Klaus F. Withauer Führungskompetenz und Karriere
Klaus F. Withauer
Führungskompetenz und Karriere Begleitbuch zum St...
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Klaus F. Withauer Führungskompetenz und Karriere
Klaus F. Withauer
Führungskompetenz und Karriere Begleitbuch zum Stufen-Weg ins Topmanagement
•
GABLER
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet Ober abrufbar.
1. Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten © Gabler Verlag I Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Ulrike M. Vetter I Sabine Bernatz Gabler Verlag ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschOtzt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dOrften. Umschlaggestaltung: KOnkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-2647-0
Inhaltsverzeichnis Einleitung
9
Kapitell: Führung und Führungsverhalten
l5
1 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6
Führung als "personale" Management-Funktion Menschen führen im Gefüge von Managementprozessen Warum und wozu braucht man Führung? Führung steuert und lenkt Sachleistungen Sachaspekt und personaler Aspekt des Managements Führung mobilisiert menschliche Leistungspotenziale Führungsdefinitionen
16 17 18 20 22 23 24
2 2.1
27
2.5
Führung in Organisationen Referenzrahmen für Analyse und Beschreibung der Führung in Organisationen Systemisch-strukturelle Führung Wechselverhältnis zwischen struktureller und personaler Führung Methodenarsenal der Handlungsbeeinflussung in/von Organisationen in einer Zusammenschau Führung durch Menschen
37 38
3 3.1 3.2 3.3 3.4
Führungsverhalten Charakteristika des Führungsverhaltens Erklärungsansätze zum Führungsphänomen Attribute der Prägung des Führungsverhaltens Messung des Führungserfolgs
41 41 42 45 46
2.2 2.3 2.4
27 33 36
Kapitel 2: Motive des Individuums und Motivation
53
4 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6 4.7
Psychologische Grundlagen der Motivation Persönliches Wollen : Motive und Motivation Motivanalyse Primäre und sekundäre Motivation Werte und Einstellungen Nicht-motivationale Verhaltenseinflüsse Motivkonflikte Frustration und Abwehrmechanismen
54 54 56 57 59 60 62 64
5 5.1 5.2 5.3
Inhaltliche Klassifikation angestrebter Zielzustände Kompetenzmotiv Kontaktmotiv Leistungsmotiv
67 68 70 72
6
Inhaltsverzeichnis
5.4 5.5 5.6 5.7
Dominanz- bzw. Machtrnotiv Status- und Prestigemotiv Sicherheitsmotiv Geldmotiv
74 77 78 80
6 6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7
Motivinhaltliche Strukturen Motivations- und Führungsziele Individuelle Arbeitsmotive :Hierarchie der Bedürfnisse Motivation zur Aktivierung von Leistung Motivation zum Herbeiführen von Zufriedenheit Motivation und Menschenbild Harmonisierung der Motivationsziele
83 83 84 85 92 93 102 104
7 7.1 7.2 7.3
Kognitive Prozesse im Motivationsablauf Entstehung von Motivationstendenzen Entstehung motivgeprägter Willensakte Motivationsrelevante Bewertung von Handlungsergebnissen
106 106 109 l11
8
Praktische Empfehlungen zur Gestaltung einer motivierenden Situation
113
Kapitel 3: Zusammenarbeit - Gruppeneffekte und Gruppendynamik
117
9 9.1 9.2 9.3 9.4 9.5
Die Gruppe als soziales Gebilde Merkmale der Gruppe Gruppenentstehung Gruppen und Organisation Formelle und informelle Gruppen Kontaktformen und Gruppenstrukturen
118 118 119 120 122 124
10 10.1 10.2 10.3
Effizienz- und Motivationseffekte in Gruppen Interaktionsprozesse der Gruppe Gruppenzusammenhalt und Zufriedenheit Gruppenzusammenhalt und Leistung
127 127 130 133
11 11.1 11.2 11.3 11.4
Soziale Positionen und deren Kriterien Macht und Autorität - Quellen der Macht Status Gruppennormen Rolle
135 135 137 139 142
Inhaltsverzeichnis
7
Kapitel 4: Gestaltung von Führungsbeziehungen
149
12 12.1 12.2 12.3 12.4 12.5
Führungsverhalten als Rollenverhalten Führerschaft in der Arbeitsgruppe Verwirklichung von Gruppenzielen Vorgesetztenzentrierte vs. gruppendynamische Führung Differenzierende Führung innerhalb einer Arbeitsgruppe Chaotische Beziehungen
150 150 151 152 154 155
13 13.1 13.2 13.3 13.4 13.5
158 158 161 170 177
13.6
Persönlichkeitsstil, Führungsstil und Führungsformen Stilbestimmte Arten der Führung Verhaltensrelevante Charakteristika der Persönlichkeit des Führers Motivationale Verhaltensdisposition : der Führungsstil Führungsstil bei unterschiedlicher "Reife" der Geführten Erfolgswirksam erprobte und weniger erfolgreiche Führungsstile: das 3-D-Raster Flexibler Führungsstil und situatives Gespür
180 188
14 14.1 14.2
Vertrauen als Prämisse für gelingende Motivation und Führung Vorteilhaftigkeit vertrauensvoller Beziehungen Entstehung und Aufbau von Vertrauen
191 191 192
15
Ausgewählte Führungsinstrumente zur Umsetzung führungsbezogener Gestaltungsabsichten Anerkennung und Kritik Mitarbeitergespräch, Personal- und Vorgesetztenbeurteilung Zielvereinbarung: Management by Objectives Führungsgrundsätze
194 194 196 198 199
15.1 15.2 15.3 15.4
Kapitel 5: Führungspraxis in Führungskarrierestufen
201
16 16.1 16.2 16.3 16.4 16.5 16.6 16.7
Führung von Projektteams Projektgruppen und andere temporäre Teams Karriere durch Projekte: Qualifikation für Gruppen- und Teamarbeit.. Das Zusammenstellen des Teams Führungsverhalten im Projektteam und situative Wahl des Führungsstils Das Projekttearn zusammenführen: Teamentwicklung Diversity-Management Gespräche und Meetings in der Projektzusarnrnenarbeit
203 203 205 206 208 210 212 214
17 17.1 17.2 17.3
Führung des Chefs - Führung von unten Merkmale und Besonderheiten der Führung von unten Zunehmende praktische Bedeutung der Führung nach oben Einflussdimensionen und Strategieansatz der Führung von unten
217 217 218 220
8
Inhaltsverzeichnis
17.4 17.5
Interaktive Ansätze und Handlungsempfehlungen zur Führung von unten Strukturale Verankerung der Führung von unten
221 231
18 18.1 18.2 18.3
Führung in der Linienposition eines Geschäfts- oder Arbeitsbereichs Ausgangssituation beim Start als Bereichsleiter Führer- und Manager-Rollen Postulate zur effektiven Mitarbeiterführung
232 232 233 234
Kapitel 6: Mikropolitische und symbolische Führung
243
19 19.1 19.2 19.3 19.4
Führung und Mikropolitik Machtaufbau und -einsatz als politische Methode der Handlungssteuerung Mikropolitische Taktiken Rechtfertigung und Erkennbarkeit mikropolitischen Agierens Fördern oder Eindämmen mikropolitischen Führungshandelns
245 245 246 247 248
20 20.1 20.2 20.3 20.4
Symbolische Führung und Organisationskultur Führung mit Symbolen Wirkung eines Symbols Symbole als Sinnbilder der Unternehmenskultur Gruppierung und Typen kulturprägender Symbole
250 250 250 251 253
21 21.1 21.2 21.3
Kulturbewusste Führung Wirkungen der Unternehmenskultur Gestaltungsbereiche der Organisationskultur Gesteigerte Führungseffektivität durch symbolisches Führen
255 255 259 262
Kapitel 7: Training der Führungsqualifikation und Führungseffektivität
265
22 23
267 269
Neue Anforderungen an Führungskräfte "Schlüssel"qualifikationen der Führungskompetenz
Selbst-Check - Antworten Literaturverzeichnis Stichwortverzeichnis Der Autor Stimmen zum Buch
275 281 287 291 292
Einleitung Regel Nummer eins: Erst denken, dann handeln! - Das hilft, erfolgreich zu führen! Die meisten Führungskräfte stimmen dem zu . Gleichwohl ist ihnen durchaus bewusst, dass sie für die Führung von Mitarbeitern meistens nicht ausgebildet sind. Sie trösten sich zum einen damit, dass Führen ohnehin eher eine Frage der Persönlichkeit und deshalb nicht lernbar sei, oder sie sind der Auffassung, eine Führungsausbildung bestehe größtenteils aus Selbstverständlichkeiten, ja Binsenweisheiten, und sei deshalb entbehrlich. Andere - um sich - besorgte Führungskräfte räumen ein, dass sie sich in ihrer Führerrolle eher "durchwursteln", statt zu führen.
Was ist der Ausweg? - Der durchaus lesebereite Praktiker will meist weder ein zeitaufwändiges Studium der wissenschaftlichen Literatur bewältigen, durch das er nur zweifelhafte Erkenntnisse für die Führungspraxis gewinnt, noch möchte er sich an undurchschaubaren Führungs.Jrelden", -ideologien oder -mythen orientieren. Führungs1cräfte brauchen einefundierte Anleitung zum Führungs-Können. Die fast unübersehbare Führungsliteratur lässt indes fürchten, hierzu das "falsche" Buch zu erwischen, weil Autoren zu theorielastig oder banal, unverständlich oder praxisuntauglich schreiben. Gelingen kann ein praxistaugliches Arbeitsbuch nur Autoren, die genügend Praxiserfahrenheit aufweisen und sich parallel umfassend darum bemüht haben, in Forschung und Lehre führungsbezogene Erkenntnisse zu registrieren und praxisbezogen zu bewerten. Dieses Buch präsentiert dem Praktiker - sei er noch Mitarbeiter, Projektteamleiter oder bereits gestandener Chef - im Beruf das erfolgsrelevante Führungs-Können und das zugehörige Führungs-Wissen in einer Zusammenschau. In der Führungsrolle kann nur glaubwürdig sein, wer zumindest die Grundlagen gestalterischen Einwirkens kennt und einen Überblick über Ansätze, Ergebnisse und kritische Bewertungen der Führungsforschung hat. Sonst bleibt jedes Führungshandeln ein unsicheres Unterfangen. Vor allem bietet dieser Praxis-Ratgeber umsetzbare Gestaltungshinweise sowie konkrete Handlungsempfehlungen zu den jeweils angesprochenen Führungsthemen. Als ein Arbeitsbuch ist die Themenbehandlung vielfach interaktiv gestaltet. Zu informativen Abschnitten wird der Leser auch mit offenen Fragen konfrontiert: Die Führungsperson in der Praxis geht eher von spezifischen Ist-Situationen aus, will zunächst analytisch das relevante Phänomen bzw. ein Führungsproblem verstehen, um dann resultatwirksame Vorgehensweisen zu erkennen. Die Novität des Arbeitsbuches ist die integrierte Behandlung sowohl der Führungsthematik für die Absichten der individuellen Mitarbeiterführung von einer oder mehreren Personen als auch der Besonderheiten der zu immer mehr und differenzierter Bedeutung gekommenen Teamführung. Beispiele sind teilautonome Arbeitsgruppen und die Arbeit in quantitativ und qualitativ unterschiedlichen Projekten. Unverzichtbar spielt in die Führungsanstrengungen auch ein Extra-Rollen-Verhalten, das als Mikropolitik eingesetzt wird, um Macht aufzubauen und Handlungsspielräume zu erweitern; diese Art der Einflussnahme K. F. Withauer, Führungskompetenz und Karriere, DOI 10.1007/978-3-8349-6580-6_1, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
10
Einleitung
wurde früher nicht der Führungsthematik zugerechnet. Die mikropolitische Sichtweise macht deutlich, dass auch eine Führung "nach oben" geschieht, dass auch die Führenden geführt werden und sich führen lassen müssen, auch wenn sie das nicht wollen oder es ihnen gar nicht auffällt.
Auf dem Weg einerFührungskarriere will das Arbeitsbuch ein immerwieder befragtes Begleitbuch sein. Mit der Betonung des Führungs-Könnens verbindet es die programmatische Forderung, die richtigen Personen, statt sie in bürokratische Systeme und Routine einzuzwängen, wieder oder endlich führen zu lassen, und dies mit Begeisterung, Leidenschaft und Ausstrahlung. Tatsächlich lassen sich in der Wirklichkeit vielfältige Defizite in der personalen Führung ausmachen. Qualifizierte Mitarbeiter erleben Phasen der Demotivation. Dysfunktionale Organisationsstrukturen und Arbeitsprozesse führen zu unnötigen physischen, psychischen und materiellen Kosten. Arbeitszergliederung, unklare Zuordnung, Mangel an Verbindlichkeit in der Zusammenarbeit, Kommunikationsprobleme, wirkungslose, aber immer wieder praktizierte Problemlösungsverfahren, machtorientierte statt sachorientierte Entscheidungen - das sind nur einige Symptome für erhebliche Mängel im Management. Solchen beruflichen Misslichkeiten wollen Sie - der Leser - möglichst vorbeugen! Deshalb haben Sie dieses Buch gewählt. Es ist in 7 Kapitel aufgeteilt:
Themenbeschreibung je Buchkapitel Im 1. Kapitel - Führung und Führungsverhalten - werden Grundfragen und bereits mehrere Aufgaben gestellt: Warum bedarf es der Führung als "personaler" Management-Funktion? Wie entstehen in einer Führungsbeziehung die Führer- und Geführtemolle? Was macht beim Führungsverhalten als sozial akzeptierter Verhaltensbeeinflussung den Führungserfolg aus? Im 2. Kapitel - Motive des Individuums und Motivation - geht es um die Ausrichtung einer Führungsbeziehung. Da das Verhalten der Geführten zielgerichtet beeinflusst werden soll, ist ein intensiver Einblick in die Beweggründe menschlichen Handelns angebracht. Dieses menschliche Verhalten ist auf Motive zurückzuführen und auf Ziele orientiert. Führung ist darauf angewiesen, dass die Beteiligten ihre Aufgaben mit Schwung und Begeisterung erfüllen, d. h. fähig, motiviert und willens sind. Ein besonderes Augenmerk gilt der inhaltlichen Beschreibung einzelner Motive. Motivierende Führungsbeziehungen sollen produktive Effekte haben, die indes vielfach als unzureichend angesehen werden. Oftmals wird einem einfachen Menschenbild folgend an der monetären "Motivationsschraube" gedreht. Eine Fülle empirischer Befunde belegt, dass Geld kein nachhaltiger Motivator ist und sich zudem als höchst ungeeignet erweist, Mitarbeiter zu einem besseren Problemlösen oder gar zu einem kreativeren Verhalten zu animieren. Die Erforschung angestrebter Zielzustände, motivinhaltlicher Strukturen und kognitiver Prozesse hat verdeutlicht, dass die Motivation an einen Faktor gebunden ist,
Einleitung
11
der gut mit dem Stichwort der "intrinsisch motivierenden Tätigkeit" überschrieben werden kann. Hinzu kommen der Arbeit förderliche Rahmenbedingungen und Respekt vor dem arbeitenden Menschen. Wer sich hiervon "freikaufen" möchte, handelt nicht nur unter ethischen Gesichtspunkten bedenklich, sondern verschenkt Leistungsvorteile.
Motivation lässt sich alltäglich beobachten, ist aber nicht einfach zu erklären und noch schwieriger zu prognostizieren. Dennoch sind wir in der Lage, diesen Prozess annäherungsweise zu verstehen, und Führungskräfte können motivierendes Verhalten trainieren. Die jeweiligen Abschnitte der Kapitel geben der Führungsperson praktische Anleitungen mit einer Auswahl besonders beachtenswerter Verhaltensvorschläge: wie sie Leistungsmotivierte erkennt, welche Führungsmittel die Leistung erhöhen und welche Zufriedenheit bewirken, wie der Vorgesetzte den geistig ablaufenden Motivationsprozess beim Mitarbeiter und schließlich den Willensakt positiv beeinflussen kann. Das 3. Kapitel - Zusammenarbeit, Gruppeneffekte und Gruppendynamik - widmet sich der Alltagssituation, dass Führungsbeziehungen sich in den seltensten Fällen auf eine Führungsdyade beschränken. Für die Führung einer Mehrzahl von Personen ergibt sich deshalb die Frage nach den führungsbezogenen Besonderheiten. Der Leser gewinnt - auch anhand von Übungsaufgaben - Einsichten in das Zustandekommen der Gruppe, die häufig unterschätzten Effizienz- und Motivationseffekte und gruppentypische soziale Positionen in der Gruppe. Da Gruppeneffekte unabhängig von den Wünschen des Vorgesetzten, also emergent auftreten, kommt es darauf an, ihre positiven Wirkungen zu unterstützen und ihre negativen klug abzuschwächen. Der Umgang mit typischen Rollen in einer Gruppe ist hierzu ein gutes Übungsfeld. Erkenntnisse über die Eigenheiten von Gruppen sind heute speziell hilfreich, da gruppenorientierte Arbeitsformen zunehmen und Teamarbeit sich als erfolgreich erweist. In Organisationen firmieren - besonders eng - zusammenarbeitende Gruppen unter dem Begriff "Team". Im 4. Kapitel - Gestaltung von Führungsbeziehungen - werden für die Führungspraxis alternative Gestaltungsmöglichkeiten der Führung vorgestellt. Führung von Menschen konkretisiert sich in der Übernahme einer Rolle im Rahmen des Gruppenprozesses, sie ist meist aufgeteilt in einen aufgabenorientierten und einen sozio-emotionalen Part; die Beziehung zu einzelnen Mitarbeitern muss aus einsichtigen Gründen unterschiedlich ausfallen. Die Gestaltung von Führungsbeziehungen kann auf vielfältige Weise realisiert werden. Praktische Empfehlungen zum erfolgreichen Führen setzen die Feststellung von Konturen mit einer abgrenzbaren Beschreibung der Verhaltensweisen als Führungsstil voraus. Der Leser wird deshalb mit einer verhaltensbezogenen Präzisierung des Konstrukts "Führung" vertraut gemacht, indem beobachtbares Verhalten in Bezug auf empirisch ermittelte Dimensionen des Führungsverhaltens charakterisiert oder durch Einstufung anhand idealtypischer Führungsstil-Taxonomien beurteilt wird. Menschen neigen dazu, bei Führungsstilen eine Haltung auszudrücken, die ihrem persönlichen Verhaltensstil entspricht. Dieses natürliche Verhalten kann entweder unterstützend oder dirigierend oder beides sein. Der persönlichkeitstypische Verhaltensstil ist in vielen Situationen durchaus effektiv. Anhand einer textintegrierten Kurzform des zweidimensionalen
12
Einleitung
Persönlichkeitsmodells DISG kann der Leser seinen persönlichkeitstypischen Führungsstil feststellen. Die Nähe zu bekannten idealtypischen Spielarten der Führung wird diskutiert. Eine treffsichere Bestimmung des Führungsstils aus einer Persönlichkeitsanalyse scheitert oftmals womöglich daran, dass das reale Führungsverhalten von der motivationalen Orientierung beeinflusst wird. Führungskräfte sind in der Lage, ihren Führungsstil zu wechseln. Erstens weil ihr Verhalten mehrfach und komplex motiviert ist, und zweitens infolge situativer Anforderungen. Dies zeigt sich in verschiedenen situativ gewählten Führungsformen. Seine motivationale Verhaltensdisposition kann der Leser durch den Selbsteinschätzungstest prüfen. Wegen der potenziell aktivierbaren Verhaltensflexibilität wird das Verhaltensgitter GRID bis heute als beliebtes und plausibles Trainingskonzept eingesetzt. Die Führungsstilkonzepte haben bislang offen gelassen, welche abgrenzbaren Formen eines stilkennzeichnenden Führungsverhaltens auf der Mitarbeiterseite wahrnehmbare Effekte haben - wie Leistung, Anstrengung, Arbeitszufriedenheit. Eine dem führungspraktischen Interesse dienliche neuere empirisch-quantitative Untersuchung konnte aufzeigen, welches Führungsverhalten konkret zu positiven Ergebnissen führt. In einer innovativen Weiterentwicklung dieser Studienergebnisse wird für den Führungspraktiker transparent, dass allein ihre - in einer dritten Dimension "Effektivität" erfassten - Ausprägungen darüber entscheiden, welche als erfolgreich und weniger erfolgreich einzustufen sind. Das wohl wichtigste Ergebnis der Studie ist: Besonders erfolgreiche Chefs verlassen sich nicht auf einen Führungsstil allein. Sie wechseln im Lauf einer Arbeitswoche den Stil - in fließendem Übergang und in unterschiedlichem Maß -, je nachdem, was die Situation jeweils erfordert. Zur Praktizierung von Führungsstilen im Führungsverhalten sind einzelne Führungsinstrumente hilfreich. Sie sind meist organisationsweit vorhanden, führungsspezifisch werden sie durch aktiven Einsatz im Führungsprozess. Das Führungsinstrument der Anerkennung und Kritik ist insofern herausgehoben, als es in einer Führungsbeziehung alltäglich gebräuchlich sein sollte, immer wenn die Führungskraft auf Mitarbeiterleistungen wertend reagieren will und weil Mitarbeiter diesbezüglich außerordentlich erwartungsvoll sind. Eine angemessene Nutzung dieses Führungsinstrumentes prägt wesentlich die persönliche Beziehung zu Mitarbeitern. Das Mitarbeitergespräch ist die übliche Form mündlicher Kommunikation zu zweit oder in Gruppen. Dabei werden Berichte erstattet, Vorgänge und Fehler analysiert, Vorgehensweisen koordiniert, Problemlösungen gesucht, Informationen ausgetauscht, Meinungen gebildet, Beschlüsse gefasst usw. In neueren Formen als Beteiligungsgruppen, Workshops und Zirkeln sollen Innovationen und Lernen stattfinden. Für die genannten Zwecke haben sich hinsichtlich des Stils unterschiedliche Besprechungsformen herausgebildet, die erfolgsorientiert trainierbar sind. Vergleichsweise hochgradig institutionalisiert sind verschiedene Arten der Personal- und Vorgesetztenbeurteilung; sie sind eine sehr geeignete Ergänzung, um periodisch über Leistungen von Führenden und Geführten zu diskutieren.
Einleitung
13
Management by Objectives besagt, dass Vorgesetzte und nachgeordnete Manager gemeinsam Ziele festlegen, ihren Verantwortungsbereich für Ergebnisse abstecken und auf dieser Grundlage die Leistungsbeiträge ihrer Mitarbeiter bewerten. Der Erfolg dieses Führungsinstrumentes wird wesentlich davon bestimmt, inwieweit der Leitidee motivierenden Führens folgend Arbeits- und Individualziele miteinander zu vereinbaren sind. Deshalb muss der Prozess der Zieldefinition partizipativ geschehen und sich an individuellen Fähigkeiten und Anspruchsniveaus orientieren. Führungsgrundsätze sollen wert- und normsetzend für Mitarbeiter Orientierung bieten über das erwünschte Kooperations- und Leistungsverhalten in einer Organisation. In der Regel wird mit Führungsgrundsätzen ein partnerschaftlich-delegativer Führungsstil propagiert. Ihre Bedeutung wird in der Führungspraxis oft verkannt, meist deshalb, weil ihnen der Realitätsbezug mit Blick auf die gelebte Führungskultur innerhalb der Organisation fehlt . Sie sollten deshalb kompatibel zu anderen Führungsinstrumenten sein wie z. B. Mitarbeiterbeurteilung oder Auswahlgesprächen. Im 5. Kapitel - Führungspraxis in Führungslazrrierestujen - wird die spezifische Führungsrealität in vielfach beobachteten typischen Karrierestufen beleuchtet und es werden Anleitungen zu erfolgreichem Führungshandeln vorgestellt. Als häufige Karrierestufe und Beispiel der gruppenzentrierten Führung wird die Führung eines Projektteams betrachtet. Mit der führungsverantwortlichen Praxis und dem Beweis ihrer Führungsqualifikation werden Mitarbeiter oft erstmalig in der Funktion als Projektleiter befasst. Dadurch eröffnet sich die zunehmend praktizierte Chance des Aufstiegs durch eine "Karriere in und durch Projekte". Projektgruppen und andere temporäre Teams unterscheiden sich von den kontinuierlichen Formen der Gruppenarbeit, welche integrierter Bestandteil der regulären Arbeitsorganisation sind. Beispiele sind mit zunehmendem Handlungsspielraum klassische Arbeitsgruppen, Fertigungsteams und teilautonome Arbeitsgruppen. Ein Projekt ist allgemein eine inhaltlich und zeitlich abgegrenzte schwierige und gewichtige, relativ komplexe, oft anfangs intransparente, außerroutinemäßig erstoder einmalige Aufgabenstellung. Kennzeichnend für die Projektarbeit sind ein umfassendes Führungskonzept - das Projektmanagement - und die Arbeitsform der Gruppenarbeit, die Formierung eines Projektteams sowie eine projektspezifische Organisation. Die Qualität der Zusammenarbeit wird durch die Qualität der Teambesetzung und die Qualität der Teamführung geprägt. Zur Erprobung und Anwendung der empfohlenen Gestaltung von Führungsbeziehungen werden Hinweise gegeben und konsequent die Möglichkeiten aufgezeigt, die das neue Prestige als Projektleiter bietet. Dem Führungsstildiskurs zugeordnet sind für die ersten "Gehversuche" zur Führung konkrete Anleitungen zu der zur täglichen Realität gehörenden sogenannten Führung von unten. Durch das gewandelte Organisationsverständnis oder die gestiegene Qualifikation der Mitarbeiter ist es geboten, dass auch die Führenden geführt werden und sich führen lassen müssen. Die an konkreten Beispielen vorgestellten Handlungsempfehlungen gründen sich auf die erörterten interaktiven Möglichkeiten zur motivationalen Beeinflussung (siehe Kap. 2) sowie die Berücksichtigung persönlichkeitsstilgeprägter Verhaltenspräferenzen - des Chefs oder lateral der Kollegen.
14
Einleitung
Mit der Beförderung in eine betriebliche Linienposition muss jede Führungsperson in der Führer-Rolle Akzeptanz und Autorität erlangen und ihre Führungsweise an sichtbar gelebten Prinzipien verdeutlichen. Diese Postulate sind lernbar, vernünftig und anwendbar. Sie bilden das Fundament für eine dauerhaft erfolgreiche Führungsbeziehung.
Kapitel 6 - Mikropolitische und symbolische Führung - verweist auf bislang ausgeklammerte wesentliche emotionale Komponenten effektiver Führung, welche die rational geprägte personale Führung wirkungsvoll ergänzen, zugleich auch in einem erweiterten Führungsverständnis auf individuum- und gruppenübergreifende polyzentrische Lenkungs- und Führungsphänomene. Mikropolitik eröffnet Führungskräften, das Handeln der Mitarbeiter nicht nur direkt aufgrund übertragener Macht zu steuern, durch informelles mikropolitisches Agieren versuchen Vorgesetzte wie auch Mitarbeiter in oft kleinen Schritten, ihre eigenen Interessen in der Organisation - sogar anderweitig schädigend - durchzusetzen. Mikropolitik umfasst ein Arsenal jener Techniken, mit denen Macht aufgebaut und eingesetzt wird, wie etwa Kontrolle von Information, Verfahren oder Situationen, bewusste Selbstdarstellung und gezielte Beziehungspflege. Emotionale Komponenten enthält auch die anschließend erörterte unternehmenskulturell geprägte symbolische Führung. In einer erweiterten Perspektive der personalen Führung entsteht die symbolische Wirkung, wenn sie Ereignisse in der Arbeitsgruppe, in der Organisation oder in der Umwelt in einen "größeren" Zusammenhang stellt, ihnen dadurch "Sinn" gibt und für die Mitarbeiter vernünftig erscheinen lässt. Kultur prägt die Lebensäußerungen in einer sozialen Gemeinschaft. Sie enthält "Orientierungen" über Ziele und Zwecke, Beziehungen, Verhaltenserwartungen, die Natur des menschlichen Handelns und Seins. Sie ist erkennbar an Symbolen, deren Ausprägungen die Kultur charakterisieren. Die Kultur ist das Ergebnis eines längerfristigen kontinuierlichen Prozesses. Eine "gute", "gesunde" oder "exzellente" Kultur liegt vor, wenn sie als ungeschriebener Verhaltenskodex bei den Geführten verinnerlicht ist und so einwirkt, dass sie sich aufgrund ihrer Werthaltungen "automatisch" bzw. "ohne Weiteres" in erwünschter Weise verhalten. Die Organisationskultur ist gestaltbar und erfordert kulturbewusste Managerfähigkeiten.
Kapitel 7 - Training der Führungsqualifikation und Führungseffektivität - gibt konsequente Empfehlungen zur Qualifizierung von Führungspersonen und weist besonders auf die sogenannten Schlüsselqualifikationen zur Führungskompetenz hin.
IKapitell: Führung und Führungsverhalten Führungskräfte sollen vor allem für das stete Funktionieren der Unternehmung sorgen sowie Wegbereiter der Unternehmungszukunft sein. Sie müssen ihren jeweiligen Beitrag für die Resultate der Unternehmung definieren, und weil sie Führungskräfte sind, müssen sie auch dafür sorgen, dass ihre Mitarbeiter für die Unternehmung handeln. Menschen zu führen ist mithin eine der Aufgaben des Vorgesetzten. Die Führung als "Phänomen" menschlichen Wirkens äußert sich im Führungsverhalten. Was sind die Tätigkeiten eines Managers und wodurch zeichnen sie sich aus? Inwieweit stehen diese Tätigkeiten im Verhältnis zu anderen Tätigkeiten in den organisierten Gemeinschaften? Ist Führung notwendig und wie kann man sie erklären? Welche Faktoren beeinflussen das Führungsverhalten und wann ist Führung effektiv?
1
Führung als "personale" Management-Funktion
Unternehmungen sind komplexe produktive soziale Systeme, die in eine wiederum komplexe und dynamische Umwelt integriert sind und mit ihr in vielfältiger Weise in Wechselbeziehung stehen. Aus dieser engen Verflechtung zwischen Umwelt und Unternehmung ergibt sich, dass nur die Institutionen langfristig wettbewerbsfähig und bestandsfähig bleiben können, denen es gelingt, sich möglichst rasch und flexibel an zunehmend turbulentere Umweltentwicklungen anzupassen. In Organisationen ist Führung kein Selbstzweck, sie soll vielmehr der Erreichung organisationaler Ziele zur Erhaltung und Stärkung der organisationalen "Fitness" (vgl. Withauer 2000, S. 8 f.) dienen. Diese Ziele orientieren sich an der existenziellen Aufgabe, den Fortbestand der Organisation zu regulieren, sich den äußeren und inneren Wechsellagen anzupassen und auf Turbulenzen jedweder Art intelligent zu reagieren sowie die Entwicklungsfähigkeit tempo- und richtungsbestimmend zu kanalisieren. Aus der Führungsforschung lassen sich drei grundsätzliche Perspektiven zur Betrachtung des Führungsphänomens identifizieren. Zum einen wird Führung als die Ausübung bestimmter Management-Funktionen aufgefasst (vgl. Withauer 1974), wobei in sachbezogene (z. B. Planung, Organisation, Kontrolle) und personenbezogene Funktionen (Menschenführen) untergliedert wird. Der handlungsorientierte Ansatz richtet das Interesse auf die Aktivitäten der Führungskräfte und fasst diese zu beobachtbaren Management-Rollen zusammen (vgl. u. a. Mintzberg 1991), die durch empirische Beobachtung die in der Realität stärker vorhandenen kommunikativen, interpersonalen Aktivitäten im Führungshandeln belegen. Institutionell werden unter dem Begriff Management oder Führung die Personen oder Personengruppen bezeichnet, die Führungstätigkeiten bzw. -rollen wahrnehmen - die Führungskräfte. Die nachstehenden Betrachtungen richten sich auf die Führung in Organisationen, die als gruppenstrukturierte Leistungsgemeinschaften .Betrtebsrcharakter oder InstitutionenCharakter besitzen. Führung ist erforderlich in Unternehmungen, Schulen, den Streitkräften, in Krankenhäusern, Sportvereinen, Kirchen. Dies muss rnitgedacht werden, auch wenn im Folgenden beispielhaft in erster Linie die Führung in Unternehmungen betrachtet wird.
K. F. Withauer, Führungskompetenz und Karriere, DOI 10.1007/978-3-8349-6580-6_2, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
Menschen führen im Gefüge von Managementprozessen
1.1
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Menschen führen im Gefüge von Managementprozessen
Das Kernproblem im Management besteht nach Stafford Beer und Ross Ashby darin, die für das Funktionieren der Unternehmung relevante Komplexität unter Kontrolle zu bringen. Die Autoren vergleichen hierbei die prinzipiellen Zusammenhänge zwischen der Unternehmung und ihrer Umwelt mit einem lebenden Organismus und den komplexen Einflüssen seiner Umwelt (vgl. Beer 1981, S. 270 ff.; Ashby 1984, S. 282 ff.), Gleichzeitig wird das Problem Komplexität zu der zentralen Managementherausforderung. Wie Probst ausführt, ist "Komplexität ... für den Manager ein zentrales Phänomen, bedeutet Management doch weitestgehend Komplexitätsbewältigung." (Probst 1985, S. 187). Kirsch sieht dies ähnlich und stellt fest, dass " ... die Handhabung komplexer Probleme die "eigentliche" Funktion einer Führung ..." (Kirsch 1984, S. 308) ist, und er sieht in der Untersuchung dieser Führungsfunktion den zentralen Gegenstand der "Lehre von der Führung". Und auch Malik äußert sich übereinstimmend: "Management kann man möglicherweise viel besser verstehen als das ständige Bemühen, ein sehr komplexes System unter Kontrolle zu bringen und zu halten ..." (Malik 2008, S. 46). Auch die Innenwelt von sozialen Systemen ist überaus komplex. Zunächst ist das interaktionelle Handeln keinesfalls kohärent und gleichgerichtet, sondern folgt verschiedenen subjektiven Intentionen. Vor allem ist die sprachliche Kommunikation als wichtigster Ausschnitt der menschlichen Interaktionen niemals eindeutig im Sinne einer deterministischen Aussage, es lassen sich bestenfalls temporär gültige Muster beschreiben, welche bezogen auf die gegebenen Randbedingungen eine gewisse Aussagefähigkeit besitzen. Dieses kaum vorhersehbare und mithin nicht fassbare menschliche Interaktionsverhalten charakterisiert humane soziale Systeme als nichtlineare dynamische Systeme. Damit gelten für diese in der Chaosforschung als "dissipative Systeme" bezeichneten Systeme die beobachteten Prozesse zur Musterbildung und -veränderung. Die sprachliche Kommunikation im Rahmen der personalen Führung ist daran wesentlich beteiligt. Dem Gedanken der Selbstorganisation folgend wirken zudem die Rahmenbedingungen prägend auf die Strukturbildung eines Systems, sodass auch der Interaktionsrahmen die Musterbildung beeinflusst. Inwieweit Unternehmungen in der Lage sind, mit dem Wandel in ihrer Umwelt und Innenwelt umzugehen, sich den äußeren und inneren Wechsellagen anzupassen und auf Turbulenzen jedweder Art intelligent zu reagieren, ist Ausdruck der Führbarkeit, und je besser dies einer Unternehmung gelingt, desto größer ist ihre "Fitness" (vgl. Withauer 2000, S. V ff.), Ist überhaupt die Möglichkeit gegeben, aktiv gestaltend und lenkend in das Geschehen der Unternehmung einzugreifen? Das Erhalten bzw. Schaffen von Erfolgspotenzialen und damit verbunden die Erhaltung bzw. Verbesserung der nachhaltigen "Fitness" kann als zentrale Aufgabe des Managements gesehen werden. Die zunehmende Dynamik und Vernetzung und damit verbunden die ansteigende Komplexität machen diese strategische Entwicklungsaufgabe jedoch zunehmend schwieriger, und es ist kei-
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Führung als "personale" Management-Funktion
neswegs klar, ob überhaupt geeignete Konzepte oder Strategien verfügbar sind, welche die Absicht zu managen erfüllen können. Eine Unternehmung führbar zu machen und funktionieren zu lassen ist im Kern die Aufgabe des Managements einer Unternehmung oder irgendeiner anderen Institution. Und dies heißt, sie so zu gestalten, zu lenken und zu entwickeln, dass sie "unter Kontrolle ist und bleibt". Die Lehre des Managements widmet sich der Gestaltung und Lenkung einer besonderen Kategorie dynamischer Systeme, den Unternehmungen (vgl. Ulrich 1984, S. 66). Mit "Gestalten" ist die Organisation der Strukturen und Abläufe gemeint, die Bestimmung des grundlegenden Kurses und die Festlegung von dauerhaften Regelungen und Normen, "Lenkung" ist die ständige, kontinuierliche Steuerung und Regelung aller Aktivitäten. Der Begriff "Managementlehre" ist mit dem Ausdruck "Führungslehre" keineswegs synonym verwendbar. Während mit "Führung" zumeist der personenbezogene Aspekt als "Menschen führen" gemeint ist, der englischsprachig mit "Leadership" ausgedrückt wird, fehlt dem Ausdruck Management dieser Bezug. "Gemanagt" werden nämlich nicht Menschen, sondern eher ganze Institutionen. "Management" im Sinne von H. Ulrich richtet die Perspektive auf die Gestaltung, Lenkung und Entwicklung gesellschaftlicher Institutionen. Während die Führungslehre durch ihre Hinwendung zum personalen Aspekt vorwiegend verhaltenswissenschaftlich ausgerichtet ist, wird die Managementlehre systemorientiert gedacht und verstanden. Es wird offenkundig, dass man gleichfalls unterscheiden muss zwischen personaler Führung und Personal-Führung. Die erstgenannte Bezeichnung entspricht dem Begriff "Menschen führen" und man meint damit die intentionale unmittelbare interaktionelle Beziehung zwischen einem oder mehreren Führenden und einem oder mehreren Geführten. PersonalFührung dagegen hat einen weiteren Rahmen, sie geht über den unmittelbaren Vorgesetzten-Mitarbeiter-Kontakt hinaus und erfasst auch die strukturellen Bedingungen der Zusammenarbeit, weil nicht mehr nur einzelne Mitarbeiter im Mittelpunkt stehen, sondern das Personal. Sie umfasst als Aufgabenfeld die Verfügbarkeit, Nutzung, Entwicklung der humanen Ressourcen der jeweiligen Organisationsmitglieder. Der Unterschied zum Begriff "Management" ist erkennbar fließend.
1.2
Warum und wozu braucht man Führung?
Führung erscheint als Phänomen der Alltagswelt als etwas so Selbstverständliches, dass nur selten die Frage gestellt wird, warum es Führung überhaupt gibt bzw. warum es im Zusammenleben und Zusammenwirken von Menschen der Führung schlechthin bedarf. Warum bilden sich in menschlichen Gemeinschaften Führungsstrukturen heraus, womit sind diese zu rechtfertigen und warum gibt es Führer und Geführte? Weil Führung eine soziale Tatsache ist und Alternativen zu ihr möglich und vorhanden sind, ist die Institution Führung begründungsfähig und, weil Führung systematisch mit Vorteilen und Belastungen verbunden ist und damit fundamental in die Lebenswirklichkeit von Menschen
Warum und wozu braucht man Führung?
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eingreift, auch begründungspflichtig. Wird nämlich begründungslos eine existierende soziale Einrichtung als bestmögliche, alternativenlose oder einzig normale, gesunde oder natürliche Gestaltungsform hingestellt, liegt Ideologieverdacht nahe (vgl. Neuberger 2002, S. 63 ff .), Ideologien beschreiben nämlich nicht, was ist, sondern rechtfertigen, warum es so ist bzw. sein muss oder sein soll. Die Begründungskonzepte für das Instrument Führung fußen auf zwei Argumentationsmustern: zum einen werden anthropologische Gegebenheiten herausgestellt, zum anderen funktionale Gründe genannt. Die anthropologische Begründung setzt argumentativ bei den unterschiedlichen Begabungen und Bereitschaften von Personen an, andere Menschen in ihrem Handeln zu koordinieren und Problemlösungsbeiträge für Gemeinschaften zu erbringen bzw. Führungspositionen überhaupt besetzen zu wollen. Aus dieser Logik heraus bedarf es einer Führung, weil Menschen geführt werden müssen bzw. geführt werden wollen (vgl. Neuberger 2002, S. 59 f.),
Aus der vorgenannt angenommenen Ungleichverteilung von Fähigkeiten und Begabungen von Menschen wird als notwendig abgeleitet, dass einige Personen die Verantwortung dafür übernehmen müssen, um ungeordnete Zustände zu vermeiden. Die Alternative zum Chaos ist in diesem Begründungszusammenhang die Hierarchie (griechisch: heilige Ordnung), was die Vorstellung impliziert, eine ungeordnete Gesellschaft sei in der Regel nicht wünschenswert. Zum zweiten Begründungsaspekt, dass Menschen geführt werden wollen, wird argumentiert, dass die Bedürfnisstrukturen von Menschen hinsichtlich Führen und GeführtWerden verschieden sind. Die meisten Menschen haben danach das Bedürfnis, von starken Persönlichkeiten den Weg gewiesen zu bekommen und diesen nicht selbst verantworten zu müssen. Die funktionale Begründung geht im Unterschied zur vorstehenden elitär-personalistischen Argumentation von rational-praktischen Notwendigkeiten aus: Mit steigender Größe, Komplexität und Differenzierung von Organisationen hat der Einzelne nur einen beschränkten Einblick in die Zusammenhänge und kann sein Handeln nicht mit dem Anderer wirksam koordinieren, selbst wenn er dies beabsichtigte. Zur Handlungskoordination eignen sich zwei Formen: Kooperation und Führung. Der Koordinationsmechanismus der Kooperation ist Diskussion und Konsensfindung, was prinzipiell zwischen gleichberechtigten Akteuren geschieht. Führung löst das Koordinationsproblem durch eine asymmetrische Einflussstruktur. Die Favorisierung der Führung als bessere Koordinationsform basiert auf der Annahme, dass sie hinsichtlich Effektivität und Effizienz ein Optimum ermöglicht, d. h. von allen effektiven Koordinationsformen ist Führung die effizienteste und/oder von allen effizienten Koordinationsformen ist Führung die effektivste (vgl. Weibler 2001, S. 12). Die beiden Begründungszusammenhänge erscheinen jeweils plausibel. Es soll deshalb unterstellt werden, dass sowohl anthropologische als auch funktionale Gründe dafür spre-
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Führung als " personale" Management-Funktion
eben. dass sich beim gemeinschaftlichen Handeln von Menschen Führungsstrukturen herausbilden. In Organisationen sind primär funktionale Gründe maßgebend. Die notwendige Führung kann indessen nur dann erfolgreich sein, wenn anthropologische Aspekte bei der Art und Weise der Ausübung berücksichtigt werden.
1.3
Führung steuert und lenkt Sachleistungen
In Betrieben als organisierten Leistungsgemeinschaften erbringen Menschen entsprechend
dem Zweck dieser Leistungsgemeinschaft Sachleistungen in Form materieller Güter oder immaterieller Dienstleistungen. Diese Leistungen sind sachlich sehr verschieden. Der Arbeiter in einer Fabrik bedient beispielsweise eine Drehbank, der Verkäufer in der Verkaufsabteilung eines Industrieuntemehmens gibt Angebote ab, er diktiert, telefoniert, verhandelt. Der Architekt entwirft ein Layout für den Bau eines Lagergebäudes. Vom Gesichtspunkt der Schwierigkeit kann man sie zwei Kategorien zuordnen, es können einerseits Routinetätigkeiten sein oder sich andererseits auf die Lösung von Problemen beziehen.
Abbildung 1.1 a. Problemphase b. Suchphase
Phasenstruktur der Führungstätigkeiten
Zielsetzung
ZIELE
Zielfixierung
SETZEN
Entscheidungsvorbere itung
c. Beurteilungs-
pha se (Bewerrungsphase)
PLANEN Planaufstellung
>
(Planung i.e.S.)
Planungs- oder Entscheidungsprozess (Planung i.w.S.)
Planverabschiedung d. Entschci-
dun gsplinse
Detaillierte Festle-
ORGANISIE-
g ung der Durch-
RE N
führung e. Realisations-
phase
f. Kontrollphase
Veranla ssen ,
FUHREN
Einwirken
(i.eS.)
Feststellen der Durch-
führungsresultate und
KONTROLLlE-
Ist-IPlall-Vergleich
RE N
.....
}
Steuerung
1
DURCHFÜHRUN G
Kontrolle
Regelung/Rückkopplung
- . . . . -.-.- . .-.- ... _- . . .----.-.-.--.,,- •• _<_ ••••• ,
•••••••••••••• •
Führung steuert und lenkt Sachleistungen
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Führungsaufgaben und Führungsfunktionen müssen unterschieden werden einerseits von den sachlichen Funktionsbereichen einer betrieblichen Organisation - in einer Unternehmung, beispielsweise Vertrieb, Produktion etc. -, andererseits auch von den technischen bzw. fachlichen Funktionen des Managers. Der Manager in einer Unternehmung erfüllt in seinem sachfunktionalen Tätigkeitsbereich (z. B. Produktion) fachliche Funktionen und Management-Funktionen. Die Tätigkeit des Managers auf seinem Fachgebiet (z. B. Marketing, Maschinenbau) zählt zu seiner technischen oder fachlichen Funktion. Fragt man nun nach der Funktion der Führung für diese Leistungsprozesse, dann werden in der Regel die Planung, Koordination und Kontrolle der Aufgaben einer Unternehmung als dispositive Faktoren in den Mittelpunkt gestellt. Die meisten Führungstheorien basieren auf Annahmen darüber, wie Führer Geführte anleiten sollten, um intendierte Zwecke zu verwirklichen. Hierbei tritt Führung zutage als eine mehr oder weniger rationale Form der hierarchischen Arbeitsteilung. Die Grundidee besteht darin, dass in Unternehmungen komplexe Aufgaben zu bewältigen sind. Entsprechend gibt es in dieser Organisation Personen, die die Erfüllung jener Aufgaben gedanklich vorbereiten, Entscheidungen treffen und die Konsequenzen dieser Entscheidung bestimmen und anordnen. Hierarchisch nachgeordnete Funktionsträger koordinieren und delegieren ihrerseits die gedanklich nachbereiteten Entscheidungen. Die Management-Funktionen ergeben sich aus der formalen Struktur des Managementprozesses (vgl. Hahn 1971, S. 163; Withauer 1974, S. 18 ff., ähnlich Richter 1999,S. 36 ff.). Abbildung 1.2
Management-Kreis
planen
Ziele setzen
Analysieren Entscheiden Kommunizieren
organisieren
Kontrollieren
führen / einwirken
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Führungals "personale" Management-Funktion
Der Prozess des Managements wird initiiert durch eine Problemsituation. Daraus resultiert die Zielsetzung zur Überwindung der Problemsituation, woraus sich ein Handlungsprogramm ableitet. Dieses muss in zielgerechte Handlungsergebnisse transformiert werden. Spätestens jetzt müssen andere Menschen veranlasst, überzeugt, verpflichtet werden, sich entsprechend zu entscheiden und die Handlungen durchzuführen. Die Durchführung ist eine unproblematische, dem Führungsprozess nicht unmittelbar zuzurechnende Aktionsphase. Die Kontrolle der Handlungsergebnisse ist wiederum Führungsaufgabe, sie informiert über die Zielerreichung, macht eventuell eine neue Problemsituation sichtbar und leitet somit erneut einen Managementprozess ein. In dieser Betrachtungsweise ist Management ein Steuerungs- bzw. Regelungsprozess, wobei die darin enthaltenen Führungsfunktionen einen Handlungskreis bilden, den Management-Kreis. Ausgeübt werden diese kybernetischen Funktionen durch die kontinuierlichen Funktionen Kommunizieren, Analysieren und Entscheiden, und sie sind auch Ausdruck von Beziehungen als Interdependenzen und Rückkopplungen zwischen den kybernetischen Funktionen. In einer anderen Modelldarstellung können die Funktionen Ziele setzen, Planen, Organisieren als sach-, prozess- und strukturbezogene Bestandteile eines umfassenden Planungsoder Entscheidungsprozesses aufgefasst werden (vgl. Withauer 2000/ S. 32; Bleicher 2004/ S. 54 f.). Die Funktion "Führen/Einwirken" kann im Zuge der Notwendigkeit des personalen Ingangsetzens, des Bewirkens von Handlungen zu einer Ballung menschlicher und sozialer Fragen führen: Hier geht es in besonderem Maße um die vielfältigen und unmittelbaren Beziehungen zwischen Führungskräften und Mitarbeitern einerseits, zwischen gegebenen Zielen und menschlichem Handeln andererseits.
1.4
Sachaspekt und personaler Aspekt des Managements
Jedes Führungsgeschehen beinhaltet einen Sachaspekt und einen personalen Aspekt (vgl. Richter 1999/ S.2 H.; Bröckermann 2009/ S.243; Olfert/Steinbuch 1999/ S.235). Der Sachaspekt kommt in der Sachentscheidung über Handlungsziele, intendierte LeistungsErgebnisse, Ressourceneinsatz, Aufgaben und Prozesse zum Ausdruck. Ohne ein Sachziel kann es keine Führung geben. Der sachrelevante Teilbereich des Führungsprozesses ist der informationelle, im Wesentlichen auf die Entscheidungsfindung über wirtschaftlichtechnische Sachziele und Sachfragen gerichtete Bereich. Der personale Aspekt bezieht sich auf die Beeinflussung von bzw. Einwirkung auf Menschen mit der Absicht, den Wertschöpfungsprozess der Mitarbeiter für die zentralen Bezugsgruppen der Unternehmung (Kunden, Kapitalgeber, Lieferanten, Gesellschaft und der Mitarbeiter selbst) zu erhöhen oder zu sichern (vgl. Wunderer 2009/ S.4). Der Begriff "Wertschöpfung" ist hierbei nicht nur finanziell gemeint, sondern umfasst soziale Kriterien wie Kunden- oder Mitarbeiterzufriedenheit; diese zeigt sich in mehr Lebensqualität, insbesondere in der Arbeits- und Beziehungsqualität für die Mitarbeiter, aber auch für andere Bezugsgruppen. Die soziale Effizienz beeinflusst zugleich ökonomisch-technische Erfolgsgrößen (Output/ Wirtschaft-
Führung mobilisiert menschLiche Leistungspotenziale
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lichkeit, Produktivität, Gewinn, Produkt- und Dienstleistungsqualität). Deshalb ist eine positive Gestaltung der personalen Führung sowohl ein Mittel als auch eine eigenständige Wert- und Zielgröße zur Optimierung der Arbeits- und Lebensqualität. Sachaspekt und personaler Aspekt sind mithin aufs engste miteinander verwoben. Die Unzulänglichkeit herkömmlicher Deutungen des Führungsphänomens liegt darin, dass entweder nur der Sachaspekt oder nur die personale Problematik behandelt wird. Management ist nicht identisch mit Betriebswirtschaftslehre; sie widmet sich den Fragen des rationalen und effizienten Wirtschaftens und beachtet den sachlich-wirtschaftlichen Aspekt der Entscheidungsfindung. Management ist aber auch nicht gleichbedeutend mit Behandlung, Betreuung oder gar Manipulierung von Menschen; sie ist keine "angewandte Psychologie". Allerdings: Was tun denn Manager anderes als "wirtschaften"? Eine praxisorientierte Betriebswirtschaftslehre, die sich zugleich als Managementlehre versteht, verbindet in einem erweiterten Verständnis des Ökonomischen den entscheidungsbestimmten Sachaspekt und dessen Verwirklichung durch Konsensfindung und kommunikatives personales Handeln. Grundlage des Managements ist mithin eine Synthese von verhaltenswissenschaftlichen Einsichten und gutem betrieblichem Wirtschaften. Der Führungsleistung käme in dieser Perspektive jedoch eine ganz spezifische Bedeutung zu. Eine Verbesserung der Führungsleistung wirkt sich aus auf jegliches Leistungsverhalten in der Organisation. Die Sachleistungen in einer Leistungsgemeinschaft wären dann die Antwort auf Führungsleistungen. Wenn man Führung in diesem Sinne versteht, dann lautet die Definition für Führung: "Führenheißt,zielorientiert auf Mitarbeiter einwirken, um sie ... zu ... Leistungen zu bringen" (Withauer 1973, S.9). Dahinter steckt ein Einfluss- oder Machtansatz, bei dem davon ausgegangen wird, dass eine Person (die Führungskraft) über Ressourcen verfügt (Eigenschaften, Erfahrung, Positionsmacht, Verhaltensweisen usw.), die es ihr erlauben, das Handeln anderer zu lenken. Nichts ausgesagt wird über die historische und gesellschaftliche Situation und den formellen (institutionellen oder organisatorischen) Rahmen, in denen ein solcher Versuch stattfindet. Es wird ferner der Eindruck erweckt, die Beziehung sei einseitig (von der Führungskraft zu den Geführten) und nicht etwa gegenseitig; es wird weiterhin unterstellt, dass klar sei, was zielorientiert heißt (die Ziele der Geführten, die Ziele der Führungskraft, die Ziele der Organisation usw.?), und schließlich, dass es ums Handeln gehe (nicht etwa um die Veränderung der Haltungen, Orientierungen, Werte der Geführten). Zugestanden wird dabei, dass es die Unterstellten sind, die handeln, dass aber Intensität und/oder Richtung ihres Handelns verändert werden sollen; Führung wird somit zu einem Spezialfall von Motivation.
1.5
Führung mobilisiert menschliche Leistungspotenziale
Betrachtet man die Wertschöpfungskette, so nimmt die personale Führung Einfluss auf die Entwicklung und Ausschöpfung von Potenzialen (Qualifikation und Motivation), auf den Leistungs- und Beeinflussungsprozess (wie informieren, orientieren, kommunizieren, planen, organisieren, Feedback geben) sowie auf wichtige, ökonomisch indirekt wirkende
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Führung als "personale" Management-Funktion
Variablen (wie Mitarbeiterzufriedenheit, Zufriedenheit der Kunden, Lieferanten, Kollegen, Kapitalgeber, Gesellschaft). Die einzelne Führungskraft selbst vermag diese Wirkungen ihrer Führung kaum umfassend zu beurteilen, erst zusätzliche Bewertungen z. B. durch Mitarbeiter und Vorgesetzte können ein ganzheitliches Bild abgeben (360°-Beurteilung). Aus der Sicht eines Vorgesetzten gilt indessen vorrangig sein Interesse der Frage, ob und wie er die Leistung seiner Mitarbeiter steigern kann. Diese Thematik vieler Führungstheorien kommt aus der Annahme, dass Mitarbeiter nicht von sich aus Aufgaben akzeptieren und realisieren, sondern dass die Mobilisierung von Leistungspotenzialen und Zufriedenheit mit der Arbeitssituation bewusst eingesetzte Anreiztechniken notwendig macht. Einmal sind es strukturelle Gegebenheiten wie Prämien, Leistungsboni, Beförderungen und Personalentwicklungsprogramme, welche für die jeweiligen Adressaten deutlich machen, welche Verhaltensweisen im Unternehmen positiv oder negativ sanktioniert werden. Im interaktiven Umgang mit Mitarbeitern wollen Führungskräfte durch individuelle Belohnungen und Sanktionen gerade wegen der Handlungsspielräume bei der Ausgestaltung von Aufgaben die Leistungsbereitschaft und die Zusammenarbeit kanalisieren. Der praktische Ansatz zur Förderung der Leistungsbereitschaft ist die Motivation der Mitarbeiter. Hier spielen Führungskräfte eine Schlüsselrolle. Durch individuelles Eingehen auf die Potenziale und Erwartungen der Mitarbeiter sollen sie das erwünschte Leistungsniveau sichern oder gar übertreffen. Die Suche nach theoretischen Erkenntnissen für die motivierende Führung konzentriert sich im Wesentlichen auf die Frage, inwieweit es Zusammenhänge gibt zwischen dem Führungsverhalten und der Leistung von Individuen oder Gruppen. Natürlich ist damit die Hoffnung verknüpft, dass gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse auch die Basis für Trainingskonzepte bilden, mit deren Hilfe es Führungspersonen gelingt, produktive Führungsbeziehungen zu ihren Mitarbeitern aufzubauen. Neben direkte, interaktive Einflussnahmen und Wirkungen durch die Führungskraft treten indirekt sich auswirkende Rahmenparameter des situativen Umfeldes. Diese Kontextbedingungen, welche die personale Führung zu hemmen oder zu fördern vermögen, stellen eine gestaltbare Führungsdimension dar (siehe 2.2 - 2.4).
1.6
Führungsdefinitionen
Führungsaufgaben sind dadurch gekennzeichnet, dass sie nicht standardisiert zu lösen
sind. Routineaufgaben löst man normalerweise technisiert oder organisiert, indem sie nach einem bestimmten Algorithmus oder Lösungsweg bearbeitet werden. Aus leistungs- oder kooperationsbezogener Perspektive ist mithin Führung nur dann vonnöten, wenn Störungen, Unklarheiten, Widersprüche, Fehler, Mängel, Termin- oder Kostenabweichungen usw. auftreten, die nicht von den ausführenden Akteuren in eigener Initiative bewältigt werden können. Nur wenn etwas nicht funktioniert, muss interveniert werden. Führung ist deshalb spezifisch bei Aufgaben und Problemen gefragt, die zeitkritisch oder schlecht strukturiert sind - also komplex und kompliziert, mehrdeutig, instabil, widersprüchlich (vgl. Neuberger 2002, S. 43). Führungskräfte haben dann - mit Blick auf die Geführten -
Führungsdefinitionen
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Aufgaben vorzugeben, Probleme zu definieren, Situationen zu analysieren, Ressourcen zu besorgen u. a. Sie legen damit fest bzw. bewirken, dass und was zu geschehen hat. Verglichen mit ungeführten Mitarbeitern sollen sich geführte Mitarbeiter dann beispielsweise auszeichnen durch ein höheres zeitliches Engagement für die Arbeit, eine stärkere Bereitschaft zur Kooperation, eine höhere Kreativität bei der Lösung betrieblicher Probleme oder schlicht durch relative Vorzüge hinsichtlich Zuverlässigkeit, Berechenbarkeit, Gewissenhaftigkeit, Verantwortungsbewusstsein u. a. m. Mit anderen Worten: Führung zielt da-rauf ab, bestimmte Verhaltenserwartungen, die die Organisation bzw. die Führenden gegenüber den Geführten haben, einzubringen und damit sozusagen die Nutzenwirkung des Personals zu steigern. Mit diesem Tun verantworten Führungskräfte die faktischen Folgen als das Insgesamt der Wirkungen, welche der Führung zugerechnet werden, ergänzt durch die Beurteilung normativer Kriterien, die erfüllt sein müssen, damit von Ziel-Erreichung gesprochen werden kann (Grad und Art der Zielerreichung!). Dies bedeutet, dass nicht nur das Ziel oder Ergebnis zählt, nicht nur, dass oder ob ein Ziel erreicht wird, sondern auch der Weg zum Ziel wird bewertet, ob es auf die richtige Weise (z, B. kooperativ, effizient, ethisch verträglich) erreicht wird. Die vorstehenden Betrachtungen sind für eine handlungstheoretisch begründete Definition von "Führung" geeignet:
"Führen heißt, zielorientiert auf Mitarbeiter einwirken, um sie zu ... Leistungen zu bringen" (Withauer 1973,S. 9). Ausführlicher formuliert: "Führung in Organisationen ist ein .. Interaktionsprozess, bei dem eine Person in einem bestimmten Kontext das Handeln individueller oder kollektiver Akteure legitimerweise konditioniert; als kommunikative Einflussbeziehung nutzt sie ein unspezijisches Verhaltensrepertoire, um ... die Lösung von Problemen zu steuern, die im Regelfall schlecht strukturiertoder zeitkritisch sind." (Neuberger 2002, S. 47). Eine auf die affektiven und kognitiven Dispositionen der Geführten gerichtete insbesondere charismatisch geprägte Führung versteht darunter "das Verhalten einer Person ..., das die Werte, Motive und das Selbstverständnis anderer Personen so beeinflusst, dass sie
bereit sind, außerordentliche Anstrengungen zu unternehmen, die über die normalen Anforderungen aus Rollen und Positionen hinausgehen und freiwillig Eigennutz zugunsten eines gemeinsamen Zieles zurückstellen" (House/Shamir 1995, S. 878). Die vorstehenden Definitionen operieren ausnahmslos mit dem Begriff der Verhaltensbeeinflussung. Wie dies geschieht bleibt indessen unklar. Auf das Kriterium der notwendigen Akzeptanz verweist die Beschreibung: "Führung heißt andere durch eigenes, sozial akzeptiertes Verhalten so zu beeinflussen, dass dies bei den Beeinflussten mittelbar oder unmittelbar ein intendiertes Verhalten bewirkt. " (Weibler 2001, S. 29). Bei dieser von der Einflussrichtung unabhängig gewählten Beschreibung ist sowohl die Beziehung von Führungskräften zu ihren unterstellten Mitarbeitern erfasst wie auch die
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Führung als "personale" Management-Funktion
"laterale Führung" unter Gleichgestellten sowie die "Führung von unten" (vgI. v. a. Wunderer 2009, S. 253 ff.), Diese für viele andere stehende Definitionen operieren (direkt oder indirekt) ausnahmslos mit dem Begriff der (Verhaltens-)Beeinflussung. Dahinter steckt auch ein Einfluss- oder Machtansatz, bei dem davon ausgegangen wird, dass eine Person als bzw. verrnittels seiner "Führungs-Kraft" über Ressourcen verfügt (Eigenschaften, Erfahrung, Positionsmacht, Verhaltensweisen usw.), die es ihr erlauben, das Handeln anderer zu lenken bzw. intentional zu beeinflussen, indern zielgerichtet Intensität und/oder Richtung ihres Handelns verändert werden sollen. Nichts ausgesagt wird über die historische und gesellschaftliche Situation und den formellen (institutionellen oder organisatorischen) Rahmen, in denen ein solcher Versuch stattfindet. Es wird ferner der Eindruck erweckt, die Beziehung sei einseitig (von der Führungskraft zu den Geführten) und nicht etwa gegenseitig; es wird weiterhin unterstellt, dass klar sei, was zielorientiert heißt (die Ziele der Geführten, die Ziele der Führungskraft, die Ziele der Organisation usw.?) und schließlich, dass es ums Handeln gehe (nicht etwa um die Veränderung der Haltungen, Orientierungen, Werte der Geführten). Mit dem Kriterium, dass das Verhalten, andere Personen zu beeinflussen, nur dann der Führung zuzurechnen ist, wenn dies bei den Beeinflussten auf Akzeptanz stoße, wird die terminologische Unterscheidung zwischen einern "Führer" und einern "Vorgesetzten" bzw. zwischen "Führung" (Leadership) und "Leitung" (Headship) möglich, womit sich wichtige Konsequenzen aufzeigen lassen (vgI. Weibler 2001, S. 35): •
Führung ist von einer Hierarchie weitestgehend unabhängig.
•
Nicht jeder Vorgesetzte ist infolgedessen ein Führer - und nicht jeder Unterstellte wird notwendigerweise geführt.
•
Führerschaft wird nicht"von oben" aufgezwungen, sondern"von unten" zugeschrieben bzw. zugeordnet.
•
Mit formal begründeter Leitung alleine lässt sich eine intendierte Verhaltensausrichtung bei anderen nur unzureichend bewirken, es bedarf hierzu grundsätzlich der Akzeptanz durch die Geführten.
In der weiteren Darstellung seien dennoch die Begriffe Vorgesetzter und Führer vereinfachend synonym verwendet, wohlwissend dass "Vorgesetzter" nur eine formale Position beschreibt, wohingegen ein "Führer" von der Akzeptanzzuschreibung durch die Geführten abhängig ist.
2
Führung in Organisationen
Führung bewegt Menschen. Immer wenn Menschen zusammenkommen und gemeinsam agieren, kommt im Zusammenhang mit einer erfolgreichen Zielerreichung die Frage nach der Art und Weise der Führung auf . Es lässt sich indes unschwer vorstellen, dass die speziellen Erwartungen, die an Führungspersonen gerichtet werden, und die Voraussetzungen auf Seiten der Führenden, diesen entsprechen zu können, je nach Kontext variieren. In einer Unternehmung muss der Vorgesetzte die Bedürfnisse seiner Mitarbeiter erspüren können, in der politischen Führung geht es um diplomatisches Geschick, der Führer beim Militär muss sich durch Sorgfalt, Präzision und Verlässlichkeit auszeichnen, in einer Familie wird von den Eltern Empathie und Sensibilität erwartet. In dieser Abhandlung wird der Fokus auf die Art von Führung gelegt, die Menschenführen in Organisationen betrifft und als Mitarbeiterführung und Führung von Arbeitsgruppen zutage tritt. Aufgrund sachlicher Zusammenhänge ergeben sich dennoch Bezugspunkte auch zur Führung von Organisationen, die sich auf die ganze soziale Institution bezieht und mit dem Begriff "Management" umschrieben wird.
2. 1
Referenzrahmen für Analyse und Beschreibung der Führung in Organisationen
Das im Folgenden präsentierte Analyse- und Beschreibungsraster dient bei der Auswahl und Betrachtung von Themen zur personalen Führung in Unternehmungen und anderen Organisationen dazu, verschiedene Betrachtungsperspektiven sowohl auseinanderzuhalten wie auch in Zusammenhang zu bringen. Es ist ein Ordnungsversuch, der die Stelle noch nicht den Stellen-Wert - von Aussagen über Führung lokalisiert. Dieses Analysekonzept enthält drei Systemelemente, die die Eckpunkte eines Dreiecks bilden: Führungsperson, konkrete andere Personen sowie Rahmenparameter durch gestaltetes und bedingendes Arbeitsumfeld (in Anlehnung an Ebert et al. 1992, S. 23). Weil die weitere Diskussion sich auf Führung konzentriert, steht die Führungsperson im Mittelpunkt. Die drei Elemente und die drei zwischen ihnen bestehenden Beziehungen seien zunächst kurz erläutert. Daraus werden Führungsthemen abgeleitet, welche in weiteren Ausführungen eingehender diskutiert und mit Beispielen und praktischen Empfehlungen behandelt werden.
K. F. Withauer, Führungskompetenz und Karriere, DOI 10.1007/978-3-8349-6580-6_3, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Führung in Organisationen
Systemelemente des Analysekonzepts
Die Führungsperson Führungskräfte sind in der Regel sowohl selbst intervenierende Akteure als auch zugleich von Einflussversuchen, Erwartungen, Wünschen etc. betroffene Geführte. Ein großer Teil der Betrachtungen zur Führung verengt sich auf diesen Aspekt, nämlich die (intratpersonale Betrachtung von Führung. Beispiele sind Überlegungen zu den Führereigenschaften, zur Führungsauslese, zum Zeitbudget von Vorgesetzten, zur Selbstmotivation, zur Arbeitsmethodik und zum Selbstmanagement usw. Abbildung 2.1
Referenzrahmen zur Analyse und Beschreibung von Führungsthemen (Quelle: nach Ebert et al. 1992, S. 23)
Führungsperson
Rahmenparameter durch gestaltetes und bedingendes Arbeitsumfeld
Der "Wille zum Führen" wird analysiert und beschrieben durch verhaltensrelevante Charakteristika der Persönlichkeit einer Führungsperson insbesondere zur Partizipation sowie die einzelnen Verhaltensformen des Führens zugrunde liegende motivationale Orientierung, die aufgaben- oder beziehungsorientiert sein kann.
Konkrete andere Personen Betroffene des Handelns von Führungspersonen sind "konkrete andere Personen". Diese zunächst vage klingende Bezeichnung ist deshalb gewählt, weil Führungskräfte nicht nur Vorgesetzte ihrer jeweiligen Mitarbeiter sind, sie haben auch Beziehungen zu ihren eigenen, ranggleichen Kollegen, höheren Vorgesetzten oder externen Personen - und alle diese Kontaktpartner beeinflussen das Handeln der Führungsperson, wie sie andererseits auch von ihr beeinflusst werden. "Andere" Personen sind sämtliche Beziehungspartner, wobei hierbei wirklich die konkreten Bezugspersonen gemeint sind und nicht Typen, Kategorien, Rollen, Stellen etc. Diese persönlichen Besonderheiten, etwa was Aussehen, Freundlichkeit,
Referenzrahmen für Analyse und Beschreibungder Führungin Organisationen
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Fähigkeiten, Arbeitsmotivation, Erfahrungen usw. betrifft, stehen im Vordergrund und sind für die Entwicklung der interpersonellen Beziehungen zwischen einer Führungskraft und ihren Partnern wichtig. Die wichtigste Gruppe unter den Beziehungspartnern sind die zu führenden Mitarbeiter. Diese sind nicht gedanken- und willenlose, im Wesentlichen durch Anweisungen gesteuerte Akteure, sondern menschliche Individuen, die eigene Absichten verfolgen, ihre Situation sinngebend interpretieren und aktiv gestalten. In den seltensten Fällen können Aufgaben so vorstrukturiert, geplant und gesteuert werden, dass keine Handlungsspielräume verbleiben. Mitarbeiter sind jedoch von sich aus bereit, diese Handlungsspielräume zu nutzen, besonders wenn die strukturellen Vorgaben sich als unzureichend erweisen. Vielfach besitzen sie sogar bessere Einsichten in die Spezifika des Arbeitsplatzes und koordinieren die Zusammenarbeit mit anderen Personen oder Gruppen nach persönlichen Präferenzen und Interessen. Mit ihrer eigenen Initiative sorgen diese Mitarbeiter für das selbstorganisierte Funktionieren des betrieblichen Geschehens. In solchen Formen einer Gruppenarbeit wird die Führung als Funktion nicht einer hierarchisch herausragenden Person übertragen, die Gruppe verteilt die Führungsfunktionen vielmehr auf verschiedene Personen oder überträgt die Funktion vorübergehend einem Gruppensprecher. Das Handeln eines Menschen wird gesteuert durch innere Beweggründe, die als Motivation jedem Verhalten zugrunde liegen. Die Motivation ist wie Lernen und Wahrnehmen ein hypothetisches Konstrukt, eine intervenierende Variable zwischen situativen und/oder personalen Bedingungen und beobachtbarem Verhalten. Motivation ist die Voraussetzung für zielorientiertes Verhalten. Wenn man wüsste, welche Motive einen Menschen mobilisieren, hätte man den Schlüssel für die Beeinflussung seines Verhaltens. Der Motivationsansatz befasst sich mit der Frage, inwieweit im Führungsprozess die Aufmerksamkeit gezielt auf Motive zur Mobilisierung erwünschten Verhaltens oder Handelns gerichtet werden kann (siehe Kap. 2). Geführte sind keine isolierten Personen, und Führung hat es nicht nur mit vielen ZweierBeziehungen zu tun. In der Regel arbeitet man in Gruppen oder Netzwerken mit der Absicht einer produktiven Zusammenarbeit. Diese sozialen Gebilde weisen eigene führungsrelevante Charakteristika auf. Gruppen entwickeln eine eigene Gruppendynamik, es entstehen Rollen und Normen sowie spezifische Beziehungen (siehe Kap. 3).
