Gliederung der Vorlesung Grundkurs Steuerrecht Erster Teil: Grundlagen der Steuerrechtsordnung §1
Einführung A Bedeutun...
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Gliederung der Vorlesung Grundkurs Steuerrecht Erster Teil: Grundlagen der Steuerrechtsordnung §1
Einführung A Bedeutung des Steuerrechts B Steuerrecht als Teil der Rechtsordnung
§2
Gebiete und Gesetze der Steuerrechtsordnung A Allgemeines Steuerrecht B Besonderes Steuerrecht
§3
Finanzverfassungsrechtliche Grundlagen der Steuerrechtsordnung A Steuerbegriff B Steuergesetzgebungshoheit C Steuerertragshoheit D Steuerverwaltungshoheit
§4
Rechtsstaatliche Ordnung des Steuerrechts A System des Steuerrechts B Rechtsstaatlichkeit des Steuerrechts C Gleichmäßigkeit der Besteuerung D Gesetzmäßigkeit der Besteuerung E Sozialstaatsprinzip F Verfassungsrechtliche Schranken der Besteuerung
§5
Rechtsanwendung im Steuerrecht A Rechtsnormen des Steuerrechts B Rechtsanwendung und Gesetzesauslegung C Ermessensausübung
Zweiter Teil: Steuerrechtsverhältnis und Steuerschuldrecht §6
Grundbegriffe des Steuerrechtsverhältnisses
§7
Allgemeines Steuerschuldrecht A Inhalt des Steuerschuldverhältnisses B Entstehen von Steueranspruch und Steuertatbestand C Erlöschen des Steueranspruchs D Gesamtschuldnerschaft E Haftungsanspruch F Steuervergütungsanspruch G Steuererstattungsanspruch
§8
Einführung in das besondere Steuerschuldrecht
Dritter Teil: Einkommen und Bilanzsteuerrecht §9
Die Einkommensteuer und das Bilanzsteuerrecht A B C D E F G H
Geschichte der Einkommensteuer Steuerpflicht Steuerobjekt und Bemessungsgrundlage Bestimmung steuerpflichtiger Einkünfte Persönliche Zurechnung von Einkünften Ermittlung der Einkünfte Einkunftsarten Private Abzüge
Mitschrift Vorlesung Grundkurs Steuerrecht, Prof. Dr. jur. Joachim Lang, Universität zu Köln
Erster Teil: Grundlagen der Steuerrechtsordnung §1 Einführung A. Bedeutung des Steuerrechts: Das Steuerrecht hat eine enorm wichtige Bedeutung im Alltag eines jeden Bürgers. Betrachtet man sich nur einmal was geschieht, wenn ein Student das Lehrbuch „Tipke,Lang ; Steuerrecht“ kauft, so wird deutlich, daß eine Vielzahl von Vorgängen mit diesem Kauf verbunden sind. So fällt zunächst beim Kauf 16% Umsatzsteuer an. Diese Steuer wird vom Käufer an den Verkäufer bezahlt und vom Verkäufer an das Finanzamt abgeführt. Ist der Käufer allerdings ein Unternehmer, so besitzt dieser einVorsteuerabzugsrecht, d. h. er trägt letztendlich nicht die Belastung. Je nachdem in welcher Rechtsform die verkaufende Buchhandlung organisiert ist, fällt zudem (bspw. bei einer GmbH) noch Körperschaftsteuer an oder auch Gewerbesteuer. Wenn das Lehrbuch von einem Steuerberater erworben werden würde, könnte der Kaufpreis evtl. als Werbungskosten in der Einkommensteuererklärung abgesetzt werden, wenn er es denn dienstlich und nicht etwa für den Privatgebrauch seines BWL studierenden Kindes erwerben würde. Es wird deutlich, wie vielgestaltig sich der Kontakt des Einzelnen mit dem Steuerrecht selbst bei einem simplen Veräußerungsgeschäft auswirken kann. Ein weiteres aktuelleres Beispiel stellt die von der neuen Koalition geplante Benzinpreiserhöhung um sechs Pfennig je Liter Benzin dar. Diese wird nicht bei sechs Pfennig je Liter Benzin bleiben, denn es fällt ja entsprechend mehr Umsatzsteuer an, wenn nicht darüber hinaus sogar noch Folgewirkungen durch neue Gewinnkalkulationen und evtl. Preisabsprachen der Mineralölkonzerne entstehen. Es ist demnach wohl eher mit einem Benzinpreisanstieg von mehr als sechs, vielleicht sogar mit zehn Pfennig Preisanstieg je Liter Benzin zu rechnen. Es bleibt festzuhalten, daß mit Steuererhöhungen immer Wirkungen erzielt werden, die sich auch auf andere Steuern auswirken. Und diese Tatsache kompliziert das Steuerrecht ungemein. Dies hat auch Auswirkungen auf die Emittlung der Steuerbelastung. Die Gewerbesteuer bspw. der Buchhandlung ist abziehbar als Betriebssteuer (von der eigenen Bemessungsgrundlage abziehbare Steuer), so daß inzwischen Computerprogramme bemüht werden (z.B. European Tax Analyzer), um rechnerisch Belastungsvergleiche herzustellen. Diese Programme sind jedoch sehr kurzlebig, da, sobald sich ein Faktor minimal ändert, schon wieder andere Steuern betroffen sind, was die Investitionsplanung mit ihrer Ausrichtung auf die Nachsteuerrendite stark erschwert. Die Bedeutung des Steuerrechts äußert sich in zwei Funktionen des Steuerrechts. Der erste Zweck des Steuerrechts ist der Fiskalzweck und wird in § 3 Abgabenordnung (AO) genannt. Es heißt dort „Steuern sind Geldeinnahmen, die ... von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden...“. Der zweite Zweck der Besteuerung dient der oft notwendigen
Umverteilung zwischen arm und reich und wird als Sozialzweck bezeichnet. Die Bedeutung einer solchen „Umverteilung von oben nach unten“ wird einem umso klarer, wenn man sich ein Land wie Brasilien anschaut, in welchem der Unterschied zwischen arm und reich besonders deutlich wird. Während die „oberen Zehntausend“ in DM umgerechnet ein monatliches Einkommen von durchschnittlich 50 000 DM beziehen, müssen die „unteren“ Schichten mit monatlich umgerechnet 165 DM auskommen. Hier wird die Notwendigkeit einer Umverteilung besonders offensichtlich. Anders gestaltet sich die Situation in Deutschland, wo es einen breiten Mittelstand gibt und man sich eher darauf beschränkt „aus der einen Tasche etwas herauszunehmen, um es in einer anderen Tasche verschwinden zu lassen“, woraus letzendlich das sog. Steuerchaos herührt. In Deutschland ist der Primärzweck der Besteuerung also die Einnahmeerzielung zur Deckung des staatlichen Finanzbedarfs. Daneben existiert eine Vielzahl von Lenkungszwecken (z. B. Umverteilung, aber auch andere), was im Ergebnis dazu führt, daß das Steuerrecht dazu mißbraucht wird, politische Vorstellungen durchzusetzen. Lenkungssteuern, wie sie z. B. in der aktuellen politischen Diskussion die angestrebten Maßnahmen zur Einbeziehung des ökonomischen Aspekts ins Steuerrecht darstellen, sind zwar in ihrem Anliegen zu unterstützen, überfrachten jedoch das Steuerrecht und treffen meist sozial Schwächere, für die eine Steuererhöhung erheblichere Bedeutung hat, als für „einen Porsche-Fahrer eine Erhöhung des Literpreises für Benzin auf fünf DM“. Abschließend kann man feststellen, daß durch die enorme Bedeutung des Steuerrechts für die Wirtschaft derjenige, der sich im Steuerrecht auskennt, einen enormen Vorteil davon hat. So gab es einen Millionär, der sein Vermögen auf die nächste Generation übertragen wollte und mit einer steuerlichen Belastung von ca. 15 Millionen DM rechnete. Nach der Beratung waren es nur noch 110000 DM. In diesem Zusammenhang spricht man in unserem Steuersystem vermehrt von der sog. „Dummensteuer“.
B. Steuerrecht als Teil der Rechtsordnung Zum besseren Verständnis folgende Abbildung: Rechtsordnung Zivilrecht
Wirtsch. Sachverhalt: - Einkommen - Umsatz - Vermögen
Öffentliches Recht
Verwaltungsrecht
EingriffsVw
LeistungsVw
Steuerrecht
Transferrecht
Die Rechtsordnung kann in zwei Hauptgebiete unterteilt werden. Zum einen in das Zivilrecht, welches die Rechtsbeziehung zwischen Gleichgeordneten regelt, und zum anderen in das Öffentliche Recht, welches durch ein Über- und Unterordnungsverhältnis gekennzeichnet ist und das Verhältnis zwischen Staat und Bürger regelt. Das Steuerrecht ist Öffentliches Recht. Es regelt Beziehungen zwischen Bürger, Unternehmen und Staat, aufgegliedert in Gebietskörperschaften, wobei man als Bürger üblicherweise mit der Landesfinanzverwaltung, dem Finanzamt in Kontakt kommt. Steuerrecht ist weiter dem Eingriffsrecht zuzuordnen. Jedoch ist der Bürger durch die Rechtstaatlichkeit gegen die Eingriffe des Staates geschützt, so daß man eher das Wort >Steuerzahler< anstatt >Steuerpflichtiger< verwenden sollte. Das Steuerrecht beinhaltet also nicht nur Pflichten, sondern auch Rechte des Bürgers zum Schutz des Bürgers gegen den Staat. Dennoch sind Steuerrecht und Zivilrecht stark miteinander verbunden. Dies hängt damit zusammen, daß zivilrechtliche Vorgänge als wirtschaftliche Vorgänge steuerliche Auswirkungen haben. Es besteht also ein Gestaltungszusammenhang (ein Auswirkungszusammenhang) zwischen Steuerrecht und Zivilrecht. Dies wirft nun die Frage auf, ob zivilrechtliche Betrachtungen maßgeblich sind für die steuerrechtliche Terminologie. Dies ist zu bejahen und mit folgendem Beispiel zu § 42 AO (Mißbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten) zu erläutern: Der Vater möchte dem Sohn etwas schenken. Um die Freibeträge auszunutzen, schenkt er zuerst seiner Frau einen Teil und den anderen Teil direkt seinem Sohn. Seine Frau schenkt an den Sohn weiter (Kettenschenkung). Würde man rein zivilrechtlich betrachten, so würde man in beiden Fällen Freibeträge gewähren, was verdeutlicht, daß das Steuerrecht eben nicht auf die zivilrechtliche Terminologie abstellen kann, sondern dem wirtschaftlichen Sachverhalt (Einkommen, Umsatz, Vermögen) Rechnung tragen muß und so einer eigenen Terminologie bedarf. Es besteht also eine Wechselbeziehung insofern, als daß wirtschaftliche Sachverhalte gestaltet werden, die dann auch besteuert werden, aber es besteht
ebenfalls Unabhängigkeit, da das Steuerrecht seine eigene Terminologie benötigt, um auch die eigenen Zwecke der Besteuerung richtig verwirklichen zu können. Ein anderer Aspekt der Einordnung des Steuerrechts in die Rechtsordnung betrifft die Verknüpfung des Steuerrechts mit dem Leistungsverwaltungsrecht, insbesondere mit der Sozialhilfe. Der Staat ist verpflichtet demjenigen, der kein Einkommen hat, ein Existenzminimum zu gewährleisten. Der Sozialhilfeanspruch ist verfassungsrechtlich begründet. Das bedeutet, daß jemand der Sozialhilfe bekommt (in Höhe eines bestimmten soziokulturellen Existenzminimums), diesen Betrag steuerfrei erhält. Wenn also jemand eigenes Einkommen hat und sich selber ernährt, dann wäre es ungerecht, wenn von diesem Einkommen in Höhe der Sozialhilfe Steuern bezahlt werden müssten. Doch leider ist das derzeit so (Existenzminimum nach Sozialhilferecht ca 14 000 DM / nach Steuerrecht gilt ein Existenzminimum von ca 12 600 DM). Die Einheit von Steuerrecht und Sozialhilferecht ist noch nicht verwirklicht. Früher galten noch elementarere Wertungswidersprüche in der Rechtsordnung bei einem damaligen steuerlichen Existenzminimum von ca 5 500 DM. Diese Wertungswidersprüche sind zukünftig noch zu beseitigen. Ein weiterer Bereich der Uneinheitlichkeit der Rechtsordnung betrifft das Familienrecht. Der Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit bedeutet, daß die familienrechtlichen Unterhaltsverpflichtungen im Steuerrecht realitätsgerecht berücksichtigt werden müssen, was auch erst noch zu realisieren ist.
Mitschrift Vorlesung Grundkurs Steuerrecht, Prof. Dr. jur. Joachim Lang, Universität zu Köln
Erster Teil: Grundlagen der Steuerrechtsordnung § 2 Gebiete und Gesetze der Steuerrechtsordnung
Innerhalb des allgemeinen Steuerrechts unterscheidet man die Hauptgebiete des allgemeinen und besonderen Steuerrechts.
A. Allgemeines Steuerrecht
Das Steuerrecht hat seine wesentliche Grundlage in der Verfassung. In der Verfassung ist festgelegt, was ganz allgemein in der Rechtsordnung gilt. An erster Stelle stehen dabei die Grundrechte. Da Steuerrecht Eingriffsrecht ist, aktiviert es in erster Linie die Schutzfunktion der Grundrechte als Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat. Diese Definition der Grundrechte als Abwehrrechte wird insbesondere in Zeiten zu hoher Steuerlasten offensichtlich. Der Anspruch auf Gleichbehandlung durch Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit ist eben bei einer „löchrigen“ Bemessungsgrundlage nicht gegeben, was dazu führt, daß der eine Bürger für den anderen Bürger mitbezahlen muß und es in der Tendenz zu überhöhten Steuersätzen kommt. Hier wird also Artikel 3 des Grundgesetzes (GG), der Gleichheitssatz berührt. Ein anderes Beispiel betrifft Artikel 6 des GG, den Schutz von Ehe und Familie. Soll nun das Ehegattensplitting abgeschafft werden, stellt sich natürlich die Frage, ob so eine Veränderung des Steuerrechts überhaupt vereinbar mit diesem Artikel 6 ist, zumal das Bundesverfassungs-gericht das Ehegattensplitting eben nicht als Steuervergünstigung qualifiziert. Artikel 12 (Berufsfreiheit) und Artikel 14 (Eigentumsgarantie) stehen ebenso in Kontakt mit dem Steuerrecht. Die Einführung einer Bergfernverkehrsteuer zur Förderung des Schienentransportes führte zu einer Vielzahl von Insolvenzen kleinerer und mittlerer Speditionsunternehmen. Hieran schließt sich die Frage, ob ein Spediteur nicht in seinem Grundrecht der Berufsfreiheit durch die Einführung einer solchen Steuer berührt wird. Dieser kurze Einblick verdeutlicht, daß Steuerrecht nicht „irgendetwas Technisches“ ist (Buchhaltung etc.), sondern in der Verfassung gründet und die grundlegenden Gerechtigkeits-vorstellungen einer Nation berührt. Im Umkehrschluß kann man sagen, daß ein ungerechtes Steuerrecht immer auch zur unsozialen Gesellschaft beiträgt. Das Grundgesetz enthält keine materiellen Bestimmungen über das Steuerrecht, jedoch im Abschnitt römisch Zehn (X) geht das Grundgesetz auf das Finanzwesen ein. Allerdings sind hierin nur besondere Regeln des Steuerrechts (§ 105 und § 108 GG), die die Steuerkompetenz-verteilung zwischen Bund und Ländern ansprechen, enthalten, wobei die Gemeinden und Kommunen mitberücksichtigt werden. Sie
betreffen also das Staatsorganisationsrecht. In anderen Ländern (Beispiel Brasilien) ist das materielle Steuerrecht teilweise in die Verfassung hineingearbeitet (“...das liest sich wunderbar..“), jedoch allein nutzt dies nichts, wenn nicht eine entsprechende Verfassungswirklichkeit besteht. In Deutschland steht in den Grundrechten nichts über Steuern, aber es herrscht eine vergleichsweise hohe Verfassungs-wirklichkeit, was vor allem auf die intensive Beschäftigung der Gerichte mit der Auslegung der Grundrechtsnormen (hier ist vor allem der Name Paul Kirchhoff lobend zu erwähnen) zurückzuführen ist. Für die Umsetzung der Steuerrechtsordnung ist die Verfassungswirklichkeit ganz entscheidend Die Grundlagen der Steuerrechtsordnung sind also in der Verfassung verankert, hauptsächlich in den Grundrechten und dem Rechtsstaatsprinzip. Außerdem bleibt hervorzuheben, daß das Bundesverfassungsgericht seinen Auftrag sehr ernst nimmt und mit einer Reihe wichtiger Entscheidungen ganz wesentliche Aussagen zu den Inhalten der Steuerrechtsordnung geschaffen hat.
Eine Teilkodifikation erfährt das deutsche Steuerrecht durch die Abgabenordnung (“Teilsteuergesetzbuch“). Dazu folgende Abbildung:
Abgabenordnung
Allgemeines Steuerschuldrecht (Allgemeines Recht der Steuerschuldverhältnisse)
Gesetz über die Finanzverwaltung (Behördenorganisation)
Steuerverfahrensrecht (Organisation und Handeln der Finanzverwaltung, Rechtsschutz)
Finanzgerichtsordnung (gerichtlicher Rechtsschutz)
Der Begriff Abgabenordnung legt zunächst einmal die Vermutung nahe, daß es sich hierbei um eine Verfahrensordnung handelt (So wie die Zivilprozeßordnung, Strafprozeßordnung etc.). Diesen Begriff hält das Steuerrecht nicht ein. Vielmehr ist die Abgabenordnung ein Mantelgesetz, es enthält nämlich Rechtsnormen, die für mehrere Steuerarten gelten. Im Gegensatz hierzu steht das besondere Steuerrecht, welches das Recht der einzelnen Steuerarten umfaßt. Die Abgabenordnung entstand unter dem Druck der zu bewältigenden Kriegsschulden und wurde von einem Zivilrichter namens Enno Becker entwickelt. Sie diente dazu einen Gesetzesmantel zu erstellen, mit dem dann die Besteuerung umfassend gesetzlich geregelt wurde und mit dem das Steueraufkommen verfünfacht werden konnte. Es ist, obwohl in nur wenigen Monaten entworfen, ein
großartiges Werk von Enno Becker gewesen, welches erst 1977 novelliert werden mußte. Die Abgabenordnung beinhaltet (von einem Zivilrechtler geschrieben) viele Regeln, die in ihrer Struktur dem Zivilrecht ganz ähnlich sind (Entstehen des Anspruchs, Fälligkeit, Erlöschen, Verjährung etc.). Sie bleibt aber Öffentliches Recht. Dies kommt unter anderem dadurch zum Ausdruck, daß man als Zivilrechtsgläubiger immer auf seine Forderung verzichten kann, wohingegen behördlich der Steueranspruch durchgesetzt werden muß. Einem Steuerpflichtigen die Steuerschuld zu erlassen wäre ungesetzlich, da sie den Gleichheitsgrundsatz verletzt. Eine Zusage der steuerfreien Behandlung durch eine Kommune an ein Unternehmen beispielsweise ist von vorneherein nichtig. Ein solches Unternehmen kann sich später nicht auf eine solche Zusage berufen, und ein evtl. Gewerbesteuerbescheid muß so gegebenenfalls sogar zwangsweise durchgesetzt werden. Das allgemeine Steuerschuldrecht beschreibt also das Rechtsverhältnis vom Bürger zum Staat allgemein. Daneben steht das Steuerverfahrensrecht. Die Organisation und das Handeln der Finanzverwaltung, sowie der Rechtsschutz werden hier geregelt. Es muß unterschieden werden zwischen materiellen Regeln, die den Steueranspruch als solchen Regeln und der Durchsetzung des Steueranspruchs (Steuerbescheid/Verwaltungsakt). Es kann geschehen das dies auseinanderfällt, z. B. wenn ein inhaltlich unrichtiger Steuerbescheid (ungerechtfertigte Nichtanerkennung von Werbungskosten von 5 000 DM beispielsweise) mangels Einspruch des Steuerpflichtigen rechtswirksam wird. Sollte der Steuerpflichtige doch Einspruch erheben und man kann sich nicht einigen geht die Sache zur Entscheidung an das Finanzgericht und das Gesetz über die Finanzverwaltung und die Finanzgerichtsordnung als große Teilgebiete des Steuerverfahrensrechts werden relevant. Sollte man Revision einlegen, kann es bis zum Bundesverfassungsgericht gehen, was in der steuerberatenden Praxis erstaunlicherweise immer häufiger vorkommt.
B. Besonderes Steuerrecht Das besondere Steuerrecht ist im wesentlichen das Gesetz der einzelnen Steuerarten. Für jede Steuerart existiert ein eigenes Gesetz. So gibt es das Einkommensteuergesetz, welches die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen regelt. Es gibt weiter das Körperschaftsteuergesetz, welches die Besteuerung von juristischen Personen, aber auch von nicht-rechtsfähigen Institutionen und deren Einkommen, welches nicht bei natürlichen Personen umgerechnet wird, sowie die Besteuerung der öffentlichen Hand regelt. Der Dualismus von Einkommensteuer und Körperschaftsteuer besteuert die Einkommen komplett. Daneben gibt es Zusatzsteuergesetze, wie die Kirchensteuer, die Gewerbesteuer und den Solidaritätszuschlag. Das Bewertungsteuergesetz regelt die Behandlung und Bewertung für andere Steuergesetze wie die Vermögensteuer und das Erbschaftund Schenkungsteuergesetz und zählt mit dem Grundsteuergesetz und eben dem Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz zu den gesetzesabhängigen Steuerarten. Das Bewertungsgesetz gilt also nicht für die Einkommen- und Körperschaftsteuer.
Steuersubventionsrecht, insb.Gemeinnützigkeitsu. Spendenrecht: §§ 51 -68 AO, Fördergesetze
Bilanz- u. Unternehmensteuer- Internationales recht (Besonderes Steuer-und europäisches schuldrecht der Unternehmen) Steuerrecht: UmwStG AStG, DBA, ZK
Es gibt also zwei Steuerhauptgruppen, die Steuern auf das Einkommen und Vermögen und demgegenüberstehend die Steuern auf die Verwendung von Einkommen und Vermögen (Konsumsteuern). Diese Steuern werden auch als indirekte Steuern bezeichnet. Die bedeutsamste Steuer dieser Gruppe ist die Umsatzsteuer. Das Umsatzsteuergesetz, das eine allgemeine Verbrauchsteuer darstellt, teilt sich auf in die speziellen Steuergesetze (Tabaksteuer, Mineralölsteuer etc.) und die Verkehrsteuergesetze. Innerhalb des besonderen Steuerrechts gibt es Sondergebiete. Dies sind das Steuersubventions-recht, das insbesondere für den Beratungsbereich bedeutungsvolle Bilanz- und Unternehmensteuerrecht (in diesem Zusammenhang eine Empfehlung des Buches „Unternehmensbesteuerung“ von Prof. Brigitte Knobbe-Keuk) und das für die Zukunft immer wichtiger werdende internationale und europäische Steuerrecht. Die Zunahme des Wettbewerbs der Steuersysteme und die Ausweitung der Unternehmenstätigkeiten weltweit im Zuge der Globalisierung, sowie der freie Kapitalverkehr werfen erhebliche Probleme in der Besteuerung dieser Tätigkeiten auf.
Internationales Steuerrecht hängt mit dem im Zivilrecht existierenden Begriff internationales Privatrecht zusammen. Das internationale Privatrecht ist ein Kollisionsrecht. Heiratet ein türkischer Staatsangehöriger eine deutsche Staatsangehörige kann die Frage auftauchen, welches Familienrecht/Güterrecht gilt. Im Steuerrecht entsteht ebenso erhebliches Konfliktpotential. Eine deutsche Bank beispielsweise, die in New York eine Filiale unterhält, wird zunächst einmal nach dem Welteinkommensprinzip besteuert. D. h. auch die Erträge der New Yorker Filiale unterliegen der Besteuerung. Von amerikanischer Seite können aber ebenso Besteuerungsforderungen erhoben werden, da die Filiale in New York angesiedelt ist. Würde das Steuerrecht dies nicht berücksichtigen, käme es zu Doppelbesteuerungen und die Rentabilität sämtlicher Auslandsaktivitäten wäre in Frage gestellt. Aus diesem Grund hat man völkerrechtliche Verträge über diese Abgrenzungsfragen geschlossen (sog Doppelbesteuerungsabkommen). Vorlage hierfür ist das OECD-Musterabkommen, in denen die Grundregeln der Aufteilung des Steueraufkommens festgelegt sind, so daß heute alle Verhandlungen bezüglich der Doppelbesteuerungsabkommen sich an diesem Mustervertrag orientieren. Große Unterschiede im Steuerrecht, die Amerikaner beispielsweise stellen bei der Erhebung der Einkommensteuer immer auf die Staatsangehörigkeit ab, während die Mehrheit der anderen Staaten an den Wohnsitz und den gewöhnlichen Aufenthaltsort anknüpfen, sind stets schwer durch Verhandlungen zu überbrücken. In unserem Beispiel der Auslandsbankfiliale (Betriebsstätte) gilt die Regel, daß dort, wo der Gewinn erwirtschaftet wird, das Besteuerungsrecht besteht (sog. Quellenprinzip). In Deutschland muß dann bei der Gewinnermittlung, der Betriebsstättengewinn herausgerechnet werden.
Die Vermeidung der Doppelbelastung durch Steuern kann durch verschiedene Methoden sichergestellt werden. Die „faire“ Methode ist die Anrechnungsmethode, wonach in unserem Beispiel die ausländische Steuer auf die deutsche Steuer angerechnet wird. Dies wird stets praktiziert, wenn kein Doppelbesteuerungsabkommen existiert. Dieser Vorlesungspunkt soll jedoch später noch einmal vertieft werden. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, daß sich steuerliche Tatbestände überschneiden können und das internationale Steuerrecht nun die Abgrenzungsproblematik zur Vermeidung der Doppelbelastung aufzulösen versucht und insoweit auch dem internationalen Privatrecht ähnelt. Das internationale Steuerrecht umfaßt aber neben diesem Konfliktlösungsrecht ganz allgemein die Fälle, in denen Auslandssachverhalte zur Diskussion stehen. Im Außensteuergesetz beispielsweise, einem Gesetz zur Bekämpfung der Steuerflucht (entstanden aus einem Steueroasenerlaß), ist eine Wegzugsteuer geregelt, die verhindern soll, daß Inländer durch Verlagerung ihres Wohnsitzes ins Ausland plötzlich gar keine Steuern mehr bezahlen (Eines dieser klassischen Steuerfluchtländer ist z. B. die Schweiz). Das internationale Steuerrecht ist also neben dem Konfliktrecht geprägt von dem Versuch aus dem Wettbewerb der Steuersysteme Nutzen zu ziehen und somit den Ort der Besteuerung nach steuerlichen Gesichtspunkten auszuwählen. Ein anderes Beispiel, was das Außensteuergesetz neben der Steuerflucht regelt, betrifft die Zwischenschaltung einer Basisgesellschaft (im Volksmund auch „Briefkastenfirma“ genannt) um Verträge, welche im Grunde aus Deutschland heraus geschlossen werden, über bspw. die Schweiz laufen zu lassen, um dann Gewinne in der Schweiz zu versteuern. Hier wurde im Zuge einer Hinzurechnungslösung abhilfe verschafft, jedoch ist es schwer solche Basisgesellschaften überhaupt als solche zu erkennen, wodurch das Außensteuergesetz wieder an seine Grenzen stößt. Der im Zuge der Globalisierung flexibel gewordenen Vermögensumschichtung in jedes Land der Welt wird mit nationalen Regelungen kaum noch Beizukommen sein. Die Ankündigung der Wiedereinführung der (noch erlaubten) Vermögensteuer durch die neue Koalition, hat zu einem Kapitalabfluß in Deutschland in dreistelliger Milliardenhöhe geführt, wobei das jährliche
Steueraufkommen der Vermögensteuer nur ca. zwei Milliarden DM umfaßt. Eine bessere Berücksichtigung der globalen Komponenten und ihrer Auswirkungenen auf die Volkswirtschaft durch die Steuerpolitik wäre daher wünschenswert. Aber auch die erstrebte „Austrocknung“ der Steueroasen ist ein wichtiger Beitrag zur Bekämpfung der Steuerflucht und sollte aus diesem Grund trotz vereinzelter Widerstände (bspw. Luxemburg) bald wesentlich vorangetrieben werden. Einhergehend mit einer Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Steuerrechts (Steuerbelastung der Unternehmen auf 35 % senken) wäre hierdurch die Sicherung des Wirtschaftsstandorts Deutschland wesentlich vorangetrieben. Europäisches Steuerrecht ist ein Recht, welches zunächst einmal internationales Steuerrecht ist. Der Ursprung dieses Steuerrechts, der EG-Vertrag, ist nämlich ein völkerrechtlicher Vertrag. Man spricht in diesem Zusammenhang auch vom
supranationalem Steuerrecht. Durch einen solchen Vertrag wird nun ein Recht begründet, welches durch Transformation in innerstaatliches Recht Teil der innerstaatlichen Rechtsordnung wird. Dies führt dazu, daß im Zeitverlauf immer mehr Steuerkompetenz/Steuerhoheiten an eine supranationale Organisation abgetreten werden. Auf dem Weg zu den „Vereinigten Staaten von Europa“ ist dabei der Bereich Steuern Vorreiter (Stichwort Zollunion). Das Zollrecht ist bereits europäisches Steuerrecht. Das europäische Steuerrecht wird von zwei Normen wesentlich geprägt. Die erste betrifft die Diskriminierungsverbote. Mit den Vereinbarungen des freien Waren-, Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehrs gehen diese Diskriminierungsverbote einher. In den Fällen, wo nationales Steuerrecht nicht mit diesen Grundfreiheiten/Diskriminierungs-verboten einhergeht, kann der europäische Gerichtshof (EuGH) angerufen werden und kann dann verbindlich für die nationale Rechtsordnung entscheiden, daß das nationale Steuerrecht mit diesen Grundfreiheiten unvereinbar ist und es muß zur Anpassung/Änderung des nationalen Steuerrechts kommen. Der zweite Bereich betrifft die Harmonisierungsvorschriften. So existiert in Europa ein weitgehend harmonisiertes europäisches Umsatzsteuerrecht. Allerdings sind die Steuersätze noch nicht harmonisiert. Grob läßt sich feststellen, daß im Bereich der indirekten Steuern eine sehr weit fortgeschrittene Harmonisierung existiert, im Bereich der direkten Steuern ist die Harmonisierung eher rudimentär (lediglich Konzernrichtlinien/Mutter-Tochterrichtlinien). Die Verzerrungen im europäischen Binnenmarkt sind vor allem durch eine fehlende Harmonisierung der Unternehmensbesteuerung in Europa bedingt, deren Harmonisierung dringend erforderlich ist. Der Unterschied zwischen europäischem und internationalem Steuerrecht liegt also darin begründet, daß das europäische Steuerrecht supranationales Steuerrecht ist und somit inhaltlich die nationale Rechtsordnung gestaltet wird. Und im Blick auf die Beratungssituation in Deutschland ist festzustellen, daß man als Steuerberater ohne Kenntnisse des Europarechts schon bald auf verlorenem Posten stehen wird.
Mitschrift Vorlesung Grundkurs Steuerrecht, Prof. Dr. jur. Joachim Lang, Universität zu Köln
Erster Teil: Grundlagen der Steuerrechtsordnung § 3 Finanzverfassungsrechtliche Grundlagen der Steuerrechtsordnung
Die für die Steuern maßgeblichen Vorschriften des GG sind im Abschnitt X in den Artikeln 105 ff. normiert. Der im § 104a (Ausgabenzuständigkeit, Finanzhilfen, Haftung) geregelte Teil des Abschnitts X über das Finanzwesen, gehört allerdings nicht zum Steuerwesen. A. Steuerbegriff (Abgrenzung von anderen Abgaben) 1. Überblick In der Abgabenordnung, dem „Mantelgesetz“ des Steuerrechts, im § 3, an erster Stelle des Abschnitts über die steuerlichen Begriffsbestimmungen (Zweiter Abschnitt des ersten Teils), ist der Steuerbegriff geregelt. Dort heißt es: „Steuern sind Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft; die Erzielung von Einnahmen kann Nebenzweck sein“. Dies ist also der Steuerbegriff, der im Steuerrecht zur Abgrenzung von Abgaben dient. Demnach ist die Steuer, im Unterschied zu allen nicht-öffentlichen und privaten Abgaben, eine öffentliche Abgabe, die von einer steuerberechtigten, öffentlichrechtlichen Körperschaft erhoben wird (Bund, Länder, Gemeinden, aber auch die Europäische Gemeinschaft sind somit Steuergläubiger). Dieses System der öffentlichen Abgaben ist finanzverfassungsrechtlich sub-stantiiert. Inwieweit dieser Steuerbegriff verfassungsrechtlich festgeschrieben wird, geht aus den oben angesprochenen Artikeln 105 ff., also aus der Steuerkompetenzverteilung der Länder hervor. Grundsätzlich regelt also die Finanzverfassung die Erhebungskompetenzen von Steuern. Die anderen öffentlich-rechtlichen Abgaben sind erfaßt in den allgemeinen Gesetzgebungs-kompetenzen. Wenn also über die speziellen steuerlichen Kompetenzen entschieden werden muß, muß das Bundesverfassungsgericht mitentscheiden, was eine Steuer im Sinne der Verfassung ist. Es gilt nun hier die sogenannte Rezeptionstheorie. Der Steuerbegriff ist demnach im Rahmen der Kompetenzordnung aus der alten Reichsabgabenordnung durch den Verfassungsgeber, der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, in die Finanzverfassung übernommen worden.
Nicht zu den Steuern zählen Abgaben, denen eine direkte Gegenleistung gegenüber steht. Dies sind Gebühren und Beiträge, Entgelte für öffentlich-rechtliche Leistungen, welche unter dem Begriff Vorzugslasten zusammengefaßt werden. Zusammen mit den Steuern, die in erster Linie der Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs dienen und somit keine direkte Gegenleistung beinhalten, bilden die Vorzugslasten das klassische Steuersystem. Neben dem klassischen Steuersystems hat jetzt der Gesetzgeber eine weitere Kategorie von Abgaben gebildet. Dies sind die sogenannten Sonderabgaben. Diese sind zweckgebunden. D.h. sie werden nicht nur für einen bestimmten Zweck erhoben, sondern müssen auch gänzlich für diesen Zweck ausgegeben werden. Ein Beispiel hierfür wäre die geplante Ökosteuer, die zur Absenkung der Lohnnebenkosten dienen soll, was aber verfassungsrechtlich eigentlich gar nicht möglich ist, da Steuern immer „nichtzweckgebunden“ (ohne Gegenleistung) sind. Ein weiteres Beispiel zum besseren Verständnis der Abgrenzung sind Eintrittsgebühren eines Schwimmbads, welche nicht etwa zum Betrieb des Schwimmbads direkt verwendet werden, sondern zunächst der Gebietskörperschaft zufließen, um dann bei der Verwirklichung eines Haushaltsplans zur Verfügung zu stehen. Dies führt leider dazu, daß solche Einrichtungen nicht als Wirtschaftsbetrieb gesehen werden und auch nicht unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten organisiert sind, was letztendlich auch die überhöhten Kosten solcher Einrichtungen mitverursacht. Würde man nun die Einnahmen aus „Ökoabgaben“ einem Sonderfonds für die Entlastung der Sozialsysteme zuführen, wäre man der Steuerbegriffsproblematik und der im Haushaltsplan manifestierten Rangfolge der Mittelverwendung ausgewichen und man hätte im Ergebnis eine Sonderabgabe geschaffen. Der Bildung von Sonderabgaben steht allerdings das Bundesverfassungsgericht ablehnend gegenüber. Es hat darum die Zulässigkeit der Schaffung solcher Sonderabgaben eingeschränkt. Drei Argumente lassen sich dabei gegen Sonderabgaben ins Feld führen: 1.
