Peter Jürging · Heinz Patt Fließgewässer- und Auenentwicklung
Peter Jürging · Heinz Patt (Hrsg.)
Fließgewässer- und ...
120 downloads
2175 Views
17MB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Peter Jürging · Heinz Patt Fließgewässer- und Auenentwicklung
Peter Jürging · Heinz Patt (Hrsg.)
Fließgewässer- und Auenentwicklung Grundlagen und Erfahrungen mit Textbeiträgen von: Bauassessor Dr.-Ing. Heinz-Christian Baumgart, Baudirektor Dipl.-Ing. Bernhard Burkart, Ltd. Direktor und Professor Dr. rer. hort. Hanns-Jörg Dahl, Rechtsassessor Klaus-Dieter Fröhlich, Privatdozent Dr. rer. nat. Daniel Hering, Präsident Dr.-Ing. Harald Irmer, Dr. agr. Dipl.-Ing. Peter Jürging, Univ. Prof. Dr. Werner Konold, Univ. Prof. Dr.-Ing. habil. Heinz Patt, Dr. rer. nat. Petra Podraza, Dipl.-Ing. Bernd Schackers, Dipl.-Geogr. Georg Schrenk, Univ. Prof. Dr. Wolfgang Schumacher, Dr. rer. nat. Mario Sommerhäuser, Dipl.-Ing. Eberhard Städtler, Univ. Prof. Dr.-Ing. Silke Wieprecht mit Projektbeispielen von: Dipl.-Ing. Bernd Schackers – Fulda Dipl.-Ing. Ulrich Detering – Lippe Dipl.-Ing. Hubertus Brückner – Niederungsgebiet Schwarze Elster Dipl.-Biol. Peter Sellheim – Wümme Dr. rer. nat. Thomas Paulus & Dipl.-Ing. (FH) Josef Groß – Ahr Dipl.-Ing. Eberhard Städtler – Sieg Dipl.-Ing. Bernhard Burkart & Dipl.-Ing. (FH) Bernd Walser – Acher/Rench Dipl.-Ing. Walter Binder – Isar Dr.-Ing. Heinz-Christian Baumgart – Emscher Univ. Prof. Dr. Dipl.-Ing. Helmut Mader – Alterbach/Söllheimerbach Dipl.-Ing. Christian Göldi – Thur Dipl.-Ing. Christian Göldi & Dipl.-Ing. Hans Georg Gsell – Wiesenbach
13
2
9g#V\g#9^ea#">c\#EZiZg?g\^c\ 6Yda["@dae^c\"Hig#& -*)(*:gY^c\
Jc^kZgh^i~ihegd[Zhhdg9g#">c\#]VW^a=Z^coEVii Jc^kZgh^i~i9j^hWjg\":hhZc 8Vbejh:hhZc Jc^kZgh^i~ihhigVZ&* )*&&,:hhZc
^hWc("*)%"'&)&*"& Heg^c\Zg7Zga^c=Z^YZaWZg\CZlNdg` 7^Wa^d\gV[^hX]Z>c[dgbVi^dcYZg9ZjihX]Zc7^Wa^di]Z` 9^Z9ZjihX]Z7^Wa^di]Z`kZgoZ^X]cZiY^ZhZEjWa^`Vi^dc^cYZg9ZjihX]Zc CVi^dcVaW^Wa^d\gV[^Z0YZiV^aa^ZgiZW^Wa^d\gV[^hX]Z9ViZch^cY^b>ciZgcZiWZg 1]iie/$$YcW#YYW#YZ3VWgj[WVg# 9^ZhZh LZg` ^hi jg]ZWZggZX]ia^X] \ZhX]ioi# 9^Z YVYjgX] WZ\gcYZiZc GZX]iZ! ^chWZhdcYZgZ Y^Z YZg zWZghZiojc\! YZh CVX]YgjX`h! YZhKdgigV\h! YZg :cicV]bZ kdc6WW^aYjc\ZcjcYIVWZaaZc!YZg;jc`hZcYjc\!YZgB^`gdkZg[^abjc\dYZgYZg KZgk^Za[~ai^\jc\Vj[VcYZgZcLZ\ZcjcYYZgHeZ^X]Zgjc\^c9ViZckZgVgWZ^ijc\h" VcaV\Zc! WaZ^WZc! VjX] WZ^ cjg Vjhoj\hlZ^hZgKZglZgijc\! kdgWZ]VaiZc# :^cZKZg" k^Za[~ai^\jc\ Y^ZhZhLZg`Zh dYZg kdc IZ^aZc Y^ZhZhLZg`Zh ^hi VjX] ^b :^coZa[Vaa cjg ^c YZc
Vorwort der Herausgeber
Die Hochwasserschäden in den letzten Jahren haben deutlich gezeigt, dass das Verhältnis zwischen Mensch und Natur vielerorts empfindlich gestört ist. Allein das Hochwasser an der Elbe im Jahre 2002 hat Schäden in der Größenordnung von schätzungsweise 20 Milliarden EURO verursacht. Schaut man in einem größeren Rahmen, werden diese Schadenssummen von Überschwemmungen oder anderen Naturkatastrophen in anderen Teilen der Welt noch weit übertroffen. Nicht wenige haben immer wieder vor dem Ausverkauf unserer natürlichen Lebensgrundlagen gewarnt und Änderungen angemahnt. Andere haben auf die Statistik gesetzt und gehofft, dass ein Hochwasser zwar eintreffen kann, es aber rechnerisch eher unwahrscheinlich ist. So oder so – den Hochwasserbetroffenen entstanden großes persönliches Leid und den Volkswirtschaften der betroffenen Ländern hohe Schäden. Warner gab es genug! So hat zum Beispiel der Altmeister der nachhaltigen Entwicklung in den Vereinigten Staaten, der Amerikaner Aldo Leopold (1886–1949), schon früh darauf hingewiesen, dass der Schutz unserer natürlichen Ressourcen ein Zustand der „Harmonie zwischen Mensch und Land“ ist. Die dazu gehörige Einstellung, muss „in uns sein oder entwickelt werden“. Sie kann nicht durch Gesetzestexte oder behördliche Verordnungen angeordnet werden. In Europa war es Alwin Seifert (1890–1972), der in seinem Buch „Ein Leben für die Landschaft“ die Bedeutung naturbelassener Landschaftsbestandteile hervorhebt. In seiner Monografie „Im Zeitalter des Lebendigen“ aus dem Jahre 1943 zeigt er an ganz konkreten Beispielen, dass sich die Störung von natürlichen Entwicklungsprozessen „unentrinnbar rächt“. Er spricht in diesem Zusammenhang von Versteppung, Unfruchtbarkeit und Bodenverwüstung. In unseren Regionen ist es nicht soweit gekommen. Andere Teile der Welt haben nicht so viel Glück gehabt. Das vorliegende Buch gibt einen umfassenden Überblick über die heutigen Vorstellungen bei der Entwicklung von Fließgewässern und Auen. Fließgewässer und Auen werden dabei als integraler Bestandteil der Landschaft angesehen. Sie sind als Natur- und Lebensräume untrennbar miteinander verknüpft. Alle natürlichen Prozesse bzw. Funktionen eines Fließgewässers, wie zum Bei-
VI
Vorwort der Herausgeber
spiel Wasserabfluss, Transport von Feststoffen, Habitatfunktion, Vernetzung von Lebensräumen u.a., sind vor diesem Hintergrund zu sehen und menschliche Eingriffe in dieses Gefüge hinsichtlich ihrer Auswirkungen zu bewerten. Im Buch wird deshalb auf die natürlichen Entwicklungsprozesse der Fließgewässer eingegangen und gleichzeitig das Verhältnis zwischen Mensch und Fließgewässer beleuchtet. Dazu wurden sowohl die historische Entwicklung der Fließgewässer als auch naturschutzfachliche und landschaftspflegerische Aspekte beschrieben. Insbesondere wird dargestellt, wie sich unsere Gewässer in den letzten Jahren unter dem Einfluss der Bewirtschaftung verändert haben. Hierbei wird zwischen Fließgewässern in der freien Landschaft und solchen unter urbanen Einflüssen (urbane Gewässer) unterschieden. Die Entwicklung eines Fließgewässers hin zu mehr Naturnähe erfordert fundierte Kenntnisse über die natürliche Ausstattung der zu entwickelnden Gewässer. Dabei sind die Kategorisierung und die Bewertung des vorgefundenen Zustands im Vergleich zu den natürlichen Gegebenheiten von großer Bedeutung. Das Wissen um die Gewässerstruktur, die Morphologie und der biotischen Merkmale von Fließgewässer und Auen sind Grundvoraussetzungen, um die richtigen Schritte einzuleiten. Hinsichtlich bestehender und geplanter Nutzungen und der daraus resultierenden Folgen für die Fließgewässer und Auen sind auch wasserwirtschaftliche und wasserbauliche Aspekte von Bedeutung. Sie sind notwendig für die Planung von Eingriffen mit Alternativen, die Abschätzung und Minimierung der Auswirkungen und die erforderlichen Pflege- und Unterhaltungsmaßnahmen. Von Bedeutung für die Entwicklung der Fließgewässer ist auch die Entwicklung der Rechtsnormen. Die Europäische Wasserrahmenrichtlinie (EG-WRRL) und die damit verbundene Novellierung des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) hat die Berücksichtigung naturschutzfachlicher Ziele nochmals weiter in den Vordergrund gerückt. Auch sind die im Rahmen der Bestandsaufnahme zu entwickelnden Bewertungsparameter fast ausschließlich an biotischen Parametern ausgerichtet. Nicht zuletzt verdeutlicht auch die Europäische Wasserrahmenrichtlinie, dass Fließgewässer mit ihren Auen seit etlichen Jahren international als zentrale Elemente von Kulturlandschaften anerkannt werden und einen sehr hohen Stellenwert besitzen. Es ist heutzutage auch unbestritten, dass es ein politisches Ziel ist, diese wertvollen Ökosysteme vor weiterer Zerstörung zu schützen und, wo immer möglich, für bereits beeinträchtigte Fließgewässer die Voraussetzungen für eine eigendynamische Entwicklung zu schaffen. Die Erhaltung und die Wiederherstellung der „ökologischen Funktionsfähigkeit“ unserer Fließgewässer mit ihren Auen unter gleichzeitiger, indirekter Verbesserung des Hochwasserschutzes wird auch in Zukunft ein zentrales Anliegen bleiben. Wer um die Komplexität der Fließgewässer- und Auenlandschaften weiß, wird sich nicht wundern, dass wir zahlreiche Fachleute verschiedener Disziplinen gebeten haben, an diesem Buch mitzuwirken. Wir wollten damit erreichen, dass die fachspezifischen Fragen umfassend und kompetent erläutert werden,
Vorwort der Herausgeber
VII
ohne jedoch den Praxisbezug zu verlieren. Die Mitautorinnen und Mitautoren haben dies hervorragend gelöst. Dafür möchten wir uns besonders bedanken. Unser Dank gilt aber auch Frau cand. Dipl.-Ing. Janine Meistrell. Sie hat zahlreiche Grafiken umgearbeitet und aktualisiert und damit einen wichtigen Beitrag zur Illustration des Buches geleistet. Desgleichen gilt unser Dank Herrn Dipl.-Ing. Holger Kröcher, der das Sachwortverzeichnis auf Vollständigkeit geprüft hat und uns von zahlreichen Routinearbeiten entlastet hat. Erding/Essen, im Oktober 2004
Dr. agr. Dipl.-Ing. Peter Jürging Univ. Prof. Dr.-Ing. habil. Heinz Patt
Autoren
Bauassessor Dr.-Ing. Heinz-Christian Baumgart (vormals Emschergenossenschaft/Lippeverband, Essen) Mintarder Weg 62 45129 Essen Regierungsdirektor Dipl.-Ing. Walter Binder Bayerisches Landesamt für Wasserwirtschaft Lazarettstraße 67 80636 München Dip.-Ing. Hubertus Brückner Gewässerverband „Kleine Elster – Pulsnitz“ Finsterwalder Straße 32a 03249 Sonnewalde Baudirektor Dipl.-Ing. Bernhard Burkart Gewässerdirektion Südlicher Oberrhein/Hochrhein Bereich Offenburg Ortenberger Straße 11 77654 Offenburg Ltd. Direktor und Professor Dr. rer. hort. Hanns-Jörg Dahl Niedersächsisches Landesamt für Ökologie Am Flugplatz 14 31135 Hildesheim Dipl.-Ing. Ulrich Detering Staatliches Umweltamt Lippstadt Lipperoder Straße 8 59558 Lippstadt
X
Rechtsassessor Klaus-Dieter Fröhlich Institut für das Recht der Wasser- und Entsorgungswirtschaft an der Rheinischen-Friedrich-Wilhelms Universität Bonn Lennéstraße 35 53113 Bonn Dipl.-Ing. Christian Göldi Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft Abt. Wasserbau Walcheplatz 2 8090 Zürich/Schweiz Dipl.-Ing. (FH) Josef Groß Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord Regionalstelle Wasserwirtschaft, Abfallwirtschaft, Bodenschutz Kurfürstenstraße 12–14 56068 Koblenz Dipl.-Ing. Hans Georg Gsell Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft Abt. Wasserbau Walcheplatz 2 8090 Zürich/Schweiz Privatdozent Dr. rer. nat. Daniel Hering Universität Duisburg-Essen Institut für Ökologie, Abteilung Hydrobiologie Universitätsstraße 15 45117 Essen Präsident Dr.-Ing. Harald Irmer Landesumweltamt Nordrhein-Westfalen Wallneyer Straße 6 45133 Essen Dr. agr. Dipl.-Ing. Peter Jürging (vormals Bayerisches Landesamt für Wasserwirtschaft, München) Adolf-Kolping-Straße 1 85435 Erding
Autoren
Autoren
Universitätsprofessor Dr. Werner Konold Albert-Ludwigs-Universität Freiburg Institut für Landespflege Tennenbacher Straße 4 79106 Freiburg Universitätsprofessor Dipl.-Ing. Dr. Helmut Mader Universität für Bodenkultur Wien Institut für Wasserwirtschaft, Hydrologie und konstruktiver Wasserbau Muthgasse 18 1190 Wien/Österreich Universitätsprofessor Dr.-Ing. habil. Heinz Patt Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft Universität Duisburg-Essen Universitätsstraße 15 45117 Essen Dr. rer. nat. Thomas Paulus Gemeinnützige Fortbildungsgesellschaft für Wasserwirtschaft und Landschaftsentwicklung (GFG) mbH Frauenlobplatz 2 55118 Mainz Dr. rer. nat. Petra Podraza Universität Duisburg-Essen Institut für Ökologie, Abteilung Hydrobiologie Universitätsstraße 15 45117 Essen Dipl.-Ing. Bernd Schackers Ingenieurbüro Umwelt Institut Höxter Schlesische Straße 76 37671 Höxter Dipl.-Geogr. Georg Schrenk ATV-DVWK – Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V. Abt. Wasserwirtschaft, Abfall und Boden Theodor-Heuß-Allee 17 53773 Hennef
XI
XII
Universitätsprofessor Dr. rer. nat. Wolfgang Schumacher Rheinische-Friedrich-Wilhelms Universität Bonn Abt. Geobotanik und Naturschutz Landwirtschaftliche Fakultät Karlrobert-Kreiten-Straße 13 53115 Bonn Dipl.-Biol. Peter Sellheim Niedersächsisches Landesamt für Ökologie Am Flugplatz 14 31135 Hildesheim Dr. rer. nat. Mario Sommerhäuser Emschergenossenschaft/Lippeverband Kronprinzenstraße 24 45128 Essen Dipl.-Ing. Eberhard Städtler (vormals Staatliches Umweltamt Köln, Köln) Winkelpfad 81 53879 Euskirchen Dipl.-Ing. (FH) Bernd Walser Gewässerdirektion Südlicher Oberrhein/Hochrhein Bereich Offenburg Ortenberger Straße 11 77654 Offenburg Universitätsprofessorin Dr.-Ing. Silke Wieprecht Universität Stuttgart Lehrstuhl für Wasserbau und Wassermengenwirtschaft Pfaffenwaldring 61 70569 Stuttgart
Autoren
Inhaltsverzeichnis
1 1.1 1.2 1.3 1.4
Einführung und Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gliederung des Buches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Für wen ist dieses Buch gedacht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arbeit der Herausgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 1 1 3 3
2 2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.4 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.4 2.4.1 2.4.2 2.4.3 2.4.4 2.4.5
Natürliche Fließgewässer und Auen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ökosystembausteine. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abflussdynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Feststoffdynamik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Morphodynamik, Laufentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Physikalische und chemische Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Besiedlungsdynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abflussgeschehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Feststoffhaushalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Morphologische Strukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ökosytemare Zusammenhänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Organische Strukturen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Längs- und Quervernetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nahrungskette . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lebensräume und Lebensgemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Freier Fließwasserkörper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sohle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ufer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Altgewässer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5 6 6 9 10 14 18 19 20 20 26 26 27 28 33 34 36 38 42 45
3 3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.1.4
Mensch und Fließgewässer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Frühe Nutzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alte Wasserkulturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mühlkanäle, Mühlgräben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schifffahrt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Flößerei. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47 47 47 48 49 50
XIV
Inhaltsverzeichnis
3.1.5 3.1.6 3.1.7 3.1.8 3.1.9 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.3.4 3.3.5 3.3.6
Teiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Wässerwiesen und Bewässerungsgräben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Flussbau und Hochwasserschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Brandenburg, Land der Wasserkultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Kulturtechnik contra Natur? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Heutige Nutzungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Inanspruchnahme von gewässernahen Flächen. . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Wasserwirtschaft und Wasserbau. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Bedeutsame Nutzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 Auswirkungen auf die Entwicklung von Fließgewässer und Aue . . 88 Veränderung der Ökosystembausteine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 Veränderung der biotischen Faktorenkomplexe . . . . . . . . . . . . . . . . 95 Lebensräume und Lebensgemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Fließgewässerunterhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 Auswirkungen von Freizeit- und Erholungsaktivitäten . . . . . . . . . . 116 Besonderheiten urbaner Fließgewässer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
4 4.1 4.1.1 4.1.2 4.1.3
Fließgewässerentwicklung – Historie, Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Umdenkprozesse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vom technischen Ausbau zur Biotopgestaltung (1965–1980). . . . . . Ansätze zur systematischen Renaturierung – das Niedersächsische Fließgewässerschutzsystem (1980–1990) . . . Vom Fließgewässerprogramm zur Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (1990–2000) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklungsziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nutzungsorientierte Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Förderung der Fließgewässerentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Naturschutzfachliche Zielkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.1.4 4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 5 5.1 5.1.1 5.1.2 5.1.3 5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.2.4 5.2.5 5.3
Rechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . EG-Wasserrahmenrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ziele. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stand der Arbeiten in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wasserrechtliche Instrumente der Fließgewässer- und Auenentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Systematik des deutschen Wasserrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gewässerausbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gewässerunterhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Festsetzung von Überschwemmungsgebieten . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beschränkungen der Gewässerbenutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Naturschutzrechtliche Instrumente der Fließgewässer- und Auenentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
123 123 124 125 129 133 134 134 136 147 153 153 155 156 161 163 163 167 178 182 183 185
Inhaltsverzeichnis
XV
5.3.1 5.3.2 5.3.3 5.3.4 5.3.5
Landschaftsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eingriffe in Natur und Landschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterschutzstellung von Natur und Landschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . Gesetzlicher Biotopschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Besonderer Schutz von Gewässern und Uferzonen . . . . . . . . . . . . . .
186 186 187 189 189
6 6.1 6.1.1 6.1.2 6.1.3 6.1.4 6.1.5 6.1.6 6.2
Planung der Fließgewässerentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Planungsinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Planungsstufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gewässerentwicklungsplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hinweise zur Umsetzung der Fließgewässerentwicklungsplanung. Kontrolle und Fortschreibung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Landschaftsbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine, flächendeckende wasserwirtschaftliche und naturschutzfachliche Planungsgrundlagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gewässertypologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fließgewässerstrukturkartierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fließgewässerlandschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Biotopkartierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arten- und Biotopschutzprogramme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Natura 2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gewässerkategorien und Fragen der Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . Gewässerkategorien gemäß EG-Wasserrahmenrichtlinie. . . . . . . . . Bewertung von Fließgewässern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hydrologische, wasserwirtschaftliche und wasserbauliche Planungsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hydrometrie – Ermittlung von Planungsdaten . . . . . . . . . . . . . . . . . Hydrologie und Wasserwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Feststofftransport und Morphologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wasser-(Fluss)-bauliche Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leitlinien des Hochwasserschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sport, Freizeit und Erholung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Besonderheiten der Planung in urbanen Bereichen . . . . . . . . . . . . . Stadthydrologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gewässerstrecken in der Stadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hochwasserschutz urbaner Bereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Naherholung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fließgewässerunterhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Naturschonende Gewässerunterhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterhaltung urbaner Fließgewässer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Öffentlichkeitsbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verpflichtung zur Beteiligung der Öffentlichkeit bei Planfeststellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
191 191 193 194 205 212 214 215
6.2.1 6.2.2 6.2.3 6.2.4 6.2.5 6.2.6 6.3 6.3.1 6.3.2 6.4 6.4.1 6.4.2 6.4.3 6.4.4 6.4.5 6.4.6 6.5 6.5.1 6.5.2 6.5.3 6.5.4 6.6 6.6.1 6.6.2 6.7 6.7.1
217 217 230 232 234 235 236 237 238 243 250 251 252 257 264 277 284 288 288 293 302 305 308 309 319 320 321
XVI
6.7.2 6.7.3 6.7.4 6.7.5 6.7.6 6.8 6.8.1 6.8.2 7 7.1 7.1.1 7.1.2 7.1.3 7.1.4 7.1.5 7.2 7.2.1 7.2.2 7.2.3 7.2.4 7.3 7.3.1 7.3.2 7.3.3 7.3.4 7.4 7.4.1 7.4.2 7.4.3 7.4.4 7.5 7.5.1 7.5.2
Inhaltsverzeichnis
Information und Anhörung der Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . Gewässer-Nachbarschaften, Regionaler Erfahrungsaustausch . . . . Bachpatenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Runde Tische . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Information durch Broschüren, Ausstellungen, Tagungen, Führungen, Pressetermine, Internet u.a. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Finanzierungsmöglichkeiten, Förderprogramme . . . . . . . . . . . . . . . Zielsetzung der zu finanzierenden Renaturierungsmaßnahmen . . Mögliche Finanzierungswege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
321 322 323 324
Erfahrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Fulda (Hessen) – Ökologisches Gesamtkonzept für Fuldaund Hauneaue im Landkreis Hersfeld-Rotenburg . . . . . . . . . . . . . . . Ausgangssituation und Anlass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklungskonzept, Ziele, Konflikte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Maßnahmenplanungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Umsetzung einzelner Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklungen und Erfahrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Lippe (Nordrhein-Westfalen) – Gewässerauenprogramme an einem Flachlandfluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausgangssituation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklungskonzept, Ziele, Konflikte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Planung und Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklungen und Erfahrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Niederung der Schwarzen Elster (Brandenburg) – Entwicklungsmaßnahmen im Auenbereich des Mittellaufes . . . . . . Ausgangssituation und Anlass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklungskonzept, Ziele, Konflikte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Planungen und Maßnahmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklungen und Erfahrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Sieg (Nordrhein-Westfalen) – Entwicklungsmaßnahmen an einem Mittelgebirgsfluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausgangssituation und Anlass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklungskonzept, Ziele, Konflikte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Maßnahmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklungen und Erfahrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Ahr (Rheinland-Pfalz) – Fließgewässerentwicklung an einem Mittelgebirgsfluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausgangssituation und Anlass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ziele. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
331
324 325 326 328
332 333 334 338 340 343 344 345 345 347 348 353 355 356 356 358 360 364 365 366 366 368 369 375 376 377 377 380
Inhaltsverzeichnis
7.5.3 7.5.4 7.6 7.6.1 7.6.2 7.6.3 7.6.4 7.7 7.7.1 7.7.2 7.7.3 7.7.4 7.8 7.8.1 7.8.2 7.8.3 7.8.4 7.9 7.9.1 7.9.2 7.9.3 7.9.4 7.10 7.10.1 7.10.2 7.10.3 7.10.4 7.11 7.11.1 7.11.2 7.11.3 7.11.4
Maßnahmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklungen und Erfahrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Wümme (Niedersachsen/Bremen) – Gewässerentwicklungsmaßnahmen an einem Flachlandfluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausgangssituation und Anlass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklungskonzept, Ziele, Konflikte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Planung und Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklungen und Erfahrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Stadtgewässer Emscher (Nordrhein-Westfalen) – Fließgewässerentwicklung in einer Industrieregion . . . . . . . . . . . . . Ausgangssituation und Anlass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklungskonzept, Ziele, Konflikte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Planung und Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklungen und Erfahrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weiterentwicklung der Acher-Rench-Korrektion in der mittelbadischen Oberrheinebene (Baden-Württemberg) . . . . . . . . Ausgangssituation und Anlass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gewässerentwicklungsplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Planung und Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklungen und Erfahrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Isar (Bayern) – Ein alpiner Wildfluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausgangssituation und Anlass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklungskonzept, Ziele, Konflikte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Planung und Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklungen und Erfahrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Thur (Schweiz) – Grenzgewässer zwischen den Kantonen Zürich und Thurgau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausgangssituation und Anlass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklungskonzept, Ziele, Konflikte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Planung und Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklungen und Erfahrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Wiesenbach (Schweiz) – Eine Bachöffnung im Zusammenhang mit dem Nationalstraßenbau . . . . . . . . . . . . . . . Ausgangssituation und Anlass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklungskonzept, Ziele, Konflikte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Planung und Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklung und Erfahrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XVII
381 388 389 390 390 392 395 397 399 400 400 401 403 407 407 408 408 409 409 414 416 416 417 420 421 427 428 428 428 429 432 436 437 438 438 439 440 440 441
XVIII
7.12 7.12.1 7.12.2 7.12.3 7.12.4 7.12.5 7.12.6
Inhaltsverzeichnis
Alterbach und Söllheimerbach (Salzburg – Österreich) . . . . . . . . . . Ausgangssituation Hochwasserproblematik und Projektzeitplan. . Zielzustand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Alterbachsystem im Wandel der Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Maßnahmenplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Monitoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklungen und Erfahrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
441 441 443 443 446 449 451 452
Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455 Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 Farbtafeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 501 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519
1 Einführung und Systematik Peter Jürging, Heinz Patt
Die Ansprüche an Fließgewässer mit ihren Auen und damit auch die Einwirkungen des Menschen haben sich gewandelt und sind zudem differenzierter geworden. In der Vergangenheit wurden die Erhaltung oder Wiederherstellung einer Fließgewässerlandschaft als dynamischer Abfluss- und Retentionsraum und hinsichtlich der Funktionen als Lebensraum für Pflanzen- und Tiergemeinschaften nicht immer ausreichend berücksichtigt. Die Folgen des menschlichen Wirkens an unseren Fließgewässern und den Auen waren vielfach Störungen des Naturhaushaltes, vor allem des Wasserhaushaltes. Besonders auffällig sind die Reduzierung der Fließgewässerdynamik und die damit einhergehende Verarmung der Biotop- und Artenvielfalt. Heute werden Fließgewässer und Auen von der Öffentlichkeit verstärkt im Hinblick auf ihre Funktion im Naturhaushalt wahrgenommen. Dieses Buch soll als Hilfestellung bei der Planung und Umsetzung von Fließgewässer- und Auenentwicklungen dienen. Gleichzeitig soll es auch als eine – zumindest teilweise – Wiedergutmachung an der Natur, unserem ureigensten Lebensraum, durch Wiederherstellung naturnäherer Verhältnisse verstanden werden. 1.1
Geltungsbereich Die Inhalte dieses Buches beziehen sich auf fließende, oberirdische Gewässer humider Landschaften Mitteleuropas mit Ausnahme der Hochgebirge und Tidegewässer. Wildbäche, Wasserstraßen (Kanäle) und Entwässerungsgräben werden nicht oder nur randlich erwähnt. Wo fachlich notwendig werden Fließgewässer in der freien Landschaft und Fließgewässer in städtischen (urbanen) Bereichen gesondert angesprochen. 1.2
Gliederung des Buches Das Wissen um natürliche, dynamische Fließgewässer mit ihren Auen (Kap. 2) ist als Orientierungshilfe unabdingbar notwendig, ebenso wie das Begreifen, was
2
1 Einführung und Systematik
der Mensch sicherheits- und nutzungsorientiert aus vielen natürlichen Fließgewässern und Auen gemacht hat, wie diese heute vor allem unsere Agrar-, Forst, Stadt- und Industrielandschaften prägen (Kap. 3.1 und 3.2) und welche Folgen dies für die fließgewässer- und auentypischen Lebensräume mit ihren Lebensgemeinschaften hatte (Kap. 3.3). Dieses Bewusstsein um weitgehend veränderte, oftmals naturferne Fließgewässer und Auen macht die Notwendigkeit eines „Kurswechsels“ mehr als deutlich. Vielerorts wurden deshalb schon vor Jahren, wenn auch noch bescheidene Möglichkeiten angedacht, diese naturfernen Situationen wieder in Richtung naturnäherer Ökosysteme mit den ihnen typischen, vielfältigen Abhängigkeiten und Wechselbeziehungen zu entwickeln, wobei zwangsläufig auch menschliche Belange Beachtung finden müssen und fanden. Betrachtet man diese stets umfassender werdenden Bemühungen, so stehen am Ende im günstigsten Fall ganzheitliche und um Nachhaltigkeit bemühte Entwicklungskonzepte für unsere Fließgewässer mit ihren Auen (Kap. 4). Des Weiteren ist die Frage bedeutsam, welche einschlägigen Rechtsnormen existieren und was diese für eine naturraumtypische Fließgewässer- und Auenentwicklung in welchen zeitlichen Rahmen leisten können (Kap. 5). Hierbei werden sowohl die europäische Ebene (u.a. EG-Wasserrahmenrichtlinie) als auch die geltenden deutschen Bestimmungen erläutert. Für die Planung werden fachliche Grundlagen benötigt. Dazu gehört einerseits die Kenntnis über den Planungsprozess (Kap. 6.1) als Ganzes und andererseits die Auswahl der erforderlichen Planungsgrößen. Dazu gehören sowohl Planungsparameter aus flächendeckenden Aussagen (Kap. 6.2) als auch fachliche Eingangsgrößen, wie Fragen der Kategorisierung und Bewertung (Kap. 6.3), aber auch hydrologische, wasserbauliche und wasserwirtschaftliche Bemessungsgrößen (Kap. 6.4). Im Zuge der Maßnahmenplanungen im Sinne der EGWasserrahmenrichtlinie werden diese Parameter mehr und mehr an Bedeutung gewinnen. Hierbei sind die Besonderheiten des urbanen Bereiches von besonderem Interesse (Kap. 6.5). Große Auswirkungen auf die Entwicklungsprozesse hat auch die Gewässerunterhaltung (Kap. 6.6), da sie einerseits die Abflussleistung erhalten soll, andererseits aber durch die diesbezüglichen Maßnahmen die Entwicklungsprozesse immer wieder unterbricht. Nicht zuletzt spielen Fragen der Öffentlichkeitsbeteiligung (Kap. 6.7) und der Finanzierung (Kap. 6.8) eine große Rolle. Einen Eindruck, wie unterschiedlich Gewässerentwicklungskonzepte und deren Umsetzungen aufgrund divergierender Ausgangssituationen sein können, zeigen einige Beispiele aus unterschiedlichen Gewässerlandschaften Deutschlands, wobei aber auch ein „Blick über den Zaun“ zu unseren europäischen Nachbarn wertvolle Anregungen gibt und somit sehr hilfreich ist (Kap. 7). Am Schluss des Werkes befinden sich 16 Farbtafeln. Diese zeigen in systematischer Abfolge wesentliche Inhalte des Buches.
1.4 Arbeit der Herausgeber
3
1.3
Für wen ist dieses Buch gedacht? Von den Inhalten ist das Buch auf die unmittelbar Handelnden abgestimmt. Es richtet sich deshalb bevorzugt an die Verantwortlichen des Staates, der Kommunen und Verbände sowie an alle Fachleute, die in wasserwirtschaftlichen Dienststellen, Planungsbüros oder Baufirmen tätig sind. Nicht zuletzt wendet es sich aber auch an die Dienststellen des Naturschutzes und der Landschaftspflege, der Landwirtschafts- und Forstverwaltung sowie an Organisationen oder Einzelpersonen, die sich hauptamtlich oder ehrenamtlich mit Fließgewässern befassen. Das Buch soll ermutigen, die Gedanken der naturnahen Fließgewässer- und Auenentwicklung vermehrt aufzugreifen und umzusetzen. Das Buch soll aber auch diejenigen ansprechen, die sich nur über die Fließgewässer- und Auenentwicklung informieren wollen. Vielleicht können die Ausführungen dazu anregen, sich einerseits für den Schutz- und die Erhaltung natürlicher Fließgewässer- und Auenlandschaften einzusetzen, andererseits aber auch die nutzungsbedingten Schwierigkeiten bei Entwicklungsmaßnahmen an Fließgewässern und Auen zu erkennen und Lösungen anzubieten. Der Schutz und die Wiederherstellung naturnaher Fließgewässer- und Auenlandschaften muss dabei ein generelles gesellschaftliches Anliegen sein und bleiben. Ein Fachbuch kann hier nur Grundlagen und Anregungen liefern. 1.4
Arbeit der Herausgeber An diesem Buch haben eine Vielzahl von Autorinnen und Autoren mitgearbeitet, die sich allesamt lange Jahre mit unterschiedlichen Themen aus dem Bereich der Fließgewässer- und Auenentwicklung beschäftigt haben. Viele der abzuhandelnden Fachthemen sind miteinander verknüpft, mussten aber dennoch für das Buch in eine Gliederung eingepasst werden. Bei den beschriebenen Planungen und organisatorischen Abläufen galt es regionale oder länderspezifische Unterschiede zu kennzeichnen, ohne wichtige, allgemeingültige Erfahrungen zu vernachlässigen. Es galt aber auch, den Eindruck zu vermeiden, dass die in einem Bundesland oder einer Region gewählte Vorgehensweise als Generallösung erscheint und andere Arbeiten minder wichtig sind. Es soll daher ausdrücklich betont werden, dass die Nichterwähnung von regionalen oder länderspezifischen Entwicklungen deren Bedeutung in keiner Weise schmälern soll. Nach Abgabe der einzelnen Textbeiträge hatten die Herausgeber die Aufgabe hier für einen Ausgleich zu sorgen, ohne den Schreibstil der einzelnen Autoren zu verändern. Wir sind uns darüber im Klaren, dass dies vielleicht nicht immer gelungen ist. Ein, hoffentlich kleiner, lokalpatriotischer Einschlag kann mit Sicherheit zwischen den Zeilen heraus gelesen werden. Wir denken aber, dass das Ziel, die
4
1 Einführung und Systematik
naturnahe Entwicklung von Fließgewässer und Auen durch die Bereitstellung von fachlicher Information zu fördern, dadurch nicht behindert wird.
2 Natürliche Fließgewässer und Auen Peter Jürging
Fließgewässer weisen in ihrer Funktion als Ökosystem sowohl gegenüber terrestrischen Ökosystemen als auch gegenüber Stillgewässern große Unterschiede auf. Dabei ist besonders bedeutsam, dass Fließgewässer ein vielfältiges und zeitlich wie räumlich äußerst dynamisches Prozessgeschehen besitzen und abflussbedingt von linearen Strukturen geprägt sind. Sie sind offene Ökosysteme mit Stoff- und Energiedurchfluss. Dem entsprechend beeinflussen flussaufwärts gelegene Abschnitte flussabwärts gelegene Strecken in hohem Maße. Aus diesem Grund weisen Fließgewässer im Regelfall von der Quelle bis zur Mündung vor allem physikalische und, daraus resultierend, auch biotische Gradienten auf. Diese Gradienten sind die Ausgangsbedingungen für Entwicklungsprozesse, ökosystemare Zusammenhänge und damit Grundlage für die spezifischen Lebensräume und Lebensgemeinschaften.
Bild 2.1 Naturnahes Fließgewässer (Foto: W. Kraier)
6
2 Natürliche Fließgewässer und Auen
Natürliche Fließgewässer und ihre Auen werden im Wesentlichen von den naturräumlichen Gegebenheiten ihres Einzugsgebietes geprägt. Hierzu zählen vor allem Klima, Geologie, Tektonik, Relief, Boden und Vegetation, und in Abhängigkeit davon, der Oberflächenabfluss und der Abtrag von Landflächen. Diese Faktoren und die Gegebenheiten des jeweiligen Fließgewässerabschnittes bestimmen die sogenannten dynamischen Ökosystembausteine unserer Fließgewässer und ihrer Auen. 2.1
Ökosystembausteine Zu den Ökosystembausteinen zählen vor allem die Abfluss- und Feststoffdynamik, die Morphologie sowie die physikalischen und chemischen Faktoren der Wasserqualität. Diese vier abiotischen Systemkomponenten sind einerseits für die Entwicklung der Fließgewässer und Auen verantwortlich und andererseits von entscheidender Bedeutung für die jeweiligen Verhältnisse vor Ort, d.h. für die Ausgestaltung als Lebensraum (Biotop) und somit auch für die Entwicklung spezifischer Arten und Lebensgemeinschaften (Biozoenosen). 2.1.1 Abflussdynamik Das Abflussgeschehen im Jahresverlauf (Abflussregime) bestimmt u.a. die Dauer und Häufigkeit der Abflüsse (Niedrigwasser-, Mittelwasser-, Hochwasserabflüsse) und deren Verteilung im Jahresgang, die Fließgeschwindigkeiten, die Überschwemmungen und die Grundwasserschwankungen in der Aue. Dabei können zum Beispiel Hochwasser in Abhängigkeit von den Bio- und Geofaktoren des Einzugsgebietes unterschiedlich schnell ablaufen. Hochwasserereignisse von Gebirgsflüssen dauern in der Regel nur wenige Tage, fallen vorwiegend in die Vegetationsperiode und sind von hoher Dynamik geprägt. Dagegen sind die Flusslandschaften der Mittelgebirge, und vor allem der Norddeutschen Tiefebene, in erster Linie von lang andauernden Winterhochwassern geprägt. Fließgeschwindigkeiten Die Fließgeschwindigkeiten im Gewässerbett hängen vom Abfluss, dem Gefälle, den Gerinneabmessungen und den Gewässerbettstrukturen ab. Letztere bestimmen die Fließwiderstände. Ein erhöhter Abfluss führt zu höheren Fließgeschwindigkeiten im Gewässerbett, wodurch zwangsläufig auch die Kräfte auf die Sohle und Ufer (Schubspannungen) erhöht werden. Die vorhandenen Feststoffe und die unterschiedlichen Schubspannungen beeinflussen u.a. auch die Substratverteilungen im Gewässerbett und der Aue. Im Längsprofil nehmen die Fließgeschwindigkeiten mit sinkenden Gefälle entsprechend vom Oberlauf zum Unterlauf hin ab. In gefälle- und struktur-
2.1 Ökosystembausteine
7
reichen Oberläufen sind hohe Fließgeschwindigkeiten und große Geschwindigkeitsschwankungen (Turbulenzen) typisch (Bild 2.2), während in tieferen, gefälle- und strukturärmeren Unterläufen kaum Turbulenzen auftreten. Allerdings können die Fließgeschwindigkeiten in Unterläufen aufgrund der geringen Bettrauheiten und des zunehmenden Abflusses relativ hoch sein. Turbulente, auf den ersten Blick rasch fließende Oberläufe können daher in manchen Fällen langsamer fließen als große, weniger „turbulent“ erscheinende Tieflandflüsse (Jungwirth et al., 2003).
Bild 2.2 Turbulentes Fließen bei einem leicht erhöhten Mittelwasserabfluss (Foto: P. Jürging)
Im Querprofil (Abflussquerschnitt) ist die Geschwindigkeit eines Fließgewässer sehr ungleichmäßig verteilt, vor allem in den Ober- und Mittelläufen. Die größten Fließgeschwindigkeiten werden in der Regel nahe der Wasseroberfläche von tieferen Fließbereichen erreicht, wohingegen sie in Ufer- und Sohlennähe reibungsbedingt deutlich abnehmen bzw. gegen Null tendieren. Je unregelmäßiger ein Profil ausgebildet ist, desto ungleichmäßiger sind die Fließgeschwindigkeiten über den Querschnitt verteilt. Daher kann die Geschwindigkeit in einzelnen Querschnittsbereichen von der mittleren Geschwindigkeit erheblich abweichen, wodurch es u.a. zur Ausbildung von Sekundärströmmungen kommt.
8
2 Natürliche Fließgewässer und Auen
Überschwemmungen In natürlichen Fließgewässern liegt der Wasserspiegel beim Mittelwasserabfluss (MQ) oftmals nur unwesentlich unter der Geländeoberkante der seitlich anschließenden Auen. Dies macht verständlich, dass natürliche Fließgewässer in Abhängigkeit von ihrem Gewässertyp bis zu mehrmals im Jahr bei erhöhten Abflüssen über die Ufer treten und die Auen überfluten. Mit zunehmender Ausuferung nimmt die Abflussleistung im eigentlichen Gewässerbett, in Relation zu den Abflüssen in den breiten Auen, nur noch wenig zu. Flussnahe Teile der Aue können deshalb von stark strömenden, energiereichen Überflutungen (Bild 2.3) gekennzeichnet sein, während in anderen, meist höhergelegenen und dichter bewachsenen Bereichen das Hochwasser nur zu einem mehr oder weniger stagnierenden Überstau führt.
Bild 2.3 Energiereiche Überflutung bei etwa einem HQ3 in einer dealpinen Weichholzaue (Foto: P. Jürging)
Wasserrückhalt und Stoffrückhalt Ufert ein Fließgewässer in die Aue aus, verlangsamt sich der Hochwasserabfluss und sorgt auf diese Weise für einen Anstieg des ober- und unterirdischen Hochwasserrückhaltes (Retention), für die quantitative Erneuerung des Grundwassers und, bei sinkenden Flusswasserspiegeln, für eine Wasserrückspeisung in das Fließgewässer. Der Hochwasserabfluss und in der Folge die ober- und unterirdische Hochwasserrückhaltung, wird u.a. vom Verlauf der Abflussganglinie, von der Größe
2.1 Ökosystembausteine
9
und der Topographie der überschwemmten Bereiche, der Rauheit der Oberflächen (u.a. Bewuchs) sowie von der Durchlässigkeit des Untergrundes und dem aktuellen Grundwasserspiegelhöhen beeinflusst. Letzteres bedeutet im Hinblick auf die Retention, dass bei sehr hoch anstehendem Grundwasser (d.h. einem vollen „Grundwasserspeicher“) auch in natürlichen Auen, die unterirdische Retention gegen Null tendieren kann. Gleiches gilt bei gefrorenem Boden. Nach dem Abklingen des Hochwassers verbleibt zunächst ein Teil des Wassers in abflusslosen Mulden, Senken und Altgewässern, wobei der Wasserspiegel in der Aue im Vergleich zu dem des Fließgewässers deutlich höher liegt und nur langsam durch Verdunstung oder weitere Versickerung absinkt. In Niedrigwasserzeiten kann ein Teil des gespeicherten Grundwassers aus der Aue in das Fließgewässer einsickern und auf diese Weise für eine Niedrigwasseranreicherung sorgen. Mit dem Hochwasser werden in die Aue auch Fest- und Nährstoffe verbracht und wieder ausgetragen. Derartige Prozesse hängen von den Korndurchmessern und der Kornverteilung der transportierten Materialien, den Fließgeschwindigkeiten in der überfluteten bzw. überstauten Aue sowie von deren Morphologie und Rauheit (insbesondere der Vegetationsausprägung im Jahresgang) ab. Natürliche Fließgewässer mit ihren Auen sind somit für den Stoff- und Wasserhaushalt, und damit für den Naturhaushalt, von großer Bedeutung. 2.1.2 Feststoffdynamik In der Natur gibt es kaum geschiebefreie Fließgewässer, wobei die lokal vorherrschenden Korngrößen von der Transportkapazität der Strömung bestimmt werden. So finden sich bei einer überregionalen Betrachtungsweise vom Oberlauf bis hin zur Mündung entsprechend dem abnehmenden Gefälle blockige, steinige, sandige und letztlich schluffige Fraktionen. Beim Sortieren der Feststoffmaterialien spielt der Abfluss die entscheidende Rolle. Schwankende Abflüsse und damit wechselnde Fließgeschwindigkeiten sorgen für ein relativ heterogenes Material, während gleichmäßige Abflüsse einen hohen Sortierungsgrad erreichen. Das Abflussgeschehen bestimmt also auch das Wechselspiel zwischen Erosion, Umlagerung und Ablagerung von Geschiebe, Sand, Schwebstoffen, Totholz und anderem Treibgut. Der Geschiebetransport spielt sich vorwiegend in sohlennahen Bereichen ab und ist deshalb einer der wichtigsten Faktoren bei der Ausformung des Gewässerbettes. Er hängt im wesentlichen von Abfluss, Gefälle, Sohlenaufbau und vom Feststoffangebot ab. Erosions- und Sedimentationsvorgänge wechseln in einem natürlichen Fließgewässer ständig einander ab und charakterisieren den Geschiebehaushalt einer Gewässerstrecke. Dabei herrscht im Oberlauf die Erosion, im Mittellauf die Umlagerung und im Unterlauf die Ablagerung bzw. Sedimentation vor.
10
2 Natürliche Fließgewässer und Auen
2.1.3 Morphodynamik, Laufentwicklung Das Abflussgeschehen und der daran gebundene Stofftransport sind für Gewässerbett und Aue von entscheidender Bedeutung, wobei die wesentlichen, gewässer- und auebildenden Prozesse ab einem bordvollen Abfluss stattfinden. Die natürliche Überflutungs- und Feststoffdynamik sorgt im Wesentlichen im Einklang mit den Bedingungen vor Ort für einen erstaunlichen Strukturreichtum, der bei natürlichen Fließgewässern in Abhängigkeit von Entwicklungen oder Hochwasserereignissen steten Wandlungen unterworfen ist. Diese Veränderungen sind ein wesentliches Charakteristikum von Fließgewässerlandschaften, wobei ein natürliches Fließgewässer aufgrund seines Reorganisationsvermögens in aller Regel immer wieder in einen Zustand zurückkehrt, welcher der ursprünglichen Gesamtsituation entspricht. Dies bedeutet aber nicht, dass eine zentimetergenaue Nachbildung des vorherigen Zustands eintritt, sondern dass sich vielmehr die funktionellen Elemente des Systems, zum Beispiel Kies- und Sandbänke, räumlich an anderen Positionen wiederfinden. Der Korridor, den das Fließgewässer als Migrationsraum in Anspruch nimmt, ist die sogenannte „Mäander-Gürtelbreite“ oder „Pendelband-Breite“, die abhängt vom Abfluss, dem Gefälle und der Substratzusammensetzung. Die morphodynamischen Prozesse, d.h. die Laufentwicklung des Fließgewässers, die Entwicklung der gewässernahen Bereiche (u.a. Uferrandstreifen und Aue) und die Entwicklung der anorganischen Strukturen sind dabei für den Lebensraum „Fließgewässer und Aue“ von zentraler Bedeutung. Laufentwicklung Ein wichtiger gewässermorphologischer Baustein ist die Linienführung eines Fließgewässers, die je nach Gewässerabschnitt und den geologischen sowie geomorphologischen Verhältnissen, sehr verschiedenartig sein kann. Nur in hartem Gestein, zum Beispiel in Tallagen im Gebirge, zeigen Oberläufe eine relativ gestreckte Linienführung, die sich im Wesentlichen in Abhängigkeit von den Feststoffen verändert. Dahingegen bilden die geschiebereichen Oberund Mittelläufe bei ausreichend breiten Auen hochdynamische Umlagerungsbzw. Verzweigungsstrecken (Furkation) mit zum Teil großen Schotterflächen aus. Kennzeichen der Mittelgebirgsgewässer, aber vor allem der Fließgewässer im Tiefland, sind die großen Flussschlingen (Mäander), die sich bei geringem Gefälle ausbilden. Dabei besitzen die in mehr oder weniger leicht erodierbarem Material abfließenden Gewässer (z.B. in einer sandig lehmigen Aue) eine große Vielfalt an Strukturelementen, wie Prall- und Gleitufer, Uferanbrüche, Anlandungsbereiche oder Totholz. Dieser morphologische Formenreichtum sorgt wiederum für unterschiedlichste Strömungen innerhalb des Gewässers (Patt et al., 2004). Die Strömungs- und Feststoffdynamik bestimmt auch die anorganische Strukturdiversität (Bild 2.4) der Fließgewässersohlen. Dazu gehören u.a.:
2.1 Ökosystembausteine
11
• die Zusammensetzung und das Verteilungsmuster des Sohlensubstrates (z.B. von der strömungsbedingten Verteilung von groben, mittleren und/oder feineren Ablagerungen), • der Wechsel und die Abfolge von unterschiedlich tiefen Bereichen (Tiefenvarianz) und • die unterschiedlichen Mächtigkeiten der jeweiligen Sohlensubstrate (zum Beispiel von nicht oder nur geringfügig überdeckten Felspartien bis hin zu mächtigen Sand- oder Kiespolstern).
Bild 2.4 Strukturen einer bei Niedrigwasser sichtbaren Gewässersohle eines alpinen Fließgewässers nach einem Hochwasser (Tagliamento – Foto: P. Jürging)
Die Differenziertheit der Sohlenstruktur und vor allem die der Zwischenräume in den Bettsedimenten und Uferbereichen (Interstitial) stellen wichtige Lebensräume dar. Die Uferstrukturen von natürlichen Fließgewässern werden im Wesentlichen von dem jeweiligen morphologischen Flusstyp, den Substratverhältnissen und der vorherrschenden Vegetation geprägt. Dementsprechend können Ufer sehr vielfältige Strukturen aufweisen, zum Beispiel ausgedehnte, flache Sand- und Kiesbänke in Umlagerungsstrecken oder Abfolgen von Prall- und Gleitufern bei mäandrierenden Gewässern.
12
2 Natürliche Fließgewässer und Auen
Strukturen der Auen Das bereits vorab beschriebene flussmorphologische Geschehen (Strömungs-, Feststoff- und Morphodynamik) und die Auentopographie charakterisieren auch den abiotischen Teil der „Auendynamik“. Für die Struktur der Auen sind die Überschwemmungen von ausschlaggebender Bedeutung. Die Auen können bei Hochwasser „katastrophalen“ Zerstörungen durch Überflutungen und Flussbettverlagerungen ausgesetzt sein. Lebensräume, insbesondere solche in Flussnähe, können teilweise oder ganz fortgerissen werden, während sich an anderen Stellen wieder Rohböden ablagern, die sich im Laufe der Zeit schrittweise wieder zu reiferen Aueböden entwickeln, sofern die Fließgewässerdynamik dies zulässt. Zumindest langfristig gesehen entstehen deshalb spezifische Auenstandorte immer wieder neu, wenn auch an wechselnden Orten innerhalb des Systems, so dass in einem bestimmten Auenabschnitt meist alle einer natürlichen Fließgewässerlandschaft entsprechenden Habitate vorhanden sind. Allerdings ist es aber praktisch nicht vorhersagbar, wann und an welchen Stellen vorhandene Standorte der Dynamik zum Opfer fallen und neue entstehen. Letztlich wechseln sich in unregelmäßig erscheinender Verteilung und Häufigkeit trockene, frische, feuchte und nasse Standorte mit unterschiedlichem Substrat und Entwicklungsgrad ab, zum Beispiel vom rohen Kies bis hin zum Auelehm. Diese Standortdynamik macht deutlich, warum natürliche Fließgewässer mit ihren Auen zu den struktur- und damit artenreichsten Lebensräumen unserer Breiten zählen. Im Gegensatz zu vielen Fluss- oder Stromauen weisen Bäche in aller Regel keine breiten Auen auf. In Niederungen und engen Tälern, vor allem im Einzugsgebiet von Fließgewässern des Berg- und Hügellandes, finden sich meist nur schmale, bachbegleitende „Auen-Säume“ (s. Bild 2.19). Derartige Bachauen werden relativ häufig und aufgrund des engeren Profils meist auch höher überflutet. Mitunter werden die Bacheinhänge auch von Quellhorizonten begleitet, die in den schmalen Bachauen stetig für feuchte bis nasse Standorte sorgen. Auengewässer Die Fließgewässer- und Auendynamik sorgt in natürlichen Auen für ein abwechslungsreiches Relief und damit auch stets für unterschiedliche Gewässerformen, wodurch Strukturdiversität und Lebensraumqualität erhöht werden. Dabei reicht das vielfältige Spektrum an Augewässern von Altgewässern über Auebäche bis hin zu zeitweilig wasserführenden Mulden und Tümpeln. Bei gewundenen Mittelläufen, vor allem aber bei stark mäandrierenden Unterläufen, sind die meist breiten Auen der Fließgewässer von alten Flussschleifen, den Altgewässern, durchsetzt. Diese entstanden aufgrund der Fließgewässerdynamik bei Durchbrüchen von Mäandern und dadurch bedingten Laufverlagerungen. In Altgewässern sind entstehungsbedingt dieselben geomorphologischen Strukturen (z.B. Prall- und Gleitufer) vorzufinden, wie in den Fließgewässern, aus denen sie entstanden sind. Natürliche Altgewässer wer-
2.1 Ökosystembausteine
13
den in Abhängigkeit zu ihrer Verbindung zum Fluss in Altarme oder Altwasser unterschieden (DVWK, 1991). Altarme stehen als alte Flussschlingen dauernd (ganzjährig) einseitig oder beidseitig mit dem Fließgewässer in Verbindung. Dabei wird auch ein beidseitig angeschlossener Altarm bei Mittelwasser im Gegensatz zu einem Flussarm nicht oder nur unwesentlich durchströmt. Somit nehmen Altarme nur bei Hochwasser am Abflussgeschehen teil (Bild 2.5). Altwasser kommunizieren ganzjährig über das Grundwasser mit dem Fluss und stehen nur noch bei Überschwemmungen direkt mit dem Fließgewässer in Verbindung. Abgesehen von Zeiten mit Hochwasserereignissen weisen Altwasser deshalb im wesentlichen die Eigenschaften von Stillgewässern auf.
Bild 2.5 Naturnahes Altgewässer (Foto: P. Jürging)
Von außerhalb der Aue kommende Fließgewässer durchziehen oftmals über lange Strecken die Auen. Dasselbe gilt für grundwassergespeiste Bäche, die das aus höher gelegenen Randbereichen austretende Quellwasser oder den Abfluss aus Quellschüttungen (Quelltöpfen) aufnehmen und früher oder später dem Hauptgewässer zuführen. Unter natürlichen Bedingungen fließen viele Nebengewässer und Auebäche vor Ihrer Mündung eine gewisse Strecke nahezu parallel zum Hauptgewässer, um dann höhengleich und im spitzen Winkel zu münden. Der Abfluss dieser als „Niederungsbäche in Fluss- und Stromtälern“ bezeichneten Fließgewässer ist im Gegensatz zu den Fließgewässern außerhalb der Niederungs- bzw. Auengebiete über den Grundwasserstand und
14
2 Natürliche Fließgewässer und Auen
gegebenenfalls Rückstau direkt abhängig von der Abflusssituation im vorflutendem Fluss. Entsprechend dem auf der Topographie und den flussmorphologischen Prozessen beruhenden, relativ bewegten Relief finden sich in natürlichen Auen auch eine Vielfalt an Kleingewässern, insbesondere an periodisch austrocknenden Tümpeln. Vor allem bei Hochwasser und den dadurch oftmals bedingten hohen Grundwasserständen, füllen sich alte Rinnen und Mulden mit Wasser, das nach dem Abklingen des Hochwassers dann oft längere Zeit in den abflusslosen Senken verbleibt. 2.1.4 Physikalische und chemische Faktoren Für natürliche Fließgewässer ist der Begriff „Wasserqualität“ eigentlich kein Thema, da das „Selbstreinigungsvermögen“, auch eine Bezeichnung, die erst durch anthropogene Gewässerverunreinigungen ihre Bedeutung gewann, praktisch nicht überschritten wird. Deshalb werden im Folgenden nur die physikalischen und chemischen Komponenten der Wasserqualität angesprochen, welche die wesentlichen biotischen Vorgänge bestimmen. Physikalische Faktoren Zu den wichtigsten physikalischen Faktoren zählen die unterschiedlichen Fließund Wasseraustauschvorgänge sowie die Licht- und Temperaturverhältnisse. Strömungsverhältnisse Im Gegensatz zu Stillgewässern spielen in Fließgewässern Strömungs- und Wasseraustauschvorgänge eine Schlüsselrolle im Hinblick auf die aquatischen Lebensbedingungen. Zeitweilig gilt dies auch für die amphibischen und terrestrischen Lebensbereiche des Gewässerumlandes. Das Fließen bewirkt ein mehr oder weniger intensives, aber ständiges Durchmischen des Wasserkörpers. Die für stehende Gewässer im Sommer typischen Temperatur- oder Sauerstoffschichtungen können somit in Fließgewässern nicht auftreten. Die Intensität dieser Durchmischung hängt dabei einerseits von den Rauheiten im Gewässerbett und andererseits von den unterschiedlichen, vorwiegend von Abfluss, Gefälle und Fließwiderständen bestimmten Fließgeschwindigkeiten ab. So sind zum Beispiel in strukturreichen Fließgewässern mit Totholz und grobem Bettmaterial große Schwankungen bei den Fließgeschwindigkeiten (Turbulenzen) typisch. Je höher die „Turbulenz“ ist, umso höher ist der Durchmischungsgrad und damit auch der Sauerstoffeintrag. Strahlungsverhältnisse Die einfallende, nicht reflektierte Sonnen- und Himmelsstrahlung bestimmt das Strahlungsklima in Fließgewässern. Der Lichteintrag kann durch am Ufer wachsende Bäume und Sträucher wesentlich gemindert werden. Die Intensität dieses
2.1 Ökosystembausteine
15
Schattenwurfs wird dabei von der Exposition der Gehölze sowie der Tages- und Jahreszeit bestimmt. Durch die unterschiedliche Beschattung kann der Temperaturhaushalt eines Gewässers entscheidend beeinflusst werden (Rickert, 1986). Am stärksten wirkt sich die Beschattung bei relativ schmalen Gewässern aus, bei denen die Ufergehölze einen weitgehenden Kronenschluss bilden. Im Sommer wird dadurch nahezu die gesamte Strahlung abgeschirmt und im Winter, wenn die Gehölze kein Laub tragen, erfolgt in Relation zur Jahreszeit ein höherer Lichteintrag (Bild 2.6). Mit zunehmender Breite des Flusses verringert sich diese inverse Situation und der Einfluss der Beschattung tritt immer weiter in den Hintergrund.
Bild 2.6 Ein kleineres mit Gehölzen bestandenes Fließgewässer wird im Sommer voll beschattet, während im Winter die Strahlung kaum abgeschirmt wird (Foto: P. Jürging)
Im Wasserkörper selbst wird die Einstrahlung durch die optischen Eigenschaften und die Inhaltsstoffen des Wassers abgeschwächt. Letzteres gilt insbesondere bei Hochwasserführung. In Flüssen mit ständiger Schwebstoffführung, zum Beispiel in Lößgebieten, verhindert die permanente Trübung eine gute Durchlichtung des Wasserkörpers. Auch bei breiten, träge fließenden Flüssen mit einer hohen Planktondichte nimmt die in den Wasserkörper eindringende Strahlung relativ schnell ab.
16
2 Natürliche Fließgewässer und Auen
Wassertemperaturen Neben der Herkunft des Wassers, der Größe und Tiefe des Wasserkörpers und dessen Durchmischung bestimmen vor allem die Strahlungsverhältnisse die Wassertemperaturen. So sind beschattete Gewässer im Sommer im Vergleich zu voll besonnten Strecken von niedrigeren Temperaturen gekennzeichnet und weisen somit auch geringere Temperaturamplituden auf. Die Wassertemperatur wiederum hat einen großen Einfluss auf die Sättigungskonzentration von Sauerstoff und anderen Gasen. So kann zum Beispiel das Wasser um so mehr Sauerstoff aufnehmen, je niedriger die Wassertemperaturen sind. Außerdem ist die Wassertemperatur maßgebend für die Dichte und Viskosität des Wassers, letztlich bis hin zu Eisbildung, Eistrieb und Grundeis. Die relativ hohe spezifische Wärme des Wassers bewirkt, dass die Schwankungen der Umgebungstemperatur entsprechend dem Volumen des Wasserkörpers unterschiedlich stark gepuffert werden. So wird der Wärmehaushalt kleinerer Fließgewässer aufgrund des relativ kleinen Wasserkörpers viel stärker von den Umgebungsfaktoren beeinflusst als bei einem großen Fluss oder träge fließenden Strom. In Quellläufen und auch noch in natürlichen Oberläufen ist die Temperaturamplitude im Jahresgang aufgrund des weitgehend stenothermen Quellwassers und des in aller Regel beschatteten Wassers relativ klein. In Unterläufen dagegen ist die Temperaturamplitude im Jahresgang auch bei natürlichen Fließgewässern vergleichsweise groß. Dasselbe gilt, wenn auch abgeschwächt, für die Temperaturamplitude im Tagesgang. Die Wassertemperaturen steuern die Lebensprozesse der aquatischen Lebensgemeinschaften, insbesondere die Stoffwechselaktivitäten der einzelnen Arten. Die meisten Makrophyten stellen unter einer bestimmten Temperatur ihre Stoffwechselaktivitäten weitestgehend ein, während in diesen Temperaturbereichen andere Pflanzen, zum Beispiel bestimmte Moos- und Algenarten, ein Wuchsoptimum aufweisen können. Die geringsten Temperaturschwankungen innerhalb des Querschnittes eines Fließgewässers sind im Lückensystem der Gewässersohle (Interstitial) gegeben, in dem mit zunehmender Sedimenttiefe kaum noch Temperaturschwankungen feststellbar sind. Aufgrund der nahezu stenothermen Temperaturen ist dieser Lebensraum für viele Organismen auch ein überlebensnotwendiger thermischer Rückzugsraum, vor allem bei strengem Dauerfrost. In relativ seltenen Fällen können auch Zuflüsse einen entscheidenden Einfluss auf die Wassertemperaturen haben. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist die Mündung des relativ kalten Inns in die Donau. Die vor der Einmündung des Inns gemessenen Wassertemperaturen erreicht die Donau, vor allem im Sommer, erst wieder im Wiener Becken. Die unterschiedlichen Fließ- und Wasseraustauschvorgänge sowie die Lichtund Temperatureinwirkungen sind auch für die Situationen in Auebächen maßgebend. Altgewässer dagegen, insbesondere Altwasser, erfahren nur bei Hochwasser eine durch das Fließgewässer bedingte Durchmischung des Wasserkörpers und weisen dementsprechend in hochwasserfreien Zeiten bei ausreichender
2.1 Ökosystembausteine
17
Tiefe in den Sommermonaten Temperatur- und Sauerstoffschichtungen auf. Im Gegensatz dazu erwärmt sich der Wasserkörper von kleineren und flachen Stillgewässern, insbesondere von Pfützen und Tümpeln, in hochwasserfreien Zeiten entsprechend der Umgebungstemperatur und der Einstrahlung gleichmäßig. Chemische Faktoren Von den chemischen Faktoren sind für ein natürliches Fließgewässer vor allem der verfügbare Sauerstoff, die anorganischen Stoffe und die Nährstoffverhältnisse von Bedeutung. Sauerstoff Die wichtigste Voraussetzung für die Wasserqualität und damit für artenreiche Lebensgemeinschaften ist eine ausreichende Sauerstoffverfügbarkeit, die von der Sauerstoffkonzentration im Wasser bestimmt wird. Eine Sauerstoffsättigung (100 Prozent) liegt vor, wenn das Wasser keinen Sauerstoff mehr aus der Atmosphäre aufnehmen kann. Unter Umständen kann es aufgrund der hohen Löslichkeit von Sauerstoff zu einer sogenannten Sauerstoffübersättigung kommen, wenn das Wasser nicht unmittelbar mit der Atmosphäre im Partialdruckausgleich steht. Umgekehrt kann aber ein hoher Sauerstoffverbrauch zu einem Sauerstoffdefizit im Wasser führen. Für natürliche Fließgewässer ist dies nur von untergeordneter Bedeutung, da diese im unbeeinflussten Zustand arm sind an fäulnisfähigen, sauerstoffzehrenden Stoffen. Zudem bedingen vor allem im Ober- und auch noch Mittellauf neben dem Fließen eine gewisse Nährstoffarmut und eine Teilbeschattung, dass kein oder nur ein geringer, submerser Pflanzenaufwuchs existieren kann. Somit können nachts praktisch keine kritischen Sauerstoffwerte durch die Atmung erreicht werden. Letzteres deutet aber an, dass Assimilations- und Atmungsvorgängen durchaus Einfluss auf die tagesund auch jahreszeitlichen Schwankungen des Sauerstoffgehaltes eines Fließgewässers nehmen können. Wie bereits erwähnt, ist die Sauerstoffkonzentration auch von den Wassertemperaturen abhängig. In kaltem Wasser kann mehr Sauerstoff in Lösung gehen als in warmem. Wesentlich ist auch, dass sich bei steigenden Wassertemperaturen die biochemischen Abbauprozesse und damit auch die Sauerstoffzehrung beschleunigen (Schwoerbel, 1999). In natürlichen Gewässern herrschen vor allem im Oberlauf durch den Einfluss des Quellwassers und die Beschattung kühle, wenn nicht gar kaltstenotherme Wassertemperaturen vor, so dass immer eine sehr gute Sauerstoffversorgung gewährleistet ist. Hinzu kommt, dass bei hohen Turbulenzen der Kontakt zwischen Wasser und Luft nahezu optimal ist und somit ideale Voraussetzungen zur Sauerstoffaufnahme aus der Luft vorliegen. In der fließenden Freiwasserzone natürlicher Fließgewässer ist der Sauerstoffgehalt näherungsweise überall gleich hoch. Im substratnahen Bereich ist die Durchmischung des Wassers herabgesetzt, so dass sich im Benthal bereits Sauerstoffzehrungen durch Organismen und Detritus (abgestorbenes organi-
18
2 Natürliche Fließgewässer und Auen
sches Material) bemerkbar machen können. Im austauschärmeren Interstitial wird der verbrauchte Sauerstoff nur verzögert ersetzt, so dass es im Extrem zu Sauerstoffdefiziten kommen kann. Anorganische Stoffe Die Geologie des Einzugsgebietes und die in der Regel davon abhängige Zusammensetzung des Sohlenmateriales bestimmen in einem natürlichen Gewässer die Konzentration gelöster und partikulärer anorganischer Substanzen (Schwebstoffe). In Abhängigkeit von der Konzentration von Kalzium und Magnesiumkarbonat sowie der Silikate wird in unseren Breiten bei kleineren Fließgewässern zwischen Karbonat- und Silikatgewässern unterschieden. Nur in moorigen Einzugsgebieten können auch organische Stoffe, vor allem Huminstoffe, wesentliche chemische Komponenten in natürlichen Fließgewässern darstellen. Von den einzelnen Verwitterungs- und Lösungsvorgängen sind vor allem Phosphate und Stickstoffverbindungen als Nährstoffe von Bedeutung. Ihre Verfügbarkeit fördert die Entwicklung der Pflanzen bzw. hält diese in Grenzen. Der natürliche Eintrag von Phosphor, der in vielen Mineralien enthalten ist, erfolgt zunächst über mineralische Schwebstoffe und in der Folge über relativ bescheidene Lösungsvorgänge. Vor allem aufgrund der geringen Löslichkeit und der starken Adsorption von Phosphationen an Tonpartikeln ist die Konzentration gelöster Phosphate in natürlichen Fließgewässern sehr gering. Da aber Phosphat für die Primärproduktion sehr wichtig ist, stellt es in natürlichen Fließgewässern einen Minimumfaktor dar. Stickstoffverbindungen gelangen im Vergleich zu Phosphor in größeren Mengen, vor allem durch Lösungsvorgänge im Einzugsgebiet, in die Fließgewässer. Dabei sind mengenmäßig nur Ammonium und Nitrat von Bedeutung. Darüber hinaus spielt noch die mikrobielle Nitrifikation des Ammoniums für die natürliche Nitratkonzentration des Wassers eine wichtige Rolle. In natürlichen Fließgewässern sind die Ammonium- und Nitratkonzentrationen grundsätzlich gering, wobei aufgrund der guten Durchlüftung das Ammonium im Vergleich zum Nitrat weit in den Hintergrund tritt. Neben den physikalischen Vorgaben bestimmen die genannten chemischen Faktoren auch die Qualität der Lebensräume der Auebäche. Altwasser dagegen zeigen mehr die Charakteristika stehender Gewässer und sind durch gelegentliche Hochwassereinträge sowie die allochthonen Einträge von Falllaub und Holz in aller Regel als meso- bis eutroph zu bezeichnen. 2.2
Besiedlungsdynamik Die Ökosystembausteine Abfluss- Feststoff- und Morphodynamik bestimmen, neben den physikalischen und chemischen Faktoren der Wasserqualität, die Lebensbedingungen in den einzelnen Lebensräumen und damit das Spektrum
2.2 Besiedlungsdynamik
19
der Arten bzw. Lebensgemeinschaften. Diese wiederum können die Ökosystembausteine beeinflussen, zum Beispiel ein Auwald den Abfluss oder ein Ufergehölz die Strahlungsbilanz. 2.2.1 Abflussgeschehen Die Abflussverhältnisse haben für den Lebensraum Fließgewässer eine herausragende Bedeutung. So werden zum Beispiel mit dem fließenden Wasser zwangsläufig abiotische und biotische Stoffe, aber auch Organismen verfrachtet. Die in einem Gewässerabschnitt auftretenden Abflussschwankungen und die Nahrungsdrift bestimmen bzw. begrenzen die Besiedlungsmöglichkeiten für die Spezialisten, die sich einerseits aus dieser Drift einen wesentlichen Teil ihrer Nahrung holen und andererseits, bis zu einem gewissen Grad, dieser Drift durch Anpassungen Widerstand entgegen setzen können. Dies bedeutet aber auch, dass die Verteilung der im Fließgewässer anzutreffenden Organismen vom Zwiespalt zwischen den verbesserten Austauschvorgängen bei starker Strömung, d.h. einer guten Sauerstoff- und Nährstoffversorgung, und dem erhöhten Energiebedarf zur Verhinderung der Abdrift geprägt ist (Statzner, 1992). In einem natürlichen Gewässer sorgen unterschiedliche Strukturen für verschiedenste Strömungsmuster und damit indirekt für eine artenreiche Besiedlung. So nehmen zum Beispiel die Fließgeschwindigkeiten im Ufer- und Sohlenbereich auch in Abhängigkeit von der dort vorherrschenden Oberflächenstruktur ab und können unmittelbar über der Sohle, im Vergleich zum Freiwasser, sehr gering werden. Im Lückensystem der Sohle (Interstitial) gehen die Geschwindigkeiten, zumindest in den tiefer liegenden Zonen, bis auf nahezu Null zurück, so dass dort dauerhaft viele Organismen anzutreffen sind. Dieses Leben ist auf ein gelegentliche Umlagerungen der obersten Kies- bzw. Sandschichten angewiesen, damit sich der Zugang zu diesem Lebensraum nicht im Laufe der Zeit von oben mit Feinsedimenten zusetzt (kolmatiert) und damit abgedichtet wird. Wird die Gewässersohle bei Hochwasser immer wieder mobilisiert, ist dort eine dauerhafte Besiedlung nur begrenzt möglich. Letzteres gilt auch für Fließgewässersohlen aus glattem Fels sowie zum Teil auch für Sand- und Schlammsohlen. Des Weiteren bilden sich hinter Fließhindernissen, wie Wasserpflanzen, Totholz, Steinen, oder in durchspülten Wurzelbereichen, unterschiedliche Fließstrukturen aus, bis hin zu Kehrwasserbereichen, zum Beispiel in Uferbuchten. Bereiche mit geringen Fließgeschwindigkeiten stellen artenspezifische Lebens- und Rückzugsräume dar, die den in der freien Strömung von der Abdrift bedrohten Organismen ausreichend Schutz bieten können. Diese Randeffekte sind in der frei fließenden Welle nahezu bedeutungslos. In diesem Bereich ist für größere Organismen (z.B. für Makrophyten oder Fische) die lokal vorherrschende Fließgeschwindigkeit ausschlaggebend. So können nur wenige Spezialisten der submersen und emersen Vegetation zeitweilig stärke-
20
2 Natürliche Fließgewässer und Auen
ren Abflüssen Widerstand leisten. Deshalb ist die Anzahl an Makrophytenarten in Fließgewässern unabhängig von Nährstoffsituation auch wesentlich geringer als in Stillgewässern. Allerdings können diese wenigen Arten in Abhängigkeit von den Wuchsbedingungen mitunter sehr individuenreiche Bestände ausbilden. Diese submersen Wasserpflanzen bilden einerseits selbst Strukturen aus und beeinflussen andererseits bestehende Strukturen, zum Beispiel das Lichtklima, die Strömung und die Ablagerung von Feinsedimenten. Gleichzeitig dienen diese Makrophyten aber auch als Substrat. Auf den Blättern und Stängeln der Wasserpflanzen können sich aufgrund des nicht zu schnellen Fließens und der guten Durchlichtung mikroskopisch kleine Aufwuchspflanzen (Epiphyten) und zahlreiche zoobenthische Arten in Mengen ansiedeln. 2.2.2 Feststoffhaushalt Das Abflussgeschehen sorgt für Erosion, Umlagerung und Sedimentation von Feststoffen wie Kies, Sand oder Schluff. Dadurch sind wesentliche Bereiche eines Fließgewässers ständigen strukturellen Veränderung unterworfen. Dies betrifft insbesondere die Sohle und die Übergangsbereiche zwischen Wasser und Land. Die flächenmäßig größte Ausdehnung dieser Lebensräume ist bei Verzweigungsstrecken gegeben, wo Kies- und Sandbänke oftmals ein Vielfaches der Wasserfläche ausmachen. In diesen Bereichen herrschen sehr extreme Bedingungen vor, die von häufigen Geschiebeumlagerungen bis hin zu wechselnden, lang andauernden Überflutungen reichen. Auch können Extreme im Hinblick auf Kälte, Hitze und Trockenheit auftreten. Die auf diesen dynamischen Kiesbänken sehr spärlich aufwachsende Flora kann sich nur in den relativ kurzen Phasen stabiler Ablagerungen entwickeln. Deshalb wachsen hier fast ausschließlich Pionierpflanzen, die bei Hochwasser wieder weggerissen oder überschottert werden. Die an diese Lebensräume angepasste Fauna umfasst meist terrestrische Tiergruppen wie Schrecken, räuberisch lebende Spinnen und Laufkäfer, sowie als Besonderheit, kiesbrütende Vögel (Bild 2.18). 2.2.3 Morphologische Strukturen Die Abfluss- und Feststoffdynamik gestalten das gesamte Erscheinungsbild eines Fließgewässers und prägen auf diese Weise die strukturelle Vielfalt einer Gewässer- und Auenlandschaft. Diese Strukturvielfalt ist ein wesentlicher Parameter für die Lebensräume und damit für die Lebensgemeinschaften (Besiedlungsdynamik). Sohle Für den überwiegenden Teil der im Wasser anzutreffenden Organismen sind die Bettsedimente, vor allem aber das Lückensystem unter der Fließgewässer-
2.2 Besiedlungsdynamik
21
sohle und im angrenzenden Uferbereich (Interstitial) die wichtigsten Lebensräume (Bild 2.7). Die mit Flusswasser gefüllten Hohlräume im Lockergestein unter der Stromsohle sowie im Uferstreifen sind in natürlichen, geschiebeführenden Fließgewässern meist gut ausgebildet und stellen wichtige Refugialräume für viele Arten dar. Ein großer Teil der Makroinvertebraten, der Fischbrut und auch der kleineren Fische zieht sich in diese Lückenräume vor Hochwasserwellen, bei Austrocknung oder bei strengem Frost und Eisgang zurück. Dabei spielt aufgrund der Mobilität der Sohle auch das Interstitial im angrenzenden Uferbereich als Rückzugsraum bei Hochwasser und Eisgang eine wesentliche Rolle. Des Weiteren ist auch der Schutz vor Feinden oder Abdrift mitunter von erheblicher Bedeutung. So dringen zum Beispiel frisch geschlüpfte Bachforellen bis 25 cm tief in die Hohlräume des Sediments ein und wandern erst nach Beendigung der Dottersackperiode, also nach drei bis vier Wochen, wieder an die Oberfläche zurück. Aufgrund dieser Rückzugsmöglichkeiten bei Stresssituationen kann nach einem Hochwasser eine schnelle Wiederbesiedlung der Gewässersohle erfolgen.
Bild 2.7 Grob schematisiertes Beispiel für einen „Lebensraum Bachsohle“ aus grobkörnigem Substrat. Auf und in einem derartigen Lückensystem (Interstitial) findet sich ein reichhaltiges Leben. Stellvertretend seien genannt: 1 Köcherfliegenlarve; 2 Eintagsfliegenlarve; 3 Flußnapfschnecke; 4 Steinfliegenlarve; 5 Bachflohkrebs; 6 Forelleneier (Zeichnung H. Geipel aus Patt et al., 2004)
22
2 Natürliche Fließgewässer und Auen
Aber auch ohne Stresssituationen finden sich ganzjährig viele der wirbellosen Fließgewässerarten (in einem Bergbach u.a. Zuckmückenlarven, Eintags-, Stein- und Köcherfliegenlarven, Strudelwürmer, Hüpferlinge und Flohkrebse) in den Lückensystemen unter der Gewässersohle. Nur wenige Arten dringen nicht in das Interstitial ein, zum Beispiel die Flußnapfschnecke aufgrund ihrer Gehäuseform (Bild 2.7 und 2.12b). Zudem findet sie als reiner Weidegänger auch nur auf den Steinoberflächen Nahrung. Gegenüber den über längere Zeiträume stabilen oder zeitweilig nur oberflächennah bewegten Kiessohlen weisen mobile Sandsohlen, die ständig umgelagert werden, nur sehr geringe Benthosbiomassen auf. In naturnahen Sandbächen, in denen das sandige Substrat mit Fallaub- und Totholzresten durchsetzt ist, treten Umlagerungen jedoch nur kleinräumig und in geringem Maße auf. Geringe Besiedlungsdichten resultieren hier vor allem aus dem für die meisten Benthosarten zu kleinräumigen Lückenraumsystem der Sohle (Interstitial), das damit als Siedlungsraum und Versteckmöglichkeit vor Räubern nicht zur Verfügung steht. Auch stabile Sandbänke, wie sie zum Beispiel im Potamal großer Flüsse vorliegen, zeigen ein vielfältiges Artenspektrum. Hier können neben Würmern, Zuckmücken und Bewohnern des Sandlückensystems vor allem Großmuscheln der Gattungen Flussmuscheln (Unio – s. Bild 2.16) und Teichmuscheln (Anodonta) erstaunliche Biomassen entwickeln. Aber auch stabile Sohlen aus größeren Steinen und Blöcken mit dazwischen liegenden kiesigsandigen Substraten können in natürlichen Gewässern einen bedeutenden Lebensraum darstellen, wie zum Beispiel für die Flussperlmuschel (Margaritifera margaritifera) im silikatischen Milieu von Mittelgebirgen (Bild 2.8). Gewässerbett Ein weiteres wesentliches Ausstattungsmerkmal natürlicher Fließgewässer sind unterschiedliche Breitenverhältnisse (Breitenvarianz) und unregelmäßige Abfolgen unterschiedlicher Wassertiefen (Tiefenvarianz), wie diese zum Beispiel in Kolken und Furten auftreten. Furkationsabschnitte sind zum Beispiel durch zahlreiche Rinnsale und Flussarme mit geringer Wassertiefe und rascher bis mittlerer Strömung gekennzeichnet. Dennoch finden sich in solchen Verzweigungsstrecken auch tiefere Bereiche in Form von Rinnen und Kolken, die sich insbesondere beim Zusammentreffen mehrerer Rinnen zu einem gekrümmten Hauptarm oder im Bereich großer Totholzansammlungen entwickeln. Jungwirth (1981) konnte zeigen, dass bei derartigen naturnahen Strukturen mit einer hohen Fischartendiversität gerechnet werden kann und damit auch mit einer hohen Diversität an Arten und Lebensgemeinschaften. Gleiches gilt auch für Fließgewässer außerhalb der Furkationszone, wo die regelmäßige Abfolge von Schnellen und Stillen („Riffles und Pools“) und die tiefen Wasserbereiche an den Prallufern bzw. Flachwasserzonen an den Gleitufern ebenfalls eine hohe Tiefenvarianz bedingen.
2.2 Besiedlungsdynamik
23
Bild 2.8 Im silikatischen Millieu findet die Flussperlmuschel (Margaritifera margaritifera), die hier zwischen den Steinen ganze Bänke ausbildet, einen zusagenden Lebensraum (Foto: P. Jürging)
Uferbereiche Ufer stellen die Übergangszone von Wasser (aquatisch) zu Land (terrestrisch) dar. Sie bilden langgestreckte Verzahnungsareale und sind nur schwer von der Wasserzone abtrennbar. Diese semiaquatischen Lebensräume sind sowohl für aquatische als auch für terrestrische Lebensgemeinschaften von herausragender Bedeutung. Von Art und Ausbildung der Ufer werden vor allem kleine Gewässer in großem Maße geprägt. Die Verzahnung zwischen Land und Wasser erstreckt sich hier oft über den gesamten Abflussquerschnitt, wobei die Ufervegetation, zum Beispiel durch eine verminderte Einstrahlung, Falllaub oder hineinfallende Insekten (Bild 2.9), das gesamte Gewässer als Lebensraum beeinflussen kann. In den Abflussquerschnitt ragende Äste, unterspülte Ufer und Bäume, Wurzelbärte, Eintrag und Ablagerung von Holz und Laub bieten die Voraussetzungen für die Entwicklung vielfältiger Lebensräume. Bei Hochwasser verursachen Uferstrukturen als „Abflusshindernisse“ unterschiedlichste Strömungsbereiche und können somit als wichtige Rückzugsräume für viele Tierarten des freifließenden Wassers dienen. Besonders wichtige Uferhabitate sind Gehölzstrukturen, deren große Bedeutung für Fischzönosen in den letzten Jahren anhand von Untersuchungen in unterschiedlichen Flüssen belegt wurde (Jungwirth et al., 2003). Auch für nur im Larvenstadium im Wasser lebenden Insektenarten sind
24
2 Natürliche Fließgewässer und Auen
Bild 2.9 Der Blaue Erlenblattkäfer (Agelastica alni) bei der Eiablage an einem Erlenblatt lässt erahnen, dass oft Kleintiere von den Ufergehölzen aus in das Wasser fallen und dort eine willkommene Nahrung darstellen (Foto: P. Jürging)
die mit Gehölzen bestandenen Uferbereiche von ausschlaggebender Bedeutung. Nur durch die hier vorhandenen Schlüsselreize und das geeignete Mikroklima ist für die erwachsenen, nun terrestrisch lebenden Tiere eine Partnerfindung und Fortpflanzung möglich. Auen und Augewässer Langfristig gesehen sorgt das typische Werden und Vergehen in natürlichen Fließgewässerlandschaften dafür, dass in den Auen auf unterschiedlich strukturierten und unterschiedlich reifen Standorten mosaikartig die verschiedensten Entwicklungsstadien von Pflanzen- und Tiergemeinschaften, von Pionier- bis hin zu reifen Auengesellschaften, anzutreffen sind (siehe Kap. 2.4.4). Wesentliche Strukturen werden u.a. von Einjährigen- und Hochstauden-Fluren, von Röhrichten, Weichholz- und Hartholzauen gebildet. Tiere wie der Biber sind dabei in der Lage durch ihre Fraß- und Bauaktivitäten die Standortdynamik zu vergrößern und auch in den bewaldeten Auenbereichen ein Mosaik aus offenen und waldbestandenen Bereichen zu schaffen. Die in den Auengebieten vorkommenden Lebensgemeinschaften sind sowohl an Überschwemmungen (Überflutungen, Überstau), Grundwasserspiegelschwankungen als auch an trockenere Zeiten angepasst.
2.2 Besiedlungsdynamik
25
Eine weitere wesentliche Strukturbereicherung in Auen stellen die unterschiedlichen Auengewässer dar. Hierzu zählen Altgewässer, wie Altarme und Altwasser, sowie Bäche und zeitweilige wasserführende Kleingewässer. Altgewässer, insbesondere die selten ins Abflussgeschehen einbezogenen Altwasser, zeigen die typischen Vegetationszonierungen (Verlandungsvegetation) von stehenden Gewässern (siehe Kap. 2.4.5). Allerdings entwickeln sich alle Altgewässer, die nicht durch die Abflussdynamik wieder umstrukturiert werden, unter natürlichen Verhältnissen in unterschiedlich langen Zeiträumen wieder zu terrestrischen Standorten. Bei dieser Alterung spielen Auflandungs- und/ oder Verlandungsprozesse eine entscheidende Rolle. Auflandungen werden überwiegend durch eingetragene Feststoffe (mineralisch) bei Überflutungen verursacht, während Verlandungen vorwiegend auf Ablagerungen von abgestorbenen organischen Substanzen beruhen. Bei einer reinen Auflandung kann sich u.a. ein Eschen-Ulmen-Auwald als letztes Sukzessionsstadium einstellen, während bei einer ausschließlichen Verlandung ein Bruchwald das Reifestadium darstellt. Bedingt durch die Alterungsprozesse einerseits und die Neuentstehung aufgrund der Fließgewässerdynamik andererseits, finden sich in einer natürlichen Aue im Regelfall alle Entwicklungsstadien von Altgewässern. Die einzelnen Pflanzengesellschaften sind dabei wiederum Nahrungs-, Brut-, und Versteckhabitate für spezifische, stark spezialisierte Tiergemeinschaften, die sich ebenfalls entsprechend der Alterungsprozesse im Laufe der Zeit in ihrer Artenzusammensetzung ändern. Niederungsgewässer (Seitengewässer) in der Gewässeraue können je nach Herkunft und Größe eigenen physikalischen und chemischen Parametern unterworfen sein und somit hinsichtlich der Milieubedingungen, und damit auch im Hinblick auf die vorkommenden Lebensgemeinschaften, Unterschiede zum Hauptgewässer aufweisen und stellen damit einen eigenen speziellen Lebensraum dar. Zudem sind die Seitengewässer in der Aue als Rückzugsraum und für die Reproduktion bestimmter Tierarten des Hauptflusses, vor allem aber für die biologische Vernetzung von hoher Bedeutung (Bild 2.10). Entsprechend dem reichstrukturierten Auenrelief, der Nähe zum Grundwasser und den häufigen Überflutungen gehören ephemere Kleingewässer (u.a. Lachen, Tümpel, Seigen) zum Grundinventar natürlicher Auen und stellen ein wichtiges Bindeglied in der Nahrungskette dar. Einerseits finden fischfressende Tiere, vor allem Vogelarten, nach einem Hochwasser in diesen Kleingewässern einen reichlich gedeckten Tisch („Fischfallen“) andererseits können hier viele Tiere, die in ihren ersten Entwicklungsphasen auf Wasser angewiesen sind, wie zum Beispiel Amphibien oder unzählige Insekten, einen geeigneten Lebensraum finden. Zudem haben vor allem die zeitweilig grundwassergespeisten Gewässer eine hohe Bedeutung für bestimmte Tiergruppen, zum Beispiel für Amphibien, aber auch für seltene niedere Krebsarten (z.B. Leptestheria dahalacensis, Triops cancriformis und Branchipus schaefferi), die bei verminderter Konkurrenz und geringerem Feinddruck (Prädation) hohe Fortpflanzungserfolge erzielen können. Diese ephemeren Gewässer stellen auch bei niedrigen Grundwasserstän-
26
2 Natürliche Fließgewässer und Auen
Bild 2.10 Oftmals durchziehen Seitengewässer als wichtige Vernetzungselemente parallel zum Fließgewässer die Auen (Foto: P. Jürging)
den zeitweilig wichtige Lebensräume für kurzlebige Pflanzenarten, zum Beispiel für Vertreter der Schlammlingsfluren, dar. 2.3
Ökosytemare Zusammenhänge Neben den abiotischen Standortbedingungen sind für das Ökosystem Fließgewässer mit seinen Auen auch die biotischen Faktorenkomplexe bestimmend. Hierzu zählen vor allem organische Strukturen, die Längs- und Quervernetzung sowie die Nahrungsketten. 2.3.1 Organische Strukturen Neben morphologischen Strukturen sind in natürlichen Fließgewässern und Auen zahlreiche andere Strukturelemente zu finden, die funktionell große Bedeutung besitzen und in natürlichen Fließgewässern die Vielfalt an Lebensräumen ganz wesentlich erhöhen. Hierzu gehören zum Beispiel Wurzelgeflechte und -bärte der Uferbäume, emerse und submerse Vegetation, aber auch abgestorbene Pflanzen. Vor allem Totholz (Bild 2.11), d.h. im Wasser liegendes, meist untergetauchtes Fallholz aus Baumstämmen, Ästen oder Wurzeln, bildet nicht
2.3 Ökosytemare Zusammenhänge
27
nur selbst wesentliche Strukturen und damit Lebensraum, sondern hat auch stark strömungsdifferenzierende Wirkung. Es verursacht vielfältige Strömungsmuster und führt auf diese Weise zu sehr unterschiedlichen Substratverteilungen (z.B. zu Feinsediment- und Laubablagerungen im Strömungsschatten). Totholzbereiche haben auch als Lebenräume und/oder Nahrungsgrundlagen für viele Spezialisten, zum Beispiel für holzbewohnende Benthosorganismen eine große Bedeutung (Gerhard & Reich, 2001). Alle organischen Strukturen bieten einen gewissen Schutz bei Hochwasser, dienen Jungfischen als Kinderstube, größeren Fischen als Unterstand und vielen benthischen wirbellosen Tieren als Wohn-, Fress-, Eiablage- und Verpuppungsräume. Eine ähnliche Bedeutung haben zum Beispiel Spülsäume und Geniste. Auch Auen weisen entsprechend ihrer reichhaltigen Vegetation und ihrem hohen Totholzanteil eine Vielfalt an organischen Strukturen auf, die für auentypische Spezialisten existenznotwendig sind.
Bild 2.11 Totholz sorgt für wesentliche organischen Strukturen in und am Fließgewässer und stellt selbst einen Lebensraum dar (Foto: P. Jürging)
2.3.2 Längs- und Quervernetzung Ein entscheidendes Merkmal der natürlichen Fließgewässer ist deren „ökologische Durchgängigkeit“ oder, wie es Vannote et al. (1980) für den Wasserkörper auch als „das Konzept des Fließgewässerkontinuums“ im Rahmen einer
28
2 Natürliche Fließgewässer und Auen
biozönotischen Längsgliederung (s. Bild 2.13) beschreiben. Dies trifft nicht nur für die Durchwanderbarkeit der einzelnen Gewässerabschnitte für Fische oder benthische Lebensgemeinschaften zu. Im Prinzip sind alle Lebensräume eines natürlichen Fließgewässers, von der Quelle bis zur Mündung, einschließlich ihrer Nebengewässer, miteinander verbunden. Damit ist das Kontinuum nicht nur räumlich, sondern auch funktional zu verstehen. Dazu gehören zum Beispiel sich kontinuierlich verändernde Gradienten von u.a. Fließgeschwindigkeit, Temperatur und Sohlenbeschaffenheit (siehe Kap. 2.4). Diese Theorie besagt aber auch, dass nicht nur der Wasserkörper, sondern auch das Interstitial, die Uferbereiche und die Auen mit ihren Auwäldern durchgehend vernetzt sind. Die „ökologische Durchgängigkeit“ entspricht damit in ihrem Grundgedanken der Längsvernetzung, bei der mehr oder weniger vergleichbare fließgewässer- und auentypische Ökosysteme längs des gesamten Fließgewässers untereinander in Wechselbeziehung stehen. Aufgrund der dadurch gegebenen Migrationmöglichkeiten (Ausbreitungsbänder) bezeichnet man Fließgewässer oftmals auch als „das ökologische Rückgrat“ einer Landschaft. Nur bei Fließgewässern mit Durchbruchsstrecken und Wasserfällen kann diese „ökologische Durchgängigkeit“ eingeschränkt sein, wobei aber auch diese Hindernisse, im Sinne der Trittsteintheorie, für viele Organismen überwindbar sind (z.B. durch Ausbreitungsflüge). Für eine natürliche Fließgewässerlandschaft ist aber auch eine Quervernetzung innerhalb der einzelnen Lebensgemeinschaften, vom freien Fließwasser bis hin zu nahezu ständig hochwasserfreien Standorten, von großer Bedeutung. Zu dieser biologischen Vernetzung zählen vielfache Wechselbeziehungen, zum Beispiel über das Nahrungsnetz zu den außerhalb der Aue liegenden Ökosystemen (BayLfW, 1987). Daneben stellen Auen mit Auengewässern und angrenzenden Hangwäldern für etliche Arten auch vernetzte Funktionsräume dar, wie zum Beispiel als Teillebensräume für einige Amphibienarten als Fortpflanzungshabitat (Auengewässer) bzw. Überwinterungshabitat (u.a. Hangwälder). Letztlich sorgen Fließgewässer mit ihren Auen durch die Längs- und Quervernetzung auch für einen hohen genetischen Austausch ohne Verinselungsprobleme. 2.3.3 Nahrungskette Die einzelnen Glieder von Lebensgemeinschaften (Biozönosen) sind vor allem über die Nahrungskette miteinander verbunden. Ausgangspunkt der Kette sind die Produzenten (z.B. Algen, Moose, Farne und höhere Pflanzen), die aus anorganischen Stoffen (Nährstoffen) mit Hilfe der Energieeinstrahlung der Sonne über die Assimilation organische Substanzen aufbauen (Primärproduktion). Von diesen sind die Konsumenten der 1. Stufe, dies sind herbivore (pflanzenfressende) Tiere, abhängig. Diese wiederum sind für die Konsumenten der 2. Stufe (oder höherer Ordnungen), d.h. carnivore (fleischfressende) Tiere, die
2.3 Ökosytemare Zusammenhänge
29
Nahrungsgrundlage. Nach dem Absterben von Produzenten und Konsumenten leben von deren organischen Substanzen die Destruenten (z.B. Bakterien und Pilze). Letztere wandeln auf dem Wege der Mineralisation die organischen Substanzen wiederum in anorganische um und stellen somit für die Produzenten wieder Nährstoffe zur Verfügung. In Stillgewässern werden die Nährstoffe im Prinzip immer wieder demselben System für die Primärproduktion zur Verfügung gestellt. In diesem Fall spricht man von einem geschlossenem Ökosystem mit einem Stoffkreislauf. Dagegen stellen Fließgewässer offene Ökosysteme mit einem Stoffdurchlauf dar, da durch die Strömung ein ständiger Energie- und Nährstofftransport erfolgt. Die Lebensgemeinschaften in Fließgewässern zeigen eine hohe Affinität zu den physikalischen Parametern und vor allem zum Nahrungsangebot. Entsprechend diesem Nahrungsangebot setzt sich die Biomasse der Tiere eines Fließgewässers aus unterschiedlichen Ernährungstypen zusammen. Bei der Beurteilung eines Gewässers hat die ungleiche Verteilung der Ernährungstypen einen hohen indikatorischen Wert. Häufig wird dabei zwischen Filtrierern, Weidegängern, Zerkleinerern (alles Konsumenten der 1. Stufe), Sediment- und Detritusfressern (Konsumenten der 1. und der 2. Stufe) sowie Räubern (Konsumenten der 2. Stufe bis hin zum Endkonsumenten) unterschieden. • Filtrierer filtrieren aus dem Wasserstrom schwebende Partikel, zum Beispiel Algen, Bakterien und Feindetritus, heraus. Zu nennen sind vor allem einige Arten der Wimpertierchen (Ciliata), Rädertierchen (Rotatoria), und der Ruderfüßler (Copepoda), aber auch Insekten wie zum Beispiel von netzspinnenden Köcherfliegenlarven etwa der Gattung Hydropsyche oder von Kriebelmückenlarven (Simuliidae – s. Bild 2.12a). Eine „schwergewichtige“ Rolle können bei den Filtrieren Großmuscheln, vor allem Vertreter der Gattungen Flussmuscheln (Unio – s. Bild 2.16) und Teichmuscheln (Anodonta) spielen. • Weidegänger sind dem benthischen Lebensraum angepasst und weiden vor allem Algenrasen und Mikroorganismen von Substraten ab. Hierzu zählen u.a. zahlreiche Insektenlarven (z.B. viele Eintagsfliegen – Ephemeroptera) oder Schnecken (Gastropoda), zum Beispiel die Flussnapfschnecke (Ancylus fluviatilis – s. Bild 2.12b). • Zerkleinerer sind ebenfalls Benthostiere. Sie zerkleinern Grobdetritus wie Falllaub (aber auch lebende Makrophyten). Ein Teil des zerkleinerten Materiales steht dann im weiteren Verlauf für Filtrierer aber auch für Sedimentund Detritusfresser als Nahrung zur Verfügung. Wichtige Vertreter der Zerkleinerer sind Bachflohkrebse (Gattung Gammarus – s. Bild 2.15), Wasserasseln (Asellus aquaticus) und etliche Insektenlarven wie die von Köcherfliegen (Trichoptera), Zweiflüglern (Diptera) und Steinfliegen (Plecoptera) • Sediment- und Detritusfresser ernähren sich sowohl von tierischem als auch von pflanzlichem Material. Typische Sedimentfresser sind zum Beispiel der Schlammröhrenwurm (Tubifex tubifex) aber auch viele Zuckmückenlarven (Chironomidae).
30
2 Natürliche Fließgewässer und Auen
Bild 2.12a Die Larven der Kriebelmücken (Simuliidae) leben als Filtrierer in Fließgewässern mit einer guten Sauerstoffversorgung. Sie sitzen entweder auf Steinen fest oder bewegen sich schwebend oder kriechend fort (Foto: Archiv Bayerisches Landesamt für Wasserwirtschaft)
Bild 2.12b Die Flussnapfschnecke (Ancylus fluviatilis) hat ein gut an die Strömung angepasstes Gehäuse und weidet als Weidegänger kriechend die Steine ab. Aufgrund ihres Gehäuses kann sie nicht in das Interstitial eindringen (Foto: Archiv Bayerisches Landesamt für Wasserwirtschaft)
2.3 Ökosytemare Zusammenhänge
31
Bild 2.12c Die Blauflügelige Prachtlibelle (Calopteryx virgo) legt ihre Eier im strömenden Wasser in Pflanzen ab. In den ersten beiden Jahren leben die Larven, wie praktisch alle Libellenlarven, als Räuber (Foto: M. Kämmereit)
• Räuber ernähren sich von Konsumenten. Hierzu zählen räuberische Benthosarten wie bestimmte Käferarten, räuberische Steinfliegen (Plecoptera) oder Köcherfliegen der Gattung Rhyacophila, auch Libellenlarven wie zum Beispiel die der Blauflügeligen Prachtlibelle (Calopteryx virgo – Bild 2.12c), aber auch viele heimische Fischarten wie zum Beispiel die Bachforelle (Salmo trutta) oder die Äsche (Thymallus thymallus). Die kleineren Gewässeroberläufe stehen unter dem Einfluss der umgebenden Vegetation, deren Beschattung die Primärproduktion im Gewässer hemmt. In der Benthosbiozönose überwiegt daher im Hinblick auf die Energiezufuhr das Laub. Deshalb dominieren hier die Zerkleinerer und Sammler, d.h. Filtrierer und Sedimentfresser. Entlang der breiteren, aber nach wie vor seichten Mittelläufe nimmt der Einfluss der Ufergehölze ab, die autochthone Primärproduktion gewinnt aufgrund der günstigeren Durchlichtung des Wasserkörpers an Bedeutung. Es überwiegen daher Weidegänger neben Filtrierern und Detritusfressern. Die auch unter natürlichen Bedingungen nährstoffreicheren, tiefen und anhaltend trüben Unterläufe sind meist von feinpartikulärem Material geprägt, das aus flussaufwärts liegenden Gewässerabschnitten stammt. Detritusfressende Organismen (v.a. Filtrierer und Sedimentfresser) prägen hier im Wesentlichen das Bild der Ernährungstypen. Zur Verteilung der Ernährungstypen in der Längszonierung siehe auch Bild 2.13.
32
2 Natürliche Fließgewässer und Auen
Bild 2.13 Die anteilige Zusammensetzung (Biomasse) der Ernährungstypen eines Fließgewässers ist in den Kreisen der Abbildung wiedergegeben. Bei den dargestellten Quotienten bedeuten P = Produktion und R = Respiration, wobei unter R die Veratmung von organischen Substanzen durch die Lebewesen im Gewässer zu verstehen ist (BayLfW, 1987)
2.4 Lebensräume und Lebensgemeinschaften
33
Selbstverständlich laufen alle diese Prozesse nicht wie unter einer „Glasglocke“ ab. Wie alle Ökosysteme sind auch die limnischen mit anderen, meist benachbarten Ökosystemen vernetzt und damit von In- und Output mehr oder weniger geprägt. So kann, wie bereits erwähnt, von Ufergehölzen ein Eintrag von organischem Material in ein Gewässer erfolgen und aus diesem, quasi im Gegenzug, durch fischfressende Vögel wiederum Biomasse entnommen werden. Da bei diesen unterschiedlichen Stoff- und Energieflüssen viele Organismen beteiligt sind, die unterschiedliche Kombinationen in der Nahrungsabhängigkeit zulassen, und eben auch Wechselbeziehungen zu benachbarten Biozönosen bestehen, spricht man auch von einem Nahrungsnetz (Jürging et al., 1996). 2.4
Lebensräume und Lebensgemeinschaften Im Gegensatz zu Stillgewässern sind Fließgewässer offene Ökosysteme mit Stoff- und Energiedurchfluss und weisen von der Quelle bis zur Mündung vor allem physikalische und damit biologisch wirksame Gradienten auf. So nehmen in der Regel u.a. die Belichtung. die Temperaturamplitude, der Nährstoffgehalt und die Primärproduktion im Fließverlauf zu, während die Fließgeschwindigkeiten, die Turbulenz, die Sohlenschubspannung, die Korndurchmesser sowie der Sauerstoffgehalt abnehmen. Dies verdeutlicht, dass in jedem Ausschnitt eines Fließgewässersystems ganz bestimmte, sich im Jahresgang und/oder in Abhängigkeit von Ereignissen ändernde Kombinationen der genannten Faktoren vorzufinden sind. Diese Kombinationen charakterisieren wiederum die ökologischen Amplituden für die jeweiligen Lebensgemeinschaften. Oder anders ausgedrückt, die Arten dieser Lebensgemeinschaften müssen auch im Bereich der Eckwerte dieser ökologischen Amplituden zumindest zeitweilig noch in irgendeiner Form überleben können. Diese Organismen sind also Spezialisten, die, um nur einige Beispiele zu nennen, • Extremwerte vor Ort verkraften können, zum Beispiel starkes Fließen durch einen angepassten, abgeflachten Körperbau, Haftorgane oder Klebsekrete, • über entsprechende Rückzugsmöglichkeiten verfügen, zum Beispiel in strömungsschwachen Bereichen, im Interstitial oder in Altarmen, • hohe Reproduktionsraten aufweisen, so dass Verluste relativ schnell wieder ausgeglichen werden und/oder • über Drift und Migration diesen kurzzeitig „unwirtlichen“ Lebensraum wiederbesiedeln können. Die vielfältigen, lebensraumbestimmenden Faktorenkombinationen sind sowohl im Längsschnitt als auch Querschnitt eines Fließgewässers Veränderungen unterworfen, so dass sich jeweils eine Abfolge unterschiedlicher Lebensräume ergibt.
34
2 Natürliche Fließgewässer und Auen
Streng genommen ist es aber nicht zulässig, die zusammenhängenden und vielfach in gegenseitigen Wechselwirkungen und -beziehungen stehenden Lebensräume getrennt voneinander zu betrachten, da ein Fließgewässer von der Quelle bis zur Mündung eine systemare Einheit darstellt. Trotzdem soll im Folgenden aus Gründen der Übersichtlichkeit versucht werden, die wesentlichen Lebensräume natürlicher Fließgewässer mit Beispielen ihrer typischen Vegetation und Tierwelt vom freifließenden Wasserkörper über das Interstitial, die semiaquatischen Standorte (Kiesinseln und -bänke, Ufer) bis hin zu den Auen mit ihren Auengewässern von der Quelle bis zur Mündung grob darzustellen. 2.4.1 Freier Fließwasserkörper Der Oberlauf eines Fließgewässers ist meist noch schmal und weist in der Regel ein großes Gefälle, stark schwankende Abflüsse, hohe Fließgeschwindigkeiten und eine große Strömungsvielfalt auf. Die Hochwasser können sehr energiereich sein, sind meist aber nur von kurzer Dauer. Die große Strömungsdynamik verhindert die Ausbildung von Stillwasserzonen. Altgewässer fehlen zumindest in der alpinen Region und den Mittelgebirgen nahezu vollständig. Aufgrund der Quellnähe und der bei natürlichen Gewässern nahezu vollständigen Beschattung sind die Temperaturschwankungen des Wassers im Jahresgang sehr gering. Gleichzeitig herrschen weitestgehend oligothrophe Verhältnisse vor. Deshalb ist auch die Primärproduktion im Vergleich zu den flussabwärts folgenden Fließregionen sehr bescheiden und in ihrem Maximum auf Winter und Frühjahr, vor dem Laubaustrieb, beschränkt. Der Sauerstoffgehalt ist aufgrund der Wassertemperaturen und -turbulenzen ganzjährig relativ hoch. Im freifließenden Wasserkörper können sich praktisch keine höheren Pflanzen ansiedeln. Kleine, frei im Wasser schwebende Organismen, wie zum Beispiel Algen (Phytoplankton), sind im freifließenden Wasser nicht zu finden. Denn die Fließdauer ist für die Entwicklung eines eigenständigen Phytoplanktons zu kurz und die Strömung zu turbulent. Einzelne treibende Algenzellen stammen von der Gewässersohle, wurden dort abgespült und mitgerissen. Insekten können sich in diesem Gewässerabschnitt nur in strömungsberuhigten Bereichen an oder auf der Oberfläche des freien Wasserkörpers halten. Dazu zählen zum Beispiel Wasserläufer (Gerris), Stoßwasserläufer (Velia caprai) und Taumelkäfer (Gyrinidae). Schwimmende Insektenarten, wie zum Beispiel Eintagsfliegen der Gattung Cloeon, finden sich nur in den Oberläufen von langsam fließenden Tiefland- aber auch Niederungsbächen. Nur wenige Fischarten vermögen sich in diesem Fließabschnitt zu halten. Typische, räuberisch lebende Vertreter dieser Gewässerregion sind die Bachforelle (Salmo trutta) und die Groppe (Cottus gobio), während die Äsche (Thymallus thymallus) bereits den beginnenden Mittellauf charakterisiert.
2.4 Lebensräume und Lebensgemeinschaften
35
Im Mittellauf nimmt bei moderatem Gefälle die Breite des Abflussprofiles immer mehr zu und damit der beschattende Einfluss der Ufergehölze ab. Trotz der zunehmenden Temperaturamplitude ist der Sauerstoffgehalt aufgrund der Turbulenzen ganzjährig relativ hoch. Das Sonnenlicht kann den klaren und nicht zu tiefen Wasserkörper nahezu vollständig durchdringen, wodurch die gewässereigene Primärproduktion in diesem Gewässerabschnitt ihren Höhepunkt erreicht. Im freien Wasser existiert immer noch kein autochthones Phyto- und Zooplankton, jedoch nimmt die Dichte abgespülter benthischer Algen im Wasserkörper zu. Zudem können sich nicht sehr strömungsempfindliche Wasserpflanzen (Makrophyten) je nach Nährstoffverfügbarkeit im Wasserkörper breit machen. Hierzu zählt vor allem der Flut-Hahnenfuß (Ranunculus fluitans). In langsamer fließenden Bereichen können auch Fischkraut (Potamogeton densus), Kamm- und Flutendes-Laichkraut (Potamogeton pectinatus, P.nodosus) sowie der Teichfaden (Zanichellia palustris) einen zusagenden Lebensraum vorfinden. Mitunter kommen auch Stillgewässerarten wie die Schwanenblume (Butomus umbellatus) oder der Aufrechte Igelkolben (Sparganium erectum) in nicht zu geschiebereichen Fließgewässern vor. Allerdings weicht die Blattform dieser untergetaucht (submers) wachsenden Pflanzen stark von denen der Stillgewässerformen ab. Sie haben weiche, oft sehr langgestreckte Blätter, die in der Strömung hin und her schwingen. Auf den Wasserpflanzen können sich aufgrund des nicht zu schnellen Fließens und der guten Durchlichtung mikroskopisch kleine Aufwuchspflanzen (Epiphyten) und zahlreiche zoobenthische Arten in Mengen ansiedeln. Dieses Nahrungsangebot begünstigt wiederum eine artenund individuenreiche Weidegängergesellschaft, zu der u.a. Schnecken und viele Insektenlarven gehören. Der Leitfisch des Mittellaufes ist die Flussbarbe (Barbus barbus). Im Unterlauf hat der breite Fluss bzw. Strom meist nur noch ein geringes Gefälle und zeigt dementsprechend fast ganzjährig ein vergleichsweise träges Fließen. Nennenswerte Turbulenzen können sich nur noch an Fließhindernissen ausbilden. Die Temperaturamplitude im Jahresgang ist relativ groß und die Nährstoffversorgung gut. Deshalb, und aufgrund der verminderten Fließgeschwindigkeit, findet sich nun sowohl Phytho- als auch Zooplankton in der fließenden Welle und ist dort auch in der Lage sich zu vermehren. Auf Grund des ständigen Transportes gewässerabwärts ist jedoch zum Erhalt des sogenannten Potamoplanktons eine stänige Zulieferung von Plankton aus angegliederten Stillwasserräumen, vor allem der Aue, notwendig. In der Folge verlagert sich die gewässereigene Primärproduktion ins Freiwasser. Eine höhere Planktondichte und die größere Wassertiefe bedingen aber eine geringere Durchlichtung des Wasserkörpers. Dadurch wird die Hauptvoraussetzung für die Assimilation wesentlich einschränkt. Deshalb finden submerse Wasserpflanzen, wie zum Beispiel die Kanadische Wasserpest (Elodea canadensis), der Haarblättrige Hahnenfuß (Ranuculus trichophyllus), das Rauhe Hornblatt (Ceratophyllum submersum) oder das Glänzende und das Krause Laichkraut (Potamogeton lucens,
36
2 Natürliche Fließgewässer und Auen
P. crispus) in Unterläufen meist nur in den Randbereichen, im flacheren Wasser, einen ausreichenden Lebensraum. Mit dem weitgehenden Fehlen von Makrophyten im Wasserkörper kommen im Vergleich zum Mittellauf zwangsläufig wesentlich weniger Aufwuchsalgen und somit auch Vertreter von Weidegängern vor. Die charakteristische Fischart für den Unterlauf ist die Brachse (Abramis brama – Bild 2.14).
Bild 2.14 Die Brachse (Abramis brama) ist die Charakterart des Unterlaufes (Brachsen-Region) (Foto: Archiv Bayerisches Landesamt für Wasserwirtschaft)
2.4.2 Sohle Der Oberlauf eines Fließgewässers weist aufgrund seines oft großen Gefälles und seiner hohen Wassergeschwindigkeiten eine beachtliche Transportkapazität auf. Aufgrund des überwiegenden Abtrages werden diese Gewässerstrecken auch als „Erosionsstrecken“ bezeichnet. Die Gewässersohle ist meist äußerst reich an Strukturen. Geprägt wird diese in den Oberläufen der alpinen und Mittelgebirgsregion vom anstehendem Fels und/oder von größeren Steinen über Kies bis hin zu Sand. Im Extrem bestimmen bei geschiebeführenden Wildbächen zusätzlich noch sehr große Steine und Felsblöcke die Morphologie der Sohle bzw. des Gewässerbettes. Im Tiefland dagegen ist die Sohle bereits im Oberlauf von feinkörnigen Substraten (Sand, Ton) oder organischen Detritusoder Torfauflagen geprägt.
2.4 Lebensräume und Lebensgemeinschaften
37
Für die Sohlenbewohner des Oberlaufes ist es einerseits überlebenswichtig, dass diese im Interstitial ausreichend Rückzugsmöglichkeiten finden und dass sie andererseits in irgendeiner Weise an die Strömung angepasst sind. Fast alle Tiere dieser Gewässerregion siedeln vorzugsweise in strömungsarmen Bereichen unmittelbar am Substrat oder verbergen sich auf der Unterseite von Steinen oder Blättern. Weitere Anpassungsmechanismen sind ein abgeplatteter Körper (z.B. bei Eintagsfliegen), Klebsekrete (z.B. bei Kriebelmücken und bei einigen Köcherfliegenlarven) oder Saugnäpfe (z.B. bei Egeln und Lidmückenlarven). Aufgrund der geringen Temperaturamplitude und den zeitweilig sehr dynamischen Abflüssen existiert nur eine geringfügige Primärproduktion. Lediglich einige Algen, zum Beispiel Kieselalgen (Diatomeen) wachsen auf den Steinen auf und bilden bräunlich-olive Überzüge auf den Sohlensubstraten aus. Auch etliche schwer unterscheidbare Wassermoose (z.B. Quellmoose – Fontinalis) zeigen spärliche Büschel, die oft nur an einer kleinen Stelle des Untergrundes festgewachsen sind. Dieser schüttere Aufwuchs dient einerseits als Habitat für Fischnährtiere und andererseits sogenannten Weidegängern als Nahrung, zum Beispiel einigen Insektenlar ven. Die wichtigste Nahrungsquelle für die Primärkonsumenten stellt der Laubeintrag dar. Hiervon leben vor allem die Zerkleinerer, die in dieser Laufregion dominieren. Hierzu zählen zum Beispiel die Flohkrebse der Gattung Gammarus
Bild 2.15 Insbesondere Falllaub wird von den in fließenden Gewässern oft in Massen vorkommenden Bachflohkrebsen (Gammarus pulex) als Zerkleinerer verwertet (Foto: M. Kämmereit)
38
2 Natürliche Fließgewässer und Auen
(Bild 2.15). Der u.a. auch von der Zerkleinerung stammende und auf dem Sediment abgelagerte bzw. driftende Kleindetritus wird von den Filtrierern und Sedimentfressern verwertet. Bekannte Tiere dieses Ernährungstyps sind zum Beispiel Köcherfliegen-Larven der Gattung Hydropsyche, die große, mit dem bloßen Auge erkennbare Reusen spinnen, mit deren Hilfe sie aus der Drift ihre Nahrung filtrieren. Weitere charakteristische Filtrierer des Oberlaufes sind kleine, stecknadelkopfgroße Muscheln der Gattung Pisidium, die sich mit ihrem Fuß sehr gut zwischen den Steinen, Wurzelbärten und Moosen der Sohle bewegen können. Eine Besonderheit natürlicher Ober- und Mittelläufe stellt in kühlen, kalk- und nährstoffarmen, aber sauerstoffreichen Bächen und Flüssen der Mittelgebirge und Niederungen mit silikatisch geprägter Geologie, oftmals die Flussperlmuschel (Margaritifera margaritifera) dar (Jungwirth et al., 2003). Die Spezialisten der Gewässersohle können häufig wiederum eine leichte Beute von Jägern, wie beispielsweise bestimmten Steinfliegenlarven, werden. Vor allem aber dienen die meisten Vertreter des Makrozoobenthos als sogenannte Fischnährtiere den Bachforellen und Groppen zur Nahrung. Im Mittellauf nimmt das Gefälle und somit auch das Transportvermögen der Strömung ab. Deshalb herrscht in dieser Laufregion vor allem bei geschiebeführenden Fließgewässern die Umlagerung vor. Erosion und Sedimentation halten sich in etwa die Waage; das Geschiebe wird von mittleren Korndurchmessern dominiert (Kies- und Sandfraktionen). Aufgrund der zunehmenden Gewässerbreite nimmt der Einfluss der Ufergehölze als Detrituslieferant für die Fließgewässer ab. Dementsprechend werden die Zerkleinerer im Sohlenbereich weniger. Die Sammler profitieren aber nach wie vor noch von dem Fraßvorgang der Zerkleinerer und vor allem aber von der Feindetritusdrift aus dem Oberlauf. Aufgrund der guten Durchlichtung nehmen in diesem Gewässerabschnitt neben den Makrophyten auch mikroskopisch kleine Aufwuchspflanzen zu, was wiederum den Weidegängern zu Gute kommt. Deshalb dominieren an Ernährungstypen neben den Sammlern die Weidegänger. Der Unterlauf ist von vergleichsweise geringem Geschiebetransport gekennzeichnet, so dass Sedimentation aus vorwiegend feinkörnigen Ablagerungen vorherrscht. Zusätzlich zur Drift profitieren hier die bodenbewohnenden Organismen von der Planktonproduktion. Nun überwiegen die Ernährungstypen Sedimentfresser und Filtrierer, von letzteren, insbesondere auf stabilen Sandbänken, auch Großmuscheln, vor allem Vertreter der Gattungen Flussmuscheln (Unio – s. Bild 2.16) und Teichmuscheln (Anodonta). 2.4.3 Ufer Der Oberlauf wird häufig von einem schmalen, kiesigen und stark strukturierten Uferstreifen begleitet, der bereits bei kleineren Hochwasserabflüssen überflutet wird, ebenso wie die im Fließgewässer liegenden, mobilen Kiesinseln. In
2.4 Lebensräume und Lebensgemeinschaften
39
Bild 2.16 Die Bachmuschel (Unio crassus), ein typischer Filtrierer, hat in den Substraten der Gewässersohle von natürlichen Fließgewässern einen dauerhaften Lebensraum (Foto: M. Kämmereit)
den Alpentälern sind für diese dynamischen, rohen und nur spärlich bewachsenen Standorte knapp oberhalb der Mittelwasserlinie, der Alpen-Knorpellattich (Chondrilla chondrilloides), der dichte Fluren ausbilden kann, und sogenannte Alpenschwemmlinge, wie Silberwurz (Dryas octopetala), Alpen-Gemskresse (Hutschinsia alpina) oder Alpen-Leinkraut (Linaria alpina) charakteristisch. Bleiben die Kiesflächen der Inseln und Ufer eine Vegetationsperiode lang von Hochwasser verschont, können sich vereinzelt stehende, sehr wurzelaktive und regenerationsfähige Sträucher etablieren, die in den Alpentälern u.a. aus Tamariske (Myricaria germanica), Sanddorn (Hippophae rhamnoides) und Weiden (vorwiegend Salix incana, S. daphnoides, S. eleagnos) bestehen. Etwa um oder knapp über der Mittelwasserlinie siedeln, neben vereinzelten Gehölzen, mitunter saumartig ausgedehnte Pestwurz-Fluren (Petasites spec.) oder Uferreitgrasbestände (Calamagrostis pseudophragmites), die beide den Standort stark durchwurzeln und damit bis zu einem gewissen Grad sichern. Nur geringfügig höher begleiten in vielen Fällen bereits Gehölze die Fließgewässer, im Alpenvorland vor allen Grauerlen (Alnus incana). Im Gegensatz zu den Alpentälern und dem Voralpenland sind am Oberlauf von Fließgewässern des Mittelgebirges und Tieflandes vor allem Schwarzerle (Alnus glutinosa) und Esche (Fraxinus excelsior) die dominierenden Gehölze dieser durch regelmäßige Überflutungen relativ nährstoffreichen Standorte. Als typische Vogelart der Ober- und beginnenden Mittellaufregion sei stellvertretend die Wasseramsel (Cinclus cinclus) erwähnt, ein Spezialist der Unterwasserjagd in flachen, aber schnell fließenden Fließabschnitten.
40
2 Natürliche Fließgewässer und Auen
Der Mittellauf zeichnet sich dadurch aus, dass sich nach jedem Hochwasser der Verlauf des Gewässers innerhalb des Flussbettes verändert. Die kiesig bis sandigen Inseln werden dabei abgetragen, umgelagert und entstehen an anderer Stelle wieder neu. Auf den Sand- und Kiesbänken im Fluss und an den Ufern bestimmen Pionier- und kurzlebige Pflanzengesellschaften (Annuellenfluren) das Bild. Kurzlebig deshalb, da diese flussnahen Vegetationsbestände häufig bereits nach kurzer Entwicklungszeit wieder durch Hochwasser entwurzelt und weggespült werden. In den Umlagerungsstrecken der Alpenflüsse finden sich hier noch viele Alpenschwemmlinge. Bei Zunahme von Feinsedimenten siedeln sich mehr und mehr hochwüchsige Gräser, vor allen das Rohrglanzgras (Phalaris arundinacea – Bild 2.17), und Kräuter, wie zum Beispiel das Barbarakraut (Barbarea vulgaris), an. In feinsedimentführenden und schwebstoffreichen Fließgewässern sind in diesen raschwüchsigen Annuellenfluren dagegen Rispengras (Poa annua) und eine Vielzahl von Kräutern, zum Beispiel Wasserpfeffer (Polygonum hydropiper), anzutreffen. In ruhigeren Fließabschnitten kann das Rohrglanzgras bereits im Mittellauf ein durchgehendes Flussröhricht ausbilden, da es seine Halme im Gegensatz zum starr aufrechten Schilf (Phragmites communis) vertragen, mehrmals von der Strömung umgelegt zu werden. An bemerkenswerten Vogelarten dieser Fließgewässerregion seien der Flussregenpfeifer (Charadrius dubius – Bild 2.18) und die Flussseeschwalbe (Sterna
Bild 2.17 Auf Kiesbänken siedelt oft das Rohrglanzgras (Phalaris arundinacea), das im Gegensatz zu vielen Einjährigen durchaus auch energiereiche Hochwasser überstehen kann (Foto: P. Jürging)
2.4 Lebensräume und Lebensgemeinschaften
41
Bild 2.18 Auf den Kiesbänken geschiebeführender Flüsse stellt der Flussregenpfeifer einen typischen Vertreter der Kiesbrüter dar (Foto: B. Schackers)
hirundo) erwähnt, die vorzugsweise auf den Kiesinseln der Umlagerungsstrecken brüten. Im Unterlauf, für den Mäanderschlingen typisch sind, können sich in den semiaquatischen Bereichen auf den bei niedriger Wasserführung freifallenden Flächen mit lehmig-schlickigen Substraten auch sogenannte Zweizahn-Fluren (Bidens spec.) und kurzlebige Säume von Schlammlingsfluren entwickeln. Zu Letzteren zählen zum Beispiel Nadelbinse (Eleocharis acicularis), Schlammkraut (Limosella aquatica) oder auch Braunes Zypergras (Cyperus fuscus). Auf den Ufersäumen um die Mittelwasserlinie können sich auch raschlebige annuelle (einjährige) Kräuter ansiedeln. Hier sind vor allem Gänsefuß- (Chenopodium spec.) und Knöterich-Arten (Polygonum spec.) zu nennen, die hier auf Schottern oder nährstoffreichem Sand vollbesonnte und konkurrenzfreie Plätze vorfinden. Mitunter begleiten ausgedehnte Röhrichtsäume aus Rohrglanzgras (Phalaris arundinacea) und in sehr ruhigen Bereichen auch aus Schilf (Phragmites communis) bestehende Säume die Gewässerränder um die Wasserwechselzone.
42
2 Natürliche Fließgewässer und Auen
2.4.4 Aue An den Oberläufen fehlt in der Regel eine ausgeprägte Gewässeraue. An kleineren, in schmalen Tälern verlaufenden Fließgewässern im Mittelgebirge und Hügelland begleiten meist nur relativ schmale Gehölzstreifen die Ufer bzw. sehr schmalen Auenareale. Hier kennzeichnet neben dem Quell- und Bach-EschenErlenwald (Bild 2.19) vor allem der Schwarzerlen-Eschenwald die Vegetation. Hat sich in einem schmalen Tal das Fließgewässer tief eingegraben, so gedeihen häufig eschenreiche Schluchtwälder auf den unteren Einhängen (Hangfuß). Bei größeren, alpin geprägten Fließgewässern finden sich in dem weitläufigen System der Kies- und Sandbänke der oberen Laufabschnitte jüngste Pionierstadien mit spärlicher Vegetation. Daneben gedeihen gut entwickelte Strauchweidenbestände mit fast geschlossener Rasendecke. Das fortgeschrittene Stadium der Auenentwicklung stellen hier oftmals vorwiegend lockere Bestände dar, in denen
Bild 2.19 In engen Tälern der Mittelgebirge und der Hügelländer begleitet das Fließgewässer auf den schmalen Ufern oftmals ein Bach-Eschen-Erlenwald (Foto: Archiv Bayerisches Landesamt für Wasserwirtschaft)
2.4 Lebensräume und Lebensgemeinschaften
43
die Waldkiefer überwiegt. Diese Abfolge der Vegetationsentwicklung von Pionierund Rohbodenvegetation bis hin zum Endstadium (d.h. im Alpen- und Voralpenraum ein Schneeheide-Kiefernwald mit unterschiedlich hohem Fichtenanteil) wird nur in seltenen Fällen durchlaufen, da zahlreiche Hochwasserereignisse, begleitet von Geschiebebewegungen, häufig die Vegetationsentwicklung in einen Ausgangszustand zurück versetzen. Ein räumliches Nebeneinander verschiedener Pflanzengesellschaften und unterschiedlicher Entwicklungsstadien ist daher für natürliche, alpin geprägte Auen typisch (Jürging & Schauer, 1998). Im Mittellauf kann sich eine Aue auf dem alluvialen Kiesen, Sanden und Lehmen in vielen Fällen bereits erheblich aufweiten, wobei nach wie vor wesentliche Bereiche in der Aue bei den immer noch energiereichen Hochwasserabflüssen aufgeschottert, überkiest oder übersandet werden können. Auf die Pioniergesellschaften und die gelegentlich bereits vorkommenden Flussröhrichte der tiefgelegenen Flussalluvionen folgen im geringfügig darüber liegenden Überflutungsbereich die als Weichholzaue (Bild 2.20) bezeich-
Bild 2.20 Weichholzauwälder stellen in fließgewässernahen und häufig überfluteten Bereichen typische Vegetationsgesellschaften dar. Im Bild ein noch junger Grauerlen-Auwald aus dem Alpenvorland (Foto: P. Jürging)
44
2 Natürliche Fließgewässer und Auen
nete Weiden- und Erlenaue, in der sich die Vegetation infolge der periodischen Überflutungen (an bis zu 180 Tagen im Jahr) nicht zu langlebigen Wäldern weiterentwickeln kann. Die wichtigsten Weidenarten sind hier die Silberweide (Salix alba), die Bruchweide (Salix fragilis) und die Mandelweide (Salix triandra). Im Flachland und im Mittelgebirge dominiert die Erlenaue mit der Schwarzerle (Alnus glutinosa), während im Voralpenland, also im Bereich der regelmäßig eintretenden Sommerhochwasser, die etwas höher gelegenen Teile der Weichholzaue zusätzlich von der Grauerle (Alnus incana) beherrscht werden. Die höchste und somit nur noch selten bei außergewöhnlichen Hochwassern überstaute Stufe innerhalb des Überschwemmungsbereiches am Mittel- und Unterlauf nimmt bei natürlichen Gewässern die sogenannte Hartholzaue (Bild 2.21) ein, deren Name wohl auf dem Reichtum an kräftigen und dauerhaften Baumarten beruht. Im Übergangsbereich zwischen Weich- und Hartholzstufe mischt sich die Esche (Fraxinus excelsior) ein, während in den oberen Teilen der
Bild 2.21 Nur noch selten vom Hochwasser überstaute Aubereiche nimmt in naturnahen Flusslandschaften die Hartholzaue ein. Im Bild eine reife Hartholzaue aus den Rheinaue „Taubergießen“ (Foto: P. Jürging)
2.4 Lebensräume und Lebensgemeinschaften
45
Hartholzaue Ulmenarten (Ulmus glabra und U.laevis) und die Stieleiche (Quercus robur) die Hauptbaumarten darstellen. Für die Vegetationsabfolge in einer Aue ist nicht das einmalige, höchste Hochwasser, sondern die häufigen mittleren Hochwasser und die Niedrigwasser im Hinblick auf die Grundwasserschwankungen ausschlaggebend. Im Unterlauf ähneln die wesentlich breiteren Auwaldbänder in ihrer Vegetationsabfolge denen des Mittellaufes, unterscheiden sich aber von dieser in der Weichholzaue durch das vermehrte Auftreten von Silberweide (Salix alba) und in der Hartholzaue durch das Zurückgehen oder Fehlen der Ulmen (Ulmus spec.) sowie die Zunahme der Stiel-Eichen (Quercus robur). Wie vielfältig die Vogelwelt der Auen eines natürlichen Unterlaufes sein kann, lässt sich heute noch an dem in wesentlichen Bereichen naturnahen Gebiet der Unteren Isar kurz vor der Mündung in die Donau nachvollziehen. Hier kommen auf einer Fläche von etwa einem Viertel Prozent der Landesfläche Bayerns nahezu 75 Prozent aller regelmäßig in Bayern brütenden Vogelarten vor (BayLfW, 1983). Hiervon stehen 47 Arten in der Roten Liste bedrohter Tiere in Bayern, d.h. fast die Hälfte aller in Bayern gefährdeten Brutvogelarten brüten dort; einige davon in außergewöhnlich hoher Dichte (z.B. Eisvogel – Alcedo atthis, Blaukehlchen – Cyanosylvia svecica und Schlagschwirl – Locustella fluviatilis). 2.4.5 Altgewässer Im Oberlauf können zwar in den Furkationsstrecken zeitweilig wassergefüllte Hochflutrinnen verbleiben, aber typische Altgewässer fehlen in der alpinen und Mittelgebirgsregion nahezu vollständig. In Tiefland dagegen sind Altgewässer auch bereits in der Oberlaufregion weit verbreitet. Im Mittellauf, insbesondere am Übergang zum Unterlauf, können sich in den breiter werdenden Auen bereits vereinzelt Mäander ausbilden und somit erste Altgewässer in der Gewässeraue entstehen. Für den Unterlauf sind Mäanderschlingen charakteristisch. Sie sind die Voraussetzung für das Entstehen verschiedener Formen von Altgewässern. In ihnen gedeihen je nach Wassertiefe die typischen Pflanzengesellschaften der Stillgewässer. So bilden sich vor allem in Altwässern gürtelartige Vegetationszonen aus. Diese Zonation kann vom Wasser aus gesehen, von Unterwasserrasen über Laichkrautgesellschaften, freischwimmenden Wasserpflanzen, Schwimmblattgesellschaften, Röhrichten oder Großseggenrieden bis hin zu Gehölzbeständen mit Arten der Weichholzaue reichen. Bei Altgewässern mit großen Wasserstandschwankungen können sich auch auf den bei Niedrigwasser trockenfallenden Ufern Schlammlingsfluren einstellen (Jürging, 1997). Mit fortschreitender Verlandung bzw. Entwicklung ändern sich zwangsläufig auch die jeweiligen Standortfaktoren, so dass sich an ein und demselben Ort verschiedene Pflanzengesellschaften im Laufe der Zeit nacheinander ablösen. Das Endstadium dieser Sukzession ist unter natürlichen Verhältnissen ein Wald,
46
2 Natürliche Fließgewässer und Auen
zum Beispiel bei einer ausschließlichen Verlandung (biogenen) ein Bruchwald (Bild 2.22). Mit dieser Vegetationssukzession ändern sich zwangsläufig entsprechend der einzelnen Verlandungsphasen auch die Artenzusammensetzungen der Tiergemeinschaften (s. auch DVWK, 1991a).
Bild 2.22 In dem verlandeten Altgewässer hat sich ein typischer Bruchwald als Verlandungsstadium entwickelt. Kennzeichnend sind Schwarzerle (Alnus glutinosa) und Sumpf-Calla (Calla palustris) in der Krautschicht (Foto: P. Jürging)
3 Mensch und Fließgewässer Heinz-Christian Baumgart (Kap. 3.2) Peter Jürging (Kap. 3.2 und 3.3) Werner Konold (Kap. 3.1) Heinz Patt (Kap. 3.2) Petra Podraza (Kap. 3.3) Bernd Schackers (Kap. 3.2 und 3.3) Wolfgang Schumacher (Kap. 3.2)
Im Buch wird bei der Beschreibung der anthropogenen Einwirkungen auf Fließgewässer und Auen zwischen frühen, historischen Nutzungen und Einwirkungen im Zuge der zunehmenden Industrialisierung unterschieden. Wertfrei wird dargestellt, wie der Mensch im Laufe der Zeit die Fließgewässer und Auen zu seinem Nutzen in Beschlag genommen hat und welche Auswirkungen im Hinblick auf deren Entwicklung damit verbunden sind. 3.1
Frühe Nutzungen In diesem Kapitel folgt eine geschichtliche Betrachtung, wie der Mensch mit seinen Fließgewässern lebte und wie er im Laufe der Zeit versuchte, sie für sich zu nutzen. Behandelt werden ausschließlich die frühen Nutzungen, wie sie bis zur Industrialisierung an Fließgewässern und Auen vorzufinden waren. Die modernen Nutzungen sind Inhalt von Kapitel 3.2. 3.1.1 Alte Wasserkulturen Die Wasserbaugeschichte ist ein Teil der Kulturgeschichte des Menschen; alle Hochkulturen waren auch Wasserbaukulturen. Von Alters her versorgte man sich mit dem Nahrungsmittel Trinkwasser. Wasser diente der Energiegewinnung, der Bewässerung von Kulturen, der Entsorgung, war Transportmedium in der Schifffahrt, hatte militärstrategische Funktionen. Das Verhältnis zum Wasser war immer zwiespältig, da es einerseits Segen und Nutzen, andererseits Zerstörung und Verderben brachte; entsprechend gab es auch Nutz- und Schutzbauten, um das Wasser in die gewünschten Bahnen zu lenken, nämlich Kanäle, Gräben, Leitungen, Stollen und Schutzmauern, Staumauern, Sicherungsmauern. Ein paar Beispiele aus alter Zeit seien genannt (Wölfel, 1990): • Die Blüte des Zweistromlands zwischen Euphrat und Tigris, das alte Mesopotanien, ist in direktem Zusammenhang mit der Wasserkultur zu sehen. Schon vor 6000 Jahren gab es hier Bewässerungslandwirtschaft und damit auch
48
3 Mensch und Fließgewässer
eine ausgeklügelte Wasserbewirtschaftung mit entsprechenden Wasserbauten. Diese Wasserkultur wurde ermöglicht durch das Vorhandensein größerer, geschlossener Territorien und funktionierender sozialer und rechtlicher Ordnungen. Dieser Zusammenhang gilt bis auf den heutigen Tag. Mitte des 3. Jahrtausends wurden große Kanalsysteme in Betrieb genommen, darunter der Nahrwan-Kanal mit einer Länge von 320 Kilometer, einer Breite von 120 m und einer Tiefe von 6 m. Die Gewässer dienten der Bewässerung, der Düngung mit Schlamm, der Schifffahrt und der Speicherwirtschaft. Als Baumaterial wurden u.a. gebrannte Ziegel, Faschinen aus Röhricht, Schilfmatten, Steine und Asphalt (!) verwendet. • Der Staudamm Sadd-el-Kaffara südlich von Kairo wurde um 2700 v. Chr. zum Rückhalt sehr selten auftretender hoher Abflüsse gebaut; er besaß ein Stauvolumen von ca. 620.000 m3. • Auf der Peloponnes und in Böotien entstanden schon um 1300 v. Chr. Großwasserbauten, um die Karstpoljen zu steuern, d.h. im zeitigen Jahr Wasser zu speichern und damit Hochwasser zurück zu halten und während der Vegetationszeit Bewässerungswasser zur Verfügung zu haben. • Aus China sind Flussbauten am Huangho seit ca. 2000 v. Chr., Bewässerungsanlagen mit Wehren, Dämmen, Speichern und Schöpfeinrichtungen schon seit 4000 v. Chr. bekannt. Die Nutzung, Manipulation und Gestaltung der Gewässer besitzen also eine lange Tradition und hatten auch schon in früheren Zeiten Dimensionen, d.h. Eingriffsintensitäten erreicht, die manchen heutigen durchaus ähnlich sind. Man hat Gewässer ausgebaut, Einbauten vorgenommen und vor allem unzählige Gewässer neu und zum Teil als extrem komplizierte Gewässersysteme geschaffen. 3.1.2 Mühlkanäle, Mühlgräben Mühlgräben sind in Mitteleuropa die ältesten weit verbreiteten wasserbaulichen Einrichtungen. Bereits im frühen Mittelalter sind Wassermühlen bekannt. Der Dichter Fortunatus schreibt über den Raum Koblenz im 6. Jahrhundert: „Das Wasser wird durch Leitungen herangeführt, die der Gestalt des Berges folgen. Es treibt eine Mühle an, die das Korn … mahlt“ (nach Duby, 1984). In der Karolingerzeit – also im 8./9. Jahrhundert – nimmt die Zahl der Mühlen – in Form herrschaftlicher Betriebe – sehr stark zu; sie gingen in die Tausende, da Wasser der Energieträger schlechthin war. Es gab drehende Mühlen (Getreideund Ölmühlen, Hanfreiben, Schleifmühlen), stampfende Mühlen (Loh-, Papier-, Walk-, Pulvermühlen, Knochenstampfen, Pochwerke, Eisenhämmer) und Sägen. In der Regel waren dies Gewerbebetriebe mit mehreren Rädern oder Gängen. Diese hatten einen hohen Wasserbedarf. Daneben gab es (und gibt es in den
3.1 Frühe Nutzungen
49
Alpen noch) ungezählte kleine Mahlmühlen, denen der Mühlbach nur kurze Zeit im Jahr Wasser liefern musste. Insbesondere die Mittelgebirge waren – soweit sie genügend Wasser besaßen – sehr dicht mit Mühlen besetzt. Es gab unzählige Mühlkanäle, Ausleitungsbauwerke und oft auch trocken liegende Ausleitungsstrecken. Die Auswirkungen auf die Fläche waren jedoch unbedeutend, während die vielen Mühlen im Flachland bzw. Tiefland sich ungleich stärker auf den Landschaftswasserhaushalt auswirkten. Zum Teil wurde dadurch der Grundwasserspiegel großflächig angehoben. Im Emscherbruch zum Beispiel führten die zunehmenden Mühlenstaue bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts zu immer häufigeren und großflächigeren Überschwemmungen, die – zusätzlich zu Malaria und Typhus – das Gebiet immer unbewohnbarer machten (Kurowski, 1993). 3.1.3 Schifffahrt Auch die Schifffahrt hat in Mitteleuropa eine sehr lange Tradition und geht gebietsweise bis in die Antike und die vorrömische Metallzeit zurück, so auf dem Rhein, der Mosel und der Donau. Aber auch auf kleineren Flüssen, wie etwa der Weschnitz im nördlichen Oberrheingebiet, deren Unterlauf zu Beginn des 3. Jahrhunderts neu trassiert wurde, etablierte sich die Schifffahrt, um Granitsäulen – die bis zu 30 Tonnen das Stück wogen – vom Odenwald nach Trier zu befördern. Ganz allgemein gilt, dass man nur mit Schiffen und Flößen in der Lage war, schwere Güter, etwa Werksteine und Mühlsteine, aber auch Weinfässer, über längere Strecken zu transportieren. Belege für Schifffahrt gibt es für das gesamte Mittelalter, so für die Eider und die Treene in Schleswig-Holstein, deren Nutzung als Schifffahrtsstraße eng mit dem wichtigen Handelsort Haithabu zusammen hängt (Rohde in Eckoldt, 1998), oder für die Havel, die sich als wasserreicher, gefällearmer Fluss hervorragend als Transportweg nutzen ließ (Uhlemann in Eckoldt, 1998). Die baulichen Eingriffe in die frei fließenden Flussläufe und die Auen waren, so darf angenommen werden, vergleichsweise bescheiden. Diese Aussage trifft jedoch für die Städte mit Hafenanlagen nicht zu. Über lange Zeit waren Treideloder Leinpfade, die man für die Bergfahrt benötigte, die einzige Infrastruktur. Um sie funktionsfähig zu halten, mussten die Ufergehölze und Steine beseitigt werden. Hier und dort wurde sicherlich auch ein Felsen angeschnitten. Wo es nicht zu gefährlich war, hatte man natürliche Schwellen derart gestaltet, dass diese für Schiffe bei Niedrigwasser passierbar waren. Um Mühlen zu umgehen, wurden Kanäle gebaut, so beispielsweise belegt für eine Mühle in Calbe an der Saale für das Jahr 1150 (Uhlemann & Eckoldt in Eckoldt, 1998) oder für die Havel (Uhlemann in Eckoldt, 1998). Auch auf der Oder behinderten gegen Ende des 14. Jahrhunderts sieben Mühlenwehre die Schifffahrt, die nur einen einfachen, schmalen Durchlass in Form einer schiefe Ebene besaßen, über welche die Schiffe bei der Talfahrt hinunter schossen. Bei der Bergfahrt
50
3 Mensch und Fließgewässer
mussten sie mit einer Winde hochgezogen werden (Uhlemann & Eckoldt in Eckoldt, 1998). Ab der frühen Neuzeit mehren sich die Belege, dass in Flüssen zur Hebung der Schifffahrt, aber auch zum Zweck der Abflussbeschleunigung und des lokalen Hochwasserschutzes, einzelne Durchstiche vorgenommen wurden. Am Oberrhein wurde damit im Jahre 1391 begonnen, im 16. und 17. Jahrhundert folgten weitere; am Niederrhein bei Rees gab es den ersten Durchstich um 1677, dem ebenfalls weitere folgten. Großräumigere Eingriffe entlang des Rheins waren über lange Zeit wegen der starken territorialen Zersplitterung nicht möglich. Dies gilt auch für die Elbe, wo im Jahre 1740 eine Flussschlinge bei Lostau wenige Kilometer unterhalb von Magdeburg durchstochen wurde (Rohde in Eckoldt, 1998). Weitere flussbauliche Eingriffe waren erst nach dem Wiener Kongress durchsetzbar. Mit Durchstichen für seegängige Schiffe besser nutzbar gemacht wurde ab dem Ende des 17. Jahrhunderts der Unterlauf der Hunte ab Oldenburg, das zu einem großen Umschlaghafen geworden war (Rohde in Eckoldt, 1998). Wie bereits angedeutet, wurde die Donau vermutlich durchgehend seit der vorrömischen Metallzeit für die Schifffahrt genutzt. Im Spätmittelalter hatte sich Regensburg zur reichen und bedeutenden Handelsmetropole entwickelt, deren Wohlstand unmittelbar von der Schifffahrtsstraße Donau abhängig war. Im Jahre 1303 geschah jedoch ein großes Unglück. Die Donau führte ein gewaltiges Hochwasser und brach oberhalb von Regensburg zur nördlich fließenden Naab durch und umfloss damit die Stadt. Unter der berühmten steinernen Brücke plätscherte noch ein kümmerliches Rinnsal und die Metropole saß auf dem Trockenen. Für die Regensburger war das natürlich völlig inakzeptabel, weil Zolleinnahmen und Stapelrecht dahin gewesen wären. Verbunden mit einem ungeheuren finanziellen Kraftakt wurde deshalb bereits 1304 ein Wehrloch gebaut, mit dessen Hilfe man die Donau in ihren rechten Hauptarm entlang der Stadt zurück zwang (Altbayerische Flusslandschaften, 1998). 3.1.4 Flößerei Der älteste Hinweis auf Flößerei in Mitteleuropa stammt aus der Bronzezeit. Am oberschwäbischen Federsee wurden fünf Meter lange, behauene und mit Bastseilen zusammengebundene Stämme ausgegraben, die wahrscheinlich dem Transport schwerer Lasten über den See dienten. Das Wort „flota“ für Floß ist seit dem frühen Mittelalter in Gebrauch, was ein eindeutiger Hinweis auf die Tätigkeit des Flößens ist (Keweloh, 1985). Die Isarflößerei ist im 7. Jahrhundert erwähnt (Rümelin in Eckoldt 1998). Ab dem 13. Jahrhundert sind schriftliche Quellen über Rheinflöße vorhanden, die möglicher Weise schon dem Ferntransport gedient haben; erwähnt ist eine „massa lignorum, quae vulgariter vocatur vloze“. Auch auf der Enz, einem Zufluss des Neckars, ist die Flößerei seit dem 13. Jahrhundert nachzuweisen, ebenso auf der Murg (Schweinfurth, 1990; Scheifele, 1996).
3.1 Frühe Nutzungen
51
Im Jahre 1342 werden Würm, Nagold, Enz und Neckar auf Bitten der Reichsstadt Heilbronn für „immer und ewiglich“ für die Flößerei geöffnet (Scheifele, 1996). Dabei ging es bei der alten Flößerei wahrscheinlich nicht primär um den Holztransport, sondern um die Oblast, also das, was auf den Flößen mitgeführt wurde, etwa Steine, Weinfässer, Rebpfähle und verarbeitetes Holz. Früher Ferntransport ist sehr wahrscheinlich, etwa von den Oberläufen der Werra und Fulda über die Weser nach Bremen. Man kann generell sagen, dass die Flößerei seit dem Mittelalter, und verstärkt ab dem Spätmittelalter, in weiten Gebieten Mitteleuropas eine sehr große Rolle gespielt hat, mit einem Höhepunkt im 18. und 19. Jahrhundert. Und sie war privilegiert, das heißt, sie hatte Vorrang vor anderen Nutzungen. Auf einigen Flüssen wurde sie erst im 20. Jahrhundert eingestellt. Die großen Holzmengen wurden zum Hausbau, für Rammpfähle, für Siedlungen und Hafenbauten, für Grubenholz und als Energieträger in den Haushalten, Gewerbebetrieben, im Hüttenwesen und in den Salinen gebraucht (Keweloh, 1985). Waren die Flöße im Mittelalter noch vergleichsweise bescheiden dimensioniert, so nahmen sie in der Blütezeit gewaltige Ausmaße an. Ein Enz-Floß konnte eine Länge von 250 bis 280 m erreichen (Scheifele, 1996), die aus Schwarzwaldtannen gebundenen Holländerflöße auf dem Rhein waren um die 400 m lang, bis zu 80 m breit und – da mehrschichtig – bis zu 5 m hoch. Mit ihrer Oblast, den Hütten und Passagieren, glichen sie belebten, schwimmenden Dörfern (Keweloh, 1985).
Bild 3.1 Rheinflößerei um 1600 – Das vorderste Gestör ist der schmalere und leichtere „Vorspitz“. Auf den folgenden Gestören befinden sich Bretter als Oblast; links oben im Hintergrund wahrscheinlich die Reichsstadt Straßburg (aus Scheifele, 1996)
Die „Blütezeit“ der Flößerei bedeutete für die Flüsse und Bäche gravierende bauliche Eingriffe. Zunächst mussten die zahlreichen Mühlenwehre überwunden werden. Dies geschah mit Hilfe von Floßgassen, die eine vorgeschriebene Breite haben mussten und deren Gebrauch gebührenpflichtig war. Deren Unterhaltung lag bei den Wehr- bzw. Mühlenbesitzern (Scheifele,1996). Die Gewässerläufe wurden den Bedürfnissen der Flößerei angepasst. Die Floßstraße musste mindestens so breit wie die Länge der zu flößenden Höl-
52
3 Mensch und Fließgewässer
zer und möglichst geradlinig sein, was erforderlichenfalls durch Abgraben und Durchstoßen von Gewässerkrümmungen erreicht wurde. Dazu kamen das Tieferlegen oder Anheben der Sohle, um die Fließgeschwindigkeit zu vergleichmäßigen, Ufersicherungen mit Steinmauern, Freihalten der Ufer, um sie begehbar zu halten, Entfernung von Felsen, Kies- und Sandbänken, Rechen zum Auffangen der Holzscheite und die Einrichtung von großen, ebenen Plätzen, wo das Holz eingebunden, angelandet und gepoltert werden konnte (Jägerschmid, 1828 – zitiert nach Schweinfurth, 1990). Viele Bäche wurden an den Talrand verlegt. Um die Floßstraße im gewünschten Korsett zu halten, wurden am Ufer Baumstämme „vorgehängt“, Streich- und Leitpfähle, Steinpackungen und Faschinen eingebaut (Scheifele, 1996). Es waren alljährlich wiederkehrende Unterhaltungsarbeiten zu machen; diese fanden meist im Sommer („Baumonat“) statt (Keweloh, 1985). In viele Gewässer mussten, damit die Langholzflößerei, aber auch die Scheiterholztrift überhaupt über längere Zeit des Jahres möglich war, Floßweiher, Wasserstuben, Treibseen, Schwallungen oder Klausen eingebaut werden, aus denen gespeichertes Wasser schwallartig abgelassen werden konnte. Bei der Bemessung der Wasservolumina und der Abwirtschaftung war zu beachten, dass „Vorwasser“ gegeben werden musste, weil die Flöße schneller waren als die fließende Welle (Keweloh, 1985). Die Anzahl derartiger Bauten richtete sich nach der Wasserführung. In der Enz beispielsweise befand sich alle ein bis vier Kilometer ein solches Bauwerk. Allein im württembergischen Enz-Nagold-Gebiet gab es 75 Wasserstuben. Die Standorte wurden sehr sorgfältig ausgewählt. Günstig war eine Engstelle im Tal mit einer oberhalb liegenden Talweitung mit geringem Gefälle. Der Baugrund sollte aus gewachsenem, weitgehend dichtem Fels bestehen, der ggf. behauen und geebnet wurde. Holzkonstruktionen wurden mit Steinen und Lehm gefüllt, mit Lehm und Ton abgedichtet und zum Teil mit Holzdielen verkleidet. Deren Lebensdauer betrug etwa 30 bis 35 Jahre. Die ebenfalls verbreiteten und langlebigeren Steindämme waren als Gewichtsstaumauern konzipiert. Aufgrund des Schwallbetriebs war die hydraulische Belastung der Gewässer, der Ufer und teilweise der Auen extrem, was die oben angeführten Sicherungsarbeiten erforderlich machte. Die verschärfte Form des Schwallbetriebs war der Einsatz von Keutern. Letztere waren Einweg-Bauwerke aus Faschinen, Sand, Lehm und Ton, die vom Schwall zerlegt und mitgerissen wurden (Schweinfurth, 1990). Soweit irgend möglich, wurden auch natürliche Seen als Speicher in die Wasserbewirtschaftung einbezogen und entsprechend ertüchtigt. Mit Hilfe von Stauvorrichtungen und Dämmen wurde zusätzliches Speichervolumen geschaffen und die Seen so weit wie möglich ablassbar gemacht. Die künstlich geschaffenen „Schwellweiher“ hatten zum Teil erhebliche Dimensionen. Der See am Walkersbach im Rems-Murr-Gebiet besaß einen Damm mit 87 m Länge und 8,6 m Höhe; er wurde lediglich zwei bis drei Tage im Jahr genutzt. Auch der Ebnisee, heute ein beliebtes Ausflugsziel mit Bootverleih, hatte einen 8,6 m hohen Damm; sein Inhalt umfasste 460.000 m3, der in fünf bis sechs Tagen
3.1 Frühe Nutzungen
53
abgewirtschaftet wurde. Beide Gewässer waren nur im Spätherbst und Winter bespannt. Die Presceny-Klause in der Steiermark hatte gar ein Speicher volumen von 650.000 m3, das in 3,5 Stunden abgewirtschaftet werden konnte. Im Übrigen waren auch viele natürliche Alpenseen, wie etwa der Königsee und der Wolfgangsee, höher gestaut worden, um Speicherkapazitäten für die Flößerei und Holztrift zu schaffen. 3.1.5 Teiche Teiche sind stehende Gewässer, die mit Blick auf ganz bestimmte ökonomische Nutzungen gebaut wurden, also künstlichen Ursprungs sind. Etliche Teiche dürften als Speicher für Mühlen entstanden, mithin also schon sehr alt sein. Sicherlich wurden manche im Schwellbetrieb bewirtschaftet, d.h. in relativ kurzer Zeit völlig entleert. Die allermeisten Teiche wurden jedoch für die Fischwirtschaft als Hauptnutzung gebaut. In den Mittelgebirgen liegen diese Gewässer im Hauptschluss. Die das Tal querenden Dämme wurden in der Regel aus dem anstehenden Material geschüttet und festgestampft. Große Dämme erhielten zusätzlich eine Steinpflasterung. Zur Ausstattung eines Teiches gehörten ein Grundablass und eine befestigte und mit einem Rechen versehene Dammscharte zur Hochwasserentlastung (Konold, 1991b; Schmidt, 2001). Im Flachland finden sich eher Teichverbände mit einfacheren, niedrigeren Dämmen, die durch eigene Grabensysteme gespeist werden. Fischteiche sind dort am stärksten verbreitet, wo der Fließgewässerreichtum groß und die Geländegestalt günstig waren. In diesen Landschaften konzentrierten sich die Teiche dann außerdem um Adelssitze, Rittergüter, Klöster und Städte. Schwerpunkte der Teichwirtschaft waren und sind zum Beispiel Holstein, die Oberlausitz, das Gebiet um Schleiz in Thüringen, die Oberpfalz, Mittelfranken, der südliche Pfälzerwald und das südliche Oberschwaben. In allen diesen Gebieten tauchen erste schriftliche Hinweise auf wirtschaftlich betriebene Fischerei und existierende und zu bauende Teiche im 13. Jahrhundert auf. Im 14. Jahrhundert erlebte die Teich- und Fischereiwirtschaft einen gewaltigen Aufschwung und eine Blütezeit, die bis ins Ende des 16. Jahrhunderts bzw. Anfang des 17. Jahrhunderts dauerte und in deren Verlauf unzählige Teiche entstanden sind. Ursache hierfür war nicht nur der hohe Fischbedarf für die vielen Fastentage, sondern auch die Tatsache, dass der Fisch ein Luxusgut war, mit dem man Spitzenpreise erzielen konnte. Der Teichbau hatte also ganz profane, ökonomische Hintergründe (Konold, 1987). Am Beispiel der Oberlausitz soll auf die Teichwirtschaft etwas näher eingegangen werden. Hier gab es ab der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts ein regelrechtes „Gründungsfieber“, nachdem auch die Rittergüter in die Teichwirtschaft eingestiegen waren. Um die Mitte des 16. Jahrhunderts gab es um die 1.000 Teiche mit einer Gesamtfläche von mindestens 10.000 ha (Hartstock, 2000). Auffallend ist die häufige Koinzidenz der Teichstätten mit der Stammsilbe des sla-
54
3 Mensch und Fließgewässer
wischen Wortes „Luza“ („Lug, Luksch, Luch, Loch, Lauch ...“), welches Sumpf bedeutet (Schütze, 1956). Man hatte also – zumindest in früheren Zeiten – aus landwirtschaftlicher Sicht minderwertige Böden für die Anlage von Teichen ausgewählt. Spätestens ab dem Ende des 15. Jahrhunderts wurden im Zuge des rigiden herrschaftlichen Bauernlegens und der Aneignung gemeinschaftlichen Eigentums immer mehr Teiche auf Bauernwirtschaften angelegt. Die Teichwirtschaft war über lange Jahre die einträglichste Sparte vieler Rittergüter. Bis ins 18. Jahrhundert gab es einen kontinuierlichen Wertzuwachs (Hartstock, 2000). Um die Produktivität zu maximieren, leitete man gezielt nährstoffreiches Wasser ein. Es solle – so die Qualitätsanforderung – trübe und warm sein. Oberbodeneinschwemmungen waren erwünscht, ebenso „geiles Wasser“ aus Schäfereien, „aus der Leute Hof“ und aus Ortschaften (Härtwig, 1917; Schmidt, 1985). Alle Teiche wurden regelmäßig gesömmert und mit Hafer, Roggen, Gerste, Buchweizen oder Lein eingesät (Schmidt, 1985). In den nasseren Partien wurde Wiesenbau betrieben. Die Teichhutung war wegen des wertvollen Futters weit verbreitet, jedoch mit hohen mechanische Belastungen der Teichböden und vor allem der Ufer verbunden. In längeren Abständen wurde der nährstoffreiche Schlamm entnommen, mit Kalk gemischt und als Dünger verwendet. Die mittelalterliche und frühneuzeitliche Teichwirtschaft war Polykultur und Nachhaltswirtschaft im besten Sinne. 3.1.6 Wässerwiesen und Bewässerungsgräben Die Bewässerungslandwirtschaft war in vielen Regionen Deutschlands bis in die jüngere Vergangenheit weit verbreitet und hat regional die Agrarlandschaft geprägt. Noch in den 1930er-Jahren durchzogen die Lüneburger Heide, die Hunteniederung, das Siegerland, den Pfälzerwald, den Spessart, den Bayerischen Wald, das Erzgebirge, die Oberrheinebene und den Schwarzwald unzählige Kilometer von Kanälen und Gräben die Wiesen (Böhm, 1990). Geht man zeitlich weiter zurück, wird deutlich, dass auch andere Landschaften – soweit dies irgend möglich war – mit Bewässerungsanlagen ausgestattet waren, wie zum Beispiel das gesamte Alpenvorland und die Schwäbische Alb (Konold & Popp, 1994) wie auch in den Alpen das Wallis und Südtirol. Diese Kulturtechnik geht – von antiken Ursprüngen ist auszugehen, was vielfach bei römischen Agrarschriftstellern belegt ist – nachweislich gebietsweise bis ins Hochmittelalter zurück. Im 12. Jahrhundert gab es schon Wässerungsanlagen bei Isny im Allgäu, die eine großflächige Ausdehnung erreichten (Konold, 1991a) ), ebenso im Tal der Etsch oberhalb von Meran und im Oberwallis, wo das Wasser aus den Gletscherregionen über weite Entfernungen in Hanggräben, den Waalen beziehungsweise Wasserfuhren, an das Grünland herangeführt wurde. Festlegungen in Dorfordnungen und Wässerbüchern oder Wässerordnungen lassen Rückschlüsse auf die Kompliziertheit und die extrem hohe
3.1 Frühe Nutzungen
55
Bedeutung der Wässerung zu. Sie diente der Verbesserung des Wasserhaushaltes („wässernde Wässerung“), der Verlängerung der Vegetationszeit durch Winterwässerung, der „Entsäuerung“, der Unkraut- und Schädlingsbekämpfung sowie – und zwar primär – der Düngung der Wiesen. Entsprechend spielten Herkunft und Güte des Wässerwassers von jeher eine große Rolle. Man baute eigene Grabensysteme und kleine Teiche, um nährstoffreiches Wasser von Häusern, Straßen und Stallungen zu sammeln (heute würde man abschätzig Abwasser dazu sagen) und zur Ertragssteigerung auf die Wiesen zu leiten. Die Wiesenwässerung erfuhr im 19. Jahrhundert einen sehr großen Aufschwung und fand in dieser Zeit ihre weiteste Verbreitung. Man wendete, je nach Wasserangebot und Relief, verschiedene Techniken an, etwa die Überstauung, den „natürlichen Hangbau“ oder den „Beethangbau“. Am spektakulärsten war der Rückenbau (s. Konold & Popp, 1994). Beispielhaft sei kurz auf die Bewässerungslandwirtschaft in der Lüneburger Heide eingegangen (Grottian, 2001). Erste urkundliche Hinweise stammen aus dem Jahre 1476. Doch ist die ältere Verbreitung dieser Kulturtechnik nicht bekannt. Sehr viele Unterlagen gibt es ab dem 18. Jahrhundert. Es kamen mehrere Techniken zur Anwendung. Von besonderer Bedeutung war das so genannte Wiesenschwemmen oder Flößen, wo mit Hilfe von Gräben Wasser zum Fuß der Talböschungen geleitet wurde, welches dort mit der Hacke und der Schaufel gelockerte Erde aufnahm, die dann wiederum über den Talboden geschwemmt wurde. Auf diese Weise wurde dieser gedüngt, kolmatiert und nivelliert. Ab den
Bild 3.2 „Plan über die Fürstlich Fürstenbergische Wässerung im Krumbachthale, Rentamtsbezirk Meßkirch“ aus dem Jahre 1851. Der Plan zeigt die Begradigung des Bachs und das Grabensystem des Rückenbaus (Fürstlich Fürstenbergisches Archiv Donaueschingen, Kasten IV, Fach 3, OZ 28)
56
3 Mensch und Fließgewässer
1840er-Jahren setzte man verstärkt auf den aufwändigen, Ertrag steigernden Rückenbau (bis 1844 gab es davon bereits 7.690 Morgen), verbunden mit der Beseitigung noch nicht kultivierter Talabschnitte, der Rodung von Bruchwäldern und dem Ausbau und der Begradigung der Fließgewässer, in die dann Sohlenschwellen eingebaut werden mussten, um die Fließgeschwindigkeit zu bremsen. Voraussetzungen für eine effektive Bewässerung waren immer der Gewässerausbau, Neutrassierung, die Anlage von Wehren und Fallen, Haupt- und Nebengräben sowie Entwässerungsgräben, um die Flächen nicht versumpfen zu lassen (Bild 3.2). In manchen Gebieten, so am Oberrhein, wurden die Fließgewässer vielfach als Hochsysteme angelegt, also zwischen Dämmen über dem Gelände geführt, um genügend Gefälle für die Verrieselung des Wassers zu haben. Wiesenbewässerung bedeutete eine optimale Ausnutzung der Nährstoffressourcen, aber auch massive Eingriffe in die Gewässer und den Landschaftswasserhaushalt. 3.1.7 Flussbau und Hochwasserschutz Wie bereits zu Beginn angesprochen, wusste der Mensch nicht nur das Wasser nutzbar zu machen, sondern er musste sich auch dagegen schützen. Dies geschah bis auf den heutigen Tag mehr oder weniger erfolgreich, weil Eingriffe in die Flussdynamik immer Effekte nach sich ziehen, die gar nicht oder nur schwer abschätzbar sind. Diese Aussage gilt für frühere Zeiten um so mehr. Ein spektakuläres Beispiel soll die „Blauäugigkeit“ des Menschen im Umgang mit der Natur dokumentieren: Die Umleitung des Alpenflusses Kander in der Schweiz (Vischer, 2003). Die Kander mündete ursprünglich – aus dem Berner Oberland kommend, unberechenbar und große Geschiebemassen mit sich führend – unterhalb der Stadt Thun in die Aare. Sie schüttete im Unterlauf ihr eigenes Bett auf und trat häufig über die Ufer; darüber hinaus staute sie mit ihrem Schuttfächer an der Mündung die Aare auf, was bei höheren Abflüssen Thun unter Wasser setzte und den Spiegel des Thunersees ansteigen ließ. Die großflächigen Überflutungsund Sumpfgebiete ließen die Malaria immer mehr zum Problem werden. Bevor die Kander in die Niederung unterhalb des Thunersees eintritt, kommt sie dem See etwa 600 m nahe und wird von ihm nur durch einen etwa 500 m hohen Höhenzug getrennt, den Strättligen-Hügel. Überlegungen, diesen Hügel zu durchstoßen und damit die Kander in den Thunersee zu leiten, um ihn als Geschiebefalle und Hochwasserspeicher zu nutzen, nahmen gegen Ende des 17. Jahrhunderts Gestalt an. Eine auf Wunsch der betroffenen Gemeinden eingesetzte Kommission der Regierung in Bern stand dem Projekt wohlwollend gegenüber. Befürchtungen der Seegemeinden, die Fischerei würde leiden, die Trinkwassernutzung sei gefährdet und vor allem die Abflusskapazität des Seeausflusses der Aare sei dann zu gering und es würden daher Thun und andere Orte unter Wasser gesetzt werden, wurde in weiteren Kommissionsergebnissen
3.1 Frühe Nutzungen
57
verbal berücksichtigt, und zwar dergestalt, dass Mühlenschwellen am Seeausfluss und auch die Mühlen selbst beseitigt werden müssten. Auf der Grundlage eines völlig unausgereiften Plans wurde das Vorhaben des Kanderdurchstichs und einer damit verbundenen Laufverkürzung um 8 km im Jahre 1711 ins Werk gesetzt, bestehend aus einem 340 m langen, 50 m tiefen, extrem steilen und an der Sohle 32 m tiefen Einschnitt durch den Strättligen-Hügel und einer 230 m langen Führung durch ein mit 23 Prozent zum See abfallendes Gelände. Mit Pickeln, Schaufeln und Schubkarren und straff, nämlich militärisch, organisiert, wurde zunächst mit mehreren hundert Arbeitern begonnen, den Hügel abzutragen – unter Leitung des Militäringenieurs Samuel Bodmer. Dieser wurde 1713 von Samuel Jenner abgelöst, der eine bergmännische Durchörterung, also einen Stollen, dem offenen Durchstich vorzog. Im Frühjahr 1714 war der Stollen bereits fertig und bedenkenlos wurde die Umleitung der Kander angeordnet (Bild 3.3).