Rahmenparameter durch gestaltetes und bedingendes Arbeitsumfeld Die Rahmenparameter als Systemelement sind am erklärungsbedürftigsten. Die auf die Bewältigung von Aufgabenanforderungen gerichtete Führung muss nicht notwendigerweise über Personen (Führer) erfolgen. Viele "Einwirkungen" kommen nur mittelbar durch Führungspersonen zustande. Hierbei handelt es sich um jene von vornherein so gestalteten Strukturen, welche richtunggebend personales Handeln im gewünschten Sinne herbeiführen. Mit dem Begriff "Rahmenparameter" soll gemeint sein, dass es apersonale Bedingungen sind, die als gestaltete und bedingende Umweltrealität das Handeln und Erleben jeder "Führungsperson" und "anderer Personen" beeinflussen, Handlungsspielräume abstecken und Aktivitäten kanalisieren. Die Rahmenparameter sind "soziale Tat-
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Führung in Organisationen
Sachen", einerseits weil sie das Ergebnis "menschlicher" Taten, wenngleich nicht immer menschlicher Absichten sind und im Rahmen geltender Regeln interpretiert werden, (Tat-) "Sachen" sind sie, weil sie Dingcharakter haben, also personenunabhängig existieren und nicht beliebiges Ergebnis von Einbildung, Wunschdenken oder Deutung sind. Als "Dinge" haben sie einen Aufforderungscharakter, der Denken und Handeln gleichsam einem Führungssubstitut kanalisiert. Sie sind gestaltbare, die Führungssituation mitprägende Kontextbedingungen aus den sogenannten Medien (vgl. Weibler 2001, S.118 ff.) einer entpersonalisierten Führung, die ein optimales, effizienzförderndes Umfeld für Führungspersonen und Mitarbeiter bezwecken. Offenkundig werden durch die Technologie Arbeitsgänge vorstrukturiert oder durch Bürokratie mit generellen Regeln, Verfahren, Formularen auch bei Verwaltungstätigkeiten, ohne dass eine Führungsperson unmittelbar tätig wird. Die status- und positionsmäßige Differenzierung der Mitarbeiter in der Hierarchie "sagt" dem Einzelnen, dass er seinen materiellen ebenso wie seinen sozialen Status steigern kann, sofern er in der Hierarchie aufsteigt, was in aller Regel an erwartungsgemäßes Leistungsverhalten gekoppelt ist; sichtbare Rahmenparameter sind Organigramme, Zielvorgaben, Stellenbeschreibungen, ein differenziertes System von Statussymbolen, Vergütungssysteme, Büroarchitektur und -ausstattung, Software u. v. a. (vgl. Weibler ebd.; v. Rosenstiel 2009, S. 3 f.), Als starkes Medium einer entpersonalisierten Führung wirkt schließlich die Kultur einer Organisation. Eine "gute", "gesunde" oder "exzellente" Kultur liegt vor, wenn sie als ungeschriebener Verhaltenskodex bei den Geführten verinnerlicht ist und so einwirkt, dass sie sich aufgrund Ihrer Werthaltungen "automatisch" bzw. "ohne Weiteres" in erwiinschter Weise verhalten (siehe Kap. 6, 21). Wie augenfällig in manchen Organisationen Führung durch Strukturen erfolgt, erkennt man z. B. bei Filialen oder Zweigstellen zentral gesteuerter Warenhaus-, Restaurant- oder Hotelketten, welche ihre örtlichen Angebote in jedem ihrer Betriebe ähnlich präsentieren. Alles ist bis ins Einzelne geregelt, festgeschrieben, geordnet, eine personale Führung geschieht nur ausnahmsweise oder im Falle einer Störung. Das Gemeinsame an diesen Medien einer entpersonalisierten Führung ist, dass sie Handeln vorformen, anstoßen, begrenzen oder verhindern können. Sie wirken somit als Pendant zu personalem Einfluss, man könnte sich die gleiche Wirkung vorstellen, wenn eine Autoritäts-Person Forderungen stellte; hier ist es die Autorität der Fakten, die wirkt.
Wirkungsbeziehungen zwischen den System-Elementen Das Dreiecks-Raster enthält außerdem noch drei Beziehungen zwischen den Elementen, die im Folgenden skizziert werden:
DieBeziehung zwischen Führungsperson und Rahmenparametern Das Handeln von Führungspersonen ist oft eingeengt und insbesondere durch deren Vorgesetzte gelenkt bzw. vorbestimmt und sie unterliegen organisatorischen und/oder physischen Bestimmungen, die ebenfalls auf ihren Handlungsspielraum beschränkend wirken.
Referenzrahmen für Analyse und Beschreibungder Führungin Organisationen
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Führer sind in ihrem Positionsrahmen durch Vorschriften, Traditionen, Rollenvorgaben, Normen, Ressourcen, Geräte, Räume usw. in ihrem Handeln betroffen, indem Prozeduren vorgeschrieben, Ergebnisse überwacht, Sanktionen eingesetzt werden. Die "Objektivierung" des Führungshandelns wird am deutlichsten durch die soziale Position der "Führer-Rolle" ausgedrückt. Eine Rolle wird wesentlich definiert durch das Insgesamt an Erwartungen, die an die Person gerichtet sind, welche diese soziale Position inne hat (siehe Kap. 4, 12). Der Rollenbegriff unterscheidet mithin die Rolle von der "Person", sie gilt als etwas Äußerliches, als soziale Zumutung. Sie ist gebunden an eine Position und setzt damit ein differenziertes Gefüge voraus, in dem bestimmte "Stellen" identifiziert werden können und jede Position auf andere Positionen verweist und nur dadurch ihren Stellen-Wert erhält. So ist man Vorgesetzter nur, wenn man jemand vor-gesetzt ist! Erwartungen können in einem komplexen System wie einer Unternehmung von vielen verschiedenen Seiten erhoben und auch unterschiedlich begründet werden, sie erweisen sich mithin als unklar, vieldeutig, widersprüchlich, wandelbar, unabgestimmt usw. Statt von einer unilateralen Einflussrichtung - von oben Vorgaben erhalten, nach unten solche geben - unterliegt eine Führungsperson multiplen Einflussquellen und eben auch den angesprochenen Rahmenparametern. Dies macht das Streben der Führungspersonen verständlich, selbst gestaltend auch auf die systemisch-strukturellen Ordnungen einzuwirken, um den eigenen Handlungsspielraum zu verändern und sich dadurch abstimmungsentlastet neue Handlungsmöglichkeiten zu eröffnen. Jede Rolle, insbesondere aber die FührerRolle hat es mithin immer wieder auch mit einem Rollenkonflikt oder Rollendilemma zu tun.
Die Beziehung zwischen Führungsperson und "anderen Personen" Die Beziehungen zwischen einer Führungsperson und anderen Personen wurden in der Führungsforschung meist unter der Perspektive der Beziehung zwischen Führer und Geführten erörtert, aber auch die Betrachtung einer "Führung von unten" gehört in diesen Themenbereich. Hierbei werden personal-interaktive Verhaltensmuster beschrieben, die als "Führungsstil" und "Führungsformen" typisiert werden. Der Forschungsansatz zielt auf Gesetzesaussagen über die situationsinvariante Effizienzwirkung solcher Verhaltensmuster (siehe Kap. 4, 13). Die Führungsstil-Forschung hat gezeigt, dass die unterschiedlichsten Strategien und Kombinationen des aktiven Führens und des Überlassens des Führens an die Gefiihrten erfolgreich sein können. Die Wahl der Führungsform ist nicht nur für die Beziehungen einer Führungsperson zu Mitarbeitern bedeutsam. Im Forschungsgebiet der "Mikropolitik" wird untersucht, wie die Akteure in einer Organisation versuchen, Einfluss und eigene, über die formell übertragenen hinausgehende Machtpotenziale aufzubauen und einzusetzen, um ihre Interessen zu fördern. Dabei sind nicht nur formelle Führungspersonen Akteure, sondern auch Mitarbeiter, Kollegen, höhere Vorgesetzte usw., die untereinander wechselnde Zweckbündnisses eingehen und mit- und gegeneinander mannigfaltige Strategien und Taktiken verfolgen. In ihren Handlungsmustern ist auch die Führungskraft nicht nur Agentin der Organisationsziele, sondern verfolgt opportunistisch ihre eigenen Interessen und Eigennutz. Die Er-
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Führung in Organisationen
kenntnisse sind übertragbar auch auf die Kontaktpflege zu außerbetrieblichen Stellen wie Kunden, Lieferanten, Behörden etc. (siehe Kap. 6, 19).
Die Beziehung zwischen Rahmenparametern und "konkreten anderen Personen" Bei dieser Beziehung kommt zum Ausdruck, dass die Geführten oder auch andere Beziehungspartner nicht allein dem Willen von Führungskräften unterworfen sind, sondern zahlreichen anderen Diktaten folgen, die zuweilen wirkmächtiger sind als spezifische Anordnungen "von oben". Ein Gehaltssystem, die objektiven Arbeitsbedingungen, Arbeitsinhalte, Personalstruktur oder die Unternehmenskultur können Arbeitsmotivation und -leistung stärker prägen als Interventionen von Führungspersonen. Damit wird klar, dass für die praktische Realität die alleinige Betrachtung der Führer-Geführten-Beziehung zu kurz greift, weil es durch Ordnung und Regeln eine Fülle von "Führungssubstituten" gibt, die führergleiche Wirkung haben. Führung wird externalisiert und/oder internalisiert. Die veräußerlichte Führung wirkt strukturell-systemisch durch "Fakten", mit denen jeder Handelnde in einer Organisation gleichsam umstellt ist, die als "geronnene" symbolisierte Führung sozial verbindlich machen, wie der Einzelne sich verhalten soll oder muss. Diese als bedingendes Umfeld wirkenden Medien einer entpersonalisierten Führung sind Aktionsfelder der Gestaltung von Strukturen und Strategien, die Lenkungsmittel wirken generell, personunabhängig und sind allgegenwärtig. Aus der Erkenntnis der verhaltenssteuernden Wirkung einer internalisierten spezifischen Kultur von Organisationen kommt die Idee einer symbolischen und kulturbewussten Führung (siehe Kap. 6, 20 u. 21). Die drei System-Elemente und die drei Relationen aus dem Referenzrahmen zur Analyse und Beschreibung von Führungsthemen wirken nicht jeweils für sich, sondern meistens zusammen. Die nacheinander behandelten Themenfelder der Führungsforschung müssten deshalb eigentlich in einer Zusammenschau erörtert werden. So kann z. B. das Selbstbild einer Führungsperson deren Beziehungen zu den Mitarbeitern prägen, und diese wiederum sind beeinflusst durch die konkreten physischen und organisatorischen Bedingungen, unter denen gearbeitet wird, so dass oft nicht klar zuzurechnen ist, was auf Führungseinfluss, was auf Kollegeneinfluss und was auf Organisations- oder wie beim Wertewandel gar auf gesellschaftlichen Einfluss zurückzuführen ist. Dies heißt mithin: Wer bestimmte Empfehlungen zum Führungsstil (also zu Führer-Geführte-Beziehungen) macht, sollte auch angeben, unter welchen Bedingungen personaler, interpersonaler und apersonaler Art diese Ratschläge zutreffen. Die bisherige Führungsforschung muss sich vorhalten lassen, dass sie den inneren Zusammenhängen zwischen den Einflussgrößen bislang meist nicht systematisch nachgegangen ist.
Systemisch-strukturelle Führung
2.2
33
Systemisch-strukturelle Führung
Führung ist, wie ja bereits definiert wurde, das Bestreben von Führenden, durch eigenes sozial akzeptiertes Verhalten das Verhalten von Geführten so zu beeinflussen, dass es eine intendierte Ausrichtung erhält. Hierbei wird in der Regel von der direkten Führung bzw. der "Face-to-Face"-Beziehung ausgegangen, die deshalb auch als "interaktionelle" Führung bezeichnet wird. Parallel dazu wirken aber in bedeutsamem Umfang im Organisationsalltag feststellbare indirekte Formen der Führung, welche gleichfalls geeignet sind, dem Verhalten der Organisationsmitglieder eine intendierte Richtung zu geben und insofern dieselbe Intention wie die direkte Führung verfolgen, dabei jedoch völlig anders ansetzen und verfahren. Die indirekte Führung wird vornehmlich von der Organisations- bzw. Unternehmensleitung in Zusammenarbeit mit dem zentralen Personalressort getragen. Hierbei handelt es sich um die bereits angesprochenen Rahmenparameter als gestaltetes und bedingendes Arbeitsumfeld (siehe 2.1). Weil diese Führungsformen aus dem organisationalen Kontext der Führung kommen, wird sie auch mit "kontextueller" Führung bezeichnet (vgl. Weibler 2001, S. 118). Ähnlich wird diese Unterscheidung mit "Führung durch Menschen" und "Führung durch Strukturen" zum Ausdruck gebracht (vgl. v. Rosenstiel2009, S. 3 f.) und meint damit Führung "in einer strukturierten Arbeitssituation" respektive lImit einer strukturierten Arbeitssituation" (vgl. Wunderer 2009, S. 4 f.). Im Zusammenspiel von Organisation und Führung wird deutlich, dass die personale Führung konzeptionell und in ihrer inhaltlichen Ausrichtung der Organisationslogik und den Organisationserfordemissen nachgeschaltet ist. Oder anders formuliert heißt das : Durch verschiedene Medien entpersonalisierter Führung als gestaltetes und bedingendes Arbeitsumfeld ist die personale Führung vorgesteuert. Die systernisch-strukturelle Führung widmet sich den Gestaltungsperspektiven in den Aktionsfeldern Strategie, Struktur und Kultur (vgl. Withauer 2000, S.203 ff.) sowie der qualitativen Personalstruktur (vgl. Wunderer 2009, S. 9):
Strategiemanagement Jede Organisation hat implizit (Philosophie, Vision, Mission) oder explizit (Grundsätze, Satzung, Charta, Statuten) ideale Vorstellungen von ihren gegenwärtigen und zukünftigen Verhaltensweisen. Sie kommen zustande durch formale Planungssysteme und sind dann Ergebnis eines organisierten Prozesses oder sie entstehen selbstorganisatorisch und besitzen einen eher emergenten Charakter (vgl. Mintzberg 1991). Der Strategiebegriff bringt in seiner allgemeinen Definition mit den Metaphern "Weg" bzw. "pfad" das Wesen einer Strategie zum Ausdruck. Strategien bezwecken, organisationale Kräfte zu bündeln und in eine von der Strategie anvisierte Richtung zu lenken. Strategiemanagement verbindet die Zielentscheide und die Richtunggebung in einzelnen Strategiefeldern zu einer möglichst konsistenten Unternehmenspolitik, ist als spezifische Denkhaltung zu verstehen und liefert den verhaltenssteuernden Rahmen für das Handeln der Führungspersonen. Strategische
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Führung in Organisationen
Themen für eine Unternehmung sind insbesondere die gerichtete Suche nach künftigen Geschäftschancen, Auswahl erfolgversprechender Suchfelder und Ableitung von Markteintrittsstrategien, Marketingpolitik, kurz: alles was zur Schaffung und Sicherung von Erfolgspotenzialen führt. Strategien definieren nicht nur die nach außen orientierte Stellung einer Organisation in der Umwelt, sie geben auch vor, wie von den Organisationsmitgliedern die "Welt" überhaupt wahrgenommen und rekonstruiert werden soll, sie prägen mithin das kollektive Bewusstsein dieser Organisation. Die damit konformen Theorien, Praktiken und Konzepte wirken als systemisch-strukturelle Parameter einer indirekten Führung. Struktureller Rahmen: Managementsysteme
Organisationen können im instrumentellen Sinn als verfestigte Gefüge von Regelungen zur Steuerung von Leistungsprozessen verstanden werden. Organisieren heißt demnach, Regeln und Strukturen zu schaffen, mit deren Hilfe das Verhalten von Menschen in der Organisation richtunggebend koordiniert und gelenkt werden soll. Diese Regelungen geben vor, welche Verhaltensweisen in der Organisation erwünscht und welche unerwünscht sind, sie definieren mithin Verhaltenserwartungen. Führung durch Strukturen geschieht normativ durch die Unternehmungsverfassung. In der strategischen Dimension sollen strukturell konkretisierend durch die Gestaltung der Organisation und von Managementsystemen die Voraussetzungen geschaffen werden zum Auffinden der erfolgversprechendsten Erfolgspotenziale unter den Optionen für Arbeitsgebiete (Produkte, Leistungen, Märkte) der Unternehmung und der Positionierung ihrer Geschäftseinheiten im Markt. Im Operativen drückt sich Führung durch Strukturen im raum-zeitlich gebundenen Ablaufvon Prozessen aus, die durch Dispositionssysteme gesteuert werden (vgl. Bleicher 2004, S. 80 ff.). Die betrieblichen Managementsysteme flankieren die Unternehmungskultur und werden von dieser geprägt. Durch sie wird objektivierend und sprachlos das gefordert, was gesollt wird. Auf den Politikfeldern des Personalmanagements sind Beispiele für Managementsysteme Organigramme, Stellenbeschreibungen, Verfahrensrichtlinien, ein differenziertes System von Statussymbolen. Überwachungs-, Vergütungs-, Eingruppierungs-, Beurteilungs-, Personalentwicklungs-, Beförderungs- oder Motivationssysteme (vgl. v. Rosenstiel 2009, S. 3 f.),
Symbolische Strukturen: Kulturbewusste Führung
Regelmäßigkeiten im Handeln von Akteuren - Geführte und Führende - sind nicht nur organisationsstrukturell bedingt, sondern werden zudem normativ geprägt durch akzeptierte Wertvorstellungen der in einer Organisation tätigen Menschen. Verinnerlichte Führung zeigt sich darin, dass das "richtige" Verhalten "von sich aus" geschieht und nicht durch Zutun Dritter aktualisiert werden muss, weil das Denken und Handeln durch internalisierte Werte und Normen mental vor-programmiert ist (vgl. Hofstede 1980, Sp. 1169). Diese impliziten Werte sind weitgehend unbewusst und damit nur schwer analysierbar. Hinter ihnen stehen nochmals grundlegende, von den Handelnden nicht mehr hinterfragte Annahmen über den Sinn und die Realität der Unternehmung (vgl. Schein 1984, S. 3 f.).
Systemisch-strukturelle Führung
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Das inhaltliche Normensystem ist Ausdruck der Unternehmungs-Kultur, durch sie bestimmt sich die konstitutive Begründung des Verhaltens der Mitarbeiter. In der strategischen Dimension soll sich das erstrebte Verhalten der Akteure in der Unternehmung im Hinblick auf ihr Lern- und Führungsverhalten konkretisieren. Im Operativen realisiert sich dieses Verhalten im Leistungsverhalten im Arbeitsprozess. Durch die integrative Verknüpfung der Verhaltensdimensionen wird das Verhalten der Akteure in der Organisation kulturell "imprägniert". Kultur manifestiert sich in symbolischen Handlungen wie gemeinschaftlich gepflegten Verhaltensweisen, Sitten und Gebräuchen, Riten und Zeremonien sowie sogenannten Artefakten wie Bekleidungsgewohnheiten, der Gebäudegestaltung und ansonsten verwendeten Gegenständen, Hilfsmitteln, Einrichtungen, Ausstattungen und Technologien, aber deutlich auch in der Sprache für kommunikative Prozesse in der Organisation und mit der Umwelt und durch Geschichten, Legenden, Mythen, Sagen, Redewendungen, ein institutionsspezifisches Vokabular. Ihre implizite Verhaltenslenkung steht gegen die Auffassung, auf Mitarbeiter könne man nur direkt (un-mittel-bar) durch Führungspersonen einwirken. Sie vermittelt zwischen vergangenheitsorientierten Werten und zukünftig intendiertem Verhalten.
Qualitative Personalstruktur In einer weiten Begriffsinterpretation zählt auch die Gestaltung der qualitativen Personalstruktur zur systemisch-strukturellen Führung. Die Personalstruktur stellt dabei zugleich eine Ressource wie auch eine Komponente der Kontextgestaltung dar. In jüngerer Zeit hat deshalb insbesondere das Personalwesen in der Unternehmung eine Neuorientierung erfahren verbunden mit einem Wandel des konzeptionellen und methodischen Instrumentariums, das prägend auf die Führung und Beeinflussung von Mitarbeitern wirkt und eingesetzt wird. Dem Personalwesen kommt klassischerweise die Aufgabe zu, den Faktor "Arbeit" an die zuvor personenunabhängig entworfenen Arbeitsstrukturen, die Organisation "anzupassen". In einer integrativen, proaktiven, strategischen Sichtweise ist PersonalFührung eine genuine Managementaufgabe. Personalarbeit reduziert sich nicht mehr auf die bloße Anwendung von Personaltechniken wie Personalplanung, -einsatz, -entwicklung und -entlassung, deren kompetenter Einsatz hochspezialisierten Mitarbeitern in der Personalabteilung zugewiesen wird. Personal kann mithin nicht mehr nur instrumentalisiert und als Objekt behandelt werden. Im Funktionswandel von der Personalbeschaffung hin zum Human Resources Management (HRM) kommt die Anerkennung des Personals als strategischer Erfolgsfaktor zum Ausdruck (vgl. Staehle 1999, S. 777 f.). Das Human Resources Management befasst sich in einem umfassenden Sinne mit dem Erkennen, dem Gewinnen und dem Entfalten von Intelligenzpotenzialen aller Menschen in einer Organisation. Die gewachsenen Anforderungen bedingen anspruchsvollere Management- und Dispositionssysteme zur richtigen Auswahl, Entwicklung und Entlohnung sowie dem effektiven Einsatz und Training der menschlichen Ressourcen. Dabei gilt es individuelle Unterschiede ebenso zu beachten wie die Notwendigkeiten zur organisatorischen Flexibilisierung, aus der Globalisierung der Unternehmungen und den Herausforderungen an ein internationales und interkulturelles Personalmanagement.
36
2.3
Führung in Organisationen
Wechselverhältnis zwischen struktureller und personaler Führung
Der Zusammenhang der Führung von Menschen mit der systemisch-strukturellen Führung unter Einbezug der Personal-Führung besteht darin, dass durch die Instrumente der Führung in diesen Aktionsfeldern das Denken und Handeln der Mitarbeiter immerhin vorprogrammiert, vorstrukturiert und vorgesteuert wird. Die personale Führung stellt mithin nur eines von mehreren Koordinations- und Kontrollinstrumenten der Organisation dar. Sie konkurriert hierbei mit Anreiz-, Kontroll- und Motivationssystemen, Personalförderung und Personalauswahl, Organisation und Technik; alle diese Führungsinstrumente "führen" ja zumindest in dem Sinne, dass sie personales Handeln lenken. Die einseitige Fokussierung auf die interaktionelle Führung vernachlässigt, dass Führungspersonen - im Wege indirekter Führung - auch über organisationale Maßnahmen und Technologieeinsatz zur Sicherstellung sachbezogener Aufgaben entscheiden. Die Befugnis zu derartigen Entscheidungen hängt zwar in erheblichem Maße von der hierarchischen Stellung der Führungsperson und seinen konkreten Funktionen ab. In vielen Fällen erweisen sich organisationsstrukturelle Maßnahmen immerhin als wesentlich wirksamer zur Lösung betrieblicher Probleme. Persönliche Führung ist dann überflüssig und/oder ungeeignet und durch andere Einflussformen substituierbar (vgl. Staehle 1999, S. 382 ff.). Ein Führungskonstrukt, das den organisationalen Kontext berücksichtigt, dabei jedoch die personale Führung letztlich noch als "Feinsteuerung" im Rahmen eines weitgehend abgesteckten Korridors charakterisiert, erscheint dennoch problematisch. Es stellt sich nämlich die Frage nach der wirksamen und nachhaltigen Gestaltbarkeit struktureller Aspekte. Wenn Interaktion notwendig ist, um generelle Regelungen zu kommunizieren und fallweise zu modifizieren, wirkt strukturelle Führung lediglich ergänzend. Die Bedeutung der personalen Führung wächst in dem Moment, wenn die organisationale Vorsteuerung von Führung inhaltlich unverbindlicher wird oder werden muss. Es gibt Zeiten, in denen Wissen und Fähigkeiten einer Unternehmung, ihre Produktpalette und die Arbeitsbedingungen mit der Umwelt harmonieren; die geschäftliche Lage vertraut und die Unternehmung gut organisiert ist; die Mitarbeiter sind geschult und erfüllen die Anforderungen. Diese Voraussetzungen sind derzeit oft und auch in zunehmend turbulenten künftigen Zeiten des Wirtschaftens augenscheinlich nicht mehr erfüllt. Dieser veränderte Organisationskontext macht in der Managementpraxis einen Umbruch in der Steuerungslogik von Organisationen nötig, die weniger auf Beherrschbarkeit, Prognosefähigkeit, definierte Verfahren, Planbarkeit und eindeutige Reaktionsmuster setzen kann, sondern Balancen zwischen diesen und offeneren Formen, stichwortartig charakterisierbar durch Ungewissheit, Dynamik, Vieldeutigkeit, Paradoxien (vgl. Withauer 2000, S. 1-18), suchen muss. Vor diesem Hintergrund erklären sich die Rücküberlegungen, organisationsstrukturelle Maßnahmen situativ durch personale, interaktive Führung zu substituieren (vgl. Wunderer 2009, S. 316 f.). Zudem wird auf die Besonderheiten des Umgangs mit Menschen verwiesen mit ihren eigenen Zielen, Bedürfnissen und Fähigkeiten, die nur im Rahmen der personalen Führung berücksichtigt und nutzbar gemacht werden können.
Methodenarsenal der Handlungsbeeinflussung in/von Organisationen
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Die Beschreibung und bescheidene Deutung der Führung als Residualfaktor wird zudem dem generellen Empfinden nicht gerecht, warum "Führung" einen so hohen Stellenwert in Organisationen hat. Offenbar geht es nicht nur um den angesprochenen Zusatzbeitrag zur Handlungssteuerung, den auch personale Führung zu leisten hat. Die Interpretation beachtet vor allem die denotative (lexikalische) Wortbedeutung. Führung hat aber noch einen starken konnotativen Gehalt, also ein Begriffsumfeld, das für die weiteren Dimensionen des Konzepts verantwortlich ist: Führung hat zu tun mit Vorrang, Vorbildlichkeit, Besonderheit, Potenz, Charisma, Größe, Macht. Wer Führer ist, ist herausgehoben aus der Masse der vielen Allzuvielen. Diese Verklärung kommt zum rein sachlichen Prozess des Führens hinzu. Die situativ geprägte, handlungslenkende Führung wirkt regelmäßig auch symbolisierend (vgl. Neuberger 2002, S.666 ff .). Erst wenn man die affektive Aura des Führens berücksichtigt, kann man nachvollziehen, warum sie einen so herausgehobenen sozialen Stellenwert hat (vgl. Ebert et al. 1992, S. 22). Es werden ja auch große Anstrengungen unternommen, diese Außeralltäglichkeit zu unterstreichen und abzustützen. Führer sind somit auch "Lückenfüller der Organisation", aber diese Rolle verspricht zudem besondere narzisstische Belohnungen: man ist mehr, etwas anderes und besseres als die anderen, gerade weil man Lücken füllt. Das Image des Überragenden, Schöpferischen und Souveränen wird denn auch aufwändig aufgebaut und abgesichert, die auf diese Weise ideologisch verkürzt begründete Führung (vgl. Neuberger 2002, S. 64 f.) soll Wahrnehmungsfilter und Denkraster sein, stimulieren, Sinn geben und rechtfertigen, nur mit ausgeklügelten Argumenten lässt sie sich ökonomisch legitimieren. Führungskräfte wollen loyale Repräsentanten der Herrschaftsordnung sein, die sie zum einen symbolisieren und zum anderen aufrechterhalten. In Organisationen wird nicht nur Leistung produziert, sondern auch Ordnung und Macht - und auch dafür stehen Führungskräfte. Die Überlegungen sollen veranschaulichen, dass eine rein "technische" Betrachtung von Führung als Beitrag zur Handlungslenkung nicht ausreicht, um die Faszination dieses Phänomens zu erklären. Deshalb muss bei weiteren Betrachtungen von personaler Führung auch den symbolischen, mikropolitischen, moralischen und expressiven Aspekten Raum gegeben werden.
2.4
Methodenarsenal der Handlungsbeeinflussung in/von Organisationen in einer Zusammenschau
In einem Arbeitsbuch über "Führen" dominiert selbstredend die Auseinandersetzung mit der personalen Führung. In einer erweiterten Betrachtung des Führungsgeschehens in
Organisationen wird deutlich, dass das Handeln der Akteure durch multiple vemetzte Einflussquellen beeinflusst wird, welche eine Führungskraft zum Teil nur indirekt - vermittelt über Dritte - tangieren. Diese Auffassung von Führung nimmt eine polyzentrische Perspektive ein, in der jede Position in Organisationen - auch jede Führungsposition sowohl Quelle wie auch Ziel einer großen Zahl von Einflusslinien ist, die von allen Seiten kommen und nach allen Seiten gehen: von und zu Vorgesetzten, Kollegen, Mitarbeitern, Stäben, Außenstehenden (vgl. Neuberger 2002, S. 680 f.). Das Phänomen "Führen" wird
Führung in Organisationen
38
nicht mehr nahezu exklusiv auf die Handlungen, Stile und Formen von Führungspersonen fokussiert, sondern bezieht alle Bezugspersonen (Stakeholder) ein. Eine erweiterte Definition der "Führung" berücksichtigt, dass Beeinflussung auch anders als durch direktes Verhalten einer Person erreicht werden kann. Die Medien der entpersonalisierten Führung können als Ausprägungen der kontextuellen oder indirekten Führung dieselben verhaltenssteuernden Effekte haben wie das Führungsverhalten, und sie sind ebenfalls an das Kriterium der Akzeptanz geknüpft. Damit ergibt sich folgende umfassendere Definition von Führung: "Führung ist die Beeinflussung anderer, die bei den Beeinflussten mittelbar oder unmittelbar ein intendiertes Verhalten auslöst" (Weibler 2001,S. 128). Eine Zusammenschau der Mannigfaltigkeit und der Methoden der Handlungsbeeinflussung in und auch von Organisationen und ihrer Akteure soll den Überblick bieten (siehe Abbildung 2.2).
2.5
Führung durch Menschen
Selbst wenn man eigene Antriebe der Mitarbeiter unterstellt und von geregelten Strukturen in der Organisation ausgeht, in der Praxis geht von Menschen aus - und hier insbesondere von den Vorgesetzten -, wie die Mitarbeitermotivationen und vorhandene Vorschriften in gelebte Realität umgesetzt werden, wie im Rahmen der Strukturen trotz der bzw. mit den Vorschriften flexibel und kreativ oder nur "nach Vorschrift" gearbeitet wird. Das Ineinanderfügen einzelner Handlungen zu einem Ganzen ist abstrakt gesehen die Aufgabe der Führung. Doch um dies zu erreichen, sind konkrete, aktive Führungsanstrengungen notwendig, die den inhaltlichen Kern der personalen Führung ausmachen. Das Verhalten der Führungskraft, wenn es darum geht, •
Ziele zu verdeutlichen,
•
Aufgaben zu koordinieren,
•
Mitarbeiter durch Gespräche zu motivieren,
•
Ergebnisse zu kontrollieren,
•
Fähigkeiten zu entwickeln,
•
Belohnungen in Aussicht zu stellen,
•
Anerkennung zu vermitteln,
•
individuelle Bedürfnisse zu erkennen,
•
Vertrauen zu schaffen,
kennzeichnet die Art und Weise der Führung eines Chefs, und genau hierüber differenzieren sich Führende, was sich in qualitativen Unterschieden in der Führungsbeziehung ausdrückt. Es kommt also (auch) auf den Menschen an.
D
Politiker
Berater
Wissenschaftler
Bürgergruppen
Kommune
Kapitalgeber
Gewerkschaft
Betriebsrat
Mitarbeiter
Unteres!Mittleres Management
Oberste Leitung
Akteure
SchJagwone
e)
Führung: Individuelle Motivation, Emotion, Identifikation, Orientierung
Charakteri-
sierende
Personalisiere
Imperativ
Teambildung, Gruppenarbeit. Kohäsion, Gruppendruck. Allianzen, Netzwerke
Integriere Strategie: KapitaJbudgets, Personal, Informationen, Subventionen
Kontrolliere Ressourcen
Politisiere Dominanz, Macht, 1nteresse, Konflikt. Zwang, Drohen Koalition bilden, Taktieren
Symbolisiere Kultur: Sinn, Werte, Leitbilderl Visionen, Symbole, Sprache
Organisiere, Technisiere Struktur: Routine, Forrnalisierung, Bürokratie; Hard-/Software, Automatisierung
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40
Führung in Organisationen
Die zielbezogene Beeinflussung von Mitarbeitern geschieht vor allem durch das Mittel der Kommunikation (v, Rosenstiel 2009, S. 4). Empirische Analysen liefern dafür, wie viel Prozent der Arbeitszeit Führungspersonen mit Kommunikation verbringen, ein erstaunliches Ergebnis. Meist sind dies 80 % bis 95 %, falls man Kommunikation weit versteht, d. h. nicht nur als Vier-Augen-Gespräche, sondern auch Aktivitäten als Teilnehmer von Gruppengesprächen, als Vortragender oder Teilnehmer bei Tagungen und Konferenzen, beim Telefonieren, beim Erstellen oder Lesen von Schriftgut etc. mit einbezieht. Die Kommunikationszeit, die hiervon den Mitarbeitern gewidmet wird, ist angesichts der vielfältigen Aufgaben des Führenden allerdings relativ knapp, die Qualität der Kommunikation angesichts fehlender Ausbildung der meisten Fachvorgesetzten auf dem Felde kommunikativer Kompetenz unzulänglich. Die Praxis zeigt nun: Für den Inhalt der Kommunikation, die Botschaft, ist man in der Ausbildungszeit qualifiziert worden. Man hat Ingenieurwissenschaften, Betriebswirtschaftslehre, Jura oder eine andere Fachdisziplin studiert. Unausgesprochen aber wird vorausgesetzt, dass man das "Wie" beherrscht, dass man mit den jeweiligen Partnern angemessen darüber sprechen kann, dass man die inhaltlichen Gedanken den Mitarbeitern überzeugend darlegt. Nicht selten liegt hier ein Irrtum. Untersuchungen, die festzustellen suchen, wo die Mitarbeiter "der Schuh drückt", kommen häufig zum Ergebnis, dass die Verhaltensweisen der Vorgesetzten Grund für Enttäuschungen, Frustrationen oder Ärger sind. Führen als Einflussnahme mit Hilfe der Kommunikationsmittel wurde nicht gelernt. Dies wiederum wird im besonderen Maße dann zum Problem, wenn Führung durch Menschen im Unternehmen wichtiger wird als Führung durch Strukturen. Und dies gilt besonders dann, wenn die Umwelt des Unternehmens - wie etwa die Technikentwicklung, der Personalmarkt, der Beschaffungsmarkt, der Absatzmarkt in Zeiten der Globalisierung und des Wandels - so dynamisch ist, dass flexible Antworten des Unternehmens sofort nötig sind und Strukturen viel zu starr wären. Es gilt aber auch dann, wenn selbstbewusste und fachkompetente Spezialisten von einem Vorgesetzten koordiniert werden müssen, der im Detail weniger versteht als seine Mitarbeiter. Es gibt nun ohne Frage Vorgesetzte, die den daraus erwachsenden Anforderungen besser entsprechen als andere, die also erfolgreicher führen. Was zeichnet nun aber Führungsverhalten aus und worin zeigt sich Führungserfolg?
3
Führungsverhalten
Verhalten ist jegliches menschliches Tun. Dem Begriff Verhalten am nächsten kommen wohl die Begriffe "Aktivität" oder "Leistung", nicht so sehr der Begriff "Benehmen", mit dem Verhalten oft gleichgesetzt wird. Menschliches Verhalten ist beobachtbar und messbar. Es ist für die Erfassung bestimmter Bereiche des Verhaltens eine Fülle anspruchsvoller Messmethoden vorhanden, z. B. für die Intelligenz, Motivation, Gewohnheit, Erinnerungsvermögen. Weil der Mensch ständig mit anderen Menschen in Berührung kommt, ist der größere Teil seiner Aktivität soziales Verhalten. Der überwiegende Teil des Sozialverhaltens der meisten Menschen ist mit ihrer Arbeit verknüpft. Weil die Menschen den wesentlichen Teil ihrer Zeit bei der Arbeit verbringen, besitzt soziales Verhalten für betriebliche Organisationen eine außerordentliche Bedeutung.
3.1
Charakteristika des Führungsverhaltens
Führungsverhalten ist das Tun, das Handeln, die Aktivität, die Leistung der Führungskräfte. Es ist ein durch spezifische Merkmale gekennzeichnetes Sozialverhalten.
Selbst-Check1: Welche der nachstehenden Verhaltensweisen stehen zweifelsfrei und klar für eine Aktivität des Führungsverhaltens?
a. Industriemeister Heinz Gutmütig erklärt einer Lehrlingsgruppe eine Drehbank und weist sie in deren Bedienung ein. b. Frau Sprüngli blickt in den Spiegel und ordnet ihre Frisur.
c. In einer Fernsehdiskussion von Politikern versucht ein Teilnehmer zu überzeugen, dass für eine bessere "soziale Gerechtigkeit" Steuererhöhungen erforderlich sind. d. Der Werbeleiter August Kreativmeyer stellt einen Zeitplan für die Markteinführung des neuen Produktes XY auf. e. Auf einem Betriebsausflug unterhält sich der Chef mit einem seiner Mitarbeiter über die Pferdezucht.
f.
Der Polier Herbert Aufmaß beauftragt den Auszubildenden mit Frühstückholen. (Antworten am Ende des Buches)
K. F. Withauer, Führungskompetenz und Karriere, DOI 10.1007/978-3-8349-6580-6_4, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
42
Führungsverhalten
Führungsverhalten ist konkretes Führungshandeln. Von Führungsverhalten spricht man, wenn es sich um Verhaltensweisen handelt, in denen •
andere Personen unmittelbar betroffen sind,
•
ein Positionsunterschied besteht, der mit Macht, Rang und Status verbunden ist
•
in einem organisationalen oder institutionellen Rahmen, der legitime Arten und Bereiche des Einflusses absteckt,
•
ein Zielkonzept mit gewollten Veränderungen bei Menschen und/oder ihrem Tun verfolgt wird.
Das Führungsverhalten ist darauf gerichtet, die Handlungen von Menschen zu beeinflussen. Es ist offensichtlich, dass das Führungsverhalten die Führungsleistung beeinflusst. Welches sind nun aber die Kriterien der erfolgreichen Führung? Kann man effiziente Führung der Person zuschreiben? Der Situation? Oder beiden zusammen? Gibt es geborene Führer? Wie kann man erfolgreiche Führung erklären? Können Führer ausgebildet werden?
Selbst-Check 2: Beantworten Sie die folgenden Fragen:
a. Wie führen Sie eigentlich? b. Warum führen Sie so, wie Sie führen?
c. Wissen Sie, ob die Mitarbeiter Ihre Führung akzeptieren? (Antworten am Ende des Buches)
3.2
Erklärungsansätze zum Führungsphänomen
Die Erklärung der Führungswirkung legte lange Zeit die Betonung auf menschliche Eigenschaften und Fähigkeiten. Man versuchte z. B. Führerqualitäten von der Körpergröße einer Person abzuleiten. Bis heute besteht die populäre Vorstellung, ein Führer sei ein großer Mensch. Der personalistische Ansatz erklärt also die Führungsleistung als direkte Auswirkung der Persönlichkeitsstruktur des Führenden. Zu den regelmäßigen Artikeln in Management-Journalen gehören Zusammenstellungen über die Persönlichkeits-Voraussetzungen an künftige Führungskräfte. Meist werden darin entweder Umfrage-Ergebnisse berichtet, in denen z. B. Meinungen von Personalchefs zusammengestellt sind oder es werden die Erfahrungen oder Erwartungen prominenter bzw. erfolgreicher Unternehmer oder Berater wiedergegeben.
43
Erklärungsansätze zum Führungsphänomen
Selbst-Check 3: Der Mensch ist ein Wesen mit vielfältigen Eigenschaften. Welche der im Folgenden aufgezählten Eigenschaften sollte Ihrer Meinung nach eine Führungskraft unbedingt besitzen? (a) intelligent
(n) ehrgeizig
(b) überlegt
(0) risikofreudig
(c) entschlossen
(p) rasch
(d) selbstkritisch
(q) groß
(e) humorvoll
(r) imposant
(f) ausgeglichen
(s) sportlich
(g) beweglich
(t) jung
(h) aggressiv
(u) anpassungsfähig
(i) gutmütig
(v) freundlich
(j) vital
(w) kritisch
(k) klug
(x) ausgleichend
(I) wortgewandt
(y) engagiert
(m) zuverlässig
(z) selbstbewusst (Antworten am Ende des Buches)
In führerzentrierten Ansätzen werden Führer-Eigenschaften vielfach als wünschenswerte Tugenden dargestellt, wie sie schon seit Plato von alters her immer wieder aufgelistet werden. Der Tugendkatalog hat sich in Teilen gewandelt, man findet heute seltener Gottvertrauen, Tapferkeit und Weisheit, im Wesentlichen ist er jedoch gleich geblieben: Weitblick, Kreativität, Ausdauer, Belastbarkeit, Tatkraft, Arbeitseinsatz, Entschlossenheit, Selbstsicherheit, Überzeugungskraft, Leistungsfreude, Intelligenz, Vorbildhaftigkeit, Kontaktfähigkeit usw. Gewiss sollen solche Listen vorhandene oder beanspruchte Vorrechte legitimieren und somit Begründungen dafür sein, dass es in Organisationen zu Recht eine hierarchische Ordnung gibt, weil die Höher-Stehenden auf diese Weise auch als die Besseren, Wertvolleren, Tüchtigeren dargestellt werden (vgl. Neuberger 2002, S. 224). Ein Sonderfall der Beschreibung von Führungsverhalten über Eigenschaften ist die charismatische Führung. Mit Charisma wird eine "außeralltäglich ... geltende Qualität einer Persönlichkeit" (Weber 1972, zit. bei Neuberger 2002, S. 147 f.) definiert. Wenn in anekdotischen Erfolgsstorys von erfolgreichen, geschichtsbedeutsamen Männern die Rede ist, dann
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Führungsverhalten
zeigt sich die Situationsgebundenheit von Charisma. Charismatische Führung ist davon abhängig, ob die Gefolgschaft die Eigenschaften von Führern erkennen kann und will. Dies ist meist an bestimmte situative Merkmale geknüpft, wenn beispielsweise Menschen sich in psychologischen Notlagen befinden, eine Prädisposition für starke emotionale Beziehungen aufweisen oder sich in einer Unternehmung oder Gesellschaft akute oder chronische Krisen zeigen. Die empirische Variante einer personalistischen Deutung der Führung hat zu Eigenschaftsuntersuchungen von Führerpersönlichkeiten angeregt; es ergab sich ein unerwartet breites Eigenschaftsspektrum. Es hat sich gezeigt, dass die Führer von Gruppen ganz verschiedene Persönlichkeitsmerkmale aufweisen und dass derjenige, der sich unter bestimmten Bedingungen in einer Gruppe als Anführer erweist, in einer anderen Situation mit anderen Bedingungen und einer anderen Gruppe keine Führungsqualitäten zeigt (vgl. Neuberger 2002, S. 231 ff.), Eine andere Blickrichtung zur Erklärung des Führungsphänomens richtet sich auf die Geführten, den Mitarbeiter als relevante Person für intendierten Führungserfolg. Als entscheidend wird dabei die Akzeptanz des Führungsverhaltens auf Seiten der Mitarbeiter angesehen (vgl. Evans 1995, Sp. 1076). Dem Führer kommt in dieser Betrachtung die Rolle zu, den Mitarbeiter zu motivieren, ihm Mittel und Wege aufzuzeigen, die zur Zielerreichung und - in Abhängigkeit davon - zu Belohnungen führen. Dies korrespondiert mit der VIE-Theorie (siehe Kap . 2, 7), wonach Mitarbeiter Ziele verfolgen, die sie für unterschiedlich nützlich (valent) ansehen; zur Zielerreichung sind Anstrengungen erforderlich, die mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit zu einem Ergebnis führen. Das unterstellte rationale Verhalten von Führer und Geführtem dürfte indes eher fraglich sein. Eine Erweiterung der Führer-Geführten-Perspektive ist die Sichtweise des interaktiven Austauschs. Die Beziehung kann ökonomischer Natur und auf konkret messbare Ressourcen und Ergebnisse gerichtet sein oder auch ein sozialer Austausch auf der Basis von Vertrauen, Loyalität und Interaktion. Eine gute Beziehungsqualität fördert dann die Motivation und Einsatzbereitschaft, der Führer gewährt dafür z. B. mehr Verantwortung. Gleichwohl bleiben auch in diesem Führer-Geführten-Ansatz wichtige situative Variablen außer Acht und er erklärt somit die Führungsbeziehung leidlich verkürzt. Die Situation ist in der Tat ein wichtiger Bestandteil des Führungsprozesses. Die Auffassung jedoch, dass die Situation den Führer schafft, vermag die Führungsleistung ebenfalls nur unvollständig zu erklären. Dies ergibt sich u. a. daraus, dass die Situation selbst Führungsvariable sein kann; die Komponenten der Situation können ein wichtiges und wirksames Führungsinstrument sein. Die modeme Führungsforschung erklärt das Führungsphänomen aus sozialen Verhaltensweisen, die in besonderem Maße in Führungssituationen erforderlich sind. Die soziale Interaktion wird von entscheidender Bedeutung für die Führung angesehen. Die Führung ist nicht unabhängig von den Geführten, also der Gruppe, Führer und Geführte werden durch die Führung zueinander in Beziehung gesetzt. Diese Beziehung wird in der sozialen Interaktion und der sich ausbildenden Rollenstruktur sichtbar (vgl. Kehr 2000, S. 36 f.), Die
Attribute der Prägungdes Führungsverhaltens
45
Führungsbeziehung ist die spezielle Form einer sozialen Interaktion, sie zeigt sich als eine
wechselseitige, wenngleich asymmetrische Einflussbeziehung. Wechselseitig ist sie, weil auch die Geführten mit ihren Erwartungen und durch ihr Verhalten Führungsakteure in deren Verhalten beeinflussen, wodurch jede Person in der verhaltensrelevanten Situation für die andere Person stets präsent ist; asymmetrisch ist sie, wenn die von den Geführten wahrgenommene Situation vom Führer prominenter bestimmt wird als umgekehrt. Führung ist demnach nicht die Verhaltensweise einer Person, sondern das Aktionsmuster einer Gruppe (vgl. Neuberger 2002, S. 53). In diesem gruppendynamischen Erklärungsansatz der Führung als Funktion der sozialen Situation ist zum Führer am besten derjenige geeignet, der den Bedürfnissen bzw. Rollenerwartungen der Geführten am weitest gehenden entspricht. Die Führungskraft ist ein Kommunikationsglied zwischen Gruppe und größerer Einheit. Das Gruppenhandeln wird durch die Führerrolle erleichtert.
3.3
Attribute der Prägung des Führungsverhaltens
Die Prägung des jeweils augenblicklichen Führungsverhaltens einer konkreten Führungsperson resultiert aus dem Zusammenwirken mehrerer Einflusskomponenten. Die Persönlichkeit des Führers und sein grundlegendes individuelles Führungsverhalten werden durch seine Anlagen und die Erfahrungen bestimmt. Als Anlagen bezeichnet man angeborene Merkmale wie Begabungen - z. B. Intelligenz - und charakterliche Eigenschaften. Im strengen Sinne lassen sich allerdings "angeborene" Merkmale lediglich vermuten, da stets nur menschliche Verhaltensweisen beobachtet werden können, die bereits durch Erfahrungen mit der Umwelt geprägt sind. Erfahrungen sind gespeicherte Eindrücke aus im persönlichen Sozialisationsprozess erlebten Situationen. Hinsichtlich der Führung rühren wesentliche Erfahrungen aus dem Geschehen in Gruppen, denen die führende Person selbst einmal angehört hat. Die führende Person (Leader) einer bestimmten Gruppe zeigt ein modifiziertes Führungsverhalten durch den Einfluss dieser spezifischen Gruppe, der sie selbst angehört, und anderer z. B. höherrangiger Organisationsmitglieder. Von besonderer Bedeutung sind hierbei die formalen wie auch informalen Gruppenziele und erwartungen. Die Führungsweise ist weiterhin abhängig von der speziellen Aufgabe und der äußeren Situation, in der sich die Gruppe befindet und die sich in ihren Erfahrungen niederschlägt. Als umfeldbezogene Rahmenparameter betreffen sie gestaltete und bedingende organisationale Regelungen, Ziele und Handlungsprogramme. Diese Einflüsse bewirken, dass sich ein der Führungssituation entsprechendes momentanes Führungsverhalten anbietet. Die Einflusskomponenten auf ein aktuell konkretes Führungsverhalten überlagern sich. Die Frage nach dem "geborenen" Führer ist überholt und beiseite gelegt. Die Stellung des Vorgesetzten als Führungskraft ist abhängig von den Erwartungen und Haltungen der Mitarbeiter. Das Mitarbeiterverhalten ist wiederum nicht eine individuelle Eigenart, sondern wird von der Gruppe geprägt, in der man lebt und arbeitet. Diese Gruppe ist in ge-
46
Führungsverhalten
wisser Weise strukturiert, z. B. hinsichtlich Organisation und Kommunikation. Der Vorgesetzte ist als "Führer" ebenfalls Gruppenmitglied und bestimmt aufgrund seiner Führerrolle mehr als andere Mitglieder der Gruppe Gruppenstruktur, Gruppenziel und die Erwartungen. Es müssen Vorstellungen oder Modelle über die Motivationen der zu Führenden und über die Erwartungen der Mitarbeiter an das Führungsverhalten des Führers bestehen. Daraus ergeben sich die Anforderungen an das Führungskönnen und verhalten der Führungskraft. Abbildung 3.1
Struktur des Führungsverhaltens
angeborene Merkmale
Vorerfahrung und Lerngeschichte
individuelles Führungsverhalten
Gru ppen-Einfluss
modifiziertes Führungsverhalten
Einfluss der Aufgabe
Einfluss der Situation
3.4
~
aktuelles Führungsverhalten
momentanes Führungsverhalten
Messung des Führungserfolgs
Das Ergebnis von Führungsbemühungen soll sich in einem durch die sozial akzeptierte Verhaltensbeeinflussung erreichten Führungserfolg zeigen. Was erfolgreiche und was erfolglose Führung ausmacht, ist eine theoretisch wie praktisch bedeutsame Frage. Wer nach dem Führungserfolg fragt und zudem die Bedingungen erforschen möchte, wie sol-
Messung des Führungserfolgs
47
eher zustande kommt, muss vorausgehend geklärt haben, was er denn als Erfolg definieren möchte. In Forschungsstudien finden sich zu seiner Erfassung weit über eintausend Kriterien (vgl. Neuberger 2002, S. 434). Auf die Führungsperson bezogen sind direkt oder indirekt aus einer Fremdbeurteilung ableitbare Kriterien wie u. a. der Personalbeurteilung, erreichte hierarchische Positionen in der Zeit oder Gehaltshöhe. Untersuchungen zu spezifischen Wirkungen spezifischen Führungsverhaltens verwenden meist Kriterien, die sich auf die geführte Gruppe beziehen, und einerseits einer Effizienzdimension für erbrachte Leistung wie Produktions- oder Absatzzahlen, Reklamationszahlen, Patentanmeldungen etc. zurechenbar sind, zum anderen eher einer Humandimension wie Arbeitszufriedenheit, Betriebsklima, Konflikthäufigkeit in der geführten Gruppe, Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen etc. Einige der häufig verwendeten Kriterien liegen zwischen diesen beiden Dimensionen, wie z. B. Fluktuations- und Fehlzeitenrate, Qualifikation der Mitglieder der Gruppe, Zahl der Verbesserungsvorschläge. Es ist letztlich eine unternehmenspolitische Entscheidung, welche Kriterien man in der Praxis heranziehen will (vgl. v. Rosenstiel2009, S. 5). Die Führungsforschung hat sich über Jahrzehnte aufgrund unzureichender "Hypothesen" sowie der Wahl höchst unterschiedlicher Vorgehensweisen und Messverfahren in einen atheoretischen Pragmatismus verrannt und in das Dilemma geführt, dass die Ergebnisse nicht eindeutig und kaum miteinander vergleichbar sind und geradezu den Anschein der Beliebigkeit erwecken. Was als erfolgreiche Führung anzusehen ist, kann sich nicht nur aus der Bewertung von Führenden und Geführten ableiten. Führungsbeziehungen sind ja eingebettet in eine Organisation, und Führungsbemühungen sind kein Selbstzweck, sondern richten sich im Kontext von Organisationen auf die Erreichung organisationaler Ziele. Dabei ist die Perspektive stets darauf gerichtet, Ressourcen in Nutzen zu transformieren. Der Nutzen eines produktiven sozialen Systems entsteht außerhalb der Organisation, nämlich beim Leistungsempfänger, beim Kunden. Es ist jener Nutzen, den die Organisation schaffen muss, um zu existieren, der Nutzen, durch den eine strukturierte Leistungsgemeinschaft ihren Zweck erfüllt. Organisationen sind zur Sicherung ihrer Existenz da-rauf angewiesen, Leistungen in einer solchen Beschaffenheit zu erstellen, dass sie ausreichend nachgefragt und bereitwillig in angemessener Weise abgegolten werden. Ziele für solchen Organisationserfolg sind mithin jegliche erstrebten leistungs- bzw. wettbewerbsrelevanten Resultate und Stärken für die Organisation. Die Diskussion um die Wirksamkeit von Führung muss deshalb der Frage nachgehen, ob und inwieweit Führungserfolg positiv zum Organisationserfolg insgesamt beiträgt bzw. ein quasi-deterministischer Zusammenhang zwischen Führungshandeln und Organisationserfolg besteht. Ob ein Ereignis oder Ergebnis auf Führungseinfluss zurückzuführen ist und nicht auf andere Gründe wie z. B. Konjunkturlage, Technologie, Vergütungssysteme, ist schwierig beweisbar. Empirisch feststellbar ist zunächst nur eine Korrelation oder Koinzidenz; ob Führung allein das Ergebnis bewirkt hat, müsste erst im Ausschlussverfahren geprüft werden. Praktisch lassen sich dritte Einflüsse jedoch nie ausschließen. Führungsakteure neigen zudem dazu, die Zuschreibung von Führungserfolg
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Führungsverhalten
durch symbolisches Handeln in ihrem Sinne günstig zu beeinflussen und verklären so alle Erfolge als Resultate ihres Führungshandelns (vgl. Neuberger 2002, S.33, 642 f.), In welchem Umfang genau sich Führungshandeln in Organisationserfolg niederschlägt, bleibt mithin eine offene Frage; zu groß ist die Anzahl der Variablen, die auf den Organisationserfolg Einfluss nimmt. Deutlicher herauszuarbeiten ist die Wirkung, je begrenzter mit entsprechend weniger anderen Einflussvariablen ein Realitätsausschnitt ist, wie z. B. in einer Arbeitsgruppe. Eine summarische Beurteilung kann jedoch davon ausgehen, dass das Gelingen auf den Organisationserfolg zielender Anstrengungen und damit über Erfolg - oder auch Misserfolg - regelmäßig und vielfach weitgehend von den Humanressourcen bestimmt wird. Im Einzelfall mag vielleicht nur ein kleiner Beitrag der personalen Führung den Ausschlag geben, dass eine Unternehmung wettbewerbsfähig oder gar bestandsfähig bleibt. Führung macht somit einen Unterschied. Die personale Führung in Organisationen ist deshalb aufgerufen, den organisationalen Erfolg im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu kanalisieren und zu bewirken. Erst durch erfolgreiche Führung wird aus Klugheit, Intelligenz, Talent und Wissen das, was wirklich zählt, nämlich Resultate. Dies bedeutet vor allem, Kenntnisse, Fähigkeiten und die Bereitschaft der Menschen sowie die gestalteten Umfeldbedingungen bestmöglich zur Geltung zu bringen. Es mag wohl zutreffen, dass außer der interaktionellen Führung andere entpersonalisierte, indirekte Formen der Führung erfolgsrelevant sind, etwa wenn Führende strategische Entscheidungen treffen, die Organisationsstrukturen verändern, die Meinung organisationsexterner Bezugspersonen beeinflussen oder Personal rekrutieren. Die Ausblendung der mittelbaren Effekte der Führung über das Verhalten der Geführten auf die Leistungsfähigkeit einer Organisation ceteris paribus würde darauf hinauslaufen, von einer wirkungsvollen Selbstorganisation oder der generellen Unbeeinflussbarkeit von Leistungsgemeinschaften auszugehen. Beides mutet wenig überzeugend an und ist empirisch nicht belegt. Verschiedene Befunde haben im Gegenteil attestieren können, dass Führung sich auf den Organisationserfolg positiv auswirkt (vgl. Hentze et al. 2005, S.36; Smith et al. 1984, S.774, zit. bei Weibler 2001, S.85). Die bereits angesprochene Bedeutung der Humanressourcen macht zudem die entscheidende Rolle der Führung für erstrebten Organisationserfolg grundsätzlich nachvollziehbar. Zur Präzisierung dessen, was als eine erfolgreiche Führung zu betrachten ist, bedarf es somit der Benennung genauerer Kriterien. Zur Zusammenfassung von Erfolgskriterien werden vielfach die Begriffe Effizienz und Effektivität herangezogen (vgl. Hentze et al. 2005, S. 37; Kehr 2000, S. 64) - allerdings mit unterschiedlichen Bedeutungen. In Anlehnung an die Managementliteratur sei deshalb festgelegt: Effektiv sein bedeutet, das "Richtige" zu tun als Maßgröße der Erreichung als wichtig angesehener Resultate. Effizient ist man, wenn man sein Tun "richtig" handhabt gemessen an der Ziel-MittelRelation, z. B. situativ wirtschaftlich mit geringstem Ressourceneinsatz. In der sozialpsychologischen Führungsforschung sind an der "Führungseffektivität" orientierte Führungserfolgsgrößen solche Variablen, von denen angenommen wird, dass ihre Erreichung mit Führung in einem Zusammenhang steht und denen in der Organisation ein
Messung des Führungserfolgs
49
wichtiger Stellenwert zukommt. Damit sind auch Ziele umfasst, die wie intrinsisch motivierte Tätigkeiten nicht mit strikten Outputkriterien zu messen sind. Als Effektivitätskriterien der Führung lassen sich folgende aus zentralen Zielen abgeleitete Variablen (nach Kehr 2000, S. 66) unterscheiden: 1. Leistung
2. Kohäsion 3. Zufriedenheit. Diese drei Kriterien sind eindeutig voneinander abgrenzbare Variablen, sie beziehen sich inhaltlich auf den Interaktionsprozess des Führungsgeschehens und sind mithin geeignet, die Effektivität der Führung in Organisationen bzw. organisatorischen Teilgebilden (Gruppen) zu bestimmen. Die Leistung ist feststellbar am Erfüllungsgrad organisatorisch vorgegebener Aufgaben. Die Messgrößen richten sich nach der Art der Aufgabe (z. B. Kosten, Qualität, Zeit). Der Begriff der Kohäsion beschreibt den inneren Zusammenhalt und das Zusammengehörigkeitsgefühl ("Wir-Gefühl") in einer Gruppengemeinschaft. Kohäsive Gruppen zeichnen sich aus durch strikte Verhaltensnormen, gemeinsame Zielsetzungen. häufige Interaktionen, eine hohe Frustrationstoleranz, Attraktivität und Homogenität (vgl. Staehle 1999,S. 283 f.). Mit dem Begriff Zufriedenheit bzw. genauer Arbeitszufriedenheit wird die zeitlich stabile Einstellung zur Arbeit und zur Arbeitssituation in ihren verschiedenen Facetten, insbesondere dem Arbeitsinhalt und Arbeitskontext bezeichnet (vgl. v. Rosenstiel/Bögel 2009, S. 181). Dabei geht es nicht so sehr um die vorübergehende Befindlichkeit bei der Befriedigung persönlicher Bedürfnisse. Es handelt sich vielmehr um die für eine Person kennzeichnende Einstellung der Arbeitssituation gegenüber, um eine aus der Erfahrung kommende Wertung. Zwar hat auch diese mit den Bedürfnissen, der Motivation zu tun, aber in einer eher indirekten Weise. Positive Einstellungen entstehen aus Erfahrungen mit Dingen und der Annahme, dass diese weiterhin die Bedürfnisbefriedigung fördern werden. Prinzipiell beziehen sich die vorgenannten Effektivitätskriterien auf eine Mehrheit von Geführten, die im Betrieb als Gruppen bestehen und mit unterschiedlichem Erscheinungsbild nach außen treten. Mit Blick auf die Führungseffektivität erscheint es geboten, die Kriterien mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung verschiedenen gruppenbasierten Organisationsebenen zuzuordnen. Denn der Erfolg der Organisation oder einer Arbeitsbzw. Projektgruppe kann nicht gleichgesetzt werden mit dem Erfolg von einzelnen Führungspersonen oder Geführten (vgl. Neuberger 2002, S. 296-305). D. h., was für die Organisation als Erfolg gesehen wird, muss nicht Erfolg aus der Sicht der Gruppe sein oder als erfolgreiches Führen einer Führungskraft gewertet werden. Im Einzelnen sollen deshalb drei Ebenen bei der Betrachtung der Führungseffektivität unterschieden werden (vgl. Weibler 2001, S. 96 f.):
Führungsverhalten
50
•
die Ebene der Organisation,
•
die Ebene der Gruppe,
•
die Ebene des Individuums.
Diesen Ebenen seien die als Variablen der Führungseffektivität genannten Effektivitätskriterien schwerpunktmäßig zugeordnet (in Anlehnung an Kehr 2000, S. 69):
Abbildung 3.2
Variablen der Führungseffektivität
Ebene der Organisation Leistung
Ebene der Gruppe Kohäsion
Ebene des Individuums Zufriedenheit
Aus der Sicht der Organisation ist Führungseffektivität vor allem die erbrachte Leistung eines Organisationsmitglieds, die danach bemessen wird, was dieses Mitglied zur Erreichung der Ziele dieser Organisation beiträgt. Für die Gruppe zeigt sich Führungseffektivität nicht nur in der Leistung, sondern vor allem in der durch die Führung unterstützten und geförderten Kohäsion der Gruppe. Gruppenkohäsion zeigt sich in der Akzeptanz von Gruppennormen, indem Gruppenmitglieder ihre individuellen Stellungnahmen in Richtung auf den Gruppenstandard verändern, so nimmt mit zunehmender Gruppenkohäsion die Streuung der Einzelleistungen um einen Gruppendurchschnitt deutlich ab. Eine Steigerung der Gruppenkohäsion erhöht die individuelle Arbeitszufriedenheit. Sie steigert aber nur unter bestimmten Bedingungen die Leistung, beispielsweise wenn sich Organisations- und Individualziele gefördert durch Partizipationsmöglichkeit einander annähern (vgl. Staehle 1999, S. 282 f.). Hohe Leistung kann umgekehrt zu hoher Gruppenkohäsion führen, indem der gemeinsame Erfolg die Motivation und das Wir-Gefühl steigert.
Messung des Führungserfolgs
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Aus der Sicht des Individuums ist vorrangig die Zufriedenheit das Kriterium für Führungseffektivität. Arbeitszufriedenheit zeigt sich emotional-affektiv im Sich-Wohlfühlen bei und mit der Arbeit, kognitiv in ihrer positiven Bewertung wie z. B. interessant, herausfordernd, spannend sowie verhaltensmäßig durch hohes zeitliches und nachhaltiges Engagement (vgl. Kals 2006, S. 165). Arbeitszufriedenheit korreliert in einem nur geringen Umfang mit der Leistung der Organisationsmitglieder. Zur Messung der Arbeitszufriedenheit verweisen v. Rosenstiel/Bögel (2009, S. 187) auf den von Neuberger und Allerbeck (1978) entwickelten Arbeitsbeschreibungsbogen (ABB). Die im vorigen vorgestellte Präzisierung von Komponenten des Führungserfolgs und der Herausarbeitung von Führungserfolgsgrößen und ihrer Messung geben eine Orientierung auf diesem ansonsten diffusen Feld. Eine Verbesserung könnte sich anbieten aus der konsequenteren Weiterentwicklung bisheriger Ansätze eines Führungs-Controllings (vgl. dazu v. a. Wunderer 2009, S.425 ff.), Mit einem solchen Konzept wird der betriebswirtschaftliche Ansatz des Unternehmungscontrollings auf das Wirkungsfeld der personalen Führung übertragen. Ein weitergehendes Modell zum Zwecke eines FührungsBenchmarking ist die Adaption der Balanced Scorecard (BSC), ein Instrument aus dem Bereich des Performance Measurement, für den Führungsbereich. Bei diesem ausgewogenen und multikriteriellen Berichtsbogen wird die einseitige Fokussierung auf monetäre Ergebnisse vermieden, er liefert Antworten auf Fragen, welche vier zentrale Perspektiven der Leistungsmessung widerspiegeln (vgl. Bühner/Akitürk 2000, S.44-53, zit. bei Weibler 2001, S. 99 ff.) mit solchen Kennzahlen, an denen sich konkrete Aktionen zur Verbesserung der personalen Führung festmachen lassen.
Kapitel 2: Motive des Individuums und Motivation Das Verhalten des Menschen beruht auf Beweggründen, die aus seinen Bedürfnissen resultieren. Das "Warum" menschlichen Verhaltens und Erlebens lässt sich erklären, wenn man weiß, welche Bedürfnisse das Individuum befriedigen will. Der Wille eines Menschen wird meist von mehreren Beweggründen beeinflusst. Welches sind die einzelnen Beweggründe des Verhaltens, die Motive? Welche Motive sind für diese Beeinflussung, die Motivation, am wichtigsten?
4
Psychologische Grundlagen der Motivation
Unter Motivation versteht man die Beziehung zwischen äußeren Handlungen des Menschen, z. B. der Leistung, und einem inneren, in dem Menschen selbst vor sich gehenden Geschehen. Das psychologische Modell menschlichen Verhaltens geht davon aus, dass dieses Verhalten verursacht, motiviert und zielgerichtet ist.
4.1
Persönliches Wollen: Motive und Motivation
Die Begriffe Bedürfnis (Needs) und Motiv (Motive) werden meist synonym verwendet, wodurch einige Aspekte der Verhaltensdeutung verloren gehen (vgl. Staehle 1999, S. 166 f.). Bedürfnisse sind den Motiven rangmäßig vorgeordnet; als physiologische Ungleichgewichte (wie Hunger, Durst, Sozialkontakt) bezeichnen sie ein generelles Mangelgefühl und fungieren als person-interne Reize, die einen Menschen in allgemeine Handlungsbereitschaft versetzen. Mit Motiven meint man die Bereitschaft, auf bestimmte Klassen von Zielzuständen mit typischen Affektmustern zu reagieren. Motive als psychologische Kräfte haben die Eigenschaft von Vektoren: nämlich Stärke und Richtung. Nach McClelland bilden sich die Motive einer Person im Laufe der Sozialisation im frühen Alter heraus durch die Koppelung thematisch ähnlicher Reize mit positiven oder negativen Affekten. In je jüngerem Alter, umso häufiger werden Reize von intensiven affektiven Reaktionen begleitet, und gerade in dieser Lebensphase werden die auslösenden Situationsfaktoren dabei kaum bewusst, weshalb die Affekte nicht nur mit dem affektauslösenden Reiz gekoppelt werden, sondern mit einer Vielzahl ähnlicher Stimuli, die alle den Affekt erneut hervorrufen können. Auf diese Weise entstehen zahlreiche diffus-primitive Assoziationsgeflechte (vgl. McClelland 1958, S.442). Je früher, breiter und größer ein derartiges Assoziationsgeflecht angelegt ist, je löschungsresistenter und stärker sollte das Motiv sein. Man darf davon ausgehen, dass die durch Motive definierten Zielzustände - wie etwa die "Aufrechterhaltung positiver Beziehungen" beim Kontaktmotiv - einen hohen Generalisierungsgrad aufweisen und sich daher auf eine breite Palette unterschiedlicher Lebenssituationen beziehen. Teile dieses affektiven Netzwerkes werden fortan in beinahe jeder Situation reaktiviert und damit erneut verstärkt. Motive haben zum einen daher die Aufgabe, potenzielle Zielzustände zu bewerten. Eine zweite Funktion liegt darin, Aufmerksamkeit auszurichten. Häufig geschieht dies unwillkürlich. Dieser Mechanismus sorgt jedenfalls dafür, dass einer Person die Verwirklichung eines positiv bewerteten Zielzustandes nicht entgeht. Ein aktualisiertes Motiv wird als gerichteter Mangel erlebt mit der Bereitschaft seiner Behebung. Motive energetisieren Verhalten, ohne dass sich die handelnde Person der wahren Beweggründe ihres Handelns bewusst ist. K. F. Withauer, Führungskompetenz und Karriere, DOI 10.1007/978-3-8349-6580-6_5, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Persönliches Wollen : Motive undMotivation
Motivation ist ein aktivierender Prozess mit richtunggebender Tendenz. Die Motivation auslösenden Momente sind Ziele, sie kann vor allem aus der Bereitschaft zur langfristigen und manchmal auch beschwerlichen Zielverfolgung erschlossen werden. Der Mensch kann in seiner Umwelt eine Vielzahl von Zielen verfolgen. Diese Ziele bieten einen Reiz, sie können ein bestimmtes Verhalten, die Erreichung der Ziele, mobilisieren. Ziele oder Reize bestimmen das Verhalten jedoch nicht unmittelbar. Ziele als solche können nur vor dem Hintergrund individueller Motive existieren und aktualisieren über ihre Anreizwirkung das Motiv. Nicht der Reiz bestimmt das Verhalten eines Menschen, sondern sein Motiv. Die Reize der Umwelt sind für ein Individuum nur insofern von Bedeutung, als das hierdurch initiierte Verhalten mit einer Befriedigung der Motive des Individuums verbunden ist Es lässt sich ein grundsätzliches, geschlossenes Kreismodell beschreiben, das die Beziehungen zwischen Ursache, Motivation und Zielrichtung aufzeigt. Zielgerichtetes Verhalten reduziert die Reizwirkung (Ursache), mit der Befriedigung des Motivs wird auch das Verhalten beendet (vgl. Hentze/Brose 1990,S. 40 ff.).