Es wird durch die Einrichtung von Sonderabgaben das Haushaltsrecht des Parlaments unterlaufen. (Keine parlamentarische Kontrolle)
2.
Der unkontrollierte Anstieg der Staatsquote muß befürchtet werden, da nun jede Gebietskörperschaft Sonderabgaben verlangen könnte. Undurchsichtig wird zudem, wieviel der Staat denn überhaupt einnimmt. (Gefährdung der Formenstrenge der Finanzverfassung)
3.
Durch die fehlende parlamentarische Kontrolle bedingt, wird ein Abgabentopf gebildet und einem Träger überantwortet, der bürokratischen Strukturen obliegt und sich und seinen Aufgabenbereich erfahrungsgemäß automatisch ausdehnt. (Abgabenverschwendung)
Im Bereich der Ökosteuer sind es übrigens gerade diese Überlegungen, die aus ökonomischer Sicht für eine Steuer und eben nicht für eine Umweltsonderabgabe sprechen.
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, daß es zwei Hauptkategorien der öffentlichen Abgaben, die Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs und der verfassungsrechtlich bedenklichen Deckung von Sonderbedarf, gibt, wobei der staatliche Bedarf üblicherweise aus Steuern und Vorzugslasten gedeckt wird.
Ein anderer Problembereich des Steuerbegriffs wird durch den Halbsatz „die Erzielung von Einnahmen kann Nebenzweck sein“ des § 3 AO verursacht, der die sog. Lenkungsteuer begründet. Schon in den 60iger Jahren tauchte im einschlägigen Schrifttum die Frage auf, ob eine Lenkungsteuer überhaupt verfassungsrechtlich zulässig ist. Es kann nämlich passieren, daß bei konsequentem Greifen einer Steuer das Steueraufkommen geradezu null beträgt (Beispiel Verpackungsteuer). Dies wird dann Erdrosselungsteuer genannt, wobei hier nicht nur das „Nullaufkommen“, sondern auch Artikel 12 und 14 GG zum Tragen kommen. Primär bleibt aber das Ziel einer jeden Steuer (Abgaben ohne Gegenleistung) die Einnahmenerzielung zur Deckung des Finanzbedarfs. Allerdings darf mit Steuern auch ein Lenkungszweck verbunden werden, der diese Steuer dominiert, so daß die Einnahmenerzielung in den Hintergrund treten kann. Aber keinesfalls, so ist die Sichtweise des Bundesverfassungsgerichts, darf die Einnahmenerzielung gänzlich wegfallen.
2. Kriterien des Steuerbegriffs Zur Erinnerung noch einmal der Wortlaut des § 3 AO: „Steuern sind Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft; die Erzielung von Einnahmen kann Nebenzweck sein“.
- „Geldleistung“ § 3 AO bezeichnet Steuern als Geldleistung und ist das erste Kriterium des Steuerbegriffs. Dies birgt dann ein großes Problem in sich, wenn zur Bezahlung der Steuern die nötige Liquidität fehlt und dann durch evtl. Verkauf Zerschlagungswerte erzielt werden müssen, die im Veräußerungspreis, der in so einer Situation erzielbar ist, weit unter dem eigentlichen Wert der Vermögensgegenstände liegen (bekannte Beispiele: Thurn und Taxis, Paloma Picasso (ererbte Bilder) oder ganz allgemein Unternehmensvererbung).
- „nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen“ Die nicht bestehende Gegenleistung (im Gegensatz zu den Vorzugsleistungen) ist das zweite Kriterium des Steuerbegriffs. Dazu ist näher auszuführen, daß die zwei grundlegenden Theorien des Steuerrechts das Äquivalenzprinzip, Besteuerung nach dem gleichwertigen Ersatz, und das Leistungsfähigkeitsprinzip, Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, sind. Beispielsweise wurde in der Vergangenheit die Erhebung der Gewerbekapitalsteuer (inzw. abgeschafft) mit der Nutzung der Infrastruktur der Gemeinde (dem Äquivalent) begründet. Jedoch ist ein solches Äquivalenzprinzip nur im Bereich der Vorzugslasten sauber durchzuführen und kann daher als nicht zum Steuerbegriff zugehörig angesehen werden. Für Abgaben, die ohne Gegenleistung erhoben werden, ist daher das Leistungsfähigkeitsprinzip für die Besteuerung entscheidend. Steuern sind also nicht auf eine individuelle Äquivalenz ausgelegt.
- „von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen...auferlegt“ Öffentlich-rechtliche Gemeinwesen ist der Sammelbegriff für alle steuerberechtigten juristischen Personen öffentlichen Rechts. Dies sind Bund, Länder und Gemeinden, aber auch Kirchen und unter Umständen Anstalten (Rundfunkanstalten), insofern sie denn keine Gebühren erheben.
- „zur Erzielung von Einnahmen“ Wie bereits oben angesprochen muß die Steuererhebung (zumindest auch) zur Einnahmenerzielung dienen und endgültigen Charakter besitzen, nicht also zur Rückzahlung vorgesehen sein.
- „allen auferlegt, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft“ Hier werden die Gleichmäßigkeit (Art 3 GG) und die Gesetzmäßigkeit (Artikel 20 Abs. 3 GG) der Besteuerung angesprochen. Dieses Kriterium des Steuerbegriffs geht auf Otto Meyer zurück, der in seinem Lehrbuch des Verwaltungsrechts (Ende des 19. Jahrhunderts) einen auf Gleichheit und Gesetzmäßigkeit abzielenden Steuerbegriff formuliert hat, der später von Enno Becker in die Reichsabgabenordnung (1919) übernommen wurde. Heute wird hierbei von der materiellen Qualität des Steuerbegriffs gesprochen. Diese materielle Qualität könnte allerdings auch woanders hingehören als zu den Kriterien des Steuerbegriffs, denn wenn beispielsweise eine Steuer den Gleichheitssatz verletzen würde, dann hat man eine verfassungswidrige Steuer. Dieser letzte Abschnitt des § 3 AO kann zusammenfassend bemerkt, als Programm, daß die Rechtsstaatlichkeit der Steuer verdeutlichen soll deklariert werden.
Fälle zum Bereich der Sonderabgaben:
Prüfungsschema: • homogene Gruppe der Abgabenpflichtigen • Gesellschaftliche Gruppenverantwortung • Gesellschaftliche Gruppennützigkeit müssen, teilschöpferisch vom Bundesverfassungsgericht entwickelt, vorliegen, um berechtigterweise eine Sonderabgabe einzuführen
Fall 1: (Beschäftigungsabgabe) Die X-Partei will eine Abgabe für Besserverdienende einführen und damit Beschäftigungsprogramme finanzieren. Die Höhe der Abgabe ist 3 % des Betrages der die Einkommensteuerschuld von 50 000 DM überschreitet.
Ergebnis: Die Gruppe der Besserverdienenden kann durchaus nicht von vornherein als homogen bezeichnet werden, noch weniger kann ihr wohl die Verantwortung für die Arbeitslosigkeit zugeordnet werden. Die Gruppe der Arbeitgeber wäre da schon erheblich homogener und als verantwortlich (der Arbeitslosigkeit gegenüber) zu qualifizieren. Diese Ergänzungsabgabe wäre also nur als Steuer zulässig.
Fall 2: (Schwerbehindertenabgabe) Alle Unternehmen, die nicht einen gewissen Prozentsatz ihrer Arbeitsplätze Schwerbehinderten zur Verfügung stellen, müssen eine Schwerbehindertenabgabe entrichten. Mit den Einnahmen aus dieser Abgabe sollen behindertengerechte Arbeitsplätze gefördert werden.
Ergebnis: Die Unternehmer/Arbeitgeber bilden an sich schon eine homogene Gruppe. Sie tragen auch eine Gruppenverantwortung, da sie über die Einstellung von Schwerbehinderten zu entscheiden haben. Gruppennützigkeit kann auch bejaht werden, da die behindertengerechten Arbeitsplätze finanziell gefördert werden und die Arbeitgeber somit auch technisch besser ausgestattete Arbeitsstätten erhalten.
Fall 3: (Wasserpfennig) Für die Entnahme von Grundwasser wird eine Abgabe erhoben, um auf den sparsamen Umgang mit Grundwasser einzuwirken. Die dem Staat zufließenden Mittel gelangen zunächst in den Landeshaushalt, sollen später aber für den Gewässerschutz verwendet werden.
Ergebnis: Zuerst ist hier zu klären, ob es sich hier um eine Steuer, Leistung ohne Gegenleistung, handelt oder nicht. Das Bundesverfassungsgericht ist hier der Ansicht, daß das Wasser ein Allgemein-gut darstellt, welches nicht dem Eigentümer eines Grundstücks zugeordnet werden kann. Ferner muß heutzutage Wasser aus umweltbedingten Gründen durch den Staat reguliert werden. Erteilt der Staat dann die Erlaubnis Wasser zu entnehmen, so handelt es sich dabei um eine staatliche Gegenleistung. Wie eine Baugenehmigung oder eine Sondernutzungsgebühr wird demnach der Wasserpfennig verstanden. Der Wasserpfennig wird also hier als Gebühr qualifiziert. Ursprung diesen Urteils war eine Klage von BASF gegen das Land BadenWürttemberg. Die Gegenmeinung ging davon aus, daß man mit dem Wasser ein Gut (wie bspw. Luft) entnimmt, welches der freien Natur entspringt und nicht staatlicher Verwaltung unterliegt.
Das Problem was sich hierbei stellt ist, daß diese Entscheidung ausstrahlen kann auf das Feld der Gebühren, und somit Sonderabgaben, deren Erhebung gerade durch das Bundesverfassungsgericht erschwert werden sollte, einfach durch Gebühren ersetzt werden könnten.
Fall 4: (Kohlepfennig) Die Wirtschaft wird verpflichtet einen sog. Kohlepfennig zu entrichten zur Förderung des Steinkohlebergbaus, also der Verstromung von Kohle.
Ergebnis: Im Bundeverfassungsgerichtsurteil heißt es: „Der Kohlepfennig ist nicht als Sonderabgabe zu werten, da er eine Allgemeinheit von Stromverbrauchern belastet, die als solche keine besondere Finanzierungsverantwortlichkeit für die Aufgabe trifft, den Steinkohleneinsatz bei der Stromerzeugung zu sichern.“. Die Allgemeinheit der Stromverbraucher (die Menschheit) bildet schon keine homogene Gruppe. Es fehlt aber auch an einer Gruppenverantwortung, den die Sicherung des Steinkohlebergbaus hat zuerst einmal nichts mit Stromerzeugung zu
tun, sondern ausschließlich mit einer staatlichen Subventionspolitik. Das Kriterium der Gruppennützigkeit ist ebenfalls nicht gegeben, es handelt sich sogar eher um eine „Gruppenschädlichkeit“ des Steinkohlebergbaus.
Fall 5: Es besteht die allgemeine Pflicht des Feuerwehrdienstes für Männer. Wer nicht diesen Dienst versieht, muß eine Abgabe abführen.
Ergebnis: Die Kernfrage betrifft natürlich das Gleichheitsproblem. Im Bundesverfassungsgerichtsurteil heißt es hierzu. „Die Beschränkung einer Feuerwehrdienstpflicht und einer hieran anknüpfenden Abgabepflicht auf Männer verstößt gegen das Diskriminierungsverbot des Artikel 3 Abs. 3 GG.“ Auf die Überprüfung der Sonderabgabenkriterien wird verzichtet, jedoch für das Selbststudium dieser Fall als Übung empfohlen. Die durch das Bundesverfassungsgericht (und der ihr entstammenden Rechtsprechung zu den Sonderabgaben) beabsichtigte Transparenz und Kontrolle der Abgabenordnung zwingt den Staat zu sparen. So setzt man sich in der Politik eher für Abgabensenkungen, also entgegen einen ausufernden Staat, ein, als dafür, was in einem unüberschaubaren Abgabensystem nicht der Fall wäre. In allen Ländern, so ist abschließend zu bemerken, ist das Abgabensystem nicht zuletzt wegen dieser enormen haushaltspolitischen Bedeutung äußerst kompliziert und umstritten. Bevor die nächsten Gliederungspunkte B, C und D näher behandelt werden eine übergreifende Betrachtung der Steuerhoheiten allgemein. Die Steuerhoheiten in der Bundesrepublik sind föderal strukturiert, nicht zuletzt deshalb, weil zentralstaatliche Formen für Diktaturen förderlich sind, wie die Geschichte auch am Beispiel der Errichtung des nationalsozialistischen Machtapparats im „Dritten Reich“ zeigt. Man kann zwischen Steuergesetzgebungshoheit, Steuerertragshoheit und Steuerverwaltungshoheit unterscheiden. Die Steuergesetzgebungskompetenz obliegt dabei den Bundesbehörden, wohingegen die Steuerverwaltungshoheit eher auf Ebene der Landesbehörden anzusiedeln ist. Graphisch:
Steuerhoheiten
Steuergesetzgebungshoheit Steuerverwaltungshoheit
Steuerertragshoheit
Wer macht Steuergesetze?
Wer erhält Steuern?
Wer verwaltet Steuern?
Die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse zu wahren ist elementarer Grundbestandteil einer gerechten Gesellschaftsordnung. Würde man beispielsweise die Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuertarife jedes Bundesland selbst bestimmen lassen, so könnte es durchaus sein, daß sich in Bayern vermehrt Unternehmen ansiedeln, während in Niedersachsen Unternehmen abwandern, mit allen sozialen Folgen für die dort ansässige Bevölkerung. Noch deutlicher wird dies, wenn man sich das Beispiel Brasilien und dort besonders Sao Paolo und das westliche Amazonasgebiet ansieht. Während in Sao Paolo sämtliche deutsche Firmen vertreten sind, herrscht im Amazonasgebiet ohnehin schon bitterste Armut. Eine Freigabe der Einkommen und Körperschaftsteuertarife an die Provinzen würde durch eine für Sao Paolo günstig betriebene Tarifsenkungspolitik weitere Unternehmensansiedlungen bedeuten, für das Amazonasgebiet jedoch eine nochmalige Verschlimmerung der Situation bis hin zur Entvölkerung und politischen Destabilisierung. Dieser Wettbewerb der Systeme ist zwar weltweit unvermeidlich, sollte aber aus sozialpolitischen Erwägungen heraus nicht auf Föderationsgebiete übertragen werden. Aus diesem Grunde bedingt die Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Schwerpunkt die Bundesteuergesetzgebung. Neben dieser Betrachtung der Steuergesetzgebungshoheit ist zu der Steuerverwaltungshoheit zu sagen, daß sie eher in den Bereich der Landesbehörden einzuordenen ist, wohingegen das Steueraufkommen sich auf Bund, Länder und Gemeinden verteilt. Dieser Bereich der Steuerertragshoheit ist sicherlich reformbedürftig. So scheiterte die „große Steuerreform“ nicht nur durch parteipolitisches Taktieren, sondern auch an der Streitfrage der Verteilung der Gemeinschaftsteuern. Nach diesem kurzen Überblick nun zu den einzelnen Steuerhoheiten.
B. Steuergesetzgebungshoheit Die Steuergesetzgebungshoheit ist in Artikel 105 GG normiert. Dort heißt es (Abs. 1): „Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über die Zölle und die Finanzmonopole“. Bezüglich der Zölle hat der Bund seine Kompetenz an die Europäische Union abgetreten, so daß Abs. 1 quasi keine Bedeutung mehr hat. Die wirklich wichtige Bestimmung findet sich in Absatz 2. Dort heißt es: „ Der Bund hat die konkurrierende Gesetzgebung über die übrigen Steuern, wenn ihm das Aufkommen dieser Steuern ganz oder zum Teil zusteht oder die Vorraussetzungen des Artikels 72 Abs. 2 vorliegen.“ Durch diesen Satz sind bestimmte Voraussetzungen zu überprüfen. Die erste Überprüfung bezieht sich auf die Frage, ob es sich bei einer Steuer um eine Gemeinschaftsteuer handelt. Dies betrifft dann gleich schon Artikel 106 GG, der angibt das Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer und Einkommensteuer ( nahe 90 % Steueraufkommen) Gemeinschaftssteuern sind und diese von vorneherein der konkurrierenden Gesetzgebung unterliegen. In Artikel 72 GG steht der Begriff „konkurrierende Gesetzgebung“ näher erläutert.
Dort heißt es:“ Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung, solange der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat.“ Konkurrierende Gesetzgebung bedeutet also, daß der Bund immer die Gesetzgebung an sich ziehen kann. Dementsprechend ist das Steuerrecht zu ca. 90 % Bundesrecht. Ein Problem beinhalten noch die in Artikel 105 Abs. 2 alternativen Formulierungen „...ganz oder zum Teil zusteht...“ und „...oder die Vorraussetzungen des Artikels 72 Abs. 2 vorliegen.“. Artikel 72 Abs. 2 ist allerdings in der Vergangenheit im nachhinein dahingehend geändert worden, das in ihn das Erforderlichkeitsprinzip eingebunden wurde. Dort heißt es jetzt (Art 72 Abs. 2 GG): „Der Bund hat in diesem Bereich das Gesetzgebungsrecht, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht.“ Im Bereich der Gewerbesteuer wäre es interessant, ob tatsächlich diese Vorraussetzung eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht, zumal durch unterschiedliche Hebesätze unterschiedliche Gewerbesteuern existieren. Eine Ansicht geht davon aus, daß die Herstellung der gleichwertigen Lebensverhältnisse diese bundesgesetzliche Regelung gebieten könnte. Gegenstimmen (Eekhoff) sehen ein solches Bedürfnis nicht und fordern einen stärkeren Wettbewerb der Systeme, wenngleich dies dazu führen könnte, daß arme Gebietskörperschaften den Anschluß (siehe oben Bsp. Brasilien) völlig verlieren. Neben dieser konkurrierenden Gesetzgebung haben die Länder eine Gesetzgebungskompetenz über die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern (Art. 105 Abs. 2A GG). Diese örtlichen Verbrauch- und Aufwandssteuern sind geregelt in kommunalen Abgabengesetzen, in denen die Gesetzgebung meist von den Ländern an die Gemeinden delegiert sind. Dies gilt insbesondere für die berühmte Verpackungsteuer, die in einer kommunalen Steuersatzung geregelt ist. Die im zweiten Halbsatz erwähnte „Gleichartigkeit“ (“..., solange und soweit sie nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind.“) wurde in der Literatur vielmals diskutiert. Kern der Problematik ist die Gleichartigkeit der Steuertatbestände. Es wird davon ausgegangen (Beispiel Verpackungsteuer), daß bereits die Örtlichkeit der Steuertatbestände/die Gebundenheit einer Konsumsteuer nicht gleichartig ist mit der Umsatzsteuer, der allgemeinen Verbrauchsteuer. Die Umsatzsteuer ist also eine allgemeine Verbrauchsteuer, die alle Leistungen eines Landes belastet und sich insofern durch ihren allgemeinen Charakter von den örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern unterscheidet. Um Infrastrukturkosten in Zweitwohnungsgebieten mit erheblichem Leerstand zu decken wurde die sogenannte Zweitwohnungsteuer eingeführt. Hier wurde die Gleichartigkeit dieser Steuer mit der Grundsteuer verneint und die Zweitwohnungsteuer als Aufwandsteuer, ähnlich der Kfz-Steuer, qualifiziert. In diesem Zusammenhang ist erwähnen. Vom Grundsatz her Aufwandsteuer zu erfassen. Erdrosselung, da insb. bei
noch als Beispiel die Spielautomatensteuer zu ist die Spielautomatensteuer als eine kommunale Allerdings ergab sich hier das Problem der sog, „Killerautomaten“, bei denen durch die
Bemessungsgrundlage fast jeglicher Gewinn abgeschöpft wird, sich eine Aufstellung aller Vernunft nach gar nicht mehr lohnt. Diskutiert wurde hierbei, ob eine reine Lenkungsteuer überhaupt in den Bereich des § 105 Abs. 2a fallen kann, was aber bei minimalen Einnahmenerzielungseffekt als finanzverfassungrechtlich zulässig bejaht werden kann. Abschließend ist zu bemerken, daß es sich bei örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern um eine abgeleitete Gesetzgebungshoheit der Länder handelt und in speziellen Landesgesetzgebungen nachzulesen ist.
In Artikel 106 Abs. 6 GG ist zudem normiert (“den Gemeinden ist das Recht einzuräumen die Nebensätze der Realsteuern (Grundsteuer und Gewerbesteuer) im Rahmen der Gesetze festzusetzen“), daß den Gemeinden die Festlegung von Steuersätzen, was in den Gesetzgebungshoheitsbereich fällt, erlaubt ist. Sytematisch müßte dies eigentlich im Artikel 105 GG stehen, ist aber neben der abgeleiteten Steuergesetzgebungshoheit die zweite Steuergesetzgebungshoheitskomponente (Hebesatzrecht) der Gemeinden. Diskutiert wurde, ob durch eine evt. Abschaffung der Gewerbesteuer insgesamt das Hebesatzrecht, ein Verfassungsrecht der Gemeinden, verletzt würde. Die Kirchen haben auch eine Gesetzgebungshoheit, geregelt in der Weimarer Verfassung, welche in Artikel 140 GG verankert ist. Dort heißt es (Art. 137 Abs. 6 Weimarer Verfassung): „Die Religionsgesellschaften, welche Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, sind berechtigt auf Grund der bürgerlichen Steuerlisten nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen Steuern zu erheben.“ Diese Bestimmung erstreckt sich sowohl auf die Verwaltung (Erhebung der Steuer), als auch auf die Gesetzgebungskompetenz. Der Steuersatz beträgt 9 % von der Einkommensteuerschuld. Die Kirchen räumen allerdings bei „Großverdienern“, die evtl. erwägen aus der Kirche auszutreten, ein, diesen Satz abzusenken. Das muslimischen Religionsgemeinschaften dies nicht betrifft, kann als im Widerspruch zur Religionsfreiheit stehend gesehen werden. Eine Abschaffung der Kirchensteuer allgemein ist gleichsam zu erwägen, denn die Selbstfinanzierung der Kirchen gelingt bspw. auch in der USA.
C. Steuerertragshoheit Die Steuerertragshoheit regelt die Steuergläubigerschaft (Artikel 106 GG). Normalerweise wird weltweit die Steuergläubigerschaft in der Steuergesetzgebung geregelt, in Deutschland jedoch steht sie in der Verfassung. Das wirft das Problem auf, daß eine Steuer, die nicht in der Verfassung geregelt ist, auch nicht neu gebildet werden kann. Eine Neueinführung einer Steuer (Beispiel Energiesteuer) könnte demnach nur eingeführt werden, wenn gleichzeitig der Artikel 106 GG neugefaßt würde. Hier existiert also eine weitere Verknüpfung der Ertragshoheit mit der Gesetzgebungshoheit im Steuerrecht. Im Beispiel der Energiesteuer wird diese jetzt als Verbrauchsteuer im Sinne des Artikels 106 Abs. 2 angesehen, also wie eine erweiterte Mineralölsteuer. Problematisch hierbei ist, daß eine Verbrauchsteuer im Sinne der Rechtsprechung auf den Privatbereich beschränkt abgegrenzt wird, was bei einer Ausweitung der
Energiesteuer auch auf Unternehmen nicht mehr gewährleistet wäre. Die einzelne Aufteilung der Steuern ist dem Artikel 106 GG geregelt. Zur näheren Betrachtung der Gemeinschaftsteuern (Art. 106 Abs. 3 GG) folgendes Schaubild: Gemeinschaftsteuern
Bund
Länder
Gemeinden
Einkommensteuer - Lohnsteuer/veranl.ESt - Zinsabschlagsteuer
42,5% 44%
42,5% 44%
15% 12 %
Körperschaftsteuer
50%
50%
Umsatzsteuer (ab 1998)
49,389%
48,411%
2,2%
Neu hieran ist die Beteiligung der Gemeinden an der Umsatzsteuer. Mit dieser Beteiligung ist den Gemeinden eine Einnahmenquelle erschlossen worden, welche sehr viel zuverlässiger ist als die einer kontraproduktiven Gewerbekapitalsteuer.
D. Steuerverwaltungshoheit Zunächst ist zu bemerken, daß die Bundesverwaltung für alle Steuern eine Kompetenz besitzt, die grenzrelevant sind. Dies sind in erster Linie die Zölle, aber dann auch die bundesgesetzlich geregelten Verbrauchsteuern (Beispiel Tabaksteuer). So wird ein Gut durch spezielle Verbrauchsteuern, nachdem in dem Moment des Exports eine Entlastung eintritt, bei Import (dies liegt nicht zuletzt an der ziemlich unelastischen Preiselastizität der Tabaknachfrage) mit Zöllen, vor allem aber mit Einfuhrumsatzsteuer belastet. Diese Kompetenz liegt nicht (wie man vermuten könnte) darin begründet, daß durch die bundesgesetzliche Regelung zugleich die Verbrauchsteuern in die Ertragshoheit des Bundes fallen. In Artikel 108 Abs. 2 GG heißt es: „Die übrigen Steuern werden durch Landesfinanzbehörden verwaltet.“. Für Erbschaft- und Kraftfahrzeugsteuern (usw.) sind also die Landesbehörden zu-ständig. Im Artikel 108 Abs. 3 GG heißt es dann weiter: „Verwalten die Landesbehörden Steuern, die ganz oder zum Teil dem Bund zufließen, so werden sie im Auftrage des Bundes tätig. Artikel 85 Abs. 3 und 4 gilt mit der Maßgabe, daß an die Stelle der Bundesregierung der Bundesminister der Finanzen tritt.“. Hiermit sind die Gemeinschaftssteuern gemeint. Der Artikel 85 Abs. 4 führt dann näher aus: „Die Bundesaufsicht erstreckt sich auf Gesetzmäßigkeit und Zweckmäßigkeit der Ausführung.“. Grundsätzlich ist es also so, daß der Bund zwar die Verwaltungshoheit besitzt, dies aber nicht praktiziert wird. Praktisch sieht es dann so aus, daß dem BMF zu klärende Fragen gemeldet werden,
wozu Stellungnahmen der Länder ergehen, welche dann geprüft und evtl. durch Einholen von Gutachten oder Befragung von Verbänden durchleuchtet werden, bis es schließlich zu einer Referatsleitersitzung aller Länderkollegen kommt (Bspw. Körperschaftsteuerreferatsleitersitzung), die im steten Wechsel in den einzelnen Bundesländern, z. B. in Bayern Bayreuth) oder im Bundesministerium der Finanzen in Bonn stattfindet. Zu den Themen „Arbeitszimmer“, „wiederkehrende Bezüge“, oder „vorweggenommene Erbfolge“ werden dann solche Sitzungen abgehalten, die schließlich in einem Erlaß, einem BMF-Schreiben münden. Übergreifende Steuerfälle und internationale Steuerfälle bearbeitet das Bundesamt für Finanzen. Darunter fallen die Betriebsprüfung der Deutschen Bank, oder einiger Mineralölkonzerne, oder auch die Verständigungsverfahren im Falle unterschiedliche Verrechnungspreise (Beispiel der italienischen Zündkerze). Im Verhältnis der Finanzämter zu den kommunalen Steuerämtern ist noch zu bemerken, daß lokale Steuern zweckmäßiger Weise von den Gemeinden selbst verwaltet werden. Bei der Gewerbesteuer und der Grundsteuer ist dies aufgrund der zur Erhebung benötigten Bemessungsgrundlage (Grundlagenbescheid/“Gewerbesteuermeßbescheid“) etwas komplizierter. Hier sind für die Grundlagen der Realsteuern die Länder zuständig und nur für die Anrechnung des Hebesatzes und für den Gewerbesteuer- und Grundsteuerbetrag selbst ist die Gemeinde zuständig. Für einen evtl. „Billigkeitserlaß“ muß man sich also an die Gemeinde wenden.
Mitschrift Vorlesung Grundkurs Steuerrecht, Prof. Dr. jur. Joachim Lang, Universität zu Köln
Erster Teil: Grundlagen der Steuerrechtsordnung § 4 Rechtsstaatliche Ordnung des Steuerrechts
A. System des Steuerrechts Der klassische Zweck der Steuererhebung ist es, den Finanzbedarf zu decken, wenngleich stets die Neigung existiert, mit Steuern zu lenken. So hat sich an dieser Stelle eine Normenlehre entwickelt, welche versucht, die verschiedenen Zwecke der Normen zu differenzieren. Dies betrifft beispielsweise die Steuervergünstigungen, deren Abbau zweifelsohne, unter Vernachlässigung von Sozialzwecknormen, zum ursprünglichen Zweck der Besteuerung zurückführt. Zudem schafft dies mehr Transparenz. Übrigens gestaltet sich die Abgrenzung von Steuervergünstigungen schwierig. So ist das Ehegattensplitting, wie bereits schon angesprochen, gar keine Sozialzwecknorm sondern eine Fiskalzwecknorm, wird aber von der Politik als Steuervergünstigung, also Sozialzecknorm, behandelt. Durch diese Ungenauigkeiten der politisch Verantwortlichen mitverursacht, wird das Steuersystem immer wieder durchbrochen und ideologisch unterwandert, was zum bereits erwähnten Steuerchaos führt. Wünschenswert wäre daher ein System/eine Ordnung, die konstante, über Jahrzehnte andauernde Rahmenbedingungen schafft, auf allgemeinen Prinzipien beruht, und somit eine vor allem ökonomisch wünschenswerte Planungssicherheit gewährleistet (“abschreckendes“ Beispiel Rußland). Auf dem Weg dorthin kann zwischen innerem und äußerem System unterschieden werden. Im Rahmen eines äußeren Systems müßte hierfür eine Art Steuergesetzbuch existieren, mit dem eine systematische Methode der Gesetzesauslegung erfolgen kann. Dies allein reicht aber noch nicht aus um Planungssicherheit und ein stabiles Steuerrecht zu konkretisieren, es muß auch die innere Bereitschaft der Politik und des Gesetzgebers existieren, ein inneres Steuersystem zu akzeptieren. Ein solches inneres System ist eine Rechtsordnung, die sich an Prinzipien orientiert (vergleichbar mit der Vertragsfreiheit des Zivilrechts). Ein international anerkanntes Prinzip (Generalprinzip) ist hierbei die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit (Zur Erinnerung: Das Äquivalenzprinzip scheidet durch seine Nichtanwendbarkeit im Bereich des Steuerbegriffs (Steuern sind nicht Gegenleistung für eine bestimmte Leistung) von vornherein als allgemeingültiges Prinzip aus). Es werden drei Normengruppen unterschieden, siehe Schaubild: Es gibt also den Fiskalzweck, der der Deckung des Finanzbedarfs dient und die Steuer dadurch charakterisiert. Grundlegendes Rechtsprinzip ist hierbei die Belastungsgleichheit, die gleichmäßige Austeilung der Steuerlasten, auch das Leistungsfähigkeitsprinzip oder auch die gleichmäßige Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit genannt.
Mit welcher Perfektion das Leistungsfähigkeitsprinzip verwirklicht wird, ist im übrigen entscheidend für die Frage, ob eine Steuer eine Verhaltenslenkung bewirkt. Erstrebenswert wäre natürlich ein Steuersystem, welches die Entscheidungsneutralität optimiert, was bedeuten würde, daß jeder unter Vernachlässigung des Steueraspektes handelt und wirtschaftet. Abzuschichten von diesem Normenkomplex sind die Sozialzwecknormen, deren Maßstäbe (Freiheitsrechte etc.) und Zwecke die Fiskalzwecksteuern durchbrechen. Die Einkommensteuer ist bspw. eine Fiskalzwecksteuer, die den allgemeinen Finanzbedarf decken soll, die bspw. durch „Sonderabschreibungen“ in den neuen Bundesländern durchbrochen wurde. Dies hat im Ergebnis dazu geführt, daß gerade „Einkommensmillionäre“ (eigentl. besonders Leistungsfähige) annährend gar keine Steuern bezahlt haben. D. h. es wird hier durch eine Fiskalzwecknorm die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit ins Gegenteil verkehrt. Ein gutes Steuersystem sollte daher auf Sonderabschreibungen verzichten, wie es übrigens auch in den aktuellen Koalitionsvereinbarungen anklingt. Die Verlustverrechnung, wie vorgesehen, sollte allerdings nicht eingegrenzt werden, denn echte Verluste mindern ja die steuerliche Leistungsfähigkeit und sollten deswegen ausgleichsfähig bleiben, die Minderung der steuerlichen Leistungsfähigkeit (echte Verluste) ist also Fiskalzwecknorm. Ein weiteres Beispiel für die Durchbrechung durch Sozialzwecknormen ist die geplante Einführung der Ökosteuer, wobei die ihr zugrundeliegende ökologische Rechtfertigung unstrittig ist. Strittig bleibt jedoch der Weg zum Ziel mehr Umweltschutz. Nationale Alleingänge in solchen Bereichen führen eher zu einer Verlagerung des Problems in die Nachbarstaaten, die an Ökosteuern durch daraus resultierenden Betriebsverlagerungen partizipieren. Wenn man nun aber davon ausgeht, daß die Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips gerechtfertigt ist, bleibt die Frage, inwieweit bspw. die Freiheitsrechte (Berufsfreiheit) oder das Sozialstaatsprinzip darin involviert werden. Gerade das letztere Prinzip wird berührt, wenn ohne soziale Ausgleichsmaßnahmen (Mehrkinderfamilie in Altbauwohnungen) ,die Ökosteuervorstellungen verwirklicht werden sollten. Vorstellbar wäre hier die Einführung einer Steuervergütung. Der dritte Normenkomplex sind die Vereinfachungszwecknormen. Sie entstanden aus der Tatsache heraus, daß Steuerrecht Massenfallrecht ist. Das Leistungsfähigkeitsprinzip kann nicht auf den Pfennig genau durchgeführt werden. Man ist also auf Typisierungen und Vereinfachungen angewiesen, wie bspw. die Kilometerpauschale. Auch eine „Bilanzierung einer Ehe“ im Hinblick auf Ehegattensplitting oder Versorgungsansprüche bleibt unpraktikabel. Das Ehegattensplitting ist also im Hinblick auf die Nichtberücksichtigung der Eheverhältnisse Vereinfachungsnorm, im Hinblick auf eine tatsächliche Verteilung des Einkommens auf die Ehepartner jedoch Fiskalzwecknorm. Es gibt also auch Mischformen, wo verschiedene Normen sich überschneiden. Eine grundlegende Beachtung und klare Abgrenzung dieser Normengruppen im von der Politik beeinflussten Steuerrecht wäre im Hinblick auf die Transparenz und für den Bürger verständlichen Steuersystem sehr wünschenswert. Würde man ein solches inneres System dieser Art schaffen, wäre es auch schwer, es wieder zu demontieren, was zu Kontinuität und Planungssicherheit führen würde.