Bild 3.3 Ausschnitt aus dem Plan von Samuel Bodmer zur Kanderumleitung aus dem Jahre 1710 – Unten in der Mitte sieht man den Durchbruch zum Thunersee (aus Vischer, 2003)
58
3 Mensch und Fließgewässer
Eine heute kaum noch nachvollziehbare Katastrophe nahm ihren Lauf. – Der Stollen weitete und vertiefte sich rasch. Das steile Gelände jenseits des Stollens hielt überhaupt nicht stand, rückschreitende Erosion erreichte bald den Stollen, dessen Decke löste sich und brach ein, so dass der Stollen zur Schlucht wurde, alles begleitet von furchtbarem Dröhnen, von Senkungen, Rissen und Rutschungen. Im August war die Sohle des alten Kander-Laufes trocken. Im Jahre 1716 lag die Sohle der neuen Kander 27 m tiefer als projektiert (heute 40 m!). Der Thunersee erhielt um 60 Prozent höhere Zuflüsse, wodurch – da man im Jahre 1711 die Schwellen am Auslauf in Thun nicht entfernt hatte – weite Bereiche der Ufer und auch Teile der Stadt immer wieder überflutet wurden. Im Jahre 1716 kaufte die Regierung in Bern die Mühlen in Thun und ließ die Schwellen abreißen. Die Folge war eine enorme Seitenerosion, was zum Einsturz einer Brücke und einiger Häuser führte. Erst mit der Erweiterung des Stadtgrabens und damit der Erhöhung der Abflussleistung durch die Stadt, dem Einbau von Regulierwehren an der Stelle der früheren Schwellen sowie einem Ausbau der Aare unterhalb von Thun konnten die Probleme, die durch katastrophale Fehleinschätzungen, aber auch mangelnde Erfahrung mit großen Flussbauten ausgelöst worden waren, sukzessive in den Griff bekommen werden. Noch ein weiterer Blick sei geworfen auf ältere flussbauliche Bemühungen, welche sich vervielfältigen ließen und zeigen, dass der Flussbau bis gegen Ende des 18. Jahrhunderts nicht in größeren Zusammenhängen stattfand, sondern dass man punktuelle Problemlösungen suchte und sich der Wasserbau insgesamt auf Versuch und Irrtum sowie handwerkliche Erfahrung stützte. Zur Wissenschaft wurde er noch lange nicht, doch profitierte er im Zuge der Aufklärung von den allgemeinen Fortschritten in Naturwissenschaft und Technik. Von sehr großer Bedeutung war die territoriale Neuordnung weiter Gebiete des alten Reiches und eine sukzessive Einführung von Baubehörden, wie beispielsweise in Bayern die Institutionalisierung des Wasser- und Straßenbaus in einer Behörde und das Mandat des Kurfürsten Karl Theodor zur Systematisierung und Vereinheitlichung des Wasserbaus im Jahre 1790. Zuvor hatten die betroffenen Flussanlieger meist nur im eigenen Interesse und zum Schaden der unterliegenden Nachbarn gehandelt. Gründe für Eingriffe in die Flussläufe waren unerwünschte Bettaufhöhungen und Engstellen, die zu Ausuferungen führten, „unordentliche“ Verläufe, Krümmungen, Aufspaltungen, Inseln, Sediment- und Geschiebeeinträge aus Zuflüssen, ungleich hohe Ufer und die Sicherung von Bauwerken wie Brücken und Wehren sowie den Schutz von Siedlungen (Leidel, 1998). An vielen Stellen des Donau-Verlaufes beispielsweise befanden sich Bauten, deren Unterhaltung und Reparatur über Jahrhunderte enorme Summen verschlangen. Leitwerke und Dämme schlossen Seitenarme und Furkationsrinnen ab, die allmählich verlandeten. Buhnenartige Gebilde engten den Stromstrich ein und sollten zur Eintiefung des Flussbettes führen (Bild 3.4). Von der technischen Ausführung her handelte es sich bei den Bauten um verschiedene Variationen von tief verankerten Holzkästen, die mit Steinen gefüllt und mit Faschinen und lehmigem Kies abgedichtet waren (Kränkl 1994 – s. auch Bild 3.5).
Bild 3.4 Die Donau und ihre Aue bei Joshofen um 1611. Zu erkennen sind Längsbauwerke (Parallelwerke) die Furkationsrinnen abschließen sowie Buhnen, welche die Strömungsrichtung beeinflussen sollen (aus Altbayerische Flusslandschaften, 1998)
Bild 3.5 Der Inn bei Attel im März 1665. Blick auf das Benediktinerkloster Attel. Anlass für den Plan war die Dokumentation des teilweise sehr schlechten Zustands der Ufersicherungen, die Bildung einer großen Kieshalbinsel, die den Stromstrich massiv veränderte und zu starken Uferanbrüche und Auskolkungen geführt hatte, wodurch das Kloster bedroht sei. Sehr gut kann man die mit Steinen gefüllten Holzkästen zur Uferbefestigung erkennen (aus Altbayerische Flusslandschaften, 1998)
60
3 Mensch und Fließgewässer
3.1.8 Brandenburg, Land der Wasserkultur Das Land Brandenburg ist von den Eiszeiten geprägt und hat eine junge Landoberfläche mit nur wenig Relief. Es ist arm an Niederschlägen, jedoch reich an Mooren, Seen, Bächen und Flüssen. Für das Gebiet zwischen Elbe und Weichsel ist für die Bronze- und frühe Eisenzeit eine hohe Bevölkerungsdichte nachweisbar. Dies kann nur mit einer hoch entwickelten Landwirtschaft erklärt werden, und zwar auch in den von Natur aus moorigen, sumpfigen Niederungen. Belegbar ist dies mit der Lage und Verbreitung der Siedlungsplätze. Der Mensch hat dort wohl stark zu seinen Gunsten in die Landschaft eingegriffen und Bewässerungslandwirtschaft betrieben. Dies gilt möglicher Weise auch für das Gebiet des Spreewalds, dessen Bruchwälder erst entstanden sein könnten nach dem Zusammenbruch eines ausgefeilten Wasserwirtschaftssystems, zu dem auch die Umleitung der Spree gehört hatte (Goldmann, 1982a). Ob es auch in slawischer Zeit im 10. Jahrhundert Be- und Entwässerungssysteme gegeben hat (Goldmann, 1982b), sei dahin gestellt, sicher ist, dass die Wasserhaushaltsverhältnisse spätestens mit der deutschen Ostkolonisation unter den Askaniern ab der Mitte des 12. Jahrhunderts wiederum massiv beeinflusst wurden. Es wurden etliche Klöster gegründet, die sich – insbesondere die Zisterzienser – wasserbaulich besonders hervortaten. Die Eingriffe in die Gewässer und den gesamten Wasserhaushalt hatten in Brandenburg die gleichen Gründe wie überall: Energiegewinnung, Verteidigung, Hochwasserschutz, Schifffahrt, Flößerei, Entwässerung und Landgewinnung. Doch waren dort die Auswirkungen in der Fläche ungleich größer wegen des wenig ausgeprägten Reliefs und des zumindest gebietsweise großen Reichtums speziell an stehenden Gewässern (Driescher, 1996). Voraussetzung für die wirtschaftliche Entwicklung des kolonisierten Landes war der Bau von Mühlen, die im 13. und 14. Jahrhundert in großer Zahl gebaut wurden. Etliche davon entstanden an Seeausläufen, was zu erheblichen Seespiegelanhebungen und Flächenvergrößerungen führte. Mühlenwehre in gefällearmen Tälern und Schmelzwasserrinnen hatten enorme Rückstauwirkungen, was wiederum einen Anstieg des Grundwasserspiegels und teilweise auch Versumpfungen zur Folge hatte. Viele ältere slawische Siedlungsplätze gerieten unter Wasser. Es ist zu vermuten, dass Mühlenstaue die Versumpfung und die Vermoorung des Havelländischen Luchs (s.u.) und des Rhinluchs gefördert haben. An vielen Gewässern reihte sich Mühle an Mühle, so etwa an der Schlaube und der unteren Havel, und dies bei minimalem Gefälle. Da alle Mühlen bestrebt waren, eine maximale Höhendifferenz zwischen Ober- und Unterwasser zu haben, kam es zu immer höheren Aufstauen. Oft war dies nichts weiter als eine Reaktion auf die Stauerhöhung des stromabwärts liegenden Müllers. Manche abflusslosen Seen wurden mit Hilfe von Gräben angezapft, so dass sich der Seespiegel absenkte. Hierdurch vergrößerten sich manche Einzugsgebiete, beispielsweise das der Ucker, dem wohl bereits im 13. Jahrhundert über
3.1 Frühe Nutzungen
61
einen Mühlgraben des Klosters Boitzenburg die Boitzenburger Seen zugeschlagen wurden. Auch der bekannte Parsteiner See, der im Jahre 1258 in den Besitz des Zisterzienserklosters Chorin gelangte, erhielt einen künstlichen Abfluss, den Nettelgraben, der die Fischteiche und die Mühlen des Klosters mit Wasser versorgte. Einige Seen verschwanden völlig, weil sie mit Gräben angezapft und abgelassen wurden, so beispielsweise geschehen westlich von Schwedt in den 1780er-Jahren. Zahlreiche Bäche und Flüsse begradigte und richtete man als Wasserstraßen her und unterhielt sie auch in dieser Funktion. Manche Flussaufspaltung wurde abgetrennt und trockengelegt, um den Wasserabfluss zu konzentrieren. Vielfach kann heute nicht mehr sicher unterschieden werden, ob man ein natürliches oder ein künstliches Gewässer vor sich hat, da schon sehr früh neue Gewässer gegraben wurden, in denen sich längst ein neues dynamisches Gleichgewicht eingestellt hat. Doch nicht genug mit diesen gravierenden Eingriffen. Ab dem Beginn des 18. Jahrhunderts ging man daran, die großen, feuchten Niederungsmoore, zu deren Entstehen der Mensch möglicherweise beigetragen hat, zu entwässern und zu kultivieren, so auch das Havelländische Luch, welches hier als Beispiel für weite Niederungen steht (Kalweit, 1998). Das Luch war kaum nutzbar und häufigen Überschwemmungen ausgesetzt. Mensch und Vieh litten unter Insektenplagen. Im Jahre 1714 setzte König Friedrich Wilhelm I eine Kommission ein, die eine Machbarkeitsstudie zur Melioration erarbeiten sollte. Nach einigen Verzögerungen wurde 1718 mit dem Werk begonnen, auch wenn etliche betroffene Bauern befürchteten, der Graswuchs und damit auch die Viehzucht werde nicht mehr so gut (!) sein wie ehedem. Im Jahre 1719 kamen 1.000 Arbeiter und 800 Soldaten zum Einsatz. Bis zum Jahre 1725 wurden der 73 Kilometer lange Große Havelländische Hauptkanal für Schifffahrt und Bewässerung nutzbar und der 35 Kilometer lange Kleine Hauptkanal sowie Nebengräben, Stauvorrichtungen, Wege und Brücken gebaut. Insgesamt entstanden 520 Kilometer Kanäle und Gräben. In der Folge stieg die Produktivität der landwirtschaftlichen Flächen stark an. Es setzte allerdings auch Torfsackung und -mineralisation ein, die man heute durch Vernässung zu minimieren versucht. Man kann also mit Fug und Recht behaupten, dass der Wasserhaushalt von Brandenburg, ganz abgesehen von den nicht erwähnten zahlreichen Kanälen, nachhaltig manipuliert wurde, jeweils aus zeitgenössischen Bedürfnissen heraus und mit unterschiedlichem Erfolg und unterschiedlichen Nachwirkungen. 3.1.9 Kulturtechnik contra Natur? An verschiedenen Beispielen wurde dargestellt, wie lange schon und wie stark der Mensch auch auf großen Flächen wasserbaulich in die Landschaften eingegriffen und diese nachhaltig verändert hat und dabei – aus heutiger Sicht –
62
3 Mensch und Fließgewässer
vieles zerstört, aber auch Werte, Lebensräume und sehenswerte Reize geschaffen hat. Alle Produkte der Eingriffe sind ein Stück Wirtschaftsleistung, Zeugen menschlicher Arbeit und Kultur, aber sie haben durchaus auch natürliche Züge und Eigenschaften angenommen, insbesondere offensichtlich bei den Teichen und künstlich gezogenen alten Bächen. Dennoch entziehen sie sich eigentlich einem Natürlichkeitsmaßstab, weil sie rein künstlichen Ursprunges und meist nur durch Pflege und Nutzung zu erhalten sind. Auf der anderen Seite gibt es ungezählte Strecken von ehemals natürlichen Fließgewässern, die – etwa aus den Zeiten der Flößerei – von einer trocken gesetzten Mauer begleitet werden oder in denen sich noch technische Einrichtungen der Bewässerung oder Floßgassen befinden. Hier hat die Natur technische, kulturelle Züge angenommen. Soll man sie um eines puristischen Natürlichkeitsdiktats willen entfernen? – Was hat Vorrang? – Die technische Einrichtung als Spiegelbild einer bestimmten Zeit, ein hohes Maß an Natürlichkeit, die ökologische Funktionsfähigkeit, die Schönheit einer wasserbaulichen Anlage oder der Natur? – Doch müssen wir überhaupt „entweder oder“ entscheiden? – Nein, wir müssen es nicht. Aus den in diesem Kapitel behandelten Zeiten sind nicht mehr viele Überbleibsel vorhanden. Deshalb sollten wir die wasserbaulichen Elemente und Relikte einfach belassen, integrieren und als Kulturlandschaftselemente pflegen. 3.2
Heutige Nutzungen Dieser Abschnitt könnte auch mit dem Titel: „Was wurde in und an Fließgewässern und Auen bei steigenden technischen Möglichkeiten im großen Stil verändert?“ überschrieben werden. Es sollen also Veränderungen benannt werden, die im Zeitalter zunehmender Industrialisierung und gestiegener technischer Möglichkeiten realisiert worden sind. Dass der Mensch die Fließgewässer- und Auen nutzungsorientiert gestaltet und damit in die natürlichen Prozesse eingegriffen hat, lässt sich an anhand vieler Beispiele belegen. Unterschiedlich fällt jedoch in den meisten Fällen die Bewertung der Veränderungen aus; beispielsweise die Antwort auf die Frage, ob nicht die Vorteile einer Nutzung, die damit verbundenen Nachteile rechtfertigen. Die allgemeine wirtschaftliche und gesellschaftliche Situation hat auf die Antwort mit Sicherheit großen Einfluss. Beispielhaft soll hier nur an den Ausbau der Gewässer im Ruhrgebiet erinnert werden. Bergbau und Industrie im „Revier“ waren in den Zeiten der Industrialisierung, und nach den beiden Weltkriegen, Garant und Kennzeichen des deutschen Wirtschaftswunders. Dem gegenüber wurde die Trockenlegung des sumpfigen Untergrundes, der Ausbau der Gräben zu offenen Abwasserkanälen und die Sicherstellung der Vorflut mittels Pumpwerken u.a. als kleineres, unvermeidbares, Übel in Kauf genommen. Damals haben nur wenige Umweltschutzgedanken gepflegt und auf die Auswirkungen einer ausschließlich gebrauchsorientierten Gewässerbenutzung hingewiesen (Bild 3.6).
3.2 Heutige Nutzungen
63
Bild 3.6 Die kanalisierte Emscher bei Oberhausen. Der Bergbau im Ruhrgebiet brachte es mit sich, dass eine künstliche Fließgewässerlandschaft geschaffen wurde. Das gesamte Abflussgeschehen wurde der wirtschaftlichen Entwicklung untergeordnet. Der Mensch muss heute ständig steuernd eingreifen, um dieses System in Gang zu halten (Foto: Emschergenossenschaft)
Es würde den Rahmen dieses Buches sprengen, wenn alle denkbaren Benutzungen von Fließgewässer und Aue, inklusive aller denkbaren Interaktionen, im Detail beschrieben würden. Dargestellt werden daher nur häufig vorkommende gebrauchsbedingte Einflussnahmen und einige bedeutsame Nutzungen. Da „Belastungen“ auftreten können, aber nicht zwangsläufig auftreten müssen, und eine Nutzung in der Regel auch Vorteile mit sich bringt, ist eine „wertfreie“ Darstellung gewählt worden. Bewertungen, wie „gut“ oder „schlecht“ o.ä., galt es daher zu vermeiden. Das Abwägen zwischen Vor- und Nachteilen einer geplanten oder vorhandenen Benutzung ist Bestandteil der Planung (Kap. 6). Dass bei den Entscheidungsprozessen u.a. privatwirtschaftliche und politische Interessen einen breiten Spielraum einnehmen, ist eine Spielregel der Demokratie. Beschrieben werden u.a. die Inanspruchnahme der gewässernahen Flächen sowie die Veränderungen durch Abflussregulierungen (Wasserentnahmen, -einleitungen, Wasserspeicherung) und wasserbauliche Maßnahmen (u.a. Hochwasserschutz und Fließgewässerunterhaltung). Als bedeutsame Nutzungen werden Wasserbewirtschaftung, Schifffahrt, Wasserkraftnutzung, Landwirtschaft und Siedlungswasserwirtschaft gesondert beschrieben.
64
3 Mensch und Fließgewässer
3.2.1 Inanspruchnahme von gewässernahen Flächen Die Vorteile des Standorts bzw. der Umstand, dass häufig nur dort noch freie Flächen verfügbar sind, haben in der Vergangenheit häufig dazu geführt, dass in den gewässernahen Bereichen (i.d.R. die Auen) verstärkt Straßen- und Eisenbahntrassen gebaut sowie Bereiche für Ansiedlungen und Infrastruktureinrichtungen und Siedlungen erschlossen worden sind. Eine weitere äußerst bedeutsame Benutzung der gewässernahen Bereiche und Auen umfasst den Hochwasserschutz. Durch den Bau von Deichen, Mauern u.a. werden die natürlichen Überschwemmungsgebiete vom Fließgewässer abgeschnitten und stehen damit für den Hochwasserrückhalt nicht mehr zur Verfügung. Straßen- und Eisenbahntrassen Die Topographie und die moderaten Gefälleverhältnisse in den Flusstälern waren für den Bau von Straßen- und Eisenbahntrassen von großem Vorteil. Während heutzutage Autobahnen und Schnellbahntrassen die Metropolen auf möglichst kurzen (d.h. geraden) Wegen verbinden und dazwischen liegende Flusstäler mit Hilfe von monumentalen Talbrücken gequert werden, war über lange Jahre die Trassenführung entlang der Fließgewässer die günstigste Variante. Da alle wichtigen Städte an Flüssen liegen, wurden diese gleichzeitig für den zunehmenden Reiseverkehr erschlossen. Die Platzverhältnisse in den Flusstälern und die Nähe zum Fließgewässer sind aber auch mit besonderen Herausforderungen verbunden. Die gewundene Linienführung macht es beispielsweise erforderlich, dass sich Straßen und Schienen dem Verlauf des Fließgewässers anpassen müssen, diesen ggf. aber auch kreuzen oder, insbesondere an Engstellen, dicht am Ufer entlang verlaufen (Bild 3.7). Durch die Nähe zum Gewässer werden ggf. Schutzmaßnahmen erforderlich, wie zum Beispiel: • Schutz der Widerlager von Brücken, Schutz von Gebäudefundamenten vor Erosion (u.a. Reduzierung der Kolkbildung) • Befestigung der Straßen- und Eisenbahntrassen zum Schutz vor Unterspülungen (u.a. Sicherung der Böschungen) • Schutz der Trassen vor Überflutungen (z.B. durch den Bau in Dammlage) Derartige Maßnahmen bedeuten für das betroffene Fließgewässer eine Einschränkung der natürlichen Entwicklungsmöglichkeiten. Mitunter werden in diesem Zusammenhang die vielen kleinen Nebengewässer (Bäche) vergessen, die von den am Hauptgewässer entlang verlaufenden Verkehrsachsen gequert werden. Die dort erforderlichen Kreuzungsbauwerke werden sowohl von den Abflüssen des Hauptgewässers als auch von denjenigen des Nebengewässers beaufschlagt und sind daher meistens sehr massiv ausgebildet (Bild 3.8). Von einer derartigen Fixierung des Gewässerverlaufes ist nicht nur
3.2 Heutige Nutzungen
65
Bild 3.7 Eisenbahn- und Straßentrassen in gewässernahen Bereichen schränken die Entwicklungsmöglichkeiten der Fließgewässer ein (Grafik: Ingenieurbüro Umwelt Institut Höxter; verändert nach ARGE Weser – 1996)
die Linienführung (Laufform), sondern auch die Höhenlage der Gewässersohle betroffen. In den letzten Jahren ist es in derartig gestalteten Mündungsbereichen bei Hochwasser vielfach zu extremen Überschwemmungen gekommen. Oft war dies nicht nur auf den erhöhten Abfluss zurückzuführen, sondern insbesondere auf die Verlegung (Verklausung) der im Mündungsbereich befindlichen Durchlässe, Verrohrungen o.ä. mit Sträuchern, Bäumen oder Feststoffen. Die bis dicht an das Gewässer heranreichende Bebauung erschwert häufig die Umgestaltung derartiger Problempunkte. Als einzige Lösung verbleibt oft nur der weitere Ausbau, um zukünftig Schäden zu vermeiden (Bild 3.8). Siedlungs- und Gewerbegebiete Die ständig wachsende Bevölkerung und der damit verbundene Bedarf an wirtschaftlich nutzbaren Flächen, hat dazu geführt, dass in den gewässernahen Bereichen in großem Umfang Areale für Siedlungen, Gewerbe- und Industrieansiedlungen sowie Infrastruktureinrichtungen ausgewiesen worden sind. Dort wo die gewässernahen Areale genutzt werden und die Gefahr einer Über-
66
3 Mensch und Fließgewässer
Bild 3.8 Der Mündungsbereich kleiner Seitengewässer ist oft sehr stark ausgebaut, um kreuzende Straßen vor hohen Abflüssen aus den Nebengewässern zu schützen (Foto: Ingenieurbüro Umwelt Institut Höxter)
schwemmung besteht, soll der technische Hochwasserschutz (u.a. Schutzdeiche, Schutzmauern) das Risiko von Hochwasserschäden reduzieren (Bild 3.9). Bei bedeutsamen Nutzungen und bei hohen Schadenrisiken (z.B. U-Bahn Schächte in urbanen Bereichen) ist der Hochwasserschutz häufig auf sehr große Abflüsse (Hochwasserjährlichkeiten) ausgelegt. Wenn dann die Abflüsse in Niedrigwasserzeiten gering sind, erscheint der Ausbau besonders naturfern (Bild 3.10). Dort wo landwirtschaftlich genutzte Bereiche vor Hochwasser geschützt werden bzw. Bereiche durch Straßen- und Eisenbahndämme vom Fließgewässer abgeschnitten werden, fügen sich die Schutzmaßnahmen meist gut in das Landschaftsbild ein. Die Auswirkungen sind aber ähnlich. Die natürlichen Überschwemmungsgebiete sind von der Überflutungsdynamik des Fließgewässers abgeschnitten und stehen dem Wasserrückhalt nicht mehr zur Verfügung (Bild 3.11). 3.2.2 Wasserwirtschaft und Wasserbau Jede Benutzung von Fließgewässer und Aue ist mit einem mehr oder weniger weitreichenden Eingriff in die natürlichen Entwicklungsprozesse verbunden, sei es in quantitativer, qualitativer oder struktureller Hinsicht. Oft werden alle genannten Komplexe gleichzeitig berührt. In diesem Abschnitt werden
3.2 Heutige Nutzungen
67
Bild 3.9 Siedlungen und Industriegebiete sind in gewässernahen Bereichen von Hochwasser bedroht. Sind die Nutzungen einmal vorhanden, müssen sie oft mit großen Aufwand geschützt werden (Foto: H. Patt)
Bild 3.10 Schnellbahntrasse und Gewässer teilen sich das Gewässerbett. Eine massive Betonmauer – in Bildmitte – trennt die beiden Bereiche voneinander. Das Abflussprofil (rechts) ist auf hohe Abflüsse ausgelegt und bietet insbesondere in Niedrigwasserzeiten ein trostloses Bild (Foto: H. Patt)
68
3 Mensch und Fließgewässer
Bild 3.11 Die Dämme von Straßen trennen häufig die natürlichen Überschwemmungsgebiete vom Fließgewässer ab. Oft werden die dabei „gewonnenen“ Flächen zunächst landwirtschaftlich genutzt. Auch wenn diese Bereiche über das Grundwasser mit dem Fließgewässer in Verbindung stehen, stehen die Flächen für den oberflächigen Hochwasserrückhalt nicht mehr zur Verfügung. Das Überschwemmungsrisiko für die Unterlieger wird größer (Foto: Heli-Color, Bonn)
zunächst unter der Bezeichnung „Abflussregulierung“ quantitative (wassermengenwirtschaftliche) Einflussnahmen beschrieben. Dazu gehören Wasserentnahmen und -einleitungen sowie die Speicherung von Wasser. Es folgen unter den Begriffen „Gewässerausbau, Hochwasserschutz“ die wasserbaulichen (flussbaulichen) Gestaltungen. Zu berücksichtigen wäre in diesem Kapitel auch die Fließgewässerunterhaltung. Weil sie jedoch in besonderem Maße die Lebensräume und Lebensgemeinschaften beeinflusst, finden sich die entsprechenden Hinweise in Kapitel 3.3.4. Abflussregulierung Wasserentnahmen und -einleitungen sowie die Speicherung von Wasser sind gebrauchsbedingte Einflussnahmen, die Grundvoraussetzungen für eine Nutzung sein können oder zu deren Optimierung erforderlich sind. Wasserentnahmen entziehen einem Fließgewässer bzw. Gewässerabschnitt Wasser und reduzieren damit den Abfluss flussabwärts der Entnahmestelle. Wasserentnahmen dienen u.a. der Trinkwasserversorgung, der Wasserversorgung der Industrie, der Wasserversorgung von Wasserstraßen (Kanälen) und der Erzeugung von Strom in Wasserkraftanlagen (Ausleitungskraftwer-
3.2 Heutige Nutzungen
69
ke). Aber auch die zeitweise Speicherung (Zwischenspeicherung) von Wasser in Talsperren, Poldern oder anderen Rückhalteeinrichtungen entzieht dem Fließgewässer Abfluss und beeinflusst auf diese Weise das Abflussgeschehen (ATVDVWK, 2001b). Entsprechendes gilt auch für die Entnahme von unterirdischem Wasser (Grundwasserentnahmen). Dadurch verändern sich u.a. die Grundwasserspiegelhöhen und, zumindest lokal an den Entnahmestellen (Brunnen), auch die Richtung der Grundwasserströmung. Aber auch unnatürlich hohe Wassereinleitungen können in den betroffenen Gewässerstrecken zu Veränderungen führen. So sind zum Beispiel plötzliche Einleitungen von Oberflächenwasser (u.a. nach dem Anspringen eines Regenüberlaufes) stets problematisch, da dadurch die Strömungsgeschwindigkeiten im Zulaufbereich abrupt ansteigen. Die hohen Geschwindigkeiten fördern nicht nur die Erosion, sondern sind u.a. auch verantwortlich für die erhöhte Abdrift von Organismen. Durch den Einsatz von Speichern (u.a. Talsperren) wird eine bedarfs- oder sicherheitsorientierte Steuerung der Abflüsse möglich. Die Wasserspeicherung dient sowohl der Sicherstellung ausreichender Wasserreserven über längere Bewirtschaftungszeiträume (u.a. für die Trinkwassergewinnung und die landwirtschaftliche Bewässerung) als auch der Bereitstellung von Wasser in Niedrigwasserzeiten (z.B. in Trockenperioden). Auch dient die Bereitstellung von ausreichendem Speichervolumen (z.B. in Talsperren und Rückhalteräumen) der Zwischenspeicherung von Wasser aus Gründen des Hochwasserschutzes. Für die Unterlieger wird auf diese Weise der Hochwasserschutz verbessert. Stauanlagen (Staudämme oder Staumauern) und deren Nebenanlagen (u.a. Wasserentnahmeeinrichtungen, Hochwasserentlastungsanlagen, Betriebsgebäude) prägen aufgrund ihrer Abmessungen eine Fließgewässerlandschaft in großem Ausmaß (Bild 3.12). Zudem sind erhebliche Aufstandsflächen für das Bauwerk und die Nebenanlagen erforderlich. Sie bilden für Feststoffe und Wasserorganismen ein Hindernis; die Durchgängigkeit geht ohne entsprechende Gegenmaßnahmen (z.B. Geschiebebewirtschaftung – ggf. Stauraumspülungen, Fischwanderhilfen) vollständig verloren. In den Stauräumen wird die Fließgeschwindigkeit derart stark reduziert, dass das Strömungsmuster eines vormals freifließenden Gewässers vollständig verloren geht. Wenn betriebsbedingte Steuerungsmaßnahmen (u.a. schnelles Absenken und Steigen der Wasserspiegel in Speicher, Stauraumspülungen, Fischbesatz) deren Entwicklung nicht andauernd stören würden, würden sich die typischen Entwicklungsprozesse eines stehenden Gewässers einstellen. Gewässerausbau Flussbauliche Maßnahmen (Gewässerausbau) und der Bau entsprechender Betriebs- und Kontrolleinrichtungen sind u.a. Voraussetzung für: • Wasserversorgung (u.a. Sicherstellung der Trinkwasserversorgung, Bereitstellung von Wasser für die Industrie)
70
3 Mensch und Fließgewässer
Bild 3.12 Typische Symbole der Bewirtschaftung von Wasser (Wassermengenwirtschaft) sind Talsperren (Foto: Ruhrverband)
• Güter- und Personentransport auf dem Wasser (u.a. Wasserstraßen und Kanäle, Verbesserung der Bedingungen für die Schifffahrt), • Ressourcenschonende Stromerzeugung in Wasserkraftanlagen (u.a. Bau und Betrieb der Kraftwerksanlagen) • Landwirtschaftliche Nutzung (u.a. Be- und Entwässerungsmaßnahmen, Meliorationen) • Sicherung von baulichen Anlagen in und am Gewässerbett (z.B. Brückenpfeiler, Versorgungsleitungen, Auslassbauwerke von Kläranlagen, Entnahmebauwerke) • Freizeit, Erholung und Sport (u.a. Infrastruktureinrichtungen, Wander- und Radwege, Einsetzstellen für Boote) • Hochwasserschutz (u.a. Bau von Hochwasserschutzdeichen, -mauern, Poldern, Rückhaltebauwerken) • Nassabbau von Kies in der Gewässeraue Diese Aufzählung ist mit Sicherheit nicht vollständig, deckt jedoch die bedeutsamsten Benutzungen ab. Ausbaumethoden In Abhängigkeit von den lokalen Verhältnissen und von der Nutzung sind an den Fließgewässern unterschiedliche Ausbauvarianten anzutreffen. Häufig fügen sich die Gewässerausbauten (z.B. Böschungssicherungen, Buhnen) nahtlos in
3.2 Heutige Nutzungen
71
eine Landschaft ein (Bild 3.13a). Andere Ausbauten müssen wiederum situationsbedingt massiver gestaltet werden (Bild 3.13b). Sobald sich Nutzungen in der Nähe eines Gewässers konzentrieren und daher mit erheblichen Schadensrisiken bei Hochwasser zu rechnen ist, steigt der Anteil an Beton an und im Gewässerbett (Bild 3.13c). Im Falle eines konventionellen Ausbaus wird der Gewässerverlauf weitgehend festgelegt. Ein sehr extremes Beispiel für einen derartigen Ausbau zeigt Bild 3.13c. Im naturnahen Wasserbau (u.a. Patt et al., 2004; Schiechtl & Stern, 2002) werden u.a. naturraumtypische Baustoffe verwendet und eine eigendynamische Ausformung der Laufentwicklung (Linienführung, Längsschnitt, Querschnitte, Gewässerbettstrukturen), wenn auch oft nur in kleinem Rahmen, ermöglicht. Die Übergänge zwischen einem konventionellen Ausbau und einem naturnahen Ausbau sind fließend (s. auch Bild 3.13a und b). Nicht jede „naturnahe Methode“ führt zwangsläufig zu einer naturnahen Laufentwicklung. Welche Ausbaumethode letztlich umgesetzt wird, hängt in besonderem Maße von den örtlichen Gegebenheiten ab. Befinden sich Nutzungen in Gewässernähe sind sicherheitsorientierte Überlegungen, wie beispielsweise die Standsicherheit von Bauwerken, die Sicherung von Böschungen und die Vermeidung von Überschwemmungen, bei der Auswahl maßgebend. Technischer Hochwasserschutz Hochwasser sind ebenso wie Niedrigwasser Naturereignisse und eine Voraussetzung für viele Entwicklungsprozesse im Naturhaushalt von Fließgewässer und Aue. Es ist eine wichtige Aufgabe des Wasserbaus, gewässernahe Siedlungen, Gewerbegebiete, Infrastrukturanlagen u.a. vor Hochwasser zu schützen (u.a. Patt, 2001a; Patt & Burkart, 2003a). Durch den baulichen (technischen) Hochwasserschutz wurden in der Vergangenheit bedeutsame Entwicklungsflächen – vor allen Dingen die natürlichen Überschwemmungsgebiete (u.a. Auenflächen) – vom Fließgewässer abtrennt, um diese Areale nutzen zu können. Viele dieser Areale sind heute mit Siedlungen, Infrastruktureinrichtungen u.a. bebaut und werden den Fließgewässern wohl niemals mehr zur Verfügung stehen (Bild 3.14a). Die Einengung des Fließgewässers durch Hochwasserschutzanlagen führt u.a. zu einer Reduzierung des Abflussquerschnittes und in der Folge zu Erhöhung der Fließgeschwindigkeiten und der Sohlenschubspannungen. Werden bestimmte Grenzwerte (Grenzschubspannungen) überschritten, kommt es zu Erosionen, d.h. u.a. zu einer Eintiefung der Gewässersohle. Außerhalb unserer Städte ist der Spielraum für Entwicklungen meist ungleich größer (Bild 3.14b). In innerstädtischen Bereichen, wo die Bebauung oft nahe an die Gewässerberandungen heranreicht, können lokale Erosionen (Kolke) zu einer Zerstörung der Gewässerberandungen durch Unterspülung führen, mit der Folge, dass dort befindliche Gebäude erheblichen Schaden nehmen und ggf. sogar einstürzen. Um derartige Schäden zu verhindern, sind die Gewässerprofile oft ausgebaut worden.
72
3 Mensch und Fließgewässer
a
b
c Bild 3.13 Nutzungsbedingter Ausbau der Fließgewässer – Je weniger Platz dem Fließgewässer zugestanden wird, desto massiver werden die Ausbaumethoden (Fotos: H. Patt) a. Die Ausbaumaßnahmen in Form von Steinbuhnen sind auf den ersten Blick nur für den Fachmann erkennbar b. Ein Ansteigen der Strömungskräfte und der Schutz von der gewässernahen Nutzungen führen zu einer massiveren Sicherung (hier im Ufersaum versteckt) der Böschungen c. Die Nähe der Nutzungen erfordert ein leistungsfähiges Gerinne, dessen Berandungen erheblichen hydraulischen Belastungen standhalten müssen. Die Naturnähe ist allerdings auf der Strecke geblieben
3.2 Heutige Nutzungen
73
a
b Bild 3.14 Hochwasserschutz dient der Reduzierung von Schäden (Fotos: H. Patt) a. In urbanen Bereichen werden erhebliche Sachwerte geschützt, die sich im Laufe der Zeit in den gewässernahen Bereichen angesammelt haben. Die Platzverhältnisse und die Bauausführung lassen dem Fließgewässer keinen Entwicklungsspielraum b. In ländlichen Bereichen sind die Schutzdeiche oft derart gestaltet, dass sie sich in das Landschaftsbild einfügen. Die natürlichen Überschwemmungsflächen werden aber auch hier vom Gewässer abgeschnitten. Die Potenziale das Fließgewässer „naturnäher“ zu entwickeln, sind jedoch oft vorhanden
Über viele Jahre war die entscheidende Frage, wie viel Entwicklungsspielraum der Mensch den Fließgewässern zugesteht. In den letzten Jahren ist der Schutz der verbliebenen Auenlandschaften immer weiter verbessert worden. Die heute gültigen gesetzlichen Regelungen schließen eine weitere Reduzierung der natürlichen Überschwemmungsflächen weitgehend aus (s. Kap. 5.2.4). Über die Möglichkeiten landwirtschaftlich genutzte Flächen hinter den Hochwasserschutzanlagen wieder als Überschwemmungsgebiet dem Fließgewässer zurück zu geben, wird heute auf höchster Ebene diskutiert.
74
3 Mensch und Fließgewässer
3.2.3 Bedeutsame Nutzungen Es ist unbestritten, dass der Mensch einen Zugang zu Fließgewässer und Aue zwingend benötigt, da damit existenzielle Erfordernisse verbunden sind. Die vorab sehr allgemein beschriebenen Veränderungen werden getätigt, um Nutzungen zu ermöglichen bzw. diese zu optimieren und zu schützen. Im Folgenden werden ausgewählte Nutzungen vorgestellt, die an Fließgewässern und Auen häufig vorzufinden sind. Wasserversorgung Zur Sicherstellung der Wasserversorgung sind eine Reihe von Einzelanlagen notwendig, die unterschiedliche Aufgaben zu erfüllen haben. Erforderlich sind die eigentlichen Fassungsanlagen (u.a. Brunnen bei der Wassergewinnung aus dem Grundwasser oder Einlaufbauwerke bei der Entnahme von Oberflächenwasser), entsprechende Einrichtungen zum Speichern von Wasser (u.a. Talsperren, Wasserbehälter), umfangreiche Rohrnetze zum Transport des Wassers sowie die Anlagen zur Trinkwasseraufbereitung. Einerseits kann Wasser unmittelbar der Trinkwasseraufbereitung zugeführt werden, andererseits kann es aber auch zur Anreicherung des Abflusses in einem Fließgewässer dienen, um von dort als Uferfiltrat entnommen zu werden. So dienen zum Beispiel in der großräumig angelegten Wasserwirtschaft des Ruhrgebietes die Talsperren des Sauerlandes der Sicherstellung einer bestimmten Niedrigwasserführung der Ruhr, die wiederum notwendig ist, um die Wasserentnahmen für die Trinkwasserversorgung der wie Perlen an einer Kette längs der Ruhr installierten Wasserwerke dauerhaft zu gewährleisten. Die Wassergewinnung aus Uferfiltrat (Bild 3.15) soll hier hervorgehoben werden, da sie die Fließgewässer und Auen in besonderem Maße betrifft. Die Lage der Brunnen in den Gewässerauen stellt einerseits sicher, dass den Brunnenfassungen aus dem Grundwasser ausreichend Wasser zufließt, andererseits wird dem Fließgewässer aber auch beständig Wasser entzogen, was dann in Niedrigwasserzeiten problematisch sein kann, wenn kein Ausgleich durch Zuschusswasser aus oberhalb liegenden Talsperren erfolgt. Die Lage der Fassungsanlagen in der Gewässeraue, d.h. im Überschwemmungsgebiet eines Fließgewässers, erfordert in der Regel einen entsprechenden Hochwasserschutz. Oft stehen diese Anlagen inmitten einer sonst extensiv genutzen Auenlandschaft. Wasserstraßen, Kanäle Bei den Wasserstraßen wird zwischen künstlichen Wasserstraßen (Kanälen) und dem Ausbau eines vorhandenen Fließgewässers zu einer Wasserstraße (Flusswasserstraße) unterschieden. Bei Letzteren ist zwischen einem staureguliertem Ausbau (u.a. Steuerung der Wassertiefen durch Stauanlagen sowie Überwindung der Höhenstufen durch Schiffshebewerke oder Schleusen) und einem
3.2 Heutige Nutzungen
75
Bild 3.15 Trinkwassergewinnung in der Ruhraue bei Witten (Foto: Ruhrverband)
Ausbau unter Zuhilfenahme flussbaulicher Methoden (u.a. Buhnen, Leitwerke, Sohlen- und Böschungssicherungen) zu unterscheiden. Zur wirtschaftlichen Nutzung der Fließgewässer als kostengünstige Transportwege sind große Schiffseinheiten erforderlich. Diese benötigen möglichst ganzjährig ausreichende Fahrwassertiefen, eine entsprechende Gewässerbreite sowie eine Linienführung, die ein sicheres Navigieren der Schiffseinheiten ermöglicht (Bild 3.16). Höhendifferenzen werden bei den staugeregelten Wasserstraßen meist mittels Schleusen, vereinzelt aber auch mit Hilfe von Schiffshebewerken überwunden. Zwischen derartigen Bauwerken liegen Stauhaltungen, in denen durch den Aufstau eine entsprechende Fahrwassertiefe für die Schiffseinheiten ganzjährig sicher gestellt wird (Bild 3.17). Bei jeder Schleusung wird Wasser in die nächstfolgende, tiefer liegende Stauhaltung abgegeben. Künstliche Wasserstraßen (Kanäle) benötigen daher eine entsprechende Wasserversorgung, um das bei der Schleusung und Verdunstung verloren gegangene Wasser zu ersetzen. Dieses Wasservolumen wird dem Einzugsgebiet entzogen und fehlt als Abfluss in den betroffenen Fließgewässern. Davon ist insbesondere die am höchsten liegende Stauhaltung betroffen, die sogenannte Scheitelhaltung. Bei einer Flusswasserstraße wird der Schifffahrtsbetrieb mit flussbaulichen Methoden realisiert und aufrecht erhalten. Die Wassertiefe wird u.a. durch den Einbau von Buhnen vergrößert. Die Wasserversorgung einer derartigen Wasserstraße ist weitgehend vom natürlichen Abflussdargebot abhängig, d.h. eine
76
3 Mensch und Fließgewässer
Bild 3.16 Der Wasserstraßenausbau erfordert in vielen Bereichen eine weitgehende Festlegung der Laufentwicklung eines Fließgewässers und steht einer eigendynamischen Entwicklung entgegen (Foto: E. Städtler)
ausreichende Fahrwassertiefe für die Schifffahrt kann daher oft nicht ganzjährig gewährleistet werden. Die Ufer einer Wasserstraße und die Gewässersohle müssen in der Regel gegen Wellenschlag u.a. Auswirkungen des Fahrbetriebs geschützt werden (BAW, 2004). Häfen oder andere Anlegestellen benötigen eine entsprechende Ufergestaltung und Infrastruktur, um das schnelle Be- und Entladen der Schiffe zu ermöglichen. Dies bedingt eine massive Gestaltung der betroffenen Uferbereiche, so dass dort jede strukturelle Veränderung des Gewässerbettes bzw. Kanalquerschnitts ausschlossen werden kann. Weitere Veränderungen ergeben sich im Hinblick auf die Anbindung bzw. Einbeziehung der Nebengewässer. Während bei den künstlichen Wasserstraßen (Kanälen) Unterbrechungen des Gewässerverläufe durch die Kanaltrasse berücksichtigt werden müssen, ist bei Flusswasserstraßen die Veränderung der Wasserspiegellagen durch die betriebsbedingte Abflusssteuerung von Bedeutung. Die Anbindung der Nebengewässer muss in vielen Fällen technisch gestaltet werden. Dies bedeutet entweder eine Verlegung des Gewässerverlaufes oder, in besonders drastischen Fällen, dass das Wasser in den Kanal gepumpt werden muss. Damit sind die Nebengewässer vom Hauptgewässer vollständig abgetrennt.
3.2 Heutige Nutzungen
77
Bild 3.17 Staugeregeltes Fließgewässer. Durch die Stauregelung entfällt weitgehend die Abhängigkeit vom natürlichen Abflussgeschehen (Foto: Ruhrverband)
Bedeutsam können aber auch die Auswirkungen eines Wasserstraßenausbaus auf das Grundwasser sein (u.a. Grundwasserspiegelhöhen und Strömungsrichtungen). Tieft sich beispielsweise die Sohle einer Wasserstraße ein, hat dies sowohl Auswirkungen auf die Grundwasserspiegelhöhen in der angrenzenden Aue als auch auf die Häufigkeit der Ausuferungen. Beides führt oft zu erheblichen Problemen bei der Umsetzung von Fließgewässer- und Auenrenaturierungen und erfordert kostspielige Gegenmaßnahmen. Wasserkraftnutzung Eine bedeutende Veränderung geht auch von Wasserkraftanlagen aus. Zu den beeinflussenden Faktoren zählen u.a. der Bau der entsprechenden Anlagen im und am Gewässer (Stauanlagen, Kraftwerksanlagen, Hochwasserentlastungsanlagen usw.), der Bau der Nebenanlagen (z.B. Wasserfassung, Zu- und Ableitungskanäle) sowie die flussbaulichen Gestaltungen, wie sie zum Beispiel für die optimale Gestaltung der Anströmung der Anlage erforderlich sind. Die baulichen Anlagen beeinflussen die Entwicklungsmöglichkeiten der Fließgewässer in vielerlei Form. Dazu gehört u.a. die Unterbrechung – oder zumindest Beeinträchtigung – des Feststofftransportes, die Veränderung der Gewässerdynamik in den Stauräumen und die Beeinflussung der Durchgängigkeit für Wanderfische durch die Stauanlagen (Bild 3.18).
78
3 Mensch und Fließgewässer
Bild 3.18 Wasserkraftanlagen liefern umweltfreundlichen Strom – Wasserkraftanlagen schließen eine naturraumtypische eigendynamische Fließgewässerentwicklung weitgehend aus. Die baulichen Anlagen und der Betrieb der Wasserkraftanlangen sind ein signifikanter Eingriff in den Naturhaushalt der Fließgewässer (Foto: E. Städtler)
Die nutzungsbedingten Wasserspiegelschwankungen in den Speicherbecken (z.B. in den Stauhaltungen einer Kraftwerkskette oder im Reservoir einer Hochdruckanlage) entsprechen in keinem Fall natürlichen Abflussschwankungen. Weiterhin ist von Bedeutung, ob es sich um ein Ausleitungskraftwerk handelt, d.h. dem eigentlichen Fließgewässer für die Nutzung Wasser entnommen wird, um es über ein künstliches Seitengerinne (Kanal) dem Kraftwerk zuzuführen. Der wirtschaftliche Betrieb der Anlagen erfordert eine Versorgung mit Wasser, die häufig nicht mit dem natürlichen Abflussregime des Fließgewässers in Einklang gebracht werden kann. Der Zyklus des bedarfsorientierten Strommarktes folgt in den wenigsten Fällen den natürlichen Abflussschwankungen in einem Fließgewässer. Näheres zu Planung, Bau und Betrieb von Wasserkraftanlagen findet sich u.a. bei Giesecke & Mosonyi (1997) Abwasserableitung – Kanalnetze, Kläranlagen Eine der Aufgaben der Siedlungswasserwirtschaft ist die Sammlung und Ableitung von Abwasser aus Siedlungsgebieten sowie deren Klärung in entsprechenden Anlagen. Die Einflüsse sind in der Hauptsache durch das anfallende Wasservolumen und die Wasserqualität bestimmt. Welche Wasservolumina aus einem Siedlungsgebiet quantitativ von einem Fließgewässer aufgenommen wer-
3.2 Heutige Nutzungen
79
den können, hängt vom aufnehmenden Fließgewässer ab. Sinngemäß gilt dies auch für die stoffliche Größenordnung der Einleitung. Auch hier hängt die Stofffracht, die qualitativ vom Gewässer aufgenommen werden kann, von seinem Abfluss in Verbindung mit der vorhandenen Wassergüte und der Qualität des behandelten Abwassers ab. Bei der Wasserableitung aus Siedlungsgebieten ist zwischen dem Bereich der oberflächlich anfallenden Abflüsse und dem Abfluss in den Kanalnetzen zu unterscheiden. Beim Oberflächenabfluss hat insbesondere die Versiegelung von Straßen, Wegen und Plätzen und nicht zuletzt der Dachflächen von Gebäuden Auswirkungen auf wesentliche Parameter der Wasserhaushaltsgleichung (s. Kap. 6.5.1). Bei einer versiegelten Oberfläche kann das Niederschlagswasser nicht versickern, die Verdunstungshöhe wird verändert und die Abflussbildung erfolgt wesentlich schneller, d.h. die Niederschläge werden rascher abgeführt. Dadurch wird die Abflusscharakteristik eines Fließgewässers verändert; insbesondere der Spitzenabfluss deutlich erhöht und die Fließzeiten erheblich verkürzt (Bild 3.19).
Bild 3.19 Veränderung der Abflussspitzen in Abhängigkeit von der Versiegelung (aus ATV-DVWK, 2000a)
80
3 Mensch und Fließgewässer
Das in den Siedlungsgebieten anfallende Niederschlagswasser und das Schmutzwasser aus Haushalten und Industrie werden gesammelt und über die Kanalnetze abgeleitet. In der Mischkanalisation werden Schmutzwasser und Niederschlagswasser gemeinsam abgeführt. In der Trennkanalisation fließen beide Abwasserarten in getrennten Rohren ab. Bei der Mischkanalisation ist nachteilig, dass das gering verschmutzte Niederschlagswasser gemeinsam mit dem Schmutzwasser aus Haushalten und Industrie abfließt. Das führt dazu, dass bei Trockenwetter nur relativ geringe Wassermengen in den großen, für den Niederschlagsabfluss dimensionierten Kanälen abfließen und in der Folge Ablagerungen nicht zu vermeiden sind. Die im Zuge von Niederschlagsereignissen auftretenden großen Abflüsse sind daher zu Beginn der Niederschläge vielfach hoch belastet und können auch in der Regel nicht von den nachfolgenden Kläranlagen aufgenommen werden. Um zu verhindern, dass in diesem Fall die Abflüsse ungeklärt den Gewässern zufließen, gibt es in Mischkanalisationsnetzen eine Reihe von Speichermöglichkeiten zum Rückhalt von Wasservolumen (z.B. Regenrückhaltebecken, Regenüberlaufbecken), um dieses dann später den Kläranlagen zuführen zu können. Diese Becken sind entweder für einen totalen Rückhalt oder zumindest so ausgelegt, dass sie den Spülstoß auffangen und eine mechanische Behandlung des Abwassers bewirken. Sind die Rückhaltemöglichkeiten bei länger andauernden Zuflüssen erschöpft, wird das Wasser, dann allerdings von Feststoffen weitgehend frei und stark verdünnt, dennoch über Entlastungsbauwerke dem Vorfluter zugeführt (Bild 3.20). Die Trennkanalisation hat kleinere Kanalquerschnitte für die Ableitung des Abwassers und größere Querschnitte zur Ableitung des Niederschlagswassers. Sollte es zu einer Überlastung im Bereich der Niederschlagsleitungen kommen, ist dies in der Regel vertretbar, da allenfalls die Entwässerung von Straßen und Plätzen vorübergehend nicht sichergestellt ist und diese dann kurzzeitig unter Wasser stehen können. Vielfach geht man inzwischen zum Schutz der Gewässer vor abgeschwemmtem Boden und Sand von den Straßen dazu über, auch das Niederschlagswasser des Regenwasserkanals der Trennkanalisation in Absetzbecken zu behandeln. Nachteilig bei der Trennkanalisation ist die Gefahr der Fehlanschlüsse, die nicht unterschätzt werden darf. Kläranlagen sind heute nach dem Stand der Technik nicht nur mit einer mechanischen und einer biologischen Stufe zur Entfernung der sedimentierbaren Feststoffe und zum weitgehenden Abbau der organischen Kohlenstoffverbindungen ausgestattet. Sie verfügen auch über Stufen zur Elimination der Phosphor- und Stickstoffverbindungen, die in der Regel in die biologischen Anlagenteile integriert oder diesen nachgeschaltet sind. Durch die Ausweitung der Klärtechnik vom Abbau der Kohlenstoffverbindungen auch auf die weitgehende Elimination der Nährstoffverbindungen haben sich die Reinigungsleistungen der Kläranlagen in den letzten Jahren ständig verbessert. Bei Großkläranlagen stellt die technisch nicht vermeidbare Restfracht aus solchen Einlei-
3.2 Heutige Nutzungen
81
Bild 3.20 Schmutzwasserüberlauf – Bei Hochwasser gelangt Abwasser über die Überlaufschwelle ungereinigt in das Fließgewässer (Foto: H. Patt)
tungen letztlich aber doch noch eine Belastung für die Fließgewässer dar. Bei kleineren Gewässern ist sogar festzustellen, dass die Belastungen aus diffusen Quellen die Gewässergüte signifikanter beeinflussen, als die Einleitungen aus funktionierenden Kläranlagen. Der Ausbau der Kläranlagen und der Druck durch die ständig verschärften gesetzlichen Anforderungen haben im Laufe der Jahre und unter erheblichem finanziellen Aufwand der öffentlichen Hand und der Industrie hier eine deutliche Verbesserung der Wasserqualität gebracht. Nach wie vor für die Gewässergüte problematisch sind die Niederschlagswassereinleitungen, denn noch lange nicht alle Kanalnetze entsprechen bezüglich der Niederschlagswasserbehandlung dem Stand der Technik. Problematisch können auch die Einleitungen chemischer, nicht in der Natur vorkommender und daher in der Regel auch nicht biologisch abbaubarer Stoffe (einschließlich von Medikamenten und deren Rückständen oder Metaboliten) und die diffusen Stoffeinträge aus unserer intensiv genutzten und dicht besiedelten Umwelt sein. Land- und Forstwirtschaft Es ist kein Zufall, dass Bach- und Flussauen aufgrund der günstigen Bodenfeuchte und Nährstoffversorgung schon sehr frühzeitig von der Landwirtschaft
82
3 Mensch und Fließgewässer
genutzt wurden, während die forstliche Nutzung vor allem in den letzten 50 Jahren oftmals erst dann wieder einsetzte, wenn die landwirtschaftliche Nutzung nicht mehr lohnte und schließlich teilweise oder ganz aufgegeben wurde. Dräns und Entwässerungsgräben zeugen noch heute davon, wie insbesondere zwischen 1950 und 1970 große Flächen trockengelegt und auf diese Weise einer landwirtschaftlichen Nutzung zugeführt worden sind. (Bild 3.21). So verschwanden auch viele zusammenhängende Feuchtgebiete und damit naturschutzfachlich wertvolle Lebensräume.
Bild 3.21 Dräns und Entwässerungsgräben sorgen für die Trockenlegung von Flussauen und sichern so die landwirtschaftliche Nutzung (Foto: P. Jürging)
Die Entwässerungskanäle erfordern heute einen großen Unterhaltungsaufwand, da diese wegen der geringen Fließgeschwindigkeiten zur Verlandung neigen. Die nährstoffreichen Böden und die nicht vorhandene Beschattung begünstigen den Aufwuchs von Wasserpflanzen, wodurch die Abflussleistung beeinträchtigt wird. Andererseits wird durch die Unterhaltung der Entwässerungsgräben immer wieder in die Entwicklungsprozesse eingegriffen (s. Kap. 3.3.4 und Bild 3.40). Das Sammeln und rasche Abführen des Wassers aus den Entwässerungsgebieten kann zudem einen Anteil am raschen Aufbau von Hochwasserwellen haben. In der heutigen Zeit werden viele landwirtschaftliche Betriebe aus wirtschaftlichen Gründen aufgegeben. Betroffen sind oft Flächen, auf denen eine
3.2 Heutige Nutzungen
83
landwirtschaftliche Produktion nur unter Einschränkungen möglich ist (z.B. bei einer regelmäßigen Überschwemmung der Flächen, bei Nutzungseinschränkungen durch behördliche Auflagen, wie zum Beispiel Umbruchverbote, Wasserschutzgebiete u.a.) oder wo hohe Unterhaltungs- und Betriebskosten eine wirtschaftliche Produktion belasten. Die frühere, durchweg extensive landwirtschaftliche Nutzung der Gewässerauen als Wiesen oder Weiden, wie sie vor allem in den Mittelgebirgen noch bis in die 1960er-Jahre üblich war und zum Teil auch heute noch in ost- und südosteuropäischen Ländern betrieben wird, kann im Hinblick auf die Belastung der Gewässer mit Nährstoffen in der Regel als umweltverträglich beurteilt werden (Bild 3.22). Sie hat darüber hinaus ohne Zweifel auch wesentlich zur Förderung einer sekundären Biodiversität in den Auen beigetragen, denn bei dieser Form der Grünlandnutzung wurden weder Dünger noch Herbizide eingesetzt.
Bild 3.22 Landwirtschaftliche Nutzungen in den Gewässerauen (Foto: W. Schumacher)
Dieser Zustand änderte sich grundlegend, als ab etwa 1950 im Zuge von Flurbereinigungsverfahren und/oder im Zusammenhang mit Gewässerregulierungen und Hochwasserschutzmaßnahmen, sich nun zahlreiche Auen für eine intensive landwirtschaftliche Nutzung eigneten. Wiesen und Weiden wurden umgebrochen und als Ackerland genutzt. Das noch vorhandene Grünland wurde im Zuge der allgemeinen Intensivierung ab ca. 1960/70 ebenfalls gedüngt.
84
3 Mensch und Fließgewässer
Für eine intensivere Nutzung weniger geeignete Wiesen und Weiden hingegen wurden zunehmend aufgeforstet, in der Regel mit florenfremden Gehölzen wie Fichten und Hybridpappeln, seltener mit bodenständigen Gehölzen wie Schwarzerle, Esche, Silber- und Knackweide. Die Auswirkungen der intensivierten landwirtschaftlichen Nutzung ließen nicht lange auf sich warten. Aufgrund der Ackernutzung kam es nicht nur zu punktuellen und diffusen Einträgen von Düngemitteln und Bioziden, sondern auch regelmäßig zu Belastungen mit Feinsedimenten infolge von Starkregen und Überschwemmungen. Letzteres trifft bei der intensiven Grünlandnutzung im Auenbereich zwar nicht zu, doch sind auch hier – besonders bei hängigem Gelände – Oberflächeneinträge von organischen und mineralischen Düngern festzustellen. Überdies sind zeitweise diffuse Einträge über das Grundwasser nachweisbar. Bei den oben genannten Aufforstungen mit florenfremden Gehölzen in der Aue und am Gewässerrand ist die Situation weniger problematisch. Zwar wird auch hier die Biodiversität – insbesondere durch Nadelholzaufforstungen – deutlich reduziert, doch im Hinblick auf den abiotischen Ressourcenschutz sind die Auswirkungen auf das Gewässer deutlich geringer als bei intensiver Landwirtschaft, denn es gibt weder Nährstoff- noch Biozideinträge. Es darf allerdings nicht außer Acht gelassen werden, dass vor allem bei kleineren Fließgewässern die starke, ganzjährige Beschattung durch die Nadelhölzer und der Eintrag von Nadelstreu sich negativ auf die Gewässerbiozönose auswirken. Ferner kann es zur Erosion an den Uferböschungen kommen, wenn Erlen und andere bodenständige Gehölze nicht mehr vorhanden sind bzw. infolge der starken Beschattung absterben. Von besonderer Bedeutung ist auch die Belastung der Fließgewässer mit Pflanzenschutzmitteln, da damit der Grenzwert für die Trinkwassernutzung beeinflusst wird. In den vergangenen Jahren wurde diesbezüglich zwischen Wasserwirtschaft und Landwirtschaft sehr kontrovers diskutiert. Nachteilig ist sicher auch, dass eine Reihe für den Gewässerschutz ausgesprochen wirksamer Maßnahmen derzeit noch nicht flächendeckend umgesetzt werden. Hierzu zählen insbesondere die Anlage von Uferrandstreifen (DVWK, 1997a), die Nutzung erosionsmindernder Bodenbearbeitungstechniken, wie etwa der Mulch oder Direktsaat, sowie die Teilnahme an Extensivierungsprogrammen (Bild 3.23). Sport, Freizeit und Erholung Freizeit- und Erholungsnutzungen sind in Fließgewässerauen weit verbreitet. Bäche, Flüsse und angrenzende Auen bieten attraktive Räume für viele Erholungsformen (Bild 3.24). Während wassergebundene, sportlich motivierte Freizeit- und Erholungsaktivitäten überwiegend an mittleren bis großen Gewässern stattfinden, eignen sich viele kleine Fließgewässerauen mit ihrer landschaftlichen Kulisse eher für ruhige, landgebundene Erholungsformen wie das Spazierengehen oder Radfahren.
3.2 Heutige Nutzungen
85
Bild 3.23 Die Extensivierung von Gewässerauen leistet immer einen positiven Beitrag zum Gewässerschutz (Foto: W. Schumacher)
Zur Ausübung bestimmter Aktivitäten sind sehr unterschiedliche Voraussetzungen im Hinblick auf die landschaftliche Ausstattung und die weitere Infrastruktur notwendig. Während für das Spazierengehen oder Radfahren oftmals vorhandene land- oder forstwirtschaftliche Wege ausreichen, sind für viele andere Freizeitaktivitäten speziell dafür zu gestaltende Flächen bzw. Infrastruktureinrichtungen notwendig. Dies gilt zum Beispiel für Sportplätze, Zelt- und Campingplätze, Badegewässer in der Aue oder Fließgewässerstrecken, die für das Kanuwandern vorgesehen sind (Bild 3.24). Abgrabungsgewässer – Kiesabbau in Fließgewässern und Auen Der Geschiebetransport setzt bei Hochwasserabflüssen ein und führt bei reduzierten Abflüssen zu entsprechenden Ablagerungen im Gewässerbett. Sofern diese Kiesablagerungen in wirtschaftlich verwertbaren Korngrößen sind, können diese zu Niedrigwasserzeiten dem Fließgewässer entnommen werden und, ggf. nach einer Aufbereitung, als Rohstoffe in der Bauindustrie Verwendung finden. In Deutschland ist die Entnahme von Geschiebe aus Flüssen praktisch kein Thema mehr. Gelegentlich wird noch aus Wildbächen bei Geschiebefängen und aus Flussdeltas Kies entnommen. In anderen Ländern können derartige Entnahmen bemerkenswerte Größenordnungen erreichen, zum Beispiel in der Schweiz u.a. aus dem Rhein bei Chur, aus Reuss- und Rhonedelta (Schweizerische Geotechnische Kommission, 1997).
86
3 Mensch und Fließgewässer
a
b
c Bild 3.24 Freizeit und Erholung an Fließgewässern. In den gewässernahen Bereichen treffen viele unterschiedliche Interessen aufeinander, die sorgfältig aufeinander abgestimmt werden müssen (Fotos: E. Städtler) a. Die Fließgewässer sprechen viele Erholungssuchende an. Spaziergänger finden ebenso einen Platz … b. … wie die Anhänger von sportlicheren Aktivitäten c. Campingplätze in einer Gewässeraue. Viele Campingplätze haben sich über die Jahre hinweg zu Zweitwohnsitzen entwickelt, die auch in Hochwasserzeiten nicht geräumt werden.
3.2 Heutige Nutzungen
87
Wesentlich bedeutsamer ist dagegen der Nassabbau von quartären Sanden und Kiesen in unseren Auen (Bild 3.25). Vor allem in den großen Tallandschaften von Strömen und Flüssen prägen als Hinterlassenschaft der Sand- und Kiesgewinnung oft eine Vielzahl an Grundwasseraufschlüssen das Landschaftsbild. Dabei entstanden entsprechend den technischen Möglichkeiten und der Mächtigkeit der abbauwürdigen Lagerstätten unterschiedlich große und unterschiedlich tiefe Nassbaggerungen. In früheren Zeiten waren dies nur relativ kleine und flache Baggerweiher im Grundwasserwechselbereich, aber mit Hilfe sich ständig verbessernder Abbaugeräte wurde es möglich, größere und tiefere Kiesseen (z. B. am Oberrhein bis zu 80 m Tiefe) zu erstellen.
Bild 3.25 Nassabbau von Kies in der Gewässeraue (Foto: P. Jürging)
Da die Bauwirtschaft einen ständigen, im Laufe der Zeit kontinuierlich steigenden Bedarf an Sanden und Kiesen hatte, wurden immer wieder neue Abbaustellen, auch in Auen, in Angriff genommen. In den Flusslandschaften verblieben so eine wachsende Zahl von Grundwasseraufschlüssen mit zwangsläufig unterschiedlichem Alter und damit auch mit unterschiedlichen Entwicklungsstadien. Speziell in einigen älteren und flachen Nassabgrabungen konnten sich im Laufe der Zeit sehr schützenswerte Pflanzen- und Tiergemeinschaften entwickeln, zum Teil mit Arten, die früher in Auen und Flachmooren häufig waren, heute aber in den sogenannten „Roten Listen“ stehen. Von diesen wenigen Ausnahmen abgesehen, können aber die allermeisten Nassbaggerungen in den Auen aufgrund ihrer Tiefe, Lage, Form und Ausdehnung nicht die Funktionen von Altgewässern übernehmen (Schackers, 2000).
88
3 Mensch und Fließgewässer
Viele größere Kiesseen, insbesondere in der Nähe von Ballungsgebieten, werden neben Anglern sehr gerne von Erholungssuchenden aufgesucht. Zum Teil wurden auch mit Hilfe von Baggerseen in den Auen großzügige Erholungsgebiete geschaffen.
3.3 Auswirkungen auf die Entwicklung von Fließgewässer und Aue Alle Ausbauten und Nutzungen von Fließgewässern mit ihren Auen haben mehr oder weniger signifikante Auswirkungen auf die sogenannten Ökosystembausteine (Kap. 2.1) und damit auch auf die biotischen Faktorenkomplexe wie Durchgängigkeit, Längs- und Quervernetzung (Kap. 2.3). Dadurch wurden die meisten der gewässer- und auentypischen Lebensräume und Lebensgemeinschaften verändert. Gleichzeitig müssen die sicherheits- und nutzungsorientiert ausgebauten Fließgewässer unterhalten werden, um die ihnen vom Menschen zugedachten Funktionen erfüllen zu können. Dies bedeutet aber auch, dass eine wieder einsetzende Fließgewässerentwicklung vom Grunde her unterbunden wird. Zusätzlich können sich noch Nutzungen negativ auf die Fließgewässer bzw. deren Lebensgemeinschaften auswirken. Im Gegensatz zur freien Landschaft sind diese Auswirkungen in urbanen Räumen besonders stark ausgeprägt. 3.3.1 Veränderung der Ökosystembausteine Im Kapitel 2 wurden die sogenannten Ökosystembausteine natürlicher Gewässer, nämlich Abfluss-, Feststoff- und Morphodynamik, physikalische und chemische Faktoren der Wasserqualität sowie die von diesen Bausteinen abhängige Besiedlungsdynamik beschrieben. Im Folgenden wird versucht, die wichtigsten ausbau- und unterhaltungsbedingten Auswirkungen auf diese Ökosystembausteine darzustellen. Abflussdynamik Viele Nutzungen bzw. nutzungs- und sicherheitsorientierte Gewässerausbauten (Kap. 3.2) haben dazu beigetragen, dass sich das Abflussgeschehen deutlich verändert hat. Dies betrifft u.a. die zeitliche Verteilung und Amplitude der Abflüsse, die Abflussdynamik, den Wasserrückhalt, die Überschwemmungen und die Grundwassererneuerung. Vielerorts treten durch erhöhte Oberflächenabflüsse, Laufverkürzungen und durch fehlende oder verkleinerte Retentionsräume häufiger höhere Abflüsse auf. An Zusammenflüssen mit anderen Gewässern können sich die Abflüsse überlagern und, je nach Größe und Eintreffzeit, zu extremen Hochwasserabflüssen führen. Andererseits sind aufgrund des schnelleren Wasserabflusses und der geringeren Retention teilweise sehr geringe Niedrigwasserabflüsse zu verzeichnen. Zwar sorgen mitunter die bereits erwähnten Was-
3.3 Auswirkungen auf die Entwicklung von Fließgewässer und Aue
89
serspeicher im Einzugsgebiet für einen ausgeglicheneren Abfluss, so dass extreme Abflüsse gekappt und Niedrigwassersituationen verbessert werden, was allerdings die Fließgewässerdynamik weiter schmälert (s. auch Kap. 3.2.2). Das früher bett- und auengestaltende Hochwasser muss nun auf kürzerem Wege und in oft vergleichsweise sehr schmalen Abflussquerschnitten schadlos abgeführt werden, was zu höheren Fließgeschwindigkeiten führt. Querbauwerke verändern die gesamte Fließcharakteristik einer Gewässerstrecke durch Aufstau, wodurch die Fließgeschwindigkeiten verringert und die Transportkapazität herabgesetzt wird. Viele Fließgewässer wurden durch Ausbauten und Korrektionen in ein weitgehend uniformes Bett gezwängt. Die Ufer wurden durch Parallelverbau (Längsverbau) vor der natürlichen Umgestaltungsdynamik geschützt. Aufgrund der dadurch bewirkten Eintiefungen der Gewässersohle blieben die Ausuferungen bei kleineren Hochwasserabflüssen immer häufiger aus. Die in der Aue natürlicherweise vorkommenden, häufigen Überschwemmungen, von Überflutungen bis hin zum reinen Überstau, fehlen vollständig, wodurch vielerorts auch die Grundwasserspiegel zusätzlich langsam absanken. In vielen Flusslandschaften wurde dieser auenuntypische Austrocknungseffekt noch durch Meliorationsmaßnahmen, zum Beispiel durch Entwässerungen mittels Dräns, verstärkt. Diese Entwicklung in Richtung „Naturferne“ wurde zusätzlich noch durch Hochwasserschutzmaßnahmen (Bedeichung) begünstigt, da damit oftmals eine Hochwasserfreilegung ganzer Tallandschaften einher ging (Bild 3.26). In den ausgedeichten Auenbereichen wurde die Hochwasserretention durch die ausbleibenden Überschwemmungen vollständig unterbunden oder zumindest auf ein Minimum reduziert.
Bild 3.26 Beispiel für einen schrittweisen Auenverlust durch wasserbauliche Maßnahmen – Donauaue bei Neustadt (Grafik: Regierung von Niederbayern)
90
3 Mensch und Fließgewässer
Dasselbe gilt für die Versickerung von Oberflächenwasser in den Auen mit der Folge, dass sich die von den Hochwassern abhängige Grundwasserneubildung erheblich verringerte. Beides, die reduzierte Hochwasserretention und die geringere Versickerung in den Auen, bedeutet auch eine stark geschmälerte Niedrigwasseraufbesserung in Zeiten geringer Wasserführung im Fließgewässer. Feststoffdynamik Die Festlegung ehemaliger Feststoffherde bzw. -lieferanten (z.B. Hanganbrüche und Ufer) sowie die Verhinderung des Geschiebetransportes durch Geschiebesperren und -fallen, vor allem in ausgebauten Wildbächen, oder durch frühere Flusskiesungen, sorgen in vielen Fließgewässern für ein Geschiebedefizit. Gleichzeitig wird durch die Vergleichmäßigung der Abflüsse das Transportvermögen reduziert. Zudem unterbinden Querbauten die verbliebene Geschiebedynamik. Totholz und anderes Treibgut, wie zum Beispiel Geniste, werden im Rahmen der Unterhaltung dem Gewässer entzogen. Vor allem in Stauräumen werden bei geschiebe- und schwebstoffführenden Gewässern die restlichen Feststoffe aufgrund der dort nachlassenden Transportkraft abgelagert und somit dem Fließgewässer entzogen. Dadurch wird die natürliche Feststoffdynamik unterbunden und unterstrom aufgrund des fehlenden Geschiebes verstärkt die Flusssohle erodiert. Die Ablagerungen in Stauräumen führen meist relativ rasch zu Auflandungen. Die Reaktion darauf ist in vielen Fällen eine sogenannte Stauraumspülung. Dabei kommt es während der Spülung im Unterwasser zu hohen Feststoffkonzentrationen, die je nach mobilisierten Feststoffen, Spülwassermenge, Spüldauer und zeitlichem Ablauf der Spülung zu einer erheblichen Belastung der flussabwärts liegenden Gewässerstrecken führen können. Genannt seien nur Trübung, Sauerstoffmangel, schlammige Ablagerungen in der Aue und eventuell sogar erhöhte Schadstoffkonzentration. Morphodynamik, Laufentwicklung Die Laufentwicklung (Linienführung, Längsschnitt, Querprofile und Struktur) eines natürlichen Fließgewässers und seiner Aue wird maßgeblich von den Abflüssen und Feststofftransportvorgängen geprägt (Patt et al., 2004). Das permanente Zusammenspiel von Strömung und Relief, die Wirkungen wechselnder Abflüsse auf Erosion, Transport und Ablagerung sorgen bei natürlichen Gewässern für dynamische Prozesse von Profilveränderungen bis hin zu Laufverlagerungen (Bild 3.27). Nutzungsänderungen im Einzugsgebiet, Laufverkürzungen, Regelquerschnitte und Aufstau veränderten das Abflussgeschehen und den Feststoffhaushalt. Dies führte zu einer weitgehend statischen Gewässermorphologie. Eine eigendynamische Entwicklung von Fluss und Aue ist wegen der festgelegten Gerinnegeometrien in den meisten Fällen nicht mehr möglich. Aufgrund der weitgehend reduzierten Gewässerdynamik können auch fließgewässertypische Strukturen kaum neu entstehen.
3.3 Auswirkungen auf die Entwicklung von Fließgewässer und Aue
91
Bild 3.27 System der Bettbildung anthropogen beeinflusster Fließgewässer: Die menschlich geprägten Gegebenheiten im Einzugsgebiet und die wasserbaulichen Maßnahmen bestimmen die Transportvorgänge und die Gerinnegeometrie (Grafik: Bayerisches Landesamt für Wasserwirtschaft)
Bei ausgebauten Fließgewässern sind die Mächtigkeiten der Substrate und deren Kornverteilung abschnittsweise relativ einheitlich. Dadurch und durch die Vergleichmäßigung der Strömung, die u.a. durch die geringeren Rauheiten bedingt ist, können vielfältige Verteilungsmuster von groben, mittleren und/oder feineren Ablagerungen nur im begrenzten Ausmaß auftreten. Ebenso mangelt es an reliefbedingten Strukturen, d.h. an einer nennenswerten Breiten- und Tiefenvarianz. Diese Strukturarmut wird insbesondere bei kleineren Gewässern durch die Gewässerunterhaltung ständig wieder hergestellt, so dass eine beginnende Fließgewässerentwicklung oft wieder im Keim erstickt wird. Verstärkt werden diese Effekte noch bei einem durchgehend befestigten Gewässerbett. Dementsprechend ist auch das Interstitial in vielen ausgebauten Fließgewässerabschnitten als Lebensraum weitgehend verloren gegangen. Die Vorländer sind heute vielerorts uniform ausgebildet, da auf ihnen wegen der Sicherstellung der Abflussleistung nur rasenartige Vegetationsformationen geduldet werden. Diese fast ausschließlich auf den Hochwasserabfluss ausgerichtete Situation muss durch Unterhaltungsmaßnahmen (meist durch Mahd) ständig aufrecht erhalten werden. Durch den veränderten Wasserhaushalt wurde eine landwirtschaftliche Nutzung der verbliebenen Auenareale, mit zum Teil hoher Intensität, erst möglich, so dass heute über weite Strecken Maiskulturen in unseren Auen dominieren (Bild 3.28). Zwangsläufig wurden dabei die natürlich gewachsenen morphologischen Strukturen in den Auen großflächig uniformiert. Die natürlichen Lebensräume nahmen dadurch kontinuierlich ab oder wurden zumindest qualitativ entscheidend verschlechtert. Als Folge der „klassischen Ausbauten“ (Korrektion, Begradigung) waren unnatürlich viele Altgewässer in der Aue verblieben. Diese verlandeten jedoch sehr bald bzw. wurden durch den nutzenden Menschen zweckentfremdet, d.h. verfüllt
92
3 Mensch und Fließgewässer
Bild 3.28 In vielen Tallandschaften dominiert beidseitig des ausgebauten Fließgewässers der Maisanbau (Foto: P. Jürging)
oder für bestimmte Nutzungen so ausgebaut und unterhalten, dass sie ihren ökologischen Funktionen in der Flussaue nicht mehr gerecht werden können. Physikalische und chemische Faktoren Bei ausgebauten Fließgewässern werden alle wichtigen physikalischen und chemischen Faktoren mehr oder weniger stark beeinflusst und damit die Lebensbedingungen mitunter extrem verändert. Fließverhältnisse Die in natürlichen Fließgewässern strukturbedingt unterschiedlichen Fließbereiche werden in ausgebauten Gewässern oftmals zu einem weitgehend gleichmäßigen Fließen innerhalb eines Regelprofils mit geringen Rauheiten reduziert. Oft fehlen bestimmte Strömungsstrukturen, wie zum Beispiel Kehrwasserbereiche, als artspezifische Lebens- und Rückzugsräume vollständig. Auch Fließhindernisse, wie beispielsweise Totholz, darf meist weder anfallen noch im Abflussprofil verbleiben. So werden oftmals in ein Fließgewässer gestürzte Bäume zur Aufrechterhaltung eines ordnungsgemäßen Wasserabflusses möglichst schnell wieder entfernt. Aufgrund der Strukturarmut gibt es im Hochwasserfall für viele Organismen keinen ausreichenden Schutz vor der Abdrift. Das gilt umso mehr, wenn die Gewässersohle befestigt ist oder wenn selbst tiefere Sedimentschichten der Sohle in Bewegung geraten.
3.3 Auswirkungen auf die Entwicklung von Fließgewässer und Aue
93
Strahlungsverhältnisse Ausbau-, unterhaltungs- und/oder nutzungsbedingt wurden an vielen Gewässern im Laufe der Zeit die flussbegleitenden Ufergehölze ersatzlos entfernt, um die Abflussleistung eines Gewässerabschnittes zu erhöhen oder eine landwirtschaftliche Nutzung bis an die Böschungsoberkante zu ermöglichen. Dies führt, vor allem in den Oberläufen, zu völlig veränderten Strahlungsverhältnissen, da die Fließgewässer zur Vegetationszeit kaum mehr beschattet sind. Neben der zumindest zeitweilig möglichen Temperaturerhöhung des Gewässers stellt nun die verstärkt einwirkende Sonnen- und Himmelsstrahlung für die Primärproduktion keinen begrenzenden Faktor mehr dar. Bei guter Nährstoffverfügbarkeit kann dies in nicht zu schnell fließenden Bereichen zu einem aus limnologischer Sicht unerwünscht kräftigen Pflanzenaufwuchs führen. Die Zunahme der Phytomasse bedingt höhere Fließwiderstände – worauf sich in der Folge die Fließgeschwindigkeiten merklich verringern – und kann auf diese Weise einer Erwärmung des Gewässers Vorschub leisten. Meist kann ein durch die Wasserpflanzen bedingter höherer Wasserstand nicht hingenommen werden und es wird dann im Rahmen der Gewässerunterhaltung gekrautet und dadurch die Phytomasse aus dem Gewässerbett weitgehend entfernt. Temperaturen Die veränderten Strahlungsverhältnisse, die durch Ausleitungen bedingte Abflussreduzierung im Fließgewässer (Restwasserstrecken), die Verringerung der Fließgeschwindigkeiten durch Aufstau sowie Kühlwassereinleitungen führen im Vergleich zu einem natürlichen Fließgewässer zu einer Erhöhung der Wassertemperatur bzw. der Temperaturamplitude im Tages- und Jahresgang. Das hat direkte Auswirkungen auf die Stoffwechselaktivitäten und andere Lebensprozesse der aquatischen Lebensgemeinschaften. Kleinere Fließgewässer sind gegenüber anthropogen bedingten Temperaturveränderungen sehr empfindlich, da diese aufgrund des geringen Wasservolumens nur über wenig Puffermöglichkeiten verfügen. Die höheren Temperaturen bewirken eine geringere Sauerstoffaufnahmefähigkeit des Wassers und führen zusammen mit der vermehrten Einstrahlung und dem höheren Nährstoffangebot zu erhöhten Stoffwechselvorgängen. Zwangsläufig beschleunigen sich in der Folge die biochemischen Abbauprozesse und damit die Sauerstoffzehrung (Schwoerbel, 1999). Wasserqualität, Gewässerbelastung Neben der Einleitung von Abwasser aus Haushalt und Gewerbe spielen in der freien Landschaft vor allem die vermehrten, meist diffusen, Einträge von Nährstoffen und zum Teil auch Pflanzenschutzmittel durch landwirtschaftlichen Nutzungen im Einzugsgebiet und in den Auen eine nicht zu unterschätzende Rolle. So bedingen Einleitungen von ungereinigtem oder nur unzureichend gereinigtem Abwasser (z.B. bei einer Kläranlage mit fehlender dritter Reinigungsstufe) zumindest abschnittsweise erhebliche chemische Veränderungen. Vor allem
94
3 Mensch und Fließgewässer
liegen die Phosphatkonzentrationen im Vergleich zu denjenigen eines natürlichen Fließgewässers um Größenordnungen höher. Auch von Ammonium, das natürlicherweise nur sehr geringe Konzentrationen aufweist, gelangen erhebliche Mengen direkt (und indirekt durch mikrobielle Ammonifikation) in die Vorfluter. Aber auch die Einleitung von gereinigtem Abwasser bringt eine deutliche Erhöhung der Nährstoffbereitstellung mit sich und führt zu Lebensbedingungen, die in einem vergleichbaren, natürlichen Fließgewässer, wenn überhaupt, erst weiter flussabwärts eintreten dürften. Aus Einzugsgebieten mit Kahlschlägen, vor allem aber mit intensiver landwirtschaftlicher Nutzung werden anorganische Nährstoffe in die Fließgewässer eingetragen. Insbesondere Nitrate und Phosphate, aber auch indirekt Ammonium, fördern dann durch die Erhöhung der Nährstoffverfügbarkeit die Produktion an pflanzlicher Biomasse im Fließgewässer. Bei ungünstigen Bewirtschaftungen in der Aue können diese Auswirkungen auf das Fließgewässer noch wesentlich verstärkt werden. Speziell beim Anbau von einjährigen Kulturen besteht meist über längere Zeit im Jahresgang kein Vegetationsschluss, d.h. kein ausreichender Erosionsschutz. In der Folge wird bei Starkregenereignissen oder Überflutungen die Ackerkrume abgetragen, die dann in vielen Fällen, möglicherweise noch angereichert mit Dünge- und Pflanzenschutzmitteln, wiederum in das Fließgewässer gelangt und dieses belastet. Dieser Effekt kann durch Verdichtung der Auenböden durch schwere landwirtschaftliche Maschinen oder durch unsachgemäße Ausbringung von Gülle noch weiter verstärkt werden. Sauerstoff Der Sauerstoffhaushalt eines Fließgewässers kann durch anthropogene Einwirkungen wesentlich beeinflusst werden. So kann zum Beispiel bei einer verringerten Wasserturbulenz und bei höheren Wassertemperaturen weniger atmosphärischer Sauerstoff in Lösung gehen. Gleichzeitig kann sich die Primärproduktion (vor allem Makrophyten) durch fehlende Beschattung und vermehrtem Nährstoffdargebot wesentlich erhöhen. Dies führt neben dem Abbau von organischem Material aus Abwassereinleitungen zu weiteren sauerstoffzehrenden Vorgängen. Zurückzuführen ist dies auf die Zunahme von abgestorbenem Pflanzenmaterial aus der Primärproduktion. Diese Faktoren können während der Nachtstunden, in denen alle Systemkomponenten Sauerstoff verbrauchen und die sauerstofferzeugende Photosynthese ruht, zu Versorgungsdefiziten führen. Die geringere Sauerstoffkonzentration bis hin zum zeitweiligen Sauerstoffminimum im Fließgewässer kann für empfindliche Arten zum limitierenden Lebensraumfaktor werden. In Falle einer Veränderung der Sohlenbeschaffenheit (z.B. durch Sohlenbefestigung oder durch verstärkte Feinsedimentation) können im Interstitial aufgrund der dort dann sehr geringen Wasseraustauschraten anhaltend kritische Sauerstoffverhältnisse vorliegen, welche die Lebensgemeinschaften nachhaltig verändern.
3.3 Auswirkungen auf die Entwicklung von Fließgewässer und Aue
95
3.3.2 Veränderung der biotischen Faktorenkomplexe Bei anthropogen veränderten Fließgewässern werden auch die biotischen Faktorenkomplexe beeinflusst. Dies betrifft vor allem die organischen Strukturen, die Durchgängigkeit und die Nahrungsketten. Organische Strukturen Totholzstrukturen werden in einem ausgebauten Gewässer im Hinblick auf einen ordnungsgemäßen Hochwasserabfluss nur in geringem Ausmaße toleriert. Die auf Totholz spezialisierten Lebensgemeinschaften sind deshalb in einem Großteil unserer Fließgewässer zumindest streckenweise verschwunden und mancherorts vom Aussterben bedroht. In vielen, vor allem in kleineren, volldurchlichteten und eutrophen Fließgewässern können sich in der Vegetationsperiode dichte Bestände submerser und emerser Pflanzen entwickeln. In vielen Fällen kommt es dadurch zu unerwünscht hohen Wasserständen und zu einer verstärkten Sedimentation. Um dem entgegen zu wirken, wird im Rahmen der Gewässerunterhaltung gekrautet, d.h. vorwiegend maschinell die Phytomasse aus dem Gewässer entnommen. Dabei werden nicht nur die Lebensgemeinschaften auf ein niedrigeres Entwicklungsniveau zurückversetzt, sondern es werden auch pflanzliche Strukturen für Aufwuchsorganismen entfernt und gleichzeitig eine beginnende Sohlenstrukturierung im regelmäßigen Turnus wieder nivelliert. Die gesamte Strukturausstattung eines Fließgewässers zählt zu den Schlüsselfaktoren für Vorkommen und Verteilung einzelner Arten der aquatischen Fauna und Flora. Aus der Herabsetzung der natürlichen Strukturvielfalt resultieren deutliche Änderungen in der Zusammensetzung der Lebensgemeinschaften (Reduktionen von Artenzahl, Diversität, Dichte, Biomasse und Reproduktion). Längs- und Quervernetzung, Durchgängigkeit In ausgebauten Fließgewässern ist oftmals für ständig an das Wasser gebundene Organismen, wie zum Beispiel für Fische oder Mollusken, die Durchwanderbarkeit des fließenden Wasserkörpers durch Querbauwerke und Staubereiche verwehrt. Arten, die nur in einzelnen Lebensabschnitten (z.B. im Larvalstadium) andauernd fließendes Wasser benötigen und auch der Drift unterliegen, die aber als erwachsene (adulte) Tiere flugfähig sind, können über Ausbreitungsflüge (Dispersionsflüge) diese Querbauwerke überwinden und in flussaufwärts gelegenen Abschnitten ihren Lebenszyklus neu beginnen. Fließgewässerstrecken nach Abwassereinleitungen oder mit ungenügendem Restwasserabfluss können zumindest qualitative Wanderhindernisse darstellen. Oftmals ist auch das Interstitial ausbau- bzw. strukturbedingt nicht mehr durchwanderbar, sei es flussauf- oder flussabwärts, sei es in seitliche Uferbereiche oder in tiefere Schichten, so dass nicht nur die Durchgängigkeit im Längs-
96
3 Mensch und Fließgewässer
verlauf unterbrochen, sondern auch die Durchgängigkeit im Querprofil nicht mehr gewährleistet ist. Dasselbe gilt für längere, naturfern befestigte und somit weitgehend strukturlose Ufer oder für intensiv genutzte Auen. Aber auch die laterale Vernetzung von Fluss und Umland wird oftmals durch begradigte Nebengewässer (Zubringer), die zudem vielfach im rechten Winkel und über Abstürze in den Hauptfluss münden, unterbrochen und damit die Passierbarkeit für aquatische Organismen in die kleineren Nebengewässer unterbunden. Die zusätzlich auftretenden Zerschneidungseffekte, zum Beispiel durch Ausbauten und Verkehrswege, bedingen fehlende oder zumindest stark eingeschränkte Migrationsmöglichkeiten. Aufgrund dieser Verinselungseffekte sind typische Populationen auf Dauer nicht überlebensfähig. Nahrungskette Durch die Gewässerausbauten und dem damit einhergehenden Strukturverlust ging in vielen Fließgewässern ein extremer Wandel der Lebensgemeinschaften einher. Am deutlichsten reagieren darauf die jeweils charakteristischen Zusammensetzungen der Ernährungstypen (Makrozoobenthos – s. Kap. 2.3.3) und damit auch ein Großteil der Fischnährtiere. Wie sich Veränderungen im Oberlauf auf die Verteilung der Ernährungstypen und damit auf die Nahrungskette auswirken können, zeigt beispielhaft Bild 3.29. In anthropogen beeinflussten Fließgewässern können sich in den Oberläufen Charakteristika einstellen, die unter natürlichen Verhältnissen im Mittellauf oder erst im Unterlauf zu finden sind (Schumacher, 1986).
Bild 3.29 Verteilung der Ernährungstypen (ohne Sedimentfresser) in Prozent in einem Oberlauf im Frankenwald im natürlichen Zustand, ohne Ufergehölze und in einer Ausflussbiozönose eines Aufstaues (verändert nach Steinberg, 1987)
3.3 Auswirkungen auf die Entwicklung von Fließgewässer und Aue
97
Im amphibischen und terrestrischen Auenbereichen fehlen vielfach die typischen Lebensräume wie Auwälder, Altgewässer oder ephemere Kleingewässer und damit auch die entsprechenden Lebensgemeinschaften (Bild 3.30). Somit kommen viele Tier- und Pflanzenarten in vom Menschen geprägten Fließgewässerlandschaften nur noch unterrepräsentiert vor oder fehlen ganz; und dies nicht zuletzt auch deshalb, weil wichtige Bindeglieder in der Nahrungskette fehlen.
Bild 3.30 Vielfach sind auf ehemaligen Auwaldstandorten nur noch Rasenformationen zu finden (Foto: P. Jürging)
3.3.3 Lebensräume und Lebensgemeinschaften Im vorhergehenden Abschnitt wurde dargestellt, wie der nutzende Mensch die natürlichen Lebensbedingungen der einzelnen Fließgewässerabschnitte durch Eingriffe und Belastungen abgewandelt hat. Lebensraumbestimmende Parameter wurden im Vergleich zu natürlichen Fließgewässern über weite Fließstrecken unnatürlich verändert. Nährstoffgehalt, Primärproduktion und Temperaturamplitude nehmen – generell gesehen – flussaufwärts zu, während der Sauerstoffgehalt abnimmt. Damit verlagern und durchmischen sich auch die typischen (verbliebenen) Lebensgemeinschaften der einzelnen Flussabschnitte. Eine fließgewässertypische Einteilung zum Beispiel nach Fischregionen bzw.
98
3 Mensch und Fließgewässer
Ernährungstypen ist somit in ausgebauten Strecken nur noch eingeschränkt, zum Teil überhaupt nicht mehr möglich (u.a. in Staubereichen). Zusätzlich verfälschen bestimmte Nutzungen, wie zum Beispiel die Fischerei durch Besatz, die Lebensgemeinschaften im Fließgewässer. Wasserkörper Durch die weitgehend fehlende ober- und unterirdische Gewässerdynamik, durch die nun häufigere Trockenheit der Auen und durch die nachfolgende Strukturarmut verschwanden viele auentypische Lebensräume. Parallel dazu nahmen vielerorts in den verbliebenen Restflächen wesentliche Lebensraumqualitäten durch die fehlende oder minimierte Gewässerdynamik bei gleichzeitiger Nährstoffanreicherung immer mehr ab. Alle Standortveränderungen im Einklang mit Trennungs- und Verinselungseffekten sowie zeitweilige Störeffekte durch Freizeit- und Erholungsaktivitäten bedingen, dass ehemals reichstrukturierte Fließgewässerlandschaften mit ihren vielfältigen Pflanzen- und Tiergemeinschaften heute durch eine vergleichsweise große Artenverarmung gekennzeichnet sind. Diese Veränderungen der Lebensbedingungen betreffen sowohl das frei fließende Wasser, das Interstitial, die Ufer als auch die Auen mit ihren Auengewässern. In ausgebauten Wasserläufen wurden die vormals reichhaltigen Strukturen weitgehend vergleichmäßigt und vereinheitlicht. Hochwasser fließen nur noch bei Extremereignissen außerhalb des Mittelwasserbettes ab. Zudem wurde der Lebensraum im freien Wasserkörper vor allem im Oberlauf durch die allgemein stärkere Durchlichtung und Erwärmung, die bereichsweise Herabsetzung der Fließgeschwindigkeiten und die erhöhte Verfügbarkeit von Nährstoffen verändert. Deshalb sind in kaum geschiebeführenden Fließgewässern mit mittleren bis geringen Fließgeschwindigkeiten empfindliche, submerse Arten sehr selten geworden. Als Beispiel sei das Bunte Laichkraut (Potamogeton coloratus), ein Vertreter der kalkreichen Klarbach-Gesellschaften, erwähnt, das im Laufe der letzten Jahrzehnte zu einer Seltenheit geworden ist. Statt dessen dehnten sich in diesen Lebensräumen Arten aus, wie vor allem der Flutende Hahnenfuß (Ranunculus fluitans) und auch manche Wasserstern-Arten (Callitriche spec), die in vielen unserer Flüsse und Bäche dominant auftreten (Bild 3.31). Dadurch kann es bereits im Oberlauf naturferner Fließgewässer, vor allem in gestauten Bereichen, zu erheblichen, unnatürlichen Verkrautungen kommen. Die Makrophytenbestände wirken sich zwar positiv auf die Strukturvielfalt aus, können aber auch den Abflussquerschnitt einengen. Bei einer massenhaften Entfaltung bewirken diese Verkrautungen eine Erhöhung des Wasserspiegels sowie in aller Regel dann auch einen erhöhten Unterhaltungsaufwand, wobei bei jeder Krautung nicht nur die Vegetationsstrukturen, sondern auch große Biomassen an Fischnährtieren entnommen werden. Desgleichen können sich in überdüngten und voll besonnten Fließgewässern meterlange Wolken von Fadenalgen (u.a. Cladophora glomerata) bilden, die die
3.3 Auswirkungen auf die Entwicklung von Fließgewässer und Aue
99
Bild 3.31 Aufgrund der verfügbaren Nährstoffe breiten sich in Fließgewässern vielerorts Makrophyten aus, hier zum Beispiel der Wasserstern (Callitriche spec.) (Foto: P. Jürging)
Funktionen der Bettsedimente weitgehend ausschalten. Allerdings stellen diese Algenwatten mit ihren riesigen Oberflächen trotz allem bedeutende Strukturen und Lebensräume für viele Kleinstorganismen dar. Selbst in technisch ausgebauten Gewässern entwickelt sich in diesen Algenwolken eine enorme Biomasse an Fischnährtieren (Jungwirth et al., 2003). Als Ausdruck des menschlichen Wirkens haben sich vielfach die klassischen Fischregionen in Richtung Oberlauf verschoben. Zudem hat sich die Fischartenzusammensetzung fast überall durch Besatz geändert. So ist zum Beispiel in den südlichen Donauzuflüssen der Aal erst durch den Menschen „heimisch gemacht“ worden. Sohle Durch Unterbindung der Umlagerung, durch Befestigungen, durch Wasserentzug (u.a. bei Ausleitungen und Entnahmen) oder durch Verschließen des Interstitials mit feinsten Sedimenten, und damit geringerer Wasseraustauschrate, können die natürlichen Funktionen dieser Lebensräume nicht mehr voll wirksam werden (s.
100
3 Mensch und Fließgewässer
Kap. 2.2.3). Hinzu kommt, dass zum Beispiel bei Hochwasser oder einem plötzlichen Schadstoffeintrag aufgrund der fehlenden Rückzugsmöglichkeiten nahezu die gesamte faunistische Besiedlung flächendeckend vernichtet werden kann. Es dauert dann vergleichsweise lange, bis eine befriedigende Wiederbesiedlung des Fließgewässers durch Makrozoobenthos-Organismen stattgefunden hat. Die abgewandelten Lebensbedingungen des Sohlenbereiches verursachen zudem nicht nur eine Artenverschiebung (s. auch Bild 3.29) bzw. Veränderung der faunistischen Zusammensetzung, sondern nehmen auch etlichen empfindlichen Arten weitestgehend ihre Existenzmöglichkeit. Als drastisches Beispiel für einen Artenrückgang sei hier nur auf den Schwund an FlussperlmuschelBeständen (Margaritifera margaritifera) in silikatisch geprägten Ober- und Mittelläufen hingewiesen, von denen nur noch sehr wenige und zudem fast ausschließlich überalterte Populationen existieren (Gumpinger, 2003). Wohl mit ausschlaggebend ist in diesem Zusammenhang auch der Rückgang guter Bachforellenbestände mit einer natürlichen Populationsstruktur, da diese Fischart im Lebenszyklus der Flussperlmuschel eine existenzielle Rolle spielt. Zusätzlich hat der Mensch durch Besatz für etliche Arten den Konkurrenzdruck erhöht und auch die Verbreitung von Krankheiten gefördert. Das wohl bekannteste Beispiel hierzu ist der Fluss- oder Edelkrebs (Astacus astacus), eines unserer markantesten Benthostiere, auf den sich neben den gewandelten Umweltbedingungen vor allem der gewachsene „Feinddruck“ (u.a. durch den Aal, Kormoran, Reiher, Fischotter – s. u.a. Jahrl, 2001) und die Krebspest (durch den Einsatz nicht heimischer Krebsarten aus Übersee) negativ auswirkte. Auch neueingewanderte oder eingebürgerte Tierarten (Neozoen) können die Zusammensetzung des Makrozoobenthos verändern. So hat sich in vielen sommerwarmen, sandig bis schlammigen Fließgewässern die Wandermuschel (Dreissena polymorpha) verbreitet. Diese kann auch Hartsubstrate besiedeln und ist wohl in erster Linie auf Schiffsrümpfen eingeschleppt worden. Ufer In vielen ausgebauten, geschiebeführenden Flüssen reicht das Transportvermögen nicht mehr zu einer natürlichen Umlagerung des Bettmateriales aus. Hier ist die zyklische Entstehung von vegetationslosen Geschiebeablagerungen stark eingeschränkt. Auf den verbliebenen, aber nicht mehr umgelagerten Schotterbänken, Inseln und Ufern schreitet die Vegetationsentwicklung zu reiferen Gehölzbeständen (zum Teil stark mit Fichte durchsetzt) voran, mit dem Ergebnis, dass auentypische Pioniergesellschaften zunehmend seltener werden. Sind in Flüssen des Alpenvorlandes (dealpin) Umlagerungsstrecken verblieben, dann mussten beispielsweise vielerorts konkurrenzschwache Alpenschwemmlinge wegen höherer Nährstoffbelastung und vor allem auch aufgrund von Überlagerungen der Magerstandorte mit nährstoffreichen Feinsedimenten, hochwüchsigen Gräsern, wie Rohrglanzgras (Phalaris arundinacea), und Kräutern, wie Barbara-Kraut (Barbaraea vulgaris – s. Bild 3.32), weichen. Auch finden hier gelegentlich Neophyten einen zusagenden Lebensraum.
3.3 Auswirkungen auf die Entwicklung von Fließgewässer und Aue
101
Bild 3.32 Auf nährstoffreichen Kiesflächen dealpiner Umlagerungsstrecken kommen nur noch wenige Alpenschwemmlinge wie zum Beispiel das BarbaraKraut (Barbaraea vulgaris) vor (Foto: P. Jürging)
Vor allem aus gewässerunterhaltungstechnischen Gründen werden in intensiv genutzten Bereichen oftmals keine Gehölzsäume an den Gewässern geduldet. In einigen Fällen, vor allem in den Hügelländern, verblieb aber noch ein galerieartiger Gehölzbestand entlang der Bäche und Flüsse. In diesen meist noch naturnahen Uferzonen stocken vorwiegend Schwarz-Erle (Alnus glutinosa), verschiedene Weidenarten (z.B. Sailix alba, S. fragilis, S. viminalis), Esche (Fraxinus excelsior) und mitunter auch die Traubenkirsche (Prunus padus). Fehlende Uferstrukturen verursachen eine Reduzierung von strukturgebundenen Arten. Als Beispiel sei nur erwähnt, dass, wenn geeignete Ansitzwarten nicht mehr vorhanden sind, der Eisvogel (Alcedo atthis) oder die Wasseramsel (Cinclus cinclus) einen zum Nahrungserwerb wichtigen Teillebensraum verloren haben. Aber nicht nur fehlende Strukturen, sondern auch wiederholte Störungen, zum Beispiel Lärm oder längere Anwesenheit des Menschen, vertreiben angestammte Tiere auf Dauer aus ihrem Lebensraum (z.B. den Flussregen-
102
3 Mensch und Fließgewässer
pfeifer – Charadrius dubius). Mitunter weisen derartige Fließgewässer an den Ufern, vor allem im Bereich von Mühlstauen, auch schmale, nahezu durchgehende Röhrichte auf, die aus für Fließgewässer untypischem Schilf (Phragmites communis) bestehen. Bei größeren, schiffbaren oder schiffbar gemachten Strömen und Flüssen spielt auch der Wellensunk und -schwall bzw. der Wellenschlag am Ufer eine erhebliche Rolle. Vor allem die mechanische Belastung durch das Wasser hat vielerorts, unabhängig von durchgehenden Uferbefestigungen mit Wasserbausteinen, Flussröhrichten und den dort typischen Lebensgemeinschaften den Lebensraum genommen. Ersatzgesellschaften An Fließgewässern, vor allem an den Ufern von Staubereichen, finden sich häufig nitrophile Röhrichte, wie zum Beispiel Zweizahngesellschaften. Auch den im Frühjahr oder Sommer im Gewässerbett auftauchenden Uferbänken, nicht zuletzt auch den Buhnenfeldern, werden immer noch reichlich Nährstoffe zugeführt, so dass diese nährstoffreichen Sonderstandorte oftmals von üppig wachsenden Stauden, beispielsweise von Knöterich- oder Flussmeldefluren, eingenommen werden. In den höher gelegenen, weitgehend gehölzfreien Uferbereichen haben sich vielerorts nitrophile Ersatzgesellschaften etabliert. In aller Regel bestimmen hier nur schmale, oft lückige Säume von mehr oder weniger nährstoffliebenden Pflanzengemeinschaften aus Kräutern, Gräsern, und vor allem aus Hochstauden, das Bild. Diese bestehen fast ausschließlich aus Brennnesseln (Urtica dioica – Bild 3.33). An Entwässerungsgräben und deren Vorflutern wird diese Situation noch verstärkt, wenn der unterhaltungsbedingte Aushub auf den Böschungen der Ufer abgelagert wird und auf diese Weise dem Gewässer wieder Nährstoffe im Übermaß zuführt werden. Mitunter gelangt bei nicht so nährstoffreichen Ufern auch Mädesüß (Filipendula ulmaria) zur Vorherrschaft, vorausgesetzt, es wird nicht zu oft gemäht. Nach Ausbaumaßnahmen wurden die Ufer häufig mit Gehölzen bepflanzt. Früher wurden hierzu vielfach Hybrid-Pappeln verwendet, die aus landschaftsarchitektonischen Gründen alleeartig angeordnet wurden. Später erfolgte die Bepflanzung etwas gelockerter, wobei den standorttypischen Bäumen viele Sträucher, wie zum Beispiel Gewöhnliches Pfaffenkäppchen (Evonymus europaeus), Faulbaum (Rhamnus frangula) und Gewöhnlicher Schneeball (Viburnum opulus), beigemischt wurden. Neophyten Zu den sich auf anthropogen gestörten Ufern immer weiter ausbreitenden anspruchslosen Allerweltsarten (Ubiquisten) zählen heutzutage auch etliche Neophyten, die mittlerweile in unseren Gewässerlandschaften vielerorts vertreten sind. Derartige Pflanzen stammen aus fremden Florengebieten und haben sich in zunehmendem Maße in unseren Breiten etabliert. Sie behaupten sich
3.3 Auswirkungen auf die Entwicklung von Fließgewässer und Aue
103
Bild 3.33 Oftmals breiten sich Säume aus Brennesseln (Urtica dioica) an den Ufern als Ersatzgesellschaften aus (Foto: P. Jürging)
bevorzugt an Stellen, die durch menschliche Eingriffe entstanden sind, so eben auch entlang von Fließgewässern nach wasserbaulichen Ausbau- oder Unterhaltungsmaßnahmen. Eine weitere Ursache für das vorzugsweise Vorkommen dieser Einwanderer sind schwankende Wasserstände sowie Hochwasser oder Wellenschlag (insbesondere wenn der Boden an Ufern abgetragen oder freigelegt wurde). Diese vegetationsfreien Flächen werden von den Neophyten nahezu konkurrenzlos zur Ansiedlung genutzt. Natürlich begünstigt auch die Drift von Samen und Pflanzenteilen die Ausbreitung dieser Pflanzen an den Fließgewässern. Eine Auswahl von Neophyten zeigt Bild 3.34. Zu den wichtigsten Neophyten unserer Flusslandschaften zählen der Japan-Knöterich (Reynoutria japonica – s. Bild 3.34a), der Sachalin-Knöterich (Reynoutria sachalinensis), die Kanadische Goldrute (Solidago canadensis – s. Bild 3.34b), die Späte Goldrute (Solidago gigantea), das Indische Springkraut (Impatiens glandulifera – s. Bild 3.34c) und der Riesenbärenklau (Heracleum mantegazzianum – s. Bild. 3.34d), der auch Herkulesstaude genannt wird (Paulus, 1997). Die schnelle Ausbreitung der Neophyten entlang der Fließgewässer und das Fehlen von natürlichen Konkurrenten führen in der Folge zu einer Verdrängung der standorttypischen heimischen Flora. Angestammte Lebensgemeinschaften können auf diese Weise durch die Ausbreitung von Neophyten verändert bzw. verdrängt werden. Da derartige Veränderungen auch Auswirkungen auf die Fließgewässer- und Auenentwicklung haben, wird versucht, derartige Fehlent-
104
3 Mensch und Fließgewässer
a
b
d
c
Bild 3.34 Neophyten (Auswahl) (Fotos: P. Jürging) a. Japanknöterich (Reynoutria japonica) b. Goldrute (Solidago canadensis) c. Indisches Springkraut (Impatiens glandulifera) d. Riesenbärenklau (Heracleum mantegazzianum)
3.3 Auswirkungen auf die Entwicklung von Fließgewässer und Aue
105
wicklungen im Rahmen der Gewässerunterhaltung (ggf. durch Bestandsregulierungen) zu korrigieren (s. auch Kap. 3.3.4). Neben den Neophyten haben sich an den Ufern der Fließgewässer aber auch einige „neue“ Tierarten (Neozoen) breit gemacht. Die bekanntesten Beispiele hierfür sind der Bisam (Ondatra zibethicus) und die Nutria (Myokastor coypus). Diese Tierarten können durch ihre Wühlarbeit die Sicherheit von Ufer, Deichen und Dämmen gefährden (DVWK, 1997b). Auen Die flussbegleitenden Auwälder in der freien Landschaft weisen nur noch wenige intakte Bestände auf. Die meisten natürlichen, Nässe und Dynamik vertragenden Lebensgemeinschaften, wurden im Laufe der Zeit durch anthropogen bedingte Ersatzgesellschaften abgelöst, so dass in den „Restlebensräumen“ vorwiegend Allerweltsarten (Ubiquisten) dominieren. An größeren, ausgebauten Gewässern finden sich oftmals auf den Dämmen, Deichen und auf den Vorländern nur noch rasenartige Vegetationsbestände, die regelmäßig im Rahmen der Gewässerunterhaltung gemäht oder/und beweidet werden. Dabei haben sich gelegentlich auf nährstoffarmen Standorten schützenswerte Magerrasen ausgebildet. Degradierte Auwälder und Forste Sind in den Auen noch Auwaldreste vorhanden, so überwiegen, im Gegensatz zu früher, meist hartholzartige Bestände. Diese stocken heute vielerorts lediglich deshalb an der Stelle von ehemaligen Weiden- und Erlenauen, weil die Wasserspiegellagen absanken und die häufigen Überschwemmungen ausblieben. Ehemalige Weichholzauen werden, wenn die Überschwemmungen ausbleiben, wegen der Durchlässigkeit ihres in der Regel feinerdearmen Bodens sehr trocken, so dass sich letztlich Kiefernwälder oder auch Birken-Eichenwälder entwickeln. Meist sind aber, wenn überhaupt noch Wälder längs der Flüsse existieren, diese forstlich mehr oder weniger stark übergeprägt, zum Beispiel mit Hybrid-Pappel-Kulturen (Bild 3.35). Mitunter finden sich auch noch Zeugen alter Nutzungsformen, zum Beispiel von Kopfweiden- und Niederwaldnutzung. Viele Wälder, die noch in den Auen stocken, sind Forste, also künstlich begründet. Diese Bestände sind oft durch standortuntypische oder gebietsfremde Baumarten (z.B. Balsam- oder Kanada-Pappel) oder Bestände mit standorttypischen Baumarten in Reinkultur, zum Beispiel Laubholzforste aus Esche, Erle oder Silberweide, charakterisiert. Oftmals finden sich auch Nadelholzforste mit Fichten, die generell als Reinkultur auf Auenstandorten nicht als standorttypisch angesprochen werden können. Wiesen Dort wo Entwässerungsmaßnahmen in den Auen früher nicht möglich waren, blieben Nasswiesen als „saure“ Wiesen von einer intensiveren Nutzung und Düngung ausgenommen. Anspruchslose Sauergräser und Binsen von niedri-
106
3 Mensch und Fließgewässer
Bild 3.35 Anstelle einer Weichholzaue stocken hier im Vorland in „Reih und Glied“ hochwassergerecht aufgeastete Hybrid-Pappeln (Foto: P. Jürging)
gem Futterwert bestimmten weithin das Bild der Auenlandschaft. Bei sinkenden Grundwasserständen und besserem Nährstoffangebot, und damit einer intensiveren Bewirtschaftung, gingen die Nasswiesen schrittweise in Feuchtwiesen über und immer mehr Arten der Wirtschaftswiesen etablierten sich. Vor allem bei Basenreichtum schoben sich wüchsigere Arten wie zum Beispiel Kohldistel (Cirsium oleraceum) und Wiesen-Fuchsschwanz (Alepecurus pratensis) in den Vordergrund. Sind diese Feuchtwiesen ausreichend groß, so können Tierarten offener Feuchtlandschaften einen zusagenden Lebensraum finden, zum Beispiel Wiesenbrüter, wie der Große Brachvogel (Numenius numenius). Bestehen für derartige Fließgewässerlandschaften Revitalisierungsabsichten in Richtung Dynamik und Auwaldentwicklung, so sind Konflikte mit dem Naturschutz zwangsläufig vorprogrammiert (s. Kap. 4.2.3). In jüngerer Zeit werden Feuchtwiesen mitunter nicht mehr genutzt und es stellen sich eutrophe Feuchtbrachen ein. Der immer noch vorhandene Nährstoffreichtum fördert bei ausbleibender Mahd die Ausbreitung von Hochstauden und konkurrenzkräftigen Gräsern, zum Beispiel Rasenschwiele (Deschampsia caespitosa) und allen voran Schilf (Phragmites communis). Haben sich diese einmal ausgebreitet, ist das Aufkommen von Gehölzkeimlingen äußerst schwierig und eine Wiederbewaldung kann, wenn überhaupt, nur in Jahrzehnten, und dies nur von den Rändern oder von Strauchinseln aus, erfolgen.
3.3 Auswirkungen auf die Entwicklung von Fließgewässer und Aue
107
Ackerbau Speziell in den Nachkriegszeiten wurden viele Auen im Hinblick auf eine ackerbauliche Nutzung melioriert. Kurz darauf setzte der Siegeszug des Maisanbaus ein, der heute weite Teile unserer Auen einnimmt (Bild 3.28). In diesen einförmigen Lebensräumen, in denen praktisch kaum noch eine auentypische Vernetzung möglich ist, wurden im Prinzip alle angestammten Arten verdrängt. Werden Äcker in der Aue nicht mehr bewirtschaftet, so stellen sich auf diesen nährstoffreichen Böden schnell Brachen mit ausdauernden Stauden ein. Die zunächst vorwiegend niedrigwüchsigen Ackerwildkräuter, wie zum Beispiel der Löwenzahn (Taraxacum officinale), werden bald von hochstrebenden Arten mit großem Ausbreitungsvermögen, wie zum Beispiel von Ackerkratzdistel (Cirsium arvense) sowie von Goldruten-Arten und anderen Neophyten, abgelöst, die dann über viele Jahre das Vegetationsbild beherrschen können. Es dauert etliche Jahrzehnte bis derartige Staudenformationen von Holzgewächsen durchsetzt werden und man im Laufe der Zeit von einem Vorwald sprechen kann. Auengewässer Zu den Auengewässern zählen – neben den im Kapitel 2 bereits angesprochenen Auenbächen und Altgewässern, also den Altarmen und Altwassern naturnaher Auen (s. Kap. 2.2.3) – auch anthropogen bedingte Qualmgewässer und Totarme sowie zeitweilig wasserführende Kleingewässer und künstliche Gewässer (z.B. Entwässerungsgräben und Grundwasserseen der Kiesgewinnung). Altgewässer Vor allem in den Auen der Flussunterläufe kamen zu den natürlich entstandenen Altgewässern im Zuge der klassischen Gewässerausbauten aufgrund von Flussbegradigungen unnatürlich viele, künstlich abgeschnittene Flussschlingen (Altgewässer) hinzu. Durch die Eindeichung von Fließgewässern verblieben binnendeichs oftmals ehemalige Flussschlingen, sogenannte Qualmgewässer und Totarme. Die Qualmgewässer sind zwar von den Überschwemmungen des Flusses abgeschnitten, haben aber in vielen Fällen unterirdisch, über das Grundwasser, mit dem Wasserregime des Fließgewässers noch Kontakt. Totarme sind ökologisch betrachtet keine Altgewässer, weil sie ganzjährig weder unterirdisch noch oberirdisch mit dem Wasserregime des Flusses korrespondieren. Sie haben aber die ökologischen Eigenschaften von Teichen und sind dementsprechend keinesfalls ein „toter Lebensraum“. Im Laufe der Zeit verschwanden ein Großteil der natürlich oder künstlich entstandenen Altgewässer durch Nutzungen, Verfüllungen und/oder durch Aufund Verlandungsprozesse. Letztere können bei einem zusätzlichen Nährstoffeintrag durch den nutzenden Menschen beschleunigt ablaufen. Gleichzeitig kann dieser Prozess auch noch durch sinkende Wasser- und Grundwasserspiegel eine indirekte „Förderung“ erfahren, zum Beispiel bei Grundwasserabsenkungen in der Aue (Bild 3.36).
108
3 Mensch und Fließgewässer
In und an den wenigen noch vorhandenen Altgewässern verändern Nutzungen die Lebensräume und damit die Lebensgemeinschaften erheblich. Zu den bedeutendsten Nutzungen zählen als Einzelnutzung oder in unterschiedlichen Kombinationen: Fischerei, Jagd, Freizeit und Erholung, Vorflut, Wasserentnahme, Landwirtschaft, Ablagerungen, Verfüllung und Bodenabbau. Deshalb kann der Rest der bis heute in den Auen verbliebenen Altgewässer seine ökologischen Funktionen meist nur noch sehr eingeschränkt erfüllen. Aufgrund dieser Entwicklungen fehlen heute natürliche oder naturnahe Altgewässer in fast allen Flusslandschaften oder stellen Mangelbiotope dar. Dies ist umso gravierender, da viele Fließgewässerarten, nicht zuletzt aufgrund der meist ausbaubedingt im Fluss fehlenden Lebensräume, auf Altarme, u.a. zum Laichen oder als Kinderstube, aber auch als Rückzugsraum angewiesen sind (z.B. bei Hochwasser).
Bild 3.36 Durch Flusskorrektion und damit abgesunkenem Grundwasserstand trockengefallenes Altgewässer (Foto: P. Jürging)
Altgewässer können heutzutage in unserer Kulturlandschaft wegen der fehlenden, bettgestaltenden Fließgewässerdynamik nur noch in Ausnahmefällen neu entstehen. Die vielerorts in den Auen entstandenen Kiesweiher und -seen können nur in seltenen Fällen als „neue Altgewässer“ bezeichnet werden, da sie in ihrer Morphologie in der Regel stark vom Relief entsprechender ehemaliger Flussschlingen, zum Beispiel im Hinblick auf die Wassertiefe und die Bettgestalt, abweichen.
3.3 Auswirkungen auf die Entwicklung von Fließgewässer und Aue
109
Auenbäche Viele Auebäche verlaufen meist begradigt und voll besonnt in landwirtschaftlich genutzten Flächen. Auch kennzeichnen häufig kleinere Staubereiche diese ehemaligen Auengewässer, so dass diese – insgesamt gesehen – ihre früheren ökologischen Funktionen nicht mehr voll erfüllen können. Ein weiteres Problem ist, dass die Auenbäche oft im rechten Winkel und, aufgrund von Sohleneintiefungen im Hauptgewässers, inzwischen mit einem erheblichen Höhenunterschied in die Hauptgewässer einmünden. Häufig finden sich in den Mündungsbereichen Abstürze oder andere von Wasserorganismen unüberwindbare Sohlenbauwerke. Damit ist biologisch gesehen ein Anschluss dieser Auenbäche an den Fluss im Sinne einer Durchgängigkeit (Fließgewässerkontinuum) oft nicht mehr gegeben. Zeitweilige wasserführende Kleingewässer Diese wichtigen Bindeglieder in Auenökosystemen (z.B. für die Nahrungskette) sind in unseren heutigen Auen, vielleicht mit Ausnahme einiger verdichteter Stellen, wie zum Beispiel Fahr- oder Rückespuren, weitestgehend verschwunden. Die Gründe liegen auf der Hand: Vorwiegend ebene Flächen, zu tief liegende Grundwasserspiegel und keine oder nur noch sehr seltene Überschwemmungen. Alles dies sind Faktoren, die jeder für sich alleine schon das Entstehen von Kleingewässern verhindern können. Mit dem Rückgang dieser periodisch wasserführenden Stillgewässer sind auch viele Tierarten, die an diese speziellen Lebensbedingungen angepasst sind, wie zum Beispiel die Krebsart Triops cancriformis heute vom Aussterben bedroht. Künstliche Gewässer Neben den Nassbaggerungen wurden in Auen (vor allem im Flachland) nutzungsorientiert zusätzlich künstliche Gewässer, wie zum Beispiel Kanäle oder Entwässerungsgräben, zum Teil auch deren Vorfluter, neu geschaffen. Aufgrund der gewandelten Situation in den Talniederungen sind diese künstlichen Gewässer in einer ansonsten oft ausgeräumten Kulturlandschaft mitunter die einzigen Habitate, die eine, wenn auch nur bescheidene, Entwicklungsmöglichkeit für Gewässerorganismen bieten und damit auch für den Artenschutz von Bedeutung sein können. Diese künstlichen Fließgewässer würden sich ohne entsprechende Unterhaltungsmaßnahmen im Laufe der Zeit durch Ver- und Auflandungsprozesse (natürliche Sukzession) wieder zu terrestrischen Standorten entwickeln. Wenn diese künstlich ausgebauten Fließgewässer aber die ihnen zugedachten, nutzungsorientierten Funktionen auf Dauer erfüllen sollen, muss der Mensch immer wieder in die, oft relativ rasch einsetzende, eigendynamische Entwicklung der Lebensräume und der Lebensgemeinschaften im Rahmen der Unterhaltung regulierend eingreifen (s. auch Kap. 3.3.4 und Bild 3.40).
110
3 Mensch und Fließgewässer
Flussstaue Bei ausreichendem Gefälle wurden vor allem an Mittel- und Unterläufen Flussstaue, zum Beispiel zur Wasserkraftnutzung und als Maßnahme gegen Sohleneintiefungen, errichtet. Die dadurch entstehenden Staubereiche stellen einen erheblichen Eingriff in das Ökosystem Fließgewässer dar, da Flussstaue fast das ganze Jahr über in wesentlichen Bereichen Stillgewässern gleichen, während sie bei Hochwasser zu Fließgewässern werden. In solchen aquatischen Lebensräumen können sich fast keine typischen Fließgewässerarten oder charakteristische Stillwasserarten über längere Zeiträume hinweg entwickeln. Deshalb werden Stauräume fast ausschließlich von Allerweltsarten (Ubiquisten ) besiedelt, die eine entsprechend breite ökologische Amplitude besitzen (Jürging, 1987). In jüngerer Zeit wurde – im Gegensatz zu älteren Flussstauen – der Gestaltung der Staubereiche auch im Hinblick auf ökologische Zielsetzungen, besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Für unvermeidbare Flächenverluste wurde im Rahmen von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen versucht, neue Lebensräume anzulegen, um auf diese Weise die Entwicklung artenreicher Lebensgemeinschaften im und am Wasser zu fördern. Dies wurde zum Beispiel an der Unteren Isar (BayLfW, 1991) durch Erdanschüttungen im und am Flussstau für Flachwasserzonen als Standort für Röhrichte, durch grundwassernahe Landflächen zur Eigenentwicklung von weichund hartholzähnlichen Beständen und durch die Anlage nährstoffarmer Damm- und Deichböschungen für Magerrasen, erreicht (Bild 3.37). Darüber
Bild 3.37 An der Stützkraftstufe Landau a.d. Isar wurden als Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen vielfältige Lebensräume geschaffen (Foto: P. Jürging)
3.3 Auswirkungen auf die Entwicklung von Fließgewässer und Aue
111
hinaus wurden spezielle Standorte angelegt, zum Beispiel Tümpel für Amphibien, Steilwände für Uferschwalbe (Riparia riparia) und Eisvogel (Alcedo atthis) sowie Kiesinseln für kiesbrütende Vögel, wie zum Beispiel den Flussregenpfeifer (Charadrius dubius – Bild 2.18). In den ersten Jahren nach der Fertigstellung, nachdem die Baumaschinen in Teilbereichen praktisch eine Flusslandschaft wie nach einem extremen Hochwasser hinterlassen haben, fanden vor allem typische Pionierarten einen zusagenden Lebensraum. Mittelfristig betrachtet war das Ergebnis selbstverständlich keine naturnahe, dynamische Flusslandschaft. Aber nahezu ungestörte Lebensräume in dieser Größenordnung sind in unserer ansonsten intensiv genutzten Kulturlandschaft Mangelware und deshalb trotzdem von großer Bedeutung für den Naturhaushalt. 3.3.4 Fließgewässerunterhaltung Alle Unterhaltungsarbeiten am Fließgewässer sorgen dafür, dass die – im Vergleich zu natürlichen Gewässern – mehr oder weniger ausgeprägte künstliche Uniformität der Lebensräume immer wieder neu hergestellt wird. Somit unterbindet nahezu jede mechanische Unterhaltungsmaßnahme die Weiterentwicklung der Pflanzen- und Tiergemeinschaften im und am Gewässer. Vor allem bedeutet die Entnahme pflanzlicher und tierischer Biomasse einen Eingriff in die Nahrungsketten und damit in das gesamte Ökosystem Fließgewässer. Dieser Effekt wird noch verstärkt, wenn die Struktur der Gewässersohle und der Ufer gestört oder im Extremfall nivelliert wird. Zu den regelmäßigen Unterhaltungsmaßnahmen gehören vor allem das Freihalten des notwendigen Abflussprofils bzw. die Wiederherstellung der hydraulischen Leistungsfähigkeit, die Gehölzpflege, die Beseitigung von Schäden am Gewässer und der Unterhalt von Bauwerken und Wegen. Ein Teil dieser Arbeiten fällt regelmäßig im Jahresgang an, andere nur bei Bedarf, also unregelmäßig. Regelmäßige Unterhaltungsmaßnahmen Zu den regelmäßigen Unterhaltungsarbeiten zählen vor allem die mechanische Gewässerunterhaltung, die im Wesentlichen das Mähen von Vorländern und Böschungen sowie das Krauten im Gewässerbett umfassen. Mähen Das Mähen des Aufwuchses und das Entfernen des Mähgutes sind vielerorts die umfangreichsten Unterhaltungsarbeiten, die im Allgemeinen mehr als einmal im Jahr erforderlich sind. Bei einer regelmäßigen Mahd der Uferböschungen, Vorländer und Bermen bleibt die hydraulische Leistungsfähigkeit erhalten und das Aufkommen von Gehölzen, die den Abfluss behindern, wird zwangsläufig unterbunden. Gleichzeitig wird die Sedimentation von Feststoffen, vor allem in den unteren Böschungsbereichen, verringert. Wichtig ist auch, dass eine regel-
112
3 Mensch und Fließgewässer
mäßige Mahd eine Verfestigung der Grasböschungen durch intensive Durchwurzelung fördert. Das Mähen bedeutet für die ein Fließgewässer begleitenden Rasen, Hochstauden und Röhrichte im wahrsten Sinne des Wortes einen einschneidenden Eingriff und sollte stets neu überdacht werden, da dabei die natürliche Entwicklung immer wieder unterbrochen wird. Dadurch wird ein wesentlicher Teil der Phytomasse aus dem System entfernt und die Entwicklung um mindestens eine Entwicklungstufe zurückversetzt. Gleichzeitig wandeln sich schlagartig etliche den Lebensraum bestimmende Einflussgrößen, beispielsweise das gesamte Mikroklima. Zudem wirkt eine regelmäßige Mahd selektiv auf die Zusammensetzung der Pflanzenarten, d.h. viele Kräuter können sich aufgrund fehlender Samenreife nicht mehr reproduzieren, während schnittverträgliche oder rosettig wachsende Pflanzen durch die abnehmende Konkurrenz und den erhöhten Lichtgenuss gefördert werden. Röhrichtsäume können unter einer mehrfachen Mahd sehr leiden. Das gilt insbesondere für Schilfröhrichte, wenn Wasser während der Vegetationsperiode wiederholt in die luftgefüllten Schilfhalme eindringt und dadurch die Wurzeln (Rhyzome) von innen vernässen. Letztlich führt dies zu einem Absterben der Pflanzen. Entsprechend empfindlich reagieren auch alle Tiere, die zum Schnittzeitpunkt auf diese Lebensräume als Deckungs-, Nahrungs-, Schatten- oder Fortpflanzungshabitate angewiesen sind. Nur für wenige Tierarten offener Feuchtlandschaften ist ein spätes Mähen (frühestens nach Mitte Juni) von Vorteil. Dazu zählen vor allem Wiesenbrüter wie beispielsweise der Brachvogel (Numenius numenius). Krauten Unter Krauten wird der Schnitt und das Entfernen von meist submerser Vegetation aus dem Fließgewässer verstanden. Gekrautet wird zur Gewährleistung der Vorflut, d.h. um einen Anstieg der Wasserstände zu verringern, zum Teil aber auch, um eine Verlagerung der Strömung zu verhindern. Das Schnittgut wird aus Gründen der Gewässergüte, vor allem wegen der Gefahr einer Krautwalzenbildung und einer Versetzung an Querbauwerken aus dem Abflussprofil entfernt. Beim Krauten im Gewässer – ähnlich wie beim Mähen – treten vergleichbare Auswirkungen auf, jedoch werden nicht nur Pflanzen mit ihren Aufwuchsorganismen aus dem Gewässer entfernt, sondern zusätzlich kleine freischwimmende Tiere und zum Teil auch Bewohner der Gewässersohle. Auch kann bei einem unsachgemäßen Einsatz von Maschinen, zum Beispiel des Mähkorbes die Sohlenstruktur wiederkehrend zerstört (Bild 3.38) und der Wasserchemismus verändert werden. Unregelmäßige Unterhaltungsarbeiten Zu den unregelmäßig wiederkehrenden Unterhaltungsmaßnahmen zählen u.a. die Räumung des Abflussquerschnittes, die Gehölzpflege sowie Instandsetzungsarbeiten nach Hochwasser, Eisgang und Unwettern.
3.3 Auswirkungen auf die Entwicklung von Fließgewässer und Aue
113
Bild 3.38 Unsachgemäßes Krauten mit einem Mähkorb kann die Sohlenstruktur und das Ufer beschädigen (Foto: P. Jürging)
Räumung Die Entfernung von Sedimenten (Kies, Sand, Schlamm) aus dem Abflussprofil, im Wesentlichen also die Entsandung und Entschlammung, wird als Räumung bezeichnet. Das Räumen stellt im Vergleich zum Mähen oder Krauten den gravierendsten Eingriff und somit den größten Verlust an Lebensräumen und Individuen dar. Es werden nicht nur Pflanzen und Tiere dem System entnommen, sondern in der Regel auch die obere Sohlenschicht und die Ufer wieder profilgerecht hergerichtet. Dadurch werden die Sohlenstrukturen (Interstitial) und die Ufer als Lebensraum verändert bzw. zerstört. Vor allem in Gewässern mit Kiessohlen existiert nach der Räumung wesentlich weniger Interstitial und geeignetes Laichsubstrat. Meist werden bei diesen Unterhaltungsarbeiten die verbleibenden Lückenlebensräume zusätzlich mit Schwebstoffen „zusedimentiert“. Bei einer Räumung wird zwangsläufig auch Totholz aus dem Gewässer entfernt. Ein ausreichender Anteil an Totholz ist jedoch ein wesentliches Element bei der Strukturierung der Fließgewässer und trägt zudem dazu bei, dass sich die Vielfalt der Biotopstrukturen beträchtlich erhöht. Jede Räumung bedeutet daher gewässermorphologisch und ökologisch eine Zurückstufung um mehrere Entwicklungsstufen, da nahezu alle gewachsenen Strukturen entfernt bzw. vereinheitlicht werden.
114
3 Mensch und Fließgewässer
a
b Bild 3.39 Treibgutansammlungen erhöhen die Strukturvielfalt, können jedoch auch Schäden verursachen (Fotos: H. Patt) a. Bei ausreichendem Platz ist eine Treibgutansammlung in der Regel unproblematisch b. An Engstellen kann die Abflussleistung eines Querschnittes erheblich reduziert werden; durch das Entstehen lokaler Kolke können Fundamente unterspült werden
Instandsetzungsarbeiten Mitunter fallen nach wetterbedingten Ereignissen (z.B. Hochwasser, Sturm, Eisgang, Treibgutanfall) zusätzliche Unterhaltungsmaßnahmen an, um einen möglichst ungehinderten Wasserabfluss zu gewährleisten. Diese Form der Fließgewässerunterhaltung umfasst eine verstärkte Kontrolle an bekannten Versetzungspunkten und die Beseitigung von neu entstandenen, nicht tolerierbaren Abflusshindernissen, wie zum Beispiel umgestürzten Bäumen, Treibgutansammlungen und Eisversetzungen. Die teilweise Verlegung des Abflussquerschnittes durch Treibgut kann in einem breiten Fließabschnitt vollkommen unproblematisch sein, aber bei einer Verfrachtung an nachfolgenden Engstellen (z.B. Durchlässen, Verrohrungen) eine Verlegung des Abflussquerschnittes bewirken. Damit sind oft erhebliche Gefah-
3.3 Auswirkungen auf die Entwicklung von Fließgewässer und Aue
115
rensituationen und Schäden verbunden. Gleiches gilt auch für Wasserkraftanlagen, wo die Verlegung der Einlaufrechen zu erheblichen Problemen führen kann. Generelle Auswirkungen der mechanischen Unterhaltung Die mechanische Unterhaltung wirkt sich um so gravierender auf die Lebensräume und deren Lebensgemeinschaften aus, je häufiger im Rahmen der Unterhaltung in ein Gewässer eingegriffen wird, weil dadurch die Lebensgemeinschaften umso stärker beeinflusst und geprägt werden. Dabei verlieren die Biozönosen mit steigender Unterhaltungsintensität ihre natürliche Stabilität, die entscheidend von der Konstanz der Milieubedingungen bestimmt wird. Gleichzeitig setzen verstärkt Selektionseffekte ein. Das Arteninventar wird nun nicht mehr durch natürliche Milieufaktoren geprägt, sondern in zunehmenden Maße durch Selektionswirkungen spezifischer, wiederkehrender Unterhaltungsmethoden. Eine steigende Artenverarmung ist die zwangsläufige Folge. Trotzdem sind derartige Fließgewässer, aber auch Grabensysteme, in intensiv genutzten Auen nicht selten die letzten, wenn auch nur sehr bescheidenen Rückzugsareale für etliche Tier- und Pflanzenarten. Derartige Systeme spielen daher als Vernetzungselemente bei einer Wiederbesiedlung eine wichtige Rolle Den Einfluss der mechanischen Gewässerunterhaltung auf die Lebensgemeinschaften zeigt grob vereinfacht Bild 3.40. Würde ein Fließgewässer ausgebaut und anschließend nicht mehr mechanisch unterhalten werden, dann würde es zunächst eine Primärphase mit einer erhöhten Produktion an Biomasse durchlaufen, d.h. eine Massenentwicklung von wenigen Pionierarten aufweisen. Im Laufe der Zeit würden sich durch zunehmende Konkurrenz und durch allmähliches Einwandern spezialisierter Arten die Lebensgemeinschaften zu einem relativ stabilen System mit einem hohen Selbstregulierungsvermögen entwickeln, wobei die Biomasse im Vergleich zur Primärphase wesentlich geringer wäre (s. Bild 3.40a). Wird dagegen, was in der Regel der Realität entspricht, ein ausgebautes Fließgewässer regelmäßig und intensiv unterhalten, wird diese Entwicklung ständig in oder zu Ende der ersten Phase der verstärkten Primärproduktion, d.h. der Massenentwicklung weniger Arten, durch Entnahme der Biomasse unterbrochen. Dadurch muss die Entwicklung der Lebensgemeinschaften zwangsläufig immer wieder von vorne beginnen. Durch die stetig wiederkehrende Unterbrechung der Sukzession kann sich keine stabile Lebensgemeinschaft mit einen hohen Selbstregulierungsvermögen entwickeln (s. Bild 3.40b). Diese hier nur vereinfacht dargestellten Auswirkungen können im Detail sehr unterschiedlich sein. So kann zum Beispiel die Wirkungsweise des jeweils verwendeten Gerätes unterschiedliche Beeinträchtigungen nach sich ziehen. Dasselbe gilt für zeitliche Aspekte, wie zum Beispiel den Zeitpunkt der Arbeiten im Jahresgang oder die Zeitintervalle zwischen den Unterhaltungsmaßnahmen.
116
3 Mensch und Fließgewässer
a
b Bild 3.40 Reaktion einer Fließgewässerbiozönose auf Ausbau ohne und mit regelmäßiger Unterhaltung (Jürging, 1999; verändert nach Dahl & Hullen, 1989) a. Ungestörte Entwicklung eines Fließgewässers nach dem Ausbau ohne spätere Unterhaltung b. Entwicklung eines Fließgewässers nach dem Ausbau mit regelmäßig wiederkehrenden Unterhaltungsmaßnahmen, die eine Entwicklung immer wieder zurückwerfen
Auch spielen die Arbeitsweisen vor Ort, die Arbeitsrichtung und nicht zuletzt die individuelle Gerätebedienung eine nicht zu unterschätzende Rolle. 3.3.5 Auswirkungen von Freizeit- und Erholungsaktivitäten Freizeit- und Erholungsaktivitäten und die hierfür notwendige Infrastruktur können in unterschiedlicher Weise auf den Naturhaushalt eines Fließgewässers und seiner Aue einwirken. Beeinträchtigungen des Naturhaushaltes sind durchaus möglich und vielfach belegt. So zeigten Untersuchungen zur Gefährdungs-
3.3 Auswirkungen auf die Entwicklung von Fließgewässer und Aue
117
situation von Fließ- und Stillgewässern des Binnenlandes, dass Freizeit- und Erholungsaktivitäten in hohem Maße an der Gefährdung derartiger Lebensräume beteiligt sind (LfU BW, 1993). Grundsätzlich sind im Sinne der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung bau-, anlage- und betriebsbedingte Auswirkungen auf die verschiedenen Schutzgüter bzw. Bestandteile des Naturhaushaltes (z.B. die Schutzgüter Biotope und Arten, Wasser und Boden) zu unterscheiden. Die möglichen Beeinträchtigungen des Naturhaushaltes werden dabei vor allem durch die benutzten Sportgeräte bestimmt. Als Beispiele können das Jet-SkiFahren, das Rafting, das Canyoning, das Motorbootfahren oder verschiedene Formen des Kanufahrens genannt werden. Aufgrund der Auswirkungen bestimmter Freizeit- und Erholungsaktivitäten auf die Lebensraumfunktionen von Fließgewässern und Auen entstehen vor allem Konflikte mit dem Natur- und Artenschutz. Als unmittelbare Beeinträchtigungen gelten beispielsweise das Unterschreiten von Fluchtdistanzen oder das Verursachen von Lärm. Entsprechende Störungen können bei verschiedenen Tieren (z.B. Eisvogel, Uferschwalbe, Flussregenpfeifer, Flussuferläufer) insbesondere im Umfeld ihrer Nester zur Störung des Brutgeschäftes oder der Jungenaufzucht führen. Solche Störungen können aber auch innerhalb von Vogelrast-, Mauser- und Überwinterungsgebieten erheblich sein. Weiterhin führen bestimmte Freizeit- und Erholungsaktivitäten zu einer direkten Zerstörung bzw. Schädigung von Lebensräumen, Pflanzen und Tieren. Als Beispiel seien die Tritt- bzw. Lagerschäden in der Ufervegetation oder die Beeinträchtigung von Schwimmblatt- und Tauchpflanzen durch Bootsverkehr genannt. Ferner kann in flachen Fließgewässern beim Kanufahren das Interstitial durch den Bootsboden beeinträchtigt werden. Infolge von Grundberührungen mit Bootsboden oder Paddel sind ebenfalls ungewollte mechanische Schädigungen des Fischlaichs, der Fischnährtiere und Muscheln in Flachwasserbereichen möglich (Altmüller, 1986; LÖLF, 1993, Schmidt & Amt für Umwelt- und Naturschutz Friedrichshafen, 1999). An dieser Stelle sollen nur die wichtigsten und häufig diskutierten Beeinträchtigungspotenziale, die von bestimmten Freizeit- und Erholungsaktivitäten und der hierfür erforderlichen Infrastruktur ausgehen können, aufgezählt werden (ATV-DVWK, 2001a): • Beunruhigung störempfindlicher Tierarten; alleine durch die Anwesenheit des Erholungssuchenden • Beunruhigung durch Lärmentwicklung • Zerstörung oder Beeinträchtigung der Ufervegetation • Beeinträchtigung der Gewässersohle (Interstitial) • Beeinträchtigungen des Hochwasserabflusses und damit einhergehend die Behinderung fluss- und auendynamischer Prozesse, insbesondere durch Baukörper, Zaunanlagen etc. • Beeinträchtigung der Wasserqualität • Zerschneidungseffekte für wandernde Organismen durch Wegebau
118
3 Mensch und Fließgewässer
• Versiegelung der Aue durch Überbauung • Abfallhinterlassenschaften • Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes Die Auswirkungen bestimmter Freizeitaktivitäten sind nur selten pauschal zu bewerten. In der Regel ist hierfür eine individuelle Betrachtung und Bewertung notwendig. Generell hängen die Einflüsse und deren Bewertung von der Schutzwürdigkeit und ökologischen Empfindlichkeit des betroffenen Fließgewässerund Auenabschnittes sowie von den spezifischen Umweltwirkungen der jeweiligen Freizeitnutzung, also von Art, Umfang und Intensität der Freizeit- und Erholungsnutzung ab (Schemel, 1995). So stellt die Ausübung einer bestimmten Freizeit- und Erholungsaktivität in sehr vielen Fließgewässerlandschaften, in denen schutzwürdige und gleichzeitig störempfindliche Tierarten fehlen, in aller Regel keine Beeinträchtigung des Schutzgutes „Arten und Lebensgemeinschaften“ dar. Dieselbe Freizeit- und Erholungsaktivität kann aber in besonders schutzwürdigen Landschaftsteilen mit Vorkommen störempfindlicher Tier- oder Pflanzenarten erhebliche Beeinträchtigungen des Naturhaushaltes hervorrufen. Dieselbe differenzierte Betrachtungsweise ist auch bei der Bewertung von Infrastruktureinrichtungen zur Ausübung von Freizeit- und Erholungsaktivitäten notwendig. Ein flussparallel geführter Radweg stellt beispielsweise bei ebenerdiger, dem Auenkleinrelief folgender Bauweise kein Hindernis für den Hochwasserabfluss dar. Führt die Bauweise allerdings dazu, dass der Weg faktisch in Damm- bzw. Deichlage verläuft, zum Beispiel innerhalb von Flutrinnen, wird die Ausbreitung des Hochwassers in die Aue und die damit einhergehenden fluss- und auendynamischen Prozesse behindert bzw. verzögert. 3.3.6 Besonderheiten urbaner Fließgewässer Fließgewässer in urbanen Siedlungsgebieten unterscheiden sich von Gewässern in der freien Landschaft durch die Nähe des Menschen und die Intensität der anthropogenen Nutzungen in der Regel deutlich in ihrer Hydromorphologie, ihrem Stoffhaushalt und der aquatischen Besiedlung. Grundsätzlich sollte bei urbanen Fließgewässern zwischen • siedlungstangierten und • siedlungsdominierten Fließgewässern unterschieden werden. Siedlungstangierte Fließgewässer befinden sich im Randbereich von Siedlungsgebieten oder durchschneiden diese nur kurz, um danach in der freien Landschaft weiter zu verlaufen. Ihr Abflussverhalten und die Wasserqualität wird nicht oder nur geringfügig durch die Siedlungslage beeinflusst, die Mor-
3.3 Auswirkungen auf die Entwicklung von Fließgewässer und Aue
119
phologie ist jedoch, dem geringen Platzangebot und dem Sicherheitsbedürfnis der Anwohner entsprechend, meist begradigt, befestigt und tiefer gelegt. Trotzdem unterscheidet sich die aquatische Fauna in der Regel kaum von der Besiedlung der oberhalb und unterhalb in der freien Landschaft verlaufenden Gewässerabschnitte. Ungünstige Umfeldstrukturen werden durch konstante Eindrift und Aufwanderung im Fließgewässer selbst ausgeglichen. Grundvoraussetzung hierfür ist jedoch eine Durchgängigkeit des Gewässers und eine naturnahe, unbefestigte Gewässersohle. Siedlungsdominierte Fließgewässer werden in ihren morphologischen, chemischen und hydraulischen Eigenschaften durch die Lage im Siedlungsraum und die damit verbundenen Nutzungen geprägt. Die Besiedlung dieser Fließgewässer unterscheidet sich in der Regel deutlich von denjenigen der Gewässer der freien Landschaft. Meist sind die Benthosgemeinschaften artenarm und werden dominiert von Ubiquisten bzw. Generalisten ohne spezielle Lebensraumansprüche (Podraza & Schuhmacher, 1989). Der Grad der Abweichung der Besiedlung von naturnahen Bedingungen hängt ab von dem Ausmaß und der Frequenz anthropogener Störungen sowie von dem Wiederbesiedlungspotenzial (Halle & Podraza, 2001). Hydrologische und hydraulische Besonderheiten von Fliessgewässern in Ballungsräumen Der hohe Grad an Versiegelung der Oberflächen im urbanen Raum hat zur Folge, dass Niederschlagswasser nicht mehr versickern kann und sich die Grundwasserneubildungsraten hierdurch verringern. Dies führt dazu, dass Quellschüttungen reduziert werden und im Extremfall ganze Fließgewässerabschnitte zumindest zeitweise trocken fallen. Wasserspeicherung und -entnahme zum Beispiel für die Trinkwassergewinnung, Ausleitungen zur Wasserkraftnutzung sowie Überleitungen in andere Einzugsgebiete verringern ebenfalls den Trockenwetterabfluss und verlängern die Zeit ökologisch kritischer Niedrigwassersituationen (s. Kap. 3.2.2). In urbanen Bereichen wird das Niederschlagswasser zu großen Teilen gesammelt und in Misch- oder Trennsystemen gezielt abgeleitet. Hierbei wird das Regenwasser sowie überschüssiges Mischwasser häufig noch unbehandelt in die nächsten Gewässer eingeleitet. Diese Einleitungen führen dazu, dass Hochwasserwellen steiler und höher verlaufen als unter natürlichen Bedingungen, wobei der Scheitelwert potenziell natürlicher Extremabflüsse um das mehrfache überschritten werden kann. Verstärkte Erosion und Schäden in der aquatischen Lebensgemeinschaft sind häufig die Folge. Einleitungsbedingte Hochwasserwellen unterscheiden sich zudem von natürlichen Hochwasserwellen durch die plötzliche Abflusszunahme, die den Gewässerorganismen zumeist nicht genügend Zeit für eine Fluchtreaktion in Richtung strömungsgeschützter Uferbereiche oder Lückenraumsystem des Bachbettes (Interstitital) lässt.
120
3 Mensch und Fließgewässer
Physikalisch-chemische Veränderungen der Wasserqualität Im urbanen Raum werden sowohl die natürlichen Werte bzw. Konzentrationen in den Fließgewässern verändert als auch neue Stoffe den aquatischen Systemen hinzugefügt. Kläranlagen tragen, trotz verbesserter Reinigungsleistungen und verschärften rechtlichen Vorgaben, immer noch in einem gewissen Maße zur Eutrophierung und saprobiellen Belastung der Fließgewässer bei. Entlastungsbauwerke der Misch- und Trennkanalisation können vor allem in kleinen, abflussschwachen Fließgewässern die Wasserqualität signifikant belasten und die aquatische Biozönose verändern. Neben den direkten Auswirkungen auf die betroffenen aquatischen Lebensgemeinschaften (akute, mittelfristige und Langzeiteffekte), können zum Beispiel bei Starkregenereignissen hohe Abflüsse auftreten. Diese episodischen Störungen erfordern auch weitergehende Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung (u.a. Hochwasserschutz, Gefahrenabwehr, Grundwasserschutz), die wiederum die Nutzung von Gewässern, zum Beispiel für Naherholungszwecke, einschränken können. In vielen urbanen Gebieten vollzog sich mit der Zeit ein Strukturwandel im sekundären (produktiven) Sektor; ehemalige Industrie- und Gewerbeanlagen wurden aufgegeben oder einer veränderten Nutzung zugeführt. Die in früheren Zeiten weniger strengen Umweltanforderungen und die damit verbundene häufig nicht fachgerechte Entsorgung von Reststoffen unmittelbar am Produktionsort, führte zu lokalen Schadstoffanreicherungen, den so genannten Altlasten. Hinzu kommt die Lagerung von Wohlstandsmüll, Bauschutt, Bergematerial etc. in Deponien und Halden. Bei mangelnder Abdichtung des Lagerstandortes können Schadstoffe in Grundwasser und Oberflächengewässer gelangen. Aber auch der winterliche Eintrag von Streusalz in die Wasserkörper stellt ein Problem dar und wird in seiner ökologischen Relevanz kontrovers diskutiert. Sondersituationen stellen Gebiete der Kali-Industrie sowie der Ballungsraum Ruhr/Emscher dar, in dem als Bergbau-Folgelandschaft noch immer salzhaltige Sümpfungswässer des Steinkohlebergbaus aus den Stollen abgepumpt und in die Fließgewässer eingeleitet werden. Eine Verarmung der Biozönose ist in der Regel die Folge, vor allem wenn die Salzgehalte in den Gewässern prozessbedingt stark schwanken. Der Temperaturhaushalt in urbanen Gewässern ist ebenfalls häufig verändert, sowohl durch direkte Einleitungen als auch strukturell bedingt durch Aufstauungen und fehlende Beschattung. Folge der erhöhten Wassertemperaturen sind eine reduzierte Löslichkeit von Gasen, zum Beispiel Sauerstoff, sowie eine Veränderung der aquatischen Lebensgemeinschaft durch Überschreitung artspezifisch tolerierter Temperaturamplituden. Anthropogene Überformung der Gewässermorphologie im urbanen Raum Fließgewässer müssen sich in der Stadt dem Platzbedarf und den Bedürfnissen der dort lebenden Menschen unterordnen. Dies führt häufig dazu, dass
3.3 Auswirkungen auf die Entwicklung von Fließgewässer und Aue
121
durch Begradigung und Tieferlegung der natürliche Migrationsraum beschnitten wird, d.h. der für die Gewässer zur Verfügung stehende Raum wird minimiert und umgestaltet. Häufig degradiert ein technisch orientierter Ausbau die ehemals natürlichen Fließgewässer zu offenen Ableitungsgerinnen, deren Aufgabe es ist, alles Wasser möglichst schnell und gefahrlos aus dem Siedlungsbereich abzuführen. Deiche und Schutzmauern werden aus Gründen des Hochwasserschutzes errichtet und halten heute die ehemaligen Auenbereiche weitgehend frei von regelmäßigen Überflutungen. Hierdurch können Ufer- und Auenbereiche für die städtische Entwicklung genutzt und bebaut werden. Gleichzeitig wird jedoch der Biotopkomplex von Gewässer und Aue entkoppelt. Die Auenbereiche gehen entweder vollständig verloren oder es verbleiben rudimentäre Reste, die ihre Funktion im Naturhaushalt weitgehend verloren haben. Bäche und Quellen wurden vielerorts sogar verrohrt oder überbaut. So wurde zum Beispiel in der Stadt Bochum das Gewässernetz von ehemals ca. 161 Kilometer auf heute nur noch 41 Kilometer reduziert (Thiesmeier et al., 1988). Aber auch Flüsse verschwanden unter einem Betondeckel wie zum Beispiel die Nahe in Idar-Oberstein (Brunke et al., 1994). Neben diesem Verlust an Fließstrecke, und damit an Lebensraum für Gewässerorganismen, führen Wehre, Abstürze und künstliche Stillwasserbereiche im Längsverlauf eines Fließgewässers zu einer Zerstückelung des Fließgewässerkontinuums in isolierte Gewässerfragmente. Eine Durchgängigkeit, zum Beispiel für wandernde Fische, ist dann nicht mehr gegeben oder muss durch technische Ersatzmaßnahmen, wie Fischaufstiegsanlagen, künstlich wiederhergestellt werden (s. Kap. 6.4). Der Verlust der gewässertypischen Eigendynamik und die Störung des natürlichen Geschiebetransportes kann jedoch nicht vollständig ausgeglichen werden.
4 Fließgewässerentwicklung – Historie, Ziele Hanns-Jörg Dahl (Kap. 4.1) Peter Jürging (Kap. 4.2) Heinz Patt (Kap. 4.2)
Naturnahe Fließgewässer und Auen sind sehr empfindliche Naturräume, die in Mitteleuropa fast vollständig verschwunden sind. Umso bedeutsamer ist es, die verbliebenen naturnahen Gewässerstrecken und Auen besonders zu schützen und bereits beeinflusste Abschnitte so weit wie möglich wieder in Richtung Naturnähe zu entwickeln. Die Realität zeigt, dass diese Ziele oft nicht einfach zu verwirklichen sind. Die vielerorts vorhandenen Nutzungen limitieren den Spielraum in beträchtlichem Ausmaß. Mehr noch, der Druck auf die wenigen intakten Fließgewässerlandschaften bzw. Fließgewässerstrecken scheint in den letzten Jahren noch zu wachsen. Oft fehlt die Einsicht des wirtschaftlich denkenden Menschen, dass derartige Lebensräume aufgrund ihrer Einmaligkeit geschützt werden müssen, damit diese nicht auf Dauer verloren gehen. Unterschutzstellungen oder Umgestaltungsmaßnahmen sind ungleich schwerer zu begründen, da sie Ziele verfolgen, die zunächst keine monetären Vorteile erkennen lassen, vielleicht sogar Folgekosten verursachen. Von den ersten warnenden Stimmen in Sachen Fließgewässer- und Auenschutz bis zu den ersten Fließgewässerrenaturierungen war es ein weiter Weg. Viele Veränderungen in Sachen Gewässerschutz wurden erst auf den Weg gebracht, als die Schäden nicht mehr wegdiskutiert werden konnten. Heute bietet das vorhandene rechtliche Instrumentarium – neben einem weitreichenden Schutz der Fließgewässer- und Auenlandschaften – auch die Möglichkeit, naturferne Abschnitte wieder in Richtung auf mehr Naturnähe zu entwickeln. Problematisch sind meist die auftretenden Konflikte mit vorhandenen oder geplanten Nutzungen. Umso wichtiger ist es, dass Fließgewässer- und Auenentwicklungen ein gesellschaftlich tragbares Konzept verfolgen, in dem auch aufkommende oder vorhandene Konflikte nicht ausgeklammert werden. 4.1
Geschichte Die Auseinandersetzung des Menschen mit den Fließgewässern ist so alt wie die Kultur. Der Mensch siedelte bevorzugt an Fließgewässern, um die Vorteile des fließenden Wassers zu nutzen (u.a. Bereitstellung von Trink- und Brauchwasser,
124
4 Fließgewässerentwicklung – Historie, Ziele
Abführung von Abwasser, Fischerei, Schutz vor Feinden, Wasserkraft, fruchtbare Aueböden), und nahm die Gefahr von Hochwässern dafür in Kauf bzw. siedelte auf Hochufern, Flussdünen und künstlichen Warften so, dass Schäden durch Hochwässer nicht auftreten konnten bzw. minimiert wurden. Gleichzeitig begann der Mensch, die Fließgewässer nach seinen Erfordernissen zu verändern, wie zum Beispiel ihren Lauf festzulegen, aufzustauen, Wasser abzuleiten und Flächen zu entwässern. Im Folgenden soll die Wandlung der Gesellschaft und der Wasserwirtschaft als Teil der Gesellschaft in ihrer Einstellung zu den Gewässern in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts beschrieben werden. Um eine kurze, aber konsistente Darstellung dieser Entwicklung zu ermöglichen, soll dies hier am Beispiel des Landes Niedersachsen erfolgen. Vergleichbare Entwicklungen hat es auch in anderen Bundesländern gegeben. 4.1.1 Umdenkprozesse In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war die Auffassung von Herder’s (1784 – zitiert in Körner, 2001) noch weit verbreitet, dass die Schöpfung (die Natur) durch menschliche (bäuerliche) Kultur erst vervollkommnet wird. Kulturtechnik bzw. Landeskultur sei die Keimzelle aller Kultur, der selbstverständlich auch die Wasserwirtschaft unterzuordnen war. Die Geschichtsphilosophie von Herder’s wurde vom Nationalsozialismus zur Blut und Boden-Theorie dahingehend pervertiert, dass einer nordischen bäuerlichen, an den Boden gebundenen, daher überlegenen Kulturrasse, südliche und östliche, nicht an den Boden gebundene, daher minderwertige Nomaden- und Händlerrassen gegenüber ständen. Die nordische Herrenrasse habe deshalb den geschichtlichen Auftrag, ihren Kulturkreis auszudehnen. Die von Herder’sche Auffassung wurde auch durch politische Rahmenbedingungen gefördert. Dazu zählen sowohl Autarkiebestrebungen des Kaiserreiches und des Dritten Reiches als auch die wirtschaftlichen Notzeiten während der Weltkriege und danach sowie der Zuzug von Millionen Vertriebener und Flüchtlinge nach dem Zweiten Weltkrieg, für die in Niedersachsen u.a. der Emslandplan geschaffen wurde, der die Kultivierung der Niederungen und Moore des Emslandes als staatliche Aufgabe definierte. Folgendes Zitat eines leitenden Mitarbeiters der Obersten Wasserbehörde (!) aus dem Jahre 1974 spiegelt diese Auffassung und die Privilegierung der Landwirtschaft noch wider: „Ein besonders starker Nutzungsanspruch an die Landschaft besteht durch die Landwirtschaft. Die Regelung der Wasserverhältnisse im Boden ist eine der wichtigsten Maßnahmen der Standortverbesserung, die wiederum Voraussetzung zur Entwicklung und Sicherung leistungsfähiger landwirtschaftlicher Betriebe ist, die auch bei der heutigen strengen Wettbewerbssituation bestehen können. Die Landwirtschaft fordert daher sehr massiv, dass der Gewäs-
4.1 Geschichte
125
serausbau zum Zwecke des Hochwasserschutzes wie zur Wasserstandsregelung unvermindert fortgesetzt wird. Sie bestreitet entschieden, dass die Sozialbindung des Eigentums so weit gehen könnte, dass durch Versagen weiterer Meliorationen im Interesse der Allgemeinheit im Einzelfall sogar die Existenz des Betriebes gefährdet werden dürfte“ (Krause, 1974). Ab Mitte der 1960er-Jahre (im Jahre 1963 erschien Rachel Carsons Werk: „Der stumme Frühling“ in deutscher Übersetzung) wurden der Gesellschaft die Auswüchse einer grenzenlosen Kulturtechnik langsam bewusst. Eine ausgeräumte Feldflur, mit Pestiziden und Nährstoffen belastete Gewässer, mit Pestiziden verseuchte Lebensmittel, nicht absetzbare Produktionsüberschüsse und die Vernichtung von Lebensmitteln in der Europäischen Gemeinschaft waren u.a. die unübersehbaren Ergebnisse derartigen Handelns. In den 1970er-Jahren wuchs die Umweltbewegung in Deutschland (im Jahre 1972: Gründung des „Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz“ – BBU; im Jahre 1975: Gründung des „Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland“ – BUND). Im Jahre 1976 wurden das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) verabschiedet und das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) novelliert. Beide Gesetze wurden Anfang der 1980er-Jahre in Landesrecht umgesetzt. Im Jahre 1992 fand die internationale Konferenz „Umwelt und Zusammenarbeit“ in Rio de Janeiro statt, auf der die Staatengemeinschaft sich auf nachhaltiges Wirtschaften und Entwickeln einigte und entsprechende Beschlüsse fasste. Die Vorstellung reifte: „Wir haben Natur und Umwelt von unseren Kindern geliehen“. Die Natur und die Gewässer haben einen Wert an sich und für die heutige und zukünftige Gesellschaft, weil sie grundsätzlich vielfältige Funktionen ausfüllen können, im Gegensatz zu für bestimmte Funktionen ausgebaute Gewässer. Natürliche Gewässer sind also das „Stammkapital“ der Gesellschaft, das für bestimmte notwendige Nutzungen auf begrenzte Zeit und unter der Auflage, das Gewässersystem insgesamt nicht zu beeinträchtigen, ausgeliehen werden kann. Nach ihrer Nutzung sind die Gewässer daher im „natürlichen Zustand“ der Gesellschaft wieder zurück zu geben, um sie für neue naturverträgliche Nutzungen vorhalten zu können. 4.1.2 Vom technischen Ausbau zur Biotopgestaltung (1965–1980) Ende der 1960er-Jahre war der Höhepunkt im rein technischen Ausbau der Fließgewässer erreicht. In Meliorationsgebieten des norddeutschen Tieflandes (z.B. der Diepholzer Moorniederung, im Bereich der Großen Aue der Landkreise Diepholz und Nienburg, im Landkreis Emsland, im Bereich der Radden des Landkreises Cloppenburg) wurden natürliche Fließgewässer kanalartig ausgebaut, d.h. begradigt und vertieft, um das Wasser neu gebauter Drainvorfluter aufnehmen zu können. Die Ufer bekamen Einheitsböschungen (Neigungen zwi-
126
4 Fließgewässerentwicklung – Historie, Ziele
Bild 4.1 Ausgebautes Fließgewässer im Landkreis Emsland – Einheitsböschungen ohne Bepflanzung, Pfeifenbrinkscher Sohlenabsturz und Einmündung eines Drainvorfluters aus Stahlfertigteilen (Foto: H.-J. Dahl)
schen 1 : 3 und 1 : 2) und die Böschungsfüße wurden mit Steinschüttung auf Vlies oder Bongossi-Flechtmatten gesichert. Das durch Begradigung erhöhte Gefälle wurde durch Sohlenabstürze aus Stahlspundwänden oder durch Pfeifenbrinksche Sohlenabstürze (Sohlenabstürze aus schüsselförmigen Betonfertigteilen) gebrochen (Bild 4.1). Vielfach wurden normierte Böschungsprofile und -längen propagiert, um die maschinelle Unterhaltung der Fließgewässer mit wenigen Unterhaltungsgeräten rationell durchführen zu können (z.B. AID, 1963). Die Chemieindustrie entwickelte Herbizide zur Gewässerunterhaltung (Johannes, 1978), deren Anwendung u.a. im Raum Sulingen bis Mitte der 1970er-Jahre getestet wurde. Ein derartiger Ausbau und auch die zugehörige Unterhaltung wurde von einzelnen Naturschützern, dem Heimatbund sowie den Naturschutzbehörden kritisiert. Die Naturschutzverbände heutiger Prägung wurden seinerzeit erst gegründet. Diese Kritik führte im Jahre 1973 zum gemeinsamen Runderlass des Landwirtschaftsministers – damals für die Wasserwirtschaft zuständig – und des Kultusministers – damals für den Naturschutz zuständig – betreffs: „Berücksichtigung von Naturschutz und Landschaftspflege bei wasserbaulichen Maßnahmen“ und erweiterte eine Rundverfügung der Bezirksregierung Lüneburg, die bereits seit dem Jahre 1968 gültig war. Der Erlass forderte, wenn überhaupt, dann „naturnah“ auszubauen, nämlich die Fließgewässer, wenn möglich, naturnah zu trassieren und lebende Baustoffe zu bevorzugen. Ausschlaggebend waren jedoch weiterhin landwirtschaftliche Erfordernisse und nicht diejenigen des Naturschutzes.