Abbildung 4.1
Der Motivationsprozess
Bedürfnis oder Spannung (MOTIV)
Verhalten oder Handlung
Ziel oder Reiz
Befriedigung des Bedürfnisses
Motive existieren in der Psyche des Individuums, während Ziele und Reize der Umwelt angehören. Es bedeutet eine Vereinfachung gegenüber der Realität, von einem Motiv zu sprechen. Für die theoretische Analyse des Motivationsprozesses ist dies gerechtfertigt. Das reale Verhalten der Menschen ist stets mehrfach und komplex motiviert. Die Motivation ist somit das in konkreten Situationen aus dem Zusammenspiel verschiedener aktivierter Motive entstehende Verhalten. In einer konkreten Situation wirken allerdings auch nicht-motivationale Beweggründe des Verhaltens, worauf noch einzugehen sein wird. In der Motivationsforschung unterscheidet man Inhalts- und Prozesstheorien (vgl. z, B. Neuberger 2002,S. 533 f.; v. RosenstieI2009a, S. 162 ff.):
PsychoLogische GrundLagen der Motivation
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lnhaltstheorien wie die von Maslow (1954, 1981), Alderfer (1969, 1972) und Herzberg (1971) versuchen zu erklären, was menschliches Verhalten erzeugt und aufrechterhält. Sie fragen nach den Antriebskräften, welche Motive es gibt und welche Sachverhalte für den Menschen erstrebenswert sind und welche nicht, worauf es zurückzuführen ist, dass bestimmte Sachverhalte vom Menschen als erstrebenswert betrachtet werden, welche Faktoren diese Einschätzung im Laufe der Zeit beeinflussen und warum Menschen verschiedenen Sachverhalten unterschiedliche Bedeutungen beimessen. Die inhaltstheoretischen Ansätze bestätigen einheitlich, dass vorrangig ganzheitliche und anregende Arbeitsinhalte (intrinsisch) motivierend wirken (vgl. Semmer/Udris 2004, S. 164). Prozesstheorien wie beispielsweise die von Vroom (1964) oder die von Porter/Lawler (1968), Lawler (1971,1973) und Locke (1968, 1976) befassen sich dagegen mit dem Prozess der Entstehung, Ausrichtung und Stärke einer Motivation. Sie widmen sich den Fragen, wie der oben aufgezeigte Motivationsprozess abläuft, d. h. wie menschliche Aktivitäten angeregt werden, in welche Richtung und auf welches Ziel die Aktivitäten gerichtet sind und von welcher Stärke und Dauer das Verhalten ist. Die prozesstheoretischen Ansätze gehen nicht davon aus, dass alle Menschen in ihrem Handeln von den gleichen Motiven geleitet werden, sondern betonen subjektive Bewertungen und Urteile. Selbst-Check 4: Welche Motive würden Sie nennen, die Sie veranlassen, besonders häufig in eine bestimmte Gaststätte zu gehen? (Antwort am Ende des Buches)
4.2
Motivanalyse
Wenn man das Handeln der Menschen erklären will, muss man die zugrundeliegenden Motive erkennen. Die Motive lassen sich methodisch ermitteln (vgl. v. Rosenstiel 2009a, S. 171 ff., Staehle 1999,S. 219 f.) durch 1. Introspektion oder Innenschau (Selbstbeobachtung)
2. das Gespräch und hier insbesondere die Frage 3. die Verhaltensbeobachtung (Fremdbeobachtung) 4. die Analyse der Verhaltensergebnisse 5. physiologische Methoden. Die Introspektion bezeichnet das Vorgehen, in sich zu schauen, sich selbst zu beobachten. In dieser Innenschau sind einem Menschen die Ursachen, warum er sich in bestimmter Weise verhält, unmittelbar zugänglich, z. B. warum er ins Kino geht, warum er eine Freundschaft pflegt. Die Beweggründe sind dem Menschen bei dieser Methode direkt
Primäre und sekundäre Motivation
57
zugänglich, in die Beobachtung gehen jedoch subjektive Momente ein. Die Motivanalyse ist von anderen nicht überprüfbar. Die Introspektion ist als Methode der Motivanalyse in allen Fällen anwendbar, ihre Ergebnisse sind jedoch häufig zweifelhaft. Dies ist auf die Selbsttäuschungen des sich beobachtenden Individuums zurückzuführen, wobei Motive eliminiert werden, die sich nicht mit dem eigenen vorgestellten Persönlichkeitsbild vereinbaren lassen, und andere positiv empfundene Motive mehr hervorgehoben werden. Insbesondere wirken auf die Motivanalyse die Abwehrmechanismen des Individuums ein, deren Funktion die Erhaltung des persönlichen Selbstbewusstseins ist (siehe 4.7). Ein Gespräch im verbalen Dialog basiert wesentlich auf gestellten Fragen. Den gleichen Effekt erzielt man nicht selten durch nonverbale Signale, etwa mit fragendem Gesichtsausdruck, bewusster Pause, aktivem Zuhören. Durch Fragen wird die Introspektion des Befragten angeregt, er sucht nach der Antwort und kommuniziert sie dann. Die so zustande kommenden Aussagen sind indessen mit Vorsicht zu werten, sie sind zuweilen nur teilweise"wahr", weil der Befragte nicht angemessen antworten kann oder will. Die Fremdbeobachtung geschieht in der Weise, dass mehrere Beobachter ein äußeres Verhalten des Menschen feststellen. Durch die bei dieser Methode gegebene Intersubjektivität der Beobachtungsergebnisse sind diese überprüfbar. Es wird jeweils vorausgesetzt, dass man von den festgestellten Verhaltensweisen auf die dahinter stehenden Motive schließen kann. Es ist offensichtlich, dass man bei der Beantwortung der Frage des hinter einem Verhalten stehenden Motivs Täuschungen unterliegen kann. Ein Beobachter neigt leicht dazu, vom vermutlich eigenen Motiv in der entsprechenden Situation auf das der beobachteten Person zu schließen. Mehrere Beobachter machen eine fehlerhafte Motivanalyse weniger wahrscheinlich, können sie aber nicht ausschließen. Die Fremdbeobachtung sollte deshalb mit der Methode der Introspektion kombiniert werden. Die Analyse der Verhaltensergebnisse als Methode der Motivanalyse verwendet die Indizien eines bestimmten Verhaltens, das man selbst nicht beobachtet hat bzw. nicht mehr beobachten kann, als Hinweis für die zugrundeliegenden Motive. Eine Reihe von psychologischen Verfahren verwendet die Motivanalyse aufgrund der Analyse von Verhaltensergebnissen, z. B. die Graphologie und andere standardisierte Testverfahren. Physiologische Methoden versuchen, aus Messungen am menschlichen Körper ähnlich wie beim sogenannten Lügendetektor auf die Motivation zu schließen. Als Daten kommen infrage der Blutdruck, Herzfrequenz, Atemfrequenz, Pupillengröße u. a.
4.3
Primäre und sekundäre Motivation
Bedürfnisse und Motive sind zum großen Teil gelernt. Sie sind kulturell beeinflusst und mithin sozial ausgeformt und gestaltet. Insofern unterscheiden sie sich von den "körpernahen" Verhaltenselementen Instinkt und Trieb, jene entsprechen der genetischen Programmierung des Menschen. Insofern spricht man bei den biologisch-physiologisch elementaren und essentiellen Komponenten der Psyche von "primären" Trieben (bzw.
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PsychoLogische GrundLagen der Motivation
Bedürfnissen), ein aus der Erfahrung gelerntes Motiv bezeichnet man als sekundäres Motiv (vgI. Allport 1956, S.490; Staehle 1999, S. 165). Die primären Bedürfnisse kommen aus dem Ziel des menschlichen Strebens im Erreichen von Gefühlen der Lust und im Vermeiden von Unlust. Die gelernten sekundären Bedürfnisse entstehen, da der Mensch ein lernintensives Wesen ist, in seiner relativ langen Entwicklungszeit und zeigen sich in einer großen Anzahl spezieller Bedürfnisse. Die meisten menschlichen Motive sind erlernt, zumindest aber von der Umwelt modifiziert worden. Die Umwelt der Menschen ist verschieden, so dass sich die Motive der Individuen entsprechend unterscheiden. Den primären, weil mit der emotionalen Erfahrung des sich mehr oder weniger Wohlfühlens tätigkeitszentriert (intrinsisch) erlebten Bedürfnissen werden in einer neueren Definition auch einige grundlegende psychologische Bedürfnisse zugerechnet (vgI. Krapp 2005, S. 30; siehe 5.1 und 5.2). Die sekundären Motive sind entweder spezialisierte ursprüngliche Bedürfnisse oder ein zum Selbstzweck gewordenes Mittel zum Zweck. Ein spezielles Motiv erwächst beispielsweise in einer Verhaltenssituation, wenn ein ursprünglich neutraler Umstand sich so wandelt, dass mit ihm positive Erwartungen verknüpft sind oder sich verknüpft haben. Geht der Befriedigung eines Motivs häufig ein bestimmtes Ereignis unmittelbar zeitlich voraus, so entsteht schließlich ein Bedürfnis nach diesem Ereignis um seiner selbst willen, und zwar auch dann, wenn dieses Ereignis ursprünglich für das Individuum vollkommen belanglos war. Die Vorliebe, den Durst mit Bier zu löschen, ist eine Spezialisierung des ursprünglichen Bedürfnisses, zu trinken. Zum Selbstzweck werden bestimmte Verhaltensweisen wie etwa das Streben nach Macht, Status, Leistung oder Geld, wenn dadurch "primäre" Bedürfnisse wie Wohlbefinden oder Sicherheit befriedigt werden. Solche sekundären Bedürfnisse werden dann "funktional autonom" (vgI. Allport 1956, S. 490), ihre Bedeutung für das Verhalten ist heute weit höher einzuschätzen als die primären Bedürfnisse. Sekundäre Motive, wenn sie durch die gezielte Förderung bzw. Unterdrückung bestimmter Bedürfnisse in Lern- und Sozialisationsprozessen instrumentell entstehen, bezeichnet man dann auch als sekundäre Verstärker. Einflüsse aus der Umwelt, die diese verstärkende Wirkung ausüben, wirken als Anreize. Die Anreize können bewusst verwendet werden, um ein bestimmtes Verhalten zu aktivieren. Lohnanreizsysteme, Kaufanreize durch Werbung usw. verfolgen eine derartige Motivverstärkung. Die Wirkung der Anreize tritt jedoch nur dann ein, wenn den Anreizen Motive in der Person entsprechen. Es ist schwierig bzw. geradezu aussichtslos, einer Person neue Motive beizubringen; erfolgversprechend dürfte allein die Aktivierung vorhandener Motive durch Anreize sein. Da erlernte instrumentale Gewohnheiten einen Wert als Motiv erlangen können, ist es oft schwierig, eine Trennungslinie zwischen primären und sekundären Motiven zu ziehen.
Werte und Einstellungen
4.4
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Werte und Einstellungen
Werte und Einstellungen sind in jedem Fall erlernt und zwar durch eine formale Erziehung und Ausbildung sowie durch die Vielzahl menschlicher Kontakte in allen Lebensbereichen. Werte bezeichnen eine explizit oder implizit vorhandene Auffassung eines oder einer Gruppe von Menschen vom Wünschenswerten (vgl. Kluckhohn 1951, S. 395, zit. bei Staehle 1999, S. 172). Das individuelle Wertsystem eines Menschen prägt ganz entscheidend die Wahrnehmung seiner Umwelt und der Handlungsmöglichkeiten und beeinflusst Verhaltensweisen, Handlungsalternativen und Handlungsziele. Während Werte das umfassende, situationsübergreifende Konzept darstellen und lediglich als Wegweiser von Verhalten angesehen werden können, sind Einstellungen ganz konkret auf bestimmte Objekte, Personen oder Situationen gerichtet. Werte als sozialisationsgeschichtlich tief verwurzelte, ich-zentrale generelle Orientierungsleitlinien und Ordnungsprinzipien des Individuums strukturieren und organisieren Einstellungen und determinieren auch Bedürfnisse, sie sind also den Einstellungen und teilweise auch den Motiven gedanklich vorgelagert. Für die letzten Jahrzehnte zeichnet sich in den amerikanischen und europäischen Ländern ein Übergang der Werthaltungen von materiellen zu postmateriellen Werten ab; die hierzu von R. Inglehart formulierten Wertitems orientieren sich an der Bedürfnispyramide von Maslow (vgl. Staehle 1999, S. 175 f.). Werte sind situationsübergreifend und objektunabhängig definiert, dies macht verständlich, dass aus relativ wenigen Werten äußerst viele Einstellungen entstehen. Eine Einstellung entwickelt sich aus der Erfahrung, inwieweit die Erlangung bestimmter Ziele oder etwas Wünschenswertes aus der Umwelt der Motivbefriedigung gedient hat. Diese Ziele oder das Wünschenswerte sind meist Gegenstände oder Einrichtungen. Die Befriedigung des Motivs Durst richtet sich auf etwas Trinkbares, das Statusmotiv möglicherweise auf einen Betrieb. Das häufige Erleben einer bestimmten Motivbefriedigung führt zu einer darauf beruhenden Einstellung gegenüber dem Gegenstand, der die Motivbefriedigung verursacht hat. Einem erfahrungsgemäß gut der Motivbefriedigung dienenden Gegenstand wird eine positive Einstellung entgegengebracht; behindert er jedoch die Motivbefriedigung, wird man ihm gegenüber eine negative Einstellung haben. Einstellungen sind gelernt und, wenn sie sich einmal entwickelt haben, relativ stabil; sie schwanken nicht je nach Bedürfnislage wie die Motive. Derjenige, der mit Tee auf angenehme und anregende Weise seinen Durst zu löschen pflegt, wird zum Tee eine positive Einstellung haben, unabhängig davon, ob er gerade Durst hat oder nicht. Wer mit Zitronenlikör sich mehrfach den Magen verdorben hat, wird diesem gegenüber eine negative Einstellung unabhängig davon entwickeln, ob er gerade einen solchen konsumiert. Einstellungen sind erfahrungsmäßig fundiert und gelernt und bilden zur Orientierung des Menschen in seiner Umwelt ein individuelles, in sich geschlossenes und relativ stabiles System von Gedanken, Gefühlen und Handlungsprädispositionen. Sie stehen im Zusammenhang mit der Befriedigung von Bedürfnissen und beeinflussen das Verhalten gegen-
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PsychoLogische GrundLagen der Motivation
über Sachen und Personen in bestimmten Situationen (vgl. Staehle 1999, S. 176). Werte und Einstellungen müssen miteinander konsistent sein, um eine stabile Persönlichkeitsstruktur zu bilden. Das Erleben einer Aufgabenstellung und ihrer Bearbeitung ist zudem abhängig von de r Möglichkeit einstellungskonformen Verhaltens. Zum Beispiel ist ein Management von Dynamik und Veränderung an bestimmte Einstellungen und Überzeugungen geknüpft, die zu kennen ist wegweisende Voraussetzung für einen erfolgreichen Wandel (vgl. Withauer 2000, S. 185-188).
4.5
Nicht-motivationale Verhaltenseinflüsse
Das Verhalten des Menschen, z. B. das Leistungsverhalten im Betrieb, wird nicht nur durch seine Antriebe (Motive) bestimmt, sondern auch von seinem Potenzial möglicher Arbeitsleistung, seinem Leistungsvermögen. Dieses wird seinerseits bestimmt durch seine Qualifikation und Kondition. Unter Kondition versteht man den vorhandenen Grad an Trainiertheit eines Menschen für eine bestimmte Leistung. Als Qualifikation einer Person wird die Gesamtheit an individuellen Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnissen im Berufsleben bezeichnet, die sie zur Erledigung arbeitsplatzspezifischer Tätigkeiten in die Lage versetzt. Dies bedeutet, dass das, was der Mensch will, auch von seinem Können abhängt. Die Fähigkeiten sind die körperlichen, geistigen und seelischen Anlagen eines Individuums, und zwar nach Maßgabe ihrer Entwicklung und Entfaltung zu einem bestimmten Zeitpunkt. Im betrieblichen Umfeld interessiert in erster Linie das technisch und sozial kompetente Verhalten. Fertigkeiten sind durch Übung entstandene Teile des Potenzials, die quasi automatisiertes, aber nicht unbewusstes Handeln herbeiführen. Kenntnisse sind durch Schulung und erlebte Erfahrungen erworbene Bestände an Informationen, die einzeln oder miteinander kombiniert insbesondere zum Beurteilen von Problemlagen, zum Beherrschen von Verfahren oder für kreative Lösungen eingesetzt werden können (vgl. Staehle 1999, S. 179 f.). Zu diesen funktionalen Qualifikationen kommen als extrafunktionale oder prozessunabhängige Qualifikationen normative Orientierungen, die sich im Individuum aus Anlagen, Selbstwertgefühl und Normierung seines Rollenverständnisses herausbilden und sein berufliches wie privates Rollenverhalten qualitativ prägen, wie etwa Verantwortungsbereitschaft, Arbeitsdisziplin, Anpassungswille, Flexibilität, Identifikation mit den Organisationszielen. Außer dem Willen und dem Können des Menschen ist entscheidend, ob eine Situation ein bestimmtes erwünschtes Verhalten überhaupt begünstigt. Hierbei spielt die subjektiv geschätzte Wahrscheinlichkeit der handelnden Person wesentlich mit, das Ziel zu erreichen und hierfür bestimmte von ihr positiv bewertete Fähigkeiten einsetzen zu können. Das Streben des Individuums nach einem optimalen Grad von Stimulans oder Anregung gelingt nur dann, wenn eine situationsadäquate Zuordnung von Wissen, Fertigkeiten und Aufgaben möglich ist. Dysfunktionale Konsequenzen z. B. einer Unterforderung in der Tätigkeit können nicht nur Unzufriedenheit, sondern auch Leistungsrestriktionen sein (vgl. Staehle 1999, S. 181).
61
Nicht-motivationale Verhaltenseinflüsse
Die unzureichende Erledigung einer Arbeitsaufgabe durch einen Mitarbeiter kann seine Gründe darin haben, dass er entweder schwach motiviert war, hinsichtlich seines Könnens überfordert war oder dass die Situation - warum auch immer - eine befriedigende Bearbeitung überhaupt nicht zuließ. Im Hinblick auf eine Beeinflussung des Verhaltenspotenzials eines Individuums sind zwei Ansatzpunkte gegeben, wenn man die situative Arbeitsstruktur als passend voraussetzt. Schwache motivationale Beweggründe lassen gute Anlagen und Fähigkeiten nicht zur Entfaltung kommen. Starke Motive bringen mittlere Fähigkeiten zu ihrer vollen Entwicklung. Überdurchschnittliche Leistungen werden immer dann erzielt, wenn sich große Fähigkeiten mit starken Motiven verbinden. Unter der Voraussetzung geeigneter Arbeitsbedingungen wird das Leistungsniveau funktional bestimmt aus dem Leistungsvermögen und der Motivation (vgl. Richter 1999, S. 164): Leistungsniveau = f (Leistungsvermögen x Motivation)
Abbildung 4.2
Komponenten des Leistungsniveaus
Motivation
Leistungsni au Lelstunasvermöoen
Will man Einfluss auf das Leistungsniveau eines Menschen nehmen, hat man sich daran zu orientieren, worauf die Leistung des einzelnen sich gründet. Bei hoher Motivation und mäßigen Fähigkeiten sind gezielte Trainingsmaßnahmen (z. B. berufliche Aus- und Weiterbildung) oder Lernen am Arbeitsplatz (Learning by Doing) vonnöten. Sind die Antriebe schwach und große Fähigkeiten vorhanden, liegt der Ansatzpunkt zur Leistungsbeeinflussung in der Motivation. Die Ausgangslage und die leistungsbeeinflussenden Komponenten bestimmen offenbar die Maßnahmen, welche für ein erhöhtes Leistungsniveau ergriffen werden sollten.
62
PsychoLogische GrundLagen der Motivation
4.6
Motivkonflikte
Ein Individuum wird in den meisten Fällen von mehreren Motiven bestimmt. Die Komplexität der menschlichen Natur spiegelt sich gerade darin wider, dass verschiedenartige Motive gleichzeitig Einfluss auf das Verhalten des Menschen nehmen. Sind diese Motive miteinander unvereinbar, muss das Individuum Prioritäten bestimmen und sich für eines der Motive entscheiden. Wenn zwei oder mehrere Motive durch das gleiche zielgerichtete Verhalten befriedigt werden, summiert sich ihre Stärke. Das Streben des Individuums wird in diesem Falle von miteinander vereinbaren (komplementären) Motiven unterschiedlicher Dimensionen bestimmt. Bei mehreren Motiven können aber auch Konflikte auftreten. Widersprüchliche (konkurrierende) Motive zwingen ein Individuum dazu, sich für ein Ziel, das es in der Umwelt erreichen kann, zu entscheiden. Die Schwierigkeiten der Person, sich in einer gegebenen Situation für ein Ziel zu entscheiden, ergeben sich somit auf Grund widersprüchlicher zugrundeliegender Motive. Das Individuum kommt in einen Zustand, der als "Motivkonflikt" oder "Motivationskonflikt" bezeichnet wird. Der Motivkonflikt entsteht in der Psyche des Individuums. Die Psychologie unterscheidet drei Konfliktsituationen (vgl. Lewin 1931, S. 11 ff.; Bisani 2000, S. 267 ff.): •
Appetenz-Appetenz-Konflikt,
•
Appetenz-Aversions-Konflikt,
•
Aversions-Aversions-Konflikt.
Eine Person befindet sich in einem Appetenz-Appetenz-Konflikt, wenn sie sich zwischen zwei Alternativen des Verhaltens entscheiden muss, die mit der Befriedigung unterschiedlicher Motive verbunden sind. Bei der Befriedigung des einen Motives wird das andere nicht befriedigt. In einem derartigen Konflikt befindet sich der Mitarbeiter einer Firma, die in einer landschaftlich schönen Gegend liegt und das Angebot einer Firma in einer relativ langweiligen Gegend für eine sehr viel interessantere Aufgabe erhält. In einem Appetenz-Aversions-Konflikt befindet sich eine Person, wenn sie von demselben Objekt bzw. derselben Tätigkeit in ihrer Umwelt sowohl angezogen als auch abgestoßen wird. Ein derartiger Konflikt beinhaltet nur eine Handlungsalternative, jedoch zwei oder mehr gegensätzliche Motive. Es ist die Entscheidung erforderlich, ob überhaupt gehandelt werden soll oder nicht. In einem Appetenz-Aversions-Konflikt kann sich ein Mitarbeiter befinden, der im Individualakkord entlohnt wird und dessen Ziel, eine Überleistung zu erreichen, durch das Motiv des Lohnstrebens bestimmt wird; diesem Streben stehen hemmende Kräfte entgegen, die durch das Motiv, einer Gruppe anzugehören, bestimmt werden und eine zu starke Abweichung von der Leistungsnorrn von der Gruppe durch Ablehnung bestraft wird. Der Mitarbeiter muss sich also entscheiden, ob er das Ziel der Überleistung anstreben soll oder nicht. Ein anderes Beispiel für einen Appetenz-AversionsKonflikt ist ein Angestellter, der sich entscheiden muss, ob er eine Beförderung annehmen
Motivkonflikte
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soll, die mit dem Umzug seiner Familie in eine andere Stadt verbunden ist; die Beförderung hat sowohl eine positive als auch eine negative Seite.
Abbildung 4.3
Motivkonflikte Appetenz-Appetenz-Konflikt
+ + - Person ----. +
Appetenz-Aversions-Konflikt
Person -.---.... + Aversions-Aversions-Konflikt
-
---+
Person +--
-
Während beim Appetenz-Appetenz- und beim Appetenz-Aversions-Konflikt das Individuum einen Kompromiss sucht bzw. die Entscheidung aufschiebt, ist beim AversionsAversions-Konflikt Unschlüssigkeit gegeben, es versucht, der Situation zu entfliehen. Von einem Aversions-Aversions-Konflikt spricht man, wenn sich eine Person zwischen zwei Alternativen entscheiden muss, die ihr beide unangenehm sind. Diesen Konflikt nennt man auch ein "Dilemma" (vgl. Neuberger 2002, S. 337 f.). Der Reisende eines Betriebes, der vor der Wahl steht, entweder weniger zu reisen oder geringere Spesen zu machen, befindet sich in einem derartigen Dilemma. Ein Student, der sich auf die Diplomprüfung vorbereitet, mag sich vor der Alternative sehen, entweder mehr zu arbeiten oder die Prüfung nicht zu bestehen; er befindet sich ebenfalls in einem Aversions-Aversions-Konflikt. Es bedeutet Unschlüssigkeit, wenn er dem Konflikt zu entfliehen versucht, indem er Ablenkung sucht z. B. im Kino.
PsychoLogische GrundLagen der Motivation
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Es erhebt sich die Frage, in welcher Weise bei unvereinbaren Motiven sich bestimmte Motive durchsetzen bzw. wie ein Kompromiss entsteht. Sind die Motive von verschiedener Stärke, kann der Konflikt auf der Grundlage des stärkeren Motivs gelöst werden. Im Falle gleich starker Motive besagen die psychologischen Erkenntnisse, dass bei Motivkonflikten die niedrigeren Bedürfnisse (Gesundheit, kein Ärger, Sicherheit) gegenüber höheren Bedürfnissen (Kontakt, Status, Selbstentfaltung) dominieren. Dies bedeutet, dass bei Motivkonflikten die höheren Bedürfnisse (siehe dazu 6.3) zuerst aufgegeben werden.
4.7
Frustration und Abwehrmechanismen
Frustration bedeutet Enttäuschung über das durch äußere Hindernisse bedingte Scheitern des Bemühens, persönliche Motive zu befriedigen. Werden die Versuche, ein Ziel zu erreichen, immer wieder blockiert, dann häufen sich die Spannungen. Die Frustration kann herrühren aus einer situationsbedingten Handlungsschranke oder auch einer intrapersonalen oder einer Kombination von beiden. Motivkonflikte und zwischenmenschliche Schranken sind eine besonders häufige Quelle für Frustration. Die "stillen Kosten" der Frustration sind wirtschaftlich nicht offenkundig, gleichwohl sind einige Problemsituationen in Betrieben hunderttausendfach anzutreffen: •
Mitarbeiter, die versetzt wurden, kommen mit der neuen Situation nicht klar.
•
Führungskräfte oder einzelne Mitarbeiter, die den berühmten "Kleinkrieg" mit den Kollegen ausfechten.
•
Arbeitskräfte verrichten tagein tagaus immer dieselben "stupiden" Tätigkeiten.
Die Reaktion gegen frustrierende Situationen kann in drei Stadien ablaufen (vgl. Rühl 1967,S. 134), und zwar 1. einer Alarmreaktion mit starker äußerer Erregung,
2. innerem Widerstand, wobei versucht wird, mit den Ängsten und Beklemmungen fertig zu werden, 3. Erschöpfung und Neigung des Individuums zu psychischer Fehlanpassung bzw. zu neurotischem Verhalten. Die nicht-rationalen Verhaltensweisen sind die Reaktionen auf Frustrationen und Konflikte von längerer Dauer. Sie werden als "Abwehrmechanismen" bezeichnet (vgl. Freud o. J., S.34 H.); diese zielen nicht auf die Lösung eines Problems ab, sie bezwecken den Schutz des Selbstbewusstseins des Individuums angesichts fortwährender Frustration und bedeuten eine Selbsttäuschung. Die Tatsache, dass Menschen in einer Unternehmung, auch Führungskräfte, häufig Frustrationen in ihrer Tätigkeit erfahren, lässt vermuten, dass Abwehrmechanismen in Betrieben öfter vorkommen und eingesetzt werden. Die wichtigsten sind die Reaktionen der Aggression, des Rückzugs und des Kompromisses (vgl. Staehle 1999, S. 246 f.).
Frustration und Abwehrmechanismen
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Die Aggression äußert sich in Form eines Angriffs . Man unterscheidet direkte, verschobene und organisierte Aggression. Die direkte Aggression richtet sich unmittelbar auf das Hindernis, das der Verwirklichung eines Zieles im Wege steht. Sie äußert sich beim Erwachsenen in einem Verhalten, das in etwa dem eines unartigen Kindes gleicht. Ein Meister, der wütend wird, weil die Qualitätskontrolle die Leistung seiner Abteilung bemängelt, verhält sich wie ein Kind. Sein Verhalten stellt - wie bei allen Abwehrmechanismen - keinen effektiven Ansatz zur Lösung des Problems dar. Die verschobene Aggression ist ein Verhalten, das sich gegen ein anderes Ziel oder eine andere Person ("Sündenbock") richtet, die an der Frustration keine Schuld trägt. Der frustrierte Mitarbeiter eines Betriebes, der seinem Chef grollt, könnte möglicherweise in seiner Familie toben und wüten. Er kann diesen Groll nicht an seinem Chef auslassen aus Furcht, sein Ansehen oder sogar den Arbeitsplatz zu gefährden; also werden Frau und Kinder die unschuldigen Opfer seiner verschobenen Aggression. Die organisierte Aggression kann geplant sein oder entwickelt sich in der informellen Organisation. Der Mitarbeiter, der einen eigenen Arbeitsstil hat und seine Befriedigung entsprechend den Zielen, die er sich setzt, findet, wird in seinen bisherigen Gewohnheiten durch Neuerungen gestört, die ohne seine Zustimmung eingeführt werden. Die daraus resultierende Frustration kann sich in Aggression umwandeln, die häufig dann eine organisierte wird, wenn die Mehrheit der Gruppe dieselben Gefühle über den Ursprung der Frustration hat. Die Rückzugsreaktion ist eine Ausweich- oder Fluchtreaktion und kann Symptom einer ernsthaften Neurose sein. In der Form der Regression werden früheren Entwicklungsphasen entsprechende Verhaltensmuster reaktiviert. Ein Beispiel ist die getadelte Angestellte, die in Tränen ausbricht, ein anderes Beispiel der Mechaniker, der gegen ein empfindliches Gerät schlägt, weil er eine Schraube daran nicht lösen kann. Bei der emotionalen Isolation, der gefühlsmäßigen Abkapselung, als einer Form der Rückzugsreaktion bewahrt ein Individuum ein unrealistisches Bild von sich selbst, indem es sich nicht emotional "exponiert". Es versucht, den Druck, der von der Umgebung ausgeht, zu reduzieren, indem es sich von den anderen Mitgliedern der Gruppe absondert. Diese Person erscheint dann als selbstgenügsam, distanziert und sogar kalt; die sorgfältige Analyse wird aber bemerken, dass sie durch dieses Verhalten einen Schutz aufbaut. Ein Beispiel für ein durch emotionale Isolation geprägtes Verhalten ist ein Chef, der im Umgang mit seinen Mitarbeitern stets korrekt ist, jedoch niemals einen persönlichen Kontakt aufnimmt oder sich an informellen Aktivitäten beteiligt.
Kompromisslösungen sind eine weitere Kategorie von Abwehrmechanismen. Die wichtigsten Erscheinungsformen sind die Kompensation und die Rationalisierung. Bei der Kompensation erlangt ein Individuum Befriedigung, indem es statt des eigentlichen Zieles ein unwichtigeres - Ersatzziel verwirklicht. Die Kompensation findet man häufig bei überforderten Führungskräften, die durch übermäßige, mehr oder weniger routinehafte Arbeit der Frustration zu entgehen versuchen. Diese Art der Frustrationsreaktion hat ihre Ursache in der Unfähigkeit, mit den wichtigen Dingen des Arbeitsbereichs fertig zu werden. Man konzentriert sich dann auf unwichtige Dinge, um der Frustration zu entgehen. Einer der üblichsten Wege, auf Frustrationen zu reagieren, die durch die eigene mangelhafte Leistung und Misserfolge hervorgerufen werden, ist die Rationalisierung. Man benutzt
66
PsychoLogische GrundLagen der Motivation
Scheinargumente, um das eigene Versagen zu entschuldigen. Ein Argument ist, dass man von einem Ziel, das man nicht erreicht hat, behauptet, es sei gar nicht erstrebenswert ("Saure-Weintrauben-Rationalisierung"). Ein Beispiel hierfür ist die Behauptung einer Führungskraft, der vorgegebene Standard sei unrealistisch und deshalb als Ziel indiskutabel. Eine andere rationalisierende Argumentation versucht, einem Misserfolg positive Seiten abzugewinnen ("Süße-Zitronen-Rationalisierung"). Ein Beispiel hierfür ist ein Mitarbeiter, der behauptet, es sei eigentlich ganz gut, dass er eine bestimmte Arbeit in der letzten Woche nicht erledigt habe, weil er in dieser Woche in der Lage sei, Überstunden zu machen. Ein defensiver Verhaltensmechanismus ist bei manchen Menschen festzustellen, die ständig bestrebt sind, Gerüchte "in die Welt" zu setzen. Dies geschieht auf Grund eines Konkurrenzbedürfnisses und zur Stärkung des eigenen Ichs. Eine der subtilsten Methoden, unangenehme Wirkungen der Frustration zu vermindern, ist die Reaktionsbildung. Der Mensch versucht hierbei, - mehr oder weniger erfolgreich - seine Motive zu verbergen, indem er Einstellungen offen zur Schau trägt, die seinen tatsächlichen Einstellungen genau entgegen-gesetzt sind. Die praktische Personalführung befasst sich in der Regel nur am Rande mit diesen eher individuellen psychologischen Gegebenheiten. Vielmehr kennt und reagiert sie auf weitergehende "Schreckgespenster", welche kausal mit den individuellen Frustrationserlebnissen zusammenhängen und unschwer als Auslöser für "stille Kosten" zu erkennen sind: •
Betriebsklimatische Störungen und Konflikte: Als sichtbare Folgen der erzeugten Aggression treten sublime oder versteckte Formen des "Mobbing" auf bis hin zu offenen Aggressionen.
•
Fehlzeiten: Auffällige Absenzen vom Arbeitsplatz sind oft Zeichen der Flucht.
•
Innere Kündigung: Trotz physischer Präsenz am Arbeitsplatz besteht die Flucht -
•
durch innere Fehlzeiten, indem Mitarbeiter ihr Leistungspotenzial nur teilweise einsetzen, in offener Form wie Zeitung lesen, informellen Plausch halten, oder verdeckt durch sehr gemächliches Arbeitstempo, das mit der Zeit kaum auffällig und "normal" geworden ist.
Fluktuation: Aus eigenem Antrieb den Arbeitsplatz zu verlassen, ist die letzte Konsequenz der Flucht statt oder nach durchlebter innerer Kündigung.
Die vier vorstehenden - miteinander verwobenen - Phänomene sind Zeichen von Frustration. In der Führungspraxis werden die hierfür entstehenden Kosten kaum quantifiziert, sondern rein spekulativ als kostentreibende "Schreckgespenster" wahrgenommen. Leider selten wird versucht, die psychologischen Ursachen zu verstehen, zu erklären und daraus systematisch (bei Fehlzeiten vgl. z. B. Bröckermann 2000, S.176 ff.) motivierende Maßnahmen abzuleiten.
5
Inhaltliche Klassifikation angestrebter Zielzustände
Menschliches Verhalten ist motiviert. Für die Führungsproblematik ist das Verhalten der Menschen in einem Betrieb bei der Arbeit relevant. Die Motive des Leistungsverhaltens im Betrieb sind deshalb näher zu betrachten. Eine Führungskraft, die menschliches Verhalten verstehen und beeinflussen möchte, sollte die Bedeutung der einzelnen Motive kennen.
Selbst-Check 5: Wenn das Geld das einzige motivierbare Ziel wäre, wie müsste man einen Menschen bezahlen, um das leistungsbeeinflussende Bedürfnis nach Geld besonders stark zur Wirkung zu bringen? (Antwort am Ende des Buches)
Die Menschen versuchen bei ihrer Arbeit im Betrieb, viele verschiedene Bedürfnisse zu befriedigen. Die Frage, welches diese Motive sind, thematisiert die personalen Faktoren, Motivinhalte und situative Merkmale, welche Verhalten verursachen. Die Antwort/ wonach der Mensch strebt, vernachlässigt zunächst, aufwelchem Wege er sich darum bemüht. Ein tauglicher Ansatz, systematisch und theoretisch fundiert die Vielzahl inhaltlich bestimmbarer Motive zu ordnen, stellt die Einteilung in sogenannte Defizit- und Wachstumsmotive dar. Dejizitmotive lösen Aktivitäten aus, um Mangelzustände oder Störungen zu vermeiden oder zu beseitigen und zielen auf stabile Zustände.
Wachstumsmotive hingegen sind auf die Entfaltung der im Menschen liegenden Möglichkeiten ausgelegt und gewinnen ihre Dynamik dadurch, dass Ziele ständig neu entworfen, Anspruchsniveaus erhöht und neue Horizonte erstrebt werden. Solche Schritte zur Selbstverwirklichung wirken selbstaktualisierend und zugleich zufriedenmachend, der Weg wird zum Ziel. Eine andere Einteilung der Motive differenziert danach, ob für eine Person der Anreiz für eine Handlung im Inhalt dieses Handelns liegt oder aus dem Umfeld kommt. Dieser Grundgedanke - Belohnung in der oder als Folge der Handlung - hat zur Unterscheidung von zwei große Gruppen (vgl. Herzberg 1971/ S.71 ff.; v. Rosenstiel 2009a, S.163) von Motiven geführt: •
intrinsische Motive, die durch die Tätigkeit selbst befriedigt werden,
•
extrinsische Motive, die nicht durch die Arbeit selbst, sondern durch die Folgen der Tätigkeit oder durch deren Begleitumstände befriedigt werden.
K. F. Withauer, Führungskompetenz und Karriere, DOI 10.1007/978-3-8349-6580-6_6, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Inhaltliche Klassifikation angestrebter Zielzustände
Intrinsische Motivation kann sich aus purem Spaß oder freudvoller Tätigkeit ergeben (typisch bei Spiel- oder Freizeitbeschäftigung) oder beruht auf einem starken Interesse mit bestimmter Zielgerichtetheit. Intrinsische Beweggründe sind die Bedürfnisse nach Aktivitäts- und Sinnesreizen, der Wunsch nach Leistung und Erfolg, das Streben nach sozialer Eingebundenheit und mitmenschlichem Kontakt, das Dominanz- oder Machtstreben sowie Kompetenzerfahrung, Autonomie und Sinngebung. Das Bedürfnis nach Betätigung ist der Wunsch nach Energieabfuhr und Abwechslung in den Wahrnehmungsreizen. Das Kontaktmotiv wird dadurch befriedigt, dass menschliche Kontakte oftmals Teil der Arbeit sind oder die Arbeit weitgehend in Gruppen getan wird. Das Leistungsmotiv äußert sich darin, dass der Mensch Befriedigung erfährt, wenn er selbst gesetzte Leistungsziele erreicht. Das Macht- und Dominanzstreben zeigt sich darin, dass der Mensch bestrebt ist, seine Umwelt zu beherrschen, damit Ziele erreichbar werden. Kompetenz bezeichnet das Bestreben, sich handlungsfähig zu fühlen, den Lebensanforderungen gewachsen zu sein, sich selbstbestimmt und sinnsuchend zu entfalten, seine Fähigkeit nicht nur zu nutzen, sondern auch weiter zu entwickeln. Die Bedürfnisse nach Kontakt, Macht und Leistung sind jeweils durch eine Hoffnungsund eine Furchtkomponente gekennzeichnet. Entsprechend können sie sich ausdrücken in Hoffnung auf Kontakt und Furcht vor Zurückweisung, Hoffnung auf Einfluss und Furcht vor Kontrollverlust, Hoffnung auf Erfolg und Furcht vor Misserfolg.
Extrinsische Motive sind die Grundmotive nach körperlichem Wohlbefinden, das Bedürfnis nach Achtung, Geltung und Wertschätzung, das Sicherheitsmotiv, das Geldmotiv. Das Wohlbefinden am Arbeitsplatz wird beispielsweise befriedigt durch die Verschonung von Ärger und vermeidbarer Mühsal. Das Geltungsmotiv kennzeichnet das Bestreben, innerhalb und außerhalb des Betriebes Ansehen zu genießen. Das Sicherheitsstreben richtet sich darauf, z. B. das Einkommen, den Einfluss, die Anerkennung oder die äußeren Arbeitsbedingungen zu sichern, die man bisher erworben hat. Das Geldmotiv ist einfach das Bedürfnis nach Geld als einem Mittel, mit dem man viele andere Bedürfnisse befriedigen kann. Die wichtigsten Motive als inhaltliche Klassifikation angestrebter Zielzustände seien mit Hinblick auf die Forschungsergebnisse der Motivationspsychologie im Folgenden näher betrachtet:
5.1
Kompetenzmotiv
Das Kompetenzmotiv erklärt das menschliche Verhalten, das zur Erkundung und Bewältigung unbekannter Umwelten führt und entsprechende Lernprozesse initiiert. Es wird nach der neueren psychologischen Motivationsforschung zu den grundlegenden Bedürfnissen gerechnet (vgl. Krapp 2005, S. 26 ff.). Die biologische Funktion des Kompetenzbedürfnisses ist das Überleben des Organismus. Diese biologische Funktion erscheint im bewussten Erleben des Menschen als das Ziel, sich in der Interaktion mit der Umwelt effektiv und kompetent zu fühlen. Aufgrund seiner großen Bedeutung und universellen Präsenz - bei Mensch und Tier - sieht White das Erkundungsverhalten als Ausdruck eines grundlegenden Bedürfnisses (White 1959).
Kompetenzmotiv
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Das Bedürfnis nach Kompetenzerfahrung äußert sich im natürlichen Bestreben des Individuums, sich als handlungsfähig zu erleben. Es möchte den gegebenen und absehbaren Anforderungen gewachsen sein und die anstehenden Aufgaben aus eigener Kraft bewältigen können. Kompetenz entsteht als Ergebnis der wirksamen Auseinandersetzung mit der Umwelt. Gefühle der optimalen Wirksamkeit oder Kompetenzerfahrung stellen daher die Belohnung dar für kompetenzmotiviertes Verhalten wie beispielsweise den Erwerb neuer Fähigkeiten. Seiner Entstehung nach wird das Motiv von zwei Komponenten geprägt: dem Streben, die Welt in ihrer Vielfalt kennen zu lernen, und dem erstrebten Vertrauen in die eigene Fähigkeit, persönliche Ziele wunschgemäß zu erreichen. Im weitesten Sinne geht es darum, Dinge geschehen zu machen, Ereignisse herbeizuführen und nicht passiv erwarten zu müssen. Dabei trachtet der Mensch danach, etwas zu leisten, das der Gemeinschaft nützt, das Bedeutung hat. Er will erfahren, dass seine Tätigkeit in einem größeren Zusammenhang wichtig ist. Insoweit erweist sich schließlich das Kompetenzmotiv als Suche nach Sinn (vgl. Frankl/Kreuzer 1986) und führt zur persönlichen Selbstverwirklichung. Das Erleben von Kompetenz ist eng mit dem Gefühl der "Selbst"wirksamkeit verbunden. Selbstbestimmung und Autonomie sind unabdingbare Voraussetzungen für die Kompetenzerfahrung, denn die Erfahrung "eigener" Kompetenz bedingt notwendigerweise, dass sich das Individuum als eigenständiges Handlungszentrum erlebt (vgl. Krapp 2005, S. 30). Das Individuum möchte die Ziele und Vorgehensweisen des eigenen Tuns selbst bestimmen. Nur so können die bewältigten Herausforderungen subjektiv glaubwürdig dem ursächlich eigenen Handeln zugeschrieben werden. Das innere Streben nach Autonomie und Selbstbestimmung ist zugleich eine notwendige Voraussetzung für die Entwicklung der eigenen Identität. Der Wunsch nach Beherrschung seiner Umwelt regt einen Menschen dazu an, Herausforderungen zu suchen und zu bewältigen, die optimal für seine Fähigkeiten sind, die also weder eine Unter- noch eine Überforderung sind; dies bedeutet zugleich den größtmöglichen Lemgewinn. Im menschlichen Bewusstsein manifestiert sich dieses Bedürfnis als ein urtümliches generelles Streben nach tätigkeitszentriertem Wohlbefinden. Dieses generelle Lebensprinzip des optimalen Funktionierens besitzt einen hohen Anreizwert. Die subjektive Erfahrung des optimalen Erlebens als der Entsprechung zwischen dem eigenen Können und Wollen und den in der aktuellen Situation gegebenen Anforderungen ist der in höchstem Maße erstrebenswerte Zustand, der sich im Flow-Erlebnis äußert. Die Fähigkeit, sich möglichst oft in diesen Zustand zu versetzen, wird sogar als "Geheimnis des Glücks" (vgl. Csikszentmihalyi 1993) aufgefasst. White weist auf diesen Wunsch schon bei kleinen Kindern hin, wenn sie ziellos Gegenstände betasten, überall herumstöbern und nach allem Erreichbaren greifen. Später äußert er sich in dem Drang, alles Mögliche zu erforschen, herumzubasteln, Dinge auseinander zu nehmen und wieder zusammenzusetzen und dergleichen. Das Neugier- und Spielverhalten von Kindern lässt sich relativ eindeutig dem Kompetenzerwerb zuordnen. Aus diesem Tun entwickelt sich je nach Erfolgs- und Misserfolgserlebnissen die Zuversicht, auch später sich in der größeren Welt zurecht zu finden. White betrachtet auch das Alter zwischen 6 und 9 Jahren als besonders wichtig für ein wachsendes Kompetenzmotiv; sie betreffen das unangenehme Zwischenstadium, nicht mehr völlig im Schutz der Familie zu leben, diesem aber auch noch nicht ganz entwachsen zu sein (vgl. Gellermann 1973,S. 131 f.),
70
Inhaltliche Klassifikation angestrebter Zielzustände
Im Berufsleben äußert sich das Kompetenzmotiv als Wunsch nach guten Leistungen und nach beruflicher Entfaltung. Dies heißt, dass die Menschen fähigkeitspassende Herausforderungen suchen, die bei situationsangemessener Autonomie weder extrem einfach noch unsagbar schwer zu bewältigen sind. Die Bedürfnisse nach Kompetenzerfahrung und Autonomie bzw. Selbstbestimmung können erklären, warum eine Handlung in einer konkreten Situation als intrinsisch motiviert erlebt wird. Eine Person ist dann intrinsisch motiviert, wenn sie sich selbst als Initiator und Verursacher ihres Verhaltens erlebt. Folglich wirkt das Erleben von Selbstbestimmung als zentraler Anreiz und induziert eine starke Neigung, künftig bei entsprechender Gelegenheit in ähnlicher Weise aktiv zu werden und sich auf diese Weise in dem betreffenden Gebiet persönlich weiter zu entwickeln.
5.2
Kontaktmotiv
Der Wunsch nach Zugehörigkeit und mitmenschlichem Kontakt kennzeichnet das Kontaktmotiv. In ihm äußert sich das Bedürfnis nach Anschluss und Integration in die soziale Umgebung wie auch nach gedeihlichen zwischenmenschlichen Beziehungen. Es wird wie das Kompetenzmotiv - zu den grundlegenden psychologischen Bedürfnissen gezählt mit der Begründung, dass der Mensch im Sinne einer organismischen Integration (vgl. Krapp 2005, S. 29) sich nicht nur mit seiner personenbezogenen Entwicklung, sondern auch mit den sozialen Gegebenheiten seiner Lebenswelt auseinandersetzen muss. Die beiden antagonistisch aufeinander bezogenen Entwicklungsziele erfordern eine Balance, nämlich kontinuierliches individuelles Wachstum und Aufrechterhaltung der Stabilität des sozialen Systems. Dies hat zur Voraussetzung, dass die intraindividuellen Entwicklungsverläufe verträglich an die strukturellen und funktionalen Bedingungen des sozialen Systems angepasst werden. Zu dem ersten Entwicklungsziel des "persönlichen Wachstums" des Individuums mit Erweiterung der individuellen Kompetenzen und Fähigkeiten tritt die Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung des sozialen Systems, auf dessen Fortbestand das Individuum als soziales Wesen angewiesen ist und dessen funktionale Strukturen durch die Handlungsmuster der einzelnen Mitglieder immer wieder aufs Neue erzeugt und aufrechterhalten werden müssen. Diese Forschungsperspektive, die den Blick auf das umfassende organismische Geschehen der menschlichen Entwicklung richtet und nicht nur kognitiv-handlungstheoretisch das Motivationsgeschehen rekonstruiert, bietet sinnvolle und wissenschaftlich fundierte Antworten auf die Frage nach den grundlegenden dynamischen Quellen menschlichen Handelns (vgl. Krapp 2005, S. 30 f.). Das Bedürfnis nach sozialer Eingebundenheit besagt ganz allgemein, dass der Mensch ein starkes Bestreben nach befriedigenden Sozialkontakten hat. Der Wunsch nach Eingebundenheit drückt sich aus in der Identifikation mit bestimmten Personen oder Personengruppen, man möchte von "Signifikanten Anderen" akzeptiert und anerkannt werden. Dazu versucht man jene für diese Gruppen wichtigen Tätigkeiten, Wertorientierungen und Handlungsziele zu bejahen und sich mit ihnen identifizieren.
Kontaktmotiv
71
Das Kontaktmotiv wird befriedigt, indem Personen in Gruppen integriert, als Gruppenmitglieder akzeptiert und insgesamt mit Sympathie, menschlicher Wärme und freundlichem Entgegenkommen bedacht werden. Ein infolge Isolation und gestörten Beziehungen unerfülltes Kontaktmotiv kann zu seelischen und über psychosomatische Zusammenhänge auch zu physischen Erkrankungen führen, die sich in der Regel auch leistungsmindernd auswirken. Der Sozialkontakt ist entweder ein Mittel zum Zweck oder aber Selbstzweck. D. h., der Mensch sucht entweder die Gesellschaft anderer, um irgendeine von anderen zugemessene Belohnung zu erzielen wie z. B. Geld, Gunst, Schutz, Sicherheit, oder aber er sucht Anschluss, weil er sie ganz einfach genießt (vgl. ausführlich Schachter 1959). Das Kontaktmotiv ist insofern ein intrinsisches Motiv, weil es aus dem inneren Antrieb eines - wie dargelegt - grundlegenden psychologischen Bedürfnisses kommt und neben dem instrumentellen Nutzen eine interessenthematisch relevante positive emotionale Erlebnisqualität bietet. Bei den meisten betrieblichen Tätigkeiten sind die Zusammenarbeit mit anderen Menschen notwendig und somit menschliche Kontakte Bestandteil der Arbeit. Soweit sich dabei Gruppen bilden, entsteht ein spezifisches Gruppenverhalten, eine Gruppendynamik (siehe dazu Kap. 3). Es erscheint völlig natürlich, dass der Mensch gern mit anderen Menschen zusammen sein möchte, jedoch ist dieser Beweggrund bei den Menschen verschieden stark ausgeprägt. Personen mit hohem Kontakt- und Zugehörigkeitsstreben präferieren konfliktfreie Situationen und Interaktionen mit geringem Wettbewerb (vgl. McClelland 1999, S. 333-370). Das Kontaktmotiv ist dafür bestimmend, dass die Menschen in eine soziale Gruppe integriert werden wollen; sie suchen menschliche Nähe und das Gefühl der Geborgenheit in der Gruppe. Sie wollen in der sozialen Zugehörigkeit das eigene Gemüt beruhigen und genießen es, von den anderen akzeptiert zu werden. Die Funktionsqualität des eigenen Tuns erweist sich auch im sozialen Kontext. Besonders gut lässt sich dieses Streben bei einem Vorkommnis beobachten, das eine bisherige Auffassung erschüttert oder einen bisher gehegten Glauben widerlegt und wodurch sich das eigene Gemüt und wohl auch die Gemüter Anderer erregen. Der zwischenmenschliche Kontakt dient dann dazu, sich der neuen Lage anzupassen. Im Sozialkontakt mit anderen können nämlich die eigenen Beobachtungen mit denen anderer verglichen werden, Spekulationen angestellt und Erklärungen gesucht werden; aus diesen Diskussionen ergibt sich eine Übereinstimmung, die die Mehrzahl der Personen sich als Meinung zu eigen macht. Wesentlich für die Befriedigung des Kontaktmotivs ist nicht der Inhalt der Meinung, sondern dass die eigene Auffassung mit der aller anderen abgestimmt ist. Das Gefühl der Einsamkeit ist überwunden, die "Richtigkeit" und daher Sicherheit der eigenen Gedanken wird bestätigt. Das Kontaktmotiv ist darauf gerichtet, ein Gefühl zu bekommen, dass man die Umwelt versteht und erklären kann, selbst wenn den mit anderen geteilten Anschauungen an sich jegliche fundierte Basis fehlt . Wenn dieses Verhaltensmuster auch nicht besonders rational ist, so ist es deshalb nicht weniger menschlich.
Inhaltliche Klassifikation angestrebter Zielzustände
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Selbst-Check 6: Könnten Sie sich vorstellen, welches Verhaltensmuster die Mitarbeiter der Börsenabteilung einer Bank zeigen, wenn ein unerwarteter Kurseinbruch am Aktienmarkt erfolgt? (Antwort am Ende des Buches)
Das erstrebte Gefühl der Sicherheit ist derart weitgehend, dass das Individuum sich auch bei fehlender Information die Meinung der Mehrheit zu eigen macht, einfach um Ungewissheit und Unsicherheit zu reduzieren. Das Kontaktmotiv richtet sich nicht auf irgendeine beliebige Zugehörigkeit, sondern auf das Zusammensein mit Menschen, die sich in ähnlicher Lage befinden. Unglückliche Menschen finden zu unglücklichen Menschen, die ähnliche Probleme haben. Mitarbeiter, die die gleiche langweilige Arbeit verrichten, finden sich ebenso zusammen wie die erfolgreichen Verkäufer einer Verkaufsabteilung. Ein schwaches Kontaktmotiv ist bei jenen Personen vorhanden, die anderen Menschen misstrauen oder aber sie verachten. Ein weiterer Grund für das fehlende Bedürfnis einer Person nach Anschluss ist, dass sie sich selbst sicher genug fühlt und ohne andere Menschen auskommen kann. Ein Individuum, das empfindlich auf soziale Einflüsse reagiert, schließt sich leichter einer Gruppe an als ein sorgloser Mensch, der das Leben so nimmt, wie es gerade kommt.
5.3
Leistungsmotiv
Die motivanregenden Merkmale des Leistungsmotivs sind solche, die auf eine Auseinandersetzung mit einem Gütemaßstab hinweisen. Leistungsmotiviert im psychologischen Sinne ist ein Verhalten, wenn es auf die Selbstbewertung eigener Tüchtigkeit zielt, und es sich dabei alltagssprachlich um eine "Herausforderung" handelt. Das wesentlichste Kennzeichen des Leistungsmotivs ist, dass es die Erfüllung einer Aufgabe zum Selbstzweck werden lässt (vgl. die grundlegende Untersuchung von McClelland 1966, insbes. S. 83 ff.). Beim Streben nach Leistung ist es unausweichlich, dass es mit Erfolg oder Misserfolg enden kann. Auf dieser Überlegung gründet die Annahme zweier motivationaler Teilsysteme oder Submotive, die für positiv und negativ besetzte Ziele in Erscheinung treten. Man unterscheidet deshalb ein Motiv der Erfolgssuche, einem Motiv der Misserfolgsmeidung und entsprechend Anreizen für Erfolg und Misserfolg. Anreize sind vor allem antizipierte Affekte: Stolz und Freude bei Erfolg, Scham bei Misserfolg. Das leistungsmotivierte Individuum übertrifft andere an Eifer, Anstrengungen und Anforderungen an sich selbst. Mitarbeiter, die Karriere gemacht haben, werden zumeist von stärkerem Leistungsdenken angetrieben als ihre vorherigen Kollegen . Das, was sich eine Person zu schaffen vornimmt, bezeichnet man als Anspruchsniveau. Dieses Anspruchsniveau hängt zum einen von der Erfolgswahrscheinlichkeit ab, ein gesetztes Ziel zu erreichen, bzw. davon, die gewählte Aufgabenschwierigkeit zu schaffen (vgl. McClelland 1966; Weiner
Leistungsmotiv
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1994). Trivialerweise steigt die Erfolgswahrscheinlichkeit, je leichter die Aufgabe bzw. je anspruchsloser das Ziel ist. McClelland hat eine Vielzahl hochleistungsmotivierter Personen auf typische Verhaltensweisen und Persönlichkeitszüge untersucht. Die gefundenen Charakteristika dieser "High Achievers", die sich in führungspraktische Konsequenzen umsetzen lassen, sind folgende (vgl. Staehle 1999, S. 228 f.): •
Hochleistungsmotivierte Personen haben eine bestimmte Einstellung zum Risiko. Sie gehen gut kalkulierte, überschaubare Risiken ein. Der vom Leistungsmotiv angetriebene Mensch will bei vorsichtigem Risiko etwas Lohnendes auf einem Gebiet vollbringen, auf dem Erfolge schwer, aber nicht unerreichbar sind. Dies ist Ausdruck einer "realistischen Zielsetzung". Die Anstrengungen, Fähigkeiten und die Entschlossenheit müssen eine angemessene Chance haben, den Ausgang einer Situation günstig zu beeinflussen. Nur dann ist die erreichte Leistung ein persönlicher Erfolg und nicht nur Glück oder Pech.
•
Der höchste Anreiz geht hinsichtlich der Hoffnungskomponente von (subjektiv) mittelschweren Aufgaben aus. Aufgaben mit hoher Erfolgswahrscheinlichkeit betrachten sie als zu leicht und deshalb als unattraktiv. Zu schwierigen Aufgaben gehen Erfolgsmotivierte gleichfalls aus dem Wege wegen eingeschätzter zu geringer Erfolgschancen. Ausgedrückt in formalisierter Sprache besteht also zwischen Erfolgswahrscheinlichkeit und Erfolgsanreiz eine invers lineare Beziehung: je größer das eine, umso kleiner das andere.
•
Bei einem Misserfolgsmeider regen die gleichen Merkmale auch die Furchtkomponente des Leistungsmotivs an. Von leichten Aufgaben sind Misserfolgsmeider verständlicherweise deshalb angetan, da Erfolge höchst wahrscheinlich sind. Allerdings reizen sie auch extrem schwierige, spekulative Aufgaben; eine mögliche Erklärung wäre, dass das bei eingetretenem Misserfolg betroffene Individuum auf den extremen Schwierigkeitsgrad verweist und sich das Versagen nicht selbst anzulasten braucht. Bei mittlerer Aufgabenschwierigkeit ist mithin die Neigung, eine Aufgabensituation zu vermeiden, maximal.
•
Der Leistungsmotivierte konzentriert sich auf die Aufgabe und vermeidet tunliehst jegliche Arbeitsunterbrechung. Eine Aufgabe, der er sich einmal verpflichtet hat, wird ihn so lange in Anspruch nehmen, bis das Ergebnis erreicht ist.
•
Der erfolgsuchende Leistungsmotivierte bevorzugt Arbeitssituationen, in denen er selbständig und eigenverantwortlich arbeiten und entscheiden kann, die einen gewissen Neuigkeitsgehalt aufweisen und persönliche Initiative und Kreativität verlangen, denn bei solchen Aufgaben lässt sich das eigene Können am besten erkennen, erproben und steigern.
•
Als deutlich motivanregendes Merkmal wirken Rückmeldungen über die eigene Leistung. Der leistungsorientierte Mensch benötigt Informationen, inwieweit sein Verhalten zieladäquat ist. Er will eine Orientierung über den Leistungserfolg. Er muss wissen, ob die Arbeit sinnvoll und nützlich ist. Orientiert man ihn jedoch nur in ungenauer Form, dass seine Arbeit "in Ordnung" ist oder in ähnlicher Weise, wird er sich kaum
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Inhaltliche Klassifikation angestrebter Zielzustände
angesprochen fühlen. Es wird erkennbar, wie wichtig das häufige Mitarbeitergespräch für leistungsorientierte Personen ist. Der Leistungstyp wird auch oftmals solche Tätigkeiten bevorzugen, bei denen der Erfolg - wie etwa im Vertrieb - relativ gut messbar ist und sich schnell offenbart. •
Hochleistungsmotivierte sind intrinsisch motiviert und beziehen hohe Befriedigung durch die Arbeit selbst. Materielle Belohnungen sind für sie nicht wirklich essenziell, sie müssen nicht durch Bestechung zur Leistung gedrängt werden. Das Geld ist höchstens ein Bewertungsmaßstab, um die eigene Leistung mit derjenigen Anderer vergleichen zu können. Wenn er die Wahl hat zwischen einer lukrativen, aber unkomplizierten Aufgabe und einer anspruchsvolleren mit geringerem finanziellem Entgelt, wird er sich wahrscheinlich für die letztere Alternative entscheiden. Er ist offensichtlich kein "Homo oeconomicus" im klassischen Sinne.
Leistungsorientierte Menschen findet man seltener in konservativen oder bürokratischen Betrieben als in dynamischen, wachstumsorientierten Unternehmungen. Sie gehören vielfach dem sogenannten "Mittelstand" an, dem Kaufleute, leitende Angestellte, freie Berufe, Fachspezialisten und ähnliche Positionen zugerechnet werden. Es handelt sich in diesen Berufen um jene Beschäftigungen, die größtmögliche Chancen bieten, etwas aus eigener Kraft zu vollbringen. Das Leistungsmotiv ist ein außerordentlich wichtiges Motiv. Es fällt vordergründig nur bei jenen Personen auf, die es in hohem Maße besitzen. Es erhebt sich die Frage, in wie vielen Fällen das Leistungsmotiv nicht aktiviert wird, weil man den Menschen keine Ziele oder Normen setzt, an denen sie sich messen können. Das Leistungsmotiv ist sicherlich eine der größten ungenutzten Quellen der Produktivität. Es kann mobilisiert werden, indem man den Menschen faszinierende und herausfordernde Aufgaben stellt. Viele werden sich hohe Leistungsnormen setzen und Motivbefriedigung aus den Ergebnissen ihrer Bemühungen erfahren.
5.4
Dominanz- bzw. Machtmotiv
Das Macht- oder Dominanzmotiv äußert sich in dem Bestreben, sich stark und einflussreich zu fühlen (vgl. McClelland 1978; 1999, S. 268 ff.). Daraus ergibt sich der Wunsch, auf die Umgebung gestaltenden Einfluss nehmen zu können. Ausgangspunkt des Machthandelns ist ein solcher Bedürfniszustand einer Person, der nur dadurch zu befriedigen ist, dass eine oder mehrere andere Personen ein bestimmtes Verhalten zeigen. Macht ist ein sozialer Prozess zwischen Personen oder Personengruppen, und zwar zwischen einem Machtinhaber bzw. Träger der Macht und einem oder mehreren Machtunterworfenen, die in einer sozialen Beziehung stehen, da ansonsten die Gelegenheit der Machtausübung nicht gegeben ist. Sie ist also kein personales Charakteristikum, keine Eigenschaft. Die Merkmale der sozialen Grundsituation des Machtgeschehens sind ein möglicher Widerstand des Machtunterworfenen, beim Machtanwender mobilisierte Machtquellen und Machtmittel (siehe hierzu Kap. 3, 11.1) sowie eventuelle Hemmungen bei der Wahl der Machtmittel und auf beiden Seiten die Auswirkungen des Machthan-
Dominanz- bzw. Machtmotiv
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delns. Die Grundlagen der Macht führen zur Asymmetrie der sozialen Beziehung. Die soziale Einflussnahme erfolgt direkt durch den Einsatz von Mitteln oder latent durch die Möglichkeit des Einsatzes von Mitteln in Richtung auf die Ziele des Machtinhabers. Macht stellt eine spezifische Form des Einflusses dar, bei der es einen Widerstand zu überwinden gilt, und kennzeichnet die Möglichkeit bzw. das Können, etwas in Bewegung zu setzen. Macht ist ein zentrales Definitionsmerkmal von Führung. Menschen mit einer starken Hoffnung auf Einfluss genießen es, Überlegenheit zu demonstrieren, sei es auf intellektueller Ebene im Gespräch oder durch körperliche Präsenz. Ziel eines solchen Machtgebarens ist letztlich die Kontrolle von Ressourcen, und dies bedeutet in der Regel die Kontrolle über andere Menschen. Machtmotivierte mit der Hoffnung auf Einfluss zielen auf die Ausweitung ihres Machtbereichs und möchten gerne, dass durch ihren Beeinflussung Andere Dinge in einer Weise tun, bewerten oder erleben, wie sie es ohne diese Einflussnahme nicht getan hätten (vgl. Rheinberg 2006, S. 108 mit weit. Nachw.). Gelingt dies, dann hat die Machtausübung den gewollten Einfluss bewirkt zumindest in dieser Handlungsepisode. Menschen mit einer Furcht vor Kontrollverlust wollen die eigenen Machtressourcen erhalten und sichern. Dieses Bestreben kommt aus der ständigen Furcht, andere Personen wollten ihren Machtbereich einschränken, ihnen Informationen vorenthalten oder sie in anderer Form verdrängen. Sicherlich kann man davon ausgehen, dass diese Menschen letztlich Gefühle der Schwäche und Minderwertigkeit zu vermeiden trachten. Eine Beschreibung und Definition des Machtmotivs wäre dann wissenschaftlich begründet, wenn es sich auf empirischer Basis abgrenzen und messen ließe. Ein Motiv ist ja wie eine spezifisch eingefärbte Brille, die ganz bestimmte Aspekte von Situationen auffällig macht und als wichtig hervorhebt. Für das Machtmotiv wäre als Anreizthema typisch die Klasse von Handlungssituationen, beispielsweise wo sich Chancen auf Einflussnahme und Prestige bieten könnten, wer gerade mit welchen Plänen und Intrigen befasst sein könnte und ob diese für die eigene Position eher günstige oder ungünstige Konsequenzen hätten etc. Welche Situationen machtthematisch anregend sind, ist experimentell und faktorenanalytisch untersucht worden (vgl. Rheinberg 2006, S.102 ff.), Die Auswertungen zeigen eine erhebliche Heterogenität. Trotzdem wurden vielfältige machtintendierte Beziehungen zu Verhaltensweisen aufgespürt.
Männer mit hohen Machtmotivwerten lesen häufiger machtorientierte Lektüre, wie z. B. auch die sogenannten Herrenmagazine, erwerben häufiger prestigeträchtigen Besitz wie z. B. wendige Sportwagen und andere Dinge, um derentwillen man bewundert werden kann, haben höheren Alkoholkonsum. Das Machtmotiv korreliert aber auch mit einer Vorliebe für Wettkampfsport, besonders für Sportarten mit direkter Gegnerschaft wie Football, Baseball oder Tennis, weniger mit Leichtathletik, Schwimmen oder Natursportarten. Weitere Korrelate sind die Mitgliedschaft in angesehenen Organisationen oder Zahl der bekleideten Ämter. Eher bei Frauen als bei Männern korrelierte die Anzahl der mitgeführten Kreditkarten als Mittel der Beeindruckung mit dem Machtmotiv. Analog gilt das auch für die Anzahl der durchgeführten Schlankheitskuren zur Erhaltung des Körpers als
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Inhaltliche Klassifikation angestrebter Zielzustände
attraktives Beeinflussungsmittel, aber auch für die Bereitschaft zur Organspende. Die deutlichsten geschlechtsspezifischen Unterschiede ergaben sich hinsichtlich zügelloser, rüder und verantwortungsignorierender Verhaltensweisen für das Machtmotiv. dass Frauen diesbezüglich verantwortungsbewusster handeln, ist offensichtlich durch die gesellschaftlichen Rollenerwartungen geprägt (vgl. McClelland 1978,S. 24 f.). Eine theoretische Präzisierung und zugleich ordnungsschaffende Struktur zu dem recht heterogenen Phänomenkomplex der Machtmotivation konnte aus den Studien abgeleitet werden, die sich mit der Tendenz einer Hemmung von Machtimpulsen befassten. Hieraus wurden zwei Machttypen unterschieden: die personalisierte und die sozialisierte Machtonentierung. Die erstere ist ungehemmt und eigennützig auf die Stärkung der eigenen Position gerichtet, andere zu beeinflussen, zu kontrollieren oder zu zwingen, dabei die eigene Stärke zu erleben und Genuss zu empfinden. Dies ist ethisch die sicherlich problematische Seite der Machtmotivation. Eine sozialisierte Machtorientierung ist hingegen durch eine starke Hemmungstendenz charakterisiert und ist darüber hinaus fremddienlich, die Machtausübung soll Anderen nutzen. Diese Machtmotivation wäre mithin eher positiv zu bewerten, und sie kennzeichnet die für Management und Führung von und in Organisationen notwendige und angemessene institutionalisierte Macht, sie im Dienste der Institution zu gebrauchen. Das Problem der schwachen und heterogenen Machtmotivationskorrelate bleibt dennoch bestehen und wird verständlich, wenn man zu den Verhaltensäußerungen bei aller Unterschiedlichkeit das Gemeinsame herausfiltert: das Gefühl der Macht, Stärke, Bedeutung und Wichtigkeit. Nicht die wirkliche Macht, nicht die tatsächlichen Machtmittel oder die reale Machtausübung, sondern lediglich der Zustand des "Sich-groß-und-mächtig-Fühlens" ist der ausschlaggebende Aspekt der Machtmotivation! Dieser innere Zustand ist der eigentliche Anreiz, den die hoch machtmotivierte Person erstrebt. Um dies auszudrücken, hat McClelland (1975) sein wichtigstes Buch zur Machtmotivation tituliert: "Power. The Inner Experience". Natürlich lässt sich diese innere Befindlichkeit gut über erfolgreiche Einflussnahme herbeiführen. Ähnliches können immerhin auch ein Rauschzustand oder Phantasien bewirken. McClelland betont, Führungskräfte müssten über ein starkes Machtmotiv verfügen, das man allerdings durch Sozialisation erlernen könne, also im Prozess der Einordnung in die Gesellschaft. Der Wille zur Macht entwickelt sich beginnend in der Kindheit des Menschen (vgl. McClelland 1978j S. 36). In dieser ersten Phase der Persönlichkeitsentwicklung wird er fremdkontrolliert, die Stärke wirkt auf den Menschen von außen durch andere Personen bzw. Bedingungen: die Führungsperson ernährt, schützt und stärkt den Machtunterlegenen. In der zweiten Phase gewinnt der Mensch Macht über sich selbst und wird unabhängig. In der dritten Phase geht es um die Beherrschung Anderer, die Willensdurchsetzung und der Wettkampf stehen im Vordergrund. In der reifen vierten Phase wird die Macht der Gemeinschaft und den geltenden Gesetzen unterworfen, wegleitend sind jetzt Prinzipientreue, Pflichtgefühl und Zusammengehörigkeit.