B. Rechtsstaatlichkeit des Steuerrechts Der „Rechtsstaat“ ist in Artikel 20 des GG verankert. Zum Rechtsstaat gehört formal die Gesetzmäßigkeit des Handelns und der Rechtsschutz vor unabhängigen Gerichten (Artikel 19 Abs. 4 GG). Diese formale Rechtsstaatlichkeit nützt allein nichts, wenn nicht mit ihr, wie in abschreckender Weise die Erfahrungen aus dem „dritten Reich“ gezeigt haben (Rassengesetze), eine materiale Rechtsstaatlichkeit einhergeht (Artikel 20 Abs. 3). Diese Rechtsstaatlichkeit steht eben im Gegensatz zum formal rechtsstaatlichen aber materialrechtlichen Unrechtsstaat. Formale Rechtsstaatlichkeit wird heutzutage definiert als Rechtssicherheit (“der Bürger muß auf die Rechtsordnung vertrauen können“(Vertrauensschutz)), auf das Steuerrecht übertragen bedeutet dies die Rechtsmäßigkeit der Besteuerung. Es darf nur auf gesetzlicher Grundlage besteuert werden, womit auch wieder das Rückwirkungsverbot betroffen ist. Als Beispiel hierfür ist die Abschaffung der Steuerfreiheit des Sanierungsgewinns zu nennen, die einen unter Annahme der Steuerfreiheit geschlossenen Sanierungsvertrag im nachhinein durch Kassation der Steuerfreiheit der Besteuerung unterwirft. Auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht verwirklicht hier nicht die Rechtssicherheit. Dieses Thema soll aber später an anderer Stelle noch einmal behandelt werden. Materiale Rechtsstaatlichkeit beinhaltet die inhaltlich ausgestaltete Gerechtigkeit. Konkretisiert wird dies zunächst durch verfassungsrechtliche Prinzipien. Dazu folgende Abbildung: Rechtsstaatlichkeit (Art. 1 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3 GG) Gesetz und Recht Formale Rechtsstaatlichkeit
Materiale Rechtsstaatlichkeit
Rechtssicherheit
Gerechtigkeit
- Gesetzmäßigkeit der Besteuerung - Bestimmtheitsgebot - Rückwirkungsverbot - Vertrauensschutz - Rechtsschutz
- Gleichmäßigkeit der Besteuerung - Gesetzmäßigkeit der Besteuerung - Sozialstaatsprinzip - Übermaßverbot (Verschonung des Existenzminimums; Verbot der Erdrosselungsteuer; Halbteilungsgrundsatz (?); Schutz von Ehe und Familie)
Es gibt kaum einen Staat auf der Welt, in dem aus den allgemeinen Grundrechten, in denen nichts über Steuern steht, so konkrete Rechtsprinzipien abgeleitet werden wie in der Bundesrepublik Deutschland. In Italien, wo das Leistungsfähigkeitsprinzip in der Verfassung konkret verankert ist, ist die Rechtsprechung keineswegs so geradlinig und konsequent wie die des Bundesverfassungsgerichts auf die Durchsetzung des Leistungsfähigkeitsprinzips ausgerichtet. So ist die Frage in Deutschland auch in der Steuerpolitik stets, wie denn die Ansicht des Bundesverfassungsgerichts zu einem steuerpolitischen Vorhaben aussieht. Zu bedauern ist in diesem Zusammenhang, daß der Gesetzgeber nicht so gute Gesetze verabschiedet, daß es nicht zu einer Verwerfung durch das Bundesverfassungsgericht kommt. Als erläuterndes Beispiel sei die vorläufige Festsetzung der Kinderfreibeträge angesprochen. Es kann hier durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts etwas geändert werden, die Bestandskraft des Bescheides steht dem nicht entgegen. Die Steuergerechtigkeit wird in Deutschland also sehr ernst genommen, was sich in so einer verfahrensrechtlichen Bestimmung niederschlägt.
C. Gleichmäßigkeit der Besteuerung Ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist es, daß der Grundsatz der Steuergerechtigkeit primär im Gleichheitssatz verankert ist. Die Gleichheit (Artikel 3 Abs. 3) wird durch den Gleichheitsgrundsatz „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich“ bestimmt. Die Gleichheit vor dem Gesetz bedeutet dabei Rechtsanwendungsgleichheit. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beschäftigt sich allerdings in erster Linie nur mit der Vereinbarkeit von Steuergesetzgebung und Gleichheitssatz. Das Gesetz selber wird also auf den Prüfstand gestellt. Diese historische Formulierung, in der französischen Revolution entstanden, geht davon aus, daß das Gesetz immer Gleichheit verbürgt. Das sogenannte „Zinssteuerurteil“, eine Grundsatzentscheidung aus dem Jahr 1991 (Amtliche Sammlung des Bundesverfassungsgerichts S. 239) befasst sich mit dieser Rechtsanwendungsgleichheit. Nachdem nur 20 % des Zinsaufkommens versteuert wurden, ist die Exekutive hierin beauftragt worden, Rechtsanwendungsgleichheit herzustellen (Es heißt dort: “Der Gesetzgeber selbst muß Rahmenbedingungen schaffen, damit die gleichmäßige Durchsetzung der Gesetze gewährleistet ist“). Die Gesetze, die dem entgegenstanden, waren demnach verfassungswidrig. Der Gleichheitssatz wird nun interpretiert als Willkürverbot, d. h. Gleichheit bedeutet keine egalitäre Behandlung, sondern die Rechtfertigung sowohl der Gleichbehandlung, als auch der Ungleichbehandlung. Ungleiches darf nicht willkürlich gleich behandelt werden. Gleiches darf nicht willkürlich ungleich behandelt werden. Willkür bedeutet dabei, daß der Gesetzgeber unter Rechtfertigungszwang steht.Um hier eine Rechtfertigung leisten zu können braucht man einen Maßstab für die Rechtfertigung, und das ist primär das Leistungsfähigkeitsprinzip. Die manchmal von Ökonomen geforderte Kopfsteuer wird hierdurch automatisch
unzulässig. Problematisch bleibt die Frage, ob Einkommen, Vermögen oder Konsum die richtige Konkretisierung steuerlicher Leistungsfähigkeit darstellt.
D. Gesetzmäßigkeit der Besteuerung Die Gesetzmäßigkeit der Besteuerung fällt in den Bereich der formalen Rechtsstaatlichkeit. Ihre Ausgestaltung soll dem Rechtsanwender, den Gerichten, die Möglichkeit offenhalten, den Prinzipien der materialen Rechtsstaatlichkeit zur Geltung zu verhelfen, aber natürlich auch formale Leitlinien in der Rechtsanwendung darstellen. Es sind drei Elemente der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung zu unterscheiden. Der Vorbehalt des Gesetzes ist einer der elementaren Errungenschaften des Rechtsstaats überhaupt. Gab es früher noch die willkürliche, meist von Monarchen veranlasste, ungesetzliche Erhebung von Steuern, muß, nicht zuletzt durch die bürgerlichen Revolutionen hervorgebracht, heutzutage die Erhebung von Steuern auf gesetzlicher Grundlage erfolgen. Mittlerweile unterstehen die Festlegung von Steuersubjekt, Steuerobjekt, Bemessungsgrundlage und Tarif dem Parlament, dem deutschen Bundestag. Dies wird als Parlamentsvorbehalt bezeichnet. Die Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung ist das zweite Element der Gesetzmäßigkeit. Die Verwaltung hat, im Hinblick auf die historische Dimension bedeutsam, auf die Erfüllung der Tatbestandsmerkmale, wie sie ihr vorgegeben sind, besonders zu achten. Der Bürger ist davor geschützt, daß er mit einer Steuer belastet wird, die nicht im Wortlaut eines Steuergesetzes erfaßt wird. Gesetzeslücken können dabei durch Analogien ausgefüllt werden. Die Grenze der Besteuerung stellt dabei die steuerbegründende Analogie dar, deren genauer Verlauf jedoch (“Grauzone“) unbestimmt ist. Der Vorrang des Gesetzes wird durch Abweichungsverbot (der Rechtsanwender darf die Grenzen des Gesetzes nicht überschreiten) und das Anwendungsgebot (die Finanzbehörden sind nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, die gesetzlich geschuldeten Steuern fest- und durchzusetzen (Beispiel Flick)) garantiert. Hierbei zu bemerken ist, daß das Anwendungsgebot insb. dann zu einem wichtigen Thema wird, wenn große Institutionen oder „Mächte“ im Spiel sind. Die gesetzliche Grundlage für die oben aufgeführten Regeln sind der folgenden Auflistung entnehmbar:
Rechtsgrundlagen der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung
1. Grundgesetz Artikel 2 Abs. 1 GG
ökonomische
Handlungsfreiheit
als
elementarer
Bestandteil
des Grundrechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit; Schranken: Verfassungsmäßige Ordnung, subjektive Rechte Dritter
Artikel 14 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 Satz 2 GG
Beschränkung des Eigentums nur durch Gesetz
Artikel 20 Abs. 3 GG Rechtsprechung
Artikel 28 GG
Bindung der vollziehenden an Gesetz und Recht
Gewalt
und
der
Gesetzesbindung der Länder und Gemeinden
2. Abgabenordnung § 3 AO
Steuerbegriff
§ 38 AO
Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung
§ 85 AO
Gleichmäßigkeit der Festsetzung und Erhebung; Gesetzmäßigkeit der Besteuerung
(Bei den vorhergehenden Gesetzesstellen wird auf vollständige Zitierung des Gesetzeswortlaut verzichtet, damit die Nacharbeitung am Gesetzestext, die den Umgang mit Gesetzessammlungen einübt, nicht vernachläßigt wird, denn der Umgang mit den Gesetzen ist unabdingbare Vorraussetzung für das Bestehen der Leistungsnachweisklausur.) Der Gesetzgeber hat allerdings erkannt, daß es keinen Sinn macht, in jedem Fall bis zum äußersten das Prinzip der formalen Rechtsstaatlichkeit der Gesetzgebung durchzuhalten. So finden sich in der Abgabenordnung einige Handlungsspielräume eingebaut. Zum einen resultieren diese aus Praktikabilitätserwägungen, zum anderen aus der Konfrontation von formaler und materialer Rechtsstaatlichkeit. Es kann also im Einzelfall dazu kommen, daß die Festsetzung einer Steuer zu einem „ungerechten“ Ergebnis führt. Dadurch wird die materiale Rechtsstaatlichkeit angesprochen. Hierbei ist der § 163 AO zu nennen. Dort heißt es: “Steuern können niedriger festgesetzt werden, und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, können bei der Festsetzung der Steuern unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre.“. Die Finanzverwaltung kann also von sich aus die Gesichtspunkte materialer Gerechtigkeit berücksichtigen (bspw. Fall einer Unternehmensaufgabe, die ungeschickt ausgeführt, die Altersversorgung gefährdete). Ganz verwandt mit dieser Regelung ist § 227 AO, der Steuererlaß. Die oben bereits erwähnte Praktikabilitätserwägung wird als Opportunitätsprinzip, im Gegensatz zum Legalitätsprinzip, bezeichnet (Beispiel der „Einpersonen-“ und „Massenhausbesetzung“, bei der die Polizei einschreitet, oder auch mangels Praktikabilität nicht).
Im Steuerrecht lässt sich solches z.B. im § 156 AO, dem „Absehen von Steuerfestsetzung, Abrundung“, wiederfinden. In der Übersicht: Ausnahmen vom Legalitätsprinzip I. Billigkeitsmaßnahmen (materiale Gerechtigkeit) 1 abweichende Festsetzung, § 163 AO 2 Steuererlaß, § 227 AO II. Opportunitätsprinzip (Praktikabilität) 1 Absehen von der Festsetzung bei geringer Steuerschuld, § 156 AO 2 tatsächliche Verständigung über Besteuerungsgrundlagen Noch nicht zulässig 1 Steuervereinbarung 2 Vergleich über streitige Steueransprüche Es kann also vom Legalitätsprinzip abgewichen werden, insofern die gesetzlich Grundlage hierfür gegeben ist. Zur Verdeutlichung der Materie folgende Fälle:
Fall 6: (Steuervereinbarung) Der Automobilkonzern A sucht einen Standort für eine neue Teststrecke. Gemeinde G will die Ansiedlung von Unternehmen fördern und vereinbart mit A, zehn Jahre lang nur die Hälfte der eigentlich fälligen GewSt und GrSt zu erheben. Nach Fertigstellung der Teststrecke erhebt G gleichwohl GewSt und GrSt in voller Höhe. Muß A zahlen? Welche steuerlichen Anreize kann G schaffen?
Ergebnis: In § 85 AO ist jeglicher Verhandlungsspielraum ausgeschlossen. Daher muß A zahlen. Andererseits bedeutet dies eine besonder Härte für den A. Das Bundesverwaltungsgericht (BStBl. II 1975, 679) erwägte zwar eine Würdigung nach § 163 und § 227 AO, kam jedoch zu ersterem Ergebnis. Aufgrund der Aussenwirkung einer Entscheidung und einem evtl. Wegbruch der Gewerbesteuereinnahmen durch vermehrten Wettbewerb der Kommunen (Schutz der unattraktiven Kommunen) ist diese Entscheidung auch positiv zu werten.
Fall 7: (Einvernehmliche Schätzung)
Beim Steuerpflichtigen S wurde eine Außenprüfung durchgeführt. In der Schlußbesprechung einigen sich der Außenprüfer, der Sachgebietsleiter der Außenprüfung des Betriebsfinanzamts und S darauf, den Gewinn aus Gewerbebetrieb auf 15 % des Umsatzes zu schätzen (sog. Vollschätzung nach § 162 AO). Nachdem der Prüfungsbericht, in dem diese Vereinbarung aufgeführt ist, dem für die ESt Veranlagung zuständigen Sachbearbeiter zugeleitet worden ist, fragt sich dieser, ob er an die Vereinbarung gebunden ist und entsprechend die ESt-Bescheide ändern muß.
Ergebnis: Fraglich ist hier, ob der Gewinn rechtswidrig ermittelt worden ist, andernfalls muß er den ESt- Bescheid ändern und sich an die Vereinbarung halten. Nach § 162 AO ist die Schätzung aufgrund von Praktikabilitätserwägungen zulässig, allerdings muß es sich dabei um eine einseitige Schätzung handeln. In diesem Fall war jedoch der S mitbeteiligt. Die Rechtsprechung läßt tatsächlich eine Art Vereinbarungsspielraum zu, aber nur in den Fällen, wo es um die Ermittlung von Tatsachen geht, Tatsächliche Verständigung genannt. Verständigung auf Tatsachen ist also rechtmäßig, Vereinbarungen auf die Höhe der Steuerschuld oder Vereinbarungen auf evtl. Rechtsfolgen sind hingegen rechtswidrig. Auf den Fall bezogen heißt das, daß Steuervereinbarungen grundsätzlich unzulässig sind (Gesetzmäßigkeit der Verwaltung § 85 AO), aber eine Verständigung über Tatsachen (sog. Tatsächliche Verständigung) zulässig ist , auch mit der Folge, daß später eine Bindungswirkung für die Veranlagung eintritt. Die Tatsächliche Verständigung ist dabei von der Rechtsprechung entwickelt worden und durch die Regelung in § 79 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung untermauert. Ein ganz neuer Erlaß zusammenfassend hierzu in der Übersicht:
Tatsächliche Verständigung (vgl. OFD München DStR 1998, S. 1635)
1. Rechtsgrundlage a) BFH: richterliche Rechtsfortbildung (“unabweisbares praktisches Bedürfnis“, Hinweis auf § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FGO - gütliche Beilegung des Rechtsstreits) b) Literatur: öffentlich-rechtlicher Vertrag 2. Voraussetzungen a) Zweifelsfrage im Bereich der Sachverhaltsaufklärung, wenn Schätzungs- bzw. Beweiswürdigungsspielraum besteht (z.B. § 162 AO), jedoch nicht: Klärung von Rechtsfragen oder Einigung auf Rechtsfolgen b) vollständige Ermittlung nach § 88 AO (Untersuchungsgrundsatz) zu schwierig oder zu langwierig c) Beteiligung des für die Veranlagung zuständigen Amtsträgers (Vorsteher, Sachgebietsleiter des Veranlagungsbereichs)
3. Rechtsfolge Der Steuerpflichtige und die Finanzverwaltung sind nach dem Grundsatz von Treu und Glauben an die tatsächliche Verständigung gebunden (Vertrauensschutz); das Ergebnis ist Grundlage der Veranlagung Anmerkung zu 2.c): Aus § 157 Abs. 2 AO ergibt sich daß Besteuerungsgrundlagen (hier für den Gewinn aus Gewerbebetrieb) keine Feststellung mit Bestandskraft sind. Dementsprechend wirkt das Betriebsstättenfinanzamt im Hinblick auf die Veranlagung vorbereitend, wohingegen daß Wohnsitzfinanzamt die Festsetzung der Steuer durchführt.
Eine solche Gliederung kann ein gutes Fundament für den Aufbau einer Fallbearbeitung in der Klausur darstellen, wenngleich dieses „Schema“ natürlich von jedem selbst modifiziert werden muß auf die jeweiligen Themenbereiche, bspw. Rückwirkung und andere. Die hierzu gehörende BFH-Entscheidung findet sich im BStBl. II 1991, 45. In der Praxis ist es im übrigen so, daß sich Steuerpflichtige vorzugsweise auf die tatsächliche Verständigung einlassen, wenn sie noch etwas „in der Hinterhand haben“, was den Finanzbehörden noch gar nicht zur Kenntnis gelangt ist (Stichwort “Minenfeld“).
Zur Erweiterung des Horizonts nun folgender internationaler Vergleich: Das amerikanische Steuerrecht sieht in einer Anweisung an ihre Finanzämter vor, einen Rechtsbehelf durch Vergleich von sich aus anzubieten. Hier wird ein klar ökonomischer Ansatz verfolgt. § 85 AO ist also in den USA kein Thema, jedoch würde niemand behaupten, die USA seien kein Rechtsstaat.
USA: Erledigung von Rechtsbehelfen durch Vergleich
IRS (Amerikanische Finanzverwaltung) practice rules: „Appeals will ordinarily give serious consideration to an offer to settle a tax controversy on a basis which fairly reflects the relative merits of the opposing views in the light of the hazards which would exist if the case were litigated. However, no settlement will be made based upon nuisance value of the case to either party.“ => 99% aller Rechtsbehelfe werden durch Vergleich erledigt, es gibt nur ein Finanzgericht (tax court) Aus der historischen Erfahrung heraus, daß die früheren Monarchen es sich zu eigen machten, im nachhinein Dinge unter Strafe zu stellen, ist der Artikel 103 II GG in das Grundgesetz aufgenommen worden. Dieser Grundsatz gilt allerdings ausdrücklich nur für das Strafrecht, jedoch hat das Bundesverfassungsgericht ein generelles Rückwirkungsverbot für alle Gesetze abgeleitet. Werden dennoch rückwirkend
Gesetze erlassen, so hat der Bürger aufgrund der Verfassungswidrigkeit der Gesetze die Möglichkeit dagegen gerichtlich vorzugehen (Klage, Verfassungsbeschwerde, Normenkontrolle sind allesamt möglich). Zur besseren Übersicht folgender Überblick:
Verbot rückwirkender Gesetze
Artikel 103 II GG: absolutes Verbot rückwirkender Strafgesetze Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) leitet aus dem Rechtsstaatsprinzip (Vertrauensschutz, Rechtssicherheit) in Verbindung mit den Grundrechten (insb. Artikel 2, 3, 12, 14 GG) ein prinzipielles Verbot rückwirkender Gesetze ab, das auch für Steuergesetze gilt. Dabei sind drei Fragen zu beantworten: 1. Wann hat ein Gesetz spezielle Rückwirkung? Und speziell im Steuerrecht: Wann liegt bei der Änderung periodischer Steuern eine Rückwirkung vor? 2. Gilt das Rückwirkungsverbot, das für belastende Gesetze entwickelt wurde, auch für die rückwirkende Aufhebung einer Begünstigung? Und speziell im Steuerrecht: Kann der Bürger auf den Bestand einer Steuervergünstigung vertrauen? 3. Kann ein rückwirkendes Gesetz ausnahmsweise verfassungsmäßig sein? Und speziell im Steuerrecht: Darf der Staat z.B. bei einer finanziellen Notlage die Steuern rückwirkend erhöhen? Die Rückwirkungsproblematik ist eine der schwierigsten Materien im Steuerrecht. Es reicht daher für die Studierenden dieser Vorlesung aus, die Unterscheidung des Bundesverfassungsgerichts reproduzieren zu können. Das Bundesverfassungsgericht unterscheidet im Bereich der Rückwirkung zwischen echter und unechter Rückwirkung. Wenn das Gesetz nachträglich in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände ändernd eingreift, spricht man von echter Rückwirkung. Wird hingegen auf noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft eingewirkt und damit zugleich die Rechtsposition nachträglich im ganzen entwertet, so spricht man von echter Rückwirkung. Zum besseren Verständnis folgende Übersicht: Echte und unechte Rückwirkung Rechtssicherheit/ Vertrauensschutz
Handlungsfähigkeit des Gesetzgebers
1. Echte Rückwirkung (2. Senat: Rückbewirkung von Rechtsfolgen) liegt vor, wenn ein Gesetz nachträglich in der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift bzw. auf einen Zeitpunkt angewendet wird, der vor seinem Inkrafttreten liegt. Beispiel: Der Gesetzgeber beschließt 1998, den Est- Tarif für die Jahre 1995-1997 zu erhöhen
2. Unechte Rückwirkung (2. Senat: tatbestandliche Rückanknüpfung) liegt vor, wenn das Gesetz auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte auf die Zukunft einwirkt und Rechtspositionen nachträglich entwertet.
Beispiel: A erwirbt 1998 Bauerwartungsland, das er im Jahr 2000 steuerfrei mit Gewinn verkaufen will. Der Gesetzgeber beschließt kurz darauf, die Spekulationsfrist für Grundstücke von 2 auf 10 Jahre zu verlängern. Die unechte Rückwirkung ist grundsätzlich zulässig; der Bürger kann nicht auf den Fortbestand günstiger Bedingungen vertrauen.
Das große Problem insb. des Steuerrechts ist es, daß es sich mit einer Fülle von Dauerschuldverhältnissen beschäftigen muß. Würde man diesen Dauerschuldverhältnissen einen ständigen Vertrauensschutz einräumen, würde dies zur Zementierung des Steuerrechts führen, so daß einzelne Steuergesetze gar nicht mehr geändert werden könnten. Inwieweit nun die Notwendigkeit einer Änderung (legitimes Änderungsinteresse) im Hinblick auf den Vertrauensschutz des Steuerzahlers berücksichtigt werden muß, ist nun abzuwägen. Zudem taucht noch das Problem auf, daß ein Rückwirkungsbegriff nicht spezifisch für das Steuerrecht entwickelt werden kann (also nicht wie der Rückwirkungsbegriff des Strafrechts), sondern allgemeine Regeln gelten, die auf alle Rechtsgebiete ihren Einfluß haben. Ist im Bereich der Hochschulgesetzgebung der Rückwirkungsbegriff relativ weit ausgelegt, so steht die Rechtsprechung im Bereich des Steuerrechts eher auf der Seite des Gesetzgebers und definiert einen engeren Bereich, der von der Rückwirkung tangiert wird. Das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform ist ein Beispiel für die teils unzulängliche Ausprägung des Rückwirkungsbegriffs im Steuerrecht (Beispiel der Abschaffung der Steuerfreiheit der Sanierungsgewinne: Hierbei war die Steuerbefreiung Grundlage eines Vertrages, so daß den Vertragsparteien der Vertrauensschutz entzogen wurde). Der Abbau von Steuervergünstigungen ist zwar sicherlich durchführbar, es sollte aber eine rechtmäßigere Abwägung des Anwendungsbereiches der Vorgehensweise angestrebt werden. Ein plastisches Beispiel für unechte Rückwirkung hingegen stellt ein Arbeitsvertrag da, bei dem man selbstverständlich nicht darauf vertrauen kann, daß der Nettolohn stets der gleiche bleiben wird. Eine genaue Grenze zwischen echter Rückwirkung, Rückbewirkung von Rechtsfolgen, und unechter Rückwirkung, tatbestandlicher Rückanknüpfung, zu ziehen fällt schwer. Hierum geht es auch im Fall des Solidaritätszuschlags.
Fall: Solidaritätszuschlag (belastendes Gesetz mit Rückwirkung Das Gesetz zur Einführung eines befristeten Solidaritätszuschlages (SolZ) wurde am 24. Juni 1991 ausgefertigt, am 27. Juni 1991 im Bundesgesetzblatt (BGBL.) verkündet und ist am 28. Juni 1991 in Kraft getreten. Mit ihm ist eine Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer eingeführt worden, die nach dem Konzept der Gesetzesinitiative 7,5 v. H. der auf die Zeit vom 1.Juli 1991 bis 30. Juni 1992
anfallenden Einkommensteuer betragen sollte. Da die Einkom-mensteuer jedoch nach dem in einem Kalenderjahr bezogenen Einkommen berechnet und festgesetzt wird, ist der Zuschlag mit 3,75 v. H. der für 1991 und 1992 festgesetzten Einkommensteuer bemessen worden. Der Stpfl. A hat im Mai 1991 seinen Gewerbebetrieb verkauft und dabei einen Veräußerungsgewinn von 2,1 Mio DM erzielt. Ist die Einbeziehung des Veräußerungsgewinns in die Bemessungsgrundlage des SolZ rechtmäßig? Hinweis: BFH BStBl. II 1992, 702
Graphisch: 15.5. Verkauf
28.6. Gesetz in Kraft
31.12. ESt entsteht
Das Bundesverfassungsgericht ist grundsätzlich der Auffassung, daß bei Periodensteuern sich der Tatbestand erst mit Ablauf der Steuererhebung verwirklicht. Bei der Einkommensteuer ist es also so, daß erst während des Kalenderjahres (Veranlagungszeitraum) sich der Tatbestand verwirklicht und so lange nicht der letzte Bestandteil der in diesen Bereich fallenden Bemessungsgrundlage geklärt ist, so lange steht nicht fest, welches Jahreseinkommen vorliegt. Das Bundesverfassungsgericht ist weiter der Ansicht, daß, so weit dies offen ist, der Tatbestand nicht verwirklicht ist, so daß dann der Gesetzgeber ihn betreffende Regelungen noch ändern kann. So verlor auch der Unternehmer im Falle des Solidaritätszuschlags vor dem Bundesfinanzhof. Bei Periodensteuern gilt also, daß sie auf abgeschlossene Sachverhalte einwirken können, da sie sich erst während eines Periodenzeitraums abschließend verwirklichen. Der Vertrauensschutz ist bei Periodensteuern gering. Keine Rückwirkungsprobleme gibt es hingegen bei punktgenau fixierbaren Steuern, z.B. der Grunderwerbsteuer, die im Zeitpunkt des Kaufs anfällt. Die Rückwirkungsproblematik verkompliziert sich durch die Frage, welcher Zeitpunkt für den Dispositionsschutz als maßgeblich gilt. So galt beim Solidaritätszuschlag der Ankündigungszeitpunkt (1990), auch Ankündigungseffekt genannt, als maßgeblich, so daß der im Mai handelnde Verkäufer mit dessen Einführung rechnen mußte. Ansonsten war jedoch nach Meinung des Bundesverfassungsgerichtes der Zeitpunkt des verbindlichen Gesetzesbeschlusses maßgeblich. Allerdings ist selbst das vom Bundestag verabschiedete Steuerreformgesetz für 1998/1999, also ein Gesetzesbeschluß, gescheitert. Hier sollte bei zustimmungsbedürftigen Gesetzen also besser auf den Vermittlungsausschuß oder allgemein auf den letzten verfassungsmäßig zuständigen Gesetzgeber und seinen endgültigen Beschluß abgestellt werden. Dadurch wäre dann auch der Vertrauensschutz gewährleistet. Im Fall der Sonderabschreibungen hat jedoch das Bundesverfassungsgericht wieder den Zeitpunkt der Ankündigung als maßgeblichen Zeitpunkt bestimmt.
Fall: Bewertungsfreiheit für Handelsschiffe (Aufhebung einer Steuervergünstigung)
Durch das Jahressteuergesetz 1997, verkündet am 20.12.1996, wurde die Sonderabschreibung für Handelsschiffe (“Bewertungsfreiheit“) nach §§ 51 I Nr. 2 Buchstabe w, 82 f. EStDV auf solche Handelsschiffe beschränkt, die vor dem 1.1.1999 angeschafft oder hergestellt werden und bei denen der Kaufvertrag oder Bauvertrag vor dem 25.4.1996 abgeschlossen worden ist. Der Gesetzgeber schaffte die Sonderabschreibung ab, um Steuersparmodellen einen Riegel vorzuschieben. - 42 2059 / Prof. Dr. iur. Joachim Lang / Steuerrecht I / 02.11.1998 / Lüdtke-Handjery
Die A-Reederei hatte am 30.4.1996 einen Schiffsbauvertrag über ein Containerschiff abgeschlossen, das in Taiwan gebaut und dann auf eine KG übertragen werden sollte, um den Verkauf von Schiffsbeteiligungen an Kapitalanleger zu ermöglichen. Sie vertraute bei Abschluß des Kaufvertrages auf einen Beschluß der Bundesregierung vom 25.4.1996, wonach die Sonderabschreibung erst für Verträge nach dem 30.4.1996 abgeschafft werden sollte. Im Gesetzesbeschluß des Bundestages wurde der Stichtag dann auf den 25.4.1996 vorverlegt, um den nach der Ankündigung der Bundesregierung noch schnell aufgelegten Steuersparmodellen die Grundlage zu nehmen. Da die erwarteten Steuervorteile der Anleger aufgrund der Änderung des § 82 EStDV nicht mehr eintreten konnten, waren die Schiffsbeteiligungen der A-Reederei unverkäuflich. Hinweis: BverfGE 97, 67 Graphisch: 25.4.. Ankündigung
30.4.. Vertrag
20.12. Gesetz in Kraft
Hier entschied das Bundesverfassungsgericht, wenn die Abschaffung einer Sonderabschreibung angekündigt worden ist (durch Gerichte), dann sollten bereits die betroffenen Verträge keinen Vertrauensschutz mehr genießen. Etwas, was also noch im Gesetz steht, kann somit aufeinmal nicht mehr gelten, was einen ganz massiven Eingriff in die Steuerplanungssicherheit darstellt. Man bewegt sich also in einem Raum der Unwägbarkeiten, denn ob der Ankündigung etwas auch tatsächlich folgt, bleibt unklar. Es wird quasi von dem Betroffenen dadurch verlangt, gemäß dem handelsrechtlichen Vorsichtsprinzip zu agieren (“Es könnte passieren, daß ..). Wüschenswert wäre es, man würde bei der Rückwirkungsproblematik auf den Gesetzesverkündungszeitpunkt abstellen. Leider ist diese gute und faire Lösung nicht gewählt worden.
E. Sozialstaatsprinzip und Steuerrecht 1. Tarif und Existenzminimum Die Steuerfreiheit des Existenzminimums ist 1992 vom Bundesverfassungsgericht angeordnet worden. Bis zu dieser Entscheidung gab es noch einen Grundfreibetrag von 5616 DM. Der Grundfreibetrag ist nun nach §32 a Abs. 1 Satz 1 EStG auf 12365 DM festgesetzt worden. Die Funktion dieser Norm ist es, daß Existenzminimum steuerfrei zu lassen. Die Querverbindung zwischen Steuerrecht und Sozialrecht besteht in der einheitlichen Definition der Existenzminima (Man erinnere sich an das Beispiel des ehemaligen Kioskbesitzer „der als Sozialhilfeempfänger auf einer teuren Düsseldorfer Einkaufsmeile einkaufen ging“) Der verfassungsrechtliche Anspruch auf Sozialhilfe hat mehrere Wurzeln. In Artikel 1 GG (Schutz der Menschenwürde) wird der Schutz des soziokulturellen Existenzminimums festgeschrieben. In Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip (Artikel 20 Abs. 1 GG und Artikel 28 Absatz 1 Satz 1 GG) wird der Staat zu positiven Transferleistungen verpflichtet.
In Artikel 6 GG (Schutz von Ehe und Familie) wird nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts das Ehegattensplitting, welches aus dem Benachteiligungsverbot des Absatzes 5 herrührt, der Grundfreibetrag für Ehepartner verdoppelt. Der Familienleistungsausgleich, begründet in Artikel 3 (Leistungsfähigkeitsprinzip), Artikel 1 und Artikel 6 GG, beinhaltet den Anspruch des Bürgers auf das Existenzminimum des Kindes, welcher durch den Kinderfreibetrag geregelt wird. Noch besser wäre es allerdings in einem sog. Familienrealsplitting das Familienexistenzminimum dem Familiensozialhilfeminimum anzugleichen. Weiter wird in der Entscheidung auf Artikel 12 und Artikel 14 GG (Verbot der Erdrosselungsteuer) angespielt. Das Existenzminimum tritt also in vielfältiger Weise auf den Plan und wird durch eine Reihe von Grundrechten gerechtfertigt. Kern des Ganzen ist das sozialstaatliche Denken, also der Anspruch des Bürgers auf Sozialtransfers. An dieser Stelle scheint es überlegenswert, einmal darüber nachzudenken, was Abwesenheit von Sozialstaat eigentlich bedeutet (Beispiele Vororte von San Francisco und Sao Paolo). Neben dieser Aussage des Sozialstaatsprinzips den Sozialtransfers und das Existenzminimum betreffend (konsequente Umsetzung des Leistungsfähigkeitsprinzips), steht der Umverteilungszweck des Steuersystems, repräsentiert durch den progressiven Verlauf des Steuertarifs. Ohne Sozialstaatsprinzip würde sich für das Steuersystem aus dem Gleichheitssatz ein proportionaler Tarif ergeben, so existiert aber ein progressiver Tarif, der aber leider erheblichen Steuerwiderstand auslöst, so daß sich Steuerpflichtige eines hohen Progressionsbereiches durch Beratung oder Auswanderung der Steuerzahlung entziehen. Dies kann im Ergebnis dazu führen, daß weniger Steuern eingenommen werden, die dann zu noch höheren Belastungen aller führen können. Um den Steuerwiderstand zu umgehen, sollte man einen maßvollen progressiven
Tarif festsetzen. Für Prof. Lang wäre ein Spitzensteuersatz von 45 % vorstellbar, der allerdings bei einer angestrebten rechtsformneutralen Besteuerung von 35 % Gleichheitsprobleme aufwirft. Die Umverteilung wird aber nicht nur durch Tarife, sondern bspw. durch die Erbschaft- und Schenkungsteuer vollzogen, wenngleich mit geringer Effizienz, da man sich dieser Steuer relativ leicht entziehen kann (Beispiel Flick). Steuersätze und Steuern sollten also so gestaltet sein, daß die Steuern auch bezahlt werden.
