale Retardierung
Diagnostik 4 Abklärung Ausmaß und individuelle Interventionsgrenzen (Dokumentation in Nomogramm) 5 leichte Verläufe: Serielle transkutane (unblutige) Messung 5 Bestimmung Bilirubinfraktionen: unkonjugiert, konjugiert 4 Abklärung Hämolyse 5 Ausschluss Blutgruppeninkompatibilität: Mütterliche (+ ggf. kindliche) Blutgruppe 5 Hämatokrit (Anämie), Laktatdehydrogenase (Zellzerfall), Retikulozyten, Erythroblasten (Kompensationsmechanismen; Differenzialblutbild) 4 Abklärung hepatotrope Organismen: TORCH (Mutterpass), Leberenzyme, spezifische Diagnostik
38 Kapitel 2 · Neonatologie
Eigene Notizen
2
4 Abklärung Stoffwechseldefekte: Neugeborenenscreening (Glukose-6Phosphatdehydrogenase, Pyruvatkinase, Hypothyreose) 4 ggf. Abklärung Membrandefekte, Hämoglobinopathien jenseits der Neonatalperiode (wenn HbF → HbA) 4 bei konjugierter Hyperbilirubinämie (häufig Icterus prolongatus): intra-/ extrahepatische Gallengangsatresie (-hypoplasie), Galaktosämie, Tyrosinämie, α1-Antitrypsinmangel, zystische Fibrose, Folge parenteraler Ernährung
Diagnostische Einteilung Hyperbilirubinämie Entstehung
Konjugiertes Bilirubin
Unkonjugiertes Bilirubin
Keine Hämolyse
Hämolyse
Prähepatisch
Normal
Stark erhöht
Physiologisch Muttermilchikterus Criggler-Najjar-Syndrom M. Meulengracht Hypothyreose Polyglobulie Geburtstraumata Membran-/Enzymdefekte
Blutgruppeninkompatibilität (Rhesus-, AB0-System u. a.) Sepsis
Intrahepatisch
Erhöht
Erhöht
Infektion durch hepatotrope Organismen: Hepatitis, CMV, EBV, HIV, TORCH Parenterale Ernährung
Posthepatisch
Stark erhöht
Leicht erhöht
Cholestase (intra-/extrahepatisch)
Therapie 4 Flüssigkeit (enteral vor parenteral) 4 Abführen (Unterbrechung enterohepatischer Kreislauf) 4 Phototherapie: blaues Licht, Wellenlänge 445 nm → Isomerisierung → ohne Glukuronidierung Ausscheidung über Galle und Urin (Nebenwirkungen Diarrhö, Temperaturinstabilität und Dehydratation, deshalb Monitoring), geringer Lampenabstand, ggf. mehrere Lampen, bei erhöhtem konjugierten Bilirubin nicht indiziert 4 Ultima ratio: Austauschtransfusion
2.5.2
Morbus haemolyticus neonatorum
4 Hämolyse kindlicher Erythrozyten durch diaplazentar übertretende mütterliche Antikörper (IgG) nach mütterlicher Sensibilisierung gegen Erythrozytenantigene (Rhesus, AB0, Kell, Duffy etc.) 4 Inkompatibilität Rhesus-System (CDE)
39 2.5 · Neonatale Bluterkrankungen
5 häufig Mutter Rh d-, Vater Rh D+, Kind Rh D+; durch mütterliche Anti-D-IgG-Prophylaxe (28. SSW und <72 h nach Geburt) → 95% vermeidbar 5 Sensibilisierung durch Schwangerschaft, Abort, Abruptio → Boosterung in der nächsten Schwangerschaft mit T-Zellhilfe 4 Inkompatibilität AB0-System 5 häufig Mutter 0, Kind A oder B; Differenzierung von A- und B-Eigenschaften im späten III. Trimenon → Frühgeborene wenig betroffen, Hämolyse geringer, kann bereits beim 1. Kind auftreten
Klinik 4 Hyperbilirubinämiefolgen 5 Icterus praecox → strohgelb, in Ausprägung oft unterschätzt (Anämie + Hyperbilirubinämie) → Kernikterus 4 Anämiefolgen 5 extramedulläre Blutbildung (Leber, Milz, Röhrenknochen) → Hepatosplenomegalie, aufgetriebene Knochen, Erythroblastose → Knochenmarkinsuffizienz, Leberversagen 5 Anämie → niedriger onkotischer Druck → Hypoxie, Azidose → Mehrhöhlenergüsse, Hypotonie → Hydrops congenitus (»Wasserklops«)
Diagnostik 4 pränatal 5 indirekter Coombs-Test (Schwangerschaftsvorsorge): Fähigkeit mütterlicher Antikörper, Schafserythrozyten zu lysieren 5 fetale Ultraschalldiagnostik: Anämiezeichen (Dopplersonographie) 5 Nabelschnurpunktion: fetale Hämoglobinbestimmung 4 postnatal 5 Direkter Coombs-Test (Kind): direkter Nachweis von inkompletten mütterlichen Antikörpern auf kindlichen Erythrozyten 5 Anämie-/Hyperbilirubinämiediagnostik (s. o.)
Therapie 4 pränatal: ab 24. SSW (nach Induktion Lungenreife) mehrmals intrauterine Transfusion über Nabelschnur in Sectio-Bereitschaft (geringe Gefahr: Frühgeburtsinduktion); erhebliche Verbesserung der Prognose durch diese Maßnahme 4 postnatal: intensivierte Phototherapie, ggf. Austauschtransfusion; Vollbild des (pränatal nicht bekannten) Hydrops fetalis ist neonatologischer Notfall → Intubation, Pleuradrainagen, Austauschtransfusion; schlechte Prognose
2
Eigene Notizen
40 Kapitel 2 · Neonatologie
Eigene Notizen
2
2.5.3
Anämie
4 > Memo Hauptursache der Frühgeborenenanämie ist die iatrogene Blutentnahme, oft in Kombination mit zu hohen Entnahmevolumina → »intelligente Blutentnahme«. 4 Absinken des Hämatokrits (HK) unter Referenzwert (1. Lebenstag HK <40%) 5 Ätiologie J gestörte Bildung (virale/bakterielle Infektionen) J verzögerte Reifung (Blackfan-Diamond) J gesteigerte Hämolyse (Inkompatibilitäten, Sepsis) J Blutverlust (vorzeitige Plazentalösung, Nabelschnurabriss) 5 frühes Auftreten: Fetale Blutung bei Gefäßabrissen, fetomaternale/ fetofetale Transfusionssyndrome, fetale Hämolyse bei Inkompatibilitäten, Glukose-6-Phosphatdehydrogenase-Mangel 5 spätes Auftreten: Blutentnahmen, Blutentnahmen, Blutentnahmen, chronische Blutungen, Trimenonreduktion
Klinik 4 akut: Tachypnoe, fadenförmiger Puls, Schnappatmung, Schockzeichen ! Cave Kolorit kann noch rosig sein → Hämatokrit vor Dilution noch »normal« 4 chronisch: Blässe, fehlendes Gedeihen, schwaches Trinkverhalten, niedrige Körpertemperatur, Zeichen extramedullärer Blutbildung (Hepato-/ Splenomegalie, Bürstenschädel)
Diagnostik 4 venöser Hämatokrit, MCV (mittleres korpuskuläres Volumen), Retikulozyten (Produktion), Laktatdehydrogenase (Hämolyse), Blutgruppe + Coombs-Test (Mutter) 4 nächste Schritte (da seltener): Suche nach Hämoglobinopathien
Therapie 4 akuter Verlust: sofortige Transfusion aus Notfallkonserve (bestrahlt, Blutgruppe 0, Rh-negativ) 4 chronischer Verlust: späteres Abnabeln von Frühgeborenen, frühzeitige Eisensubstitution, in Einzelfällen Erythropoetin 5 strenge Indikation: Transfusion (Erythrozytenkonzentrat, bestrahlt, blutgruppenidentisch CMV-negativ)
2.5.4
Polyglobulie
4 Ansteigen des Hämatokrits über Referenzwert (Hämatokrit >65%) 5 Überschreiten des rheologischen Optimums → Stase, Mikrothromben → Hyperviskositätssyndrom mit Zirkulationsstörungen, Hypoperfusion, Ischämie
41 2.5 · Neonatale Bluterkrankungen
5 gefährdet »letzte Wiesen«: germinale Matrix und mesenteriale Venenendstrecken ! Cave oft übersehen (da Kind »gute Hautfarbe« hat) und unterschätzt 4 Ätiologie 5 erhöhte intrauterine Blutbildung: fetale Hypoxie, Wachstumsretardierung, maternaler Diabetes, Trisomie 21 5 Transfusion: fetofetales Transfusionssyndrom Akzeptor, verspätete Abnabelung 5 erhöhter Flüssigkeitsverlust: Übertragung, Hyperthermie, fehlende Flüssigkeitszufuhr
Klinik 4 rotes, plethorisches Kolorit, gleichzeitig verzögertes kapilläres Refill 4 Belastungszyanose, Lethargie, Hypotonie, Organkomplikationen (Krampfanfälle, nekrotisierende Enterokolitis) 4 Thrombozytopenie, Hypokalzämie, Hypoglykämie
Diagnostik 4 Blutbild (venöser Hämatokrit am sensitivsten) 4 Bilirubin (Icterus gravis) 4 Elektrolyte, Blutzucker
Therapie 4 Flüssigkeit (enteral/parenteral) 4 symptomatisches Hyperviskositätssyndrom oder Hämatokrit >75%: »Aderlass« (Hämodilution; modifizierte partielle Austauschtransfusion)
2.5.5
Morbus haemorrhagicus neonatorum
4 Blutungsneigung in den ersten Lebenstagen (Gipfel 3.–7. Lebenstag) bzw. -wochen aufgrund Vitamin-K-Mangels 5 niedrige Vitamin-K-Spiegel in Muttermilch ! Cave besonders bei Phenobarbital, Salizylate + erniedrigte Leberenzymaktivität + kaum vorhandene Darmflora → Vitamin-K-Mangel 5 Lokalisation: Haut-, Schleimhäute, Nebennieren, Hirn 5 betroffen: gesunde, gestillte Neugeborene; potenziell lebensbedrohlich (1:200 Neugeborene ohne Prophylaxe), durch Prophylaxe vermeidbar
Klinik 4 Hämatemesis, Meläna (Differenzialdiagnose verschlucktes mütterliches Blut) 4 Hämorrhagien, Nabelschnurblutungen
2
Eigene Notizen
42 Kapitel 2 · Neonatologie
Eigene Notizen
2
Diagnostik 4 klinische Organkomplikationen 4 verlängertes Nachbluten bei Blutentnahme 4 Verlängerung von partieller Thromboblastinzeit, Thrombin-, Blutungszeit 4 Erniedrigung der Faktoren II, VII, IX und X
Therapie 4 akute Blutung: Substitution von »fresh frozen plasma«, Blutprodukten und Vitamin K i.v. 4 Prophylaxe: Vitamin K s.c., i.m. oder p.o. postnatal, am 5. und 28. Lebenstag
2.5.6
Thrombozytopenie
4 Absinken der Blutplättchen unter Referenzwert (<150.000/μl) 4 häufigste Störung des neonatalen Blutbildes; häufigste Gerinnungsstörung 5 mütterliche Ursachen J immun-thrombozytopenische Purpura J (oft nicht bekannter) Lupus erythematodes J Alloimmunthrombozytopenie (fetomaternale Thrombozytenunverträglichkeit in Analogie zur Rh-Inkompatibilität; 1:3000 J plazentare Insuffizienz 5 kindliche Ursachen J herabgesetzte Produktion: Hypotrophie J erhöhter Verbrauch: Hämangiome, Kasabach-Merritt-Syndrom, nekrotisierende Enterokolitis J Sequestration: Infektion; Kombination (»Late-onset«-Sepsis) J gestörter Aufbau (Wiskott-Aldrich-Syndrom; männliche Neugeborene)
Klinik 4 trotz niedriger Thrombozytenzahlen oft symptomlos → Zufallsbefund 4 Petechien, Purpura, Schleimhaut-, Nebennieren-, Hirnblutungen
Diagnostik 4 Ausschluss Infektionen, Systemerkrankungen 4 Bestimmung Thrombozytenzahl, -volumen (reduziert bei WiskottAldrich-Syndrom), Megakaryozyten 4 Nachweis spezifischer Thrombozytenmerkmale und Antikörper bei Eltern und Kind
Therapie 4 Beurteilung Verlauf (Plazentainsuffizienz: Nadir 5. Lebenstag) 4 Blutung und Thrombozytenzahl <50.000/μl sofortiges (plasmareduziertes) Thrombozytenkonzentrat
43 2.6 · Neonatale Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts
4 »minimal handling« 4 Alloimmunthrombozytopenie: mütterlicher Einzelspender + Immunglobuline
2.6
Neonatale Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts
2.6.1
Gastroschisis
4 Bauchwanddefekt, in 95% rechts des Nabels
Klinik 4 mediane Bauchspalte, fehlender Bruchsack, offener Vorfall von Darmanteilen
Diagnostik 4 Sonographie Pränataldiagnostik 4 postnataler Aspekt 5 freiliegendes, meist distendiertes, mit Fibrin belegtes Darmschlingenkonvolut 5 kleine Bruchpforte → Durchblutungsstörung mit atretischen, hypoperistaltischen Arealen, teils kombiniert mit Mal-/Nonrotation
Therapie 4 Entbindung in Perinatalzentrum mit kinderchirurgischer Expertise 4 Planung des Entbindungszeitpunktes via primäre Sectio caesarea 5 »maximale Reife« versus »minimale Organschädigung«; abhängig Volumenentwicklung der Darmschlingen und Verkleinerung der Bruchpforte intrauterin 4 postnatal Stabilisierung: Abdeckung der Darmschlingen mit feuchten Kompressen, steriler Verband, offene Magenablaufsonde 4 Operation innerhalb der ersten 24 Lebensstunden 5 schrittweiser Verschluss oder einzeitige Rückverlagerung 5 postoperativ langsamer Kostaufbau, da häufig Motilitäts-/Passagestörungen
2.6.2
Omphalozele
4 Nabelschnurhernie, Bruchsack aus Nabelgefäßen und Bauchorganen (Leber, Darm, Magen) 5 1:5000 Geburten; kein bekannter Erbgang 5 Assoziationen: Herzfehler, Cantrell-, Pätau- (Trisomie 13), Edwards-Syndrom (Trisomie 18), Triploidie 5 Prognose: abhängig von Größe und Begleitfehlbildungen, Kostaufbau oft schwierig
2
Eigene Notizen
44 Kapitel 2 · Neonatologie
Eigene Notizen
2
Klinik 4 Nabelschnurhernie mit medianer Bruchsackvorwölbung, enthält amnionüberhäutete Abdominalorgane
Diagnostik 4 pränatale Sonographie 4 postnataler Aspekt: Bruchsack variabler Größe
Therapie 4 7 Kap. Gastroschisis 4 chirurgischer Verschluss nicht zwingend sofort (außer Ruptur) 4 Direktverschluss wird angestrebt, bei größeren Defekten Interponate (hoher intraabdomineller Druck)
Vergleich Gastroschisis und Omphalozele Kriterium
Gastroschisis
Omphalozele
Situs
Darm frei außerhalb der Bauchhöhle im Fruchtwasser Bauchhöhle offen, Peritonitisgefahr
Geschlossener Bruchsack (Amnion und Peritoneum)
Gestationsalter
50–70% FG
10% FG
Geschlecht
m<w
m=w
Ätiologie
Gefäßfehlbildung der Bauchwand?
Mittelliniendefekt, fehlende (physiologische) Rückbildung Nabelschleife
Prolabierte Organe
Alle Abdominalorgane
Meist Leber- und Darmanteile
Begleitfehlbildungen (bestimmen Prognose)
Selten
Häufig (40% Vitien, Trisomien)
Hypothermiegefahr
Hoch
Gering
Darmentwicklung
Ab 34. SSW Darm ödematös, verdickt, fibrinüberzogen, livide, verklebt (Pannus), ggf. assoziierte Mal-/Nonrotationen
Normal bei intakter Zele
2.6.3
Nekrotisierende Enterokolitis (NEC)
4 transmurale nekrotisierende Entzündung 4 häufigster gastrointestinaler Notfall bei Neu- und Frühgeborenen: ca. 5–10% <1500 g; Mortalität 10–50% 4 Zeitpunkt des Auftretens: je früher Gestationsalter, desto später Manifestation
45 2.6 · Neonatale Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts
4 Hauptursache für Kurzdarmsyndrom im Kindesalter 5 Ausbreitung disseminiert fleckförmig bis kontinuierlich, assoziiert mit aeroben, anaeroben Bakterien und Viren (Rota) 5 Ungleichgewicht von protektiven und schädigenden Substanzen, vier pathogene Elemente: Darmwandhypoxie + potenziell pathogene Bakterien + Substrat (enterale Ernährung) + intestinale Vasokonstriktion 4 Folge: Ischämie, Nekrose, Durchwanderungsperitonitis → septischer Schock 5 Risikofaktoren: arterielle Hypotension, Atemnotsyndrom, Hypothermie, Katheter, fehlende oder zu rasch gesteigerte orale Nahrungszufuhr, Sepsis, persistierender Ductus arteriosus
Klinik 4 unspezifische Symptome 5 Lethargie, Apnoen/Bradykardie 5 marmoriertes Kolorit, Temperaturinstabilität, verlängertes Refill 4 gastrointestinale Symptome 5 geblähtes Abdomen, zunehmender Bauchumfang 5 nahrungsunabhängiges Erbrechen, Magenreste 5 Blut im Stuhl; blutiger Mageninhalt 5 angezogene Beine, glänzende/gerötet, stehende Darmschlingen 5 Flankenrötung, fehlende Darmgeräusche 4 Infektionszeichen: Granulozytopenie (besonders nach Perforation), CRP-/IL-6 Anstieg
Diagnostik 4 Röntgen/Sonographie 5 stadienhafte Einteilung (nach Bell) mit verdickten Darmwänden, Pneumatosis intestinalis, Aeroportogramm 5 bei Perforation Pneumoperitoneum (»football sign«) oder Luft zwischen Leberrand und Peritoneum (Linksseitenlage) 4 Differenzialdiagnose: Mekoniumileus, angeborene Fehlbildungen spontane intestinale Perforationen
Therapie 4 konservativ: Nahrungspause, Magenablaufsonde, parenterale Ernährung, Antibiotika, supportive Therapie (Intensivstation) 4 chirurgisch: Nach Perforation (Enterostoma) nachfolgend Umfüllen der Nahrung 4 Prophylaxe: Muttermilch, standardisierter Kostaufbau, Risikoreduktion (s. o.), ggf. Probiotika
2
Eigene Notizen
46 Kapitel 2 · Neonatologie
Eigene Notizen
2
2.6.4
Mekoniumileus
4 mechanischer Darmverschluss des distalen Ileums bei Verstopfung mit Mekonium 5 in 90% Erstsymptom der zystischen Fibrose: Ausfall Chloridkanal + fehlende Pankreasenzyme → Verlegung Lumen → Ileus 5 ! Cave Neugeborene mit Mekoniumileus auf zystische Fibrose testen. Aber: Nur 10% der Patienten mit zystische Fibrose haben Mekoniumileus.
Klinik 4 Entwicklung über Tage 5 fehlender Mekoniumabgang, distendiertes Abdomen, ggf. NECZeichen 5 galliges Erbrechen, mechanischer Ileus, Ikterus
Diagnostik 4 Palpation (perlschurartige Mekoniumballen) 4 Röntgen nativ + Kontrastmittel: proximal erweiterte Darmschlingen, distal Mikrokolon, bei intrauteriner Perforation: Verkalkungen
Therapie 4 konservativ (osmotisch abführende Maßnahmen) 4 chirurgisch (bei Perforation): Anus-praeter-Anlage, vorsichtiger Kostaufbau, ggf. Pankreasenzyme 4 Differenzialdiagnose: Ileus anderer Genese (Duodenalstenose-/atresie, »double bubble«), Volvolus, Malrotationen
2.7
Metabolische Störungen in der Neonatalzeit
2.7.1
Hypoglykämie
4 Blutzuckerspiegel <35 mg/dl am 1. Lebenstag und <45 mg/dl ab 2. Lebenstag 4 häufigste metabolische Störung (20% hypotrophe Neugeborene, 50% Kinder diabetischer Mütter) 4 ! Cave Gehäufte, schwere Hypoglykämien können zu Anfallsleiden, neurologischen Störungen und Mikrozephalie führen; empirisch geprüfte Grenzwerte existieren nicht. Aggressive Behandlung von Hypoglykämien kann diese Schäden verhindern. 4 Ätiologie 5 verminderte Glykogenspeicher (Hypotrophie, Mehrlinge, Frühgeborene) 5 anaerobe Glykolyse (Hypoxie, Asphyxie, Schock, Sepsis, Polyglobulie) 5 Hyperinsulinismus (Fetopathia diabetica, Nesidioblastose, GlukoseBolusgaben)
47 2.7 · Metabolische Störungen in der Neonatalzeit
5 hormonelle Störung (Nebenniereninsuffizienz, -blutung) 5 Defekte Glukoneogenese (Galaktosämie) 5 Insulinresistenz (Hypotrophie und mangelndes Gedeihen)
Klinik 4 ca. 30% symptomlos 4 Apnoe, Zittrigkeit, Hyperexzitabilität, Krampfanfälle, Hypotonie, Trinkschwäche, Apathie, Koma
Diagnostik 4 Blutzuckerbestimmung bei Risikokindern (s. o.): regelmäßige Intervalle (z. B. Kinder diabetischer Mütter in den ersten 72 Lebensstunden)
Therapie 4 Behandlung von Schwangeren mit Diabetes in Zentren, Entbindung in Kliniken mit Neonatologie 4 Frühfütterung (ggf. Formula, 12 Mahlzeiten/Tag) 4 ausgeprägte Hypoglykämien: Glukose-Bolusgabe mit anschließender Glukose-DTI 5 Besonderheit: Fetopathia diabetica (Hypertrophie, Oreganomegalie, Septumhypertrophie, Hyperinsulinismus, Atemnotsyndrom, Fehlbildungen, kaudale Regression)
2.7.2
Hypokalzämie
4 Serumkalzium <1,8 mmol/l 5 ausbleibende hohe intrauterine Kalziumzufuhr + passagerer Hypoparathyreoidismus oder erhöhter Kalzitoninspiegel → Hypokalzämie 5 Auslöser: Asphyxie, Frühgeburtlichkeit, Hypotrophie, Polyglobulie, Hypomagnesiämie 5 Frühform: Gipfel 1.–3. Lebenstag
Klinik 4 oft asymptomatisch 4 Tremor, Hyperexzitabilität, Kloni (selten Chvostek-Zeichen)
Diagnostik 4 Bestimmung Gesamtkalzium, ionisiertes Kalzium, Magnesium, ggf. Parathormon 4 Persistenz: Ausschluss DiGeorge-Syndrom (T-Zellmangel, Hypoparathyreoidismus, Herzfehler) 4 EKG-Kontrolle (QRS-Verbreiterung)
Therapie 4 Substitution (ggf. auch Mg)
2
Eigene Notizen
48 Kapitel 2 · Neonatologie
Eigene Notizen
2
2.7.3
Neonatale Krampfanfälle
4 hypersynchrone Aktivität zerebraler Neurone → abnorme motorische oder vegetative Aktivität → Steigerung intrazellulärer Energieumsatz, Glukoseverbrauch, Durchblutung 4 Lokalisation meist subkortikal, unabhängig vom Fokus meist generalisiert klonischer Ablauf 4 idiopathisch (Ausschlussdiagnose, ca. 25%) versus symptomatisch (sekundärer Störungen, s.u.)
Klinik 4 Kloni, Tonuserhöhung im Wachzustand 4 Bulbusbewegungen, starrer Blick, Blinzeln, orale Automatismen, Kauen, Schmatzen, Gähnen 4 Extremitäten: Rudern, Treten 4 autonome Reaktion: Blutdruckanstieg, Tachykardie 4 Apnoe (im Gegensatz zu Apnoe-Bradykardie oft Tachykardie)
Diagnostik 4 Beschreibung des Ereignisses, Ausschluss benigner Myoklonien (durchbrechbar nach Änderung der Schlaftiefe) 4 Ausschluss sekundäre Störungen: Blutentnahme, Lumbalpunktion, EEG 5 Metabolismus: Hypoglykämie, Hypokalzämie, -magnesiämie, -natriämie 5 Infektion: Meningoenzephalitis (bakteriell, viral): Liquor IL-6, Zellzahl, Herpes-PCR 5 intrakranielle Blutung: Sonographie 5 hypoxisch-ischämische Enzephalopathie (HIE): Anamnese, NMR 5 Hirninfarkt (meist A. cerebri media), Sinusvenenthrombose: NMR 5 angeborene Stoffwechseldefekte (Neugeborenenscreening, Ammoniak, Laktat, Blutzucker, pH, Basenexzess) 5 Fehlbildungen (meist Migrationsstörungen), Trauma 5 Vitamin-B6-Mangel 4 EEG (früh postiktal) ! Cave nicht alle Neugeborenenkrämpfe im EEG detektierbar 4 NMR mit Diffusionswichtung (Ischämie, Infarkt) 4 Differenzialdiagnose benigne Myoklonien
Therapie 4 nach Ausschluss Hypoglykämie/Hypokalzämie Antikonvulsiva (Phenobarbital, Vitamin B6) 4 bis Ausschluss infektiöser Ursachen: Antibiotika (Meningitisdosis)/ Aciclovir 4 > Memo Diagnostik zum Ausschluss sekundärer neonataler Krampfanfälle innerhalb von einer Stunde
49 2.8 · Neonatale Infektionen
2.8
Neonatale Infektionen
2.8.1
Bakterielle Infektionen
4 > Memo Infektion häufigste Ursache und Hauptkomplikation der Frühgeburtlichkeit 4 systemische, fulminante Entzündungsreaktion (SIRS), pränatal FIRS (»fetal inflammatory response syndrome«) mit rascher Progression zum septischen Schock 5 neonatales Immunsystem: humorale + zelluläre Komponenten + Interaktion aus Sicht der extrauterinen Welt komprommitiert → intrauterin optimale Austragung der Schwangerschaft (semiallogener Fetus) → postnatal erhöhte Infektionsbereitschaft (besonders Frühgeborene) 5 maternofetaler Antikörpertransport (Leihimmunität) ab ca. 30. SSW → <30. SSW Fehlen dieses »Nestschutzes« 5 Geburt = »milde Inflammationsreaktion« → diagnostische Parameter (Leukozytenzahl, Linksverschiebung) nur eingeschränkt nutzbar 4 verzögerte Diagnose/Therapie → hohes Risiko von Meningitis, Spätschäden 4 Formen 5 EOBI (»early onset bacterial infection«) ≤72 Lebensstunden: Vaginalkeime (E. coli, Streptokokken Gruppe B) → vaginale Aszension ins Fruchtwasser (z. B. bei vorzeitigem Blasensprung, Amnioninfektionssyndrom) → Aspiration durch Fetus → neonatale Pneumonie 5 LOBI (»late onset bacterial infection«) >72 Lebensstunden: häufig nosokomiale Keime ! Cave »Late-onset«-Form bei Streptokokken Gruppe B, Fremdmaterialien (Tubus, Katheter, i.v. Zugänge) → hämatogene Aussaat → Sepsis/Meningitis
Klinik 4 Kinderkrankenschwester: »Dieses Kind gefällt mir nicht«, sehr diskrete Zeichen 4 grau-blasses Hautkolorit, Tachy-/Dyspnoe, juguläre, interkostale Einziehungen 4 verlängertes kapilläres Refill >2 s, Apnoe (Meningitis) 4 Zunahme (Frequenz/Intensität) Apnoe-Bradykardie-Syndrom 4 Hypotonie, Temperaturinstabilität (Fieber nicht obligat), Schockzeichen
Diagnostik 4 klinischer Verdacht → Blutentnahme (IL-6 + CRP + Blutbild + Blutkultur) 4 ggf. Lumbalpunktion (Liquor IL-6, Bakteriologische Untersuchung, Zellzahl) 4 Konstellation Laborwerte:
2
Eigene Notizen
50 Kapitel 2 · Neonatologie
Eigene Notizen
2
5 initial (»Stunde Null«): IL-6 erhöht, CRP noch nicht erhöht, Leukozytose oder -penie (gramnegative Erreger) 5 24–48 h nach Infektionsverdacht: Bestätigung durch CRP-Erhöhung 5 Sensitivität Blutkultur gering, dennoch Abnahme
Therapie 4 klinischer Verdacht → Sofortige Verlegung in Neonatologie und kalkulierte kombinierte Antibiotikatherapie, ggf. spezifische Therapie nach Ergebnis Blutkultur 4 Prognose hinsichtlich Spätschäden umso besser, je früher Therapie 4 Therapieerfolg: Klinik + CRP-Normalisierung 4 Behandlungsdauer: <1 Woche bei blandem Verlauf, 10–14 Tage bei Sepsis, >14 Tage bei Meningitis, Osteomyelitis
Prävention 4 EOBI 5 Schwangerschaftsvorsorge: frühzeitige Diagnose eines Amnioninfektionssyndroms ggf. antibiotische Therapie, CTG-Kontrollen 5 Vaginalabstriche (z. B. Streptokokken Gruppe B) 4 LOBI 5 Hygiene Stationspersonal (Keine Ringe, Uhren, Händedesinfektion) 5 restriktive Antibiotikagaben, keine -prophylaxe 5 so wenig und kurz als möglich »Plastik« ins Kind 5 früher enteraler Kostaufbau (Vermeiden von Lipidemulsionen)
2.8.2
Virale Infektionen
4 > Memo Neben spezifischen Organkomplikationen (teratogene Periode) ist »kleinstes gemeinsames Vielfaches«: Frühgeburt (Spätabort) + Hypotrophie + Mikrozephalie 4 Abklärung bei Verdacht postnatal: Nachweis von (nicht-plazentagängigem und damit kindlichem) IgM 4 prä-/konnatal erworben 5 Röteln: Rötelnembryopathie (Katarakt, Innenohrschwerhörigkeit,H erzfehler) 5 Herpes simplex: lokal (gruppierte Bläschen), Enzephalitis (35%), systemisch 5 Varizella Zoster: Embryopathie (Enzephalitis, hypoplastische Gliedmaßen, dermatombezogene Narben), neonatale Varizellen mit hoher Letalität 5 CMV: häufigste konnatale Infektion, 90% asymptomatisch, ansonsten Hepato-/Splenomegalie, intrazerebrale Verkalkungen, Thrombozytopenie, Retardierung 5 HIV: oft asymptomatisch, Gedeihstörung, persistierende Infektionen mit atypischen Erregern
51 2.9 · Embryofetopathien nichtinfektiöser Genese
5 Hepatitis B: perinatal erworben, Hepatomegalie, Ikterus 5 Parvovirus B19: Intrauterine Anämie bis zum fetalen Hydrops 4 postnatal erworben 5 CMV: endogene Reaktivierung einer CMV-positiven Mutter → laktogen übertragene CMV-Infektion, für Frühgeborene potenziell gefährlich (»Sepsis-like«-Syndrom, evtl. Spätschäden) →Therapie: Pasteurisierung der Muttermilch 5 Rotavirus: für Frühgeborene potenzieller Auslöser einer nekrotisierenden Enterokolitis 4 ! Cave Meningoenzephalitis bei Herpes simplex fulminant → bei anamnestisch/klinischen Hinweisen auf Infektion bis zum Ausschluss (negative Herpes-PCR im Liquor) → Aciclovir
2.8.3
Pilzinfektionen
4 lokale Form (Mund-, Analsoor): häufig Candidaspezies, Behandlung (Nystatin) lokal 4 systemische Form: Vollbild einer Candidasepsis mit Organmanifestationen (Pneumonie, Glomerulonephritis mit »fungus balls«, Nieren) 5 Risikokollektiv: unreife Frühgeborene bei langem/unkritischem Einsatz von Antibiotika
Klinik 4 oft nicht von LOBI zu unterscheiden 4 Verschlechterung klinischer Zustand + Entzündungszeichen trotz antibiotischer Behandlung
Diagnostik 4 Blutkulturen, spezielle Abstrichmedien
Therapie 4 fungistatische Langzeittherapie (z. B. Fluconazol, Amphotericin B; Spiegelkontrollen)
2.9
Embryofetopathien nichtinfektiöser Genese
2.9.1
Fetales Alkoholsyndrom (FAS)
4 Synonym: Alkoholembryopathie 4 Alkohol = Zellgift (u. a. Mitosehemmer); Schädigung auch durch Alkoholabbauprodukte 4 Embryo kann plazentagängigen Alkohol nicht abbauen 4 ca. 20–30% aller Kinder mit mütterlichem Alkoholabusus (30–80 g/d) 4 Häufigkeit 1:500–1:800
2
Eigene Notizen
52 Kapitel 2 · Neonatologie
Eigene Notizen
2
Klinik 4 4 4 4
Hypotrophie, Minderwuchs, mangelndes Unterhautgewebe mentale Retardierung, kognitive Behinderung, Mikrozephalie Verhaltensauffälligkeiten: Hyperaktivität Dysmorphiezeichen 5 Epikanthus 5 antimongoloide Lidachsenstellung, kurze Lidspalten 5 schmales Lippenrot,hypoplastisches Philtrum 5 kleines Kinn 5 hoher Gaumen, Lippen-Kiefer-Gaumenspalten 4 Skelettanomalien (Klinodaktylie) 4 Organfehlbildungen (z. B. Herzfehler )
Diagnostik 4 Alkoholkonsum der Mutter gesichert 4 zwei von drei FAS-Kriterien vorliegend: 5 vor-/nachgeburtliche Wachstumsstörungen 5 Störungen des Zentralnervensystems 5 Gesichtsveränderungen
Therapie 4 kausal nicht möglich 4 Frühförderung für Entwicklung entscheidend
2.9.2
Drogenentzug
4 gute Aufnahme und Verteilung von Morphinderivaten im fetalen Gewebe; Abhängigkeit des Neugeborenen durch mütterlichen Drogenabusus während der Schwangerschaft 4 teratogene Schädigung durch Drogenkonsum möglich (insbesondere Kokain) 4 Gefährdung 5 Kind: intrauterine Abhängigkeitsentwicklung; fetaler Entzug 5 Mutter: Entzugskomplikationen, Konsum weiterer Drogen, Mangelernährung, unzureichende medizinische Betreuung, erhöhte Inzidenz viraler Infektionen, »sexually transmitted diseases« 4 70–90% der Kinder heroinabhängiger Mütter (auch nach Methadonsubstitution) behandlungsbedürftige Entzugssymptomatik 4 Symptome 40–60 h (Heroin), 72 h bis zu 2 Wochen (Methadon)
53 2.9 · Embryofetopathien nichtinfektiöser Genese
Klinik
2
Eigene Notizen
4 . Tab. Art und Häufigkeit typischer Entzugsymptome 76–100%
25–75%
<25%
Zittrigkeit Irritabilität Hyperaktivität Muskuläre Hypertonie Kurze Schlafphasen Schrilles Schreien Übermäßiges Saugen
Trinkschwierigkeiten Erbrechen Durchfälle Niesen Tachypnoe Schwitzen
Fieber Krämpfe
4 postnatale Atemdepression, Asphyxie 5 Frühgeburtlichkeit, SGA 5 Mikrozephalus 5 transitorischer Pendelnystagmus 5 Infektionen (HIV, Hepatitis u. a.) 5 erhöhtes Risiko für plötzlichen Kindstod (Kokain 15/100, Heroin 6/1000, Methadon 10/1000)
Diagnostik 4 Ausschluss von Hypoglykämie, -kalzämie, -magnesiämie, Meningitis, Sepsis, Gastroenteritis 4 Drogennachweis im mütterlichen Urin und fetalem Urin oder Mekonium 4 Hepatitisserologie, HIV-Status 4 Finnegan-Score regelmäßig (Quantifizierung Entzugssymptome)
Therapie 4 supportive Therapie 5 Monitoring von EKG, Atmung während des Entzugs 5 orale Ernährung, viele kleine Mahlzeiten 5 Abschirmung vor exogenen Reizen 5 Hepatitisimpfung 4 medikamentöse Therapie: Phenobarbital, Tinctura opii, Morphinhydrochlorid p.o. 4 Einschaltung von Sozialdienst, Jugendamt, Pflegefamilien
3 Tag 1
3 Genetische und metabolische Erkrankungen B. Karges
3.1
Chromosomale Störungen – 56
3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.1.4 3.1.5
Trisomie 21 (Down-Syndrom) – 56 Ullrich-Turner-Syndrom – 57 Klinefelter-Syndrom – 58 Syndrom des fragilen X-Chromosoms Mikrodeletionssyndrome – 59
3.2
Störungen des Aminosäurestoffwechsels – 60
– 58
3.2.1 Phenylketonurie – 61 3.2.2 Tyrosinämien – 63 3.2.3 Störungen im Stoffwechsel verzweigtkettiger Aminosäuren und verwandte Organoazidopathien – 66 3.2.4 Andere Erkrankungen des Aminosäure stoffwechsels – 70 3.2.5 Störungen des Harnstoffzyklus – 74
3.3
Störungen des Kohlenhydratstoffwechsels – 75
3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.3.4
Kongenitaler Hyperinsulinismus – 75 Glykogenspeicherkrankheiten – 77 Störungen des Galaktosestoffwechsels – 79 Störungen des Fruktosestoffwechsels – 81
3.4
Störungen des Fettstoffwechsels – 83
3.4.1 Störungen im Fettsäuremetabolismus – 83 3.4.2 Lipoproteinstoffwechselstörungen – 84
3.5
Andere Stoffwechselerkrankungen – 88
3.5.1 Lysosomale Speicherkrankheiten – 88 3.5.2 Peroxisomale Erkrankungen – 92
56 Kapitel 3 · Genetische und metabolische Erkrankungen
Eigene Notizen
3
3.1
Chromosomale Störungen
4 Häufigkeit numerischer oder struktureller Aberrationen ca. 1:150 Lebendgeburten 4 Indikation zur Durchführung einer Chromosomenanalyse 5 angeborene komplexe Fehlbildungen 5 mentale Retardierung 5 multiple Fehlgeburten/Totgeburten 5 Störung der Geschlechtsentwicklung (z. B. atypisches Genitale, fehlende Pubertät) 5 positive Familienanamnese für chromosomale Erkrankung 4 Mortalität von Trisomie 18 und 13 im ersten Lebensjahr >90%
3.1.1
Trisomie 21 (Down-Syndrom)
4 häufigstes chromosomales Syndrom durch überzähliges Chromosom 21 4 1:700 Lebendgeborene, Inzidenz steigt mit mütterlichem Alter 4 in 95% freie Trisomie 21, in 5% Translokation, selten partielle Trisomie 4 »contiguous gene syndrome«, d. h. die dreifache Dosis mehrerer Gene einer bestimmten Chromosomenregion verursacht typische Merkmalskombination
Klinik 4 kraniofaziale Dysmorphie: mongoloide Lidachsen (80%), Epikanthus (60%), Brachyzephalie (75%), flache Nasenwurzel (70%), kurzer Hals, Makroglossie, hoher Gaumen, Dysodontie 4 Augenfehlbildungen: Brushfield-spots der Iris, Katarakt, Myopie, Glaukom 4 Skelettsystem: hypoplastisches breites Becken, kurze breite Hände, Skoliose, Kleinwuchs 4 Organfehlbildungen: Herz (40%, meist AV-Kanal), Magen-Darmtrakt (1–2%), Niere 4 mentale Retardierung (100%) 4 muskuläre Hypotonie (100%) 4 Hörstörungen 4 erhöhte Infektanfälligkeit 4 erhöhtes Risiko für Autoimmunerkrankungen (Hashimoto-Thyreoiditis, Typ-1-Diabetes) 4 erhöhte Leukämieinzidenz (10- bis 30-fach erhöht) 4 Hypogonadismus, Infertilität bei Männern, reduzierte Fertilität bei Frauen
Diagnostik 4 Chromosomenanalyse und genetische Beratung 4 Echokardiographie, Abdomensonographie (Begleitfehlbildungen)
57 3.1 · Chromosomale Störungen
4 Augenuntersuchung, Hörtest, zahnärztliche und orthopädische Untersuchung 4 Schilddrüsenfunktion (fT4, TSH) jährlich kontrollieren
Therapie 4 je nach begleitenden Fehlbildungen und Komplikationen 4 Frühförderung (Ergotherapie, Logopädie), Physiotherapie 4 soziale und psychische Unterstützung der Familie
3.1.2
Ullrich-Turner-Syndrom
4 numerische oder strukturelle Aberration des X-Chromosoms, in 50% Monosomie 45,X0, sonst Mosaike (z. B. 45,X0/46,XX) oder 46,X,i (Xq) mit primärer Ovarialinsuffizienz 4 Häufigkeit 1:2000 Mädchen
Klinik 4 Kleinwuchs > Memo Wachstumsprognose
Diagnostik 4 4 4 4
Diagnosesicherung durch Chromosomenanalyse Knochenalter (zur Wachstumsprognose) Gonadotropine LH, FSH ↑ (wegen primärer Gonadeninsuffizienz) Nierensonographie, Echokardiographie (Begleitfehlbildungen, -erkrankungen) 4 HNO-ärztliche Untersuchung incl. Audiometrie (Schalleitungs-, Innenohrschwerhörigkeit) 4 augenärztliche Untersuchung (z. B. Myopie) 4 erhöhtes Risiko für Autoimmunerkrankungen (u. a.Thyreoiditis, Zöliakie, Diabetes, Hepatitis)
Therapie 4 Östrogensubstitution zur Induktion der Pubertät, dann zyklische Östrogen/Gestagentherapie 4 Wachstumshormon s.c. zur Steigerung des Längenwachstums (führt bei frühem Beginn bis ca. 8. Lebensjahr zu einer Verbesserung der Endgröße um 8–10 cm) 4 Gonadektomie bei Nachweis eines Y-Chromosoms wegen Gonadoblastom-Risiko (12%) 4 psychologische Unterstützung der Patientin und ihrer Familie (u. a. wegen Infertilität) 4 lebensbegleitend medizinische Kontrolluntersuchungen (u. a. erhöhte kardiale Morbidität)
3
Eigene Notizen
58 Kapitel 3 · Genetische und metabolische Erkrankungen
Eigene Notizen
3
3.1.3
Klinefelter-Syndrom
4 numerische Chromosomenaberration bei Männern, Karyotyp 47,XXY (90%), Mosaike in 10% 4 Häufigkeit 1:500 Jungen 4 hypergonadotroper Hypogonadismus mit typischen Folgeerkrankungen (z. B. Osteoporose)
Klinik 4 verzögerte Pubertät, aber Diagnosestellung oft im Erwachsenenalter 4 Libido, Potenz, Bartwuchs vermindert (Hypogonadismus) 4 Hochwuchs mit langen Beinen (wegen anhaltendem Längenwachstum) 4 > Memo Leitbefund sind kleine, feste Hoden (<10 ml) mit Azoospermie (Infertilität) 4 häufig Gynäkomastie 4 sprachliche Fähigkeiten unterdurchschnittlich 4 seltener Lern- und Verhaltensstörungen 4 sekundäre Osteoporose (falls längere Zeit unbehandelt)
Diagnostik 4 4 4 4
Testosteron ↓, LH und FSH ↑ (primäre Gonadeninsuffizienz) Chromosomenanalyse bestätigt klinische Diagnose bei Diagnosestellung im Erwachsenenalter: Osteoporosediagnostik generell erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen, Mammakarzinom, Diabetes, Hypothyreose
Therapie 4 Testosteron Substitution (z. B. Depot i.m., transdermal), Ziel: komplette Virilisierung und Prävention der Osteoporose 4 bei ausgeprägter Gynäkomastie ggf. chirurgische Resektion 4 ggf. Logopädie, Therapie der Lern- und Verhaltensstörungen 4 bei manifester Osteoporose: Therapie mit Vitamin D, Kalzium und ggf. Bisphosphonat 4 meist Infertilität, in Einzelfällen erfolgreiche assistierte Reproduktion, z. B. durch intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI), Fertilitätsrate am höchsten bei Mosaik 46,XY/47,XXY
3.1.4
Syndrom des fragilen X-Chromosoms
4 mentale Retardierung assoziiert mit instabilem DNA-Fragment bei Xq27.3 4 Synonym: Martin-Bell-Syndrom 4 Häufigkeit Jungen 1:1500 (ca. 3% der männlichen geistigen Behinderung), Mädchen 1:5000 4 Ursache: Mutation im FMR1-Gen (»fragile site mental retardation 1«), Tandemamplifikation von CCG-Trinukleotid (Kopienzahl: Gesunde
59 3.1 · Chromosomale Störungen
0–50, Betroffene:200–2000), zunehmende Verlängerung der Nukeotidsequenz in Generationenfolge (instabile Mutation) → Antizipationseffekt
Klinik 4 Lernbehinderung bis schwere geistige Behinderung (IQ <60) 4 verzögerte Sprachentwicklung, Autismus 4 psychiatrische Symptome: Hyperaktivität, Impulsivität, Depression, Agressivität 4 prominente Ohren, langes Gesicht, großer Kopf, Prognathie 4 vergrößerte Hoden bei Jungen ab Pubertät 4 Hochwuchs (als Kind), überstreckbare Gelenke, teigige Hände
Diagnostik 4 DNA-Analyse mit Nachweis der CCG-Amplifikation im FMR1-Gen (CCG-Kopienzahl) 4 bei Bestätigung der Diagnose Familienuntersuchung 4 Echokardiographie (Aortenbogendilatation, Mitralklappenprolaps) 4 Röntgen linke Hand mit Bestimmung des Knochenalters (Wachstumsprognose)
Therapie 4 symptomatisch, Frühförderung (Ergotherapie, Logopädie) 4 soziale und psychische Unterstützung der Familie
3.1.5
Mikrodeletionssyndrome
4 Erkrankungen mit Verlust sehr kleiner Chromosomenbruchstücke, die durch FISH- oder DNA Untersuchungen erkannt werden 4 Häufigkeit 1:4000 (Mikrodeletion 22q11) bis 1:15.000 4 »contiguous gene syndrome«, falls mehrere benachbarte Gene von der Deletion betroffen sind 4 uniparentale Disomie: beide homologe Chromosomen werden vom gleichen Elternteil geerbt → kann zu Erkrankungen führen, wenn dadurch monoallelisch exprimierte Gene fehlen, die grundsätzlich nur auf einem elterlichen Allel (nur mütterlich/väterlich) aktiv sind (genomic imprinting), typische Beispiele sind Prader-Willi-Syndrom und Angelman-Syndrom 4 Eltern betroffener Kinder können Träger einer balanzierten Strukturaberration sein 4 Therapie: symptomatisch
3
Eigene Notizen
60 Kapitel 3 · Genetische und metabolische Erkrankungen
Eigene Notizen
3
Syndrom
Chromosomale Lokalisation
Klinik
CATCH 22 DiGeorge (DGS) Velokardiofaziales (Shprintzen, VCFS)
22q11
Cardial → Herzfehler Abnormes Gesicht Thymushypoplasie → Immundefekt Cleft Palate → Gaumenanomalien Hypokalzämie → Hypoparathyreoidismus Lernbehinderung
Williams-Beuren
7q11
Supravalvuläre Aortenstenose Hyperkalzämie Lernbehindert, expressive Sprache gut, distanzlos Charakteristisches Gesicht
Prader-Willi1
15q11.2(pat)
Muskuläre Hypotonie, Hyporeflexie Zunächst Gedeihstörung dann Adipositas Kleinwuchs Entwicklungsverzögerung, verhaltensauffällig Hypogonadismus, Skrotal-, Labienhypoplasie
Angelman2
15q11.2(mat)
Schwere geistige Behinderung, Ataxie Epilepsie, Lachanfälle
DGS: Entwicklungsdefekt der 3./4. Schlundtasche, phänotypisch Überlappung mit VCFS (→ Gaumenanomalie), breites Phänotypspektrum → FISH-Analyse (22q11) bei einem »CATCH«-Symptom erwägen 1 Deletion 15q12 (paternal) (in 70%) oder maternale uniparentale Disomie (in 25%) (→ Fehlen väterlicher Allele) 2 Deletion 15q12 (maternal) (in 70%) oder paternale uniparentale Disomie (in 3%) (→ Fehlen mütterlicher Allele)
3.2
Störungen des Aminosäurestoffwechsels
4 Enzymdefekte in Umwandlung und Abbau von Aminosäuren verursachen Anstau toxischer Metabolite, die zu Organschäden (u. a. Gehirn, Leber, Niere) führen 4 akute Symptome werden durch katabole Stoffwechsellage ausgelöst (Abbau endogener Proteine, Freisetzung von Aminosäuren z. B. bei Fasten, Infektion, Operation), abhängig von 5 spezifischer Toxizität der Metabolite bzw. Mangel an Produkt 5 Ausmaß/Dauer der Proteinzufuhr oder des endogenen Proteinabbaus bei Katabolie 5 chronisch neurologische Schäden ohne akute Entgleisung möglich 4 unterschieden werden 5 Aminoazidopathien: betreffen zytosolische Enzyme → Aminosäuren in Plasma (und Urin) ↑ 5 Organoazidopathien: Defekt mitochondrialer Enzyme, betrifft Abbau kleiner CoA-aktivierter Carbonsäuren → Analyse über Ausscheidung organischer Säuren im Urin
61 3.2 · Störungen des Aminosäurestoffwechsels
4 Manifestation in jedem Alter möglich, häufig in Neugeborenenperiode, Säuglingsalter durch 5 akutes Koma, Ataxie, Enzephalopathie 5 akute Verschlechterung oder ungewöhnlich lange Dauer eines unspezifischen Infektes 5 progrediente neurologische Symptomatik 5 Multisystemerkrankung 5 Ketonurie beim Neugeborenen, Azidose, Hypoglykämie, Hyperammonämie 4 Therapie mit speziellen Diäten 5 Proteinrestriktion (Zufuhr nicht abbaubarer/toxischer Aminosäuren reduzieren) 5 Supplementation der normal verstoffwechselten Aminosäuren (Mangel vermeiden) 5 konsequente und zuverlässige Notfalltherapie im Frühstadium der Entgleisung J Vermeidung/Umkehr einer Katabolie durch Flüssigkeits-, Energiezufuhr (Glukose, Fett) J konsequente Fortführung der Einnahme von Medikamenten (Kofaktoren, Vitamine) J spezielle Detoxifizierung 4 ! Cave Spezielle Behandlung und Notfallmaßnahmen sind nicht auf Kindesalter beschränkt und müssen lebensbegleitend angewandt werden! → Notfallausweis für jeden Patienten
3.2.1
Phenylketonurie
4 erhöhte Phenylalaninkonzentration >120 μmol/l im Plasma, Phenylalanin:Tyrosin-Ratio >3 4 entsteht in 98% durch Funktionseinschränkung der Phenylalaninhydroxylase (PAH), seltener (2%) gestörte Biosynthese oder Regeneration des PHA Kofaktors Tetrahydrobiopterin (BH4) 4 PAH-Defekt durch autosomal-rezessive Mutationen im PAH-Gen, Häufigkeit 1:10.000 4 bei PAH-Defekt Abbau von Phenylalanin (Phe) in Phenylketone → Phenylketonurie (PKU) 4 führt unbehandelt zu schwerer psychomotorischer Retardierung (Störung der Myelinisierung und kognitiver Funktionen), bei adäquater Behandlung altersentsprechende Entwicklung
3
Eigene Notizen
62 Kapitel 3 · Genetische und metabolische Erkrankungen
Eigene Notizen
3
Klinische Klassifikation der Phenylketonurie (PKU) und Hyperphenylalaninämie* Klassische PKU
Milde PKU
Milde Hyperphenylalaninämie
Enzymaktivität (PAH)
<1%
1–3%
3–10%
Phenylalanin (Phe) im Plasma vor Therapie [μmol/l]
>1200
600–1200
120–600
* Variante »BH4-responsive PKU«: Abfall der Phe-Spiegel nach BH4 Gabe → immer überprüfen! Selten Fehlen des Kofaktors BH4 → Mangel der Neurotransmitter Dopamin, Serotonin, Akkumulation von Pterinen
Klinik 4 ! Cave Neugeborene mit klassischer PKU sind unauffällig! 4 unbehandelte Kleinkinder mit PKU 5 blonde Haare, helle Haut, blaue Augen, ekzematöse Hautveränderungen 5 progredienter mentaler Entwicklungsrückstand, zerebrale Krampfanfälle, Pyramidenbahnzeichen, Muskeleigenreflexe gesteigert, Muskeltonus ↑, Hyperkinesie, verhaltensauffällig 5 Uringeruch von Phenylessigsäure (Pferdestall) 4 bei BH4-Mangel (atypische PKU) 5 infantiler Parkinsonismus mit Hypokinesie, Hypomimie, Stammhypotonie, Extremitätenhypertonie, Schluckbeschwerden mit Hypersalivation, Myoklonien, Choreoathetose, psychomotorischer Entwicklungsrückstand, Mikrozephalie
Diagnostik 4 Neugeborenenscreening am 3. Lebenstag (quantitative Phenylalanin (Phe)-Bestimmung) 4 Diagnosebestätigung durch 5 Aminosäuren (Plasma): Phe ↑, Tyrosin normal/↓ 5 Ausschluss sekundärer Ursachen (z. B. Leber-, Niereninsuffizienz, Tyrosinämie) 5 BH4-Test: BH4 20 mg/kg p.o. → Abfall von Phe um mindestens 30% nach 4–24 h 4 Mutationsanalyse (PAH-Gen) → Genotyp-Phänotyp-Korrelation, Pränataldiagnostik 4 Pterinanalyse (Urin, Liquor): Biopterin, Neopterin ↑, biogene Amine (Liquor) ↑ (→ BH4-Mangel) 4 bei BH4-Mangel: Dihydropterinreduktase-Aktivität (Erythrozyten) ↓
Therapie 4 PAH-Defekt ohne BH4-Sensitivität 5 phenylalaninfreie Säuglingsnahrung (z. B. PKU-Mix®, P-AM Analog®)
63 3.2 · Störungen des Aminosäurestoffwechsels
4 4
4
4
5 nach Abfall von Phe <360 μmol/l → phenylalaninarme Diät J wenig Muttermilch oder Säuglingsnahrung im Wechsel mit phenylalaninfreier Milch J vegetarische Diät (Meiden von Fleisch, Fisch, Milchprodukten) 5 Eiweißsubstitution mit phenylalaninfreiem Aminosäuregemisch (z. B. PKU®, P-AM®, angereichert mit Tyrosin, Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen) PAH-Defekt mit BH4 Sensitivität: BH4 10–15 mg/kg/d Ziele: Plasmaphenylalanin (aus Kapillarblut, zunächst täglich, dann wöchentlich/monatlich) 5 1.–10. Lebensjahr: 40–240 μmol/l 5 11.–16. Lebensjahr: 40–900 μmol/l 5 >16 Jahre: <1200 μmol/l 5 Schwangerschaft: 120–360 μmol/l 5 Therapiebeginn innerhalb der ersten 2 Lebenswochen (so früh wie möglich) 5 möglichst strenge Einhaltung der lebensbegleitenden Therapie 5 bei maternaler PKU: strenge Diäteinstellung vor und während der Schwangerschaft bei BH4 Mangel 5 zusätzlich Neurotransmittervorstufen L-Dopa, Carbidopa, 5-OH Tryptophan substituieren 5 bei Dihydropterinreduktasemangel ist BH4 wirkungslos → Therapie mit phenlyalaninarmer Diät, Neurotransmittervorstufen, Folinsäure → Kontrolle über Neurotransmitter im Liquor ! Cave BH4-Stoffwechselstörung vor Therapiebeginn ausschließen, da sonst trotz diätetischer PKU Behandlung schwere neurologische Störungen auftreten.
3.2.2
Tyrosinämien
Transitorische Tyrosinämie des Neugeborenen
4 betrifft 0,2–10% der Neugeborenen, häufig Frühgeborene 4 vorübergehender Tyrosin-Anstieg im Plasma durch Unreife von Leberenzymen 4 wird begünstigt durch proteinreiche Ernährung (>3 g/kg/d) 4 meist asymptomatisch, gelegentlich Trinkschwäche, Spontanmotorik ↓, Lethargie 4 Phenylalanin (positives Neugeborenenscreening!) und Tyrosin (Plasma) ↑ 4 Therapie: Verminderung der Proteinzufuhr, Vitamin C 200–400 mg/d (Enzyminduktion) 4 Spontanheilung meist innerhalb eines Monats
3
Eigene Notizen
64 Kapitel 3 · Genetische und metabolische Erkrankungen
Eigene Notizen
3
Tyrosinämie Typ 1
4 Defekt der Fumarylazetoazetathydrolase (FAH), autosomal-rezessiv erblich 4 Häufigkeit 1:100.000, häufiger in Bevölkerung französischen Ursprungs in Quebec (1:1900) 4 Akkumulation hepatotoxischer Metabolite, erhöhte Ausscheidung von 5-Aminolävulinsäure
Klinik 4 akute oder chronische Lebererkrankung (Erbrechen, Ikterus, Hepatomegalie, Ödeme, Aszites, Hypoglykämie, Gerinnungsstörung) → Leberzirrhose, terminales Leberversagen 4 Gedeihstörung, Wachstumsrückstand, Rachitis (renal-tubuläre Funktionsstörung) 4 periphere Neuropathie und neurologische Krisen (porphyrieähnlich)
Diagnostik 4 Aminosäuren (Plasma): Tyrosin ↑, Methionin ↑ 4 organische Säuren (Urin, Plasma): Sukzinylazeton ↑ 4 Phorphyrine (Urin): 5-Aminolävulinsäure ↑ (Hemmung der Porphobilinogensynthese) 4 Leberfunktionsstörung: Transaminasen ↑, Gerinnungsstörung, Protein ↓, BZ ↓, Bilirubin ↑ 4 α-Fetoprotein ↑ (hepatozelluläres Karzinom im Kleinkind-, Schulalter) 4 Hyperaminoazidurie, Glukosurie, Hyperphosphaturie (Fanconi-Syndrom) 4 Enzymaktivität (Leber, Fibroblasten) 4 Mutationsanalyse (FAH-Gen) 4 Pränataldiagnostik möglich (Chorionzottenbiopsie, Fruchtwasseranalyse, Genetik)
Therapie 4 NTBC [2-(2-Nitro-4-Trifluoro-Methylbenzoyl)-1,3-Cyclohaxandion], ein Herbizid, hemmt die 4-Hydroxyphenylpyruvat-Dioxygenase und verhindert so die Bildung der toxischen Metabolite 4 Diät: tyrosinarm, phenylalaninarm, methioninarm (NTBC führt zur Hypertyrosinämie) 4 > Memo Lebertransplantation seit Einführung der NTBC Therapie meist nicht notwendig Tyrosinämie Typ II (okulokutane Tyrosinose)
4 seltener autosomal-rezessiver Defekt der Zytosol-Tyrosinaminotransferase (TAT) in Leber 4 Akkumulation von Tyrosin in Plasma und Liquor 4 > Memo Manifestation an Haut und Augen, Kornealläsion durch kristalline Tyrosinablagerung
65 3.2 · Störungen des Aminosäurestoffwechsels
Klinik 4 Haut: palmare und plantare, schmerzhafte, nicht juckende Hyperkeratosen (in 80%) 4 Augen: korneale, herpetiforme Erosionen und Ulzerationen → Photophobie, Tränen, Rötung 4 als neurologische Komplikation evtl. mentale Retardierung
Diagnostik 4 Aminosäuren (Plasma): Tyrosin ↑↑ >1200 μmol/l 4 organische Säuren (Urin): 4-Hydroxyphenylpyruvat, -laktat und -azetat ↑ 4 Enzymaktivität (Lebergewebe) 4 Mutationsanalyse (TAT-Gen)
Therapie 4 Diät: tyrosin- und phenylalaninarm → Abheilen der kornealen und kutanen Läsionen 4 früher Therapiebeginn (Ziel: Tyrosin <600 μmol/l) kann mentale Retardierung verhindern Alkaptonurie
4 Defekt der Homogentisinsäureoxidase, autosomal-rezessiv erblich 4 Homogentisinsäure entsteht im Stoffwechsel von Phenylalanin und Tyrosin 4 typische Trias: Homogentisinurie (→ braunrote Verfärbung des Urins), Ochronose, Arthritis
Klinik 4 Nachdunkeln des Urins bei alkalischem pH (Oxidation, Polymere der Homogentisinsäure) 4 Ochronose: Dunkelfärbung von Cerumen, Knorpel, Skleren, Kornea, Konjunktiven 4 Arthitis (erst im Erwachsenenalter, durch Ablagerung toxischer Metabolite)
Diagnostik 4 organische Säuren (Urin): Homogentisinsäure ↑
Therapie 4 proteinarme Diät
3
Eigene Notizen
66 Kapitel 3 · Genetische und metabolische Erkrankungen
Eigene Notizen
3.2.3
Störungen im Stoffwechsel verzweigtkettiger Aminosäuren und verwandte Organoazidopathien
Ahornsirupkrankheit
3
4 Synonyme: Leuzinose, »maple sirup urine disease« (MSUD) 4 Defekte im Dehydrogenase-Enzymkomplex der α-Ketosäuren der verzweigtkettigen Aminosäuren Leucin, Isoleucin und Valin, werden autosomal-rezessiv vererbt 4 Störung der oxidativen Decarboxylierung führt zur Akkumulation der Amino- und Ketosäuren in allen Organen und Körperflüssigkeiten > Memo Uringeruch wie Ahornsirup oder Maggi 4 ausgeprägte neurologische Symptomen bei Neugeborenen 4 Häufigkeit 1:150.000
Klinik Klinische Symptome der Ahornsiruperkrankung Formen
Symptome
Klassisch
In erster Lebenswoche rasch progrediente neurologische Symptome mit Trinkschwäche, Erbrechen, Somnolenz, muskuläre Hyper-/Hypotonie, Krampfanfälle Süßlich-würziger Geruch von Urin, Schweiß, Zerumen Schwere Ketoazidose
Mild/intermediär*
Rezidivierendes Erbrechen, Gedeihstörung Progrediente psychomotorische Retardierung, Ataxie Meist keine Ketoazidose
Intermittierend*
Episodenhafte metabolische Entgleisung bei Katabolie (Infekt, Operation) oder nach proteinreichen Mahlzeiten → in Krise wie klassische Form Meist unauffällige psychomotorische Entwicklung ! Cave wird im Neugeborenen Screening nicht immer erkannt
* »Thiamine-responsive« Variante: Thiamingabe führt zu klinischer und biochemischer Besserung
Diagnostik 4 Neugeborenenscreening am 3. Lebenstag (Leucin ↑, Isoleucin ↑, Alloisoleucin ↑) 4 schwere metabolische (Keto-)Azidose, Hypoglykämie 4 Aminosäuren (Plasma, Urin): Leucin ↑, Isoleucin ↑, Valin ↑; Alloisoleucin ↑ (spezifisch) 4 organische Säuren (Urin): α-Ketosäuren der verzweigtkettigen Aminosäuren ↑
Therapie 4 akute Krise 5 Proteinzufuhr stoppen, hochdosierte Glukoseinfusion mit Insulin
67 3.2 · Störungen des Aminosäurestoffwechsels
5 Entfernung toxischer Metabolite durch forcierte Diurese und/oder Hämofiltration 5 Therapieversuch mit Thiamin 10 mg/d 4 Dauertherapie 5 eiweißarme Diät, Substitution leucin-, isoleucin-, valinfreier Aminosäuremischungen 5 bei Thiaminsensitivität Thiamin 10–800 mg/d 4 Prognose gut bei Therapiebeginn vor 5. Lebenstag und konsequenter Therapie 4 ! Cave bei katabolen Situationen (z. B. Infekt, Operation) Gefahr von Ketoazidose und Hirnödem Klassische Organoazidopathien
4 autosomal-rezessiv erbliche Störungen im Abbau von Leucin, Isoleucin, Valin betrifft 5 Methylmalonyl-CoA-Mutase → Methylmalonazidurie (MMA) 5 Propionyl-CoA-Carboxylase → Propioanazidurie (PA) 5 Isovaleryl-CoA-Dehydrogenase → Isovalerianazidurie (IVA) mit »Schweißfußgeruch« 4 kumulative Häufigkeit der Enzymdefekte 1:10.000 4 Akkumulation organischer Säuren 5 hemmt Pyruvatdehydrogenase (→ Laktatazidose) 5 Veresterung mit Carnitin (→ Aycl- bzw. Isovaleryl-Carnitin ↑, sekundärer Carnitinmangel) 5 hemmt Pyruvatcarboxylase (→ Hypoglykämie) 5 hemmt Acetylglutamatsynthetase (→ Hyperammonämie → Hirnödem)
Klinik Klinische Einteilung der Methylmalonazidurie*,+, Propionazidurie+ und Isovalerianazidurie# Manifestationsformen
Symptome
Neonatal, akut
In ersten Lebenstagen Trinkschwäche, Erbrechen, Hepathopathie, muskuläre Hypotonie, Somnolenz, Koma, Multiorganversagen
Chronischintermittierend
bei katabolem Stoffwechsel (z. B. Infektion, Operation) metabolische Krisen mit Azidose, Hyperammonämie, im Intervall asymptomatisch
Chronischprogredient
Gedeihstörung, muskuläre Hypotonie, psychomotorische Entwicklungsretardierung, rezidivierende Infekte
* »Vitamin-B12-responsive« Varianten beachten! # IVA in 50% akute Manifestation, sonst intermittierender Verlauf. + !Cave auch bei optimaler Therapie kann bei metabolischem Stress eine Ketoazidose auftreten! Extrapyramidale Bewegungsstörungen und Krampfanfälle häufig trotz sorgfältiger Therapie!
3
Eigene Notizen
68 Kapitel 3 · Genetische und metabolische Erkrankungen
Eigene Notizen
3
Diagnostik 4 Neugeborenenscreening am 3. Lebenstag (Azylcarnitine ↑ bzw. Isovaleryl-Carnitin ↑) 4 metabolische (Laktat-)Azidose, Hypoglykämie, Hyperammonämie, Ketonurie 4 organische Säuren (Urin): spezifische Metabolite 4 Aminosäuren (Plasma): Glycin ↑, Alanin ↑ 4 Carnitinstatus (Plasma): Azylcarnitine ↑ bzw. Isovalerylcarnitin ↑, freies Carnitin ↓ 4 Blutbild: Anämie, Neutropenie, Thrombopenie 4 Enzymaktivität (Fibroblasten) fakultativ 4 Mutationsanalyse fakultativ 4 Komplikation: tubulointerstitielle Nephritis → chronisches Nierenversagen
Therapie 4 Akuttherapie 5 Proteinzufuhr stoppen, hochdosierte Glukosezufuhr mit Insulin 5 Toxinentfernung: forcierte Diurese, Carnitin i.v., Glycin (bei IVA) i.v., ggf. Hämofiltration 4 Dauertherapie 5 eiweißarme Diät, leucinfrei bei IVA, Substitution nicht betroffener Aminosäuren 5 Carnitin 100 mg/kg/d > Memo bei Infekten, Durchfall, Erbrechen Dosis verdoppeln! 5 Glycin bei Isovalerianazidurie 5 Hydroxycobalamin bei Vitamin-B12-abhängiger Methylmalonazidurie 4 > Memo Prognose abhängig von Schwere und Häufigkeit der Hyperammonämie → frühzeitige Diagnose und Therapie senken Mortalität und Inzidenz neurologischer Symptome Glutarazidurie Typ 1
4 Störung im Abbau von Lysin, Hydroxylysin, Tryptophan, autosomalrezessiv erblich 4 Defekt der Glutaryl-CoA-Dehydrogenase (GCDH) 4 führt zu schwerer enzephalopathischer Krise, irreversible Schädigung des Striatums 4 Inzidenz 1:100.000 4 Akkumulation von Glutarsäure, 3-Hydroxyglutarsäure, Glutatonsäure (renale Ausscheidung) 4 sekundärer Carnitinmangel durch Veresterung von Glutaryl-CoA zu Glutarylcarnitin
Klinik 4 Makrozephalie (progredientes Schneiden der Perzentilen nach oben) 4 frontotemporale Hirnatrophie mit Flüssigkeitsansammlung (Hygrome) und Hämatomen ! Cave wichtige Differenzialdiagnose bei Verdacht auf Kindesmisshandlung
69 3.2 · Störungen des Aminosäurestoffwechsels
4 zunächst normale Entwicklung, bei Katabolie (z. B. Infekt, Fasten) im 3.–36. Lebensmonat: 5 akute enzephalopathische Krise mit irreversiblem Verlust statomotorischer Fähigkeiten, extrapyramidalen Bewegungsstörungen ! Cave kaum metabolische Symptome/Befunde
Diagnostik 4 Neugeborenenscreening am 3. Lebenstag (Glutarylcarnitin ↑) 4 organische Säuren (Urin): Glutarsäure, 3-Hydroxyglutarsäure, Glutaconsäure ↑ 4 Carnitinstatus (Plasma): freies Carnitin ↓, Glutarylcarnitin ↑ 4 Sonographie, MRT des Schädels: frontotemporale Hirnatrophie, Kleinhirnatrophie, gestörte Myelinisierung, Hypodensität der Basalganglien, subdurale Hygrome 4 Mutationsanalyse (GCDH-Gen) → Standardverfahren zur Diagnosesicherung 4 Enzymaktivitätsmessung (Leukozyten, Fibroblasten), falls Mutationsnachweis nicht eindeutig
Therapie 4 Notfalltherapie und präventiv z. B. bei Infekt, Operation 5 Proteinzufuhr stoppen, hochdosierte Glukoseinfusion mit Insulin 5 L-Carnitin i.v. (entfernt toxische Metabolite) 4 Dauertherapie 5 lysinarme Diät (vegetarisch) 5 Substitution lysinfreier, tryptophanarmer Aminosäuremischung 5 L-Carnitin p.o. 5 versuchsweise Baclofen, Diazepam zur Milderung neurologischer Symptome 4 > Memo frühe Therapie kann enzephalopathische Krise und schwere Behinderung verhindern! Biotinidasemangel
4 autosomal-rezessiv erblicher Defekt verhindert im intermediären Stoffwechsel die Verfügbarkeit des Vitamins Biotin → fehlende Aktivität multipler Carboxylasen 4 Unterscheidung in 5 Biotinidasemangel (fehlende Wiedergewinnung von freiem Biotin), Häufigkeit 1:60.000 J Manifestation im späten Säuglings-, Kleinkindalter (»late onset«) J Biotinzufuhr in Nahrung (Hefe, Sojamehl, Hafer, Reiskleie, Eigelb) verzögert Symptome 5 Holocarboxylasemangel (fehlende Biotinylierung der Carboxylasen) J Manifestation im frühen Säuglingsalter (»early onset«)
3
Eigene Notizen
70 Kapitel 3 · Genetische und metabolische Erkrankungen
Eigene Notizen
3
Klinik 4 akut: muskuläre Hypotonie, Krampfanfälle, Koma 4 chronischer Verlauf mit progredienter psychomotorischer Entwicklungsverzögerung 4 Hautveränderungen (Ekzeme, Alopezie) 4 Optikusatrophie, Keratokonjunktivitis 4 Innenohrschwerhörigkeit
Diagnostik 4 Neugeborenen Screening am 3. Lebenstag (Biotinidaseaktivität ↓) 4 akut: metabolische (Laktat-)Azidose, NH3 ↑ 4 Diagnosebestätigung durch Messung der Enzymaktivität (Plasma, Fibroblasten) 4 organische Säuren (Urin): spezifische Metabolite ↑
Therapie 4 Biotin Tabletten 5–20 mg/d
3.2.4
Andere Erkrankungen des Aminosäurestoffwechsels
Störungen des Glycinstoffwechsels
4 autosomal-rezessiver Defekt im Glycin spaltenden Enzymkomplex in Leber und ZNS, Akkumulation von Glycin in Plasma, Liquor (nichtketotische Hyperglyzinämie) 4 sekundär bei anderen Stoffwechseldefekten z. B. Organazidurie (ketotische Hyperglyzinämie)
Klinik Klinische Symptome der nicht-ketotischen Hyperglyzinämie Manifestationsform
Symptome
Neonatal (80%)
Am 2. Lebenstag schwerste epileptische Enzephalopathie mit Reflexverlust Progrediente neurologische Erkrankung, mentale Retardierung, Mikrozephalie
Late-onset-Form (20%)
Neurologische Symptome im Kleinkind-, oder Jugendalter
Diagnostik 4 Aminosäuren (Plasma, Urin, Liquor): Glycin ↑, Ratio Liquor/PlasmaGlycin ↑↑ (>0,04) 4 organische Säuren (Urin): Ausschluss ketotische Hyperglycinämie 4 EEG: »Burst-suppression«-Muster 4 Enzymaktivität (Leber) 4 Mutationsanalyse (Multienzymkomplex besteht aus 4 Proteinen, kodiert durch 4 Gene)
71 3.2 · Störungen des Aminosäurestoffwechsels
Therapie
3
Eigene Notizen
4 experimentell (Natriumbenzoat eliminiert Glycin, Glycinrezeptorblockade (ZNS) mit Strychnin, Benzodiazepine, Blockade glutaminerger Rezeptoren mit Dextromethorphan und Ketamin) 4 bei neonataler Form schlechte Prognose trotz Therapie Homozystinurie
4 Defekt der Zystathionin-β-synthetase (CBS), autosomal-rezessiv erblich 4 Kollagenstörung durch Akkumulation von Homozystein → Bindegewebsläsionen, Thrombozytenadhäsivität ↑ 4 Häufigkeit 1:200.000
Klinik 4 bei Geburt unauffällig, progrediente charakteristische Symptome oft erst ab Schulalter (. Tab.)
Charakteristische klinische Zeichen der Homozystinurie Organ
Symptome und Befunde
Auge
Linsenluxation, Glaukom, Myopie
Skelett
Osteoporose, Hochwuchs (marfanähnlich), Arachnodaktylie, Skoliose
Gefäße
frühzeitig Arteriosklerose, Thromboembolien
ZNS
Psychomotorische Entwicklungsverzögerung, psychiatrische Auffälligkeiten, Epilepsie
Diagnostik 4 Aminosäuren (Plasma): Gesamthomozystein ↑, Methionin ↑, Zystin ↓; Homozystein (Urin) ↑ 4 Enzymaktivität (Fibroblasten) 4 Mutationsanalyse (CBS-Gen) 4 Pränataldiagnostik aus Amnionzellen oder Chorionzotten (Enzymaktivität, Mutationsanalyse)
Therapie 4 Ziel: Normalisierung des Gesamthomozysteins (Plasma) 4 Vitamin B6: in ca. 50% gutes Ansprechen auf hochdosiertes Vitamin B6 (300–900 mg/d) 4 Folsäure 4 methioninarme Diät, Substitution von Zystin, Betain (remethyliert Homozystein in Methionin)
72 Kapitel 3 · Genetische und metabolische Erkrankungen
Eigene Notizen
3
Zystinurie
4 renal-tubuläre (und duodenale) Transportstörung der dibasischen Aminosäuren Ornithin, Arginin, Lysin, Zystin, autosomal-rezessiv erblich 4 gestörte Rückresorption der Aminosäuren im proximalen Tubulus → Ausscheidung im Urin 4 Zystin ist schlecht wasserlöslich (Löslichkeitsgrenze 1250 μmol/l bei pH 7,5) → Kristallisation im sauren Milieu, Nephrolithiasis 4 Häufigkeit ca. 1:7000
Klinik 4 Nierensteine im Kleinkindalter, akute Nierenkolik, Hämaturie, Pyurie
Diagnostik 4 Aminosäuren (Urin): Zystin, Ornithin, Arginin, Lysin ↑ 4 Sonographie der Nieren und ableitenden Harnwege
Therapie 4 hohe Flüssigkeitszufuhr auch nachts, Urinalkalisierung (Zitrat, Bikarbonat) → Ziel: Senkung der Zystinkonzentration bzw. Erhöhung der Löslichkeit zur Verhinderung der Nephrolithiasis 4 D-Penicillamin oder Mercaptopropionylglycin → bildet besser lösliches Disulfid mit Zystin 4 Nierensteine → Lithotripsie oder operative Entfernung Zystinose
4 4 4 4
Störung des lysosomalen Zystintransports autosomal-rezessiv erblich, Cystinosin-(CTNS-)Genmutation Häufigkeit 1:50.000 bis 1:100.000 intrazelluläre Zystinakkumulation → Niereninsuffizienz (nephropathische Zystinose) 4 Speicherung von Zystin im retikuloendothelialen System zahlreicher Gewebe 4 infantile, late-onset und adulte (benigne) Formen je nach Manifestationsalter
Klinik 4 im 1. Lebensjahr Gedeihstörung mit Appetitlosigkeit, Erbrechen, Fieber, Polyurie, Polydipsie 4 Vitamin-D-refraktäre Rachitis, Wachstumsverzögerung 4 Photophobie, Zystinkristalle in Kornea und Konjunktiven (Spaltlampenuntersuchung) 4 Dehydratation und Hypokaliämie können bei Infekten zu schweren Stoffwechselkrisen führen 4 terminale Niereninsuffizienz innerhalb der ersten 10 Lebensjahre 4 spätere Organmanifestationen: Hypothyreose, Diabetes mellitus, Hypogonadismus
73 3.2 · Störungen des Aminosäurestoffwechsels
4 progressive distale Myopathie (ab 30. Lebensjahr, beginnt mit Atrophie der Handmuskulatur) 4 selten neurologische Defizite (Verlust des Kurzzeitgedächtnisses, Psychosen)
Diagnostik 4 bei klinischem Verdacht (Wachstumsstörung, Polydipsie) → Urinuntersuchung: Glukosurie 4 Hypokaliämie, Hyponatriämie, Hypophosphatämie, Hyperurikämie, metabolische Azidose 4 renales Fanconi-Syndrom: Hyperaminoazidurie, Glukosurie, Phosphaturie, Bicarbonatverlust mit renaler Azidose, zusätzlich Hyperkalziurie, Proteinurie, Hyperkaliurie bei Polyurie 4 augenärztliche Untersuchung: Spaltlampe (Zystinkristalle), Funduskopie (Pigmentstörung) 4 Zystinkonzentration in Leukozyten ↑↑ (spezifisch) 4 Mutationaanalyse (Cystinosin-(CTNS-)Gen) 4 Pränataldiagnose: Zystingehalt in Chorionzotten oder Mutationsanalyse
Differenzialdiagnose 4 renales Fanconi-Syndrom (proximal tubuläre Dysfunktion) durch hereditäre Stoffwechselstörungen 5 Zystinose 5 Galaktosämie 5 hereditäre Fruktoseintoleranz 5 Tyrosinämie Typ 1 5 Glykogenose 5 Lowe-Syndrom 5 Mitochondriopathie 5 M. Wilson
Therapie 4 symptomatische Behandlung der tubulären Dysfunktion 5 freier Zugang zu Getränken (oft >6 l/d) 5 hohe Vitamin D Dosen notwendig 5 keine Kalziumsubstitution wegen Hyperkalziurie 4 Cysteamin (10)–50 mg/kg/d → bindet Zystin, verhindert terminales Nierenversagen 4 bei Niereninsuffizienz Hämodialyse und Nierentransplantation 4 Sonnengläser und 0,5%-ige Cysteamin Augentropfen 4-mal täglich vermindern Photophobie
3
Eigene Notizen
74 Kapitel 3 · Genetische und metabolische Erkrankungen
Eigene Notizen
3
3.2.5
Störungen des Harnstoffzyklus
4 verschiedene Enzymdefekte → Hyperammonämie, lebensbedrohlich im Neugeborenenalter 5 Carbamoylphosphatsynthetase (CPS) 5 Ornithincarbamoyltransferase (OCT) 5 Argininsukzinatsynthetase (AS) → Citrullinämie 5 Argininosukzinatlyase (AL) → Argininbernsteinsäurekrankheit 5 Arginase → Argininämie 5 N-Azetylglutamat-Synthetase (NAGS) 4 Harnstoffzyklus wichtig für Elimination von Stickstoff, metabolisiert Ammoniak zu Harnstoff 4 Glutamin ↑ bei unzureichender Harnstoffsynthese → Astrozytenschwellung, Hirnödem 4 Häufigkeit 1:10.000, autosomal-rezessiv erblich (nur OCT-Defekt Xchromosomal rezessiv)
Klinische Symptome des Harnstoffzyklusdefektes Manifestationsalter
Symptome
Neugeborene
Ab 2. Lebenstag Enzephalopathie mit Trinkschwäche, Erbrechen, Somnolenz, Irritabilität, Tachypnoe, Krampfanfälle, Koma (oft Fehldiagnose Sepsis!)
Säuglinge/Kleinkinder
Bei erhöhter exogener Proteinzufuhr oder Katabolie (z. B. Infekt, Operation): Nahrungsverweigerung, Erbrechen; Entwicklungsverzögerung, Ataxie
Jugendliche
Bei hoher Proteinzufuhr oder Katabolie: akute Enzephalopathie Chronische neurologische oder psychiatrische Symptome
bei ausbleibender Therapie → Koma, Hirnödem im Intervall meist keine Symptome, häufig mentale Retardierung bei Arginasedefekt: spastische Diplegie (Differenzialdiagnose zur infantilen Zerebralparese)
Diagnostik 4 Hyperammonämie (1.–5. Tag ≥150 μmol/l, 1. Monat ≥100 μmol/l, danach ≥50 μmol/l) 4 Aminosäuren (Plasma, Urin): Glutamin ↑, spezifisches Muster für jeweiligen Enzymdefekt 4 organische Säuren (Urin): Orotsäure ↑, spezifische Metabolite 4 Enzymaktivität (Lebergewebe) 4 Mutationsanalyse
Differenzialdiagnose 4 organische Azidurie (z. B. Propionazidurie, Methylmalonazidurie) 4 Hyperinsulinismus-Hyperammonämie-Syndrom
75 3.3 · Störungen des Kohlenhydratstoffwechsels
4 Störung im Transport oder Oxidation von Fettsäuren 4 Leberfunktionsstörung
Therapie 4 Notfalltherapie: bei NH3 >200 μmol/l 4 Prinzip 5 Proteinzufuhr stoppen, hochdosierte Glukoseinfusion (6–8 mg/kg/ min) mit Insulin 5 medikamentöse Entgiftung des Ammoniaks mit Natriumbenzoat (eliminiert Glycin), Phenylbutyrat (bindet Glutamin) 5 Substitution von L-Arginin (nicht bei Arginasemangel) 5 L-Carnitin (Substitution und Ausscheidung pathologischer Acetylcarnitine) 5 forcierte Diurese, ggf. Hämodialyse (falls NH3 >400 μmol/l) 4 Dauertherapie: Ziel → Anabolie aufrechterhalten 5 eiweißarme Diät, Substitution essenzieller Aminosäuren, L-Arginin, L-Citrullin 5 Natriumbenzoat und/oder Phenylbutyrat 5 Kontrollparameter: NH3 <150 μmol/l, Arginin (Plasma) 80–200 μmol/l, Glutamin <800 μmol/l 4 ! Cave hohe Neurotoxizität von Ammoniak → bei hyperammonämischem Koma schwere irreversible Gehirnschäden, bei rechtzeitiger Therapie (z. B. Geschwister) bessere Prognose
3.3
Störungen des Kohlenhydratstoffwechsels
3.3.1
Kongenitaler Hyperinsulinismus
4 häufigste Ursache persistierender Hypoglykämien im frühen Kindesalter 4 während Hypoglykämie Insulin (Plasma)↑, freie Fettsäuren ↓, Ketonkörper ↓ 4 transitorisch bei mütterlichem Diabetes mellitus, Medikamenteneinnahme der Mutter in der Schwangerschaft (z. B. Tokolytika) oder bei Beckwith-Wiedemann Syndrom 4 Ursachen eines persistierenden Hyperinsulinismus 5 diffuse β-Zell Hyperplasie (in 60%) infolge autosomal-rezessiv vererbter Mutation im Sulfonylharnstoff Rezeptor (SUR1)-Gen oder KIR6.2.-Gen (ATP-sensitiver Kaliumkanal) 5 seltener fokal adenomatöse Pankreashyperplasie (somatische Mutation) 5 milder Hyperinsulinismus bei heterozygoter aktivierender Mutation im Glukokinase- oder Glutamatdehydrogenase (GLDH)-Gen (Hyperinsulinismus-Hyperammonämie-Syndrom)
3
Eigene Notizen
76 Kapitel 3 · Genetische und metabolische Erkrankungen
Eigene Notizen
Klinik 4 Hypoglykämie: zerebraler Krampfanfall, Apnoen, Zittrigkeit, Trinkschwäche, Somnolenz 4 bei neonataler Form: Makrosomie
3
Diagnostik 4 Hypoglykämie <45–50 mg/dl (<2,5–3 mmol/l) 4 Insulin (Plasma) >2 μU/ml bei Glukose (Plasma) <50 mg/dl, Insulin (μU/ml)/Glukose (mg/dl) Quotient >0,5, (fehlende Suppression der Insulinsekretion durch Hypoglykämie) 4 extrem gesteigerter Glukosebedarf >10 mg/kg/min für Blutzucker 45– 55 mg/dl (2,5–3,0 mmol/l) 4 β-Hydroxybutyrat (Plasma) ↓, freie Fettsäuren (Plasma) ↓ (→ Insulin hemmt Lipolyse!) 4 Glukagontest (30 μg/kg s.c. oder i.m.): Plasmaglukose steigt um >30 mg/ dl (>1,5 mmol/l) 4 C-Peptid (↑ bei endogenem Hyperinsulinismus, supprimiert bei exogener Insulinzufuhr) 4 (18)F-DOPA-PET (Pankreas): unterscheidet fokale oder diffuse Adenomatose
Differenzialdiagnose 4 Wachstumshormonmangel: IgF-1 ↓ 4 Kortisolmangel: Kortisol ↓, ACTH ↑/↓ 4 Aminosäurestoffwechselstörung: organische Säuren (Urin), Acylcarnitin (Plasma) 4 Defekte der Glukoneogenese: Laktat ↑ 4 Fettsäureoxidationsstörung: freie Fettsäuren ↑ und β-Hydroxybutyrat ↓ 4 Glutamatdehydrogenase-Aktivierung: Ammoniak ↑
Therapie 4 Ziel: Vermeidung hypoketotischer Hypoglykämien ! Cave kindliches Gehirn ist durch Hypoglykämie besonders gefährdet → irreversible psychomotorische Retardierung 4 Glukosezufuhr 5 hochdosierte altersabhängige intravenöse Glukosezufuhr (zentraler Zugang) 5 orale Glukosezufuhr: häufige, kleine Mahlzeiten, Dauersondierung von Oligosacchariden (Maltodextrin®), Glukosepolymer (Dextroneonat®), ungekochter Maisstärke (Mondamin®) 4 medikamentös 5 Glukagon 5–10 μg/kg/h iv (1–4 mg/d), alternativ: subkutane Glukagoninfusion (Pumpe) 5 Diazoxid 10–15 mg/kg/d (bei gesichertem Hyperinsulinismus) 5 bei Nichtansprechen auf Diazoxid: Octreotid (Somatostatin Analogon) oder Nifedipin 4 chirurgisch
77 3.3 · Störungen des Kohlenhydratstoffwechsels
5 Pankreatektomie ([sub-]/total) bei diffuser β-Zell Hyperplasie ohne Euglykämie (6 h Fasten) 5 Enukleation bei fokaler Adenomatose 4 Kontrolle von Wachstum und psychomotorischer Entwicklung 4 ggf. Therapie des Diabetes mellitus
3.3.2
Glykogenspeicherkrankheiten
4 synonym: Glykogenose, »glycogen storage disease«, GSD 4 Enzymdefekte oder Störung der Transportproteine des Glykogen- und Glukosestoffwechsels 4 zytoplasmatische und/oder lysosomale Ablagerung von Glykogen 4 Unterteilung in Leber- und Muskelglykogenosen (insgesamt 12 verschiedene Formen) 5 Leberglykogenose GSD-I-, -II-, -III-,- IV-, -VI-, IX-Varianten) charakterisiert durch J Hepatopathie J Hypoglykämie J sekundäre Veränderungen im Lipid- und Harnsäurestoffwechsel 5 Muskelglykogenosen (GSD II, III, V, VII, IX-Varianten) mit J Symptomen der Skelett- und/oder Herzmuskulatur 4 Prävalenz aller Formen ca. 1:20.000, autosomal-rezessiv erblich, Ausnahme: Phosphorylasekinase Mangel (GSD IX) wird X-chromosomal vererbt 4 bekannte Gene der betroffenen Enzym- und Transportproteine → Mutationsanalyse möglich 4 häufigste Enzymdefekte 5 in Kindheit: GSD Ia (Glukose-6-Phosphatase), GSD II (α-Glukosidase), GSD III (Glykogen-debranching-Enzym), GSD IX (LeberPhosphorylasekinase) 5 bei Jugendlichen und Erwachsenen: GSD V (Myophosphorylase)
Klinik 4 vorgewölbtes Abdomen infolge ausgeprägter Hepatomegalie im Alter von 4–18 Monaten 4 Hypoglykämie (geringste Nüchterntoleranz bei GSD I, 2 h postprandial), evtl. Krampfanfall 4 »Puppengesicht« (durch vermehrtes subkutanes Fettgewebe) 4 Myopathie, Hypotrophie der Muskulatur und Muskelschwäche, schnelle Ermüdbarkeit 4 ausgeprägte Kardiomegalie im Säuglingsalter (infantile Form GSD II) 4 Wachstumsverzögerung, Osteopenie (infolge chronischen Energiemangels und Myopathie) 4 polyzystische Ovarien (in 60% der Mädchen mit GSD I) 4 GSD I-non-a: rezidivierende bakterielle Infektionen infolge Neutropenie und Granulozyten-/Monozyten-Funktionsstörung, chronisch-entzündliche Darmerkrankung
3
Eigene Notizen
78 Kapitel 3 · Genetische und metabolische Erkrankungen
Eigene Notizen
3
Diagnostik 4 Blutzucker ↓, Dauer der Nüchterntoleranz 5 geringe Nüchterntoleranz (2–4 h), fehlende Ketose, Hyperventilation bei Laktatazidose, vergrößerte Nieren → Verdacht auf GSD I (Glykogenolyse und Glukoneogenese gestört) 5 Hypoglykämie erst nach längeren Nüchternphasen, Nüchternketose (Fötor, Ketostix++), Myopathie (CK ↑) → Verdacht auf GSD III, VI, IX (Störung der Glykogenolyse) 5 keine Hypoglykämien, Leberfunktionsstörung mit progredienter Leberzirrhose → Verdacht auf GSD IV (Störung der Glykogensynthese mit abnormem Glykogen) 4 Laktat ↑, Harnsäure ↑, Transaminasen ↑, Triglyzeride ↑ 4 Nierenfunktionsstörung (Proteinurie, Hypertonus) durch fokal-segmentale Glomerulosklerose 4 Lebersonographie (erhöhte Echogenität, Adenome, selten hepatozelluläres Karzinom) 4 EKG und Echokardiographie (ventrikuläre Hypertrophie, Dilatation, Endokardfibroelastose) 4 molekulargenetische Untersuchung → wichtigster diagnostischer Schritt zur Klassifikation 4 Enzymaktivität (Leukozyten, Fibroblasten, Leber-, Muskelgewebe)
Therapie 4 Ziele: Vermeidung von Hypoglykämien und chronischen Organkomplikationen 4 Notfalltherapie bei Inappetenz, Erbrechen, operativen Eingriffen mit Hypoglykämierisiko: 5 intravenöse Glukosezufuhr (altersabhängige endogene Glukoseproduktionsrate: Säuglinge 6 mg/kg/min, Schulkinder 4 mg/kg/min, Erwachsene 2,5 mg/kg/min) 4 Dauertherapie bei GSD Ia → nächtlicher Blutzuckers soll >70 mg/dl 5 Ernährung J kontinuierliche Mageninfusion (PEG-Sonde): Glukose-Polymer Lösung (Maltodextrin®) J regelmäßige Mahlzeiten im 2–3, später 3–4 h Intervall J laktose- und saccharosefreie Nahrung, angereichert mit Maltodextrin® oder Stärke J kalziumhaltige Milchersatzprodukte auf Sojabasis J fruktosearme Ernährung J Supplementierung von Spurenelementen, Salzen, Vitaminen 5 Therapiekontrolle: BZ-Werte im Tagesprofil >80 mg/dl J Aufholwachstum J Blutlaktat vor der Mahlzeit normal oder leicht erhöht (<4 mmol/l) J Harnsäure (Allopurinol bei Hyperurikämie), normale Leberwerte und Triglyzeride J Nierenfunktion J Sonographie von Leber und Ovarien
79 3.3 · Störungen des Kohlenhydratstoffwechsels
5 ! Cave Notfallausweis und intensive Elternschulung (vitale Bedeu-
4 4 4 4
tung von kontinuierlicher Ernährung, Gefahr der Sondendiskonnexion, Warnsystem installieren z. B. Klingelmatte) GSD Ib (I-non-a): antibiotische Dauertherapie, bei Neutropenie evtl. G-CSF GSD III: keine Einschränkung für Fruktose, Saccharose; (Kardio-) Myopathie progredient GSD IV: Lebertransplantation möglich GSD II: Enzymersatztherapie mit humaner rekombinanter α-Glukosidase (verbessert muskuläre Hypotonie und kardiale Funktion), Physiotherapie
3.3.3
Störungen des Galaktosestoffwechsels
Autosomal-rezessiv erbliche Enzymdefekte des Galaktosestoffwechsels Enzymdefekt
Besonderheiten
Galaktose-1-PhosphatUridyltransferase (GalT)
Klassische Galaktosämie, nach Milchfütterung Trinkschwäche, Leber- und Nierenfunktionsstörung, Katarakt; Gal ↑, Gal-1-P ↑, GalT ↓ → laktosefreie Diät
Galaktokinase (GalK)
Rasch progredienter beidseitiger Katarakt, Gal ↑, Gal-1P ↓, bei früher laktosefreier Ernährung Rückbildung der Katarakte möglich
Uridin-DiphosphatGalaktose-4-Epimerase (GalE)
Selten, bei Enzymaktivität <10% wie klassische Galaktosämie Bei partiellem Enzymdefekt asymptomatisch, laktosefreie Nahrung bis Gal-1-Phosphat in Erythrozyten normalisiert
4 Anreicherung der Galaktosemetaboliten schädigt u. a. Leber, Niere, Gehirn, Linse, Ovar 4 > Memo galaktosearme Diät kann akut toxische Schädigungen verhindern 4 Neugeborenenscreening bestimmt Galaktose, Galaktose-1-Phosphat und GalT-Aktivität 4 Galaktose-1-Phosphat hemmt Phosphoglukomutase → Hypoglykämie 4 Diagnosebestätigung: Enzymaktivität (Erythrozyten), Metabolitquantifizierung (Blut, Urin) 4 therapeutisch Galaktosezufuhr einschränken (Muttermilch/Säuglingsmilch enthalten Laktose!) 4 endogene Galaktose Synthese ca. 1–2 g/d (→ Synthese von Galaktolipiden, Glykoproteinen) 4 Pränataldiagnose möglich (Enzymaktivität, Mutationsanalyse) Klassische Galaktosämie
4 häufigste Störung im Galaktosestoffwechsel, Häufigkeit 1:40.000
3
Eigene Notizen
80 Kapitel 3 · Genetische und metabolische Erkrankungen
Eigene Notizen
3
Klinik 4 akute progrediente Symptomatik (sepsisähnlich) nach Beginn der Milchfütterung mit Trinkschwäche, Erbrechen, Durchfall, muskuläre Hypotonie 4 Leberfunktionsstörung: Hepatomegalie, Ödeme, Aszites, Blutgerinnungsstörung, Ikterus 4 häufig Sepsis durch gramnegative Keime (E. coli) 4 Katarakt innerhalb von Tagen oder Wochen irreversibel (Linsenschädigung durch Galaktit) 4 > Memo typische Trias: Leberzirrhose, Katarakt und geistige Behinderung
Diagnostik 4 Galaktose-1-Phosphat (Gal-1-P) ↑, Galaktose (Gal) ↑ (Serum, Erythrozyten) 4 GalT Aktivität (Erythrozyten) ↓ 4 Leberfunktionsstörung: Hyperbilirubinämie (direktes Bilirubin ↑), Hypalbuminämie, Gerinnungsstörung (Quick ↓, PTT ↑), Transaminasen ↑, Hypoglykämie 4 renal-tubuläres Fanconi-Syndrom mit Glukosurie, Hyperaminoazidurie, Hyperphosphaturie, tubuläre Azidose und Albuminurie 4 reduzierende Substanzen im Urin positiv: Galaktose, Galaktit und Galaktonat ↑ 4 Molekulargenetik (GALT-Gen: typische Mutationen für klassische oder milde Duarte Variante) 4 hypergonadotroper Hypogonadismus bei 54% der Mädchen (Ovarialfibrose) 4 neurologisch: Sprachstörungen, Rechenschwäche, Intentionstremor, Mikrozephalie, Ataxie, IQ <85 in 83% der über 12-jährigen Patienten
Therapie 4 Zufuhr von Muttermilch oder Säuglingsmilch auf Kuhmilchbasis sofort stoppen 4 bei schwerer Gerinnungsstörung: Vitamin K und Fresh Frozen Plasma i.v. 4 Antibiotikatherapie großzügig, da hohes Risiko für gramnegative Sepsis 4 Dauertherapie: Ziel Gal-1-P (Erythrozyten) 2–4 mg/dl 5 galaktosefreie Säuglingsnahrung (Soja- oder Kaseinhydrolysat) 5 Galaktosequellen in Beikost (Milchprodukte, Obst, Gemüse) und Medikamenten beachten 5 Zufuhr von Kalzium, Fluor, Jod, Zink, Vitamin D ! Cave D-Fluoretten enthalten Galaktose 4 Hypogonadismus bei Mädchen: Hormonsubstitution (Östrogen/Gestagen) ab 12. Lebensjahr 4 Prognose bei frühzeitiger galaktosefreier Diät 5 Rückbildung von Ikterus, Gerinnungsstörung, Katarakt, keine Progression in Leberzirrhose 5 Ovardysfunktion und neurologische Symptome trotz Diät
81 3.3 · Störungen des Kohlenhydratstoffwechsels
Andere Störungen im Glukose- und Galaktosestoffwechsel
4 kongenitale Glukose-Galaktose-Malabsorption (Na-Glukose-Kotransporter SGLT1-Defekt) 5 Glukose wird in luminaler Zellmembran der Mukosazelle nicht resorbiert 5 bei Neugeborenen osmotische, lebensbedrohliche Diarrhoe 5 Symptombesserung 1 h nach Entfernen von Glukose und Galaktose aus der Nahrung 5 Diagnose: reduzierende Substanzen im Stuhl, Mutationsnachweis (SGLT1-Gen) 5 Therapie: kohlenhydratfreie Milch angereichert mit 1–5% Fruktose (Transport über GLUT5) 4 Glukose-Transporterprotein-Syndrom (GLUT1-Defekt) 5 intrazerebraler Glukosemangel mit zerebralen Krampfanfällen, psychomotorischer Entwicklungsretardierung, Mikrozephalie, muskuläre Hypotonie, Ataxie 5 diagnostisch Liquorglukose ↓ bei normaler Plasmaglukose und normalem Liquorlaktat 5 Mutationsnachweis (GLUT1-Gen) 5 therapeutisch ketogene Diät mit 90% Fettanteil (alternative energiereiche Substrate) 5 Vitamin- und Mineralstoffsubstitution 5 ! Cave vor ketogener Diät Fettsäurestoffwechselstörung ausschließen → metabolische Krise. Kontraindiziert sind Barbiturate (hemmen GLUT1-Transport) 4 Fanconi-Bickel-Syndrom (Defekt des Glukosetransporters GLUT2) 5 Glukose/Galaktose-Utilisation gestört → Glykogenspeicherung (Leber), renale Tubulopathie 5 Leitsymptome: Hepatomegalie, Gedeihstörung, Kleinwuchs, Rachitis, Osteopenie 5 Diagnose durch Mutationsnachweis (GLUT2-Gen) 5 therapeutisch: Galaktosezufuhr ↓, häufige Mahlzeiten, Substitution tubulärer Verluste
3.3.4
Störungen des Fruktosestoffwechsels
Hereditäre Fruktoseintoleranz
4 Defekt der Fruktose-1-Phosphat-Aldolase, autosomal-rezessiv erblich 4 Häufigkeit 1:20.000 4 toxische Akkumulation von Fruktose-1-Phosphat in Leber, Niere, Darm 4 Fruktose-1-Phosphat hemmt Glykogenolyse und Glukoneogenese → Hypoglykämie
3
Eigene Notizen
82 Kapitel 3 · Genetische und metabolische Erkrankungen
Eigene Notizen
3
Klinik 4 bei fruktosefreier Ernährung (Muttermilch, Säuglings-»Pre«-Nahrung) keine Symptome 4 nach Fruktosezufuhr Erbrechen, Durchfall, postprandiale Hypoglykämie, Somnolenz, Krampfanfall, schwere Leberfunktionsstörung mit Hepatomegalie, Ikterus, Gerinnungsstörung 4 ältere Kinder haben Abneigung gegenüber fruktose- und saccharosehaltigen Nahrungsmitteln (Honig, Obst, Süßigkeiten) → kariesfreie Zähne
Diagnostik 4 Ernährungsanamnese 4 postprandiale Hypoglykämie 4 renale Tubulopathie: metabolische Azidose, Hypophosphatämie, Hyperaminoazidurie 4 Leberfunktionsstörung: Transaminasen ↑, gestörte Blutgerinnung, Protein ↓, Bilirubin ↑ 4 Enzymaktivität (Leber- oder Dünndarmschleimhautgewebe) 4 Mutationsanalyse (Standardverfahren zur Diagnosesicherung) 5 drei häufige Mutationen im ALDOB-Gen (A150P, A175D, N335K) bei 94% der Patienten 4 rasche Besserung der klinischen Befunde unter Glukoseinfusion und fruktosefreier Ernährung
Differenzialdiagnose 4 essenzielle Fruktosurie 5 autosomal-rezessiv erblicher Defekt der Fruktokinase,1:50.000, gutartiger Verlauf 5 Fruktose wird nicht phosphoryliert → Hyperfruktosämie und Fruktosurie 5 keine klinischen Symptome, Therapie nicht erforderlich 4 Fruktose-1,6-Biphosphatase-Mangel 5 seltener autosomal-rezessiv erblicher Defekt, beeinträchtigt Glukoneogenese 5 nach 12–15 h Fasten oder Fruktosezufuhr → Hypoglykämie, Ketose, Laktatazidose
Therapie 4 akut: Glukose i.v. (8–10 mg/kg/min) 4 Dauertherapie der hereditären Fruktoseintoleranz 5 fruktosefreie bzw. -arme Diät (Übelkeit nach Fruktose schützt vor Fruktoseintoxikation) 5 nach Rückbildung der Lebervergrößerung ist 0,5–1 g Fruktose/d erlaubt 5 Vitaminsubstitution mit Multivitaminpräparaten 4 bei Fruktose-1,6-Biphosphatase-Mangel 5 fruktose-/galaktosefreie Ernährung, nächtliche Glukosezufuhr, häufige Mahlzeiten, fettarme (20%), proteinarme (10%) Diät, angereichert mit Kohlenhydraten (Stärke)
83 3.4 · Störungen des Fettstoffwechsels
4 Notfallausweis → soll vor intravenöser Fruktosezufuhr schützen 4 bei frühzeitiger Diagnose und Therapie sehr gute Prognose, Leberfunktion normalisiert 4 ! Cave Fruktosehaltige Infusionslösungen führen bei angeborenen Störungen im Fruktosestoffwechsel zu akuter Lebensgefahr → Fruktose-, Sorbitol-, Invertzuckerhaltige Infusion sind obsolet!
3.4
Störungen des Fettstoffwechsels
3.4.1
Störungen im Fettsäuremetabolismus
4 genetische Defekte im Transport oder Oxidation von Fettsäuren, kumulative Inzidenz 1:8000 4 unbehandelt hohe Morbidität und Mortalität, präsymptomatisch sehr gut behandelbar 4 Nachweis im Neugeborenenscreening am 3. Lebenstag (Azylcarnitine) 4 autosomal-rezessive Vererbung verschiedener Enzymdefekte u. a. 5 MCAD-Defekt: Acyl-CoA-dehydrogenasedefekt mittelkettiger Fettsäuren (häufigste Störung) ! Cave bei ausreichenden Glykogen- und Glukosereserven wird Defekt nicht bemerkt 5 (V)LCAD-Defekt: Acyl-CoA-dehydrogenasedefekt (über)langkettiger Fettsäuren 5 selten Carnitintransporterdefekt (Muskel) → intrazellulärer Carnitinmangel 4 während Katabolie (Fasten, Operation, Infektion) fehlende Ketonkörperproduktion und Hemmung der Glukoneogenese → hypoketotischhypoglykämisches Koma 4 Veresterung der Fettsäuren mit Carnitin zu Azylcarnitin (→ Laktatazidose, Carnitinmangel) 4 (Kardio-)Myopathie, muskuläre Hypotonie, Rhabdomyolyse (Carnitinstoffwechselstörung) 4 Leberfunktionsstörung, NH3↑ (Acetyl-CoA-Mangel → Acetylglutamatsynthese ↓)
Klinik 4 im Säuglings-/Kleinkindalter nach 8–16 h Fasten oder Katabolie (z. B. Infekt, Operation): Übelkeit, Erbrechen, Somnolenz, Koma innerhalb von 1–2 h, Hepatomegalie 4 Hypoglykämie (hypoketotisch) mit zerebralen Krampfanfällen 4 Herz- und Atemstillstand, erste Krise letal in bis 25% der Fälle mit MCAD-Defekt 4 progrediente hypertrophe Kardiomyopathie 4 muskuläre Hypotonie, reduzierte Muskelkraft, Rhabdomyolyse
3
Eigene Notizen
84 Kapitel 3 · Genetische und metabolische Erkrankungen
Eigene Notizen
3
Diagnostik 4 Blutzucker ↓, Transaminasen ↑, NH3 ↑, (Laktat)Azidose, CK, Myoglobin, Harnsäure 4 freie Fettsäuren (Plasma) ↑, Ketonkörper (3-Hydroxybutyrat) (Plasma)↓ 4 Carnitinstatus (Serum): Gesamt-, freies-, Azylcarnitin, ggf. Carnitintransport (Fibroblasten) 4 organische Säuren (Urin): spezifische Metabolite 4 Mutationsanalyse zur Diagnosebestätigung und Familienuntersuchung
Therapie 4 hochdosierte Glukoseinfusion (7–12 mg/kg/min) ist lebensrettend 4 Dauertherapie: Vermeiden protrahierter Fastenperioden → gute Prognose 5 Carnitintransporterdefekt: Carnitin 100 mg/kg/d → normalisiert kardiale/muskuläre Funktion 5 VLCAD-Defekt: Zufuhr mittelkettiger Triglyzeride, Reduktion langkettiger Fettsäuren
3.4.2
Lipoproteinstoffwechselstörungen
Hyperlipoproteinämien
4 Plasmalipide >altersentsprechende 95. Perzentile 4 Gefäßläsionen korrelieren mit Höhe des LDL-Cholesterins (LDL-C) bzw. LDL/HDL-C-Ratio 4 > Memo Hyperlipidämien (genetisch oder sekundär) sind Risikofaktor für frühzeitige Arteriosklerose → Therapie schon im Kindesalter notwendig!