Status- und Prestigemotiv
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Das Machtmotiv ergänzt bei Führungskräften das Leistungsmotiv, um Motivation zur Leistung zu bewirken (vgl. Hentze et al. 2005, S. 120 ff.), Eine Person, die sich selbst zutraut, die Umwelt beeinflussen zu können, wird dies tatsächlich viel häufiger und wagemutiger versuchen als jemand, der sich von seiner Umwelt beeinflussen lässt . Das Dominanzstreben ist bestimmend für hervorragende Leistungen im Beruf. Diese Leistungen sind allerdings nicht Individualleistungen, sondern Geschehnisse, die aus der Einflussnahme, Einwirkung, Beherrschung, Manipulation der Umwelt resultieren. Das Dominanzstreben spielt wahrscheinlich eine außerordentlich wichtige Rolle für den beruflichen Erfolg. Dies gilt insbesondere für Tätigkeiten, bei denen Initiative oder Kreativität wichtig sind; in routinemäßigen oder stark beaufsichtigten Tätigkeiten wird ein dominanzmotivierter Mensch frustriert.
5.5
Status- und Prestigemotiv
Eines der extrinsischen Motive, die aus den Begleitumständen der Arbeit befriedigt werden, kommt aus dem Wunsch nach Achtung, Geltung, Wertschätzung. Das Statusmotiv beruht auf dem Streben nach Differenzierung. Man will das eigene Ich deutlich von allen anderen abheben. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von den ichbezogenen Bedürfnissen. Prestige ist keine selbst verliehene Eigenschaft, sondern erwächst aus dem Verhalten anderer (vgl. Gellermann 1973, S. 178 ff.). Die von den anderen Menschen erwarteten Verhaltensweisen sind dazu geeignet, der eigenen Person Ansehen, Bedeutung, Achtung, Ruhm zu verschaffen. Die Menschen streben zeit ihres Lebens in verschiedenster Weise nach Ansehen und Wertschätzung. Ein gewisses Maß an Prestige ist allein durch ihre Herkunft bedingt; die Gesellschaft besitzt grobe Auffassungen über das mit einer bestimmten Herkunft verbundene angemessene Prestige. Viele Menschen sind mit diesem verliehenen Prestige unzufrieden, und unter Umständen ist ihr ganzes Leben durch das beständige Streben nach dem Aufstieg in höhere soziale Schichten gekennzeichnet. Die Statusmotivation liefert dann starke und fortwährende Beweggründe für die persönliche Entwicklung, insbesondere für das berufliche Streben. Das Bedürfnis nach Prestige richtet sich darauf, ein Niveau zu erreichen, das der einzelne für sich selbst als angemessen erachtet. Weil Prestige von anderen verliehen wird, strebt und erwartet eine statusmotivierte Person, von den anderen entsprechend behandelt zu werden. Diese Erwartung drückt sich häufig darin aus, dass sie sich mit Statussymbolen umgibt, an denen die anderen Menschen ablesen können, wie viel Ehrerbietung sie von ihnen erwartet. Statusmotivation erwächst aus der Erkenntnis, dass man in unangemessenen Verhältnissen lebt. Das schwach statusmotivierte Individuum wird seine Ansprüche auf persönliche Wertschätzung aufgeben, während die stark geltungsmotivierte Person um ihre Verwirklichung kämpft. Statusmotivierte Menschen bemühen sich in ihrem Streben vielfach um rein äußerliche Formen des Ansehens statt um persönliche Großartigkeit, die stillschweigend Prestige gebietet. Dies ist wohl der Grund dafür, dass man sich über dieses Motiv manchmal lustig
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Inhaltliche Klassifikation angestrebter Zielzustände
macht. Es fällt den Menschen auch häufig schwer, sich auf einem neuen Statusniveau, das ihnen das erwartete Prestige gewährt, sicher zu fühlen, selbst nachdem sie sich bereits ziemlich fest und sicher etabliert haben. Daraus resultiert das Streben nach noch größerem Prestige so lange, bis sie ein weiteres Steigen als unwahrscheinlich ansehen. Statusmotivierte Menschen findet man meist in beruflichen Laufbahnen, die potenziell hohe Einkommen, eindrucksvolle Karrieren und angesehene Positionen ermöglichen. Das Motiv findet sich mehr bei jüngeren Menschen; ältere haben entweder einen befriedigenden Rang erreicht oder sich mit ihrem derzeitigen Ansehen arrangiert.
5.6
Sicherheitsmotiv
Das Sicherheitsmotiv kennzeichnet das Bestreben, sich vor Risiken und Bedrohungen zu schützen. Menschen möchten sich gegen tatsächliche und vermutete Gefahren und Hindernisse sichern, welche die Erfüllung und Wünsche ihres Lebens beeinträchtigen würden. Das Motiv zeigt sich auf vielen Gebieten, es wird oft bewusst wahrgenommen, bleibt vielfach aber auch unbewusst. Das bewusste Drängen nach Sicherheit richtet sich nach zwei Richtungen. Zum einen geht es um den materiellen Schutz vor erkennbaren Risiken des Alltags; Beispiele sind ein vor Kündigung geschütztes Arbeitsverhältnis, gewährleistete Sozialleistungen, Sparen oder Versicherungsschutz. Als negativ motivierend beeinträchtigen solche tatsächlichen oder auch nur befürchteten Eingriffe längerfristig Leistung und Zufriedenheit. Staatliche bzw. öffentliche Verwaltungen oder manche Branchen gelten als Arbeitgeber, welche dem materiellen Sicherheitsstreben in hohem Maße entsprechen können. Die bewussten Sicherheitsmotive fungieren allerdings auch nur selten als Antrieb des Handelns. Man kann zwar z. B. durch Sozialleistungen positive Einstellungen erzeugen, diese wirken allerdings kaum motivierend. Ein immaterielles Streben nach Sicherheit äußert sich in dem Verlangen, Kenntnis über den eigenen Standort zu erlangen, zu erfahren "woran man ist"; psychisch verunsichernd ist z. B., zurückgesetzt oder übergangen zu werden. Für diese Ausformung des Sicherheitsmotivs ist insbesondere wesentlich die Rückmeldung von Anderen. Dies gilt nicht nur für das unmittelbare Tun insbesondere durch den Vorgesetzten, sondern auch über das Umfeld eines jeweiligen Arbeitsplatzes. Vielfach wird von Mitarbeitern die unzureichende Information beklagt zu unternehmerischen Erfolgen oder geschäftlichen Plänen, betriebswirtschaftliehen Ergebnissen und technischen Neuerungen, strategischen und vor allem organisatorischen und personellen Veränderungen. Eine häufige und planmäßige Mitarbeiterinformation mit der weitgehenden Offenlegung von Resultaten und Absichten dient dem Sicherheitsbedürfnis. In entgegengesetzte Richtung zu Unsicherheit wirkt das immer öfter auftretende Mobbing. Als Auslöser eines Mobbingprozesses wurden organisations-, gestaltungs- und leistungsbedingte Faktoren identifiziert, die Stress und Konflikte auslösen (vgl. Bröckermann 2000,
Sicherheitsmotiv
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S. 326 f.). Auf einzelne Mitarbeiter oder Gruppen fokussiert werden diese darin behindert, gesetzte Ziele zu erreichen, und zermürbt, indem bewusst belästigende Handlungen und Konflikte initiiert werden. Typische Mobbinghandlungen sind aggressive Kommunikation (unterbrechen, ständige Kritik, Andeutungen, Drohungen), Angriffe auf soziale Beziehungen (Kontaktentzug, Isolation), Attacken auf das soziale Ansehen (falsche Gerüchte, kränkende Beurteilung, beschimpfende Ausdrücke), Angriffe auf die Qualität der Berufs- und Lebenssituation (keine, sinnlose, überfordernde oder ständig neue Aufgaben) sowie gesundheitsschädliche Handlungen (vgl. ebd.) . Die ökonomische Dimension des Mobbingphänomens ist gewaltig. Ein Phasenmodell des Mobbing, das den Verlauf des Mobbingprozesses von der unethischen Kommunikation oder einzelnen Unverschämtheiten über die Ausgrenzung der betroffenen Person aus der Gruppe, wegen des dadurch bewirkten Leistungsabfalls arbeitgeber- oder vorgesetztenseitig schuldzuweisenden Auseinandersetzungen bis hin zum arbeitsrechtlichen Streit des in einen kritischen Zustand gelangten Mitarbeiters beschreibt, bietet dem Management den Ansatz für vorbeugende und eindämmende Interventionen (vgl. Neuberger 1999, S. 94 ff .). Neben der bewussten Motivwahmehmung kann noch ein weitgehend unbewusstes Sicherheitsmotiv zutage treten, dieses ist weniger deutlich und schwieriger erkennbar. Das auch als Vermeidungsstreben bezeichnete Motiv (vgl. McClelland 1999, S.373-41O) richtet sich darauf, möglichst nur Situationen zu begegnen, welche Versagen, Ablehnung, Misserfolg oder Machtverlust möglichst unwahrscheinlich machen. Manche Menschen haben die Erfahrung gemacht, dass ihre Umwelt unberechenbar und nicht gestaltbar ist, sie haben deshalb wenig Vertrauen in sich selbst, ihr Leben bewusst beeinflussen zu können. Daher wird ihre Entwicklung weitgehend durch die Umstände, Traditionen oder die Wünsche anderer bestimmt. Darin sehen sie jedoch nichts Außergewöhnliches und finden es völlig natürlich. Das Sicherheitsstreben äußert sich darin, dass sie sich an "starke" Personen anlehnen, die ihnen ein relativ ungestörtes Leben zu garantieren scheinen. Der durch dieses Motiv beeinflusste Mensch wird auch in einer schwierigen Situation kaum verzweifeln, nicht nur aufgrund seiner Erfahrungen, dass das Leben wenig kontrollierbar ist, sondern auch aufgrund seiner Unfähigkeit zu glauben, dass sich die Dinge nicht immer von allein zum Besten wenden. Er sieht seine Umwelt als eine wohlwollende, tolerante Umgebung an, die sich geflissentlich seinen Bedürfnissen anpasst; irgendwie erreicht er es auch, dass die anderen Menschen seinen Erwartungen entsprechen. Ein solcher Mensch liefert sich gleichsam der Gnade seiner Umgebung aus und ist dabei entweder von dem Gefühl der Sinnlosigkeit persönlicher Initiative oder dem erhabener Sicherheit erfüllt. Eine überschaubare und schutzbietende Arbeitsumgebung entspricht seinem Bedürfnis. Diese unbewusst sicherheitsmotivierte Person ist meist sehr beliebt. Sie ist geduldig, beklagt sich selten, behält gewöhnlich ihre gute Laune und gibt den anderen nicht das Gefühl, sie müssten sich gegen sie verteidigen. Man ist gern in ihrer Nähe, erwartet keine hervorragenden Leistungen und beanstandet daher selten ihre Arbeit. Die Befriedigung des unbewussten Sicherheitsmotivs geschieht durch eine Atmosphäre, die durch nachsichtige und beschützende Behandlung gekennzeichnet ist.
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Inhaltliche Klassifikation angestrebter Zielzustände
Das Sicherheitsmotiv verhindert sicherlich bei vielen Menschen die vollständige Aktivierung ihrer Fähigkeiten. Es bietet jedoch oft ziemlich angenehme Möglichkeiten der Motivbefriedigung und ist aus dieser Sicht verständlich. Wohl jeder Mensch besitzt in bestimmtem Umfang Sicherheitsmotive. Ein schwach ausgeprägtes Motiv kann durchaus durch Ereignisse wie etwa eine längere Pechsträhne aktiviert werden. Andererseits ist es möglich, dass ein sicherheitsmotivierter Mensch dazu kommt, aus anderen Motiven mehr Befriedigung abzuleiten.
5.7
Geldmotiv
Menschen arbeiten, um Geld zu verdienen, um dadurch Einkommen zu erzielen. Dieser Aussage wird man grundsätzlich folgen, sie ist jedoch nicht eindeutig und nicht ausreichend. Dass Geld immer motivierend und leistungssteigernd wirkt, ist eine widerlegte Annahme (vgI. Bass 1965, S. 81). Geld bedeutet nämlich für verschiedene Menschen Verschiedenes. Das Geld besitzt bei näherer Betrachtung ein wichtiges Merkmal: Geld ist ein Symbol. Daraus erklärt sich, dass es selten ein eigenständiger Motivator ist, sondern wahrscheinlich meistens dazu dient, andere sich hinter dem Geldmotiv verbergende Motive zu befriedigen. Wann dies der Fall ist und wann nicht, ist oft schwer zu erkennen. Das Geld kann fast jeden anderen Wert symbolisieren, den die Menschen gerade für erstrebenswert halten. Ökonomisch betrachtet hängt sein Wert davon ab, was dagegen eingetauscht werden kann. Neben dieser rationalen Funktion als monetärer Maßstab, der für alle Güter gilt, kann es Leistung, Prestige, Macht oder Sicherheit repräsentieren; seine rationale Funktion wird von bedeutsamen irrationalen Komponenten überlagert. Das Geldmotiv lässt sich überhaupt nur dann erklären, wenn man sich der Doppelrolle des Geldes als Repräsentant materieller und emotionaler Werte bewusst ist (vgI. Schanz 2000, S. 579 ff.). Je nachdem, welche Werte ein Individuum für sich selbst in Geld verkörpert sieht, wird es bei entsprechenden Wertdefiziten Gelderwerb anstreben oder, falls solche Defizite nicht empfunden werden, dies nicht tun. Geld als reiner Vermittler materieller Werte ist als Anreiz nur begrenzt effizient, seine vielfache Bedeutung als Motivator resultiert daraus, dass es andere als ökonomische Ziele zugänglich machen und viele andere Ziele als Substitut symbolisieren kann. Vordergründig und rein ökonomisch kann das Geld zwei Verwendungszwecken dienen: Konsum und Sparen. Hinter dieser Differenzierung der Verwendung können bereits wieder symbolhafte, irrationale Ziele stehen. Konsum bedeutet die Gestaltung des jetzigen Daseins. Sparen eines Teils der Einkünfte steht für die Erwartung, dass man dadurch eine Verbesserung des zukünftigen Daseins erreichen kann. Wenn es möglich erscheint, das zukünftige Wohlergehen zu beeinflussen, wird Geld das Instrument zur Erreichung zukünftiger Wünsche. Das Geld kann seine symbolisierende Wirkung allerdings nur ausüben, wenn überhaupt die Möglichkeit der Befriedigung nichtfinanzieller Anreize mittels Geld besteht. Wenn indessen die Umwelt die Möglichkeit, beispielsweise Macht und Status zu erlangen, nicht bietet, ist es unsinnig, mit Geld danach zu streben; ein Mensch, der sich immer der Gnade seiner Umwelt ausgeliefert fühlt, wird mit dem Geld kaum sein Bedürfnis nach Sicherheit befriedigen können. Wenn die Voraus-
Geldmotiv
81
setzungen zur Erlangung symbolisierter Ziele nicht gegeben sind, dann verbleibt dem Geld lediglich eine rein ökonomische (Konsum-)Funktion. Die Stärke des Geldmotivs ist abhängig von den Erwartungen über die Möglichkeiten des künftigen Daseins. Dies gilt sowohl für materielle als auch emotionale Bedürfnisse. Die Stärke des Motivs zeigt sich einerseits darin, Ersparnisse zu erlangen, und andererseits in der Einstellung zum Geld (vgl. Gellermann 1973, S. 189 ff.). Menschen, die keine Ersparnisse haben und eine unsichere Zukunft erwarten, besitzen ein schwaches Geldmotiv. Die Mitarbeiter eines Unternehmens, das einer "Durststrecke" entgegensieht, werden auf ein höheres Einkommen verzichten oder sogar eine niedrigere Bezahlung akzeptieren, um ihren Arbeitsplatz zu erhalten. Ein starkes Geldmotiv äußert sich in einem besonders geldmotivierten Verhalten und einer starken Neigung zum Sparen. Eine Person, die zwar keine Ersparnisse hat, jedoch positive Zukunftserwartungen, zeigt dies in großen Leistungsanstrengungen und ist stark geldmotiviert wegen der Chance, durch aus dem erhöhten Einkommen mögliche Ersparnisse das zukünftige Dasein entscheidend verbessern zu können. Diese geldmotivierte Einstellung findet man vielfach bei jungen Menschen, die ihre Ausbildung beendet haben und in das Berufsleben eintreten. Die Aussichten werden als äußerst attraktiv eingestuft, die Menschen sind geradezu "verrückt nach Geld"; ihr Streben ist rein ökonomisch orientiert. Die Bedarfsdeckung mit materiellen Gütern und die gewonnenen Ersparnisse lassen das Geld noch attraktiver werden; das Geldmotiv nährt sich aus sich selbst. Die Anziehungskraft des Geldes kann eine mehr oder weniger lange Zeit vorherrschen. Sie beginnt nachzulassen, wenn die materiellen Wünsche zunehmend befriedigt sind und sich die Auffassung durchsetzt, dass man ein ausreichendes Einkommen hat, das Geld verliert dann seine vorherrschende Bedeutung. In anderer Weise ist das Geldmotiv ausgeprägt bei einern Individuum, das zwar Ersparnisse besitzt, aber keine optimistischen Erwartungen hinsichtlich der Beeinflussbarkeit seines zukünftigen Daseins hat. Die Sicherung des derzeitigen Lebens ist das vorrangige Streben, nicht der risikobehaftete Einsatz der vorhandenen Mittel. Die Geldanreize müssen schon beträchtlich sein, wenn das Individuum sie überhaupt als Verbesserung seines Daseins ansieht. Die jetzige Konstellation wird ihm als die akzeptabelste und angenehmste erscheinen. Das Entgelt ist wenig zur Motivation geeignet, und trotzdem ist es wichtig: unzureichendes Entgelt führt zu einer Arbeitsunzufriedenheit, die mit keinem anderen Anreiz ausgeglichen werden kann. Es ist jedoch kein Motivator (vgl. Herzberg 1971, siehe 6.4 und 6.5), und - darauf sei warnend hingewiesen - deshalb vermag kein Entgeltanreizsystem längerfristig Handlungen bzw. Leistungen attraktiv zu machen, die im Widerspruch zu persönlichen Zielen der Menschen stehen (vgl. Bröckerrnann 2000, S. 138). Solche "Motivation" wäre eher Manipulation und würde zum Lückenbüßer für den Sinn der Arbeit verkommen. Wirksamer ist die Suche nach Möglichkeiten, Selbstbestätigung, Leistungserfolg und Anerkennung auf andere Weise auszudrücken. Ansprechende Arbeitsaufgaben und inhalte bieten, Verantwortung delegieren, und auch Beförderungen und dem Aufstieg den Weg ebnen, sind der wirksamere Weg. Für den Außendienst und bei flachen Hierarchien für andere Beschäftigte, wenn Beförderungen und Aufstieg kaum zu verwirklichen und
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Inhaltliche Klassifikation angestrebter Zielzustände
wo der Leistungserfolg sich vor allem in monetären Größen ausdrückt, gilt das eingeschränkt, sofern Leistung, Wertschätzung und Selbstachtung durch das Entgelt anerkannt werden. Die symbolische Rolle lässt sich besonders bei hohen Einkommen feststellen. Infolge der Steuerprogression ist nur der kleinere Teil des Einkommens überhaupt verfügbar. Spitzengehälter werden nicht wegen des Geldes gezahlt, sondern stehen eher symbolisch für die zugeschriebene Kompetenz, Leistungserfolg und den Status. Diese Zuerkennung wird als Auszeichnung empfunden, die die eigene Tüchtigkeit und Überlegenheit bestätigt. Der Bezieher eines hohen Einkommens strebt in einem subjektiven "Spiel" die Erreichung einer selbst vorgegebenen "Punktzahl" an, die seiner Vorstellung von einer angemessenen Auszeichnung entspricht. Die Auszeichnung wird für andere sichtbar, dass er sich mit Statussymbolen umgibt. Schließlich gibt es noch den rein geldmotivierten Menschen. Dieser fortwährend geldmotivierte Mensch, der chronisch nach Geld strebt, ist nicht so häufig, wie meist angenommen wird. Er darf nicht verwechselt werden mit dem Individuum, für das nach der weitgehenden Befriedigung seiner materiellen Wünsche das vorher primäre Geldmotiv sekundär wird. Der Mensch mit "reinem" Geldmotiv ist vielfach ein Individuum, das eine unfreundliche und raue Umwelt erfahren hat. Er hat erlebt, dass Erfolge - zwangsläufig - allein durch eigenes zupackendes Handeln erzielt werden können und dass man niemandem trauen kann. Dieser rein geldmotivierte Mensch ist sparsam und bescheiden, die ständige Beschäftigung mit dem Geld gibt ihm vorrangige Befriedigung. Er ist einzig bestrebt, sein Vermögen zu maximieren, ist kaum optimistisch und gefiihlsarm und mag auch das Geld nicht zur Erfüllung anderer Bedürfnisse ausgeben. Solch eine geldmotivierte Person empfindet das Geld als ein Symbol der Liebe und der Sicherheit; aufgrund seiner Erfahrungen erhofft sie nicht, dass andere Menschen ihm diese Bedürfnisse befriedigen. Weil die Sehnsucht danach jedoch fortwährend besteht, bleibt das Streben nach dem Geld als dem hierfür äußeren Symbol stets vorrangig. Geld wird dann im Kontrast zu Menschen als etwas angesehen, das nicht enttäuscht und nicht zurückstößt. Die symbolische Bedeutung des Geldes ist für den verbissenen, einzig vom Streben nach Geld getriebenen Menschen die idealisierte Form der "Mutter", die liebt, beschützt und beständig ist. Das Geldmotiv ist sicherlich der schwierigste, differenzierteste Beweggrund des Menschen. Es wird erkennbar, dass die Ausprägung des Geldmotivs bei den einzelnen Menschen eine Funktion ihrer Lebensgeschichte ist. Die Komponenten, welche die Einstellung zum Geld bestimmen, sind die frühere Umwelt, die Ausbildung, die verschiedenen anderen Motive, die zukünftigen Erwartungen und die gegenwärtigen Ersparnisse. Die Bedeutung des Gel-des ergibt sich daraus, dass es ein Symbol ist und keine eigene inhärente Bedeutung besitzt. Es ist jenes extrinsische Motiv, dem die Menschen jeden beliebigen irrationalen Sinn zumessen können.
6
Motivinhaltliche Strukturen
Die differenzierte Motivstruktur des Menschen resultiert weitgehend aus den Erfahrungen in der sozialen und gesellschaftlichen Umwelt. Die Motive werden jedoch nicht nur von der Umwelt beeinflusst, sondern durch bestimmte Reizkonstellationen - die Anreize kurzfristig aktiviert. Durch gezielte Vorgabe von Anreizen kann erreicht werden, dass ein Individuum häufiger und intensiver durch sein Verhalten die Befriedigung bestimmter Motive sucht. Die Motivation der Mitarbeiter am Arbeitsplatz ist Gegenstand der praktischen Anwendung der Motivationstheorie. Es geht dabei um die Fragen der Ansprache einzelner Motive, der Anwendung positiver oder negativer Motivation und der Wirksamkeit der einzelnen Motivationsfaktoren.
6.1
Motivations- und Führungsziele
Ein Betrieb ist einerseits eine Leistungsstruktur, zum anderen eine Sozialstruktur. Die Aufgabe der Leistungsstruktur ist, Güter oder Dienstleistungen bereitzustellen. Die Sozialstruktur muss den Bedürfnissen der Menschen in der sozialen Organisation Rechnung tragen. Korrespondierend mit den herausgearbeiteten Effektivitätskriterien der Führung (siehe Kap. 1, 3.4) gilt es, im Betrieb Bedingungen zu schaffen, damit - zunächst - zwei Ziele angestrebt werden können (vgl. Staehle 1999, S. 235 ff.): •
Leistung bzw. Aufgabenerfüllung und
•
Zufriedenheit der Menschen.
Die Führung von Gruppen erstrebt außerdem das Ziel der •
Kohäsion.
Die Motivation muss die benannten Ziele gleichberechtigt verfolgen. Die Beziehungen zwischen den Zielen beinhalten jedoch eine gewisse Problematik. Eine Unternehmung hat nur dann ihre Existenzberechtigung, wenn sie Gewinn erwirtschaftet; andere Institutionen - z. B. die öffentliche Verwaltung, ein Klinikum oder die Gewerkschaft - unterliegen hinsichtlich der Erstellung ihrer Leistungen dem formalen Prinzip der Wirtschaftlichkeit. Die Leistung ist dabei keineswegs Selbstzweck der Organisation, sondern dient menschlichen Bedürfnissen: denen der Mitarbeiter, deren Schicksal bis zu einern gewissen Grade mit der Organisation verbunden ist, und denen der Gesellschaft, deren Bedarf an Gütern und Dienstleistungen gedeckt wird. Die Annahme, dass die Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter direkt auf deren Arbeitszufriedenheit zurückführbar ist, wurde mit sozialpsychologischen Untersuchungen widerlegt, was auch mit der Erwartungs-Valenz-Theorie (siehe 7.1) korrespondiert. Der Zusammenhang ist komplexer, Arbeitszufriedenheit ist abhängig von
K. F. Withauer, Führungskompetenz und Karriere, DOI 10.1007/978-3-8349-6580-6_7, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Motivinhaltliche Strukturen
1. der Höhe der gerade erfolgten oder erwarteten Motivbefriedigung (E) und
2. der Wertigkeit des Handlungsergebnisses (V). So wird eine gerade geschehene oder anstehende Beförderung einen aufstrebenden Mitarbeiter sehr zufrieden stellen; eine zugesagte Gehaltserhöhung, die indes zu leistungsgleiehen Kollegen geringer ausfällt, dürfte nicht als niveaugerecht und kaum zufriedenstellend empfunden werden. Die Leistungsbereitschaft stellt quasi die "Investition" des Mitarbeiters dar, die Arbeitszufriedenheit ist ein wesentlicher, immaterieller Teil seiner "Rendite". Es wäre zudem für einen Betrieb sicherlich fragwürdig, wenn gute menschliche Beziehungen in erster Linie als "Mittel zum Zweck" betrachtet würden, tun die betriebliche Leistung zu steigern (vgl. Staehle 1999, S. 258). Wenn die Menschen ein derartig berechnendes Verhalten spüren, dürfte eine vertrauensvolle Zusammenarbeit kaum anzunehmen sein. Gute Beziehungen sollen ausschließlich um ihrer selbst hergestellt werden, weil jeder Mensch auf alle Fälle verdient, dass man ihn mit der gebührenden Achtung behandelt. Es wäre nun allerdings utopisch, wenn man von den Betrieben in einem marktwirtschaftlichen System annehmen würde, dass sie Maßnahmen ergreifen, die die Menschen zufriedener machen, nicht jedoch gleichzeitig der Leistung dienen. Die ökonomischen Auswirkungen unternehmerischer Maßnahmen dürfen keinesfalls das Bestehen der Unternehmung gefährden. In der freien Marktwirtschaft sind die Unternehmungen in ihren Handlungsweisen autonom, auf der anderen Seite haben sie keinen Anspruch darauf, dass andere, insbesondere staatliche Instanzen ihnen das Risiko des Misslingens ihrer Maßnahmen abnehmen. Daraus ergibt sich, dass Leistung und Zufriedenheit die Komponenten eines Zielsystems der Motivation sein müssen, für deren Erreichung Simultaneität und Komplementarität zu gelten hat. Die stärkere Humanisierung der Wirtschaft, die Auffassung, dass eine Führungskraft eigentlich keine "Untergebene" hat, denen sie ihren Willen aufzwingen könnte, sondern "Mitarbeiter" (Mit-Arbeiter), die sie zu überzeugen und mitzureißen sucht, ist heute wesentlicher Bestandteil moderner ManagementKonzeptionen. Man sieht im Mitarbeiter eine "Individualität" und eine "Persönlichkeit", dessen Aufgabe so zu gestalten ist, dass in deren Erfüllung Leistung und Zufriedenheit impliziert sind. Die Anreize sollten so gewählt werden, dass sie der Zufriedenheit und der Leistung dienen.
6.2
Individuelle Arbeitsmotive
Die wesentlichen methodischen Vorgehensweisen der Motivanalyse sind Introspektion, das Gespräch, Fremdbeobachtung und Analyse der Verhaltensergebnisse. Sie finden selbstverständlich Anwendung, wenn die Arbeitsmotive analysiert werden sollen. Die Ermittlung der Arbeitsmotive anderer wird sich der drei letzteren Methoden bedienen. Die Beobachtung der Mitarbeiter am Arbeitsplatz kann häufig Aufschluss über die Arbeitsmotivation bieten. Dabei müssen Situation und Verhalten miteinander in Beziehung
Hierarchie der Bedürfnisse
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gesetzt werden. Kommt es beispielsweise im Zusammenhang mit organisatorischen Neuerungen -, deren Notwendigkeit unbestritten ist, - zu steigenden Fehlzeiten, Zusp ätkommen, der Bildung von Cliquen oder verminderter Leistung, ist eine Unzufriedenheit offensichtlich. Im gemeinsamen Gespräch kann man möglicherweise diese Unzufriedenheit mindern und abbauen, gegebenenfalls muss die Entscheidung über die Neuerung revidiert werden. Verhaltensergebnisse sollten auf die zugrunde liegende Motivationsstruktur analysiert werden; auch hier ist der Bezug zur Situation festzustellen. Motivationale Beweggründe liegen zugrunde, wenn erhöhter Ausschuss entsteht, die Fluktuation steigt, Kundenreklamationen zunehmen, die Leistung sich erhöht, häufiger Verbesserungsvorschläge eingereicht werden u. Ä. Die Analyse muss die Ursachen der Verhaltensergebnisse sehr sorgfältig feststellen; z. B. könnte die Leistungserhöhung die Folge einer technischen Rationalisierung sein.
Selbst-Check 7: (Fallstudie) Ein Großunternehmen der technischen Branche verliert laufend die im Hause ausgebildeten qualifizierten Facharbeiter unmittelbar nach der Ausbildungszeit an umliegende Kleinbetriebe - an die es dann auch noch mangels eigener Kapazität kostspieligere Lohnaufträge vergeben muss. Auf welche Motive der Facharbeiter könnte diese Fluktuation zurückzuführen sein?
(Antwort am Ende des Buches) Die Introspektion kann man sich durch Gespräche und Umfragen zunutze machen. Das Einstellungsgespräch, das regelmäßig geführte Mitarbeitergespräch oder Betriebsumfragen können die individuellen Arbeitsmotive der Mitarbeiter aufhellen. Dabei werden wichtige Probleme der Organisation unter dem Blickwinkel der in ihr arbeitenden Menschen dargestellt. Die Aktivierung von Motiven geschieht durch Anreize aus der Umwelt. Die Situation, insbesondere der Arbeitsplatz, bestimmt weitgehend mit, welche Arbeitsmotive überhaupt wirken können. Deshalb ist die Motivationsstruktur, die man bei einem Menschen feststellt, nicht unabänderlich. Die Erfahrung zeigt, dass eine andere Arbeit bzw. eine Umorganisation der Arbeit (vgl. Staehle 1999, S.633) eine Veränderung der Motivstruktur bei den Menschen zur Folge hat. Die Gestaltung der Arbeit und die Stellung von Aufgaben kann deshalb bewusst im Sinne der Motivation erfolgen. Aus der Dynamik der Motive ergibt sich, dass man die Arbeit so organisieren sollte, dass eine Vielzahl menschlicher Motive wirksam werden kann (vgl. v. Rosenstiel2003; ders. 2009a, S. 174-176).
6.3
Hierarchie der Bedürfnisse
Der Mensch kann zahlreiche Motive besitzen. Die Darstellung der Motive des Individuums hat gezeigt, welche vielfältigen Gegebenheiten ihre Entwicklung bedingen und wie vielgestaltig Motive erlebt werden. Die wissenschaftliche Psychologie hat sich daher auch noch nicht auf eine einheitliche, akzeptierte Theorie der Motivation einigen können. In der
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Motivinhaltliche Strukturen
Organisationspsychologie und später auch in der Betriebswirtschaftslehre hat besondere Beachtung gefunden das Modell von A. H. Maslow (vgl. Maslow 1981) der fünf hierarchisch geordneten besonders wichtigen Motive nach Bedürfnisebenen: •
Stufe 1: Physiologische Bedürfnisse
•
Stufe 2: Bedürfnisse nach Sicherheit
•
Stufe 3: Bedürfnisse nach Bindung, Kontakt
•
Stufe 4: Bedürfnisse nach Wertschätzung/Selbstachtung
•
Stufe 5: Bedürfnisse nach Selbstverwirklichung
In seiner idealtypischen Klassifikation geht Maslow davon aus, dass die menschlichen Grundbedürfnisse in einer relativen Vorherrschaft geordnet sind, die in Abhängigkeit von der Persönlichkeitsentwicklung nach Befriedigung verlangen. Eine Hierarchie der Bedürfnisse ergibt sich daraus, dass nach Maslow eine Bedürfnisschicht erst dann an Bedeutung gewinnt, wenn die darunter liegenden Bedürfnisschichten annähernd befriedigt sind. Jede Bedürfnisschicht besteht aus einer breiten Palette von Einzelmotiven. Nach dieser Auffassung ist das jeweils niedrigere Motiv das wichtigste, solange es unbefriedigt ist. Werden die Bedürfnisse einer Ebene befriedigt, erhalten die Motive der nächsthöheren Ebene Bedeutung. Die Bedürfnisse einer Ebene werden neben den zweifellos latent bestehenden Bedürfnissen anderer Ebenen als so dominierend erlebt, dass sie befriedigt werden müssen. Maslow charakterisiert in einer weiteren Unterscheidung die vier unteren Bedürfnisschichten als Defizitmotive, für sie gilt, dass sie für einen gewissen Zeitraum weitgehend befriedigt werden können und während dessen für die menschliche Wahrnehmung bzw. das Verhalten nicht mehr erheblich sind. Das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung dagegen zählt Maslow zu den Wachstumsbedürfnissen, die auf die Entfaltung der im Menschen liegenden Möglichkeiten ausgelegt sind. Der untersten Ebene der physiologischen Motive sind die Bedürfnisse körperliches Wohlbefinden, Hunger, Durst, Sexualität, Gesundheit, Bequemlichkeit zuzurechnen (vgl. Backes 1970, S. 20 f.; Scholz 2000, S. 878). Das Gefühl des Hungers z. B. erregt das Bedürfnis nach Nahrungsaufnahme und gibt den Anstoß, dass der Mensch sich bemüht, Nahrung zu erhalten; ist kein Hungergefühl vorhanden, so heißt das, der Mensch hat keinen Hunger, dieses Bedürfnis ist befriedigt. In ähnlicher Weise werden andere Motive als Mangel oder Befriedigung erlebt. Beim Vorherrschen physiologischer Motive können Anreize ausgehen vom Gehalt, der Gestaltung des Arbeitsplatzes, der Urlaubsregelung, von vollklimatisierten Räumen, verbilligten Einkaufs- oder Wohnrnöglichkeiten, Hilfe bei der Wohnungsbeschaffung, dem Mittagstisch einer Kantine, ärztlicher Betreuung. Physiologische Motive können aber auch im privaten Bereich aktiviert werden, z. B. durch befriedigende familiäre und eheliche Verhältnisse, angenehme Wohnung, sportliche Betätigung. Die Motive der zweiten Stufe sind die Bedürfnisse nach Sicherheit und Sicherung. Sobald die physiologischen Bedürfnisse einmal befriedigt sind, richtet sich das Interesse darauf, inwieweit diese Befriedigung auch zukünftig gegeben ist. Das Streben richtet sich auf materielle Sicherheit, Gesundheit, Altersvorsorge u. Ä. Kennzeichnend für Sicherheitsbe-
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Hierarchie der Bedürfnisse
dürfnisse ist, dass verstandesmäßig entschieden wird, ob das Bedürfnis besteht und befriedigt werden muss oder ob es nicht besteht. Im immateriellen Bereich gibt das Streben nach Informiertsein ein Gefühl der Sicherheit. In einer Unternehmung oder ähnlichen Organisation resultiert die Befriedigung des Sicherheitsbedürfnisses aus dem Vertrauen in die Zukunft der Institution, Schutz und Sicherung der Gesundheit, der Sicherheit des Arbeitsplatzes, Zusagen der Alterssicherung, aus dem Status und den Kompetenzen, vor allem aber guter Information zu geschäftlichen Ergebnissen und Erwartungen. Außerhalb des Betriebes trägt die familiäre Geborgenheit sicherlich ebenfalls zur Befriedigung von Sicherheitsbedürfnissen bei. Abbildung 6.1
Hierarchie der Bedürfnisse (Quelle: Maslow 1981, S. 35 ff.)
zunehmende Bedeutung dieser Bedürfnisse
Bedürfnis nach Selbstentfaltung Kompe t enz)
Dominanz/Macht, Autonomie)
Förderun g & Fortkommen, Sinngeb ung & Selbstv erwirklichung
Ich-bezogene Bedürfnisse
"ego-needsu Leistung & Ertalg, Gerechtigkeit, Selbstachtung, Status/Prestige
Häufigste Ansatzpunkte betriebl icher Motivation
Soziale Bedürfnisse Kontakt, Ko mmunikatio n} Akzept an z! zwischenmensch liche Bezieh unge n
größtenteils bereits befriedigte Bedürfnisse Sicherheits bedürfnisse St abile Verhäftnisse, Inf or m iert-sein, mater ielfe Sicherheit
Physiologis che Bedürfnisse
Die dritte Bedürfnisebene enthält die Bedürfnisse nach Zugehörigkeit, nach Bindung, mitmenschlichem Kontakt und Zuwendung. Bezeichnend für die Kontaktbedürfnisse ist, dass die Befriedigung nicht objektiv und nur schwer darzustellen ist. Dies bedeutet, dass man bei der Frage des Einflusses von Motiven auf das Verhalten eines Individuums, besonders bei sozialen Motiven, nicht allein das Maß der tatsächlichen Befriedigung in Betracht zie-
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Motivinhaltliche Strukturen
hen muss, sondern auch das Maß der angestrebten Befriedigung. Den einen Menschen mögen sehr wenige Kontakte zu anderen Personen befriedigen, bei einem anderen sind soziale Bedürfnisse möglicherweise sehr stark ausgeprägt. Man muss heute davon ausgehen, dass die Bedürfnisse der ersten beiden Ebenen in unserer Gesellschaft weitgehend befriedigt sind. Die sozialen Bedürfnisse dominieren und bilden den Motivkomplex, in dem motivierende Anreize anzusetzen haben. Es ist das starke Bedürfnis der meisten Menschen, einer Gruppe anzugehören und ein freiheitlich-bewusstes und akzeptiertes Mitglied der Gesellschaft zu sein. Deshalb muss auch eine Führungskraft etwas verstehen von sozialen Empfindungen und Einstellungen, Gruppenstrukturen und der Dynamik des Gruppengeschehens, von Macht, Rolle und Status. Wesentlich für das Kontaktbedürfnis sind die Möglichkeiten der Kommunikation am Arbeitsplatz, angenehme Kollegen, ein kooperativ eingestelltes Management, Mitarbeitergespräche, Teamarbeit, ebenso aber auch informelle Aktivitäten wie Betriebsausflüge und Kegelclub der Kollegen . Außerhalb des Betriebes können Kontaktbedürfnisse in der Familie, der Freizeitgruppe etc. befriedigt werden. Die vierte Ebene enthält die Bedürfnisse nach Selbstachtung und Wertschätzung. Diese Bedürfnisse drücken den qualitativen Aspekt des Kontaktstrebens aus. Es sind die Bedürfnisse nach Status, Prestige, sozialem Erfolg. Die Befriedigung der sozialen Bedürfnisse kann insofern nachteilig sein, indem das Individuum in seinem Denken und Handeln von anderen abhängig wird. Daraus erwächst das Streben nach Differenzierung, Selbständigkeit im Handeln, Freiheit und Unabhängigkeit im Denken. Man möchte schlicht als Mensch anerkannt, als Individualität geschätzt werden, nicht nur aufgrund des formellen Status in der Organisation oder wegen des hohen Einkommens. Man spricht bei diesem Streben auch von den ichbezogenen Bedürfnissen der Person. Die vierte Bedürfnisebene erhält zunehmende Wichtigkeit. Schon heute ist sie bedeutend für erfolgreiche Führungskräfte, die freien Berufe und hochspezialisierte Fachkräfte. Die relevanten Anreize in dieser Motivationsebene sind der selbständige Arbeitsbereich, übertragene Kompetenzen, Aufstiegsmöglichkeiten, Dienstbezeichnungen, Ehrentitel, Gehaltshöhe, Firmenfahrzeug, das FirmenImage und außerhalb der beruflichen Tätigkeit beispielsweise öffentliche Ehrenämter. Die höchste Bedürfnisschicht enthält die Bedürfnisse nach Selbstverwirklichung und Selbstentfaltung. Sie umfasst das Streben nach persönlicher Entwicklung sowie den Wunsch nach Dominanz, Kompetenz, Einfluss und Macht. Die Befriedigung der Bedürfnisse nach Selbstverwirklichung, Selbstentfaltung, kreativer Eigengestaltung des Lebens in der Umwelt wird bestimmt durch die Personen, Umstände und Bedingungen, mit denen das Individuum zu tun hat; wesentlich ist dabei der qualitative Aspekt, den jeder Mensch subjektiv bestimmt. Wenn eine Person diese Bedürfnisebene erreicht hat, spricht man von einem Menschen, der sich selbst entwickelt und nicht vom entwickelten Menschen, um anzudeuten, dass die Möglichkeit zu ständiger Weiterentwicklung besteht. Daraus erwächst ein stetiger dynamischer Prozess der Motivation. Bedeutsam für die Bedürfnisse nach Selbstentfaltung sind Anreize aus der Möglichkeit, das Arbeitsgebiet selbst zu gestalten und zu entwickeln und dabei nach eigenen Prioritäten zu arbeiten, abwechslungsreiche, herausfordernde Aufgaben, Förderung und Fortkommen, Weiterbildung, zusammenarbeitsbezogene Führung, kreative Teamarbeit, gleitende Arbeitszeit. Die Bedürfnisse, die die eigene
Hierarchieder Bedürfnisse
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Persönlichkeit entwickelt, äußern sich im Wesentlichen in dem Bestreben, den Rahmen der Entfaltungsmöglichkeiten voll auszuschöpfen. Das Individuum hat das Verlangen, mehr für sich selbst zu tun und erkennt klarer die Grenzen des Verhaltens, die die Umwelt setzt, um sich darin zwangloser und individualistischer bewegen zu können. Dieses Streben ist nicht nur auf den Wirkungskreis im Betrieb beschränkt; die Umwelt, in die der Betrieb integriert ist, gewinnt Bedeutung. Jede Entwicklung der Persönlichkeit setzt voraus, dass die eigene Person bewusst eingeschätzt wird. Dies bedeutet auch, das eigene Handeln als "sinn"voll zu erleben, Sinn zu suchen und dem Leben einen "Sinn" zu geben. Das durch Viktor E. Frank! begründete Therapie-Modell der "Logo-Therapie" stützt sich darauf, dass der Mensch als sein Wesensmerkmal nach Sinnerfüllung strebt und Sinnlosigkeit und Leere Grund vieler psychischer Störungen ist (vgl. Frankl/Kreuzer 1986). Die "sinnvolle" Selbstverwirklichung wird zum Erfolgserlebnis, wenn zur Selbstentfaltung der eigenen Person und Bejahung des eigenen Lebens die Förderung Anderer kommt und für Andere nutzbringend zu sein. Voraussetzung ist die persönliche Zufriedenheit durch eine relative innere Ausgeglichenheit hinsichtlich der Bedürfnisse körperliches Wohlbefinden (Gesundheit), soziale Kontakte (Familie, Freunde), materielles Wohlbefinden und Sicherheit (Einkommen, Status) und Anerkennung der eigenen Leistung (durch Chef, Mitarbeiter, Kunden) (vgl. Wagner 2000, S. 22 f.). In betrieblichen Organisationen ist die Befriedigung der Bedürfnisse nach Selbstentfaltung zum wesentlichen Thema geworden und wird auch zunehmend verwirklicht. Im privaten Bereich ergibt sich die Motivbefriedigung aus der entfalteten individuellen Freizeit- und Lebensgestaltung. Als Wachstumsbedürfnisse, welche auf die Formung und Reifung der eigenen Fähigkeiten und Anlagen gerichtet sind, sind die Strebungen nach Selbstentfaltung unbegrenzt und können niemals nachhaltig gesättigt werden. In der nach oben offen gezeichneten Bedürfnispyramide (vgl. Maslow 1995) enthalten die Selbstentfaltungsbedürfnisse eine Abfolge von differenzierbaren Teilbedürfnissen: kognitive Bedürfnisse (Wissen, Verständnis, Neues lernen), ästhetische Bedürfnisse (Ordnung, Schönheit), Selbstverwirklichung i. e. S. (eigenes Potenzial ausschöpfen, bedeutende Ziele haben), Transzendenz (Spiritualität, Verbindung mit dem Kosmos fühlen). Leider hat sich in der Darstellung von Maslows Theorie die Darstellung der Abfolge der Bedürfnisse als Pyramide durchgesetzt mit den Wachstumsbedürfnissen an der Spitze und den physiologischen Bedürfnissen an der Basis. Sprenger (2007, S. 43) spricht in diesem Zusammenhang sogar vom "zur Karikatur verkürzten .. . Maslow". Das Modell der Bedürfnispyramide ist eine dynamische Theorie; dies geht daraus hervor, dass Annahmen dahingehend gemacht sind, dass für Menschen im Laufe ihrer psychologischen Entwicklung in unterschiedlichen Phasen auch unterschiedliche Bedürfnisse dominant werden. Dabei gewinnen die in der Hierarchie höher angeordneten Bedürfnisse auch dann schon motivierende Kraft, wenn die derzeit dominante Bedürfnisstufe noch nicht vollständig befriedigt ist. Umgekehrt bleiben niedrigere Bedürfnisstufen stets auch weiterhin verhaltenswirksam. Allerdings konnten die Bedürfnisstufen nie empirisch belegt werden, die Ergebnisse lassen vermuten, dass es wohl eine hierarchische Stufung zu geben scheint, jedoch keineswegs nur mit den von Maslow angegebenen Inhalten und in der
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Motivinhaltliche Strukturen
Reihenfolge (vgl. v. Rosenstiel 2009b, S. 72). Wenn auch die hierarchische Rangordnung der Bedürfnisse tendenziell einleuchtend erscheint, bleibt sie doch spekulativ, wenn man an Einzelfälle denkt wie etwa einen darbenden Künstler oder einen wagemutigen Abenteurer. Ihnen geht es um das Flow-Erlebnis, bei dem man unabhängig von der Bedürfnisstufe in seinem Tun versinkt, totale Konzentration herrscht, Bewusstsein und Handeln verschmelzen. es kommt zu Momenten der Selbstvergessenheit (vgl. Csikszentmihalyi 1993,S. 75; EngeserNollmeyer 2005;S. 59-71).
Abblldung 6.2
Überlappung von Bedürfnissen (Quelle: Hentze et al. 2005, S. 113)
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physiologische Bedürfnisse
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Das Modell einer Hierarchie der Motive mit der Ergänzung durch den Flow-Ansatz bietet eine gangbare Entscheidungshilfe für die praktische Führung. Wenn eine Führungskraft ihre Mitarbeiter gut kennt und ihre vorrangig verhaltensbestimmenden Bedfufnisschichten versteht, dann kann sie durch die Ansprache jener Bedürfnisse, die im einzelnen Menschen existent sind, ihr Motivationsmix optimieren. Es ist wenig sinnvoll, Anreize zu setzen. die nicht der gegebenen Bedürfnislage eines Menschen entsprechen. Die Maslow'sche Bedürnispyramide hat einige organisationspolitische Anregungen geben können. Unternehmungen zeigen sich meist recht versiert in der Befriedigung von physiologischen und Sicherheitsbedfufnissen (z, B. über Entgelt, Sozialleistungen, Pensionszusagen, Gewinnbeteiligung, Versicherungen), es fehlen jedoch auf breiter Ebene Manager, welche Konzepte zur Aktivierung und Befriedigung höherrangiger Bedürfnissen (z. B. über Job Enrichment, Partizipation, Delegation. Teamarbeit) anzuwenden vermögen. An praktikablen Modellen fehlt es nicht, es gibt bedeutend mehr Mittel und Wege, höherrangige Bedürfnisse zu befriedigen als niederrangige. Hinsichtlich der Arbeitssituation. die für die Motivation bestimmend ist, lässt sich verallgemeinernd sagen, dass mit zunehmen-
Hierarchieder Bedürfnisse
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der Höhe der Stellung in einer hierarchischen Organisation der einzelne innerhalb vielfältiger Bedürfnisse mehr Befriedigung findet. Mit zunehmender Befriedigung der niedrigeren Bedürfnisse werden aber auch auf den unteren hierarchischen Ebenen höhere Bedürfnisse existent, die für eine motivierende Führung Bedeutung haben. Maslows Bedürfnispyramide wurde vor allem von McGregor popularisiert (vgl. McGregor 1986). Die Art und Weise, wie Führungsakteure über Mitarbeiter denken, welches Menschenbild sie haben und vor allem ihre Annahmen darüber, was Mitarbeiter motiviert, prägt entscheidend ihr Führungsverhalten. Die von McGregor kreierten"Theorien" X und Y lassen sich mithin als Motivationstheorien interpretieren. Die mit Theorie X bezeichnete Führung durch Kontrolle entspricht einer negativen Motivation, sie bezieht sich auf bereits befriedigte Bedürfnisse und frustriert höhere. Die der Theorie Y entsprechende Führung durch Motivation (siehe unter 6.6) ist positiv motivierend und ökonomischer, da sie sich auf noch unbefriedigte höhere Bedürfnisse bezieht und durch gefördertes Engagement und Selbstkontrolle aufwandsmindernd ist. Welche Konsequenzen lassen sich für Führungskräfte aus den Erkenntnissen inhaltstheoretischer Forschung und insbesondere der Theorie der Bedürfnishierarchie ableiten? Motivierende Führung muss sich zunächst um das Erkennen der aktuell jeweils dominanten Motive der einzelnen Mitarbeiter bemühen (z. B. Mitarbeiter A: soziale Bedürfnisse; Mitarbeiter B: Anerkennungsbedürfnisse), um diese sodann gezielt anzusprechen (z. B. Mitarbeiter A: Inaussichtstellen der Mitarbeit in einer Arbeitsgruppe; Mitarbeiter B: Inaussichtstellen konkreter Karriereschritte), woraus schließlich eine Steigerung der (Arbeits-)Motivation erwachsen sollte. In der Arbeit sollten Entwicklungsmöglichkeiten gegeben sein. Eine Fehlinterpretation (oder Ideologisierung) wäre es dagegen, die Bedürfnishierarchie als quasi deckungsgleich mit der organisationalen Hierarchie zu sehen und daraus zu schlussfolgern, dass die hierarchisch unteren Ebenen der Organisation vornehmlich mit materiellen Anreizen (Geld zur Befriedigung von physiologischen bzw. Sicherheitsbedürfnissen), die höheren Ebenen dagegen vornehmlich mit immateriellen Anreizen (Karriere, Status, Selbstverwirklichung durch herausfordernde Tätigkeiten) zu motivieren wären. Vielmehr ist davon auszugehen, dass zwischen der hierarchischen Einordnung des Einzelnen in der Organisation und seinen individuellen Bedürfnissen kein signifikanter Zusammenhang besteht (auch oberste Manager können das Bedürfnis nach [mehr] Geld haben bzw. auch einfache Angestellte können nach Selbstverwirklichung streben). Interessante Aspekte bietet die Betrachtung notwendiger finanzieller Aufwendungen zur Motivbefriedigung in den einzelnen Stufen (vgl. Backes 1970, S.24). Der Betrieb muss für die Befriedigung physiologischer Bedürfnisse die umfangreichsten finanziellen Aufwendungen (Löhne und Gehälter) machen. Die zweite Stufe der Befriedigung von Sicherheitsbedürfnissen erfordert ebenfalls finanzielle Aufwendungen (Sozialleistungen, Weiterbildung), jedoch relativ erheblich weniger als in der untersten Stufe. Kontaktbedürfnisse erfordern kaum Kosten. Die Befriedigung von Bedürfnissen der vierten Stufe sollte keine zusätzlichen finanziellen Aufwendungen verursachen. Die höchste Bedürf-
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Motivinhaltliche Strukturen
I
nisebene zeichnet sich gerade dadurch aus, dass die dieser zuzurechnenden Motive nicht mehr finanziell befriedigt werden können, sondern nur noch durch ideelle Mittel. Die kostenmäßige Betrachtung zeigt, dass je niedriger die Bedürfnisse, je höher die finanziellen Aufwendungen sind.
6.4
Motivation zur Aktivierung von Leistung
Reize aus der Umwelt sind die Auslöser eines bestimmten Verhaltens, wenn damit gleichzeitig die Befriedigung individueller Motive verbunden ist. Die Führung ist bestrebt durch die Anwendung von Führungsmitteln (Reizen) (vgl. Stopp 2007, S. 161 ff.) bestimmte Motive zu aktivieren, um so die Erfolgskomponenten Leistung und Zufriedenheit zu erreichen. Obwohl das motivationale Zielsystem simultan anzustreben ist, soll zunächst der Leistungsaspekt betrachtet werden.
Selbst-Check 8: Im Folgenden ist eine Reihe von Führungsmitteln aufgeführt, die Menschenzum Erbringen von Leistungen bewegen können. Versuchen Sie, die Motive des Folgens zuzuordnen. Führungsmittel
Motive
a. Gewalt b. Drohen mit Gewalt
c. in seelischen Notstand versetzen d. Suggestion e. Imponieren [.
Pochen auf seine Vorgesetzteneigenschaft
g. Berufung auf die Führungsaufgabe h. Versprechung von Belohnung
i.
Titel, Auszeichnung versprechen
j. persönliche Fürsorge k. persönliche Bitte, ins Vertrauen ziehen
t. Idealisierung der Aufgabe
m. Vertrauen in den anderen setzen n. sachliche Orientierung und Begründung
o. gemeinsame Beratung (Antworten am Ende des Buches)
Motivation zum Herbeiführen von Zufriedenheit
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Die Wirkung der angeführten Führungsmittel auf die Leistung hängt davon ab, inwieweit die in Frage kommenden Motive im Menschen tatsächlich existent sind . Einige vielfach angewendete Führungsmittel, die Leistung im Wesentlichen durch Zwang, Angst und Einschüchterung bewirken, sind nicht dazu geeignet, gleichzeitig Zufriedenheit zu geben . Dies gilt sicherlich auch in eingeschränktem Umfang für Führungsmittel, die Gehorsam, Pflicht und Ehrfurcht als Motive ansprechen (vgI. Blum/Naylor 1968, S.372). Aus den Überlegungen zum Zielsystem der Motivation ergibt sich, dass aus der Vielzahl möglicher Führungsmittel zur Leistungsbeeinflussung nur jene zur Anwendung kommen dürfen, die gleichzeitig Motive positiv befriedigen können und nicht die Furcht vor eingeschränkter Motivbefriedigung erzeugen. Die grundsätzliche Beschränkung der Führungsmittel im Hinblick auf ihre motivationale Angemessenheit lässt zunächst das Prinzip jener Auswahl offen, das mit der zusätzlichen Frage verbunden ist, wie Zufriedenheit und Unzufriedenheit überhaupt entsteht.
6.5
Motivation zum Herbeiführen von Zufriedenheit
Zufriedenheit ist das positive Gefühl, das sich einstellt, wenn die Erwartungen eines Individuums in einer Lebenssituation erfüllt werden. Die Erwartungen beziehen sich darauf, dass durch ein bestimmtes Verhalten Motivbefriedigung erlangt werden kann. Die Leistungsmotivation eines Menschen ist mithin davon abhängig, ob er in hoher Arbeitsleistung oder einer guten Arbeitsqualität das Mittel zur Erreichung persönlicher Ziele sieht (vgI. Vroom 1964, S. 266 f.). In der Regel werden die Erwartungen tatsächlich erfüllt. Maßgebend dafür ist, dass die Erwartung realistisch ist und das Verhalten im Sinne der Erwartung ungestört ist. Die Zufriedenheit wird außerdem umso größer sein, je wichtiger das befriedigte Motiv für das Individuum ist.
a) Positive und negative Motivation Die Zufriedenheit ist eines der Motivationsziele und es erhebt sich die Frage, welche Faktoren die Zufriedenheit beeinflussen und wie Unzufriedenheit hervorgerufen wird. Zur Klärung dieser Frage seien die zwei grundsätzlichen Anreizstrategien betrachtet, mit denen Motive handlungsanregend ansprechbar sind, daraus ergeben sich zwei Methoden der Motivation: die positive und die negative Motivation. Bietet man den Mitarbeitern die Möglichkeit, ihre persönlichen Motive zu befriedigen, so handelt es sich um positive Motivation; die Lenkung menschlichen Verhaltens durch die Androhung von Repressionen unter Ausnutzung der Furcht vor eingeschränkter Motivbefriedigung bezeichnet man als negative Motivation. Es darf angenommen werden, dass positive Motivation Zufriedenheit bewirkt und negative Motivation Unzufriedenheit hervorruft. Skalarisch dargestellt steigt die Zufriedenheit - ausgehend von einem Indifferenzpunkt "Null" - mit zunehmender Zahl der befriedigten Motive und deren qualitativer Bedeutung für das Individuum. Als Faktoren der Belohnung, die die Zufriedenheit bestimmen, werden häufig genannt die finanzielle Entlohnung, günstige Aufstiegsmöglichkeiten, Mitbestimmung am Arbeitsplatz,
94
Motivinhaltliche Strukturen
abwechslungsreiche Arbeit, Einfluss auf die Arbeitsmethoden, gruppenzentrierte Führungsform, Bestimmbarkeit des Arbeitsrhythmus und die Kontaktmöglichkeiten zu den Kollegen (vgl. Vroom 1964, S. 172 f.), Unzufriedenheit entsteht andererseits bei diesen Faktoren, wenn eine umgekehrte Konstellation vorherrscht, und das Handeln/Verhalten deshalb angeregt ist, weil bei Unterlassen negative Sanktionen, also eine Bestrafung im weitesten Sinne droht. Durch negative Motivation erreichtes Verhalten wird mutmaßlich labiler sein als dasjenige bei positiver Motivation. Der dargestellte Erklärungsansatz der Gründe für Unzufriedenheit ist in Abbildung 6.3 graphisch dargestellt. Abbildung 6.3
Skalare Bestimmung der Zufriedenheit Indifferenz
..
Zufriedenheit
gute Entlohnung Günstige Aufstiegsmöglichkeiten Mitbestimmung am Arbeitsplatz abwechslungsreiche Arbeit Einfluss auf Arbeitsmethoden Partizipativ-kooperative Führungsformen Bestimmbarkeit des Arbeitsrhythmus Kontaktmöglichkeiten zu Kollegen
?
Unzufriedenheit ~
schlechte Entlohnung schlechte Aufstiegs möglichkeiten keine Mitbestimmung am Arbeitsplatz eintönige Arbeit wenig Einfluss auf Arbeitsmethoden Führerzentriert-autoritäre Führungsformen Fremdbestimmtheit des Arbeitsrhythmus Fehlende Kontaktmöglichkeiten zu Kollegen
b) "Motivation-Maintenance"-Theorie Das skalare Modell der Zufriedenheit erwies sich als wenig realitätsnah. Es erschien unklar, welche Anreize in welchen Situationen wie wirken. Einen wesentlichen Fortschritt in der Problematik von Zufriedenheit und Motivation hat die "Motivation-Maintenance"Theorie von Frederick Herzberg gebracht (vgl. Herzberg 1971, S.95 H.). Die wichtigsten Erkenntnisse dieser Theorie beziehen sich auf die Doppelnatur des Menschen. Eine derar-
Motivation zum Herbeiführen von Zufriedenheit
95
tige Idee liegt schon vielen philosophischen Theorien und Religionen zugrunde. Der erste Aspekt der menschlichen Natur ist der animalische, instinktive, körperlich-materielle Teilbereich. Herzberg nennt ihn die Adam-Natur des Menschen. Dieser Teilkomplex des Individuums wird beansprucht durch harte und ausdauernde Arbeit. Der andere Teilbereich beinhaltet das geistig-immaterielle Potenzial, das eine geistige Erfüllung verlangt. Dieser Teilbereich ist die Abraham-Natur des Menschen. Die Doppelnatur des Individuums ist gekennzeichnet durch den Adam-Abraham-Dualismus. Die von Herzberg und seinen Mitarbeitern entwickelte Theorie ergab sich aus empirischen Untersuchungen u. a. aus der bekannten Pittsburgh-Studie, bei der mithilfe teilstrukturierter Interviews kaufmännische und technische Angestellte gebeten waren, sich an Situationen in ihrem Arbeitsleben zu erinnern, die sie besonders positiv erlebt hatten, in denen sie mithin zufrieden waren, und an Situationen, die sie negativ erlebt hatten und in denen sie sich unzufrieden fühlten; ferner sollten sie angeben, zeitlich wie lange und worauf sie ihre jeweiligen Einstellungen zurückführten, d. h. welche Anreize ausschlaggebend für ihre Motivation waren (vgl. Herzberg et al. 1959, S. 101). Eine Reihe von ähnlichen Untersuchungen, die bei leitenden und nicht leitenden, männlichen und weiblichen, gelernten und ungelernten Mitarbeitern durchgeführt wurden, ergaben schließlich eine Stichprobe von 1.685 Beschäftigten mit diversen Aufgabenfeldern. In den Studien zeigte sich eine Tendenz, welche Faktoren im Zusammenhang mit positiven und welche im Zusammenhang mit negativen Arbeitserlebnissen genannt wurden. Die befragten Personen führten ihre positive Einstellung im allgemeinen auf andere Faktoren zurück als ihre negativen Einstellungen. Konträre Bedingungen nannte man in diesem Zusammenhang selten. Diesen Unterschied sieht Herzberg gleichermaßen sowohl unter der Dichotomie Defizit und Wachstum als auch unter der einer extrinsischen versus intrinsischen Motivation. Nach Herzbergs Forschungsergebnissen ist das Gegenteil von Zufriedenheit nicht identisch mit Unzufriedenheit ist, sondern lediglich fehlende Zufriedenheit. Fehlende Unzufriedenheit ist nicht deckungsgleich mit Zufriedenheit, sondern lediglich das Fehlen von Unzufriedenheit. Zufriedenheit und Unzufriedenheit können deshalb nicht als die Extrempunkte des Kontinuums einer Skala angesehen werden, sondern müssen auf verschiedenen Skalen gemessen werden. Die Dimension der einen Skala bezeichnet den körperlichmateriellen Teilbereich, die Adam-Natur des Menschen, welche alles Unangenehme und Schmerzliche vermeidet. Wenn man unangenehme Faktoren nicht vermeiden kann, verursachen sie Unzufriedenheit. Als wichtigste Komponenten der Unzufriedenheit wurden ermittelt: •
Praktiken der Unternehmens-/Personalpolitik
•
Führungsstil und Führungsform
•
Beziehungen zu Kollegen
•
Beziehungen zu Vorgesetzten
•
äußere Arbeitsbedingungen
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Motivinhaltliche Strukturen
Man sieht, dass all diese Faktoren den eigentlichen Arbeitsinhalt nicht berühren, sondern sich auf Rand- und Folgebedingungen der Arbeit beziehen. Die Gruppe der Faktoren, die negative Einstellungen verhindern, positive Einstellungen jedoch nicht bewirken und mit der extrinsischen Arbeitsmotivation korrespondieren, bezeichnet Herzberg als "Kontextvariablen" (Maintenance-Factors), ursprünglich nannte er sie "Hygiene-Faktoren" (Hygiene-Factors). Dieser medizinische Terminus wurde in der analogen Bedeutung von "Pflege durch vorbeugende Maßnahmen in der Umwelt" gewählt; entkeimtes Wasser z. B. verhindert Krankheiten, es heilt jedoch nicht. Da der Einfluss der Kontext- oder Hygienefaktoren auf das Entstehen von Unzufriedenheit groß ist, sie in ihrer positiven Ausprägung indessen als selbstverständlich gelten und ihr Einfluss auf den Aufbau von Zufriedenheit folglich gering eingeschätzt wird, werden sie auch "Dissatisfaktoren" genannt. Ihnen stehen "Satisfaktoren" gegenüber, die besonders häufig als ursächlich für längerfristige Arbeitszufriedenheit genannt wurden. Diese beeinflussen den geistig-immateriellen Teilbereich, die Abraham-Natur des Menschen. Da diese Variablen durch die ausgelöste Motivation zugleich die Leistungsbereitschaft positiv beeinflussen und überwiegend intrinsische Aspekte der Arbeit thematisieren, werden sie auch als "Motivatoren" oder "Contentfaktoren" bezeichnet; als solche konnten ermittelt werden: •
Selbstbestätigung und Leistungserfolg
•
Anerkennung der Leistung durch andere
•
Anspruchsvolle und interessante Arbeit
•
übertragene Verantwortung
•
Förderung und Fortkommen.
Aus Abbildung 6.4 geht die Prozentzahl der Befragten hervor, welche die einzelnen Faktoren jeweils als Ursache ihrer positiven bzw. negativen Einstellung bezeichneten (vgl. Hentze et al. 2005, S 118). Es zeigt sich, dass man z. B. Anerkennung unter den Faktoren aufführte, die eine positive Einstellung bewirkten, mangelnde Anerkennung jedoch selten als Ursache einer negativen Einstellung bezeichnet wurde. Während unbefriedigende Praktiken der Unternehmenspolitik und des Persona1managements als Ursache negativer Einstellungen genannt wurden, bezeichnete man zufriedenstellende unternehmenspolitische Praktiken selten als Grund für positive Einstellungen. Die für negative Einstellungen verantwortlichen Kontextfaktoren und die positive Einstellungen hervorrufenden Motivationsfaktoren können einwandfrei kategorisiert werden. Dennoch gibt es eine gewisse Überlappung. Der Motivationsfaktor, der relativ häufig als Ursache negativer Einstellungen genannt wurde, ist Anerkennung. Der Kontextfaktor, der relativ häufig als Ursache positiver Einstellungen genannt wurde, ist das Gehaltssystem. Obwohl sich positive Einstellungen nicht ausschließlich auf Motivationsfaktoren und negative Einstellungen nicht ausschließlich auf Kontextfaktoren zurückführen lassen, sind die Überlappungen doch relativ gering.
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Motivation zum Herbeiführen von Zufriedenheit
Abbildung 6.4
Faktoren, die sich als Ursache von positiven und negativen Einstellungen gegenüber der Tätigkeit erwiesen (Quelle: nach Herzberg 1975, S. 96, zit. bei Hentze et al. 2005, S. 118)
Ursache negativer Einstellung (bei Prozentsatz der Befragten)
Ursache positiver Einstellung (bei Prozentsatz der Befragten)
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Selbstbestätigung und Leistungserfolg
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Anerkennung der Leistung durc h andere
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Führungsstil und Führungsform
III
I
Fördorung und Fortkommen
Unternehmens-I Personalpolitik
III
~ Ö ~
übertragene Verantwortung
0
Motivinhaltliche Strukturen
98
Abbildung 6.5 soll die beiden verschiedenen Dimensionen der Faktoren veranschaulichen. Die "Motivation-Maintenance"-Theorie Herzbergs ist deshalb auch als Zwei-FaktorenTheorie der Zufriedenheit geläufig und bekannt geworden. Die Motivationsproblematik wird von Herzberg sozusagen "von der anderen Seite" betrachtet: Es geht um Arbeitsbedingungen und ihre Anreizwirkung auf bestimmte Motive. Unter dem Gesichtspunkt der Motivationspraxis besteht ein grundsätzlicher Unterschied zwischen den Motivationsfaktoren und den Kontextfaktoren. Die Kontextfaktoren beziehen sich auf den Rahmen, innerhalb dessen sich eine Tätigkeit abspielt. Motivationsfaktoren beziehen sich unmittelbar auf die Tätigkeit oder den Tätigkeitsinhalt, nicht auf die äußeren Bedingungen. Die Analogie mit der Unterscheidung zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation liegt ebenso auf der Hand wie die Nähe der Inhaltsfaktoren zu den "höheren" Motiven sensu Maslow. Es wird deutlich, dass die Kontextfaktoren hauptsächlich von der Unternehmens- und Betriebsleitung und die Motivationsfaktoren im Wesentlichen vom unmittelbaren Vorgesetzten gestaltet werden.
Abbildung 6.5
Zweifaktoren-Theorie der Zufriedenheit
Zufriedenheit
Richtig führen Unzufriedenheit fehlende Unzufriedenheit
fehlende Zufriedenheit
Der Mensch mag durchaus gleichzeitig durch extrinsisch orientierte Defizitmotive und intrinsisch orientierte Wachstumsmotive in seiner Befindlichkeit bestimmt werden, Kontextfaktoren und Motivatoren können deshalb auch miteinander verknüpft sein. Förde-
Motivation zum Herbeiführen von Zufriedenheit
99
rung und Fortkommen sind Motivatoren, aber in aller Regel mit einem höheren Arbeitsentgelt verbunden, einem Kontextfaktor. Dasselbe gilt für mehr übertragene Verantwortung, eigentlich ebenfalls ein Motivator. Deshalb wird das Arbeitsentgelt vielfach als Motivator empfunden, obwohl es im Grunde ein Kontextfaktor ist. Es wäre nicht angemessen anzunehmen, dass Kontextfaktoren unwichtig sind . Lediglich die Einflüsse der beiden Faktorengruppen sind grundlegend verschieden. Die Entscheidung einer Person, ob sie ein Stellenangebot annehmen oder in einer Stellung bleiben soll, hängt weitgehend von Faktoren wie dem Gehalt und den zusätzlichen Leistungen ab. Ihre Entscheidung wird also weitgehend von Kontextfaktoren bestimmt. Kreatives, zufriedenstelIendes und engagiertes Leistungsverhalten einer Person hängt andererseits von Motivationsfaktoren ab. Die Theorie von Herzberg wurde in Folgeuntersuchungen teils bestätigt, teils aber auch nicht. In einer relativierten Interpretation lässt sich immerhin sagen, dass Motivatoren hauptsächlich und in der Regel die Arbeitszufriedenheit bestimmen, Kontextfaktoren hauptsächlich und in der Regel die Arbeitsunzufriedenheit (vgl. Wunderer 2009, S. 115 f.; v. Rosenstiel2009a, S. 174-176). Die Zwei-Faktoren-Theorie belegt, dass die Führungskräfte nicht allein die Motivation der Mitarbeiter bestimmen können. Man kann nur dann als Führungsperson richtig motivieren, wenn auch jene Kontextfaktoren keine Schwachstellen aufweisen, auf die Vorgesetzte nur beschränkten Einfluss haben, z. B. die Unternehmens-/Personalpolitik, die Sicherheit des Arbeitsplatzes und die Beziehungen im Kollegenkreis. Jede Situation oder Aufgabe lässt sich im Hinblick auf die Motivations- und Kontextfaktoren beschreiben. Die ausgewogene Zufriedenheit des Menschen erfordert ein Gleichgewicht von Kontext- und Motivationsfaktoren. Der Mensch möchte sich des Lebens erfreuen und eine angenehme Umgebung haben, aber gleichzeitig besteht eine starke Sehnsucht, etwas zu erreichen und zustande zu bringen. Im Einklang mit Maslow verweist die Zwei-faktoren-Theorie auf die Bedeutung der Tätigkeiten, welche eine intrinsische Motivation auslösen können. Das Selbstverwirklichungsmotiv von Maslow findet sich bei Herzberg prototypisch im Arbeitsinhalt wieder, sofern dieser einigermaßen anspruchsvoll ist. Eine intrinsische Motivation wird gefördert in Situationen, die Neugier, Kompetenz und das Gefühl einer Kontrolle über die Umwelt sowie Selbstbestimmung und Selbstentfaltung ermöglichen. Herzberg erachtet deshalb Formen des Job Enrichment als potenziell intrinsisch motivierend. Ein Betrieb, der seine Aufmerksamkeit besonders auf die Kontextfaktoren richtet, veranlasst seine Mitarbeiter, sich ebenfalls auf diese Faktoren zu konzentrieren, ohne dass damit eine Motivation verbunden wäre. Diese Menschen verlangen ständig nach besserer "Hygiene" - kürzere Arbeitszeit, bessere Beleuchtung, Klimaanlage, besseres Kantinenessen, mehr Sozialleistungen, Minderung der Leistungsforderungen usw. In diesem Verlangen sind sie unersättlich, je besser die Kontextbedingungen werden, je mehr wollen sie. Das Management, das im Prinzip unterstellt, dass dies die Dinge sind, die die Menschen zur Arbeit veranlassen, sie deshalb entsprechend darbietet und, da die Menschen weitere Wünsche haben, zusätzliche Maßnahmen ergreift, macht seine eigene Unterstellung wahr
100
Motivinhaltliche Strukturen
im Sinne einer sich selbst bestätigenden Prognose. Dies führt dazu, dass die Organisation in einen "circulus-vitiosus" verwickelt wird, den sie selbst nicht einmal bemerkt. Aus diesem Dilemma herauszukommen, ist nicht einfach; vor allem ist die eigene Sichtweise und Auffassung darüber zu ändern, warum die Menschen arbeiten. Wahrscheinlich ist es einfacher, die Kontextfaktoren zu verstehen, zu messen, zu steuern und zu manipulieren. Die Motivatoren sind komplexer, subjektiv bestimmt und nicht direkt messbar. Deshalb ist es der einfachere Weg, sich auf die Kontextfaktoren zu konzentrieren und die Motivatoren zu vernachlässigen. Die wesentliche Folge ist, dass man nur die eine Hälfte des Menschen anspricht. Das Individuum verlangt jedoch danach, als ganzer Mensch angenommen zu werden.