4.1 Geschichte
127
In der folgenden Zeit begann man, verschiedene Gestaltungselemente zu erproben und bei Ausbauten mosaiksteinartig zusammen zu setzen. Der Bezug zu konkreten Fließgewässertypen fehlte jedoch. Das wesentliche Augenmerk legte man zunächst auf die Bepflanzung. Weil die Erfahrungen mit der Verwendung von lebenden Baustoffen weitgehend verloren gegangen waren, wurde in den Jahren 1973/74 an der Oberaller bei Brennekenbrück eine 1,6 Kilometer lange Versuchsstrecke angelegt. Dort wurden verschiedene naturnahe Ausbaumethoden auf ihre Eignung zum Uferschutz getestet. Untersucht wurden unterschiedliche Böschungsneigungen (1 : 3, 1 : 4 und 1 : 6) sowie Bermen unter- und oberhalb der Mittelwasserlinie. Letztere wurden mit Weiden, Erlen, Schilf, Wasserschwaden und Schlanksegge bepflanzt (Dahl, 1975). Der traditionelle Ausbau an der Aller bestand aus Böschungen 1 : 3, die mit Schüttsteinen auf Vlies geschützt wurden. Im Ergebnis waren alle Methoden geeignet, die verschiedenen Böschungen zu halten, jedoch waren die Ufer, je steiler sie waren, durch die Wühltätigkeit des Bisams gefährdet, was bei versteinten Ufern nicht der Fall war. Details zu den Untersuchungen können bei Dahl & Schlüter (1983) nachgelesen werden. Es dauerte aber zunächst, bis Erfahrungen aus der Versuchsstrecke vorlagen. Daher hatte die Veröffentlichung von Lohmeyer & Krause (1975): „Über die Auswirkungen des Gehölzbewuchses an kleinen Wasserläufen des Münsterlandes auf die Vegetation im Wasser und an den Böschungen im Hinblick auf die Unterhaltung der Gewässer“ einen großen Einfluss auf die Gestaltung der Fließgewässer in Niedersachsen. Die Aussage der Veröffentlichung, dass eine geschlossene Gehölzbepflanzung insbesondere aus Schwarzerle nicht nur naturgemäß sei, sondern auch den Aufwuchs von Röhricht- und Wasserpflanzen im Profil und damit den Umfang der Gewässerunterhaltung wesentlich verringern kann, förderte die Akzeptanz von Gehölzen an Gewässern. Über Jahre war anschließend die Vorstellung weit verbreitet, dass (technisch) ausgebaute Fließgewässer mit Erlenbepflanzung naturnah sind. Die vom Münsterland ausgehende, im Land Niedersachsen dann weit verbreitete Erlenbepflanzung, nicht nur ausgebauter Fließgewässer, sondern auch ganzer Entwässerungsnetze aus künstlichen Gräben – die keinesfalls Fließgewässer sind – führte dann zum Schlagwort der „Grünen Vertunnelung“ und machte bewusst, dass zu naturnahen Fließgewässern weitere Elemente gehören. So begann man mit biotop-gestaltenden Maßnahmen, nämlich Fließgewässer punktförmig aufzuweiten, Fischunterstände zu bauen und durch den Einbau von Dreiecksflügelbuhnen die Strömung und Geschiebeführung zu beeinflussen (z.B. Dahl, 1976). Selbst in kleinen Fließgewässern mit vertiefter Sohle wurden durch Schüttsteine verschiedene Altgewässerformen hergestellt. Deren natürliche Funktionen waren jedoch nur durch ständige Unterhaltung aufrecht zu erhalten (Bild 4.2). Im Vordergrund stand weniger das Fließgewässer als dynamisches, sich selbst entwickelndes System, sondern das gebaute Detail, das durch Unterhaltungsmaßnahmen erhalten werden muss.
128
4 Fließgewässerentwicklung – Historie, Ziele
Bild 4.2 Ausgebautes Fließgewässer mit künstlichen „Altarmen“ (Foto: H.-J. Dahl)
So sinnvoll die Ausführung einzelner Elemente auch sein kann, führt die rezeptartige Verwendung einzelner Bauteile ohne Eichung an einem Leitbild nicht zum Ziel (Bild 4.3).
Bild 4.3 „Naturnah“ ausgebautes Fließgewässer mit den Elementen Linienführung in Krümmungen, natürliche Baustoffe (Naturstein in Beton), Gehölze am Ufer (bodendeckende Felsenmispel) sowie schonende Unterhaltung per Hand (Foto: H.-J. Dahl)
4.1 Geschichte
129
4.1.3 Ansätze zur systematischen Renaturierung – das Niedersächsische Fließgewässerschutzsystem (1980–1990) Im Jahre 1976 wurde mit dem § 36b WHG das Instrument „Bewirtschaftungsplan“ eingeführt. Bewirtschaftungspläne sollen die vielfältigen Ansprüche an Gewässer so aufeinander abstimmen, dass unter Einbeziehung ökonomischökologischer Gesamtzusammenhänge ein größtmöglicher Nutzen zum Wohl der Allgemeinheit erreicht wird. Bemerkenswert ist hier die Einbeziehung der Ökologie. In Absprache zwischen den Ländern und dem Bundesinnenministerium wurde im Jahre 1978 im Rahmen des Umweltforschungsplanes des Bundesinnenministeriums (BMI) das Forschungsprojekt „Bewirtschaftungsplan Leine“ ins Leben gerufen und 1985 mit der Veröffentlichung der Ergebnisse abgeschlossen (Planungsgruppe Pilotprojekt Leine, 1985). Ökologischer Fachbeitrag Im Jahre 1982 wurde die niedersächsische Fachbehörde für Naturschutz beauftragt, den ökologischen Fachbeitrag in Form eines Bewertungsrahmens zu erarbeiten (Hullen & Dahl, 1983). Es sollten unterschiedliche, ökologisch begründete, konkrete Szenarien für das Leine-Einzugsgebiet beschrieben werden, die in volkswirtschaftliche Modellrechnungen einfließen sollten. Als Maßstab für die ökologische Bewertung wurde das Teilziel des Bundesnaturschutzgesetzes, „Nachhaltige Sicherung der Pflanzen- und Tierwelt“, gewählt. Als Mindestanspruch des Naturschutzes (Szenarium 1) wurde formuliert, dass alle gewässertypischen Pflanzen- und Tierarten, die von Natur aus hier vorkommen würden, auch vertreten sind. Maximalanspruch (Optimum) des Naturschutzes für das Leinegebiet (Szenarium 5) war, alle Nebengewässer und die Leine selbst wären in einem naturnahen Zustand. Die Szenarien 2 bis 4 lagen graduell zwischen Mindest- und Maximalanspruch. Typisierung der Fließgewässer Um die Vollständigkeit des Artenspektrums sicherstellen zu können, muss von jedem natürlichen Fließgewässertyp ein Fließgewässer im naturnahen Zustand vorhanden sein. Dieses Fließgewässer müsste in Bezug auf die Wasserqualität (chemische und physikalische Merkmale) sowie Morphologie und Struktur von Gewässerbett und Überschwemmungsgebiet den naturraumtypischen Gegebenheiten entsprechend entwickelt sein (Referenzgewässer). Auch müssten die naturnahen Nebengewässer der Leine miteinander über das Hauptgewässer Leine funktional so miteinander verbunden sein, dass der Individuenaustausch möglich ist (Vernetzung von Populationen). Die Ableitung unterschiedlicher Fließgewässertypen mit je eigener Artenzusammensetzung lag auf der Hand, weil die Leine Nebengewässer aus sehr unter-
130
4 Fließgewässerentwicklung – Historie, Ziele
schiedlichen Naturräumen, d.h. mit unterschiedlicher Artenausstattungen aufnimmt. Dazu zählen: • Fließgewässer des Harzes (Mittelgebirge aus basenarmen Gesteinen) • Fließgewässer des Leineberglandes (Bergland aus mehr oder minder basenreichen Gesteinen) • Fließgewässer der Lößbörde (nährstoffreiche Böden, geringes Gefälle) • Fließgewässer der nördlichen Sandgebiete (eiszeitliche Sand- und Kiesablagerungen) Die angestrebte Artenvielfalt kann nur gesichert werden, wenn diese unterschiedlichen Lebensräume in naturnaher Ausprägung und miteinander vernetzt mindestens einmal vorhanden sind (Minimalforderung). Bei einmaligem Vorkommen sind die dort lebenden Arten jedoch gefährdet. Daher dienen weitere Vorkommen der nachhaltigen Sicherung der entsprechenden Arten für den Fall, dass durch anthropogene Schädigung oder natürliche Extremereignisse einzelne Fließgewässer als Lebensraum episodisch ganz oder teilweise ausfallen. Für den Mindestanspruch wurden Fließgewässer ausgewählt, die im Vergleich zu den anderen Gewässern desselben Naturraumes bereits möglichst nah am angestrebten Zustand sind und daher schon ein naturnahes Artenspektrum aufweisen. Der ökologische Beitrag zum Pilotprojekt „Bewirtschaftungsplan Leine“ führte erstmals drei biologische Erkenntnisse als konkrete Anforderungen des Naturschutzes an die Fließgewässerentwicklung zusammen: • Unterschiedliche Naturräume beherbergen unterschiedliche Fließgewässertypen mit eigenen Biozönosen. Der Schutz aller Fließgewässerarten kann nur umgesetzt werden, wenn mindestens ein Fließgewässer pro Naturraum als Lebensraum im naturnahen Zustand vorhanden ist. • Fließgewässer können als Lebensraum natürlicher Biozönosen nur als Einheit von der Quelle bis zur Mündung betrachtet, entwickelt und geschützt werden. • Die einzelnen naturnahen Fließgewässer müssen miteinander zu einem Netz verbunden werden, das den Individuenaustausch wandernder Arten, von der Quelle bis zum Meer und zurück, gewährleistet. Die positive Resonanz auf den ökologischen Beitrag ließ hoffen, dass dieser biologisch systematische Ansatz zukunftsträchtig ist. Volkswirtschaftliche Betrachtung Für die volkswirtschaftliche Bewertung wurden die Kosten ermittelt, die zur Realisierung der entsprechenden Szenarien erforderlich sind. Das Ergebnis der Bewertung war, dass selbst die Herstellung des Optimalzustands (alle Gewässer naturnah) noch vertretbare Kosten verursacht, insbeson-
4.1 Geschichte
131
dere dann, wenn man den volkswirtschaftlichen Nutzen (z.B. Möglichkeit der Trinkwassergewinnung aus den Oberflächengewässern, Erhöhung der Attraktivität der Gewässer für Erholungsnutzung und für Wohnen an der Aue) in die Rechnung einbezieht. Fließgewässerschutzsystem Im Land Niedersachsen wurde in der Folge aus dem ökologischen Beitrag zum Leine-Gebiet das sogenannte „Niedersächsische Fließgewässerschutzsystem“ entwickelt (Dahl & Hullen, 1989). Ziel war es, ein repräsentatives naturnahes Fließgewässernetz für das Land Niedersachsen zu identifizieren, das in der Lage ist, die Lebensraumfunktion für alle heimischen Pflanzen- und Tierarten der Fließgewässer Niedersachsens zu erfüllen. Dieses Netz sollte Grundlage für alle Renaturierungsvorhaben im Lande darstellen und im Laufe der Umsetzung die Mindestanforderungen des Naturschutzes an die Fließgewässer erfüllen. Damit sollte es auch den zielgerichteten Einsatz entsprechender Haushaltsmittel sicher stellen. Im Niedersächsischen Fließgewässerschutzsystem wird unter Renaturierung verstanden, erkennbare anthropogene Beeinträchtigungen (z.B. Verrohrungen, Sohlenabstürze, Sohlen- und Uferbefestigungen, Einleitungen) des Fließgewässers systematisch zu beseitigen. Das bedeutete nicht immer, diese Bauwerke zu entfernen, sondern auch, die von ihnen ausgehenden Beeinträchtigungen abzustellen bzw. auf ein unerhebliches Maß zu reduzieren. Mit der systematischen Reduzierung von anthropogenen Beeinträchtigungen sollte das jeweilige Fließgewässer in die Lage versetzt werden, sich selber zu regenerieren und zu entwickeln, also eine Art Hilfe zur Selbsthilfe. Den drei Anforderungen des Naturschutzes aus dem Leineprojekt • Naturraumbezug, • Fließgewässer von der Quelle bis zur Mündung als Einheit und • intaktes zusammenhängendes Fließgewässernetz wurde eine weitere Forderung hinzugefügt. Diese berücksichtigt, dass Fließgewässer des selben Naturraumes, aber unterschiedlicher Stromgebiete (in Niedersachsen: Elbe, Weser, Ems, Vechte, Küstengewässer), aufgrund ihrer Besiedlungsgeschichte nach der letzten Eiszeit unterschiedliche Biozönosen beheimaten und daher in jedem Stromgebiet naturnah vorhanden sein müssen. Das Niedersächsische Fließgewässerschutzsystem unterscheidet: • Verbindungsgewässer Sie erschließen mehrere naturräumliche Regionen. Dadurch wird die Durchgängigkeit vom Meer bis zu den Quellläufen sowie die Verbindung aller nachgeordneten Gewässer miteinander hergestellt. Wasserqualität und Biotopstrukturen müssen Mindestanforderungen genügen, damit keine unüberwindlichen Hindernisse für wandernde oder sich ausbreitende Tier- und Pflanzenarten bestehen.
132
4 Fließgewässerentwicklung – Historie, Ziele
• Hauptgewässer 1. Priorität Sie sollen den Fließgewässertyp einer naturräumlichen Region im Einzugsgebiet eines Verbindungsgewässers repräsentieren. Sie sind einschließlich ausgewählter Nebengewässer so zu schützen und zu renaturieren, dass sich die unter naturnahen Bedingungen typische Arten- und Biotopvielfalt auf ihrer gesamten Fließstrecke wieder einstellen kann. • Hauptgewässer 2. Priorität Hinsichtlich ihrer derzeitigen Bedeutung für den Naturschutz in der jeweiligen naturräumlichen Region stehen sie den Hauptgewässern nur wenig nach. Für sie gelten dieselben Funktionen und Anforderungen wie für die Hauptgewässer 1. Priorität, sofern sie alternativ für eines der dort genannten Fließgewässer zur Renaturierung herangezogen werden. • Nebengewässer Sie sind Seitengewässer von Hauptgewässern. Weil die Hauptgewässer – auch nach Wiederherstellung eines naturnahen Zustands – immer potenziell gefährdet sind (z.B. durch einen Abwasserstoß beim Ausfall einer Kläranlage), sollen die Nebengewässer als Rückzugs- und Wiederbesiedlungsraum für die Lebensgemeinschaften des Hauptgewässers dienen. Außerdem wird das Hauptgewässer direkt durch die Wasserqualität der Nebengewässer beeinflusst. Daher sollen möglichst viele Seitengewässer – einschließlich ihrer Mündungsbereiche – ebenfalls in den erforderlichen naturnahen Zustand gebracht werden. Somit ist bei der Renaturierung eines Hauptgewässers jeweils das gesamte Einzugsgebiet mit zu betrachten. Als Hauptgewässer wurden die aus Naturschutzsicht jeweils besten Fließgewässer einer naturräumlichen Region ausgewählt, weil ihr Arteninventar zumindest in Teilstrecken dem des natürlichen Fließgewässertyps nahe kommt und als Besiedlungspotenzial für das gesamte Fließgewässer zur Verfügung steht. Die Auswahl von Hauptgewässern 2. Priorität war wichtig, weil bis dahin nicht bekannt war, ob einzelne Hauptgewässer 1. Priorität überhaupt renaturierungsfähig waren, d.h. ob an diesen Gewässern anthropogene Randbedingungen vorlagen, die realistischerweise auch langfristig nicht zu beseitigen sind (z.B. ausgedehnte Verrohrungen oder Aufstauungen im Innenstadtbereich). In diesen Fällen sollte eines der Hauptgewässer 2. Priorität deren Funktion übernehmen. Mit dem Niedersächsischen Fließgewässerschutzsystem lag ein theoretisches Gerüst des Naturschutzes vor, nach dessen Vorgaben mit der Renaturierung der Fließgewässer systematisch begonnen werden konnte.
4.1 Geschichte
133
4.1.4 Vom Fließgewässerprogramm zur Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (1990–2000) Um den Umfang der für die Umsetzung des Fließgewässerschutzkonzeptes erforderlichen Aufwendungen abschätzen zu können, aber auch, um die Auswahl der Hauptgewässer 1. Priorität im Hinblick auf ihre Renaturierungsfähigkeit zu überprüfen, wurden in den Jahren 1990/1991 die Beeinträchtigungen aller Hauptgewässer kartiert und beschrieben. Unterschieden wurde zwischen Sohlenbauwerken, Durchlassbauwerken, befestigten Ausbaustrecken und Einleitungen. Die Stärke jeder Beeinträchtigung wurde bewertet (Unterscheidung: sehr stark, stark, gering) und die Ergebnisse in Form von Karten und Tabellen veröffentlicht (Rasper et al., 1991). Damit stand ein weiterer Baustein für die naturnahe Gestaltung von Fließgewässern und Auen zur Verfügung. Der Finanzbedarf für die Umsetzung des Niedersächsischen Fließgewässerschutzsystems wurde auf ca. 250 Mio. EURO innerhalb von 20 bis 25 Jahren geschätzt. Im Jahre 1992 wurde das Niedersächsische Fließgewässerprogramm als gemeinsames Programm von Wasserwirtschafts- und Naturschutzverwaltung aus der Taufe gehoben. Fachliche Grundlage ist das Fließgewässerschutzsystem. Auf der Basis von Gewässerentwicklungsplänen mit umsetzungsorientierten Maßnahmenkatalogen für die Renaturierung von Fließgewässer und Aue können in Niedersachsen zum Beispiel folgende Maßnahmen gefördert werden: • • • •
Flächenerwerb (für Gewässerrandstreifen, aber auch darüber hinaus) Gewässerumgestaltungen Beseitigung bzw. Umgestaltung „ökologischer Sperren“ Maßnahmen zur Wiederherstellung auentypischer Strukturen und zur Reaktivierung von Überschwemmungsgebieten • Bepflanzungen • Durchführung von Erfolgskontrollen Heute werden viele Maßnahmen auf die Ziele und Termine der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (EG-WRRL) ausgerichtet und flussgebietsweit abgestimmt. Übergeordnetes Ziel der Wasserrahmenrichtlinie ist es, alle Gewässer in Richtung auf den „guten ökologischen Zustand“ zu entwickeln (näheres s. Kap. 5.1). Etwa zeitgleich mit dem Inkrafttreten der Wasserrahmenrichtlinie im Jahre 2000 wurden weitere wichtige Planungsunterlagen für Fließgewässer- und Auenentwicklungen veröffentlicht. Dazu gehören u.a. die Bewertung der Fließgewässerstrukturen (Fließgewässerstrukturkartierung), die Typisierung der Fließgewässer, die Ausweisung von Referenzgewässern sowie die Arbeiten zu den Fließgewässerlandschaften auf Bundes- und Landesebene.
134
4 Fließgewässerentwicklung – Historie, Ziele
4.2
Entwicklungsziele Die Ziele der Fließgewässer- und Auenentwicklung umfassen sowohl den Schutz der bestehenden natürlichen Fließgewässerlandschaften als auch die Entwicklung anthropogen veränderter Fließgewässer- und Auen in Richtung Naturnähe. Der Weg dorthin erscheint zunächst einfach und sinnvoll, in der Realität stehen dem jedoch die Nutzungen als limitierende Faktoren gegenüber. Ökologische und nutzungsorientierte Ziele sind in der Regel nur in Ausnahmefällen gleichzeitig zu erfüllen. Die Lösung liegt, wie so oft, zwischen zwei Extremen, wobei die Gewichtung ausschlaggebend ist. 4.2.1 Nutzungsorientierte Ziele In Kapitel 3.2 werden gebrauchsbedingte Veränderungen und bedeutsame Benutzungen der Fließgewässer „wertfrei“ beschrieben. Es kann davon ausgegangen werden, das eine Nutzung entweder von existenzieller Bedeutung für den Menschen ist (z.B. die Trinkwassergewinnung), mit wirtschaftlichen Vorteilen verbunden oder ein gesellschafts- bzw. umweltpolitisches Ziel ist. Letzteres wird heute oft in Verbindung mit dem Klimaschutz gebracht, wie zum Beispiel mit der Reduzierung des C02-Ausstoßes durch Stromerzeugung in Wasserkraftanlagen oder mit der Entlastung der Straßen durch den Transport von Gütern auf Wasserstraßen. Auch hat Sport, Freizeit und Erholung erheblich an Bedeutung gewonnen. Die Vorteile einer Benutzung oder einer gebrauchsbedingten Veränderung der Fließgewässer lassen sich u.a. mittels ökonomischer Modellrechnungen nachweisen, aus Umweltbilanzen ableiten, mittels Prognoseberechnungen vorausbestimmen, mit Hilfe einer Optimierungsrechnung verbessern oder, im Falle des Hochwasserschutzes, durch eine Risikoanalyse begründen. Der gesellschaftliche Konsens beim Bau von Freizeit- und Erholungseinrichtungen ist schnell erreicht, wenn diese attraktiv gestaltet werden und gut erreichbar sind. Gleiches lässt sich in abgewandelter Form auch für den Hochwasserschutz sagen. Es wäre daher wirklichkeitsfremd, nutzungsorientierte Ziele bei der Planung unberücksichtigt zu lassen. Um eine Überbetonung der Nutzungen auszuschließen, sind bei der Realisierung von Maßnahmen eine Vielzahl rechtlicher Regelungen zu berücksichtigen, die einerseits den Schutz der Fließgewässer- und Auenlandschaften sicherstellen sollen und andererseits die Nutzungen an Umweltstandards koppeln. So ist zum Beispiel bei vielen Maßnahmen an Fließgewässern (u.a. Ausbau, Regulierungen) ein Planfeststellungsverfahren erforderlich (Kap. 5.2.2). Wesentlich für das Planfeststellungsverfahren ist die Beteiligung der Öffentlichkeit in Form von Anhörungen und Erörterungsterminen sowie das Einholen von Stellungnahmen aller betroffenen Fachbehörden. Für bedeutsame Projekte ist oft eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) erforderlich. Andere rechtliche
4.2 Entwicklungsziele
135
a
b
c Bild 4.4 Fließgewässer dienen vielen Nutzungen a. Der Gütertransport auf Wasserstrassen entlastet unsere Straßen und reduziert den CO2-Ausstoß. Es ist insbesondere für Massengüter die wirtschaftlichste Transportform (Foto: H. Patt) b. Die Stromerzeugung in Wasserkraftanlagen spart fossile Energieträger. Viele Anlagen stehen heute unter Denkmalschutz und sind aus dem Landschaftsbild nicht mehr weg zu denken (Foto: P. Jürging) c. Baden und Schwimmen in Fließgewässern. Der Umgang mit der Natur fördert das Umweltbewusstein (Foto: H. Patt)
136
4 Fließgewässerentwicklung – Historie, Ziele
Regelungen betreffen den Arten- und Biotopschutz, der beispielsweise im Bundesnaturschutzgesetz und in den Naturschutzgesetzen der Länder enthalten ist (s Kap. 5.3). In wasserwirtschaftlicher Hinsicht bedeutsam sind die Regelungen im Wasserhaushaltsgesetz (WHG) bzw. in den entsprechenden Ländergesetzen (s. Kap. 5.2). 4.2.2 Förderung der Fließgewässerentwicklung Natürliche Fließgewässer und Auen sind in Mitteleuropa aufgrund intensiver Nutzung der gewässernahen Bereiche nur noch in wenigen Segmenten vorhanden. Der Schutz dieser verbliebenen Fließgewässerstrecken muss daher ein vorrangiges Ziel aller Planungen im Rahmen von Fließgewässer- und Auenentwicklungen sein. Alleine der Schutz der verbliebenen Fließgewässer und Auen ist jedoch nicht ausreichend. Die weiter zunehmenden Hochwasserschäden, die drastische Abnahme der Arten- und Biotopvielfalt, die Verödung mancher Gewässerstrecken und nicht zuletzt die globalen Klimaveränderungen erfordern ein aktives Gegenlenken. Deshalb ist es besonders wichtig, wo immer möglich, anthropogen geprägte Fließgewässer und Auen naturnäher zu entwickeln, d.h. den ökologischen Zustand unsere Fließgewässer nachhaltig zu verbessern. Eigendynamische Entwicklung Die eigendynamische Entwicklung eines Fließgewässers ist der Königsweg unter den Entwicklungsmaßnahmen. Die Strömung gestaltet das Fließgewässer mit eigener Kraft, ganz nach den vorhandenen Vorbedingungen. Ein Ziel der Fließgewässerentwicklung ist es daher, an ausgebauten Fließgewässern Abfluss- und Feststoffdynamik wieder an die ursprünglichen, natürlichen Verhältnisse heran zu führen, damit sich eine naturraumtypische Laufentwicklung einstellen kann (u.a. Patt et al., 2004). Abflussdynamik Der Abfluss ist die Eingangsgröße und das Werkzeug mit der die Natur die Fließgewässer- und Auenlandschaften gestaltet. Die Abflussdynamik sorgt u.a. dafür, dass unterschiedliche Bereiche überflutet werden und die Laufentwicklung ständigen Veränderungen unterworfen ist. Dies wiederum hat Auswirkungen auf die Strömungsvielfalt. Wichtige Kenngrößen der Abflussdynamik sind u.a. der zeitliche Verlauf des Abflussgeschehens über einen längeren Zeitraum, die Maximal- und Minimalwerte und der Abfluss bei dem ein Fließgewässer in die gewässernahen Bereiche (Auen) ausufert (bordvoller Abfluss – s. Bild 4.5). Durch die Ausuferungen wird der Wasserrückhalt in der Fläche aktiviert und die Abflussspitzen (Scheitelabflüsse) reduziert. Die Infiltration von Oberflä-
4.2 Entwicklungsziele
137
Bild 4.5 Bordvoller Abfluss – Der Wasserspiegel im Fließgewässer erreicht die Oberkante der seitlichen Böschungen – das Fließgewässer ufert aus (Foto: H. Patt)
chenwasser fördert zudem die Grundwassererneuerung, beeinflusst die Grundwasserspiegelhöhen und trägt damit zu einer auentypischen Grundwasserdynamik bei. Feststoffdynamik Die Versorgung der Fließgewässer mit Feststoffmaterialien hängt vom Feststoffdargebot im Einzugsgebiet ab. Die Feststoffe stammen von den Feststoffherden im Oberlauf, von der Gewässersohle (Tiefenerosion) und von den seitlichen Berandungen (Seitenerosion). Die Feststoffmaterialien werden vom Wasser gelöst, aufgenommen und abtransportiert. Ein Ziel der Fließgewässerentwicklung muss es sein, einen naturraumgemäßen Feststoffhaushalt wiederherzustellen. Dazu gehört beispielsweise die Erschließung und Mobilisierung entsprechender Feststoffherde, um die Geschiebefracht zu erhöhen und die Durchgängigkeit für Geschiebe sicherzustellen. Durch das Zulassen von Erosion, Umlagerung und Ablagerung wird dem Fließgewässer das natürliche Werkszeug bereit gestellt, um die morphologische Ausgestaltung in eigener Regie zu übernehmen (Bild 4.6). Laufentwicklung, Morphologische Strukturen Die natürliche Laufentwicklung eines Fließgewässers wird von den Parametern Geologie (u.a. Talform), Abfluss und Feststofftransport sowie den Gefälleverhältnissen geprägt. Längsschnitt, Linienführung (Laufform), Querprofile und
138
4 Fließgewässerentwicklung – Historie, Ziele
Bild 4.6 Feststoffttransport an einem Mittelgebirgsgewässer nach einem Hochwasser. Die morphologischen Strukturen in der Flutrinne kennzeichnen einen Bereich hoher Fließgeschwindigkeiten. Das Feststoffmaterial wurden in diesem Bereich erodiert, abtransportiert und anderenorts wieder abgelagert (Foto: H. Patt)
Gewässerbettstrukturen (Gewässermorphologie) sind Merkmale, die genutzt werden, um die charakteristischen abiotischen Eigenheiten eines Fließgewässers zu beschreiben. Das Ziel einer naturraumtypischen Laufentwicklung kann nur erreicht werden, wenn es gelingt, dem Fließgewässer die benötigten Freiräume zurückzugeben bzw. einen größtmöglichen Entwicklungsspielraum bereit zu stellen. Bei der Formulierung der Entwicklungsziele sind u.a. folgende Merkmale von Bedeutung: • Längsschnitt Der Lauf eines natürlichen Fließgewässers zwischen Quelle und Mündung wird in der Regel in Ober-, Mittel- und Unterlauf unterteilt. Sind die genannten Abschnitte ausgeprägt, nimmt das Sohlengefälle im Oberlauf überproportional ab, während im Unterlauf die Gefälleabnahme nur noch gering ist. Natürliche Strukturen sind u.a. Prall- und Gleitufer, Uferanbrüche, Aufweitungen, Kolke, Stromschnellen, Kaskaden, Verzweigungen und, wenn auch selten, Wasserfälle (Patt et al., 2004). Die Fließgewässerentwicklung muss diese längszonalen Merkmale aufgreifen und dem Fließgewässer die entsprechenden Gestaltungsmöglichkeiten einräu-
4.2 Entwicklungsziele
139
men. Weiterhin sind die Herstellung weitgehend naturraumtypischer Gefälleverhältnisse und die Durchgängigkeit für Geschiebe hervor zu heben. • Linienführung(Laufform) Die Linienführung (Laufform) eines Fließgewässers ist nicht nur vom Sohlengefälle, sondern auch vom Feststofftransport abhängig. In den Oberläufen ist die Linienführung u.a. aufgrund des hohen Gefälles mehr oder weniger „gestreckt.“ Im Mittellauf ist die Linienführung bei geringem Feststofftransport ebenfalls „gestreckt“, geht aber mit steigender Feststofffracht in einen „gewundenen“ oder „verästelten“ Verlauf über. Bild 4.7 zeigt beispielsweise die für Umlagerungsstrecken typischen Gerinneverzweigungen mit den charakteristischen Flachwasserrinnen. Bei mittleren Feststofftransportraten bilden sich die typischen Prall- und Gleitufer in den Gewässerkrümmungen.
Bild 4.7 Verzweigungen sind Gewässerbettstrukturen, die häufig in einem naturnahen Mittelgebirgsgewässer anzutreffen sind (Foto: H. Patt)
Der Unterlauf (geringes Gefälle) weist dagegen eine „mäandrierende“ oder „verzweigte“ Linienführung auf. Typisch für den Unterlauf sind auch die verschiedenen Formen von Altgewässern (Altarme und Altwasser) in der Gewässeraue (DVWK, 1991a). Die Linienführung ist auf entsprechende seitliche Entwicklungsflächen angewiesen, deren Bereitstellung ein bedeutsames Entwicklungsziel ist.
140
4 Fließgewässerentwicklung – Historie, Ziele
• Querprofile Während die Querprofile eines natürlichen Fließgewässers im Gebirge relativ flach und breit sind, tendiert ein Flachlandbach zu größeren Wassertiefen bei geringerer Gerinnebreite. Die stabilisierende Wirkung des Uferbewuchses bei den Flachlandgewässern erlaubt sowohl die Entwicklung von steilen Uferabschnitten als auch flachen Böschungsabschnitten. Die Anlage eines Uferrandstreifens, ggf. auch die Bereitstellung größerer Areale in den Auen, ist ein wichtiges Ziel im Hinblick auf eine naturraumtypische Querschnittsgestaltung. • Gewässerbettstrukturen Die generelle Abnahme der Korndurchmesser des Sohlenmateriales im Fließverlauf ist auf die geomorphologischen Vorbedingungen, auf die abnehmende Transportkapazität, den Abrieb und die Erosionstätigkeit des Fließgewässers im jeweiligen Einzugsgebiet zurück zu führen. Die Gewässersohle eines Gebirgsbaches setzt sich daher vornehmlich aus Blöcken und groben Steinen zusammen, während die Sohle eines Flachlandbaches in Abhängigkeit von der Geomorphologie des Einzugsgebietes aus Kies, Sand oder feinem Auelehm besteht. Diese höhenzonal unterschiedliche Ausbildung der Gewässerstruktur soll Bild 4.8 verdeutlichen. • Totholz Besonders erwähnt werden soll hier das Totholz. Darunter werden unterspülte Bäume, losgerissene Sträucher, Pflanzenreste u.a. verstanden, die durch das Wegbrechen der Böschungen in das Gewässerbett gelangt sind. Diese werden dann vom Wasser als Schwimmstoffe abtransportiert, setzen sich teilweise an künstlichen oder natürlichen Strukturen im Gewässerbett fest und beeinflussen so die Strömung lokal. Größere Totholzelemente bleiben aufgrund ihrer Masse liegen (Bild 4.9) und werden erst bei größeren Hochwassern verfrachtet. Jedes Strukturelement ist einerseits eine Folge der kontinuierlich ablaufenden Entwicklungsprozesse, andererseits werden die Prozesse jedoch auch von den Strukturen selbst beeinflusst. Totholzstrukturen tragen zu einer Erhöhung der Strukturvielfalt bei und sind ein wichtiger Bestandteil einer Fließgewässerund Auenlandschaft (u.a. Gerhard & Reich, 2001; Zimmermann, 2002; Kail & Gerhard, 2003; Städtler, 2004). Wasserqualität Trotz der besser gewordenen Wasserqualität dank leistungsfähiger Kläranlagen muss es ein Ziel bleiben, auch Nährstoffe aus der Fläche vom Gewässer fernzuhalten. Die Möglichkeiten hierzu sind ein sinnvoller Düngereinsatz (u.a. bedarfsgerechtes Düngen), Vermeidung von ungeeigneten Düngezeitpunkten (u.a. bei Schnee oder gefrorenem Boden) und erosionsmindernde Bodenbearbeitung (u.a. Konturpflügen) im Einzugsgebiet sowie Umwandlung von Äckern in der Aue in Grünland oder Auenwald und, wenn nur ein Uferstreifen zur Ver-
a
b
c Bild 4.8 Die Laufentwicklung eines Fließgewässers, hier in Form der Gewässerbettstrukturen, erlaubt Rückschlüsse auf den Lebensraum a. Große Steinblöcke kennzeichnen Fließgewässer im Gebirge, während … b. … im Mittelgebirge Kies- und Sandsohlen vorherrschen (Fotos: H. Patt) c. Kennzeichen von Fließgewässern im Flachland sind die feinen Bettmaterialien (Lehm, Löß). Die Bewuchsstrukturen sorgen für eine Stabilisierung der Uferböschungen (Foto: G. Schrenk)
142
4 Fließgewässerentwicklung – Historie, Ziele
Bild 4.9 Totholzelemente erhöhen die Strukturvielfalt. Ob diese im Gewässerbett verbleiben können, hängt von den örtlichen Gegebenheiten ab (Foto: H. Patt)
fügung steht, breite Ufergehölze zur Abwehr und Pufferung von Dünger- und Pflanzenschutzmitteleintrag ins Gewässer. Ökologische Ziele Entsprechend der EG-Wasserrahmenrichtlinie (EG-WRRL) stehen bei den Zielen einer Fließgewässerentwicklung die Förderung der Lebensräume und Lebensgemeinschaften sowie der Durchgängigkeit und die Vernetzung von Fließgewässern mit ihrem weiteren Umland (Auen) im Vordergrund. Lebensräume und Lebensgemeinschaften Neben wasserwirtschaftlichen Belangen, vor allem dem Hochwasserschutz, ist es ein vorrangiges Ziel, die wenigen in unserer Landschaft noch vorhandenen naturnahen Fließgewässerabschnitte und Auenbereiche mit ihren Lebensgemeinschaften kompromisslos zu erhalten (Bild 4.10). Dies bedeutet, dass die Flächen auf Dauer zu sichern sind und dass weiterhin eine eigendynamische Entwicklung zu gewährleisten ist, d.h. die dem System eigenen dynamischen Prozesse auf Dauer zuzulassen (Prozessschutz). Gleichzeitig sind Störungen aller Art zu vermeiden bzw. auf einem möglichst niedrigen Niveau zu halten.
4.2 Entwicklungsziele
143
Bild 4.10 Dieser kleine, als naturnah anzusprechende Fluss in einem ansonsten intensiv landwirtschaftlich genutzten Hügelland erfüllt die wesentlichen Voraussetzungen einer biologischen Durchgängigkeit. Hier ist das Ziel, Erhaltung der Flusslandschaft, sicherlich eindeutig (Foto P. Jürging)
Da aber unsere Fließgewässer mitunter nur noch lokal an ihre früheren Qualitäten erinnern, muss es ein gemeinsames Ziel der Wasserwirtschaft und des Naturschutzes sein, naturfern ausgebaute Fließgewässern mit ihren Auen wieder naturnäheren Zuständen zuzuführen. Dieses Ziel ist erreicht, wenn sich nach Abschluss von Maßnahmen zur Gewässerentwicklung die Ökosystembausteine Abfluss-, Feststoff- und Morphodynamik wieder naturnäheren Verhältnissen annähern. Parallel dazu verbessern sich dann auch aufgrund der eigendynamischen Rückentwicklung schrittweise die Lebensbedingungen für die angestammten Lebensgemeinschaften. Sofern dem Fließgewässersystem noch ein ausreichendes Artenpotenzial zur Verfügung steht, werden sich im Laufe der Zeit wieder die meisten der lokal fließgewässer- und auentypischen Arten entsprechend der jeweiligen Sukzessionsstufen von selbst einfinden. Unter diesen Voraussetzungen sollte der natürlichen Sukzession Vorrang eingeräumt werden. Dies gilt vor allem für die aquatischen und amphibischen Lebensräume, in denen sich die entsprechenden Pflanzen- und Tierarten relativ problemlos spontan wieder ansiedeln und tragfähige Populationen ausbilden können. In Auen kann aber eine „Starthilfe“ zur Konkurrenzminderung, zum Beispiel durch Umbau von Forsten zu Auwäldern, durch Aufbau einer Auenvegetation durch lockere Gehölzpflanzungen oder zur Änderung des Bodenwas-
144
4 Fließgewässerentwicklung – Historie, Ziele
serhaushaltes, zum Beispiel durch Initiierung einer Funktionsunfähigkeit von Drains und Entwässerungsgräben, durchaus sinnvoll sein. Oft erfahren naturferne Fließgewässer zufällig, zum Beispiel als Nebenprodukt einer Ausbaumaßnahme, punktuell oder abschnittsweise eine biologische Aufwertung. Ziel müsste es aber sein, dass im Laufe der Zeit von jedem Fließgewässertyp wieder (zumindest eine) ausreichend lange naturnahe Fließgewässerstrecken und, je nach Gewässerlandschaft, mit begleitenden Gehölzstreifen oder Auen, am besten von der Quelle bis zur Mündung, vorzufinden sind (s. auch Kap. 4.1.3). Deshalb ist es ein wichtiges Ziel, aus den vorhandenen Resten noch naturnaher Abschnitte im Rahmen der Fließgewässerentwicklung durch weitgehendes Schließen naturferner Lücken sinnvoll zusammenhängende bzw. vernetzte Gewässersysteme anzustreben. Nur so kann sich die jeweils natürliche Biozönosenvielfalt wieder entwickeln und auf Dauer funktionsfähig bleiben. Damit würde auch ein wesentlicher Beitrag zur nachhaltigen Sicherung des Naturhaushaltes geleistet (Jürging, 1985). Aufgrund bestehender Nutzungen und anderer Einschränkungen wird das vorrangige Ziel, unsere Fließgewässer wieder in einen „guten ökologischen Zustand“ zu bringen, wohl in den meisten Fällen nicht erreicht werden. Somit bleibt nur das (vorläufige) Ziel, naturfern ausgebaute Fließgewässer und Auen, wo immer möglich, abschnitts- und schrittweise naturnäheren Verhältnissen zuzuführen. Dabei kann es zielführend sein, sich auch nur einzelne oder besser mehrere Ökosystembausteine im Laufe der Zeit naturnäheren Verhältnissen annähern zu lassen, um wieder eine teilweise bis weitgehende Funktionsfähigkeit einzelner Fließgewässerabschnitte mit ihren Auen erreichen zu können. Durchgängigkeit In und an vielen Fließgewässern mit ihren Auen ist kaum noch eine ausreichende Migration von Organismen und damit ein befriedigender Genaustausch möglich. Deshalb ist es nötig, dass sich an naturfernen Abschnitten auf möglichst langen Strecken wieder naturnähere Verhältnisse entwickeln können, damit die biologische Durchgängigkeit eine entscheidende Verbesserung erfahren kann. Dazu ist es notwendig, dass artspezifische Wanderungen von Organismen möglich bleiben bzw. wieder möglich werden. Dies betrifft allerdings nicht nur den Wasserkörper, sondern auch die Gewässersohle, die Ufer und die Auen. Dabei kann bereits die Verwirklichung einzelner Ziele die biologische Durchgängigkeit eines Fließgewässersystems wesentlich verbessern. Hierzu zählen vor allem • der Umbau von Querbauwerken (z.B. von Abstürzen zu flachgeneigten Sohlenrampen oder Sohlengleiten) • die Anlage von Fischpässen oder Umgehungsbächen bei Wasserkraftanlagen • die Entschärfung von Verödungszonen (z.B. durch Erhöhung von Restwassermengen oder durch Verbesserung der Wasserqualität bei Einleitungen) • die Wirksamkeit von Triftfallen zu schwächen (z.B. in Staubereichen durch Erhöhung der Fließgeschwindigkeit)
4.2 Entwicklungsziele
145
• eine Verbesserung der Feststoffliefersituation (z.B. durch die Aktivierung festgelegter Feststoffherde, durch Beseitigen von Geschiebefallen und das Zulassen von Seitenerosion) • eine Verbesserung des Feststofftransportes (z.B. durch Geschiebeweitergabe bzw. geschiebefähige Wasserkraftanlagen) • so weit möglich die Lockerung von befestigten bzw. abgedichteten Gewässersohlen oder zumindest deren Überdeckung mit für das Gewässer typischem Material, wenn notwendig auch aus Überkorn • die Schaffung strukturreicher Ufer (z.B. durch Rückbau harter Uferverbauungen) • möglichst durchgehende Uferrandstreifen, bevorzugt mit Gehölzen, anzulegen oder besser noch das Schließen von Auwaldlücken Längs- und Quervernetzung Die meisten naturschutzfachlich herausragenden Flächen in unserer Landschaft sind in aller Regel relativ klein. Zudem ergeben sich aus ihrer oft isolierten Lage eine Vielzahl von Problemen. So treten zum Beispiel schädliche Randeffekte (Störungen und Einflüsse aus dem Umland) oder Verinselungen von Populationen (kein Austausch mit anderen Populationen) auf. Arten mit großem Flächenanspruch oder großflächige Ökosysteme können mit verstreut in der Landschaft liegenden Biotopen kaum wirksam geschützt werden. Da aber aufgrund der dichten Besiedelung und der intensiven Nutzung unserer Landschaft eine sinnvolle Unterschutzstellung großer Gebiete kaum zu erreichen ist, und auch die Rückkehr zur vorindustriellen Landnutzung nicht möglich ist, muss zumindest versucht werden, vereinzelt in der Landschaft liegende Biotope zu vernetzen. Zu einem derartigen Biotopverbund zählen neben der Vernetzung von schutzwürdigen Gebieten durch Korridore (z. B. Hecken) und Trittsteinbiotope (z.B. Feldgehölze, Brachflächen) vor allem auch Fließgewässer mit ihren bandartigen Strukturen. Bei naturfernen Fließgewässern sollte es deshalb ein Ziel sein, neben einem Fließgewässerkontinuum auch einen hohen lateralen Vernetzungsgrad zu systemeigenen Lebensräumen zu erreichen, zum Beispiel durch Vernetzen von Fließgewässern mit seiner Aue, seinen Seitengewässern sowie den Quellbereichen. Des Weiteren sollten, wo immer möglich, naturferne Altgewässern regeneriert und Neuanlagen, auch von Kleingewässern, in der Aue gefördert werden. Sind in Auen für die Entwicklung von Auwäldern keine ausreichenden Flächen verfügbar, können statt Auenwäldern ersatzweise durchgehende Uferstreifen mit standortgerechten und heimischen Gehölzen begründet werden. Diese Uferstreifen sollten dann aber hie und da einen Anschluss u.a. in Form von Hecken oder breiten, ungenutzten Wegrändern mit Stauden usw. an terrestrische Lebensräume haben, wie zum Beispiel an auenbegrenzende Hangwälder. Bei allen Maßnahmen zur Fließgewässer- und Auenentwicklung nehmen zwangsläufig Flächenbereitstellungen und/oder die Ablösung von Wasserrechten eine Schlüsselstellung ein. Wichtig ist auch, bei allen Maßnahmen zu Fließgewässerentwicklungen, bei denen dynamische Prozesse wieder ablaufen dür-
146
4 Fließgewässerentwicklung – Historie, Ziele
fen, morphologische Veränderung mit einer wissenden Gelassenheit zu beobachten, um notfalls bei sich anbahnenden Gefahren regulierend einzugreifen zu können. Nutzungsbedingte Lebensräume Abweichend von dem ökologischen Ziel Fließgewässer mit ihren Auen sich selbst entwickeln zu lassen, kann unter dem Gesichtspunkt der Förderung schützenswerter Arten bzw. Lebensgemeinschaften der Erhalt bestimmter kultur- und nutzungsbedingter Vegetationsformationen sinnvoll sein. Dies kann in besonderen Fällen als Entwicklungsziel formuliert werden, auch wenn es sich streng genommen nicht aus dem potenziell natürlichen Zustand als Ziel der Gewässerentwicklung ableiten lässt, sondern rein naturschutzfachlich begründet ist. Zu diesen kulturbedingten Vegetationsformen gehören vor allem Magerrasen und Kulturgrasland, aber auch historische Nutzungen wie die von Kopfweiden. Magerrasen auf Trockenstandorten wie auf Deichen, Dämmen und Brennen in Schotterauen sind oft von hohem naturschutzfachlichen Wert (Bild 4.11). Zu ihrem Erhalt ist auf den Einsatz von Dünger und Pflanzenschutzmittel zu ver-
Bild 4.11 Wenn in Halbtrockenrasen gewässernaher Standorte Kleinode wie zum Beispiel die Pyramiden Orchidee (Anacamptis pyramidalis) vorkommt hat der Artenschutz sicherlich Vorrang (Foto P. Jürging)
4.2 Entwicklungsziele
147
zichten und in aller Regel eine einmalige Mahd im Herbst unter Entfernung des Schnittgutes notwendig. Alternativ kann auch eine extensive Schafbeweidung bei ein bis zwei Weidegängen pro Jahr, allerdings ohne Standweide, förderlich sein. Kulturgrasland ist eine als Wiese oder Weide genutzte Graslandvegetation, die zur Erhaltung ihrer Lebensgemeinschaften kultureller Eingriffe des Menschen, zum Beispiel einer Mahd oder Beweidung, bedarf. Ein bemerkenswertes Beispiel hierzu beschreibt Redecker (2004) für den Radegaster Haken, ein als Grünland genutztes Überflutungsgebiet an der Elbe, deren Wiesen zu den artenreichsten der niedersächsischen Elbaue gehören. Sie beherbergen u.a. auch für den Naturschutz wertvolle Brenndolden-Wiesen (Cnidio – Deschampsietum cespitosae), die selbst die lang anhaltende Überflutungsperiode im Sommer 2002 nahezu unbeschadet überstanden haben. Derartige Auenwiesen bedürfen zu ihrer Erhaltung einer zweimaligen Mahd pro Jahr. Gleichzeitig können sie auch bedeutende Lebensräume für Wiesenbrüter sein, wobei dann der erste Mähtermin nicht vor Ende Juni liegen sollte. Kopfweiden sind ein Bestandteil naturnaher Kulturlandschaften. Die Erhaltung und Pflege war in früheren Zeiten durch die Nutzung der Weidenzweige für Korbflechterei, Zäune, Korbmöbel u.a. gesichert. Durch die inzwischen weitgehend fehlende Nutzung ist der Bestand an Kopfweiden zurückgegangen. Wird ihre Erhaltung als Ziel formuliert, so ist ein regelmäßiger und vollständiger Schnitt der Krone im Abstand von 5 bis 7 Jahren erforderlich, damit die Krone nicht zu schwer wird und auseinander bricht (BayStMLU, 1995). 4.2.3 Naturschutzfachliche Zielkonflikte Eine der ältesten Aufgaben des Naturschutzes ist der Schutz seltener Pflanzen und Tiere. Ursprünglich waren dabei vor allem ethische und ästhetische Gründe ausschlaggebend; geschützt wurden bevorzugt attraktive Arten, wie zum Beispiel bestimmte Orchideen, Vögel oder Säugetiere. Im Laufe der Zeit gewannen neben dem klassischen Artenschutz der Biotopschutz, der Schutz abiotischer Ressourcen und die Steuerung der Landnutzung als Aufgaben des Naturschutzes immer mehr an Bedeutung. Hier sind auch die Ursachen für die klassischen Konflikte zwischen dem Naturschutz und der Wasserwirtschaft, also dem Ausbau und der Unterhaltung von Fließgewässern zu suchen. Im letzten Jahrzehnt gewann die Erkenntnis, dass in dynamischen Systemen, wie in Dünen- oder Fließgewässerlandschaften, für typische Arten und Lebensgemeinschaften die stete „Zerstörung und Neubildung“ eine wesentliche, wenn nicht gar die Existenzgrundlage schlechthin darstellt. Viele Arten sind eben an dynamische Prozesse, zum Beispiel Reife- und Zerfallsphasen in Wäldern oder an die dynamische Veränderung von Fließgewässern, d.h. Störungen, angepasst. Deshalb sind Arten dynamischer Extremstandorte vielerorts aufgrund geschmälerter bzw. nicht mehr vorhandener dynamischer Verhältnis-
148
4 Fließgewässerentwicklung – Historie, Ziele
se besonders gefährdet. Konsequenter Weise kommt somit dynamischen natürlichen Prozessen in der heutigen Naturschutzdiskussion eine wesentlich stärkere Rolle zu. In diesem Zusammenhang, also in der Problematik Statik versus Dynamik, können bei einer eigendynamischen Fließgewässer- und Auenentwicklung Konflikte zwischen dem klassischen und dem „modernen“ Naturschutz auftreten; insbesondere wenn es vorherzusehen ist, dass geschützte Arten in den der Dynamik und der Sukzession überlassenen Flächen ihre Lebensgrundlagen verlieren. Eigendynamische Entwicklung Ist an ausgebauten Flüssen und Bächen eine eigendynamische Fließgewässerund Auenentwicklung vorgesehen, so müssen ausreichend große Flächen in der jeweiligen Aue auf Dauer sichergestellt werden. Werden diese flussbegleitenden, für die Entwicklung vorgesehenen Arealen ausschließlich land- oder forstwirtschaftlich genutzt, so kommt es in aller Regel zu keinen naturschutzfachlichen Konflikten. Völlig anders kann aber die Sachlage sein, wenn sich in diesen anthropogen veränderten Auen sekundär schützenswerte Arten weitgehend statischer Lebensräume angesiedelt haben. Als ein treffendes Beispiel sei hier kurz die aktuelle Situation an der Salzach angeführt. Die Folge des Ausbaus der Salzach im vorletzten Jahrhundert war in den Beckenlagen ein reguliertes Gerinne, dessen Sohle sich aufgrund der Laufverkürzung und eines Geschiebedefizites kontinuierlich eintiefte. Entsprechend der Sohleneintiefung nahmen Überschwemmungen in der Aue ab und der Grundwasserspiegel sank mit dem Flusswasserspiegel. Sofern sich nicht andere Nutzungen auf den nunmehr weitgehend statischen Flächen ausbreiteten, passten sich die Lebensgemeinschaften der verbliebenen Aue langsam an die sich sukzessive verändernden Standortbedingungen an. So wurden zum Beispiel ehemalige Weichholzauen mehr und mehr von Arten der Hartholzauen durchwandert. In diesen anthropogen bedingt etwas trockener gewordenen Lebensräumen siedelten sich auch Arten an, die heute in den sogenannten Roten Listen zu finden sind und somit zu geschützten Arten zählen. Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang das Auftreten von Frühjahrsgeophyten wie zum Beispiel Schneeglöckchen (Galanthus nivalis – Bild 4.12) und Märzenbecher (Leucojum vernum), die beide aspektbildend vorkommen und überregional als bedeutsame „Besonderheit“ angesehen werden. In jüngerer Zeit wurden nun Untersuchungen durchgeführt mit dem Ziel, die Flusslandschaft der Salzach im Freilassinger und im Tittmoninger Becken wieder in naturnähere Zustände zurückzuführen. Dies bedeutet, dass man den Fluss mit seiner Aue zumindest in Teilbereichen wieder einer eigendynamischen Gewässerentwicklung anheim stellen möchte. Wäre dies der Fall, so würden im Laufe der Zeit auch wesentliche Bereiche des heutigen Auwaldes dieser Dynamik unterliegen und somit auch die geschützten Frühjahrsgeophyten dezimiert werden. In diesem Konflikt zwischen einem statischen Schutz des bestehenden
4.2 Entwicklungsziele
149
Bild 4.12 Nach dem Ausbau der Salzach im Freilassinger Becken haben sich im Laufe der Zeit aufgrund der Grundwasserabsenkung und der weitgehend fehlenden Dynamik in der Aue Frühjahrsgeophyten wie zum Beispiel das Schneeglöckchen (Galanthus nivalis) aspektbildend angesiedelt (Foto: P. Jürging)
Zustands und einer „Dynamisierung“ ist eine Entscheidung zu treffen, wobei der Naturschutz zunehmend, wie auch in dem geschilderten „Fall Salzach“, dem Prozessschutz den Vorrang einräumt (Jäger et al., 2001). Wiedervernässung der Aue Vielfach wurden zur „Verbesserung“ des Wasserhaushaltes bzw. der Nutzung in Auen Entwässerungsgräben angelegt. Die meist nicht beschatteten Gräben verkrauten und verschlammen in der Regel sehr stark durch Material- und Nährstoffeinträge aus den angrenzenden Flächen. Um die Funktion dieser Gräben als Vorfluter aufrecht zu erhalten werden sie im Rahmen wiederkehrender Unterhaltungsmaßnahmen gekrautet und geräumt. Bei einer vernachlässigten oder sehr extensiven Unterhaltung (lange Intervalle bei Schonung von Restbeständen) können Gräben eine hohe Lebensraumvielfalt aufweisen mit einer dementsprechend oft erstaunlichen Reichhaltigkeit von Flora und Fauna. Gleichzeitig steht aber auch fest, dass ohne jegliche Unterhaltungsmaßnahmen diese „Kulturgewässer“ aufgrund von Auf- und Verlandungen im Laufe der Zeit wieder verschwinden würden (DVWK, 1992b). Kommen nun in einem Auegraben geschützte Arten vor, wie zum Beispiel die Sumpfcalla (Calla palustris – Bild 4.13), und wird dieser Graben im Rahmen einer eigendynamischen Entwicklung sich selbst überlassen, was einer Nut-
150
4 Fließgewässerentwicklung – Historie, Ziele
zungsaufgabe und damit auch einer Einstellung der Unterhaltung entspricht, so werden auch die geschützten Arten durch die sukzessive Standortveränderung mittelfristig keinen zusagenden Lebensraum mehr vorfinden. Allerdings können einige dieser Arten unter bestimmten Umständen aufgrund der Gewässerdynamik, die ein Neuentstehen von Altgewässern und deren Verlandung begünstigen kann, einen neuen Lebensraum finden. Auch in einem derartigen Konflikt sollte der Prozessschutz bevorzugt werden.
Bild 4.13 Seltene und geschützte Pflanzen in Auegräben, wie hier zum Beispiel die Sumpfcalla (Calla palustris) in einem Graben in der Naab-Aue bei Wernberg-Luhe, haben bei einer eigendynamischen Auenentwicklung auf Dauer keine Überlebenschancen (Foto: P. Jürging)
Entwicklung von Auwäldern Mitunter sind Flachmoore und Auen durch großflächige, nur extensiv genutzte Feuchtwiesen gekennzeichnet. Ebenso wird manch ausgebautes Fließgewässer von breiten Vorländern mit mehr oder weniger feuchten Wiesen begleitet. Derartige, ausreichend große Wiesen können für Wiesenbrüter von großer Bedeutung sein, zum Beispiel für den Brachvogel (Numenius numenius), die Bekassine
4.2 Entwicklungsziele
151
(Gallinago gallinago) und die Uferschnepfe (Limosa limosa). Diese Wiesenbrüter haben aufgrund von Nutzungsintensivierungen in den letzten Jahrzehnten starke Bestandseinbußen erlitten, weshalb ihnen heute auch ein besonderes Schutzinteresse entgegengebracht wird, was sich nicht zuletzt auch durch spezielle Hilfsprogramme für auffällige Arten wie den Brachvogel dokumentiert. Bleibt nun aber ein Fluss mit seinen feuchten Wiesenauen einer eigendynamischen Entwicklung überlassen, was einer Nutzungsaufgabe und damit Einstellung der Mahd gleichkäme, so folgen auf die niedrigwüchsigen Feuchtwiesen relativ schnell hochwachsende Hochstaudenfluren, weniger später einzelne Gehölze und letztlich, eine ausreichende Entwicklungszeit vorausgesetzt, ein Auwald. Bereits beim Aufkommen einer Hochstaudenflur würden die Wiesenbrüter keinen geeigneten Lebensraum mehr vorfinden und durch andere Arten, wie zum Beispiel Sumpfrohrsänger (Arcocephalus palustris), Rohrammer (Emberiza schoeniclus) oder Feldschwirl (Locustella naevia) ersetzt werden (Kaule, 1986). Bei dieser Aussage soll aber nicht die Frage angeschnitten werden, welche Art wertvoller ist, sondern nur eine mögliche Sukzession aufgezeigt werden. Konkurriert quasi, wie zum Beispiel an der Altmühl bei Treuchtlingen, eine Gewässerentwicklung mit dem Vorkommen von Wiesenbrütern, so wird wohl jeder Planende zu Kompromissen, möglicherweise auch nur auf Zeit, bereit sein. Veränderung einer Kulturlandschaft Ein weiterer, wenn auch anders gelagerter Konflikt, kann zwischen dem Ziel einer eigendynamischen Entwicklung und dem Wunsch nach Erhalt einer historisch gewachsenen Kulturlandschaft entstehen, zum Beispiel bei dem Umbau eines alten Mühlenstaus aus Gründen der Wiederherstellung naturnäherer Bedingungen, nicht zuletzt auch mit dem Ziel, die Durchgängigkeit zu verbessern. Hier ist in jeden Fall ein gemeinsamer Abwägungsprozess notwendig, der beiden Zielen, wenn auch mit Kompromissen, gerecht wird und so zu Lösungen führt, die von beiden Seiten mitgetragen werden.
5 Rechtliche Grundlagen Klaus-Dieter Fröhlich (Kap. 5.2 und 5.3) Harald Irmer (Kap. 5.1)
Fließgewässer- und Auenentwicklungen werden seit geraumer Zeit von den Fachbehörden konzeptionell verfolgt. Aus dem geltenden Recht lässt sich jedoch keine gesetzliche Definition der Gewässerentwicklung entnehmen. Auf Bundesebene ist allerdings mittlerweile in der Vorschrift zur Gewässerunterhaltung (§ 28 WHG) die Entwicklung als Aufgabe der Gewässerunterhaltung normiert. Betrachtet man die Systematik und Struktur der Wassergesetze, so ergibt sich, dass die Fließgewässerentwicklung auch aus juristischer Sicht nicht auf die Gewässerunterhaltung beschränkt bleibt. Vielmehr lassen sich im Wasserrecht mehrere Instrumente zur Gewässerentwicklung nutzen. Besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang der EG-Wasserrahmenrichtlinie (EG-WRRL) zu. Durch die von ihr postulierten Umweltqualitätsziele ergibt sich mittelbar eine Verpflichtung zur Fließgewässerentwicklung. Die Wasserrahmenrichtlinie stellt neue Anforderungen an das wasserwirtschaftliche Planungsinstrumentarium des Wasserhaushaltsgesetzes und der Landeswassergesetze. Wegen ihrer Bedeutung wird sie zunächst vorgestellt, bevor die bundesdeutschen wasserrechtlichen Instrumente erläutert werden. Im Anschluss daran werden die für die Auenentwicklung wichtigen Instrumente des Naturschutzrechts dargestellt. 5.1
EG-Wasserrahmenrichtlinie Seit über 25 Jahren gibt es europäische Wasserpolitik. Am Anfang zielte die gemeinschaftliche Umweltpolitik darauf ab, in der Vergangenheit entstandene Probleme und Schäden zu korrigieren. Im Laufe ihrer Entwicklung nahm dann die „Nachhaltigkeit“ einen immer größeren Platz ein. Die Historie der europäischen Wasserpolitik lässt sich in drei Perioden gliedern. In der ersten Periode (1975–1988) lag die Konzentration auf industriellen und gewerblichen Gewässerverschmutzungen. Es wurden erstmals Qualitätsanforderungen an die Trinkwassergewinnung, an Oberflächenwasser mit zusätzlichen Qualitätskriterien für Fischereigewässer, Badegewässer und Grundwasser gestellt.
154
5 Rechtliche Grundlagen
Bereits im ersten und zweiten Umweltaktionsprogramm der Europäischen Kommission (1973/1977) wurden Parameter (in Form von Grenzwerten) für Wasser verschiedener Nutzungen und Maßnahmen zum Schutz des Süßwassers und der Meere festgelegt. Die erste europäische Gewässerschutzrichtlinie wurde im Jahre 1975 erlassen. Sie setzte Qualitätsziele für Oberflächenwasser und die Trinkwassergewinnung fest. Eine weitere wichtige Richtlinie für den Gewässerschutz war die 1976 erlassene „Richtlinie betreffend der Verschmutzung infolge der Ableitung bestimmter gefährlicher Stoffe in die Gewässer der Gemeinschaft“. Im Jahre 1980 folgten unter anderen die Richtlinien • über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch (Trinkwasserrichtlinie), • über den Schutz des Grundwassers gegen Verschmutzungen durch bestimmte gefährliche Stoffe, • über Badegewässer, • über Fischgewässer und • über Muschelgewässer. Die Richtlinien enthalten jeweils Grenzwerte, welche die Mitgliedstaaten zwingend in nationales Recht umsetzen mussten. Außerdem gibt es Leitwerte, welche strenger sind als die Grenzwerte und an denen sich die Mitgliedstaaten bei der Festlegung der nationalen Grenzwerte orientieren sollen. Zusätzlich legen die Richtlinien häufig weitere Qualitätsziele fest. In der zweiten Periode (1988–1996) steht der Gewässerschutz im Vordergrund, wobei weiterhin emissionsbezogen vorgegangen wird. Alarmierende Berichte über die zunehmende Eutrophierung der Binnenund Meeresgewässer in Europa führten in dieser Zeit dazu, dass im Jahre 1991 zwei für die europäische Wasserpolitik entscheidende Richtlinien erlassen wurden: • die Richtlinie über die Behandlung kommunaler Abwässer (kommunale Abwasserrichtlinie) und • die sogenannte „Nitratrichtlinie“. Die „kommunale Abwasserrichtlinie“ förderte in vielen Ländern und Gemeinden den Bau von Kanalisationen sowie den Anschluss von Privathaushalten und Betrieben an adäquate Kläranlagen. Die „Nitratrichtlinie“ soll den Schutz der Gewässer vor Verunreinigungen durch Nitrat aus der Landwirtschaft gewährleisten. In dieser Periode wurden außerdem noch viele andere, für die europäische Wasserpolitik wichtige Richtlinien erlassen, zum Beispiel im Jahre 1994 der Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzmaßnahmen für Unternehmen und im Jahre 1996 die Richtlinie zur Kontrolle und Verminderung von Umweltverschmutzungen durch Großindustrien.
5.1 EG-Wasserrahmenrichtlinie
155
In der dritten Periode (ab 1996) wird nun ein integrierter Ansatz gewählt, der alle Gewässerarten (Oberflächen-, Grund-, Meerwasser) und alle Disziplinen umfassen soll. Ein Flickenteppich aus über 30 Richtlinien, die den Wasserbereich direkt oder indirekt betreffen, entstand im Laufe der ersten beiden Perioden. Die Richtlinien sind aufgrund unterschiedlicher Bedürfnisse und Probleme entwickelt worden. Die Ziele und Wege zur Erreichung der Umweltstandards für die Wasserqualität sind daher hoch. Der Ordnungsrahmen hat sich in dieser Zeit nicht einheitlich entwickelt. Im Jahre 1997 beschloss die Europäische Kommission daher, eine neue Richtlinie zu erarbeiten, mit der dieses Defizit überwunden werden kann. Nach umfangreichen Anhörungen, Verhandlungen und Konsultationen im Europäischen Rat und im Europäischen Parlament trat schließlich am 22. Dezember 2000 die europäische Wasserrahmenrichtlinie (EG-WRRL) in Kraft, die einen solchen Ordnungsrahmen mit integriertem Ansatz bildet. Die EG-Trinkwasser-Richtlinie bleibt unberührt gültig, da sie im Jahre 1998 geändert wurde und seither sehr hohe Anforderungen an die Gewässergüte stellt. Die EG-Badegewässerrichtlinie, die zur Zeit novelliert wird, bleibt ebenfalls unberührt gültig. 5.1.1 Ziele Ziel der Wasserrahmenrichtlinie ist es, einen Ordnungsrahmen zu schaffen und die Binnen-, Übergangs- und Küstengewässer wie auch das Grundwasser zu schützen. Durch Bewirtschaftungspläne von Flussgebietseinheiten, auch grenzüberschreitend, soll die aquatische Umwelt geschützt, deren Zustand verbessert und eine Verschlechterung verhindert wie auch eine nachhaltige, ausgewogene und gerechte Wassernutzung angestrebt werden. Innerhalb von 15 Jahren nach In-Kraft-Treten der EG-WRRL soll der sogenannte „gute Zustand“ der Gewässer in den Mitgliedstaaten erreicht werden. Als Zustand werden hierbei biologische, strukturelle, physikalische und chemische Merkmale verstanden. Der gute Zustand weicht nur geringfügig vom natürlichen Zustand seines Gewässertyps ab und hält alle einschlägigen europäischen Normen zur Wasserqualität ein. Da dies wegen der großen anthropogenen Veränderungen nicht überall zu erreichen ist, gibt die EG-WRRL für künstliche und erheblich veränderte Wasserkörper ein eigenes Ziel an, d.h. es soll innerhalb der 15 Jahre ein „gutes ökologisches Potenzial“ und ein „guter chemischer Zustand“ erreicht werden. Nach der Definition der EG-WRRL sind • „künstliche Wasserkörper“ von Menschenhand geschaffene Oberflächenwasserkörper und
156
5 Rechtliche Grundlagen
• „erheblich veränderte Wasserkörper“ Oberflächenwasserkörper, die durch physikalische Veränderungen durch den Menschen in ihrem Wesen erheblich verändert wurden. • Das „gute ökologische Potenzial“ ist der gute Zustand, der auf Grund der von Menschen geschaffenen Randbedingungen erreicht werden kann. • „Guter chemischer Zustand“ heißt, dass kein Schadstoff in diesem Oberflächengewässer in einer höheren Konzentration als der in Anhang IX der EGWRRL festgelegten Umweltqualitätsnorm vorkommt. Durch einheitliche Emissions- und Immissionswerte soll die Einleitung von bestimmten prioritären Stoffen weitgehend reduziert bzw. eingestellt werden. Die EU-Kommission hat eine Liste von dreiunddreißig prioritären Stoffen vorgeschlagen, die toxisch und nicht abbaubar (persistent) sind und/oder sich anreichern können. Ein weiteres Ziel ist es, europaweit kostendeckende Preise für Wasserdienstleistungen zu erreichen. Die Gebühren sollen einen Anreiz geben, Wasser effizient zu nutzen. Die Wassernutzer in Industrie, Haushalt und Landwirtschaft sollen entsprechend dem Verursacherprinzip zur Kostendeckung beitragen. Einen weiteren Schwerpunkt der EG-WRRL stellt die Einbeziehung und Bewusstseinsbildung der Bevölkerung in dem Bereich Wasserpolitik dar. Durch die Information und Anhörung der Öffentlichkeit soll die aktive Beteiligung aller zur Umsetzung der Richtlinie, insbesondere die Aufstellung, Aktualisierung und Überprüfung der Bewirtschaftungspläne betreffend, gefördert werden. 5.1.2 Instrumente Im Hinblick auf die Fließgewässer- und Auenentwicklung sind folgende Festlegungen und Instrumente in der EG-Wasserrahmenrichtlinie von besonderer Bedeutung. Flussgebietseinheiten Da sich auf natürliche Gegebenheiten beruhende Flussgebiete nicht mit Verwaltungs- oder Staatsgrenzen decken, aber nur eine ganzheitliche Betrachtung eines Flusses und dessen Gewässerhaushaltes ökologisch sinnvoll ist, legt die EG-Wasserrahmenrichtlinie fest, dass die Gewässer flussgebietsbezogen zu bewirtschaften sind. Dabei wird die Europäische Union (EU) in Flussgebietseinheiten aufgeteilt, die sich nach hydrologischen und naturräumlichen Gegebenheiten und nicht nach Staats- oder Ländergrenzen richten. Den Flussgebietseinheiten werden auch die Grundwasserkörper und Küstengewässer zugeordnet. Flussgebietseinheiten setzen sich aus Einzugs- und Teileinzugsgebieten zusammen, welche die Mitgliedsstaaten innerhalb ihres jeweiligen Hoheitsgebietes bestimmen.
5.1 EG-Wasserrahmenrichtlinie
157
In Art. 2 EG-WRRL werden diese Begriffe wie folgt definiert: • Teileinzugsgebiet Ein Gebiet, aus welchem über Ströme, Flüsse und möglicherweise Seen der gesamte Oberflächenabfluss an einem bestimmten Punkt in einen Wasserlauf (normalerweise einen See oder Zusammenfluss von Flüssen) gelangt. • Einzugsgebiet Ein Gebiet, aus welchem über Ströme, Flüsse und möglicherweise Seen der gesamte Oberflächenabfluss an einer einzigen Flussmündung, einem Ästuar oder Delta, ins Meer gelangt. • Flussgebietseinheit Ein als Haupteinheit für die Bewirtschaftung von Einzugsgebieten festgelegtes Land- oder Meeresgebiet, das aus einem oder mehreren benachbarten Einzugsgebieten und den ihnen zugeordneten Grundwässern und Küstengewässern besteht. Für Deutschland bedeutsam sind dabei die Flussgebietseinheiten Donau, Rhein, Maas, Ems, Weser, Elbe, Eider, Oder, Schleide/Trave und Warnow/Peene. Bestandsaufnahme Als Grundlage für die Umsetzung der EG-Wasserrahmenrichtlinie werden in einer Bestandsaufname die Oberflächengewässer und Grundwasserkörper betrachtet und beurteilt. Sie werden in den Flussgebietseinheiten vollständig beschrieben und typisiert; signifikante Belastungen durch menschliche Tätigkeiten im Einzugsgebiet werden transparent und umfassend dargestellt und darauf geprüft, inwieweit sie sich auf die Gewässer und das Erreichen der Umweltziele auswirken. Nach Auswertung dieser Belastungserhebung und von bereits vorliegenden Gewässerbeschaffenheitsdaten können diejenigen Gewässer identifiziert werden, die möglicherweise die Richtlinienziele derzeit noch nicht erreichen. Nach Artikel 5 EG-WRRL gehören zur Bestandsaufnahme • eine Analyse der Merkmale der Flussgebietseinheiten entsprechend den Anhängen II und III der EG-WRRL, • eine Überprüfung der Auswirkungen menschlicher Tätigkeiten auf den Zustand der Oberflächenwasserkörper und der Grundwasserkörper sowie • eine wirtschaftliche Analyse der Wassernutzung. Die Bestandsaufnahme muss bis Dezember 2004 abgeschlossen sein und als Bericht bis Juni 2005 der Kommission vorliegen. Als Grundlage für die Bewertung der Oberflächengewässerbeschaffenheit nach naturraumtypischen Lebensgemeinschaften sind die Gewässerkategorien Flüs-
158
5 Rechtliche Grundlagen
se, Seen, Küstengewässer etc. in Gewässertypen einzuteilen. Das Verfahren der Gewässertypisierung ist in Anhang II der Wasserrahmenrichtlinie in Grundzügen vorgegeben und wird von jedem Mitgliedsstaat selbstständig weiterentwickelt. In Deutschland werden bei der Typisierung alle wesentlichen Elemente des Ökosystems Fließgewässer wie morphologische Struktur, Wasserbeschaffenheit, Hydrologie und Lebensgemeinschaften einbezogen. In Deutschland wird es nach heutigem Bearbeitungsstand rund 20 Fließgewässertypen, 10 Seentypen und 10 Übergangs- und Küstengewässertypen geben. Diese liegen in der Karte „Gewässertypen in Deutschland“ vor (ATV-DVWK, 2003a). Für alle Oberflächengewässertypen werden typspezifische Referenzbedingungen festgelegt, die dem „sehr guten Gewässerzustand“ entsprechen. Dieser Referenzzustand für natürliche Gewässer wird allgemein dem „weitgehend natürlichen Zustand“ gleichgesetzt. Er ist der Zustand, der sich in Zukunft ohne jegliche anthropogene Einwirkung einstellen würde. Er wird als Beurteilungsmaßstab für die Formulierung der meisten Qualitätsanforderungen der EGWasserrahmenrichtlinie genutzt. Ein zentraler Punkt der Analyse ist die Ermittlung von „signifikanten anthropogenen Belastungen“ der Oberflächengewässer. Die EG-WRRL selbst gibt allerdings keine konkreten Vorgaben für die anzuwendenden Signifikanzkriterien. Die EU-Wasserdirektoren haben aber Leitlinien mit einem nicht verbindlichen Charakter erlassen, mit denen die Mitgliedsstaaten die Signifikanzkriterien selber ableiten. Hinweise auf eine signifikante Belastung können aus der Tatsache gezogen werden, dass es für sie bereits eine europäische Regelung gibt (u.a. für diffuse Quellen die Nitratrichtlinie, für Punktquellen die Kommunalabwasserrichtlinie). Als „signifikante Belastung“ können daher in erster Linie diejenigen Belastungen angesehen werden, von denen eine nicht unbedeutende Einwirkung auf die Gewässer ausgeht und die dazu beitragen, dass die Umweltziele verfehlt werden oder das Erreichen dieser Ziele gefährdet ist. Zur Ermittlung sollen Daten über Art und Ausmaß der Belastungen erhoben und aufbewahrt werden. Insbesondere Daten von städtischen, industriellen, landwirtschaftlichen und anderen Anlagen und Tätigkeiten stammenden signifikanten Verschmutzungen durch Punktquellen und diffuse Quellen sollen ermittelt und eingeschätzt werden. Punktquellen sind hierbei Nutzungen von Gewässern, die direkte punktuelle Belastungen darstellen (z.B. Kläranlageneinleitungen, Wasserentnahmen). Davon lassen sich diffuse Quellen abgrenzen, indem unter diesem Begriff Herkunftsbereiche subsummiert werden, die keine gezielte Gewässerbenutzung darstellen (z.B. Siedlungen, Verkehr, Landwirtschaft). Für die so erfassten anthropogenen Belastungen ist eine Beurteilung der Auswirkungen dieser Belastungen im Hinblick auf eine potenzielle Gefährdung des guten Zustands vorzunehmen. Hierzu wird ein vereinfachendes Abschätzverfahren angewandt. Die in Anhang V der EG-WRRL genannten Qualitätskomponenten werden einzeln darauf überprüft, ob sie die definierten Belastungsgrenzen einhalten. Anschließend wird eine Gesamtbewertung vorgenommen.
5.1 EG-Wasserrahmenrichtlinie
159
Maßnahmenprogramme Ergibt sich aus der Bestandsaufnahme, dass die Gewässer in den Einzugsgebieten nicht in den guten Zustand einzustufen sind, müssen die Mitgliedstaaten Maßnahmen ergreifen, damit der gute Zustand und damit auch die Ziele aus Artikel 4 EG-WRRL bis zum Jahre 2015 verwirklicht werden können. Die Maßnahmen werden von den Mitgliedstaaten flussgebietsweise oder für den in sein Hoheitsgebiet fallenden Teil eines Flussgebietes in sogenannten Maßnahmenprogrammen zusammengefasst. Diese enthalten grundlegende Maßnahmen und ggf. ergänzende Maßnahmen. Grundlegende Maßnahmen sind nach Artikel 11 Abs. 3 EG-WRRL die zu erfüllenden Mindestanforderungen. Es werden zum Beispiel Maßnahmen zur Deckung der Kosten der Wasserdienstleistungen und Maßnahmen, die eine effiziente und nachhaltige Wassernutzung fördern, genannt. Ergänzende Maßnahmen werden in Artikel 11 Abs. 4 EG-WRRL als zusätzliche zu den grundlegenden Maßnahmen geplante und ergriffene Maßnahmen beschrieben, um die in Artikel 4 EG-WRRL festgelegten Ziele zu erreichen. Maßnahmen können u.a. Festlegungen von strengeren Grenzwerten für Abwassereinleitungen und die naturnahe Entwicklung von Fließgewässern sein. Die heute vorhandenen Benutzungen werden in diesem Zusammenhang als „Belastungssituationen“ bezeichnet. Unterschieden wird insbesondere zwischen stofflichen (z.B. durch Nährstoffe, Pflanzenschutzmittel, prioritären Stoffe) und hydromorphologischen Belastungen (BMU, 2004). Die Belastungssituationen werden fünf sogenannten „Belastungsbereichen“ zugeordnet. Innerhalb der Belastungsbereiche erfolgt dann eine weitere Unterscheidung nach „Verursacherbereichen“, innerhalb derer wiederum eine Aufteilung in einzelne „Belastungsarten“ erfolgt (Bild 5.1). Diese Unterscheidung dient u.a. als Grundlage für die Auswahl von einzelnen Maßnahmen bzw. Maßnahmenkombinationen in den Maßnahmenprogrammen (UBA, 2004). Bewirtschaftungspläne für Einzugsgebiete Alle wesentlichen, im Rahmen der Richtlinienumsetzung zu leistenden Arbeiten werden in Bewirtschaftungsplänen dokumentiert. In diese werden unter anderen die Bestandsaufnahme, die Bewertung der Gewässer und die Maßnahmenprogramme aufgenommen (s. Anhang VII der EG-WRRL). Bei der Aufstellung der Bewirtschaftungspläne soll in möglichst großem Maße die Öffentlichkeit informiert und angehört werden, um eine größtmögliche Akzeptanz zu erreichen. Die Bewirtschaftungspläne sind für die Einzugsgebiete der Flussgebietseinheiten zu erstellen, die in den jeweiligen Mitgliedstaaten liegen. Wenn die Flussgebietseinheiten grenzüberschreitend sind, soll ein grenzüberschreitender Bewirtschaftungsplan aufgestellt werden, bei dem die betroffenen Staaten zusammenarbeiten. Die Pläne sind bis Dezember 2009 fertig zu stellen und zu veröffentlichen. Sie werden allen betroffenen Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission
160
5 Rechtliche Grundlagen
Bild 5.1 Belastungsschema – Auswahl von typischen Belastungssituationen (aus BMU, 2004)
übermittelt. Die Bewirtschaftungspläne werden regelmäßig überprüft und auf den neusten Stand gebracht. Die erste Überprüfung hat spätestens 2015 stattzufinden und soll dann alle 6 Jahre wiederholt werden. Information und Anhörung der Öffentlichkeit Die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie stützt sich auf die Einbeziehung aller Betroffenen. Deshalb ist ein wichtiger Bestandteil der EG-Wasserrahmenrichtlinie die Information und Anhörung der Öffentlichkeit. Die Mitgliedstaaten stellen ein Zeit- und Arbeitsprogramm zur Aufstellung der Bewirtschaftungspläne auf, damit sichergestellt ist, dass die Öffentlichkeit in den Entscheidungsprozess über die Bewirtschaftungspläne und damit den Maßnahmenprogrammen einbezogen wird. Bürger, Verbände und Betroffene
5.1 EG-Wasserrahmenrichtlinie
161
können sich in diesem Rahmen über die Bestandsaufnahme und die geplanten Maßnahmen informieren. Außerdem haben sie die Möglichkeit, Hintergrunddokumente wie zum Beispiel wasserwirtschaftliche Studien, die zur Aufstellung der Bewirtschaftungspläne angefertigt wurden, einzusehen. Die Öffentlichkeit kann dann Stellung nehmen und durch Anregungen zur Verbesserung der Bewirtschaftungspläne aktiv an der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie mitarbeiten. Auf diese Art und Weise wird die Rolle von Bürgern und Bürgergruppen bei der Verbesserung der Gewässerzustände wesentlich verstärkt. Die Maßnahmen zur Information und Anhörung der Öffentlichkeit, deren Ergebnisse und die darauf zurückführenden Änderungen des Plans sind in den Bewirtschaftungsplänen darzustellen. Berichterstattung Die Mitgliedstaaten haben gegenüber der Kommission über die Umsetzung der EG-Wasserrahmenrichtlinie zu berichten. Hierzu müssen sie nach Artikel 15 EG-WRRL • spätestens 3 Monate nach Veröffentlichung die Bewirtschaftungspläne der Einzugsgebiete, die in ihrem Hoheitsgebiet liegen, der Kommission und allen betroffenen Mitgliedstaaten übermitteln, • zusammenfassende Berichte über die Bestandsaufnahme und die Überwachungsprogramme binnen drei Monaten nach ihrer Fertigstellung unterbreiten, • drei Jahre nach der Veröffentlichung eines jeden Bewirtschaftungsplans oder seiner Aktualisierung einen Zwischenbericht mit einer Darstellung der Fortschritte, die bei der Durchführung des Maßnahmenprogrammes erzielt wurden, vorlegen. Als Erstes stehen die Berichte zu den Bestandsaufnahmen und den Überwachungsprogrammen an. Der Umfang der Berichte ist in Deutschland noch nicht abschließend festgelegt. Die Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) wartet hierzu noch die Ergebnisse aus der EU-Arbeitsgruppe EAF „Berichtswesen“ und der CIS-AG „GIS“ (Geografische Informationssysteme) ab bzw. muss diese dann umsetzen. 5.1.3 Stand der Arbeiten in Deutschland Die Umsetzung der EG-Wasserrahmenrichtlinie unterliegt einem festen Zeitplan, der durch Fristen für bestimmte Arbeitsschritte in den einzelnen Artikeln der EG-WRRL festgelegt ist. Die wichtigsten Fristen der EG-WRRL sind bzw. waren: • Dezember 2003 Umsetzung der EG-WRRL in nationales Recht
162
5 Rechtliche Grundlagen
• Dezember 2004 Die Bestandsaufnahme muss abgeschlossen sein und der Bericht 3 Monate später in Brüssel abgegeben werden • Dezember 2006 Die Überwachungsprogramme als Grundlage für die Wasserbewirtschaftung müssen einsatzbereit sein • Dezember 2008 Die öffentlichen Anhörungen über die Bewirtschaftungspläne müssen durchgeführt sein. • Dezember 2009 Die Bewirtschaftungspläne müssen veröffentlicht sein. • Dezember 2015 Die Gewässer sollen einen „guten Zustand“ erreicht haben. Die EG-Wasserrahmenrichtlinie ist entsprechend dem föderalen Aufbau der Bundesrepublik sowohl vom Bund als auch von den Ländern umzusetzen. Durch die 7. Novelle des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) vom 19. August 2002 wurde sie auf bundesrechtlicher Ebene bereits umgesetzt (s. auch Kap. 5.2). Die Anpassung der Landeswassergesetze ist zur Zeit (August 2004) noch nicht abgeschlossen. Die Bestandsaufnahme liegt im Vollzug der Länder. Der Stand der Arbeiten lässt sich dadurch nur teilweise für Deutschland allgemein beschreiben. Die Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) erarbeitet eine „Arbeitshilfe zur Umsetzung der EG-WRRL“. Mit dieser Arbeitshilfe soll die komplexe Struktur der EG-Wasserrahmenrichtlinie für den Vollzug anschaulicher gestaltet, eine einheitliche Herangehensweise bei der Umsetzung der EG-WRRL gewährleistet und Doppelarbeit vermieden werden. Die Arbeitshilfe gibt zu allen Fachfragen schrittweise konkrete Hilfestellung durch Bereitstellung methodischer Vorgehensweisen, thematischer Karten und Muster und Arbeitspapiere, die den fachlichen Hintergrund ausleuchten. Grundsätzlich wird zu den behandelten Fachfragen der Bezug zur EG-WRRL hergestellt, der fachliche Hintergrund beschrieben, die bundesweiten Vorgaben (soweit vorhanden) in Form von Karten und Grundlagenmaterialien erläutert sowie die in dem jeweiligen Bearbeitungsoder Teilbearbeitungsgebiet erforderlichen Tätigkeiten im Einzelnen beschrieben. Die Arbeiten an dem dritten Teil der Arbeitshilfe „Vorarbeiten und Hinweise für die Bearbeitung und Aufstellung des Bewirtschaftungsplanes“ sind für den Bereich der Bestandsaufnahme abgeschlossen. Die Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) hat außerdem ein themenbezogenes Arbeitspapier, „Kriterien zur Erhebung von anthropogenen Belastungen und Beurteilung ihrer Auswirkungen zur termingerechten und aussagekräftigen Berichterstattung an die EU-Kommission“, erarbeitet. Darin werden die Aussagen der Leitlinien der EU-Wasserdirektoren unter Berücksichtigung der in den Bundesländern vorliegenden Datenbasis und der bisher angewandten
5.2 Wasserrechtliche Instrumente der Fließgewässer- und Auenentwicklung
163
Bewertungsmethoden angepasst. Ziel ist es, durch die Wahrung der Gegebenheiten Deutschlands und der Flussgebietseinheiten eine weitgehende Bundeseinheitlichkeit zu wahren. Das Arbeitspapier der LAWA ist als fortzuschreibender Anhang der Arbeitshilfe konzipiert. Die Umsetzung der detaillierten Vorgaben zur Bestandsaufnahme, Bewertung, Überwachung und Darstellung des Zustands der Gewässer (Anhänge II und V der EG-WRRL) soll durch Landesverordnungen erfolgen. Um eine möglichst einheitliche bundesweite Umsetzung zu gewährleisten, wurde eine Musterverordnung durch die LAWA erarbeitet. Die Musterverordnung setzt die Anhänge II und V der EG-WRRL 1 : 1 um und hat keine zusätzlichen Aspekte aufgenommen. Alle erwähnten Papiere sind im Internet unter www.wasserblick.net/ bzw. www.lawa.de zu finden. 5.2
Wasserrechtliche Instrumente der Fließgewässer- und Auenentwicklung Die Wasserrahmenrichtlinie war bis zum 22. Dezember 2003 in deutsches Recht umzusetzen (Art. 24 Abs. 1 EG-WRRL). Hierzu hat zunächst der Bund das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) am 18. Juni 2002 novelliert. Durch die Änderungen des WHG wurden die bisherigen Begrifflichkeiten an das Gemeinschaftsrecht angepasst (§§ 1 und 1a WHG) und insbesondere die Bewirtschaftung nach Flussgebietseinheiten eingeführt (§ 1b WHG). Hierzu wurden in den §§ 25a–25d, 32c und 33a WHG neuartige Bewirtschaftungsziele und Bewirtschaftungsanforderungen aufgestellt sowie die insoweit vorgeschriebenen verfahrensrechtlichen Instrumente der Maßnahmenprogramme (§ 36 WHG) und Bewirtschaftungspläne (§ 36b WHG) geschaffen. Weitere Änderungen betrafen die gemeinschaftsrechtliche Modifizierung von Gemeingebrauch (§§ 25, 33 WHG), Gewässerunterhaltung (§ 28 WHG) und Gewässerausbau (§ 31 WHG). Die Länder wurden in § 42 WHG verpflichtet, ihre Landeswassergesetze bis zum 22. 12. 2003 entsprechend anzupassen. Bis August 2004 war es allerdings nicht allen Bundesländern gelungen, ihre Landeswassergesetze zu ändern. Die Umsetzung der Anhänge II und V der EG-WRRL in einer entsprechenden Landesverordnung war bis zu diesem Zeitpunkt nur in vier Bundesländern vollzogen. 5.2.1 Systematik des deutschen Wasserrechts Die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie hat zwar zu beachtlichen Änderungen im deutschen Wasserrecht geführt; die grundlegende Systematik des Wasserhaushaltsgesetzes mit den zentralen Elementen der Benutzungsordnung und dem Bewirtschaftungsermessen besteht allerdings fort.
164
5 Rechtliche Grundlagen
Grundsatz Bei sämtlichen wasserwirtschaftlichen Maßnahmen ist der Grundsatz des § 1a WHG zu berücksichtigen. Danach sind die „Gewässer als Bestandteil des Naturhaushaltes und als Lebensraum für Tiere und Pflanzen zu sichern. Sie sind so zu bewirtschaften, dass sie dem Wohl der Allgemeinheit und im Einklang mit ihm auch dem Nutzen Einzelner dienen, vermeidbare Beeinträchtigungen ihrer ökologischen Funktionen und der direkt von ihnen abhängenden Landökosysteme und Feuchtgebiete im Hinblick auf deren Wasserhaushalt unterbleiben und damit insgesamt eine nachhaltige Entwicklung gewährleistet wird. Dabei sind insbesondere mögliche Verlagerungen von nachteiligen Auswirkungen von einem Schutzgut auf ein anderes zu berücksichtigen; ein hohes Schutzniveau für die Umwelt insgesamt, unter Berücksichtigung der Erfordernisse des Klimaschutzes, ist zu gewährleisten“. Auch wenn für die Auenentwicklung vornehmlich naturschutzrechtliche Instrumente zur Anwendung kommen, ist die Änderung des § 1a WHG und sein Bezug auf die Landökosysteme und Feuchtgebiete hervorzuheben. Hierdurch ist die Einbindung der Gewässer in den Naturhaushalt und ihre Bedeutung für das ökologische Gleichgewicht und die Eigenschaft des Wassers als unverzichtbarer Bestandteil allen Lebens auch zum ausdrücklichen Leitgedanken des WHG erhoben worden (Czychowski & Reinhardt, 2003). Umgekehrt verpflichten mittlerweile viele naturschutzrechtliche Vorschriften zu einem Schutz der Gewässer, seiner Ufer und der Aue. Benutzungsordnung Eines der Grundprinzipien des Wasserhaushaltsgesetzes ist die Errichtung eines öffentlich-rechtlichen Bewirtschaftungsregimes, das durch die Anordnung eines repressiven Verbots mit Befreiungsvorbehalt gekennzeichnet ist. Kernstück der öffentlich-rechtlichen Benutzungsordnung ist die Eröffnungskontrolle wasserwirtschaftlich bedeutsamer Nutzungen. Das Grundprinzip der Eröffnungskontrolle besteht darin, dass jede Gewässerbenutzung einer Erlaubnis oder Bewilligung bedarf (§ 2 Abs.1 WHG). Welche Handlungen eine Gewässerbenutzung darstellen, ergibt sich aus § 3 WHG. Hier sind zunächst die sogenannten echten Benutzungen aufgezählt (§ 3 Abs.1 WHG), die gezielte Einwirkungen auf die Gewässer darstellen. Hierunter fallen das Entnehmen und Ableiten von Wasser aus oberirdischen Gewässern, das Aufstauen und Absenken von oberirdischen Gewässern, das Entnehmen fester Stoffe aus oberirdischen Gewässern, soweit dies auf den Zustand des Gewässers oder auf den Wasserabfluss einwirkt, das Einbringen und Einleiten von festen oder flüssigen Stoffen in oberirdische Gewässer oder Küstengewässer, das Einleiten von flüssigen Stoffen in das Grundwasser sowie das Entnehmen, Zutagefördern, Zutageleiten und Ableiten von Grundwasser.
5.2 Wasserrechtliche Instrumente der Fließgewässer- und Auenentwicklung
165
Durch § 3 Abs. 2 WHG werden diesen sogenannten echten Benutzungen, die sogenannten unechten Benutzungen gleichgestellt. Als erlaubnis- oder bewilligungspflichtige Benutzungen gelten danach auch das „Aufstauen, Absenken und Umleiten von Grundwasser durch Anlagen, die hierzu bestimmt oder geeignet sind“, sowie „Maßnahmen, die geeignet sind, dauernd oder in einem nicht nur unerheblichen Ausmaß schädliche Veränderungen der physikalischen, chemischen oder biologischen Beschaffenheit des Wassers herbeizuführen“. Maßnahmen der Gewässerentwicklung können daher grundsätzlich gestattungspflichtige Benutzungen im Sinne des § 3 WHG sein. Gewässerentwicklungsmaßnahmen werden allerdings oftmals im Zusammenhang mit einem Gewässerausbau oder einer Gewässerunterhaltung durchgeführt. Nach § 3 Abs. 3 WHG sind Maßnahmen, die dem Ausbau eines oberirdischen Gewässers (vgl. hierzu unten Kap. 5.2.2) dienen, keine Benutzungen. Dies gilt nach dieser Vorschrift auch für Maßnahmen der Unterhaltung eines oberirdischen Gewässers, soweit hierbei nicht chemische Mittel verwendet werden (vgl. hierzu unten Kap. 5.2.3). Sofern Gewässerentwicklungsmaßnahmen aber nicht Bestandteil des Gewässerausbaus oder der Gewässerunterhaltung sind und einen der Benutzungstatbestände des § 3 WHG erfüllen, bedürfen sie einer Erlaubnis (eine Bewilligung kommt gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 WHG nicht in Betracht). Auch Wasser- und Bodenverbände sowie gemeindliche Zweckverbände bedürfen gemäß § 13 WHG in diesen Fällen einer Erlaubnis, auch wenn die Benutzung im Rahmen ihrer satzungsmäßigen Aufgaben erfolgt. Die Erteilung einer Erlaubnis oder Bewilligung ist kein rechtlich gebundener, sondern ein im Ermessen der Wasserbehörde stehender Verwaltungsakt. Dies bedeutet, dass der Antragsteller – im Gegensatz zu vielen anderen Bereichen des Verwaltungsrechts, beispielsweise im Immissionsschutzrecht – selbst bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen keinen einklagbaren Anspruch auf die Erteilung des Gestattungsaktes hat. Die Normstruktur dieser Vorschrift macht eine zweistufige Prüfung erforderlich, die sich erstens auf die rechtsbegrifflich-tatbestandlichen Voraussetzungen des wiedergegebenen zwingenden Versagungsgrundes und – bei dessen Verneinung – zweitens auf die gemeinwohlbezogene Opportunität der Benutzung im Rahmen der öffentlichen Bewirtschaftung der Gewässer bezieht. Soweit die Wasserbehörden dabei auf der ersten Stufe über die unbestimmten Rechtsbegriffe des § 6 Abs. 1 WHG zu entscheiden haben, steht ihnen kein Beurteilungsspielraum zu; insoweit ist ihre Entscheidung mithin uneingeschränkt gerichtlich überprüfbar.
166
5 Rechtliche Grundlagen
Zunächst verdient allerdings der zwingende Versagungsgrund des § 6 Abs. 1 WHG vordringliche Beachtung. Danach sind die Erlaubnis und die Bewilligung „zu versagen, soweit von der beabsichtigten Benutzung eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit, insbesondere eine Gefährdung der öffentlichen Wasserversorgung, zu erwarten ist, die nicht durch Auflagen oder durch Maßnahmen einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verhütet oder ausgeglichen wird“. Im Vordergrund des wasserhaushaltsgesetzlichen Gemeinwohlbegriffs stehen die wasserwirtschaftlichen Belange, doch sind im Sinne des integrierten Umweltschutzes daneben noch weitere Aspekte berücksichtigungsfähig (vgl. hierzu Czychowski & Reinhardt, 2003). Das mit dem 7. WHG-Änderungsgesetz in Bundesrecht umgesetzte Bewirtschaftungssystem der Wasserrahmenrichtlinie hat durch die Konkretisierung des allgemeinen Bewirtschaftungsgrundsatzes des § 1a WHG auch eine zusätzliche Präzisierung des Gemeinwohlbegriffs des WHG bewirkt. Nach den §§ 25a Abs. 1, 25b Abs. 1, 32c, 33a WHG sind die Gewässer in einer Weise zu bewirtschaften, die gewährleistet, dass die durch Art. 4 EG-WRRL rechtsverbindlich vorgegebenen Umweltziele erreicht werden. Wie schon § 6 Abs. 1 WHG enthält auch die Wasserrahmenrichtlinie einen Mindestbestand der öffentlich-rechtlichen Gewässerbewirtschaftung und beeinflusst durch dessen Umsetzung in das deutsche Recht zwangsläufig das strukturell identische Wohl der Allgemeinheit als Voraussetzung der behördlichen Bewirtschaftungsentscheidung im Einzelfall. Die für oberirdische Gewässer in den verschiedenen Flussgebietseinheiten bundesrechtlich differenziert vorgegebenen und landesrechtlich in Umsetzung der Anhänge II und V weiter spezifizierten materiellen Anforderungen der Bewirtschaftung füllen damit den unbestimmten Rechtsbegriff des Wohls der Allgemeinheit aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht aus, ohne ihn damit aber zugleich auch innerstaatlich zu erschöpfen. Eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit und damit ein zwingender Grund für die Versagung einer Erlaubnis liegt danach grundsätzlich (s. aber die Ausnahmevorschriften der §§ 25c, 25d, 32c, 33a Abs. 4 WHG) vor, wenn zum Beispiel die Benutzung eines oberirdischen Gewässers eine nachteilige Veränderung dessen ökologischen oder chemischen Zustands bewirken oder der Erreichung eines guten ökologischen oder chemischen Zustands zuwider laufen würde (§ 25a Abs. 1 WHG). Zu berücksichtigen ist aber, dass eine beantragte Benutzung im Rahmen der einschlägigen Bewirtschaftungsziele gleichwohl dem Wohl der Allgemeinheit im Übrigen widersprechen kann. Für die Gewässerentwicklung folgt daraus zweierlei: Zum Einen müssen sich Gewässerentwicklungsmaßnahmen, die nicht Bestandteil des Gewässerausbaus oder der Gewässerunterhaltung sind, im Rahmen der Bewirtschaftungsziele
5.2 Wasserrechtliche Instrumente der Fließgewässer- und Auenentwicklung
167
der Wasserrahmenrichtlinie bewegen, um erlaubnisfähig zu sein. Zum Anderen kann die Gewässerentwicklung dadurch positiv beeinflusst werden, dass die Wasserbehörde gehalten ist, beabsichtigte Benutzungen anderer, die eine nachteilige Veränderung des ökologischen oder chemischen Zustands eines oberirdischen Gewässers bewirken oder der Erreichung eines guten ökologischen und chemischen Zustands zuwiderlaufen würden, zu versagen. Erst wenn die rechtsbegrifflichen Voraussetzungen für den unabdingbaren Minimalschutz der Gewässer erfüllt sind, setzt der Ermessensspielraum der Behörden ein. Er dient einer einzelfallbezogenen Optimierung des Gewässerschutzes. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich insoweit auf das Vorliegen von Ermessensfehlern. Anders formuliert bedeutet dies, dass auch bei Nichtvorliegen der Versagungsgründe des § 6 Abs. 1 WHG kein Anspruch auf die Erteilung einer Erlaubnis oder Bewilligung besteht. Das Bewirtschaftungsermessen der Wasserrahmenrichtlinie wird allerdings durch die verbindlichen einzelfallbezogenen Gebote und Verbote der Maßnahmenprogramme maßgeblich gelenkt. Die hierin enthaltenen Vorgaben, soweit sie sich nicht auf den Verweis auf einschlägige generell-abstrakte Anforderungen in Gesetz oder Verordnung beschränken, binden die Wasserbehörde bei ihren Zulassungsentscheidungen dergestalt, dass auch bei Fehlen zwingender Versagungsgründe für das betreffende Gewässer eine bestimmte Benutzung kraft Maßnahmenprogrammes nicht zulässig ist. Sofern diese Bindung nicht besteht, entscheidet die Wasserbehörde nach ihrem Ermessen im Lichte des § 1a WHG. 5.2.2 Gewässerausbau Gewässerentwicklungsmaßnahmen können den Tatbestand des Gewässerausbaus gemäß § 31 Abs. 2 Satz 1 WHG erfüllen. In diesen Fällen richtet sich die Zulässigkeit derartiger Gewässerentwicklungsmaßnahmen nach den Vorgaben des § 31 WHG in Verbindung mit den entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften. Derartige Maßnahmen bedürfen dann eines Planfeststellungs- oder Plangenehmigungsverfahrens. Zum Begriff des Gewässerausbaus Ein Gewässerausbau liegt nach der Legaldefinition des § 31 Abs. 2 Satz 1 WHG dann vor, wenn es sich um die Herstellung, Beseitigung oder wesentliche Umgestaltung eines Gewässers oder seiner Ufer handelt. Deich- und Dammbauten, die den Hochwasserabfluss beeinflussen, stehen dem Gewässerausbau gleich (§ 31 Abs. 2 Satz 2 WHG). Gewässerentwicklungsmaßnahmen können durchaus den Tatbestand eines Gewässerausbaus verwirklichen. Hierbei ist der Begriff der Herstellung oder Beseitigung eines Gewässers noch leicht verständlich. Schwieriger ist hingegen der – für die Praxis der Gewässerentwicklungsmaßnahmen bedeutendere – Begriff der „wesentlichen Umgestaltung“ eines Gewässers. Nicht unprob-
168
5 Rechtliche Grundlagen
lematisch ist hierbei die erforderliche Abgrenzung zwischen Maßnahmen der Gewässerunterhaltung und solchen des Gewässerausbaus. Die schon bislang bestehenden Abgrenzungsprobleme sind durch die siebte Novelle zum Wasserhaushaltsgesetz größer geworden. Die scheinbar klare Differenzierung zwischen bloß erhaltender Unterhaltung und dauerhaft gestaltendem Ausbau trägt nicht mehr, wenn auch gestaltende Maßnahmen geringen Umfangs zur Unterhaltung gerechnet werden und erst bei Überschreitung einer nicht näher bezeichneten Wesentlichkeitsgrenze ein Gewässerausbau angenommen wird (Kollmann, 2004). Während früher nämlich die Gewässerunterhaltung auf die Erhaltung eines bestimmten Zustands beschränkt war, umfasst die Gewässerunterhaltung nach der neuen Fassung des § 28 WHG die Pflege und Entwicklung der Gewässer (s. Kap. 5.2.3). Die ökologische Unterhaltung und der naturnahe Ausbau nähern sich einander in einer Weise an, die sie in Grenzfällen rechtlich kaum mehr eindeutig unterscheidbar werden lässt (Czychowski & Reinhardt, 2003). Ein Gewässer wird umgestaltet, wenn es einschließlich seiner Ufer in seiner bisherigen Gestalt verändert wird. Die Umgestaltung soll wesentlich sein, wenn sie sich auf den Wasserhaushalt, also etwa Wasserstand, Wasserabfluss, Fließgeschwindigkeit, Selbstreinigungsvermögen, ferner auf die Schifffahrt, die Fischerei oder in sonstiger Hinsicht (z.B. Naturhaushalt, äußeres Bild der Landschaft) in bedeutsamer Weise, also merklich auswirkt (Zeitler, 2004). Dabei kommt es nicht nur auf die Veränderung der äußeren Gewässer- oder Ufergestalt an. Vielmehr kann sich die Wesentlichkeit einer Umgestaltung auch aus deren verborgenen wasserwirtschaftlichen oder ökologischen Auswirkungen ergeben. Eine allein dem Wortsinn folgende Auslegung würde dazu führen, dass nur wesentliche Gestaltveränderungen des Gewässers als Ausbau anzusehen sind. Zutreffend wird darauf hingewiesen, dass diese Auslegung zu eng sei, weil es die Durchführung wasserwirtschaftlich bedeutsamer Umgestaltungen ohne Änderung des äußeren Erscheinungsbildes ohne Planfeststellungsverfahren ermöglichen könnte (Czychowski & Reinhardt, 2003). Das Wort „wesentlich“ ist vielmehr dahingehend auszulegen, dass unwesentliche und offensichtlich nicht ins Gewicht fallende Maßnahmen kein Gewässerausbau sind (Czychowski & Reinhardt, 2003). Gleichwohl fällt die Abgrenzung der wesentlichen Umgestaltung des Gewässers im Sinne des § 31 Abs. 2 Satz 1 WHG von der Gewässerentwicklung im Rahmen der Gewässerunterhaltung schwer. Der Ausbau unterscheidet sich von der Unterhaltung insbesondere durch die Veränderung des Gesamtprofils oder die Bewirkung eines anderen Gepräges des Gewässers. Letztlich bleibt die Abgrenzung aber eine Entscheidung des Einzelfalles. So wird beispielsweise einerseits die Änderung der Uferbefestigung zur Ermöglichung einer umweltgerechteren Unterhaltung (ohne Profilveränderung) als Maßnahme der Gewässerunterhaltung qualifiziert (Czychowski & Reinhardt, 2003; Thiem, 2004). Andererseits kann die Gehölzbeseitigung auf Deichen nach einer Entscheidung des OVG Bautzen (OVG Bautzen, 2003) als Gewässerausbau zu qualifizieren sein.
5.2 Wasserrechtliche Instrumente der Fließgewässer- und Auenentwicklung
169
Die besondere Schwierigkeit der Abgrenzung zwischen Ausbau und Unterhaltung verdeutlicht auch die in der Gewässerentwicklung durchaus gebräuchliche Maßnahme des Einbringens von Totholz in ein Gewässer. Inzwischen allgemein anerkannten wasserwirtschaftlichen und ökologischen Erkenntnissen zufolge kommt dem gezielten Einsatz organischen Materiales eine bedeutende Rolle für Struktur, Hydrologie und Hydraulik sowie für Flora und Fauna des Gewässers und dessen Ufer zu (vgl. hierzu Kap. 2.1.4, Kap. 4.2.2 und Kap. 6.4.4). Die Einbringung von Totholz wird daher heute verbreitet als sinnvolle Maßnahme der Gewässerunterhaltung betrachtet. Folge einer ökologisch motivierten Einbringung von Totholz oder auch Störsteinen in größerem Umfang können abweichende Mäandrierungen des Fließgewässers sein, die letztlich als wesentliche Umgestaltung eines Gewässers die Planfeststellungsbedürftigkeit nach § 31 Abs. 2 WHG nach sich ziehen können (Kollmann, 2004). Die scheinbar feinsinnig ziselierte dogmatische Unterscheidung zwischen Unterhaltung und Ausbau wird so zu einer Frage von Klaftern (Reinhardt, 2004). Unterhaltung und Ausbau verschmelzen zu einer Einheit, innerhalb derer das Gesetz ab einem gewissen Umfang die Durchführung eines Planfeststellungs- oder Plangenehmigungsverfahrens vorschreibt. Verfassungsrechtlich ist diese Grenze dort zu ziehen, wo eine effektive Verwirklichung betroffener Grundrechte zu einer prozeduralen Absicherung zwingt, praktisch freilich ist diese konstitutionelle Schwelle kaum eindeutig fassbar (Reinhardt, 2004). Die Planfeststellung Sofern eine Gewässerentwicklungsmaßnahme als Gewässerausbau zu qualifizieren ist, ist diese nur nach durchgeführtem Planfeststellungs- (§ 31 Abs. 2 Satz 1 WHG) oder Plangenehmigungsverfahren (§ 31 Abs. 3 WHG) zulässig. Als hoheitlicher, förmlicher und konzentrierter Akt der raumgestaltenden Planung erfüllt die grundsätzlich vorgeschriebene Planfeststellung eine Schlüsselfunktion (Breuer, 2000). Im geltenden Recht ist sie mit außerwasserrechtlichen Anforderungen versehen, die im Zusammenhang der planerischen Ermittlung und Abwägung mitzuprüfen sind. Dies gilt zum einen für die naturschutzrechtliche Prüfung eines Eingriffs in Natur und Landschaft (§§ 18 ff. BNatSchG und ergänzendes Landesrecht) und zum anderen für die gebotene, in einem unselbstständigen Verfahrensteil durchzuführende Umweltverträglichkeitsprüfung (§ 3 Abs. 1 Satz 1 UVPG). In dem sehr förmlich ausgestalteten Planfeststellungsverfahren entscheidet eine Behörde über alle erforderlichen Gestattungsakte (sogenannte Konzentrationswirkung). Die Planfeststellung ist der das Verfahren positiv abschließende Bescheid. Bei diesem Begriff handelt es sich um einen Terminus aus dem allgemeinen Verwaltungsrecht, der aber nirgends erschöpfend definiert ist. Unter Planfeststellung ist die rechtliche Verbindlicherklärung eines Plans durch eine Behörde zu verstehen, so dass die Festsetzungen des Plans bei der Ausführung der vom Plan erfassten und darin beschriebenen Maßnahme für alle Beteiligten rechtsverbindlich sind.
170
5 Rechtliche Grundlagen
Die Wirkungen der Planfeststellung ergeben sich aus den jeweiligen Gesetzen, in denen die Planfeststellung fachbezogen geregelt ist. Inhalt und Wirkung der wasserrechtlichen Planfeststellung sind in § 31 WHG und in den ausfüllenden Landesgesetzen geregelt. Die Normen des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes (VwVfG) finden auf die wasserrechtliche Planfeststellung nach § 1 Abs. 2 VwVfG keine Anwendung, weil es sich hier um Rahmenrecht handelt. Deshalb gelten für das Planfeststellungsrecht zunächst die Spezialregelungen in den Landeswassergesetzen und dann die allgemeinen Normen der Landesverwaltungsverfahrensgesetze. Das wesentliche Merkmal der Planfeststellung ist, dass sie alle weiteren für das Vorhaben erforderlichen behördlichen Genehmigungen umfasst. Dabei können Verwaltungsakte nach Bundes- und nach Landesrecht ersetzt werden. Die anderen behördlichen Verwaltungsakte sind daneben nicht erforderlich; sie müssen nicht eigens beantragt werden. Die Planfeststellungsbehörde muss aber das materielle Recht, das für die ersetzten Verfahren gilt, beachten. Planfeststellungs- oder Plangenehmigungsverfahren? Nach § 31 Abs. 3 WHG kann für einen nicht UVP-pflichtigen Gewässerausbau an Stelle eines Planfeststellungsbeschlusses eine Plangenehmigung erteilt werden. Entgegen der früheren Fassung des Gesetzes ist nunmehr entscheidende Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Plangenehmigungsverfahrens die fehlende UVP-Pflichtigkeit des Vorhabens. Gewässerausbauten sind zuweilen weder so bedeutsam noch so umfangreich oder problematisch, dass das vergleichsweise umständliche und durchweg langwierige Planfeststellungsverfahren für sie erforderlich oder angemessen ist. Sinn und Zweck des Gesetzes über die Umweltverträglichkeit (UVPG) ist es, der Umweltverträglichkeit nur solche Vorhaben zu unterwerfen, die wesentliche (erhebliche, bedeutende) und nicht etwa belanglose, minimale, geringfügige, kleine, überhaupt keine nachteiligen Auswirkungen auf die Umwelt haben. Dies trifft nicht auf jede Maßnahme zu, die den Tatbestand des Ausbaus erfüllt. Vielmehr gibt es sogar Ausbauten, die sich positiv auf die Umwelt auswirken. Als solche kommen insbesondere Gewässerentwicklungsmaßnahmen in Betracht. Die zuständige Behörde hat zunächst von Amts wegen zu prüfen, ob eine Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich ist. Sofern eine UVP-Prüfung nicht erforderlich ist und somit die Voraussetzungen für ein Plangenehmigungsverfahren gegeben sind, entscheidet die Behörde im Rahmen ihres Ermessens, ob sie dennoch ein Planfeststellungsverfahren durchführt. Die Plangenehmigung ist wie der Planfeststellungsbeschluss eine echte Planungsentscheidung, die lediglich die Befugnis gibt, die Genehmigung in einem vereinfachten Verfahren zu erteilen, nicht jedoch auch von den materiellen Anforderungen freistellt (Bundesverwaltungsgericht, 1982; Gassner, 1996). Für die Genehmigung gelten deshalb ebenfalls die besonderen oder allgemeinen Vorschriften, aus denen sich ein Verbot des Vorhabens ergibt sowie die
5.2 Wasserrechtliche Instrumente der Fließgewässer- und Auenentwicklung
171
Planungsgrundsätze und das Gebot gerechter Abwägung. Planfeststellung und Plangenehmigung unterscheiden sich vielmehr hinsichtlich ihrer Wirkungen. Die unten folgenden Ausführungen zu den zwingenden Versagungsgründen, zu den Grundsätzen der Planung usw. gelten mithin sowohl für die Planfeststellung als auch für die Plangenehmigung. Die UVP-Pflichtigkeit des Ausbauvorhabens Die Frage, wann für ein Gewässerausbauvorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich ist, bestimmt sich nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) in Verbindung mit dem jeweiligen Ausführungsgesetz des Landes. Der UVP-Pflicht unterliegen nach § 3b Abs. 1 UVPG die in der Anlage 1 des Gesetzes aufgeführten Vorhaben, wenn die dort genannten Projektmerkmale erfüllt und ggf. bestehende Größen- oder Leistungswerte erreicht oder überschritten werden. Die Anlage 1 enthält zwei Spalten, wobei die in Spalte 1 mit einem „X“ gekennzeichneten Vorhaben ohne weiteres UVP-pflichtig sind. Für die in Spalte 2 aufgelisteten Vorhaben ist nur dann eine UVP durchzuführen, wenn sie nach einer allgemeinen („A“) oder einer standortbezogenen Einzelfallprüfung („S“) seitens der Behörde als UVP-pflichtig anzusehen sind. Die Länder müssen für bestimmte Vorhaben („L“) in der Anlage 1 zum UVPG entsprechende Regelungen über die UVP-Pflichtigkeit treffen. Landesrechtlich werden beispielsweise Abwasserbehandlungsanlagen, Fischzuchtbetriebe, Wasserspeicher, Flusskanalisierungen und Wasserkraftanlagen, zumeist nach Größe gestaffelt, einer UVP unterworfen. Der Vorprüfung im Einzelfall dient das sogenannte „Screening“. Es beinhaltet die Einschätzung der zuständigen Behörde aufgrund überschlägiger Prüfung, ob erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen zu erwarten sind. Gemäß § 3c Abs. 1 UVPG ist zwischen den A- und S-Vorhaben der Spalte 2 zu differenzieren. Bei A-Vorhaben ist eine UVP durchzuführen, wenn das Vorhaben unter Einbeziehung der in der Anlage 2 aufgeführten Kriterien erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann. Bei den S-Vorhaben hingegen nur dann, wenn trotz ihrer geringen Größe oder Leistung allein aufgrund bestimmter in der Anlage 2 Nr. 2 aufgeführter Standortkriterien erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen zu erwarten sind. Hierbei ist zu berücksichtigen, inwieweit Umweltauswirkungen durch beabsichtigte Vermeidungs- und Verminderungsmaßnahmen offensichtlich ausgeschlossen werden. Unterhalb der Schwellenwerte der Vorhaben besteht keine UVP-Pflicht. Nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeit (UVPG) wird die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) nicht von einer besonderen UVP-Behörde in einem selbständigen Verfahren vorgenommen, sondern vielmehr in die jeweiligen Zulassungsverfahren – hier die wasserrechtliche Planfeststellung – integriert. Die UVP ist damit ein unselbständiger Teil der wasserrechtlichen Planfeststellung. Sie umfasst die Ermittlung, Beschreibung und Bewertung der Auswirkungen des Vorhabens (§ 2 Abs. 2 UVPG) auf Menschen, Tiere und Pflanzen,
172
5 Rechtliche Grundlagen
Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft, auf Kultur- und sonstige Sachgüter sowie die Wechselwirkungen zwischen diesen Schutzgütern (§ 2 Abs. 1 UVPG). Hierbei ist zunächst eine Bestandsaufnahme des gegenwärtigen Zustands der Umwelt im Einwirkungsbereich des geplanten Projektes vorzunehmen. Es folgt eine Prognose der Umweltauswirkungen des Projektes, einschließlich etwaiger Wechselwirkungen und Gegenmaßnahmen. Schließlich muss eine Bewertung des Projektes anhand ökologischer Maßstäbe erfolgen. Zwingende Versagungsgründe im Sinne von § 31 Abs. 5 Satz 3 WHG Nach § 31 Abs. 5 Satz 3 WHG ist die Planfeststellung zu versagen, soweit von dem Ausbau eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit, insbesondere eine erhebliche und dauerhafte, nicht ausgleichbare Erhöhung der Hochwassergefahr oder eine Zerstörung natürlicher Rückhalteflächen, vor allem in Auwäldern, zu erwarten ist. Da es sich hier um eine sogenannte „Insbesondere Aufzählung“ handelt, kann das Landesrecht weitere Gesichtspunkte für eine Beeinträchtigung des Gemeinwohls nennen. Auch wenn das Planfeststellungsverfahren erheblich durch eine planerische Gestaltungsentscheidung geprägt ist, die wesentliche Elemente des Ermessens enthält, muss folgende Unterscheidung vorgenommen werden: Vor der planerischen Ermessensbetätigung hat die Behörde zu prüfen, ob dem Vorhaben gesetzliche Versagungsgründe entgegenstehen. Solche können sich aus dem Wasserrecht, zum Beispiel §§ 1a, 6, 31 Abs. 1 und Abs. 5 WHG, aus dem Landesplanungsrecht und aus anderen Fachgesetzen ergeben, zum Beispiel Naturschutzgesetz, Baurecht. Eine Planfeststellung kann insbesondere abgelehnt werden, wenn ,,die natürliche Eigenart der Landschaft“ oder ,,Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege“ im Sinne des § 35 Abs. 3 Baugesetzbuch (BauGB) Gründe abgeben, die dem Vorhaben entgegenstehen. Biotopschutz Die landesrechtlichen Natur- und Landschaftsschutzgesetze enthalten zwingende Verbotstatbestände. So sind in Nordrhein-Westfalen nach § 62 LG NW Maßnahmen und Handlungen verboten, die zu einer erheblichen oder nachhaltigen Beeinträchtigung oder Zerstörung bestimmter, im Einzelnen aufgeführter Biotope führen können. § 62 Abs. 1 Nr. 1 LG NW benennt: „Natürliche oder naturnahe unverbaute Bereiche fließender und stehender Binnengewässer einschließlich ihrer Ufer und der dazugehörigen uferbegleitenden natürlichen oder naturnahen Vegetation sowie ihrer natürlichen oder naturnahen Verlandungsbereiche und regelmäßig überschwemmten Bereiche“. Das OVG Koblenz hat im November 2000 zu einer vergleichbaren Vorschrift im rheinland-pfälzischen Recht entschieden, dass in einem Planfeststellungsverfahren mit lediglich formeller Konzentrationswirkung die Verbotstatbestände
5.2 Wasserrechtliche Instrumente der Fließgewässer- und Auenentwicklung
173
gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 10 des Landespflegegesetzes Rheinland-Pfalz sogenannte zwingende Versagungsgründe bilden (OVG Koblenz, 2001). Allerdings betraf das Verfahren die Errichtung einer Wasserkraftanlage und nicht Maßnahmen der Gewässerentwicklung. Schutzgebiete im Sinne von § 6 Abs. 2 WHG Neben den zwingenden Versagungsgründen, die aus dem absoluten Biotopschutz folgen, sind auch im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens nach § 31 WHG die Vorgaben des § 6 Abs. 2 WHG zu berücksichtigen. Es ist bereits dargestellt worden, dass die zwingenden Gründe im Sinne des § 31 Abs. 5 Satz 3 WHG identisch mit dem Wohl der Allgemeinheit in § 6 WHG sind und diese Vorschrift insoweit im Verfahren nach § 31 WHG zu beachten ist. § 6 Abs. 2 WHG dient dazu, die Richtlinien 92/43/EWG (Fauna, Flora, Habitat (FFH)-Richtlinie) und 79/409/EWG (Vogelschutz-Richtlinie) für den Bereich der Zulassung von Gewässerbenutzungen in Bundesrecht umzusetzen. Dieser Paragraph enthält in Satz 1 zusätzliche zwingende Gründe für die Versagung der wasserrechtlichen Erlaubnis oder Bewilligung im Interesse des naturschutzrechtlichen Gebietsschutzes und ergänzt bzw. konkretisiert mithin den Versagungsgrund des Wohls der Allgemeinheit aus naturschutzrechtlicher Sicht. Erlaubnis und Bewilligung sind demnach zu versagen, wenn von der beabsichtigten Benutzung eine erhebliche Beeinträchtigung für eines der ausdrücklich benannten Schutzgebiete zu erwarten ist. Bereits bestehende und zugelassene Benutzungen werden von der Vorschrift nicht erfasst. § 6 Abs. 2 Satz 1 WHG zählt abschließend die drei Schutzgebiete auf, deren Beeinträchtigung durch eine Gewässerbenutzung gesetzlich als zwingender Versagungsgrund vorgegeben wird. Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung sind nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 BNatSchG die in die Liste nach Art. 4 Abs. 2 UAbs. 3 der FFH-Richtlinie eingetragenen Gebiete, auch wenn sie noch nicht zu Schutzgebieten im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) erklärt wurden. Die hiermit in Bezug genommene gemeinschaftsrechtliche Regelung sieht die Erarbeitung einer Liste geschützter Gebiete durch die EG-Kommission nach dem Verfahren des Art. 21 FFH-Richtlinie vor; inhaltlich maßgebend ist dabei die Begriffsbestimmung des Art. 1 lit. k FFH-Richtlinie, die als Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung ein Gebiet versteht, „das in der oder den biogeographischen Region(en), zu welchen es gehört, in signifikantem Maße dazu beiträgt, einen natürlichen Lebensraumtyp des Anhangs I oder eine Art des Anhangs II in einem günstigen Erhaltungszustand zu bewahren oder einen solchen wiederherzustellen und auch in signifikantem Maße zur Kohärenz des in Artikel 3 genannten Netzes ‚Natura 2000‘ und/oder in signifikantem Maße zur biologischen Vielfalt in der biogeographischen Region beitragen kann. Bei Tierarten, die große Lebensräume beanspruchen, entsprechen die Gebiete von gemeinschaftlichem Interesse den Orten im
174
5 Rechtliche Grundlagen
natürlichen Verbreitungsgebiet dieser Arten, welche die für ihr Leben und ihre Fortpflanzung ausschlaggebenden physischen und biologischen Elemente aufweisen“. Besonderer Wert wird hierdurch auf die Förderung der Kohärenz des nach Art. 3 Abs. 1 FFH-Richtlinie angestrebten gemeinschaftsweiten ökologischen Netzes besonderer Schutzgebiete („Natura 2000“) gelegt, das in den §§ 32 bis 38 BNatSchG eine nähere bundesrahmenrechtliche Regelung gefunden hat. Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 WHG sind Erlaubnis und Bewilligung zu versagen, wenn von der beabsichtigten Benutzung eine erhebliche Beeinträchtigung eines der genannten Schutzgebiete in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck erheblichen Bestandteilen zu erwarten ist. Der Begriff der Erheblichkeit lässt sich über die Feststellung hinaus, dass nur nicht ganz unbedeutende Beeinträchtigungen erfasst werden, nicht quantifizieren, sondern ist unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Zielsetzungen des BNatSchG im Einzelfall zu ermitteln. Dabei sind einerseits nur geringfügige Fälle auszuscheiden, andererseits aber ein Eingreifen der Norm nicht erst von einem konkret drohenden Artensterben abhängig zu machen. Unerheblich ist dabei, ob die beabsichtigte Benutzung räumlich im Bereich des Schutzgebietes verortet ist oder lediglich von außen nachteilig auf dieses einwirkt. Zum anderen sind nur solche erheblichen Beeinträchtigungen Grund für die Versagung von Erlaubnis und Bewilligung, die das Schutzgebiet in dessen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen berühren. Entscheidend ist damit nicht schon jede erhebliche nachteilige Auswirkung der Benutzung auf das Schutzgebiet als solches, sondern erst die hierdurch hervorgerufene Gefahr, dass die konkreten Ziele der betroffenen Unterschutzstellung nicht mehr erreicht werden können. Eine Verschlechterung des ökologischen Zustands berechtigt damit nur dann zur Versagung der Gewässerbenutzung, wenn sie sich nachteilig auf das Schutzgebiet als ökologischen Lebensraum auswirkt. Strukturell ähnlich wie im Falle der Regelung des § 6 Abs. 1 WHG scheidet auch nach Abs. 2 Satz 1 eine Versagung aus, soweit die Beeinträchtigung entsprechend § 19 Abs. 2 Satz 1 bis 3 BNatSchG ausgeglichen oder in sonstiger Weise kompensiert werden kann. Hierdurch wird der naturschutzrechtliche Ausgleichsbegriff in das Wasserrecht übertragen. § 19 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG betrachtet eine Beeinträchtigung als ausgeglichen, wenn und sobald die beeinträchtigten Funktionen des Naturhaushaltes wiederhergestellt sind und das Landschaftsbild landschaftsgerecht wiederhergestellt oder neu gestaltet ist (Stich, 2002). Die Planfeststellungsbehörde hat zunächst zu prüfen, ob von dem Gewässerausbau eine erhebliche Beeinträchtigung eines der genannten Gebiete in seinem für die Erhaltungsziele oder für den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen ausgeht. Sofern dies zu bejahen ist, ist eine Verträglichkeitsprüfung durchzuführen und die Frage zu klären, ob ein Ausgleich des Eingriffs möglich ist. Sofern
5.2 Wasserrechtliche Instrumente der Fließgewässer- und Auenentwicklung
175
die letzten Fragen allerdings negativ zu beantworten sind, stehen dem Vorhaben zwingende Versagungsgründe entgegen. Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung Zu den zwingenden Versagungsgründen im Sinne des § 31 Abs. 5 Satz 3 WHG gehört auch das naturschutzrechtliche Gebot, vermeidbare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft durch Eingriffe zu unterlassen (§ 19 Abs. 1 BNatSchG) und das Gebot, im Fall der Unvermeidbarkeit des Eingriffs vorrangig mögliche Ausgleichsmaßnahmen zu schaffen oder ihn in sonstiger Weise zu kompensieren (§ 19 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG) (Ronellenfitsch, 1986; Zeitler, 2004). Eingriffe in Natur und Landschaft sind nach § 18 BNatSchG Veränderungen der Gestalt oder Nutzung von Grundflächen oder Veränderungen des mit der belebten Bodenschicht in Verbindung stehenden Grundwasserspiegels, die die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes oder das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen können. Nach § 4 Abs. 2 Nr. 6 LG NW gilt der Ausbau von Gewässern als Eingriff in Natur und Landschaft, so dass aufgrund dieser gesetzlichen Fiktion eine Prüfung im Einzelfall entbehrlich ist. Ein Gewässerausbau muss daher zwingend versagt werden, wenn mit ihm vermeidbare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft einhergingen. Hierbei ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass sich die Frage der Vermeidung auf das Vorhaben an der dafür vorgesehenen Stelle, also dem konkreten Standort bezieht. Sie umfasst weder den gänzlichen Verzicht auf das Vorhaben noch die Verweisung auf einen anderen Standort (Stuer, 2002). Die naturschutzrechtliche Abwägung bei verbleibenden Beeinträchtigungen (§ 19 Abs. 3 BNatSchG) sowie die zusätzliche Auferlegung von Ersatzmaßnahmen und Ausgleichsabgaben nach einer den Vorrang des Eingriffs ergebenden Abwägung (§ 19 Abs. 4 BNatSchG) ist hingegen nicht bei der Prüfung der zwingenden Versagungsgründe, sondern im Rahmen der planerischen Abwägung vorzunehmen. Ausrichtung des Gewässerausbaus an den Bewirtschaftungszielen und Maßnahmenprogrammen Durch das 7. Gesetz zur Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes, welches der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie dient, ist in § 31 Abs. 1 WHG ein neuer Satz 3 eingefügt worden. Danach müssen sich Gewässerausbaumaßnahmen an den Bewirtschaftungszielen der §§ 25a bis 25d WHG ausrichten und dürfen die Erreichung dieser Ziele nicht gefährden. Mit der Bezeichnung des „Ausrichten“ wurde ein neuer Begriff in das Wasserhaushaltsgesetz eingefügt. Die Anforderung des „Ausrichten“ und nicht des „Entsprechen“ (wie in § 31 Abs. 1 Satz 4 WHG) ist wohl darauf zurückzuführen, dass die Bewirtschaftungsziele keine auf den jeweiligen konkreten Gewässerausbau abgestellten Vorgaben enthalten oder enthalten können (Zeitler, 2004).
176
5 Rechtliche Grundlagen
Nach § 25a WHG sind oberirdische Gewässer so zu bewirtschaften, dass eine nachteilige Veränderung ihres ökologischen und chemischen Zustands vermieden und ein guter ökologischer und chemischer Zustand erhalten oder erreicht wird. Künstlich und erheblich veränderte oberirdische Gewässer im Sinne des § 25b Abs. 4 WHG sind so zu bewirtschaften, dass eine nachteilige Veränderung ihres ökologischen Potenzials und ein guter chemischer Zustand erhalten oder erreicht wird (s. Kap. 5.1.2). Nach § 36 WHG wird durch Landesrecht bestimmt, dass für jede Flussgebietseinheit ein Maßnahmenprogramm aufzustellen ist, um u.a. die in § 25a Abs. 1 und § 25b Abs. 1 WHG festgelegten Ziele zu erreichen (s. Kap. 5.1.2). Mit den Maßnahmenprogrammen soll das Ziel eines guten Gewässerzustands erreicht werden. § 31 Abs. 1 Satz 4 WHG schreibt vor, dass Gewässerausbaumaßnahmen den im Maßnahmenprogramm nach § 36 WHG und den Gewässerausbau gestellten Anforderungen entsprechen müssen. Dies bedeutet, dass der Gewässerausbau den konkreten Anforderungen des Maßnahmenprogrammes nicht nur nicht widersprechen darf, vielmehr sind die Anforderungen in die Gewässerausbaumaßnahme zu übernehmen und mit dem Gewässerausbau in seinem Rahmen zu verwirklichen (Zeitler, 2004). Grundsatz für den Gewässerausbau Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 WHG sollen Gewässer, die sich im natürlichen oder naturnahen Zustand befinden, in diesem Zustand erhalten bleiben, und nicht naturnah ausgebaute Gewässer sollen so weit wie möglich wieder in einen naturnahen Zustand zurückgeführt werden, wenn überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit nicht entgegenstehen. Solche Gründe können nach Satz 2 der Vorschrift zum Beispiel bei einer vorhandenen Wasserkraftnutzung vorliegen. Der Grundsatz geht letztlich dahin, das Gewässer in seinem gegenwärtigen Zustand nicht weiter künstlich zu verändern und noch mehr von seinem natürlichen oder naturnahen Zustand zu entfernen. Die Begriffe „natürlicher und naturnaher Zustand“ sind im Gesetz nicht definiert. Der Schutzzweck der Vorschrift gebietet, sie weit auszulegen (Knopp, 2001). Natürliche Gewässer sind in den natürlichen Wasserkreislauf eingebundene und damit auch in Verbindung mit der Ökologie stehende Gewässer (Czychowski & Reinhardt, 2003). Naturnah sind Fließgewässer, die weitgehend einer vom Menschen nicht beeinflussten oder einer naturraumgerechten, wiederhergestellten Ausprägung entsprechen. Kennzeichnend für sie sind wechselndes Gefälle mit unterschiedlichen Fließgeschwindigkeiten, verschiedenartig geformtes Gewässerbett mit variierendem Querschnitt und unterschiedlicher Neigung, schwankender Wasserstand, fluktuierende Lichtverhältnisse, Ufergehölze, abwechselnde Uferbeschaffenheit, ein ufergerechter Auenbereich (OVG Koblenz, 2001). Einer näheren, für jeden Fall verbindlichen Abgrenzung natürlicher von naturnahen Fließgewässern bedarf es nicht, da beide Gewässerarten rechtlich gleich behandelt werden. Der Grundsatz stellt ein objektivrechtliches Naturerhaltungsgebot dar, welches man auch als rechtsgrundsätzliches gewässerökologisches Verschlech-
5.2 Wasserrechtliche Instrumente der Fließgewässer- und Auenentwicklung
177
terungsverbot bezeichnen kann (Breuer, 2001). Dieser Programmsatz gilt für alle Maßnahmen, die Gegenstand des Gewässerausbaus sind. Neben der Beachtenswirkung für den Ausbauunternehmer stellt der Grundsatz einen Belang dar, den die Planfeststellungsbehörde in die Abwägung mit einzustellen hat. Zu beachten ist, dass dieser Grundsatz als Sollvorschrift ausgestaltet ist. Diese ist zwar im Regelfall wie eine Mussvorschrift anzuwenden, im konkreten Fall ist sie aber der Abwägung zugänglich. Wird diesem Grundsatz nach Abwägung mit anderen Belangen nicht Rechnung getragen, so löst die Sollvorschrift jedenfalls eine Darlegungs- und Begründungspflicht dergestalt aus, dass darzulegen ist, weshalb die anderen Belange überwogen haben (Zeitler 2004). Planungsleitlinien § 31 Abs. 5 Satz 1 WHG legt Anforderungen wasserwirtschaftlicher Art an den Gewässerausbau fest, welche bei einem konkreten Ausbauvorhaben zu berücksichtigen sind: „Beim Ausbau sind natürliche Rückhalteflächen zu erhalten, das natürliche Abflussverhalten nicht wesentlich zu verändern, naturraumtypische Lebensgemeinschaften zu bewahren und sonstige erhebliche nachteilige Veränderungen des natürlichen oder naturnahen Zustands des Gewässers zu vermeiden oder, soweit dies nicht möglich ist, auszugleichen.“ Hierbei handelt es sich rechtssystematisch um Planungsleitlinien, die als finale Vorgaben die planerische Abwägung steuern, nicht aber im Wege eines einzig richtigen, ökologisch geprägten Ergebnisses determinieren. Der Gestaltungsspielraum der zuständigen und abwägungsbefugten Behörde wird hierdurch zwar beschränkt, aber nicht beseitigt. Die Anforderungen des § 31 Abs. 5 Satz 1 WHG sind somit abwägungsbedürftig, aber auch abwägungsfähig (Zeitler, 2004). Das planerische Abwägungsgebot Sofern keine zwingenden Versagungsgründe vorliegen, hat die Behörde unter Berücksichtigung der Grundsätze des § 31 und des § 1a WHG einen gewissen Planungsspielraum. Das planerische Abwägungsgebot gebietet es, die von einer Planung berührten öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Die gerichtliche Kontrolle von planerischen Abwägungsentscheidungen ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beschränkt. Das Abwägungsgebot verlangt, dass • erstens eine Abwägung überhaupt stattfindet, also kein Abwägungsausfall vorliegt, • zweitens in die Abwägung an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, also kein Abwägungsdefizit vorliegt,
178
5 Rechtliche Grundlagen
• drittens weder die Bedeutung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange verkannt noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht, also keine Abwägungsfehleinschätzung gegeben ist. 5.2.3 Gewässerunterhaltung Sofern die beabsichtigte Maßnahme der Gewässerentwicklung nicht den Tatbestand des Gewässerausbaus erfüllt, kann sie im Rahmen der Gewässerunterhaltung zulässig sein. Umfang der Gewässerunterhaltung Die Unterhaltung eines Gewässers umfasst seine Pflege und Entwicklung (§ 28 Abs. 1 Satz 1 WHG). Wie bereits erwähnt, gehört es seit der letzten Änderung des WHG nicht nur zur Unterhaltung, den ereichten Gewässerzustand durch geeignete Maßnahmen dauerhaft zu sichern und zu erhalten (Pflege) oder wiederherzustellen. Vielmehr umfasst die Gewässerunterhaltung nunmehr auch die Ausbildung des Gewässerzustands unterhalb des Gewässerausbaus (Entwicklung). Art und Umfang der zulässigen Gewässerunterhaltung werden seit dem letzten Änderungsgesetz vornehmlich durch die Bewirtschaftungsziele der §§ 25a bis 25d WHG rechtlich bestimmt. Da der umfassende Bewirtschaftungsansatz der Wasserrahmenrichtlinie weiter reicht als die Reglementierung einzelner Gewässerbenutzungen stellt § 28 Abs. 1 Satz 2 WHG ausdrücklich klar, dass sich die Maßnahmen zur Gewässerunterhaltung diesem Regime einzufügen haben. Dabei ist nach § 28 Abs. 1 Satz 2 WHG jedenfalls zu gewährleisten, dass die Unterhaltung die Erreichung der Bewirtschaftungsziele nicht gefährdet. Darüber hinaus muss sie sich im Einzelfall an den für das betreffende Gewässer jeweils einschlägigen Bewirtschaftungszielen ausrichten. Der Umfang der Gewässerunterhaltungspflicht wird in den einzelnen Landeswassergesetzen näher konkretisiert. So verpflichtet die Gewässerunterhaltung beispielsweise nach § 64 Abs. 1 WG Rheinland-Pfalz „insbesondere dazu, – das Gewässerbett für den Wasserabfluss zu erhalten sowie zu räumen und zu reinigen, soweit es dem Umfang nach geboten ist, – die Ufersicherung, soweit diese erforderlich ist, durch Erhaltung, Neuanpflanzung und Pflege standortcharakteristischer Ufervegetation sowie in naturnaher Bauweise vorzunehmen, – die biologische Wirksamkeit der Gewässer als Lebensstätte von wild lebenden Pflanzen und Tieren zu erhalten und zu fördern sowie das Gewässerbett und die Uferstreifen zu diesem Zweck in angemessener Breite zu gestalten und zu bewirtschaften,
5.2 Wasserrechtliche Instrumente der Fließgewässer- und Auenentwicklung
179
– die für den Naturhaushalt und die Gewässerlandschaft günstigen Wirkungen zu erhalten und zu entwickeln, – auf die Belange der Fischerei Rücksicht zu nehmen, – das Gewässer in einem den wasserwirtschaftlichen Bedürfnissen entsprechenden Zustand für die Abfuhr oder Rückhaltung von Wasser, Feststoffen und Eis zu erhalten, – feste Stoffe aus dem Gewässer oder von seinen Ufern zu entfernen und zur Abfallentsorgung bereitzustellen, soweit es im öffentlichen Interesse erforderlich ist und nicht ein Anderer aufgrund anderer Rechtsvorschriften dazu verpflichtet ist.“ Der Begriff Gewässer in § 28 Abs. 1 Satz 1 WHG umfasst das Gewässerbett und das Ufer; jedoch werden letztere nicht ausdrücklich neben den Gewässern genannt. Die Formulierung der Vorschrift, der Sachzusammenhang zwischen Gewässer und Ufer sowie Sinn und Zweck eines lückenlosen Anschlusses von Überschwemmungsgebieten nach § 32 WHG sprechen jedoch dafür, dass die Ufer schon kraft Bundesrechts in die Gewässerunterhaltung einbezogen sind (Breuer, 2004). Im Übrigen haben alle Landeswassergesetze als Gegenstand der Unterhaltungspflicht ausdrücklich die Gewässer und Ufer genannt. Ufer ist die gesamte, bei bordvoller Wasserführung überströmte Eintiefung der Erdoberfläche, also auch der Geländestreifen zwischen der Uferlinie und der Böschungsoberkante (Czychowski & Reinhardt, 2003). Einige Landeswassergesetze erweitern die Unterhaltungspflicht dahin, auch die Uferrandstreifen in angemessener Breite zu gestalten und zu bewirtschaften. Zum Teil umfasst die Unterhaltungspflicht nach Landesrecht auch die Erhaltung der vorhandenen und das Ergänzen oder Neuanpflanzen der nicht mehr vorhandenen standortgerechten Vegetation (z.B. Ufergehölze). Nach § 30 Abs. 2 WHG haben die Anlieger zu dulden, dass der zur Unterhaltung Verpflichtete die Ufer bepflanzt, soweit es für die Unterhaltung erforderlich ist. Das Bepflanzen der Ufer ist nur soweit zu dulden, wie es für eine ordnungsgemäße Unterhaltung des Gewässers, nicht aber für andere Zwecke erforderlich ist (DVWK, 1997a). Die Duldungspflicht erstreckt sich nicht auf das gesamte Ufergrundstück, auch nicht auf Bepflanzungen, die anderen als Unterhaltungszwecken dienen. Nach dem Zweck der Vorschrift ergreift sie aber über das Ufer hinaus auch einen Geländestreifen, dessen Bepflanzung nach heutigen Erkenntnissen notwendig ist, um Grundstücke vor Abbruch oder Abschwemmen zu sichern und um die ökologischen Ziele der Gewässerunterhaltung im Sinne von § 28 Abs. 1 Satz 2 WHG zu erreichen, die in den Landeswassergesetzen festgelegt sind. Die Anlieger können nach § 30 Abs. 2 WHG „verpflichtet werden, die Ufergrundstücke in erforderlicher Breite so zu bewirtschaften, dass die Unterhaltung nicht beeinträchtigt wird; sie haben bei der Nutzung die Erfordernisse des Uferschutzes zu beachten“.
180
5 Rechtliche Grundlagen
Im Unterschied zur Duldungspflicht setzt diese Bewirtschaftungspflicht eine Anordnung der Wasserbehörde voraus. Diese muss als belastender Verwaltungsakt hinreichend bestimmt sein. Aufgegeben werden kann zum Beispiel, die Ufergrundstücke als Grünland zu bewirtschaften, Bäume und sonstige Gewächse nicht anzupflanzen, keine baulichen Anlagen zu erstellen und keine Umzäunungen zu errichten. Gegebenenfalls kann auch aufgegeben werden, den Uferstreifen gar nicht zu bewirtschaften, um zum Beispiel das Entstehen eines Saumbiotops zu begünstigen. Untersagt werden kann auch Ackerbau, um Bodenabschwemmungen und Düngemitteleinträge zu vermeiden (Czychowski & Reinhardt, 2003). Die Anordnungen dürfen räumlich nur soweit gehen, wie es zur ordnungsmäßigen Unterhaltung der Ufer notwendig ist. Die Pflicht zur Beachtung der Erfordernisse des Uferschutzes im Rahmen der Nutzung der Grundstücke gilt hingegen schon Kraft Gesetzes und bedarf keiner besonderen Anordnung. Hieraus kann beispielsweise die Pflicht folgen, von einer landwirtschaftlichen Nutzung des Ufergrundstücks bis an die Böschungsoberkante im Allgemeinen Abstand zu nehmen. Zur Nutzung der Uferrandstreifen bestehen darüber hinaus noch landesrechtliche Regelungen (vgl. Fröhlich, 2001 sowie Kap. 4.2.2 und Kap. 6.4.4). Zulässigkeit von Gewässerunterhaltungsmaßnahmen Maßnahmen der Gewässerunterhaltung bedürfen – wie bereits gezeigt – keines Gestattungsaktes, auch wenn sie einen der Benutzungstatbestände des § 3 WHG erfüllen. Bei der Gewässerunterhaltung fehlt es abweichend vom Ausbau an einer allgemeinen behördlichen Vorkontrolle. Ein Verfahren, das es ermöglicht, die berührten öffentlichen Interessen und privaten Belange abzuwägen und zu berücksichtigen, ist nicht vorgeschrieben. Dies dürfte seinen Grund darin haben, dass Unterhaltungsmaßnahmen sich im Allgemeinen weit weniger auf Rechte Dritter auswirken als Ausbaumaßnahmen. Daneben bieten die Träger der Unterhaltungslast, zumeist Körperschaften des öffentlichen Rechts, die landesrechtlichen Möglichkeiten für die zuständige Wasserbehörde, den Umfang der Unterhaltungspflicht zu bestimmen, und die Vorschriften über die Gewässeraufsicht dem Gesetzgeber offensichtlich hinreichend Gewähr, nachteilige Wirkungen von Unterhaltungsarbeiten zu verhüten (Czychowski & Reinhardt, 2003). Gewässerunterhaltungspläne Sofern sich nicht bereits aus dem Maßnahmenprogramm verbindliche Vorgaben zur Gewässerunterhaltung ergeben, ist zu berücksichtigen, dass einige Landeswassergesetze die Verpflichtung zum Erstellen von Gewässerunterhaltungsplänen normieren. Hierbei haben diese in den einzelnen Bundesländern mitunter verschiedene Bezeichnungen und werden u.a. als Gewässerpflegepläne, Gewässerunterhaltungskonzepte bezeichnet. So heißt es beispielsweise in § 64 Abs. 3 WG Rheinland-Pfalz:
5.2 Wasserrechtliche Instrumente der Fließgewässer- und Auenentwicklung
181
„Soweit nicht im Maßnahmenprogramm nach Absatz 2 enthalten, sollen die Unterhaltungspflichtigen zur Erhaltung und zur Entwicklung naturnaher Gewässer die Maßnahmen der Gewässerunterhaltung in Gewässerpflegeplänen koordinieren und darstellen. Soweit es die Belange des Naturhaushaltes erfordern, kann die zuständige Wasserbehörde den Gewässerunterhaltungspflichtigen zur Aufstellung eines Gewässerpflegeplanes verpflichten und diesen für die Durchführung der Unterhaltung für verbindlich erklären“. Die Zulässigkeit von Gewässerentwicklungsmaßnahmen im Bereich der Gewässerunterhaltung bestimmt sich in diesen Fällen nach den verbindlich erklärten Gewässerpflegeplänen. Das Instrument eines Gewässerpflegeplanes dient dazu, die Unterhaltungsarbeiten sinnvoll und konzeptionell zu koordinieren. Hierbei wird oftmals das Ziel verfolgt, die Erhaltung und Entwicklung naturnaher Gewässer zu gewährleisten (vgl. etwa § 68a WG Baden-Württemberg). Ebenso dient ein Gewässerpflegeplan dazu, die Unterhaltungsmaßnahmen nicht nur isoliert für den Bereich eines bestimmten Unterhaltungspflichtigen an einem Gewässerabschnitt festzulegen, sondern mit den Maßnahmen anderer Unterhaltungspflichtiger zu koordinieren, so dass ein einheitliches und sinnvolles Gesamtkonzept für ein Gewässer realisiert werden kann. Nachdem durch die Wasserrahmenrichtlinie eine umfassende Bestandsaufnahme der Gewässer initiiert wurde, wird die Aufstellung von Gewässerpflegeplänen nunmehr leichter sein und vermutlich zunehmen. Sie können insoweit ein Hilfsinstrument zur Verfolgung der Bewirtschaftungsziele und zur Umsetzung der Maßnahmenprogramme sein. In manchen Bundesländern ist ein solches Instrument erst mit der Umsetzung der Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie eingeführt worden. So soll in Nordrhein-Westfalen im neuen Landeswassergesetz das Instrument eines Unterhaltungskonzeptes in § 90b LWG NW (neue Fassung) verankert werden. Dieses Instrument ähnelt einem Gewässerpflegeplan. Bestimmung der Zulässigkeit von Unterhaltungsmaßnahmen Daneben gibt es nach den Landeswassergesetzen die Möglichkeit, dass die Behörden auch unabhängig von einem derartigen Gewässerpflegeplan Bestimmungen über die Zulässigkeit von Gewässerunterhaltungsmaßnahmen erlässt. In § 64 Abs. 4 WG Rheinland-Pfalz wird hierzu bestimmt: „Über die Unterhaltungspflichten nach den Absätzen 1 bis 3 hinaus oder zu ihrer Konkretisierung kann die zuständige Wasserbehörde im Wege der Gewässeraufsicht Unterhaltungsmaßnahmen festlegen sowie Art und Umfang dieser Maßnahmen und die für ihre Umsetzung einzuhaltenden Fristen bestimmen. Sie kann auch bestimmen, dass eine Unterhaltung nicht durchzuführen ist, wenn dies für die Erreichung der Bewirtschaftungsziele notwendig ist.“
182
5 Rechtliche Grundlagen
Diese Vorschrift eröffnet somit zugleich die Möglichkeit zu einer eigendynamischen Entwicklung der Gewässer, die Bestandteil einer Gewässerentwicklung sein kann. Verstöße gegen die Unterhaltungspflicht Bei Verstößen gegen die Unterhaltungspflicht kann die Wasserbehörde mit den Mitteln der Gewässeraufsicht vorgehen. Dies kann auch dann der Fall sein, wenn den Belangen des Naturhaushaltes nicht Rechnung getragen wird. Verfüllt beispielsweise ein Anlieger Uferabbrüche mit Fremdmaterial, obwohl jene vom Unterhaltungspflichtigen nicht beseitigt werden müssen, so kann die Behörde dagegen vorgehen. Ist der Unterhaltungspflichtige eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, so kann auf dem Aufsichtsweg eingeschritten werden. Obwohl die Gewässerunterhaltungspflicht eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung ist und grundsätzlich nicht im Interesse Einzelner besteht, kommen bei Verstößen gegen die Gewässerunterhaltungspflicht nach der Rechtsprechung Schadensersatzansprüche gegen den Unterhaltungspflichtigen in Betracht. Für den Fall, dass Streit über den Umfang oder den zur Unterhaltung Verpflichteten besteht, bestimmen einige Landeswassergesetze, dass die zuständige Behörde im Streitfall feststellt, wem die Pflicht zur Gewässerunterhaltung oder eine besondere Pflicht im Interesse der Gewässerunterhaltung obliegt. Sie stellt den Umfang dieser Pflichten allgemein oder im Einzelfall fest (so z.B. § 98 LWG NW). 5.2.4 Festsetzung von Überschwemmungsgebieten Im Rahmen der Fließgewässer- und Auenentwicklung kommt als weiteres wasserrechtliches Instrument die Festsetzung von Überschwemmungsgebieten in Betracht. § 32 WHG enthält die Definition eines Überschwemmungsgebietes und den Auftrag an die Länder zu ihrer Festsetzung. Dort heißt es: „(1) Überschwemmungsgebiete sind Gebiete zwischen oberirdischen Gewässern und Deichen oder Hochufern sowie sonstige Gebiete, die bei Hochwasser überschwemmt oder durchflossen oder die für Hochwasserentlastung oder Rückhaltung beansprucht werden. Die Länder setzen die Überschwemmungsgebiete fest und erlassen die dem Schutz vor Hochwassergefahren dienenden Vorschriften, soweit es 1. zum Erhalt oder zur Verbesserung der ökologischen Strukturen der Gewässer und ihrer Überflutungsflächen, 2. zur Verhinderung erosionsfördernder Eingriffe, 3. zum Erhalt oder zur Rückgewinnung natürlicher Rückhalteflächen oder 4. zur Regelung des Hochwasserabflusses erforderlich ist. Werden bei der Rückgewinnung natürlicher Rückhalteflächen Anordnungen getrof
5.2 Wasserrechtliche Instrumente der Fließgewässer- und Auenentwicklung
183
fen, die erhöhte Anforderungen an die ordnungsgemäße land- oder forstwirtschaftliche Nutzung eines Grundstücks festsetzen, so gilt § 19 Abs. 4 Satz 1 und 3 entsprechend. (2) Überschwemmungsgebiete sind in ihrer Funktion als natürliche Rückhalteflächen zu erhalten; soweit dem überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit entgegenstehen, sind rechtzeitig die notwendigen Ausgleichsmaßnahmen zu treffen. Frühere Überschwemmungsgebiete, die als Rückhalteflächen geeignet sind, sollen so weit wie möglich wieder hergestellt werden, wenn überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit nicht entgegenstehen ...“ Zum Überschwemmungsgebiet gehören bundesrechtlich weder die Gewässer noch die Ufer. Sie sind durch die Vorschriften über Unterhaltung und Ausbau sowie über die landesrechtlichen Vorschriften über Anlagen in und an Gewässern geschützt. Die Festsetzung von Überschwemmungsgebieten und die Festlegung der in ihnen geltenden Schutzanordnungen können daher vornehmlich für die Auenentwicklung dienlich gemacht werden. Die Überschwemmungsgebiete werden durch die Länder festgesetzt. Der Geltungsbereich der besonderen Vorschriften für diese Gebiete muss klar und unmissverständlich sein. Mit § 32 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 WHG kommt es dem Gesetzgeber darauf an, die ökologischen Strukturen der Gewässer und ihrer Überflutungsflächen, das Hochwasserabfluss- und Retentionsgebiet auch über die Festsetzung von Überschwemmungsgebieten zu erhalten und ggf. zu verbessern. Durch die Vorschrift des § 32 Abs. 2 WHG soll dem vorbeugenden Hochwasserschutz ein besonderes Gewicht dadurch gegeben werden, dass die Aufrechterhaltung und Wiederherstellung natürlicher Rückhalteflächen ausdrücklich zur Aufgabe in einem Überschwemmungsgebiet gemacht wird (Fröhlich, 2001). 5.2.5 Beschränkungen der Gewässerbenutzung Als weiteres Instrument zur Fließgewässer- und Auenentwicklung kommen schließlich die Beschränkungen bestehender Gewässerbenutzungen in Betracht. Widerruf Soweit bestehende Benutzungen des Gewässers mit der Fließgewässerentwicklung nicht vereinbar sind, hat die Wasserbehörde ggf. zu prüfen, ob der Widerruf einer erteilten Erlaubnis oder Bewilligung möglich ist. Hierbei gilt es zu berücksichtigen, dass der Widerruf der Bewilligung nach § 12 WHG nur unter sehr engen Voraussetzungen möglich ist. Sofern die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 WHG nicht vorliegen, ist der Widerruf gemäß § 12
184
5 Rechtliche Grundlagen
Abs. 1 WHG gegen Entschädigung ganz oder teilweise zulässig, wenn von der uneingeschränkten Fortsetzung der Benutzung eine erhebliche Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit zu erwarten ist. Zwar handelt es sich bei der Erlaubnis nach § 7 WHG lediglich um eine widerrufliche Befugnis zur Gewässerbenutzung, doch ist auch die Erlaubnis nicht ohne Weiteres widerrufbar. Teilweise normieren die Landeswassergesetze bestimmte Widerrufsgründe. Unabhängig davon sind bei jedem Widerruf einer Erlaubnis das Für und Wider abzuwägen und die Gründe zu gewichten, die dazu führen, dass bestimmten Gesichtspunkten der Vorrang gegeben wird. Dabei sind die mit dem Widerruf abzuwendenden Nachteile oder erzielbare Verbesserungen für den Wasserhaushalt und die Nachteile für den Erlaubnisnehmer zu berücksichtigen. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ist im Übrigen stets zu prüfen, ob das angestrebte Ziel nicht auch durch eine Beschränkung der erlaubten Benutzung oder durch die Anordnung zusätzlicher Benutzungsbedingungen und Auflagen erreicht werden kann. Nachträgliche Anordnungen Sofern ein Widerruf nicht in Betracht kommt, kann eine Einschränkung der Nutzung im Sinne einer beabsichtigten Gewässerentwicklung unter Umständen durch den Erlass nachträglicher Anordnungen erreicht werden. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1a WHG stehen nämlich die Erlaubnis und die Bewilligung unter dem Vorbehalt, dass nachträglich „Maßnahmen im Sinne von § 4 Abs. 2 Nr. 2, 2a und 3 WHG, § 21 Abs. 2 WHG sowie § 36 WHG angeordnet“ werden können. Zur bundesweiten Umsetzung des neuen § 36 WHG eröffnet die Regelung die nachträgliche Anpassung bereits bestehender Erlaubnisse und Bewilligungen an die Vorgaben der Maßnahmenprogramme. Damit kommt der Vorschrift erhebliche praktische Bedeutung für die Verwirklichung der Wasserrahmenrichtlinie in der deutschen Vollzugspraxis zu (Czychowski & Reinhardt, 2003.). Dies gilt ebenso für die im Lichte der Ziele der Wasserrahmenrichtlinie beabsichtigte Gewässer- und Auenentwicklung. Zudem kommt als Instrument der Fließgewässerentwicklung die nachträgliche Anordnung von Maßnahmen nach § 4 Abs. 2 Nr. 2a WHG in Betracht. Hiernach können „Maßnahmen angeordnet werden, die zum Ausgleich einer auf die Benutzung zurückzuführenden Beeinträchtigung des ökologischen und chemischen Zustands eines oberirdischen Gewässers oder Küstengewässers sowie des mengenmäßigen und chemischen Zustands des Grundwassers erforderlich sind“. Der Wortlaut der Vorschrift ist durch das 7. Gesetz zur Änderung des WHG vom 18. Juni 2002 geändert und die Begriffe „der physikalischen, chemischen oder biologischen Beschaffenheit des Wassers“ durch den vorbezeichneten Wortlaut ersetzt worden.