Familiäre autosomal-dominant erbliche Hyperlipidämien# Häufigkeit
Typische Laborbefunde (Serum)
Hypercholesterinämie 5 LDL-RezeptorDefizienz 5 Apolipoprotein-BDefekt
5 1:500 (heterozygot) 5 1:200–1:700
Gesamtcholesterin (Chol) 2- bis 10fach ↑, LDL-C ↑, HDL-C ↓, Triglyzeride normal
Hypertriglyzeridämie
1:500
Triglyzeride ↑ (250–1000 mg/dl), VLDL ↑
Kombinierte Hyperlipidämie
1:250
Chol ↑ und Triglyzeride ↑, VLDL ↑, LDL-C ↑, HDL-C ↓
# Polygen vererbte Formen manifestieren sich oft erst bei Erwachsenen.
85 3.4 · Störungen des Fettstoffwechsels
Klinik 4 asymptomatisch im Kindesalter, frühzeitige Arteriosklerose und kardiovaskuläre Erkrankung im (jungen) Erwachsenenalter 4 homozygote LDL-Rezeptor-Defizienz: Xanthome, Koronargefäßerkrankung im Kindesalter 4 bei Hypertriglyzeridämie häufig Adipositas, Insulinresistenz, Harnsäure ↑, arterielle Hypertonie
Diagnostik 4 Familien-, Medikamentenanamnese (Hyperlipidämie, frühe kardiovaskuläre Erkrankung) 5 bei positiver Anamnese: Lipidbestimmung (Cholesterin/Triglyzeride) ab 3. Lebensjahr 4 Gesamtcholesterin (Serum) einmalig bei jedem Kind, Vorsorgeuntersuchung U9 oder U10 4 bei Hypercholesterinämie vollständiger Lipidstatus nüchtern: 5 Gesamt-, LDL-, HDL-Cholesterin, Triglyzeride, Lipoprotein A (Lp(a)), Gesamthomozystein 4 hochauflösender Ultraschall der A. carotis, Aorta abdominalis (erhöhte Intima-Media-Dicke) 4 Mutationsanalyse: LDL-Rezeptor-Gen (>700 bekannte Mutationen) oder ApoB3500-Gen 4 bei homozygoter Hypercholesterinämie: Echokardiographie und Belastungs-EKG jährlich
Differenzialdiagnose 4 sekundäre Hyperlipidämie 5 Endokrinopathie: z. B. Hypothyreose, Diabetes mellitus, M. Cushing 5 Lebererkrankungen z. B. Cholestase, Hepatitis, Glykogenose Typ 1, biliäre Zirrhose 5 Nierenfunktionsstörung z. B. nephrotisches Syndrom, Niereninsuffizienz 5 Medikamente z. B. Kortikosteroide, Thiazide, β-Blocker, Östrogene 5 andere: z. B. Anorexia nervosa, Adipositas, Pankreatitis, akute intermittierende Porphyrie
Therapie 4 Diät (ab Alter von 3 Jahren) → senkt LDL-Cholesterin um 7–15% 5 fettarm (<30% der Energiezufuhr) und cholesterinarm (<150 mg/d) 5 wenig gesättigte Fettsäuren (tierische Fette), Zufuhr mehrfach ungesättigter Fettsäuren (Olivenöl) und komplexer Kohlenhydrate (mediterrane, ballaststoffreiche Kost) 4 Änderung des Lebensstils: Gewichtsreduktion, körperliche Aktivität ↑ (1 h/d), kein Nikotin 4 medikamentöse Therapie ab 8. Lebensjahr, wenn Diättherapie nicht ausreichend
3
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86 Kapitel 3 · Genetische und metabolische Erkrankungen
Eigene Notizen
3
5 Cholesterinsynthesehemmer (Statine) hemmen HMG-CoA-Reduktase J senken LDL-Cholesterin um 20–60% J Pravastatin für Kinder zugelassen J mögliche Nebenwirkungen: Transaminasen ↑, Myopathie, Rhabdomyolyse (CK ↑) 5 Ezetimib (Sterintransporterinhibitor) hemmt Cholesterinaufnahme im Darm J senkt LDL-Cholesterin um 15–20%, Triglyzeride um 10–15% J Zulassung für Kinder >10 Jahre, kann mit Pravastatin kombiniert werden 5 Anionenaustauscherharze (Colestyramin, Colestipol) weniger gut wirksam, belastender 5 Fibrate (Bezafibrat, Fenofibrat) steigern Lipoproteinlipaseaktivität, Apolipoprotein C III ↓ J indiziert bei schwerer Hypertriglyzeridämie und kombinierter Hyperlipidämie 4 bei homozygoter LDL-Rezeptor-Defizienz: regelmäßige extrakorporale LDL-Apherese zur Elimination des LDL-Cholesterins, in schwersten Fällen Lebertransplantation
Indikation zur medikamentösen Therapie bei Kindern/Jugendlichen mit Hyperlipoproteinämie LDL-Cholesterin >190 mg/dl und Gesamtcholesterin/HDLCholesterin >5 oder LDL-Cholesterin >160 mg/dl und Gesamtcholesterin/HDLCholesterin >5 und ein weiteres der nebenstehenden 4 Kriterien vorliegt
5 Positive Familienanamnese (mindestens 2 betroffene Verwandte 1. oder 2. Grades <60 Jahre (männlich), <65 Jahre (weiblich)) für vorzeitige koronare Herzerkrankung oder 5 2 sonstige Risikofaktoren (arterielle Hypertonie, Rauchen, HDL erniedrigt) oder 5 1 Risikofaktor und 2 Risikoindikationen (Triglyzeride >200 mg/dl, Lp(a)≥30 mg/dl, Homozystein ≥12 μmol/l, metabolisches Syndrom, Intima-Media-Dicke A. carotis ↑) oder 5 3 Risikofaktoren oder Risikoindikationen
Differenzialdiagnose 4 familiäre Hyperchylomikronämie 5 seltener autosomal-rezessiv vererbter Defekt der Lipoproteinlipase oder Apolipoprotein CII 5 führt zu Hyperchylomikronämie und exzessiver Hypertriglyzeridämie 5 klinisch: Xanthome, Hepatomegalie und Pankreatitisrisiko 5 Therapie: Reduktion langkettiger Fette, Zufuhr mittelkettiger Triglyzeride
87 3.4 · Störungen des Fettstoffwechsels
4 Phytosterinämie 5 seltene autosomal-rezessiv erbliche Erkrankung, Konzentration pflanzlicher Sterine ↑ durch vermehrte Absorption/verminderte Ausscheidung (ABCD5-/ABCD8-Genmutation) 5 schwere frühmanifeste Arteriosklerose, Xanthome, Myokardrisiko im Kindesalter 5 Therapie: phytosterinarme Diät Hypolipoproteinämien
4 sehr seltene genetische Erkrankungen, gestörter Lipidstoffwechsel ohne Hyperlipidämie! 5 Hypoalphalipoproteinämie: autosomal-rezessiv vererbter Defekt der ApoA-I-Synthese J klinisch gelbe Tonsillen, Hepatosplenomegalie, periphere Neuropathie, Kornealinfiltrate J Cholesterin ↓, Mangel an protektivem HDL → erhöhtes Atheroskleroserisiko 5 Abetalipoproteinämie: autosomal-rezessiv, abnorme Synthese von ApoB-Lipoproteinen J klinisch Fettmalabsorption (Durchfall), Retinitis pigmentosa, Ataxie J Serum wasserklar, Cholesterin ↓, Triglyzeride ↓, Chylomikronen, LDL und VLDL fehlen J Therapie: fettarme Diät, Substitution fettlöslicher Vitamine und essenzieller Fettsäuren 5 Smith-Lemli-Opitz-Syndrom: autosomal-rezessiv vererbtes Fehlbildungssyndrom J 7-Dehydrocholesterol-Reduktase Mangel → gestörte endogene Cholesterinsynthese J sekundärer Mangel an Gallensäuren, Steroidhormonen und Signalproteinen J klinisch kraniofaziale Dysmorphie, Organfehlbildungen, Gedeihstörung, Kleinwuchs J diagnostisch 7- und 8-Dehydrocholesterol im Plasma ↑, Mutation im SLO-Gen J Therapie: exogene Cholesterinzufuhr (Pulver, Eigelb) oder Simvastatin 4 > Memo Auch erniedrigte Konzentrationen der Serumlipide können zu Symptomen führen!
3
Eigene Notizen
88 Kapitel 3 · Genetische und metabolische Erkrankungen
Eigene Notizen
3.5
Andere Stoffwechselerkrankungen
3.5.1
Lysosomale Speicherkrankheiten
Mukopolysccharidosen (MPS)
3
4 lysosomale Enzymdefekte mit Speicherung von Glykosaminoglykanen (GAGs) 4 Klassifikation nach Enzymdefekt und klinischen Symptomen in 7 verschiedene Untergruppen 4 autosomal-rezessive Vererbung, Ausnahme: MPS II Hunter (X-chromosomal rezessiv) 4 Häufigkeit 1:25.000
Klinik 4 progrediente Skelettdeformitäten mit vergröberter Fazies, Knochendysplasien, Kontrakturen 4 Hepatosplenomegalie, Hernien 4 abhängig vom Typ progressive mentale Retardierung mit Verlust psychomotorischer Fähigkeiten (MPS I Hurler) oder normale Intelligenz (MPS I Scheie) 4 Kornealtrübung 4 Taubheit 4 Atemwegsobstruktion, rezidivierende Atemwegsinfektionen 4 Herzklappenfehlfunktion 4 Hydrozephalus
Diagnostik 4 4 4 4
GAGs (Urin) ↑ → Quantifizierung, Differenzierung Oligosaccharide (Urin) (zur Differenzialdiagnose) Lymphozytenvakuolen im Blutausstrich Enzymaktivität (z. B. α-L-Iduronidase bei MPS I) (Leukozyten, Fibroblasten) 4 Mutationsanalyse und Pränataldiagnostik möglich 4 CT bei Verdacht auf Hydrozephalus, MRT zervikale Wirbelsäule bei Verdacht auf Rückenmarkkompression 4 ophthalmologische Untersuchung (Hornhauttrübung, Glaukom, Retinadegeneration)
Therapie 4 kausal 5 Knochenmarktransplantation vor 24. Lebensmonat schützt ZNS, wenig Einfluss auf Skelett 5 > Memo Therapie mit rekombinanten lysosomalen Enzymen bei MPS I, II, VI, (beeinflusst ZNS-Schädigung nicht, bessert Hepatosplenomegalie, Gelenkbeweglichkeit, Wachstum) 4 symptomatisch 5 Hydrozephalus → ventrikuloperitonealer Shunt 5 Hornhautrübung → Kornealtransplantation
89 3.5 · Andere Stoffwechselerkrankungen
5 Hörstörung → Paukendrainage, Hörhilfen 5 Gelenksteifheit → Physiotherapie 5 Karpaltunnelsyndrom → Elektromyographie, chirurgische Dekompression 5 obstruktive Apnoen → Tonsillektomie, Adenotomie, CPAP nachts, Tracheostomie 5 bei Narkosen: atlantoaxiale Subluxation vermeiden, kleine endotracheale Tuben 5 Mitralinsuffizienz oder Aortenklappenerkrankung → Klappenersatz, Endokarditisprophylaxe 5 Rückenmarkkompression → chirurgische Stabilisierung
Differenzialdiagnose 4 Oligosaccharidosen 5 lysosomale Enzymdefekte der Glykoproteine (Mannosidose, Fukosidose, Sialidose) 5 Klinik ähnlich wie MPS 5 Diagnose: pathologische Oligosaccharide im Urin, Bestätigung durch Enzymanalyse 5 Therapie symptomatisch 4 Mukolipidosen 5 lysosomale Enzymdefekte im komplexen Kohlenhydratstoffwechsel 5 Typ II (I-Cell Disease) imponiert klinisch wie MPS I Sphingolipidosen
4 lysosomale Enzymdefekte mit Speicherung von Glykolipiden 4 autosomal-rezessive Vererbung, Ausnahme: M. Fabry wird X-chromosomal-rezessiv vererbt 4 vorwiegend neurodegenerative Symptome (Differenzialdiagnose: psychiatrische Erkrankung), Hepatosplenomegalie, Skelettveränderungen, ophthalmologische Symptome 4 Diagnose durch spezifische Enzymaktivitätsmessung in Fibroblasten, Mutationsanalyse 4 > Memo Enzymersatztherapie möglich für M. Gaucher, M. Fabry, sonst keine kausale Therapie M. Gaucher
4 häufigste lysosomale Speicherkrankheit, Defekt der β-Glukozerebrosidase 4 Zerebrosidspeicherung im RES (Lymphknoten, Milz, Leber, Knochenmark: Gaucher-Zellen) 4 Häufigkeit 1:40.000 (nicht neuronopathisch), 1:1000 bei Juden osteuropäischer Abstammung
3
Eigene Notizen
90 Kapitel 3 · Genetische und metabolische Erkrankungen
Eigene Notizen
Klinik Manifestationsformen des M. Gaucher
3
Formen
Symptome
Viszerale, nicht-neuronopathische Form (99%)
Hepatosplenomegalie → Hypersplenismus, Panzytopenie Knochenschmerzen, Fieber (Differenzialdiagnose: Osteomyelitis), aseptische Knochennekrosen, pathologische Frakturen Kleinwuchs, Dystrophie
Neuronopathische Form mit akutem oder chronischem Verlauf
Gedeihstörung, Atemwegsinfekte, Dysphagie Augenmuskellähmungen, kirschroter Makulafleck Opisthotonus, Tetraspastik, Verhaltensänderungen, Choreoathetose, Krampfanfälle
Diagnostik 4 Blutbild: Anämie, Thrombozytopenie, »Gaucher-Zellen« im Knochenmark 4 Ferritin ↑, Angio-Converting-Enzym ↑, saure Phosphatase ↑ (Serum) 4 Chitotriosidase (Plasma) 100- bis 1000-fach ↑ 4 Aktivität der β-Glukozerebrosidase (Leukozyten, Fibroblasten) ↓ (Standardverfahren) 4 Mutationsanalyse des GBA-Gens (fakultativ) 4 augenärztliche Untersuchung (kirschroter Makulafleck)
Therapie 4 Enzymersatztherapie (Cerezyme®) bei viszeraler Form alle 2 Wochen i.v. → verbessert Leistungsfähigkeit, hämatologische Parameter, Wachstum 4 Enzyminhibitor (Miglustat, Zevesca®) hemmt Synthese von Glukozerebrosid (Speichersubstanz), für Patienten >18 Jahre, falls Enzymersatztherapie nicht möglich 4 symptomatisch: Kortikosteroide und orthopädische Maßnahmen bei Knochenschmerzen Andere Sphingolipidosen
4 Niemann-Pick-Krankheit: Defekt der Sphingomyelinase 5 Speicherung von Sphingomyelin in Knochenmark, Leber, Milz, Gehirn 5 akute infantile neuronopathische (Typ A) und chronisch-viszerale Form (Typ B) 5 klinisch: Hepatosplenomegalie, krischroter Makulafleck (in 50%), progrediente neurologische Verschlechterung (Typ A), Lungenbeteiligung (interstitiell) (Typ B) 5 diagnostisch: Enzymaktivität (Fibroblasten), Mutationsanalyse 4 GM2-Gangliosidose (M. Tay-Sachs, infanile amaurotische Idiotie) 5 Defekt der Hexosaminidase; häufig bei Juden osteuropäischer Abstammung
91 3.5 · Andere Stoffwechselerkrankungen
4
4 4
4
4
5 klinisch mit 6 Monaten Verlust von statomotorischen Fähigkeiten, myoklonische Schreckbewegungen auf Geräusche, Spastik, Erblindung, kirschroter Makulafleck, Makrozephalie 5 diagnostisch: Enzymaktivität, Mutationsanalyse Morbus Fabry: X-chromosomal-rezessiver Defekt der α-Galaktosidase 5 Ceramidtrihexosid im Endothel von Gefässen, Epithelien (Niere) und glatter Muskulatur 5 klinisch: bei Jungen (Schulalter) schmerzhafte Akroparästhesien, gestörte Schweißbildung, Angiokeratome, Hornhauttrübung, Katarakt, Herzklappen-, Niereninsuffizienz 5 auch heterozygote Frauen haben häufig klinische Symptome! 5 diagnostisch: doppelbrechende Substanzen (Urin), Enzymaktivität, Mutationsanalyse > Memo Enzymersatz (rekombinante α-Galaktosidase) bessert Schmerzen, Herz-, Nierenfunktion Morbus Krabbe: Defekt der Galaktozerebrosid-β-Galaktosidase 5 toxisches Galaktosylsphingosin zerstört Oligodendrozyten → Demyelinisierung 5 klinisch mit 3–6 Monaten Irritabilität, Taub-, Blindheit, Opisthotonus, Krampfanfälle 5 Diagnose: Liquoreiweiß ↑, Nervenleitgeschwindigkeit ↓, Demyelinisierung (MRT), Enzymaktivitätsmessung in Fibroblasten, Mutationsanalyse metachromatische Leukodystrophie: Defekt der Zerebrosidsulfatase (Arylsulfatase A) 5 Sulfatidakkumulation → Demyelinisierung 5 infantile und juvenile Formen: Verlust erworbener Fähigkeiten, spastische Tetraparese, Bulbärparalyse, Optikusatrophie, im Schulalter zuerst Verhaltensstörungen 5 diagnostisch: Nervenleitgeschwindigkeit ↓, MRT Schädel: Demyelinisierung, Enzymaktivitätsmessung in Fibroblasten, Mutationsanalyse neuronale Zeroidlipofuszinose: verschiedene Enzym- oder Membranproteindefekte 5 intrazelluläre Speicherung von Zeroidlipofuszin 5 gehört zu häufigsten neurodegenerativen Erkrankungen im Kindesund Jugendalter 5 gemeinsames klinisches Merkmal ist Entwicklung von Amaurose und Demenz 5 Einteilung nach Manifestationsalter (infantil/juvenil) oder Gendefekt (CLN1–9) 5 diagnostisch: Lymphozytenvakuolen im Blutausstrich, molekulargenetische Untersuchung
3
Eigene Notizen
92 Kapitel 3 · Genetische und metabolische Erkrankungen
Eigene Notizen
3.5.2
Peroxisomale Erkrankungen
4 Störung der peroxisomalen Biogenese (Ausfall aller peroxisomalen Funktionen wie z. B. Fettsäureabbau, Cholesterinsynthese) oder Defekte einzelner peroxisomaler Proteine
3
X-chromosomal vererbte Adrenoleukodystrophie
4 4 4 4 4
häufigste peroxisomale Erkrankung, 1:20.000 Jungen Defekt des peroxisomalen ABC-Transporters ABCD1 Akkumulation überlangkettiger Fettsäuren entzündliche Demyelinisierung des ZNS, periphere Neuropathie adrenale und testikuläre Insuffizienz
Klinik 4 hauptsächlich Jungen betroffen, >50% der weiblichen Mutationsträger neurologisch auffällig
Klinische Manifestation der Adrenoleukodystrophie Form
Symptome
Kindlich-zerebral (48%)
Im 2.–10. Lebensjahr Verhaltensauffälligkeiten, Seh-, Hörverlust, in wenigen Monaten spastische Tetraparese, Epilepsie, Demenz
Jugendlich-zerebrale Form (5%) und erwachsen-zerebrale Form (3%)
Manifestation im Jugend-/Erwachsenenalter meist mit psychiatrischen Symptomen, Verlauf dann wie kindlich-zerebrale Form, Demenz
Adrenomyeloneuropathie (25%)
In 2. Lebensdekade, spastische Paraparese der Beine, Inkontinenz, somatosensible Störungen, Nebennierenrinden- und Gonadeninsuffizienz
Addison-only-Form (10%)
Isolierte Nebennierenrindeninsuffizienz
Asymptomatische Form (10%)
Keine
Diagnostik 4 4 4 4
überlangkettige Fettsäuren (Serum) ↑ MRT Schädel: Demyelinisierung periventrikulär und okzipital bei Nebennierenrindeninsuffizienz: ACTH (Plasma) ↑, Kortisol ↓ Mutationsanalyse (ABCD1-Gen), keine Korrelation zwischen Genotyp und Phänotyp
Therapie 4 Knochenmarktransplantation kann in sehr frühem Stadium zur Heilung führen 4 »Lorenzos Öl«: Diät mit einfach ungesättigten Fettsäuren (Glyzerintrioleat: Glyzerintrierukat 4:1) bei asymptomatischen Jungen <6 Jahren →
93 3.5 · Andere Stoffwechselerkrankungen
normalisiert überlangkettige Fettsäuren im Plasma, verzögert Auftreten neurologischer Symptome 4 Substitution von Hydrokortison bei Nebennierenrindeninsuffizienz ! Cave Notfallausweis Andere peroxisomale Erkrankungen
4 klassisches Refsum-Syndrom: Störung des Phytansäureabbaus 5 Akkumulation/Speicherung von Phytansäure im Plasma und Gewebe 5 klinisch: Retinitis pigmentosa (Nachtblindheit), Polyneuropathie, zerebelläre Ataxie 5 diagnostisch: Nervenleitgeschwindigkeit ↓, visuell und akustisch evozierte Potenziale abnorm, pathologisches Elektroretinogramm, Liquoreiweiß ↑, Phytansäure im Serum ↑ 5 Therapie: phytansäurearme Diät → verhindert Progredienz der peripheren Polyneuropathie 4 Zellweger-Syndrom: autosomal-rezessiv erblicher Defekt der peroxisomalen Biogenese 5 klinisch: kraniofaziale Dysmorphie, Augenfehlbildungen, muskuläre Hypotonie, neonatale Krampfanfälle, psychomotorischer Entwicklungsstillstand, Cholestase, Nierenzysten 5 diagnostisch: überlangkettige Fettsäuren (Plasma) ↑, Plasmalogen ↓, Fehlen von intakten Peroxisomen in Fibroblastenkultur, PEX-Genanalyse 5 keine kausale Therapie verfügbar, Pränataldiagnose möglich
3
Eigene Notizen
4 Tag 2
4 Infektionskrankheiten L. von Müller
4.1
Allgemeine Infektionslehre – 97
4.2
Krankheitsbilder – 98
4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.2.4 4.2.5 4.2.6
Sepsis – 98 Meningitis – 100 Pneumonie – 102 Osteomyelitis – 102 Harnwegsinfektion – 102 Infektiöse Darmerkrankungen
4.3
Bakterielle Infektionen – 104
4.3.1 4.3.2 4.3.3 4.3.4 4.3.5 4.3.6 4.3.7 4.3.8 4.3.9 4.3.10 4.3.11 4.3.12 4.3.13 4.3.14
Streptokokkeninfektionen – 104 Staphylokokkeninfektionen – 108 Meningokokkeninfektionen – 110 Haemophilus-influenzae-Infektion – 111 Diphtherie – 112 Pertussis (Keuchhusten) – 113 Clostridien – 114 Salmonellose – 117 Shigellose (Ruhr) – 118 Escherichia-coli-Enteritis – 118 Lues/Syphilis – 119 Lyme-Borreliose – 120 Tuberkulose – 121 Chlamydien – 122
4.4
Virusinfektionen – 124
4.4.1 4.4.2 4.4.3 4.4.4 4.4.5 4.4.6 4.4.7
Masern – 125 Mumps (Ziegenpeter, epidemische Parotitis) Röteln – 126 Herpes simplex – 127 Varizellen und Herpes Zoster – 128 Infektiöse Mononukleose – 129 Zytomegalievirus – 130
– 103
– 126
4.4.8 4.4.9 4.4.10 4.4.11 4.4.12 4.4.13 4.4.14 4.4.15 4.4.16
Exanthema subitum – 131 Ringelröteln – 132 Enterovirusinfektionen – 132 Frühsommermeningoenzephalitis (FSME) – 133 Human-Immunodefizienz-Virus (HIV) – 134 Adenovirusinfektionen – 135 Influenza – 136 Rotavirusinfektionen – 137 Norovirusinfektionen – 138
4.5
Pilzinfektionen – 138
4.5.1 Dermatomykosen – 138 4.5.2 Systemische Mykosen – 139 4.5.3 Nicht-infektöse Erkrankungen durch Pilze
4.6
Erkrankungen durch Protozoen – 140
4.6.1 Malaria – 140 4.6.2 Toxoplasma gondii 4.6.3 Amöben – 141
4.7
– 139
– 141
Wurmerkrankungen – 142
4.7.1 Nematoden (Rundwürmer) – 142 4.7.2 Trematoden (Saugwürmer) – 143 4.7.3 Zestoden (Bandwürmer) – 143
4.8
Erkrankungen durch Arthropoden – 145
4.8.1 Pediculosis capitis (Kopflaus) 4.8.2 Skabies (Krätze) – 145
– 145
4.9
Impfungen – 146
4.9.1 4.9.2 4.9.3 4.9.4
Aktive Impfung – 146 Passive Impfung – 148 Standardimpfungen – 149 Reiseimpfungen/Indikationsimpfung – 149
97 4.1 · Allgemeine Infektionslehre
4.1
Allgemeine Infektionslehre
4 Infektionskrankheiten sind die häufigste Ursache für den Besuch beim Kinderarzt 4 Infektionserreger mutations- und adaptationsfreudig 5 Entstehung neuer Erreger, z. B. humanes Immundefizienz-Virus (HIV), schweres akutes respiratorisches Syndrom-Virus (SARS) 5 Entstehung resistenter Erreger, z. B. Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus (MRSA), Vancomycin-resistente Enterokokken (VRE) Allgemeine Übertragungswege
4 4 4 4 4
aerogen (Tröpfcheninfektionen) fäkal-oral (Schmierinfektionen) hämatogen (z. B. i.v. Drogenabusus) sexuell endogen (z. B. opportunistische Infektionen)
Besondere Übertragungswege (intrauterin und perinatal)
4 Embryo/Fetus 5 i. d. R. natürlicher Schutz durch die sterile Fruchthöhle (Amnion) und durch transplazentar übertragene mütterlicher Antikörper (»Nestschutz«) 5 aszendierende oder transplazentare Infektion möglich 5 > Memo wichtige konnatale Erreger: »STORCH«, Akronym für Syphilis, Toxoplasma gondii, »Others«, Rubella, CMV (Zytomegalievirus)/Chlamydia trachomatis, Herpes 4 perinatal 5 Vaginalflora der Mutter (z. B. Streptococcus agalactiae, Escherichia coli, Listeria monocytogenes) 5 Erreger aus mütterlichem Blut (z. B. Hepatitis B, HIV) 5 genitale Virusinfektionen der Mutter (z. B. Herpes-simplex-Virus, Papillomaviren) 4 Früh- und Neugeborene 5 Erhöhte Infektanfälligkeit aufgrund immunologischer Unreife Disposition
4 lokale Störung der Haut-/Schleimhautbarriere (z. B. Traumata, atopische Dermatitis) 4 Immunsuppression 4 angeborene Immundefekte 5 Phagozytosesystem (z. B. septische Granulomatose, »chronic granulomatous disease«, CGD) 5 Antikörperbildung durch B-Zellen (Bruton-Agammaglobulinämie) 5 T-Zell-System (»severe combined immunodeficiency syndrome«, SCID) 5 T-Zell-Defekte beeinflussen die Antikörperbildung, z. T. auch die Funktion von natürlichen Killerzellen (NK-Zellen)
4
Eigene Notizen
98 Kapitel 4 · Infektionskrankheiten
Eigene Notizen
4
Basisdiagnostik
4 »Infektlabor« 5 Blutbild: Leukozyten, Thrombozyten, Differenzialblutbild J Eosinophilie bei Infektionen mit Helminthen und Parasiten J Leukozytose (meist bakteriell), Lymphopenie/Lymphozytose (häufig viral) J »Linksverschiebung« (bakterielle Infektion): unreife (Stabkernige)/reife Granulozyten (Segmentkernige): »immature to total quotient« (ITQ) 5 C-reaktives Protein (CRP), Prokalzitonin (PCT), Blutkörpersenkungsgeschwindigkeit (BSG) 4 Erregerdiagnostik 5 > Memo Besonders aussagekräftig sind Untersuchungen aus »primär sterilen Materialien«: z. B. Blut, Liquor, Punktate, Biopsien, bronchioalveolärer Lavage (BAL) 5 Erregeranzucht (Kultur) 5 Antigennachweis (z. B. ELISA, Immunfluoreszenz) 5 Genomnachweis (z. B. PCR) 5 Serologie (Nachweis spezifischer Antikörper) Therapie
4 > Memo Bei schweren Infektionen ist die antibiotische Therapie eine Notfalltherapie, die ohne Zeitverzögerung begonnen werden muss. 4 unkritischer Einsatz von Antibiotika begünstigt die Resistenzentwicklung
4.2
Krankheitsbilder
4.2.1
Sepsis
4 »systemic inflammatory response syndrome« (SIRS): schweres generalisiertes Infektionssyndrom mit den klinischen Zeichen einer systemischen Entzündungsreaktion 4 Sepsis: systemische Infektionskrankheit (z. B. Bakteriämie) mit den Zeichen der SIRS 4 häufige Erreger 5 Neugeborene: Streptococcus agalactiae (β-hämolysierende Streptokokken der Gruppe B [GBS]), Escherichia coli, Listeria monocytogenes, Herpes-simplex-Virus 5 alle Altersgruppen: Staphylococcus aureus, Streptococcus pyogenes (β-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A [GAS]), Streptococcus pneumoniae, Haemophilus influenzae, Neisseria meningitidis 5 Reiserückkehrer: Plasmodium falciparum (Malaria tropica) 5 Immunsupprimierte: opportunistische Infektionen (Adenoviren, Pilzsepsis) 4 alternative Ursachen des SIRS: schwere Traumata oder Verbrennungen (»sterile Entzündungsreaktion«)
99 4.2 · Krankheitsbilder
Klinik
4
Eigene Notizen
4 Symptome am Beginn einer Sepsis sind häufig wenig spezifisch, z. B. Fieber, Verwirrtheit 4 frühes Zeichen der Mikrozirkulationsstörung ist die verlängerte kapillare Füllzeit (KFZ >2 s) 5 Druck auf gut zirkulierte Hautareale (z. B. Fingernagel) → Abblassen → anschließende Dekompression → erneute Rötung innerhalb von 2 Sekunden 4 Vollbild der Sepsis: disseminierte intravasale Gerinnung (Hautblutungen), Somnolenz, Organ- und Herz-Kreislauf-Versagen SIRS-Kriterien (2 oder mehr Kriterien müssen erfüllt sein) Symptome
Altersabhängige Richtwerte
Fieber oder Hypothermie
>38,5°C (Ausnahme: Neugeborene: >38,0°C) oder <36°C
Tachykardie
<1 Monat: >190/min; 1–12 Monate: >160/min; 1–2 Jahre: >140/min; 2–5 Jahre: >130/min; 6–12 Jahre: >120/min; 13–15 Jahre: >100/min; >15 Jahre: >90/min
Tachypnoe
<1 Monat: >60/min; 1–12 Monate: >45/min; 1–2 Jahre: >40/min; 3–5 Jahre: >35/min; 6–12 Jahre: >30/min; 13–15 Jahre: >25/min; >15 Jahre: >20/min
Leukozytose oder Leukopenie
Leukozyten >14.000/μl oder <4000/μl
4 schwere Sepsis: SIRS mit Organversagen (Niere, Atmung, Leber, ZNS) 4 septischer Schock: schwerste Form der Sepsis mit katecholaminbedürftiger Herz-Kreislaufinsuffizienz trotz adäquater Flüssigkeitszufuhr (Mortalität trotz intensivmedizinischer Therapie 30–50%) 4 Risikopatienten: Immunsupprimierte, Splenektomierte (»Postsplenektomie-Sepsis«, »overwhelming post splenectomy syndrome«, OPSI), immunologische Unreife (Früh- und Neugeborene) 4 anamnestische Angaben über Exposition und Disposition: Geburtsanamnese (z. B. vorzeitiger Blasensprung, Nachweis von beta-hämolysierenden Streptokokken im Vaginalabstrich der Mutter, Herpes genitalis der Mutter), Umgebungsanamnese, Reiseanamnese, Impfanamnese, Fremdkörper (z. B. zentrale Venenkatheter, Schrittmacher)
Diagnostik 4 Infektlabor und kulturelle Erregerdiagnostik (z. B. Blutkultur, Urin, Liquor) 4 Antigennachweise (z. B. Gruppe-B-Streptokokken-Ag) 4 PCR (z. B. Herpes-simplex-Virus) 4 Ausschluss Malaria (Blutausstrich und »dicker Tropfen«) bei bekannter Reiseanamnese 4 apparative Diagnostik (Fokussuche): z. B. Sonographie, Röntgen, CT, NMR, Szintigraphie
100
Kapitel 4 · Infektionskrankheiten
Eigene Notizen
4
Therapie 4 sofortige kalkulierte antibiotische Therapie (Notfalltherapie) mit »Breitband-Antibiotika« 4 bei klinischem Verdacht: frühzeitige antivirale Therapie (Herpes-simplex-Sepsis, Influenza) 4 zusätzliche antimykotische Therapie bei Therapieversagen bzw. bei Nachweis/Verdacht auf systemische Mykose 4 chirurgisch: Fokussanierung, z. B. Abszesse (»ubi pus ibi evacua«). 4 supportive intensivmedizische Maßnahmen 5 Herz-Kreislauf-Stabilisierung: Volumengabe plus Katecholamine 5 Sicherung der Atmung (z. B. O2-Gabe, Beatmung) 5 Stabilisierung der Gerinnung (z. B. FFP, Gerinnungsfaktoren) 5 Dialyse
4.2.2
Meningitis
4 Entzündung der Hirnhäute 4 hämatogene (idiopathische) Meningitis (z. B. akute MeningokokkenMeningitis) 4 Durchwanderungsmeningitis (mit bekanntem Focus, z. B. Sinusitis) 4 posttraumatische Meningitis 4 Meningoenzephalitis (bei zusätzlicher ZNS-Beteiligung) 4 wichtige Erreger 5 Bakterien: Streptococcus pneumoniae, Neisseria meningitidis, Listeria monocytogenes, Haemophilus influenzae Typ B, Escherichia coli, Mycobacterium tuberculosis 5 Viren: Herpes-simplex-Virus, Enteroviren, Mumps 5 Pilze: Cryptococcus neoformans (Immunsupprimierte)
Klinik 4 meningeale Schmerzzeichen (Hirnhäute sind besonders gut sensorisch innerviert) 5 Nackensteifigkeit (Meningismus) 5 Brudzinski-Zeichen (Beugung des Kopfes → Anziehen der Oberschenkel) 5 Kernig-Zeichen (Streckung im Kniegelenk bei Beugung im Hüftgelenk nicht möglich) 5 »Knie-Kuss« nicht möglich 5 erhöhter Hirndruck (bei Säuglingen: vorgewölbte Fontalelle) 5 > Memo Meningeale Schmerzzeichen können fehlen (besonders bei Säuglingen). 4 Petechien → Generalisierte Blutungen (Waterhouse-Friedrichsen-Syndrom)
4 Meningoenzephalitis: Meningitiszeichen plus Bewusstseinstrübung (Desorientiertheit, Somnolenz, Koma)
101 4.2 · Krankheitsbilder
Diagnostik
4
Eigene Notizen
4 Anamnese: Umgebungsanamnese, Reiseanamnese, Zeckenstiche, Impfanamnese, Trauma 4 Infektlabor und Blutkulturen 4 Liquorpunktion nach Ausschluss eines erhöhten Hirndrucks (Augenhintergrund/CT Schädel) 4 Liquordiagnostik: Zellzahl, Eiweiß, Glukose, Laktat, mikroskopisches Direktpräparat mit Gram-Färbung, kulturelle Anzucht, PCR
Liquorstatus bei verschiedenen Formen der Meningitis Messparameter
Eitrige Meningitis (meist bakterielle)
Seröse Meningitis (meist viral)
Zellzahl
+++ (>300/μl)
++ (<300/μl)
Differenzierung
Granulozyten
Lymphomonozytäre Zellen
Glukose
Erniedrigt
Normal (>70% des Blutzuckers)
Laktat
Erhöht
Normal
Protein
Stark erhöht (200–500 mg/dl)
Mäßig erhöht (bis 150 mg/dl)
4 ! Cave Ein negatives Gram-Präparat schließt eine bakterielle Meningitis nicht sicher aus (geringe Sensitivität bei hoher Spezifität)! 4 zusätzliche Liquordiagnostik bei seröser Meningitis: HSV-, VZV-, Enterovirus-PCR, Borrelienantikörper (Serum-Liquor-Quotient, ReiberSchema) 4 zentrale Bildgebung (Sonographie, NMR, CT): Fokussuche bzw. Ausschluss Abszess 4 hohe Letalität (10–20% foudroyante Verlaufsformen) 4 Defektheilung: bleibende Behinderungen, z. B. progrediente Innenohrschwerhörigkeit 4 > Memo regelmäßige Nachsorgeuntersuchungen notwendig!
Therapie 4 sofortige kalkulierte antibiotische (und antivirale) Therapie (Notfalltherapie!) 5 Cephalosporin der 3. Generation (hohe Liquorgängigkeit) plus Ampicillin (bei Verdacht auf Listerien) plus Aciclovir (bei Verdacht auf Herpes- oder Varizella-Zoster-Meningitis) 4 > Memo Jede Verzögerung der antibiotischen Therapie erhöht signifikant die Mortalität und die Schwere von Residuen. 4 therapiebegleitend: antiinflammatorische Therapie mit Dexamethason für 2 Tage empfohlen (Reduktion der zerebralen Zellschädigung infolge der Inflammation) 4 chirurgisch bei nachgewiesenem Fokus (z. B. offenes Schädel-HirnTrauma, Abszess)
102
Kapitel 4 · Infektionskrankheiten
Eigene Notizen
4.2.3
Pneumonie
7 Kap. 5.3.4
4.2.4
4
Osteomyelitis
4 hämatogene Osteomyelitis (idiopathische Osteomyelitis) 5 Staphylococcus aureus, Gram-negative Stäbchen (z. B. Salmonellen), Mycobacterium tuberculosis, Treponema pallidum (Lues connata) 4 posttraumatische Osteomyelitis 5 Aeobe/anaerobe Mischinfektion, C. perfringens (Gasbrand) 5 ! Cave Bissverletzungen von Menschen und Tieren
Klinik 4 4 4 4 4
häufig wenig spezifisch (Abgeschlagenheit, subfebril) Schonung der betroffenen Extremität (»Pseudoparalyse«) septische Arthritis (Ausbreitung per continuitatem) Senkungsabszess in präformierte Muskellogen (z. B. Psoasabszess) Komplikation: Wachstumsstörungen durch Zerstörung von Epiphysenfugen 4 > Memo Differenzialdiagnose: Knochentumoren, benigne Knochenzysten
Diagnostik 4 Infektlabor einschließlich Blutkörpersenkungsgeschwindigkeit (BSG) plus wiederholte Blutkulturen 4 Erregernachweis sollte wenn möglich erzwungen werden 4 invasive Untersuchungen (Biopsie, Punktion) bei negativen Blutkulturen 4 Bildgebung mit Röntgen (häufig erst mit Latenz auffällig), Ultraschall (perifokales Weichteilödem), NMR (besonders sensitiv und spezifisch), 99mTc-Sklelettszintigraphie (postoperativ nicht sinnvoll, da falsch-positiv), evtl. PET
Therapie 4 gezielte antibiotische Therapie (i.v.) entsprechend Erregernachweis und Antibiogramm (Minimum 3(–6) Wochen) 4 plus chirurgische Fokussanierung (bei konservativem Therapieversagen)
4.2.5
Harnwegsinfektion
7 Kap. 10.2
103 4.2 · Krankheitsbilder
4.2.6
Infektiöse Darmerkrankungen
4 > Memo Durchfallerkrankungen sind weltweit eine der häufigsten Ursachen der Kindersterblichkeit. 4 Übertragung: fäkal-oral 5 Hohe Infektionsdosis: Anreicherung in Nahrungsmitteln durch unsachgemäße Lagerung (z. B. enteritische Salmonellen) 5 geringe Infektionsdosis: direkte Übertragung von Mensch zu Mensch (z. B. Rotaviren) 4 wichtige Erreger 5 Bakterien: Salmonella enteritidis, Shigella dysenteriae (Ruhr), Vibrio cholerae, Campylobacter jejuni, Yersinien enterocolitica (Inkubationszeit: wenige Tage) 5 Viren: Rotaviren, Noroviren, Enteroviren (Inkubationszeit: Stunden bis wenige Tage) 5 Parasiten: Amöben, Cryptosporidien (Immunsupprimierte) 5 Lebensmittelvergiftung: z. B. Toxine von Staphylococcus aureus, Bacillus cereus (Inkubationszeit: wenige Stunden) 4 meldepflichtig nach IfSG §6 und 7 4 Komplikationen: Postinfektöse Arthritis (1–2 Wochen nach Diarrhö) 5 Assoziation mit HLA-B27 5 Reiter-Trias (Konjunktivitis, Arthritis, Urethritis)
Klinik 4 Durchfälle 4 Exsikkose 5 Gewichtsabnahme 5 stehende Hautfalten 5 eingesunkene Fontanelle 5 > Memo aufgrund der Dehydratation initiale Venenpunktion häufig problematisch 4 Bewusssteinsstörung, Apathie
Diagnostik 4 Erregeranzucht (Selektivmedien) 4 Antigennachweis (Gruber-Agglutination) 4 molekularbiologischer Nachweis der Pathovare (PCR für Pathogenitätsfaktoren)
Therapie 4 orale bzw. i.v. Rehydratation 4 antibiotische Therapie nur bei invasiven Infektionen (z. B. Typhus)
4
Eigene Notizen
104
Kapitel 4 · Infektionskrankheiten
Eigene Notizen
4
4.3
Bakterielle Infektionen
4.3.1
Streptokokkeninfektionen
4 Gram-positive, Katalase-negative Bakterien, die mikroskopisch in Ketten gelagert sind 4 Einteilung nach 5 Hämolyseverhalten auf Schafsblut-Agar J α-Hämolyse (unvollständige Hämolyse: »vergrünend«) J β-Hämolyse (vollständige Hämolyse) J γ-Hämolyse (ohne Hämolyse) 5 Gruppenantigenen (C-Substanz, Lancefield-Klassifikation) Streptococcus pyogenes (β-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A, GAS)
4 lokale Infektionen (Tonsillitis, Haut-/Weichteilinfektionen) 4 toxinvermittelte Erkrankung (Scharlach, »streptokokken toxic shock syndrome« [STSS]) 4 postinfektiöse immunologisch vermittelte Erkrankung (Poststreptokokken-Glomerulonephritis und rheumatisches Fieber) 4 > Memo S. pyogenes ist immer Penicillin-empfindlich
Angina tonsillaris (Tonsillopharyngitis) 4 eitrige Mandelentzündung 4 Manifestation: Klein- und Schulkindalter 4 Inkubationszeit: wenige Tage
Klinik 4 Fieber, Schluckstörung, feuerrote mit Stippchen belegte Tonsillen 4 druckdolente Lymphknotenvergrößerung (mandibulär, zervikonuchal) 4 Rezidive möglich (Erregerpersistenz in den Krypten der Tonsillen)
Diagnostik 4 kultureller Erregernachweis, Antigennachweis (»Streptokokken-Schnelltest«)
Therapie 4 Penicilline p.o. oder i.v.
Scharlach 4 toxinvermittelte Erkrankung (erythrogenes phagenkodiertes Toxin) 4 lokale Infektion mit toxinogenen Stämmen (z. B. Tonsillitis) 4 selten: Wundscharlach nach Haut-/Weichteilinfektionen mit GAS
Klinik 4 feinfleckiges Exanthem/Enanthem 5 Betonung der Beugen (axillär und inguinal), Munddreieck ausgespart (Facies scarlatina)
105 4.3 · Bakterielle Infektionen
4 »Himbeerzunge« (prominente, stark geröteten Papillen) 4 groblamelläre Hautschuppung an Händen und Füßen (2.–4. Woche nach Krankheitsbeginn)
Diagnostik 4 kultureller Erregernachweis, Antigennachweis (»StreptokokkenSchnelltest«)
Therapie 4 Penicilline p.o. oder i.v.
Streptokokken toxic shock syndrome (STSS) 4 toxinvermittelte systemische Entzündungsreaktion durch Superantigene (s. auch Staphylococcus aureus) 4 sepsisartiges Krankheitsbild (s. auch 7 Kap. 4, S. aureus toxic shock syndrome) Haut-/Weichteilinfektionen durch β-hämolysierende Streptokokken
4 klinische Unterscheidung folgender oberflächiger und tiefer Infektionen
Impetigo contagiosa 4 hochkontagiöse superfizielle Infektion der Haut 4 Manifestation: Kleinkind- und Schulalter
Klinik 4 Infektion der Haut mit Blasen- und Ulkusbildung (honigfarbene Krusten) 4 Schmierinfektion: häufige Autoinfektionen an gut zugängigen Hautarealen (Kratzstellen)
Diagnostik 4 kultureller Erregernachweis aus Abstrichmaterial 4 Diffrenzialdiagnose: Staphylodermie durch Staphylococcus aureus
Therapie 4 Lokaltherapie 4 evtl. plus Cephalosporin 1.–2. Generation p.o.
Erysipel 4 intrakutane Infektion mit Ausbreitung in den Lymphspalten 4 Risikofaktoren: Vorausgegangenes Erysipel, Lymphabflussstörung, Stoffwechselerkrankungen (z. B. Diabetes mellitus)
Klinik 4 Fieber plus feuerrotes, scharf begrenztes, schmerzhaftes Erythem 4 ipsilaterale druckdolente Lymphknotenvergrößerung 4 häufige Eintrittspforten: Mikrotraumata/Hautmazerationen
4
Eigene Notizen
106
Kapitel 4 · Infektionskrankheiten
Eigene Notizen
Diagnostik 4 klinische Blickdiagnose 4 evtl. Blutkultur > Memo Abstriche sind nicht sinnvoll, Biopsien nicht indiziert!
Therapie
4
4 Penicillin i.v./p.o. 4 evtl. kurzzeitige Ruhigstellung der befallenen Extremität
Phlegmone (»cellulitis«) 4 Infektion der Kutis und Subkutis (Differenzialdiagnose: andere Erreger, z. B. Staphylococcus aureus)
Klinik 4 klassische Entzündungszeichen (calor, rubor, dolor, tumor, functio laesa) 4 Ekthyma gangraenosum: Ulzerierende eitrige Entzündung der Haut bei Immunsupprimierten
Diagnostik 4 evtl. Blutkultur ! Cave keine Abstriche und keine Biospien 4 Bildgebung mit Sonographie, CT
Therapie 4 Ampicillin plus Clavulansäure oder Cephalosporine 1.–2. Generation i.v./p.o.
Nekrotisierende Fasziitis 4 lebensbedrohliche Haut-/Weichteilinfektion 4 invasive, häufig auch toxinvermittelte Infektion
Klinik 4 starke lokale Schmerz/Gefühlsstörungen bei äußerlich wenig auffälligem Lokalbefund 4 Eintrittspforte: Bagatelltraumata der Haut (z. B. superinfizierte Insektenstiche)
Diagnostik 4 Bildgebung: Sonographie, Röntgen, NMR 4 mikrobiologische Untersuchung aus Biopsiematerial (Gram-Präparat und Kultur)
Therapie 4 antibiotische Therapie (Notfalltherapie) 4 frühzeitige chirurgische Exploration (Notfalltherapie), Nekrosektomie Streptokokken-Folgeerkrankungen
4 immunologisch vermittelte postinfektiöse Erkrankungen durch nephritogene/rheumatogen Stämme (M-Antigene)
107 4.3 · Bakterielle Infektionen
Rheumatische Fieber (RF) 7 Kap. 8.1.5
Akute Poststreptokokken-Glomerulonephritis (akute exsudativ-proliferative GN) 7 Kap. 10.3.2
Pneumokokken (Streptococcus pneumoniae)
4 »vergrünende«, Gram-positive Diplokokken 4 wichtigster Pathogenitätsfaktor: Polysaccharidkapsel (>100 Kapseltypen) 4 30–40% asymptomatische Träger (Nase-Rachen-Raum) 4 Manifestation: besonders häufig in den ersten beiden Lebensjahren 4 besondere Disposition bei Asplenie (OPSI, »overwhelming post splenectomy infection syndrome) 4 ! Cave zunehmende Resistenzentwicklung gegen Penicilline, Cephalosporine und Makrolide in südlichen Ländern (z. B. in Spanien >50%)! 4 Prophylaxe invasiver Infektionen durch Impfung (Totimpfstoffe) 5 Regelimpfung für Säuglinge ab 2. Lebensmonat mit 7- oder 10-valentem Konjugat-Impfstoff (ein 13-valenter Konjugatimpfstoffe wird in Kürze zugelassen) 5 ab dem 3. Lebensjahr: 23-valenter Kapselpolysaccharid-Impfstoff (Indikationsimpfung)
Klinik 4 Infektionen des Respirationstrakts 5 Pneumonie 5 Otitis media 5 Sinusitis 5 Komplikationen: Mastoiditis, Durchwanderungsmeningitis, Lungenabszess, Pleuraempyem, sekundäre Sepsis 4 Pneumokokkenmeningitis, -sepsis (7 Kap. 4.2.2) 5 Defektheilungen treten im Vergleich zu anderen Meningitiserregern besonders häufig auf (bis 20%)
Diagnostik 4 Infektlabor und Blutkultur 4 Röntgen-Thorax (Lobärpneumonie: Zeichnungsvermehrung mit Aerobronchogramm) 4 Liquordiagnostik 4 fakultativ: Pneumonkokken-Antigennachweis im Urin
Therapie 4 kalkulierte antibiotische Therapie (z. B. Cephalosporine, Ampicillin) 4 > Memo Die antibiotische Therapie ist bei schweren PneumokokkenInfektionen eine Notfalltherapie.
4
Eigene Notizen
108
Kapitel 4 · Infektionskrankheiten
Eigene Notizen
4.3.2
Staphylokokkeninfektionen
4 Gram-positive, Katalase-positive Bakterien, die mikroskopisch in Trauben gelagert sind Koagulase-negative Staphylokokken (KNS)
4
4 physiologische Hautkeime (Kommensale) 4 geringe Virulenz bei ausgeprägter Persistenz (z. B. Biofilmbildung) 4 häufige Antibiotikaresistenz (z. B. Methicillin-resistenter S. epidemidis, MRSE)
Klinik 4 Fremdkörperinfektion/nosokomiale Infektion 4 Infektionen bei Immunsupprimierten und Immununreifen (Neonatologie) 4 häufige Kontaminante bei unsachgemäßer Probeabnahme
Diagnostik 4 Kultur
Therapie 4 bei oberflächiger Besiedlung: keine Therapie nötig 4 bei invasiver Infektion: 5 Entfernung besiedelter Fremdkörper (z. B. zentrale Venenverweilkatheter) 5 antibiotische Therapie nach Antibiogramm Staphylococcus aureus
4 ca. 30% asymptomatische Träger im Nasen-Rachen-Raum 4 wichtige Voraussetzung der Invasion ist i. d. R. eine gestörte Haut-/ Schleimhautbarriere 4 hohe Virulenz (Adhäsine, Invasine, Toxine, Superantigene) 4 akute, z. T. perakut verlaufende Infektionen mit hoher Mobidität und Letalität 4 chronische Infektionen mit ausgeprägter Rezidivneigung 5 Rezidive durch »Small-colony«-Varianten 5 Rezidive nach intrazellulärer Persistenz (Mimikry) 4 Antibiotikaresistenz (Methicillin-resistenter S. aureus [MRSA]) 5 Alternatives Penicillin-bindendes Protein (PBP2a, MecA-Gen) 5 > Memo »community acquired MRSA« (CA-MRSA) sind neue ambulant erworbene »Problemkeime«, die häufig von Kindern aus USA und Canada importiert werden.
Invasive S.-aureus-Infektionen Klinik 4 Systemerkrankungen durch Staphylococcus aureus 5 Pneumonie ! Cave Säuglinge, Patienten mit Mukoviszidose oder Antikörpermangel
109 4.3 · Bakterielle Infektionen
5 Endokarditis 5 Sepsis 4 Haut-/Weichteilinfektionen durch S. aureus 5 Abszesse: Follikultis (Haarbalgentzündung), Furunkel (eintrig abzedierende Hautinfektion), Karbunkel (Einschmelzung mehrerer Furunkel), tiefe Weichteilabzesse 5 Impetigo contagiosa (hochkontagiöse oberflächige Hautinfektion; »Staphylodermie«) 5 Phlegmone (subkutane Infektion) 5 Osteomyelitis (meist hämatogen)
Diagnostik 4 Blutkulturen (z. B. bei Osteomyelitis), Kultur aus Abszess- oder Abstrichmaterial 4 Schnelldiagnostik mit PCR möglich (z. B. MRSA)
Therapie 4 > Memo Abszesse immer chirurgisch behandeln (»ubi pus ibi evacua«) 4 MSSA (Methicillin-sensitiv): Penicillinase-feste Penicilline (Flucloxacillin) oder Cephalosporine der 1.–2. Generation 4 MRSA: Glykopeptide (z. B. Vancomycin), Oxazolidone (z. B. Linezolid), Daptomycin, Tigecyclin
Toxisches Schocksyndrom (TSS) 4 toxinproduzierende Stämme (toxic shock syndrome toxin [TSST-1], andere Superantigene [z. B. SEB]) 4 möglicher Fokus: vaginale Besiedlung mit toxinogenen Stämmen ! Cave Verwendung bestimmter Tampons!
Klinik 4 sepsisartiges Krankheitsbild mit Exanthem 4 Hauptkriterien (mindestens 3 Organsysteme müssen beteiligt sein) 5 Gastrointestinaltrakt: Erbrechen, Diarrhö 5 Muskulatur: Myalgie, CK-Erhöhung 5 Schleimhaut: Enanthem, Hyperämie 5 Niere: Harnstoff/Kreatinin Erhöhung, Leukozyturie ohne Erregernachweis 5 Leber: Transaminasen-, alkalische Phosphatase-, Bilirubinerhöhung 5 ZNS: Desorientiertheit, Bewusstseinstrübung 4 nach 2 Wochen: groblamelläre Hautschuppung 4 Pathogenese durch systemische Toxinwirkung
Diagnostik kultureller Nachweis toxinogener Stämme (Speziallaboratorien)
4
Eigene Notizen
110
Kapitel 4 · Infektionskrankheiten
Eigene Notizen
4
Therapie 4 Fokussanierung (z. B. Entfernen des Tampons) 4 plus antibiotische Kombinationstherapie 5 Hemmung der Bakterienvermehrung (Betalaktam-Antibiotika, z. B. Oxacillin) 5 plus Inhibition der Toxinproduktion (Proteinsynthesehemmer, z. B. Clindamycin) 4 plus intensivmedizinische symptomatische Therapie
Staphylococcal scales skin syndrome (SSSS) 4 Synonyme: Epidermolysis Ritter von Rittershain, kutanes Lyell-Syndrom, toxische Epidermolyse
Klinik 4 toxinvermittelte bullöse Hautinfektion (Exfoliativtoxin) 4 Schocksymptomatik (Superantigene) 4 Manifestationsalter: Säuglinge
Diagnostik 4 Kultur aus Abstrichmaterial
Therapie 4 Cephalosporine der 1.–2. Generation evtl. plus Clindamycin (Hemmung der Toxinproduktion)
Lebensmittelvergiftungen 4 4 4 4 4
Übertragung: kontaminierte, unsachgemäß gelagerte Nahrungsmittel Inkubationszeit: wenige Stunden hitzelabile Enterotoxine (A–H) Differenzialdiagnose: Bacillus cereus, Clostridium perfringens meldepflichtig nach §6 und 7 des IfSG
Klinik 4 plötzlich einsetzender Durchfall (häufig mit Erbrechen)
Diagnostik 4 typische Anamnese mit zeitgleich Erkrankten 4 Kultur aus Rückstellproben (Toxinnachweis in Speziallaboratorien)
Therapie 4 symptomatisch
4.3.3
4 4 4 4
Meningokokkeninfektionen
Neisseria meningitidis (Gram-negative Diplokokken) wichtigster Virulenzfaktor: Polysaccharidkapsel 12 verschiedene Kapseltypen (in Deutschland i. d. R. Kapseltyp B und C) meldepflichtig nach §6 und §7 des IfSG
111 4.3 · Bakterielle Infektionen
Klinik
Eigene Notizen
4 4 4 4
Meningokokken Meningitis (Meningitis epidemica) Sepsis hochakute Erkrankung mit hoher Letalität (5–25%) Beginn häufig als »banaler Infekt« !Cave Fehldiagnosen bei Erkrankungsbeginn 4 Krankheitsprogression innerhalb weniger Stunden 5 »grippaler Infekt« → Meningismus → Somnolenz → disseminierte intravasale Gerinnung (DIG) → Organ- und Herzkreislaufversagen 4 > Memo Ein wichtiger Hinweis für die Meningokokkenmeningitis sind Hautblutungen/Petechien (Vollbild: Waterhouse-FriedrichsenSyndrom). 4 Komplikationen 5 Residuen mit geistiger Behinderung und motorischen Entwicklungsstörungen 5 häufig: sensorische Hörstörung > Memo Nachsorge! 5 septische Metastasen mit Vernarbungen
Diagnostik und Therapie 7 Kap. 2.2
4 frühzeitige kalkulierte antibiotische Therapie ist eine Notfalltherapie
Prophylaxe 4 neu: Regelimpfung gegen Kapseltyp C für Kinder ab dem 12. Lebensmonat (Konjugat-Impfstoff), Impfung gegen Kapseltyp B nicht möglich (7 Kap. 4.9) 4 Indikationsimpfung mit bi- oder tetravalentem Kapselimpfstoff (ab dem 3. Lebensjahr, Kapseltypen A, C, W135, Y) 4 Postexpositionsprophylaxe direkter Kontaktpersonen: 600 mg Rifampicin (2 Tage) oder 500 mg Cipropfloxacin (Einmalgabe)
4.3.4
4
Haemophilus-influenzae-Infektion
4 Gram-negative, anspruchsvoll wachsende Stäbchenbakterien 4 Besiedlung von Nasen-Rachenraum (asymtomatische Träger) 4 wichtigster Pathogenitätsfaktor ist die Polysaccharidkapsel (Serotypisierung) 4 besonders virulent ist der impfpräventable Serotyp B (Hib) 5 Prophylaxe durch Hib-Impfung (Totimpfstoff) 4 nicht-invasive Infektionen (z. B. Otitis media) durch nicht-typisierbare, unbekapselte Stämme (NTHi)
Klinik 4 Otitis media, Pneumonie, Konjunktivitis 4 Meningitis, Epiglottitis (eitrige Kehlkopfentzündung) 5 ! Cave Atemwegsverlegungen (Manipulation am Kehlkopf vermeiden) 4 selten: Osteomyelitis, Arthritis, Endokarditis
112
Kapitel 4 · Infektionskrankheiten
Eigene Notizen
Diagnostik 4 Erregernachweis (Blut, Liquor, respiratorisches Sekret)
Therapie
4
4 Cephalosporine oder Aminopenicilline 4 Intubation nur durch Erfahrene in Tracheotomiebereitschaft (Epiglottitis) 4 postexpositionelle Umgebungsprophylaxe mit Rifampicin bei schweren, invasiven Infektionen (nicht geimpfte Kontaktpersonen)
4.3.5
Diphtherie
4 Corynebacterium diphtheriae, Gram-positives Stäbchenbakterium 4 toxinvermittelte Erkrankung (Diphtherie-Toxin-Gen: lysogener Bakteriophage) 4 sporadische Ausbrüche in Gemeinschaften von Nicht-Geimpften 4 Inkubationszeit: 2–5 Tage 4 meldepflichtig ist bereits der Krankheitsverdacht (§6 IfSG)
Klinik 4 4 4 4
grau-weißliche »diphtherische Pseudomenbranen« charakteristischer süßlicher Geruch massive Lymphknotenvergrößerung (»Cäsarenhals«) primäre Lokalisationen 5 Rachendiphtherie (Tonsillendiphtherie), Nasendiphtherie 5 Kehlkopf-/Larynx-Diphtherie (klassischer Krupp) J ! Cave Erstickung durch Atemwegsverlegung 5 Wunddiphtherie 4 Verlaufsformen/Komplikationen (Manifestation 1–2 Wochen nach Erkrankungsbeginn) 5 Nervensystem (Demyelinisierung) J Parese des Gaumensegels, der Augen-, Gesichts-, Schluck- und Atemmuskulatur 5 Herz (Myokarditis) J EKG-Veränderungen (Erregungsrückbildungsstörungen) und Herzrhythmusstörungen J ! Cave akuter Herztod bei erster körperlicher Belastung (z. B. Aufstehen, Stuhlgang) 5 Niere (Tubulusnekrosen): Proteinurie 5 maligne-systemische Form (Intoxikation aller Organsysteme)
Diagnostik 4 kulturelle Anzucht (Rachenabstrich) 4 Toxinnachweis bzw. Nachweis des Toxingens (PCR)
113 4.3 · Bakterielle Infektionen
Therapie
Eigene Notizen
4 frühzeitige Gabe von »Antitoxin« (Antiserum) 5 Nobelpreis für E. von Behring (1901) für die passive Immunisierung mit spezifischem Pferdeserum (Antitoxin) 4 antibiotische Therapie (Penicillin): Unterbrechung der Infektionskette, aber ohne Einfluss auf den Krankheitsverlauf (Toxinwirkung) 4 Bettruhe (für mehrere Wochen) 4 Isolierung und Pflege ausschließlich durch Geimpfte
4.3.6
4
Pertussis (Keuchhusten)
4 Bordetella pertussis und B. parapertussis (selten B. bronchiseptica) 4 schwer anzüchtbare Gram-negative Stäbchenbakterien 4 stadienhaft verlaufende toxinvermittelte Erkrankung (Pertussis-Toxin, tracheales Zytotoxin) 4 Übertragung: Tröpfcheninfektion (häufig durch asymptomatisch besiedelte Erwachsene) 4 > Memo Prävention des Säuglings-Pertussis durch Booster-Impfung von Eltern/Großeltern 4 Inkubationszeit: 1–2 Wochen
Klinik Stadien des Keuchhustens Dauer
Symptome
Stadium catarrhale
1–2 Wochen
Unspezifisch: »grippaler Infekt«, Konjunktivitis, Husten, Fieber
Stadium convulsivum
3–6 Wochen
Stakkatoartige Hustenanfälle, angestrengtes Inspirium (»Ziehen«)
Stadium decrementi
2–6 Wochen
Rekonvaleszenz
4 Komplikationen 5 schwere Hustenanfälle mit Zyanose, Erbrechen, Schleimhautblutungen (Petechien) 5 Keuchhustenenzephalopathie, zerebrale Krampfanfälle (hypoxiebedingt) 5 Pertussispneumonie 5 bakterielle Superinfektionen 5 hyperreagibles Bronchialsystem 5 Säuglings-Pertussis: Apnoe-Anfälle (Tod durch Atemstillstand) ohne Hustenattacken
Diagnostik 4 Lymphozytose (Pertussistoxin = »lymphocytosis promoting factor«) 4 PCR vom Nasenrachenabstrich (früher: Immunfluoreszenz; Kultur: wenig sensitiv)
114
Kapitel 4 · Infektionskrankheiten
Eigene Notizen
4 Serologie (häufig erst in der 3. Krankheitswoche positiv → Wiederholungsuntersuchung bei begründetem Verdacht) 4 > Memo wichtige Differenzialdiagnose: Fremdkörperaspiration
Therapie
4
4 antibiotische Therapie (Makrolide) → Unterbrechung von Infektionsketten, Reduktion von Komplikationen aber ohne Einfluss auf die Dauer der Klinik (Toxinwirkung) 4 symptomatische antitussive Therapie
Prophylaxe 4 azelluläre Pertussis-Impfung ab dem 3. Lebensmonat (Subunit-Vakzine, Totimpfstoff)
4.3.7
Clostridien
4 Gram-positive, anaerob wachsende Sporenbildner Tetanus (Wundstarrkrampf)
4 Clostridium tetani: ubiquitärer Keim (Erdreich) 4 toxinvermittelte Erkrankung (Tetanospasmin) 5 retrograde axonale, lympho- oder hämatoge Ausbreitung von Tetanospasmin in das ZNS 5 Hemmung glycinerger und GABAerger inhibitorischer Neurone (Degradation von Synaptobrevin) 4 Infektion: kontaminierte Wunden (z. B. Mikrotraumata bei der Gartenarbeit, Bissverletzungen) 4 Inkubationszeit 3 Tage bis 3 Wochen
Klinik 4 Muskelspasmen: Trismus (Mundöffnung nicht möglich); Risus sardonikus (breit gezogener schmaler Mund), Opisthotonus (Rumpfmuskulatur), Harn- und Stuhlverhalt, Schlundkrampf, Atemlähmung 4 Übererregbarkeit der Muskulatur durch taktile und sensorische Reize (z. B. Hydrophobie)
Diagnostik 4 fehlende Impfanamnese, typische Klinik 4 Toxinnachweis (Tierversuch) 4 Säuglingstetanus in Entwicklungsländern durch Kontamination des Nabelstumpfs 5 Prävention durch aktive Impfung werdender Mütter (→ »Nestschutz«)
115 4.3 · Bakterielle Infektionen
Therapie 4 intensivmedizinische Therapie einschließlich Beatmung mit Muskelrelaxation 4 plus passive Immunisierung (anti-Tetanus Immunglobulin) 4 plus Penicillin i.v.
Prophylaxe 4 Regelimpfung: aktive Impfung mit Tetanus Toxoid (Totimpstoff) ab dem 3. Lebensmonat 4 Postexpositionsprophylaxe durch Simultanimpfung aktiv und passiv (Exponierte ohne ausreichenden Impfschutz) Botulismus (Allantiasis)
4 Clostridium botulini 4 Intoxikation: hitzelabile Neurotoxine (Botulinumtoxine A–G) 5 Botulinumtoxine gelten als die stärksten biologischen Gifte (<1 μg ist tödlich) 5 Übertragung: Ingestion von kontaminierten Lebensmitteln (z. B. hausgemachte, nicht ausreichend erhitzte Konserven) 5 Inkubationszeit: Stunden bis Tage (abhängig von der Toxinmenge) 5 ! Cave Konserven mit vorgewölbtem Deckel (»Bombagen«) 5 Pathogenese: irreversible Hemmung der Motoneurone (Azetylcholin-Freisetzung) 5 Rückbildung der Paralyse nur durch Wiederausbilden neuer Synapsen 4 Säuglingsbotulismus: Toxinproduktion im Säuglingsdarm nach Ingestion sporenhaltiger Nahrungsmittel (z. B. Honig) 4 Wundbotulismus: Toxinproduktion in infizierten Wunden 4 therapeutische Anwendung von Botulinustoxin (»Botox«) z. B. bei spastischen neurologischen Erkrankungen (z. B. spastische Zerebralparese)
Klinik 4 Erkrankungsbeginn: Obstipation, Gaumensegelparese, Paresen der Gesichts- und Augenmuskulatur 4 kraniokaudal progrediente Paralyse der gesamten Muskulatur 4 ! Cave Gefahr der Zwerchfellparese
Diagnostik 4 Kultur- und Toxinnachweis (Tierversuch)
Therapie 4 frühzeitige Gabe von Antitoxin (Antiserum vom Pferd) 4 antibiotische Therapie bei Wundbotulinus (Penicillin i.v.) 4 bei Säuglingsbotulinus wird die antibiotische Therapie kontrovers diskutiert (evtl. Steigerung der Toxinproduktion) 4 Giftentfernung nur unmittelbar nach Ingestion sinnvoll (Aktivkohle, Magenspülung)
4
Eigene Notizen
116
Kapitel 4 · Infektionskrankheiten
Eigene Notizen
4
Clostridium difficile
4 pseudomembranöse Kolitis/antibiotikaassoziierte Kolitis/»Clostridium difficile associated diarrhoea« (CDAD) 4 toxinvermittelte Darmerkrankung (Enterotoxin A und B, evtl. binäres Toxin) 4 häufige asymptomatische Besiedlung in den ersten beiden Lebensjahren (geringe Expression von Toxinrezeptoren im Säuglingsdarm) 4 nosokomiale Infektionen (Kohortenisolierung, Handschuhpflege, Händewaschen mit Seife!) 4 > Memo alkoholische Händedesinfektion sind bei Sporenbildnern nicht wirksam. 4 ! Cave hochvirulenter Ausbruchstamm Ribotyp 027 (meldepflichtig §6 und §7 IfSG)
Klinik 4 wässrige, hämorrhagische Durchfälle, Tenesmen 4 Komplikation: toxisches Megakolon, Rezidive (10%) 4 mögliche Assoziation mit nekrotisierender Enterokolitis bei Frühborenen (NEC)
Diagnostik 4 Toxinnachweis (ELISA) 4 Erregeranzucht aus Stuhl 4 PCR aus Stuhl
Therapie 4 Vancomycin oder Metronidazol p.o. 4 chirurgische Intervention bei Komplikationen (Kolektomie) Clostridium perfringens (Perfringens-Toxin)
4 toxinvermittelte Infektionskrankheit 4 ubiquitärer Umwelkeim mit hoher Umwelresistenz
Klinik 4 »Gasbrand« 5 lebensbedrohliche Wundinfektion 5 kontaminierte chirurgische Instrumente ! Cave keine Sporozidie durch Auskochen 5 kontaminierte Wunden (z. B. Unfälle mit offenen Frakturen) 5 sehr selten: »Darmbrand« (Enteritis necroticans) 4 Lebensmittelvergiftungen
Diagnostik 4 Lokalbefund mit Krepitation bei der Palpation 4 Bildgebung: Röntgen (Lufteinschüsse), Sonographie 4 Gram-Präparat und Kultur aus Biopsiematerial
117 4.3 · Bakterielle Infektionen
Therapie
Eigene Notizen
4 kombinierte chirurgische (Debridement) und antibiotische Therapie (z. B. Ampicillin plus Clavulansäure) 4 evtl. plus hyperbare Sauerstofftherapie
4.3.8
Salmonellose
4 Salmonella enteritidis Subspezies enteritica, Gram-negative Stäbchen (Enterobakterien) 4 Übertragung: fäkal-oral 5 meist durch kontaminierte Speisen 5 selten direkt von Mensch zu Mensch (Typhus) 4 wässrige Diarrhö
Klinik 4 typhöse Verlaufsform 5 Serovare typhi und paratypi 5 Inkubationszeit: 2 Wochen Stadien des Typhus Krankheitsstadien
Symptome
Stadium incrementi (1 Woche)
Fieberanstieg (bis >40°C), Roseolen (septische Hautzeichen), relative Bradykardie, Leukopenie, Splenomegalie, Obstipation
Stadium acmes (1–2 Wochen)
Fieber (Kontinua), erbsbreiartiger Stuhl, Delirium (typhos = griechisch: »benebelt«), Organbeteiligung (z. B. Pneumonie, Myokarditis)
Stadium decrementi (1–2 Wochen)
Fieberschwankungen (ambiophiles Fieber), blutige Durchfälle (cave: Darmperforation), Besserung des Allgemeinzustandes
Selten: Relaps
Nach kurzem symptomfreien Intervall Wiederauftreten der Symptomatik (cave: Organmetastasen (z. B. Osteomyelitis, Organabszesse)
4 Enteritische Verlaufsform 5 häufigste Serovare: typhimurium und enteritica 5 Vermehrung ausschließlich im Darm 4 asymptomatische Dauerausscheider (Reservoir: Gallenblase)
Diagnostik 4 kulturelle Anzucht auf Spezialnährböden (Leifson-Agar) 4 Serotypisierung nach Kauffmann-White-Schema (Widal-Agglutination)
Therapie 4 4 4 4
4
symptomatische Therapie (Rehydratation) antibiotische Therapie nur bei typhösem Verlauf antibiotische Eradikation bei Dauerausscheidern (Chinolone) in refraktären Fällen: Cholezystektomie
118
Kapitel 4 · Infektionskrankheiten
Eigene Notizen
4.3.9
Shigellose (Ruhr)
4 Shigella dysenteriae, S. flexneri, S. boydii, S. sonnei 4 Inkubationszeit: 2–4 Tage 4 Übertragung: fäkal-oral von Mensch zu Mensch (geringe Infektionsdosis: <100 Bakterien)
4
Klinik 4 Tenesmen mit blutigen Durchfälle (»himbeergeléeartige Stühle«) 4 Exsikkose
Diagnostik 4 kulturelle Anzucht auf Spezialnährböden 4 Nachweis von Toxingenen (Shigatoxin, Verotoxin)
Therapie 4 antibiotische Therapie: z. B. Chinolone oder Amoxycillin
4.3.10
4 4 4 4
Escherichia-coli-Enteritis
E. coli ist Indikatorkeime für die Darmflora (Trinkwasserkontrolle) Übertragung: fäkal-oral (Mensch-Mensch, aber auch Tier-Mensch) Inkubationszeit: 6 h bis wenige Tage obligat pathogene E.-coli-Pathovare sind: 5 EPEC (enteropathogene E. coli) J Säuglings- oder Reisediarrhö J Schädigung der Mikrovilli (Enterozyten) über Adhäsine 5 ETEC (enterotoxische E. coli) J Toxin vermittelte Durchfallerkrankung (»choleraartiges« Toxin) 5 EIEC (enteroinvasive E. coli) J interzelluläre Ausbreitung J Shigella-artiges Enterotoxin (Sen) 5 EHEC (enterohämorrhagische E. coli) J toxinvermittelte Durchfallerkrankung (Verotoxin/Shigatoxin, ST) J Antropozoonose ! Cave Tierkontakte, besonders Rinder, nicht pasteurisierte Milch J häufig: Serovar O157 J ! Cave hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS) bei ca. 10% der Infizierten J Hämolyse mit Fragmentozyten, Thrombozytopenie, akute Niereninsuffizienz J Komplikation: Terminale Niereninsuffizienz (15–30%)
Klinik 4 blutige Diarrhö
119 4.3 · Bakterielle Infektionen
Diagnostik
Eigene Notizen
4 > Memo Bei blutigen Durchfällen immer Hämolyse Diagnostik (Differenzialblutbild mit Nachweis von Fragmentozyten, LDH, Haptoglobin) und EHEC-Nachweis im Stuhl anstreben 4 Stuhlkultur und molekularbiologischer Nachweis der Pathogenitätsgene mit PCR (z. B. eae-Intimin-Gen) 4 Anzucht und Typisierung (Toxingene stx1 und stx2) 4 Widal-Agglutination (O- und H-Antigene)
Therapie 4 Rehydratation 4 frühzeitige Dialyse bei HUS mit Niereninsuffizienz 4 > Memo bei Verdacht auf HUS Antibiotika möglichst vermeiden (Steigerung der Toxinproduktion)
4.3.11
4
Lues/Syphilis
4 Treponema pallidum, Gram-negative Stäbchenbakterien (Spirillen)
Klinik 4 Lues acquisa: sexuelle Übertragung/Schmierinfektion (Rarität im Kindesalter) 5 Inkubationszeit: 10 Tage bis 3 Monate 5 Parallelität von Stadien und verkürzter Verlauf bei Immundefekten (z. B. AIDS) Stadien der Lues acquisa Stadien
Symptome
Primärstadium (Lues I) (ca. 4 Wochen)
Primäraffekt: Ulcus durum (kontagiös), plus schmerzlose Lymphknotenvergrößerung (Primärkomplex)
Sekundärstadium (Lues II) (Monate bis Jahre)
Systemische Ausbreitung der Erreger (kontagiös): Fieber, Abgeschlagenheit, Exanthem (Syphilid) mit Betonung der Handund Fußflächen, Condylomata lata, Enanthem (Plaque muqueuses)
Tertiärstadium (Lues III) (nach Jahren)
Nicht mehr infektiös: Gummen (chronisch-granulomatöse Infektion: Haut und Organe), Neurolues (Tabes dorsalis, progrediente Paralyse), kardiovaskuläre Lues (Mesaortitis luetica)
4 Lues connata 5 Infektion der Mutter → transplazentare Übertragung nach der 10. SSW J intrauteriner Fruchttod/Frühgeburtlichkeit J häufig: Postnatal klinisch unauffällig (>50%) J Frühform (bei Geburt symptomatisch): Coryza syhilitica (blutigeitriger Schnupfen), Atemstörung, Hepatosplenomegalie, Pemphigus syphilitica 5 Spätform (Manifestation 1–3 Monate postnatal)
120
Kapitel 4 · Infektionskrankheiten
Eigene Notizen
4
J makulopapulöses Exanthem (Syphilid), Schleimhautulzera (Plaque muqueuses), Fieber, Osteochondritis/Periostitis/Osteomyelitis (Pseudoparalyse), Myokarditis, Hepatitis, Iritis/Retinitis u. a. J 2. Lebensjahr: seröse Meningitis 4 Lues connata tarda (Manifestation in Kleinkind-/Schulalter) 5 Hutchinson-Trias J Keratitis parenchymatosis J Tonnenzähne J Innenohrtaubheit
Diagnostik 4 Direktnachweis (Dunkelfeldmikroskopie) 4 Serologie: Suchtest (TPHA/TPPA), Bestätigungstest (FTAabs-IgG/IgM), Aktivitätsmarker (VDRL, Lipoid-/Cardiolipin-Antikörper)
Therapie 4 Penicillin G 4 ! Cave Jarisch-Herxheimer-Reaktion bei Therapiebeginn (Endotoxinfreisetzung) mit Fieber, Exanthem, Myalgie 4 Prophylaxe der Lues connata 5 TPHA-Suchtest in der Frühschwangerschaft (Dokumentation im Mutterpass) 5 frühzeitige antibiotische Therapie der infizierten Mutter
4.3.12
Lyme-Borreliose
4 Borrelia burgdorferi (B. sensu strictu, B. afzelii, B. garinii), Gram-negative Stäbchenbakterien (Spirillen) 4 stadienhaft verlaufendes Infektionssyndrom 4 Übertragung durch Zecken 4 > Memo Prävention durch Repellentien bzw. durch frühzeitige Entfernung von Zecken, Impfung nicht möglich
Klinik Stadien der Borreliose Stadien
Symptome
Frühstadium (lokalisiert)
Erythema chronicum migrans (»Wanderröte«)
Frühstadium (generalisiert)
5 5 5 5
Lymphadenosis cutis benigna (»Pseudolymphom«), Meningoradikulitis Bannwath (z. B. Fazialisparese) Seröse Meningitis (Differenzialdiagnose: virale Meningitiden) Arthritis/Karditis/Konjunktivitis
Spätstadium
5 5 5 5
Chronisch progressive Enzephalomyelitis Chronische Polyneuropathie Chronische Arthritis Akrodermatitis chronica atrophicans
121 4.3 · Bakterielle Infektionen
Diagnostik 4 Serologie: IgG- und IgM-Antikörper, Western-Blot-Bestätigungstest 4 Serologie im Frühstadium häufig noch negativ (diagnostisches Fenster) 4 Sensitivität der PCR gering
Therapie 4 Frühstadium (lokalisiert): z. B. Amoxycillin p.o. (im Erwachsenenalter Doxycyclin) 4 generalisierte Infektion und Spätstadium: Ceftriaxon i.v.
4.3.13
Tuberkulose
Mycobacterium tuberculosis
4 säurefeste Stäbchenbakterien, langsames intrazelluläres Wachstum (Makrophagen) 4 immunologische Kontrolle durch spezifische T-Zellen 4 Histologie: granulomatöse Entzündung mit verkäsender Nekrose 4 Übertragung: aerogene Infektion, selten Nahrung (Darmtuberkulose)
Klinik 4 Primärkomplex (Ghon-Komplex): Primäraffekt plus korrespondierender Lymphknoten 4 systemische Aussaat (»Mikrometastasen«) 5 symptomlose Persistenz in multiplen Organen (z. B. Simon-Spitzenherde der Lunge) 5 selten (Immunsupprimierte/Immununreife): Miliartuberkulose, Landouzy-Sepsis 4 Reaktivierung (z. B. bei Immunsuppression, Unterernährung, Tumoren, erhöhtem Alter etc.) 4 Organmanifestationen (postprimäre Tuberkulose) 5 Lungentuberkulose (Kavernenbildung im Röntgenbild) 5 tuberkulöse Meningitis 5 tuberkulöse Nephritis (»sterile Leukozyturie«) 5 Osteomyelitis/Spondylodiszitis 5 Darmtuberkulose (Auslandsanamnese: infizierte Milchprodukte, z. B. M. bovis)
Diagnostik 4 indirekter Nachweis (spezifische T-Zellen) 5 Mendel-Mantoux-Intrakutantest (Induration innerhalb von 72 h, allergische Typ IV Reaktion) 5 T-Zell-Aktivierungstest im Blut (»tuberculosis interferon-gamma release assay«, TIGRA) J Unterscheidung zwischen Impfantwort (BCG) und Kontakt mit M. tuberculosis im Gegensatz zum Intrakutantest möglich
4
Eigene Notizen
122
Kapitel 4 · Infektionskrankheiten
Eigene Notizen
4
4 direkter Nachweis 5 Mikroskopie (Ziehl-Neelsen-Färbung, Kinyoung-Färbung) 5 Anzucht auf Spezialnährböden (z. B. Löwenstein-Jensen-Agar, Dauer der Anzucht: mehrere Wochen) 5 Genomnachweis und genotypische Resistenztestung (PCR) innerhalb von 24 h möglich 5 phänotypische Resistenztestung (Dauer: mehrere Wochen)
Therapie 4 Standardtherapie 5 Vierfachtherapie (2 Monate): Isoniazid, Rifampicin, Etambutol, Pyrazinamid 5 Zweifachtherapie (weitere 4 Monate): Isoniazid, Rifampicin 5 ! Cave Resistenzentwicklung gegen klassische Tuberkulostatika (MDR/XDR-Stämme) 4 Chemoprophylaxe (bei Serokonversion ohne Erregernachweis, latente Infektion) 5 Isoniazid Monotherapie (9 Monate) Atypische Mykobakteriosen (»mycobacterium other than tuberculosis«, MOTT)
4 besondere Disposition bei Kleinkindern und bei Immmunsupprimierten
Klinik 4 meist einseitige Lymphknotenvergrößerung ! Cave Differenzialdiagnose: Tumor/Lymphom 4 »Schwimmbadgranulom« der Haut (M. marinum) 4 Hautulkus (M. ulcerans, »Buruli-Ulkus«) 4 tuberkuloseartige pulmonale Infektion bei Immunsupprimierten (z. B. AIDS)
Diagnostik 4 Nachweis bevorzugt aus Biopsiematerial 4 Anzucht (Spezialnährböden) 4 Genomnachweis (PCR)
Therapie 4 Lymphknotenexstirpation in toto (Immungesunde) ohne weitere tuberkulostatische Therapie 4 alternativ: Antimykobakterielle Therapie (z. B. Rifabutin plus Clarithromycin)
4.3.14
Chlamydien
4 Chlamydien sind obligat intrazellulär wachsende Bakterien 4 Therapie der Wahl: Makrolide
123 4.3 · Bakterielle Infektionen
Chlamydia trachomatis
4 abhängig vom Serotyp sind verschiedene Krankheitsentitäten bekannt (s. u.)
Klinik 4 Trachom (Serovare A–C) 5 chronischen Augenentzündung, die unbehandelt zur Erblindung führt 5 endemisch in tropischen Ländern 4 Lymphogranuloma venerum (Serovare L1–3) 5 Geschlechtskrankheit 5 Primärläsion (Ulkus) und begleitender Lymphknotenschwellung 4 Chlamydien-Konjunktivitis und -Pneumonie (Serovare D–K) 5 konnatale aszendierende Infektion bei vorzeitigem Blasensprung 5 perinatale Infektion durch die vaginal besiedelte Mutter (Prävention durch Screening der Mutter[PCR]) 5 ! Cave »Ping-pong-Infektionen« (sexuelle Übertragung bei Erwachsenen) 5 klinisch bei Erwachsenen häufig asymptomatischer Verlauf 5 Inkubationszeit: 1–4 Wochen 5 Neugeborene (perinatal erworbene Infektion) J C.-trachomatis-Pneumonie (10–20% der Exponierten) J eitrige Konjunktivitis (»Einschlusskörperchen-Konjunktivitis«) bei >50% der Exponierten J >Memo Die Credé-Prophylaxe verhindert die Konjunktivitis, nicht die Entwicklung der Pneumonie 5 Frauen J Adnexitis durch aszendierende Infektion (Unfruchtbarkeit durch Tubenverklebung) J selten: Peritonitis 5 Männer J Epididymitis/Prostatitis
Diagnostik 4 Genomnachweis (PCR) 4 Serologie (im Rahmen der akuten Erkrankung häufig noch negativ) 4 Anzucht in Zellkultur (Speziallabore)
Therapie 4 Makrolide > Memo immer systemische antibiotische Therapie, auch bei Konjunktivitis Chlamydia psittaci
4 natürliches Habitat: Vögel 4 Übertragung: Inhalation von erregerhaltigem Staub 4 Inkubationszeit 7–14 Tage
4
Eigene Notizen
124
Kapitel 4 · Infektionskrankheiten
Eigene Notizen
Klinik 4 atypische Pneumonie (Psittakose, Ornithose, Papageienzüchter-Erkrankung)
Diagnostik
4
4 Anzucht in Zellkultur (Speziallabore) 4 Serologie (im Rahmen der akuten Erkrankung häufig noch negativ) 4 Genomnachweis (PCR)
Therapie 4 Makrolide Chlamydia pneumoniae
Klinik 4 Infektionen der oberen und unteren Luftwege (Konjunktivitis, Pharyngitis, Bronchitis, Otitis media, Pneumonie) 4 Hyperreagibilität des Bronchialsystems im Anschluss an die akute Infektion
Diagnostik 4 PCR (Antigennachweis und Serologie sind wenig sensitiv und spezifisch)
Therapie 4 Makrolide
4.4
4 4 4 4
Virusinfektionen
infektiöse Partikel ohne eigenen Stoffwechsel Zusammensetzung: Nukleinsäure (DNA oder RNA) und Proteine Vermehrung obligat intrazellulär infektiöses Prinzip: virale Nukleinsäure → Umprogrammierung der Wirtszelle → Synthese der Virusbausteine und des Virusgenoms → Zusammenbau (»self assembly«) →-Virusfreisetzung 4 Aktivität/Replikation 5 aktive Infektion (Virusnachweis positiv) 5 Primärinfektion (Serokonversion) 5 latente Infektion (Persistenz von Virusgenom ohne Virusreplikation, z. B. Herpesviren) 5 Reaktivierung (häufig im Rahmen von Immunsuppression) 4 Pathogenese von Viruserkrankungen 5 abortive Infektion (asymptomatisch) 5 lytische Infektion (direkter zytopathischer Effekt) 5 immunvermittelte Zellschädigung (indirekter Effekt) 5 Transformation (z. B. Tumor-/Warzenviren) 4 typische Charakteristika viraler Infektionskrankheiten 5 zweigipfliger Fieberverlauf (Virämie → Entzündungsreaktion) 5 hohe Infektiosität häufig bereits wenige Tage vor Exanthembeginn
125 4.4 · Virusinfektionen
5 lebenslange Immunität bei klassischen Kinderkrankheiten z. B. Masern, Mumps, Röteln, Windpocken (Voraussetzung: ein Serotyp) 5 Teilimmunität: zeitlich begrenzter Schutz vor Neuinfektionen (z. B. Noroviren) 5 selten: »immune enhancement« (verstärkte Pathogenität bei nichtsterilisierender Immunität, z. B. Dengue-Virus)
4.4.1
Masern
4 4 4 4
Morbillivirus (Paramyxovirus) Übertragung: Tröpfcheninfektion/aerogene Infektion Inkubationszeit: 9–12 Tage fast alle Infektionen verlaufen symptomatisch (Manifestationsindex >90%) 4 i. d. R. lebenslange Immunität
Klinik 4 Prodromalstadium (3–4 Tage) 5 katarrhalische Symptomatik mit Fieber, Abgeschlagenheit, Husten 5 Konjunktivitis, Lichtscheu 5 pathognomonisch: Koplik-Flecken (kalkspritzerartiges Enanthem der Wangenschleimhaut auf Höhe der Prämolaren) 4 Exanthemstadium 5 mittel- bis großflächiges, z. T. konfluierendes Exanthem 5 Exanthembeginn am Kopf, kraniokaudale Ausbreitung 5 Zunahme der katarrhalischen Allgemeinsymptome, Fieber, starke Abgeschlagenkeit 5 Lymphadenopathie (zervikonuchal), Lymphozytopenie 5 Entfieberung spätestens am 4. Krankheitstag 5 ! Cave prolongiertes Fieber → komplizierter Verlauf (z. B. durch bakterielle Superinfektion) 4 Komplikationen 5 Masern-Pneumonie (Riesenzellen, Synzytien) 5 Masern-Enzephalitis (Häufigkeit 1:1000) mit hoher Letalität (bis 20%); Defektheilungen (bis 40%) 5 Immunsuppression (z. B. Reaktivierung einer Tuberkulose) 5 toxische Masern (foudroyant) mit generalisierter Hämorrhagie und hoher Letalität 5 bakterielle Superinfektionen 5 subakut sklerosierende Panenzephalitis (SSPE) J Spätkomplikation mit einer Latenz von mehreren Jahren J chronische Enzephalitis durch mutierte Masernviren J chronisch progrediente neurologisch-demenzielle Entwicklungsstörung (100% letal!) J typische EEG-Veränderungen J Risikopatienten nach Infektion im Alter <1 Jahr (vor Erreichen des empfohlenen Alters für Lebendimpfungen!)
4
Eigene Notizen
126
Kapitel 4 · Infektionskrankheiten
Eigene Notizen
Diagnostik 4 Serologie: Masern-IgG und -IgM
Therapie 4 symptomatisch, Prävention durch Impfung (Lebendimpfstoff) 4 frühzeitige antibiotische Therapie bei Verdacht auf bakterielle Superinfektion
4 4.4.2
4 4 4 4
Mumps (Ziegenpeter, epidemische Parotitis)
Mumpsvirus (Paramyxovirus) Übertragung: Tröpfcheninfektion Inkubationszeit 2–3 Wochen i. d. R. Lebenslange Immunität
Klinik 4 4 4 4
schmerzhafte Parotisschwellung (ein- oder beidseitig) häufig asymptomatischer Verlauf (60–70%) Knabenwendigkeit Komplikationen 5 Mumps-Orchitis (selten vor der Pubertät, bis 30% nach der Pubertät), in der Folge häufig Hodenatrophie/Fertilitätsstörung 5 Mumps-Meningoenzephalitis ! Cave häufig bleibende Innenohrschwerhörigkeit 5 Mumps-Pankreatitis
Diagnostik 4 Serologie: Mumps-IgG und -IgM 4 Amylase/Lipase zum Ausschluss der Pankreatitis
Therapie 4 symptomatisch, Prävention durch Impfung
4.4.3
Röteln
4 Rubella-Virus (Rubivirus) 4 Übertragung: Tröpfcheninfektion, transplazentare Transmission 4 i. d. R. lebenslange Immunität
Klinik 4 Röteln (Kinder und Erwachsene): harmlose Kinderkrankheit 5 makulopapuläres Exanthem 5 generalisierte Lymphknotenvergrößerung 5 Allgemeinzustand kaum beeinträchtigt 5 häufig: abortive Infektionen (50% ohne klinische Symptome) 4 Röteln-Embryofetopathien (»Gregg-Syndrom«)
127 4.4 · Virusinfektionen
5 transplazentare Infektion durch Primärinfektion der Mutter in der Schwangerschaft 5 häufigste infektiöse Embryofetopathie vor Einführung der Impfung 5 Embryofetopathie-Risiko besonders hoch in der Frühschwangerschaft (>50%), nach der 18. SSW sinkt das Risiko auf <5% 5 klinische Zeichen J Katarakt bzw. weitere Augendefekte J Innenohrschwerhörigkeit J Herzfehler J psychomotorische Retardierung/Mikrozephalie J Hypotrophie/Minderwuchs 5 erweitertes Röteln-Syndrom: plus Organbeteiligung (Hepatitis, Pneumonie, Myokarditis, Blutbildungsstörung u. a.)
Diagnostik 4 Serologie: IgG und IgM, Hämagglutinations-Hemmtest (HHT) (Immunität bei Titer ≥1:32) 4 Spezialuntersuchungen zur Unterscheidung frischer und älterer Infektionen 5 epitopspezifische Anti-E2-Antikörper (Infektionszeitpunkt >3 Monate) 5 Aviditätstest (hochavide Antikörper >3 Monate nach Infektion) 5 Genomnachweis (RT-PCR)
Therapie 4 symptomatisch, Prävention durch Impfung
4.4.4
Herpes simplex
4 Herpes-simplex-Virus Typ 1 und 2 (α-Herpesvirus) 4 Übertragung: Schmierinfektion, oral, sexuell, perinatal 4 Latenz in sensorischen Ganglien
Klinik 4 gruppierte Bläschen (Vesikel) → Erosion → Ausheilung immer ohne Narbenbildung 4 lokales Taubheitsgefühl 4 Primärinfektion 5 häufig asymptomatisch 5 Stomatitis aphthosa (Mundfäule): Kleinkindalter J schmerzhafte ulzerierendes Enanthem → Nahrungsverweigerung → Exsikkose 4 Reaktivierungen 5 Herpes labialis (»Lippenbläschen«) J HSV1 (Persistenz in den trigeminalen Ganglien), selten HSV2 5 Herpes genitalis J HSV2 (Persistenz in den sakralen Ganglien), selten HSV1
4
Eigene Notizen
128
Kapitel 4 · Infektionskrankheiten
Eigene Notizen
4
4 Komplikationen 5 Herpes-Enzephalitis (Temporallappen-Enzephalitis) 5 Herpes neonatorum (perinatale Infektion, Herpes genitalis der Mutter) J lokalisierte exanthematische Infektion (»eye, skin, mouth infection«) J ZNS-Infektion (Enzephalitis) J neonatale Sepsis (generalisierter Verlauf mit Multiorganbefall) J ! Cave Neonatale HSV-Infektionen generalisieren zwangsläufig ohne frühzeitige antivirale Therapie!
Diagnostik 4 PCR (Genomnachweis), Antigennachweis (Direktpräparat), Zellkultur 4 Serologie: IgG- und IgM-Antikörper
Therapie 4 Mittel der Wahl: Aciclovir 4 > Memo Bei Verdacht auf schwere HSV-Infektionen ist Aciclovir i.v. eine Notfalltherapie, die ohne Zeitverzögerung appliziert werden muss. Die orale Bioverfügbarkeit von Aciclovir ist gering, so dass schwere HSV Infektionen stets i.v. therapiert werden müssen.
4.4.5
Varizellen und Herpes Zoster
4 Varizella-Zoster-Virus (VZV), α-Herpesvirus (HHV3) 4 hochkontagiös; Übertragung durch Tröpfcheninfektion/aerogene Infektion 4 lebenslange Latenz in sensorischen Ganglien
Klinik 4 Primärinfektion: Windpocken (Varizellen) 5 Inkubationszeit: 10 Tage bis 3 Wochen 5 schubweise auftretendes, stark juckendes Exanthem (zentripetaler Ausbreitung) 5 typische Abfolge der Effloreszenzen: Erythem → gruppierte Vesikel → Ulkus → Ausheilung/Narbe 5 »Sternenhimmelphänomen« (Parallelität früher und später Exanthemstadien) 5 Komplikationen: J Varizellen-Pneumonie J Enzephalitis (selten) J ! Cave hämorrhagische Varizellen (Immunsupprimierte) J bakterielle Superinfektionen 4 Reaktivierung: Gürtelrose (Zoster) 5 häufig streng einseitig, dermatombegrenzt 5 gruppierte Bläschen (Virusnachweis im Abstrich positiv)
129 4.4 · Virusinfektionen
5 Disposition: Immunsuppression, Tumorerkrankung, älteren Menschen 5 Komplikationen: Rezidive, Post-Zoster-Neuralgie 4 konnatale VZV-Infektion (fetales/kongenitales Varizellensyndrom) 5 sehr selten: transplazentare teratogene Infektion (Primärinfektion der Mutter) 5 skarifizierende, häufig dermatombegrenzte Gewebsschädigung, Abschnürungen 5 Enzephalitis/Mikrozephalie 4 perinatal erworbene Varizelleninfektion 5 Windpocken der Mutter um den Geburtstermin (Exanthembeginn 5 Tage vor bis 2 Tage nach der Entbindung)
Diagnostik 4 Serologie: IgG und IgM 4 Genomnachweis (PCR), Antigennachweis, Zellkultur
Therapie 4 symptomatisch (Juckreiz), Prävention durch Impfung 4 postexpositionelle Prophylaxe: passive Impfung (VZV-Hyperimmunglobulin) 4 antivirale Therapie: Aciclovir oder Brivudin (Zoster) 4 Therapie der Zoster-Neuralgie (z. B. Antidepressiva, Antiepileptika)
4.4.6
Infektiöse Mononukleose
4 Epstein-Barr-Virus (EBV), γ-Herpesvirus (HHV4) 4 Zielzellen: humane B-Lymphozyten (EBV-Rezeptor = Komplement-Rezeptor 2 [CD21]) 4 Übertragung: enger körperlicher Kontakt (»kissing disease«) 4 Infektion häufig asymptomatisch
Klinik 4 Primärinfektion: infektiöse Mononukleose (Pfeiffersches Drüsenfieber) 5 Inkubationszeit: 10 Tage bis 6 Wochen 5 Fieber, Abgeschlagenheit 5 generalisierte Lymphadenopathie (schmerzhaft), Hepatosplenomegalie 5 Tonsillitis (Differenzialdiagnose: eitrige Angina tonsillaris) 5 Komplikationen J spontane Milzruptur J sepsisartige Erkrankung mit Hämophagozytose bei Kindern mit angeborenen Immundefekte (z. B. »X-linked lymphoproliferative disease«, XLD) J Hämolyse/Thrombozytopenie
4
Eigene Notizen
130
Kapitel 4 · Infektionskrankheiten
Eigene Notizen
4
4 Tumoren 5 Hodgkin-/Non-Hodgkin-Lymphome (z. B. Burkitt Lymphom), Nasopharynxkarzinom 5 > Memo Das Auftreten dieser EBV-assoziierten Tumoren zeigt eine besonders hohe Prävalenz in Endemiegebieten mit Malaria (Kofaktor). 5 »post transplant lymphoproliferative disease« (PTLD) (lymphomartige Erkrankung bei Immunsupprimierten)
Diagnostik 4 heterophile Antikörper (Paul-Bunnell-Test, Mononukleose-Schnelltest) 4 »Pfeiffer-Zellen« im Blut (lymphozytäre Reizformen, aktivierte T-Lymphozyten) 4 Kälteagglutinine, polyklonale IgM-Produktion 4 Serologie: Anti-VCA IgG/IgA/IgM, Anti-EBNA (ältere Infektion), AntiEA (»early antigen«, aktive Infektion) 4 EBV-PCR (Genomnachweis)
Therapie 4 symptomatisch, Prävention durch Impfung nicht möglich 4 Reduktion der Immunsuppression bei Transplantierten 4 bei EBV induzierten B-Zell-Tumoren: Anti-CD20-Antikörper (Rituximab) → B-Zell-Depletion 4 ! Cave generalisiertes Exanthem bei fälschlichem Behandlungsversuch mit Ampicillin/Amoxycillin 4.4.7
Zytomegalievirus
4 β-Herpesvirus (HHV5) 4 Übertragung: enger körperlicher Kontakt (Urin, Speichel, Blut)
Klinik 4 Primärinfektion 5 meist abortiv (hohe Durchseuchung nach asymptomatischer Infektion) 5 mononukleoseartige Erkrankung (»heterophile negative mononucleosis«) 4 konnatale CMV-Infektion (transplazentare Transmission bei Primärinfektion der Mutter)
häufigste konnatale Infektion seit erfolgreicher Prävention der Röteln-Embryopathien 5 Mikrozephalie/Enzephalitis 5 Defektheilung mit progredienter Innenohrschwerhörigkeit, geistiger Behinderung 5 Organbeteiligung: Hepatitis, Blutbildungsstörung, Blutungszeichen, extramedulläre Blutbildung z. B. in der Haut (»blueberry muffin«), Pneumonie 5 meldepflichtig nach §6 IfSG
131 4.4 · Virusinfektionen
4 CMV-Infektion bei Immunsupprimierten 5 Transplantierte, Patienten mit erworbenen (AIDS) und angeborenen Immundefekten 5 > Memo verschiedene klinische Manifestationen in den Risikogruppen: Pneumonie (Stammzell-, Knochenmarktransplantation), Retinitis (AIDS), Kolitis und chronisches Transplantatversagen (Organtransplantierte)
Diagnostik 4 PCR (Genomnachweis)/Antigennachweis in Blutzellen (pp65-Antigenämie) 4 Serologie: CMV-IgG und -IgM
Therapie 4 symptomatisch, Prävention durch Impfung nicht möglich 4 Ganciclovir (GCV) i.v. oder Val-Ganciclovir p.o., bei GCV-Resistenz: Cidofovir, Foscarnet
4.4.8
Exanthema subitum
4 humanes Herpesvirus Typ 6 (HHV6-Variante A und B), β-Herpesvirus 4 alternativ: humanes Herpesvirus Typ 7 (HHV7) 4 Übertragung: Tröpfcheninfektion bzw. enger körperlicher Kontakt 4 Inkubationszeit: 1–2 Wochen
Klinik 4 Dreitagefieber, »Roseola infantum« (Primärinfektion) 5 Manifestation: Säuglings- und Kleinkindalter 5 hohes Fieber bei gutem Allgemeinzustand J unkomplizierte Fieberkrämpfe möglich 5 Exanthembeginn drei Tage nach Fieberanstieg (pathognomonisch) 4 HHV6-Reaktivierung (Rekrudenz) bei Immunsupprimierten
Diagnostik 4 typischer klinischer Befund 4 Serologie (IgG, IgM), Genomnachweis (PCR)
Therapie 4 symptomatisch, Prävention durch Impfung nicht möglich, antivirale Therapie nicht etabliert
4
Eigene Notizen
132
Kapitel 4 · Infektionskrankheiten
Eigene Notizen
4.4.9
Ringelröteln
4 Parvovirus B19 4 Übertragung: Tröpfcheninfektion bzw. enger körperlicher Kontakt, selten über Blut 4 Inkubationszeit: 1–2 Wochen 4 Zielzellen für die Virusinfektion sind Erythroblasten
4
Klinik 4 Ringelröteln (Erythema infectiosum) 5 häufig asymptomatisch 5 girlandenförmiges, wanderndes Exanthem, geringes Krankheitsgefühl 5 passagere aregeneratorische Anämie ! Cave Patienten mit verminderte Erythrozyten Überlebenszeit, z. B. Sphärozytose 5 persistierende Infektion (Monate bis Jahre): Abgeschlagenheit, Arthralgien 4 konnatale Infektion 4 transplazentare Infektion nach Primärinfektion der Mutter (besonders in den ersten beiden Schwangerschaftsdritteln) 4 Pathogenese: fetale aregeneratorische Anämie → generalisierte O2-Minderversorgung → Hydrops fetalis → intrauteriner Fruchttod 4 > Memo nicht teratogene Infektion; Rückbildung der Organveränderungen nach Korrektur der Anämie (s. Therapie)
Diagnostik 4 Serologie: IgG und IgM 4 Virusnachweis durch PCR (Serum, Synovia, Fruchtwasser, Fetalblut) 4 fetale Sonographie/Dopplersonographie
Therapie 4 intrauterine Erythrozytentransfusion durch Nabelschnurpunktion (Universalerythrozyten der Blutgruppe 0, Rh-negativ, bestrahlt) 4 nach erfolgreicher Transfusion bilden sich die Hydropszeichen i. d. R. vollständig zurück
4.4.10
Enterovirusinfektionen
4 Picorna-Viren (Coxsackie-A- und -B-Viren, Echoviren, Enteroviren (Typ 68–71), Polioviren)
Klinik 4 »Sommergrippe« 4 virale Meningitis, »Sommermeningitis« (heilt meist folgenlos aus) 4 Myokarditis (Coxsackie-A- und -B-Viren) 5 chronische Abgeschlagenheit nach »banalen« Infekten 5 Kardiomyopathie
133 4.4 · Virusinfektionen
4 4 4 4
Sepsis bei Neugeborenen »Hand-Mund-Fuß«-Erkrankung (Coxsackie-A-Viren) Pleurodynie (Bornholm-Erkrankung) (Coxsackie-B Viren) Poliomyelitis (s. unten)
Diagnostik 4 Zellkultur bzw. Genomnachweis (RT-PCR, In-situ-Hybridisierung) aus Stuhl 4 Serologie: Komplement Bindungsreaktion (KBR), Neutralisationstests
Therapie 4 symptomatisch Poliomyelitis (Kinderlähmung)
4 4 4 4
Poliovirus Typ 1, 2 und 3, selten auch andere Enteroviren fäkal-orale Übertragung Inkubationszeit 2 Tage bis 2 Wochen meldepflichtig nach §6 und §7 des IfSG
Klinik 4 4 4 4 4
häufig asymptomatisch zweigipfliger Fieberverlauf seröse Meningitis (nicht-paralytische Form) paralytische Form (Extremitäten) bulbopontine Form (Hirnnervenausfälle, Schluck-, Atem- und Kreislaufstörung) 4 enzephalitische Form (Bewusstseinsstörung) 4 vegetative Störungen (Tachykardie, Schweißausbrüche) 4 Postpoliomyelitis-Syndrom (erneute Progredienz nach 2–3 Jahren)
Diagnostik 4 Zellkultur (Stuhl) und Genomnachweis (RT-PCR, In-situ Hybridisierung) 4 Serologie: Komplement Bindungsreaktion (KBR), Neutralisationstests
Therapie 4 symptomatisch, Prävention durch aktive Impfung (Totimpfstoff, Salk), früher durch attenuierte Lebendimpfung (Sabin) 4 Eradikationsprogramm der WHO: bislang konnte Polio noch nicht weltweit eradiziert werden
4.4.11
4 4 4 4
Frühsommermeningoenzephalitis (FSME)
FSME-Virus, Flavivirus Anthropozoonose Übertragung durch Zecken (Ixodes ricinus) Endemiegebiete u. a. in Süddeutschland/Österreich/Osteuropa
4
Eigene Notizen
134
Kapitel 4 · Infektionskrankheiten
Eigene Notizen
4 Inkubationszeit 1–3 Wochen 4 Meldepflicht nach §7 IfSG
Klinik 4 meist inapparent (abortive Infektion), symptomatische Verläufe i. d. R. erst ab dem Schulalter 4 seröse Meningitis ! Cave häufige Residuen, ca. 10%
4
Diagnostik 4 Impfanamnese, Reiseanamnese (Aufenthalt in Endemiegebieten) 4 Serologie: IgG- und IgM-Antikörper in Serum und Liquor 4 RT-PCR häufig zum Zeitpunkt der klinischen Manifestation nicht mehr positiv
Therapie 4 symptomatisch 4 Prophylaxe durch Impfung ab dem 3. Lebensjahr (Totimpfstoff) 4 Expositionsprophylaxe (lange Kleidung, Repellentien) 4.4.12
Human-Immunodefizienz-Virus (HIV)
4 HIV-1 (weltweit) und HIV-2 (v. a. Westafrika); Lentiviren 4 Übertragung: Sexuell, hämatogen, selten durch Stillen 4 > Memo Aufgrund der in Deutschland üblichen Spenderauswahl und Testung ist die Übertragungswahrscheinlichkeit von HIV mit Blutprodukten sehr gering (>1/Mio.) 4 Infektion CD4-positiver Zellen (z. B. T-Helfer-Zellen), progrediente Immundefizienz durch Depletion
Klinik 4 akutes HIV-Syndrom 5 Inkubationszeit 1–12 Wochen 5 mononukleoseartiges Krankheitsbild (grippaler Infekt, Tonsillitis, Lymphadenopathie, Hepatitis, makulopapulöses Exanthem) 5 hohe Virämie ! Cave Der Antikörpernachweis kann in der Frühphase der Infektion noch negativ sein, »diagnostisches Fenster«! 4 AIDS (»acquired immunodeficiency syndrome«) 5 Korrelation der Immundefizienz mit dem Verlust CD4+-T-Zellen (kritischer Wert <500/μl) 5 opportunistische Infektionen (AIDS-definierende Erkrankungen), z. B. Pneumocystis-Pneumonie 5 viral induzierte Tumoren, z. B. EBV-induzierte Lymphome, KaposiSarkom (HHV8), Zervixkarzinom/Kondylomata (Papillomaviren)
Diagnostik 4 HIV-Antikörper-Suchtest/Bestätigungstest (Western-Blot) 4 HIV-p24-Antigen 4 quantitative HIV RT-PCR aus Serum (»Viruslast«)
135 4.4 · Virusinfektionen
Therapie 4 keine kurative Therapie möglich 4 wichtigste gesundheitspolitische Maßnahme: Prävention der HIV Infektion durch Aufklärung (»safer sex«, perinatale Therapie) 4 antiretrovirale Therapie (Substanzklassen) 5 nukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NRTI) → kompetitive Inhibition der RT 5 nicht-nukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NNRTI) → nicht-kompetitive Inhibition der RT 5 Protease-Inhibitoren (PI) J PI werden i. d. R. mit Ritonavir geboostert → kompetitive Hemmung des PI-Abbaus durch Cytochrom P450 → suffiziente Wirkspiegel 5 Integrase-Inhibitoren (neue Reservesubstanz) 5 Fusionsinhibitoren (Reservesubstanz zur, ausschließlich parenteralen Applikation, s.c.) 4 ausschließlich als Kombinationstherapie zur Vermeidung von Resistenzen (»highly active antiretroviral therapy«, HAART) 5 empfohlene Kombinationen J z. B. zwei NRTI plus ein PI J z. B. zwei NNRT plus ein NNRTI 5 Ziel der HAART J Senkung der Viruslast (unter die Nachweisgrenze) J Rekonstitution von Immunfunktionen zur Prävention von AIDS Folgeerkrankungen 5 > Memo Eine Monotherapie ist aufgrund der schnellen Resistenzentwicklung obsolet. Die Entstehung von Resistenzmutationen wird durch die häufigen »Lesefehler« der RT begünstigt. 4 Supportivtherapie 5 Pneumocystis-jirovecii-Prophylaxe (PcP, früher P. carinii) mit Cotrimoxazol bei Säuglingen und bei Kindern mit niedrigen CD4+Zellen (altersspezifische Richtwerte) 5 nur in begründeten Ausnahmefällen: Immunglobulinsubstitution 4 Prävention der perinatalen Transmission 5 antiretrovirale Therapie (spätestens ab der 32. SSW) 5 Sectio caesarea am wehenfreien Uterus (z. B. 37. SSW) 5 postnatale antiretrovirale Prophylaxe des Neugeborenen 5 zusätzlich: Stillverbot 4 postexpositionelle Prophylaxe (PEP) nach Exposition (z. B. Nadelstichverletzung) 5 frühzeitige antiretrovirale Kombinationstherapie zur Prävention einer Infektion (Beginn möglichst <2 h nach Exposition)
4.4.13
Adenovirusinfektionen
4 52 verschiedene Typen 4 hohe Umweltresistenz → nosokomiale Infektionen z. B. in Augenkliniken
4
Eigene Notizen
136
Kapitel 4 · Infektionskrankheiten
Eigene Notizen
4
Klinik 4 sehr heterogene Klinik in Abhängigkeit vom Adenovirus-Typ und von der Wirtsimmunität 4 Conjunctivitis epidemica (hochkontagiös, meldepflichtig nach §6 und 7 des IfSG) 4 Enteritis (»Säuglingsdiarrhö«) 4 Infektionen der Atemwege (Rhinitis, Pharyngotonsillitis, Bronchitis, Pneumonie) 4 Sepsis bei Immunsupprimierten (Primärinfektionen aber auch Reaktivierungen)
Diagnostik 4 Antigennachweis im Stuhl (enteritische Adenoviren), Genomnachweis (PCR)
Therapie 4 symptomatisch (nur bei Immunsupprimierten: experimentelle antivirale Therapie mit Cidofovir)
4.4.14
Influenza
4 akute virale Infektion der oberen und unteren Luftwege, z. T. mit Organbeteiligung (Myokarditis, Perikarditis, Enzephalitis, Myositis) 4 Disposition für schwere Verläufe bei Patienten mit gestörter Lungenfunktion (z. B. bronchiopulmonale Dysplasie, zystische Fibrose) oder anderen chronischen Erkrankungen (z. B. Herzfehler, neuromuskuläre Erkrankungen) 4 Übertragung: Tröpfchen- und Schmierinfektion 4 jahreszeitliche Häufung in den Wintermonaten (Ausnahme: aktuelle »Schweinegrippe« H1N1) 5 derzeit zwei endemische humane Influenza-A-Viren (humane H1N1- und H3N2-Stämme) plus ein endemischer humaner Influenza-B-Virusstamm 5 Tierreich (z. B. Vögel) ist ein vielfältiges Reservoir für andere Influenzavirus-Stämme 5 Antigendrift (langsame Veränderung der Oberflächenantigene H (Hämagglutinin) und N (Neuraminidase) durch Mutationen → saisonale Anpassung der Impfstoffantigene) 5 Antigenshift (Entstehung neuer humanpathogener Influenzavirus Stämme, z. B. durch Reassortantenbildung mit animalen Influenzavirusstämmen) 5 ! Cave Pandemie durch neue Influenzaviren, aktuelle durch die »Schweinegrippe« (H1N1)
Klinik 4 akut Fieber, Husten, Kopf- und Gliederschmerzen 4 selten auch mit Durchfall, Übelkeit, Erbrechen
137 4.4 · Virusinfektionen
4 Komplikationen: 5 fulminante Influenza-Pneumonie 5 bakterielle Superinfektionen (besonders Pneumokokken und Staphylococcus aureus) 5 Myokarditis, Perikarditis, Myositis 5 ! Cave Reye-Syndrom in Zusammenhang mit Antipyrese durch Azetylsalizylsäure
Diagnostik 4 Antigennachweis oder RT-PCR aus Nasensekret (Schnelltests) 4 Virusanzucht in Zellkultur
Therapie 4 frühzeitiger Therapiebeginn mit Neuraminidase-Inhibitoren 5 Zanamivir inhalativ (zur Zeit – noch – wirksam gegen alle humanpathogenen Stämme) 5 Oseltamivir p.o. ! Cave häufig resistent gegen endemische H1N1Stämme, die endemischen H3N2-Stämme und die neuen Stämme der »Schweinegrippe« H1N1 sind Oseltamivir-sensitiv! 4 Influenza-A-Therapie (»second line«): Amantadin 4 frühzeitige antibakterielle Therapie bei Verdacht auf Superinfektion 4 Prävention durch jährliche Impfung mit Totimpfstoff (Indikationsimpfung bei Risikokindern) 4 Pandemieplan zur Kontrolle von Ausbrüchen mit neuen humanpathogenen Influenzavirusstämmen (z. B. Meldepflicht, Isolierungsmaßnahmen/Quarantäne)
4.4.15
Rotavirusinfektionen
4 Reoviren, 6 Serotypen (A–F) 4 hohe Umweltresistenz (Tenazität) 4 meldepflichtig nach IfSG §6 und 7
Klinik 4 4 4 4
Inkubationszeit 1–3 Tage Übertragung: fäkal-oral breiige Durchfälle (charakteristischer süßlicher Geruch) → Exsikkose hohe Mortalität bei schlechter medizinischer Versorgung (z. B. in Ländern der 3. Welt) 4 häufig: nosokomiale Infektionen auf Säuglingsstationen (→ Handschuhpflege)
Diagnostik 4 Rotavirus Antigennachweis im Stuhl
4
Eigene Notizen
138
Kapitel 4 · Infektionskrankheiten
Eigene Notizen
Therapie/Prävention 4 orale oder intravenöse Rehydratation 4 aktive Rotavirus-Impfung möglich (»Schluckimpfung«, polyvalenter Lebendimpfstoff), die Empfehlung als Routineimpfung erfolgte bislang nicht durch die STIKO
4
4.4.16
Norovirusinfektionen
4 4 4 4 4
Caliciviren hohe Umweltresistenz (Tenazität) geringe Infektionsdosis (10 Virionen), hohe genetische Variabilität Epidemien in den Wintermonaten ! Cave nosokomiale Norivirus-Ausbrüche/Epidemien (Patienten, Personal und deren Angehörige) 4 Übertragung: Fäkal-oral oder durch Tröpfcheninfektion (inhalativ)
Klinik 4 Brechdurchfall, Dauer: 1–2 Tage
Diagnostik 4 Genomnachweis (RT-PCR), Antigennachweise je nach saisonalem Stamm unterschiedlich sensitiv 4 in der Ausbruchsituation kann die Diagnose der Norovirusinfektion aufgrund der klinischen Symptomatik auch ohne weitere virologische Diagnostik gestellt werden (s. Falldefinition des RKI)
Therapie 4 symptomatisch (Rehydratation)
4.5
Pilzinfektionen
4 Einteilung nach DHS-Klassifikation 5 Dermatophyten 5 Hefen 5 Schimmelpilze
4.5.1
Dermatomykosen
Klinik 4 Soor (mukokutane Candida-Infektion): weißliche Beläge 4 Epidermatomykose (oberflächige Hautmykosen): Tinea corporis/pedis/ capitiis 5 juckendes Exanthem (rund und randbetont) 5 selten: tiefe Trichophytie (Kerion celsi) mit Einbeziehung der Haarfollikel (narbige Ausheilung)
139 4.5 · Pilzinfektionen
5 > Memo anamnestische Frage nach Tierkontakten bei tiefer Trichophytie (»Kälberflechte«) 4 Onchomykosen (Nagelmykose) 4 Trichomykose (Haarmykosen)
Diagnostik 4 Direktpräparat (Vorbehandlung mit KOH, Fluoreszenzfärbung) 4 Kultur auf Spezialnährböden (Dauer: mehrere Wochen)
Therapie 4 Lokaltherapie: z. B. Azole, Cyclopiroxolamin, Terbinafin 4 systemische Therapie: Terbinafin, Azole, Griseofulvin
4.5.2
Systemische Mykosen
4 Immunsupprimierte/Patienten mit Systemerkrankungen (z. B. Diabetes mellitus) 5 Aspergillosen, Candidosen, Mukormykosen
Klinik 4 Pilzpneumonie 4 Organmykosen
Diagnostik 4 Goldstandard: Pilznachweis in Biopsien (Mikroskopie, Kultur, PCR) und Blutkultur (Sensitivität gering) 4 Aspergillus- und Candida-Antigennachweis (Antikörpernachweise bei Immunsupprimierten besonders wenig sensitiv) 4 Bildgebung (z. B. Dünnschicht-CT der Lunge) 4 > Memo Aufgrund der wenig sensitiven Diagnostik ist antibiotikaresistentes Fieber bei Immunsupprimierten häufig der einzige Hinweis für eine systemische Mykose → Erweiterung der kalkulierten antibiotischen Therapie um Antimykotika.