Für die praktische Gestaltung von Arbeitsbeziehungen liefert Herzberg (vgl. Herzberg 1971) folgende Empfehlungspunkte, mit denen der Wert der Zwei-Faktoren-Theorie unterstrichen wird (vgl. Wunderer 2009, S. 114 ff.): - Durch die Unterscheidung von Motivatoren und Kontextfaktoren lässt sich begründen, warum zu bestimmten Leistungsangeboten (wie im Bereich der Personalpolitik, Führung, Information) in erster Linie Unzufriedenheit geäußert wird und warum selbst bei positiver Anpassung dieser Angebote keine nachhaltigen Leistungsverbesserungen eintreten, auch wenn dadurch immerhin Frustrationen abgebaut wurden. - Für die motivierende Gestaltung von Arbeitsstrukturen mit erweitertem Freiheits- und Gestaltungsspielraum bieten Aufgaben mit interessantem, sinn-, anspruchs- und verantwortungsvollem Arbeitsinhalt (job Enrichment) statt eines nur quantitativ veränderten Handlungsspielraums (Arbeitsplatzwechsel, Arbeitserweiterung) mehr Möglichkeiten zur freudvollen Selbstverwirklichung. - Faktische Leistungserfolge sind mit die Selbstachtung erhöhender Bestätigung und Anerkennung zu honorieren. - Führung sollte die Gefahr erkennen, dass extrinsische Belohnungen und damit eine extrinsisch erzeugte Motivation eine wesentlich kurzfristigere Wirkungskraft besitzen. Weil man mit Kontextfaktoren nicht dauerhaft motivieren kann, wird jedes Anreizsystem abgelehnt, das sich auf Kontextfaktoren bezieht (vgl. Frey 1997, siehe auch 5.7). - Hätte die Führung hingegen beispielsweise mit dem Problem einer hohen Fluktuation zu tun, dann müsste sie die damit korrespondierende Unzufriedenheit der Mitarbeiter zurückführen, also vornehmlich auf die Kontextfaktoren achten - sie müsste etwa für verbesserte Führungs- und Kooperationsbeziehungen sorgen, eine als gerechter empfundene Entlohnung gewährleisten, eine Beschäftigungssicherungspolitik anstreben u.a.m. - Bei einem hinreichenden Erfüllungsgrad der Kontextfaktoren ist von der Führung gefordert, sich auf die Wirkung der Motivatoren (Herzberg) bzw. Wachstumsmotive (Maslow) zu konzentrieren. Hierzu können Organisations- und Führungskonzepte (wie z. B. Delegation) oder Qualifizierungsmaßnahmen dazu beitragen, den Grad der Selbständigkeit und Verantwortung zu erhöhen (Empowerment).
Motivation zum Herbeiführen von Zufriedenheit
101
- Kontextfaktoren sollen keinesfalls durch andere Kontextfaktoren oder eine Ideologie ersetzt werden, beispielsweise wenn statt angemessenen Arbeitsentgelts eine erhöhte Arbeitsplatzsicherheit oder die Fiktion. man tue etwas Gutes, geboten wird. - Kontextfaktoren dürfen vielmehr nur für die Reduzierung von Arbeitsunzufriedenheit verwendet werden. Richtig ist deshalb, wenn gute Leistungen z. B. nicht mit einer Statuserhöhung, sondern mit anspruchsvolleren Aufgaben honoriert werden. Solchen Motivationsfaktoren sollte deshalb statt den Kontextfaktoren die Aufmerksamkeit gelten. - Kontextfaktoren sollen so einfach und transparent wie möglich gestaltet werden. Je komplizierter etwa ein Vergütungs- oder Sozialleistungssystem ist, desto leichter lässt dies Unzufriedenheit entstehen. Folgende Beispiele für Ansatzpunkte zur Erfüllung von Defizitmotiven und Kontextfaktoren nehmen Bezug auf die motivationstheoretischen Ansätze von Maslow und Herzberg (vgl. Wunderer 2009,S. 117): Abbildung 6.6
Motivationstheoretische Ansätze von Maslow und Herzberg (Quelle: Wunderer 2009, S. 117)
Maßnahme Verbesserung der Arbeitsbedingungen Veränderung der Unternehmens-!Personalpolitik , z.B. umweltgerechte Produkte, Vermeidung von Hire-and-Fire marktgerechtes Entgelt Optimierung der Teamzusammensetzung Etablierung von Statussymbolen Führungskräftetraining, veränderte Führunqskräfteauswahl und -beurteilung
theoretischer Ansatzpunkt nach Maslow nach Herzberg physiologische Bedürfnisse
Kontextfaktor »Arbeitsbedingungen«
Sicherheitsbedürfnisse
Kontextfaktoren »Unternehmenspolitik und -orqanisation«
Sicherheitsbedürfnisse; Ich-Bedürfnisse
Kontextfaktor »Gehalt«
Soziale Bedürfnisse Ich-Bedürfnisse
---
Kontexlfaktor »Kolleqen« Kontextfaktor »Status«
Konlexlfaktor ) Vorgesetzter«
102
6.6
Motivinhaltliche Strukturen
Motivation und Menschenbild
Die Art und Weise, wie Führungskräfte über Mitarbeiter denken, welches Menschenbild sie haben, vor allem ihre Annahmen darüber, was Mitarbeiter motiviert, beeinflusst grundlegend ihr Führungsverhalten und die Auswahl ihrer Motivationsmethoden. Die von Douglas McGregor (vgl. 1986, S.47 ff.) kreierten, etwas unglücklich als Theorie X und Theorie Y bezeichneten Grundeinstellungen von Führungskräften, welche und wie Motive in der betrieblichen Praxis das Verhalten der Mitarbeiter bestimmen, lassen sich deshalb als Motivationstheorien interpretieren (vgl. Staehle 1999, S. 224). Theorie X - Führung durch Kontrolle - entspricht einer negativen Motivation, sie bezieht sich lediglich auf aktuell befriedigte und frustriert höhere Bedürfnisse. Die Theorie Y entspricht einer positiven Motivation, sie will unbefriedigte höhere Bedürfnisse und bei eingeschränktem Kontrollaufwand die Selbstkontrolle und engagierte Mitarbeit aktivieren; die dafür notwendigen Erfordernisse im Vergleich zur Fasson der Theorie X werden transparent gemacht. Die Führungskonzeption, die durch Theorie X beschrieben wird, geht bewusst oder unbewusst davon aus, dass der antriebsschwache Mitarbeiter von außen manipulativ beeinflusst werden muss, um ihn in die gegebene Umwelt zu integrieren. Man unterstellt, dass der Mensch von Natur aus wenig intelligent, faul, verantwortungsscheu und phantasielos ist. Kaum eine Führungskraft wird zugeben, dass sie gemäß der Theorie X denke und handele. Bei vielen Führungskräften zeigt sie sich jedoch - möglicherweise unbewusst häufig beim Treffen von Entscheidungen, beim Austeilen von Kritik, beim Lösen von Konflikten, bei Sitzungen oder gemeinsamen Besprechungen, beim Zuteilen von Aufgaben oder beim Anhören oder Vortragen neuer Ideen. McGregor selbst fühlte sich den motivationstheoretischen Ideen Maslows verpflichtet, der den Menschen als begehrliches Wesen beschreibt und dessen Verhalten entsprechend einer Hierarchie der Bedürfnisse (Maslow) motiviert werden kann. Hinsichtlich der Motivationsmethoden der Theorie X argumentiert er, dass das zugrunde liegende Menschenbild nicht die Einstellung der Menschen gegenüber der Arbeit beschreibe, sondern den Zustand, der durch die Auffassung des Managements, dass Arbeit abstoßend sei, verursacht werde. Die Theorie X stellt auf die unteren Schichten der Bedürfnispyramide ab, sie geht davon aus, dass sich bei der Arbeit keine Gelegenheiten bieten, soziale und die höheren psychischen Bedürfnisse zu befriedigen. Wenn die Führung jedoch fortfährt, unter solchen Verhältnissen die Aufmerksamkeit weiterhin auf die physischen Bedürfnisse zu richten, sind z. B. reine finanzielle Anreize zur Unwirksamkeit verurteilt. Menschen, die von der Möglichkeit ausgeschlossen sind, bei ihrer Arbeit die Bedürfnisse zu befriedigen, die in ihnen wach sind, verhalten sich in Trägheit, Passivität, Verantwortungsscheu. Es wird deutlich, dass eine der Voraussetzungen der Theorie X als bewiesen angesehen wird, aber nur, weil fälschlich Wirkungen für Ursachen gehalten werden. Damit erklärt Theorie X die Folgen einer besonderen Führungsstrategie. Theorie X erlaubt sowohl positive als auch negative Motivation. Aufgrund der Annahme, dass die Menschen vordergründig an der Befriedigung physischer Bedürfnisse interessiert sind, und dem Umstand, dass die physi-
Motivation und Menschenbild
103
sehen Bedürfnisse heute weitgehend befriedigt sind, können Verhaltensbeweggründe nur durch negative Motivation geschaffen werden. McGregor empfiehlt daher, dass sich Führungskräfte der meist unbewusst vertretenen Theorie X bewusst werden und durch das in der Theorie Y skizzierte Menschenbild ersetzen/ das auf den sozialpsychologischen Annahmen über die Motivstruktur beruht. Die Theorie Y geht von den autonomen Antrieben des Individuums aus, untersucht und definiert die Motivationen und passt nicht den Menschen der Organisation an, wie dies bisher die Absicht war, sondern vollzieht eine Umgestaltung der Organisation, des Aufgabenbereiches und des Arbeitsplatzes im Sinne der Motive des Individuums. Der Führungskonzeption liegen die folgenden Annahmen über das Menschenbild zugrunde: 1. Arbeit ist jedem Menschen genau so natürlich wie Spiel oder Ruhe. 2. Wer einem Ziel sich innerlich verpflichtet fühlt, was davon abhängt, inwieweit die Arbeitsergebnisse inhaltlich ansprechend sind und belohnt werden, unterwirft sich der Selbstdisziplin und Selbstkontrolle. 3. Wer innerlich auf ein Ziel festgelegt ist, hat Ehrgeiz und die Bereitschaft, Risiken einzugehen. 4. Unter entsprechenden Umständen sucht Jeder Verantwortung.
5. Fast jeder Mensch verfügt über Urteilsvermögen, Vorstellungskraft und Erfindungsgabe für die Lösung von Problemen. Theorie Y entspricht einer positiven Motivation - sie zielt nicht auf die physischen, sondern bezieht sich auf unbefriedigte höhere Bedürfnisse des Menschen. Es wird die Auffassung vertreten, dass man die Menschen zum Engagement bewegt, indem man ihnen weitgehende Freiheit bei der Gestaltung der Tätigkeit lässt. Die Ansprache der höheren Bedürfnisse geschieht beispielsweise durch
Führungshandeln
Befriedigung des Bedürfnisses nach
Beachtung, kontaktbewusste Führung
Selbstachtung
etwas Zutrauen und Selbstkontrolle
Vertrauenswürdigkeit
Behandlung ohne Statusautorität
menschliche Gleichwertigkeit
Anhören, Fragen
Mitdenken
Gruppenarbeit
Zusammenarbeit
selbständige Arbeit
Selbstverantwortlichkeit
etc.
104
Motivinhaltliche Strukturen
Diese Möglichkeit bietet sich fast immer, selbst bei einfachen Tätigkeiten in einem integrierten Produktionsprozess. Wege dafür sind vor allem eine inhaltliche Anreicherung der Tätigkeit (lob Enrichment), zuweilen auch ein Wechseln der Aufgaben zwischen verschiedenen Personen, so dass jede die Tätigkeit kurzfristig ausübt (job Rotation). Die Theorie Y hat erkannt, dass es einfacher und günstiger ist, die das Verhalten bestimmenden sachlichen Bedingungen (Umwelt, Organisation) statt der persönlichen Bedingungen (Motive, Bedürfnisse) anzupassen bzw. umzugestalten. Die Führungssituation - sowohl hinsichtlich des Arbeitsinhalts und der Gruppenbeeinflussung - bildet den wesentlichen Ansatzpunkt für diese Variation.
6.7
Harmonisierung der Motivationsziele
Zufriedenheit und Leistung bzw. Aufgabenerfüllung sind die beiden Ziele der Motivation. Die Harmonisierung dieses Zielsystems der Motivation wirft die grundlegende Frage nach den Möglichkeiten einer Berücksichtigung von humanen und leistungsorientierten, ökonomischen Aspekten bei der Führung auf. Eine Zielharmonie wäre gegeben, wenn über die Erreichung des humanen Ziels gleichzeitig eine Förderung der Leistung erreicht würde und umgekehrt. Die Auffassung, dass man durch eine stärkere Hinwendung zu den humanen Belangen eine Auflösung von Leistungsreserven beim Mitarbeiter erreichen könne, wurde vor allem von der "Human-Relations-Bewegung" vertreten (vgl. Staehle 1999, S. 34 ff.). Das Führungshandeln hätte danach die Aufgabe zu verfolgen, die Mitwirkung der geführten Individuen zu "erkaufen". Die Integration mag zwar erstrebenswert erscheinen, sie motiviert jedoch nicht zur Leistung; es konnte bisher kein Kausalzusammenhang nachgewiesen werden, nach dem die Leistung auf Zufriedenheit zurückzuführen ist. Es bleibt die Aufgabe der Motivation, beide Ziele unabhängig zu erreichen (vgl. Bröckermann 2000, 5.295 f.). Die Führungsüberlegungen haben sich deshalb darauf zu richten, welchen Einfluss sie auf die Zufriedenheit einerseits und welche Bedeutung sie für die Leistung andererseits haben. Ob und wie Leistung und Zufriedenheit korreliert sind, interessiert für die Wahl der grundsätzlich möglichen Motivationsformen. Ein Führer kann zwischen negativer und positiver Motivation wählen. Die positive Motivation bietet den Mitarbeitern die Möglichkeit, ihre persönlichen Motive zu befriedigen, negative Motivation droht mit Repressionen unter Ausnutzung der Furcht vor eingeschränkter Motivbefriedigung. Negative Motivation hat aufgrund der Furcht vor verminderter Motivbefriedigung im Allgemeinen eine geringe Zufriedenheit zur Folge. Positive Motivation, die nicht mit Repressionen droht, sondern Belohnungen verspricht, ist grundsätzlich mit hoher Zufriedenheit verbunden. Hohe Produktivität kann sowohl mit negativer als auch mit positiver Motivation erreicht werden. Die Methode der negativen Motivation erreicht hohe Produktivität allerdings nur so lange, wie ein Betroffener sich diesem negativ motivierenden Führungsverhalten nicht entziehen kann (z. B. ältere Arbeitnehmer); obwohl die negative Motivation kurzfristig zu hoher Leistung führen kann, schadet sie infolge der damit verbundenen Unzufriedenheit
Harmonisierung der Motivationsziele
105
des Individuums auf längere Sicht. Die positive Motivation führt zu hoher Leistung, wenn Leistung und Zufriedenheit positiv korrelliert sind; dies heißt, dass die Zufriedenheit Ursache der Leistung, die Leistung Ursache der Zufriedenheit oder eine dritte Einflussgröße Ursache beider Zielkomponenten ist (vgl. Staehle 1999, S.258). Hohe Zufriedenheit und hohe Leistung ergeben sich, wenn persönliche Ziele nur in Verbindung mit organisationalen Zielen verwirklicht werden können und gilt mithin für ein Organisationsklima, das durch Unterstützung, offene Kommunikation und selbständiges Handeln gekennzeichnet ist. Arbeitszufriedenheit und Leistung steigen merklich, wenn für den Mitarbeiter klare Ziele bestehen und er Rückmeldung darüber erhält, ob er die Ziele erreicht hat oder nicht. Positive Beziehungen sind aber auch dann anzunehmen, wenn der Arbeitsinhalt der Eignung und Neigung des Mitarbeiters entspricht oder wenn er abhängig von seiner Leistung und auch im sozialen Vergleich eine faire und angemessene finanzielle Anerkennung erhält (vgl. v. Rosenstiel/Bögel 2009, S. 184 f.), Eine vor allem durch Unachtsamkeit frustrierte Leistungsmotivation führt hingegen zu Unzufriedenheit und schließlich zu leistungsfremdem Verhalten, etwa zur inneren Kündigung oder dem Verlassen der Unternehmung. Ebenfalls geringe Leistung stellt man auch bei positiver Motivation fest, wenn ein Individuum in seiner Tätigkeit zwar seine persönlichen Motive befriedigen kann, diese jedoch keine Beziehung zu Zielen der Organisation haben. Belohnung und Zufriedenheit können zwar zu höheren Anstrengungen führen, aber nicht notwendigerweise zu höherer Leistung. In der betrieblichen Praxis treten die beschriebenen Situationen sehr selten genau auf. Generelle Aussagen über den Zusammenhang zwischen Leistung und Zufriedenheit erweisen sich als ziemlich unsinnig, erst die nähere Kenntnis von Person und Situation erlaubt fundiertere Prognosen (vgl. Staehle 1999, S. 260). Das Verhalten der Mitarbeiter wird durch die vorherrschende Motivation bestimmt. Die Führung durch Motivation will ein motiviertes Verhalten auf ein bestimmtes Ziel hin aktivieren. Dies setzt Erwartungen darüber voraus, dass eine bestimmte Anreizkonstellation die gewünschte Motivansprache bewirkt. Dies bedeutet, dass positive Anreize unbefriedigte Motive ansprechen können, da sie durch ein bestimmtes Verhalten befriedigt werden. Die Aktivierung eines bestimmten Verhaltens durch befriedigte Motive kann nur dadurch geschehen, dass man negative Motivation praktiziert, weil man dadurch die Furcht vor eingeschränkter Motivbefriedigung bereits befriedigter Motive ausnutzt. Der Zusammenhang zwischen zu aktivierenden Motiven, Anreizen und entsprechend zu wählenden Motivationsmethoden macht die eigentliche Problematik der Motivation und der Erreichung von Führungszielen aus .
7
Kognitive Prozesse im Motivationsablauf
Mit der inhaltlichen Klassifikation angestrebter Zielzustände als Motive eines Menschen beschäftigen sich die Inhaltstheorien wie die von Maslow und Herzberg wie auch die spezifische Herausarbeitung der Inhalte einzelner Motive. Hierbei interessiert vor allem, welche Motive es gibt, warum sie als erstrebenswert gesehen werden, welche Faktoren diese Einschätzung im Zeitablauf beeinflussen und warum Menschen den Motivinhalten unterschiedliche Bedeutungen beimessen. Die Inhaltstheorien vermögen indessen nicht zu erklären, wie, d . h. aufgrund welcher Prozesse motiviertes Verhalten zustande kommt (vgl. Staehle 1999, S. 230). Die Prozesstheorien befassen sich mit den kognitiven Prozessen, die zwischen dem Motiv bzw. den inhaltlichen Motivstrukturen und dem aktiven Handeln stehen, und wie eine motivationale Tendenz in Handlungen überführt wird. Theoretisches Ziel ist die Erklärung der Ausprägung einer spezifischen Motivation für eine ausgewählte Handlungsmöglichkeit unter Einbeziehung der hierbei ablaufenden kognitiven Prozesse. Praktisches Ziel ist die Beeinflussung dieses Prozesses, z. B. durch Führungskräfte. Die Antworten auf die theoretische Erklärung dieses Prozesses der Entstehung, Ausrichtung und Stärke von Motivationen und der Umsetzung von Motivation in Handeln wird im Rahmen zweier "Theorie-Familien" behandelt. Die eine befasst sich vor allem damit, wie Menschen die Befriedigungsmöglichkeiten ihrer Motive kalkulieren, die andere mit den Bedingungen, wie der aus einer Absicht nicht automatisch resultierende Wille zum Handeln zustande kommt. Für die praktische Umsetzung der Motivationstheorien ist es nicht entscheidend, welchem Forschungszweig man eine Theorie zuordnet. Außerdem konzentriert sich keine Motivationstheorie ausschließlich auf einen der beiden Fragenkomplexe.
7.1
Entstehung von Motivationstendenzen
Menschen zeigen in wechselnden Situationen einen unterschiedlichen Einsatz. Daraus ist zu schließen, dass es sich bei der Motivation nicht um eine stabile Disposition handeln kann, sondern dass auch situative Anreize hinzutreten. Situative Ereignisse werden personenspezifisch wahrgenommen und vor dem Hintergrund von Zielzuständen bewertet, ein gewähltes Verhalten wird davon abhängig gemacht. Motivation als Anstreben von Zielzuständen ist unter dieser kognitiven Perspektive an zwei Voraussetzungen geknüpft: Erstens muss das Eintreten des Zielzustandes gedanklich vorweggenommen werden, dies äußert sich in Erwartungen, ob das Ziel durch eigene Anstrengungen erreichbar ist. Diese Erwartungen sind abhängig von Zeithorizonten und dem unterschiedlichen Umfang an-
K. F. Withauer, Führungskompetenz und Karriere, DOI 10.1007/978-3-8349-6580-6_8, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
Entstehung von Motivationstendenzen
107
stehender Handlungsabfolgen. Zweitens geht es um die Bewertung des Zielzustandes, d. h., wird dem Zielzustand ein Wert zugemessen, stellt der Zielzustand einen Anreiz dar. Je nach Einschätzung dieser Faktoren hat der Zielzustand einen unterschiedlichen Aufforderungscharakter und unterschiedliche Kraft und lenkt so die Richtung des Verhaltens vor dem Hintergrund der erwarteten Belohnung oder Bedrohung. Menschen sind regelmäßig darauf bedacht, ihren subjektiv erwarteten Nutzen zu maximieren. Deshalb kann man für eine Vielzahl von Handlungen in der Arbeitswelt unterstellen, dass weniger die Ergebnisse einer Handlung motivieren, sondern vielmehr die Handlungsfolgen. Die VIE-Theorie von Vroom sagt motiviertes Verhalten (nicht Arbeitsleistung) mittels dreier Konstrukte vorher: (1) wie hoch der Anziehungswert von Handlungsergebnisfolgen eingeschätzt wird (V), (2) wie wahrscheinlich angestrebte Handlungsfolgen durch das Ergebnis verursacht (I) (3) und wie wahrscheinlich unmittelbare Ergebnisse erwartet werden (E).
Abbildung 7.1
Phasen der Motivation nach Vroom (nach Semmer/Udris 2004)
Handlungsergebnis
c==>
Handlungsfolge
U u 80
Dieser von der Erwartungs-Valenz-Theorie postulierte Zusammenhang wird vereinfacht ausgedrückt durch die Formel: Motivation (M) = Ergebniserwartung (E) x Zielnutzeneignung (I) x Nutzenbewertung (V). Die Theorie hat recht gut bestätigt, dass motiviertes Verhalten für Jemanden vor allem dadurch bestimmt ist, dass und inwieweit die Ergebnisse und Folgen seiner Handlung deutlich erkennbar sind (vgl. Semmer/Udris 2004, S. 166 f.). Dieser Gedanke lässt sich an beispielhaften Konsequenzen illustrieren - so kann sorgfältiges Arbeiten die Mengenausbringung reduzieren und damit gegebenenfalls den Verdienst schmälern, es kann zu Anerkennung durch Vorgesetzte führen, es kann Fehler reduzieren usw. Eine Implikation dieses Sachverhalts besteht im Übrigen darin, dass man von einer Handlung oder deren Unterlassung nicht unmittelbar auf die zugrundeliegenden Motive schließen kann.
108
Kognitive Prozesse im Motivationsablauf
Der Wert eines Ergebnisses kann sich aus verschiedenen Quellen ergeben. Er kann intrinsisch sein, die Freude arn Tun entspricht dem erstrebten Nutzen, z. B. der Freude an Qualitätsarbeit; er kann aber auch dadurch bestinunt sein, dass das Ergebnis zu anderen attraktiven Folgen führt, nämlich etwa der Anerkennung durch den Vorgesetzten, die sichere Erhaltung des Arbeitsplatzes u . Ä./ wobei das Ergebnis wichtig ist wegen der Instrumentalität resp. Eignung für diese Folge oder Folgen. Für das Geldmotiv wird die Instrumentalität des Geldes für eine fast unbegrenzte Palette von Dingen deutlich. Manchmal scheinen Menschen gegen ihre Bedürfnisse zu handeln. 50 könnte es sein, dass z. B. eine geplante inhaltlich angereicherte, interessantere Arbeitsgestaltung prinzipiell als motivierend angesehen wird, dass jedoch andere Folgen wie etwa das Auseinanderreißen eines eingespielten Teams negativ eingeschätzt wird oder die signalisierten bereichernden Elemente der Arbeit angezweifelt werden, weshalb sie die Maßnahme ablehnen. Das Modell von Vroom wurde mehrfach modifiziert und erweitert (vgl. insbes. Porter/Lawler 1968) und konnte in seinen wesentlichen Annahmen und Postulaten bestätigt werden (vgl. Staehle 1999/ 5.237 ff.), Die tatsächliche Arbeitsleistung ist eine Funktion des Produkts aus einer spezifischen Motivationstendenz und den notwendigen Fähigkeiten: (L)eistung = f [(M)otivation x (F)ähigkeiten]. Im Anschluss an die Darstellung wesentlicher Ergebnisse der prozesstheoretischen Motivationsforschung seien einige jührungspraktische Konsequenzen aufgezeigt (vgl. House/ Dessler 1974/ zit. in Weibler 2001/5.231): - Geführtenrelevante Ziele erkennen und/oder wecken, die der Führer (mit) kontrolliert, - Zuteilung geführtenrelevanter Belohnungen, wie Anerkennung, Förderung und Fortkommen/ Bezahlung), - Vereinfachung des Weges zur Erlangung dieser Belohnungen z. B. durch Coaching, - die Mitarbeiter bei der Formulierung ihrer Erwartungen unterstützen, - frustrierende Barrieren reduzieren, - die Chancen zur persönlichen intrinsischen oder extrinsischen Motivbefriedigung mit der effektiven Leistung steigern. Führung muss generell sich um positiven Einfluss auf den kognitiven Prozess bemühen, der die Anstrengungsbereitschaft für die Auswahl einer bestimmten Handlung festlegt (vgl. Weibler 2001/ 5. 232 f.): Bei der Einflussnahme auf die Handlungsergebniserwartung (E) sind die qualifikatorischen Voraussetzungen zu bedenken, indem einem Mitarbeiter z. B. keine Leistungen abverlangt und/oder Belohnungen verheißen werden, die er trotz aller Anstrengungen aufgrund seiner minderen Qualifikation nicht erreichen könnte, weiterhin sind die Rahmenbedingungen für eine ungestörte Arbeit zu schaffen und Führung sollte gezielt unterstützen, z. B. durch Coaching mit Information, Anregung, Verdeutlichung.
Entstehung motivgeprägter Willensakte
109
Die Handlungsergebnisfolgenerwartung (V) ist beeinflussbar, indem avisierte Belohnungen bei höherer Anstrengung auch tatsächlich erfolgen, Zusagen ohne dafür bestehende eigene Kompetenz unterbleiben und insbesondere die Folgen von Handlungsergebnissen in der Arbeitsgruppe transparent gemacht und auch symbolisch unterstrichen werden. Auf die Instrumentalität (I) kann beispielhaft Einfluss genommen werden durch die Verdeutlichung der Stimmigkeit von Handlungsergebnisfolgen mit den Wünschen des Mitarbeiters oder die gemeinsame Suche nach Lösungen bei abweichenden Bewertungen von verschiedenen Handlungsergebnisfolgen.
7.2
Entstehung motivgeprägter Willensakte
Die bislang dargestellten Erkenntnisse aus den Inhalts- und Prozesstheorien beschäftigen sich ausschließlich mit den Fragen der Motivationsentstehung. Dabei ging es um die Zielzustände und Aktivitäten, die Personen unter bestimmten Bedingungen bevorzugen, und um Bewertungsprozesse, die zur Herausbildung einer Handlungsmotivation führen. Die konkrete Realisation des motivierten Verhaltens und die Beeinflussung dieses Willensaktes blieb bisher ausgeblendet. Dies erscheint indessen deshalb notwendig, weil der Weg von der Motivation zum Handlungsergebnis störanfällig ist, vor allem da man erfahrungsgemäß nicht jedes Handeln im freudvollen Flow vollzieht. Oftmals mühen sich Menschen mit aversiven Tätigkeiten ab, die man eben nur ableistet, weil diese besonders erstrebenswerte Handlungsergebnisfolgen sichern bzw. bedrohliche abwehren (vgl. Rheinberg 2006, S. 176). Alltagssprachlich sagt man bei einer von innerem Widerstand begleiteten Handlungsausführung, man müsse sich eben "zusammenreißen" oder dürfe sich nicht "gehen lassen". Der Begriff Wille bezeichnet die Kategorie psychischer Funktionen, die ausgehend von Bedürfnissen, Gefühlen, Absichten u. Ä. die Koordination von verschiedenen Subsystemen wie Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Kognition, Emotion, Motivation, Aktivierung und Bewegungssteuerung im Hinblick auf die Optimierung dieser Absichten oder Ziele vermittelt. Willensprozesse sind geprägt durch einen mehr oder minder differenzierten Zielbildungsprozess, der für die Initiierung und Realisierung des Handeins von Bedeutung ist (vgl. Heckhausen/Heckhausen 2006, S. 278 ff.). Deshalb ist es bedeutsam, den Zusammenhang zwischen der Aufstellung von Zielen und der realisierten Leistung und die Einflussgrößen näher zu kennen (vgl. Locke/Latham 1991). Die zentrale Annahme bei der Untersuchung der Bedeutung von Zielen für den Willensprozess ist, dass herausfordernde und spezifische Ziele zu höherer Leistung führen als vage Ziele ("to do the best") oder gar keine Ziele. Durch Ziele werden Aufmerksamkeiten gelenkt, sie helfen Aufgaben nachhaltig zu verfolgen und sie regen zu Zielerreichungsstrategien an. Ob die Ziele selbst gewählt sind oder vorgegeben werden, ist hierbei nicht von Bedeutung, entscheidend ist vielmehr, ob sich die handelnde Person dem Ziel verpflichtet fühlt. In einer Studie wurde herausgefunden, dass höchste Leistungen bei einer Erfolgswahrscheinlichkeit von 10 bis 15 % provoziert werden (vgl. UhI2000, S. 31, zit. bei Weibler
110
Kognitive Prozesse im Motivationsablauf
2001, S. 239 f.), Diese werden dann zwar nicht immer vollständig erfüllt, erreichen indes ein ansonsten nicht zustande kommendes Niveau. Diese für die Motivationsforschung überraschenden Befunde werden darauf zurückgeführt, dass Menschen ihre Anstrengungen an die Herausforderung anpassen und bei höheren Zielen auch ihre Anstrengung erhöhen, auch weil die Erreichung eines schwierig erreichbaren Ziels in sich belohnender wirkt.
Zielklarheit heißt, diese Ziele müssen ein bestimmtes Ergebnis beinhalten, beispielsweise die Produktion einer konkreten Produktanzahl, ein Kostenziel, ein Qualitätsziel oder eine einzuhaltende Terminvorgabe. Je spezifischer ein Ziel ist, je mehr fokussiert es die Anstrengung auf das Leistungsergebnis, konkurrierende Intentionen werden offenbar dadurch zurückgestellt. Eine führungspraktische Empfehlung ist kann mithin so lauten, das wichtigste Ziel bewusst hoch zu wählen, während weitere Nebenziele realistischer zu setzen sind. Gleichfalls unterstützend wirkt, wenn Führungskräfte bei zentralen Handlungen, die sie sich vom Mitarbeiter wünschen, keine quantitativ oder qualitativ konkurrierenden Handlungswünsche äußern und vermeintlich "unbedingt zu berücksichtigende" Informationen sich verkneifen. Von großer Bedeutung ist das Feedback, informative Rückmeldungen stehen hiernach in einer klar positiven Beziehung zum Leistungsverhalten. Schließlich sind "proximale" Ziele, also Ziele für überschaubare Zeiträume, wirksamer als "distale" Ziele; diese sollten also im Zweifel in überschaubare Teilziele aufgeteilt werden. Die Erkenntnisse aus der Motivationsforschung ergeben keineswegs eine einheitliche Theorie oder einen durchgängig anwendbaren Leitfaden für die Praxis, sie sind gleichwohl bedeutsam für alle Ansätze und Betrachtungen, bei denen die Motivation als ein zentraler Faktor eingeht. Dies gilt vor allem für die Arbeits- und Leistungsmotivation, aber auch für das Freizeitverhalten sowie die Berufswahl, persönliche Arbeitstechniken, Zeitmanagement, Gesprächs- und Verhandlungsführung, Kunden gewinnen und aktives Verkaufen, ein strategisches Lebenskonzept u. v. a. Die dargestellten Prozess-Theorien bewegen sich näher am tatsächlichen Verhalten, berücksichtigen Verbindungen zwischen Bewertungen und Ergebnissen und füllen somit eine Lücke, die Inhalts-Theorien offen lassen. Sie bieten Erklärungen für manches problematische Verhalten, das man eilfertig auf schwache Motive zurückführt oder für eine Handlung flink ein vermeintliches Motiv parat hat. Stattdessen öffnen sie den Blick für kontroverse Motive, welche die Erklärung dafür liefern, dass ein an sich hoch bewertetes Verhalten sich nicht "durchsetzt" (vgl. Semmer/Udris 2004, S.168). Trotz der tauglichen Befunde der Prozess-Theorien sind sie letztlich auf Inhalts-Ansätze angewiesen. In WertErwartungs-Ansätzen motiviert die Erwartung, etwas "Wertvolles" zu erreichen. Die Valenz, was als wertvoll gilt, ist indes nur inhaltlich bestimmbar und daher aus den Motiven der Person erklärbar. Ziele wirken nur, wenn sie von einer Person angenommen werden und sie sich ihnen verpflichtet fühlt, und dies setzt eine Übereinstimmung mit ihrer inhaltlichen Motiv-Struktur voraus.
Motivationsrelevante Bewertungvon Handlungsergebnissen
7.3
111
Motivationsrelevante Bewertung von Handlungsergebnissen
Eine abgeschlossene Handlung geht mit einem bestimmten Ergebnis einher, sogar ihr Scheitern wäre eine Erkenntnis. Die Bewertung der Zufriedenheit mit dem Handlungsergebnis und seinen Folgen hat Auswirkungen auf nachfolgende Zyklen des Motivationsgeschehens. Das Verständnis daraus entstehender Erwartungen erweist sich für die Führungspraxis als maßgebliche Hilfe.
Im Mittelpunkt solcher Bewertungen steht dabei das Phänomen, dass Menschen den Erfolg oder Misserfolg bei der Erreichung ihres Handlungsziels unterschiedlichen Ursachen zuschreiben (attribuieren). Die Beurteilung einer Handlung ist davon abhängig, ob sie (in Anlehnung an Weiner 1994, vgl. Ridder 2007, S. 317) attribuiert wird
•
internal: Miss-/Erfolge werden auf die eigene Person zurückgeführt als Folge der eigenen Fähigkeiten (stabil) bzw. der eigenen Anstrengungen (variabel), oder
•
external: Miss-/Erfolge wurden durch äußere Umstände bestimmt, also entweder infolge der Schwierigkeit der Aufgabe (stabil) oder durch Zufall (variabel).
In experimentellen Untersuchungen wurde nachgewiesen, dass es im Kontext der Zu-
schreibung von Erfolg und Misserfolg zwei verschiedene Typen von Menschen gibt:
•
Erfolgszurechner sind dadurch charakterisiert, dass sie persönliche Erfolge (wie ein erfolgreiches Projekt) in aller Regel internal attribuieren - mit Bezug auf ihre Fähigkeiten oder Anstrengungen -, während sie persönliche Misserfolge zumeist externalen Ursachen zuschreiben - also ungünstigen Umständen oder dem Zufall .
• Misserjolgszurechner denken diesbezüglich völlig umgekehrt, sie attribuieren persönliche Erfolge meist external - leichte Aufgabe, Glück -, während sie ihre Misserfolge internal begriinden - bin unfähig, habe mich ungenügend angestrengt. Es dürfte offensichtlich sein, dass durch solche Beurteilungen die Erwartungen in weiteren Motivationsprozessen geprägt werden. Der Anreizwert späterer Aufgaben wird auch dadurch tangiert, inwieweit die Bewältigung der Aufgabe Stolz oder Scham erzeugt hat. Erwartbare Handlungsergebnisse werden von einem Erfolgszurechner eher positiv beurteilt. Für die Valenzen ergibt sich ein Einfluss über die mit der kausalen Zuschreibung verbundenen Emotionen.
Führungspraktisch ergeben sich aus den Erkenntnissen (vgl. Weibler 2001, S. 245) zur motivationsrelevanten Bewertung von Handlungsergebnissen folgende
Empfehlungen: •
Führung(skräfte) sollte(n) einschätzen können, ob jemand als "Erfolgs"- oder "Misserfolgszurechner" denkt.
112
Kognitive Prozesse im Motivationsablauf
•
Führung sollte typischen "Erfolgszurechnern" vor allem im Falle ihres Misserfolgs (etwa bei ungenügender Leistung) aufzeigen, dass dieses Ergebnis nicht nur externale, sondern durchaus auch internale Ursachen (v. a. ungenügende Anstrengung) haben kann.
•
Führung sollte verstehen, dass Menschen auch im Erfolgsfall Handlungen dennoch nicht abermals ausführen, wenn sie diesen Erfolg externalen Ursachen zuschreiben und deshalb unterstellen, dass sie diesen Erfolg nicht wiederholen können. Es kommt dann zu einem in der Praxis nicht untypischen Unverständnis zwischen einem von seiner Motivationsfähigkeit überzeugten Führer und einem Mitarbeiter, der auf der Basis externaler Zuschreibung eine Wiederholung scheut.
•
Führung sollte typischen "Misserfolgszurechnern" a. im Falle ihres Misserfolgs klären, dass das negative Ergebnis (auch) externale Ursachen haben kann (bspw. überaus schwierige Aufgabe, außergewöhnliches Pech), bzw. b. im Falle ihres Erfolgs klarstellen, dass (auch) internale Ursachen (die besonderen Fähigkeiten und Anstrengungen des Einzelnen) für das positive Ergebnis ursächlich sind.
•
Führung sollte dabei insgesamt berücksichtigen, dass die individuelle Motivation positiv vor allem dann beeinflusst wird, wenn die Bedeutung des variablen Faktors Anstrengung hervorgehoben und damit gleichsam vermieden wird, dass Mitarbeiter Miss-/ Erfolge vornehmlich auf stabile Faktoren zurückführen. Denn wer einen Miss-/Erfolg ursächlich auf stabile Faktoren zurückführt, sieht keine Notwendigkeit, den variablen Faktor Anstrengung zu steigern, und denkt beispielsweise "Warum soll ich mich anstrengen, wenn ich ohnehin unfähig bin!" oder "Warum soll ich mich anstrengen, ich habe doch diese Aufgabe bislang immer mit Leichtigkeit bewältigt!"
8
Praktische Empfehlungen zur Gestaltung einer motivierenden Situation
Mitarbeiter für und bei ihrer Arbeit zu motivieren, erscheint aus mehreren Gründen klug und sinnvoll. Zum einen macht die Arbeit mehr Freude, wenn man motiviert ist, was zugleich wahrscheinlich macht, dass auch die Leistung steigt. Zum anderen bringt erfolgreiches Tun durch hochmotiviertes Arbeiten größere Freude und führt zu Zufriedenheit. Die bisher in verschiedenen Konzepten zur Motivation zusammengetragenen Erkenntnisse ermöglichen führungspraktische Ratschläge, wie sich Motivation und Zufriedenheit fördern lassen. Diese Empfehlungen betreffen Vorgesetzte und Mitarbeiter in gleicher Weise, so ist ja motivierendes Verhalten von Vorgesetzten in gleicher Weise trainierbar wie die Arbeitsmotivation einzelner Mitarbeiter. Die folgenden konkreten Hinweise sind eine Auswahl besonders beachtenswerter Verhaltensvorschläge (vgl. v. Rosenstiel2009a, S. 174 H.). Die folgenden ersten sechs Empfehlungen sind gerichtet auf die von Herzberg so bezeichneten Motivatoren, die ja gleichermaßen zu Leistungsbereitschaft und Zufriedenheit führen. Leistung
Klare Ziele der Aufgabe und rascheste Rückmeldungen über den Grad der Zielerreichung sind grundlegend für wirksame Leistungsanreize. Dies wird durch eine entsprechende Aufgabenkonzeption und im übergeordneten organisatorischen Führungsverständnis durch ein "Management by Objectives" erreicht, das in seiner Ausgestaltung nicht Führung durch Zielvorgabe, sondern als Führung durch Zielvereinbarung definiert ist. Anerkennung der eigenen Leistung Vorgesetzte sollten Leistung anerkennen und positive sowie negative Kritik als systematische Führungsmittel einsetzen (siehe Kap . 4, 15.1). Betont sei, dass nicht nur Information über das Ergebnis eigenen Tuns gewährleistet wird, sondern auch bewertende Stellungnahmen von außen, insbesondere durch den Vorgesetzten. Die Anerkennung kann recht unterschiedlich gegeben werden, verbal (Lob), nonverbal (durch Mimik, Gestik) oder indirekt (durch Ratsuche), aber auch in Form von Objektivationen wie z. B. finanzielle Leistungsprämien, Beförderung, Delegation von Verantwortung, Weiterbildungsangebote etc. geschehen. Im übergeordneten organisatorischen Kontext ist die institutionalisierte Personalbeurteilung mit anschließendem Beurteilungsgespräch als Führungsmittel einsetzbar. Arbeit selbst Der Arbeitsinhalt sollte so strukturiert sein, dass der Einzelne - ohne über- oder unterfordert zu werden, und zwar in qualitativer und quantitativer Hinsicht - das Gefühl gewinnt, dass die Arbeit von ihm jene Fähigkeiten fordert, die er zu besitzen glaubt und die er zu-
K. F. Withauer, Führungskompetenz und Karriere, DOI 10.1007/978-3-8349-6580-6_9, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Praktische Empfehlungen zur Gestaltung einer motivierenden Situation
gleich hoch bewertet. Eine wesentliche Variable der Gestaltung ist hierzu eine Erweiterung
des Handlungsspielraums. verantwortung Die Förderung der Eigenverantwortung wird mit dem Prinzip der Delegation angestrebt, indem Rechte und Verantwortungen des Einzelnen der Qualifikation und dem Umfang der Aufgaben entsprechen. Aufstieg Aufstiegsorientierte Förderung und Fortkommen betreffen in erster Linie die Erwartung und die Möglichkeit des Erreichens von Positionen, die einen erweiterten Arbeitsinhalt sowie mehr Verantwortung mit sich bringen und nicht allein das Erzielen höherer finanzieller Bezüge, eindrucksvollerer Statussymbole etc. im Sinne eines Pseudo-Aufstiegs. Möglichkeiten zum Wachstum Förderung des persönlichen Wachstums ergibt sich durch mehr Selbstbestimmung und einen größeren Handlungsspielraum. der einem Arbeitenden die Chance lässt, sein Arbeitsgebiet als .Lemfeld" zu interpretieren, dort neue Erfahrungen zu sammeln und seinen Horizont zu erweitern. Eine passende Ergänzung sind auch innerbetriebliche und außerbetriebliche Fort- und Weiterbildungen, die den künftigen Anforderungen und gleichermaßen persönlichen Interessen entsprechen. Kollegen Die Kollegen sind für die Arbeitszufriedenheit besonders wichtig; zur Unzufriedenheit führt insbesondere das Gefühl, von diesen nicht akzeptiert zu werden. Das Schaffen kleiner Gruppen mit einer hohen Kohäsion ist daher einer der Wege zur Verbesserung der Arbeitszufriedenheit. Vorgesetzter In einer großen Zahl von Studien ist nachgewiesen worden, dass das Führungsverhalten die Arbeitszufriedenheit beeinflusst, wobei je nach Situation, Größe der Gruppe, Aufgabe und Eigenart der Geführten andere Ergebnisse erzielt worden sind. Versucht man dennoch zu generalisieren, so lässt sich sagen, dass ein mitarbeiterorientiertes Führungsverhalten besonders wichtig für die Arbeitszufriedenheit ist. Tätigkeit Der Arbeitsinhalt scheint - zumindest in einigen Bereichen - die wichtigste Einflussvariable für die Arbeitszufriedenheit zu sein. Bedeutsam ist hierbei ein großer, aber nicht überfordernder Handlungsspielraum, der dem Arbeitenden das Gefühl vermittelt, er könne bei der Ausübung seiner Tätigkeit seine ihm eigenen und von ihm positiv bewerteten Persönlichkeitsmerkmale aktivieren. Entsprechen die Herausforderungen durch die Tätigkeit den
Praktische Empfehlungen zur Gestaltung einer motivierenden Situation
115
Fähigkeiten und Neigungen der handelnden Person voll, so kommt es gelegentlich zum "Flow-Erlebnis" (vgl. Csikszentmihaly 1993), das als völliges Aufgehen in der Arbeit, als Gefühl von tiefem Glück ins Bewusstsein gelangt. Arbeitsbedingungen
Die äußeren Arbeitsbedingungen waren es vor allem, die zu Beginn einschlägiger Forschungsarbeit als Hauptursache der Arbeitszufriedenheit angesehen wurden. Unter diesem Aspekt wäre zu fordern, dass ausreichend Hilfsmittel zur Verfügung stehen, um die Arbeit zu erleichtern, dass die Maschinen adäquat zu bedienen sind, der Arbeitsraum freundlich und zweckdienlich gestaltet ist, Belästigung durch Lärm, Staub, Temperatur, falsche Beleuchtung etc. ausgeschlossen ist, und somit - von Seiten dieser äußeren Bedingungen - die Belastung des Einzelnen nicht zu einer Überbeanspruchung und zu negativen Stresssymptomen führt. Mangelhafte äußere Arbeitsbedingungen werden meist als intolerabel und unzufrieden machend empfunden. Organisation und Leitung
Zufriedenheit oder Unzufriedenheit mit der Firma als Ganzes betrifft zum einen ihr Image, ob es befriedigend oder nicht befriedigend wirkt. Gerade aber auch interne Praktiken der Unternehmens- und besonders der Personalpolitik, die Art und Weise wie die einzelnen Bereiche zusammenarbeiten, wie der Informationsfluss gestaltet ist, sind bedeutsam für die Arbeitszufriedenheit - allerdings wohl vor allem in negativer Hinsicht, Mängel im Erleben dieser Faktoren bedingen Unzufriedenheit. Entwicklung
Das mit einer höheren Kompetenzerfahrung verbundene persönliche Vorwärtskommen ist - wie empirisch vielfach nachgewiesen wurde - Grund erhöhter Zufriedenheit. Eine Spezifikation dieses Effekts ist indessen schwer abzuklären, da mit dem Aufstieg meist vielfältige andere positiv erlebte Konsequenzen verbunden sind, wie etwa größerer Handlungsspielraum, bessere Bezahlung, höheres Ansehen, mehr Einfluss etc. Ob Aufstieg als Instrument zu höherer Kompetenz tatsächlich angestrebt und nach Erreichen des Ziels als befriedigend erlebt wird, hängt davon ab, ob der Einzelne den so verstandenen Aufstieg attraktiv findet; dies ist keinesfalls selbstverständlich, da Aufstieg meist ein Abschiednehmen von gewohnten Tätigkeiten, Personen und Räumlichkeiten bedeutet. Hilfreich erscheint es deshalb, beim Aufstieg zwischen der Aufstiegserwartung und dem erreichten Aufstieg zu unterscheiden. Sind die wahrgenommenen Aufstiegschancen hoch, so ist dies meist mit gesteigerter Zufriedenheit verbunden, kommt es dann allerdings in absehbarer Zeit nicht zum Aufstieg, ist besonders ausgeprägte Unzufriedenheit die Folge. Bei nur gering eingeschätzten Aufstiegschancen und dann doch erreichtem Aufstieg ist das Erleben umgekehrt.
116
Praktische Empfehlungen zur Gestaltung einer motivierenden Situation
Bezahlung
Dass die Höhe der Bezahlung in aller Regel mit der Zufriedenheit korreliert, ist oft berichtet worden, wenn dies auch nicht eindeutig interpretierbar ist. Dieser Parameter korreliert nämlich vielfältig mit anderen Belohnungsformen (z. B. Ansehen, Handlungsspielraum), dennoch ist gerade bei der Bezahlung und bei Gehaltserhöhungen speziell darauf abzustellen, dass sich die Zufriedenheit mit der Bezahlung nicht aus der absoluten Höhe, sondern aus der relativen ergibt: Der soziale Vergleich ist hier entscheidend. Arbeitszeit
Die Arbeitszeit hat einen nicht unwesentlichen Einfluss auf die Arbeitszufriedenheit. Dies hat in neuerer Zeit die vielfach eingeführte gleitende oder flexible Arbeitszeit gezeigt, welche in der Regel die Zufriedenheit steigern konnte. Dort, wo eine feste Arbeitszeit vorgegeben ist, dürfte die Zufriedenheit umso größer sein, je weniger sie mit zeitgebundenen attraktiven Freizeitmöglichkeiten (z. B. Kino, Theater, Sport) konkurriert. Plausibel dürfte sein, dass Schicht- und Nachtarbeit - aus sozialpsychologischen und physiologischen Gründen - sich negativ auf die Arbeitszufriedenheit auswirken. Arbeitsplatzsicherheit
Insgesamt kommt der Sicherheit des Arbeitsplatzes bei einer Vielzahl von Untersuchungen eine große Bedeutung zu. Die Arbeitszufriedenheit scheint von der Arbeitsplatzsicherheit vor allem dann negativ beeinflusst zu werden, wenn sie als gefährdet wahrgenommen wird.
Kapitel 3: Zusammenarbeit Gruppeneffekte und Gruppendynamik Die beiden ersten Kapitel behandelten das komplexe Sozialverhalten des Individuums und seine motivationale Begründung. Der gruppendynamische Aspekt des Zusammenwirkens von Menschen in kleinen sozialen Einheiten, der bisher nur indirekt berücksichtigt wurde, bildet einen weiteren wesentlichen Zugang zum Verständnis der Vorgänge in Organisationen. Schon allein aus der äußeren Form des Stellengefüges ergibt sich, dass Gruppen mit kontinuierlicher Zusammenarbeit der Mitglieder Bestandteil der regulären Arbeitsorganisation sind und die Führung von Gruppen zum Führungsalltag gehört. Hinzu kommen zeitlich begrenzte Gruppen, deren Mitglieder zur Lösung spezifischer Probleme nur temporär zusammenarbeiten. Gruppeneffekte gehören vermutlich zu den am meisten unterschätzten Phänomenen im Führungsalltag. Dies ist in Zeiten, in denen gruppenorientierte Arbeitsformen quantitativ gesehen an Bedeutung gewinnen und Teamarbeit sich als erfolgreich erweist, bedenklich. Der Mensch handelt, denkt und fühlt nicht als selbständiges Individuum, sondern als Mitglied von Gruppen - im privaten wie im betrieblichen Bereich. Die Eigenart von Gruppeneffekten ist, dass sie emergent auftreten, also unabhängig von einer Führerperson zustande kommen und nicht die Addition analytisch gedachter FührerMitarbeiter-Beziehungen darstellen. Die folgenden Betrachtungen gehen den Fragen der Gruppenbildung und des Gruppenverhaltens nach. Es soll untersucht werden, warum sich Gruppen formieren und was sie zusammenhält. Das wichtigste zugrundeliegende Interesse der Untersuchung bezieht sich auf die Thematik der Schaffung effektiver Teams. Besonders ist die Frage zu erörtern, inwiefern die Führung mehrerer Personen Eigentümlichkeiten aufweist (siehe Kap. 4, 12.). Im Folgenden werden die Probleme der Begründung von Macht und Autorität behandelt. Im Gruppenverhalten sind Status und Rolle von Bedeutung. Gruppennormen bestimmen das Verhalten der Gruppenmitglieder.
9
Die Gruppe als soziales Gebilde
Die Soziologie kennt mehrere soziale Gebilde, z. B. die Klasse, die Menge, die Masse . Von einer Klasse spricht man, wenn man Menschen als Träger gleicher, aber willkürlicher Merkmale kennzeichnen will (z. B. VW-Fahrer). Die Menge ist im Gegensatz zur abstrakten Klasse eine konkrete Gemeinschaft der Personen, die aus irgendeinem Grund am gleichen Ort zur gleichen Zeit anwesend sind (z. B. die Menge in einem Omnibus). Die Masse ist eine Menge, die durch ein äußeres Ereignis zu gemeinsamen, aber ungeordneten Handlungen aktiviert wurde (z. B. Teilnehmer eines wilden Streiks).
9. 1
Merkmale der Gruppe
Die Gruppe unterscheidet sich von den anderen sozialen Gebilden insbesondere dadurch, dass sie eine erkennbare Struktur entwickelt (vgl. Bröckermann 2000/ S. 292). Unter einer Gruppe versteht man eine Reihe von Personen, die häufig miteinander Umgang haben. Diese Interaktion bewirkt, dass das Verhalten jedes Gruppenmitgliedes das Verhalten der anderen Gruppenmitglieder beeinflusst; es entsteht das Gefühl des Gruppenbewusstseins. Die Gruppenmitglieder verfolgen ein Gruppenziel und unterwerfen sich bestimmten Normen und Regeln. Die Aktivität der Gruppe drückt sich in der Übernahme sozialer Rollen durch die einzelnen Gruppenmitglieder aus, wobei Zielsetzung und Normen der Gruppe sowie individuelle Eigenarten der Gruppenmitglieder mitspielen (vgl. Hentze et al. 1997/S. 441 f.).
Abbildung 9.1
Merkmale der Gruppe
• I
Aktivität
• I
.....- - - - - - - - - - - . . Kontakt
Die Gruppe kann durch folgende Merkmale definiert werden: 1. Interaktion, Kommunikation, Kooperation, Kontakt 2. Gruppenbewusstsein, Kohäsion, Sympathie, Gefühl K. F. Withauer, Führungskompetenz und Karriere, DOI 10.1007/978-3-8349-6580-6_10, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
Gruppenentstehung
119
3. Gruppenstruktur, Arbeitsteilung, Aufgabenverteilung, Rollenübernahme, Aktivität 4. Normen, Verhaltensregeln, Gruppenziel Jeder Mensch ist Mitglied vieler Gruppen: Die Familie ist eine Gruppe, der jeder angehört oder angehört hat; andere Gruppen sind die Arbeitsgruppe, Freundesgruppe, Freizeitgruppeu. a.
9.2
Gruppenentstehung
Das Entstehen einer Gruppe ist mit jenen Erscheinungen verknüpft, die als kennzeichnend (vgl. Staehle 1999, S. 267 f.) für die Gruppe definiert wurden: •
Personen, die häufig miteinander Kontakte haben, entwickeln Gefühle der Sympathie füreinander. Mit steigender Zahl der Interaktionen erhöht sich auch das Maß der Sympathie.
•
Personen, die sich sympathisch sind, entwickeln ein erhöhtes Maß an gemeinsamer Aktivität.
•
Aktivitäten führen wiederum zu neuen Interaktionen. Die Kontakte zwischen den Personen erzeugen Sympathie, die sich in weiteren Aktivitäten äußern.
•
Eine Gruppe formiert sich, wenn ausreichende Möglichkeiten zur Begegnung und Kommunikation bestehen. In ihrem Zusammenhalt wird sie gefördert durch eine möglichst hohe Kontaktdichte. Intensive formelle und informelle Kontakte lassen ein "Wir"-Gefühl entstehen.
•
Der Gruppeneintritt erfolgt, wenn mit der Gruppe vereinbare Motive vorliegen, wenn ein gemeinsames Gruppenziel gegeben ist, das durch die Gruppe vorteilhaft erreicht werden kann.
Wenngleich sich Gruppen in bestimmten Situationen zunächst auch ohne vorgegebenes Ziel finden können, ist bei organisatorisch etablierten Gruppen immer ein organisational relevantes Ziel vorgegeben. Im praktischen Sprachgebrauch hat sich für eine solche formelle Gruppe der Begriff"Team" durchgesetzt. Teams haben besondere Merkmale und werden allgemein positiver gewertet: sie sind "gut eingespielt", durch funktionierende Kooperation gekennzeichnet sowie dadurch, dass alle Mitglieder eine intensive Bindung an die Aufgabe bzw. die gemeinsamen Ziele haben (vgl. Forster 1978, S. 17; siehe auch 9.4). Dies gilt sowohl für geschlossene, dauerhafte Gruppen wie qualifizierte Arbeitsteams und teilautonome Arbeitsgruppen mit seltenem Mitgliederwechsel wie auch offene Gruppen und exemplarisch für zeitlich befristete Projektteams mit Zielen wie z. B. Reduktion der Produktionskosten, Entwurf eines Organisationsleitbildes oder Erledigung eines Kundenauftrags. Dabei kann die Bewältigung von Aufgaben durch Teams zweifach motiviert sein: Einmal kann die Gruppe etwas tun, was das Individuum nicht vermag oder sie kann etwas besser
DieGruppe als soziales Gebilde
120
tun als die einzelne Person (vgl. Staehle 1999, S. 269j Gordon 1994, S. 30). Sie verfolgt dabei bestimmte Ziele in der Umwelt, was auch immer diese Ziele sein mögen. Gruppenvorteile zeigen sich darin (vgl. Wiendieck 1994,S. 239 f.), dass die Leistungen mehrerer Personen sich addieren (Prinzip der Kräfteaddition); die Gruppe kann mehr und schneller leisten als das einzelne Individuum.
~
Ql materielle Ziele und geistige Lösungen mit größerer Wahrscheinlichkeit erreicht bzw. gefunden werden (Prinzip des Fehlerausgleichs): bei Schätzurteilen verringern sich die Fehler infolge der gegebenen Intersubjektivität. Die Gruppe sorgt weiterhin für die Zufriedenheit ihrer Mitglieder. Eine Gruppe wird sich nicht formieren oder wird auseinanderfallen, wenn sie nicht die sozialen Bedürfnisse ihrer Mitglieder befriedigt. Konkrete Gruppenvorteile im Hinblick auf die Zufriedenheit sind dadurch gegeben, dass
9
die Gruppe sich als zusammengehörig erlebt mit einem Gefühl der Geborgenheit und der Sicherheit oder sich explizit als zusammengehörig definiert (emotionaler Gruppenvorteil). Sie überwindet das Gefühl der Einsamkeit und Einstellungshemmnisse, wodurch schöpferische Prozesse gefördert werden.
41 bei
fehlender Information die Gruppe Regeln und Meinungen festlegen (Prinzip des Bestimmens) und somit Ungewissheit und Unsicherheit reduzieren kann.
Die Ausgangsbedingungen der Gruppenbildung machen deutlich, dass der Gruppenbegriff nur sinnvoll ab einer Gruppengröße von drei unmittelbar miteinander kommunizierenden Personen gelten kann, weil typische Gruppenphänomene wie "Mehrheit gegen Minderheit", "Koalitionsbildung" oder "Gruppendenken" schon in den sogenannten Dyaden (Zweiergruppen) nicht oder kaum von Bedeutung sind.
Selbst-Check 9: Wie könnte man konkret die Zielsetzung einer Freizeitgruppe formulieren? Welche Normen könnten in einer solchen Gruppe gelten und welche Gruppenvorteile ergeben sich? (Antwort am Ende des Buches)
9.3
Gruppen und Organisation
Wenn mehrere Gruppen in der Weise miteinander in Beziehung stehen, dass sie gemeinsam ein Zielkonzept verfolgen (gleiche Denkart, Politik und Absichten), bezeichnet man sie als Organisation. Mit anderen Worten: Eine Organisation ist eine Gruppe von Gruppen, die im Sinne eines Zieles zusammenwirken. Fabriken, Kliniken, Versicherungen, Universitäten und Warenhäuser sind Organisationen. Jede hat ihre eigene Struktur, spezifische Absichten und andere Kennzeichen, die auf die Organisationsmitglieder entsprechenden
Gruppen und Organisation
121
Einfluss haben. Bei dieser Betrachtungsweise der Organisation als System von Gruppen treten die Einzelbeziehungen zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern in den Hintergrund. Zwischen den Gruppen der Organisation bestehen Kontakte. Man bezeichnet sie als Außenkontakte. Diese müssen zwischen den Gruppen nicht in beiden Richtungen gleich stark sein. Die "Distanz" von einer zur anderen kann größer sein als umgekehrt. Die Außenkontakte sind stets geringer als die Binnenkontakte in der Gruppe zu "seinesgleichen". Wenige Außenkontakte bewirken umso mehr Binnenkontakte, die Gruppe kapseit sich ab. Das Bild, das eine Gruppe von einer fremden Gruppe hat, wird beeinflusst vom Umfang der Kontakte zu dieser. Fremdbilder einer Gruppe sind oft stark vereinfacht und enthalten differenzierte, aber vielfach falsche Vorstellungen. In der Sichtweise des Betriebes als einer Gruppe von Gruppen sind Führungskräfte Vorgesetzte ihrer Mitarbeiter und damit Mitglied dieser Gruppe und zugleich nicht-leitende Mitglieder der Abteilung der nächsthöheren Leitungsstufe. Bis auf den oder die Vorgesetzten in der Spitzenposition eines Betriebes hat jeder Vorgesetzte in diesem System als Verbindungsglied zweier Gruppen eine wichtige Doppelfunktion inne (vgl. Likert 1975). Als Gruppenführer muss er erreichen, dass jedes Gruppenmitglied seine Mitgliedschaft als Möglichkeit zur Erlangung persönlicher Wertschätzung ansieht, wodurch die jeweiligen sozialen Bedürfnisse befriedigt werden.
Wenn dies der Fall ist, wird jedes Gruppenmitglied Element eines produktiven Arbeitsteams sein mit hohem Gruppenbewusstsein, großer Aktivität und hohen Leistungsnormen.
Abbildung 9.2
Die Organisation als Gruppe von Gruppen
Die gesamte Organisation erreicht eine hohe Produktivität, wenn sie aus solchen effektiven Gruppen gebildet wird, die durch die Tatsache koordiniert werden, dass ein Gruppenmit-
Die Gruppe als soziales Gebilde
122
glied eine Verbindungsfunktion wahrnimmt, nämlich als Gruppenführer gleichzeitig Mitglied einer höheren Gruppe zu sein. Die Doppelfunktion als - untergebener - Mitarbeiter einer Gruppe und Vorgesetzter einer anderen Gruppe sichert sowohl die horizontale als auch die vertikale Koordination auf jeder Stufe einer hierarchischen Organisation. Die Organisation erreicht eine hohe Gesamtleistung, wenn jeder Gruppenführer seine Doppelfunktion erfüllt. Eine verfehlte Funktionserfüllung führt dazu, dass die ihm unterstehenden Gruppen nicht ausreichend mit der übrigen Organisation verbunden und nicht in der Lage sind, die in der Organisation notwendige Leistung zu erbringen. Die solchen Gruppen untergeordneten Gruppen werden ebenfalls unter einer mangelhaften Produktivität leiden.
9.4
Formelle und informelle Gruppen
Nach den Bedürfnissen und Entstehungsgründen lassen sich formelle und informelle Gruppen und Organisationen unterscheiden (vgl. Bröckermann 2000, S. 292 ff.; Staehle 1999, S. 269 f.), Die formelle Gruppe unterscheidet sich von der informellen Gruppe vor allem dadurch, dass die Gruppenbildung sich nicht von selbst vollzieht, sondern von außen bestimmt bzw. vorgegeben wird. Die Merkmale der Gruppe lassen sich für die formelle Gruppe näher präzisieren. Es ist für diese charakteristisch, dass •
die in Interaktion stehenden Gruppenmitglieder von außen bestimmt werden,
•
das Gruppenbewusstsein und der gefühlsmäßige Kontakt zwischen den Gruppenmitgliedern durch äußere Einflüsse mitbestimmt werden (z. B. Wettbewerb oder Kooperation innerhalb der Gruppe),
•
die Aufgabenverteilung innerhalb der Gruppe von vornherein festgelegt ist (wie Gruppenleiter, Führer, Assistent usw.)
•
die Gruppenziele, Normen und Regeln vorbestimmt sind.
Die Gestaltung der formellen Gruppe spiegelt die Vorstellungen wider, die bei ihrer Bildung zugrunde lagen. Die Mitglieder der formellen Gruppe haben nur einen relativ geringen Freiheitsspielraum, da ihr Gruppenleben entsprechend diesen Vorstellungen vorgegeben wurde. Selten jedoch stimmt das reale Gruppenleben mit den bei der Gruppenbildung verfolgten Absichten vollständig überein. Mit "Team" wird eine formelle Gruppe dann bezeichnet, wenn sie durch folgende Merkmale charakterisiert ist (vgl. Forster 1978, S. 17, zit. bei Staehle 1999, S. 270): •
kleine, funktionsgegliederte Arbeitsgruppe,
•
gemeinsame Zielsetzung,
Formelle und informelle Gruppen
•
relativ intensive wechselseitige Beziehungen,
•
spezifische Arbeitsform (Teamwork),
•
ausgeprägter Gemeinschaftsgeist (Teamspirit),
•
relativ starker Gruppenzusammenhalt.
123
Informelle Gruppen oder Organisationen sind nicht vorgeplante Gruppenbildungen in der Form von Untergruppen, Freundschaftsbeziehungen und anderen informellen Beziehungen, die sich unvorhersehbar aus Situationen entwickeln, die Kontakte zwischen diesen Menschen erfordern. Diese Gruppen entstehen auf Grund persönlicher Eigenheiten und spezifischer Motivationsbedürfnisse der jeweiligen Individuen, die die Gruppe bilden. Niemand kann sämtliche Faktoren eines Gruppenlebens in seine Überlegungen einbeziehen und die tatsächlichen Verhaltensweisen, Einstellungen und Gefühle voraussagen, die in einer Gruppe vorhanden sein werden. Die persönlichen und sozialen Beziehungen der informellen Organisation unterliegen nicht der Kontrolle durch das Management. Die informelle Organisation stellt jedoch eine Dimension dar, die Führungskräfte in Betracht ziehen müssen, um die Tätigkeiten der betrieblichen Gruppen auf die betrieblichen Ziele abstimmen zu können. Die Aktivitäten der informellen Organisation tragen in bedeutendem Maße zum Erfolg oder Misserfolg eines Betriebes bei. Die wesentlichsten Funktionen der informellen Gruppe sind, dass •
Interaktionen und Kontakte sich eines informellen Kommunikationsnetzes bedienen, das die formelle Organisation nicht vorsieht; für dieses ist kennzeichnend, dass es Informationen schneller und an einen größeren Kreis von Empfängern als ein formelles Kommunikationssystem zu übermitteln vermag,
•
sie die Gruppenmitglieder bei der Verwirklichung ihrer persönlichen Ziele unterstützt,
•
sie den Gruppenmitgliedern im Rahmen ihrer Gruppenaktivität soziale Geltung verschafft,
•
Verhaltenskontrollen im Hinblick auf die Erreichung des Gruppenzieles ausgeübt werden.
Die informellen Gruppenbeziehungen können die formellen Strukturen ergänzen oder stören: Wesentlich ist beispielsweise, dass die informelle Stellung der Gruppenmitglieder in der Gruppe mit der formellen Struktur übereinstimmt. Ein Gruppenmitglied, das von anderen Gruppenmitgliedern um Rat gefragt wird, erhält auf Grund dessen eine gewisse soziale Geltung, die sich jedoch nicht von einer formellen Position herleitet; es liegt informelle Führung vor. Informelle Beziehungen haben unbestreitbar zuweilen dysfunktionale Konsequenzen, aber auch äußerst positive Folgen. So schließen informelle Gruppen Lücken, die selbst bei sorg-
DieGruppe als soziales Gebilde
124
fältigster Planung der Arbeitsabläufe nicht vermeidbar sind. Beispielhaft für die Effizienz der informellen Kommunikation ist die rasche Verbreitung von Gerüchten, die ja meist nur halb wahr oder falsch sind. Wollte man solche Gerüchte unterbinden, müsste man das gesamte informelle Kommunikationsnetz zerstören, was weder möglich noch sinnvoll wäre. Die Unterbindung oder Drosselung der informellen Kommunikation kann irrige Auffassungen im Betrieb nicht zerstören, im Gegenteil, sie werden sogar gefördert. Die wirkungsvollste Methode, Gerüchte zu zerstreuen, ist die sofortige Bekanntgabe des tatsächlichen Sachverhalts, wobei man in der formellen Mitteilung das informelle Gerücht tunliehst nicht erwähnen sollte, denn die Verknüpfung beider Aussagen hätte zur Folge, dass man sich des Gerüchts später ebenso gut erinnert wie des tatsächlichen Sachverhalts. Schnelle unbürokratische Kommunikation innerhalb und zwischen Abteilungen, Befriedigung von Bedürfnissen, die formelle Gruppen nicht gewähren können, besseres Verständnis der Probleme von Kollegen sind wertvolle positive Begleiteffekte informeller Gruppen.