F. Verfassungsrechtliche Schranken der Besteuerung 1. Schutz der Menschenwürde und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Der Schutz der Menschenwürde wurde vom Bundesverfassungsgericht in den Mittelpunkt des verfassungsrechtlichen Wertsystems gerückt. Dies betrifft zum einen das bereits besprochene Existenzminimum, zum anderen den Schutz im Steuerverfahren. Gibt jemand in seiner Einkommensteuererklärung ein Arbeitszimmer an, so kann es sein, daß sich der Finanzbeamte von der tatsächlichen Existenz dieses Raumes vergewissern muß. Auch bei Krankheitskosten wird ein Teil der Intimsphäre berührt. Es besteht also ein Recht der Verwaltung auf Kontrolle der erklärten Daten, wenngleich das Eindringen in die Privatsphäre kein unzumutbares Vorgehen beinhalten darf. Von Finanzgerichten wird dann entschieden, zu welcher Tageszeit (Stichwort Bademantel) der Finanzbeamte den Steuerpflichtigen aufsuchen darf etc. . Im englischen Steuerrecht (als Gegenbeispiel) wird versucht, nicht an die die Privatsphäre betreffenden Tatbestände anzuknüpfen. Dort wird eine Abzugsfähigkeit einer Kinderbetreuerin gar nicht erst zugelassen, da es „niemanden etwas angeht“, wer wann sein Kind betreuen läßt. Konkretisiert wird das Grundrecht der Menschenwürde durch die Anwendung des Übermaßverbots.
2. Schutz des Steuergeheimnis
Rechts
auf
informationelle
Selbstbestimmung
durch
das
Diese Bestimmung ist in § 30 AO normiert. Zum Bereich des Datenschutzes erging vom Bundesverfassungsgericht das sog. Volkszählungsurteil, welches das Recht auf informationelle Selbstbestimmung festgelegt hat. Jedermann denkt zunächst, er habe die alleinige Herrschaft über seine persönlichen Daten. Leider ist dem nicht so. Vom gesetzlichen Tatbestand her ist der Steuerzahler verpflichtet, seine Angaben, die er geltend macht, zu belegen. Dadurch wird die Preisgabe der persönlichen Daten der Gesetzgebung unterstellt. Der Schutz des
Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ist hiermit nicht gemeint (man ist sogar zur Mitwirkung verpflichtet; Beispiel Betriebsprüfung einer Zahnarztpraxis, bei der man nach seiner Behandlung befragt wird), sondern bezieht sich auf die Verwertung dieser Daten. D. h. wenn Daten für einen bestimmten Zweck der Finanzverwaltung übermittelt werden, dürfen diese Daten nicht für andere Zwecke als angefordert verwertet werden (Verwertungsverbot oder „Kästchenprinzip“). Dieses Prinzip wird leider nicht immer durchgehalten.
Fall 8: Betriebsprüfer B hat bei einer Außenprüfung festgestellt, daß Ramschkönig R 20 offensichtlich gestohlene HiFi-Geräte weit unter Preis erworben und zum normalen Preis an Gutgläubige weiterverkauft hat. Den Gewinn aus diesem Geschäft hat R ordnungsgemäß versteuert. Darauf macht der Betriebsprüfer den Staatsanwalt aufmerksam. Ausgangslage sind wieder allgemeines Persönlichkeitsrecht Artikel 1 und Artikel 2 GG, sowie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung in § 30 AO. Dort heißt es in Absatz 1: „Amtsträger haben das Steuergeheimnis zu wahren“. § 7 AO definiert den Begriff Amtsträger genauer (Richter etc.). D.h. jeder der Amtsgeschäfte zu übernehmen hat wird in den Datenschutz miteinbezogen, und ihm ist die Verpflichtung auferlegt, diesen Datenschutz zu gewährleisten. Bei Nichterfüllung kann ein solches Verhalten zum Verwertungsverbot oder ähnlichem führen. Wird in einem Verfahren (Kästchen) etwas offengelegt, was der Amtsträger nicht allein in diesem Verfahren beläßt (im Kästchen beläßt), so verletzt er das Steuergeheimnis (§ 30 Absatz 2). Die befugte Offenbarung ist in Absatz 4 geregelt. Dies betrifft in Nr. 1 die Zulässigkeit von Kontrollmitteilungen (z.B. die Einkünfte des HiFi-Geräte Diebes aus vorherigem Fall dürfen dem zuständigen Wohnsitzfinanzamt mitgeteilt werden). Weiter ist internationaler Auskunftsverkehr (§ 117 AO) gestattet (Nr. 2). Soweit (Nr. 3) der Betroffene zustimmt (Beispiel „Schreinemakers“), kann die Finanzbehörde Stellung nehmen, sie ist jedoch grundsätzlich nicht verpflichtet, bei etwaigem Einverständnis des Betroffenen sich bspw. im Rahmen einer Fernsehshow zu äußern. Nr. 4 spricht auf Steuerstrafverfahren an, wobei grundsätzlich gilt, daß bei Nichterfüllung der Vorraussetzungen des Nr. 4 der Staatsanwalt auch nicht informiert werden darf. Nr. 5 schließlich beschäftigt sich mit dem öffentlichen Interesse an einer Offenlegung. Im Steuerfall der Tennisspielerin Stefanie Graf sind nicht nur Steuerdaten des involvierten Vaters Peter Graf, sondern auch der Tochter veröffentlicht worden (betrifft insb. Nr.5 c) ). Stefanie Graf ist hier unzulässiger Weise ins Licht der Öffentlichkeit gezerrt worden. Wünschenswert wäre daher auch eine genauere Beachtung des Steuerschutzgeheimnisses insgesamt. Das Steuergeheimnis, eine besondere Form des steuerrechtlichen Datenschutzes und traditionell stets als Pionier des Datenschutzes überhaupt gilt, ist historisch eigentlich nur aus fiskalischen Motiven heraus entstanden. Man wollte zu Beginn diesen Jahrhunderts vermeiden, daß Daten aus Angst vor Weitergabe nicht erklärt wurden. Man war also anfangs keineswegs bemüht, den Schutz des Rechts auf
informationelle Selbstbestimmung zu gewährleisten. Keinesfalls ist das Steuergeheimnis ein international regierender Grundsatz. Es ist sogar in manchen Ländern üblich, Steuerlisten mit namentlich aufgeführten Beitragszahlen öffentlich auszuhängen. In Japan werden anonyme Listen präsentiert, in Schweden besteht so gut wie gar kein Steuergeheimnis und in Luxemburg wiederum (Luxemburg hat Enno Beckers AO übernommen) existiert ein Steuergeheimnis. Die nationalen Regelungen zu diesem Thema sind also sehr unterschiedlich.
Der Schutz von Bankkunden durch § 30 a AO betrifft den Bereich der Zinsbesteuerung. Der § 30 a Absatz 3 Satz 2 „Die Ausschreibung von Kontrollmitteilungen soll insoweit unterbleiben“ führt dazu, daß Zinsen heute immer noch nicht in einer vollständigen Weise erfaßt und besteuert werden. Früher in den 60iger Jahren war es üblich, den einzelnen Wohnsitzfinanzämtern der Bankkunden mitzuteilen, welche Zinsen wann und wo vereinnahmt wurden. In einem Bankenerlaß ist dies dann abgeschafft und später in einem Gesetz festgeschrieben worden. Gemäß eines Urteils zur Zinsbesteuerung (Rechtsanwendungsgleichheit) ist nocheinmal festgelegt, daß der Gesetzgeber dafür sorgen muß, daß die Vollzugsbedingungen die Gleichmäßigkeit der Steuerrechtsanwendung gewährleisten müssen. Aufgrund der kontraproduktiven Bestimmungen des § 30 a AO hierzu kann dieser Paragraph durchaus als verfassungswidrig angesehen werden. Die verfassungskonform sehr enge Auslegung (verfassungskonforme Interpretation) des § 30 a AO durch das Urteil bedingt aber, daß, wenn ein Kapitalabfluß nach bspw. Luxemburg bekannt wird, so daß eine Zinsversteuerung nicht sichergestellt ist, gehandelt werden kann; d.h. daß solche Luxemburger Konten auch systematisch ausgewertet werden können. Somit hat das Urteil die Wirksamkeit des § 30 a AO stark eingeschränkt. Wünschenswert wäre die Einführung von Modellen der zinsbereinigten Unternehmenssteuer oder der Cash-Flow Steuer wie sie in Kroatien verwirklicht wurden. Diese Modelle stellen eine inflationsneutrale Besteuerung sicher und machen eine Zinsbesteuerung erträglich, wohingegen sich bei einer jährlichen Zinsabgeltungssteuer von ca 30 % sich nach 20 Jahren schon die reale Steuerlast verdoppelt hat (durch die entgangenen Zinseszinsen).
3.Beschränkung der Besteuerung durch das Übermaßverbot
Das Übermaßverbot hat einerseits seine Wurzeln im Rechtsstaatsprinzip (Artikel 20 GG), andererseits in den Grundrechten (insb. Artikel 12 Absatz 1 und Artikel 14 Absatz 1). Verlustreiche Unternehmen, die durch Gewerbekapitalsteuer oder Vermögensteuer übermäßig belastet waren, wurden durch Billigkeitsmaßnahmen der Finanzverwaltung dem Übermaßverbot entsprechend wieder entlastet. Die übermäßige Besteuerung soll also durch das Übermaßverbot ausgeschlossen werden. Im Steuerverfahrensrecht hat das Übermaßverbot eine ganz besondere Bedeutung.
Zur Verdeutlichung folgender Fall: Fall 9:
Betriebsprüfer B hat festgestellt, daß der Gewerbetreibende G seine Ehefrau als Sekretärin beschäftigt und ihr Gehalt als Betriebsausgaben geltend gemacht hat. Darf der Betriebsprüfer den Pförtner des Betriebes fragen, ob die Ehefrau des G auch tatsächlich im Betrieb arbeitet? (Zusatzinformation: Für eine steuerliche Anerkennung von Verträgen zwischen Angehörigen ist eine tatsächliche Vertragsdurchführung zwingend notwendig)
§ 200 Absatz 1 AO birgt in sich eine gewisse Vorgehensweise bezüglich der Reihenfolge der Befragung, die Befragung des Pförtners wäre demnach zuletzt vorzunehmen. Zudem ist zu befürchten, daß durch solche Methoden das Betriebsklima vergiftet wird, was vielleicht als für die Betroffenen unzumutbar gewertet werden kann. Die Verletzung des Übermaßverbots wird in drei Schritten geprüft: (1) Ist die Maßnahme überhaupt geeignet? (Sachgerechte Zweck-Mittel Relation) (2) Ist diese Maßnahme wirklich erforderlich? (Erforderlichkeit) (3) Ist die Maßnahme zumutbar? (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne) Im vorliegenden Fall ist die Geeignetheit zu bejahen. Der Pförtner weiß wer kommt und geht. Im Bereich der Erforderlichkeit ist der Staat angehalten, das Mittel zu wählen, welches den mildesten Eingriff darstellt. Es müssen also auf der ersten Stufe Alternativen ermittelt werden, von denen dann auf einer zweiten Stufe die mildeste Alternative ausgesucht wird, sonst tritt das Übermaßverbot in kraft. So sind zunächst technische Einrichtungen wie Stechuhren etc. zu prüfen, dann wendet man sich vermutlich an den Steuerpflichtigen/Ehemann und/oder Steuerberater, dann die Ehefrau und erst wenn hier dann Zweifel auftauchen, darf der Pförtner befragt werden. Bei Nichtbeachtung der Erforderlichkeit führt die verfassungswidrige Vorgehensweise zum Verwertungsverbot. Es können aber die Befragungen der erstgenannten Alternativen keine echten Alternativen sein, insofern sie z.B. nicht geeignet sind. Hierauf ist ebenfalls zu achten (siehe § 200 AO). Dann könnte die Befragung des Betriebsangehörigen die einzig (noch) geeignete Alternative sein. Die Erforderlichkeitsprüfung ist also genauestens vorzunehmen. Wird jetzt die Befragung des Pförtners tatsächlich erforderlich, muß noch die Zulässigkeit der Befragung geprüft werden. Betriebsklima oder Arbeitsplatzschutz des Pförtners reichen nicht zur Unzulässigkeit. Der Pförtner ist sogar zur Mitwirkung verpflichtet (Kein Eidesverweigerungsrecht § 160 AO).
Ergebnis: Nur dann wenn der Gewerbetreibende G erkennen läßt, daß er unrichtige Auskunft gibt (und auch die anderen Betroffenen), dann ist seine Befragung ungeeignet und der Pförtner darf befragt werden.
Eine weitere Bestimmung in deren Bereich das Übermaßverbot zu Hause ist, ist der § 160 AO (Benennung von Gläubigern und Zahlungsempfängern). Dort steht, daß Betriebsausgaben oder Werbungskosten nur dann steuerlich anerkannt werden, wenn der Steuerpflichtige auch den Empfänger oder Gläubiger der Zahlungen benennt. Die Verwendung der Formulierung „regelmäßig“ im Gesetzestext deutet dabei auf Ausnahmen hin. Diese Vorschrift dient zum einen der Nachweisführung des Steuerpflichtigen, aber auch der Überprüfung des Empfängers (Kontrollmitteilungen). Existiert nun bei Schutzgeldzahlungen an die russische Mafia kein Empfänger, so ist es zunächst fraglich, ob dies steuerlich anerkannt werden kann. Eine Maßnahme kann nur geeignet sein, wenn sie von dem Bürger etwas Mögliches verlangt. Wenn allerdings kein Name feststellbar ist (tatsächliche Unmöglichkeit), ist die Anforderung an den Steuerpflichtigen durch das Übermaßverbot betroffen. Der Vorgang sollte dann aber durch eine Ersatzquittung dokumentiert werden (Angestellter, der sich von der Kasse das zu zahlende Schmiergeld abholt). Die Ausnahme von der Regel wird quasi durch das Übermaßverbot begründet (weiteres Beispiel: Zahlungen an DDR-Fluchthelfer ohne Namensnennung). Bei der Kontrolle des Arbeitszimmers wurden von der Rechtsprechung übrigens Geeignetheit und Erforderlichkeit bejaht, im Bereich der Zumutbarkeit wurde jedoch die Besuchszeit auf vor 19.00 Uhr festgelegt. Das Übermaßverbot verhindert bspw. auch, daß der gesamte Aktenbestand von Versicherungsnehmern (Beispiel: Firmenverbundene Vermittler bieten Versicherungen an Arbeitnehmer vergünstigt an (Arbeitslohn?)) der Finanzverwaltung zur Verfügung gestellt wird. Geeignetheit einer solchen Maßnahme liegt hier zwar vor, jedoch die Übersendung ist nicht erforderlich, denn die Beamten könnten ja zu den Versicherungsunternehmen hingehen, um vor Ort zu prüfen. Durch das Verbot der Erdrosselungsteuer (den Artikel 12 und 14 GG entstammend) wird ein weiterer Aspekt der Beschränkung der Besteuerung durch das Übermaßverbot betroffen. Das erste bedeutendere Urteil hierzu ist das bereits erwähnte Urteil der Bergfernverkehrsteuer. Auch im Verpackungsteuerurteil wurde das Verbot der Erdrosselungsteuer als nicht verletzt angenommen. Die einzige Entscheidung (und darum sollte sie auch jeder Kursteilnehmer lesen) in der das Verbot der Erdrosselungsteuer als verletzt anerkannt worden ist, ist die bereits genannte Entscheidung zum Existenzminimum.
3. Das Prinzip eigentumsschonender Besteuerung
Neben dem Übermaßverbot stellt das in den Einheitswertbeschlüssen des Bundesverfassungsgerichts von P. Kirchhof entwickelte Prinzip
eigentumsschonender Besteuerung eine weitere verfassungsrechtliche Beschränkung der Besteuerung dar. Hierin wird der Bestandsschutz des Vermögensstammes, sowie der Halbteilungsgrundsatz („hälftige Teilung zwischen privater und öffentlicher Hand“) statuiert. Bis auf diesen Fall ist weltweit übrigens noch nie durch die Rechtsprechung aus der Verfassung abgeleitet eine Obergrenze der Steuerbelastung kreiert worden (Vorbild höchstens kalifornische Steuerrevolte). Auf die Vermögenssteuer bezogen bedeutet dieses Prinzip, daß wenn die Vermögensteuer wieder eingeführt würde, dieses zur Folge hätte, daß ca. 1 Million DM Vermögen steuerfrei und darüber hinaus nur bis zu 2 % des Vermögens Tarifspielraum für die Erhebung der Vermögensteuer verblieben. Von den zu erwartenden 4 Milliarden Steuereinnahmen verschwänden dann allerdings noch ca. 2 Milliarden in Verwaltungskosten, so daß (in Anbetracht der drohenden Kapitalflucht) bei zu erwartenden Einnahmen von lediglich 2 Milliarden DM der Sinn der Wiedereinführung der Vermögenssteuer schlicht nicht nachvollziehbar bleibt.
4. Schutz von Ehe und Familie Zuletzt ist noch der Schutz von Ehe und Familie (Artikel 6 GG) in die Betrachtung der verfassungsrechtlichen Schranken der Besteuerung mit einzubeziehen. Hieraus werden Benachteiligungsverbot und Förderungsgebot abgeleitet. Ehe und Familie stehen also unter besonderem Schutz der staatlichen Ordnung. Im Steuerrecht geht es hierbei in erster Linie darum, daß Ehe und Familie nicht diskriminiert werden sollen. Das Benachteiligungsverbot im Steuerrecht bewirkt, daß die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Familie im Steuerrecht möglichst realitätsgerecht berücksichtigt wird. Die gleichmäßige Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit bedeutet, daß die reale, die somit richtige wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Familie zu besteuern ist. Die Verwirklichung dieser Grundlage beginnt bei der Ehegattenbesteuerung. Bis 1957 gab es noch die Haushaltsbesteuerung. Die Ehegatten wurden als eine Einheit besteuert. Durch die Zusammenrechnung der Einkünfte rutschten die Eheleute automatisch in eine höhere Progressionsstufe eines progressiven Einkommensteuertarifs. An dieser Stelle hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, daß die Besteuerung sich nach der Leistungsfähigkeit auszurichten hat und der Grundsatz der Individualbesteuerung gilt. Die Zusammenrechnung von Einkommen mehrerer Personen stellt eine Diskriminierung dar. Daraufhin wurde die Splittingregelung (§ 32 a EStG) eingeführt. In einer weiteren Entscheidung wurde die Ehe als Erwerbs- und Verbrauchsgemeinschaft gesehen und das Ehegattensplitting, dies berücksichtigend, somit nicht als Steuervergünstigung qualifiziert. Diese Betrachtung geht davon aus, daß in einer intakten Ehe (positives Leitbild) das gemeinsam erwirtschaftete Einkommen zusammen verbraucht wird. Dies wird dann steuerrechtlich abgebildet. Herrscht hingegen doch Gütertrennung (getrennte Verwendung von Einkommen), so schlägt das Ehegattensplitting in ein Privileg um.
Abschließend ist noch zu erwähnen, daß Verträge zwischen Angehörigen steuerlich anerkannt werden müssen. Die Grundidee des Ehegattensplittings dabei ist die Erwerbs- und Verbrauchsgemeinschaft der intakten Ehe angemessen zu berücksichtigen. Das Bundesverfassungsgericht wertet aus diesem Grunde das Ehegattensplitting, welches abgeschafft werden soll, nicht als Steuervergünstigung, sondern als eine sachgerechte Norm, die die Realität der intakten Durchschnittsehe berücksichtigt (in diesem Zusammenhang ist die Lektüre der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) v. 3.11.1982 zu empfehlen). Hieran schließt sich die Frage, ob eine Tarifkappung nicht einen Akt der Willkür darstellt, der Artikel 6 Abs.1 verletzt. Die Kappung bedeutet im übrigen, daß nur noch eine Unterhaltsgemeinschaft berücksichtigt wird, wobei der in den Koalitionsvereinbarungen beschrittene Weg ohnehin als verfassungswidrig anzusehen ist, da danach die nicht intakte Ehe steuerlich besser stehen würde als die intakte Ehe („Steuersparmodell Scheidung“). Für geschiedene Eheleute muß dann an dieser Stelle eine Neuregelung gefunden werden. Der große Nachteil dieser Kappung besteht in der vorwiegend für Arbeitnehmer liegenden Verschlechterung der Lebensbedingungen, wohingegen Unternehmern im Zuge der Vertragsgestaltung eine Vielzahl an Möglichkeiten verbleiben (Ehefrau beteiligen, Arbeitsverhältnisse unter Familienangehörigen herstellen) die Splittingentlastung wiederherzustellen. Hierdurch wird im Ergebnis Artikel 3 GG verletzt. In einem etwaigen Musterprozeß endend vor dem Bundesverfassungsgericht, der vermutlich erst nach der Pensionierung von Paul Kirchhoff stattfinden wird, besteht bei Entscheidung durch den ersten Senat (Berichterstatterin Frau Jäger, erklärte Gegnerin des Ehegattensplitting) kaum Hoffnung, eine solche Gesetzgebung zu revidieren. Im internationalen Vergleich stellt allerdings die bestehende etwas großzügigere Lösung des Ehegattensplitting eher die Ausnahme dar. Festzuhalten bleibt, daß bei Negation der realitätsgerechten Erwerbs- und Verbrauchsgemeinschaften, das Benachteiligungsverbot verletzt wird, eben da es sich hierbei nicht um eine Steuervergünstigung handelt und nicht um die Förderung einer bestimmten Familienform.
Ferner beschäftigt sich ein in der amtlich nichtveröffentlichen Sammlung der BFHEntscheidungen (BFH NV) abgedrucktes Urteil mit der Frage, ob durch die Abschaffung der Ansetzbarkeit der „doppelten Haushaltsführung“ die Ehe diskriminiert wird. Dies wird mit der Begründung verneint, daß bei Berufstätigen, die länger als zwei Jahre eine Arbeitsortwohnung führen, eine private und keine berufliche Veranlassung ist, die sie zur doppelten Haushaltsführung veranlaßt. Obwohl diese Entscheidung in der Tat wenig mit Artikel 6 GG zu tun hat, ist sie wegen der Ausführungen zu verschiedenen grundlegenden Betrachtungsweisen der Grundrechtsartikel sehr lesenswert.
Fall 10: Der Gewerbetreibende G beschäftigt seine Ehefrau E als Sekretärin und macht ihr Gehalt als Betriebsausgabe geltend. Der Betriebsprüfer erkennt die Ausgabe nicht an, „weil G und E ohnehin aus einem Topf wirtschaften“. Wie ist diese Begründung zu werten?
Ergebnis: Die Verwaltung sah zunächst keine Möglichkeit, Verträge zwischen Angehörigen zu akzeptieren, da in der Regel eine Sonderbeziehung zwischen den Vertragspartnern besteht, die eine (Stichwort Chefintheorie) normale Würdigung unmöglich macht. Das Bundesverfassungsgericht verwarf diese Auffassung und argumentiert, daß Verträge auch zwischen Angehörigen anerkannt werden müssen, da andernfalls die Familie diskriminiert wird (Verletzung des Artikel 6 Absatz 1 GG). Die steuerrechtliche Anerkennung der Verträge Familienangehöriger ist verfassungsrechtlich geboten. Festzuhalten bleibt jedoch dabei, daß ein Vertrag aufgrund der Verletzung des Diskriminierungsverbots nur dann steuerlich anerkannt werden muß, wenn er eine übliche Vereinbarung zwischen fremden Dritten (Fremdvergleich) beinhaltet. Dieser Fremdvergleich wird auch als „Essentiale der verfassungsrechtlichen Konkretisierung des Diskriminierungsverbots“ bezeichnet. Immer wenn die Abgrenzung zwischen Sachverhalten fraglich wird, kommt dieser Fremdvergleich zum Tragen. Zusammenfassend ist zu sagen, daß die systemtragenden Prinzipien des Steuerrechts aus der Verfassung abgeleitet werden und somit Bestandteil der Wertordnung des Grundgesetzes sind. International sind viele der Prinzipien (nicht zuletzt aufgrund eines vergleichbaren Gerechtigkeitsempfindens) wiederzufinden, wobei wohl die französische Bürgerrechtserklärung von 1789 intensiv alle europäischen Verfassungen geprägt hat. Das international anerkannteste Prinzip dabei ist das Leistungsfähigkeitsprinzip.
Für die Beratungspraxis ist es immanent wichtig, diese Grundlagen zu beherrschen, denn das Steuerrecht ist das Rechtsgebiet, welches den höchsten Anteil an Verfassungsbeschwerden stellt.
Mitschrift Vorlesung Grundkurs Steuerrecht, Prof. Dr. jur. Joachim Lang, Universität zu Köln
Erster Teil: Grundlagen der Steuerrechtsordnung § 5 Rechtsanwendung im Steuerrecht A. Rechtsnormen des Steuerrechts In § 4 AO heißt es: „Gesetz ist jede Rechtsnorm“. Um die Gesetzmäßigkeit der Besteuerung umzusetzen, muß geklärt sein, was ein Gesetz im Sinne der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung überhaupt bedeutet. Dies wird durch § 4 AO klar, der angibt, daß sich die Gesetzmäßigkeit der Besteuerung nicht nur auf den formellen, sondern auch auf den materiellen Gesetzesbegriff bezieht. Neben den formellen Gesetzen stehen dabei zunächst einmal die Durchführungs-verordnung zu einer jeweiligen Steuer (LStDV etc.). Diese Verordnungen werden ohne Gesetzgebungsverfahren durch eine Regierung erlassen (Artikel 80 GG) Für das Entstehen einer Durchführungsverordnung bedarf es einer Ermächtigung durch Gesetz, die also in einem formellen Gesetz steht, wobei (Artikel 80 Absatz 1 Satz 2) „Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden“. Zu prüfen gilt es, ob sich eine Ermächtigung zum Erlaß einer Verordnung überhaupt im Gesetz wiederfinden läßt (Beispiel der strittigen Existenz einer solchen gesetzlichen Grundlage stellt § 7 EStDV (Fortführung der Buchwerte) dar). Daneben stehen die autonomen Satzungen, meist Gemeindesteuersatzungen, die von den Gemeinden selbst normiert werden können (Örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuern, bei denen die Länder das Gesetzgebungsrecht delegiert haben). Hier ist die Verpackungsteuer zu nennen, die zwar für verfassungswidrig erklärt wurde, aber evtl. neuformuliert und gestaltet durch die Koalition wiedereingeführt werden könnte. Also auch eine Gemeindesteuersatzung ist Gesetz im Sinne des § 4 AO. Im Völkerrecht spielen Doppelbesteuerungsabkommen eine große Rolle und zählen somit ebenfalls zu den durch § 4 AO gemeinten Rechtsnormen. Sie dienen der Vermeidung der steuerlichen Mehrfachbelastung. Die Rechtslage ist noch einmal genauer in § 2 AO festgehalten. Dort heißt es: „Verträge mit anderen Staaten im Sinne des Artikels 59 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes über die Besteuerung gehen, soweit sie unmittelbar anwendbares innerstaatliches Recht geworden sind, den Steuergesetzen vor. Im Völkerrecht ist also zwischen Zustandekommen und Inkrafttreten als innerstaatliches Recht, also der parlamentarischen Transformation (Zulassungsgesetz) in innerstaatliches Recht zu unterscheiden. International wird dabei das Instrument der Anrechnung (34 c des EStG) präferiert. Das UStG und die speziellen Verbrauchsteuern sind allerdings schon international verbindlich abgegrenzt, so daß vornehmlich Ertragsteuern betroffen sind. Chaotisch und auf Billigkeitsmaßnahmen angewiesen sind dabei Teile des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts, wobei zu bemerken ist, daß die Erhebung dieser Steuer sowieso relativ leicht umgangen werden kann. Einige Regeln setzen jedoch die Doppelbesteuerungsabkommen bewußt außer Kraft, Treaty-Override (Limitierung der vorgesehenen Anrechnung durch
Spezialgesetz) genannt. Dies wird von der Rechtsprechung zugelassen und kann manchmal sehr harte Folgen für einen Steuerpflichtigen bedeuten. Mit supranationalem Recht ist das für das Steuerrecht so bedeutsame Europarecht gemeint. Klassisch wird in diesem Bereich zunächst die Steuerhoheit angegangen. In Europa wurde diese unmittelbare Geltung von europäischen Gesetzen durch den Zollkodex verwirklicht. Daneben gibt es im Europarecht Richtlinien, die von nationaler Seite her dazu führen, Steuergesetze richtlinienkonform zu interpretieren (richtlinienkonforme Interpretation), wobei die Bedeutung des Europäischen Gerichtshofs nicht zu unterschätzen ist, der schon manche Auslegung des Bundesfinanzhofes verwarf. Der dritte Bereich schließlich betrifft die Anwendung der Normen des EG-Vertrages auf nationales Recht, insbesondere die Vereinbarkeit nationaler Regelungen mit den vereinbarten Diskriminierungsverboten. Zweimal wurde das deutsche Einkommensteuerrecht durch Unvereinbarkeit mit den Diskriminierungsverboten (Beispiel: Schoemacker-Fall) schon abgeändert. Ob auch Gewohnheitsrecht Gesetz im Sinne der Gesetzgebung sein kann ist streitig. Zunächst gilt es als zivilrechtliches Institut, welches zwei Vorraussetzungen erfüllen muß: 1. Überzeugung der Richtigkeit des Handelns muß vorliegen. 2. Das Handeln muß über lange Zeit (ca.10 Jahre), in sog. Übung, vollzogen werden. Ob dieses Rechtsinstitut ins Steuerrecht übertragen werden kann wird in der Rücklage für Ersatzbeschaffung deutlich. Zur näheren Erläuterung fogender Fall: Fall 11 Ein Gebäude eines Unternehmens, abgeschrieben auf einen Buchwert von 100 000 DM, ist versichert und wird durch einen Brand völlig zerstört, so daß eine Versicherungssumme von 4 000 000 DM fällig wird. Ist der Ertrag von 3 900 000 zu versteuern, was die Wiedererrichtung verhindern würde?
Ergebnis: Um die Wiedererrichtung zu ermöglichen gesteht der Reichsfinanzhof die Bildung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung dem Unternehmer zu. Leider ist diese Rücklage für Ersatzbeschaffung, seit den 20iger Jahren existent, immer noch nicht ins Gesetz aufgenommen worden. Dieses Gewohnheitsrecht kann nach neuer Auffassung nicht Steuerrecht bilden, da unter der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung eine Vorgehensweise in diesen Bereichen, die von vornherein nicht gesetzlich legitimiert ist, nicht unter der Überzeugung der Richtigkeit des Handelns vollzogen werden kann. Gewohnheitsrecht ist also kein Recht im Sinne des § 4 AO, da im Rahmen der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung jede Übung gesetzlich legitimiert sein muß, sich demnach keine Übung der rechtlichen Richtigkeit entwickeln kann.
Hiervon sind die Normen, die keine Gesetze sind, abzugrenzen. Dies trifft erst einmal
auf die Richtlinien zu. Richtlinien sind Verwaltungsvorschriften, die grundsätzlich die Ansicht der Verwaltung repräsentieren und zunächst einmal nicht verbindlich sind. Im Rahmen des gesetzlich Zulässigen existiert jedoch die sog. Selbstbindung der Verwaltung. Im Rahmen des im folgenden noch näher zu beleuchtenden Ermessensspielraums kann die Verwaltung sich durch eine Verwaltungsvorschrift festlegen. Ein Beispiel für die Einengung der Handlungsspielräume der Verwaltung ist die Betriebsprüfungsordnung. Als Steuerpflichtiger hat man nun aber auch das Recht, sich aufgrund der „Aktivierung“ des Gleichheitssatzes (Artikel 3 GG) auf diese Betriebsprüfungsverordnung zu berufen, obwohl sie kein Gesetz ist. Natürlich gilt dies nur für gesetzmäßige Verwaltungsvorschriften („keine Gleichheit im Unrecht“). Die Normwirkung einer Verwaltungsvorschrift besteht in einer sog. Selbstbindung, die bei der Einschränkung von Handlungsspielräumen durch die Verwaltung entsteht. Die Einordnung einer Verwaltungsvorschrift ist nicht zuletzt für den Steuerberater wichtig, der durch einen Rechtsbehelf gegen einen Verwaltungsakt (Steuerbescheid) und der Überprüfung der Rechtmäßigkeit dieses Verwaltungsaktes in einem sich daran anschließenden Prozeß die Möglichkeit erhält, die Verwaltungsvorschrift auf ihre materielle Übereinstimmung mit dem Gesetz (bspw. dem EStG) überprüfen zu lassen. Die Rechtsprechung wird ebenfalls nicht zu den Gesetzen gezählt, sie gilt in erster Linie nur für den entschiedenen Einzelfall. Davon ist dann die grundsätzliche Bedeutung mancher Entscheidungen, sog. Präjudizien zu unterscheiden, wobei sich die Rechtsprechung, bspw. Des BFH, auch schon mal ändern kann. Ist man von der Unrichtigkeit der Rechtsprechung gänzlich überzeugt, so kann man in einem Musterprozeß durchaus versuchen, diese noch einmal abzuändern. Die Finanzverwaltung versucht dies ebenfalls in sog. Nichtanwendungsverfügungen, was bedeutet, daß dieses Urteil in anderen Fällen nicht angewandt wird. Es wird damit ein weiterer Prozeß bis hin zum BFH provoziert, um eine „rechtsdogmatische Fehlentwicklung“ evtl. noch einmal abzuändern. Eine kritische Betrachtungsweise des zukünftigen Beraters, ob die steuerliche Behandlung eines Falles mit dem Gesetz zu vereinbaren ist oder nicht, wäre sehr wünschenswert. Dazu folgender Fall. Fall 12: X gibt seine Steuererklärung über 30.000 DM nicht rechtzeitig ab. Das Finanzamt Köln setzt 1.500 DM Verspätungszuschlag fest, das Finanzamt Düsseldorf in einem gleichgelagerten Fall nur 1.000 DM. Kann hiergegen vorgegangen werden? Der § 152 räumt der Finanzverwaltung einen gewissen Ermessensspielraum ein (stets an der Formulierung „kann“ zu erkennen), der unterschiedlich ausgefüllt wird. Diese ungleiche Vorgehensweise kann nur angegangen werden, wenn eine Verwaltungsvorschrift dazu besteht, also eine Selbstbindung im Bereich der Verspätungszuschläge existiert. Dies ist anhand der sog. OFD-Verfügungen (OFD = Oberfinanzdirektion) zu überprüfen.
Ergebnis: In den OFD-Verfügungen sind für den vorliegenden Fall 1.000 DM vorgesehen. Diese Verwaltungsvorschriften können sich natürlich regional unterscheiden.