Therapie 4 Azole, Echinocandine, liposomales Amphotericin B 4 bei stark Immunsupprimierten evtl. auch antimykotische Prophylaxe
4.5.3
Nicht-infektöse Erkrankungen durch Pilze
4 Allergien, z. B. bei beruflicher Exposition (Kanalarbeiter, Bauern, Vogelzüchter) 4 Vergiftungen, z. B. Aflatoxin (Aspergillus flavus)
4
Eigene Notizen
140
Kapitel 4 · Infektionskrankheiten
Eigene Notizen
4
4.6
Erkrankungen durch Protozoen
4.6.1
Malaria
4 Übertragung von Plasmodien durch den Stich der weiblichen Anophelesmücke 5 geschlechtliche Entwicklung (Oozyste) in der weiblichen Anophelesmücke 5 ungeschlechtliche Vermehrung in Leberzellen (Gewebsschizogonie) 5 ungeschlechtliche Vermehrungszyklen in roten Blutkörperchen (Blutschizogonie) 4 Pathogenese 5 Fieberanstieg beim Freisetzen der Plasmodien 5 verminderte Erythrozyten Elastizität → Mikroembolien → Minderversorgung lebenswichtiger Organe 5 Korrelation zwischen Parasitämie und Schwere der Erkrankung 4 Malariaformen 5 Malaria tertiana, Fieberspitzen alle 48 h (synchronisierte Vermehrung bei P. vivax und P. ovale) 5 Malaria quartana, Fieberspitzen alle 72 h (synchronisierte Vermehrung bei P. malariae) 5 Malaria tropica, Fieber kontinuierlich (nicht-synchrone Vermehrung bei P. falciparum) J hohe Mortalität (unbehandelt) J hohe Kindersterblichkeit in Endemiegebieten J Teilimmunität in Endemiegebieten nach wiederholter Exposition 4 > Memo Bei Fieber und Reisen in Endemiegebiete muss umgehend eine Malaria ausgeschlossen werden.
Klinik 4 4 4 4
Fieber nach Reisen in Endemiegebiete Hämolyse/Thrombopenie Splenomegalie Mikroembolien führen zu multiplem Organversagen 5 Niere: Schwarzwasserfieber 5 ZNS: Koma
Diagnostik 4 Mikroskopie: Blutausstrichen und »dicker Tropfen« (Giemsa-Färbung) 4 Plasmodien-Antigennachweis oder PCR möglich
Therapie 4 z. B. Malarone p.o. oder Chinin plus Doxycyclin i.v. (komplizierte Malaria) 4 Prophylaxe bei Reisen in Endemiegebiete 5 Expositionsprophylaxe (Schutz vor nachtaktiven Anopheles Mücken) 5 resistenzgerechte medikamentöse Prophylaxe in Abhängigkeit vom Reiseziel (z. B. Chloroquin, Lariam u. a.)
141 4.6 · Erkrankungen durch Protozoen
4.6.2
Toxoplasma gondii
4 Endwirt: Katzen (Ausscheidung von Oozysten im Kot) 4 Zwischenwirte: Nutztiere, Mensch (Dauerformen in ZNS/Organen/ Muskulatur) 4 Übertragung: Kontakt mit Katzenkot bzw. Ingestion von rohem, nicht ausreichend erhitztem Fleisch (z. B. Salami) 4 Inkubationszeit: 1–3 Wochen
Klinik 4 häufig asymptomatisch → hohe Durchseuchung (ca. 50%) 4 Lymphknotenvergrößerung, ZNS-Befall mit Verkalkungen, Chorioretinitis 4 ! Cave konnatale Infektion nach Primärinfektion der Mutter (besonders im 1. und 2. Trimenon)
Diagnostik 4 Serologie: Toxoplasma-IgG- und -IgM-Antikörper (ISAGA), Toxoplasma-IgG-Avidität, Genomnachweis (PCR)
Therapie Schwangere mit Primärinfektion 4 <16. SSW: Spiramycin 4 ab 16. SSW: Pyrimethamin plus Sulfadiazin plus Folsäure 4 Fortsetzung der Therapie bei Neugeborene mit konnataler Infektion: 6 Monate
4.6.3
Amöben
4 Amöbenruhr (Entamoeba histolytica)
Klinik 4 blutige Durchfälle (Reiserückkehr-Erkrankung) 4 Komplikationen: Organabszesse (häufig Leber)
Diagnostik 4 Mikroskopie aus frischem Stuhl, Antigennachweis im Stuhl (ELISA)
Therapie 4 Metronidazol
4
Eigene Notizen
142
Kapitel 4 · Infektionskrankheiten
Eigene Notizen
4
4.7
Wurmerkrankungen
4 Wurmerkrankungen sind in Deutschland aufgrund der allgemeinen Hygienestandards selten (Reiseanamnese?) 4 Vermehrungszyklus häufig mit komplizierten Wirtswechseln 5 Endwirt: Produktion und Ausscheidung von Wurmeiern 5 Zwischenwirt: ungeschlechtliche Vermehrung/Metamorphose 4 Präpatenzperiode: Zeit zwischen Infektion und Produktion von Wurmeiern 4 > Memo Eosinophilie kann auf Wurminfektionen hinweisen.
4.7.1
Nematoden (Rundwürmer)
Enterobius vermicularis (Madenwurm)
4 Übertragung: fäkal-oral ! Cave Verhinderung der Autoingestion von Wurmeiern 4 Manifestationsalter: Kleinkind- und Schulalter
Klinik 4 Ausscheidung von wenige Millimeter großen, makroskopisch sichtbaren weißen Madenwürmern mit dem Stuhl 4 perianaler Juckreiz, besonders nachts (Zeit der Eiablage) 4 Allgemeinzustand unbeeinträchtigt
Diagnostik 4 mikroskopischer Nachweis von Wurmeiern (»Tesafilm«-Abklatschpräparat perianal)
Therapie 4 Unterbrechung des Infektionszyklus (Vermeidung von Autoingestion) 4 Hygienemaßnahmen (Händewaschen, kurze Fingernägel, häufiger Wäschewechsel) 4 Anthelmintika im Abstand von 2 Wochen (z. B. Albendazol) Ascaris lumbricoides (Spulwurm)
4 Übertragung: »Kopfdüngung« von Nutzpflanzen (z. B. Salat) 4 Infektionszyklus: Freisetzung von Eiern im Stuhl → Embryonierung im Freiland (L1-Larve) → Aufnahme der L1-Larve → Eindringen in das Duodenum → Wanderung mit Blut über Leber in die Lunge → Trachea → Speiseröhre → Darm (adulter Wurm) → Freisetzung von Eiern im Stuhl
Klinik 4 abhängig von der Infektionsdosis 4 Löffler-Syndrom: Lungeninfiltrate und Eosinophilie 4 gastrointestinale Beschwerden, Ileus, Ikterus (Verschluss des Ductus choledochus)
143 4.7 · Wurmerkrankungen
Diagnostik 4 Wurmeier im Stuhl
Therapie 4 Albendazol, Mebendazol
4.7.2
Trematoden (Saugwürmer)
Bilharziose (Schistosomiasis)
4 wird in warmen Binnengewässern durch Süßwasserschnecken (Zwischenwirt) übertragen
Klinik 4 4 4 4
S. haematobium: Blasenbiharziose (Afrika) S. mansoni: Darmbilharziose (Afrika und Südamerika) S. japonicum: Darmbilharziose (Südost Asien) in Deutschland: Zerkarien Dermatitis, »Badedermatitis« (Fehlwirt Mensch) 5 juckendes Exanthem der Haut 5 Übertragung: Eindringen von Zerkarien (Schnecken) durch die intakte Haut beim Baden in kontaminiertem Süßwasser (»Vogelzerkarien« im Menschen nicht überlebensfähig)
Diagnostik 4 Nachweis von Wurmeiern im Stuhl (Darmbilharziose) oder im Urin (Blasenbilharziose)
Therapie 4 Praziquantel
4.7.3
Zestoden (Bandwürmer)
4 Räuber-Beute-Zyklus 5 Beute (Zwischenwirt): Infektion (Wurmeier) → Gewebslarven in Muskulatur (Finnen) 5 Räuber (Endwirt): Aufnahme von Finnen (Fleischnahrung) → Entstehung adulter Würmer im Darm → Freisetzung von Wurmeiern mit dem Stuhl 5 Unterbrechung der Infektionskette: Lebensmittelkontrolle (Fleischbeschau) Rinderbandwurm (Taenia saginata)
4 Mensch = Endwirt 4 Rind = Zwischenwirt
4
Eigene Notizen
144
Kapitel 4 · Infektionskrankheiten
Eigene Notizen
Klinik 4 meist asymptomatisch 4 Proglottidenabgang im Stuhl, Nachweis von Wurmeiern im Stuhl
Diagnostik 4 Wurmeier im Stuhl
4
Therapie 4 evtl. Niclosamid (→ Wurmabgang) Schweinebandwurm (Taenia solium)
4 Mensch = Endwirt (harmlos: Befall mit adulten Würmern) 4 Mensch = Zwischenwirt (Zystizerkose) 4 Endemiegebiete u. a. Südamerika und Mexiko
Klinik 4 abhängig vom Befallsmuster (Muskulatur, Gehirn) und Menge aufgenommener Zysten
Diagnostik 4 Wurmeier im Stuhl 4 Serologie, Bildgebung: z. B. CT/NMR Schädel (Verkalkungen)
Therapie 4 symptomatisch (»wait and watch«) 4 alternativ: Praziquantel oder Albendazol ! Cave zu Beginn häufig Verschlechterung im Rahmen der Entzündungsreaktion gegen freigesetzte Wurmantigene Hunde- und Fuchsbandwurm
4 Echinococcus granulosus: zystische Echinokokkose (Hydatide) 4 Echinococcus multilocularis: alveoläre Echinokokkose (invasives Wachstum) 4 Mensch: Fehlzwischenwirt
Diagnostik 4 Serologie: IgG- und IgM-ELISA, Western-Blot 4 Bildgebung: Sonographie, CT, NMR, PET
Therapie 4 vollständige Entfernung/Verödung der Zyste 4 Symptomatisch (»wait and watch«) 4 Mebendazol (Suppressionstherapie über Monate/Jahre, keine Eradikation möglich)
145 4.8 · Erkrankungen durch Arthropoden
4.8
Erkrankungen durch Arthropoden
4.8.1
Pediculosis capitis (Kopflaus)
4 4 4 4
Übertragung Mensch zu Mensch Ausbrüche in Gemeinschaftseinrichtungen (Kindergärten, Schulen) Blutmahlzeiten → Juckreiz (Leitymptom) Eiablage am Haaransatz → nach Ausschlüpfen der Larve → leere Eihülle (Nissen) 4 meldepflichtig nach §6 des IfSG
Klinik 4 Juckreiz am Kopf
Diagnostik 4 makroskopischer und mikroskopischer Nachweis von Läusen und Nissen
Therapie 4 Permethrin 0,5%, Pyrethrum-Präparate 4 Schul-/Kindergartenbefreiung bis 24 h nach Therapie
4.8.2
4 4 4 4 4 4
Skabies (Krätze)
Krätzmilbe (Sarcoptes scabiei) intrakutane Tunnelgänge Prädilektionsstellen: Beugefalten axillär/inguinal, Mammae bei Säuglingen auch Befall der Kopfhaut möglich Übertragung: enger persönlicher Kontakt (Mensch zu Mensch) Inkubationszeit: 1–3 Wochen
Klinik 4 Leitsymptom: Juckreiz, Kratzspuren, Superinfektionen 4 Exanthem, z. T. Inkrustationen
Diagnostik 4 Darstellung der Tunnelgänge (Lupenvergrößerung) mit Nachweis von Milben
Therapie 4 Permethrin (wesentlich toxischer: Jakutin) 4 zusätzliche Therapie von Angehörigen im gleichen Haushalt 4 Anleitung zur besseren häuslichen Hygiene
4
Eigene Notizen
146
Kapitel 4 · Infektionskrankheiten
Eigene Notizen
4
4.9
Impfungen
4 Impfungen gehören zu den erfolgreichsten Maßnahmen der Infektionsprävention 4 Impfstrategien 5 Individualschutz: Individuelle Immunität des Geimpften 5 Herdimmunität (flächendeckende Impfungen/Regelimpfungen) J Unterbrechung von Infektionsketten in einer Population J indirekter Schutz für nicht-Geimpfte bzw. Impfversager 5 Riegelungsimpfung: Umgebungsimpfung in Ausbruchsituationen 5 Voraussetzung für eine weltweite Eradikation von Infektionserregern J Impfstoffe mit hoher Immunogenität J Erregerresevoir ausschließlich Mensch J wenige, gut definierte Serotypen J einziges bislang erfolgreiches Beispiel: Eradikation der Pocken (Variola) durch Impfprogramme der WHO (im Jahr 1980) 4 allgemeine Impfempfehlungen werden regelmäßig von der »Ständigen Impfkommission« (STIKO) des Robert-Koch-Instituts (RKI) aktualisiert 5 Standardimpfungen (Grundimmunisierung, Auffrischimpfungen) 5 Indikations- und Reiseimpfungen 5 postexpositionelle Prophylaxe 4 Impfleistung des Arztes 5 Informationen über Nutzen, Nebenwirkungen und Komplikationen 5 Anamnese, Impfanamnese, mögliche Kontraindikationen 5 Dokumentation (Impfausweis) 5 Erkennen und dokumentieren von Nebenwirkungen 4 Impfregeln 5 jede dokumentierte Impfung zählt 5 Mehrfachimpfungen sollen an einem Impftermin zusammen durchgeführt werden 5 Kombinationsimpfstoffe erleichtern die Umsetzung des Impfplans 5 Intervall zwischen Impfungen mindestens 4 Wochen
4.9.1
Aktive Impfung
Totimpfstoffe
4 mehrmalige Booster-Impfungen erforderlich (3–4 Impfdosen) 4 Grundimmunisierung im Alter von jeweils 2, 3, 4, und 12 Monaten: Tetanus/Diphtherie/azelluläre Pertussis/Haemophilus influenzae Typ B/Polio/Hepatitis B, Pneumokokken 4 im Alter von 12 Monaten: Meningokokken 4 Mädchen im Alter von 12–17 Jahren: humane Papillomaviren (HPV 16 und 18) 4 Kontraindikationen für Totimpfstoffe: Allergien gegen Impfbestandteile (z. B. Hühnereiweiß bei Influenza-Impfung)
147 4.9 · Impfungen
4 Herstellung und Zusammensetzung von Totimpfstoffen 5 abgetötete Erreger: inaktivierte Ganzkeim-Vakzine J > Memo Das Prinzip der Impfung mit inaktivierten Infektionserregern wurde bereits im 19. Jahrhundert durch Louis Pasteur beschrieben. J Nachteil: Nebenwirkungsreich aufgrund toxischer, z. T. wenig immunogener Komponenten, z. B. alte Pertussis-Impfung) 5 gereinigte Antigene (»Subunit-Vakzine«) 5 rekombinant hergestellte Antigene (z. B. HBs-Antigen) 5 »virus like particles«, Viruskapside aus rekombinant synthetisierten Kapsidantigenen (»self-assembly«) Totimpfstoffe Tetanus
Tetanustoxoid (Formalin-inaktiviertes Toxin)
Diphtherie 5 D 5 d
Diphtherietoxoid (Formalin-inaktiviertes Toxin) 5 Kinderdosis (<6 Jahre) 5 Erwachsenendosis für Auffrischimpfungen (Toxoidmenge halbiert)
Pertussis
Subunit-Vakzine aus Pertussis-Toxoid, Adhäsinen u. a.
H. influenzae B
Konjugiertes Kapselpolysaccharid (Konjugatimpfstoff )
PoIio (IPV)
Inaktivierte Poliovirus-Vakzine (Salk) Serotypen 1–3
Hepatitis B
Rekombinantes HBs-Antigen
Pneumokokken
5 <2 Jahre: 7-valenter Konjugatimpfstoff 5 >2 Jahre: 23-valenter Kapselpolysaccharid Impfstoff
Meningokokken
5 <2 Jahre: Konjugatimpfstoff (Kapseltyp C) 5 >2 Jahre: polyvalente Polysaccharid Impfung möglich (Kapsel-Ag A, C, W135, Y)
Influenza
Subunitvakzine (Indikationsimpfung): Neuraminidase (N) und Hämagglutinine (H) der vorausgehenden Influenza-Saison
HumanePapillomaviren (HPV)
Mädchen im Alter von 12–17 Jahren; »virus-like particles« (VLP) gegen HPV-Typ 16/18 u. a.
Tollwut
Inaktivierte Rabiesviren (Indikationsimpfung)
Lebendimpfstoffe
4 attenuierte (»abgeschwächte«) vermehrungsfähige Viren 5 Empfohlen im Alter von 1 und 2 Jahren: Masern, Mumps, Röteln, Varizella-Zoster 5 Auffrischimpfung bei Mädchen und jungen Frauen ohne ausreichenden Impfschutz: Röteln, Varizella-Zoster 4 Beginn: 11.–14. Lebensmonat (nach Verlust der mütterlichen Leihimmunität) 4 einmalige Booster Impfung empfohlen 4 Kontraindikation: schwere Immunsuppression
4
Eigene Notizen
148
Kapitel 4 · Infektionskrankheiten
Eigene Notizen
4
4 Strategien der Herstellung von Lebendimpfstoffen 5 wiederholte Zellkulturpassage → Attenuierung 5 Einsatz animaler Homologe (z. B. Pockenimpfung, VacciniaVirus) 5 Assortantenbildung in vitro → Expression von humanen immunogenen Genomsequenzen in animalen, nicht pathogenen Stämme (z. B. Rotavirus-Impfstoff) 5 in Zukunft sollen auch rekombinante, gentechnisch entwickelte Impfstämme mit gezielten »knock-outs« von Pathogenitätsfaktoren synthetisiert werden Lebendimpfstoffe (atttenuierte Impfstämme) MMR
Attenuierung durch Zellkultur-Passage (Masern/Mumps/Röteln)
Varizellen
Attenuierung durch Zellkultur-Passage
Rotavirus
Assortantenimpfstoff aus humanen und animalen Stämmen; »Schluckimpfung« (orale Lebendimpfung), Zulassung erfolgt, die Empfehlung der STIKO steht aus
4 Lebendimpfungen, die aufgrund von Nebenwirkungen nicht mehr empfohlen werden 5 OPV: orale Poliovirus-Vakzine (Sabin) Serotypen 1–3 (»Schluckimpfung«) J ! Cave Rückmutationen (Revertanten) → »Impfpolio« 5 BCG: Tuberkulose-Impfung ! Cave BCGitis bei Immunsupprimierten 5 Vakzinia: Pockenimpfung > Memo Nach weltweiter Pocken Eradikation entfällt diese nebenwirkungsreiche Impfung
4.9.2
Passive Impfung
4 (postexpositionelle) Prophylaxe → Sofortschutz 5 menschliche Immunglobuline/Hyperimmunglobuline 5 Antiseren (polyklonale Antikörper aus immunisierten Tieren) J toxinvermittelte Erkrankungen (z. B. Diphtherie, Botulismus) J ! Cave Allergisierung, Serumkrankheit 4 Simultanimpfung: aktiv + passiv (Sofortschutz plus Langzeitschutz) 5 z. B. Hepatitis-B-Simultanimpfung von Neugeborenen HBs-Antigen-positiver Mütter
149 4.9 · Impfungen
4.9.3
Standardimpfungen
Eigene Notizen
Standardimpfungen für Säuglinge und Kinder (Empfehlungen der STIKO*) 2 Monate
3 Monate
4 Monate
11–14 Monate
Tetanus (T)
x
x
x
x
Diphtherie (D)
x
x
x
x
Pertussis (aP)
x
x
x
x
H. influenzae B (Hib)
x
x
x
x
Polio (IPV)
x
x
x
x
Hepatitis B (HB)
x
x
x
x
Pneumokokken
x
x
x
x
15–23 Monate
Meningokokken
x
Masern/Mumps/ Röteln
x
x
Varizellen
x
x
* http://www.rki.de/cln_100/nn_1493664/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2009/
4.9.4
4
Reiseimpfungen/Indikationsimpfung
4 Frühsommer-Meningoenzephalitis-Virus (FSME): bei Aufenthalt in Endemiegebieten (inaktivierter Totimpfstoff); Grundimmunisierung (0, 1, 9, 12 Monate) 4 Hepatitis A: bei beruflicher Exposition oder Reisen in Endemiegebiete (Totimpfstoff) 4 Gelbfieber: attenuierter Lebendimpfstoff). Impfpflicht bei Reisen aus Endemiegebieten (z. B. Südamerika) in Gelbfieber-freie asiatische Länder 4 Typhus: orale attenuierte Lebendimpfung oder inaktivierter Totimpfstoff (Vi-Antigen) 4 Japanisches Enzephalitis-Virus attenuierte Lebendimpfung
5 Tag 2
5 Erkrankungen des Respirationstraktes K. Tenbrock
5.1
Angeborene Fehlbildungen – 152
5.1.1 5.1.2 5.1.3 5.1.4 5.1.5 5.1.6
Choanalatresie – 152 Lippen-Kiefer-Gaumenspalten – 152 Fehlbildungen von Kehlkopf und Larynx Primäre Ziliendyskinesie – 154 Lungensequestration – 155 Zystische Malformation – 156
5.2
Infektiöse Erkrankungen des oberen Respirationstraktes – 156
5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.2.4
Otitis media – 156 Mastoiditis – 157 Pharyngitis, Tonsillitis Adenoide – 159
5.3
Infekte der unteren Atemwege – 160
5.3.1 5.3.2 5.3.3 5.3.4
Pseudokrupp – 160 Epiglottitis – 161 Bronchitis – 161 Pneumonien – 162
5.4
Obstruktive Lungenerkrankungen – 164
– 153
– 158
5.4.1 Bronchiolitis – 164 5.4.2 Obstruktive Bronchitis – 164 5.4.3 Asthma bronchiale – 165
5.5
Mukoviszidose
– 168
5.6
Exogen-allergische Alveolitis (EAA) – 169
5.7
Fremdkörperaspiration – 171
5.8
Pneumothorax – 171
152
Kapitel 5 · Erkrankungen des Respirationstraktes
Eigene Notizen
5
5.1
Angeborene Fehlbildungen
5.1.1
Choanalatresie
4 meist knöcherne ein oder doppelseitige Stenose (5:1) als trichterförmige Verschlussplatte mit oder ohne Restlumen, häufig mit Hypoplasie der Nase 4 häufigste angeborene Fehlbildung der Nase 4 Assoziation in 30–50% mit anderen kongenitalen Fehlbildungen z. B. Kolobom, Herzfehler, Hypogonadismus, Ohrfehlbildung, Lernbehinderung (CHARGE-Syndrom)
Klinik 4 bei doppelseitiger Choanalatresie: unmittelbar postnatal einsetzende Atemnot und Zyanose bei schleimgefüllten Nasenlöchern 4 Aspiration beim ersten Trinkversuch 4 bei einseitiger Choanalatresie: behinderte Nasenatmung, anhaltende Nasensekretion (häufig erst im späten Kindesalter diagnostiziert)
Diagnostik 4 Sondierung der Nase unmittelbar postnatal mit Widerstand 4 Röntgen-Schädel, CT-Schädel, Endoskopie 4 Sonographie Abdomen, Echokardiographie zum Ausschluss zusätzlicher Fehlbildungen
Therapie 4 bei doppelseitiger Choanalatresie 5 verzögerte plastisch-konstruktive Korrektur über transpalatinalen Zugang im Alter von 2–3 Monaten 5 vorher: Offenhalten der Atemwege mittels Säuglings-Guedel-Tubus oder Spezialschnuller, Ernährung über Magensonde 4 bei einseitiger Choanalatresie: plastisch-konstruktive Korrektur über transpalatinalen Zugang nach Diagnosestellung (>3 Monate)
5.1.2
Lippen-Kiefer-Gaumenspalten
4 angeborene Fehlbildung mit einer hohen Inzidenz von 1:500 4 in der Embryonalentwicklung zwischen 5. und 7. (Lippen-Kieferspalte) bzw. 10. und 12. Woche (Gaumenspalte) Verschmelzungsstörung zwischen rechtem und linkem Oberkieferwulst unterschiedlicher Ausprägung 4 genetisch bedingte sowie exogen verursachte Formen: Röteln in der Frühschwangerschaft, Vitamin-A-Mangel, Alkohol, Hydantoin, Rauchen, ionisierende Strahlung 4 abhängig von Ausprägung unterscheidet man: Lippenspalten, LippenKieferspalten, Gaumenspalten und Lippen-Kiefer-Gaumenspalten, diese können ein- und beidseitig vorkommen
153 5.1 · Angeborene Fehlbildungen
4 isoliert oder in Kombination mit Mikrogenie/Retrognathie sowie Glossoptose als Pierre-Robin-Syndrom
Klinik 4 4 4 4
Atembehinderungen durch Nasenabflachung Probleme bei der Nahrungsaufnahme und insbesondere beim Stillen Sprachprobleme ! Cave Sprachentwicklungsverzögerungen durch sekundäre Tubenbelüftungsstörungen
Diagnostik 4 4 4 4
Inspektion ggf. CT/NMR Gesicht und Kieferschädel pädaudiologische Diagnostik, logopädische Diagnostik bei Verdacht auf syndromale Erkrankung Vorstellung in Humangenetik mit Chromosomenanalyse
Therapie 4 multimodales Therapiekonzept bestehend aus Pädiatrie, Mund-KieferGesichtschirurgie, Kieferorthopädie, Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Phoniatrie und Pädaudiologie sowie Logopädie 4 initial herausnehmbare Gaumenplatten, Unterstützung des Saugaktes mit einem sog. Haberman-Feeder, ggf. Sondierung zur Nahrungsaufnahme 4 mehrzeitige operative Korrektur des Defektes zwischen dem 3. und 18. Lebensmonat je nach betroffenem Segment, bei größeren Defekten insbesondere des harten Gaumens zwischen 6. und 10. Lebensjahr, Sekundäroperationen mit Spongiosaplastik 4 frühzeitig Paukenröhrchen bei Hörminderung
5.1.3
Fehlbildungen von Kehlkopf und Larynx
4 verschiedene, teils anatomisch bedingte, teils durch funktionelle Unreife (Laryngomalazie/infantiler Larynx) bedingte Verengungen, die bei forcierter Einatmung (Schreien) zu einer erhöhten Luftströmungsgeschwindigkeit mit Geräuschen (Stridor, Schnarchen) bis hin zum Kollaps führt 4 > Memo Ein inspiratorischer Stridor entsteht fast immer durch eine extrathorakale Atemwegsobstruktion (Ausnahme: tiefe Trachealstenosen). 4 differenzialdiagnostisch Ausschluss extralaryngealer Ursachen (Hämangiome, Lymphangiome, Fibrome, Struma congenita, Thymushyperplasie, Gefäßanomalien)
Klinik 4 inspiratorischer Stridor, der sich insbesondere bei Aufregung verstärkt 4 Schnarchen
5
Eigene Notizen
154
Kapitel 5 · Erkrankungen des Respirationstraktes
Eigene Notizen
4 ggf. zusätzliche Fehlbildungen wie Pierre-Robin-Sequenz (Mikrogenie mit Retrognathie, Glossoptose, mediane Gaumenspalte)
Diagnostik
5
4 Stridor, der nur in Rückenlage auftritt, aber in Bauchlage verschwindet → funktionelle Unreife 4 Endoskopie/Bronchoskopie 4 Echokardiographie zum Ausschluss einer Gefäßanomalie (doppelter Aortenbogen, rechter Aortenbogen, aberrierende Pulmonalarterie etc.) 4 ggf. CT-Thorax und Halsweichteile oder NMR-Thorax und Hals mit Kontrastmittel u. a. zur Gefäßdarstellung
Therapie 4 bei funktioneller Unreife abwarten 4 bei anatomischen Veränderungen (Laryngozelen, Larynxsegel, Hämangiome etc.) chirurgisch/mikrochirurgische Therapie, Laserabtragung 4 bei Gefäßanomalien abhängig vom Ausmaß der Trachealstenose operative Korrektur 4 ! Cave Kinder vor Langzeitintubationen bewahren, da vermeidbare Schleimhautschäden durch den Tubusdruck entstehen können, die die Stenose verstärken können, ggf. frühzeitige Tracheotomie
5.1.4
Primäre Ziliendyskinesie
4 angeborene Anomalie der Zilienstruktur des Nasen und Bronchialepithels 4 Auftreten isoliert oder zusammen mit Situs inversus, männlicher Infertilität und Bronchiektasen als sog. Karthagener-Syndrom 4 Strukturdefekte der Zilien → schwere Beeinträchtigung der mukoziliären Clearance → Begünstigung sekundärer Bakterienbesiedelung
Klinik 4 rezidivierende bronchiale und pneumonische Infekte mit gemischt-obstruktiver Ventilationsstörung 4 chronischer Husten 4 chronische Sinusitis 4 Bronchiektasen
Diagnostik 4 Lungenfunktion: kombiniert obstruktiv-restriktive Ventilationsstörung 4 Röntgen-Thorax: grob-streifige Zeichnungsvermehrung, Zeichen der Lungenüberblähung, Bronchiektasen 4 HR-CT: Darstellung von Bronchiektasen und sekundär narbigen Veränderungen 4 Bronchoskopie (Goldstandard!) oder Nasenbürstung mit Spezialbürste: Gewinnung einer Biopsie zum elektronenmikroskopischem Nachweis
155 5.1 · Angeborene Fehlbildungen
der Strukturanomalie und nativmiskroskopischen Begutachtung der Zilienfunktion 4 Erregernachweis: häufig Pneumokokken und Hämophilus, im späteren Stadium auch Pseudomonas
Differenzialdiagnose 4 Asthma bronchiale 4 Mukoviszidose 4 α1-Antitrypsinmangel (Erwachsenenalter)
Therapie 4 konsequente Antibiotikatherapie 4 Inhalationen (antiobstruktiv mit β2-Sympathomimetika, antiinflammatorisch mit Glukokortikoiden, Antibiotikainhalationen) 4 intensive Physiotherapie/Atemgymnastik 4 Prognose abhängig von Entwicklung von Bronchiektasen eingeschränkt
5.1.5
Lungensequestration
4 pulmonale Missbildung mit Sequestration eines funktionslosen Lungenanteils, bestehend aus Zysten und unbelüfteten bronchialen und alveolären Strukturen mit eigener Gefäßversorgung innerhalb der Pleura 4 zweithäufigste pulmonale Fehlbildung
Klinik 4 häufig symptomlos und damit Zufallsbefund 4 bei Infektion des Lungensequesters chronisch rezidivierende Pneumonien mit Aszessbildung möglich
Diagnostik 4 Röntgen-Thorax: flächige Verdichtung bevorzugt im Lungenunterfeld links 4 Spiral-CT: zur Diagnosesicherung und präoperativen Vorbereitung 4 Echokardiographie: zur Darstellung aberrierender Gefäße und einens Shunts 4 Angiographie: zur Operationsvorbereitung indiziert
Therapie 4 Antibiotikatherapie bei Infektionen 4 operativ bei symptomatischen Sequestern mit Lobektomie, Prognose nach Lobektomie günstig
5
Eigene Notizen
156
Kapitel 5 · Erkrankungen des Respirationstraktes
Eigene Notizen
5.1.6
Zystische Malformation
4 glattwandige, mit Luft der Flüssigkeit gefüllte intrapulmonale Hohlräume, die als Entwicklungsfehlbildung mit Bronchialepithel ausgefüllt sind, häufig Zufallsbefund
Klinik
5
4 4 4 4
oft symptomlos bei Beschwerden häufig unspezifisch mit rezidivierendem Husten Infektionen mit Abszessen als Komplikationen Pneumothorax
Diagnostik 4 Röntgen-Thorax: scharfwandiger Aufhellungsbezirk innerhalb der normalen Lunge 4 HR-CT: vor geplanten operativen Eingriffen und zur Diagnosesicherung/Differenzialdiagnose der unterschiedlichen Zystenformen 4 Bronchoskopie: indiziert zum Ausschluss von Ursachen anderer Hohlraumbildungen (Abszess, Tbc), Erregerdiagnostik
Therapie 4 antibiotische Behandlung von Infektionen 4 chirurgische Resektion von symptomatischen Pneumatozelen
5.2
Infektiöse Erkrankungen des oberen Respirationstraktes
5.2.1
Otitis media
4 Entzündung der Mittelohrmukosa mit oder ohne Erguss 4 bei alleinigem Erguss ohne Symptome spricht man von Tubenmittelohrkatarrh, der nach 3 Monaten als chronisch bezeichnet wird 4 einer der häufigsten Konsultationsgründe beim Kinderarzt 4 Inzidenzgipfel 6.–18. Lebensmonat, Herbst und Winter, 90% aller Kinder hat bis zum 6. Lebensjahr mindestens eine Otitis media 4 häufigste Erreger bei akuter Otitis media (O. m.) Streptococcus pneumonia, H. influenza, M. catarrhalis, S. pyogenes und S. aureus, bei chronischer O. m. Pseudomonas 4 Risikofaktoren: Anomalien der Eustachschen Röhre, familiäre Belastung, Immundefekt, Allergien, kein Stillen, Betreuung im Hort, frühe Erstinfektionen, virale Atemwegsinfekte, Geschwister, Rauchen der Eltern
Klinik 4 Symptome: Ohrenschmerzen, Reizbarkeit, sich ans Ohr greifen, Schlafstörung, Fieber, Otorrhö 4 Tympanon: rot oder gelblich, Vorwölbung, Verdickung, Erguss, aberrierender Lichtreflex (matt), Perforation, Abflachung im Tympanogramm
157 5.2 · Infektiöse Erkrankungen des oberen Respirationstraktes
(in der Tympanometrie misst man die Trommelfellbeweglichkeit in Abhängigkeit vom Luftdruck im äußeren Gehörgang. Diese ist ein Maß für die Druck- und Schwingungsverhältnisse im Mittelohr)
Diagnostik 4 Otoskopie und Tympanogramm (bei chronischem Erguss) 4 ggf. Erregernachweis bei chronisch perforierter Otitis (Pseudomonas) 4 bei rezidivierenden Otitiden mit Komplikationen weiterführende Diagnostik (Immunstatus, Allergien)
Therapie 4 Analgesie und Antipyrese (Paracetamol) 4 abschwellende Nasentropfen 4 direkte Antibiose bei eitriger Otorrhö, beidseitiger akuter Otitis, schlechtem Allgemeinzustand, rezidivierenden Otitiden, Immundefekt und anatomischer Fehlbildung, ansonsten: 4 watchful waiting für 24–48 h möglich mit anschließender Reevaluation der Antibiotikatherapie 4 > Memo Mittel der ersten Wahl: Amoxicillin, 2. Wahl Amoxicillin und Clavulansäure, Cefuroxim oder Clarithromycin/Azithromycin bei Penicillinallergie 4 Komplikationen 5 akut: Schallleitungsschwerhörigkeit, Fazialisparese, Perforation, Labyrinthitis mit Schallempfindungsschwerhörgkeit, Mastoiditis, Hirnabszess, Meningitis 5 chronisch: Cholesteatom, Trommelfellatrophie, Perforation mit Narben, adhäsive Otitis, Schallleitungsstörungen, Schallempfindungsstörungen, Gehörknöchelschaden, verzögerte Sprachentwicklung, verschlechterte Schulleistungen
5.2.2
Mastoiditis
4 akute Mastoiditis ist eine Komplikation der akuten Otitis media 4 vor Antibiotikaära häufig, derzeit weniger als 0,1% der akuten Otitiden 4 Haupterreger: S. pneumoniae, S. pyogenes, S. aureus 4 bei akuter Otitis media häufig Übergreifen auf Mastoidschleimhaut durch anatomische Verbindung, nach Abheilung der Otitis in Ausnahmen Persistenz der Entzündung im Mastoid mit Ausbildung von Abszesshöhlen ! Cave Gefahr des Durchbruchs auf benachbarte Strukturen wie das ZNS
Klinik 4 Fieber, Otalgie, retoraurikuläre Schmerzen 4 > Memo Schwellung, Rötung, Abstehen der Ohrmuschel 4 bei subperiostalem Abszess fluktuierende Schwellung über dem Mastoid
5
Eigene Notizen
158
Kapitel 5 · Erkrankungen des Respirationstraktes
Eigene Notizen
Diagnostik 4 Klinik führend 4 Röntgen-Aufnahmen des Mastoids nur wenig wegweisend, da es auch bei unkomplizierter Mastoiditis Verschattungen aufweisen kann 4 CT-Felsenbein zur Erfassung der Ausdehnung und zur Diagnose von Knochenarrosionen hilfreich 4 chronische Mastoiditis: schmerzlose, auf konventionelle Antibiotikagaben sich nicht bessernde Otorrhö
Therapie
5
4 4 4 4
Antibiose operative Sanierung, Mastoidausräumung bei chronischer Mastoiditis/Otitis immer nach Antibiogramm Pneumokokkenimpfung vermindert Inzidenz von Otitiden und ihren Komplikationen
5.2.3
Pharyngitis, Tonsillitis
4 Pharyngitis definiert als Entzündung irgendeiner Struktur des Pharynx 4 am häufigsten Tonsillen mit Mesopharynxschleimhaut betroffen 4 Erreger: Bakterien (insbesondere β-hämolysierende Streptokokken) oder Viren 4 rein klinische Unterscheidung, ob Viren oder Bakterien ursächlich sind, nicht möglich
Klinik 4 Halsschmerzen, Schluckbeschwerden, Fieber, Lymphknotenschwellungen, Rötung, Schwellung, Stippchen und Beläge auf den Tonsillen 4 Scharlach (Streptokokken): Tonsillitis, Himbeerzunge, dunkelrote Färbung des Gaumensegels, feinfleckiges Exanthem mit perioraler Aussparung und Aussparung in den Leisten 4 Herpangina (Coxsackie-A-Viren): Tonsillen und Gaumenbögen gerötet, meist ohne Beläge, Bläschen und Ulzerationen an den Gaumenbögen und im Mund 4 Mononukleose (EBV-Virus): stark vergrößerte Tonsillen, weißliche, fest haftende Beläge 4 Diphtherie (Corynebacterium diphtheriae): sehr selten geworden, Halsschmerzen, Unwohlsein, Fieber, dünne, spinngewebartige, leicht blutende Membranen auf den Tonsillen, Schwellung der Lymphknoten und ausgedehnte ödematöse Schwellung im Halsbereich, Kreislaufsymptome
Diagnostik 4 Klinik führend 4 Blutbild, C-reaktives Protein und Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit bei hochfieberhaftem Verlauf 4 Abstrich mit Kultur, Schnelltests sind mäßig zuverlässig
159 5.2 · Infektiöse Erkrankungen des oberen Respirationstraktes
Therapie 4 orale Antibiose mit Penicillin V, alternativ Clarithromycin bis zum Ausschluss einer Streptokokkeninfektion 4 bei Staphylokokkentonsillitis Oxazillin/Flucloxazillin, alternativ Amoxizillin und Clavulansäure/Sulbactam 4 symptomatische Therapie (Fiebersenkung, Analgesie) 4 Tonsillektomie: bei rezidiverenden Tonsillitiden, bei Spätkomplikationen (rheumatisches Fieber, Glomerulonephritis), bei obstruktiven Apnoen aufgrund von Tonsillenhyperplasien 4 ! Cave Nachblutung am 6. postoperativen Tag, daher stationäre Aufnahme, ein »Ausschälen der Tonsillen« (Tonsillotomie) geht mit einem verminderten Risiko einer Nachblutung einher, wird aber bei rezidivierenden Tonsillitiden aufgrund von Abszessrisiko nur bedingt empfohlen. 4 bei Verdacht auf Diphtherie neben antibiotischer Therapie Verabreichung eines Diphtherie-Antitoxins 4 Komplikationen der Streptokokken/Staphylokokkenpharyngitis 5 Retropharyngealabszess 5 Peritonsillarabszess 5 Bakteriämie mit septischen Metastasen 5 rheumatisches Fieber 5 reaktive Arthritis 5 akute Glomerulonephritis > Memo immer Urinkontrolle 4 Wochen nach Streptokokkeninfekt zum Ausschluss einer Proteinurie 5 toxisches Schocksyndrom
5.2.4
Adenoide
4 Rachenmandelhyperplasie infolge von rezidivierenden Infektionen mit Hyperplasie des lymphatischen Gewebes
Klinik 4 4 4 4 4 4
Mundatmung, näselnde Sprache Schnarchen rezidivierende Otitiden durch Tubenbelüftungsstörungen Seromukotympanon Schwerhörigkeit obstruktive Apnoen
Diagnostik 4 durch den HNO-Arzt
Therapie 4 operative Entfernung bei Hörstörungen, rezidivierenden Infekten, Mundatmung 4 Indikation häufig in Zusammenhang mit Paukenröhrcheneinlage oder Tonsillektomie 4 risikoarme Operation mit wenig Nachblutungen, ambulant durchführbar
5
Eigene Notizen
160
Kapitel 5 · Erkrankungen des Respirationstraktes
Eigene Notizen
5.3
Infekte der unteren Atemwege
5.3.1
Pseudokrupp
4 stenosierende Laryngotracheitis, subglottische Laryngitis 4 Ursachen sind Virusinfekte, die durch Umweltfaktoren aggraviert werden können
Klinik
5
4 meist Infekt mit wenig Fieber, akut auftretend, keine Schluckstörung, ausgeprägte Heiserkeit 4 v. a. abends und nachts auftretend, Altersgipfel 1.–3. Lebensjahr, gehäuft im Herbst und Winter, häufige Rezidive, gute Prognose
Symptomatik des Pseudokrupps in Abhängigkeit vom Stadium Stadium
Klinik
I
Bellender Husten, leichter inspiratorischer Stridor, Heiserkeit
II
Stärkerer Stridor, leichte Dyspnoe, kaum Einziehungen
III
Deutlicher Stridor, deutliche Atemnot, Unruhe, Tachykardie
IV
Starke Dyspnoe, Zyanose, evtl. Bewusstseinsstörung, Hypotonie
Diagnostik 4 bei unkompliziertem Verlauf keine notwendig 4 bei Notwendigkeit von i.v. Zugang ggf. Blutbild, C-reaktives Protein, Blutgasanalyse
Therapie 4 Behandlung und Prognose hängen vom Schweregrad ab 4 Stadium I und II: Inhalation mit Epinephrin (Infectokrupp), Feuchtinhalationen, ggf. Hydrokortison rektal (z. B. Rectodelt), ggf. stationäre Aufnahme 4 ! Cave invasive Maßnahmen (i.v. Zugang) zu diesem Zeitpunkt vermeiden, weil Aufregung den Stridor verstärkt! 4 Stadium III und IV: immer stationäre Aufnahme, Maßnahmen wie oben plus Zugang, bei Stadium IV Verlegung auf Intensivstation, Intubationsbereitschaft, Sedierung, Antibiotikaprophylaxe 4 ! Cave Pseudokrupp rezidiviert gerne in der darauffolgenden Nacht, Eltern entsprechend informieren, bei stationärer Aufnahme vor Entlassung immer 2. Nacht abwarten.
161 5.3 · Infekte der unteren Atemwege
5.3.2
Epiglottitis
4 durch Haemophilus influenza Typ B verursachte Entzündung der Epiglottis, lebensbedrohliches Krankheitsbild, seit HiB-Impfung selten
Klinik 4 hohes Fieber, akut auftretend, ausgeprägte Schluckstörung, Halsschwellung, wenig Heiserkeit 4 auch tagsüber auftretend, ganzjährig, hohe Mortalität, Gipfel 2.–5. Lebensjahr, danach selten
Diagnostik 4 Inspektion des Halses nur in Intubationsbereitschaft mit Sedierung 4 i.v. Zugang mit Blutbild, C-reaktives Protein, Blutkulturen
Therapie 4 ! Cave Bei Verdacht auf Epiglottitis sofortige Verlegung auf die Intensivstation, Inspektion des Rachens nur in Intubationsbereitschaft mit Sedierung, da es bei Inspektion zu reflektorischem Herz- und Atemstillstand kommen kann. 4 bei Bestätigung der Diagnose Intubation für 24–72 h, Beatmung, ggf. Spontanatmung möglich Antibiose mit Claforan 4 Impfung schützt!
5.3.3
Bronchitis
4 häufigste Erkrankung der Atemwege bei Kleinkindern, auch mehrere Episoden pro Jahr gelten als normal, solange es zu keinen obstruktiven Episoden kommt 4 ausgelöst durch Virusinfektionen (RSV), im Herbst und Winter gehäuft
Klinik 4 Schnupfen, Husten, leichtes Fieber, akutes Stadium über mehrere Tage gefolgt von Reizhusten ggf. über Wochen
Diagnostik 4 Klinik führend 4 bei Fieber ggf. Blutbild und C-reaktives Protein 4 Röntgen-Thorax nur bei Verdacht auf Pneumonie
Therapie 4 symptomatisch 4 i. d. R. keine Antibiose nötig 4 ! Cave bei Kleinkindern mit rezidivierenden Bronchitiden immer auch an Aspiration denken, insbesondere bei hyperakutem Beginn ohne Fieber und Schnupfen!
5
Eigene Notizen
162
Kapitel 5 · Erkrankungen des Respirationstraktes
Eigene Notizen
4 rezidivierende Bronchitiden mit Dyskrinie können der Übergang in eine obstruktive Bronchitis sein, die entsprechend therapiert werden muss 4 Übergang zur Bronchopneumonie fließend; benötigt eine entsprechende antibiotische Therapie
5.3.4
5
Pneumonien
4 Viral oder bakteriell bedingte Erkrankungen der Lunge, die den Alveolarraum und/oder das Interstitium erfassen, nach pathologisch-anatomischen Kriterien werden unterschieden: 5 Bronchopneumonie: mit Abstand häufigste Pneumonieform, Röntgenbild kann dem klinischen Befund hinterherhinken, Übergang von Bronchitis/Peribronchitis fließend, zentrifugale Ausbreitung, virale und bakterielle Verursacher, häufig Säuglings/Kleinkindalter 5 Lobärpneumonie: fast immer bakterieller Genese (Pneumokokken), ein oder mehrere Lungensegmente betreffend, (eher ältere Kinder/ Schulkinder), intraalveoläre Entzündungsreaktion 5 interstitielle Pneumonie: bakterielle Pneumonien, ausgelöst durch atypische Erreger (Mykoplasmen, Chlamydien), ältere Kinder (Milchglasinfiltrat) 4 aus klinischen, therapeutischen und prognostischen Gründen unterscheidet man zusätzlich zwischen ambulant und im Krankenhaus (nach 3. Tag des Krankenhausaufenthaltes) erworbenen Pneumonien 4 prädisponierende Faktoren für bakterielle Pneumonien im Kindesalter sind: 5 Immundefizienz 5 anatomische Fehlbildungen 5 Mukoviszidose 5 Ziliendysfunktion 5 Belüftungsstörungen bei Asthma bronchiale 5 bronchopulmonale Dysplasie 5 Aspiration 5 neuromuskuläre Erkrankungen 5 Shuntvitien mit vermehrter Lungendurchblutung 5 Beatmung 5 virale Infektionen (Masern, Influenza)
Klinik 4 Allgemeinsymptome (Fieber, Abgeschlagenheit, Krankheitsgefühl, Blässe) 4 bei Neugeborenen Trinkschwäche, blasses Kolorit, Apnoen, Tachykardie, Temperaturinstabilität 4 organspezifisch: Tachypnoe, Dyspnoe, Nasenflügeln, Zyanose, Husten (anfangs trocken, später produktiv), Dämpfung (Pleuraerguss), Rasselgeräusche (fein-mittelblasig)
163 5.3 · Infekte der unteren Atemwege
4 ! Cave Röntgenbild und Symptome müssen nicht immer korrelieren, eine klinisch eindeutige Pneumonie gehört auch bei blandem Röntgenbild therapiert!
Diagnostik 4 Röntgen-Thorax 4 bei Verdacht auf abszedierende Pneumonie und Pleuraempyem Thorax-CT 4 C-reaktives Protein, Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit, Blutbild (Leukozytose), ggf. Blutgasanalyse 4 Erregernachweis durch Sputum- und Rachenabstrich, Blutkultur, Pleurapunktat, ggf. Bronchoskopie bei abszedierenden Pneumonien, Blutkultur! 4 Serologie nur bei Verdacht auf atypische Erreger
Therapie 4 antibiotische Therapie 4 bei ambulant erworbenen Pneumonien 5 Amoxicillin, ggf. Cephalosporin der II. Generation 5 alternativ Makrolid (insbesondere bei Verdacht auf atypische Pneumonie) 4 bei nosokomialen Infektionen Therapie abhängig vom Erregerspektrum 5 bei unbekanntem Erreger Antibiose mit einem III. Generation Cephalosporin (z. B. Ceftazidim), alternativ ein Carbapenem (z. B. Meronem) oder Ureidopenicillin (z. B. Piperacillin und Tazobactam) 5 zusätzlich ein Aminoglykosid (z. B. Gentamicin) 5 bei Frühgeborenen aufgrund des hohen Vorkommens von Gruppe B Streptokokken Vancomycin 4 Indikationen für stationäre Therapie > Memo Nicht jede Pneumonie muss stationär behandelt werden! 5 schlechter Allgemeinzustand und hochfieberndes Kind 5 Sauerstoffbedarf 5 Nahrungsverweigerung/fragliche Verabreichung oraler Medikation/Compliance 5 großzügig bei Patienten mit Vorerkrankungen (geistige Behinderung, neuromuskuläre Erkrankungen, CF, Immundefizienz etc.) 4 ausreichende Flüssigkeitszufuhr 4 Inhalation mit β2-Sympathikomimetika kann insbesondere bei obstruktiver Komponente sinnvoll sein 4 Atemtherapie/Physiotherapie insbesondere bei bettlägrigen und behinderten Patienten 4 ! Cave Bei immunsupprimierten Patienten (z. B. Patienten in Neutropenie bei Chemotherapie) immer auch an eine Pilzpneumonie (Candida oder Aspergillose) denken, Nachweis durch Thorax-CT oder Bronchoskopie mit Lavage. Des Weiteren sollten Patienten mit Neutropenie zur Prophylaxe einer Pneumocystis-jirovecii-Pneumonie Cotrimoxazol erhalten. 4 bei respiratorischer Insuffizienz Intubation und Beatmung 4 Pneumokokkenimpfung reduziert die Zahl invasiver Pneumonien!
5
Eigene Notizen
164
Kapitel 5 · Erkrankungen des Respirationstraktes
Eigene Notizen
5.4
Obstruktive Lungenerkrankungen
5.4.1
Bronchiolitis
4 durch Virusinfekte insbesondere RS-Viren hervorgerufenen Entzündung der kleinen Bronchien mit Schleimhautschwellung und Überblähung 4 Säuglinge sind bevorzugt betroffen
Klinik
5
4 Beginn als Rhinitis, dann Trinkschwäche, häufig wenig Fieber 4 Tachypnoe, Einziehungen, abgeschwächtes Atemgeräusch, feinblasige Rasselgeräusche 4 ! Cave Gefahr der akuten Verschlechterung mit Apnoen
Diagnostik 4 Klinik führend 4 Blutgasanalyse zur Diagnostik einer möglichen CO2-Retention und Indikation zur Verlegung auf die Intensivstation (pCO2>60 mmHg) 4 Röntgen-Thorax 4 Blutbild, C-reaktives Protein 4 Rachenspülwasser zum Direktnachweis der Viren
Therapie 4 4 4 4 4
i.v. Flüssigkeitszufuhr Isolierung (Infektionsgefahr für andere Säuglinge) O2-Zufuhr bei Hypoxämie Monitoring Inhalationstherapie häufig wenig wirksam, 3% NaCl-Lösung, ggf. β2-Sympathomimetika 4 evtl. i.v. Kortikosteroide (1–2 mg/kg/Einzeldosis) 4 Antibiose erst bei persistierendem Fieber oder ansteigenden Entzündungszeichen als Zeichen einer bakteriellen Superinfektion, nicht primär notwendig 4 Intubation und Beatmung bei Hyperkapnie und Erschöpfung
5.4.2
Obstruktive Bronchitis
4 häufig durch Virusinfekte getriggerte, mit Hypersekretion vergesellschaftete Inflammation der Bronchien 4 Säuglinge und Kinder jeder Altersgruppe betroffen
Klinik 4 exspiratorische Dyspnoe, Tachypnoe, trockener Husten, selten hohes Fieber 4 Giemen, Brummen, verlängertes Exspirium
165 5.4 · Obstruktive Lungenerkrankungen
Diagnostik 4 Klinik führend 4 Röntgen-Thorax nur bei erster Episode oder bei schweren Verläufen mit DD: Pneumonie, Aspiration, CF 4 Blutbild zum Ausschluss Linksverschiebung mit Pneumonie, ggf. C-reaktives Protein und Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit 4 Blutgasanalyse zur Einschätzung der pulmonalen Situation/CO2-Retention 4 bei rezidivierenden Verläufen Allergiediagnostik zum Ausschluss beginnendes Asthma bronchiale, Schweißtest zum Ausschluss einer zystischer Fibrose
Therapie 4 inhalative β2 Sympathomimetika (z. B. Sultanol) und Parasympathikolytika (Atrovent) als Feuchtinhalation ggf. 2-stündlich (dann Monitorkontrolle) 4 systemische Kortikosteroide (2 mg/kg alle 6 h) 4 ausreichende Flüssigkeitszufuhr 4 O2-Therapie bei Bedarf (Monitoring) 4 bei rezidivierenden obstruktiven Bronchitiden Dauertherapie mit inhalativen Kortikosteroiden (Beclomethason, Budesonid oder Fluticason) oder oralen Leukotrienrezeptorantagonisten (Singulair) 4 > Memo Die Inhalationstherapie bedarf der Schulung der Eltern und der Verordnung einer Applikationshilfe (Spacer mit Maske).
5.4.3
Asthma bronchiale
4 Erkrankung mit erhöhter Empfindlichkeit der Atemwege gegenüber verschiedenartigen Reizen (Hyperreagibilität), die auf chronischer Entzündung der Bronchialschleimhaut v. a. im Bereich der kleinen Atemwege beruht 4 > Memo klassische Trias aus Bronchospasmus, Schleimhautödem und vermehrter Schleimproduktion (Dyskrinie) 4 Basis ist in 90% der Fälle eine allergische Disposition mit Sensibilisierung gegen Inhalationsallergene 4 überwiegend anfallsweise auftretende, selten auch konstante exspiratorische Behinderung der Atmung, die vom Verlauf variabel ist 4 10% aller Kinder haben ein Asthma bronchiale, Erstmanifestation mit 70% vor dem 5. Lebensjahr
Klinik 4 intermittierende Obstruktion der Atemwege mit Luftnot, Giemen und Brummen 4 Tachykardie, Unruhe, Kaltschweißigkeit, Blässe, bei Dekompensation auch Zyanose 4 Besserung auf β2 Sympathikomimetika
5
Eigene Notizen
166
Kapitel 5 · Erkrankungen des Respirationstraktes
Eigene Notizen
4 plötzlich auftretend, häufig bei Antigenexposition, ggf. im Rahmen von Infekten 4 i. d. R. kein Fieber
Diagnostik
5
4 Asthma bronchiale ist eine klinische Diagnose 4 Anamnese: Häufigkeit, Art und Dauer der Beschwerden, atopische Disposition, Familienanamnese mit Allergiebelastung, körperliche Untersuchung 4 bei Kindern <5 Jahre: 3 Episoden mit Giemen, Brummen während der letzten 6 Monaten 4 bei Kindern >5 Jahre: Lungenfunktionsprüfung mit Nachweis einer obstruktiven Ventilationsstörung (FEV1<80%) plus Nachweis der Reversibilität nach Gabe von β2-Sympathomimetikainhalation (FEV1-Steigerung um 15% oder Abfall des Atemwegswiderstandes um 50%) 4 bei unauffälliger Lungenfunktionsprüfung Nachweis einer bronchialen Hyperreagibilität durch z. B. Metacholin oder Laufbandprovokation (FEV1-Abfall um 15% oder Steigerung des Atemwegswiderstandes um 100%) und anschließender Reversibilität 4 Allergiediagnostik: Pricktest und CAP-Assay mit spezifischen Inhalationsallergenen, bei Kleinkindern auch Nahrungsmittelallerge berücksichtigen 4 ! Cave bei intrinsischem Asthma bronchiale ohne Atopieneigung immer gastroösophagealen Reflux ausschließen (pH-Metrie)! 4 Röntgen-Thorax: insbesondere bei Kleinkindern zum Ausschluss Aspiration, auch zum Ausschluss spezifischer Infektionen 4 Schweißtest: zum Ausschluss Mukoviszidose 4 bei stationärer Aufnahme im akuten Anfall auch Blutgasanalyse 4 Schweregradeinteilung . Tab.
Therapie 4 Therapieziele: Symptomfreiheit, keine Exazerbation, keine Notfallbehandlung, kein Bedarf an zusätzlichen β2-Sympathomimetika, uneingeschränkte physische und psychische Leistungsfähigkeit und körperliche Entwicklung der Kinder 4 einzig kausale Therapie Allergenkarenz und spezifische Immuntherapie (Hyposensibilisierung) 4 Akuttherapie im Asthmaanfall 5 2–4 Hübe eines kurzwirksamen β2-Sympathomimetikum 5 orales oder rektales Kortikosteroid (2 mg/kg) 5 2–3 l O2-Vorlage 5 bei unzureichender Besserung auf β2-Sympathomimetikum stationäre Aufnahme 5 forcierte Inhalationstherapie, i.v. Kortikosteroide, bei unzureichender Besserung, i.v. Theophyllin oder i.v. β2-Sympathomimetika als Dauerinfusion
167 5.4 · Obstruktive Lungenerkrankungen
Schweregradeinteilung des Asthma bronchiale im Kindes- und Jugendalter Einteilung
Symptomatik
Lungenfunktion
I: intermittierend
Intermittierend Husten, leichte Atemnot, symptomfreies Intervall >2 Monate
Nur intermittierend obstruktiv Lungenfunktion i. d. R. normal FEV1>80% Soll, zusätzlich MEF 25 >65%, im Intervall ohne Befund.
II: geringgradig persistierend
Intervall <2 Monate
Intermittierend obstruktiv, Lungenfunktion dann pathologisch mit FEV1 <80% oder MEF 25 <65%
III: mittelgradig persistierend
An mehreren Tagen/Woche, intermitterend auch nachts
Auch im Intervall obstruktiv mit FEV1 <80% und oder MEF 25 <65%
IV: schwergradig persistierend
Anhaltende tägliche Symptome, häufig auch nachts
FEV1 oder PEF <60% Soll
FEV1 Einsekundenkapazität, PEF Peakflow, MEF 25 maximaler exspiratorischer Fluss bei 25% der noch verbleibenden Vitalkapazität Einteilung nach den gemeinsamen Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft Pädiatrische Allergologie und Gesellschaft für Pädiatrische Pneumologie
5 Verlegung auf Intensivstation bei CO2-Retention in der Blutgasanalyse (>60 mmHg), Intubation und Beatmung möglichst vermeiden, da hohe Mortalität, schwierige Beatmungssituation mit hohen Spitzendrücken und hohem PEEP notwendig 4 Dauertherapie (. Tab.) 5 abhängig vom Schweregrad, Unterscheidung zwischen Bedarfsmedikation (Relievern) wie β2-Sympathomimetika (β-2S) und Controllern wie inhalativen Kortikosteroiden (ICS) oder Leukotrienrezeptorantagonisten (LTRA)
Dauertherapie des Asthma bronchiale in Abhängigkeit vom Schweregrad Schweregrad
Therapie
I
β-2S bei Bedarf
II
ICS in niedriger Dosierung oder LTRA + β-2S
III
ICS in mittlerer bis hoher Dosierung, ggf. in fixer Kombination mit langwirksamem β-2S ggf. plus LTRA,
IV
ICS in hoher Dosierung, ggf. in fixer Kombination mit langwirksamem β-2S ggf. plus LTRA, zusätzlich orale Steroide (cave Cushingschwelle), evtl. Theophyllin
Empfehlungen nach den gemeinsamen Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft Pädiatrische Allergologie und Gesellschaft für Pädiatrische Pneumologie
5
Eigene Notizen
168
Kapitel 5 · Erkrankungen des Respirationstraktes
Eigene Notizen
5.5
Mukoviszidose
4 Synonym: zystische Fibrose (CF) häufigste autosomal-rezessiv vererbte Erkrankung (1:2000) 4 Defekt im Chloridkanal (»cystic fibrosis transmembrane regulator«, CFTR), der zu einer verminderten Chloridsekretion durch exokrine Drüsen und zu einer Eindickung von Schleim führt
Klinik
5
4 Mekoniumileus (Erstsymptom in 5–8%) 4 Pankreasinsuffizienz mit fettigen, faulig-riechenden Stühlen, Bauchschmerzen, Durchfällen 4 pulmonale Symptome mit chronisch obstruktiven Bronchitiden, rezidivierenden Pneumonien, produktiver Husten 4 chronische Sinusitis 4 Gedeihstörung/Dystrophie trotz ausreichender Nahrungsmengen 4 Infertilität bei männlichen Patienten
Diagnostik 4 Schweißtest 5 Gewinnung von Schweiß durch Pilocarpin-Iontophorese, Chloridgehalt im Schweiß von >60 mmol/l gilt als pathologisch, Standardverfahren zur Diagnosesicherung 5 CAVE: bei 10% der CF-Patienten kann der Schweißtest negativ bleiben 4 Molekulargenetik 5 Sequenzierung/Teilsequenziereung des CFTR-Gens 5 immer durchführen bei klarer klinischer Indikation, gesicherter CF, um aus Genetik ggf. Prognose und zu bestimmen 5 wichtig auch zur Sicherung der Diagnose bei fraglicher CF 4 Direktnachweis am Rektumbiopsat oder an der Nasenschleimhaut durch Potenzialdifferenzmessung 5 Indikation bei fraglicher CF (Schweißtest negativ bei klarer Klinik) und negativer Genetik 5 Goldstandard zur Diagnosesicherung 5 nur in wenigen Zentren verfügbar 4 Kontrolluntersuchungen 5 immer Betreuung in einem CF-Zentrum mit spezialisiertem Team (CF-erfahrener Arzt, Physiotherapeuten, Kinderkrankenschwester, Diätassistentin, Sozialarbeiter, Psychologen) 5 3-monatige Kontrollen mit Gewicht und Länge, Mikrobiologie (Sputum, Rachabstrich) zur Identifizierung CF-spezifischer Problemkeime (Staph. aureus. Pseudomonas aeruginosa, Aspergillus), Lungenfunktion 5 3- bis 6-monatig je nach Klinik auch öfter, Blutbild und Serumchemie komplett, Blutgasanalyse, O2-Sättigung, Röntgen-Thorax, Abdomen-Sonographie, jährliche Grippeimpfung, sonstige Standardimpfungen inklusive Pneumokokken
169 5.6 · Exogen-allergische Alveolitis (EAA)
Therapie 4 Pankreasinsuffizienz 5 Enzymsubstitution (Lipase) 5 Vitaminsubstitution v. a. der fettlöslichen Vitamine (ADEK) 5 hochkalorische Ernährung (120–140% des normalerweise empfohlenen Tagesbedarfs) 4 Lungenerkrankung 5 Physiotherapie (autogene Drainage) 5 Inhalationstherapie (β2-Sympathomimetika, inhalative Antibiotikatherapie mit Tobramycin/Colistin bei Nachweis von Pseudomonas aeruginosa, Dornase alpha) 5 Sauerstofftherapie bei respiratorischer Partialinsuffizienz 5 Lungentransplantation als Ultima ratio 4 pulmonale Infektionen 5 Intensivierung der Physiotherapie und der antiobstruktiven Therapie 5 unterschiedliche Antibiotikatherapie abhängig vom nachgewiesenen Keim je nach Klinik oral, intravenös oder inhalativ 5 bei Nachweis chronischer Besiedelung mit Pseudomonas oder Staph. aureus können 3-monatige i.v. Antibiosen sinnvoll sein, um Verschlechterung der Lungenfunktion zu verhindern 4 Komplikationen 5 Pneumothorax 5 Hämoptysen 5 Atelektasen 5 Asthma/obstruktive Lungenerkrankung (fast immer) 5 Allergisch bronchopulmonale Aspergillose 5 Diabetes mellitus, ab 20. Lebensjahr >30% begleitend bei zunehmender Pankreasdestruktion 5 Pankreatitis 5 Ileus/distales intestinales Obstruktionssyndrom (DIOS) 5 Hepatopathie, Leberzirrhose 5 chronische respiratorische Insuffizienz, häufig lebenslimitierend 5 > Memo Ausmaß der Lungenerkrankung determiniert die Prognose der CF
5.6
Exogen-allergische Alveolitis (EAA)
4 durch Inhalation von organischen Antigenen hervorgerufene Hypersensitivitätsreaktion der Lunge (Alveolen und Interstitium) 4 am häufigsten berufliche Exposition von bestimmten Antigenen (Farmerlunge, Bäckerlunge), im Kindesalter am häufigsten Exposition von tierischen Proteinen (Vogelzüchterlunge, Farmerlunge)
5
Eigene Notizen
170
Kapitel 5 · Erkrankungen des Respirationstraktes
Eigene Notizen
Klinik 4 akute und chronische Verläufe 4 akut: akutes Krankheitsgefühl (4–8 h nach Antigenexposition) mit Husten, Dyspnoe, Fieber, evtl. grippale Symptome, Abklingen nach 24 h, wenn keine weitere Exposition erfolgt 4 chronisch: schleichender Beginn mit zunehmendem Husten, Luftnot, Kurzatmigkeit, Leistungsminderung 4 auskultatorisch feinblasige Rasselgeräusche in den Unterfeldern
Diagnostik
5
4 restriktive Ventilationsstörung mit Verminderung von Vitalkapazität, Totalkapazität und Diffusionskapazität, zusätzliche obstruktive Ventilationsstörung möglich 4 Röntgen-Thorax und bei begründetem Verdacht HRCT: retikulonoduläre Infiltrate v. a. basal 4 Leukozytose und Erhöhung der Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit 4 Nachweis präzipitierender IgG-Antikörper gegen das verdächtige Antigen 4 Bronchoskopie: bronchoalveoläre Lavage (BAL) mit massiver Neutrophilie im akuten Stadium und Lymphozytose im chronischen Stdium (CD8-Lymphoyztose) 4 > Memo Eine normale BAL schließt eine EAA i. d. R. aus!
Differenzialdiagnose 4 akut: unklare Pneumonien, bronchopulmonale Infekte 4 chronische Lungenfibrose unklarer Genese 4 Asthma bronchiale (v. a. bei Lungenfunktion mit sekundärere Restriktion) Differenzierung zwischen Asthma bronchiale und allergischer Alveolitis Befunde
Allergisches Asthma
Allergische Alveolitis
Antikörpernachweis
Typ IgE
Präzipitierende Antikörper Typ IgG
Lungenfunktion
Obstruktive Ventilationsstörung
Restriktive Ventilationsstörung
Diffusionsstörung
nein
Ja
Lokalisation
Bronchiolen und Bronchien
Lunge und Interstitium
Klinik
Dyspnoe, anfallsartig, selten Fieber
Perakut, manchmal Fieber, Husten Dyspnoe
Röntgenbild
Unauffällig, ggf. Überblähung
Retikulonoduläre Verdichtung
Atopie in Eigen- und Familienanamnese
Vorhanden
Nein
Auskultation
Giemen, Brummen, verlängertes Exspirium
Feinblasige Rasselgeräusche
171 5.8 · Pneumothorax
Therapie 4 Allergenkarenz (Berufswechsel, Entfernung der Tierhaltung) 4 orale und inhalative Steroide bei akuten Beschwerden
5.7
Fremdkörperaspiration
4 Häufigkeitsgipfel im 2.–3. Lebensjahr, seltener bei älteren Kindern, dann gehäuft bei Kindern mit neurologischen Auffälligkeiten 4 häufigste Fremdkörper (FK): Erdnüsse (sollten nicht vor dem 3. Lebensjahr gegessen werden), andere Nüsse, Hülsenfrüchte, Apfelstücke, Karotten, Bonbons, Knöpfe, kleinere Münzen, Wurststücke 4 am häufigsten betroffener Lungenabschnitt: rechte Unterlappen
Klinik 4 plötzlich einsetzender starker Husten, häufig aus Wohlbefinden heraus 4 rezidivierende Bronchitiden/fieberhafte Pneumonien an derselben Lokalisation, Abszesse 4 asymmetrisches Atemgeräusch, manchmal Ventilgeräusch 4 > Memo bei chronisch obstruktiven Beschwerden im passenden Alter immer bei Erstdiagnose Röntgenbild zum Ausschluss einer Fremdkörperaspiration
Diagnostik 4 Röntgen-Thorax 5 oft unauffällig 5 manchmal Teilatelektasen bei länger bestehenden Aspirationen 5 bei Durchleuchtung auch Mediastinalwandern und asymmetrische Zwerchfellbeweglichkeit
Therapie 4 bei entsprechender Anamnese und klinischer Symptomatik immer Bronchoskopie, zur Entfernung des FK muss diese starr sein 4 bei akut auftretender Atemnot und offensichtlichem Bolusverschluss kann bei größeren Kindern das Heimlich-Manöver ausgeführt werden, bei kleineren Kindern zunächst Rückenstöße in Kopftieflage, bei Säuglingen Bruststöße, bei Kleinkindern Bauchstöße 4 bei bewusstlosem, ateminsuffizienten Kind kardiopulmonale Reanimation beginnen 4 bei länger als 24 h liegendem Fremdkörper ggf. Antibiose
5.8
Pneumothorax
4 selten spontan auftretend, häufig iatrogen induziert v. a. bei beatmeten Neugeborenen und Frühgeborenen, auch durch invasive Eingriffe (ZVK) 4 Spontanpneumothorax: v. a. bei jungen Erwachsenen und Jugendlichen, meist rechts, hohe Rezidivrate, oft durch Emphysemblase
5
Eigene Notizen
172
Kapitel 5 · Erkrankungen des Respirationstraktes
Eigene Notizen
4 Spannungspneumothorax: durch Ventilmechanismus dringt Luft in den Pleuraspalt und kann nicht mehr entweichen, Verdrängung des Mediastinums auf kontralaterale Seite, Dyspnoe, Tachykardie, Schocksymptomatik
Klinik
5
4 plötzlich auftretende Luftnot 4 plötzlich auftretender Thoraxschmerz auf der betroffenen Seite 4 abgeschwächtes Atemgeräusch auf der betroffenen Seite, aufgehobener Stimmfremitus, hypersonorer Klopfschall 4 bei Spannungspneumothorax: zunehmende Luftnot, Blutdruckabfall 4 bei Beatmung: plötzlicher O2-Sättigungsabfall, Anstieg des Inspirationsdrucks
Diagnostik 4 Röntgen-Thorax 5 Darstellung einer konkaven Pleuralinie 5 fehlende Lungenstruktur distal dieser Linie 5 ggf. Mediastinalverschiebung 4 Blutgasanalyse 5 Hypoxämie bei Normo- oder Hypokapnie 5 bei Hyperkapnie Verdacht auf Spannungspneumothorax
Therapie 4 Notfalltherapie: Sofortentlastung durch Pleurapunktion (3. ICR Medioklavikularlinie der betroffenen Seite mit Kunststoffverweilkanüle) 4 konservative Therapie bei idiopathischem oder iatrogenem Pneumothorax mit Pleuraabhebung <3 cm, abwartend mit Röntgen-ThoraxKontrollen, O2-Gabe beschleunigt Resorption 4 Pleuradrainage bei symptomatischem, rezidivierendem oder großem Pneumothorax 4 Pleurodese bei rezidivierendem Pneumothorax
6 Tag 3
6 Kardiologie E. Mühler, H. Hövels-Gürich
6.1
Angeborene Herzfehler – 174
6.1.1 6.1.2 6.1.3 6.1.4 6.1.5
Herzfehler mit primärem Links-rechts-Shunt – 174 Ausflusstraktobstruktionen – 178 Zyanotische Vitien – 181 Herzfehler mit Ductus-abhängiger Lungenperfusion – 183 Herzfehler mit Ductus-abhängiger Systemperfusion – 184
6.2
Entzündliche Herzerkrankungen – 185
6.2.1 Endokarditis – 185 6.2.2 Myokarditis – 186 6.2.3 Perikarditis – 187
6.3
Kardiomyopathien (KMP) – 187
6.4
Elektrokardiogramm und Herzrhythmusstörungen – 189
6.4.1 6.4.2 6.4.3 6.4.4
Besonderheiten des EKG im Kindesalter – 189 Herzrhythmusstörungen im Kindesalter – 189 Tachykarde Herzrhythmusstörungen – 190 Bradykarde Herzrhythmusstörungen – 192
6.5
Herzinsuffizienz im Kindesalter – 193
6.6
Akzidentelles Herzgeräusch – 195
174
Kapitel 6 · Kardiologie
Eigene Notizen
6
6.1
Angeborene Herzfehler
4 kardiovaskuläre Fehlbildung bei ca. 1% aller Neugeborenen 4 in ca. 75% isolierte kardiovaskuläre Fehlbildung 4 in 25% Kombination mit extrakardialen Fehlbildungen, zum Teil in Verbindung mit genetisch definierten Anomalien oder mit genetisch nicht definierten Syndromen 4 Wiederholungsrisiko 5 global intrafamiliär 2–5% 5 bei Linksherzobstruktion bis 10% 5 bei monogenen (syndromalen) Erkrankungen bis 50% 4 genetisch definierte Erkrankungen mit angeborenen Herzfehlern 5 numerische Aberration (z. B. Trisomie 21) 5 Mikrodeletionssyndrome (z. B. Monosomie 22 q11, Di-GeorgeSyndrom) 5 singulärer Gen-Defekt (z. B. JAG-1-Gen, Alagille-Syndrom) 4 Häufigkeitsverteilung 5 Ventrikelseptumdefekt (30%) 5 Aorten-, Pulmonalklappenstenose, Vorhofseptumdefekt, offener Ductus arteriosus, Aortenisthmusstenose (jeweils 5–8%) 5 häufigste zyanotische Herzfehler: komplette Transposition der großen Arterien, Fallot-Tetralogie (jeweils 4–5%)
6.1.1
Herzfehler mit primärem Links-rechts-Shunt
Vorhofseptumdefekt (ASD)
4 häufiger, in der Kindheit meist asymptomatischer Herzfehler mit Linksrechts-Shunt 4 Klassifikation: Defekt im Bereich der Fossa ovalis (Secundum-Typ) am häufigsten, seltener AV-Klappen-nah (atrioventrikulärer Septumdefekt) oder unterhalb der Vena cava superior (oberer Sinus-venosus-Defekt) mit partieller Fehlmündung rechtsseitiger Lungenvenen 4 Normvariante: offenes Foramen ovale (im Säuglingsalter fließender Übergang zu kleinem ASD) 4 Links-rechts-Shunt auf Vorhofebene abhängig von der Größe des ASD und von der Compliance des rechten Ventrikels (bessere Compliance, größerer Shunt), nicht vom Druckunterschied zwischen beiden Vorhöfen 4 volumenbelastet: rechter Vorhof, rechter Ventrikel, Lungenstrombahn 4 im Kindesalter sehr selten pulmonale Hypertonie (hohe Kapazität des Lungengefäßsystems verhindert Druckanstieg auch bei erhöhtem Fluss) 4 Anstieg des Pulmonalarteriendruckes im Erwachsenenalter häufig 4 > Memo Der ASD gehört zu den am häufigsten übersehenen Herzfehlern mit Erstdiagnose erst im Erwachsenenalter.
175 6.1 · Angeborene Herzfehler
Klinik 4 im Kindesalter in der Regel keine Symptome 4 sehr selten Herzinsuffizienz bei großem Defekt und Shunt 4 typische Befunde 5 spindelförmiges 2–3/6 Systolikum 2. ICR links (relative Pulmonalstenose) 5 fixiert gespaltener zweiter Herzton ohne Betonung 5 evtl. leises Diastolikum 5. ICR links (relative Trikuspidalstenose) 5 hebende Pulsationen des rechten Ventrikels links parasternal
Diagnostik 4 Echokardiographie: Defektnachweis, Lagebeziehung zu den angrenzenden Strukturen bei geplantem interventionellem Verschluss (nur Sekundumdefekt) Ausschluss begleitender Fehlbildungen (Lungenvenenfehlmündung, Pulmonalstenose), hämodynamische Relevanz 4 ergänzende Bildgebung: transösophageale Echokardiographie, Kernspintomographie 4 EKG: Rechtsherzhypertrophie (rsR‘-Konfiguration in V1), P-dextrocardiale, beim atrioventrikulären Septumdefekt superiore Herzachse 4 Röntgen-Thorax: Dilatation des rechten Ventrikels, prominentes Pulmonalissegment, Lungenhyperämie 4 Herzkatheter: nur bei Verdacht auf pulmonale Hypertonie oder grenzwertiger Shuntgröße
Differenzialdiagnose 4 akzidentelles Herzgeräusch, leichte Pulmonalstenose, partielle Lungenvenenfehleinmündung
Therapie 4 partieller atrioventrikulärer Septumdefekt, Sinus venosus-Defekt: Operation im Kleinkindesalter 4 Sekundum-Defekt: bei kleinem Defekt Spontanverschluss möglich, bei relevantem Links-Rechts-Shunt interventioneller oder operativer Verschluss im Kleinkindesalter 4 bei rechtzeitiger komplikationsloser Therapie normale Lebenserwartung und -qualität Ventrikelseptumdefekt (VSD)
4 häufigster angeborener Herzfehler, der auf Grund seines typischen Herzgeräusches (Ausnahme: sehr große Defekte) frühzeitig diagnostiziert wird 4 Lokalisation: meist perimembranös oder muskulär, seltener im Einlassseptum (atrioventrikulärer Septumdefekt) bzw. suprakristal (benachbart sowohl der Aorten- als auch der Pulmonalklappe) 4 Spontanverschluss nur bei muskulärer oder perimembranöser Lage möglich 4 bei suprakristaler Lage Verziehung der Aortenklappe mit Aortenklappeninsuffizienz möglich
6
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176
Kapitel 6 · Kardiologie
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6
4 kleiner VSD: geringer Links-rechts-Shunt ohne Zeichen der Volumenbelastung (s. unten) bei erhaltenem Druckunterschied zwischen beiden Ventrikeln 4 großer VSD: druckausgleichender Defekt, somit Systemdruck im rechten Ventrikel und in der Pulmonalarterie 5 Links-rechts-Shunt jetzt abhängig vom Lungengefäßwiderstand! 5 Volumenbelastung linker Vorhof, linker Ventrikel, Lungenstrombahn 5 im Spontanverlauf Anstieg des Lungengefäßwiderstandes → Abfall des Links-rechts-Shunts 5 Shuntumkehr (rechts-links) mit Zyanose, wenn Lungengefäßwiderstand >Systemwiderstand (Eisenmenger-Reaktion)
Klinik 4 kleiner VSD: normale Herztöne, bandförmiges, gelegentlich CrescendoSystolikum, hochfrequent, präkordial oder apikal, keine Herzinsuffizienz 4 großer VSD: überaktives Herz, Herzinsuffizienz 5 nur leises systolisches Geräusch (relative Pulmonalstenose, laminarer Fluss über dem Defekt macht kein Geräusch!) 5 lauter einzelner zweiter Herzton (Pulmonalklappenschluss zeitgleich) 5 apikales Diastolikum (Mitraleinstrom) 5 Zunahme des pulmonalen Gefäßwiderstandes → Links-rechts-Shunt und Herzinsuffizienz nehmen ab; später Rechts-links-Shunt mit Zyanose, in der Regel gleichbedeutend mit Inoperabilität
Diagnostik 4 Echokardiographie: Lage und Größe des Defektes , Ausschluss von Begleitfehlbildungen, hämodynamische Bedeutung, Gradient über dem Defekt 4 ergänzende Diagnostik 5 EKG: bei kleinem Defekt normal, bei relevantem Defekt linksatriale und linksventrikuläre Belastung, bei pulmonaler Hypertonie biventrikuläre Hypertrophie 5 Röntgen-Thorax: bei kleinem Defekt normal, mit zunehmender Relevanz Kardiomegalie und Lungenhyperämie 5 Herzkatheteruntersuchung: präoperativ indiziert bei grenzwertigem Shunt, bei Verdacht auf Widerstandserhöhung im Lungenkreislauf, ggf. bei multiplen Defekten
Therapie 4 keine bei hämodynamisch unbedeutendem VSD (Ausnahme: defektbedingte Aorteninsuffizienz) 4 mittelgroßer VSD ohne pulmonale Hypertension: operativer Verschluss im Kleinkindesalter, interventioneller Verschluss in Erprobung 4 großer VSD mit pulmonaler Hypertension: Operation im Säuglingsalter, bei Herzinsuffizienz mit Gedeihstörung schon in den ersten Lebensmonaten 4 bei rechtzeitiger komplikationsloser Operation normale Lebenserwartung und -qualität
177 6.1 · Angeborene Herzfehler
Persistierender Ductus arteriosus (PDA)
4 intrauterin obligate Gefäßverbindung zwischen der Arteria pulmonalis und der Aorta 4 intrauterin bei hohem Lungengefäßwiderstand obligater Rechts-LinksShunt 4 PDA häufig Begleitfehlbildung bei anderen Herzfehlern 4 lebensnotwendig bei Herzfehlern mit PDA-abhängiger Lungen- oder Systemkreislaufperfusion (7 Kap. 6.1.4 und 6.1.5) 4 vorzeitiger intrauteriner Ductusverschluss kann durch nichtsteroidale Antiphlogistika ausgelöst werden 4 PDA führt postpartal zu einem Links-Rechts-Shunt in Systole und Diastole mit Abfall des diastolischen Aortendruckes und Volumenbelastung der Pulmonalarterie, des linken Vorhofes und Ventrikels. Je nach Weite des PDA Druckanstieg in der Pulmonalarterie bis zu Systemdruck, dabei Persistieren des Links-rechts-Shunts, so lange Lungengefäßwiderstand <Systemwiderstand
Klinik 4 bei kleinem PDA kontinuierliches systolisch-diastolisches Geräusch im 2. ICR links parasternal bei palpatorisch ruhigem Herz, normalen Herztönen und Pulsen 4 bei hämodynamisch relevantem drucktrennendem PDA lautes kontinuierliches Herzgeräusch, überaktives Herz, springende Pulsen (hohe Blutdruckamplitude), Herzinsuffizienz 4 bei großem nicht drucktrennendem PDA leises Systolikum, einzelner betonter zweiter Herzton (pulmonale Hypertonie!) . Links-rechts-Shunt mit Herzinsuffizienz, so lange der Lungengefäßwiderstand niedrig ist
Differenzialdiagnose 4 bei systolisch-diastolischem Geräusch: Koronararterienfistel, aortopulmonaler Shunt bei zyanotischem Vitium (thorakale Narbe!) 4 > Memo Ein kombiniertes Aorten- bzw. Pulmonalklappenvitium zeigt ein systolisches und ein diastolisches, jedoch kein kontinuierliches Geräusch!
Diagnostik 4 Echokardiographie 4 ergänzend EKG 4 bei Therapiebedürftigkeit Röntgen-Thorax
Therapie 4 Spontanverschluss im ersten Lebensjahr möglich, danach elektiver Verschluss (katheterinterventionell durch Einbringen von Spiralen oder Implantaten ;Risiken: Restshunt, Embolisierung) 4 bei großem PDA mit pulmonaler Hypertension frühzeitiger Verschluss (<6 Monate); operativ, falls interventionell nicht möglich 4 bei rechtzeitiger komplikationsloser Therapie normale Lebenserwartung und -qualität
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178
Kapitel 6 · Kardiologie
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6.1.2
Ausflusstraktobstruktionen
Aortenisthmusstenose (CoA)
6
4 häufigste Auswurfbehinderung des linken Ventrikels; oft kombiniert mit Fehlbildungssyndromen (Turner-Syndrom) und anderen kardialen Fehlbildungen (VSD; Aortenstenose) 4 Einengung (Aortenisthmus = physiologische Enge zwischen Abgang der linken A. subclavia und Übergang des transversen Aortenbogens in die Aorta descendens) meist durch disloziertes Ductusgewebe an, dessen Einmündung in die Aorta 4 hämodynamische Bedeutung ab ca. 50% Einengung gegenüber Aorta in Zwerchfellhöhe → führt zu arterieller Hypertonie der oberen Körperhälfte
Klinik 4 infantile/neonatale Form: meist präduktale CoA mit Ductus-Persistenz; oft auch Bogenhypoplasie 5 Herzinsuffizienz (→ Schock) 5 > Memo »Kritische« Aortenisthmusstenose des Neugeborenen: (Teil-)Abhängigkeit der Perfusion der unteren Körperhälfte via Ductus; unterbrochener Aortenbogen als Extremform; führt bei Ductusverschluss zu akuter Linksherz- und Niereninsuffizienz. 5 fehlende oder abgeschwächte Leisten-/Fußpulse ! Cave bei noch offenem PDA 5 apikales systolisches Geräusch (Mitralinsuffizienz) 4 kindliche/adulte Form: juxtaduktale, isolierte CoA; oft Kollateralkreislauf zur unteren Körperhälfte über Arterien proximal der Stenose (Mammaria int., interkostal) 5 Pulsdifferenz obere/untere Extremitäten 5 spätsystolisches Geräusch über Isthmus (Rücken paravertebral) 5 arterielle Hypertonie 5 > Memo oft jahrelang asymptomatisch!
Diagnostik 4 infantile/neonatale Form 5 Blutdruck und O2-Sättigung aller 4 Extremitäten: Differenz oben/ unten (prä-/poststenotisch) 5 EKG: rechts-/biventrikuläre Hypertrophie 5 Echokardiographie = Goldstandard: direkte Darstellung, typisches Flussprofil (nicht bei PDA) 5 Röntgen-Thorax: Kardiomegalie, Pulmonalarterienprominenz, Lungenvenenstau 4 kindliche/adulte Form 5 Blutdruckmessung aller 4 Extremitäten: Differenz oben/unten (prä-/ poststenotisch) 5 EKG: linksventrikuläre Hypertrophie 5 Echokardiographie: Anatomie nur bedingt darstellbar; typisches Flussprofil
179 6.1 · Angeborene Herzfehler
5 MRT = Goldstandard: direkte Darstellung, Kollateralen 5 Röntgen-Thorax: Rippenusuren (ab Schulalter) 5 Herzkatheter/Angiographie: komplexe CoA/Begleitanomalien
Therapie 4 infantile/neonatale Form: Notfallsituation! 5 Prostaglandin E bei Ductus-abhängiger Perfusion der unteren Körperhälfte 5 kurzfristige operative Resektion und End-zu-End-Anastomose der CoA; evt. Isthmus-/Bogenplastik; alternativ Subclavian-Flap-Operation (Überbrückung der CoA durch linke A. subclavia) 5 Ballondilatation bei Restenose (nicht selten!) 4 kindliche/adulte Form 5 Ballonangioplastie mit/ohne Stentimplantation oder operative Resektion 5 Ballondilatation/Stentimplantation bei Restenose 5 ! Cave chronische Persistenz des arteriellen Hypertonus trotz erfolgreicher Stenosebeseitigung häufig! Valvuläre Aortenstenose (AS)
4 Auswurfbehinderung des linken Ventrikels; teilweise vergesellschaftet mit anderen Fehlbildungen des linken Herzens (CoA, Mitralstenose); oft bikuspide Klappe, verdickte Kommissuren 4 abhängig vom Schweregrad Druckerhöhung im linken Ventrikel und evt. erniedrigter arterieller Blutdruck
Klinik 4 4 4 4 4
weicher Puls systolisches Schwirren über Jugulum und Karotiden hebender Herzspitzenstoß systolischer Ejektionsklick systolisches spindelförmiges Austreibungsgeräusch über dem 2. ICR rechts 4 Diastolikum bei begleitender Aorteninsuffizienz (nicht selten) 4 bei hochgradiger AS Herzinsuffizienz bei Belastung, Angina pectoris, Herzrhythmusstörungen 4 > Memo »Kritische« AS im Neugeborenenalter: hochgradig mit engem Klappenring; evt. mit Hypo-/Dysplasie des linken Ventrikels → akute dekompensierte Herzinsuffizienz
Diagnostik 4 niedriger Blutdruck mit kleiner Amplitude 4 EKG: linksventrikuläre Hypertrophie; evt. mit Repolarisationsstörungen 4 Röntgen-Thorax: evt. Kardiomegalie; poststenotisch erweiterte Aorta ascendens 4 Echokardiographie: Sicherung der Diagnose; dopplersonographische Quantifizierung 4 Herzkatheter/Angiographie: evt. im Rahmen der Katheterintervention
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Kapitel 6 · Kardiologie
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Therapie 4 kritische neonatale AS: Notfallsituation! 5 Prostaglandin E zur Perfusion des Systemkreislaufs via Ductus arteriosus 5 interventionelle Ballonvalvuloplastie oder operative Klappenkommissurotomie 4 Kindes-/Jugendalter: Therapieindikation bei Symptomen bzw. hochgradiger AS (Druckgradient im Echo >70 mmHg; ! Cave iatrogene Aorteninsuffizienz!) 5 interventionell: Ballondilatation 5 chirurgisch: Kommissurotomie; Klappenrekonstruktion; evt. RossOperation (native Pulmonalklappe in Aortenposition, Klappenersatz in Pulmonalisposition); später evt. künstlicher Aortenklappenersatz Valvuläre Pulmonalstenose (PS)
4 Auswurfbehinderung des rechten Ventrikels; meist isoliert; auch bei syndromalen Erkrankungen (z. B. Noonan-Syndrom); bi- oder trikuspide dysplastische Klappe 4 abhängig vom Schweregrad Druckerhöhung im rechten Ventrikel; Minderperfusion der Lunge
Klinik 4 überaktiver rechter Ventrikel, evt. systolisches präkordiales Schwirren 4 Protosystolischer Ejektionsklick 4 2/6–4/6 mittelfrequentes systolisches Geräusch über 2.–3. ICR links mit Fortleitung zum Rücken 4 Diastolikum bei begleitender Pulmonalinsuffizienz 4 bei hochgradiger PS Dyspnoe bei Belastung; evt. hypoxämische Anfälle bei assoziierter Infundibulumstenose 4 »kritische« PS im Neugeborenenalter: hochgradig mit engem Klappenring; hämodynamisch wie Pulmonalatresie (siehe dort)
Diagnostik 4 EKG: rechtsventrikuläre Hypertrophie (Druckbelastung) 4 Echokardiographie: Sicherung der Diagnose; dopplersonographische Quantifizierung 4 Herzkatheter/Angiographie: evt. im Rahmen einer Katheterintervention
Therapie 4 Kindes-/Jugendalter: Therapieindikation bei Symptomen bzw. hochgradiger PS (Druckgradient im Echo >50 mmHg) 5 Interventionell: Ballondilatation = meist Methode der Wahl 5 Chirurgisch: Kommissurotomie bei starker Klappendysplasie, Versagen der Intervention, zusätzlicher sub-/supravalvulärer Stenose 5 ! Cave Re-Stenose; Pulmonalinsuffizienz
181 6.1 · Angeborene Herzfehler
6.1.3
Zyanotische Vitien
Fallot-Tetralogie (ToF)
4 häufigster zyanotischer Herzfehler; isoliert oder bei syndromalen Erkrankungen (z. B. Mikrodeletion 22q11, Trisomie 21); Deviation des infundibulären Septums mit Obstruktion des rechtsventrikulären Ausflusstraktes und Defekt des ventrikulären Septums → führt zur Tetralogie 5 infundibuläre und valvuläre Pulmonalstenose 5 rechtsventrikuläre Hypertrophie 5 VSD 5 über dem VSD »reitende« Aorta 4 Begleitfehlbildungen: rechter Aortenbogen, Koronaranomalien, Vorhofseptumdefekt, offener Ductus arteriosus, Pulmonalarterienhypoplasie 4 Extremvariante: Pulmonalatresie mit VSD 4 durch Rechtsherzobstruktion und VSD Druckgleichheit in beiden Ventrikeln → Blutfluss aus rechtem und linkem Ventrikel in die Aorta → Mischungszyanose durch Rechts-Links-Shunt 4 abhängig vom Schweregrad der Pulmonalstenose → Minderdurchblutung der Lunge → Hypoxämie
Klinik 4 zentrale Zyanose; Uhrglasnägel und Trommelschlegelfinger bei chronischer Zyanose 4 systolisches Austreibungsgeräusch über 3. ICR links (Pulmonalstenose) 4 ! Cave hypoxämische Anfälle: akute dynamische Obstruktion des Infundibulums mit Tachypnoe, Unruhe, Zyanose, Bewusstseinsstörung → typische Hockstellung des Kleinkindes → verbesserte Lungenperfusion durch erhöhten systemarteriellen Widerstand
Diagnostik 4 4 4 4 4 4
Pulsoxymetrie: Grad der Hypoxämie Blutbild: Grad der Polyglobulie EKG: Rechtslagetyp, rechtsventrikuläre Hypertrophie (Druckbelastung) Langzeit-EKG: (spät-)postoperative Rhythmuskontrolle Echokardiographie: Sicherung der Diagnose Röntgen-Thorax: »Holzschuhherz« mit angehobener Spitze und starker Taille 4 Herzkatheter: präoperative Darstellung der Koronararterien und Pulmonalarterien 4 MRT: spätpostoperative Verlaufskontrolle
Therapie 4 chirurgisch 5 geplante Korrekturoperation im ersten Lebensjahr mit Patcherweiterung des rechtsventrikulären Ausflusstraktes, evt. transanulär; Kommissurotomie der Pulmonalklappe; Patchverschluss des VSD 5 bei schwerer Hypoxämie palliativ zunächst aortopulmonaler Shunt (Blalock-Taussig-Anastomose)
6
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182
Kapitel 6 · Kardiologie
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4 interventionell 5 bei schwerer Hypoxämie evt. palliative Ballondilatation der Pulmonalklappe 4 symptomatisch bei hypoxämischem Anfall 5 Hockstellung, Sauerstoff, Volumensubstitution, Morphin i.v./s.c., Pufferung, evt. ß-Blocker (Esmolol i.v.) 4 Langzeitverlauf 5 ! Cave Pulmonalinsuffizienz (fast immer) → evt. sekundärer Pulmonalklappenersatz 5 kompletter Rechtsschenkelblock nach Kardiotomie (fast immer) 5 ventrikuläre Rhythmusstörungen (VES) häufig → Mortalitätsgipfel in der 2.–3. Lebensdekade (VT) 5 > Memo lebenslange kardiologische Kontrollen erforderlich! Transposition der großen Arterien (TGA)
4 häufigster zyanotischer Herzfehler im Neugeborenenalter; in der Regel keine extrakardialen Fehlbildungen 4 ventrikulo-arterielle Diskordanz: Fehlabgang der Aorta aus dem rechten und der Pulmonalarterie aus dem linken Ventrikel 4 Begleitfehlbildungen: VSD; Subpulmonalstenose; Aortenisthmusstenose; Koronaranomalien 4 System- und Lungenkreislauf sind parallel, nicht seriell geschaltet → Rezirkulation von venösem Blut im Körper 4 Abhängigkeit der Oxygenierung im Systemkreislauf von den fetalen Kurzschlussverbindungen Ductus arteriosus und Foramen ovale/ASD 4 bedrohliche Hypoxämie bei fehlendem atrialem Blutaustausch → Organschäden, Tod
Klinik 4 kräftiges vitales Neugeborenes → rasch generalisierte Zyanose meist nach Stunden 4 betonter singulärer 2. Herzton (Aorta) 4 kein typisches Herzgeräusch, außer bei Begleitfehlbildungen
Diagnostik 4 4 4 4 4
Pulsoxymetrie und Blutgasanalyse: Grad der Hypoxämie; Hyperoxietest Echokardiographie: Goldstandard zur Sicherung der Diagnose EKG: nicht wegweisend Röntgen-Thorax: »eiförmiges« Herz mit schmalem Gefäßband Herzkatheteruntersuchung: falls Rashkind-Manöver erforderlich; Darstellung der Koronararterien 4 MRT: spätpostoperative Verlaufskontrollen
Therapie 4 präoperativ: Offenhalten/Wiedereröffnung der intrakardialen Shuntverbindungen 5 Prostaglandin-E-Dauerinfusion zwecks Offenhalten/Eröffnung des Ductus arteriosus) → obligat!
183 6.1 · Angeborene Herzfehler
5 Ballon-Atrioseptostomie nach Rashkind zur Erweiterung des Foramen ovale unter Durchleuchtung oder echokardiographischer Kontrolle bei ausgeprägter Hypoxämie, restriktivem Foramen ovale 5 arterielle Switch-Operation (ASO) mit Durchtrennung und Umsetzen der großen Gefäße oberhalb der Klappenebene und Koronararterientransfer in den ersten zwei Lebenswochen 5 Mortalität <5% 4 früher (bis ca. 1990): funktionelle Korrekturoperation nach Mustard oder Senning 5 Umtausch der Blutströme auf Vorhofebene (Vorhofumkehr = atriale Switch-Operation), Belassen der großen Gefäße, rechter Ventrikel ist Systemventrikel 4 Langzeitverlauf (bis 20 Jahre) nach anatomischer Korrektur 5 ca. 85% Überleben ohne Reintervention 5 normale kardiopulmonale Belastungsfähigkeit 5 supravalvuläre Pulmonalstenose (ca. 50%) → evt. Re-Operation/Intervention 5 Insuffizienz der Neo-Aortenklappe (ca. 35%) 5 Koronarstenosen möglich ! Cave belastungsinduzierte Koronarischämie 5 ! Cave psychomotorische Entwicklung nach neonataler Herzlungenmaschinen-Operation 5 Lebenslange kardiologische Kontrollen erforderlich! 6.1.4
Herzfehler mit Ductus-abhängiger Lungenperfusion
4 klassisches Beispiel: hypoplastisches Rechtsherzsyndrom (Pulmonalklappenatresie mit intaktem Ventrikelseptum, Hypoplasie des rechten Ventrikels und der Trikuspidalklappe) 4 pränatal gut diagnostizierbare Herzfehler mit postpartal lebensnotwendigem PDA zur Sicherung der Lungenperfusion 4 postpartal obligater Links-rechts-Shunt via PDA sowie obligater Rechtslinks-Shunt über das Foramen ovale
Klinik 4 Herzgeräusch kann fehlen! 4 zunehmende Zyanose bei drohendem Ductusverschluss lässt rasch an kardiale Fehlbildung denken 4 kein Anstieg der Sauerstoffsättigung nach O2-Gabe 4 bei zunehmender Zyanose zusätzlich Tachypnoe, Tachykardie, metabole Azidose
Diagnostik 4 Hyperoxietest 4 bei fehlendem Sättigungsanstieg sofortige Echokardiographie zum Ausschluss bzw. Nachweis eines Vitiums mit PDA-abhängiger Lungenperfusion
6
Eigene Notizen
184
Kapitel 6 · Kardiologie
Eigene Notizen
6
Therapie 4 Offenhalten bzw. Wiedereröffnen des Ductus mit Prostaglandin E i.v. 4 Therapieprinzip totale kavopulmonale Anastomose (TCPA) 5 1. Schritt (Neugeborenenperiode): Ersatz des PDA durch einen aortopulmonalen Shunt 5 2. Schritt (3.–6. Monat): Ersatz des aortopulmonalen Shuntes durch eine End-zu-Seit-Anastomose der Vena cava superior mit der Pulmonalarterie (bidirektionale Glenn-Anastomose) → vollständige Oxygenierung des venösen Blutes der oberen Körperhälfte 5 3. Schritt (2.–4. Lebensjahr): Anastomose der V. cava inferior mittels extrakardialer Gefäßprothese oder als Tunnel innerhalb des rechten Vorhofes mit der Pulmonalarterie (Resultat: TCPA) 5 bei erfolgreicher Stufenoperation wird in vielen Fällen eine gute Alltagsbelastbarkeit bei normaler Oxygenierung erreicht, im Langzeitverlauf sind jedoch vielfältige Probleme möglich (Komplikationen der venösen Druckerhöhung, Rhythmusstörungen, Insuffizienz des Systemventrikels bzw. der AV-Klappe(n), thrombembolische Komplikationen) 4 > Memo Die TCPA steht prinzipiell für alle Situationen zur Verfügung, bei denen ein biventrikulärer Kreislauf nicht hergestellt werden kann (univentrikuläres Herz, hypoplastisches Rechts- bzw. hypoplastisches Linksherz, andere komplexe Fehlbildungen) Voraussetzung: gut entwickelte Lungengefäße und niedriger Lungengefäßwiderstand
6.1.5
Herzfehler mit Ductus-abhängiger Systemperfusion
4 klassisches Beispiel: hypoplastisches Linksherzsyndrom (Aorten- und Mitralklappenatresie, hypoplastischer linker Ventrikel, hochgradige Hypoplasie der Aorta ascendens) 4 pränatal gut diagnostizierbarer Herzfehler mit postpartal lebensnotwendigem PDA zur Sicherung der Perfusion des Systemkreislaufes 4 postpartal obligater Rechts-links-Shunt via PDA, retrograde Perfusion des Aortenbogens und der Aorta ascendens (funktionelle Koronararterie), obligater Links-rechts-Shunt auf Vorhofebene 4 > Memo seltener Herzfehler (1%), aber häufigste Todesursache bei Neugeborenen mit angeborenem Herzfehler
Klinik 4 postpartal initial unauffällig 4 bedingt durch den spontanen PDA-Verschluss akute dramatische Verschlechterung mit 5 grau-blassem (septischem) Hautkolorit 5 Tachypnoe, Tachykardie 5 metabole Azidose 5 allseits abgeschwächte oder fehlende Pulse, arterielle Hypotonie 5 Herzgeräusch fehlt oft!
185 6.2 · Entzündliche Herzerkrankungen
Diagnostik 4 Echokardiographie ist diagnostisch 4 ! Cave aktive und passive Lungenhyperämie im Röntgenthorax kann als Pneumonie fehlgedeutet werden!
Differenzialdiagnose 4 4 4 4
Sepsis Myokarditis unterbrochener Aortenbogen ! Cave die Symptomatik des hypoplastischen Linksherzens kann als Sepsis-bedingter Schock verkannt werden!
Therapie 4 Offenhalten bzw. Wiedereröffnen des Ductus mit Prostaglandin E i.v. 4 chirurgische Optionen 5 Drei-Schritt-Operationsverfahren bis zur TCPA (7 Kap. hypoplastisches Rechtsherzsyndrom, zusätzlich Aortenbogenrekonstruktion im ersten Schritt) 5 Herztransplantation (insbesondere wenn TCPA nicht möglich ist)
6.2
Entzündliche Herzerkrankungen
6.2.1
Endokarditis
4 akute oder subakute meist bakterielle Infektion endokardialer Strukturen (Herzklappen, murales Endokard, Endothel der benachbarten großen Gefäße) einschließlich Klappen- und Gefäßprothesen, intrakardialer Fremdkörper (Schrittmacherkabel) 4 in 90% besteht ein angeborener Herzfehler, häufig nach Herzoperation Herzfehler-assoziierte intrakardiale Turbulenzen → Endokardläsionen mit Ausbildung von Mikrothromben mit sekundärer bakterieller Besiedlung 4 typische Erreger: Streptokokkus viridans, Staphylococcus aureus bzw. epidermidis (postoperativ!), in 10–20% kein Keimnachweis 4 schleichender Verlauf führt oft zu verspäteter Diagnose 4 Erkrankung mit hoher Morbidität und auch Letalität 4 > Memo bei Endokarditis herzgesunder Jugendlicher an Drogenmissbrauch (i.v.) denken!