9.5
Kontaktformen und Gruppenstrukturen
Gruppenstrukturen und die damit verbundenen Formen der Interaktion sind bestimmend für die Kommunikationseffizienz. Weiterhin geht ein Einfluss von der Gruppengröße aus. In einer kleinen Gruppe ist häufigere Kommunikation möglich als in einer größeren Gruppe, der Gruppenzusammenhalt ist entsprechend hoch. In einer größeren Gruppe verringert sich die Zeit, die für Kommunikation zwischen den einzelnen Gruppenmitgliedern zur Verfügung steht. Mit zunehmender Gruppengröße steigen dafür die alternativen Möglichkeiten der Kommunikation, die Gruppe differenziert sich; dadurch ergeben sich Konfliktmöglichkeiten, insbesondere Führungsprobleme. Die Struktur von Gruppen mittlerer Größe lässt sich nach typisierten "Idealformen" unterscheiden. Die in der betrieblichen Realität vorhandenen Gruppenstrukturen lassen sich weitgehend diesen Typen zuordnen (vgl. Staehle 1999, S. 304 f.). Die Gruppenstrukturen können den Austausch von Informationen fördern, lenken, hemmen oder verhindern. Den Strukturen lassen sich entsprechend verschiedenartige Verhaltensweisen der Gruppenmitglieder zuordnen.
Selbst-Check 10: Die dargestellten 7 Strukturtypen können nach der Kontaktdichte, Interaktion bzw. Kooperation gekennzeichnet werden. Bitte ordnen Sie die Typen im Hinblick auf die Kontaktmöglichkeiten ausgehendvon hoher Kooperation. (Antwort am Ende des Buches)
Die Strukturtypen 1 und 2 sind Ministrukturen. Der Strukturtyp 7 der Vollstruktur ist die Kombination einer sternförmigen und einer kreisförmigen Struktur. Die Kontaktmöglich-
Kontaktformen und Gruppenstrukturen
125
keiten sind bei diesen drei Strukturtypen am höchsten, da alle Mitglieder die Möglichkeit zur Kooperation mit jedem anderen Mitglied haben. Es ist offensichtlich, dass infolge der höheren Kontaktdichte die 3er-Gruppe der 6er-Gruppe und das Paar der 3er-Gruppe überlegen ist.
Abbildung 9.3
Arten von Kommunikationsnetzwerken
1. Paar
2. Dreieck
5. Stern
3. Kette
6. Hierardlisctle Struktur
4. Kreis
7. Vollstruktur
Die Gruppe als soziales Gebilde
126
Die geringsten Kommunikationsmöglichkeiten bietet die Kettenstruktur. Eine Information von A zu F müsste über vier andere Gruppenmitglieder geleitet werden. Eine solche Struktur findet sich bei Arbeitsgruppen auf Grund ihrer geringen Leistungsfähigkeit nur dann, wenn die Arbeit keiner Interaktionen bedarf, sondern aus isolierten Einzeltätigkeiten besteht. Eine bessere Kooperation erlauben die Kreisstruktur und die Sternstruktur. Inwieweit sich die Kommunikationsmöglichkeiten auf Leistung, Arbeitsmoral und Beweglichkeit der Gruppe auswirken, zeigt folgende Übersicht: Abbildung 9.4
Kontaktformen und Effizienz von Kommunikationsmustem
Effizienzkriterien
Kontaktform
Kreis
Geschwindigkeit (einfache Probleme)
langsam
Genauigkeit
Kette
Stern
schnell
sehr schnell
gering
groß
groß
Arbeitszufriedenheit
hoch
niedrig
sehr niedrig
Beweglichkeit
groß
gering
gering
Aus der Tabelle geht hervor, dass man Geschwindigkeit auf Kosten der Flexibilität erreichen kann und umgekehrt. Weiterhin ist bemerkenswert, dass das Muster, bei dem die größte Geschwindigkeit erreicht wird, die geringste Zahl an Mitgliedern am endgültigen Entscheidungsprozess teilhaben lässt. Die Wahl des Kommunikationsmusters muss sich jeweils nach der Zielsetzung richten. Man findet in Arbeitsgruppen, die sich frei bilden, im allgemeinen mehr oder weniger ausgeprägte Vollstrukturen. Die Sternstruktur geht bei größerer Mitgliederzahl in eine hierarchische Struktur über; die Kommunikationsmöglichkeiten nehmen allerdings mit steigender Mitgliederzahl der Gruppe ab. Die führende Rolle im Kommunikationsprozess ist von der Position im Kommunikationsmuster abhängig. Das Muster, bei dem man die führende Person am schnellsten erkennen kann, ist die Sternstruktur. Das Muster, bei dem sich eine führende Person überhaupt nicht ausmachen lässt, ist der Kreis .
10
Effizienz- und Motivationseffekte in Gruppen
In bestehenden Gruppen lassen sich Gruppenprozesse beobachten. Das Gruppengeschehen kennzeichnet, ob eine Gruppe effektiv arbeitet und inwieweit sie zusammenhält. Die ökonomische Effizienz der Gruppe zeigt sich in ihrer Produktivität, dem quantitativen und qualitativen Leistungsergebnis. Die soziale Effizienz wird bestimmt durch die Kohäsion, wie stark die Gruppe zusammenhält und an gemeinsam verfolgten Zielen insbesondere in Bezug auf das Leistungsverhalten festhält.
10.1
Interaktionsprozesse der Gruppe
Die Interaktion der Gruppenmitglieder führt zu zielgerichteter Aktivität und Zufriedenheit als Folge der Motivbefriedigung. Das zugrunde liegende Gruppengeschehen ist allerdings bestimmend für die graduelle Erreichung. Man kann das Gruppengeschehen im Hinblick auf formale Kategorien analysieren. Dies ermöglicht einern Beobachter, die individuellen Aktivitäten einer Gruppe zu kennzeichnen. Die in Abbildung 10.1 dargestellten Beobachtungskategorien können für jede Gruppe angewendet werden, unabhängig vorn jeweiligen Zielkonzept, den Mitgliedern und ihren Fähigkeiten. Die gebildeten Kategorien sind voneinander unabhängig und erschöpfend, d. h. dass das beobachtete Gruppenverhalten nur einer Kategorie zugeordnet werden kann und sämtliche Verhaltensweisen durch eine der zwölf Kategorien erfasst und beschrieben werden können (nach Bales 1952). Beispielhaft sind in Abbildung 10.1 für die einzelnen Kategorien auch einige Verhaltensmerkmale angegeben, die Kennzeichnung und Abgrenzung der Verhaltenskategorien erleichtern. Das Gruppenverhalten wird derart analysiert, dass ein Beobachter die Verhaltenselemente sowohl verbaler als auch nicht-verbaler Art einer Kategorie zugeordnet. Ein einfacher Satz wäre dabei beispielsweise ein Verhaltenselement, ein komplizierter Satz würde mehrere Elemente umfassen. Nicht-verbale Verhaltensweisen werden gewöhnlich in Intervallen von einer Minute aufgezeichnet. Als Beispiel für die Analyse eines Gruppengeschehens (vgl. Lawless 1972, S. 223 f.) sei die Budget-Konferenz einer Unternehmung betrachtet. Zur leichteren Beobachtung erhält der Vorsitzende der Konferenz die Ziffer 1, die weiteren Mitglieder erhalten entsprechend der Sitzordnung um den Konferenztisch die Ziffern 2, 3, 4 und 5; die gesamte Gruppe wird mit der Ziffer 0 gekennzeichnet. Der Vorsitzende eröffnet die Sitzung mit den Worten: "Nun, wir haben ... ; welche Auffassung besitzen Sie hinsichtlich dieser Investition?" Der Beobachter registriert dies als 1- 0 in der Kategorie 12; der Vorsitzende adressiert seine Frage an die gesamte Gruppe und bittet um Anregungen für die Lösung eines Problems. Das Gruppenrnitglied 2 sagt: "Ich bin für die Investition". Dies wird erfasst als 2 - 0 in der K. F. Withauer, Führungskompetenz und Karriere, DOI 10.1007/978-3-8349-6580-6_11, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
Effizienz- und Motivationseffektein Gruppen
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Kategorie 7; das Gruppenmitglied 2 antwortet auf die Frage nach Vorschlägen, indem es der ganzen Gruppe einen Vorschlag macht. Während Mitglied 2 den Vorschlag begründet, unterbricht ihn Mitglied 3 mit einem Gegenargument und es ergibt sich eine erhitzte Diskussion. Gruppenmitglied 5, das bisher wenig gesagt hat, erscheint diese Diskussion offenbar langweilig; der Beobachter vermerkt dies unter der Kategorie 5. Während dies geschieht, macht das Gruppenmitglied 3 in der Hitze des Gefechts eine witzige, aber herabsetzende Bemerkung über das Gruppenmitglied 2 und die anderen lachen. Der Beobachter registriert dies unter der Kategorie 6 und der Kategorie 2. Beobachtet man das Gruppengeschehen während der gesamten Sitzung einer Gruppe und zeichnet es entsprechend auf, lässt sich bald ein charakteristisches Gruppenverhalten erkennen. Die relative Häufigkeit der 12 Verhaltenskategorien am gesamten Gruppengeschehen liefert ein Verhaltensprofil. Dieses Verhaltensprofil kann mit dem anderer Gruppen oder mit dem der gleichen Gruppe in mehreren Sitzungen verglichen werden.
Abbildung 10.1
Kategorien und Merkmale des Verhaltens in Gruppen
I. Kooperation 1. Solidarität:
unterstützt den Vorschlag eines Gruppenmitglieds; hilft einem anderen
2. Entspannung:
sorgt für Entspannung; zeigt selbst Entspannung, lockert die Atmosphäre auf, macht Witze und humorvolle Bemerkungen, integriert streitende Parteien
3. Zustimmung:
stimmt einem anderen zu, fügt sich der Mehrheit, willigt in eine Regelung ein, zeigt Verständnis für andere Meinungen
11. Aggression 4. Ablehnung:
verweigert seine Zustimmung, zeigt Zurückhaltung, zeigt passiven Widerstand
5. Spannung:
reagiert gereizt, zieht sich zurück, kündigt Zusammenarbeit auf
6. Opposition:
reagiert aggressiv oder beleidigend, setzt andere Gruppenmitglieder herab, macht einen fremden Vorschlag lächerlich, will seine Meinung unbedingt durchsetzen Forts. nächste Seite
Interaktionsprozesse der Gruppe
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III . Sachliche Beiträge 7. Vorschlag:
macht einen Vorschlag, gibt für die Entscheidung relevante Hinweise, lässt über seinen eigenen Vorschlag abstimmen
8. Meinung:
äußert seine Meinung, gibt ein Urteil oder eine Bewertung ab, äußert seinen gefühlsmäßigen Eindruck
9. Information:
gibt Auskunft, bietet Informationen, gibt eine Zusammenfassung, klärt ein Missverständnis auf
IV. Sachliche Fragen 10. Bitte um Information
bittet um Auskunft oder Information, bittet um Klärung strittiger Punkte, lässt sich eine Aussage wiederholen oder bestätigen
11. Bitte um Meinung
fragt nach Meinungen, bittet um Abgabe eines Urteils, bittet um Bewertung von Vorschlägen, fragt nach Gefühlseindrücken
12. Bitte um Vorschlag
fragt nach neuen Ideen und Anregungen, verlangt von anderen Gruppenmitgliedern realisierbare Vorschläge
Das Gruppengeschehen benötigt sowohl Stimmungsaspekte als auch Sachaspekte. Die Ausgewogenheit der Verhaltenskategorien zeigt sich darin, ob die Gruppenmitglieder mit dem Gruppenleben zufrieden sind oder nicht. Eine zufriedene Gruppe bringt mehr Vorschläge zustande, die mit einem hohen Maß an Zustimmung verknüpft sind, gegenüber einer unzufriedenen Gruppe, in der negative Fragen und Antworten vorherrschen. Die leistungsfähige Gruppe verwendet etwa 1/4 ihrer Zeit für die Kooperation, 5 % dienen der Aggression, sachliche Beiträge beanspruchen ungefähr die Hälfte der Zeit, 20 % werden für sachliche Fragen benötigt. Ein produktives und für die Gruppenmitglieder zufriedenstellendes Gruppengeschehen verteilt sich somit zu 70 % auf die Sachaspekte und 30 % auf die Stimmungsaspekte. Eine sich der graphischen Darstellung bedienende Methode der Analyse des Gruppengeschehens ist das Soziogramm (vgl. Staehle 1999, S. 322 ff.; es geht zurück auf Moreno 1953). Die Methode erfasst insbesondere die Beziehungen zwischen den einzelnen Gruppenmitgliedern. Dabei werden im einfachsten Fall positive und negative Beziehungen zwischen
Effizienz- und Motivationseffekte in Gruppen
130
den Mitgliedern unterschieden. Auch Kontakte zu Außenstehenden und die Beziehung zur ganzen Gruppe können aufgezeichnet werden. Das differenzierte Soziogramm verwendet - gruppenweise zusammengefasst - die im vorigen dargestellten Verhaltenskategorien: Kooperation, Aggression, sachlicher Beitrag und sachliche Anfrage.
Abbildung 10.2 Soziogramm-Symbole
o
ein Kreis symbolisiert eine Person
D
ein Quadrat symbolisiert eine Institution oder eine Gruppe
Kooperation
Aggression
..... ...
~
sachlicher Beitrag
--->
sachliche Anfrage
Die Darstellung eines beobachteten Gruppengeschehens zeigt beispielhaft das Soziogramm in Abbildung 10.3. Das Soziogramm kann neben den kategorialen Verhaltensweisen von Gruppenmitgliedern Parteibildungen innerhalb von Gruppen, isolierte Gruppenmitglieder, Beziehungen von Gruppen oder Abteilungen untereinander und andere soziale Prozesse erfassen.
10.2
Gruppenzusammenhalt und Zufriedenheit
Die Mitgliedschaft in einer Gruppe erfüllt eine soziale Funktion für das Individuum. Diese besteht in der Befriedigung verschiedenartiger Wünsche und Bedürfnisse - physischer, sozialer und psychischer. Die gleiche Gruppenaktivität kann jedoch bei verschiedenen Personen verschiedene Bedürfnisse befriedigen. Die eine befriedigt Geltungsbedürfnisse, die andere Geldbedürfnisse und wiederum eine andere findet ihre Arbeit möglicherweise
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Gruppenzusammenhalt und Zufriedenheit
interessant. Hinzu kommt, dass der sichtbare oder angegebene Grund für eine Gruppenmitgliedschaft nicht der wahre Grund sein muss; ein Golfclub mag oftmals andere als sportliche Bedürfnisse befriedigen. Darüber hinaus kann eine Gruppe heute andere Bedürfnisse befriedigen als in der Vergangenheit. Zufriedenheit bezeichnet das individuelle Gefühl der Erreichung erwünschter Ziele des Individuums. Sie kann sich auf einen Gegenstand/ die Umwelt oder auch das Leben im Allgemeinen beziehen. AbbUdung 10.3
Differenziertes Soziogramm
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Alle Gruppen - formelle und informelle, kleine und große - besitzen zudem ein Gemeinschaftsgefühl ("Wir"-Gefühl), Solidarität und "Commitment". Dies ist eine wichtige Voraussetzung für das Bestehen einer Gruppe; es wird als Kohäswn bezeichnet. Kohäsion ist ein Maß für die Stabilität einer Gruppe sowie für die Attraktivität, die sie auf alte und neue Mitglieder ausübt. Die Attraktivität einer Gruppe und ihre Kohäsion ist dann hoch, wenn die Gruppe als Mittel zur Erreichung individueller Bedürfnisse gesehen wird. Für das Individuum bedeutet das Gemeinschaftsgefühl, von den Mitgliedern der Gruppe akzeptiert zu werden und mit ihnen an gemeinsamen Zielen festzuhalten, und dies führt zu einer hohen Kohäsion der Gruppenmitglieder. Manche Erscheinungen verführen zu einem falschen Urteil über den Gruppenzusammenhalt. Disziplin und Ordnung sind keineswegs Zeichen einer hohen Kohäsion. Ein von einem tyrannischen Dirigenten diszipliniertes Orchester kann hervorragende Musik hervorbringen. Ebenso lassen eine hohe Produktivität oder fehlende Konflikte nicht auf eine hoch-kohäsive Gruppe schließen. Eine Gruppe wird durch innere Kräfte zusammengehalten, nicht durch äußeren Druck. Existenz oder Fehlen von Kohäsion wird besonders dann deutlich, wenn in der Gruppe interne Probleme auftauchen. Kohäsion ist mithin auch die Fähigkeit einer Gruppe, auch dann ihre Existenz zu bewahren, wenn sie Druck und Stress ausgesetzt ist (vgl. Stogdill
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Effizienz- und Motivationseffekte in Gruppen
1959 zit. bei Staehle 1999, S. 282). Guter Wille und Anpassungsfähigkeit an interne Veränderungen sind Kennzeichen des Gruppenzusammenhalts. Übereinstimmung in den Zielen und positive Einstellungen zueinander sind ebenso förderlich. Alle Gruppenmitglieder sind an dem Fortbestand der Gruppe interessiert. Eine niedrige Gruppenkohäsion führt zu einem Auseinanderfallen der Gruppe in kritischen Situationen, wobei man sich gegenseitig misstraut und kritisiert. Bei Spannungen ist die Gruppe nicht mehr arbeitsfähig. Die fehlende Anpassungsfähigkeit erlaubt ihr nicht, zu improvisieren, wenn neue Probleme aufkommen. Es fehlt die Übereinstimmung hinsichtlich der Gruppenziele, und die persönlichen Ziele weichen manchmal von den Gruppenzielen ab. Negative Einstellungen gegenüber diesen Zielen und ein geringes Gruppenzugehörigkeitsgefühl sind ebenso kennzeichnend. Man kann nicht erwarten, dass solche Gruppen eine lange Lebensdauer haben. Die Mitgliedschaft in einer hoch kohäsiven Gruppe bietet dem Individuum vielfältige Unterstützung. Wenn das Gruppenmitglied enttäuscht oder bedroht ist, gibt ihm die Gruppe Trost, Hilfe und innere Festigkeit, die erfahrene Widerwärtigkeit zu bewältigen. Hohe Kohäsion führt zu einer Abnahme von Angst und Anspannung und steigert auch die Widerstandskraft des Einzelnen gegenüber Zumutungen oder Bedrohungen durch das Management. Allerdings hat es der Abweichler und Nonkonformist in stark kohäsiven Gruppen bedeutend schwerer, sich zu artikulieren, als in schwach kohäsiven. Isolierte Personen sind meist unzufrieden, weil sie in ihren Bedürfnissen nach Kontakt und Wertschätzung frustriert werden. Sie werden umso unzufriedener sein, je größer der Zusammenhalt der anderen ist. Es kann zu rivalisierenden Gruppen oder der Bildung von Cliquen kommen, wenn sich mehrere isolierte Personen zusammenfinden; es entsteht eine gegenseitige Behinderung. Fluktuation und Fehlzeiten, sehr kostspielige Dinge in betrieblichen Organisationen, sind wesentlich abhängig vom Gruppenzusammenhalt. Sie sind geradezu ein Maßstab für die Gruppenkohäsion. Die Mitgliedschaft in einer kohäsiven Gruppe steigert die Arbeitszufriedenheit und vermindert Fehlzeiten und Fluktuation. Selbst wenn widerstrebende Gefühle gegen die Organisation bestehen, verhindert das Gefühl der Gruppensolidarität und -zugehörigkeit die Fluktuation und minimiert Fehlzeiten. Zusammenfassend ergaben sich durch empirische Forschungsarbeiten über Bedingungen und Folgen des Gruppenzusammenhalts folgende Faktoren, welche die Gruppenkohäsion fördern oder hemmen (vgl. Staehle 1999, S. 283):
Kohäsions[6rdernd
Kohäsionshemmend
Häufigkeit der Interaktion Attraktivität und Homogenität Intergruppen-Wettbewerb Einigkeit über Gruppenziele Erfolg und Anerkennung
Gruppengröße Einzelkämpfer individuelle Leistungsbewertung Intragruppen-Wettbewerb Zielkonflikte Misserfolge
Gruppenzusammenhalt und Leistung
10.3
133
Gruppenzusammenhalt und Leistung
Für produktiv tätige Organisationen interessiert verständlicherweise primär die Beziehung zwischen Kohäsion und Gruppenleistung (Produktivität). Die im Zuge der Human Relations-Bewegung verbreitete Ansicht, Kohäsion und Gruppenleistung korrelierten positiv miteinander, ist nicht aufrechtzuerhalten. Eine hoch-kohäsive Gruppe ist nur unter bestimmten Bedingungen auch produktiv. Kohäsive Arbeitsgruppen produzieren im Durchschnitt das gleiche wie Gruppen mit geringerem Zusammenhalt. Sicher ist heute lediglich, dass die Gruppenkohäsion die Leistungsstreuung innerhalb einer Gruppe beeinflusst und zwar negativ, d. h. mit zunehmender Kohäsion nimmt die Streuung der Einzelleistungen um einen Gruppendurchschnitt deutlich ab, die Konformität im Leistungsverhalten nimmt zu. Anders gesagt heißt das, dass Gruppen mit entweder sehr hoher oder sehr niedriger Produktivität im Allgemeinen einen hohen Gruppenzusammenhalt haben (vgl. Seashore 1954). Die einzelnen Gruppenmitglieder einer Gruppe besitzen jeweils in etwa das gleiche Leistungsniveau - das hoch oder niedrig sein kann! In diesen Gruppen mit hoher Kohäsion gibt es selten Personen, die in der Leistung stark nachhängen oder solche, die eine herausragend hohe Leistung erbringen. Das Leistungsniveau selbst wird durch andere Faktoren beeinflusst. Kohäsion wirkt sich auf die Leistung überhaupt nur dann positiv aus, wenn die kohäsive Gruppe eine eindeutige, anspruchsvolle Zielvorgabe hat und sich mit ihr identifiziert sowie leistungsfördemde und gruppenarbeitsunterstützende Bedingungen erfüllt sind wie "richtige" Gruppenstruktur, Informationssysteme, Anreizsysteme und materielle Ressourcen, wie sie unmittelbar durch den Vorgesetzten und dessen Einstellungen repräsentiert werden. Eine kohäsive Gruppe besitzt eine hohe Produktivität, wenn dem Management Zutrauen entgegengebracht wird, und erbringt eine niedrige Leistung, wenn dies fehlt. Hochkohäsive Gruppen, die in ihren Gruppennormen von den organisationalen bzw. Managementzielen abweichen, sind eine Bedrohung für jede Organisation. Eine Studie des Zusammenhangs zwischen Führung, Kohäsion und Leistung (vgl. Schachter et al. 1951) vermittelt einige für die Teamführung wesentliche Einsichten: Eine hochkohäsive, gut geführte Gruppe weist die höchste Produktivität auf, eine hochkohäsive, schlecht geführte dagegen die geringste Leistung. Schlechte Führung heißt, es ist dem Management nicht gelungen, Konformität zwischen Gruppen- und Managementzielen zu erreichen. In einer hochkohäsiven Gruppe führt das dazu, dass diese aus ihrer Sicht sehr produktiv ist, und zwar im Durchsetzen von Leistungsrestriktionen. Für diesen Fall empfiehlt es sich für das Management, die Gruppenkohäsion zu reduzieren. Gruppen mit geringer Kohäsion sind für das Management offensichtlich problemloser. Führung, sei sie nun gut oder schlecht, hat bei diesen wenig Einfluss auf die Leistung. Vermehrte Teamarbeit bietet verschiedene Chancen: Bei einem engen Gruppenzusammenhalt identifizieren sich die einzelnen Gruppenmitglieder stärker mit den Ergebnissen, was sich u . a. in reduzierten Fehlzeiten und geringeren Fluktuationsraten niederschlägt. Gleichzeitig hofft man, Synergien zu erreichen, denn bei guter Kooperation sind Informationsfluss und Fehlerdiagnose besser, die Motivation ist erhöht. Verschiedene Führungs-
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Effizienz- und Motivationseffektein Gruppen
aufgaben können der Gruppe übertragen werden (z. B. Planung der An- und Abwesenheiten, der Prozessabläufe, Job-Rotationen). Jedoch müssen Mitarbeiter für diese Arbeitsformen oft erst "fit" gemacht werden, denn das Ausbildungssystem fordert primär Individualleistungen. Einflüsse auf die Leistung gehen weiterhin aus von der Gruppengröße, der Art der Aufgabe und der räumlichen Nähe in der Zusammenarbeit (vgl. Hentze et al. 1997, S. 447 f.), Maximal 7 Teilnehmer sollte eine Gruppe haben, die Probleme lösen soll; für das Zusammentragen von Fakten kann die Gruppengröße maximal 14 betragen. Einfache Aufgaben mit wechselseitig notwendiger intensiver Kooperation werden effektiver erledigt von alters-, ausbildungs- und erfahrungsmäßig homogenen Gruppen. Heterogen zusammengesetzte Teams leisten mehr bei komplexen Aufgaben, die Kreativität erfordern und die benötigte Zeit nachrangig ist. Gruppen mit gerader Teilnehmerzahl entscheiden sorgfältiger als mit ungerader Teilnehmerzahl. Räumlich nahe beieinander arbeiten bewirkt leichtere Kommunikation, wodurch die Kohäsion der Gruppe sowie die Arbeitseffektivität zunehmen. Das Partizipationsmodell von Likert (vgl. Kap. 3, 9.3, Abbildung 9.2) versucht, die positiven Aspekte kleiner Gruppen mit hoher Kohäsion für die Organisation und das Individuum nutzbar zu machen. Intragruppenkonflikte sollen vermieden und eine hohe Identifikation mit den Zielen der Organisation erreicht werden; im Konzept der überlappenden Gruppen wird dies durch weitgehende Selbständigkeit der Gruppen und eine Intergruppenvermaschung durch"Linking Pins" zu erreichen versucht.
11
Soziale Positionen und deren Kriterien
Soziale Positionen ergeben sich aus sozialen Prozessen. Im Gruppengeschehen entwickeln sich Machtpositionen. Statuspositionen und eine bestimmte Rollenverteilung. Es soll im Folgenden dargelegt werden, wie man Macht und Autorität erlangt, wie ein Status erworben wird und in welcher Weise sich die Rollendifferenzierung vollzieht.
11.1
Macht und Autorität - Quellen der Macht
Macht ist der potenzielle Einfluss, den ein Individuum auf das Verhalten anderer ausüben kann. Autorität liegt vor, wenn die Einflussnahme dieses Individuums akzeptiert wird und zwar routinemäßig, d . h. dass keine unabhängige Bewertung dieser Einflussnahme erfolgt. Führungskräfte können ihre Aufgabe nicht erfolgreich erfüllen, wenn sie ihre Mitarbeiter nicht beeinflussen. Die Macht kann ausgeübt werden durch die Wahrnehmung formaler Befugnisse. Immer schon ist allerdings ein solcher Vorgesetzter mehr erwünscht gewesen, dessen Macht getragen wurde von der Anerkennung und menschlichen Achtung, die ihm seine Mitarbeiter entgegenbrachten. Die vielgestaltigen ineinandergreifenden Funktionen in den heutigen Organisationen erlauben es einer Führungskraft nicht mehr, sich auf formelle Macht zu berufen. Die Führungssituation erfordert in einem höheren Maße "Autorität", d. h. die Fähigkeit, ohne Zwang Gefolgschaft zu finden und Zusammenarbeit zu bewirken. Autorität zählt nicht zu den Eigenschaften einer Person, sie kann nicht personalistisch erklärt werden. Die Autorität erwächst vielmehr aus menschlicher Interaktion und sie ist nicht den Personen, sondern dem Charakter der Kommunikation zuzurechnen. Sobald man versucht, das Verhalten anderer Menschen zu beeinflussen, ist die Macht Bestandteil der Interaktion. In einer Gruppe versucht ein Individuum, Macht auszuüben und ist den Versuchen der Beeinflussung des eigenen Verhaltens durch die anderen ausgesetzt. Die soziale Beeinflussung über die Ausübung von Macht, die nicht auf formeller Autorität basiert, beruht auf den folgenden verschiedenen Machtgrundlagen (vgl. Hentze et al. 2005, S. 352 ff.; Wunderer 2009, S. 298 ff.): Die Autorität kann dadurch bestimmt sein, dass der Beeinflusste je nach seinem Verhalten positive bzw. negative Sanktionen erwartet, d. h. Belohnungen bzw. Bestrafungen. Diese Sanktionen, die von der machtausübenden Person oder auch anderen Gruppenmitgliedern verhängt werden, bestimmen die Annahme bzw. Ablehnung des Willens des Beeinflussenden. Die positive und negative Sanktion muss relativ betrachtet werden insofern, als der Entzug einer Belohnung wie eine Bestrafung und der Verzicht auf Bestrafung wie eine Belohnung wirken kann. Positive Sanktionen wirken motivierend, negative zielen auf
K. F. Withauer, Führungskompetenz und Karriere, DOI 10.1007/978-3-8349-6580-6_12, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Soziale Positionen und deren Kriterien
eingeschränkte Motivbefriedigung. Unter freiheitlich-bewussten Menschen sollten positive Sanktionen Grundlage der Autorität sein.
Legitimierte Autorität bezeichnet eine spezifische Form der Macht und Autorität, die auf dem "eingepflanzten" Respekt und dem Gebot beruht, gegenüber bestimmten Positionen sozialer Systeme Gehorsam zu bezeigen. Das beeinflusste Individuum hat sich Normen angeeignet, die es befolgt, ohne dass ihm bewusst ist, wie diese Normen zustande gekommen sind. Die generalisierte Unterwerfung unter die Autorität diktiert das Handeln. Eine Person kann legitimierte Macht ausüben und erwarten, dass die Einflussnahme gehorsam respektiert wird, wenn sie eine anerkannte Machtstellung besitzt, die auf Normen des beeinflussten Menschen beruht. Hierin besteht der wesentliche Unterschied zur formellen Autorität. Die Identifikation als Machtgrundlage erklärt sich aus dem Gefühl eines Individuums, zu einer Person oder Gruppe hingezogen zu sein. Daraus resultiert der Wunsch, sich mit der Person oder Gruppe zu identifizieren. In betrieblichen Organisationen strebt eine Person beispielsweise eine bestimmte Position an und identifiziert sich mit dieser Position, schon bevor sie diese tatsächlich innehat. In entsprechender Weise handelt, glaubt und nimmt sie wahr. Der Beeinflussende kann auf Grund der Identifikation des Beeinflussten Macht ausüben. Führungskräfte versuchen zuweilen die Identifikation zu provozieren, indem sie ein vermeintlich gutes Vorbild sind in der Hoffnung, ihre Überzeugung und ihr Arbeitsverhalten werde übernommen. Ob dies gelingt, ist höchst unsicher, weil die Identifikation vom Mitarbeiter ausgeht und unbewusst und zudem nach jeweils eigenem emotionalem Verlangen geschieht (vgl. Bröckermann 2000, S. 46). Eine weitere Grundlage der Macht ist die funktionale Autorität, die Macht des Experten. Sie beruht auf der Annahme, dass der Beeinflussende über - tatsächliche oder auch nur wahrgenommene - Informationsvorteile verfügt und dadurch Sachverständigkeit aufweist. Das Wissen um die neueste Geschäftsentwicklung, das Fachwissen oder das Wissen um die Zusammenhänge der Personalführung gibt Führungskräften die mit dem Informationsvorsprung verbundene Expertenmacht. Die Beeinflussung wird akzeptiert, weil die beeinflussende Person sich in einem Handlungsbereich besser auskennt, die Konsequenzen von Handlungsmöglichkeiten besser abschätzen oder überhaupt zweckmäßige Handlungsalternativen aufzeigen kann. Experten- und Informationsmacht haben beträchtlich dazu beigetragen, dass Sanktions- und legitimierte Macht als Machtgrundlagen immer mehr an Bedeutung verlieren. Fraglos hat das fortschreitende Wissen es auch mit sich gebracht, dass viele fachlich spezialisierte Mitarbeiter Informationsvorsprünge gegenüber ihrem Vorgesetzten besitzen, und weil dieser auf ihr Wissen angewiesen ist, verfügen sie über Expertenmacht. Führung ohne Autorität ist undenkbar. Es ist für die Erlangung der Autorität von besonderer Bedeutung, diejenigen, die geführt werden, zu überzeugen, dass sie mit Gerechtigkeit und Sorgfalt geführt werden. Eine Führungskraft darf sich nicht in Kleinigkeiten verlieren, aber sie muss sorgfältig sein im Abwägen dessen, was recht und hilfreich ist. Hierzu gehört die Selbstsicherheit und Unabhängigkeit von persönlichen Trieben und Wünschen.
Status
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Führende, die nach Popularität bei ihren Mitarbeitern haschen, verspielen die Autorität gerade dort, wo sie diese am meisten brauchen.
11.2
Status
Der Status einer Person ist ebenfalls nicht etwas, was eine Person besitzt, sondern wird von der Gruppe bestimmt. Der Status bezeichnet die Stellung eines Individuums unter den anderen Individuen einer Gruppe. Probleme, die gemeinhin als Organisationsprobleme bezeichnet werden, sind oftmals Statusprobleme; dies ergibt sich daraus, dass organisatorische Maßnahmen im allgemeinen auch die Stellung der einzelnen Individuen oder Gruppen im Betrieb betreffen. Der Status ist nicht absolut, sondern hängt von den Wertvorstellungen der jeweiligen Gruppe ab (vgl. Staehle 1999, S. 271). Die horizontale und vertikale Differenzierung sozialer Systeme ergibt Stellen unabhängig von der personellen Besetzung. Im betrieblichen Bereich ist der Status abhängig von der Position und der Funktion. Der Status der Position ergibt sich daraus, welcher - hierarchisch - bestimmte Platz der Stelle innerhalb der Organisation zugewiesen ist, der Umfang der Leitungsbefugnisse kennzeichnet den Status der Position. Die Gruppe, die den Positionsstatus verleiht, ist somit die gesamte Organisation des Betriebes. Im Gegensatz zum Status der Position basiert der Status der Funktion auf der Bedeutung der Tätigkeit, die ein Individuum im Betrieb ausübt. Zwei Personen mit gleichem Status
der Position können einen unterschiedlichen Funktionsstatus besitzen. Dies liegt daran, dass in einem Betrieb bestimmte Tätigkeiten zumeist als wichtiger im Vergleich zu den übrigen betrachtet werden. Der Status, der sich auf die Bedeutung der Wichtigkeit einer Tätigkeit bezieht, wird als Status der Funktion bezeichnet. Der Status der Position geht aus dem Organigramm hervor, jedoch nicht der Status der Funktion, der zum Gesamtstatus eines Individuums oder einer Gruppe beiträgt. Der Status der Funktion einer Position wird von verschiedenen Gruppen in einem Betriebe unterschiedlich hoch bewertet. Dieser Status wird also von den einzelnen Gruppen im Betrieb vergeben. Hollander (vgl. 1958, S. 117 ff.) charakterisiert den innerhalb einer Gruppe erworbenen Status als direkt abhängig vom ,,Idiosynkrasiekredit", dem Freiraum für persönliche Eigenheiten, der das Ausmaß bezeichnet, bis zu dem ein Individuum von den Erwartungen der Gruppe abweichen darf, ohne Sanktionen befürchten zu müssen. Die Höhe des durch die Gruppe gewährten Kredits für eigenes idiosynkratisches Verhalten sagt dann etwas über die Höhe des Status innerhalb der Gruppe aus. Während Status-Differenzierungen zur besseren Erreichung von Organisationszielen in ihrer Eignung umstritten sind, verstärken sie das individuelle Selbstwertgefühl und können zudem die Bedürfnisse nach Fremdwertschätzung befriedigen. Deshalb wird in der verhaltensorientierten Managementliteratur den Phänomenen der Statussymbole eine ziemliche Aufmerksamkeit geschenkt (vgl. z. B. Kast/Rosenzweig 1985).
138
Soziale Positionen und deren Kriterien
Statussymbole haben in allen Organisationen zur Kennzeichnung der individuellen Stellung Eingang gefunden (vgl. Staehle 1999, S. 272). Sie sind äußere Kennzeichen des Status eines Individuums. In militärischen Organisationen wurden solche Symbole wohl im größten Umfang formalisiert; die Rangabzeichen kennzeichnen unmittelbar den Status des Trägers. Aber nicht nur im militärischen Bereich, in jeder Organisation finden sich zahlreiche Hinweise auf die Stellung der Individuen. Die Größe des Büros, Vorhänge, die Kornmunikationsmedien, der Teppich, Pflanzen im Büro, die Größe und Art des Schreibtisches sowie die übrige Ausstattung des Raumes weisen auf den Status der Führungskräfte hin. Je weniger sich der Rang formal äußert, desto bedeutender ist das sichtbare Zubehör, die Statussymbole. Ist der Status der Position eines Individuums jedermann sichtbar und klar, kann man am ehesten auf Statussymbole verzichten. Die Fragen des Status sind nicht allein auf Führungskräfte beschränkt. Auch unter dem ausführenden Personal können Ort des Arbeitsplatzes, Kleidung, Farbe des Schutzhelmes, Bauart des Betriebsfahrrades und vieles andere Statussymbole darstellen. Die Komplexität der Organisationen und der häufigere Wechsel der Tätigkeiten lässt die Menschen heutzutage größeren Wert auf Statussymbole legen als je zuvor. Selbst im privaten Bereich werden die Verhaltensweisen der Menschen nicht vom Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit, sondern durch den damit erhofften oder verknüpften Status bestimmt; ein exklusives Auto, moderne Kleidung und selbst gewisse Nahrungsmittel können so zu Statussymbolen werden. Das Statussystem eines Betriebes bringt manche Probleme mit sich, es sorgt jedoch ebenfalls dafür, dass die Organisation reibungslos arbeitet (vgl. Neuberger 2002, S. 659). Statussysteme üben einen koordinierenden Einfluss aus und erleichtern die betriebliche Zusammenarbeit insofern, als sie den Positionen und Rängen entsprechende Insignien zuordnen und so das System der Führungshierarchie verdeutlichen. Die Stabilität des Statussystems ergibt sich daraus, dass man den Individuen mit höherem Status gerne Privilegien zubilligt, weil diese dafür Verantwortung und Unannehmlichkeiten hinnehmen müssen. Die Menschen auf der unteren Ebene einer Hierarchie können ihre Verantwortung abschieben, Überstundenvergütung verlangen etc. Statussysteme beeinflussen auch die Kommunikation. Informationen werden vorzugsweise zu den Positionen mit höherem Status geleitet. Die Statussymbole verhindern bei einem Personalwechsel den Abbruch der Kommunikationskontakte mit der betreffenden Position. Die Art und Weise, wie ein Individuum kommuniziert, hängt wesentlich von seiner Auffassung über die Beziehung seines eigenen Status zu dem des Empfängers der Information ab. Zum Vorgesetzten spricht man im Allgemeinen anders als zu der Sekretärin. Ein Statussystem kann sich also motivierend auswirken. Der höhere Status kann für einen Mitarbeiter Anreiz bedeuten und ihn zu höherer Leistung veranlassen. Andererseits kann die Besorgnis um den eigenen Status, die "Statusangst", d. h. Angst, einen geringeren Status einzunehmen, sich auf die Leistung eines Mitarbeiters negativ auswirken.
Gruppennormen
139
Selbst-Check 11: Inwiefern sind Statussymbole im Betrieb bedeutsam?
a. Statussymbole können zwischenmenschliche und innerbetriebliche Probleme schaffen, die sowohl Leistung als auch Zufriedenheit beeinträchtigen. b. Sie verdeutlichen das Führungssystem, erhalten das Kommunikationssystem aufrecht unabhängig von den jeweiligen Positionsinhabern und fördern über die Anreizwirkung die Erreichung betrieblicher Ziele.
c. Man erkennt an ihnen lediglich die eigentliche Führungshierarchie. (Antwort am Ende des Buches)
11.3
Gruppennormen
Die Gruppennormen und -regeln sind bestimmend für das Verhalten der Gruppenmitglieder. Sie entwickeln sich in der Gruppe und diese überwacht die Einhaltung durch formelle Vorschriften (Gesetze, Verordnungen) oder durch informelle Kontrolle (Gruppendruck, Sanktionen). Daraus ergibt sich das führungsbedeutsame Interesse einer Führungskraft, Einfluss auf die Entwicklung oder die Veränderung der Gruppennormen zu nehmen. Eine Gruppe kann nur dann existieren, wenn die Gruppenmitglieder einige Normen und Regeln für ihre Interaktion akzeptieren. Die formelle Gruppe besitzt schriftlich fixierte Gesetze, Regeln und Vorschriften. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl ungeschriebener Regeln für das Verhalten, die jedermann anerkennen muss, der die Mitgliedschaft beansprucht. Die Gruppennorm ist ein Standard oder eine Verhaltenserwartung, die von allen Gruppenmitgliedern geteilt wird. Die Norm bezeichnet das angemessene Verhalten; sie kennzeichnet nicht unbedingt das beste oder schnellste Tun, sondern das angemessene Tun. Die Gruppennorm wird durch Gruppenmitglieder mit hohem Status mehr beeinflusst als durch andere Gruppenmitglieder. Wenn ein neues Mitglied zur Gruppe stößt/ das auf Grund früherer Erfahrungen eigene Normen hat, passt es sich den bestehenden Gruppennormen an. Es ist für den Gruppenprozess, durch den sich die Normen bilden, kennzeichnend/ dass dem Individuum dieses Geschehen nicht bewusst wird. Die Entwicklung von Gruppennormen und die Weitergabe derselben ist mit Kommunikationsprozessen verbunden. Überwiegend werden sie nicht direkt durchgesetzt, sondern durch indirekte richtunggebende Signalisierung. Diese Durchsetzung beinhaltet drei Aspekte (vgl. Lawless 1972/S. 268): 1. die Definition einer korrekten Einstellung und angemessenen Verhaltens,
2. kritische, mahnende Beobachtung in Bezug auf regelkonformes Verhalten (möglichst durch einen formellen Beobachter, z. B. den Gruppenleiter), 3. Ergreifung von Sanktionen (Belohnung bzw. Bestrafung bei Einhaltung oder Nichteinhaltung der Normen).
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Soziale Positionen und deren Kriterien
Selbst-Check 12: Geben Sie aus Ihrer betrieblichen Praxis ein Beispiel für die Durchsetzung von Gruppennormen und versuchen Sie, die drei Komponenten dieses Prozesses aufzuzeigen. (Antwort am Ende des Buches)
Gruppennormen können sich auf alle relevanten Verhaltensweisen beziehen und reichen von allgemeinen Tätigkeiten bis zu Teilaufgaben eines Vorganges. Dies bedeutet, dass für eine Person eine große Zahl von Normen vorhanden ist. Manchmal führt dies dazu, dass angemessenes Verhalten in einem Verhaltensbereich für einen anderen Bereich unangemessenes Verhalten darstellt. Die Gruppennormen werden von der Gruppe bzw. dem Gruppenführer im Hinblick auf ihre Einhaltung überwacht. Abweichungen von der Norm nach oben oder unten werden von der Gruppe bestraft. In den entsprechenden Reaktionen der Gruppe finden sich außerordentlich subtile Formen von Sanktionen. Diese Maßnahmen dienen dazu, den Betroffenen spüren zu lassen, dass die Merkmale des Gruppenlebens nicht mehr für ihn gelten, dass er sich außerhalb der Gruppe gestellt hat. Sie sind umso massiver, je höher die Kohäsion einer Gruppe ist. Die Ermahnungen und Sanktionen sollen die Zahl der Verstöße vermindern. Sanktionen bei Verstößen gegen Gruppennormen vollziehen sich meist in einer bestimmten Reihenfolge. Die Gruppenrnitglieder 1. versuchen zunächst, freundlich zu diskutieren und den Normbrecher umzustimmen; 2. ignorieren ihn und entziehen ihm den Kontakt; 3. lachen ihn aus, nehmen ihn nicht ernst, hemmen seine Aktivität; 4. ermahnen, beschimpfen, greifen ihn an und entziehen ihm die Sympathie. Häufig weist die Gruppe den Normbrecher auf sein Verhalten hin, indem sie ihn mit typischen "Normbrechern" vergleicht und ihn als kriminell (Verbrecher), unreif (Kind) bezeichnet oder sagt, dass er spinnt (Geisteskranker). Unterstützung für nicht-konformes Verhalten erhält ein Normbrecher, wenn ein weiteres Gruppenrnitglied sich seinen Argumenten anschließt bzw. diese toleriert. Das Vorhandensein der Gruppennormen wirft die Frage auf, inwieweit die Gruppenführungskraft diese Normen überhaupt beeinflussen bzw. prägen kann (vgl. Coch/French 1948). Wenn eine Führungskraft die Normen nicht beeinflussen kann, ist die von ihm zu verantwortende Gruppenleistung aus seiner Sicht zufällig. Wie kann also das Verhalten in seiner Arbeitsgruppe verändert werden? Nicht jede Abweichung von der Norm wird mit einer Sanktion verhängt. In kreativen Gruppen sind geradezu gewisse Abweichungen nötig, damit sie ihre Aufgabe erfüllen können. Ein größeres Interesse beansprucht jedoch die Frage, inwieweit durch Macht, Status und Führung Gruppennormen verändert werden.
Gruppennormen
141
Der Gebrauch von Macht unter Verwendung negativer Sanktionen, also Bestrafungen, führt nicht zu dem erstrebten Verhalten. Die Gruppenmitglieder weichen der Macht aus . Eine Möglichkeit der Beeinflussung von Gruppennormen ergibt sich jedoch für Gruppenmitglieder mit hohem Status. Es ist für diese Personen kennzeichnend, dass sie sich mehr an die Normen halten als andere Gruppenmitglieder. Die Person mit dem höchsten Status - und der höchsten Autorität - ist üblicherweise der Gruppenführer. Insofern ist er am meisten an die Gruppennormen gebunden. Er muss aber zur gleichen Zeit von den Normen abweichen, weil die Aufgaben und die Arbeitsabläufe sich ändern. Der Führer muss sich gleichzeitig an die Normen halten und sie brechen. Dieser Widerspruch löst sich dadurch auf, dass Abweichungen von der Gruppennorm durch die Gruppe, geradezu erwartet werden, d. h . dass diese der Gruppennorm entsprechen (vgl. Hollander 1958, S.122). Der Führer hat durch sein bisheriges Verhalten in den Interaktionsprozessen der Gruppe strenge Konformität geübt, wodurch Status und Autorität aufgebaut worden sind. Er hat sich dadurch den als "Idiosynkrasiekreditl' bezeichneten Freiraum geschaffen, den er gegen "Misskredit", der aus Abweichungen von der Gruppennorm resultiert, aufrechnen kann. In dieser Betrachtungsweise können Normveränderungen zwei Folgen haben: Wenn die Abweichung von der Gruppe nicht von vornherein begrüßt wird, muss er von seinem "Kredit" Gebrauch machen, wenn sie den Wünschen der Gruppe entspricht, wird sein Status gefestigt (vgl. auch Staehle 1999, S. 363). Insofern kann der Führer sowohl Konformist als auch Abweichler sein. Der Aktionsspielraum des Führers wird vergrößert, wenn er legitimierte Macht oder die Autorität des Experten besitzt.
I
Um die Konformität von Gruppenzielen mit Managementvorgaben zu erhöhen, diskutieren Greene et al. (vgl. 1985,S. 196 ff.) sechs Empfehlungen für das Management:
•
Ziele und Mittel zu ihrer Erreichung klar, operational und eindeutig definieren;
•
alle Gruppenmitglieder an der Festlegung der Ziele und Mittel beteiligen;
•
Ziele herausfordernd, aber erreichbar formulieren;
•
rasches und häufiges Feedback über Qualität der Arbeitsergebnisse geben;
•
positiv verstärken (belohnen) in Fällen, in denen die Gruppe erfolgreich war;
•
Anreizsystem einführen, das die Akzeptanz und Erfüllung der Managementziele honoriert.
Sollten diese positiven Ansätze erfolglos bleiben und die Gruppe Normen entwickelt haben, die den Managementerwartungen zuwider laufen, wird angeregt, Maßnahmen zur Reduzierung der Gruppenkohäsion zu ergreifen, wie Erhöhung des Konkurrenzdenkens zwischen Gruppenmitgliedern durch individuelle Aufgabenzuweisung und Leistungsbeurteilung, räumliche Trennung der Gruppenmitglieder, höhere Gruppengröße durch neue Mitglieder, weniger Gruppenbesprechungen.
Soziale Positionen und deren Kriterien
142
11.4
Rolle
Der Interaktionsprozess innerhalb einer Gruppe führt dazu, dass sich unter den Mitgliedern bestimmte typische Verhaltensweisen differenzieren. Diese Verhaltensweisen bezeichnet man als Rollen. Die Rollen stabilisieren die internen Beziehungen in der Gruppe und sind für die Form der Interaktion maßgebend. Eine der wesentlichen, herausragenden Rollen in dieser Interaktion ist die Rolle des Führers. In ihren Beziehungen zur Umwelt nimmt jede Person eine Vielzahl verschiedener Rollen ein, z. B. als Kind, Schüler, Erwachsener, Freund, Chef usw. Mit jeder Position in einer Gruppe oder in einer Organisation ist eine Rolle verknüpft. Die Rollenpartner in Wirtschaft und Verwaltung sind meist •
Vorgesetzte, Chefs
•
Kollegen
•
Geschäftspartner, Kunden usw.
•
Unterstellte, Mitarbeiter.
Eine sich verändernde Umwelt lässt neue Rollen entstehen und macht andere überflüssig. Die Rolle ist nicht personengebunden. sondern positionsgebunden. Der Inhaber einer Position und damit der Rolle kann wechseln, wenn diese auch jeweils individuell ausgestaltet wird. Das Verhalten einer Person wird zum großen Teil durch mehrere verschiedene dieser Person zugehörige Rollen bestimmt, die sich auch gegenseitig überlagern können. Rollen legen fest a. was der Rolleninhaber tun muss (Aufgaben und Pflichten) b. was der Rolleninhaber nicht tun daif(Verbote und Tabus) c. was der Rolleninhaber tun kann (Rechte und Privilegien). Die Interaktion in der Gruppe führt bei den Gruppenrnitgliedern zu einer Übereinstimmung in der Auffassung, welches Verhalten den einzelnen Positionen in der Gruppenstruktur zukommt. Die Gruppennormen sind dabei die Grundlage von erwarteten, angemessenen Verhaltensweisen. Der Gruppenprozess entwickelt die Rolle; das Individuum nimmt die Rolle wahr (vgl. Katz/Kahn 1978, S. 182 ff., zit. bei Staehle 1999, S. 274). Dementsprechend sind die Bestandteile der Rolle 1.
die Rollenerwartungen, das sind die Erwartungen der Rollenpartner an den Rolleninhaber
2. die Rollenselbstdeutung. das sind die Vorstellungen des Rolleninhabers selbst über seine Position bzw. Rolle
Rolle
143
3. das tatsächliche Rollenverhalten, das ist die jeweilige individuelle Ausgestaltung der Rolle durch den Rolleninhaber in Abhängigkeit von seinen Eigenschaften, Einstellungen und Fähigkeiten. Die Rolle charakterisiert somit keinen Menschen, sondern einen Positionsinhaber. Die Beziehungen, die eine Position zu den anderen Positionen des sozialen Verbandes hat, sind auf zumindest zwei Dimensionen zu bestimmen: einmal auf einer Dimension der Über-Unter-Ordnung (Hierarchie, Herrschaft) und zum anderen auf einer funktionalen Dimension, bei der es um den Beitrag für das System-Ganze geht (in Wirtschaftsorganisationen z. B. Zielerreichung, Kooperation, Aufgabenerfüllung). Aus dieser Sicht ist die Führungsperson nicht mehr souveräner Akteur und in ihren Handlungen nur bestimmt durch ihre Fähigkeiten, Motive und Ziele. Nach der Art eines Drehbuchs oder Skripts ist dem Positionsinhaber sein Tun oder Lassen durch soziale Übereinkunft "vorgeschrieben". Dadurch wird das Rollenverhalten von Handlungspartnern in "typischen" oder "relevanten" Situationen voraussagbar, und zwar nicht nur für eine Person in einer Position, sondern darüber hinaus für eine Person in einer bestimmten Situation und Position (vgl. Neuberger 2002, S.313, 318). Ein Vorgesetzter wird bei einem bestimmten Fehlverhalten eines Mitarbeiters in voraussagbarer Weise reagieren, in gleicher Weise würde er sich jedoch auch beim gleichen Fehlverhalten eines Kollegen verhalten. Diese erwartbaren, typischen Verhaltensweisen schaffen dauerhafte und überschaubare Strukturen; sie können jedoch auch zu einer Stagnation des Gruppenprozesses führen. Das voraussagbare Rollenverhalten trifft insbesondere für formelle Gruppen zu. Die einzelnen Rollen sind genau festgelegt, der Rolleninhaber hat wenig Verhaltensspielraum; das Extrembeispiel ist die Bürokratie. Informelle Gruppen können die einzelnen Rollen der Gruppenrnitglieder in einer ihnen gemäßen Weise entwickeln, ein Rollenwechsel ist nicht ungewöhnlich; dadurch ist das Verhalten der Mitglieder einer informellen Gruppe weniger festgelegt und weniger kalkulierbar. Die Darstellung der Rolle als soziale Erscheinung in einer Gruppe zeigt, dass die Gruppendynamik nicht nur das Verhalten einer Gruppe erklären kann, sondern ebenso bestimmte individuelle typische Verhaltensweisen. Als Rolleninhaber wird das Gruppenmitglied wieder zum Individuum; es ist keine Marionette, die von Gruppenkräften gesteuert wird. Die einzelnen Rollen werden von den Gruppenmitgliedern in einer ihnen gemäßen Weise entwickelt. Es kommt auf die Gruppenziele und -normen an, inwieweit sich die einzelnen Rollen in den Gruppenprozess integrieren lassen. Sicherlich wird dies bei einigen Verhaltenstypen schwierig sein. Selbst-Check 13: Übernehmen Sie einmal in einer Diskussion eine der im folgenden dargestellten Rollen und versuchen Sie, sich möglichst rollenkonform zu verhalten. Wie würden Sie sich gegenüber einem derartigen Rolleninhaber verhalten, um ihn in die Gruppe zu integrieren?
144
Soziale Positionen und deren Kriterien
Negativist
Benehmen Sie sich so, als hänge Ihnen das Thema schon "zum Halse heraus". In der bisherigen Diskussion des Themengegenstandes haben Sie kaum Fortschritte gesehen und bringen zum Ausdruck, dass auch in Zukunft kaum etwas geschehen wird. Deshalb lehnen Sie sämtliche Vorschläge ab, weil sie nichts versprechen. Sie kritisieren die Vorschläge anderer und suchen überall die Nachteile heraus.
Mitläufer
Sie benehmen sich völlig unauffällig und halten sich im Hintergrund. Sie äußern sich nur wenig, wenn Sie jedoch direkt angesprochen und befragt werden, schließen Sie sich einer bereits formulierten Stellungnahme an.
Überagile
Versuchen Sie, in der Diskussion laufend Vorschläge zu machen und sich in den Vordergrund zu spielen. In Ihrem Eifer können Sie durchaus anderen Diskussionsteilnehmern in das Wort fallen, Sie dürfen ebenso anderen Diskussionsteilnehmern auf die Nerven gehen.
Koordinator
Esist Ihre Aufgabe, die Diskussion zielgerichtet zu führen. Sammeln Sie alle wesentlichen Diskussionsbeiträge, lassen Sie die Gruppenmitglieder gleichmäßig aktiv werden und versuchen Sie, die Beiträge zusammenzufassen und als gemeinsames Ergebnis zu formulieren. Störungen in der Gruppenarbeit bedürfen des ausgleichenden Eingriffs und eines Verhaltens, das die Gruppenarbeit integriert.
Spaßvogel
Sehen Sie Ihre Aufgabe darin, die anderen bei allem "sachlichen Ernst" möglichst häufig zum Lachen zu bringen. Falls ein anderer ebenfalls humorvoll sein will, überzeugen Sie ihn von Ihrem besseren Witz.
Opponent
Verweigern Sie stets Ihre Zustimmung. Ihre ablehnende Haltung bringen Sie in möglichst aggressiver Weise vor. Sie dürfen dabei ruhig andere beleidigen. Machen Sie andere Vorschläge lächerlich und setzen Sie Ihre eigene Meinung unbedingt durch.
Konvertit
Benehmen Sie sich, dass Sie jederzeit eine gerade relevante Meinung äußern bzw. sich einer geäußerten anschließen können. Sie können im Laufe einer Diskussion durchaus die entgegengesetzte zu einer von Ihnen früher geäußerten Meinung vertreten, wenn Ihnen dies richtig erscheint. Versuchen Sie, den anderen die jeweilige Meinung plausibel zu machen, indem Sie dazu passende Argumente bieten. (Antworten am Ende des Buches)
Rollenkonflikte ergeben sich aus einer Situation, in der sich ein Individuum zwei oder mehreren unvereinbaren Rollenerwartungen gegenüber sieht. Das Individuum kann in einem solchen Falle beiden bzw. mehreren Rollenerwartungen nicht gleichzeitig entsprechen (vgl. Staehle 1999, S. 390 ff., Neuberger 2002, S.322 H.). Die Tragweite eines Rollen-
Rolle
145
konflikts hängt einerseits von der Situation, andererseits von der Persönlichkeit des Individuums ab. Je widersprüchlicher Rollenerwartungen sind, desto schwerer ist im Allgemeinen der Rollenkonflikt. Je mehr ein Individuum die Einstellung und Fähigkeit besitzt, Rollenerwartungen zu ignorieren, um so weniger ernst wird sich der Rollenkonflikt darstellen. Die Rollenkonflikte können durch jeden der Bestandteile, die zum tatsächlichen Rollenverhalten, der Rollendefinition, beitragen, verursacht werden. Es sind dies •
unterschiedliche Rollenerwartungen verschiedener Rollenpartner der formellen Organisation (interpersonaler Konflikt),
•
abweichende Erwartungen der formellen und der informellen Organisation (Intergruppen-Konflikt),
•
Diskrepanz zwischen der Rollenselbstdeutung und den Rollenerwartungen der Rollenpartner (intrapersonaler Konflikt).
Werden dem Meister einer Werkstatt vom Betriebsleiter Leistungsstandards vorgegeben, die mit dem Qualitätsstandard der Qualitätskontrolle unvereinbar sind, befindet er sich in einem Rollenkonflikt, der durch die unterschiedlichen Erwartungen zweier Stellen der formellen Organisation verursacht wird. Ein Rollenkonflikt, der durch unterschiedliche Erwartungen zweier Gruppen der informellen Organisation verursacht wird, entsteht für einen neu ernannten Abteilungsleiter, der feststellt, dass er den Erwartungen der anderen Abteilungsleiter einerseits und den Erwartungen seiner früheren Kollegen andererseits nicht gleichzeitig entsprechen kann. Ein Angestellter, der sich entscheiden muss, ob er die Leistungsforderungen seines Vorgesetzten erfüllen oder sich Sanktionen von Seiten seiner Kollegen aussetzen soll, befindet sich in einem Rollenkonflikt, zu dem sowohl die formelle als auch die informelle Organisation beitragen. Die Formen der Konflikthandhabung für die Konflikttypen sind nach March/Simon (1958; 1976) vorzugsweise für einen interpersonalen Konflikt
=> Problemlösen, Überzeugen
Intergruppen-Konflikt
=> Verhandlung, politischer Prozess
intrapersonalen Konflikt
=> Suchverhalten, Anspruchsanpassung.
Zu den formalen Betrachtungen für Konfliktsituationen kommt gerade für die Führungsrolle noch eine Vielzahl von inhaltlichen Dilemmata. Oft handelt es sich dabei nicht einmal um Polaritäten, sondern voneinander unabhängige Dimensionen, wie dies z, B. auch für das bekannte Dimensionspaar "Mitarbeiter-Drientierung" und "Leistungsorientierung" unterstellt wird (vgl. dazu unten Kap. 4,13.3; 13.4). Die Vorgesetzten-Rolle lässt sich ohnehin nie so eindeutig, konfliktfrei und statisch fassen, dass keine subjektiven Deutungs- und Gestaltungsmöglichkeiten bleiben. Eher dürfte eine Vorgesetzten-Position nur dann als solche zu bezeichnen sein, wenn deutliche Ermessens-, Interpretations- und Handlungsspielräume bestehen (vgl. Neuberger 2002, S. 325).
Soziale Positionen und deren Kriterien
146
Dahrendorf (1962, zit. bei Staehle 1999, 5.395) unterscheidet als Formen der Konflikthandhabung zwischen Unterdrückung, Lösung oder Regelung von Konflikten. Die einfachste Form, einen Konflikt zu handhaben. ist die, ihn zu ignorieren; dies geschieht dadurch, dass man von der einen Rollenerwartung, die einer anderen Rollenerwartung zuwiderläuft, behauptet, dass ihr durch das gewählte tatsächliche Rollenverhalten ebenfalls entsprochen werde. Diese ignorierende Rationalisierung des Rollenkonflikts bedeutet wiewohl keine Lösung. Eine echte Konfliktlösung bei zwei verschiedenen Rollenerwartungen A und B ist nur möglich. wenn entweder der Rollenerwartung A oder der Rollenerwartung B entsprochen wird, wenn durch Kooperation (im Wege einer Verhandlung) eine den unterschiedlichen Interessen beidseits gerecht werdende Problemlösung erreicht wird, oder wenn eine sonstige Regelung (durch Vermittlung, Schlichtung oder Zwangsschlichtung) zustande kommt. Die tatsächliche Verhaltensweise ist eine Funktion von drei Variablen: wie berechtigt die Rollenerwartungen angesehen werden, welche Sanktionen erwartet werden. wenn einer Erwartung nicht entsprochen wird, sowie der persönlichen Orientierung der Person zu Legitimation und Sanktionen.
Abbildung 11.1
Konflikthandhabungsstile (Quelle: Thomas 1976, S. 900)
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lJ) lJ)
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0
Kooperat ion
Wettbewerb
(Problemlösung)
(Zwang)
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Kompromiss
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Rückzug (Verzicht)
Anpassung (Nachgeben)
c:
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niedrig
hoch
Wunsch nach Befriedigung gemeinsamer Interessen
Einmal tendieren die Menschen dazu, berechtigten Erwartungen zu entsprechen und unberechtigte zurückzuweisen. Zweitens verhalten sich Personen im Hinblick auf zwei verschiedene Rollenerwartungen so, dass ihnen starke negative Sanktionen erspart bleiben. Sind beide Erwartungen berechtigt oder haben von zwei Verhaltensweisen beide starke negative Sanktionen zur Folge, wird ein Kompromiss angestrebt. Legitimation und Sankti-
Rolle
147
onen können jedoch auch gegengerichtet sein, dann wird die dritte Variable relevant und entweder werden berechtigte Rollenerwartungen (moralistische Orientierung) oder Sanktionen (zweckhafte Orientierung) vorrangig bewertet. Bewertet man den Wunsch nach Befriedigung eigener Interessen auf einem Kontinuum von hoch bis niedrig sowie den Wunsch nach Befriedigung fremder Interessen von hoch bis niedrig und kombiniert diese Dimensionen miteinander, kommt man zu den von Thomas (1976, S.900) vorgeschlagenen Konflikthandhabungsstilen. Kooperation als Konflikthandhabungsform wird dann gewählt, wenn hohe eigene und große und wesentliche gemeinsame Interessen bestehen. Bei konfligierenden, aber geringen Interessen wird man auf Streit verzichten wollen und der Rückzug wahrscheinlich sein, bei geringen fremden Erwartungen und jedoch hohen eigenen Einsätzen bzw. Interessen dagegen Wettbewerb. Geringe eigene Einsätze bzw. Interessen und gleichwohl angestrebte Gemeinsamkeit führt zur Anpassung bzw. zum Nachgeben als wahrscheinliche Konflikthandhabungsform.
Kapitel 4: Gestaltung von Führungsbeziehungen Die Gestaltung der Führungsbeziehungen findet meist das besondere Interesse der Praktiker. Es wäre aber nicht ausreichend, das Führungswissen nur hierauf zu beschränken. Ohne die genauere Kenntnis der Grundlagen gestalterischen Wirkens, das Verständnis beobachteter und beobachtbarer Reaktions- und Verhaltensweisen des Einzelmenschen sowie von Menschengruppen bleibt jedes gestalterische Handeln ein unsicheres Unterfangen. Man kann davon ausgehen, dass das Individuum zwar nicht unbegrenzt perfektionierungsfähig, jedoch anpassungsfähig, lemfähig und motivierbar ist. Da Akteure in der Unternehmung nicht als Einzelwesen handeln, sondern Gruppen angehören und innerhalb von Gruppen arbeiten, wird ihr Verhalten im Wesentlichen von Institutionen, d. h. von den sie umgebenden Organisationen und den von ihnen verkörperten Wertvorstellungen geprägt und bestimmt. Das Führungsverhalten des Managers muss in diesem Kontext gesehen werden. Führung muss bestimmt sein durch die verstärkte Anwendung verhaltenswissenschaftlicher Erkenntnisse im Führungsprozess. Führung erfordert einen Führer. Es stellt sich die Frage, wer in einer Gruppe eigentlich Führer ist und wie man die Rolle des Führers erlangt. Die personale Führung besitzt einen weiten Spielraum der Gestaltung ihrer Methoden. Führungsformen und Führungsstile unterscheiden sich danach, welche Motivationsziele angestrebt werden, welche Möglichkeiten der Motivation angewendet werden und in welcher Weise die Interaktion zwischen Führer und Geführten erfolgt. Die Gestaltung der Führungsbeziehungen kann durch diverse Führungsinstrumente unterstützt werden, die die Chance bieten, kontextuell unterstützend auf das Verhalten der Geführten einzuwirken. Solche Führungsinstrumente lassen sich unterscheiden, ob sie auf die Qualifikation, die Motivation oder die Arbeitssituation des Mitarbeiters sowie auf die Führungskultur Einfluss nehmen. Die Mittel und Methoden der Führungsinstrumente sind in der Regel organisationsweit vorhanden, führungsspezifisch werden sie indessen nur dann, wenn ein Führer sich ihrer aktiv im Rahmen des Führungsprozesses bedient, um das Verhalten eines Mitarbeiters effektiver auf angestrebte Ziele auszurichten (vgl. Weibler 2001, S. 346 f.).
12
Führungsverhalten als Rollenverhalten
Die Führung von Menschen kann verstanden werden als ein Verhalten, das sich in der Übernahme einer Rolle im Rahmen des Gruppenprozesses konkretisiert. Diese Betrachtungsweise impliziert, dass der Gegensatz zum "Führer" nicht der "Gefolgsmann" ist, weil der Führer sich nicht konträr zu einem Gefolgsmann kennzeichnen lässt. Wenn es überhaupt den Gegensatz zum Führer gibt, wird er durch den "Indifferenten" dargestellt, weil die indifferente Person durch mangelnde Fähigkeiten oder fehlenden Willen zur Führung gekennzeichnet ist. Eine weitere hnplikation ist, dass eine Person in einer Situation Führer sein kann und in einer anderen Situation geführt wird, also folgt. Dies ist in der Realität nicht ungewöhnlich. In einer dynamischen Unternehmung sind Managementleistungen nicht nur auf einen bestimmten Personenkreis - etwa die formellen Führungskräfte - beschränkt, sondern werden von allen Akteuren im System er-bracht (vgl. Withauer 2000, S.62). Jedes Systemmitglied ist ein potenzieller Manager. Die Fähigkeit zu managen ist somit diffus über die ganze Organisation verteilt. Aus dieser Sicht kann Management als eine "Eigenschaft des Systems" verstanden werden und umfasst alle Handlungen, die dazu beitragen, das Funktionieren-lassen und Funktionieren-Können der Unternehmung zu fördern. Dies gilt auch für die personale Führung und zeigt sich in der häufigen Form einer "Führung von unten", ist prinzipiell aber in jeder organisatorischen Gruppe anzutreffen.
12.1
Führerschaft in der Arbeitsgruppe
Führung kann nicht verstanden werden, wenn man bei ihrer Betrachtung die sozialen Erscheinungen in einer Gruppe, Macht, Status, Gruppennormen und das Gruppengeschehen unberücksichtigt lässt. Die Gruppe muss bei ihrer Rollendifferenzierung eines der Gruppenmitglieder mit der Führungsrolle betrauen, um als Gruppe bestehen zu können. Wenn dies nicht geschieht, ist sie in ihrer Existenz dadurch bedroht, dass die Erreichung des Gruppenziels oder die Zufriedenheit der Gruppenmitglieder gefährdet wird. Führung ist ein spezifisches Verhalten in der Gruppe und bezieht sich auf die Gruppe; es ist an keine individuellen Eigenschaften oder Merkmale gebunden. Die personalistische oder situative Interpretation der Führung ist keine brauchbare Grundlage zur Erklärung dieses Phänomens. Der Mythos vom Führer ist dennoch weit verbreitet. Die Huldigung überholter Vorstellungen über die Führerschaft führt unweigerlich zu einer unzureichenden Nutzung des im Menschen vorhandenen Potenzials. Die meisten Gruppen in einer Organisation haben zwar einen formellen Führer, dessen Status durch diese Organisation legitimiert ist, man wird jedoch das relevante Gruppengeschehen übersehen, wenn man sich ausschließlich auf die Handlungen des Führers konzentriert. Wenn wir das Gruppengeschehen nicht beachten, wird Führung als Magie erscheinen, die in wundersamer Weise die soziale Umgebung beeinflusst. K. F. Withauer, Führungskompetenz und Karriere, DOI 10.1007/978-3-8349-6580-6_13, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
Verwirklichung von Gruppenzielen
151
Führerschaft verstanden als die Wahrnehmung einer Rolle im Aktionsmuster einer Gruppe - in der Sichtweise des gruppendynamischen Ansatzes - ist gekennzeichnet durch jene bestimmten Handlungsweisen der Person des Führers, die auf die Erreichung eines oder mehrerer Gruppenziele gerichtet sind und/oder die Aufrechterhaltung und Stärkung der Gruppe bezwecken (vgI. Staehle 1999, S.356) . Ein Gruppenziel sollte auf das Funktionieren-lassen der Unternehmung ausgerichtet sein und einen Beitrag ausdrücken, der irgendeinen Nutzen für das übergeordnete System erbringt und damit den Erfolg der Unternehmung als Ganzes sichert oder erhöht (vgI. Neuberger 2002, S. 327). Aus motivationaler Sicht sollen die Mitarbeiter sich in der Arbeit engagieren, im Rahmen der gegebenen Aufgaben Mitdenker und Problemlöser sein, sich dabei wohl fühlen und zufrieden sein, wodurch wiederum das Gruppen- und Betriebsklima günstig beeinflusst und die Aktionsfähigkeit der Gruppe erhalten und erweitert wird. Weite Verbreitung in den Sozialwissenschaften hat die grundlegende Reduzierung der Funktionen des Führers in der Gruppe (vgI. Lukasczyk 1960, S. 183) auf zwei Aufgabenbereiche gefunden:
=>
Lokomotion (Zielgerichtetheit) und
D
Kohäsion (Zusammenhalt).