5.3 Naturschutzrechtliche Instrumente der Fließgewässer- und Auenentwicklung
185
Tatbestandliche Voraussetzung für den Erlass einer Auflage nach § 4 Abs. 2 Nr. 2a WHG ist eine auf die Benutzung zurückzuführende Beeinträchtigung des ökologischen und chemischen Zustands eines oberirdischen Gewässers. Die Novellierung der Vorschrift und die Einfügung des Begriffs des „ökologischen Zustands“ eines Gewässers diente der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie. Die Rechtsgrundlagen zum Erlass von Benutzungsbedingungen und Auflagen sollen im Hinblick auf deren Bedeutung für den wasserrechtlichen Vollzug und aus Gründen der Rechtssicherheit an die Terminologie der Gütekriterien in der Wasserrahmenrichtlinie angepasst werden. Der Begriff des Gewässerzustands ist nunmehr weiter und umfasst nicht nur den physikalischen und biologischen Zustand eines oberirdischen Gewässers oder Küstengewässers, sondern bezieht auch hydromorphologische Qualitätskomponenten mit ein. Mit der Auflage muss der möglichen Beeinträchtigung der Beschaffenheit des Wassers durch die Benutzung entgegen gewirkt werden. Die Auflage muss deshalb der Benutzung adäquat sein. Im Hinblick auf den von § 1a WHG verlangten umfassenden Schutz der Gewässer können unter § 4 Abs. 2 Nr. 2a WHG sogar auch Maßnahmen subsumiert werden, die über die jeweilige, von der Benutzung konkret ausgelöste Maßnahme zum Ausgleich der Beeinträchtigung hinausgehen. Reine Vorsorgemaßnahmen, die abstrakte und fernliegende Beeinträchtigungen verhüten sollen, sind hingegen nicht von der Ermächtigung des § 4 Abs. 2 Nr. 2a WHG umfasst. Sofern die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 4 Abs. 2 Nr. 2a WHG vorliegen, hat die Behörde im Rahmen ihres Ermessens die Verhältnismäßigkeit der Auflage zu berücksichtigen und insbesondere die Belange des Gewässerbenutzers an einer uneingeschränkten Benutzung mit den öffentlichen Interessen an dem Ausgleich der ökologischen Beeinträchtigungen abzuwägen. Innerhalb dieser Postulate kann die Anordnung derartiger Maßnahmen für die Fließgewässer- und Auenentwicklung durchaus nutzbar gemacht werden. 5.3
Naturschutzrechtliche Instrumente der Fließgewässer- und Auenentwicklung Das Naturschutzrecht sieht zur Erreichung seiner Ziele ein breit gefächertes Instrumentarium vor, das klassischerweise von der mehrstufigen Landschaftsplanung (§§ 13ff. BNatSchG) als steuerndes Instrument über die allgemeine naturschutzrechtliche Eingriffsregelung als grundsätzliches Verschlechterungsverbot (§§ 18ff. BNatSchG), den flächenhaften Schutz durch besondere Schutzverordnungen (§§ 22ff. BNatSchG), und unmittelbare gesetzliche Anordnung des Schutzes einzelner Biotoptypen (§§ 30ff. BNatSchG), artenschutzrechtliche Ge- und Verbote bis zur Vereinsbeteiligung als Aktivierung gesellschaftlichen Wissens (§§ 58ff. BNatSchG) reicht. Für die Fließgewässer- und Auenentwicklung verdienen die naturschutzrechtlichen Instrumente in zweifacher Hinsicht
186
5 Rechtliche Grundlagen
Beachtung. Zum einen müssen sämtliche Maßnahmen der Fließgewässer- und Auenentwicklung im Einklang mit den naturschutzrechtlichen Vorgaben ergehen. Zum anderen kann über den Erlass von Schutzverordnungen und die Landschaftsplanung die Fließgewässer- und Auenentwicklung betrieben werden. 5.3.1 Landschaftsplanung Nach den bundesrechtlichen Rahmenregelungen der §§ 13 ff. BNatSchG soll die grundsätzlich dreistufige Landschaftsplanung (Landschaftsprogramm, Landschaftsrahmenplan und Landschaftsplan) die Erfordernisse und Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege planerisch darstellen und begründen. Jede Landschaftsplanung hat für den Planungsraum in entsprechenden Verfahrensschritten eine vierfache Aufgabe zu erfüllen. Hierzu gehören nach § 14 Abs. 1 BNatSchG: Bestandsaufnahme, Zielkonkretisierung, Zustandsbewertung sowie die Erstellung eines Anforderungs- und Maßnahmenkataloges. Die zuständigen Planungsbehörden, das Planungsverfahren und die Verbindlichkeit der Pläne (vor allem für die Bauleitplanung) sind von den Ländern zu regeln und unterscheiden sich im Detail. 5.3.2 Eingriffe in Natur und Landschaft Eingriffe in Natur und Landschaft sind nach § 18 Abs. 1 BNatSchG „Veränderungen der Gestalt oder Nutzung von Grundflächen oder Veränderungen des mit der belebten Bodenschicht in Verbindung stehenden Grundwasserspiegels, die die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes oder das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen können“ (vgl. Kap. 5.2.2). Vermeidbare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft sind zu unterlassen und „unvermeidliche“ Naturbeeinträchtigungen vorrangig auszugleichen. Nach § 19 Abs. 3 BNatSchG darf ein Eingriff nicht zugelassen oder durchgeführt werden, wenn • die Beeinträchtigung nicht zu vermeiden oder nicht in angemessener Frist auszugleichen oder nicht in sonstiger Weise zu kompensieren sind • und die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege bei der Abwägung aller Anforderungen an Natur und Landschaft gegenüber anderen Belangen im Rang vorgehen.
5.3 Naturschutzrechtliche Instrumente der Fließgewässer- und Auenentwicklung
187
5.3.3 Unterschutzstellung von Natur und Landschaft Teile von Natur und Landschaft können nach den § 22 Abs. 1 BNatSchG ausfüllenden Landesvorschriften bei Vorliegen eines gesetzlich vorgesehenen Schutzgrundes zu einem Schutzgebiet (vor allem Naturschutz- oder Landschaftsschutzgebiet, National- oder Naturpark) erklärt werden. Die Schutzgebietsvorschriften werden meist in der Form einer Rechtsverordnung von den jeweils nach Landesrecht zuständigen Naturschutzbehörden erlassen. Bei der Erarbeitung des Entwurfs einer Schutzverordnung sind nach Landesrecht alle Behörden und Träger öffentlicher Belange, deren Aufgabenbereich berührt sein könnte, rechtzeitig zu beteiligen. Zudem ist zumeist eine Öffentlichkeitsbeteiligung vorgesehen. Nach § 58 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG ist die Anhörung der anerkannten Naturschutzverbände vorgeschrieben. Die zur Verwirklichung des jeweiligen Schutzzwecks erforderlichen Gebote und Verbote finden sich in den Naturschutzgesetzen der Länder und in den entsprechenden Schutzgebietsverordnungen. Sie können die Fließgewässerund Auenentwicklung fördern. Die Regelungen der Schutzgebietsverordnungen sind anhand des jeweiligen Schutzzweckes auszulegen (Sparwasser et al., 2003). Sie müssen u.a. den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz berücksichtigen und das Gleichheitsgebot beachten. Naturschutzgebiete Naturschutzgebiete können zur Gewährleistung eines besonderen Schutzes von Natur und Landschaft in ihrer Ganzheit oder in einzelnen Teilen festgesetzt werden, soweit dies zur Erhaltung, Entwicklung oder Wiederherstellung von Biotopen oder Lebensgemeinschaften bestimmter wild lebender Tier- und Pflanzenarten oder aus wissenschaftlichen, naturgeschichtlichen oder landeskundlichen Gründen oder schließlich wegen ihrer Seltenheit, besonderen Eigenart oder hervorragenden Schönheit erforderlich ist (§ 23 BNatSchG). Nach § 23 Abs. 2 BNatSchG sind alle Handlungen, die zu einer Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung des Naturschutzgebietes führen können, nach Maßgabe näherer Bestimmungen verboten. Naturschutzgebiete stellen die strengste Form des Flächenschutzes dar. Nationalparke Nationalparke sind rechtsverbindlich festgelegte einheitlich zu schützende Gebiete, von besonderer Eigenart, die im überwiegenden Teil ihres Gebietes die Voraussetzungen eines Naturschutzgebietes erfüllen und sich in einem vom Menschen nicht oder wenig beeinflussten Zustand befinden oder geeignet sind, sich in einen Zustand zu entwickeln oder entwickelt zu werden, der einen möglichst ungestörten Ablauf der Naturvorgänge in ihrer natürlichen Dynamik gewährleistet (§ 24 BNatSchG).
188
5 Rechtliche Grundlagen
Biosphärenreservate Biosphärenreservate sind einheitlich zu schützende und zu entwickelnde großräumige Gebiete, welche für bestimmte Landschaftstypen charakteristisch sind und die in wesentlichen Teilen ihres Gebietes die Voraussetzungen eines Naturschutzgebietes, im Übrigen überwiegend eines Landschaftsschutzgebietes erfüllen. Sie dienen der Erhaltung, Entwicklung oder Wiederherstellung einer durch hergebrachte vielfältige Nutzung geprägten Landschaft und der darin historisch gewachsenen Arten- und Biotopvielfalt sowie schließlich beispielhaft der Entwicklung und Erprobung von Wirtschaftsweisen, durch die die Naturgüter besonders geschont werden (§ 25 BNatSchG). Landschaftsschutzgebiete Nach § 26 BNatSchG sind Landschaftsschutzgebiete Gebiete, in denen ein besonderer Schutz von Natur und Landschaft zur Erhaltung, Entwicklung oder Wiederherstellung der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes oder der Regenerationsfähigkeit und nachhaltigen Nutzungsfähigkeit der Naturgüter, wegen der Vielfalt, Eigenart und Schönheit des Landschaftsbilds oder der besonderen kulturhistorischen Bedeutung der Landschaft oder wegen ihrer besonderen Bedeutung für die Erholung erforderlich ist. Landschaftsschutzgebiete sind gegenüber Naturschutzgebieten geringer geschützt. Es sind nur Handlungen verboten, die den Charakter des Gebietes verändern oder dem besonderen Schutzzweck zuwiderlaufen (§ 26 Abs. 2 BNatSchG). Naturparke Naturparke sind auf einem überwiegenden Teil ihrer Gesamtfläche durch Landschafts- oder Naturschutzgebiete rechtsverbindlich geschützte, aber einheitlich zu entwickelnde und zu pflegende großräumige Gebiete, die der Erhaltung, Entwicklung oder Wiederherstellung einer durch vielfältige Nutzung geprägten Landschaft und ihrer Arten- und Biotopvielfalt dienen und in denen zu diesem Zweck eine dauerhaft umweltgerechte Landnutzung angestrebt wird (§ 27 BNatSchG). Geschützte Landschaftsbestandteile Geschützte Landschaftsbestandteile sind Gebiete, deren besonderer Schutz unter dem Gesichtspunkt der Erhaltung, Entwicklung oder Wiederherstellung der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes, der Belebung, Gliederung oder Pflege des Orts- und Landschaftsbildes, zur Abwehr schädlicher Einwirkungen oder wegen ihrer Bedeutung als Lebensstätten bestimmter wild lebender Tier- und Pflanzenarten erforderlich ist (§ 29 BNatSchG).
5.3 Naturschutzrechtliche Instrumente der Fließgewässer- und Auenentwicklung
189
5.3.4 Gesetzlicher Biotopschutz § 30 BNatSchG enthält den Regelungsauftrag an die Länder, Vorschriften über das Verbot von Maßnahmen zu erlassen, die zu einer Zerstörung oder sonstigen erheblichen oder nachhaltigen Beeinträchtigung der im Gesetz im Einzelnen aufgeführten Biotope führen können. Sie unterliegen damit einem allgemeinen Veränderungsverbot (vgl. hierzu Kap. 5.2.2.). Als zu schützende Biotope führt § 30 BNatSchG u.a. „natürliche oder naturnahe Bereiche fließender und stehender Binnengewässer einschließlich ihrer Ufer und der dazugehörigen uferbegleitenden natürlichen oder naturnahen Vegetation sowie ihrer natürlichen oder naturnahen Verlandungsbereiche, Altarme und regelmäßig überschwemmten Bereiche“ (§ 30 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG) sowie Auwälder (§ 30 Abs. 1 Nr. 4 BNatSchG) auf. Durch die bundesrechtliche Regelung wurde den Ländern die unmittelbare gesetzliche Unterschutzstellung von Biotopen (also ohne Unterschutzstellungsverfahren) zur Pflicht gemacht. 5.3.5 Besonderer Schutz von Gewässern und Uferzonen Nach § 31 BNatSchG stellen die Länder sicher, „dass die oberirdischen Gewässer einschließlich ihrer Gewässerrandstreifen und Uferzonen als Lebensstätten und Lebensräume für heimische Tier- und Pflanzenarten erhalten bleiben und so weiter entwickelt werden, dass sie ihre großräumige Vernetzungsfunktion auf Dauer erfüllen können“. Ziel der neuen Vorschrift, die nach der Gesetzesbegründung auch der Umsetzung der EG-WRRL dient, sind der Erhalt und die Weiterentwicklung der Lebensraumfunktion zu einer großräumigen Vernetzungsfunktion. Der Gewässerbegriff geht über die in § 30 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG genannten Gewässer hinaus und umfasst auch die Uferzone einschließlich der Gewässerrandstreifen, die aus Sicht des Naturschutzes eine wichtige Habitatfunktion für Tiere und Pflanzen besitzen und die Teil eines großflächigen natürlichen Biotopverbundes zwischen Gewässern, ihren Ufern, Altwässern und Auwäldern mit Feuchtwiesen und Kleingewässern sind. Die Regelung unterstützt den Aufbau des „Natura 2000“-Netzes und des in § 3 BNatSchG geregelten Biotopverbundes (Sparwasser et al., 2003). Der Anwendungsbereich der Vorschrift geht somit auch über den Grundsatz des § 2 Abs. 1 Nr. 4 BNatSchG hinaus. Danach sind natürliche oder naturnahe Gewässer sowie deren Uferzonen und natürliche Rückhalteflächen zu erhalten,
190
5 Rechtliche Grundlagen
zu entwickeln oder wiederherzustellen. Die noch teilweise ausstehende Umsetzung auf der Länderebene wird zeigen, ob die landesgesetzlichen Ausführungsbestimmungen insoweit nur einen Schutzauftrag enthalten werden oder auch als Instrument einer Fließgewässer- und Auenentwicklung geeignet sind.
6 Planung der Fließgewässerentwicklung Heinz-Christian Baumgart (Kap. 6.5) Bernhard Burkart (Kap. 6.6) Daniel Hering (Kap. 6.3) Peter Jürging (Kap. 6.2 ) Heinz Patt (Kap. 6.4, 6.5 und 6.6) Petra Podraza (Kap. 6.3 und 6.5) Bernd Schackers (Kap. 6.4, 6.5 und 6.8) Georg Schrenk (Kap. 6.1) Mario Sommerhäuser (Kap. 6.2) Eberhard Städtler (Kap. 6.7) Silke Wieprecht (Kap. 6.4)
In diesem Kapitel werden die Grundlagen der Planung einer Fließgewässer- und Auenentwicklung dargestellt. Dies muss in einem Fachbuch in Form einer Aufzählung von Planungsgrößen geschehen, da die Vorgaben bzw. Beschränkungen eines realen Planungsprozesses fehlen. Einige der dargestellten Grundlagen werden meist zu berücksichtigen sein, andere haben dagegen nicht immer Relevanz und können im konkreten Fall ggf. unberücksichtigt bleiben. Eine Darstellung bis in alle Details ist nicht möglich, da dazu die Randbedingungen bekannt sein müssen. Die folgenden Hinweise zur Planung sind daher allgemein gehalten; sie haben keinesfalls den Anspruch auf Vollständigkeit. Zunächst werden die Planungsinstrumente (Kap. 6.1) beschrieben, die bei einer Fließgewässer- und Auenentwicklung zu berücksichtigen sind. Zum Abschluss wird noch als Grundlage kurz das Landschaftsbild angesprochen. In Kap. 6.2 werden flächendeckende wasserwirtschaftliche Planungsgrundlagen (Fließgewässertypisierung, Gewässerstrukturkartierung, Fließgewässerlandschaften) und naturschutzfachliche Planungsgrundlagen (Biotopkartierungen, Arten- und Biotopschutzprogramme, Natura 2000) vorgestellt. Das Kapitel „Gewässerkategorien und Fragen der Bewertung“ enthält die Einteilung der Gewässer nach den Vorgaben der EG-Wasserrahmenrichtlinie und die darauf aufbauende Bewertung (Kap. 6.3). Hydrologische, wasserwirtschaftliche und wasserbauliche Planungsgrundlagen sind Inhalt von Kap. 6.4. Die speziellen Probleme des urbanen Raumes werden in einem eigenen Kapitel dargestellt (Kap. 6.5). Die Arbeiten im Rahmen der Fließgewässerunterhaltung haben gravierende Auswirkungen auf die Entwicklungsprozesse und werden daher gesondert behandelt (Kap. 6.6). Mehr und mehr von Bedeutung sind die ebenfalls behandelten Fragen der Öffentlichkeitsbeteiligung (Kap. 6.7) und der Finanzierung (Kap. 6.8) von Fließgewässer- und Auenentwicklungen. 6.1
Planungsinstrumente Die Fließgewässerentwicklung umfasst alle Ziele und Maßnahmen, die notwendig sind, um die natürliche Funktionsfähigkeit von Fließgewässerökosystemen
192
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
wiederherzustellen. Damit sind bei einer fachgerechten Gewässerentwicklungsplanung alle Faktoren zu berücksichtigen, welche diese Ökosysteme prägen und beeinflussen. Das Beziehungsgeflecht zwischen den Fließgewässerökosystemen und menschlichen Einflüssen ist vereinfacht in Bild 6.1 dargestellt.
Bild 6.1 Beziehungen zwischen Fließgewässerökosystemen und anthropogenen Einflüssen
Die folgenden Ausführungen geben Hinweise, welche Aspekte bei der Erarbeitung und Umsetzung von Gewässerentwicklungsprogrammen, Gewässerentwicklungskonzepten und Gewässerentwicklungsplänen zu beachten sind. Auf Fließgewässer im Siedlungsbereich (urbane Fließgewässer) können die grundsätzlichen Aussagen und Empfehlungen nur eingeschränkt angewendet werden (s. Kap. 6.5). Der potenziell natürliche Gewässerzustand eignet sich hier oft nicht als Bezugsmaßstab, weil er einerseits aufgrund der anthropogenen Einwirkungen nicht mehr feststellbar ist und geeignete Vergleichsgewässer fehlen, andererseits hochgesteckte Entwicklungsziele wegen der irreversiblen Veränderungen realistisch nicht erreichbar sein werden und zugleich der Kosten-NutzenAspekt auch hier nicht vergessen werden darf. Trotz dieser Einschränkungen sollen aber auch für urbane Fließgewässer Verbesserungen geplant und durchgeführt werden (Kap. 6.5).
6.1 Planungsinstrumente
193
6.1.1 Begriffe Um die Planungssystematik eindeutig darstellen zu können, ist es erforderlich, die verwendeten Begriffe vorab zu definieren. Potenziell natürlicher Gewässerzustand Der potenziell natürliche Gewässerzustand ist der ökologische und morphologische Zustand eines Fließgewässers, der sich einstellen würde, wenn der Einfluss des Menschen am Gewässer und im Einzugsgebiet ausbliebe. Hierfür wird auch vielfach der Begriff „Leitbild“ verwendet. Da dieser Begriff jedoch in den verschiedensten Planungsbereichen (z.B. Landschaftsplanung) mit jeweils unterschiedlichen Inhalten belegt ist, wird er im Kap. 6.1 nicht verwendet. Eine zielgerichtete Gewässerentwicklungsplanung setzt eine möglichst genaue Kenntnis des potenziell natürlichen Gewässerzustands voraus. Dieser wird durch die Verhältnisse an einem Fließgewässer einschließlich seiner Aue mit allen Wechselbeziehungen zwischen Organismen und ihrer Umwelt beschrieben. Der potenziell natürliche Gewässerzustand unterscheidet sich vom ursprünglichen Gewässerzustand – dem Status vor allen menschlichen Eingriffen – dadurch, dass bestimmte Standortbedingungen sich durch den Menschen irreversibel geändert haben und damit den potenziell natürlichen Gewässerzustand mitbestimmen. Beispiele für solche Veränderungen sind die Mineralisierung von Niedermoorböden oder die Auenlehmbildung durch frühere Rodungen im Einzugsgebiet oder Bauwerke, die sich auch nach Ausbleiben des menschlichen Einflusses noch mehr oder weniger stark auf Zustand und Entwicklung eines Fließgewässers auswirken würden. Dabei ist zu beachten, dass der potenziell natürliche Gewässerzustand nicht in jedem Fall das höchste biologisch-ökologische Potenzial aufweist. Bei der Beschreibung des potenziell natürlichen Gewässerzustands sind folgende Parameter von Bedeutung: • Abflussregime und Dynamik (Hoch- und Niedrigwasserabflüsse unterschiedlicher Jährlichkeiten, Mittelwasserabfluss, bordvoller Abfluss) • Feststoffhaushalt • Fließgewässer- und Auenstruktur • Wasserbeschaffenheit • Biotoptypen, typisches Tier- und Pflanzeninventar, potenzielle natürliche Vegetation • Ökologische Barrieren Ist-Zustand Der Ist-Zustand ist eine Momentaufnahme des aktuellen Gewässerzustands. Er kann sich in Abhängigkeit von wechselnden Rahmenbedingungen, wie zum Bei-
194
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
spiel Naturereignissen und anthropogenen Eingriffen, wandeln. Er wird nach einem zu definierenden Bewertungsverfahren beschrieben. Entwicklungsziele Aus dem Vergleich des Ist-Zustands mit dem potenziell natürlichen Gewässerzustand werden realisierbare Entwicklungsziele abgeleitet. Dabei sind langfristige Nutzungen sowie einschlägige Randbedingungen zu berücksichtigen. Grundsätzlich ist zu beachten, dass die Entwicklungsziele durch Erhalten naturnaher Gewässerstrecken mit ihren Auen, der Förderung der eigendynamischen Entwicklung sowie durch Umgestalten des Gewässers erreicht werden. 6.1.2 Planungsstufen Die Entwicklungsplanung umfasst die drei Stufen: • Gewässerentwicklungsprogramm (fakultativ) • Gewässerentwicklungskonzept und • Gewässerentwicklungsplan Das Gewässerentwicklungsprogramm beinhaltet eine überregionale oder landesweite Rahmenvorstellung zum Schutz der Fließgewässer und ihrer Auen bzw. Niederungen. Es ist nicht zwingend erforderlich; auch ohne ein solches Programm können Gewässerentwicklungskonzepte aufgestellt werden. Das Gewässerentwicklungskonzept ist eine flussgebietsbezogene Gesamtschau für Fließgewässer und Aue. Hierin werden der potenziell natürliche Gewässerzustand beschrieben, der aktuelle Fließgewässer- und Auenzustand sowie bestehende Nutzungsansprüche erfasst und Entwicklungsziele festgelegt. Dabei sind die Fließgewässerabschnitte und angrenzenden Niederungen nach folgenden Kriterien zu bewerten: • Schutzwürdig • Entwicklungsbedürftig • Umgestaltungsbedürftig Auf der Basis dieser Einteilung werden die Entwicklungsziele abgeleitet. Zudem sind Hinweise auf Maßnahmen zur Fließgewässerunterhaltung und zum Ausbau sowie auf administrative Maßnahmen und notwendige Gewässergütesanierungen zu erarbeiten. Die Ausarbeitung stützt sich vornehmlich auf vorhandene Daten und erfolgt im Maßstab 1 : 25.000 oder 1 : 50.000 (bei kleinen Fließgewässern ggf. auch 1 : 10.000 bis 1 : 5.000). Der Gewässerentwicklungsplan soll konkrete Maßnahmen zur Gewässerregeneration und zur modifizierten Fließgewässerunterhaltung aufzeigen. Er wird entweder auf der Grundlage eines vorhandenen Entwicklungskonzeptes oder
6.1 Planungsinstrumente
195
als unabhängige Planung erstellt (Bild 6.2). Im letzteren Fall sind die entsprechenden Planungsschritte des Konzeptes nachzuholen. Baut der Gewässerentwicklungsplan auf einem Gewässerentwicklungskonzept auf, sind die Entwicklungsziele durch ergänzende Bestandsaufnahmen im Gelände zu überprüfen. Umgestaltungsmaßnahmen werden lediglich nach Art und Umfang angegeben, da deren Durchführung eine gesonderte Ausführungsplanung erfordert. Die Ausarbeitung des Gewässerentwicklungsplanes erfolgt in der Regel flurstücksscharf im Maßstab 1 : 5.000; ersatzweise im Maßstab 1 : 10.000 unter Beifügung erforderlicher Detailpläne.
Bild 6.2 Verfahrensschritte bei der Gewässerentwicklung
196
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
Gewässerentwicklungsprogramm In Einzelfällen liegen überregionale bzw. landesweite Programme zum Schutz der Fließgewässer und ihrer Auen bzw. Niederungen vor, die teilweise den Schutz bestimmter gewässer- und auengebundener Tier- und Pflanzenarten zum Ziel haben. Soweit dies nicht der Fall ist, sollen entsprechende Programme erarbeitet werden. Mit der Wasserrahmenrichtlinie (EG-WRRL) der Europäischen Union (EU) wird die Erstellung von Planungen über die Einzugsgebiete von Fließgewässern (ab 10 km2 Einzugsgebietsgröße), ggf. auch länderübergreifend, gefordert (s. auch Kap. 5). Solche Flussgebietsmanagementpläne behandeln als maßgeblichen Aspekt die Gewässerentwicklung. Gewässerentwicklungskonzept In Gewässerentwicklungskonzepten werden Entwicklungsziele für Fließgewässersysteme oder längere Fließgewässerstrecken sowie deren Auen und Niederungen dargestellt. Da Fließgewässerökosysteme die natürlichen und nutzungsbedingten Gegebenheiten ihres Einzugsgebietes widerspiegeln, können Störungen (z.B. im Geschiebe- und Stoffhaushalt oder im Abflussregime) nur bei großräumiger und ganzheitlicher Betrachtung erkannt werden. Konzepte dienen unter anderem dazu, die Prioritäten der Fließgewässerentwicklung so zu setzen, dass möglichst große ökologische und landschaftliche Verbesserungen am Fließgewässer erreicht werden. Die Ergebnisse des Gewässerentwicklungskonzeptes sollen in die Regionalplanung, die Bauleitplanung sowie in andere Fachplanungen eingearbeitet werden. Vielfach lassen sich Maßnahmen zur Fließgewässer- und Auenentwicklung mit anderen Planungen und Vorhaben verknüpfen. So wird im Gewässerentwicklungskonzept die Belastbarkeit und Entwicklungsfähigkeit einer ganzen Fließgewässerlandschaft bewertet; es stellt damit bei möglichen Eingriffsabwägungen wesentliche Daten zur Fließgewässerökologie zur Verfügung. Diese können dann in anderen Planungen (Straßen- und Eisenbahnbau, Wasserkraftnutzung, Abgrabungen, Bauleitplanung o.ä.) berücksichtigt werden. Bei der Erstellung eines Gewässerentwicklungskonzeptes sind folgende Arbeitsschritte erforderlich (s. Tab. 6.1): Abgrenzen des Projektgebietes Der zu bearbeitende Fließgewässerabschnitt mit den zugehörigen Auen bzw. den Niederungsbereichen mit hohem Grundwasserstand wird vom Maßnahmenträger festgelegt. Sofern sich bezüglich der Abgrenzung Schwierigkeiten ergeben, soll das Bearbeitungsgebiet möglichst großräumig gefasst werden. Ermitteln der Planungsgrundlagen In der Regel ist es vorteilhaft, bei der Ermittlung der Planungsgrundlagen nach folgendem Schema vorzugehen:
6.1 Planungsinstrumente
197
• Erheben und Auswerten von Daten Oft liegen Daten und Informationen vor, die für die Erstellung eines Konzeptes benötigt werden. Zusätzliche Daten können bei den zuständigen Fachbehörden und Verbänden erfragt werden. Die vorhandenen Daten sind auf Brauchbarkeit, Aktualität, Vollständigkeit und Bedeutung für die Fließgewässer- und Auenentwicklung zu prüfen. Liegen entsprechende Daten nicht vor, sind sie gesondert zu erheben. • Beschreibung des potenziell natürlichen Gewässerzustands Der potenziell natürliche Gewässerzustand dient als Bewertungsmaßstab und wird für die weiteren Planungsschritte benötigt. Seine Beschreibung soll vorzugsweise mit Hilfe geeigneter natürlicher/naturnaher Fließgewässerabschnitte im Untersuchungsgebiet erfolgen. Weitere Erkenntnisse können aus vorhandenen geologischen und geographischen Daten in Verbindung mit vorliegenden Arbeiten zur Typisierung von Fließgewässern und Verfahren zur Bewertung der Gewässerstruktur gewonnen werden. Die Beschreibung ist durch Fotos von Fließgewässerstrecken mit Vorbildcharakter und graphische Darstellungen zu ergänzen. Entsprechende Beschreibungen sind jeweils für fließgewässertypologisch unterschiedliche Gewässerstrecken zu erstellen. • Ortsbegehung und ergänzende Erhebungen für den Ist-Zustand Bei der Erstellung eines Gewässerentwicklungskonzeptes sind Ortsbegehungen erforderlich. Sinnvoll sind gemeinsame Begehungen mit sach- und ortskundigen Mitarbeitern von Gemeindeverwaltungen und Unterhaltungslastträgern. • Feststellen und Bewerten der Defizite Potenziell natürlicher Gewässerzustand und Ist-Zustand sind mit Hilfe geeigneter Bewertungsverfahren zu vergleichen, um vorhandene Defizite des IstZustands gegenüber dem potenziell natürlichen Gewässerzustand zu ermitteln. • Einschränkende Randbedingungen (Restriktionen) Nachdem in der Bestandsbewertung die Defizite des Ist-Zustands gegenüber dem potenziell natürlichen Gewässerzustand erfasst wurden, sind die Randbedingungen zu erfassen. Dazu zählen unabänderliche, einschränkende Restriktionen, die mittel- bis langfristig eine Annäherung an den potenziell natürlichen Gewässerzustand verhindern. Derartige Restriktionen können zum Beispiel durch Hochwasserschutz (in Abhängigkeit vom jeweiligen Schutzziel),Wasser- und Fischereirechte, planfestgestellte Ausbauzustände, Anlagen im und am Fließgewässer, Nutzungen in der Aue, naturschutzrechtliche Bestimmungen, Wasserschutzgebiete, rechtsverbindlich festgestellte Planungsvorhaben begründet sein.
198
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
Tabelle 6.1 Vorgehensweise bei der Ausarbeitung eines Fließgewässerentwicklungskonzeptes Abgrenzen des Projektgebietes Projektgebiet
• Festlegen des zu bearbeitenden Fließgewässers oder Gewässerabschnittes mit der zugehörigen Aue
Ermitteln der Planungsgrundlagen Erheben und Auswerten von Daten (Ist-Zustand) Naturräumliche Gegebenheiten
• Auswerten von Angaben zu Topographie, geologischen Formationen, Landschaftsgenese, Abflussregime, Landnutzung u.a.
Hydrologie
• Auswerten hydrologischer Grunddaten, • Übernahme statistischer Auswertungen von hydrologischen Untersuchungen, von Angaben zum Ausbaugrad, zur Überschwemmungshäufigkeit u.a.
Historische Entwicklung
• Darstellen flussbaulicher Eingriffe, Beschreibungen früherer Gewässerzustände, historischer Nutzungen der Auen bzw. Niederungen, Siedlungsbereiche, Infrastrukturgebiete u.a. In der Regel sind historische Karten vorhanden.
Wasserwirtschaft
• Darstellen von Wasserschutzgebieten, Überschwemmungsgebieten u.a.
Gewässerunterhaltung
• Darstellen der bisherigen Praxis der Gewässerunterhaltung (Verkrautungs-, Erosions-, Auflandungsstrecken u.a.) und der dabei auftretenden Probleme
Landwirtschaft
• Erhebung der landwirtschaftlichen Nutzung der Auen
Gewässergüte
• Zusammenstellen vorhandener Gewässergütedaten
Gewässer- und Auenstruktur
• Zusammenstellen von Gewässerstrukturkartierungen
Arten- und Biotopschutz
• Auswerten von Daten über bekannte Vorkommen gefährdeter Tier- und Pflanzenarten, besonders geschützte Biotope (§ 30 BNatSchG), ausgewiesene Schutzgebiete (Naturschutzgebiete – NSG, Landschutzschutzgebiete – LSG), schutzwürdige Bereiche u.a.
Gewässernutzungen
• Feststellen von Gewässernutzungen (Entnahmen, Einleitungen, Stauhaltungen, Freizeiteinrichtungen u.a.); von besonderer Bedeutung sind diesbezüglich u.a. Auflagen und Befristungen
Nutzung der Aue
• Darstellen bestehender und geplanter Nutzungen nach Landschafts-(rahmen)-plänen, Flächennutzungsplänen, Luftbildern
Fachplanungen, Vorgaben mit Bedeutung für Gewässer und Aue
• Aufzeigen von Planungen im Gewässer- und Auenbereich, von Schutzgebietsplanungen, Flurbereinigungen, räumlichen Entwicklungsschwerpunkten, Erfordernissen des Hochwasserschutzes und der Vorflut u.a.
Potenziell natürlicher Gewässerzustand • Beschreiben der funktionsbestimmenden Kenngrößen des Naturhaushaltes für alle Gewässer sowie Auen- bzw. Niederungsbereiche im Planungsgebiet
6.1 Planungsinstrumente
199
Tabelle 6.1 (Fortsetzung) Vorgehensweise bei der Ausarbeitung eines Fließgewässerentwicklungskonzeptes Ermitteln der Planungsgrundlagen (Fortsetzung) Ortsbegehung • Überprüfen der Verhältnisse vor Ort; ggf. ergänzende Kartierungen • Einholen ergänzender mündlicher Informationen von unmittelbar Zuständigen und Ortskundigen Feststellen und Bewerten der Defizite • Feststellen signifikanter Unterschiede zwischen Ist-Zustand und potenziell natürlichem Gewässerzustand und deren Ursachen Einschränkende Randbedingungen (Restriktionen) • Darstellen von Einschränkungen in der kurz- und mittelfristigen Gewässer- und Auenentwicklung durch derzeitige und künftige Nutzungen, wasserwirtschaftliche oder naturschutzfachliche Vorgaben Planung der Gewässerentwicklung Festlegen der Entwicklungsziele • Festlegen der abgestimmten Entwicklungsziele für abgegrenzte Gewässerstrecken und Auen- bzw. Niederungsbereiche unter Berücksichtigung von Auflagen und Befristungen. Unterteilen in: – Schutzwürdig – Entwicklungsbedürftig – Umgestaltungsbedürftig Umsetzungskonzeption • Aufzeigen der zweckmäßigen zeitlichen Abfolge und der für das Umsetzen der Ziele notwendigen Maßnahmen (einschl. Verwaltungshandeln) • Prioritäten, Zeit, Kosten, vorbereitende Maßnahmen Bericht und Darstellung des Konzeptes Bericht Kurzgefasste Beschreibung, soweit zum Verständnis der Kartendarstellungen erforderlich: • Anlass • Beschreiben des Einzugsgebietes und des Fließgewässersystems • Bewerten und Festlegen der Entwicklungsziele • Insbesondere ist zu beschreiben, wie die vorgeschlagenen Entwicklungsziele erreicht werden sollen • Übersicht über Daten und Informationen • Datenbank: Nutzungen, Randbedingungen
200
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
Tabelle 6.1 (Fortsetzung) Vorgehensweise bei der Ausarbeitung eines Fließgewässerentwicklungskonzeptes Bericht und Darstellung des Konzeptes (Fortsetzung) Darstellung Übersichtslageplan (Maßstab 1 : 25.000 bis 1 : 100.000)
Darzustellen sind für das Einzugsgebiet: • Oberirdische Gewässer (aus TK 25) • Grenzen der naturräumlichen Einheiten • Planungsrelevante Verwaltungsgrenzen • Planungsrelevante Vorgaben (z.B. aus dem Regionalplan, Landschaftsrahmenplan) • Planungsgebiet • Siedlungsflächen • Planungsrelevante Infrastrukturelemente u.a.
Lageplan „Bestand und Bewertung” (Maßstab 1 : 10.000 bis 1 : 50.000)
Darzustellen sind für die Aue bzw. Talniederung (abgegrenztes Planungsgebiet): • Reale Nutzung (u.a. Siedlung und Gewerbe, Infrastruktur, Landwirtschaft) • Gewässermorphologische Bewertungsergebnisse bzgl. Laufstrukturen und Gehölzsaum • Wasserbauliche Anlagen, uferparallele Infrastrukturelemente, ausgebaute Gewässerabschnitte, Deponien, Altlasten • Geschützte Bereiche • Überschwemmungsgebiete und Überflutungsflächen • Nutzungsbedingte Konflikte
Lageplan „Entwicklung” (Maßstab 1 : 10.000 bis 1 : 50.000)
Darzustellen sind für die einzelnen Gewässerabschnitte und für den Auenbereich: • Schutzwürdige Strecken Ökologisch wertvolle Gewässerbereiche, in denen die Erhaltung des naturnahen Zustands vorrangig erscheint (Vorschlag der Unterschutzstellung, spezielle Unterhaltungsmaßnahmen usw.) • Entwicklungsbedürftige Strecken Defizitäre Gewässerbereiche, die durch extensive Nutzung und Unterhaltung sowie durch eigendynamische Entwicklung aufgewertet werden können • Umgestaltungsbedürftige Strecken Stark defizitäre Bereiche, für die aufgrund fehlender Dynamik bzw. massiven Ausbaus keine naturnahe Entwicklung in absehbarer Zeit erwartet werden kann; Vorschläge für eine naturnahe Umgestaltung • Gewässerstrecken, für die aufgrund der Vielschichtigkeit der Problematik detaillierte Gewässerentwicklungspläne vorrangig aufzustellen sind
Quellen: Fachbehörden, Naturschutzverbände, Unterhaltungsverbände, Regionalverbände, Landkreise, Städte, Gemeinden, topographische Karten, Flächennutzungspläne, Landschaftspläne, Unterlagen zu Schutzgebieten, Biotopkartierungen, Gutachten, Umweltverträglichkeitsstudien, wasserwirtschaftliche Rahmenpläne, Gewässergütekarten, Daten aus geographischen Umweltinformationssystemen, Luftbilder, Digitale Landschaftsmodelle Methodik: Analyse naturnaher Referenzstrecken, historische Vergleiche und gewässertypologische Kenntnisse; Bewerten durch empirischen Vergleich von Ist- und Sollzuständen.
6.1 Planungsinstrumente
201
Planung der Gewässerentwicklung auf Grundlage der Entwicklungsziele Aus dem Vergleich von potenziell natürlichem Gewässerzustand und Ist-Zustand unter Berücksichtigung der Restriktionen werden die Entwicklungsziele abgeleitet (Tab. 6.2). Sie sind für einen Zeitraum von 10 bis 15 Jahren darzustellen. Die umfassende Benennung von Entwicklungszielen für ein gesamtes Fließgewässersystem ermöglicht die schnelle Beurteilung und Steuerung von Maßnahmen und Planungen Dritter aus einem Gesamtkonzept heraus. Damit können die bekannten Nachteile von Einzelfallentscheidungen vermieden werden. Tabelle 6.2 Hinweise zu Zielen und Maßnahmen der Fließgewässerentwicklung Entwicklungsziele
Mögliche Maßnahmen in diesem Zusammenhang sind z.B.
Flächenbereitstellung Bereitstellen und Sichern von Entwicklungsflächen
• Aufnahme im Landschafts- u. Flächennutzungsplan • Eintragen von Dienstbarkeiten • Ankaufen von Uferstreifen, Ufer- und Auengrundstücken, Quellbereichen • Abschließen von Nutzungsvereinbarungen
Abflussgeschehen Verbessern des Wasserrückhaltes im Einzugsgebiet Dämpfen von Abflussspitzen
• Versickerung von Regenwasser in Siedlungsbereichen • Rücknahme von Dräns, Dränagen • Rückverlegen von Deichen • Verringern der Abflussleistung • Aktivieren von Retentionsräumen • Bau von Regenrückhaltebecken
Verbesserung der Strömungsvielfalt
• Rückbauen von Stauanlagen, Querbauwerken • Abgeben von Mindestwassermengen • Naturnahe Gestaltung des Gewässerbetts
Sohlenanhebung bei Eintiefung
• Einbauen von Sohlenrampen bzw. Sohlengleiten
Feststoffhaushalt Verbesserung der Geschiebeführung • Bau geschiebedurchlässiger Wehre • Zugabe von Geschiebe; Remobilisierung von Kiesbänken • Spülen von Stauräumen • Rückbau von Längsverbauungen Gewässer- und Auenstruktur Wiederherstellen der natürlichen Lauf- und Bettentwicklung
• Gestalten von Prall- und Gleitufern, Übergangsprofilen, Aufweitungen, Einengungen, abgestuftem Längsprofil • Einbringen von Totholz • Rückbauen von Uferschutzbauten, Ufersicherungen und Querbauwerken • Anheben der Gewässersohle • Gerinneaufweitungen
202
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
Tabelle 6.2 (Fortsetzung) Hinweise zu Zielen und Maßnahmen der Fließgewässerentwicklung Entwicklungsziele
Mögliche Maßnahmen in diesem Zusammenhang sind z.B.
Gewässer- und Auenstruktur (Fortsetzung) Entwickeln von Auenstandorten
• • • • •
Extensivierung der Landwirtschaft Wiederbespannen von Auengewässern Räumen von verfüllten Altgewässern Anlage von Kleingewässern Regeneration von Flutrinnen und -mulden
Gewässergüte • Umwandlung von Acker in Grünland Förderung gewässerverträglicher Auennutzung (u.a. Berücksichtigung • Grünlandnutzung extensivieren • Abschließen von Nutzungsvereinbarungen landwirtschaftlicher Belange) • Aufgabe von Nutzungen Rückhaltung von gewässerbelastenden Stoffen
• Bau von Schlamm- und Sandfängen • Bau von Regenrückhaltebecken
Biotop- und Artenschutz Herstellen der biologischen Durchgängigkeit im Gewässer
• Rückbauen von Querbauwerken • Bau von Umgehungsgerinnen, Sohlenrampen oder Sohlengleiten • Auflösen von Fischteichen im Gewässerlauf • Umbau von Durchlassbauwerken • Anlegen von Umgehungsgerinnen seitlich von Fischteichen • Abgeben von Mindestwassermengen
Vernetzen von Auebiotopen
• Ankauf von Flächen und Begründung natürlicher Auenlebensräume • Anbinden von Quellbereichen an Uferstreifen (Bachoberlauf)
Entwickeln natürlicher Auenvegetation
• Zulassen von Sukzession • Gehölz-, Sodenpflanzungen • Austausch auenuntypischer Vegetation (Fichten-, Pappelforste u.a.)
Erhalten von Magerrasen auf Dämmen und Deichen
• Mahd oder Beweidung ohne Düngung nach vorgegebenen Terminen
Erhalten von Nass- und Feuchtwiesen
• Mahd oder Beweidung ohne Düngung nach vorgegebenen Terminen
Erlebniswert der Landschaft, Landeskultur Erhalten kulturhistorischer Gehölzformen
• Kopfweiden pflegen
Erholungswert erhöhen
• Nach Verträglichkeitsprüfung Bereiche/Stellen einrichten für Wandern, Angeln, Baden, Kanu u.a.
6.1 Planungsinstrumente
203
Einteilen der Fließgewässerabschnitte Es empfiehlt sich, das Gewässersystem mit Auen und Niederungen bzw. einzelne Fließgewässerabschnitte nach dem jeweiligen Schutzbedürfnis bzw. Entwicklungspotenzial einzuteilen. Dafür bieten sich die drei nachfolgend beschriebenen Klassifizierungen an: • Schutzwürdige Strecken und Auen- bzw. Niederungsbereiche Schutzwürdig sind alle natürlichen und naturnahen Fließgewässerstrecken mit Aue und Niederung. Sie entsprechen weitgehend dem potenziell natürlichen Gewässerzustand oder sind durch das Vorkommen wertvoller Biotope oder gefährdeter Tier- und Pflanzenarten gekennzeichnet. • Entwicklungsbedürftige Strecken mit Auen und Niederungen Als entwicklungsbedürftig gelten alle Fließgewässerstrecken, die mit geeigneten Anstößen mittelfristig einen naturnahen Zustand erreichen können. • Umgestaltungsbedürftige Strecken und Anlagen Umgestaltungsbedürftig sind solche Gewässerabschnitte, die mittelfristig (20 bis 50 Jahre) nur durch bauliche Eingriffe einen entwicklungsfähigen Zustand erreichen können. Hierzu zählen u. a. Strecken mit massivem Uferund Sohlenverbau, überbaute Abschnitte, kanalisierte Gewässer, stark erodierte Strecken sowie massiv ausgebaute Strecken mit seltenen Ausuferungen und schwachem Geschiebetrieb. Festlegen der Entwicklungsziele Entwicklungsziele werden für das Fließgewässer mit seinen Auen und Niederungen festgelegt. Abschnitte, in denen Restriktionen bestehen, sind zu kennzeichnen. Eine beispielhafte Auflistung von Zielen und Maßnahmen im Rahmen einer Gewässerentwicklung enthält Tab. 6.2. Die meisten Veränderungen wirken sich auf mehrere Fließgewässer- oder Auenmerkmale aus, so dass sich entsprechend der jeweiligen Defizite bzw. Restriktionen auch Varianten oder Kombinationen ergeben können. Von besonderer Bedeutung sind Ziele und Maßnahmen zur Verbesserung des Hochwasserrückhaltes und der Auenentwicklung. • Abflussgeschehen Überschwemmungsgebiete dienen der Hochwasserretention; sie fördern die Grundwasserneubildung und die Erhaltung natürlicher Niedrigwasserabflüsse. • Feststoffhaushalt Der Feststoffhaushalt vieler Fließgewässer ist gestört. Sowohl Eintiefungsals auch Auflandungstendenzen von Gewässern haben häufig anthropogene Ursachen. Um die bisher in solchen Fällen üblichen technischen Eingriffe in das Fließgewässer zu vermeiden, sollen die Ursachen benannt und entsprechende Maßnahmen zu deren Behebung aufgezeigt werden.
204
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
• Fließgewässer- und Auenstruktur Durch den Rückbau von Böschungs- und Sohlensicherungen kann die Entwicklung einer natürlichen Lauf- und Bettgestalt durch das Fließgewässer gefördert werden. Bei größeren Fließgewässern können ggf. vorhandene Altarme wieder angebunden und entwickelt werden (DVWK, 1991a). Verlorengegangene Auenbereiche sollten vorrangig reaktiviert werden. • Wasserbeschaffenheit Zur Verbesserung der Wasserqualität sollten direkte (Einleitung) und indirekte (diffuse) Einträge von Nähr- und Schadstoffen vermieden bzw. minimiert werden. • Durchgängigkeit, Vernetzung Die Durchgängigkeit der Fließgewässer ist ein entscheidendes Charakteristikum natürlicher Fließgewässer und für den ungehinderten Organismenaustausch erforderlich. Sie sollte sowohl auf der gesamten Fließstrecke (möglichst von der Quelle bis zur Mündung) als auch zwischen Fließgewässer und seiner Umgebung (Ufer, Aue und Seitengewässer) gegeben sein. • Biotop- und Artenschutz Durch den Ausbau und die intensive Unterhaltung der Fließgewässer haben sich vielfach Sekundärbiotope entwickelt, die zwar nicht dem potenziell natürlichen Gewässerzustand entsprechen, wegen ihrer Seltenheit in der Kulturlandschaft jedoch von besonderer ökologischer Bedeutung sind. In vielen Fällen kann die Erhaltung und Entwicklung dieser Sekundärbiotope als Entwicklungsziel benannt werden. • Freizeit und Erholung, Landeskultur Lebendige und strukturreiche Fließgewässer mit Ufergehölzen gliedern Landschaften und laden zu Freizeit- und Erholungsaktivitäten ein. Oft ist eine Nutzung durch geeignete Erschließung möglich (ATV-DVWK, 2001a; Patt et al., 2001a; Patt & Schrenk, 2004a und 2004b). • Erhalt landwirtschaftlicher Betriebe Die Erhaltung und Unterhaltung der Auenflächen und damit unserer Kulturlandschaft ist auf Dauer nur durch landwirtschaftliche Betriebe möglich, die u.a. auf vertraglicher Basis durch extensive Auennutzung und Pflegearbeiten eine Existenz und ein wirtschaftliches Auskommen haben (Schumacher, 2000). Umsetzungskonzeption, Realisierung Für die Umsetzung des Gewässerentwicklungskonzeptes sollten geeignete Vorgehensweisen aufgezeigt und Maßnahmenvorschläge benannt sowie nach Dringlichkeit und Durchführbarkeit geordnet werden.
6.1 Planungsinstrumente
205
Bericht und Darstellung Die Ergebnisse des Gewässerentwicklungskonzeptes werden zweckmäßig kurzgefasst und übersichtlich in Text und Karte dargestellt. Für die übernommenen Daten empfiehlt sich für eine Darstellung die Kartengrundlage TK 25. Bei der Verwendung von Geoinformationssystemen kann in bestimmten Fällen ein Maßstab 1 : 10.000 bis 1 : 50.000 sinnvoll sein. Nutzungen, Defizite und Restriktionen können im Lageplan „Bestand und Bewertung“ dargestellt werden. Dazu gehören auch weitere Erkenntnisse, wie zum Beispiel Realnutzung der Aue, wasserbauliche Anlagen, geschützte Bereiche und insbesondere die nutzungsbedingten Konflikte. Die Bewertung als wesentliche Grundlage für die weitere Bearbeitung ist nachvollziehbar und anschaulich zu dokumentieren. In der Regel ist die Beschreibung mit einer Fotodokumentation und mit Grafiken zu ergänzen. Eine nachvollziehbar dokumentierte Bewertung hilft bei der Umsetzung der Ziele und ist Grundlage für die Überzeugungsarbeit im politischen und öffentlichen Raum. 6.1.3 Gewässerentwicklungsplan Der Gewässerentwicklungsplan definiert flächenscharf die Ziele und Maßnahmen der Entwicklung an einem Fließgewässer oder einem Fließgewässerabschnitt (Tab. 6.3). Er beinhaltet die planerische Darstellung der Bereiche für Eigenentwicklung, der Grundsätze und Maßnahmen der Unterhaltung, des Grunderwerbs und der Gewässergestaltung, welche im Fließgewässer und in der Aue bzw. Niederung durchzuführen sind. Defizite der Gewässergüte werden benannt. Bei Bedarf sind auf seiner Grundlage weitere Teilpläne, zum Beispiel für die Auen- bzw. Niederungsentwicklung, für den Grunderwerb, für Umgestaltung, für Anpflanzungen und für die Ausführung von Unterhaltungsarbeiten zu erarbeiten. Arbeitsschritte zur Erstellung eines Entwicklungsplanes (s. auch Tab. 6.3) Die wichtigsten Arbeitsschritte bei der Erstellung eines Gewässerentwicklungsplanes sind die Abgrenzung des Projektgebietes, Auswertung vorhandener Daten, Bestandsaufnahmen mit eventuellen Sonderuntersuchungen, Festlegen der Entwicklungsziele und die eigentliche Maßnahmenplanung. Abgrenzung des Projektgebietes Der zu bearbeitende Ausschnitt des Gewässernetzes mit der zugehörigen Aue wird vom Maßnahmenträger festgelegt. Im Übrigen ist analog der Empfehlungen zum Aufstellen eines Gewässerentwicklungskonzeptes zu verfahren.
206
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
Tabelle 6.3 Hinweise für die Aufstellung eines Fließgewässerentwicklungsplanes Abgrenzung des Projektgebietes Projektgebiet
Festlegen des zu bearbeitenden Gewässers bzw. Gewässerabschnittes mit den zugehörigen Überschwemmungsflächen (u.a. die Gewässeraue)
Ermitteln der Planungsgrundlagen Erheben und Auswerten von Daten • Daten (s. auch Tab. 6.1) • Aufstellen des potenziell natürlichen Gewässerzustands Bestandsaufnahmen Flächennutzung (u.a. Landwirtschaft)
• Parzellenscharfes Erfassen der Flächennutzungen (u.a. Acker-, Gründland-, Wald- und sonstige Nutzungen)
Gewässerstruktur
• Maßstabsgerechtes Erfassen der morphologischen Daten
Biotoptypen
• Flächendeckendes Lokalisieren und Abgrenzen wertvoller, gesetzlich geschützter Biotoptypen
Sonderuntersuchungen Vegetation
• Pflanzensoziologische Kartierung im Gewässerbereich und in der Aue bzw. Niederung • Kartieren und Herausarbeiten geschützter Pflanzen
Fauna
• Erheben ausgewählter Tiergruppen als Indikatoren für Gewässergüte, morphologische Strukturvielfalt, Durchwanderbarkeit u.a.: – Makrozoobenthos – Fische – Sonstige (Bodenkäfer, Libellen, Amphibien, Vögel, Säuger u.a.)
Planung der Gewässerentwicklung Festlegen der Entwicklungsziele
• Abgleich von potenziell natürlichem Gewässerzustand und IstZustand; Bewerten der Defizite • Ableitung von Entwicklungszielen
Maßnahmenplanung Ändern von Randbedingungen
• Vorbereiten von Grunderwerb (bei Bedarf Aufstellen eines Grunderwerbsplanes) • Aufheben rechtsverbindlicher Ausbauzustände • Ablösen/Ändern von Wasserrechten • Festlegen von Mindestwasserregelungen • Ausweisen von Schutzgebieten, Uferstreifen • Erarbeiten von Vorschlägen für: – Flurbereinigungsmaßnahmen – Extensivierungsmaßnahmen – Maßnahmen zur Verringerung von Schmutz- und Schadstoffeinleitungen
6.1 Planungsinstrumente
207
Tabelle 6.3 (Fortsetzung) Hinweise für die Aufstellung eines Fließgewässerentwicklungsplanes Planung der Gewässerentwicklung (Fortsetzung) Maßnahmenplanung (Fortsetzung) Schutzwürdige Strecken
• Erhalten von naturnahen Gewässern und Auen • Erarbeitung von Vorschlägen zur Ausweisung von Schutzgebieten
Entwicklungsbedürftige Strecken
• Entfernen von Ufer- und Sohlensicherungen • Einbringen von Wurzelstöcken, Bäumen, Flechtwerken u.a. • Fördern einer natürlichen Gehölzansiedlung durch Abschälen von Grasnarben u.a. • Entfernen von standortfremden Gehölzen; in besonderen Fällen Bepflanzung mit standortgerechten, heimischen Pflanzen • Erschließen von Geschiebequellen, punktuelle Anlage von Geschiebevorräten
Umgestaltungsbedürftige Strecken
• Erläutern und Begründen notwendiger Umgestaltungen, wie zum Beispiel: – Umbauen von Wanderungs- und Geschiebebarrieren – Sanieren von Gewässerstrecken mit fortschreitender Tiefenerosion – Umgestalten einer nicht selbst regenerierungsfähigen Gewässerstrecke – Rückbauen von Dränsystemen und Meliorationsanlagen
Modifizierte Unterhaltung
• Erarbeitung von Vorschlägen im Hinblick auf: – Durchführen von Maßnahmen zur Gewässerentwicklung – Festlegen notwendiger, regelmäßiger Unterhaltungsarbeiten – Erläutern der einzelnen Arbeiten (u.a. Modus, Turnus, Geräteeinsatz)
Kostenermittlung • Ermitteln einmaliger und wiederkehrender Kosten nach Massenberechnung und Aufwand Zeitplan • Festlegen der Reihenfolge von Maßnahmen zur Gewässerregeneration • Festlegen des Zyklus der wiederkehrenden Unterhaltungsarbeiten Prognose und Risiken • Prognose der Gewässerentwicklung aus wasserwirtschaftlicher, ökologischer und landschaftsplanerischer Sicht, Vergleich mit den festgelegten Entwicklungszielen • Hinweise auf mögliche Fehlentwicklungen
208
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
Tabelle 6.3 (Fortsetzung) Hinweise für die Aufstellung eines Fließgewässerentwicklungsplanes Bericht und Darstellung Bericht • Anfertigen eines Erläuterungsberichtes, der u.a. folgende Sachverhalte enthält: – Beschreibung des Einzugsgebietes/Oberlaufes – Beschreibung des Fließgewässers im Projektgebiet – Beschreibung und Festlegung der Entwicklungsziele – Beschreibung, durch welche Maßnahmen bzw. Maßnahmenkombinationen die Entwicklungsziele erreicht werden sollen – Sinn und Zweck der Maßnahmen – Übersichtliche Darstellung von Daten und Informationen – Aufbau von Datenbanken u.a. zur Dokumentation, Fortschreibung und Datenverwaltung; Beweissicherung Darstellung Übersichtsplan (Maßstab 1 : 10.000 bis 1 : 25.000)
Darzustellen sind für das Einzugsgebiet: • Oberirdische Gewässer (aus TK 25) • Grenzen der naturräumlichen Einheiten • Planungsrelevante Verwaltungsgrenzen • Planungsrelevante Vorgaben • Abgrenzung des Planungsgebietes • Planungsrelevante Infrastrukturelemente • Siedlungsflächen
Bestandsplan mit Bewertung (Maßstab i.d.R. 1 : 5.000)
Darzustellen sind für die Aue bzw. Talniederung: • Flächennutzungen, Gewässerstruktur, Biotoptypen, ggf. Vegetations- und Faunendaten, wasserbauliche Anlagen, uferparallele Infrastrukturelemente und Gewässerkreuzungen, geschützte Bereiche, Überschwemmungsgebiete • Konflikte • Bewertung vorhandener Daten und Konflikte
Maßnahmenplan (Maßstab i.d.R. 1 : 5.000)
• Parzellenscharfes Darstellen der vorgesehenen Maßnahmen und Arbeitsabläufe; evtl. sind Detailpläne für die modifizierte Unterhaltung, den Grunderwerb oder die Auen- und Niederungsentwicklung aufzustellen
Ermitteln der Planungsgrundlagen In der Regel ist es vorteilhaft, die Planungsgrundlagen nach folgendem Schema zu ermitteln. • Erheben und Auswerten von Daten Vorhandene, relevante Daten sind zu sammeln, zu überprüfen und ggf. zu übernehmen. Ist ein aktuelles Gewässerentwicklungskonzept vorhanden, so ist dieses anhand ergänzender Bestandsaufnahmen zu prüfen und zu übernehmen. Fehlt dieses, so sind stattdessen die für den Gewässerentwicklungsplan erforderlichen Inhalte zu erarbeiten (Tab. 6.3). Die für den Gewässerentwicklungsplan relevanten Informationen sind in thematische Karten ein-
6.1 Planungsinstrumente
209
zutragen. Der potenziell natürliche Gewässerzustand ist abzuleiten und zu beschreiben. • Bestandsaufnahmen Flächennutzung. Die Kartierung der aktuellen Flächennutzungen beschränkt sich auf planungsrelevante Informationen. In der Regel genügt die flurstücksscharfe Abgrenzung der Acker-, Grünland-, Wald- und sonstigen Nutzungen. In der Aue wirtschaftende landwirtschaftliche Betriebe sind zu erfassen und darzustellen. Gewässerstruktur. Ergänzend zu den im Entwicklungskonzept vorhandenen Daten sind Ufersubstrate, Sohlensubstrat, Feststoffbilanz, Strecken mit beginnender Eigenentwicklung, eingetiefte Strecken, Einschätzung des Ausbaugrades, Art der Unterhaltung (z.B. Mähen, Krauten, Räumungsintervalle) zu erfassen. Biotoptypen. Für Fließgewässer einschließlich Aue und Niederungen sind in der Regel die Biotoptypen der Biotop-Kartierung (s. Kap. 6.2.4) zu entnehmen, ggf. flächendeckend zu kartieren. In diesem Zusammenhang sind solche Bestände zu erfassen, die durch mögliche Maßnahmen beeinflusst werden können. • Sonderuntersuchungen Vegetationskundliche, floristische Aufnahmen und faunistische Erhebungen sind nur erforderlich, wenn absehbar ist, dass durch Entwicklungsmaßnahmen gefährdete Tier- und Pflanzenarten und Lebensgemeinschaften beeinträchtigt werden können, wenn Maßnahmen den Bestand wertvoller Biotoptypen bedrohen (Beweissicherung) oder wenn eine Aufnahme des Ist-Zustands zur ökologischen Effizienzkontrolle erforderlich ist. Sonderuntersuchungen sind auch durchzuführen, wenn die vorhandenen Daten große Lücken aufweisen oder veraltet sind (z.B. Gewässergüte). Untersuchungen zur Hydrologie, Hydraulik, Flussgebietsmodelle u.ä. sind ebenfalls nur als Sonderuntersuchungen bei speziellen Verhältnissen notwendig. Planung der Fließgewässerentwicklung Aus dem Vergleich von potenziellem natürlichem Gewässerzustand und IstZustand können die Defizite festgelegt und bewertet sowie die Entwicklungsziele abgeleitet werden. Zur Erreichung der Entwicklungsziele sind Maßnahmen zu planen (s. auch Tab. 6.3). • Maßnahmenplanung Ändern der Randbedingungen. Das Ändern der Randbedingungen ist in der Regel wichtiger als bauliche Umgestaltungen oder kleine Änderungen in der Unterhaltungspraxis. Vielfach erfordert dies eigene Rechtsverfahren (z.B. die Ausweisung von Schutzgebieten, die Aufhebung rechtsverbindlicher Ausbauzustände, das Ablösen von Wasserrechten). Häufig können durch geeignete
210
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
Verwaltungsmaßnahmen die wesentlichen Hindernisse zu einer naturnahen Gewässerentwicklung beseitigt werden. Eine weitere wichtige Voraussetzung für die Fließgewässerentwicklung ist oftmals der Erwerb von Uferrandstreifen, Auenflächen und Quellbereichen Schutzwürdige Strecken. Für schutzwürdige Strecken sind, soweit erforderlich, entsprechende Schutzmaßnahmen auszuarbeiten. Entwicklungsbedürftige Strecken. Entwicklungsbedürftige Strecken und Bereiche sollen soweit möglich sich selbst überlassen bleiben. Damit können entsprechend dem aktuellen Abfluss- und Geschieberegime, neue Strukturen entstehen. Diese Entwicklung kann je nach Ausbaugrad, Geschiebeführung, Häufigkeit bettbildender Abflüsse und Erosionsresistenz der Ufer über Jahrzehnte andauern. Ufersicherungen sind nach Ausweisung von ausreichend breiten Uferrandstreifen nur noch aufgrund von einschränkenden Randbedingungen notwendig. Umgestaltungsbedürftige Strecken. Umgestaltungsvorhaben sind erforderlich für den Umbau bzw. die Beseitigung von baulichen Anlagen und nicht regenerationsfähige Gewässerstrecken. Die Umgestaltung von Ausbaustrecken ist dann erforderlich, wenn langfristig die Entwicklungsziele nicht anders erreicht werden können. Modifizierte Fließgewässerunterhaltung. In der Kulturlandschaft ist für viele Fließgewässer eine regelmäßig wiederkehrende Unterhaltung notwendig. Die modifizierte Gewässerunterhaltung erhält zwar den Lebensraum einiger gefährdeter Tier- und Pflanzenarten, stellt jedoch keinen Ersatz für ein intaktes Fließgewässerökosystem dar (DVWK, 1992b und 1999e; ATV-DVWK, 2002b). Sie ist daher nur ein erster, wenn auch wichtiger Schritt zur naturnahen Gewässerentwicklung und sollte die konventionelle Unterhaltungspraxis generell ablösen (s. auch Kap. 6.6). • Kostenermittlung Der Detaillierungsgrad des Gewässerentwicklungsplanes erlaubt eine Ermittlung der Unterhaltungskosten nach Massen und Aufwand (Kostenanschlag) (Anselm, 1987; ATV-DVWK, 2002b). Im Falle von Umgestaltungs(vor)planungen reicht eine Schätzung nach spezifischen Kosten aus vergleichbaren Projekten. • Zeitplan Vorrang haben Maßnahmen, die ohne weitere Verfahren im Rahmen der laufenden Gewässerunterhaltung umsetzbar sind. Die Beseitigung von Hindernissen der Eigenentwicklung sollte ebenfalls Priorität haben. Parallel hierzu sollen administrative Schritte zur Ausweisung von Uferstreifen, Aufhebung von Planfeststellungsbeschlüssen, Abwehr weiterer Eingriffe, Kündigung von Pachtverträgen u.a. aufgezeigt werden.
6.1 Planungsinstrumente
211
• Prognose und Risiken Bezüglich der Maßnahmenvorschläge ist zu prüfen, ob die wasserwirtschaftlichen, ökologischen und landschaftlichen Zielsetzungen im gesteckten Zeitrahmen erreicht werden können. Auf Risiken, wie zum Beispiel nicht tolerierbare Fließgewässerverlagerungen, unerwünschte Sohlenerosion oder Auflandungen, Neophytenwachstum usw. ist hinzuweisen. Bericht und Darstellung • Bericht Ein kurzgefasster Erläuterungsbericht soll über Ziele und Veranlassung des Fließgewässerentwicklungsplanes aufklären. Alle wesentlichen Inhalte sollten in Tabellen, Datenbanken, Karten oder sonstigen, leicht überschaubaren Darstellungen aufbereitet werden. Der Bericht muss sämtliche Inhalte miteinander verbinden. Von besonderer Bedeutung ist die nachvollziehbare Bewertung und Festlegung der Entwicklungsziele sowie die Beschreibung, auf welche Art und Weise diese erreicht werden sollen. • Darstellung Übersichtslagepläne sollen auf der Grundlage der Topographischen Karte TK 25 erstellt werden. Bei kleinen Einzugsgebieten kann die Darstellung im Maßstab 1 : 10.000 zweckmäßig sein. Alle anderen Pläne sind auf der Grundlage der Deutschen Grundkarte (DGK 5) zu erstellen. Für die flurstücksscharfe Abgrenzung der Maßnahmen wird man teilweise auf Flurkarten zurückgreifen müssen. Wo sinnvoll und möglich sollen geographische Informationssysteme (GIS) eingesetzt werden. • Übersichtsplan Im Übersichtsplan werden die oberirdischen Fließgewässer, die Grenzen der naturräumlichen Einheiten sowie die planungsrelevanten Vorgaben, Verwaltungsgrenzen, Infrastrukturelemente, Siedlungsflächen u.ä. für das Planungsgebiet/Einzugsgebiet dargestellt. • Bestandsplan mit Bewertung Der Bestandsplan soll die Flächennutzung, Fließgewässerstruktur und Biotoptypen beinhalten und bewerten. Wasserbauliche Anlagen, uferparallele Infrastrukturelemente und Gewässerkreuzungen, Überschwemmungsgebiete, geschützte Gebiete u.ä. sind einzutragen und Hinweise auf ihre Bedeutung für die Fließgewässerentwicklung zu geben. Eventuell vorhandene Konflikte sind aufzuzeigen und zu bewerten. • Maßnahmenplan Der Maßnahmenplan stellt die wichtigsten Ergebnisse des Gewässerentwicklungsplans dar und ist für die weitere Arbeit von besonderer Bedeutung. In ihm sind alle geplanten Maßnahmen übersichtlich darzustellen. Falls erfor-
212
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
derlich sind Details in gesonderten Plänen darzustellen. Hierzu können Maßnahmen zur modifizierten Gewässerunterhaltung, Grunderwerbspläne u.ä. zählen. Unterhaltungsarbeiten sind bezüglich Ort, Art und Zeitpunkt so zu erläutern, dass der Unterhaltungslastträger daraus einen Personal- und Geräteeinsatzplan ableiten kann. Vorschläge zur Umgestaltung sind als Vorplanung auszuarbeiten, so dass der Maßnahmenträger über die Realisierung und weitere Planung entscheiden kann. 6.1.4 Hinweise zur Umsetzung der Fließgewässerentwicklungsplanung Von besonderer Bedeutung für die Realisierung einer Fließgewässerentwicklungsplanung sind die Bezüge zu anderen Fachplanungen. Raum- und Landschaftsplanung Je nach Planungsebene ergeben sich Verknüpfungen zwischen den „Landschaftspflegerischen Beiträgen zur Raumplanung” und der Fließgewässerentwicklungsplanung (Bild 6.3). Wesentliche Inhalte der Fließgewässerentwicklungsplanung sind zudem in der Raumplanung durch Übernahme in den Regionalplan bzw. den Flächennutzungsplan zu berücksichtigen. Der Landschaftsrahmenplan ist die Fachplanung des Naturschutzes, die auf regionaler Ebene die Aufgabe hat, die natürlichen Ressourcen zu sichern und zu entwickeln. Aufgrund der Bearbeitungstiefe und der Flächengenauigkeit beim gegebenen Planungsmaßstab können in den Landschaftsrahmenplan am ehesten die Inhalte des Gewässerentwicklungskonzeptes (ggf. auch des Gewässerentwicklungsprogrammes) übernommen werden. Die Ziele des Gewässerentwicklungsplanes (u.U. auch des Gewässerentwicklungskonzeptes) sind in den Landschaftsplan, die lokale Ebene der Landschaftsplanung, zu übernehmen. Falls der vorhandene Landschaftsplan die Ziele der Gewässerentwicklungsplanung noch nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat, sind seine Ziele im Rahmen einer Fortschreibung neu zu formulieren. Wasserwirtschaft Für verschiedene wasserwirtschaftliche Teilgebiete können verwaltungsinterne Fachplanungen vorhanden sein; teilweise sind wasserwirtschaftliche Entwicklungsziele auch in Regional- oder Flächennutzungsplänen und den zugehörigen Landschaftsplanungen enthalten. Die in der Gewässerentwicklungsplanung formulierten Anforderungen an den Hochwasserschutz, mögliche Retentionsräume, Wasserentnahmen, Ausleitungen und Aufstau sind zu übernehmen. Naturschutz Ein wesentliches Ziel von Fließgewässerentwicklungsplänen ist die Erhaltung und Entwicklung naturnaher Strukturen an Fließgewässern. Diese Ziele decken
6.1 Planungsinstrumente
213 Landschaftsplanung
Raumplanung
Landschaftspflegerische Beiträge zur Raumplanung
Landesentwicklungsplan
Landschaftsrahmenprogramm
Gewässerentwicklungsplanung
Landeskonzept Gewässerentwicklung
Regionalplan
Landschaftsrahmenplan Gewässerentwicklungskonzept
Flächennutzungsplan
Landschaftsplan
Weitere Fachplanungen
Wasserwirtschaft
Naturschutz
Flurbereinigung Gewässerentwicklungsplan
Bebauungsplan
Grünordnungsplan
Ausführungsplan Objekt
Maßnahmen der Grünordnung sowie Maßnahmen für Naturschutz, Landschaftspflege und Erholungsvorsorge
Landwirtschaft
Forst
Sonst. Fachpläne Verkehrsplanung, Bodenabbau u.a.
Bild 6.3 Die Gewässerentwicklungsplanung im Planungssystem von Raumplanung, Landschafts- und Fachplanungen
sich mit zahlreichen Bestimmungen des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) und der Naturschutzgesetze der Länder (s. Kap. 5.3). Landwirtschaft Die Umsetzung von Gewässerentwicklungsplanungen ist nur mit Zustimmung der Grundstückseigentümer möglich. Enteignungen sind die Ausnahme. Der Eigentümer der Gewässergrundstücke ist in der Regel die öffentliche Hand, während die Auenflächen überwiegend im Eigentum von Privatpersonen sind. Deshalb sollten die Belange von Wasserwirtschaft, Naturschutz und Landwirtschaft gleichrangig behandelt werden. Um die Akzeptanz für Planung und Umsetzung von Fließgewässerentwicklungen zu verbessern, hat zum Beispiel das Land Nordrhein-Westfalen im Rahmen einer Kooperationsvereinbarung zwischen Landwirtschaft und dem Umweltministerium folgende Kernpunkte festgeschrieben: • Ökologische und ökonomische Belange sind grundsätzlich gleichrangig • Vor Maßnahmenbeginn wird der finanzielle Ausgleich von wirtschaftlichen Nachteilen geregelt • Die ökologische Optimierung und Extensivierung der Flächennutzung in der Aue erfolgt auf freiwilliger Basis Alle Betroffenen werden umfassend und rechtzeitig bei allen Planungsschritten beteiligt. Belange von Wasserwirtschaft und Naturschutz werden unter Berück-
214
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
sichtigung landwirtschaftlicher Aspekte inhaltlich, räumlich und zeitnah systematisch miteinander verknüpft. Ziel von Gewässerentwicklungsplanungen muss es auch sein, landwirtschaftliche Betriebe zu erhalten, die in der Aue extensiv wirtschaften und landschaftspflegerische Arbeiten zur Erhaltung unserer Kulturlandschaft gegen Entgelt durchführen (Schumacher, 2000; Schumacher & Klingenstein, 2002). Koordinierung und Zusammenarbeit Eine langfristige tragfähige und erfolgreiche Fließgewässerentwicklung erfordert ein weitreichendes Verständnis der vielfältigen Funktionen, welche die Fließgewässer im landschaftlichen Beziehungsgefüge wahrnehmen. Es genügt in der Regel nicht, nur einzelne wasserwirtschaftliche oder ökologische Fachaspekte zu berücksichtigen. Die jeweiligen Projekte sollten als Gemeinschaftsaufgabe verschiedener Disziplinen durchgeführt werden. Neben der Naturschutz- und Wasserwirtschaftsverwaltung sind die für die Gewässerunterhaltung Zuständigen bei allen Fragen, die das Fließgewässer betreffen, frühzeitig einzubinden. Bei großräumigem Flächenerwerb in der Aue bzw. in den Niederungen können Flurbereinigungsbehörden wertvolle Hilfestellung leisten. Darüber hinaus sind bei der Definition einer schonenden Landnutzung die Landwirtschaftsbehörden wichtige Bündnispartner. 6.1.5 Kontrolle und Fortschreibung Die Entwicklung des morphologischen und biologischen Zustands eines Fließgewässers nimmt sehr lange Zeiträume in Anspruch. Deshalb sind in der Gewässerentwicklungsplanung geeignete Wege für eine Kontrolle und Fortschreibung aufzuzeigen. Veränderungen und Fortschreibung des Gewässerentwicklungsplans gehören als fester Bestandteil dazu. Um die Entwicklung in Richtung der Entwicklungsziele feststellen zu können, ist ein gut dokumentierter Ausgangszustand notwendig. Hierzu kann die Bestandsaufnahme verwendet werden; eine ausreichende Fotodokumentation ist ebenfalls durchzuführen. Kontrolle der Entwicklung Schützenswerte und zu erhaltende Fließgewässerabschnitte sollten unter regelmäßiger Beobachtung bleiben. Initialmaßnahmen müssen anfänglich durch Begehung kontrolliert werden. Wichtig ist dabei, dass bei diesen Kontrollen die Ziele und Vorgaben des Fließgewässerentwicklungsplans Berücksichtigung finden und die Ergebnisse dokumentiert werden. Erfolgskontrolle der ausgeführten Maßnahmen Eine Erfolgskontrolle ist sinnvoll, um Aussagen über den Erfolg einer Maßnahme treffen zu können. Dazu muss allerdings genügend Zeit für die Entwicklung verstrichen sein. Bei den Untersuchungen sollten die (positiven) Veränderun-
6.1 Planungsinstrumente
215
gen sowie der Grad der Abweichung vom potenziell natürlichen Gewässerzustand festgestellt und somit die Effizienz und eventuell notwendige Änderungen des Gewässerentwicklungsplanes verdeutlicht werden. Fortschreibung der Fließgewässerentwicklung Die Fortschreibung des Gewässerentwicklungskonzeptes und des Gewässerentwicklungsplanes sollte zusammen mit anderen Beiträgen der Raum- und Landschaftsplanung erfolgen. Beim Gewässerentwicklungskonzept sind vorwiegend die vom Menschen beeinflussten Größen, wie zum Beispiel Gewässernutzungen, Gewässergüte, Nutzung der Aue, auf ihre Aktualität zu kontrollieren. Auch die festgelegten Entwicklungsziele müssen auf ihre Gültigkeit und Realisierbarkeit überprüft werden. Zu den bei der Fortschreibung des Gewässerentwicklungsplanes zu wiederholenden Untersuchungen gehört die Gewässerstruktur-, die Biotoptypen- und die Nutzungskartierung innerhalb des Überschwemmungsgebietes sowie die Kartierung der Störeinflüsse. Die Maßnahmenplanung muss ebenfalls aktualisiert werden. 6.1.6 Landschaftsbild Vor den Eingriffen des Menschen prägten die Flüsse mit ihren Nebengewässern und mit ihren oft ausgedehnten Auwäldern das Bild der Tallandschaften. Es waren aus heutiger Sicht landschaftlich eindrucksvolle, sich ständig verändernde Flusslandschaften, die in Abhängigkeit von den Jahreszeiten und von Hochwasserereignissen stets neue Eindrücke vermittelten. Heute ist dieses dynamische Erscheinungsbild der Flüsse kaum mehr vorhanden. Vielerorts prägen technisch ausgebaute Fließgewässer mit bis an die Ufer heranreichenden land- und forstwirtschaftlichen, städtischen oder industriellen Nutzungen das Bild der Fließgewässer- und Auenlandschaften. Nur noch gelegentlich durchbrechen Auenwaldreste, Ufergehölze oder Altgewässer, die meist streng geometrisch angelegten Nutzflächen und sorgen so für eine willkommene Gliederung und Auflockerung der Landschaft (Bild 6.4a). Aber auch deren Erlebbarkeit ist heutzutage oft stark beeinträchtigt. Straßenverkehr, Kiesaufbereitung, Geruchsbelästigungen und andere Auswirkungen von Nutzungen schmälern das Naturerleben in erheblichem Ausmaß. Unsere Vorfahren sahen eine natürliche Flusslandschaft jedoch mit anderen Augen. Für sie war ein wilder, unaufgeräumter Fluss eher eine „optische Belastung“ (Bild 6.4b). Ihr ganzes Bestreben war auch darauf ausgerichtet, den „verwilderten Fluss“ mit seinen Auen in seiner Urtümlichkeit und seinem dynamischen Verhalten zu bändigen. Nutzungs- und sicherheitsorientierte Begründungen für einen Gewässerausbau gab (und gibt) es in den Zeiten steigenden Platzbedarfs viele. Dies verdeutlicht, dass es Unterschiede darin gibt, ob eine Landschaft positiv oder negativ, also schön oder unschön, empfunden wird. Bei der gefühlsmä-
216
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
ßigen Wertung spielen auch die Erfahrungen und Gewöhnungen des jeweiligen Betrachters eine große Rolle. Hinzu kommt, dass offensichtlich auch das Wissen um ökologische Zusammenhänge, und sei es nur aus den Medien, die Beurteilung beeinflusst. So beeindruckte noch vor nicht allzu langer Zeit eine saubere, funktionsgerechte Landschaft mit geradlinigen, gleichmäßig geneigten und kurz geschorenen Uferböschungen das ästhetische Empfinden vieler Menschen, während heute u.a. Sukzessionsflächen, also eine gewisse Ursprünglichkeit, als schön empfunden werden (vgl. Bild 6.4a und Bild 6.4b). Aus heutiger Sicht war die frühere, urtümliche Flusslandschaft ein wahres „Paradies“ für abenteuerliche Unternehmungen, oder einfach nur zum Entspannen in der Natur. Wegen der zeitweilig recht zahlreich vorkommenden
a
b Bild 6.4 Die Ästhetik einer Landschaft wird sehr unterschiedlich bewertet a. Eine typische Kulturlandschaft an einem Mittelgebirgsgewässer (Foto: E. Städtler) b. Für manchen Zeitgenossen ist dieses Fließgewässer „unaufgeräumt“ (Foto: H. Patt)
6.2 Allgemeine, flächendeckende wasserwirtschaftliche … Planungsgrundlagen
217
Insekten oder durch eine erschwerte Zugänglichkeit (z.B. fehlende Wege und Brücken, umgestürzte Bäume und undurchdringliches Dickicht) hätte diese positive Erlebniswirkung aus heutiger Sicht allerdings auch ihre Schattenseiten gehabt. Da Fließgewässer und Auen eine besondere Bedeutung für die Freizeitund Erholung der Bevölkerung haben, müssen auch derartige Zusammenhänge bei der Planung berücksichtigt werden (s. auch Kap. 6.5.4). 6.2
Allgemeine, flächendeckende wasserwirtschaftliche und naturschutzfachliche Planungsgrundlagen Mit Hilfe naturnaher Ausbaumethoden (naturnaher Wasserbau) wurden in der Vergangenheit meist nur einzelne Fließgewässerentwicklungsmaßnahmen (Renaturierungen) an oder in relativ kurzen Fließgewässerabschnitten verwirklicht. Die Maßnahmen basierten also nicht auf landesweiten Programmen o.ä., sondern waren in der Hauptsache ein Produkt günstiger lokaler Gegebenheiten. Für ein systematisches Vorgehen bei Entwicklungsvorhaben sind aber flächendeckende Informationen über den Zustand der Fließgewässer von Vorteil. Die Gewässertypologie hat in der wasserwirtschaftlichen Praxis zunehmend an Bedeutung gewonnen, weil die naturräumlichen Eigenschaften und Voraussetzungen bei der Fließgewässer- und Auenentwicklung eine zunehmende Rolle spielen. Strukturelle Defizite an Fließgewässern werden durch die Fließgewässerstrukturkartierung erfasst. Die Strukturkartierung zeigt damit auch den vordringlichen Handlungsbedarf. Die Ausweisung und Charakterisierung von Fließgewässerlandschaften ist eine weitere bedeutsame Grundlage für die Planung von Fließgewässerentwicklungen. Für größere zusammenhängende Fließgewässer- und Auengebiete werden die charakteristischen Merkmale auf regionaler Ebene dargestellt. Wichtige naturschutzfachliche Planungsgrundlagen, die bei einer Fließgewässer- und Auenentwicklung ebenfalls sehr hilfreich sein können, sind auch die flächenbezogenen Aussagen der Biotopkartierungen und der Arten- und Biotopschutzprogramme. Im Hinblick auf die Vernetzung von Schutzgebieten, sind auch die Natura 2000-Bestimmungen von Bedeutung. 6.2.1 Gewässertypologie „Aquae sunt talis qualis terra per quam fluunt“ – die Typisierung der Gewässer ist keine modische Forschungsrichtung oder eine vorübergehende technische Aufgabe der Wasserwirtschaft, wenn man einem bereits 2000 Jahre alten „gewässertypologischen“ Zitat Plinius des Älteren Glauben schenkt: „Die Gewässer sind so beschaffen, wie das Land, das sie durchfließen“ bedeutet, dass Gewässer in ihren natürlichen Erscheinungsformen, aber auch in ihrer Wasser-
218
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
qualität immer das Ergebnis einer landschafts- und nutzungsbedingten Vorgeschichte sind (Plinius d. Ä., Naturalis historia, Buch 31, § 52, Z. 5). Mit dem Einfluss der Landschaftsformen auf die Ausbildung und die natürlichen Eigenschaften der Oberflächengewässer befasst sich die Gewässertypologie, mit den anthropogenen Einflüssen die Gewässerbewertung. Die Gewässertypologie hat in den letzten 15 Jahren eine zunehmende Bedeutung in der wasserwirtschaftlichen Praxis bekommen hat, kann damit erklärt werden, dass die Bewirtschaftung der Gewässer „mit der Natur“, also entsprechend ihren naturräumlichen Eigenschaften und Voraussetzungen, die Effizienz zum Beispiel von Rückbaumaßnahmen („Renaturierungen“) erheblich steigern kann. Typspezifische Arten („Leitarten“), die heute in der Ermittlung des ökologischen Wertes eines Gewässers eine bedeutende Rolle spielen (vgl. Kap. 6.3), besiedeln dann ein ökologisch verbessertes Gewässer mit großer Wahrscheinlichkeit, wenn dieses auch die typspezifischen Gegebenheiten aufweist (z.B. regional- und gewässertypische Sohlensubstrate, Fließgeschwindigkeiten und Vegetationsstrukturen). Verbessert werden kann durch einen naturnahen, stabilen Artenbestand jedoch auch die Selbstreinigungskraft. Insgesamt gesehen kann sich eine typgerechte Gewässergestaltung und -bewirtschaftung damit eher in einem „guten ökologischen Zustand“ abbilden als bei einer wenig typgerechten. Nachdem schon früh in einigen Bundesländern für die Zwecke der Gewässerentwicklung so genannte „Leitbilder“ erarbeitet wurden, die man als anwendungsorientierte Beschreibung von naturräumlichen Gewässertypen verstehen kann (z.B. MURL NRW, 1995; LUA NRW, 1999; NLÖ, 2001), hat die Gewässertypologie mit der Einführung der EG-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) einen weiteren, bedeutenden Impuls erhalten. Als Grundlage der Bewertung aller Oberflächengewässer, die anhand typspezifischer Referenzbedingungen zu erfolgen hat, sind flächendeckende Gewässertypen in allen Mitgliedsstaaten heute die grundlegende Voraussetzung für die Umsetzung dieser gesetzlichen Vorgabe. Definitionen und Methodik der Gewässertypisierung Im Folgenden werden einige Definitionen zum Themenkreis der Gewässertypisierung gegeben, die für die weiteren Darstellungen grundlegend sind. • Gewässertyp Für den Begriff des Gewässertyps finden sich verschiedene Ansätze. Ein Typus ist nach Thienemann (1954) … „ … der in anschauliche Form gebrachte Idealfall, […] [der] in der Natur nie in seiner Simplifikation, sondern stets individuell ausgestaltet vertreten ist”. In der revidierten DIN 38 410 findet sich eine kurze, moderne Definition. Danach ist ein Gewässertyp die … „idealisierte Zusammenfassung individueller Fließgewässer nach definierten gemeinsamen (z.B. morphologischen, physikalischen, chemischen, hydrologi-
6.2 Allgemeine, flächendeckende wasserwirtschaftliche … Planungsgrundlagen
219
schen, biozönotischen) Merkmalen. Die Typen natürlicher Gewässer können als Leitbilder beschrieben werden“. Den Gewässertypen liegen umfangreiche Untersuchungen ausgewählter, besonders naturnaher Referenzgewässer zugrunde. Aufgrund der weitgehenden Überformung der Landschaft Mitteleuropas – insbesondere im Tiefland – müssen die an realen Referenzgewässern gewonnenen Erkenntnisse in der Regel durch historische Daten (z.B. historische Karten und Artenlisten) und Expertenwissen ergänzt werden. Aus der Abstraktion dieser Grundlagen lässt sich der Gewässertyp ableiten und beschreiben. • Leitbild Der Begriff „Leitbild“ wird häufig synonym zu „Gewässertyp“ verwendet. Gemeinsam ist beiden, dass sie einen Bezug zur Naturnähe bzw. den „natürlichen Funktionen“ des Gewässers enthalten und als Grundlage der Bewertung eines aktuellen Zustands („Ist-Zustand“) angesehen werden können (vgl. LAWA, 1995). Ein Unterschied besteht darin, dass das Leitbild irreversible anthropogene Einflüsse auf das Gewässerökosystem einschließt (z.B. Auenlehmbildung im Mittelalter, Senkungserscheinungen infolge untertägigen Bergbaus), während der Gewässertyp definiert ist als unter bestimmten naturräumlichen Bedingungen ohne durch den Menschen verursachte Veränderungen auftretende Ausprägung eines Fließgewässers. • Gewässerlandschaften Gewässerlandschaften sind in Bezug auf die gewässerprägenden geologischen, geomorphologischen und pedologischen (bodenkundlichen) Eigenschaften quasi-homogene Landschaftsräume. Sie stellen den Verbreitungsschwerpunkt von einem bis mehreren Gewässertypen dar, die innerhalb der Gewässerlandschaft kleinräumig wechseln können. Gewässerlandschaften werden in der Regel durch Überlagerung verschiedener Grundlagenkarten (z.B. geologische Karten, Bodenkarten, hydrologische Karten, verschiedene topographische Karten) erarbeitet, dies kann manuell oder digital unter Verwendung geografischer Informationssysteme erfolgen. Sie sind kartographisch darstellbar, wobei die Grenzlinienziehung eine grobe Synthese aus unterschiedlichen Grundlageninformationen darstellt und nicht für die Typusfindung des einzelnen Gewässerlaufes überinterpretiert werden darf. • Ökoregion Die von der EG-Wasserrahmenrichtlinie vorgegebenen Ökoregionen entsprechen den zoogeografischen Großräumen, die vom bekannten Limnologen Joachim Illies (1978) in seiner „Limnofauna Europaea“ als Verbreitungsräume der limnischen Organismen angegeben werden.
220
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
Es handelt sich um im Hinblick auf das potenzielle Vorkommen bestimmter Organismen um, geografisch einheitliche Großlandschaften. Sie sind in gewisser Weise den Gewässerlandschaften vergleichbare, aber höhere, d.h. gröbere Einheiten. • Referenzgewässer Referenzgewässer sind in Bezug auf ihre Gewässermorphologie, Wasserqualität, Wasserführung und Besiedlung zumindest auf Teilstrecken möglichst naturnahe Bäche oder Flüsse, die als wichtige Grundlage für die Definition von Gewässertypen und die Aufstellung von typspezifischen Leitbildern herangezogen werden. Eine detaillierte Zusammenstellung der Anforderungen, die an Referenzgewässer vor dem Hintergrund der strengen Vorgaben der EG-Wasserrahmenrichtlinie zu stellen sind, hat das Konsortium des EU-Vorhabens AQEM erstellt (AQEMconsortium, 2002). Diese sind in Tab. 6.4 dargestellt. Tabelle 6.4 Anforderungen an Referenzgewässer (verändert; nach AQEMconsortium, 2002) Art
Anforderungen an ein Referenzgewässer
Allgemeine Anforderungen
• Repräsentativität für eine große Anzahl von Gewässern • Bedeutende Anteile „natürlicher” Bedingungen • Nur minimale anthropogene Störungen Landnutzung im Einzugsgebiet: • Einfluss von Urbanisierung, Land- und Forstwirtschaft so niedrig wie möglich • Vorzugsweise von der natürlichen Klimaxgesellschaft oder unbewirtschaftetem Wald begleitet Gewässerhabitat: • Sohle und Ufer unbefestigt • Keine Totholzräumung • Keine Wanderhindernisse, welche die Referenzstelle beeinflussen • Nur geringer Einfluss durch Hochwasserschutzmaßnahmen Ufer- und Auenvegetation: • Ufer/Auenvegetation, die eine laterale Verbindung ermöglicht, vorhanden Hydrologie und Gewässerregulierung: • Keine Veränderungen des natürlichen Regimes • Oberhalb der Referenzstelle keine oder nur leichte Veränderungen der Hydrologie durch Deiche, Reservoirs, Wehre und sonstige Strukturen, die Sedimente zurückhalten Physiko-chemische Bedingungen: • Keine bekannte punktuelle organische Belastung oder Eutrophierung • Keine bekannten oder erwarteten diffusen Belastungen • Keine Anzeichen von Versauerung • Keine Kalkung • Keine Salzbelastung • Keine Veränderung der thermischen Bedingungen
Spezifische Anforderungen
6.2 Allgemeine, flächendeckende wasserwirtschaftliche … Planungsgrundlagen
221
In der Realität der mitteleuropäischen Landschaft werden viele dieser Anforderungen nur teilweise oder gar nicht erfüllt. Für die Definition der Gewässertypen und die Darstellung der Referenzbedingungen im Sinne der EG-Wasserrahmenrichtlinie sind daher in der Regel ergänzende Methoden erforderlich wie zum Beispiel die historische Rekonstruktion, die Konstruktion (Modellierung) und das Expertenwissen. Dies gilt in besonderem Maße für Tieflandgewässer und große Fließgewässer (Flüsse), von denen meist noch nicht einmal Referenzgewässerabschnitte vorhanden sind. Gewässertypologien können für verschiedene Räume entwickelt werden, zum Beispiel ein Bundesland, die Norddeutsche Tiefebene, das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, das Rhein-Einzugsgebiet, Europa. Mit der geänderten Maßstabsebene für solche Typologien ändert sich in der Regel auch der Genauigkeitsgrad der Typen. So sind zum Beispiel in einige der für die Zwecke der EG-Wasserrahmenrichtlinie abgeleiteten Fließgewässertypen Deutschlands eine Reihe von leicht unterschiedlich ausgeprägten Typen verschiedener Bundesländer integriert worden, um die Anzahl der Typen überschaubar zu halten. Grundsätzlich sollten Gewässertypologien, die auch biozönotische Komponenten enthalten (biozönotisch bedeutsame Typen), wie es zum Beispiel für die Umsetzung der EG-Wasserrahmenrichtlinie im Hinblick auf die biologische Bewertung unerlässlich ist, ganzheitlich (holistisch) angelegt sein. Die Typbeschreibungen behandeln die morphologischen Strukturen der Gewässer, das Wasserregime, die (naturraumtypische) geochemische Wasserbeschaffenheit und die Lebensgemeinschaften. Ein solcher Ansatz ist auch aufgrund der Wechselwirkungen dieser Kompartimente, die zusammen die Funktionalität des Ökosystems bestimmen, erforderlich. Gewässertypologien müssen daher transdisziplinär in einer Gemeinschaft verschiedener Fachdisziplinen wie der Limnologie, Geologie, Geografie/Geomorphologie, Hydrologie und möglichst auch der Vegetationskunde (Gewässer- und Auenvegetation) entwickelt werden. Die Erstellung vollständiger und biozönotisch relevanter Gewässertypologien für größere Räume erfolgt in mehreren Schritten und benötigt von der Strukturierung des Raumes und den ersten Sichtungen vorhandener Daten über die standardisierte Datenerhebung an den Referenzgewässern bis zur Erstellung des typologischen Systems und der Beschreibung biozönotischer Typen bzw. Leitbilder meist mehrere Jahre (vgl. Bild 6.5). Anforderungen der EG-Wasserrahmenrichtlinie Mit der Einführung der europäischen Wasserrahmenrichtlinie hat auch für die Bewertung der Qualität von Gewässern ein neuer Abschnitt begonnen. War diese in der Vergangenheit fast ausschließlich an abiotischen Parametern orientiert – eine der wenigen Ausnahmen ist die Bewertung der saprobiellen Belastung der Fließgewässer anhand ausgewählter Indikatoren der Wirbellosenfauna und der Mikroorganismen –, so ist nun eine Bewertung des ökologischen Gesamt-
222
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
Bild 6.5 Vorgehensweise bei der Erstellung einer Flusstypologie am Beispiel Nordrhein-Westfalens (aus LUA NRW, 2001b)
6.2 Allgemeine, flächendeckende wasserwirtschaftliche … Planungsgrundlagen
223
zustands auf Grundlage der vollständigen aquatischen Lebensgemeinschaften erforderlich (vgl. Kap. 6.2.3). Physiko-chemische und hydromorphologische Gegebenheiten werden lediglich unterstützend herangezogen. Die gesamte Bewertung erfolgt über den Vergleich mit typspezifischen Referenzbedingungen, die einem unbeeinträchtigten bzw. möglichst gering beeinträchtigten Zustand entsprechen sollen. Für die Entwicklung bzw. Beschreibung dieser typspezifischen Referenzbedingungen ist zunächst die Erstellung von Typologien erforderlich, die eine biozönotische Relevanz haben müssen, um Grundlagen einer biologischen Bewertung liefern zu können. Nicht nur für die Bewertung, auch für die Bewirtschaftung, ist die Definition von Gewässertypen erste Voraussetzung. Ein wichtiges Hilfsmittel des Flussgebietsmanagements ist die Ausweisung von Wasserkörpern, die in sich homogene Teilbereiche eines Fließgewässerkontinuums darstellen müssen. Der erste Schritt für die Bildung dieser Wasserkörper ist die konkrete, linienhafte Festlegung der an Gewässerläufen vorkommenden Gewässertypen; es müssen also zunächst ein typologisches System erstellt und alle in seinem Geltungsbereich vorkommenden Gewässertypen beschrieben werden. Zur Typisierung der Oberflächengewässer sollen gemäß der Wasserrahmenrichtlinie die Mitgliedsstaaten Lage und Grenzen der Oberflächengewässer identifizieren und diese charakterisieren (s. Anhang II der EG-WRRL). Die Unterscheidung erfolgt zunächst nach den Kategorien Fließgewässer, Seen, Übergangsgewässer und Küstengewässer. Für die weitere Differenzierung und damit die Typenbildung sind zwei verschiedene Systeme anwendbar: • System A erlaubt eine grobe Charakterisierung nach Ökoregion, Höhenlage, Einzugsgebietsgröße und Geologie (jeweils drei bis vier Kategorien) und eignet sich eher als grobes typologisches Gerüst für Länder ohne vorbereitende Arbeiten zur Gewässertypisierung. • System B enthält neben denselben groben Klassifikationsparametern von System A eine Vielzahl „optionaler Parameter“, mit deren Hilfe die biologisch relevanten Referenzbedingungen beschrieben werden können (s. Tab. 6.5). System B erlaubt aufgrund der freien Wahl optionaler Parameter die Entscheidung für biologisch bedeutsame Parameter. Dies sind zum Beispiel bei Fließgewässern die Quellenentfernung, das Säurebindungsvermögen oder die mittlere Substratzusammensetzung. Bereits mit diesen wenigen Parametern lassen sich wichtige Eigenschaften eines Typs im Hinblick auf seine Größe, den Geochemismus und die bestimmende Korngröße des Substrats beschreiben und damit wesentliche Elemente der Lebensraumbedingungen erfassen. System B erlaubt auch die Hinzufügung anderer Parameter. Die meisten Mitgliedsstaaten haben sich daher für die Verwendung des Systems B entschieden, das anders als System A in der Lage ist, biologisch relevante Typen zu definieren und zu beschreiben.
224
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
Tabelle 6.5 Typisierungsgrundlagen für Gewässer nach den Vorgaben der EG-WRRL – System B (Anhang II) Alternative Charakterisierung
Physikalische und chemische Faktoren, welche die Eigenschaften eines Fließgewässers oder eines Abschnittes desselben bestimmen und die Struktur und Zusammensetzung der Lebensgemeinschaften prägen
Obligatorische Faktoren
• • • • •
Höhe Geografische Breite Geografische Länge Geologie Größe
Optionale Faktoren
• • • • • • • • • • • • • • •
Quellenentfernung Dynamik (Abfluss- und Gefälleverhältnisse) Mittlere Gewässerbreite Mittlere Gewässertiefe Mittleres Gefälle Gerinnebettform Abflusskategorie Talform Feststofftransport Säurebindungsvermögen Mittlere Substratzusammensetzung Chloridgehalt Lufttemperaturspanne Lufttemperaturmittel Niederschlag
Wichtig ist zudem, dass die Typologie alle für die Umsetzung der EG-Wasserrahmenrichtlinie relevanten Gewässergrößen berücksichtigt, dies umfasst bei den Fließgewässern alle Größenklassen mindestens ab 10 km² oberflächlichem Einzugsgebiet, d.h. alle Wasserläufe des Gewässernetzes ab dieser Größe, vom Bach über den kleinen und großen Fluss bis hin zum Strom. Fließgewässertypologie der Bundesrepublik Deutschland Vor Einführung der EG-Wasserrahmenrichtlinie existierten auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland bereits 10 bis 15 regionale Fließgewässertypologien. Diese berücksichtigten jedoch meist nur kleinere geografische Räume. Nur wenige deckten die Gebiete einzelner Bundesländer ab. Eine das gesamte Gebiet Deutschlands abdeckende und alle vorkommenden Fließgewässergrößenklassen im Sinne der EG-Wasserrahmenrichtlinie behandelnde Typologie existierte nicht. Eine ausführliche Darstellung zur historischen Entwicklung von Gewässertypologien in Deutschland geben Sommerhäuser & Schuhmacher (2003). Es musste daher für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein flächendeckender, einheitlicher Typologieentwurf entwickelt werden, der eine Reihe von Anforderungen zu erfüllen hatte.
6.2 Allgemeine, flächendeckende wasserwirtschaftliche … Planungsgrundlagen
225
Dazu zählen: • Einheitlichkeit Eine Typologie für alle aquatischen Qualitätskomponenten (s. Kap. 6.2.3) und für alle Bundesländer • Konsensfähigkeit Akzeptanz des Verfahrens in allen Bundesländern und bei den Anwendern • Überschaubarkeit „So viele Typen wie nötig, aber so wenige wie möglich“. Damit ist eine Praktikabilität in der Anwendung gemeint, denn mit der Zahl der Typen steigt die Zahl der Wasserkörper und der notwendigen typspezifischen Bewertungsverfahren. • Biologische Relevanz Typen sollten voraussichtlich biozönotisch bedeutsam sein (Ziel: biologische Bewertung) Als generelle Grundlage der Typologie wurde die Vorgehensweise nach System B gewählt (große Flexibilität, Realitätsnähe, Aussageschärfe). Gebildet wurden die Fließgewässertypen in einem sogenannten „Top-Down“-Verfahren. Es war kurzfristig nicht möglich, für die Zwecke der EG-Wasserrahmenrichtlinie in allen Landschaftsräumen Deutschlands zahlreiche und möglichst naturnahe Gewässer nach einheitlicher Methodik im Hinblick auf ihre Morphologie und ihr biologisches Inventar zu untersuchen, um anhand dieser Datenerhebung die unterschiedlichen Gewässertypen ableiten zu können (sog. „Bottom Up“- oder „A Posteriori“-Verfahren – vgl. REFCOND, 2003). Gewählt wurde daher der umgekehrte Weg, bei dem zunächst abiotisch von den gröberen Charakteristika der Landschaft – im Wesentlichen der Geologie und Geomorphologie Deutschlands – ausgegangen und quasi „von oben herab“ („Top Down“) bis in die möglichen vorkommenden und potenziell biozönotisch relevanten Gewässertypen differenziert wird (vgl. Schmedtje et al., 2001). Dies erfolgte in fünf Schritten (s. Bild 6.6): • Schritt 1: Zunächst wurden die in der Fläche der BRD vorkommenden Ökoregionen als erste Gliederungsebene ermittelt (vereinfacht: Tiefland, Mittelgebirge, Alpen). Diese wurden zusätzlich durch die Höhenlage beschrieben, eine weitere grobe Gliederung erlaubte die einfache geologische Unterscheidung nach Karbonat- und Silikatregionen bzw. organisch geprägten Regionen.
226
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
Bild 6.6 Ablaufschema zur Entwicklung der Fließgewässertypologie Deutschlands
• Schritt 2: Innerhalb dieser Ökoregionen kann weiter in Gewässerlandschaften unterschieden werden, die bereits eine wesentlich differenziertere Vorstellung der voraussichtlich vorkommenden Gewässertypen vermitteln. Für diesen Schritt lag eine detaillierte Fachkarte von Briem (2003) vor. Die geomorphologisch gebildeten Gewässerlandschaften wurden dann aus limnologischer Sicht aggregiert, soweit davon ausgegangen werden konnte, dass bestimmte unterschiedliche Einheiten mehr oder weniger gleiche Gewässertypen hervorbringen, die für die Zwecke der EG-WRRL nicht weiter differenziert werden müssen (z.B. Zusammenfassung von Gneis-, Granit- und Schieferregionen).
6.2 Allgemeine, flächendeckende wasserwirtschaftliche … Planungsgrundlagen
227
• Schritt 3: Mit dieser Zusammenfassung waren zunächst abiotisch abgeleitete „Grundtypen“ entstanden. • Schritt 4: Diese Grundtypen wurden nun mit der Längszonierung der Fließgewässer kombiniert, dabei wurden vier Größenklassen unterschieden: Bach, kleiner Fluss, großer Fluss, Strom. Da es unumgänglich war, für die Festlegung von Monitoringstellen, die Errichtung von Datenbanken oder die kartografische Verortung der Typen Wertebereiche für diese vier Kategorien anzugeben, wurden die Größenklassen der EG-WRRL, wie sie im System A angegeben werden, verwendet. Mit diesem Schritt waren potenziell biozönotisch bedeutsame Fließgewässertypen entwickelt worden. Da nicht alle Grundtypen in allen Größenklassen vorkommen (z.B. Lössgeprägte Fließgewässer nicht als Ströme), wurden zunächst 20 Typen gebildet. Beispiel: In der Ökoregion 14 (Zentrales Flachland – in Deutschland die „Norddeutschen Tiefebene“) können als Gewässerlandschaften die Sander und sandigen Aufschüttungen abgegrenzt werden. Hier kommen schwerpunktmäßig sanddominierte Fließgewässer mit einer eigenen Tier- und Pflanzenwelt vor. Damit existiert der geomorphologische Grundtyp eines Fließgewässertyps des Tieflandes mit vorwiegend sandgeprägten Substratverhältnissen. Nun muss jedoch noch beachtet werden, dass Fließgewässer in unterschiedlichen Größenklassen auftreten, vom Bach über den kleinen und den großen Fluss bis hin zum großen Strom. Das sandgeprägte Fließgewässer beispielsweise tritt auch in mehreren Größenklassen auf, als Bach, kleiner bis großer Fluss und Strom (z.B. die Elbe). Da die Tierwelt von Bach, Fluss (die beiden Flusskategorien können in diesem Fall nicht unterschieden werden) und Strom nachweislich sehr unterschiedlich ist, konnten drei Typen gebildet werden. In Tabelle 6.6 sind das die Typen 14 („Sandgeprägte Tieflandbäche“), 15 („Sand- und lehmgeprägte Tieflandflüsse“) und 20 („Sandgeprägte Ströme“). An diesem Beispiel ist darauf hinzuweisen, dass alle Typen Idealisierungen darstellen. Sandgeprägte Fließgewässer weisen in der Regel auch andere Substratkomponenten auf. Dazu zählen Kiese, Steine, organisches Material, u.a. Totholz, Falllaub. Der Sand ist jedoch das kennzeichnende Elemente, das diese Typen von anderen abgrenzt. • Schritt 5: Die von Schmedtje et al. (2001) vorgelegte Typologie wurde als Arbeitsgrundlage von der Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) und anderen
228
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
Tabelle 6.6 Liste der Fließgewässertypen Deutschlands (Stand: Februar 2004); nähere Angaben finden sich in Pottgiesser & Sommerhäuser (2004) Region
Typen
Typen der Alpen und des Alpenvorlandes
Typ 1: Typ 2: Typ 3: Typ 4:
Fließgewässer der Alpen (2 Subtypen) Fließgewässer des Alpenvorlandes (2 Subtypen) Fließgewässer der Jungmoränen des Alpenvorlandes (2 Subtypen) Große Flüsse des Alpenvorlandes
Typen des Mittelgebirges
Typ 5: Typ 5.1: Typ 6: Typ 7: Typ 9: Typ 9.1: Typ 9.2: Typ 10:
Grobmaterialreiche, silikatische Mittelgebirgsbäche Feinmaterialreiche, silikatische Mittelgebirgsbäche Feinmaterialreiche, karbonatische Mittelgebirgsbäche Grobmaterialreiche, karbonatische Mittelgebirgsbäche Silikatische, fein- bis grobmaterialreiche Mittelgebirgsflüsse Karbonatische, fein- bis grobmaterialreiche Mittelgebirgsflüsse Große Flüsse des Mittelgebirges Kiesgeprägte Ströme
Typen des Norddeutschen Tieflandes
Typ 14: Typ 15: Typ 16: Typ 17: Typ 18: Typ 20: Typ 22: Typ 23:
Sandgeprägte Tieflandbäche Sand- und lehmgeprägte Tieflandflüsse Kiesgeprägte Tieflandbäche Kiesgeprägte Tieflandflüsse Löss-lehmgeprägte Tieflandbäche Sandgeprägte Ströme Marschengewässer (Typendifferenzierung noch nicht abgeschlossen) Rückstau- bzw. brackwasserbeeinflusste Ostseezuflüsse
Typ 11: Typ 12: Typ 19: Typ 21:
Organisch geprägte Bäche Organisch geprägte Flüsse Kleine Niederungsfließgewässer in Fluss- und Stromtälern Seeausflussgeprägte Fließgewässer
Ökoregion unabhängige Typen
Forschungsvorhaben verwendet, die mit der Entwicklung von Bewertungsverfahren befasst waren. Im Zuge dieser Arbeiten wurde eine umfangreiche Datenbank gering beeinträchtigter Referenzstellen zu möglichst allen Typen zusammengestellt. Im statistischen Verfahren der Ähnlichkeitsberechnung wurden Artenlisten zahlreicher, geeigneter Probestellen verglichen. In diesem Schritt konnten die meisten abgeleiteten Gewässertypen bestätigt werden. Wichtige Parameter der Gewässertypologie der Bundesrepublik Deutschland sind: – Obligatorische Parameter – Ökoregion (Illies, 1978) – Höhenlage (kleiner 200 m, 200 bis 800 m, größer 800 m) – Geologie (karbonatisch, silikatisch, organisch) – Größe (Einzugsgebiets-Größenklassen: 10 bis 100 km², 100 bis 1.000 km², 1.000 bis 10.000 km², größer 10.000 km²)
6.2 Allgemeine, flächendeckende wasserwirtschaftliche … Planungsgrundlagen
229
– Wichtigste optionale Parameter – Gewässerlandschaften; differenzierte Geologie und Geomorphologie – Talform – Gefälle – Dominierendes Substrat Die in den Bundesländern mit der Typologie in den letzten Jahren gewonnene Erfahrung wurde in das System und die Typenbeschreibung integriert. Da dieser Prozess noch nicht für alle Typen abgeschlossen ist, ist die deutsche Fließgewässertypologie als „lebendes Dokument“ zu verstehen, das in einem iterativen Prozess – nach längerer Erfahrung mit seiner Anwendung – weiter fortgeschrieben werden kann. Mit dem Bearbeitungsstand Februar 2004 liegen nunmehr insgesamt 24 Fließgewässertypen für Deutschland vor: Vier für die Ökoregion der Alpen und des Alpenvorlandes, acht für das Mittelgebirge, acht für das Norddeutsche Tiefland sowie vier Fließgewässertypen, die als „ökoregion-unabhängige“ Typen in verschiedenen Ökoregionen verbreitet sind. Pottgiesser & Sommerhäuser (2004) haben zu den 24 Gewässertypen Kurzbeschreibungen („Steckbriefe“) verfasst, welche die Typen im Hinblick auf ihre abiotischen (morphologisch-hydrologischen) und biotischen Eigenschaften (wesentliche Charakteristika der Lebensgemeinschaften) näher beschreiben. Die Steckbriefe erfüllen zu einem großen Teil die Anforderungen an die Beschreibungen der Referenzbedingungen, wie sie die EG-WRRL verlangt. Zu ergänzen sind noch typspezifische Artenlisten zu allen aquatischen Qualitätskomponenten. Die Fließgewässertypologie Deutschlands hat sich inzwischen in der Praxis bewährt und wird als technisches Werkzeug bei der Umsetzung der EG-WRRL offiziell seitens der LAWA und des Umweltbundesamtes (UBA) verwendet. Sie erfüllt vollständig die Anforderungen der EG-Wasserrahmenrichtlinie und ist im Umfang bzw. der Anzahl der Typen vergleichbar mit Typologien verschiedener anderer Mitgliedsländer. Gewässertypologie in der wasserwirtschaftlichen Praxis Die Verwendung von Gewässertypen bzw. Leitbildern, nicht nur für Zwecke der Gewässerbewertung, sondern auch als Orientierungshilfe bei der ökologischen Verbesserung der Fließgewässer im Rahmen von Ausbau- oder Unterhaltungsmaßnahmen, findet sich im Schrifttum bereits vor der Einführung der EG-Wasserrahmenrichtlinie (z.B. MURL, 1995). Eine zentrale Bedeutung haben Leitbilder in modernen Vorgaben wie dem „Leitfaden zur Aufstellung eines Konzeptes zur naturnahen Entwicklung von Fließgewässern“ (MUNLV, 2003b). In allen Schritten der Konzeptentwicklung ist das Leitbild essenzielle Grundlage. Es steht am Anfang der Planungsschritte, wird bei der Bewertung des Ist-Zustands des Planungsobjektes herangezogen, ebenfalls bei der Festlegung der Entwicklungsziele und damit auch bei der Erarbeitung des detaillierten Maßnahmenkonzeptes (s. Kap. 6.1).
230
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
Die einzelnen Gestaltungsmaßnahmen sollten dabei im Hinblick auf Linienführung, Profilgestaltung, Sohlensubstrate, Ufer- und ggf. Auengestaltung eng an den typspezifischen Merkmalen orientiert sein, um eine ökologische Verbesserungsmaßnahme umsetzen zu können, deren nachhaltiger Erfolg sich in der Etablierung einer typspezifischen Lebensgemeinschaft niederschlägt. Wichtiges Hilfsmittel bei vielen wasserwirtschaftlichen und planerischen Arbeitsschritten ist eine adäquate Darstellung der Gewässertypen/Leitbilder in den kartografischen Planungsgrundlagen (s. Kap. 6.1). Sogenannte „Fließgewässertypenkarten“ oder „-atlanten“ bilden die Verbreitung der ausgewiesenen Gewässertypen linienhaft ab. Sie werden in der Regel gestützt durch geografische Informationssysteme erstellt und können sowohl digital als auch analog dargestellt werden. Solche Kartenwerke wurden sowohl für einzelne Bundesländer erstellt (z.B. LUA NRW, 2003), als auch für die Fließgewässertypen Deutschlands. 6.2.2 Fließgewässerstrukturkartierung Abfluss-, Feststoff- und Morphodynamik gestalten eigendynamisch die Strukturen von Gewässerbett (Gewässersohle, Ufer) und Aue. Damit geben diese Faktoren auch die Lebensbedingungen in und an natürlichen Fließgewässern vor und bestimmen deren ökologische Funktionsfähigkeit. Die Gewässerstrukturen sind somit wesentliche Bausteine des Ökosystems Fließgewässer und Fließgewässeraue. Im Laufe der Zeit hat sich diese Strukturvielfalt unserer Flüsse und Bäche vielerorts durch sicherheits- und nutzungsorientierte wasserbauliche Maßnahmen weit von ihrem natürlichen Zustand entfernt (Kap. 3.2). Durch die Fließgewässerstrukturkartierung wurden der strukturelle Zustand und die Funktionsfähigkeit von Bächen und Flüssen einschließlich der gewässernahen Bereiche (u.a. Auen) erfasst und bewertet. Dazu gibt es zwei unterschiedliche Verfahren: das Übersichtsverfahren (u.a. BayLfW, 1999) und das VorOrt-Verfahren (u.a. LAWA, 2000a; Zumbroich et al., 1999). Leitbild für die Erhebung bei beiden Verfahren ist der natürliche bzw. der potenziell natürliche Zustand eines Fließgewässers oder eines naturnahen Referenzgewässers (s. Bild 6.7). Die Auswertung der Strukturdaten führt zu einer Einstufung in eine Bewertungsskala mit sieben unterschiedlichen Strukturklassen (s. Tab. 6.7). Die Fließgewässerstrukturkartierung ist u.a. ein wichtiges Hilfsmittel bei der Zustandsbeurteilung und für die Ableitung von Entwicklungszielen. Auch kann die Strukturkartierung fachliche Grundlage für die Raumplanung und übergeordnete Fachprogramme (z.B. Auen- oder Uferstreifenprogramme) sowie für eine ökologische Umgestaltung und Unterhaltung sein (s. Kap. 6.1). Daneben ist sie wichtig bei der Kategorisierung und Bewertung der Fließgewässer (s. Kap. 6.3) sowie für die Dokumentation der Fortschritte bei der Wiederherstellung ökologisch funktionsfähiger Strukturen über längere Zeiträume.
6.2 Allgemeine, flächendeckende wasserwirtschaftliche … Planungsgrundlagen
231
Tabelle 6.7 Gewässerstrukturklassen (angelehnt an LAWA, 2000a) Klasse Grad der Veränderungen
Farben im Plan
Kurze Beschreibung: Gewässerstruktur …
1
Unverändert
dunkelblau … entspricht dem potenziell natürlichen Zustand
2
Gering verändert
hellblau
… gering beeinflusst durch einzelne, kleinräumige Eingriffe
3
Mäßig verändert
grün
… mäßig beeinflusst durch mehrere kleinräumige Eingriffe
4
Deutlich verändert hellgrün
… deutlich beeinflusst durch verschiedene Eingriffe; z.B. in Sohle, Ufer, durch Rückstau und/ oder Nutzungen
5
Stark verändert
gelb
… ist durch Kombinationen von Eingriffen, z.B. in die Linienführung, durch Uferverbau, Querbauwerke, Stauregulierung, Anlagen zum Hochwasserschutz und/oder Nutzungen in der Aue, beeinträchtigt
6
Sehr stark verändert
orange
… ist durch Kombinationen von Eingriffen, z.B. in die Linienführung, durch Uferverbau, Querbauwerke, Stauregulierung, Anlagen zum Hochwasserschutz und/oder Nutzungen in der Aue, stark beeinträchtigt
7
Vollständig verändert
rot
… ist durch Eingriffe in die Linienführung, durch Uferverbau, Querbauwerke, Stauregulierung, Anlagen zum Hochwasserschutz und/oder durch Nutzungen in der Aue vollständig verändert
Unter Federführung der Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) wurden die Fließgewässerstrukturen in der Bundesrepublik Deutschland erfasst und in einer bundesweiten Übersichtskarte dargestellt (LAWA, 2001). Diese Karte umfasst ca. 33.000 Kilometer Fließgewässer, wobei künstlich geschaffene Gewässer, wie zum Beispiel Kanäle, nicht berücksichtigt wurden. Sie sollen u.a. die Veränderungen der Gewässerstrukturen im Vergleich zum natürlichen Zustand aufzeigen und auf die Erfordernisse zur Wiederherstellung gewässertypischer Strukturen hinweisen (LAWA, 2001). Die dargestellten Ergebnisse zeigen einen hohen Anteil an „deutlich veränderten“ (Strukturklasse 4) bis „vollständig veränderten“ (Strukturklasse 7) Fließgewässerabschnitten. Diese Verteilung dokumentiert den hohen Nutzungsdruck, dem viele Flüsse und Bäche ausgesetzt sind. Dagegen überwiegen „unveränderte“ (Strukturklasse 1) bis „mäßig veränderte“ (Strukturklasse 3) Gewässerabschnitte in Landschaftsräumen mit geringerem Nutzungsdruck oder niedriger Bevölkerungsdichte. Der Anteil der „unverändert“ (Strukturklasse 1) bis „mäßig verändert“ (Strukturklasse 3) bewerteten Gewässerabschnitte entspricht ca. 23 Prozent der erfassten Gewässer (LAWA, 2001).
232
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
Bild 6.7 Naturnahe, dem Leitbild weitgehend entsprechende Fließgewässer, werden bei einer Fließgewässerstrukturkartierung in die Strukturklasse 1 („unverändert“) eingestuft (Foto: P. Jürging)
Die bundesweite Übersichtskarte im Maßstab 1 : 1.000.000 ermöglicht programmatische Aussagen zur Fließgewässerstruktur und kann eine Arbeitshilfe für strategische Betrachtungen sein; detaillierte Aussagen lassen sich aus dieser Gesamtübersicht nur begrenzt ableiten. Für planungsrelevante Fragestellungen sind Karten in größeren Maßstäben erforderlich, wie diese beispielsweise teilweise von den Bundesländern herausgegeben werden (u.a. BayLfW, 2001; LUA NRW, 2001a; LUA Brandenburg, 2002; Hessisches Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Forsten, 2000; Ministerium für Umwelt und Forsten Rheinland-Pfalz, 2001). An kleineren Fließgewässern wird derzeit die Gewässerstruktur nur bei Bedarf (z.B. in Bayern grundsätzlich bei allen Gewässerentwicklungsplänen) gesondert, meist im Maßstab 1 : 25.000, erhoben. 6.2.3 Fließgewässerlandschaften Eine der wichtigsten Planungsgrundlagen u.a. zur Vorbereitung von großflächigen Fließgewässerentwicklungsmaßnahmen ist die Kartierung der abiotischen Formen und Strukturen der Gewässerlandschaften nach ihrem heutigen, potenziell natürlichen Zustand. Dieser Zustand würde sich in den Fließgewässerland-
6.2 Allgemeine, flächendeckende wasserwirtschaftliche … Planungsgrundlagen
233
schaften einstellen, wenn alle wasserbaulichen Eingriffe im jeweiligen Naturraum eingestellt würden. Im Rahmen einer Vorkartierung wurde zunächst die Topografische Karte (Maßstab 1 : 50.000 – Orohydrografische Karte) ausgewertet. Es wurden die Flächen gleicher Morphologie ermittelt und anschließend Längsprofile erstellt und Talformen kartiert. Als prägende Faktoren wurden anschließend Relief (Flachland, Mittelgebirge, Hochgebirge sowie die Prozesse Verwitterung und Abtragung) und Substrat (steinig, kiesig, sandig sowie Feinmaterialien geprägte Gewässertypen – s. Bild 6.8) betrachtet (ATV-DVWK, 2003a).
Bild 6.8 Sandgeprägtes Fließgewässer in einer sandig/lehmigen Aue, das zu den typischen Fließgewässerlandschaften der Deckgebirge, hier im Lias und Dogger, zählt (Foto: P. Jürging)
Für die Bundesrepublik Deutschland wurden in den drei geografischen Haupteinheiten Deutschlands (Norddeutsche Tiefebene, Mittelgebirge, Alpen und Alpenvorland) insgesamt 24 Fließgewässerlandschaften (einschl. Marschregionen) ausgewiesen. Diese können durchaus mehrfach, d.h. auch in verschiedenen Regionen, auftreten (ATV-DVWK, 2003a). Zur Beschreibung der Fließgewässerlandschaften wurden „Steckbriefe“ angefertigt, welche die charakteristischen Merkmale (u.a. Ausgangsmaterial, Lage im Relief/Verbreitung, Geländeformen, Talformen, Gewässerdichte, Geschiebe, Geschiebeführung, Gewässerbetten, Ufer, Auen) enthalten (ATV-DVWK, 2003a). Die Steckbriefe sollen den Anwender in die Lage versetzen, fallspezifisch gewäs-
234
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
sermorphologische Leitbilder als Bewertungs- und Planungsgrundlage abzuleiten. Die Fließgewässerlandschaften selbst sind in großformatigen Karten im Maßstab 1 : 500.000 dargestellt. 6.2.4 Biotopkartierungen Unsere Landschaft wurde durch Rationalisierung und Intensivierung nahezu aller Flächennutzungen vieler Strukturelemente entledigt, d.h. immer einförmiger und eintöniger. Eine systematische Inventarisierung der Landschaft wurde deshalb unter Naturschutzgesichtspunkten immer dringlicher, nicht zuletzt auch im Hinblick auf die Umsetzung der Naturschutzgesetze. Heute liefern hierzu bundesweit Biotopkartierungen wichtige Grundlagen. Die ersten Biotopkartierungen fanden bereits in den 1970er-Jahren auf Länderebene statt, zum Beispiel in Bayern (Kaule, 1979) und Baden-Württemberg. Diese Kartierungen von schützenswerten Flächen, die auf der Grundlage von Karten im Maßstab 1 : 50.000 festgehalten wurden, hatten den Charakter einer Übersichtskartierung ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Inzwischen konnte in fast allen Bundesländern in einem zweiten Durchgang eine genauere Datenerhebung, meist auf Ebene der Landkreise, im Maßstab 1 : 25.000, abgeschlossen werden. Parallel dazu wurden in vielen Städten auch sogenannte Stadtbiotopkartierungen erarbeitet.
Bild 6.9 Bei Biotopkartierungen werden alle naturnahen Lebensräume, wie zum Beispiel auch Altgewässer, erfasst, beschrieben und in Karten eingetragen (Foto: P. Jürging)
6.2 Allgemeine, flächendeckende wasserwirtschaftliche … Planungsgrundlagen
235
Bei den Biotopkartierungen handelt es sich um selektive Geländeerhebungen der aus naturschutzfachlicher Sicht besonders wertvollen Flächen mit ihren Pflanzen- und Tiergemeinschaften sowie eventuellen Besonderheiten (Bild 6.9). Zumindest auf Länderebene wurde dabei methodisch einheitlich vorgegangen, um die Vergleichbarkeit der erhobenen Daten zu gewährleisten. Die erarbeiteten Informationen werden in Form von Daten, in Sicht- und Auswertungsprogrammen sowie Karten mit erläuternden Begleittexten zur Verfügung gestellt. In den Bundesländern haben die kartierten Biotope als „geschützte Biotope“ nach § 30 BNatSchG Eingang in die Naturschutzgesetzgebung gefunden (s. Kap. 5.3.4). Diese flächenbezogenen Daten sind naturschutzfachliche Grundlage für Biotopschutz- und Biotopverbundplanungen, Landschaftsrahmenpläne, Landschaftspläne, aber auch für Bauleitplanung, Eingriffs- und Ausgleichsplanungen u.a. Planungen in der Landschaft. Das Hauptziel von Biotopkartierungen ist es, die noch vorhandenen schutzwürdigen Lebensräume mit ihrem genetischen Potenzial in Zukunft vor negativen Veränderungen wie Standortnivellierung oder Intensivierung zu bewahren, damit in unserer Landschaft ein Mindestmaß an biologischer und struktureller Vielfalt, aber auch charakteristischer Eigenart erhalten bleibt. In ausgeräumten Landschaften kann die Biotopkartierung helfen, notwendige Programme zu Biotopverbesserungen bzw. Biotopneuschaffungen im Hinblick auf einen Biotopverbund zu erarbeiten (z.B. Arten- und Biotopschutzprogramme). 6.2.5 Arten- und Biotopschutzprogramme Der Mensch ist auf die Nutzung der Naturgüter angewiesen. Damit dies weiterhin möglich ist, sind die Naturgüter so zu nutzen, dass die Funktionen des Naturhaushaltes nicht überfordert werden. Dazu ist es u.a. notwendig, die Lebensräume mit ihrer Artenvielfalt zu erhalten und die Situation örtlich und landesweit zu verbessern, d.h. die ökologisch noch intakten Bereiche in unserer Landschaft zu sichern, in verarmten Bereichen die Entwicklung und den Verbund der Lebensräume durch Optimierung und Biotopneuschaffungen zu fördern und sonstige Maßnahmen für Natur und Landschaft an dieser Zielsetzung auszurichten (Bild 6.10). Auf Länderebene, auf Landkreisebene und auch für kreisfreie Städte wurden hierzu vielfach Fachkonzepte für den Naturschutz und die Landschaftspflege entwickelt. Grundlage dieser sogenannten Arten- und Biotopschutzprogramme (ABSP) sind u.a. die vorhandenen Biotopkartierungen (s. Kap. 6.2.4). Arten- und Biotopschutzprogramme – oder vergleichbare Programme – enthalten, ohne unmittelbare rechtliche Verbindlichkeit, naturschutzfachliche Vorgaben. Im Einzelnen sind dies allgemeine naturschutzfachliche Aussagen (u.a. zu Geologie, Böden, Schutzgebiete), Angaben zu den vorkommenden Pflanzen- und Tierarten sowie zu den auf naturräumliche Untereinheiten bezogenen Lebensraumtypen und, als Ergebnis, vordringlich erforderliche Naturschutzmaßnahmen.
236
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
Bild 6.10 Im Rahmen von Arten- und Biotopschutzprogrammen werden u.a. Schutz- und Entwicklungskonzepte erarbeitet, die auch eine Vernetzung von Biotopen (Biotopverbund), zum Beispiel von isoliert in einer landwirtschaftlich genutzten Aue liegenden Altgewässern, vorsehen (Foto: P. Jürging)
Zu den dargestellten Lebensraumtypen gehören auch wasserwirtschaftlich bedeutsame Gebiete, wie Fließgewässer mit ihren Auen, Stillgewässer, Moore, Nass- und Feuchtwiesen. Auf der Basis dieser Lebensraumtypen wird ein Schutz- und Entwicklungskonzept des Naturschutzes und der Landschaftspflege erarbeitet, um vielfältige Schutzmaßnahmen (u.a. Ausweisung von Schutzgebieten, Naturschutz- und Landschaftspflegeprogramme, Ankauf oder Pacht ökologisch wertvoller Flächen) aufeinander abzustimmen. Damit soll eine Vernetzung von Biotopen (Biotopverbund) erreicht und so ein wesentlicher Beitrag zur Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen geleistet werden. 6.2.6 Natura 2000 Dieses Projekt soll Arten und Lebensräume innerhalb der Europäischen Gemeinschaft in einem internationalen Biotopverbundnetz schützen und damit die biologische Vielfalt dauerhaft erhalten und wieder erhöhen. Bestandteile dieses europäischen Schutzgebietsnetzwerkes Natura 2000 werden die Schutzgebiete gemäß der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (sog. FFH-Gebiete) und die Schutzgebiete der EU-Vogelschutz-Richtlinie sein.
6.3 Gewässerkategorien und Fragen der Bewertung
237
Wichtige Voraussetzungen für die Meldung der FFH-Gebiete liefern vor allem die Biotopkartierungen mit ihren umfassenden Grundlagenerhebungen über die Lebensräume für gefährdete Tier- und Pflanzenarten. Darauf aufbauend sind, wie es von den europäischen Naturschutz-Richtlinien für Natura 2000Gebiete gefordert wird, Konzeptionen für Schutzstrategien, Managementpläne sowie Monitoring- und Bewertungsverfahren bis zum Jahre 2006 zu entwickeln (BfN, 1998c). Die Arbeiten für Natura 2000 werden noch für etliche unserer schützenswerten Fließgewässer mit ihren Auen anzufertigen sein. 6.3
Gewässerkategorien und Fragen der Bewertung Grundlage für jede gewässerbezogene Planung ist die Festlegung von Zielzuständen, den sogenannten Entwicklungszielen, die sich an den naturräumlichen Gegebenheiten, anthropogenen Restriktionen sowie sozioökonomischen Aspekten orientieren. Für Fließgewässer gibt das gewässertypspezifische Leitbild dabei die Richtung der Gewässerentwicklung vor, ohne dass der mit dem Leitbild beschriebene Zustand jedoch erreicht werden muss (s. auch Kap. 4.2 und 6.2.1). Aus der Bewertung des Ist-Zustands im Abgleich zu den Entwicklungszielen ergibt sich das Maßnahmenkonzept der Gewässerentwicklungsplanung. Bild 6.11 verdeutlicht die Vorgehensweise und die Bedeutung von Gewässertyp und Bewertung in diesem Prozess. Die zwei Säulen der Gewässerbewertung in Deutschland waren in der Vergangenheit das Saprobiensystem, mit dem anhand der Kleintierfauna der Grad organischer Verschmutzung indiziert werden kann, sowie die Gewässerstruk-
Bild 6.11 Ablaufschema vom Planungsobjekt zur Gewässerentwicklungsplanung (verändert; aus LUA, 1999)
238
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
turkartierung (vormals Strukturgütekartierung), die Aufschluss über den Grad der Verbauung und Beeinträchtigungen der natürlichen Strukturvielfalt gibt. Das Saprobiensystem wurde in den letzten Jahren einer veränderten Normung unterzogen, was zu einer umfangreichen Erneuerung der DIN 38 410 Teil 2 führte (BMU, 2003a). Das Verfahren zur Kartierung der Gewässerstruktur (Gewässerstrukturkartierung) folgt den Vorgaben der Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA, 2000a). Viele weitere Bewertungsverfahren waren eher von regionaler Bedeutung (s. Kap. 6.2.2). Die EG-Wasserrahmenrichtlinie regelt die Bewertung von Fließgewässern im europäischen Maßstab grundlegend neu. Von der Richtlinie wird ein Bewertungsrahmen vorgegeben, der zunächst sehr starr erscheint, bei genauerer Betrachtung jedoch eine flexible Bewertung des Zustands von Oberflächengewässern ermöglicht. Die formale Herangehensweise der Richtlinie erfordert den Umgang mit zunächst ungewohnten Begriffen, von denen die wichtigsten im Folgenden erläutet werden. Trotz ungewohnter Hierarchie und Begriffe entspricht die Bewertung nach den Vorgaben der EG-Wasserrahmenrichtlinie im Wesentlichen den Verfahrensweisen, die in Deutschland etabliert sind. Die EG-Wasserrahmenrichtlinie rückt nunmehr die Gewässerbewertung anhand von tierischen und pflanzlichen Organismen in das Zentrum der Betrachtung. Sie fordert die Erreichung eines „guten chemischen Zustands“ und eines „guten ökologischen Zustands“ für alle Oberflächengewässer, die der Kategorie „natürliche Gewässer“ zugeordnet werden; letzterer wird anhand von Organismen bestimmt. Die Bewertung nach den Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie konzentriert sich auf das Gewässer selbst, die Aue und das Umland werden nur als Einflussfaktoren berücksichtigt. Hydrologie, Gewässerchemismus und Gewässermorphologie werden als unterstützende Parameter zur Bewertung des ökologischen Zustands herangezogen. 6.3.1 Gewässerkategorien gemäß EG-Wasserrahmenrichtlinie Die Wasserrahmenrichtlinie unterscheidet bei Oberflächengewässern „natürliche“, „künstliche“ und „erheblich veränderte“ Wasserkörper. Natürliche Wasserkörper sind so zu bewirtschaften, dass sie in ihrem chemischen und ökologischen Zustand nur geringfügig von dem natürlichen, vom Menschen nicht oder nahezu unbeeinflussten Zustand abweichen; dies gilt sowohl für chemische, als auch für ökologische Kriterien. Bewertungsmaßstab ist somit der „potenziell natürliche Zustand“ (Bild 6.12). Künstliche Wasserkörper wurden vom Menschen geschaffen in einem Bereich, in dem vorher kein Gewässer vorhanden war, das im Hinblick auf die Wasserrahmenrichtlinie relevant gewesen wäre. Künstliche Gewässer sind damit zum Beispiel:
6.3 Gewässerkategorien und Fragen der Bewertung
239
Bild 6.12 Natürliches Fließgewässer – Die Dhünn bei Odenthal (NRW) (Foto: A. Müller)
• • • • •
Schifffahrtskanäle (Bild 6.13) Hafenanlagen Kiesgruben, Baggerseen, Teiche Pumpspeicherkraftwerke Offene Überleitungen in andere Einzugsgebiete
Gewässer wie Talsperren, Flussstauseen und Fließgewässer, mit zum Beispiel durch Begradigung veränderter Laufführung, die erst durch den Menschen diese Ausprägung erhalten haben, gelten jedoch nicht als künstlich. Im Sinne der Wasserrahmenrichtlinie werden derartige Beeinträchtigungen als eine Änderung der Gewässerkategorie, des Gewässertyps oder der morphologischen Ausprägung bei einem bereits bestehenden Fließgewässer gewertet. Die ökologische Qualität „künstlicher Gewässer“ wird anhand ihres „ökologischen Potenzials“ bewertet. Das „ökologische Potenzial“ orientiert sich an ähnlichen natürlichen Gewässertypen oder wird theoretisch, auf der Grundlage der abiotischen Bedingungen des jeweiligen Naturraumes, abgeleitet. Erheblich veränderte Wasserkörper sind durch die menschliche Nutzung des Gewässers selbst und des direkt angrenzenden Uferbereiches in ihrem grundsätzlichen Gewässercharakter – insbesondere in ihrem hydromorphologischen Zustand – derart verändert, dass das Erreichen des guten ökologischen Zustands gefährdet ist. Maßnahmen, die zur Erreichung des guten ökologischen Zustands umgesetzt werden müssten, werden nach einem vorgegebenen Abwä-
240
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
Bild 6.13 Ein künstliches Gewässer – Der Rhein-Herne Kanal (Foto: A. Müller)
gungsprozess als nicht realisierbar eingeschätzt. In der EG-Wasserrahmenrichtlinie (Art. 4 Abs. 3 EG-WRRL) werden folgende Gründe für die Nicht-Umsetzung von Maßnahmen genannt: • das Erreichen des guten ökologischen Zustands hat signifikant negative Auswirkungen auf: – die Schifffahrt (einschließlich Hafenanlagen oder Freizeitnutzung) – Tätigkeiten, zu deren Zweck Wasser gespeichert wird, wie beispielsweise Trinkwasserversorgung, Stromerzeugung oder Bewässerung – die Wasserregulierung, den Schutz vor Überflutungen, die Landentwässerung oder – andere ebenso wichtige nachhaltige Entwicklungstätigkeiten des Menschen oder – wenn die nutzbringenden Ziele aus technischen oder Kostengründen nicht durch andere Mittel, die eine bessere Umweltoption darstellen, erreicht werden können Auch die Bewertung der ökologischen Qualität erheblich veränderter Wasserkörper („heavily modified water bodies“) erfolgt an Hand des ökologischen Poten-
6.3 Gewässerkategorien und Fragen der Bewertung
241
zials, das vergleichbar den künstlichen Gewässern bestimmt wird. Für künstliche und erheblich veränderte Wasserkörper gilt, dass sie beide den guten chemischen Zustand erreichen müssen. Die Abgrenzung erheblich veränderter Wasserkörper von sonstigen natürlichen und künstlichen Wasserkörpern wird in einer EU-Leitlinie (sog. Guidance document) der CIS-Arbeitsgruppe 2.2 (CIS = Common Implementation Strategy), „Leitfaden zur Identifizierung und Ausweisung von erheblich veränderten und künstlichen Wasserkörpern“, detailliert dargestellt (Bild 6.14). Das Identifizierungs- und Ausweisungsverfahren ist dabei als iterativer Prozess zu verstehen, bei dem durch zusätzliche Datenerfassung sowie abiotische und biotische Monitoring-Ergebnisse sowohl die Definition der Wasserkörper als auch die Identifizierung und ggf. abschließende Ausweisung als erheblich veränderter Wasserkörper revidiert werden können.
Bild 6.14 Ablaufschema zur Unterscheidung natürlicher, künstlicher und erheblich veränderter Wasserkörper gemäß CIS-Guidance Document „Leitfaden zur Identifizierung und Ausweisung von erheblich veränderten und künstlichen Wasserkörpern“
242
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
Im Rahmen des Identifizierungs- und Ausweisungsverfahrens werden in einem ersten Schritt die Gewässer in Wasserkörper unterteilt, die in natürliche und künstliche Wasserkörper unterschieden werden. In natürlichen Gewässern wird dann bewertet, ob sie „signifikant morphologisch“ verändert sind, da nur hydromorphologische Veränderungen als Gründe für eine Ausweisung als „erheblich veränderter Wasserkörper“ zugelassen sind. Als Bewertungswerkzeug für signifikante morphologische Veränderungen bietet sich in Deutschland das Verfahren zur Fließgewässerstrukturkartierung an. Die Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) schlägt eine Strukturklasse schlechter 5 (s. Tab. 6.7) als Signifikanzschwelle vor, um Gewässer, die gefährdet sind, den guten ökologischen Zustand zu erreichen, von den ungefährdeten Wasserkörpern abzutrennen (LAWA, 2003). Dieser Schritt erfolgt damit – zumindest in der ersten Gefährdungsabschätzung – auf Grundlage ausschließlich abiotischer Parameter. In Zukunft soll die Gefährdungsabschätzung durch eine Kombination dieses Verfahrens mit Ergebnissen biologischer Bewertungen vorgenommen werden. Sind die morphologischen Degradationen, die zu einer schlechten Strukturbewertung geführt haben, nicht umfassend, tief greifend und dauerhaft, und sind auch die gewässertypspezifischen Charakteristika der Biozönose, trotz bestehender Defizite, noch zu erkennen, so ist dieser Wasserkörper zwar als gefährdet, den guten ökologischen Zustand zu erreichen, einzustufen, jedoch nicht als „erheblich veränderter Wasserkörper“. Erst wenn der Wasserkörper auf Grund anthropogener Eingriffe in die Hydromorphologie „in seinem Wesen erheblich verändert“ ist, kann dieser Wasserkörper vorläufig als „potenziell erheblich verändert“ identifiziert werden. „In seinem Wesen erheblich verändert“ kann zum Beispiel bedeuten: • der Wasserkörper verändert scheinbar die Kategorie (z.B. Talsperre: im potenziell natürlichen Zustand ein Fließgewässer; im Ist-Zustand ein Stillgewässer) • der Wasserkörper ändert scheinbar den Typ (z.B. kleiner Fluss unterhalb Talsperre mit Grundablass: durch Veränderung im Geschiebehaushalt, Abflussund Temperaturregime stellen sich Bedingungen wie in einen Bachoberlauf ein) • der Wasserkörper ist in allen relevanten hydromorphologischen Bedingungen verändert, d.h. – eine Gerinnebettdynamik fehlt vollständig, – es dominieren erosive oder sedimentative Bedingungen, die dem Gewässertyp nicht entsprechen (massives Erosionsprofil, völlige Verschlammung des Gewässergrundes), – die Gewässersohle ist befestigt und versiegelt, – die Durchgängigkeit ist durch Querbauwerke unterbrochen und – die Biozönose zeigt keine Ähnlichkeit zur gewässertypspezifischen Lebensgemeinschaft, zum Beispiel durch Artenverarmung, geringe Diver-
6.3 Gewässerkategorien und Fragen der Bewertung
243
sität, Dominanz von Allerweltsarten und abweichende Zusammensetzung in den funktionalen Typen der Habitatansprüche (z.B. Dominanz von Arten mit untypischen Präferenzen für Nahrungsaufnahme – Filtrieren wie Kriebelmücken (Simuliidae) im Bach-Oberlauf oder untypische Strömungspräferenzen – Tellerschnecken (Planorbidae) im Mittelgebirgsfluss). Wasserkörper, die als „signifikant morphologisch beeinträchtigt“ und auch „grundsätzlich in ihrem Wesen verändert“ eingestuft werden, dürfen als „vorläufig erheblich veränderte Wasserkörper“ identifiziert werden. Die Reversibilität dieser Veränderungen soll gemäß des CIS-Guidance Document in dieser ersten Stufe noch nicht berücksichtigt werden. Jedoch bietet die Einbeziehung der Rückbaumöglichkeit in eindeutigen Fällen (geringes Rückbaupotenzial für Fließgewässer in enger Siedlungslage, hohes Rückbauspotenzial bei Wehr- und Stauanlagen ohne aktuelle Nutzung) den Vorteil, dass sich die Anzahl vorläufig identifizierter von letztendlich ausgewiesenen „erheblich veränderten Wasserkörpern“ nur wenig unterscheidet. Nach der vorläufigen Identifizierung als „erheblich veränderter Wasserkörper“ ist in einem zweiten Schritt zu überprüfen, ob Maßnahmen des Rückbaus bzw. der Umnutzung, die zur Erreichung des guten ökologischen Zustands notwendig wären, realisiert werden können. Aus sozioökonomischen Gründen ist von einer Umsetzung dieser Maßnahmen abzusehen, wenn diese … • • • • •
die bestehenden Nutzungen verhindern oder signifikant beeinträchtigen, technisch nicht realisierbar sind, nicht die bessere Umweltoption sind, negative Auswirkungen auf die weitere Umgebung haben oder unverhältnismäßig teuer sind.
Ein Wasserkörper, der auf Grund des dargestellten Abwägungsprozesses in der menschlichen Nutzung verbleibt und hierdurch den guten ökologischen Zustand nicht erreichen kann, kann letztlich als „erheblich veränderter Wasserkörper“ ausgewiesen werden. Um jedoch mögliche Änderungen in der Nutzung bzw. einen Strukturwandel im Laufe der Zeit berücksichtigen zu können, muss der Identifizierungs- und Ausweisungsprozess alle sechs Jahre wiederholt werden. 6.3.2 Bewertung von Fließgewässern Die ökologische Bewertung von Fließgewässern nach den Vorgaben der EGWasserrahmenrichtlinie erfolgt in erster Linie über die dort lebende aquatische Biozönose sowie unterstützend über hydromorphologische und physikalisch-
244
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
chemische Kenngrößen. Die biologische Bewertung wird mittels vier Organismengruppen, die als Qualitätskomponenten bezeichnet werden, vorgenommen. Diese sind: • Phytobenthos (am Gewässergrund lebende Algen) und Makrophyten (höhere Wasserpflanzen) • Phytoplankton (im Wasser treibende Algen) • Makrozoobenthos (Kleintiere der Gewässersohle) und • Fische Dieser Ansatz basiert auf der Erkenntnis, dass verschiedene Organismengruppen auf unterschiedliche Einflussgrößen („Stressoren“) reagieren. Während pflanzliche Organismen vor allem das Maß der Eutrophierung widerspiegeln, indizieren Fische gewässerstrukturelle Veränderungen; das Makrozoobenthos reagiert sowohl auf organische Verschmutzung und Versauerung als auch – in geringerem Maße – auf Veränderungen der Gewässerstruktur. Darüber hinaus sind kleine Organismen (z.B. Kieselalgen), die Bestandteil des Phytobenthos sind, in der Lage, sehr kleinräumige Veränderungen widerzuspiegeln und innerhalb eines kurzen Zeitraumes auf eine Belastung reagieren, während größere Organismen (z.B. Fische) erst über größere Abschnitte und längere Zeiträume Reaktionen zeigen. Durch Berücksichtigung verschiedener Organismengruppen soll daher eine Bewertung erreicht werden, die über verschiedene Stressoren und über unterschiedliche Zeit- und Raumskalen integriert (Bild 6.15). Für die Gewässerbewertung mit den genannten Organismengruppen müssen zudem folgende Prinzipien berücksichtigt werden:
Bild 6.15 Schematische Darstellung der Eignung verschiedener Organismengruppen zur Bewertung des Einflusses unterschiedlicher Stressoren
6.3 Gewässerkategorien und Fragen der Bewertung
245
• Unterschiede in der Lebensgemeinschaft (Biozönose) zweier Gewässer können – vereinfacht dargestellt – zwei verschiedene Ursachen haben: – Lebensgemeinschaften können auf natürlicherweise unterschiedlichen Bedingungen beruhen Dazu zählen zum Beispiel die Unterschiede bei den Wassertemperaturen und bei der Substratzusammensetzung beim Vergleich von Gebirgs- und Tieflandgewässern. Derartige Unterschiede sind Bestandteil der Gewässertypologie. – Unterschiede können in der Belastung der Gewässer begründet sein Diese Unterschiede sind für die Gewässerbewertung von Belang. Um sicherzustellen, dass natürliche (gewässertypologische) Unterschiede in der Lebensgemeinschaft nicht die von Belastungen hervorgerufenen Unterschiede verdecken, erfolgt die Bewertung gewässertypspezifisch. Für jeden Gewässertyp werden, falls notwendig, leicht unterschiedliche Verfahren und Zielzustände definiert. Dies trägt zudem der Tatsache Rechnung, dass zum Beispiel Tieflandflüsse viel sensibler auf organische Verschmutzungen reagieren als Gebirgsbäche. Die deutschen Gewässertypen, die somit „Grundeinheiten“ der Bewertung sind, werden in Kap. 6.2.1 beschrieben. • Die Bewertung erfolgt durch den Vergleich der vorgefundenen Situation mit einer „Referenz“. Der Referenzzustand beschreibt die Situation eines Gewässers oder Gewässertyps unter vom Menschen nicht veränderten Bedingungen. Referenzen können entweder anhand weitgehend naturnaher Gewässer beschrieben werden, die unverschmutzt, nicht versauert und unverbaut sind und in deren Einzugsgebiet keine sonstigen Belastungen auftreten, die sich auf die Lebensgemeinschaft auswirken. Alternativ oder ergänzend können Referenzzustände durch historische Daten, durch Vergleich mit ähnlichen Gewässern in anderen Ökoregionen oder durch Modellierung beschrieben werden. • Die Abweichung des zu bewertenden Gewässers vom Referenzzustand wird in fünf „ökologische Zustandsklassen“ klassifiziert, die als „sehr gut“, „gut“, „mäßig“, „unbefriedigend“ und „schlecht“ bezeichnet werden. Ziel wasserwirtschaftlichen Handelns ist die Erreichung des „guten ökologischen Zustands“ aller „natürlichen Gewässer“. In Deutschland haben die detaillierten, doch verhältnismäßig abstrakten, Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie zur Entwicklung konkreter Bewertungsverfahren für die vier genannten Organismengruppen geführt. Die Methoden sind für alle Organismengruppen ähnlich und beruhen auf sogenannten „multimetrischen Verfahren“. Die Bewertung beginnt immer mit der Erstellung einer Taxaliste (Liste der vorkommenden Tierarten bzw. -gruppen und ihrer Häufigkeit). Um eine möglichst hohe Vergleichbarkeit verschiedener Proben zu erreichen und sicherzustellen, dass Abweichungen vom Referenzzustand tatsächlich auf einer Belas-
246
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
tung und nicht auf methodischen Unterschieden beruhen, ist es von großer Bedeutung, die Beprobung von Gewässern zu vereinheitlichen. Das Verfahren, das in Deutschland derzeit favorisiert wird, basiert auf einer anteilmäßigen Besammlung aller Habitate im Flussbett, soweit sie watend erreichbar sind und mindestens eine Deckung von 5 Prozent erreichen. Die aufgesammelten Individuen werden bestimmt und zu einer Taxaliste zusammengestellt (Bild 6.16).
Bild 6.16 Schema einer Makrozoobenthos-Aufsammlung. Alle vorkommenden Habitate, die mindestens 5 Prozent Deckung erreichen, werden gemäß ihrer Häufigkeit berücksichtigt
Die Bewertung könnte theoretisch durch den direkten Vergleich der Taxaliste eines zu bewertenden Gewässerabschnittes mit der Taxaliste von Referenzgewässern erfolgen, zum Beispiel durch die Berechnung der relativen Ähnlichkeit von Artenvorkommen und Häufigkeiten. Dies hat jedoch den Nachteil, dass Taxalisten immer einer gewissen Variabilität unterliegen, die – neben methodischen Unterschieden – in zufälligen Schwankungen der Häufigkeit einzelner Taxa oder saisonalen Unterschieden begründet sein kann. Zudem würde der direkte Vergleich von Taxalisten nichts über die mögliche Ursache von Abweichungen aussagen. Daher werden aus der Taxaliste des zu bewertenden Gewässerabschnittes bestimmte Kennwerte (sogenannte „Metrics“) berechnet, die gegenüber zufälligen Schwankungen der Biozönose unabhängiger sind, sich aber mit zunehmender Degradation des Gewässers verändern. Im Idealfall reagieren die Metrics nur auf eine Einflussgröße, so dass aus dem Wert eines Metrics direkt auf die Ursache der Degradation geschlossen werden kann. Das für Deutschland vorgeschlagene Bewertungssystem basiert für jeden Gewässertyp auf 6 bis 8 Metrics, die drei verschiedenen Modulen zugeordnet werden (s. Bild 6.17):
6.3 Gewässerkategorien und Fragen der Bewertung
247
• Das Modul „Organische Verschmutzung“ basiert auf dem Saprobienindex nach DIN 38 410 Teil 2 in der revidierten Form. Für jeden Gewässertyp sind „saprobielle Leitbilder“ definiert, die den Referenzzustand beschreiben; der Wert des Saprobienindex wird mit dem saprobiellen Leitbild verglichen und aus möglichen Abweichungen ergibt sich die Bewertung (Rolauffs et al., 2002). • Das Modul „Versauerung“ basiert auf den Säurezustandsklassen nach Braukmann (2000). Da die Versauerung in Deutschland insgesamt zurückgeht und nur noch regional ein Problem darstellt, findet dieses Modul nur für die besonders betroffenen Gewässertypen der silikatischen Mittelgebirgsbäche Anwendung. • Das Modul „Allgemeine Degradation“ berücksichtigt die Einflüsse aller anderen Stressoren auf die Biozönose. Es basiert auf 4 bis 6 weiteren Metrics, die sich mit zunehmender Degradation verändern. Viele dieser Metrics reagieren besonders auf Veränderungen der Gewässermorphologie und spiegeln damit die Güte der Gewässermorphologie im Einzugsgebiet wider. Solche Größen sind zum Bespiel die Diversität (Vielfalt) der Biozönose (gemessen mit dem Shannon-Wiener-Index), der Anteil der „Zerkleinerer“ (Tiere, die sich von abgestorbenen Blättern und Holz ernähren) oder der Anteil rheophiler (strömungsliebender) Arten. Alle diese Informationen werden aus einer Taxaliste entnommen und separat mit entsprechenden Werten unter Referenzbedingungen verglichen; aus diesem Vergleich resultiert die Bewertung. Als Beispiel ist das Bewertungssystem für den Gewässertyp „Grobmaterialreiche silikatische Mittelgebirgsbäche“ in Bild 6.17 dargestellt.
Bild 6.17 Schema einer multimetrischen Bewertung, am Beispiel des Gewässertyps „Grobmaterialreiche silikatische Mittelgebirgsbäche“. Mit einer Taxaliste werden verschiedene Kenngrößen („Metrics“) berechnet, die separat mit den entsprechenden Werten und Referenzbedingungen verglichen werden. Aus dem Vergleich ergibt sich die Bewertung
248
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
Die Ergebnisse der Bewertung mit dem Makrozoobenthos sind auf verschiedenen Ebenen darstellbar (Tab. 6.8): • Auf der oberen Ebene ist die ökologische Zustandsklasse dargestellt. Sie ergibt sich über die geschilderten Zwischenschritte direkt aus der Taxaliste. • Auf der zweiten Ebene sind die Ergebnisse der Module dargestellt. Sie lassen Schlüsse darüber zu, ob eine mögliche Degradation zum Beispiel in organischer Verschmutzung begründet ist oder ob andere Einflussgrößen eine Rolle spielen. • Auf der dritten Ebene werden die Ergebnisse der einzelnen Metrics, die zur Bewertung herangezogen wurden, dargestellt. Sie sind insbesondere für die Maßnahmenplanung von Belang und lassen Schlüsse darüber zu, welche Renaturierungsmaßnahmen besonderen Erfolg versprechen. Aus einer Taxaliste lassen sich so, nach einem festen Schema, vielfältige Informationen zum Zustand eines Gewässers gewinnen. Tabelle 6.8 Ebenen des Outputs einer multimetrischen Bewertung Beschreibung
Anwendung
Ebene 1
Ökologische Zustandsklasse
Kartendarstellung, Verortung des Sanierungsbedarfes
Ebene 2
Ergebnisse der Bewertungsmodule
Analyse des Sanierungsbedarfes
Ebene 3
Ergebnisse der Metrics
Maßnahmenplanung
Die zur Unterstützung und Absicherung der biologischen Daten herangezogenen hydromorphologischen und physikalisch-chemischen Parameter werden gewässertypspezifisch in ihren Spannweiten den ökologischen Zustandsklassen zugeordnet. Widersprechen sich biotische und abiotische Parameter in ihrer ökologischen Zustandsklasse, so gilt die biologische Bewertung, auch wenn die abiotischen Parameter einen besseren Zustand indizieren. Zeigen jedoch die hydromorphologischen und physikalisch-chemischen Parameter eine schlechtere ökologische Zustandsklasse an als die biologische Bewertung, so gilt zunächst die abiotische Bewertung. Erst durch Nachweis und detaillierte Begründung über die Repräsentanz der biologischen Bewertung und die Fehlerspannen der abiotischen Parameter kann von dieser Vorgehensweise abgewichen werden (s. CIS-Guidance Document – REFCOND EU WG 2.3, 2003 sowie ECOSTAT – EU WG 2 A, 2003). Während die Bewertung der natürlichen Gewässer als Ergebnis den „ökologischen Zustand“ liefert, wird bei der Bewertung von künstlichen und erheblich veränderten Wasserkörpern das „ökologische Potenzial“ bestimmt. Die Bewer-
6.3 Gewässerkategorien und Fragen der Bewertung
249
tung des Potenzials erfolgt dabei im Prinzip nach den gleichen theoretischen Ansätzen wie die Bewertung natürlicher Gewässer (multimetrische Bewertungsverfahren). Grundlegender Unterschied ist die Definition von Referenzbedingungen. Als Referenzbezug gilt das „höchste ökologische Potenzial“. Dieses definiert sich entweder • über eine weitmögliche Entsprechung der Bedingungen des ähnlichsten natürlichen Gewässertyps (Anmerkung: Dies kann zum Beispiel für einen Flussstausee der Vergleich mit den Bedingungen in einer natürlichen Fluss-Seen-Kette sein)
oder • anhand einer Konstruktion der Biozönose über die abiotischen Bedingungen und das Artenpotenzial des Naturraumes. Für die „erheblich veränderten Wasserkörper“ bedeutet dies, dass für das höchste ökologische Potenzial (Referenz) nur die für diese Ausweisung ursächlichen Nutzungen als unveränderlich betrachtet werden. Jedoch wird eine Umsetzung aller weiteren ökologischen Verbesserungsmaßnahmen, ohne Berücksichtigung sozioökonomischer Aspekte, hypothetisch angenommen. Die daraus resultierenden abiotischen Bedingungen sowie das Artenpotenzial des Naturraumes bestimmen damit die Biozönose des höchsten ökologischen Potenzials und dienen als Referenz für die Bewertung. Die Bewertung des ökologischen Potenzials erfolgt, wie die Bestimmung des ökologischen Zustands, in fünf Stufen: • • • • •
Höchstes ökologisches Potenzial Gutes ökologisches Potenzial Mäßiges ökologisches Potenzial Unbefriedigendes ökologisches Potenzial Schlechtes ökologisches Potenzial
In Tabelle 6.9 werden die beiden besten Stufen als „gut“ und „besser“ zusammengefasst. Um die Bewertungsergebnisse von natürlichen, künstlichen und erheblich veränderten Wasserkörpern in der kartografischen Darstellung unterscheiden zu können, werden die beiden Letzteren durch eine zusätzliche Schraffur kenntlich gemacht. Künstliche Wasserkörper erhalten neben der Farbkennung hellgraue Streifen, erheblich veränderte Wasserkörper dunkelgraue Streifen. Neben der ökologischen Bewertung der Fließgewässer erfolgt gemäß der EG-Wasserrahmenrichtlinie noch die Bewertung des chemischen Zustands. Ziel dieser Bewertung ist es, Konzentrationen toxischer und mutagener Stoffe, die akut oder langfristig über Akkumulation wirken, zu reduzieren oder ihren Austrag gänzlich zu unterbinden. Bewertet werden Konzentrationen von prioritären und prioritär gefährlichen Stoffen, die in Anhang IX der EG-Wasser-
250
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
Tabelle 6.9 Darstellung des ökologischen Zustands und des ökologischen Potenzials von Fließgewässern gemäß EG-Wasserrahmenrichtlinie Natürliche Fließgewässer Bezeichnung
Sehr gut
Gut
Kennzeichnung – Farbe
Blau Grün
Mäßig
Unbefriedigend
Schlecht
Gelb
Orange
Rot
Schlecht
Künstliche Fließgewässer Ökologisches Potenzial Bezeichnung
Gut und Besser
Mäßig
Unbefriedigend
Kennzeichnung – Farbe
Grün – mit hellgrauen Streifen
Gelb – mit hellgrauen Streifen
Orange – mit Rot – mit hellgrauen Streihellgrauen fen Streifen
Bezeichnung
Gut und Besser
Mäßig
Unbefriedigend
Kennzeichnung – Farbe
Orange – mit Rot – mit Grün – mit Gelb – mit dunkelgrauen dunkelgrauen dunkelgrauen dunkelgrauen Streifen Streifen Streifen Streifen
Erheblich veränderte Wasserkörper Schlecht
rahmenrichtlinie und Entscheidung Nr. 2455/2001/EG des europäischen Parlamentes (L331/2) gelistet sind. Die Bewertung erfolgt in zwei Klassen: „Gut“ (grün markiert) bedeutet, dass die vorgegebenen Konzentrationen eingehalten werden. Das Überschreiten führt zur Bewertung „Schlecht“ (rot markiert). Auch „künstliche“ und „erheblich veränderte“ Wasserkörper müssen einen guten chemischen Zustand aufweisen. Die Gesamtbewertung eines Wasserkörpers ergibt sich aus der schlechteren Bewertung des ökologischen und des chemischen Bewertungsschrittes. 6.4
Hydrologische, wasserwirtschaftliche und wasserbauliche Planungsgrundlagen Der Umfang der Planungsarbeiten wird in der Regel von der Art der Maßnahme (z.B. Umgestaltung des Gewässerbettes, Anlage von Altgewässern, ökologische Verbesserung des Fließgewässers mit integrierten Hochwasserschutzmaßnahmen), von der Größe des beplanten Gewässerabschnittes sowie vom Aufwand für die Ermittlung der Planungsgrößen abhängen. Die Bereitstellung der erforderlichen Bemessungsparameter und anderer Fachinformationen kann aufwändig und deshalb mit hohen Kosten verbunden sein. Es ist ratsam, vorab festzulegen, welche Eingangsgrößen für das Vorhaben
6.4 Hydrologische, wasserwirtschaftliche und wasserbauliche Planungsgrundlagen
251
von Bedeutung sind. So wird es zum Beispiel für eine Umgestaltung eines kleinen Baches in der Regel nicht notwendig sein, die Auswirkungen von Klimaänderungen einzubeziehen. Umfasst das Projekt jedoch Hochwasserschutzmaßnahmen eines bedeutenden Flusses, ist es durchaus ratsam, bei der Festlegung des Ausbauabflusses auch etwaige klimatische Veränderungen zu berücksichtigen. Bei allen Datenerfassungs- und Auswertearbeiten sollte großen Wert auf die Kompatibilität der Daten im Hinblick auf eine Weiterverarbeitung in EDVAnlagen gelegt werden. Dazu gehören insbesondere die Verwendung von gängigen Speichermedien und Datenformaten. Die Einbindung der Ergebnisse oder Daten in andere Programmsysteme wird dadurch wesentlich erleichtert (z.B. die Übertragung von gerechneten Wasserspiegelhöhen in Geoinformationssysteme – GIS, wie zum Beispiel Geländemodelle). 6.4.1 Hydrometrie – Ermittlung von Planungsdaten Unter dem Begriff Hydrometrie wird das hydrologische Messwesen verstanden. Dazu gehören u.a. die Ermittlung von Wasserständen und Durchflüssen bzw. Abflüssen. Andere Datensammlungen enthalten geometrische Größen, wie zum Beispiel das Gewässer- bzw. Talprofil (u.a. Querschnitte, Längsschnitte und Gefälleverhältnisse). Derartige Messgrößen werden u.a. als Eingangswerte für hydrologische Auswerteverfahren (Hochwasserstatistik, Niedrigwasseranalyse, Einheitsgangslinienverfahren u.a.) sowie hydraulische (u.a. die Bestimmung der Wasserspiegellagen oder die Ermittlung der Überschwemmungsgebietsgrenzen) und hydromorphologische Berechnungen (u.a. Berechnungen zur Entwicklung der Sohlenlagen über längere Zeiträume, Geschiebebilanzen) benötigt. Das Messwesen spielt zudem eine wichtige Rolle bei der Eichung mathematischer und physikalischer Modelle. Mit zunehmender Bedeutung der Fließgewässermorphologie rücken auch Feststoffkenngrößen und die Beschreibung der Gewässerstruktur mehr und mehr in den Vordergrund. Eine Auswahl von Planungsgrößen zeigt Tabelle 6.10. Da die Verlässlichkeit des gewonnenen Datenmateriales mit der Dauer der Datenreihen ansteigt, sollten die entsprechenden Messungen bereits im Vorfeld einer Maßnahme initiiert werden. Während der Planung ist man für jede verlässliche Information dankbar. Weitere Informationen, beispielsweise die Ermittlung des ursprünglichen Gewässerverlaufes, erhält der Planer u.a. aus der Auswertung historischer Karten. Derartiges Kartenmaterial ist häufig in den Archiven der Landesvermessungsämter, Kommunen und Kirchen zu finden. Wird auf vorhandene Datenbestände zurückgegriffen, müssen diese immer auf ihre Aktualität und Gültigkeit geprüft werden. Veränderungen im Einzugsgebiet und am Gewässer oder eine Verlegung von Messstellen können deren Verwendung einschränken, wenn nicht gar ausschließen.