Klinik 4 rezidivierende Fieberschübe (evtl. mit Schüttelfrost) ohne erkennbaren Fokus 4 neues oder verändertes Herzgeräusch 4 Splenomegalie 4 Embolien: Haut (Osler-Knötchen), Niere (Hämaturie), zerebral, pulmonal
6
Eigene Notizen
186
Kapitel 6 · Kardiologie
Eigene Notizen
Diagnostik 4 Labor: Entzündungszeichen, Anämie, Thrombozytopenie 4 positive Blutkulturen 4 Echokardiographie (gegebenenfalls transösophageal) zum Nachweis von Vegetationen 4 > Memo bei Herzpatienten mit anhaltendem Fieber unklarer Ursache immer mehrere Blutkulturen vor antibiotischer Therapie abnehmen
Therapie
6
4 erregerspezifische und resistenzgerechte intravenöse Antibiose über 4–6 Wochen (Initialtherapie bei unbekanntem Erreger: Vancomycin + Gentamycin) 4 chirurgische Therapie bei schwerer Klappendestruktion mit Herzinsuffizienz, mobilen Vegetationen (besonders linksseitig), infizierten (Klappen-)Prothesen 4 bei ausgeheilter Endokarditis besonders hohes Wiederholungsrisiko 4 Endokarditisprophylaxe beschränkt auf Zustand nach Endokarditis, Herzfehler mit Zyanose, Klappenprothese oder bei Restdefekt mit benachbartem Patchmaterial sowie 6 Monate nach Herzoperation
6.2.2
Myokarditis
4 entzündliche Erkrankung des Myokards mit generalisierter oder fokaler Zellschädigung und interstitiellem Ödem 4 überwiegend virale Genese (Parvovirus B19, Enteroviren) 4 akute und chronische Verläufe (mit Viruspersistenz) mit stark variabler Expression 4 häufige Ursache des plötzlichen Herztodes 4 Verlaufsspektrum: Ausheilung (auch bei primärem Herzversagen) – dilatative Kardiomyopathie mit chronischer Herzinsuffizienz – letal
Klinik 4 Infektionszeichen (respiratorisch, gastrointestinal; akut oder rezent) 4 Herzinsuffizienz (Tachykardie, leise Herztöne, weicher Puls) bis zum kardiogenen Schock 4 präkordiale Schmerzen 4 Herzrhythmusstörungen
Diagnostik 4 Echokardiographie: eingeschränkte linksventrikuläre Funktion mit Dilatation, Mitralinsuffizienz, Perikarderguss 4 EKG: Niedervoltage, Repolarisations- und Überleitungsstörungen, Extrasystolen 4 Labor: Entzündungszeichen, Erhöhung der Herzenzyme 4 Röntgenthorax: Kardiomegalie, Lungenstauung
187 6.3 · Kardiomyopathien (KMP)
4 weiterführende Diagnostik im Einzelfall: MRT, Endomyokardbiopsie 4 > Memo Bei akuter linksventrikulärer Funktionsstörung im Kindesalter immer Koronaranomalie ausschließen!
Therapie 4 Bettruhe, medikamentöse Behandlung der Herzinsuffizienz 4 bei schwerem Verlauf hochdosierte Immunglobulingabe, keine Kortikosteroide 4 bei akutem Herzversagen Assist-Device entweder passager (bei Erholung) oder als Überbrückung zur Herztransplantation
6.2.3
Perikarditis
4 entzündliche Erkrankung des Perikards meist viraler Genese, oft mit myokardialer Beteiligung
Klinik 4 4 4 4
Leistungseinschränkung, Fieber, präkordiale Schmerzen typisches Reibegeräusch präkordial, bei Erguss fehlend leise Herztöne ! Cave Perikardtamponade bei Einflussstauung, weichem, inspiratorisch vermindertem Puls (Pulsus paradoxus), arterieller Hypotonie
Diagnostik 4 4 4 4
Echokardiographie: Ergussnachweis, Funktionsbeeinträchtigung EKG: Niedervoltage, Repolarisationsstörungen Röntgen-Thorax: zeltförmige Kardiomegalie Perikardpunktion (diagnostisch, therapeutisch)
Therapie 4 bei großem Erguss Entlastung durch Punktion oder Drainage (speziell eitriger Erguss) 4 nichtsteroidale Antiphlogistika, Diuretika, Bettruhe 4 bei chronischer Perikarditis Kortikoide, Colchizin
6.3
Kardiomyopathien (KMP)
4 Erkrankungen des Herzmuskels mit kardialer Dysfunktion 4 Einteilung nach WHO aufgrund morphologischer, pathophysiologischer und funktioneller Kriterien (. Tab.); neuere Einteilung nach molekulargenetischen Aspekten einschl. KMP bei Ionenkanalerkrankungen
6
Eigene Notizen
188
Kapitel 6 · Kardiologie
Eigene Notizen
Einteilung der Kardiomyopathien (KMP) Kardiomyopathieform
6
Ätiopathogenese
Hypertrophe KMP
»Primär«
Gendefekte (>50%) Sporadisch
Dilatative KMP
»Primär«
Chronisch-entzündlich (nach Myokarditis) Autoimmun Gendefekte (ca. 25%)
Restriktive KMP
Primär
u. a. Gendefekte (im Kindesalter sehr selten)
Arrhythmogene rechtsventrikuläre KMP
Primär
Noncompaction-Myocardium (linksventrikuläre Hypertrabekulation)
Primär
Nicht klassifizierbar
Spezifische KMP
Sekundär bei herzspezifischen und systemischen Erkrankungen
Entzündlich (nach Myokarditis) Ischämisch Toxisch (u. a. Zytostatika, Hämosiderose) Neuromuskulär Metabolisch (u. a. Glykogenosen, Carnitinmangel, Mitochondriopathien)
Hypertrophe Kardiomyopathie (HCM)
4 häufigste erbliche Herzerkrankung, autosomal dominant; auch sporadisch; sekundäre Formen (. Tab.) 5 Sonderform bei Neugeborenen mit mütterlichem insulinpflichtigem Gestationsdiabetes (spontane Rückbildung) 4 asymmetrische Septumhypertrophie oder konzentrische Hypertrophie mit Verkleinerung des linksventrikulären Kavums 4 systolische Obstruktion des linksventrikulären Ausflusstraktes (LVOT) → hypertrophisch-obstruktive KMP = HOCM (ca. 25% der HCM) 4 gestörte diastolische Funktion des linken Ventrikels 4 Manifestation: im Mittel mit 13 Jahren (Säuglinge < Kinder < Erwachsene) 4 Befund sehr variabel; asymptomatisch bis schwere Herzinsuffizienz ! Cave Säuglinge → Gedeihstörung; Jugendliche → plötzlicher Herztod durch VT Dilatative Kardiomyopathie (DCM)
4 am häufigsten nach Myokarditis; genetisch (familiär); sekundäre Formen (. Tab.) 4 Ventrikeldilatation (meist links) 4 gestörte systolische Funktion, verminderte Auswurffraktion 4 Manifestation: 1. und 2. Lebensjahr (75%) 4 Herzinsuffizienz verschiedenen Schweregrades (7 Kap. Herzinsuffizienz) 4 Hauptindikation für Herztransplantation bei Kindern
189 6.4 · Elektrokardiogramm und Herzrhythmusstörungen
6.4
Elektrokardiogramm und Herzrhythmusstörungen
6.4.1
Besonderheiten des EKG im Kindesalter
4 altersentsprechende Normalwerte (Perzentilen) der Herzfrequenz (Neugeborene ca. 100–200/min; Schulkinder ca. 60–120/min) 5 Sinustachykardie/-bradykardie: Überschreiten des oberen bzw. Unterschreiten des unteren Altersnormwertes der Herzfrequenz längerfristig um >20% 4 altersabhängige Norm-Zeitintervalle für P, PQ, QRS (werden mit zunehmendem Alter länger) 4 ! Cave QT-Intervall ist frequenzabhängig; Berechnung der Frequenzkorrigierten QT-Zeit (QTc), bezogen auf Herzfrequenz von 60/min → Normwert für alle Altersstufen 370–440 ms (M), 370–460 ms (W) 4 Änderung des elektrischen Herzlagetyps (Drehung der frontalen QRSAchse) von rechts (+150°/+120°) beim Neugeborenen nach links (+30°/0°) beim Erwachsenen 4 altersabhängige Änderung der Amplituden in den Brustwandableitungen; erhöhte rechtspräkordiale Amplituden beim Neugeborenen/Säugling (erhöhte Muskelmasse und fetale Dominanz des rechten Ventrikels); erhöhte linkspräkordiale Amplituden des Jugendlichen/Erwachsenen 4 altersabhängige T-Wellen-Ausrichtung: T in V1 beim reifen Neugeborenen positiv, ab 2. Lebenswoche bis Pubertät negativ; kann im Kindesalter in V1–V4 negativ sein 6.4.2
Herzrhythmusstörungen im Kindesalter
4 bei angeborenem/operiertem Herzfehler, seltener ohne assoziierte Herzfehler (abnorme Leitungsbahn, kongenitaler AV-Block, Ionenkanalerkrankung)
Klinik 4 abhängig von Lebensalter und Grunderkrankung 5 Fetus: Perikarderguss, Hydrops 5 Neugeborene und Säuglinge: Blässe, Unruhe, Tachypnoe, Trinkschwäche → rasche Herzinsuffizienz bei geringer inotroper und lusitroper Reserve 5 Kinder und Jugendliche: Palpitationen, Übelkeit, Schwindel, Synkopen, verminderte Belastbarkeit 5 Notfall: Synkope, kardiogener Schock → plötzlicher Herztod
Diagnostik 4 12-Kanal-Standard-EKG mit Rhythmusstreifen, Langzeit-EKG (24– 72 h), Belastungs-EKG, Event-Recorder, Kipptischuntersuchung, elektrophysiologische Untersuchung (EPU) bei Gewicht >15 kg, Echokardiographie, Bildgebung (Röntgen-Thorax, MRT etc.), Labor- und molekulargenetische Diagnostik
6
Eigene Notizen
190
Kapitel 6 · Kardiologie
Eigene Notizen
6
Therapie 4 Tachyarrhythmien (symptomatisch bzw. potenziell bedrohlich) 5 Terminierung: Vagus-Manöver (Eisbeutel, kalter Sprudel, Valsalva, Bauchpresse); Antiarrhythmika (Adenosin, Propafenon, Flecainid, Amiodaron etc.); transösophageale atriale Überstimulation; elektrische Kardioversion 5 Prävention: Antiarrhythmika je nach Form (Amiodaron, ß-Blocker, Propafenon, Flecainid, Sotalol, Mexiletin, Verapamil, Digoxin), Herzschrittmacher mit internem Kardio-Defibrillator (ICD), EPU mit Hochfrequenz/-Kryoablation, rhythmuschirurgischer Eingriff 4 Bradyarrhythmien (symptomatisch bzw. potenziell gefährlich) 5 medikamentös: Orciprenalin, Atropin; nur zur Überbrückung im Notfall 5 permanenter Herzschrittmacher: gesicherte Indikationen bei Kindern (u. a.) J angeborener kompletter AV-Block mit symptomatischer Bradykardie J kompletter AV-Block nach herzchirurgischem Eingriff, Dauer >7 Tage J längere Asystolie bei intermittierendem AV-Block II.–III. Grades J Sinusknotendysfunktion mit inadäquater symptomatischer Bradykardie 5 Schrittmachertypen J VVI (Demand ventrikulär); AAI (Demand atrial); DDD (sequenziell bifokal) J evt. Frequenzadaptation durch Detektion von Eigenbewegung J Aggregat abdominal (Säuglinge, Kleinkinder) oder subpektoral J Elektroden epimyokardial oder transvenös endokardial
6.4.3
Tachykarde Herzrhythmusstörungen
Supraventrikuläre Extrasystolen (SVES)
4 vorzeitige Erregung mit Ursprung aus Zentren oberhalb des HisBündels 4 im Kindesalter häufig, insbesondere bei Früh-/Neugeborenen und Säuglingen; meist asymptomatisch und nicht behandlungsbedürftig, »Spontanheilung« 4 ! Cave Frühzeitig einfallende SVES (insbesondere bei Feten/Neugeborene) in Form eines atrialen Bigeminus (Sinusschläge und SVES im Wechsel) können bei blockierter Kammerüberleitung zu Halbierung der Kammerfrequenz mit relevanter Bradykardie und Herzinsuffizienz führen → sog. blockierter atrialer Bigeminus: Differenzialdiagnose kongenitaler AV-Block III. Grades!
191 6.4 · Elektrokardiogramm und Herzrhythmusstörungen
Supraventrikuläre Tachykardien (SVT)
4 häufigste symptomatische Tachyarrhythmie im Kindesalter 4 paroxysmale (anfallsartige) oder chronisch-permanente Erhöhung der Vorhof- und/oder Kammerfrequenz 5 anatomische Strukturen oberhalb des His-Bündels beteiligt 5 Reentry-Mechanismus (kreisende Erregung) zwischen Vorhof und Kammer über akzessorische Leitungsbahn oder gesteigerte fokale Automatie 5 meist schmaler QRS-Komplex 4 atrioventrikuläre Reentry-Tachykardie: SVT mit akzessorischer Leitungsbahn; häufigste SVT im Säuglings-/Kindesalter; Herzfrequenzen 200–300/min 5 Wolff-Parkinson-White-Syndrom (Präexzitationssyndrom) J akzessorische Bahn leitet im Sinusrhythmus (SR) antegrad vom Vorhof auf die Kammer → breiter QRS-Komplex mit sog. Deltawelle und kurzer PQ-Zeit (»offene« Bahn: sichtbar im EKG); in der SVT meist antegrade Leitung über den AV-Knoten und retrograde Leitung über die akzessorische Bahn → schmaler QRSKomplex (orthodrome SVT), seltener antegrade Leitung über die akzessorische Bahn und retrograde Leitung über den AV-Knoten → breiter QRS-Komplex (antidrome SVT) J SVT häufig durch Extrasystole ausgelöst J auch Formen mit »verborgener«, im EKG unsichtbarer Leitungsbahn 5 ! Cave Herzinsuffizienz bei Feten, Neugeborenen und Säuglingen 5 Akuttherapie: Vagus-Manöver, Adenosin (auch zur Demaskierung einer SVT mit Beteiligung des AV-Knotens) 5 Dauertherapie: Antiarrhythmika, ältere Kinder evt. EPU mit Ablation 5 Säuglinge: oft spontanes Sistieren bis Ende 1. Lebensjahr 4 AV-Knoten-Reentry-Tachykardie 5 zweithäufigste SVT im Kindesalter, meist ältere Kinder 5 duale Leitungseigenschaften (»slow« und »fast«) im AV-Knoten → kreisende Erregung mit paroxysmaler Tachykardie 4 intraatriale Reentry-Tachykardie 5 kreisende Erregung im rechten Vorhof 5 Vorhofflattern bei herzgesunden Feten/Neugeborenen ! Cave fetale/neonatale Tachykardie mit Herzinsuffizienz/Hydrops 5 »inzisional« spät nach Herzoperation (Fontan-Operation) bei Jugendlichen ! Cave 1:1-Überleitung mit Synkope/Risiko plötzlicher Herztod Ventrikuläre Extrasystolen (VES)
4 vorzeitige Erregung aus Zentren im His-Bündel, den Tawara-Schenkeln oder Purkinje-Fasern 5 Schenkelblockartig deformierter breiter QRS-Komplex, sekundäre Erregungsrückbildungsstörungen; postextrasystolische Pause kompensatorisch
6
Eigene Notizen
192
Kapitel 6 · Kardiologie
Eigene Notizen
4 im Kindesalter häufig ohne Herzerkrankung → meist gutartig 4 Ausschluss Herzfehler, Myokarditis, Kardiomyopathie, insbesondere bei belastungsinduzierten VES Ventrikuläre Tachykardien (VT)
6
4 im Kindesalter selten; Frequenz >120% des vorherigen Grundrhythmus → sonst akzelerierter idioventrikulärer Rhythmus 4 atrioventrikuläre Dissoziation; evt. 1:1 ventrikulo-atriale Rückleitung 4 nicht-anhaltend (Dauer <30 s); anhaltend (Dauer >30 s) 4 QRS-Komplex über Altersnorm verbreitert, deformiert, differente QRSAchse 4 Akuttherapie: externe Kardioversion; Amiodaron i.v. 4 VT bei Ionenkanalerkrankungen: meist genetisch bedingt 5 angeborenes Long-QT-Syndrom (LQTS) (K+- und Na+-Kanäle) J EKG: verlängerte Repolarisation (QT-Intervall) > Memo QTc >450 ms (M), >470 ms (W) ist pathologisch J Romano-Ward-Syndrom: autosomal-dominant J Jervell-Lange-Nielsen-Syndrom: mit Taubheit (Innenohr); autosomal rezessiv J ! Cave multiforme VT = torsades de pointes → Kammerflimmern → Synkope → plötzlicher Herztod J Dauertherapie: Antiarrhythmika; evt. Schrittmacher mit ICD 5 erworbenes LQTS; durch Medikamente (z. B. Psychopharmaka, Antibiotika, Antiarrhythmika), Elektrolytstörungen, Hypothyreose etc. 5 > Memo Kinder mit unklarer Synkope/Krampfanfall benötigen ein EKG zum Ausschluss eines LQTS! 4 idiopathische VT: bei Herzgesunden, meist gutartig 5 ! Cave Myokarditis, Kardiomyopathie ausschließen 5 belastungsinduzierte Synkopen erfordern immer eine ausführliche kardiologische Abklärung
6.4.4
Bradykarde Herzrhythmusstörungen
4 temporär oder permanent abnorm verminderte Herzfrequenz Bradykarde Ersatzrhythmen
4 Ersatzsystolen: atrialen, junktionalen oder ventrikulären Ursprungs; fallen im Gegensatz zu Extrasystolen verspätet ein; meist harmlos 4 einfache AV-Dissoziation 5 vorübergehendes Absinken der Sinusknotenfrequenz 5 AV-Knoten übernimmt Stimulation der Ventrikel 5 Frequenzanpassung Vorhof/Kammer ca. 1:1 5 P-Wellen »pendeln« um QRS-Komplexe 5 meist herzgesunde Kinder/Sportler mit Parasympathikotonie 4 komplette AV-Dissoziaton
193 6.5 · Herzinsuffizienz im Kindesalter
5 länger andauernde Dissoziation von Vorhof und Kammer 5 Vorhoffrequenz deutlich niedriger als Kammerfrequenz (z. B. VT) 5 häufiger früh-postoperativ; evt. vorübergehende Schrittmachertherapie AV-Blockierung (. Tab.)
4 Verzögerung oder Blockierung einer vom Sinusknoten ausgehenden Erregung in Vorhof, AV-Knoten, Hisbündel oder Tawara-Schenkel AV-Blockierung Grad
EKG
Klinik
I
PQ-Verlängerung über Altersnorm
Herzgesunde, meist harmlos Erhöhter Vagotonus, Medikamente (Antiarrhythmika)
II Typ 1
Wenckebach: progressive PQ-Verlängerung bis Ausfall Kammererregung
Oft Herzgesunde, harmlos, erhöhter Vagotonus, nachts
II Typ 2
Mobitz: Ausfall Kammersystolen (2:1, 3:1 etc.)
Herzfehler prä-/postoperativ, erhöhter Vagotonus, Risiko AV-Block Grad III
III
Komplett: Dissoziation Vorhof-Kammer mit ventrikulärem Ersatzrhythmus
Kongenital
Erworben
Meist ohne Herzfehler; meist Schrittmacherindikation Nach Herzoperation, Myokarditis, Kardiomyopathie
4 Kongenitaler AV-Block Grad III 5 plazentagängige, das Reizleitungssystem schädigende Autoimmunantikörper bei Kollagenose der Mutter (insbesondere Lupus erythematodes) → Antikörpertestung 5 ! Cave fetale/neonatale Herzinsuffizienz 5 Differenzialdiagnose: blockierter atrialer Bigeminus
6.5
Herzinsuffizienz im Kindesalter
4 Ursachen: myokardiale Insuffizienz (systolisch und/oder diastolisch), Volumenbelastung, Druckbelastung, Füllungsdefizit, Herzrhythmusstörung 5 angeborene Herzfehler mit hämodynamisch bedeutsamem Linksrechts-Shunt: Ventrikelseptumdefekt, Ductus arteriosus, kompletter atrioventrikulärer Septumdefekt, Vorhofseptumdefekt (selten) 5 Ausflusstraktobstruktionen: Aortenisthmusstenose (Säugling!), valvuläre Aorten- und Pulmonalstenose 5 Myokarderkrankungen: Myokarditis, Kardiomyopathie
6
Eigene Notizen
194
Kapitel 6 · Kardiologie
Eigene Notizen
5 Rhythmusstörung: Supraventrikuläre Tachykardie (Säugling!), ventrikuläre Tachykardie, Bradykardie bei komplettem AV-Block/ blockiertem atrialem Bigeminus (Fetus/Neugeborenes) 4 > Memo Herz des Neugeborenen: eingeschränkte inotrope/lusitrope Reserve (kontraktile Elemente, Noradrenalinspeicher und β-Rezeptoren reduziert)
Klinik
6
4 Hauptzeitpunkt der klinischen Manifestation: fetal → Rhythmusstörungen; neonatal → Druckbelastung, Asphyxie; Säuglingsalter → Volumenbelastung 4 typische Anamnese (insbesondere Säugling): schnelles Atmen, Trinkschwäche, Schwitzneigung (beim Trinken/am Hinterkopf), schlechte Gewichtszunahme 4 klinische Zeichen: Tachykardie, Tachy-Dyspnoe, Hepatomegalie, kühle Extremitäten, flauer Puls, niedriger Blutdruck, Blässe, Ödeme, Pleuraergüsse, Aszites, Dystrophie, schlechte Belastbarkeit 4 Verlauf akut → Risiko kardiogener Schock
Diagnostik 4 EKG: z. B. Rhythmusstörung 4 Echokardiographie: Vorhof- und Ventrikelgröße, Pumpfunktion, Perikarderguss, Lebervenenstau, Aszites 4 Röntgen-Thorax: Herzgröße, Lungenstauung 4 Labor: BNP-Erhöhung
Therapie 4 kausal: wenn möglich Beseitigung der Ursache (z. B. Operation, Intervention) 4 akute Herzinsuffizienz: Wiederherstellung von adäquaten Organperfusionsdrucken, insbesondere des Myokards; Optimierung des Herzzeitvolumens und O2-Angebotes 5 O2-Vorlage, Beatmung, Analogosedierung, Azidoseausgleich 5 Medikamente: Katecholamine (Dopamin, Dobutamin, Adrenalin, Noradrenalin), Inodilatoren (Milrinon, Enoximone), Vasodilatantien (Natrium-Nitroprussid, Nitroglycerin, Urapidil, Stickstoffmonoxid, Prostazyklin), Diuretika (Furosemid, Torasemid, Hydrochlorthiazid) 5 evt. mechanische Kreislaufunterstützung (ECMO, Assist-Device) 4 chronische Herzinsuffizienz: Flüssigkeitsrestriktion, hochkalorische Nahrung 5 Medikamente: Stufentherapie nach Schweregrad → Nachlastsenker (ACE-Hemmer), β-Blocker, Diuretika, Digitalis (. Tab.) 5 evt. biventrikulärer Herzschrittmacher zur Resynchronisationstherapie 5 evt. Herztransplantation 5 begleitend: RSV-Prophylaxe (Palivizumab) im Säuglingsalter; zeitgerechte Regelimpfungen und Influenza-Impfung
195 6.6 · Akzidentelles Herzgeräusch
Orale Medikamentendosierung bei Herzinsuffizienz im Kindesalter Substanz
Startdosierung (mg/kg/d)
Zieldosierung (mg/kg/d)
Captopril
3×0,1
1–3
Enalapril
2×0,03
0,15–0,3
Carvedilol
2×0,05–0,1
0,5–0,8
Metoprolol
2×0,1–0,2
1–2,5
Furosemid
1–5 (10)
Hydrochlorthiazid
2–4
Spironolacton
2–3
Digoxin
6.6
Aufsättigung in 24/48 h
Erhaltungsdosis nach Plasmaspiegel 0,5–1,0 (–1,2) ng/ml
Akzidentelles Herzgeräusch
4 bis zum Vorschulalter häufig und physiologisch ohne Funktionsstörung oder organische Fehlbildung des Herzens 4 typisch: 2/6 systolisches Geräusch mit musikalischem Klangcharakter über dem 4. ICR links mit lageabhängiger Variabilität der Lautstärke 4 die Unterscheidung von einem organischen Herzgeräusch ist in hohem Maße von der Erfahrung des Arztes abhängig
Diagnostik 4 Auskultation durch erfahrenen Kinderarzt/Kinderkardiologen 4 EKG (Normalbefund) 4 Echokardiographie bei zweifelhaften Befunden
Differenzialdiagnose 4 funktionelles Herzgeräusch: situatives Geräusch bei strukturell normalem Herzen, typisch bei Fieber, Anämie, Hyperthyreose 4 organisches Herzgeräusch, hervorgerufen durch turbulenten Fluss an veränderten Herzklappen, septalen Defekten, Gefäßstenosen oder pathologischen Gefäßverbindungen
Therapie 4 Beruhigung der Eltern, dass es sich um ein physiologisches Schallphänomen ohne Krankheitswert handelt
6
Eigene Notizen
7 Tag 3
7 Hämatologie und Onkologie E. Lassay, R. Mertens
7.1
Erkrankungen des Erythrozyten – 199
7.1.1 7.1.2 7.1.3 7.1.4 7.1.5
Eisenmangelanämie – 199 Megaloblastäre Anämie – 200 Hypo- und aplastische Anämie – 201 Hämolytische Anämien – 202 Hämoglobinopathien – 204
7.2
Erkrankungen der Leukozyten – 206
7.2.1 Neutrozytopenien – 206 7.2.2 Granulozytenfunktionsstörung – 208
7.3
Erkrankungen der Milz – 209
7.3.1 Physiologiche Bedeutung der Milz – 209 7.3.2 Milzvergrößerung (Splenomegalie) – 209 7.3.3 Fehlen der Milz (Asplenie) – 210
7.4
Erkrankungen der Thrombozyten und Gerinnungsstörungen – 210
7.4.1 7.4.2 7.4.3 7.4.4 7.4.5
Immunthrombozytopenische Purpura (ITP) Thrombozytopathien – 211 Hämophilie A/Hämophilie B – 212 Von-Willebrand-Erkrankung (vWS) – 213 Verbrauchskoagulopathie – 214
7.5
Leukämien – 215
7.5.1 7.5.2 7.5.3 7.5.4
Akute lymphatische Leukämie (ALL) – 216 Akute myeloische Leukämie (AML) – 218 Chronisch myeloische Leukämie (CML) – 219 Myelodysplastische Syndrome (MDS) – 220
7.6
Histiozytosen – 221
– 210
7.6.1 Langerhans-Zell-Histiozytose – 221 7.6.2 Hämophagozytierende Lymphohistiozytose (HLH)
– 223
7.7
Maligne Lymphome – 223
7.7.1 Morbus Hodgkin – 223 7.7.2 Non-Hodgkin-Lymphome (NHL)
– 225
7.8
Maligne solide Tumoren
– 226
7.8.1 7.8.2 7.8.3 7.8.4 7.8.5 7.8.6 7.8.7 7.8.8
Neuroblastom – 226 Nephroblastom (Wilms-Tumor) Rhabdomyosarkom – 229 Osteosarkom – 231 Ewing-Sarkom – 232 Maligne Lebertumoren – 233 Retinoblastom – 234 Keimzelltumoren – 235
7.9
Tumoren des Gehirns und des Spinalkanals – 236
7.9.1 7.9.2 7.9.3 7.9.4 7.9.5
Astrozytome – 236 Primitive neuroektodermale Tumoren (PNET) Kraniopharyngeom – 239 Ependymom – 240 Spinale Tumoren – 240
– 228
– 238
199 7.1 · Erkrankungen des Erythrozyten
7.1
Erkrankungen des Erythrozyten
4 Anämie 5 erniedrigter Hämoglobingehalt/Erythrozytenwert im Vergleich zur Altersnorm 5 Klassifikation nach mittlerem korpuskulärem Volumen und mittlerem Hämoglobingehalt des Einzelerythrozyten (. Tab.) oder 5 Klassifikation nach Pathogenese Klassifikation der Anämien Hypochrom/ mikrozytär
Normochrom/ normozytär
Hyperchrom/ makrozytär
Eisenmangelanämie
Hyporegeneratorische Anämie
Vitamin-B12-Mangel, Folsäuremangel
Thalassaemia minor
Hämolytische Anämie
Diamond-Blackfan-Anämie
Blutungsanämie (akut)
Myelodysplastisches Syndrom
7.1.1
Eisenmangelanämie
4 häufigste Anämieform des Kindesalters 4 nutritiv 5 Kleinkindalter 5 Pubertät (besonders Mädchen nach Eintritt der Menarche betroffen) 5 Vegetarier/Veganer 4 Blutverlust 5 Refluxösophagitis 5 Epistaxis 5 Hypermenorrhö 5 chronisch entzündliche Darmerkrankungen, Meckel-Divertikel, Polypen 4 Resorptionsstörung (selten) 5 Zöliakie 5 entzündliche Darmerkrankungen 4 gestörte Eisenverwertung 5 chronische Entzündung 5 Tumorerkrankung
Klinik 4 Blässe, Gedeihstörung, Appetitmangel 4 verminderte Belastbarkeit
7
Eigene Notizen
200
Kapitel 7 · Hämatologie und Onkologie
Eigene Notizen
Diagnostik 4 Labor 5 Blutbild: Hypochromie, Mikrozytose, Anulozyten, Retikulozytenzahl ↑ 5 Serumeisen ↓, Transferrin ↑, Transferrinsättigung ↓, Ferritin ↓, löslicher Transferrinrezeptor ↑ 5 Eisenresorptionstest 5 Stuhluntersuchung auf okkultes Blut 4 ggf. Endoskopie zur Suche nach einer Blutungsquelle/Abklärung Resorptionsstörung
Therapie
7
4 Behandlung der Grunderkrankung 4 Beseitigung der Blutungsursache 4 orale Eisensubstitution mit Eisen (II) 6 mg/kg KG/d in 3 Einzeldosen für 1–3 Monate 4 zu erwartender Hämoglobinanstieg 1–2 g/dl/Woche (Kontrolle durch Retikulozytenanstieg nach 1 Woche!) 4 parenterale Eisengabe nur bei Resorptionsstörung oder Unverträglichkeit 4 ! Cave Schwarzfärbung der Zähne durch Eisentropfen, Schwarzfärbung des Stuhls, gelegentlich Oberbauchschmerzen, Obstipation
7.1.2
Megaloblastäre Anämie
4 seltene Anämieform im Kindesalter 4 Vitamin-B12-Mangel 5 Dissoziation von Kern- und Plasmareifung 5 Proliferationshemmung von hämatopoetischen Zellen und anderen schnellwachsenden Zellsystemen 5 bedingt durch Mangel-/Fehlernährung 5 unzureichende Substitution bei Vegetariern, Veganern 5 Malabsortion, exokrine Pankreasinsuffizienz, Ileitis, Zustand nach Dünndarmresektion 4 Folsäuremangel 5 Unterernährung 5 Malabsorption 5 Medikamente (Methotrexat, Cotrimoxazol) 5 erhöhter Folsäurebedarf bei chronischer Hämolyse
Klinik 4 Anämiesymptome (s. oben) 4 neurologische Symptome (bei Vitamin-B12-Mangel)
Diagnostik 4 Blutbild: Makrozytose, Leukopenie, Thrombopenie, übersegmentierte Granulozyten 4 Eisen, Ferritin (normwertig/↑), Laktatdehydrogenase ↑, Vitamin B12 ↓, Folsäure ↓
201 7.1 · Erkrankungen des Erythrozyten
Therapie 4 parenterale Substitution von Hydroxycobalamin 4 orale Folsäuresubstitution
7.1.3
Hypo- und aplastische Anämie
Transitorische Erythroblastophthise/Erythroblastopenie
4 häufigste Form der hypoplastischen Anämie 4 vorübergehendes Sistieren der Erythropoese 4 Ursache: Parvovirus-B19-Infektion, andere Virusinfektionen
Klinik 4 gering ausgeprägte und spät auftretende klinische Anämie-Symptome (Blässe, reduzierte körperliche Belastbarkeit) aufgrund Adaptation an langsam abfallenden Hämoglobinwert
Diagnostik 4 Blutbild: Anämie, fehlende Retikulozyten 4 Knochenmark: isoliertes Fehlen erythropoetischer Vorläuferzellen
Therapie 4 Abwarten → in den meisten Fällen spontaner Wiederanstieg des Hämoglobinwertes 4 Transfusion bei Hb <60 g/l bzw. in Abhängigkeit von klinischer Symptomatik Diamond-Blackfan-Anämie
4 kongenitale hypoplastische Anämie 4 Manifestation meist im 1. Lebensjahr 4 Störung auf der Ebene der Stammzellen/erythropoetischen Vorläuferzellen 4 erhöhtes Risiko für Entwicklung eines MDS oder einer AML
Klinik 4 Blässe, Trinkschwäche, Tachykardie
Diagnostik 4 Labor 5 Blutbild: Makrozytose, fehlende Retikulozyten 5 Hb-Elektrophorese: HbF ↑ 5 Serumeisen ↑, Ferritin ↑ 4 Knochenmarkszytologie, -histologie 5 Verminderung/Fehlen der Erythropoese
Therapie 4 selten im Verlauf Spontanremission (10%) 4 Steroidversuch initial 2–5 mg/kg KG/d Prednisolon, dann Reduktion unter Cushingschwelle anstreben; möglichst alternierende Gabe
7
Eigene Notizen
202
Kapitel 7 · Hämatologie und Onkologie
Eigene Notizen
4 1× monatliche Transfusion von Erythrozytenkonzentrat 5 bei Nichtansprechen auf Steroide 5 im 1. Lebensjahr und während Pubertät zur Vermeidung von steroidinduzierten Wachstumsstörungen 4 ggf. Knochenmarktransplantation bei Vorhandensein eines HLA-identischen Geschwisterkindes 4 ! Cave Eisenüberladung führt u. a. zu Kardiomyopathie, Diabetes mellitus, Infertilität und erfordert eisenausschleusende Behandlung mit Chelatbildnern.
7.1.4
7
Hämolytische Anämien
4 Anämie durch Verkürzung der Erythrozytenüberlebensdauer 4 korpuskulär bedingte Hämolyse 5 Membrandefekte 5 Enzymdefekte der Erythrozyten 5 pathologische Hämoglobinzusammensetzung 4 extrakorpuskulär bedingte Hämolyse: immunhämolytische Anämie Hereditäre Sphärozytose (Kugelzellanämie)
4 häufigste korpuskuläre hämolytische Anämie in Mitteleuropa 4 meist autosomal dominant vererbt 4 Membrandefekt der Erythrozyten (Spektrin; Ankyrin) führt zu geringerer Verformbarkeit der Erythrozyten
Klinik 4 postnatal häufig Phototherapie-bedürftige Hyperbilirubinämie 4 wechselnd ausgeprägte Anämiesymptome, Hämoglobinkonzentration meist zwischen 70 und 110 g/l 4 Ikterus 4 Splenomegalie 4 aplastische und hämolytische Krisen im Rahmen von Infekten 4 Cholezystolithiasis (Pigmentsteine) durch erhöhten Anfall von Bilirubin (kann schon im Kindesalter Cholezystektomie erforderlich machen)
Diagnostik 4 Labor 5 Blutbild: Anämie, Retikulozytose, Kugelzellen im Blutausstrich 5 Bilirubin ↑, Haptoglobin ↓, Laktatdehydrogenase ↑ 5 osmotische Resistenz der Erythrozyten ↓ 4 Abdomensonographie 5 Splenomegalie 5 Gallenkonkremente
203 7.1 · Erkrankungen des Erythrozyten
Therapie
7
Eigene Notizen
4 bei aplastischer oder hämolytischer Krise ggf. Transfusion notwendig 4 Splenektomie ab dem Schulalter/10. Lebensjahr nach vorheriger Immunisierung gegen Pneumokokken (Gefahr lebensbedrohlicher Pneumokokkeninfektion) Haemophilus influenzae Typ b, Meningokokken Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenasemangel (Favismus)
4 nicht sphärozytäre hämolytische Anämie 4 X-chromosomal rezessiv vererbt 4 hohe Prävalenz in ehemaligen Malaria-Endemiegebieten (Mittelmeerraum, afrikanischer Kontinent) 4 Heterozygotie vermindert Anfälligkeit für eine Malariainfektion 4 Hämolyseauslösung durch oxidativen Stress (Favabohnen, Medikamente, chemische Substanzen, Azidose, Infektionen) 4 selten chronische Hämolyse
Klinik 4 Anämiesymptome, Ikterus nach Exposition mit hämolytisch wirkenden Noxen 4 Splenomegalie nur bei chronischer Hämolyse
Diagnostik 4 Enzymaktivität der Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase in den Erythrozyten ↓ (Neugeborenenscreening möglich) 4 in der Krise: Hb ↓↓, Retikulozyten ↑ Haptoglobin ↓, Bilirubin ↑ Laktatdehydrogenase ↑
Therapie 4 Vermeidung auslösender Noxen 4 in der Krise ggf. Transfusion von Erythrozytenkonzentrat 4 > Memo Betroffene Patienten benötigen Notfallausweis mit zu meidenden Substanzen! Immunhämolytische Anämie Übersicht über die immunhämolytischen Anämien Formen
Beispiele
Isoimmunhämolytische Anämie
Rh-Blutgruppeninkompatibiltät bei Neugeborenen Transfusionszwischenfall
Autoimmunhämolytische Anämie
Wärmeautoantikörper Kälteautoantikörper Donath-Landsteiner-Antikörper Anti-T-Antikörper (Neuraminidase-induziert)
Medikamentös induzierte immunhämolytische Anämie
Chinin, Chinidin, Phenacetin, Penicillin, Cephalotin
204
Kapitel 7 · Hämatologie und Onkologie
Eigene Notizen
Autoimmunhämolytische Anämie
4 Anämie meist durch inkomplette Wärme-Autoantikörper vom IgGTyp, selten durch Kälte-Agglutinine vom IgM-Typ 4 Ursachen 5 Infektionen 5 Medikamente 5 Autoimmunerkrankungen 5 paraneoplastisch 4 Kombination mit Autoimmunthrombozytopenie (Evans-Syndrom) prognostisch ungünstig
Klinik 4 Blässe, Ikterus, Allgemeinbefinden ↓ 4 nur gering ausgeprägte Splenomegalie
7
Diagnostik 4 Labor 5 Hb ↓↓, Bilirubin ↑↑, Retikulozyten ↑ 5 Haptoglobin ↓, Laktatdehydrogenase ↑, Coombs-Test positiv 5 Hämoglobin im Urin
Therapie 4 oft selbstlimitierender Verlauf 4 restriktive Transfusionsindikation 4 Immunsuppression (Steroide, Immunglobuline, Cyclosporin A, Azathioprin, Cyclophosphamid, Rituximab)
7.1.5
Hämoglobinopathien
Sichelzellkrankheit
4 Formen: 5 Homozygotie für HbS 5 doppelte Heterozygotie für HbS und andere anomale Hämoglobine, z. B. HbSC 5 Kombination mit β-Thalassämie als Sichelzellthalassämie (HbS/βThalassämie) 4 Hämoglobin S häufigstes anomales Hämoglobin 4 Mutation im Globin-Gen auf Chromosom 11 führt zu Aminosäureaustausch an Position 6 der β-Kette (Glu → Val) 4 autosomal-kodominant vererbt 4 hohe Prävalenz auf dem afrikanischen Kontinent, aber auch in der Türkei, in Italien, Griechenland und anderen Mttelmeeranrainerländern 4 > Memo Heterozygote Anlageträger sind klinisch gesund und besser geschützt gegen Malaria als Menschen, die die Mutation nicht aufweisen.
205 7.1 · Erkrankungen des Erythrozyten
Klinik 4 hämolytische Anämie (Blässe, Ikterus, Gallensteine) 4 aplastische Krisen durch Parvovirus-B19-Infektion 4 Infektneigung infolge Autosplenektomie bedingt hohe Letalität der betroffenen Kinder in den ersten 3 Lebensjahren in ihren Herkunftsländern 4 häufigste Infektionen: Pneumonie, Osteomyelitis bes. Salmonellen 4 Gefäßverschlusskrisen (im desoxygenierten Zustand präzipitiert HbS und führt zu sichelförmiger Gestalt der Erythrozyten, die aufgrund geringerer Verformbarkeit Gefäßverschlüsse verursachen) 4 Säuglinge und Kleinkinder: Hand-Fuß-Syndrom mit schmerzhafter Schwellung von Händen und Füßen 4 ältere Kinder: Schmerzen in langen Röhrenknochen, Sternum, Wirbelsäule 4 Thoraxsyndrom: Verschluss von kleinen Lungengefäßen und Fettembolie im Rahmen einer Schmerzkrise → imponiert klinisch wie Pneumonie mit Schmerzen (T-Shirt-Ausstrahlung), Fieber, Tachydyspnoe 4 Girdle-Syndrom: Verschluss von Mesenterialgefäßen → Schmerzen, klinisches Bild eines paralytischen Ileus 4 ZNS-Infarkt 4 Milz-/Lebersequestration: großer Teil des zirkulierenden Blutes wird in der Milz gepoolt, lebensbedrohliche Anämie
Diagnostik 4 4 4 4 4
Anämie, Retikulozytose, Laktatdehydrogenase ↑, Bilirubin ↑ Sichelzellen im Blutausstrich Hämoglobinelektrophorese zur Diagnosesicherung Molekulargenetik Röntgenuntersuchung des Thorax zur Differenzierung Pneumonie/ Thoraxsyndrom 4 Kernspintomographie zur Differenzierung Osteonekrose/Osteomyelitis 4 Dopplersonographie der hirversorgenden Gefäße zur Abschätzung des ZNS-Infarktrisikos (bei Flussgeschwindigkeit >200 mm/s regelmäßige Transfusionen erwägen!) 4 > Memo HbF-Anteil >10% führt zu milderem klinischen Verlauf.
Therapie 4 4 4 4
Aufklärung von Eltern, Erzieherinnen, Lehrern Vermeidung von Sauerstoffmangel, Exsikkose Infektionsprophylaxe mit Penicillin mindestens bis zum 5. Lebensjahr Flüssigkeitssubstitution und Schmerztherapie bei Gefäßverschlüssen, oft Opiate erforderlich 4 Transfusion bei Sequestration, Thoraxsyndrom, Girdle-Syndrom, ZNSInfarkt, aplastischer Krise 4 prophylaktische Dauertherapie mit Hydroxyurea p.o. bei kompliziertem Verlauf 4 regelmäßiges Transfusionsprogramm bei erhöhtem ZNS-Infarktrisiko bzw. nach stattgehabtem Infarkt
7
Eigene Notizen
206
Kapitel 7 · Hämatologie und Onkologie
Eigene Notizen
4 allogene Knochenmarktransplantation bei kompliziertem Verlauf und Vorhandensein eines passenden Spenders in der Familie 4 ! Cave Schmerzen bei Patienten mit Sichelzellkrankheit sind meist Ausdruck von Gefäßverschlüssen und müssen immer ernstgenommen werden! β-Thalassämie
7
4 Autosomal-rezessiv vererbt, hohe Prävalenz im Mittelmeerraum 4 Störung der β-Globinsynthese 5 HbA1 ↓↓, stattdessen Bildung instabiler Hämoglobine: HbA2 (αα/ δδ) und Hb F (αα/γγ) 5 ineffektive Erythropoese; intramedulläre Hämolyse 4 heterozygoter Status: Thalassaemia minor 5 leichte hyochrome mikrozytäre Anämie 5 in der Regel keine Krankheitszeichen 4 homozygoter Status: Thalassaemia major
Klinik 4 Symptombeginn ab 3./4. Lebensmonat 4 Blässe, Ikterus, Hepatosplenomegalie (durch extramedulläre Blutbildung) Skelettveränderungen (Bürstenschädel, prominente Jochbögen durch Ausweitung der Knochenmarksräume)
Diagnostik 4 Blutbild 5 hypochrome mikrozytäre Anämie 5 Anisozytose, Poikilozytose, Targetzellen im Blutausstrich 4 Hämoglobinelektrophorese zur Diagnosesicherung 4 Genotypisierung
Therapie 4 Thalassaemia minor: kein Therapiebedarf, keine Eisengabe 4 Thalassaemia major: allogene Stammzelltransplantation bei vorhandenem HLA-identischem Spender in der Familie 4 regelmäßige Transfusionsbehandlung alle 3–4 Wochen (Ziel-Hb >100 g/ l vor Transfusion) 4 > Memo Hämosiderose führt u. a. zu Kardiomyopathie, Diabetes, Infertilität und erfordert Eisen- ausschleusende Behandlung mit Chelatbildnern.
7.2
Erkrankungen der Leukozyten
7.2.1
Neutrozytopenien
4 Definition: Verminderung der Granulozytenzahl 4 Einteilung nach Schweregrad 5 mild: 1000–1500 Granulozyten/μl 5 mittelgradig: 500–1000 Granulozyten/μl
207 7.2 · Erkrankungen der Leukozyten
5 schwer: <500 Granulozyten/μl 4 angeborene Neutropenien 5 schwere kongenitale Neutropenie (Kostmann-Syndrom) 5 zyklische Neutropenie 5 Neutropenie im Rahmen von Immundefekterkrankungen (HyperIgM-Syndrom, Griscelli-Syndrom, Shwachman-Diamond-Syndrom, Chediak-Higashi-Syndrom) 4 erworbene Neutropenien 5 Allo-/Autoimmunneutropenie 5 infektionsbedingte Neutropenie 5 medikamentös induzierte Neutropenie 5 Malnutrition 5 Leukämie Schwere kongenitale Neutropenie (Kostmann-Syndrom)
4 angeborene Ausreifungsstörung neutrophiler Granulozyten 4 verschiedene Mutationen (HAX1-Gen, ELA2-Gen, G6PC3-Gen u. a.) 4 unbehandelt hohe Letalität bereits im Kleinkindalter
Klinik 4 Omphalitis beim Neugeborenen 4 beim Kleinkind Gingivitis, Ulzeration der Mundschleimhaut, Otitis media, Tonsillitis, Hautabszesse 4 seltener Pneumonien, Abszesse innerer Organe 4 systemische Pilzinfektionen 4 > Memo Bei rezidivierenden bakteriellen Infektionen muss unbedingt ein Differenzialblutbild angefertigt werden
Diagnostik 4 Blutbild: Neutrophile meist <200/μl, milde Anämie, Thrombozytose, Monozyten ↑, Eosinophile ↑ 4 Knochenmarkszytologie: Ausreifungsstop der myeloischen Vorläuferzellen auf der Stufe der Promyelozyten/Myelozyten 4 molekulargenetischer Mutationsnachweis (s. o.)
Therapie 4 hämatopoetische Wachstumsfaktoren: G-CSF zur Stimulation der Proliferation und Differenzierung der Myelopoese 5–10 μg/kg täglich s.c. 4 allogene Stammzelltransplantation 4 ! Cave Konversion in MDS/Leukämie möglich Zyklische Neutropenie
4 periodische Verminderung neutrophiler Granulozyten <500/μl alle 18–22 Tage für bis zu 1 Woche 4 autosomal-dominant vererbt oder sporadisches Auftreten
7
Eigene Notizen
208
Kapitel 7 · Hämatologie und Onkologie
Eigene Notizen
Klinik 4 rezidivierende bakterielle Infektionen 4 aphthöse Stomatitis
Diagnostik 4 regelmäßige Differenzialblutbilder 4 Knochenmarkszytologie: zyklusabhängig unterschiedliche Zellularität und Neutrophilenzahl
Therapie 4 G-CSF 1–5 μg/Tag s.c. Autoimmunneutropenie (AIN)
7
4 primäre AIN 5 Abbau von neutrophilen Granulozyten durch IgG-Autoantikörper 5 Auftreten zwischen 5. und 15. Lebensmonat 5 milde Infektionsneigung 5 selbstlimitierende Erkrankung 4 sekundäre AIN: Assoziation mit: 5 Autoimmunerkrankungen (Lupus erythematodes, juvenile idiopathische Arthritis) 5 Infektionen (EBV, HIV) 5 Malignome (Lymphome)
Klinik 4 bakterielle Infektionen von Haut, Schleimhäuten, Mittelohr, Respirationstrakt
Diagnostik 4 serologischer Nachweis von Anti-Neutrophilen-Antikörpern 4 regelrechte Produktion von neutrophilen Granulozyten im Knochenmark
Therapie 4 in der Regel Spontanremission bei primärer AIN 4 Cotrimoxazol-Infektionsprophylaxe bei rezidivierenden Infekten 4 Behandlung der Grundkrankheit bei sekundärer AIN (Immunsuppression)
7.2.2
Granulozytenfunktionsstörung
4 Definition: Störung der Funktion neutrophiler Granulozyten (Chemotaxis, Phagozytose, Erregerabtötung) 4 Leukozytenadhäsionsdefekt Typ I, II, III 4 Chediak-Higashi-Syndrom 4 septische Granulomatose (7 Kap. 8.2.5)
209 7.3 · Erkrankungen der Milz
Klinik
Eigene Notizen
4 Omphalitis, vezögerter Nabelschnurabfall beim Neugeborenen 4 rezidivierende bakterielle oder mykotische Infektionen (Abszesse, ulzerierende Entzündungen) trotz Leukozytose 4 Lymphknotenvergrößerungen, Hepatosplenomegalie
Diagnostik 4 4 4 4
Differenzialblutbild Durchflusszytometrie zur Bestimmung der Adhäsionsproteine Phagozytenfunktionstests Molekulargenetik
Therapie 4 kurativ: allogene Stammzelltransplantation 4 Infektionsprophylaxe mit Cotrimoxazol und Itraconazol 4 Therapie akuter Infektionen (Antibiotika, Antimykotika, Granulozytentransfusion)
7.3
Erkrankungen der Milz
7.3.1
Physiologiche Bedeutung der Milz
4 4 4 4
Elimination von zirkulierenden Mikroorganismen Filterung von Blutzellen immunologische Reaktion auf i.v. zugeführte Antigene Blutbildung während Fetalzeit
7.3.2
7
Milzvergrößerung (Splenomegalie)
4 Hyperplasie des Monozyten-/Makrophagensytems (durch Virusinfektonen, bakterielle Sepsis, Endokarditis, Pilzinfektion) 4 Infiltration des Milzgewebes (Speicherkrankheiten, extramedulläre Blutbildung, Leukämie, Lymphom) 4 Immunologische Erkrankungen (juvenile idiopathische Arthritis, Lupus erythematodes) 4 Zirkulationsstörung (Leberzirrhose, Herzinsuffizienz) 4 Blutzellsequestrierung (Sphärozytose, Sichelzellkrankheit, Rh-/AB0Erythroblastose, AIHA) 4 Zysten (kongenital, erworben) 4 ! Cave Splenomegalie kann zu Hyperspleniesyndrom mit verstärkter Elimination aller Blutzellreihen führen!
210
Kapitel 7 · Hämatologie und Onkologie
Eigene Notizen
7.3.3
Fehlen der Milz (Asplenie)
4 kongenital (Ivemark-Syndrom) 4 funktionell durch rezidvierende Milzinfarkte und nachfolgende Fibrose bei Sichelzellkrankheit 4 Splenektomie nach Trauma oder bei hämatologischen Erkrankungen (Sphärozytose) 4 Risiko für OPSI (»overwhelming postsplenectomy infection«) 4 Besondere Gefährdung durch Pneumokokken-, Haemophilus influenzae Typ b Hib), Meningokokkeninfektion 4 Penicillinprophylxe nach Splenektomie 4 Impfung gegen Pneumokken, Hib, Meningokokken 4 großzügige antibiotische Behandlung
7
7.4
Erkrankungen der Thrombozyten und Gerinnungsstörungen
7.4.1
Immunthrombozytopenische Purpura (ITP)
4 4 4 4 4
akute Thrombozytopenie bei ansonsten gesundem Kind oft 2–3 Wochen nach einer Virusinfektion Inzidenz 10–125/1.000.000 Altersgipfel 2.–4. Lebensjahr verursacht durch freie und/oder thrombozytengebundene Antikörper 4 > Memo ITP ist eine Ausschlussdiagnose!
Klinik 4 Petechien der Haut und Schleimhäute, Hämatome, Schleimblutungen bei meist wenig oder gar nicht beeinträchtigtem Patienten 4 Nasenbluten, verlängerte Regelblutung 4 Einteilung nach zeitlichem Verlauf: 5 neu diagnostizierte ITP: Diagnosestellung bis 3 Monate 5 persistierende ITP: 3–12 Monate 5 chronische ITP: >12 Monate 4 Einteilung nach Schwere der Symptomatik: 5 milde Thrombozytopenie: 50–100.000 Thrombozyten/μl 5 mittelschwere Thrombozytopenie: 20–50.000/μl 5 schwere Thrombozytopenie: <20.000/μl
Diagnostik 4 Blutbild/Differenzialblutbild: isolierte Thrombozytopenie bei unauffälligem Differenzialblutbild (Kontrollzählung im Blutausstrich aus Kapillarblut) 4 Nachweis freier und/oder thrombozytengebundener Antikörper gegen Adhäsionsmoleküle GpIIb/IIIa, GPIb/IX, GPIa/IIA (für die Diagnosestellung nicht erforderlich)
211 7.4 · Erkrankungen der Thrombozyten und Gerinnungsstörungen
4 Knochenmarkspunktion nicht regelhaft erforderlich (Megakariozyten normalwertig/↑) 4 ! Cave EDTA-induzierte Pseudothrombopenie durch Parallelbestimmung der Thrombozyten im EDTA-, Heparin- und Citrat-antikoagulierten Blut ausschließen!
Therapie 4 Indikation individuell zu stellen nach Alter, Aktivität, Blutungssymptomen 4 in der Regel nicht notwendig bei Thrombozytenzahlen >30.000/μl 4 akute ITP – Optionen: 5 Abwarten 5 Prednison 2 mg/kg KG über 2 Wochen, dann Dosisreduktion 5 hochdosierte 7S-Immunglobuline 400 mg/kg KG/d über 3–5 Tage oder 800–1000 mg/kg KG über 2 Tage 5 Anti-D-Hyperimmunglobulin 5 ! Cave Bei schweren Blutungen Thrombozytenkonzentratgabe in Kombination mit Immunglobulinen und/oder Prednison! 4 chronische ITP – Optionen: 5 keine Therapie 5 Dexamethason-Pulstherapie 5 immunsuppressive Therapie (Antimetabolite/Vincaalkaloide/Rituximab) 5 Splenektomie (frühestens ab dem Schulalter); vorher Impfung gegen Pneumokokken, Haemophilus influenzae Typ b, Meningokokken (7 Kap. 7.3) 4 > Memo hohe Spontanheilungsrate, daher häufig keine Therapie notwendig. Blutungsgefahr relativ gering, da junge Thrombozyten sehr funktionstüchtig sind.
7.4.2
Thrombozytopathien
4 Funktionsstörung der Thrombozyten führt zu Störung der 5 Adhäsions- und Aggregationfähigkeit 5 Plättchensekretion 5 prokoagulatorischen Aktivität der Thrombozyten 4 hereditäre Formen 5 Bernard-Soulier-Syndrom: autosomal-rezessiv, Thrombozytenzahl normal/leicht vermindert, Riesenthrombozyten im Ausstrich 5 Glanzmann-Naegeli-Syndrom: Fehlen des GpIIb/IIIa-Rezeptorkomplexes 5 Speichergranula-Defekte (»storage pool disease«): Fehlen der δGranula 5 Gray-platelet-Syndrom: Fehlen der α-Granula 5 May-Hegglin-Anomalie: autosomal-dominant, Thrombozytenzahl erniedrigt, Leukopenie, Döhle-Körperchen 4 erworbene Formen
7
Eigene Notizen
212
Kapitel 7 · Hämatologie und Onkologie
Eigene Notizen
5 nach Medikamenteneinnahme (ASS, NSAIDS; β-Lactam-Antibiotika, Cephalosporine) 5 bei Urämie, Leberfunktionsstörung
Klinik 4 Nasenbluten, Zahnfleischbluten, Menorrhagie 4 Blutung nach Zahnextraktion, Tonsillektomie, Verletzung
Diagnostik
7
4 Blutbilduntersuchung: niedrig-normale Thrombozytenzahlen, z. T. Riesenthrombozyten, Leukozyteneinschlüsse 4 Verlängerung der Blutungszeit 4 fehlende/verminderte Thrombozytenaggregation nach Stimulation mit ADP, Kollagen, Ristocetin, Thrombin, Adrenalin 4 Bestimmung der Membranglykoproteine (↓↓)
Therapie 4 abhängig vom Typ der Erkrankung 4 Optionen 5 Desmopressin (DDAVP) 5 Thrombozytentransfusion 5 Rekombinanter Faktor VIIa (rVIIa) 5 Knochenmarkstransplantation 4 allgemeine Behandlungsoptionen: Antifibrinolytika (Tranexamsäure), Fibrinkleber, Gestagene (bei Menorrhagie) 7.4.3
Hämophilie A/Hämophilie B
4 X-chromosomal-rezessiv vererbter Gerinnungsdefekt mit Mangel an oder vollständigem Fehlen von Gerinnungsfaktor VIII (Hämophilie A) oder IX (Hämophilie B) 4 nur männliches Geschlecht betroffen, Frauen können Konduktorinnen sein 4 1:5000 männliche Neugeborene betroffen (Hämophilie A), 1:25.000 (Hämophilie B) 4 hohe Neumutationsrate
Klinik 4 peripartal subgaleale Blutungen, Kephalhämatom 4 iatrogene Blutungen schon bei Neugeborenen/jungen Säuglingen nach Impfung oder operativen Eingriffen 4 später spontan oder nach Trauma: Gelenkblutungen (Knie-, Sprung-, Ellbogen- und Schultergelenke) 4 Muskelblutungen (Psoas, Wade, Hüfte, Unterarm) 4 selten viszerale oder zerebrale Blutungen 4 ! Cave Gelenk- und Muskelblutungen führen bei unzureichender Behandlung zu Versteifung und sind invalidisierend und limitierend für die Lebensqualität.
213 7.4 · Erkrankungen der Thrombozyten und Gerinnungsstörungen
Diagnostik 4 aPTT (verlängert); PTZ, Fibrinogen, Blutungszeit normal 4 Faktor-VIII-/-IX-Aktivität erniedrigt 5 schwere Hämophilie: <1% Restaktivität 5 mittelschwere Hämophilie: 1–5% Restaktivität 5 milde Hämophilie: 5–30% Restaktivität
Therapie 4 i.v. Gabe von Faktor-VIII/-IX-Präparaten 5 aus Plasma gewonnener, hochgereinigter und virusinaktivierter Faktor VIII/IX 5 rekombinanter Faktor VIII (Faktor rVIII) 4 Prophylaxe 20–30 IE/kg KG Faktor VIII 2–3× pro Woche bzw. Faktor IX 2×/Woche 4 Beginn je nach Aktivität des Patienten ab dem 2. Lebensjahr bzw. nach erster Gelenkblutung 4 ! Cave Substitutionsbeginn wenn möglich nicht in den ersten Lebensmonaten, da hohes Risiko für eine Hemmkörperentwicklung! 4 bei Blutungen und Operationen je nach Schwere Faktor-VIII/-IX-Aktivität auf 30–60–100% anheben 4 bei leichten Blutungen: DDAVP (bewirkt Faktor-VIII-Aktivitätsanstieg, Tachyphylaxie!) 4 > Memo 1 IE Faktor VIII/IX/kg KG erhöht die Faktor-VIII/-IX-Aktivität im Blut um 1–2%.
7.4.4
Von-Willebrand-Erkrankung (vWS)
4 4 4 4
häufigste hereditäre hämorrhagische Diathese Prävalenz 1% quantitativer oder qualitativer Defekt des von-Willebrand-Faktors unterschieden werden: 5 Typ 1 mit erniedrigter vWF-Konzentration und 5 Typ 3 mit komplettem vWF-Mangel sowie 5 Typ 2 mit qualitativen Defekten 4 verursacht u. a. eine Störung der Thrombozytenaggregation
Klinik 4 rezidivierendes Nasenbluten, Blutungen aus dem HNO-Bereich 4 verlängerte Blutungen bei Schnittverletzungen, Nachblutungen nach Operationen 4 Hypermenorrhö/Menorrhagie 4 Gelenkblutungen (Typ 3)
Diagnostik 4 verlängerte Blutungszeit (Screening: PFA 100 = In-vitro-Blutungszeit) 4 aPTT verlängert, F VIII: C erniedrigt
7
Eigene Notizen
214
Kapitel 7 · Hämatologie und Onkologie
Eigene Notizen
4 vWF: Antigen ↓, vWF: Ristocetin-Kofaktor ↓, vWF: CB↓ 4 Multimeranalyse zur Differenzierung der einzelnen Typen des vWS (s. u.)
Therapie
7
4 in der Regel keine Prophylaxe empfohlen 4 bei Blutung oder Operation Anheben der Faktor VIII:C Aktivität bzw. des Ristocetin-Kofaktors auf >50–80% 4 DDAVP 5 hebt Plasmaspiegel von FVIII und vWF und verkürzt die Blutungszeit 5 kontraindiziert bei Kindern <3 Jahre (cave: Wasserretention, Hyponatriämie, Krampfanfälle) 4 ! Cave Rekombinante und hochgereinigte Faktor-VIII-Präparate sind nicht zu Behandlung des vWS geeignet, da der vWF fehlt. Diagnostik und Therapie der verschiedenen Typen des von-Willebrand-Syndroms Variante
Diagnostik
Therapie
Typ 1
Häufigste Variante, BZ ↑, FVIII:C normalwertig/↓, vWF:AG, vWF:RCo ↓ Multimere alle vorhanden
DDAVP (Minirin) nach Testung!
Typ 2A
BZ ↑, FVIII:Cn/ ↓, vWF:AG ↓/normalwertig, vWF: RCo ↓ Große und/oder mittelgroße Multimere fehlen
DDAVP nach Testung bzw. FVIII/vWF-Konzentrat
Typ 2B
BZ ↑, FVIII:C normalwertig/↓↓, vWF:AG ↓/normalwertig, vWF:RCo ↓ Große Multimere fehlen
Kein DDAVP (cave Thrombopenie!) FVIII/vWF-Konzentrat
Typ 2M
Oben genannte Tests normalwertig/↓ Multimere alle vorhanden
DDAVP nach Testung bzw. FVIII/vWF-Konzentrat
Typ 2N
Oben genannte Tests normalwertign/↓ Multimere alle vorhanden
DDAVP nach Testung bzw. FVIII/vWF-Konzentrat
Typ 3
Schwere Form BZ ↑↑, FVIII:Cn ↓↓, vWF:AG, vWF:RCo unter Nachweisgrenze Alle großen Multimere im Plasma und in den Thrombozyten fehlen
FVIII/vWF-Konzentrat
BZ = Blutungszeit
7.4.5
Verbrauchskoagulopathie
4 Synonym: disseminierte intravasale Gerinnung, DIC 4 nicht lokalisierte, intravasale Gerinnungsaktivierung führt zur disseminierten Mikrothrombosierung und Verbrauch von Gerinnungsfaktoren, Inhibitoren und Thrombozyten
215 7.5 · Leukämien
4 Aktivierung der Koagulationskaskade über Zytokinfreisetzung durch Gewebsfaktor in Kombination mit Endotoxin 4 Kombination einer Sepsis mit einer DIC hat hohe Mortalität 4 Auslöser (u. a.): 5 Sepsis, schwere Infektion, z. B. Meningokokkensepsis 5 Trauma/Verbrennung 5 Organdestruktion (schwere Pankreatitis) 5 metastasierte maligne Erkrankung 5 AML (M3) 5 vaskuläre Anomalien (Kasabach-Merrit-Syndrom)
Klinik 4 abhängig von der Grunderkrankung 4 meist schwerkranker Patient! 4 Blutungzeichen, Nekrosen, Organversagen
Diagnostik 4 4 4 4
PTZ erniedrigt, aPTT und TZ verlängert Antithrombin und Fibrinogen vermindert D-Dimere erhöht, Fibrinmonomere nachweisbar Thrombozytenzahl erniedrigt
Therapie 4 Behandlung der DIC-auslösenden Erkrankung (Antibiotika/Schockbehandlung) 4 hämostaseologische Therapie 4 Heparintherapie, Antithrombin, Frischplasma 7.5
Leukämien
4 stellen die häufigsten Krebserkrankungen im Kindes- und Jugendalter dar 4 Inzidenz 4,5/100.000 Kinder <15 Jahre 4 entstehen durch genetische Veränderungen innerhalb unreifer hämatopoetischer Vorläuferzellen im Knochenmark 4 bei akuter lymphatischer Leukämie (ALL) aus unreifen Zellen der Boder T-Zellreihe des lymphatischen Systems 4 bei AML (akuter myeloischer Leukämie) ist die myeloische Stammzelle oder eine Vorläuferzelle der Granulozyten, Erythrozyten-, Monozytenund Thrombozytenbildung betroffen 4 die B-ALL beruht auf Entartung der reifen B-Zelle 4 durch klonale Proliferation Verdrängung der normalen Hämatopoese 4 genetische Prädisposition bei Kindern mit Down-Syndrom (Trisomie 21) mit 20-fach erhöhtem Risiko, an einer Leukämie zu erkranken 4 Formen 5 akute lymphoblastische Leukämie (ALL) 5 akute myeloische Leukämie (AML) 5 reife B-ALL 5 chronische myeloische Leukämie (CML)
7
Eigene Notizen
216
Kapitel 7 · Hämatologie und Onkologie
Eigene Notizen
7.5.1
Akute lymphatische Leukämie (ALL)
4 entsteht aus unreifer Zelle der B- oder T-Zellreihe des lymphatischen Systems (Vorläufer-B-ALL; T-ALL) 4 80% aller kindlichen Leukämien 4 Altersgipfel Kleinkindalter (2–5 Jahre)
Klink
7
4 4 4 4 4 4 4 4 4 4
Blässe, Abgeschlagenheit therapierefraktäres Fieber, rezidivierende Infekte Knochen- und/oder Gelenkschmerzen Blutungszeichen (Petechien/Hämatome) Lymphknotenvergrößerung, Hepato- und/oder Splenomegalie schmerzlose Hodenvergrößerung Kopfschmerzen, Hirnnervenausfälle (ZNS-Beteiligung) obere Einflussstauung, Atemstörung (Mediastinaltumor bei T-ALL) Ileus (intraperitoneale Lymphome bei B-ALL) ! Cave Vor Einsatz einer Kortisontherapie bei Fieber unklarer Genese unbedingt eine Leukämie ausschließen!
Diagnostik 4 Blutbilduntersuchung: 5 normochrome Anämie, Thrombozytopenie 5 Anzahl der Leukozyten kann erhöht, erniedrigt oder normal sein 5 bei Leukozytose häufig Blasten im Differenzialblutbild nachweisbar 4 Liquorzytologie: Nachweis von Blasten im Liquor cerebrospinalis bei ZNS-Beteiligung 4 Knochenmarkzytologie 5 Verdrängung der normalen Hämatopoese durch Blastenpopulation 5 FAB-Klassifikation . Tab. FAB-Klassifikation der ALL L1
Kleine Zellen,überwiegend einheitliche Größe, gleichförmiges Chromatin, Nukleolus nicht sichtbar, wenig Zytoplasma
L2
Heterogenes Bild großer Zellen mit mehr oder weniger großem Zytoplasmasaum, ungleichförmiges Chromatin, große Nukleoli, Vakuolen im Zytoplasma möglich
L3
Einheitliches Bild großer Zellen, gleichförmig fein gesprenkeltes Chromatin, ovaler bis runder Zellkern, deutliche Nukleoli, viel Zytoplasma, starke Basophilie, oft Vakuolen
4 Zytochemie: PAS-Färbung in 50% positiv, positive saure PhosphataseFärbung ist Hinweis auf T-ALL 4 Immunphänotypisierung 5 Oberflächenexpression bestimmter Differenzierungsmerkmale wird durchflusszytometrisch ermittelt
217 7.5 · Leukämien
4
4 4
4
4
5 B-Vorläufer-ALL: CD10+, CD19+ 5 T-ALL: CD2+, CD5+, CD7 + Molekular-/Zytogenetik dient dem Nachweis charakteristischer Genumlagerungen als Ergebnis chromosomaler Translokationen 5 Translokation (t12;21)TEL/AML 1 – Genrearrangement in 20–25% der B-Vorläufer-ALL nachweisbar; assoziiert mit guter Prognose 5 Translokation (t 4;11) 5 (t 9;22) = BCR/ABL-Rearrangement (Philadelphia-Chromosom) assoziiert mit schlechter Prognose Molekulargenetik dient auch der Remissionsbeurteilung und Therapiestratifizierung minimale Resterkrankung (MRD) 5 Analyse klonspezifischer Immunglobulin (Ig)- und T-Zell- Rezeptor (TCR) Genrearrangements mittels quantitativer PCR-Technologie 5 ermöglicht Nachweis von 1 Leukämiezelle/10-4–10-5 normale Lymphozyten komplette klinische Remission (CCR): Leukämie-Zellzahlen fallen unter die Nachweisgrenzen konventioneller diagnostischer Verfahren wie Morphologie, Immunphänotypisierung (< 1–5% maligne Zellen im Knochenmark) prognostisch und für die Stratifizierung entscheidend sind 5 Ansprechen auf initiale Prednisontherapie 5 molekulargenetische Veränderungen 5 Geschwindigkeit des Therapieansprechens 5 Ergebnisse führen zu Eingruppierung in Standardrisiko-/Hochrisiko-Therapiegruppe
Therapie 4 erfolgt risikoadaptiert in Form einer Polychemotherapie 4 in Deutschland gemäß Therapieoptimierungsstudien der GPOH, aktuell ALL BFM 2000 oder COALL 07-03 Therapieprotokoll 5 besteht aus Steroiden, Vincristin, Anthrazyclinen, L-Asparaginase, Cyclophosphamid, Cytarabin, Mercaptopurin und intrathekal verabreichtem Methotrexat 5 zusätzlich Tyrosinkinasehemmer (Imatinib) bei Philadelphia-Chromosom (BCR/ABL)-positiver ALL 5 ZNS-Bestrahlung mit 12 Gy bei ZNS-Befall und Hochrisikopatienten 5 allogene Stammzelltransplantation kann für Hochrisiko- und Rezidivpatienten indiziert sein 4 Therapierisiken 5 initial: Zellzerfallssyndrom 5 Mukositis, Panzytopenie, Sepsis 5 Nephrotoxizität (Methotrexat), Kardiotoxizität (Anthrazykline) 4 Supportivmaßnahmen: initial Hyperhydratation, Urinalkalisierung, ggf. Uratoxidase bei Hyperurikämie, Infektionsprophylaxe, selektive Darmdekontamination 4 Prognose: Wahrscheinlichkeit für ereignisfreies Überleben (EFS) 80–90%
7
Eigene Notizen
218
Kapitel 7 · Hämatologie und Onkologie
Eigene Notizen
7.5.2
Akute myeloische Leukämie (AML)
4 maligne Systemerkrankung ausgehend von Vorläuferzellen der Granulozyten, Erythrozyten, Monozyten oder Thrombozyten 4 15–20% aller Leukämien 4 mittleres Erkrankungsalter 8 Jahre
Klinik 4 Blässe, Müdigkeit, Fieber, Infektion, Blutungszeichen, Knochenschmerzen 4 extramedullärer Befall: 20–30% aller Kinder mit AML 4 Hautinfiltrate, Gingivahyperplasie 4 Chlorome (blastäre Infiltrate außerhalb von Knochenmark, Milz oder Lymphknoten)
7
Diagnostik 4 Blutbild: Anämie, Thrombozytopenie, Leukopenie oder Leukozytose 4 Gerinnungsstörung (Sub-DIC) bei AML M3 4 Liquorzytologie: Nachweis von Blasten im Liquor cerebrospinalis bei ZNS-Beteiligung 4 Knochenmarkszytologie: Verdrängung der gesunden Hämatopoese durch große Blasten Blastenanteil >25% 4 Zytochemie: Peroxidase- und/oder Esterase-Positivität 4 Immunphänotypisierung für die Diagnose eines FAB-M0- und -M7Subtyps essenziell 4 Klassifikation . Tab. FAB-Klassifikation der AML FAB M0
Undifferenzierte, ungranulierte Blasten, Zytochemie: Peroxidase- und Esterase-negativ. Zuordnung mit Hilfe der immunologisch nachweisbaren myeloischen Antigene
FAB M1 und M2
M1 nur geringe Ausreifungstendenz. M2 mäßige bis deutliche Differenzierung der Blasten mit Granulationen und positiver Pox-Reaktion. Auerstäbchen als Zeichen der Dysgranulation häufig, assoziiert mit einer Translokation (8; 21)AML-1/ETO
FAB M3
Deutliche Differenzierung der Blasten bis zu Promyelozyten, typische Auerbüschel, Pox deutlich positiv, fast immer Translokation (15;17)
FAB M4
Übergang zur monoblastären Leukämie (sowohl myeloische Blasten als auch monoblastische Zellen) M4eo: atypische Eosinophile, inv(16)
FAB M5
Monoblasten dominieren, meist ungranulierte Zellen mit exzentrischen, teils glatten Zellkernen. M4 und M5 positive Esterase-Reaktion, molekulargenetisch häufig MLL-Rearrangement
FAB M6
Erythroblastenleukämie: >50% der Zell-Erythropoese, verbleibende Myelopoese, 30% myeloische weitgehend differenzierte Blasten
FAB M7
Ungranulierte Blasten mit Zytoplasmaausstülpung, immunologischer Nachweis megakaryozytärer Differenzierungsantige
219 7.5 · Leukämien
4 Zytogenetik und Molekulargenetik 5 günstige Zytogenetik: t(15;17), inv(16), t(8;21), normaler Karyotyp 5 MRD Diagnostik (s. o.) zur Verlaufsbeurteilung Risikogruppen Standardrisiko
Hochrisiko
AML FAB M3 t(15;17) AML bei Down-Syndrom
AML FAB M0
AML FAB M1/M2 mit Auer-Stäbchen
AML FAB M1/M2 ohne Auer-Stäbchen
AML FAB M4eo
AML FAB M4
AML mit t(8;21)
AML FAB M5
AML mit inv (16)
AML FAB M6 AML FAB M7 >5% Blasten an Tag 15 nach 1. Induktion
Therapie 4 risikoadaptierte Polychemotherapie gemäß AML BFM 2004 Studie der GPOH 4 1. und 2. Induktion/Konsolidierung/Reinduktion/Dauertherapie mit 5 Cytarabin, L-Daunorubicin, Idarubicin, Etoposid, Mitoxantrone, 2CDA/Thioguanin 5 intrathekales Cytarabin zur ZNS-Prophylaxe/Therapie 5 Schädelbestrahlung mit 12/18 Gy 4 > Memo Sonderstellung AML-FAB M3: Behandlung mit All-transRetinsäure (Atra) führt zur Differenzierung der Blasten, senkt Blutungsrisiko.
7.5.3
4 4 4 4
Chronisch myeloische Leukämie (CML)
klonale Stammzellerkrankung selten in Kindesalter (ca. 2% aller Leukämien) Philadelphiachromosom (t 9;22) regelhaft nachweisbar > Memo Protoonkogen c-abl (Chromosom 9) lagert sich an bcr-Lokus auf dem Chromosom 22 an – Fusionsgen wirkt proliferationsfördernd.
Klinik 4 häufig Zufallsbefund 4 unspezifische Allgemeinsymptome: Müdigkeit, Leistungsknick, Fieber, Gewichtsverlust 4 Hepatosplenomegalie 4 Verlauf
7
Eigene Notizen
220
Kapitel 7 · Hämatologie und Onkologie
Eigene Notizen
5 chronische Phase (4–5 Jahre; Leukozytose, Splenomegalie) 5 akzelerierte Phase (10–30% Blasten, Basophilie, Anämie, Thombozytopenie) 5 Blastenkrise (>30% Blasten)
Diagnostik
7
4 Blutbild 5 exzessive Leukozytose: im Mittel 250.000 Leukozyten/μl mit Linksverschiebung 5 Thrombozytose in 1/3 der Fälle 5 stark erniedrigte oder nicht nachweisbare alkalische Leukozytenphosphatase 4 Knochenmarkzytologie: ausgeprägte Hyperzellularität des Knochenmarks mit gesteigerter Granulopoese 4 Zyto-/Molekulargenetk: t(9;22) (q34;q11) (auch Philadelphia-Chromosom genannt)
Therapie 4 Imatinib: ABL-Tyrosinkinase-Inhibitor: komplette Remissionen zytogenetisch und hämatologisch möglich 4 kurative Therapie: allogene Stammzelltransplantation
7.5.4
Myelodysplastische Syndrome (MDS)
4 im Kindes- und Jugendalter seltene klonale Stammzellerkrankung 4 Reifungsstörungen der Hämatopoese mit dysplastischen Vorstufen 4 normale bis erhöhte Zelldichte des Knochenmarks bei peripherer Bioder Tri-Zytopenie 4 Übergang in eine akute myeloische Leukämie (AML) möglich 4 ! Cave bei Kindern auch hypoplastisches MDS mit zellarmem Knochenmark möglich. Abgrenzung gegen schwere aplastische Anämie (SAA) kann schwierig sein!
Klinik 4 Symptome bedingt durch Anämie; Leukopenie, Thrombozytopenie (s. o.) 4 Erstdiagnose häufig Zufallsbefund
Diagnostik 4 Blutbild: Bi-, Panzytopenie, MCV erhöht 4 Knochenmarkszytologie 5 hyper-, normo- oder hypozellulär 5 Ausreifungsstörung aller Zellreihen (z. B. Mikromegakaryozyten, doppelkernige Erythroblasten, hypogranulierte Granulozyten) 4 Zytogenetik: Chromosomenaberrationen Monosomie 7, Trisomie 8 bedeuten hohes Leukämierisiko 4 Klassifikation . Tab.
221 7.6 · Histiozytosen
FAB-Klassifikation der myelodysplastischen Syndrome Typ
Knochenmark
Refraktäre Anämie (RA)
<5% Blasten
Refraktäre (RA) mit Ringsideroblasten (RARS)
>15% Ringsideroblasten
Refraktäre (RA) mit Blastenexzess (RAEB)
5–20% Blasten
Refraktäre (RA) mit Blastenexzess in Transformation (RAEB-T)
20–30% Blasten
CMML (chronisch myelo-monozytäre Leukämie)
Vermehrung monozytärer Vorstufen
RAEB-T wird in der WHO-Klassifikation zur akuten myeloischen Leukämie gerechnet. CMML fällt in der WHO-Klassifikation in die Gruppe der myeloproliferativen Erkrankungen.
Therapie 4 Beobachtung; regelmäßige Knochenmark-Kontrollpunktionen 4 Transfusion von Erythrozyten-/Thrombozytenkonzentraten 4 allogene Stammzelltransplantation bei regelmäßigem Transfusionsbedarf, rezidivierenden Infektionen, zytogenetischen Aberrationen (s. o.), Blastenexzess
7.6
Histiozytosen
4 Histiozyten = aus dem Knochenmark stammende spezialisierte Zellen des Immunsystems 4 dendritische Zellen → Antigenpräsentation 4 Makrophagen → Phagozytose 4 produzieren inflammatorische Zytokine
7.6.1
Langerhans-Zell-Histiozytose
4 Synonym: Histiozytosis X 4 alte Nomenklatur: eosinophiles Granulom (isolierter Knochenbefall), Abt-Letterer-Siwe-Syndrom (disseminierter Befall von Haut und inneren Organen), Morbus Hand-Schüller-Christian (Knochenläsionen, Diabetes insipidus, Hepatosplenomegalie) 4 monoklonale Proliferation von dendritischen Zellen, die phänotypisch mit den Langerhanszellen der Haut übereinstimmen; keine maligne Erkrankung 4 Ätiologie unklar 4 Inzidenz 0,4/100.000 Kinder unter 15 Jahren 4 Altersgipfel erste drei Lebensjahre 4 vielfältiges klinisches Erscheinungsbild
7
Eigene Notizen
222
Kapitel 7 · Hämatologie und Onkologie
Eigene Notizen
5 »single system disease«: Krankheitsmanifestation eines Organs oder Organsystems (Knochenbefall, Haut, Lymphknoten, Lunge, ZNS) mit unilokulärem oder multilokulärem Befall 5 »multisystem disease«: Befall von 2 oder mehr Organen und Systemen mit oder ohne Beteiligung von »Risikoorganen« (hämatopoetisches System, Leber, Lunge, Milz)
Klinik
7
4 Allgemeinsymptome: Gewichtsverlust, Gedeihstörung, Unruhe, Fieber 4 häufigste Lokalisation 80% Knochen (34% Schädel), Haut 60% 4 bei ossärer Manifestation: lokale Schwellung, Schmerzen oder Bewegungseinschränkung 4 lokalisationsabhängige Symptome: chronische Otitis media, Otorrhö, Zahnlockerung, Exophthalmus, Frakturen 4 polymorphes, makulopapulöses Exanthem bei Hautbeteiligung 4 Diabetes insipidus bei hypothalamisch/hypophysärem Befall 4 Hepatosplenomegalie, generalisierte Lymphknotenschwellungen, Anämie oder Panzytopenie bei systemischem Befall
Diagnostik 4 Röntgen Schädel, lange Röhrenknochen: scharf demarkierte Osteolysen 4 Skelettszintigraphie weniger sensitiv 4 Wertigkeit der Ganzkörper-MRT noch nicht geklärt 4 weitere Diagnostik symptomorientiert (Sonographie, Knochenmarkspunktion) 4 Biopsie für die Diagnosesicherung auch in »typischen« Fällen erforderlich 4 Histopathologie 5 charakteristische Lichtmikroskopie 5 elektronenoptischer Nachweis von Birbeck-Granula 5 immunhistochemischer Nachweis von CD1a-Antigen auf der Zelloberfläche
Therapie 4 risikoadaptierte Therapie 5 lokalisierte LCH: lokale Therapiemodalitäten ausreichend, oder »wait and see«, evtl. intraläsionale Kortikoidapplikation 5 multifokaler Knochenbefall/Befall von Risikoorganen/Multisytembefall: Kortikosteroide, Vinblastin, Methotrexat, Mercaptopurin je nach Ausdehnung der Erkrankung 4 Prognose 5 gut bei lokalisierter LCH 5 bei multisystemischer LCH Prognose vom Alter des Patienten (jüngeres Alter ungünstig), und von der Beteiligung von Risikoorganen abhängig 5 chronische Verläufe mit rekurrierendem Skelettbefall und späte Reaktivierungen möglich
223 7.7 · Maligne Lymphome
7.6.2
Hämophagozytierende Lymphohistiozytose (HLH)
4 reaktive oft tödlich verlaufende Histiozytose 4 überschießende ineffektive Immunantwort auf dem Boden eines Immundefektes 4 Aktivierung von Lymphozyten und Makrophagen 4 ausgeprägte Hämophagozytose 4 genetische Formen 5 familiäre hämophagozytische Lymphohistiozytose (M. Facquhar) J Inzidenz 0,12/100.000 Kinder J Mutation u. a. im Perforin- oder Syntaxin-Gen 5 HLH bei Immundefektsyndromen (Chediak-Higashi-Syndrom, Griscelli-Syndrom, X-linked lymphoproliferatives Syndrom) 4 erworbene Formen 5 infektassoziierte hämophagozytische Histiozytose (Immundefizienz + Virusinfektion, z. B. EBV) 5 Makrophagenaktivierungssyndrom (bei Autoimmunerkrankungen, insbesondere M. Still) 5 malignitätsassoziiertes hämophagozytisches Syndrom (v. a. Leukämien, Lymphome)
Klinik/Diagnostik 4 4 4 4
therapierefraktäres Fieber Splenomegalie Panzytopenie, LDH ↑, Ferritin ↑, Fibrinogen ↓, Triglyzeride ↑ Hämophagozytose in Knochenmark, Milz, Lymphknoten; Makrophagen im Liquor cerebrospinalis
Therapie 4 primäre Form: unbehandelt tödlicher Verlauf 5 Immunsuppression mit Steroiden, Cyclosporin A, Etoposid gemäß HLH-Studie der GPOH 5 Heilung durch Knochenmarkstransplantation möglich 4 sekundäre Form: Kortikosteroide, Cyclosporin A
7.7
Maligne Lymphome
7.7.1
Morbus Hodgkin
4 Tumorerkrankung vorwiegend des lymphatischen Gewebes mit charakteristischen Tumorzellen und inflammatorischem Begleitinfiltrat 4 histologisch einkernige Hodgkin- und mehrkernige Reed-SternbergZellen in entzündlich-granulomatösem Begleitinfiltrat 4 macht ca 5% aller Malignome im Kindesalter aus 4 Inzidenz: bei Kindern <15 Jahren 0,7/100.000 4 1. Häufigkeitsgipfel 2. Lebensjahrzehnt
7
Eigene Notizen
224
Kapitel 7 · Hämatologie und Onkologie
Eigene Notizen
Klinik 4 Dauer der Anamnese von wenigen Tagen bis zu Monaten 4 derbe, schmerzlose Lymphknotenvergrößerung, am häufigsten zervikal, mediastinal aber auch axillär, inguinal 4 Husten, venöse Einflussstauung, Atemnot durch Druck auf Trachea, Bronchien, Gefäße 4 Pleura- und/oder Pericarderguss bei Organbeteiligung 4 paraneoplastische Syndrome: Immunthrombozytopenie, autoimmunhämolytische Anämie, Polymyositis, nephrotisches Syndrom
Diagnostik
7
4 4 4 4
Labor: BSG-Beschleunigung, CRP oft ↑, LDH ↑ Serologie zum Ausschluss infektiöser Lymphadenitis Assoziation zu EBV-Infektion bildgebende Untersuchungen 5 Sonographie aller peripheren Lymphknotenregionen (cervikal, supraclavikulär, axillär, inguinal) 5 Sonographie des Abdomens (Leber, Milz, Lymphknoten) 5 Röntgenaufnahme des Thorax in 2 Ebenen 5 Computertomographie oder Kernspintomographie Hals/Thorax/ Abdomen 5 18FDG-Positronenemissionstomographie (PET) 4 Knochenmarksstanzbiopsie 4 Stadieneinteilung . Tab. Modifizierte Ann-Arbor-Stadieneinteilung Stadium
Beschreibung
Stadium I
Befall einer einzelnen Lymphknotenregion oder lokalisierter Befall eines extralymphatischen Organs oder Bezirks (IE)
Stadium II
Befall von zwei oder mehr Lymphknotenregionen auf der gleichen Seite des Zwerchfells oder Befall eines extralymphatischen Organs bei lokalisiertem Befall auf der gleichen Seite des Zwerchfells (IIE)
Stadium III
Befall von Lymphknotenregionen auf beiden Seiten des Zwerchfells, zusätzlich lokalisierter Befall extralymphatischer Organe (IIIE)
Stadium IV
Disseminierter Befall eines oder mehrerer extralymphatischer Organe mit oder ohne gleichzeitigen Lymphknotenbefall
A- und B-Kategorie innerhalb jedes Stadiums
A = fehlende Allgemeinsymptome B = Allgemeinsymptome (Fieber, Nachtschweiß, Gewichtsverlust) vorhanden
4 Diagnosesicherung durch Biopsie repräsentativer Lymphknoten 4 WHO-Klassifikation . Tab.
225 7.7 · Maligne Lymphome
Eigene Notizen
WHO-Klassifikation des Morbus Hodgkin Gruppe
Untergruppe
Klassisches Hodgkin-Lymphom (CHL)
Inzidenz Selten
Noduläres lymphozytenprädominantes Hodgkin-Lymphom (NH-PH-Lymphom) Lymphozytenreicher Typ
1%
Nodulär sklerosierender Typ 1/2
68%
Mischtyp
21%
Lymphozytenarmer Typ
1%
Therapie 4 gemäß aktuellen Empfehlungen der EuroNet-PHL-C1 Therapiestudie der GPOH 4 Kombinationschemotherapie: OEPA; COPP, COPDAC (Vincristin, Prednison, Etoposid, Adriamycin, Dacarbazin,Cyclophosphamid) 4 Vermeidung von Zytostatika mit hohem Potenzial für Spätfolgen (Procarbazin → Infertilität) 4 Bestrahlung in Form einer involved field Bestrahlung in Abhängigkeit von Response in der PET nach 2 Chemotherapiekursen 4 ! Cave enge Nachsorge nach Bestrahlung wegen erhöhtem Risiko u. a. für Mammakarzinom, Kardiomyopathie, Lungenfibrose, Schilddrüsenkarzinom! 4 Prognose: >90% Langzeitüberleben
7.7.2
Non-Hodgkin-Lymphome (NHL)
4 Gruppe maligner Erkrankungen des lymphatischen Systems mit der Tendenz zur Generalisierung in das Knochenmark (KM) und das Zentralnervensystem (ZNS) 4 7% der malignen Erkrankungen des Kindes- und Jugendalters 4 Inzidenz 0,8/100.000 Kinder unter 15 Jahre 4 typische NHL im Kindesalter 5 lymphoblastische Lymphome, ausgehend von unreifen Vorläufer-Tund -B-Zellen 5 reife B-Zell-Lymphome (Lymphome reifer peripherer B-Zellen) 5 großzellig anaplastische Lymphome (ALCL) 5 diffus großzellige B-Zell-Lymphome (DLBCL) 4 im Jugendalter wechselt das Spektrum zunehmend zu den im Erwachsenenalter typischen Entitäten
Klinik 4 abhängig von Lokalisation der Lymphome 4 schmerzlose Lymphknotenschwellung
7
226
Kapitel 7 · Hämatologie und Onkologie
Eigene Notizen
4 4 4 4 4
Husten, Stridor, Halsvenenstauung bei mediastinalem Befall Bauchschmerzen, Invagination, Ileus bei abdominellem Befall Hirnnervenlähmungen, Kopfschmerzen bei ZNS-Befall Allgemeinsymptome: Fieber, Abgeschlagenheit Stadieneinteilung . Tab.
Stadieneinteilung der Non-Hodgkin Lymphome nach Murphy
7
Stadium
Beschreibung
Stadium I
Einzelner nodaler oder extranodaler Tumor ohne lokale Ausbreitung
Stadium II
Mehrere nodale oder extranodale Manifestationen auf derselben Seite des Zwerchfells
Stadium III
Lokalisation auf beiden Seiten des Zwerchfells, alle thorakalen Manifestationen, nicht-resektable abdominelle Tumoren
Stadium IV
Befall des Knochenmarks (<25% Blasten) und/oder des ZNS
Ab einem Blastenanteil von >25% im Knochenmark wird die Erkrankung als ALL bezeichnet.
Diagnostik 4 Labor: bei Knochenmarkbefall ggf. Panzytopenie; BSG ↑ , LDH ↑ 4 Biopsie von Lymphknoten, Tumorgewebe, Knochenmark 4 Zytomorphologie, Histologie, Immunhistologie, Zyto- und Molekulargenetik 4 zytologische Untersuchung von Körperhöhlenergüssen 4 Ausbreitungsdiagnostik: vgl. M. Hodgkin (s.o.)
Therapie 4 Kombinationschemotherapie gemäß Empfehlungen der GPOH getrennt nach NHL-Typ (lymphoblastisches T-/B-precursor-NHL, ALCL, B-NHL) 4 kraniale Bestrahlung bei ZNS-Befall
7.8
Maligne solide Tumoren
7.8.1
Neuroblastom
4 häufigster extrakranieller solider Tumor des Kindesalters 4 geht von embryonalen sympathischen Neuroblasten des Nebennierenmarks oder sympathischen Grenzstrangs aus 4 Lokalisation abdominal > thorakal > zervikal 4 spontane Tumorregression; spontane Tumorausreifung möglich 4 10% aller kindlichen Krebserkrankungen 4 Inzidenz 1,1/100.000 Kinder <15 Jahre 4 Erkrankungsalter: 40% im ersten Lebensjahr; 90% <6 Jahre
227 7.8 · Maligne solide Tumoren
Klinik
7
Eigene Notizen
4 Allgemeinsymptome 5 Fieber, Gewichtsverlust 5 Hypertonus (durch Katecholaminproduktion) 4 abdominal 5 Bauchschmerzen 5 tastbare Raumforderung 4 zervikal/thorakal 5 Horner-Syndrom 5 Husten, Stridor 5 Dysphagie 4 Querschnittslähmung (bei intraspialem Tumor oder Sanduhrtumor) 4 Knochenschmerzen (bei ossären Metastasen) 4 Anämie, Thrombozytopenie (bei Knochenmarksinfiltration) 4 Stadieneinteilung: . Tab. Stadieneinteilung des Neuroblastoms Stadium
Charakteristika
Prognose (Langzeitüberleben)
Stadium 1
Lokalisierter Tumor, makroskopisch komplette Entfernung
80–100%
Stadium 2
Lokalisierter Tumor, makroskopisch inkomplett entfernt, ipsilaterale LK positiv/negativ
80–100%
Stadium 3
Nicht resektabler Tumor mit Überschreiten der Mittellinie; Mittellinientumor
Variabel 20– 90%
Stadium 4
Dissemination in Fernlymphknoten, Knochen, Knochenmark, Haut, Leber, andere Organe
30–40%
Stadium 4S
Lokalisierter Primärtumor des Säuglingsalters mit Dissemination in Haut, Leber, Knochenmark
80%
Diagnostik 4 Bildgebung (Sonographie, Computertomographie, MRT) 4 Bestimmung von Katecholaminmetaboliten (Vanillinmandelsäure, Homovanillinsäure) im Urin 4 Labor: LDH, Ferritin, neuronenspezifische Enolase (erhöht) 4 Knochenmarks-Zytologie (zytologischer Nachweis von NeuroblastomZellnestern; immunologisch Nachweis von GD2-positiven Zellen im heparinisierten Knochenmark) 4 MiBG (131IMetajodobenzyl-Guanidin)-Szintigraphie (Anreicherung des Radionuklids in Primärtumor und Metastasen (Knochen, Knochenmark, Lymphknoten) 4 histopathologische Diagnostik 5 Histologie entsprechend Grading-System von Hughes 5 molekulargenetische Untersuchungen zum Nachweis von MYC-N und von Veränderungen an Chromosom 1p
228
Kapitel 7 · Hämatologie und Onkologie
Eigene Notizen
4 prognostisch ungünstige Risikofaktoren 5 Alter bei Diagnose >1 Jahr 5 Erkrankungsstadium III/IV 5 Molekulare Marker: MYC-N-Amplifikation, 1p-Deletion 5 Labor: Laktatdehydrogenase ↑, Ferritin ↑
Therapie
7
4 gemäß Empfehlungen der Neuroblastomstudie der GPOH 4 Beobachtung 5 im Stadium 1–3, 4S 5 nach Ausschluss molekulargenetischer Risikofaktoren 4 Operation 4 Chemotherapie 5 Hochdosischemotherapie mit Stammzelltransplantation im Stadium IV 5 bei MYC-N-amplifizierten Tumoren 4 MIBG-Therapie (intravenöse Infusion von 131I-MIBG, das von Tumorzellen aufgenommen wird; durch beim Zerfall emittierte Betateilchen erfolgt eine lokale Bestrahlung der Tumorherde) 4 perkutane Bestrahlung 4 Dauertherapie mit 13-cis-Retinolsäure
7.8.2
Nephroblastom (Wilms-Tumor)
4 Mischtumor der Niere mit blastemischer, epithelialer, mesenchymaler Komponente 4 assoziierte Fehlbildungen 5 Hemihypertrophie-Syndrome 5 Aniridie 5 urogenitale Fehlbildungen 4 Genetik: in 10–30% Deletion WT1-Gen (Chromosom 11p13) 4 6% aller kindlichen Malignome 4 Inzidenz 7/1.000.000 Kinder <15 Jahre, 100 Erkrankungen/Jahr in Deutschland 4 typisches Erkrankungsalter 2.–3. Lebensjahr 4 in 5% bilaterales Auftreten 4 ! Cave Patienten mit Risikofaktoren sollten regelmäßig klinisch und sonographisch untersucht werden.
Klinik 4 4 4 4
Zufallsbefund bei Vorsorgeuntersuchung (10%) asymptomatischer sicht-/tastbarer abdomineller Tumor (50%) Bauchschmerzen, Hämaturie (30%) Hypertonus (10%)
229 7.8 · Maligne solide Tumoren
Diagnostik 4 4 4 4
Eigene Notizen
Labor: BSG ↑, LDH ↑, kein spezifischer Tumormarker Ultraschall Schnittbildgebung Abdomen: CT, Kernspintomographie Röntgen-Thorax in 2 Ebenen (pulmonale Metastasen?)
Therapie 4 entsprechend den Richtlinien der GPOH/SIOP-Therapiestudie 4 präoperative Chemotherapie mit Vincristin und Actinomycin D zur Verbesserung der Operabilität 4 operative Tumorresektion (in der Regel Tumor-Nephrektomie und Lymphknotenrevision) 4 postoperative Stadieneinteilung: . Tab. Postoperative Stadieneinteilung des Nephroblastoms Stadium I
Tumor auf Niere beschränkt, kein Kapseldurchbruch, vollständig entfernt
Stadium II
Tumor überschreitet die Niere, vollständig entfernt
Stadium III
Unvollständige Tumorentfernung, lokale Lymphknotenmetastasen Tumorruptur
Stadium IV
Fernmetastasen (Lunge, Leber, Knochen, Gehirn)
Stadium V
Bilateraler Tumor
4 postoperative Chemotherapie gemäß Tumorstadium und Histologie 5 in niedrigen Stadien VCR, ACT-D; in höheren Stadien zusätzlich Adriamycin, Carboplatin Etoposid/Cyclophosphamid 4 Risikohistologie: Anaplasie, blastemreicher Tumor nach Chemotherapie 4 Strahlentherapie nach Histologie und lokalem Stadium zum Zeitpunkt der Operation 5 bei intermediärer Malignität erst ab lokalem Stadium III 5 bei hoher Malignität ab lokalem Stadium II 5 bei Tumorruptur Bestrahlung des gesamten Abdomens 5 Lungenbestrahlung bei chemotherapeutisch und operativ nicht erreichter Remission der Lungenmetastasen oder bei histologisch nachgewiesener Anaplasie 4 Prognose: 90% Langzeitüberleben
7.8.3
7
Rhabdomyosarkom
4 54% aller Weichteilsarkome des Kindesalters sind RMS 4 histologischer Ursprung quergestreifte Muskulatur 4 Lokalisation embryonaler RMS 5 Kopf/Hals 46% 5 urogenital, Blase/Prostata 28% 5 Extremitäten 8%
230
Kapitel 7 · Hämatologie und Onkologie
Eigene Notizen
4 5% aller kindlichen Malignome 4 Inzidenz 1/100.000 Kinder <15 Jahre 4 Altersgipfel 2.–5. und 15.–19. Lebensjahr
Klinik 4 4 4 4
abhängig von Lokalisation Protrusio bulbi, Lidschwellung, verlegte Nasenatmung (Kopf/Hals) Tumorschwellung, Schmerzen (Extremitäten) Bauchschmerzen, Dysurie, Hämaturie, Harnverhalt (Retroperitoneum; urogenital)
Diagnostik
7
4 Sonographie, Kernspintomographie (Primärtumorregion) 4 Ausbreitungsdiagnostik: Röntgen-Thorax; CT/MRT-Schädel; Skelettszintigraphie; Knochenmarkbiopsie 4 Stadieneinteilung: . Tab. Postoperative Stadieneinteilung des Rhabdomyosarkoms Stadium I
Tumor komplett entfernt, kein mikroskopischer Rest
Stadium II
Tumor komplett entfernt, mikroskopischer Rest
Stadium III
Makroskopischer Rest bei primärer Biopsie oder Teilresektion
Stadium IV
Fernmetastasen bei Diagnose
4 histopathologische Untersuchung 5 embryonales RMS (prognostisch günstig) 5 alveoläres RMS (prognostisch ungünstig) 5 Zytogenetik t(2;13, t(1;13) 4 Risikofaktoren 5 Alter >10 Jahre 5 inkomplette Resektion 5 Tumorgröße >5 cm 5 Lokalisation: parameningeal 5 Histologie (alveoläres RMS)
Therapie 4 4 4 4
gemäß Empfehlungen der CWS-Studie der GPOH neoadjuvante Chemotherapie Lokaltherapie (Operation, Strahlentherapie) postoperative Chemotherapie (risikoadaptiert)
Prognose 4 abhängig von Tumorstadium und Histologie 4 >80% Langzeitüberlebensrate für Stadium I und günstige Histologie 4 10–30% Langzeitüberlebensrate für primäres Stadium IV
231 7.8 · Maligne solide Tumoren
7.8.4
Osteosarkom
4 häufigster primärer maligner Knochentumor im Kindes- und Jugendalter 4 typische Lokalisation: Femur 49%, Tibia 26%, Humerus 10% 4 Metastasierung: Lunge, Knochen, Gehirn 4 200–250 Neuerkrankungen/Jahr im deutschsprachigen Raum 4 Inzidenz 2–3/100.000 4 Erkrankungsgipfel im 2. Lebensjahrzehnt
Klinik 4 oft lange Anamnese 4 Schmerzen, Tumorschwellung, Funktionseinschränkung 4 pathologische Fraktur
Diagnostik 4 Nativröntgenaufnahme 5 osteosklerotische und osteolytische Veränderungen 5 Periostabhebung = Codman-Dreieck 4 Kernspintomographie 4 Dreiphasen-Skelettszintigraphie 4 CT-Thorax (Lungenmetastasen ?) 4 ggf. CT kranial (Hirnmetastasen?) 4 Biopsie zur histopathologischen Diagnosesicherung 4 Histopathologie: hochmaligner Tumor, Differenzierung chondroblastisch, fibroblastisch, osteoblastisch, teleangiektatisch, kleinzellig 4 Molekulargenetik 5 Inaktivierung der Tumorsuppressorgene RB1 (Retinoblastomgen); P53 5 Überexpression von Onkogenen (c-fos; c-myk) 5 Überexpression von Wachstumsfaktoren (u. a. TGF β) 4 > Memo Zum Diagnosezeitpunkt muss bei allen Patienten auch bei negativer Ausbreitungsdiagnostik vom Vorhandensein von Mikrometastasen ausgegangen werden!
Therapie 4 präoperative neoadjuvante Chemotherapie 4 operative Lokaltherapie abhängig von Tumorlokalisation 4 möglichst extremitätenerhaltend 5 Endoprothese 5 Umkehrpastik (Borggreve-Plastik) 5 Amputation (selten) 4 postoperative Chemotherapie entsprechend Regressionsgrad nach Salzer-Kuntschik (. Tab.)
7
Eigene Notizen
232
Kapitel 7 · Hämatologie und Onkologie
Eigene Notizen
Einteilung nach Salzer-Kuntschik Regressionsgrad 1
Keine vitalen Tumorzellen
Regressionsgrad 2
Einzelne vitale Tumorzellen oder Zellcluster 0,5 cm
Regressionsgrad 3
Vitaler Tumor <10% der Gesamttumormasse
Regressionsgrad 4
Vitaler Tumor 10–50%
Regressionsgrad 5
Vitaler Tumor >50%
Regressionsgrad 6
Kein Chemotherapieeffekt
4 Prognose: Langzeitüberleben 70% 4 Langzeittoxizität: Ototoxizität (Cisplatin), Kardiotoxizität (Anthrazykline), Nephrotoxizität (Cisplatin/Ifosfamid)
7 7.8.5
Ewing-Sarkom
4 zweithäufigster primärer maligner Knochentumor des Kindes- und Jugendalters 4 Inzidenz 3/1.000.000 Kinder <15 Jahre, 4,5/1.000.000 Heranwachsende 15–25 Jahre 4 Altersgipfel 2. Lebensjahrzehnt 4 Lokalisation: Becken > lange Röhrenknochen > Rippen > Skapula > Wirbelsäule
Diagnostik 4 Bildgebung 5 Primärtumor: Nativ-Röntgen, Kernspintomographie 5 Ausbreitungsdiagnostik: CT-Thorax, Skelettszintigraphie, PETSzintigraphie) 4 Biopsie zur histopathologischen Diagnosesicherung 4 Histologie/Molekulargenetik 5 klein-rund-blauzelliger Tumor (wie Neuroblastom, Rhabdomyosarkom, Non-Hodgkin-Lymphom) 5 Expression von CD99 5 t(11;22)(q24;q12) 4 ! Cave Ewing-Tumoren müssen auch bei fehlendem apparativem Nachweis einer Metastasierung als systemische Erkrankung angesehen werden!
Therapie 4 gemäß Empfehlungen der Euro-Ewing-99-Therapiestudie der GPOH 4 präoperative neoadjuvante Kombinationschemotherapie 4 Lokaltherapie 5 Operation (abhängig von Tumorlokalisation) 5 Bestrahlung
233 7.8 · Maligne solide Tumoren
4 postoperative Chemotherapie entsprechend initialer Tumorgöße, Resektabilität und histologischem Tumoransprechen, ggf. Hochdosischemotherapie mit autologer Stammzelltansplantation 4 Prognose: 70% Langzeitüberleben bei lokoregionaler Erkrankung
7.8.6
Maligne Lebertumoren
4 1% aller kindlichen Malignome 4 75% der primären Lebertumoren im Kindesalter maligne 4 Hepatoblastom (HB) 5 Erkrankungsalter: 6 Monate bis 3 Jahre 5 Entstehung aus unreifen Stammzellen der Leber 5 späte Metastasierung 5 Assoziation mit Hemihypertrophiesyndrom, Wiedemann-Beckwith-Syndrom, familiärer adenomatöser Polyposis (FAP) 5 Molekulargenetik: Allelverluste Chromosom 11p15.5; 1p;1q 4 hepatozelluläres Karzinom (HCC) 5 Erkrankungsalter: Schulkinder und Jugendliche 5 Assoziation: Tyrosinämie, Alagille-Syndrom, Ataxia teleangiectatica, Fanconi-Anämie 5 häufigste Ursache (Asien, Afrika, Südamerika): frühe Hepatitis-B/ C-Infektion 5 aggressives multifokales Wachstum, frühe Metastasierung
Klinik 4 Bauchschmerzen, Gewichtsverlust, Erbrechen 4 tastbare Raumforderung 4 Ikterus
Diagnostik 4 Labor: α1-Fetoprotein (AFP) ↑↑, Laktatdehydrogenase ↑, Ferritin ↑ 4 Bildgebung 5 Primärtumor: Sonographie, Kernspintomographie Abdomen 5 Ausbreitungsdiagnostik: Röntgen/CT-Thorax, Skelettszintigraphie 4 ggf. Biopsie zur histologischen Diagnosesicherung 4 > Memo AFP als Verlaufsparameter unter Chemotherapie geeignet 4 Stadieneinteilung: . Tab.
Stadieneinteilung des Hepatoblastoms Stadium I
Tumor komplett (mikroskopisch) reseziert
Stadium II
Mikroskopischer Resttumor: in der Leber (A), extrahepatisch (B)
Stadium III
Makroskopischer Resttumor, Lymphknotenbefall, Tumorruptur
Stadium IV
Fernmetastasen
7
Eigene Notizen
234
Kapitel 7 · Hämatologie und Onkologie
Eigene Notizen
7
Therapie 4 Hepatoblastom 5 Primäre Operation bei kleinen Tumoren 5 neoadjuvante Chemotherapie; nachfolgend 5 sekundäre Tumorresektion 5 ggf. Lebertransplantation bei nicht resektablem Tumor 4 hepatozelluläres Karzinom 5 im Gegensatz zum HB schon initial radikale Resektion anzustreben! 5 fragliches Ansprechen auf Chemotherapie 5 Überlebensverlängerung durch Einsatz von Tyrosinkinasehemmern und VEGF-Antikörpern 5 interventionelle Therapieverfahren (Chemoembolisierung, Hochfrequenzablation; wenig Erfahrung bei pädiatrischen Patienten) 4 > Memo Konsequente Hepatitis-B-Impfung konnte in Asien die Inzidenz des HCC senken!
7.8.7
4 4 4 4 4 4 4 4
Retinoblastom
häufigster maligner intraokulärer Tumor des Kindesalters 2% aller Malignome des Kindesalters Inzidenz weltweit 1/18.000 Lebendgeborene Erkrankungsalter: Säuglinge und Kleinkinder 60% unilaterales, 40% bilaterales Auftreten (simultan oder konsekutiv) unilaterale Erkrankung tritt sporadisch auf bilaterale Erkrankung in 90% sporadisch, in 10% familiär Genetik 5 Tumor entsteht durch Verlust beider Allele des Retinoblastomgens RB1 (Chromosom 13q14) in einer Retinazelle 5 Verlust des 1. Allels kann konstitutionell vererbt werden oder als De-novo-Mutation in der Gametogenese auftreten 5 2. Allelverlust in der Retinazelle → hereditäres RB 5 beide Allelverluste in der Retinazelle → sporadisches RB
Klinik 4 Leukokorie, »amaurotisches Katzenauge« (= weißer Lichreflex der Pupille) 4 neu aufgetretenes Schielen 4 Schmerzen durch Sekundärglaukom
Diagnostik 4 indirekte Ophthalmoskopie 4 Sonographie von Bulbus und Orbita 4 Kernspintomographie kranial (extraokuläres Wachstum, ZNS-Metastasen) 4 ! Cave Biopsie zur Diagnosesicherung ist kontraindiziert!