Die der Lokomotion dienenden Führungstätigkeiten verschreiben sich der Gruppenaufgabe und ihrer bestmöglichen Lösung. Entsprechende Aktivitäten sind Zielbestimmung, Handlungsanweisungen, Vorgehensvorschläge, die operative Planung des zieladäquaten Weges, Aufgabenstrukturierung, die Verhinderung nicht gruppenzielkonformer Aktionen, die Beeinflussung von Gruppennormen, die Überwindung von die Zielerreichung behindernden Hemmnissen. Die Kohäsion wird mehr durch Führungstätigkeiten, die sozioemotional orientiert sind, gefördert und umfasst die Aktivitäten, welche der Sicherung der Gruppenexistenz dienen, z. B. die Förderung guter zwischenmenschlicher Beziehungen, Ermutigung anderer Gruppenmitglieder, das Bemühen, entstandene Spannungen in der Gruppe zu beseitigen, die Einräumung der Redefreiheit und Förderung der Selbständigkeit für jedermann in der Gruppe und die Belohnung kooperativen. nützlichen Verhaltens anderer Gruppenmitglieder. Diese Betrachtungsweise der Führerschaft lässt erkennen, dass es sich um Tätigkeiten handelt, die fast jedes Gruppenmitglied zeitweise wahrnimmt oder zumindest wahrnehmen kann. Dies bedeutet, dass grundsätzlich jedes Gruppenmitglied potenziell und vielfach auch konkret führt.
12.2
Verwirklichung von Gruppenzielen
Eine Gruppe kann nicht ohne Führung bestehen und ein Führer kann nicht ohne eine Gruppe existieren. Führungshandeln ist nur dann sinnvoll, wenn eine der zwei Gruppenziele erreicht werden sollen : Leistung bzw. Aufgabenerfüllung und Zufriedenheit der Menschen durch Gruppenkohäsion.
152
Führungsverhalten als Rollenverhalten
In einer informellen Gruppe ist die Führungsrolle von vornherein nicht festgelegt. Möglicherweise übernimmt das Gruppenmitglied mit der lautesten Stimme die Führung, weil die anderen ihn ausgezeichnet verstehen können. Ein älteres Gruppenmitglied kann vielleicht deshalb zum Führer werden, weil seinen Vorschlägen Respekt entgegengebracht wird. Die Gründe für Führerschaft in einer informellen Gruppe sind sehr verschieden. Der Wechsel der Führung unter den verschiedenen Gruppenmitgliedern ist meist ohne Folgen für die Gruppe. In formellen Gruppen ist das Verhalten des Führers und der Gruppe weitgehend programmiert und voraussagbar. Es kommt für die Führerschaft jedoch auch stets auf die Situation an, die bestimmt, wer Führer ist. Eine Situation, die durch das vorrangige Erreichen einer sachlichen Aufgabe gekennzeichnet ist, braucht wahrscheinlich die Person zum Führer, die sich am besten durchsetzen kann, die meisten Kenntnisse besitzt oder die größte formelle Autorität hat. Eine Gruppe, die sich in einer Situation befindet, in der der Zufriedenheitsaspekt der Gruppe relevant ist - z. B. bei einer Hausparty, Diskussionsgruppe -, macht denjenigen zum Führer, der die meisten Witze macht, locker auftritt und für Entspannung sorgt und die interessantesten Gesprächsbeiträge liefert. In den meisten Gruppen ist sowohl der Leistungsaspekt als auch der Zufriedenheitsaspekt
von Bedeutung. Das Verhalten eines Führers kann sich vorrangig auf den einen, den anderen oder beide Aspekte auswirken. Es sei nochmals angesprochen, dass Führung nicht unbedingt nur von einer einzelnen Person ausgeübt werden muss. Es ist eine häufige Erscheinung in einer Gruppe, dass die Führung hinsichtlich der Gruppenziele differenziert ist (Divergenzansatz), wobei eine Person als Leistungsführer, eine andere als Beliebtheitsführer fungiert (vgl. Bröckermann 2001, S. 277).
12.3
Vorgesetztenzentrierte vs. gruppendynamische Führung
Das Erklärungskonzept der Führung als gruppenbezogenes Führungshandeln umschreibt das Führungsphänomen grundsätzlich und allgemein. Die Erfassung einer realen Führungssituation gelingt jedoch auch mit diesem Konzept in der Regel nur unvollständig, so dass ergänzende und differenzierende Betrachtungen notwendig werden. In der funktionalistischen Betrachtung steht nicht mehr das scheinbar unabhängige Individuum im Mittelpunkt, sondern die übergeordnete Einheit. Mit diesem Wechsel des Bezugssystems wird die Frage gestellt nach den notwendigen Bestands- und Wirkungsbedingungen einer Einheit - einer Person, Gruppe oder Unternehmung. Der gruppenbezogene Ansatz geht davon aus, dass der Führungsbeitrag des jüngsten, statusniedrigsten, introvertierten Gruppenmitglieds ebenso wichtig für das Gruppeninteresse sein kann wie die Aktivität eines formellen Vorgesetzten oder Managers, der einen hohen Status genießt, über weitreichende Erfahrungen verfügt und ein dominierendes Auftreten hat. Es kommt lediglich darauf an, ob der Führungsbeitrag wichtig ist - für die
Vorgesetztenzentrierte vs. gruppendynamische Führung
153
Gruppe oder die größere Organisation. Infolgedessen ist es die Aufgabe aller Gruppenmitglieder einschließlich des formellen Führers, Führungsbeiträge zu leisten, die dem Gruppenziel dienlich sind, und solche zu verhindern, die es gefährden (vgl. Neuberger 2002, S. 327). Getreu der funktionalistischen Sichtweise kommt es nicht auf den offiziellen Status "Vorgesetzter" an. Führungsfunktionen können in dieser formalen Rolle konzentriert oder aber in der Gruppe breiter gestreut sein. Je nachdem, was gerade anliegt, wird mal der eine, mal die Andere zur Führungskraft. Unternehmen gehen in der Praxis jedoch meist den anderen Weg, indem sie auf feste Ansprechpartner setzen, die quer durch die Organisation besetzt werden; dies gilt selbst für Projektgruppen. Formelle Führer werden durch ihre Organisation autorisiert. In betrieblichen Institutionen entsteht Führung somit durchaus nicht überwiegend aus dem Aktionsmuster einer Gruppe im Sinne der Gruppendynamik, sie wird vielmehr von formellen Führern ausgeübt. Man kann deshalb nicht mehr von einern gänzlich gruppenbezogenen Führungsverhalten sprechen, sondern lediglich von einer modifizierten Gruppenführerschaft. Der formelle Führer befindet sich in einer Position, in der er eine Rolle zu übernehmen hat. Diese Führungsrolle fordert von ihm, dass er notwendige Anweisungen erteilt und Vorgehensweisen vorschreibt, beispielsweise •
er bestimmt, wer das Protokoll führt,
•
er beendet die Diskussion,
•
er bittet um formelle Anträge,
•
er mischt sich in einen Konflikt ein,
•
er fragt nach einer fachlichen Meinung.
Der ernannte Führer in einer formellen Führungsposition wird zweifelsohne den Gruppenprozess nicht blockieren. Er sollte zumindest der Gruppe mehr Vorteile verschaffen als sie behindern. In einer verzweigten Organisation können Gruppen nicht ohne formelle Führer erfolgreich bestehen. Der Idealfall ist, dass sie die Gruppe ständig voranbringen. Der praktische Weg sind den Gruppenzielen überwiegend dienliche Führungsbeiträge. Dann haben formell autorisierte Führungskräfte die reelle Chance, auch informell bestätigt zu werden (vgl. Bröckermann 2001, S. 315). Wie eine Führungsrolle wahrgenommen wird, ist gewiss auch situationsabhängig. Daraus ergibt sich, dass eine Führungskraft je nach situativen Gegebenheiten einen anderen Führungsstil praktiziert und dass diese Führungsweise wiederum je nach Situation einen mehr oder weniger überzeugenden Führungserfolg oder gar einen Misserfolg nach sich zieht (siehe dazu auch 13.4, 13.5, 13.6). Die normalen täglichen Aufgaben bedürfen keiner anordnenden Führung. Eine Führungsperson kann sich darauf beschränken, die von den Gruppenmitgliedern kommenden Führungsbeiträge aufzunehmen und gegebenenfalls zu nutzen.
154
Führungsverhalten als Rollenverhalten
Der ideale Führer ist flexibel genug, seine Führungsform zu variieren zwischen einem völlig führungslosen Verhalten - etwa beim Brainstorming - und strengem Bestehen auf persönliche Opfer fordernder Pflichterfüllung. Dies sind hohe Anforderungen an eine Führungskraft, die ein großes Verständnis für das Gruppengeschehen und seine Bedingungen voraussetzen. Grundlegend wird deutlich, dass Führungshandeln und Gruppendynamik als zwei Aspekte eines Erklärungskonzepts der Führung zu sehen sind.
12.4
Differenzierende Führung innerhalb einer Arbeitsgruppe
Führer-Mitarbeiter-Beziehungen entstehen als Folge einer Serie von Interaktionen zwischen den Interaktionspartnern. Zur Beschreibung der Interaktionsweise wird bei üblichen Führungsstil-Untersuchungen für eine gesamte (undifferenzierte) Gruppe der "durchschnittliche" Führungsstil erfasst, indem die verschiedenen Vorgesetzten-VerhaltensBeschreibungen der einzelnen Gruppenmitglieder einfach gemittelt werden. Dadurch werden jedoch die Abweichungen von diesem Mittelwert ausgeblendet, denn diese sind ein Ausdruck für die interne Differenziertheit der Führer-Mitarbeiter-Beziehungen. Die praktische Erfahrung zeigt nämlich, dass sich ein Führer zu seinen Mitarbeitern keineswegs gleich oder ähnlich verhält (vgl. Graen/Uhl-Bien 1995, S. 1047). Eine detaillierte Betrachtung bedarf deshalb zweier Akzentsetzungen: Die Interaktionsbeziehungen in Arbeitsgruppen sind zu einzelnen Mitarbeitern unterschiedlich, sie müssen deshalb in Zweierbeziehungen (dyadische Relationen) zerlegt werden, weil nur so auf die Eigenheiten einzelner Mitarbeiter eingegangen werden kann. Diese treten nämlich dem Vorgesetzten jeweils nicht in Summe und abstrakte Positionsinhaber gegenüber, sondern als konkrete einzelne Menschen mit Stärken und Defiziten, Wünschen und Ängsten, spezieller Vergangenheit und Zukunft. Diese Individualisierung der Perspektive bedeutet zunächst auch die Absage an die gewohnte Gegenüberstellung der Führungskraft und der undifferenzierten Gesamtheit einer Gruppe als Ganzes. Die Zweierbeziehung formt sich aus, indem sozusagen ausgehandelt wird, wie man miteinander umgehen soll oder will. Andererseits kann eine Führungskraft nicht mit jedem Mitarbeiter gleich intensiven Austausch pflegen. Die Qualität der Beziehung zeigt sich in dem jeweiligen Verhandlungsspielraum, und zwar gemessen am Vertrauen, der übertragenen Verantwortung, Entscheidungsteilhabe und der Kommunikationshäufigkeit mit dem Vorgesetzten. Im Laufe der Zeit bilden sich deshalb eine führungsinteraktiv privilegierte Innengruppe auch als Vertrauenskader, Trusted Cadre oder In-Group bezeichnet - und eine eher von distanziert-formalem Einfluss beherrschte Randgruppe - auch Out-Group oder Hired Hands genannt. Während der Kontakt mit den Mitgliedern der Randgruppe sich im Extremfall auf die Einhaltung und Überwachung des Arbeitsvertrags beschränkt ("Supervision"), findet in den zur Innengruppe zählenden Dyaden eine weit darüber hinausgehende
Chaotische Beziehungen
155
Führung ("Leadership") mit intensivem sozialem Austausch statt, der informell-locker, vertrauensvoll, respektierend und mit wechselseitiger Einflussnahme die Bedürfnisse der Geführten berücksichtigt. Mehrere empirische Studien haben in längeren Zeitabständen jeweils die Größe des eingeräumten Verhandlungsspielraumes, den Beitrag des Führers und des Geführten zur Ausgestaltung der Austauschbeziehung und verschiedene Reaktionen der Geführten erhoben und miteinander in Beziehung gesetzt (vgl. Dansereau et al. 1975, zit. bei Staehle 1999, S. 365 f.). Die Ergebnisse zeigen: Die Geführten, denen vom Vorgesetzten ein vergleichsweise großer Spielraum eingeräumt wird, haben nach eigenen Angaben weniger Probleme mit ihrem Vorgesetzten et vice versa. Diese Mitarbeiter sehen ihren Vorgesetzten als jemanden, der ihnen Aufmerksamkeit widmet, sie unterstützt und ihnen gegenüber sensitiv ist. Die Geführten des Vertrauenskaders zeigen ihrerseits eine höhere Leistungsbereitschaft, die auch von den jeweiligen Vorgesetzten bestätigt wird. Die jeweiligen Vorgesetzten nehmen das Verhalten dieser Geführten als ihren Erwartungen entsprechend wahr und sind der Meinung, dass sie den ihnen eingeräumten Spielraum nicht missbrauchen. Schließlich zeichnen sich die Mitglieder des Vertrauenskaders durch eine höhere Zufriedenheit aus und neigen weniger zu Kündigungen; das wurde speziell auch für Führungsdyaden auf unteren Managementebenen bestätigt. Mitglieder der Out-Group haben häufiger Probleme mit ihrem Vorgesetzten, nehmen ihn als weniger sensitiv und unterstützend wahr und weisen auch eine geringere Zufriedenheit auf. Diese Geführten aus der äußeren Gruppe werden ihrerseits von den Vorgesetzten nicht ihren Erwartungen entsprechend wahrgenommen. Die Entstehung von Zweier-Beziehungen, die der Innengruppe zugehören, und solchen zur Randgruppe zählenden erscheint meist unausweichlich, da ein Vorgesetzter nicht über die Kapazität verfügt, alle seine Mitarbeiter zu Kadermitgliedern zu entwickeln. Zur Leistungssteigerung ist es indessen vielmals erforderlich, zusätzliche Mitarbeiter in den Kreis des Vertrauenskaders einzubeziehen. Dazu kann ein Training nützlich sein, in dem die Vorgesetzten ihr Führungspotenzial entsprechend erweitern. Eine an den Ergebnissen des Führungsdyaden-Modells ausgerichtete Beförderungs- und Einstellungspolitik würde vor allem darauf abzielen, Menschen für Führungsaufgaben zu rekrutieren, die in der Lage sind, zu möglichst vielen Mitarbeitern intensive soziale Interaktionsbeziehungen zu entwickeln, und auf der anderen Seite nur bei möglichst wenigen Mitarbeitern Austauschbeziehungen auf formale Autorität zu stützen (vgl. ebd., S. 367).
12.5
Chaotische Beziehungen
Trotz aller Ordnungsversuche bei der Analyse des Führungsverhaltens und der Beziehungen zwischen Führungsperson und Mitarbeiter bzw. Mitarbeitergruppe lässt sich die in einer konkreten Situation angestrebte Erfolgswirkung nicht voraussagen oder garantieren. Die Wirkungsbezüge im Aufbau und in der Pflege von Beziehungen weisen Parallelen zu auch in der Natur vorkommenden chaotischen Prozessen auf. Die Analyse chaotischer Systeme zeigt die folgenden Gesetzmäßigkeiten (vgl. auch Withauer 2000,S. 108ff. und 134 f.):
Führungsverhalten als Rollenverhalten
156
1. Chaotische Systeme sind nicht berechenbar, 2. kleine Schwingungen werden so lange verstärkt, bis sich das System neu konfiguriert, 3. kleinste Veränderungen beeinflussen das Ergebnis wesentlich und 4. chaotische Systeme sind instabil. Diese Eigenschaften sind mit denjenigen von Führungsbeziehungen - und natürlich auch allen anderen sozialen Beziehungen - identisch. Dies zeigt sich vor allem in den folgenden beobachtbaren Eigenheiten:
1. Beziehungen sind nicht berechenbar. Sympathie, Gleichgültigkeit oder Antipathie zweier Menschen lassen sich weder voraussagen noch berechnen. Erst im Erlebnisprozess der jeweiligen Partner entwickelt sich die Qualität der Beziehung, die schließlich den Führungserfolg wesentlich beeinflusst.
2. Kleine Übereinstimmungen werden so lange verstärkt, bisdaraus einetragende Beziehung entsteht. Der "erste Eindruck", das im zwischenmenschlichen Bereich gegenseitige sachliche und emotionale "Abtasten" führt zu einer positiven oder negativen Wirkung. Dieser Eindruck verstärkt sich mit jeder weiteren Erfahrung im gegenseitigen Umgang. Aus der Bestätigung gemeinsamer Werte entsteht ein gegenseitiges Verständnis, das sich dann erst langsam zu einer tragfähigen Beziehung entwickelt.
3. Kleine Veränderungen beeinflussen den Endzustand einerBeziehung wesentlich. Kleine Unachtsamkeiten, ein unglückliches Wort im falschen Moment, ein unbedachtes Argument können eine sensible Führungsbeziehung - das Ergebnis - nachhaltig verändern. Sobald das emotionale Umfeld einer Beziehung, oft auch durch eine unbewusste Handlung gestört wird, ist die Beziehung gefährdet, weil sich diese Störung genauso aufschaukeln kann, wie eine gemeinsame Übereinstimmung.
4. Beziehungen sind instabil. Eine gut aufgebaute, tragende partnerschaftliche Führungsbeziehung bleibt nur dann stabil, wenn sowohl die Führungskraft wie auch jeder Mitarbeiter an dieser Beziehung arbeiten und sich dafür auch engagieren. Bleiben diese Anstrengungen aus, so zeigt die Beziehungserosion die Instabilität der Beziehung, in der nur wenig zu zerfallen braucht, bis sie sich ganz auflöst. Diese typischen Eigenschaften einer Beziehung sind eigentümlich für "dissipative Systeme" und mithin kennzeichnend für chaotische Prozesse. Mit "Chaos" ist nicht gemeint, das System sei chaotisch. Der Begriff Chaos charakterisiert Verhalten und Veränderungen, die einer nicht erkennbaren nichtlinearen Ordnung folgen. Chaos erweist sich so als positiver Begriff, der - als Gegenpol der Ordnung - die Normalitäten des Alltags beschreibt. Ordnung ist dabei eine Momentaufnahme in einem chaotisch fließenden System. Die Analyse chaotischer Systeme zeigt die entsprechenden Gesetzmäßigkeiten wie sie vorstehend auch für soziale Systeme beschrieben sind (vgl. ebd.).
Chaotische Beziehungen
157
Daraus kann gefolgert werden, dass Aufbau und Pflege von Führungs- und Einflussbeziehungen einer nichtlinearen Ordnung eines chaotischen Systems entsprechen. Jede sachbzw. ordnungsorientierte Führung geschieht in einem chaotischen Umfeld der Beziehung (Sympathie, Antipathie, Zufriedenheit, Ruhe, Angst, Unsicherheit der Beziehung, Emotion, Empathie). Um Veränderungen oder Verhaltensmodifikationen zu bewirken, muss eine Führungsperson sogar Chaos fördern, und dies heißt, auch Instabilität zu akzeptieren. Das Ausmaß der Ordnung eines starren Systems korreliert mit dem Ausmaß der Unsicherheit und Unfähigkeit der Manager, sich Veränderungen anzupassen. Nur chaotische Systeme sind lernfähig - in geordneten Systemen findet keine Veränderung und kein Lernen mehr statt. Konsequenterweise sind deshalb vorgegebene Verhaltensstrategien und definierte Gesprächskonzepte ungeeignet - im Einzelfall werden sie kontraproduktiv. Nur der Chef, der als Führungsperson situativ und gedankenschnell erahnt, wie seine Mitarbeiter fühlen und denken und der erahnt, wie ein Mitarbeiter gleich handeln wird und in dieser Ahnung schon seine Strategie aktualisiert hat, wird erfolgreich und nachhaltig Mitarbeiter führen und nicht manipulieren - können. Die Interaktion mit Anderen, der gegenseitige und intensive Austausch zwischen Führungskraft und Mitarbeitern wird nur in durchlässigen "chaotischen" Systemen erfolgreich handhabbar. Für ein Führungstraining bedeutet dies, dass der Schwerpunkt sich verschiebt zugunsten gekonnter Kommunikation, Sensitivitätstraining und höhere mentale Fitness, wobei Führungspersonen lernen, die Ganzheit einer Führungssituation zu erfassen und diese einfühlsam zu lenken (vgl. Withauer 2000, S. 270 H.).
13
Persönlichkeitsstil, Führungsstil und Führungsformen
Wirft man einen Blick in den Führungsalltag, lässt sich wahrnehmen, dass Vorgesetzte sich recht unterschiedlich gegenüber ihren Mitarbeitern verhalten. Das Verhalten zeigt sich sowohl temporär wie auch situativ variabel, und es ist auch zu verschiedenen Personen unterschiedlich. Im Kontext von Organisationen besteht eine Vielzahl von Führungsbeziehungen, welche erhebliche Unterschiede aufweisen können. Dies bedeutet, dass unterschiedliche Führungspersonen in der Regel auch ein unterschiedliches Führungsverhalten zeigen. Während der eine Vorgesetzte vielleicht bestrebt ist, eine möglichst strikte Umsetzung seiner Anweisungen zu sichern, ist ein anderer eher an einem offenen Dialog interessiert. Das Führungsverhalten des Führers bewirkt wiederum unterschiedliche Reaktionen bei den Geführten. Mitarbeiter erbringen mehr oder weniger Leistung, fühlen sich in ihrer Arbeit mehr oder weniger wohl und schätzen die Führungsqualitäten ihrer Vorgesetzten unterschiedlich ein. Diese Reaktionen differieren bei jedem einzelnen der Geführten. Da offenbar das Führungsverhalten die Qualität der Führungsbeziehung entscheidend prägt, stellen sich mehrere Fragen: •
Weshalb tritt unterschiedliches Führungsverhalten im Alltag auf?
•
Inwieweit lassen sich im Führungsverhalten Konturen feststellen, welche sich zur abgrenzbaren Beschreibung der Verhaltensweisen als ein Führungsstil eignen?
•
Lassen sich für diese abgrenzbare Form eines stilkennzeichnenden Führungsverhaltens auf der Mitarbeiterseite wahrnehmbare Auswirkungen erkennen (wie z. B. Leistung, Anstrengung, Arbeitszufriedenheit)?
Die beiden ersten Fragen zielen auf die Erfassung und Beschreibung abgrenzbarer idealtypischer Führungsverhaltensweisen. Die letzte Frage gilt vor allem dem führungspraktischen Interesse, ob und inwieweit einzelne Führungsstile in einer Führungsbeziehung zur Erreichung bestimmter Handlungsergebnisse verwendbar sind.
13.1
Stilbestimmte Arten der Führung
Nicht jedes Verhalten einer Führungsperson gegenüber den Geführten ist Ausdruck eines Führungsstils. Jede Führungsbeziehung enthält eine Vielzahl von singulär gezeigten Verhaltensweisen, die nur einmalig vorkommen oder von einer einmaligen Situation herrühren. Aus solchen mehr oder minder zufälligen und ungeplanten Verhaltensweisen kann jedoch keine Erkenntnis zur nutzvollen Gestaltung von Führungsbeziehungen gezogen werden. K. F. Withauer, Führungskompetenz und Karriere, DOI 10.1007/978-3-8349-6580-6_14, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
Stilbestimmte Arten der Führung
159
Wenn Verhaltensweisen in einer Führungsbeziehung eine gestalterische Wirkung haben sollen, dann müssen sie auch von einer gewissen Konsistenz geprägt sein. Eine verhaltensbezogene Präzisierung des Konstrukts "Führung" kann erfolgen, indem beobachtbares Verhalten in Bezug auf empirisch ermittelte Dimensionen des Führungsverhaltens charakterisiert oder durch Einstufung anhand idealtypischer Führungsstil-Taxonomien beurteilt wird. Die Gestaltung der Führung, die Führungsformen sind danach zu unterscheiden •
wie das Führungshandeln geschieht; hierbei geht es um das Aktionsmuster der Führung innerhalb der Gruppe, wie entschlossen der Führer auftritt und in welchem Maße er seinen Mitarbeitern ermöglicht, im Führungsprozess initiativ zu werden;
•
welche Zielstruktur die Führung verfolgt; dies äußert sich in der Wahl der Motivationsmethoden;
•
in welcher Situation das Führungshandeln erfolgt; diese kurzfristig als gegeben und wenig beeinflussbar angesehene Variable bestimmt den Führungserfolg erheblich mit.
Diese Differenzierungsaspekte können nicht unabhängig voneinander betrachtet werden. Immerhin kann gesagt werden, dass die Wahl der Führungsweise durch den Führer die Führungseffektivität bestimmt, wodurch sich wiederum die Führungsweise kennzeichnen lässt. Es wird dienlich sein für die Beschreibung, wie Führungsaufgaben von den Führungskräften wahrgenommen werden, die Begriffe Persönlichkeitsstil, Führungsstil und Führungsform einzuführen. Der Persönlichkeitsstil kennzeichnet Verhaltensmuster auf der Basis verhaltensbestimmender Persönlichkeitsmerkmale. Jede Führerperson verfügt über ein gewisses Spektrum von Verhaltensweisen, das sie der jeweiligen Situation entsprechend einsetzen kann. Es spricht jedoch einiges für die Annahme, dass die Grenzen dieses Verhaltensspektrums durch bestimmte motivationale und kognitive Grundstrukturen der Führerpersonen entscheidend vorgeprägt sind. Der Begriff Führungsstil kennzeichnet einerseits eine grundsätzliche Verhaltensdisposition auf der Basis einer bestimmten motivationalen Orientierung, wobei die Varianz des Führungsverhaltens in Bezug auf Verhaltensdimensionen beschrieben wird. Mit dem Führungsstil kann auch das Führungsverhalten der Mehrheit der Führungskräfte einer Organisation charakterisiert werden. In der individuellen Führungsform manifestiert sich die führungsstilbezogene Verhaltens-
disposition und zeigt sich in der besonderen situations- und aufgabenbezogenen Führungsweise einer einzelnen Person. Die Führungsform kann beschrieben werden durch mehrere Merkmale, die Führungselemente.
160
Persönlichkeitsstil, Führungsstil und Führungsformen
Die jeweilige Ausprägung der Merkmale, die die qualitativ gewählten Merkmale quantitativ präzisiert, ist eine Führungsvariable des Führenden. Die Kombination in bestimmter Weise ausgeprägter Führungselemente ergibt eine bestimmte Führungsform. Eine Stilrichtung der Führungsform wird erkennbar, wenn gewisse Merkmalsausprägungen der Führungselemente häufig von einer Führungskraft bevorzugt werden. Die vorstehend bezeichneten Aspekte und Sachverhalte der Prägung der Führungsweise beziehen sich auf verschiedene Konkretisierungsstufen der Entwicklung vom intendierten zum schließlich realisierten Verhalten und müssen jedenfalls getrennt voneinander betrachtet werden, wenn die Ergebnisse von empirischen Untersuchungen richtig interpretiert werden sollen. So ist es durchaus wirklichkeitsnah, dass eine Führungsperson mit autoritär/demokratischkooperativer Persönlichkeitsstruktur gegenüber ihren Mitarbeitern nicht notwendigerweise in allen Situationen autoritär/kooperativ auftritt; analog gilt das auch für die motivationale Orientierung aufgaben-/mitarbeiterorientiert. Folgende Beispiele mögen dies verdeutlichen: Angenommen die Führungskraft hat einen führerzentrierten Persönlichkeitsstil, sie zieht es vor, den Ablauf des Führungsprozesses weitgehend von sich aus zu steuern und die Initiative nicht den Mitarbeitern zu überlassen. Es sei ferner angenommen, dass dieser autoritär eingestellte Vorgesetzte hauptsächlich motiviert ist, seine Aufgabe zu erfüllen. Bei dieser Konstellation erscheint es höchst naheliegend, dass er wenigen Wert auf zweiseitige Interaktionsbeziehungen zu seinen Mitarbeitern legt. Prinzipiell ist dies aber nicht auszuschließen, wenn man etwa an den autoritären und besorgten Patriarchen denkt, der genau "weiß", was für den Mitarbeiter "gut" ist. Eine aufgabenbezogene motivationale Orientierung bedingt gleichfalls nicht automatisch aufgabenorientiertes Verhalten. So mag damit in manchen Situationen ein mitarbeiterorientiertes Verhalten vereinbar sein, beispielsweise dann wenn der Vorgesetzte einem Mitarbeiter bei der Lösung eines privaten Problems hilft und die Aufgabenerfüllung solange hintan stellt. Eine autoritäre, aufgabenorientierte Führungsperson entscheidet nicht in allen Entscheidungssituationen autoritär, sie wird vermutlich den Mitarbeitern umso mehr Einfluss auf die Entscheidungsfindung einräumen, je kompetenter sie sind. Es ist mithin keine irreale Vorstellung, dass ein autoritärer Vorgesetzter sich mitarbeiterorientiert verhält oder ein demokratisch-kooperativ eingestellter Manager autoritär eine aufgaben- und leistungsbetonte Entscheidung trifft. Prinzipiell ist auch zu beachten, dass das Konzept Aufgaben-/Mitarbeiterorientierung und das Konzept Kooperation/Autokratie nicht gleichgesetzt werden. Der Betrachtung der individuellen Führungsformen sollen zunächst zur Charakterisierung persönlichkeitsrelevanter Verhaltensmuster die Persönlichkeitsstile, die Führungstypen bilden, vorangestellt werden.
Verhaltensrelevante Charakteristika der Persönlichkeit des Führers
13.2
161
Verhaltensrelevante Charakteristika der Persönlichkeit des Führers
Menschen neigen dazu, bei Führungsstilen eine Haltung auszudrücken, die ihrem persönlichen Verhaltensstil entspricht. Dieses natürliche Verhalten kann entweder unterstützend oder dirigierend oder beides sein. Der persönlichkeitstypische Verhaltensstil ist in vielen Situationen durchaus auch effektiv, andererseits kann aber je nach Situation und Person auch ein ganz anderes Verhalten angebracht sein. Die Analyse der eigenen Persönlichkeit mit der Feststellung der Intelligenzstruktur (Structure of Intellect - SOl) sowie eines Profils der Persönlichkeitsdominanzen - z. B. durch die DISG-Analyse - ermöglicht ein Erkennen persönlicher Stärken und Defizitbereiche. Weil deren Ursachen in der zurückliegenden Ausbildung und Erziehung liegen und in der Regel unbewusst sind, ist eine Selbstreflexion geeignet, den Prozess der Selbstfindung zu unterstützen (vgl. Seiwert/Gay 1996, SpinolalPeschaneI1988). Persönlichkeit bezeichnet Teilaspekte des handelnden Menschen wie Einstellungen, Werte, Bedürfnisse sowie psychische Funktionen des Erkennens, Denkens und Fühlens, welche einen Charakterzug ergeben. Typische Ausprägungen dieser Teilaspekte werden zu Persönlichkeitstypen zusammengefasst. Nach Allport (1959, S. 48) stellt Persönlichkeit "die dynamische Organisation der psychophysikalischen Systeme eines Individuums dar, die seine ihm eigene Anpassung an die Umwelt festlegen". Bedauerlicherweise haben sich in der Managementpraxis anspruchsvollere Theorien der Persönlichkeit wie der psychoanalytische Ansatz auf der Basis von Freuds Strukturmodell des Psychischen - Es, Ich, ÜberIch - oder lemtheoretische Ansätze nicht durchgesetzt. Führung ist ein multifaktorielles Geschehen (siehe Kap. 1,2.), zu dessen Verständnis man bei jedem dieser Faktoren (Führungsperson, andere konkrete Personen als Geführte, Rahmenparameter durch gestaltetes und bedingendes Arbeitsumfeld in Form von Aufgaben, organisationale Struktur, Umwelt usw.) ansetzen kann. Trotz der Notwendigkeit zu reduzieren, ist die beliebte Betrachtung der Persönlichkeit und die dabei unterstellte Bedeutsamkeit nur noch dieses Faktors unzulässig vereinfachend.
a) Eindimensional orientierter Persönlichkeitsstil C. G. Jung und H. J. Eysenck unterscheiden für die Charakterisierung der Persönlichkeit nach extrovertierter und introvertierter Orientierung. Extrovertiertheit und Introvertiertheit bezeichnen eine Grundhaltung bzw. einen Charakterzug, welcher in unterschiedlichem Maße partiell die Persönlichkeit eines jeden Menschen ausmacht (vgl. Jung 1939). Beobachtet man eine Führungskraft über einen längeren Zeitraum, wird man ein relativ konstantes, sinnvoll strukturiertes, situationsinvariantes Verhaltensmuster in ihrem Führungsverhalten feststellen. Die Gemeinsamkeiten sind als Konkretisierung einer verhaltensorganisierenden Grundhaltung und Einstellung aufzufassen (vgl. Weibler 2001, S. 286). Diese personalen Charakteristika sind für eine Person immer ursächlich verhaltensbestimmend, also nicht nur in Erfüllung einer Führungsaufgabe. Das von Persönlich-
Persönlichkeitsstil, FÜhrungsstil und Führungsformen
162
keitsrnerkmalen beeinflusste situationsbeständige Führungsverhalten wird durch eine charakterspezifische Grundeinstellung (Philosophie, Ideologie) gegenüber Menschen geprägt (vgl. Staehle 1999, S. 334). Diese Prägung soll als eindimensional orientierter Persönlichkeitsstil bezeichnet werden. Durch die Einbeziehung von psychischen Funktionen, vor allem der motivationalen Orientierung, erfährt der Verhaltensstil eine weitere Differenzierung und Modifikation, wodurch sich idealtypische Führungsstile beschreiben lassen. Führungsverhalten beschreibt schließlich empirisch beobachtbare Beeinflussungsversuche einer Führungskraft in einer konkreten Führungssituation, die situationsabhängig variieren können. Die Beschreibung von Führungsstilen auf der Grundlage der Extrovertiertheit als Persönlichkeitsmerkmalliefert Ansätze, welche ausschließlich nach dem in der Regel sich daraus ergebenden Kriterium, dem Entscheidungsspielraum der Beteiligten typisieren. Recht bekannt ist diese Typisierung von Tannenbaum und Schmidt (1958, s. 96), die die Extremwerte als autoritären und kooperativen Führungsstil bezeichnen. Die Grauzone zwischen den beiden Extremwerten ist breit gefächert (vgl. Bröckermann 2000, S. 305 f.).
Abbildung 13.1
Eindimensionaler Verhaltensansatz der Führung (Quelle: Tannenbaum I Schmidt 1958, S. 96, ergänzt nach Wunderer 2009, S. 208)
Autoritärer Führungsstil FOhrungskraft ent scheidet und ordnet an
FOhrungskraft leistet Überzeugungsarbeit, bevor sie ihre Entscheidungen anordnet
»Autoritär« »Patriarchalisch «
Kooperativer Führungsstil Führungkraft entscheidet, gestattet jedoch Fragen , um Akzeptanz zu erreichen
FOhrungs kraft informiert, die Mitarbeiter! innen können ihre Meinung äußern , bevor die FOhrungskraft ihre endgültige Entscheidung trifft
Die Gruppe entwickelt gemeinsam Vorschlage, die FOhrungskraft entscheidet sich für den von ihr favorisierten Vorschlag
Die Gruppe entscheidet, nachdem die FOhrungskraft zuvor das Problem aufgezeigt und die Grenzen des Entscheidungsspielraumes festgelegt hat
Die Gruppe entscheidet, die FOhrungskraft fungiert als Koordinator nach innen und außen
»Informierend«
»Beratend«
»Kooperativ«
»Delegativ«
»Autonorn«
Mitarbeiter gering partizipativ (ruhrer-zentriert)
Mitarbeiter partizipativ (gruppen -zentriert)
Diese Systematik ist als Heuristik anzusehen, die mögliche Führungsstile aufzufinden bezweckt. Für die verschiedenen Stile sind mehrere Merkmale angegeben, sie beschreiben indessen eine vereinfachte Realität. Die Beschreibung solcher Grundformen von Füh-
Verhaltensrelevante Charakteristika der Persönlichkeit des Führers
163
rungsstilen liefert eine Klassifikation alternativer Führungsstile. Der eindimensionale Verhaltensansatz des unterschiedlichen Entscheidungsspielraums knüpft an die Persönlichkeitsdimension "extrovertiert" an und beschreibt als Führungsstilalternativen einerseits hohe Teilhabe der Gruppe (kooperativ) und entgegengesetzt bei geringer Partizipation der Gruppe hohe Machtautonomie des Führers (autoritär). Je eindeutiger Vorgesetzte die Gruppenaktivitäten kontrollieren und den autoritären Führungsstil praktizieren, desto weniger halten sie sich an die wiederholt belegte Erkenntnis aus den unterschiedlichsten Zweigen der Führungsforschung, dass man Mitarbeiter mit all dem, was sie bewegt, soweit wie eben möglich in die Zielsetzung, Planung und Organisation einbeziehen sollte (vgl. Bröckermann 2000, S. 306). Wer allein entscheidet und anordnet, setzt sich keinesfalls für die Partizipation der Gruppe ein und kümmert sich wenig um die Motive und Ziele der Mitarbeiter, in der Zusammenarbeit sind - zumindest auf längere Sicht - Konflikte vorprogrammiert. Die bislang dokumentierten Erkenntnisse der Führungsforschung lassen immerhin den Schluss zu, dass der kooperative Führungsstil in den meisten Fällen positiv zu bewerten ist (vgl. Bröckermann 2000, S. 307). Die Beurteilung der Führungsweise muss vorsichtiger ausfallen, wenn man auf das Führungsverhalten abstellt. Ein zeitlich begrenztes autoritäres Führungsverhalten kann durchaus angemessen sein, denn autoritäre Verhaltensweisen haben den Vorzug, dass sie äußerst schnell zu Ergebnissen führen. Zuweilen gibt es Situationen, in denen es zumindest ebenso wichtig ist, etwas schnell zu tun, wie unbedingt den eindeutig und unzweifelhaft richtigsten Weg zu wählen. Man denke etwa an die Feuerwehr im Einsatz oder ein Team von Ärzten bei einer komplizierten Operation. Hier können Fehlentscheidungen zwar zu fatalen Ergebnissen führen, ein Zögern wäre aber oft gleichfalls ein Fehler. Ein kooperativer Führungsstil ist auch der demokratische Führungsstil. Hier werden die Mitarbeiter ebenfalls aktiv an Entscheidungen beteiligt, allerdings durch eine Abstimmung. Wie Fauth (1992, S. 87) berichtet, ist man in amerikanischen Unternehmungen bei diesem Führungsstil schnell zu einem "let's vote" bereit. Die meisten Darstellungen des eindimensionalen Verhaltensansatzes unterschlagen den wirklichen Extremwert für den Entscheidungsspielraum der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, den Führungsstil, der Laissezfaire genannt wird. Mit dem Laissez-faire-Führungsstil setzt man vollständig auf die Potenziale der Mitarbeiter, die sich frei und ungehindert entwickeln sollen . Bei diesem Führungsstil (vgl. Weibler 2001, S.297) gibt man den Gruppenmitgliedern volle Freiheit. Die Führungskraft verhält sich grundsätzlich ebenso freundlich wie passiv. Sie macht keinerlei Einfluss geltend und bemüht sich lediglich auf Anfrage um die Rahmenbedingungen der Kommunikation, Motivation, Zielsetzung, Organisation und Zusammenarbeit. Die Mitarbeiter üben ausschließlich eine Selbstkontrolle aus . Der Führungskraft verbleibt in der Regel nur noch die grundlegende personelle Planung sowie die Aufbau- und Ablauforganisation. Der Laissez-faire-Führungsstil wird in fast allen Publikationen negativ besprochen. Man argumentiert, die Mitarbeiter könnten bei solch "sanfter" Führung (vgl. Mintzberg 1999, S. 9 ff.) die ihnen gewährten Freiheiten ausnutzen und zu schlechter Leistung, Unordnung,
164
Persönlichkeitsstil, FÜhrungsstil und FÜhrungsformen
Disziplinlosigkeit und Verantwortungslosigkeit tendieren. Diese Annahme wird indessen von der Praxis nicht bestätigt. Der Laissez-faire-Führungsstil findet sich vielmehr gerade dort, wo mit derartigen Missständen nicht zu rechnen ist, wo im Gegenteil jeder andere Führungsstil kaum erfolgreich sein würde, etwa im kreativen, wissenschaftlichen und forschenden Bereich.
b) Mehrdimensionale Orientierung der Führung Eine weitere Differenzierung der Führungsstile ergibt sich, wenn man zur Typisierung menschlichen Verhaltens nicht nur das Ausmaß der mit einer extra- bzw. introvertierten Grundhaltung einher gehenden Partizipation berücksichtigt, sondern auch die durch eine günstige oder ungünstige Wahrnehmung ihres Umfeldes bestimmte Beziehungsorientierung. Der amerikanische Psychologe William M. Marston hat unter Zugrundelegung dieser wesentlichen Einflüsse oder Variablen ein praktikables Persönlichkeitsmodell entwickelt, das durch Studien vor allem bei "gesunden" Menschen getestet ist (vgl. Marston 1928). Das 2-Achsen-Modell mit jeweils zwei Polen ordnet Verhaltensstile im Hinblick auf die beiden vorgenannten Dimensionen, je nachdem ob eine Person •
von ihrer inneren Einstellung auf dieses Umfeld eher aktiv oder passiv reagiert, sowie
•
ihre äußere Umgebung als eher günstig oder ungünstig wahrnimmt.
Abbildung 13.2 Dimensionen bzw. Orientierungen der Persönlichkeit (Quelle: Seiwert/Gay 1996, S. 14) innere Einstellung IReaktion ~ CI) c:
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165
Verhaltensrelevante Charakteristika der Persönlichkeit des Führers
Diese beiden Doppel-Polantäten wurden später modifiziert in
• extrovertiert/introvertiert und • aujgaben-/menschenorientiert. Aus der Kombination der dimensionalen Persönlichkeitsorientierungen lassen sich vier Quadranten bzw. Grundtypen der Persönlichkeit ableiten, die zugleich die Verhaltensstile D-I-S-Gdefinieren:
Selbst-Check 14: Kurztest: Versetzen Sie sich in eine bestimmte, möglichst konkrete Situation, z. B. in Ihrem Arbeitsumfeld. Wählen Sie dann aus den vier Wörtern in Zeile A dasjenige aus, das Ihrer Einschätzung nach am ehesten auf Sie zutrifft. Schreiben Sie eine ,,4" in das Kästchen vor diesem Wort. Die anderen Verhaltensweisen in Reihe A versehen Sie in absteigender Folge mit ,,3", ,,2" und" 1".
Genausoverfahren Sie mit den Zeilen B bis J. Wichtig ist: Jede Zahl darf pro Zeile nur einmal vorkommen! Anschließend zählen Sie jede der vier Spalten zusammen und tragen unten in das Kästchen die Summe ein. Zur Kontrolle: die Gesamtsumme muss 100 ergeben. Esgibt hier keine "falschen" oder "richtigen" Antworten, die Begriffe stehen lediglich für Ihren bevorzugten Verhaltensstil in einer bestimmten Situation. (Quelle: Seiwert 1998, S. 206 ff.; vgl. zum Original-DISG-Testmaterial: Gay 1998). A
D egozentrisch
D enthusiastisch
D passiv
D perfektionistisch
B
D direkt
D gesellig
D geduldig
D genau
C
D kühn
D überzeugend
D loyal
D logisch
D
D herrisch
D impulsiv
D voraussagbar
D diplomatisch
E
D anspruchsvoll
D emotional
D teamfähig
D systematisch
F
D energisch
D selbstfordernd
D gelassen
D konventionell
G
D umtriebig
D beliebt
D verträglich
D sorgfältig
H
D abenteuerlustig
D einflussreich
D selbstgefällig
D gründlich
D entschlossen
D optimistisch
D gutmütig
D vorsichtig
D hartnäckig
D lebensfroh
D entspannt
D akkurat
J
............................................................................................................................................................................................................... ...................................................................... D Gesamtsumme D D Gesamtsumme I
D Gesamtsumme 5
D Gesamtsumme G
(Auswertung am Ende des Buches)
166
Persönlichkeitsstil, Führungsstil und Führungsformen
Der "dominante" Persönlichkeitstyp (D) beeinflusst gerne seine Umgebung, fühlt sich durch Widerstände herausgefordert und will Ergebnisse erzielen, ist wetteifernd, direkt und offen. Dominante veranlassen Dinge, zeigen von sich aus Initiative, stellen bestehende Zustände in Frage, treffen schnelle Entscheidungen, packen Probleme geradewegs an. Der "initiative" Persönlichkeitstyp (I) ist vor allem kontaktfreudig, will soziale Beziehungen knüpfen und pflegen. Initiative tun Dinge nicht gerne allein, sie bevorzugen Aktivitäten in der Gruppe. Sie versprühen Optimismus und zeigen sich begeisternd, emotional, gesprächig und spontan. Der "stetige" Persönlichkeitstyp (S) fühlt sich wohl in einer entspannten und freundlichen Atmosphäre, in der Sicherheit, klare Vereinbarungen und vorhersehbare Abläufe vorherrschen . Er fühlt sich herausgefordert, wenn er mit anderen zusammenarbeiten muss, um Ergebnisse zu erreichen. Stetige sind treu, loyal, zuverlässig, schaffen ein stabiles, beständiges Umfeld, entwickeln ein spezialisiertes Können. Eine stetige Person hört ruhig, gut und geduldig zu, ist vermittelnd und beruhigt andere. Der "gewissenhafte" Persönlichkeitstyp (G) liebt Ordnung, Disziplin und bevorzugt bekannte und bewährte, präzise und in allen Details geplante Vorgehensweisen bei optimaler Qualität. Er folgt Anweisungen und Normen, denkt kritisch und prüft Genauigkeit, entscheidet analytisch und objektiver als andere. Gewissenhafte arbeiten sehr effizient, aber weniger effektiv, sie verlieren sich in Einzelheiten. Die persönlichkeitstypischen Verhaltenstendenzen prägen zweifellos auch Spielarten der Führung, die als idealtypische Ansätze bezeichnet werden (vgl. Staehle 1999, S.335 ff.). Diese überdecken sich nicht genau mit den vier Grundtendenzen der Persönlichkeit, gleichwohl erscheint es nützlich, sie in den Rasterrahmen der Persönlichkeitsprägungen einzuordnen. Die vier bekanntesten idealtypischen Persönlichkeitsstile sind: der autoritäre, der bürokratische, der kooperative und der Laissez-faire-Stil. Ähnlich führerzentriert wie der autoritäre Stil wirken die charismatische sowie die patriarchalische Führung. Der bürokratische Stil orientiert sich am demokratischen Prinzip der Gleichbehandlung. Die Basis des kooperativen Stils ist die kollegial-delegative Zusammenarbeit. Der Laissez-faire-Stil kommt abgewandelt in dezentrierten Formen der Zusammenarbeit vor oder ist prägend für selbstorganisatorische Prozesse. Ein autoritärer Führer nimmt wenig Rücksicht auf seine Mitarbeiter; die Führung ist despotisch und eher unpersönlich. Er bestimmt selbst sehr viel, übt eine detaillierte sachliche Kontrolle aus und erteilt Anerkennung und Missbilligung, ohne objektive Gründe anzugeben . Der autoritäre Führer weiß und kann alles besser, eigentlich könnte auf Diskussionen grundsätzlich verzichtet werden; aufgrund seiner extrovertierten Einstellung stellt er in einem Gespräch dennoch viele Fragen, greift oft ein, selten lässt er jedoch andere zu Wort kommen oder fragt nach ihrer Meinung. Keinesfalls darf eine gute Lösung von den Mitarbeitern kommen, und selbst wenn der Führer keine Idee gehabt hat, wird er einem Vorschlag nicht zustimmen, sondern lediglich erklären, er stimme mit ihm überein. Das höchste Lob des Mitarbeiters ist, die Meinung des Führers getroffen zu haben.
Verhaltensrelevante Charakteristika der Persönlichkeit des Führers
Abbildung 13.3
167
Persönlichkeitsgeprägte idealtypische Führungsstile (Quelle: eigene Darstellung) extrovertiert (partizipativ )
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1:
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introvertiert (wenig partizipat iv)
Charismatische Führungskräfte verlassen sich auf ihre Einmaligkeit und Ausstrahlung, die sie ganz im Sinne der Deutung des klassischen Eigenschaftsansatzes der Führung als Gnadengabe verstehen (vgl. Neuberger 2002, S. 143 ff .), Der charismatische Führer begründet seinen Herrschaftsanspruch mit seinen besonderen, einmaligen Persönlichkeitszügen und kennt folglich keinen Vorgänger, Stellvertreter oder Nachfolger. Charismatische Führer sind besonders gefragt in Krisen- oder Notsituationen, in denen der Glaube an eine Rettung durch den Führer die Zuversicht zu rationalen Problemlösungsstrategien verdrängt hat. Patriarchalische Führungskräfte orientieren sich am Leitbild der Autorität und Güte des Vaters in der Familie (vgl. Neuberger 2002, S. 109; Bisani 2000, S. 756 ff.). Die paternalistische Führung ist der Stil eines Despoten mit nach außen dargestelltem sozialem Verantwortungsgefühl gegenüber Mitarbeitern, deren Interessen er mutmaßlich am besten zu kennen glaubt und mithin in der Führungsbeziehung sie wirklich zu erkunden als entbehrlich ansieht. Der Patriarch zeigt sich zur Treue und Fürsorge gegenüber den Geführten verpflichtet und erwartet als Gegenleistung dafür Dankbarkeit, Loyalität, Treue und Gehorsam. Der Führungsstil ist oftmals in kleinen Familienbetrieben anzutreffen. Die Organisationsstruktur sieht lediglich eine Führungsinstanz vor und keinerlei Delegation von Entscheidungsbefugnissen. Der bürokratische Führer trifft ebenfalls alle Entscheidungen allein, allerdings unter Beachtung der bestehenden Regeln, Satzungen, Vorschriften und Normen. Er hält stets das Reglement ein und erfüllt als Führer eine Funktion in einem System von Satzungen. Das Füh-
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Persönlichkeitsstil, Führungsstil und Führungsformen
rungsverhalten ist nicht personengeprägt, sondern introvertiert unpersönlich, farblos und normengeprägt. Die Führung erfolgt durch Regeln und strenge diffizile Verfahren der Kommunikation. Gruppenmitglieder können Führungsbeiträge leisten, dies hat jedoch nicht spontan, sondern auf dem vorgeschriebenen Weg zu geschehen, um überhaupt beachtet zu werden. Die meist schriftlich zu formulierenden Führungsbeiträge sind ein Kennzeichen der Bürokratie. Auffällig ist, dass in bürokratischen Strukturen viele Mitarbeiter anzutreffen sind, welche als Geführte die Sachkompetenz des Bürokraten als Legitimation der Herrschaft akzeptieren. Damit wird der Führer so lange anerkannt, wie er die Regeln hochhält, an die alle glauben. Wenn die bürokratischen Regeln verletzt werden, muss der Führer einschreiten und wird dabei von den übrigen Gruppenmitgliedern unterstützt. Die Anordnung des bürokratischen Führers wird nur dann befolgt, wenn sie vorschriftsmäßig erteilt wird. Der Sanktionenmechanismus der bürokratischen Führung wirkt darauf hin, dass es keiner besser hat als die anderen. Der kooperative Führer lenkt und koordiniert eine Zusammenarbeit in der Gruppe, die Geführten sind Mitarbeiter und Partner. Es liegt die Auffassung zugrunde, dass die Mitarbeiter in der Arbeit gleichzeitig ihre persönlichen Ziele realisieren können. Der kooperative Führer verpflichtet sich einer Aufgabe, seine Position ist eine Funktion in der Gruppe. Die auf Zusammenarbeit und Gemeinsamkeit abzielende Führungsweise ist kollegialdelegativ; sie ist nicht nur funktional an der Aufgabe orientiert, sondern sie ist zugleich eine humane Führung. Die überzeugende oder kooperative Führung fordert die Mitarbeiter zu Führungsbeiträgen auf, aktiviert ihre Leistung, erteilt sachliche Informationen anstelle persönlicher Befehle und gelangt somit zu Maßnahmen, die die Gruppe entscheidet und verantwortet. Die Position des Führers ergibt sich aus seiner Stellung in der Gruppe als Kommunikationszentrum. Die kooperative Gruppe erwartet von ihrem Führer, dass er irreversibles Verhalten vermeidet; dies heißt, dass der Führer eine solche Sprache vermeiden muss, die er sich, wenn Mitglieder der Gruppe dieselbe ihm gegenüber entsprechend anwendeten, verbitten würde. Da er die Kommunikation in der Gruppe koordiniert und organisiert, hängt seine Anerkennung als Führer davon ab, wie er diese Informationsaufgabe bewältigt; negativ wird empfunden, wenn er jemanden vergisst, wenn er wichtige Informationen von Gruppenmitgliedern unterschlägt, wenn er Informationen zu friih oder zu spät weitergibt oder wenn er sie verfälscht. Keinesfalls darf der kooperative Führer zwangsweise Maßnahmen ergreifen; er würde Prestige und Einfluss verlieren. Informelle und formelle Positionen würden, da sich die Gruppe auflöst, nicht mehr übereinstimmen. Eine durch Stetigkeit und Zuverlässigkeit geprägte Persönlichkeit neigt durch den Laissezfaire-Führungsstil dazu, mit gleichen Erwartungen an die Mitarbeiter vollständig auf deren Potenziale und ihre Entfaltung zu setzen. Die Führungskraft macht in einer menschenorientierten Haltung keinerlei Einfluss geltend, verhält sich introvertiert inaktiv, vollkommen neutral und gibt nur auf Anfrage Auskunft. Die Leistungen und das Verhalten der anderen kommentiert er höchstens. Die Gruppenmitglieder besitzen volle Freiheit bis hin zu ihrer Selbstkontrolle (vgl. Hentze et al. 2005, S. 239). In dezentriert geführten Gruppen, z. B. manchen Kommissionen und Ausschüssen, kommt gemeinsames Handeln spontan zustande, da kein formeller Führer das Gruppengeschehen bestimmt. Weil der Führer schwer zu erkennen ist, erbringen kurzfristig und wechselweise
Verhaltensrelevante Charakteristika der Persönlichkeit des Führers
169
andere Mitglieder der Gruppe Führungsbeiträge, die sich aber nicht zu einer festen Führungsposition verdichten. Die dezentrierte Gruppe ist tendenziell handlungsunfähig, da die widerstreitenden Meinungen nicht integriert werden. Weil sie sich nicht in irgendeiner Weise strukturiert, droht sie zu zerfallen. Die dargestellten Verhaltensmuster sind Idealtypen der Führung. Zu ihrer Wirkung auf die Gruppe liegen zahlreiche und sich teilweise widersprechende Untersuchungen vor (vgl. Neuberger 2002, S.426 ff.; Withauer 1973, S. 121). Eine Beurteilung muss vorsichtig und differenziert ausfallen, zumal wenn man auf das Führungsverhalten und seine situative Bedingtheit abstellt. Erfolgsaussagen für die betrachteten Persönlichkeitsstile sind vor allem situativ zu relativieren. Man kann davon ausgehen, dass Führer mit autoritärer/kooperativer Persönlichkeit tendenziell dann erfolgreicher sind, wenn die Geführten durch ihre Sozialisation bedingt entsprechende Erwartungen haben. Eine Gruppe mit dem Bedürfnis nach autoritärer Führung, erwartet ja ausdrücklich, dass der Führer spürbare Macht ausübt, auf die Einhaltung der Gruppennormen achtet, die er selbst bestimmt und gegen die nur er verstoßen darf. Sanktionen gegen sich nicht konform verhaltende Gruppenmitglieder geschehen nicht durch Bestrafung, sondern mittels sogenannter Kanalisationen, durch die Arbeitsbedingungen geschaffen werden, die ein korrektes Verhalten erzwingen; z. B. wird einem häufig Zu-spät-Kommenden der Hausschlüssel übergeben, verbunden mit der Bitte, morgens aufzuschließen. Eine Führungssituation kann ebenfalls bestimmte Verhaltensanforderungen bedingen, die von einer Person mit einer bestimmten Persönlichkeit leichter erfüllt werden können. So dürften in der militärischen Führung meist autoritäre Persönlichkeiten erfolgreich sein, eine bürokratische Persönlichkeit präferiert ein bürokratisches Umfeld. Schwer vorstellbar ist heute eine autoritäre Führungsstruktur in Unternehmungen und das Bedürfnis nach einem überlegenen starken Führer, damit der Gruppe Unzufriedenheit und Unsicherheit erspart wird. Ein zeitlich vorübergehend autoritäres Führungsverhalten kann jedoch dann angebracht sein, wenn es auf den Vorzug einer solchen Führungsweise, nämlich schnelles Handeln, ankommt und ein Zögern verhängnisvoll sein könnte. Dies gilt für solche Situationen, in denen es genauso wichtig ist, etwas schnell zu tun wie auch richtig zu handeln wie etwa beim Feuerwehreinsatz oder für den Arzt während einer schwierigen Operation. Es würde ebenfalls nicht der Gruppennorm widersprechen, wenn auch ein kooperativer Führer in dringenden Fällen das kooperative Prinzip aufgibt, z. B. wenn die Zeit zu ausreichender Information fehlt oder wenn ein Gruppenmitglied aus irgendwelchen Gründen nicht verstehen will oder kann. Der Bestimmung von Persönlichkeitsstilen als der Beschreibung verhaltensrelevanter Charakteristika der Persönlichkeit der Führungsperson wurde das DISG-Persönlichkeitsmodell zugrunde gelegt. Für eine kategoriale Ordnung von Persönlichkeitsstilen bzw. persönlichkeitsgeprägter Führungsstile mag das zweidimensionale DISG-Modell eine geeignete Grundlage bieten. Zweifelhaft ist dabei jedoch die Dimension der Beziehungsorientierung, welche ja modellgemäß als ein Merkmal der Persönlichkeit aufgefasst wird. Fragwürdig erscheint zunächst die Ableitung der "Beziehungsorientierung" aus der umgebungsbeschreibenden Dimension "ungünstige" bzw. "günstige" Wahrnehmung sowie
170
Persönlichkeitsstil, Führungsstil und Führungsformen
überdies bedeutungsmäßig inkongruent die Umbenennung dieser Dichotomie in das Begriffspaar "aufgabenorientiert" bzw. "menschenorientiert". Eine treffsichere Bestimmung des Führungsstils aus einer Persönlichkeitsanalyse scheitert jedoch vor allem daran, dass das reale Führungsverhalten von der motivationalen Orientierung beeinflusst wird, welche erstens durchaus variabel und zweitens infolge eines stets mehrfach und komplex motivierten Verhaltens situationsbedingt ist. Die Bestimmung persönlichkeitsgeprägter Führungsstile ist mithin nicht ausreichend. Führungskräfte sind sicherlich auch in der Lage, ihren Führungsstil zu wechseln. Dies zeigt sich in verschiedenen situativ gewählten Führungsformen.
13.3
Motivationale Verhaltensdisposition: der Führungsstil
Die Persönlichkeitsstruktur einer Führerperson bewirkt relativ situationsbeständige Verhaltensmuster: Wenn ein Mensch autoritär auftritt, muss dies weder geplant noch zielorientiert sein. Die motivationale Orientierung kennzeichnet für eine konkrete Führungsaufgabe in einer gegebenen Situation, dass der Führer die Absicht hat, also motiviert ist, in einer bestimmten Weise zu handeln. Dieser motivational bestimmte Führungsstil kann durch die Dimensionen entweder einer überwiegend aufgabenbezogenen Orientierung oder eher mitarbeiterorientierten Grundeinstellung präzisiert werden. Führung manifestiert sich über das aus einer grundlegenden Bedürfnisstruktur des Führers in verschiedenen Situationen resultierende Verhalten. Welche Verhaltenswirkungen eine bestimmte motivationale Orientierung hat, hängt von den Situationsbedingungen ab, mit denen der Führer konfrontiert ist und die ihn unter Umständen daran hindern, entsprechend seiner Motivation zu handeln. Es darf wohl vermutet werden, dass Menschen verschiedene Ziele mit unterschiedlicher Priorität anstreben: Entsprechend der Annahme, dass sekundäre Motive erst wirksam werden, wenn die primären erfüllt sind, kann angenommen werden, dass Führer in ungünstigen Situationen zunächst eine Erfüllung primärer Bedürfnisse anstreben. Wenn diese Bedürfnisse befriedigt sind, was gleichbedeutend mit der Feststellung ist, dass die Situation für den Führer günstiger geworden ist, können sekundäre Ziele angestrebt werden. Personenmotivierte Führer widmen sich dann der Aufgabe, während aufgabenmotivierte Vorgesetzte es sich gewissermaßen "leisten", sich um gute Beziehungen zu ihren Mitarbeitern zu bemühen. Nach dieser Überlegung verhalten sich interpersonal-orientierte Führerpersonen in ungünstigen Situationen mitarbeiterorientiert und in günstigen Situationen aufgaben-orientiert, während aufgaben-orientierte Vorgesetzte in ungünstigen Situationen zunächst versuchen, ihre Aufgabe zu erledigen und sich in günstigen Situationen um ein gutes Arbeitsklima bemühen (vgl. Fiedler et al. 1979, S. 16).
a) Führungsformen und Verhaltensgitter Die Führungsform ist die auf den einzelnen Führungsbereich bezogene situationsspezifische Ausprägung der Führungsbeziehungen (Bleicher/Meyer 1976, 5.136). Ein aufgaben-
Motivationale Verhaltensdisposition: der Führungsstil
171
motivierter Führer muss sich nicht unbedingt aufgaben-orientiert verhalten. Es ist deshalb sinnvoll, Verhaltensbereitschaft und tatsächliche Verhaltensformen voneinander zu trennen. Die Analyse von Führungsformen der Managementpraxis macht es notwendig, eine Abstufung hinsichtlich der Zielprägung der Führungsstile einzuführen. Persönlichkeit, Motivation und relativ stabile Aufgabencharakteristika bestimmen die Zielorientierung des Verhaltens als Ausdruck einer individuellen Führungsform.
Selbst-Check 15: Selbsteinschätzung praktischen Führungsverhaltens Bewerten Sie die folgenden Abschnitte als eine Beschreibung Ihres Ichs, indem Sie Ihrer typischsten Führungsform die Zahl 1 zuordnen, der nächsttypischen Führungsform die Zahl 2 usw. bis 5, die für Sie die am wenigsten typische Führungsform ist. Wenn Sie die Wertung abgeschlossen haben, sollte jede Zahl von 1 bis 5 nur jeweils einmal vorkommen. Sie müssen sich jeweils entscheiden und können keine Bewertung auslassen.
a. Ich akzeptiere die Entscheidungen anderer. Ich schließe mich Meinungen, Verhaltensweisen und Vorstellungen anderer an oder vermeide, Partei zu nehmen. Wenn Konflikte auftauchen, versuche ich, neutral zu bleiben oder mich herauszuhalten. Da ich mich neutral verhalte, rege ich mich selten auf. Andere finden in meinem Humor keine Pointen. Ich strenge mich nur soweit wie unbedingt nötig an. b. Ich lege großen Wert darauf, meine guten Beziehungen aufrecht zu erhalten. Anstatt meine eigene Meinung durchzusetzen, ziehe ich vor, die Meinungen, Verhaltensweisen und Vorstellungen anderer zu akzeptieren. Ich bemühe mich, keinen Konflikt entstehen zu lassen, wenn er aber auftaucht, versuche ich, die Wunden zu heilen und die Menschen wieder zusammenzubringen. Da Spannungen Störungen verursachen können, verhalte ich mich immer verbindlich und freundlich. Mein Humor zielt darauf ab, freundliche Beziehungen aufrecht zu erhalten oder, wenn Spannungen auftreten, die Aufmerksamkeit abzulenken. Ich führe selten, helfe aber, wo ich kann.
c. Ich lege großen Wert darauf, Entscheidungen zu treffen, die auch durchgeführt werden. Ich trete für meine Ideen, Meinungen und mein Verhalten ein, auch wenn ich manchmal jemandem auf die Zehen treten muss. Wenn Konflikte auftreten, beseitige ich sie oder setze mich durch. Wenn etwas schief läuft, verteidige ich mich, leiste Widerstand oder komme mit Gegenargumenten. Mein Humor trifft scharf. Ich treibe mich und andere. d. Ich bemühe mich, durchführbare Entscheidungen zu erreichen, auch wenn sie nicht immer perfekt sind. Wenn Ideen, Meinungen oder Verhaltensweisen auftauchen, die sich von meinen eigenen unterscheiden, nehme ich eine mittlere Position ein. Wenn Konflikte entstehen, versuche ich, gerecht, aber fest zu bleiben und eine faire Lösung zu erreichen. Unter Spannung fühle ich mich unsicher, welchen Weg ich einschlagen soll oder wie ich meine Meinung ändern soll, um weiteren Druck zu vermeiden. Mein Humor dient dazu, mir und meiner Stellung zu helfen. Ich versuche, ein gutes, gleichmäßiges Tempo aufrechtzuerhalten.
172
Persönlichkeitsstil, Führungsstil und Führungsformen
e. Ich lege großen Wert darauf, gesunde und schöpferische Entscheidungen zu erreichen, die sowohl Verständnis wie auch Einverständnis herbeiführen. Ich höre gut zu und suche nach Ideen, Meinungen und Verhaltensweisen, die sich von meinen eigenen unterscheiden. Ich habe klare Überzeugungen, reagiere aber auf gute Ideen dadurch, dass ich meine eigene Meinung ändere. Wenn Konflikte auftauchen, versuche ich, die Gründe dafür herauszufinden und die Folgen zu beseitigen. Wenn ich erregt bin, beherrsche ich mich, obwohl meine Ungeduld sichtbar wird. Mein Humor passt zur Situation und ist richtungweisend. Selbst unter Spannung bewahre ich mir meinen Witz. Ich lege meine ganze Kraft in die Arbeit, andere folgen mir. (Antworten am Ende des Buches)
Einen Ansatz, Führungsformen praktisch zu analysieren, bietet das "Managerial Grid" bzw. Verhaltensgitter (vgl. Blake/Monton 1968). Das Verhaltensgitter berücksichtigt zwei mögliche Orientienmgen des Fühnmgsverhaltens. Die Aufmerksamkeit kann sich einmal auf die fachlich- bzw. leistungsrelevanten Belange der Arbeit, andererseits auf die zwischenmenschlichen Beziehungen der Mitarbeiter richten oder auf keine der beiden Belange oder auf beide gemeinsam - in unterschiedlich starker Ausprägung. Auf die bisher verwendete Terminologie übertragen, kann die Zielprägung der Führungsform als Konfliktfall zwischen der Betonung von Zufriedenheitsaspekten und Leistungsaspekten gesehen werden. Der zweidimensionale Verhaltensansatz von Blake/Monton basiert auf empirischen Untersuchungen einer Forschergruppe der Ohio-State-University. In diesen Studien wird das Verhalten von Führern als Interaktion zwischen Führern und Geführten modelliert. Mit Hilfe von Fragebögen sollte das Führungsverhalten als zentrale Variable differenziert und objektiv sowie standardisiert erfassbar gemacht werden (vgl. Yukl2006, S. 49 ff.), Die Forschungsergebnisse und die daraus resultierenden Führungskonzepte haben die Führungsforschung erheblich beeinflusst und die in den Unternehmen gebräuchlichen Führungstrainings bis heute geprägt (vgl. Staehle 1999, S.839 ff.), Blake/Monton beziehen sich auf die beiden Hauptfaktoren der Ohio-Schule, "Consideration" (Beziehungs- oder Humanorientierung) und "Initiating Structure" (Aufgaben- oder Leistungsorientienmg), und übernehmen ebenfalls die Annahme von der Unabhängigkeit der beiden Dimensionen. Die in der Praxis meist anzutreffende Annahme einer Dichotomie von personen- oder aufgabenorientiert im Denken der Fühnmgskräfte soll deshalb abgelöst werden von einer integrativen Betrachtungsweise der beiden Dimensionen. Eine andere Quelle sind Forschungsarbeiten aus einem großangelegten Forschungsprogramm an der University of Michigan. Die Michigan-Studien (vgl. Katz/Kahn 1966/1978) analysierten das Führungsverhalten speziell unter Effizienzgesichtspunkten und konzentrierten sich auf Zusammenhänge zwischen Führungsverhalten, Gruppenprozessen und Gruppenleistung (vgl. Northouse 1997, S. 32 ff.). In der Unterscheidung der Führungsstile betrachteten die Forscher der Michigan-Schule zunächst die Mitarbeiter- und Leistungsorientienmg wie bei der Ohio-Schule unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls als unabhängig, kommen in späteren Studien allerdings zu der Auffassung, dass zweidimensionale Konstrukte die Komplexität des Führungsphänomens doch nicht adäquat abbilden können (vgl. Staehle 1999, S. 345).
Motivationale Verhaltensdisposition: der Führungsstil
173
In dem von Blake/Mouton entwickelten zweidimensionalen Verhaltensgitter ist auf der Waagrechten in einer 9-stufigen Skala der Grad der Betonung produktiver Aspekte (Concern for Production) und auf der senkrechten ebenfalls in einer 9-stufigen Skala der Grad der Betonung der ind ividuellen Zufriedenheit (Concern for People) eingetragen. Von den 81 theor etisch möglichen Kombinationen von Personen- und Leistungsorienti erung werden jedoch nur fünf Felder deskriptiv herausgestellt. Die Betrachtung produktiver Aspekte und der individuellen Zufriedenheit erscheint für leistungs- und ökonomisch orientierte Organisationen wohl gerechtfertigt, weil die Führungskräfte sowohl für das Leistungsergebnis ihres Aufgabenbereiches verantwortlich sind als auch für die indi viduelle Motivation und Zufriedenheit ihrer Mitarbeiter. Die Probl ematik besteht gerade da rin, dass der Mensch Strukturelement der Leistungsorganisation ist, wodurch das Spannungsverhältnis zwischen humanen Ansprüchen des Individuums und ökonomischen Ansprüchen des Betriebs entsteh t. Dieser Zusammenhang wird im zweidimensionalen Koordinatensystem des Verhaltensgitters schematisch dargestellt. Die Abstufungen auf den Koord inaten bezeichnen die Intensität der Betonung der beiden Ziele "Humanorientierung" und .Leistungsorientierung". Abblldung 13.4
Das Verhaltensgitter
~
~
9.9 Führungsform Hohe Arbeitsleistung von begeisterten Mitarbeitern . Ve rfo lgung des ge mein samen Zieles führt zu gute m Ve rhalte n.