252
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
Tabelle 6.10 Auswahl von Planungsparametern Art
Planungsparameter
Messmethode bzw. Messverfahren
Wasserstand
• Wasserspiegel in m ü NN • Wassertiefe
• Lattenpegel • Schwimmer-Schreibpegel
Abfluss
• Fließgeschwindigkeiten in Verbindung mit Profildaten
• • • •
Messflügel, Schwimmer Tracer-Messung Ultraschallmessung Akustische Messmethode
Profildaten (Gewässerbett, Talprofile von Gewässerauen)
• • • • •
Querschnitt, Querprofil Längsschnitt Gefälle Wassertiefen Überschwemmungsgebietsgrenzen
• • • • • •
Peilstange Lot Nivellement Pegelablesung Luftbild Digitales Geländemodell
Feststoffparameter
• • • •
Korngrößenverteilung Geschiebetransport Schwebstofftransport Gesamttransport
• Sieb- oder Schlämmanalyse • Geschiebefanggerät
Morphologische Strukturen
• Begehen der Gewässer und • Gewässerbett (Böschungen Beschreiben mit Hilfe standardisierund Sohle) ter Verfahren bzw. Begriffe • Gewässernahe Bereiche (u.a. Uferstreifen) • Strukturelemente (u.a. Totholz)
6.4.2 Hydrologie und Wasserwirtschaft Unter dem Begriff „Hydrologie“ wird nach DIN 4049 Teil 1 die „Wissenschaft vom Wasser, seinen Eigenschaften auf und unter der Landoberfläche sowie in den Küstengewässern“ verstanden, während die Bezeichnung „Wasserwirtschaft“ für die „zielgerichtete Ordnung aller menschlichen Einwirkungen auf das ober- und unterirdische Wasser“ steht. Die Wasserhaushaltsgleichung ermöglicht eine quantitative Beschreibung des Wasserkreislaufes. Für ein abgegrenztes Gebiet lässt sich auf diese Weise eine Bilanz der Wasserressourcen aufstellen. Hauptparameter der Wasserhaushaltsgleichung sind: Niederschlag, Verdunstung, Versickerung (maßgeblich für die Aufteilung in ober- und unterirdischen Abfluss) und Retention (Wasserrückhalt). Veränderungen, seien es natürliche oder anthropogen bedingte, führen zu Verschiebungen in der Bilanz. Hierbei können sich bei den einzelnen Parametern sowohl sehr hohe (z.B. Extremhochwasser) als auch kleine Werte (z.B. Niedrigwasser), bis hin zu Null, d.h. bis zum Trockenfallen eines Gewässers, einstellen.
6.4 Hydrologische, wasserwirtschaftliche und wasserbauliche Planungsgrundlagen
253
Natürlicher Wasserkreislauf, Wasserhaushaltsgleichung Die Einflüsse auf den natürlichen Wasserkreislauf in einem Bearbeitungsgebiet bzw. Einzugsgebiet resultieren in mehr oder weniger großen Veränderungen der Parameter der Wasserhaushaltsgleichung: N = V + Ao + Au ± R mit N – Niederschlag im betrachteten Einzugsgebiet der Größe AE, dem Abfluss A (oberirdisch als Oberflächenabfluss Ao sowie unterirdisch als Grundwasserabfluss Au ) V – Verdunstung R – Rückhalt Wenn in einem Einzugsgebiet Wasser zurückgehalten wird, ist der Rückhalt positiv (+ R). Der Rückhalt wird negativ (– R), wenn im Einzugsgebiet gespeichertes Wasser freigesetzt wird. Neben dem Wasser-Input in Form von Niederschlägen, beeinflussen Infiltration und Wasserrückhalt (Retention) die Abflussentstehung in besonderem Maße. Infiltration Als Infiltration wird allgemein der Zugang von Wasser in die Erdrinde bezeichnet. Sie umfasst den Anteil der Niederschläge, die nach Kontakt mit der Erdoberfläche weder oberirdisch (als Oberflächenabfluss Ao) abfließen noch verdunsten. Bei der Betrachtung eines langen Zeitraumes (d.h. keine Speicherung im Bodenkörper) entspricht die Infiltration dem unterirdischem Abfluss Au. Die Infiltration wird natürlicherweise durch meteorologische Faktoren (z.B. Art, Dauer, Höhe und Intensität des gefallenen Niederschlags, Lufttemperatur, Luftdruck und Verdunstungshöhe), durch Bodenkennwerte (z.B. Bodenart und -struktur, Bodenfeuchte, Geländeneigung) und durch die Vegetation (Art des Bodenbewuchses) beeinflusst. Im Hinblick auf anthropogene Beeinflussungen der Infiltration sind insbesondere die zunehmende Oberflächenversiegelung durch Siedlungsgebiete, Strassen u.a. Nutzungen zu nennen (s. Kap. 6.5.1). Retention (Wasserrückhalt) Der Rückhalt von Wasser im Einzugsgebiet, d.h. die zeitweise Wasserspeicherung auf Pflanzenoberflächen, im Boden- und Grundwasserleiter und im Fließgewässersystem, ist eines der wichtigsten Kennzeichen einer natürlichen Fließgewässer- und Auenlandschaft. Die Wirkung der Retention auf den Abfluss ist in Bild 6.18 vereinfacht dargestellt. Durch den Wasserrückhalt (Retention) gelangt das Wasservolumen mit einem reduzierten Scheitelwert (Qmax,I > Qmax,II) und zeitlich verzögert (Verschiebung des Zeitpunkts des Auftretens des Maximalabflusses von tmax, I nach tmax, II) zum
254
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
Abfluss I
Q m a x, I Q m a x,II
A1
II A2
Zeit t m a x, I t m a x, II
Bild 6.18 Auswirkungen der Retention auf den Verlauf der Abfl flussganglinie
Abfluss. Wird der Wasserrückhalt reduziert (z.B. durch das Abtrennen der Auen vom Fließgewässer), treten häufiger höhere Abflussspitzen auf. In modernen Hochwasserschutzkonzepten (s. auch Kap. 6.4.5) sind mit den Begriffen Retention und Wasserrückhalt in der Fläche u.a. die Erhaltung bzw. Wiederanbindung der natürlichen Überschwemmungsgebiete (d.h. in der Regel die Gewässerauen) an ein Fließgewässer verbunden (u.a. Patt, 2001a; LAWA, 1995, 2000c, 2000d und 2003). Abfluss, Abflussentstehung Der Begriff „Abfluss“ umfasst den oberirdischen und den unterirdischen Abfluss. Ob der Abfluss ober- oder unterirdisch erfolgt, hängt größtenteils von der Infiltration, d.h. von der Zugangsmöglichkeit zum Bodenspeicher ab. Diesem fällt damit eine Schlüsselrolle bei der Abflussentstehung zu. Ist ein natürlich anstehender, durchlässiger Boden nicht verfestigt, hält die Infiltration in der Regel während der gesamten Regendauer an. Der versickernde Anteil fließt dem Grundwasserkörper zu und trägt damit zur Grundwasserneubildungg bei. Von dort fließt das Wasser mit geringer Verzögerung als Zwischenabfluss (Interflow) oder, zeitlich stark verzögert, als grundwasserbürtiger Abfluss dem Fließgewässer zu. Ein mit Niederschlagswasser gefüllter Bodenspeicher (z.B. nach längeren Regenperioden oder durch Schneeschmelze) oder eine großflächige Versiegelung der Bodenoberfläche (z.B. durch Frost oder Bebauung) schränken die Versickerung ein, so dass die Niederschläge unmittelbar abflusswirksam werden. Derartige Vorbedingungen führen häufig zu extremen Abflüssen im Gewässernetz. Bei der Fließgewässer- und Auenentwicklung ist der Abfluss in Verbindung mit seinen unterschiedlichen zeitlichen Bezügen (Jährlichkeiten) und abgeleiteten Größen (z.B. die Wasserstände) die wichtigste Planungsgröße [Einheit: m3/s oder l/s]. Dazu gehören Minimal- (NNQ) und Maximalwerte (HHQ) sowie die
6.4 Hydrologische, wasserwirtschaftliche und wasserbauliche Planungsgrundlagen
255
Jährlichkeiten von Hoch- und Niedrigwasserabflüssen (HQx bzw. NQx ) und der mittlere Abfluss (MQ). Bordvoller Abfluss, ist die Bezeichnung für denjenigen Abfluss, der gerade noch ohne Ausuferungen im Gewässerbett abgeführt werden kann. Er ist insbesondere im Hinblick auf die gewässerbettbildenden Prozesse, d.h. für die Strukturierung des Fließgewässers von Bedeutung (s. Kap. 6.4.3). Dahingegen ist der ökologisch erforderliche Mindestabfluss für das Überleben der Lebensgemeinschaften im Gewässer bedeutsam. Dies gilt im besonderen Maße für die Fische, da sie von einer Reduzierung des Wasserkörpers unmittelbar betroffen sind. Hydrologische Planungsgrundlagen Sind die für die Planung benötigten hydrologischen Größen nicht verfügbar oder nicht unmittelbar verwendbar, müssen diese mit Hilfe von geeigneten deterministischen oder stochastischen Verfahren ermittelt werden. Dazu gibt es eine Vielzahl von Methoden, deren Anwendungsbereiche und Genauigkeit sich mehr oder weniger an der vorhandenen Datenlage orientieren. Ergänzend dazu gibt es hydrologische Modelle, die auf mehr oder weniger abstrakte Weise die verschiedenen hydrologischen Prozesse nachbilden (z.B. NiederschlagsAbfluss-Modelle – sogenannte N-A Modelle, Speichermodelle). Hinweise zu hydrologischen Verfahren und Modellen finden sich in der Fachliteratur (u.a. Maniak, 1997 und 2001; Dyck & Peschke, 1995) sowie in den Fachveröffentlichungen der Wasserwirtschaftsverbände (u.a. in den Regelwerken von ATVDVWK und BWK). In den hydrologischen Kenngrößen spiegeln sich gemessene und/oder prognostizierte Abflüsse wider. Diese werden sowohl als Eingangsgrößen (Bemessungsgrößen) für hydraulische Berechnungen bzw. hydromechanische Modelle (z.B. für Ermittlung der Wasserspiegellagen) als auch unmittelbar als Planungsparameter verwendet. Auch bieten diese die Möglichkeit, physikalische (Modellversuchswesen) und mathematische Modelle (ein- und mehrdimensionale Modelle) zu kalibrieren und zu überprüfen. In Tab. 6.11 finden sich – stark vereinfacht – Anhaltspunkte, welche hydrologischen und wasserwirtschaftlichen Planungsgrößen bei Fließgewässer- und Auenentwicklungen berücksichtigt werden sollten. Hierbei wird zwischen einer räumlich abgegrenzten Maßnahme an einem kleinen Bach und einer Entwicklungsmaßnahme an einem Fluss mit ausgedehnten Gewässerauen unterschieden.
256
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
Tabelle 6.11 Auswahl hydrologischer und wasserwirtschaftlicher Planungsgrundlagen (stark vereinfachte Übersicht) Entwicklungsmaßnahme … … an einem kurzen Gewässerabschnitt eines kleineren Planungsparameter Fließgewässers (Bach)
… an einem größeren Fließgewässer mit ausgedehnten Auenflächen
Einzugsgebiet Beschreibung des Einzugsgebietes
–
++
Beschreibung des Gewässerverlaufes
–
++
Nutzungen im Einzugsgebiet
–
++
Größe und Grenzen des Einzugsgebietes
+
++
Einzelne Nutzungen in Gewässernähe
++
+
Niederschlag Niederschlagshöhen, -intensitäten
++
++
Jährlichkeiten, Häufigkeiten
++
++
–
++
Verdunstungshöhen
–
–
Anteil der versiegelten Flächen
–
+
Verteilung des Niederschlages im Einzugsgebiet Verdunstung
Infiltration
Oberflächenabfluss Abflussganglinien
–
+
Ökologisch erforderlicher Mindestabfluss
+
++
++
++
–
+
Ergebnisse aus numerischen Modellen Überschwemmungsgebietsgrenzen
–
++
Niederschlags-Abfluss-Modell
+
++
Wasserspiegellagenberechnung
+
++
Wassergüte, Struktur Ermittlung der Gewässerstrukturklasse
+
+
Bestimmung der Wassergüte
–
+
Jährlichkeiten Grundwasser Grundwasserspiegelhöhen
++ von Bedeutung
+ ggf. von Bedeutung
– i.d.R. von untergeordneter Bedeutung
6.4 Hydrologische, wasserwirtschaftliche und wasserbauliche Planungsgrundlagen
257
Hinweise zu einigen Begriffen in Tab. 6.11 (s. auch DIN 4049 Teil 1, Teil 2 und Teil 3): Hauptwerte – Sammelbegriff für die in der Hydrologie gebräuchlichsten statistischen Werte (z.B. Extremwerte, Mittelwerte, unter- oder überschrittene Werte) Jährlichkeiten – Wiederholungszeitspanne – Mittlere Zeitspanne, in der ein Ereignis einen Wert überschreitet bzw. unterschreitet. Niederschlags-Abfluss-Modell – Mathematisches Modell zur Ermittlung von Abflussganglinien aus einem Einzugsgebiet als Folge bestimmter Niederschlagsereignisse unter Berücksichtigung des jeweils gegebenen Abflussverhaltens Flussgebietsmodell – Flächendetailliertes mathematisches Modell zur Ermittlung von Abflussganglinien aus einem Einzugsgebiet, wobei die verschiedenartigen abflussbestimmenden Parameter (z.B. Niederschlagsgeschehen, Gebietsmerkmale, anthropogene Beeinflussungen) getrennt erfasst werden.
6.4.3 Feststofftransport und Morphologie Feststofftransport und Gewässerbettbildung sind die maßgeblichen abiotischen Faktoren bei der Fließgewässerentwicklung. Feststofftransportvorgänge umfassen sowohl den Transport von Sedimenten entlang der Gewässersohle (Geschiebe) als auch den Transport von Partikeln in der Wasserphase (Schwebstoffe) sowie Schwimmstoffe. Für den Sedimenthaushalt spielen die Schwimmstoffe eine untergeordnete Bedeutung, weshalb hier nicht näher darauf eingegangen werden soll. Während der Geschiebetransport vor allem für die morphologische Gestalt von Sohle und Ufer verantwortlich ist, beeinflusst der Schwebstofftransport maßgeblich Kolmationsprozesse, Feinmaterialablagerungen im Vorland, Verlandung von Auengewässern und Rehnenbildung. Geschiebe- und Schwebstofftrieb werden wesentlich durch die turbulenten Schwankungen des transportierenden Mediums verursacht bzw. beeinflusst. Der Transport der Schwebstoffe verläuft vergleichsweise kontinuierlich, wogegen der Geschiebetransport intermittierend und in Streifen vor sich geht. Feststofftransport Bei Feststofftransportvorgängen ist zwischen Schwebstoff- und Geschiebetransport zu unterscheiden. Schwebstofftransport Bei den Schwebstoffen handelt es sich um sehr feines, oft kohäsives Material, das im Oberlauf aus dem Sohlen- und Ufersubstrat herausgelöst wurde, aus Abriebprozessen stammt oder durch Oberflächenerosion im Einzugsgebiet (wash load) eingetragen wurde. Dem Schwebstoff kommt im Unterlauf eine erhebliche Bedeutung für den Feststoffhaushalt zu. Der Anteil an der Feststoffjahresfracht kann hier deutlich mehr als 90 Prozent betragen. Die einzelnen Partikel werden ohne Sohlenkontakt in der Strömung mitgeführt. Bei verminderter Fließgeschwindigkeit und Turbulenz können die Par-
258
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
tikel aufgrund der Schwerkraft zu Boden sinken und als Geschiebe transportiert werden bzw. sedimentieren (z.B. in Stauräumen, Vorländern, Auengewässern, Hochufern). Bei köhäsiven Partikeln kann sich aufgrund von Einflüssen aus biologischer Verfestigung, Temperatur, Salzgehalt des Wassers, Art der Tonminerale oder Kationenaustauschkapazität ein Flockungsvorgang einstellen. Mehrere Einzelteilchen verbinden sich, so dass ein Konglomerat entsteht, das ein völlig anderes Strömungs- und Transportverhalten zeigt, als die Einzelteilchen. Der Schwebstofftransport spielt vor allem in Bezug auf den Schadstofftransport eine wesentliche Rolle, da sich schädliche Substanzen bevorzugt an Partikeln mit einem Korndurchmesser von d < 20 µm wiederfinden. In Bild 6.19 ist eine typische Verteilung der Schwebstoffkonzentration über die Tiefe dargestellt. Während die Fließgeschwindigkeit an der Sohle am geringsten und an der Wasseroberfläche am größten ist, bilden sich das Schwebstoffkonzentrationsprofil und das des suspendierten Sandes genau umgekehrt aus.
Bild 6.19 Schwebstoffverteilung über die Tiefe (Skizze nach Messungen der Bundesanstalt für Gewässerkunde)
Berechnungsansätze zur quantitativen Ermittlung des Schwebstofftransportes und der transportierten Jahresfrachten sind in der Literatur detailliert beschrieben und können zum Beispiel bei Einstein & Chien (1954), Simons & Richardson (1966), Karim & Kennedy (1983), van Rijn (1984) oder Zanke (1982 und 1999) nachgeschlagen werden. Eine umfassende Übersicht über weitere Möglichkeiten zur Bestimmung des Schwebstofftransportes ist in Vetter (1992) enthalten. Geschiebetransport Der Geschiebetransport findet direkt an der Gewässersohle statt. Die Einzelkörner bewegen sich rollend, gleitend oder springend über den Boden und nehmen so direkten Einfluss auf die Gestaltung des Gewässerbettes.
6.4 Hydrologische, wasserwirtschaftliche und wasserbauliche Planungsgrundlagen
259
In Bild 6.20 sind Ergebnisse einer Messreihe, die am Oberrhein für die Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG) durchgeführt wurden, aufgetragen. Im oberen Teil ist die Verteilung des Geschiebetransportes im Gewässerquerschnitt dargestellt. Im unteren Teil sind der Messquerschnitt und der zum Zeitpunkt der Aufnahme aktuelle Wasserspiegel abgebildet. In Flüssen, die eine jahreszeitlich sehr unterschiedliche Abflusscharakteristik aufweisen, vollzieht sich der Geschiebetransport meist sehr ausgeprägt „stoßweise“. Im Extremfall kann annähernd die gesamte Geschiebejahresfracht während des Ablaufes einer Hochwasserwelle transportiert werden.
Bild 6.20 Verteilung des Geschiebetransportes in einem Gewässerquerschnitt (Skizze nach Messungen der Bundesanstalt für Gewässerkunde)
Zur Berechnung des Geschiebetransportes existieren zahlreiche Transportformeln, die sich grob in drei Klassen einteilen lassen, nämlich stochastische Ansätze, Energiemodelle und Modelle, die auf dem Vergleich der aktuellen und der kritischen Schubspannung aufbauen. Die Meyer-Peter & Müller-Gleichung basiert auf dem Grundkonzept des Schubspannungsvergleichs: mG =
ρF 3/2 8 1 ⋅ ⋅ ⋅ ⎡ ρ ⋅ g ⋅ Ir ⋅ R s – 0, 047 ⋅ ( ρF – ρw ) ⋅ g ⋅ dch ⎤⎦ [kg/(m · s)] g ρF – ρw ρw ⎣ w
τ act τ crit
mit ρF – ρW –
Feststoffdichte [kg/m3] Dichte von Wasser [kg/m3]
260
mG – Ir – dch –
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
Geschiebetrieb [kg/(m · s)] Reibungsgefälle [–] Charakteristischer Korndurchmesser [m]
⎛k ⎞ Ir = ⎜ Str ⎟ ⋅ I ⎝ kr ⎠ kStr – kr – kr = d90 –
Rauheitsbeiwert nach Manning-Strickler [m1/3/s] Koeffizient der Kornrauheit [m1/3/s] 26 6d
[m1/3/s]
90
Korndurchmesser beim 90 % -Durchgang [m]
Q RS = h ⋅ S Q mit Rs – Qs – Q –
[–]
[m]
Hydraulischer Radius für den transportwirksamen Abflussanteil [m] Transportwirksamer Abflussanteil [m3/s] Abfluss [m3/s]
Der erste Term in der eckigen Klammer der Meyer-Peter & Müller-Gleichung steht für die durch die Strömung verursachte aktuelle Sohlenschubspannung τact.. Der zweite Term beschreibt die kritische Schubspannung für den Bewegungsbeginn τcrit, bei der sich das Geschiebe mit einem charakteristischen Korndurchmesser dm bewegt. Der Term kStr/kr erfasst die durch Transportkörper erzeugte Sohlenrauheit. RS ist der hydraulische Radius für den transportwirksamen Abflussanteil (DVWK, 1992a). Für die Beurteilung des Feststofftransportes in einem Fließgewässer ist nicht nur der Momentanzustand an einem Querschnitt zu untersuchen. Es geben vor allem Vergleiche von Bilanzen über längere Zeiträume (z.B. ein Jahr) Aufschluss über die langfristige Situation und Entwicklung. Fließgewässermorphologie, Laufentwicklung Die morphologische Zonierung eines natürlichen Fließgewässers kann durch die schematische Einteilung nach Quelle, Quelllauf, Ober-, Mittel- Unter- und Mündungslauf beschrieben werden. Durch die teilweise massiven Flusskorrektionen in den beiden letzten Jahrhunderten sind jedoch kaum mehr ursprüngliche, anthropogen unbeeinflusste Gewässerlandschaften, wie sie nachfolgend kurz dargestellt sind, vorhanden. Bei der Planung einer Renaturierungsmaßnahme sollte sich der Planer oder die Planerin sowohl mit der aktuellen als
6.4 Hydrologische, wasserwirtschaftliche und wasserbauliche Planungsgrundlagen
261
auch der originären morphologischen Situation genau auseinandersetzen, um die Auswirkungen geplanter Aus- oder Umbauten, die oftmals räumlich weitreichende Veränderungen nach sich ziehen, abschätzen zu können. Die nachstehend beschriebenen Charakteristika gelten für natürliche Gerinne und sind in Bild 6.21 schematisch dargestellt. Die Charakteristik von Quelle und Quelllauf sind bestimmt von den Schwankungen der Quellschüttung sowie den geologischen und topografischen Gegebenheiten des Quellgebietes. Der relativ schmale Oberlauf zeichnet sich durch eine stark schwankende Wasserführung, hohes Gefälle und dadurch bedingt hohe Fließgeschwindigkeiten aus, die zu starken Erosionsprozessen führen können. Die Gewässersohle ist steinig bis grobkiesig und sehr strukturreich. Der überwiegende Teil des Geschiebetransportes findet üblicherweise während der Hochwässer statt, während an den übrigen Tagen des Jahres der Anteil an der Jahresfracht vergleichsweise gering ist. Im Mittellauf nimmt die Gewässerbreite zu und das Gefälle ab. Bei geschiebeführenden Bächen und Flüssen ist dieser Abschnitt durch ein dynamisches Gleichgewicht gekennzeichnet, d.h. Erosion und Sedimentation des überwiegend kiesig, sandigen Geschiebes halten sich großräumig und langzeitlich betrachtet die Waage. Die Dynamik zeigt sich durch stete Umlagerungsprozesse, die den Verlauf des Gewässers im Grundriss und Querschnitt laufend, vor allem jedoch bei Hochwasserereignissen ändern. Dies bedeutet, dass Kiesbänke wandern, Nebenarme werden zum Hauptabflussquerschnitt, wogegen ehemalige Hauptgerinne verlanden, Inseln werden abgetragen und entstehen an anderer Stelle neu. In der Talzone können großräumige Kies- oder Sandauflandungen vorhanden sein, in der sich eine vielfältige Auenlandschaft ausbilden kann. Im Übergang zu den im Unterlauf typischen Mäandern und Altarmen treten oftmals alternierende Kiesbänke auf. Der dynamischste Abschnitt eines Gewässerlaufes ist der Mittellauf. Hier reagiert der Fluss am sensibelsten auf die Veränderung von hydrologischen (z.B. erhöhte Hochwasserspitzen, veränderte Hochwasserfülle, längere Niedrigwasserperioden), hydraulischen (Fließgeschwindigkeit, Wassertiefe), sedimentologischen (z.B. vermindertes Geschiebedargebot aufgrund von Rückhalt in den Nebengewässern oder oberstrom liegenden Stauen, erhöhter Schwebstoffeintrag durch veränderte Landnutzung, veränderte Korngrößenzusammensetzung der Feststoffe) und geometrischen (u.a. Einengungen, Verbau) Kennwerten. Der Unterlauf ist gekennzeichnet durch schwaches Sohlengefälle und geringe Fließgeschwindigkeiten. Es dominiert die Ablagerung der aus dem Ober- und Mittellauf ausgetragenen Sedimente. Der relativ breite Fluss mäandriert in einer breiten Aue mit vorwiegend sandigen bis feinsandigen Ablagerungen. Weist das transportierte Geschiebe einen erheblich kleineren mittleren Korndurchmesser als der mittlere Korndurchmesser (dm) des Sohlenmateriales auf, ist dies ein Zeichen dafür, dass nur die feinen Fraktionen der Sohle transportiert werden, wohingegen die Schubspannung für die gröberen Anteile nicht ausreicht, um diese zu bewegen. Dadurch wird sich mit der Zeit eine Vergröbe-
262
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
Bild 6.21 Laufformen von Fließgewässern (nach Hütte et al., 1994)
rung der obersten Schicht der Sohle einstellen und eine sogenannte Abpflasterungsschicht bilden. Nur in seltenen Ausnahmefällen (Hochwasser) werden die kritischen Verhältnisse für den Transportbeginn dieser Grobstruktur erreicht und die Abpflasterungsschicht reißt auf (Dittrich, 1999). Im Längsverlauf eines Gewässers bilden sich je nach Zusammensetzung der Sohle bestimmte makroskalige Sohlen- und Gerinnestrukturen aus. Eine physikalische Erklärung für deren Entstehung kann bisher nicht umfassend gegeben
6.4 Hydrologische, wasserwirtschaftliche und wasserbauliche Planungsgrundlagen
263
werden. Es scheint jedoch sicher, dass das Auftreten von der Sohlenbreite, der Wassertiefe (üblicherweise bei bordvollem Abfluss) und der Kornzusammensetzung der Sohle (ausgedrückt durch einen charakteristischen Korndurchmesser, zum Beispiel dm) abhängig ist. In Bild 6.22 ist der Zusammenhang nach Da Silva (1991) für die Übergänge zwischen verzweigten Flüssen und solchen mit alternierenden Bänken oder Mäandern angegeben. Es ist leicht nachzuvollziehen, dass durch Maßnahmen wie die Verminderung der Gewässerbreite, wie im Rahmen der Flusskorrektionen der letzten 100 bis 150 Jahre geschehen, bei gleichzeitiger Erhöhung der Wassertiefe (verstärkt durch Sohlenerosion und Bildung von Uferrehnen) sich die Morphologie von einem verzweigten System entlang dem eingezeichneten Pfeil zu einem Gewässer mit alternierenden Bänken bzw. einem gestreckten Gerinne entwickelt. Ebenso kann aus Bild 6.22 abgelesen werden, wie sich das Gewässersystem bei einem Eingriff zum Beispiel in Form einer Aufweitung voraussichtlich verändern wird.
Bild 6.22 Abgrenzung der Gerinnemorphologie (nach da Silva, 1991)
Die sohlennahe Bewegung der Feststoffe ist auch verantwortlich für Mikrostrukturen, die sich an der Gewässersohle ausbilden. Diese Verformungen der Sohle (Sohlenformen – s. Bild 6.23) stehen in enger Wechselwirkung zum Abflussgeschehen und zum Feststofftransport. Unterschieden wird zwischen ebener Sohle, Riffel (Abmessungen im cmBereich), Dünen (Höhe bis zu 1/3 der Wassertiefe) und Antidünen (nur im oberen Abflussregime). Die wellenartigen Formen beeinflussen die Strömung durch einen erhöhten Sohlenwiderstand, der zum Teil aus der Kornrauheit und aus einem Anteil aus Formrauheit resultiert. Eine mögliche Stützungsmaßnahme einer Erosionsstrecke durch Zugabe von Geschiebematerial mit einer nicht dem natürlichen Material entsprechenden Sieblinie kann daher gravierende mor-
264
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
Bild 6.23 Entwicklung von Sohlenformen (aus Patt et al., 2004)
phologische Veränderungen zur Folge haben. Kriterien für das Auftreten von Transportkörpern wurden u.a. von Wieprecht (2001) zusammengestellt. Vor jeder Maßnahme, die Einfluss auf die Sedimentologie und den Feststoffhaushalt nimmt, sollte deshalb detailliert untersucht werden, wie weitreichend (räumlich und zeitlich) die Folgen des geplanten Eingriffs hinsichtlich der Feststofftransportvorgänge sind. 6.4.4 Wasser-(Fluss)-bauliche Methoden Gestaltungsmaßnahmen an einem Fließgewässer sind immer mit einem Eingriff in laufende Entwicklungsprozesse verbunden. Das gilt auch, wenn naturnahe Ausbaumethoden angewendet werden, d.h. Ausbaumethode und -materialien den naturraumtypischen Gegebenheiten angepasst sind. Ein wesentlicher Unterschied zu den konventionellen Baumethoden (z.B. Ausbau unter Verwendung von künstlichen Baustoffen, wie zum Beispiel Beton, Pflastersteinen) oder technischen Bauwerken (z.B. Abstürze oder Querbauwerke) ist jedoch, dass die naturnahen Methoden eine „Flexibilität“ bzw. einen Spielraum zur Verfügung stellen, den ein Fließgewässer für eigendynamische Entwicklungen nutzen kann.
6.4 Hydrologische, wasserwirtschaftliche und wasserbauliche Planungsgrundlagen
265
Wenn flussbauliche Maßnahmen durchgeführt werden müssen, sollten deshalb sowohl bei der Sicherung als auch bei der Initiierung eigendynamischer Entwicklungen, wo immer möglich, die Methoden des naturnahen Wasserbaus zum Einsatz kommen. Eigendynamische Fließgewässerentwicklung Fließgewässer sind dynamische Systeme, die ihr Bett und die angrenzenden Talräume durch Abfolgen von Erosion, Transport im Gewässernetz und Sedimentation unter den jeweiligen Randbedingungen ausformen. Dem angepasst entwickeln sich entsprechende charakteristische abiotische (u.a. morphologische – s. Kap. 6.4.3) und biotische Strukturen (s. Kap. 2.3.1). Ein wesentliches Gestaltungsinstrument des naturnahen Wasserbaus ist die gestaltende Kraft des fließenden Wassers, d.h. das Zulassen eigendynamischer Entwicklungsprozesse (u.a. Patt et al., 2004; Patt & Städtler, 2000). Derartige Maßnahmen zeichnen sich auch dadurch aus, dass mit Abschluss der Bauarbeiten niemals ein „fertiger Zustand“ erreicht wird, sondern lediglich ein momentaner Entwicklungsstand. Es werden lediglich Grobstrukturen vorgegeben, die anschließend durch die gestaltende Kraft des Wassers vollendet werden (Bild 6.24).
Bild 6.24 Eigendynamische Entwicklungsstrecke – Erosion und Sedimentation gestalten eine Gewässerstrecke. Ein fertiger Zustand wird niemals erreicht; alle Strukturen sind ständigen Veränderungen unterworfen (Foto: H. Patt)
Eine freie Entwicklung über längere Gewässerstrecken ist aufgrund bestehender Randbedingungen oft nicht möglich. Der limitierende Faktor ist in den meisten Fällen das Nichtvorhandensein ausreichender Entwicklungsflächen (Minor, 2000). So müssen sich die angestrebten Veränderungen häufig auf ein-
266
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
zelne Gewässerabschnitte bzw. Uferabschnitte oder auf die Verbesserung einzelner Ökosystemkomponenten beschränken (z.B. die Herstellung der Durchgängigkeit für Wanderfische). Sind Nutzungen gefährdet, kann es erforderlich werden, die eigendynamische Strukturierung eines Fließgewässers einzuschränken und Böschungen oder Uferabschnitte zu sichern. Im umgekehrten Fall können durch flussbauliche Maßnahmen eigendynamische Entwicklungen initiiert und unterstützt werden. Das gilt insbesondere dann, wenn die Laufentwicklung (Linienführung, Längsprofil, Querprofile und Gewässerbettstrukturen) durch bestehende Gerinneausbauten derart festgelegt ist, dass ohne Initialmaßnahmen keine Veränderungen möglich sind. Tabelle 6.12 enthält Hinweise, wie durch die Eigendynamik des Fließgewässers die ökologischen Bedingungen verbessert werden können. Bei der Planung müssen die dargestellten Entwicklungsmöglichkeiten an die lokalen Gegebenheiten angepasst werden, wobei auch Maßnahmenkombinationen sinnvoll sein können. Flussbauliche Maßnahmen, Instrumentarium Sind bei der Fließgewässerentwicklung flussbauliche Maßnahmen erforderlich, kann auf ein Instrumentarium verschiedenster Baumethoden zurückgegriffen werden. Die Palette reicht vom konventionellen Ausbau bis hin zu den Methoden des naturnahen Wasserbaus bzw. der Ingenieurbiologie (s. auch Patt et al., 2004; Schiechtl & Stern, 2002; DVWK, 1997c). Welche Methode im konkreten Fall bei einer Fließgewässerentwicklungsmaßnahme zum Einsatz kommt, welche Kombinationen ggf. sinnvoll sind, dies alles kann nur unter Berücksichtigung der lokalen Gegebenheiten festgelegt werden. Tabelle 6.13 soll daher nur einen Überblick über die Einsatzmöglichkeiten verschiedener flussbaulicher Maßnahmen verschaffen, die dazu bereit stehenden Baumethoden vorstellen und deren Wirkungen im Hinblick auf strukturelle Veränderungen aufzeigen. Hierbei wird besonders hervorgehoben, dass flussbauliche Maßnahmen – je nach Ausführung und Anwendung – naturraumtypische Entwicklungen fördern oder verhindern können. Die unterschiedlichen Wirkungsweisen (Sicherung oder Mobilisierung) flussbaulicher Methoden sollen am Beispiel der Buhne etwas detaillierter erläutert werden (s. u.a. Weber et al., 2000; Spannring & Seus, 2000). Buhnen sind dammartige, massive Bauwerke, die quer im Gewässerbett liegen, jedoch nicht über die gesamte Gewässerbreite reichen. Durch die Einengung des Querschnittes wird die Durchflussbreite verringert und damit die Wassertiefe erhöht. Die vergrößerte Wassertiefe bewirkt erhöhte Schubspannungen, so dass die Gewässersohle im unverbauten Profilbereich stärker beansprucht wird. Eine ggf. einsetzende Sohlenerosion dauert solange an, bis sich ein Gleichgewichtszustand zwischen angreifender Strömung und Widerstandskraft der Sohle eingestellt hat. In den strömungsberuhigten Buhnenfeldern zwischen den einzelnen Buhnen kommt es zu Verlandungen.
• Entfernen der Ufersicherungen • Auslenkung der Strömung durch Wasserbauwerke (zum Beispiel Buhnen) • Verwendung von Totholz, Sturzbäumen o.a. Strukturelementen • Herausnahme oder Extensivierung der Nutzungen in Gewässernähe bzw. in den Auen • Öffnen oder Auflassen von Dämmen oder Deichen, um die Überflutungsdynamik wieder herzustellen. • Anpassung der Fließgewässerunterhaltung (z.B. Einstellen der Unterhaltung, Extensivierung; Anpassung der Unterhaltung) • Anlage bzw. ständige oder periodische Wiederanbindung von Altgewässern • Anlage eines Bewuchssaumes (Uferstreifen) • Aktive oder passive Neubegründung von Auenwald auf Flächen, die aus der Nutzung genommen wurden. • Erhöhung der Vielfalt an morphologischen Strukturen und der ökologischen Reliefstrukturen • Wiederansiedlung von Bibern
• Auenrevitalisierung; Herstellung naturnaher Auenstrukturen Nutzungen bis an den • Naturschutzfachliche Aufwertung der Gewässerauen; Funktion Gewässerrand; ggf. von Auen als Lebensraum, für die Längs- und Quervernetzung Einträge von Schadstoffen mit anderen Ökosystemen verbessern ins Fließgewässer • Raum für morphologische Entwicklungsprozesse bereitstellen • Abstandsfunktion gegen Stoffeinträge aus dem Hinterland nutzen; Puffer- und Filterwirkung der Auenbereiche nutzen oder • Beschattung des Fließgewässers durch Gehölzsäume • Landschaftsbild erhalten bzw. den naturraumtypischen Gegebenheiten entsprechend entwickeln Intensive Nutzungen • Verbesserung bzw. Wiederherstellung der Vernetzungsfunktion in der Gewässeraue der Fließgewässer • Reduzierung der Kosten der Gewässerunterhaltung
Maßnahmen bzw. Instrumentarium
Ausgebautes Fließgewässer • Herstellung einer naturnahen Linienführung eines Fließgewässers mit stark veränderter Linienführung
Defizit am Fließgewässer – Ist-Zustand
Entwicklungsziele
Tabelle 6.12 Eigendynamische Fließgewässerentwicklungen – Defizite, Sanierungsziele, wasserbaulicher Maßnahmenkatalog bzw. Instrumentarium (idealisiert)
6.4 Hydrologische, wasserwirtschaftliche und wasserbauliche Planungsgrundlagen 267
• • • •
• Gewässeraufweitungen • Gefällereduzierung durch lokale Maßnahmen (z.B. Sohlenschwellen, Rampen) • Grobkornanreicherung, Geschiebezugabe • Vorlandabgrabungen • Vergrößerung des Abflussprofils • Auflassen der Störstelle • Veränderung des Strömungsprofils durch flussbauliche Maßnahmen • Lokale Sicherung
Eindämmen anthropogen • Verringerung der Tiefenerosion • Erhaltung bzw. Wiederherstellung der Durchgängigkeit bedingter Einflüsse, untypische, kontinuierliche in die Nebengewässer Eintiefung der Gewässer- • Schutz der Ufer vor Schäden sohle
Kolkbildung an Engstellen, • Sicherung der Bausubstanz in Gewässernähe Brückenpfeilern u.ä.
Entnahme der Sohlenbefestigung bzw. Verrohrung Entnahme der Ufersicherungen Anpassung der Gewässerunterhaltung Einbringen von Totholz
Maßnahmen bzw. Instrumentarium
Ausgebautes Gewässerbett; • Verbesserung der Gewässerbettstrukturen Verrohrung • Naturschutzfachliche Aufwertung; Habitatverbesserung
Defizit am Fließgewässer – Ist-Zustand
Entwicklungsziele
Tabelle 6.12 (Fortsetzung) Eigendynamische Fließgewässerentwicklungen – Defizite, Sanierungsziele, wasserbaulicher Maßnahmenkatalog bzw. Instrumentarium (idealisiert)
268 6 Planung der Fließgewässerentwicklung
6.4 Hydrologische, wasserwirtschaftliche und wasserbauliche Planungsgrundlagen
269
Tabelle 6.13 Flussbauliche Maßnahmen, Baumethoden und mögliche Wirkungen im Hinblick auf Ausbau (Festlegung, Sicherung) und Strukturverbesserung (naturraumtypische Entwicklung) Flussbauliche Maßnahme
Baumethode
Ziele bzw. Wirkungen im Fließgewässer
Einbau eines Längsverbaus
• • • • • • • • • • • •
Röhrichtpflanzung Böschungsrasen Gehölzpflanung Rauhbaum Faschinenbündel Flechtzaun Spreitlage Buschlage Steinverbau Steinsatz Steinwurf Steinwurf mit Steckhölzern • Trockenmauer
Festlegung (Ausbau) • Verhinderung von Seitenerosion; Sicherung eines Uferabschnittes Einsatz im Rahmen von Entwicklungsmaßnahmen Naturnah ausgeführt, kann die Maßnahme … • die Strukturierung eines Gewässerabschnittes verbessern • die Längs- und Quervernetzung herstellen bzw. verbessern • die Entwicklung von Lebensräumen fördern
Einbau von Buhnen
• • • • •
Festlegung (Ausbau) • Verhinderung von Seitenerosion; Sicherung eines Uferabschnittes Einsatz im Rahmen von Entwicklungsmaßnahmen Entsprechend ausgeführt, kann die Ausbaumethode u.a. • eigendynamische Entwicklungsprozesse initiieren sowie • die Strukturierung eines Gewässerabschnittes und die Entwicklung von Habitatstrukturen unterstützen
Einbau eines Sohlengurts
• Sohlenschwelle • Sohlengurt
Festlegung (Ausbau) • Verhinderung von Tiefenerosion; Sicherung eines Gewässerabschnittes
Ersatz von Abstürzen durch Sohlenrampen, Sohlengleiten
• Sohlenrampe • Sohlengleite • Kaskadenrampe
Festlegung (Ausbau) • Verhinderung von Tiefenerosion; Sicherung eines Gewässerabschnittes Einsatz im Rahmen von Entwicklungsmaßnahmen Naturnah ausgeführt, fördert die Maßnahme ... • die Strukturierung eines Gewässerabschnittes • die Entwicklung von Habitatstrukturen • die Durchgängigkeit eines Fließgewässers
Wurzelstockbuhne Flechtwerksbuhne Steinbuhne Steinsporn Steinkastenbuhne
270
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
Unterschieden wird zwischen inklinanten (stromaufwärts gerichtet), deklinanten (nach stromabwärts gerichtet) und rechtwinkligen (im rechten Winkel zur Streichlinie gerichtet) Buhnen (s. Bild 6.25). Buhnenkörper ... ... teilweise überströmt
.... vollständig überströmt
Deklinante Anordnung
Rechtwinklige Anordnung
Inklinante Anordnung
Bild 6.25 Strömungsbilder der verschiedenen Bauweisen von Buhnen (aus Patt et al., 2004)
6.4 Hydrologische, wasserwirtschaftliche und wasserbauliche Planungsgrundlagen
271
Rechtwinklige Buhnen wirken in Bezug auf die Auslenkung des Stromstrichs überwiegend neutral. Sie haben jedoch große Auswirkungen auf die Höhenlage der Gewässersohle. Inklinante Buhnen lenken die Strömung gegen die Ufer und können deshalb oberstrom der Buhne zu Uferangriffen führen. Die Buhnenwurzel sollte aus diesem Grunde mit einer Ufersicherung oberstrom der Buhne ergänzt werden. Mit steigendem Wasserstand und beginnender Überströmung der Buhne wird die Hauptströmung stromabwärts des Buhnenbauwerks zur Flussmitte hin abgelenkt. Deklinante Buhnen lenken die Strömung zur Flussmitte. Mit steigendem Wasserstand wird die Strömung allerdings zunehmend gegen das Ufer gerichtet, so dass die stromabwärts gelegene Uferböschung erodiert. Zur Ufersicherung sind deklinante Buhnen daher nicht geeignet. Durch deklinante Buhnen können jedoch eigendynamische Entwicklungsprozesse eingeleitet werden, so dass diese Bauform im naturnahen Wasserbau durchaus Verwendung findet. Bei allen Maßnahmen an einem Gewässer ist zu berücksichtigen, dass sich gewässerspezifische Größen wie Wassertiefe, Fließgeschwindigkeiten, Schubspannungen oder die Hochwassercharakteristik den veränderten Bedingungen anpassen. Daraus können sich Veränderungen in der sedimentologischen Zusammensetzung und somit auch der morphologischen Gestalt eines Fließgewässers ergeben (s. Kap. 6.4.3). Diese Eingriffe sind nicht nur auf den lokalen Einflussbereich beschränkt, sondern pflanzen sich sowohl nach ober- als auch nach unterstrom fort. Ökologische Verbesserungen durch einzelne wasserbauliche Gestaltungen Aufgrund vielfältiger Nutzungen eines Fließgewässers ist eine eigendynamische Entwicklung oft eingeschränkt, so dass sich die gewünschten Entwicklungsprozesse nicht einstellen können. Da die jeweiligen Nutzungen häufig nicht bzw. nicht alle aufgegeben werden können, muss man sich bei der Fließgewässerund Auenentwicklung auch mit Einzelmaßnahmen behelfen, die gezielt eine fehlende Ökosystemkomponente ersetzen sollen. Dazu zählen die Fischwanderhilfen sowie das Einbringen ins und Belassen von Totholz im Fließgewässer, die Anlage von Ufer- bzw. Uferrandstreifen, die Gestaltung von Deichen und Dämmen sowie die Anpassung der Gewässerunterhaltung. Letzteres wird gesondert in Kapitel 6.6 behandelt. Fischwanderhilfen Fischauf- und Fischabstiegsanlagen sind Bauwerke, die der Wiederherstellung der Durchgängigkeit der Fließgewässer für Fische dienen. Sie sind dort erforderlich, wo der Mensch durch die Errichtung von Querbauwerken (z.B. Staustufen, Wehre u.a.) die Fischwanderwege unterbrochen hat. Als wichtige Voraussetzungen für das Vorhandensein einer bestimmten Fischart sind, neben der Wassertemperatur und den Anteilen an gelöstem Sauerstoff, die Strömungsverhältnisse sowie die Durchgängigkeit der Sohle zu nennen.
272
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
Die Strömungsgeschwindigkeiten charakterisieren den Energieeinsatz, den die aquatischen Lebewesen aufwenden müssen, um nicht verdriftet zu werden. Das vielfältig strukturierte Sohlensubstrat wiederum bietet denjenigen Lebewesen Schutz, die sich mit Hilfe anderer Strategien einer Abdrift entziehen (z.B. der Strömung angepasstes Verhalten, Anheftung mittels Saugnäpfen, Aufenthalt in strömungsberuhigten Zonen). Der Fließrichtung folgend befindet sich der Einlauf der Fischaufstiegsanlage im Oberwasser (OW) und der Auslauf im Unterwasser (UW). Die Fische passieren eine Fischaufstiegsanlage gegen die Strömungsrichtung, während Fischabstiegsanlagen in Strömungsrichtung durchschwommen werden. Fischaufstiegsanlagen. Bei den Fischaufstiegsanlagen wird zwischen naturnahen und technischen Bauweisen unterschieden. In jeder Kategorie gibt es wiederum unterschiedliche Bauarten (s. Tab. 6.14). Tabelle 6.14 Arten von Fischaufstiegsanlagen (s. u.a. Patt et al., 2004; Städtler & Patt, 2003; FAO, 2002) Bauweisen
Bauarten
Naturnahe Bauweisen
• Naturnahes Umgehungsgerinne • Sohlenrampe • Sohlengleite
Technische Bauweisen
• • • • • • •
Beckenpass Becken-Schlitz-Pass (Heimerl & Ittel, 2002) Schlitzpass Mäander-Fischpass (Peters, 2004) Borsten-Fischpass (Hassinger, 2002) Denilpass Fischaufzüge
Fischaufstiegsanlagen in naturnaher Bauweise sind in der Regel als Rampe oder Umgehungsgerinne ausgebildet (Bild 6.26). Technische Fischaufstiegsanlagen (s. Bild 6.27 – Denilpass) leisten zur naturnahen Strukturierung der Fließgewässer keinen Beitrag. Die Herstellung der Durchgängigkeit für die Fischfauna hat hier im Vergleich zur Durchgängigkeit für die sonstige Fauna einen so hohen Stellenwert, dass der Kompromiss, den man beim Bau einer technischen Fischaufstiegsanlage immer eingeht, aufgewogen wird. Das trifft zum Beispiel für Anlagen an großen Fließgewässern mit hohen Gefällestufen zu, an denen nur mit sehr hohen Kosten naturnahe Fischaufstiegsanlagen für Langdistanzwanderfische wie den Lachs gebaut werden können. Fischabstiegsanlagen. Für Wanderfische muss aber auch der Fischabstieg sichergestellt sein. Diese flussabwärts gerichteten Wanderungen umfassen auch die Verdriftung, d.h. eine passive Art der Wanderung, welche u.a. auch Fischeier
6.4 Hydrologische, wasserwirtschaftliche und wasserbauliche Planungsgrundlagen
273
a
b Bild 6.26 Fischaufstiegsanlagen in naturnaher Bauweise (Fotos: H. Patt) a. Rampenbauwerk in älterer Bauweise – Die Steine wurden hier noch durch Beton fixiert b. Kaskadenbauweise – Die einzelnen Becken sind zugleich Ruheräume für die aufsteigenden Fische
und Brut betrifft. Besonders problematisch sind stromabwärts gerichtete Wanderungen, wenn es am Fließgewässer Wasserkraftnutzungen gibt. In den Turbinen kann es zu erheblichen Schädigungs- und Mortalitätsraten kommen. Gleiches gilt, wenn Fische in den Sog von Wasserentnahmebauwerken geraten (Schwevers, 2004). Zum Schutz der Fische werden unterschiedliche Fischschutzsysteme empfohlen. Diese umfassen u.a. Rechen, Siebe und Filter, die ein Eindringen der Fische verhindern sollen, bis hin zu Fischleitsystemen, welche die Fische an den für sie gefährlichen Stellen vorbeileiten und in Umgehungsgerinne führen. Insgesamt besteht jedoch diesbezüglich noch Forschungs- und Entwicklungsbedarf. Eine sehr umfangreiche Literaturzusammenstellung findet sich bei DVWK (1997f). Hinweise zur Gestaltung von Fischabstiegen finden sich u.a. in ATV-DVWK (2004), Dumont (2000) sowie Schwevers (2000).
274
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
Bild 6.27 Fischaufstiegsanlage in technischer Bauweise – Denil-Fischpass (Foto: E. Städtler)
Totholz Unter dem Begriff „Totholz“ werden abgestorbene verholzte Pflanzenteile, feinste Zweige, dünne Äste, dünne Stämme, dicke Äste, dicke Stämme und Sturzbäume bezeichnet (Bild 6.28). Totholz gelangt u.a. durch Wind- und Schneebruch, Böschungsabbrüche bei Hochwasser und Alterungsvorgänge von Pflanzen in die Fließgewässer. Das Einbringen ins oder Belassen von Totholz im Fließgewässer wird sehr kontrovers diskutiert. Für die Ökologen bedeutet Totholz eine naturschutzfachliche Aufwertung durch die Zunahme der Vielfalt an Gewässerbettstrukturen (u.a. Kail & Gerhard, 2003; Gerhard & Reich, 2001). Dadurch werden u.a. im aquatischen Bereich Lebens- und Rückzugsräumen für die Fließgewässerbewohner geschaffen (z.B. im Kieslückensystem). Derartige Sohlenstrukturen (offene Sand-Kies-Sohlen) sind eine unabdingbare Voraussetzung für den Lebenszyklus vieler Wanderfische (z.B. Lachs und Meerforelle), im Speziellen für die Laichablage. Das Astwerk selbst ist Siedlungsraum vieler Wirbelloser.
6.4 Hydrologische, wasserwirtschaftliche und wasserbauliche Planungsgrundlagen
275
Bild 6.28 Totholzstrukturen erhöhen die morphologische Vielfalt in einem Fließgewässer (Foto: H. Patt)
Die Betreiber von Wasserkraftanlagen und andere Nutzer sehen dagegen verständlicherweise die Probleme, die durch Totholzansammlungen (Treibholz) vor Stauanlagen, Triebwerkseinläufen und Rechenanlagen entstehen können. Einerseits kann der Betrieb der Anlagen beeinträchtigt werden, andererseits ist die Entsorgung des Totholzes durch den Kraftwerksbetreiber auf Dauer kostspielig. Auch von Seiten des Hochwasserschutzes sind Bedenken berechtigt, da Ansammlungen von Totholz die Abflussleistung von Gerinnen nachteilig beeinflussen können. Totholzansammlungen an Engstellen, wie zum Beispiel vor Brückendurchlässen oder Rohreinläufen, können nicht nur zu Ausuferungen führen, sondern auch durch lokale Kolkbildung die Stabilität gewässernaher Bauwerkes beeinträchtigen. Gleiches gilt auch für Kolke, die sich u.a. im Nahbereich einzelner Baum- und Strauchgruppen ausbilden und dort zu Umlagerungen der Gewässersohle führen können. In der Nähe von Deichen kann deren Standsicherheit auf diese Weise gefährdet werden. Wegen der positiven Effekte von Totholz auf die Gewässerfauna, sollte ggf. ein gewisser Unterhaltungsmehraufwand in Kauf genommen werden.
276
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
Gestaltung von Deichen Deiche sind ein wichtiger Bestandteil des technischen Hochwasserschutzes. Die Planung der baulichen Anlagen (u.a. Linienführung, Deichquerschnitt, Untergrund, Standsicherheit, Baustoffe und Erdarbeiten), Deichüberwachung, Deichunterhaltung, Baumaßnahmen an bestehenden Deichen und Deichverteidigung ist in DIN 19 712 geregelt. Mit dem Bau eines Deiches an einem Fließgewässer wird dessen Entwicklungsspielraum eingeschränkt. Ausschließlich an sicherheitstechnischen Erfordernissen orientierte Deichbauten sind oft auf weiter Strecke als künstliche Landschaftselemente zu erkennen (Bild 6.29).
Bild 6.29 Die Standsicherheit von Deichen bedingt technische Vorgaben, die einen Deich als Fremdkörper in einer Landschaft erscheinen lassen (Foto: H. Patt)
Bei Deichsanierungen oder der Rückverlegung von Deichen zur Wiederanbindung verlorengegangener Rückhalteräume an die Fließgewässer, bieten sich oft Möglichkeiten die Einbindung eines Deiches in die Landschaft zu verbessern und Freiräume für das Fließgewässer zu gewinnen (Husicka & Schulte, 1999). Vorgesehen werden sollte ein möglichst breites Vorland, da dann die naturnahe Gestaltung des Deiches und seiner Umgebung vereinfacht wird. Vorteilhaft sind breite Vorländer u.a. wegen • der erhöhten Sicherheit gegen die Ausbildung von Sickerwegen im Deich, • des Platzes zur Förderung eigendynamische Entwicklungsprozesse, • der Verringerung von Schäden durch Wühltiere (Bisam, Biber und Nutria – s. DVWK, 1997b – aber auch Maulwurf, Wildkaninchen, Feldmaus u.a.),
6.4 Hydrologische, wasserwirtschaftliche und wasserbauliche Planungsgrundlagen
277
• der Reduzierung der Unterhaltungskosten – wegen des größeren Abflussvolumens sind die Unterhaltungsarbeiten nicht immer zwingend erforderlich, • der abwechslungsreichen Gestaltung der Böschungen und der • Freizeit- und Erholungsnutzung (u.a. Anlage von Fuß- und Radwanderwegen sowie Rastplätze). In DIN 19 712 und in DVWK (1986b) finden sich zahlreiche Hinweise zu den möglichen Auswirkungen von Gehölzen auf Deichen, die aus Gründen der Standsicherheit beachtet werden müssen. Eine Bepflanzung ist nur dort möglich, wo die Wurzeln der Gehölze nicht in den erdstatisch erforderlichen Deichquerschnitt eindringen können. Bei der Planung der Linienführung eines Deiches sollte die vorhandene Ufervegetation berücksichtigt werden, da es vorteilhafter ist, auf bestehende Strukturen zurückzugreifen, als Neue anzulegen. Wühltiere, wie beispielsweise Biber, Bisam und Nutria, können die Standsicherheit von Deichen gefährden. Diesbezüglich ist zwischen dem Schutz wildlebender, zum Teil geschützter Tiere, die, wie zum Beispiel der Biber, sogar typisch für Fließgewässer- und Auenlandschaften sind, und den Schäden, den diese anrichten, abzuwägen (DVWK, 1997b). 6.4.5 Leitlinien des Hochwasserschutzes Die Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) hat „Leitlinien für einen zukunftsweisenden Hochwasserschutz“ erarbeitet. Zur Minimierung von Hochwasserschäden sollen die Teilstrategien • Natürlicher Wasserrückhalt in der Fläche • Technischer Hochwasserschutz und • Weitergehende Hochwasservorsorge beitragen. Diese Teilstrategien sollen sich, den jeweiligen Gegebenheiten bestmöglichst angepasst, zu einem Gesamtkonzept zusammenfügen. Darauf aufbauend sind die folgenden Leitsätze zur Schadensbegrenzung bei Hochwasser formuliert worden (u.a. LAWA, 1995; Worreschk, 1999): • Hochwasserereignisse müssen wieder als Naturereignis begriffen werden, denen der Mensch immer ausgesetzt sein wird. • Menschliche Eingriffe in den Naturhaushalt haben zu einer Verschärfung der Hochwassergefahr geführt. Diese Eingriffe sollen so weit wie möglich rückgängig gemacht, ausgeglichen und künftig vermieden werden. • Langfristige Hochwasservorsorge muss sich auf die gesamte Fläche von Flusseinzugsgebieten – auch grenzüberschreitend – erstrecken. Das Vorsorgeprinzip muss auch für Hochwasserplanungen gelten.
278
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
• Technischer Hochwasserschutz wird auch in Zukunft notwendig sein. Er soll sich allerdings vorrangig auf den Schutz von Menschenleben und hochwertiger Sachgüter beschränken. Die Belange von Naturschutz und Landschaftspflege sind zu beachten. • Jeder, der vom Hochwasser betroffen werden kann, muss auch eigene Vorsorge treffen. Hierzu muss ein entsprechendes Informations- und Vorhersagesystem eingerichtet werden. • Die menschlichen Nutzungen in Überschwemmungsgebieten sind den Gefährdungen anzupassen. Entsprechende Instrumente zur Verminderung des Gefährdungspotenzials sind zu entwickeln. • In überschwemmungsgefährdeten Gebieten ist Vorsorge gegen mögliche ökologisch negative Folgewirkungen, wie Gewässer- und Bodenverunreinigungen zu treffen. Die Hochwasseraktionspläne spiegeln die für einen Fließgewässerabschnitt gewählte Hochwasserstrategie wider. Deren Inhalte haben sich nach der Veröffentlichung der Empfehlungen der Länderarbeitsgemeinschaft Wasser weitgehend angeglichen (LAWA, 2000d). Sie haben in der Regel die in Tab. 6.15 dargestellten Inhalte.
Tabelle 6.15 Inhalte und Arbeitsschritte bei der Erstellung von Hochwasseraktionsplänen (nach den Empfehlungen der LAWA, 2000d) Inhalte
Arbeitsschritte
Grundlagen
• Besonderheiten im Aktionsgebiet • Rechtsgrundlagen
Bestandsaufnahme
• • • • •
Derzeitiger Hochwasserschutz Überschwemmungsgefährdete Bereiche Hochwassermeldesysteme/-vorhersage Hochwassergefährdungen Beschlossene Maßnahmen
Handlungsziele
• • • •
Minderung der Schadensrisiken Minderung der Hochwasserstände Verstärkung des Hochwasserbewusstseins Verbesserung der Hochwassermeldesysteme
Handlungsschwerpunkte (Maßnahmen)
• Wasserrückhalt (natürlich und technisch) • Technischer Hochwasserschutz (Deiche/ Mauern) • Vorsorgemaßnahmen (hochwasserangepasste Nutzungen, Risiko- und Gefahrenkarten für Überschwemmungsgebiete, Hochwasservorhersage)
Realisierung und Kosten
• • • •
Festlegung der Zeithorizonte Ausweisung des Mittelbedarfs Träger der Schutzmaßnahmen Erfolgskontrolle
6.4 Hydrologische, wasserwirtschaftliche und wasserbauliche Planungsgrundlagen
279
Natürlicher Wasserrückhalt in der Fläche (Hochwasser-Flächenmanagement) Bis in die 1970er-Jahre hinein wurden durch den Ausbau der Fließgewässer viele natürliche Überschwemmungsgebiete „hochwasserfrei“ gelegt, um sie „höherwertigen“ Nutzungen zuführen zu können. Aus der Erkenntnis heraus, dass die Nutzung der gewässernahen Bereiche einer der Hauptgründe für die zunehmenden Hochwasserschäden sind, erfolgte in den letzten Jahren in immer größerem Umfang eine Sicherung der noch vorhandenen natürlichen Überschwemmungsgebiete für den Hochwasserabfluss. Dort wo möglich, wird heute sogar ein Rückbau der Hochwasserdeiche in Betracht gezogen (Bild 6.30).
Bild 6.30 Die Wiederanbindung abgeschnittener Gewässerauen an die Fließgewässer ist ein wichtiger Schritt zur Verbesserung des Wasserrückhaltes in der Fläche (Foto: H. Patt)
Eine der wichtigsten Größen bei der Planung derartiger Maßnahmen ist die Ermittlung der natürlichen Überschwemmungsgebietsgrenzen. Als Grundlage für die Festlegung dienen u.a. Messdaten von abgelaufenen Hochwasserereignissen, die Dokumentation der Geschwemmsellinien oder Wasserspiegellagenberechnungen dienen. Digitale Geländemodelle ermöglichen eine präzise Nachbildung der vorhanden Geländekonturen (Hochwasserabflussquerschnitt), in die dann die Ergebnisse der hydraulischen Berechnungen übernommen werden können. Auf diese Weise lassen sich für unterschiedliche Abflüsse (Abflussjährlichkeiten) die
280
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
natürlichen Überschwemmungsgrenzen bestimmen. Diese dienen u.a. zur Festsetzung der Überschwemmungsgebiete (z.B. im Rahmen einer ordnungsbehördlichen Verordnung). Auf diesen Grundlagen werden u.a. Hochwassergefahrenkarten erstellt, aus denen Schadensart, Schadenshäufigkeit und Schadenshöhe für unterschiedliche Hochwasserabflüsse bestimmt werden können. Derartige Karten sind eine wichtige fachliche Grundlage für die Umsetzung des Hochwasserflächenmanagements in der Landes-, Regional- und Bauleitplanung sowie eine Bemessungsgrundlage für technische Hochwasserschutzmaßnahmen und für weitere Maßnahmen der Hochwasservorsorge. Technischer Hochwasserschutz Zum technischen Hochwasserschutz zählte über lange Zeit insbesondere der Ausbau der Fließgewässer (auch mit Deichen und Dämmen) und der Bau von Hochwasserrückhaltebecken. Zwischenzeitlich werden aber auch mobile Wände und lokale Schutzmaßnahmen an Objekten als vollwertige Maßnahmen des technischen Hochwasserschutzes eingesetzt (Bild 6.31).
Bild 6.31 Der technische Hochwasserschutz ist dort nicht zu vermeiden, wo der Mensch mit seinen Nutzungen zu nahe an die Gewässer heran gerückt ist. Nicht jede Nutzung rechtfertigt einen aufwändigen Hochwasserschutz (Foto: H. Patt)
Ein vereinfachtes Schema zur Auswahl einer technischen Hochwasserschutzkonstruktion zeigt Bild 6.32. Weitergehende Hochwasservorsorge Die durchgeführten Schutzmaßnahmen reichen in der Regel nicht aus, um auch für selten auftretenden Extremhochwasser ausreichenden Schutz zu bieten.
6.4 Hydrologische, wasserwirtschaftliche und wasserbauliche Planungsgrundlagen
281
Bild 6.32 Vereinfachtes Schema zur Auswahl einer technischen Hochwasserschutzkonstruktion (aus Patt, 2001a)
Die Hochwasservorsorge, d.h. der Umgang mit dem Hochwasser, soll derartige Lücken schließen. So zeigen zum Beispiel die Hochwassergefahrenkarten einem Grundstückseigentümer, welchem Überschwemmungsrisiko sein Objekt statistisch gesehen ausgesetzt ist. Entsprechend kann sich der Betroffene u.a. durch eine angepasste Bauweise schützen, sein Eigentum dem Risiko entsprechend nutzen und auf diese Weise die Hochwasserschäden minimieren. Ergänzt wird dies durch eine entsprechende Verhaltensvorsorge des Hochwasserbetroffenen und die Vorsorgemaßnahmen von Land, Landkreisen und Kommunen. Diese tragen mit Hochwasserwarnungen, Alarmierung und Einsatzplanung dazu bei, dass der einzelne Hochwasserbetroffene über die Hochwasserlage informiert wird und im Gefährdungsfall die notwendige Hilfe bereit steht. Die Information der betroffenen Anwohner ist daher ein wesentliches Kriterium der Schadensreduzierung (Bild 6.33). Ein wichtiger Bestandteil der Risikovorsorge stellt auch der Abschluss einer Versicherung dar. Hierbei wird dem Versicherungsnehmer durch die Höhe der risikoabhängigen Prämie bewusst, welche Gefährdung für sein Eigentum besteht. In besonders gefährdeten Bereichen wird der Versicherer ggf. eine Deckung ablehnen bzw. werden die Prämien derart hoch sein, dass eine wirtschaftliche Nutzung nicht mehr möglich ist (Kron, 2001; Kron & Willems, 2000).
282
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
Bild 6.33 Vorführung von mobilen Hochwasserschutzelementen. Der Bürger lernt die Hochwassergefahren zu erkennen und welche Maßnahmen zu seinem Schutz erforderlich sind (Foto: H. Patt)
Zukünftige Vorgehensweisen Hochwasserschutz ist in seiner Gesamtheit nicht kurzfristig zu realisieren. Es wird daher in der Regel ein Zeitfenster festzulegen sein, in dem alle vorhandenen Teilstrategien zu einem Gesamtkonzept zusammengeführt werden. Wichtige Bestandteile der zukünftigen Vorgehensweisen sind: • Schadensminimierung durch Bereitstellung von mehr Information Durch die Koppelung eines hydraulischen Modells (Strömungsmodell) mit einem digitalen Geländemodell können Überschwemmungsgrenzen, Wassertiefen und Strömungsgeschwindigkeiten für Abflüsse unterschiedlicher Jährlichkeiten sowohl berechnet als auch den örtlichen Gegebenheiten entsprechend grafisch dargestellt werden. In Verbindung mit Bodennutzungskarten lassen sich Risikoanalysen durchführen. Bedeutsam für die Risikoanalyse ist die bestehende Gefährdung und die Empfindlichkeit (Vulnerabilität) der gefährdeten Nutzungen. Die Einbeziehung entsprechender Kenngrößen und deren Umsetzung in einen entsprechenden Maßnahmenkatalog sind Voraussetzungen für eine wirtschaftlich ausgewogene Hochwasserschutzplanung (Plate, 1997).
6.4 Hydrologische, wasserwirtschaftliche und wasserbauliche Planungsgrundlagen
283
Hochwasserschadenspotenziale ergeben sich aus der Hochwassergefahr und den durch diese Ereignisse gefährdeten materiellen und immateriellen Güter. Das bedeutet beispielsweise, dass zwei verschiedene Gewässerabschnitte zwar Hochwassergefahren in gleicher Größe aber mit unterschiedlichen Schadenspotenzialen besitzen können, weil die von den Überflutungen bedrohten Flächen unterschiedlich genutzt werden (Bild 6.34).
a
b Bild 6.34 Die Hochwasserschadenspotenziale in urbanen Bereichen hängen in besonderem Maße von der Nutzung der gefährdeten Bereiche ab a. In ungenutzten Auenbereichen können keine oder nur geringe Schäden entstehen (Foto: H. Patt) b. In urbanen Bereichen sind die Schadenspotenzielle beträchtlich; eine gute Vorbereitung kann die Schäden aber erheblich reduzieren (Foto: E. Städtler)
• Sensibilisierung der Gewässeranlieger Keiner ist von den Auswirkungen eines Hochwassers mehr betroffen als die unmittelbaren Gewässeranlieger. Deren gute Vorbereitung trägt entscheidend dazu bei, die Hochwasserschäden und andere Beeinträchtigungen zu redu-
284
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
zieren. Die Anwohner können sich sowohl durch Bauvorsorge, d.h. Anpassung der Bauweise und der Nutzung, wie auch durch Verhaltensvorsorge, d.h. konkretes Handeln im Hochwasserfall, vorbereiten (u.a. Patt, 2001). • Umgang mit dem Restrisiko, Risikobewusstsein Der Wunsch der Betroffenen nach mehr Sicherheit äußert sich häufig in der Forderung nach einer Verbesserung der Schutzanlagen. Es ist jedoch falsch, Hochwasserschutz ausschließlich über bauliche Anlagen zu betreiben, weil – realistisch gesehen – niemals ein absoluter Schutz erreicht werden kann. Die verbesserten Schutzanlagen täuschen vielmehr eine vermeintliche Sicherheit vor und reduzieren so das Risikobewusstsein der Gewässeranlieger. Richtig ist es, den Hochwasserschutz als Umgang mit hohen Wasserständen (Hochwasser) und deren Auswirkungen zu verstehen. Das schließt keinesfalls aus, dass technische Anlagen gebaut, saniert oder erhöht werden. Es gehört aber ebenfalls dazu, dass das Risiko einer Überschwemmung den Betroffenen bekannt ist und auf diese Weise das Risikobewusstsein der hochwasserbetroffenen Gewässeranlieger erhalten bleibt. Gelingt es, den Gewässeranliegern die Präsenz dieser Gefährdung zu vermitteln, und auch über Jahre wach zu halten, ist ein bedeutender Schritt zur Reduzierung von Hochwasserschäden getan. 6.4.6 Sport, Freizeit und Erholung Fließgewässer und Auen haben sich in den letzten Jahren zu bedeutsamen Arealen für Sport, Freizeit und Erholung entwickelt. Bei der Planung, insbesondere im Hinblick auf die Beteiligung der Öffentlichkeit, muss dies berücksichtigt werden. Die meisten Freizeit- und Erholungsaktivitäten sind von bestimmten Voraussetzungen für deren Ausübung abhängig. Nicht jedes Fließgewässer bzw. jede Fließgewässeraue ist in gleicher Weise zur Ausübung bestimmter Freizeit- und Erholungsnutzungen geeignet. Eignungsvoraussetzungen spielen daher eine besondere Rolle bei der Planung bzw. Standortsuche von Freizeit- und Erholungseinrichtungen. Darüber hinaus sind sie für die Bewertung möglicher Umweltauswirkungen von Bedeutung. Die Eignung eines Standortes bzw. Fließgewässer- oder Auenabschnittes zur Ausübung bestimmter Aktivitäten wird einerseits durch allgemeine Eignungsvoraussetzungen, andererseits durch spezielle, auf die konkrete Freizeit- und Erholungsaktivität bezogene Eignungsvoraussetzungen bestimmt (s. u.a. ATV-DVWK, 2001a). Allgemeine Eignungsvoraussetzungen sind zum Beispiel das vorhandene Landschaftsbild bzw. die Qualitäten und Möglichkeiten des Landschaftserlebens (Bild 6.35), die Geländetopographie und -beschaffenheit, die Gewässerund Auenbreite, die Gewässergüte, die Erreichbarkeit mit unterschiedlichen Verkehrsmitteln, die vorhandene bzw. notwendige Infrastruktur (z.B. Ver- und
6.4 Hydrologische, wasserwirtschaftliche und wasserbauliche Planungsgrundlagen
285
Bild 6.35 Eine direkte Zugangsmöglichkeit zum Wasser und die Gestaltung flacher, ungefährlicher Uferprofile fördert das Naturerleben in besonderer Weise (Foto: W. Binder)
Entsorgungsanlagen) oder die Verträglichkeit der Freizeitnutzungen untereinander. Die speziellen Eignungsvoraussetzungen sind zunächst in solche für wassergebundene Nutzungen und solche für Freizeit- und Erholungsnutzungen in der Aue, also landgebundene Nutzungen zu unterscheiden. Es handelt sich dabei vielfach um Infrastruktureinrichtungen, ohne die bestimmte Aktivitäten nicht möglich wären. Tabelle 6.16 enthält eine Auswahl wichtiger Freizeit- und Erholungsnutzungen in Fließgewässerauen mit Hinweisen zu speziellen Eignungsvoraussetzungen. Auf die Besonderheiten von Freizeit- und Erholungsnutzungen in urbanen Bereichen, insbesondere die Naherholung, wird in Kap. 6.5.4 eingegangen. Hinweise zur Planung von Freizeit und Erholung an Fließgewässern finden sich u.a. bei ATV-DVWK (2001a), Patt et al. (2001), Patt & Schrenk (2004a und 2004b) sowie Schemel & Erbguth (2000), Schemel & Stradas (1998) und Schemel (1995).
286
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
Tabelle 6.16 Auswahl von Freizeit- und Erholungsnutzungen mit Hinweisen zu Eignungsvoraussetzungen Nutzungsart
Hinweise zu Eignungsvoraussetzungen
Auswahl wassergebundener Nutzungen Naturerlebnis Wasser Naturbeobachtung
• • • •
Naturnahe Gewässerlandschaft Zumindest punktuelle Zugangsmöglichkeit zum Wasser Gefahrlos betretbare Ufer- und Flachwasserbereiche Anbindung an Wegenetz
Baden, Schwimmen, Tauchen, Schnorcheln (v.a. an geeigneten Abgrabungsgewässern – aufgrund der Gütestandards aus der EU-Richtlinie für Badegewässer sind Baden und Schwimmen in Fließgewässern i.d.R. offiziell nicht gestattet)
• • • • • • • •
Strömungsarme, flache, gut zugängliche Uferbereiche Mindestwassertiefen Badeaufsicht Freiflächen zum Lagern und Verweilen Sanitäre Anlagen Unterhaltungsmaßnahmen Hochwassersichere Standorte für ortsfeste Anlagen Entfernung mobiler Anlagen bei Hochwassergefahr
Kanufahren
• Mindestbreite von 5 m, damit Wendungen problemlos auch für Ungeübte möglich sind • Mindestwassertiefen von 30 cm inkl. Informationen zu aktuellen Pegelständen; geeignete Ein- und Ausstiegsstellen und Zufahrten zum Auf- und Abladen der Boote • Umtragemöglichkeiten für Kanus an Stauanlagen • Warnschilder an gefährlichen Hindernissen • Wünschenswert sind Bootsgassen an Stauanlagen sowie Anlege- und Ausstiegspunkte mit Rastmöglichkeiten
Rudern
• Strömungsarme Gewässerstrecken großer bis mittlerer Fließgewässer (z.B. Stauhaltungen) • Mindestwassertiefe von ca. 0,5 m • Mindestbreite in Abhängigkeit vom Bootstyp 10-20 m • Zufahrten zum Gewässer mit Anlandungsmöglichkeiten (Stegen) bzw. Bootshäusern • Gefahrenabwendung im Bereich starker Strömungen an Wehren/Kraftwerken • Umtragemöglichkeiten bzw. Bootsgassen an Stauanlagen
• Schnell fließende naturnahe Gebirgsbäche und -flüsse, Wildwasserfahren die aufgrund der herrschenden Naturgewalt des Rafting (Befahren extremer Wassers besondere Herausforderungen an den Sportler Gewässerstrecken mittels bieten Schlauchboot) Canyoning (Begehen schwieriger • Zuwegung zu Einstiegs- (beim Canyoning) und Einsetzpunkten mit Infrastrukturen an den Ausgangs- und Canyons, Schluchten, KlammEndpunkten der Routen täler) • Abgesteckte und mit Haken und Drahtseilen gesicherte Canyoning-Routen • Informationsstellen, Warnschilder usw. zur Gefahrenabwehr Jet-Ski und Wasserskifahren
• Große, ausreichend breite Fließgewässer • Mindestwassertiefen; Zugangsmöglichkeiten zum Ufer mit geeigneten Ein- und Ausstiegsplätzen
6.4 Hydrologische, wasserwirtschaftliche und wasserbauliche Planungsgrundlagen
287
Tabelle 6.16 (Fortsetzung) Auswahl von Freizeit- und Erholungsnutzungen mit Hinweisen zu Eignungsvoraussetzungen Nutzungsart
Hinweise zu Eignungsvoraussetzungen
Motorbootfahren (Motorisiertes • Auf schiffbaren Gewässern mit entsprechender Größe und Mindestwassertiefe Schlauchboot, Kajütboot, Haus• Bootsschleppen, Bootsschleusen boot usw.) • Liegeplätze für Fahrtunterbrechungen • Dauerliegeplätze in Bootshäfen • Ver- und Entsorgungseinrichtungen Personenschifffahrt
• Große schiffbare Fließgewässer mit entsprechenden Mindestwassertiefen • Anlegestellen • Ver- und Entsorgungseinrichtungen • Anbindung der Anlegestellen an Wegenetze, Zufahrtmöglichkeiten zur Anlegestelle
Angeln
• • • •
Ausreichende Wasserqualität Zutritt und Begehbarkeit des Ufers, ggf. Stege Gute Erreichbarkeit der Standplätze Geringe Störungen durch andere Nutzergruppen
Auswahl von Nutzungen in der Aue/landgebundene Nutzungen Naturbeobachten Spazierengehen Wandern Joggen
• Attraktive Landschaftskulisse • Gute Erreichbarkeit der Wander- oder Joggingstrecke (ggf. mit Parkplatz) • An die Nutzergruppe angepasste Wegegestaltung (Linienführung, Wegebelag, Wegedimensionierung) • Geeignete Wegelängen (für Spaziergänge und Joggen vorzugsweise Rundstrecken) • Rast- und Beobachtungsmöglichkeiten • Wegeunterhaltung
Sport- und Spielgelegenheiten
• Vor allem größere ebene Freiflächen in gut erreichbarer Lage • gute verkehrstechnische Anbindung auch an Fuß- und Radwegenetze • ortsfeste Anlagen außerhalb des Überschwemmungsgebietes • Abfallentsorgung • Pflege und Unterhaltung
Lagern und Grillen
• Gute Anbindung geeigneter Freiflächen an Fuß- und Radwege • Sitzgelegenheiten, Feuerstellen (unter Beachtung gebietsweise hoher Waldbrandgefahren) • Müllentsorgung • Ggf. mobile sanitäre Einrichtungen • Oft in Kombination mit Einrichtungen wassergebundener Freizeit- und Erholungsaktivitäten (z.B. Badestellen an Abgrabungsgewässern oder Ein- und Ausstiegsstellen für Wasserwanderer, Zeltplätze)
288
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
Tabelle 6.16 (Fortsetzung) Auswahl von Freizeit- und Erholungsnutzungen mit Hinweisen zu Eignungsvoraussetzungen Nutzungsart
Hinweise zu Eignungsvoraussetzungen
Zelt- und Campingplätze
• Ortsfeste Einrichtung aufgrund der Hochwassergefahren nur außerhalb der Überschwemmungsgebiete; andernfalls räumbare Plätze mit mobilen Anlagen. • In der Regel großer Flächenbedarf mit hohem Verkehrsflächenanteil • Hoher Grünflächenanteil • Oft in Kombination mit weiterer Infrastruktur für Freizeit- und Erholungsaktivitäten und mit Zugang zum Wasser (z.B. Anlegestellen, Sport- und Spielgelegenheiten) • Ruhige Lage • Attraktives Landschaftsbild • Entfernungen zwischen verschiedenen Plätzen können sich aus durchschnittlichen Tagesstrecken von Kanuten oder Radfahrern ableiten • Absicherung über die Bauleit- und Landschaftsplanung
Radfahren Radwandern Rollschuhlaufen Inline-Skating
• Befestigte Wege: Für Radfahrer reichen oft auch wassergebundene Wegedecken oder, bei geringer Inanspruchnahme, Fahrspuren mit grünem Mittelstreifen aus Kriterien für die Belagswahl sind Art und Intensität der Beanspruchung sowie der erforderliche Pflege- und Unterhaltungsaufwand • Geeignete Wegelängen mit geringen bzw. nur minimalen Gefällestrecken • Nach Möglichkeit Rundwege unterschiedlicher Länge • Gute Erreichbarkeit • Abwechslungsreiche Linienführung • Rast- und Einkehrmöglichkeiten
6.5
Besonderheiten der Planung in urbanen Bereichen Im Gegensatz zu vielen Fließgewässern in der freien Landschaft sind die erforderlichen Entwicklungsflächen im urbanen Bereich meist nicht vorhanden. In diesem Fall wird eine Fließgewässerentwicklung auf einzelne Entwicklungsaspekte beschränkt sein. Auf diese besondere Situation soll im Folgenden etwas näher eingegangen werden (s. u.a. ATV-DVWK, 2000a). 6.5.1 Stadthydrologie Siedlungsgebiete und andere Nutzungen in von Menschen beanspruchten Bereichen (urbanen Bereichen) haben einen sehr großen Einfluss auf die Fließgewäs-
6.5 Besonderheiten der Planung in urbanen Bereichen
289
serentwicklung. In Abhängigkeit von der Besiedelungsdichte, aber auch von der Art und Intensität der Bewirtschaftung, werden die quantitativen Parameter der Wasserhaushaltsgleichung oft in erheblichem Ausmaß verändert (s. Kap. 6.4.2). Daneben wird die Wasserqualität durch direkte und diffuse Einleitungen negativ beeinflusst. Wasserabfluss und Wasserqualität Urbane Bereiche sind einerseits gekennzeichnet durch den hohen Anteil an versiegelten Flächen, das sind die Dach-, Straßen-, Parkplatz- und Hofflächen, und andererseits dadurch, dass Niederschlagswasser auf möglichst direktem Wege der vorhandenen Kanalisation zugeführt wird. Unter derartigen Voraussetzungen fließen die Wassermengen sehr schnell und praktisch fast vollständig auf künstliche Weise ab. Eine Versickerung in den Untergrund ist nicht möglich. Leistungsfähige Kanalsysteme begünstigen diesen Vorgang, so dass im Fließgewässer erhebliche Abflussspitzen auftreten. Das Verhältnis zwischen Hochund Niedrigwasserabfluss wird stark erhöht und auf diese Weise gegenüber der natürlichen Abflussdynamik je nach Wasserführung des aufnehmenden Gewässers in mehr oder weniger ungünstiger Weise verschoben. Neben den Wasservolumina müssen auch die Wasserverschmutzungen, also die Stoffströme betrachtet werden. Insbesondere bei der Mischkanalisation werden durch die großen Regenwassermengen Spüleffekte ausgelöst und daher insbesondere bei anlaufenden Wellen erhebliche Mengen an abgelagerten Schmutzstoffen mobilisiert, die in entsprechenden Anlagen zur Regenwasserbehandlung zurückgehalten werden müssen. Diese haben in der Regel nur einen geringen Speichereffekt, da die Bemessung auf den Schmutzrückhalt ausgelegt ist. Sie können aber mit Rückhaltemaßnahmen kombiniert werden. Doch auch bei der Trennkanalisation ist nicht auszuschließen, dass von Straßen, Parkplätzen und versiegelten Gewerbeflächen mit Schadstoffen belastetes Niederschlagswasser in die Gewässer gelangt. Hier müssen ebenfalls Konzepte zur Behandlung dieser Wässer entwickelt werden. Wasserhaushalt urbaner Gebiete Die dichte Bebauung der städtischen Regionen und die intensive Flächennutzung verschieben gegenüber den natürlichen Verhältnissen in der freien Landschaft die Gewichte der Parameter der Wasserhaushaltsgleichung (s. Kap. 6.4.2). Versickerung und Verdunstung werden stark behindert bzw. verändert und der Abfluss unnatürlich erhöht (Bild 6.36). Versiegelte Flächen können sich deutlich aufheizen, so dass etwa nur kurz andauernde Niederschläge durch Evaporation vollständig verdunsten und daher gar kein Abfluss entsteht. Andererseits wurde auch beobachtet, dass im Windschatten stärker versiegelter Gebiete durch Kondensation deutlich stärkere Niederschläge auftreten können und die der Hauptwindrichtung zugewandten Stadtteile wesentlich weniger intensiv überregnet werden (ATV-DVWK, 2000a).
290
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
Bild 6.36 Wasserhaushalt befestigter und unbefestigter Flächen (aus Dreiseitl & Geiger, 2001)
Wesentlicher Bemessungsfaktor für die Berechnung der Abflussleistung ist der Abflussbeiwert. Bei der Planung muss daher das Einzugesgebiet diesbezüglich analysiert werden, um die Abflussanteile der einzelnen Flächen zu bestimmen. Das erfordert im Einzelfall einen erheblichen Erfassungs- und Auswertungsaufwand; andererseits existieren inzwischen Verfahren der Luftbildauswertung, bei denen Befliegungsdaten (z.B. Dach-, Straßen-, Parkplatz-, Hofoder Freiflächen und deren Anteile an der Gesamtfläche) mit Abflussbeiwerten verknüpft und so die Abflussdaten ermittelt werden. Es ist für größere Einzugsgebiete auch üblich, den Versiegelungsgrad des Gesamtgebietes anzugeben und auf dieser Grundlage die Abflüsse zu ermitteln (Tab. 6.17). Ein typisches Problem kleinerer, in einem Stadtgebiet entspringender Gewässer ist die Überbauung ihres ehemals natürlichen Quellgebietes. Das hat zur Folge, dass der Quellabfluss gefasst wurde, nun in der Kanalisation abfließt und dem eigentlichen Fließgewässer dieses Wasser bei der Niedrigwasserführung fehlt. Verschärft wird dieser Zustand dadurch, dass auch der natürliche Grundwasserzufluss infolge der behinderten Versickerung und Grundwasserneubildung nur gering ist. So fließen oft über längere Zeiten des Jahres in solchen Gewässern nur sehr geringe Wassermengen ab; in regenarmen Sommern können sie ganz trocken fallen.
6.5 Besonderheiten der Planung in urbanen Bereichen
291
Tabelle 6.17 Abflussbeiwerte für verschiedene Oberflächen (ATV-DVWK, 2000a) Bebauung
Abflussbeiwerte
• • • •
Sehr dichte Bebauung (350 E/ha) Dichte Bebauung (250 E/ha) Geschlossene Bebauung (150 E/ha) Weitläufige Bebauung (100 E/ha)
0,80 0,60 0,40 0,25
• Geneigte Dachflächen • Flachdächer: – Betonplatten – Kiespressdach – Gründach mit Extensivbegrünung – Gründach mit Intensivbegrünung
0,95
• Asphalt- und Betonstraße, Pflaster mit Fugenverguss
0,90
• Klinker- und Plattenbeläge
0,80
0,80 0,60 0,50 0,30
• Mittel- und Großpflaster, mit offen Fugen
0,70
• Mosaik- und Kleinpflaster, mit offenen Fugen
0,60
• Wassergebundene Decke
0,50
• Kiesfläche, Schotterrasen, Betongrassteine
0,20–0,40
• verdichtete, verschlämmte Ackerfläche
0,30–0,50
• humusreicher Acker
0,20
• Grünland
< 0,20
Charakteristisch für den Wasserhaushalt urbaner Gewässer ist also einerseits die gegenüber den natürlichen Verhältnissen deutlich verminderte Niedrigwasserführung mit entsprechenden Folgen für das Abflussprofil und die gesamte Gewässerökologie. Andererseits kommt es bei Niederschlägen zu sehr schnell ansteigenden und unnatürlich hohe Spitzenwerte erreichenden Hochwasserabflüssen mit ebenfalls deutlichen Folgen für die Profilbemessung und das Leben im Gewässer (s. Kap. 6.5.2). Je größer die Spreizung zwischen Niedrigwasser- und Hochwasserabfluss ist, umso unnatürlicher und technischer muss das Abflussprofil gestaltet werden. Daher kommt der Dämpfung des Gradienten und der Verminderung des Scheitels der Hochwasserwelle durch entsprechende Maßnahmen so hohe Bedeutung zu. Siedlungswasserwirtschaft Zu den Maßnahmen der Siedlungswasserwirtschaft, die dem Schutz und der Verbesserung der Ökologie urbaner Gewässer dienen, gehört zunächst eine Abwasserbehandlung (Schmutz- und Niederschlagswasserbehandlung) nach dem Stand der Technik. Kläranlagen sind so zu bemessen und zu betreiben, dass insbesondere die Nährstoffelimination gewährleistet ist, je nach Qualität des Fließgewässers ist sogar unter Bezug auf den Bewirtschaftungsplan nach der EG-Wasserrahmen-
292
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
Bild 6.37 Vereinfachte Darstellung zur Auswahl einer Methode zur Regenwasserableitung
richtlinie eine Auslegung auf weitergehende Anforderungen entsprechend dem Immissionsprinzip erforderlich. Die Regenwasserbehandlung muss bei der Beckenbemessung als Regenüberlauf- oder Regenfangebecken nicht nur den Stoffrückhalt berücksichtigen, sondern mit Rücksicht auf die Abflussspitze im Gewässer im Einzelfall Rückhaltemaßnahmen vor der Einleitungsstelle vorsehen. Auch beim Regenwasser können weitergehende Maßnahmen des Stoffrückhaltes durch Siebanlagen oder Bodenfilter in Verbindung mit der Rückhaltung entsprechend den Bewirtschaftungsplanungen erforderlich werden. Einen besonderen Schwerpunkt aber bilden Maßnahmen zur Abflussverzögerung oder gar -vermeidung. Es kann in Zukunft nicht mehr das Ziel sein, Niederschlagswasser in gesamter Menge sowie auf kürzestem und schnellstem Wege der Kanalisation zuzuleiten, sondern es sind alle Möglichkeiten zur Vermeidung und Verzögerung des Abflusses zu nutzen. An erster Stelle stehen Maßnahmen wie etwa die Entsiegelung von Flächen, damit das Wasser wieder versickern kann und möglichst gar kein Abfluss entsteht. Letzteres ist sicherlich nur in begrenztem Umfang möglich, so dass an zweiter Stelle, aber mit einem wesentlich breiteren Anwendungsspektrum, alle Maßnahmen stehen, die zu einer Wasserspeicherung, einem Wasserrückhalt und so zu einer Abflachung der Abflussspitzen führen. Es kommt also darauf an, die Maßnahmen zur Förderung der Versickerung (Entsiegelung
6.5 Besonderheiten der Planung in urbanen Bereichen
293
von Flächen), zur Abflussverzögerung (Mulden-Rigolensysteme), zur Abflussspeicherung (Rückhaltebecken) und zur Niederschlagswasserbehandlung (Regenüberlaufbecken) sinnvoll miteinander zu verknüpfen (s. Bild 6.37). Erst dann können Maßnahmen zur Verbesserung der Gewässerökologie greifen. 6.5.2 Gewässerstrecken in der Stadt Umgestaltungsmaßnahmen sollten auch im urbanen Raum darauf abzielen, die naturraumtypischen Bedingungen soweit wie möglich wieder herzustellen. Oft ist dies auf Grund räumlicher Restriktionen für die Morphologie von Gewässer und Aue jedoch nicht möglich. Um aber urbane Gewässerstrecken in ihrer Funktionsfähigkeit als Ökosystem zu erhalten bzw. zu entwickeln sind auch unter räumlich beengten Bedingungen Schlüsselfunktionen des Gewässers sicherzustellen: • • • •
Längsdurchgängigkeit Offene, unversiegelte Gewässersohle Durchgängigkeit zu Nebengewässern Ökologisch strukturierte Uferbereiche; ggf. mit so genannten „Leitbildkonformen Ersatzstrukturen“
Längsdurchgängigkeit Die Wiederherstellung der Längsdurchgängigkeit bezieht sich in urbanen Gewässern nicht nur auf Maßnahmen, um Wehre und Abstürze passierbar zu gestalten (u.a. DVWK, 1996b; FAO, 2002). Verrohrungen können gerade in Kernbereichen der Siedlungen einen großen Streckenanteil der Fließgewässer betreffen und die Auf- und Abwärtswanderung von Fischen und Wirbellosen einschränken. Hier sollten alle Möglichkeiten der Entdolung ausgeschöpft werden. Die Stadt Zürich kann als Vorbild und Vorreiter für ein solches Vorgehen gesehen werden (Buchli & Antener, 2000). Ist eine Offenlegung des Gewässers nicht möglich, so sollten die verrohrten Gewässerabschnitte in einem Profil mit Substratauflage auf der Sohle ausgeführt werden (ATV-DVWK, 2000a) (Bild 6.38). Vor allem bei sehr langen oder nicht geradlinig verlaufenden Verrohrungen erhöht eine tagesperiodisch gesteuerte Beleuchtung deren Passierbarkeit. Aufstauungen im Hauptschluss eines Fließgewässers, zum Beispiel als Stadtparkteich oder zum Zwecke des Hochwasserschutzes, unterbrechen ebenfalls die Durchgängigkeit und sind nur bei Anordnung im Nebenschluss ohne negative Auswirkungen auf die Durchwanderbarkeit. Neben der Durchgängigkeit im aquatischen Bereich sollte jedoch auch die Durchgängigkeit im Ufer- und Auenbereich bei der Maßnahmenplanung an Gewässern im urbanen Raum mit beachtet werden. So wandern viele Tiere im
294
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
Bild 6.38 Gestaltung eines Durchlasses mit Substratauflage auf der Sohle (Zeichnung: WWA Rosenheim; aus ATV-DVWK, 2000a)
Uferbereich entlang der Gewässer und viele aquatische Insektenarten fliegen als adulte Tiere gezielt bachaufwärts. Daher sollten u.a. auch in Brückenbereichen die Ufer naturnah und durchgängig gestaltet werden. Bei längeren Verrohrungen können Baumreihen, die den Verlauf des verdolten Gewässers mar-
6.5 Besonderheiten der Planung in urbanen Bereichen
295
kieren, gewässeraufwärts fliegenden Insekten als Orientierungshilfe dienen, um das Gewässer im Anschluss an die Verdolung wieder zu finden. Dieser kompensatorische Aufwärtsflug aquatischer Insekten wird gerade in urbanen Gebieten häufig durch Lichtquellen gestört, da diese primär angeflogen werden. Auf eine direkte Beleuchtung der Gewässer sollte daher verzichtet werden. Notwendige Lichtquellen, die auf der dem Gewässer zugewandten Seite abgedunkelt sind und nicht direkt an das Gewässer angrenzen, sollten als Alternative mit geringeren negativen Auswirkungen Einsatz finden. Offene Gewässersohle Die Gewässersohle mit ihrem Lückenraumsystem (Interstitial) ist für die Besiedlung urbaner Fließgewässer von entscheidender Bedeutung. Sie bildet den Lebensraum der aquatischen Wirbellosenfauna und Laich- und Kinderstube für viele Fischarten der Forellenregion. Höhere Wasserpflanzen fehlen, wenn die Gewässersohle versiegelt ist. Eine offene, unversiegelte Gewässersohle ist daher auch unter räumlich beengten Bedingungen, wenn nur senkrechte Ufer noch möglich sind, Grundvoraussetzung für eine aquatische Biozönose im Gewässer (Bild 6.39).
Bild 6.39 Schematische Darstellung zur Offenlegung der Sohle (Grafik: H. Patt)
296
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
Bei erhöhten Abflusssituationen, wie sie anthropogen bedingt in urbanen Gewässern häufig auftreten (s. Kap. 6.5.1), dient das Lückenraumsystem als Rückzugsraum für die Wirbellosen-Organismen. Eine Wiederbesiedlung der gestörten Gewässersohle kann daher relativ schnell erfolgen. Dies ist vor allem dann von Bedeutung, wenn das Wiederbesiedlungspotenzial ober- und unterhalb gelegener Gewässerabschnitte nur gering ist. Auch in urbanen Gewässern sollte sich die Ausbildung der Gewässersohle an den Substratstrukturen des entsprechenden Gewässertyps orientieren, da nur dann eine artenreiche standortgerechte Besiedlung ermöglicht wird. In der Regel ist das Substratmosaik urbaner Fließgewässer im Vergleich zu den Bedingungen in der freien Landschaft vergleichmäßigt und strukturell monoton, was zu einer geringen Diversität in der aquatischen Besiedlung führt. Vor allem organische Substrate wie Totholz und Falllaub fehlen und damit auch die hierauf angewiesenen Arten der Wirbellosenfauna. Maßnahmen zur strukturellen Aufwertung der Gewässersohle sollten sich daher nicht auf das Einbringen von Störsteinen beschränken. Deutlich besser geeignet, und für alle Gewässertypen als geeignete Maßnahme anzusehen, ist das Einbringen von Totholz. Dass dies auch bei nur kleinräumiger, verlagerungsstabiler Exposition wirksam ist, zeigt Bild 6.40.
Bild 6.40 Vergleich der Benthosbesiedlung in einem urbanen Gewässer ohne und mit kleinräumig exponiertem Totholz; (* – statistisch signifikanter Unterschied) (aus Lautenschläger, 2004)
6.5 Besonderheiten der Planung in urbanen Bereichen
297
Auch wenn durch Begradigung, Regelprofilierung und häufige Hochwassersituationen die Gewässersohle oft hydraulisch überlastet wird, sollte auf eine flächendeckende Befestigung der Sohle oder die Verwendung gewässertypfremder Korngrößen verzichtet werden. Lokale Maßnahmen dieser Art werden jedoch als ökologisch vertretbar angesehen, so lange diese Bereiche nicht mehr als 30 Prozent der Fließstrecke im Siedlungsgebiet ausmachen und eine zusammenhängende Länge von 500 m nicht überschritten wird (BWK, im Druck). Durchgängigkeit zu Nebengewässern Fließgewässer stellen in der Regel ein verzweigtes System in der Landschaft dar. In Siedlungsbereichen wird dieses Adernetz häufig reduziert und es verbleiben nur die größeren Fließgewässer. Quellen und kleine Bäche werden überbaut und häufig direkt in die Kanalisation als Fremdwasser eingeleitet. Die Stadt Bochum mit einer Reduzierung der ursprünglichen Fließstrecken um ca. 25 Prozent ist hierfür ein typisches Beispiel (Thiesmeier et al., 1988). Entflechtungskonzepte haben die Aufgabe, diese Entwicklungen wieder rückgängig zu machen, indem verrohrte Gewässer zusammen mit dem Regenwasser von der Kanalisation abgetrennt und wieder den eigentlich aufnehmenden Fließgewässern zugeführt werden. Vorteile der Entflechtungskonzepte sind: • eine Stärkung der Niedrigwasserführung im aufnehmenden Gewässer • eine Reduzierung des der Kläranlage zugeleiteten Wasservolumens und damit eine Senkung der Kosten Kann bei der Umsetzung des Entflechtungskonzeptes die Wasserzuleitung zu dem aufnehmenden Gewässer oberirdisch offen erfolgen, so wird hierdurch verlorengegangener aquatischer Lebensraum wiederhergestellt. Diesem kommt gerade in stark besiedelten Gebieten als Trittsteine bei der Ausbreitung von und dem Genaustausch zwischen Populationen eine wichtige ökologische Funktion zu. Ein weiteres Problem der Vernetzung von Gewässern und Zuflüssen in Siedlungsgebieten ist häufig die ausbaubedingt unterschiedliche Wasserspiegellage von Haupt- und Nebengewässer. Gerade die größeren Gewässer wurden aus Gründen des Überflutungsschutzes eingetieft oder haben sich selbst als Folge der Begradigung tief in ihr ursprüngliches Bachbett eingeschnitten. Da eine sohlengleiche Einmündung kleiner Nebengewässer hierdurch unmöglich gemacht wird, werden entweder auch diese Zuflüsse eingetieft oder die Einmündung erfolgt als Absturz (s. Bild 6.41). Maßnahmen sollten sich hierbei primär auf die durchwanderbare Wiederanbindung der Zuflüsse konzentrieren, auch wenn dies im Mündungsbereich eine Eintiefung des Zuflusses bedeutet. Gerade bei kleinen Zuflüssen ist der Ersatz eines Absturzes durch eine raue Rampe für die Aufwanderung von Wirbellosen eine geeignete Lösung. Ist jedoch die Wassertiefe in diesem Bereich
298
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
Bild 6.41 Verrohrte Mündung eines Baches mit Absturz in das Hauptgewässer. Eine Aufwanderung in das Seitengewässer ist nicht möglich (Foto: A. Müller)
sehr gering, so kann auch diese Lösung noch die Durchgängigkeit für bestimmte Fischarten einschränken und sollte bei der Planung ggf. mit berücksichtigt werden. Uferbereiche, Leitbildkonforme Ersatzstrukturen Während die Bachbettstrukturen auch im urbanen Bereich dem Gewässertyp entsprechend gestaltet werden können, ist dies für die Uferbereiche auf Grund von räumlichen Restriktionen und häufig gegebener Tieflage nicht möglich. Der amphibische Bereich fehlt oder ist nur sehr schmal ausgebildet; für Auen oder auenähnliche Strukturen fehlt in der Regel der Platz. Von diesen Defiziten im terrestrischen Bereich können indirekt auch die im Wasser lebenden Organismen betroffen werden. Für Fische fehlen Unterstände unter unterspülten Baumwurzeln oder im Strömungsschatten größerer Totholzansammlungen. Künstliche Unterstände können hier nur bedingt Abhilfe schaffen. Für das Aufwachsen der Jungfische werden flachere Uferbereiche und Altarme benötigt. Die meisten aquatischen Insektenarten sind jedoch merolimnisch, d.h. sie verbringen nur einen Teil ihres Lebenszyklus im Wasser, während sie sich als geflügelte Stadien in der Aue aufhalten und erst zur Eiablage wieder zum Gewässer zurückkehren. Fehlen daher die von diesen Arten benötigten Umfeldstruk-
6.5 Besonderheiten der Planung in urbanen Bereichen
299
turen, so ist die Fortpflanzung nicht mehr gewährleistet und diese Arten fallen aus, obwohl Wasserqualität und Bachbettstrukturen ihr Überleben als aquatische Larvenstadien ermöglichen. Bild 6.42 stellt die Funktion von Umfeldstrukturen für Wasserinsekten zusammen und zeigt, dass auch diese in einem urbanen Umfeld erfüllt werden können. In urbanen Bereichen ist eine Renaturierung von Fließgewässern, d.h. ihre Rückführung in den potenziell natürlichen Zustand des Gewässertyps, auf Grund der Vielzahl an Restriktionen zumeist schwierig und auch oft vor dem Hintergrund der Stadtentwicklung nicht gewollt.
Bild 6.42 Schlüsselfunktion von Strukturelementen urbaner Fließgewässer (Foto: A. Müller)
Um trotzdem die Fließgewässer in ihrer ökologischen Funktionsfähigkeit zu erhalten bzw. diese wieder herstellen zu können, müssen Maßnahmen getroffen werden, welche die naturnahen Strukturen weitgehend ersetzen und sich trotzdem mit dem städtischen Umfeld vereinbaren lassen. Dies sind die sogenannten „Leitbildkonformen Ersatzstrukturen“. Die oben bereits erwähnten Baumreihen, die den Verlauf eines verrohrten Gewässerabschnitts markieren, übernehmen diese Funktion zum Beispiel für die geflügelten Insekten, aber auch für Vögel. Vorschüttungen vor senkrechten Ufermauern, möglichst mit Gehölzen bestanden, oder bei einem höheren Platzangebot sogenannte „Mikro-Auen“,
300
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
die trotz Tieflage eine gewisse eigendynamische Laufentwicklung ermöglichen, sind ebenfalls solche Ersatzmaßnahmen. Auch Bäume, die wie Alleebäume die Gewässer außerhalb der Hochwasserlinie an der Geländeoberkante begleiten, können sich durch ihren Schattenwurf, ihren Falllaubeintrag und ihre dreidimensionale Struktur ökologisch positiv auf Gewässer im dichten Siedlungsraum auswirken. Bei Bächen, wo die positiven Wirkungen höher sind als bei großen Flüssen, sind Erlen hierfür am besten geeignet, da sie auch die natürliche Auenvegetation bestimmen. Ist aus stadtplanerischen Gründen die Schwarzerle auf Grund ihrer Standortansprüche oder ihrer Wuchsform nicht geeignet, so gibt Bild 6.43 eine Reihung weiterer stadtplanerisch relevanter Bäume, Sträucher und Kletterpflanzen gemäß ihrer ökologischen Wertigkeit für die aquatische Biozönose. Bestimmt wird diese Reihung in erster Linie durch die Qualität des entstehenden Falllaubs, das Nahrung und Habitatstruktur für den überwiegenden Anteil der Wirbellosenbesiedlung der Bäche darstellt.
Bild 6.43 Reihung stadtplanerisch relevanter Bäume, Sträucher und Kletterpflanzen in ihrer ökologischen Funktionsfähigkeit für die aquatische Wirbellosenfauna im Vergleich zur Schwarzerle (Alnus glutinosa)
6.5 Besonderheiten der Planung in urbanen Bereichen
301
Neben den gewässerbegleitenden Gehölzen kommt auch der Ausprägung des direkten Uferbereichs eine wichtige Funktion zu. Nicht nur für den Schlupf der Insekten nach dem Verlassen des Gewässers, sondern auch für die Partnerfindung, Paarung und Eiablage sind diese Strukturen von Bedeutung. Unterschiede in der Besiedlung unterschiedlicher Uferstrukturen machen dies deutlich (Bild 6.44).
Bild 6.44 Insektenfänge an verschiedenen Uferstrukturen eines Fließgewässers (verändert aus Lautenschläger & Podraza, 2001)
Für Maßnahmen bedeutet dies, dass zum Beispiel eine unverfugte, teilbewachsene senkrechte Mauer von Insekten besser angenommen wird als ein Scherrasen, obwohl dieser einen höheren Vegetationsanteil aufweist. Standortfremder Bewuchs an Mauern zum Beispiel mit Bodendeckern (hier: Cotoneaster sp.) wird weniger gut angenommen als eine mit heimischen Gräsern und Kräutern bewachsene Mauer oder eine lose Steinschüttung. Diese Abhängigkeiten sollten zukünftig ebenfalls bei der planerischen Gestaltung von Fließgewässern im urbanen Bereich mit berücksichtigt werden. Aus der Vielzahl ökologischer Abhängigkeiten für eine standortgerechte, artenreiche Besiedlung auch in urbanen Fließgewässern wird deutlich, dass hier besondere Ansprüche an den Planer gestellt werden. Das Ziel einer intakten Biozönose im Einklang mit einem städtischen Umfeld ist in der Regel nur in interdisziplinärer Zusammenarbeit zwischen Siedlungswasserwirtschaft, Wasserbau, Stadtplanung und Gewässerökologie zu gewährleisten.
302
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
6.5.3 Hochwasserschutz urbaner Bereiche Es ist unbestritten, dass der Mensch in der Vergangenheit mit seinen Nutzungen zu nahe an die Gewässer herangerückt ist. Wohngebiete, Industrie und Infrastruktureinrichtungen sind insbesondere in historisch gewachsenen städtischen (urbanen) Bereichen in den natürlichen Überschwemmungsgebieten der Fließgewässer konzentriert (s. Kap. 3.3). In urbanen Bereichen kann der Hochwasserschutz daher in der Regel nicht auf technische Lösungen verzichten. Bei der Revitalisierung urbaner Gewässerstrecken ist der Hochwasserschutz oft ein limitierender Faktor, da dieser in der Regel die Entwicklungsmöglichkeiten in erheblichem Maße einschränkt. Umso mehr ist es wichtig, die möglichen Zusammenhänge (Interaktionen) zwischen naturnaher Entwicklung und Hochwasserschutz zu kennen, um diese bei der Planung berücksichtigen zu können. Oberflächenwasser, Grundwasser, Abwasserkanäle Hinsichtlich der „Wege“ des Wassers zu den Schutzgütern ist zwischen oberirdischem (Oberflächenwasser) und unterirdischem Wasser (Grundwasser) zu unterscheiden. Oberflächenwasser → Ausuferungen → Überschwemmungen Die Überschreitung der Abflussleistung eines Gerinnes führt zu Ausuferungen, die in den angrenzenden Flächen Überschwemmungen verursachen. Die Umgestaltungsmaßnahmen dürfen daher nicht in dem Maße zu einer Reduzierung der Abflussleistung einer Gerinnestrecke führen, dass diese in der Folge ausufern. Durch eine hydraulische Berechnung ist daher zu prüfen, ob Vegetationsstrukturen (Bild 6.45), Totholz u.a. Veränderungen nicht zu einer Überlastung der Gerinnestrecken führen (Gerhard & Reich, 2001). Auch darf nicht vergessen werden, dass die Gewässerberandungen (u.a. Gewässersohle, Böschungen, Deiche, Ufermauern, Fundamente) bei Hochwasser wesentlich stärker beansprucht werden. Auskolkungen, Unterspülungen und Auftriebskräfte können unter Umständen die Stabilität gewässernaher Gebäude beeinträchtigen (Bild 6.45). Das Verlegen von Abflussquerschnitten mit Totholz oder anderen Schwimmstoffen (sog. Verklausungen) lässt Wasserstände und Geschwindigkeiten am Hindernis rasch ansteigen. In der Folge werden die Kraftwirkungen erhöht. Feststoffumlagerungen und -ablagerungen können die vorhandenen Belastungen noch weiter erhöhen. Grundwasser → Sickerwasser → Qualmwasser → Flutungen Bei länger andauernden hohen Wasserständen im Fließgewässer stellen sich, mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung wegen der stark reduzierten Fließgeschwindigkeiten im Grundwasserleiter, auch höhere Grundwasserstände ein (vgl. Bild 6.46a und b). Hinter Hochwasserschutzdeichen können deshalb insbe-
6.5 Besonderheiten der Planung in urbanen Bereichen
303
Bild 6.45 Vegetationsstrukturen können die Abflussleistung eines Gerinnes beeinträchtigen (Foto: H. Patt)
sondere an tiefer liegenden Geländepunkten kritische hydraulische Belastungen (z.B. die Gefahr eines hydraulischen Grundbruches) und Überschwemmungen durch Wasseraustritte auftreten. Lange bevor Überflutungen durch Oberflächenwasser eine Rolle spielen, können durch Grundwasseraustritte bereits große Flächen unter Wasser stehen. Tröstlich für die Anwohner ist allenfalls, dass das Grundwasser in der Regel nicht verunreinigt ist. Bei der Rückverlegung von Deichen, u.a. im Zuge der Wiederanbindung der ursprünglichen Überschwemmungsgebiete, werden in der Regel die Fließwege des Grundwassers bis zu den Nutzungen erheblich verkürzt. Dies kann im Hochwasserfall dazu führen, dass die Grundwasserspiegel schneller und höher steigen. Dies kann in der Folge zu Schäden führen (Bild 6.46c). Die Veränderungen der Grundwasserverhältnisse müssen sorgfältig untersucht werden. Dazu gehört neben der Dokumentation der vorhandenen Verhältnisse (u.a. auch zur Beweissicherung) ggf. auch der Einsatz eines Grundwassermodells.
304
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
Bild 6.46 Veränderung der Grundwasserspiegelhöhen bei Hochwasser; Veränderung der Grundwasserstände nach Rückverlegung der Deichlinie (aus Patt, 2001)
Oberflächenwasser in Kanalnetzen → Abwasserreinigung Über die Abwasserkanäle kann Flusswasser hinter die Deiche gelangen. Im Vergleich zum Grundwasserleiter fließt das Wasser in den Kanälen jedoch schneller. Es kann durch die oft weit verzweigten Kanalnetze weit in das Hinterland vordringen und an jeder nicht gesicherten Anschlussstelle (z.B. Schächte, Gullys) austreten. Dies kann nicht nur zu erheblichen Schäden an vorhandenen Nutzungen führen, sondern auch zu erheblichen Schadstoffeinträgen in das Gewäs-
6.5 Besonderheiten der Planung in urbanen Bereichen
305
ser. Hochwasserschutzmaßnahmen dienen also nicht nur der Reduzierung von Schäden, sondern tragen auch dazu bei, Gewässerverschmutzungen zu verhindern. In überschwemmten Bereichen kann Flusswasser jedoch auch in Abwasserkanäle eindringen, wenn diese nicht abgedichtet sind. Dies führt dann in der Regel zu einer Überlastung des Ableitungssystems (u.a. Kanäle, Rückhaltebecken, Stauräume) und der angeschlossenen Kläranlagen. Über die Entlastungsbauwerke wird dieses Wasser dann meist – in der Mischkanalisation gemeinsam mit Abwasser – ungereinigt dem Fließgewässer zugeführt. Neben den negativen Auswirkungen auf die Wasserqualität belasten diese plötzlichen, oft hohen Zuflüsse, die Gewässerstrukturen an der Einleitungsstelle in besonderem Maße. 6.5.4 Naherholung Fließgewässer genießen auch im Siedlungsraum einen hohen Stellenwert für Freizeit- und Erholungsaktivitäten. Dort, wo ausreichend Raum zur Verfügung steht, sind Fließgewässerauen Anziehungspunkte für sportliche Aktivitäten und ruhigere Erholungsformen. Viele Menschen nutzen die Nähe des Wassers gerne auch als Aufenthaltsräume zum stillen Verweilen. Die Bedeutung für die Naherholung ist dabei oft in einer Einheit mit dem umgebenden, mehr oder weniger bebauten Umfeld zu betrachten. So übernehmen Fließgewässer im Siedlungsraum nicht selten auch eine Rolle als bewusst eingesetztes Gestaltungselement im Zusammenhang mit architektonischen und städtebaulichen Akzenten (Bild 6.47). Allein die zahllosen Uferpromenaden entlang großer Flüsse zeugen vom außerordentlichen Wert für die Freizeitgestaltung und Naherholung im Zusammenhang mit städtebaulich-gestalterischen Aspekten. Beispielsweise besitzen Biergärten, Restaurant- und Kaffeeterrassen in Städten an Rhein, Elbe, Weser, Donau oder Spree, die einen freien Blick auf den vorbeifließenden Fluss gewähren, eine sehr hohe Erlebnisqualität und einen besonderen Charme. Im Gegensatz zur freien Landschaft werden Fließgewässer in Siedlungsräumen häufiger durch Bauwerke wie Hochwasserschutzmauern, Straßen und Wege oder Wohn- und gewerbliche Bebauung eng begrenzt. Die Gewässer verlaufen häufig in künstlichen Kasten- (Bild 6.48a), Trapez- oder V-Profilen oder verschwinden auf großen Strecken verrohrt unter der städtischen Bebauung, insbesondere unter Verkehrsflächen. Umso wichtiger ist es, gerade im Siedlungsraum, und damit am Ort des größten Bedarfs für Erholungsmöglichkeiten, Fließgewässer und ihre Auen unter Berücksichtigung der vielfältigen Freizeit- und Erholungsnutzungen zu entwickeln. So können attraktiv gestaltete Freiflächen an Fließgewässern im urbanen Raum auch einen Beitrag dazu leisten, den Nutzungsdruck auf die umliegende freie Landschaft zu verringern. Oft tragen nur wenige strukturelle Maßnah-
306
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
Bild 6.47 Das städtische Fließgewässer als Gestaltungselement und Kunstobjekt (Foto: W. Klein)
men dazu bei, den Freizeit- und Erholungswert in erheblichem Ausmaß zu steigern (Bild 6.48b). Hierfür kommen zum Beispiel folgende Flächen innerhalb urbaner Räume in Frage (Arge Weser, 1996; ATV-DVWK, 2001a): • Bestehende, bauleitplanerisch gesicherte Freizeit- und Erholungsgebiete bzw. Grünflächen • Fließgewässer- und Auenabschnitte mit besonderer Eignung zur Ausübung bestimmter Freizeit- und Erholungsaktivitäten • Naturschutzfachlich gering zu bewertende, gut erreichbare Nassabgrabungsflächen • Ökologisch weniger wertvolle Freiflächen • Im Siedlungsraum verbliebene land- und forstwirtschaftliche Nutzflächen • Flächen, die für die Rückgewinnung historischer Überschwemmungsgebiete vorgesehen werden Bei der Planung entsprechender Nutzungsmöglichkeiten und eventuell erforderlicher Infrastruktur sind die Vorgaben des örtlichen Hochwasserschutzes, das Gefahrenpotenzial, insbesondere für Kinder, sowie ökologische, gestalterische und städtebauliche Belange zu berücksichtigen (Patt & Schrenk, 2004a und 2004b).
6.5 Besonderheiten der Planung in urbanen Bereichen
307
a
b Bild 6.48 Gewässertypische Strukturelemente in urbanen Bereichen verbessern den Freizeitund Erholungswert a. Ausgebautes Gewässerbett bietet keinen Anreiz für Erholungsuchende (Foto: B. Schackers) b. Ein im Rahmen des Möglichen strukturiertes Gewässer lädt selbst in urbanen Bereichen zum Verweilen und Rasten ein (Foto: H. Patt)
Sobald Fließgewässer und Aue von der Bevölkerung als bedeutsames Naherholungsgebiet oder wichtiges Gestaltungselement für das Stadtbild begriffen werden, stärkt dies auch die Identifizierung der Bevölkerung mit „ihrem“ Fließgewässer. Das kann wiederum zu einer Stärkung des Fließgewässer- und Auenschutzes in der Öffentlichkeit führen, der vor allem in urbanen Räumen wohl auch künftig durch Schutzbemühungen gegenüber weiteren, auch baulichen Flächeninanspruchnahmen (u.a. Straßenbau) gekennzeichnet sein dürfte.
308
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
6.6
Fließgewässerunterhaltung Die Aufgaben der Fließgewässerunterhaltung haben sich in den letzten Jahrzehnten grundlegend geändert (Tab. 6.18). Die Gewässerunterhaltung beschränkte sich früher auf die Erhaltung der Abflussleistung ausgebauter Gewässer und die Instandhaltung technischer Anlagen. Heute umfasst sie auch die Pflege und Entwicklung des Gewässers (§ 28 Abs. 1 WHG). Darüber hinaus regelt die EG-Wasserrahmenrichtlinie, dass sie sich künftig an nach dieser Richtlinie zu formulierenden Bewirtschaftungszielen ausrichten muss. Somit besteht die Möglichkeit, die Gewässerunterhaltung auch als aktives Gestaltungselement der Gewässerentwicklung einzusetzen. Tabelle 6.18 Aufgaben der Gewässerunterhaltung (aus ATV-DVWK, 2002b) 7
Erhaltung eines ordnungsmäßigen Zustands für den Wasserabfluss – soweit das Wohl der Allgemeinheit dies erfordert – 7 7 7
7
Erhaltung und Reinigung des Gewässerbettes Sicherung der Ufer und Deiche Beseitigung von Störungen des Wasserablaufes
Naturnahe Pflege und Gestaltung des Gewässerbettes und der Ufer 7 7 7
Sicherung des Uferrandstreifens Entwicklung eines naturnahen Gehölzstreifens Förderung der Strukturvielfalt
Die Erweiterung des Unterhaltungsbegriffs unter Berücksichtigung der naturschutzrechtlichen Regelungen beeinflusst wesentlich die Ausführung der Gewässerunterhaltung. Naturnahe Gewässer und Lebensräume stehen unter Schutz. Danach sind alle Maßnahmen unzulässig, die zu einer Zerstörung oder sonstigen erheblichen oder nachhaltigen Beeinträchtigung dieser Biotope führen können. Da jede Unterhaltungsmaßnahme zwangsläufig eine Beeinträchtigung des Naturhaushaltes darstellt, ist diese durch eine räumlich und zeitlich differenzierte Vorgehensweise zu minimieren. In jedem Einzelfall ist vorab zu prüfen, wie viel Unterhaltung sein muss und wie diese möglichst naturschonend ausgeführt werden kann. Von besonderer Bedeutung ist dies bei Flachlandgewässern, die wegen ihrer Neigung zur Verkrautung und der Art des Ausbaus besonders intensiv unterhalten werden.
6.6 Fließgewässerunterhaltung
309
6.6.1 Naturschonende Gewässerunterhaltung Unterhaltungsarbeiten sollen so ausgeführt werden, dass eine Schädigung der Pflanzen und Tiere im und am Gewässer vermieden wird. Die herkömmliche Unterhaltung erfolgte früher meist nach dem Motto „lieber zu viel, als zu wenig“. Durch diese Vorgehensweise war man immer auf der sicheren Seite hinsichtlich des Wasserabflusses. Naturschonende Gewässerunterhaltung ist ein Spagat zwischen unterschiedlichen Zielen. Da diese am unbedingt Notwendigen ausgerichtet ist, erfordert sie mehr Grundkenntnisse über das Gewässer. Dazu gehört auch die Bereitschaft, neue Wege zu gehen. Hierfür gibt es kein Patentrezept, denn die Gewässer sind zu unterschiedlich. Aber es gibt Erfahrungen, die als Orientierung dienen können. Folgende Überlegungen helfen, die Gewässerunterhaltung naturschonender zu gestalten (aus ATV-DVWK, 2002b): • Notwendigkeit prüfen • Arbeiten zeitlich und räumlich staffeln • Geeigneten Zeitraum für Unterhaltungsmaßnahmen wählen (z.B. Mähen nicht vor Juli; aber möglichst vor Ende Oktober) • Möglichst große und zusammenhängende Teilbereiche des Gewässers schonen • Besonders empfindliche Gewässerbereiche, insbesondere Gewässersohle sowie unmittelbaren Uferbereich (Wasserwechselzone) schonen • Räumliches Muster von geschonten und unterhaltenen Bereichen über mehrere Jahre hinweg beibehalten (räumliche Konstanz) • Schonende Verfahren auswählen und einsetzen Für jeden Gewässerabschnitt sind Unterhaltungs- und Pflegeziele zu definieren. Hierzu ist die Erstellung von Unterhaltungsplänen sinnvoll. Vor Durchführung der Arbeiten ist zu prüfen, ob die Maßnahme zu diesem Zeitpunkt an der gesamten Strecke wirklich notwendig ist oder ob sie zeitlich oder räumlich begrenzt werden kann. Aufgrund von Erfahrungswerten und hydraulischen Betrachtungen ist die aktuelle Abflusskapazität einzuschätzen. Reduzieren der Gewässerunterhaltung Eine intensive Gewässerunterhaltung ist bei ausgebauten Fließgewässern meist bereits durch die Art des Ausbaus vorgegeben. Der Ausbauabfluss kann – insbesondere bei Flachlandgewässern – nur dann abgeführt werden, wenn Sohle und Ufer glatt gepflegt werden. Ein dauerhaftes Einstellen aller Unterhaltungsarbeiten am Gewässer ist in den seltensten Fällen möglich. An Gewässerabschnitten, bei denen die Erhaltung der Abflussleistung aber nicht erforderlich ist, können Unterhaltungsmaßnahmen zumindest zeitweise ausgesetzt oder aber zeitlich und räumlich stark eingeschränkt werden, um dabei zum Beispiel die Ufer
310
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
durch Zulassen der Gehölzentwicklung ökologisch aufzuwerten (Bild 6.49). Voraussetzung hierfür ist die genaue Kenntnis des jeweiligen Gewässers sowie eine große Flexibilität bei der Durchführung der Unterhaltung. Die Entwicklung des Bewuchses schwankt an vielen Wasserläufen von Jahr zu Jahr sehr stark, so dass es durchaus Spielraum gibt, eine Krautung oder Mahd in Jahren mit geringem Bewuchs auszulassen oder räumlich zu begrenzen (u.a. ATV-DVWK, 2002b).
Bild 6.49 Kleines Flachlandgewässer vier Jahre nach Einstellen der Unterhaltung (Foto: Gewässerdirektion Südlicher Oberrhein/Hochrhein – Bereich Offenburg)
Mähen der Böschungen In der Regel ist es ausreichend, Uferböschungen einmal im Jahr zu mähen. Für die Pflanzen- und Tierwelt ist hierfür der Herbst die günstigste Jahreszeit. Ist es zur Sicherung einer geschlossenen Grasnarbe notwendig zweimal zu mähen, gibt es mehrere Möglichkeiten, die regelmäßige Mahd zu modifizieren: • Nur eine Böschung und die Hälfte des Abflussprofils werden gemäht, wobei die nicht gemähte Böschung bei zweimaliger Mahd im Herbst, bei einmaliger Mahd erst im Folgejahr gemäht wird (halbseitige Mahd – s. Bild 6.50) • Die Uferböschungen werden abschnittsweise und wechselseitig im mehrmonatigen Abstand gemäht (abschnittsweise Mahd) • Beim ersten Schnitt (ca. Mitte Juni) werden nur die Uferböschungen und Vorländer gemäht, der Röhrichtsaum bleibt bis zum zweiten Schnitt (ca. Mit-
6.6 Fließgewässerunterhaltung
311
te September) erhalten, wobei grundsätzlich auch hier immer ungemähte Bereiche stehen bleiben sollen. Auch beim Geräteeinsatz sollte auf eine möglichst naturverträgliche Arbeitsweise geachtet werden. Schlegel- oder Scheibenmähwerke lassen Tierarten wegen ihrer hohen Rotationsgeschwindigkeit kaum Fluchtmöglichkeit. Am Schonendsten lassen sich Böschungen mit einem Balkenmäher mähen, der nicht zu tief eingestellt ist. Ufernahe Bereiche (z.B. Röhrichte) sollten möglichst nicht, und wenn, nur im ein- oder mehrjährigen Wechsel gemäht werden. Um eine Überdüngung der Uferböschungen zu vermeiden, soll das Mähgut immer abgeräumt werden.
Bild 6.50 Halbseitiges Mähen (Foto: Gewässerdirektion Südlicher Oberrhein/Hochrhein – Bereich Offenburg)
Krauten der Gewässersohle In den seltensten Fällen ist eine Krautung in jedem Jahr und am gesamten Gewässer notwendig. Deshalb ist immer zu überprüfen, ob die Maßnahme aus abflusstechnischen Gründen überhaupt zwingend erforderlich ist. Bei einer modifizierten Krautung gilt es Teillebensräume zu erhalten, von denen ausgehend anschließend eine schnelle Wiederbesiedlung stattfinden kann. Unter Berücksichtigung der entsprechenden Laich- und Schonzeiten sollte eine Krautung möglichst erst in den Herbstmonaten (frühestens Mitte Juni) durchgeführt werden.
312
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
Kleinere Gewässer werden nur halbseitig und abschnittsweise mit dem Mähkorb gekrautet (Bild 6.51). Mit Hilfe von Abstandshaltern wird ein Eindringen des Mähkorbes in die Gewässersohle verhindert.
Bild 6.51 Halbseitiges Krauten mit dem Mähkorb (Foto: Gewässerdirektion Südlicher Oberrhein/Hochrhein – Bereich Offenburg)
Schonender kann die Krautung mit einem Mähboot ausgeführt werden, das allerdings nur ab einer gewissen Gewässerbreite und Wassertiefe eingesetzt werden kann. Mit dem Mähboot wird nur eine Krautschneise in der Gewässermitte ausgemäht; dies bewirkt eine ausreichende Absenkung des Wasserspiegels (Bild 6.52). Die ausgesparten Vegetationsbestände am Gewässerufer erhöhen die Strukturvielfalt und sind wichtige Rückzugsbereiche für aquatische Organismen.
Bild 6.52 Krauten einer Schneise mit dem Mähboot (aus ATV-DVWK, 2002b)
6.6 Fließgewässerunterhaltung
313
Das abgeschnittene Wasserkraut muss nach dem Mähvorgang aufgefangen, aus dem Wasser entnommen und nach kurzer Zwischenlagerung am Gewässerufer abgefahren werden, um die Bildung von Sickersäften zu verhindern. Räumen von Auflandungen Auflandungen müssen überall dort entfernt werden, wo der vorhandene Abflussquerschnitt nicht mehr ausreicht. Räumungen werden in der Regel in mehrjährigem Turnus bei Gewässern mit hoher Auflandungstendenz durchgeführt. Da beim Räumvorgang vorhandene Gewässerstrukturen nivelliert, Wasserwechselbereiche zerstört und vorhandene Pflanzen und Tiere aus dem Gewässer entfernt werden, stellt eine Räumung die gravierendste Beeinträchtigung des Gewässerlebensraumes dar. Daher sollte das Räumen so behutsam wie möglich durchgeführt werden. Um eine schnelle Wiederbesiedlung geräumter Gewässerabschnitte zu gewährleisten und den Eingriff in den Gewässerlebensraum möglichst gering zu halten, ist auch hier ein abschnittsweises, halb- oder wechselseitiges Vorgehen notwendig (Bild 6.53). Grundsätzlich dürfen beim Räumvorgang im Rahmen einer Unterhaltungsmaßnahme nur Auflandungen entnommen werden. Eintiefungen oder Verbreiterungen des ursprünglichen Profils stellen einen Gewässerausbau dar und sind
Bild 6.53 Halbseitige Räumung mit gleichzeitiger Schonung der Sohlenstrukturen (Foto: Gewässerdirektion Südlicher Oberrhein/Hochrhein – Bereich Offenburg)
314
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
daher genehmigungspflichtig. Der beste Zeitpunkt für eine Räumung ist der Herbst. Die Arbeiten sollten mit einem Bagger mit Grabenräumlöffel ausgeführt werden. Trotz der negativen Auswirkungen kann eine Räumung auch positive Effekte haben, da bei entsprechender Vorgehensweise ein Flächenmosaik geschaffen werden kann, das die Lebensraumvielfalt erhöht. Bei jeder Räumung wird die Entwicklung in ein Pionierstadium zurückgeführt (s. auch Bild 3.40). Bei der Wiederbesiedlung siedeln sich hier bevorzugt Pionierarten an, welche erneut die Bildung von Kleinstrukturen einleiten. Eine abschnittsweise oder wechselseitige Räumung bewirkt, dass sich die Flächen entlang des Gewässers in unterschiedlichen Sukzessionsstadien mit vergleichsweise hohem Artenspektrum befinden. Räumungen können auch Anlass für die Umgestaltung von Gewässerabschnitten sein. So ist es bei Flachlandgewässern möglich, bei der Räumung gleichzeitig die Sohlen- und Böschungssicherung zu entfernen oder Vorlandflächen zur Veränderung des Mittelwasserbettes zu nutzen. Beispiele aus der Oberrheinebene (s. Kap. 7.8) zeigen, dass sich hier ohne großen zusätzlichen Kostenaufwand im Laufe der weiteren Entwicklung gewässertypische Strukturen wie Kolke und Flachwasserbereiche bilden, welche die Lebensraumvielfalt des Gewässers deutlich erhöhen. Voraussetzung ist die Verfügbarkeit von Entwicklungsstreifen entlang des Gewässers. Der Verbleib des Räumgutes stellt heutzutage ein Problem dar, da der Einbau des Aushubmateriales auf landwirtschaftlichen Nutzflächen wegen Grenzwertüberschreitungen zunehmend nicht mehr möglich ist. Deshalb ist es besonders wichtig, bereits im Vorfeld das Räumgut auf Schadstoffe zu untersuchen und die fachgerechte Verwertung (Bodenverbesserung in der Landwirtschaft, Verwertung als Baumaterial) oder Entsorgung des Sedimentes sicherzustellen. Die Abklärung des Vorgehens mit der zuständigen Bodenschutzbehörde ist zu empfehlen. Beseitigung von Erosionsschäden Dynamik ist charakteristisch für die natürlichen Lebensräume der Gewässer und Auen. Erosion ist somit ein natürlicher Vorgang, der im Rahmen der Gewässerentwicklung die Bettbildung und -gestaltung wesentlich bestimmt. Durch Tiefenerosion bilden sich Kolke, Schnellen und Sohlenstufen aus; die Seitenerosion fördert die Bildung von Böschungsabbrüchen an den Prallufern. Erosionserscheinungen sind somit nicht von vorne herein als Schäden einzustufen. Erosion kann allerdings auch anthropogen bedingte Ursachen wie zum Beispiel Veränderung des Abflussverhaltens, erhöhte Fließgeschwindigkeiten durch Ausbau und Begradigung (Bild 6.54) oder die Beseitigung der Ufervegetation haben. Erosionsschäden sind in der Regel zu beheben, wenn … • • • •
die Veränderungen den Abfluss erheblich beeinträchtigen, Folgeschäden, wie zum Beispiel ein Deichbruch zu befürchten sind, Siedlungs-, Verkehrsflächen oder Bauwerke gefährdet werden oder eine fortschreitende Tiefenerosion zu erwarten ist.
6.6 Fließgewässerunterhaltung
315
Kolke und Uferabbrüche sind wichtige Strukturelemente und somit auch wichtige Gewässerlebensräume. Bei der Entscheidung über Art und Umfang einer Sanierung sollte immer zuerst die Frage eines möglichen Grunderwerbes überprüft werden. Bei einer Sanierung sind grundsätzlich naturnahe Bauweisen vorzuziehen.
Bild 6.54 Erosionsschäden im Vorland eines Schwarzwaldflusses (Foto: Gewässerdirektion Südlicher Oberrhein/Hochrhein – Bereich Offenburg)
Gehölzpflege Der Umfang der Gehölzpflege ist abhängig vom Gewässerzustand, dem Ausbaugrad und der Art des Gehölzbestandes. Entwicklungsziel sollte ein geschlossener, artenreicher, mehrreihig und mehrstufig aufgebauter Gehölzsaum mit unterschiedlicher Altersstruktur sein. Dieser kann sowohl die Sicherung der Ufer, als auch die ökologischen Funktionen am besten erfüllen (Paulus, 1999). Folgende Pflegearbeiten werden im Rahmen der Gewässerunterhaltung durchgeführt: • Nicht mehr standfeste, abgestorbene und abflussbehindernde Gehölze werden entnommen (dabei sind entsprechende Totholzanteile zu erhalten) • Zurückschneiden („auf den Stock setzen“) von Gehölzen zur Bestandsverjüngung mit dem Pflegeziel einen unterschiedlichen Altersaufbau herzustellen
316
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
• Auslichten („Plentern“) von überalterten Beständen mit dem Pflegeziel den Jungwuchs zu fördern • Umstellen von Gehölzbeständen mit dem Pflegeziel standortfremde Gehölze zu ersetzen (s. Bild 6.55) • Fertigstellungs- und Entwicklungspflege von Neuanpflanzungen Um Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes und Eingriffe in den Naturhaushalt möglichst gering zu halten, sollten auch Gehölzpflegearbeiten immer abschnittsweise über mehrere Jahre verteilt ausgeführt werden. Die Arbeiten sollten im Unterhaltungsplan mit Angaben zum jeweiligen Pflegeziel beschrieben sein.
Bild 6.55 Unterhaltungsarbeiten in einem Uferstreifen an einem kleinen Flachlandgewässer. Vier Jahre nach Einstellen der Unterhaltung werden standortfremde Gehölze entnommen (Foto: Gewässerdirektion Südlicher Oberrhein/Hochrhein – Bereich Offenburg)
Bestandsregulierung von Neophyten Neophyten, vor allem der Japanknöterich (s. Kap. 3.3.3), haben sich in den letzten Jahrzehnten entlang der Gewässer ausgebreitet. Diese Pflanzen sind aufgrund ihres schnellen Wachstums in der Lage, andere Pflanzenarten am Gewässerufer in kürzester Zeit zu verdrängen (Bild 6.56). Wegen ihres groben Wurzelgeflechtes (Rhizome) ohne Feinwurzelanteil und des Absterbens aller oberirdischen Pflanzenteile im Spätherbst haben diese Pflanzen keinerlei festigende Wirkung auf den Boden. Dies führt insbesonde-
6.6 Fließgewässerunterhaltung
317
Bild 6.56 Ausgedehnter Neophytenbestand mit Japanknöterich im Vorland der Rench – einem naturfern ausgebauten Schwarzwaldfluss (Foto: Gewässerdirektion Südlicher Oberrhein/ Hochrhein – Bereich Offenburg)
re an ausgebauten Gewässerabschnitten mit großen Strömungsgeschwindigkeiten zu Erosion bei Winterhochwasser, da die schützende Grasnarbe im Laufe der Zeit vollständig zerstört wird. Pflanzenteile werden vom Hochwasser flussabwärts verdriftet und bilden an anderer Stelle neue Bestände. Dies führt zu einer unkontrollierbaren Bestandsentwicklung, deren Folgeschäden für den Hochwasserschutz nicht abzuschätzen sind. In früheren Jahren wurden erodierte Flussufer durch Steinwurf oder Blocksatz gesichert. Damit wurde das Ausgangsproblem, die zunehmende Ausbreitung der Pflanze, nicht beseitigt, die Gewässerstruktur jedoch zunehmend beeinträchtigt. Positive Ergebnisse erzielte man an verschiedenen Schwarzwaldgewässern mit dem Einsatz naturnaher Bauweisen, insbesondere der Weidenspreitlage. Die aufkommenden Weiden, die mit einem natürlichen Bestand aus Erlen, Eschen und Bergahorn ergänzt wurden, übernehmen die Uferstabilisierung und sind wegen ihrer ähnlich starken Konkurrenzkraft und der Beschattung in der Lage, die Knöterichbestände in ihrer Ausbreitung zu begrenzen. Grundsätzlich ist dabei zu überprüfen, ob die Einschränkung des Abflussquerschnittes – hier durch den Aufwuchs der Weiden – bei ausgebauten Gewässerabschnitten toleriert werden kann. Als geeignete Maßnahme zur Bestandsregulierung von Neophyten hat sich auf den Vorländern und Deichen der großen Schwarzwaldgewässer mittlerwei-
318
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
le auch der Einsatz von Schafherden bewährt (Bild 6.57). Die Schafbeweidung hat folgende Vorteile: • Kurzhalten der Vegetation der Vorländer und Flussdeiche • Eine geschlossene, dichte und damit erosionssichere Grasnarbe bildet sich aus • Die Grasnarbe wird durch die Schafhufe gefestigt • Neophyten werden in ihrer weiteren Ausbreitung behindert • Mähen und Mähgutentsorgung entfallen • Kostengünstige Unterhaltungsmaßnahme Die Beweidung wird nach vorgegebenen Regeln bezüglich Beweidungsgeschwindigkeit und Beweidungshäufigkeit als Driftweide durchgeführt. Dabei werden die Schafe zwischen April und Oktober von einem Schäfer ganztägig gehütet. Aufgrund der ständigen Hochwassergefahr müssen für die Schafherde Pferchflächen außerhalb des Gewässerprofiles zur Verfügung stehen. Hinweise zum Umgang mit Neophyten finden sich u.a. bei Paulus (1997).
Bild 6.57 Schafbeweidung zur Bestandsreduzierung von Neophyten an einem Schwarzwaldfluss (Foto: Gewässerdirektion Südlicher Oberrhein/Hochrhein – Bereich Offenburg)
6.6 Fließgewässerunterhaltung
319
6.6.2 Unterhaltung urbaner Fließgewässer Hinsichtlich der Unterhaltungspflicht gibt es zwischen Fließgewässern im ländlichen Raum und in urbanen Bereichen keine Unterschiede. Die im Folgenden aufgeführten Besonderheiten bei der Unterhaltung urbaner Fließgewässer lassen sich zumeist auf die beengten Platzverhältnisse am Gewässer, auf den sehr naturfernen Ausbau und auf die Nähe der Bevölkerung zurückführen. Im Vergleich zu ländlichen Gebieten ist die Unterhaltung der urbanen Fließgewässer komplexer und aufwändiger, d.h. wesentlich individueller zu gestalten. Dass in bewohnten Gebieten von einer „erhöhten Unterhaltungspflicht“ auszugehen ist, hat auch der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 27. Januar 1983 (BGH III ZR 70/81) festgestellt. Trotz aller Erschwernisse dürfen jedoch die übergeordneten Unterhaltungsziele, wie … • Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Wasserabflusses, • Erhaltung und Verbesserung eines Gewässers als Lebensraum für Pflanzen und Tiere einschließlich der ökologischen Durchgängigkeit, insbesondere für die aquatisch-amphibische Tierwelt sowie • Erhaltung und Verbesserung des Gewässers als Voraussetzung für Freizeit und Erholung nicht aus dem Auge verloren werden (ATV-DVWK, 2000a). Die Sohlenräumung ist eine der massivsten Unterhaltungsarbeiten. Sie dient der Sicherstellung der Abflussleistung. Bei der Räumung werden sowohl Auflandungen aus natürlichen Einträgen als auch Abfälle und der typische Wohlstandsmüll entfernt. Gerade in urbanen Bereichen sind die Gewässersedimente häufig mit Schadstoffen belastet, wodurch eine Verwertung ausgeschlossen wird und eine Entsorgung erforderlich wird. Vorab ist daher eine Beprobung sinnvoll. Der Zugang zum Gewässer ist in urbanen Gewässerbereichen erschwert (u.a. durch senkrechte Ufermauern und dicht am Gewässer stehende Gebäude), so dass eine Räumung sehr aufwändig sein kann. Andererseits erlaubt eine befestigte Gewässersohle auch den Einsatz leistungsfähiger Maschinen (Bild 6.58). Die Böschungs- und gewässernahen Uferbereiche haben im Hinblick auf die naturraumtypische Entwicklung vielerlei Funktionen (s. Kap. 2.2 bis 2.3). In urbanen Bereichen sind diese oft spärlich ausgebildet; oft fehlen sie ganz. Ein Gehölzsaum trägt jedoch nicht nur zu einer Aufwertung des Stadtbildes bei, sondern beeinflusst auch das Stadtklima in positiver Weise. Deshalb werden wo möglich Gehölze, Sträucher, Röhrichte in und am Gewässer neu angepflanzt. Die Überwachung der Anpflanzungen ist nicht nur wegen deren Einfluss auf die Abflussleistung erforderlich, sondern auch aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht des Eigentümers bzw. Unterhaltungspflichtigen.
320
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
Bild 6.58 Räumung eines urbanen Gewässerabschnittes (Foto: F. Hemker)
Eine Kontrolle ist in regelmäßigen Abständen erforderlich und muss während und nach Unwetterereignissen erheblich ausgedehnt werden. Dies gilt insbesondere für stark frequentierte Gewässerabschnitte. Dass die Unterhaltung urbaner Fließgewässer unter den Augen einer breiten, oft kritischen, Öffentlichkeit stattfindet, kann Vorteil und Nachteil zugleich sein. 6.7
Öffentlichkeitsbeteiligung In der heutigen Medien- und Informationsgesellschaft sind Planung und Umsetzung wasserwirtschaftlicher Maßnahmen, auch zur Fließgewässer- und Auenentwicklung, ohne Öffentlichkeitsarbeit kaum noch möglich. Die Öffentlichkeitsbeteiligung ist im Falle einer Planfeststellung sogar rechtlich vorgeschrieben (s. Kap. 5.2). Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten der Öffentlichkeitsarbeit bzw. der Öffentlichkeitsbeteiligung. Die Erfahrung der letzten Jahre hat gezeigt, dass rechtzeitige und umfassende Information aller Beteiligten die Akzeptanz für Planung und Umsetzung von Maßnahmen wesentlich erhöht.
6.7 Öffentlichkeitsbeteiligung
321
6.7.1 Verpflichtung zur Beteiligung der Öffentlichkeit bei Planfeststellungen Wenn eine wasserwirtschaftliche Maßnahme der Planfeststellung nach § 31 WHG bedarf, sind der Maßnahmeträger und die Planfeststellungsbehörde verpflichtet, durch öffentliche Bekanntmachungen über die beabsichtigte Maßnahme zu informieren. Die Träger öffentlicher Belange werden ermittelt und mit den Planfeststellungsunterlagen benachrichtigt. Ortsansässigen Betroffenen wird zugemutet, dass sie sich anhand der öffentlichen Bekanntmachung informieren. Die öffentliche Bekanntmachung erfolgt in der Regel durch die Tageszeitungen oder die Mitteilungsblätter der Städte und Gemeinden. Nicht ortsansässige Grundstücksbetroffene werden individuell beteiligt. Die Planfeststellungsunterlagen liegen zu Jedermanns Einsicht für einen Zeitraum von vier, sechs oder mehr Wochen an mehreren Orten aus. Zu der planfestzustellenden Maßnahme kann Stellung genommen werden. Nach Beendigung der Offenlage beginnt die Erörterung der Einsprüche. Hier hat die Planfeststellungsbehörde private und öffentliche Belange gegeneinander abzuwägen. Danach ergeht der Planfeststellungsbeschluss. Hiergegen kann geklagt werden (s. auch Kap. 5.2.2). 6.7.2 Information und Anhörung der Öffentlichkeit Die EG-Wasserrahmenrichtlinie hat die Information und Anhörung der Öffentlichkeit wesentlich erweitert. Insbesondere wenn es um die Aufstellung, Überprüfung und Aktualisierung der Bewirtschaftungspläne für die einzelnen Einzugsgebiete geht, obliegen den zuständigen Stellen sehr weitreichende Informationspflichten. Alle diesbezüglichen Informationen und Planungen sind zu veröffentlichen bzw. der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, damit diese Stellung nehmen kann. Unter Information und Anhörung ist zu verstehen: • Planung, Einladung und Durchführung von Auftaktveranstaltungen über Inhalt und Zweck der EG-Wasserrahmenrichtlinie für das jeweilige Einzugsgebiet • Veranstaltungen zu speziellen Fachthemen, wie zum Beispiel Auswirkungen des Bewirtschaftungsplanes auf die Landwirtschaft sowie den Landschaftsund Naturschutz • Bildung von länderübergreifenden Arbeitsgruppen für das Einzugsgebiet eines Gewässers, wenn es mehrere Bundesländer durchfließt • Bildung von Gebietsforen oder Regionalforen zu abgegrenzten Teileinzugsgebieten und besonderen Fachthemen • Durchführung von Seminaren • Erstellung und Versand von Informationsbriefen und Broschüren
322
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
• Präsentationen im Internet • Einbeziehung von Planungen Dritter in den Umsetzungsprozess 6.7.3 Gewässer-Nachbarschaften, Regionaler Erfahrungsaustausch Die Initiative „Gewässer-Nachbarschaften/Regionaler Erfahrungsaustausch“ wurde Ende der 1980er-Jahre ins Leben gerufen, um einen Beitrag zur ökologisch orientierten Gewässerunterhaltung und -entwicklung zu leisten (Reich, 2003; ATV-DVWK, 2002d; Städtler, 2002). Der regionale Erfahrungsaustausch verfolgt die gleichen Ziele und orientiert sich daher an dem GewässerNachbarschaftsgedanken. Eine Gewässer-Nachbarschaft ist der freiwillige Zusammenschluss von Unterhaltungspflichtigen im Einzugsgebiet eines Fließgewässers mit dem Ziel eines Erfahrungs- und Informationsaustauschs. Die Teilnehmer an den Veranstaltungen kommen außer von den Unterhaltungspflichtigen auch von Fachund Aufsichtsbehörden, Ingenieurbüros, Hochschulen, Umweltverbänden, Bachpatenschaften, Wasserwerken, landwirtschaftlichen Betrieben und Fischereigenossenschaften. Aber auch interessierte Bürger und Bürgerinnen und Vertreter der Presse sind häufig anzutreffen. Gewässer-Nachbarschaften haben den Vorteil, dass sie politisch ungebunden sind und neueste Erkenntnisse in der Fließgewässerunterhaltung und der Gewässerentwicklung vermitteln. Diese Erkenntnisse können dann direkt in die praktische Arbeit umgesetzt werden. Die Ortstermine bieten den Teilnehmern Gelegenheit, sich mit Kollegen auszutauschen und anhand von praktischen Beispielen wasserwirtschaftliche und ökologische Lösungen vor Ort zu diskutieren (Bild 6.59). So kann aus guten, aber auch aus schlechten Beispielen gelernt werden. Die behandelten Themen auf den Ortsterminen spiegeln häufig die Entwicklung der Wasserwirtschaft über einen längeren Zeitraum wider. Typische Themen von Gewässer-Nachbarschaftstagen sind u.a.: • • • • • • •
Wiederherstellung der Durchgängigkeit eines Fließgewässers Freizeit und Erholung an Fließgewässern Neophyten – gebietsfremde Pflanzen Bisam und Nutria an Fließgewässern Umgang mit lebenden Baustoffen Durchführung der Gewässerstrukturkartierung Totholz in Fließgewässern
Die Institution „Gewässer-Nachbarschaft“ hat sich mittlerweile in der Bundesrepublik Deutschland etabliert. In Nordrhein-Westfalen gibt es in einigen Bereichen auch sogenannte „Erfahrungsaustausche“. In anderen Organisationsformen, wie zum Beispiel Landeswasserverbandstagen (u.a. in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt),
6.7 Öffentlichkeitsbeteiligung
323
Bild 6.59 Ortstermin einer Gewässer-Nachbarschaft – Behörden und Unterhaltungspflichtige präsentieren Fließgewässerentwicklungsmaßnahmen der Öffentlichkeit (Foto: H. Patt)
werden regionale Erfahrungsaustausche durchgeführt. In Thüringen und Sachsen haben Gewässer-Nachbarschaften den Status von regionalen Erfahrungsaustauschen. 6.7.4 Bachpatenschaften Seit immer mehr Menschen die Bedeutung von Fließgewässer und Auen als Lebensraum einer vielfältigen Pflanzen- und Tierwelt und damit auch die Bedeutung für den Menschen erkennen, sind sie auch bereit sich hierfür zu engagieren. Eine Möglichkeit bietet die Übernahme einer Bachpatenschaft durch Vereine, Verbände, Schulklassen, Jugendgruppen und Einzelpersonen. Durch den Abschluss eines Bachpatenschaftsvertrages übernimmt der Bachpate Verantwortung für ein Gewässer oder auch einen Gewässerabschnitt. Bachpaten bilden ein wichtiges Bindeglied zwischen den Gewässerunterhaltungspflichtigen und den interessierten Bürgern. Bachpaten haben die Möglichkeit sich aktiv an der Beobachtung, der Pflege sowie der Unterhaltung und der Gestaltung von Fließgewässer und Aue zu beteiligen. Die Bachpatenschaft soll auch dazu dienen, das Bewusstsein für den Schutz der Natur und den verantwortungsvollen Umgang mit Fließgewässer und Aue in der Öffentlichkeit zu fördern und weiter zu verbreiten. Durch die Übernahme einer Bachpatenschaft werden die zur Unterhaltung Verpflichteten nicht
324
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
von ihren Aufgaben entbunden. Bachpaten haben keine hoheitlichen Befugnisse. Sie können für eine bessere Reinhaltung des Gewässers werben, mit anderen Bachpatenschaften Erfahrungsaustausche durchführen, gemeinsam mit dem Unterhaltungspflichtigen Maßnahmen durchführen, Verbesserungsvorschläge machen und Missstände aufgreifen. 6.7.5 Runde Tische Ähnlich wie die Gewässer-Nachbarschaften bestehen die „Runden Tische“ aus einem freiwilligen Zusammenschluss von an Fließgewässer und Aue interessierten Personen und Institutionen bzw. Einrichtungen. So kann zum Beispiel eine Fischereigenossenschaft einen Arbeitskreis ins Leben rufen und die Gewässerunterhaltungspflichtigen, die angrenzenden Gebietskörperschaften, die Gewässernutzer, die Grundstückseigentümer, Fachbehörden und politisch Verantwortliche zwei bis dreimal im Jahr zu Gesprächen einladen. Themen eines solchen Runden Tisches können u.a. sein: • Umsetzung gezielter Entwicklungsmaßnahmen • Umsetzung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen der Städte und Gemeinden bei der Bauleitplanung sowie Anrechenbarkeit im Sinne eines Ökokontos • Beteiligung bei der Erarbeitung von Entwicklungszielen In Rheinland-Pfalz werden diese Initiativen zum Beispiel vom Umweltministerium und den Fachbehörden unterstützt. 6.7.6 Information durch Broschüren, Ausstellungen, Tagungen, Führungen, Pressetermine, Internet u.a. Neben den o.g. Möglichkeiten der Information der Öffentlichkeit werden häufig auch informative und verständliche Beiträge in Form von Broschüren, Faltblättern u.a. durch Ministerien, Behörden, Städte, Gemeinden sowie Verbände und Ingenieurbüros aufgelegt. Diese dienen nicht nur der Information der Öffentlichkeit und der politisch Verantwortlichen, sondern auch der Fortbildung der Mitarbeiter. Die Herstellung und Verteilung derartiger Informationsbroschüren sind meist mit erheblichen Kosten verbunden, insbesondere wenn diese mediengerecht sein sollen. Diese – oft kurz abgefassten – Informationstexte, werden häufig durch Veröffentlichungen in Fachzeitschriften ergänzt. Die Herstellung und Präsentation von Informationstafeln zu bestimmten, regional und fachlich bezogenen Themen ist u.a. geeignet für Umwelttage, Tage der „Offenen Tür“, Landwirtschafts- oder Gewerbeschauen und Fachtagungen. Die Texte auf den Tafeln müssen kurz und allgemein verständlich sein. Fotos
6.8 Finanzierungsmöglichkeiten, Förderprogramme
325
und Grafiken müssen verständlich und möglichst selbsterklärend aufbereitet werden. Auch ist es wichtig, dass ein Ansprechpartner vor Ort zur Verfügung steht. Fachtagungen zum Thema „Fließgewässer- und Auenentwicklung“ werden u.a. von der Bundesregierung, den Landesregierungen, Hochschulen, großen Städten, Umweltverbänden, Wasserverbänden, Fischereiverbänden und großen Ingenieurbüros organisiert und durchgeführt. Auch hat sich gezeigt, dass Führungen bzw. Exkursionen mit fachlichen Erläuterungen ein sehr brauchbares Instrument sind, die Akzeptanz für ein Projekt zu fördern. Presseveröffentlichungen werden meist nur dann gedruckt, wenn die Texte und ggf. auch Fotos vorbereitet sind, ein bekannter Fachmann oder Politiker beim Pressetermin anwesend ist oder es sich um eine besondere Maßnahme handelt. In Deutschland gibt es kaum noch eine Einrichtung oder Institution, die sich nicht im Internet präsentiert. Auch die wasserwirtschaftlichen Fachbehörden stellen inzwischen ihre Einrichtung und ihre Aufgaben dort vor. 6.8
Finanzierungsmöglichkeiten, Förderprogramme In diesem Kapitel soll auf unterschiedliche Finanzierungsmöglichkeiten von Fließgewässer- und Auenentwicklungsmaßnahmen eingegangen werden. Hierbei findet keine Beschränkung auf die Nennung direkt dafür zur Verfügung stehender Förderprogramme statt. Vielmehr wird die tatsächliche Bandbreite möglicher und aktuell häufig genutzter Finanzierungswege angesprochen. Die Umsetzung von Fließgewässer- und Auenentwicklungsmaßnahmen ist neben den Flächenverfügbarkeiten auch wesentlich von der Möglichkeit ihrer Finanzierung abhängig. So scheitern viele, vor allem in konzeptionellen Planungen bereits vorbereitete Maßnahmen daran, dass für deren Umsetzung keine Finanzmittel zur Verfügung stehen. Zum Teil verfallen bereitgestellte Fördermittel, weil sie von möglichen Maßnahmenträgern, beispielsweise aufgrund fehlender Eigenanteile, nicht abgerufen werden. Üblicherweise sind für Fließgewässer- und Auenentwicklungsmaßnahmen Finanzmittel • für die Planung (oftmals wasserrechtliche Plangenehmigungs- oder Planfeststellungsverfahren gemäß § 31 WHG unter Einbeziehung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung gemäß §§ 18 bis 20 BNatSchG), • den notwendigen Grunderwerb und • die Ausführung der notwendigen Baumaßnahmen einschließlich der örtlichen Bauüberwachung notwendig. In manchen Fällen ist darüber hinaus die Durchführung von Erfolgskontrollen sinnvoll, um mit den dort gewonnenen Erkenntnissen künftige Maßnahmen erfolgreicher und effektiver durchführen zu können.