235 7.8 · Maligne solide Tumoren
Therapie 4 Operation 5 Enukleation großer Tumoren, wenn kein Visuserhalt möglich 5 Kryotherapie/Photokoagulation bei kleinen Tumoren 4 perkutane Bestrahlung 5 wenn großer oder multifokaler TU, aber Restvisuserhalt möglich 4 Chemotherapie 5 bei Einbruch in Sklera, N. opticus, Aderhaut oder zur Verkleinerung intraokulärer Tumoren, um Lokaltherapie zu ermöglichen und Enukleation oder perkutane Bestrahlung zu vermeiden 5 bei hämatogener Metastasierung oder Metastasierung ins ZNS 5 ggf. Hochdosischemotherapie mit Stammzelltransplantation 4 Prognose: bei rein intraokulärem Tumor nahezu 100% Langzeitüberleben 4 ! Cave Bei hereditärem RB wird die Langzeitprognose durch die hohe Rate an Zweitmalignomen, insbesondere nach Radiatio bestimmt. Häufigster Zweittumor ist das Osteosarkom.
7.8.8
Keimzelltumoren
4 4 4 4 4
heterogene Gruppe von Tumoren 3–4% aller kindlichen Malignome Inzidenz: 0,5/100.000 Kinder <15 Jahren Ursprung: totipotente primordiale Keimzelle Lokalisation: Keimdrüsen oder Mittellinien-nah (ZNS, Mediastinum, Steißbein) 4 Erkrankungsalter 5 Säuglings-/Kleinkindalter: reife/unreife Teratome; Dottersacktumoren 5 später: Seminome (Hoden), Dysgerminome (Ovar), Germinome (ZNS) 5 selten: Choriokarzinom, embryonales Karzinom
Klinik 4 abhängig von der Lokalisation z. B. 5 Kopfschmerzen, endokrine Ausfälle 5 Husten, Dyspnoe 5 Bauchschmerzen, Obstipation 5 schmerzlose Hodenschwellung
Diagnostik 4 Tumormarker 5 α1-Fetoprotein (AFP) ↑↑ bei Dottersacktumor 5 β-HCG ↑↑ bei Choriokarzinom 4 ! Cave AFP ist im ersten Lebensjahr physiologisch erhöht. Lebererkrankungen/Schwangerschaft als Ursache einer AFP-Erhöhung müssen ausgeschlossen sein.
7
Eigene Notizen
236
Kapitel 7 · Hämatologie und Onkologie
Eigene Notizen
4 Bildgebung 5 Sonographie 5 Schnittbildgebung (lokalisationsspezifisch) 4 Tumorausbreitung: Röntgen-Thorax 4 ggf. Biopsie zur histologischen Diagnosesicherung 4 Einteilung: . Tab. Einteilung der Keimzelltumoren nach Alter, Lokalisation und Histologie
7
Alter
Lokalisation
Histologie
Säugling
Hoden, Ovar
Teratom (TER), Dottersacktumor (YST)
Kleinkind
Extragonadal
Jugendliche
Hoden
TER, Germinom (G), embryonales Karzinom (EC), YST, Chorionkarzinom (CHC)
Jugendliche
Ovar
TER, G, EC, YST, CHC
Jugendliche
Extragonadal
TER, G, EC, YST, CHC
4 > Memo Bei typischer Lokalisation, typischer Bildgebung und Nachweis von Tumormarkern ist die histologische Diagnosesicherung entbehrlich.
Therapie 4 Operation, ggf. nach präoperativer Chemotherapie 4 »Wait-and-see«-Strategie bei gonadalen Tumoren/niedrigem Stadium 4 postoperative Chemo- und/oder Strahlentherapie je nach Histologie und Tumorstadium
Tumoren des Gehirns und des Spinalkanals
7.9
4 häufigste solide Tumorerkrankung bei Kindern und Jugendlichen 4 400–500 Neuerkrankungen pro Jahr in Deutschland
7.9.1
Astrozytome
Gliome WHO Grad I und II
4 4 4 4 4 4 4
30–40% der intrakraniellen Tumoren im Kindesalter jährlich 170 Neuerkrankungen in Deutschland medianes Erkrankungsalter 6–11 Jahre können in allen Teilen des ZNS entstehen 25% im Kleinhirn lokalisiert häufigste Diagnose ist pilozytisches Astroztom (WHO I°) Assoziation mit Neurofibromatose Typ 1 und 2 (NF1 und NF2), tuberöser Sklerose, Li-Fraumeni-Syndrom
237 7.9 · Tumoren des Gehirns und des Spinalkanals
Klinik 4 4 4 4 4 4 4
abhängig von der Lokalisation Kopfschmerzen, Erbrechen (Hirndruck) Sehstörungen, Protrusio bulbi endokrinologische Ausfälle dienzephales Syndrom (Erbrechen, Gedeihstörung) Krampfanfälle ! Cave 15–20% der NF1-Patienten erkranken an einem niedriggradigen Gliom, meist Sehbahngliom
Diagnostik 4 4 4 4 4
Labor: Hypophysen-Hormone Visusbestimmung, Funduskopie EEG Computertomographie Kernspintomographie
Therapie 4 entsprechend den Empfehlungen in der Hirntumorstudie HIT-LGG (»low grade glioma«) der GPOH 4 Operation/Biopsie 4 Beobachtung 4 Chemotherapie <8 Jahre oder 4 Bestrahlung bei älteren Kindern bei Progress oder Funktionseinschränkung 4 ! Cave Strahlentherapie wegen Risiko für Zweittumoren und Gefäßerkrankungen möglichst vermeiden! Höhergradige Gliome (WHO Grad III/IV)
4 Tumoren glialen Ursprungs mit histologisch hoher Maligität 5 anaplastisches Astrozytom WHO-Grad III 5 Oligodendrogliom 5 Gangliogliom 5 Glioblastoma multiforme WHO-Grad IV 4 oder ungünstigem klinischem Verlauf (Hirnstam-, Ponsgliom, Gliomatosis cerebri) 4 15% der pädiatrischen Hirntumorerkrankungen 4 ca. 65 Neuerkrankungen/Jahr 4 Risikofaktoren 5 vorausgegangene ZNS-Bestrahlung (ALL-/Hirntumortherapie) 5 vorausgegangene Behandlung mit Antimetaboliten
Klinik 4 kurze Anamnese 4 Hirndrucksymptomatik (Kopfschmerzen, Erbrechen, Apathie) durch infiltratives Tumorwachstum mit Begleitödem 4 Lokalisation in der Großhirnrinde → Krampfanfälle, motorische/sensorische Ausfälle
7
Eigene Notizen
238
Kapitel 7 · Hämatologie und Onkologie
Eigene Notizen
4 Hirnstammgliom → Hirnnervenausfälle, Hemiparese, Ataxie 4 Hirndrucksymptome durch Verschlusshydozephalus
Diagnostik 4 Kernspintomographie kranial/spinal 4 Liquorzytologie (seltene multifokale Erkrankung, leptomeningeale Aussaat) 4 Histologie 4 ! Cave Zur Diagnose eines Hirnstammglioms genügen typische Anamnese, Klinik und Bildgebung; keine Biopsie wegen hohem Blutungsrisiko!
Therapie
7
4 4 4 4
möglichst vollständige Tumorresektion (Ausnahme Hirnstammgliom) simultane Radio-Chemotherapie Erhaltungs-Chemotherapie dendritische Tumorzellvakzinierung (experimentell)
7.9.2
Primitive neuroektodermale Tumoren (PNET)
4 embryonaler Hirntumor 4 Entstehung aus wenig differenzierten neuroepithelialen Zellen 4 Lokalisation 5 supratentoriell = ZNS-PNET 5 infratentoriell = Medulloblastom WHO-Grad IV J häufigster maligner Hirntumor im Kindes- und Jugendalter J Lokalisation hintere Schädelgrube, Kleinhirnwurm/-hemisphären J Metastasierung über den Liquorweg J Risikofaktoren junges Alter, Resttumor postoperativ, Metastasen → prognostisch ungünstig J Histologie desmoplastisch (günstig), Standard oder anaplastisch (ungünstig)
Klinik 4 Hirndrucksymptome (Kopfschmerzen, Nüchternerbrechen) 4 Hirnnervenausfälle 4 Ataxie
Diagnostik 4 4 4 4
Schädelsonographie (bei Säuglingen) Kernspintomographie, Computertomographie kranial Kernspintomographie spinal (Abtropfmetastasen) Liquorzytologie
239 7.9 · Tumoren des Gehirns und des Spinalkanals
Therapie 4 Empfehlung gemäß HIT-Studie der GPOH 5 >3 Jahre: Operation → kraniospinale Bestrahlung → Erhaltungschemotherapie 5 <3 Jahre: Operation → systemische und intraventrikuläre Chemotherapie → Verzicht auf Bestrahlung aus Toxizitätsgründen 4 Prognose: Langzeitüberleben von Patienten ohne Metastasen zum Diagnosezeitpunkt 79%
7.9.3
Kraniopharyngeom
4 niedrigmaligner intrakranieller embryonaler Fehlbildungstumor aus Überresten der Rathkeschen Tasche 4 Inzidenz jährlich ca. 30 Kinder in Deutschland 4 0,5–2/1.000.000 Einwohner 4 Erkrankungsalter 5–10 Jahre 4 Lokalisation intra-/supra-/perisellär mit Nähe zu Hypophyse, Hypothalamus, Chiasma opticum 4 Histologie meist adamantinomatös mit Zystenbildung
Klinik 4 Kopfschmerzen, Sehstörungen 4 endokrine Ausfälle 5 Pubertas praecox, Pubertas tarda 5 Wachstumsstörung 5 Hypothyreose 5 Diabetes insipidus
Diagnostik 4 4 4 4
Labor: Hormonstatus; Hypophysenfunktionstestung Visusbestimmung, Funduskopie Kernspintomographie Computertomographie (Verkalkungen?)
Therapie 4 möglichst vollständige Resektion 4 bei Progression nach partieller Resektion/Biopsie, ggf. perkutane Bestrahlung 4 Problem Spätfolgen 5 Visus-/Gesichtsfeldeinschränkung 5 endokrine Ausfälle (Diabetes insipidus, Wachstumshormonmangel, z. T. Panhypopituitarimus) 5 hypothalamische Essstörung mit erheblicher Adipositas 5 gestörter Tag-/Nachtrhythmus, emotionale Labilität, Gedächtnisstörung
7
Eigene Notizen
240
Kapitel 7 · Hämatologie und Onkologie
Eigene Notizen
7.9.4
Ependymom
4 langsam wachsender Tumor 4 geht von der ependymalen Auskleidung der Ventrikelwände und des Zentralkanals aus 4 8–12% aller Tumoren des ZNS im Kindesalter 4 50% bei Kindern unter 5 Jahren 4 90% intrakraniell, 60% in der hinteren Schädelgrube 4 30% anaplastische Ependymome (WHO-Grad III/IV)
Klinik 4 abhängig von Alter und Lokalisation
Diagnostik
7
4 Computertomographie 4 Kernspintomographie 4 Liquordiagnostik
Therapie 4 4 4 4
Operation adjuvante Bestrahlung bei inkompletter Resektion adjuvante Chemotherapie bei anaplastischem Subtyp Prognose: 70% Langzeitüberleben bei kompletter Resektion; 32% bei inkompletter Resektion
7.9.5
Spinale Tumoren
4 im Kindesalter selten 4 1–6% aller ZNS-Tumoren 4 überwiegend histologisch benigne (. Tab.) Lokalisation und Histologie von spinalen Tumoren Tumorlokalisation
Histologie
Extradural
Neurinome/Schwannome, Neuroblastome
Intradural extramedullär
Ependymome, Meningeome, Abtropfmetastasen
Intradural intramedullär
Gliome
Klinik 4 abhängig von Höhenlokalisation 4 Beziehung zu Nervenwurzeln 5 Schmerzen 5 motorische Störungen 5 Dysästhesien 5 Störung der Sphinkterfunktionen
241 7.9 · Tumoren des Gehirns und des Spinalkanals
Diagnostik 4 Kernspintomographie 4 ggf. Liquorzytologie
Therapie 4 4 4 4
Tumorresektion (extraduraler/extraspinaler Tumor) Biopsie bei intramedullärem Tumor ggf. Bestrahlung > Memo Sekundär in den Spinalkanal einwachsende Tumoren (Neuroblastome, Ewing-Sarkome, parameningeale Weichteilsarkome, NonHodgkin-Lymphome) sind häufiger als pimär intraspinale Tumoren!
7
Eigene Notizen
8 Tag 3
8 Rheumatologie und Immunologie N. Wagner
8.1
Rheumatologie – 244
8.1.1 Juvenile idiopathische Arthritis (JIA) 8.1.2 Kollagenosen – 245
– 244
8.2
Immundefekte – 254
8.2.1 8.2.2 8.2.3 8.2.4 8.2.5
Allgemeines – 254 Schwere kombinierte Immundefekte – 256 X-chromosomal vererbte Agammaglobulinämie Wiskott-Aldrich-Syndrom – 258 Septische Granulomatose – 259
– 257
244
Kapitel 8 · Rheumatologie und Immunologie
Eigene Notizen
8.1
Rheumatologie
8.1.1
Juvenile idiopathische Arthritis (JIA)
4 Arthritis mit Beginn vor dem 16. Geburtstag 4 unklare Ätiologie 4 Klassifikation der juvenilen idiopathischen Arthritis (International League of Associations for Rheumatology 1995) 5 systemische Arthritis (M. Still) 5 Oligoarthritis 5 Rheumafaktor-negative Polyarthritis 5 Rheumafaktor-positive Polyarthritis 5 Psoriasisarthritis 5 Enthesitis-assoziierte Arthritis 5 undifferenzierte Arthritis
Klinik
8
4 bei Oligoarthritis (häufigste Form) vor allem Kniegelenk im Kleinkindalter betroffen 4 bei systemischem Verlauf (M. Still) Trias aus anhaltend hohem Fieber, makulöses, wechselndes, lachsfarbenes Exanthem und Arthritis ! Cave schwerkrankes Kind, Gelenkbeteiligung steht zu Beginn nicht im Vordergrund, imponiert wie Fieber unklarer Genese 4 Rheumafaktor-positive Polyarthritis (selten) prognostisch ungünstig
Diagnostik 4 Gelenkfunktion auffällig: z. B. Greifen, Flaschenöffnen, Mundöffnung, Rumpfbeuge 4 Hepatosplenomegalie bei systemischem Verlauf 4 Anämie, Thrombozytose (ausgeprägt bei systemischer Verlaufsform) 4 antinukleäre Antikörper (ANA) bei Oligoarthritis 4 Rheumafaktor-positiv bei wenigen Patienten mit Polyarthritis 4 HLA-B27-Nachweis bei Enthesitis-assoziierter Arthritis 4 sonographisch: Erguss, Synoviaschwellung, sensitiv 4 Röntgen: Veränderungen erst nach langer Krankheitsdauer 4 MRT: Inflammation der Synovia wird zuverlässig und früh nachgewiesen, sensitiv
Differenzialdiagnose 4 reaktive Arthritis, z. B. nach Streptokokkeninfekt 4 Osteomyelitis; Fieber, hohe Entzündungszeichen, MRT Goldstandard ! Cave dringliche Diagnose, da unmittelbar Beginn einer Antibiose erforderlich 4 Lyme-Arthritis, Borrelienserologie 4 Kollagenosen 4 Trauma 4 aseptische Knochennekrosen (z. B. im Hüftkopf M. Perthes) 4 maligne Erkrankungen: Leukämie, Osteosarkom, Ewing Sarkom, Neuroblastom
245 8.1 · Rheumatologie
4 hämatologische Erkrankungen: ossärer Infarkt bei Sichelzellkrise 4 bei Verdacht auf systemischen Verlauf immer Bakteriämie/Sepsis ausschließen
Therapie 4 4 4 4 4 4 4
Start mit nichtsteroidalen Antirheumatika, z. B. Naproxen, Ibuprofen intraartikuläre Injektion von Kortikosteroiden Methotrexat (MTX) bei hoher Aktivität Etanercept (TNF-Antagonist) bei Versagen von MTX bei systemischem Verlauf hochdosiert Kortikosteroide Synovektomie nur noch selten indiziert immer Krankengymnastik, ggf. Hilfsmittelversorgung (Schienen) und Ergotherapie 4 psychosoziale Unterstützung von Patient und Familie
8.1.2
Kollagenosen
Systemischer Lupus erythematodes (SLE)
4 polygen bedingte, B-Zell-vermittelte Autoimmunerkrankung unklarer Ätiologie 4 komplementbindende Immunkomplexe verursachen eine Vaskulitis 4 Anti-Doppelstrang-DNA-Antikörper typisch für SLE 4 wesentliche Zielorgane: Haut, Niere, ZNS 4 beteiligte Gene: HLA, Komplement, Fcγ-Rezeptoren, Apoptose-vermittelnde Gene, Zytokine 4 Klassifikation des SLE (revidierte Kriterien des American College of Rheumatology 1997): Nachweis von mindestens 4 von 11 Kriterien erlaubt die Diagnose SLE 1. Schmetterlingserythem 2. diskoide Hautveränderungen 3. Photosensibilität 4. orale Ulzeration 5. Arthritis 6. Serositis (Pleuritis oder Perikarditis) 7. Nierenbeteiligung (Proteinurie oder Zellzylinder im Urin) 8. neurologische Beteiligung (z. B. zerebrale Anfälle, Psychose) 9. hämatologische Manifestation (hämolytische Anämie, Leukopenie oder Thrombozytopenie) 10. immunologische Auffälligkeiten (Anti-DNA-Antikörper, Anti-SmAntikörper oder Antiphospholipidantikörper) 11. antinukleäre Antikörper (ANA)
Klinik 4 4 4 4
s. Klassifikation (s. oben) zudem Fieber, Allgemeinsymptome, Gewichtsverlust Schmetterlingserythem nur bei ca. 50% ZNS-Beteiligung in bis zu 40%
8
Eigene Notizen
246
Kapitel 8 · Rheumatologie und Immunologie
Eigene Notizen
4 Raynaud-Phänomen, Haarausfall 4 Infektanfälligkeit 4 nahezu alle Organe können betroffen sein: z. B. Myokarditis, Lungenblutung, Pankreatitis 4 Lupusnephritis in über 70%, schwererer Verlauf bei Kindern 4 ! Cave arterielle Hypertonie 4 20% der Lupusnephritiden gehen in terminale Niereninsuffizienz über 4 > Memo Das Ausmaß der Nephritis, der arteriellen Hypertonie und der ZNS-Beteiligung ist entscheidend für die Prognose des SLE.
WHO-Klassifikation der Lupusnephritis
8
Nierenläsion
Häufigkeit (%)
Typ I
Normale Glomeruli
6
Typ II
Mesangioproliferative Glomerulonephritis
19
Typ III
Fokal-segmentale proliferative Glomerulonephritis
23
Typ IV
Diffuse proliferative Glomerulonephritis
43
Typ V
Membranöse Lupusnephritis
9
Typ VI
Chronische sklerosierende Glomerulonephritis
k.a.
Diagnostik 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4
Urin: Mikrohämaturie, Proteinurie → Nierenbiopsie Kreatininclearance bei Ödemen an nephrotisches Syndrom denken Blutbild: ein oder mehrere Zellreihen vermindert Häufige Diskrepanz zwischen deutlich erhöhter BSG und normalem CRP Echokardiographie zum Ausschluss einer Karditis Röntgen-Thorax zum Ausschluss eines Pleuraergusses ZNS-Symptome wie Zephalgie, Depression, Psychose differenzialdiagnostisch schwer einzuordnen, ggf. EEG, MRT (teils wenig aussagekräftig) wichtig: ANA, ds-DNA-Antikörper, Antiphospholipidantikörper ggf. Knochenmarkbiopsie zum Ausschluss einer Leukämie
Differenzialdiagnose 4 zu Beginn gelegentlich schwierig abzugrenzen von M. Still, Sepsis, Kawasaki-Syndrom oder Leukämie
Therapie 4 bei leichten Verläufen: Prednison 0,5 mg/kg/d und Hydroxychloroquin 4 bei schweren Verläufen: Prednison 2 mg/kg/d und Azathioprin 4 bei schwersten Verläufen: i.v. Pulssteroidtherapie und Cyclophosphamid
247 8.1 · Rheumatologie
4 nach Erreichen der Remission immer Prednison reduzieren unter die Cushing-Schwelle 4 arterielle Hypertonie konsequent behandeln (ACE-Hemmer) 4 Sonderform: neonataler Lupus 5 die Mutter leidet an einem SLE 5 mütterliche Antikörper werden diaplazentar übertragen und lösen den neonatalen Lupus aus 5 ! Cave kongenitaler AV-Block, bereits präpartal auftretend, selten aber lebensbedrohlich → Schrittmacherimplantation! 4 Sonderform: medikamenteninduzierter Lupus 5 Medikamente wie z. B. Phenytoin, Etanercept oder Interferon können einen SLE auslösen 5 Absetzen des Medikamentes führt innerhalb von Wochen zur Besserung Dermatomyositis
4 4 4 4
Entzündliche Bindegewebserkrankung der Haut und der Muskulatur Immunkomplexvaskulitis häufig nachweisbar Beteiligung des Gastrointestinaltrakts möglich Spätfolge: Calcinosis cutis (kutane und subkutane Kalkeinlagerung)
Klinik 4 schleichender oder plötzlicher Beginn 4 symmetrische, proximal betonte Muskelschwäche und -schmerzen, z. B. Schwierigkeiten beim Treppensteigen 4 Fieber, Allgemeinsymptome, Ermüdbarkeit 4 fliederfarbenes (heliotropes), ödematöses Exanthem periorbital mit Kreuzung der Nasenbrücke 4 pathognomonisch: kleinfleckige, gerötete, makulopapulöse Effloreszenzen auf den Extensorenseiten der Extremitäten = Gottron-Papeln 4 teleangiektatisch veränderte Kapillare mit Blutungspunkten in der Nagelfalz 4 Kapillaritis im Nagelbett 4 selten Dyspnoe und Dysphagie bei viszeraler Beteiligung
Diagnostik 4 Testung der Muskelkraft (0/5: fehlende Muskelkontraktion bis 5/5: aktive Bewegung gegen deutlich Widerstand) 4 CK-Erhöhung, damit häufig auch Transaminasen und LDH erhöht 4 normaler CK-Wert schließt Myositis jedoch nicht aus, wenn der entzündete Muskel klein ist 4 MRT Goldstandard der Diagnostik, EMG obsolet 4 Muskelbiopsie nur notwendig, wenn die o. g. Diagnostik uneindeutig bleibt 4 Kapillarmikroskopie der Nagelfalz 4 Lungenfunktionstestung und Ösophagusbreischluck bei viszeraler Beteiligung
8
Eigene Notizen
248
Kapitel 8 · Rheumatologie und Immunologie
Eigene Notizen
Differenzialdiagnose 4 hereditäre Muskeldystrophien (z. B. Becker) oder -atrophien (z. B. Werdnig-Hoffmann) 4 Myopathien (z. B. hypokaliämische), Myotonien (z. B. CurschmannSteinert) 4 infektiöse oder postinfektiöse Myositis 4 Guillain-Barré-Syndrom
Therapie
8
4 hochdosierte Kortikosteroidtherapie zu Beginn: Prednison 2 mg/kg/d oder Pulssteroidtherapie (Methylprednisolon 25 mg/kg/d als Kurzinfusion für 3 Tage) 4 anschließend sukzessive Reduktion unter die Cushingschwellendosis 4 bei Steroidabhängigkeit oder -toxizität Gabe von Immunsuppressiva: Methotrexat oder Azathioprin 4 intravenöse Immunglobuline sind eine mögliche Alternative, da diese bei Erwachsenen wahrscheinlich effektiv sind 4 Physiotherapie Sklerodermie
4 systemische Sklerodermie: seltene und schwere Bindegewebserkrankung mit Ablagerung von Kollagen und vaskulitischen Veränderungen 4 Prädilektionsorte: Haut, Gastrointestinaltrakt und kardiopulmonales System
Klinik 4 Beginn mit Raynaud-Phänomen der Finger oder Zehen, gefolgt von einem Ödem und Überwärmung 4 Ausbreitung nach proximal, zunehmende Verhärtung durch Fibrose 4 Gelenkkontrakturen durch kutane und subkutane Pathologie 4 Ulzera der Fingerspitzen: Rattenbissnekrosen 4 gastrointestinale Beteiligung: Motilitäts- und Gedeihstörung 4 kardiopulmonal: Belastungsdyspnoe durch interstitielle Fibrose und pulmonale Hypertonie
Diagnostik 4 4 4 4 4 4 4 4 4
Kapillarmikroskopie der Nagelfalz zeigt Kapillaritis Ösophagusszintigraphie zum Nachweis der Motilitätsstörung Lungenfunktion CT bei Verdacht auf pulmonale interstitielle Fibrose Echokardiographie: Rechtsherzbelastung antinukleäre Antikörper (ANA) in bis zu 90% positiv Differenzierung der ANA: z. B. Anti-Scl-70 Entzündungszeichen häufig nicht erhöht Gewichtsverlust erfragen zum Ausschluss einer Gedeihstörung
249 8.1 · Rheumatologie
Differenzialdiagnose
8
Eigene Notizen
4 lokalisierte Sklerodermie (Morphea, lineare Sklerodermie): ausschließlich auf die Haut begrenzte Veränderungen ohne viszerale Beteiligung 4 Mischkollagenose (»mixed connective tissue disease«, Overlap-Syndrom, Sharp-Syndrom): die Erkrankung zeigt ein wechselndes Bild mit Elementen des SLE, der Dermatomyositis und der Sklerodermie; definiert durch Nachweis hochtitriger ANA vom Typ Anti-U1-RNP
Therapie 4 bei früher Diagnose im entzündlichen Stadium Immunsuppressiva wie z. B. Methotrexat hilfreich 4 symptomatische Therapie von Raynaud-Phänomen, Motilitätsstörungen im Gastrointestinaltrakt oder pulmonaler Hypertension 4 experimentell: autologe Knochenmarktransplantation Vaskulitiden
4 immunvermittelte Entzündungsreaktionen der Gefäßwand unklarer Ätiologie 4 heterogene Krankheitsbilder unterschiedlicher Schwere 4 Klassifikation richtet sich nach der Größe der betroffenen Gefäße (. Tab.) 4 Pathogenese: . Tab. Klassifikation kindlicher Vaskulitiden I. Vaskulitis großer Gefäße
5 Takayasu-Arteriitis
II. Vaskulitis mittelgroßer Gefäße
5 Polyarteriitis nodosa 5 Kutane Polyarteriitis 5 Kawasaki-Syndrom
III. Vaskulitis kleiner Gefäße
5 Granulomatös – Wegener-Granulomatose – Churg-Strauss-Syndrom 5 Nicht-granulomatös – Mikroskopische Polyangiitis – Schoenlein-Henoch-Purpura – Isoliert kutane leukozytoklastische Vaskulitis – Hypokomplementämische urtikarielle Vaskulitis
IV. Andere Vaskulitiden
5 M. Behçet 5 Sekundäre Vaskulitis aufgrund von Infektion, Malignom und Medikamenten 5 Vaskulitis bei Kollagenosen 5 Isolierte Vaskulitis des ZNS 5 Cogan-Syndrom 5 Nicht klassifiziert
250
Kapitel 8 · Rheumatologie und Immunologie
Eigene Notizen
Pathogenese der Vaskulitiden, Zuordnung zum Typ der Hypersensitivitätsreaktion Typ
Vermittelt durch
Mechanismus
Beispiel einer Vaskulitis
I
IgE
Sofortreaktion, Mastzellaktivierung
Churg-Strauss-Syndrom
II
IgG
Autoantikörper-vermittelt
Wegener-Granulomatose, Kawasaki-Syndrom?
III
IgG
Immunkomplexe aus Antigen und Antikörpern
Schoenlein-Henoch-Purpura, SLE
IV
T-Zelle
Zytotoxizität
Takayasu-Arteriitis
Schoenlein-Henoch Purpura
8
4 häufigste kindliche Vaskulitis mit guter Prognose 4 leukozytoklastische Vaskulitis der Haut, des Darms und der Nieren 4 IgA-Immunkompexablagerungen in den Gefäßen
Klinik 4 Petechien bis hin zu papulösen Purpura mit Begleitödem vor allem an den Unterschenkeln, Fußrücken und Gesäß 4 Arthralgie/Arthritis 4 kein Fieber 4 bei Darmbeteiligung: Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, blutige Stühle 4 bei Nierenbeteiligung: Hämaturie, Ödeme 4 ! Cave bei arterieller Hypertonie als Folge schwerer Nephritis schlechtere Prognose
Diagnostik 4 4 4 4 4
Blutbild zum Ausschluss von Thrombopenie-assoziierter Petechien Stuhl auf okkultes Blut Urinstatus (Erythrozyten, Eiweiß) Nierenbiopsie meist überflüssig Sonographie Abdomen zum Ausschluss einer Invagination und eines Gallenblasenhydrops 4 Labor: unergiebig
Differenzialdiagnose 4 Petechien: Immunthrombopenie, Sepsis, Leukämie, hämolytisch urämisches Syndrom 4 Blutauflagerung auf dem Stuhl: Invagination, Colitis ulcerosa, M. Crohn 4 Arthritis: Osteomyelitis (meist fieberhaft), juvenile idiopathische Arthritis, Kollagenosen
251 8.1 · Rheumatologie
Therapie
8
Eigene Notizen
4 Symptomlinderung steht im Vordergrund 4 Bettruhe kann hilfreich sein 4 nichtsteroidale Antirheumatika z. B. Ibuprofen, Naproxen; zurückhaltender Einsatz bei schwerer Nierenbeteiligung 4 Prednison bei kolikartigen Bauchschmerzen Kawasaki-Syndrom
4 Synonym: mukokutanes Lymphknotensyndrom 4 nekrotisierende Vaskulitis kleiner und mitelgroßer Arterien ungeklärter Ätiologie 4 zweithäufigste kindliche Vaskulitis 4 > Memo ca. 20% unbehandelter Kinder entwickeln Koronararterienaneurysmen
Klinik 4 Neben Fieber sind 4 der 5 anderen Symptome für die Diagnose des Kawasaki-Syndroms erforderlich (. Tab.) Diagnostische Kriterien des Kawasaki-Syndroms Symptom
Erläuterung
Fieber
>5 Tage, antibiotikaresistent
Exanthem
polymorph, meist makulös
Konjunktivitis
Gefäßinjektion beider Augen
Palmar-, Plantarerythem
In der 3. Woche gefolgt von Schuppung
Lymphadenopathie
Nichteitrige Schwellung der Lymphknoten, häufig am Hals
Cheilitis, Erdbeerzunge
Hochrote sog. Lacklippen
4 ! Cave inkomplettes Kawasaki-Syndrom vor allem bei jungen Säuglingen 4 zeitlicher Verlauf: akuter Beginn mit hohem Fieber, Ausbildung der o. g. Symptome über ca. 5–10 Tage, nach 14–21 Tagen ohne Behandlung Entfieberung und Schuppung der Haut an den Extremitäten 4 weitere Symptome: Myokarditis, Perikarditis, paralytischer Ileus, Hepatomegalie, Ikterus, Gallenblasenhydrops
Diagnostik 4 zunächst Diagnostik wie bei Fieber ohne Fokus, u. a. Blutkulturen, Röntgen-Thorax, Sonographie Abdomen 4 Echokardiographie zum Ausschluss einer Koronararterienerweiterung, Kontraktilitätsminderung, Erguss 4 typischer Zeitpunkt des Auftretens der Koronararterienaneurysmen in der 2.–3. Krankheitswoche 4 BSG und CRP deutlich erhöht
252
Kapitel 8 · Rheumatologie und Immunologie
Eigene Notizen
4 Leukozytose sowie deutliche Thrombozytose (Tag 7, diagnostisch hilfreich) 4 in Urin, Liquor und Gelenkpunktat mitunter steriler Leukozytennachweis
Differenzialdiagnose 4 Infektionen (z. B. Staphylokokken, »toxic shock syndrom«; Lymphadenitis colli, Meningitis, Harnwegsinfekt) 4 systemische Verlaufsform der juvenilen idiopathischen Arthritis (M. Still)
Therapie 4 Azetylsalizylsäure 50 mg/kg/d bis zur Entfieberung, dann 5 mg/kg/d 4 intravenöse Immunglobuline (IVIG) 2 g/kg einmalig 4 > Memo Frühzeitige Gabe von IVIG reduziert das Auftreten von Koronaraneurysmen um >80% (hohe Evidenz), daher ist die rasche Diagnosestellung wichtig.
8
Reaktive Arthritis
4 entzündliche Gelenkerkrankung ausgelöst durch eine zeitlich und örtlich getrennte Infektion 4 je nach Studie sind 20–60% der Patienten HLA-B27-positiv 4 häufigste Erreger: Streptokokken, Yersinien, Salmonellen, Campylobacter
Klinik 4 ca. 2–3 Wochen nach einer Infektion auftretend, z. B. Angina tonsillaris, Gastroenteritis 4 Klinik ähnlich der juvenilen idiopathischen Arthritis, Schwellung, Überwärmung und Bewegungseinschränkung des betroffenen Gelenks 4 häufig große Gelenke betroffen, aber auch Daktylitis 4 bei HLA-B27-Nachweis zudem Enthesitis 4 ein Teil der Patienten erleidet eine begleitende Uveitis
Diagnostik 4 4 4 4 4
BSG und CRP erhöht ANA- und Rheumafaktor-negativ gezielte Serologie abhängig von der Infektionsanamnese Gelenksonograpgie zwecks Abgrenzung von einer Osteomyelitis: NMR
Differenzialdiagnose 4 ! Cave Osteomyelitis, Klinik kann initial ähnlich verlaufen 4 juvenile idiopathische Arthritis: häufig ANA-positiv 4 Lyme-Borreliose: Borrelienserologie
253 8.1 · Rheumatologie
Therapie
8
Eigene Notizen
4 Naproxen oder Ibuprofen 4 bei hoher Aktivität kurzfristig hochdosiertes Prednison 4 da die Prognose insgesamt gut ist, auf Immunsuppressiva wie MTX eher verzichten Rheumatisches Fieber
4 sehr selten gewordene Arthritis und Karditis mit der Gefahr von erworbenen Klappenfehlern nach Infektion mit β-hämolysierenden Streptokokken der Gruppe A 4 kreuzreagierende Antikörper gegen M-Protein der Erreger und Herzmuskelantigene ursächlich für die Karditis 4 Diagnose anhand der Jones-Kriterien (. Tab.): Bei Hinweis auf eine vorangegangene Streptokokkeninfektion reichen 2 Hauptkriterien oder 1 Haupt- und 2 Nebenkriterien für die Diagnose Jones-Kriterien zur Diagnostik des rheumatischen Fiebers Hauptkriterien
Nebenkriterien
Karditis
Fieber
Polyarthritis
Arthralgien
Chorea minor (Sydenham)
BSG und CRP Erhöhung
Erythema marginatum
Verlängertes PR-Intervall
Subkutane Knötchen
Klinik 4 migratorische Arthritis betrifft meist große Gelenke, »springt von Gelenk zu Gelenk« 4 deutliche lokale Entzündungszeichen an den betroffenen Gelenken 4 Endo-, Myo- und Perikarditis 4 Herzinsuffizienz und Rhythmusstörungen möglich 4 Valvulitis führt zum Klappenfehler ! Cave Neuauftreten eines Herzgeräusches 4 meist Mitralinsufizienz 4 Chorea minor ist ein Spätsymptom 4 Erythema marginatum und subkutane Knötchen sind sehr selten
Diagnostik 4 Ausschluss einer Osteomyelitis 4 EKG 4 Echokardiographie
Differenzialdiagnose 4 juvenile idiopathische Arthritis »springt nicht von Gelenk zu Gelenk« 4 Chorea: M. Wilson, Tic, Medikament z. B. Metoclopramid
254
Kapitel 8 · Rheumatologie und Immunologie
Eigene Notizen
Therapie 4 4 4 4
Penicillin V Naproxen Therapie der Herzinsuffizienz sekundäre Prävention: Benzathin-Penicillin G i.m. alle 4 Wochen 5 Jahre bis lebenslang (abhängig von Klinik)
Coxitis fugax
4 flüchtige Arthritis des Hüftgelenks unbekannter Ursache 4 Synonym »Hüftgelenksschnupfen«
Klinik
8
4 plötzlich auftretende Gehunfähigkeit bzw. Schonhinken beim Kleinkind 4 evtl. vorausgegangener Infekt eruierbar 4 Projektion der Schmerzen häufig in das Kniegelenk oder den Bauch 4 in der Regel ohne Fieber 4 selbstlimitierend
Diagnostik 4 4 4 4
BSG und CRP nicht erhöht Gelenkpunktion nur bei Verdacht auf septische Arthritis (Fieber!) Sonographie: Gelenkerguss, mit oder ohne Synoviaschwellung Röntgenaufnahme in Lauenstein oder MRT nur bei Verdacht auf M. Perthes
Therapie 4 Schonung der betroffenen Hüfte 4 nichtsteroidale Antirheumatika, z. B. Naproxen oder Ibuprofen
8.2
Immundefekte
8.2.1
Allgemeines
4 Immundefekte sind durch schwere rezidivierende Infektionen, Autoimmunerkrankungen und erhöhte Neigung zu malignen Erkrankungen gekennzeichnet 4 verschiedene Zellreihen bzw. des Immunsystems können betroffen sein (z. B. T-Zellen, B-Zellen, Granulozyten, NK-Zellen, dendritische Zellen) 4 mehr als 120 Immundefekte molekular charakterisiert 4 > Memo physiologische Infektanfälligkeit des Kleinkindes durch bis zu 10 Infekte der oberen Luftwege/Jahr gekennzeichnet 4 Klassifikation der Immundefekte (ID) 5 Defekte der angeborenen Immunität (z. B. ektodermale Dysplasie mit ID: NEMO-Gen) 5 Defekte der Phagozyten (z. B. septische Granulomatose)
255 8.2 · Immundefekte
5 Komplementdefekte 5 Defekte von T- und B-Zellen (z. B. schwere kombinierte ID: IL2Rezeptor-γ-Ketten-Gen) 5 humorale Defekte mit vorwiegendem Antikörpermangel (X-chromosomale Agammaglobulinämie) 5 Immundefekte mit charakteristischen Syndrombefunden (WiskottAldrich-Syndrom) 5 Immundysregulation mit Lymphoproliferation (autoimmunes lymphoproliferatives Syndrom: CD95-Gen) Score-System zur Entscheidung über Immundiagnostik (ab 20 Punkten erforderlich) Gruppe
Anamnese
Punkte
Gruppe A
Lebensbedrohliche oder schwere Infektionen mit Krankenhausaufenthalt, z. B. Meningitis, Sepsis, Pneumonie, Osteomyelitis, septische Arthritis
Je 10 Punkte
Gruppe B (Infektionen in den letzten 12 Monaten)
Pharyngitis, Tonsillitis, Laryngitis mit Fieber (Kindergarten , Schulbesuch nicht möglich)
2
Eitrige Otitis
3
Bronchitis (ohne Krankenhausaufenthalt)
3
Impetigo
4
Staphylokokkenabszesse
6
Anhaltende Diarrhö
6
Fieber unklarer Ursache
4
Primärer Immundefekt in der Familie
Je 20 Punkte
Gruppe C
Opportunistische Infektion (z. B. Pneumocystis-jiroveci-Pneumonie, Kryptosporidiose) Nichtinfektiöse Symptome eines Immundefektes (z. B. Thrombopenie, Hypoparathyreoidismus, Ataxie) Absolute Lymphopenie unter 1500/μl im 1. Lebensjahr
4 Erhöhte Infektanfälligkeit 5 Malignome: Leukämie, Lymphom 5 iatrogen: Chemotherapie, Radiatio, Kortikosteroide, Immunsuppressiva 5 Infektionen: HIV, EBV, Mykobakterien 5 chronisch entzündliche Erkrankungen: SLE, juvenile idiopathische Arthritis, M. Crohn 5 Eiweißverlust: Lymphangiektasie, nephrotisches Syndrom 5 andere: Diabetes mellitus, Mangelernährung, Asplenie, Sichelzellanämie, Trisomie 21, Niereninsuffizienz
8
Eigene Notizen
256
Kapitel 8 · Rheumatologie und Immunologie
Eigene Notizen
Lokale Ursachen rezidivierender Infektionen Infektion
Mögliche Ursachen
Hautinfektionen
Ekzem, Trauma, Verbrennung
Rezidivierende respiratorische Infekte
Mukoviszidose Bronchopulmonale Dysplasie »immotile cilia syndrome« Fremdkörperaspiration Bronchiale Fehlbildung
Rezidivierende Otitis media
Adenoide, allergische Rhinitis
Rezidivierende Meningitis
Neuroporus, Liquorfistel
Rezidivierende Harnwegsinfekte
Reflux, Fehlbildungen
8.2.2
8
4 4 4 4 4
Schwere kombinierte Immundefekte
»severe combined immunodeficiency« (SCID) schwere Reifungs- oder Funktionsstörung der T- und B-Zellen meist Beginn der schweren Infektionen im Säuglingsalter erforderliche Therapie: Stammzelltransplantation mehrere molekulare Defekte bekannt (IL2-Rezeptor-γ-Kette, JAK3, RAG-1 oder -2, Adenosindeaminase-Mangel etc.)
Klinik 4 lebensbedrohliches Krankheitsbild 4 beginnend ab dem 2.–3. Lebensmonat schwere Gedeihstörung mit rezidivierender Diarrhö 4 respiratorische Insuffizienz bei persistierenden viralen Infekten 4 Pneumocystis-jirovecii-Pneumonie 4 rezidivierende Sepsis 4 Candidiasis 4 »graft versus host disease« (GvHD) nach Gabe unbestrahlter Transfusion 4 GvHD durch maternale T-Zellen mit schwerer Dermatitis 4 fehlende Lymphknoten, fehlender Thymus
Diagnostik 4 im Blutbild Lymphopenie unter 1000/μl, häufig Eosinophilie 4 Durchflusszytometrie: fehlende T-Zellen mit oder ohne Nachweis von B-Zellen (B-positiver oder B-negativer SCID) 4 fehlendes IgA und IgM, IgG zunächst mütterlicher Herkunft (diaplazentar übertragen) im weiteren Verlauf abfallend 4 fehlende Impfantwort 4 Knochenmark: fehlende Plasmazellen
257 8.2 · Immundefekte
Differenzialdiagnose 4 andere Immundefekte (z. B mukokutane Candidiasis, DiGeorge-Sequenz) 4 HIV-Infektion 4 Gedeihstörung durch konnatale Diarrhö (z. B. Elektrolyt- oder Kohlenhydrat-Transporter Defekt)
Therapie 4 allogene Stammzelltransplantation idealerweise HLA-identisch und so früh wie möglich; auch haploidente Elternspende nach T-Zell-Depletion (Prognose schlechter) 4 meist intravenöse Immunglobulinsubstitution erforderlich 4 Prophylaxe gegen Pneumocystis jirovecii und Pilzinfektion 4 Transfusion nur CMV-negativer und bestrahlter Konserven 4 Gentherapie autologer Stammzellen im Einzelfall bereits erfolgreich durchgeführt 4 Lebendimpfungen kontraindiziert 4 bei Adenosindeaminase-Mangel Enzymsubstitution möglich
8.2.3
4 4 4 4
X-chromosomal vererbte Agammaglobulinämie
Bruton-Agammaglobulinämie Defekt der B-Zell-Tyrosinkinase (Btk) Stop der B-Zell-Reifung von Pro- zu Prä-B-Zelle im Knochenmark Fehlen von B-Zellen und von Immunglobulinen
Klinik 4 Symptome erst ab dem 2. Lebenshalbjahr, häufig sogar später, wegen der mütterlich übertragenen Immunglobuline 4 bakterielle Infektionen mit bekapselten Erregern (z. B. Pneumokokken, Staphylokokken, Haemophilus) 4 Mastoiditis, Pneumonie, Meningitis, Osteomyelitis, Sepsis 4 trotz Therapie mit Immunglobulinen und T-Zell-Kompetenz Echovirusinfektionen des ZNS mit ungünstiger Prognose 4 Autoimmunerkrankungen wie sterile Arthritis 4 ! Cave Auftreten von Bronchiektasen
Diagnostik 4 IgG (incl. aller Subklassen), IgA, IgM und IgE im Serum nicht nachweisbar 4 in den ersten Lebensmonaten mütterliche IgG nachweisbar 4 keine Impfantwort 4 ! Cave Antikörper-basierte Nachweise bei der Suche nach Infektionen nicht möglich 4 Tonsillen hypoplastisch 4 durchflusszytometrisch keine B-Zellen im Blut nachweisbar
8
Eigene Notizen
258
Kapitel 8 · Rheumatologie und Immunologie
Eigene Notizen
Therapie 4 gepoolte Immunglobulinpräparate, virusinaktiviert (meist durch Hitzebehandlung), Substitution intravenös alle 3–4 Wochen oder wöchentlich subkutan, lebenslange Substitution 4 Ziel: IgG-Spiegel in der unteren Altersnorm 4 prompte Antibiose bei bakteriellen Infektionen
8.2.4
Wiskott-Aldrich-Syndrom
4 Wiskott: Münchner Kinderarzt 4 Defekt im Wiskott-Aldrich-Syndrom-Protein (Funktion: Signaltransduktion, Aktinpolymerisierung) 4 Trias aus Thrombopenie, Ekzem, opportunistische Infektionen
Klinik
8
4 Petechien aufgrund der Thrombopenie 4 ernsthafte Blutungen in Abhängigkeit von der Thrombozytenzahl möglich 4 Otitis, Meningitis, Sepsis durch bekapselte Erreger 4 Ekzem wie bei atopischer Dermatitis 4 Autoimmunerkrankungen: Arthritis, hämolytische Anämie, Vaskulitis 4 Malignomrisiko deutlich erhöht
Diagnostik 4 4 4 4 4
Thrombozyten erniedrigt und von geringer Größe IgM vermindert, IgA häufig erhöht Impfantikörper und Isoagglutinine fehlen Lympho- und Neutropenie können auftreten molekulargenetischer Nachweis der Mutation
Differenzialdiagnose 4 atopisches Ekzem 4 Immunthrombozytopenie 4 Evans-Syndrom: Immunthrombozytopenie und hämolytische Anämie
Therapie 4 4 4 4 4
konsequente antiinfektiöse Therapie antibiotische Prophylaxe Immunglobulinsubstitution HLA-identische Stammzelltransplantation in über 90% erfolgreich bei bedrohlicher Blutung bestrahlte Thrombozytenkonzentrate verabreichen
259 8.2 · Immundefekte
8.2.5
Septische Granulomatose
4 »chronic granulomatous disease« (CGD) 4 X-chromosomal oder autosomal-rezessiv vererbt 4 4 molekulare Defekte bekannt: gp91-phox (X-chromosomal), p22-phox, p47-phox, p67-phox (autosomal-rezessiv) 4 Defekt der Sauerstoffradikalbildung verhindert intrazelluläres Abtöten von Keimen bei intakter Phagozytose 4 hohe Letalität
Klinik 4 rezidivierende bakterielle und Pilzinfektionen an der Haut, in der Lunge sowie in Lymphknoten, Milz und Leber 4 überschießende Entzündungsreaktion mit Granulombildung und Organfibrose 4 Granulome können Stenosen im Darm oder ableitenden Harnwegen verursachen 4 Erreger: Staphylokokken, Enterobacter, Burkholderia cepacia, Aspergillus, Actinomyceten 4 Wundheilung unter Ausbildung von Fisteln
Diagnostik 4 > Memo bei Granulombildung der Haut oder in Hohlorganen an CGD denken 4 Messung der Sauerstoffradikalbildung (durchflusszytometrischer Dihydroxyrhodamintest) 4 Molekulargenetik 4 pränatale Diagnose möglich
Therapie 4 antibiotische und antimykotische Dauerprophylaxe mit Cotrimoxazol und Itraconazol 4 konsequente antiinfektiöse Therapie 4 Interferon-γ-Therapie kontrovers beurteilt 4 Granulozytentransfusionen bei katastrophalen Infektionen 4 Einsatz von Kortikosteroiden bei Stenosesymptomatik durch Granulome 4 HLA-identische Stammzelltranplantation frühzeitig in Erwägung ziehen 4 Gentherapie derzeit im experimentellen Einsatz
8
Eigene Notizen
9 Tag 4
9 Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes und der Leber T. Wenzl
9.1
Ösophaguserkrankungen – 262
9.1.1 9.1.2 9.1.3 9.1.4 9.1.5
Ösophagusatresie – 262 Gastroösophagealer Reflux (GÖR) Hiatushernie – 264 Achalasie – 264 Ösophagitis – 264
9.2
Magenerkrankungen – 265
– 263
9.2.1 Infantile hypertrophe Pylorusstenose 9.2.2 Gastritis – 266
9.3
– 265
Pankreaserkrankungen – 266
9.3.1 Pankreatitis – 266 9.3.2 Exokrine Pankreasinsuffizienz
– 267
9.4
Darmerkrankungen – 268
9.4.1 9.4.2 9.4.3 9.4.4 9.4.5 9.4.6
Kongenitale Anomalien – 268 Zöliakie – 270 Laktosemalabsorption – 271 Chronisch entzündliche Darmerkrankungen Invagination – 276 Obstipation – 276
9.5
Erkrankungen der Leber und Gallenwege – 277
9.5.1 9.5.2 9.5.3 9.5.4 9.5.5 9.5.6 9.5.7
Hyperbilirubinämie – 277 Extrahepatische Gallengangatresie Virushepatitis – 279 Autoimmunhepatitis – 282 Leberzirrhose – 283 Morbus Wilson – 284 Akutes Leberversagen – 285
– 278
– 272
262
Kapitel 9 · Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes und der Leber
Eigene Notizen
9.1
Ösophaguserkrankungen
9.1.1
Ösophagusatresie
4 Häufigkeit ca. 1:4000 Lebendgeburten 5 meist sporadisch, Gendefekt auf 2p23-p24 5 Unterbrechung des Septierungsprozesses von Trachea und Ösophagus zwischen 22. und 26. Tag der Embryonalentwicklung 4 Einteilung nach Vogt 5 häufigste Form (ca. 85%): IIIb nach Vogt: proximaler Blindsack und distale tracheoösophageale Fistel 4 ca. 55% der Fälle mit begleitender Fehlbildung, am häufigsten kardiale ventrikuläre Septumdefekte 5 VATER-Syndrom: vertebrale, anorektale, tracheale, ösophageale (engl. esophageal) und renale Anomalien 5 VATERL-Syndrom: VATER + Extremitätenfehlbildung (limb) 5 VACTERL-Syndrom: VATERL + kardiale Fehlbildung (cardial) 4 präpartal: Fruchtwasser kann nicht geschluckt werden: Polyhydramnion
9
Klinik 4 keine Sondierbarkeit des Magens 4 kein Schlucken von Speichel oder Milch 5 Dilatation des oberen Blindsacks durch Speichel 5 Aspiration durch Überlaufen von Speichel in die Trachea bzw. direkte Aspiration über die distale tracheoösophageale Fistel 4 Husten und Würgen bei Fütterungsversuchen 4 Hochbringen von unverdauter Milch
Diagnostik 4 Versuch der Anlage einer Magensonde (Durchgängigkeit?) 4 Röntgenübersichtaufnahme des Thorax mit Abdomen (Umschlag der Sonde?) 4 > Memo distale Fistel führt zur Belüftung des Intestinaltraktes 4 Bronchoskopie/Tracheoskopie (Fistel?) 4 ! Cave Sonographie zum Ausschluss einer rechts deszendierender Aorta (Operationszugang!)
Therapie 4 4 4 4
»Schlürf-Sonde« im proximalen Stumpf Oberkörper-Hochlagerung antibiotische Therapie Operation 5 Fistelresektion und Ösophagus-Reanastomose (in der Regel am 1. Lebenstag) 5 bei Interpositionsoperation Überbrückung mit Gastrostomie 5 postoperative Relaxation und Nachbeatmung über 1–2 Tage
263 9.1 · Ösophaguserkrankungen
9.1.2
Gastroösophagealer Reflux (GÖR)
4 meist transiente Relaxation des unteren Ösophagus-Sphinkters 4 pathologisch erst durch assoziierte Symptome 4 Symptome ausgelöst durch Zusammensetzung des GÖR oder durch Bolus selbst 4 primärer GÖR: bei funktionellen oder anatomischen Störungen der ösophagogastralen Einheit, oder zur Druckentlastung des Magens (z. B. bei intestinaler Obstruktion, Pylorusstenose) 4 sekundärer GÖR: z. B. bei Gastroenteritis, Nahrungsmittelunverträglichkeiten, ZNS-Erkrankungen (z. B. Hirndruck) usw.
Klinik 4 Übergänge zwischen physiologischen und pathologischen Befunden fließend 4 Symptome verursacht durch Säure oder Volumenbolus 4 Erbrechen, Regurgitation 4 retrosternaler Schmerz, Sodbrennen → Dysphagie, Odynophagie, Nahrungsverweigerung 4 Ösophagitis 4 Barrett-Ösophagus: Defektheilung bei chronischer Refluxösophagitis 4 Mallory-Weiss-Syndrom: longitudinale ösophageale Schleimhauteinrisse 4 Boerhaave-Syndrom: Ösophagusruptur 4 kardiorespiratorische Symptome (Apnoen, Bradykardien): rezidivierende Aspirationen/Pneumonien 4 dentale Erosionen 4 Sandifer-Sutcliffe-Syndrom: dystone Bewegungsstörung bei saurem GÖR 4 BIRDY: »bolus induced reflux dystonia« bei nicht-saurem GÖR
Diagnostik 4 nach vermuteter Grundkrankheit 4 kombinierte 24-h-pH-Impedanzmessung zur Erfassung saurer und nichtsaurer GÖR (Anzahl, pH, Steighöhe, Dauer, Symptomassoziation?) 4 > Memo ggf. Funduskopie (Hirndruck?) 4 evtl. Ösophagogastroskopie mit Biopsien/Histologie (Ösophagitis?)
Therapie Stufentherapie des gastroösophagealen Refluxes Stufe 1
Beratung Angedickte Nahrung Verzicht auf Kuhmilcheiweiß
Stufe 2
Prokinetika (aktuell keine wirksamen zugelassen)
Stufe 3
Lagerung
Stufe 4
Protonenpumpeninhibitoren (PPI) H2-Rezeptor-Antagonisten Antazida Alginate Ggf. Kombinationstherapie
Stufe 5
Endoskopische oder chirurgische Antirefluxtherapie
9
Eigene Notizen
264
Kapitel 9 · Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes und der Leber
Eigene Notizen
9.1.3
Hiatushernie
4 Durchtritt von Magenanteilen durch den Hiatus des Zwerchfells 4 Sonderform der Zwerchfellhernie 4 meist axial (90%), seltener paraösophageal
Klinik 4 GÖR, Sodbrennen, Refluxösophagitis
Diagnostik 4 Röntgenkontrast-Darstellung (Hernie?) 4 Ösophagogastroskopie (Hernie, Kardia, ektope Schleimhaut?)
Therapie 4 medikamentöse Therapie des GÖR 4 Fundoplicatio 4 Gastropexie
9
9.1.4
Achalasie
4 Störung der Ösophagusmotilität mit unzureichender reflektorischer Relaxation des unteren Ösophagussphinkters bei der Boluspassage und Erhöhung des basalen Sphinkterdruckes 4 Degeneration der Nervenzellen des Plexus myentericus 4 primäre Ursache ungeklärt (Autoimmunerkrankung?)
Klinik 4 Dysphagie 4 GÖR 4 retrosternaler Schmerz
Diagnostik 4 Manometrie (Druckerhöhung?) 4 Röntgenkontrast-Darstellung (Dilatation des Ösophagus?) 4 Ösophagogastroskopie mit Biopsien/Histologie
Therapie 4 4 4 4
pharmakologische Therapie wenig effektiv endoskopische Bougierung ! Cave Rezidive (laparoskopische) Myotomie nach Heller endoskopische Botulinumtoxin-Injektion in den Ösophagussphinkter
9.1.5
Ösophagitis
4 zahlreiche Ursachen: z. B. chemisch (saurer GÖR, Ingestion), infektiös (Candida, Herpes simplex), thermisch (Ingestion), eosinophil
265 9.2 · Magenerkrankungen
Klinik
Eigene Notizen
4 bei Refluxösophagitis (7 Kap. 9.1.2) 4 retrosternaler Schmerz 5 Sodbrennen 5 Dysphagie/Odynophagie 4 evtl. Regurgitation/Erbrechen 5 evtl. Hämatemesis
Diagnostik 4 4 4 4
9
Ösophagogastroskopie mit Biopsien/Histologie (Barrett?) kombinierte 24-h-pH-Impedanzmessung (Reflux?) ggf. mikrobiologische Untersuchungen (Candida, CMV?) ggf. Allergiediagnostik (eosinophile Ösophagitis?)
Therapie 4 bei Refluxösophagitis (7 Kap. 9.1.2) 4 bei chemischer/thermischer Schädigung: evtl. endoskopische Dilatation 4 ggf. antimikrobielle Therapie 4 ggf. Allergenkarenz
9.2
Magenerkrankungen
9.2.1
Infantile hypertrophe Pylorusstenose
4 Hypertrophie der Pylorusmuskulatur mit Stenose 4 Häufigkeit 1:300–400, Knaben häufiger als Mädchen
Klinik 4 Auftreten typischerweise in der 4.–7. Lebenswoche 4 nicht-galliges schwallartiges Erbrechen, meist kurz nach der Mahlzeit 5 sichtbare peristaltische Wellen des Magens 5 fehlende Gewichtszunahme 4 Elektrolytentgleisung (Hypokaliämie), hypochlorämische Alkalose
Diagnostik 4 Laborwerte: Elektrolytentgleisung, Hypoglykämie, Blutgasanalyse (Alkalose) 4 Sonographie: Pylorusmuskulatur Länge >18 mm, Querschnitt >13 mm, Wanddicke >4 mm; Beachtung der »passierenden« Flüssigkeitsmenge 4 radiologische obere Magen-Darm-Passage meist nicht notwendig
Therapie 4 Nahrungskarenz 4 parenterale Ernährung mit Ausgleich der Elektrolyte 4 häufig chirurgisch: Pyloromyotomie nach Weber-Ramstedt: Längsspaltung der Pylorusmuskulatur ohne Eröffnung der Mukosa
266
Kapitel 9 · Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes und der Leber
Eigene Notizen
9.2.2
Gastritis
4 zahlreiche Ursachen: z. B. infektiös (Helicobacter pylori [Hp]), chemisch-toxisch (Rauchen, Alkohol, Medikamente), immunologisch (eosinophile Gastritis), stressinduziert, Gastritis bei M. Crohn, ZollingerEllison-Syndrom (gastrinproduzierender Tumor) 4 akut oder chronisch 4 Erosionen und Ulzera durch Einwirkung von Magensäure 4 gelegentlich Schleimhautatrophie/intestinale Metaplasie
Klinik 4 4 4 4
kann asymptomatisch sein > Memo die meisten Hp-infizierten Kinder sind beschwerdefrei epigastrische Bauchschmerzen, Übelkeit ! Cave signifikante Blutungen möglich
Diagnostik
9
4 Laborwerte: Eisenmangelanämie? 4 13C-Harnstoff Atemtest (Helicobacter pylori?) 4 ! Cave Serum-, Urin-, Speichel-Tests auf Hp sind unzuverlässig 4 Ösophagogastroduodenoskopie (»Gänsehautmagen«?) mit Biopsien/ Histologie (Entzündung?) 4 mikrobiologische Diagnostik, ggf. Hp-Resistenzbestimmung
Therapie 4 4 4 4
abhängig von Ätiologie auslösende Noxen meiden medikamentöse Therapie: Protonenpumpeninhibitoren (PPI) 1. Wahl > Memo ggf. Stressulkusprophylaxe mit H2-Rezeptor-Antagonisten oder PPI 4 Hp-Infektion: Eradikation mittels Triple-Therapie (Amoxicillin, Clarithromycin, Omeprazol) für 1 Woche 4 ! Cave Hp-(Doppel-)Resistenzen beachten, ggf. Resistenztestung
9.3
Pankreaserkrankungen
9.3.1
Pankreatitis
4 Pathogenese: Ungleichgewicht von Proteasen und ihren Inhibitoren: Autodigestion 4 zahlreiche Ursachen: hereditär, systemische Erkrankungen (z. B. zystische Fibrose, Sepsis), anatomische Anomalien/Gallensteine, infektiös (z. B. EBV, Salmonellen), toxisch (Medikamente, Alkohol), traumatisch, idiopathisch 4 akut oder chronisch 4 hereditär oder erworben
267 9.3 · Pankreaserkrankungen
Klinik
Eigene Notizen
4 4 4 4 4
akuter Oberbauchschmerz mit Ausstrahlung in den Rücken abdomineller Druckschmerz, akutes Abdomen Übelkeit, Erbrechen Kreislaufschock bei hämorrhagischer Pankreatitis evtl. Hauteinblutungen (Ekchymosen) um den Bauchnabel oder im Flankenbereich 4 bei chronischer Pankreatitis evtl. exokrine/endokrine Insuffizienz
Diagnostik 4 Laborwerte: u. a. Lipase, CRP (jeweils erhöht), Elektrolytentgleisung 4 Zeichen der Maldigestion 4 Sonographie: vergrößertes, echoarmes Organ, evtl. mit Fettgewebenekrosen 4 ggf. Computertomographie (CT)/Magnetresonanztomographie (MRT) 4 evtl. endoskopische retrograde Cholangio-Pankreatikographie (ERCP)/ MRCP (Magnetresonanz-CP) bei chronisch-rezidivierender Pankreatitis (Ganganomalien?) 4 genetische Untersuchung (PRSS1/SPINK1-Mutationen)
Therapie 4 bei akuter Pankreatitis: stationäre Aufnahme, Analgesie, Volumen, Antibiotika 4 > Memo Nahrungskarenz nicht effektiv, »Pankreas-Diät« obsolet 4 Noxen meiden (Alkohol) 4 Therapie der exokrinen/endokrinen Pankreasinsuffizienz 4 Therapie der Grundkrankheit
9.3.2
Exokrine Pankreasinsuffizienz
4 > Memo Symptome der Maldigestion erst bei einer Minderung der Sekretionsleistung <10% der Norm 4 zahlreiche Ursachen: Pankreatitis (7 Kap. 9.3.1), CF, sekundär bei Dünndarmerkrankungen und Gallesekretionsstörungen, angeborene Fehlbildungen, seltene Syndrome (Shwachman-Diamond-Syndrom, PearsonSyndrom, Johanson-Blizzard-Syndrom), seltene isolierte kongenitale Enzymdefekte, Trauma, Tumoren
Klinik 4 4 4 4
9
(Protein-)Maldigestion Steatorrhö: voluminöse, fettglänzende, übelriechende Stühle Ödeme Gedeihstörung, Dystrophie, Pubertätsverzögerung, Leistungsminderung: Vitaminmangel-Symptome
268
Kapitel 9 · Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes und der Leber
Eigene Notizen
Diagnostik 4 Laborwerte: Blutbild, Albumin erniedrigt, Amylase, Lipase jeweils erhöht, fettlösliche Vitamine erniedrigt 4 Schweißtest (Chlorid im Schweiß erhöht) 4 Sonographie (inhomogene Echostruktur, Organgröße?) 4 CT/MRT 4 ggf. ERCP (Ganganomalien?) 4 Stuhlfettbestimmung (erhöht?) 4 fäkale Elastase, fäkale Chymotrypsinaktivität (jeweils erniedrigt?)
Therapie 4 symptomatisch 4 Enzymsubstitution (Lipase) 4 Behandlung der Grundkrankheit
9
9.4
Darmerkrankungen
9.4.1
Kongenitale Anomalien
Duodenalatresie
4 Hemmungsfehlbildung proximal oder distal der Papilla Vateri 4 20% mit Pancreas anulare 4 Diagnose wird meist bereits präpartal gestellt: Polyhydramnion, weit gestellte, flüssigkeitsgefüllte Darmschlingen. Impliziert den Ausschluss von Chromosomen-Anomalien, Herzfehlbildung und Fehlbildung der Harnwege
Klinik 4 meist galliges Erbrechen 4 Vorwölbung des Ober- und eingefallener Unterbauch (Kahnbauch) 4 Mekoniumabgang meist zeitgerecht
Diagnostik 4 Röntgenübersicht des Abdomens im Hängen (Double-bubble-Phänomen?) 4 Sonographie (Ausschluss von Fehlbildungen) 4 > Memo Differenzialdiagnose Volvulus/Malrotation
Therapie 4 chirurgisch mit Duodenoduodenostomie 4 ! Cave membranöse Atresie mit Einschluss von Ductus choledochus/ pancreaticus
269 9.4 · Darmerkrankungen
Atresie von Jejunum und Ileum Einteilung der Atresien von Jejunum und Ileum Typ 1
Solitäre Atresie mit intraluminalem Diaphragma
Typ 2
Solitäre Atresie mit narbigem Strang
Typ 3
Solitäre Atresie mit Mesenteriallücke (Sonderform »Apple-peel«-Syndrom)
Typ 4
Multiple Atresien
4 meist mit Polyhydramnion, Begleitfehlbildungen selten
Klinik 4 galliges Erbrechen 4 distendiertes Abdomen 4 > Memo je höher die Atresie, desto eher galliges Erbrechen und desto geringer die Abdominaldistension 4 hochgestellte Darmgeräusche 4 verzögerter Mekoniumabgang
Diagnostik 4 Röntgenübersicht des Abdomens im Hängen: mehrere Spiegel im Oberbauch, gasleerer Unterbauch 4 Differenzialdiagnose Volvulus/Mekoniumileus/langstreckiger M. Hirschsprung
Therapie 4 Ausgleich des Flüssigkeit- und Elektrolyhaushaltes 4 chirurgische Korrektur der Dünndarmatresie mit Primäranastomose, evtl. passagere Enterostomie Meckel-Divertikel
4 Rudiment des Ductus omphaloentericus 4 Inzidenz ca. 2%, meist Zufallsbefund 4 meist 40–80 cm proximal der Bauhin-Klappe
Klinik 4 meist asymptomatisch 4 rezidivierende Bauchschmerzen 4 intestinale Blutung oder Obstruktion 5 profuse Blutauflagerungen im Stuhl, meist durch peptische Ulzerationen aufgrund dystoper Magenschleimhaut
Diagnostik 4 szintigraphischer Nachweis dystoper Magenschleimhaut 4 Laparoskopie
9
Eigene Notizen
270
Kapitel 9 · Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes und der Leber
Eigene Notizen
Therapie 4 chirurgische (laparoskopische) Resektion
9.4.2
9
Zöliakie
4 nichtinfektiöse, autoimmune Entzündung der Dünndarmschleimhaut, die durch alkohollösliche Proteinanteile (Prolamine) von Weizen (Gliadin aus Gluten), Roggen, Gerste und Hafer ausgelöst und unterhalten wird 4 komplexe, chronische, reversible Immunreaktion, solange die toxischen Produkte der Nahrung nicht entzogen werden 4 synonym: glutensensitive Enteropathie, heimische Sprue 4 diätetisch zuverlässig und nebenwirkungsfrei behandelbare Erkrankung 4 Prävalenz ca. 1:200, häufigste Malabsorptionserkrankung im Kindesalter, hohe »Dunkelziffer« 4 genetische Disposition (HLA-DQ2 und HLA-DQ8) 4 assoziierte Erkrankungen: IgA-Mangel, Diabetes mellitus Typ 1, TurnerSyndrom, Down-Syndrom, Autoimmunthyreoiditis, rheumatische Erkrankungen
Klinik 4 Zeichen der Malabsorption: Gedeihstörung, Gewichtsabnahme, Kleinwuchs 5 sekundäre Laktosemalabsorption (7 Kap. 9.4.3) 5 sog. »Tabakbeutelgesäß«, vermindertes subkutanes Fettgewebe 5 Muskelhypotonie, Müdigkeit 5 Eisenmangelanämie 5 verzögerte Pubertät, Infertilität 5 Zahnschmelzdefekte 4 Bauchschmerz, ausladendes Abdomen 4 chronische Diarrhö, Erbrechen, Appetitlosigkeit, Obstipation (bei 10% der Patienten) 4 Verhaltensauffälligkeiten, Misslaunigkeit, neuropsychiatrische Symptome, Konzentrationsschwäche, Müdigkeit 4 Hepatopathie 4 extraintestinaler Organbefall 4 bei Kindern selten: Dermatitis herpetiformis Duhring 4 silenter, mono- oder oligosymptomatischer Verlauf möglich
Diagnostik 4 Anamnese/klinische Untersuchung: Zeitpunkt der Einführung prolaminhaltiger Nahrungsprodukte, Gewichts-/Längenentwicklung, »Abweichen« von der Perzentile 4 Labor incl. Eisenstatus (Eisenmangel), Leberwerte (erhöht), Gesamt-IgA 4 Zöliakie-Serologie: Anti-Gliadin-Antikörper, Anti-Endomysium-Antikörper, Anti-Gewebetransglutaminase-Antikörper, IgG und IgA; regel-
271 9.4 · Darmerkrankungen
mäßig durchzuführen (Screening) auch bei Diabetes mellitus Typ 1, M. Down etc. ! Cave bei IgA-Mangel kann die Serologie falsch-negativ sein 4 Ösophagogastroduodenoskopie mit Biopsien/Lupenmikroskopie (Schleimhautatrophie)/Histologie, Durchführung bei zöliakieverdächtigen Symptomen auch bei negativer Serologie 4 ! Cave Biopsie/Histologie nur unter Glutenbelastung, sonst uneindeutiger oder falsch-negativer Befund möglich 4 Histologie: Einteilung nach Marsh (. Tab.) incl. Quantifizierung der intraepitheliealen Lymphozyten (IEL, Norm <20/100 Epithelzellen) Histologische Einteilung nach Marsh Typ 0
Präinfiltrativer Typ, Normalbefund
Typ 1
Infiltrativer Typ
Typ 2
Hyperplastischer Typ
Typ 3
Destruktiver Typ
4 bei »unspezifischer Duodenitis« sollte eine Zöliakie hinterfragt werden 4 > Memo keine Korrelation zwischen Symptomatik und Schleimhautschaden 4 Normalisierung von Serologie und Symptomatik unter Therapie 4 ! Cave keine Behandlung mit glutenfreier Diät ex juvantibus, d. h. ohne Durchführung von Serologie und Histologie 4 Kontrollbiopsie/Glutenbelastung nur bei Zweifel an der Diagnose
Therapie 4 lebenslange strikte glutenfreie Diät > Memo nur bei gesicherter Diagnose! 5 Ernährungsberatung 5 Kenntnis über (auch »versteckten) Glutengehalt aller Produkte (z. B. auch Zahncreme, Pflegeprodukte) 4 klinische Kontrolle von Wachstum und Entwicklung 4 Serologie als Compliance-Parameter jährlich im Verlauf
9.4.3
Laktosemalabsorption
4 Laktase (Enzym des duodenalen Bürstensaums) spaltet Laktose in Glukose und Galaktose 4 primär (adulte Hypolaktasie) oder sekundär (z. B. bei unbehandelter Zöliakie) 4 ! Cave nicht zu verwechseln mit kongenitalem Laktasemangel (lebensbedrohliche Symptomatik nach Beginn des Stillens, schwere Diarrhö, Dehydration, Azidose)
9
Eigene Notizen
272
Kapitel 9 · Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes und der Leber
Eigene Notizen
Klinik 4 Bauchschmerzen 4 Meteorismus 4 Diarrhö
Diagnostik 4 Ernährungsanamnese 4 H2-Atemtest (bei der bakteriellen Fermentation von Kohlenhydraten in Darm entstehendes H2 wird in der Ausatemluft gemessen: erhöht?), sensitivster Parameter zur Erfassung einer Laktosemalabsorption
Therapie 4 laktosearme Diät: Reduktion der Laktosezufuhr bis zur Symptomfreiheit 4 Ernährungsberatung 4 Kalziumsubstitution 4 evtl. Laktasepräparate
9
9.4.4
Chronisch entzündliche Darmerkrankungen
4 idiopathische entzündliche Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes, chronisch rezidivierender Verlauf Morbus Crohn
4 kann den ganzen Gastrointestinaltrakt (»mouth to anus«) betreffen, überwiegend jedoch den distalen Dünndarm (Ileitis terminalis) und proximalen Dickdarm 4 Inzidenz und Prävalenz zunehmend, ca. 2–5 pädiatrische Patienten/ 100.000 Einwohner, ca. 130 Erwachsene/100.000 Einwohner 4 30% klinische Manifestation vor dem 18. Lebensjahr 4 Ätiologie nicht vollständig geklärt, multifaktoriell: genetische Komponente, Umweltfaktoren, Infektionen führen zu einer inadäquaten und anhaltenden Aktivierung des intestinalen Immunsystems und spezifischer und unspezifischer Entzündungskaskaden 4 Prognose abhängig von frühzeitiger Diagnosestellung, raschem Erreichen der anhaltenden Remission und Komplikationen
Klinik 4 Fieber 4 intestinal 5 (chronische) Bauchschmerzen 5 Gewichtsverlust, Wachstumsstillstand 5 (chronische) Diarrhö, selten blutig 5 aphthöse Ulzerationen, Stomatitis, Gingivitis J Cheilitis granulomatosa 5 perianale Hautveränderungen: Abszesse, Fissuren, Fisteln 5 Dysphagie/Odynophagie bei ösophagealer Beteiligung
273 9.4 · Darmerkrankungen
5 typischerweise diskontinuierliche Verteilung der entzündlichen Veränderungen 4 extraintestinal 5 extraintestinale Symptome bei >40% der Patienten, gehen der intestinalen Symptomatik gelegentlich um Jahre voraus 5 Arthritis/Arthralgien 5 Erythema nodosum/Pyoderma gangraenosum, v. a. der Unterschenkel 5 Uveitis/Retinitis 5 Wachstumsverzögerung, verzögerte Pubertät 5 Osteoporose 5 Cholezystolithiasis 5 Pankreatitis 5 selten primär sklerosierende Cholangitis
Diagnostik 4 Laborwerte: Blutbild (Anämie, Leukozytose, Thrombozytose), erhöhte Entzündungszeichen (CRP, BSG), Hypoalbuminämie, Leber-/Nieren-/ Pankreaswerte, Gerinnung 4 mikrobiologische Stuhldiagnostik (Yersinien, Lamblien?) 4 fäkales Calprotectin/Lactoferrin (jeweils erhöht) 4 Sonographie (verdickte Darmwände, Lymphknoten, freie Flüssigkeit) 4 Ileokoloskopie mit Stufenbiopsien/Histologie: tiefe Ulzerationen, Pflastersteinrelief (Fissuren und Ulzerationen zwischen intakter Mukosa), Strikturen, Abszesse, Fissuren, Fisteln, ileale Beteiligung, transmurale Entzündung, epitheloidzellige Granulome (in ca. 50% nachweisbar); ! Cave Differenzialdiagnose: intestinale Tuberkulose, Yersiniose 4 Ösophagogastroduodenoskopie mit Stufenbiopsien/Histologie 4 Röntgen-Doppelkontrast-Untersuchung nach Sellink, oder besser: Doppelkontrast-MRT, ggf. Abdomen-CT bei Abszessverdacht 4 Aktivitätsindizes zur objektiveren Bestimmung der Krankheitsaktivität, auch im Verlauf, insbesondere PCDAI (»Pediatric Crohns Disease Activity Index«), zusammengesetzt aus klinischer Symptomatik, Laborbefunden, körperlichem Untersuchungsbefund und extraintestinalen Manifestationen 4 Röntgen linke Hand: Knochenalter? 4 augenärztliche Untersuchung (Iritis/Uveitis?) Colitis ulcerosa
4 meist kontinuierlicher Befall des unteren Gastrointestinaltraktes von distal, variable Ausdehnung 4 Verhältnis M. Crohn zu Colitis ulcerosa ca: 2–3:1 4 Ätiologie nicht vollständig geklärt, multifaktoriell (s. oben) 4 Prognose abhängig von frühzeitiger Diagnosestellung, raschem Erreichen der anhaltenden Remission und Komplikationen 4 Klinik
9
Eigene Notizen
274
Kapitel 9 · Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes und der Leber
Eigene Notizen
4 körperlicher Untersuchungsbefund seltener auffällig als bei M. Crohn, Symptomatik aber dann oft typischer, daher diagnostische Latenz oft kürzer als bei M. Crohn 4 häufig (>90%) blutige chronische Diarrhö 4 Leistungsknick 4 Gewichtsverlust 4 seltener Bauchschmerzen (Warnsignal: umschriebene Lokalisation)/Tenesmen 4 ausnahmsweise Fieber und perianale Läsionen 4 selten extraintestinale Manifestationen (s. oben), z. B. Augenbeteiligung bei <1%, dennoch regelmäßige ophthalmologische Kontrolle 4 primär sklerosierende Cholangitis (PSC) häufiger als bei M. Crohn, gelegentlich als sog. Overlap-Syndrom mit Autoimmunhepatitis, PSC und Colitis ulcerosa 4 Pankreatitis 4 fast nie Manifestationen im orofazialen Bereich 4 langfristig erhöhtes Risiko für ein kolorektales Karzinom
Diagnostik
9
4 Laborwerte: Blutbild (Anämie, Leukozytose, Thrombozytose), erhöhte Entzündungszeichen (CRP, BSG), Hypoalbuminämie, Leber-/Nieren-/ Pankreaswerte, Gerinnung 4 mikrobiologische Stuhldiagnostik (Yersinien, Lamblien?) 4 fäkales Calprotectin/Lactoferrin (jeweils erhöht) 4 Sonographie (verdickte Darmwände, Lymphknoten, freie Flüssigkeit) 4 Ileokoloskopie mit Stufenbiopsien/Histologie: kontinuierliches Verteilungsmuster von distal, verletzliche Schleimhaut, häufig entzündliche Pseudopolypen, Kryptenabszesse, auf Mukosa beschränkte Entzündung (69% Pankolitis, 7% subtotale Kolitis, 24% Linksseitenkolitis), evtl. »Backwash-Ileitis« (3%) 4 ggf. Ösophagogastroduodenoskopie mit Stufenbiopsien/Histologie 4 evtl. Röntgen-Doppelkontrast-Untersuchung nach Sellink, oder besser: Doppelkontrast-MRT, ggf. Abdomen-CT bei Abszess-Verdacht 4 Aktivitätsindizes zur objektiveren Bestimmung der Krankheitsaktivität, auch im Verlauf, insbesondere PUCAI (»Pediatric Ulcerative Colitis Activity Index«), zusammengesetzt aus klinischer Symptomatik, Laborbefunden, körperlichem Untersuchungsbefund und extraintestinalen Manifestationen 4 Röntgen linke Hand: Knochenalter?
Therapie chronisch-entzündlicher Darmerkankungen 4 Therapieziele: Remissions-Induktion/Remissionserhalt/altersentsprechende somatische und psychosoziale Entwicklung/ungestörte Schulund Berufsausbildung 4 individuelle Therapie unter Berücksichtigung von Befallmuster, Krankheitsaktivität und Alter 5 Ausgleich der chronischen Malnutrition (M. Crohn) 5 Minimierung von Nebenwirkungen, Lebensqualität
275 9.4 · Darmerkrankungen
5 begleitende psychosoziale Therapie sinnvoll 4 Stufen-/Kombinationstherapie 5 Aminosalizylate (Sulfasalazin, Mesalazin) J topisch oder systemisch 5 Glukokortikoide J Prednison/Prednisolon systemisch, nur zur Behandlung der akuten Entzündung, nicht zum Remissionserhalt bzw. zur Dauertherapie J oder Budenosid; bei distalem Befall auch topische Steroide als Klysmen oder Rektalschaum (Colitis ulcerosa) 5 Ernährungstherapie J ausschließliche enterale Ernährungstherapie mit bilanzierter Trinknahrung über 6–8 Wochen, gleiche Rate der Remissionsinduktion wie Steroide bei deutlich weniger Nebenwirkungen J primärer Einsatz bei Erstmanifestation mit mildem, moderatem Befall v. a. der Ileozökalregion (M. Crohn) J Effekt bei Colitis ulcerosa nicht ausreichend belegt, als Nahrungsergänzung im Einzelfall sinnvoll 5 Immunsuppressiva J Azathioprin/6-Mercaptopurin (Purinanaloga), v. a. bei schwerem Verlauf, zunehmend auch früh im Erkrankungsverlauf eingesetzt, Wirkungseintritt erst nach mehreren Wochen bis Monaten, regelmäßige Verlaufskontrollen aufgrund der Nebenwirkungen (toxische Knochenmarksuppression, Hepatopathie, akute Pankreatitis); ! Cave TPMT (Thiopurin-Methyltransferase)-Aktivität, falls erniedrigt, verminderter Abbau von Purinanaloga und damit erhöhte Nebenwirkungsrate J Methotrexat (Folsäureantagonist), unter Folsäuresubstitution J Cyclosporin A (Calcineurininhibitor), zur immunsuppressiven Therapieeskalation; bei schwerem therapierefrakrären Verlauf und zur Überbrückung des Zeitraums zwischen Therapiebeginn mit Azathioprin und dem Einsetzen dessen Wirksamkeit J Infliximab (chimärer Tumornekrosefaktor (TNF)-α-Antikörper), bei therapierefraktärem, steroiddependenten oder steroidresistenten Verlauf bei M. Crohn, auch zum Remissionserhalt geeignet, bei Komedikation mit Azathioprin wird ein erhöhtes Lymphomrisiko vermutet. Positiver Effekt wird auch bei Colitis ulcerosa erwartet, ist aber nicht durch größere prospektive Studien belegt, bisher keine Zulassung im Kindesalter J Adalimumab (humaner TNF-α-Antikörper), bisher im Kindesalter nicht zugelassen, einzelne positive Erfahrungsberichte, bisher keine kontrollierten Studien bei Kindern J zahlreiche neue sog. Biologicals in der klinischen Erprobung 5 Antibiotika (Metronidazol, Ciprofloxazin) J je nach Symptomatik und entzündlicher Aktivität; Wirksamkeit auf die primäre Krankheitsaktivität nicht nachgewiesen 5 chirurgische Therapie J erhebliches Rezidivrisiko auch nach primär erfolgreicher chirurgischer Therapie bei M. Crohn
9
Eigene Notizen
276
Kapitel 9 · Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes und der Leber
J bei Komplikationen (Fisteln, Abszesse, Strikturen) im Einzelfall indiziert J im Gegensatz zum M. Crohn ist eine Teil-, subtotale oder totale Kolektomie bei Colitis ulcerosa gelegentlich sehr erfolgreich und im Sinne der Krankheitsaktivität kurativ J bei erfolgloser, maximaler medikamentöser Therapie oder unstillbarer Blutung; auch, meist im Erwachsenenalter, in Anbetracht des Karzinomrisikos zu erwägen J meist Proktomukosektomie und Anlage eines ileoanalen Pouches mit Erhalt der Kontinuität des Gastrointestinaltraktes und der Kontinenz ! Cave Pouchitis
Eigene Notizen
9.4.5
9
Invagination
4 »Einstülpung eines Darmabschnittes in sich selbst«, meist ileozökal (90%) 4 meist im Alter zwischen 4. Lebensmonat und 4. Lebensjahr, aber in jedem Alter möglich 4 zahlreiche Ursachen: infektiöse Enteritis, mesenteriale Lymphknoten (als Führungspunkt), intestinale Polypen (häufige Erstmanifestation) oder Duplikaturen, Meckel-Divertikel, Tumoren
Klinik 4 4 4 4 4 4
akut einsetzende kolikartige Schmerzen Würgen, Erbrechen Absetzen von blutigem Schleim tastbare »Walze« im rechten Unterbauch akutes Abdomen, Ileussymptomatik Kreislaufschock
Diagnostik 4 Sonographie: Kokarde im Transversalschnitt, mesenteriale Lymphknoten, Darmwandverdickung 4 Röntgen-Abdomenübersicht: Ileuszeichen
Therapie 4 hydrostatische Reposition mit wasserlöslichem Kontrastmittel unter sonographischer Kontrolle ! Cave Perforationsgefahr 4 ggf. chirurgische Therapie
9.4.6
Obstipation
4 Prävalenz bei Kindern bis zu 35% 4 chronische Obstipation bei Symptomatik >3 Monate 4 bei 90% der Kinder ohne organische Ursache (habituelle Obstipation)
277 9.5 · Erkrankungen der Leber und Gallenwege
Klinik
9
Eigene Notizen
4 seltener Stuhlgang 5 »Pressen« bei der Defäkation 5 harter und/oder großvolumiger Stuhl 5 ! Cave paradoxe Diarrhö 5 Defäkationsschmerz, Analfissuren 5 Stuhleinhaltemanöver 5 Stuhlschmieren/sekundäre Enkopresis 4 abdominelle Distension, tastbare Skybala 4 chronisch rezidivierende Bauchschmerzen 4 gelegentlich bis zum Ileus/akuten Abdomen
Diagnostik 4 Anamnese: Symptombeginn, Mekoniumabgang, Sauberkeitserziehung, Enkopresis, Enuresis 4 klinische Untersuchung > Memo rektal-digitale und neurologische Untersuchung obligat 5 Ernährungs-, Stuhl- und Beschwerdeprotokoll (Schmerzen, Blutund Schleimbeimengungen, Form/Farbe/Geruch des Stuhls) 4 Laborwerte: incl. Schilddrüsenparameter (TSH erhöht?), Zöliakie-Serologie mit Gesamt-IgA 4 Schweißtest 4 Sonographie des Abdomens 4 evtl. Röntgen Abdomen-Übersicht (Stuhl/Luft-Verteilung?) 4 evtl. Kolon-Kontrasteinlauf (Megakolon) 4 bei Verdacht auf M. Hirschsprung: Rektumbiopsie (Aganglionose?)
Therapie 4 Aufklärung (»Teufelskreis«), Erlernen eines normalen Defäkationsrhythmus, Ausnutzung des gastrokolischen Reflexes 4 Ernährungsberatung (optimierte Mischkost, ausreichend Flüssigkeit, Ballaststoffe) 4 initiale Desimpaktation, ggf. in Sedierung 4 Dauerbehandlung zur Vermeidung erneuter Stuhlakkumulation (Polyethylenglykol, Laktulose), möglichst ohne regelmäßige anale Irritationen 4 ! Cave Meteorismus als Nebenwirkung der osmotischen Laxanzien 4 Hautpflege bei Analfissuren, evtl. mit lokalanästhetischer Creme 4 ggf. Behandlung der Grundkrankheit
9.5
Erkrankungen der Leber und Gallenwege
9.5.1
Hyperbilirubinämie
4 Erhöhung der Bilirubinkonzentration im Blut 4 nach Konjugation des indirekten Bilirubins im RES der Hepatozyten Bilirubinfreisetzung in konjugierter (direktes Bilirubin) Form in die Galle
278
Kapitel 9 · Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes und der Leber
Eigene Notizen
4 Ursachen der indirekten Hyperbilirubinämie: Neugeborenen-Hyperbilirubinämie, Hämolyse, Rhabdomyolyse, Hepatitis (7 Kap. 9.5.3), Leberzirrhose (7 Kap. 9.5.5), Cholangitis, Salmonellose, Intoxikation, Gilbert-Syndrom, Crigler-Najjar-Syndrom, Dubin-Johnson-Syndrom 4 Ursachen der direkten Hyperbilirubinämie: Cholestase, Cholelithiasis, Pankreatitis (7 Kap. 9.3.1), Gallengangatresie
Klinik 4 4 4 4
Ikterus Pruritus entfärbter Stuhl dunkel gefärbter Urin
Diagnostik 4 Bestimmung von Gesamtbilirubin, indirektem und direktem Bilirubin
Therapie 4 Behandlung der Grundkrankheit
9
9.5.2
Extrahepatische Gallengangatresie
4 konnataler Verschluss außerhalb der Leber gelegener Abschnitte des Gallengangsystems 4 selten, Inzidenz ca. 1:18.000 Neugeborene 4 Ätiologie unbekannt
Klinik 4 4 4 4 4 4
Ikterus (Icterus prolongatus?) entfärbter (acholischer) Stuhl dunkler, bzw. gefärbter Urin > Memo Neugeborene Hepatomegalie im Verlauf Splenomegalie und Aszites (portale Hypertension) Juckreiz
Diagnostik 4 > Memo Diagnose muss innerhalb der ersten 6 Lebenswochen gestellt werden, um eine irreversible Schädigung der Leber zu vermeiden 4 Laborwerte: Bilirubin (Gesamt-, direkt und indirekt, jeweils erhöht, Anteil des direkten Bilirubins deutlich erhöht), Blutbild, Leberwerte, Gallensäuren, alkalische Phosphatase 4 Nüchtern-Sonographie der Leber- und Gallewege (Gallenblase darstellbar? Echogenität erhöht?) 4 ggf. hepatobiliäre Sequenzszintigraphie (Exkretion von Galle in den Darm?) 4 ggf. ERCP (endoskopische retrograde Cholangiopankreatikographie), MRCP (Darstellung der Gallewege) 4 Leberbiopsie mit Histologie
279 9.5 · Erkrankungen der Leber und Gallenwege
Therapie 4 operativ: Hepatoporto-Enterostomie nach Kasai (Wiederherstellung des Galleflusses durch seitliche Verbindung einer Darmschlinge mit der offenen Leberpforte) 4 evtl. Ursodesoxycholsäure (kann den Gallefluss verbessern) 4 Therapie des chologenen Pruritus 5 evtl. Enzyminduktion (Phenobarbital, Rifampicin) 5 evtl. intestinale Gallebinder (Colestyramin) 4 Lebertransplantation (bei verspäteter Diagnose, primärem Versagen der Kasai-Operation oder bei zunehmender Leberzirrhose)
9.5.3
Virushepatitis
Hepatitis A
4 RNA-Virus 4 endemisch in Ländern mit niedrigem sozioökonomischen Status, Durchseuchung bei Erwachsenen hier bis zu 100% 4 in westlichen Industrieländern eher Erkrankung des Erwachsenenalters, typische Reisekrankheit, Prävalenz bei Kindern <10% 4 Übertragung in der Regel fäkal-oral durch kontaminiertes Wasser, verunreinigte Lebensmittel oder direkten Kontakt mit Infizierten 4 Inkubationszeit 2–7 Wochen
Klinik 4 häufig asymptomatisch, keine Chronifizierung, keine dauerhaften Leberschäden 4 uncharakteristisch: Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Bauchschmerzen 4 Ikterus, Fieber, Müdigkeit 4 Dauer meist 2–4 Wochen, selbstlimitierend, protrahierter oder fulminanter Verlauf selten
Diagnostik 4 Laborwerte: Blutbild (Leukozytose?); Leberwerte, Bilirubin, Gallensäuren (jeweils erhöht?) 4 serologischer Nachweis von Anti-HAV-Antikörpern 4 Sonographie Leber und Gallenwege (Echoinhomogenität, Zirrhosezeichen?)
Therapie 4 4 4 4
symptomatisch Meldepflicht Aufklärung/hygienische Maßnahmen Prophylaxe durch aktive und passive Immunisierung
9
Eigene Notizen
280
Kapitel 9 · Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes und der Leber
Eigene Notizen
Hepatitis B
4 DNA-Virus 4 weltweit ca. 250 Mio. chronische HBsAG-Träger als persistierende Infektionsquelle 4 Übertragung bei Kindern überwiegend mittels vertikaler Infektion, horizontale Infektion v. a. durch ungeschützten Geschlechtsverkehr, parenterale Infektion durch Blutprodukte inzwischen selten 4 Inkubationszeit 40–180 Tage
Klinik
9
4 akute oder chronisch verlaufende Lebererkrankung 5 akute Infektion oft asymptomatisch 5 uncharakteristisch: Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Bauchschmerzen 4 Ikterus, Fieber, Müdigkeit 4 selten extrahepatische Begleitsymptome: Arthralgien, Myalgien, Exanthem 4 Dauer meist 3–6 Wochen 5 fulminanter Verlauf einer akuten Hepatitis B bei 1% 5 Chronifizierung altersabhängig 10–90% 4 Komplikationen der chronischen Hepatitis B: Leberzirrhose (7 Kap. 9.5.5), Leberkarzinom
Diagnostik 4 Laborwerte: Blutbild (Leukozytose?); Leberwerte, Bilirubin, Gallensäuren (jeweils erhöht?) 4 serologischer Nachweis von HBsAG, HBeAG, Anti-HBs- Anti-HBeund Anti-HBc-Antikörpern; HBV-DNA mittels PCR 4 > Memo regelmäßige Kontrollen: Serokonversion von HBeAG zu Anti-HBe bzw. von HBsAG zu Anti-HBs? 4 Sonographie Leber und Gallenwege (Echoinhomogenität, Zirrhosezeichen?) 4 ggf. Leberbiopsie mit Histologie (Zirrhose, Fibrose?)
Therapie 4 akute Hepatitis B: symptomatisch 4 chronische Hepatitis B (HBs-AG-Persistenz >6 Monate): (pegyliertes) α-Interferon, Lamivudin, (Adefovir); keine der Therapie bisher bei Kindern zugelassen 4 Meldepflicht 4 Aufklärung/hygienische Maßnahmen 4 Prophylaxe durch aktive (STIKO-Empfehlung) und passive Immunisierung Hepatitis C
4 RNA-Virus 4 Prävalenz in Deutschland 0,4% chronische HCV-Infektion 4 Chronifizierung 60–80%
281 9.5 · Erkrankungen der Leber und Gallenwege
4 Übertragung durch Blutprodukte (selten) oder vertikal 4 Inkubationszeit variabel, im Mittel 8 Wochen
Klinik 4 4 4 4 4 4
häufig asymptomatisch uncharakteristisch: Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Bauchschmerzen Ikterus, Fieber, Müdigkeit extrahepatische Begleitsymptome möglich akuter Verlauf selten Komplikationen der chronischen Hepatitis C: Leberzirrhose, Leberkarzinom
Diagnostik 4 Laborwerte: Blutbild (Leukozytose?); Leberwerte, Bilirubin, Gallensäuren (jeweils erhöht?) 4 serologischer Nachweis von Anti-HCV-Antikörpern; HCV-DNA mittels PCR; Genotypisierung 4 > Memo regelmäßige Kontrollen: HCV-RNA-Persistenz? 4 Sonographie Leber und Gallenwege (Echoinhomogenität, Zirrhosezeichen?) 4 ggf. Leberbiopsie mit Histologie (Zirrhose, Fibrose?)
Therapie 4 unbehandelt >60% chronischer Verlauf 4 Meldepflicht 4 bei nachgewiesener akuter Hepatitis C: pegyliertes α-Interferon über 3–6 Monate 4 chronische Hepatitis C (HCV-RNA-Nachweis >6 Monate): (pegyliertes) α-Interferon und Ribavirin 4 bisher keine aktive Immunisierung Hepatitis D
4 4 4 4
defektes RNA-Virus Ko-Infektion chronischer HBs-AG-Träger verschlechtert die Prognose einer Hepatitis B Inkubationszeit 2–8 Wochen
Klinik 4 meist asymptomatisch 4 akuter Verlauf sehr selten 4 Dauer meist 2–4 Wochen
Diagnostik 4 Laborwerte: Blutbild (Leukozytose?); Leberwerte, Bilirubin, Gallensäuren (jeweils erhöht?) 4 serologischer Nachweis von Anti-HDV-Antikörpern; HDV-DNA mittels PCR
9
Eigene Notizen
282
Kapitel 9 · Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes und der Leber
Eigene Notizen
4 Sonographie Leber und Gallenwege (Echoinhomogenität, Zirrhosezeichen?) 4 ggf. Leberbiopsie mit Histologie (Zirrhose, Fibrose?)
Therapie 4 symptomatisch im Rahmen der Hepatitis B 4 Meldepflicht 4 bisher keine aktive Immunisierung, Prophylaxe durch Hepatitis-B-Impfung Hepatitis E
4 RNA-Virus 4 in westlichen Industrieländern selten, Reisekrankheit 4 Übertragung in der Regel fäkal-oral durch kontaminiertes Wasser, verunreinigte Lebensmittel oder direkten Kontakt mit Infizierten 4 Inkubationszeit 20–75 Tage
Klinik
9
4 häufig asymptomatisch, keine Chronifizierung, keine dauerhaften Leberschäden 4 uncharakteristisch: Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Bauchschmerzen 4 Ikterus, Fieber, Müdigkeit 4 Dauer meist 2–3 Wochen
Diagnostik 4 Laborwerte: Blutbild (Leukozytose?); Leberwerte, Bilirubin, Gallensäuren (jeweils erhöht?) 4 serologischer Nachweis von Anti-HEV-Antikörpern; HEV-DNA mittels PCR 4 Sonographie Leber und Gallenwege (Echoinhomogenität, Zirrhosezeichen?)
Therapie 4 symptomatisch 4 Meldepflicht 4 bisher keine aktive Immunisierung
9.5.4
Autoimmunhepatitis
4 selten, Prävalenz 1:1 Mio 4 chronisch aktive Hepatitis unklarer Genese mit fortschreitender Zerstörung des Leberparenchyms 4 serologische und histologische Überlappung mit primär sklerosierender Cholangitis (Overlap-Syndrom) möglich
283 9.5 · Erkrankungen der Leber und Gallenwege
Klinik
Eigene Notizen
4 kann lange Zeit silent verlaufen, daher bei der Diagnosestellung häufig schon erhebliche Leberzellschädigung/Leberzirrhose 4 uncharakteristisch: Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Bauchschmerzen 4 Ikterus, Hepatosplenomegalie, Fieber, Müdigkeit 4 extrahepatische Begleiterkrankungen möglich 4 bei längerem Verlauf »lebertypische« Hautveränderungen 4 fulminanter Verlauf selten 4 hohe Rezidivrate
Diagnostik 4 Laborwerte: Blutbild (Leukozytose?); Leberwerte, Bilirubin, Gallensäuren (jeweils erhöht?) 4 Gesamt-IgG (deutlich erhöht) 4 Auto-Antikörper: ANA (Typ 1), LKM1 (Typ 2), SMA, SLA/LP, LC1 (jeweils erhöht) 4 Sonographie Leber und Gallenwege (Echoinhomogenität, Zirrhosezeichen?) 4 > Memo Leberbiopsie mit Histologie obligat (lymphoplasmazytäre Infiltration, Zirrhose?)
Therapie 4 Immunsuppression: Steroide und Azathioprin, auch bei Rezidivfreiheit über längeren Zeitraum (5 Jahre); ggf. Cyclosporin 4 ggf. Lebertransplantation
9.5.5
9
Leberzirrhose
4 WHO: diffuser Umbauprozess mit Ersatz der ursprünglichen Leberarchitektur durch Fibrose, Nekrose und Bildung nodulärer Strukturen 4 Endstadium praktisch aller schweren progressiven Lebererkrankungen 4 zahlreiche Ursachen: u. a. Gallengangmalformationen (z. B. Gallengangatresie), Infektionen (z. B. Hepatitis B), Autoimmunerkrankungen (z. B. Autoimmunhepatitis), vaskuläre Erkrankungen (z. B. angeborene Herzfehler), Stoffwechselerkrankungen (z. B. M. Wilson), toxisch
Klinik 4 Zeichen der zunehmenden Leberzellschädigung und -funktionsstörung 5 Blutungen, Koagulopathie 5 Aszites 5 Cholestase 4 Hepatosplenomegalie 4 portale Hypertension durch Anstieg des Widerstands in den intrahepatischen Blutgefäßen mit Bildung von Kollateralkreisläufen 5 Ösophagus-/Fundusvarizen 5 Caput medusae: kutane, periumbilikale Kollateralenbildung
284
Kapitel 9 · Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes und der Leber
Eigene Notizen
4 4 4 4
hepatopulmonales Syndrom mit Belastungsdyspnoe und Zyanose hepatorenales Syndrom mit progressiver renaler Insuffizienz endokrine Veränderungen hepatische Enzephalopathie
Diagnostik 4 entsprechend der Grundkrankheit, globale Leberleistung reduziert 4 Leberbiopsie mit Histologie ! Cave erhöhtes Komplikations- und Blutungsrisiko
Therapie 4 entsprechend der Grundkrankheit 4 supportive Maßnahmen/Substitution 4 ggf. Lebertransplantation
9.5.6
9
Morbus Wilson
4 Synonym: hepatolentikuläre Degeneration 4 autosomal-rezessive Stoffwechselerkrankung (Mutation auf Chromosom 13) 4 Störung der biliären Kupfersekretion (80%) und der Sekretion in das Plasma (Coeruloplasmin-gebunden) 4 erhöhte (toxische) Kupferbeladung der Hepatozyten 4 Syntheseverminderung des Kupfertransportproteins Coeruloplasmin, damit vermehrte Bindung an Albumin, Einlagerung in Organe und vermehrte Ausscheidung im Urin 4 pathologische Speicherung von Kupfer in Leber, ZNS (incl. Augen), Nieren, Blut und anderen Organen
Klinik 4 Folgen der Kupfertoxizität, gelegentlich sehr uncharakteristisch 4 Hepatopathie, Leberzirrhose 4 Ikterus, Pruritus, Blutungsneigung, Hämolyse, Aszites, portale Hypertension, hepatische Enzephalopathie, Leberversagen 4 Kaiser-Fleischer-Kornealring (Kupferablagerung in der Kornea) 4 evtl. psychiatrische Symptome 4 Nierenbeteiligung 4 Skelettbeteiligung mit Knochendemineralisation 4 Herzrhythmusstörungen, Kardiomyopathie
Diagnostik 4 Laborwerte: Blutbild, Leberwerte, Bilirubin, Gerinnung und nach klinischer Symptomatik 4 Coeruloplasmin im Serum (erniedrigt) 4 Kupfer im Serum (oft erhöht) 4 Kupferausscheidung im 24-h-Sammelurin (deutlich erhöht)
285 9.5 · Erkrankungen der Leber und Gallenwege
4 Penicillamin-Belastungstest (bei uneindeutigen Befunden: Kupfer im Urin deutlich erhöht) 4 Leberbiopsie mit Histologie UND Bestimmung des Kupfergehaltes im Trockengewicht (deutlich erhöht) 4 ggf. Mutationsanalyse (»Wilson-Gen« auf Chromosom 13)
Therapie 4 Chelatbildner: D-Penicillamin, Triethylentetramin zur Kupferelimination 4 > Memo Therapie des Pruritus kann sehr unbefriedigend sein 4 Therapie der Begleiterkrankungen 4 evtl. im fortgeschrittenen Stadium: Lebertransplantation
9.5.7
Akutes Leberversagen
4 Definition im Kindesalter: schwere Beeinträchtigung der Leberfunktion mit Hyperbilirubinämie ( 7 Kap. 9.5.1), Lebersynthesestörung und Transaminasenerhöhung innerhalb von 8 Wochen bei Patienten ohne vorher bekannte Lebererkrankung, unabhängig vom Vorliegen einer Enzephalopathie 4 selten, schlechte Prognose (Letalität 70–95%) 4 zahlreiche Ursachen: infektiös (z. B. Hepatitis B, 7 Kap. 9.5.3), Stoffwechselerkrankungen (z. B. M. Wilson, 7 Kap. 9.5.6), (Arzneimittel-)toxisch (z. B. Paracetamol, Valproat, Methotrexat), Autoimmunerkrankungen (z. B. Autoimmunhepatitis, 7 Kap. 9.5.4), ischämische Ursachen (z. B. akuter Kreislaufschock), infiltrativ (z. B. Leukämie), traumatisch, Reye-Syndrom (akutes Leberversagen letztlich unklarer Ursache, möglicherweise durch Einnahme von Azetylsalizylsäure nach vorangegangenem akuten Virusinfekt, mit Enzephalopathie und mikrovesikuläre Lebersteatose)
Klinik 4 Zeichen der akuten Leberinsuffizienz (s. o.)
Diagnostik 4 Laborwerte (7 Kap. 9.5.5): Blutbild, Leberwerte, Bilirubin, Gerinnung, Elektrolyte, Retentionswerte, Ammoniak, Laktat, Lipase 4 Virus-Serologie (virale Hepatitis?) 4 ggf. Lumbalpunktion (Differenzialdiagnose: nicht-hepatische Enzephalitis) 4 Sonographie von Abdomen und ggf. Schädel 4 Echokardiographie (Pumpfunktion?) 4 Röntgen-Thorax (Kardiomegalie, pulmonale Stauung?) 4 EEG (bei Enzephalopathie) 4 kraniale CT/MRT (bei Enzephalopathie) 4 ! Cave Leberbiopsie mit deutlich erhöhtem Blutungsrisiko verbunden
9
Eigene Notizen
286
Kapitel 9 · Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes und der Leber
Eigene Notizen
Therapie 4 frühzeitige, rasche und »aggressive« supportive intensivmedizinische Behandlung 4 evtl. »systemische Detoxifikation« durch »Leber-Dialyse«-Verfahren 4 spezifische Therapie der Grundkrankheit 4 »High-urgency«-Lebertransplantation
9
10 Tag 4
10 Nephrologie und Urogenitalerkrankungen C. Stollbrink-Peschgens
10.1 Fehlbildungen der Niere und ableitenden Harnwege – 288 10.1.1 Entwicklungsstörungen
– 288
10.2 Harnwegsinfektionen, Pyelonephritis, Hydronephrose – 294 10.3 Glomeruläre Erkrankungen – 297 10.3.1 10.3.2 10.3.3 10.3.4 10.3.5
IgA-Nephritis – 297 Akute postinfektiöse Glomerulonephritis Andere Glomerulonephritiden – 299 Rezidivierende Hämaturie – 300 Nephrotisches Syndrom – 301
– 298
10.4 Tubulointerstitielle Erkrankungen – 303 10.4.1 Tubulopathien – 303 10.4.2 Tubulointerstitielle Nephritis
– 305
10.5 Niereninsuffizienz – 305 10.5.1 Akutes Nierenversagen – 305 10.5.2 Chronisches Nierenversagen – 306
10.6 Arterielle Hypertonie – 307 10.7 Fehlbildungen und Erkrankungen des äußeren Genitale – 308 10.7.1 Krankheiten männliches Genitale – 308 10.7.2 Krankheiten des weiblichen Genitale – 313
288
Kapitel 10 · Nephrologie und Urogenitalerkrankungen
Eigene Notizen
10.1
Fehlbildungen der Niere und ableitenden Harnwege
10.1.1
Entwicklungsstörungen
Ureteropelvine Stenose (»Ureterabgangsstenose«)
4 Einengung des ureteropelvinen Übergangs durch kongenitale Texturstörung des Harnleiters (intrinsische Stenose) oder Einengung des Ureters von außen durch aberrierendes Polgefäß (extrinsische Stenose)
Klinik 4 häufig (solange kompensiert) stumm 4 sonst tastbare Raumforderung, Harnwegsinfekte, Oberbauch- oder Flankenschmerzen, Nierensteine
Diagnostik
10
4 Sonographie, oft bereits pränatal 4 Isotopennephrographie (ING) zur Beurteilung der Nierenfunktion in der seitengetrennten Clearance und des Abflusses aus der betroffenen Niere mit Furosemidtest (relevante Abflussstörung im Sinne einer operationsbedürftigen Stenose?) 4 Magnetresonanz-Uro-Angiogramm (MRT) zur Beurteilung des vesikoureteralen Überganges (v. a. Darstellung des aberrierenden Gefäßes bei Verdacht auf extrinsische Stenose) 4 > Memo Die i.v. Urographie ist in der Diagnostik der ureteropelvinen Stenose obsolet, da bessere (»strahlensparende«) Diagnosemethoden (ING, MRT) zur Verfügung stehen.
Therapie 4 bei konnataler Ureterabgangsstenose häufig keine Therapie, sondern »kontrolliertes Zuwarten« unter sonographischer Kontrolle möglich, da ein großer Teil der angeborenen Ureterabgangsstenosen im Verlauf spontan »maturiert« 4 Operation nur im Fall der nachgewiesenen Obstruktion (= relevante, die Nierenfunktion auf Dauer schädigende Abflussbehinderung) 4 falls operative Therapie: Pyeloplastik, in der Regel nach Anderson-Hynes 4 ! Cave Bei Pyonephrose ist zur kurzfristigen Entlastung des Nierenbeckenkelchsystems die perkutane Nephrostomie dringend indiziert. Megaureter
4 Dilatation des Harnleiters 4 primärer Megaureter durch Störungen in der Muskelfaseranordnung und im Kollagengehalt des vesikoureteralen Übergangs mit prävesikal engem Segment (obstruktiver Megaureter) 4 sekundärer Megaureter durch Störungen der Blase oder Harnröhre (neurogene Blase, Harnröhrenklappe) oder durch vesikoureteralen Reflux 4 nicht-obstruktiver, nicht-refluxiver Megaureter ohne fassbare Anomalie im pyeloureteralen Übergang (spontane »Maturation« in hohem Prozentsatz
289 10.1 · Fehlbildungen der Niere und ableitenden Harnwege
Klinik 4 Harnwegsinfekte 4 Bauch-und Flankenschmerzen 4 Nierensteine
Diagnostik 4 Sonographie (häufig schon pränatal diagnostiziert) 4 Isotopennephrographie (Nierenfunktionsbestimmung, Abflusskinetik) 4 MR-Urographie (Klärung der Anatomie des vesikoureteralen Überganges, ektope Mündung?) 4 > Memo Bei Doppelnieren mit Megaureter gehört dieser zum oberen Nierenanteil und mündet häufig dystop, evtl. auch außerhalb der Harnblase (Meyer-Weigert-Regel).