B. Rechtsanwendung, Gesetzesauslegung Dieser Bereich der juristischen Methodenlehre wird bedauerlicherweise allzuoft vernachläßigt. So kommt es zur Anwendung von Steuergesetzen, selbst durch den BFH, ohne der Methodenlehre genügend Aufmerksamkeit geschenkt zu haben. Die nicht hinreichende Beachtung der Methodenlehre ist umso bedauerlicher in Anbetracht der Tatsache, daß man durch sie eine Wirkung erzielen kann, die sich positiv auf die Behandlung eines Steuerfalls auswirkt. Dazu folgender Fall: Fall 13: (häusliches Arbeitszimmer) Steuerrechtsprofessor S hat für die Neuauflage seines Lehrbuchs das BStBl. I nach neuen Verwaltungserlassen durchforsten müssen. Um seinen Verdruß über die Flut von fiskalistischen und bürokratischen Vorschriften abzureagieren, beschließt er, die Finanzverwaltung mit ihren eigenen Waffen zu schlagen: Nach §§ 4 Absatz 5 Satz 1 Nr. 6b, 9 Absatz 5 EStG darf der Steuerpflichtige „Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer“ als Betriebsausgabe bzw. Werbungskosten im Rahmen der Einkommensteuer geltend machen. Im Arbeitszimmererlaß (BStBl. I 1998, 863 Tz. 7) heißt es jedoch, „auch mehrere Räume können als häusliches Arbeitszimmer anzusehen sein.“. Professor S macht unter Hinweis auf den Erlaß AfA für zwei Räume geltend, die er im Rahmen seiner freiberuflichen Tätigkeit nutzt. „Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung“ sind grundsätzlich nicht abziehbar (ergibt sich aus§ 4 Absatz 5 Satz 1 i. V. mit Absatz 5 Nr. 6b). Die oftmalige Vortäuschung der Existenz eines Arbeitszimmers hat den Gesetzgeber berechtigterweise dazu bewogen, diesen Mißbrauch durch Abzugsverbot abzustellen. Besonders hart trifft allerdings diese Regelung diejenigen, die aufgrund des Fehlens eines Arbeitszimmers beim Arbeitgeber auf ein Arbeitszimmer im eigenen Haus nicht verzichten können, und die nunmehr nur noch auf die limitierte Abzugsfähigkeit in Höhe von 2400 DM zurückgreifen können. Wenn nun jemand zwei Arbeitszimmer besitzt ist fraglich, ob das Abzugsverbot, nach Wortlaut nur auf ein Arbeitszimmer bezogen, nun auch auf zwei Arbeitszimmer anzuwenden ist.
Zunächst bleibt festzuhalten, daß alle dogmatischen Methoden, die in der Rechtswissenschaft Anwendung finden, auch auf das Steuerrecht anwendbar sind. Was darüberhinaus doch das Steuerrecht kennzeichnet ist die wirtschaftliche Betrachtungsweise. Konkretisiert wird diese wirtschaftliche Betrachtungsweise, und
dies ist in der Rechtswissenschaft einmalig, durch die § XX ff. AO. Sie stellt dabei keine eigentliche Abweichung zu der üblichen Methodenlehre da, vielmehr muß durch sie nur die wirtschaftliche Spezialbegrifflichkeit des Steuerrechts hin-reichend berücksichtigt werden. Begriffe wie Umsatz, Vermögen, Lieferung und Leistung sind eben nicht zivilrechtliche Definitionen, sondern wirtschaftliche Vorgänge (Beispiel des minder-jährigen Buchkäufers, wo die Rechtswirksamkeit des Vertrages zu vernachlässigen ist). Nach dieser allgemeinen Feststellung nun noch mal zurück zum Fall des häuslichen Arbeitszimmers (s.o.): Die erste Frage die es hierbei zu klären gilt, ist die Frage, ob das Vorliegen zweier Räume nach Wortlaut des Gesetzes unter dem angegebenen Tatbestand zu subsumieren (ein-/unterzuordnen) ist. Man versucht also zunächst einen bestimmten Nebensachverhalt dem Wortlaut des Gesetzes zuzuordnen (Subsumption). Bei der Interpretation des Gesetzestextes wird demnach zunächst der Wortlaut „grammatikalisch“ durchleuchtet (Umfaßt der Wortlaut „ein“ auch zwei zusammenhängende Räume?, etc.). Hier taucht jedoch bei reiner Wortlautinterpretation das Problem der Begriffsjurisprudenz auf. D.h. enthält der Wortlaut, und so ist es im Bilanzsteuerrecht anzutreffen, keine konkrete Aussage, ist schwerlich der vorliegende Nebensachverhalt einer Vorschrift zuzuordnen.
Ganz allgemein wird die Gesetzesauslegung als Subsumption eines Sachverhalts unter einen noch möglichen Wortsinn des Gesetzes verstanden. Ist also der Wortlaut eines Gesetzes nicht eindeutig, so kann man in der Interpretation des Gesetzes durchaus unterschiedlicher Auffassung sein. So kann die Formulierung „ein Arbeitszimmer bezogen werden.
Arbeitszimmer“
auch
auf
jedes
einzelne
Damit es jetzt aber nicht zu einer rein willkürlichen Gesetzesinterpretation kommt, wird die teleologische Interpretation des Gesetzes angewandt (Gemäß der sog. Methodenlehre von K. Larenz). Ist der Wortlaut also nicht eindeutig, so fragt man hiernach nach dem Sinn der Vorschrift, danach, was der Gesetzgeber mit dieser Vorschrift bezwecken wollte, um dem Willen des Gesetzgebers Geltung zu verschaffen. In den USA sind Rechtsanwender ebenfalls in die „black letters lawers“ (reine Begriffsjuristen) und diejenigen, die versuchen dem Willen des Gesetzgebers zu folgen. Das für uns Deutsche so maßgebliche Bundesverfassungsgericht wendet die teleologische Gesetzesinterpretation an. Es ist nun im Fall des häuslichen Arbeitszimmers zu betrachten, ob das, was aus dem Wortlaut des Gesetzes herausgelesen wurde, dann denn auch mit dem Willen des Gesetzgebers übereinstimmt. Der Wille des Gesetzgebers wird zuerst aus der historischen Auslegung bestimmt. Hierbei ist darauf zu achten, ob der Wille des Gesetzgebers, ablesbar aus der amtlichen Begründung, Gesetz geworden ist. Nach der Andeutungstheorie,
angewandt vom Bundesverfassungsgericht, muß eine historisch ermittelte Gesetzesbegründung mindestens andeutungsweise im Gesetzeswortlaut wiederzufinden sein, sonst darf die Gesetzesbegründung nicht berücksichtigt werden. Mit dieser Theorie steht soll der Schutz der Rechtssicherheit gewährleistet werden.. International wird hierfür der Begriff der objektiven Auslegungstheorie verwandt.
Ergebnis: Wird, auf das Beispiel des häuslichen Arbeitszimmers bezogen, dem Gesetz als historisch ermittelter Zweck die Beseitigung des Mißbrauchs unterstellt, so kann man „mehrere“ Arbeitszimmer sowohl vom Mißbrauchsgedanken erfaßt sehen, als auch vom Mißbrauch nicht mehr erfaßt. Der Mißbrauchszweck erstreckt sich nach der letztgenannten Alternative nur auf ein Arbeitszimmer, da nur hier eine Mißbrauchsmöglichkeit besteht. Je größer hingegen ein Büro ist, desto geringer ist die Gefahr eines tatsächlichen Mißbrauchs, so daß man den Wort-laut des Gesetzes teleologisch als ein einzelnes Arbeitszimmer interpretieren muß. Ein Gesetzestext steht nie abstrakt grammatikalisch für sich, sondern stets im Kontext mit einer bestimmten Absichtsnorm (man spricht hier vom hermeneutischen Zusammenhang). Die Gesetzessprache ist eine Fachsprache bei der die Sichtweise der Experten immer in Betracht gezogen werden muß („Eine bloße Zitierweise aus dem Brockhaus allein reicht nicht aus“). Neben dem Wortlaut und der historischen Auslegung gibt es noch die systemmatische Auslegung. Hierbei wird aus dem äußeren System heraus und dem Sachzusammenhang mit dem ein Gesetz zu anderen verbunden ist der Gesetzeszweck zu ermitteln versucht. Es kommt also darauf an , wo ein Gesetz steht, wie ein Gesetz mit anderen in Verbindung steht (Kontext) und welche Überschrift es trägt.
Eine wichtige Bedeutung in diesem Zusammenhang erfährt das Thema „Analogieverbot“, wenn also Gesetzeslücken durch Interpretation geschlossen werden müssen („Über den Gesetzestext hinaus eine Rechtsfolge zu bilden ist“), aber man im Interesse der Rechtssicherheit an den Wortlaut des Gesetzes gebunden ist. Im Steuerrecht besteht daher das Verbot der sog verschärfenden Analogie. D.h. zugunsten des Bürgers darf interpretiert werden, da keine Einschränkung der Rechtssicherheit erfolgt, aber eine Steuerverschärfung muß direkt aus dem Wortlaut des Gesetzes ableitbar sein. Die Mehrzahl der Senate des Bundesfinanzhofes lehnen ein steuerrechtliches Analogieverbot ab. Dies liegt daran, daß in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle nur dann ein sachgerechtes Ergebnis erreicht werden kann, wenn man die Methoden so einsetzt, daß der Gesetzessinn auch verwirklicht werden kann (Beispiel der Buchwertfortführung bei Betriebsübergabe, was im Gesetzestext überhaupt nicht
abgedeckt ist und sich für die Betroffenen auch nachteilig auswirken kann (Zweischneidigkeit)). Um die Rechtssicherheit zu gewährleisten müssen strenge Anforderungen an die Planwidrigkeit des Steuergesetzes gestellt werden. Ist für den Bürger allerdings klar erkennbar, daß ein Gesetzestext offensichtlich falsch formuliert ist, sind Methoden der Gesetzesauslegung, bspw. Analogie oder teleologische Extension (Ausweitung), zu bemühen. Methodologisch einwandfreie Interpretation wird auch für die Beratungspraxis, insb. im Steuerprozeß, immer bedeutsamer. Zusammenfassend ist folgendes Prüfungsschema aufstellbar:
Ist eine Subsumtion unter dem Gesetzeswortlaut möglich?
Wenn ja
Entspricht dieses Subsumtionsergebnis dem Gesetzeszweck des Gesetzes?
Wenn dies nicht ausreicht
Liegt eine Gesetzeslücke vor oder nicht?
Die eingangs angesprochene wirtschaftliche Betrachtungsweise kann als Methode der teleologischen Interpretation, als eine Berücksichtigung des spezifischen Zwecks des Steuerrechts, angesehen werden. Der Zweck des Steuergesetzes fordert einen besonderen Begriffsinhalt, wodurch die Abweichung vom Zivilrecht begründet werden kann. Dazu folgender Fall: Fall 14: (Spekulationsgeschäft) X kauft im Juni 1994 ein Haus. Er verkauft es im Mai 1996, Veräußerungsgewinn 100.000 DM. Die Grundbucheintragung erfolgt im September 1996. Liegt ein Spekulationsgeschäft im Sinne von § 32 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1a EStG vor?
Hierbei geht es um die Interpretation der Begriffe Anschaffung und Veräußerung. Die zivilrechtliche Sichtweise sieht als dingliches Geschäft die Veräußerung, was mit dem Eigentumsübergang verbunden ist. Dies wäre im Falle eines Gebäudeverkaufs die Eintragung ins Grundbuch, nicht der beim Notar geschlossene Vertrag. Würde man im Steuerrecht, und dies zeigt das Beispiel, immer auf die zivilrechtliche Betrachtungsweise abstellen, würde man sehr viele Gestaltungsmöglichkeiten
ermöglichen. Die Spekulationsfrist würde so stets als überschritten gelten.
Ergebnis: Es erstreckt sich nach dem Zweck des Gesetzes Spekulationsgeschäfte zu besteuern die Veräußerung nicht auf das dingliche Geschäft, sondern unter Abweichung vom Zivilrecht auf den obligatorischen Kaufvertrag, indem das Spekulationsgeschäft ökonomisch gegeben ist. Es liegt ein Spekulationsgeschäft im Sinne von § 32 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1a EStG vor. Verluste oder ein Ergebnis, welches gerade noch die Kosten zu decken vermochte, eingefahren. Rechtsanwalt Marmor möchte die Verluste geltend machen. Zu Recht? Die Frage die hier zugrunde liegt, ist die Frage, ob im vorliegenden Fall überhaupt eine Gewinnerzielungsabsicht zu vermuten ist oder ein gepflegter Lebensstil nicht der Liebhaberei zuzuordnen ist. Überraschenderweise hat jedoch der BFH die Verlustverrechnung anerkannt. Da bei Kosteneinsparungen (Verlagerung des Kanzleistandortes in eine billigere Umgebung etc.) die Ertragslage deutlich besser ausfallen würde als es vorliegend der Fall ist, ist eine Gewinnerzielungsabsicht zu bejahen. Derart hohe Kosten müssen erst einmal erwirtschaftet werden, ihre Höhe an sich ist aber nicht dem Steuerpflichtigen vorzuwerfen. Daraus folgt, daß die in der Tat hohe Verlustansammlung auf „Managementfehler“, nicht aber auf grundsätzlich fehlende Gewinnerzielungsabsicht schließen läßt. Wie eine unternehmerische Tätigkeit wahrzunehmen ist, kann nicht vorgeschrieben werden. Ergebnis; Das Ausgabeverhalten ist nicht zu beanstanden, der Rechtsanwalt macht seine Verluste zu Recht geltend. Dies ist natürlich ein Grenzfall. In der Regel kommt es in diesen Fällen auf die Betrachtung der Totalperiode an. Stellt sich bei der Betrachtung der Gesamttätigkeit über alle Perioden heraus, daß es insgesamt an Gewinnerzielungsabsicht fehlt, dürfen natürlich die positiven Überschüsse auch nicht besteuert werden (Beispiel Schriftsteller).
Mitschrift Vorlesung Grundkurs Steuerrecht, Prof. Dr. jur. Joachim Lang, Universität zu Köln
Dritter Teil: Einkommen- und Bilanzsteuerrecht §9
Einkommensteuer
Zu Beginn der Vorlesung ging Prof. Lang auf die Vorgehensweise bei der Qualifikation der Einkünfte ein. Zunächst ist der objektive Tatbestand zu prüfen, d.h. ob eine Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr vorliegt. Anschließend ist auf den subjektiven Tatbestand einzugehen, indem man überprüft ob Gewinnerzielungsabsicht vorliegt. Bei der Einkommensteuer wird also der Erfolg einer Erwerbstätigkeit steuerlich mit der Gewinnerzielungsabsicht bei Gewinneinkünften einerseits, und mit der Absicht einen Überschuß der Einnahmen über die Ausgaben zu erzielen bei den Überschußeinkünften andererseits gewürdigt. Man spricht in diesem Zusammenhang hier von der sog. Einkünfteerzielungsabsicht. Der Begriff Gewinnerzielungsabsicht allein würde allerdings besser zum Ausdruck bringen, daß es sich hier um die Erzielung von positiven Einkünften handelt. Wann eine solche Einkünfteerzielungsabsicht zu bejahen ist, ist häufig schwierig zu entscheiden, wie man am Fall des Rechtsanwalts „Marmor“ sehen konnte. Das Problem liegt dabei oft in der Periodenbetrachtung. Startet ein Unternehmen, erwirtschaftet es in der Regel anfangs stets hohe Verluste, dennoch würde man hier kaum eine Einkünfteerzielungsabsicht verneinen können. Die aus diesem Grunde wünschenswerte Gesamtbetrachtung, die Betrachtung der sog. Totalperiode, kann aber in der Praxis schwerlich durchgeführt werden. Deshalb wird eine Prognose hierüber erstellt. Diese Prognose knüpft dabei an sog. obj. Beweisanzeichen, objektive Kriterien, die sicher-stellen sollen, daß eine Einkünfteerzielungsabsicht hinreichend zu vermuten ist. Tätigkeiten, bei denen von vorneherein nicht festgestellt werden kann, ob diese auch zum Erfolg führen, sind daher stets schwer einzuordnen. Dazu folgender Fall: Fall 34 Kafka Der Schriftsteller Kafka hat zeit seines Lebens Romane und Kurzgeschichten verfaßt. Da aber die Verleger diesen Werken keine Erfolgsaussichten zurechnen möchten, arbeitete Kafka als Verwaltungsangestellter, obwohl er vielleicht lieber hauptberuflich als Schriftsteller tätig gewesen wäre. Reisen die Kafka unternahm, um für seine Werke Inspirationen zu suchen oder anderweitig zu recherchieren, hätte er steuerlich nicht geltend machen können. Zu Recht? Ergebnis:
Stellt sich im Falle eines Buchautors heraus, daß er Einkünfteerzielungsabsicht hatte, so sind alle Ausgaben hierfür seit Beginn der schriftstellerischen Tätigkeit als betriebliche Vorgänge zu qualifizieren. Nach einem Bucherfolg können nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO gemäß des objektiven Nettoprinzips diese Ausgaben nachträglich berücksichtigt werden.. Martin Walser konnte bspw. seine Aufwendungen nicht steuerlich geltend machen, da seine Schriftstellerei als Liebhaberei betrachtet wurde. Diese Betrachtung verkehrte sich ins Gegenteil, nachdem er seinen ersten Bestseller auf dem Markt brachte. Kafka jedoch ging es um seine Kunst, nicht um Einkünfte, darum war er Liebhaber im steuerlichen Sinne. Fall 35 Cincinnati Kid Der Berufskartenspieler Horst Zinker, nach einer Filmfigur „Cincinnati Kid“ genannt, bestreitet seinen Lebensunterhalt durch Pokerspiele mit wohlhabenden Bürgern, die den Nervenkitzel einer gepflegten Pokerpartie schätzen. Sind seine Spielgewinne steuerbar? Hier handelt es sich erneut um einen Grenzfall im Bereich der Erwerbstätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht. In der Regel werden Spielkartengewinne der Konsumsphäre zugeordnet und evtl. Gewinne sind nicht zu versteuern. Ein Berufskartenspieler, der nach objektiver Betrachtung durch Trickserei eine hohe Gewinnwahrscheinlichkeit besitzt, unbeachtlich der etwaigen Sittenwidrigkeit seines Handelns (§ 40 AO), erwirtschaftet Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Ergebnis: Durch den professionellen Charakter der ausgeübten Tätigkeit von Horst Zinker, hat dieser zu versteuernde Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Dies betrifft aber nicht nur den Bereich des Glückspiels. Spiel, Sport, Wette und ehrenamtliche Tätigkeit können übrigens ebenfalls als Profi-Tätigkeiten qualifiziert werden. Bei der Ermittlung der Überschuß- bzw. der Gewinnerzielungsabsicht müssen außerdem die tatsächlichen Aufwendungen angesetzt werden, evtl. vorliegende Abzugsverbote finden in diesem Bereich der Betrachtung noch keine Anwendung. Inwieweit nun steuerliche Vorschriften maßgeblich sind bei der Ermittlung der Gewinnerzielungsabsicht, wird am Beispiel des sog. Mietkaufmodells besonders deutlich. Beim Mietkaufmodell wird für einen Zeitraum von ca. 5 Jahren ein Objekt erworben, welches durch Schuldzinsen und Abschreibungen zu negativen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung führen soll. Nach diesen 5 Jahren wird das Objekt veräußert, manchmal sogar zu einem von Anfang an vorher bestimmten Preis. Die Wertsteigerung des Objekts beinhaltet dann die eigentliche Wertschöpfung innerhalb des Modells, denn die Veräußerungserlöse sind durch Einhaltung der Spekulationsfrist steuerfrei. Der Aufholungseffekt von Abschreibungen etc. der durch die Besteuerung des Veräußerungserlöses bei Betrieben normalerweise erfolgt, unterbleibt also im
Privatbereich, so daß Immobilienmodelle im Privatvermögen steuerlich äußerst attraktiv sind. Insgesamt wird eine Vermögensmehrung nach Steuern erzielt, es liegt aber laut BFH keine Einkünfteerzielungsabsicht vor. Dies wird damit begründet, daß aufgrund des Einkünftedualismus Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung quellentheoretisch betrachtet werden müssen. D.h. es muß allein geprüft werden, ob in Bezug auf die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, also in Bezug auf Quelleneinkünfte, ein Überschuß der Einnahmen über die Ausgaben in der Totalperiode entsteht. Der BFH hat mit einer generell milderen Würdigung bei normalen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung wohl den in der Regel als langfristig angelegt zu betrachtenden Immobilienkauf im Auge, der ca. 20 Jahre oder länger umfaßt, und dementsprechend mit höheren Anlaufverlusten bei hoher Fremdfinanzierung beginnt. Dies ist natürlich bei kurzfristig angelegten Mietkaufmodellen, wo der Besitzwechsel schon miteingeplant ist, nicht der Fall. Insgesamt werden bei so einem Mietkaufmodell also nur negative Einkünfte erwirtschaftet. Der Gewinn in der Stammvermögenssphäre kann nicht, und dies rührt aus dem Einkünftedualismus her, in die Betrachtung miteinbezogen werden. In diesem Zusammenhang ist noch auf die mit dem Immobilienkauf häufig verbundenen Steuervergünstigungen einzugehen. Steuervergünstigungen, als gezielte Eingriffe in das Nettoprinzip anzusehen, verfälschen den Erfolg, so daß diese nach Auffassung von Prof. Lang nicht bei der Ermittlung der Einkünfteerzielungsabsicht berücksichtigt werden sollten. Sonderabschreibungen beispielsweise, die als Sozialzwecknormen Investoren animieren sollten in den neuen Bundesländern zu investieren, müßten demnach von der Betrachtung, ob Einkünfteerzielungsabsicht vorliegt oder nicht, abzuschichten sein. Dies wird vom BFH allerdings anders gesehen. (Zur Lektüre, insb. auch in Bezug auf die allg. Vorgehensweise bei der Ermittlung einer Einkünfteerzielungsabsicht sei zur Lektüre (vielleicht auch für Examenskandidaten) ein Aufsatz von Prof. Lang in FR 1997 (Zeitschrift FinanzRundschau), Seite 201 ausdrücklich empfohlen) Bei einer zusätzlich vereinbarten Rückkaufgarantie kann das Objekt garantiert an den Initiator eines Immobilienmodells zurückverkauft werden, es besteht aber nicht die Verpflichtung hierzu. Im Gegensatz zum Mietkaufmodell, bei dem ein geplanter Verkauf nicht zur Einkünfteerzielungsabsicht führt, wird vom BFH bei der Variante des „Mietkaufmodells erweitert um eine Rückkaufgarantie“, bei dem auch schon während die Verluste entstehen, das Objekt verkauft werden kann (Unterpreisgarantie), eine Einkünfteerzielungsabsicht bejaht werden, weil hierbei der Verkauf nicht von vorneherein feststeht, sondern lediglich eine Option offensteht, die einen gegen Turbulenzen auf dem Immobilienmarkt absichert. Sind die Bedingungen also so gestaltet, daß eine Veräußerungsabsicht nicht von vorneherein feststeht wie beim Rückkaufgarantiemodell, Argumente hierfür wären z.B. persönliche Gründe (Beispiel der studierenden Tochter in Berlin, die auf einmal woanders studieren muß, so daß die Rückkaufgarantie für die eigentlich für länger gedachte Eigentumswohnung doch eingelöst werden muß), wird eine
Einkünfteerzielungsabsicht bejaht und können Verluste steuerlich geltend gemacht werden. E. Persönliche Zurechnung von Einkünften In § 2 EStG ist die Zurechnung, die Verbindung zwischen Steuersubjekt und Steuerobjekt, durch das Wort „erzielt“ normiert, daher wird sie auch Verbindungsnorm genannt. Die Zurechnung erfolgt also bei demjenigen, der den Tatbestand der Einkünfteerzielung verwirklicht. Um dies zu verdeutlichen folgende Fälle: Fall 36 Rechtsanwalt R tritt eine Honorarforderung an seinen Sohn ab, indem R eine Stiftung berät, die dem Sohn daraufhin ein Stipendium gewährt. Da die Erzielung nicht zu verstehen ist als die Frage nach dem Zufluß, sondern als die Frage nach dem Erwirtschaften, sind die Einkünfte dem Rechtsanwalt zuzurechnen. Ergebnis: Der Rechtsanwalt hat also Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe des Stipendiums.
Fall 37 Ein Vater schenkt seiner Tochter eine Wohnung unter Nießbrauchsvorbehalt, die an einen Dritten vermietet wird. Im Gegensatz zu den Arbeitseinkünften, bei denen man nur fragen muß, wer gearbeitet hat, muß man bei den Vermögenseinkünften fragen, wer der Nutzungsüberlasser des Vermögens ist (hingegen war es lange Zeit so (bis 1981), daß stets der Inhaber der Einkünfteerzielende war). Im einfachsten Fall überläßt der Kapitalbesitzer der Bank sein Geld und erhält dafür Zinsen (respektive erzielt Einkünfte). Der Nießbraucher vermietet analog hierzu vorliegende Wohnung an einen Dritten und erhält dafür Miete. Ergebnis: Der Akt der Nutzungsüberlassung des Kapitals macht also den Vater zum Erzielenden der Einkünfte. Fall 38 Ein Vater kauft seinem Sohn eine Eigentumswohnung im Kölner Uni-Center und räumt seinem Sohn einen Nießbrauch diesbezüglich ein, woraufhin der Sohn die Wohnung für monatlich 1500 DM vermietet. Kann der Sohn den an den Vater gesendeten Grundsteuerbescheid steuerlich geltend machen? Der Verwirklichung des Nettoprinzips entspräche es, wenn die mit den zu versteuernden Mieteinnahmen eng in Verbindung stehenden Ausgaben
mitberücksichtigt werden könnten. Die von Biergans vertretene Meinung wird vom BFH allerdings nicht geteilt. Ergebnis: Zur Zurechnung von Aufwendungen gehört es nach BFH-Rechtsprechung auch, daß derjenige, der die Aufwendungen ansetzen möchte, diese auch wirtschaftlich trägt (sog. Kostentragungsprinzip). Es können also vom Sohn nur die selbst getragenen Aufwendungen angesetzt werden. Der Vater, der die Wohnung gekauft hat (also die Anschaffungskosten trug und die Grundsteuer bezahlt) ist daher derjenige, der die Abschreibungen steuerlich geltend machen könnte, gleichwohl ist dies ihm nicht möglich, da er keine Erwerbstätigkeit ausübt, sondern durch die Einräumung des Nießbrauchs lediglich innerhalb seiner privaten Konsumssphäre umdisponiert hat.
Durch Vereinbarung eines „Nettonießbrauchs“ kann dies übrigens umgangen werden. Der Sohn müßte dann dem Vater ein Entgelt knapp über der Höhe der Kosten des Vaters (ein-schließlich Absetzung für Abnutzung (kurz AfA)) bezahlen. Der Vater erhielte dann Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, die in Verbindung mit seinen Ausgaben nahe bei Null sind und der Sohn kann die Zahlungen an den Vater als Werbungskosten absetzen. Wie man hieran sehen kann, wird der Dummensteuereffekt durch das praktizierte Kostentragungsprinzip erheblich gefördert. Zur Übung nun noch ein paar Beispiele (Frage: Wem sind die Einkünfte zuzurechnen?): a)Gewerbetreibender G tritt eine Kaufpreisforderung an seinen Sohn ab. Dem Gewerbetreibenden sind die Einkünfte zuzurechnen, zumal die Kaufpreisforderung auch in seiner Bilanz aktiviert ist. b)Gewerbetreibender G beteiligt seinen Sohn als Kommanditisten mit Gewinnanteil am Unternehmen. Es liegt eine Schenkung vor. Ob die Mitunternehmerschaft des Sohnes steuerlich anerkannt wird, soll aber erst später an dieser Stelle behandelt werden. c)Landwirt L verpachtet seinen Hof an seinen Sohn. Ist der Vertrag wie unter fremden Dritten geschlossen worden, so sind Landwirt L Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zuzurechnen. d)Vater bestellt der Tochter einen Nießbrauch an seinen Wertpapieren. Nach einem Urteil aus dem Jahr 1976 wären, entgegen der Behandlung beim Grundstücksnießbrauch, die Einkünfte aus den Wertpapieren dem Vater zuzurechnen. Aufgrund dieser fehlgegangenen Entscheidung wird ein Wertpapiernießbrauch nicht mehr praktiziert. e)Steuerberater S ist an einem Herzinfarkt gestorben; seine Witwe W zieht die ausstehenden Honorare von den Mandanten ein. Da der Tote, der die Einkünfte erwirtschaftet, diese in der Regel nicht mehr zugerechnet bekommen kann, hat man in § 24 Abs. 2 EStG eine Regelung geschaffen, die dem Rechtsnachfolger diese Einkünfte zurechnet. f)Die Tennisspielerin G hat das Recht zur Vermarktung ihres Namens auf eine Kapitalgesellschaft (N.V.) auf den niederländischen Antillen übertragen; alleinige Gesellschafter der N.V. sind G und ihr Vater. Wem sind die Einkünfte aus der Verwertung der Rechte zuzurechnen?
Da die Tennisspielerin gearbeitet und dadurch die Einkünfte erzielt hat, müßten ihr schon vom System her die Einkünfte zuzurechnen sein. In der Praxis wird jedoch der § 42 AO hinzugezogen und die Gesellschaft als dazwischengeschaltet qualifiziert. Zu Beginn der Vorlesung ging Prof. Lang auf die Vertäge zwischen Angehörigen ein. Die Einkünfte innerhalb der Familie zu verteilen birgt einerseits den Vorteil, der sich aus der niedrigeren Progression ergibt, und zum anderen den Vorteil, der von der Nutzung der etwaigen Abzüge stammt (hier ist z.B. der Grundfreibetrag in Höhe von 12000 DM zu erwähnen). Es ist also steuerlich vorteilhaft Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit verschiedenen Personen zuzuordnen. Das einfachste Modell hierbei ist die sog. Familienpersonengesellschaft. Hierbei beteiligt ein Einzelunternehmer, der sonst alle seine Einkünfte allein versteuern müßte, beispielsweise in Form einer Kommanditgesellschaft bzw. GmbH&Co KG (aufgrund der Haftungsaspekte häufig verwandte Gesellschaftsform) seine Familienangehörigen an seinen Einkünften und erreicht somit ein Familienrealsplitting. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat die Anerkennung der Verträge zwischen Angehörigen festgelegt. In der sog. Chefintheorie wurde früher die Zuordnung der Chefin, der Ehefrau des Unternehmers, zur Unternehmersphäre vollzogen, was dann aber in einer Entscheidung wieder verworfen wurde. Allerdings müssen die Vertragsbedingungen bei Verträgen zwischen Angehörigen Bedingungen enthalten, wie sie auch bei fremden Dritten zustande kommen können (Fremdvergleich). Dieser Fremdvergleich spielt eine bedeutende Rolle, so auch in der Betriebsstättenabgrenzung im internationalen Steuerrecht. Gleichzeitig beinhaltet er jedoch auch eine Diskriminierung, da er die in der Praxis häufig vorkommenden atypischen Vertragsgestaltungen von vorneherein ausschließt. Es wird also stets der Vergleich zwischen wirtschaftlich vernünftig Handelnden angestellt. Für die steuerliche Anerkennung eines Vertrags zwischen Angehörigen ergeben sich folgende Vorraussetzungen: 1. ernstlich gewollt, 2. zivilrechtlich wirksam, 3. tatsächlich durchgeführt, 4. Fremdvergleich (bei Leistungsaustausch), 5. Schriftform (nicht zwingend, aber empfehlenswert zur Beweisführung). Etwas problematisch gestaltet sich in praxi hierbei die Forderung nach der zivilrechtlichen Wirksamkeit. Sie gilt aber als Indiz für den tatsächlich gewollten Vertrag. Ein Konflikt mit § 41 AO wird daher von der Rechtsprechung nicht gesehen. Bei Verträgen mit Minderjährigen ist noch zu beachten, daß ein Ergänzungspfleger bestellt werden muß, da der eine Elternteil als ein Vertragspartner nicht kraft elterlicher Gewalt die Interessen des Kindes wahrnehmen kann, da er sich in einem Interessenkonflikt befindet. Vormundschaftsrechtlich muß diese Aufgabe daher ein Ergänzungspfleger übernehmen (bspw. der Taufpate). Die Forderung nach der zivilrechtlichen Wirksamkeit ergab sich durch die damals gängige Praxis, Verträge abzuschließen, die von vorneherein unwirksam waren, die man aber solange Unterhaltsverpflichtungen bestanden, beibehielt, um sich dann nach Ablauf der Unterhaltspflicht sofort auf die Unwirksamkeit des Vertrages bspw. mit dem Sohn oder der Tochter berufen zu können. Dies veranlaßte dann die Rechtsprechung die zivilrechtliche Wirksamkeit als Vorraussetzung zu fordern.
Fall 39 Oder-Konto Gewerbetreibender G beschäftigt seine Frau F in der Buchhaltung seines Unternehmens. F hat einen Arbeitsvertrag wie vergleichbare Arbeitnehmer und ist entsprechend qualifiziert. Das Gehalt wird vereinbarungsgemäß vom Firmenkonto auf das private Girokonto von G und F überwiesen, über das jeder der Ehegatten allein verfügen darf. Aufgrund des Fremdvergleichs war der BFH der Ansicht, daß die Sphären der Vertragspartner streng getrennt sein müssen und dies bei einem gemeinsamen Konto nicht der Fall ist und aus diesem Grund der Vertrag steuerlich auch nicht anzuerkennen ist. Das Bundesverfassungsgericht entschied anders. Einerseits kann bei normalem, in einer Ehe üblichem Verhalten nicht von vorneherein angenommen werden, daß ein Vertrag nicht ordnungsgemäß durchgeführt wird. Außerdem würde es eine Diskriminierung der Ehe bedeuten, wenn künstlich eheunübliches Verhalten für die steuerliche Würdigung einem Ehepaar abverlangt werden würde. Andererseits kann eine Abweichung von den Vorraussetzungen („das Haar in der Suppe“) nicht gleich den ganzen Vertrag steuerlich unbeachtlich machen, sondern es ist die Gesamtsituation abzuwägen und erst die Gesamtwürdigung soll darüber entscheiden, ob ein Vertrag zwischen Angehörigen anzuerkennen ist oder nicht. Fall 40 Der evangelische Pfarrer P vereinbart mit seiner Ehefrau, daß sie einzelne seelsorgerische Besuche und Telefonanrufe übernimmt, um ihn zu entlasten. Dafür erhält sie 250 DM monatlich, die P als Werbungskosten im Rahmen seiner Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit geltend macht. Ist der Vertrag steuerlich anzuerkennen? Ergebnis: Der BFH hat den Vertrag nicht steuerlich anerkannt, da die Annahme von Telefonaten und der Besuch von Gemeindemitgliedern zum normalen Leben einer Pfarrersfrau dazugehört. Die betroffene Tätigkeit ist also als familienrechtliche Verpflichtung zu qualifizieren, was aber durchaus kritisch gesehen werden darf. Würde diese Arbeitsleistung nämlich an einen fremden Dritten weitergeleitet werden, wäre die Anerkennung unproblematisch.
Zusammenfassend ist zu den Verträgen zwischen Angehörigen festzuhalten, daß diese vom Grundsatz her anerkannt werden müssen, gleichwohl sind gewisse Vorraussetzungen zu erfüllen, vor allem müssen sie zivilrechtlich wirksam sein und einem Fremdvergleich standhalten können.