326
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
Im Hinblick auf die überwiegend leeren Kassen der öffentlichen Hand soll an dieser Stelle darauf verwiesen werden, dass eine naturnahe Fließgewässerund Auenentwicklung vielfach durch die Natur selbst bewirkt wird. In vielen Fällen kann die Duldung der eigendynamischen Entwicklung und damit der Verzicht auf Wiederherstellungsmaßnahmen im Rahmen der Gewässerunterhaltung eine sehr preiswerte Alternative zu kostenintensiven Renaturierungsmaßnahmen sein. So haben extreme Hochwasserereignisse in der Vergangenheit, zuletzt die an der Elbe im Sommer 2002, neben den hohen Sachschäden und dem menschlichen Leid, auf freier Fließstrecke auch zu einer Selbstregeneration von Fließgewässerstrecken und Auen geführt. Diese „kostenlosen naturnahen Umgestaltungen“ sind nur dort zu tolerieren, wo daraus keine Gefahren für Menschen oder hochwertige Sachgüter, zum Beispiel Infrastruktureinrichtungen, entstehen. Dort, wo die bisherigen Landnutzer für Landverluste entschädigt werden können, sollten Geldmittel aus entsprechenden Förderprogrammen vor allem in die dauerhafte Flächensicherung, also den Flächenankauf der vom Hochwasser naturnah umgestalteten Flächen fließen. Nach dem Elbehochwasser im Jahre 2002 sind beispielsweise vom Sächsischen Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft entsprechende Erlasse zur Sicherung dieser naturschutzfachlich und wasserwirtschaftlich außerordentlich wertvollen Flächen erarbeitet worden (Jüngel, 2004). Eine preiswertere, naturnähere und damit effektivere Fließgewässer- und Auenentwicklung ist in unbesiedelten Bereichen nicht denkbar. 6.8.1 Zielsetzung der zu finanzierenden Renaturierungsmaßnahmen Zur Finanzierung von Entwicklungs- bzw. Renaturierungsmaßnahmen am Gewässer oder in der Gewässeraue stehen unterschiedliche Möglichkeiten zur Verfügung. Vielfach hängt eine Finanzierung von bestimmten Zielsetzungen einer geplanten Maßnahme ab. So können Renaturierungsmaßnahmen beispielsweise wasserwirtschaftliche, naturschutzfachliche, fischereifachliche oder auch städtebaulich-gestalterische Ziele verfolgen. Oftmals dienen Renaturierungsmaßnahmen gleichzeitig mehreren Zielsetzungen. Die Aufweitung und naturnahe Umgestaltung eines stark veränderten Gewässerlaufes kommt beispielsweise sowohl dem Hochwasserschutz, als auch den Lebensraumfunktionen des Gewässers für das Makrozoobenthos oder die Fischfauna zugute. Im Siedlungsraum kann die Maßnahme gleichzeitig zu einer städtebaulichgestalterischen Aufwertung führen und die innerörtlichen Biotopverbundfunktionen des Gewässerlaufes stärken. Damit wird die Maßnahme mehrfach förderfähig, im genannten Beispiel aus Förderprogrammen für den Hochwasserschutz, den Fischartenschutz, den Naturschutz oder auch der Städtebauförderung bzw. im ländlichen Raum der Dorfentwicklung/Dorferneuerung. Je nach Schwer-
6.8 Finanzierungsmöglichkeiten, Förderprogramme
327
punktsetzung muss daher im Vorfeld genau geprüft werden, für welche Finanzierungsmöglichkeit die größten Erfolgsaussichten bestehen. Innerhalb bestehender Förderprogramme sind festgelegte Maßnahmen, zum Teil aber auch die vorausgehenden Planungen und der Grunderwerb förderfähig. Wird eine bestimmte Maßnahme im Rahmen der Gewässerunterhaltung oder im Rahmen eines Gewässerausbaus geplant, müssen zunächst die im jeweiligen Bundesland zur Verfügung stehenden Förderprogramme der Wasserwirtschaft, aber auch die des Naturschutzes, auf die Förderfähigkeit der vorgesehenen Maßnahme überprüft werden. Dazu sollte immer frühzeitig der Kontakt zu den Ansprechpartnern der Bewilligungsstellen gesucht werden, die am ehesten dazu in der Lage sind, die Fördermöglichkeiten, auch im Hinblick auf die ihnen im jeweiligen Haushaltsjahr zur Verfügung stehenden Mittel, abzuschätzen. Im Rahmen wasserwirtschaftlicher Programme, beispielsweise zur naturnahen Gewässerunterhaltung oder Gewässerentwicklung, sind häufig die folgenden Maßnahmen förderfähig: • Einrichtung von Gewässer- bzw. Uferrandstreifen (z.B. Ankauf und Pflanzung bodenständiger Ufergehölze) • Maßnahmen zur Förderung der Durchgängigkeit (z.B. Rückbau von Sohlenschwellen, Umbau von Wehranlagen, Anlage von Umflutgerinnen) • Naturnahe Ufergestaltung (z.B. Rückbau von Uferbefestigungen) • Naturnahe Gewässergestaltung (z.B. Freilegen verrohrter Strecken, naturnahe Lauf-, Profil- und Sohlengestaltung; Initialmaßnahmen zur Förderung eigendynamischer Entwicklungen, wie zum Beispiel durch Einbau von Totholz) • Anlage bzw. Entwicklung von Auenbiotopen (z.B. Wiederherstellung der ursprünglichen Auenmorphologie, Renaturierung von Altarmen, Anlage von Auenwald durch Sukzession oder Pflanzung) Aufgrund der ständig wechselnden Fördermöglichkeiten, Fördervoraussetzungen, Kombinationsmöglichkeiten bzw. den in der Regel begrenzten Laufzeiten bestimmter Förderprogramme, sollte die Frage möglicher Finanzierungsmodelle immer mit kompetenten und erfahrenen Fachleuten im Vorfeld erörtert werden. Es handelt sich um eine zeitaufwändige Recherche, die dem Projekt- und Finanzierungsmanagement vor Ort überlassen werden muss. Oftmals erfordert die Einwerbung von Fördermitteln, neben dem hohen Zeitaufwand, viel Phantasie, Geduld und Ausdauer, zumal viele Finanzierungsmöglichkeiten von den Haushalten der öffentlichen Hand und damit letztlich von der jeweils vorherrschenden gesamtwirtschaftlichen Lage abhängen. Einen sehr guten Weg zur Schaffung von mehr Transparenz im Förderdschungel hat zum Beispiel die „Flussgebietsgemeinschaft Weser“ beschritten. Um den vor Ort im Weser-Einzugsgebiet der sieben Anrainer-Bundesländer Tätigen einen ersten Kurzüberblick über die zur Verfügung stehenden Fördermöglichkeiten bestimmter Maßnahmentypen zu geben, hat die Geschäftsstel-
328
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
le der „Flussgebietsgemeinschaft Weser“ als Service eine Förderdatenbank in das Internet gestellt. Unter der Adresse „www.datenbank.fgg-weser.de“ können sich Interessierte über die zahlreichen Förderprogramme und die weiteren Finanzierungsmöglichkeiten im gesamten Wesereinzugsgebiet der Bundesländer Bayern, Bremen, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Thüringen informieren. Zusammengestellt wurden die Fördermöglichkeiten für Maßnahmen aus den Bereichen Gewässer- und Auenentwicklung, Flächenextensivierung zur Minimierung der Stoffeinträge und der Schwebstoffe, Durchgängigkeit der Gewässer sowie Besatzmaßnahmen, die im Zusammenhang mit der Wiederansiedlung von Wanderfischen stehen. Mit Hilfe der Datenbankinformationen kann der Interessierte überprüfen, welche Fördermöglichkeiten zur Umsetzung einer bestimmten Maßnahme in seinem Wirkungsbereich generell bestehen. Erst vertiefende Recherchen zum Programm und die Kontaktaufnahme zu den für das jeweilige Förderprogramm genannten Ansprechpartnern vor Ort können anschließend die Erfolgsaussichten für eine Förderung klären. Derartige Recherchen sind unumgänglich, weil sich die Fördermöglichkeiten bzw. -programme ständig verändern, nur mit begrenzten Mitteln ausgestattet sind oder vollständig auslaufen. 6.8.2 Mögliche Finanzierungswege Generell sind (Teil-)Finanzierungen bestimmter Fließgewässer- und Auenrenaturierungsmaßnahmen aus den Bereichen Wasserwirtschaft sowie Naturschutz, Land- und Forstwirtschaft möglich. Nicht immer ist dabei ein direkter Bezug zu entsprechenden Maßnahmen zu erkennen. Die Auseinandersetzung mit den jeweils zur Verfügung stehenden Finanzierungswegen zeigt die vielseitigen Möglichkeiten zur Finanzierung von Renaturierungsmaßnahmen auf. Die wichtigsten Finanzierungsmöglichkeiten und Förderwege werden im Folgenden kurz benannt, wobei aufgrund der Vielzahl möglicher Finanzierungswege kein Anspruch auf Vollständigkeit bestehen kann. • Förderprogramme der einzelnen Bundesländer zur naturnahen Entwicklung von Fließgewässern und Auen, die üblicherweise eine Anteilsfinanzierung gewähren (z.B. „Wasserwirtschaftliche Vorhaben Sachsen-Anhalt“ [RZWas1992], „Landesprogramm Naturnahe Gewässer Hessen“, „Zuwendungen zu wasserwirtschaftlichen Vorhaben in Bayern [RZWas2000]“,„Gewässerunterhaltung - Aktionsprogramm zur naturnahen Entwicklung der Gewässer 2. Ordnung in NRW“ und „Zuwendungen für Maßnahmen des Wasserbaus einschließlich der Talsperren in NRW“) • Sonderprogramme der Bundesländer zum Teil ohne direkte Antragstellungsmöglichkeiten (z.B. das Gewässerauenprogramm und das Wanderfischprogramm in Nordrhein-Westfalen, das Fischotterprogramm Niedersachsen)
6.8 Finanzierungsmöglichkeiten, Förderprogramme
329
• Umsetzung gesetzlicher Rahmenbedingungen (Umsetzung von Renaturierungsmaßnahmen im Zuge der naturschutzrechtlichen Eingriffsreglung, zum Beispiel in Form von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen, Einrichtung von Kompensationsflächenpools in Bach- und Flussauen, Ausgleichsabgabe, Ökokonten) • Von der Europäischen Union speziell aufgelegte staatliche Förderprogramme für den ländlichen Raum (Strukturfonds der Europäischen Union (EU), zum Beispiel EAGFL, hieraus u.a. Agrarumweltmaßnahmen, zum Beispiel die Kulturlandschaftsprogramme (KULAP) der Bundesländer oder die Gemeinschaftsinitiative Leader +) • Direkte Förderprogramme der Europäischen Union zur Umsetzung und Weiterentwicklung der Naturschutz- und Umweltpolitik und des Umweltrechts der Gemeinschaft (z.B. LIFE-Natur und INTERREG) • Sonderabgaben (z.B. Fischereiabgabe, Abwasserabgabe) • Forschungs-, Erprobungs- und Entwicklungsvorhaben bzw. Naturschutzgroßprojekte (z.B. des Bundesamtes für Naturschutz) • Förderprogramme staatlicher und privater Stiftungen • Einsatz von Beschäftigungsgesellschaften, die technisch weniger aufwändige Maßnahmen unter fachkundiger Anleitung zum Beispiel mit Langzeitarbeitslosen umsetzen können Die Auflistung der wichtigsten Finanzierungswege zeigt, dass direkte Förderprogramme nur einen kleinen Teil der tatsächlich zur Verfügung stehenden Finanzierungswege ausmachen. Es gibt viele indirekte Finanzierungsmöglichkeiten, die zum Teil Bezeichnungen tragen, die mit Maßnahmen zur Gewässer- und Auenrenaturierung nicht direkt in Verbindung gebracht werden können. Die aufgeführten Möglichkeiten verdeutlichen aber auch, dass zur Finanzierung eines Renaturierungsprojektes vielfach umfangreiche Kenntnisse der bestehenden direkten und indirekten Finanzierungswege unumgänglich sind. In Zukunft liegen vermutlich die größten Fördermöglichkeiten in der optimierten Ausnutzung bestehender Finanzierungsmöglichkeiten, wobei größere Renaturierungsmaßnahmen vor allem mit Hilfe von Geldern für den Hochwasserschutz, die künftigen Programme der Europäischen Union und über die Umsetzung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen im Rahmen der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung umgesetzt werden können. Vor allem die Bündelung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen für großflächige Eingriffe in den Naturhaushalt, zum Beispiel für flächenintensive Bebauungspläne oder für Verkehrswege, werden aktuell dazu genutzt, große zusammenhängende Flächen in Fließgewässerauen naturnah zu entwickeln und damit die durch Bebauungen entstandenen Eingriffe in den Naturhaushalt zu kompensieren (vgl. Buschmann et al., 2003; Ingenieurbüro Umwelt Institut Höxter, 1998 und 2002). Angesichts der aktuell weiter schrumpfenden Etats der öffentlichen Hand werden künftig auch die zahlreichen Stiftungen im Bereich des Umwelt- und
330
6 Planung der Fließgewässerentwicklung
Naturschutzes eine wichtige Rolle bei der Finanzierung von Fließgewässer- und Auenrenaturierungen spielen. Ferner wird es voraussichtlich im Rahmen der Umsetzung der EG-Wasserrahmenrichtlinie zu einer Bündelung und Prioritätensetzung bei der Finanzierung von Fließgewässerrenaturierungen sowie zu einer verbesserten Information über mögliche Finanzierungswege kommen.
7 Erfahrungen Bernd Schackers – Fulda – Kap. 7.1 Ulrich Detering – Lippe – Kap. 7.2 Hubertus Brückner – Mittellauf der Schwarzen Elster – Kap. 7.3 Eberhard Städtler – Sieg – Kap. 7.4 Thomas Paulus & Josef Groß – Ahr – Kap. 7.5 Peter Sellheim – Wümme – Kap. 7.6 Heinz-Christian Baumgart – Emscher – Kap. 7.7 Bernhard Burkart & Bernd Walser – Acher/Rench – Kap. 7.8 Walter Binder – Isar – Kap. 7.9 Christian Göldi – Thur und Wiesenbach – Kap. 7.10 Hans Georg Gsell – Wiesenbach – Kap. 7.11 Helmut Mader – Alterbach/Söllheimerbach – Kap. 7.12
Die Fließgewässer- und Auenentwicklung orientiert sich in den naturschutzfachlichen bzw. ökosystemaren Grundlagen an den naturraumtypischen Fließgewässerlandschaften, d.h. den im Einzugsgebiet eines Fließgewässers oder den in einem bestimmten Fließabschnitt anzutreffenden natürlichen Bedingungen. Die Ausweisung der Fließgewässerlandschaften und die Erarbeitung von Leitbildern ist daher eine wichtige Arbeitsgrundlage für die Maßnahmenplanungen. Die Realisierung einer Maßnahme ist wiederum erheblich von den Verhältnissen vor Ort geprägt. Das Wirtschaften des Menschen hat die Fließgewässer und Auen in unterschiedlicher Art und Intensität belastet. Dazu kommen raumplanerische Vorgaben und politische Einflussnahmen. Die einzelnen Ausführungsplanungen sind daher von sehr unterschiedlichen Randbedingungen geprägt. Entsprechend vielfältig sind auch die Erfahrungen aller Beteiligten. Dieses Buch soll fachliche Informationen bereitstellen; den Leser in die Lage versetzen sich mit dem Thema „Fließgewässer und Aue“ kritisch auseinander zu setzen. Es lässt sich beim Studium der Beispiele unschwer erkennen, dass heute viele unterschiedliche gesellschaftliche Gruppierungen Einfluss auf die Planungen nehmen. Eine entsprechende Öffentlichkeitsarbeit ist daher heute bei der Realisierung größerer Projekte nicht mehr weg zu denken. Die Beispiele zeigen ein breites Spektrum von Entwicklungsmaßnahmen für Fließgewässer und Auen. Vorgestellt werden sowohl überregionale Entwicklungsprogramme und -konzepte als auch einzelne Maßnahmen, wie zum Beispiel die Wiederherstellung der Durchgängigkeit, lokale Umgestaltungen, eigendynamische Entwicklungen. Es werden Projekte in der freien Landschaft und in urbanen Bereichen vorgestellt. Hinsichtlich der Höhenlage wurden alpine Fließgewässer, Mittelgebirgsgewässer und Fließgewässer im Flachland aufgenommen. Entwicklungsmaßnahmen aus Österreich und der Schweiz zeigen, wie unsere Nachbarn Fließgewässerentwicklungen planen und realisieren. Die Autoren wurden gebeten, ihre Beiträge wie folgt zu strukturieren: • Ausgangssituation und Anlass • Entwicklungskonzept, Ziele, Konflikte
332
7 Erfahrungen
• Planung und Maßnahmen • Entwicklungen und Erfahrungen In einigen Fällen wurde diese Gliederung nicht strikt eingehalten. Die Herausgeber haben es dabei belassen, um die Gestaltungsfreiheit der Autoren nicht einzuschränken. Um den Bezug zum Text zu verbessern, wurden die Literaturzitate jeweils am Ende eines Beispiels eingefügt. Jeder der sich einmal mit einer umfangreichen Entwicklungsmaßnahme an einem Fließgewässer beschäftigt hat, weiß zu berichten, dass oft Details und Besonderheiten Planung und Ausführung prägen. Viele Kleinigkeiten müssen bedacht, berücksichtigt, planerisch umgesetzt und vor Ort realisiert werden. Durch die Begrenzung des Seitenumfangs mussten sich die Autoren auf die Darstellung wesentlicher Merkmale beschränken. Es war sicher oft schwer, diese Auswahl zu treffen. Für den Leser verbleibt die Möglichkeit sich bei Interesse unmittelbar mit den einzelnen Autoren in Verbindung zu setzen. 7.1
Die Fulda (Hessen) – Ökologisches Gesamtkonzept für Fulda- und Hauneaue im Landkreis Hersfeld-Rotenburg Das „Ökologische Gesamtkonzept für Fulda- und Hauneaue im Landkreis Hersfeld-Rotenburg“ umfasst ein Bearbeitungsgebiet von ca. 56 Kilometer Fließgewässerstrecke der Mittleren Fulda (Fulda-km 86,2 bis Fulda-km 142,7) und etwa 20 Kilometer Fließgewässerstrecke der Haune (km 20,3 bis zur Mündung in die Fulda in Bad Hersfeld) sowie insgesamt etwa 3.200 Hektar ihrer Auenflächen. Der Betrachtungsraum ist Bestandteil des wasserwirtschaftlichen Teilbearbeitungsgebietes Fulda, das wiederum Bestandteil der Flussgebietseinheit Weser ist. Das Quellgebiet der Fulda befindet sich auf ca. 850 m ü. NN nordöstlich der Ortschaft Gersfeld in der Rhön. Die Fulda überwindet auf ihrer gesamten Lauflänge von ca. 221 Kilometer einen Höhenunterschied von etwa 730 Meter. Sie vereinigt sich mit der im südlichen Thüringer Wald entspringenden Werra in Hannoversch Münden zur Weser, welche ihrerseits nach einer Lauflänge von 427 Kilometer und einem Einzugsgebiet von 33.865 km² bei Bremerhaven in die Nordsee mündet. Das Gesamteinzugsgebiet der Fulda ist 6.945 km2 groß. Am Pegel Bad Hersfeld, inmitten des Bearbeitungsgebietes bei km 119,82 und einer Einzugsgebietsgröße von 2.120 km² betragen die Abflussmengen für die Jahresreihe 1968/1990: NQ = 2,44 m³/s, MNQ = 5,15 m³/s, MQ = 20,8 m³/s, MHQ = 233 m³/s, HQ1 = 195 m³/s und HQ5 = 338 m³/s. Am Pegel Rotenburg erreichte das höchste Hochwasser des 20. Jahrhunderts am 23. Januar 1995 einen Abfluss von 660 m³/s.
7.1 Die Fulda (Hessen) – Ökologisches Gesamtkonzept …
333
7.1.1 Ausgangssituation und Anlass Seit 1995 werden an der Mittleren Fulda verstärkt Maßnahmen zur Renaturierung von Fluss und Aue erörtert, geplant und umgesetzt. Anlass für die zahlreichen Aktivitäten bieten unter anderem die wiederkehrenden Hochwasserereignisse, die in der Vergangenheit vielerorts zu hohen Schäden geführt haben. Vor dem Hintergrund des 1995er-Hochwasserereignisses begann die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW) – Landesverband Hessen – im Jahre 1995 mit einer breit angelegten Kampagne zum Thema Auenregeneration und Auenwaldneuanlage im Fulda-Tal als Beitrag zu einem naturnahen Hochwasserschutz (SDW, 1996a; SDW, 1996b). Im Dezember 2001 hat der Naturschutzbund Deutschland (NABU) die Landesarbeitsgemeinschaft „Lebendige Fulda“ ins Leben gerufen, die seither verschiedene Renaturierungsmaßnahmen initiiert hat. Im Vorfeld der genannten Aktivitäten wurde zwischen 1993 und 1996 an der „Ökologischen Gesamtplanung Weser, Werra, Fulda“ gearbeitet (Arge Weser, 1996a). „Ökologische Gesamtplanung Weser, Werra, Fulda“ Im Rahmen der „Ökologischen Gesamtplanung Weser, Werra, Fulda“ sollten Grundlagen für eine Verbesserung, Entwicklung und Wiederherstellung der natürlichen Lebensraumbedingungen entwickelt werden. Auf 872 Kilometer Fließlänge wurde das zusammenhängende Fluss- und Auensystem von Werra, Fulda und Weser bis zum Beginn der Unterweser einheitlich und länderübergreifend dokumentiert und analysiert. Auf der regionalplanerischen Maßstabsebene 1 : 50.000 wurden für die Flussauen u.a. Biotopkomplexe, Nutzungen, Gefährdungen und Beeinträchtigungen sowie Leitbilder und Entwicklungsziele textlich und kartographisch dargestellt (Arge Weser, 1996b). In die Betrachtungen wurden auch die historischen Auenflächen einbezogen. Die Bearbeitung von insgesamt neun Modellgebieten zu häufig auftretenden Fragestellungen bei der Fluss- und Auenrenaturierung führte zu konkreten Entwicklungs- und Maßnahmenkonzepten. So wurde zum Beispiel für die Fulda in Bad Hersfeld ein Konzept für einen städtisch geprägten, stark überformten Auenbereich erarbeitet (Arge Weser, 1996c). Weiterhin wurden an einem Fulda-Abschnitt bei Rotenburg die Unterhaltungsarbeiten an Bundeswasserstraßen beleuchtet (Arge Weser, 1996d) sowie die Auenentwicklung und deren Umsetzung im Schlitzer Land vorgestellt (Arge Weser, 1996a). Ökologisches Gesamtkonzept für Fulda- und Hauneaue im Landkreis Hersfeld Rotenburg Bereits seit etwa Mitte der neunziger Jahre wurden im Landkreis HersfeldRotenburg beträchtliche Finanzmittel der Ausgleichsabgabe des Regierungspräsidiums Kassel in Maßnahmen der Fulda-Auenrenaturierung, zum Beispiel ca. 110 Hektar Flächenankäufe, Auenwaldentwicklung und Wiesenpflege bei Niederaula, gelenkt. Dasselbe geschah auch im Bereich der Fulda- und
334
7 Erfahrungen
Schlitzaue im Vogelsbergkreis (Regierungspräsidium Giessen). Auch die örtlichen Umweltverbände setzten zahlreiche Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen in der Fulda-Aue um. Die vielseitigen Einzelaktivitäten mündeten im Landkreis Hersfeld-Rotenburg (Regierungspräsidium Kassel) dann in das „Ökologische Gesamtkonzept für Fulda- und Haune-Aue im Landkreis Hersfeld-Rotenburg“ (UIH, 2000). Bei dem erarbeiteten „Ökologischen Gesamtkonzept“ handelt es sich um eine informelle, nicht rechtskräftige Fachplanung, die unter anderem mit Hilfe der kommunalen Landschafts- und Bauleitplanung in verbindliche Planwerke überführt werden kann (Kreisstadt Bad Hersfeld, 2003). Dabei trägt das Konzept folgenden Zielsetzungen Rechnung: • Konkretisierung von Zielen der länderübergreifend erarbeiteten Gesamtplanung Weser auf der Maßstabsebene 1 : 10.000 (Arge Weser, 1996a) • Darstellung naturschutzfachlicher Entwicklungsperspektiven und Erarbeitung einer Leitlinie für künftige Planungen (u.a. des ehrenamtlichen Naturschutzes sowie der Wasserwirtschaft) • Erarbeitung eines Entwicklungsszenarios für einen künftigen Flussgebietsmanagementplan gemäß EG-Wasserrahmenrichtlinie für die Mittlere Fulda und den Unterlauf der Haune Die Planung verbindet Aspekte einer ökologisch orientierten Landschaftsentwicklung mit denjenigen eines ökologisch orientierten, vorbeugenden Hochwasserschutzes (Vollmer, 2001). Die Entwicklungsziele, u.a. zur Vergrößerung der Flächenanteile für die Auenwaldentwicklung sowie für landwirtschaftlich genutzte Bereiche mit abflussverzögernden Strauch- und Baumhecken, wurden als Berechnungsgrundlagen für die wasserwirtschaftlichen Analysen und Zielsetzungen verwendet. 7.1.2 Entwicklungskonzept, Ziele, Konflikte Die Analyse der landschaftsökologischen Bestandssituation bildet die Grundlage für die Erarbeitung des Entwicklungskonzeptes. So wurde zunächst in Zusammenarbeit mit den auftraggebenden Umweltverbänden eine flächendeckende Darstellung von Biotoptypen, Nutzungen und Beeinträchtigungen sowie von faunistisch bedeutsamen Flächen erarbeitet (Maßstab 1 : 10.000). Aus der Situationsbeschreibung konnten bereits zahlreiche Defizite unmittelbar abgeleitet werden, die es im Rahmen des Entwicklungs- und Maßnahmenkonzeptes abzustellen galt. So wurden zahlreiche Störstellen im Gewässerund Auenbereich, u.a. Hochwasserdeiche, in Deichlage geführte Straßen, aber auch Feldwege, dargestellt, die innerhalb der Aue zu einem Verlust ursprünglichen Retentionsraumes oder zu einer Beeinträchtigung auendynamischer Prozesse führen (vgl. HMULF, 1999 und 2000). Ähnliches gilt für die Dokumentati-
7.1 Die Fulda (Hessen) – Ökologisches Gesamtkonzept …
335
on der intensiv landwirtschaftlich genutzten Flächen (u.a. Eintrag gewässerbelastender Stoffe). Leitbild Als Bewertungsmaßstab für die vorgefundene Bestandssituation und als Orientierungshilfe für die Entwicklungsplanung wurde für die betrachtete FuldaAue ein Leitbild erarbeitet, dass sich hinsichtlich der vorhandenen Talformen auf den potenziell natürlichen Mittelgebirgsfluss mit weiter Talaue und denselben mit engem Durchbruchstal bezieht. Dies schließt u.a. Leitbildaussagen zur Gewässer- und Auenmorphologie, zur Überflutungsdynamik, zur Gewässerfauna und -vegetation sowie zur Auenfauna und -vegetation ein. Während das Leitbild den heutigen, anthropogen unbeeinflussten Zustand des Gewässers und seiner Aue anhand des Kenntnisstandes über die natürlichen Funktionen des Ökosystems beschreibt und somit das aus rein fachlicher Sicht maximal mögliche Sanierungsziel darstellt, bezieht das nachfolgend beschriebene Entwicklungskonzept und der daraus abgeleitete Katalog der Entwicklungsziele den Menschen und seine Nutzungsansprüche mit ein. Entwicklungskonzept Neben dem erarbeiteten Leitbild für die Fulda-Aue ergibt sich das erarbeitete Schutz- und Entwicklungskonzept maßgeblich aus einer Zusammenschau • der vorgefundenen schutzwürdigen und schutzbedürftigen Flächen, • der entwicklungsfähigen Flächen (Flächen mit hohem Entwicklungspotenzial aufgrund standortkundlicher Verhältnisse, zum Beispiel stattfindender fluss- und auendynamischer Prozesse infolge von Hochwasserereignissen), • vorhandener Nutzungen und den sich daraus ergebenden Schäden und Beeinträchtigungen sowie • bestehender und teilweise bereits umgesetzter Naturschutzplanungen. Die hieraus abgeleiteten Entwicklungsziele vermitteln zwischen dem Leitbild für Fließgewässer und Aue auf der einen Seite und den anthropogenen Nutzungsansprüchen sowie den heutigen naturschutzfachlichen Wertschätzungen auf der anderen Seite. Zudem sollten die formulierten Entwicklungsziele die bestehenden Bestrebungen zur ökologischen Verbesserung von Gewässer und Aue in sinnvoller Weise ergänzen. Das erarbeitete Entwicklungskonzept und die daraus abgeleiteten Entwicklungsziele und Maßnahmen dienen folgenden Zielen: • der nachhaltigen Sicherung und Entwicklung der ökologischen Funktionsfähigkeit einer naturnahen Fulda- und Hauneaue, die durch dynamische Prozesse gekennzeichnet sein soll und in deren Folge sich fluss- und auentypische Lebensräume und Lebensgemeinschaften entwickeln und dauerhaft erhalten können sowie
336
7 Erfahrungen
• der Verwirklichung eines nachhaltigen, vorbeugenden und ökologisch orientierten Hochwasserschutzkonzeptes, bei dem das Retentionsvermögen bestimmter Fulda- und Hauneauenabschnitte auf der Grundlage des Ökologischen Gesamtkonzeptes erhöht und das Abflussgeschehen insgesamt verzögert werden soll sowie die Wasserspiegellagen im Bereich gefährdeter Ortslagen nach Maßgabe der parallel erarbeiteten wasserwirtschaftlichen Studie bei Hochwasserereignissen gesenkt werden sollen. Für die weitere Entwicklungsplanung wurden zunächst Leitlinien (Schutz und Entwicklung der noch vorhandenen naturnahen Gewässerabschnitte und Auenbiotope, Wiederherstellung bzw. Optimierung der hydromorphologischen Dynamik, Auenrenaturierung und Auenextensivierung) festgelegt, die anschließend über die Entwicklungsziele flächenscharf konkretisiert worden sind (Gerken & Dörfer, 2002; Arge Weser, 1996d). Entwicklungsziele Aus dem Entwicklungskonzept wurden Entwicklungsziele abgeleitet, die später in Form folgender kartographisch dargestellter Zielnutzungen bzw. Zielbiotope flächendeckend im Maßstab 1 : 10.000 in der Karte „Entwicklungskonzept“ dargestellt wurden: • Bereich zur Entwicklung standortheimischen Auenwaldes (inkl. Einrichtung von Uferrandstreifen) • Bereich zur extensiven Grünlandwirtschaft (gesondert dargestellt: Bereiche, die für eine Wiedervernässung vorgesehen sind) • Bereich für die bisherige landwirtschaftliche Nutzung (höher und am Rand der Aue gelegene, sehr selten überflutete landwirtschaftliche Nutzflächen) • Landwirtschaftliche Nutzflächen, gegliedert durch abflussverzögernde Strauch- und Baumhecken • Weitgehend gehölzfreie Biotope der Sümpfe (Seggenriede, Röhrichte, Feuchtbrachen) • Naturnah entwickelte Fulda und Haune • Naturnah entwickeltes kleines Seitengewässer • Extensiv unterhaltener Graben • Naturnahes Stillgewässer • Bereich zur Förderung auendynamischer Prozesse durch Bodenabtrag (unterteilt in Bodenabträge zur Regenerartion von Hochflutrinnen und Mulden sowie Bodenabträge zur Anbindung von Altgewässern und Abgrabungsgewässern) Die erarbeitete Karte „Entwicklungskonzept“ (Ausschnitt s. Bild 1) bildet lediglich einen naturschutzfachlich gewünschten Rahmen für die künftige Entwicklung. Dieser Rahmen soll, beispielsweise in Abhängigkeit von tatsächlich zur Verfügung stehenden Flächen, eine flexible Umsetzung der erforderlichen Entwicklungsziele ermöglichen. Die einzelnen Ziele dienen
7.1 Die Fulda (Hessen) – Ökologisches Gesamtkonzept …
337
• der naturraumtypischen Renaturierung der Flussläufe von Fulda, Haune und deren Seitengewässern als Lebensräume flusstypischer Pflanzen- und Tiergemeinschaften und Ausgangspunkte für fluss- und auendynamische Prozesse • der Entwicklung zusammenhängender, mehr oder weniger breiter, weitgehend nutzungsfreier, uferbegleitender Auenwälder als Vorrangbereiche zur eigendynamischen Entwicklung • dem Erhalt, Schutz und der Entwicklung großflächiger Feuchtgrünlandkomplexe als Vorrangflächen für den Grünland- und speziell den Wiesenvogelschutz • dem Erhalt, Schutz und der Entwicklung weiterer auentypischer Lebensräume und ihrer Pflanzen- und Tierwelt
Bild 1 Ausschnitt aus der Karte „Entwicklungskonzept“ (UIH, 2000)
Konflikte Hinsichtlich der Renaturierungsziele stellt die Landwirtschaft aufgrund des weit überwiegenden Flächenanteils ein Hauptkonfliktpotenzial im Untersuchungsgebiet dar. Die unmittelbare Folge der landwirtschaftlichen Nutzung ist unter anderem der Verlust ökologisch hochwertiger Lebensräume in Form naturnaher Fließstrecken. Der aktuell vielfach schlechte strukturelle Zustand
338
7 Erfahrungen
der betrachteten Fließgewässer spiegelt sich deutlich in den Gewässerstrukturkarten für Fulda und Haune wieder (HMULF, 1999). Daneben stellen auch die Siedlungen und die davon ausgehenden Folgeerscheinungen wie beispielsweise Flächenverlust, Gewässerfestlegung, Quer- und Längsbauwerke, Entwässerung, Abwassereinleitungen, Wege und Straßen sowie Ver- und Entsorgungsleitungen ein weiteres Konfliktfeld dar (vgl. Arge Weser, 1996a). Die Nutzungsziele wurden u.a. durch Laufbegradigung und -verkürzung, Laufglättung und Bettvertiefung, Stauhaltung sowie Uferverbau und Dammbauwerke an den Gewässerläufen erreicht (Arge Weser, 1996b). Gravierende Nutzungskonflikte ergeben sich zudem aus noch geplanten Bauvorhaben in und am Rande von Fulda- und Hauneaue. Neben Standorten für Sport-, Freizeit- und Erholungsflächen sowie Standorten für Kläranlagen handelt es sich insbesondere um aktuelle Gewerbegebietsplanungen und Straßenplanungen. 7.1.3 Maßnahmenplanungen Mit Hilfe des erarbeiteten Maßnahmenkonzeptes sollen die zuvor beschriebenen Entwicklungsziele prinzipiell umgesetzt werden können. Es umfasst nachfolgende Maßnahmentypen: • Renaturierungsmaßnahmen beinhalten die aktive Wiederherstellung naturraumtypischer Formen und Strukturen des Gewässerbettes oder die aktive Wiederherstellung naturraumtypischer Auenbiotope • Nutzungsänderungen bzw. -extensivierungen in der Aue • Initialmaßnahmen zur Unterstützung und nachhaltigen Förderung der gewässereigenen Regeneration sowie der Einleitung eigendynamischer Entwicklungsprozesse • Förderung des gewässereigenen Regenerationsvermögens durch Duldung natürlicherweise ablaufender hydro- und morphodynamischer Prozesse Eine flächengenaue Zuordnung von Einzelmaßnahmen wurde nicht vorgenommen. Zur Umsetzung der Entwicklungsziele für Teilgebiete des Bearbeitungsraumes werden daher vielfach Detailplanungen notwendig. Das Ökologische Gesamtkonzept gibt lediglich einen Rahmen für die Gesamtentwicklung vor und nennt Maßnahmen, die zur Umsetzung der aufgeführten Entwicklungsziele prinzipiell in Frage kommen. Die geeigneten Maßnahmen werden mit Hinweisen zu deren Umsetzung im Textteil des Ökologischen Gesamtkonzeptes beschrieben. Dabei werden folgende Maßnahmen behandelt: • Beibehaltung des heutigen Zustands • Extensivierung der derzeitigen Nutzung – Extensivierung der ackerbaulichen Nutzung
7.1 Die Fulda (Hessen) – Ökologisches Gesamtkonzept …
•
•
•
•
339
– Umwandlung von Intensivgrünland in extensiv genutztes Grünland – Umwandlung standortfremder Forste bzw. Gehölze in naturnahe Wälder/ Gehölze – Extensivierung der Stillgewässernutzung – Wiedervernässung (Rückbau von Drainagen, Anstau bzw. Rückbau vorhandener Grabensysteme) Nutzungsaufgabe und Gewährung der freien Sukzession – Aufgabe der Acker- oder Grünlandnutzung, Gewährung freier Sukzession – Aufgabe der Stillgewässernutzung – Initialpflanzungen mit autochthonem Pflanzmaterial – Aufforstung mit autochthonem Pflanzmaterial – Entwicklung von Gehölzreihen – Weitere Biotopflege- und Entwicklungsmaßnahmen Maßnahmen der Gewässerrenaturierung – Aufgabe oder Extensivierung der Gewässerunterhaltung – Förderung der gewässereigenen Regeneration – Entwicklung naturnaher Gewässerstrecken durch Gewässerausbau- bzw. Gewässerneubaumaßnahmen – Wiederherstellung bzw. Verbesserung der Durchgängigkeit – Renaturierung kleiner Seitengewässer von Fulda und Haune – Wiederanschluss von Altgewässern und Anschluss von Abgrabungsgewässern – Anlage / Reaktivierung von Flutrinnen und Flutmulden Weitere Maßnahmen und Hinweise – Maßnahmen zur Rückgewinnung ehemaliger Überflutungsflächen – Rückbau / Umbau bzw. Verlegung von Wegen – Maßnahmen zur Förderung der Vernetzung von Auenwald und Hangwald – Flächenankauf – Maßnahmen des Vertragsnaturschutzes oder Investitionsmaßnahmen Schutzmaßnahmen – Naturschutzgebiete – Ausweisung einer Biotopverbundfläche gemäß § 15c Hessisches Naturschutzgesetz (HENatG) als Kernzone für das Landschaftsschutzgebiet (LSG) „Auenverbund Fulda“
Das Maßnahmenkonzept stellt weiterhin die Prioritäten für die Umsetzung bestimmter Entwicklungsziele und Maßnahmen dar. Es werden zeitliche und räumliche Prioritäten unterschieden. Weiterhin werden die in Hessen möglichen Finanzierungswege und bestehenden Förderprogramme zur Umsetzung der aufgezeigten Maßnahmen aufgeführt. Zudem werden Informationen zu den rechtlichen Rahmenbedingungen, zu den notwendigen Genehmigungsverfahren und zur Öffentlichkeitsarbeit geliefert.
340
7 Erfahrungen
7.1.4 Umsetzung einzelner Maßnahmen Bereits vor der Fertigstellung des Konzeptes im Jahr 2000 wurden im Mittleren Fulda-Tal zahlreiche Renaturierungsprojekte geplant und umgesetzt. Diese Maßnahmen sind in das Entwicklungskonzept nachrichtlich übernommen worden. Dasselbe gilt für Maßnahmen nach den laufenden Agrarumweltprogrammen. Im Folgenden sollen vier Einzelprojekte vorgestellt werden. Beispiel 1: Hochwasserschutzmaßnahmen der Stadt Rotenburg Das größte Vorhaben umfasst die Umsetzung ökologisch orientierter Hochwasserschutzmaßnahmen im Stadtgebiet von Rotenburg an der Fulda. Zunächst wurde dazu in einer wasserwirtschaftlichen Studie nach Möglichkeiten örtlich wirksamer Hochwasserentlastungsmaßnahmen für den Siedlungsbereich gesucht, die durch hydraulische Berechnungen belegt wurden. In insgesamt fünf Bauabschnitten zwischen den Jahren 1997 und 2003 wurde die wirksamste der untersuchten Varianten umgesetzt. Die wichtigste Maßnahme stellte die Reaktivierung von zwei 60 m breiten und durchschnittlich 2 m unter dem Auen-Geländeniveau liegenden Hochflutrinnen mit einer Gesamtlänge von ca. zwei Kilometern unterhalb des bebauten Stadtgebietes dar. In die auf der Grundlage historischer Karten rekonstruierten Hochflutrinnen wurden zusätzlich vorhandene Kiesseen einbezogen. Weiterhin erfolgte im innerstädtischen Bereich auf einer Länge von ca. 500 m eine Flussaufweitung auf eine naturraumtypische Breite von 60 bis 70 m. Damit konnte die Wasserspiegellagenabsenkung weit in das Stadtgebiet wirksam werden. Die durchgeführten Maßnahmen führten beim Hochwasser im Winterhalbjahr 2001 dazu, dass die Hochwasserspiegellagen im Stadtgebiet um fast 1 m gegenüber vergleichbaren Abflussereignissen abgesenkt worden sind. Zudem wurde der natürliche Hochwasserrückhalteraum (Retentionsraum) um über 250.000 m³ erhöht. Die Verlängerung des Fließweges führt außerdem zu einer Verlangsamung der Hochwasserwelle und entlastet damit gleichzeitig die Unterlieger. Neben diesen Wirkungen für den örtlichen Hochwasserschutz können sich auf ca. 60 Hektar naturraumtypische Auenstrukturen mit ihren spezialisierten Pflanzen- und Tiergemeinschaften entwickeln (z.B. naturnahe Flussufer, Weich- und Hartholzauenwälder sowie extensiv genutzte Frisch- und Feuchtgrünländer). Im Uferbereich der Fulda und im Bereich der Flutmulden werden wieder auendynamische Prozesse ermöglicht. Das Beispiel zeigt, dass sich ökologisch orientierte Hochwasserschutzmaßnahmen positiv auf die Fließgewässer- und Auenrenaturierung auswirken können. Beispiel 2: Anbindung und Renaturierung einer Kiesabgrabung an die Fulda Für die Fuldaaue unterhalb der Ortslage Mecklar liegt gemäß § 31 WHG eine Genehmigungsplanung vor, die eine Anbindung einer an der Fulda gelegenen
7.1 Die Fulda (Hessen) – Ökologisches Gesamtkonzept …
341
Kiesabgrabung und deren umfangreiche Renaturierung vorsieht. Mit diesem Projekt soll ein weiterer Baustein des Ökologischen Gesamtkonzeptes (UIH, 2000) und der wasserwirtschaftlichen Studie „Hochwasserschutz im Fuldaund Haunetal“ (Vollmer, 2001) umgesetzt werden, der folgende Ziele verfolgt: • Verbesserung des Hochwasserschutzes für die Ortslage Mecklar • Verbesserung der Lebensraumfunktion für auentypische Pflanzen- und Tierarten, v.a. für die Fischfauna • Schaffung naturnaher Flachwasserzonen im heutigen Abgrabungssee • Förderung dynamischer Prozesse vor allem in den künftigen Ein- und Ausströmbereichen der Fulda-Aufspaltung bzw. des Abgrabungsgewässers Im Vorfeld der eigentlichen Genehmigungsplanung wurden unterschiedliche Varianten für den Anschluss an die Fulda ausgearbeitet. Zur Umsetzung kommt nun eine Variante, bei der die Abgrabung im Oberwasser durch eine Flutrinne (Bild 2) und im Unterwasser sohlengleich an die Fulda angebunden wird.
Bild 2 In ähnlicher Weise wird sich die Flutrinne zum Anschluss der Kiesabgrabung an die Fulda entwickeln. Die Initialphase – hier an einem angebundenen Abgrabungsgewässer an der Fulda bei Braach – ist gekennzeichnet durch Erosion und periodische Wasserführung (Foto: Ingenieurbüro Umwelt Institut Höxter)
342
7 Erfahrungen
Mit dieser Variante wird verhindert, dass der angebundene Abgrabungssee als Geschiebefang fungiert und so zu einem unterstromigen Geschiebedefizit in der Fulda führt. Innerhalb der Abgrabungsfläche wird dabei ein neues durchgängiges Gerinne geschaffen. Zu diesem Zweck erfolgt im Abgrabungssee im Bereich des neuen Fuldaarms die Aufschüttung der Sohle und die Schaffung eines neuen Uferdammes in Verlängerung einer bestehenden Insel als Abgrenzung zum verbleibenden Stillgewässer. Beispiel 3: Fulda-Flussaufspaltung und Auenrenaturierung im Rahmen einer Kreisstraßenplanung Im Zuge der Querung der Fulda-Aue durch die Kreisstraße 1 (K 1) bei Mecklar war ein Damm- und Brückenbauwerk zu bauen. Um den Hochwasserabfluss sicher abführen zu können, wurde in diesem Bereich die Vergrößerung des Abflussprofils erforderlich. Im Rahmen der Landschaftspflegerischen Begleitplanung erfolgte daraufhin die Planung einer 630 m langen und durchschnittlich 40 m breiten Flussaufspaltung, die einerseits den am betroffenen Flussabschnitt stockenden Weichholzauenwald vor der Zerstörung bewahrt und andererseits das abflusswirksame Profil im erforderlichen Umfang vergrößert. Künftig werden sich in diesem Fuda-Abschnitt die neuen Flussufer und der Auenwaldbestand der neu geschaffenen und dort auch naturraumtypischen Flussinsel störungsfrei entwickeln können. Als Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen ist die Anlage flussbegleitender Auenwaldflächen, die Regeneration bzw. Schaffung von Flutrinnen und Flutmulden sowie die Umwandlung von Ackerflächen in extensiv genutztes Auengrünland vorgesehen. Beispiel 4: Altarmrenaturierung und Initialmaßnahmen am Flusslauf durch die Umweltverbände Auf Initiative der Landesarbeitsgemeinschaft „Lebendige Fulda“ erfolgte im September 2003 im Rahmen eines Flurbereinigungsverfahrens die Renaturierung einer ca. 300 m langen Fuldaschleife bei Niederaula. Innerhalb der dort ca. 1 Kilometer breiten Talaue handelt es sich um einen stark mäandrierenden Flussabschnitt, der historisch u.a. durch Abschnürungen von Flussschlingen (Mäanderdurchbrüchen) gekennzeichnet war. Aufgrund der starken Uferbefestigungen fehlt dem Flusslauf hier aber bereits seit mehr als 150 Jahren die Möglichkeit zur eigendynamischen Laufverlagerung und damit zur Bildung von Altgewässern (u.a. Altarme und Altwasser). Weiterhin werden u.a. im Bereich Niederaula unterschiedliche Initialmaßnahmen durchgeführt, die eine eigendynamische Entwicklung der Fulda fördern sollen. Damit werden Mangelhabitate wie Uferabbrüche, Kolke, Flachufer oder Kiesbänke geschaffen. Zu diesem Zweck werden oft nur in geringem Umfang Baumaßnahmen an geeigneter Stelle, beispielsweise zur Beseitigung des harten Uferverbaus, erforderlich. Innerhalb der Aue werden neben der Pflege von Wiesenflächen oder der Anlage von Kleingewässern auch Flächen wiedervernässt, die im Besitz der Umweltverbände sind.
7.1 Die Fulda (Hessen) – Ökologisches Gesamtkonzept …
343
7.1.5 Entwicklungen und Erfahrungen Das „Ökologische Gesamtkonzept für Fulda- und Hauneaue im Landkreis Hersfeld-Rotenburg“ (UIH, 2000) zeigt, dass eine solche übergeordnete und aufeinander abgestimmte konzeptionelle Planung, die auch in Teilschritten verwirklicht werden kann, sehr hilfreich ist. Die aufgeführten Beispiele verdeutlichen auch, dass Maßnahmen zur Fließgewässer- und Auenrenaturierung aus sehr unterschiedlichen Anlässen initiiert werden können. Neben den von den Umweltverbänden angestoßenen oder selbst durchgeführten Projekten handelt es sich vor allem um Maßnahmen im Zusammenhang mit dem örtlichen Hochwasserschutz oder um Maßnahmen in Verbindung mit der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung. Die Erfahrungen zeigen, dass sich aus naturschutzfachlicher und wasserwirtschaftlicher Sicht Fließgewässerauen sehr gut als Kompensationsflächenpools und damit auch als Gebietskulisse zur Einrichtung von Ökokonten gemäß naturschutzrechtlicher Eingriffsregelung besonders eignen (Buschmann et al., 2003; UIH, 2002). In aller Regel besteht in intensiv genutzten Auen ein hoher Bedarf an Maßnahmen, die sowohl wasserwirtschaftlichen Zielen als auch den Zielen des Naturschutzes dienen. Genannt sei die Extensivierung landwirtschaftlicher Nutzungen, die Einrichtung von Gewässerrandstreifen, die Schaffung naturnaher Fließgewässer- und Uferprofile oder die Förderung von Auenwald. Aufgrund dieser Sachlage wird es künftig sowohl der Wasserwirtschaft, als auch dem Naturschutz leichter fallen, gemeinsame Ziele auch gemeinsam zu vertreten. Voraussetzung dafür ist immer eine frühzeitige, sachliche, intensive und möglichst umfassende Information der Bürgerinnen und Bürger, Politik und Verwaltung. So steigt beispielsweise die Akzeptanz für Renaturierungsmaßnahmen in der Öffentlichkeit deutlich, wenn damit neben ökologischen Verbesserungen auch positive Effekte für den Hochwasserschutz erzielt werden (Schackers, 1996). Konflikte bestehen bei großräumigen Renaturierungsvorhaben allerdings auch weiterhin aufgrund der Flächenansprüche der Landwirtschaft. Gerade in Mittelgebirgslagen stellen größere Fließgewässerauen häufig diejenigen Produktionsstandorte dar, die sich u.a. aufgrund ihrer Schlaggrößen, der Bodenfruchtbarkeit und der ebenen Lage intensiv und ökonomisch bewirtschaften lassen. Aus diesem Grund ist eine möglichst frühzeitige Einbeziehung der Landwirtschaft und die Entwicklung gemeinsamer Perspektiven (z.B. Kooperationsmodelle zwischen Wasser- und Landwirtschaft) bei Fluss- und Auenentwicklungsplanungen außerordentlich wichtig. Zwischenzeitlich sind große Teile der Mittleren Fuldaaue vom Land Hessen auf der Grundlage der Fauna-Flora-Habitatrichtlinie als FFH-Gebiete gemeldet worden. Damit gilt für diese Gebietsteile ein Verschlechterungsverbot im Hinblick auf die aktuell dort vorhandenen Lebensraumtypen und Tierarten gemäß Anhang I und II der FFH-Richtlinie. Künftige Planungen dürfen die gebiets-
344
7 Erfahrungen
spezifisch formulierten Erhaltungsziele nicht erheblich beeinträchtigen. Somit müssen sich auch künftige Renaturierungsvorhaben an den Erhaltungszielen für die FFH-Gebiete orientieren. Damit besteht die Verpflichtung, sektorale Naturschutzziele (z.B. den Schutz einzelner FFH-Lebensraumtypen und FFHAnhangsarten oder des Anhangs I der EG-Vogelschutzrichtlinie) künftig noch intensiver aufeinander abzustimmen. Dies kann beispielsweise bei der Aufstellung der Gebietsmanagementpläne für die FFH-Gebiete erfolgen.
Literatur Arge Weser (s. Arge Weser – Arbeitsgemeinschaft zur Reinhaltung der Weser) Arge Weser-Arbeitsgemeinschaft zur Reinhaltung der Weser (Hrsg.) (1996a) Ökologische Gesamtplanung Weser-Grundlagen, Leitbilder und Entwicklungsziele für Weser, Werra und Fulda, Abschlussbericht, Eigenverlag Wassergütestelle Weser beim NLÖ, Hildesheim, 236 S. Arge Weser-Arbeitsgemeinschaft zur Reinhaltung der Weser (Hrsg.) (1996b) Ökologische Gesamtplanung Weser-Grundlagen, Leitbilder und Entwicklungsziele für Weser, Werra und Fulda, Teilgutachten „Erfassung, Darstellung und Auswertung des ökologischen Zustands der Auenbereiche von Werra, Fulda, Ober- und Mittelweser“, Grundlagen Bd. 1, Bearbeitung: Ingenieurbüro Umwelt Institut Höxter (UIH), Eigenverlag Wassergütestelle Weser beim NLÖ, Hildesheim, 292 S. und 192 Karten. Arge Weser-Arbeitsgemeinschaft zur Reinhaltung der Weser (Hrsg.) (1996c) Auenkonzepte für einen urbanen Bereich, Teilgutachten Bd. 8, Bearbeitung: Ingenieurbüro Umwelt Institut Höxter (UIH), Eigenverlag Wassergütestelle Weser beim NLÖ, Hildesheim, 75 S. Arge Weser-Arbeitsgemeinschaft zur Reinhaltung der Weser (Hrsg.) (1996d) Unterhaltungsarbeiten an Bundeswasserstraßen, Teilgutachten Bd. 7, Bearbeitung: Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG), Eigenverlag Wassergütestelle Weser beim NLÖ, Hildesheim, 67 S. Arge Weser-Arbeitsgemeinschaft zur Reinhaltung der Weser (Hrsg.) (1996e) Schaffung von erweiterten Retentionsräumen im Hochwasserfall, Teilgutachten Bd. 6, Bearbeitung: Ingenieurbüro Umwelt Institut Höxter (UIH), Eigenverlag Wassergütestelle Weser beim NLÖ, Hildesheim, 106 S. Buschmann, M., Schumacher, E., Schackers, B., Himmelmann, J., Sendermann, W. (2003) Planung und Umsetzung eines Beweidungsvorhabens – Ausgleichskonzeption der Stadt Olfen, Regeneration und Entwicklung der siedlungsnahen Steveraue als halboffene Weidelandschaft, LÖBF-Mitteilungen, Nr. 4/2003, S. 48-53. Gerken, B., Dörfer, K. (2002) Auenregeneration an der Oberweser – Ein Strom im Wandel, Bausteine zu einer lebendigen Aue, Ergebnisse des Entwicklungs- und Erprobungsvorhabens (E+E-Vorhaben „Gestaltungs- und Pflegemaßnahmen landschaftstypischer Auenstandorte der Oberweserniederung“, Wissenschaftliche Begleitung: Bundesamt für Naturschutz (BfN), Angewandte Landschaftsökologie, Heft 46, Bonn, 188 S. Hessisches Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Forsten (Hrsg.) (1999) Defizitkarten der Gewässerstrukturen auf Basis des ATKIS-Basis DLM des Hessischen Landesvermessungsamtes, Selbstverlag, Wiesbaden. Hessisches Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Forsten (Hrsg.) (2000) Gewässerstrukturgüte in Hessen 1999: Erläuterungsbericht, Selbstverlag, Wiesbaden. HMULF (s. Hessisches Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Forsten, Wiesbaden) Kreisstadt Bad Hersfeld (Hrsg.) (2003) Fortschreibung des Landschaftsplans Bad Hersfeld, Grundlagen-, Planungs- und Kartenband, Bearbeitung: Ingenieurbüro Umwelt Institut Höxter (unveröffentlicht).
7.2 Die Lippe (Nordrhein-Westfalen) – Gewässerauenprogramme …
345
Schackers, B. (1996) Möglichkeiten für Maßnahmen der Auenregeneration an der Fulda und Wege zu deren Umsetzung, In: Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, Landesverband Hessen (Hrsg.) (1996) Auenregeneration und Auenwaldneuanlage, Neuanlage von Auwald – Teil einer Regeneration von Auenlandschaft, SDW-Tagungsberichte, S. 77–94. Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, Landesverband Hessen (Hrsg.) (1996a) Auenregeneration und Auwaldneuanlage, SDW-Tagungsberichte, Wiesbaden, 126 S. Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, Landesverband Hessen (Hrsg.) (1996b) Auenwälder – Informationen zum Ökosystem, Handlungsleitfaden zur Neuanlage, Wiesbaden, 46 S. SDW (s. Schutzgemeinschaft Deutscher Wald) UIH (s. Ingenieurbüro Umwelt Institut Höxter, Höxter) Umwelt Institut Höxter (2000) Ökologisches Gesamtkonzept für Fulda- und Hauneaue im Landkreis Hersfeld-Rotenburg, Gutachten im Auftrag von Naturkundlicher Gesellschaft Mittleres Fuldatal e. V., Naturlandstiftung Hessen e. V. (Kreisverband Hersfeld-Rotenburg) und Naturschutzbund Deutschland (NABU), Landesverband Hessen e. V. (unveröffentlicht). Umwelt Institut Höxter (2002) Anforderungen an die Eingriffsregelung bei Straßenbauvorhaben in Fließgewässerauen – Überprüfung, Analyse und Ableitung eines Anforderungskataloges am Beispiel der Landschaftspflegerischen Begleitplanung zur A 44 Rheinquerung Ilverich, Studie im Auftrag der Rheinauen-Schutzgemeinschaft Meerbusch e.V., Selbstverlag, Höxter, 66 S. Vollmer, A. (2001) Hochwasserschutz im Fulda- und Haunetal – Wasserwirtschaftliche Studie, Gutachten im Auftrag der Naturlandstiftung Hessen e.V. – Kreisverband Hersfeld-Rotenburg (unveröffentlicht).
7.2
Die Lippe (Nordrhein-Westfalen) – Gewässerauenprogramme an einem Flachlandfluss 7.2.1 Ausgangssituation Die Lippe ist ein rechtsseitiger Nebenfluss des Rheins in Nordrhein-Westfalen mit einem oberirdischen Einzugsgebiet von 4.881 km2. Sie entspringt am Rand
Bild 1 Die Lippe als Ost-West-Achse in Nordrhein-Westfalen
346
7 Erfahrungen
des Teutoburger Waldes und mündet nach 210 Kilometer bei Wesel in den Rhein (Bild 1). Dabei überwindet sie einen Höhenunterschied von nur 123 m. Mit Ausnahme eines etwa 13 Kilometer langen Abschnittes im Oberlauf ist die Lippe überwiegend ein Sand geprägter Tieflandfluss (LUA NRW, 2001 und 2002). Das Einzugsgebiet der Lippe ist, zumindest im Oberlauf, verhältnismäßig dünn besiedelt. Bis Hamm hat die Lippe eine gute Wasserqualität. Sie liegt zwischen Güteklasse I bis II-III; überwiegend jedoch in Güteklasse II. Typisch für die Lippe ist der leicht erhöhte Chloridgehalt aus natürlichen Quellen. Ab Hamm wird dieser Chloridgehalt deutlich durch bergbau-bedingte Einleitungen künstlich erhöht. Die Wassertemperatur steigt ab Hamm überwiegend durch Kühlwasser aus Kraftwerken deutlich. Die Lippe ist ein seit Jahrhunderten genutzter Fluss, der schon von den Römern als Transportweg genutzt wurde. Aus dem 13. Jahrhundert sind Flussstaue an Mühlen bekannt. Später folgten Ausbaumaßnahmen zur Schiffbarmachung, zum Hochwasserschutz und vor allem zur Verbesserung der landwirtschaftlichen Produktionsbedingungen. Die Flussufer sind heute über weite Strecken an den Böschungsfüßen durch massive Steinschüttungen gefesselt, wodurch die Verlagerungsdynamik deutlich eingeschränkt wird. Statt Uferabbrüchen oder Sandbänken, die bei unterschiedlichen Abflüssen ihre Form verändern, herrscht das Regelprofil vor (Bild 2). In weiten Teilen werden die schmalen, tief eingeschnittenen Profile durch sogenannte Verwallungen begleitet. Diese verhindern eine frühzeitige Überflutung der Aue und trennen auf diese Weise Fließgewässer und angrenzende Aue. Die Tiefenerosion von bis zu drei Metern wurde in einigen Abschnitten durch
Bild 2 Ausbauprofil der 1970er-Jahre (Foto: Archiv StUA Lippstadt)
7.2 Die Lippe (Nordrhein-Westfalen) – Gewässerauenprogramme …
347
den Einbau von Wehranlagen gebremst. Allein im letzten Jahrhundert wurde die Fließlänge der Lippe um etwa 25 Prozent verkürzt. Die Bestandsaufnahmen der vorkommenden Pflanzenbestände sowie ausgewählter Tiergruppen belegen, dass typische Auen- und Flusselemente nur noch in kleinen Restbeständen vorkommen, denen bei Beibehaltung der Situation eine weitere Verarmung droht. In der Lippe konnten die Fischarten Quappe und Steinbeißer nachgewiesen werden. Bemerkenswert sind auch die Vorkommen von Kahnschnecke und der Glanzleuchteralge (Nitella mucronata), die wahrscheinlich auf Grund der guten Wasserqualität überleben konnten. Diese Restbestände würden eine gute Chance zur Wiederbesiedlung von Fluss und Aue bieten, wenn die auentypischen Standortbedingungen, wie etwa jährliche Überflutungen, wieder gegeben wären. 7.2.2 Entwicklungskonzept, Ziele, Konflikte Im Rahmen des Gewässerauenprogrammes sollen in Nordrhein-Westfalen die Fließgewässer mit ihren Auen als natürliche Lebensadern der Landschaft erhalten oder reaktiviert werden (MURL NRW, 1990). Sie sollen so das Rückgrat eines landesweiten Biotopverbunds bilden. Die Maßnahmen zur Aufwertung der ökologischen Verhältnisse sollen durch eine entsprechend angepasste Fließgewässerunterhaltung unterstützt werden. Gleichzeitig ist vorgesehen, dass durch die Reaktivierung von Überflutungsflächen der Hochwasserschutz verbessert wird. Das gesamte Auenprogramm basiert auf Freiwilligkeit, Sozialverträglichkeit und dem Kooperationsprinzip. Um die Betroffenheit der Landwirtschaft bei allen Entscheidungen besser berücksichtigen zu können, haben die zuständigen Bezirksstellen für Agrarstruktur landwirtschaftliche Gutachten erarbeitet. Das allgemeine Leitbild für die Entwicklung der Landschaft an die Lippe wurde wie folgt formuliert (StAWA Lippstadt, 1993): „Eine durch fließgewässerdynamische Prozesse geprägte, sich in Teilen ohne Eingriffe des Menschen entwickelnde Flussauenlandschaft, in der durch extensive Nutzungen entstandene Strukturen der historischen Kulturlandschaft enthalten sind. Die auenbegleitenden Flussterrassen haben den Charakter einer reich strukturierten, z.T. bewaldeten, durch Extensivbewirtschaftungsweisen des Menschen geformten Kulturlandschaft“. Erste Hinweise auf den potenziell natürlichen Zustand der Lippe ergaben sich aus historischen Planunterlagen und ökologischen Daten. Alles deutete darauf hin, dass die Lippe naturraumtypisch eine größere Lauflänge hätte und die Profile breiter, aber erheblich flacher wären. Zusätzliche Betrachtungen, unter anderem unter Anwendung der Minimum-Streampower-Theorie (Leismann et al., 1999), untermauerten diese Hinweise.
348
7 Erfahrungen
Auf der Basis dieser Vorüberlegungen entstand die Annahme, dass beispielsweise die Lippe unterhalb Lippstadts (Einzugsgebietsgröße etwa 1.900 km2), statt der vorhanden Sohlenbreite von etwa 14 Metern, unter natürlichen Bedingungen etwa 40 Meter breit sein müsste. Der Einschnitt des Lippe-Bettes in die Landschaft von bis zu vier Metern, verbunden mit bis zu zwei Meter hohen Uferwällen, wäre ebenfalls erheblich geringer. Unter der Bedingung, dass jährliche Hochwasser die Auen überfluten, würde das Flussbett unter natürlichen Verhältnissen nur etwa zwei Meter eingetieft sein. Es wurde davon ausgegangen, dass diese Beschreibung der grundsätzlichen Profilgeometrie eine gute Annäherung an den Zustand sei, den die Lippe unter heutigen Bedingungen als natürlichen Zustand selbst geschaffen hätte, wenn keine menschlichen Eingriffe dies verhindert hätten. Eine begleitenden Arbeitsgruppe hat aus dem Leitbild unter Berücksichtigung der vorhandenen und zukünftigen Nutzungsansprüche ein Entwicklungskonzept erarbeitet. Darin ist beschrieben, welche Entwicklungsschritte in den nächsten 20 bis 25 Jahren umgesetzt werden könnten. Im Ergebnis gibt es dazu drei Szenarien: • Kategorie 1: Uneingeschränkte Entwicklung in Richtung Leitbild • Kategorie 2: Ökologisch hochwertige Kulturlandschaft mit häufigen Überflutungen und Entwicklungsmöglichkeiten des Gewässers, jedoch an den Standort angepasste Nutzung (beispielsweise Grünland) • Kategorie 3: Beibehaltung der heutigen landwirtschaftlichen Nutzung mit Ausnahme eines Uferstreifens beidseitig des Gewässers mit einer Breite, die jeweils der oberen Breite des Gewässers entspricht. Nach heutigen Kenntnisstand würde jede der drei Kategorien etwa ein Drittel des gesamten Untersuchungsraumes ausmachen. 7.2.3 Planung und Maßnahmen Nach kleineren Entwicklungs- und Gestaltungsmaßnahmen wurde in den Jahren 1996 und 1997 die Lippe u.a. im Bereich der Klostermersch bei LippstadtBenninghausen renaturiert. Erste Vorstellungen, den Fluss lediglich von den Steinschüttungen zu entfesseln und ihn eigendynamisch sein Bett gestalten zu lassen, mussten verworfen werden. Dadurch würde zwar die Tiefenerosion gestoppt, die unnatürlich tiefe Sohlenlage aber erhalten bleiben. Als Folge von Breiten- und Krümmungserosionen würde der Wasserstand weiter absinken und der Fluss noch weiter von der Aue entkoppelt werden. Deshalb erhielt die Lippe dort wieder ein naturnahes Profil. Dazu wurde die tief eingeschnitte-
7.2 Die Lippe (Nordrhein-Westfalen) – Gewässerauenprogramme …
349
Bild 3 Schemadarstellung der Sohlenanhebung in der Klostermersch (Grafik: M. Bunzel-Drüke)
Bild 4 Aufhöhung der Lippesohle und Verbreiterung im Bereich der Klostermersch (Foto: Archiv StUA Lippstadt)
350
7 Erfahrungen
ne Sohle der Lippe um etwa zwei Meter aufgefüllt und von etwa 14 auf rd. 40 m verbreitert (Bild 3 und 4). Da die gewässerbegleitenden Uferverwallungen ebenfalls entfernt wurden, verringerte sich die Profiltiefe von fünf auf rund zwei Meter. Die Wasserstände in Trockenwetterzeiten stiegen dadurch um etwa 90 cm. Überflutungen der Aue finden nun im Mittel etwa 40 Tage pro Jahr statt. Die hydraulische Leistungsfähigkeit bei bordvollem Abfluss sank von 110 m3/s auf etwa 65 m3/s. Da sich die Wassermengen jetzt jedoch in der Aue ausbreiten können, veränderten sich die Wasserspiegellagen bei größeren Hochwasserereignissen (HQ100) nicht. Durch diese Umgestaltungsmaßnahmen ist der eigentliche Prozess der Renaturierung eingeleitet worden. Die Eigendynamik des Wassers trägt nun wieder zur Umgestaltung des Landschaftsraumes bei (Bild 5). Diese Entwicklung wird ergänzt durch die Beweidung von großen Teilen der Auenflächen mit Nachzüchtungen von
Bild 5 Die Klostermersch im Jahr 2002 (Foto: H. Vogel)
Auerochsen, den sogenannten Heckrindern. Sie sollen dafür sorgen, dass sich ein Mosaik aus dichten Waldbereichen und offenen Landschaftsteilen bilden kann. Eine andere Maßnahme betrifft den Bau einer Umflut um den Lippe-See bei Paderborn (Bild 6). Dort fließt die Lippe seit rund 20 Jahren durch den durch Kiesabbau entstandenen See. Die damit verbundenen Nachteile sind: • Unterbrechung der Durchgängigkeit für Fließgewässerorganismen
7.2 Die Lippe (Nordrhein-Westfalen) – Gewässerauenprogramme …
351
Bild 6 Ersatzaue am Südufer des Lippesees (Foto: NZO GmbH)
• Der Transport von Kiesen und Sanden aus dem oberen Einzugsgebiet endet im Lippesee • Das Geschiebedefizit unterhalb des Sees begünstigt die ohnehin vorhandene Tendenz zur Tiefenerosion. • Erhebliche Verschlechterung der Wasserqualität. Derzeit wird unter schwierigen Randbedingungen (u.a. Kiesabbau, Freizeitnutzung, beengte Verhältnisse) ein Umflutgerinne mit einer etwa 60 Meter breiten „Restaue“ geschaffen (Bild 6). Damit wird die Durchgängigkeit für Organismen, aber auch für den Transport von Kiesen und Sanden wieder hergestellt. Die Wasserqualität der Lippe unterhalb des Sees wird sich um eine Gütestufe verbessern (StUA Lippstadt, 1994). Diese Maßnahme ist von zentraler Bedeutung für die eigendynamische Entwicklung der Lippe flussabwärts des LippeSees. Oberhalb der Klostermersch bis zum westlichen Stadtrand der Innenstadt Lippstadts stehen im Bereich der Hellinghauser Mersch auf einer Länge von 8,5 Kilometern nahezu alle Flächen für eine Auenentwicklung zur Verfügung (Bild 7). Für diesen Abschnitt ist die Planfeststellung zur Umgestaltung beantragt. Da sich unterhalb dieses Fließabschnittes eine Wehranlage befindet, ist die Tiefenerosion nicht so stark ausgeprägt. Durch den Rückbau der Wehranlage entfällt
Bild 7 In den Jahren 1999 bis 2003 wurde die Lippe im Bereich Auepoth umgestaltet. Trotz der befestigten Profile ist die Laufform naturraumtypisch (Foto: ABU Soest)
Bild 8 Planung zur Entfesselung in der Hellinghauser Mersch (Grafik: Ing.-Büro Vollmer)
7.2 Die Lippe (Nordrhein-Westfalen) – Gewässerauenprogramme …
353
der gewässeruntypische Staubereich. Die Lippe kann sich dadurch in stärkerem Maße eigendynamisch entwickeln. In der Hellinghauser Mersch konnten deutlich erkennbare Reste von Flutrinnen in der Aue nachgewiesen werden (Bild 8). In naturnahen Auen strömt über derartige Rinnen Flusswasser in die tiefer liegenden Auenbereiche. Auf die Aktivierung dieser Rest-Flutrinnen wurde daher besonderer Wert gelegt. Bereits bei Wasserständen knapp oberhalb des Mittelwassers soll zukünftig Wasser über die Rinnen in die Aue fließen. Wo immer möglich, werden die Steinschüttungen aus der Lippe entfernt und ggf. sogar Totzholzelemente in das Gewässerbett eingebracht (Bild 9). Vorgeschaltet ist jeweils die Prüfung, ob die eigendynamische Kräfte der Lippe so
Bild 9 Einbringen von Totholz und Entfesselung der Ufer im Rahmen der Gewässerunterhaltung (Foto: Archiv StUA Lippstadt)
aktiviert werden können, dass das gewünschte Ziel erreicht wird. Ein weiteres Eintiefen der Lippe muss in jedem Fall vermieden werden. 7.2.4 Entwicklungen und Erfahrungen Die Veränderung und Entwicklung der Lippe und ihrer Aue wird für den Bereich der Klostermersch durch ein umfassendes ökologisches und flussmorphologisches Monitoring begleitet (StUA Lippstadt, 2002).
354
7 Erfahrungen
Seit der Umgestaltung wird die Aue jährlich überflutet. Vier transportwirksame Hochwasserereignisse sind mittlerweile beobachtet worden; davon ein Hochwasser mit einer Eintrittswahrscheinlichkeit von 25 Jahren. Im Flussbett und in der Aue entwickelt sich langsam der reichhaltige, typische Formenschatz. Kleinräumige Verlagerungen im Flussbett sorgen für eine vielfältig strukturierte Sohle. Flache Gleitufer und Inseln bilden sich. In der Gesamtheit ist das System jedoch stabil, das heißt, eine erneute Tiefenerosion findet nicht statt.
Bild 10 Der anspruchsvolle Steinbeißer vermehrt sich in der renaturierten Lippe (Foto: M. Bunzel-Drüke)
In der Aue bringen Sandablagerungen nährstoffarme Standorte hervor; anderenorts sorgt das Hochwasser für großen Nährstoffreichtum. Uferabbrüche wurden von Eisvögeln und Uferschwalben besiedelt. Ehemalige Entwässerungsgräben dienen Löffel- und Knäkente als Brutplatz. Auch anspruchsvolle Fischarten weisen eine starke Zunahme auf. So konnte etwa die Nase, ein nach ihrer Maulform benannter Fisch, vor dem Umbau in ganzen fünf Exemplaren nachgewiesen werden. Im Jahre 1998 gingen allein im Bereich der Steinbach-Mündung rund 100 junge Nasen ins Netz; im Jahr 1999 sogar 380 Exemplare (ABU Soest, 1998). Schmerle und Steinbeißer (Bild 10) gehören ebenfalls zu den Arten, die nach der Umgestaltung stark zugenommen haben. Besonders bemerkenswert ist, dass sich auch diejenigen Arten wieder vermehren, die in ihrem Lebenszyklus auf die Verbindung von Fluss und Aue angewiesen sind. Bekanntestes Beispiel hierfür ist der Hecht. In unterschiedli-
7.2 Die Lippe (Nordrhein-Westfalen) – Gewässerauenprogramme …
355
cher Ausprägung ist die Vernetzung zwischen Fluss und Aue für den größeren Teil der heimischen Fischarten notwendig. Nicht nur Tiere, auch Menschen reagieren positiv auf diese Entwicklung. In der Presse sowie auf zahlreichen Bürgerversammlungen wurde die Vorschläge des Auenprogrammes vorgestellt und diskutiert. Die Berücksichtigung eines ausreichenden Hochwasserschutzes für die anliegende Bebauung spielt bei derartigen Veranstaltungen immer eine bedeutende Rolle. Ergänzend wurden zwei Broschüren erstellt, die mittlerweile eine Auflagenhöhe von je 3.500 Exemplaren erreicht haben. Dies alles hat dazu beigetragen, dass das Gewässerauenprogramm an der Lippe mittlerweile ein hohes Maß an Akzeptanz genießt. Jährlich kommen 60 bis 80 Besuchergruppen in die Klostermersch, um sich durch die Aue führen zu lassen. Die bisherigen Maßnahmen an der Lippe haben die Attraktivität der Aue für die Freizeitnutzung erhöht. Im Rahmen eines Freizeitkonzeptes wurden für Bereiche im Kreis Soest Lenkungsmaßnahmen für die Freizeitnutzung in der Aue erarbeitet. Dadurch sollen sich Teilabschnitte der Lippe und ihrer Aue möglichst ungestört entwickeln können. In anderen Abschnitten steht das Erleben von naturnahen Landschaften im Vordergrund. Mittlerweile befindet sich mehr als ein Drittel des Flusses in der Vorbereitung zur naturnahen Entwicklung (u.a. Flächenankauf, Planung), wird aktuell entfesselt oder ist nach einer Umgestaltung bereits im Entwicklungsprozess. Damit erscheint die Aussicht, den „guten ökologischen Zustand“ entsprechend der EGWasserrahmenrichtlinie für Fluss und Aue zu erreichen, an der Lippe als besonders günstig.
Literatur ABU (s. Arbeitsgemeinschaft Biologischer Umweltschutz im Kreis Soest e.V.) Arbeitsgemeinschaft Biologischer Umweltschutz im Kreis Soest e.V (Hrsg.) (1998) Jahresbericht über Betreuung und Monitoring in der Klostermersch 1997, Auftraggeber: Kreis Soest und Staatliches Umweltamt Lippstadt, Bad Sassendorf-Lohne, 1998. Detering, U. (2000) Das Gewässerauenprogramm NRW am Beispiel der oberen Lippe. In: Bundesamt für Naturschutz (Hrsg.) (2000) Renaturierung von Bächen, Flüssen und Strömen, Angewandte Landschaftsökolgie, Heft Nr. 37, Landwirtschaftsverlag Münster, S 153– 162. Detering, U., Leismann, M., Vollmer, A. (1999) Die Umsetzung des Gewässerauenprogrammes Nordrhein-Westfalen am Beispiel des Oberlaufs der Lippe, Wasser und Abfall, Heft Nr. 6, S. 48–52. Landesumweltamt Nordrhein-Westfalen (Hrsg.) (2001) Leitbilder für die großen bis mittelgroßen Fließgewässer in Nordrhein-Westfalen, LUA-Merkblätter Nr. 34, Düsseldorf. Landesumweltamt Nordrhein-Westfalen (Hrsg.) (2002) Fließgewässertypenatlas NordrheinWestfalen, LUA-Merkblätter Nr. 36, Düsseldorf. Leismann, M., Detering, U., Vollmer, A.(1999) Die Bestimmung des natürlichen Profils von Flüssen für Renaturierungsvorhaben. Wasser und Abfall, Heft 1/2, S. 6–60. LUA NRW (s. Landesumweltamt Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf). Ministerium für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.) (1990) Natur 2000 in Nordrhein-Westfalen, Leitlinien und Leitbilder für Natur und Landschaft im Jahr 2000.
356
7 Erfahrungen
MURL NRW (s. Ministerium für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft des Landes NRW, Düsseldorf) Natur- und Umweltschutz-Akademie des Landes Nordrhein-Westfalen (NUA) (Hrsg.) (2003) Lippe- Entwicklung, Visionen, NUA-Seminarbericht Bd. 9, Recklinghausen. NUA NRW (s. Natur- und Umweltschutzakademie des Landes Nordrhein-Westalen) Staatliches Amt für Wasser- und Abfallwirtschaft Lippstadt (StAWA Lippstadt) (1993) LippeAuenprogramm – Abschnitt Lippstadt-Lippborg, Bearbeitung: Ingenieurbüro A. Vollmer und Ingenieurbüro K.H. Loske (unveröffentlicht). Staatliches Amt für Wasser- und Abfallwirtschaft Lippstadt (Hrsg.) (1993) Die Fischfauna der Lippeaue zwischen Lippstadt und Lippborg, Bearbeitung: Büro Iltis (unveröffentlicht). Staatliches Umweltamt Lippstadt (Hrsg.) (1994) Vorstudie über Möglichkeiten der Abtrennung des Verlaufes der Lippe vom Sander Lippesee, Bearbeitung: NZO GmbH (unveröffentlicht). Staatliches Umweltamt Lippstadt (Hrsg.) (2002) Die Klostermersch, Broschüre, Bearbeitung: Arbeitsgemeinschaft Biologischer Umweltschutz im Kreis Soest e. V., Lippstadt. StAWA Lippstadt (s. Staatliches Amt für Wasser- und Abfallwirtschaft Lippstadt, Lippstadt). StUA Lippstadt (s. Staatliches Umweltamt Lippstadt, Lippstadt).
7.3
Die Niederung der Schwarzen Elster (Brandenburg) – Entwicklungsmaßnahmen im Auebereich des Mittellaufes Die nachfolgend vorgestellten Beispiele aus dem Bereich des Mittellaufes der Schwarzen Elster beziehen sich auf das Gewässernetz im seitlichen Einzugsgebiet. Mit einer Länge von 179 Kilometern ist die Schwarze Elster, nach der Havel, der zweitgrößte rechte Nebenfluss der Elbe innerhalb Deutschlands. Das gesamte Flusseinzugsgebiet umfasst 5.700 km² und erstreckt sich über Teile der Bundesländer Sachsen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt. Von der Quelle am Hochstein, in der Nähe der sächsischen Stadt Pulsnitz (287 m über NN) bis zur Mündung in die Elbe (69 m über NN) beim sachsenanhaltinischen Ort Elster, wird eine Höhendifferenz von 218 Meter überwunden. Der brandenburgische Mittellauf weist, wie auch der Unterlauf in SachsenAnhalt, ein anteilig noch geringeres Gefälle von nur 0,32 Promille auf. Von ähnlich geringen Gefälleverhältnissen sind die Niederungsbereiche des seitlichen Einzugsgebietes im Betrachtungsraum geprägt. Das Schwarze Elster-Gebiet befindet sich im Übergangsbereich vom maritimen zum kontinentalen Klima. Im brandenburgischen Einzugsgebiet liegen die mittleren Jahresniederschläge unter 600 mm, die Abflusshöhe beträgt nicht mehr als 150 mm und die mittlere Abflussspende ca. 4,75 l/(s · km²). Dementsprechend sind die Gewässer, insbesondere unter den niederlausitztypischen monatelangen Hitzeperioden, oft von extremer Niedrigwasserführung betroffen.
7.3 Die Niederung der Schwarzen Elster (Brandenburg) …
357
7.3.1 Ausgangssituation und Anlass Im Bereich der Landkreise Elbe-Elster und Oberspreewald-Lausitz auf einer Fläche von ca. 170.000 Hektar, und damit etwa 30 Prozent des Einzugsgebietes der Schwarzen Elster, ist der Gewässerverband „Kleine Elster-Pulsnitz“ zuständig für die Unterhaltung von ca. 2.200 Kilometern Gewässer II. Ordnung. Im gesonderten Auftrag des Landesumweltamtes Brandenburg werden auch die dortigen Gewässer I. Ordnung und Hochwasserschutzdeiche mit den wasserwirtschaftlichen Anlagen unterhalten. Fast das gesamte Gewässernetz (über 90 Prozent) wurde in den vergangenen Jahrhunderten entsprechend der menschlichen Nutzungsansprüche mitunter mehrfach ausgebaut und verändert. Die einstigen Auen der Schwarzen Elster, der Pulsnitz, der Kleinen Elster, aber auch die Niederungsbereiche des weiteren Gewässernetzes, waren einst von mäandrierenden Wasserläufen mit Einengungen und Sandbänken, aber auch langzeitig überfluteten, von Röhrichten und Weiden geprägten Auenbereichen bestimmt. Immer wiederkehrende Hochwasserereignisse führten zu langanhaltenden Überschwemmungen und schränkten die ohnehin karge landwirtschaftliche Nutzung gravierend ein. Aus diesem Grund wurde sehr frühzeitig begonnen durch Gewässerausbaumaßnahmen die Vorflutsituation, und mithin die Entwässerungswirkung, zu verbessern. In weiten Teilen wurden die Grundwasserstände um über einen Meter abgesenkt. Ergänzend erfolgte an den besonders hochwasserführenden Flussläufen der seitliche Deichbau sowie umfangreiche Gewässerausbaumaßnahmen im Binnenland. Die zunehmende Industrialisierung und die Entwicklung des Braunkohlebergbaues im 19. und 20. Jahrhundert in der Niederlausitz brachte weitere Belastungen für die Schwarze Elster und deren Seitengewässer und war Anlass neuerlicher Ausbaumaßnahmen. Alle diese wasserbaulichen Aktivitäten waren mit einer wesentlichen Umgestaltung des einst natürlichen Fließgewässernetzes und der zunehmenden Verschlechterung der Situation des Landschaftswasserhaushaltes verbunden. Obwohl das Gewässernetz nahezu durchgehend ausgebaut ist, und sich daher in einem naturfernen Zustand befindet, ist die biotische Ausstattung der Fließgewässer, Uferbereiche und Auen doch recht bedeutungsvoll. So sind zum Beispiel im gesamten Einzugsgebiet Biber und Fischotter heimisch. Weite Niederungsbereiche sind Naturschutz- oder Landschaftsschutzgebiete. Zudem sind die Haupt-, aber auch viele Nebengewässer und die seitlichen Auenbereiche, auf Grund ihres Tier- und Pflanzenbestandes gemeldete FFH-Gebiete, so dass in Zukunft mit einer weiteren Ausdehnung der Schutzflächen zu rechnen ist. Unter Berücksichtigung sowohl dieser Ausgangssituation als auch der neuen europäischen sowie bundes- und landesrechtlichen Regelungen zur naturnäheren Gewässerentwicklung, waren vom Gewässerverband „Kleine Elster-
358
7 Erfahrungen
Pulsnitz“ die Pflichtaufgaben der Gewässerunterhaltung, aber auch noch weiterreichende investive Fördermaßnahmen zur Verbesserung der naturnäheren Gewässerentwicklung und des Landschaftswasserhaushaltes zu realisieren. 7.3.2 Entwicklungskonzept, Ziele, Konflikte Im gesamten Einzugsgebiet der Schwarzen Elster wurden zuletzt zu DDR-Zeiten umfangreiche Meliorationsmaßnahmen, verbunden mit dem Ausbau vieler Fließgewässer, durchgeführt. Unter dem Erbe des mehrfach ausgebauten Gewässernetzes, ergeben sich für das Verbandsgebiet, wie auch für weite Teile der neuen Bundesländer, im Hinblick auf den angestrebten naturnäheren Gewässerzustand und der damit erwünschten Verbesserung des Landschaftswasserhaushaltes, die folgenden Konflikte: • Nachdem die Gewässerverlegungen zu DDR-Zeiten meist ohne ändernde Eigentumsklärung durchgeführt wurden, betreffen die gewünschten Gewässerrevitalisierungsmaßnahmen heute vielfach private Flächen. Viele Eigentumsverhältnisse an Gewässern sind zusätzlich noch ungeklärt. • Flurbereinigungsverfahren, welche die Fließgewässer in öffentliches Eigentum überführen würden und die Bereitstellung von Gewässerrandstreifen vereinfachen könnten, gibt es nur sehr vereinzelt. • Die landwirtschaftliche Produktion findet nach wie vor auf großen Einheiten („Schlägen“) statt, so dass die „Vorflutanforderungen“ an das Gewässersystem weitgehend unverändert sind. • Die Kriterien der aktuellen EU-Förderpolitik sind für die Landwirtschaftsunternehmen notgedrungen entscheidender, als die standörtlichen Gegebenheiten bzw. naturräumlichen Vorzugsnutzungen. • Viele Flächen der Landwirtschaftsbetriebe sind nur befristet gepachtet. Die Eigentümer der Grundflächen scheuen sich, Gewässerrevitalisierungsmaßnahmen zuzustimmen, weil sie Nachteile bei der Flächennutzung oder -verpachtung befürchten. • Wie die Gewässer befinden sich auch die meisten wasserrückhaltenden Anlagen (Staue und Wehre) in privatem Eigentum. Zudem ist deren Unterhaltung und Betrieb unzureichend geregelt; auch fehlen meist rechtsgültige Betriebserlaubnisse. • Fehlende Gewässerentwicklungskonzepte oder gar -pläne erschweren eine systematische naturnähere Gewässer- und Auenentwicklung im Einzugsgebiet bei Berücksichtigung der berechtigten Nutzungsinteressen. Unter Beachtung des aufgeführten Konfliktpotenzials, den besonderen Randbedingungen in den neuen Bundesländern und dem überwiegenden Fehlen hinreichend konkreter Entwicklungsplanungen, können vom Gewässerverband
7.3 Die Niederung der Schwarzen Elster (Brandenburg) …
359
„Kleine Elster-Pulsnitz“ derzeitig nur folgende Ziele bzw. Vorgehensweisen verfolgt werden: • Die vorgeschlagenen Maßnahmen betreffen überwiegend das vorhandene Fließgewässerprofil. Vereinzelt darüber hinausgehende Vorhaben bedürfen der schriftlichen Zustimmung der betroffenen Flächeneigner und -nutzer. Der Erwerb der Flächen ist zur Zeit förderpolitisch nicht bzw. nur in wenigen Ausnahmen möglich. • Erhöhung der Gewässersohlen bzw. Wasserspiegellagen und Ersatz der regulierenden Stauanlagen durch ökologisch durchgängige Stützschwellen bzw. Sohlengleiten; soweit es die Nutzungsbedingungen zulassen. • Verkleinerung der überdimensionierten, künstlichen Ausbauprofile • Verbesserung der Durchgängigkeit, Verringerung oder Umgestaltung von Querbauwerken. • Verzicht bzw. Rückbau von Sohlen- und Uferbefestigungen sowie Gewässerverrohrungen • Verbesserung der Gewässerstruktur • Förderung der Gewässerdynamik unter den gegebenen Bedingungen (u.a. geringe Abflüsse und Fließgeschwindigkeiten) • Ergänzung der wasserbaulichen Maßnahmen mit standortangepasster Uferbepflanzung; bei Zustimmung der Flächeneigner und -nutzer auch Anlage von breiteren Gewässerrandstreifen. • Ersatz standort-untypischer Ufergehölze • Modifizierte Gewässerunterhaltung • Erhöhung der Retentionswirkung in Fließgewässern und Gräben sowie seitlichen Aue- und Niederungsbereichen Nach der weitgehend nutzungsorientierten Ausrichtung der Gewässerfunktionen zu DDR-Zeiten, trat nach der politischen Wende die ganzheitliche Betrachtung der Fließgewässer und ihren Wechselwirkungen zur umgebenden Aue zunehmend in den Mittelpunkt. Die landesgesetzlichen Regelungen orientieren sich heute wesentlich auch an ökologischen Belangen und unterstützen eine naturnahe Gewässerentwicklung. Außer den deklaratorischen Erklärungen zu einer naturnäheren Entwicklung der Gewässer im Land Brandenburg, gibt es bisher nur eine Konzeption für ein Fließgewässerschutzsystem unter dem wesentlichen Gesichtspunkt des Gewässerbiotopverbundes. Entwicklungskonzepte für Flussgebietssysteme und deren Auenbereiche liegen nur vereinzelt vor. Für das hier betrachtete Verbandsgebiet „Kleine Elster-Pulsnitz“ gibt es ein solches Entwicklungskonzept noch nicht. Auch Gewässerentwicklungspläne, als ganz wesentliches Planungsinstrument, sind bisher im Land Brandenburg nur wenige erarbeitet worden. Im Jahre 1998 wurde mit der „Richtlinie für die naturnahe Unterhaltung und Entwicklung von Fließgewässern im Land Brandenburg“ eine allgemein gültige Orientierung für die Gewässerentwicklung erlassen.
360
7 Erfahrungen
7.3.3 Planungen und Maßnahmen Wie erwähnt, gibt es für die durchgeführten Maßnahmen zur naturnäheren Gewässer- und Auenentwicklung noch keine gewässer- oder gar einzugsgebietsumfassende Gewässerentwicklungsplanungen. Die vorgestellten Maßnahmen sind aufgegriffene Hinweise aus Pflege- und Entwicklungsplanungen oder basieren auf den Vorschlägen aus Voruntersuchungen und Studien. Darüber hinaus wurden verbandseigene, mit den zuständigen Behörden, den Flächeneignern und Flächenutzern und weiteren Partnern abgestimmte, konzeptionelle Überlegungen zur Gewässerentwicklung und Verbesserung des Landschaftswasserhaushaltes umgesetzt. Anlage von Sohlenschwellen/Stützschwellen Als Ersatz alter regulierbarer Stauanlagen wurden seit Mitte der 1990er-Jahre eine Reihe von naturnahen Sohlenbauwerken in Form gestreckter Stützschwellen aus Blocksteinen errichtet (Bild 1). Die Differenz zwischen Oberwasser und dem Unterwasser liegt, je nach Situation, zwischen 0,30 und 1,50 m. Die Rampenneigungen liegen entsprechend der örtlichen Gegebenheiten zwischen 1 : 10 und 1 : 25. In den Fließgewässern mit Fischbesatz wurden Schwellen mit versetzten Querriegeln und dazwischen liegenden Beckenstrukturen gebaut. Es wurde darauf geachtet, dass die Höhendifferenz von Becken zu Becken max. 15 cm beträgt. Die mitunter stark schwankende Wasserführung lässt das Erscheinungsbild der Anlagen im jahreszeitlichen Verlauf jedoch sehr variieren. Nach einer längeren Beobachtung wurden nahezu alle Schwellen nochmals umgepackt oder durch weitere Blocksteine ergänzt. Die Fischpassierbarkeit ist an allen betreffenden Umbauten belegt. Bei zukünftigen Anlagen in Fischgewässern soll versuchsweise, wenn der Abfluss ausreichend ist, die Rampe weiter abgeflacht, d.h. die Rampenneigung deutlich verringert werden (1 : 50 bis 1 : 100). Auf diese Weise sollen im langgestreckten Abströmbereich einige Abschnitte mit höherem Gefälle als spezielle Biotopbereiche geschaffen werden. In kleineren Fließgewässern und Gräben ohne ganzjährigen Wasserabfluss und ohne Erfordernis der Fischpassierbarkeit erfolgt der Bau der Sohlenschwellen in vereinfachter Bauweise mit eingespültem Kies in den Schotterstützkörper und einer ebenso flachen Rampenneigung. Um das Passieren der Benthosorganismen zu verbessern, erhalten diese, wegen des teils sehr geringen Abflusses, eine kleine geschlängelte Rinne zur Konzentration des Wasserabflusses. Ergänzend werden alle Stützschwellen bzw. deren Umgebung, unter Beachtung der hydraulischen Auswirkungen, mit Strukturelementen, wie zum Beispiel Totholz, Stubben, steilen Böschungsabstichen, aber auch Gewässerbettaufweitungen oder -einengungen sowie Uferbepflanzungen bereichert.
7.3 Die Niederung der Schwarzen Elster (Brandenburg) …
361
Bild 1 Kombinierte Stützschwelle mit Beckenpass am Auslauf eines Umgehungsgerinnes in der Kleinen Elster (Foto: Gewässerverband „Kleine Elster-Pulsnitz“)
Einbau von Grabentaschen Zur ökologischen Aufwertung der meist trapezförmig, monoton ausgebauten Gewässer und Gräben, aber auch zur Erhöhung des Retentionsvermögens, wurden seitliche Aufweitungen, sogenannte „Grabentaschen“ angelegt. Bei den eingedeichten Gewässern I. Ordnung bot das Vorland den benötigten Platz (Bild 2). An Gewässern II. Ordnung können wegen der erforderlichen Flächeninanspruchnahme solche Vorhaben, ohne Möglichkeit einer Entschädigung, nur mit der Zustimmung verständnisvoller Flächeneigner und -nutzer realisiert werden. Sehr wirkungsvoll, und u.a. verbunden mit der Anlage von bis zu 10 m breiten standortgerechten Gewässerrandstreifen, konnten solche Maßnahmen in Teileinzugsgebieten des Landkreises Oberspreewald-Lausitz realisiert werden. So hat zum Beispiel die Agrargenossenschaft „Elster-Pulsnitz“ Frauendorf eG im Bereich ihres über 2.600 Hektar großen Landwirtschaftsbetriebes, sol-
362
7 Erfahrungen
Bild 2 Grabentasche (ca. 40 × 7 m) im Vorlandbereich der Schwarzen Elster (Foto: Gewässerverband „Kleine Elster-Pulsnitz“)
che Maßnahmen zur Gewässer-, aber auch Landschaftsentwicklung und Verbesserung des Landschaftswasserhaushaltes, unterstützt. Da sich viele Maßnahmen auf Pachtflächen des Agrarbetriebes erstrecken, war das nur möglich, weil der Landwirtschaftsbetrieb den Eigentümern, auch für die jetzt umgestalteten Gewässerrandstreifen, die weitere Pachtzahlung zugesichert hat. Neben der Gewässeraufweitung mit der gezielten Anlage von flachen, besonnten Uferbereichen zur Förderung der Amphibienvorkommen, wurden an anderen Stellen Uferbereiche steil abgestochen. Diese wurden teilweise sehr schnell vom Eisvogel als Bruthabitat angenommen. Das Einbringen von Totholz oder Lesesteinen hat ebenfalls zu einer Bereicherung der Gewässerstrukturen beigetragen. Einbau von Substratbuhnen Im Gewässerverbandsgebiet wurde der überwiegende Teil der Fließgewässer, aber auch die Entwässerungsgräben, mitunter mehrfach ausgebaut. Die Ausbauparameter, wie Tiefe, Breite und Profilquerschnitt, entsprechen meist nicht den naturraumtypischen Verhältnissen. So kommt es beispielsweise an den Fließgewässern mit kleineren Einzugsgebieten selbst bei größeren Hochwasserereignissen nicht zu Ausuferungen. In derartigen Bereichen ist relativ konfliktfrei
7.3 Die Niederung der Schwarzen Elster (Brandenburg) …
363
das punktuelle Einengen der (unnatürlich) großen Gewässerprofile zu realisieren. Durch den möglichst wechselseitigen Einbau von geschütteten Buhnen mit geeignetem, leicht bindigem Substrat und einer Profileinengung um etwa ein Drittel, lassen sich sukzessive die gleichförmigen Gewässerbettstrukturen auflockern. Derartige Maßnahmen tragen nicht nur zu einer ökologischen Aufwertung des aquatischen Lebensraumes bei, sondern verbessern auch den Landschaftswasserhaushalt. Anlage von Gewässerrandstreifen Die Anlage von Gewässerrandstreifen ist unter den bisherigen gesetzlichen Rahmenbedingungen begrenzt. Dies geschieht momentan nur freiwillig, auf der Basis einer unentgeltlichen Flächenbereitstellung. Von daher ist die Entwicklung von 5 bis 8 m breiten Gewässerrandstreifen im Zuständigkeitsbereich der Agrargenossenschaft „Elster-Pulsnitz“ Frauendorf eG über mittlerweile ca. 15 Kilometer Fließlänge sehr hoch einzuschätzen. Die Gewässerrandstreifen bestehen aus standorttypischen einheimischen Strauch- und Baumarten. In diese Gewässerrandstreifen werden strukturverbessernde Maßnahmen in und am Gewässer mit eingebunden. Bei der Gehölzauswahl muss das fast flächendeckende Vorhandensein des Elbe-Bibers berücksichtigt werden. Wenngleich die Anpflanzungen, auch zum Schutz vor Verbiss- und Fegeschäden, über einen Zeitraum von möglichst 5 bis 8 Jahren eine vollständige Umzäunung erfordern (wesentlicher Kostenfaktor), werden sie später in aller Regel dem Biber auch als Nahrungs- und Baumaterial dienen. Die gezielte Anpflanzung von Aspen und anderen stockausschlagsfähigen, vom Biber bevorzugten Weichlaubhölzern, soll von anderen Gehölzen ablenken. Inwieweit das gelingt, muss die Zukunft zeigen. Anlage von Feuchtbiotopen Die natürlichen Auen- und Niederungsbereiche waren früher von vielen Überschwemmungs- und feuchten Standorten (Feuchtgebiete) geprägt. Der Gewässerausbau über die Jahrhunderte hat zur verstärkten Wasserableitung und Grundwasserabsenkung geführt. Auf diese Weise verschwanden im Laufe der Zeit große, aber auch viele kleinstrukturierte, Feuchtgebiete und Tümpel. Selbst Senken wurden durch entsprechende Vorflutvertiefung oder den direkten Anschluss entwässert. Für den Biotopverbund und den Wasserrückhalt in der Fläche sind wasserführende Geländeformen (u.a. Feuchtgebiete, Tümpel, Mulden, Senken) von besonderer Bedeutung. Im Rahmen der Fließgewässer- und Landschaftsentwicklung wurden mehrere einst verfüllte oder trocken gefallene Senken wieder hergestellt oder/und durch gezielte Wasserstandserhöhung zu auentypischen Kleingewässern entwickelt (Bild 3). Zur Verbesserung der Habitatsbedingungen für die sich sehr schnell einstellenden Amphibienarten, werden derartige Gestaltungen durch strukturverbessernden Maßnahmen (u.a. Totholz, Stubben, Lesesteinhaufen) und Gehölzbepflanzungen ergänzt.
364
7 Erfahrungen
Bild 3 Neugeschaffenes Kleingewässer im Biotopverbund – Niederungsbereich der Kleinen Elster (Foto: Gewässerverband „Kleine Elster-Pulsnitz“)
7.3.4 Entwicklungen und Erfahrungen In Abhängigkeit von der Zeitspanne, die seit der Umsetzung der Maßnahmen vergangen ist, lassen sich erkennbare Verbesserungen der Gewässerstrukturen und des Landschaftswasserhaushaltes nachweisen. Mit einer differenzierten Gewässerunterhaltung kann und sollten diese positiven Effekte begleitend unterstützt werden. Gegenüber dem einstigen Ausbauzustand mit oftmals naturferner Trassenführung, gleichförmigem überdimensionierten Trapezprofil und vorflutbestimmender Ausbautiefe, sind die Einzelmaßnahmen, noch dazu bei komplexer Ausführung in Teileinzugsgebieten, zur Initiierung einer Fließgewässerentwicklung gut geeignet. Da sie vielfach auch abflussverzögernd wirken, den Wasserstand dauerhaft anheben und das Retentionsvermögen erhöhen, wird damit gleichzeitig der Landschaftswasserhaushalt stabilisiert und verbessert sowie ein Beitrag zur Reduzierung der Hochwasserabflüsse geleistet. Bei aller guten Absicht und den erkennbaren Verbesserungen können punktuelle Maßnahmen, auch wenn sie sich über ein Teileinzugsgebiet erstrecken, die gezielte Umsetzung einer Gewässerentwicklungsplanung nicht ersetzen. Sowohl Leitbilder als auch umfassend abgestimmte und realisierbare Entwicklungsziele
7.3 Die Niederung der Schwarzen Elster (Brandenburg) …
365
fehlen. Als derzeit gravierendster Mangel muss jedoch die ungenügende Möglichkeit des Flächenerwerbs kritisiert werden. Insbesondere gewässerstrukturverbessernde Maßnahmen und solche, die den gezielten Wasserrückhalt und die Wasserstandserhöhung fördern und vielfach dem gewohnten „Ordnungs- und Sauberkeitssinn“ der Bürger widersprechen, machen eine intensive Öffentlichkeitsinformation erforderlich. Das gilt um so mehr, als die Mehrzahl der Maßnahmen nur im vorhandenen Gewässerprofil bzw. mit Eigentümerzustimmung auf deren Flächen stattfinden. Der Erwerb von hinreichend breiten Flächen längs der Gewässer, aber auch von größeren Auenbereichen, ist zur leitbildorientierten Gewässerentwicklung mit dem ergänzenden Ziel der umfassenden Verbesserung des Landschaftswasserhaushaltes zukünftig unerlässlich.
Literatur Hanspach, D et al. (2001) Der Schraden – Eine landeskundliche Bestandsaufnahme im Raum Elsterwerda, Lauchhammer, Hirschfeld und Ortrand, Herausgeber: Luise Grundmann im Auftrag des Instituts für Länderkunde Leipzig und der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Bearbeitung: Dietrich Hanspach, Böhlau Verlag, Köln, Weimar, Wien. Landesumweltamt Brandenburg (Hrsg.) (2002) Strukturgüte von Fließgewässern Brandenburgs, Studien- und Tagungsberichte, Bd. 37. Landesumweltamt Brandenburg (Hrsg.) (1998) Die sensiblen Fließgewässer und das Fließgewässerschutzsystem im Land Brandenburg, Studien und Tagungsberichte, Bd. 15. Landesumweltamt Brandenburg (Hrsg.) (1997) Schwarze Elster – Ökologischer Zustand und Entwicklungsziele, Fachbeiträge des Landesumweltamtes, Titelreihe Nr. 24. Landesumweltamt Brandenburg (Hrsg.) (1993) Gütezustand der Schwarzen Elster – Methodische Ansätze wasserwirtschaftlich-ökologischer Betrachtungen mit Anregungen für gütestabilisierende Gewässerunterhaltung. Landesumweltamt Brandenburg und Ingenieurgemeinschaft WTU GmbH Bad Liebenwerda (Hrsg.) (2002) Generalplan Hochwasserschutz Einzugsgebiet der Schwarzen Elster im Land Brandenburg – Flussgebiete der Schwarzen Elster und Pulsnitz. Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH (Hrsg.) (2001) Flutungszentrale Lausitz. Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung des Landes Brandenburg (Hrsg) (1997) Richtlinie für die naturnahe Unterhaltung und Entwicklung von Fließgewässern im Land Brandenburg. Scharf, R, Braasch, D (1997) Die sensiblen Fließgewässer des Landes Brandenburg – Kreis Elbe-Elster. In: Naturschutz und Landschaftspflege in Brandenburg, Heft 2, S. 49–58. Scharf, R., Braasch, D. (1998) Die sensiblen Fließgewässer des Landes Brandenburg, 3. Beitrag zu ihrer Erfassung und Bewertung – Kreise Spree-Neiße und Oberspreewald-Lausitz, kreisfreie Stadt Cottbus. In: Naturschutz und Landschaftspflege in Brandenburg Heft 2, S. 133–141.
366
7 Erfahrungen
7.4
Die Sieg (Nordrhein-Westfalen) – Entwicklungsmaßnahmen an einem Mittelgebirgsfluss Die Sieg ist ein typisches Mittelgebirgsgewässer mit einer Fließlänge von ca. 150 Kilometer. Von der Quelle bei Siegen-Netphen (Aukopf, bei 600 m über NN) bis zur Mündung in den Rhein nördlich von Bonn (bei 50 m über NN) wird ein Höhenunterschied von 550 Meter überwunden (mittleres Gefälle ca. 3,6 Promille). Das Einzugsgebiet ist ca. 2.800 km2 groß. Am Pegel Menden (etwa 10 Kilometer vor der Mündung in den Rhein) beträgt das NQ1965-1992 = 2,4 m3/s und das HQ1965-1992 = 1.050 m3/s. 7.4.1 Ausgangssituation und Anlass Als die Sieg im Jahre 1962 durch das Landeswassergesetz von Nordrhein-Westfalen zum Gewässer 1. Ordnung ernannt wurde, übernahm das Land auch die notwendigen Ausbau- und Unterhaltungsarbeiten. Hintergrund dieser Aufwertung zum Gewässer 1. Ordnung waren die Klagen der unterhaltungspflichtigen Städte und Gemeinden als Sieg-Anlieger über die für ihre Verhältnisse zu hohen Kosten für ein so großes und bedeutendes Fließgewässer.
Bild 1 Einzugsgebiet der Sieg – Zuständigkeiten vor Einführung der EG-Wasserrahmenrichtlinie. Im Fließverlauf: Gewässer 2. Ordnung in Nordrhein-Westfalen; Gewässer 1. Ordnung in Rheinland-Pfalz; Gewässer 1. Ordnung in Nordrhein-Westfalen
7.4 Die Sieg (Nordrhein-Westfalen) – Entwicklungsmaßnahmen …
367
Bild 2 Auszug aus der Planung des „Gewässerentwicklungskonzeptes für die Untere Sieg“ (Stand: 2002)
Da der 75 Kilometer lange Abschnitt der Unteren Sieg im Dienstbezirk des damaligen „Wasserwirtschaftsamtes Bonn“ lag, wurde dieses Amt auch mit den Aufgaben betraut (Bild 1). Durch Um- und Neuorganisation hieß das Amt später „Staatliches Amt für Wasser- und Abfallwirtschaft Bonn“ und, nach der Zusammenlegung mit den Gewerbeaufsichtsämtern, heißt das Amt seit 1994 „Staatliches Umweltamt Köln“. Mit der Übernahme der Arbeiten wurde ein Betriebshof eingerichtet, der bis etwa zum Jahre 1990 mit 14 Mitarbeitern, Zivildienstleistenden und Aushilfskräften ausgestattet war (ATV-DVWK, 2001a). Mit geringer werdenden Haushaltsmitteln und der steigenden Bedeutung der ökologischen Gewässerunterhaltung änderten sich die Unterhaltungsarbeiten und Gewässerausbauten fanden nur noch im Zusammenhang mit planfestgestellten überörtlichen Maßnahmen statt. Heute hat sich die Mitarbeiterzahl beim Betriebshof halbiert. Durch Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen sind dort jetzt zwei Wasserbaumeister, fünf Wasserbauer und vier Auszubildende tätig. Die Planungs- und Organisationsarbeiten werden von drei Ingenieuren mit Hilfe von Ingenieurbüros abgewickelt. Um 1975 war es kaum möglich einen 5 m breiten Randstreifen für die Gewässerunterhaltung zu erwerben. Heute sieht dies anders aus. In den letzten Jahren betrugen die Mittel für den Grunderwerb von Uferrandstreifen, für Bepflanzungsmaßnahmen, für die Umwandlung von Acker in Grünland, zur Unterstützung eigendynamischer Entwicklungen und für die Rückgewinnung abgetrennter Retentionsräume 250.000,– € im Jahr.
368
7 Erfahrungen
Für die Sieg und ihre Auen gab es bis zum Jahre 1989 keine gemeinsame oder aufeinander abgestimmte Planung. Entscheidungen in den Bereichen Wasserwirtschaft, Landschafts- und Naturschutz, Landwirtschaft, Freizeit- und Erholung, Planung der Städte und Gemeinden usw. wurden teilweise unabhängig voneinander getroffen (Städtler, 1997) Deshalb wurde von 1990 bis 1997 auf der Grundlage des Gewässerauenprogrammes des Landes Nordrhein-Westfalen von einem interdisziplinär besetzten Arbeitskreis der erste Entwurf des „Gewässerentwicklungskonzeptes für die Untere Sieg“ erarbeitet (Bild 2) (Siegauenkonzept, 1997). Die Stellungnahmen der Träger öffentlicher Belange haben dazu geführt, dass das Konzept momentan durch einen Kernarbeitskreis überarbeitet wird und im Jahre 2004 fertiggestellt werden soll (MUNLV, 2002b). 7.4.2 Entwicklungskonzept, Ziele, Konflikte Fachlich wird bei dem „Gewässerentwicklungskonzept für die Untere Sieg“ zwischen den Teilen Wasserwirtschaft, Ökologie und Landwirtschaft unterschieden. Darüber hinaus gibt es Ziele und Maßnahmen in den Bereichen Landschaftsund Naturschutz, Landwirtschaft, im Bereich der Entwicklung der Städte und Gemeinden und im Bereich Freizeit und Erholung. Es umfasst eine Fläche von 3.400 Hektar, bestehend aus der augenblicklichen Aue und den abgetrennten Auenbereichen. Ziele und Maßnahmen des Gewässerentwicklungskonzeptes im Fachteil Wasserwirtschaft sind: • Erhaltung vorhandener und Rückgewinnung ehemaliger Retentionsräume • Schutz der Trinkwassergewinnungsanlagen in der Aue • Schaffung von Pufferzonen zwischen Fließgewässer und angrenzender Nutzung • Strukturverbesserungen, Unterstützung eigendynamischer Entwicklungen • Wiederherstellung der Durchgängigkeit für Wanderfische • Grunderwerb • Erreichen der Gewässergüteklasse II bis I. Das Gewässerentwicklungskonzept enthält Angaben über Entwicklungsmöglichkeiten und zukunftsweisende Planungen. Kurzfristige Maßnahmen sollen innerhalb von 10 Jahren, mittelfristige innerhalb von 10 bis 20 Jahren und langfristige innerhalb von 20 bis 30 Jahren umgesetzt werden. Wegen der unterschiedlichen rechtlichen Voraussetzungen konnte das Konzept nicht für den Bereich von der Quelle bis zur Mündung erarbeitet werden, sondern beschränkt sich vorerst auf diejenigen 75 Kilometer Fließstrecke, auf der die Sieg Gewässer 1. Ordnung ist. Um die finanziellen Auswirkungen des „Gewässerentwicklungskonzeptes für die Untere Sieg“ beurteilen zu können, wurde eine grobe Kostenschätzung erstellt. Der Zeitraum für die Umsetzung wurde auf 30 Jahre geschätzt. Verteilt man die geschätzten Gesamtkosten von 180 Mio. € auf 30
7.4 Die Sieg (Nordrhein-Westfalen) – Entwicklungsmaßnahmen …
369
Jahre, so ergeben sich für 75 Kilometer Fließgewässer und 3.400 Hektar Aue ein jährlicher Finanzbedarf von 6 Mio. €. 7.4.3 Maßnahmen Grundlage aller Maßnahmen an der Sieg ist das Gewässerentwicklungskonzept. Der Schwerpunkt der Arbeiten an der Unteren Sieg wird in den nächsten Jahren liegen bei: Strukturverbesserungen von Fließgewässer und Aue, weiterem Grunderwerb für Pufferzonen zwischen Fließgewässer und Aue, der Umwandlung von Ackerland in Grünland in der Aue, der Erhaltung vorhandener und der Rückgewinnung ehemaliger Retentionsräume sowie der weiteren Verbesserung der Durchgängigkeit für Wanderfische. Strukturverbesserungen durch Zulassen von eigendynamischen Entwicklungen in Windeck-Röcklingen Die Einleitung einer eigendynamischen Gewässerentwicklung an dieser Stelle wurde nicht gezielt geplant. Durch eine Straßenbaumaßnahme war eine trassennahe Ausgleichs- und Ersatzmaßnahme nach Landschaftsgesetz zu planen. Es bot sich an, einen im Röcklinger Bogen vorhandenen Altarm zu vergrößern. Durch den Anschluss an die Sieg sollte ein Angelgewässer geschaffen werden. Bereits im Jahre 1993, ein Jahr nach der Fertigstellung, waren erhebliche „Hochwasserschäden“ festzustellen (Bild 3) (Patt & Städtler, 2000).
Bild 3 Eigendynamische Entwicklung des Röcklinger Bogens zwischen 1993 und 2003
370
7 Erfahrungen
Die eigendynamische Entwicklung hatte unbeabsichtigt in Form einer rückschreitenden Erosion eingesetzt. Anstatt die ursprünglichen Verhältnisse durch Sicherungsarbeiten wieder herzustellen, wurde von den Beteiligten beschlossen, die Geldmittel für den Erwerb der angrenzenden Flächen einzusetzen, das Gewässer sich selbst zu überlassen und die weitere Entwicklung abzuwarten. Seitdem werden die strukturellen Veränderungen fotografisch, vermessungstechnisch und vegetationskundlich dokumentiert und durch Veröffentlichungen bekannt gemacht (Bild 4).
Bild 4 Entwicklungsstand in Röcklingen im Jahre 2003 (Foto: E. Städtler)
Wiederherstellung der Durchgängigkeit für Wanderfische Als Mitte der 1980-er Jahre ohne menschliches Dazutun die ersten Meerforellen an der Mündung der Sieg in den Rhein auftauchten, war dies ein Zeichen dafür, dass jetzt die Möglichkeit zur Wiederansiedlung von ehemals heimischen Fischarten wie Lachs und Meerforelle bestand (ATV-DVWK, 2001b; LÖBF, 1996). Voraussetzungen für das Gelingen waren:
7.4 Die Sieg (Nordrhein-Westfalen) – Entwicklungsmaßnahmen …
371
• Ausreichende Gewässergüte (war annähernd erreicht) • Durchgängigkeit für Wanderfischarten wiederherstellen (Fischwanderhilfen) • Vorhandensein geeigneter Strukturen von Gewässersohle und Ufer als Unterstand und zum Ablaichen (hier bestanden und bestehen noch Defizite). Im Zuge der Umgestaltung der Wehranlagen wurde in Anlehnung an die sog. „Fischtreppe“ und die „raue Sohlenrampe“ gemeinsam mit Fischereibiologen und der Siegfischerei-Genossenschaft eine modifizierte Bauweise entwickelt (Städtler & Patt, 2003). So entstand eine Fischrampe, bei der nur ein Teilbereich des Wehrkörpers in eine Fischaufstiegshilfe umgestaltet wurde. Eine derartige Bauweise ist heute Stand der Technik (ATV-DVWK, 1996b). Mit der Fertigstellung der Umbauten in den Jahren 1987 bis 1994 war die Durchgängigkeit für Wanderfische in der Sieg von der Mündung in den Rhein bis zur Landesgrenze nach Rheinland- Pfalz auf mehr als 75 Kilometer wiederhergestellt. Bei Funktionskontrollen an den neu entwickelten Anlagen wurden etwa 40 Fischarten in der Sieg festgestellt. Im Jahre 1999 hat die Landesanstalt für Ökologie (LÖBF) an dem umgebauten Siegwehr in Siegburg eine Kontroll- und Fangstation für Fische errichtet (Bild 5). An der Kontrollstation sollen zukünftig die vom Meer aufsteigenden Wanderfische im Siegsystem (Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz) gezählt werden. Die Zahl der aufsteigenden Lachse dient der Erfolgskontrolle für das Wanderfischprogramm NRW am Pilotgewäs-
Bild 5 Wehr Siegburg mit Fischaufstiegsrampe und Kontroll- und Fangstation für Fische (Foto: E. Städtler)
372
7 Erfahrungen
ser Sieg. An der Rückkehrrate der Lachse lassen sich zudem die Einflussgrößen außerhalb des Siegsystems, zum Beispiel am Niederrhein, im niederländischen Rheindelta sowie im Nordatlantik beurteilen. In der Saison 2002 wurden an der Kontroll- und Fangstation 189 Lachse und 96 Meerforellen gezählt. Darunter waren einige besonders prächtige Tiere (Bild 6). Man kann davon ausgehen, dass in der gleichen Zeit etwa die gleiche Anzahl von Lachsen und Meerforellen das Wehr springend überwunden haben. Die Rückkehrerrate dürfte im Jahr 2002 bei 380 Lachsen und 200 Meerforellen gelegen haben. Dies ist das beste Ergebnis im Einzugsgebiet des Rheines. Alle Erfolge dürfen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass im Hinblick auf die Verbesserung der Strukturen von Gewässersohle und Ufern noch Einiges zu tun ist. Im Oktober 2002 zog der Anblick der springenden Lachse am Wehr in Siegburg Hobbyfilmer, Berufsfilmer und Fotografen und viele zufällig Anwesende in ihren Bann (Bild 7) (LÖBF, 1999; MUNLV, 2002a).
a
b
Bild 6 Der Lachs ist der Leitfisch für viele Maßnahmen an der Sieg (Fotos: E. Städtler) a. Porträt Lachsmännchen; b. Portrait Lachsweibchen
Bild 7 Ein Lachs versucht bei der Laichwanderung springend ein Wehr zu überwinden (Foto: E. Städtler)
7.4 Die Sieg (Nordrhein-Westfalen) – Entwicklungsmaßnahmen …
373
Rückgewinnung eines ehemaligen Retentionsraumes in Siegburg-Kaldauen Im Rahmen der Erarbeitung des Gewässerentwicklungskonzeptes für die Sieg wurde auch eine Bilanz der Retentionsräume zwischen 1850 und heute erstellt. Von den etwa 3.400 Hektar historischer Siegauenfläche sind seit 1850 ca. 50 Prozent verlorengegangen. Von den verlorengegangenen Rückhalteflächen sind etwa 7 Prozent kurzfristig rückgewinnbar und weitere 10 Prozent langfristig. Als Ergebnis dieser Bilanzierung ist als Ziel formuliert worden, dass bis zum Jahr 2025 der Anteil des bei Hochwasser zur Verfügung stehenden Retentionsraumes von 50 auf 67 Prozent erhöht werden soll (Bild 8 und 9). Bei der Erarbeitung des Gewässerentwicklungskonzeptes wurden 14 rückgewinnbare Retentionsräume auf einer Fließgewässerlänge von 75 Kilometer ermittelt. Auf einer Fläche von rd. 700 Hektar ergibt sich daraus ein Speichervolumen von rd. 15,3 Mio. m3. Da sich in drei der wiedergewinnbaren Rückhalteräume Trinkwassergewinnungsanlagen befinden, ist eine Überflutung dieser Bereiche kurz- oder mittelfristig nicht möglich. Gemeinsam mit den Wasserwerksbetreibern soll nun untersucht werden, unter welchen Voraussetzungen eine Erschließung der davon betroffenen Rückhalteräume möglich ist. Bis dahin hat der Trinkwasserschutz Vorrang vor dem Hochwasserschutz. Auf der Basis umfangreicher Vorstudien wurde als erste Maßnahme an der Sieg das sogenannte „Kaldauer Feld“ zur Ausführung vorgeschlagen. Dieser Bereich ist besonders geeignet, da hier noch Reste einer ehemaligen Gewässerschleife vorhanden sind, die Fläche mit 100 Hektar ausreichend groß ist und bis auf eine Randbebauung nur landwirtschaftliche Nutzungen vorhanden sind. Insgesamt ist dort ein Speichervolumen von ca. 1,4 Mio. m3 realisierbar. Die Flutung soll über drei große Durchlässe unter der begrenzenden Straße (gleichzeitig Hochwasserschutzdeich) ohne Steuerung erfolgen. Die Auslegung erfolgte für ein HQ200. Die Kosten der Maßnahme werden auf rd. 11,2 Mio. € geschätzt, was einem Betrag von etwa 8 € je Kubikmeter Stauraum entspricht. Das Planfeststellungsverfahren wurde im Jahr 2002 eingeleitet.
374
7 Erfahrungen
Bild 8 Bilanz der Rückhalteflächen zwischen dem Jahr 1850 und heute. Die äußeren Konturen der gekennzeichneten Flächen stellen die Grenze der Sieg-Aue um 1850 dar
Bild 9 Überstaute Flächen auf dem „Kaldauer Feld“ für ein HQ2, ein HQ5 und ein HQ200 (Wassertiefen steigen von hellgrau nach dunkelgrau) auf der Grundlage eines Oberflächenwasserrechenmodelles mit Lage der Durchlässe und Stationierung
7.4 Die Sieg (Nordrhein-Westfalen) – Entwicklungsmaßnahmen …
375
7.4.4 Entwicklungen und Erfahrungen Die Wiederherstellung der Durchgängigkeit der Sieg für Wanderfischarten ab dem Jahre 1985 wurde wesentlich eingeleitet durch die verbesserte Gewässergüte (Güteklasse III bis II), den Einsatz der Fischereivereine und dem glücklichen Umstand, dass zwischen dem Rheindelta und der Siegmündung bei Bonn keine Wanderhindernisse im Rhein vorhanden sind. An den Kosten für den Umbau von fünf Wehren mit neuentwickelten Fischwanderhilfen von etwa 500.000,– € je Anlage haben sich die Fischereivereine mit 20.000,– € je Anlage beteiligt. Von den drei Voraussetzungen für das Gelingen der Wiederansiedlung von Lachs und Meerforelle, „Ausreichende Gewässergüte“, „Wiederherstellung der Durchgängigkeit“ und „Vorhandensein geeigneter Strukturen von Gewässersohle und Ufer“, bestehen bei der letztgenannten Voraussetzung noch erhebliche Defizite. Hieran gilt es in den nächsten Jahren zu arbeiten. Trotzdem kann das Projekt „Wanderfischprogramm NRW am Pilotgewässer Sieg“ bisher den besten Erfolg im Rheineinzugsgebiet nachweisen. Ohne die rechtzeitige Wiederherstellung der Durchgängigkeit für Wanderfische wäre das Projekt nicht dort, wo es heute steht. Als im Jahre 1990 mit der Erarbeitung des Gewässerentwicklungskonzeptes für die Sieg begonnen wurde, wusste keiner der Beteiligten wie das Ergebnis am Ende aussehen würde. Dass der erste Entwurf erst im Jahre 1997 fertiggestellt wurde, lag daran, dass zum Einen das Land Nordrhein-Westfalen zwischenzeitlich ein Gewässerauenprogramm ins Leben gerufen hatte und zum Anderen eine Kooperationsvereinbarung zwischen dem Umweltministerium NRW und der Landwirtschaft geschlossen wurde. Die Hochwasserereignisse im Rheineinzugsgebiet in den Jahren 1993 und 1995 führten weiter dazu, dass zusätzliche Überlegungen zur Dämpfung von Hochwasserwellen, insbesondere zur Rückgewinnung von Retentionsraum in das Konzept einflossen. Die Beteiligung der Träger öffentlicher Belange führte zu einer weiteren Verzögerung und zu einer Umarbeitung im Rahmen einer Kernarbeitsgruppe. Das Gewässerentwicklungskonzept wird voraussichtlich Ende 2004 als gemeinsames Konzept der Wasserwirtschaft, des Naturschutzes und der Landwirtschaft beschlossen. Das Konzept wird Arbeitsgrundlage für Planer, Nutzer und Fachdienststellen. Mit Hilfe der erarbeiteten Planunterlagen für das Gewässerentwicklungskonzept für die Sieg erfolgte die Meldung eines Teiles der Siegaue als FFH-Gebiet; zur Zeit läuft das Offenlegungsverfahren zur Festsetzung der Siegaue als Naturschutzgebiet. Während der Erarbeitung des Konzeptes wurde die Neufestsetzung der Überschwemmungsgebiete unter Berücksichtigung rückgewinnbarer Bereiche und Voruntersuchungen zur Rückgewinnung abgetrennter Retentionsräume durchgeführt. Das Problem der Strukturverbesserungen an der Gewässersohle, an den Ufern und in der Aue ist erst im Zusammenhang mit Untersuchungen über die Ent-
376
7 Erfahrungen
wicklung von Salmonideneiern im Kieslückensystem der Fließgewässer im Einzugsgebiet der Sieg in den Vordergrund gerückt. Die Eier der anspruchsvollen kieslaichenden Fischarten sind auf ein gut durchströmtes, offenes Kieslückensystem mit einer sehr guten Sauerstoffversorgung angewiesen. Sie reagieren empfindlich auf Störungen der Wasserqualität sowie auf Strukturveränderungen im Gewässerbett. Die negativen Auswirkungen von Feinsediment- und Nährstoffeinträgen auf die Laichgebiete von Salmoniden stehen seit Jahren im Mittelpunkt verschiedener Forschungsprojekte. Bisher an der Sieg eingesetzte Strukturverbesserungsmaßnahmen in der Reihenfolge ihrer Bedeutung sind: Unterstützung und Förderung eigendynamischer Gewässerentwicklungen, Erwerb von Ackerflächen in der Aue zur Umwandlung in Grünland mit dem Ziel der Verringerung von Sedimenteinträgen, Entnahme von Ufersicherungen dort wo sie nicht mehr benötigt werden, Versuche zur Verbesserung von Sohlensubstrat durch Siebung an potenziellen Laichplätzen der Langdistanzwanderfische. Die Förderung eigendynamischer Gewässerentwicklungsstrecken ist durch Grunderwerb möglich, wenn die ersten Ansätze erkennbar sind oder wenn Initialarbeiten durchgeführt werden. Ufersicherungen können nur dort entnommen werden, wo die öffentliche Hand Grundstückseigentümer ist und wo bei eintretenden Seitenerosionen keine Gefahr für Bauwerke o.ä. entsteht. Der Einbau von Totholzelementen gestaltete sich schwieriger als erwartet, weil betroffene Bürger aus Unkenntnis derartige Maßnahmen erst einmal ablehnen und die Ausbau- und Unterhaltungspflichtigen am Gewässer zwingen, mit Hilfe aufwändiger Planung Überzeugungsarbeit zu leisten.
Literatur ATV-DVWK (s. Deutscher Verband für Wasserwirtschaft, Abwasser, Abfall e.V., Hennef) ATV-DVWK Deutscher Verband für Wasserwirtschaft, Abwasser, Abfall e.V. (Hrsg.) (1996) Fischaufstiegsanlagen – Bemessung, Gestaltung, Funktionskontrolle, ATV-DVWK-Merkblatt Nr. 232. ATV-DVWK Deutscher Verband für Wasserwirtschaft, Abwasser, Abfall e.V. (Hrsg.) (2001a) 10 Jahre Gewässernachbarschaft Sieg 10 Jahre Fließgewässerentwicklung an einem Mittelgebirgsgewässer“, gewässer-info, Ausg. Mai 2002, S. 152–162. ATV-DVWK Deutscher Verband für Wasserwirtschaft, Abwasser, Abfall e.V. (Hrsg.) (2001b) Wiederherstellung der Durchgängigkeit der Sieg, „gewässer-info“, Ausg. Sept. 2001, S. 124– 127. Landesanstalt für Ökologie, Bodenordnung und Forsten des Landes Nordrhein-Westfalen (LÖBF) (Hrsg.) (1996) Wiedereinbürgerung des Lachses, Schriftenreihe, Bd. 11. Landesanstalt für Ökologie, Bodenordnung und Forsten des Landes Nordrhein-Westfalen (LÖBF) (Hrsg.) (1999) Informationsblatt „Die Kontroll- und Fangstation für Wanderfische in der Sieg am Wehr Siegburg-Sankt Augustin“, Dezember 1999. LÖBF (s. Landesanstalt für Ökologie, Bodenordnung und Forsten des Landes NordrheinWestfalen, Recklinghausen) Ministerium für Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (MUNLV) (Hrsg.) (2002a) Wanderfischprogramm Nordrhein-Westfalen, Statusbericht zur ersten Programmphase 1998 bis 2002, Ein Landesprogramm im Bereich Naturschutz und Gewässerökologie.
7.5 Die Ahr (Rheinland-Pfalz) – Fließgewässerentwicklung …
377
Ministerium für Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (MUNLV) (Hrsg.) (2002b) Gewässerauenprogramm – Ein Überblick über die Gewässerauenkonzepte in Nordrhein-Westfalen, 29 S., 2002. MUNLV (s. Ministerium für Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf). Patt, H., Städtler, E. (2000) Eigendynamische Entwicklung einer Gewässerstrecke, Wasser & Boden, 47. Jahrg., Heft 1+2/2000. Siegauenkonzept – Grobkonzept zur Renaturierung der Siegaue – Sieg- und Agger-Auenkonzept, Entwurfsbearbeitung: Ingenieurbüro Cochet, Überarbeitung: Staatliches Umweltamt Köln, Amt für Gewässerschutz und Abfallwirtschaft Rhein-Sieg-Kreis; Amt für Naturund Landschaftsschutz Rhein-Sieg-Kreis; Landwirtschaftskammer Rheinland (September 1997). Städtler, E. (1997) Das Gewässerauenkonzept Sieg, Wasser & Boden, 49. Jahrgang, Heft 10/ 1997. Städtler, E., Patt, H. (2003) Von der Fischtreppe zur Fischrampe – Wiederherstellung der ökologischen Durchgängigkeit eines Fließgewässers – 10 Jahre Pilotprojekt an Sieg und Agger, Wasser & Boden, Zeitschrift für Wasserwirtschaft, Bodenschutz und Abfallwirtschaft, 55. Jahrg., Heft 7+8/2003, S. 150–156.
7.5
Die Ahr (Rheinland-Pfalz) – Fließgewässerentwicklung an einem Mittelgebirgsfluss Die Ahr bildet mit ihren Nebenbächen das zentrale Gewässersystem der sogenannten Ahr-Eifel. Sie entspringt ca. 520 Meter über dem Meeresspiegel am Fuße der Blankenheimer Burg im benachbarten Nordrhein-Westfalen und mündet nach etwa 86 Kilometer Fließlänge bei Remagen-Kripp etwa 50 Meter über dem Meeresspiegel in den Rhein. In diesem Bereich hat die Ahr ein Sohlengefälle von ca. 0,4 Prozent, während das Gefälle im Oberlauf mit bis zu 0,8 Prozent höher ist (Bild 1). Sie entwässert ein Niederschlagsgebiet von etwa 900 km2. Von den 86 Kilometern Lauflänge befinden sich rund 68 Kilometer innerhalb des Landes Rheinland-Pfalz. Von der Landesgrenze Rheinland-Pfalz bis Walporzheim verläuft sie in ihrem Mittellauf in großen Schleifen, sogenannten Mäandern. Ab Walporzheim weitet sie sich in ihrem Unterlauf auf und verläuft bis zum Rhein in einer breiten Mulde. Ihre bedeutendsten Nebenflüsse sind Ahbach, Trierbach, Adenauerbach, Eichenbach, Dreisbach, Armuthsbach, Kesselinger Bach, Sahrbach, Vischelbach, Liersbach, Leimersdorfer Bach, Bachemer Bach, Hellenbach und Harbach. 7.5.1 Ausgangssituation und Anlass Der in seiner ökologischen Bedeutung einzigartige Mündungsbereich, ist als besonders schützenswerter Teil von Natur und Landschaft seit 1977 als Naturschutzgebiet anerkannt und ausgewiesen. Von den 42 Nebenflussmündun-
378
7 Erfahrungen
Bild 1 Die Ahr durchfließt im Mittellauf in großen, flachen Schleifen ein breites Tal (Foto: Th. Paulus)
gen des Rheins von der Schweiz bis zu den Niederlanden ist die Ahrmündung das einzige Mündungsgebiet, das trotz der in der Vergangenheit durchgeführten wasserbaulichen Veränderungen seinen weitgehend naturnahen Charakter bewahren konnte. So fließt sie streckenweise in einem selbstgeschaffenen Bett, das durch ständige Umlagerungsprozesse gekennzeichnet ist (Bild 2). Das wildflussartige Gelände im Mündungsbereich, in dem sie ungebunden ihren Lauf verlegt, unablässig Schottermassen umlagert, Kies- und Sandbänke aufbaut und wieder erodiert, beheimatet ein Mosaik aus kurzlebigen Pioniergesellschaften, mehr oder weniger dauerhaften Flussuferröhrichten sowie nitrophilen Hochstaudenfluren und Queckenrasen. Auch die gewässerökologisch sowie hydraulisch bedeutsamen Totholzstrukturen unterliegen ständigen Veränderungen. Der Rückhalt der Totholzstrukturen ist insbesondere für die Schifffahrt auf dem Rhein von großer Bedeutung. Die pflanzensoziologisch außergewöhnlichen Bedingungen, bei denen sich im Wechselspiel von Hoch- und Niedrigwasser von Rhein und Ahr neue Fließbahnen bilden, Schotter-, Schlick-, Sand- und Kiesflächen in kurzen Zeitabständen ihre Gestalt ändern und so immer wieder neue Möglichkeiten für eine Besiedlung bieten, waren der Auslöser für die Schutzgebietsausweisung (Lohmeyer, 1970 und 1975). Seit 1988 werden für den Mündungsbereich die notwendigen Maßnahmen zur Erhaltung der schützenswerten Auedynamik im Rahmen eines Gewässerpflegeplanes koordiniert.
7.5 Die Ahr (Rheinland-Pfalz) – Fließgewässerentwicklung …
379
Bild 2 Der Mündungsbereich der Ahr ins Rheintal mit ständig umgelagerten Schotter-, Sandund Kiesstrukturen ist als dynamischer Pionierstandort für Pflanzengesellschaften von besonderer Bedeutung (Foto: Th. Paulus)
Ab Mitte des 19. bis zum Ende des 20. Jahrhunderts führten vor allem die Erweiterung der menschlichen Siedlungen und der Ausbau der Verkehrswege zu einer Einengung des Gewässerbettes im mittleren und oberen Ahrtal. Die Errichtung von Wehranlagen und Sohlenschwellen führte zu massiven Gewässerbegradigungen mit Befestigungen von Ufer und Sohle. Ein Fließgewässersystem zeichnet sich in erster Linie dadurch aus, dass es sich um ein offenes Ökosystem handelt. Dies beinhaltet den Austausch von Lebewesen und das ungehinderte Zu- und Abfließen von Stoffen innerhalb der verschiedenen Teilstücke. Um die biologische Vernetzung der bisher getrennten Flussabschnitte wieder herzustellen, zum Beispiel um den Zugang zu den Laichgebieten für heimische Fischarten in den Seitengewässern oder im Oberlauf zu ermöglichen, ist der Umbau der verschiedenartigen Sohlenabstürze, Wehranlagen sowie von flach abfallenden Schussböden und betonierten Gewässerstrecken aus gewässerökologischer Sicht zwingend notwendig. Die Umgestaltung sollte neben dem ungehinderten Stofftransport (Geschiebe) die Ausbreitung und Wanderung von Fließgewässerorganismen ermöglichen. Nicht nur die sog. Wanderfische wie Lachs und Meerforelle führen Laichwanderungen durch, sondern auch die heimischen Fischarten, wie Bachforelle, Äsche, Döbel, Nase oder der in seinem Bestand stark bedrohte und früher in der Ahr heimische Maifisch, suchen verschiedene Lebensräume auf (Ministerium für Umwelt und Forsten Rheinland-Pfalz, 2000).
380
7 Erfahrungen
Im Jahre 1995 wurden in der Ahr erstmals Junglachse ausgesetzt. Seit dem Jahre 1999 ist die Rückkehr dieser zwischenzeitlich ins Meer abgewanderten Fische nachgewiesen. Um in ihre Laichgründe im Mittel- und Oberlauf aufsteigen zu können, muss den Lachsen die Überwindung etlicher Wehre ermöglicht werden. Gerade die Wiederansiedlung der früher in der Ahr häufigen Lachse ist auf Grund der bereits im Mai 2000 nachgewiesenen Jungfische in der Nähe von Laichgruben sehr erfolgversprechend. Die Ahr ist daher als potenzielles Laichgewässer in das Wiederansiedlungsprogramm von Lachs und Meerforelle „Lachs 2000“ integriert. Der hohe Stellenwert der Ahr für dieses Programm wird in einer Veröffentlichung der Internationalen Kommission zum Schutz des Rheins (IKSR) verdeutlicht, in der die Ahr mit 95 Hektar potenzieller Laichgebiete und 300 Hektar Jungfischhabitate alleine über 50 Prozent der an allen Nebenflüssen des Rheines kartierten Gesamtflächen aufweist (IKSR, 1999) 7.5.2 Ziele Vorrangiges und gemeinsames Ziel der Wasserwirtschaft, des Naturschutzes und der Fischerei in der Fließgewässerentwicklung ist es, die Gewässerökologie zu verbessern. Dies kann vorrangig durch den Ankauf und die Bereitstellung von Gewässerrandstreifen sowie die Wiederherstellung der linearen Durchgängigkeit erreicht werden. Somit wird die Rückentwicklung der Ahr mit möglichst vielfältigen naturnahen Strukturen ermöglicht. Durch die Maßnahmen wird darüber hinaus die natürliche Hochwasserrückhaltung verbessert. Die Renaturierungsmaßnahmen werden zum Teil durch Ausbau, durch gezielte Unterhaltungsmaßnahmen oder durch Unterlassen aller Eingriffe in das Gewässer und das angrenzende Gelände in Gang gesetzt. Ziel ist das Anstoßen eines natürlichen Entwicklungsprozesses hin zu mehr Naturnähe mit der Förderung der Eigendynamik der Ahr. Der Umbau der zahlreich vorhandenen Sohlenabstürze und Wehranlagen in der Ahr wird von der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord, Regionalstelle Wasserwirtschaft, Abfallwirtschaft, Bodenschutz Koblenz (SGD Nord, Reg. WAB Ko) mit Unterstützung und finanzieller Beteiligung des unterhaltungspflichtigen Landkreises Ahrweiler seit Beginn der 1990er-Jahre intensiv vorangetrieben. Ziel ist es, für die gesamte Gewässerfauna Zug um Zug, vom Mündungsbereich ausgehend, die lineare Durchgängigkeit wieder herzustellen. So werden seit nahezu 15 Jahren im Rahmen von verschiedenen Gewässerpflegeplänen Maßnahmen zur Erhaltung und Entwicklung naturnaher Gewässerzustände und zur Wiederherstellung der linearen Durchgängigkeit im rheinland-pfälzischen Teil der Ahr dargestellt und umgesetzt.
7.5 Die Ahr (Rheinland-Pfalz) – Fließgewässerentwicklung …
381
7.5.3 Maßnahmen Nachdem im Jahre 1997 das Bodendorfer Wehr, als erstes großes Wanderhindernis in der Ahr, umgestaltet werden konnte, wurden in den Jahren 1998 und 1999 zwischen Bad Bodendorf und dem Heimersheimer Wehr weitere 10 Sohlenabstürze naturnah und durchgängig umgestaltet. Heimersheimer Wehr Im Jahre 2000 wurde der Umbau des 1,85 m hohen senkrechten Heimersheimer Wehres (Gross et al., 2001) als bis dato größtes unüberwindbares Wanderhindernis in der Ahr in Form einer aufgelösten Blocksteinrampe mit Niedrigwasserrinne ausgeführt. Da am Heimersheimer Wehr noch eine Wasserkraftnutzung festgeschrieben ist, war eine Beseitigung des Wehres oder eine Reduzierung der Stauhöhe nicht möglich. Stattdessen wurde an das alte senkrechte Überfallwehr eine naturnahe Blocksteinrampe vorgebaut. Auf einer Länge von 40 m wurde eine felsige Stromschnelle gestaltet, die der Ahr in diesem Abschnitt den Charakter eines Gebirgsflusses verleiht. Hierzu wurden über 3.000 Tonnen große Felssteine und kleineres Felsgestein eingebaut. In Rampenmitte wurde eine muldenförmige Vertiefung (Niedrigwasserrinne) mit einer Breite von 3 bis 4 m angeordnet, so dass auch bei geringen Abflüssen eine Mindestwassertiefe von mehr als 50 cm gewährleistet ist. Gleichzeitig wurde beim Umbau der Wehranlage der Einlauf in den Mühlgraben so umgestaltet, dass bei Niedrigwasser eine Abflussverteilung zwischen Hauptgewässer und Triebwerksgraben zugunsten der Ahr erfolgt. So ist gewährleistet, dass auch bei Niedrigwasser die Gewässerstrecke unterhalb des Wehres mit mindestens 450 l/s durchflossen wird. Insgesamt 15 aufgelöste Querriegel aus großen Blocksteinen mit einer Kantenlänge von bis zu 1,40 m bilden die Tragkonstruktion der Rampe. Die großen Steine wurden jeweils zu Gruppen à vier bis fünf Steinen angeordnet. Mit einem Höhenunterschied von jeweils 5 bis 15 cm zwischen den Riegeln wird der Gesamthöhenunterschied des Wehres von 1,85 m von Ober wasser nach Unterwasser abgebaut. Oberhalb dieser Steinriegel staut sich das Wasser, so dass sich unregelmäßige tiefere Becken ergeben, in denen die Fische verweilen können. Die Rampensohle besteht aus Felssteinen, die mit kiesigem Sohlenmaterial aus der Ahr überschüttet wurden. In den Lücken der Sohle und am Ufer sind die Fließgeschwindigkeiten so gering, dass sich auch weniger leistungsfähige Fischarten und im Fluss lebende Kleintiere flussaufwärts ausbreiten können. Wehranlagen in Bad-Neuenahr-Ahrweiler Der weitere Aufstieg der laichwilligen Salmoniden, von heimischen Weißfischarten sowie der übrigen Gewässerfauna wurde allein im Stadtgebiet von Bad Neuenahr-Ahrweiler durch weitere fünf Wanderhindernisse unterbunden.
382
7 Erfahrungen
Wehranlage unterhalb der Kurgartenbrücke Die Wehranlage oberhalb der Kurgartenbrücke wurde mit Rücksicht auf den Kurbetrieb bereits im Jahr 2001 umgestaltet. Zur Wiederherstellung der biologischen Durchgängigkeit des Gewässers wurde hier an der unverändert gebliebenen Wehranlage im seitlichen Vorland ein naturnaher Fischpass angelegt. Der Vollumbau des 2,35 m hohen Wehres war leider nicht möglich, da dieses Wehr mit zwei unterschiedlichen Stauzielen betrieben wird und der Abflussquerschnitt der Ahr im Stadtgebiet von Bad Neuenahr-Ahrweiler für den schadlosen Hochwasserabfluss nicht verringert werden durfte. Sohlenabstürze am Appollinaris-Stadion und oberhalb der Landgrafenbrücke Die Umgestaltung der beiden Sohlenabstürze am Apollinaris-Stadion und oberhalb der Landgrafenbrücke sowie eines 1,90 m hohen Wehres an der Kurgartenbrücke mit Renaturierung der betonierten Gewässersohle am Casino konnte im Jahr 2002 in Angriff genommen werden (Gross & Paulus, 2004). Auftraggeber war auch hier die Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord, Regionalstelle Wasserwirtschaft, Abfallwirtschaft und Bodenschutz Koblenz (SGD Nord) in Zusammenarbeit mit der Kreisverwaltung Ahrweiler. Die Ahr ist Gewässer II. Ordnung, unterhaltungspflichtig ist somit der Landkreis Ahrweiler. Die SGD Nord, Regionalstelle Wasserwirtschaft führt nach § 63 Abs. 3 LWG RP (Landeswassergesetz des Landes Rheinland-Pfalz) für den Landkreis Ahrweiler mit dessen Kostenbeteiligung die Unterhaltungsarbeiten durch. Die Wehranlagen und Gewässerentwicklungsmaßnahmen liegen in der Ausleitungsstrecke des oberhalb der Kurgartenbrücke befindlichen Wehres der Kur-AG Bad Neuenahr. Die an diesem Wehr im Jahr 2001 errichtete Fischaufstiegsanlage in Form eines naturnahen Fischpasses in Riegelbauweise garantiert einen festgelegten Mindestabfluss von 450 l/s in der zwei Kilometer langen Ausleitungsstrecke. Das Gewässerprofil ist im Stadtgebiet von Bad NeuenahrAhrweiler als Trapez ausgebaut und hat im Mittelwasserbereich eine Breite von etwa 15 m (Bild 3). Die Umgestaltungsmaßnahmen wurden innerhalb der Gewässerparzelle durchgeführt, bzw. reichten bis in das Vorland, wenn die Besitzverhältnisse dies erlaubten. Voraussetzung für die Umgestaltungs- und Strukturmaßnahmen an den Querbauwerken sowie der betonierten Sohle der Ahr in Bad NeuenahrAhrweiler war die Beibehaltung des bestehenden Hochwasserschutzes. Die Oberkanten des Trapezprofiles erreichen Werte zwischen 35 bis 40 m. Die Böschungen waren mit Steinstickungen befestigt, die jedoch vereinzelt aufgrund von Ausspülungen nach Hochwasserereignissen mit Beton ausgebessert wurden. Alle Querbauwerke lagen im Stadtbereich und konnten daher aus Gründen der Gebäudesicherungen nicht vollständig entfernt werden. Die 18 m breite – quer zur Fließrichtung verlaufende – Wehrkrone der Wehranlage in der Ausleitungsstrecke unterhalb der Kurgartenbrücke bestand aus einer Querschwelle aus Natursteinen. An die Wehrkrone schlossen sich insgesamt drei flach geneigte Schussböden an. Der erste Schussboden bestand aus
7.5 Die Ahr (Rheinland-Pfalz) – Fließgewässerentwicklung …
383
Bild 3 Wehr und Ufersicherung unterhalb Kurgartenbrücke am Casino in Bad-NeuenahrAhrweiler vor der Umgestaltung (Foto: J. Groß)
der ehemaligen Wehrpflasterung und überwand einen Höhenunterschied von 1,40 m mit einer Neigung von 1 : 20. In einem Abstand von 29 m stromabwärts der Wehrkrone folgte ein zweiter ca. 21 m langer, aus Betonplatten bestehender Schussboden. Dieser ging nach einem 20 cm tiefen Absturz in eine dritte, ca. 40 m lange Betonplatte (3. Schussboden) über, die wiederum mit einem Absturz an die natürliche Ahrsohle anschloss. Insgesamt wird ein Höhenunterschied von Wehrkrone bis zum Ende der drei Schussböden von 1,90 m überwunden. Auf der rechten Seite beginnt nach einem 5 bis 6 m breiten Böschungsstreifen die Bebauung. Auf der linken Seite schlossen an den Schussboden nach einem kleinen Absatz Uferböschungen an. Im Bereich der gestickten Schussböden im Anschluss an die Wehrkrone begrenzen beidseitig Ufermauern die Ahr. Auch unterhalb der Schussböden war das Mittelwasserbett bis zur Casinobrücke auf einer Länge von ca. 115 m beidseitig von Spundwänden und Betoneinfassungen naturfern eingegrenzt. Etwas weiter unterhalb behinderten eine ca. 60 cm und eine ca. 30 cm hohe Sohlenschwelle oberhalb der Landgrafenbrücke die Durchwanderbarkeit zumindest für Kleinfischarten und Makrozoobenthos. Zu den Böschungen hin stieg die Betonschwelle leicht an. Sie war an einer Seite durch in Beton gesetzte Blocksteine nachträglich befestigt. Ein steiler Wehrrücken grenzte an die Krone an und ging in die natürliche Ahrsohle über. Mit einer Sohlenneigung von rd. 1 : 19 fiel die Ahr am Apollinaris-Stadion nach einem ca. 3 m breiten, gepflasterten Vorboden über die 1,20 m hohe Wehranla-
384
7 Erfahrungen
ge. Der Wehrrücken bestand ursprünglich ebenfalls aus einer Pflasterung, wurde aber nachträglich mit Beton überzogen. Die Unterseite der Krone war schadhaft als unregelmäßige Abbruchkante ausgebildet. Im Unterwasser schloss sich ein etwa 0,80 m tiefer und 15 m langer Kolk an das Bauwerk an. Alle in Bad Neuenahr-Ahrweiler bestehenden Wehrkörper wurden abgebrochen und bis auf den kleinen ca. 30 cm hohen Absturz durch Blocksteinrampen in natürlicher Bauweise ersetzt. Die rauen Rampen wurden in aufgelöster Riegelbauweise mit einem Gefälle von rd. 1 : 27 errichtet. Die Tragkonstruktion der Rampen besteht aus einer Gitterstruktur von unregelmäßig gesetzten und in die Sohle eingebundenen großen Blocksteinen. Das Sohlenmaterial zwischen diesen Riegeln besteht aus einer Packlage aus dicht gesetzten größeren Wasserbausteinen und einer Auflage aus einem Gemisch aus Grobkies und kleineren Wasserbausteinen. Diese aufgelöste Bauweise führt zu vielfältigen Sohlen- und Strömungsstrukturen. Die Rampen steigen von der Mitte zum Ufer hin leicht an. Dadurch entstehen in Rampenmitte tiefere beckenförmige Abschnitte und an den Rändern schwach durchströmte, flachere Bereiche. Solche Strukturen bieten allen Fischarten und Kleinlebewesen eine Aufstiegsmöglichkeit. Strömungsliebende Tierarten nutzen solche Strukturen auch als Lebensraum. Die Rampen wurden oberwasserseitig geringfügig abgesenkt, sofern damit der Hochwasserschutz beibehalten oder verbessert werden konnte. In Rampenmitte wurde jeweils eine Niedrigwasserrinne von ca. 4 m Breite und einer Mindesttiefe von ca. 60 cm angeordnet. Mit Fließgeschwindigkeiten an den Riegeln von rd. 1,7 m/s und 0,17 m/s in den Becken ist eine solche Rampe aufgrund der strömungsberuhigten Zonen in den Randbereichen und auf der rauen Sohle auch für schlechte Schwimmer passierbar. Mit den Riegeln wird jeweils eine Wasserspiegeldifferenz von 0,15 m abgebaut. Die Beckengröße mit ca. 3,70 × 4,00 m, und jeweils einer Lücke in den Steinriegeln von mindestens 30 cm Breite, ermöglichen es auch größeren Fischarten wie Lachs oder Meerforelle innerhalb der Rampe aufzuschwimmen und Ruhepausen einzulegen. Die Sohle der Rampe ist rau und naturnah gestaltet sowie an Ober- und Unterwasser angebunden. Neben Wasserbausteinen wurde anfallendes Sohlenmaterial der Ahr verwendet. Dies bewirkt die mosaikartige Ausgestaltung des Lückensystems, das hiermit auch für Makrozoobenthos und Jungfische als Lebensraum geeignet ist. Begleitend zur Wiederherstellung der Durchgängigkeit wurden strukturverbessernde Maßnahmen an der Gewässersohle und im Böschungsbereich durchgeführt, soweit dies innerhalb des ausgebauten Trapezprofils der Ahr kleinräumig realisierbar war, ohne den Hochwasserabfluss im Zentrum von Bad Neuenahr-Ahrweiler nachteilig zu beeinträchtigen. So wurde die betonierte Sohle unterhalb des Wehres der Kurgartenbrücke vollkommen abgerissen und durch eine reich strukturierte Gewässersohle ersetzt. Im Niedrigwasserbett der Ahr wurden vereinzelt seitliche Steinbuhnen zur Differenzierung des Strömungsbildes eingebaut (Bild 4).
7.5 Die Ahr (Rheinland-Pfalz) – Fließgewässerentwicklung …
385
Bild 4 Wehr unterhalb Kurgartenbrücke am Casino in Bad-Neuenahr-Ahrweiler nach der Umgestaltung mit natürlicher Wasserführung (Foto: J. Groß)
Massive Uferbefestigungen, wie Spundwände und Betonufermauern, wurden zum Teil durch naturnahe Ufersicherungen in Felsbankbauweise ersetzt bzw. durch größere Wasserbausteine verdeckt, wenn aus statischen Gründen zum Schutz der angrenzenden Gebäude (Spielkasino) kein Entfernen möglich war. Das hierdurch erfolgte einseitige Einengen des Abflussprofils wurde durch eine Aufweitung am gegenüberliegenden Ufer ausgeglichen. Dies stellt sicher, dass sich die Hochwassersituation im Stadtgebiet nicht nachteilig verändert hat. Bei der Bauausführung mussten sehr viele widrige Randbedingungen beachtet werden: Die Baustelle befand sich in zentraler Lage von Bad Neuenahr-Ahrweiler. Der rechtsseitige Kurbetrieb und die linksseitigen Geschäftshäuser erlaubten keine seitliche Andienung der Baustelle mit LKW-Fahrzeugen. Die Ahr-Uferpromenade war darüber hinaus für den LKW-Betrieb ungeeignet. Die gesamte Abwicklung des Baustellenverkehrs musste daher im Ahrbett stattfinden. Hierzu wurde in der Ahr unter Berücksichtigung eines schadlosen Hochwasserabflusses eine 500 m lange Zufahrt angelegt, die eine Fußgängerbrücke unterquerte. Da die lichte Höhe unter der Brücke nicht für Baustellenfahrzeuge ausreichend war, musste die Gewässersohle unter der Fußgängerbrücke eingetieft werden. Durch die größere Wassertiefe unter der Brücke konnte die Zufahrt bei erhöhten Abflüssen nicht mehr befahren werden, so dass die Baustelle nicht
386
7 Erfahrungen
mehr angedient werden konnte. Um in dem engen Ahrbett arbeiten zu können, wurde der Niedrigwasserabfluss oberhalb der Baustelle in den Mühlgraben der Kur AG abgeleitet und unterhalb der Baustraße wieder in die Ahr zurückgeleitet.
Bild 5 Querbauwerke an der Ahr – Bis zum Jahr 2003 war die Ahr vom Mündungsbereich bis auf ca. 18 Kilometer für Fließgewässerorganismen durchgängig. Weitere 17 größere Wanderhindernisse sind in den nächsten Jahren noch durchgängig zu gestalten (Graphik: Landesamt für Wasserwirtschaft Rheinland-Pfalz, Mainz)
Trotz vorheriger Absprachen mit allen Beteiligten meldeten sich in regelmäßigen Abständen kritische Naturschützer medienwirksam zu Wort, die ein Verenden einzelner Fische beklagten. Wegen der unmittelbar an die Baustelle angrenzenden ausgebuchten Tagungsräume der Kur AG mussten die Bauarbeiten zum Leidwesen der vielen Ferien- und Kurgäste in den Ferien durchgeführt werden und bis zum September abgeschlossen sein. Die Bauarbeiten mussten daher auch bei erhöhten Abflüssen weitergeführt werden. Auf Grund der Lage im Kurgebiet galt ein eingeschränktes Fahrverbot für Lastkraftwagen zu bestimmten Zeiten. Darüber hinaus durfte mit Rücksicht auf einen angrenzenden Hotelbetrieb erst ab 8 Uhr mit den Bauarbeiten begonnen werden. Wehranlage am Kloster Calvarienberg Die nächste ahraufwärts gelegene Wehranlage am Fuß des Klosters Calvarienberg in Ahrweiler wurde im Jahr 2003 umgestaltet. Bei dieser 1,90 m hohen
7.5 Die Ahr (Rheinland-Pfalz) – Fließgewässerentwicklung …
387
Wehranlage konnte die Wehrkrone nach Aussage des Bodengutachtens ohne zu erwartende Schäden an der angrenzenden Bebauung um 1 m abgesenkt werden, so dass der große Rückstau im Oberwasser mit Wassertiefen bis zu 2,30 m auf ein Minimum reduziert wurde und nunmehr auch oberhalb dieser Wehranlage fließgewässertypische Strömungsverhältnisse herrschen. Die verbleibende Wasserspiegeldifferenz an der Wehranlage von 0,90 m wurde mit einer naturnahen aufgelösten Blocksteinrampe in Riegelbauweise mit integrierter Niedrigwasserrinne abgebaut. Die Neigung des Wehrrückens beträgt dabei 1 : 27. Durch die durchgeführte Stauabsenkung haben sich die strukturellen und ökomorphologischen Bedingungen im ehemaligen Staubereich erheblich verbessert. Es haben sich besondere Laufstrukturen und Substratverhältnisse herausgebildet, die eine erhebliche Verbesserung der Gewässerstrukturgüte bedeuten. Ausgeprägte Kiesbänke und Inselansätze wurden freigelegt, die für Barbe, Äsche und Lachs als Laichplätze geeignet sind. Durchgängigkeit der Ahr – Stand der Arbeiten Heute ist die Durchgängigkeit der Ahr von der Mündung in den Rhein bis nach Dernau auf einer Strecke von insgesamt 19 Kilometer wieder hergestellt (Bild 5). Für die Wiederherstellung der linearen Durchgängigkeit an der gesamten Ahr müssen in den nächsten Jahren bis zur Landesgrenze zu Nordrhein-Westfalen noch 17 weitere, große Querbauwerke umgestaltet werden. Strukturverbesserungen an der Ahrmündung Eine weitere bedeutende Gewässerunterhaltungsmaßnahme zur Schaffung von Entwicklungsmöglichkeiten und Gewässerstrukturverbesserung an der Ahr wurde 2003 oberhalb des Naturschutzgebietes an der Ahrmündung durchgeführt (Bild 6). Oberhalb dieses einzigartigen Ahrmündungsbereiches verläuft die Ahr derzeit in einem trapezförmig ausgebauten Gewässerbett. Eine Entwicklung in das ehemalige Ahrvorland war aufgrund des unmittelbar vorbeiführenden Ahrradweges ausgeschlossen. In Abstimmung mit der Kreisverwaltung Ahrweiler und der Stadtverwaltung Sinzig wurde der Ahr hier wieder die Möglichkeit zur Eigenentwicklung gegeben. Der uferbegleitende Ahrradweg wurde aufgegeben und über vorhandenes Wegenetz vollkommen um das ehemalige Mündungsdelta der Ahr herumgeführt. Aufgrund des übertieften Gewässerbettes ist eine Eigenentwicklung nur sehr begrenzt möglich (Kern, 1998). Daher wurden das rechte Vorland der Ahr teilweise abgetragen, das Ahrbett aufgeweitet und Nebenarme als Gegenpol zu den linksseitig noch vorhandenen Steilufern ehemaliger Mäanderbögen grob vorprofiliert. Der Einbau von Strömungslenkern unter der Verwendung von Totholzstämmen der gerodeten standortfremden Pappeln mit Kiesumlagerungen im alten Ahrbett sollen unterstützend eine naturnahe Entwicklung der Uferbereiche der Ahr im Anschluss an das Naturschutzgebiet bis zur Kläranlage in Sinzig ein-
388
7 Erfahrungen
Bild 6 Durchgeführte Entwicklungsmaßnahme oberhalb des NSG Ahrmündung (Foto: Josef Groß)
leiten (Gerhard & Reich, 2001; Paulus, 1999). Diese entwicklungsfördernden Maßnahmen sollen der Ahr wieder die Möglichkeit geben, durch natürliche Erosions- und Sedimentationsvorgänge ihr Bett und die umliegende Aue selbst zu gestalten und sich dem historischen Vorbild des ehemaligen Mündungsdeltas selbst anzunähern. 7.5.4 Entwicklungen und Erfahrungen Der Renaturierunsprozess von Bächen, Flüssen und Strömen wird die Wasserwirtschaft noch die kommenden Jahrzehnte beschäftigen. An der Ahr wurde dieser Prozess bereits zu Beginn der 1990er-Jahre begonnen und bis heute konsequent weiterverfolgt. Die von allen Interessensgruppen akzeptierten und in Gewässerpflegeplänen festgeschriebenen Entwicklungsziele ermöglichen einen nachhaltigen Einsatz der sehr begrenzten menschlichen wie auch materiellen Ressourcen. Dabei hat man erkannt, dass die Bereitstellung von gewässerbegleitenden Flächen für eine eigendynamische Gewässer- und Auenentwicklung, neben der Wiederherstellung der linearen Durchgängigkeit, die Grundvoraussetzung für erfolgversprechende Renaturierungskonzepte ist. Im Bereich
7.5 Die Ahr (Rheinland-Pfalz) – Fließgewässerentwicklung …
389
der Gewässerrandstreifen können die Gewässer dann die Gestaltungskraft des Hochwassers nutzen, um sich selbst zu renaturieren und vermehrt naturnahe Strukturen auszubilden. Im Rahmen von routinemäßigen Unterhaltungsarbeiten können diese Umgestaltungen weiter unterstützt werden, zum Beispiel strukturverbessernde Maßnahmen durch den gezielten Einsatz von Totholz oder zur Verringerung und/ oder Vermeidung von Tiefenerosion. Die eigendynamische Entwicklung der Fließgewässer und der standortgerechten Gehölzsäume wird die Unterhaltung außerhalb der urbanen Bereiche bis auf wenige unabdingbare Maßnahmen reduzieren. Die hierbei eingesparten Mittel können wiederum in den Ankauf weiterer Gewässerrandstreifen investiert werden. Dadurch kann auch der natürliche Hochwasserrückhalt in der Fläche verbessert und gleichzeitig das Konfliktpotential mit angrenzenden Nutzungsinteressen verringert werden.
Literatur DVWK – Deutscher Verband für Wasserwirtschaft und Kulturbau e.V. (Hrsg.) (1996) Fischaufstiegsanlagen- Bemessung, Gestaltung, Funktionskontrolle, DVWK-Merkblätter zur Wasserwirtschaft, Nr. 232/1996, Bonn. ATV-DWK Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V. (Hrsg.) (2003) Wehre und Stauanlagen an kleinen und mittelgroßen Fließgewässern – ATVDVWK-Regelwerk, ATV-DVWK-Arbeitsbericht, 68 S., Hennef. Gerhard, M., Reich. M. (2001) Totholz in Fliessgewässern – Empfehlungen zur Gewässerentwicklung, Gemeinnützige Fortbildungsgesellschaft für Wasserwirtschaft und Landschaftsentwicklung (GFG) mbH & WBW-Fortbildungsgesellschaft für Gewässerentwicklung (Hrsg), 84 S. Gross J., Gebler R.-J., Paulus, T. (2001) Die Ahr wird für Fische und Kleinlebewesen wieder passierbar, In: gewässer-info, ATV-DVWK Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V. (Hrsg), Hennef, Heft 21, S. 116–118. Gross, J., Paulus, T. (2004) Umgestaltung von Wehranlagen mit Renaturierung der betonierten Gewässersohle an der Ahr im Bereich des Casinos in Bad Neuenahr-Ahrweiler, In: gewässer-info, ATV-DVWK Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V. (Hrsg), Hennef, 29, S. 225–229. IKSR – Internatrionale Kommission zum Schutz des Rhein (Hrsg.) (1999) Lachs 2000 – Ist der Rhein wieder ein Fluß für Lachse?, Koblenz, Bearbeiter: B. Froehlich-Schmitt, & A. Schulte-Wülwer-Leidig, 63 S. Kern, K. (1998) Sohlenerosion und Auenauflandung – Empfehlungen zur Gewässerunterhaltung, Gemeinnützige Fortbildungsgesellschaft für Wasserwirtschaft und Landschaftsentwicklung (GFG) mbH (Hrsg), 48 S. Krause, A. (1975) Über die natürliche Verjüngung von Uferweiden an der Ahr, Schriftenreihe für Vegetationskunde, Bonn-Bad Godesberg, Heft Nr. 8, S. 99–104. Krause, A. (1998) Das Mündungsgebiet der Ahr, ein frühes Naturschutzprojekt des Bundes, Angewandte Landschaftsökologie, Bundesamt für Naturschutz (Hrsg), Bonn-Bad Godesberg, Heft 23, S. 99–108. Krause, A. (2000) Über Motive für die ökologische Verbesserung von Wasserläufen, Angewandte Landschaftsökologie, Bundesamt für Naturschutz (Hrsg), Bonn-Bad Godesberg, Heft Nr. 37, S. 9–12. Lohmeyer, W. (1970) Über das Polygono-Chenopodietum in Westdeutschland unter besonderer Berücksichtigung seiner Vorkommen in am Rhein und im Mündungsgebiet der Ahr, Schriftenreihe für Vegetationskunde, Bonn-Bad Godesberg, S. 7–28.