Therapie 4 beim primär-obstruktiven Megaureter: operative Harnleiter-Neueinpflanzung 4 beim sekundären Megaureter: Beseitigung der zugrunde liegenden Pathologie (Inzision einer Harnröhrenklappe, Normalisierung der Blasenfunktion) 4 beim nicht-obstruktiven, nicht-refluxiven Megaureter: Zuwarten unter sonographischer Verlaufskontrolle und antibiotischer (Langzeit-)Prophylaxe Ureterozele
4 zystische Aufweitung des distalen intravesikalen Uretersegmentes 4 intravesikale Ureterozelen: Ostium der Ureterozele in der Blase 4 extravesikale Ureterozelen: Ostium im Bereich des Blasenhalses oder der Urethra
Klinik 4 4 4 4 4
Harnwegsinfekte Konkrementbildungen Bauchschmerzen tastbare Raumforderung ! Cave Ureterozelenprolaps in die Urethra (bei ektoper Form) kann zum Harnverhalt führen (Neonaten, kleine Säuglinge).
Diagnostik 4 Sonographie 4 Miktionszysturethrogramm 4 Isotopennephrogramm oder DMSA (Dimercaptosuccinat)-Szintigraphie (bei Doppelnieren) zur Bestimmung des Funktionsanteils des Nierenoberpols zur Therapieplanung (Erhalt oder Resektion)
10
Eigene Notizen
290
Kapitel 10 · Nephrologie und Urogenitalerkrankungen
Eigene Notizen
Therapie 4 minimalinvasiver Eingriff beim Neonaten: Ureterozelenpunktion zur Schaffung eines sofortigen Abflusses 4 später in der Regel Ureterozelenexzision und Harnleiterneueinpflanzung, bei Doppelsystemen abhängig von der Funktion des zugehörigen Oberpols auch Heminephroureterektomie Vesikoureteraler Reflux
10
4 intermittierender Rückfluss von Blasenurin in die Harnleiter/Nierenbecken 4 primärer vesikoureteraler Reflux: angeboren in Folge einer Ostieninkompetenz (bedingt u. a. durch z. B. unzureichende Länge des intramuralen, submukösen Ureteranteils) 4 Sekundärer vesikoureteraler Reflux: Folge einer pathologischen Druckerhöhung in der Harnblase (z. B. bei Harnröhrenklappe, Meatusstenose, Detrusor-Sphinkter-Dyskoordination, neurogene Blase bei Myelozele u. ä.) 4 pränatale Beeinträchtigung der Nierendifferenzierung möglich → konnatale Nierendysplasie 4 bei zusätzlich vorliegender infravesikaler Abflussstörung (Harnröhrenklappen) Druckschädigung des Nierenparenchyms durch »Wasserhammereffekt« möglich 4 Reflux in Kombination mit Harnwegsinfekten → Pyelonephritis → pyelonephritische Nierennarben → Niereninsuffizienz 4 > Memo Das Vollbild des Refluxschadens ist die Refluxnephropathie, die zur Dialysepflichtigkeit führen kann. 4 Refluxinzidenz bei gesunden Kindern unklar, bei Patienten mit Pyelonephritiden bis zu 50% Je jünger ein Patient mit Pyelonephritis, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein vesikoureteraler Reflux vorliegt!
Klinik 4 keine charakteristischen Symptome, aber häufiger febrile Harnwegsinfekte
Diagnostik 4 »Goldstandard« → Miktionszysturethrogramm (»MCU«) über transurethralen oder suprapubischen Zugang, dabei Graduierung des Refluxes nach Pakkulainen in 5 Grade und Darstellung der Harnröhre 4 alternativ (»strahlenfrei«) sonographische Refluxprüfung mittels spezieller Kontrastmittel, die Gasbläschen enthalten (allerdings keine Refluxgraduierung möglich, Nachweis niedriggradiger Refluxe unsicher, keine Harnröhrendarstellung) 4 Isotopenzystographie mit z. B. Technetium-MAG3 mit Gamma-Kamera über dem Nierenbecken nach transurethraler Blasenfüllung 4 indirekte Isotopenzystographie nach Injektion des Nuklides intravenös, Abwarten einer Blasenfüllung und möglichst Miktion des Kindes mit Registrierung eines (erneuten) Aktivitätsanstiegs über dem Nierenbecken
291 10.1 · Fehlbildungen der Niere und ableitenden Harnwege
4 Nachweis von Nierennarben: DMSA-Szintigraphie gut geeignet, Narben erscheinen als Speicherdefekte. 4 Die i.v. Pyelographie zur Beurteilung von Nierennarben ist bei Anwendung der o. g. Untersuchungsmethoden obsolet (hohe Strahlenbelastung, Nierennarben erst spät erkennbar, Kontrastmittelzwischenfälle). 4 > Memo Immer refluxbegünstigende Faktoren wie z. B. pathologisches Wasserlassverhalten (Miktionsaufschub, verspannte Miktion, chronische Obstipation) aktiv erfragen!
Therapie 4 da »Refluxmaturation« (spontanes Ausheilen des Refluxes) in vielen Fällen konservatives wie auch operatives Procedere denkbar 4 nicht-operatives Refluxmanagement 5 längerfristige Antibiotikaprophylaxe mit z. B. Trimethoprim oder Nitrofurantoin bis zur Ausheilung 5 alternativ konsequente sofortige Diagnostik/Behandlung von Harnwegsinfekten 5 falls erforderlich: Normalisierung eines pathologischen Miktionsverhaltens (z. B. bei Miktionsaufschub) 5 Normalisierung pathologischer Detrusordrücke: Resektion einer Harnröhrenklappe, Biofeedbackbehandlung einer DetrusorSphinkter-Dyskoordination 4 > Memo Regelmäßige Urinkontrollen, sonographische Kontrollen des Nierenwachstums sowie bei Bedarf DMSA-Szintigraphiekontrollen und erneute Refluxprüfungen gehören zur Nachsorge bei versikoureteralem Reflux und konservativem Procedere. 4 ! Cave Konservatives Procedere setzt elterliche Compliance voraus! Ist diese nicht gegeben, operative Behandlung anstreben! 4 operative Refluxbehandlung (Antirefluxplastik) indiziert u. a. bei Compliance-Problemen, nicht maturierenden Refluxen, wiederholten Durchbruchsinfekten u. ä. 4 verschiedene operative Verfahren je nach Refluxgrad, Vorliegen zusätzlicher Fehlbildungen etc. möglich 4 häufigste gebräuchliche Verfahren Antirefluxplastik nach Lich-Gregoir, Cohen, Politano-Leadbetter, Psoas-Hitch 4 alternativ »Refluxunterspritzung« durch Applikation eines Polsters von z. B. Hyaluronsäure unter das betroffene Ostium, bei hochgradigen Refluxen aber häufig Zweit-/Mehrfachunterspritzung erforderlich, auch hier Vollnarkose für Endoskopie der Blase erforderlich. Harnröhrenklappen
4 das Harnröhrenlumen verlegende Schleimhautsegel (embryonale Entwicklungsstörung) mit konsekutiver Harnabflusstörung unterschiedlichen Ausmaßes (konnatale Niereninsuffizienz möglich) 4 Klassifikation der (häufigeren) hinteren Klappen in 3 Typen nach Young
10
Eigene Notizen
292
Kapitel 10 · Nephrologie und Urogenitalerkrankungen
Eigene Notizen
Klinik 4 pränatal beidseits Hydronephrose, ggf. mit Oligohydramnion 4 bei Geburt tastbare Harnblase, Harnverhalt, Harnstauungsnieren, Niereninsuffizienz, Harnwegsinfektion
Diagnostik 4 Sonographie 4 Miktionszysturethrographie (über suprapubischen Zugang) 4 Isotopennephrogramm (Nierenfunktion, Abflussverhältnisse)
Therapie 4 ! Cave pränatale Behandlung (vesikoamnialer Shunt) keine Routinemaßnahme, Erfahrung auf einzelne Zentren begrenzt, hohes Operationsrisiko! 4 neonatale Therapie: als minimal-invasiver Eingriff suprapubische Harnableitung (Cystofix) 4 endoskopische Klappeninzision 4 bei Fortbestehen der Harnstauung ggf. auch passagere Nephrostomieanlage 4 > Memo Prognostisch wichtig ist der Kreatininwert am Ende des ersten Lebensjahres, der idealerweise <1 mg/dl sein sollte!
10
Zystische Nierenerkrankungen
4 polyzystische Nieren vom autosomal dominanten Typ (ADPKD) 4 Inzidenz 1:1000, Vererbung autosomal-dominant 4 Nieren haben Zysten verschiedenen Durchmessers, pathoanatomisch können alle Nierenstrukturen betroffen sein (Glomeruli, Tubuli, Sammelrohre) 4 Nieren mit unregelmäßiger, höckeriger Oberfläche 4 Zystenbildungen auch in anderen Organen möglich (Leber, Pankreas, Milz), ggf. Kombination mit Aneurysmen von Hirnarterien
Klinik 4 Manifestation meist bei Erwachsenen zwischen 30 und 50 Jahren mit Flankenschmerzen, Hämaturie, Nierensteinen, Harnwegsinfekten, Hypertonie oft schon früher, aber auch Manifestationen im Kindesalter möglich (selten)
Diagnostik 4 4 4 4
in der Regel mittels Sonographie (falls möglich, auch Eltern untersuchen!) in Zweifelsfällen Nierenbiopsie/Histologie u. U. humangenetische Diagnostik (keine Routine!) >PKD1/PKD2-Gen ! Cave Diagnose bei jüngeren Patienten in der Regel sonographisch nicht zu stellen, da Manifestation typischerweise im 3.–4. Dezennium, d. h. Betroffene haben häufig schon eigene Kinder mit 50% Wiederholungsrisiko
293 10.1 · Fehlbildungen der Niere und ableitenden Harnwege
Therapie 4 Hypertoniebehandlung 4 Dialyse 4 Nierentransplantation Polyzystische Nieren vom autosomal-rezessiven Typ (ARPKD)
4 Inzidenz mindestens 1:20.000, wahrscheinlich häufiger, Vererbung autosomal-rezessiv 4 zystische Veränderungen auf der Ebene der Sammelrohre, Glomeruli normal, deshalb Niereninsuffizienz nicht obligat 4 > Memo Eine Leberfibrose mit portaler Betonung gehört immer mit zum Krankheitsbild! Da die Hepatozyten nicht betroffen sind, kann die Leberfunktion lange ungestört erscheinen. Es entsteht auf die Dauer aber eine portale Hypertension.
Klinik 4 bei Geburt massiv vergrößerte, das Abdomen auftreibende Nieren 4 bei einem Teil der Kinder Lungenhypoplasie, die in der Regel unter dem Bild des respiratorischen Versagens rasch zum Tod führt 4 renale Hypertonie (oft massiv und schwer einstellbar) 4 Leberbeteiligung im Sinne einer portalen Hypertension mit Ösöphagusvarizen etc. typischerweise erst im 2. Dezennium bemerkbar 4 Niereninsuffizienz
Diagnostik 4 in der Regel sonographisch (auch Eltern untersuchen, die ohne pathologischen Befund sein sollten) 4 in Zweifelsfällen Biopsie von Niere und Leber (!) 4 Pränataldiagnostik 5 Nierenauffälligkeiten bei der ARPKD sonographisch erst spät (ca. ab der 24. SSW) zu diagnostizieren 5 molekulargenetische Diagnostik bei nachfolgenden Geschwistern von betroffenen Kindern möglich
Therapie 4 medikamentöse Einstellung der Hypertonie oft schwierig, manchmal bei massivem, therapierefraktären Verlauf Nephrektomie beidseits notwendig 4 Dialyse, Nierentransplantation Multizystisch-dysplastische Niere
4 einseitig, da bilaterales Auftreten nicht mit dem Leben vereinbar 4 Ursache fehlerhafte Differenzierung, (meist) kein Gendefekt 4 gruppierte, unterschiedlich große Zysten ohne nennenswertes Parenchym, zugehöriger Harnleiter atretisch, szintigraphisch stumme Niere 4 kontralaterale Niere häufiger von Reflux oder Ureterabgangsstenose betroffen
10
Eigene Notizen
294
Kapitel 10 · Nephrologie und Urogenitalerkrankungen
Eigene Notizen
Klinik 4 häufig klinisch stumm 4 Zufallsbefund im Sonoscreening 4 seltener tastbare Raumforderung
Diagnostik 4 in der Regel sonographisch 4 ggf. zusätzlich Nierenszintigraphie zum Nachweis der Funktionslosigkeit 4 sehr selten Abgrenzung zu malignen Tumoren mittels Entfernung/Histologie erforderlich
Therapie 4 meist nicht erforderlich, aber Überwachung einer regelrechten Entwicklung der kontralateralen Niere 4 falls (sehr selten) Hypertonieentwicklung: Nephrektomie 4 > Memo Oft »involutiert« die multizystisch-dysplastische Niere derart, dass sie später nicht mehr darstellbar ist. Lediglich die Anamnese erlaubt dann klinisch noch die Abgrenzung von der primären Nierenagenesie.
10
10.2
Harnwegsinfektionen, Pyelonephritis, Hydronephrose
4 Vorkommen von Mikroorganismen im Harntrakt (Bakterien, Viren, Pilze) 4 verschiedene Einteilungen gebräuchlich (. Tab.) Verschiedene Formen der Harnwegsinfektionen (HWI) Afebriler HWI
Zystitis
Febriler HWI
Pyelonephritis
Unkomplizierter HWI
Ohne Vorliegen von Fehlbildungen
Komplizierter HWI
Mit Vorliegen von Fehlbildungen
Asymptomatisch
Ohne klinische Symptome
Symptomatisch
Mit klinischen Symptomen
4 asymptomatische Bakteriurie: Keime im Urin nachweisbar, aber keine begleitende Entzündungsreaktion im Sinne einer Leukozyturie. 4 Durchbruchsinfekt: HWI unter einer antibiotischen Prophylaxe 4 Infektionsweg meist aszendierend (Darmkeime), bei jüngeren Kindern auch hämatogen 4 Erreger: in ca. 80% E. coli 4 Risikofaktoren für HWI-Entwicklung: 5 Obstipation
295 10.2 · Harnwegsinfektionen, Pyelonephritis, Hydronephrose
5 Harntraktfehlbildungen (obstruktiver Megaureter) 5 Blasenentleerungsstörungen (neurogene Blase/Detrusor-Sphinkter-Dyskoordination) 5 Miktionsfehlverhalten (Aufschub der Miktion) 5 vesikoureteraler Reflux 5 verminderte uroepitheliale Abwehr
Klinik 4 Zystitis: Pollakisurie, Dysurie, sekundäre Enuresis nocturna/diurna, erhöhte Temperatur, übelriechender Urin, Hämaturie 4 Pyelonephritis: Bauchschmerzen, hohes Fieber, Übelkeit, Erbrechen; bei kleinen Säuglingen aber oft »nur« blass-graues Hautkolorit, Nahrungsverweigerung, kein Fieber trotz schwerer Infektion! ! Cave Entwicklung einer Urosepsis 4 Komplikationen/Spätfolgen: akute Niereninsuffizienz (z. B. Pyelonephritis in Einzelniere), Nierennarben bei vesikoureteralem Reflux mit Niereninsuffizienz und/oder arterieller Hypertonie, später Schwangerschaftskomplikationen (Pyelonephritiden, EPH-Gestose, Frühgeburten) 4 > Memo Je jünger der Patient, desto unspezifischer die Klinik! Jedes Kind, insbesondere jeder Säugling, der fiebert, ist bis zum Beweis des Gegenteils verdächtig auf eine Pyelonephritis.
Diagnostik 4 Uringewinnung: bei Patienten mit Miktionskontrolle: Mittelstrahlurin nach Säubern des Genitale mit warmem Wasser oder geeignetem Desinfektionsmittel, ansonsten Urinbeutel, in bestimmten Fällen Katheterurin oder Blasenpunktionsurin 4 sichere Zeichen eines HWI 5 Keimnachweis im Punktions- oder Katheterurin 5 >105 Keime/ml (Monokultur) im Spontanurin (Mittelstrahlurin oder Beutelurin nach Säuberung des Genitale mit warmem Wasser oder geeignetem Desinfektionsmittel) oder mehr als 50 Leukozyten/ ml im unzentrifugierten Harn (Zählkammer oder Durchflusszytometrie) 4 fraglicher HWI 5 Mischkulturen im Spontanurin 5 <50 Leukozyten/ml Urin 4 kein HWI 5 Punktions- oder Katheterurin steril 5 <103 Keime im Spontanurin 5 <20 Leukozyten/ml Urin 4 > Memo Bei jungen Kindern mit häufigen Miktionen manchmal keine hohen Keimzahlen. Obwohl keine »signifikante Keimzahl« erreicht wird, kann dann trotzdem ein HWI vorliegen! 4 Akutdiagnostik: Sonographie, bei schwerkranken Kindern sofort, bei allen anderen möglichst in den ersten 24 h zum Ausschluss von Komplikationen/Fehlbildungen (Abszedierung, Harnstauungsniere)
10
Eigene Notizen
296
Kapitel 10 · Nephrologie und Urogenitalerkrankungen
Eigene Notizen
4 Blutkultur vor Behandlungsbeginn bei jedem fiebernden oder »klinisch kranken« Kind anlegen! 4 > Memo Die Untersuchung mittels Teststreifen (Urinstix) kann aufgrund möglicher falsch-positiver/-negativer Befunde nur zur Orientierung dienen! 4 unauffälliger Urinstix macht den HWI weniger wahrscheinlich, schließt ihn aber nicht aus! Nicht alle uropathogenen Keime bilden Nitrit! 4 Urinuntersuchung mittels Durchflusszytometrie oder Zählkammer sollte Standard sein!
Therapie
10
4 Behandlung mittels Antibiotika 4 begleitende Maßnahmen wie ausreichende Flüssigkeitszufuhr, Beseitigung einer Koprostase sowie Antipyrese 4 ! Cave Bei bestimmten Harnabflussstörungen muss eine urologischinvasive Intervention erfolgen (perkutane Ableitung einer vereiterten Hydronephrose). Bei dilatierendem vesikoureteralen Reflux sollte ggf. in den ersten 24–48 h eine transurethrale Harnableitung erfolgen. 4 Indikationen zur stationären intravenösen Antibiotikatherapie 5 grundsätzlich alle Säuglinge unter 6 Monaten (Sepsis!) 5 jedes Kind unabhängig vom Alter J bei Verdacht auf Urosepsis J bei schlechtem Allgemeinzustand J bei Nahrungs-und Flüssigkeitsverweigerung J bei Zweifeln an elterlicher Compliance J bei kompliziertem HWI 4 Auswahl der Antibiotika (Vorschlag) 5 Pyelonephritis: Ampicillin plus Tobramycin 5 Komplizierte Pyelonephritis/Sepsis: Ceftazidim plus Ampicillin 5 unkomplizierte Pyelonephritis: ambulant oral Cefuroxim 5 Zystitis: Trimethoprim oder Cotrimoxazol oder Cefuroxim 5 asymptomatische Bakteriurie: keine antibiotische Therapie 4 ! Cave In der Therapie der Pyelonephritis haben Trimethoprim-Monopräparate oder Cotrimoxazol keinen Platz! 4 Therapiedauer 5 Pyelonephritis (Neugeborenes): 14 Tage i.v. 5 Pyelonephritis (1. Lebenshalbjahr): 10 Tage, mindestens 7 Tage i.v. 5 Pyelonephritis (älter 6 Monate): 7–10 Tage 4 Nachsorgeuntersuchungen 5 Sonographie der Nieren/Harnwege für jedes Kind 5 Miktionszysturethrogramm zum Ausschluss eines vesikoureteralen Refluxes nach der ersten Pyelonephritis (febriler HWI) bei jedem Säugling/Kleinkind unabhängig vom Geschlecht nach Ausheilen der Infektion (nach Abschluss der antibiotischen Therapie) 4 > Memo Kein Routine-MCU nach Zystitis (afebriler HWI), wohl aber Suche nach prädisponierenden Faktoren (Miktionsaufschub, Obstipation etc.) 4 in bestimmten Fällen spezielle Diagnostik erforderlich
297 10.3 · Glomeruläre Erkrankungen
5 DMSA-Szintigraphie zum Nachweis von Nierennarben 5 Isotopennephrographie zum Ausschluss einer Harntransportstörung 4 Indikationen zur antibiotischen Infektionsprophylaxe 5 nach dem ersten febrilen HWI bis 3 Tage nach Miktionszysturethrogramm 5 Vorliegen eines vesiko-ureteralen Refluxes 5 Megaureter (nicht subpelvine Stenose!) 5 rezidivierende HWI bei funktionellen Blasenstörungen 5 Nierensteine, insbesondere Infektsteine bis nach der Sanierung 4 Substanzen für die antibiotische Infektionsprophylaxe 5 Säuglinge kleiner 3 Monat: Cefuroximaxetil 5 Kinder ab 4. Lebensmonat: Trimethoprim oder Cotrimoxazol oder Nitrofurantoin 4 > Memo Bei Durchbruchsinfekten Therapie an der »Therapielücke« des bisher gegebenen Antibiotikums orientieren! Initialtherapie bei Durchbruchsinfekten Initialtherapie
Wahrscheinlicher Keim
Empfohlene Substanz
Trimethoprim
E. coli
Cephalosporin
Nitrofurantoin
Pseudomonas
Ceftazidim, Tobramycin, ggf. Ciprofloxacin
Cephalosporin
Enterokokken
Amoxicillin
10.3
Glomeruläre Erkrankungen
10.3.1
IgA-Nephritis
4 kennzeichnend ist die Ablagerung von IgA im Mesangium der Glomeruli 4 Pathogenese unklar, Überproduktion von IgA im Knochenmark, möglicherweise induziert durch exogene Antigene 4 Differenzialdiagnose autonome IgA-Überproduktion als Ausdruck einer gestörten Immunmodulation 4 Ausheilung möglich, aber auch Entwicklung einer dialysepflichtigen Niereninsuffizienz 4 Jungen deutlich häufiger betroffen als Mädchen
Klinik 4 braun-roter Urin als Ausdruck der Makrohämaturie meist im Anschluss an banalen Luftwegsinfekt 4 Flankenschmerzen 4 ! Cave Die IgA-Nephritis kann sich zunächst auch als »banale« Mikrohämaturie oder als nephrotisches Syndrom manifestieren!
10
Eigene Notizen
298
Kapitel 10 · Nephrologie und Urogenitalerkrankungen
Eigene Notizen
Diagnostik 4 erhöhtes Serum-IgA möglich, aber nicht beweisend 4 Nierenbiopsie mit Nachweis von IgA-Ablagerungen in Glomeruli/Mesangium entscheidend
Therapie 4 Verläufe mit rezidivierenden Makrohämaturieschüben/Mikrohämaturie ohne Zeichen der Proteinurie/Hypertonie/Nierenfunktionseinschränkung: regelmäßiges Monitoring ausreichend 4 bei Entwicklung einer Hypertonie/Nierenfunktionseinschränkung: immunsuppressive Therapie mit z. B. hochdosierten Prednisolongaben, Mycophenolat etc. 4 zur »Nephroprotektion« bei Proteinurie (die eo ipso durch vermehrte Stimulation der mesangialen Proliferation schädlich ist): frühzeitiger Einsatz von ACE-Hemmern
10.3.2
10
Akute postinfektiöse Glomerulonephritis
4 Immunkomplexnephritis 4 Streptokokken der Gruppe A, aber auch andere Erreger (Staphylokokken, Pneumokokken, Klebsiellen, Yersinien, Salmonellen, Mykoplasmen, Viren) 4 Auftreten ca. 1–2 Wochen nach Angina tonsillaris oder eitriger Hautinfektion (Impetigo) 4 eine der häufigsten Glomerulonephritiden im Kindesalter 4 Jungen häufiger betroffen als Mädchen
Klinik 4 oft stummer Verlauf, Zufallsbefund 4 nephritisches Syndrom = Makrohämaturie, Hypertonie, Niereninsuffizienz/Oligurie 4 ! Cave Die Hypertonie kann so gravierend sein, dass eine hypertensive Enzephalopathie mit Hirndruckzeichen und Krampfanfällen auftreten kann!
Diagnostik 4 Erythrozytenzylinder im Urinsediment, dysmorphe Erythrozyten im Phasenkontrast 4 Streptokokken-Antikörper (möglichst im Verlauf) 4 erniedrigter Komplement (C3)-Spiegel 4 Leukozytose, BSG-Beschleunigung, Anämie 4 Harnstoff/Kreatinin erhöht im Serum 4 mikrobiologische Erregersuche (Serologie, PCR) 4 sonographisch ggf. diffus vergrößerte Nieren 4 in unklaren Fällen Nierenbiopsie mit Nachweis diffuser mesangial-proliferativer Glomerulonephritis, immunhistochemisch mit Ablagerung von IgG und C3-Komplement
299 10.3 · Glomeruläre Erkrankungen
Therapie 4 großzügig indizierte Penicillintherapie (auch bei Verdacht) 4 Bilanzierung, Flüssigkeitsrestriktion, Diuretika, Antihypertensiva, ggf. vorübergehende Dialyse 4 > Memo Die meisten Fälle von postinfektiöser (Streptokokken-)Glomerulonephritis heilen aus, Formen mit rascher Entwicklung einer terminalen Niereninsuffizienz sind aber möglich.
10.3.3
Andere Glomerulonephritiden
Hämolytisch-urämisches Syndrom
4 lebensbedrohliches Krankheitsbild mit Kombination aus hämolytischer Anämie mit Thrombozytopenie und akuter Niereninsuffizienz 4 meist bei Säuglingen und Vorschulkindern 4 klassischerweise im Anschluss an eine (hämorrhagische) Gastroenteritis 4 histologisch thrombotische Mikroangiopathie bis zur Nierenrindennekrose 4 sowohl völlige Wiederherstellung als auch Entwicklung einer chronischen Niereninsuffizienz möglich 4 in der Akutphase bis zu 70% der Patienten dialysepflichtig 4 Auslöser: bakterielle Toxine von verotoxinbildenden E. coli (EHEC), aber auch von Salmonellen, Shigellen, Yersinien, Campylobacter
Klinik 4 4 4 4 4 4
Fieber (blutige) Diarrhö Bauchschmerzen zunehmende Blässe Makrohämaturie, Oligurie Hypertonie
Diagnostik 4 erhöht: LDH, Bilirubin, Retikulozyten, Kreatinin, Harnstoff 4 erniedrigt: Haptoglobin, Hämoglobin, Thrombozyten 4 zusätzlich: Fragmentozyten im Blutausstrich
Therapie 4 gesichert effektiv: frühzeitige Dialyse 4 andere Ansätze (Effekt nicht gesichert): Austauschtransfusionen, Urokinase, Prostazyklin, Steroide, Dipyridamol Alport-Syndrom
4 Erkrankung der glomerulären Basalmembran mit (Mikro-)Hämaturie, Proteinurie, zunehmender Niereninsuffizienz und Hochtonschwerhörigkeit und Augenveränderungen 4 verschiedene Erbgänge möglich, klassischerweise X-chromosomal-dominant
10
Eigene Notizen
300
Kapitel 10 · Nephrologie und Urogenitalerkrankungen
Eigene Notizen
4 häufigste hereditäre progrediente Nierenerkrankung, Inzidenz ca. 1:7000 4 überwiegend männliche Patienten betroffen 4 elektronenmikroskopisch Verdünnung und Aufsplitterung der glomerulären Basalmembran infolge struktureller Veränderungen im COL4A5-Gen
Klinik 4 4 4 4
Hämaturie zunehmende Niereninsuffizienz Schwerhörigkeit Myopie durch Lentikonus
Diagnostik 4 4 4 4 4
Urindiagnostik (Hämaturie, Proteinurie) Audiometrie (Hochton-)Schwerhörigkeit) augenärztliche Untersuchung (Lentikonus/Myopie) Nierenbiopsie ggf. Genetik
Therapie
10
4 symptomatisch (Behandlung der Niereninsuffizienz) 4 Nierentransplantation 10.3.4
Rezidivierende Hämaturie
4 4 4 4
Definition: Ausscheidung von mehr als 10 Erythrozyten/μl Makrohämaturie: mit bloßem Auge sichtbar Mikrohämaturie: nur mikroskopisch nachweisbar isolierte Mikrohämaturie: nur Erythrozyten nachweisbar, keine Begleitproteinurie 4 breite Differenzialdiagnose 5 mehrere Familienmitglieder betroffen: familiäre Mikrohämaturie 5 rezidivierende Schübe von Makro-/Mikrohämaturie: IgA-Nephritis 5 Zustand nach Tonsillitis/Impetigo: Poststreptokokken-Glomerulonephritis 5 schmerzhafte Makro-/Mikrohämaturie: Nierensteine 5 Dysurie, Pollakisurie: hämorrhagische Zystitis 5 Hörstörung, positive Familienanamnese: Alport-Syndrom 5 Hautveränderungen: Purpura-Schoenlein-Henoch 5 Blutungsanamnese (Epistaxis): Gerinnungsstörungen 5 abdominelle Raumforderung: Wilms-Tumor
Klinik 4 meist Zufallsbefund, z. B. im Rahmen von Vorsorgeuntersuchungen 4 Braun-oder Rotfärbung des Urins muss nicht durch Erythrozyten bedingt sein! Es kann sich auch um Myoglobin, Färbung durch Nahrungsmittel oder Medikamente handeln.
301 10.3 · Glomeruläre Erkrankungen
4 > Memo Die Diagnose einer Hämaturie bedarf des mikroskopischen Nachweises von Erythrozyten im Urin. Die Differenzialdiagnose der Hämaturie ist breit, die Anamnese ist deshalb von besonderer Bedeutung. Begleitende Befunde müssen sorgfältig gesucht werden. 4 ! Cave Hämaturie kann – insbesondere bei Kleinkindern – ein Tumorsymptom (Wilms-Tumor, Rhabdomyosarkom) sein. Umgehende Sonographie ist unerlässlich!
Diagnostik 4 Sonographie 4 Urinmikroskopie/Durchflusszytometrie 4 Phasenkontrastmikroskopie (glomeruläre/nicht glomeruläre Hämaturie) 4 Urinkultur 4 Bestimmung lithogener Substanzen im Urin (Nephrokalzinose!) 4 sorgfältige Familienanamnese (familiäre »benigne« Hämaturie, AlportSyndrom) 4 evtl. Ausschluss Hochtonschwerhörigkeit/Augenveränderungen (Alport-Syndrom) 4 Suchen nach (Begleit-)Proteinurie 4 Labordiagnostik (C3, IgA, Kreatinin, Harnstoff, Gerinnung, ASL-Titer etc.) 4 ggf. erweiterte Bildgebung (MCU, IVP, CT, MRT) 4 ggf. Nierenbiopsie
Therapie 4 je nach Grunderkrankung, falls möglich 4 > Memo Bei isolierter Mikrohämaturie kann unter regelmäßigem Monitoring der Nierenfunktion auf eine Nierenbiopsie in aller Regel verzichtet werden. Bei Zeichen einer signifikante Proteinurie, einer Hypertonie oder laborchemischer Zeichen einer sich verschlechternden Nierenfunktion, umgehende Nierenbiopsie/Histologie!
10.3.5
Nephrotisches Syndrom
4 »Große« Proteinurie von mindestens 40 mg/m2/h (1 g/m2/24 h) plus Hypalbuminämie von <25 g/l 4 in der Regel Ödeme und Hypercholesterinämie (letztere zur Diagnosestellung nicht obligat) 90% »idiopathisch«, Rest im Rahmen anderer Erkrankungen 4 »Minimal-change«-Nephritis in 85% der Fälle zugrunde liegende Histologie 4 initial Natriumretention mit Hypervolämie, dann Albuminleck über Kapillarendothel → Hypalbuminämie → sinkender onkotischer Druck → intravasale Hypovolämie → Stimulation Renin-Angiotensin-Aldosteron → Ödeme
10
Eigene Notizen
302
Kapitel 10 · Nephrologie und Urogenitalerkrankungen
Eigene Notizen
Klinik 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4
Ödeme (Lider, prätibial) Gewichtszunahme Aszites Pleuraergüsse Bauchschmerzen Erbrechen Inappetenz Infektionen hypovolämischer Schock möglich ! Cave Schwere Infektionen wie Sepsis und Peritonitis (Pneumokokken!) können ebenso lebensbedrohlich sein wie Thromboembolien (Sinusvenen, Beinvenen, Lungenvenen etc.).
Diagnostik
10
4 Nachweis von Albumin im Urin per Streifentest 4 Quantifizierung der Proteinurie mittels Sammelurinuntersuchung 4 Nachweis der Hypalbuminämie und Hyperlipidämie (insbesondere Cholesterin) im Serum 4 im Serum erhöht: Kreatinin, Harnstoff, Cholesterin 4 im Serum erniedrigt: Albumin, ATIII, ggf. C3, C4 4 ggf. Hypertonie 4 Sonographie Abdomen und Pleura (Ergüsse)
Therapie 4 proteinreiche Ernährung sinnlos, aber altersbezogen ausreichende Kalorienzufuhr 4 Flüssigkeitsbilanzierung 4 Reduktion der Natriumzufuhr (natriumarme Ernährung) 4 nur bei Hypovolämiezeichen Albumininfusionen in Kombination mit Diuretika 4 bei ausgeprägten Ödemen/Aszites Infektionsprophylaxe mit z. B. Cefuroxim 4 zur Prophylaxe von Thromboembolien möglichst frühe Mobilisierung, ggf. niedrig dosiert Aspirin oder Heparin s.c. 4 bei Thromboembolie hochdosiert Heparin, ggf. Lysetherapie mit Urokinase erwägen 4 falls erforderlich, Hypertoniebehandlung (vorzugsweise ACE-Hemmer) 4 hochdosiert Steroide 5 Standardschema bei Erstmanifestation: 60 mg Prednison/m2/KOF in 3 Dosen für 6 Wochen oral, anschließend 40 mg/m2/KOF in einer Dosis morgens alternierend = jeden 2. Tag für weitere 6 Wochen, Absetzen ohne Ausschleichen! 5 Rezidivbehandlung mit hoher Dosis (s. o.) bis Urin 3 Tage eiweißfrei, dann reduzierte Dosis (s. o.) alternierend für 4 Wochen 4 nur eine Minderheit der Patienten hat eine Hypovolämie und profitiert von Humanalbumininfusionen!
303 10.4 · Tubulointerstitielle Erkrankungen
4 ! Cave Der unkritische Gebrauch von Diuretika kann zu schweren thromboembolischen Komplikationen führen (Sinusvenenthrombose)! 4 Ansprechen/Nichtansprechen auf die Steroidtherapie wichtiger prognostischer Parameter 5 steroidsensibel: Patient ist nach längstens 4-wöchiger Steroidtherapie in Remission 5 steroidresistent: Patient zeigt auch nach 4-wöchiger Steroidtherapie keine Remission (= Eiweißfreiheit des Urins) 4 > Memo Das nephrotische Syndrom ist eine Symptomenkonstellation, der sehr verschiedene Histologien mit unterschiedlicher Prognose zugrunde liegen können, z. B. fokal-segmentale Glomerulosklerose oder membranoproliferative Glomerulonephritis mit Entwicklung einer Niereninsuffizienz. 4 »Minimal-change-Nephritis« 5 die dem idiopathischen nephrotischen Syndrom mit Ansprechen auf Steroide am häufigsten zugrunde liegende Histologie 5 Bezeichnung »minimal change«, weil lichtmikroskopisch praktisch keine Auffälligkeiten sichtbar, in der Elektronenmikroskopie aber ein Verlust von Podozytenfortsätzen erkennbar 4 in »Standardsituation« (Vorschulalter, gutes Ansprechen auf Steroide, normale Nierenfunktion, keine Hypertonie) keine bioptischen Klärung des Krankheitsbildes erforderlich 4 Nierenbiopsie aber immer indiziert bei 5 Verdacht auf sekundäres NS 5 beginnender Niereninsuffizienz 5 Hypertonie 5 Makrohämaturie 5 primärer oder sekundärer Steroidresistenz 5 häufig rezidivierenden NS vor Beginn einer Therapie mit z. B. Ciclosporin
10.4
Tubulointerstitielle Erkrankungen
10.4.1
Tubulopathien
4 Störungen einzelner oder mehrerer Tubulusfunktionen, in der Regel angeboren 4 erworbene Tubulopathien in erster Linie medikamentös-toxisch bedingt (Schmerzmittelabusus, nichtsteroidale Antirheumatika) 4 hereditäre Tubulopathien meist primär in der Regel eine einzelne Tubulusfunktion, die im Rahmen eines genetischen Defektes gestört ist, betreffend 4 sekundäre Tubulopathien meist durch Störung mehrerer Partialfunktionen gekennzeichnet, in der Regel auf der Basis angeborener, übergeordneter Stoffwechseldefekte, bei denen die Niere nur eines von mehreren betroffenen Organen darstellt.
10
Eigene Notizen
304
Kapitel 10 · Nephrologie und Urogenitalerkrankungen
Eigene Notizen
10
Ursachen von Tubulopathien (exemplarisch) und deren klinische Symptome Funktionsstörung
Erkrankung
Symptome
Phosphatresorption
Phosphatdiabetes
Rachitis
Glukoseresorption
Renale Glukosurie
Keine
Zystinresorption
Zystinurie
Blasen-, Nierensteine
Bikarbonat/H-Ionen Sekretion
Tubuläre Azidose
Gedeihstörung, Rachitis, Nierensteine
Kombinierte proximale Tubulusdefekte mit Verlust von Wasser, Aminosäuren, Elekrolyten
De-Toni-Debre-Fanconi-Syndrom
Gedeihstörung, Dehydratation, Rachitis, Niereninsuffizienz
Wasserresorption
Diabetes insipidus renalis
Dehydratation, Hypernatriämie
Kalium-/Chloridverlust
Bartter-Syndrom
Alkalose, Dehydratation, Gedeihstörung
Natrium-/Chloridverlust
Gitelman-Syndrom
Alkalose, Hypomagnesiämie, Hypokalzämie, Hypokaliämie
Klinik 4 je nach Funktionsstörung (. Tab.)
Diagnostik 4 entsprechend der vielfältigen Störungsmuster 5 Elektrolyte im Serum/Urin 5 Aminosäuren im Serum/Urin 5 Bikarbonat und H-Ionen im Urin/Blutgasanalyse 5 Serumosmolalität 5 Blutzucker 5 Prostaglandine im Urin 5 Renin, Aldosteron, Vasopressin im Serum 5 24-h-Sammelurin (Bilanzierung) 5 Dursttest mit ADH-Gabe 5 24-h-Blutdruckprofil 5 Sonographie der Nieren (Nephrokalzinose?)
Therapie 4 meist symptomatisch, je nach Krankheitsbild u. a. 5 Elektrolytsubstitution 5 Wassersubstitution 5 Vitamin-D-Gabe 5 Azidoseausgleich 5 Harndilution 5 Indomethacin 5 Diuretika
305 10.5 · Niereninsuffizienz
10.4.2
Tubulointerstitielle Nephritis
4 Entzündliche oder toxische Schädigung des tubulo-interstitiellen Apparates ohne nennenswerte Beteiligung der Glomeruli 4 »idiopathisch« z. T. mit Uveitis 4 Intoxikation durch Schmerzmittel, Antibiotika, nichtsteroidale Antirheumatika oder Schwermetalle 4 Infektionen (z. B. viral durch Hantaviren/HepatitisB/EBV/HIV) 4 Autoimmunreaktion (Lupusnephritis, IgA-Nephritis, M. Wegener) 4 »urologisch« durch Harnwegsobstruktion (Harnröhrenklappen, Refluxnephropathie)
Klinik 4 anfangs unspezifische Symptome wie Müdigkeit, Gewichtsabnahme, Bauchschmerzen, Erbrechen, Fieber, Arthralgien 4 Uveitis in ca. 30% 4 Polyurie, Polydipsie
Diagnostik 4 4 4 4 4
Kreatinin und Harnstoff im Serum erhöht tubuläre Proteinurie (α-1-Mikroglobulin erhöht) pathologisches Urinsediment (Leukozyturie, Erythrozyturie) Sonographie (vergrößerte Nieren) Nierenbiopsie
Therapie 4 falls möglich Behandlung der Grundkrankheit 4 sonst symptomatisch
10.5
Niereninsuffizienz
10.5.1
Akutes Nierenversagen
4 akute Reduktion der Nierenfunktion um mindestens 50% 5 Ursachen des akuten Nierenversagen (NV) 5 prärenal: nicht in der Niere selbst begründete Minderperfusion führt zum Nierenschaden (z. B. hypovolämischer Schock durch Blutung, Dehydratation, Herzinsuffizienz) 5 renal: Nierenparenchymschaden z. B. Nierenvenenthrombose/Glomerulonephritis/Toxizität durch Medikamente/Crushniere durch akute Hämolyse) 5 postrenal: akute Harnwegsobstruktion (z. B. Steinobstruktion/ Harnverhalt oder Tumor im kleinen Becken)
Klinik 4 Oligurie/Anurie später auch Polyurie 4 Überwässerung (Hirnödem, Lungenödem, periphere Ödeme)
10
Eigene Notizen
306
Kapitel 10 · Nephrologie und Urogenitalerkrankungen
Eigene Notizen
4 arterielle Hypertonie 4 Hyperkaliämie mit konsekutiven Herzrhythmusstörungen
Diagnostik 4 Labor: Kreatininanstieg, Harnstofferhöhung, Elektrolytimbalance (Hyperkaliämie), Blutgasanalyse (Azidose), Proteinurie 4 Urinsediment, 24-h-Sammelurin (Zylinder? Proteinurie?) 4 EKG (überhöhte T-Welle? PQ-Verlängerung? Schenkelblock?) 4 Sonographie Abdomen (Nierenvergrößerung? Nierenstau? Aszites?) 4 Nierendoppler (Thrombose?) 4 Nierenbiopsie 4 > Memo Eine fraktionelle Natriumexkretion von <1% spricht für ein prärenales, eine Natriumexkretion von >2% für ein renales Nierenversagen! (bei prärenalem NV Tubulusfunktionen weniger geschädigt als bei renalem NV)
Therapie 4 4 4 4
10
Behandlung des Grundleidens (falls möglich) Bilanzierung von Flüssigkeit und Elektrolyten Azidoseausgleich (Bikarbonat) Kaliumsenkung (Insulin/Glukoseinfusionen, Ionenaustauscher [Resonium®]) 4 Diuretika 4 (passagere) Dialyse
10.5.2
Chronisches Nierenversagen
4 irreversible Nierenfunktionseinschränkung mit Verminderung der GFR unter 60 ml/min/1,73 m2 4 Inzidenz ca. 5:1 Mio. Kinder (<16 Jahre) 4 Ursachen 5 »urologisch«: Refluxnephropathie, obstruktive Uropathie (Harnröhrenklappen), neurogene Blase 5 »nephrologisch«: zystische Nierenerkrankungen (ADPKD, ARPKD), Glomerulonephritiden (IgA-Nephritis), hämolytisch-urämisches Syndrom
Klinik 4 4 4 4 4
Polyurie/Polydipsie, (sekundäre) Enuresis Gedeihstörung, Minderwuchs, Pubertätsverzögerung renale Osteopathie (Knochenschmerzen, X-Beine) Anämie (mangelhafte Belastbarkeit, Hypotonie, Kopfschmerzen) Hypertonie (Gefäßkomplikationen)
Diagnostik 4 wie akute Niereninsuffizienz
307 10.6 · Arterielle Hypertonie
Therapie 4 frühe Kontaktherstellung zu kindernephrologischem Zentrum! 4 Behandlung urologischer Erkrankungen (z. B. Harnröhrenklappenresektion) 4 Azidoseausgleich (Natriumbikarbonat) 4 ggf. Phosphatbinder (Kalziumkarbonat- oder Azetat) 4 Natriumsubstitution bei Salzverlust 4 Anämiebehandlung mit Erythropoetin und Eisengabe 4 Rachitisprävention/-therapie mit 1,25(OH)2D3 4 ggf. Wachstumshormonbehandlung 4 ggf. Hypertoniebehandlung 4 ggf. PEG-Sondenanlage bei Malnutrition 4 psychosoziale Betreuung 4 Dialyse/Nierentransplantation 4 > Memo Die früher favorisierte eiweißarme Ernährung ist obsolet, da der Progress des Nierenversagens nur geringfügig verzögert wird, die negativen Effekte auf Wachstum und Gedeihen jedoch erheblich sind. 4 ! Cave beim niereninsuffizienten Kind auf die Durchführung von Impfungen achten (u. a. Hepatitis B)! 10.6
Arterielle Hypertonie
4 Definition: eine arterielle Hypertonie liegt vor, wenn in 3 unabhängigen Messungen Blutdruckwerte oberhalb der altersbezogenen 95. Perzentile gemessen werden ! Cave Blutdruckwerte sind geschlechts- und körpergrößenabhängig! 4 Ursachen akuter/chronischer Hypertonie (Beispiele) 5 vaskulär: Herzfehler, Aortenisthmusstenose 5 renal: Nierenarterienstenose, Glomerulonephritis, Refluxnephropathie, Hydronephrose 5 endokrin: Phäochromozytom, M. Cushing 5 zentral: Hirndrucksteigerung, Hirntumor 5 Adipositas 5 medikamenteninduziert: Ovulationshemmer
Klinik 4 oft unspezifisch oder keine Symptome oder 4 Kopfschmerzen, Palpitationen, Sehstörungen, Nasenbluten, Schlafstörungen, unklare Unruhezustände bei Säuglingen, hypertone Enzephalopathie mit Krampfanfällen und Bewusstseinsstörung
Diagnostik 4 4 4 4 4
Blutdruckmessungen (an allen Extremitäten!) 24-h-Langzeit-Blutdruckmessung Echokardiographie, EKG Augenfundus (Fundus hypertonicus?) endokrinologische Diagnostik (Schilddrüsenparameter, Katecholaminausscheidung)
10
Eigene Notizen
308
Kapitel 10 · Nephrologie und Urogenitalerkrankungen
Eigene Notizen
4 Schädelsonographie, kraniale Bildgebung (bei Tumorverdacht) 4 Laborwerte (Kreatinin, Harnstoff, Renin, Aldosteron, Kortisol, ACTH etc.) 4 Nieren(doppler)sonographie 4 > Memo Je jünger ein Patient bei der Erstdiagnose ist, desto eher liegt eine sekundäre arterielle Hypertonie vor. Diagnose einer primären/essenziellen Hypertonie ist im Kindesalter eine Ausnahme.
Therapie 4 falls möglich, Behandlung der Grundkrankheit 4 Antihypertensiva (nach Stufenschemata) 4 grundsätzlich z. B. ACE-Hemmer, Diuretika (Thiazide) Kalziumantagonisten (Nifedipin, Amlodipin), β-Blocker (Atenolol), in der Regel im Rahmen von Stufenschemata 4 bei renaler Hypertonie, insbesondere bei Proteinurie ACE-Hemmer bevorzugen (»nephroprotektiver Effekt«)
10
10.7
Fehlbildungen und Erkrankungen des äußeren Genitale
10.7.1
Krankheiten männliches Genitale
Hypospadie
4 embryonale Fusionsstörung der Urethralrinne 4 Harnröhrenmündung dystop, glandulär/koronar, aber auch penile, penoskrotale und perineale Form 4 bindegewebige Chordastränge führen zu unterschiedlich ausgeprägter Schaftverkrümmung 4 volles Ausmaß oft erst bei Erektion sichtbar
Klinik 4 Harnstrahlabweichung, selten Abschwächung 4 veränderter Aspekt, ggf. mit Peniskrümmung → psychische Beeinträchtigung, spätere Behinderung bei Kohabitation
Diagnostik 4 Blickdiagnose 4 Therapie: operativ, bestes Zeitfenster, 6.–18. Lebensmonat (psychologische Gründe), sonst wieder ab dem 5. Lebensjahr, idealerweise vor dem Schuleintritt 4 ! Cave Da für die Rekonstruktion der Urethra insbesondere bei ausgeprägter Hypospadie u. U. Vorhaut gebraucht wird, muss eine Zirkumzision (z. B. aus religiösen Gründen) vor der Hypospadiekorrektur unterbleiben! 4 > Memo Bei proximaler Hypospadie, insbesondere in Kombination mit uni-oder bilateralem Kryptorchismus, entsteht ein intersexueller Genitalaspekt. Schnelle Klärung des Geschlechtes bzw. der zugrunde liegenden Erkrankungen (z. B. adrenogenitales Syndrom!) ist essenziell.
309 10.7 · Fehlbildungen und Erkrankungen des äußeren Genitale
Hydrocele testis/funiculi spermatici
4 fehlender oder unvollständiger Verschluss des Processus vaginalis mit prallelastischer Schwellung des Skrotums oder Abschnitten des Samenstranges 4 Schwellungszustand kann wechseln, differenzialdiagnostisch Leistenbruch ausschließen
Klinik 4 prall-elastische, schmerzlose Schwellung des Skrotums
Diagnostik 4 Diaphanoskopie positiv 4 im Zweifel Sonographie
Therapie 4 operativ, aber nicht vor Ende des zweiten Lebensjahres, da häufige Spontanremissionen Phimose
4 Verengung der Vorhaut, so dass die Glans penis nicht freigelegt werden kann. Spontane Lösung des Präputiums in der Mehrzahl der Fälle erst im 1.–2. Lebensjahr 4 > Memo Bei Säuglingen und Kleinkindern Phimose »physiologisch«. Retraktionsversuche kontraindiziert → narbige Einrisse des Präputiums → narbige Phimose 4 Therapieindikation 5 eitrige Sekretion aus dem Präputium 5 Behinderung der Miktion (Ballonierung der Vorhaut bei der Miktion)
Klinik 4 bei entzündlichen Veränderungen Schmerzen, insbesondere bei der Miktion oder Erektion
Diagnostik 4 klinische Diagnose
Therapie 4 konservativ mittels 0,5%-iger Hydrokortisoncreme oder operativ (Zirkumzision in Narkose) (Zirkumzision aus »hygienischen« oder religiöstraditionellen Gründen umstritten!) 4 ! Cave zu frühe Indikationsstellung bis zum 5.–6. Lebensjahr Balanitis
4 Entzündung der Vorhaut, meist bei Phimose, oft nach Manipulation i. S. von Dehnungsversuchen
10
Eigene Notizen
310
Kapitel 10 · Nephrologie und Urogenitalerkrankungen
Eigene Notizen
Klinik 4 Rötung, Schwellung, eitrige Sekretion, Schmerzen
Diagnostik 4 Blickdiagnose
Therapie 4 Behandlung in aller Regel lokal (desinfizierende Bäder mit z. B. JodPolyvidon-Lösung, Kamillenextrakt, Salbenbehandlung, nur in Ausnahmefällen antibiotische Therapie) 4 später dann Zirkumzision indiziert (nicht bei akuter Infektion) Hodentorsion
4 akute Torquierung des Samenstranges mit konsekutiver Durchblutungsstörung des Hodens 4 Prädilektionsalter 1. Lebensjahr und Pubertät 4 ! Cave urologischer Notfall, der umgehend operativ therapiert werden muss, da sonst durch Strangulation der Hodengefäße hämorrhagische Infarzierung des Hodens!
Klinik
10
4 akute Schmerzen, die in das Abdomen ausstrahlen, Übelkeit, Erbrechen, Schwellung, gelegentlich auch Rötung des Hemiskrotums
Diagnostik 4 Anheben des Hodens vermindert die Schmerzen (im Gegensatz zur Epididymitis) nicht (negatives Prehnsches Zeichen) 4 Nachweis der gestörten Durchblutung in der Doppler-Sonographie (unauffällige Untersuchung schließt Torsion nicht sicher aus!)
Therapie 4 operative Hodenfreilegung, Detorquierung, skrotale Fixation zur Verhinderung eines Rezidivs (auch beim primär nicht betroffenen Hoden) 4 > Memo Je länger die Torsion besteht, desto schlechter ist die Prognose bezüglich der Erholung des betroffenen Hodens (kritische Zeitgrenze bei nur 6 h!) 4 bei Verdacht auf Torsion keine langwierige Diagnostik, sondern (Kinder-)Urologen sofort hinzuziehen! Epididymitis
4 bakterielle Infektion des Nebenhodens mit schmerzhafter Schwellung
Klinik 4 ähnlich wie bei Torsion 4 Schmerzen, Schwellung, Rötung des Skrotums 4 Anamnese meist etwas länger als bei Torsion
311 10.7 · Fehlbildungen und Erkrankungen des äußeren Genitale
Diagnostik 4 4 4 4
Prehn-Zeichen positiv (Anheben des Hodens = Schmerzlinderung) Sonographie der Hoden Tastbefund! ggf. pathologischer Urinbefund
Therapie 4 Antibiose (Medikamente wie bei Harnwegsinfekt) in der Regel zunächst intravenös, Hodenhochlagerung, vorsichtige Kühlung 4 ! Cave bei geringsten Zweifeln Hodenfreilegung zum Ausschluss einer Hodentorsion! 4 > Memo Anlegen einer Urinkultur nicht vergessen! 4 nach Beendigung der Therapie immer Untersuchung, ob prädisponierende Faktoren vorliegen (vesikoureteraler Reflux? Harnröhrenklappe?) Hydatidentorsion
4 Reste der Müller-Ganges verbleiben am oberen Pol des Hodens als sog. Hydatide, die torquieren kann
Klinik 4 ähnlich wie bei Hodentorsion oder Epididymitis, meist weniger akut 4 oft Hydatide als kleiner Tumor am Hodenoberpol abgrenzbar.
Diagnostik 4 (Doppler-)Sonographie der Hoden 4 Tastbefund
Therapie 4 im Akutstadium bei Unklarheit Hodenfreilegung und Hydatidenabtragung, bei bereits länger bestehender Symptomatik oder aber bei sicherem Ausschluss einer Hodentorsion abwartendes Verhalten. Orchitis
4 Definition: bakterielle oder virale infektion des Hodengewebes, fortgeleitet oder durch hämatogene Streuung
Klinik 4 wie bei Torsion oder Epididymitis 4 Ätiologie: aszendierend über den Nebenhoden (»Orchidoepididymitis«), hämatogen oder (meist) einseitig bei Mumps oder Vaskulitiden (Schoenlein-Henoch-Purpura)
Diagnostik 4 (Doppler-)Sonographie der Hoden 4 Tastbefund
10
Eigene Notizen
312
Kapitel 10 · Nephrologie und Urogenitalerkrankungen
Eigene Notizen
Therapie 4 Antibiose, bei Mumps oder Vaskulitis nur symptomatisch (Hodenhochlagerung, Schmerzmittel!) 4 Mumpsorchitis Risiko für eine spätere Infertilität (durch Impfung vermeidbar) 4 ! Cave Bei geringsten Zweifeln an der Genese der Hodenschwellung operative Freilegung immer indiziert! Varikozele
4 Varizenbildung des Plexus pampiniformis des Samenstranges
Klinik 4 oft keine Beschwerden 4 Schmerzen, Zug- oder Druckgefühl möglich, insbesondere beim Pressen vermehrte Venenfüllung mit krampfaderartiger Schwellung der Gefäße
Diagnostik
10
4 klinische Tastuntersuchung (stehender Patient, Valsalva-Manöver!) 4 Sonographie der Hoden und des Abdomens (Tumorausschluss) 4 > Memo Aufgrund der anatomischen Verhältnisse findet sich die Varikozele fast immer auf der linken Seite. 4 sekundär Entstehung durch z. B. Raumforderungen retroperitoneal oder im kleinen Becken möglich (Sonographie des Abdomens zwingend!)
Therapie 4 Indikation zur Therapie nicht zwangsläufig 4 Therapie (operative Korrektur) aber indiziert 5 wenn der Hoden der betroffenen Seite im Wachstum zurückbleibt 5 wenn Schmerzen bestehen 5 bei der sekundären Varikozele 5 bei pathologischem Spermiogramm (Jugendliche) Hodenhochstand
4 zum Geburtszeitpunkt sind die Hoden in der Regel bis ins Skrotum deszendiert; etwa 5% aller reif geborenen Jungen haben einen Hodenhochstand, also eine Fehllage eines/beider Hoden. Bei Frühgeborenen Rate entsprechend höher 4 je nach Lage unterscheidet man 5 Gleithoden: Hoden sind oberhalb des Skrotums tastbar und lassen sich nur unter Spannung ins Skrotum verlagern, sie nehmen spontan ihre regelwidrige Lage wieder ein, der Processus vaginalis ist offen. 5 Bauchhoden: Hoden sind nicht tastbar und lassen sich sonographisch praktisch nie, kernspintomographisch auch nicht regelhaft nachweisen, wohl aber laparoskopisch.
313 10.7 · Fehlbildungen und Erkrankungen des äußeren Genitale
5 Pendelhoden: Hoden liegen oft außerhalb des Skrotums, lassen sich aber spannungsfrei nach distal mobilisieren und bleiben auch ohne Spannung im Skrotum liegen. 5 ! Cave Ein Hodenhochstand muss zwingend spätestens zum Ende des ersten Lebensjahres behandelt werden, da sonst spätere Infertilität und ein erhöhtes Risiko der Malignomentwicklung zu verzeichnen ist!
Klinik 4 Hoden ein- oder beidseitig nicht vollständig im Skrotum deszendiert 4 subjektiv in der Regel keine Beschwerden
Diagnostik 4 klinisch durch Palpation 4 bei Bedarf Sonographie, Kernspintomographie, Laparaskopie
Therapie 4 je nach klinischem Befund (Lage des Hodens abdominell/inguinal/ ektop) 4 primär chirurgisch (Orchidolyse) oder in geeigneten Fällen konservativ mittels intranasaler Verabreichung von LHRH oder intramuskulärer Gabe von HCG 4 > Memo Der Hodenhochstand kann Ausdruck eines zugrunde liegenden Gendefektes oder einer hormonellen Störung sein, deshalb weiterführende Untersuchungen (Chromosomenanalyse, Hormonanalysen) im Verdachtsfall!
10.7.2
Krankheiten des weiblichen Genitale
Hymenalatresie
4 ausbleibende Perforation des Uterovaginalkanals
Klinik 4 beim Neonaten ggf. mittelständige, tastbare abdominale Raumforderung (Hydrometrokolpos) sowie Ausbleiben des physiologischen Fluor albus 4 ggf. prall-elastische Vorwölbung interlabial sichtbar
Diagnostik 4 klinische Untersuchung 4 Abdomensonographie 4 ! Cave im Extremfall Harnstauungsniere sowie Infektion des unter mütterlichem Hormoneinfluss gebildeten Gebärmutterschleimhautsekretes mit Entwicklung eines Hydro-/Pyometrokolpos möglich
Therapie 4 operative Therapie
10
Eigene Notizen
314
Kapitel 10 · Nephrologie und Urogenitalerkrankungen
Eigene Notizen
Labiensynechie
4 meist infolge hormoneller kindlicher Ruhephase vermehrte Vulnerabilität der kleinen Labien durch z. B. scheuernde Windeln, Puderanwendung, Windeldermatitis mit sekundärer (entzündlicher) Fusion der kleinen Labien (primäre nichtentzündliche Form möglich) 4 > Memo In ausgeprägten Fällen Urinentleerung nur noch möglich über eine punktförmige Öffnung der kleinen Labien, meist unmittelbar subklitoridal, Begünstigung von Harnwegsinfekten!
Klinik 4 häufig Zufallsbefund bei Vorsorge oder bei Abklärung von Harnwegsinfekten
Diagnostik 4 klinische Untersuchung
Therapie
10
4 nach Vorbehandlung mittels Östrogensalbe über eine Woche Auflockerung der Verklebungslinie, anschließend vorsichtige stumpfe Lösung mittels sterilen Wattetupfers nach ausreichend langer Einwirkung eines als Creme aufzubringenden Lokalanästhetikums (bei sehr hartnäckiger Verklebung operative Trennung der Labien in Narkose) 4 > Memo Anschließendes »Offenhalten« der Labien zur Vermeidung einer neuerlichen Adhäsion essenziell! (Demonstration einer angemessenen Genitalpflege nicht vergessen!) Vulvovaginitis
4 bei Neonaten und kleinen Säuglingen in der Regel als Windeldermatitis (Candida!) auf Vulva und Vagina beschränkt 4 bei älteren (präpubertären) Kindern aufgrund hormoneller Ruhephase des vulvovaginalen Epithels unspezifische bakterielle Vulvovaginitis möglich, meist begünstigt durch falsche Genitalhygiene, Einbringen von Fremdkörpern (Spielperlen, kleine Baukastenteile), allergische Lokalreaktionen auf Pflegemittel etc.
Klinik 4 vaginaler Ausfluss, z. T. eitrig, fötider Geruch, Brennen beim Wasserlassen, Juckreiz, Schmerzen 4 im Rahmen von eitrigen Infekten der Halsregion (eitrige Angina) eitrige Mitinfektion des äußeren Genitales möglich 4 > Memo Auch ein Zuviel an Genitalhygiene (nicht indizierte Sitzbäder, Intimsprays, dauerndes Tragen von Slipeinlagen) kann ursächlich sein! 4 ! Cave Spezifische Infektionen (Neisserien, Chlamydien, Trichomonaden, Herpes simplex oder humanes Papillomavirus) müssen ggf. an sexuellen Missbrauch denken lassen!
315 10.7 · Fehlbildungen und Erkrankungen des äußeren Genitale
Diagnostik 4 Inspektion 4 Vaginoskopie (Narkose) 4 Abstriche für Mikrobiologie
Therapie 4 ggf. Fremdkörperentfernung 4 lokalantibiotische Therapie, in bestimmten Fällen auch systemische Antibiotikagabe 4 Sitzbäder mit desinfizierenden Lösungen 4 Regeneration des Epithels mittels Östrogensalben
10
Eigene Notizen
11 Tag 4
11 Endokrinologie B. Karges 11.1 Wachstumsstörungen – 318 11.1.1 Kleinwuchs – 318 11.1.2 Hochwuchs – 319
11.2 Störungen der Sexualentwicklung – 321 11.2.1 Störung der Geschlechtsentwicklung (DSD) – 321 11.2.2 Störungen der Pubertätsentwicklung – 322
11.3 Erkrankungen von Hypophyse und Hypothalamus – 326 11.3.1 Hypophyseninsuffizienz – 326 11.3.2 Diabetes insipidus – 327 11.3.3 Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion
– 328
11.4 Schilddrüsenerkrankungen – 329 11.4.1 11.4.2 11.4.3 11.4.4
Angeborene Hypothyreose – 329 Autoimmunthyreoiditis Hashimoto – 330 M. Basedow – 331 Schilddrüsentumoren – 332
11.5 Erkrankungen des Kalzium-Phosphat-Stoffwechsels – 333 11.5.1 Hypoparathyreoidismus – 333 11.5.2 Hyperparathyreoidismus – 334 11.5.3 Rachitis – 335
11.6 Erkrankungen der Nebenniere – 337 11.6.1 11.6.2 11.6.3 11.6.4 11.6.5
Adrenogenitales Syndrom – 337 Nebennierenrindeninsuffizienz – 338 Hyperkortisolismus (Cushing-Syndrom) Aldosteronsynthesestörungen – 341 Phäochromozytom – 342
11.7 Diabetes mellitus 11.7.1 Typ-1-Diabetes 11.7.2 Typ-2-Diabetes 11.7.3 MODY – 347
– 343
– 344 – 346
11.8 Adipositas – 348
– 340
318
Kapitel 11 · Endokrinologie
Eigene Notizen
11.1
Wachstumsstörungen
11.1.1
Kleinwuchs
4 Körperhöhe <3. Perzentile, (d. h. <2 SD unterhalb des Bevölkerungsmittels), Referenz: Standardwachstumskurve (z. B. von Brandt-Reinken oder Prader, für Jungen oder Mädchen) 4 Ursachen: 5 häufig Normvarianten (z. B. familiär, konstitutionelle Verzögerung von Wachstum/Pubertät) 5 andere primäre Wachstumstörungen z. B. Turner-Syndrom, Skelettdysplasien, Fetopathien (z. B. Plazentainsuffizienz, Alkohol), Noonan-, Silver-Russell-Syndrom 5 sekundäre Wachstumsstörung z. B. bei Wachstumshormon (GH)Mangel, Hypothyreose, Glukokortikoidexzess, Zöliakie, Mukoviszidose, Niereninsuffizienz, Rachitis, psychosoziale Vernachlässigung
Klinik
11
4 Wachstum <3. Perzentile verglichen mit alters- und geschlechtsspezifischem Kollektiv 4 Schneiden der Wachstumskurve nach unten (nachlassende Wachstumsgeschwindigkeit) 4 evtl. verzögerte Pubertät (bei konstitutioneller Entwicklungsverzögerung, KEV) 4 ggf. typische syndromale Stigmata z. B. Turner-Syndrom (Mädchen), Skelettdysplasie
Diagnostik 4 Basisdiagnostik bei Wachstumsstörungen 5 standardisierte Längenmessung (Kinder <2 Jahre: Liegeschale, ≥2 Jahre: im Stehen mit Harpenden-Stadiometer) 5 Anlage einer Wachstumskurve, Berechnung der Wachstumsgeschwindigkeit → Messung im Zeitabstand von mindestens 6 Monaten 5 Berechnung der familiären (d. h. genetischen) Zielgröße = (Größe der Mutter + Größe des Vaters in cm)/2, plus 6,5 cm (Jungen) bzw. minus 6,5 cm (Mädchen) 5 Bestimmung des Knochenalters (nach Greulich und Pyle) durch Röntgen der linken Hand 5 Bestimmung der prospektive Endgröße (nach Bayley und Pinneau) mittels Knochenalter und Ist-Größe → individuelle Wachstumsprognose 5 Körperproportionen: Sitzhöhe, Oberlänge/Unterlänge, Armspannweite, Kopfumfang 5 Pubertätsstadium nach Tanner 4 weitere Diagnostik 5 IGF-1, IGFBP-3 im Serum > Memo GH-Einzelmessung diagnostisch ohne Bedeutung wegen pulsatiler Sekretion!
319 11.1 · Wachstumsstörungen
5 bei Verdacht auf GH-Mangel: GH-Stimulationstests zur definitiven Diagnose des GH-Mangels 5 MRT-Hypophyse bei GH-Mangel (zum Ausschluss eines Hirntumors) 5 fT3, fT4, TSH (zum Ausschluss einer Hypothyreose) 5 Schweißtest (zum Ausschluss einer Mukoviszidose) 5 Transglutaminase-IgA, Gliadin-IgA und Gesamt IgA (zum Ausschluss einer Zöliakie) 5 Chromosomenanalyse bei Verdacht auf Turner-Syndrom (45,X0) 5 Ausschluss anderer Erkrankungen z. B. Anämie, M. Crohn/Kolitis, Knochenstoffwechsel
Therapie 4 Beeinflussung des Längenwachstums grundsätzlich nur möglich bei noch offenen Epiphysenfugen (Röntgen der linken Hand) 4 bei konstitutioneller Entwicklungsverzögerung (KEV) wird Zielgröße spontan erreicht (keine Therapie notwendig), Beratung und Wachstumsprognose sind wichtige Behandlungsziele! 4 Behandlung der Grunderkankung bei sekundärem Kleinwuchs (z. B. Hormonsubstitution bei Hypothyreose, Wachstumshormonmangel oder glutenfreie Diät bei Zöliakie) 4 Milieuwechsel (z. B. Pflegefamilie) bei psychosozialer Deprivation verbessert Wachstum 4 > Memo Aufholwachstum mit Therapie (bzw. bei KEV spontan) bestätigt Diagnose!
11.1.2
Hochwuchs
4 Körpergröße >97. Perzentile 4 Ursachen 5 meist Normvarianten: familiär, konstitutionelle Beschleunigung von Wachstum/Pubertät 5 chromosomale Anomalien z. B. Klinefelter-Syndrom 5 seltener hormonelle Ursachen z. B. GH-Exzess, Hyperthyreose, vermehrte Östrogen- oder Androgenproduktion (u. a. Pubertas praecox, adrenogenitales Syndrom (AGS)) 5 andere: Homozystinurie, syndromal: Marfan-, Sotos-, WiedemannBeckwith-Syndrom
Klinik 4 vorzeitige Pubertät (Tanner-Pubertätsstadium!) oder Hypogonadismus (→Klinefelter-Syndrom) 4 Dysproportionierung, Skelettveränderungen z. B. Skoliose, Trichterbrust bei Marfan-Syndrom 4 Makrozephalie bei Sotos-Syndrom 4 Makroglossie, Bauchwanddefekte, Hypoglykämie bei WiedemannBeckwith-Syndrom
11
Eigene Notizen
320
Kapitel 11 · Endokrinologie
Eigene Notizen
Diagnostik 4 s. Basisdiagnostik bei Wachstumsstörungen 5 Schneiden der Perzentilen nach oben → Verdacht auf GH- oder Sexualhormonexzess 5 Wachstumsprognose < Zielgröße bei Pubertas praecox oder adrenogenitalem Syndrom 4 IGF-1 ↑ bei GH-Exzess → oraler Glukosetoleranztest (OGT): fehlende GH-Suppression 4 ft4, TSH, Prolaktin, Testosteron, Östradiol, LH, FSH 4 17-OH Progesteron (↑ bei AGS) 4 Echokardiographie bei Verdacht auf Marfan-Syndrom (zum Ausschluss einer Aorteninsuffzienz) 4 Chromosomenanalyse bei Verdacht auf Klinefelter-Syndrom (47,XXY)
Therapie
11
4 je nach Grunderkrankung 5 GH-Exzess J operativ: transsphenoidale Resektion eines Hypophysenadenoms J Definition »Heilung«: GH ≤1 μg/l im OGT und IGF-1 alterentsprechend normal J bei persistierendem GH-Exzess: Somatostatinanaloga oder Pegvisomant (Antagonist) J Folgeerkrankungen nach Therapie beachten (z. B. Hypophyseninsuffizienz) J Therapie von metabolischen und kardiovaskulären Komplikationen 5 Hyperthyreose: Thyreostatika 5 Pubertas praecox centralis: GnRH-Agonist alle 28 Tage s.c. 5 adrenogenitales Syndrom (AGS): Substitution von Hydrokortison und Mineralkortikoid 5 Hoden-/Ovartumor: chirurgische Therapie 4 medikamentöse Wachstumsbremsung zur Endgrößenreduktion möglich 5 Prinzip: hochdosierte Sexualhormongabe → vorzeitiger Epiphysenschluss 5 Indikationen: Dysproportionierung, Skoliose, familiärer Hochwuchs (psychische Belastung) falls Wachstumsprognose >196–205 cm (Jungen) oder >185–187 cm (Mädchen)
321 11.2 · Störungen der Sexualentwicklung
11.2
Störungen der Sexualentwicklung
11.2.1
Störung der Geschlechtsentwicklung (DSD)
11
Eigene Notizen
4 heterogene Gruppe angeborener Entwicklungsstörungen des chromosomalen, gonadalen oder anatomischen Geschlechts, (»disorder of sex development«, DSD) 4 > Memo Begriffe wie »Intersexualität«, »Hermaphroditismus« sollten nicht mehr verwendet werden. 4 Häufigkeit 1:4500 Neugeborene 4 Formen und Ursachen 5 virilisiertes Mädchen durch fetale/maternale Androgene (z. B. adrenogenitales Syndrom durch 21-Hydroxylasemangel, Nebennierenrindentumor, Aromatasedefekt) 5 unzureichende Maskulinisierung beim Jungen infolge Gonadendysgenesie (z. B.X0/XY, SRY-Mutation), Androgenbiosynthesedefekt (z. B. inaktiver LH/CG-Rezeptor, 5α-Reduktasemangel), Androgenresistenz (Androgenrezeptordefekt) 5 Präsenz von Hoden- und Ovargewebe (Karyotyp XX häufig, XY selten, XX/XY Mosaike oder Chimären möglich) 5 syndromal (z. B. Denys Drash-, Frasier-) Nomenklatur und Klassifikation von Störungen der Geschlechtsentwicklung (DSD)* Geschlechtschromosomale DSD
46, XY-DSD
46,XX-DSD
45,X (Turner-Syndrom) 47,XXY (Klinefelter-Syndrom) 45,X/46,XY (gemischte Gonadendysgenesie, ovotestikuläre DSD) 46,XX/46,XY (chimäre, ovotestikuläre DSD)
Störung der Hodenentwicklung Störung der Hormonsynthese oder -wirkung Andere
Störung der Ovarentwicklung Androgenexzess Andere
* Consensus Statement verschiedener Fachgesellschaften, Lee et al. 2006
Klinik 4 äußeres Genitale weiblich, ambivalent oder männlich 4 Diskordanz zwischen äußerem Genitale und Karyotyp 5 Klitorishypertrophie, blind endende Vagina (weibliche Individuen) 5 Mikropenis, Hypospadie, inkomplette labioskrotale Fusion, Sinus urogenitalis, Hodenhochstand, Scrotum bipartitum (männliche Individuen) 4 Kleinwuchs (z. B. Turner-Syndrom) oder Hochwuchs (z. B. KlinefelterSyndrom) 4 fehlende/unvollständige Pubertät, primäre Amenorrhö und Virilisierung (weibliche Individuen), Gynäkomastie (männliche Individuen)
322
Kapitel 11 · Endokrinologie
Eigene Notizen
4 evtl. Nebennierenrindeninsuffizienz (bei Synthesedefekt adrenaler Steroidhormone) 4 Nephropathie, Wilms-Tumor (Denys-Drash-, Frasier-Syndrom)
Diagnostik 4 genaue Untersuchung des äußeren Genitale: Phallusgröße, Urethralöffnung, Labioskrotalfalten, Gonaden tastbar, Virilisierungsgrad (Prader 1–5), Photodokumentation 4 Chromosomenanalyse (Karyotyp) 4 17α-OH Progesteron, Elektrolyte, Renin, Kortisol, ACTH, evtl. ACTHTest, LH, FSH 4 hCG Test: Testosteron, Androstendion, Dihydrotestosteron basal und stimuliert 4 Spontanurin oder 24-h-Sammelurin → Steroidanalyse: identifiziert Enzymdefekt, Tumor 4 Ultraschall inneres Genitale, Gonaden, Niere, Nebenniere, evtl. MRT Gonaden 4 bei unklaren Fällen: Zystourethroskopie, Genitographie, evtl. Laparoskopie mit Gonadenbiopsie, Genitalhautbiopsie (AndrogenrezeptorAnalyse)
Therapie
11
4 Geschlechtszuordnung individuell unter Berücksichtigung 5 anatomischer Verhältnisse und funktioneller Ursache der DSD 5 kulturellen/familiären Besonderheiten 5 generell abhängig vom Ausmaß der Genitalfehlbildung 5 Konsens zwischen Pädiater, Operateur, Familie, ggf. Psychologe 4 Langzeitbetreuung durch interdisziplinäres, erfahrenes Team (s. o.) 4 operative Korrektur des äußeren Genitales im 1. Lebensjahr, evtl. in Pubertät zweite Korrekturoperation (Ziele: Kontinenzerhalt, normale Sexualfunktion und Fertilität) 4 ! Cave bei gemischter Gonadendysgenesie: Risiko für Gonadentumor (25%) → Gonadektomie bei Mädchen, regelmäßige Kontrollen bei Jungen (Tastbefund, Sonographie) 4 bei NNR-Insuffizienz Substitution von Hydrokortison, Mineralkortikoid 4 hormonelle Induktion der Pubertät (Östrogen/Gestagen oder Testosteron)
11.2.2
Störungen der Pubertätsentwicklung
Normale Pubertätsentwicklung
4 physiologischer »Motor« der Pubertätsentwicklung: Aktivierung des GnRH-Pulsgenerators im Hypothalamus stimuliert LH/FSH Sekretion → Sexualhormonsynthese in Ovar/Hoden 4 zeitlicher Ablauf der Pubertät (Mittelwert ± 2SD) 5 Mädchen
323 11.2 · Störungen der Sexualentwicklung
J beginnende Pubesbehaarung (Pubarche) mit 10,4 Jahren (8,0–12,8 Jahre) J beginnende Brustentwicklung (Thelarche) mit 10,9 Jahren (8,5–13,3 Jahre) J Gipfel des pubertären Wachstumsschubes im Mittel mit 12,2 Jahren J erste Regelblutung (Menarche) mit 13,4 Jahren (11,2–15,6 Jahre) J Dauer zwischen Beginn der Brustentwicklung (B2) und Menarche 2,2 Jahre (0–4,4 Jahre) 5 Jungen J Vergrößerung des Hodenvolumens ≥3 ml mit 11,8 (10,0–13,6) Jahren J Pubarche im Durchschnitt mit 12,2 Jahren (9,2–15,2 Jahre) J Gipfel des pubertären Wachstumsschubes im Mittel mit 13,9 Jahren J Stimmbruch mit 14,6 Jahren (12–17 Jahre) J Dauer zwischen G2 und G5 3,5 Jahre (1,3–5,7 Jahre)
J Pubertätsgynäkomastie tritt bei ca. 70% als Normvariante auf, meist spontan rückläufig Definition der Pubertätsstadien nach Tanner Stadien
Brustentwicklung (Mädchen)
Pubesbehaarung (beide Geschlechter)a
Genitalentwicklung (Jungen)
1
Keine
Keine
Infantil, Hoden ≤2 ml
2
Leichte Erhebung der Brust und Brustwarze
Spärliches Wachstum langer pigmentierter Haare
Hoden vergrößert ≥3– 8 ml, Penis nicht/gering vergrößert
3
Brustdrüse ist stärker vergrößert als Warzenhof
Wesentlich dunklere, dichtere und gekräuselte Haare über Symphyse
Vergrößerung von Hoden, Skrotum, Penis (vor allem in der Länge)
4
Gesonderte Vorwölbung des Warzenhofes
Wie beim Erwachsenen jedoch mit geringerer Ausdehnung ohne Übergang auf Oberschenkel
Penis: Wachstum in Länge und Breite, Entwicklung der Glans, Skrotalhaut dunkler
5
Adult
Horizontale obere Begrenzung, Ausbreitung auf Oberschenkel
Adult
a
P6 = weitere Ausdehnung dreieckförmig auf Linea alba gegen den Nabel, bei 80% der Männer, 10% der Frauen
Pubertas tarda
4 fehlender Pubertätsbeginn (Tanner 1) bei Mädchen >13 Jahre, bei Jungen >14 Jahre 4 Ursachen 5 häufig konstitutionelle Entwicklungsverzögerung (Ausschlussdiagnose!)
11
Eigene Notizen
324
Kapitel 11 · Endokrinologie
Eigene Notizen
5 seltener hypothalamisch/hypophysäre Störung z. B. GnRH-, LH/ FSH-Mangel, ZNS-Tumor 5 Gonadeninsuffizienz (z. B. Turner-, Klinefelter-Syndrom) 5 schwere Allgemeinerkrankung (z. B. Zöliakie, CF, Anämie, Anorexie) oder Leistungssport
Klinik 4 fehlende Brustentwicklung (Stadium B1) bei Mädchen >13 Jahre bzw. Hodenvolumen <3 ml (G1) bei Jungen >14 Jahre, ggf. Hodenhochstand 4 fehlender pubertärer Wachstumsschub 4 evtl. Dymorphiestigmata z. B. Pterygium colli und Kleinwuchs bei Turner-Syndrom, Adipositas bei Prader-Willi-Syndrom, Dysproportionierung und Hochwuchs bei Klinefelter-Syndrom 4 Anosmie (Aplasie von Bulbus olfaktorius und GnRH-Neuronen) bei Kallmann-Syndrom
Diagnostik
11
4 genaue Dokumentation des klinischen Pubertätsstadiums (Tanner-Stadium 1-5) 4 Bestimmung des Hodenvolumens mittels Orchidometer 4 Röntgen der linken Hand (Knochenalter reflektiert biologisches Alter) 4 LH, FSH (↑ bei Gonadeninsuffizienz, ↓ bei hypothalamisch-hypophysärer Störung) 4 GnRH-Test (kein Anstieg von LH/FSH bei hypophysärer Störung) 4 Riechtest bei zentralem Hypogonadismus (Kallmann-Syndrom) 4 Chromosomenanalyse (bei Verdacht auf auf Turner-/KlinefelterSyndrom) 4 Sonographie inneres Genitale (zum Ausschluss Anlagestörung) 4 bei DSD: hCG-Test, Steroidanalyse (Urin), ggf. Androgenrezeptoranalyse 4 bei Verdacht auf Hypophyseninsuffizienz ggf. Hypophysentest und MRT 4 Ausschluss anderer chronischer Erkrankungen, z. B. Anämie, Hypothyreose, Zöliakie
Therapie 4 bei Verdacht auf konstitutionelle Entwicklungsverzögerung zunächst nur Verlaufskontrolle 4 Therapieziel: Pubertätsinduktion, vollständige Ausbildung sekundärer Geschlechtsmerkmale 5 bei Mädchen: Östradiolvalerat (oder konjugierten Östrogene) z. B. Beginn mit 0,2 mg/d, stufenweise Dosissteigerung bis 2,0 mg/d im 3. Jahr, nach 12 Monaten zusätzliche Gestagengabe 5 bei Jungen Testosteronenanthat 50–250 mg i.m./Monat (Dosis alle 6 Monate steigern)
325 11.2 · Störungen der Sexualentwicklung
Pubertas praecox
4 vorzeitiger Beginn der Pubertätsentwicklung, Mädchen <8 Jahre (in 80%), Jungen <9 Jahre 4 Ursachen: 5 hypothalamisch-hypophysär ausgelöste zentrale Pubertätsentwicklung (häufig, in 80% idiopathisch, selten Hirntumor, z. B. hypothalamisches Hamartom) 5 Pseudopubertas praecox (selten) durch autonome Östrogen- oder Androgenbildung in Ovar, Hoden, Nebenniere, (intrakraniellen) Keimzelltumor oder exogene Hormonzufuhr
Klinik 4 Wachstumsbeschleunigung (Schneiden der Perzentilen nach oben) 4 Brustentwicklung bei Mädchen <8 Jahre, beginnende Pubesbehaarung oder Hodenvergrößerung (≥3 ml) bei Jungen <9 Jahre 4 bei Pseudopubertas praecox disharmonischer Pubertätsverlauf z. B. bei adrenogenitalem Syndrom (AGS) keine Hodenvergrößerung (→ Androgenbildung in Nebenniere!) 4 vorzeitiger Epiphysenfugenschluss (Knochenalterakzeleration) → Kleinwuchs als Erwachsener
Diagnostik 4 Röntgen linke Hand: akzeleriertes Knochenalter, Wachstumsprognose < elterliche Zielgröße 4 TSH, fT4, Prolaktin, Testosteron, Östradiol, LH, FSH 4 GnRH-Test (LH/FSH stimuliert >1 bei zentraler Pubertät und <1 bei Pseudopubertas praecox) 4 bei Verdacht auf Pseudopubertas praecox 5 17-OH-Progesteron (Serum) (↑ bei AGS), β-HCG (Serum) (↑ bei Keimzelltumor) 5 Steroidanalyse (Urin) (pathologisch bei AGS und Nebennierenrindentumor) 5 ggf. Lokalisationsdiagnostik (Hoden, Ovar, Nebenniere, Hypophyse)
Differenzialdiagnose 4 isolierte prämature Pubarche/Thelarche ohne weitere Pubertätszeichen, ohne Progredienz (kein Behandlungsbedarf!) 4 > Memo Wichtig ist Unterschied zwischen Normvariante und pathologischer Pubertätsentwicklung.
Therapie 4 Ziele 5 Unterbrechung des Pubertätsverlaufs, Regression sekundärer Geschlechtsmerkmale 5 Verbesserung der Endgröße 5 Synchronisierung von körperlicher und seelischer/geistiger Entwicklung
11
Eigene Notizen
326
Kapitel 11 · Endokrinologie
Eigene Notizen
11
4 Behandlung der zentralen Pubertas praecox mit GnRH-Agonist 1× monatlich s.c. (verstärkte und verlängerte Wirkung → Down-Regulation und Desensitivierung der GnRH-Rezeptoren) 4 Beseitigung der auslösenden Ursache, z. B. Tumorentfernung, Hydrocortison bei AGS
11.3
Erkrankungen von Hypophyse und Hypothalamus
11.3.1
Hypophyseninsuffizienz
4 totaler oder partieller Ausfall der Hypophysenvorderlappenhormone: Wachstumshormon (GH), TSH, LH, FSH, ACTH, Prolaktin 4 bei Ausfall des Hinterlappens (selten): Diabetes insipidus durch ADHMangel 4 Häufigkeit 1:4000 4 Ursachen im Kindesalter: häufig idiopathisch, seltener andere u. a. 5 kongenital (z. B. Anlagestörung durch Defekte hypophysärer Transkriptionsfaktoren z. B. PIT1, PROP1) oder bei isoliertem GHMangel (z. B. GH-, oder GHRHR-Genmutation) 5 Hypophysenadenome oder andere Tumoren (z. B. Kraniopharyngeom) 5 iatrogen (Radiatio, postoperativ) oder posttraumatisch (z. B. Hypophysenstielabriss) 5 sehr selten: Meningitis, Granulome, Ischämie
Klinik 4 Symptome abhängig vom Zeitpunkt des Erkrankungsbeginns 5 Säuglinge: Hypoglykämien (GH-, ACTH-Mangel), Mikropenis, Hodenhochstand (LH/FSH ↓) 5 Kinder: Kleinwuchs (GH-, TSH-Mangel) 5 Jugendliche: fehlende Pubertät, Amenorrhö (LH/FSH-Mangel), Adynamie (ACTH, TSH ↓) 4 Symptome der auslösenden Erkrankung (z. B. Kopfschmerzen, Sehstörung, Polyurie, -dipsie)
Diagnostik 4 Verdacht bei typischer Klinik und erniedrigten basalen Hormonwerten (fT4, TSH, IgF-1, Kortisol, ACTH, LH, FSH, Östradiol, Testosteron, Prolaktin) 4 Diagnosesicherung durch Hypophysenkombinationstest (Insulinhypoglykämie-Test oder Releasing-Hormon Test) 4 augenärztliche Untersuchung, evtl. Perimetrie 4 Ursachenklärung: MRT der Hypophyse, ggf. Gendiagnostik
327 11.3 · Erkrankungen von Hypophyse und Hypothalamus
Therapie 4 Substitution von Wachstumshormon, Thyroxin, Hydrocortison, Testosteron bzw. Östrogen/Gestagen 4 Überwachung der Therapie (Wachstumskurve, Entwicklung, Knochendichte etc.) und möglicher Nebenwirkungen (z. B. iatrogener Cushing, Akromegalie), regelmäßiges Follow-up 4 Notfallausweis und genaue Patienteninformation erforderlich 4 ! Cave Dosiserhöhung von Hydrokortison (3- bis 8-fach) bei akuter Krankheit oder Operation lebenswichtig!
11.3.2
Diabetes insipidus
4 fehlende Urinkonzentration, Polyurie durch verminderte Sekretion (zentral) oder renale Wirkung (renal) von antidiuretischem Hormon (ADH, Synonym: Vasopressin) 4 Synthese von ADH (Peptid, 9 Aminosäuren) im Hypothalamus, Sekretion durch Neurohypophyse, hemmt Wasserdiurese im Sammelrohr der Niere 4 Ursachen des zentralen Diabetes insipidus 5 Tumoren in Hypothalamus/Hypophyse:Kraniopharyngeom, Germinom, Histiozytose (45%) 5 postoperativ oder posttraumatisch (25%) 5 idiopathisch (25%) 5 familiäre Form (Mutationen im Neurophysin-, Vasopressin-Gen) 4 renaler (nephrogener) Diabetes insipidus sehr selten, entweder familiär (z. B. Mutationen von Vasopressin-V2-Rezeptor oder Aquaporin 2) oder erworben (z. B. Medikamente)
Klinik 4 Polyurie (3–20 l täglich), Urin »hell wie Wasser« 4 starker Durst, hohe Trinkmenge (Polydipsie), auch nachts 4 ggf. Symptome von Grund- oder Begleiterkrankungen (z. B. HVL-Insuffizienz, Sehstörungen)
Diagnostik 4 Ausschluss anderer Polyurieursachen: Diabetes mellitus, Hyperkalzämie, Diuretika 4 bei begründetem klinischen Verdacht: kontrollierter Durstversuch (stationäre Durchführung) 5 mit Analyse von Urinvolumen, Urin-/Serumosmolarität, Körpergewicht, Blutdruck, ggf. ADH 5 bei Diabetes insipidus fehlende Urinkonzentration >300 mosmol/l, anhaltend hohe Urinvolumina trotz Exsikkose (Serumosmolarität ↑) 5 anschließend Gabe von DDAVP (Desmopressin, Vasopressin-Analogon), »DDAVP-Test«: bei Diabetes insipidus centralis Urinosmolarität ansteigend, Urinvolumen sinkt ab
11
Eigene Notizen
328
Kapitel 11 · Endokrinologie
Eigene Notizen
4 wenn zentraler Diabetes insipidus bestätigt: MRT Hypophyse/Hypothalamus 4 zusätzlich Diagnostik von Grund- oder Begleiterkrankungen
Therapie 4 bei zentralem Diabetes insipidus: DDAVP (Desamin-D-Arg-Vasopressin) intranasal 1–2× täglich 0,1 mg, Behandlungsziel: normale Urinmenge (bis 3 l/24 h), alternativ DDAVP parenteral (s.c.) 4 bei renalem Diabetes insipidus (selten): natriumarme Diät, Thiaziddiuretikum 4 Therapie der Grund- und Begleiterkrankungen
11.3.3
11
Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion
4 Wasserretention mit Verdünnungshyponatriämie durch überschießende ADH Sekretion 4 Synonym: SIADH, Schwartz-Bartter Syndrom 4 Ursachen 5 ZNS-Erkrankungen (z. B. Meningoenzephalitis) 5 Lungenerkrankungen (z. B. Infektionen, Beatmung) 5 Medikamente (u. a. Carbamazepin, Vincristin, Cyclophosphamid) 5 paraneoplastische ADH-Produktion (maligne Tumoren z. B. Lymphom) 5 andere z. B. AIDS
Klinik 4 geringe Urinausscheidung und Gewichtszunahme 4 Schwindel, Übelkeit, Kopfschmerzen, Somnolenz, zerebraler Krampfanfall, Koma
Diagnostik 4 Hyponatriämie (<135 mmol/l), Hypoosmolalität im Serum (<275 mosm/ kg) 4 Natrium (Urin) normal oder vermehrt 4 Urinosmolalität größer als für Serumosmolalität erwartet 4 Kreatinin, Kreatininclearance, Harnstoff, Cystatin C (normal) 4 Normovolämie, keine Zeichen der Hypovolämie/Dehydratation 4 Renin ↓ 4 positive Flüssigkeitsbilanz, Gewichtszunahme
Differenzialdiagnose 4 hypovolämische Hyponatriämie (Renin ↑), z. B. Gastroenteritis, Diuretika 4 hypervolämische Hyponatriämie (z. B. Herzinsuffizienz, nephrotisches Syndrom) 4 renale Tubulopathie (Natriumresorption ↓)
329 11.4 · Schilddrüsenerkrankungen
4 kreislaufinduzierte, nicht-osmotische ADH-Freisetzung (z. B. Sepsis, Hypovolämie) 4 Nebennierenrindeninsuffizienz, Hypothyreose
Therapie 4 Behandlung der Grundkrankheit 4 Flüssigkeitsrestriktion (60% des Bedarfs), Ziele: Symptome, Serumosmolalität normalisieren ! Cave bei intravasalem Volumenmangel ist Wasserretention Kompensationsmechanismus → Flüssigkeitsrestriktion ist in diesem Fall falsch! 4 langsame Normalisierung des Serumnatriums (Anstieg von Natrium um maximal 0,5 mmol/l/h oder 12 mmol/l/24 h) 4 Vermeidung nichtosmotischer Stimuli der ADH Sekretion (Erbrechen, Schwindel, Schmerz) 11.4
Schilddrüsenerkrankungen
11.4.1
Angeborene Hypothyreose
4 meist primäre Hypothyreose, Häufigkeit 1:3500 5 durch Aplasie/Hypoplasie der Schilddrüse (z. B. Defekt thyreoidaler Transkriptionsfaktoren) 5 seltener Störungen der Schilddrüsenhormonsynthese, z. B. Thyroxinperoxidasedefekt 5 wird im Neugeborenen TSH-Screening am 3. Lebenstag erfasst 4 zentrale Hypothyreose durch TSH-Mangel, 1:20.000 5 isoliert (z. B. TSHβ-Gendefekt) oder Hypophyseninsuffizienz 5 ! Cave Neugeborenen TSH-Screening erkennt zentrale Hypothyreose nicht! 4 transiente Hypothyreose durch Jodkontamination, mütterliche Thyreostatika, Jodmangel
Klinik 4 keine klinischen Symptome unmittelbar nach Geburt 4 Säugling: Makroglossie, heiseres Schreien, Ikterus, Nabelbruch, Muskelhypotonie 4 ! Cave Entwicklungsverzögerung bis schwere irreversible psychomotorische Retardierung 4 Kleinwuchs mit erniedrigter Wachstumsgeschwindigkeit 4 ggf. Struma (u. a. bei Thyroxinperoxidasedefekt) 4 Myxödem, (Kardio-)Myopathie 4 Adynamie, Vigilanzstörung bis hin zum Koma (sehr selten)
Diagnostik 4 fT4 ↓, fT3 ↓, TSH ↑ (bei intakter Hypophysenfunktion) 4 Thyreoglobulin (Maß für aktives Schilddrüsengewebe) 4 bei Verdacht auf zentrale Hypothyreose: thyroxinbindendes Globulin (TBG), Hypophysenfunktionstest
11
Eigene Notizen
330
Kapitel 11 · Endokrinologie
Eigene Notizen
4 Schilddrüsensonographie (Anlagestörung, Struma) 4 Schilddrüsenszintigraphie (nur bei Verdacht auf Schilddrüsen Ektopie) 4 evtl. Schilddrüsenantikörper TAK, TPO (Autoimmunthyreoiditis) 4 Knochenalter (retardiert bei länger bestehender Hypothyreose) 4 bei Verdacht auf hereditäre Ursache ggf. Gendiagnostik und fT4/TSH bei Geburt weiterer Kinder
Therapie 4 L-Thyroxin initial 10–15 μg/kg/d p.o., Therapiebeginn möglichst früh nach Geburt 4 Dosisanpassung nach TSH (Ziel: niedrig normal 0,2–2,5 mU/ml) und fT4 (Ziel: hoch normal) 4 Kontrolle von Wachstum und Entwicklung, insbesondere Sprachentwicklung, Hörvermögen 4 bei großer Struma ggf. operative Intervention (Resektion) 4 Voraussetzungen für normale Entwicklung bei angeborener Hypothyreose: 5 Behandlungsbeginn vor 13. Lebenstag 5 LT4-Dosis 10–15 μg/kg/d 5 fT4 und TSH in 2 bzw. 4 Wochen normal 5 fT4-Werte hochnormal im 1.–3. Lebensjahr
11
11.4.2
Autoimmunthyreoiditis Hashimoto
4 chronisch lymphozytäre Autoimmunthyreoiditis (AT) mit langsam progredientem (Monate bis Jahre) Funktionsverlust der Schilddrüse 4 genetische Prädisposition, Manifestationsfaktor hohe Jodidzufuhr 4 häufigste Ursache der erworbenen Hypothyreose in Europa 4 positiver Antikörpernachweis (TPO, TAK) bei ca. 3–4% der Schulkinder, 7% der Erwachsenen 4 Mädchen 3- bis 4mal häufiger betroffen als Jungen 4 mit vergrößerter (hypertrophe AT, Struma) oder verkleinerter Schilddrüse (atrophe AT)
Klinik 4 Beschwerden korrelieren direkt mit Schilddrüsenfunktion: initial meist symptomlos, mit zunehmender Hypothyreose: Müdigkeit, Gewichtszunahme, Leistungsminderung, Kälteintoleranz, Wachstumsstörung, fehlende Pubertät 4 bei großer Struma ggf. Globusgefühl, Stridor, Schluckbeschwerden 4 selten initial (transiente) Hyperthyreose (<10% der Patienten) 4 ggf. Symptome anderer Autoimmunendokrinopathien (z. B. Kortisolmangel, Diabetes)
331 11.4 · Schilddrüsenerkrankungen
Diagnostik 4 Auto-Antikörper gegen Thyreoglobulin (TAK) und thyreoidale Peroxidase (TPO) positiv 4 Schilddrüsensonographie 5 typisches echoarmes inhomogenes Parenchym 5 Volumenmessung (alters- und geschlechtsabhängige Referenzwerte beachten) 4 fT3, fT4, TSH 4 Abgrenzung zum M. Basedow (Autoimmunhyperthyreose) durch TSHRezeptor-Antikörper Status (TRAK-positiv bei M. Basedow, negativ bei Autoimmunthyreoiditis) 4 Assoziation mit anderen endokrinen Autoimmunerkrankungen häufig, daher regelmäßiges Screening (Klinik/Labor) auf u. a. M. Addison, Typ1-Diabetes, atrophische Gastritis
Differenzialdiagnose 4 Jodmangel(-struma)
Therapie 4 L-Thyroxin (LT4) bei Hypothyreose ! Cave keine Jodidtherapie 5 ca. 50–150 μg/d LT4, Ziel: TSH im unteren Normbereich, fT4 hochnormal 5 bei normaler Schilddrüsenfunktion und Größe generell keine LT4Therapie, Antikörpernachweis per se keine Behandlungsindikation 5 ! Cave vor LT4-Substitution bei schwerer Hypothyreose Ausschluss eines Kortisolmangels (Gefahr der Addison-Krise) 4 bei Hyperthyreose (selten) thyreostatische Therapie 11.4.3
M. Basedow
4 chronische T- und B-Zell-abhängige Autoimmunerkrankung der Schilddrüse 4 häufigste Ursache der Hyperthyreose im Kindes-, und Jugendalter 4 oft chronisch-rezidivierender Verlauf 4 Mädchen 3- bis 4-mal häufiger betroffen als Jungen 4 typisches Auftreten von TSH-Rezeptor-Antikörpern (TRAK) 4 in bis zu 50% Auftreten einer endokrinen Orbitopathie, wahrscheinlich durch T-Zell-Reaktivität gegen gemeinsame Antigene in Schilddrüse und Augenmuskulatur/Orbitagewebe (u. a. TSH-Rezeptor)
Klinik 4 Tachykardie, innere Unruhe, Wärmeintoleranz, Gewichtsverlust, Gedeihstörung, Herzrhythmusstörungen, seltener Diarrhö, Nykturie, psychische Symptome 4 bei großer Struma ggf. Globusgefühl, Schluckbeschwerden 4 ggf. Symptome der endokrinen Orbitopathie: »trockenes Auge«, Exophthalmus (häufig asymmetrisch), Doppelbilder, Visusminderung (Notfall!) 4 selten infiltrative Dermopathie (v. a. prätibial)
11
Eigene Notizen
332
Kapitel 11 · Endokrinologie
Eigene Notizen
Diagnostik 4 klassische »Merseburg-Trias« (Tachykardie, Struma, Exophthalmus) selten; oft geringe subjektive Beeinträchtigung 4 TSH basal ↓ ist sensitiver Parameter zum Nachweis der Hyperthyreose 4 fT4 und fT3 ↑, TRAK im Serum positiv 4 Schilddrüsensonographie (echoarmes, inhomogenes Parenchym; Volumen oft vergrößert) 4 ophthalmologische Untersuchung, bei endokriner Orbitopathie evtl. Orbita-MRT
Therapie
11
4 Thyreostatika: z. B. Carbimazol, initial 0,5 mg/kg/d in 3 Dosen, dann 0,25 mg/kg/d über 12–18 Monate, Dosisreduktion je nach fT4 und fT3 5 TSH auch unter thyreostatischer Therapie supprimiert → nicht geeignet zur Dosisanpassung 5 mögliche Nebenwirkungen beachten (v. a. Blutbild, Leberwerte, Hautveränderungen) 5 ! Cave möglichst niedrige Erhaltungsdosis, da Nebenwirkungen dosisabhängig 4 nach Erreichen der Euthyreose zusätzlich niedrig dosiert L-Thyroxin (Ausschalten der strumigenen Wirkung bei TSH-Anstieg trotz Reduktion der thyreostatischen Dosis) 4 symptomatisch ggf. β-Blocker (z. B. Propranolol) 4 Nikotinkarenz! (signifikanter Risikofaktor für Manifestation einer Endokrinen Orbitopathie) 4 Operationsindikation: Thyreoidektomie bei wiederholten Rezidiven, großer Struma/Progression, Tumorverdacht, Thyreostatikaintoleranz 4 Behandlung der endokrinen Orbitopathie interdisziplinär in spezialisierten Zentren
11.4.4
Schilddrüsentumoren
4 Schilddrüsenknoten durch regressive Veränderungen (z. B. von Zysten) oder Neoplasien 4 Schilddrüsenkarzinom: papillär (85%), follikulär (10%), medullär (CZell-Karzinom, familiär, 5%) 4 Risikofaktoren: ionisierende Strahlung, Radioaktivität, genetische Faktoren (C-Zell-Karzinom) 4 ! Cave isolierter Schilddrüsenknoten → potenziell maligne → sorgfältig abklären
Klinik 4 asymmetrische symptomlose Schilddrüsenvergrößerung 4 Knoten von harter/derber Konsistenz, schmerzlos, nicht verschieblich → malignitätsverdächtig 4 bei Schilddrüsenkarzinom in 50% bei Erstvorstellung Metastasen (regionale Lymphknotenvergrößerung, Lunge)
333 11.5 · Erkrankungen des Kalzium-Phosphat-Stoffwechsels
Diagnostik 4 fT4, fT3, TSH (normal) 4 Kalzitonin ↑ bei medullärem Karzinom 4 Schilddrüsensonographie: meist echoarme, unregelmäßig begrenzte Areale mit verstärkter Perfusion 4 Schilddrüsenszintigraphie mit 99mTc-Pertechnetat: Nachweis hypofunktioneller »kalter« Knoten 4 Feinnadelbiopsie bei sonographisch echoarmen und szintigraphisch kalten Knoten 4 bei familiärem C-Zell-Karzinom: molekulargenetische Analyse des RET-Protoonkogens, bei positivem Mutationsnachweis ist genetisches Screening von erstgradig Verwandten obligat 4 Thyreoglobulin (dient als Tumormarker nach Therapie von papillären/ follikulären Karzinomen) 4 im Rahmen von Staging und Nachsorge MRT Halsregion, Röntgen/CTThorax 4 Ganzkörperskelettszintigraphie mit 131J, evtl. 18F-FDG-PET (Metastasensuche)
Therapie 4 Schilddrüsenknoten: Indikation zur Operation ist Malignitätsverdacht 4 bei Karzinom: totale Thyreoidektomie mit zervikaler Lymphknotendissektion, anschließende (2–3 Wochen postoperativ) Radiojodtherapie mit 131J (bei papillären/follikulären Karzinomen) 4 L-Thyroxin-Substitution, Ziel: TSH-Suppression (≤0,1 mU/l) 4 Lebenserwartung von Kindern mit komplett entferntem papillärem Karzinom nicht reduziert 4 bei multipler endokriner Neoplasie (MEN-2-Syndrom) bzw. nachgewiesener RET-Mutation: prophylaktische Thyreoidektomie, regelmäßige Untersuchung auf Phäochromozytom und primären Hyperparathyreoidismus 11.5
Erkrankungen des Kalzium-Phosphat-Stoffwechsels
11.5.1
Hypoparathyreoidismus
4 Unterfunktion der Nebenschilddrüse mit verminderter Parathormon (PTH)-Sekretion 4 Ursachen 5 selten primär (Nebenschilddrüsenaplasie, Mutation im PTH-Gen, Kalziumrezeptor-Gen) 5 häufiger durch Hypomagnesiämie (funktioneller Hypoparathyreoidismus) 5 transitorisch bei Früh- und Neugeborenen 5 postoperativ nach Schilddrüsenoperation 5 syndromatisch kombiniert mit z. B. DiGeorge-Syndrom, Autoimmunpolyendokrinopathie
11
Eigene Notizen
334
Kapitel 11 · Endokrinologie
Eigene Notizen
Klinik 4 Hypokalzämie mit Pfötchenstellung, Tetanie, Parästhesien, Krampfanfällen 4 paradoxe Verkalkungen in Augenlinse, Stammganglien (chronische Verläufe) 4 Reizbarkeit, psychische Auffälligkeiten
Diagnostik 4 Hypokalzämie: Gesamtkalzium (Serum) <2,1 mmol/l und Parathormon (Serum) ↓ 4 Hyperphosphatämie (Serumphosphat bei Säuglingen >2,6 mmol/l, ältere Kinder >1,9 mmol/l) 4 Magnesium (Serum) (Ausschluss Hypomagnesiämie) 4 Kalzium und Phosphat (Urin) ↓ 4 Differenzierung isolierter von syndromatischen Formen: u. a. Echokardiographie, ACTH-Test
Differenzialdiagnose 4 Pseudohypoparathyreoidismus: fehlende Wirkung von Parathormon 4 hereditäre Albright-Osteodystrophie (sehr selten) mit Kleinwuchs, Adipositas, geistiger Retardierung, Brachydaktylie (→ Röntgen Hand/Fuss) und Pseudohypoparathyreoidismus
Therapie
11
4 akut bei Tetanie, Krampfanfall: 10%-ige Kalziumglukonatlösung 1– 2 ml/kg langsam i.v. 4 Dauertherapie 5 Kalzium 0,5–1 g p.o. 5 Vitamin D3 50 μg/kg/d oder Kalzitriol 50 ng/kg/d (Rocaltrol®, besser steuerbar) J Therapieziel: Serumkalzium unterer Normbereich ! Cave Hyperkalzämie,-kalziurie J Kalzium im Urin soll <0,1 mmol/kg/d bzw. <0,7 mmol Kalzium/ mmol Kreatinin sein J bei Hyperkalziurie: Hydrochlorothiazid 1–2 mg/kg/d, natriumarme/kaliumreiche Kost 5 ! Cave bei Immobilisierung Vitamin D3/Kalzitriol reduzieren → Gefahr der Hyperkalzämie, -kalziurie!
11.5.2
Hyperparathyreoidismus
4 primärer Hyperparathyreoidismus (pHPT): Adenom, Hyperplasie oder bei multipler endokriner Neoplasie (MEN) 4 sekundärer HPT (sHPT): bei kalzipenischer Rachitis, Niereninsuffizienz, Pseudohypoparathyreoidismus
335 11.5 · Erkrankungen des Kalzium-Phosphat-Stoffwechsels
Klinik
Eigene Notizen
4 häufig asymptomatisch (Zufallsbefund) 4 bei pHPT 5 Hyperkalzämie mit Übelkeit, Erbrechen, Anorexie, Blutdruck ↑, psychische Veränderung 5 Hyperkalziurie: Polyurie, Polydipsie, Nephrolithiasis, Nephrokalzinose 5 Knochenschmerzen, subperiostale Defekte (PTH-Wirkung am Skelett) 5 MEN1: kombiniert mit Hypophysenadenom, neuroendokriner Pankreastumor, Angiofibrom, Nebennierenadenom 5 MEN2A: kombiniert mit medullärem Schilddrüsenkarzinom, Phäochromozytom 4 bei sHPT: Zeichen der Grunderkrankung, ggf. milde Hypokalzämie
Diagnostik 4 4 4 4
Gesamtkalzium (Serum) ↑ >2,6 mmol/l, Hyperkalziurie Phosphat (Serum) ↓ Parathormon (Serum) ↑(>6 pmol/l) Nebenschilddrüsensonographie, ggf. (99mTc-Sestamibi-)Szintigraphie
Differenzialdiagnose 4 familiäre hypokalziurische Hyperkalzämie → Kalziumrezeptor (CaSR) inaktiv, dominant erblich
Therapie 4 bei pHPT 5 chirurgische Exploration: Entfernung eines Adenoms, bei Hyperplasie aller 4 Nebenschilddrüsen → totale Parathyreoidektomie mit Autotransplantation von Nebenschilddrüsengewebe in Muskulatur z. B. in M. sternocleidomastoideus 5 bei asymptomatischem pHPT (Serumkalzium <2,95 mmol/l, normale Kreatininclearance) ggf. konservatives Vorgehen möglich, d. h. ausreichende Flüssigkeitszufuhr und regelmäßige Kontrollen 4 bei sHPT: Therapie der Grunderkrankung 4 Kalzimimetika (z. B. Cinacalcet) hemmen Parathormon-Sekretion durch CaSR-Stimulation (für Kinder und Jugendliche noch nicht zugelassen) 11.5.3
11
Rachitis
4 gestörte Mineralisierung und Desorganisation der Wachstumsfuge infolge vermindertem Kalzium- oder Phosphatangebot; dank Vitamin-DProphylaxe heute seltener 5 Kalziummangel durch verminderte Vitamin-D-Synthese/-Wirkung, geringe Kalziumzufuhr 5 Phosphatmangel durch gestörte tubuläre Rückresorption, zu geringe Phosphatzufuhr
336
Kapitel 11 · Endokrinologie
Eigene Notizen
4 Ursachen des Vitamin-D-Mangels 5 eingeschränkte Vitamin-D-Synthese in der Haut (niedrige Sonneneinstrahlung) 5 unzureichende Zufuhr (Nahrung) oder Malabsorption 5 Antikonvulsiva 5 hereditäre Vitamin-D-Synthesestörung (VDAR I) oder Endorganresistenz (VDARII) 5 > Memo Risikogruppen sind Säuglinge ohne Vitamin-D-Prophylaxe, Vegetarier, Migranten aus Asien/Afrika (Ernährungsgewohnheiten, dunkles Hautpiment, Bekleidung) 4 Phosphatdiabetes (familiäre hypophosphatämische Rachitis): X-chromosomal erbliche Störung der tubulären Phosphatrückresorption und der Vitamin-D-Stoffwechselregulation
Klinik
11
4 typisches Manifestationsalter: 1. und 2. Lebensjahr, Pubertät (hohe Wachstumsrate) 4 Tetanie, Krampfanfall infolge Hypokalzämie 4 Skelettveränderungen: Verdickung von Hand- und Fußgelenken (Verdoppelung der Malleoli), Kraniotabes, rachitischer Rosenkranz (Auftreibung der Knorpel-Knochen-Grenze an vorderen Rippenenden), Genua valga oder vara 4 Myopathie (Bewegungsarmut, Muskelhypotonie) 4 Wachstumsverzögerung 4 Infektneigung 4 Zahnschmelzdefekte, Zahnabszesse
Diagnostik 4 Anamnese: Sonnenlichtexposition, Ernährung, Vitamin-D-Prophylaxe, familiäre Formen 4 Kalzium (Serum) (niedrig normal) 4 Phosphat (Serum) ↓ (erniedrigte tubuläre Phosphatrückresorption) 4 Parathormon (Serum) ↑ (sekundärer Hyperparathyreoidismus) 4 Alkalische Phosphatase (Serum) ↑ (gesteigerter Knochenumsatz) 4 25-OH Vitamin D und 1,25(OH)2 Vitamin D (Serum) ↓ 4 Röntgen linke Hand: Auftreibung und Becherung der metaphysären Wachstumsfugen, weitere radiolog. Veränderungen: Grünholzfrakturen, Auftreibungen der vorderen Rippenenden
Therapie 4 Vitamin-D-Mangel-Rachitis (Kleinkind): Vitamin D3 5000 E, Kalzium 0,5–1 g/d p.o. 3 Wochen 5 Normalisierung der Serumspiegel von Kalzium, Phosphat, Parathormon in 1–2 Wochen 5 alkalische Phosphatase im Serum kann unter Therapie noch ansteigen, normalisiert sich nach Wochen/Monaten 5 Rückbildung der (radiologischen) Skelettveränderungen innerhalb von Wochen/Monaten
337 11.6 · Erkrankungen der Nebenniere
4 Phosphatdiabetes 5 Phosphat 40–70 mg/kg/d in 4–6 Dosen oral und 5 Kalzitriol (1,25(OH)2D3) initial 15–20 ng/kg/d p.o. in 2 Dosen, bei Hyperkalziurie Dosis ↓ 5 Mitbetreuung durch Kinderorthopäden, da häufig progrediente Knochendeformierungen
11.6
Erkrankungen der Nebenniere
11.6.1
Adrenogenitales Syndrom
4 kongenitaler autosomal-rezessiv erblicher Defekt der Nebennieren-Steroidbiosynthese 4 Häufigkeit 1:12.000, wird im Neugeborenen Screening am 3. Lebenstag untersucht 4 Ursachen: in >90% inaktivierende Mutation des 21-Hydroxylase-Gens, seltener Defekt der 11-Hydroxylase oder 3-β-Hydroxysteroiddehydrogenase 4 Formen (infolge unterschiedlich ausgeprägtem 21-Hydroxylasemangel) 5 klassisches AGS mit Salzverlust (häufigste Form, kompletter 21-Hydroxylasedefekt) 5 einfach virilisierendes AGS, klassisches AGS ohne Salzverlust (partieller Enzymdefekt) 5 nicht-klassisches AGS (sehr milder 21-Hydroxylasemangel) 5 > Memo kompletter 21-Hydroxylasedefekt → Kortisol-, Aldosteronmangel und Androgenexzess!