F. Ermittlung der Einkünfte Die Einkünfte werden je nach Einkunftsart unterschiedlich ermittelt, was zu unterschiedlichen Ergebnissen führen kann und dadurch Probleme aufwirft. In der
Einkommensteuer werden also Überschußeinkünfte anders ermittelt als Gewinneinkünfte und Gewinneinkünfte untereinander wiederum anders. In § 2 EStG sind Gewinneinkünfte und Überschußeinkünfte normiert. In § 2 Abs.2 wird dann im Zusammenhang mit den Gewinneinkunftsarten (Ziel: Erfassung des Reinvermögenszugang) auf die §§ 4 ff. EStG verwiesen, im Zusammenhang mit den Überschußeinkünften (Ziel: Erfassung der Quelleneinkünfte) auf die §§ 8 ff. EStG. Hinzu treten noch die Ausnahmen von der Quellentheorie, nämlich die Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften bei wesentlicher Beteiligung und die Spekulationsgeschäfte (§ 17 und § 23, Ziel: Ermittlung von Veräußerungseinkünften aus Veräußerungen von Wirtschaftsgütern des Stammvermögens). Es ergibt sich demnach ein dreiteiliges Raster. Im Bereich der Quelleneinkünfte wird eine Überschußrechnung durchgeführt. Im Bereich der Gewinneinkünfte wird in der Regel ein Betriebsvermögensvergleich angestellt. Der allgemeine Gewinnbegriff ist dabei, und dies geht aus dem § 4 Abs. 2 EStG hervor, bilanz-abhängig, was sich auf den Charakter der Einkünfteermittlung auswirkt. Allerdings existiert in dem Bereich der Gewinneinkünfte wiederum eine Ausnahme, und zwar die in § 4 Abs. 3 normierte Einnahmen-Überschußrechnung. Der Unterschied zwischen der Überschußrechnung im Sinne der Überschußeinkünfte (§ 4 Abs. 3 EStG) und dem bilanzabhängigen Gewinnbegriff liegt in der periodengerechten Erfassung von Einkünften. Die Überschußrechnung ist eine einfache Kassenrechnung. Es werden zufließende Einnahmen mit abfließenden Ausgaben verglichen (Stromgrößenrechnung). Dieses Zufluß- und Abfluß-prinzip ist in § 11 EStG geregelt. Zur Verdeutlichung folgendes Beispiel: Ein Gebrauchtwagenhändler kauft im Mai ein Auto von einem älteren Herren für 10000 DM, verkauft es im Dezember wieder und erhält aber erst im Januar den Kaufpreis von 15000 DM. Bei der Kassenrechnung/Überschußrechnung für Jahr 01 taucht nur der Einkauf von 10000 DM auf, es findet eine Periodenverzerrung statt. Der Effekt der Zerschneidung des Lebenseinkommens in einzelne Perioden wird durch die Kassenrechnung also noch gesteigert (dramatisches Beispiel des Architekten der erst nach 5 Jahren Bauprojekt auf einen Schlag entlohnt wird). Bei der Gewinnermittlung durch Bilanzierung werden Erträge mit Aufwänden in Beziehung gesetzt (Bestandsrechnung) und der ermittelte Differenzbetrag mit dem ermittelten Differenzbetrag der Vorjahresbilanz verglichen. Dadurch erhält man den Reinvermögenszugang. In Bezug auf das Gebrauchtwagenbeispiel heißt das, daß sowohl der Einkauf als Aufwand eingebucht wird, als auch der Ertrag als Forderung in Höhe von 15000 DM eingebucht wird. Wird später dann bezahlt, wird lediglich von Forderungskonto auf Position Kasse bspw. umgebucht. Im Ergebnis erhält man hierdurch ein periodengerechtes Ergebnis, gleichwohl erfordert diese Ermittlungsart bilanztechnische Fachkenntnisse und erheblichen organisatorischen Aufwand. Die Ermittlung der Veräußerungseinkünfte (§ 17 und 23 EStG) erfolgt ebenfalls in kleinen Bestandsrechnungen, da der Kapitaleinsatz dem Veräußerungserlös gegenübergestellt wird.
Überschußeinkünfte (§4 Abs. 3 EStG und § 8 ff.) werden noch modifiziert bei Anlagevermögen (da natürlich nicht hingenommen werden kann, daß der volle Kaufpreis eines Gebäudes auf einmal abgesetzt werden kann), indem Abschreibungen angesetzt werden. Die Abschreibungen sollen laut BFH dazu beitragen, daß der Werteverzehr eines Anlagegutes berücksichtigt wird.
Im Einkommensteuerrecht existieren zusammenfassend demnach mehrere Einkünfteermittlungsarten. Zunächst sind hier die Hauptermittlungsarten Gewinnermittlung und Überschußermittlung zu nennen. Bei den Gewinnermittlungsarten unterscheidet man zwischen dem bilanzabhängigen Betriebsvermögensvergleich und der Kassenrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG. Bei der Überschußrechnung werden einerseits Quelleneinkünfte erfaßt und anderer-seits ein kleiner Bestandsvergleich nach § 17 und § 23 EStG durchgeführt. Wichtig ist noch, daß die Überschußrechnungen im Rahmen der Überschußeinkünfte keine reinen Überschußrechnungen darstellen, sondern im Bereich des Anlagevermögens, um dramatische Verzerrungen zwischen Einnahmen und Ausgaben zu vermeiden, auf Abschreibungen (Absetzungen für Abnutzung) zurückgegriffen wird. Im Anschluß hieran beschäftigte sich Prof. Lang mit der personellen Zuordnung der Gewinnermittlungsarten. Ist jemand dazu gesetzlich verpflichtet Bücher zu führen, so muß er bilanzieren und so seinen Gewinn ermitteln. Ist er nicht dazu verpflichtet kann er sich freiwillig zur Buchführung und Bilanzierung entschließen. Die Buchführungspflicht ist dabei nach Größenkriterien geordnet und in § 141 AO geregelt. Geprüft wird also zunächst, ob jemand nach Handelsrecht buchführungspflichtig ist. Im Anschluß daran wird geschaut, ob jemand nach § 141 AO Bücher zu führen hat. Da der Gewinn von 48.000 DM in der Land- und Forstwirtschaft nicht allzu hoch bemessen ist, müssen ziemlich viele Land- und Forstwirte Bücher führen. Für sie gelten die normalen GoB, allerdings gibt es auch eine besondere Behandlung für Land- und Forstwirte, welche weniger als 48.000 DM Gewinn machen (Sie ist in § 13 a EStG niedergelegt). Nach dieser Gewinnermittlungsart werden nur ca. 60-80 % des Realgewinns aus Land- und Forstwirtschaft erfaßt. Nicht buchführungspflichtige Land- und Forstwirte können also interesanterweise zwischen freiwilliger Buchführung, Bilanzierung, Überschußrechnung und Gewinnermittlung nach § 13 a EStG frei wählen. Bei den Gewerbetreibenden ist die spezielle Gewinnermittlung nach § 5 EStG zu beachten, die nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung zu erfolgen hat (Maßgeblichkeit der Handels- für die Steuerbilanz). Sind sie nicht buchführungspflichtig, so können sie freiwillig Bücher führen und die Überschußrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG durchführen. Freiberufler sind nicht buchführungspflichtig (somit erfolgt meist Überschußrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG) und sind auch nicht von § 141 AO erfaßt, können aber freiwillig Bücher führen ((z.B. lohnend für Architekten) nach § 4 Abs. 1).
Mit der erfreulichen Nachricht, daß am 21. und 22. Dezember die Vorlesungen nicht stattfinden schloß Prof. Lang im Anschluß an diesen Überblick die Vorlesung.
Aber nun noch zum besseren Verständnis folgende Abbildung: Personenkreis Land- und Forstwirte, gesetzlich buchführungspflichtig (insb. nach § 141 AO) oder freiwillig buchführend Freiberufler, freiwillig buchführend Gewerbetreibende, gesetzlich buchführungspflichtig (insb. Vollkaufleute/Handelsgesellschaften/ Buchführungspflichtige nach § 141 AO) oder freiwillig buchführend Freiberufler, nicht buchführend Gewerbetreibende, weder gesetzlich buchführungspflichtig (insb. Kleingewerbetreibende) noch freiwillig buchführend
Gewinnermittlungsart A1lgemeiner Betriebsvermögensvergleich (§ 4 Abs. 1 EStG)
Betriebsvermögensvergleich für Gewerbetreibende (§ 5 EStG)
Betriebseinnahmen/-ausgabenÜberschußrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG
Land- und Forstwirte, weder gesetzlich buchführungspflichtig noch freiwillig buchführend und die Überschußrechnung nach § 13 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG beantragend Land- und Forstwirte, welche die Gewinnermittlung nach Vorraussetzungen des § 13 a Abs. 1 Durchschnittssätzen EStG erfüllen und nach § 13 a Abs. 2 EStG keine andere Gewinnermittlungsart wählen
Zu Beginn der Vorlesung berichtete Prof. Lang von der höchst ereignisreichen Zeit im Rahmen der sich jetzt konkretisierenden anstehenden Steuerpolitik. Waren die bislang öffentlich gewordenen steuerpolitischen Reformvorhaben eher als Beitrag zum Steuerchaos zu beurteilen, ergibt sich nunmehr die Chance durch die Einrichtung einer Unternehmensteuerreformkommission, der auch Prof. Lang angehört, entscheidend zur Verbesserung der Standortwettbewerbsposition Deutschlands beizutragen. Es wird dabei das Ziel verfolgt, eine rechtsformneutrale Unternehmensteuer mit einem Steuersatz von 35 % zu schaffen. Im Hinblick auf die Brisanz dieses Themas möchte ich an dieser Stelle einen kleinen Überblick über die existierenden Konzepte geben (obschon dieses Thema eigentlich in die Vorlesung des Sommersemesters gehört). Damit der Faden aber nicht verloren geht, packe ich dies in den Anhang dieser Mitschrift. Einführend ging daraufhin Prof. Lang noch einmal auf die Ermittlung der Einkünfte im Hinblick auf das ihnen zugrunde liegende System (Stichworte: Bilanzierung, Überschußrechnung und ergänzende Ermittlung von Veräußerungseinkünften, sowie
privilegierende Einkünfteermittlung (§ 13 a EStG (in der Praxis eher unbedeutend, da Beträge meist höher als 48000 DM)) ein. Hervorzuheben bleibt im Hinblick auf die Terminologie innerhalb der Einkünfteermittlung, daß es das Ziel des Betriebsvermögensvergleiches ist, eine periodengerechte Zuordnung zu schaffen, so daß Verzerrungen vermieden werden können (siehe Beispiel Architekturbüro). Dieses Ziel zu erreichen ist jedoch mit erheblichem technischen Aufwand (Buchführung) verbunden. Man spricht hierbei von Ertrag und Aufwand. Dem steht die Einnahmen-/Werbungskosten- Überschußrechnung, die sich kassenmässig mit Einnahmen und Ausgaben (Werbungskosten) beschäftigt, gegenüber. Dazwischen ist die Betriebseinnahmen-/Betriebsausgaben-Überschußrechnung anzusiedeln, die betrieblich veranlaßte Zu- und Abflüsse betrachtet. Ein großes Problem im Steuerrecht stellt nun die Zuordnung eines Vorgangs zur Erwerbsphäre auf der einen Seite oder zur Privatsphäre auf der anderen Seite dar. 40 % aller Finanzgerichtsverfahren beschäftigen sich mit dieser Problematik. Diese Abgrenzung soll nun am Beispiel einer Autofahrt von der Wohnung zur Arbeitsstätte dargestellt werden. Betrachtet man die gesetzliche Definition „Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen“ (§ 9 Absatz 1 Satz 1 EStG) würde man diese Autofahrten eigentlich nicht steuerlich anerkennen können, da die Entscheidung, ob man in der Nähe der Arbeitsstätte wohnt oder nicht, in der Privatssphäre liegt. Die Einnahmen aus der beruflichen Tätigkeit werden davon eigentlich nicht berührt. Im amerikanischen Steuerrecht werden daher solche Fahrten nicht anerkannt (no business expensives). Da jedoch in der Vorschrift über die Betriebsausgaben diese (§ 4 Absatz 4 EStG) mit dem Satz „Betriebsausgaben sind die Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlaßt sind“ definiert werden (Veranlassungsprinzip) und nach Meinung des BFH Ausgaben der Erwerbssphäre nicht bei den Gewinneinkünften nach anderen Kriterien definiert werden können als in der Erwerbssphäre bei den Überschußeinkünften, gilt für die Werbungskosten das Veranlassungsprinzip. Kann also der erwerbsrelevanten Tätigkeit eine Ausgabe zugeordnet werden (Veranlassung durch die Erwerbstätigkeit), so ist diese zu den Werbungskosten zu zählen. Die Fahrten von der Wohnung zur Arbeitsstätte sind demnach Werbungskosten. Diese Veranlassung läßt sich in drei Bereiche einteilen. Graphisch:
Veranlassung rein betriebliche/berufliche Veranlassung
gemischt private/betriebliche Veranlassung
rein private Veranlassung
Streng genommen wäre eine Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte eine gemischt private/ betriebliche Veranlassung. Der Gesetzgeber hat dies erkannt und in vielen Fällen der gemischt privaten/ betrieblichen Veranlassung Sondertatbestände geschaffen. So ist im vorliegenden Fall die Nr. 4 in § 9 Abs. 1 EStG entstanden. Gewisse Aufwendungen dürfen bei betrieblicher/beruflicher Veranlassung nicht in voller Höhe abgezogen werden (Nichtabziehbare Erwerbsaufwendungen). Dies wird bereits am Beispiel des angesprochenen Arbeitszimmers deutlich. Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie für die Kosten seiner Ausstattung sind grundsätzlich nicht abziehbar, es sei denn, es bildet den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung. In diesen Fällen wird ein limitierter Abzug gewährt. Die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sind beruflich veranlaßt. Allein aufgrund der Tatsache, daß das Arbeitszimmer sich in der Wohnung, also der Privatssphäre, des Steuerpflichtigen befindet, ist nicht darauf zu schließen, daß die Aufwendungen hierfür der Privatssphäre zuzuordnen sind. Wird trotzdem dieser Schluß gezogen, wird eindeutig das Nettoprinzip verletzt. Eine Begrenzung auf 2400 DM ist demnach eigentlich nicht gerechtfertigt. Man denke in diesem Zusammenhang nur an einen Lehrer, der Klausuren korrigieren muß und dafür in der Schule effektiv keine Möglichkeit besitzt. Um eine Norm wie bspw. diese Arbeitszimmerregelung einordnen und beurteilen zu können, braucht man an diese nur zunächst mit einem kausalrechtlichen Verständnis heranzutreten. Die Verletzung des Nettoprinzips durch das Arbeitszimmerabzugsverbot kann so schnell erkannt werden. Ein anderes beachtenswertes Abzugsverbot findet sich in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG. Dazu: Fall 41 Ferrari Handelsvertreter Hiphop kauft einen Ferrari (der eigentlich bevorzugte Mercedes mit Flügeltüren war nicht schnell genug lieferbar), um seine Kunden aus der Musikbranche standesgemäß zu beeindrucken. Die Modeaccessoires der aktuellen Gangsterrapper-Kollektion bringt Hiphop nur mit Mühe und Not in seinem Musterkoffer auf dem Beifahrersitz unter. Sind die Kosten für den Ferrari als Betriebsausgabe absetzbar?
Die Regelung in § 4 Abs. 5 EStG setzt voraus, daß die Aufwendungen für den Ferrari nach allgemeiner Verkehrauffassung als unangemessen angesehen werden müssen, um steuerlich als nicht abziehbar zu gelten. Es müßte also betriebswirtschaftlich vertretbar sein, ein solches Auto zu fahren (was mit der Höhe des Umsatzes wieder zusammenhängt). Nach der Rechtsprechung werden Autokosten bis zu einer Höhe von 260000 DM Anschaffungskosten noch toleriert, sofern ein entsprechender umsatztechnischer Hintergrund besteht. Ergebnis:
Der Ferrari kann bestenfalls mit Anschaffungskostenanteil von 260000 DM in die steuerliche Betrachtung eingehen und wird in den Folgejahren abgeschrieben. Eine gemischte Veran-lassung ist also im vorliegenden Fall festzustellen, die zu einer Aufteilung der Aufwendungen führt. Wenn Aufwendungen sowohl betrieblich, als auch privat veranlaßt sind, gibt es also zum einen die Möglichkeit, alle Ausgaben der Privatsphäre zuzuordnen (z.B. § 12 EStG) und zum anderen die unangemessenen Ausgaben von den der Erwerbssphäre zuzuordnenden Ausgaben zu unterscheiden. Die Kausalitätsfrage (gemischte Veranlassung) wird dabei im ersten Fall vom Gesetzgeber durch das Institut der nicht abziehbaren Betriebsausgaben in zu vereinfachender Weise gelöst. Die in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG gefundene Lösung hingegen berücksichtigt die Kausalität angemessen. Dasselbe Abgrenzungsproblem stellt sich natürlich auch auf der Einnahmenseite. So werden Mitarbeitern häufig Güter zur Verfügung gestellt, die als zusätzlicher Arbeitslohn zu qualifizieren sind. Beispiele hierfür sind Dienstwagen, die auch für Privatfahrten genutzt werden, oder Starköche, die für Teile der Beschäftigten kochen. Ein weiteres Beispiel bietet folgender Fall
Fall 42 Goldenes Stethoskop Der Chefarzt Sauerbruch kauft für seine Privatpraxis ein goldenes Stethoskop, das voll funktionsfähig ist. Können die Anschaffungskosten steuerlich geltend gemacht werden? Ein Stethoskop berührt die Lebensführung nicht und wird (in der Regel) rein „betrieblich“ genutzt. Dahinter steht die Philosophie, daß dem Unternehmer nicht vorgeschrieben werden kann, welche Kosten von ihm zu verursachen sind. D.h. für den rein betrieblich veranlaßten Bereich kann betriebswirtschaftlich rationales Verhalten nicht aufoktroyiert werden, und somit sind unangemessen hohe Ausgaben bei betrieblicher Veranlassung voll absetzbar. Ergebnis: Die Aufwendungen für das goldene Stetoskop sind rein betrieblich veranlaßt und daher voll absetzbar.
Zusammenfassend ist festzustellen, daß durch die Erwerbstätigkeit Aufwendungen veranlaßt werden können, welches im Betriebsausgabenbegriff und dem Werbungskostenbegriff näher beschrieben wird. Deklaratorisch werden hierzu vom Gesetzgeber in § 12 Absatz 1 EStG Aufwendungen, die durch die Lebensführung veranlaßt sind, als nicht abziehbar gewertet, was ja bereits aus dem Betriebsausgaben-/Werbungskostenbegriff folgt. Die Ausnahme hiervon bildet dann jedoch § 12 Absatz 2 EStG, in dem auch dann ein Abzugsverbot festgeschrieben wird, wenn die Aufwendungen mit der Förderung des
Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen verbunden sind. Ein gemischt veranlaßter Bereich wird hierdurch der Lebensführung voll zugeordnet. Der historische Anlaß für die Einführung dieser Vorschrift lag in dem Mißbrauch durch Repräsentationsaufwendungen, also Aufwendungen der Lebensführung, die man vom steuerlichen Abzug ausschließen wollte (Beispiel: Bankvorstand lädt Geschäftspartner und Freunde zu einer Party in seinem Haus ein). Der Ärztekongreß in Davos ist ein weiteres Beispiel für die Auswirkungen des Abzugverbots. Der BFH hat die Kongreßkosten komplett nicht zum Abzug zugelassen. Besser wäre es natürlich, würde man in solchen Fällen einen Teil anerkennen, selbst wenn die Ermittlung dieses Anteils Probleme bereitet. Die Abgrenzung von Privataufwendungen und Berufsaufwendungen erfolgt leider willkürlich. Abschließend ist also festzustellen, daß bei rein betrieblich oder rein privaten Aufwendungen in der Regel keine Probleme auftreten, wohingegen bei gemischter Veranlassung enorme Abgrenzungsschwierigkeiten auftreten. Nach der Wesentlichkeitstheorie sollte man eine Aufteilung der Aufwendungen durchführen, wenn beide, sowohl betrieblich als auch private, Veranlassungsgründe vorliegen. Eine Abweichung hiervon verletzt das Nettoprinzip. Zum besseren Verständnis folgende kausalrechtliche Fälle, bei denen folgendes Prüfungsschema angewandt werden kann:
Prüfung gemischt veranlaßter Aufwendungen: 1. Besteht ein spezielles Abzugsverbot gem. §§ 4 Abs. 5, 9, 12 EStG? 2. Welche Handlungen haben die Aufwendungen verursacht? 3. Sind die Aufwendungen ,,wesentlich beruflich" oder ,,wesentlich privat" veranlaßt? a) Bei wesentlich betrieblich/beruflich veranlaßten Aufwendungen ist der Abzug grds. in voller Höhe zulässig; bei wesentlich privat veranlaßten Aufwendungen greift dagegen das Abzugsverbot des § 12 Nr.1 EStG. b) Sind die Aufwendungen sowohl wesentlich durch eine Erwerbshandlung, als auch zugleich wesentlich durch die Lebensführung veranlaßt, so sind sie nach der Rspr. nur aufzuteilen, wenn eine zutreffende, leicht nachprüfbare Trennung möglich ist (anerkannt z.B. für Telefon, Betriebs-Kfz). In allen anderen Fällen gilt das ,,Aufteilungs- und Abzugsverbot"; insoweit hat § 12 Nr. 1 EStG konstitutive Wirkung.
Fall 43 Handelsvertreter H verursacht auf dem Weg zu einem Kunden einen Verkehrsunfall, bei dem ein Schaden in Höhe von 15.000 DM entsteht. Ursache: H nahm die Hände vom Lenkrad, um eine heruntergefallene Zigarette aufzuheben. Ergebnis:
Das unfallverursachende Rauchen wurde in diesem Fall als unwesentlich bewertet. Die Betriebsausgaben wurden voll anerkannt.
Fall 44 Handelsvertreter H verursacht auf dem Weg zu einem Kunden einen Verkehrsunfall, bei dem ein Schaden in Höhe von 15.000 DM entsteht. Ursache: H hatte einen erfolgreichen Geschäftsabschluß gefeiert und war angetrunken. Ergebnis: Das unfallverursachende Trinken wird als wesentlich bewertet. Die Betriebsausgaben werden nicht anerkannt. Diese Art „Schweinehundtheorie“ ist schwer nachzuvollziehen. Wenn ein Arzt von einer Gaststätte aus zu einem Unfallort gerufen wird (er macht sich vielleicht strafbar, wenn er nicht dorthin fährt) und einen Unfall hat, würde dies nicht steuerlich anerkannt, was nach normalem Verständnis fehlgeht.
Fall 45 Bei einer privaten Urlaubsfahrt mit dem Firmen-Pkw wird dieser zerstört. Ergebnis: Es liegt hier eine eindeutige private Veranlassung vor. Eigentlich müßte im Zeitpunkt der Zerstörung der Pkw als private Entnahme zum derzeitigen Zeitpunkt ausgebucht werden.
Fall 46 Eine Fernsehansagerin möchte ihre hohen Kosten für Kosmetika und Kleidung als Werbungskosten geltend machen. Ergebnis: Nur bei typischer Berufskleidung (Richterrobe, Uniform) läßt man den Abzug zu.
Fall 47 Einem Arbeitnehmer wird auf einer Dienstreise Geld und ein Koffer gestohlen. Eigentlich liegen hier aber beruflich veranlaßte Aufwendungen vor (Beispiel: Journalist in Beirut). Der BFH urteilt aber anders. Ergebnis: Die Vermögensschädigung steuerlicher Abzug.
Fall 48
wird
der
Privatsphäre
zugeordnet.
Daher
kein
Polizist P nimmt einen Straftäter fest, der nach seiner Freilassung aus Rache das Privatauto des P in Brand setzt. Kann P den Schaden von 8.000 DM als Werbungskosten von seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abziehen? Ergebnis: Die Aufwendungen sind dem Steuerpflichtigen völlig unfreiwillig entstanden und durch seine Erwerbstätigkeit veranlaßt. Sie sind darum als Werbungskosten anzuerkennen. Zu Beginn der Vorlesung ging Prof. Lang noch einmal kurz auf die Rechtsprechung des BFH ein, welche den Werbungskosten- und Betriebsausgabenbegriff einheitlich nach dem Veran-lassungsprinzip definiert. Sind also Aufwendungen durch den Betrieb oder beim Arbeitnehmer durch seine nichtselbständige Arbeit (bei Kapitalvermögen durch Kapitalüberlassung/bei Vermietung und Verpachtung durch die Vermietung oder Verpachtung) veranlaßt, werden sie nach bereits erwähntem Grundschema als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten zum Abzug zugelassen. Probleme treten auf, wenn Kosten weder der Privat- noch der Erwerbssphäre eindeutig zugeordnet werden können und somit gemischte Veranlassung vorliegt. Diese Problematik wurde teils vom Gesetzgeber geregelt, indem Pauschalen oder Abzugs-beschränkungen eingeführt wurden oder sogar Abzugsverbote (§ 12 EStG) in das Einkommen-steuergesetz übernommen wurden. Richtiger wäre es gewesen, wenn wie in § 4 Abs 5 Nr. 7 EStG die Angemessenheit für alle gemischt veranlaßten Aufwendungen als Kriterium erkannt worden wäre, die Aufwendungen „angemessen“ aufzuteilen.
Einige Abzugsverbote, und dies ist noch hinzuzufügen, dienen dem Schutz der Rechtsordnung. Hierzu ist gleichsam das Abzugsverbot für Schmier- und Bestechungsgelder (§ 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG) zu zählen. Strafgelder für Preisabsprachen galten früher nach BFH-Rechtsprechung als betrieblich veranlaßt und daher steuerlich abziehbar. Dies wurde durch den Gesetzgeber dann aber durch die Einfügung des § 4 Abs. 5 Nr. 8 EStG abgestellt. Das Nettoprinzip wird zwar hierbei verletzt, ist aber gerechtfertigt auf der Grundlage des Grundsatzes der Einheit der Rechtsordnung. Die Halbierung des Sanktionszwecks der Strafe durch steuerliche Anerkennung kann nicht hingenommen werden. Sie wird daher als nicht abziehbare Betriebsausgabe behandelt. Da der Vorgang allerdings sowieso in die private Opfersphäre fällt, kann man schon von vornherein dieses Strafgeld der Privatsphäre zuordnen. In den USA besteht übrigens eine viel einfachere Regel. Dort sind alle Aufwendungen, die gegen amerikanisches Recht verstoßen, nicht abziehbar.
Der Bereich der vorab entstandenen und nachträglichen Erwerbsaufwendungen soll anhand folgenden Falles erklärt werden: Fall 49 Ein arbeitsloser Schlosser absolviert einen Meisterlehrgang, um seine beruflichen Chancen zu verbessern. Daneben bewirbt er sich laufend bei verschiedenen
Arbeitgebern. Kann er die Aufwendungen für den Lehrgang und die Reisekosten für die Vorstellungsgespräche mit seinen positiven Einkünften aus Vermietung und Verpachtung verrechnen? Wäre der Schlosser beschäftigt, so würden seine Ausbildungsaufwendungen als Fortbildungs-kosten im Rahmen der Sonderausgaben Beachtung finden (§ 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG). Sie fielen aber in die Privatsphäre und wären nicht als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abziehbar. In der Prüfungsreihenfolge wird also zunächst geprüft, ob 1. die Aufwendungen als Werbungskosten oder Betriebsausgaben zu qualifizieren sind oder 2. Sonderausgaben vorliegen. Aus der Formulierung „oder seine Weiterbildung in einem nicht ausgeübten Beruf“ des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG läßt sich eigentlich schließen, daß diese Weiterbildungsaufwendungen keine Werbungskosten sind. Gleichwohl wird dies von der Rechtsprechung nicht so konsequent gesehen, so daß, wenn ein konkreter Veranlassungszusammenhang besteht, Werbungskosten zu bejahen sind. Ergebnis: Im vorliegenden Fall ist eine konkrete Zuordnung der Weiterbildungskosten zur beruflichen Tätigkeit möglich, d.h. die Weiterbildungskosten sind als Werbungskosten zu qualifizieren und nicht als Berufsausbildungskosten anzusehen. (Intensiv zu diesem Thema (vielleicht auch für Examenskandidaten) Drenseck in der nächsten Ausgabe von StuW) Die Aufwendungen für ein Studium im allgemeinen werden mangels konkretem Veranlassungszusammenhang der Privatssphäre zugeordnet und stellen keine Werbungskosten dar (Anders bei einem Zweitstudium bei gleichzeitiger Beurlaubung in der WP-Gesellschaft). Würde der arbeitslose Schlosser übrigens vortragen, er habe vor, sich demnächst selbständig zu machen, so wären seine Aufwendungen vorab entstandene Betriebsausgaben (keine Liebhaberei, da Gewinnerzielungsabsicht vorlag). Ist er sich indessen aber unsicher, ob er später Arbeitnehmer oder Selbständiger sein will, sind die Aufwendungen weder als Werbungskosten noch als Betriebsausgabe qualifizierbar und daher nicht absetzbar (Dies sieht Drenseck übrigens anders und würde daher gerne diese Vorgehensweise abändern). Bei nachträglichen Erwerbsaufwendungen (Fall der nach zwei Jahren nach Auflösung eines Geschäftsbetriebes eingehenden Rechnung, die zu bezahlen ist) besteht in der Regel ein Veranlassungszusammenhang.
Ein anderes schwieriges Thema betrifft den sog. Drittaufwand, wenn also Aufwendungen, die Dritte tragen (z.B. man wird in einer Fahrgemeinschaft unentgeltlich mitgenommen), von einem selbst angesetzt werden. Fall 50
Vater Verschwend schenkt seinem Sohn Sorglos einen Geldbetrag von 50.000 DM, den dieser dazu verwendet, einen Mittelklassewagen zu kaufen, um ihn in seinen neu gegründeten Geschäftsbetrieb einzubringen. Kann der Teilwert von Sorglos abgeschrieben werden?
Ergebnis: Es liegt eine Schenkung in der Privatsphäre vor. Der Kauf des Autos ist hiervon abzuschichten, so daß das Auto also betrieblich genutzt wird (mit allen Konsequenzen, die sich daraus ergeben). Schön wäre es, wenn solche Vorgänge immer in Zuwendung und anschließende Aufwendung unterschieden würde. Die Rechtsprechung ist aber leider der Ansicht, daß derjenige, der die Kosten auch tatsächlich (wirtschaftlich) getragen hat, auch allein das Recht auf Abzug besitzt (vgl. Beispiel Nettonieß-brauch bei Wohnungsvermietung). Dies widerspricht dem Gedanken, daß durch die Zuwendung auch hieraus entstehende Vorteile mitübertragen werden. Zudem wäre es im Sinne des Nettoprinzips, wenn die Aufwendungen, unabhängig davon wer sie wirtschaftlich trägt, den ihnen zugehörigen Erträgen zugeordnet werden könnten. Fall 51 Ein verheirateter Richter hat in einem den Ehegatten gemeinsam gehörenden Einfamilienhaus ein Arbeitszimmer. Steht ihm die auf das Arbeitszimmer entfallende AfA auch zu, soweit sie den Miteigentumsanteil seiner Ehefrau betrifft? Unterstellen Sie, daß die Voraussetzungen für den WK-Abzug nach §§ 4 V 1 Nr. 6b, 9 V EStG vorliegen. Es ist hier also zu entscheiden, ob bspw. 10% oder 5 % der Gebäude-AfA (die Anschaffungskosten für das Gebäude haben beide Ehepartner je zur Hälfte getragen) ansetzbar sind. Ergebnis: Nach derzeitiger Rechtsprechung wird der Zuwendungsgedanke noch angewandt. Es ist eine private Entscheidung unter Eheleuten (familienrechtliche Entscheidung), ob einer der Ehepartner einen Teil des Hauses ganz für sich beansprucht. Es wird also auch im Hinblick auf den Miteigentumsanteil der Ehefrau die hierauf entfallende AfA gewährt. Diese Rechtsprechung widerspricht dabei ganz klar dem Kostentragungsprinzip. Würde dieses angewandt, müßten die Eheleute durch Gestaltung (Mietvertrag) sich den vollen Abzug sichern. Anders wurde in der neueren Rechtsprechung entschieden. Fall 52 Die Eheleute E kaufen gemeinsam ein Grundstück mit Einfamilienhaus, welches sie zur Hälfte zu privaten Wohnzwecken nutzen (1. Stock). Das Erdgeschoß nutzt Frau E für ihre Arztpraxis, wobei Herr E seiner Frau ,,seine Hälfte" des Erdgeschosses unentgeltlich zur Nutzung überläßt. Den Erwerb des Hauses finanzierten die
Eheleute E zur Hälfte mit einem gemeinsam aufgenommenen Darlehen, zur Hälfte mit gemeinsamen Ersparnissen. Dabei ordnen sie das Darlehen der Praxis zu und machen die Zinsen voll als Betriebsausgabe im Rahmen der Praxis geltend. Ist das zulässig?
Ergebnis: Hier kommt nun der Kostentragungsgedanke zum Zuge. Nur der Anteil, den die Ehefrau finanziert hat und der auf die Praxis entfällt, kann als AfA abgesetzt werden. Dieser Widerspruch in der Rechtsprechung soll durch eine bald zu erwartende Entscheidung des BFH abschließend geklärt werden.
Fall 53 Bauen auf fremden Boden Eine Ehefrau stellt ihrem Mann, der Anwalt ist, ein unbebautes Grundstück zur Verfügung. Dieser bebaut es anschließend und möchte die Gebäude-AfA für seine Anwalts-GmbH geltend machen. Kann er das? Ergebnis: Das Gebäude kann als Wirtschaftsgut aktiviert und abgeschrieben werden, da nach dem Kostentragungsprinzip die Herstellungskosten von dem Anwalt getragen werden. In diesem Fall braucht man also nicht Eigentümer zu sein, um AfA-berechtigt zu sein. Problematisch wird dies dann, wenn die Ehefrau dann das Grundstück veräußert, da der Veräußerungsgewinn steuerfrei bleibt. Wäre man für klare Verhältnisse und würde man als Anwalt auch das Grundstück der Ehefrau kaufen und in die Bilanz übernehmen, müßte ein evtl. Veräußerungsgewinn versteuert werden (Dummensteuereffekt). Andererseits hängen solche Lösungen auch immer vom Zustand einer Ehe ab, da Bauen auf fremden Boden bei einer etwaigen Scheidung widerum enorme Probleme aufwerfen könnte. Abschließend bleibt noch zu erwähnen, daß die Rechtsprechung auf dies Steuersparmodell reagiert hat mit der Folge, daß wenn ein unbebautes Grundstück unentgeltlich überlassen wird, eine Nutzungsentschädigung vereinbart werden muß, um zu verhindern, daß die Herstellungskosten für das Gebäude dem Privatbereich zugeordnet und die AfA versagt werden. Dies führt dazu, daß also im betrieblichen Bereich die Differenz zwischen Herstellungskosten und Zeitwert versteuert werden.