390
7 Erfahrungen
Lohmeyer, W. (1975) Über flußbegleitende nitrophile Hochstaudenfluren an Mittel- und Niederrhein, Schriftenreihe für Vegetationskunde, Bonn-Bad Godesberg, Heft Nr. 8, S. 79– 98. Ministerium für Umwelt und Forsten Rheinland-Pfalz (Hrsg) (2000) Fische umd Fischerei in Rheinland-Pfalz – Bestandsaufnahme, fischereiliche Nutzung, Fischartenschutz, Bearbeiter: G. Pelz,, T. Brenner, K. Groh, L. Jörgensen, J. Jungbluth, L. Kroll, A. Otto, Mainz, 258 S. Paulus, T. (1999) Ufergehölze und Gehölzpflege – Empfehlungen für den Gewässerunterhaltungspflichtigen, Gemeinnützige Fortbildungsgesellschaft für Wasserwirtschaft und Landschaftsentwicklung (GFG) mbH (Hrsg.), Mainz., 60 S,
7.6
Die Wümme (Niedersachsen/Bremen) – Gewässerentwicklungsmaßnahmen an einem Flachlandfluss Mit einer Lauflänge von über 100 Kilometer und einem Einzugsgebiet von ca. 1.560 km2 ist die Wümme eines der prägenden Fließgewässer des niedersächsischen Tieflandes. Sie entspringt im Raum Schneverdingen, im Naturschutzgebiet „Lüneburger Heide“, und mündet unterhalb des Zusammenflusses mit der Hamme in die Lesum, die bei Bremen der Weser zufließt. Von der Quelle bei Niederhaverbeck bis zur Mündung in die Lesum wird ein Höhenunterschied von ca. 100 Meter überwunden, was einem mittleren Gefälle von ca. 0,9 Promille entspricht. Am Pegel Hellwege (Einzugsgebiet ca. 908 km2) beträgt das NQ19613 3 2002 = 0,864 m /s und das HQ1961-2002 = 118 m /s. Das Einzugsgebiet der Wümme umfasst Teile der niedersächsischen Landkreise Harburg, Soltau-Fallingbostel, Rotenburg, Verden und Osterholz im Regierungsbezirk Lüneburg sowie Flächen der Stadt Bremen. 7.6.1 Ausgangssituation und Anlass Die Wümme-Niederung ist naturräumlich zum überwiegenden Teil der Stader Geest zuzuordnen, einer ausgedehnten Grundmoränenlandschaft zwischen den Urstromtälern von Elbe, Weser und Aller. Während das Gewässer in den oberen Abschnitten als typisches, sandgeprägtes Tieflandgewässer weitgehend naturnah durch eine vorwiegend als Grünland genutzte Talniederung fließt, nimmt die Auennutzung in den unteren Streckenabschnitten immer mehr zu; der Nutzungswandel in der Niederung wird tiefgreifender. Nordöstlich des Bremer Stadtgebietes, im Raum Ottersberg, teilt sich die in einer breiten und flachen Niederung fließende Wümme in mehrere Arme auf. Es entsteht ein bis zu 4 Kilometer breites Binnendelta, das in der niedersächsischen Flusslandschaft einmalig ist. Hier sind die Veränderungen und Umgestaltungen der Landschaft am offensichtlichsten; die Flußlandschaft im Bereich des Binnendeltas wurde tiefgreifend reguliert. Aus einem Netz unzähliger Flussarme, Altgewässer und Flutrinnen entstand in den Jahren 1927 bis 1936 ein begradigtes und
7.6 Die Wümme (Niedersachsen/Bremen) – Gewässerentwicklungsmaßnahmen …
391
nivelliertes Gewässersystem mit drei Hauptarmen. Während die Flächennutzung in der Niederung bis in die 1960er-Jahre von einer Nasswiesenbewirtschaftung geprägt war, wurde mit dem Ausbau des staugeregelten Wümme-Südarms (1966 bis 1979) nun auch Acker- und Weidenutzung in großem Umfang möglich. Bedeutung der Wümme für den Natur- und Fließgewässerschutz Für den Fließgewässerschutz in Niedersachsen (s. auch Kap. 4.1.3) ist der Verlauf der Wümme mit ihren Nebengewässern und Niederungsbereichen u.a. aus folgenden Gründen ein hoch bedeutsames Gewässersystem: • Die Wümme zählt einschließlich ihrer Auenbereiche zu den Gebietsvorschlägen des Landes Niedersachsen zur Umsetzung der FFH-Richtlinie (Gebiet Nr. 38 : Wümme-Niederung) und ist als EU-Vogelschutzgebiet Teil des europaweiten Schutzgebietssystems „Natura 2000“. Von besonderer Bedeutung für das FFH-Gebiet sind hier neben dem Fließgewässer selbst, Feuchtwaldkomplexe in der Niederung (u.a. mit Erlen–Eschenwäldern und Birken-Bruchwäldern), Dünengebiete mit Heiden und Übergangsmooren und degenerierte Hochmoorkomplexe. Der Fluss mit seiner Aue ist Lebensraum mehrerer Arten des Anhangs II der FFH-Richtlinie (u.a. Fischotter, Neunaugen, Grüne Keiljungfer). • Der Gewässerlauf der Wümme ist ein sog. Hauptgewässer 1. Priorität des Niedersächsischen Fließgewässerschutzsystems (Dahl & Hullen, 1989; Rasper et al., 1991). Mit diesem im Jahre 1991 von der Fachbehörde für Naturschutz veröffentlichten Fließgewässerschutzsystem sind landesweit die fachlichen und konzeptionellen Grundlagen für Auswahl und Planung von Renaturierungsvorhaben erarbeitet worden. In dieser Arbeit wurden sowohl die in Niedersachsen vorrangig zur Renaturierung geeigneten Fließgewässer ausgewählt als auch die Störeinflüsse und Beeinträchtigungen aufgezeigt, die durch entsprechende Maßnahmen gezielt beseitigt werden müssen. Die hier dargestellten sog. Hauptgewässer, die den Gewässertyp der betreffenden Naturräumlichen Region repräsentieren sollen, sind die Kerngewässer des Fließgewässerschutzes in Niedersachsen (s. auch Kap. 4.1.3). Langfristiges Ziel eines daraus entwickelten Landesprogrammes zur naturnahen Gewässergestaltung ist es, durch geeignete Renaturierungsmaßnahmen die Vielfalt der niedersächsischer Gewässerlandschaften wiederherzustellen und für die Gewässer hinsichtlich ihrer Struktur und Wasserqualität wieder einen naturnahen Zustand zu erreichen (Niedersächsisches Umweltministerium, 1992). Damit leistet das Niedersächsische Fließgewässerprogramm auch einen wesentlichen Beitrag zur Umsetzung der EGWasserrahmenrichtlinie (s. auch Kap. 4.1.4). Neben dem Gewässerrandstreifen- und Flächenerwerb sowie verschiedensten Umgestaltungsmaßnahmen im Gewässer- und Auenbereich zählen auch Maßnahmen zur Wiederherstellung der ökologischen Durchgängigkeit zu den in den vergangenen Jahren umgesetzten Förderprojekten.
392
7 Erfahrungen
• Im Landesraumordnungsprogramm des Landes Niedersachsen (LROP, 1994) ist der gesamte Gewässerlauf der Wümme einschließlich ihrer Talaue aus Gründen des Fließgewässerschutzes als „Vorranggebiet für Natur und Landschaft“ ausgewiesen. Alle Planungen und Maßnahmen müssen demnach mit den Zielen des Natur- und Fließgewässerschutzes vereinbar sein. • Zusammen mit verschiedenen Nebengewässern zählt die Wümme zu den Schwerpunkträumen der Fischotter-Verbreitung in Niedersachsen und ist auch aufgrund ihrer herausragenden Bedeutung als Ost-West-Verbindungsachse und ihrer Vernetzungsfunktion ein Schwerpunktgewässer des Niedersächsischen Fischotter-Programmes. • Teilbereiche der Flusslandschaft wurden als Naturschutzgebiet (NSG) ausgewiesen. In Teilen der Niederung sind zwei Naturschutzgroßprojekte initiiert worden: Die Ausweisung von GR-Gebieten (= Gebiete mit gesamtstaatlich repräsentativer Bedeutung) auf dem Gebiet des Landkreises Verden (GR-Projekt Fischerhuder Wümme-Niederung) und in den unterhalb angrenzenden Niederungsbereichen auf Bremer Gebiet (GR-Projekt Borgfelder WümmeWiesen) (s. Scherfose et al., 1999). Insgesamt bietet die Wümme und ihre Niederung mit den vielen noch vorhandenen erhaltens- und schützenswerten Strukturen trotz der bestehenden Beeinträchtigungen und Störeinflüsse im Planungsraum beste Voraussetzungen für eine naturnahe Entwicklung dieser Gewässerlandschaft. Bereits seit Ende der 1980er-Jahre wurden hier zahlreiche Renaturierungsmaßnahmen, insbesondere auf dem Gebiet des Landkreises Verden und in Bremen, umgesetzt. In Anbetracht des vergleichsweise naturnahen Zustands der Wümme und der bereits eingeleiteten Schritte haben die Länder Niedersachsen und Bremen die Wümme als positives Referenzprojekt für die Umsetzung der EG-WRRL ausgewählt. (Bearbeitungsgebiet Nr. 24 – einschließlich Hamme/Lesum). Im Rahmen des Niedersächsischen Fließgewässerprogrammes wurden für die Wümme in den Jahren 1996 bis 2000 vier abschnittsbezogene Gewässerentwicklungspläne aufgestellt, in denen weitere konkrete Maßnahmen für die naturnahe Entwicklung von Gewässer und Talaue aufgezeigt werden (StAWA Verden, 1996 und 1997). 7.6.2 Entwicklungskonzept, Ziele, Konflikte Die Erarbeitung von Gewässerentwicklungsplänen für ganze Fließgewässer oder längere Gewässerabschnitte hat sich bei der Umsetzung des Fließgewässerprogrammes und bei der Durchführung von Projekten der naturnahen Gewässergestaltung in Niedersachsen sehr bewährt (DVWK, 1999; Sellheim, 1996). Die für die Wümme und ihre Nebengewässer aufgestellten Gewässerentwicklungspläne hatten zum Ziel,
7.6 Die Wümme (Niedersachsen/Bremen) – Gewässerentwicklungsmaßnahmen …
393
• Maßnahmen zum Erhalt bestehender wertvoller Strukturen sowie zur Verringerung/Beseitigung bestehender Beeinträchtigungen und Gefährdungen aufzuzeigen, • eine zusammenhängende und übergeordnete Handlungsgrundlage für die naturnahe Entwicklung der Wümme und ihrer Aue zu schaffen, • über Möglichkeiten der Fließgewässerrenaturierung an der Wümme zu informieren und die Akzeptanz vor Ort für die Umsetzung von Maßnahmen zu verbessern sowie • die Finanzmittel zu bündeln und möglichst effektiv einzusetzen. Aufbau, Inhalte und Umfang der Gewässerentwicklungspläne sowie die Vorgehensweise bei der Planerstellung an der Wümme waren für die verschiedenen Abschnitte ähnlich und orientierten sich an den Hinweisen des Niedersächsischen Landesamtes für Ökologie (Sellheim, 1996). Die Planerstellung sowie die Moderation der Arbeitskreise übernahmen das damalige Staatliche Amt für Wasser und Abfall Verden (StAWA Verden) und später der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft und Küstenschutz (NLWK) – Betriebsstelle Verden – unter Mitarbeit örtlicher Planungsbüros. Rahmenbedingungen für die Gewässerentwicklungsplanung Bei der Erarbeitung der Gewässerentwicklungspläne für die Wümme innerhalb der Grenzen des gesetzlichen und/oder natürlichen Überschwemmungsgebietes waren bestimmte Vorgaben und Rahmenbedingungen zu berücksichtigen. Folgende Punkte für die Ziel- und Maßnahmenplanung wurden daher in einer Präambel den Planungen vorangestellt: • Die notwendige Gewässerunterhaltung im Rahmen gesetzlicher Regelungen muss gewährleistet sein • Der Hochwasserschutz in der Wümme-Niederung muss sichergestellt sein • Der Bestand landwirtschaftlicher Betriebe und Nutzungen ist zu gewährleisten • Die Umsetzung von Maßnahmen soll im Einvernehmen und in Zusammenarbeit mit den Betroffenen, Eigentümern und Verbänden erfolgen • Gegebenfalls ist der Flächenankauf oder –tausch die Voraussetzung für die Umsetzung der formulierten Maßnahmenvorschläge • Für die Durchführung baulicher Maßnahmen sind i.d.R. entsprechende Genehmigungsverfahren erforderlich. Trotz der in der Präambel genannten Punkte, die eine Art Geschäftsgrundlage für alle Beteiligte bei die Planerstellung bedeuteten, blieb es bei den vielen unterschiedlichen Akteuren in den Arbeitskreisen nicht aus, dass es im Laufe der Planbearbeitung zu inhaltlichen Meinungsverschiedenheiten, Interessenskollisionen und auch Mißverständnissen zwischen den Beteiligten kam – mit entsprechend kontroversen Diskussionen in den Arbeitskreisen. Beispielsweise
394
7 Erfahrungen
gingen gerade bei Fragen der zukünftigen Entwicklung und angestrebten Nutzung der Wümme-Niederung die Zielvorstellungen weit auseinander, so dass ein vollständiger Konsens nicht immer herzustellen war. Nicht zuletzt aufgrund einer gewachsenen Streitkultur und der gelungenen Moderation gelang es aber, in den Arbeitskreisen zu insgesamt tragfähigen Lösungen zu kommen. Leitbild und Entwicklungsziele für die Wümme In allen Wümme-Gewässerentwicklungsplan-Bearbeitungen wurde der Darstellung der aktuellen Situation ein Leitbild gegenübergestellt, um die Zielrichtung ökologischer Verbesserungen festzulegen. Das Leitbild soll dazu dienen, eine bildhafte Vorstellung vom Aussehen des Wümme-Gebietes ohne tiefgreifende Beeinflussung durch menschliches Wirken zu erhalten. Die übergeordneten Entwicklungsziele, die in den Gewässerentwicklungsplänen für die verschiedenen Wümme-Abschnitte – getrennt nach Gewässerlauf und Aue – herausgearbeitet worden sind, lassen sich wie folgt zusammenfassen: • Wiederherstellung einer gewässertypischen Wasserführung mit einer natürlichen, ortstypischen Abflussdynamik • Erhalt und Entwicklung strukturreicher Gewässerufer mit naturnahen Längsund Querprofilen und standorttypischem Gehölzbewuchs an der Mittelwasserlinie mit Beschattung • Schaffung stabiler und vielgestaltiger Sohlenstrukturen mit ortstypischer Korngrößenverteilung und weitgehend durchgehendem Lückensystem sowie Totholz und Erlenwurzeln • Wiederherstellung der ökologischen Durchgängigkeit und der aquatischen Passierbarkeit der Gewässer für sämtliche Gewässerorganismen • Verringerung der punktuellen und diffusen Stoff- und Sedimenteinträge, Rückhaltung in den Siedlungsbereichen • Reduzierung der Gewässerunterhaltung; Anpassung der Unterhaltung an die Ziele der naturnahen Gewässerentwicklung • Stabilisierung bzw. Verbesserung der Gewässergüte • Extensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung im Planungsraum • Förderung der Umwandlung von Acker in extensiv genutztes, artenreiches Grünland • Standorttypische Wiedervernässung des Talraumes auf geeigneten Einzelflächen • Entwicklung von Feucht- und Nasswiesen, Sukzessionsflächen und Auenwaldbiotopen auf verfügbaren Flächen • Regeneration oder Wiederherstellung von Stillgewässern • Lenkung der Erholungsnutzung
7.6 Die Wümme (Niedersachsen/Bremen) – Gewässerentwicklungsmaßnahmen …
395
7.6.3 Planung und Maßnahmen Für die Wümme und die begleitende Aue wurden folgende Maßnahmenvorschläge und Handlungsempfehlungen herausgestellt: • Ankauf ökologisch bedeutsamer Flächen • Anlage von möglichst breiten, ungenutzten und beidseitigen Gewässerrandstreifen mit eigendynamischer Vegetationsentwicklung • Regenerierung einzelner Gewässerstrecken durch Zulassen der Eigenentwicklung des Gewässers • Förderung der Entwicklung von Ufersaumgehölzen • Rückverlegung der Verwallung an der Wümme zur Wiederherstellung von Überschwemmungsgebieten mit ihrer natürlichen Funktion als Wasserspeicher • Abbau bzw. Umgestaltung von Sohlenabstürzen, Stauanlagen oder sonstiger bestehender ökologischer Sperren durch die Anlage von Sohlengleiten, Umflutgerinnen o.ä. • Regeneration ehemaliger Flutmulden und Nebenarme • Partielle Anhebung des Grundwasserstandes in ausgewählten, möglichst angekauften Bereichen ohne Beeinträchtigungen anderer Nutzungen Ein Teil der genannten Maßnahmenvorschläge ist in den vergangenen Jahren v.a. in den unteren Streckenabschnitten im Rahmen des Niedersächsischen Fließgewässerprogrammes, des Fischotter-Programmes, der GR-Projekte „Borgfelder Wümmewiesen“ und „Fischerhuder Wümme-Niederung“, diverser Ausgleichsund Ersatzmaßnahmen und anderer Projekte in Bremen und Niedersachsen mit zum Teil beträchtlichen finanziellen Mitteleinsatz aus den o.g. Programmen umgesetzt worden. Für viele der größeren baulichen Umgestaltungsmaßnahmen waren Detailplanungen erforderlich, die auf der Grundlage der Gewässerentwicklungspläne erarbeitet wurden und im Zuge von Plangenehmigungsverfahren umgesetzt werden konnten. Die Wesentlichen bis heute im Wümme-Einzugsgebiet durchgeführten Maßnahmen sind: • Anlage von unterschiedlich breiten Gewässerrandstreifen an verschiedenen Wümmeabschnitten und an den Nebengewässern (Bild 1) • Grunderwerb bzw. Flächenankauf in der Talniederung der unteren Gewässerstrecken der Wümme und ihren Nebengewässern in einer Größenordnung von insgesamt ca. 2.600 Hektar (Niedersachsen ca. 1.900 ha; Bremen ca. 695 ha). Nach dem Ankauf wurde die landwirtschaftliche Flächennutzung extensiviert bzw. zum Teil eingestellt und die Flächen der natürlichen Sukzession überlassen
396
7 Erfahrungen
a
b Bild 1 Entwicklung des Wümme-Nordarms zwischen den Jahren 1990 und 1997 nach Anlage eines beidseitigen Gewässerrandstreifens (Fotos: D. Coldewey) a. Gewässerrandstreifen am Wümme-Nordarm im Jahre 1990 b. Gewässerrandstreifen am Wümme-Nordarm im Jahre 1997
• Deichrückverlegung und punktuelle bzw. abschnittsweise Rücknahme der Verwallungen (Sommerdeiche) in den unteren Streckenabschnitten auf ca. 15,4 Kilometer Länge, davon 0,3 Kilometer Hochwasserdeich am Nebengewässer Wörpe • Ausdeichung von ca. 370 Hektar Aue – Reaktivierung ehemaliger Überschwemmungsgebiete und Entwicklung von Auenstandorten, Anlage von Flutmulden, Blänken, Stillgewässern (Bild 2) • Beseitigung bzw. Umgestaltung von Querbauwerken und Wiederherstellung der ökologischen Durchgängigkeit für Fische und aquatische Wirbellose. Umbau von Sohlenabstürzen und Stauanlagen zu Sohlengleiten mit Neigungen von 1 : 30 bis 1 : 200 und/oder Anlage entsprechend gestalteter Umgehungsgerinnen bei insgesamt 37 Anlagen im gesamten Streckenverlauf der Wümme und an einigen Nebengewässern. • Neuanlage von naturnahen Gewässerarmen und Nebengewässern auf ca. 5,2 Kilometer Länge
7.6 Die Wümme (Niedersachsen/Bremen) – Gewässerentwicklungsmaßnahmen …
397
a
b Bild 2 Projekte „Fährwisch“ und „Seewisch“ am Wümme-Nordarm – Ausdeichung und Reaktivierung von Auenstandorten (nach Bauausführung) (Fotos: D. Coldewey) a. Projekt „Fährwisch“; b. Projekt „Seewisch“
7.6.4 Entwicklungen und Erfahrungen Die vorliegenden Gewässerentwicklungspläne und die weiteren gebietsbezogenen Fachplanungen des Naturschutzes in Niedersachsen und Bremen beinhalten eine Fülle von Maßnahmenvorschlägen, den Flusslauf und seine Talaue nach ökologischen Kriterien zu entwickeln. Die genannten Maßnahmen lassen insgesamt eine erhebliche ökologische Aufwertung der Wümme und ihrer Niederung erwarten. Ein Teil der Renaturierungsvorhaben ist wie beschrieben bereits umgesetzt; weitere sollen folgen. Für einzelne der geplanten und umgesetzten Projekte wurden die Entwicklungen dokumentiert und Untersuchungen zur Erfolgskontrolle durchgeführt. Aus den Ergebnissen dieser Effizienzkontrollen und aus den Erfahrungen und
398
7 Erfahrungen
Erkenntnissen mit der Projektumsetzung an der Wümme seien einige Punkte herausgegriffen: • In der unteren Wümme-Niederung ist es gelungen, durch großflächige Grunderwerbs- und Rückdeichungsmaßnahmen die Voraussetzungen für eine weitere eigendynamische Entwicklung der Flusslandschaft in diesem Auenkorridor zu schaffen. Dadurch wird bestätigt, dass die Aue in alle Renaturierungsplanungen einzubeziehen ist und Maßnahmen zur Wiederherstellung der natürlichen Flussdynamik nur gelingen können, wenn dem Gewässer auch der entsprechende Raum für seine Entwicklung dauerhaft zur Verfügung steht. • Die zu beobachtenden Entwicklungen in diesen Ausdeichungsgebieten sind vielversprechend. Es sind die Strukturen entstanden, die für Auen derartiger Flüsse typisch sind: Gewässer der unterschiedlichsten Verlandungsstadien, Flutmulden mit sich verändernden Ufern, temporäre Gewässer, Trocken- und Pionierstandorte, Röhrichte, Sukzessionsflächen; ein vielgestaltiges Mosaik der verschiedensten Lebensräume dicht beieinander und auf engem Raum wechselnd. • Das verfolgte Konzept, dem Gebiet oder dem Planungsraum durch behutsame bauliche Maßnahmen zumindest in groben Umrissen eine Form zu geben (z.B. Flutmulden vorzuprofilieren) und dann die Feingestaltung und Besiedlung dem Fluss selbst zu überlassen, hat sich bewährt. • Bepflanzungen sind in der Regel nicht erforderlich, da sich durch Drift und andere Verbreitungsmechanismen – Saatmaterial ist im Boden vorhanden – Pionierpflanzen und Gehölze von selbst auf den neu entstandenen Rohbodenstandorten ansiedeln, auch wenn dort nicht angesät oder gepflanzt wurde. Zur Sicherung eines gefahrlosen Hochwasserabflusses kann ausnahmsweise im Hauptgerinne eingegriffen werden. • In den neu geschaffenen Auenbereichen kommt es nach wie vor zu einer starken Sedimentation und Verlandung der angelegten Gewässer; ein natürlicher Vorgang in den Auen stark geschiebeführender Flüsse wie der Wümme. Dadurch unterliegen die ausgedeichten Gebiete einer ständigen morphodynamischen Veränderung. Inwieweit durch die stärkere Flussdynamik auch neue temporäre Gewässer und Flutmulden wieder neu entstehen können, bleibt abzuwarten. • Die Funktionsfähigkeit der neu angelegten Sohlengleiten hinsichtlich der aquatischen Passierbarkeit wurde exemplarisch an einer Baumaßnahme nicht nur für Fische, sondern auch für wirbellose Gewässerorganismen, nachgewiesen. Es ist davon auszugehen, dass aufgrund gleicher Bauweise der weiteren Gleiten, die den natürlichen Gewässerverhältnissen weitgehend entspricht, auch die meisten anderen Bauwerke ökologisch wirksam und funktionsfähig sind. • Die Erarbeitung von Gewässerentwicklungsplänen als Planungsgrundlage und Handlungsleitlinie für die Umsetzung von Renaturierungsmaßnahmen
7.6 Die Wümme (Niedersachsen/Bremen) – Gewässerentwicklungsmaßnahmen …
399
der genannten Projekte hat sich bewährt und in diesem Raum eine wichtige Rolle gespielt. • Eine effiziente Umsetzung der vorgeschlagenen Maßnahmen erfordert eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit und Koordination der beteiligten Dienststellen und Institutionen auf allen betroffenen Ebenen. Bei der Planung und bisherigen Umsetzung von Umgestaltungsmaßnahmen in der Wümme-Niederung wurde – und wird – dies in gelungener Weise praktiziert. Den planungsbegleitenden Arbeitskreisen fällt auch hier eine zentrale Rolle zu. Die Zusammenarbeit soll weitergeführt und intensiviert werden, um die gesteckten Ziele einer weiteren Verbesserung der ökologischen Situation in den Wümme-Wiesen zu erreichen und auf Dauer zu sichern.
Literatur Die wesentlichen Quellen sind die angeführten Gewässerentwicklungspläne und die Plangenehmigungsunterlagen zu den jeweiligen Maßnahmen. Die Gewässerentwicklungspläne liegen den betroffenen Landkreisen, Gemeinden sowie der Bezirksregierung – Außenstelle Verden und dem NLWK vor und können dort eingesehen werden. Ebenfalls bei der Bezirksregierung Lüneburg – Außenstelle Verden – können auch die bisher unveröffentlichten Untersuchungsergebnisse der Effizienzkontrollen eingesehen werden. Hierzu liegt darüber hinaus umfangreiches Fotomaterial vor. Dahl, H.-J., Hullen, M. (1989) Studie über die Möglichkeiten zur Entwicklung eines naturnahen Fließgewässersystems in Niedersachsen (Fließgewässerschutzsystem Niedersachsen), Naturschutz Landschaftspflege Niedersachsen, Heft 18, Abschn. 5-95, Hannover. DVWK – Deutscher Verband für Wasserwirtschaft und Kulturbau e.V. (Hrsg.) (1999) Gewässerentwicklungsplanung – Begriffe, Ziele, Systematik, Inhalte, DVWK-Schriften Nr. 126, Bonn. LROP (Landes-Raumordnungsprogramm Niedersachsen) (1994) Teil I: Gesetz über das Landes-Raumordnungsprogramm Niedersachsen v. 2. März 1994, Nds. GVBl. S.130; Teil II: Verordnung v. 18.Juli 1994, Nds. GVBl. S.317, Schriften der Landesplanung Niedersachsen, Hannover. Niedersächsisches Umweltministerium (Hrsg.) (1992) Das Niedersächsische Fließgewässerprogramm, Hannover. Rasper, M., Sellheim, P., Steinhardt, B. (1991) Das Niedersächsische Fließgewässerschutzsystem – Grundlagen für ein Schutzprogramm (unter Mitarbeit von: D. Blanke und E. Kairies), Naturschutz Landschaftspflege Niedersachsen, Heft 25/3, Hannover. Scherfose, V. et al. (1999) Ergebnisse des Workshops über Pflege- und Entwicklungspläne von Naturschutzgroß- und Gewässerrandstreifenprojekten des Bundes, In: Bundesamt für Naturschutz (Hrsg.) Pflege- und Entwicklungsplanung in Naturschutzgroßprojekten des Bundes, Angewandte Landschaftsökologie, Heft Nr. 18, Bonn. Sellheim, P. (1996) Hinweise für die Erstellung eines Gewässerentwicklungsplanes (GEPl) – Gliederung und Leistungsverzeichnis, Informationsdienst Naturschutz Niedersachsen 16, Nr. 5. Staatliches Amt für Wasser und Abfall Verden (Hrsg.) (1996) Gewässerentwicklungsplan Wümme – von der A 1 bis zur Landesgrenze Bremen. Staatliches Amt für Wasser und Abfall Verden (Hrsg.) und Planungsgemeinschaft Nord (1997) Gewässerentwicklungsplan Wümme in den Abschnitt zwischen Rotenburg und Scheeßel, Landkreis Rotenburg/Wümme.
400
7 Erfahrungen
7.7
Das Stadtgewässer Emscher (Nordrhein-Westfalen) – Fließgewässerentwicklung in einer Industrieregion Die Emscher ist ein typisches Stadtgewässer; ihr Lauf ist ca. 85 Kilometer lang und das Einzugsgebiet hat eine Fläche von ca. 864 km². Von der Quelle (östlich von Dortmund, 144 m über NN) bis zur Mündung in den Rhein (bei Dinslaken, 21 m über NN) ergibt sich ein Höhenunterschied von 123 Meter und ein mittleres Gefälle von 1,5 Promille. Am Pegel Oberhausen Königstraße (etwa 12 km vor der Mündung in den Rhein) beträgt das NQ1965-2001 = 9,4 m³/s und das HQ1965-2001 = 132 m³/s. Mit einer Bevölkerungsdichte von ca. 2.770 Einwohner pro km² ist das Einzugsgebiet eine der am dichtesten besiedelten Regionen Deutschlands. 7.7.1 Ausgangssituation und Anlass Die Emscher fließt als kleines Gewässer mit wenig Gefälle von Dortmund bis Dinslaken mitten durch das rheinisch-westfälische Industriegebiet. Als dessen „cloaca maxima“ hat sie lange Zeit der Hochwasserableitung und vor allem der Abwasserbeseitigung dieses Ballungsraumes gedient. Abwasser wurde ohne Behandlung abgeleitet, die Emscher und ihre Nebengewässer waren kanalartig ausgebaut, die Sohlen mit Betonschalen befestigt und Abwasserreinigung fand nur mit dem Ziel der Entlastung des Rheines im Klärwerk „Emschermündung“ in Dinslaken und an den beiden früheren Mündungen der Emscher in Duisburg in den Klärwerken „Alte Emscher“ und „Kleine Emscher“ statt. Eine Regenwasserbehandlung nach dem Wortlaut des ATVArbeitsblattes A 128 (ATV, 1992) gab es nicht. Und doch war dieses Emscher-System gewollt und gezielt mit der Billigung sowohl der Aufsichtsbehörden als auch der in der Region wirkenden wirtschaftlichen und politischen Kräfte entstanden. Es hat nämlich – über 90 Jahre lang – der Region einen sicheren Hochwasserschutz garantiert, eine bis dato allgemein akzeptierte, kostengünstige Abwasserbeseitigung geboten und damit die Entwicklung zu einem der bedeutendsten Industrieschwerpunkte Europas ermöglicht. Die Emscherzone erlebt seit den achtziger Jahren einen grundlegenden Strukturwandel. Mit dem Auslaufen des Bergbaus in weiten Bereichen des Reviers und damit dem Abklingen der Bergsenkungen entfiel der wesentliche Grund für die offene Ableitung ungereinigten oder nur mechanisch behandelten Abwassers in technisch ausgebauten Gewässern. Dieses System genügte weder den inzwischen verschärften wasserrechtlichen Anforderungen noch den heute geltenden ökologischen Ansprüchen. Die Wahrnehmung von Abwasser in Wasserläufen wurde von der Bevölkerung im Laufe der Zeit auch immer stärker als ebenso störend empfunden wie deren zwangsläufig naturferner Zustand.
7.7 Das Stadtgewässer Emscher (Nordrhein-Westfalen) …
401
7.7.2 Entwicklungskonzept, Ziele, Konflikte Seit Beginn der 1990er-Jahre also wird das Emscher-System grundlegend umgestaltet (Bild 1). Ziel ist die schrittweise Beseitigung der offenen Ableitung des Abwassers durch den Bau von parallel zu den Gewässern verlegten großvolumigen Abwassersammlern, der Bau von Anlagen zur Regenwasserbehandlung nach dem Stand der Technik und der Bau von dezentralen Kläranlagen, bemessen für die geltenden gesetzlichen Anforderungen sowie letztlich die Umgestaltung der Wasserläufe so, dass diese ökologische Funktionen wieder erfüllen und den Naturhaushalt stärken. Zugleich sollen sie als Leitstrukturen in dem dicht besiedelten urbanen Raum und als Erholungs- und Erlebnisräume wieder hergestellt werden. In der Stadt-Landschaft dieser Region sind im Sinne auch der Umsetzung der EG-Wasserrahmenrichtlinie Gewässertypen zu entwickeln, die sich nicht an der freien Landschaft orientieren, sondern wasserwirtschaftliche (z.B. Hochwasserschutz), städtebauliche (z.B. dichte Bebauung bis an das Gewässer heran), landschaftsgestalterische (z.B. Rückgrad der regionalen Grünzüge), ökologische (z.B. Durchgängigkeit) und ökonomische Gesichtspunkte (z.B. finanzielle Leistungsfähigkeit der Region) berücksichtigen.
Bild 1 Konzeption der Umgestaltung des Emscher-Systems (Grafik: Emschergenossenschaft)
Hochwasserabfluss Charakteristisch für die Emscher-Gewässer sind die tiefen, trapezförmigen und daher sehr leistungsfähigen Abflussprofile, die nicht nur das natürlich anfallende Quellwasser und das Abwasser, sondern vor allem die aus diesem dicht
402
7 Erfahrungen
besiedelten Gebiet abfließenden Hochwasserwellen ableiten konnten. Diese leistungsfähigen Abflussprofile der Emscher und ihrer Nebengewässer werden jetzt ökologisch umgestaltet, d.h., in gewissem Rahmen soll eine eigendynamische Entwicklung zugelassen und je nach den Gegebenheiten ein geschwungener Wasserlauf trassiert werden, der auch mit Bäumen bepflanzt ist. Dadurch geht die Abflussleistung stark zurück. Hinzu kommen die Probleme der Bodensenkungen infolge des früheren Kohleabbaues. Die Emscher ist über weite Strecken eingedeicht, ihre Sohle liegt stellenweise höher als das umliegende Gelände. Insgesamt 38 Prozent der Emscher-Region werden durch Pumpwerke künstlich entwässert, bei deren Ausfall eine Seenlandschaft entstünde. Bei länger anhaltenden Regenfällen fließen aus den dicht bebauten Stadtgebieten große Hochwassermengen ab. Zur Dämpfung dieser Abflussspitzen kommt zunächst die Verringerung der zum Abfluss beitragenden Flächenanteile in Betracht. Dieses Ziel lässt sich durch einen intelligenten Umgang mit dem Regenwasser erreichen, d.h. durch Auffangen des wenig verschmutzten Regenwassers von Dach- und Hofflächen zur Nutzung als Brauchwasser oder zur Versickerung, durch verzögerte Ableitung des wenig verschmutzten Regenwassers über Mulden und Rigolen (Schotter gefüllte Gräben) möglichst unmittelbar in die Gewässer statt über die Kanalisation, durch Ableiten des Regenwassers von Straßenflächen über gesonderte Leitungsnetze (Flachnetze) in Teiche, von wo aus das Wasser durch Versickerung in die Wasserläufe gelangt und schließlich durch Entsiegelung von Flächen zur Reaktivierung der Versickerung. Um Hochwasserabflüsse auch in der Emscher zu drosseln, sind zusätzlich, neben den beschriebenen Maßnahmen und dem Bau von Hochwasserrückhaltebecken an den Nebenläufen, auch Rückhaltemaßnahmen direkt im Bereich des Emscherlaufes erforderlich, da die Regenbecken der Kanalisation für örtliche Starkregen ausgelegt sind und bei den für die Emscher-Hochwasser maßgebenden lang anhaltenden und flächendeckenden Niederschlägen kaum wirksam werden. Der heutige Hochwasserabfluss der Emscher beträgt rechnerisch 380 m3/s. Durch entsprechende Rückhaltemaßnahmen kann er auf rd. 260 m³/s gesenkt werden (Bild 2). Dadurch gewinnt man Spielräume für eine andere Gestaltung ihres bisher glatten und leistungsfähigen Trapezprofils. An den Nebengewässern, das sind meistens kleinere Bäche, gibt es für die Umgestaltung zwar unterschiedliche, aber häufig, besonders im weniger dicht bebauten östlichen Emschergebiet und an den Oberläufen, recht gute Möglichkeiten. Aber auch in den Städten ergeben sich an den Wasserläufen mit ihren grünen Uferrandbereichen, auch wenn sie auf langen Strecken durch die dicht bebauten Kerngebiete wie etwa die Berne und der Borbecker-Mühlenbach durch Essen oder die Emscher selbst quer durch Dortmund fließen, städtebaulich sehr interessante Perspektiven für den Umgang mit Wasser in der Stadt. Von den Bürgern werden die an den Ufern entlang führenden Bewirtschaftungswege als Rad- und Wanderwege gern angenommen, außerdem bilden die Wasserläufe auch gewissermaßen das Rückgrad der regionalen Grünzüge des EmscherLandschaftsparks.
7.7 Das Stadtgewässer Emscher (Nordrhein-Westfalen) …
403
Bild 2 Dämpfung des Hochwasserabflusses der Emscher durch Rückhaltemaßnahmen (nach Emschergenossenschaft)
Dagegen sind die Möglichkeiten der Umgestaltung an der Emscher selbst wesentlich begrenzter. Dort ist es außerordentlich schwierig, wenn nicht gar unmöglich, im konkreten Fall die benötigten Flächen bereitzustellen. Hinzu kommen die Probleme der sicheren Hochwasserableitung. 7.7.3 Planung und Maßnahmen Für die Nebengewässer der Emscher bietet sich also, je nach den örtlichen Gegebenheiten, eine ganze Palette von Maßnahmen zur ökologischen Verbesserung und städtebaulichen Einbindung in die Stadtlandschaft. An der Emscher, als dem Hauptvorfluter der Region, müssen völlig neue Wege beschritten werden. So wurden unter Beachtung der beschriebenen Randbedingungen in den letzten zwei Jahren Ideen und Bausteine für Umgestaltungsmaßnahmen entwickelt, die jetzt auf ihre Realisierbarkeit untersucht werden. Ansätze für diese Bausteine sind zum Beispiel die Sohlenanhebung (bei Anhebung um 2 m verbreitert sich das Profil um 8 m; man gewinnt also Raum für ökologische Maßnahmen. Es können allerdings Probleme durch den ansteigenden Grundwasserstand entstehen), die Herstellung von Auenbereichen (Mindestbreiten für die ökologische Wirksamkeit erfordern großflächige Abgrabungen), Mäander (mit nennenswerter Eigendynamik ab einer Breite von 200 m entwickelbar) und vor allem Hochwasserrückhaltebecken. Voraussetzung jeder Art von Umgestaltung der Emscher ist in jedem Fall eine deutliche Senkung der Hoch-
404
7 Erfahrungen
wasserabflüsse entweder durch zentrale Rückhaltebecken am Oberlauf oder flächenhafte Rückhaltemaßnahmen entlang der Fließstrecke. Das Stadtgewässer Emscher Auf der Basis der beschriebenen Grundlagen und unter Verwendung der untersuchten Bausteine wurden die Alternativen • „Blau-grünes Netz“ mit flächenhaftem Hochwasserrückhalt • „Emscher-Auental“ mit kombinierten Rückhaltemaßnahmen und • „Wilder Fluss“ mit zentraler Hochwasserrückhaltung entwickelt. Das „Blau-grüne Netz“ Das „Blau-grüne Netz“ weist als wesentliches Merkmal die großflächige Anwendung von Boezems auf. Der Begriff „Boezem“ kommt aus den Niederlanden und steht dort für die Speicherung von Wasser in offenen Becken mit gering wechselnden Pegelständen. Auf diese Weise können unterschiedliche Wassermengen, zum Beispiel infolge von Niederschlägen oder in Meeresnähe, gepuffert werden.
Bild 3 Alternative „Blau-grünes Netz“ (nach Emschergenossenschaft)
Im Prinzip sind die Boezems klassische Rückhaltebecken mit anderer Gestaltung. Sie wirken ebenso, benötigen aber erheblich mehr Fläche. Sie können daher nur dort angelegt werden, wo diese Flächen verfügbar sind. Charakteristisch für die Boezems sind die niedrigen Einstauhöhen. Dadurch werden die Grundstücke extensiv beansprucht, es bestehen aber gute Voraussetzungen für die Entwicklung von ökologisch hochwertigen Flächen. Die Boezems werden parzellenartig gegliedert und erlauben dadurch eine gesteuerte Bewirtschaftung der Wasservolumina (Bild 3). Gleichzeitig können bei ihrer Planung städtebauliche und landschaftsplanerische Aspekte berücksichtigt werden. Die notwendige Rückhaltung des Hochwassers erfolgt durch einen unterschiedlich hohen Einstau der zur Verfügung stehenden Flächen. Wegen der unterschiedlichen Einstauhäufigkeiten und -höhen (zwischen 0,5 und 3 m) können sich, abhängig von Überflutungsdauer, Grundwasserkontakt und Wasserbilanz, unterschiedliche Vegetationsformen entwickeln (z.B. Hochwasserparks, auenartige Boezems, Baumwiesen, Niedermoore oder Kräutertä-
7.7 Das Stadtgewässer Emscher (Nordrhein-Westfalen) …
405
ler), so dass sich sehr vielgestaltige Ausbauformen für den angrenzenden Landschaftsraum entlang der Emscher ergeben. Die Emscher selbst bleibt im Wesentlichen in ihrem bisherigen Bett, das allerdings durch ein einseitig flaches Ufer und Profilaufweitungen ökologisch aufgewertet wird. Das „Emscher-Auental“ Die Variante des Emscher-Auentals ist eine Untersuchung mit dem Ziel, Auen an der Emscher, auch bei Einschnittstiefen von 10 bis 12 m, zu realisieren. Emschertypische Mäander ließen sich – falls Flächen bereitgestellt werden könnten – in diesem Falle nur mit extremem Geländeaushub herstellen. Dennoch ergeben sich sinnvolle Möglichkeiten für auenartige Strukturen in den Abschnitten zwischen Dortmund und Dinslaken, ähnlich wie beim „blau-grünen Netz“ entlang des Emscher-Hauptlaufes. Sie dehnen sich aber weniger in die Fläche des „Hinterlandes“ aus. Das Konzept sieht in Abhängigkeit von der Flächenverfügbarkeit und dem wasserwirtschaftlichen Kontext eine gestufte Gestaltung vor (siehe Bild 4): • „Mikro-Auen“ (Breite der Aue rund 12 bis 20 m als durchgängige Struktur innerhalb der Emscher), • „Trittsteinbiotope“ (Größe 1 bis 3 ha, ca. alle 2 bis 3 km) und • „Rückzugs- und Ausbreitungsbiotope“ (Größe 5 bis 20 ha und mehr, ca. alle 5 km). In Teilbereichen mit guter Flächenverfügbarkeit werden auch kürzere Abstände gewählt.
Bild 4 Alternative „Emscher-Auental“ (nach Emschergenossenschaft)
Die Retentionswirkung der Auen steht in engem Bezug zur realisierbaren Rauhigkeit des Profiles, die wiederum von der Gesamtkonzeption der Hochwasserrückhaltung abhängt. Die Auen-Variante bietet für Freizeit- und Erholungszwecke neue Qualitäten, da im Umfeld der Emscher durch neue Vegetationsformen, Flächennutzungen und -gestaltungen das Bild der Landschaft deutlich verändert wird. Je nach Höhenlage zur Emscher werden sich Auentypen unterschiedlichen Charakters entwickeln, zum Beispiel Weichholzauen, Hartholzauen, Feuchtwiesen und Flutmulden. Letztlich sind allerdings über den gesamten Emscherverlauf keine „klassischen“ Gewässerstrukturen einer Aue möglich, da Einschnit-
406
7 Erfahrungen
te, Deiche, Hochwasserschutz und Nutzungen auf benachbarten Flächen eben doch gravierende Einschränkungen und Zwangspunkte darstellen. Der „Wilde Fluss“ Im „Wilden Fluss“ wird eine Aufweitung des Abflussprofiles auf 40 bis 50 Meter angestrebt, so dass bei Niedrigwasser eine eigendynamische Entwicklung des Gewässerbettes möglich wird. So eine Lösung ist wegen ihres linienhaften Charakters schwer in einem Plan darstellbar. Sie stellt aber über eine Fließstrecke von 60 km dennoch eine interessante Lösung dar, die allerdings nur bei einer entsprechend dimensionierten Hochwasserrückhaltung „konventioneller Art“ zu realisieren wäre (Bild 5).
Bild 5 Alternative „Wilder Fluss“ (Archiv Emschergenossenschaft)
Die erforderlichen Rückhaltevolumina werden in dieser Variante daher ausschließlich durch große, punktuelle Hochwasserrückhaltebecken in Dortmund/ Castrop-Rauxel erreicht. Das heißt, der „Wilde Fluss“ beansprucht entlang des Emscherlaufes keine flächenhaften Veränderungen des umgebenden Raumes, sondern beschränkt sich vorrangig auf ein schmales Band. Infolge der umfangreichen Sohlenaufweitung wird aber in großem Maßstab Bodenaushub erforderlich. Die Erlebbarkeit wird primär von höher gelegenen Wegen und Standorten aus stattfinden (die intensiv gestaltet sein können). Die Durchgängigkeit ist an vielen Stellen (etwa Brücken oder Engstellen) infolge der bis an die Ufer heranreichenden Nutzungen) nur über Steilufer machbar, so dass sich ein kastenartiges Hochwasserprofil ergibt, an dessen Sohle die eigendynamische Entwicklung erfolgen kann. Für die ökologische Funktionsfähigkeit und für die ästhetischen Ansprüche wird in diesen Abschnitten ein eigenes Design zu entwickeln sein. Das Konzept erinnert an Gewässer im Süden Frankreichs in der Provence, die auch für die seltenen Hochwässer breite Profile benötigen, in denen aber bei Trockenheit das Gewässer sein Bett völlig frei entwickeln kann.
7.7 Das Stadtgewässer Emscher (Nordrhein-Westfalen) …
407
7.7.4 Entwicklungen und Erfahrungen Die Umbaumaßnahmen laufen seit Beginn der 1990er-Jahre, beginnend mit dem Bau beziehungsweise dem Ausbau der Großklärwerke an der Emscher nach dem Stand der Technik, der inzwischen abgeschlossen ist. Für die Abwasserableitung entsteht seither schrittweise eine moderne Infrastruktur aus Sammelkanälen parallel zu den Nebenläufen der Emscher mit Anlagen zur Regenwasserbehandlung. Entlang der Emscher wird in den kommenden Jahren der 50 Kilometer lange zentrale Sammler errichtet, der die Abwässer aus den seitlichen Einzugsgebieten den neuen Großklärwerken Bottrop und Dinslaken zuleiten soll. Am Emscher-Oberlauf übernimmt seit dem Jahre 1994 das Großklärwerk Dortmund-Deusen die Abwasserbehandlung. Bei dem Umfang der Maßnahmen zur Umgestaltung dieses gesamten Flusssystems muss in Kauf genommen werden, dass es für eine Übergangszeit noch weiter offene Schmutzwasserläufe zur Abwasserableitung und daneben neue Abwasserkanäle gibt, die das Abwasser den dezentralen Kläranlagen zuleiten. Es ist darüber hinaus unvermeidlich, dass die Abläufe der neuen und ausgebauten Kläranlagen, in denen die Abwasserbehandlung nach heute üblichem Standard stattfindet, in die Emscher eingeleitet werden, die wenige Kilometer unterhalb doch wieder Schmutzwassereinleitungen aufnehmen muss. So bleibt das Emschersystem weiterhin für lange Jahre ein wasserwirtschaftlich in sich zusammenhängendes System, das nur in seiner Gesamtheit betrachtet werden kann. Dort jedoch, wo das bisher in den Gewässern abgeleitete Abwasser in Kanälen gefasst ist, erfolgt die naturnahe Umgestaltung nach den entwickelten Grundsätzen und in Anpassung an die örtlichen Möglichkeiten unmittelbar anschließend an die Kanalbaumaßnahmen. Von den insgesamt über 400 km Gewässerstrecken sind inzwischen rd. 40 Prozent fertig gestellt und werden von der Öffentlichkeit auch gut angenommen.
Literatur ATV – Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (Hrsg.) (1992) Richtlinien für die Bemessung und Gestaltung von Regenentlastungsanlagen in Mischwasserkanälen, Arbeitsblatt ATU-A 128. Baumgart, H.-Ch. (2003) Perspektiven für das Stadtgewässer Emscher, In: Technische Universität Dresden, Fakultät für Bauingenieurwesen (Hrsg.) 2003, Wasserbaukolloquium am 20./21. März 2003, „Gewässer in der Stadt“, Wasserbauliche Mitteilungen Heft 24, Dresden. Emschergenossenschaft (Hrsg.) (1991) Rahmenkonzept zum ökologischen Umbau des Emscher-Systems, Materialien zum Umbau des Emscher-Systems, Heft 1, Essen. Emschergenossenschaft (Hrsg.) (1992) Emschergenossenschaft: Konzept zur Umgestaltung der Wasserläufe, Materialien zum Umbau des Emscher-Systems, Heft 6, Essen. Emschergenossenschaft (Hrsg.) (2001) Die Umgestaltung der Emscher, der Planungsprozess im Gespräch mit Städten, Kreisen, Kommunalverband Ruhrgebiet und Projekt Ruhr GmbH, Emscher Dialog am 9. Februar 2001 Emschergenossenschaft (Hrsg.) (2002) Die Umgestaltung der Emscher, Die Aufgabenstellung für den Masterplan „emscher:zukunft“, Emscher Dialog am 6. November 2002.
408
7 Erfahrungen
7.8
Weiterentwicklung der Acher-Rench-Korrektion in der mittelbadischen Oberrheinebene (Baden-Württemberg) Das Gebiet der Acher-Rench-Korrektion umfasst die mittelbadische Rheinebene zwischen Offenburg und Baden-Baden. Die bedeutendsten Gewässer sind die Rench mit einem maximalen Hochwasser von 250 m³/s und die Acher mit einem maximalen Abfuss von 95 m³/s. Dazu kommen noch mehr als 20 Seitengewässer. Die Hauptgewässer entspringen am Westhang des Nordschwarzwaldes. Die Steillagen gehen bereits nach kurzem Fließweg in Flachland über. Dies hat dazu geführt, dass die Rheinebene zwischen Oberrheinaue und Schwarzwaldrand früher auf 8 bis 10 km Breite mehrmals jährlich uberflutet wurde und bei großem Hochwasser mehr als 80 Prozent der Fläche unter Wasser standen. 7.8.1 Ausgangssituation und Anlass Die zwischen 1936 und 1967 erbaute Acher-Rench-Korrektion ist das Kernstück des Hochwasserschutzes für die mittelbadische Rheinebene nördlich von Offenburg (Bild 1). Mit einem nahezu vollständigen Ausbau der Flüsse Acher und Rench und deren Seitengewässern wurde die Voraussetzung für eine intensive Nutzung der Landschaft und die weitere Siedlungsentwicklung geschaffen.
Bild 1 Bau des Renchflutkanal im Jahr 1953 (Archiv Gewässerdirektion Südlicher Oberrhein/ Hochrhein, Offenburg)
7.8 Weiterentwicklung der Acher-Rench-Korrektion …
409
Entsprechend den damaligen Zielsetzungen sollte viel Hochwasser auf wenig Gewässerfläche abgeleitet werden. Eine Folge davon war, dass die ausgebauten Gewässer mit großem Aufwand und intensiv zu unterhalten sind. In den Jahren 1993/1994 wurde ein Gewässerentwicklungsplan erstellt. Seither wurden auf der Grundlage dieser Planung eine Vielzahl von Maßnahmen umgesetzt. Dabei waren die Funktionen der Gewässer für den Hochwasserschutz grundsätzlich zu erhalten. 7.8.2 Gewässerentwicklungsplan Die begradigten und gepflasterten Gewässer der Acher-Rench-Korrektion bieten in ihrem Ausbauzustand wenig Lebensraum. Regelmäßige intensive Unterhaltungsarbeiten, die zur Erhaltung der Abflussleistung dieser Gewässer erforderlich sind, verhindern die Gewässerentwicklung und belassen die Gewässer auf Dauer in einem naturfernen Zustand. Aufgrund großer finanzieller Anstrengungen im Bereich der Abwasserreinigung haben die Fließgewässer wieder eine akzeptable Wasserqualität erreicht – bei der Gewässerstruktur besteht aber erheblicher Entwicklungsbedarf. Ein Gewässerentwicklungsplan als Gesamtbetrachtung des Gewässersystems untersuchte sowohl die ökologischen als auch die wasserwirtschaftlichen Probleme des Gebietes und bildete die fachliche Grundlage für Entwicklungsmaßnahmen an den einzelnen Gewässern (ALAND, 1993). Unter Beachtung der Rahmenbedingungen (z.B. Hochwasserschutz, Siedlungsentwicklung, Landnutzung und verfügbare Entwicklungsfläche) wurden die erforderlichen Maßnahmen für Schutz, Pflege und Entwicklung der Gewässer formuliert. 7.8.3 Planung und Maßnahmen Während der vergangenen Jahre konnten zahlreiche Maßnahmen des Gewässerentwicklungsplanes im Konsens mit Kommunen und Bevölkerung umgesetzt werden. Wesentlich zum Erfolg beigetragen hat die Bereitschaft der Städte und Gemeinden in großem Umfang kommunale Flächen für die Gewässerentwicklung zur Verfügung zu stellen. Schutz und Erhaltung Naturnahe Gewässerabschnitte sind in Baden-Württemberg unter besonderen Schutz gestellt. Nach den Ausbaumaßnahmen sind nur noch wenige Flachlandgewässer der mittelbadischen Rheinebene in naturnahem, unveränderten Zustand (Bild 2). Diese wenigen, sowohl morphologisch als auch biologisch bemerkenswerten Bachstrecken, dienen als Vorbildabschnitte für die Gewässerentwicklung und sind von besonderer Bedeutung für die Wiederbesiedlung
410
7 Erfahrungen
Bild 2 Naturnaher Gewässerabschnitt am Durbach (Foto: R. Jehle)
umgestalteter Gewässerabschnitte zum Beispiel mit seltenen Libellen- und Muschelarten. Die Sicherung natürlicher Überschwemmungsflächen, die dem Hochwasserschutz dienen und die Berücksichtigung der Belange des Arten- und Biotopschutzes bei der Gewässerunterhaltung sind weitere wichtige Bestandteile der Gewässerentwicklung. Änderung der Unterhaltungspraxis Durch genaue Kenntnis des jeweiligen Gewässers und eine flexible Organisation können vorhandene Spielräume bei der Ausführung der Arbeiten zugunsten einer naturschonenden Gewässerunterhaltung genutzt werden (ATV-DVWK, 2002; DVWK, 1999; GWD, 1999). So werden die Gewässer der Acher-Rench-Korrektion, statt der früher üblichen Vollräumung (Bild 3), heute meist nur noch halb- oder wechselseitig und abschnittsweise geräumt. Bereits nach einem Jahr eingeschränkter Unterhaltung differenzieren die Röhricht- und Wasserpflanzenbestände die Fließstruktur und erhöhen die Lebensraumvielfalt. Als positiver Nebeneffekt wird der Unterhaltungsaufwand dabei deutlich reduziert. Beim Mähen des Wasserkrautes mit dem Mähkorb werden die Pflanzen einige Zentimeter über der Gewässersohle und nur in Gewässermitte abgeschnitten (Bild 4). Somit verbleibt in den Randbereichen genügend Vegetation, um den hieran gebundenen Tieren ausreichend Lebensraum zu bieten. Aufgelan-
7.8 Weiterentwicklung der Acher-Rench-Korrektion …
411
Bild 3 Der Durbach-Kammbach-Wannenbach-Kanal nach einer Vollräumung (Foto: R. Jehle)
Bild 4 Mähkorbeinsatz wechselseitig (Gewässerdirektion Südlicher Oberrhein/Hochrhein, Offenburg)
412
7 Erfahrungen
dete Vorlandflächen oder Anlandungen im Mittelwasserbett der großen Flutkanäle werden halbseitig und abschnittsweise, außerhalb von Brut- und Laichzeiten geräumt. Förderung der Eigenentwicklung Die Bereitstellung von Entwicklungsflächen ist die Grundlage einer erfolgreichen Gewässerentwicklung. Am Zusammenfluss von Durbach und Kammbach wurde beispielsweise durch die Gemeinde ein entsprechendes Teilgrundstück zur Verfügung gestellt. Als Initialmaßnahme wurde das Sohlen- und Böschungspflaster entfernt und die Ufer abgeflacht. Inzwischen wechseln sich tiefe Kolke mit flachen Kiesbänken ab (Bild 5). Die Zunahme des Fischbestandes in Artenzahl und Anzahl dokumentiert den Erfolg. Der Durbach wurde im weiteren Verlauf mit einem Doppeltrapezprofil mit Vorländern und kleinen Deichen ausgebaut. Auflandungen des Profils machen wiederkehrende Räumungen erforderlich. Bei der jüngsten Räumung in den Jahren 1999 und 2000 wurde das Pflaster vollständig entfernt und die vorhandenen Vorlandflächen zur Veränderung des Mittelwasserbettes genutzt. Durch Einbeziehen der ca. 5 m breiten Vorlandflächen ist genügend Raum für Vegetationsentwicklung gegeben, ohne die Abflussleistung des Profils zu beeinträchtigen.
a
b
Bild 5 Umgestaltung des Zusammenflusses von Durbach und Kammbach (Foto 5a Landesvermessungsamt Baden-Württemberg; Foto 5b W. Maerzke) a. vor der Umgestaltung (1980); b. zwei Jahre nach der Umgestaltung (2001)
7.8 Weiterentwicklung der Acher-Rench-Korrektion …
413
Naturnahe Umgestaltung Der im Jahre 1955 begradigte Sasbach wurde 1995/96 wieder naturnah umgestaltet (Bild 6). Dabei wurde bewusst auf eine Feinprofilierung des Gewässerbettes verzichtet, das Mittelwasser wurde relativ eng dimensioniert, der Abflussquerschnitt insgesamt aber stark aufgeweitet, um dem Bach genügend Spielraum für die Weiterentwicklung zu belassen und Unterhaltungsmaßnahmen künftig nur noch auf die höher gelegenen Flächen zu beschränken.
Bild 6 Sasbachflutkanal nach Abschluss der Baumaßnahmen im Jahre 1996 (Foto: Gewässerdirektion Südlicher Oberrhein/Hochrhein)
Der Aufwuchs der bachbegleitenden Ufergehölze mit Schwarzerle und verschiedenen Weidenarten erfolgte nahezu vollständig über die natürliche Sukzession. Die Entwicklung des Sasbachs im Laufe der Jahre zeigt, dass sich zunächst nur ein naturnäheres Bachbett schaffen lässt (Bild 7). Höherwertige Strukturen, welche die Naturnähe eines Gewässers letztlich bestimmen, entwickeln sich erst über längere Zeiträume. So tragen zum Beispiel vor allem die älteren Ufergehölze zur Entwicklung der Sohlenstrukturen bei. Im Rahmen der Gehölzpflege muss allerdings darauf geachtet werden, dass die zur Sicherung des Hochwasserschutzes für den Abfluss benötigten Flächen von Gehölzaufwuchs freigehalten werden.
414
7 Erfahrungen
Bild 7 Sasbach-Flutkanal nach mehrjähriger Entwicklungszeit im Jahre 2002 (Foto: W. Maerzke)
Wiederherstellung der Durchgängigkeit Eine Schlüsselfunktion bei der Gewässerentwicklung besitzt die Wiederherstellung eines durchgängigen Gewässerverbundes, der vom Rhein bis in die Oberläufe der Hauptgewässer Rench und Acher reichen soll. Die Durchgängigkeit des Acher-Rench-Gebietes ist besonders wichtig für eine geplante Wiederansiedlung der Wanderfische (z.B. Lachs und Meerforelle), die noch bis etwa 1920 in großer Zahl die Laichgebiete der großen Schwarzwaldgewässer aufsuchten. Durch den Bau mehrerer Fischaufstiege konnte mittlerweile die Durchgängigkeit der Rench vom Rhein bis etwa 20 km flussaufwärts hergestellt werden (Bild 8). Die Umgestaltung weiterer Wehre bis zu den für Großsalmoniden geeigneten Laichgebieten wird zur Zeit vorbereitet. 7.8.4 Entwicklungen und Erfahrungen Für verschiedene Gewässerentwicklungsmaßnahmen wurden Erfolgskontrollen durchgeführt, deren Erkenntnisse auch in die Folgeprojekte einfließen (GWD, 2003). Bei den aufgeführten Maßnahmen wurden die monotonen Gewässerstrukturen verändert und neue vielfältige Lebensräume geschaffen (Bild 9). Die Erfolgs-
7.8 Weiterentwicklung der Acher-Rench-Korrektion …
415
Bild 8 Umgehungsbach am Renchflutkanal im Jahre 2002 (Foto: W. Maerzke)
Bild 9 Umgestaltete Kammbach-Mündung im Jahre 2002 (Foto: W. Maerzke)
kontrollen zeigen, dass hiervon sowohl die Fische als auch die Kleinlebewesen profitieren. In den Übergangsbereichen Wasser-Land zeigen die Pflanzengesellschaften ebenfalls eine naturnahe Entwicklung. Gehölzbestände, Röhrichtsäume und bachtypische Hochstaudenfluren haben sich heute da etabliert, wo früher artenarmer Böschungsrasen dominierte.
416
7 Erfahrungen
Die Maßnahmen zeigen außerdem, dass auch künstliche Flutkanäle einen hochwertigen Lebensraum vor allem für spezialisierte und heute stark bedrohte Tiere, wie bestimmte Muscheln und Libellenarten, darstellen können. Mit einer optimierten Unterhaltung kann man hier ohne finanziellen Mehraufwand erfolgreich Gewässerentwicklung betreiben.
Literatur ALAND – Arbeitsgemeinschaft Landschaftsökologie (1993) Gewässerentwicklungsplan für die Wasserläufe der Südlichen Acher-Rench-Korrektion (AREKO-Süd) (unveröffentlicht). ATV-DVWK (s. Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser, Abfall e.V., Hennef) ATV-DVWK Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser, Abfall e.V. (Hrsg.) (2002) Aktuelle Hinweise zur Unterhaltung von Fließgewässern im Flachland, Broschüre, Januar 2002. DVWK (siehe Deutscher Verband für Wasserwirtschaft und Kulturbau e.V., Bonn – Anmerkung: Der Deutsche Verband für Wasserwirtschaft und Kulturbau e.V. (DVWK) und die Abwassertechnische Vereinigung e.V. (ATV) sind seit dem 1. Januar 2000 fusioniert. Der neue Verband führt die Bezeichnung: ATV-DVWK Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser, Abfall e.V. mit Sitz in Hennef/Sieg) DVWK Deutscher Verband für Wasserwirtschaft, Abwasser, Abfall e.V. (Hrsg.) (1999) Ökologische Aspekte bei der maschinellen Gewässerunterhaltung, DVWK-Materialien Nr. 4/1999. Gewässerdirektion Südlicher Oberrhein/Hochrhein (Hrsg.) (1999) Unterhaltung und Entwicklung von Flachlandgewässern, Tagungsband zum Workshop am 08./09. Juni 1999 in Achern, Ortenaukreis, Materialien Gewässer, Band 2. Gewässerdirektion Südlicher Oberrhein/Hochrhein (Hrsg.) (2003) Weiterentwicklung der Acher-Rench-Korrektion im Ortenaukreis, Hochwasserschutz und Gewässerentwicklung im Einklang, Broschüre Juni 2003. GWD (s. Gewässerdirektion Südlicher Oberrhein/Hochrhein, Offenburg)
7.9
Die Isar (Bayern) – Ein alpiner Wildfluss Die Isar entspringt im Karwendelgebirge und fließt nach ca. 260 Kilometer bei Deggendorf in die Donau. Das Einzugsgebiet umfasst nahezu 9.000 km2, einschließlich der wichtigsten Nebenflüsse Loisach und Amper. Anhand der geologischen Räume lassen sich drei charakteristische Flussabschnitte unterscheiden: die Obere Isar (vom Quellgebiet bis an die Stadtgrenze von München), die Mittlere Isar (von München bis Landshut) und die Untere Isar (von Landshut bis zur Mündung in die Donau). Über den gesamten Verlauf hatte die Isar den Charakter eines alpinen Wildflusses. Die Niederschläge im Einzugsgebiet betragen im Mündungsgebiet weniger als 700 mm/a, in München ca. 800 mm/a, bei Bad Tölz über 1.200 mm/a und im Gebirge zum Teil über 2.000 mm/a. Die größeren Hochwasser treten im Sommerhalbjahr zwischen Mai und September auf. Beim Pegel München liegt der mittlere Abfluss (MQ) bei ca. ca. 90 m3/s und der Hochwasserabfluss (HQ) bei ca. 350 m3/s. Das Pfingsthochwasser 1999 hatte einen Abfluss von ca. 870 m3/s. Der höchste bekannte Abfluss (HHQ) liegt bei 1.440 m3/s. Das Geschiebetrans-
7.9 Die Isar (Bayern) – Ein alpiner Wildfluss
417
portvermögen der Isar liegt zwischen 20.000 bis zu 60.000 Tonnen Geschiebe/ Jahr (BayLfW & BayLFU, 2001). 7.9.1 Ausgangssituation und Anlass Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die Isar ein noch weitgehend naturbelassener Wildfluss mit sich ständig verlagernden Kiesbänken, eingebettet in ein breites Band von Auenwäldern. Die Flussrinnen verloren sich in einem bis zu 1.000 m breiten Schotterbett. Erst im Mündungsbereich veränderte sich die Laufgestalt. Aus dem verzweigten Verlauf entwickelten sich zunehmend maändrierende Laufformen. Von den Alpen bis zur Donau war der Isar-Flusslauf von einem breiten Auwaldband begleitet, das auch heute noch zu großen Teilen erhalten ist. Diese Auwälder waren nur in den Stadtgebieten von München und Landshut unterbrochen. • Flussbauliche Maßnahmen Die ersten flussbaulichen Korrektionen wurden zu Beginn des 19. Jahrhunderts im Stadtgebiet von München durchgeführt. Das breite Gewässerbett wurde mittels Buhnen und Längsbauwerken auf ein kanalartiges Gerinne reduziert. Als Folge dieses Ausbaus tiefte sich das Gewässerbett ein. Später stabilisierte man diese Eintiefungen durch massive Querbauwerke. Die Korrektionsarbeiten an der Unteren und Mittleren Isar begannen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und waren zu Beginn des 20. Jahrhunderts abgeschlossen. An der Oberen Isar sind einige Flussabschnitte bis heute noch weitgehend unverbaut. Beispielhaft seien hier die Abschnitte zwischen Krün und dem Sylvensteinspeicher sowie zwischen Bad Tölz und der Loisachmündung genannt (Bild 1). • Hochwasserschutz In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden entlang der Isar zahlreiche Hochwasserschutzdeiche gebaut, wie zum Beispiel von der Mündung bis Garching, in München und südlich von München sowie im Bereich des Klosters Schäftlarn. In Landshut legte man nach 1950 eine Flutmulde an, um den Hochwasserschutz für das Stadtgebiet zu verbessern. Eine entscheidende Verbesserung für den Hochwasserschutz der Isar bis Landshut brachte der Bau des Sylvensteinspeichers (1954 bis 1959) (Bild 2). Durch dessen Rückhaltewirkung reduziert sich der Abfluss im Stadtgebiet von München um bis zu 200 m3/s, so dass das HQ100 bei ca. 1.100 m3/s liegt. • Ausleitungen Die großen Schwankungen der Hochwasserabflüsse (Hochwasserextreme) und die hohen Geschiebefrachten waren der Grund, dass in der Isar keine festen
418
7 Erfahrungen
Bild 1 Naturbelassener Flussabschnitt an der Oberen Isar (Archiv Bayerisches Landesamt für Wasserwirtschaft)
Bauwerke errichtet werden konnten. Das Wasser musste daher in Kanäle (Ausleitungsbäche) geleitet werde, die zum Teil heute noch in Betrieb sind. In Stadtgebiet von München speist die Isar ein Netz von Stadtbächen einschließlich des Bachsystems im Englischen Garten, bevor das Wasser über den Garchinger Mühlbach wieder in das eigentliche Isar-Bett zurückgeleitet wird. In Landshut wird Wasser aus der Isar in den Längenmühlbach ausgeleitet, der bei Plattling wieder in die Isar fließt. Wehranlagen gab es nur in München und Landshut. Nur diese Städte waren wirtschaftlich in der Lage, solche Anlagen zu bauen, zu unterhalten und nach zerstörerischen Hochwasserereignissen wieder herzustellen. • Wasserkraftanlagen Zu Beginn des 19. Jahrhunderts begann der Ausbau der Wasserkraft. Die Wasserführung der Isar, das große Gefälle und die technischen Fortschritte begünstigten diese Entwicklung. Bis zum Jahre 1930 waren Ausleitungskraftwerke an der Isar üblich. Das Wasser wurde mittels Wehranlagen aufgestaut und über Kanäle den Kraftwerken zugeleitet. Derartige Kraftwerksanlagen entstanden zunächst am südlichen Stadtrand von München (um 1900), im Mühltal, bei Schäftlarn (1924 bis 1928) und mit dem Bau des Mittleren Isarkanals (1924 bis
7.9 Die Isar (Bayern) – Ein alpiner Wildfluss
419
1928). Erwähnt werden soll in diesem Zusammenhang auch noch die Überleitung von Isarwasser in den Walchensee bei Krün. Diese Anlage wurde in den Jahren nach 1920 errichtet (Karl et al., 1998).
Bild 2 Der Sylvensteinspeicher schützt das Obere Isartal und die Stadt München vor Hochwasser (Archiv Bayerisches Landesamt für Wasserwirtschaft)
• Stützkraftstufen Zwischen Landshut und Plattling sind zwischen 1948 bis 1956 sowie 1976 bis 1988 acht Stützkraftstufen errichtet worden. Dadurch wurde u.a. die fortschreitende Sohleneintiefung unterbunden, gleichzeitig aber auch die mit dem Aufstau gewonnene Fallhöhe zur Energieerzeugung in Wasserkraftanlagen genutzt. Nachteilig für das Fließgewässer Isar waren u.a. die Verringerung der Fließgeschwindigkeit in den Stauräumen und die Unterbrechung der Durchgängigkeit durch die Wehranlagen. Auch wurde durch die Abdichtung der Dämme die Korrespondenz von Fluss- und Grundwasser in der Aue über weite Strecken stark beeinträchtigt. Flussbegradigungen, Hochwasserschutz, Siedlungen und landwirtschaftliche Nutzung haben viele Flusslandschaften in Mitteleuropa, so auch Abschnitte der Isar, verändert. Aus dem einst in einer breiten Aue frei beweglichen Flusssystem wurde bis auf wenige Ausnahmen ein festgelegtes Gerinne mit massiven Längsverbauungen (Bild 3). Querbauwerke wie Abstürze, Wehranlagen, Staustufen und der Sylvensteinspeicher unterbrechen die Durchgängigkeit der Isar
420
7 Erfahrungen
für aquatische Organismen und auch den natürlichen Transport von Geschiebe. Die Gewässerstrukturkarte 2001 der Bundesrepublik Deutschland zeigt eindrucksvoll die morphodynamischen Veränderungen der Flusslandschaften bezogen auf deren natürlichen Zustand, so auch für die verschiedenen Abschnitte der Isar. Eine Aufwertung der Fluss- und Auenlandschaft entspricht den Vorgaben und Zielen der EG-Wasserrahmenrichtlinie, welche die Erhaltung und Wiederherstellung des „guten Zustands“ einfordert. 7.9.2 Entwicklungskonzept, Ziele, Konflikte Ein verändertes Umweltbewusstsein und Freizeitverhalten haben in den letzten Jahrzehnten zu einer Wiederentdeckung naturnaher Flusslandschaften geführt. Eine Voraussetzung dazu waren auch die Erfolge in der Abwasserbehandlung, welche die Fließgewässer als Erholungsraum wieder interessant machten. Um unterschiedliche Nutzungsansprüche an Fließgewässer und Aue (z.B. Hochwasserschutz, Gewässerökologie, Freizeit und Erholung, Wasserwirtschaft, Siedlungswasserwirtschaft, Infrastruktur und Siedlungsgebiete) untereinander abzustimmen und eine nachhaltige Entwicklung zu erreichen, werden im Freistaat Bayern Gewässerentwicklungspläne erstellt. Diese Pläne enthalten konzeptionelle Vorstellungen zur Entwicklung der Flusslandschaft, zur Förderung des natürlichen Rückhaltes bei Hochwasser, zum Abbau von ökologischen Defiziten und zur Verbesserung von Freizeit und Erholung. Ausgehend vom Leitbild, das sich am potenziell natürlichen Zustand der Flusslandschaft orientiert, wird eine Bestandsaufnahme durchgeführt. Im Abgleich mit dem Leitbild werden die Defizite ermittelt. Unter Berücksichtigung bestehender Zwangspunkte, wie zum Beispiel Bebauung und Infrastruktur, werden die Planziele und die zu ihrer Umsetzung geeigneten Maßnahmen aufgezeigt. Für die Isar ergeben sich im Hinblick auf einen verbesserten Hochwasserschutz bzw. Hochwasserrückhalt die folgenden Entwicklungsziele: • Sicherung eines nach ökologischen Gesichtspunkten ausreichenden Mindestabflusses in Ausleitungsstrecken • Wiederherstellung der Durchgängigkeit für im Wasser wandernde Organismen und für das Geschiebe; gilt für die Isar selbst und die einmündenden Gewässer • Wiederzulassen morphodynamischer Prozesse; wie zum Beispiel Laufverlagerungen durch Rückbau von Uferbefestigungen (Längsbauwerken) • Verbesserung des natürlichen Wasserrückhaltes bei Hochwasser durch Rückbau oder Verlegen von Deichen als Beitrag zur Verbesserung des Hochwasserschutzes
7.9 Die Isar (Bayern) – Ein alpiner Wildfluss
421
• Sicherung von Siedlungen und Verkehrswegen durch Verstärkung vorhandener Hochwasserschutzsysteme • Erschließung von Flussabschnitten für Freizeit und Erholung, wo dieses ohne Nachteile möglich ist (z.B. durch Lenkung der Erholungssuchenden). 7.9.3 Planung und Maßnahmen Die Maßnahmen zur Fließgewässer- und Auenentwicklung konzentrieren sich auf … • den Uferrückbau und das Wiederzulassen gewässerdynamischer Prozesse, • den Umbau von Abstürzen in Sohlenrampen und den Bau von Umgehungsgerinnen an Wehren zur Wiederherstellung der Durchgängigkeit, • den Aufkauf von landwirtschaftlich genutzten Flächen und langfristig deren Überführung in Auwald sowie • die Verlegung von uferbegleitenden Wegen, wenn die natürliche Flussentwicklung vorhandene Wegverbindungen unterbrechen wird. Die Chancen für die Fluss- und Auenentwicklung werden nachfolgend anhand von ausgewählten Projekten vorgestellt. Pilotprojekt Mühltal Ein eindrucksvolles Beispiel einer Gewässerentwicklung zeigt der Rückbau der Ufer im Bereich der Ausleitungsstrecke Mühltal. Für diesen Flussabschnitt wurde im Jahre 1998 ein neuer Wasserrechtsbescheid erlassen, der die Betreiber des Kraftwerks Mühltal verpflichtet, einen Mindestwasserabfluss von durchschnittlich 15 m3/s in der Isar zu belassen und zusätzlich Maßnahmen zur Gewässerentwicklung durchzuführen. So wurden am Ickinger Wehr der Fischpass umgebaut, die Geschiebeweitergabe am Wehr verbessert sowie auf einer Fließstrecke von mehr als sieben Kilometern die starren Uferverbauungen im Flussbett entfernt. Der Uferverbau bestand aus Ortsbeton, den man in den zwanziger Jahren aus Isar-Geschiebe und Zement hergestellt hatte. Die starren Betonblöcke wurden entnommen, zerkleinert und das gebrochene Material wieder als „Geschiebe“ in die Isar eingebracht. Mit den ersten Hochwassern wurde das eingebrachte Material weitertransportiert. Zwischenzeitlich sind die nun wieder unverbauten Ufer zum Teil erheblich abgetragen, Gehölze entwurzelt und vom Hochwasser mitgerissen worden. Als Totholz stellen solche Bäume in einem alpinen Fluss natürliche Strukturen dar. Aus ökologischen Gründen ist der Eintrag von Totholz zu begrüßen, soweit an Wehranlagen und Brücken nicht die Gefahr besteht, dass es zu Verklausungen, und infolge dessen, zu Überschwemmungen kommt. Deshalb kann Totholz in verbauten Flussabschnitten oft nur mit Einschränkungen toleriert werden.
422
7 Erfahrungen
Bild 3 Die Isar im Bereich von Icking/Schäftlarn – Als Folge der Korrektion um das Jahr 1925 sind die Kiesbänke weitgehend verloren gegangen (Bayerisches Landesamt für Wasserwirtschaft)
Seit der Entnahme des Uferverbaus hat sich die Isar im Bereich Mühltal bereits erheblich verändert (Bild 4). Bis heute hat sich in Teilbereichen das Flussbett fast um das Doppelte verbreitert. Ausgedehnte Kiesbänke bezeugen die hohe Dynamik alpiner Flüsse. Die vom Fluss beanspruchten Flächen sind
7.9 Die Isar (Bayern) – Ein alpiner Wildfluss
a
423
b
Bild 4 Isar im Bereich Icking/Schäftlarn – Im Jahre 1998 wurde abschnittsweise der Uferverbau entnommen. Das Ergebnis ist ein Fluss, der seinen Verlauf wieder verlagert (Fotos: Archiv Bayerisches Landesamt für Wasserwirtschaft) a. 1998 – Vor dem Rückbau der Uferbefestigung b. 2002 – Nach dem Rückbau der Uferbefestigung
bewaldet und im Besitz des Freistaats Bayern. Die ablaufenden flussmorphologischen Prozesse und die Verlagerung des Flussbettes in den Auwald werden von den Unterhaltspflichtigen mit wissender Gelassenheit beobachtet. Sobald der Fluss den Lauf soweit verlagert hat, dass Privatgrund beansprucht wird, sollen entsprechende Verbauungen eingebracht werden. Auch wird Wasser aus der Isar in bisher trockene Auerinnen geleitet. Dadurch entstanden neue Auebäche und Feuchtgebiete in der in den vergangenen Jahrzehnten trockener gewordenen Isar-Aue. Der Fischpass am Ickinger Wehr wurde neu gestaltet und damit die Durchgängigkeit für im Wasser wandernde Organismen wieder hergestellt. Isarplan – München Der Isarplan München sieht die Verbesserung des Hochwasserschutzes, der Ökologie und des Freizeitwertes im Stadtgebiet von München vor (Hafner, 2001). Die in ein kanalartiges Bett gezwängte Isar, deren Ufer massiv verbaut und deren Sohle durch zahlreiche Abstürze festgelegt ist, erhält wieder eine naturnäheres
424
7 Erfahrungen
Gewässerbett. Dazu wird das Flussbett aufgeweitet und der massive Uferverbau durch kiesüberdeckte Ufer abgelöst. Sohlenrampen ersetzen die vorhandenen Abstürze und sorgen für eine Wiederherstellung der Durchgängigkeit für Wasserorganismen. Die Hochwasserwiesen (Vorländer) werden abgesenkt, um die Abflussleistung bei Hochwasser zu verbessern. Mit diesen Maßnahmen wird das Angebot an Kiesbänken, der Zugang zum Wasserkörper und damit die Möglichkeiten für Freizeit und Erholung an der Isar im Stadtgebiet von München (Naherholung) entscheidend verbessert (Bild 5). Eine frühzeitige Einbindung der Bevölkerung und verschiedener Interessengruppen, zusammengeschlossen in der Isar-Allianz, hat sehr zum Gelingen dieser Maßnahme beigetragen (sogenannte Isar-Allianz).
Bild 5 Die im Zuge des Isarplans neugestaltete Isar im Stadtgebiet von München (Archiv Bayerisches Landesamt für Wasserwirtschaft)
Gewässerentwicklung Mittlere Isar Trotz vieler Eingriffe in die Fließgewässer- und Auenlandschaft wird die Isar zwischen München und Landshut bis auf wenige Engstellen auch heute noch von einem weitgehend geschlossenen Band von Auwäldern begleitet. Große Teile der Isar-Auen zwischen München und Landshut sind als Natur- und Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen, stehen als Bannwald unter Schutz und sind nahezu vollständig für das europäische Biotopverbundnetz NATURA 2000 gemeldet. Grundlage für die nachhaltige Entwicklung der Fluss- und Auenlandschaft Mittlere Isar ist ein vom Bayerischen Landesamt in Zusammenarbeit mit Fach-
7.9 Die Isar (Bayern) – Ein alpiner Wildfluss
425
behörden und Verbänden erarbeiteter Gewässerentwicklungsplan. Ein wichtiger Schritt zur Realisierung dieses Planes war die Vereinbarung mit den Betreibern der Kraftwerkskette am Mittleren Isarkanal, ab dem Jahr 2002 wieder mehr Wasser im Flussbett zu belassen und Investitionskosten für die Entwicklung der Flusslandschaft Isar, d.h. die Umsetzung des Gewässerentwicklungsplanes mitzutragen. Der Entwurf sieht auch vor, durch Rückverlegung von Deichen im Raum Freising bis Moosburg das derzeitige Überschwemmungsgebiet von 1.600 Hektar auf mehr als 2.600 Hektar auszuweiten (Bild 6).
Bild 6 An der Mittleren Isar werden die Deiche zurückverlegt und damit mehr als 1.000 ha Hochwasserrückhaltgebiete wieder gewonnen (Bayerisches Landesamt für Wasserwirtschaft)
Das Projektgebiet ist überwiegend bewaldet. Die Wälder sind im Besitz der Staatsforstverwaltung. Durch die Verlegung der Deiche an den Waldrand werden ansonsten notwendige Eingriffe in die Waldbestände, die bei einer Anpassung der Deiche an die heutigen Anforderungen (s. DIN 19 712 „Flussdeiche“)
426
7 Erfahrungen
erfolgen müssten, vermieden. Da die Flusslandschaft mit ihren Auwaldgebieten als Natura 2000-Gebiete ausgewiesen und als Bannwald nach dem Bayerischen Waldgesetz geschützt sind, wären solche Eingriffe zur Deichverstärkung bei den gebotenen Alternativen auch nicht genehmigungsfähig. Nur in Bereichen, in denen eine Deichrückverlegung aufgrund von Nutzungskonflikten nicht möglich ist, werden die vorhandenen Deiche verstärkt und erhöht, um das Bemessungshochwasser schadlos abführen zu können. Der Deichkörper wird mit Kies geschüttet und nur schwach humisiert. Als nährstoffarmer und relativ wasserdurchlässiger Standort bereichert er das Biotopgefüge der Aue. Diese „brennenähnlichen“ Standorte (grobkiesige Ablagerungen in der Aue) sind Wuchsorte seltener Arten der Halb- und Trockenrasen. Durch regelmäßige ein- bis zweimalige Mahd im Jahr wird der Aufwuchs von Gehölzen unterdrückt. Mit der Deichrückverlegung schafft man die Voraussetzung, dass die Uferverbauungen herausgenommen werden können und das Flussbett der Eigenentwicklung überlassen werden kann. Mit der dadurch einsetzenden Verbreiterung des Flussbettes entstehen wieder gewässertypische Strukturen mit Kiesbänken und Standorten für die Weichholzaue, die mit der Korrektion verloren gegangen waren. Durch die verstärkte Ausuferung und Erweiterung der Retentionsräume wird bei Hochwasser das Gefahrenpotenzial verringert und somit der Hochwasserschutz für die Anlieger und Unterlieger verbessert. Isar-Mündungsgebiet Die etwa sechs Kilometer lange freie Fließstrecke im Mündungsgebiet der Isar wird beidseitig von einem breiten Vorland begleitet. Zusammen mit den Auwäldern und Altgewässern ist das Mündungsgebiet als Schutzgebiet von gesamtstaatlich repräsentativer Bedeutung und als FFH-Gebiet („Natura 2000“) ausgewiesen worden. Aufgrund der herausragenden naturschutzfachlichen Bedeutung des IsarMündungsgebietes (Micheler, 1956) und der noch günstigen flussmorphologischen Verhältnisse (ausreichende Kiesüberdeckung) soll dieser Flussabschnitt möglichst naturnah erhalten werden (Bild 7). Durch Abbaggerung der aufgelandeten Ufer sowie Aufteilen des Abflusses in Flussschlauch und Vorland soll das Wasser wieder in die Aue geleitet und die Verzahnung von Fluss und Aue verbessert werden. Zusätzlich sind umfangreiche Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen nach Vorgabe eines entsprechenden Planwerks vorgesehen. Ein Besucherzentrum in Moos informiert über die gemeinsamen Anstrengungen zum Schutz und Entwicklung der Auen im Isarmündungsgebiet. Dieses wird vom Landkreis Deggendorf, den Fachbehörden des Naturschutzes, der Wasserwirtschaft und dem Bayerischen Naturschutzfond mit finanzieller Unterstützung durch die Europäische Gemeinschaft getragen.
7.9 Die Isar (Bayern) – Ein alpiner Wildfluss
427
Bild 7 Einmündung der Isar in die Donau bei Niedrigwasser im August 2003 – Noch lagert die Isar Geschiebe im Mündungsbereich ab (Archiv Bayerisches Landesamt für Wasserwirtschaft)
7.9.4 Entwicklungen und Erfahrungen Die Isar im 21. Jahrhundert: Keine voralpine Wildflusslandschaft wie ursprünglich, aber ein Fluss, der seine Herkunft bis auf wenige Abschnitte wieder zeigt. Eine Flusslandschaft, die insbesondere für die erholungshungrigen Großstadtbürger attraktiver ist als je zuvor und Lebensräume für die typischen Arten sowohl im Fluss, den Uferbereichen und in den Auwäldern bietet. Die Maßnahmen zum Hochwasserschutz und zur Verbesserung der Flusslandschaft zeigen beispielhaft die Möglichkeiten für eine nachhaltige gesamtheitliche Entwicklung eines Fluss-Aue-Ökosystems auf. Sie entsprechen auch den Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie der Europäischen Union, welche die Erhaltung oder Wiederherstellung des „guten Zustands“ einfordert. Neben den noch zum Teil weitgehend natürlich verbliebenen Flussabschnitten, die zu erhalten sind, gibt es an der Isar von den Alpen bis zur Donau unterschiedliche Spielräume, um mehr Natur zu wagen. Sie auszufüllen, ist Heraus-
428
7 Erfahrungen
forderung und Verpflichtung für den Wasserwirtschaft und darüber hinaus für alle Nutzer der Isar und ihrer Überschwemmungsgebiete.
Literatur BayLfW (s. Bayerisches Landesamt für Wasserwirtschaft, München) BayLfU (s. Bayerisches Landesamt für Umwelt, Augsburg) Bayerisches Landesamt für Wasserwirtschaft, Bayerisches Landesamt für Umwelt (Hrsg.) (2001) Flusslandschaft der Isar von der Landesgrenze bis Landshut – Leitbilder, Entwicklungsziele, Maßnahmenhinweise. Hafner, K. (2001) Neues Leben für die Isar – 2,5 km bereits renaturiert, Isartalverein e.V., Jahresbericht 2000/2001, München, S. 30–34. Karl, J., Scheuermann, H. et al. (1998) Die Isar – ein Gebirgsfluß im Wandel der Zeiten. Jahrbuch des Vereins zum Schutz der Bergwelt, 63. Jg, 1998, München, S. 1–131. Micheler, A. (1956) Die Isar vom Karwendel-Ursprung bis zur Mündung in die Donau, Jahrbuch des Vereins zum Schutze der Alpenpflanzen und -tiere, 21. Jg, München, S. 15–46.
7.10
Die Thur (Schweiz) – Grenzgewässer zwischen den Kantonen Zürich und Thurgau Die Thur entspringt im Säntisgebiet, durchfließt auf einer Länge von 127 Kilometer die Kantone St. Gallen, Thurgau und Zürich und mündet oberhalb des Dorfes Flaach in den Rhein. Von den Kantonen Appenzell Innerrhoden und Appenzell Ausserrhoden fließt die Sitter in die Thur. Im 1.750 km2 großen Einzugsgebiet der Thur entspringen rund 456 Bäche und Flüsse. Die Thur hat ein wildbachähnliches Wasserregime. Weder Seen noch Stauanlagen gleichen die Wassermassen aus. Starke Regenfälle, die mit starker Schneeschmelze oder vorgängig gesättigtem Boden verbunden sind, führen innerhalb weniger Stunden zu hohen Hochwasserabflüssen in der Thur. Das HQ100 beträgt bei Gütighausen 1.350 m3/s. In diesem Abschnitt ist die durchschnittliche Jahresabflussmenge 47 m3/s. Das niedrigste Tagesmittel (Q = 2,24 m3/s) wurde im Jahre 1997 gemessen. Die Geschiebemenge beträgt rund 12.000 m3 pro Jahr. 7.10.1 Ausgangssituation und Anlass Am 7. und 8. August 1978 kam es zu einem großen Hochwasser in der Thur. Innerhalb von 24 Stunden waren am 7. August über dem Einzugsgebiet der Thur schätzungsweise 110 mm Niederschlag (110 Liter pro Quadratmeter) gefallen. Das Hochwasser brachte große Mengen von Schwemmholz mit sich, welches sich auf dem korrigierten Flussabschnitt unterhalb Frauenfeld in den im Abflussprofil auf dem Vorland stehenden großen Pappeln verfing. Dadurch wurde die Flut lokal aufgestaut und das Wasser strömte an verschiedenen Stellen seitlich über die Deiche. Das auf der Luftseite hinunter schiessende Wasser erodierte den aus Erdmaterial, Sand und Kies bestehenden Deich von hinten
7.10 Die Thur (Schweiz) – Grenzgewässer zwischen den Kantonen …
429
Bild 1 Die Überschwemmung der Thur-Ebene zwischen Frauenfeld und Gütighausen (Foto: Ch. Hosig)
her, bis ein Deichbruch erfolgte. Damit brach die Thur aus ihrem Kanal aus und setzte weite Gebiete unter Wasser (Bild 1). 7.10.2 Entwicklungskonzept, Ziele, Konflikte Unmittelbar nach dem Hochwasser beauftragte der Regierungsrat des Kantons Zürich das Amt für Gewässerschutz und Wasserbau mit der Ausarbeitung eines Korrektionsprojektes für die Thur. Die im Jahre 1980 vorgelegte Ausbauplanung sah vor, den ursprünglichen Zustand wieder herstellen, d.h. die bald einhundert Jahre alte Korrektion der Thur rückgängig zu machen. Gegen dieses sehr technische Projekt, mit einem durchgehenden geometrischen Profil auf 27 km Flusslänge und beidseitigem Blockwurf (Steingewicht 1,5 bis 2,5 t), erwuchs aus Naturschutzkreisen energischer Widerstand. Die beratende Kommission des Kantonsrates (Legislative) wies daher das bereits vom Regierungsrat (Exekutive) genehmigte Projekt zur Überarbeitung zurück. Bei der Überarbeitung seien die Belange der Natur besser zu berücksichtigen, ohne jedoch den Schutz von Menschen, Gebäuden und Kulturgütern zu vernachlässigen (Baudirektion Zürich, 2000). In der Folgeplanung, die im Jahre 1983 vorlag, wurden die Naturwerte weit mehr gewichtet. So wurden u.a. die Sohlenbaggerungen reduziert, der Vorlandabtrag modifiziert und der Uferschutz situationsgerecht als Hart-, Misch-
430
7 Erfahrungen
und Lebendverbau geplant. Es war vorgesehen, Deiche im Auenwaldgebiet durch Aufschüttungen im Kulturland zu ersetzen. Trotz dieser Verbesserungen wurde das neue Projekt von den Naturschutzkreisen als immer noch unzureichend abgelehnt. Die Gemeinden des Thur-Tals wiederum fanden das Projekt zu wenig auf den Hochwasserschutz ausgerichtet. Nach langwierigen Verhandlungen beschloss der Regierungsrat das Projekt definitiv zurückzuziehen und auf Drängen des Bundes die Hochwasserschutzarbeiten an der Thur als gebundene Ausgabe auszuführen. Finanzierungen (Ausgaben) werden als „gebunden“ bezeichnet, wenn diese keines Verpflichtungskredites bedürfen, d.h. wenn der Kanton durch übergeordnetes Recht zu ihrer Vornahme verpflichtet ist. Versuch mit Buhnen als mögliche Verbauungsart Im Jahre 1987 begannen die Wasserbauer eine ehemals hart mit Beton und Steinen gesicherte bogenförmige Außenkurve (Prallhang) mit Steinbuhnen zu versehen und damit neue Strukturen in diesen bis dahin glatt verlaufenden Flussabschnitt einzubringen (Bild 2). Hinter dieser Kurve befindet sich, weiter oben am Hang, eine Eisenbahnlinie, die geschützt werden musste. Die Naturschützer waren damit gar nicht einverstanden. Sie erwarteten Ausbaulösungen ohne hartes Material, zum Beispiel mit Lebendverbau. In Anbetracht der exponierten Situation vor Ort galt es, Schutzziel und Verbauungsart in Überreinstimmung zu bringen. Eine „weiche“ Lösung kam hier nicht in Frage. Obwohl die Wasserbauer auf der Buhnenlösung beharrten, war dies der Beginn einer Annäherung mit den Naturschützern. Es zeigte sich nämlich, dass die Buhnen eine Verbesserung der Gewässerstruktur in der Thur bewirkten. Die strukturellen Veränderungen wirkten sich wiederum günstig auf die Fischpopulation aus. Als die Fischereiverwaltung im umgestalteten Flussabschnitt den lange nicht mehr gesehenen Schneider (Alburnoidis bipunctatus) entdeckte, war das auch aus ökologischer Sicht eine Erfolgsmeldung (Straub, 2001). Im weiteren Fließverlauf der Thur ergaben sich weitere Möglichkeiten, eigendynamische Entwicklungen zuzulassen. Die Bauarbeiten wurden nun von einem Landschaftsarchitekten, der von der Regierung mit Weisungskompetenz versehen wurde, begleitet. Die Zusammenarbeit mit den Fachkollegen der Biologie und der Fischerei wurde verstärkt. Das anfangs gespannte Verhältnis zwischen Naturschützern und Wasserbauern gestaltete sich zunehmend vertrauensvoller, da mit jedem fertiggestellten Abschnitt Fortschritte erzielt wurden. Heute ist man sich einig, dass man durch diese Zusammenarbeit einen guten Weg für einen modernen und naturgerechten Wasserbau eingeschlagen hat. Das Säntis-Manifest Das Einzugsgebiet der Thur umfasst Flussabschnitte in insgesamt fünf Kantonen. Jeder dieser Kantone hat eine eigene Wasserbaugesetzgebung und auch eine
7.10 Die Thur (Schweiz) – Grenzgewässer zwischen den Kantonen …
431
Bild 2 Steinbuhnen (im Hintergrund des Bildes); der frühere „Stein“ des Anstoßes. Die Zwischenräume der Buhnen sind nicht befestigt. Auflandungen und Abtragungen ermöglichen eine flusstypische Dynamik (Foto: Ch. Göldi)
Wasserbauverwaltung. In der Erkenntnis, dass für die Entwicklung der Thur und ihrer Seitengewässer und ihres Einzugsgebietes die fünf Kantone gemeinsam die Verantwortung tragen, entwickelte die überkantonale Arbeitsgemeinschaft der Wasserbauingenieure zusammen mit dem Bundesamt für Wasser und Geologie und mit Unterstützung eines externen Landschaftsplaners Grundsätze und Ziele für den Wasserbau im Einzugsgebiet der Thur (sog. Säntis-Manifest). Das Säntis-Manifest hat folgende Inhalte (Arbeitsgruppe Thur, 2001): • Bei allen raumwirksamen Tätigkeiten und Vorhaben am Gewässersystem Thur sind die Sicherheit, die Umwelt sowie wirtschaftliche und soziale Aspekte ausgewogen zu berücksichtigen. • Maßgebend für die natürliche oder naturnahe Entwicklung der Fliessgewässer im Einzugsgebiet Thur sind folgende Ziele: – Ausreichender Gewässerraum – Ausreichende Wasserführung – Gute Wasserqualität – Haushälterischer Umgang mit den natürlichen und wirtschaftlichen Grundlagen Auf der Grundlage dieser regierungsrätlichen Festlegungen wird die Arbeit der Fachstellen weiter fortgesetzt. Jährlich findet eine gemeinsame Tagung statt, an
432
7 Erfahrungen
der wasserbauliche Themen zur Sprache kommen und auch Fragen der Wasserqualität, der Fischerei oder der Raumplanung behandelt werden. Auf den regelmäßigen Sitzungen werden aktuelle Informationen ausgetauscht und zur Zeit vor allem die Arbeiten der gemeinsam in Auftrag gegebenen Geschiebehaushaltstudie für das ganze Thurgebiet behandelt. Diese auf das gesamte Einzugsgebiet bezogene Zusammenarbeit mit der Abstimmung aller Maßnahmen am Gewässersystem ist auch im Sinne der EGWasserrahmenrichtlinie. 7.10.3 Planung und Maßnahmen Die Planung und die damit verbundene politische Auseinandersetzung über das gesamte Thur-Projekt begann nach dem Hochwasser im Jahre 1978. Erst elf Jahre später, im Jahre 1989, wurden die ersten Maßnahmen ausgeführt. Der Thurabschnitt Altikon (ZH) bis Neunforn (TG) wird hier als Beispiel einer Einzelmaßnahme an der Thur, welche sich auf das Säntis-Manifest abstützt und auf die Erkenntnisse der Resultate der Geschiebehaushaltstudien Rücksicht nimmt, dargestellt (Pantucek & Göldi, 2004). Ausgangslage In diesem Abschnitt wurde die Thur vor etwa hundert Jahren kanalisiert und zwischen Deiche gelegt. Das Profil ist ein Doppelprofil mit einer parallelförmigen Niedrigwasserrinne. Das Dimensionierungshochwasser beträgt Q = 1.350 m3/s. Die in der Regel trockenen Vorländer wurden landwirtschaftlich genutzt. Geschiebeproblematik Die Thur ist ein geschiebeführender Fluss. In der über hundertjährigen Geschichte der Eindeichung und Zähmung der Thur inklusive ihrer Seitenbäche ist das Geschieberegime auf verschiedenartigste Weise verändert und beeinflusst worden. Durch Bachverbauungen und Flussbegradigungen sind Geschiebequellen verändert oder abgeriegelt worden. An Geschiebeablagerungsstellen ist Kiesmaterial oft in großen Mengen entnommen worden. In den wenigsten Fällen sind vorab Überlegungen über die Beeinflussung des Gesamtsystems gemacht worden. Verbauungen und Kiesentnahmen verursachten Sohlenabsenkungen bei den Unterliegern. Dies wiederum erforderte den Einbau von Querschwellen zur Sohlensicherung und zur Verhinderung von Grundwasserabsenkungen. Eine der ersten Aufgaben im Rahmen der interkantonalen Zusammenarbeit war es, die Geschiebesituation im ganzen Thur-Einzugsgebiet darzustellen und Vorschläge für Maßnahmen zu machen (Geschiebehaushaltstudie). Die bisherigen Erkenntnisse haben ergeben, dass im Bereich Altikon-Neunforn in den nächsten 20 Jahren tendenziell mit einer Sohlenerosion zu rechnen ist.
7.10 Die Thur (Schweiz) – Grenzgewässer zwischen den Kantonen …
433
Wassererwärmung Ein weiteres Problem ist die starke Wassererwärmung in den Sommermonaten. Im Jahre 1997 betrug das niedrigste Abfluss-Tagesmittel im Unterlauf der Thur MQ1997 = 3,51 m3/s. In den kanalisierten Abschnitten erfolgt der Abfluss, auch bei niedriger Wasserführung, auf der ganzen Breite, d.h. gleichförmig und wenig tief, was einer unnatürlichen Erwärmung Vorschub leistet. Durch Förderung der Eigendynamik innerhalb der Deiche entstehen tiefe Wasserrinnen, wodurch die Wasseroberfläche kleiner wird. Durch entsprechende Messungen sollen die Auswirkungen auf die Temperaturentwicklung geprüft werden, um Argumente für weitere unterstützende Maßnahmen zu sammeln. In einem ersten Schritt wurden auf der linken Seite (Kanton Zürich) die Deiche erhöht und verstärkt sowie das in den vielen Jahrzehnten erheblich aufgelandete Vorland abgetragen. Als Gestaltungsmaßnahme wurde das Vorland in einem Abschnitt stärker abgetragen, damit dieser Teil bei höherem Wasserstand vermehrt unter Wasser gesetzt wird. Besondere Schutzmaßnahmen gegen Erosion wurden vorerst nicht getroffen. Das erste Buhnenfeld und die Skepsis der gegenüberliegenden Nachbarn Nach schweren Hochwassern in den Monaten Mai und Juli 1996, die breite und tiefe Rinnen in das Vorland unterhalb der Altikerbrücke eingegraben und somit den Hochwasserschutzdeich gefährdet haben, waren Sofortmaßnahmen der einzige Weg, den bedrohten Deich zu schützen. Es wurde beschlossen, eine Reihe von Steinbuhnen entlang des Deiches zu bauen. Die Konstruktion der Buhnen war eine Kombination aus einer Reihe von in das Vorland gerammten Holzpfählen und einem Buhnenkörper, der aus ein bis zwei Tonnen schweren Steinen bestand und beidseitig der Pfahlreihe angeordnet war. Bewusst wurde auf eine Sicherung zwischen den Buhnen verzichtet, um eine eingeschränkte Dynamik in diesem Bereich zu ermöglichen. Die Bewohner auf der thurgauischen Seite beobachteten die Situation mit großer Skepsis. Die eintretende Erosion zwischen den Buhnen erachteten sie als sehr gefährlich (Bild 3). Sie befürchteten, dass später bei den Sicherungsarbeiten auf ihrer Seite ebenfalls diese „unsichere“ Verbauungsart angewendet würde. Das Buhnenkonzept hat sich jedoch bisher sehr bewährt. Beim Thur-Hochwasser im Jahre 1999 mit Abflüssen über 1.000 m3/s (Bild 4) sind die Buhnen nur leicht verändert worden und die Erosion im Zwischenbereich erreichte kein gefährliches Ausmaß. Zur Erhöhung der Sicherheit wurden dennoch die Buhnenköpfe in Richtung Flussmitte etwas verlängert. Die Geometrie des Vorlandes und der Buhnen wird periodisch vermessungstechnisch überwacht. Workshop anstatt Projektierungsauftrag Für die weitere Gestaltung zwischen den bereits erhöhten und verstärkten Dämmen stellte sich die Frage der Projektierung. Konventionell hätte man die Projektierungsarbeiten einem Planungsteam übergeben. Dieses hätte nach einer
434
7 Erfahrungen
Bild 3 Erosion zwischen den Buhnen (Foto: Ch. Göldi)
Bild 4 Thur-Hochwasser im Jahre 1999 (Blick auf die überfluteten Vorländer; rechts der Schutzdeich) (Foto: Ch. Göldi)
7.10 Die Thur (Schweiz) – Grenzgewässer zwischen den Kantonen …
435
gewissen Zeit die Projektpläne vorgelegt, die amtlichen Fachstellen hätten in einer Vernehmlassung dazu Stellung genommen, das Projekt wäre angepasst und dann ausgeführt worden. Es wurde ein anderer Weg gewählt. – Unter der Leitung der Abteilung Wasserbau wurden Workshops durchgeführt. Fachleute aus privaten Planungsbüros diskutierten mit Vertretern der kantonalen Fachstellen die Möglichkeiten für diesen Thur-Abschnitt. Das Resultat dieser Workshops waren Skizzen kombiniert mit detaillierten Zeichnungen. Das beauftragte Planungsbüro übertrug diese Skizzen in Projektpläne, ohne weitere ingenieurtechnische Studien vorzunehmen (Bild 5). Das Zusammenspiel der verschiedenen Bauwerke gibt dem Fluss eine große Freiheit. Die Gesamtlänge dieser neu entstandenen Flusslandschaft hat eine Länge von 1.500 Metern. Die Thur wird hier die Möglichkeit erhalten, sich in die Breite von bis zu 150 Metern auszudehnen. Für die Ausschreibung der Bauarbeiten wurde parallel eine konventionelle Arbeitsausschreibung erstellt. Für die Ausführung der Bauarbeiten durch einen privaten Bauunternehmer bedingte dieses Vorgehen eine sehr intensive Bauleitung. Buhnen, Leitwerke, Lebendverbau Der Kern des Projektes ist die große Aufweitung des Gewässerbettes. Dieser Abschnitt umfasst eine Anzahl von Buhnenfeldern, Leitwerken mit und ohne Verbindungen der Endpunkte mittels Baumfaschinen, Holzbuhnen auf der rechten Flussseite, Ein- und Auslaufbauwerke, Faschinenreihen sowie Buschund Spreitlagen (Bild 6).
Bild 5 Situationsplan als Ergebnis der Workshops (Grafik: BHA)
436
7 Erfahrungen
Bild 6 Für das Leitwerk wurde ein Lebendverbau gewählt (Foto: A. Bosonet)
7.10.4 Entwicklungen und Erfahrungen Mit der Entfernung der alten Uferverbauung an der Niedrigwasserrinne konnte sich die Eigendynamik der Thur sehr bald entfalten. Erosion und Auflandung wechseln sich ab. Die Sohlenstruktur verändert sich dauernd. Es entstehen Kolke, Stromschnellen und es bilden sich wandernde Kiesbänke. Der Auenwald auf der thurgauischen Seite ist nun wieder mit dem Flussgeschehen verbunden (Bild 7). Die Erfahrungen auf diesem Flussabschnitt ergeben wichtige Erkenntnisse für die an der Thur und anderen Flüssen vorgesehen Projekte. Eines ist klar: Gebt den Flüssen und Bächen mehr Raum, damit ihre Freiheit zum Wohl von Flora und Fauna und zur Freude der Besucher aus Stadt und Land nutzen können. Das Beispiel zeigt, dass Hochwasserschutz und naturnahe Flusslandschaften keine Gegensätze sein müssen.
7.10 Die Thur (Schweiz) – Grenzgewässer zwischen den Kantonen …
437
a
b Bild 7 Strukturelle Entwicklung der Thur zwischen 1982 und 2003 (Foto: AGW & Ch. Hermann) a. Ausgebaute Thur im Jahre 1982; b. Gleicher Abschnitt im Sommer 2003
Literatur Pantucek, P, Göldi (2004) Erneuerte Flusslandschaft an der Thur, Gas Wasser Abwasser gwa, Heft Nr. 3/2004. Arbeitsgruppe Thur (2001) Die Thur – Ein Fluss mit Zukunft für Mensch, Natur und Landschaft. Straub, M. (Hrsg.) (2001) Neuer Fischatlas des Kantons Zürich, Werd-Verlag, Zürich. Göldi, C., Nikitin, I. (2000) Das Buhnenfeld an der Thur bei Altikon, eine flussgerechte Dammund Ufersicherung. Baudirektion Kanton Zürich – Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft (Hrsg.) (2000) Wasserbau im Kanton Zürich. Sonderdruck Nr. 1450, gwa – Zeitschrift des Schweizerischen Vereins des Gas- und Wasserfaches (SVGW), Zürich. Nikitin, I., Göldi, C. (1996) Die Anwendung von Buhnen im naturnahen Wasserbau, Gas Wasser Abwasser gwa, Heft Nr. 2/96.
438
7 Erfahrungen
7.11
Der Wiesenbach (Schweiz) – Eine Bachöffnung im Zusammenhang mit dem Nationalstraßenbau Im Rahmen des Nationalstraßenbaus zwischen Winterthur und Schaffhausen wurde als Ausgleichsmaßnahme 1996 im Dorf Hettlingen das Dorfzentrum neu gestaltet. Auf einer Länge von 130 m wurde auch der ehemals eingedolte Wiesenbach wieder geöffnet (Bild 1). Das Einzugsgebiet des Wiesenbaches beträgt rund 4 km2. Die Niederschlagsmenge in diesem Gebiet beträgt rund 1.000 mm/a. Die Ausbauwassermenge wurde auf 13 m3/s festgesetzt. Der Trockenwetterabfluss beträgt etwa 20 l/s. 7.11.1 Ausgangssituation und Anlass Am 23. Oktober 1989 hat das Parlament des Kantons Zürich (Kantonsrat) mit der Zustimmung für das Wiederbelebungsprogramm für die Fliessgewässer der Wasserbauverwaltung den Auftrag erteilt, ehemals kanalisierte und eingedolte (verrohrte) Bäche und Flüsse wieder in einen naturnahen Zustand zurückzuführen (Amt für Gewässerschutz, 1989). Bis heute wurden im Kanton Zürich 48 Kilometer Fliessgewässer renaturiert. Realisiert wurden 20 kantonale Revitalisierungsprojekte von insgesamt 13 km Länge mit einem Aufwand von 5,0 Mio. Franken. Etwa 200 kommunale Projekte mit einer Länge von 35 Kilometer, davon 23 Kilometer Bachausdolungen und 12 Kilometer Revitalisierungen, wurden mit 5,2 Mio. Franken subventioniert. Auf der Transitachse Winterthur-Schaffhausen-Stuttgart sind bis ins Jahr 1996 täglich über 25.000 Fahrzeuge durch das Dorf Hettlingen gefahren. Mit dem Bau einer neuen Autostraße, welche das Dorf nun weiträumig umfährt, ergab sich die Chance einer Neugestaltung im Dorfkern kombiniert mit einer Öffnung des seit vielen Jahrzehnten in den Untergrund verlegten Wiesenbaches.
a
b
Bild 1 Öffnung des Wiesenbaches im Rahmen einer Straßenplanung (Foto: C. Hermann & H. G. Gsell) a. Situation in Hettlingen vor …; b. … nach Bachöffnung und Straßenrückbau
7.11 Der Wiesenbach (Schweiz) – Eine Bachöffnung im Zusammenhang …
439
7.11.2 Entwicklungskonzept, Ziele, Konflikte Das Gebiet nördlich von Winterthur wird durch den Chrebsbach, den Wiesenbach und den Näfbach entwässert. Diese Bäche wurden vor Jahrzehnten begradigt und hart verbaut. Der Näfbach wurde im Jahre 1983 als erster Bach im Kanton Zürich abschnittsweise von einem Kanal wieder in einen sehr naturnahen Bach zurückgebaut. Die positive Entwicklung der Bachforellenpopulation in den umgebauten Abschnitten im Näfbach gab Anlass und Motivation, weitere Abschnitte umzugestalten. Mit dem Ziel, in diesen Bächen wieder ein vernetztes naturnahes Bachsystem herzustellen, indem sich, wie in früheren Zeiten, die Bachforellen wohl fühlen können, wurde die Gelegenheit im Zusammenhang mit dem Straßenbau für eine Aufwertung des Wiesenbaches in Hettlingen wahrgenommen. Die Bachöffnung, die grundsätzlich auch auf der Idee des Wiederbelebungsprogrammes für die Fliessgewässer basiert, wurde so zu einem wertvollen Teilstück der regionalen Bacherneuerung. Mit der Dorfkerngestaltung und der Bachöffnung mitten in Hettlingen erfuhr das Dorf eine sehr willkommene Aufwertung (Bild 2). Die Maßnahmen wurden allseits sehr begrüsst und von keiner Seite ist Opposition entstanden. Zum ersten Mal wurde im Kanton Zürich eine völlig funktionsfähige Autostraße aufgehoben und wieder in landwirtschaftlich nutzbares Land zurück gebaut.
a
b
Bild 2 Straßenverlauf in Hettlingen (Foto: H. Waser) a. Hettlingen mit Transitachse im Jahre 1995; b. … nach Rückbau im Jahre 2000
Am Chrebsbach sind ebenfalls im Zusammenhang mit dem Straßenbau zwei Abschnitte revitalisiert worden. Für die noch nicht umgestalteten Abschnitte des Chrebsbaches ist der Erwerb für die zusätzlich benötigte Fläche noch nicht sichergestellt. Es bestehen auch noch offene Fragen betreffend Einfluss auf das Grundwasser.
440
7 Erfahrungen
7.11.3 Planung und Maßnahmen Die Planung für die Öffnung des Wiesenbaches wurde im Rahmen eines Gesamtprojektes für den Straßenrückbau und die Dorfzentrumsgestaltung durchgeführt. Bei der Projektierung für den Bachlauf wurde insbesondere auf die „Durchlässigkeit“ für die Fische geachtet. Die Platzverhältnisse nach dem Abbruch der großen Straßenbrücke und der Redimensionierung der lokalen Dorfstraße erlaubten, dem Bach genügend Raum für Gehölze und Bachböschungen zu geben. Treppen- und Sitzstufen ermöglichen den Zugang nahe ans Niederwasser für Kinder und Erholungssuchende. Im oberen Abschnitt war eine weitere Öffnung wegen der engen Verhältnisse nicht möglich. Um dennoch die Durchgängigkeit für die Fische zu verbessern, wurde ein Schacht in den rund 20 m langen, im Untergrund verlaufenden Abschnitt eingebaut, um mit dem Eindringen des Tageslichtes den Einstieg der Fische zu erleichtern. 7.11.4 Entwicklung und Erfahrungen Mit der Aufhebung der Durchgangsstraße entstand in Hettlingen ein ruhiger neu gestalteter Dorfkern. Der geöffnete Wiesenbach ist nun attraktiver Teil davon. Vor allem die Kinder haben schnell von ihm Beschlag genommen (Bild 3).
Bild 3 Der Wiesenbach mitten im Dorf als Erlebnis (Foto: H.G. Gsell)
7.12 Alterbach und Söllheimerbach (Salzburg – Österreich)
441
Wie erhofft, ist der neue Bachabschnitt schon unmittelbar nach der Öffnung von Bachforellen besiedelt worden. Überraschend fanden sich im wassernahen Uferbereich die selten gewordenen Blauflügel-Prachtlibellen ein. Auf den freigewordenen ehemaligen Straßenflächen sind Häuser gebaut worden und es macht den Eindruck, wie wenn durch Hettlingen nie eine stark befahrene Durchgangsstraße geführt hätte.
Literatur Amt für Gewässerschutz und Wasserbau des Kantons Zürich (Hrsg.) (1989) Wiederbelebungsprogramm für die Fliessgewässer, Kanton Zürich, Sonderdruck Nr. 1205, gwa Nr. 11/89 Hermann, A., Waser, H. (2002) Befreit von der Transitachse – Visionen werden Wirklichkeit, Baudirektion Kanton Zürich & Tiefbauamt Hettlingen (interner Bericht).
7.12
Alterbach und Söllheimerbach (Salzburg – Österreich) Der Ursprung des Alterbaches, eines rechtsufrigen Zubringers der Salzach liegt in einem kleinen Moor in rund 600 m Seehöhe. Auf einer Gesamtlänge von ca. 10,5 Kilometer überwindet der Bach einen Höhenunterschied von 186 Meter und entwässert ein Einzugsgebiet von 30,2 km². Der Bachverlauf folgt der Ost-West gerichteten Überschneidungslinie zwischen den Kalkalpen im Süden und der Flyschzone im Norden. Im Unterlauf durchquert das Gerinne quartäre Terrassen und große Alluvialflächen des heutigen Stadtgebietes von Salzburg. Auf den rechtsufrig, aus Norden einmündenden Hauptzubringer, den Söllheimerbach, entfällt rund ein Drittel des Einzugsgebietes. Der Unterlauf des Söllheimerbaches läuft durch stark lehmige und tonige Böden einer eiszeitlichen Moräne. Bis zur Regulierung des Bachsystems war der Talboden sehr stark versumpft. Die restrukturierten Alter- und Söllheimerbachabschnitte sind dem Metharhitral zuzuordnen, weisen eine Flussordnungszahl von 3 und ein mittleres Gefälle von rd. 8 Promille auf und entsprechen einem oberen Mittellauf mit sommerpluvialem Abflussregime. 7.12.1 Ausgangssituation Hochwasserproblematik und Projektzeitplan Die Hochwassergefährlichkeit der Bäche im Alterbachsystem basiert einerseits auf der geringen Durchlässigkeit der anstehenden Bodenschichten unterhalb der obersten Bodenhorizonte und andererseits auf der Vielzahl von Einleitungen von versiegelten Flächen des Siedlungsgebietes, der Industriezonen und der Verkehrsflächen. Das gesamte Einzugsgebiet mit einer mittleren Höhe von 550 m über NN und einem Jahresniederschlag von 1.565 mm liegt in einer mäßigen Staulage. Der mittlere Abfluss im Projektgebiet am Alterbach (Einzugsgebietsgröße: 11,5 km²)
442
7 Erfahrungen
beträgt rd. 400 l/s (Söllheimerbach 540 l/s). Ein HQ100 ist für den Alterbach mit 49 m³/s und für den Söllheimerbach mit 62 m³/s Katastrophenabfluss ausgewiesen. Die Auslösung extremer Abflussereignisse erfolgt einerseits durch langanhaltende Niederschläge mit hoher Intensität (Großereignis im Jahre 1920 nach drei Tagen Dauerregen), andererseits sind Starkregenereignisse infolge örtlich lagernder Gewitterkerne Verursacher von Hochwasserereignissen, u.a. auch für das Katastrophenhochwasser vom August 1977 (Bild 1). Eine Analyse des Ereignisses von 1977 verdeutlicht die Problematik wie folgt: Aus schutzwasserwirtschaftlicher Sicht bestand ein unzureichender Hochwasserschutz für die mittlerweile hochwertige Nutzung des Raumes als Siedlungsund Gewerbegebiet. Aus gewässerökologischer Sicht bestand eine über Jahrzehnte dauernde Fehlentwicklung in Bezug auf die Nutzung des Hochwasserabflussraumes der Gewässer. Die nach der Hochwasserkatastrophe durchgeführten Sofortmaßnahmen und ein im Jahre 1980 vorgelegtes Regulierungsprojekt für einen Hartverbau des Alter- und Söllheimerbaches wurden als nicht mehr zeitgemäß beurteilt. Dem Stand der Technik im naturnahen Wasserbau folgend, erfolgte, aufbauend auf einer Problemanalyse und der Ist-Zustandsbewertung (Haslauer et al., 1987), die Definition der Zielsetzungen auf Basis eines Leitbildes und die stufenweise Ausarbeitung der Restrukturierungsprojekte Alterbach (Bodi et al., 1987 und 1989) und Söllheimerbach (Flögl, 1992). Mit dem Beginn der Maß-
Bild 1 Hochwasser August 1977 – Anstieg des Wasserstandes von 40 cm auf 240 cm binnen zwei Stunden (Foto: Magistrat Salzburg)
7.12 Alterbach und Söllheimerbach (Salzburg – Österreich)
443
nahmenumsetzung zeitgleich startete das Monitoring (Mader, 1999), das die Basis für laufende Feinjustierungsarbeiten und für die abschließende Bewertung der Zielerreichung darstellt. 7.12.2 Zielzustand Gewässer stehen im natürlichen Interessenskonflikt zwischen den unterschiedlichen Ansprüchen des Menschen. Hochwässer sind natürliche Prozesse im Abflussgeschehen eines Fließgewässers. Demnach ist es keineswegs eine Frage, ob Hochwässer in Zukunft auftreten. Lediglich der Auftrittszeitpunkt und die Ereignisgröße ist ungewiss. Ziel eines nachhaltigen und zukunftsorientierten Wasserbaues und der Raumplanung zur Koordination der verschiedenen Nutzungsansprüche im Alterbachsystem ist nicht ein Kampf gegen die Naturgefahren, sondern ein sinnvollen Umgang mit selbigen. Die konsequente Umsetzung der seit nunmehr Jahrzehnten aufgestellten Forderung, den Fließgewässern wieder mehr Raum zu geben, stellt dabei den wichtigsten Aspekt nach dem Motto, „Retten wir die Retentionsräume, bevor wir uns die Schäden nicht mehr leisten können“, dar. Folgende Ziele galt es im Zuge der Maßnahmenplanung vorrangig zu erreichen: • • • •
Hochwasserschutz HQ100 im Siedlungs- und Gewerbegebiet von Salzburg Nachhaltige Verbesserung der ökologischen Funktion des Gewässers Verbesserung der Erholungsfunktion am Gewässer Wirkungsanalyse zur Erfolgskontrolle und Auswahl kosten-/wirkungsoptimierter Maßnahmen für Folgeprojekte am Söllheimerbach
Die Maßnahmenplanung und -umsetzung am Alterbach und am Söllheimerbach erfolgte auf Basis der neuesten Erkenntnisse über die komplexen Zusammenhänge im und am Gewässer. Kernpunkt der Maßnahmen war es, den Fließgewässern wieder mehr Raum zu geben. Dadurch können sich Hochwässer bis zur Größe eines HQ100, deren Ablauf bislang auf einer schmalen Abflussrinne begrenzt war, wieder in der Breite verstärkt schadlos ausbreiten, wodurch sich Wucht und Höhe verringern. Die Baumaßnahmen wurden verstärkt im Hinblick auf eine Minimierung der Beeinträchtigung der potenziellen Funktion des Fließgewässers ausgewählt und durchgeführt. 7.12.3 Das Alterbachsystem im Wandel der Zeit Kartendarstellungen aus dem Jahr 1797 (Bild 2) und 1830 zeigen gewundene und mäandrierende Gewässerläufe im überwiegend vernässten, zum Teil moorigen Talboden.
444
7 Erfahrungen
Bereits im 19. Jahrhundert begann der in der Landwirtschaft arbeitende Mensch, das Wasser nachhaltig in definierte Bahnen zu lenken. Mit dem Wachstum der Siedlungen in den Talauen hatte auch die Salzburger Bevölkerung ein steigendes Bedürfnis nach raschest möglicher Abfuhr der Wassermassen. Gleichzeitig wurde die Nutzung des Wassers für den Betrieb von Mühlen und für die Holzdrift verbessert.
Bild 2 Alterbach Naturzustand 1797 (Foto: Landesarchiv Salzburg)
Die Gewässer wurden geradlinig und monoton auf einen Ablauf eines HQ20 bis HQ30 ausgebaut (Bild 3). Die natürliche Vielfalt und die Retentionswirkung des Abflussraumes ging verloren und das Gewässer wurde völlig seiner Gehölze beraubt. Bei den Unterliegern traten immer größere Hochwasserspitzen auf. Der Alterbach zeigte bereits um 1830, der Söllheimerbach ab ca. 1905, einen langgestreckten, nur in Teilen kleinbogigen Verlauf. Die bachbegleitende Vegetation dürfte, soweit vorhanden, eher spärlich gewesen sein, da die Flächen an beiden Ufern entwässert und in Folge bewirtschaftet wurden. Im 20. Jahrhundert war es die oberste Maxime des „Klassischen Wasserbaus“, Fluss- und Bachläufe wie auch den Alter- und Söllheimerbach möglichst zu begradigen und so zu verbauen, dass im Hochwasserfall eine schnelle und problemlose Abfuhr der Wassermassen gewährleistet werden konnte. Zu diesem Zwecke wurden möglichst haltbare, dem Angriff des Wassers, Geschiebes, Treib-
7.12 Alterbach und Söllheimerbach (Salzburg – Österreich)
445
Bild 3 Profildarstellung Söllheimerbachregulierung im Jahr 1904 (Grafik: Landesarchiv Salzburg)
Bild 4 Regulierung Alterbach im Jahre 1977 (Foto: H. Mader)
holzes und Eisstoßes widerstehende Baumaterialien verwendet (Bild 4). Ökologische Aspekte wurden weitgehend außer Acht gelassen. Mit der Zeit der beginnenden Grünbewegung wurde, durch eine Besinnung auf Bautypen aus der Frühzeit des Wasserbaus (ingenieurbiologische Bauweisen – Naturnaher Wasserbau), dem steigenden Bedarf an Naturnähe mit der Erstellung des Gestaltungsplanes Alterbach (Bodi et al., 1987 und1989) entsprochen. Jedoch mangelte es in dieser Zeit noch an ganzheitlichen theoretischen Ansätzen zur ökologischen Beurteilung eines Fließgewässers. Wissenschaftliche Grundlagenarbeiten der späten 1980er-Jahre bilden die Basis, Ökologie ganzheitlich zu definieren und Fließgewässer als Lebensräu-
446
7 Erfahrungen
me zu begreifen. Diese Arbeiten fanden im 1992 abgeschlossenen Restrukturierungsprojekt Söllheimerbach (Flögl, 1992) Eingang. Im Jahre 1995 erfolgte schließlich die Definition der „ökologischen Funktionsfähigkeit“ in der österreichischen Norm (ÖNORM) M 6232 und eine Festlegung maßgeblicher Untersuchungselemente für deren Bewertung. Wie die Maßnahmenplanung und -umsetzung im Alterbachsystem zeigen, stehen Hochwasserschutz und Biotopbzw. Landschaftsschutz nicht mehr im Konflikt zueinander. Durch umfangreiche Kenntnis über die Auswirkung von Maßnahmen sowie aus dem Dialog zwischen den einzelnen berührten Fachdisziplinen kann heutzutage ein Konsens gefunden werden, der sowohl aus ökonomischer als auch aus ökologischer Sicht eine entscheidende Verbesserung der Situation der Fließgewässer zur Folge hat (Ökologischer systematischer Gewässerrückbau). 7.12.4 Maßnahmenplanung Sowohl Alterbach als auch Söllheimerbach sind laut Ist-Zustandserhebung hart verbaut, monoton, banalisiert und kanalartig (Mader, 2000). Die Zoozönosen sind degradiert und schwer geschädigt (Moog, 1986). Die Gewässer sind stark abwasserbelastet (Haslauer et al., 1987). Das Fischartenspektrum ist stark verändert (Laher, 1993) und bis auf eine Fischart dezimiert. Laich- und Aufwuchshabitate sowie eine intakte amphibische Wasserwechselzone fehlen. Die Bäche sind in ein 4,5 bis 6 m breites Trapezprofil gezwängt, die Böschungen sind mit großen Steinen gepflastert und gesichert. Die gestreckte Linienführung des Baches ist geprägt durch rd. 20 Sohlenstufen, die das Gewässerkontinuum unterbrechen. Die bestehende Regulierung zum Zweck einer landwirtschaftlichen Nutzung des Talbodens, die eine schadlose Abfuhr eines Hochwassers bis zu einer 20 bis 30-jährlichen Auftrittswahrscheinlichkeit gewährleistete, war für die Raumnutzung als städtisches Siedlungs- und Gewerbegebiet völlig unzureichend. Leitbild Das Leitbild als Abbild des potenziellen Zustands eines ökologisch funktionsfähigen Fließgewässers weist die Gewässerläufe als gewundene bis mäandrierende Lauftypen mit entsprechendem Arteninventar von zum Beispiel bis zu 10 Fischarten und entsprechender räumlicher und zeitlicher Dynamik in der Bettmorphologie aus. Strukturvielfalt und vielfältige Lebensräume und deren laufende Veränderung prägen das Bild des standorttypischen, natürlichen Bachlaufes. Der Flächenbedarf für eine Annäherung an einen naturnäheren Zustand im Zuge der Realisierung der schutzwasserbaulichen Ziele wurde an den Leitbilddaten orientiert. Es erfolgte eine Aufweitung generell um rd. 50 Prozent der bestehenden Breite und eine punktuelle bzw. abschnittsweise Aufweitung um bis zu 200 Prozent.
7.12 Alterbach und Söllheimerbach (Salzburg – Österreich)
447
Maßnahmenplanung Die Auswahl aller Maßnahmen wurde unter Beachtung der Risiken und Schadenserwartungen im Siedlungsraum durchgeführt. Der Schutz bestehender hochwertiger Nutzungen und die Schaffung unterschiedlicher Lebensräume für die Entwicklung resistenter und resilienter, bachtypischer Lebensgemeinschaften stehen gleichwertig im Vordergrund. Im Zuge der Maßnahmenplanung ließen die äußeren Randbedingungen am Alterbach im Stadtgebiet über weite Abschnitte keine Rückführung des Laufes in den Urzustand zu. Hier war lediglich eine Erhöhung der Habitatvielfalt durch eine heterogene Gestaltung der Zonen der niederen bis mittleren Abflüsse möglich. Das Hauptaugenmerk lag dabei in einer Mikro- und Mesostrukturierung des Gewässerbettes. Durch die Anordnung einer schlängelnden Linienführung innerhalb des erweiterten, aber nach wie vor gestreckt verlaufenden Hochwasserquerschnittes wird ein heterogener, strukturreicher Bachverlauf mit wechselnden Steil- und Flachuferzonen und unterschiedlichen Breiten-, Tiefen- und Strömungsverhältnissen geschaffen. Durch kleinräumige, starke Richtungsänderungen wird ein hohes Entwicklungspotenzial für eine eigendynamische Umgestaltung des Baches initiiert. Am Söllheimerbach, und punktuell auch am Alterbach, wo die Anlage eines großzügig gestalteten Gewässerprofils möglich war, konnte auf massive Sicherungen weitestgehend verzichtet werden. Eine eigendynamische Umgestaltung der Bäche ist innerhalb der Grenzen tiefliegender, verdeckter Sicherungselemente gewährleistet (Bild 5). Durch das Ausnutzen bestehender und die Schaffung neuer Retentionsräume an den Zubringerbächen und am Söllheimerbach selbst konnte der Katastrophenhochwasserabfluss von rd. 62 m³/s auf rd. 41 m³/s um ca. 33 Prozent reduziert werden. Innerhalb des Stadtgebietes wurden durch geringe Geländekorrekturen und die Anlage flachgeneigter Deiche zwei Überflutungsmulden mit einem Rückhaltevolumen von ca. 65.000 m³ geschaffen. Dadurch erfolgen die bisher unkontrollierten Überflutungen auf besiedelten Flächen nunmehr als kontrollierte Überflutungen auf Grünland und Waldflächen. Auf Basis der Erkenntnisse der vorangegangenen Alterbach-Restrukturierung wurde der Söllheimerbach in einen naturnäheren Zustand rückgeführt und ein ökologisch hochwertiger Lebens- und Erlebnisraum am Stadtrand von Salzburg geschaffen (Bild 6). Folgende Maßnahmen kamen dabei zur Umsetzung: • • • •
Grundankauf und Brechung der gestreckten Linienführung Vergrößerung des Abflussquerschnittes Variation der Gewässerbreite Ausbildung von Aufweitungen als Sedimentationsbereiche und Flachwasserzonen, • eine Tiefenstrukturierung durch die Zulassung eigendynamischer Entwicklungen und durch Anordnung tiefliegender Stabilisierungselemente
448
7 Erfahrungen
a
b Bild 5 Kleinräumige Restrukturierungen am Alterbach (Fotos: a. H. Mader; b. Landesregierung Salzburg) a. Planung und …; b. … Umsetzung einer Maßnahme
• Initialbepflanzung und Beschattung, variable Ufer- und Böschungsgestaltung (Steil,- Flachufer) • heterogene Sohlengestaltung (Stör- und Belebungselemente) • Sanierung der Abwasserbelastung Im Zuge der Umsetzung des Gesamtprojektes erfolgte die Wiederherstellung ökologisch funktionsfähiger Fließgewässerabschnitte und die Wiederherstellung des Fließgewässerkontinuums im Projektbereich.
7.12 Alterbach und Söllheimerbach (Salzburg – Österreich)
449
Bild 6 Systematischer Gewässerrückbau am Söllheimerbach (Grafik: Koboltschnig & Hager)
7.12.5 Monitoring Der Erfolg der Verbesserung der ökologischen Funktion bzw. der Annäherung an einen naturnäheren Zustand wurde durch den Vergleich des vorgefundenen Zustands mit einerseits dem visionären Leitbild (Urzustand) und andererseits mit dem angestrebten Gewässerzustand unter Berücksichtigung der einschränkenden Randbedingungen beurteilt. Die laufende Adaptierung und Feinjustierung der Maßnahmen nach der Fertigstellung einzelner Abschnitte und die Analyse der Zielerreichung stellten während der Umsetzung einen unverzichtbaren Bestandteil für Folgeprojekte und Folgeabschnitte dar. Die Beurteilung erfolgte auf Basis eines laufenden Erfolgsmonitorings an beiden Bächen. Durch die Umsetzung der Maßnahmen ist es gelungen, die Hochwassergefahr in besiedelten und gewerblich genutzten Bereichen entlang der Alterbachund Söllheimerbachabschnitte im Salzburger Stadtgebiet auf ein Minimum zu reduzieren. Abgesehen vom Restrisiko, welches jedes technische Bauwerk aufweist, ist der Schutz der gewässernahen, hochwertig genutzten Flächen bis zu einem 100-jährlichen Hochwassers gegeben. Die Verbesserungen der Lebensqualität für die Salzburger Bevölkerung sowie die Schaffung wertvoller Lebensräume für Flora und Fauna wurden in den vergangenen Jahren mehrfach wissenschaftlich überprüft, dokumentiert und bestätigt. Abiotische Daten hinsichtlich der Habitatvariabilität und deren Verknüpfung mit biotischen Untersuchungen liegen für maßgebliche niedere Abflüsse vor. Die Profilvariabilität im benetzten Bereich entspricht, ausgedrückt durch den Schwankungskoeffizient der benetzten Breiten mit einem Wert zwischen 3
450
7 Erfahrungen
und 6, naturnahen Gewässerabschnitten. Die Breitenvarianz ist sehr hoch und entspricht mit maximal 42.000 den angestrebten Leitbildwerten von 50.000 (Mader, 1999). Die Varianz der Maximaltiefen ist insbesondere am Alterbach verglichen mit natürlichen Referenzabschnitten auf Grund fehlender großer Kolke gering, konnte jedoch im Vergleich zur Regulierung verzehnfacht werden. Hier zeigt sich das abschnittsweise Fehlen einer Brechung der gestreckten Linienführung des Hochwasserquerschnittes auf Grund fehlender Grundverfügbarkeit deutlich. Die Substratverteilung und Substratsortierung ist vergleichbar mit natürlichen Gewässerstrecken. Die nunmehr vorhandene hohe Variabilität der sohlennahen Fließgeschwindigkeiten dokumentiert die standort- und gewässertypische Variabilität der geschaffenen Habitate für aquatische Organismen. Ein variantenreiches Strömungsbild mit schnell- und langsam fließenden Bereichen, seichten und tiefen Stellen und vielfältigen Verwirbelungen des Wasserkörpers sind das Ergebnis der durch die Bauarbeiten initiierten, kleinräumigen eigendynamischen Umgestaltungen.
a
b Bild 7 Alterbach – Restrukturierungsbereich in den Jahren 1986 und 1998 (Fotos: H. Mader) a. Restrukturierungsbereich im Jahre 1986 vor der Umgestaltung b. Geicher Bereich im Jahre 1998 nach der Umgestaltung
7.12 Alterbach und Söllheimerbach (Salzburg – Österreich)
451
Gesamt gesehen erscheint aus der Analyse der abiotischen Daten die maximale Annäherung an einen naturnäheren Zustand unter den gegebenen Randbedingungen realisiert. Die aufgekommene Vegetation wird dominiert von ausschlagfähigen Weidengehölzen, die bei der Gewässerstrukturierung über ingenieurbiologische Baumethoden zum Einsatz kamen. Im unterschiedlich breit ausgebildeten Vegetationsgürtel finden sich bereits vielerorts bachtypische Vegetationsstrukturen. Eine weiterführende Korrektur in Richtung einer Schwarzerlen-Eschen Aue muss aber erfolgen. Die Gewässerläufe sind mittlerweile gut beschattet (Bild 7b). Durch die heterogene kleinräumige Gestaltung des Bachbettes stehen nunmehr wesentlich mehr ökologische Nischen zur Verfügung, die in einer naturnahen Besiedelung mit gewässertypischen Lebewesen mündete. Die vorgefundene Verteilung der Benthosorganismen in den Restrukturierungsabschnitten entspricht jener natürlicher Gewässerabschnitte. Die Abundanzen konnten von 10.000 Induvidien/m² auf über 30.000 Induvidien/m² gesteigert werden. Zudem erfolgte ein signifikanter Anstieg von Zuckmücken (> 20.000 Individuen/m²), Eintagsfliegen und Steinfliegen (Rüter et al., 1997). Der Vergleich der Revitalisierungsabschnitte mit dem regulierten Zustand vor der Umgestaltung zeigt, dass sich die Umgestaltungen äußerst günstig auf die Artenvielfalt der Fischfauna ausgewirkt haben. Fand vor den Arbeiten nur eine Fischart, die Bachforelle, hier ihren Lebensraum, so konnten bereits wenige Jahre nach Baufertigstellung mit Koppe, Schmerle, Schneider, Gründling, Elritze, Aitel, Flussbarsch, Regenbogen- und Bachforelle neun verschiedene Fischarten nachgewiesen werden (Rüter et al., 1997). Damit einher ging eine Verdopplung der Biomasse. Die gleichzeitige Verzehnfachung der Individuenzahl macht den hohen Anteil an Klein- und Jungfischen in den Restrukturierungsabschnitten deutlich. Das Fehlen großer Karpfenartiger reflektiert das Fehlen großer Pools, die wiederum erst durch eine großräumige Brechung der Linienführung nachhaltig im Gewässer gebildet werden. Zudem fehlt noch eine barrierefreie Anbindung der Restrukturierungsabschnitte an den Vorfluter Salzach. 7.12.6 Entwicklungen und Erfahrungen Trotz der abschnittsweise nach wie vor bestehenden massiven Einengung der Gewässer durch Verkehrsflächen, Siedlungsbereiche, Industrie- und Gewerbegebiete sowie durch infrastrukturelle Maßnahmen (Kanal, Leitungen) konnte durch die Anordnung von formbildenden Elementen im Mikro- und Mesostrukturbereich der Fließgewässer eine wesentliche Verbesserung im Lebensraumangebot für aquatische Organismen geschaffen werden. Bewertet auf Basis der Qualitätskomponenten der EG-Wasserrahmenrichtlinie entsprechen die restrukturierten Bereiche des Alter- und Söllheimerbaches einem „Guten ökologischen Zustand“.
452
7 Erfahrungen
Die Bachlandschaften des Alterbaches und des Söllheimerbaches, samt der sie begleitenden Wege, sind wieder Lebens- und Erlebnisraum für Stadtbewohner aller Altersstufen geworden (Bild 8). Spielende Kinder am Stadtbach nehmen die Bachlandschaft als Erlebnisspielplatz in Besitz und dokumentieren den Erfolg der Maßnahmen zur Schaffung eines erlebnisreichen Lebensraumes im dicht besiedelten Stadtgebiet. Der Abfluss beim Hochwasser im August 2002 lag im Bereich des Bemessungsereignisses. Schäden wurden entlang der revitalisierten Gerinne nur in geringem Ausmaß und Umfang festgestellt.
Bild 8 Abenteuerspielplatz Alterbach (Foto: H. Mader)
Literatur Bodi K., Mader, H., Pelikan, B. (1987 und 1989) Gestaltungsplan Alterbach, 1. Abschnitt (1987), 2. Abschnitt (1989), Wasserrechtliches Einreichprojekt im Auftrag der Stadt Salzburg, Kanal & Gewässeramt, Institut für Wasserwirtschaft, Universität für Bodenkultur, Wien. Flögl, H., Flögl, W. (1992) Hochwasserschutz Söllheimerbach, Projekt im Auftrag des Magistrat Salzburg.
7.12 Alterbach und Söllheimerbach (Salzburg – Österreich)
453
Haslauer, J., Mader, H., Patzner, A.-M., Pelikan, B., Schwarz, W. (1987) Fließgewässerrenaturierungen im großstädtischen Bereich, dargestellt am Alterbachsystem der Stadt Salzburg, Österreichische Wasserwirtschaft, Jahrgang 39, Heft 7/8, S. 189–198. Laher, G. (1993) Wirkungsanalysen der Renaturierungsarbeiten am Alterbach – Söllheimerbach, Diplomarbeit am Institut für Wasserwirtschaft, Universität für Bodenkultur, Wien, 1993. Mader, H. (1999) Biotop Adjustment Measures at river ALTERBACH, Salzburg/Austria, Monitoring 1986–1999, 3rd International Symposium on Ecohydraulics, Salt Lake City 1999, USA. Mader, H. (2000) Lebensraum Stadtbach, Alterbach, Söllheimerbach, Auftrag der Landesregierung Salzburg, FA 6/6, Wasserwirtschaft. Moog, O. (1986) Fließgewässerstudie Alterbach 1986, Fachbericht Makrozoobenthos, Salzburg, 1986. Rüter, H., Asche, H., Glechner, R., Kainz, E., Mader, H., Mark, W., Medgyesy, N., Patzner, A.M., Platzer, G. (1996) Bestandsanalyse ausgewählter Restrukturierungsprojekte an Alterbach, Oichten- und Pollingerbach, BAW-Bundesamt für Wasserwirtschaft, Schriftenreihe Band 2.
Abkürzungsverzeichnis
AK ATV-DVWK BauGB BAW BayLfW BayNatSchG BayObLG BayStLMU BayWG BBodSchG BBodSchV BfG BfN BGB BGBl BGH BMU BMV BNatSchG BVerwG BVerwGE BWK DFG DGM DIN EN DKKV DMJ DVGW DVWK EG-WRRL EU EUGH FAO GG GIS GV
Arbeitskreis Deutscher Verband für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V., Hennef Baugesetzbuch Bundesanstalt für Wasserbau, Karlsruhe Bayerisches Landesamt für Wasserwirtschaft, München Bayerisches Naturschutzgesetz Bayerisches Oberstes Landesgericht Bayerisches Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen, München Bayerisches Wassergesetz Gesetz zum Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten (Bundes-Bodenschutzgesetz) Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung Bundesanstalt für Gewässerkunde, Koblenz Bundesamt für Naturschutz, Bonn Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Bonn/ Berlin Bundesministerium für Verkehr, Bonn Bundesnaturschutzgesetz Bundesverwaltungsgericht Bundesverwaltungsgericht Entscheidung Bund der Wasserbau- und Kulturbauingenieure e.V. Deutsche Forschungsgemeinschaft, Bonn Digitales Geländemodell DIN Euro Norm Deutsches Komitee für Katastrophenvorsorge e.V., Bonn Deutsche Meteorologische Jahrbücher Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e.V., Bonn Deutscher Verband für Wasserwirtschaft und Kulturbau e.V., Bonn (jetzt ATV-DVWK e.V., Hennef) Europäische Wasserrahmenrichtlinie Europäische Union Europäischer Gerichtshof Food and Agriculture Organisation of the United Nations Grundgesetz Geoinformationssystem Gesetz und Verordnungsblatt
456 GV NW Hrsg. LANA LAWA LG NW LUA NRW LWF LWG LWG NW LWG RP NHG NRW NUA OBB OLG OVG StaWA StUA UBA UVP UVPG UVS VDSF VwVfG WBV WG B-W WHG WVG WWA
Abkürzungsverzeichnis Gesetz und Verordnungsblatt des Landes Nordrhein-Westfalen Herausgeber Länderarbeitsgemeinschaft „Naturschutz, Landschaftspflege und Erholung“ Länderarbeitsgemeinschaft „Wasser“ Landschaftsgesetz Nordrhein-Westfalen Landesumweltamt Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft, Freising Landeswassergesetz Landeswassergesetz Nordrhein-Westfalen Landeswassergesetz Rheinland-Pfalz Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz (Schweiz) Nordrhein-Westfalen Naturschutz- und Umweltakademie Nordrhein-Westfalen Oberste Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern Oberlandesgericht Oberverwaltungsgericht Staatliches Amt für Wasser- und Abfallwirtschaft Staatliches Umweltamt Umweltbundesamt, Berlin Umweltverträglichkeitsprüfung Gesetz über die Umweltverträglichkeit Umweltverträglichkeitsstudie Verband Deutscher Sportfischer e.V., Offenbach Verwaltungsverfahrensgesetz Verordnung über den Wasserbau (Schweiz) Wassergesetz Baden-Württemberg Wasserhaushaltsgesetz Wasserverbandsgesetz Wasserwirtschaftsamt
Glossar
Abiotisch Unbelebt, ohne Lebensvorgänge. Abundanz Anzahl der Organismen bezogen auf eine Flächen- oder Raumeinheit Adult Erwachsen, geschlechtsreif. Abwägung Die Abwägung hat bei vielen gesetzlichen Regelungen ihren Niederschlag gefunden. Hauptinhalt ist die gerechte, objektive Abwägung öffentlicher und privater Belange gegenund untereinander. Agenda 21 1992 in Rio verabschiedetes (unverbindliches) Aktionsprogramm zur Umsetzung der Rio-Deklaration über Umwelt und Entwicklung, das u.a. eine nachhaltige umweltschonende Planung und Bewirtschaftung der Landesressourcen fordert. Allochthon Fremdbürtig, d.h. an einem anderen Ort entstanden und in ein System eingetragen. Alluvial, Alluvialböden Durch Wasser in Täler eingeschwemmtes und dort abgelagertes Material (z.B. Schotter oder Feinsedimente) Altgewässer Ehemalige Flussschlingen, die zumindest zeitweilig oberirdisch und/oder unterirdisch mit dem Gewässer in Verbindung stehen. Zu den Altgewässern gehören Altarme, Altwasser und Qualmgewässer. Altarme haben bei Mittelwasser andauernd einseitig oder beidseitig – allerdings nicht durchströmt wie ein Flussarm – Anschluss an das Gewässer. Altwasser dagegen stehen nur bei Hochwasser direkt mit dem Flusswasser in Verbindung. Qualmgewässer sind auch bei Hochwasser durch Deiche vom Gewässer abgetrennt und korrespondieren mit diesem nur unterirdisch. Totarme sind zwar ehemalige Flussschlingen. Sie sind aber dauernd, sowohl ober- wie unterirdisch vom Flusswasser abgekoppelt.
458
Glossar
Amphibisch Im Wasser und auf dem Land lebend Amphibischer Bereich eines Gewässers Bereich, der einen häufigen Wechsel zwischen Überfluten und Trockenfallen aufweist (Wasserwechselzone). Anaerob Sauerstofffreies Milieu Anthropogen Durch den Menschen verursacht oder beeinflusst Art (Species) die Grundeinheit des natürlichen Systems der Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen. Aquatisch Im Wasser lebend Aquatischer Bereich eines Gewässers Bereich, der fast ständig mit Wasser bedeckt ist. Aue Morphologisch bedingtes Überschwemmungsgebiet eines Fließgewässers. Siehe auch Gewässeraue, Flussaue. Auenwald, Auwald Flussbegleitende, von Überschwemmungen, hohen Grundwasserständen und -schwankungen geprägte Strauch- und Waldformationen, wobei außerhalb der Gebirge unter natürlichen Verhältnissen in öfters überfluteten, also flussnahen Bereichen Weichholzauen und in nur noch selten vom Hochwasser überstauten Bereichen Hartholzauen zu finden sind. Auflandung Prozess der Landentstehung in einem Gewässer durch Eintrag und Ablagerung von mineralischen Feststoffen (anorganischem Material, siehe auch Verlandung). Ausgleich Ein Eingriff ist ausgeglichen, wenn durch Ausgleichsmaßnahmen nach seiner Beendigung keine erheblichen oder nachhaltigen Beeinträchtigungen des Naturhaushaltes zurückbleiben. Dasselbe gilt für das Landschaftsbild. Ausgleichspflicht (§ 19 Abs. 2 BNatSchG) Wenn Beeinträchtigungen nicht zu vermeiden sind, müssen sie vorrangig ausgeglichen werden (z.B. durch Entsiegelung einer Fläche, Neuanlage von Feldgehölzen oder Feuchtgebieten in räumlicher Nähe des Eingriffsortes). Dabei sollen die Ausgleichsmaßnahmen eine gleichartige Funktion innerhalb des Naturhaushaltes und des Landschaftsbildes wiederherstellen. Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen Maßnahmen des Naturschutzes und der Landespflege zum Ausgleich unvermeidbarer Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft (§ 8 BNatSchG).
Glossar
459
Ausleitung Nutzungsbedingte Wasserentnahme (z.B. für ein Wasserkraftwerk im Nebenschluss) Ausuferungswasserstand Wasserstand, bei dem das Ausufern beginnt (DIN 4049 Teil 1, Nr. 3.1.15). Autochthon Am Ort des Vorkommens entstanden (bodenständig, einheimisch) Benthal Lebensraum im Bereich des Gewässerbodens Benthisch Den Boden bewohnend Benthos Gesamtheit der Lebensgemeinschaften des Gewässerbodens Bewirtschaftungspläne für Einzugsgebiete Darstellung der Vorgehensweise bei der Bewirtschaft von Flussgebieten gemäß Art. 13 EGWRRL Biodiversität Oberbegriff für die Vielfalt der Ökosysteme, der Lebensräume mit ihren Lebensgemeinschaften, der Arten und der genetischen Varianz innerhalb einer Art. Biogen Von biologischen Systemen abstammend oder durch diese bedingt Biomasse Gewicht von Organismen einer Flächen- oder Volumeneinheit Biosphärenreservat Großräumige Landschaften, die durch reiche Naturausstattung und wichtige Beispiele einer landschaftsverträglichen Landnutzung überregionale Bedeutung besitzen und als Naturschutz- oder Landschaftsschutzgebiete ausgewiesen sind, den Richtlinien der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) genügen und als Biosphärenreservat ausgewiesen sind. Biotop Lebensraum einer Biozönose von einheitlicher, gegenüber seiner Umgebung mehr oder weniger scharf abgrenzbarer Beschaffenheit (z.B. der Lebensraum eines Altwassers). Biotopkartierung Standardisierte Erfassung von Biotopen (Lebensräumen) auf der gesamten Fläche eines Untersuchungsraumes als Grundlage für eine umfassende Landschaftsanalyse und Landschaftsbewertung. Dabei finden vorrangig Strukturen, Tier- und Pflanzenarten sowie Tier- und Pflanzengesellschaften Berücksichtigung. Biotoptypenkartierung Zuordnung der vorhandenen Biotope zu bestimmten Biotoptypen, die gemeinsame Merkmale (z.B. das Vorkommen bestimmter Leitarten und Landschaftsstrukturen) aufweisen.
460
Glossar
Biotopverbund Lebensräume (Biotope), die innerhalb eines Landschaftsausschnittes in unmittelbarem Kontakt zueinander stehen (Wechselbeziehungen). Biotopverbundsysteme sollen den Effekten der zunehmenden Flächenreduktion und Isolierung naturnaher Lebensräume entgegenwirken. Biozönose Lebensgemeinschaft der in einem Biotop regelmäßig vorkommenden Pflanzen und Tiere, die untereinander (und mit Arten weiterer Biozönosen) in Wechselbeziehungen stehen. Brenne Von der Flussdynamik – vorwiegend von nacheiszeitlichen Schmelzwasserströmen – aufgeworfene Kiesschüttung, die aufgrund der nur geringmächtigen Feinerdeabdeckung, trotz gelegentlicher Überschwemmungen, einen sehr trockenen Standort in der Aue darstellt. Bruchwald Schwarzerlenwald, der auf organischen, gewöhnlich nur im Frühjahr überstauten Böden mit ganzjährig hohem Grundwasserstand stockt. Bei saurem und nährstoffarmen Torfen lösen Moorbirke (Betula pubescens) und/oder Kiefer (Pinus silvestris) die Schwarzerle (Alnus glutinosa) ab und können bis hin zu reinen Birken- oder Kiefernbrüchen entwickelt sein. Ein Bruchwald stellt das Endstadium einer Verlandungssukzession dar. Choriotop Teillebensraum (z.B. eines Gewässers) der sich anhand des Substrates differenzieren lässt. Detritus Zerfallsprodukt pflanzlichen und tierischen Ursprunges, z.B. abgestorbene Pflanzen, Kot, Leichen. Dieses organische Material ist meist dicht mit Mikroorganismen besetzt, v.a. mit Bakterien und Pilzen. Diversität Maß für die Vielfalt an Arten, Artenmannigfaltigkeit und Artenreichtum. Dominant Vorherrschend, sehr häufig. Dominanz Hoher prozentualer Anteil einer Art oder Organismengruppe an der Gesamtheit der Lebensgemeinschaft Dystroph Nährstoffarme Humusgewässer mit sehr geringem Kalk- und hohem Humusgehalt, die nur eine geringe Pflanzenproduktion zulassen. Eingriff Eingriffe in Natur und Landschaft sind konkrete anthropogene Veränderungen der Gestalt oder Nutzung von Grundflächen, die die Funktions- und Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes oder das Landschaftsbild erheblich und nachhaltig beeinträchtigen können. Eingriffsregelung Festlegung, Dauer und Schwere eines Eingriffes und die verfahrensmäßige Behandlung der Eingriffsfolgen. Im Rahmen der Eingriffsregelung müssen alle mit einem Vorhaben verbundenen Eingriffe erfasst und bewertet sowie Ausgleichsmaßnahmen festgelegt wer-
Glossar
461
den. Ist das Vorhaben nicht ausgleichbar und überwiegen gleichzeitig die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, so ist das Vorhaben nicht zulässig. Einzugsgebiet In der Horizontalprojektion gemessenes Gebiet, aus dem Wasser oder Abwasser einem bestimmten Ort zufließen (s. auch DIN 4049 Teil 1). Emers Teilweise aus dem Wasser ragend wachsend Endemisch Arten, die nur in einem bestimmten Gebiet heimisch sind. Endemit Art, die ausschließlich in einem eng begrenzten Gebiet heimisch ist. Erholung Erhaltung oder Wiederherstellung der körperlichen, geistigen und psychischen Kräfte des Menschen. Erosion Abtragungen der Erdoberfläche durch Wasser, Wind, Frost, Gravitation und Lösungsvorgänge. Ersatz Ersatz ist zu leisten, wenn ein Eingriff erhebliche Beeinträchtigungen des Naturhaushaltes und des Landschaftsbildes verursacht hat, die nicht ausgeglichen werden können. Der Verursacher des Eingriffes muss dann an anderer Stelle einen entsprechenden Beitrag zur Verbesserung des Naturhaushaltes und des Landschaftsbildes erbringen (Ersatzmaßnahme). Ersatzgesellschaften Anthropogenbedingte Sekundärgesellschaften (z.B. Hochstaudenfluren statt Weichholzaue) Europäische Vogelschutzrichtlinie Diese Vogelschutzrichtlinie wurde 1979 vom Umweltministerrat als „Richtlinie des Rates über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten“ verabschiedet. Ziel dieser Richtlinie ist ein besserer Schutz aller in Europa brütenden, rastenden und überwinternden Vogelarten. Sie enthält strenge artenschutzrechtliche Bestimmungen. Euryök Ausdruck für Organismen, die eine große Schwankung lebenswichtiger Umweltfaktoren vertragen (große ökologische Amplitude) (Anmerkung: Gegenteil „stenök“). Eutroph Reichlich mit Nährstoffen versorgt, mit hoher Produktion. Evolution Genetische Veränderung, Anpassung und Höherentwicklung der Lebewesen. Extensivierung Verringerung des Einsatzes von ertragsfördernden Mitteln und/oder Methoden in der Landnutzung, u.a. durch Rücknahme der Düngungsintensität, des Pflanzenschutzmit-
462
Glossar teleinsatzes oder durch Nutzungsumwidmungen (z.B. durch Rückführung von Acker zu Grünland, Nutzungseinschränkungen oder Nutzungsverzicht).
Faschinen Zusammengeschnürtes Reisigbündel zur Ufer-, Hang- und Deichbefestigung Fauna Tierarten eines bestimmten Gebietes Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) „Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen“. Die FFH-Richtlinie ist zusammen mit der Vogelschutzrichtlinie die erste Regelung zum Lebensraum- und Artenschutz in der Europäischen Gemeinschaft und somit Grundlage zu Natura 2000. Fischregion Fließgewässerabschnitte mit typischen Vertretern der Fischfauna Flächennutzungsplan Instrument der gesamträumlichen Planung auf kommunaler Ebene (Gemeinde); vorbereitender Bebauungsplan, der für das gesamte Gemeindegebiet die beabsichtigte städtebauliche Bodennutzung in den Grundzügen darstellt. Feststoffe Feste Stoffe, die vom Wasser fortbewegt oder abgelagert werden; einschließlich Eis (DIN 4044). Man unterscheidet: Schwimmstoffe, Schwebstoffe, Sinkstoffe und Geschiebe. Feststofftransport Masse der Feststoffe, die in einer bestimmten Zeit durch den betrachteten Querschnitt transportiert werden. Feuchtgebiet Ökosystem in dem reichlich Wasser zur Verfügung steht und für das feuchte vertragende Lebensgemeinschaften charakteristisch sind (z.B. Moore, Flussauen oder sonstige Feuchte begünstigte und/oder grundwassernahe Standorte). Feuchtwiesen Feuchte Wiesen mit zeitweilig sehr hohen Grundwasserständen, die aber nur in trockenem Zustand bewirtschaftet werden können (z.B. Kohldistelwiesen). Fischwanderhilfen Sammelbegriff für Anlagen, welche die Wanderungen von Fischen ermöglichen bzw. verbessern. Es wird hierbei zwischen Fischauf- und Fischabstiegsanlagen unterschieden. Fließgewässerlandschaften Teilräume mit ganz spezifischen, regionaltypischen Erscheinungsformen der Gewässer und Auen. Flussgebietsbewirtschaftungsplan; Bewirtschaftungsplan Gemäß § 36b WHG aufzustellender Plan in dem u.a. die Merkmale der Gewässer, der Zustand, die Schutzgebiete, die Überwachungsnetze und -ergebnisse, die Bewirtschaftungsziele, die wirtschaftliche Analyse des Wassergebrauchs, die Inhalte der Maßnahmeprogramme sowie die Maßnahmen zur Beteiligung der Öffentlichkeit darzustellen sind (näheres siehe § 36b Abs. 2 WHG).
Glossar
463
Flusskiesungen Entnahme von Kies oder Sand aus dem Gewässerbett Flusswasserstraße Fließgewässer, das mit oder ohne Veränderungen am Gewässerverlauf und an den Gewässerquerschnitten als Wasserstraße genutzt wird. Fluvial Durch das fließende Wasser entstanden Frequenz Häufigkeit bestimmter Arten Furkation Flussgabelung, Umlagerung. Genist Ansammlung von Treibgut, das einen eigenen Kleinstlebensraum darstellt. Geomorphologie Lehre von den auf die Erdoberfläche gestaltend wirkenden physischen Vorgängen und den durch sie geschaffenen Formen. Gerinne Seitliche und untere Abgrenzung einer Strömung mit freier Oberfläche. Hierbei ist die Ausdehnung des Gerinnes in der Hauptströmungsrichtung sehr viel größer als senkrecht zur Hauptströmungsrichtung. Hierzu gehören auch teilgefüllte Rohre (DIN 4044). Geschiebe Anorganische Feststoffe (Kiese, Sande usw.), die im Fließgewässer, insbesondere an der Gewässersohle, bewegt werden. Geschiebebewirtschaftung Bewirtschaftung des Geschiebehaushaltes eines Fließgewässers im Hinblick auf die angestrebten Entwicklungsziele Gewässerbett Zum oberirdischen Gewässer gehörende Eintiefung oder Abdämmung der Landoberfläche (DIN 4049 Teil 1 Nr. 3.1.5) Anmerkung: Das Überschwemmungsgebiet gehört nicht zum Gewässerbett. Gewässeraue, Flussaue Talbereich mit im Jahresablauf stark schwankendem Grundwasserspiegel, teils mit Überflutung und Auflandung, teils mit Qualmwasseraufstieg (DIN 4047 Teil 5, Nr. 1.13). Gewässerdynamik Wirkungskomplex, der von den Abflüssen (Niedrig- bis Hochwasserabflüsse, jeweils nach Dauer, Häufigkeit und Verteilung im Jahresgang), den davon abhängigen Überschwemmungen (Überflutung, Überstauung), den mitgeführten Feststoffen (Geschiebe, Schwebstoffe, Schwimmstoffe bis hin zu Totholz) in Verbindung mit den Fließgeschwindigkeiten (Erosion, Umlagerung, Sedimentation) und den Schwankungen der Grundwasserstände in der Aue bestimmt wird.
464
Glossar
Gewässermorphologie Lehre von Entstehung und Entwicklung der Oberflächenformen der Erde (hier: Entstehung und Entwicklung der Gewässer und Auen) Gewässerökologie Wissenschaft vom Stoff- und Energiehaushalt eines Gewässers einschließlich aller Wechselwirkungen seiner Bewohner untereinander und mit der abiotischen Umwelt Gewässerstruktur Nach vorgegeben Kriterien bewertete Struktur eines Gewässers mit seinen Randbereichen ((früher) Gewässerstrukturgüte) Grobdetritus Relativ grobes (größeres) abgestorbenes pflanzliches und tierisches Material auf dem Land und im Wasser (z.B. abgefallenes Laub auf der Gewässersohle) Großseggenriede Sauergrasformationen, die auf ganzjährig nassen, organischen Verlandungsböden wachsen und vorwiegend aus hohen Seggen-Arten bestehen, von denen oft nur eine Art dominant auftritt. Grundwasserentnahmen Nutzungsbedingte Entnahme von Wasser aus einem Grundwasserleiter Habitat Ort, an dem Organismen einer Art regelmäßig anzutreffen sind. Oft wird der Begriff synonym zum Begriff Biotop gebraucht. Hartholzaue Selten und nur kurzzeitig überfluteter Bereich der Aue, in dem Hartholzarten, z.B. Gemeine Esche (Fraxinus excelsior), Stieleiche (Quercus robur) oder Bergahorn (Acer pseudoplatanus), standorttypisch sind. Herbivor Pflanzenfressend Hochstaudenfluren Gehölzfreie, meist nitrophile Pflanzenformation aus vorwiegend hoch- und schnellwüchsigen Stauden. Hybride Nachkomme genetisch unterschiedlicher Arten (z.B. Hybridpappeln) Hydraulik Strömungslehre, vorwiegend auf empirischen Beziehungen aufbauend. Im Wasserbau auch der Sammelbegriff für die verschiedenen rechnerischen Nachweise. Hydrologie Wissenschaft vom Wasser über, auf und unter der Erdoberfläche, welche sein Vorkommen, seine Zirkulation und Verteilung, seine chemischen und physikalischen Eigenschaften sowie die Wechselwirkungen mit der Umwelt erforscht.