Klinik 4 klinische Ausprägung stark abhängig vom Genotyp (korreliert mit residueller Enzymaktivität) 4 Gedeihstörung, Salzverlustkrise und Hypoglykämie in 3.–4. Lebenswoche (lebensbedrohlich!) 4 Virilisierung weiblicher Patienten: Klitorishypertrophie, Fusion der Labien, gemeinsame Öffnung von Vagina und Urethra (Uterus, Vagina, Tuben, Ovarien normal angelegt) 4 Pseudopubertas praecox mit Großwuchs als Kind 4 Kleinwuchs als Erwachsener (durch frühen Epiphysenschluss) 4 nicht-klassische Form: prämature Adrenarche, Zyklusstörung, Hirsutismus, Akne, Infertilität
Diagnostik 4 17 OH-Progesteron (↑ bei 21-Hydroxylasemangel) → Neugeborenenscreening 3. Lebenstag 4 Testosteron ↑, Androstendion ↑, DHEA-S ↑ (Androgenexzess) 4 Kortisol ↓, Blutzucker ↓, ACTH ↑ (Kortisolmangel) 4 Natrium ↓, Kalium ↑, Renin ↑ (Mineralkortikoidmangel)
11
Eigene Notizen
338
Kapitel 11 · Endokrinologie
Eigene Notizen
4 Knochenalter akzeleriert 4 Steroidanalyse im Urin (Standard zum Nachweis des spezifischen Steroidsynthesedefektes) 4 Molekulargenetik (21-Hydroxylase-Gen) zur Diagnosesicherung und Pränataldiagnostik
Therapie
11
4 Ziele: Verhinderung adrenaler Krisen, normales Wachstum und Gewichtsentwicklung, Vermeidung einer Virilisierung, normale Pubertät, Sexualfunktion, Fertilität 4 Dauertherapie: Hydrokortison 10–15 mg/m2/d p.o., 50% morgens, je 25% mittags und abends ! Cave Therapie niemals unterbrechen! 5 ! Cave in Krisensituation (Fieber, Operation, schwere Erkrankung) 3- bis 8-fache Dosis, ggf. parenteral 5 bei Salzverlust: 9α-Fluorokortisol 25–200 μg/d p.o., NaCl 0,5–1g/d p.o. bei Säuglingen 5 Notfallausweis und wiederholte genaue Patienteninformation 4 operative Korrektur des virilisierten weiblichen Genitales im 2.–6. Lebensmonat 4 Risiko von adrenalen und gonadalen Tumoren erhöht (v. a. bei unzureichender Substitution) 4 bei AGS Wiederholungsrisiko: in erneuter Schwangerschaft (experimentelle) Therapie mit Dexamethason (3×0,5 mg) in 5. SSW beginnen, nur bei pränatalem Nachweis von AGS bei weiblichem Fetus Fortsetzung der Therapie bis zur Geburt (verhindert Virilisierung)
11.6.2
Nebennierenrindeninsuffizienz
4 Glukokortikoid (Kortisol)- und Mineralokortikoid (Aldosteron)-Mangel durch Ausfall der Nebennierenrinden (NNR)-Funktion 4 primäre NNR-Insuffizienz (Morbus Addison): ACTH ↑ 5 häufigste Ursache: chronische Autoimmunadrenalitis, isoliert oder im Rahmen eines autoimmunen polyendokrinen Syndroms (APS) J APS Typ 1: M. Addison und (fakultativ) Hashimoto-Thyreoiditis, Typ-1-Diabetes, Ovarialinsuffizienz, Vitiligo oder andere J APS Typ 2: M. Addison und Hypoparathyreoidismus, mukokutane Candidiasis, andere 5 NNR-Infektionen (Tbc, CMV) 5 NNR-Einblutung (perinatal, Waterhouse-Friedrichsen-Syndrom bei Sepsis) 5 kongenitale Störungen (AGS, NNR-Hypoplasie, Adrenoleukodystrophie, ACTH-Resistenz) 4 sekundär: ACTH ↓, bei Hypophysenvorderlappeninsuffizienz; iatrogen nach Steroidtherapie
339 11.6 · Erkrankungen der Nebenniere
Klinik 4 Symptome bei langsam progressivem Verlauf (häufigste Form): Schwäche, Müdigkeit, Abgeschlagenheit 4 Hyperpigmentierung (auch an »sonnenfernen« Stellen) 4 arterielle Hypotension 4 Übelkeit, Erbrechen 4 akute NNR-Insuffizienz bei Erstmanifestation oder als Komplikation (»Addison-Krise«): Kreislaufinsuffizienz, Vigilanzstörung bis zum Koma, Erbrechen, schwere Elektolytstörungen (Na ↓, K ↑), Hypoglykämie 4 evtl. Symptome von assoziierten Erkrankungen (z. B. bei Autoimmunpolyendokrinopathie)
Diagnostik 4 4 4 4 4 4 4 4 4
typisches klinisches Bild Kalium ↑ , Natrium ↓ Diagnosebestätigung durch ACTH ↑ , Kortisol (Serum/24-h-Urin) ↓ Aldosteron im Serum ↓ , Plasma Renin ↑ ggf. ACTH Kurztest (weist unzureichenden Kortisolanstieg nach) ggf. NNR-Autoantikörper bei Autoimmun-Addison: andere endokrine Störungen ausschließen Ursachendiagnostik je nach klinischem Verdacht ! Cave Akutbehandlung darf nicht durch Diagnostik verzögert werden!
Therapie 4 Akuttherapie (z. B. bei Erstmanifestation oder »Addison-Krise«) 5 initial Hydrokortison 100–200 mg/m2 i.v. (alternativ: Prednisolon 25–50 mg/m2 iv) 5 dann Hydrokortison 100–200 mg/m2/24 h i.v. bis zur Überwindung der Krise 5 Volumensubstitution mit NaCl 0,9% oder NaCl 0,9% und 10%-ige Glukose 1:1 5 Intensivtherapie und Monitoring (nach Klinik) 4 chronische NNR-Insuffizienz → lebensbegleitende Substitutionstherapie: 5 Hydrocortison 10 mg/m2/d p.o., 50% morgens, je 25% mittags und abends 5 9α-Fluorokortisol 25–200 μg/Tag p.o. (Dosisanpassung nach Blutdruck, Klinik, Renin) 4 Notfallausweis, ausführliche Patienteninformation (Verhalten in Krisensituationen, Reisen) 4 ! Cave bei schwerer Allgemeinerkrankung, Infektion, Operationen etc.: gesteigerter Kortisolbedarf → 3- bis 8-fache Hydrocortisondosis erforderlich, ggf. i.v. Gabe (bei Erbrechen, Diarrhö)
11
Eigene Notizen
340
Kapitel 11 · Endokrinologie
Eigene Notizen
11.6.3
Hyperkortisolismus (Cushing-Syndrom)
4 übermäßige Produktion von Kortisol durch Nebennierenadenome/karzinome oder ACTH-produzierendes Hypophysenadenom (M. Cushing), selten hypothalamische Störung oder ektope, paraneoplastische ACTH-Produktion 4 klinisch meist nicht zu unterscheiden von anderen Formen des Glukokortikoidexzesss, wie z. B. exogene Steroidzufuhr (häufig)
Klinik 4 zentrale Adipositas mit rundem Gesicht (»Vollmond«) und Nackenpolster (70–100% der Fälle) 4 Wachstumshemmung! 4 Akne und Follikulitis, rötliche Striae, in ausgeprägten Fällen dünne, leicht verletzliche Haut mit Neigung zu Hämatomen, bei Mädchen: Hirsutismus, Zyklusstörungen 4 arterielle Hypertonie (durch Natrium- und Flüssigkeitsretention) 4 gestörte Glukosetoleranz (sekundärer Diabetes mellitus) 4 Muskelschwäche, psychische Veränderungen (u. a. Euphorie, Depression, Psychose) 4 > Memo Wachstumshemmung und starke Gewichtszunahme → Verdacht auf Hyperkortisolismus
Diagnostik
11
4 bei klinischem Verdacht 5 Screening mit Dexamethason-Suppressionstest (Kurztest: 1×1,5 mg/m2 p.o. um 23.00 Uhr) → normal: Kortisol <3 μg/dl am nächsten Morgen um 8.00 Uhr 5 alternativ: freies Kortisol im 24-h-Sammelurin 4 Einzelmessung von Serumkortisol diagnostisch unzureichend (Ausnahme: Messung um 24 Uhr, Spiegel physiologisch <3 μg/dl), Kortisoltagesprofil (aufgehobene Nachtsenke) 4 ACTH im Serum 5 falls ACTH ↑: MRT Hypophyse und andere Hypophysenfunktionstests 5 wenn ACTH normal/niedrig: Nebennieren/Abdomen CT 5 selektive Venenblutentnahme (»Stufenkatheter«) mit ACTH Bestimmung zur Tumorlokalisation selten indiziert (z. B. Sinus-petrosus-Katheter)
Therapie 4 chirurgische Entfernung eines adrenalen Tumors 4 neurochirurgische Resektion des Hypophysenadenoms (Standardzugang: transnasal-transsphenoidal), selten Radiatio 4 Diagnostik und ggf. Therapie einer Hypophyseninsuffizienz 4 regelmäßiges neurochirurgisches/endokrinologisches Follow-up 4 ggf. Behandlung der Folgeerkrankungen (arterielle Hypertonie, Diabetes)
341 11.6 · Erkrankungen der Nebenniere
11.6.4
Aldosteronsynthesestörungen
Isolierter Hypoaldosteronismus
4 Seltener, autosomal-rezessiv erblicher Defekt der Aldosteronsynthetase → Mineralkortikoidmangel
Klinik 4 je nach Ausmaß des Enzymdefektes: schwere Salzverlustkrise bei Neugeborenen oder Gedeihstörung im Kleinkindalter
Diagnostik 4 4 4 4
Natrium ↓, Kalium ↑, metabolische Azidose (Salzverlust) Renin (Plasma) ↑ Aldosteron (Serum) ↓ 18-Hydroxykortikosteron (Serum) ↑
Therapie 4 9α-Fluorokortisol (Astonin H®) 50–100 μg/m2/d p.o. und NaCl-Substitution 0,5–1 g/d p.o. 4 mit zunehmendem Alter spontane Besserung der Salzverlustsymptomatik Primärer Hyperaldosteronismus
4 erhöhte Aldosteronproduktion, im Kindesalter sehr selten 4 Ursachen: Nebennierenrindenadenom, bilaterale adrenokortikale Hyperplasie oder Glukokortioid-supprimierbarer Hyperaldosteronismus (ACTHabhängig), sehr selten autonome Aldosteronproduktion (Conn-Syndrom)
Klinik 4 arterieller Hypertonus 4 Polyurie/Polydipsie 4 Myopathie
Diagnostik 4 Natrium ↑, Kalium ↓, metabolische Alkalose 4 Renin (Plasma) ↓ 4 Aldosteron (Serum) ↑
Differenzialdiagnose 4 sekundärer Hyperaldosteronismus, »high-renin hypertension«, z. B. renovaskuläre Fehlbildung 4 renaltubuläre Ionenkanal-/Transporter-Erkrankung (z. B. Bartter-Syndrom) 4 AGS mit 11β-Hydroxylasedefekt und konsekutiv vermehrter Desoxykortikosteronbildung 4 Cushing-Syndrom 4 Pseudohyperaldosteronismus: Klinik wie bei Mineralkortikoidexzess, aber Aldosteron ↓ und Renin ↓, bei Defekt der 11β-Hydroxysteroiddehydrogenase oder Lakritzabusus
11
Eigene Notizen
342
Kapitel 11 · Endokrinologie
Eigene Notizen
Therapie 4 chirurgisch: Entfernung aldosteronproduzierender Adenome der Nebennierenrinde 4 bei Glukokortikoid-supprimierbarem Hyperaldosteronismus: Dexamethason niedrig dosiert
11.6.5
Phäochromozytom
4 Katecholamin-produzierender Tumor neuroektodermalen Ursprungs, in ca. 10% maligne 4 Lokalisation Nebennierenmark (80–90%) oder extraadrenal (sympathische Ganglien (Grenzstrang) 10–20%), in 20% bilateral, in 30–40% multifokal 4 seltene, aber differenzialdiagnostisch wichtige Ursache der arteriellen Hypertonie (Therapie!) 4 Sekretion von Adrenalin, Noradrenalin, Dopamin führen zu typischen Symptomen und Blutdruckerhöhung 4 ca. 20% der Phäochromozytome entstehen im Rahmen eines autosomal-dominanten genetischen Tumorsyndroms (MEN-2-, von-HippelLindau-Syndrom, Neurofibromatose)
Klinik
11
4 arterielle Hypertonie in >95% (dauerhaft, anfallsweise (»Krise«) oder kombiniert) 4 anfallsweise »vegetative« Symptome: Kopfweh/Schwitzen, Tachykardie, Herzklopfen, Nervosität, Übelkeit, Schwäche, Blässe, Zittern 4 bei konstanter Katecholaminausschüttung oft keine typischen krisenartigen Beschwerden
Diagnostik 4 Verdachtsdiagnose bei arterieller Hypertonie und anfallsartigen Beschwerden 4 Katecholaminausscheidung (Adrenalin, Noradrenalin, Metanephrine) im angesäuerten 24h Urin ↑ (wiederholte Untersuchung, altersabhängige Normwerte beachten) 4 Katecholamine im Plasma ↑ (falsch-positive Ergebnisse möglich bei Stressreaktion) 4 Clonidinsupressionstest: 3 h nach Clonidin oral → kein Abfall der Plasmakatecholamine 4 Lokalisationsdiagnostik durch Sonographie, CT/MRT Abdomen, ggf. Szintigraphie/SPECT mit 123J-MIBG (Metajodbenzylguanidin) 4 bei bilateralem Phäochromozytom und positiver Familienanamnese: erweiterte Diagnostik bezüglich genetischer Tumorsyndrome incl. Mutationsanalyse (z. B. RET-, vHL-Gen) 4 ! Cave diagnostische Punktion von Nebennierentumoren erst nach Ausschluss eines Phäochromozytoms (Gefahr der hypertensiven Krise!)
343 11.7 · Diabetes mellitus
Therapie
Eigene Notizen
4 medikamentöse präoperative Blutdruckeinstellung mit α-Rezeptor-Blocker (Phenoxybenzamin) 4 dann chirurgische Resektion des Tumors (ggf. laparaskopisch) en bloc, beonderes intraoperatives Management erforderlich
11.7
Diabetes mellitus
4 Gruppe chronischer Störungen des Glukosemetabolismus mit 5 Hyperglykämie 5 erhöhtem Risiko für Akutkomplikationen (Ketoazidose, Hypoglykämie als Therapiefolge) 5 erhöhtem Risiko für mikro- und makrovaskuläre Folgeerkrankungen 4 zur Diagnosesicherung Glukosebestimmung im Serum mit Referenzmethode notwendig (nicht mit Blutzuckerteststreifen) Diagnostische Kriterien des Diabetes und Prädiabetes Nüchternglukose (mg/dlc)
2-h-Glukosewert (mg/dlc) im OGTT
Normal
<100
<140
Prädiabetes (IFGa)
100–125
–
Prädiabetes (IGTb)
–
140–200
Diabetes
>125
>200
a
11
IFG: impaired fasting glucose, bIGT: impaired glucose tolerance; cUmrechnungsfaktor von mg/dl in mmol/l: 0,055
4 weitere Diagnosekriterien des Diabetes mellitus 5 klassische Symptome und ein Gelegenheitsblutzucker ≥200 mg/dl oder 5 wiederholte Bestätigung eines Gelegenheitsblutzuckers ≥200 mg/dl Korrelation zwischen HbA1c und geschätztem mittleren Blutzucker (ADAGFormel) HbA1c (%)
5,0
6,0
7,0
8,0
9,0
10,0
BZ (mg/dl)
97
126
154
183
212
240
Berechnung des mittleren Blutzuckerwertes (BZ) Wertes aus dem HbA1c: BZ (mg/dl) = 28.7xHbA1c - 46.7
4 Klassifikation des Diabetes mellitus nach American Diabetes Association/Deutsche Diabetes Gesellschaft (ADA/DDG): 5 Typ-1-Diabetes mit absolutem Insulinmangel (immunologisch bedingt oder idiopathisch) 5 Typ-2-Diabetes mit relativem Insulinmangel infolge Insulinresistenz, gestörter -sekretion
344
Kapitel 11 · Endokrinologie
Eigene Notizen
5 andere Diabetesformen J monogenetische Diabetesformen: z. B. MODY »maturity onset diabetes of the young« J genetischer Defekt der Insulinwirkung J Krankheiten des exokrinen Pankreas z. B. Mukoviszidose, Thalassämie J Endokrinopathien z. B. Hyperkortisolismus, Akromegalie, Hyperthyreose J Medikamentös z. B. Glukokortikoide J Infektionen z. B. Zytomegalievirus, kongenitale Rötelninfektion J seltene immunvermittelte Formen J genetische Syndrome mit Diabetes z. B. M. Down-, Turner-, Klinefelter-Syndrom 5 Gestationsdiabetes (ca. 3% aller Schwangeren)
11.7.1
11
Typ-1-Diabetes
4 häufigste Stoffwechselerkrankung im Kindes- und Jugendalter 4 betrifft ca. 25.000 Kinder und Jugendliche in Deutschland, 2000 Neuerkrankungen/Jahr 4 in >90% Ursache des Diabetes mellitus im Kindes- und Jugendalter 4 Inzidenzanstieg um 3–5% pro Jahr betrifft insbesondere jüngere Altergruppen 4 T-Zell-abhängige Autoimmunerkrankung mit genetischer Prädisposition (HLA-DR3, HLA-DR4) führt zu chronischer Zerstörung der pankreatischen β-Zellen mit 5 absolutem Insulinmangel → gesteigerte Lipolyse, Ketogenese und metabolische Azidose 5 Ketoazidose ist vital bedrohliche Akutkomplikation, ausgelöst durch schweren Insulinmangel (bei Erstmanifestation, fehlender Insulinzufuhr z. B. Therapiefehler, Infekt, Trauma/Stress mit Insulinresistenz, erhöhtem Insulinbedarf) 5 gemeinsames Vorkommen mit anderen Autoimmunerkrankungen (Thyreoiditis, Zöliakie) 4 sehr selten nicht-immunologisch bedingter Typ-1-Diabetes (z. B. durch Insulin Genmutation)
Klinik 4 Polyurie und Polydipsie, Exsikkose 4 akutes, schweres Krankheitsgefühl mit Schwäche, Müdigkeit, Apathie, Gewichtsabnahme 4 zunehmende Bewusstseinsstörung bis zum Koma 4 Erbrechen, abdominelle Schmerzen (Pseudoperitonitis bei Ketoazidose) 4 vertiefte (Kussmaul-) Atmung, Azetonfötor 4 ! Cave Eine diabetische Ketoazidose kann sich bei Kindern innerhalb kurzer Zeit entwickeln!
345 11.7 · Diabetes mellitus
Diagnostik 4 bei Erstmanifestation 5 Hyperglykämie (Blutzucker meist zwischen 250 und >500 mg/dl) 5 pH <7,35, bei schwerer Ketoazidose <7,20, Bikarbonat und BE erniedrigt 5 Keton im Urin +++, β-Hydroxybutyrat >3 mmol/l im Plasma 5 positive Inselzellautoantikörper (GAD65, IA-2, IA, IAA) 5 C-Peptid niedrig 4 regelmäßige Kontrolluntersuchungen im Behandlungverlauf 5 HbA1c vierteljährlich kontrollieren (zur Beurteilung der Stoffwechseleinstellung) 5 Urin: quantitative Albuminausscheidung mindestens 1-mal jährlich, Serumkreatinin 5 augenärztliche Untersuchung (Funduskopie in Mydriasis) bezüglich Retinopathie 1-mal jährlich 5 Pulsstatus, neurologischer Status, Fußinspektion mindestens 1-mal jährlich 5 Blutdruck vierteljährlich kontrollieren, ggf. ambulante 24-h-Blutdruckmessung 5 HDL- und LDL-Cholesterin, Triglyzeride jährlich kontrollieren 5 fT4, TSH, TAK, TPO (assoziierte Autoimmunthyreoiditis) alle 1–2 Jahre 5 Anti-Transglutaminase-IgA-Antikörper (assoziierte Zöliakie) alle 1–2 Jahre, ggf. Dünndarmbiopsie
Therapie 4 Therapie der Ketoazidose 5 Flüssigkeitssubstitution mit NaCl 0,9% über 48 h. i.v., und Kaliumsubstitution 5 Insulintherapie: initial i.v. 0,05–0,1 IE/kg/h oder s.c. 1 IE/kg/d 5 Ziel: Blutzuckersenkung um 40–90 mg/dl/h, dann Blutzucker bei 200–250 mg/dl halten, wenn Blutzucker <250mg/dl: Glukoseinfusion, engmaschige Blutzuckerkontrolle und Insulin-Dosiskorrektur 5 ! Cave vorsichtige Blutzuckersenkung und kontrollierte Rehydratation (<3000 ml/m2/d) über 48 h senkt Gefahr des Hirnödems (kommt in 0,3–1% vor) 4 Dauertherapie mit Insulin nach individuellen Gesichtspunkten 5 intensivierte Insulintherapie (Basis-/Boluskonzept): an die Nahrungsaufnahme angepasste bedarfsgerechte Insulinzufuhr, Standardtherapie des Typ-1-Diabetes J mehrfach täglich s.c. Injektionen von Normalinsulin oder kurzwirksamen Insulinanaloga (Lispro, Aspart, Glulisin) zu den Mahlzeiten sowie Basalinsulin (NPH, Detemir oder Glargin 1- bis 2-mal täglich) J Insulinpumpentherapie mit kontinuierlicher subkutaner Insulininfusion (CSII) 5 konventionelle Insulintherapie: Anpassung der Mahlzeiten an vorgegebenes Insulinschema z. B. Verwendung eines Mischinsulins
11
Eigene Notizen
346
Kapitel 11 · Endokrinologie
Eigene Notizen
(30% schnell wirksam, 70% langwirksam); wird nur noch in Ausnahmefällen angewandt, wenn intensivierte Insulintherapie nicht möglich 4 Basismaßnahmen: altersadaptierte strukturierte Schulung über 5 Blutzuckerselbstmessung, Insulininjektion, Stoffwechselselbstkontrolle 5 Ernährung: gesunde Ernährung, Berechnung der Kohlenhydrate 5 Förderung regelmäßiger körperlicher Aktivität 4 psychosoziale Unterstützung der Familie und ggf. Intervention 4 ggf. Therapie von Begleit- und Folgeerkrankungen, Nikotinverzicht 5 > Memo Ziele der Diabetestherapie nur durch regelmäßige diabetologische Betreuung/Monitoring erreichbar! 5 »normnahe« Blutzuckereinstellung, HbA1c <7,5% 5 Vermeidung akuter Stoffwechselentgleisungen (schwere Hypoglykämie, Ketoazidose) 5 Prävention diabetesbedingter mikro- und makrovaskulärer Folgeerkrankungen 5 altersentsprechend normale Entwicklung und Leistungsfähigkeit
11.7.2
11
Typ-2-Diabetes
4 polygen vererbt, begünstigt durch geringe körperliche Aktivität, hyperkalorische Ernährung 4 Insulinresistenz und verminderte Insulinsekretion führen zu relativem Insulinmangel 4 Risikofaktoren 5 positive Familienanamnese für Diabetes mellitus Typ 2 bei Verwandten 1. oder 2. Grades 5 Adipositas (BMI >97. Perzentile) 5 Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe mit erhöhtem Typ-2Diabetesrisiko (u. a. indianische, hispanische, asiatische, afrikanische Herkunft) 5 klinische Zeichen der Insulinresistenz: Acanthosis nigricans, polyzystisches Ovarsyndrom 4 Prävalenz bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland 2,3/100.000, in Japan 14/100.000
Klinik 4 bei Diagnosestellung meist asymptomatisch, oft Adipositas 4 »klassische« Symptome wie Polyurie und Polydipsie eher selten 4 sehr selten diabetische Ketoazidose oder hyperglykämischer hyperosmolarer Status 4 Acanthosis nigricans (schmutzig braun-graue Hautveränderungen in Achselhöhlen, Nacken, Gelenkbeugen, Genitale) bei 56–92% der Patienten → Hinweis auf Insulinresistenz 4 polyzystisches Ovarsyndrom: Hirsutismus, Zeichen der Hyperandrogenämie, Oligomenorrhö
347 11.7 · Diabetes mellitus
Diagnostik 4 Erstdiagnose 5 Hyperglykämie (nüchtern, im OGT . Tab. oben oder Gelegenheitsblutzucker >200 mg/dl) 5 C-Peptid (normal), Inselzellautoantikörper (negativ) (zur Abgrenzung vom Typ-1-Diabetes) 4 Begleiterkrankungen: 5 Steatosis hepatis, Gallensteine, Transaminasen (oft ↑), Sonographie des Abdomens 5 arterielle Hypertonie: Blutdruckmessung mindestens 1-mal jährlich, ggf. 24-h-Blutdruckmessung 5 Hyperlipoproteinämie: Gesamt-, HDL-, LDL-Cholesterin, Triglyzeride jährlich bestimmen 4 regelmäßige Kontrolluntersuchungen 5 HbA1c vierteljährlich kontrollieren (zur Beurteilung der Stoffwechseleinstellung) 5 Urin: quantitative Albuminausscheidung mindestens 1-mal jährlich, Serumkreatinin 5 augenärztliche Untersuchung (Funduskopie in Mydriasis) bezüglich Retinopathie 1-mal jährlich
Therapie 4 nachhaltige Verhaltensänderung bezüglich Ernährung und Bewegung → Gewichtsreduktion 4 Basismaßnahmen: Ernährungsschulung, Blutzuckerselbstmessung, regelmäßig Sport 4 Metformin 2× 500 bis 2×1000 mg/d 4 Insulin, falls Diät und Metformin nicht ausreichend → intensivierte Insulintherapie s. o. 4 Ziel: »normnahe« Blutzuckereinstellung, HbA1c <7,0%, Nüchternglukose <126 mg/dl 4 ggf. Therapie von Begleit- und Folgeerkrankungen, Nikotinverzicht
11.7.3
MODY
4 »Maturity onset diabetes of the young«, Prävalenz 2,4/100.000 4 Gruppe von Diabetesformen durch genetische Defekte der BetazellFunktion 4 autosomal-dominante Vererbung, typischerweise mehrere Generationen betroffen 4 Ursache: Mutation von Transkriptionsfaktoren (MODY 1, 3, 4, 5, 6), Glukokinase (MODY 2) oder unbekannte Störung → gestörte Insulinsekretion der Betazelle 5 häufigste Formen sind MODY 2 und 3 (in jeweils 20–50%) 4 Alter bei Manifestation <25 Jahre, oft in früher Kindheit 4 primär meist nicht insulinpflichtig, keine Ketoazidose, Verlauf variabel
11
Eigene Notizen
348
Kapitel 11 · Endokrinologie
Eigene Notizen
Klinik 4 häufig asymptomatisch: erhöhte Blutglukose als Zufallsbefund 4 langsamer Beginn von klinischen Symptomen, z. B. Polyurie, Polydipsie, Gewichtsabnahme 4 MODY 3: deutliche Hyperglykämie, Glukosurie bei Blutzucker <180 mg/dl, häufig Folgeerkrankungen 4 MODY 2: oft milde Hyperglykämie, selten Organkomplikationen
Diagnostik 4 Hyperglykämie, positive Familienanamnese für Diabetes 4 Body-Mass-Index (BMI, kg/m2) meist normal d. h. keine Adipositas 4 Urinketone und Blut pH normal, Inselzellautoantikörper (negativ), CPeptid (normal) 4 molekulargenetische Untersuchung (Mutationsscreening) möglich
Therapie
11
4 Ziel: »normnahe« Blutzuckereinstellung, HbA1c <7,0%, Nüchternglukose <126 mg/dl 4 Basismaßnahmen: Ernährungsschulung, Blutzuckerselbstmessung, regelmäßig Sport 4 Sulfonylharnstoffe (Glibenclamid, Glimipirid), hohe Sensitivität bei MODY 3! (→niedrige Dosis) 4 Insulin, falls Diät und orale Antidiabetika nicht ausreichend → intensivierte Insulintherapie 4 regelmäßige diabetologische Betreuung und Monitoring u. a. Augen, Niere, Blutdruck, Lipide 4 ggf. Therapie von Begleit- und Folgeerkrankungen, Nikotinverzicht 4 > Memo Therapie mit Sulfonylharnstoffen verbessert Insulinsekretion bei Patienten mit MODY 3!
11.8
Adipositas
4 Body-Mass-Index (kg/m2) >97. Perzentile, Übergewicht: BMI zwischen 90. und 97. Perzentile 4 Prävalenz bei Schulkindern: Adipositas in 4–8%, Übergewicht in 10– 18% 4 häufig Persistenz von Übergewicht/Adipositas bei Kindern bis ins Erwachsenenalter 4 Ursachen: meist polygenetisch, begünstigt durch Übernährung, Bewegungsmangel 5 selten monogene Formen z. B. Melanokortin-4-Rezeptor, Leptin, Leptinrezeptor-Mutation 5 syndromal z. B. Prader-Willi-Syndrom, Pseudohypoparathyreoidismus 5 sekundär bei Endokrinopathien (z. B. Hypothyreose, M. Cushing), Steroidhormontherapie
349 11.8 · Adipositas
Klinik 4 4 4 4
generalisierte Adipositas, oft Striae distensae Acanthosis nigricans (Zeichen der Insulinresistenz) reduziertes Selbstwertgefühl, evtl. reaktive Depression evtl. Hirsutismus, frühe Pubertät, Oligomenorrhö, polyzystisches Ovarsyndrom (Mädchen) 4 evtl. Hypogonadismus (bei Jungen, z. B. Patient mit Prader-Willi-Syndrom)
Diagnostik 4 Ausschluss endokriner Ursachen: fT4, TSH, Kortisol, ACTH, IgF-1, Kalzium, Phosphat 4 Triglyzeride, Cholesterin nüchtern, falls pathologisch kompletter Lipidstatus 4 Transaminasen, Sonographie Abdomen (Fettleber, Gallensteine) 4 Blutdruckmessung (ambulantes Langzeitblutdruck über 24 h) 4 Blutzucker nüchtern, oraler Glukosetoleranztest (gestörte Glukosetoleranz/Diabetes in 7%) 5 Indikation zur Durchführung eines oralen Glukosetoleranztestes: BMI >99,5. Perzentile oder BMI >90. Perzentile plus 2 der folgenden Risikofaktoren: J Typ-2-Diabetes bei Verwandten 1. oder 2. Grades J Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe mit erhöhtem Typ 2 Diabetesrisiko (s. o.) J Zeichen der Insulinresistenz oder mit ihr assoziierter Veränderungen (Acanthosis nigricans, polyzystisches Ovarsyndrom, RR ↑, Lipide ↑, Transaminasen ↑)
Therapie 4 Schulung von Patient, Familie und Bezugspersonen über gesunde Ernährung, Steigerung der körperlichen Aktivität, Essverhaltenstraining, ggf. Teilnahme an strukturiertem, multidisziplinärem Therapieprogramm über ein Jahr 5 Ziel: Energiezufuhr um 200–500 kcal/d reduzieren, Gewichtsreduktion um 450 g/Monat 4 leitliniengerechte Behandlung von Komorbiditäten z. B. gestörte Glukosetoleranz, Diabetes, arterielle Hypertonie, Fettstoffwechselstörung, Depression 4 > Memo Therapie von Übergewicht/Adipositas hat große präventive Bedeutung!
11
Eigene Notizen
12 Tag 5
12
Neurologische Erkrankungen M. Häusler
12.1
Störungen der kindlichen Entwicklung – 353
12.2
Fehlbildungen des Nervensystems – 354
12.2.1 12.2.2 12.2.3 12.2.4
Neuralrohrerkrankungen – 354 Migrationsstörungen – 355 Syringomyelie – 356 Kraniosynostosen – 356
12.3
Zerebralparese – Folgen neonataler Hirnschädigung – 357
12.4
Hydrozephalus – 358
12.5
Neurokutane Syndrome – 359
12.5.1 12.5.2 12.5.3 12.5.4
Neurofibromatose Typ 1 – 359 Neurofibromatose Typ 2 – 360 Sturge-Weber Syndrom – 360 Tuberöse Sklerose – 361
12.6
Zerebrale Anfälle und Epilepsien – 361
12.6.1 12.6.2 12.6.3 12.6.4
Übersicht – 361 Elektroenzephalographie – 364 Exemplarische wichtige Anfallsleiden – 364 Langzeittherapie der Epilepsie – 367
12.7
Neuromuskuläre Erkrankungen – 368
12.7.1 12.7.2 12.7.3 12.7.4 12.7.5 12.7.6 12.7.7 12.7.8
Muskeldystrophie Duchenne/Becker – 372 Mitochondriale Myopathien – 372 Myotone Dystrophie Curschmann-Steinert – 373 Spinale Muskelatrophien – 374 Hereditäre motorisch-sensorische Neuropathien (HMSN) – 375 Guillain-Barré-Syndrom – 375 Spinozerebelläre Ataxie – Beispiel Friedreich-Ataxie – 376 Myasthenia gravis – 376
12.8
Vaskuläre ZNS-Erkrankungen – 377
12.9
Bewegungsstörungen – 378
12.9.1 12.9.2 12.9.3
M. Wilson – 378 Tic-Erkrankungen – 379 Spinozerebelläre Ataxie – 379
12.10
Spezielle Erkrankungen des Kleinhirns – 379
12.11
Spezielle syndromale Erkrankungen – 381
12.12
Autoimmunerkrankungen des ZNS – 383
12.12.1 12.12.2 12.12.3 12.12.4
Multiple Sklerose – 383 Akute transverse Myelitis (ATM) – 383 Akut disseminierte Enzephalomyelitis (ADEM) Opsoklonus-Myoklonus-Syndrom – 384
12.13
Besonderheiten kindlicher ZNS-Infektionen – 385
12.14
Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörung – 386
12.15
Kopfschmerzen im Kindes- und Jugendalter
– 384
– 387
353 12.1 · Störungen der kindlichen Entwicklung
4 Erfassung kindlicher Entwicklung in verschiedenen Domänen (z. B. Motorik, Sprache, soziale Kompetenz) 4 Feststellung von Entwicklungsstörungen oder neurologischen Erkrankungen sowie deren ätiologische Klärung 4 Erstellung von Therapieplänen zur Korrektur der Störung (Entwicklungsverzögerung = transiente Problematik) oder Milderung der Folgen dauerhafter Behinderung
12.1
Störungen der kindlichen Entwicklung
4 genetische Störungen (z. B. syndromal mit ZNS-Fehlbildungen) 4 exogene Störungen (Kindesmisshandlung) 4 perinatale Schädigung: Frühgeburtlichkeit (Hirnblutung, periventrikuläre Leukomalazie), Asphyxie 4 entzündliche Erkrankungen (z. B. Infektionen, Autoimmunerkrankungen) 4 Stoffwechselerkrankungen 4 bei Lernbehinderung (IQ 50–80) oder geistiger Behinderung (IQ <50) ohne zusätzliche neurologische Defizite oft keine Ursache fassbar
Klinik 4 von der Norm abweichender, verlangsamter oder ausbleibender Erwerb von Fähigkeiten in Entwicklungsbereichen (z. B. Sprache, Feinmotorik, Grobmotorik, soziales Verhalten, Lesen, Schreiben) oder global 4 Teilleistungsstörung: Signifikantes isoliertes Defizit in einem Bereich bei normalen globalen Fähigkeiten (z. B. Lese-Rechtschreib-Störung, auditive Wahrnehmungsstörung) 4 > Memo Unterschiedliche Lerngeschwindigkeiten in verschiedenen Bereichen nicht per se pathologisch 4 ! Cave Vorschnelle Diagnosestellung vermeiden! Große physiologische Bandbreite normaler Entwicklung!
Diagnostik 4 klinisch-neurologische Untersuchung 4 Testung 5 standardisierte Entwicklungsdiagnostik, z. B. differenziert nach Entwicklungsdomänen (z. B. Münchner funktionelle Entwicklungsdiagnostik, Bailey Scales) 5 weitere Testsysteme zur Erfassung von Intelligenz (z. B. KaufmannTest, HAWIK), Konzentration, Lebensqualität, Lesefähigkeit, Rechenfähigkeit etc 4 Genetik bei spezifischem Verdacht (z. B. Fragiles-X-Syndrom, Mikrodeletionssyndrome) 4 Bildgebung bei Verdacht auf Neurodegeneration, Fehlbildung, sekundärem Schaden, Infektion, Tumor
12
Eigene Notizen
354
Kapitel 12 · Neurologische Erkrankungen
Eigene Notizen
4 Stoffwechseluntersuchungen insbesondere bei Organdysfunktion, Degeneration, krisenhaften Episoden 4 > Memo Genaue Beurteilung der kindlichen Entwicklung oft nur durch wiederholte Untersuchungen, auch durch verschiedene Fachdisziplinen (Ärzte, Psychologen, Physiotherapie, Ergotherapie) möglich
Therapie 4 Grunderkrankung, sofern therapierbar 4 Physiotherapie, orthopädische Therapie bei Schäden am Muskel- und Skelettsystem 4 Förderung der kognitiven Entwicklung mittels Ergotherapie, Heilpädagogik, Logopädie 4 Maßnahmen zur Stützung der Familie (Sozialarbeit, staatliche Hilfen)
12.2
Fehlbildungen des Nervensystems
4 heterogene genetische Störungen 4 exogene Noxen (Infektionen, Medikamente, Folsäuremangel, intrauterine Hyperglykämie bei mütterlichem Diabetes) besonders bei Einwirkung in Frühschwangerschaft 4 Stoffwechselstörungen (z. B. CDG-Syndrom (7 Kap. 12.11), peroxisomale Erkrankungen) 4 Auftreten isoliert oder assoziiert mit weiteren Fehlbildungen
12
12.2.1
Neuralrohrerkrankungen
4 fehlerhafter embryonaler Neuralrohrverschluss
Klinik 4 Spina bifida 5 occulta: äußerlich nicht sichtbar, radiologisch Bogenschlussstörung der Wirbelsäule, eventuell assoziierte Rückenmarksfehlbildung wie »teathered cord« (7 Kap. 12.2.3) 5 aperta: äußerlich sichtbar, variabler Inhalt (Meningozele, nur Meningen; Meningomyelozele: auch Rückenmarksanteile) 4 korreliert mit Rückenmarkssegment (gravierender bei hohem Befall) und Ausmaß der Fehlbildung 4 Hauptfolgen Rückenmarksläsion: Schlaffe oder spastische Parese, neurogene Blase (Gefahr Nierenschädigung), Darmfunktionsstörung, trophische Störungen 4 Assoziation mit Arnold-Chiari-Malformation (Tiefertreten der Kleinhirntonsillen in Foramen magnum → Hirnstammkompression) → Hydrozephalus → weitere ZNS-Fehlbildungen (z. B. Migrationsstörung) → mentale Retardierung und Epilepsie
355 12.2 · Fehlbildungen des Nervensystems
Diagnostik 4 initial: neurologische Untersuchung, Bildgebung (MRT kranial und spinal), Elektrophysiologie 4 regelmäßige Kontrolle klinisch-neurologischer und orthopädischer Befunde, Nieren- und Harnwege, Blasen-Mastdarmfunktion zur Erfassung von Komplikationen
Therapie 4 problemorientiert bei erheblicher Langzeitmorbidität: Spastik (7 Kap. 12.3), Anfallsleiden (7 Kap. 12.6), urogenitale Probleme (Blasenentleerungsstörung, Dauerkatheterisierung, Risiko Niereninsuffizienz), Hydrozephalus (siehe dort), Darmentleerungsstörung, Immobilitätsosteoporose (Frakturen), Kniegelenksfehlstellung, sekundäre Rückenmarksprobleme (Syringomyelie, Arnold-Chiari-Syndrom mit Hirnstammkompression, spinales »re-teathering«) 4 > Memo Patienten mit Spina bifida sind oft multimorbide, sie sollten interdisziplinär und von Spezialisten mit Erfahrung mit dem Krankheitsbild behandelt werden. 4 hohes Risiko einer Latexallergie bei Dauerkatheterisierung; prophylaktisch latexfreie Therapie
12.2.2
Migrationsstörungen
4 fehlende Differenzierung des Hirngewebes, isoliert oder in Assoziation mit weiteren Fehlbildungen (z. B. bei Spina bifida), z. B. beeinträchtigte Migration periventrikulärer Stammzellen in Richtung Kortex und fehlerhafte Vernetzung 4 wichtige Formen: Lissenzephalie (global kaum Mark-Rindendifferenzierung oder Gyrierung), periventrikuläre noduläre Heterotopie (periventrikuläre Zellaggregate), fokale Pachy- oder Mikrogyrien → multiple genetische Störungen
Klinik 4 mentale Retardierung 4 Anfallsleiden 4 motorische Schwäche bis Zerebralparese
Diagnostik 4 kraniale Bildgebung, MRT 4 klinische Untersuchung
Therapie 4 keine spezifische Therapie 4 oft schwere Epilepsie; bei fokalen Veränderungen Epilepsiechirurgie
12
Eigene Notizen
356
Kapitel 12 · Neurologische Erkrankungen
Eigene Notizen
12.2.3
Syringomyelie
4 pathologische Zentralkanalerweiterung bedingt motorische, sensorische, autonome Störungen 4 primäre Formen 4 sekundäre Formen z. B. Arnold-Chiari-Malformation bei Meningomyelozele (zervikale Syringomyelie) und »teathered cord« (Verklebung Rückenmark mit Spinalkanal → Rückenmarksdehnung während Wachstum) 4 ! Cave An Rückenmarkstumor mit sekundärer Syringomyelie denken!
Klinik 4 klinische Zeichen der Rückenmarksfehlfunktion (7 Kap. 12.2.1)
Diagnostik 4 klinische Untersuchung 4 Bildgebung (Kernspintomographie) 4 (Elektrophysiologie)
Therapie 4 chirurgisch bei progredienter Klinik 4 schwierig zu korrigieren
12.2.4
12
Kraniosynostosen
4 vorzeitige Verknöcherung verschiedener Schädelsuturen 4 primär oder syndromal mit weiteren Fehlbildungen (z. B. M. Crouzon) 4 > Memo Eine Mikrozephalie beruht meist nicht auf einer Nahtsynostose.
Klinik 4 meist Schädelfehlform 5 Kahnschädel/Skaphozephalus (Sagittalnaht) 5 Turmschädel/Turrizephalus oder Brachyzephalus (Koronarnaht) 5 Trigonozephalus (Sutura metopica) 5 hinterer Plagiozephalus (Lambdanaht) Schiefschädel/Plagiozephalus (Verknöcherung eines Teils einer Naht) 4 nur sehr selten Hirndruckzeichen durch Platzmangel
Diagnostik 4 Klinik meist richtungsweisend 4 kraniale Bildgebung 4 Abklärung syndromale Erkrankung
Therapie 4 frühzeitige chirurgische Korrektur
357 12.3 · Zerebralparese – Folgen neonataler Hirnschädigung
12.3
Zerebralparese – Folgen neonataler Hirnschädigung
4 Lähmung nach Schädigung des ersten Motoneurons, Wegfall inhibierender spinaler Nervenaktion, übersteigerte Wirkung spinaler Reflexe (ca. 1–2/1000 Geburten) 5 meist perinatal (Hirnblutung, periventrikuläre Leukomalazie, hypoxisch-ischämische Enzephalopathie des Reifgeborenen) 5 postpartale Formen: Infarkt, Trauma, Tumor 5 selten neurodegenerative Erkrankungen (Speicherkrankheiten, Mitochondriopathien, lysosomale Enzephalopathien, Zeroidlipofuszinosen, peroxisomale Erkrankungen) 5 Differenzialdiagnosen: Dystonien, Läsionen peripherer Nerven, spinale Erkrankungen
Klinik 4 spastische, ataktische und dyskinetische Formen (7 Kap. 12.9), meist Mischformen bei Dominanz der Spastik 5 Paraparese: beide Beine betroffen 5 Tetraparese: Arme und Beine betroffen 5 Hemiparese: eine Körperseite betroffen 4 bei dyskinetischer Form: dystone Unterform (muskuläre Hypertonie) und choreoathetoide Unterform (muskuläre Hypotonie) 4 > Memo Die Zerebralparese führt zu sehr heterogenen klinischen Phänotypen. 4 gesteigerte und pathologische Reflexe, Reflexzonenverbreiterung, trophische Störungen 4 dauerhafte Innervations-Imbalance verursacht Spitzfüße, Hüftluxation, Hüftadduktion, Kniegelenks- und Ellbogen-Beugekontrakturen, Handkontrakturen, Skoliose 4 Deformierungen zunächst tonisch und reversibel, im Verlauf bindegewebig fixiert und irreversibel 4 Komorbiditäten: Bettlägrigkeit, Rollstuhlpflicht, Retardierung, psychische Probleme, Epilepsie
Diagnostik 4 neurologische Untersuchung 4 Bildgebung (MRT)
Therapie 4 Physiotherapie (dauerhaft), operative Korrekturen an den Sehnen (Verlängerung, Durchtrennung; irreversibles Stadium), Botulinumtoxin A (reversible Fehlstellung) 4 Medikamente (Baclofen, Tetrazepam, selten Tizanidin, Memantine) hemmen spinal gesteigerte Reflexantwort (Baclofen auch intrathekal via Pumpe). Dennoch oft zunehmende Verformung des Muskel- und Skelettsystems → Immobilität (Rollstuhlpflicht) → Schmerzen > Memo Schmerztherapie wichtig → gefährliche Infektionen, z. B. Pneumonie bei Skoliose
12
Eigene Notizen
358
Kapitel 12 · Neurologische Erkrankungen
Eigene Notizen
12.4
Hydrozephalus
4 Liquorabflusstörung verursacht Erweiterung innerer (Hydrocephalus internus) oder äußerer (Hydrocephalus externus) Liquorräume 4 alle oder einzelne Ventrikelkompartimente betroffen 5 posthämorrhagisch: z. B. neonatale Ventrikelblutung und Verklebung von Foraminae monroei, luschkae, magendi oder Aquädukt 5 bei komplexer ZNS-Fehlbildung (eventuell zusätzlich intrazerebrale Zysten) 5 isoliert angeborene Aquäduktstenose 5 tumorbedingt (Kleinhirn: oft Medulloblastom; supratentoriell z. B. Riesenzellastrozytom bei tuberöser Sklerose)
Klinik 4 vor Fontanellenschluss: rasch progredientes Kopfwachstum (Perzentilensprung), Sonnenuntergangsphänomen Augen, kognitive und motorische Entwicklungsstörung ! Cave Vor Fontanellenschluss fehlen oft klassische Hirndruckzeichen! 4 nach Fontanellenschluss: (Nüchtern-)Erbrechen, Kopfschmerzen, zunehmende kognitive Schwäche bis progrediente Bewusstseinsstörung, Hirnnervenparesen (N. abducens)
Diagnostik
12
4 4 4 4
Kopfumfangskurve Sonographie Kopf bzw. CCT oder MRT Augenhintergrund (Stauungspapille) ! Cave Liquordruckmessung bei Hydrocephalus occlusus, Einklemmungsgefahr
Therapie 4 Drainage durch ventrikuloperitonealen (selten: ventrikulo-lumbaren/ -atrialen) Shunt 4 Shuntsysteme mit einstellbarem Druckventil (Liquorabfluss über definierter Druckstufe) 4 endoskopische Fensterung zystisch-abflussgestörter Kompartimente 4 Ventrikulozisternostomie (z. B. Boden dritter Ventrikel bei Aquäduktstenose) 4 akuter Hydrozephalus (z. B. tumorbedingt): notfallmäßig externe Ventrikeldrainage Pseudotumor cerebri
4 Druckerhöhung durch Liquorresorptionsstörung 4 Differenzialdiagnose: Infektion, Sinusvenenthrombose, medikamentös (z. B. Tetrazykline), Hyperaldosteronismus, M. Addison, Schilddrüsenerkrankungen, Vitamin-D-Mangel, Schlafapnoe-Syndrom, Vitamin A, Steroide 4 Morphologie von Ventrikel und ZNS meist normal, eventuell Strikturen kranialer Sinus
359 12.5 · Neurokutane Syndrome
4 oft transient 4 Therapie durch serielle Liquorpunktionen; selten Anlage eines Shunts nötig; Effizienz medikamentöser Therapien (Acetazolamid, Topiramat) unklar Hydrocephalus e vacuo
4 Erweiterung der Liquorräume ohne Druckerhöhung 4 z. B. bei Steroidtherapie, kongenital vermindertem Gehirngewebe, Stoffwechselstörung mit progredientem Gewebsabbau (z. B. Mitochondriopathie) 4 keine Drainage indiziert
12.5
Neurokutane Syndrome
4 autosomal-dominante Erkrankungen mit Manifestation an Haut und Nervensystem (gemeinsame Abstammung von Ektoderm) 4 häufig: Neurofibromatose Typ 1 und Typ 2, Sturge-Weber-Syndrom, tuberöse Sklerose 4 selten: von-Hippel-Lindau-Erkrankung, Hypomelanosis Ito, lineares Nävus-Syndrom, PHACE-Syndrom, Ataxia telangiectasia
12.5.1
Neurofibromatose Typ 1
4 Mutationen im NF-1-Gen (Neurofibromin, Tumorsuppressorprotein)
Klinik 4 deformierende, entstellende Neurofibromwucherungen im Bereich peripherer Nerven 4 schwere muskuloskelettale Beeinträchtigungen, Optikusgliome (Folge: Erblindung), ZNS-Tumoren verschiedener Dignität, Phäochromozytom, zerebrale Perfusionsstörungen, Nierenarterienstenosen, arterielle Hypertension 4 assoziiert mit Konzentrationsstörungen (ADS, ADHD), Sprachentwicklungsverzögerung, Intelligenzminderung, Epilepsie, psychologischen Problemen
Diagnostik 4 zentriert auf klinische Symptome 4 Diagnosekriterien: Zur Diagnoseststellung müssen ≥2 der folgenden Kriterien erfüllt werden 5 ≥6 Café-au-lait-Flecken von J 5 mm Durchmesser präpubertär J >15 mm Durchmesser postpubertär 5 axilläres oder inguinales Freckling 5 ≥2 Lisch-Knötchen der Iris 5 ≥2 Neurofibrome oder ≥1 plexiformes Neurofibrom
12
Eigene Notizen
360
Kapitel 12 · Neurologische Erkrankungen
Eigene Notizen
5 charakteristische ossäre Läsionen (z. B. sphenoidale Dysplasie) 5 Optikusgliome 5 Verwandter 1. Grades mit NF-1 4 MRT: multiple intrakranielle signalintense Veränderungen 4 Genetik
Therapie 4 4 4 4 4
keine kausale Therapie Resektion beeinträchtigender peripherer Fibrome orthopädische Versorgung Fördermaßnahmen bezüglich kognitiver Entwicklung Chemotherapie bei Optikusgliom
12.5.2
Neurofibromatose Typ 2
4 Mutationen im NF-2-Gen (Merlin)
Klinik
12
4 Kriterien: A oder B oder C müssen erfüllt sein: 5 A: bilaterales Akustikusneurinom 5 B: Elternteil, Geschwister oder Kind mit NF-2 + unilaterales Akustikusneurinom 5 C: Elternteil, Geschwister oder Kind mit NF-2 + zwei der folgenden Kriterien: J Meningeom J Gliom J Schwannom J juvenile subkapsuläre dorsale Linsentrübung J juveniler kortikaler Katarakt
Diagnostik 4 klinische Kriterien 4 Genetik
Therapie 4 keine kausale Therapie verfügbar 4 Hauptproblem: Hörverlust durch bilaterale Akustikusneurinome, nach Diagnose Gebärdensprache lernen 4 onkologische Überwachung
12.5.3
Sturge-Weber Syndrom
Klinik 4 meist unilateraler Naevus flammeus im Gesicht, intrakraniale verkalkende Hämangiomatose (MRT) 4 Glaukom, Buphthalmus, Aderhautangiom
361 12.6 · Zerebrale Anfälle und Epilepsien
4 mentale Retardierung 4 Probleme durch assoziierte Epilepsie und Progredienz der intrazerebralen Verkalkung/Läsion
Diagnostik 4 klinische Kriterien 4 kraniale Bildgebung 4 ophthalmologische Untersuchung
Therapie 4 symptomatisch (Antiepileptika) 4 chirurgische Resektion des intrazerebralen Befundes (schwierig) 4 Glaukomtherapie
12.5.4
Tuberöse Sklerose
4 Mutationen im TSC-1-Gen (Hamartin, Chromosom 9) oder TSC-2Gen (Tuberin, Chromosom 16) 4 beide Mutationen mit gleichem Phänotyp 4 ca. 50% Spontanmutationen
Klinik und Diagnostik 4 sehr heterogen: kortikale Tubera + intrazerebrale subependymale Tubera (gestörte ZNS-Architektur) → schwere, therapieresistente Epilepsie 4 Haut: hypopigmentierte Areale, Adenoma sebaceum, »Shagreen patch« 4 sonst: subunguale/periunguale Fibrome, retinale Maulbeertumoren oder Phakome, kardiale Rhabdomyome, renal Hamartome oder polyzystische Nieren, pulmonale Angiomylipome, mentale Retardierung, retinale Astrozytome
Therapie 4 symptomatisch 4 Antiepileptika 4 chirurgisch
12.6
Zerebrale Anfälle und Epilepsien
12.6.1
Übersicht
4 Schrittmacherzellen depolarisieren ohne adäquaten Stimulus (exzitatorische Neurotransmitter) durch andere Nervenzellen und erregen weitere gesunde Neurone 4 hypersynchrone elektrische neuronale Aktivität, das Gehirn teilweise oder ganz erfassend, verursacht »Anfälle« 5 partiell = fokal: ohne Bewusstseinsverlusst, fokale Symptome
12
Eigene Notizen
362
Kapitel 12 · Neurologische Erkrankungen
Eigene Notizen
5 generalisiert: mit Bewusstseinsverlusst, generalisiert pathologische Muskelaktivität 5 komplex-partiell = komplex-fokal: sekundär Bewusstseinsverlust 4 betreffen mehr als 50% neuropädiatrischer Patienten 4 Auftreten als Primärerkrankung oder als Folge weiterer, das ZNS schädigender Faktoren 4 > Memo Die meisten Anfallsleiden manifestieren sich in der Pädiatrie nicht durch klassische Grand-mal-Anfälle.
Klinik
12
4 typische Grand-mal-Anfallssequenz 5 plötzlicher Bewusstseinsverlust (Hirnstamm involviert) 5 dann tonische Verkrampfung durch hochfrequente neuronale Entladungen (Initialschrei durch tonische Zwerchfellkontraktur) 5 dann niederfrequente Myoklonien (neuronale Entladungsfrequenz sinkt) 5 Muskelentspannung und »Terminalschlaf« 5 dann Aufwachen 4 neurologische Topographie des ZNS bestimmt Symptomatik fokaler Anfälle mit 5 motorischer Kortex (Myoklonien) 5 Frontalhirn (komplexe motorische Phänomene) 5 Temporallappen (akustische, gustatorische, visuelle, epigastrische, emotionale Phänomene) 5 sensorischer Kortex (sensorische Phänomene) 5 Sehrinde (visuelle Phänomene) 4 Aura: wiederkehrende Wahrnehmung vergleichbarer Empfindungen vor dem Auftreten eines Anfalls
Diagnostik 4 genaue klinische Beschreibung > Memo Eine Epilepsie wird klinisch diagnostiziert! 4 Ursachenabklärung 4 transiente neuronale Funktionsstörungen (Hypoglykämie, Hypoxie, Azidose, Elektrolytstörungen [Mg++, Ca++, Na+]) 4 Ionenkanalerkrankungen (genetisch, nur eingeschränkt möglich) 4 ZNS-Fehlbildungen und Migrationsstörungen. Diagnose via MRT. (Folge: fokal oder generalisiert pathologische neuronale Funktion und Vernetzung) 5 Stoffwechselerkrankungen (Beeinträchtigung der neuronalen Energieversogung, des Auf- oder Abbaues zellulärer Strukturkomponenten) 5 entzündliche Erkrankungen (Infektionen, Autoimmunprozesse) 5 ZNS-Trauma (Blutung, Hypoxie, Scherverletzung, Ödem, Dissekat) 5 Gefäßerkrankungen (Ischämie, Angiome) 5 > Memo bei erstmaligem akutem Anfall immer Elektrolyte, Blutzucker, Säure-Base-Haushalt kontrollieren, bei fokalen Anfällen großzügig Bildgebung
363 12.6 · Zerebrale Anfälle und Epilepsien
4 Elektroenzephalographie (EEG, 7 Kap. 12.6.2) 4 Einordnung in Klassifikationsschema: zwei gleichberechtigt-komplementäre Klassifikationen (internationale Liga gegen Epilepsie, ILAE) differenzierend nach Semiologie bzw. Epilepsiesyndromen (Konstellation typischer klinischer Phänomene) (. Tab.). Klassifikation unterliegt kontinuierlicher Veränderung
Anfallsklassifikation nach Semiologie (Auswahl, Details s. www.ilae.org) Fokale Anfälle
Generalisierte Anfälle
Einfach (mit erhaltenem Bewusstsein)
5 5 5 5
Komplex (mit Bewusstseinsstörung)
5 Entwicklung aus einfach fokalem Anfall 5 Primäre Bewusstseinsstörung
Absencen
5 Typisch 5 Atypisch
Motorisch Sensorisch Autonom Psychisch
Generalisiert tonisch-klonisch Tonisch Klonisch Myoklonisch Aton Infantile Spasmen Unklassifiziert
Genetische und entwicklungsbezogene Epilepsiesyndrome nach Alter bei Manifestation (Auswahl, Details s. www.ilae.org) Neonatalperiode
5 Benigne familiäre Neugeborenenanfälle 5 Frühe Myoklonus-Enzephalopathie
Säuglingsalter/ frühe Kindheit
5 West-Syndrom (BNS-Epilepsie)
Kindheit
5 5 5 5
Adoleszenz
5 Juvenile Absence-Epilepsie 5 Juvenile Myoklonus-Epilepsie 5 Epilepsie mit generalisierten tonisch-klonischen Anfällen
Weniger altersgebunden
5 Familiäre Temporallappenepilepsien
Sonst
5 Benigne neonatale Anfälle 5 Fieberkrämpfe
Myoklonisch-astatische Epilepsie Gutartige Epilepsie mit zentrotemporalen Spitzen Lennox-Gastaut-Syndrom CSWS, Epilepsie mit kontinuierlichen »spikes« und »slow waves« im Schlaf (einschließlich Landau-Kleffner-Syndrom) 5 Absence-Epilepsie der Kindheit
12
Eigene Notizen
364
Kapitel 12 · Neurologische Erkrankungen
Eigene Notizen
12.6.2
Elektroenzephalographie
4 EEG-Technik 5 erfasst elektrische Aktivität oberflächlicher Kortexschichten 5 erfasst postsynaptische Potenziale (PSP), induziert durch exzitatorische (EPSP) oder inhibierende (IPSP) Neurotransmitter an Dendriten im Synapsenbereich 5 misst das Summenpotenzial unter den Elektroden 5 stellt berechnete Differenz der durch zwei Elektroden gemessenen Summenpotenziale dar 4 ausgewertet werden 5 Grundaktivität: alpha (8–13 Hz; typisch für wach, Ruhe, Augen zu), beta (>13 Hz; typisch für wach, Augen geöffnet), Theta (4–7 Hz, typisch für Müdigkeit), Delta (1–3 Hz; typisch für Tiefschlaf, schwere Intoxikation). Grundaktivität auch altersabhängig (Kleinkind Theta, Schulkind Alpha) 5 seitendifferente oder abnorme Grundaktivität 5 fokal oder generalisiert pathologische Graphoelemente (Spike, Sharp wave) 5 Reaktion auf Provokation (Augen öffnen, Photostimulation, Hyperventilation) 4 pathologische Erregung: »spikes« (Dauer ≤70 ms) und »sharp waves« (Dauer 70–200 ms) 4 > Memo EEG ist nur Hilfsmittel.
12
12.6.3
Exemplarische wichtige Anfallsleiden
Neugeborenenanfall
Klinik 4 oft symptomatisch: Elektrolyte, Azidose, Hypoxie, Hypoglykämie, Blutung, Infektion 4 oft fokaler Charakter (schlechte Generalisierung wegen geringer neuronaler Vernetzung) 4 atypische Symptome: Apnoen, Schmatzen, Blutdruckschwankungen, Augenbewegungsstörung
Diagnostik 4 Klinik und EEG (heterogene Veränderungen) 4 > Memo Entscheidend ist die Klinik. Myoklonien, die nur im Schlaf bzw. Einschlafen auftreten, sind meist nicht epileptogen.
Differenzialdiagnose 4 Sonderform benigne familiäre Neugeborenenanfälle. Beginn nach einigen Lebenstagen, genetisch bedingt 4 benigne Schlafmyoklonien
365 12.6 · Zerebrale Anfälle und Epilepsien
Therapie 4 Ursache behandeln (im Zweifel antibiotische und antivirale Therapie) 4 Phenobarbital BNS-Epilepsie/West-Syndrom
Klinik 4 typische Säuglingsepilepsie mit einschießenden Spasmen (Arme ausgebreitet dann verschränkt, Kopf beugen) 4 oft ZNS-Vorschädigung (neonatale Hypoxie, periventrikuläre Leukomalazie, Stoffwechseldefekt)
Diagnostik 4 EEG: Hypsarrhythmie
Therapie 4 schwer therapierbar mit Antiepileptika, eventuell hochdosiert Steroide/ ACTH 4 Vigabatrin bei tuberöser Sklerose Absence-Epilepsie
Klinik 4 typische Epilepsie des bis dato gesunden Schulkindes 4 plötzliches Innehalten/Filmriss für wenige Sekunden, eventuell mit diskreten Myoklonien von Augen und Mund; Nesteln der Hände; selten auch Grand-mal-Anfälle
Diagnostik 4 EEG: 3/s Spike-slow-wave-Komplexe
Therapie 4 meist gut therapierbar (Valproinsäure, Ethosuximid, Lamotrigin) Läsioneller Anfall
4 ausgehend von ZNS-Läsion heterogener Ätiologie (Infarkt, Tumor, Trauma, entzündlich) 4 Symptomatik abhängig von Geschwindigkeit der Erregungsausbreitung 5 örtlich begrenzt: Partialanfall 5 langsame Ausbreitung: komplex-partieller Anfall 5 rasche Ausbreitung: primär generalisierter Anfall 4 EEG: fokale Spitzen/Verlangsamung
Therapie 4 läsionell bedingte Anfälle oft schwer therapierbar Temporallappenepilepsie
4 Ätiologe multifaktoriell: fokale neuronale Migrationsstörung, sekundäre Gewebsschädigung bei chronischen Anfällen (entzündlich, metabolisch), infektiös, autoimmun
12
Eigene Notizen
366
Kapitel 12 · Neurologische Erkrankungen
Eigene Notizen
Klinik 4 Symptomatik heterogen: Absencen, Automatismen, variabel Bewusstseinsstörung, tonische Anfälle, atone Anfälle, dysmnestische Symptome, kognitive Beeinträchtigung, affektive Störungen 4 Auren: epigastrisch, olfaktorisch, gustatorisch, déjà vu, Derealisation, optisch, vestibulär
Diagnostik 4 EEG: temporal Spitzen bzw Verlangsamung; eventuell nur durch Tiefenelektroden fassbar
Therapie 4 medikamentös oft schwierig 4 Epilepsiechirurgie erwägen Gelegenheitsanfall (mit Auslöser)
4 Auslöser z. B. Fieber, Alkohol, Schlafentzug, Stress?, Hyperventilation, Elektrolytentgleisung, Hypoglykämie, Hyperglykämie
Klinik 4 heterogen
Diagnostik 4 Je nach Auslöser
Therapie
12
4 Ursache behandeln 4 akut Antiepileptika Status epilepticus
Klinik 4 protrahierte Anfallstätigkeit bzw. in kurzen Abständen wiederholte Anfallstätigkeit die nicht spontan sistiert 5 einfach fokal: Jackson-Anfall, Epilepsia partialis continua, sensorischer Status, aphasischer Status, visueller Status (z. B. iktal blind), autonomer Status 5 komplex-fokaler Status 5 unilateraler Status 5 Absencen-Status 5 Grand-mal-Status
Diagnostik 4 EEG: Durchgehend oder repetitiv fokal bis generalisierend Spitzen, Verlangsamung, oder rhythmische Graphoelemente
Therapie 4 Therapie medikamentös 4 falls erforderlich Narkose unter Intensivtherapie 4 > Memo Ein Status epilepticus ist ein Notfall, der bei protrahierter Dauer zum ZNS-Schaden führen kann!
367 12.6 · Zerebrale Anfälle und Epilepsien
Fieberkrämpfe
Klinik 4 epileptischer Anfall beim fiebernden Kleinkind (3 Monate bis 5 Jahre). Auch vor dem Fieber, vermutlich getriggert durch Zytokine + genetische Prädisposition + unreifes ZNS 5 unkompliziert: generalisiert, kurz, einmalig 5 kompliziert: >15 min, fokal, hemiplegisch, wiederholt
Diagnostik 4 ZNS-Infektion ausschließen (großzügig Lumbalpunktion im ersten Lebensjahr) 4 EEG: in der Regel unauffällig
Therapie 4 medikamentöse Anfallsunterbrechung im akuten Anfall (z. B. Diazepam) 4 Prophyaxe 5 wiederholt Diazepam Suppositorien bei fieberhaften Infekten (Effektivität umstritten) 5 antiepileptische Dauertherapie bei wiederholten Fieberkrämpfen (Notwendigkeit umstritten) 4 Prognose: allgemein gut, leicht erhöhtes Epilepsierisiko im Verlauf Jackson-Anfall
4 Beginn korrelierend zum betroffenen ZNS-Areal mit einseitigen Gesichtsmyoklonien, dann Ausbreitung auf gesamte Körperhälfte
12.6.4
Langzeittherapie der Epilepsie
4 Medikamente wirken meist an Ionenkanälen (. Tab.) bzw. über Neurotansmitter-Metabolismus, stabilisieren Membranpotenzial, erschweren spontane Depolarisation 4 erst ein Medikament, nach Aufdosierung und Beobachtung Erweiterung um bzw. Umstellung auf ein weiteres 4 in der Regel keine Spiegelkontrolle zur Dosisfindung (Ausnahme Phenytoin) 4 Spiegelkontrolle zur Kontrolle von Compliance, Resorptionsproblemen bei Nichtansprechen 4 in der Regel Auslassversuch (ausschleichen!) nach 2–3 Jahren Anfallsfreiheit (geringer Evidenzgrad) 4 Kontrolle Therapieerfolg über Anfallskalender, durch Patienten bzw. Eltern zu führen 4 prognostisch günstig: normale ZNS-Morphologie in Bildgebung, rasches Ansprechen auf Medikamente, normale Entwicklung des Patienten bis zur Diagnose der Epilepsie 4 bei symptomatischer Epilepsie und fehlendem Ansprechen auf 2 Medikamente Erwägung von Epilepsiechirurgie
12
Eigene Notizen
368
Kapitel 12 · Neurologische Erkrankungen
Eigene Notizen
4 Nebenwirkungen Medikamente: Müdigkeit + gastrointestinal + Gingivahyperplasie (Phenytoin), Haarausfall + Tremor + Hepatopathie (Valproat), Knochenmarkssuppression (Phenytoin, Phenobarbital)! ! Cave Interaktion mit Antikontrazeptiva sowie anderen Antiepileptika 4 verschiedene Medikamente können Anfälle verschlimmern 5 Absencen durch Carbamazepin, Phenytoin 5 myoklonische Anfälle durch Lamotrigin, Vigabatrin, Gabapentin Ansatzpunkte wichtiger Antiepileptika (Auswahl) NaKanal
GABAerg
Benzodiazepine
+
+
Carbamazepin
+
Lamotrigin
+
Antiglutamaterg
CarboanhydraseHemmung
+ (L-Typ)
Gabapentin
12
+ (L-Typ)
Ocarbamazepin
+
Phenobarbital
+
Phenytoin
+
Topiramat
+
+
Valproat
+
+
Vigabatrin Zonsiamid Sultiam
+ (L-Typ) +
+
+
+ (L-Typ)
+ +
+
+ (L-Typ) +
Ethosuximid
12.7
Ca-Kanal
+ (L-Typ)
Neuromuskuläre Erkrankungen
4 Erkrankungen des Muskels, des Nervens und der synaptischen Übertragung
Klinik 4 allgemeine Charakteristika neuromuskulärer Erkrankungen . Tab. 4 Kennmuskeln für einzelne Rückenmarkssegmente . Tab. 4 kongenitale oder im Verlauf auftretende zunehmende Muskelschwäche generalisiert oder mit Schwerpunkt auf bestimmte Muskelgruppen 4 > Memo Die klinische Symptomatik ist im Kindes- und Jugendalter nicht selten uncharakteristisch, Vollbild entwickelt sich erst im Verlauf.
369 12.7 · Neuromuskuläre Erkrankungen
Wichtige Symptome von Muskel- und Nervenerkrankungen Nervenerkrankung
Muskelerkrankung
Generalisierte Schwäche
Ja; z. B. spinale Muskelatrophie
Ja
Regionale Schwäche
Ja; z. B. N.-peronaeusLäsion
Ja; z. B. GliedergürtelMuskeldystrophien
Faszikulationen
Ja; z. B. Degeneration 2. Motoneuron
Untypisch
Distale Muskelatrophie
Ja; typisch für HMSN
Möglich
Parästhesien, Dysästhesien
Ja
Untypisch
Verminderte Sensibilität
Ja
Untypisch
Reflexabschwächung
Ja
Spätstadium
Reflexverstärkung
Degeneration 1. Motoneuron (Spastik)
Nein
Warm-up-Phänomen
Nein
Kanalerkrankungen
Hohlfuß
Ja; z. B. HSMN
Ja; z. B. Muskeldystrophie Duchenne
Ataxie
Ja; z. B. spinozerebelläre Ataxien
Ja; möglich als Folge der Muskelschwäche
Herzerkrankung
Ja; insbesondere Rhythmusstörungen
Ja; Rhythmusstörung und Kardiomyopathie
Hörverlust
Möglich
Selten (z. B. myotone Dystrophie)
Endokrinopathie
Untypisch
Selten (z. B. myotone Dystrophie)
Hepatopathie
Möglich (z. B. Mitochondropathie)
Möglich (z. B. Mitochondropathie)
Mentale Retardierung
Möglich
Möglich
Ophthalmoplegie
Möglich
Möglich
Gower-Zeichen
Möglich
Ja; Typisch für MD Duchenne
12
Eigene Notizen
370
Kapitel 12 · Neurologische Erkrankungen
Eigene Notizen
12
Diagnostik 4 Schritt 1: Erhebung klinischer Basisparameter 5 typische Symptome (. Tab.) 5 > Memo Familienanamnese ist oft wegweisend für die Diagnosestellung. 5 Elektrophysiologie (Elektromyographie – EMG; Elektroneurographie – ENG; akustisch evozierte Potenziale – AEP; visuell evozierte Potenziale – VEP; somatosensorisch evozierte Potenziale – SEP). > Memo Kooperationsbedingt eingeschränkte Aussagekraft von EMG und ENG bei Kleinkindern, klinischer Befund ist entscheidend. 5 Bildgebung J Muskel: Verteilungsmuster betroffener Muskelgruppen J kranial: begleitende Fehlbildung/Myelinisierungsstörung J thorakal: Zwerchfellmotilität 5 Labordiagnostik (Stoffwechsel, Organfunktion) bezüglich systemischer Erkrankung 5 kardiologische Untersuchung: Kardiomyopathie?, Rhythmusstörung? 4 Schritt 2: vorläufige klinische Einordnung in Klassifikationssystem (. Tab.) 4 Schritt 3: nach klinischem Verdacht gezielte genetische Untersuchung gefolgt von Muskel- und/oder Nervenbiospie, falls ohne Befund (z. B. Muskeldystrophie Duchenne) oder Muskel- und/oder Nervenbiopsie eventuell gefolgt von gezielter genetischer Untersuchung ! Cave Biopsie bei jungen Säuglingen aufgrund von Reifungsprozessen oft eingeschränkt aussagekräftig 4 Schritt 4: erneute Einordnung in Klassifikationssystem (. Tab.); oft keine definitve Diagnose möglich
Rückenmarkssegmente und ihre Kennmuskeln bzw Reflexe C5
M. biceps brachii (Bizepsreflex)
C6
M. extensor carpi radialis, M. brachioradialis (Radius-Periostreflex)
C7
M. triceps brachii
C8
Kleine Handmuskeln
Th 6–12
Bauchhautreflexe
L1–2
M. cremaster
L3
M. quadriceps femoris (Patellarsehnenreflex)
L4
M. tibialis anterior
L5
M. extensor hallucis longus
S1
Mm. peronaeus longus et brevis, M. triceps surae (Achillessehnenreflex)
S3–5
Analreflex
371 12.7 · Neuromuskuläre Erkrankungen
Klassifikation neuromuskulärer Erkrankungen Muskelerkrankungen
Muskeldystrophien, i. d. R. progredient; z. B. Duchenne-, Becker-, Emery-Dreifuss-, Fazioskapulohumerale-, Gliedergürtel-, kongenitale Muskeldystrophie; oft defektes Protein im molekularen Kontraktionsapparat Kongenitale Myopathien.Teilweise progredient. z. B. myotubulär, kongenitale Muskelfaserdysproportion, Nemaline, Central-Core, Minicore, Desminopathie Entzündlich (7 Kap. 8) Ionenkanalerkrankungen (z. B. periodische Paralysen) Metabolisch (z. B. Mitochondriopathie, Glykogenosen, Vitamin-EMangel) Myotonien (z. B. myotone Dystrophie Curschmann-Steinert) Toxisch (Alkohol)
Nervenerkrankungen
Traumatisch 5 Neurapraxie = funktionelle Störung 5 Axonotmesis = Ausfall Axon bei Erhalt Myelinscheide 5 Neurotmesis = völlige Durchtrennung (Kennmuskeln . Tab. oben). Erkrankungen des 2. Motoneurons (z. B. spinale Muskelatrophien, progressive Bulbärparalyse) Erkrankungen des peripheren Nervensystems 5 hereditäre motorisch-sensorische Neuropathien (HMSN), z. B. CMT, peroneale Muskelatrophie, Dejerine-Sottas, HNPP, HSAN, Riesenaxonneuropathie 5 entzündliche Erkrankungen (Guillain-Barre-Syndrom, infektiöse Neuritiden wie Fazialisparese, chronisch-inflammatorische demyelinisierende Neuropathien) Spinozerebelläre Ataxien Bei Stoffwechselerkrankungen: z. B. M. Refsum, M. Fabry, Leukodystrophien, mitochondrial
Erkrankungen der Synapse
Autoimmun (Myasthenia gravis) Kongenitale myasthene Syndrome (Störungen der synaptischen Signaltransduktion), z. B. Azetylcholin-Rezeptormutationen, Störungen Azetylcholinmetabolismus
12
Eigene Notizen
372
Kapitel 12 · Neurologische Erkrankungen
Eigene Notizen
12.7.1
4 4 4 4 4
Muskeldystrophie Duchenne/Becker
X-linked vererbte Mutationen des Dystrophin-Gens schwere Dystrophin-Defizienz Typ Duchenne leichte Defizienz Typ Becker Folge: progrediente Verfettung/Fibrose der Muskeln ! Cave Risiko der malignen Hyperthermie: Narkose mit Inhalationsnarkotika, Muskelrelaxanzien, Neuroleptika verursacht Myolyse, Hyperthermie, Herzrhythmusstörung (sonst bei familiären Ryanodin-Rezeptor-Mutationen).
Klinik
12
4 Muskeldystrophie Duchenne 5 progrediente generalisierte Muskelschwäche 5 Gower-Zeichen positiv 5 Wadenpseudohypertrophie, Spitzfußentwicklung, Lordose 5 Kardiomyopathie 5 rezidivierende Lungeninfekte 5 Kontrakturen 5 nächtliche Hypoventilation 5 oft Intelligenz beeinträchtigt 5 Verlust der Gehfähigkeit Anfang 2. Dekade, Tod vor Ende 2. Dekade 4 Muskeldystrophie Becker 5 langsamer progredient 5 Kardiomyopathie mit Herzrhythmusstörungen evtl. prognostisch limitierend 5 Wadenpseudohypertrophie 5 Kontrakturen 5 Hohlfüße
Diagnostik 4 Kreatininkinase deutlich erhöht 4 Multiplex-PCR (erfasst nicht alle Mutationen) bzw. Dystrophin-Mangel im Biopsat
Therapie 4 symptomatisch: Physiotherapie, Orthopädie, psychologische Begleitung 4 Steroide experimentell, eventuell nächtliche Masken-Heimbeatmung 4 ggf. kardiologische Therapie
12.7.2
Mitochondriale Myopathien
4 gestörte zelluläre Energieversorgung bei Defizienz Atmungskette, Zitratzyklus bzw. Substrateinschleusung in Mitochondrien 4 Mutationen am mitochondrial oder nukleär kodierten Genom
373 12.7 · Neuromuskuläre Erkrankungen
Klinik
Eigene Notizen
4 falls mitochondrial vererbt (Mitochondrien nur von Mutter): Organbeteiligung abhängig vom Verteilungsmuster gesunder und kranker Mitochondrien (Heteroplasmie) 4 typische Symptome 5 Myopathie als Haupt- oder Zusatzsymptom, (hypertrophe) Kardiomyopathie, Muskelschmerzen, Belastungsintoleranz 5 Ophthalmoplegie, Retinopathie 5 Epilepsie, fokal-neurologischen Ausfälle, »stroke-like episodes« 5 Hörverlust, Neuropathie 5 Enzephalopathie, kognitive Störungen 5 Nierenfunktionsstörung, Hepatopathie, endokrine Störungen 4 spezielle Formen/Symptomkonstellationen 5 MELAS: »mitochondrial encephalomyopathy with lactic acidosis and stroke« 5 MERRF: »myoclonus epilepsy with ragged red fibers« 5 Leigh-Syndrom: »necrotizing encephalomyelopathy and lactic acidosis« 5 Lebersche hereditäre Optikusatrophie 5 Kearns-Sayre-Syndrom
Diagnostik 4 4 4 4
Histologie/Elektronenmikroskopie (Mitochondrienmorphologie) Enzymanalyse am Muskel (Leber) Genetik ! Cave wegen Heteroplasmie Veränderungen nicht in allen Geweben nachweisbar 4 Hinweis: Laktat im Blut erhöht; pathologisches Muster der organischen Säuren im Urin bzw. der Acylcarnitine im Serum 4 > Memo Diagnose oft nur funktionell am Gewebe möglich
Therapie 4 4 4 4
Myopathie: Orthopädie, Physiotherapie Metabolik: Coenzym Q10, Antioxidantien (kasuistisch belegt), Carnitin Antiepileptika viele kleine kohlenhydratreiche Mahlzeiten
12.7.3
12
Myotone Dystrophie Curschmann-Steinert
4 CTG-Expansion DMPK-Gen 4 autosomal-dominant 4 Multisystemerkrankung
Klinik 4 distal betonte Muskelschwäche, Facies myopathica, Myotonie, Ptosis, Atrophie Kau- und Gesichtsmuskulatur, hängende Kiefer, geöffneter Mund, Schluckstörung, Kardiomyopathie 4 Katarakt, Schwerhörigkeit
374
Kapitel 12 · Neurologische Erkrankungen
Eigene Notizen
4 endokrine Störungen, Gonadeninsuffizienz 4 mentale Retardierung, kognitiver Abbau 4 periphere Neuropathie
Diagnostik 4 klinische Symptome, insbesondere Myotonie bei repetitiven Kontraktionen, z. B. Hände oder Gesichtsmuskeln 4 EMG: typische myotone Entladungen > Memo eventuell EMG bei Mutter richtungsweisend 4 Genetik
Therapie 4 4 4 4
Membranstabilisatoren (Phenytoin, Procainamid) Physiotherapie, Orthopädie Hormontherapie, Kardiaka, Herzschrittmacher schlechte Prognose
12.7.4
Spinale Muskelatrophien
4 verschiedene Krankheitsbilder mit generalisierter proximal betonter Muskelhypotonie, Atrophien, Zungenfaszikulationen, Tremor der Hände 4 Degeneration α-Motoneurone, selten auch bulbäre Kerne Hirnstamm
Klinik
12
4 . Tab. Hauptformen spinaler Muskelatrophien Typ
Details
Typ 1, WerdningHoffmann
Autosomal-rezessive SMN-1-Gen-Mutation; infantil, bereits präpartal verminderte Bewegungen, Saug-Schluck-Atemstörung, kaum Kopfkontrolle, schwache Muskeleigenreflexe, meist Tod im ersten Lebensjahr an Ateminsuffizienz
Typ 2
Intermediäre Form. autosomal-rezessive Mutation SMN-1-Gen; chronisch proximale Erkrankung; nach Erreichen des freien Sitzen zunehmend beinbetonte Muskelhypotonie, Tremor Hände
Typ 3, KugelbergWelander
Juvenil-adulte Form; autosomal-rezessiv; besonders Beckenund Schultergürtel; oft lange gehfähig; Handtremor; CK erhöht; Herzbeteiligung
Sonstige
Variabel: z. B. X-linked bulbospinal, hereditäre progressive Bulbärparalyse etc.
375 12.7 · Neuromuskuläre Erkrankungen
Diagnostik 4 Klinik (Symptome s. oben) 4 Elektrophysiologie (schwere Beeinträchtigung motorische Nervenleitung) 4 Genetik
Therapie 4 nicht kausal möglich, symptomatisch 4 Herzerkrankung eventuell limitierend
12.7.5
Hereditäre motorisch-sensorische Neuropathien (HMSN)
4 heterogene Gruppe mit Erkrankung motorischer und sensorischer Nerven (Synonym: CMT – Charcot-Marie-Tooth-Erkrankungen) 4 genetisch z. B. Duplikation peripheres Myelin-Protein 22, Mutation MPZ, Mutation Cx32
Klinik 4 insbesondere distal betonte Muskelschwäche + Atrophie, Verlust Muskeleigenreflexe; Sensibilitätsstörung, autonome Störung, Fußheberschwäche 4 eventuell Schluckstörung, Atemstörung, Hörstörung, Optikusatrophie
Diagnostik 4 klinische Untersuchung 4 Elektrophysiologie zum Nachweis einer motorischen und/oder sensiblen Neuropathie 4 Genetik (erfasst nur Teil der Erkrankungen), bei negativer Genetik evtl. Nervenbiopsie (N. suralis)
Therapie 4 symptomatisch 4 bei spastischem Bild vergleiche Zerebralparese
12.7.6
Guillain-Barré-Syndrom
4 immunvermittelte demyelinisierende Polyradikuloneuritis 4 Erwachsene: z. B. Antigangliosid-Antikörper (GM-1, GD1b) nach Campylobacter-Infektion
Klinik 4 akut aufsteigende Muskelschwäche, erloschene Reflexe, Ateminsuffizienz, Dysästhesien bis Schmerzen, autonome Störungen 4 Sonderform: Miller-Fisher-Syndrom mit absteigender Paralyse
12
Eigene Notizen
376
Kapitel 12 · Neurologische Erkrankungen
Eigene Notizen
Diagnostik 4 typische Klinik 4 Elektrophysiologie: schwere Reizleitungsstörung mehrerer peripherer Nerven (sensibel und motorisch) 4 Liquor: Eiweißerhöhung ohne Zellzahlerhöhung
Therapie 4 hochdosiert Immunglobuline i.v. bei drohender Ateminsuffizienz 4 Plasmapherese
12.7.7
Spinozerebelläre Ataxie – Beispiel Friedreich-Ataxie
4 Repeat-Gen-Erkrankung am Frataxin-Gen. Folge: Eisenüberladung und Mitochondriendysfunktion durch oxidativen Stress
Klinik 4 progrediente Ataxie mit komplexer Degeneration von Hintersträngen, spinozerebellären und kortikospinalen Bahnen 4 Erlöschen der Muskeleigenreflexe, schwere Störung sensorischer Afferenzen (somatosensorisch evozierte Potenziale – SEP, Hinterstrangaffektion), Sensibilitätsstörung, axonale Neuropathie, Nystagmus, Hörverlust, Optikusatrophie, Skoliose, Dysarthrie, Pes cavus, Muskelschwäche 4 zusätzlich Kardiomyopathie (schwere Herzrhythmusstörungen), Endokrinopathie, Diabetes mellitus
12
Diagnostik 4 richtungsweisend oft »Ataxie + Kardiomyopathie + pathologische SEP« 4 dann Genetik
Therapie 4 keine kausale Therapie bekannt 4 Therapie Herzrhythmusstörungen 4 schlechte Prognose
12.7.8
Myasthenia gravis
4 Autoimmunerkrankung durch Antikörper gegen Azetylcholin-Rezeptoren (neuromuskuläre Endplatte) 4 Antikörper im Kindesalter nicht immer nachweisbar
Klinik 4 generalisierte Muskelschwäche (Ptosis!), Verschlechterung im Tagesverlauf 4 im Kindesalter auch transiente Formen
377 12.8 · Vaskuläre ZNS-Erkrankungen
Diagnostik 4 Simpson-Test, repetitive Bewegungen, Halteversuch, Azetylcholin-Rezeptor-Antikörper, Tensilontest 4 EMG-Ermüdung unter repetitiver Stimulation
Therapie 4 Cholinergika als Dauertherapie, Immunglobuline und Plasmapherese im schweren Schub. Thymektomie bei Chronizität 4 ! Cave Myasthene und cholinerge Krise. Gemeinsam: Schwäche, Atemstörung, Schluck-, Kau- und Sprechstörung, Schwitzen, Unruhe. 5 myasthene Krise: Blässe, Tachykardie, weite Pupillen, Hypotonie, Hyporeflexie 5 cholinerge Krise bei Cholinergikatherapie: enge Pupillen, gerötete Haut, Bradykardie Speichelfluss, Verschleimung, Bewusstseinsstörung, Durchfall, Erbrechen, Bronchialsekretion
12.8
Vaskuläre ZNS-Erkrankungen
4 arteriell (bei Kindern meist Media-Stromgebiet betroffen) 5 primär (z. B. Hämangiom, Moya-Moya) 5 bei Grunderkrankung (z. B. Phakomatosen, Vaskulitis bei rheumatoider Erkrankung) 5 Apoplex bei Thrombophilie (Protein C, S; APC-Resistenz; Lipoprotein-a-Erhöhung, Antithrombin-III-Mangel, MTHFR-Mutation, Homozystinämie, Anti-Phospholipid-Autoantikörper) 5 posttraumatisch (Dissekat) 5 postinfektiös (Post-Varizellen-Schlaganfall mit chronischer vaskulärer Virusinfektion, basale Meningitis bei Tuberkulose) 5 paradoxe Embolie, offenes foramen Ovale 4 venös 5 Sinusvenenthrombose 5 venöses Hämaniom 4 Kavernome
Klinik 4 TIA bzw. fokal-neurologische Ausfälle, Bewusstseinsstörung bis Koma (Angiomblutung; Basilaristhrombose), (fokale) Krampfanfälle 4 Herzinsuffizienz bei Angiom mit großem Shuntvolumen
Diagnostik 4 zerebrale Bildgebung (MRT), eventuell mit MRT-Angiographie oder konventioneller Angiographie; transkranielle Dopplersonographie bei arteriellen Erkrankungen
Therapie 4 niedriges Evidenzniveau 4 symptomatisch: Intensivtherapie, Antiepileptika
12
Eigene Notizen
378
Kapitel 12 · Neurologische Erkrankungen
Eigene Notizen
4 bei Gefäßverschluss primär Antikoagulierung mit Heparin (fraktioniert/unfraktioniert), Azetylsalizylsäure 4 Vaskulitis: Immunsuppression (primär Steroide) im Verlauf Grunderkrankung behandeln (siehe auch Rheumatologie) 4 Langzeittherapie arterieller Verschluss: Azetylsalizylsäure (Dauer unklar) 4 Langzeittherapie venöser Verschluss: Marcumar (Dauer unklar) 4 evtl. interventionell Lysetherapie: Gefäßverschluss, Embolisation von Angiomen im Verlauf (experimenteller Ansatz)
12.9
Bewegungsstörungen
4 Störungen von Systemen, die einen physiologischen Bewegungsablauf ermöglichen 5 motorische Bahnen: Spastik (Läsion 1. Motoneuron, 7 Kap. 12.3), schlaffe Lähmung (Läsion 2. Motoneuron) 5 extrapyramidales System: Basalganglienerkrankung, z. B. M. Wilson, M. Parkinson, Tic-Erkrankungen/rheumatisches Fieber. Heterogene zum Teil genetisch nicht geklärte hereditäre Erkrankungen (Stoffwechseldefekte, L-DOPA-responsive Dystonie) 5 spinozerebelläres System: z. B. Ataxia telangiectasia, 7 Kap. 12.7.7 und Kleinhirnerkrankungen 4 Hauptsymptome . Tab. Hauptsymptome bei Bewegungsstörungen
12
Symptom
Beschreibung
Ataxie
Unkoordinierte Bewegung (trunkal, Extremitäten), Stand/Gangataxie, Dysmetrie, Intentionstremor 5 Vermisläsion: Rumpf-, Gang- und Standataxie 5 Hemisphärenläsion: Dysmetrie, Dyssynergie, Intentionsstremor
Athetose
Langsam-wurmartige Bewegung insbesondere distaler Muskeln
Chorea
Rasche zufällige unkoordinierte generalisierte Muskelkontraktionen bei muskulärer Hypotonie
Ballismus
Massive schleudernde Extremitätenbewegungen, Kontraktionen proximaler Muskeln
Dystonie
irreguläre, langsame Kontraktion von Extremitäten und trunkalen Muskeln, fokal oder generalisiert.
12.9.1
M. Wilson
4 autosomal-rezessive Mutation im ATP7B-Gen
Klinik 4 Kupferakkumulierung inbesondere in Leber (Hepatopathie), Auge (Kayser-Fleischer-Ringe) und Basalganglien (Striatum/Choreoatethose), seltener Hermuskel, Nieren, Erythrozyten
379 12.10 · Spezielle Erkrankungen des Kleinhirns
Diagnostik 4 Leberbiopse und Genetik bei positivem D-Penicillamin-Test
Therapie 4 Chelatbildner (z. B. D-Penicillamin oder Trientin)
12.9.2
Tic-Erkrankungen
Klinik 4 unwillkürliche Myoklonien, diskret Mundwinkel und Auge bis ausgeprägte Schleuderbewegungen der Extremitäten 5 bei Tourette-Erkrankung: zusätzlich komplexe verbale Tics 5 als Post-Streptokokken-Erkrankung isoliert, in Kombination mit obsessiv-kompulsiven Symptomen oder als Teil des rheumatischen Fiebers 5 stressinduziert, in Verbindung mit ADHD, hier oft spontan sistierend
Diagose 4 Klinik, Abklärung Streptokokkeninfektion
Therapie 4 bei Streptokokkeninfektion Therapieversuch mit Penicillin 4 bei rheumatischem Fieber Penicillin-Langzeitprophylaxe 4 symptomatisch z. B. Neuroleptika wie Tiapridex
12.9.3
Spinozerebelläre Ataxie
7 Kap. 12.7.7
12.10
Spezielle Erkrankungen des Kleinhirns
4 statische Formen: z. B. kongenitale Fehlbildung, Dandy-Walker-Syndrom 4 progressive Formen: insbesondere metabolisch: mitochondrial (7 Kap. mitochondirale Myopathien), im Rahmen spinozerebellärer Ataxien (7 Kap. 12.7.7), Ataxia telangiectasia 4 erworbene Formen: Tumoren (7 Kap. 7), infektiös-parainfektiös, Intoxikationen, Trauma, vaskulär Ataxia telangiectasia
4 autosomal-rezessiv-vererbte DNS-Repair-Erkrankung durch Mutation am ATM-Gen (Reparatur von Doppelstrangbrüchen)
12
Eigene Notizen
380
Kapitel 12 · Neurologische Erkrankungen
Eigene Notizen
Klinik 4 progrediente zerebelläre Ataxie bis zur Rollstuhlpflichtigkeit, Sprechstörung, Tremor, Chorea, Dysarthrie, kognitiver Abbau, okuläre Apraxie 4 Immundefekt bei Thymushypoplasie (Infektneigung und Malignomneigung) 4 typische okulokutane Telangiektasien
Diagnostik 4 α-Fetoprotein erhöht 4 (Genetik)
Therapie 4 nicht kausal möglich 4 Immunglobulinsubstitution 4 orthopädische Behandlung Dandy-Walker-Malformation
4 Vermishypoplasie mit breiter Kommunikation zwischen 4. Ventrikel und retrozerebellärem Liquorraum; oft Verschluss der Foraminae Luschkae/Magendi 4 meist bei übergeordnetem ZNS-Fehlbildungssyndrom oder allgemein syndromaler Erkrankung 4 heterogene Klinik, eventuell ataktische Symptomatik, Hydrozephalus, Nystagmus Zerebellitis
12
4 im Rahmen verschiedener Infektionen durch direkten Befall, postinfektiös oder autoimmun möglich
Klinik 4 Leitsymptom: akute Ataxie Tage bis wenige Wochen nach Infekt (typisch: post-Varizellen-Zerebellitis)
Diagnostik 4 Klinik 4 zerebrale Bildgebung zum Nachweis der Entzündung des Zerebellum, sowie zum Ausschluss Infarkt, Tumor, Enzephalitis, Intoxikation (Alkohol, Ingestionsunfälle bei Kindern) 4 bei postinfektiösem Geschehen i. d. R. unauffällige Bildgebung
Therapie 4 eventuell gezielt antibiotisch-antivirale Therapie 4 Behandlung Grunderkrankung Pontozerebelläre Hypoplasie
4 kombinierte, meist progressive Hypoplasie von Pons und Cerebellum 4 oft mit weiteren ZNS-Fehlbildungen 4 oft autosomal-rezessiv
381 12.11 · Spezielle syndromale Erkrankungen
Klinik
Eigene Notizen
4 evtl. früh klinisch-motorische, später kognitive Entwicklungsproblematik bzw. Verlust von Fähigkeiten (Sprache, Sehvermögen, Motorik). Eventuell Chorea, Dystonien, Krampfanfälle
Diagnostik 4 Klinik und Bildgebung 4 (Genetik)
Therapie 4 symptomatisch
12.11
12
Spezielle syndromale Erkrankungen
7 Kap. 3
Rett-Syndrom
4 nur Mädchen betroffen 4 meist Mutation im MECP-2-Gen (Regulation von Methylierungsprozessen der DNS) 4 genauer Pathomechanismus unklar
Klinik 4 nach unaufälliger früher Säuglingsperiode progrediente Mikrozephalie, Verlust rudimentärer Sprachfunktionen, zunehmend spontane Hyperventilation, Waschbewegungen der Hände, Krampfanfälle 4 autistische Verhaltenszüge, schwere geistige Behinderung 4 Verlust der Gehfunktion bis Tetraspastik und Skoliose
Diagnostik 4 Klinik 4 MECP-2-Genetik (nicht immer positiv)
Therapie 4 nicht kausal möglich 4 symptomatisch Antiepileptika und orthopädische Versorgung Kaudales Regressionssyndrom
Klinik 4 komplexe Fehlbildung bzw. Hypoplasie von distaler Wirbelsäule, distalem Rückenmark, Becken, Hüften, unteren Extremitäten, Fehlen des Os sacrum 4 primär oder sekundär (z. B. bei schlecht therapiertem mütterlichem Gestationsdiabetes) 4 evtl. zusätzlich weitere Fehlbildungen 4 Folgeschäden an Blase und Niere bzw. Darmentleerungsstörung ähnlich Myelomeningozele. Selten Gehfähigkeit
382
Kapitel 12 · Neurologische Erkrankungen
Eigene Notizen
Diagnostik 4 Klinik 4 Bildgebung (Rückenmark, Becken, untere Extremitäten, intraabdominelle Organe)
Therapie 4 symptomatisch 4 Vorbeugung renaler, intestinaler, muskuloskelettaler und neurologischer Komplikationen CDG-Syndrom
4 defekte Glykosylierungsprozesse führen zu Funktionsstörung glykosylierter Moleküle (z. B. Glykoproteine) 4 mehr als 20 Formen bekannt
Klinik
12
4 Multisystemerkrankung mit z. B. Hepatopathie, Myopathie, Herzfehlbildung bzw. Herzinsuffizienz, Gerinnungsstörung, Infektanfälligkeit, Retinopathie, auffällige Fettverteilung (Polster am Gesäß), invertierte Brustwarzen, Skoliose, Osteoporose, ZNS-Fehlbildung, kognitive Störung, Gedeihstörung, Hypotonie, Ataxie 5 Walker-Warburg-Syndrom: (O-Mannosyl-Transferase-Defekt) Lissenzephalie, muskuläre Hypotonie, Augenfehlbildung, Kleinhirnhypoplasie, Hydrozephalus, schwere mentale Retardierung, Epilepsie, Gedeihstörung, CK-Erhöhung/Myopathie 5 »muscle-eye-brain-disease« (PomGnT1-Defekt): Lissenzephalie, muskuläre Hypotonie, Augenfehlbildungen, Kleinhirndysplasie, psychomotorische Retardierung, Dysmorphie, Epilepsie, CK-Erhöhung
Diagnostik 4 Screening mittels isoelektrischer Fokussierung von Transferrin (erfasst nicht alle Typen) 4 sonst Messung der Enzymaktivität oder Molekulargenetik
Therapie 4 meist nur symptomatisch möglich 4 Mannose bei CDGIb (Phosphomannose-Isomerase-Mangel) 4 L-Fucose bei CDGIIc (Golgi-GDP-Fucose-Transporter)
383 12.12 · Autoimmunerkrankungen des ZNS
12.12
Autoimmunerkrankungen des ZNS
12.12.1
Multiple Sklerose
4 häufigste chronisch-entzündliche ZNS-Erkrankung des (Kindes-) und Jugendalters
Klinik 4 Hauptsymptome: Optikus-Affektion, Retrobulbärneuritis, Sensibilitätsstörungen, Doppelbilder, internukleäre Ophthalmoplegie, dissoziierter Nystagmus, Trigeminusneuralgie, Dysarthrie, Ataxie, Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie, Müdigkeit J tonische Hirnstammanfälle: schmerzhafte, Minuten dauernde tonische unilaterale Extremitätenverkrampfung J Uthoff-Phänomen: Verschlechterung bei Wärme J Lhermitte-Zeichen: Wirbelsäulen-Parästhesie bei Kopf beugen J Charcot-Trias: Intentionstremor, Nystagmus, skandierende Sprache (Kleinhirnzeichen) 4 klinische Verlaufsformen J primär schubförmig (RRMS) J primär chronisch-progredient (PPMS) J sekundär chronisch (SPMS) J Sonderformen: Schilder-Sklerose, konzentrische Sklerose, maligne monophasische MS
Diagnostik 4 Diagnose anhand modifizierter McDonald-Kriterien 4 Nachweis mehrerer Schübe mit räumlicher und zeitlicher Dissemination 4 Diagnose zweiter Schub auch über MRT (nach ≥3 Monaten) 4 initial wichtigste Differenzialdiagnose: ADEM (akut disseminierte Enzephalomyelitis) 4 MRT: insbesondere Sehnerv, Pons, Kleinhirn, Pyramidenbahn, Rückenmark-Hinterstränge
Therapie 4 kaum pädiatrische Therapiestudien 4 Methylprednisolon akuter Schub, insbesondere bei Optikusneuritis 4 Dauertherapie: Glatiramerazetat oder β-Interferone, experimentell: Anti-Integrin-Antikörper (Tysabri®)
12.12.2
Akute transverse Myelitis (ATM)
4 heterogene Ätiologie, infektiöse (bakteriell, viral; häufiger als im Erwachsenenalter), parainfektiöse (Antigene bisher unbekannt) und autoimmune (+ Optikusneuritis = Neuromyelitis optica) Prozesse
12
Eigene Notizen
384
Kapitel 12 · Neurologische Erkrankungen
Eigene Notizen
Klinik 4 akute motorische oder sensorische Ausfälle bzw. vegetative Störungen, nicht immer sicher Rückenmarkssegment zuzuordnen 4 typisch: Gefühlsstörung kaudal Nabel, Beinschwäche, Blasen-Mastdarm-Störung 4 Sonderform Neuromyelitis optica (NMO): Neuritis nervi optici + langstreckige ATM + Anti-Aquaporin-Kanal-Antikörper
Diagnostik 4 Klinik 4 Bildgebung (MRT) zum Nachweis Myelon-Entzündung 4 Elektrophysiologie (Latenzverzögerung SEP)
Therapie 4 hochdosiert Steroide (Methylprednisolon), Evidenz niedrig 4 bei Unklarheit antivirale und antibakterielle Therapie 4 bei NMO hochdosiert Steroide, evtl. gefolgt von Azathioprin-Langzeittherapie
12.12.3
Akut disseminierte Enzephalomyelitis (ADEM)
4 akute Autoimmunerkrankung (vermutlich humoral) mit fleckigen Demyelinisierungen insbesondere supra- (+ infra-)tentorielles Marklager, selten auch Kortex 4 Auslöser z. B. parainfektiös verschiedene Erreger
12
Klinik 4 akute Enzephalopathie mit Bewusstseinsstörung, oft Krampfanfälle, fokal-neurologische Ausfälle (bei MS meist keine Enzephalopathie)
Diagnostik 4 Klinik + Kernspintomographie 4 Liquor: kein charakteristischer Befund 4 ! Cave multiple Sklerose als wichtige Differenzialdiagnose erst im Verlauf diagnostizierbar!