Damit schloß Prof. Lang diesen Bereich ab und wendete Betriebsvermögensvergleich nach §§ 4 Abs. 1 und 5 Abs. 1 EStG zu.
sich
dem
In § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG ist definiert, daß der „Gewinn der Unterschiedsbetrag zwischen den Betriebsvermögen am Schluß des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluß des vorangegangenen Wirtschaftsjahres vermehrt um den Wert der Entnahmen, vermindert um den Wert der Einlagen“ ist. Dies gilt natürlich unter der Prämisse der Bilanzidentität der beiden Schlußbilanzen. Bei Auffinden eines unrichtigen Bilanzansatzes bspw., werden alle Bilanzen daraufhin durchkorrigiert. Die Verankerung der Periodisierung der Rechnungslegung (§ 5 Absatz 1 EStG) gehört dabei eigentlich zu diesem Gewinnbegriff dazu und wäre auch eher in § 4 Abs. 1 EStG aufzuführen, anstatt in § 5 EStG. Vereinfacht kann man sich merken, daß der Betriebsvermögensvergleich den Vergleich von zwei Schlußbilanzen beinhaltet. Die betriebliche Sphäre wird desweiteren durch die Formulierung „vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen“ von der nichtbetrieblichen Sphäre abgegrenzt. Werden z.B. innerhalb eines Wirtschaftsjahres aus der Kasse des Unternehmens durch den Unternehmer 50.000 DM entnommen (bei einem Eigenkapital in Höhe von 100.000 DM), so werden am Schluß des Wirtschaftsjahres diese 50.000 DM hinzugerechnet. Es erfolgt in so einem Fall eine Wertabgabe zu außerbetrieblichen Zwecken. Hieraus ergeben sich vier Grundbegriffe: 1. Ertrag 2. Aufwand 3. Einlage 4. Entnahme
Vergleich zweier Schlußbilanzen (hierzu gehört die periodisierende Rechnungslegung) Spezifikation des steuerlich erwirtschafteten Gewinns
Nimmt man die 50.000 DM aus obigem Beispiel, um mit der Sekretärin nach Mexiko in den Urlaub zu fahren, handelt es sich dementsprechend um eine Entnahme, verwendet man sie für einen Werbefeldzug, so handelt es sich um betrieblichen Aufwand. Eine Entnahme ist also eine Wertabgabe aus dem Betriebsvermögen für andere betriebsfremde Zwecke. Analog sind Wertzuführungen aus dem nicht-betrieblichen Bereich Einlagen. Der Einlagenbegriff dient aber neben der Abgrenzung von Betriebs- und nicht betrieblicher Sphäre noch dazu, betriebliche Erträge von Wertzugängen, die nicht erwirtschaftet worden sind, abzugrenzen. Im Ergebnis sind also Ertrag und Aufwand Begriffe, die mit dem, was erwirtschaftet wurde, in Zusammenhang stehen, wohingegen Einlage und Entnahme dem nicht erwirtschafteten zuzuordnen ist. Mit dieser Unterscheidung sind enorme Steuerfolgen verknüpft. Hierzu ein Beispiel: Vor zwanzig Jahren wurde ein Betriebsgebäude für 500.000 DM gekauft. Auf Grund und Boden entfallen 50.000 DM, der Rest wird abgeschrieben, so daß insgesamt noch 100.000 DM in den Büchern stehen. Das Gebäude ist inzwischen jedoch 2.000.000 DM wert. Dadurch, daß die Familie des Unternehmers nun in dieses Gebäude einzieht (bei vorangegangener Betriebsverlagerung) sind nun 1.900.000 DM Entnahmegewinn zu versteuern. Um solche Gewinnrealisierungen, es wird der Verkehrswert (Teilwert) mit dem Buchwert verglichen, steuerrechtlich zu vermeiden, müssen spezielle Lösungen entwickelt werden.
Handelsrechtlich entsteht so ein Problem hingegen nicht, da der Buchwert bestehen bleibt. Abschließend bleibt also festzustellen, daß der Entnahmen-/Einlagenbegriff gemäß des Gewinnbegriffs nach § 4 Abs. 1 EStG somit dramatische Folgen (Stichwort: „Sprengstoff“) durch Gewinnrealisierungen beinhalten kann, wenn stille Reserven aufgedeckt werden müssen.
Zum Schluß der Vorlesung ging Prof. Lang auf die Frage ein, welche Normen der Rechnungslegung im Steuerrecht gelten sollen. Dies kommt in § 5 EStG zum Ausdruck. Im Mittelpunkt des gesamten Bilanzsteuerrechts steht nämlich die sog. Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz (§ 5 EStG: „...das Betriebsvermögen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist“). Sie wurde zum Ende des 19. Jahrhunderts installiert, um aus Vereinfachungsgründen die steuerliche Rechnungslegung an die handelsrechtliche Rechnungslegung anzubinden. Nun enthält aber das klassische Handelsrecht in starkem Maße den Gläubigerschutzgedanken, nach dem nur das ausgewiesen werden darf, was tatsächlich am Markt auch realisiert ist, so daß der Gläubiger auch sicher darauf zurückgreifen kann. Diese („über“)vorsichtige Sichtweise ist allerdings nicht mehr zeitgemäß, da in Zeiten der rasant fortschreitenden Globalisierung die internationale Sichtweise des „true and fair“ view immer mehr an Bedeutung erlangt. Die Beibehaltung der Maßgeblichkeit ist daher bedroht. Das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit kollidiert zudem mit dem Vorsichtsprinzip (Gläubigerschutzgedanken), da dem Anspruch, den wirklich erwirtschafteten Gewinn auszuweisen, bei zu vorsichtiger Bilanzierung („man rechnet sich ärmer, als man ist“)nicht in seiner Gesamtheit entsprochen werden kann.
Der Jahresabschluß steht im Spannungsfeld zwischen dem am Gläubigerschutzgedanken orientierten Handelsrecht und den daraus resultierenden (zu arm gerechneten) Ansätzen für die Steuerbilanz (Maßgeblichkeit) einerseits und der Indikatorfunktion für die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit andererseits. Deutlich wird dieser Konflikt bspw. bei der Teilwertabschreibung bei Büchern. Entgegen der stets möglichen Wertbestimmung einiger Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens (z.B. bei Aktien), existieren in einem Unternehmen Vermögensgegenstände, deren Wert nicht genau zu bestimmen ist. Im Buchhandel sind ältere Buchbestände (quasi Ladenhüter) praktisch nicht mehr zu verkaufen und daher wertlos. Dem wird bislang Rechnung getragen, indem man diese Bestände von den Herstellungskosten abschreibt. Wird jedoch ausnahmsweise dann doch noch ein Buch verkauft, müßte eigentlich wieder zugeschrieben werden, was in praxi jedoch nicht geschieht. Daher stehen diese Teilwertabschreibungen zur Disposition und sollen sogar gänzlich abgeschafft werden. Betrachtet man allerdings die Probleme in Japan, die nicht zuletzt daher rühren, daß diese Teilwertabschreibungen nicht vorgenommen wurden, erkennt man, daß die pauschale Abschaffung der Teilwertabschreibung gewiß ein gänzlich falscher Weg ist. Abgesehen davon stellt die Abschaffung der Teilwertabschreibung eine verfassungsrechtliche Verletzung des Nettoprinzips da.
Allgemein, und dies ist in allen Ländern so, ist aber die grundsätzliche Vorgehensweise festzustellen, daß der handelsrechtliche Jahresabschluß materiell noch für die Anwendung des Steuerrechts modifiziert werden muß, um eine beliebige Bildung von stillen Reserven zu unterbinden. Damit sich zudem ein fremder Dritter in die Rechnungslegung einarbeiten kann, muß noch die formelle, aus den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung abzuleitende Bilanzerstellung gemäß den handelsrechtlichen Vorschriften in die steuerrechtliche Regelung übernommen werden. Zusammenfassend ist festzustellen, daß die formelle Seite der Rechnungslegung wohl beibehalten wird, wenngleich sich materiell im Rahmen der Internationalisierung der Rechnungslegung (hin zum „true and fair view“) abzeichnet, daß eine schrittweise Abkehr vom Vorsichtsprinzip das Konfliktfeld zwischen Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und gläubiger-schutzorientierter handelsrechtlicher Rechnungslegung wohl entschärfen wird. Nach dieser grundlegenden Einführung zum Betriebsvermögensvergleich und der näheren Betrachtung der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz geht es im folgenden um die Grundbegriffe der Einkünfteermittlung. Ein Grundbegriff der Einkünfteermittlung ist das sog. Wirtschaftsgut. Spricht man handelsrechtlich von Vermögensgegenständen und Schulden, so wird dies im Steuerrecht allein durch diesen Begriff umfaßt, d.h. ein Wirtschaftsgut kann sowohl negativ als auch positiv sein. Dieser Begriff steht ferner im System einer periodengerechten Einkünfteermittlung und darf daher nicht allein statisch interpretiert werden (obschon er grundsätzlich mit dem handelsrechtlichen Begriff des Vermögensgegenstandes übereinstimmt) sondern sollte auch dynamisch interpretiert werden. Ein Beispiel eines solchen dynamischen Elements sind Rückstellungen. Bei Rückstellungen werden handelsrechtlich Rückstellungen aufgrund und ohne Verpflichtung gegenüber einem Dritten unterschieden. Zu den ersteren zählen Drohverlustrückstellungen, Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten und die Kulanzrückstellung. Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften allerdings sind jedoch nach § 5 Abs. 4 a EStG steuerrechtlich nicht zu bilden, was die dynamische Komponente der Definition des Begriffs Wirtschaftsgut stark einschränkt. Zusammenfassend läßt sich die Problematik des Begriffes Wirtschaftsgut wie folgt gliedern: Wirtschaftsgut
Problem 1 Begriff umfaßt auch negative Wirtschaftsgüter
Problem 2 dynamische Betrachtung ist miteinzubeziehen
Problem 3 sachenrechtlich einheitliche Betrachtung muß aufgesplittet werden
Die dritte Problematik hat zur Folge, daß beispielsweise Grund und Boden zum einen in abschreibbare (Grundstücke) und nicht-abschreibbare (Gebäude) Wirtschaftsgüter und zum anderen in betrieblich und privat genutzte Wirtschaftsgüter unterteilt werden. In der Praxis gibt es allerdings unterschiedliche Regelungen. So wird bei Immobilien gesplittet, hingegen wird bei Mobilien nicht gesplittet. Ein Auto bspw., welches nur zum kleinen Teil privat genutzt wird, wird voll dem Betrieb zugeordnet. Ein weiteres Thema des Wirtschaftsgutbegriffes ist die steuerliche Behandlung immaterieller Wirtschaftsgüter. In § 5 Abs. 2 EStG werden nur entgeltlich erworbene immaterielle Wirtschaftsgüter zur Aktivierung zugelassen. Der Vermögenswert eines immateriellen Wirtschaftsgutes wird erst realisiert, der Vorteil „erst“ greifbar, wenn dies Wirtschaftsgut Gegenstand eines Leistungsaustausches wird (Beispiel des Filmproduzenten). Es muß also stets überprüft werden (statische Betrachtung), ob ein greifbarer Vorteil entstanden ist. Dies ist in der Regel der Fall, wenn ein Entgelt gezahlt wurde. Im Gesetz nicht verankert, aber dennoch zu erwähnen, ist der Grundsatz, wonach handels-rechtliche Wahlrechte der Aktivierung im Steuerrecht Aktivierungsgebote darstellen, sowie handelsrechtliche Passivierungswahlrechte im Steuerrecht ein Passivierungsverbot bedeuten (Gefahr der Verschleierung steuerlicher Leistungsfähigkeit (Rechtsprechung 1969)). Entnahmen und Einlagen sind weitere Grundbegriffe der Gewinnermittlung. Entnahmen sind Wertabgaben aus dem Betriebsvermögen für andere betriebsfremde Zwecke. Einlagen sind als Pendant hierzu Wertzuführungen in das Betriebsvermögen. Dazu folgender Fall Fall 54 Eine Rentnerin stellt ihrem Ehemann, dynamischer Jungunternehmer, ein bebautes Grundstück zur betrieblichen Nutzung unentgeltlich zur Verfügung, wobei der Ehemann zudem auch noch die Abschreibungen nutzen soll. Ist der Vorgang als Einlage zu qualifizieren? Ergebnis: Laut BFH-Rechtsprechung (1988) sind Nutzungen nicht einlagefähig, da sich sonst aus unentgeltlichen Nutzungsüberlassungen unbegrenzte Abschreibungspotentiale ergeben könnten.
Hier ist wieder das Kostentragungsprinzip auszumachen. Die Kosten, die der Ehefrau entstehen, sind Aufwendungen, die steuerlich nicht berücksichtigt werden können. Würde allerdings ein entgeltlicher Nießbrauch entstehen, ist die Aktivierung zulässig und Abschreibungen möglich. Durch Gestaltung kann also leicht die steueroptimale Situation herbeigeführt werden. Dramatische Auswirkungen liegen in der Besteuerung von Entnahmegewinnen. Die Entnahme wird nämlich zum sog. Teilwert angesetzt. Der Teilwert ist der Verkehrswert, der einen Teil des Veräußerungspreises des ganzen Betriebes
darstellt. Dieser Wert kann sehr unterschiedlich hoch sein (Zum einen im Fall, bei dem der ganze Betrieb verkauft wird (da die Kombination der einzelnen Wirtschaftsgüter im Verbund in der Regel einen höheren Wert ergeben) zum anderen der Fall der Veräußerung des Wertes zum Zerschlagungswert (Liquidationswert)). Aufgrund der enormen Steuerfolgen, die mit einer Entnahme verknüpft sein können, ist es daher ratsam, als späterer Steuerberater seinen Mandanten speziell auf die Problematik des Unterschiedsbetrags zwischen Teilwert (Verbundwert) und niedrigerem Liquidationswert (Zerschlagungswert) hinzuweisen.
Betriebsvermögen In der Rechtsprechung unterscheidet man zwischen notwendigem Betriebsvermögen gewillkürtem Betriebsvermögen und notwendigem Privatvermögen. Bei notwendigem Betriebsvermögen handelt es sich um solche Wirtschaftsgüter, die unmittelbar den Zwecken des Betriebes zu dienen bestimmt sind. Es handelt sich hierbei also um Wirtschaftsgüter, die für Zwecke des Betriebes genutzt werden. Daneben steht das gewillkürte Betriebsvermögen. Gewillkürtes Betriebsvermögen ist nicht unmittelbar dazu bestimmt, dem Betrieb zu dienen. Es steht jedoch in einem gewissen Zusammenhang mit dem Betrieb, da es objektiv als Vermögensanlage- und Ertragsobjekt dem Betrieb dienen kann und subjektiv durch Einlage zu Betriebsvermögen erklärt wird. Zur Verdeutlichung kann als Beispiel hierfür der Kauf eines Miethauses dienen. Fallen in der Regel lediglich Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung an, wird durch Aktivierung dieses Miethauses im Rahmen einer Einlage das Mietobjekt zum Betriebsvermögen gemacht. Problematisch hierbei ist aber, daß der unternehmerische Gewinn zwar durch Abschreibungen gemindert werden kann, jedoch bei einer Entnahme der Teilwert dieses Mietobjektes anzusetzen ist, d.h. die während der Zugehörigkeit zum gewillkürten Betriebsvermögen entstandene Wertsteigerung des Mietobjektes wird dann voll im betrieblichen Gewinn erfaßt. Durch das geplante Steuerentlastungsgesetz bedingt ist allerdings zu erwarten, daß bei Wegfall der Verrechnung von Verlusten aus Einkünften aus Vermietung und Verpachtung mit Gewinneinkünften der Anteil des gewillkürten Betriebsvermögens wieder zunehmen wird. Abschließend ist noch das notwendige Privatvermögen zu erwähnen. Hierzu gehören Wirtschaftsgüter, deren tatsächliche Funktion nur eine Zuordnung zum Betriebsvermögen zuläßt (Beispiel: Schmuck). Bei notwendigem Privatvermögen handelt es sich also um Gegenstände, die privaten Zwecken dienen und einem konkreten betrieblichen Zweck weder unmittelbar noch mittelbar dienen können.
Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, abgekürzt GoB, gehören ebenfalls zu den wichtigen Grundbegriffen der Gewinnermittlung. Unter den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ist die Gesamtheit der Regeln zu verstehen, die erforderlich sind, um alle Geschäftsvorfälle zu erfassen und den Jahresabschluß zu
erstellen. Dabei ist zwischen formellen und ordnungsmäßiger Buchführung zu unterscheiden.
materiellen
Grundsätzen
Die formellen GoB ergeben sich aus den §§ 238 Abs.1 Satz 2; 239 Abs.1, Abs.II; 243 Abs.1, Abs.2; 252 Abs.1 Nr.3 HGB, entsprechend gelten die §§ 145, 146 AO; sie befassen sich mit der äußeren Form der Buchführung, die so beschaffen sein muß, daß sie einem sachverständigen Dritten in angemessener Zeit einen Überblick über die Lage des Unternehmens vermittelt. Bei den materiellen GoB handelt es sich um verschiedene Prinzipien, die das Ergebnis der Bilanz bestimmen: Prinzip der Wahrheit und Vollständigkeit gem. der §§ 239 Abs. 2 HGB, 146 Abs. 1 Satz 1 AO. Prinzip der Bilanzidentität und Bilanzkontinuität gem. § 252 Abs. 1 Nrn. 1, 6 HGB Vorsichtsprinzip gem. § 252 1 Nr.4 HGB, unterteilt in das Realisationsprinzip und das Imparitätsprinzip Nominalwertprinzip (Mark=Mark) Stichtagsprinzip § 252 l Nr.3 HGB Heftig wurde stets in diesem Zusammenhang die Frage diskutiert, wann denn ein Gewinn realisiert ist (Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, der Leistung oder Bezahlung des Entgelts?). Laut BFH-Rechtsprechung bspw. zum § 23 EStG wird (wirtschaftlich vernünftig) mit dem Abschluß des Kaufvertrags die Entstehung des Anspruchs begründet. Dies wird auch international so gesehen. Allgemein ist dies aber in Deutschland nicht der Fall, was in der handelsrechtlichen Gläubiger-schutzorientierung und dem daraus sich ableitenden Vorsichtsprinzip begründet liegt. Erst wenn die Leistung bei einem Kaufvertrag auch erbracht ist, ist der Wert am Markt realisiert und darf handelsrechtlich nach dem Realisationsprinzip auch aktiviert werden. Eine Forderung kann erst geltend gemacht werden, wenn ein Unternehmer seine Lieferung oder sonstige Leistung erbracht hat.
Es bleiben zwei Fragen, die anhand der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung beantwortet werden müssen: 1. ,,Ob" der Bilanzierung (Bilanzierung dem Grunde nach) 2. ,,Wie" der Bilanzierung (Bilanzierung der Höhe nach) Das „Ob“ der Bilanzierung fragt danach, ob ein Wirtschaftsgut vorliegt. Das „Wie“ betrifft die Frage, in welcher Höhe der Wert für das Wirtschaftsgut festgelegt werden soll. Hierbei tritt das Problem der sog. umgekehrten Maßgeblichkeit auf. Da steuerliche Wahlrechte bei der Gewinnermittlung in Übereinstimmung mit der Handelsbilanz auszuüben sind, werden steuerliche Erwägungen maßgeblich für den Ansatz in der Handelsbilanz. Das Ausüben eines steuerlichen Wahlrechts bestimmt die Bilanzierung des „Wie“ (in welcher Höhe) des Bilanzansatzes in der Handelsbilanz.
Das Ergebnis des Betriebsvermögensvergleichs im Sinne der §§ 4 Abs. 1 und 5 Abs. 1 EStG hängt also nicht nur davon ab, was als Bilanzposition aktiviert oder passiviert und was als Einlage/Entnahme behandelt wird, sondern wesentlich auch davon, wie die Bilanzposten, die Einlagen und Entnahmen bewertet werden. Die Bewertung von Wirtschaftsgütern kann zu Anschaffungskosten, Herstellungskosten oder zum Teilwert erfolgen und durch die Anwendung von Abschreibungen und Zuschreibungen näher bestimmt werden. Der Begriff der Anschaffungskosten wird für das Steuerrecht aus dem HGB (§ 255 Abs. 1) herangezogen und umfaßt (vereinfacht ausgedrückt) alle Aufwendungen, die den erstmaligen betriebsbereiten Zustand eines Wirtschaftsgutes herbeiführen. Der Herstellungskostenbegriff nach § 6 EStG entspricht dem Herstellungskostenbegriff nach § 255 Abs. 2 und Abs. 3 HGB. Probleme entstehen hier bei der Abgrenzung zwischen Anschaffungs- und Herstellungskosten und sofort als Aufwand abzuziehendem Erhaltungsaufwand. Der Teilwert ist der Wert eines Wirtschaftsgutes in einem lebenden Unternehmen. Er kann stark vom gemeinen Wert (Verkehrswert) abweichen. Absetzungen für Abnutzungen (AfA) oder Absetzungen für Substanzverringerung sind bei der Gewinnermittlung zusätzlich zu berücksichtigen.
In der heutigen Vorlesung ging Prof. Lang auf das Thema der Gewinn- und Verlustrealsierung ein. Zunächst ist hierzu festzustellen, daß die Gewinn- und Verlustrealisierung einem System handelsrechtlicher und spezifischer steuerrechtlicher Prinzipien unterliegen, die feststellen, wann ein Gewinn oder Verlust realisiert ist. Handelsrechtliche Prinzipien sind vor allem das Vorsichtsprinzip mit den beiden Unterprinzipien Realisationsprinzip (Verbot der Gewinnantizipation) und Imparitätsprinzip (Gebot der Verlustantizipation). Als steuerrechtliche Prinzipien treten hierzu dann das Prinzip der Buchwertfortführung und das Prinzip der Steuerentstrickung. Das Prinzip der Buchwertfortführung ist teils gesetzlich konkretisiert (z.B. bei Umstrukturierungen (Umwandlungssteuergesetz)) und teils nicht gesetzlich konkretisiert, so daß in vielen Bereichen die Rechtsprechung letzliche Klarheit schaffen mußte. Die Grundproblematik soll an folgendem Fall näher erläutert werden: Fall 55 Unternehmer U vererbt seinem Sohn seinen Betrieb, dessen Betriebsvermögen zum Teil Gebäude besitzt, deren Anschaffung in den fünfziger Jahren erfolgte. Zum Todeszeitpunkt des U betragen die tatsächlichen Zeitwerte dieser Gebäude ein zehnfaches der in der Bilanz stehenden Buchwerte. Sind die stillen Reserven nach Grundsatz der Individualbesteuerung aufzudecken?
Einerseits liegt nach der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit in dem Sterben des Unternehmers eine Betriebsaufgabe in der Person des Erblassers vor und somit insgesamt eine Totalentnahme, d.h. daß alle stillen Reserven aufgedeckt werden müßten und Einkommen-steuer zu bezahlen wäre. Andererseits führt die Bewertungsproblematik leicht zu einer unsicheren, wenn nicht gar zur übermäßigen Besteuerung der aufzudeckenden stillen Reserven (Beispiel für die Bewertungsproblematik: Nach dem Stuttgarter Verfahren wurde ein Unternehmen mit 20 Millionen DM bewertet und hierauf Erbschaftsteuer bezahlt, kurze Zeit später dieses aber für 120 Mio DM weiterveräußert). Darüberhinaus tritt ein Liquiditätsproblem für die Erben auf, was dazu führen kann, daß das Unternehmen aufgegeben werden muß, wobei vermutlich nur schlechtere Preise erzielt werden können, als sonst am Markt zu erzielen wären. Dieses Grundproblem wird durch das Prinzip der Buchwertfortführung gelöst. Bei späterer Veräußerung werden die stillen Reserven aufgedeckt, und es kommt zur Besteuerung des Wertzuwachses. Solange aber der Erbe das Vermögen im Unternehmen belässt (ruhendes Vermögen), können die Buchwerte beibehalten werden. Dadurch wird zwar das Prinzip der Besteuerung nach der persönlichen Leistungsfähigkeit verletzt und die intersubjektive Übertragung stiller Reserven zugelassen, dies wird jedoch durch das Markteinkommensprinzip und das Übermaßverbot gerechtfertigt. Ergebnis: Der Grundsatz der Individualbesteuerung wird aufgrund des zu befürchtenden Schadens nicht konsequent angewandt. Solange also die stillen Reserven in der Steuerverstrickung verbleiben, können die Buchwerte weitergeführt werden. Werden sie jedoch ins Privatvermögen überführt oder in ein nicht besteuertes Betriebsvermögen einer ausländischen Betriebsstätte, muß dann aufgrund des Entstrickungsgrundsatzes die stille Reserve aufgedeckt und versteuert werden.
Um die Möglichkeit zur Umstrukturierung nicht zu gefährden wird übrigens eine Art Buchwertfortführung mit dem Instrument der steuerfreien Rücklage zugelassen (§ 6 b EStG). Vorraussetzung hierfür ist, daß die Umstrukturierung aus objektiver Sicht operativ veranlaßt ist. Muß man also gewisse Wirtschaftsgüter im Rahmen einer Betriebsumstrukturierung veräußern, so werden die Erträge aus dieser Veräußerung in eine steuerfreie Kapitalrücklage eingestellt. Diese wird dann bei Anschaffung anderer Wirtschaftsgüter wieder aufgelöst. Im Ergebnis wird dadurch der Buchwert der alten Wirtschaftsgüter auf die neuen Wirtschaftsgüter übertragen (Berühmtes Beispiel Flick und der Verkauf seiner Daimler Aktien und Kauf von amerikanischen Aktien). Ob diese Vorgehensweise als Steuervergünstigung anzusehen ist oder als Norm, die den Grundsatz der Buchwertverknüpfung entspricht, ist nicht abschließend geklärt. Aufgrund der Ausweitung allerdings ist wohl eher die Qualifikation als Steuervergünstigung sachgerecht. In diesem Zusammenhang ist ebenfalls die Rücklage für Ersatzbeschaffung zu nennen. Brennt ein Betriebsgebäude nieder, welches in der Bilanz weitestgehend abgeschrieben wird, und zahlt die Versicherung hierfür ihre Prämie, so wird diese Prämie nicht ergebniswirksam, sondern der Buchwert des abgebrannten
Betriebsgebäudes auf das neu errichtete Gebäude übertragen. Diese Übertragung der stillen Reserven ist jedoch nur bei Beschaffung des Ersatzwirtschaftsgutes im gleichen Jahr möglich. Zusammenfassend ist festzustellen, daß als Gewinnrealisierungstatbestände der Entnahme-tatbestand und der Tatbestand der Betriebsaufgabe (= Totalentnahme) anzusehen sind, die durch Buchwertfortführung und Steuerentstrickung ergänzt werden müssen. Dies kann in einer Vielzahl von Varianten geschehen. Beispiel 1 Ein Hotelier ist den Gästestreß leid und verpachtet sein Hotel. Es liegt ein Einkunftsartenwechsel vor. Das würde bedeuten, daß der Hotelier die stillen Reserven aufdecken müßte (wobei die Bewertung gewiß immer ein Problem darstellen wird) und in Zukunft Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung beziehen würde. Ergebnis: Es liegt jedoch nach Rechtsprechung ein Wahlrecht vor. Der Hotelier kann ebenso den Gewerbebetrieb fortführen. Dadurch wird es ihm natürlich möglich, die für ihn günstigste Alternative auszuwählen, d.h. seine Leistungsfähigkeitsfaktoren selbst zu bestimmen, was zu einer Verschlechterung der Verwirklichung des Grundsatzes der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit führt. Beispiel 2 Ein Bauer striegelt lieber als zu melken und wandelt seinen Bauernhof in einen Reiterhof um. Ergebnis: Die Buchwertfortführung ist bei einer Umwandlung eines forstwirtschaftlichen Betriebes in einen Gewerbebetrieb möglich.
land-
und
Fall 56 Realteilung mit Spitzenausgleich Eine Personengesellschaft, die zwei Kinos betreibt, wird aufgelöst. Jeder Gesellschafter bekommt ein Kino: A:
gemeiner Wert des übernommenen Kinos 400.000 DM Ausgleichszahlung des B an A: 100.000 DM
B:
gemeiner Wert des übernornmenen Kinos 600.000 DM
Unterliegt der Vorgang der Einkommensteuer?
Wären die Buchwerte der Kinos gleich, würde sich kein Problem stellen, da beide Kinos nach Buchwerten fortgeführt werden können. Hier wird aber die Realteilung einer Personengesellschaft mit einer Ausgleichszahlung durchgeführt. Dabei ist besonders, daß eben ein Anteil am Kino des B von A an B verkauft wird. Es handelt sich hier also um einen Veräußerungsakt. Ergebnis: Daraus folgt, daß insoweit der Veräußerungspreis geleistet wird, der anteilige Buchwert durch Offenlegung der stillen Reserven in Höhe des Anteils auf den tatsächlichen anteiligen Buchwert berichtigt wird. Der Veräußerungsgewinn (Differenz zwischen Buchwert und Veräußerungs-preis) ist anschließend zu versteuern. Dieses Problem kann leider nur allzu leicht durch Einlage in die Gesellschaft umgangen werden. In Höhe des Ungleichgewichts wird eine Einlage eingebracht, die dann eine hälftige Teilung ohne Ausgleichszahlung ermöglicht. Der Fall der Erbauseinandersetzung kann weniger gut durch Gestaltung gelöst werden.
Fall 57 Erbauseinandersetzung E besitzt ein Einzelunternehmen (Buchwert 500.000 DM, gemeiner Wert 1 Mio. DM) und ein privat vermietetes Mehrfamilienhaus (historische Anschaffungskosten des Gebäudes 400.000 DM, Wert des Grundstücks einschl. Grund und Boden 800.000 DM). E fährt am 1.4.01 unvermutet gegen einen Baum und verstirbt. Erben sind Sohn S und Tochter T zu je ½. Im Rahmen der Erbauseinandersetzung einigen sich S und T im März 02, daß S das Einzelunternehmen fortführt und T das Mehrfamilienhaus erhält. Außerdem zahlt S an T 100.000 DM in bar. Unterliegt der Vorgang der Einkommensteuer?
Im Wortlaut des § 15 EStG ist die Erbengemeinschaft nicht explizit genannt. Dennoch können nach BFH-Rechtsprechung nicht nur Gesellschaften, sondern auch Gemeinschaften Mitunternehmer sein (Dies kann übrigens zu Problemen führen, wenn z.B. der Sohn auf einmal auf seine zu 50 % mitleitungsbefugte Schwester bei Unternehmensentscheidungen Rücksicht nehmen muß, obwohl er vorher schon als Juniorchef im Unternehmen auftrat). Die Konsequenz, die sich hieraus ergibt, ist, daß zunächst ertragsteuerlich das Unternehmen weiterbetrieben wird, als ob nichts weiter passiert wäre. Auf der zweiten Stufe sind dann die Erbauseinandersetzungen zu betrachten. Würde nur ein Unternehmen (Buchwert 500.000 DM, Gemeinwert 2 Mio DM) als Erbmasse existieren und die Tochter würde vom Sohn abgefunden werden (mit 1 Mio DM), so würde eine Veräußerung vorliegen und vom Sohn im jetzt ihm gehörenden Unternehmen 750.000 DM Veräußerungsgewinn zu versteuern sein.
Im vorliegenden Fall erbt ersteinmal die Tochter ein Haus und der Sohn einen Löwenanteil am Unternehmen (90 %). Den übrigen Anteil (10 %) erbt zudem noch die Tochter, die diesen an ihren Bruder verkauft. Diese 10 % des Unternehmens betragen 100.000 gemeinen Wert und 50.000 DM Buchwert. Da aber nun im Rahmen der Veräußerung offenbar wird, daß die 50.000 DM Buchwert in Wahrheit 100.000 DM „am Markt“ erzielt haben, werden die 50.000 DM Buchwert auf 100.000 DM Buchwert aufgestockt, so daß am Ende der Buchwert 550.000 DM beträgt.
Ergebnis: Der Sohn hat für den jetzt höher ausgewiesenen Buchwert (zusätzliche 50.000 DM) in Höhe der Veränderung Einkommensteuer zu bezahlen (also 50.000 DM mehr Buchwert zu versteuern). Die Schwester muß eventuell noch den Veräußerungsgewinn versteuern. Das Haus kann weiter zu den historischen Anschaffungskosten fortgeführt werden, da es nicht zur Teilung innerhalb der Immobilie kommt. Ein Teil des nicht klar aufzuteilenden Vermögens wird also als Buchwert fortgeführt und der andere Teil wie ein Veräußerungsgewinn behandelt. Es gilt also immer zunächst das Veräußerungsgeschäft zu identifizieren. Der anteilige Buchwert des Veräußerungsgeschäfts wird auf Erwerberseite zu den Anschaffungskosten in der Bilanz aktiviert, während auf der Veräußererseite ein entsprechender Veräußerungsgewinn entsteht.
Gestalterisch kann dieses Problem nicht (wie bei der Realteilung) durch Einlage umgangen werden. Für den Steuerberater empfiehlt es sich daher, seine Mandanten vorher zu einer klaren Regelung für den Fall ihres Ablebens zu bewegen. Durch Aufstockung des Betriebsvermögens hat der potentielle Erblasser die Möglichkeit, die Gegenstände des Unternehmens gleichwertig zu halten, ohne daß Veräußerungsgewinne zu versteuern sind. Für den Fall, daß ein Haus vererbt wird, werden die ursprünglichen Herstellungsbzw. Anschaffungskosten übrigens ebenfalls zu Buchwerten fortgeführt (§ 11 d EStG). Wird das Haus dann jedoch erworben, erhält man neue Anschaffungskosten und neue Bemessungsgrundlagen für die Abschreibungen. Das vorliegende Konzept der Einkünfteermittlung ist leider nicht entscheidungsneutral und besonders gestaltungsanfällig. Die häufigsten Gestaltungsmodelle profitieren dabei vom Dualismus der Einkünfteermittlung. Als Beispiel ist ein besonders prägnanter Fall eines Architekten zu nennen, der über Jahre ein Drittel des Personals eines Finanzamtes fesselte und auf der anderen Seite mehrere Anwälte beschäftigte, um die Frage zu klären, ob Einkünfte aus Gewerbebetrieb oder Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung vorlagen. Dieser Ressour-cenverschwendung sollte aus gesamtwirtschaftlicher Sicht dringend Einhalt geboten werden. Das Anliegen von Prof. Lang ist es daher, die sieben Einkunftsarten auf drei zu reduzieren und zwar auf:
1. Unternehmerische Einkünfte 2. Lohneinkünfte 3. Einkünfte aus Privatvermögen (Wertpapiereinkünfte etc.) Das Reformvorhaben (Entwurf eines Steuergesetzbuchs) sollte dabei im Sinne einer Cash Flow Steuer Zinseinkünfte vor den Gefahren einer Inflation bewahren. Einzahlungen in einen Vermögensfonds sollten demnach abzugsfähig, Auszahlungen aus einem Vermögensfonds hingegen steuerpflichtig sein. Gelänge die Reduktion auf drei Einkunftsarten und sähe man für jede Einkunftsart eine sachgerechte Ermittlung vor, so könnte man im Ergebnis das Ziel einer ökonomisch entscheidungsneutralen, gleichmäßigen synthetischen Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit bald erreichen. Die Erfolge in Kroatien, wo dieses Reformprojekt bereits verwirklicht ist, lassen klar erkennen, wie die Abgrenzungsproblematik auch in Deutschland entschärft werden könnte Die jetzige Situation läßt die Notwendigkeit einer grundlegenden Reform des Steuerrechts deutlich werden.