Glossar
465
Hydrogeologie Zweig der angewandten Geologie, die sich mit dem Wasserhaushalt der verschiedenen Gesteine und Gesteinsverbände und der Möglichkeit der Wassergewinnung aus diesen befasst. Hypertroph Übermäßig stark mit Nährstoffen versorgt Hyporheisches Interstitial Durchflossenes Lückensystem der Bettsedimente eines Fließgewässers Ingenieurbiologie, Ingenieurbiologische Bauweisen Verwendung von Pflanzen oder Pflanzenteilen als Baustoffe im Erdbau zur Sicherung von unbefestigten Oberflächen (z.B. vor erosiven Angriffen von Wind und Wasser) Ingenieurökologie Ingenieurmäßige Umsetzung von Maßnahmen nach ökologischen Erkenntnissen Intensivlandwirtschaft, intensive Nutzung Form der Landwirtschaft mit hohem Einsatz von Produktionsmitteln je Flächeneinheit, meistens mit hohem Düngemitteleinsatz und relativ großem Aufwand an synthetisch hergestellten Pflanzenschutz-, Pflanzenbehandlungs- und Unkrautbekämpfungsmitteln. In intensiven Produktionssystemen werden meistens nur wenige Kulturpflanzen bevorzugt angebaut, wodurch artenarme Fruchtfolgen entstehen. Durch Nebenwirkungen werden Fauna, Flora, Boden, Wasser und Luft belastet. Interaktionen In der Hydraulik die wechselseitigen Beziehungen zwischen zwei unterschiedlichen Strömungsbereichen (z.B. Vorland und Hauptgerinne) Interglazial Warmzeit, wärmere Klimaperiode zwischen zwei Glazialen (Kaltzeiten), mit einem Rückgang der Vergletscherung verbunden. Interstitial Lebensraum im wassererfüllten Hohlraumsystem der Gewässersohle und der Ufer Invertebraten Wirbellose Tiere mit Ausnahme der Protozoa, der Einzeller. Isotachen Linien gleicher Geschwindigkeiten Juvenil Jung, nicht geschlechtsreif Karnivore Fleischfressende Pflanzen und Tiere Kaskade Folge von kleinen Abstürzen (Wasserfällen)
466
Glossar
Kulturlandschaften Aufgrund der Nutzung durch den Menschen in historischer Zeit entstandene und durch die Nutzungsformen geprägte Landschaft mit überwiegend anthropogen bestimmten Ökosystemen (im Gegensatz zur Naturlandschaft). kohäsiv Fähigkeit der Tonpartikel zusammen zu kleben; zusätzlicher Widerstand beim Feststofftransport Kolk Örtlich begrenzte, durch Strömungsvorgänge hervorgerufene Vertiefung im Gewässerbett. Kolmation, Kolmatierung Abdichtung der Bettsedimente (z.B. durch Verschlammung) Konkurrenz Wechselbeziehungen zwischen Organismen; auch dadurch bedingte Verdrängung. Krenal Quellzone, Lebensraum eines Quellbereiches Kryal Lebensraum des Gletscherbaches, der vom schmelzenden Gletschereis beeinflusst ist. Längsverbau Sicherung im Gewässerbett parallel zur Fließrichtung Landespflege Zusammenfassende Bezeichnung für die Aufgabengebiete Naturschutz und Landschaftspflege einschließlich der Grünordnung Landesraumordnungsprogramm Gesamträumliche Planung auf Länderebene (Bundesland) zur Abstimmung unterschiedlicher Anforderungen an den Raum (mit unterschiedlichen Bezeichnungen in den einzelnen Bundesländern) Landschaftsbild Äußere, sinnlich wahrnehmbare Erscheinungsform von Natur und Landschaft. Die Bewertung erfolgt anhand objektiv darstellbarer Strukturen und subjektiv-ästhetischer Wertmaßstäbe des Betrachters. Das Landschaftsbild wird durch die Vielfalt, Eigenart und Schönheit der natürlichen Landschaftselemente geprägt. Landschaftsbestandsteil Einzelnes Element oder Elementgruppe der Landschaft, z.B. Einzelbaum, Baumgruppe, Feldhecke, kleines Wäldchen, Felswand etc; wegen des Alters, der natürlichen Schönheit, oder wegen der Bedeutung für das Landschaftsbild oft gesetzlich geschützt. Landschaftsökologie Wissenschaft von der Struktur, Funktion und Entwicklung von Landschaften. Landschaftspflegerischer Begleitplan Beitrag des Naturschutzes und der Landschaftspflege in Text und Karte zum Fachplan für konkrete Planungsobjekte auf kommunaler Ebene (Teil des Bebauungsplanes) zur Dar-
Glossar
467
stellung der zum Ausgleich von Eingriffen erforderlichen Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege durch den Planungsträger (§ 14 Abs. 2 BNatSchG). Landschaftspflege Alle Maßnahmen zur Sicherung, Pflege und Neuanlage naturnaher Lebensräume für heimische Pflanzen- und Tierarten sowie Maßnahmen zur Pflege und Renaturierung bei Schäden an Naturhaushalt und Landschaftsbild. Die Aufgabe der Landschaftspflege besteht darin, die ökologische und landschaftliche Vielfalt zu erhalten und zu entwickeln. Landschaftspflegeverband Landschaftspflegeverbände sind gemeinnützig eingetragene Vereine, die keine behördlichen Befugnisse besitzen. Sie werden nur auf Wunsch von Grundstückseigentümern (Gemeinden, Privatpersonen oder andere Verbände) tätig und sind meist für ein Gebiet eines Landkreises oder Naturraumes zuständig. Landschaftsplan Text- und kartenmäßige Darstellung der örtlichen Erfordernisse und Maßnahmen zur Verwirklichung der Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege u.a. als Fachbeitrag zu Bauleitplänen (§ 16 BNatSchG). Landschaftsplanung Fachplanung des Naturschutzes und der Lanschaftspflege (als Teil der gesamträumlichen Planung) in den Stufen Landschaftsprogramm, Landschaftsrahmenplan und Landschaftsplan Landschaftsprogramm Landschaftsplanung auf Landesebene u.a. als Fachbeitrag zum Landesraumordnungsprogramm (§ 15 BNatSchG) Landschaftsrahmenplan Landschaftsplanung auf regionaler Ebene (z.B. Regierungsbezirk, Region, Kreis) u.a. als Fachbeitrag zum Regionalplan (§ 15 BNatSchG). Larval, Larvalphase Jungendstadium von Tieren, das vom Körperbau adulter Tiere stark abweicht (z.B. Libellenlarven oder Kaulquappen). Lateral Seitlich befindlich Leitbild (Entwicklungsziele) Mit dem Leitbild, das den gewünschten Endzustand von Natur und Landschaft beschreibt, wird das Ziel der Entwicklung von Natur und Landschaft im Planungsraum beziehungsweise im jeweiligen Naturraum bestimmt. Limnisch Im Süßwasser lebend bzw. entstanden Limnologie Ökologie der Binnengewässer Litoral Uferzone von Gewässern
468
Glossar
Mäander Gewässerschlinge; beim Durchbruch von Gewässerschlingen entstehen Altgewässer. Makrophyten Mit bloßem Auge sichtbare Wasserpflanzen Makrozoobenthos Gesamtheit der mit dem Auge sichtbaren wirbellosen Lebewesen des Gewässerbodens Melioration Maßnahmen zur nachhaltigen Verbesserung der land- und forstwirtschaftlichen Nutzbarkeit des Bodens Meliorationsgewässer Künstliche Gewässer, die aus landeskulturellen Zwecken zur Verbesserung des Bodenwasserhaushaltes angelegt wurden und der regelmäßig wiederkehrenden Unterhaltung bedürfen (vorwiegend Entwässerungsgräben). Mesotroph Mittlerer Trophiegrad, d.h. mittelmäßig mit Nährstoffen versorgt. Migration Wanderung (Ausbreitung), hier von Pflanzen- und Tierarten. Mischwasser Gemeinsam abgeleitetes Schmutzwasser und Regenwasser, ggf. Fremdwasser (DIN 4045). Modellversuchswesen Teilgebiet des Wasserbaus; Nachbildung von Strömungsvorgängen in einem verkleinerten physikalischen Modell. Monitoring Langfristige, regelmäßig wiederholte und zielgerichtete Erhebung im Sinne einer Dauerbeobachtung mit Aussagen zu Zustand und Veränderungen von Natur und Landschaft. Morphologie Gestalt-, Formenlehre; in der Biologie die Wissenschaft von Struktur und Gestalt der Organismen einschließlich der Wandlung ihrer Gestalt während ihrer Entwicklung. Mortabilität Sterblichkeit Nachhaltigkeit, nachhaltige Entwicklung Dauerhafte Gewährleistung einzelner oder mehrerer Funktionen eines Ökosystems, d.h. eine stetige und optimale Bereitstellung sämtlicher materieller und immaterieller Leistungen ohne sich selbst zu erschöpfen. Der Begriff stammt aus der Land- und Forstwirtschaft, der eine Wirtschaftsweise bezeichnet, die sicherstellt, dass die Produktionsleistung des Ökosystems für kommende Generationen unvermindert erhalten bleibt. Nasswiesen Praktisch ganzjährig nicht bewirtschaftbare Grasformation mit hohem Seggen-Anteil bei andauernd hohem Grundwasserstand
Glossar
469
Natura 2000 (-Gebiete) ist ein „kohärentes europäisches ökologisches Netz“ besonderer Schutzgebiete. Dieses Schutzgebietssystem umfasst alle bisher nach der EG-Vogelschutzrichtlinie und der FFHRichtlinie ausgewiesenen oder noch auszuweisenden Gebiete. Naturhaushalt Wirkungsgefüge aus Lebewesen und unbelebten natürlichen Bestandteilen, die untereinander und mit ihrer Umwelt in energetischen, stofflichen und informatorischen Wechselwirkungen stehen. Naturnaher Wasserbau Ausbau und Unterhaltung von Fließgewässern mit an die jeweiligen natürlichen Gewässerlandschaften angepassten Ausbau- und Unterhaltungsmethoden Natürlichkeitsgrad Der Zustand eines Ökosystems im Hinblick auf seine Naturnähe. Als Bewertungsmaßstab wird folgende fünfstufige Skala verwendet: Natürlich: Die Bewertungsmerkmale entsprechen vollständig einer vom Menschen nicht beeinflussten Ausprägung. Naturnah: Die Bewertungsmerkmale entsprechen weitgehend einer von Menschen nicht beeinflussten oder einer naturraumgerechten, wiederhergestellten Ausprägung. Bedingt Die Bewertungsmerkmale entsprechen nur teilweise einer von Menschen Naturnah: nicht beeinflussten oder einer weitgehend naturraumgerechten neu geschaffenen Ausprägung. Naturfern: Die Bewertungsmerkmale liegen in einer von Menschen weitgehend veränderten Ausprägung vor. Naturfremd: Die Bewertungsmerkmale liegen in einer von Menschen vollständig veränderten Ausprägung vor. Naturraum Physisch-geographische Raumeinheit mit typischen Landschaften, Nutzungsformen und Ökosystemen. Naturschutz Gesamtheit der Maßnahmen zur Erhaltung und Förderung von Pflanzen und Tieren wildlebender Arten, ihrer Lebensgemeinschaften und natürlichen Lebensgrundlagen sowie zur Sicherung von Landschaften und Landschaftsteilen unter natürlichen Bedingungen. Naturschutzgebiet (§ 23 BNatSchG) Flächen, die in ihrer Ausstattung und Vielfalt besonders seltene Qualitäten aufweisen, können unter Naturschutz gestellt werden, um einen nachhaltigen Schutz zu gewährleisten und mögliche Störungen auszuschließen. Jede wirtschaftliche Tätigkeit, Beschädigung oder Veränderung ist in der Regel verboten. Neophyten Pflanzen, die z.B. durch den Handels- und Reiseverkehr aus fremden Florengebieten, vor allem aus anderen Kontinenten, eingeschleppt wurden und sich vielerorts in zunehmenden Maße ausgebreitet haben. Neozoa, Neozoen Tiere, die aus fremden Faunengebieten, vor allem aus anderen Kontinenten, eingeschleppt wurden (z.B. die Bisamratte).
470
Glossar
Offene Gerinne Bezeichnung für Fließgewässer, in denen sich eine freie Wasseroberfläche ausbilden kann. Ökologie Wissenschaft vom Haushalt der Natur sowie von den Wechselwirkungen der Lebewesen untereinander und mit ihrer abiotischen Umwelt Ökoregion Landschaftliche Großeinheit, definiert durch grob vergleichbare ökologisch-naturräumliche Kriterien. Ökosystem Funktionelle Einheit der Ökosphäre als Wirkungsgefüge aus abiotischen Bestandteilen (Biotop) und Lebewesen (Biozönose), die untereinander und mit ihrer Umwelt in energetischen, stofflichen und informatorischen Wechselbeziehungen stehen. Oligotroph Geringer Trophiegrad, d.h. nur gering mit Nährstoffen versorgt; geringe Produktion. Organisch Durch tierische oder pflanzliche Produktion entstanden Pelagial Lebensraum des freien Wassers Periglazial Allgemein für „im Eis- bzw. Gletscherumland gebildet“ (z.B. Materialien und Reliefformen). Perigazial kann aber auch einen bestimmten, eiszeitlichen Zeitraum, Klimabegriff oder Ökosystemzustand bedeuten. Pflanzengemeinschaften Vegetationskomplex mit bestimmter Artenzusammensetzung, die durch die Standortfaktoren und die Konkurrenzfähigkeit der Arten bestimmt wird. Eine wissenschaftliche Schematisierung und Typisierung erfolgt durch die Pflanzensoziologie. Pflanzensoziologie Wissenschaft von den Pflanzengesellschaften und ihren Beziehungen zur Umwelt Pflege- und Entwicklungsplan Er umfasst Festlegungen zu Pflege und Entwicklung von Schutzgebieten der unterschiedlichsten Kategorien. Träger der Pflege- und Entwicklungsplanung sind somit die jeweils zuständigen Naturschutzbehörden, ihre Verbindlichkeit bleibt zumeist auf Behörden beschränkt. Photosynthese Nutzung des Lichtes durch Pflanzen als Energiequelle für den Aufbau organischer Substanz Phytoplankton Pflanzliches Plankton
Glossar
471
Pionierarten Tier – oder Pflanzenarten, die als erste einen vegetationslosen Boden (Rohboden) besiedeln, oft Vorbereiter für anspruchsvollere Arten. Planfeststellung Rechtsverbindliches Verfahren, in dem zur Schaffung von Baurecht für Vorhaben die Abwägung aller Belange abschließend vorzunehmen ist. Plankton Gemeinschaft der im Wasser suspendierten Organismen (Phyto- und Zooplankton) Polder Im Binnenland: von Deichen umschlossenes Gebiet im Überschwemmungsbereich eine Wasserlaufes, das dem Hochwasserschutz dienen soll. Population Gesamtheit der Individuen einer Art mit gemeinsamen genetischen Gruppenmerkmalen innerhalb eines bestimmten Raumes, Reproduktionsgemeinschaft Postglazial Allgemein für „nacheiszeitlich“, meist auf die Zeit nach der letzten Eiszeit, also der Würmeiszeit, bezogen. Potamal Flussregion, Zone eines sommerwarmen, sandig schlammigen Tieflandflusses. Weitere Unterteilung: – Epipotamal, obere Zone (Barbenregion) – Metapotamal, mittlere Zone (Blei- oder Brachsenregion) – Hypopotamal, untere Zone (Kaulbarsch-Flunder-Region) Potentielle natürliche Vegetation Vegetation, die sich unter den gegenwärtigen Umweltbedingungen ohne Eingriff des Menschen von selbst einstellen würde. Prädation, Prädator Räuberdruck, Räuber Pufferzone Größere Fläche zur Vermeidung von Beeinträchtigungen, die auf Grund der Unverträglichkeit benachbarter Flächennutzungen entstehen können. Eine Pufferzone kann beispielsweise eine Hecke sein. Querverbau Sicherung im Gewässerbett quer zur Fließrichtung Raumordnung Zusammenfassende, überörtliche und übergeordnete Planung zur Ordnung und Entwicklung eines Raumes. Grundlage ist das (Bundes-) Raumordnungsgesetz. Referenzgewässer Gewässer oder Gewässerstrecken, die aufgrund ihrer vorhandenen naturraumtypischen Erscheinungsformen als Beispiel für die Renaturierung anderer Gewässer dienen können. Von derartigen Gewässern können charakteristische Merkmale abgeleitet und u.U. auf andere Gewässer im gleichen Naturraum übertragen werden.
472
Glossar
Rehnen, Uferrehnen Uferaufhöhung an einem Wasserlauf durch Ablagerung von Feststoffen bei Hochwasser oder durch Räumgut (DIN 4047-1) Rekultivierung Wiedernutzbarmachung (gezielte Standortaufbereitung) der terrestischen Bereiche von ehemals intensiv genutzten Betriebsflächen (z.B. Ton-, Sand-, Kiesgruben) und ihre Integration in die umgebende Landschaft mit dem Ziel einer landwirtschaftlichen, waldbaulichen oder erholungsorientierten Folgenutzung – wirtschaftsbezogene Sanierung (vgl. Renaturierung). Relief Oberflächenformen der Erde Renaturierung Weitgehende Wiederherstellung eines Lebensraumes (z.B. eines Gewässers mit seinen Randbereichen entsprechend seinem natürlichen Charakter) Reophil In Gewässern mit starker Strömung lebend Reproduktion Vermehrung Ressourcen Für die Nutzung des Menschen in der Natur vorhandene Stoffe oder Organismen. Man unterscheidet erneuerbare natürliche Grundgüter, wie Wasser, Luft, land- und forstwirtschaftlich nutzbarer Boden, Pflanzen, Tiere und nicht erneuerbare natürliche Grundgüter, wie fossile Brennstoffe und mineralische Rohstoffe. Retention Stoff- oder Wasserrückhalt durch natürliche Gegebenheiten oder künstliche Maßnahmen Retentionraum Hochwasserrückhalteraum Revitalisierung Verbesserung der ökologischen Bedingungen in und an einem Gewässer im Hinblick auf eine naturnähere Situation Rhithral Zone der sommerkalten, steinig kiesigen Gebirgsbäche und -flüsse (Salmonidenregion). Weitere Unterteilung: – Epirhithral, obere Zone (obere Forellenregion) – Metarhithral, mittlere Zone (untere Forellenregion) – Hyporhithral, untere Zone (Äschenregion) Röhricht Grasartige Pflanzen und/oder Großstauden in der Wasserwechselzone
Glossar
473
Rote Liste Verzeichnis von Tier- und Pflanzenarten, Lebensgemeinschaften oder Lebensräumen mit gebietsbezogener Einstufung hinsichtlich ihrer Gefährdung (und Seltenheit) nach vorgegebenen Kriterien und Kategorien. Rückbau Im wasserbaulichen Sinne bedeutet Rückbau die Renaturierung oder Revitalisierung von Gewässern. Rückhaltebecken Auffangbecken für Niederschlagswasser Rural „Ländlich“, spezielle Eigenschaften des ländlichen Raumes. Saprobien Organismen, die im Wasser von faulenden Stoffen leben. Saprobienindex Zahlenmäßige Angabe zur Beschreibung des Saprobienbereiches, d.h. der Gewässergüte nach ihrem Verschmutzungsgrad. Scheitelhaltung Höchstgelegene Stauhaltung einer Wasserstrasse Schutzgüter (Naturgüter) sind in der Regel Boden, Wasser, Luft/Klima und Landschaft (Landschaftsbild, Natur- und Landschaftserleben) als natürliche Lebensgrundlagen, die Pflanzen- und Tierwelt sowie der Mensch mit den von ihm geschaffenen Kultur- und Sachgütern. Schwebstoffe Feststoffe in Flüssigkeiten, die durch Fließen oder Turbulenzen in Schwebe gehalten werden. Schubkraft, Schleppkraft Transportkraft fließender Gewässer Sedimentation Ablagerungsprozess, der zur Bildung von Sedimenten führt. Sedimente Von Wasser, Eis und/oder Wind in Schichten abgelagerte Stoffe (z.B. Verwitterungsprodukte oder anorganische und organische Stoffe in Gewässern). Semiaquatisch Teilweise im Wasser lebend Stauhaltung Wasserkörper der oberhalb einer Stauanlage liegt Stauraumspülung Verfahren zur Beseitigung von Ablagerungen in einem Stauraum, u.a. durch Öffnen von Öffnungen im Querbauwerk
474
Glossar
Stenök Ausdruck für Organismen, die nur geringe Schwankungen lebenswichtiger Umweltfaktoren vertragen (geringe ökologische Amplitude; Anmerkung: Gegenteil „euryök“). Stenotherm Bezeichnung für Organismen, die keine große Schwankungsbreite der Temperatur ertragen und somit, bezogen auf die Temperatur, nur in bestimmten Biotopen leben können. Der Begriff wird oft noch weiter präzisiert (z.B. kaltsthenotherm für Lebensgemeinschaften ganzjährig kalter Gewässer). Struktur Relationen, welche die Menge der Kompartimente („Inhaltsräume“) eines Systems räumlich und funktional miteinander verbinden. Submers Untergetaucht wachsend Sukzession Zeitliche Aufeinanderfolge von Arten bzw. Lebensgemeinschaften eines Biotopes, die von einem Pionierstadium zu einem sich selbst erhaltenden Stadium des Fließgleichgewichtes (Klimax) führt. Terrestrisch Bezeichnung für Organismen, die auf dem Land leben (allgemein die Erde betreffend) Terrestrischer Bereich eines Gewässers Bereich eines Gewässers, der selten von Wasser bedeckt wird. Totholz Abgestorbene (liegende und stehende) Äste, Stämme und Bäume. Träger öffentlicher Belange Behörden und Institutionen des öffentlichen Rechts (z.B. Fachbehörden), die entsprechend den jeweils geltenden Regelungen bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen zu beteiligen sind. Transportkörper Erhebungen der Sohle eines Fließgewässers, die sich in Strömungsrichtung (z.B. Riffel, Unterwasserdünen, Bänke) oder gegen die Strömungsrichtung (Antidünen) fortbewegen (DIN 4044) (s. auch DIN 4049 Teil 1). Trennflächen Fiktive Flächen zwischen zwei unterschiedliche Strömungsbereichen in einem Gewässerquerschnitt. Bei der hydraulischen Berechnung von naturnahen Gerinnen wird vereinfachend angenommen, dass die Interaktionswiderstände in den Trennflächen wirken. Trophie, Trophiegrad Grad der Versorgung eines Ökosystems mit verfügbaren Nährstoffen, die letztlich die Intensität der Produktion organischer Substanz durch Photosynthese mitbestimmt (siehe auch oligotroph, mesotroph, eutroph, hypertroph und dystroph).
Glossar
475
Überschwemmungsgebiet Fläche, die nach dem Ausufern vom Wasser zusätzlich bedeckt wird; meist bezogen auf ein beobachtetes Hochwasser oder ein Hochwasser mit einer bestimmten Wiederkehrwahrscheinlichkeit (Jährlichkeit). Ufer Seitlicher Teil des Gewässerbettes zwischen Mittelwasserstand und Ausuferungswasserstand Uferrandstreifen Geländestreifen entlang des Gewässers, mit besonderer Bedeutung für dessen Unterhaltung, naturnahe Gestaltung und Nutzung (auch Uferstreifen). Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) Unselbstständiger Teil verwaltungsbehördlicher Verfahren, die der Entscheidung über die Zulässigkeit von Vorhaben gem. Anlage zu § 3 UVPG dienen, mit dessen Hilfe Auswirkungen auf die Umwelt ermittelt, dargestellt und beurteilt werden; die UVP soll im Hinblick auf eine wirksame Umweltversorgung der Entscheidungsvorbereitung dienen. Umweltverträglichkeitsstudie (UVS) Umfassendes ökologisches Gutachten, das den Umfang der Auswirkungen eines Vorhabens auf Mensch, Natur und Landschaft sowie auf Sachgüter und das kulturelle Erbe ermittelt, beschreibt und bewertet. Die UVS bildet die fachliche Grundlage für die Umweltverträglichkeitsprüfung. Urban Städtisch, zur Stadt gehörend. Verklausung Ansammlung von Treibgut, das ein Anstauen des Wasserspiegels bewirkt. Verlandung Prozess der Landentstehung in einem Gewässer durch Ablagerung von biogen entstandenen Stoffen (organisches Material), z.B. der Verlandungsprozess eines Altarms (siehe auch Auflandung). Vermeidungsprinzip (§ 19 BNatSchG) Der Verursacher des Eingriffes muss den gegenwärtigen Zustand von Natur und Landschaft sichern (Vermeindungspflicht). Vermeidbare Beeinträchtigungen sind zu unterlassen und gegebenenfalls Alternativen zu suchen, die an der Natur möglichst geringe Schäden verursachen, Versiegelung Abdichtung von Bodenflächen (z.B. durch Asphaltierung, Betonierung, Bebauung), die zum Verlust der natürlichen Bodenfunktionen (Lebensraum, Wasser- und Nährstoffkreisläufe, Filter- und Puffereigenschaften) führt. Verursacherprinzip (§ 19 Abs. 1 und 2 BNatSchG) Das Verursacherprinzip wurde im Jahre 1976 mit der Eingriffsregelung eingeführt. Es besagt, dass der Verursacher eines Eingriffes in Natur und Landschaft die Verantwortung der negativen Folgen übernehmen muss, die durch Realisierung eines Vorhabens entstehen. Vorrangig gilt auch hier, „vermeidbare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu unterlassen“. Das Verursacherprinzip findet vor allem in der Umweltverträglichkeitsprüfung seinen Niederschlag.
476
Glossar
Vogelschutzrichtlinie EG-VSchRL, Richtlinie des Rates vom 2.April 1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (79/409/EWG) Wasserrahmenrichtlinie Gewässerpolitisches Ordnungsinstrument der Europäischen Union (EG-WRRL) Weichholzaue Häufig überfluteter Bereich der Aue oberhalb des Mittelwassers, in dem Weichholzarten, vor allem Silberweide (Salix alba), standorttypisch sind. Zersiedlung Durch die Siedlungstätigkeit des Menschen zunehmende mosaikartige Durchsetzung eines zusammenhängenden Landschaftsraumes (z.B. mit Siedlungen, Nutzflächen und Infrastruktur). Zonation, Zonierung Ökologische Raumgliederung in Abhängigkeit von einem oder mehreren sich meist graduell ändernden Standortfaktoren, z.B. bei kleinräumiger Betrachtungsweise die im Wesentlichen wassertiefenabhängige Abfolge von Vegetationsgesellschaften eines Verlandungsgürtels am Rande eines Stillgewässers. Zoobenthos Sammelbezeichnung für Tiere, die den Gewässerboden bewohnen. Zooplankton Im Freiwasser lebendes und treibendes tierisches Plankton
Literaturverzeichnis
Adam, B., Schwevers, U. (2001) Planungshilfen für den Bau funktionsfähiger Fischaufstiegshilfen, Band 17 der Bibliothek Natur, Verlag Natur und Wissenschaft, Solingen. AID (S. Land- und hauswirtschaftlicher Auswertungs- und Informationsdienst, Bonn) Altbayerische Flusslandschaften an Donau, Lech, Isar und Inn: handgezeichnete Karten des 16. bis 18. Jahrhunderts aus dem Bayerischen Hauptstaatsarchiv, Ausstellungskataloge der Staatlichen Archive Bayern, Nr. 37, Weißenhorn, Konrad 1998. Altmüller, R. (1986) Kanusport und Artenschutz (am Beispiel niedersächsischer Fließgewässer), In: Arbeitsgemeinschaft beruflicher und ehrenamtlicher Naturschutz (Hrsg.) (1986) Jahrbuch für Naturschutz und Landschaftspflege, Bd. 38. Anselm, R. (1987) Verfahren und Kosten bei der naturnahen Gestaltung und Unterhaltung von Fließgewässern. In: Erfahrungen bei Ausbau und Unterhaltung von Fließgewässern, DVWK-Schriften, Heft 79, Bonn. AQEMconsortium (2002) Manual fort the application of the AQEM system. A comprehensive method to assess European streams using benthic macroinvertebrates, developed for the purpose of the Water Framework Directive.www.aqem.de ARGE Weser – Arbeitsgemeinschaft zur Reinhaltung der Weser (1996): Ökologische Gesamtplanung Weser – Grundlagen, Leitbilder und Entwicklungsziele für Weser, Werra und Fulda, Modellgebiet Bad Hersfeld – Auenkonzepte für einen urbanen Bereich. Bd. 8, 87 S. , Hildesheim. ATV-DVWK-Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (Hrsg.) (2000a) Gestaltung und Pflege von Wasserläufen in urbanen Bereichen, ATV-DVWK Merkblatt 252/2000, Hennef. ATV-DVWK-Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (Hrsg.) (2000b) Morphodynamische Prozesse in Fließgewässern, ATV-DVWK Arbeitsbericht GB 2.5, Hennef. ATV-DVWK-Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (Hrsg.) (2001a) Freizeit und Erholung an Fließgewässern, ATV-DVWK-Merkblatt M-603, Hennef. ATV-DVWK-Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (Hrsg.) (2001b) Hochwasserrückhaltebecken – Probleme und Anforderungen aus wasserwirtschaftlicher und ökologischer Sicht, ATV-DVWK Schriftenreihe, Band 2/6, August 2001. ATV-DVWK-Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (Hrsg.) (2002a) Feststofftransportmodelle für Fließgewässer, ATV-DVWK Arbeitsbericht, März 2003, Hennef. ATV-DVWK-Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (Hrsg.) (2002b) Aktuelle Hinweise zur Unterhaltung von Fließgewässern im Flachland, ATVDVWK-Broschüre, Hennef. ATV-DVWK-Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (Hrsg.) (2002c) Formen und Strukturen der Fließgewässer, Autor: Elmar Briem, ATV-DVWK Arbeitsbericht, Hennef.
478
Literaturverzeichnis
ATV-DVWK-Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (Hrsg.) (2002d) Gewässernachbarschaften – Regionaler Erfahrungsaustausch, Aktuelle Hinweise über Aufgaben und Ziele der Initiativen der ATV-DVWK, Broschüre. ATV-DVWK-Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (Hrsg.) (2003a) Gewässerlandschaften in der Bundesrepublik Deutschland, einschließlich „Steckbriefen“ und Karten, Autor: Elmar Briem, ATV-DVWK Arbeitsbericht, Februar 2003, Hennef. ATV-DVWK-Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (Hrsg.) (2003b) Feststofftransportmodelle für Fließgewässer, ATV-DVWK Arbeitsbericht, März 2003, Hennef. ATV-DVWK-Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (Hrsg.) (2004) Fischschutz- und Fischabstiegsanlagen – Bemessung, Gestaltung, Funktionskontrolle, ATV-DVWK Themen, ATV-DVWK-Arbeitsgruppe WW-8.1, Juli 2004, Hennef. Aufleger, M. (2004) V-Rampen – Ein Konzept zur Stabilisierung von Flüssen, In: Berichte des Lehrstuhls und der Versuchsanstalt für Wasserbau und Wasserwirtschaft – Univ. Prof. Dr.Ing. Th. Strobl (Hrsg.) (2004) Lebensraum Fluss – Hochwasserschutz, Wasserkraft, Ökologie, Beiträge zum Symposium vom 16.-19. Juni 2004 in Wallgau, Bd. 1, S. 65–71. Bartels, H., Katzenberger, B., Weber, H. (2004) Klimaveränderung und Wasserwirtschaft in Süddeutschland, Wasserwirtschaft, Heft 4/2004, S. 15–19. BAW (S. Bundesanstalt für Wasserbau, Karlsruhe) Bayerisches Landesamt für Wasserwirtschaft (Hrsg.) (1983) Ökotechnische Modelluntersuchung Untere Isar, Eigenverlag des Bayer. Landesamtes für Wasserwirtschaft, München, 309 S. Bayerisches Landesamt für Wasserwirtschaft (Hrsg.) (1987) Grundzüge der Gewässerpflege, Schriftenreihe des Bayer. Landesamtes für Wasserwirtschaft, Heft 21, München, 112 S. Bayerisches Landesamt für Wasserwirtschaft (Hrsg.) (1990) Hinweise zur Erarbeitung von Plänen zur Erhaltung und Gestaltung von Gewässern, Merkblatt Nr. 56-4, München. Bayerisches Landesamt für Wasserwirtschaft (Hrsg.) (1991) Stützkraftstufe Landau a.d. Isar – Entwicklung der Pflanzen- und Tierwelt in den ersten 5 Jahren, Schriftenreihe des Bayerischen Landesamtes für Wasserwirtschaft, Heft 24, München, 156 S. Bayerisches Landesamt für Wasserwirtschaft (Hrsg.) (1999) Gewässerstrukturgütekartierung in der Bundesrepublik Deutschland – Übersichtsverfahren – Bayer. Landesamt für Wasserwirtschaft, München. Bayerisches Landesamt für Wasserwirtschaft (Hrsg.) (2001) Gewässerstruktur – Karten zur Wasserwirtschaft, In: Bayerisches Landesamt für Wasserwirtschaft (Hrsg.) (2002) Flüsse und Seen in Bayern, München. Bayerisches Landesamt für Wasserwirtschaft (Hrsg.) (2002a) Fließgewässerlandschaften in Bayern – Steckbriefe – Karte – Erweiterte Kartenlegende zu den wichtigsten regionalen, abiotischen und geomorphologischen Merkmalen der Fließgewässer, München. Bayerisches Landesamt für Wasserwirtschaft (Hrsg.) (2002b) Flusslandschaft Isar von der Landesgrenze bis Landshut – Leitbilder, Entwicklungsziele, Maßnahmenhinweise, München. Bayerisches Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen (Hrsg.) (1988) Arten- und Biotopschutzprogramm, München. Bayerisches Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen (Hrsg.) (1995) Lebensraumtyp Einzelbäume und Baumgruppen, Landschaftspflegekonzept Bayern, Nr. 14 von Band II, München, 188 S. Bayerisches Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen (Hrsg.) (1997) Flüsse, Auen, Täler – erhalten und entwickeln –, Wasserwirtschaft in Bayern, Heft 30. Bayerisches Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen (Hrsg.) (2003) Schutz vor Hochwasser in Bayern – Strategien und Beispiele, München, Juni 2003. BayLfW (S. Bayerisches Landesamt für Wasserwirtschaft, München) BayStMLU (S. Bayerisches Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen, München)
Literaturverzeichnis
479
Bechteler, W., Hartmann, S. , Wieprecht, S. (2001) Isar-Plan München – Physikalisches Modell, Wasserwirtschaft, 91. Jahrg., Heft 1/2001. Bechteler, W., Nujic, M. (2000) Isar-Plan München – Numerische Simulation, Wasserwirtschaft, 90. Jahrg., Heft 11/2000. BfN (S. Bundesamt für Naturschutz, Bonn) Bill, R. (1999) Geo-Informationssysteme – Grundlagen der Geo-Informationssysteme, Bd. 1: Hardware, Software und Daten, Bd. 2: Analysen, Anwendungen und neue Entwicklungen, Herbert Wichmann Verlag, Heidelberg. Billi, P., Hey, R.D., Thorne, C.R., Tacconi, P. (Hrsg.) (1992) Dynamics of Gravel-bed Rivers, John Wiley & Sons, Chichester. Binder, W. (1989) Gehölze auf Deichen, Informationsbericht 5/1989, Bayerisches Landesamt für Wasserwirtschaft, München. BMU (S. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Bonn/Berlin) Böhm, H. (1990) Die Wiesenwässerung in Mitteleuropa 1937, Anmerkungen zu einer Karte von Carl Troll. Erdkunde 44, S. 1–10. Borchardt, D., Fischer, J., Ibisch, R. (2001) Struktur und Funktion des hyporheischen Interstitials in Fließgewässern, Wasser & Boden, 53. Jahrg., Heft 4/2001. Böttger, K. (1990) Ufergehölze – Funktionen für den Bach und Konsequenzen ihrer Beseitigung, Natur und Landschaft, 65. Jahrg., Heft 2. Braukmann, U. (2000) Hydrochemische und biologische Merkmale regionaler Bachtypen in Baden-Württemberg, Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg, Oberirdische Gewässer, Gewässerökologie 56, 501 S. Breuer, R (2000) Die wasserrechtliche Planfeststellung, in Planung, Festschrift für Werner Hoppe zum 70. Geburtstag, 2000, S. 667 ff. Breuer, R. (2001), Gewässerausbau und Wasserkraftnutzung – Auslegungsfragen des § 31 WHG und des ergänzenden Landesrechts, in: Breuer (Hrsg.), Gewässerausbau, Wasserkraftnutzung und alte Mühlenrechte, Das Recht der Wasser- und Entsorgungswirtschaft, Heft 29, S. 31 ff. Briem, E. (2002) Fließgewässerlandschaften in Bayern – Steckbriefe – Karte – Erweiterte Kartenlegende zu den wichtigsten regionalen, abiotischen und geomorphologischen Merkmalen der Fließgewässer, Hrsg. Bayerisches Landesamt für Wasserwirtschaft, München. Briem, E. (2003) Gewässerlandschaften der Bundesrepublik Deutschland – Morphologische Merkmale der Fließgewässer und ihrer Auen, Hrsg. Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (ATV-DVWK), Arbeitsbericht. Brockmann, H. (2000) Einsatz flugzeuggestützter Fernerkundungstechniken zur Bearbeitung hydrologischer Fragestellungen, Wasserwirtschaft, 90. Jahrg., Heft 1/2000. Brombach, H., Wöhrle, C. (1997) Gemessene Entlastungsaktivität von Regenüberlaufbecken, KA-Korrespondenz Abwasser, 44. Jahrg., Heft 1, S. 44–66. Brookes, A., Shields jr, F.D. (edS. ) (1996) River Channel Restoration – Guiding Principles for Sustainable Projects, John Wiley & Sons, Chichester, New York, Brisbane, Toronto, Singapore. Brunke, M., Schwoerbel, J., Wendling, K. (1994) Die Auswirkungen eines Flußtunnels auf Fließgewässerbiozönose: Makrozoobenthos und Fischfauna, Limnologica 24 (4), S. 297–322. Buchli, R., Antener, M. (2000) Ein Bachkonzept für die Stadt Zürich, Entsorgung & Recycling Zürich (Hrsg.), Zürich. Bund der Ingenieure für Wasserwirtschaft, Abfallwirtschaft und Kulturbau e.V. – BWK (Hrsg.) (1999) Hydraulische Berechnung von naturnahen Fließgewässern, Teil 1: Stationäre Berechnung der Wasserspiegellage unter besonderer Berücksichtigung von Bewuchsund Bauwerkseinflüssen, BWK-Merkblatt Nr. 1. Bund der Ingenieure für Wasserwirtschaft, Abfallwirtschaft und Kulturbau e.V. – BWK (Hrsg.) (2003) Leitfaden zur detaillierten Nachweisführung immissionsorientierter Anforderungen an Misch- und Niederschlagswassereinleitungen, BWK–Merkblatt Nr. 3.
480
Literaturverzeichnis
Bund, W. van den (2002): Assigning water body types: An analysis of the RefCond questionnaire results, European Commission, Joint Research Centre, Institute for Environment and Sustainability, Inland and Marine Waters Unit, Ispra, Italy. Bundesamt für Naturschutz – BfN (Hrsg.) (1995) Biologische Daten für die Planung, Bearbeiter: Uwe Riecken & Eckhard Schröder, Schriftreihe für Landschaftspflege und Naturschutz, Heft 43. Bundesamt für Naturschutz – BfN (Hrsg.) (1998a) Naturerfahrensräume, Bearbeiter: HansJoachim Schemel et al., Schriftreihe für Angewandte Landschaftsökologie, Heft 19. Bundesamt für Naturschutz – BfN (Hrsg.) (1998b) Fortschritte für Naturschutz und Landschaftspflege an Wasserläufen, Schriftreihe für Landschaftsökologie, Heft 23. Bundesamt für Naturschutz – BfN (Hrsg.) (1998c) Das europäische Schutzgebietssystem NATURA 2000 – BfN-Handbuch zur Umsetzung der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie und der Vogelschutz-Richtlinie, Schriftreihe für Landschaftspflege und Naturschutz, Heft 53. Bundesamt für Naturschutz – BfN (Hrsg.) (1998d) Rote Liste gefährdeter Tiere Deutschlands, Schriftreihe für Landschaftspflege und Naturschutz, Heft 55. Bundesamt für Naturschutz – BfN (Hrsg.) (1998e) Schutz und Förderung dynamischer Prozesse in der Landschaft, Bearbeiter: Peter Finck, Manfred Klein, Uwe Riecken & Eckhard Schröder, Schriftreihe für Landschaftspflege und Naturschutz, Heft 56. Bundesamt für Naturschutz – BfN (Hrsg.) (2000a) Bundesweite Rote Listen – Bilanzen, Konsequenzen, Perspektiven, Bearbeiter: M. Binot-Hafke, H. Gruttke, G. Ludwig, U. Riecken, Schriftreihe für Landschaftspflege und Naturschutz, Heft 65. Bundesamt für Naturschutz – BfN (Hrsg.) (2000b) Der Schutz von Tier- und Pflanzenarten bei der Umsetzung der FFH-Richtlinie, Bearbeiter: B. Petersen, U. Hauke & A. Ssymank, Schriftreihe für Landschaftspflege und Naturschutz, Heft 68. Bundesamt für Naturschutz – BfN (Hrsg.) (2001a) Renaturierung von Bächen, Flüssen und Strömen, Schriftreihe für Landschaftsökologie, Heft 37. Bundesamt für Naturschutz – BfN (Hrsg.) (2001b) Berichtspflichten in NATURA-2000-Gebieten – Empfehlungen zur Erfassung der Arten des Anhangs II und Charakterisierung der Lebensraumtypen des Anhangs I der FFH-Richtlinie, Bearbeiter: T. Fartmann, H., Gunnemann, P. Salm, E. Schröder, Schriftreihe für Landschaftsökologie, Heft 42. Bundesamt für Naturschutz – BfN (Hrsg.) (2002) Systematik der Biotoptypen- und Nutzungstypenkartierung (Kartieranleitung), Schriftreihe für Landschaftspflege und Naturschutz, Heft 73. Bundesamt für Naturschutz – BfN (Hrsg.) (2003a) Methodische Anforderungen an Wirkungsprognosen in der Eingriffsregelung, Bearbeiter: J. Rassmus, C. Herden, I. Jensen, H. Reck, K. Schöps, Schriftreihe für Angewandte Landschaftsökologie, Heft 51. Bundesamt für Naturschutz – BfN (Hrsg.) (2003b) Standard-Biotoptypenlisten für Deutschland – 2. Fassung Februar 2003, Bearbeiter: U. Riecken, P. Fink, U. Raths, E. Schröder, A. Ssymank, Schriftreihe für Landschaftspflege und Naturschutz, Heft 75. Bundesamt für Wasser und Geologie – BWG (Hrsg.) (2000) Hochwasserschutz im Fluss, Bern. Bundesamt für Wasser und Geologie – BWG (Hrsg.) (2001) Hochwasserschutz an Fließgewässern – Wegleitungen des BWG, Bern Bundesanstalt für Gewässerkunde – BfG (Hrsg.) (1999) Neue Entwicklungen in der Hydrometrie – Feststofftransport, Kolloquium der Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG) mit Herstellern und Anwendern von Messtechnik in Berlin am 25./26. November 1998, Autoren: Günter Knackfuß, Dr. Andreas Schmidt, Yvonne Strunk, Wasserwirtschaft 89, Heft 4/1999. Bundesanstalt für Wasserbau – BAW (Hrsg.) (2004) Mitteilungen Nr. 87, Mai 2004, Karlsruhe, Hamburg, Ilmenau. Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft – Österreich (Hrsg.) (1991) Auf zu neuen Ufern – Ingenieurbiologische Bauweisen im naturnahen Wasserbau, Wien. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit – BMU (Hrsg.) (2003a) Leitbildorientierte biologische Fliessgewässerbewertung, Umwelt, Nr. 7–8/2003.
Literaturverzeichnis
481
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit – BMU (Hrsg.) (2003b) Ökotoxikologische Sedimentkartierung der großen Flüsse Deutschlands, Umwelt, Nr. 6/2003. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit – BMU (Hrsg.) (2004) Ergebnisse der siebten Vertragsstaatenkonferenz der VN-Übereinkommens über die biologische Vielfalt, „Guiding Principles“ zur invasiven gebietsfremden Arten – Verbreitungszentren von Neophyten in Deutschland, Umwelt, Nr. 4/2004, Sonderteil, S. VIII–IX. Bundesverwaltungsgericht (1982), Urteil vom 15. Januar 1982, BVerwGE 64, 230. Bunzel-Drüke, M., Geyer, H.J., Hauswirth, L. (2003) Neue Wildnis in der Lippeaue, Landesanstalt für Ökologie, Bodenordnung und Forsten des Landes Nordrhein-Westfalen, LÖBFMitteilungen Nr. 4/2003. Buschmann, M., Schumacher, E., Schackers, B., Himmelmann, J., Sendermann, W. (2003) Planung und Umsetzung eines Beweidungsvorhabens – Ausgleichskonzeption der Stadt Olfen, Regeneration und Entwicklung der siedlungsnahen Steveraue als halboffene Weidelandschaft, LÖBF-Mitteilungen, Nr. 4/2003, S. 48–53. BWK (S. Bund der Ingenieure für Wasserwirtschaft, Abfallwirtschaft und Kulturbau e.V.) Czychowski, R., Reinhardt, M. (2003) Wasserhaushaltsgesetz. Kommentar. 8. Aufl., 1404 S. , München. Da Silva, A. M. (1991) Alternate Bars and related fluvial processes, Thesis of Master of Science, Queen’s University, Canada. Dahl, H.-J. (1975) Die Niedersächsische Versuchsstrecke für Lebendbau an der Oberaller bei Brennekenbrück. In: ABN (Hrsg.) Naturschutz und Gewässerausbau, Jahrbuch Naturschutz Landschaftspflege (24), Bonn-Bad Godesberg, S. 54–57. Dahl, H.-J. (1976) Biotopgestaltung beim Ausbau kleiner Fließgewässer, Natur und Landschaft (51) 200–204. Dahl, H.-J., Hullen, M. (1989) Studie über die Möglichkeiten zur Entwicklung eines naturnahen Fließgewässersystems in Niedersachsen (Fließgewässerschutzsystem Niedersachsen), Naturschutz Landschaftspflege in Niedersachsen, Heft 18, Hannover, S. 5–95. Dahl, H.-J., Schlüter, U. (1983) Versuchsstrecke Oberaller – Neun Jahre Versuchsstrecke für ingenieurbiologische Ufersicherungsmaßnahmen an der Oberaller bei Gifhorn. Informationsdienst Naturschutz (3) Nr. 4, Hannover, 15 S. Dahlmann, I., Rasper, M. (2002) Auswirkungen von kleinen Wasserkraftanlagen auf Fließgewässer und ihre Auen, gewässer-info, Magazin zur Gewässerunterhaltung und Gewässerentwicklung, Nr. 23, Januar 2002, S. 140–144. Dapp, K., Heiland, P. (1999) Hochwasserschutz durch Instrumente der Raumplanung, Wasserwirtschaft, 89. Jahrg., Heft 12/1999. Deutscher Wetterdienst (Hrsg.) (2000) Deutsches Meteorologisches Jahrbuch, Bundesrepublik Deutschland, Offenbach. Deutsches Komitee für Katastrophenvorsorge e.V. – DKKV (Hrsg.) (2003) Hochwasservorsorge in Deutschland – Lernen aus der Katastrophe 2002 im Elbegebiet, Schriftenreihe des DKKV, Heft Nr. 29, Dezember 2003. Dittrich, A. (1999) Sohlenstabilität naturnaher Fließgewässer, In: WBW–Fortbildungsgesellschaft für Gewässerentwicklung mbH (Hrsg.) (1999) Gewässernachbarschaften in BadenWürttemberg, Statusbericht 1998/1999, Heidelberg. DKKV (S. Deutsches Komitee für Katastrophenvorsorge e.V.) DNR (S. Deutscher Naturschutzring) Dreiseitl, H., Geiger, W. (2001) Neue Wege für das Regenwasser, Oldenbourg WissenschaftsVerlag. Driescher, E. (1996) Warum, wie und wann hat der Mensch Gewässer verändert? Das Gewässersystem Brandenburgs als Beispiel. Der Bürger im Staat 46(1): 7–13, hrsg von der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg Duby, G. (1984) Krieger und Bauern, Frankfurt. Dumont, U. (2000) Fischabstiegsanlagen, Wasser & Boden, 51. Jahrg., Heft 4/2000.
482
Literaturverzeichnis
DVWK – Deutscher Verband für Wasserwirtschaft und Kulturbau e.V. (Hrsg.) (1984) Ökologische Aspekte bei Ausbau und Unterhaltung von Fließgewässern, DVWK-Merkblätter zur Wasserwirtschaft 204/1984, Bonn. DVWK – Deutscher Verband für Wasserwirtschaft und Kulturbau e.V. (1986a) Schwebstoffmessungen, DVWK-Regeln zur Wasserwirtschaft, Heft 124/1986, Verlag Paul Parey, Hamburg. DVWK – Deutscher Verband für Wasserwirtschaft und Kulturbau e.V. (1986b) Flußdeiche, DVWK-Merkblätter zur Wasserwirtschaft, Nr. 210/1986, Verlag Paul Parey, Hamburg. DVWK – Deutscher Verband für Wasserwirtschaft und Kulturbau e.V. (1990a) Abhängigkeit der Selbstreinigung von der Naturnähe der Gewässer, DVWK-Mitteilungen, Heft 21/1990, Bonn. DVWK – Deutscher Verband für Wasserwirtschaft und Kulturbau e.V. (Hrsg.) (1990b) Hydraulische Methoden zur Erfassung von Rauheiten, zusammengestellt von R.C.M. Schröder, DVWK-Schriften, Heft 92, Bonn. DVWK – Deutscher Verband für Wasserwirtschaft und Kulturbau e.V. (Hrsg.) (1991a) Ökologische Aspekte zu Altgewässern, DVWK-Merkblätter zur Wasserwirtschaft, Nr. 219/1991, Bonn. DVWK – Deutscher Verband für Wasserwirtschaft und Kulturbau e.V. (Hrsg.) (1991b) Hydraulische Berechnung von Fließgewässern, DVWK-Merkblätter zur Wasserwirtschaft, Nr. 220/1991, Bonn. DVWK – Deutscher Verband für Wasserwirtschaft und Kulturbau e.V. (Hrsg.) (1992a) Geschiebemessungen, DVWK-Regeln zur Wasserwirtschaft, Heft 127/1992, Bonn. DVWK – Deutscher Verband für Wasserwirtschaft und Kulturbau e.V. (Hrsg.) (1992b) Methoden und ökologische Auswirkungen der maschinellen Gewässerunterhaltung, DVWKMerkblätter zur Wasserwirtschaft, Nr. 224/1992, Bonn. DVWK – Deutscher Verband für Wasserwirtschaft und Kulturbau e.V. (Hrsg.) (1994) Hydraulisch-sedimentologische Berechnungen naturnah gestalteter Fließgewässer – Berechnungsverfahren für die Ingenieurpraxis, DVWK-Mitteilungen Heft 25/1994, Bonn. DVWK – Deutscher Verband für Wasserwirtschaft und Kulturbau e.V. (Hrsg.) (1996a) Fluß und Landschaft – Ökologische Entwicklungskonzepte, DVWK-Merkblätter zur Wasserwirtschaft, Nr. 240/1996, Bonn. DVWK – Deutscher Verband für Wasserwirtschaft und Kulturbau e.V. (Hrsg.) (1996b) Fischaufstiegsanlagen – Bemessung, Gestaltung, Funktionskontrolle, DVWK-Merkblätter zur Wasserwirtschaft, Nr. 232/1996, Bonn. DVWK – Deutscher Verband für Wasserwirtschaft und Kulturbau e.V. (Hrsg.) (1996c) Bodenerosion durch Wasser-Kartieranleitung zur Erfassung aktueller Erosionsformen, DVWK-Merkblätter zur Wasserwirtschaft, Nr. 239/1996, Bonn. DVWK – Deutscher Verband für Wasserwirtschaft und Kulturbau e.V. (Hrsg.) (1996d) Zur aktuellen Leitbilddiskussion, DVWK-Nachrichten 148, Nov. 1996, Bonn. DVWK – Deutscher Verband für Wasserwirtschaft und Kulturbau e.V. (Hrsg.) (1997a) Uferstreifen an Fließgewässern, DVWK-Merkblätter zur Wasserwirtschaft, Nr. 244/1997, Bonn. DVWK – Deutscher Verband für Wasserwirtschaft und Kulturbau e.V. (Hrsg.) (1997b) Biber, Bisam, Nutria, DVWK-Merkblätter zur Wasserwirtschaft, Nr. 247/1997, Bonn. DVWK – Deutscher Verband für Wasserwirtschaft und Kulturbau e.V. (Hrsg.) (1997c) Maßnahmen zur naturnahen Gerinnestabilisierung, DVWK-Schriften, Heft 118, Bonn. DVWK – Deutscher Verband für Wasserwirtschaft und Kulturbau e.V. (Hrsg.) (1997d) Ermittlung einer ökologisch begründeten Mindestwasserführung hinsichtlich der aquatischen Lebensräume, Abschlussbericht eines Forschungs- und Entwicklungsvorhabens im Auftrag der Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA), Bonn. DVWK – Deutscher Verband für Wasserwirtschaft und Kulturbau e.V. (Hrsg.) (1997e) Fischaufstiegsanlagen – Bemessung, Gestaltung, Funktionskontrolle, DVWK-Merkblätter zur Wasserwirtschaft, Nr. 232/1996, Bonn. DVWK – Deutscher Verband für Wasserwirtschaft und Kulturbau e.V. (Hrsg.) (1997f) Fischabstieg – Literaturdokumentation, DVWK-Materialien, Nr. 4/1997.
Literaturverzeichnis
483
DVWK – Deutscher Verband für Wasserwirtschaft und Kulturbau e.V. (Hrsg.) (1999a) Ermittlung einer ökologisch begründeten Mindestwasserführung mittels Halbkugelmethode und Habitat-Prognose-Modell, DVWK-Schriften Nr. 123, Bonn. DVWK – Deutscher Verband für Wasserwirtschaft und Kulturbau e.V. (Hrsg.) (1999b) Gewässerentwicklungsplanung – Begriffe, Ziele, Systematik, Inhalte, DVWK-Schriften Nr. 126, Bonn. DVWK – Deutscher Verband für Wasserwirtschaft und Kulturbau e.V. (Hrsg.) (1999c) Numerische Modelle von Flüssen, Seen und Küstengewässern, DVWK-Schriften Nr. 127, Bonn. DVWK – Deutscher Verband für Wasserwirtschaft und Kulturbau e.V. (Hrsg.) (1999d) Methoden zur Erkundung, Untersuchung und Bewertung von Sedimentablagerungen und Schwebstoffen in Gewässern, DVWK-Schriften Nr. 128, Bonn. DVWK – Deutscher Verband für Wasserwirtschaft und Kulturbau e.V. (Hrsg.) (1999e) Ökologische Aspekte bei der mechanischen Gewässerunterhaltung, DVWK-Materialien 4/99, Bonn. DVWK – Deutscher Verband für Wasserwirtschaft und Kulturbau e.V. (Hrsg.) (1999f) Richtlinien für den Bau ländlicher Wege, DVWK-Regel 137. DVWK-Gemeinnützige Fortbildungsgesellschaft für Wasserwirtschaft und Landschaftsentwicklung (GFG) mbH (Hrsg.) (1997) Neophyten – Gebietsfremde Pflanzenarten an Fließgewässern – Empfehlungen für die Gewässerpflege, Okt. 1997, Mainz. DVWK-Gemeinnützige Fortbildungsgesellschaft für Wasserwirtschaft und Landschaftsentwicklung (GFG) mbH (Hrsg.) (1998) Sohlenerosion und Auenauflandung – Empfehlungen für die Gewässerunterhaltung, Dez. 1998, Mainz. DVWK-Gemeinnützige Fortbildungsgesellschaft für Wasserwirtschaft und Landschaftsentwicklung (GFG) mbH (Hrsg.) (1999) Ufergehölze und Gehölzpflege – Empfehlungen für den Gewässerunterhaltungspflichtigen, Sept. 1999, Mainz. DVWK-Gemeinnützige Fortbildungsgesellschaft für Wasserwirtschaft und Landschaftsentwicklung (GFG) mbH und Fortbildungsgesellschaft für Gewässerentwicklung mbh (Hrsg.) (2000) Unterhaltung und Pflege von Gräben – Fortbildungsthema für die Gewässer-Nachbarschaften in Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz, Mainz. DVWK-Gemeinnützige Fortbildungsgesellschaft für Wasserwirtschaft und Landschaftsentwicklung (GFG) mbH und Fortbildungsgesellschaft für Gewässerentwicklung mbh (Hrsg.) (2002) Gewässerunterhaltung in geschützten Gebieten – Fortbildungsthema für die Gewässer-Nachbarschaften in Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz, Mainz. DVWK-GFG (S. DVWK-Gemeinnützige Fortbildungsgesellschaft für Wasserwirtschaft und Landschaftsentwicklung (GFG) mbH, Mainz). DWD (S. Deutscher Wetterdienst, Offenbach) Dybowska, E., Paulus, Th. (2003) Naturnahe Umgestaltung des Heuchelbaches im Stadtgebiet von Bad Homburg v.d.Höhe, gewässer-info, Magazin zur Gewässerunterhaltung und Gewässerentwicklung, Nr. 26, Januar 2003, S. 185–187. Dyck, S. , Peschke, G. (1995) Grundlagen der Hydrologie, Verlag für Bauwesen, Berlin. Eckoldt, M. (Hrsg) (1998) Flüsse und Kanäle, Die Geschichte der deutschen Wasserstraßen, Hamburg. ECOSTAT-EU WG 2a (2003) Overall approach to the classification of ecological status und ecological potential, CIS Guidance Document EU Working Group 2 A Ecological status (ECOSTAT), 47 pp. Egger, G., Kucher, T., Mader, H. (2004) Ökologische Gesamtbewertung von Dotationsvarianten bei Ausleitungskraftwerken – Am Beispiel des Kraftwerkes Laufnitzdorf/Mur (Steiermark, Österreich), Wasserwirtschaft, Heft 6/2004, S. 29–35. Einstein, H.A., Chien, N. (1954) Second Approximation to the Solution of the Suspended Load Theory, MRD Sediment Series No. 3, University of California, Institute of Engineering Research, Berkeley, California. Engelhardt, W. (1996) Was lebt in Tümpel, Bach und Weiher ?, Kosmos-Naturführer, 14. Aufl., Franck’sche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart. FAO (S. Food and Agriculture Organisation of the United Nations, Rom)
484
Literaturverzeichnis
Food and Agriculture Organization of the United Nations – FAO, Cemagref Editions, Conseil Supérieur de la Peche – CSP (Hrsg.) (2002) Fischways: biological basis, design criteria and monitoring, Builletin Francais de la Peche et de la Protection des Milieux Aquatiques (BFPP), 75. Jahrg., 1. trimestre 2002, Heft Nr. 364, copublished by FAO, CSP, Cemagref, February 2002. Fröhlich, K-D. (2001) Rechtliche Grundlagen des Hochwasserschutzes, in: Patt (Hrsg.) (2001) Hochwasserhandbuch – Auswirkungen und Schutz, Springer Verlag, Berlin, S. 505 ff. Gassner, E. (1996) Zur Gleichstellung der Rechtswirkungen von Planfeststellung und Plangenehmigung, Natur und Recht, S. 492–504. Gebler, R.-J., Paulus, Th. (2001) Die Ahr wird für Fische und Kleinlebewesen wieder passierbar, gewässer-info, Magazin zur Gewässerunterhaltung und Gewässerentwicklung, Mai 2001, S. 116–118. Geiger, W. (1998) Versickerung von Regenwasser – Ersatz für herkömmliche Entwässerungskonzepte, Wasserwirtschaft 88. Jahrg., Heft 2/1998. Gerhard, M., Reich, M. (2001) Totholz in Fließgewässern, DVWK-Gemeinnützige Fortbildungsgesellschaft für Wasserwirtschaft und Landschaftsentwicklung (GFG) mbH und WBV-Fortbildungsgesellschaft für Gewässerentwicklung (Hrsg.) (2001), Mainz. Gesch, J., (2003) Gewässer-Nachbarschaft Werre, gewässer-info, Magazin zur Gewässerunterhaltung und Gewässerentwicklung, Nr. 28, September 2003, S. 214–215. Gewässerdirektion Südlicher Oberrhein/Hochrhein – Bereich Offenburg (Hrsg.) (2001) Gewässertypenkatalog für die Gewässerentwicklung in den Landkreisen Ortenau und Emmendingen, Offenburg. Giesecke, J., Mosonyi, E. (1997) Wasserkraftanlagen – Planung, Bau und Betrieb, Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, New York, 623 S. Goldmann, K. (1982a) Märkische Kulturlandschaft – das Erbe bronzezeitlicher Kolonisation? Ausgrabungen in Berlin, Heft 6/82, S. 4–50. Goldmann, K. (1982b) Märkischer Weizen für Byzanz – zum Reisebericht Ibrahim Ibn Jakubs von 965/66, Ausgrabungen in Berlin, Heft 6/82, S. 197–210. Griese, Th. (1999) Das Feuchtwiesenschutzprogramm – Herausforderung an Landwirtschaft und Naturschutz, Landesanstalt für Ökologie, Bodenordnung und Forsten/Landesamt für Agrarordnung Landes Nordrhein-Westfalen, LÖBF-Mitteilungen Nr. 3/1999. Groß, J. (2003) Renaturierungsprojekt „Thürer Wiesen“ – Revitalisierung der Gewässeraue, Gewässerrenaturierung und Hochwasserretention, gewässer-info, Magazin zur Gewässerunterhaltung und Gewässerentwicklung, Nr. 28, September 2003, S. 211–213. Grottian, T. (2001) Wasser, Wiesen, Wischenmaker, Von Suderburg in alle Welt: Bewässerungswiesen der Lüneburger Heide, Museumsdorf Hösseringen, Materialien zum Museumsbesuch 21, 44 S. Lüneburg. Gumpinger, C. (2003) Die Flussperlmuschel – Gefährdung und Schutzbemühungen in Österreich, In: Österreichischer Naturschutzbund (Hrsg.) (2003) Natur und Land, Heft 1/2-2003, S. 31–34. Gunkel, G. (1996) (Hrsg.) Renaturierung kleiner Fließgewässer, Gustav Fischer Verlag, Jena, Stuttgart. GWD Südlicher Oberrhein/Hochrhein (S. Gewässerdirektion Südlicher Oberrhein/Hochrhein, Offenburg). Habersack, H., Schneider, J. (2000) Ableitung und Analyse flussmorphologisch relevanter Parameter von historischen Karten, Wasser & Boden, 51. Jahrg., Heft 6/2000. Halle, M., Podraza, P. (2001) Verfahren zur Ermittlung des Wiederbesiedlungspotenzials von Makroinvertebraten auf der Grundlage von Gewässerstrukturmerkmalen, Wasserwirtschaft, 91. Jahrg., Heft 6, S. 296–301. Hartstock, E. (2000) Entstehung und Entwicklung der Oberlausitzer Teichwirtschaft, Schriftenreihe der Sächsischen Landesanstalt für Landwirtschaft 5, Dresden. Härtwig, R. (1917) Über alte Fischteichanlagen in Sachsen, Archiv f. Fischereigeschichte 9, S. 55–61.
Literaturverzeichnis
485
Haselmeier, P. (2000) Kosten ingenieurbiologischer Bauweisen, gewässer-info, Magazin zur Gewässerunterhaltung und Gewässerentwicklung, Januar 2000, S. 69–70. Hassinger, R. (2002) Der Borstenfischpass – Fischaufstieg und Bootsabfahrt in einer Rinne, Wasserwirtschaft, 92. Jahrg., Heft 4–5/2001. Heimerl, S. , Ittel, G. (2002) Becken-Schlitz-Pässe als zukunftsträchtige Bauweise für technische Verbindungsgewässer, Wasserwirtschaft, 92. Jahrg., Heft 4–5/2002. Henneberg, S. C., Schilling, J. (1998) Ökologische Gesamtplanung Weser – Ziele und Umsetzung, Wasser & Boden, 50. Jahrg., Heft 9/1998. Herr, W., Todeskino, D., Wiegleb, G. (1989) Übersicht über Flora und Vegetation der niedersächsischen Fließgewässer unter besonderer Berücksichtigung von Naturschutz und Landschaftspflege, Naturschutz Landschaftspfl. NiedersachS. (18) Hannover, S. 145–283. Hessisches Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Forsten (Hrsg.) (2000) Gewässerstrukturgütekarte Hessen 1999, Wiesbaden. Heuser, W. (2000) Anforderungen an die Gewässerunterhaltung und Gewässerpflege in Stadt und Gemeinde, gewässer-info, Magazin zur Gewässerunterhaltung und Gewässerentwicklung, September 2000, S. 91–93. Hiller, A., Hacker, E. (2001) Ingenieurbiologie und die Vermeidung von Florenverfälschungen, In: Gesellschaft für Ingenieurbiologie (Hrsg.) (2001) Mitteilungen 18/September 2001. Hintermann, M. (2000) Canyoning für Fische, Zeitschrift „wasser-energie, luft“ des Schweizer Wasserwirtschaftsverbandes, 92. Jahrg., Heft 11/12. Hullen, M., Dahl, H.-J. (1983) Pilotprojekt Bewirtschaftungsplan Leine, Zielvorstellungen des Naturschutzes als ökologischer Bewertungsrahmen für die Gewässer des Leineeinzugsgebietes, UBA Texte Nr. 25/83, Berlin, 135 S. Hunzinger, L. (1998) Flussaufweitungen – Morphologie, Geschiebehaushalt und Grundsätze zur Bemessung, VAW-Mitteilungen Nr. 159. Hütte, M. (2000) Ökologie und Wasserbau – Ökologische Grundlagen von Gewässerverbauung und Wasserkraftnutzung, Parey Buchverlag, Berlin. Hütte, M., Bundi, U., Peter, A. (1994) Konzept für die Bewertung und Entwicklung von Bächen und Bachsystemen im Kanton Zürich, EAWAG und Kanton Zürich (Hrsg.), Zürich. Husicka, A., Schulte, G. (1999) Flussdeiche Lebensräume zur Erhaltung und Reaktivierung der biologischen Vielfalt der Auen?, Landesanstalt für Ökologie, Bodenordnung und Forsten/Landesamt für Agrarordnung Landes Nordrhein-Westfalen, LÖBF-Mitteilungen Nr. 1/1999. Ihringer, J. (1996) Hochwasser aus ländlichen und städtischen Gebieten, Geowissenschaften. IKSR (S. Internationale Kommission zum Schutz des Rheins, Koblenz) Illies, J. (Hrsg.) (1978) Limnofauna Europaea, Gustav Fischer Verlag, Stuttgart. Immendorf, R. (Hrsg.) (1997) Hochwasser – Natur im Überfluß ?, C.F. Müller Verlag, Heidelberg. Ingenieurbüro Umwelt Institut Höxter (1998) Kompensationskonzept für die Renaturierung von Teilabschnitten des Fließgewässersystems der Wehre im Zuge der Planungen zur BAB 44 Kassel-Eisenach, Gutachten im Auftrag des Amtes für Straßen- und Verkehrswesen Kassel ( unveröffentlicht). Ingenieurbüro Umwelt Institut Höxter (2002) Anforderungen an die Eingriffsregelung bei Straßenbauvorhaben in Fließgewässerauen – Überprüfung, Analyse und Ableitung eines Anforderungskataloges am Beispiel der Landschaftspflegerischen Begleitplanung zur A 44 Rheinquerung Ilverich, Studie im Auftrag der Rheinauen-Schutzgemeinschaft Meerbusch e.V., Höxter (Eigenverlag), 66 S. Internationale Kommission zum Schutz des Rheins – IKSR (Hrsg.) (1998) Aktionsplan Hochwasser, Internationale Kommission zum Schutze des Rheins, Koblenz. Internationale Kommission zum Schutz des Rheins – IKSR (Hrsg.) (2000) Kriterien für die Bestimmung und Darstellung der Überschwemmungsgefährdung und Schadensrisiken. Jäger, P., Fuchs, M., Jürging, P. (2001), Wasserwirtschaftliche Rahmenuntersuchung Salzach, Nr. 10, Grundlagen, Methoden und Anwendung der ökologischen und naturschutzfachlichen Bewertung, 101 S. , München, Wien.
486
Literaturverzeichnis
Jäggi, M. (1999) Gewässeraufweitungen, In: WBW-Fortbildungsgesellschaft für Gewässerentwicklung mbH (Hrsg.) (1999) Gewässernachbarschaften in Baden-Württemberg, Statusbericht 1998/1999, Heidelberg. Jäggi, M. (2003) Gewässeraufweitungen, gewässer-info, Magazin zur Gewässerunterhaltung und Gewässerentwicklung, Nr. 28, September 2003, S. 209–211. Jäggi, M. (2004) Grundsätze zum Bau von Blockrampen, Wasser Energie Luft, 96. Jahrg., 2004, Heft 5/6, S. 147–152. Jahrl, J. (2001) Der Fischotter – Jäger oder Gejagter, In: Österreichischer Naturschutzbund (Hrsg.) (2001) Natur und Land, Heft 4/5-2001. Johannes, H. (1978) Wasser-Herbizid-Fibel, Schriftenreihe des Kuratoriums für Wasser und Kulturbauwesen (KWK), Heft 35, Paul-Parey Verlag, Hamburg und Berlin, 145 S. Johannsen, R., Spundflasch, F. (1999) Tiefenerosion, ein Problem an naturfern ausgebauten Löß-/Lehmbächen, In: Gesellschaft für Ingenieurbiologie (Hrsg.) (1999) Mitteilungen 13/ April 1999. Jüngel, E. (2004) Der Lungwitzbach in Sachsen – ein Fluss hilft sich selbst, gewässer-info – Magazin zur Gewässerunterhaltung und Gewässerentwicklung, Nr. 29, Januar 2004, S. 229– 231. Jungwirth M. (1981) Auswirkungen von Fließgewässerregulierungen auf Fischbestände, Wasserwirtschaft Wasservorsorge, Forschungsarbeiten des Bundesministeriums für Landund Forstwirtschaft, Eigenverlag, Wien. Jungwirth, M., Haidvogl, G., Moog, O., Muhar, S. , Schmutz, S. (2003) Angewandte Fischökologie an Fließgewässern, UTB 2113, Facultas Universitätsverlag, Wien. Jürging, P. (1985) Beachtung ökologischer Aspekte bei Ausbau und Unterhaltung von Fließgewässern, Münchner Beiträge zur Abwasser-, Fischerei- und Flussbiologie, Bd. 39 „Schadstoffbelastung und Ökosystemschutz in aquatischen Bereichen“, Oldenbourg, München, S. 553–572. Jürging, P. (1987) Landschaftsökologische Untersuchungen bei Flussstauseen, Wasserwirtschaft, 77. Jahrg., Heft 6, S. 284–287. Jürging, P. (1995) Wasserwirtschaftliche und ökologische Folgen der Nutzung von Gewässerauen, Zeitschrift für Kulturtechnik und Landentwicklung, Nr. 4/1996, S. 154–158. Jürging, P. (1997) Altgewässer – Entwicklung und Problematik aus landschaftsökologischer Sicht, Wasser, Abwasser, Praxis (WAP), Nr.1, S. 18–22. Jürging, P. (1998) Ökologische Aspekte bei der mechanischen Gewässerunterhaltung, WasserAbwasser-Praxis (WAP), Heft 5, S. 16–18. Jürging, P. (1999) Die Ökologie von Flachlandgewässern und deren Beeinträchtigung durch Unterhaltungsmaßnahmen, Unterhaltung und Entwicklung von Flachlandgewässern; Materialien Gewässer Band 2, Baden-Württemberg, II/1–15. Jürging, P. (2001) Wasserbauliche Aspekte bei der Renaturierung von Fließgewässern, Fließgewässerdynamik und Offenlandschaften, Fachtagung vom 13.–15.März 2001 in Kulmbach, Bayerisches Landesamt für Umweltschutz, Augsburg, S. 7–18. Jürging, P. (2002) Die Bedeutung von Hochwasser für die Renaturierung der Flusslandschaft Isar, Rundgespräche der Kommission für Ökologie, Bd. 24 „Katastrophe oder Chance? Hochwasser und Ökologie“, S. 131–144. Jürging, P. (2003) Auen und Hochwasserrückhalt, ATV-DVWK – Landesverband Bayern, Nürnberger Wasserwirtschaftstag am 5. Juni 2003, S. 116–123. Jürging, P. (2004) Bedeutung der Schwarzerle für die Wasserwirtschaft.- Berichte der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft, LWF-Wissen Nr. 42, S. 46–50. Jürging, P., Gröbmaier, W. (1996) Gewässer und ihre Lebensgemeinschaften., Wasser, Abwasser, Praxis (WAP,) Heft 3, S. 46–50. Jürging, P., Schauer, Th. (1998) Die Vegetationsverhältnisse an der Isar, Die Isar – Ein Gebirgsfluß im Wandel der Zeit, Jahrbuch des Vereins zum Schutz der Bergwelt, 63. Jahrg., Band 63, S. 61–86.
Literaturverzeichnis
487
Kaden, St., Hartung, J. (2003) Grenzüberschreitendes Informations- und Entscheidungshilfesystem für ein nachhaltiges Hochwassermanagement an der Oder. Wasser & Abfall, Nr. 6, Juni 2003. Kail, J., Gerhard, M. (2003) Totholz in Fließgewässern – eine Begriffsbestimmung, Wasser & Boden, 55. Jahrg., Heft 1+2/2003. Kaiser, O., Schüle, F. (2004) Bewertung städtischer Fließgewässer, Wasserwirtschaft, Heft 4/2004, S. 20–26. Kalweit, H. (1998) Schöpfung aus Wald und Wasser. Geschichte der Wasserwirtschaft in Brandenburg und Berlin, Stuttgart. Karim, M.F., Kennedy, J.F. (1983) Computer-Based Predictors for Sediment Discharge and Friction Factor of Alluvial Streams”, Second International Symposium on River Sedimentation, China, 1983. Kaule, G. (1979) Auswertung der Kartierung schutzwürdiger Biotope in Bayern – allgemeiner Teil außeralpine Naturräume; Bayerisches Landesamt für Umweltschutz (Hrsg.), München Kaule, G. (1986) Arten- und Biotopschutz., Eugen Ulmer Verlag (UTB für Wissenschaft; Große Reihe), Stuttgart. Kern, K. (1994) Grundlagen naturnaher Gewässergestaltung – Geomorphologische Entwicklung von Fließgewässern, Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, New York. Kern, K. (1998) Sohlenerosion und Auenauflandung – Empfehlungen für die Gewässerunterhaltung, DVWK-Gemeinnützige Fortbildungsgesellschaft für Wasserwirtschaft und Landschaftsentwicklung (GFG) mbH (Hrsg.) (1998), Dez. 1998, Mainz. Kern, K., Fleischhacker, T., Rast, G. (1999) Strukturgütebewertung mittelgroßer Flüsse – Methodenentwicklung am Beispiel der Mulde, Wasserwirtschaft, 89. Jahrg., Heft 1/1999. Keune, A., Hoff, Martina (2001) Ein Industriefluss stellt sich vor: Erkundungen mit dem Lippe-Mobil, Landesanstalt für Ökologie, Bodenordnung und Forsten des Landes NordrheinWestfalen, LÖBF-Mitteilungen Nr. 4/2001. Keweloh, H.-W. (1985) Flößerei in Deutschland, Stuttgart. Kienholz, G. (1992) Naturgefahren-Gefahrenkarten, DFG-Rundgespräch Naturgefahren und Risikoabschätzung, Bonn. Kleeberg, H.-B., Rother, K.H. (1996) Hochwasserflächenmanagement in Flusseinzugsgebieten, Wasser & Boden, 48. Jahrg., Heft 2/1996, S. 24–32. Kluge, W., Trepel, M. (2004) Geohydrologische Einbindung von Niederungen in die Landschaft, Wasserwirtschaft, Heft Nr. 5/2004. Knopp, G.-M. (2001) Gewässerausbau und Spielräume der Wasserkraftnutzung aus der Sicht der Länder, in: Breuer (Hrsg.), Gewässerausbau, Wasserkraftnutzung und alte Mühlenrechte, Das Recht der Wasser- und Entsorgungswirtschaft, Heft 29, S. 81ff.. Köhler, G. (1992) Auswirkungen verschiedener anthropogener Veränderungen auf den Hochwasserabfluss im Oberrheingebiet, Wasser & Boden, 44. Jahrg., Heft 1/92. Kollmann, M. (2004) Rechtsfragen der Gewässerunterhaltung vor dem Hintergrund der WRRL und der Neufassung des WHG, Wasser und Abfall, Heft 3/2004. Konold, W. (1987) Oberschwäbische Weiher und Seen. Geschichte, Kultur, Vegetation, Limnologie, Naturschutz. Beih. Veröff. Naturschutz Landschaftspflege Bad.-Württ. 52, 2 Bde. Konold, W. (1991a) Wasser, Wiesen und Wiesenwässerung in Isny im Allgäu, Ein Beitrag zur Agrar- und Stadtgeschichte. Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung 109, S. 161–213. Konold, W. (1991b) Mittelalterliche Weiher und Dämme in Oberschwaben, In: Garbrecht, G. (Hrsg.) Historische Talsperren 2, Stuttgart, S. 353–369. Konold, W., Böcker, R., Hampicke, U. (Hrsg.) (2003) Handbuch Naturschutz und Landschaftspflege – Kompendium zu Schutz und Entwicklung von Lebensräumen und Landschaften, Stand 8/2003 nach 10. Ergänzungslieferung, ecomed-verlagsgesellschaft, Landsberg am Lech. Konold, W., Popp, S. (1994) Zur Geschichte der Wiesenwässerung im Bereich der württembergischen Donau, In: Konold, W. (Bearb.) Historische Wasserwirtschaft im Alpenraum und an der Donau, Stuttgart, S. 377–398.
488
Literaturverzeichnis
Körner, S. (2001) Theorie und Methodologie der Landschaftsplanung, Landschaftsarchitektur und Sozialwissenschaftlichen Freiraumplanung vom Nationalsozialismus bis zur Gegenwart, Schriftenreihe der Fakultät VII – Architektur und Umwelt – der TU Berlin (118), Berlin, 468 S. Kränkl, G. (1994) Historische Schutzmaßnahmen an der Donau zwischen Regensburg und Passau. In: Konold, W. (Bearb.) Historische Wasserwirtschaft im Alpenraum und an der Donau, Stuttgart, S. 473–492. Kraus, W. (1984) Uferstreifen an Gewässern zum Nutzen der Wasserwirtschaft, Ökologie und Landschaft, Wasser & Boden, 36. Jahrg., Heft 12/1984. Kraus, W. (1987a) Biotopvernetzung im Wasserbau, Wasser & Boden, Heft 39/1987. Kraus, W. (1987b) Der Hochwasserschutz von Wasserburg am Inn, Bau Intern, Zeitschrift der Bayerischen Staatsbauverwaltung, Heft 7, Verlag Karl M. Lipp, München. Kraus, W. (1994) Uferstreifen – unverzichtbare Bestandteile von Tallandschaften, Zeitschrift für Kulturtechnik und Landentwicklung, Heft 35/1994. Krause, G. (1974) Berücksichtigung von Naturschutz und Landschaftspflege bei wasserbaulichen Maßnahmen. Vortrag beim Lehrgang des BWK-Landesverbandes Niedersachsen, Berlin und Bremen „Erhaltung und Gestaltung der Landschaft bei Wasserbaulichen Maßnahmen“ am 28. – 30.10.1974, BWK-Selbstverlag. Kron, W. (2001) Versicherung von Hochwasserschäden, In: Patt (Hrsg.) (2001) Hochwasserhandbuch – Auswirkungen und Schutz, Springer Verlag, Berlin, S. 505 ff. Kron, W., Willems, W. (2000) Flood zoning and loss accumulation analysis for Germany – Part II: Practical applications in the insurance industry. Proc. 8th IAHR International Symposium on Stochastic Hydraulics ISSH’2000, Peking, 25.–28.7.2000. Kurowski, H. (1993) Die Emscher – Geschichte und Geschichten einer Flusslandschaft, Essen. LANA (S. Länderarbeitsgemeinschaft Naturschutz) Länderarbeitsgemeinschaft Naturschutz, Landespflege und Erholung (Hrsg.) (1998) Vorsorge für die Erholung in der Landschaft – Planungs- und Vollzugsauftrag des Naturschutzes und der Landschaftspflege, LANA-AK Landschaftsplanung vom 2. Juli 1998. Länderarbeitsgemeinschaft Wasser – LAWA (Hrsg.) (1995) Leitlinien für einen zukunftsweisenden Hochwasserschutz, Hochwasser – Ursachen und Konsequenzen, Broschüre im Auftrag der Umweltministerkonferenz, Stuttgart. Länderarbeitsgemeinschaft Wasser – LAWA (Hrsg.) (1997) UVP-Leitlinien – Arbeitsmaterialien für die Umweltverträglichkeitsprüfung in der Wasserwirtschaft, Kulturbuchverlag, Berlin. Länderarbeitsgemeinschaft Wasser – LAWA (Hrsg.) (1998) Leitlinien zur Durchführung dynamischer Kostenvergleichsrechnungen, Kulturbuchverlag, Berlin. Länderarbeitsgemeinschaft Wasser – LAWA (Hrsg.) (1999) Gewässergüteatlas Bundesrepublik Deutschland – Fließgewässer in der Bundesrepublik Deutschland – Karten der Wasserbeschaffenheit 1987–1996. Länderarbeitsgemeinschaft Wasser – LAWA (Hrsg.) (2000a) Empfehlungen – Oberirdische Gewässer, Gewässerstrukturgütekartierung in der Bundesrepublik Deutschland – Verfahren für kleine und mittelgroße Fließgewässer, 1. Aufl., Schwerin. Länderarbeitsgemeinschaft Wasser – LAWA (Hrsg.) (2000b) EU-Wasserrahmenrichtlinie – Programm für die Zukunft im Gewässerschutz, Symposium zur Einführung der EU-Wasserrahmenrichtlinie am 13./14. Dezember 2000 in Schwerin, Dezember 2000. Länderarbeitsgemeinschaft Wasser – LAWA (Hrsg.) (2000c) Wirksamkeit von Hochwasservorsorge- und Hochwasserschutzmaßnahmen. Länderarbeitsgemeinschaft Wasser – LAWA (Hrsg.) (2000d) Handlungsempfehlung zur Erstellung von Hochwasser-Aktionsplänen. Länderarbeitsgemeinschaft Wasser – LAWA (Hrsg.) (2001) Gewässergüteatlas der Bundesrepublik Deutschland – Gewässerstrukturgüte 2001, Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) Kulturbuch-Verlag GmbH, Berlin Länderarbeitsgemeinschaft Wasser – LAWA (Hrsg.) (2002a) Arbeitshilfe zur Umsetzung der EG-Wasserrahmenrichtlinie (aktuelle Fassung siehe Internet).
Literaturverzeichnis
489
Länderarbeitsgemeinschaft Wasser – LAWA (Hrsg.) (2002b) Gewässergüteatlas der Bundesrepublik Deutschland – Gewässerstruktur in der Bundesrepublik Deutschland 2001. Kulturbuchverlag Berlin. Länderarbeitsgemeinschaft Wasser – LAWA (Hrsg.) (2002c) Empfehlungen Oberirdische Gewässer: Gewässerstrukturkartierung in der Bundesrepublik Deutschland, Übersichtsverfahren, Kulturbuchverlag Berlin, im Druck Länderarbeitsgemeinschaft Wasser – LAWA (Hrsg.) (2003) Empfehlungen zur Festsetzung von Überschwemmungsgebieten und zur Festlegung von überschwemmungsgefährdeten Bereichen. Landesanstalt für Ökologie, Bodenordnung und Forsten/Landesamt für Agrarordnung Nordrhein-Westfalen (LÖBF) (Hrsg.) (o.J.) Charakteristische Strukturelement in Fließgewässern – Hinweise für Renaturierungsmaßnahmen und Fischschutzgebiete, Beiträge aus den Fischereidezernaten, Heft Nr. 5, Düsseldorf. Landesanstalt für Ökologie, Landschaftsentwicklung und Forstplanung des Landes Nordrhein-Westfalen – LÖLF NRW (Hrsg.) (1993) Naturschutz und Kanusport – Beurteilungsrahmen zur Abwägung der beiderseitigen Belange, LÖLF-Mitteilungen Nr. 2/93. Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg (Hrsg.) (1993) Durch Freizeit/Erholung besonders gefährdete Biotoptypen – Hinweise für Planung und Beurteilung. Untersuchungen zur Landschaftsplanung, Band 26. Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg (Hrsg.) (1999) Die Gewässerlandschaften Baden-Württembergs, Oberirdische Gewässer, Gewässerökologie Nr. 53, Karlsruhe. Landesumweltamt Brandenburg (Hrsg.) (1998) Das Sommerhochwasser an der Oder 1997, Fachbeiträge anlässlich der Brandenburger Ökologietage II, Studien und Tagungsberichte, Bd. 16, Potsdam. Landesumweltamt Brandenburg (Hrsg.) (2002) Strukturgüte von Fließgewässern, Studien und Tagungsberichte, Band 37, Potsdam. Landesumweltamt Nordrhein-Westfalen – LUA NRW (Hrsg.) (1998) Gewässerstrukturgüte in Nordrhein-Westfalen – Kartieranleitung, Merkblätter Nr. 14, Essen. Landesumweltamt Nordrhein-Westfalen – LUA NRW (Hrsg.) (1999) Leitbilder für kleine bis mittelgroße Fließgewässer in Nordrhein-Westfalen – Gewässerlandschaften und Fließgewässertypen, Merkblätter Nr. 17, Essen. Landesumweltamt Nordrhein-Westfalen – LUA NRW (Hrsg.) (2001a) Gewässerstrukturgüte in Nordrhein-Westfalen, Anleitung für die Kartierung mittelgroßer bis großer Fließgewässer, Merkblatt Nr. 26, Landesumweltamt Nordrhein-Westfalen, Essen Landesumweltamt Nordrhein-Westfalen – LUA NRW (Hrsg.) (2001b) Leitbilder für mittelgroße bis große Fließgewässer – Gewässerabschnitte und Referenzstrukturen, Bearbeiter: Ehlert, T., Koenzen, U., Pottgiesser, T., LUA-Merkblätter Nr. 34, Düsseldorf, 130 S. , Karte. Landesumweltamt Nordrhein-Westfalen – LUA NRW (Hrsg.) (2001c) Referenzgewässer der Fließgewässertypen Nordrhein-Westfalens, Teil 2: Mittelgroße bis große Fließgewässer – Gewässerabschnitte und Referenzstrukturen, Merkblätter Nr. 29, Essen. Landesumweltamt Nordrhein-Westfalen – LUA NRW (Hrsg.) (2001d) Vegetationskundliche Leitbilder und Referenzgewässer für die Ufer- und Auenvegetation der Fließgewässer in Nordrhein-Westfalen, Merkblätter Nr. 32, Essen. Landesumweltamt Nordrhein-Westfalen – LUA NRW (Hrsg.) (2002) Gewässerkundliches Jahrbuch, Rheingebiet, Teil III, Mittel- und Niederrhein mit deutschem Issel- und Maasgebiet, 1999, 1.11.1998 – 31.12.1999, Essen. Landesumweltamt Nordrhein-Westfalen – LUA NRW (Hrsg.) (2003) Verbreitungskarte und Datenbank der Fließgewässertypen Nordrhein-Westfalens (Fließgewässertypenatlas NRW), Bearbeiter: Sommerhäuser M., Pottgiesser, T., Halle, M., Seuter, S. , Bergmann, I., Ehlert, T., Koenzen, U. & Podraza, P., Düsseldorf. Land- und hauswirtschaftlicher Auswertungs- und Informationsdienst – AID (Hrsg.) (1963) Wasserläufe, Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Regelung der Wasserläufe, Heft 3, Bonn.
490
Literaturverzeichnis
Laukötter, G. (1994) Zurück zu den Quellen, Landesanstalt für Ökologie, Bodenordnung und Forsten/Landesamt für Agrarordnung Landes Nordrhein-Westfalen, LÖBF-Mitteilungen Nr. 1/1994. Lautenschläger, M. (2004) Anpassungen der Lebensgemeinschaft von Mittelgebirgs-Fließgewässern an starke urbane Überprägungen unter besonderer Berücksichtigung der Simuliidae, Vortragsmanuskript (unveröffentlicht). Lautenschläger, M., Podraza, P. (2001) The significance of human impact on stream bank structure for populations of adult insects, Verhandlungen Internationale Vereinigung Limnologie, 28. Jahrg., S. 323–327. LAWA (S. Länderarbeitsgemeinschaft Wasser) Lecher, K., Lühr, H.-P., Zanke, U.C.E. (Hrsg.) (2001) Taschenbuch der Wasserwirtschaft, 8. Auflage, Verlag Paul Parey, Berlin. Leidel, G. (1998) Der Wasserbau in Kurbayern an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert. In: Altbayerische Flusslandschaften an Donau, Lech, Isar und Inn – Handgezeichnete Karten des 16. bis 18. Jahrhunderts aus dem Bayerischen Hauptstaatsarchiv. Ausstellungskataloge der Staatlichen Archive Bayern 37, S. 297–315. Weißenhorn Leopold, L.B., Wolmann, M.G. (1957) River Channel Patterns – braided, meandering and straight, U.S. Geological Survey Prof. Paper. Leopold, L.B., Wolmann, M.G., Miller, J.P. (1964) Fluvial Processes in Geomorphology, Freemann, San Francisco, CA. LfU BW (siehe Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg, Karlsruhe) LÖBF (S. Landesanstalt für Ökologie, Bodenordnung und Forsten/Landesamt für Agrarordnung des Landes Nordrhein-Westfalen, Recklinghausen) Loheide, P., Walter, P. (2000) Strategien zur Auflösung von Konflikten zwischen Landwirtschaft, Wasserwirtschaft und Naturschutz, Landesanstalt für Ökologie, Bodenordnung und Forsten des Landes Nordrhein-Westfalen, LÖBF-Mitteilungen Nr. 1/2000. Lohmeyer, W., Krause, A. (1975) Über die Auswirkungen des Gehölzbewuchses an kleinen Wasserläufen des Münsterlandes auf die Vegetation im Wasser und an den Böschungen im Hinblick auf die Unterhaltung der Gewässer, Schriftenreihe für Vegetationskunde Heft Nr. 9, Bonn-Bad Godesberg, 105 S. LÖLF (S. Landesanstalt für Ökologie, Landschaftsentwicklung und Forstplanung des Landes Nordrhein-Westfalen, Recklinghausen) Loske, K.-H. (2000) Renaturierung der Lippe: Bald ein Fluss ohne Fesseln, LÖBF-Mitteilungen , Nr. 4/2000 (Landesanstalt für Ökologie, Landschaftsentwicklung und Forstplanung des Landes Nordrhein-Westfalen, Recklinghausen (LÖBF), S. 52–61. LUA NRW (S. Landesumweltamt Nordrhein-Westfalen, Essen) Lüttke, M. (2001) Nicht Längsdurchgängigkeit, sondern Seitenaufstieg tut Not, Wasserwirtschaft, 91. Jahrg., Heft 10/2001. Luz, F. (1993) Zur Akzeptanz landschaftsplanerischer Projekte, Determinanten lokaler Akzeptanz und Umsetzbarkeit von landschaftsplanerischen Projekten zur Extensivierung, Biotopvernetzung und anderen Maßnahmen des Natur- und Umweltschutzes, Europäische Hochschulschriften, Reihe 42, Ökologie, Umwelt und Landespflege, Bd. 11, Peter Lang Verlag, Frankfurt am Main. Maas, D. (1999) Hochwasser-Vorhersagedienste und Ereignisse, Wasserwirtschaft, 89. Jahrg., Heft 11/1999. Mader, H. (2000) Minimierung der Auswirkungen von Wasserentzug auf Fließgewässer, Wasser & Boden, 51. Jahrg., Heft 4/2000. Maniak, U. (1997) Hydrologie und Wasserwirtschaft – Eine Einführung für Ingenieure, 4. Aufl., Springer-Verlag, Berlin, Berlin – Heidelberg. Maniak, U. (2001) Wasserwirtschaft – Einführung in die Bewertung wasserwirtschaftlicher Vorhaben, Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, New York. Marti, Ch., Bezolla, G.R., Minor, E. (2004) Kolkproblematik in aufgeweiteten Flussabschnitten, In: Berichte des Lehrstuhls und der Versuchsanstalt für Wasserbau und Wasserwirtschaft – Univ. Prof. Dr.-Ing. Th. Strobl (Hrsg.) (2004) Lebensraum Fluss – Hochwasser-
Literaturverzeichnis
491
schutz, Wasserkraft, Ökologie, Beiträge zum Symposium vom 16.–19. Juni 2004 in Wallgau, Bd. 1, S. 239–248. Mertens, W. (1989) Zur Frage hydraulischer Berechnungen naturnaher Fließgewässer, Wasserwirtschaft, 79. Jahrg., Heft 4. Mertens, W. (1990) Sedimentologische Aspekte beim naturnahen Gewässerausbau, Wasserwirtschaft, 80. Jahrg., Heft 4. Mertens, W. (2004) Zur Berechnung naturnaher Wasserläufe nach DVWK-Merkblatt 220 und DVWK-Mitteilung 25, Wasserwirtschaft, Heft 3/2004. Meszmer, F. (1998) Ansprüche und Bestimmungsschlüssel von Pflanzenarten im ingenieurbiologischer Bedeutung, In: Gesellschaft für Ingenieurbiologie (Hrsg.) (1998) Mitteilungen 12/Juni 1998. MfU BW (siehe Ministerium für Umwelt Baden-Württemberg, Stuttgart) Ministerium für Umwelt Baden-Württemberg (Hrsg.) (1990) Handbuch Wasserbau, Naturgemäße Gestaltung von Fließgewässern, Heft 3. Ministerium für Umwelt Baden-Württemberg (Hrsg.) (1992) Handbuch Wasserbau, Naturnahe Umgestaltung von Fließgewässern, Teil I: Leitfaden, Teil II: Dokumentation ausgeführter Projekte, Heft 2. Ministerium für Umwelt Baden-Württemberg (Hrsg.) (1993) Handbuch Wasserbau – Naturgemäße Bauweisen, Ufer- und Böschungssicherungen, Heft 5. Ministerium für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft des Landes Nordrhein-Westfalen – MURL NRW (Hrsg.) (1987) Von der Quelle bis zur Mündung – Schutz der Fließgewässer in Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf. Ministerium für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft des Landes Nordrhein-Westfalen – MURL NRW (Hrsg.) (1995) Leitbilder für Tieflandbäche in Nordrhein-Westfalen. Gewässerlandschaften und Fließgewässertypen im Flachland. Verfasser: Timm, T., Ohlenforst, F. H., Sommerhäuser, M., Beverungen, K., Hahn, R., Lätsch, K., Pottgiesser, T., Rückriem, B. & Steimer R., Düsseldorf, WAZ-Druck, 60 S. Ministerium für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft des Landes Nordrhein-Westfalen – MURL NRW (Hrsg.) (1999) Richtlinie für naturnahe Unterhaltung und naturnahen Ausbau der Fließgewässer in Nordrhein-Westfalen, Juli 1999, 5. Auflage,, Düsseldorf. Ministerium für Umwelt und Forsten Rheinland-Pfalz (Hrsg.) (2001) Gewässerstrukturgüte 2000, Aktion Blau, Gewässerentwicklung in Rheinland-Pfalz; Ministerium für Umwelt und Forsten Rheinland-Pfalz, Mainz. Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen MUNLV (Hrsg.) (2002a) Gewässerauenprogramm – Ein Überblick über die Gewässerauenkonzepte in Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf. Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen – MUNLV (Hrsg.) (2002b) Wanderfischprogramm NordrheinWestfalen, Statusbericht zur ersten Programmphase 1998 bis 2002, Ein Landesprogramm im Bereich Naturschutz und Gewässerökologie, Düsseldorf. Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen – MUNLV (Hrsg.) (2002c) Fische unserer Bäche und Flüsse – Aktuelle Verbreitung, Entwicklungstendenzen, Schutzkonzepte für Fischlebensräume in Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf. Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen MUNLV (Hrsg.) (2003a) Leitfaden zur Umsetzung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie in Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf. Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen MUNLV (Hrsg.) (2003b) Leitfaden zur Aufstellung eines Konzeptes zur naturnahen Entwicklung von Fließgewässern, Düsseldorf (WDW), 36 S. , Anhang. Ministerium für Umwelt und Verkehr Baden-Württemberg (Hrsg.) (2002) Hochwasserschutz in Baden-Württemberg, Bilanz und Ausblick. Ministerium für Umwelt und Verkehr Baden-Württemberg (Hrsg.) (2003) Hochwassergefahr und Strategien zur Schadensminderung in Baden-Württemberg, Leitlinie des Ministeri-
492
Literaturverzeichnis
ums für Umwelt und Verkehr, des Innenministeriums und des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg. Ministerkonferenz für Raumordnung – MKRO (Hrsg.) (1996) Grundsätze und Ziele der Raumordnung und Landesplanung zu einem grenzüberschreitenden vorbeugenden Hochwasserschutz an Fließgewässern. Minor, E. (2000) Fliessgewässer im nächsten Jahrtausend, Raumbedarf – Zielkonflikte, Zeitschrift „wasser-energie, luft“ des Schweizer Wasserwirtschaftsverbandes, 92. Jahrg., Heft 3/4. MKRO (S. Ministerkonferenz für Raumordnung) Müller, O. (1999) Sicherheitsprüfung von Deichen und Dämmen, Wasser & Boden, 51. Jahrg., Heft 6/1999. Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft (Hrsg.) (2004) Jahresrückblick der Naturkatastrophen 2003, 11. Jahrg. 2004, München. MUNLV (S. Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf) MURL NRW (S. Ministerium für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft des Landes Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf) Muth, W. (2001) Hydraulisch wirksame Absturzbauwerke – Berechnung nach DIN 19 661-2, Wasserwirtschaft, 91. Jahrg., Heft 6/2001. Naturschutz- und Umweltakademie Nordrhein-Westfalen – NUA (Hrsg.) (2000) Gewässer ohne Wasser – Ökologie, Bewertung, Management temporärer Gewässer, NUA-Seminarbericht, Bd. 5, Recklinghausen, 165 S. Neumann, D., Borcherding (1998) Die Fischfauna des Niederrheins und seiner ehemaligen Auenlandschaft, Landesanstalt für Ökologie, Bodenordnung und Forsten/Landesamt für Agrarordnung Landes Nordrhein-Westfalen, LÖBF-Mitteilungen Nr. 2/1998. Newbold, C. (1998) Die Wasserrahmenrichtlinie – Ihre Relevanz für den Naturschutz und Berührungspunkte mit der Vogel- und der Habitat-Richtlinie, Wasser & Boden, 50. Jahrg., Heft 12/1998. Niedersächsische Landesamt für Ökologie – NLÖ (Hrsg.) (1994) Hinweise zur Aufstellung des Unterhaltungsrahmenplans für Fließgewässer in Niedersachsen – Entwurf, Hildesheim. Niedersächsisches Landesamt für Ökologie – NLÖ (Hrsg.) (2001) Morphologische Fließgewässertypen in Niedersachsen, Leitbilder und Referenzgewässer, Bearbeiter: Rasper, M., Hannover, 98 S. NLÖ (S. Niedersächsisches Landesamt für Ökologie, Hildesheim) NUA NRW (S. Naturschutz- und Umweltakademie Nordrhein-Westfalen, Recklinghausen) Obernolte, L. (2000) Erfolgskontrolle ingenieurbiologischer Arbeiten – Erarbeitung eines Standardisierten Bewertungsbogens, In: Gesellschaft für Ingenieurbiologie (Hrsg.) (2000) Mitteilungen 16/Juli 2000. Oberste Baubehörde (OBB) im Bayerischen Staatsministerium des Innern (Hrsg.) (1989) Flüsse und Bäche – erhalten, entwickeln, gestalten, Wasserwirtschaft in Bayern, Heft 21, München. Oberste Baubehörde (OBB) im Bayerischen Staatsministerium des Innern (Hrsg.) (1991) Flüsse, Bäche, Auen – pflegen und gestalten –, Wasserwirtschaft in Bayern, Heft 21, München. Odeh, M. (Edit.) (1999) Innovations in Fish Passage Technology, American Fisheries Society, Bethesda, Maryland. Österreichischer Naturschutzbund (Hrsg.) (1998) Hecken für die Landschaft, Natur und Land, Heft 1/2-1998. Österreichischer Naturschutzbund (Hrsg.) (2003) Tagliamento-Friaul, NATURA 2000,„König“ der Alpenflüsse vor seinem Ende?, Natur und Land, Heft 1/2-2003. Otto, A. (1991) Grundlagen einer morphologischen Typologie der Bäche, In: Larsen, P. (Hrsg.) (1991). Otto, A. (1992) Grundlagen und Grundsätze zur landschafts- und naturgerechten Lösung von Erosionsproblemen an Mittelgebirgsbächen, In: Kreisverwaltung Neuwied (Hrsg.) (1992). OVG Bautzen (2003) Beschluss vom 23. Januar 2003, Zeitschrift für Umweltrecht, S. 222.
Literaturverzeichnis
493
OVG Koblenz (2001) Urteil vom 26.11.2000, ZfW, S. 250. Patt, H. (1997) Renaturierte Gewässerstrecken als Gestaltungselemente im Städtebau, In: Crowhurst Lennard, S. H, von Ungern-Sternberg, S. , Lennard, H. L. (1997) Making Cities Livable – Wege zur menschlichen Stadt, Gondolier Press, Carmel, California, USA. Patt, H. (2000) Freizeit- und Erholungsnutzung an Fließgewässern, KA WasserwirtschaftAbwasser –Abfall, 47. Jahrg., Nr. 1, Januar 2000, S. 59–63. Patt, H. (Hrsg.) (2001a) Hochwasser-Handbuch – Auswirkungen und Schutz, Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, New York, 593 S. Patt, H. (2001b) Improvement of Flood Protection in Urban Areas, XXIX. IAHR Congress, 21st Century: The New Era for Hydraulic Research, Beijing, China, Sept. 17–21, 2001, S. 359–364. Patt, H. (2001c) Development of Rivers in Europe – From Individual Restoration Projects to the Implementation of the European Water Framework Directive, 1st International Conference on Ecological Protection of the Planet Earth, Xanthi, Thrace, Greece, 5–8 June 2001, S. 449–458. Patt, H. (2001d) Naturnahe Gewässergestaltung und umweltfreundliche Wasserkraftnutzung – natur- und ingenieurwissenschaftliche Grundlagen, In: Breuer, R. (Hrsg.) (2001), Das Recht der Wasser- und Entsorgungswirtschaft, Heft Nr. 29, Carl Heymanns Verlag, Köln, Berlin, Bonn, München, S. 3–30. Patt, H. (2001e) Urbane Fließgewässer“, In: Weiterbildendes Studium Bauingenieurwesen – Wasser und Umwelt, Bauhaus-Universität Weimar, Kurs WW 44 – Gewässerentwicklungspläne, 2. Auflage, Weimar, 2001. Patt, H. (2002) Natural Development of a River Bend, Enviromental Flows for River Systems, International Conference on Assessment and Implementation; Incooperating Fourth International Ecohydraulics Symposium, Cape Town, South Africa, March 3–8, 2002. Patt, H. (2003) Natural development of a river bend, Proceedings of the XXX. IAHR Congress, Thessaloniki, Greece, August 24–29, 2003, S. 511–518. Patt, H., Baumgart, H.-C. (2003) Fließgewässerentwicklung – Rechtliche Umsetzung und praktische Auswirkungen“, Bericht über das 16. Wasserbau-Seminar am 20. Februar 2003 an der Universität Duisburg-Essen, KA-Zeitschrift für Wasserwirtschaft, Bodenschutz und Abfallwirtschaft, 50. Jahrg., Heft Nr. 8/2003, S. 1001–1004. Patt, H., Burkart, B. (2003a) Einführung in den Hochwasserschutz, In: Weiterbildendes Studium Bauingenieurwesen – Wasser und Umwelt, Bauhaus-Universität Weimar, Kurs WW 47 – Hochwassermanagement II – Praxis des Hochwasserschutzes, 1. Aufl., Weimar, 2003, Kap. 1, S. 1.1 – 1.31. Patt, H., Burkart, B. (2003b) Hochwasserflächenmanagement, In: Weiterbildendes Studium Bauingenieurwesen – Wasser und Umwelt, Bauhaus-Universität Weimar, Kurs WW 47 – Hochwassermanagement II – Praxis des Hochwasserschutzes, 1. Aufl., Weimar, 2003, Kap. 2, S. 2.1–2.24 . Patt, H., Jürging, P., Kraus, W. (2004) Naturnaher Wasserbau, Entwicklung und Gestaltung von Fließgewässern, 2. Aufl., Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, New York, 423 S. Patt, H., Schackers, B., Städtler, E. (2001) Fließgewässerentwicklung aus der Sicht der Freizeitund Erholungsplanung, KA-Zeitschrift für Wasserwirtschaft, Bodenschutz und Abfallwirtschaft, 48. Jahrg., Nr. 5, Mai 2001, S. 612–623. Patt, H., Schrenk, G. (2004a) Freizeit- und Erholungsnutzungen bei der Fließgewässerentwicklung – Aspekte in Verbindung mit der EG-Wasserrahmenrichtlinie“, Wasserwirtschaft, Nr. 6/2004, S. 53–56. Patt, H., Schrenk, G. (2004b) Freizeit- und Erholungsnutzungen bei der Fließgewässerentwicklung – Aspekte in Verbindung mit der EG-Wasserrahmenrichtlinie“, KA-AbwasserAbfall, 51. Jahrg., Nr. 6, Juni 2004, S. 599–602. Patt, H., Städtler, E. (1999) Verwertung von pflanzlichen Abfällen aus der Gewässerunterhaltung, Wasser & Boden, 51. Jahrg., Heft 4/1999. Patt, H., Städtler, E. (2000) Eigendynamische Entwicklung einer Gewässerstrecke, Wasser & Boden, 51. Jahrg., Heft 1+2/2000.
494
Literaturverzeichnis
Pauls, St., Feld, C.K., Sommerhäuser, M., Hering, D. (2002) Neue Konzepte zur Bewertung von Tieflandbächen und –flüssen nach Vorgaben der EU-Wasserrahmenrichtlinie, Wasser & Boden, 54. Jahrg., Heft 7+8/2002. Paulus, Th. (1997) Neophyten – Gebietsfremde Pflanzenarten an Fließgewässern – Empfehlungen für die Gewässerpflege, DVWK-Gemeinnützige Fortbildungsgesellschaft für Wasserwirtschaft und Landschaftsentwicklung (GFG) mbH (Hrsg.) (1997), Mainz. Paulus, Th. (1999) Ufergehölze und Ufergehölzpflege – Empfehlungen für den Gewässerunterhaltungspflichtigen, DVWK-Gemeinnützige Fortbildungsgesellschaft für Wasserwirtschaft und Landschaftsentwicklung (GFG) mbH (Hrsg.) (1999), Mainz. Paulus, Th., Herget, W. (2000) Gemeinsame Aktion zur Regulierung des Riesenbärenklaus im Einzugsgebiet der Nister und des Glans, gewässer-info, Magazin zur Gewässerunterhaltung und Gewässerentwicklung, September 2000, S. 89–91. Pauschert, P., Buschmann, M. (1999) Kartierung und Bewertung der Strukturgüte von Flußauen – Methodik und Anwendung als Planungsinstrument am Beispiel der Mulde in Sachsen und Sachsen-Anhalt, Wasserwirtschaft, 89. Jahrg., Heft 1/1999. Peters, H.W. (2004) Der Mäander-Fischpass, Wasserwirtschaft, 94. Jahrg., Heft Nr. 7–8/2004, S. 33–39. Petrascheck, A. (2002) Hochwassergefahren – Beurteilung und Darstellung. In: Patt, H. (Hrsg.) (2002) Vorsorgender Hochwasserschutz, 16. Wasserbau-Seminar an der Universität Essen, Vorträge der Fachtagung vom 21. Februar 2002 an der Universität Essen, Heft Nr. 96, 2002. Pfarr, U., Staeber, H.-M. (2004) Vernetzung von Gewässer begleitenden Waldtypen, Schriftenreihe des Deutschen Rates für Landespflege, Heft 76, S. 71–74. Planungsgruppe Pilotprojekt Leine (im Auftrag des Umweltbundesamtes) (1985) Abschlussbericht, Hannover/ Berlin, 148 S. Plate, E.J. (1997) Risikomanagement bei Hochwasser: Beispiel Oberrhein, Eclogae geologicae Helvetiae, Bd. 90, Birkhäuser Verlag, Basel. Podraza, P., Schuhmacher, H. (1989) Die anthropogene ‚Überformung‘ von Fließgewässern im Ballungsraum – dargestellt am Beispiel des Ölbachs in Bochum, Verhandlungen der Gesellschaft für Ökologie 18, S. 549–555. Pottgiesser, T., Sommerhäuser, M. (2004) Die Fließgewässertypologie Deutschlands, System der Gewässertypen und Steckbriefe zu den Referenzbedingungen, In: Handbuch der Angewandten Limnologie, Ecomed-Verlagsgesellschaft, Landsberg (im Druck). Pusch, M., Feld, C., Hoffmann, A. (1999) Schwemmgut – kostenträchtiger Müll oder wertvolles Element von Flußökosystemen, Wasserwirtschaft, 89. Jahrg., Heft 6/1999. Rasper, M. (2001a) Gewässerstrukturgütekartierung in Niedersachsen – Detailverfahren für kleine und mittelgroße Fließgewässer, In: Niedersächsisches Landesamt für Ökologie – NLÖ (Hrsg.) (2001), Hildesheim, 100 S. Rasper, M. (2001b) Morphologische Fließgewässertypen in Niedersachsen – Leitbilder und Referenzgewässer-. Niedersächsisches Landesamt für Ökologie (Hrsg.) Hildesheim, 98 S. Rasper, M., Sellheim, P., Steinhardt, B. (1991) Das Niedersächsische Fließgewässerschutzsystem – Grundlagen für ein Schutzprogramm, Naturschutz Landschaftspflege Niedersachsen. H. 25/1 (Elbe-Einzugsgebiet), 324 S. H. 25/2 (Einzugsgebiete von Oker, Aller und Leine), 458 S. H. 25/3 (Einzugsgebiete von Weser und Hunte), 306 S. H. 25/4 (Einzugsgebiete von Ems, Hase, Vechte und Küste), 274 S. , Hannover Redecker, B. (2004) Vegetationsveränderung eines Grünlandgebietes an der Elbe unter Berücksichtigung einer Nutzungsänderung zwischen 1976 und 1999 und der Auswirkung des extremen Sommerhochwassers 2002, Tuexenia 24, Göttingen, S. 265–276. RefCond (2003) Final guidance on establishing reference conditions and ecological status class boundaries for inland surface waters, Produced by CIS Working Group 2.3, REFCOND, 89 S. Reich, J. (1999) Wiederherstellung der Durchgängigkeit von Fließgewässern – Fortbildungsthema 1999 der Gewässernachbarschaften in Baden-Württemberg, Wasserwirtschaft, 89. Jahrg., Heft 11/1999.
Literaturverzeichnis
495
Reich, J. (2002) 10 Jahre Gewässernachbarschaften in Baden-Württemberg, Wasserwirtschaft, 92. Jahrg., Heft 9/2002. Reich, J. (2003) 10 Jahre Gewässernachbarschaften in Baden-Württemberg, gewässer-info, Magazin zur Gewässerunterhaltung und Gewässerentwicklung, Nr. 25, September 2002, S. 178–181. Reinhardt, M. (2004) Hochwasserschutz zwischen Enteignungsentschädigung und Amtshaftung, Natur und Recht, S. 415–429. Rheinaubund – Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Natur und Heimat, Schweizerische Greina-Stiftung (Hrsg.) (1999) Die nachhaltige Nutzung des Rheins, Schwerpunktheft Rhein, Natur und Mensch, Nr. 5/1999. Rheinaubund – Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Natur und Heimat, Schweizerische Greina-Stiftung (Hrsg.) (2003) Fallstudie Thur – Perspektiven einer Flusslandschaft, Natur und Mensch, Nr. 5/2003. Renschler, H. (2000) IKONE-Integrierende Konzeption Neckar-Einzugsgebiet – Schlüssel zur Konsensfindung bei der nachhaltigen Bewirtschaftung und Entwicklung der Gewässer im Lebensraum Neckar, Wasserwirtschaft, 90. Jahrg., Heft 9/2000. Rickert, K. (1986) Der Einfluß von Gehölzen auf die Lichtverhältnisse und das Abflußverhalten in Fließgewässern, Mitteilungen Heft 61, Institut für Wasserwirtschaft, Hydrologie und landwirtschaftlichen Wasserbau der Universität Hannover, Hannover. Rickert, K. (1997) Wirkungen von Gehölzen an Fließgewässern, In: Universität Hannover, Weiterbildendes Studium Bauingenieurwesen, Wasser und Umwelt, Kap. 5: Naturnahe Regelung von Fließgewässern, Hannover. Rijn, L.C. van (1984) Sedimenttransport, Part I: Bed Load Transport, Journal of Hydraulic Engineering, Vol. 110, No. 10, Oct. 1984. Rolauffs, P., Hering, D., Sommerhäuser, M., Rödiger, S. , Jähnig, S. (2002) Leitbildorientierte biologische Fließgewässerbewertung zur Charakterisierung des Sauerstoffhaushaltes, Umweltforschungsplan des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Förderkennzeichen UFOPLAN 200 24 227. Roller, St. (2001) Wiederherstellung der Durchgängigkeit im Rahmen der Gewässerunterhaltung, gewässer-info, Magazin zur Gewässerunterhaltung und Gewässerentwicklung, Januar 2001, S. 101–109. Romero, J., Meuli, K. (2003) Die Heizung der Erde gerät außer Kontrolle, Umwelt , Zeitschrift des Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft der Schweiz, Heft Nr. 2/2003. Ronellenfitsch, M. (1986) Eingriffe in Natur und Landschaft bei der wasserwirtschaftlichen Planfeststellung, Verwaltungsarchiv 1986, S. 177ff. Rott, U., Meyer, C. (2000) Naturnahe Regenwasserbewirtschaftung im innerstädtischen Bereich, Wasser und Abfall, 1. Jahrg., Heft 3/2000. Sacher, H., Naujoks, C. (1998) Berechnung von Überschwemmungsgebietsgrenzen mittels moderner Messtechnik, Wasser & Boden, 50. Jahrg., Heft 1/1998. Sartor, J. (1998a) Die gleichzeitige Auftrittswahrscheinlichkeit hoher Abflüsse in Kanalisationsnetzen und Fließgewässern, Wasser & Boden, 50. Jahrg., Heft 8/1998, S. 24–28. Sartor, J. (1998b) Mögliche Einflüsse der Bebauung auf den Hochwasserabfluß, Wasserwirtschaft, 88. Jahrg., Heft 3/1998. Schackers, B. (2000) Kiesgruben in der Weseraue, In: Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland LV NRW (Hrsg.) (2000) Baggerseen – Ersatzlebensraum oder Wunden in den Flusstälern, Dokumentation der Tagung am 18. August 2000 in Düsseldorf, BUND-Berichte Nr. 17, Eigenverlag, Düsseldorf, S. 27–35. Schaipp, B. (2004) 70 Jahre Schweizer Geschiebeformel, In: Berichte des Lehrstuhls und der Versuchsanstalt für Wasserbau und Wasserwirtschaft – Univ. Prof. Dr.-Ing. Th. Strobl (Hrsg.) (2004) Lebensraum Fluss – Hochwasserschutz, Wasserkraft, Ökologie, Beiträge zum Symposium vom 16.–19. Juni 2004 in Wallgau, Bd. 2, S. 344–355. Scharff, G. (1999) Auswirkungen eines Pflegekonzeptes auf den Bewuchs von Flußdeichen, Wasserwirtschaft, 89, Heft 7–8/1999.
496
Literaturverzeichnis
Scheifele, M. (1996) Als die Wälder auf Reisen gingen – Wald-Holz-Flößerei in der Wirtschaftsgeschichte des Enz-Nagold-Gebietes, Verlag G. Braun, Karlsruhe. Schemel, H.J. (1995) Grundlagen zur Bewertung und Planung von Sportaktivitäten an Fließgewässern, In: Fließgewässer und Sport – Dokumentation der Fachtagung „Ökologische Bewertung von Sport- und Freizeitaktivitäten an Fließgewässern“, Deutscher Sportbund, Hessische Kanuschule und Bildungswerk des Landessportbundes Hessen, Tagung vom 9.11.1995 in Neu-Isenburg. Schemel, H.-J., Erbguth, W. (2000) Handbuch Sport und Umwelt, Meyer & Meyer Fachverlag, Aachen, 720 S. Schemel, H.-J., Stradas, W. (1998) Bewegungsraum Stadt – Bausteine zur Schaffung umweltfreundlicher Sport- und Spielgelegenheiten, Ein Forschungsbericht des Umweltbundesamtes, F + E Vorhaben Nr. 109 01 218, Auftragnehmer: Büro für Umweltforschung und Umweltplanung Dr. Schemel – München, Büro für Tourismus- und Erholungsplanung (BTE) – Hannover, Meyer & Meyer Verlag, Aachen. Schiechtl, H. M., Stern, R. (2002) Naturnaher Wasserbau – Anleitung für ingenieurbiologische Bauweisen, Ernst & Sohn Verlag, Berlin. Schmedtje, U., Sommerhäuser, M., Braukmann, U., Briem, E., Haase, P., Hering, D. (2001) „Top down-bottom up“-Konzept einer biozönotisch begründeten Fließgewässertypologie Deutschlands, In: Deutsche Gesellschaft für Limnologie – DGL (Hrsg.) Tagungsbereicht 2001, Magdeburg, Tutzing, S. 147–151. Schmid (2003) Von einem Kanal zu einem Gewässer – Der Ratzengraben in der Stadt Biberach an der Riß, gewässer-info, Magazin zur Gewässerunterhaltung und Gewässerentwicklung, Nr. 27, Mai 2003, S. 199–201. Schmid, W.-D. (2002) Gewässerentwicklungskonzept für den staugeregelten Main, gewässerinfo, Magazin zur Gewässerunterhaltung und Gewässerentwicklung, Nr. 23, Januar 2002, S. 137–140. Schmidt, B., Amt für Umwelt und Naturschutz Friedrichshafen (Hrsg.) (1999) Effizienzkontrolle von Besucherlenkungsmaßnahmen an naturnahen Fließgewässern – tierökologische Untersuchungen an der mittleren Jagst. Fachdienst Naturschutz Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg (LfU), Naturschutz-Info 2/1999. Schmidt, H., Foeckler, F. (2003) Geschiebeaktivierung im Hochrhein – eine entscheidende Maßnahme für das Flussökosystem, In: Rheinaubund – Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Natur und Heimat, Schweizerische Greina-Stiftung (Hrsg.) (2003) Geschiebe und Ökologie – Das Jahr der Berge – ein Rückblick, Natur und Mensch, Nr. 1/2003, S. 20– 27. Schmidt, M. (2001) Fischteichbau als Vorstufe des Talsperrenbaues in Deutschland, Wasserwirtschaft, 91. Jahrg., Nr. 7/8, S. 384–390. Schmidt, W. (1985) Die Nebennutzungen der Teichböden in der Oberlausitz im 18. und 19. Jahrhundert und ihre natürlichen Grundlagen, Abh. Ber. Naturkundemuseum Görlitz 58 (11), S. 1–28. Schnellbächer-Bühler, A. (2001) Kanusport – Risiko oder Chance für unsere Flüsse, In: Rheinaubund – Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Natur und Heimat, Schweizerische Greina-Stiftung (Hrsg.) (2001), Natur und Mensch, Nr. 2/2001, S. 5–9. Schrenk, G. (1996) Zur aktuellen Leitbilddiskussion, In: DVWK-Nachrichten, November 1996, Nr. 148, Bonn. Schumacher, H. (1986) Künstliche Bachalterung – eine konzeptionelle Charakterisierung anthropogener Veränderungen von mitteleuropäischen Fließgewässern, Verh. Deutsche Zoologische Gesellschaft, 79. Jahrg., S. 318. Schumacher, W. (2000) Was will der Naturschutz und was sind die Leistungen der Landwirtschaft für Naturschutz und Landschaftspflege, In: Deutscher Rat für Landespflege (Hrsg.) (2000) Honorierung von Leistungen der Landwirtschaft für Naturschutz und Landschaftspflege, Heft Nr. 71, Juli 2000, S. 19–23.
Literaturverzeichnis
497
Schumacher, W., Klingenstein, F. (2002) Nachhaltige Landwirtschaft zwischen Wunsch und Wirklichkeit, In: Erdmann, K.-H., Schell, C. (Hrsg.) Natur zwischen Wandel und Veränderung, Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, S. 87–98. Schütze, T. (1956) Die frühere Waldbedeckung der Oberlausitz im Lichte der Orts- und Flurnamen, Abh. Ber. Naturkundemuseum Görlitz, Nr. 33 (1), S. 5–42. Schwarzer, A., Hugo-Pulvermacher, R. (1999) Möglichkeiten der Bewertung von Auen kleinerer und mittlerer Fließgewässer, Wasserwirtschaft, 89. Jahrg., Heft 1/1999. Schweinfurth, W. (1990) Geographie anthropogener Einflüsse – Das Murgsystem im Nordschwarzwald. Mannheimer Geographische Arbeiten 26, 351 S. Schweizer Wasserwirtschaftsverband (Hrsg.) (1998) Geschiebetransport und Hochwasserschutz, Vorträge der Fachtagung vom 11. November 1998 in Biel, Verbandsschrift Nr. 59, Baden, Schweiz. Schweizerische Geotechnische Kommission – SGK (Hrsg.) (1997) Die mineralischen Rohstoffe der Schweiz, Eigenverlag, Zürich. Schwevers, U. (2000) Biologische Mechanismen der Fischabwanderung, Wasser & Boden, 51. Jahrg., Heft 4/2000. Schwevers, U. (2004) Anordnung, lichte Weite und Anströmung von Fischschutz- und Fischabstiegsanlagen, In: Berichte des Lehrstuhls und der Versuchsanstalt für Wasserbau und Wasserwirtschaft – Univ. Prof. Dr.-Ing. Th. Strobl (Hrsg.) (2004) Lebensraum Fluss – Hochwasserschutz, Wasserkraft, Ökologie, Beiträge zum Symposium vom 16.–19. Juni 2004 in Wallgau, Bd. 2, S. 386–395. Schwoerbel, J. (1999) Einführung in die Limnologie, 8. Aufl., Gustav Fischer Verlag, Stuttgart, 456 S. Seiler, W. (2003) Klimaveränderungen und die Auswirkungen auf den alpinen Wasserhaushalt, In: Verein zum Schutz der Bergwelt e.V. (Hrsg.) Jahrbuch des Vereins zum Schutz der Bergwelt, 68. Jahrg. (2003/04). Sellheim, P. (2001) Kreuzungsbauwerke an Fließgewässern,- Gestaltungsvorschläge für Durchlässe, Brücken, Verrohrungen und Düker, gewässer-info, Magazin zur Gewässerunterhaltung und Gewässerentwicklung, Mai 2001, S. 113–115. Siegauenkonzept (1997) Grobkonzept zur Renaturierung der Siegaue – Sieg und Aggerauenkonzept, Entwurfsbearbeitung, Überarbeitung: Staatliches Umweltamt Köln – Außenstelle Bonn; Amt für Gewässerschutz und Abfallwirtschaft Rhein-Sieg-Kreis; Amt für Natur- und Landschaftsschutz Rhein-Sieg-Kreis; Landwirtschaftskammer Rheinland. Sieker, F. (1995) Das Mulden-Rigolensystem – ein neues Konzept zur Regenwasserbewirtschaftung in Siedlungsgebieten, Wasserwirtschaft, 85. Jahrg., Heft 3/1995. Simons, D.B., Richardson, V.E. (1965) Resistance to Flow in Alluvial Channels, Professional Paper 442-J, US Geological Survey, Washington, DC. Sommerhäuser, M. , Schuhmacher, H. (2003) Handbuch der Fließgewässer Norddeutschlands, Typologie, Bewertung, Management, Atlas für die limnologische Praxis, Ecomed Verlag, Landsberg, 278 S. Spannring, M., Seus, G. J. (2000) Die Wirkung von Buhnen auf Strömung und Sohle eines Fließgewässers, Wasserwirtschaft, 90. Jahrg., Heft 2/2000. Sparwasser, R., Engel, R., Vosskuhle A. (2003), Umweltrecht, 5. Aufl., Heidelberg, 1051 S. Splett, G. (2000) Einfluss von Strukturverbesserungen auf Selbstreinigungskraft und Gütezustand von Fließgewässern – eine Übersicht, Wasserwirtschaft, 90. Jahrg., Heft 7–8/2000. Städtler, E. (1997) Das Gewässerauenkonzept Sieg, Wasser & Boden, 49. Jahrg., Heft 10/1997. Städtler, E. (2002) 10 Jahre Gewässernachbarschaft Sieg – 10 Jahre Fließgewässerentwicklung an einem Mittelgebirgsgewässer, KA Wasserwirtschaft-Abwasser -Abfall, 49. Jahrg., Nr. 5, Mai 2002, S. 673–678. Städtler, E. (2004) Totholz und seine Bedeutung für unsere Fließgewässer, gewässer-info – Magazin zur Gewässerunterhaltung und Gewässerentwicklung, Nr. 30, Mai 2004, S. 237– 241. Städtler, E., Patt, H. (2002) Wasserbauliche Maßnahmen im Rahmen der Sieg-Querung der ICE-Neubaustrecke Köln – Frankfurt, Wasserwirtschaft, 92. Jahrg., Heft Nr. 3, 2002.
498
Literaturverzeichnis
Städtler, E., Patt, H. (2003) Entwicklung und Bau von Fischaufstiegsanlagen an der Sieg – 10 Jahre Pilotprojekte an Sieg und Agger, Wasser & Boden, 55. Jahrg., Heft 7+8/2003. Städtler, E., Schaa, W. (1996) Entwicklung moderner Fischaufstiege an der unteren Sieg, In: LÖBF (Hrsg.) (1996) Wiedereinbürgerung des Lachses in NRW – Schriftenreihe, Band 11, S. 156–160. Städtler, E., Schrenk, G. (2002) Wiederherstellung der Durchgängigkeit der Sieg, gewässerinfo, Magazin zur Gewässerunterhaltung und Gewässerentwicklung, September 2001, S. 125–127. Statzner, B. (1992) Räumliche und zeitliche Variabilität der Sohlschubspannung – ein Schlüsselfaktor zur ökologischen Bewertung der Mindestwasserabgabe, Wasserwirtschaft, 82. Jahrg., Heft 6/1992. Steinberg, C. ( 1987) Lebensgemeinschaften in Fließgewässern, In: Grundzüge der Gewässerpflege – Fließgewässer, Schriftenreihe des Bayerischen Landesamtes für Wasserwirtschaft, Heft 21, München. Stich, R. (2002) Aufhellung wichtiger Vollzugsprobleme der naturschutzbezogenen Eingriffsregelung durch die Rechtsprechung, S. 1588. Stinder, Th. (2001) Informationssystem Lachs 2000, Landesanstalt für Ökologie, Bodenordnung und Forsten des Landes Nordrhein-Westfalen, LÖBF-Mitteilungen Nr. 2/2001. Stocker, Th. (2003) Die Erde im Treibhaus: eine Herausforderung des 21. Jahrhunderts, Wasser, Energie, Luft, 95. Jahrg., Heft 7–8/2003. Sukopp, H., Wittig, R. (Hrsg.) (1998) Stadtökologie – Ein Fachbuch für Studium und Praxis, 2. Aufl., Gustav Fischer Verlag, Stuttgart, Jena, Lübeck, Ulm. Thiem, H. (2004) Wasserrecht Schleswig Holstein, 6. Aufl. Thieneman, A. (1954) Lebenseinheiten – Ein Vortrag, Abhandlungen naturwissenschaftlicher Verein Bremen 33, S. 303–326. Thiesmeier, B., Rennerich, J., Darschnik, S. (1988) Fließgewässer im Ballungsraum Ruhrgebiet, Ökologische Grundlagenerhebung in der Stadt Bochum, Decheniana 141, S. 296–311. Tinzer, T., Krebs, F. (Hrsg.) (1996) Ökosystemforschung – Der Rhein und seine Auen – eine Bilanz, Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, New York, 468 S. Trepel, M. (2004) Zielorientierte Planung von Restitutionsmaßnahmen in Niederungen, Wasserwirtschaft, Heft 5/2004, S. 24–28. UBA (S. Umweltbundesamt, Berlin) Umweltbundesamt (Hrsg.) (1999) Anforderungen des vorsorgenden Hochwasserschutzes an Raumordnung, Landes-/Regionalplanung, Stadtplanung und die Umweltfachplanungen – Empfehlungen für die Weiterentwicklung, Forschungsbericht Nr. 296 16 140, UBA-FB 99049, Berlin. Umweltbundesamt (Hrsg.) (2003) Entwicklung eines leitbildorientierten Saprobienindexes für die biologische Fließgewässerbewertung, Umweltforschungsplan des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Forschungsbericht 200 24 227, UBAFB 000366, Bearbeiter: Peter Rolauffs, Dr. Daniel Hering, Dr. Mario Sommerhäuser, Silke Rödiger, Sonja Jähnig, Universität Essen, Institut für Ökologie, Abt. Hydrobiologie. Umweltbundesamt (Hrsg.) (2004) Grundlagen für die Auswahl der kosteneffizientesten Maßnahmenkombinationen zur Aufnahme in das Maßnahmenprogramm nach Artikel 11 WRRL-Handbuch, UBA-Texte, Nr. 02/04, Berlin. Unfer, G., Jungwirth, M. (2002) Österreichs Fischfauna, In: Österreichischer Naturschutzbund (Hrsg.) (2001) Natur und Land, Heft 1/2-2002, S. 14ff. Vannote, R.L., Minshall, G.W., Cummins K.W., Sedell, J.R., Cushing, C.E. (1980) The River Continuum Concept, Can. J. Fish. Aquat. Sci. 37. VDG (S. Vereinigung Deutscher Gewässerschutz e.V., Bonn) VDSF (S. Verband Deutscher Sportfischer, Offenbach). Verband Deutscher Sportfischer – VDSF (Hrsg.) (2003) Lachse in Deutschland – Dokumentation der Wiedereinbürgerungsprojekte des atlantischen Lachses (Salmo salar L.) in Deutschland, VDSF Verband Deutscher Sportfischer e.V., Offenbach, Juni 2003, 135 S.
Literaturverzeichnis
499
Vereinigung Deutscher Gewässerschutz – VDG (Hrsg.) (2002) Hochwasser – Naturereignis oder Menschenwerk, Schriftenreihe der Vereinigung Deutscher Gewässerschutz, Bd. 66, 1. Aufl. Vereinigung Deutscher Gewässerschutz – VDG (Hrsg.) (2003) Ökologische Bewertung von Fließgewässern, Schriftenreihe der Vereinigung Deutscher Gewässerschutz, Bd. 64, 2. Aufl., März 2003, Bonn. Vetter, M.(1992) Ein Beitrag zur Berechnung des Feststofftransportes, Mitteilungen Institut für Wasserwesen, Universität der Bundeswehr München, Heft Nr. 42, Neubiberg. Vischer, D. (2003) Die Geschichte des Hochwasserschutzes in der Schweiz. Berichte der BWG, Serie Wasser, Heft 5, Bern, 207 S. Vischer, D. (2004) Erhöht der Hochwasserschutz das Risiko?, Wasser Energie Luft, 96. Jahrg., Heft 3/4, 2004, S. 99–100. Vischer, D., Huber, A. (2002) Wasserbau – Hydrologische Grundlagen, Elemente des Wasserbaus, Nutz- und Schutzbauten an Binnengewässern, 6. Auflage, Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, New York. Weber, B., Klaus, D. (2003) Die Umsetzung der EG-Wasserrahmenrichtlinie in Hessen, Wasserwirtschaft, 93. Jahrg., Heft Nr. 7–8/2003. Weber, M., Roth, M., Hermann, F. (2000) Der Einfluss von Buhnen auf die Hydraulik, die Flussmorphologie und den Geschiebetransport, Zeitschrift „wasser-energie, luft“ des Schweizer Wasserwirtschaftsverbandes, 92. Jahrg., Heft 5/6. Weiss, H., Barz, R. (2004) Rückbau des Wehres in der Beke bei Klein Belitz und Errichtung einer Fischaufstiegsanlage, gewässer-info – Magazin zur Gewässerunterhaltung und Gewässerentwicklung, Nr. 30, Mai 2004, S. 242–244. Wieprecht, S. (1997) Profilaufweitung, In: DVWK – Deutscher Verband für Wasserwirtschaft und Kulturbau e.V. (Hrsg.) (1997c) Maßnahmen zur naturnahen Gerinnestabilisierung, DVWK-Schriften 118/1997. Wieprecht, S. (2001) Entstehung und Verhalten von Transportkörpern bei grobem Sohlenmaterial, Mitteilungen der Universität der Bundeswehr, Institut für Wasserwesen, Heft Nr. 75. Wieprecht, S. , Kraus, W. (1993) Einfluß des naturnahen Gewässerausbaus auf den Geschiebetransport, Wasserwirtschaft, 83. Jahrg., Heft 6/1993. Willi, H.P. (2000) Raumbedarf von Fließgewässern, Zeitschrift „wasser-energie, luft“ des Schweizer Wasserwirtschaftsverbandes, 93. Jahrg., Heft 1/2. Williams, J.E., Wood, C.A., Dombeck, M.P (Ed.) (1997) Watershed Restoration: Principles and Practices, American Fisheries Society, Bethesda, Maryland. Wölfel, W. (1990) Wasserbau in den Alten Reichen, Berlin. Worreschk, B. (1999) Hochwasserschutz und Hochwasservorsorge in Rheinland-Pfalz, Wasser und Abfall, 1. Jahrg., H. 11, November 1999. Zanke, U. (2002) Hydromechanik der Gerinne und Küstengewässer, Parey Buchverlag, Berlin. Zarn, B. (1992) Lokale Gerinneaufweitung, eine Maßnahme zur Sohlenstabilisierung der Emme bei Utzenstorf, Mitteilung der VAW, Heft 118. Zeitler, H. (2004) § 31 WHG, In: Sieder, F., Zeitler, H., Dahme, H., Knopp, G.-M., Wasserhaushaltsgesetz, Kommentar, Loseblattsammlung, München. Zimmermann, B. (2002) Einbringen und Belassen von Totholz im Rahmen der Gewässerunterhaltung, In: Gesellschaft für Ingenieurbiologie (Hrsg.) (2002) Mitteilungen 20/Dezember 2002. Zumbroich, Th., Müller, A., Friedrich, G. (Hrsg.) (1999) Strukturgüte von Fließgewässern, Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, New York.
Farbtafeln
Natürliche Fließgewässer und Auen Farbtafel 1 Farbtafel 2 Farbtafel 3 Farbtafel 4 Farbtafel 5
Naturnahe Fließgewässer und Auen Strukturbeispiele Ernährungstypen Ernährungstypen Ernährungstypen
Mensch und Fließgewässer Farbtafel 6 Farbtafel 7 Farbtafel 8 Farbtafel 9 Farbtafel 10
Frühere Nutzungen Veränderungen der Sohle Intensive Nutzung von Fluss und Aue Großprojekte im Talraum Naherholung
Fließgewässerentwicklung Farbtafel 11 Farbtafel 12 Farbtafel 13 Farbtafel 14 Farbtafel 15 Farbtafel 16
Schutz und Entwicklung Kleinräumige Maßnahmen Rückbau von Ufern Renaturierung Eigendynamische Entwicklung Urbane Fließgewässer
Farbtafel 1 Naturnahe Fließgewässer und Auen
503
Diesen ausgebauten, in wesentlichen Bereichen noch naturnahen Fluss im Alpenvorland, kennzeichnen unterschiedlichste Fließmuster, mobile Kiesbänke und beidseitig geschlossene, teilweise noch überschwemmte Auwälder (Foto: Archiv Bayerisches Landesamt für Wasserwirtschaft)
Naturnahes Nebengewässer, das einen größeren Auwaldkomplex durchfließt. Die graugrünen Silberweiden (Salix alba) markieren die Weichholzaue, während die mehr dunkelgrünen Bäume die etwas höher gelegene Hartholzaue erkennen lassen (Foto: Archiv Bayerisches Landesamt für Wasserwirtschaft)
504
Farbtafel 2 Strukturen
Naturnaher Bach im Mittelgebirge mit wechselnden Wasserbreiten und -tiefen sowie einer reich strukturierten Sohle aus vorwiegend sandigen Substraten (Foto: P. Jürging)
Riffeln sind eine der vielen Substratstrukturen, die das fließende Wasser auf der Gewässersohle bzw. den öfters überfluteten Bereichen hinterlässt (Foto: P. Jürging)
Farbtafel 3 Ernährungstypen
505
Der Bachflohkrebses (Gammarus pulex) lebt als Zerkleinerer vor allem von ins Wasser gefallenen Blättern (Foto: M. Kämmereit)
Die Larve einer Lidmücke (Liponeura spec.) lebt in stark strömenden, kalten Gewässern, hält sich dort mit Saugnäpfen fest und weidet als Weidegänger den Algenbewuchs überrieselter Steine ab (Foto: Archiv Bayerisches Landesamt für Wasserwirtschaft)
506
Farbtafel 4 Ernährungstypen
Die Larve der Blaßfüßigen Köcherfliege (Silo pallipes) ernährt sich auch als Weidegänger. Sie lebt in Fließgewässern mit sandigen Sohlen und baut sich aus dem dort vorkommenden Material ihr Gehäuse (Foto: Archiv Bayerisches Landesamt für Wasserwirtschaft)
Die Larve einer Großköpfigen Steinfliege (Dinocras spec.) lebt als Räuber in fließenden Gewässern und benötigt eine dreijährige Entwicklungszeit bis zum adulten Tier. Sie ist ein guter Indikator für sauberes Wasser (Foto: Archiv Bayerisches Landesamt für Wasserwirtschaft)
Farbtafel 5 Ernährungstypen
507
Die Larve einer Eintagsfliege (Aderhaft, Heptagenidae) bevorzugt schnell fließende Gewässer, in denen sie sich als Weidegänger vom Mikroaufwuchs ernährt (Foto: Archiv Bayerisches Landesamt für Wasserwirtschaft)
Adulte Eintagsfliege – die Maifliege (Ephemera danica). Lebt als Larve in nicht zu schnell fließenden Bächen und kleinen Flüssen und ernährt sich von Detritus. Die Larve benötigt in der Regel eine zweijährige Entwicklungszeit. Das erwachsene Tier lebt nur 2 bis 4 Tage und nimmt dabei keine Nahrung mehr zu sich (Foto: D. Gaumert)
508
Farbtafel 6 Frühere Nutzungen
Im Jahre 1825 wurden vom Bayernkönig Ludwig I. die Pläne Karl des Großen aus dem Jahre 793 aufgegriffen, eine Schifffahrtsstraße zwischen Main und Donau zu errichten. Von 1836 bis 1845 wurde der Ludwig-Donau-Main Kanal, heute ein Kulturdenkmal, verwirklicht (Foto: P. Jürging)
Eine der ältesten Nutzungen der Wasserkraft ist sicherlich der Betrieb von Mühlen (Foto: P. Jürging)
Farbtafel 7 Veränderungen der Sohle
509
Kiesabbau im Gewässerbett hat früher vielerorts wesentlich zur Eintiefung der Gewässersohle beigetragen und somit große Auswirkungen auf die strukturelle Entwicklung von Fließgewässern gehabt (Foto: P. Jürging)
Das Ausbaggern (Räumen) der Sohle bei schiffbaren Fließgewässern ist eine unregelmäßig wiederkehrende Unterhaltungsmaßnahme, die einen erheblichen Eingriff in das Interstitial darstellt (Foto: P. Jürging)
510
Farbtafel 8 Intensive Nutzung von Fluss und Aue
Wie das Beispiel der Emscher bei Dortmund zeigt, wird mitunter der gesamte Talraum von Infrastrukturen aller Art genutzt (Foto: Emschergenossenschaft)
Farbtafel 9 Großprojekte im Talraum
511
Fließgewässerauen werden in besonderen Maße von Großprojekten berührt (hier: Der Bau der Sieg-Querung für die ICE-Schnellbahntrasse Köln-Frankfurt) (Foto: E. Städtler)
512
Farbtafel 10 Freizeit und Erholung
Bei der Ausübung des Kanusportes kann es im Frühjahr zu Konflikten mit Bodenbrütern, zum Beispiel dem Flussregenpfeifer, kommen. Ein zeitweiliges Betretungsverbot von Ufer, und vor allem von Kiesinseln, lässt sich hierbei meist nicht umgehen (Foto: W. Binder)
Im Umfeld einer Großstadt ist das Baden in einem Fließgewässer keine Selbstverständlichkeit und besitzt stets eine hohe Attraktivität für Erholungssuchende. Es sind jedoch kaum Konflikte mit Kiesbrütern zu befürchten, da die Badesaison meist relativ spät im Jahresgang beginnt (Foto: T. Katsuno)
Farbtafel 11 Schutz und Entwicklung
513
Bei einem derartigen, abschnittsweise weitgehend naturbelassenen, Fließgewässer, steht der Schutz an erster Stelle. Maßnahmen zur Gewässerentwicklung sollten nun vorrangig an den Nebengewässern in der angrenzenden Kulturlandschaft verwirklicht werden (Foto: W. Schuhmacher)
514
Farbtafel 12 Kleinräumige Maßnahmen
Dieses natürlich erscheinende Fließgewässer ist in Wirklichkeit ein großzügig bemessener Binnenvorfluter einer Staustufe an der Donau bei Tapfheim (Foto P. Jürging)
Fischtreppen helfen, die biologische Durchgängigkeit zu verbessern (Foto: T. Katsuno)
Farbtafel 13 Rückbau von Ufern
515
Durch die Befestigung der Ufer mit Steinen wurde eine dynamische Entwicklung verhindert (Foto: Archiv Bayerisches Landesamt für Wasserwirtschaft)
Nach Entnahme der Ufersicherungen begann das Gewässer seine Ufer eigendynamisch zu gestalten (Foto: Archiv Bayerisches Landesamt für Wasserwirtschaft)
516
Farbtafel 14 Renaturierung
Die regulierte Loisach musste nach vielen Jahrzehnten aus Gründen des Hochwasserschutzes erneut ausgebaut werden. Vor dem Umbau war sie von einem engen, stark eingewachsenen Profil gekennzeichnet (Foto: P. Jürging)
Da auch Belange der Gewässerentwicklung in die Planung und Umsetzung Eingang gefunden hatten, war die Loisach bereits wenige Jahre nach dem Umbau von einem naturnahen Strukturreichtum geprägt (Foto: P. Jürging)
Farbtafel 15 Eigendynamische Entwicklung
517
Wenn in einer Aue genügend Platz verfügbar ist, muss nicht jeder Uferanbruch im Rahmen der Unterhaltung zurückgebaut werden …
… sondern kann auch, wie dieses Beispiel an der Sieg zeigt, der eigendynamischen Entwicklung überlassen bleiben (Fotos: E. Städtler)
518
Farbtafel 16 Urbane Fließgewässer
Die Umgestaltung einer ausgebauten Gewässerstrecke in einem urbanen Bereich …
… erfordert mehr als nur die Einstellung der Unterhaltungsarbeiten (Fotos: H. Patt)
Sachwortverzeichnis
Abfluss 136, 254 – bordvoll 254 – oberirdisch 254 – unterirdisch 255 Abflussdynamik 6, 88, 136 Abflussentstehung 253f Abflussganglinie 8, 254, 257 Abflussgeschehen 19, 203 Abflussleistung 2, 8, 58, 82, 91f, 114, 201, 275, 290, 303, 308, 319 Abflussregime 6 Abflussregulierung 63, 68 Abgrabungsgewässer 85 Abstürze 269 Abwägungsgebot 177 Abwasserableitung 78 Abwasserkanäle 302 Abwasserreinigung 304 Ackerbau 107 Altarme 13, 25, 33, 107, 128, 139, 189, 204, 261, 298, 327 Altgewässer 9, 12, 16, 25, 34, 45, 87, 107 Altwasser 13, 16, 18, 25, 107, 139 Anlagen, bauliche 77 Anlandungen 313 Annuellenfluren 40 Anordnungen, nachträgliche 184 Arten, rheophile 247 Artenpotenzial 143, 249 Artenschutz 204 Artenschutzprogramm 235 Auen 5, 12, 24, 42, 85, 88, 105, 149, 204 Auenbäche 107, 109 Auendynamik 12 Auenentwicklung 42, 103, 133, 145, 148, 156, 183, 185, 187, 196, 254, 326 Auengewässer 12, 25, 98, 107, 257 Auwald, Auenwald 19, 25, 28, 97, 105, 143f, 150f, 172, 189, 215, 327 Auflandung 25, 313
Ausbau von Fließgewässern 56, 62, 65, 68f, 74f, 81, 88, 91, 103, 121, 125, 147, 167, 204, 266, 279, 280, 308, 313f, 319, 327 Ausgleichsmaßnahme 174 Ausleitungen 49, 93, 99, 119 Ausuferung 77, 302 Bachpatenschaften 323 Bauleitplanung 186, 196, 235, 280, 324 Baumethoden, konventionelle 264 Baustoffe, lebende 127 Benutzungen 134, 158, 163f, 173, 178, 183 Berichterstattung nach EG-WRRL 161, 205, 211 Bestandsaufnahme 157, 209, 211 Bettsedimente 11, 20, 99 Bewässerungsgraben 54 Bewertung – ökologischer Qualität 237, 240 – ökologischen Potenzial 249 Bewilligung 164, 183 Bewirtschaftungsplan 129, 159, 161, 291, 321 Biber 267, 276 Biosphärenreservate 188 Biotope 6, 108, 113, 117, 125f, 131, 136, 145, 185 Biotopkartierung 191, 234 Biotopschutz 136, 147, 172, 187f, 198, 202f Biotopschutzprogramm 217, 235 Biotoptypen 209 Biotopverbund 145 Bodennutzungskarten 282 Böschungssicherung 70f Buhnen 270 Bundesnaturschutzgesetz 125, 129, 136, 173, 212 CIS-Guidance Document
243
520 Darstellung 205, 211 Datenerhebung 197, 208 Degradation 247 Deiche 276 Destruenten 29 Detritus 17, 29, 31 Detritusfresser 29f, 36 Diversität 22, 83, 95, 247, 296 Duldungspflicht 179f Durchgängigkeit 27, 69, 95, 144, 204, 297 EG-Wasserrahmenrichtlinie 133, 153, 221, 238 Eigendynamische Entwicklung 71, 90, 109, 136, 142, 148, 194, 264, 267, 326 Eingriffsregelung 117, 175, 185, 330 Entwicklungsplan 194, 205 Entwicklungsziele 134, 194, 201, 203, 237 Erfahrungsaustausch -regionaler 322 Erfolgskontrolle 213 Erholung 84, 116, 204, 284 Erlaubnis 164, 173, 183f Ernährungstyp 29, 31, 38, 96 Erosion 71, 137 Ersatzgesellschaft 102 Eutrophierung 120 Fachbeitrag, ökologischer 129 Faktoren, chemische 14, 17, 92 Faktorenkomplex, biotischer 95 Feinsedimente 19, 20, 40, 84, 100 Feststoff 9, 10, 20, 35, 43, 56, 69, 85, 90, 100, 121, 127, 137, 145, 203, 207, 210, 233, 242, 257, 261 – haushalt 20, 203 – bilanz 209 – dynamik 9, 90, 137 – transport 257 Feuchtbiotope 363 Feuchtgebiete 82 Filtrierer 29, 31, 38f Finanzierung 328 Fischabstiegsanlagen 271 Fischaufstiegsanlagen 271 Fischwanderhilfen 69, 271f Flächenversiegelung 79, 117f, 252, 290 Fließgewässer 5, 85, 88, 185 – Bewertung 243 – urbane 113, 118, 192, 288f Fließgewässerentwicklung 123, 136, 168, 191, 201, 209, 211f, 215, 265 Fließgewässerlandschaften 217, 232
Sachwortverzeichnis Fließgewässermorphologie 90, 108, 118f, 129, 138f, 220, 225, 229, 233, 238, 242, 251, 257, 260, 327 Fließgewässerschutzsystem 131 Fließgewässerstruktur 133, 209f, 217, 230, 237f Fließgewässerstrukturkartierung 217, 230 Fließgewässertypologie 129, 224, 228f Fließgewässerunterhaltung (siehe Unterhaltung Flussbau 56 Flussgebietseinheiten 156f Flussgebietsmanagement 196, 223, 237, 279f, 326 Flusskiesung 90 Flussstaue 110 Flutung, künstliche (gesteuerte) 302 Förderprogramme 329 Forst 81, 105 Freizeit und Erholung 84, 88,116, 204, 284 Gehölze 15, 19, 23, 30, 35, 39, 42, 45, 49, 84, 93, 96, 100, 143, 151 Gehölzpflege 111f, 127, 168, 315 Geschiebe 9, 10, 20, 35, 43, 56, 69, 85, 90, 100, 121, 127, 137, 145, 203, 207, 210, 233, 242, 257, 261 – bewirtschaftung 196, 242, 257 – dargebot 69, 137, 261 – defizit 148 – jahresfracht 259 – transport 9, 38, 85, 90, 121, 252, 257, 261 – transportformeln 258 Gewässer 5, 85, 88, 185, 332 – (siehe Fließgewässerentwicklung) – künstliche 109 Gewässeraufsicht 182 Gewässerausbau 56, 68, 69, 70, 74, 167, 313, 327 Gewässerbelastung 120, 158, 93 Gewässerbenutzung 183 Gewässerbett, Gewässerbettstrukturen 22, 66, 140, 257 Gewässerbewertung 237 Gewässerbiozönosen 28, 33, 115, 130, 144 Gewässerentwicklung 123, 136, 168, 191, 201, 209, 211f, 215, 265 Gewässerentwicklungskonzept 194f, 213 Gewässerentwicklungsplan 193, 194f, 205, 215 Gewässerentwicklungsprogramm 194f Gewässergüte 79 Gewässerkategorien 237
521
Sachwortverzeichnis Gewässerlandschaften 219 Gewässermorphologie 90, 108, 118f, 129, 138f, 220, 225, 229, 233, 238, 242, 251, 257, 260, 327, 335 Gewässer-Nachbarschaften 322 Gewässerpflegepläne 181 Gewässerrandstreifen 10, 84, 133, 140, 145, 179f, 189, 271, 308, 327 Gewässerstruktur 133, 209f, 217, 230, 237f Gewässertypologie 129, 217f, 221, 224, 228f, 245 Gewässerunterhaltung 68, 178, 111, 210, 308 Gewässerunterhaltungsplan 180, 364 Gewässerzustand, potenziell natürlicher 193, 197, 209 Gewerbegebiete 65 Gleitufer 139 Grobdetritus 29 Grundwasser 74, 77, 302 – abfluss 253 – entnahme 69 – neubildung 254 Hartholzaue 24, 44, 45, 148 Hochwasser 6, 10, 21f, 34f, 40f, 48f, 64f, 66f, 71f, 88f, 100f, 106f, 113f, 134f, 167f, 172f, 182f, 197f, 250f, 259f, 271f, 276, 277, 279f, 302f, 327f – aktionspläne 278 – jährlichkeiten 66, 192f, 254, 278, 282 – management 277, 279 – gefahrenkarte 280 – schadenspotenzial 283 – vorhersage 278 Hochwasserabfluss 255 Hochwasserschutz 56, 68, 71, 277f, 302 Hydrologie 252 Hydrometrie 251 Interstitial Jäger
21f, 99, 295
38
Kanalisation 74, 78f, 82 Kiesabbau 85 Kläranlagen 78f, 120, 291 Kleingewässer 14, 25, 109 Kolke 22, 71 Konsumenten 28, 31, 37 Kopfweiden 147 Kosten 83, 130, 156f, 192, 207, 210 Krauten 112, 311 Kulturgrasland 146f, 151 Kulturtechnik 61
Landeskultur 204 Landschaftsbestandsteile, geschützte 188 Landschaftsbild 215 Landschaftsplan 186, 212 Landschaftsplanung 212, 215, 288 Landschaftsprogramm 186 Landschaftsrahmenplan 186, 212 Landschaftsrahmenplanung 186, 211 Landschaftsschutzgebiet 188 Landwirtschaft 81, 213 Längsdurchgängigkeit 293 Längsverbau 269 Längsvernetzung 27, 28, 145 Laufentwicklung 10, 90, 136, 137, 260 Laufform 65, 139 Lebensgemeinschaften 2, 5, 19, 22, 24f, 29, 33, 95, 97, 103, 115, 224, 142, 245 Lebensräume 33, 97, 142 Lebenszyklus 298 Leitbild 193, 215, 219, 237, 247 Linienführung 139 Magerrasen 146 Mahd, Mähen 111, 310 Makrozoobenthos 28, 96, 100, 244, 248, 326 Maßnahmenplan 2, 208f Maßnahmenplanung 2, 205f, 209f, 215, 248, 293 Maßnahmenprogramme 159, 176, 266 Melioration 61 Mindestabfluss 255 Morphologie 12, 90, 257 Mühlgraben 48 Mühlkanal 48 Naherholung 305 Nahrungskette 25, 28, 96, 111 Nahrungsnetz 33 Nationalparks 187 Natura 2000 174, 236 Naturparke 188 Naturschutz 106, 125, 129, 133, 142, 145, 147, 153, 164, 172, 175, 185f Naturschutzgebiet 187 Nebengewässer 132 Neophyten 102, 316, 317 Niederschlag 253 Niedrigwasserabfluss 255 Nutzungen 47f, 62f – Extensivierung von 74 – landwirtschaftliche 82 – frühe 47 – heutige 62
522 Oberflächenversiegelung 79, 253 Öffentlichkeitsbeteiligung 160 Ökologisches Potenzial 155, 248f Ökoregion 219 Ökosystem 5, 26, 28f, 33, 110f, 145, 192, 221, 230, 292 Ökosystembaustein 6, 19, 76, 88, 143 Organische Strukturen 26 Planfeststellung 169f, 321 Planfeststellungsbehörde 170, 174, 177, 321 Planfeststellungsbeschluss 170, 321 Planfeststellungsverfahren 134, 167f, 172 Plangenehmigung 170 Plangenehmigungsverfahren 167f Planungsgrundlagen – Ermitteln der 217 – hydrologische 196, 208 – wasserbauliche 250, 255 – wasserwirtschaftliche 250 Planungsinstrumente 191 Planungsleitlinien 177 Planungsstufen 194 Prallufer 139 Primärproduktion 18, 29f, 33f, 37, 94, 97, 115 Produzenten 28f Prognose – Umweltauswirkungen 134, 172 – Gewässerentwicklung 210 Projektgebiet, Abgrenzung 196 Prozessschutz 141 Punktquellen 158 Qualmgewässer 107, 302 Quelllauf 261 Quervernetzung 27, 28, 88, 95, 145 Räuber 29, 31 Raum, urbaner 120 Raumplanung 212f, 230 Räumung des Gewässerbettes 112, 212f Referenzbedingungen 221, 249 Referenzgewässer 220, 230 Regenwasserbehandlung 292 Restrisiko, Hochwasser 284 Restwasserabfluss 95 Retention (siehe Rückhalt) Retentionsräume 88, 183 Risiken 210 Risikoanalyse 282 Risikobewusstsein 284 Rohrglanzgras 40f, 100
Sachwortverzeichnis Röhricht 40f, 45, 102, 110f, 126, 268, 310 Rote Liste 87, 148 Rückentwicklung, eigendynamische 143 Rückhalt 8, 48, 80, 253, 261, 292 Rückverlegung von Deichen 276 Runder Tisch 324 Sammler 31, 38 Saprobiensystem 237f Saprodienindex 247 Sauerstoffeintrag 14 Sauerstoffgehalt 33f, 97 Sauerstoffhaushalt 17, 94 Sauerstoffkonzentration 17, 94 Sauerstoffsättigung 17 Säurezustandsklasse 247 Scheitelhaltung 75 Schifffahrt 49, 63 Schiffshebewerke 75 Schleusen 75 Schlitzpässe 272 Schubspannung 260 Schutzgebiet 173, 187 Schutzgebietsvorschriften 187 Schutzmaßnahmen 39 Schwebstoff 257 Schwebstofftransport 257 Schwimmstoff 257 Sediment 21, 58, 99, 244, 261, 314 Sedimentation 9, 20, 38, 95, 111, 261 Sedimentfresser 29, 31, 38 Seitenerosion 25, 58 Selbstreinigungsvermögen 14, 168 Siedlungsgebiete 65 Siedlungswasserwirtschaft 291 Sohlen 20, 36, 99 Sohlenbauwerke 269 Sohlenräumung 319 Sohlenschubspannung 260 Sohlenschwellen 56, 363 Sohlensubstrat 11, 37, 204, 209, 230, 272 Sport 84, 284 Stadthydrologie 288 Stauanlagen 69, 74, 77, 243, 275 Stauhaltung 75, 78 Stauräume 69, 78, 90, 110, 305 Stauraumspülung 69, 90 Stoffe – anorganische 17f, 94 – mutagene 249 – prioritäre 156, 249 – toxische 249 Stoffkreislauf 29 Stoffrückhalt 8
523
Sachwortverzeichnis Strahlungsklima 14 Strahlungsverhältnisse 14, 93 Stressoren 247 Streusalz 120 Strukturen – anorganische 10 – morphologische 20, 137 – organische 26, 95 Strukturverbesserung 269 Strukturvielfalt 20, 95, 98, 140, 206, 230, 238, 308, 312 Sümpfungsgewässer 120
Verbindungsgewässer 131 Verinselungseffekte 96, 98 Verklausung 65, 302 Verlandung 25, 45f, 82, 149, 257, 266 Vernetzung 95, 145, 204 Versauerung 247 Versickerung 9, 90, 252, 289 Versiegelung 79, 118f, 253 Verwaltungsverfahrensgesetz 170 Vorranggebiet für Natur und Landschaft 329 Vulnerabilität 282
Teiche 53 Teileinzugsgebiet 157 Temperaturhaushalt 15, 93, 120 Tiefenerosion 137, 314 Totholz 113, 140, 274 Treibgut 114 Typologie 229
Wasserabfluss 289 Wasserbau, naturnaher 66, 71, 265 Wasserbeschaffenheit 184, 204 Wassereinleitung 63, 69 Wasserentnahme 63, 68 Wasserhaushalt, urbaner Gebiete 289 Wasserhaushaltsgesetz 125, 136, 153, 162, 164f, 168, 175 Wasserhaushaltsgleichung 252, 253, 259 Wasserkörper 98 – erheblich veränderte 155, 239 – künstliche 155, 238 – natürliche 238 Wasserkraftanlagen 70, 77 Wasserkreislauf 259 Wasserqualität 79, 93, 120, 140, 289 Wasserrecht, Systematik 163 Wasserrückhalt 253f, 279 Wasserspeicherung 69 Wasserstraßen 74 Wassertemperaturen 16 Wasserversorgung 74 Wasserwirtschaft 66, 212, 252 Water bodies, heavily modified 240 Weichholzaue 8, 43f Weidegänger 22, 29f, 35f Widerruf 183 Wiesengewässer 105
Überflutung 8, 10, 12, 20, 25, 39, 44, 89, 94, 121, 283, 303 Überschaubarkeit 225 Überschwemmung 8, 12, 24, 65, 74, 83, 88f, 105, 148, 302 Überschwemmungsgebiete 64, 68, 71, 133, 179, 182f, 203, 254, 278f, 280, 302f Übersichtplan 211 Überstauung 24 Ubiqisten 102, 105, 110, 119 Ufer 38, 100 Uferbereich 11, 23, 298 Uferrandstreifen, Uferstreifen 10, 84, 133, 140, 145, 179f, 189, 271, 308, 327 Ufersicherung 52 Uferzonen, Schutz 189 Umdenkprozesse 124 Umlagerungsstrecke 11, 40f, 100 Umsetzungskonzept 204 Umweltverträglichkeitsprüfung 134, 169f Unterhaltung 68, 82, 111f, 115, 168, 178, 182, 210, 308, 319 Unterhaltungspflichtiger 181 Unterschutzstellung, Natur und Landschaft 187 UVP-Pflichtigkeit 170f
Zerkleinerer 29, 31, 37f, 247 Zielkonflikte, naturschutzfachliche
248