Therapie 4 hochdosiert Methylprednisolon für 3–5 Tage 4 bei schweren Verläufen Immunglobuline, Plasmapherese
12.12.4
Opsoklonus-Myoklonus-Syndrom
4 vermutlich Autoantikörper gegen Purkinjezellen. Isoliert oder paraneoplastisch bei Neuroblastom im Kindesalter (siehe dort)
385 12.13 · Besonderheiten kindlicher ZNS-Infektionen
Klinik und Diagnostik 4 Myoklonien, spontan-ruckartig-unwillkürliche Pupillenbewegungen, motorischer Abbau, Ataxie 4 Stimmungslabilität
Therapie 4 hochdosiert Steroide/ACTH, oft über langen Zeitraum erforderlich 4 ggf. Tumortherapie
12.13
Besonderheiten kindlicher ZNS-Infektionen
4 Schädigung des ZNS im Rahmen verschiedener Infektionskrankheiten möglich(7 Kap. 4) 4 Prädisposition durch anatomische Besonderheiten (z. B. Liquorfistel), unreifes Immunsystem (z. B. intrauterin CMV, Toxoplasmose, Röteln), besondere Virulenz (z. B. HSV, Tuberkulose), Immunschwäche (HIV, iatrogene Immunsuppression, angeborener Immundefekt), spezieller Neurotropismus (z. B. HSV, VZV, EBV, CMV) 4 Schädigungsmechanismen 5 direkter Erregerbefall (Abszesshöhle, Lyse infizierter Zellen) 5 Toxine der Erreger 5 systemische Entzündungsreaktion im Rahmen der Infektion 5 erregerinduzierte Autoimmunreaktion 5 persistierende ZNS-Infektion unterhält dauerhaft Erreger-bedingte (z. B. SSPE) oder entzündungsvermittelte Schädigung 5 direkt erregervermittelte (VZV) oder inflammatorisch bedingte Vaskulopathie
Klinik 4 fokale Ausfälle, Meningismus, Hirndruck, Krampfanfälle, Bewusstseinsstörung
Diagnostik 4 Goldstandard Erregernachweis im Liquor (Kultur, PCR); nicht immer möglich 4 daher erregerspezifisch Verfahren auswählen (z. B. Immunoblot für Mykoplasmen, Borrelien) 4 bei Parenchymläsion eventuell nur bioptisch Diagnose möglich (Koinfektion bei HIV; Pilzinfektionen) 4 Bildgebung zur Erfassung von Komplikationen (Abszess, Infarkt, Hydrozephalus)
Therapie 4 Ziele 5 Eliminierung Erreger: nur bei klassischen bakteriellen Infektionen möglich (z. B. neonatal B-Streptokokken, E. coli, Listerien; Kleinkind Haemophilus; Schulkind Meningokokken, Borrelien); Therapiedauer meist einige Wochen
12
Eigene Notizen
386
Kapitel 12 · Neurologische Erkrankungen
Eigene Notizen
5 Latenzbildung Erreger: viele Erreger persistieren lebenslang im ZNS; mehrwöchige bis mehrmonatige Therapie soll virulente Infektion in latente Infektion umwandeln (z. B. neonatale CMV, Toxoplasmose. HSV-Infekt des Schulkindes) 5 Suppression Erreger: insbesondere bei Immundefizienz (z. B. HIV) sowie bei einigen Mykosen keine Eliminierung bzw. Latenzbildung möglich; hier evtl. Dauertherapie bzw. Therapie bis zur Immunrekonstitution 5 Vermeidung immunvermittelten Schadens: genaue Bedeutung bzw. Pathomechanismen unklar; effektive Steroidtherapie gesichert bei Toxoplasmose-Retinitis, ZNS-Tuberkulose, HiB-Meningitis; bei einigen Erregern dominiert vermutlich parainfektiöser Schaden (Influenza A, Mykoplasmen); Mechansimen oft unklar 5 Imunmodulation: gezielte Chemotherapie nicht immer möglich; evtl. immunmodulierende Interferontherapie effektiv (z. B. α-Interferon bei SSPE) 5 Therapiekontrolle: zur Erfolgskontrolle evtl. wiederholt Liquoruntersuchung bzw. Erregerlastbestimmung 4 > Memo oft hohe Medikamentendosen erforderlich (Penetranz in das ZNS)
12.14
12
Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörung
4 »attention deficiency hyperactivity syndrome« (ADHS) 4 Veränderung zerebraler Dopamin-, evtl. auch Noradrenalin- und Serotoninstoffwechsel 4 Risikofaktoren: Nikotin und Alkohol in Schwangerschaft, familiär (genetisch, psychosozial)
Klinik 4 Hauptsymptome (situationsübergreifend, ≥6 Monate), in der Regel bereits ab Kleinkindesalter J Aufmerksamkeitsstörung (Ablenkbarkeit, kurze Konzentrationsspanne) J Impulsivität (kognitiv, motivatorisch, emotional) J Hyperaktivität 4 Komorbiditäten: Aggressionen, dissoziales Verhalten, Angst, Depression, Tics, Teilleistungsstörungen, Legasthenie, Einschlafstörung, Somatisierungsstörung
Diagnostik 4 störungsspezifische Diagnostik, allgemeine Entwicklungsdiagnostik, störungsrelevante Rahmenbedingungen (Familie, Schule usw.), Komorbiditäten
387 12.15 · Kopfschmerzen im Kindes- und Jugendalter
Therapie
Eigene Notizen
5 pädagogischer Ansatz: Familie einbeziehen, strukturierter Tagesablauf, Grenzen setzen 5 Medikamentös: Amphetaminpräparate, z. B. Methylphenidat
12.15
12
Kopfschmerzen im Kindes- und Jugendalter
4 häufig bei Kindern und Jugendlichen; die meisten von Erwachsenen bekannten Formen auch hier nachweisbar (. Tab.) IHS-Klassifikation primärer Kopfschmerzerkrankungen (Auswahl, Details www.ihs-classification.org) Migräne
5 Migräne ohne Aura 5 Migräne mit Aura 5 Periodische Syndrome in der Kindheit, die meist Vorläufer einer Migräne sind
Wahrscheinliche Migräne
5 Ohne Aura 5 Mit Aura 5 Wahrscheinliche chronische Migräne
Kopfschmerz von Spannungstyp
5 Sporadisch auftretender episodischer Kopfschmerz vom Spannungstyp 5 Häufig auftretender episodischer Kopfschmerz vom Spannungstyp 5 Chronischer Kopfschmerz vom Spannungstyp 5 Wahrscheinlicher Kopfschmerz vom Spannungstyp
Clusterkopfschmerz und andere trigemino-autonome Kopfschmerzerkrankungen
5 Im Kindesalter selten
Andere primäre Kopfschmerzen
5 Im Kindesalter selten
Klinik 4 Hauptformen: Spannungskopfschmerz und kindliche Migräne; klinisch nicht immer scharfe Trennung möglich 5 kindliche Migräne J Diagnosekriterien (. Tab.) bei kindlicher Migräne nicht immer erfüllt J typisch wiederkehrend, unilateral, auch mit Plus-Symptomen (Hemiplegie, Parästhesie, Erbrechen), eventuell Triggerfaktoren (Wetterumschwung, spezielle Nahrungsmittel) J im Intervall vollständige Symptomrückbildung und Beschwerdefreiheit J positive Familienanamnese 5 klassischer Spannungskopfschmerz J Auftreten im Rahmen von Belastungssituationen (familiär, sozial, Schule)
388
Kapitel 12 · Neurologische Erkrankungen
Eigene Notizen
J Auftreten eher nach der Schule J Lokalisation bilateral J auch als Hinweis auf Konzentrationsstörung oder schulische Überforderung
Diagnostik 4 neurologische Untersuchung, Anamnese (Belastungsfaktoren, Familienanamnese), Blutdruck, Kopfschmerzprotokoll > Memo wichtigstes diagnostisches Mittel ist das Kopfschmerzprotokoll! 4 Bildgebung nicht in jedem Fall nötig, jedoch oft zur Beruhigung wichtig 4 kognitive Testung bei Verdacht auf Überlastungssituation
Therapie 4 Stufentherapie der Migräne 5 Stufe 1: Paracetamol, Ibuprofen, Azetylsalizylsäure, Reduktion von Stressfaktoren 5 Stufe 2: + Antiemetikum 5 Stufe 3a: Triptanpräparat bei seltenen sonst therapieresistenten Anfällen 5 Stufe 3b: Langzeitprophylaxe mit β-Blocker, Kalziumantagonisten, eventuell Antiepileptika (Lamotrigin, Valproat, Carbamazepin) bei sehr häufigen Attacken 4 Begleittherapie: Entspannungstechniken, Biofeedback
12
Diagnosekriterien der einfachen Migräne nach der IHS (Details siehe www.ihs-classification.org) A. Mindestens 5 Attacken, die die Kriterien B–D erfüllen B. Kopfschmerzattacken, die unbehandelt oder erfolglos behandelt 4–72 h anhalten C. Kopfschmerz zeigt wenigstens 2 der folgenden Charakteristika 5 Einseitige Lokalisation 5 Pulsierender Charakter 5 Mittlere oder starke Schmerzintensität 5 Verstärkung durch körperliche Routineaktivitäten führt zu deren Vermeidung D. Während des Kopfschmerzes besteht mindestens eines der folgenden Symptome 5 Übelkeit und/oder Erbrechen 5 Photophobie und Phonophobie Nicht auf andere Erkrankung zurückzuführen
13 Tag 5
13
Dermatologische Erkrankungen H. Ott
13.1
Transiente Hautveränderungen im Neugeborenenalter – 390
13.1.1 13.1.2 13.1.3 13.1.4 13.1.5
Postnatale Desquamation – 390 Erythema toxicum neonatorum – 390 Miliaria – 391 Cutis marmorata – 391 Milien – 391
13.2
Infektiöse Hauterkrankungen – 392
13.2.1 13.2.2
Bakterielle Hautinfektionen – 392 Virusinfektionen der Haut – 393
13.3
Erythematosquamöse Erkrankungen – 395
13.3.1 13.3.2
Ekzeme – 395 Psoriasis – 400
13.4
Akne – 402
13.4.1
Acne vulgaris
– 402
390
Kapitel 13 · Dermatologische Erkrankungen
Eigene Notizen
13.1
Transiente Hautveränderungen im Neugeborenenalter
4 in den ersten 28 Lebenstagen auftretende, spontan rückläufige Effloreszenzen 4 ! Cave differenzialdiagnostische Abgrenzung schwerer Haut- und Systemerkrankungen bei zusätzlichen Symptomen (Trinkschwäche, Hypothermie, Irritabilität etc.) stets erforderlich!
13.1.1
Postnatale Desquamation
4 innerhalb der ersten Lebenstage auftretende, physiologische Adaptation an extrauterines Milieu → transepidermaler Wasserverlust → trockene Haut, Abschuppung (Desquamation) 4 gehäuftes Auftreten bei Gestationsalter >40. SSW
Diagnostik 4 fein- bis mittellamelläre Schuppung im Bereich des gesamten Integuments
Diagnostik 4 klinische Diagnose 4 > Memo bei persistierender Desquamation wichtigste Differenzialdiagnose: kongenitale Ichthyose → dermatologisches Konsil
Therapie 4 nicht erforderlich
13 13.1.2
Erythema toxicum neonatorum
4 bei bis zu 70% reifer Neugeborener, seltener bei Frühgeborenen 4 Ätiologie unbekannt
Klinik 4 stammbetonte, erythematöse Papulovesikel unter Aussparung der Palmoplantarregion 4 guter Allgemeinzustand, keine Schleimhautbeteiligung 4 Beginn in der ersten Lebenswoche, spontanes Abklingen (Tage bis wenige Wochen)
Diagnostik 4 klinische Diagnose
Therapie 4 Beruhigung der Eltern, keine spezifische Therapie
391 13.1 · Transiente Hautveränderungen im Neugeborenenalter
13.1.3
Miliaria
4 Synonym: »Schweißbläschen«, bei ca. 15% aller Neugeborenen 4 übermäßiges Schwitzen → Obstruktion, Ruptur der Ausführungsgänge ekkriner Schweißdrüsen im Stratum corneum (Miliaria cristallina) oder intraepidermal (Miliaria rubra)
Klinik 4 Miliaria cristallina: »wasserklare«, stecknadelkopfgroße Papulovesikel auf ansonsten gesunder Haut 4 Miliaria rubra: wenige Millimeter große, erythematöse Papulovesikel, begleitende Entzündungsreaktion
Diagnostik 4 klinische Diagnose
Therapie 4 Vermeidung übermäßigen Schwitzens 4 Trockenpinselung mit Zinkschüttelmixturen
13.1.4
Cutis marmorata
4 vasomotorische Reaktion Neugeborener auf Kältereize
Klinik 4 retikuläre, teils livide Gefäßzeichnung der Haut 4 rasches Abklingen nach Erwärmung
Diagnostik 4 klinische Diagnose 4 bei assoziierten Auffälligkeiten (Körperasymmetrie, Makrozephalus) an Cutis marmorata teleangiectatica congenita denken → Konsil Dermatologie, Neuropädiatrie
Therapie 4 kalte Umgebungstemperatur vermeiden, ausreichender textiler Kälteschutz
13.1.5
Milien
4 epidermale Retentionszysten ohne Krankheitswert bei bis zu 40% der Neugeborenen
13
Eigene Notizen
392
Kapitel 13 · Dermatologische Erkrankungen
Eigene Notizen
Klinik 4 bis 2 mm große, weißliche Papeln (»milk spots«) 4 Prädilektionsstellen: Nasenrücken, Wangen, Stirn 4 als »Epstein-Perlen« im Bereich des harten Gaumens, als »Bohn-Noduli« an der Zahnleiste
Diagnostik 4 klinische Diagnose
Therapie 4 Spontanregredienz, spezifische Therapie nicht erforderlich
13.2
Infektiöse Hauterkrankungen
13.2.1
Bakterielle Hautinfektionen
Impetigo contagiosa
4 häufigste bakterielle Hauterkrankung im Kindesalter, Altersgipfel 3.–8. Lebensjahr 4 Erreger: Staphylococcus aureus (2/3) und Streptococcus pyogenes (1/3) 4 ! Cave sehr hohe Kontagiosität!
Klinik
13
4 rasch erodierende Vesikel, »honiggelbe« Krusten auf erythematösem Grund 4 Prädilektionsstellen: Zentrofazialregion, Hände 4 Sonderform »Impetigo bullosa«: schlaffe, rasch erodierende Blasen mit narbenloser Abheilung 5 ! Cave Ausbildung großer Blasen: Hinweis auf hämatogene Toxinwirkung → Übergang in großflächige »Hautablösung« (Dermatitis exfoliativa, Synonym: »staphylococcal scalded skin syndrome«, SSSS, M. Ritter) möglich 4 bei Persistenz frühzeitig an Differenzialdiagnosen der blasenbildender Dermatosen im Neugeborenen- und Säuglingsalter denken 5 angeboren J Epidermolysis bullosa simplex, Epidermolysis bullosa junctionalis, Epidermolysis bullosa dystrophicans J Ichthyosis bullosa Siemens J epidermolytische Hyperkeratose J Incontinentia pigmenti 5 erworben J neonataler Pemphigus vulgaris J diffuse kutane Mastozytose J kongenitale Syphilisinfektion J Stevens-Johnson-Syndrom J toxisch-epidermale Nekrolyse
393 13.2 · Infektiöse Hauterkrankungen
Diagnostik 4 klinische Diagnose 4 mikrobiologischer Hautabstrich inkl. Resistogramm 4 > Memo nach streptogener Impetigo im Abstand von 3–6 Wochen Urinanalyse zum Auschluss einer Poststreptokokken-Glomerulonephritis
Therapie 4 in der Regel systemische Antibiotika in Kombination mit topischen Antiseptika 4 ! Cave Primärresistenz von Staphylococcus aureus: Penicillin V/G bis 90%, Erythromycin bis 30% 4 Mittel der Wahl: Cephalosporine 1. Generation (z. B. Cefadroxil), Amoxicillin + Clavulansäure 4 intensive Aufkärung über hochgradige Kontagiosität, initial kein Kindergarten-/Schulbesuch! Perianale Streptokokken-Dermatitis
4 durch β-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A hervorgerufene, typischerweise im Kleinkindesalter unmittelbar perianal auftretende Infektionserkrankung
Klinik 4 perianal lokalisiertes, scharf begrenztes Erythem mit vereinzelten Rhagaden 4 starker Berührungs- und Defäkationsschmerz → Komplikation: Obstipation, Stuhlverhalt
Diagnostik 4 klinische Diagnose 4 mikrobiologischer Hautabstrich inkl. Resistogramm 4 im Abstand von 3–6 Wochen Urinanalyse zum Ausschluss einer Poststreptokokken-Glomerulonephritis
Therapie 4 systemische Therapie mit z. B. Penicillin V 50.000 IE/kg KG/d oder Cefuroxim 20 mg/kg KG/d
13.2.2
Virusinfektionen der Haut
Kutane Herpes-simplex-Infektionen
4 Hautinfektion durch HSV 1 (»Extragenitaltyp«) oder HSV 2 (»Genitaltyp«)
Klinik 4 Gingivostomatitis herpetica 5 Klinisches Korrelat der Primärinfektion, im Kindesalter zumeist durch HSV1
13
Eigene Notizen
394
Kapitel 13 · Dermatologische Erkrankungen
Eigene Notizen
13
5 unspezifisches Prodromalstadium (Fieber, Trinkschwäche) 5 im Verlauf Hypersalivation, Enanthem, Foetor ex ore 5 stark schmerzhafte Vesikel und Aphthen im Bereich der oralen Mucosa 5 ! Cave Dehydratation bei Trinkschwäche und Nahrungsverweigerung! 4 Herpes simplex 5 perioral, nasal oder an Fingern gruppierte, schmerzhafte Papulovesikel auf erythematösem Grund 5 wiederholtes Auftreten in gleicher Lokalisation = Herpes simplex recidivans in loco 4 > Memo Komplikationen 5 Eczema herpeticatum J bei Immunsupprimierten und Kindern mit Atopischem Ekzem J disseminierte Papulovesikel, »ausgestanzte« Hauterosionen und Ulcera, Fieber 5 bakterielle Superinfektion J Erreger: Staphylococcus aureus 7 Kap. Impetigo contagiosa J Lymphadenopathie, Gefahr der Abszessbildung 5 Erythema exsudativum multiforme J parainfektiös vor allem bei Herpesinfektion und MykoplasmenInfektion auftretende, »infektallergische« Hauterkrankung J Kokarden-artige Plaques, Ausbreitung auf gesamtes Integument möglich J Schleimhautbeteiligung: apthoide Läsionen an Mund-, Konjunktival- und Genitalschleimhaut 5 Keratoconjunctivitis herpetica J Photophobie, starke konjunktivale Injektion J ! Cave Hornhautnarben, Uvea- und Retinabeteiligung 4 Meningoencephalitis herpetica, perinatale HSV-Infektion 7 Kap. 4
Diagnostik 4 klinische Diagnose 4 virologische Abstriche zur HSV-PCR nur in Ausnahmefällen 4 ophthalmologisches Konsil bei Augenbeteiligung
Therapie 4 Herpes simplex labialis: Aciclovir Creme 5-mal täglich 4 Stomatitis aphthosa: Aciclovir i.v. (s. u.) nur bei schweren Verläufen, supportive Therapie (Analgesie, Lokalanästhetika-Mundgel, intravenöse Rehydratation) 4 bei Komplikationen: Aciclovir 3×5–10 mg/kg KG i.v. > Memo Niereninsuffizienz → Dosisanpassung! Mollusca contagiosa
4 Synonym: Dellwarzen 4 vorwiegend im Kindesalter auftretende Hautinfektion mit Mollusca contagiosa-Virus
395 13.3 · Erythematosquamöse Erkrankungen
Klinik
Eigene Notizen
4 meist isoliert stehende, zentral genabelte, hautfarbene Papeln, Durchmesser bis 10 mm 4 Spontanheilung bei ansonsten gesunden Patienten 4 bei Atopischem Ekzem häufig multiple, disseminierte Mollusca contagiosa (»Eczema molluscatum«) 4 bei Immunsuppression Auftreten sog. »Riesen-Mollusken« (Molluscum contagiosum giganteum)
Diagnostik 4 klinische Diagnose 4 nur bei unklaren klinischen Befunden Exzisionsbiopsie und histologische Diagnostik
Therapie 4 bei immunkompetenten Patienten kann Spontanheilung abgewartet werden 4 bei Immunsuppression, atopischem Ekzem, kosmetischer Beeinträchtigung 5 Therapie erster Wahl: Kürettage in Lokalanästhesie, ggf. in Vollnarkose bei disseminiertem Befall 5 alternativ J Kryotherapie mit flüssigem Stickstoff J konservative Therapie (Stimulation des wirtseigenen Immunsystems): Tretinoin-Gel, 10%-ige KOH-Lösung, Imiquimod-Creme (individueller Heilversuch)
13.3
Erythematosquamöse Erkrankungen
4 heterogene Gruppe entzündlicher Hauterkrankungen, die mit Hautrötung und Schuppung einhergehen 5 Ekzeme 5 Psoriasis vulgaris 5 Pityriasis rubra pilaris (im Kindesalter selten) 5 Parapsoriasis (im Kindesalter sehr selten)
13.3.1
13
Ekzeme
Atopisches Ekzem (AE)
4 Synonyme: Neurodermitis, atopische Dermatitis, endogenes Ekzem 4 > Memo chronische, nicht-kontagiöse Hauterkrankung bei gestörter epidermaler Barrierefunktion mit kutaner Entzündungsreaktion in charakteristischer Lokalisation 4 Prävalenz im Kindesalter bis zu 20% (»Zivilisationskrankheit«), >85% aller Erkrankungsfälle vor dem 5. Lebensjahr, >50% vor dem 1. Lebensjahr
396
Kapitel 13 · Dermatologische Erkrankungen
Eigene Notizen
4 multifaktorielle Ätiologie/Pathogenese 5 genetische Prädisposition (75% Konkordanzrate bei homozygoten Zwillingen) 5 Mutationen im epidermalen Differenzierungskomplex (Chromosom 1q21), insbesondere Filaggrin → erhöhte transkutane AllergenPenetration, transepidermaler Wasserverlust 5 immunologische Dysbalance, Überwiegen des Th2-Lymphozytensubtyps → typisches Zytokinprofil (IL-4, IL-5, IL-13), erhöhtes Gesamt-IgE, Eosinophilie 5 gestörte Synthese epidermaler Lipide (Ceramide, Glycosphingolipide) 5 verminderte kutane Produktion antimikrobieller Peptide (beta-Defensine, Cathelicidine) 4 unterschiedliche Triggerfaktoren: Inhalations-/Kontaktallergene, Stress, Irritanzien (Wolle, Reinigungsmittel), mikrobielle Kolonisation (Staph. aureus, Malassezia furfur), Klima etc.
Klinik
13
4 altersabhängig unterschiedlicher klinischer Phänotyp! 5 Säuglings- und Kleinkindesalter: stark juckende, häufig exkoriierte, exsudativ-nässende Erytheme im Wangenbereich und an den Streckseiten der Extremitäten 5 Schulkind- und Adoleszentenalter: ausgeprägte Hauttrockenheit, starker Juckreiz und Beugen-betonte, lichenifizierte Erytheme; Hand- und Fußekzeme 4 häufige Assoziation mit weiteren atopischen Erkrankungen (ca. 30% Nahrungsmittelallergie) 4 ! Cave schwerer Verlauf kutanter Herpes-simplex-Infektionen: Eczema herpeticatum (s. o.) 4 nicht selten Superinfektion mit Staphylococcus aureus: Impetigo contagiosa (s. o.) 4 klinische Diagnosekriterien nach Hanifin und Rajka 5 4 Majorkriterien J Juckreiz J typische Morphologie und Lokalisation J chronischer oder chronisch-rezidivierender Verlauf J Atopie-Familienanamnese (Asthma bronchiale, allergische Rhinitis, atopisches Ekzem) 5 23 Minorkriterien: . Tab. 5 > Memo 3 Majorkriterien + 3 Minorkriterien = Diagnose »atopisches Ekzem«
397 13.3 · Erythematosquamöse Erkrankungen
Diagnostische Minorkriterien nach Hanifin und Rajka 1980 (Auswahl) Minorkriterium
Erläuterung
Xerosis cutis
Ausgeprägte Hauttrockenheit
Cheilitis
Abakterielle Entzündung der Lippen
Dennie-Morgan-Falte
Doppelte Unterlid-/Infraorbitalfalte
Pityriasis alba
Feinlamelläre Schuppung
Neigung zu kutanen Infektionen
Herpes simplex, Staphylococcus aureus
Nahrungsmittelallerige
Häufig: Hühnerei, Kuhmilch, Soja, Erdnuss
Weißer Dermographismus
Weiße Hautstreifen nach tangentialem Druck
Keratosis pilaris
Perifollikuläre Hyperkeratose (»Reibeisenhaut«)
Pulpitis sicca
Entzündung der Finger- und Zehenkuppen
Keratokonus
Kegelförmige Verformung der Kornea
Diagnostik 4 Anamnese 5 atopische Erkrankungen bei Verwandten ersten Grades 5 bisheriger Krankheitsverlauf (Triggerfaktoren, Komplikationen) 5 Begleiterkrankungen (Asthma bronchiale, Nahrungsmittelallergie, Heuschnupfen) 5 Einschränkung Lebensqualität (Schlafstörungen, Schulfehlzeiten etc.) 5 bisherige Lokal- (Kortikosteroide, Immunmodulatoren) und Systemtherapie (Kortikosteroide, Antibiotika, Immunsuppressiva) 4 körperliche Untersuchung gemäß klinischer Diagnosekriterien nach Hanifin & Rajka (s. o.) 4 Labor: Gesamt-IgE, allergenspezifische IgE-Antikörper, Differenzialblutbild (Eosinophilie) 4 ggf. Mikrobiologie, Virologie: Hautabstrich (bakteriologische Kultur, HSV-PCR)
Therapie 4 Triggerfaktoren meiden 4 Lokaltherapie 5 rehydrierende Basistherapie: stadien-, alters- und lokalisationsabhängige Behandlung mit Externa unterschiedlichen Wasser- und Lipidgehalts (Lotio, Creme, Salbe, Fettsalbe) 5 Antiseptika: Farbstoffe (Eosin 1%, Methylrosanilin 0,5%), Triclosan 2% u. a. J topische Kortikosteroide (TKS): . Tab. J einmal tägliche Anwendung ausreichend, Therapiedauer <10 Tage J ! Cave Nebenwirkungen: Hautatrophie, Teleangiektasien, Hypertrichose, Striae rubrae, systemische Resorption → Nebennierenrindeninsuffizienz
13
Eigene Notizen
398
Kapitel 13 · Dermatologische Erkrankungen
Eigene Notizen
5 topische Immunmodulatoren (Pimecrolimus, Tacrolimus) ab dem 2. Lebensjahr J Indikation: TKS nicht ausreichend wirksam oder dauerhaft erforderlich J ! Cave Lichtschutz aufgrund möglicher Photokarzinogenität, keine Anwendung bei bakterieller oder viraler Hautinfektion! J langfristige Anwendung ohne Risiko TKS-typischer Nebenwirkungen möglich 4 systemische Therapie bei schwerem AE 5 starker Juckreiz und Einschlafstörungen: kurzfristig sedierende Antihistaminika der 1. Generation (z. B. Dimetindenmaleat, Clemastinhydrogenfumarat) 5 bakterielle Superinfektion: Staphylokokken-wirksames BetalaktamAntibiotikum (z. B. Cefadroxil) 5 Eczema herpeticatum: Aciclovir i.v. über mindestens 7 Tage 5 schweres, therapieresistentes AE: Ciclosporin A ! Cave zahlreiche mögliche Nebenwirkungen → schriftliche Aufklärung, regelmäßige Laborkontrollen, Blutdruckmessungen; Therapiedauer i. d. R. <12 Monate Topische Kortikosteroide der Wirkstärken I bis II (Auswahl) Wirkstoff
Konzentration (%)
Klasse I*
13
Hydrokortison (HC)
0,5/1,0
HC-Acetat
0,25
Prednisolon
0,4
Fluocortinbutylester
0,75
Klasse II* Prednicarbat
0,25
HC-Butyrat
0,1
Methylprednisolonaceponat
0,1
Mometasonfuroat
0,1
* Im Säuglingsalter auschließlich Wirkstärke I, im Kleinkindes- und Schulalter Wirkstärke I fazial und genitoanal sowie Wirkstärke II an Stamm und Extremitäten
Allergisches Kontaktekzem
4 T-Zell-vermittelte allergische Spättypreaktion auf kleinmolekulare Substanzen 4 Epidemiologie alters- und geschlechtsabhängig: im Säuglings- und Kleinkindalter selten, Punktprävalenz im Jugendalter 10% (Jungen) bis 20% (Mädchen) 4 > Memo wichtige Kontaktallergene im Kindes- und Jugendalter: Nickelsulfat, Duftstoffe, Bufexamac
399 13.3 · Erythematosquamöse Erkrankungen
Klinik 4 Akutphase (Stunden bis Tage nach Allergenkontakt) 5 juckendes, scharf begrenztes, z. T. bizarr konfiguriertes Erythem 5 Vesikel- und Blasenbildung, Erosionen, Exsudation, Krustenbildung 5 ektope Reaktionen mit ekzematösen Streuherden und Angioödemen möglich 4 chronisches Kontaktekzem (über Monate oder Jahre) 5 Xerosis cutis, Hyperkeratosen, groblamelläre Schuppung, Rhaghadenbildung 5 unscharfe Begrenzung, häufig palmoplantare Lokalisation
Diagnostik 4 ausführliche allergologische Anamnese J Hobby- und Freizeit (Feuchtarbeiten, Tierkontakt, Werkstoffe) J Kosmetika (Haarfärbemittel, Duftstoffe, Konservierungsmittel) J Ausbildung, Praktika (Gesundheitsberufe, Friseurberuf etc.) 4 Epikutantest 5 > Memo Durchführung nur im erscheinungsfreien Intervall und nach Absetzen immunsuppressiver Medikamente (v. a. systemischer Kortikosteroide)! 5 Auswahl der Testsubstanzen gemäß Anamnese, routinemäßig Testung mit »Kinder-Standardreihe« der Deutschen Kontaktallergie Gruppe (DKG) 5 epikutane Pflasterfixierung der Testsubstanzen auf dem Rücken, Entfernung nach 24 h 5 Testablesung 30 min und 48 h nach Entfernung der Testpflaster 5 Interpretation der Testergebnisse J Erythem, Ödem, Vesikel-/Papelbildung mit Zunahme im Testverlauf (»Crescendo-Reaktion«) → allergische Spättypsensibilisierung J blasses Erythem, Atrophie/Hautfältelung (»Seifeneffekt«) mit Abnahme im Testverlauf (»Decresecendo-Reaktion«) → unspezifische Hautirritation, keine Sensibilisierung! 5 ! Cave akute Ekzemreaktion im gesamten Rückenbereich (»angry back«) bei hochgradig sensibilisierten Patienten möglich → Testung nicht auswertbar
Therapie 4 > Memo strikte Allergenkarenz! 4 topische Kortikosteroide (TKS) der Wirkstärke II an Stamm und Extremitäten, im Gesichtsbereich sowie bei Säuglingen TKS Wirkstärke I 4 in der Akutphase bei starker Ekzemreaktion ± Angioödem, ggf. kurzzeitig orales Kortikosteroid (z. B. Methylprednisolon 1 mg/kg KG über 3–5 Tage) 4 Hautschutz (rehydrierende Basistherapie, Meidung von Irritanzien, Handschuhe etc.)
13
Eigene Notizen
400
Kapitel 13 · Dermatologische Erkrankungen
Eigene Notizen
Windeldermatitis
4 nicht-allergische Entzündung der Genitoanalregion bei bis zu 1/3 aller Säuglinge 4 multifaktorielle Ätiologie 5 Windelokklusion (»feuchte Kammer«), Hautkontakt mit Urin/Stuhl → Störung der epidermalen Hautbarriere durch pH-Erhöhung und Stuhl-Proteasen → Mazeration und Irritation 5 sekundäre Kolonisation mit Candida albicans v. a. nach systemischer Antibiotikatherapie
Klinik 4 genitoanale Papulovesikel auf erythematösem Grund, Erosionen/Ulzerationen möglich 4 bei Candida-Superinfektion typischerweise randständiger Schuppensaum (»Colerette«) und bis münzgroße Satellitenherde 4 > Memo bei »therapieresistenter« Windeldermatitis an Differenzialdiagnosen denken: Psoriasis vulgaris, allergisches Kontaktekzem, perianale Streptokokkendermatitis, Granuloma glutaeale infantum
Diagnostik 4 4 4 4
klinische Untersuchung Abklatschpräparat (Mykologie: Nativmikroskopie, Kultur), Hautabstrich: Streptococcus pyogenes? nur in Ausnahmefällen: Hautbiopsie (Granulome? Psoriasis?), Epikutantestung (Kontaktallergie?)
Therapie
13
4 ABCD-Regel 5 »Air«: nach Möglichkeit längere »Windelpausen« → keine Okklusion, Mazeration 5 »Barrier«: Hautbarriere durch topische Behandlung stärken (z. B. Zinkpaste) 5 »Cleansing«: häufiges Windelwechseln → kürzerer Hautkontakt mit Urin, Fäzes 5 »Diapers«: Flüssigkeit-absorbierende Windeln bevorzugen 4 bei Candida-Infektion Nystatin- oder Azol-haltige Pasten, ggf. orale Therapie mit z. B. Nystatin 13.3.2
Psoriasis
Psoriasis vulgaris
4 genetisch determinierte, chronische oder chronisch-rezidivierende, entzündliche Hauterkrankung 4 > Memo 3% Prävalenz in der Gesamtbevölkerung, hiervon ca. 1/3 vor dem 20. Lebensjahr 4 wichtige Triggerfaktoren im Kindesalter 5 Streptokokkeninfektionen (v. a. Angina tonsillaris, perianale Dermatitis) 5 physikalische Reize (Kratzen, Hitze etc.) → isomorpher Reizeffekt (Köbner-Phänomen) = neue Psoriasis-Herde im »gereizten« Hautareal
401 13.3 · Erythematosquamöse Erkrankungen
Klinik 4 15–30% typische Nagelbeteiligung mit bräunlicher Dyschromie (»Ölflecke«), veränderter Nagelstruktur (»Tüpfelnägel«), Parakeratose (»Krümelnägel«) 4 Plaquetyp-Psoriasis 5 häufigste klinische Verlaufsform (60%) 5 scharf begrenzte, erythematöse Plaques mit silbriger, groblamellärer Schuppung 5 Prädilektionsstellen: Capillitium, Streckseiten der Extremitäten 5 ! Cave im Säuglings- und Kleinkindesalter häufig Erstmanifestation im Umbilikal-/Windelbereich (Differenzialdiagnosen Windeldermatitis, Candidiasis) 4 Psoriasis guttata 5 zweithäufigster klinischer Subtyp (bis zu 40%) 5 bis 1 cm große, fein- bis mittellamellär schuppende, erythematöse Papeln betont an Rumpf und proximalen Extremitäten 5 häufig Erstmanifestation bei Streptokokkeninfektion (Angina tonsillaris) 4 typische Psoriasisphänomene bei beiden Subtypen 5 Schaben an Psoriasis-Plaque → »Kerzenwachsphänomen« (groblamelläre Schuppung), weiteres Kratzen → »Phänomen des letzten Häutchens« (Basalmembran sichtbar), weiteres Kratzen → »Auspitzphänomen« (punktförmige Blutung des dermalen Papillarkörpers) 4 extrakutane Komplikationen und Sonderformen mit schwerem Krankheitsverlauf 5 Psoriasis-Arthropathie J im Kindesalter sehr selten (ca. 1% aller Patienten), Auftreten vor Beginn der Hautsymptomatik möglich J meist asymmetrisch, mono-/oligoartikulär, häufig Befall der Interphalangealgelenke 5 Erythrodermie J Erythem mit Beteiligung >90% Körperoberfläche ! Cave Hypothermie- und Dehydratationsgefahr, stationäre Aufnahme obligat!
Diagnostik 4 Anamnese (betroffene Verwandte ersten Grades? Triggerfaktoren?) 4 klinische Untersuchung inkl. Racheninspektion (Angina tonsillaris?), Messung der Körpertemperatur 4 bei schweren Verlaufsformen Routinelabor (Blutbild, Elektrolyte, Blutgasanalyse etc.) 4 zum Ausschluss möglicher Differenzialdiagnosen J mykologische Kultur (v. a. bei Nagel- und Kopfhautbeteiligung) J Hautabstrich (v. a. bei pustulösen Verlaufsformen) J Hautbiopsie nur bei atypischem klinischen Verlauf erforderlich!
13
Eigene Notizen
402
Kapitel 13 · Dermatologische Erkrankungen
Eigene Notizen
13
Therapie 4 sehr komplexe Lokal- und Systemtherapie unter Berücksichtigung von Schweregrad, Patientenalter und Chronizität mit u. U. über Jahrzehnte erforderlicher Behandlung 4 Lokaltherapie (bei leichter und mittelschwerer Psoriasis) 5 topische Vitamin-D3-Analoga (z. B. Calcipotriol, Tacalcitol), <30% Körperoberfläche (KOF) zur Vermeidung einer systemischen Resorption und konsekutiver Hyperkalzämie 5 Cignolin (Dithranol) in vorsichtig aufsteigender Konzentration zur Vermeidung von Hautirritationen, Behandlung initial unter medizinischer Aufsicht 5 ! Cave Langzeittherapie mit topischen Kortikosteroiden ist obsolet (hohes Nebenwirkungsrisiko, Rebound-Gefahr) 4 systemische Therapie (bei schwerer, therapieresistenter Psoriasis) 5 nur unter regelmäßiger ärztlicher Aufsicht und ggf. laborchemischer Verlaufskontrolle! 5 orale Retinoide (z. B. Acitretin) 0,2–0,5 mg/kg KG J häufige Nebenwirkungen: Xerosis cutis, Hypercholesterinämie, Transaminasen-Erhöhung, seltener Hyperostosen und Wachstumsretardierung → keine Langzeittherapie <7. Lebensjahr! J ! Cave bei Adoleszentinnen aufgrund hohen teratogenen Potenzials kontraindiziert! 5 Methotrexat 5–7,5 mg/m2 KOF J Nebenwirkungen: Übelkeit, Hepatopathie, Nephropathie, Knochenmarkdepression J > Memo vor Therapiebeginn und im Verlauf Lebersonographie und Bestimmung von Prokollagen-III-Peptid im Serum (= Fibrosemarker) zum Ausschluss einer Hepatopathie 5 Cyclosporin A 2 mg/kg KG in 2 Einzeldosen täglich 7 Kap. 13.3.1 5 Etanercept (TNFα-Antagonist) 0,8 mg/kg KG bis maximal 50 mg 1-mal wöchentlich s.c. J zugelassen ab 8. Lebensjahr bei Versagen der konventionellen Therapie J Nebenwirkungen: Immunsuppression, Reaktivierung systemischer Infektionen (v. a. Tuberkulose, Hepatitis B/C), Anaphylaxie, Autoantikörperbildung etc. J ! Cave vor Therapiebeginn Ausschluss einer Tuberkulose und anderer schwerwiegender Infektionserkrankungen erforderlich
13.4
Akne
13.4.1
Acne vulgaris
4 bei >90% der Adoleszenten in unterschiedlicher Ausprägung auftretende, in ca. 30% therapiebedürftige Hauterkrankung des HaarfollikelTalgdrüsen-Komplexes 4 höchste Inzidenz 15.–18. Lebensjahr, Persistenz >20. Lebensjahr möglich (Acne tarda)
403 13.4 · Akne
4 neben genetischer Prädisposition 4 pathogenetische Hauptfaktoren: 5 follikuläre Hyperkeratose (verstärkte Verhornung des Haarfollikelepithels) 5 androgenbedingte Talgdrüsenhyperplasie → verstärkte Lipidproduktion (»Seborrhö«) 5 mikrobielle Kolonisation insbesondere mit Propionibacterium acnes 5 kutane Entzündungsreaktion
Klinik 4 Prädilektionsstellen: Gesichtsbereich, Schultern, Brust- und proximale Rückenregion 4 klinische Klassifikation (fließende Übergänge möglich) 5 Acne comedonica J Seborrhö, multiple offene (schwarz hyperpigmentierte) und geschlossene (hautfarbene) Papeln (= Komedonen, »Mitesser«) an o. g. Prädilektionsstellen 5 Acne papulopustulosa J durch Entzündungsreaktion und bakterielle Kolonisation bedingter Übergang der Komedonen in Papulopusteln auf erythematösem Grund 5 Acne conglobata J männliche Patienten deutlich häufiger betroffen J starke Seborrhö, Ausbildung entzündlicher, konfluierender Knoten mit Gefahr der Abszedierung und subkutanen Fistelbildung 4 Sonderformen 5 Acne neonatorum/Acne infantum J durch maternale Androgene induzierte, innerhalb der ersten 2–3 Lebensmonate spontan abklingende »Neugeborenen-Akne« J bei Persistenz (Acne infantum) ist ein adrenogenitales Syndrom auszuschließen! 5 Acne medicamentosa J medikamentös induzierte, akneiforme Effloreszenzen J mögliche Auslöser im Kindesalter: Glukokortikoide, Antikonvulsiva, Isoniazid u. v. a. 5 Acne fulminans J fast ausschließlich bei männlichen Adoleszenten J foudroyant verlaufende Akne mit starken lokalen (hämorrhagische Nekrosen, konfluierende Knoten) und systemischen (Fieber, Myalgien, Arthralgien, Hepatosplenomegalie) Symptomen 5 ! Cave narbige Abheilung bei schweren Akne-Formen wahrscheinlich → frühzeitige, stringente Therapie und maximale Aufklärung des Patienten sowie seiner Eltern!
13
Eigene Notizen
404
Kapitel 13 · Dermatologische Erkrankungen
Eigene Notizen
Diagnostik 4 zumeist klinische Diagnose! 4 ausführliche Anamnese: Grad der psychischen Belastung, Kosmetika, Begleitmedikation etc. 4 Ganzköperuntersuchung: Virilisierung? Inguinale, axilläre, glutaeale Beteiligung? 4 bei Verdacht auf Sonderformen weiterführende Diagnostik erwägen (Nebennierensonographie, Hormonstatus, laborchemische Entzündungsparameter etc.) 4 Abstriche aus Papulopusteln: Resistenzbestimmung Propionbacterium acnes, Ausschluss Superinfektion mit gramnegativen Erregern oder Staphylococcus aureus
Therapie
13
4 stadien- und altersadaptierte Auswahl topischer und/oder systemischer Aknetherapeutika 4 Acne comedonica/papulopustulosa 5 Lokaltherapie mit Benzoylperoxid, Azelainsäure, Vitamin-A-Säure (Isotretinoin, Adapalen) 5 bei Persistenz Kombination mit topischem Antibiotikum (Erythromycin, Clindamycin) 5 bei ausbleibender Besserung systemisches Antibiotikum (Erythromycin 20 mg/kg KG, ab 9. Lebensjahr Doxycylin 100 bis maximal 200 mg täglich) über mindestens 3 Monate 5 ! Cave Doxycyclin-Nebenwirkungen! J reversible Knochenwachstumsverzögerung und irreversible Zahnschmelschädigung und Zahnverfärbung → keine Anwendung vor 8. Lebensjahr! J erhöhte Photosensibilität → Sonnenschutz empfehlen! J intrakranielle Druckerhöhung (»Pseudotumor cerebri«) bei gleichzeitiger Anwendung mit Isotretinoin → mindestens 14 Tage Pause zwischen beiden Präparaten! 4 Acne conglobata 5 männliche Patienten: Isotretinoin 0,1 bis maximal 0,5 mg/kg KG täglich über 4–6 Monate. Nebenwirkungen wie bei Acitretin (7 Kap. 13.3.2), keine Kombination mit Doxycyclin (s. o.)! 5 Adoleszentinnen: intensivierte Lokaltherapie + systemisches Antibiotikum + ggf. antiandrogenes Kontrazeptivum 4 Acne fulminans 5 hochdosiert systemische Antibiotika (Clindamycin, Erythromycin, Doxycyclin) 5 kurzzeitig und ausschleichend systemische Kortikosteroide (z. B. Prednison 1 mg/kg KG) 5 nach 7–14 Tagen Beginn Isotretinoin-Therapie
14 Tag 5
14 Notfälle K. Heimann
14.1 Verbrennungen – 406 14.2 Ertrinkungsunfall – 407 14.3 Vergiftungen und Verätzungen – 408 14.3.1 Vergiftungen – 408 14.3.2 Verätzungen – 410
14.4 Schädel-Hirn-Trauma – 411 14.5 Kindesmisshandlung und Vernachlässigung – 412 14.6 Plötzlicher Kindstod und ALTE
– 414
14.6.1 Plötzlicher Kindstod – 414 14.6.2 ALTE (»apparent life threatening event«)
14.7 Reanimation – 416
– 415
406
Kapitel 14 · Notfälle
Eigene Notizen
14.1
Verbrennungen
4 in ca. 90% der Fälle Verbrühungen mit heißen Flüssigkeiten (z. B. Wasser, Tee), restliche 10% Verbrennungen (z. B. Grill), Stromunfälle (z. B. Steckdose) und Verätzungen (z. B. Säuren, Chemikalien) 4 bei Verbrühungen 75% der Patienten Kinder 1–3 Jahre 4 Verbrennungen häufig Kinder ab 10 Jahren durch Brandbeschleuniger (z. B. Spiritus) mit Verpuffungen v. a. im Gesichtsbereich
Klinik 4 Hautrötung, Blasenbildung, weiß oder braun-schwarze Verfärbung der Haut je nach Verbrennungstiefe 4 bei Verbrühungen von Kleinkindern typisches Verletzungsmuster: sog. »Latzverbrühung« → Gesicht, Rumpf und Oberschenkel betroffen, bedingt durch Ziehen am Stromkabel von Wasserkochern/Tassen heißen Kaffees oder Tees vom Tisch
Diagnostik 4 entscheidend ist Erfassung des Ausmaßes (betroffene Körperoberfläche (KÖF) und Verbrennungstiefe) 4 immer Tetanusschutz prüfen 4 prozentuale Berechnung geschädigter Haut bezogen auf gesamte KÖF → »Neuner-Regel« (. Tab.) 4 Einschätzung der Verbrennungstiefe (. Tab.) Abschätzung der betroffenen Körperoberfläche (KÖF) nach der Neuner-Regel Körperteil
KÖF (%)
Arm
14
9
Kopf und Hals
18
Bein
14
Vorderer Rumpf
18
Hinterer Rumpf
18
Tiefengrade des thermischen Traumas Tiefengrad
Klinik
Grad I
Schmerzhaftes Erythem durch Ödem Epidermis, Hyperämie Korium → narbenlose Ausheilung
Grad IIa
Blasenbildung durch unvollständige Nekrose Epidermis, Exsudat zw. Korium/Epidermis → narbenlose Ausheilung
Grad IIb
Tiefe dermale Verbrennung mit Schädigung Korium, Sensibilitätsstörung → Ausheilung mit Narbenbildung je nach Tiefenausdehnung
Grad III
Subdermale Verbrennung aller Hautschichten/Hautanhangsgebilde, weiß-braunschwarze Verfärbung, Analgesie der Haut → hypertrophe Narbenbildung, ganz selten Spontanheilung
Grad IV
Subkutane Verbrennung, verkohlte Oberfläche
407 14.2 · Ertrinkungsunfall
Therapie 4 Kühlung 4 ! Cave Kühlung maximal 10 min nur auf betroffene Areale → Gefahr der Hypothermie mit erhöhter Letalität 4 Wunden keimarm und trocken abdecken (z. B. Metalline-Folien) 4 Analgesie und Sedierung z. B. mit Ketamin (Phencyclidinderivat) oder Midazolam (Benzodiazepin); Opiate wegen potenzieller Atemdepression initial möglichst vermeiden 4 Infusion entsprechend der Parkland-Formel: 5 6 ml Ringer-Laktat-Lösung × % verbrannte KÖF × kg KG über 24 h → 1. Hälfte innerhalb 8 h, 2. Hälfte innerhalb 16 h 5 Beispiel: 20 kg schweres Kind mit 25% KÖF Verbrennung: 6 ml×25 ×20 = 3000 ml; 1500 ml innerhalb 8 h, 1500 ml innerhalb 16 h 4 Antibiotika nur bei Infektionszeichen, kolloidale Lösungen nur in Ausnahmefällen
14.2
Ertrinkungsunfall
4 betrifft am häufigsten Kleinkinder, die noch nicht schwimmen können 4 Ertrinken schon in Pfützen oder im flachen Wasser (z. B. Gartenteich) möglich 4 bei Unfall in der Badewanne immer an Vernachlässigung oder Kindesmisshandlung denken 4 entscheidender prognostischer Faktor ist Länge der zerebralen Hypoxie → Einfluss der Wassertemperatur ist nicht sicher geklärt 4 > Memo Nichtschwimmer (Säuglinge, Kleinkinder, ggf. ältere Kinder) müssen in Nähe von Wasser und Schwimmbädern unter Aufsicht sein → Arzt kann wertvolle Aufklärungsarbeit leisten!
Klinik 4 4 4 4
hypoxiebedingter Kreislaufstillstand Hypothermie Hypervolämie durch Verschlucken von Wasser Aspiration von Wasser (zerstört Pneumozyten und Surfactant)
Diagnostik und Therapie 4 nach Bergung muss unmittelbar kardiopulmonale Reanimation einsetzten (7 Kap. 14.8) → Laien-Reanimation vor Ort beeinflusst entscheidend Prognose 4 neben Fortführung der Reanimation zunächst Korrektur Blutgas- und Elektrolytimbalance, dann Anheben der Körpertemperatur 5 <28°C schwerste Herzrhythmusstörungen möglich 5 Temperatur <32°C interne und externe Erwärmung 5 >32°C nur externe Erwärmung bis >35°C 4 Reanimation auch bei fehlender Herzaktion, bis Körpertemperatur mindestens >28°C liegt
14
Eigene Notizen
408
Kapitel 14 · Notfälle
Eigene Notizen
4 Beurteilung einer ZNS-Beteiligung (z. B. Hirnödem) oder der zerebralen Funktion (z. B. Pupillen- oder Hirnstammreflexe) nur bei Temperatur >35°C möglich 4 Resorption von Süßwasser mit konsekutiver Hypoosmolarität und Gefahr des Hirnödems → Förderung der Diurese (z. B. Furosemid) und gleichzeitige Salzzufuhr 4 Resorption von Salzwasser bedingt umgekehrten Vorgang 4 Gefahr der sekundären Pneumonie durch Bakterien (Gartenteich, Regentonne), Algen → Zusatz eines Anaerobier-wirksamen Antibiotikums (z. B. Metronidazol) erwägen 4 Verstärkung der pulmonalen Komplikationen durch Surfactant-Mangel 4 nicht-komatöse Kinder haben gute Prognose 4 prognostische Indizes für komatöse Kinder (je mehr, desto ungünstiger): 5 Koma plus 5 initiale Hyperglykämie plus 5 nicht lichtreagible Pupillen plus 5 männliches Geschlecht
14.3
Vergiftungen und Verätzungen
14.3.1
Vergiftungen
4 in der BRD ca. 100.000 Ingestionsfälle/Jahr, davon jeweils ca. 10.000 mit Vergiftungserscheinungen, ca. 500 gefährliche Intoxikationen und ca. 20–40 Todesfälle
Klinik
14
4 4 4 4 4 4 4
Bewusstseinsänderung (Somnolenz, Verwirrung, Koma etc.) Puls: Brady-, Tachykardie Blutdruck: Hypo-, Hypertonie Atmung: Brady-, Tachypnoe Körpertemperatur: Hypo-, Hyperthermie Augenveränderungen: Nystagmus, Visusverlust, Miosis, Mydriasis Nervensystem: Faszikulationen, Rigor, Tremor, Sprachveränderungen (z. B. kloßig), Krampfanfälle 4 Haut: Schwitzen, Blasen, Akne, Flush, Zyanose 4 Symptomenkomplexe auch in Toxidrome einteilbar 4 Toxidrome 5 narkotisches Syndrom: Koma, Hypoventilation, Hypotonie z. B. bei Ethanol-, Sedativa-, oder Opioidintoxikation 5 anticholinerges Syndrom: trockene Haut, Fieber, Mydriasis, Tachykardie, Krämpfe, Rhythmusstörungen z. B. bei Atropin,- Antidepressiva-, oder Pflanzenvergiftung 5 cholinerges Syndrom: Miosis, Erbrechen, Tränenfluss, Rhythmusstörungen z. B. Alkylphosphat-, Physiostigmin- oder Neostigminvergiftung (Pilze)
409 14.3 · Vergiftungen und Verätzungen
5 sympathomimetisches Syndrom: Tachykardie, Hypertonie, Erregungszustände, Hyperthermie z. B. bei Amphetamin- oder Koffeinvergiftung 5 extrapyramidales Syndrom: Veitstanz, Verkrampfungen, Schmatzen, Sprachstörungen z. B. bei Neuroleptika- oder Metoclopramidvergiftungen 4 Ablauf nach Intoxikation 5 monophasischer Ablauf (häufig): Symptome stellen sich ein, nehmen zu, später kontinuierliche Besserung 5 biphasischer Ablauf (selten, z. B. durch Paracetamol): nach symptomarmer oder -freier Latenz kommt es zu mehr/weniger schweren Organschäden und ggf. Tod 4 > Memo Medikamente, Haushaltsreiniger, Säuren/Laugen etc. für Kinder unzugänglich aufbewahren → Arzt kann wertvolle Aufklärungsarbeit leisten!
Diagnostik 4 möglichst genaue Information über Menge der eingenommenen Substanz, Zeitpunkt der Einnahme, auslösendes Agens verifizieren (Originalpackung, Pflanze oder Beere etc.) 4 Medikamentenspiegelbestimmung im Serum 4 bei unklarer Intoxikation: Drogenscreening (Urin)
Therapie 4 ! Cave kein Erbrechen auslösen oder Salzwasser trinken lassen! 4 bewusstlose Kinder: stabile Seitenlage, Sicherung der Vitalfunktionen, Maßnahmen gegen Aspiration, bei Ateminsuffizienz Intubation und Beatmung, antikonvulsive Therapie bei Krampfanfällen 4 Kinder bei Bewusstsein: stilles Wasser, Saft oder Tee (keine Milch), v. a. bei Verätzungen, trinken lassen 4 Kontaktaufnahme mit Giftnotrufzentrale 4 primäre Giftentfernung mit Aktivkohle (1 g/kg KG) in Abhängigkeit von der Magenfüllung → je leerer, desto weniger Kohle wird benötigt 4 > Memo Gabe von Aktivkohle ist bis auf wenige Ausnahmen der Induktion von Erbrechen oder einer Magenspülung vorzuziehen. 4 Magenentleerung 5 Erbrechen mit Ipecac, Apomorphin; Magenspülung) nur innerhalb der ersten 60 min nach Ingestion 5 Magenspülung bei Retardpräparaten, Carbamazepin (verklumpt im Magen) oder schockbedingter Magen-Darm-Atonie 5 Kontraindikationen: Bewusstlosigkeit, Einnahme ätzender Substanzen, organischer Lösungsmittel 4 sekundäre Giftentfernung mittels Hämodialyse, -perfusion, Plasmapherese in Kenntnis der Eigenschaften der Substanz bei kritischen Serumspiegeln, rapider Verschlechterung des Allgemeinzustandes etc. möglich 4 Antidotbehandlung nach strenger Indikation (z. B. ACC bei Paracetamolintoxikation)
14
Eigene Notizen
410
Kapitel 14 · Notfälle
Eigene Notizen
14.3.2
Verätzungen
4 Ingestion von Haushaltsmitteln oder Chemikalien sehr häufig bei Kleinkindern (1–4 Jahre) 4 schwerwiegende Komplikation ausgeprägte Strikturen v. a. im Ösophagus mit Gefahr der Karzinombildung im Narbenbereich 4 Entstehung durch Einwirkung von Säuren, Laugen, kolliquativ wirkenden Chemikalien 4 besonders gefährdet sind Schleimhäute des oberen Gastrointestinaltraktes, Augen 4 > Memo häufige Substanzen/Mittel: Haushaltsreiniger (Geschirrspülmaschine, WC, Abfluss, Backofen, Bleichlaugen), Chemikalien (Abbeizmittel, Laugen, flüssiger Grillanzünder, Unkrautvernichtungsmittel, Kalk)
Klinik 4 Läsionen an Mundschleimhaut, Zunge, Lippe, Gaumen 4 evtl. Kornealläsion 4 Schmerzen beim Schlucken
Diagnostik 4 Ösophagogastroskopie (Schleimhautläsionen, Strikturen) 4 ggf. augenärztliche Untersuchung
Therapie
14
4 Hautkontakt: Entfernung der Kleidung, benetzte Stellen mit Wasser (ggf. Schutzhandschuhe) abspülen 4 Augenbeteiligung: 10-minütige Spülung des offenen Auges (Ektropium) mit Wasser → Vorstellung beim Augenarzt 4 orale Aufnahme: rasches Trinken von Wasser oder von Alkohol und Kohlensäure-freier Flüssigkeit 4 ! Cave Induktion von Erbrechen und Magenspülung sind kontraindiziert! 4 Maßnahmen bei gesicherter oder fraglicher Ingestion mit klinischen Hinweisen (Ätzspuren, Erbrechen etc.): 5 Schmerzbekämpfung, Kreislaufunterstützung 5 Sicherung der Vitalparameter (ggf. Intubation, Tracheotomie) 5 Vorbeugung Luftwegsstenose, Fortschreiten der lokalen Entzündungsreaktion mit Steroid i.v. (z. B. Prednison) 5 Ösophago-/Gastroskopie auch bei fehlenden Ätzspuren im Mundbereich (Diagnostik!) 5 parenterale, später flüssige/breiige Nahrung 5 Antibiotika bei Mediastinitis, sekundär infizierten Ulzera 4 Verätzungen in suizidaler Absicht können zusätzlich: 5 systemische Wirkung haben (Azidose, Hämolyse, Hypokalziämie) 5 durch Verdünnung nicht ausreichend neutralisiert werden 5 schwere Magen- und Duadenalschädigungen hervorrufen → Perforationen, narbige Deformationen/Stenosen
411 14.4 · Schädel-Hirn-Trauma
14.4
Schädel-Hirn-Trauma
Eigene Notizen
4 Trauma allgemein weltweit häufigste Ursache für die Aufnahme eines Kindes in Krankenhaus 4 75% dieser Kinder haben assoziiertes Schädel-Hirn-Trauma 4 häufigste Ursache für Morbidität und Mortalität bei Kindern >1 Jahr 4 Sonderform bei Säuglingen/Kleinkindern Kindesmisshandlung (nichtakzidentelle Verletzungen, »battered child«) 4 > Memo Bei Säuglingen/Kleinkindern mit Schädel-Hirn-Trauma immer auch an Kindesmisshandlung denken!
Klinik 4 4 4 4 4 4
14
Bewusstseinsstörung Kopfschmerzen Übelkeit/Erbrechen Amnesie Prellmarke/Schwellung/Frakturspalt tastbar Erfassung des Ausmaßes mittels Glasgow Coma Scale
Diagnostik 4 Überwachung mittels altersadaptierter Glasgow Coma Scale, Summe 3–15, bei <8 meist Intubationsindikation wegen fehlender Schutzreflexe → beinhaltet Pupillomotorik als wichtigen Kontrollmechanismus 4 Sonographie des Schädels durch Fontanelle (bei jungen Säuglingen) 4 kraniale Computertomographie (Diagnostik der Wahl zum Ausschluss intrakranieller Blutung); bei Kinder <2 Jahren aufgrund der schwierigeren neurologischen Beurteilbarkeit großzügigere Indikation Einteilung des Schädel-Hirn-Traumas nach der Glasgow Coma Scale Grad
Kriterien
Glasgow Coma Scale
Leicht (I)
5 Bewusstseinstrübung ≤1 h 5 Vollständige Restitution 5 Kein fokales neurologisches Defizit
14–15
Mittelschwer (II)
5 Bewusstlosigkeit/Bewusstseinstrübung ≤24 h 5 Fokales neurologisches Defizit möglich
9–13
Schwer (III)
5 Bewusstlosigkeit/Bewusstseinstrübung <24 h mit Hirnstammdysfunktion 5 Bewusstlosigkeit/Bewusstseinstrübung >24 h ohne Hirnstammdysfunktion 5 Hirnorganisches Psychosyndrom >24 h
3–8
Therapie 4 Grad I 5 stationäre Überwachung für 24–48 h 5 Kontrollen der Vitalparameter, Vigilanz, Pupillomotorik
412
Kapitel 14 · Notfälle
Eigene Notizen
5 Nativröntgen nicht notwendig, nur bei Verdacht auf Fraktur mit Impression des Schädels Bildgebung erforderlich, dann CT mit Knochenfenster (Beurteilung Schädelbasis, Scheitelfrakturen) 5 Analgesie mit nichtsteroidalen Analgetika (Paracetamol, Ibuprofen) 4 Grad II/III 5 Aufrechterhaltung der Perfusion/optimalen Sauerstoffversorgung des Gehirns mit Normothermie, -glykämie, -volämie 5 Sicherung der Vitalparameter mit 30° Oberkörperhochlagerung in gerader Körperachse → freier venöser Abstrom aus Kopf als Kompensationsmechanismus 5 Erkennung und Behandlung von akuter Hirndrucksteigerung (Ödem, Blutung) 5 operative Versorgung von intrazerebralen Blutungen, Frakturen Schädel/Wirbelsäule in Kooperation Neurochirurgen, Traumatologen 5 pharmakotherapeutische Optionen (jeweils Beispiel) zur Behandlung von Hirnödem (Diuretika), psychomotorischer Unruhe (Benzodiazepine), posttraumatischer Anfälle (Barbiturate), Schmerzen (Opiate), Temperaturregulationsstörungen (Cyclooxygenasehemmer)
14.5
14
Kindesmisshandlung und Vernachlässigung
4 Diskrepanz zwischen angegeben Vorfall und klinischem Verletzungsmuster ist Kardinalhinweis 4 Verletzungen des ZNS als Folge von Misshandlung haben höchste Morbidität und Mortalität bei misshandelten Kindern 4 > Memo Größte klinische Bedeutung hat das Schütteltrauma (heftiges Schütteln des Säuglings führt aufgrund erheblicher Scherkräfte zum Einriss intrakranieller Gefäße) bei Säuglingen/Kleinkindern mit ca. 100 Fällen/Jahr in Deutschland und einer Mortalität 12–27%. 4 sehr genaue Anamnese neben klinischer Untersuchung und Diagnostik von entscheidender Bedeutung 5 in ca. 40% fehlt eine nachvollziehbare Erklärung des Unfallgeschehens 5 wechselnde, sich widersprechende Angaben mit inadäquater Besorgnis 5 fehlende Plausibilität bezogen auf Entwicklungsstand und Fähigkeiten des Kindes 5 verzögerter Arztbesuch, Aufsuchen mehrerer Ärzte/Kliniken inkl. wiederholter Aufenthalte wegen Verletzungen, unspezifischer Störungen (Nahrungsverweigerung) 5 angebliche Verursachung schwerer Verletzungen durch Patient, Geschwister 5 auffällige Sozialanamnese (häusliche Gewalt, stattgehabte Misshandlungen) 5 früher ernsthafte Verletzungen (Frakturen), Apnoeereignisse, Krampfanfälle
413 14.5 · Kindesmisshandlung und Vernachlässigung
5 bei Vorliegen von verdächtigen Hämatomen/Frakturen: Ausschluss von Gerinnungsstörung inkl. Vitamin-K-Mangel, Blutungsneigung in der Familie, Knochenerkrankungen 5 bei Schütteltrauma häufig fehlende äußere Verletzungen, inadäquate Anamnese bezogen auf klinische Symptomatik 5 bei Vernachlässigung zusätzlich perinatale Komplikationen, Dokumentationsstand U-Untersuchungen, Gedeihen, psychomotorische Entwicklung (jeweils Gelbes Untersuchungsheft), erhöhte Infektanfälligkeit, chronische Erkrankungen
Klinik 4 4 4 4 4
Hämatome unterschiedlichen Alters Frakturen Schürfungen Somnolenz/Koma bei schwerer Misshandlung in Abhängigkeit vom klinischen Zustandsbild: 5 Ganzkörperuntersuchung auf akute/frühere Verletzungen → Prädilektionsstellen: Innenseite/Frenulum Lippen, Zunge, Mundschleimhaut, Retroaurikularbereich, behaarte Kopfhaut, Gesäß, Anogenitalbereich zum Ausschluss koexistenten sexuellen Missbrauches 5 gezielte Palpation Skelettsystem 5 psychomotorischer Entwicklungsstand, psychischer Befund 5 bei Vernachlässigung zusätzlich Pflegezustand, Länge, Kopfumfang, Gewicht (Perzentilenkurven) 4 bei Schütteltrauma breites Spektrum mit Irritabilität, Trinkschwierigkeit, Somnolenz, Lethargie, Verlust des Muskeltonus, Opisthotonus, Apathie, zerebrale Krampfanfälle, Tachypnoe, Bradykardie, Apnoen, Koma
Diagnostik 4 Röntgen-Skelettscreening (Extremitäten, Thorax, Becken, Schädel, Wirbelsäule), kein Babygramm → Kontrolle Röntgen-Thorax nach 14 Tagen erhöht Rate an gefundenen Frakturen 4 Skelettszintigraphie ergänzend (Rippenfrakturen innerhalb 24–48 h diagnostizierbar) 4 bei neurologischen Auffälligkeiten: kraniale Computer-, Kernspintomographie; CT in Akutsituation, Kernspintomographie im Verlauf zur Festlegung Ausmaß zerebraler Schädigung 4 Schädelsonographie bei kleinen Säuglingen mit Doppleruntersuchung zur Beurteilung der zerebralen Perfusion 4 Abdomensonographie bei Verdacht auf abdominelle Verletzungen, ggf. Erweiterung CT (Organläsionen), Röntgen (freie Luft) 4 Fundoskopie: retinale Blutungen (Schütteltrauma beidseitig, stumpfe Gewalt einseitig) 4 Labordiagnostik inklusive detaillierterer Gerinnungsanalyse (Blutbild, Transaminasen, γ-GT, Lipase, alkalische Phosphatase, Kalzium, Phosphor, CK, CK-MB, Troponin, Quick, pTT, von-Willebrand-Antigen, Ristocetin-Kofaktor, Blutungszeit)
14
Eigene Notizen
414
Kapitel 14 · Notfälle
Eigene Notizen
4 bei Vernachlässigung zusätzlich Labor gezielt Gedeihstörung, radiologisch Röntgen Hand (Knochenalter), kraniale Kernspintomographie (Hirnatrophie) 4 interdisziplinäre Betreuung mit Gerichtsmedizin, Polizei, Jugendamt (im Krankenhaus zusammen mit Sozialdienst) 4 > Memo Bei Kindern <1 Jahr mit subduralem Hämatom, retinalen Blutungen, schweren diffusen Hirnschädigungen und fehlenden äußeren Verletzungszeichen an Schütteltrauma denken!
Therapie 4 symptomatisch 4 Krisenintervention: Schutz des Kindes durch Klinikeinweisung 4 Erstellen eines Hilfeplans durch interdisziplinäres Team (Psychologe, Sozialpädagoge, Erzieher, Ärzte, Kinder- und Jugendpsychiater) 4 Inobhutnahme des Kindes bei akuter Bedrohung des Kindeswohls kann durch Jugendamt veranlasst werden, Einschaltung des Familiengerichts 4 ggf. Sorgerechtsentzug der Eltern
14
14.6
Plötzlicher Kindstod und ALTE
14.6.1
Plötzlicher Kindstod
4 unerwartetes, nicht erklärliches Versterben eines Säuglings (<1Jahr) im Schlaf ohne Ursache (Autopsie; Beurteilung Krankengeschichte, Todesumstände) 4 in Industrienationen häufigste Todesursache jenseits der Neonatalperiode (>28 Tage), in Deutschland aktuell 334 Kinder/Jahr (Inzidenz 0,46/1000 Lebendgeborene) 4 75% versterben zwischen 2.–4., 95% vor dem 10. Lebensmonat 4 Ereignis tritt überwiegend unbeobachtet auf 4 Pathogenese unklar; Risikofaktoren: u. a. Bauchlage, Nikotin-, Drogenabusus (Schwangerschaft, häusliche Umgebung), Frühgeburtlichkeit, Überwärmung (Zimmertemperatur, Decke), plötzlicher Kindstod bei Geschwisterkind
Klinik 4 Schnappatmung (häufiger), prolongierte Apnoe (selten) 4 bei vorhandenen sicheren Todeszeichen (Leichenstarre, Totenflecke, ausgeprägte Hypothermie) genaue Dokumentation von Anamnese, Untersuchung, Auffindesituation, Körpertemperatur
Diagnostik 4 Autopsie zur Diagnosesicherung (Ausschluss anderer Ursachen) unabdingbar 5 85–99% intrathorakal petechiale Blutungen 5 histopathologisch Gewebsveränderungen (hypoxische Gewebemarker)
415 14.6 · Plötzlicher Kindstod und ALTE
5 obere/untere Atemwegsobstruktion 5 prolongierte/rezidivierende Hypoxie
Therapie 4 bei fehlenden sicheren Todeszeichen Beginn der Reanimation, Transport in Kinderklinik 4 Präventionsmaßnahmen: 5 Rückenlage im Schlaf 5 rauchfreie Umgebung 5 Stillen 5 Raumtemperatur 16–18°C 5 Schlafsack 5 Schnullern im Schlaf 5 bis 6 Monate im elterlichen Zimmer im eigenen Bett 5 keine Medikamente mit Beruhigungsmitteln 4 Prävention konnte Säuglingssterblichkeit deutlich senken 4 spezielle Risikogruppen zusätzliche Heimmonitorversorgung: Zustand nach lebensbedrohlichem Ereignis (7 Kap. 14.6.2), häusliche Sauerstoffversorgung (z. B. chronische Lungenerkrankung), Frühgeborene mit Apnoen
Differenzialdiagnose 4 Infektionen (Sepsis, Pneumonie, Meningitis, Myokarditis) 4 Stoffwechselerkrankungen (Fettsäureoxidationsdefekte, Pyruvatdehydrogenase-Mangel, Hyperinsulinismus, Biotinidase-Mangel, Thiaminstoffwechselstörungen) 4 Fehlbildungen (Herzvitien, Kardiomyopathie, Gefäßmissbildungen, Endokardfibroelastose 4 Pierre-Robin-Sequenz 4 Reye-Syndrom 4 bronchopulmonale Dysplasie 4 Ersticken/Schütteltrauma/stumpfes Bauchtrauma nach Gewalteinwirkung/Münchhausen-by-proxy-Syndrom/Vernachlässigung 4 Intoxikationen 4 Hyperthermie aus äußerer Ursache (z. B. durch Decke, zu warme Umgebung)
14.6.2
ALTE (»apparent life threatening event«)
4 Episode mit Apnoe, Zyanose, Blässe, Muskeltonusveränderung, die Beobachter sehr erschreckt und in der Regel bei Eintreffen medizinischer Hilfe beendet ist
Klinik 4 plötzliches/unerwartetes Auftreten von: 5 Apnoe 5 Leblosigkeit und dadurch bedingte 5 Blässe/Zyanose
14
Eigene Notizen
416
Kapitel 14 · Notfälle
Eigene Notizen
4 Symptomatik kann durch Stimulation des Kindes durchbrochen/behoben werden
Diagnostik 4 4 4 4 4 4
sofortige Vorstellung Kinderarzt oder Krankenhaus stationäre Überwachung (Monitoring) Infektionssausschluss Sonographie des Schädels kinderkardiologische Untersuchung ggf. EEG/Polysomnographie
Prävention 4 da Risiko für plötzlichen Kindstod durch Ereignis erhöht, Heimmonitorversorgung in Erwägung ziehen
14.7
Reanimation
4 >90% außerhalb von Kliniken reanimierter Kinder versterben 4 im Gegensatz zum Erwachsenen (häufig kardiale Genese wie Herzrhythmusstörung z. B. bei Herzinfarkt) Reanimationssituation im Kindesalter sehr häufig infolge Ateminsuffizienz mit: Gewebshypoxie → Bradykardie → Herz-Kreislauf-Stillstand 4 1-Helfer-Methode: »phone fast« → Atemspende, dann Hilferuf 4 2-Helfer-Methode: einer Reanimationsbeginn, zweiter holt Hilfe 4 ! Cave häufigste Fehler: zu später Reanimationsbeginn, zu häufige Unterbrechung der Thoraxkompressionen, fehlende Kommandoübernahme (Desorganisation), Kompression Halsweichteile mit Fingern bei Maskenbeatmung
14
Basismaßnahmen der Reanimation A
Atemwege
Thoraxexkursion → ausreichende Eigenatmung? 5 Ja: keine Reanimation 5 Nein: Vorziehen des Kinns, nach Möglichkeit Absaugen
B
Beatmung
Mund-zu-Mund und Nase (<1 Jahr), Mund-zu-Mund (>1Jahr), Beatmungsbeutel (Maske) 5 Atemzüge Überprüfung Kreislauf (maximal 10 s): Säugling Brachialispuls, sonst Karotis-/Femoralispuls
C
Kreislauf
Kein Puls: Thoraxkompressionen 5 Verhältnis Atemzüge zu Thoraxkompression 2:15 5 Lautes Zählen zur Koordination bis zur Intubation Monitoring: EKG-Monitor, Sauerstoffsättigung sobald verfügbar
417 14.7 · Reanimation
Erweiterte Maßnahmen der Reanimation Intubation
5 Nasotracheal (<6 Jahre), orotracheal (>6 Jahre) mit anschließender auskultatorischer Kontrolle 5 Magenablaufsonde nach Intubation
Rhythmusanalyse
5 Bei Asystolie weiter Kompression und Adrenalin i.v.
Defibrillation
5 <10 kg Kinderelektroden; >10 kg Erwachsenenelektroden 5 Einzelschock mit 4 J/kg, bei Erfolglosigkeit wiederholen 5 Reanimation für 2 min fortführen, dann Rhythmuskontrolle
Medikamente
5 Intratracheal Adrenalin 1:1000 (10-fache Konzentration i.v. Lösung) bei Asystolie 5 Intravenös Adrenalin 1:10.000 bei Asystolie 5 Amiodaron, Lidocain bei Kammerflimmern/pulsloser ventrikulärer Tachykardie 5 Kalziumbikarbonat, Magnesium nur bei besonderer Indikation (Hyperkaliämie, anhaltende Azidose, Torsades-de-pointes-Tachykardie) 5 > Memo Reanimation für Gefäßzugang nur kurz unterbrechen, nach 2–3 min unter Fortführung der Reanimation Intraossärnadel Tibiavorderkante ! Cave Epiphysenfuge, Beckenkamm
Volumen
5 20(–40) ml/kg i.v. (NaCl 0,9%, Ringer-Lösung) 5 Beim septischen Schock bis 150 ml/kg in Etappen notwendig
Diagnostik
5 ! Cave Niemals Verzögerung der Reanimationsmaßnahmen durch Diagnostik! 5 Basislabor (Hb, BGA, Elektrolyte, Blutzucker, Kreuzprobe) 5 Arterielle Blutdruckmessung 5 EKG 5 Röntgen-Thorax 5 Pupillomotorik 5 Echokardiographie
4 Thoraxkompressionen 5 stets auf harter Unterlage 5 Kompressionstiefe 1/3 des Thoraxdurchmessers 5 Kompressions-/Reexpansionsphase 1:1, Thorax bewusst loslassen, um Koronarperfusion in Diastole zu ermöglichen (Kreislauffunktion hängt vom koronaren Perfusionsdruck ab) 5 bei Säuglingen 2-Finger-Methode (1 Helfer), thoraxumfassende Methode (2 Helfer) 4 Beendigung der Reanimation nach 20–25 min ohne spontane EKGAktivität und Kreislauf gerechtfertigt (Ausnahme Hypothermie: Reanimation bis Erwärmung!)
14
Eigene Notizen
419
A–B
Sachverzeichnis A ABCD-Regel 400 Abetalipoproteinämie 87 Absence 363 Absence-Epilepsie 363, 365 Acanthosis nigricans 346, 349 Achalasie 264 Acne – comedonica 403, 404 – conglobata 403, 404 – fulminans 403, 404 – infantum 403 – medicamentosa 403 – neonatorum 403 – papulopustolosa 403, 404 – tarda 402 – vulgaris 402, 403 Adaptation, postnatale 17 Addison-Krise 339 Adenoid 159 Adenovirusinfektion 135, 136 ADHS 386, 387 Adipositas 2, 348, 349 Adrenoleukodystrophie, X-chromosomale 92 Agammaglobulinämie, X-chromosomale 255, 257, 258 Ahornsirupkrankheit 66 AIDS 134 Akne 402–404 Alagille-Syndrom 174 Aldosteronsynthesestörung 341 Alkaptonurie 65 Alkoholembryofetopathie 51, 52 Alkoholsyndrom, fetales 51, 52 Alport-Syndrom 299 ALTE 415, 416 Alveolitis – allergische 170 – exogen-allergische 169–171 Aminoazidopathie 60
Aminosäurestoffwechselstörungen 60–75 Amöbenruhr 141 Anämie 199–203 – aplastische 201 – autoimmunhämolytische 203, 204 – Definition 199 – Eisenmangel 199, 200 – hämolytische 202, 203 – hypoplastische 201 – immunhämolytische 203, 204 – Klassifikation 199 – megaloblastäre 200, 201 – neonatale 40 Anfall – benigner neonataler 363 – fokaler 363 – generalisierter 363 – läsioneller 365 – zerebraler 361–368 Angelman-Syndrom 60 Angina tonsillaris 104 Antiepileptika 368 Antirefluxplastik 291 Aortenisthmusstenose 178, 179 Aortenstenose, valvuläre 179, 180 APGAR-Schema 10, 19 Apnoe, Neugeborenes 30 Apple-peel-Syndrom 269 Argininämie 74 Argininbernsteinsäurekrankheit 74 Arnold-Chiari-Malformation 354 Arthritis – Enthesitis-assoziierte 244 – juvenile idiopathische 244, 245 – migratorische 253 – reaktive 244, 252 – undifferenzierte 244 Arthropodenerkrankungen 145 Ascaris lumbricoides 142 Aspergillose 139 Asphyxie, Neugeborenes 23, 24
Aspiration, Fremdkörper 171 Asplenie 210 Asthma bronchiale 165–167, 170 – Diagnostik 166 – Therapie 166, 167 Asthmaanfall 166 Astrozytom 236, 237 Ataxia teleangiectasia 359, 378–380 Ataxie, spinozerebelläre 371, 376 Atemnotsyndrom, Neugeborenes 25–27 Atopie 396 Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörung 386, 387 Autoimmunhepatitis 282, 283 Autoimmunneutropenie 208 Autoimmunthyreoiditis, Hashimoto 330, 331, 338 AV-Block – intermittierender 190 – kompletter 190, 193 – kongenitaler 189, 193 – Typ Mobitz 193 – Typ Wenckebach 193 AV-Knoten-Reentry-Tachykardie 191 Axonotmesis 371 Azidose – metabolische 344 – tubuläre 304
B Bäckerlunge 169 Backwash-Ileitis 274 Bakteriurie, asymptomatische 294, 296 Balanitis 309, 310 Ballondilatation 179 Bandwürmer 143, 144 Barrett-Ösophagus 263
420
Sachverzeichnis
Bartter-Syndrom 304 Bauchhautreflex 370 Bauchhoden 312 Beikost 5 Bernard-Soulier-Syndrom 211 Bewegungsstörungen 378, 379 Bilharziose 143 Bilirubinenzephalopthie 37 Biotinadasemangel 69, 70 BIRDY 263 Blalock-Taussig-Anastomose 181 Blutung – epidurale 23 – subgaleale 22 BNS-Epilepsie 365 Boerhaave-Syndrom 263 Bornholm-Erkrankung 133 Borrelia burgdorferi 120 Borreliose 120, 121 Botulismus 115 Brachyzephalus 356 Bradyarrhythmie 190 Bronchiolitis 164 Bronchitis 161, 162 – obstruktive 164, 165 Bronchopneumonie 162 Bronchospasmus 165 Brudzinski-Zeichen 100 Bulbärparalyse, progressive 371
C Café-au-lait-Flecken 359 Candida-Infektion, mukokutane 138 Candidasepsis 51 Candidose 139 Caput succedaneum 22 Carnitinmangel, sekundärer 67 CATCH22-Syndrom 60 CDG-Syndrom 382 Cerosis cutis 399 Charcot-Marie-Tooth-Erkrankung 375 Charcot-Trias 383
Chediak-Higashi-Syndrom 207, 208 Cheilitis 397 Chlamydia – pneumoniae 124 – psittaci 123, 124 – trachomatis 123 Chlamydien 122, 123 Chlamydien-Konjunktivitis 123 Choanalatresie 152 Cholangio-Pankreatikographie, endoskopische retrograde 267 Cholangitis, primär sklerosierende 274, 282 Cholesteatom 157 Chorea minor 253 Choriokarzinom 235, 236 Churg-Strauss-Syndrom 249, 250 Citrullinämie 74 Clonidinsuppressionstest 342 Clostridien 114–116 Clostridium – botulini 115 – difficile 116 – perfringens 116 – tetani 114 Clusterkopfschmerz 387 Cogan-Syndrom 249 Colerette 400 Colitis ulcerosa 273–276 Coombs-Test – direkter 39 – indirekter 39 Corynebacterium diphtheriae 112, 158 Coxitis fugax 254 Crigler-Najjar-Syndrom 278 Cushing-Syndrom 340 Cutis marmorata 391 C-Zell-Karzinom 332, 333
D Dandy-Walker-Malformation 379, 380 Degeneration, hepatolentikuläre 284
Dellwarze 394 Dennie-Morgan-Falte 397 Denys-Drash-Syndrom 321 Dermatitis – herpetiformis Duhring 270 – atopische 395–397 Dermatomykose 138, 139 Dermatomyositis 247, 248 Dermographismus, weißer 397 Desquamation, postnatale 390 De-Toni-Debré-Fanconi-Syndrom 304 Diabetes – insipidus 304, 327, 328 – – renalis 304 – – centralis 328 – mellitus 343–348 – – Typ 1 343–346 – – Typ 2 343, 346, 347 Diamond-Blackfan-Anämie 201 Diarrhö 103 – chronische 270 DiGeorge-Syndrom 60, 174 Diphtherie 112, 113 Döhle-Körperchen 211 Dottersacktumor 235, 236 Down-Syndrom 56, 57, 344 Dreitagefieber 131 Drogenentzug, neonataler 52, 53 Dubin-Johnson-Syndrom 278 Ductus arteriosus, persistierender 27, 177 Dünndarmatresie 269 Duodenalatresie 268 Duodenoduodenostomie 268 Durchfall 103 Durchwanderungsperitonitis 45 Dysgerminom 235 Dyskrinie 165 Dysphagie 264, 265 Dysplasie – bronchopulmonale 31, 32 – ektodermale 254 Dystrophie, myotone CurschmannSteinert 371, 373, 374 Dysurie 295
421 Sachverzeichnis
E Echinococcus – granulosus 144 – multilocularis 144 ECMO 35 Eczema herpeticatum 394 EHEC 117 EIEC 118 Eisenmangelanämie 199, 200, 270 Eiweißhydrolysatnahrung 5 Ekzem 395–400 – atopisches 395–397 Elektroenzephalographie 364 Elektrokardiogramm 189 Embryofetopathie, nichtinfektiöse 51–53 Endokarditis 185, 186 Endokarditisprophylaxe 186 Endokrinopathie, angeborene 8 Energiebedarf, Neugeborenes 18 Enteritis, Escherichia coli 118, 119 Enterobius vermicularis 142 Enterokolitis, nekrotisierende 44, 45 Enterovirusinfektion 132, 133 Entwicklung, psychomotorische 3 Entwicklungsdiagnostik 353 Entwicklungsstörungen 353 Entzugssymptomatik, neonatale 53 Enzephalitis, japanische, Impfung 149 Enzephalomyelitis, akut disseminierte 384 Enzephalopathie, hypoxischischämische 29 EOBI 49, 50 EPEC 118 Ependymom 240 Epidermatomykose 138 Epididymitis 310, 311 Epiglottitis 161 Epikutantest 399 Epilepsie 361–368 – Langzeittherapie 367, 368 – myoklonisch-astatische 363
Epstein-Barr-Virus-Infektion 129, 130 Ernährung 4–7 Ersatzrhythmen, bradykarde 192, 193 Ertrinkungsunfall 407, 408 Erysipel 105 Erythema – exsudativum multiforme 394 – infectiosum 132 – marginatum 253 – toxicum neonatorum 390 Erythrodermie 401 Erythropoese, Neugeborenes 18 Escherichia-coli-Enteritis 118, 119 ETEC 118 Ewing-Sarkom 232 Exanthema subitum 131 Extrasystole – supraventrikuläre 190 – ventrikuläre 191
F Facies – myopathica 374 – scarlatina 104 Fallot-Tetralogie 181 Fanconi-Bickel-Syndrom 81 Farmerlunge 169 Fasziitis, nekrotisierende 106 Faszikulation 369 Favismus 203 Fazialisparese 23 Fetopathia diabetica 46 Fettstoffwechselstörungen 83–88 Fibrose, zystische 168, 169 Fieber, rheumatisches 104, 253 Fieberkrampf 363, 367 FIRS 49 Fluoridsubstitution 7 Folge-2-Nahrung 5 Folsäuremangel 200 Frasier-Syndrom 321 Fremdkörperaspiration 171 Friedreich-Ataxie 376
B–G
Fruchtwassermenge 19 Frühgeborenes – Definition 17 – Erkrankungen 24–32 – extrem kleines 17 – sehr kleines 17 Frühsommermeningoenzephalitis 133, 134 – Impfung 149 Fruktoseintoleranz, hereditäre 81, 82 FSME 133, 134 Fuchsbandwurm 144 Fußgreifreflex 11
G Galaktosämie 79, 80 Galaktosestoffwechselstörung 79, 80 Galant-Reflex 11 Gangliogliom 237 Gangliosidose 90 Gasbrand 116 Gastritis 266 Gastrochisis 43, 44 gastroösophageale Refluxkrankheit 263 Geburtsgeschwulst 22 Geburtsgewicht 19 Geburtstrauma 22, 23 Gelbfieber, Impfung 149 Gelegenheitsanfall 366 Gerinnung, disseminierte intravasale 99, 111, 214 Geschlechtsentwicklung, Störung 321, 322 Gestationsdiabetes 344 Gewichtsentwicklung 3 Gilbert-Syndrom 278 Gingivostomatitis herpetica 393 Girdle-Syndrom 205 Gitelman-Syndrom 304 Glanzmann-Naegeli-Syndrom 211 Glasgow Coma Scale 411 Gleithoden 312
422
Sachverzeichnis
Glioblastoma multiforme 237 Gliom, höhergradiges 237, 238 Glomerulonephritis – akute 159 – – postinfektiöse 298, 299 – diffuse mesangial-proliferative 299 Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenasemangel 203 Glukose-Galaktose-Malabsorption, kongenitale 81 Glukose-TransporterproteinSyndrom 81 Glukosurie, renale 304 Glutarazidurie, Typ I 68 Glycinstoffwechselstörung 70 Glykogenose 77–79 Glykogenspeicherkrankheiten 77–79 Gonadendysgenesie, gemischte 321 Gower-Zeichen 369, 372 Grand-mal-Anfall 362 Granulomatose, septische 254, 259 Granulozytenfunktionsstörung 208, 209 Gray-platelet-Syndrom 211 Gregg-Syndrom 126 Guillain-Barré-Syndrom 248, 371, 375 Gürtelrose 128
H H.A.-Nahrung 5 Haarmykose 139 Haemophilus-influenzae-Impfung 211 Haemophilus-influenzae-Infektion 111, 112, 161, 210 Hämangiomatose, intrakraniale verkalkende 360 Hämaturie, rezidivierende 300, 301 Hämodialyse 409 Hämodilution 41
Hämoglobin S 204 Hämoglobinopathie 204, 205 Hämoperfusion 409 Hämophilie – A 212, 213 – B 212, 213 Hämorrhagie, intrazerebrale 28 Hämosiderose 205 Handgreifreflex 11 Hand-Mund-Fuß-Erkrankung 133 Harmröhrenklappe 291, 292 Harnstoff-Atemtest 266 Harnstoffzyklus, Störung 74, 75 Harnwegsinfekt 294–297 – rezidivierender 297 Hashimoto-Thyreoiditis 330, 331, 338 Heimlich-Manöver 171 Helicobacter-pylori-Test 266 Hemiparese 357 Hepatitis – A 279 – – Impfung 149 – B 50, 280 – – Impfung 148 – C 280, 281 – D 281, 282 – E 282 – virale 279–282 Hepatoblastom 233, 234 Hepatoporto-Enterostomie 279 Hepatosplenomegalie 283 Herpes – genitalis 127 – labialis 127, 394 – neonatorum 128 Herpes-Enzephalitis 128 Herpes-simplex-Virusinfektion 50, 127, 128 – kutane 393, 394 Herpes-Zoster-Virusinfektion 128, 129 Herzfehler – angeborene 174–185 – Ductus-abhängige Lungenperfusion 183, 184 – Ductus-abhängige Systemperfusion 184, 185
– Links-rechts-Shunt 174–178 – zyanotische 181–183 Herzgeräusch, akzidentelles 195 Herzinsuffizienz 193, 194 – akute 194 – chronische 194 Herzrhythmusstörungen 189–194 – bradykarde 192, 193 – tachykarde 190, 191 Herzschrittmacher – permanenter 190 – Typen 190 Hiatushernie 264 Himbeerzunge 105 Hirnblutung 28, 29 Hirnhautentzündung 100, 101 Hirntumor 236–240 Histiozytose 221 Histiozytosis X 221, 222 HIV-Infektion 134, 135 – neonatale 50 Hochwuchs 2, 319, 320 Hodenhochstand 312 Hodentorsion 310 Homozystinurie 71 Hörstörung, angeborene 9 Hüftgelenksdysplasie, angeborene 9 Hundebandwurm 144 Hutchinson-Trias 120 Hydatidentorsion 311 Hydrocele – funiculi spermatici 309 – testis 309 – e vacuo 359 – occlusus 358 Hydrozephalus 358 Hymenalatresie 313 Hyperaldosteronismus, primärer 341, 342 Hyperammonämie 67, 74 Hyperbilirubinämie 277, 278, 285 – neonatale 36–38 Hypercholesterinämie 84, 301 Hyperchylomikronämie 86 Hyperglykämie 343, 345 Hyperglyzinämie 70 Hyper-IgM-Syndrom 207
423 Sachverzeichnis
Hyperinsulinismus 46 – kongenitaler 75 Hyperinsulinismus-Hyperammonämie-Syndrom 74, 75 Hyperkalzämie 334 Hyperkalziurie 334 Hyperkortisolismus 340 Hyperlipidämie 84 Hyperlipoproteinämie 84–87 Hyperoxietest 183 Hyperparathyreoidismus 334, 335 Hyperphenylalaninämie 62 Hypertension, pulmonale, Neugeborenes 35, 36 Hypertonie, arterielle 307, 308, 342 Hypertrabekulation, linksventrikuläre 188 Hypertriglyzeridämie 84 Hyperviskositätssyndrom 40 Hypoaldosteronismus 341 Hypoalphalipoproteinämie 87 Hypoglykämie – hypoketotische 75 – neonatale 46, 47 – persistierende 75 – postprandiale 82 Hypokalzämie 47, 334 Hypolaktasie 271 Hypolipoproteinämie 87 Hypoparathyreoidismus 333, 334 Hypophyseninsuffizienz 326, 327 Hypophysenvorderlappeninsuffizienz 338 Hypophysenadenom 326 Hypoplasie, pontozerebelläre 380 Hypospadie 308, 309 Hypothyreose 329, 330, 348 – primäre 329 – transiente 329 – zentrale 329
I Ichthyosis bullosa 392 Icterus – gravis 37
– praecox 37, 39 – prolongatus 37, 278 Idiotie, infantile amaurotische 90 IgA-Nephritis 297, 298 Ikterus 278 – physiologischer 37 Ileumatresie 269 Immundefekte 254–259 – angeborene 97 – Klassifikation 254, 255 – schwere kombinierte 256, 257 Immunkomplexnephritis 298 Impetigo contagiosa 105, 392, 393 Impfung 146–149 – aktive 146 – passive 148 Indikationsimpfung 149 Infektanfälligkeit, erhöhte 255 Infektion – Diagnostik 98 – Übertragungswege 97 – bakterielle 104–123 – – neonatale 49, 50 – neonatale 49–51 – virale 124–138 – – neonatale 50, 51 Influenza 136, 137 Influenza-Pneumonie 137 Insulintherapie 346 Intelligenztest 353 Invagination 276 Isovalerianazidurie 67 Ivemark-Syndrom 210
J Jackson-Anfall 367 Jejunumatresie 269 Jervell-Lange-Nielsen-Syndrom 192 Jodidsubstitution 8 Johanson-Blizzard-Syndrom 267
G–K
K Kahnschädel 356 Kälberflechte 139 Kapillaritis 247 Kardiomyopathie 187, 188 – arrhythmogene rechtsventrikuläre 188 – dilatative 188 – hypertrophe 188 – restriktive 188 Karditis 253 Kariesprophylaxe 7 Karzinom – embryonales 235 – hepatozelluläres 233, 234 Katzenauge, amaurotisches 234 Kawasaki-Syndrom 249–252 Kearns-Sayre-Syndrom 373 Kehlkopfdiphtherie 112 Keimzelltumor 235, 236 Kephalhämatom 22 Keratitis parenchymatosis 120 Keratoconjunctivitis herpetica 394 Keratokonus 397 Keratosis pilaris 397 Kernig-Zeichen 100 Kernikterus 37 Kerzenwachsphänomen 401 Ketoazidose 345 Keuchhusten 113, 114 Kinderlähmung 133 Kindesmisshandlung 412, 413 Kindesvernachlässigung 412, 413 Kindstod, plötzlicher 414, 415 Klavikulafraktur, Neugeborenes 23 Kleinwuchs 2, 318, 319 Klinefelter-Syndrom 58, 319, 321, 324, 344 Köbner-Phänomen 400 Kohlenhydratstoffwechselstörungen 75–83 Kolitis, pseudomembranöse 116 Kollagenose 245, 246 Kolostrum 4 Komplementdefekte 255
424
Sachverzeichnis
Kontaktekzem, allergisches 398, 399 Kopflaus 145 Kopfschmerz 387, 388 Kopfumfang 19 Kostmann-Syndrom 207 Krampfanfall, neonataler 48 Kraniopharyngeom 239, 240 Kraniosynostose 356 Krätze 145 Krise – aplastische 205 – cholinerge 377 – myasthene 377 Kugelzellanämie 202, 203 Kurzdarmsyndrom 45
L Labiensynechie 314 Laktatazidose 83 – metabolische 67, 68 Laktosemalabsorption 271, 272 Längenentwicklung 3 Langerhans-Zell-Histiozytose 221, 222 Laryngitis, subglottische 160 Laryngomalazie 153 Laryngotracheitis, stenosierende 160 Laryngozele 154 Latzverbrühung 406 Lavage, bronchoalveoläre 170 LCAD-Defekt 83 Lebensimpfstoff 147, 148 Lebensmittelvergiftung 110 Lebertumor, maligner 233, 234 Leberversagen, akutes 285 Leberzirrhose 283, 284 Leigh-Syndrom 373 Leihmmunität 49 Lennox-Gastaut-Syndrom 363 Lernbehinderung 353 Lese-Rechtsschreib-Störung 353 Leukämie 215–220 – akute lymphatische 215–217
– akute myeloische 215, 218, 219 – chronische myeloische 215, 219, 220 Leukodystrophie 371 – metachromatische 91 Leukokorie 234 Leukomalazie, periventrikuläre 29 Leuzinose 66 Lhermitte-Zeichen 383 Li-Fraumeni-Syndrom 237 Linksherzsyndrom 184 Links-rechts-Shunt 174–178 Lippen-Kiefer-Gaumenspalte 152, 153 Lissenzephalie 355 Lobärpneumonie 162 LOBI 49, 50 Löffler-Syndrom 142 Long-QT-Syndrom 192 Lues 119, 120 – acquisa 119 – connata 119 Lungenhypoplasie 34 Lungensequestration 155 Lupus erythematodes, systemischer 245–247 Lupusnephritis 246 Lyme-Arthritis 244 Lyme-Borreliose 120, 121, 252 Lymphknotensyndrom, mukokutanes 250 Lymphogranuloma vernerum 123 Lymphohistiozytose, hämophagozytierende 223 Lymphom, malignes 223–225
M Madenwurm 142 Magenentleerung 409 Makroglossie 319 Makrohämaturie 300 Makrozephalie 2 Malaria 140 Mallory-Weiss-Syndrom 263
Marfan-Syndrom 319 Martin-Bell-Syndrom 58, 59 Masern 125, 126 Masern-Enzephalitis 125 Masern-Pneumonie 125 Mastoiditis 157, 158 May-Hegglin-Anomalie 211 MCAD-Defekt 83 Meckel-Divertikel 269, 270 Medulloblastom 238 Megaureter 288, 289 Mekoniumaspirationssyndrom 32, 33 Mekoniumileus 46 MELAS-Syndrom 373 Membranoxygenierung, extrakorporale 35 MEN1 334 MEN2A 335 Menarche 323 Meningismus 100 Meningitis 100, 101, 111 – eitrige 101 – epidemica 111 – Erreger 100 – hämatogene 100 – serös 101, 133 – virale 132 Meningoencephalitis herpetica 394 Meningoenzephalitis 100, 125 Meningokokkenimpfung 211 Meningokokkeninfektion 110, 111 MERRF-Syndrom 373 Meteorismus 277 Methylmalonazidurie 67 Migräne 387 Migrationsstörung 355 Mikrodeletionssyndrome 59, 60, 174 Mikrogyrie 355 Mikrohämaturie 300 Mikrozephalie 2 Miktionszystourethrographie 290 Milchglasinfiltrat 162 Miliaria 391 Milien 391, 392
425 Sachverzeichnis
Miller-Fisher-Syndrom 375 Milzvergrößerung 209, 210 Minimal-change-Nephritis 301 Mischkollagenose 249 Mitralinsuffizienz 178 MODY 347, 348 Mollusca contagiosa 394, 395 Mononukleose, infektiöse 129, 130 Morbus – Addison 338 – Basedow 331, 332 – Behçet 249 – Crohn 266, 272, 273 – Cushing 348 – Fabry 91, 371 – Gaucher 89, 90 – haemolyticus neonatorum 38, 39 – haemorrhagicus neonatorum 41, 42 – Hirschsprung 269, 277 – Hodgkin 223–225 – Krabbe 91 – Perthes 244 – Refsum 371 – Tay-Sachs 90 – Wilson 284, 285, 378, 379 Moro-Reflex 11 MOTT 122 Mukolipidose 89 Mukopolysaccharidose 88, 89 Mukormykose 139 Mukoviszidose 168, 169 multiple Sklerose 7 Sklerose, multiple Mumps 125 Mumps-Meningoenzephalitis 125 Mumps-Orchitis 125 Münchhausenby-proxy-Syndrom 415 muscle-eye-brain-disease 382 Muskelatrophie – peroneale 371 – spinale 371, 374, 375 Muskeldystrophie 371 – Becker 372 – Duchenne 372
– Werdnig-Hoffmann 248 Muttermilch 4 Myasthenia gravis 371, 376, 377 Mycobacterium tuberculosis 121 Myelitis, akute transverse 383, 384 Mykobakteriose, atypische 122 Mykose, systemische 139 Myokarditis 186, 187 Myoklonie 362 Myoklonus-Enzephalopathie 363 Myoklonus-Epilepsie, juvenile 363 Myopathie 248 – kongenitale 371 – mitochondirale 372, 373 Myositis, infektiöse 248 Myotonie 371 – Curschmann-Steinert 248
N Nabelarterien-pH 19 Nabelschnurhernie 43, 44 Nackenreflex 11 Naevus flammeus 360 Nagelmykose 139 1-Nahrung 5 Nebennierenrindeninsuffizienz 338, 339 Nebenschilddrüsenunterfunktion 333, 334 Neisseria meningitidis 110 Nekrolyse, toxisch-epidermale 392 Nematoden 142 Nephritis, tubulointerstitielle 305 Nephroblastom 227, 228 Nephroprotektion 298 Neugeborenenanfall 364 – benigner familiärer 363, 364 Neugeborenen-Hyperbilirubinämie 278 Neugeborenenscreening 8, 10 Neugeborenensepsis 98 Neugeborenes – Apnoe 30 – Asphyxie 23, 24
– – – – – – – – – – – – – –
K–N
Bluterkrankungen 36–43 Energiebedarf 18 Erkrankungen – gastrointestinale 43–46 – metabolische 46–48 Erstversorgung 18, 19 Erythropoese 18 Hypoglykämie 46, 47 Infektionen 49–51 Kardiorespiration 17 körperliche Untersuchung 20 Krampfanfall 48 Lungenerkrankungen 32–36 persistierende pulmonale Hypertension 35, 36 – Pilzinfektionen 51 – Reanimation 21, 22 – reifes 17 – Reifezeichen 21 – Temperaturregulation 18 – übertragenes 17 – Verdauung 18 – Versorgung 17–21 Neuner-Regel 406 Neuralrohrerkrankung 354, 355 Neurapraxie 371 Neuroblastom 226, 227 Neurodermitis 395–397 Neurofibromatose 237 – Typ 1 359, 360 – Typ 2 360 Neuromyelitis optica 384 Neuropathie – chronisch-inflammatorische demyelinisierende 371 – hereditäre motorisch-sensorische 371, 375 Neurotmesis 371 Neutropenie – schwere kongenitale 207 – zyklische 207, 208 Neutrozytopenie 206, 207 Niemann-Pick-Krankheit 90 Niere – multizystisch-dysplastische 293, 294 – polyzstische 292, 293 Niereninsuffizienz 305–307
426
Sachverzeichnis
Nierenversagen – akutes 305, 306 – chronisches 306, 307 Noncompaction-Myocardium 188 Non-Hodgkin-Lymphom 225, 226 Noonan-Syndrom 318 Norovirusinfektion 138
O Obstipation 276, 277 – habituelle 276 Odynophagie 265 Oligoarthritis 244 Oligodendrogliom 237 Omphalitis 209 Omphalozele 43, 44 Onchomykose 139 OPSI 210 Opsoklonus-Myoklonus-Syndrom 384, 385 Optikusatrophie, Lebersche 373 Orchidolyse 313 Orchitis 311, 312 Organoazidopathie 60, 67, 68 Ornithose 124 Osler-Knötchen 185 Ösophagitis 264, 265 Ösophagogastroduodenoskopie 271 Ösophagusatresie 262 Osteomyelitis 102 Osteosarkom 231, 232 Otitis – adhäsive 157 – media 156. 157 Ovarialinsuffizienz 57 Ovarsyndrom, polyzystisches 346 Overlap-Syndrom 274, 282
P Pachygyrie 355 Pancreas anulare 268
Panenzephalitis, subakut sklerosierende 125 Pankreasinsuffizienz 168, 169 – exokrine 267 Pankreatitis 266, 267 – chronisch-rezidivierende 267 – hämorrhagische 267 Papageienzüchter-Erkrankung 124 Paraparese 357 Parotitis, epidemische 125 Parvovirus-B19-Infektion 201, 205 Pearson-Syndrom 267 Pediculosis capitis 145 Pendelhoden 313 Perikarditis 187, 245 peroxisomale Erkrankungen 92 Pertussis 113, 114 Perzentile 2 Petrussa-Index 21 Pfeiffersches Drüsenfieber 129 Pfeiffer-Zellen 130 PHACE-Syndrom 359 Phakomatose 377 Phäochromozytom 308, 342, 343 Pharyngitis 158, 159 Phenylketonurie 61–63 Phimose 309 Phlegmone 106 Phosphatdiabetes 304, 337 Phototherapie 39 Picorna-Viren 132 Pierre-Robin-Sequenz 415 Pilzinfektionen 138–140 – Neugeborene 51 Ping-Pong-Fraktur 23 Pityriasis alba 397 Plagiozephalus 356 Pleuritis 245 Pleurodynie 133 Plexuslähmung – obere 22 – untere 23 Pneumatozele 156 Pneumocystis-Pneumonie 134 Pneumokokkenimpfung 163 Pneumokokkeninfektion 107 Pneumonie 162, 163 – interstitielle 162
– neonatale 36 Pneumothorax 33, 34, 171, 172 Poliomyelitis 133 Pollakisurie 295 Polyangiitis, mikroskopische 249 Polyarteriitis – kutane 249 – nodosa 249 Polyarthritis 253 – Rheumafaktor-negative 244 – Rheumafaktor-positive 244 Polydipsie 306, 327, 344 Polyglobulie, neonatale 40, 41 Polyhydramnion 269 Polyurie 306, 327, 344 Postpoliomyelitis-Syndrom 133 Poststreptokokken-Glomerulonephritis 104 Post-Varizellen-Schlaganfall 377 Prader-Willi-Syndrom 60, 348 Prädiabetes 343 Prehn-Zeichen 311 Pre-Nahrung 5 Primitivreaktionen 11, 21 Propionazidurie 67 Proteinurie, große 301 Protozoenerkrankungen 140, 141 Pseudohypoparathyreoidismus 334 Pseudokrupp 160 Pseudopubertas praecox 325, 337 Pseudothrombopenie, EDTA-induzierte 211 Pseudotumor cerebri 358 Psittakose 124 Psoriasis – guttata 401 – vulgaris 400, 401 Psoriasisarthritis 244 Psoriasisarthropathie 401 Pubarche 323 Pubertas – praecox 325 – – centralis 320 – tarda 323, 324 Pubertätsentwicklung, normale 322, 323 Pubertätsgynäkomastie 323
427 Sachverzeichnis
Pulmonalstenose – supravalvuläre 183 – valvuläre 180 Pulpitis sicca 397 Pupura – immunthrombozytopenische 210, 211 – Schoenlein-Hennoch 249–251 Pyelonephritis 295, 296 Pyloromyotomie 265 Pylorusstenose, infantile hypertrophe 265
R Rachendiphtherie 112 Rachenmandelhyperplasie 159 Rachitis 7, 335, 336 – kalzipenische 334 Raynaud-Phänomen 246, 248 Reanimation 416, 417 Reentry-Tachykardie – atrioventrikuläre 191 – intraatriale 191 Reflux – gastroösophagealer 263 – vesikoureteraler 290 Refluxösophagitis 265 Refsum-Syndrom 93 Regressionssyndrom, kaudales 381, 382 Regurgitation 265 Reiseimpfung 149 Retardierung, psychomotorische 32 Retinoblastom 234 Retinopathia praematurorum 30, 31 Rett-Syndrom 381 Reye-Syndrom 285, 415 Rhabdomyolyse 278 Rhabdomyosarkom 228–230 Rhythmusstörungen 7 Herzrhythmusstörungen Riesenaxonneuropathie 371 Rinderbandwurm 143
Ringelröteln 132 Romano-Ward-Syndrom 192 Roseola infantum 131 Rotavirusinfektion 137, 138 Röteln 125, 126 Rötelnembryopathie 50, 126 Ruhr 118 Rundwürmer 142
S Salmonellose 117 Sandifer-Sutcliffe-Syndrom 263 Säuglingsernährung 4 Säuglingsmilch 5 Saugreflex 11 Saugwürmer 143 Schädel-Hirn-Trauma 411, 412 Schallleitungsschwerhörigkeit 157 Scharlach 104 Schiefschädel 356 Schilddrüsenkarzinom 332 Schilddrüsentumor 332, 333 Schilddrüsenunterfunktion 329, 330 Schistosomiasis 143 Schlafmyoklonie, benigne 364 Schnappatmung 40, 414 Schock, septischer 45, 99 Schocksyndrom, toxisches 104, 105, 109, 159 Schoenlein-Hennoch-Purpura 249–251 Schrittmacher 7 Herzschrittmacher Schütteltrauma 413 Schwartz-Bartter-Syndrom 328 Schweinebandwurm 144 Schweinegrippe 136 Schweißbläschen 391 Schweißtest 168 Seminom 235 Sepsis 49, 98–100 – Diagnostik 99 – Erreger 98 – Klinik 99
N–S
– schwere 99 – Therapie 100 Serositis 245 Sexualentwicklung, Störungen 321–325 Shigellose 118 Shprintzen-Syndrom 60 Shunt – ventrikulo-atrialer 358 – ventrikulo-lumbarer 358 Shwachman-Diamond-Syndrom 207, 267 Sichelzellkrankheit 204 Sichelzellthalassämie 204 Silver-Russell-Syndrom 318 Simpson-Test 377 SIRS 49, 98 Skabies 145 Skaphozephalus 356 Sklerodermie 248, 249 – lokalisierte 249 – systemische 248 Sklerose – multiple 383 – tuberöse 237, 361 Smith-Lemli-Opitz-Syndrom 87 Sommermeningitis 132 Soor 51, 138 Sotos-Syndrom 319 Spannungskopfschmerz 387 Spannungspneumothorax 172 Spastik 378 Speichergranula-Defekt 211 Speicherkrankheiten, lysosomale 88–92 Sphärozytose 210 – hereditäre 202, 203 Sphingolipidose 89 Spina bifida 355 Splenomegalie 209, 210 Spontanpneumothorax 171 Spulwurm 142 Standardimpfung 149 staphyloccocal skalded skin syndrome 110, 392 Staphylococcus aureus 108, 109 Staphylokokken, Koagulasenegative 108
428
Sachverzeichnis
Staphylokokkeninfektion 108 Staphylokokkenpharyngitis 159 Status epilepticus 366 Stenose, ureteropelvine 288 Stentimplantation 179 Stevens-Johnson-Syndrom 392 Stillen 4, 5 Stomatitis aphthosa 394 Störungen, chromosomale 56–60 Streptococcus – pneumoniae 107 – pyogenes 104 Streptokokken – β-hämolysierende 104 – toxisches Schocksyndrom 104, 105 Streptokokkendermatitis 393 Streptokokkeninfektion 104 Streptokokkenpharyngitis 159 Stridor 153, 154 – inspiratorischer 153 Sturge-Weber-Syndrom 359–361 Suchreflex, oraler 11 Switch-Operation 183 Syndrom – adrenogenitales 320, 337, 338 – anticholinerges 408 – cholinerges 408 – der inadäquaten ADH-Sekretion 328, 329 – des fragilen X-Chromosoms 58, 59 – extrapyramidales 409 – hämolytisch-urämisches 299 – myelodysplastisches 220, 221 – narkotisches 408 – nephrotisches 301–303 – sympathomimetisches 409 – velokardiofaziales 60 Syphilis 119, 120 Syringomyelie 356
T Tabakbeutelgesäß 270 Tachyarrhythmie 190
Tachykardie – supraventrikuläre 191 – ventrikuläre 192 Tachypnoe, transitorische 33 Taenia – saginata 143 – solium 144 Takayasu-Arteriitis 249, 250 Teilleistungsstörung 353 Temperaturregulation, Neugeborenes 18 Temporallappenepilepsie 363 Teratom 235, 236 Terminalschlaf 362 Tetanus 114, 115 Tetraparese 357 Thalassämie 204, 206 Thelarche 323 Thoraxkompression 417 Thoraxsyndrom 205 Thrombozytopathie 211, 212 Thrombozytopenie 42 Thyreoidektomie 333 Tic 379 Tonnenzahn 120 Tonsillitis 158, 159 Tonsillopharyngitis 104 Totimpfstoff 146, 147 Tourette-Syndrom 379 Toxoplasma gondii 141 Trachom 123 Transposition der großen Arterien 182, 183 Trematoden 143 Trichomykose 139 Trichophytie 138 Trigonozephalus 356 Trisomie 21 56, 57 Tuberkulose 121, 122 Tuberkulose-Impfung 148 Tubulopathie 303, 304 Tumor – klein-rund-blauzelliger 232 – primitiver neuroektodermaler 238, 239 – spinaler 240, 241 Turmschädel 356 Turner-Syndrom 318, 321, 324, 344
Turrizephalus 356 Typhus 117 – Impfung 149 Tyrosinämie 63, 64 – transitorische 63 – Typ 1 64 – Typ II 64, 65 Tyrosinose, okulokutane 64, 65 T-Zell-Defekte 97
U Übergewicht 2 Ullrich-Turner-Syndrom 57 Untergewicht 2 Ureterabgangsstenose 288 Ureterozele 289 Uthoff-Phänomen 383
V VACTERL-Syndrom 262 Vagus-Manöver 190 Varikozele 312 Varizella-Zoster-Virusinfektion 50, 128, 129 Varizellen-Pneumonie 128 Vaskulitis 249 – hypokomplementämische urtikarielle 249 – leukozytoklastische 249, 250 VATERL-Syndrom 2623 VATER-Syndrom 262 Ventrikelseptumdefekt 175, 176 Verätzung 410 Verbrauchskoagulopathie 214, 215 Verbrennung 406, 407 Verbrühung 406, 407 Vergiftung 408, 409 Virilisierung 337 Virushepatitis 279–282 Virusinfektion 124–138 – neonatale 50, 51
429 Sachverzeichnis
Vitamin – D 6 – K 6 Vitamin-B12-Mangel 200 Vitamin-D-Mangel 336 Vogelzüchterlunge 169 Von-Hippel-Lindau-Erkrankung 359 Von-Willebrand-Erkrankung 213, 214 Vorhautverengung 309 Vorhofseptumdefekt 174 Vorsorgeuntersuchungen 10–13 Vulvovaginitis 314
W Wachstumshormonexzess 320 Wachstumsstörungen 318–320 Walker-Warburg-Syndrom 382 Warm-up-Phänomen 369 Waterhouse-Friedrichsen-Syndrom 100, 338 Wegener-Granulomatose 249, 250 West-Syndrom 365 Wiedemann-Beckwith-Syndrom 319 Williams-Beuren-Syndrom 60 Wilms-Tumor 227, 228 Windeldermatitis 400 Windpocken 128
Wiskott-Aldrich-Syndrom 255, 258 Wunddiphtherie 112 Wundstarrkrampf 114, 115 Wurmerkrankungen 142–144
X Xerosis cutis 397
Z Zellweger-Syndrom 93 Zerebellitis 380 Zerebralparese 357 Zeroidlipofuszinose, neuronale 91 Zestoden 143, 144 Ziegenpeter 125 Ziliendyskinesie, primäre 154, 155 ZNS-Infektion 385, 386 Zöliakie 270, 271 Zollinger-Ellison-Syndrom 266 Zwerchfellhernie 34, 35 Zystinose 72, 73 Zystinurie 72, 304 Zystitis 295, 296 Zytomegalie-Virusinfektion 50, 51, 130, 131
S–Z