So herrschen in Deutschland zum einen erhebliche Abgrenzungsprobleme zwischen den Gewinneinkunftsarten. Dies betrifft zum einen das Verständnis der Abgrenzung zwischen Einküften aus Land- und Forstwirtschaft und der Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft werden dabei als die Einkünfte definiert, die aus eigenem Grund und Boden stammen. Daher sollte man sich merken, daß Einkünfte aus Landund Forstwirtschaft die Urproduktion betreffen. Gesetzlich wird dies technisch durch ein Verhältnis Vieh pro Fläche ausgedrückt (Vieh-einheiten § 13 EStG). Die Tierbestände sind nach Futterbedarf in Vieheinheiten umzurechnen, so daß, wenn Futter dazugekauft werden muß (also der eigene Grund und Boden nicht ausreicht das Vieh zu ernähren) man davon ausgehen kann, daß es sich schon um gewerbliche Viehzucht handelt (Beispiel: Hühnerfarm). Der Grund, warum der Begriff des Land- und Forstwirts so ungeheure Bedeutung besitzt, liegt in der Subventionierung dieses Berufsstandes. Es gibt keine Berufskategorie, die massiver gefördert wird als die der Landwirtschaft. Dies sind neben den eher unbedeutenden Privilegien des § 13 a EStG enorme EUSubventionen und milliardenschwere Steuersubventionierungen durch die Pauschalierung des Umsatzsteuerabzuges. Außerdem besteht keine Gewerbesteuer pflicht. Und all dies hängt kurioserweise von den Vieheinheiten ab. Es ist sogar festzustellen, daß fast das gesamte Budget der EU für die Förderung der Landwirtschaft ausgegeben wird. Getragen wird das vom normalen Steuerzahler. Reformbedarf besteht also und nicht zuletzt deshalb, weil durch den EU-Beitritt Tschechiens, Ungarn und Polens die gleiche Förderung der Landwirtschaft nicht mehr zu bezahlen wäre. Dieser Subventionsabbau wird allerdings in Zukunft noch
vor großen Durchsetzungsschwierigkeiten begleitet sein (Stichwort: „Keine Schnitzel mehr in Budapest“). Der Zustand ist übrigens als besonders unerträglich zu betrachten, wenn man in Betracht zieht, daß von den Subventionen am meisten Großbetriebe profitieren, die ohnehin im großen Maß leistungsfähig sind. Die andere problembehaftete Abgrenzung innerhalb der Gewinneinkünfte betrifft die Abgrenzung Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit und Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Hier spielt die Gewerbesteuer eine große Rolle, die bei Einkünften aus selbständiger Arbeit (noch?) nicht zu entrichten ist. Die freiberufliche Tätigkeit erfüllt dabei in der Regel alle Kriterien der gewerblichen Tätigkeit, gleichwohl gehört sie nach § 15 II EStG nicht dazu. Die Kennzeichen, die für das Vorliegen einer gewerblichen Tätigkeit sprechen, sind: Ausbildung auf höherem Niveau eigene geistige Leistung persönliche Leistung Eigenverantwortlichkeit überwiegend akademische Berufe Um ein Gefühl für die Problematik der Qualifizierung zu erhalten folgende Fälle: 1. A bestreitet seinen Unterhalt aus der Veräußerung von Landschaftsbildern, die er selbst in Öl- und Acrylfarben malt. Diese Bilder tragen häufig die gleichen Motive, sie werden jedoch stets frei entworfen und ohne Schablonen erstellt. Im Gegensatz zum Gebrauchsmaler, bei dem die Kreativität so eingeengt ist, daß er nicht mehr als Selbständiger einzuordnen ist, liegen hier aufgrund der freien Malweise Einkünfte aus selbständiger Arbeit vor. 2. B ist medizinischer Bademeister. Seine Tätigkeit besteht darin, Bäder einschließlich Saunabäder zu verabreichen. Es liegen Einkünfte aus Gewerbebetrieb vor. 3. Architekt A läßt die fachliche Arbeit allein durch seine fünf Mitarbeiter ausführen. Er befaßt sich ausschließlich mit der Beschaffting von Aufträgen und der Erledigung des kaufmännischen Teils seines Betriebs. Es liegen Einkünfte aus Gewerbebetrieb vor, da hier keine weitere Verantwortlichkeit vorliegt. Der Architekt besitzt nicht aufgrund eigener Fachkenntnisse weitere Verantwortlichkeit.
4. B ist Synchronsprecher.
Keine herausragende künstlerische Leistung, daher Einkünfte aus Gewerbebetrieb. 5. X ist Privatdetektiv. Ebenfalls Einkünfte aus Gewerbebetrieb. 6. A ist Berater für Datenverarbeitung. Die Beratung beschränkt sich auf die Verwendung bereits vorhandener Anlagen. Wiederum Einkünfte aus Gewerbebetrieb. 7 B ist Apotheker. Es liegen erneut Einkünfte aus Gewerbebetrieb vor. 8. Architekt A beschäftigt fünf fachliche Arbeit verrichtende Mitarbeiter. Neben der Beschaffüng von Aufträgen arbeitet er selbst leitend mit, erstellt Entwürfe von Bauplänen und übernimmt Bauleitungen. Da der Architekt nicht mehr allein kaufmännisch tätig ist (Vgl. Fall 3), sondern aufgrund eigener Befähigung gestaltend und leitend mitarbeitet, liegen Einkünfte aus selbständiger Arbeit vor. 9. X ist Werbe- und Modefotograf. Er erstellt Modefotos, Fotomontagen und fotografische Modezeichnungen. In aller Regel (heftig umstritten) liegen Einkünfte aus Gewerbebetrieb vor. 10.S ist akademischer Bildhauer und Restaurator. Er stellt Baudenkmäler (z.B. Kirchen, Schlösser) und darin befindliche beschädigte Stuckornamente wieder her. Es liegen Einkünfte aus selbständiger Arbeit vor. 11.M fällt nach Abschluß des Medizinstudiums dreimal durch die Examensprüfüng. Danach verschaft er sich gefälschte Abschlußpapiere und läßt sich als Arzt für Allgemeinmedizin nieder. Es liegen Einkünfte aus Gewerbebetrieb vor, da keine ausreichende fachliche Qualifikation vorliegt.
Die Abgrenzung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu den unternehmerischen Einkünften beinhaltet ein weiteres Problemfeld. Hier wird oft versucht, die Lohnnebenkosten zu umgehen. Der Wortlaut („Arbeitnehmer sind Personen, die in öffentlichem oder privatem Dienst ange-stellt oder beschäftigt sind oder waren und aus diesem Dienstverhältnis oder einem früheren Dienstverhältnis Arbeitslohn beziehen.“(§ 1 Abs. 1 LstDV) und in Abs. 2: „Ein Dienstverhältnis liegt vor, wenn der Angestellte...seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen
Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen ver-pflichtet ist“) ist dabei leider nicht so genau zu nehmen. Anstelle dessen treten zwei Kriterien: 1. Die Weisungsgebundenheit und 2. die Eingliederung in einen fremden Organismus muß vorliegen, um Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (steuerrechtlicher Arbeitnehmerbegriff) zu begründen. Um eine Abgrenzung vollziehen zu können, muß also herausgefunden werden, was als typisch an der Tätigkeit identifiziert werden kann. Vorstandsvorsitzende (kaum weisungsgebunden) bspw. sind arbeitsrechtlich Unternehmer, obwohl sie ökonomisch nicht das Risiko für ein Unternehmen tragen. Sollten Verluste dann auftreten (Beispiel: Bremer Vulkan) so muß der Mitverantwortliche hierfür keine persönlichen wirtschaftlichen Konsequenzen daraus ziehen. Als Gewerbetreibender müßte der Vorstandsvorsitzende übrigens eine Bilanz erstellen, was ebenfalls deutlich macht, daß es bei der Unterscheidung Einkünfte aus Gewerbebetrieb und Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit häufiger auf das Merkmal der Eingliederung in einen fremden Organismus ankommt. Bei Handelsvertretern, die das Risiko selber tragen, handelt es sich in der Regel um Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Rundfunkermittler
Neben der Gewerbesteuer ist die Nichtsteuerbarkeit von Veräußerungsgewinnen Motiv bei der Abgrenzungsproblematik zwischen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung und Einkünften aus Gewerbebetrieb. Zum besseren Verständnis folgender Fall: Fall 58 Der Auswanderer Chefarztsohn Peter Punk hat „keinen Bock mehr“ auf „Rot-Grün“ und will in die Schweiz auswandern, um in den Bergen abzuspannen. Um seinen bisherigen Lebensstandard halten zu können, verkauft Punk das seit drei Jahren in seinem Besitz befindliche Mehrfamilienhaus (23 Eigentumswohnungen). Liegen Einkünfte aus Gewerbebetrieb vor?
Ob die Intention des Grundstückhandels vorliegt, kann anhand des quellentheoretischen Konzepts ermittelt werden. Wer Quelleneinkünfte erwirtschaftet, richtet seine Einkünfteerzielungsabsicht nicht auf die Umschichtung des Stammvermögens (Ankauf/Verkauf) sondern möchte mit einem erworbenen Objekt
langfristig Fruchtziehungseinkünfte (Quelleneinkünfte) erzielen. Tritt die Umschichtung des Stammvermögens jedoch in den Vordergrund, liegen gewerbliche Einkünfte vor. Ob nun im vorliegenden Fall eine Beendigung der Vermögensverwaltung oder gewerblicher Grundstückshandel vorliegt, wird aber leider nach neuerer Rechtsprechung nicht mehr für die Würdigung ins Kalkül gezogen, da die Finanzverwaltung davon ausgeht, daß der Steuerpflichtige immer ein Vorliegen der Beendigung der Vermögensverwaltung angibt. Wenn demnach innerhalb von fünf Jahren mehr als drei Objekte veräußert werden, liegt gewerblicher Grundstückshandel vor. Die Spekulationsfrist wird dadurch unterlaufen. Im Fall der Veräußerung innerhalb von fünf bis zehn Jahren liegt gewerblicher Grundstückshandel für den Personenkreis vor, der dem Immobilienmarkt nahe steht (Architekten, Bauunternehmer etc.). Ergebnis: Ob eine Beendigung der Vermögensverwaltung aufgrund der Auswanderung vorliegt, ist fraglich, da zum einen der Regierungswechsel keinesfalls als „höhere Gewalt“ anzusehen ist und zum anderen hier der Verkauf und nicht die Fruchterzielungsabsicht im Vordergrund steht. Da jedoch die Drei-Objekt-Grenze überschritten ist und der Ankaufszeitpunkt erst drei Jahre zurückliegt, kann gewerblicher Grundstückshandel angenommen werden.
Bei einer solchen Rechtsprechung besteht natürlich die Gefahr, daß „richterrechtlich“ eine Grenzverschiebung im dualen System stattfindet. Der Gewerbebetrieb droht ausgeweitet zu werden, um Steuermehreinnahmen zu beschaffen.
Die Auslegung des Begriffs der Drei-Objekt-Grenze stellt ein weiteres Problem dar (Interessant und signifikant für den Zustand des deutschen Steuerrechts ist übrigens auch, daß man sich mittlerweile schon mit der Auslegung der Rechtsprechung beschäftigen muß). Es ist festzustellen, daß man durch die Organisation in GmbH`s versucht, die Regel der Drei-Objekt-Grenze zu umgehen versucht. Nach dem Trennungsprinzip darf man nämlich die Geschäfte der GmbH nicht mit den Geschäften des anteiligen Gesellschafters zusammenrechnen. Durch geschickt gestalterische Verteilung kann der Begriff der Drei-Objekt-Grenze augehöhlt werden. Abgesehen davon bereitet es auch Probleme, ob nicht ein Mehrfamilienhaus als ein Objekt zu betrachten ist. Hieran kann man sehen, daß bei fehlendem Gerechtigkeitsmaßstab es für die Rechtsprechung schier unmöglich wird, eine Abgrenzungsproblematik abschließend in den Griff zu bekommen.
Letztlich ist noch kurz auf das Problem der Abgrenzung zwischen Einkünften aus Gewerbebetrieb und Einkünften aus privater Wertpapierverwaltung hinzuweisen. Der An- und Verkauf von Aktien (Beispiel des pensionierten Bankdirektors der seinen privaten „Aktienfonds“ unterhält) wird von der Rechtsprechung als Pflege- des
Stammvermögens bezeichnet und begründet nur dann Einkünfte Gewerbebetrieb, wenn man als wirklicher Wertpapierhändler tätig ist.
aus
Kindergeld Hierzu ist zunächst zu bemerken, daß es zwei Vorgehensweisen gibt, das Steuerexistenzminimum eines Kindes zu sichern. Hier ist zunächst das Existenzminimum für das Kind, der sogenannte Kinderfreibetrag zu nennen. Gäbe es kein Kindergeld, so müßte auf jeden Fall ein Kinderfreibetrag, der das Existenzminimum eines Kindes steuerfrei stellt, gewährt werden. Das Kindergeld hingegen ist eine Subvention. Diese beiden Begriffe werden häufig miteinander vermengt, zumal in § 31 EStG Fiskalzwecknorm und Subvention so eng miteinander verzahnt sind, daß die eigentliche Subvention als solche gar nicht mehr eindeutig ausgemacht werden kann. Das Kindergeld beinhaltet also auch eine Steuererstattungsfunktion für zuviel gezahlte Steuern. Der Kinderfreibetrag wird (insb. unter den derzeitigen politischen Verhältnissen) kritisch gesehen, da durch den progressiven Verlauf des Einkommensteuertarifs einkommensstärkere Eltern größere Steuervorteile erhalten als einkommensschwache Eltern. Die eigentlich faire Lösung wäre es daher, ein Kindergeld zu gewähren und den Unterschiedsbetrag zwischen Kindergeld und Existenzminimum des Kindes (das Kindergeld deckt nämlich das Existenzminimum des Kindes nicht voll ab) durch Gewährung eines Kinderfreibetrages zu ermöglichen. Im Ergebnis stände dann ein Restkinderfreibetrag zur Verfügung. Die jetzige Regelung sieht demgegenüber eine alternative Inanspruchnahme von Kindergeld und Kinderfreibetrag vor. Familien mit geringem Einkommen und hoher Kinderanzahl wären dann nicht mehr so diskriminiert (Beispiel des Journalisten, der mit 140.000 DM Jahreseinkommen acht Kinder zu ernähern hatte). Sollte Herr Schröder mit seinem Beitrag sowohl Kindergeld, als auch Kinderfreibetrag gemeint haben, so steht dem die verfassungsmäßige Schranke der Steuerfreiheit des Existenzminimums des Kindes gegenüber. Das Kindergeld als solches wäre schon abbaubar, natürlich nur unter der Prämisse, daß dann der Kinderfreibetrag zum Zuge käme. H. Private Abzüge Mit den privaten Abzügen wird das subjektive Nettoprinzip verwirklicht. Die Bemessungs-grundlage soll hierdurch um den indisponiblen Teil des Einkommens vermindert werden. Bezeichnend für die fehlende Systematik im Steuerrecht ist es, daß obwohl private Abzüge (wie der Grundfreibetrag) Abzüge von der Bemessungsgrundlage darstellen, sie, historisch bedingt, im Gesetzestext im Abschnitt über den Tarif eingeordnet sind.
Die privaten Abzüge können in die Sonderausgaben, die außergewöhnlichen Belastungen und in die „Unterhaltsabzüge“ unterteilt werden. Die Sonderausgaben sind in § 10 EStG normiert. Absatz 1 beschäftigt sich dabei mit der Ergänzung des Ehegattensplittings. Das Ehegattensplitting teilt bei Vorliegen einer Güter- und Erwerbsgemeinschaft (intakte Ehe) gerechterweise beiden Ehepartnern jeweils die Hälfte des Einkommens zu. Obwohl Unterhaltsverpflichtungen weiterhin bestanden, war bei dauernd getrennt lebenden Ehegatten und Geschiedenen der Splittingvorteil auf einmal fort, was dazu führte, daß die immer noch bestehende Unterhaltsgemeinschaft nicht ausreichend berücksichtigt wurde. Dies führte zur Implementierung des Realsplittings in das Steuerrecht. Kurioserweise wird es von der Zustimmung des Empfängers (Unterhaltsempfängers) abhängig gemacht, ob es zu einer Gewährung dieses Abzuges kommt. Sind die Rachegefühle bspw. einer unterhaltsberechtigten geschiedenen Frau gegenüber ihrem geschiedenen Mann (ehemals Alleinverdienerehe) sehr stark, so kann es zu einigen Komplikationen kommen. Der zukünftige Steuerberater sei daher auf die dringende Notwendigkeit hingewiesen, Zustimmungsklauseln in Unterhaltsverträgen mitaufzunehmen. Das Realsplitting besitzt leider den großen Nachteil, daß es Fälle gibt, in denen die geschiedene Ehe besser gestellt wird als die intakte Ehe (Stichwort: „Steuersparmodell Scheidung“). Durch die Berücksichtigung der Kinderbetreuungskosten und die Einräumung eines Haushalts-freibetrages wird dies dann noch verstärkt. Hieran wird deutlich, wie das Einkommensteuergesetz die Unterhaltsgemeinschaften und Unterhaltsverpflichtungen würdigt.
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Die Sonderausgaben sind in einer Art Katalog in § 10 EStG geregelt (genauer § 10; 10 b; 10 c EStG). In § 10 Abs. 1 Nr. 1a wird eigentlich ein Bestandteil der Besteuerung von wiederkehrenden Bezügen geregelt. Abweichend vom Grundsatz der Individualbesteuerung werden hier in einem Korrespondenzprinzip auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhende Rentenleistungen und dauernde Lasten, die nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Nr.1 EStG) zu berücksichtigen sind, als Sonderausgabe zum Abzug zugelassen. In § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG sind Vorsorgeaufwendungen, die dem existenznotwendigen Lebensbedarf durchaus zuzuordnen sind, ebenso als Sonderausgaben abziehbar. Lebensversicherungen sind dabei als privilegiert anzusehen, da die Einzahlungen aus unversteuertem Einkommen geleistet werden können, später bei der Auszahlung dann jedoch nicht einmal der Ertragsanteil versteuert wird. Zinsen aus Lebensversicherungen sind also steuerfrei. Die Folge dessen ist es, daß zugunsten der Versicherer (niedrige Zinsen) die Altersvorsorgevarianten unterschiedlich steuerlich behandelt werden.
In § 10 Abs. 1 Nr. 4 wird die Kirchensteuer und in Nr. 5 die Verzinsung von Steuernachforderungen (Zinsen nach den §§ 233a, 234 und 237 AO) als Sonderausgabe qualifiziert. Steuerberatungskosten (§ 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG), übrigens auch Fachliteratur, sind abziehbar, was auch dem subjektiven Nettoprinzip entspricht. Dasselbe gilt für Aufwendungen für die Berufsausbildung oder Weiterbildung in einem nicht ausgeübten Beruf (§ 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG) bis zu 1800 DM pro Jahr. Wichtig (vielleicht auch für Examenskandidaten) ist die Unterscheidung zwischen Einkunftssphäre und der Sphäre der privaten Abzüge. Es muß also zunächst überprüft werden, ob man die Kosten der Einkunftssphäre zuordnen kann (Frage: Liegen Werbungskosten oder Betriebsausgaben vor?). Ist eine solche Qualifizierung nicht möglich, fallen die Kosten also aus der Einkunftssphäre heraus, so unterliegen sie dem beschränkten Abzug von 1800 DM (2400 bei auswärtiger Unterbringung). Die in § 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG angesprochenen hauswirtschaftlichen Dienstverhältnisse (sog. Dienstmädchenprivileg) werden nach dem jüngsten Urteil des Bundesverfassungsgerichts wohl in dieser Form nicht beibehalten werden. Es wird hierdurch lediglich der Unterhaltsaufwand der gehobenen Lebensführung bedacht, jedoch werden zwangsläufige Unterhaltsverpflichtungen nicht realitätsgerecht berücksichtigt. Dieses Regelung ist nicht dem indisponiblen Einkommen zuzurechnen. Schulgelder für inländische Internate (Nr. 9) dienen ebenso wenig wie das Dienstmädchenprivileg nicht der Verwirklichung des subjektiven Nettoprinzips, sondern sind als Steuervergünstigung zu qualifizieren. Als Steuervergünstigung ist ebenso der Spendenabzug nach § 10 b EStG zu qualifizieren, der das Vereinswesen, insb. große, gemeinnützige Institutionen, fördern soll. Der § 10 d Abs. 1 Nr. 1 (Verlustrücktrag) hingegen ist keine Steuervergünstigung, sondern Fiskalzwecknorm.
Die außergewöhnlichen Belastungen werden im § 33 EStG geregelt. Sie betreffen den Teil des Einkommens, der neben dem Teil, der der unmittelbaren Sicherung der Existenz dient (wird mit Pauschalen abgedeckt), den existenznotwendigen außergewöhnlichen Lebensbedarf darstellt. Historisch existierte die Vorschrift der außergewöhnlichen Belastungen bereits im preußischen Einkommensteuergesetz und wurde bis zur Rechtsprechung Ende der 60iger Jahre als Billigkeitsmaßnahme verstanden. Dementsprechend wurde ein zumutbarer Teil der „außergewöhnlichen Belastung“ stets herausgerechnet und nicht beachtet. Dieser Sichtweise widerspricht der Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Der Ansatz der außergewöhnlichen Belastung entspricht einer Strukturnorm, die der richtigen Messung der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit dient. Durch den guten Krankenversicherungsschutz in Deutschland wird dieses Problem im allgemeinen vernachlässigt (Hinweis auf den amerikanischen Dialysepatienten). Zur Verdeutlichung folgender Fall
Fall 59 Ein Behinderter kauft sich ein Einfamilienhaus, in welches ein behindertengerechter Fahrstuhl eingebaut werden muß. Liegen außergewöhnliche Belastungen vor? Es kann argumentiert werden, daß der Einbau eines Fahrstuhls den Wert des Hauses erhöht und somit ein Gegenwert geschaffen wird (sog. Gegenwerttheorie). Es sind aber Zweifel anzumelden, ob behindertengerechte Einbauten nicht eher wertreduzierend wirken. Da aber auch Brille oder Zahngold Gegenwerte darstellen, welche allerdings niemandem zugerechnet werden, kann festgehalten werden, daß die Gegenwerttheorie sich überlebt hat. Ergebnis: Die Gegenwerttheorie ist nicht anzuwenden und die Aufwendungen für den Fahrstuhleinbau stellen außergewöhnliche Belastungen dar.
Die Abgrenzung von notwendigen Krankheitskosten, die man dem existenznotwendigen Bedarf zuordnen kann, zu den Aufwendungen des disponiblen Bereichs (Beispiel Trinkgelder an die Krankenschwestern) bereitet Probleme. Am Fall der künstlichen Befruchtung wird die unterschiedliche Sichtweise deutlich. Fall 60 künstliche Befruchtung Werner und Eva können keine Kinder bekommen. In Erlangen wird daraufhin eine künstliche Befruchtung durchgeführt. Sind die Aufwendungen hierfür außergewöhnliche Belastungen? Kinder können als „Privatvergnügen“ angesehen werden, allerdings geht dies nicht mit Artikel 6 des GG (Schutz von Ehe und Familie) konform. Ergebnis: Vor dem Hintergrund, daß Unfruchtbarkeit als Krankheit gesehen wird, stellen Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung außergewöhnliche Belastungen dar.
Fall 61 Viagra Können bei Impotenz Viagra-Tabletten als außergewöhnliche Belastungen angesetzt werden?
Ergebnis: Soweit keine klinisch erwiesene Begründung des Viagrabedarfs vorliegt, muß ein Abzug als außergewöhnliche Belastung verneint werden.
Im Ergebnis bleibt festzustellen, daß die eindeutige Abgrenzung zwischen notwendigem Fahrstuhl und „nichtnotwendigem“ Fitnessgerät schwer zu treffen ist.
Das Thema der heutigen Veranstaltung ist die Familienbesteuerung mit Bezug auf die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichtes, die am 19. Januar veröffentlicht worden sind, aber bereits am 10. November vergangenen Jahres beschlossen worden sind. Ob trotz aller Sorgfalt bei der Erstellung des Urteils die Tragweite der Entscheidung bedacht wurde scheint fraglich, da die Steuerbescheide, die bis zu zwölf Jahren zuvor (bis 1987) tragen, allesamt im nachhinein berichtigt und angepaßt werden müssen. Es sind dabei zwei Entscheidungen zu unterscheiden. Zum einen erging eine Entscheidung zum Haushaltsfreibetrag und zu den Kinderbetreuungskosten und zum anderen eine Entscheidung zum Kinderfreibetrag. Absolut noch nie dagewesen in der Geschichte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist die Vorgehensweise bei letzterem Urteil zum Kinderfreibetrag, in dem in Würdigung der zu niedrigen Kinderfreibeträge 1985 und 1987 bis auf die Mark genau das Existenzminimum eines Kindes festgelegt wurde. Dazu heißt es im Leitsatz: „Artikel 6 Abs. 1 GG gebietet, bei der Besteuerung einer Familie das Existenzminimum sämtlicher Familienmitglieder steuerfrei zu lassen (Hier wird interessantereise auch die Unterhaltspflicht gegenüber dem Großvater oder der Großmutter miteingeschlossen). Dabei bildet das sozialhilferechtlich gebildete Existenzminimum die Grenze für das einkommensteuerliche Existenzminimum, die über- aber nicht unterschritten werden darf. (Es gilt dabei das (sozialrechtlich definierte) städtische Existenzminimum). Das einkommensteuerliche Existenzminimum ist für alle Steuerpflichtigen unabhängig von ihrem individuellen Grenzsteuersatz in voller Höhe von der Einkommensteuer freizustellen (also auch die Spitzenverdiener sind hier angesprochen). Der Wohnbedarf ist nicht nach dem ProKopf-Bedarf, sondern nach dem Mehrbedarf zu ermitteln (technischer Maßstab).“. Die Ausübung des Wahlrechts, wie dieses Ziel zu erreichen ist (Kindergeld oder Kinderfreibetrag), bleibt weiterhin beim Gesetzgeber.
Neben dieser Entscheidung zum Kinderfreibetrag steht die Entscheidung zum Haushaltsfreibetrag und zu den Kinderbetreuungskosten. Dazu heißt es: „ Artikel 6 Abs. 1 GG enthält einen besonderen Gleichheitssatz (Diskriminierungsverbot). Er verbietet, Ehe und Familie gegenüber anderen Lebensund Erziehungsgemeinschaften schlechter zu stellen. Dieses Benachteiligungsverbot steht jeder belastenden Differenzierung entgegen, die der Existenz einer Ehe oder der Wahrnehmung des Elternrechts ehelicher Erziehungsgemeinschaft angehören. Die Leistungsfähigkeit der Eltern wird über dem existenziellen Sachbedarf und dem erwerbsbedingten Betreuungsbedarf des Kindes hinaus generell durch ehelichen Betreuungsbedarf gemindert. Der Betreuungsbedarf muß als notwendiger Bestandteil des familiären Existenzminimums einkommensteuerlich unbelastet bleiben, ohne das danach unterschieden werden dürfte, in welcher Weise dieser Bedarf gedeckt wird. Der Gesetzgeber muß bei der gebotenen Neugestaltung des
Kinderleistungsausgleichs auch den Erziehungsbedarf des Kindes unabhängig vom Familienstand bei allen Eltern, die einen Kinderfreibetrag oder Kindergeld erhalten, berücksichtigen. Soweit das Familienexistenzminimum sich nach personenbezogenen Daten wie Familienstand, Anzahl der Kinder und Alter bestimmt, muß nach dem rechtstaatlichen Gebot der Vorraussehbarkeit und Berechenbarkeit dieser Tatbestand so gefaßt werden, daß die bloße Angabe dieser Daten die Anwendung des Gesetzes möglich macht“. Die bisherige Rechtslage soll schematisch dargestellt werden. Dabei gilt es folgende Fragen zu klären. 1. Wie werden Unterhaltsverpflichtungen einkommensteuerlich berücksichtigt? 2. Wie wird das Existenzminimum gesichert? Die bisherige Rechtslage sieht dabei folgendes Vorgehen vor: A) Ehegattensplitting („Einkommen geteilt durch zwei“)
Eva
intakte Ehe
Adam
gemeinsames Einkommen Divisor 2
Erwachsenenexistenzminimum
Erwachsenenexistenzminimum
Bei dieser Lösung werden sowohl Existenzminimum der Verheirateten, als auch die Eheverpflichtungen, unter der Prämisse des Vorliegens einer gemeinsamen Erwerbsund Verbrauchsgemeinschaft, angemessen berücksichtigt. Ob übrigens die geplante Beschneidung des Progressionsvorteils beim Ehegattensplitting tatsächlich durchgeführt wird, bleibt in Anbetracht der jüngsten Rechtsprechung erst noch abzuwarten. B) Geschiedene Eheleute und dauernd getrennt lebende (begrenztes Realsplitting) Unterhaltsgeber Einkommen - 27.000 DM (Grundfreibetrag)
Lola zu versteuernde Unterhaltszahlungen (Grundfreibetrag)
Bei geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden Eheleuten ist in der Regel der eine Ehepartner zur Zahlung von Unterhaltsleistungen verpflichtet. Bis zu einer Höhe von 27.000 DM können diese als Sonderausgaben geltend gemacht werden (Leider hängt dieser Abzug von der Zustimmung des Unterhaltsempfängers ab). Der erhaltene Unterhalt ist dann vom Unterhaltsempfänger zu versteuern.
Wünschenswert wäre es, dieses Realsplitting zu einem Familien-Realsplitting auszubauen.
C) Allgemeiner Unterhaltsabzug bei fehlendem Anspruch auf Kinderfreibetrag
Unterhaltsgeber
Unterhaltsberechtigter
Einkommen - 12.000 DM
Das Steuerchaos beginnt mit diesem § 33 Abs. 1 EStG. Hier wird in Höhe des Erwachsenenexistenzminimums ein Abzug gewährt, allerdings vermindert sich dieser Betrag, insofern die unterhalts-berechtigte Person andere Einkünfte oder Bezüge erhält (und dies, obwohl die Situation des Unterhaltsberechtigten überhaupt nichts mit der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten zu tun hat (eklatantes Beispiel des Vaters, der für seinen geringfügig beschäftigten geistig verwirrten Sohn Unterhaltsbeihilfen nicht geltend machen konnte). DA) Familienleistungsausgleich (besser Kinderleistungsausgleich) Eva
intakte Ehe
Adam
gemeinsames Einkommen Divisor 2
Erwachsenenexistenzminimum
Erwachsenenexistenzminimum
Kindergeld/ wenn steuerliche Auswirkung besser: Kinderfreibetrag Kind 1
Kind 2
Kind 3
Zunächst ist festzustellen, daß die steuerliche Freistellung des Existenzminimums eines Kindes durch Kindergeld oder Kinderfreibetrag erfolgen kann. Praktisch wird zunächst Kindergeld ausgezahlt und am Schluß des Veranlagungszeitraums vom Finanzamt festgestellt, ob hierdurch das Existenzminimum des Kindes gesichert wurde oder eventuell ein Kinderfreibetrag zu gewähren ist. Dies ist der Fall, wenn das Kindergeld die steuerliche Auswirkung des Kinderfreibetrages nicht erreicht. Es handelt sich hierbei also keineswegs um ein Wahlrecht des Steuerpflichtigen, Kindergeld oder Kinderfreibetrag zu erhalten.
Für Kindergeldempfänger die gar nicht so viel verdienen, daß das Existenzminimum eines Kindes steuerlich freizustellen wäre, wirkt Kindergeld wie eine Direktsubvention. DB) Steuersparmodell Scheidung Gegenstand der Entscheidung zum Haushaltsfreibetrag und zu den Kinderbetreuungskosten betrifft den Fall der geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden Ehegatten mit Kind. Um die Halbfamilie ein bißchen der Familie anzunähern, gewährte man einem Alleinerziehenden das doppelte Existenzminimum, das bei 5.616 DM lag. Die Vorteile des Ehegattensplitting (Verdoppelung der tariflichen Nullzone) sollten hierdurch ausgeglichen werden, obwohl festzuhalten ist, daß das Ehegattensplitting mit dem Existenzminimum des Kindes überhaupt nichts zu tun hat. Das Ehegattensplitting betrifft allein die Verteilung des Einkommens zwischen Eheleuten. Hier sind Dinge miteinander vermengt worden, die nicht in direkter Beziehung zueinander stehen. Unterhaltsgeber Einkommen - 27.000 DM (Grundfreibetrag)
Lola zu versteuernde Unterhaltszahlungen (Grundfreibetrag)
Kindergeld/ wenn steuerliche Auswirkung besser: Kinderfreibetrag + Haushaltsfreibetrag
Kind 1
Kind 2
Kind 3
Dies führte zum sogenannten Steuersparmodell Scheidung. Dadurch, daß das Kind eines Alleinerziehenden nun mit einem Gesamtfreibetrag von 12.528 DM berücksichtigt wird, wird die intakte Ehe diskriminiert. Der Steuervorteil einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft beträgt demnach einige tausend DM.
J. Einkommensteuertarif Durch die Steuerreform 1990 ist die Struktur des jetzigen Einkommensteuertarifs als linear-progressiven Tarifs begründet worden. Für die persönliche Betrachtung ist der Durchschnittssteuersatz (prozentuale Belastung des Gesamtverdienstes) wohl der entscheidende Steuersatz. In der Investitionsrechnung wird aufgrund großer Zahlen meist mit dem Spitzensteuersatz (bei Verlustphasen mit Steuersatz 0) gerechnet oder mit dem Körperschaftsteuertarif. Die Grenzbelastung stellt die prozentuale Belastung des Mehrverdienstes dar. Der Progressionsvorbehalt (siehe oben) stellt sicher, daß der Steuerpflichtige keinen Progressionsvorteil durch steuerfreie Einkommensteile erhält. Es wird alles
Einkommen zusammengerechnet und der entsprechende Einkommensteuerdurchschnittssatz ermittelt. Mit diesem wird dann das zu versteuernde Einkommen besteuert. Neben dem Steuersatz oder Tarifermäßigungen einerseits und den Steuerbetragsermäßigungen andererseits steht als Ausnahme vom Normaltarif der Sondertarif für Gewerbetreibende im Vordergrund. Als Ausgleich für die zu zahlende Gewerbeertragsteuer ist der Tarif für gewerbliche Einkünfte auf 47 % begrenzt. Hierin liegt eine Verletzung des Gleichheitssatzes begründet. Ob dies beibehalten wird, scheint indes fraglich. Steuersatzermäßigungen sind Fiskalzwecknorm und keine Steuervergünstigungen und dienen der Vermeidung der Diskriminierung bei der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen. Die Zusammenballung stiller Reserven wird hierdurch angemessen berücksichtigt.