1.9 Fuhrungsverhalten Sorgfä ltige Bea chtung de r zw ischenmenschlichen Beziehu ngen führt zu eine r bequem e n und freundl ichen Atmo sphä re und zu e inem entsprec henden A rbe itstempo
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5.5 Führungsverhalten Ge nügende Arbe itsleistung, möglich durch das
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Notwendig keit zur Arbei tsleistung und zur Aufrechterhaltung de r zu erfüllenden Arbeits leistung
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1.1 FÜhr un gsve rh alten Gerings tm ög liche Einwi rkung au f A rbeits leistung und auf die Me nsche n
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9.1 Füh rung sverhalte n Wirksame A rbeitsleistung wird erz ielt, ohne dass viel Rücksicht auf zwischenmenschliche Bezie hunge n ge nomme n wird
4
6
Betonu ng de s prod ukt iven Aspe ktes (Leistungsorientierung)
8
V hoch
174
Persönlichkeitsstil, Führungsstil und Führungsformen
Eine nähere Betrachtung der Führungsformen im Verhaltensgitter wirft durchaus die grundlegende Frage nach den Möglichkeiten einer Berücksichtigung von humanen Ansprüchen der Zufriedenheit und leistungsbezogenen Ansprüchen der Aufgabe bei der Führung auf . In die Wahl der Führungsform geht ein, inwieweit man unterstellen kann, dass diese Ziele miteinander vereinbar sind . Die die Führungsform kennzeichnenden Motivationsmethoden sind ein wesentlicher Ausdruck der angenommenen Zielharmonie. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Wahl positiver und negativer Motivation als auch in Bezug auf den stufenmäßigen, der Höhe menschlicher Erwartungen entsprechenden Ansatz der Motivation. Die Ausrichtung von der führerzentrierten auf die gruppenzentrierte Führungsform zeigt sich in abnehmendem Formalisierungsgrad des Gruppengeschehens; die Aufgabendezentralisation, die Dezentralisation von Führungsbeiträgen und die Kommunikation sind Gestaltungskomponenten der Führungsform. Die Problematik der Annahme einer gegebenen Zielharmonie zwischen Leistung und Zufriedenheit kommt implizit auch in der Beschreibung der Führungsformen im Verhaltensgitter zum Ausdruck. Es fällt auf, dass die Beschreibung der 5.5-Führungsform nicht recht gelingt. Hinzu kommt eine dezidiert normative Haltung, welche der fünf Alternativen als die "beste Theorie" gilt, insbesondere warum unter allen Umständen der 9.9-Stil als optimaler Führungsstil propagiert wird, wenn doch eine Führungsform situationsabhängig und für eine bestimmte Person die Funktion mehrerer Einflussfaktoren sein soll (vgl. Blake/Monton 1968, S. 26). Die Unsicherheit rührt daher, dass die Konzepte "Orientierung" und "Verhalten" nicht deutlich voneinander abgegrenzt werden. Es ist nämlich durchaus denkbar, dass es eine "beste" Verhaltensdisposition gibt; welche Verhaltensakte jeweils erfolgreich sind, kann aber nur situativ erklärt werden. In einer Neuinterpretation werden die beiden Dimensionen des Verhaltensgitters nicht weiter als unabhängig voneinander gehalten, sondern als interdependent angesehen. Um diese Auffassung auch äußerlich zu dokumentieren, werden die Skalenwerte nicht mehr durch einen Punkt, sondern ein Komma getrennt. Führungskräfte sollten nunmehr über eine dominante, situationsübergreifende 9,9-Strategie verfügen, die sie aber situationsabhängig taktisch variieren können. Mit der Erkenntnis, dass Verhaltensänderungen nicht ohne begleitenden organisationalen Wandel sinnvoll möglich sind, wird das Führungskonzept inzwischen eher als Ansatz des Management-Development verstanden (vgl. BlakelMouton/McCanse 1993). Der situative Führungsansatz reserviert den 9,9-Stil nur noch für die strategisch übergreifende Führungsphilosophie (vgl. auch Staehle 1999,S. 842).
b) FUhrungselemente Die Führungsformen werden beschrieben durch eine Mehrzahl von Merkmalen, welche sozialpsychologische und organisatorische Führungselemente darstellen. Dabei sind die beiden Kategorien von Führungselementen nicht unabhängig, sondern insofern interdependent, als bestimmte Führungsformen entsprechende Organisationsformen bedingen. Beispielsweise wird eine kooperative Führungsform die organisatorische Dezentralisation von Entscheidungen mit einer Delegation von Befugnissen und Verantwortung erforderlich machen (vgl. zu organisatorischen Führungselementen Withauer 2000, S.233 H.). Die
Motivationale Verhaltensdisposition: der Führungsstil
175
sozialpsychologischen Führungselemente greifen teilweise auf die Merkmale und Kategorien des Verhaltens in der Gruppe zurück (vgl. Kap. 3, 9.1).
Abbildung 13.5
Einflusssegmente der individuellen Führungsform einer Führungsperson
Persönlichkeitsstil ~
~ Führungsstil
..
FUHRUNGSFORM
~
Situation
Selbst-Check 16: Einige mögliche Ausprägungen sozialpsychologischer Führungselemente sind im Folgenden dargestellt. Um die auf Sie zutreffende Ausprägung zu kennzeichnen, lesen Sie bitte alle Behauptungen unter" 1" (d. h. a 1, b 1, c 1, d 1, e 1) und wählen Sie diejenige Behauptung, die Ihre Verhaltensweise am besten beschreibt. Tun Sie das gleiche für alle Elemente ,,2" (a 2, b 2, c 2, d 2, e 2), indem Sie die für Sie typischste Behauptung mit einem Kreis versehen. Gehen Sie auf die gleiche Weise bei den Elementen ,,4", ,,5" und ,,6" vor.
Element 1: Initiative, Entscheidungen a 1 Ich akzeptiere Entscheidungen anderer. b 1 Ich lege großen Wert darauf, gute Beziehungen aufrechtzuerhalten.
c 1 Ich lege großen Wert darauf, Entscheidungen zu treffen, die durchgesetzt werden. d 1 Ich suche nach Entscheidungen, die durchführbar, wenn auch nicht immer perfekt sind. e 1 Ich lege großen Wert darauf, gesunde schöpferische Entscheidungen zu erhalten, die sowohl Verständnis wie auch Einverständnis herbeiführen.
Element 2: Normenübernahme, Solidarität, Überzeugung a 2 Ich schließe mich den Meinungen, Verhaltensweisen und Vorstellungen an oder versuche, nicht Partei zu ergreifen.
anderer
b 2 Ich ziehe vor, Meinungen, Verhaltensweisen und Vorstellungen anderer zu übernehmen, anstatt meine eigenen durchzusetzen.
c 2 Ich trete für meine Ideen, Meinungen und Verhaltensweisen ein, selbst wenn ich dadurch jemandem auf die Zehen treten muss.
Persönlichkeitsstil, Führungsstil und Führungsformen
176
d 2 Wenn Ideen, Meinungen oder Verhaltensweisen auftauchen, die sich von eigenen unterscheiden, nehme ich eine mittlere Position ein.
meinen
e 2 Ich höre zu und suche nach Ideen, Meinungen und Verhaltensweisen, die sich von meinen eigenen unterscheiden. Ich habe klare Überzeugungen, reagiere aber auf gute Ideen, indem ich meine Meinung äußere.
Element 3: Konfliktverhalten a 3 Wenn Konflikte auftauchen, versuche ich, neutral zu bleiben oder mich herauszuhalten. b 3 Ich versuche, die Entstehung von Konflikten zu verhindern, wenn aber Konflikte auftauchen, versuche ich, die Wunden zu heilen und ein gutes Zusammenarbeiten sicherzustellen.
c 3 Wenn Konflikte auftauchen, beseitige ich sie oder setze mich durch. d 3 Wenn Konflikte auftauchen, versuche ich, gerecht, aber fest zu bleiben und eine faire Lösung zu erreichen. e 3 Wenn Konflikte auftauchen, versuche ich, Gründe dafür herauszufinden und die Folgen zu beseitigen.
Element 4: Temperament, Emotionen, Spannung
a 4/ch rege mich selten auf, da ich neutral bleibe. b 4 Ich weiß, dassSpannungen Störungen verursachen, deshalb reagiere ich auf eine verbindliche und freundliche Art.
c 4 Wenn Dinge nicht richtig laufen, verteidige ich mich, leiste Widerstand oder kontere mit Gegenargumenten. d 4 Unter Spannungen fühle ich mich unsicher, welche Richtung ich einschlagen soll oder ob ich meine Meinung ändern muss, um weiteren Druck zu vermeiden. e 4 Wenn ich erregt bin, beherrsche ich mich, obwohl meine Ungeduld sichtbar ist.
Element 5: Entspannung, Humor
a 5 Mein Humor wird von anderen als ziemlich verfehlt angesehen. b 5 Mein Humor dient dazu, freundliche Beziehungen aufrechtzuerhalten oder, wenn Spannungen auftreten, die Aufmerksamkeit von der Bedeutung des Konfliktes abzulenken.
c 5 Mein Humor trifft hart. d 5 Mein Humor dient mir oder meiner Stellung. e 5 Mein Humor passt genau auf die Situation und ist richtungweisend, selbst unter Druck behalte ich meinen Sinn für Humor.
177
Führungsstil bei unterschiedlicher "Reife" der Geführten
Element 6: Lokomotion, Leistungsstreben, Anstrengung o 6/ch strenge mich nur so weit wie nötig an. b 6/ch führe selten, helfe aber überall.
c 6/ch treibe mich und andere. d 6/ch versuche, ein gutes gleichmäßiges Arbeitstempo zu erhalten. e 6/ch strenge mich kräftig an, andere folgen mir. (Erklärung am Ende des Buches)
13.4
Führungsstil bei unterschiedlicher "Reife" der Geführten
Eine situative Relativierung des geeigneten Führungsstils versucht das "ReifegradModell" (vgl. Hersey/Blanchard 1982). Es geht von den in den Ohio-Studien verwendeten Führungsverhaltensdimensionen aus . Die beiden Hauptfaktoren Mitarbeiterorientierung und Aufgabenorientierung werden wiederum als unabhängig voneinander gesehen, aber situativ relativiert. Die situative Relativierung des geeigneten Führungsstils suchen Hersey/Blanchard zu leisten, indem sie zum zentralen, aber auch einzigen Situationsparameter den "Reifegrad" der Mitarbeiter erklären (siehe Abbildung 13.6). In einer späteren Veröffentlichung (vgl. Blanchard et al. 1985/ 5.56/ zit. bei Staehle 1999,
S. 847) wird nicht mehr vom "Reifegrad" gesprochen, die Mitarbeiter werden vielmehr eingeordnet in Entwicklungsstufen anhand ihrer aufgabenrelevanten Kompetenz (Wissen, Können, Fähigkeiten, Erfahrung) und ihrer psychologischen Reife, ihres Commitments (Selbstvertrauen, Motivation, Einbindung, Verantwortungsbereitschaft):
178
Persönlichkeitsstil, Führungsstil und Führungsformen
Abbildung
13.6
Führung bei unterschiedlichen Personen (Quelle: in Anlehnung an StaehLe 1999, S. 846)
stark autqabenbezoqen/ stark rnltarbelterbezoqen
stark mitarbeiterbezogenl wenig ~ufgabenbezogen
Partnerscbaftlich verkaufen (.se 11 iniJ")
Führungsstil des Leaders Leistungsbeton unterweisen ("telling")
wenig aufgabenbe enl wenig rritarbeiterbezo
rk aufgabenbezogenl wenig mitarbeiterbezogen
stark
aufgabenbezogen
oll
I I
,
werug ,
-------------- -,-.- -------------r---------------c--------------, MI
geringe Reife
________ _______
:
M2
I
•
L
igeringe bis mäßig~ ~ .
M3
:
i
mäßige bis hohe •
M4
:
hohe Reife
:,
Aufgabenrelevanter Reifegrad der Mitarbeiter
In einer normativen Einstufung unterstellen die Autoren einen Zusanunenhang zwischen aufgaben-relevantem Reifegrad der Geführten, der Gruppe, dem Führungsverhalten des Vorgesetzten und der Effektivität. Bei verschiedenen Ausprägungen des Reifegrades resp. Entwicklungsgrades wird deshalb als situationsadäquater Führungsstil vorgeschlagen:
Führungsstil bei unterschiedlicher "Reife" der Geführten
Entwicklungsebene
179
angemessener Führungsstil nach Blanchard et al.
in Anlehnung an Hay/McBer
D1: geringe Kompetenz, hohes Commitment
SI: Directing
Leistungsbetont
D2: etwas Kompetenz, geringes Commitment
S 2: Supporting
Partnerschaftlich
D3: hohe Kompetenz, veränderliches Commitment
S 3: Coaching
Coachend
D4: hohe Kompetenz, hohes Commitment
S 4: Delegating
Demokratisch
Die von Blanchard et al. gewählten Benennungen der Führungsstile S 2 und S 3 (vgl. Staehle, ebd.) erscheinen verfehlt und sind in der vorstehenden Übersicht miteinander getauscht, weil sie so die gemeinten Führungsstile treffender bezeichnen. Das Reifegrad-Konzept wurde besonders von den Vertretern des Verhaltensgitters kritisiert, da die theoretischen Annahmen dubios und einseitig sowie die empirischen Belege gänzlich unzureichend seien. Dennoch erfreut sich der Ansatz angesichts seiner Plausibilität in der Praxis des Führungstrainings noch immer hoher Beliebtheit. Die Führungsstil-Benennungen in der letzten Spalte sollen jeweils den gleichen gemeinten Führungsstil in der Spalte davor artikulieren. Da die 5-Benennungen ansonsten nicht gebräuchlich sind, werden dort die Führungsstil-Begriffe gewählt, wie sie nachfolgend (siehe 13.5) bei der Darstellung der Ergebnisse über erfolgreiche und weniger erfolgreiche Führungsstile bezeichnet werden (vgl. Goleman 2000). Eine grundlegende Kritik an allen auf den Ohio-Dimensionen "aufgabenorientiert - menschenorientiert" aufbauenden Rastern zur Kategorisierung von Führungsstilen gründet sich darauf, dass die sozio-emotionale Qualität der Beziehungsgestaltung explizit berücksichtigt wird, dafür werden Machtaspekte allenfalls am Rande als Unterpunkt der Aufgabenorientierung (initiating structure) thematisiert. Hinzu tritt für die Dimension "Ziel- bzw. Aufgabenorientierung", dass diese gar nicht zur Disposition stehen darf, weil Leistung als Erfüllungsgrad organisatorisch vorgegebener Aufgaben ein grundlegendes Effektivitätskriterium der Führung ist (siehe Kap . I, 3.4), und deshalb kann sie auch nicht nur ein gestaltbares Stilmerkmal eines bestimmten wählbaren Führungsstils sein. Deshalb plädiert Wunderer (2009, S.21O) für ein anderes zweidimensionales Raster zur Charakterisierung der Führungsstile mit den Ausprägungen "Partizipation" (Teilhabe) und "prosoziale Beziehungsgestaltung" (Teilnahme). In der Machtdimension der Führung wird die dem Mitarbeiter gewährte Entscheidungsteilhabe bzw. Autonomie abgebildet, die prosoziale Dimension der Führung charakterisiert die zwischenmenschliche Qualität
Persönlichkeitsstil, Führungsstil und Führungsformen
180
der Führungsbeziehung, die sich in wechselseitigem Vertrauen, Unterstützung und Akzeptanz zeigt. Im Rahmen dieser Dimensionen lassen sich - durchaus ähnlich den dargestellten idealtypischen Führungsstilen (siehe 13.2 b) - Führungsstilrichtungen wie nachstehend verorten (siehe Abbildung 13.7):
Abbildung 13.7 Führungsstiltypologie mit Dimensionen "Teilhabe" und "Teilnahme" (Quelle: nach Wunderer 2009, S. 210, eigene Ergänzung)
Machtdimension
teil-autonom
Partizipation! Autonomie der Mitarbeiter »Teilhabe«
kooperativ
autoritär
Prosoziale Dimension Wechselseitige Kooperation »Teilnahme«
13.5
Erfolgswirksam erprobte und weniger erfolgreiche Führungsstile: das 3-D-Raster
Führungskräfte kümmern sich um das Funktionieren-Können und das Funktionierenlassen der Unternehmung in ihrem Verantwortungsbereich. Ihre Aufgabe ist, dies effektiv zu tun und gute Ergebnisse zu erreichen. Erfolgskriterien der personalen Führung sind Leistung und Zufriedenheit der Mitarbeiter. Die Führungsstilkonzepte haben bislang letztlich offen gelassen, welche Führungsweise Höchstleistungen erbringt und Zufriedenheit bewirkt. Ein Grund dafür ist, dass bis vor kurzem praktisch in keiner empirisch-quantitativen Untersuchung aufgezeigt werden konnte, welches Führungsverhalten konkret zu positiven Ergebnissen führt. Eine neuere Studie der Beratungsfirma Hay/McBer hat nunmehr etwas konkretere Aussagen erbracht.
Erfolgswirksam erprobte und weniger erfolgreiche Führungsstile: das 3-D-Raster
181
Der Untersuchung liegt eine Zufallsstichprobe von 3871 Personen in Führungspositionen zugrunde, die aus weltweit über 20 000 Führungskräften ausgewählt wurden. Die Studie erbrachte sechs unterschiedliche Führungsstile, die mit verschiedenen Komponenten der Persönlichkeit und der motivationalen Orientierung zusammenhängen. Jeder dieser Stile scheint einen direkten und ganz spezifischen Einfluss auf die Arbeitsatmosphäre in einer Unternehmung, einem Geschäftsbereich oder einem Team zu haben, ebenso wie auf den finanziellen Erfolg der Einheit (vgl. Goleman 2000, S. 9). Das sicherlich wichtigste Ergebnis der Studie ist: Besonders erfolgreiche Chefs verlassen sich nicht auf einen Führungsstil allein. Sie wechseln im Lauf einer Arbeitswoche den Stil im fließenden Übergang und in unterschiedlichem Maß -, je nachdem, was die Situation jeweils erfordert. Beim praktizierten Führungsstil handelt eine Führungskraft ähnlich wie ein Golfspieler, wenn man die Führungsstile in Analogie zu einem Satz Golfschläger sieht. Während des Spiels wählt der Golfer für jeden Schlag den geeigneten Schläger aus. Manchmal muss er erst nachdenken, aber gewöhnlich trifft er seine Wahl automatisch. Der Spieler schätzt die vor ihm liegende Aufgabe ab, greift zum passenden Schläger und setzt ihn ein. Entsprechend wählen erfolgreiche Führungskräfte den geeigneten effektiven Führungsstil (vgl. Goleman 2000, ebd.). Die Studie hat sechs unterschiedliche Führungsstile betrachtet, welche auch aus bisherigen Beschreibungen bekannt sind. Autoritäre Führungspersönlichkeiten verlangen den sofortigen Vollzug von Anweisungen. Autoritative Führungskräfte rufen die Geführten auf, eine Vision mit zu verwirklichen. Partnerschaftliche Führer sind um emotionale Bande und Harmonie bemüht. Demokratische Führungskräfte streben nach Konsens durch Mitbeteiligung. Betont auf Leistungbedachte Führer erwarten von den Geführten hervorragende Leistung und Eigeninitiative. Und coachende Vorgesetzte bereiten ihre Mitarbeiter auf künftige Aufgaben vor. Das Erfolgskriterium "Zufriedenheit" der personalen Führung wurde in der Studie durch die Beobachtung präzisiert, wie Führungskräfte das "Klima" in ihrem unmittelbaren Umfeld beeinflussen. Dieser zunächst konturlos erscheinende Begriff hebt von einer früheren und später modifizierten Definition ausgehend ab auf sechs Schlüsselfaktoren, die die Arbeitsumgebung in einer Unternehmung beeinflussen: Flexibilität in Bezug auf die empfundene Freiheit der Mitarbeiter zum Gehen neuer Wege unbehindert von bürokratischen Hürden; Verantwortungsbewusstsein auf Seiten der Mitarbeiter gegenüber der Unternehmung; Höhe der gesetzten Leistungsstandards; welche Bedeutung genauen Leistungsrückmeldungen und angemessenen Belohnungen beigemessen wird; Klarheit, die die Mitarbeiter bezüglich des Firrnenauftrags und der Firrnenwerte haben; Maß an Engagement für die gemeinsame Aufgabe. Diese Faktoren korrespondieren mit sämtlichen in der Maslow'schen Bedürfnispyramide enthaltenen Motiven; sie drücken also aus, welche Motive durch einen Führungsstil angesprochen werden. Wie die Studie zeigte, wirken sich alle sechs Führungsstile auf jeden Aspekt des Betriebsklimas aus. Des Weiteren ließ sich ein direkter Einfluss des Klimas auf die "Leistung" belegen, vor allem der finanziellen Ergebnisse - auf Umsatzrendite, Ertragsentwicklung, Effizienz und Rentabilität. Manager, die Führungsstile einsetzten, die das Klima positiv
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Persönlichkeitsstil, Führungsstil und Führungsformen
beeinflussen, erreichten deutlich bessere Ergebnisse als jene, die das nicht taten. Das bedeutet jedoch nicht, dass das Betriebsklima der einzig maßgebliche Leistungsfaktor in einer Unternehmung wäre. Auch das wirtschaftliche Umfeld und die Wettbewerbsdynamik spielen natürlich eine erhebliche Rolle. Die Studie kommt immerhin zu dem Schluss, dass das Klima mit fast einem Drittel zu den Geschäftsergebnissen beiträgt. Der Einsatz der Führungsstile wird von Goleman mit der sogenannten "emotionalen Intelligenz" in Verbindung gebracht (vgI. Goleman 1996). Emotionale Intelligenz bezeichnet das Vermögen, sich selbst und die Beziehungen zu anderen effektiv zu gestalten, und setzt sich aus den vier grundlegenden Fähigkeiten Selbstreflexion (Gefühle wahrnehmen, Selbsteinschätzung, Selbstbewusstsein), Selbstmanagement (Sich beherrschen, Vertrauen aufbauen, Leistungsstreben und Tatkraft), soziales Bewusstsein (Empathie, Entscheidungsnetz knüpfen, Service-Orientierung) und Sozialkompetenz (Visionär sein, Fördern Anderer, Überzeugend reden und zuhören können, Beziehungskontakte, Teams fördern, Konflikte handhaben) zusammen. Sie ist die wesentliche "Schlüsselqualifikation" heutiger Führungskräfte (vgl. dazu auch Kap. 7). Von den untersuchten sechs Führungsstilen, die von Führungskräften eingesetzt werden, haben nur vier einen positiven Effekt auf Betriebsklima und Leistungsergebnis. Zur anschaulichen Darstellung der Befunde wird hier den bisherigen Dimensionen der Ordnung von Führungsstilen eine dritte Dimension hinzugefügt, die Effektivität. Die Grundstile und ihre Benennung orientieren sich an den vier Quadranten des DISGModells. Damit wird die Rahmenstruktur bestehend aus der persönlichkeitsgeprägten Dimension "extrovertiert - introvertiert" und der durch die motivationale Orientierung bestimmten Dimension "aufgabenorientiert - menschenorientiert" beibehalten, nun jedoch zur Verdeutlichung der Wirkung von Führungsstilen die dritte Dimension "Effektivität" ergänzt. Führungsstile mit positiver Wirkung werden im Bild der vier Quadranten in Richtung großer Effektivität erfasst, diejenigen mit nachteiliger Wirkung sind im VierQuadranten-Bild in Richtung niedriger Effektivität dargestellt. Der autoritäre Stil ist in den meisten Fällen wenig effektiv. Nicht nur sein Einfluss auf das Betriebsklima ist höchst negativ, er engt auch die Flexibilität der Mitarbeiter stark ein, weil eine despotische Entscheidungsfindung und extrem autoritäre handlungsjokussierte personale Führung neue Ideen ersticken und schließlich unsinnig erscheinen lassen. Ähnlich schwindet das Verantwortungsbewusstsein: da Mitarbeiter selbst nicht initiativ werden dürfen, geht ihnen das Gefühl der Zugehörigkeit zur Organisation verloren ebenso wie die Bereitschaft, ihren Leistungsbeitrag selbst zu verantworten. Schließlich ergibt sich die Einstellung, den Vorgesetzten in keinerlei Weise zu unterstützen.
Leistungsbetont; Bürokratisch
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184
Persönlichkeitsstil, Führungsstil und Führungsformen
Die meisten leistungsstarken Mitarbeiter suchen Befriedigung in einer gut getanen Arbeit. Ein autoritärer Vorgesetzter untergräbt diesen Stolz, und damit gibt er eines der wichtigsten Führungsinstrumente auf, nämlich Menschen zu motivieren, indem ihnen verdeutlicht wird, wie sehr ihre Arbeit zur Erfüllung einer großen, gemeinsamen Aufgabe beiträgt. In der Folge nimmt das Engagement der Betroffenen erheblich ab. Sie werden ihrer eigenen Arbeit entfremdet und fragen sich nach dem Sinn ihres Tuns . Der autoritäre Führungsstil ist mithin meist nicht zu empfehlen. In bestimmten Situationen eines Unternehmens allerdings ist der Stil geradezu notwendig, etwa bei einem Turnaround oder bei Drohung einer feindlichen Übernahme. Mit autoritärem Vorgehen kann in solchen Fällen gelingen, mit verfehlten geschäftlichen Praktiken zu brechen und die Mitarbeiter zu neuen Arbeitsweisen zu drängen. Der autoritäre Stil ist natürlich auch bei echten Katastrophen angebracht, einem Erdbeben etwa oder einem Großfeuer. Und er kann schwierigen Mitarbeitern gegenüber wirksam sein, bei denen alles andere versagt hat. Der autoritative Führungsstil hat sich von den untersuchten sechs Stilen als der wirkungsvollste herausgestellt. Er verbessert das Klima in jeder Hinsicht. Autoritative Führer sind visionär und zielfokussiert; sie motivieren die Menschen, indem sie ihnen vor Augen führen, auf welche Weise ihre Arbeit zur Realisierung einer größeren Unternehmensvision beiträgt. Mitarbeiter, die für einen solchen Chef tätig sind, wissen um die Klarheit des Unternehmensauftrages, dass ihre Arbeit zählt und warum. Auch das Engagement für die Ziele und Strategie des Unternehmens erhöhen autoritative Führer mit ihrem Verhalten. Indem sie die Aufgaben der Einzelnen zu Teilen eines visionären Ziels machen, definieren sie zugleich Standards, die sich auf die Vision beziehen. Beim Leistungsfeedback, sei dieses nun positiv oder negativ, ist allein maßgeblich, ob die Leistung die erstrebten Ziele verwirklichen hilft oder nicht. Ein autoritativer Führer gibt Ziele vor, aber er lässt seinen Mitarbeitern im Allgemeinen viel Spielraum, auf eigenen Wegen und mit eigenen Ideen vorzugehen. Er ermöglicht Innovationen und Experimente sowie das Eingehen von kalkulierten Risiken. Wegen seiner positiven Effekte taugt der autoritative Stil für beinahe alle Geschäftslagen. Von besonderem Wert ist er jedoch bei akuter Orientierungslosigkeit, denn dann zeigt eine autoritative Führungskraft einen neuen Kurs auf und begeistert die Menschen für neue visionäre Ziele. Aber so wirksam dieser Stil auch sein kann, er kann nicht immer empfohlen werden. Beispielsweise ist autoritative Führung fehl am Platze, wenn ein Manager mit einem Team von Experten oder Kollegen zusammenarbeitet, die erfahrener sind als er selbst; sie könnten ihn als aufgeblasen oder realitätsfern wahrnehmen. Daneben gibt es noch eine weitere Einschränkung: Sollte eine Führungskraft bei ihrem Versuch, autoritativ aufzutreten, herrisch werden, so kann sie dadurch den kollegialen Geist eines erfolgreich arbeitenden Teams vertreiben. Aber davon abgesehen hat sich gezeigt, dass ein Führer autoritatives Verhalten erfolgswirksam eher häufiger einsetzen sollte. Der partnerschaftliehe Stil. Während der autoritäre Vorgesetzte fordert "Tun Sie, was ich Ihnen sage" und der autoritative Chef drängt "Begleiten Sie mich auf meinem Weg", betont der partnerschaftliche Führer "Für mich zählen vor allem die Menschen". Einer sol-
Erfolgswirksam erprobte und weniger erfolgreiche Führungsstile: das 3-D-Raster
185
chen Führungskraft sind Menschen und ihre Gefühle wichtiger als Aufgaben und Ziele. Der Stil ist partizipativ auf Konsens ausgerichtet, der Führer setzt sich dafür ein, dass die Geführten sich wohl fühlen und zwischen ihnen eine Atmosphäre der Harmonie aufkommt (vgl. Withauer 2000, S. 228 f.). Der partnerschaftliche Stil - in der Hay/McBer-Studie "affiliativ" genannt (vgl. Goleman 2000, S. 14 f.) - ist für die Kommunikation förderlich, und wer viel miteinander redet, inspiriert sich wechselseitig, schafft Vertrauen, sodass neue Vorgehensweisen erprobt und Risiken gewagt werden können. Die partnerschaftliche Führungskraft gibt nicht nur anlässlich der jährlichen Beurteilung anerkennendes Feedback, sondern auch für alltägliche Leistungen. Sie zeigt Empathie und schafft ein intensives Zusammengehörigkeitsgefühl. Der partnerschaftliche Führungsstil sollte vor allem eingesetzt werden, wenn in einem Team Harmonie gefördert, die Kommunikation verbessert oder über eine emotionale Aufrichtigkeit zerstörtes Vertrauen und positive Beziehungen wiederhergestellt werden sollen. Problematisch erweist sich der partnerschaftliche Führungsstil durch die einseitige Ausrichtung auf positives Feedback. Dadurch entsteht der Eindruck, es gebe keine Korrektur unzureichender Leistungen und mittelmäßige seien ausreichend. Orientierungslos bleiben Mitarbeiter bei schwierigen Aufgaben, zu denen sie eigentlich klare Vorgaben und Hilfen erwarten. In der Führungspraxis verbinden deshalb vielfach partnerschaftliche Führer ihren Stil mit dem autoritativen Stil, wobei sie eine Vision verkünden, Leistungsstandards vorgeben und erläutern, wie einzelne Arbeiten zu den Zielen der Gruppe beitragen. Der demokratische Führungsstil erzielt die besten Ergebnisse, wenn neue Ideen und Leitlinien von tüchtigen Mitarbeitern gebraucht werden, und dies insbesondere dann, wenn ein Chef nicht genau weiß, welcher Kurs der vorteilhafteste wäre. Aber selbst wenn eine Führungskraft überzeugende Zielvorstellungen besitzt, kann ihr der demokratische Stil mit dem Beistand der Mitarbeiter zu neuen Ideen für die Umsetzung dieser Ziele verhelfen. Weit weniger sinnvoll ist eine demokratische Führung natürlich, wenn die Mitarbeiter nicht hinreichend kompetent oder informiert sind, um fundierte Ratschläge geben zu können. Und fast von selbst versteht es sich, dass langes Suchen nach einem Konsens in Krisenzeiten abwegig ist. Wenn sich eine Führungskraft Zeit für die Mitarbeiter und ihre Vorstellungen nimmt, baut sie Vertrauen, Respekt und Engagement auf. Indem sie Mitarbeitern ein Mitspracherecht bei Entscheidungen einräumt, die deren Ziele und Arbeitsweise beeinflussen, fördert sie Flexibilität und Verantwortung. Während die demokratische Führungskraft ihren Mitarbeitern zuhört, lernt sie, was sie tun kann, um das Arbeitsklima zu verbessern. Und sobald Menschen in einem demokratischen System beim Festlegen von Zielen und Leistungsstandards mitreden dürfen, können sie realistischer einschätzen, was erreichbar ist und was nicht. Wiewohl der demokratische Führungsstil eine Mitbeteiligung der Geführten anstrebt und kommunikativ ist, gründet er sich doch eher auf einer introvertierten Grundhaltung der Führungsperson und ist insofern programmatisch-funktional, weil die ordnende Wirkung des demokratischen Systems genutzt werden und über die Beiträge wichtiger Mitarbeiter Engagement und Konsens zustande kommen soll (siehe die Positionierung in Abbildung 13.8).
186
Abbildung 13.9
Persönlichkeitsstil, Führungsstil und Führungsformen
Die sechs Führungsstile im Überblick (Quelle : Goleman 2000, S. 12113, eigene Ergänzung)
Die sechs Führungsstile imÜberblick parmarschaftlich
demokratisch
leistungsbetont
coachend
Schaffen vonHarmonieundemotionalen Bindungen
Schaffen von Konsens durch Mitbeteiligung
Setzen hoher Leistungsstandards
Mitarbeiterfürdie Zukunftvorbereiten
"TunSie,wasich Ihnensage"
"BegleitenSiemich "Fürmich zählen aufmeinemWeg" vorallemdie Menschen"
"WashaltenSie davon?"
"MachenSie es wie "VersuchenSie ich,sofortundjetzt" dochdieseinmal"
Tatendrang, Tatkraft, Selbstkontrolle
Selbstvertrauen, Empathie,Wille zumWandel
Empathie, Beziehungsstärke, Kommunikation
Zusammenarbeit, FührungimTeam, Kommunika:ion
Gewissenhaftigkeit, Förderung anderer, Ertolgsdrang, Empathie,SelbstTatkraft reflexion
in einer Krise,um Ausweg anzustoßen oder bei Problemenmit schwierigen Mitarbeitern
bei notwendiger visionärerOrientierungoderwenn dieRichtung»klar« sein soll
zumÜberwinden vonVerstimmungenineinem Team; zur Motivationvon Menschen in belastender Situation
umEngagement oder Konsenszu bewirken bzw um BeiträgevonwichtlgenMitarbeitern zu bekommen
wennvoneinem hochmolivierten und tüchtigen Team schnelle Ergebnisse kommen sollen
umeinemMitarbeiter zu helfen, seine Leistung zu verbessern oder nachhaltigeStärken zu entwickeln
negativ
am klarstenpositiv positiv
positiv
negativ
positiv
autoritär
autoritativ
Führermolivation lind Führungsabsicht
Aufforderung, dass eine Anweisung sofortbefolgtwird
Ansporn derMitarbeiter,eine Visionzu verwirklichen
FÜhrungs·»Motto«
Benötigte »Schlüssel« ·fähigkeiten
Situation, zu der der Führungsstilam besten passt
Wirkung auf Zufrieden· heit und Arbeitsklima
Der demokratische Stil hat aber auch seine Nachteile . Deshalb ist sein Einfluss auf das Klima nicht so nachhaltig wie der einiger anderer Führungsstile. Es kann sehr belastend sein, wenn auf endlos langen Besprechungen nur über die verschiedensten Ideen geredet wird, kein klarer Konsens zustande kommt und das einzig sichtbare Ergebnis darin besteht, weitere Treffen anzuberaumen. Manche Führungskräfte nutzen das, um wichtige Entscheidungen hinauszuschieben in der Hoffnung, irgendetwas werde schon herauskommen, wenn alles nur lange genug beredet wird . Mitarbeiter fühlen sich jedoch dann eher verwirrt und führungslos. Bei einem solchen Vorgehen können am Ende sogar Konflikte eskalieren. Demokratische Führung kann andererseits eine gelenkte Selbstorganisation begünstigen (vgl. Servatius 1991, S. 177 ff.). Selbstorganisation ist ein fundamentales Prinzip der Chaosforschung (siehe auch Kap. 4, 12.5), einer Forschungsrichtung, die sich insbesondere der Fra-
Erfolgswirksam e rprobte und weniger erfolgreiche Führungsstile: das 3-D-Raster
187
ge widmet, wie generell Ordnung aus Unordnung (Chaos) entsteht, d. h. wie natürliche (und kulturelle) Systeme sich selbst organisieren. Die Vorteilhaftigkeit der Selbstorganisation zeigt sich in der besseren Kreation und Bewältigung visionärer und dynamischer Entwicklungen. Das praktische Selbstorganisationsverständnis stellt die Notwendigkeit eines Aktes der Fremdorganisation bzw. eines demokratischen, impulsgebenden Führungsstils heraus, wobei die"von außen" gesetzten Impulse im System selbstlenkend verarbeitet werden. Dadurch können Ordnungsmuster (Handlungsprogramme) als Resultat der Interaktionen im System entstehen. Diese sind dann zwar das Resultat menschlichen Handelns, aber nicht vorgängig menschlicher Absicht. Ein vortreffliches Beispiel für gelenkte Selbstorganisation und demokratische Führung ist das Erarbeiten komplexer Strategien als "globale Wege" zur Erreichung von Zielen. Der leistungsbetonte Stil einer Führungsperson richtet sich auf das Setzen außerordentlich hoher Leistungsstandards sowohl für sich selbst wie auch für Mitarbeiter. Ein solcher Führer drängt sich und verlangt auch von den Mitarbeitern, Dinge immer besser und schneller zu erledigen. Wer leistungsschwach ist, fällt rasch auf und wird aufgefordert, mehr zu tun. Wer sich nicht nachhaltig bewährt, wird durch einen Fähigeren ersetzt. Bei all dem liegt die Annahme nahe, ein solches Führungsverhalten müsse beste Ergebnisse zustande bringen. Die Studie zur Erfolgswirksamkeit der einzelnen Führungsstile konnte die positive Wirkung des Leistung einfordernden Stils nicht bestätigen (vgl. Goleman 2000, S. 16 f.). Der wirkt sich vielmehr auf das Klima zerstörerisch aus. Viele Mitarbeiter fühlen sich von dem Leistungsanspruch des Vorgesetzten erdrückt, und so sinkt ihr Engagement. Hinzu kommt, dass der leistungsbetonte Chef nicht genügend einweist oder unterweist, wie etwas nach seiner Vorstellung erledigt werden soll. Er erwartet, dass die Mitarbeiter schon wissen, was sie tun müssen, oder er sagt sogar: "Wenn ich es Ihnen erst erklären muss, sind Sie hier fehl am Platze". Solches Führungsverhalten lässt einem Mitarbeiter nur noch die Möglichkeit, den Willen des Chefs zu erraten, und zugleich kommt das ungute Gefühl auf, es werde ihm nicht zugetraut, eigenständig zu arbeiten oder die Initiative zu ergreifen. So schwinden Flexibilität und Verantwortung, und die Arbeit wird so sehr zu reiner Aufgabenverrichtung und Routine, dass sie langweilt. Die Anerkennung von Leistungen wäre für eine leistungsbetonte Führungsperson völlig untypisch, allenfalls nimmt sie eine Sache selbst in die Hand, wenn sie glaubt, Mitarbeiter würden zu langsam arbeiten. Hohes Engagement von Mitarbeitern verlangt nach positivem Feedback, und wenn dies ausbleibt, sinkt ihr Einsatz, zumal unklar bleibt, in welchem größeren Zusammenhang dieser persönliche Einsatz steht. Die negative Wirkung des leistungsbetonten Stils tritt nicht immer auf, wirkungsvoll kann er sich für hoch motivierte und kompetente Mitarbeiter erweisen, die nur wenig Richtungsvorgaben oder Koordination brauchen. So zeigte sich bei solchen Fachleuten, wie sie in Forschungsteams oder in juristischen Abteilungen zu finden sind, dass eine Erledigung der gestellten Aufgaben fristgerecht oder sogar vorzeitig zustande kam.
188
Persönlichkeitsstil, Führungsstil und Führungsformen
Ein coachender oder pädagogischer Führungsstil ist darauf gerichtet, Mitarbeiter ihre individuellen Stärken und Defizite erkennen zu lassen und mit ihren persönlichen und beruflichen Ambitionen zu verknüpfen. Coaching als Führungsstil bestärkt die Geführten darin, sich langfristige Entwicklungsziele zu setzen, regt einen zu ihrer Erreichung geeigneten Plan an und unterstützt in jeder Hinsicht seine Verwirklichung. Die coachende Führungskraft will durch die Delegation schwieriger Aufgaben und kurzfristig in Kauf genommener Fehler vor allem das Lernen fördern. Wie die Studie der Führungsstile ergab, wird Coaching von den analysierten sechs Führungsstilen am seltensten eingesetzt. Zur Begründung wird von vielen Führungskräften die Befürchtung angegeben, sie könnten sich der persönlichen Weiterentwicklung der Mitarbeiter nicht widmen, da dies eine zu zeit- und kräfteraubende Aufgabe sei (vgl. Goleman 2000, S. 18). Diese Annahme stimmt indessen mit den praktischen Erfahrungen nicht überein, nach einem ersten Gespräch ist meist nur noch ein geringer oder gar kein weiterer Aufwand erforderlich. Richtig ist allerdings, dass Coaching sich nicht unmittelbar auf die leistungswirksame Erledigung aktueller Arbeitsaufgaben auswirkt. Führungskräfte, die diese Möglichkeit zu führen außer Acht lassen, verzichten auf den großen Vorteil, das Klima und die Leistung merklich positiv zu beeinflussen. Der positive Effekt eines coachenden Führungsstils auf die Leistung ist in der Tat fraglich oder widersprüchlich. Dennoch dürfte Coaching die Ergebnisse schon deshalb eher verbessern, weil es einen fortlaufenden Dialog mit sich bringt, und der wirkt sich immer positiv auf das Klima aus. Die erwartbare rasche und konstruktive Rückmeldung gibt Mut zum Experimentieren, die Geführten wissen, was von ihnen erwartet wird, durch Coaching steigt das Engagement, weil ihm die indirekte Botschaft innewohnt "Ich glaube an Sie, ich investiere in Sie, und ich erwarte, dass Sie Ihr Bestes geben". Eine coachende Führung wird besonders erfolgreich sein, wenn Mitarbeiter um ihre bereits nutzvollen Stärken (!) und Defizite wissen und ein starkes Interesse zeigen, besser zu werden und durch die Förderung neuer Fähigkeiten vorankommen wollen (vgl. Withauer 2000, S.268 ff.). Der coachende Führungsstil scheitert jedoch oftmals daran, dass Führungspersonen mit "helfenden Beziehungen" nicht vertraut oder unbeholfen sind. Z. B. zeigt sich dies beim notwendigen Leistungsfeedback, das motivierend oder auch angstauslösend oder entmutigend wirken kann. Im Rahmen eines ganzheitlichen ManagementDevelopment (siehe Kap. 7) gilt es deshalb, diesen Führungsstil als eine "Schlüsselqualifikation" zu entwickeln.
13.6
Flexibler Führungsstil und situatives Gespür
Zahlreiche Untersuchungen wie auch die von Goleman begleitete Studie der Beratungsfirma Hay/McBer (vgl. Goleman 2000, S.22) zeigen, dass der Erfolg einer Führungskraft mit der Zahl der Führungsstile, über die sie verfügen kann, wächst. Bei Führungskräften, die vier oder mehr Führungsstile anwendeten - insbesondere den autoritativen, den de-
Flexibler Führungsstil und situatives Gespür
189
mokratischen, den partnerschaftlichen sowie den coachenden Stil -, stand es um die Arbeitsleistung und Zufriedenheit am besten. Wer als Führungskraft höchst effektiv ist, wechselt situationsabhängig von einem Führungsstil zu einem anderen. In der Hay/McBer-Studie konnte dieser Zusammenhang eindrucksvoll nachgewiesen und belegt werden sowohl für traditionsreiche Großfirmen wie auch junge Kleinunternehmungen, bei langjährig erfahrenen Managern, die genau erläutern konnten, wie sie führen und warum sie so führen, als auch bei Unternehmern, die nach ihrer Meinung rein intuitiv führten. Die persönlichen Voraussetzungen des Führers könnte man mit sozialer Wahrnehmungsfähigkeit umschreiben, das ist Feinfühligkeit, Verständnis und Gespür für andere. Die Wahrnehmungen müssen zu zielgerichteten Aktionen führen, damit andere darauf im gewünschten Sinne reagieren; die ergänzende Führungseigenschaft ist deshalb Verhaltensflexibilität, das ist Beweglichkeit und Umstellungsfähigkeit des eigenen Verhaltens. Führungskräfte sollten ihr Führungsverhalten nicht mechanisch an einer vorgegebenen Liste von Situationen ausrichten, sie müssen flexibel reagieren. Sie müssen erkennen, welchen Einfluss sie auf andere ausüben und passen ihren Führungsstil so an, dass die besten Resultate zustande kommen. Solche Führungskräfte finden beispielsweise schon in den ersten Minuten eines Gesprächs heraus, ob ein fähiger, aber leistungsschwacher Mitarbeiter durch einen zuvor erlebten autoritären Führungsstil demoralisiert worden und mithin wieder motivierbar ist und sie verdeutlichen dem Betreffenden, warum seine Arbeit zählt, oder geben ihm neue Impulse, indem sie mit ihm über seine Wünsche, Vorstellungen und Ziele reden, um Wege zu entdecken, seine Arbeit herausfordernder zu gestalten. Vielleicht signalisiert das erste Gespräch aber auch, dass das Gegenüber ein Ultimatum braucht: "Entweder Ihre Leistung wird besser, oder Sie verlassen uns". Nur wenige Führungskräfte verfügen über alle sechs Führungsstile, und noch weniger besitzen das Gespür, wann sie welchen wie einsetzen sollten. Erkennbar unsinnig dürfte jedenfalls sein, eine einheitliche Führungsform, einen Führungsstil, als "besten" oder einzig "richtigen" zu propagieren. In jedem Einzelfall muss geprüft werden, welche Führungsform dem jeweiligen Organisationsziel sowie der Ausgangssituation angemessen ist. "Management according to Task" bedeutet, dass in die Wahl der Führungsform die Aufgabe, das Selbstverständnis der Gruppe, aber auch das Selbstverständnis des Führenden einzubeziehen sind. Die organisatorischen und gruppendynamischen Elemente der Führungsform bestimmen das Führungsverhalten, das sich wiederum durch sozialpsychologisehe, insbesondere motivationale Elemente beschreiben lässt. Statt der Beherrschung sämtlicher Führungsstile durch eine Person ist auch die situative Führung durch Mitglieder eines Teams denkbar, wobei die Zuordnung der Führungsaufgaben an ein Teammitglied nach benötigtem Führungsstil geschieht, welcher bei den anderen Mitgliedern defizitär ist. Ein Produktionsmanager beispielsweise, der ein weltweites Fabriksystem erfolgreich über einen partnerschaftliehen Führungsstil lenkt, trifft sich auf seinen häufigen Reisen mit den Werksleitern, befasst sich mit deren Hauptsorgen und lässt jeden wissen, wie sehr er ihn persönlich schätzt. Die strategische Ausrichtung des Geschäftsbereichs auf äußerste Effizienz hat er vertrauensvoll überantwortet seinem Stellvertreter mit einem ausgeprägten Technikverständnis. Die Einhaltung der Leistungsstandards
190
Persönliehkeitsstil, Führungsstil und Führungsformen
des Bereichs delegierte er an einen anderen Kollegen, der den autoritativen Stil hervorragend beherrscht. Zum. Team gehört noch ein betont auf Leistung bedachter Manager, mit dem er die Fabriken gewöhnlich gemeinsam besucht. Erstrebenswerter und herausfordernder ist allerdings, dass eine Führungskraft ihr eigenes Stilrepertoire erweitert. Dazu muss die Führungsperson zunächst herausfinden, mit welchen Kompetenzen ein unzureichend ausgeprägter Führungsstil zusammenhängt. Dann kann am Ausbau dieser Kompetenzen trainierend gearbeitet werden. Eine partnerschaftliche Führungskraft besitzt beispielsweise Stärken in drei Bereichen der sozialen Kompetenz: Empathie, Aufbau von Beziehungen und Kommunikation. Empathie als das Gespür für die jeweilige Stimmung anderer eröffnet und hilft der partnerschaftliehen Führungskraft, angemessen auf die Gefühle der Geführten einzugehen. Der partnerschaftliehen Führungskraft fällt es auch leicht, neue Kontakte zu knüpfen, jemanden näher kennen zu lernen und Beziehungen zu pflegen. Hinzu kommt die Fähigkeit zu gedeihlicher zwischenmenschlicher Kommunikation, insbesondere weil sie das Richtige genau zum richtigen Zeitpunkt sagt oder eine passende Geste einsetzt. Eine vorrangig zu forderndem Führungsverhalten tendierende Führungsperson, welche aber auch häufiger partnerschaftlich zu agieren sich wünscht, muss mithin die erwähnten emotional-intelligenten Kompetenzen stärken. Um ein anderes Beispiel zu nennen: Eine sich am liebsten autoritativ verhaltende Führungskraft, die auch den demokratischen Stil praktizieren möchte, müsste ihre Fähigkeiten zur Teamarbeit und Kommunikation trainieren. Auch mit der Betrachtung personenbezogener und situativer Aspekte zur Wahl der "richtigen" Führungsform wird Führung und Führungsverhalten dennoch nicht eine exakte Wissenschaft. Andererseits braucht personale Führung auch nicht völlig geheimnisum.wittert bleiben. Die referierten Untersuchungen und Studien zeichnen zweifelsohne ein klareres Bild davon, was Führungskräfte tunliehst können sollten, um effektiv zu führen, und wie sich Erkenntnisse der Führungsforschung in angemessene Verhaltensweisen zum erfolgswirksamen Führungshandeln umsetzen lassen.
14
Vertrauen als Prämisse für gelingende Motivation und Führung
Die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Führer und Geführten erscheint als eine notwendige Selbstverständlichkeit für das Gelingen einer menschengerechten. vernünftigen Form der Führung. Umso erstaunlicher ist es, dass dieser Aspekt für die Ausrichtung der Führungsbeziehungen im Vergleich etwa zu Untersuchungen zur Motivation und zu Führungsstilen weitgehend unbeachtet blieb. Einzig die von McGregor so genannte Theorie Y (siehe Kap . 2, 6.6) trägt das Leitbild einer vertrauensvollen Beziehung in sich, ohne jedoch wesentlich zur Erhellung des Phänomens Vertrauen selbst beizutragen.
14.1
Vortei lhaftigkeit vertrauensvoller Beziehungen
Vertrauen ist immer zukunftsgerichtet, es ist zudem risikobehaftet und bringt deshalb mit sich, dass der Vertrauende verletzlich ist. Vertrauen ist jedoch auch ein Mechanismus zur Reduktion sozialer Komplexität (vgl. Luhmann 1989, S. 26), indem die Vielzahl an Handlungsmöglichkeiten reduziert wird auf kooperatives Verhalten. Dadurch werden teilweise Leistungen und Befindlichkeiten erleichtert und Handlungsmöglichkeiten erschlossen, die ohne Vertrauen unwahrscheinlich und un-attraktiv wären. Umfangreiche Studien zur erfolgreichen Bewältigung anstehender Aufgaben konnten zeigen, dass kooperativ arbeitende Teams im Vergleich zu nichtkooperativer Arbeitsweise überlegene Ergebnisse produzieren. Durch interpersonales Vertrauen geprägte Arbeitsbeziehungen erbringen mithin eine positivere Einstellung zur Aufgabe, höhere Bereitschaft zu gegenseitiger Unterstützung, intensiveren Austausch von Informationen und Ressourcen, verstärktes gegenseitiges Feedback, mehr Kreativität bei schwierigeren Aufgaben, fortwährende Suche nach Verbesserungen. Die Vorteilhaftigkeit kooperativer Zusammenarbeit darf auch für die positive Wirkung vertrauensvoller vertikaler Führungsbeziehungen angenommen werden. Ein Paradoxon scheint zu sein, wenn man beobachten kann, dass Führungskräfte, welche durchaus die Motivationslehren und Führungsstilempfehlungen praktizieren und dennoch eine schlechte Stimmung in ihrem Führungsbereich, frustrierte Mitarbeiter und eine leistungswidrige Unternehmenskultur erreichen. Umgekehrt trifft man auf Manager, welche unübersehbar Pührungs-, Verhaltens- und Motivationsfehler begehen und trotzdem eine ausgezeichnete Situation in ihrem Führungsbereich haben, positives Arbeitsklima und leistungsorientierte Mitarbeiter. Bei weiterem Erkunden dieses Phänomens erweist sich als entscheidend, inwieweit ein Chef das Vertrauen seiner Umgebung, seiner Mitarbeiter, Kollegen und Vorgesetzten zu gewinnen und zu erhalten verstanden hat. Falls die Leute zu ihrem Chef Vertrauen haben, spielen alle anderen Dinge eine vergleichsweise untergeK. F. Withauer, Führungskompetenz und Karriere, DOI 10.1007/978-3-8349-6580-6_15, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
192
Vertrauen als Prämisse für gelingende Motivation und Führung
ordnete Rolle, dann kann die so geschaffene robuste Kultur der vertrauensvollen Zusammenarbeit dafür sorgen, dass die Menschen nachsichtig sind gegenüber den vielen F ührungs-, Verhaltens- und Motivationsfehlern, die auch den besten Managern unterlaufen, ohne dass sie dies wollen oder oft nicht einmal merken. Gut geführte Organisationen und Führungsbereiche weisen so ein erhebliches Maß an "Dickfelligkeit" gegenüber Führungsfehlern auf, die zwar passieren, aber dann nicht so schwer wiegen. Führungsfehler sollen damit keinesfalls entschuldigt oder gerechtfertigt werden. Deutlich werden mag nur: ohne ein ausreichendes Vertrauen sind die Bemühungen um Motivation, Organisationskultur und gutes Betriebsklima fragwürdig bis vergeblich; sie könnten schlimmstenfalls als besonders raffinierte Formen der Manipulation aufgefasst werden. Vertrauen ersetzt nicht Motivation, es wirkt indessen katalytisch, in aller Regel gelingt es unter dieser Bedingung müheloser, Mitarbeiter zu motivieren.
14.2
Entstehung und Aufbau von Vertrauen
Aus der Erkenntnis der Bedeutung des Vertrauens in der Führungsbeziehung ergibt sich die jührungspraktische Frage nach den Faktoren bzw. Determinanten, welche die Entstehung von Vertrauen beeinflussen. Auf der Basis einer Literaturrecherche hat Weibler (vgl. 2001, S. 193 ff.) folgende Faktoren der Vertrauensbildung gefunden: "Vertrauensneigung" als persönliche Disposition des Führers:
Diese aus der Veranlagung kommende Disposition, das sogenannte Ur-Vertrauen, entwickelt sich schon im frühen Kindesalter vor allem in der Interaktion mit den Eltern und bleibt danach relativ stabil erhalten, entfaltet sich gleichwohl situativ unterschiedlich. Vertrauenswürdigkeit der Zielperson des Mitarbeiters:
Die subjektive Wahrnehmung der Vertrauenswürdigkeit wird von Ähnlichkeiten zur eigenen Person wie Alter, Geschlecht, Beruf, sozialem Status beeinflusst; hinzu kommen Kompetenz, Integrität/Loyalität, offene Kommunikation sowie Gutwilligkeit und Wohlgesonnenheit. Reziprok miteinander erfahrenes konsistentes Verhalten und Verlässlichkeit:
Ein kooperativer Umgang miteinander pflegt ein konkretes vertrauensbildendes Prinzip: Meinen, was man sagt und das man auch tut! Halten, was man verspricht! Dies kann nicht heißen, alles zu sagen, was man meint; als Führungskraft wird man sich stets überlegen müssen, was man sagt und vor wem und wann. Wenn man jedoch etwas sagt, muss es auch so gemeint sein. Eine Meinungsänderung als unschicklich anzusehen, wäre weltfremd, wer gut führen will, muss dies nur bekennen und plausibel begründen.
Entstehung und Aufbau von Vertrauen
193
Mitbeeinflussung durch Vertrauen in das übergeordnete System:
Mit dem Systemvertrauen ist meist ein der organisationalen Ebene übergeordnetes System angesprochen wie etwa die Rechtsordnung. Gleichwohl kann es auch auf das Vertrauen zu der Organisation, der man selbst angehört, bezogen werden und ergänzt werden. Das Vertrauen in Institutionen ist deshalb möglich, weil diese Systeme Sicherheitsgarantien bereit-stellen wie den guten Ruf in der Öffentlichkeit, Beschwerdewege, Haftung, die nicht an einzelne Personen innerhalb des Systems gebunden sind .
15
Ausgewählte Führungsinstrumente zur Umsetzung führungsbezogener Gestaltungsabsichten
Führungsinstrumente bieten die Chance, bei der Gestaltung der Führungsbeziehungen unterstützend auf das Verhalten der Geführten einzuwirken. Sie lassen sich unterscheiden, ob sie auf die Qualifikation, die Motivation oder die Arbeitssituation des Mitarbeiters sowie auf die Führungskultur Einfluss nehmen. Die Mittel und Methoden der Führungsinstrumente sind in der Regelorganisationsweit vorhanden; führungsspezifisch werden sie indessen nur dann, wenn ein Führer sich ihrer aktiv im Rahmen des Führungsprozesses bedient, das Verhalten eines Mitarbeiters effektiver auf erstrebte Ziele auszurichten (vgl. Weibler 2001, S. 346 f.).
15.1
Anerkennung und Kritik
Das Führungsinstrument der Anerkennung und Kritik hebt sich insofern hervor, als es den Führungsalltag beständig zu prägen vermag und innerhalb einer Führungsbeziehung praktisch unvermeidbar ist. Immer wieder ist eine Führungskraft aufgefordert, erwünschtes Verhalten und Verhaltensergebnisse zu bestätigen und damit zu festigen und negatives Verhalten zu korrigieren und zukünftig zu vermeiden bzw. zu bessern. Mit seinen positiven oder negativen Äußerungen zu einem bestimmten Handeln von Geführten artikuliert der Führer seine positive oder negative Einschätzung dieses Verhaltens und will dadurch es in der von ihm erwünschten Weise beeinflussen. Anerkennung und Kritik begutachten zum einen das jetzige und orientieren über das zukünftig erwartete Verhalten und motivieren zu lobenswertem bzw. kritikvermeidendem Verhalten. Die Bedeutung dieses Führungsinstrumentes kann nicht überschätzt werden, weil Mitarbeiter recht sensibel auf Anerkennung und Kritik reagieren. Deshalb sollte es auch nicht vorkommen, dass - wie vielfach im Führungsalltag - eine gelungene Arbeit als selbstverständlich aufgefasst wird und unkommentiert bleibt, während ein unbefriedigendes Arbeitsergebnis eingehend destruktiv kommentiert wird. Ein solches Verhaltensmuster würde die persönliche Beziehung zwischen Mitarbeiter und Führungskraft arg belasten. Eigentlich zeigt das Arbeitsverhalten der Menschen im Betrieb, dass sie gute Arbeit leisten und ihr Verhalten in der Regel nach den Wunschvorstellungen der jeweiligen Führungskräfte ausfällt. Demgemäß müssten positive Bewertungen durch Anerkennung häufiger geäußert werden als kritische Verhaltensaussagen. Tatsächlich scheint die Aufmerksamkeit von Führungspersonen mehr einer "Jagd nach Fehlern" zu gelten, als ihre Mitarbeiter bei "guten Taten zu erwischen".
K. F. Withauer, Führungskompetenz und Karriere, DOI 10.1007/978-3-8349-6580-6_16, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
Anerkennung und Kritik
195
Anlässe und Gelegenheiten für eine Bestätigung bzw. Anerkennung sollten sein: •
jede Leistungssteigerung oder -verbesserung,
•
überdurchschnittliche Arbeitsergebnisse,
•
ein stetiges und gleichbleibend verlässliches Verhalten.
Anerkennung lässt sich in vielfältiger Form ausdrücken, •
verbal: durch Dank, Lob, Herausstellen;
•
paraverbal: durch Mimik, Gestik, Augenkontakt;
•
nonverbal: durch annähernde Körperbewegung;
•
direktes Handeln: durch Zuweisung einer chancenträchtigen Aufgabe;
•
indirekt reagieren: um eine Meinung bitten, um Rat fragen;
•
materiell: Sonderurlaub, Prämie u . Ä.
Destruktive Handlungsoptionen für die Äußerung von Kritik sind nur allzu geläufig wie etwa Vorhaltungen, Vorwürfe, Bloßstellung, Beschuldigungen. Die Wirkung auf die Mitarbeitermotivation ist fraglos äußerst negativ, weshalb nicht wenige Führungspersonen dazu neigen, auch kritikwürdiges Verhalten lieber nicht zu thematisieren, zumal sie sich auch selbst dabei ziemlich unwohl fühlen. Ein objektiv wesentlicher Unterschied zwischen der Wirkung von Anerkennung und Kritik mit Blick auf den Geführten liegt in dem Sachverhalt, dass ihm Anerkennung die richtige Richtung signalisiert, Kritik gegebenenfalls nur die falsche (vgl. Weibler 2001, S. 349). Deshalb erscheint es stets notwendig, Kritik zu begründen und das alternativ erwünschte Verhalten deutlich zu beschreiben. Im partnerschaftlichen Führungsstil hätte ein vernünftiges Kritikgespräch folgende Phasen:
•
kurze Begrüßung;
•
Kurzerwähnung der regelmäßig guten Zusammenarbeit und der auch jetzt nicht infrage stehenden Vertrauensbeziehung;
•
Beschreibung des kritikrelevanten Verhaltens;
•
Mitarbeiterseitige eventuell zwingende Begründung des Verhaltens - selten!
•
Darlegung der negativen Auswirkungen des Verhaltens auf Betrieb oder Personen;
•
gemeinsam akzeptierte Absteckung des künftig erwünschten Verhaltens;
•
Erläuterung und Vereinbarung künftiger sporadischer Kontrollen des verabredeten Verhaltens - als dann wahrscheinliche Möglichkeit der Anerkennung (!)
•
Verabschiedung und Gesprächsdank.
196Ausgewählte Führungsinstrumente zur Umsetzungführungsbezogener Gestaltungsabsichten
Anerkennung und Kritik als Führungsinstrument lassen sich lerntheoretisch begründen. Der Mensch zeigt verstärkt die Verhaltensweisen, welche ihm belohnt werden, und meidet diejenigen, welche keine oder gar eine negative Reaktion auf Seiten einer Bezugsperson hervorrufen. Empirisch abgesichert ist die Überlegenheit von Belohnungen gegenüber Bestrafungen (vgl. Weibler 2001, S. 350 f.), Führungskräfte können mithin ein bestimmtes Verhalten ihrer Mitarbeiter anregen, stabilisieren oder verändern, indem sie deren als erwünscht erachtete Verhaltensweisen vor allem belohnend verstärken und nicht erwünschtes Verhalten zunächst durch einen Hinweis korrigieren und nur gelegentlich bestrafen. Ein oftmals positiv bewertetes Verhalten wird durch den einhergehenden Lernprozess zunehmend zum Regelverhalten und bedarf dann nur noch gelegentlich zur Stützung einer gezielten Anerkennung. Ob das von einem Mitarbeiter gewollte Verhalten von ihm angenommen und befolgt wird, hängt auch davon ab, wie glaubwürdig das gewünschte Verhalten wahrgenommen wird. Diesbezüglich könnte sich ein Mitarbeiter orientieren am analogen Umgang mit Kollegen sowie an der Verlässlichkeit des Führerverhaltens. Sind in der Führungsbeziehung die Reaktionen auf identisches Mitarbeiterverhalten nicht konstant und mithin unberechenbar, ist auch der Mitarbeiter nicht in der Lage, eindeutige Erwartungen des Vorgesetzten zu erkennen und mag das geforderte Verhalten als unaufrichtig oder ungerecht empfinden. Ein weiterer Aspekt des Vertrauens ist das beispielhafte Vorleben einer erwünschten Verhaltensweise durch die Führungsperson selbst. Befolgt der Vorgesetzte selbst die von ihm gewünschte Verhaltensweise, dann fungiert er als Lernmodell und die Chancen für ein entsprechendes Mitarbeiterverhalten steigen (vgl. Weibler 2001, S. 351).
15.2
Mitarbeitergespräch, Personal- und Vorgesetztenbeurtei lung
Gespräche sind in vielen Lebensbereichen gegenwärtig und in vielen Berufen - ob Verkäufer, Anwalt, Arzt, Politiker, Journalist - das elementare und gängige Mittel des Arbeitens. Dies gilt auch für Führungskräfte in der Zusammenarbeit mit Mitarbeitern. Die verbalen Kontakte machen nach den Ergebnissen mehrerer Studien, wenn man zu den ZweierGesprächen auch Diskussionen mit mehreren Personen und formelle Konferenzen einbezieht, zwischen 55 und 80 Prozent der Gesamtarbeitszeit aus. Das Mittel, das am häufigsten im Kontakt zwischen Führungspersonen und Mitarbeitern eingesetzt wird, ist das direkte Mitarbeitergespräch. Obgleich für solche Gespräche die hierarchische Distanz ein Charakteristikum ist und sie von anderen Gesprächsformen abheben, wird statt der Bezeichnung Führungsgespräch der Begriff Mitarbeitergespräch gewählt: die Unterredung wird denn ja zwischen zwei Angehörigen ein und derselben leistungsorientierten Organisation geführt, Führungskräfte sind in der Regel ohnehin auch unterstellte Mitarbeiter und es wird dadurch die erfolgsoptimale auch vertikal beabsichtigte Zusammenarbeit ausgedrückt (vgl. Neuberger 1998, S. 5).
Mitarbeitergespräch, Personal- und Vorgesetztenbeurteilung
197
Vergegenwärtigt man sich die Aufgaben einer Führungskraft wie
Zielesetzen, Planen, Analysieren, Entscheiden, Organisieren, Probleme lösen, Koordinieren, Führen, Motivieren, Delegieren, Veränderungen einleiten usf dann dürfte sie keine dieser Aufgaben erledigen können, ohne in Kontakt mit ihren Mitarbeitern zu treten, zu informieren und informiert zu werden (siehe Kap. 1, 1.3). Die Funktionen des Managementprozesses als Ausdruck der Führungsaufgaben gehen einher mit Beratungen und Berichten, Anweisungen und Diskussionen, Telefonaten und Meetings, Anerkennung, Belehrung und Bekehrung, Beschwerden, Gespräche, Antworten, Fragen usw. Das was ein komplexes Geschehen in einer Organisation "im Innersten zusammenhält", was die scheinbar intransparenten Sachabläufe koordiniert, sind Information und Kommunikation im weitesten Sinne. Alltägliche Kommunikationsakte sind Informationen über die gegenwärtige Situation, über Probleme, Fortschritte, Vorschläge, Ideen, Maßnahmen, Ziele usw. Darüber hinaus haben Information und Kommunikation eine oft überragende psychologische Bedeutung, die sich auf die Reizwirkung auf menschliche Motive gründet: Informiert sein heißt oftmals Macht und Einfluss haben, man fühlt sich herausgehoben, wenn man wichtige Dinge früher weiß als Andere (Status, Prestige); im Informieren drücken sich Zugehörigkeit und Akzeptiertsein aus, man pflegt Kontakte und "bespricht" sich (Sozialkontakt); wer weiß, was vor sich geht, ist auf eventuelle Veränderungen vorbereitet, es werden klare Orientierungsdaten vorgegeben (Sicherheit); durch positive Rückmeldung und die Bekundung des Vertrauens fühlt man sich in seiner Leistungsfähigkeit bestätigt (Kompetenz, Anerkennung); die vielfach immense Neugier wird gestillt usw. Angesichts der strategischen Bedeutung der Kommunikation in Unternehmen und anderen Organisation muss es verwundern, dass das "Mitarbeitergespräch" so selten als ausreichend fundiertes Führungsinstrument eingesetzt wird. Die Nutzung des Mitarbeitergesprächs als Führungsinstrument scheitert schlicht an dem Glauben, dass derjenige, der sprechen kann, auch ein Mitarbeitergespräch führen kann. Ein sachlich und psychologisch gelingendes Mitarbeitergespräch zeichnet sich indessen durch eine konstruktive und partnerschaftliche Haltung aus. Unqualifizierte Gespräche mit einem Mitarbeiter können allerdings jenen innerlich ziemlich verletzen oder sogar dessen "innere Kündigung" bewirken (siehe Kap. 2, 4.7). Ein Kommunikationstraining für Führungskräfte zur Anwendung des Führungsmittels "Mitarbeitergespräch" muss sich befassen mit den Themen Selbstbild, Bild vom Anderen, Entschlüsselung von Gedanken oder Absichten, Steuerung des Gesprächsgeschehens, Aufmerksamkeit sichern, Aktiv zuhören, konstruktiver Dialog und Feedback, Zwei-WegKommunikation, Umgang mit Konflikten, welche sich auf Prinzipien gründen wie Offenheit, VerständniswilIen, voneinander lernen, gegenseitige Akzeptanz und Kompromissbereitschaft.
198Ausgewählte Führungsinstrumente zur Umsetzung führungsbezogener Gestaltungsabsichten
Eine institutionalisierte und führungspolitische Ausprägung erfährt das Instrument Mitarbeitergespräch im Zuge von kommunikativen und kooperativen Personalbeurteilungen mit den Kategorien Potenzial- und Leistungsbeurteilung, Zielsetzungen (Management by Objectives) sowie Förderung und Entwicklung der Leistungsfähigkeit und -bereitschaft des Mitarbeiters (kompetenzorientiertes Personalmanagement). In einem in partnerschaftlichem Dialog geführten Mitarbeitergespräch wird durch wechselseitige Beurteilung und Rückmeldung die konstruktive Kommunikation erreicht. Dabei ändern sich die Rollen der Beteiligten. Die Führungskraft fungiert unter anderem als Coach und Mentor. Zugleich erhält auch der Mitarbeiter im Rahmen seiner "Führung des Chefs" neue Aufgaben: einmal über seine Selbsteinschätzung und Selbstführung, zum anderen als Beurteiler und Counseller seiner Führungskraft (vgI. Wunderer 2009, S 325 ff .), Weitergehend ist eine Vorgesetztenbeurteilung als systematische Einschätzung des Verhaltens des direkten Vorgesetzten durch die ihm unmittelbar zugeordneten Mitarbeiter. Diese Aufwärtsbeurteilung dient vor allem als Orientierungshilfe für das eigene Handeln der Führungsperson, die ja ohne entsprechende Informationen der Mitarbeiter die Führungsbeziehung nur aus ihrer Perspektive sehen kann. Als geeignete Methode werden zumeist Fragebogen eingesetzt, erkenntnisreicher, aber seltener praktiziert sind Interview oder Gruppengespräch.
15.3
Zielvereinbarung: Management by Objectives
Die Führung durch Zielvereinbarung ist die Konsequenz aus der Ausrichtung der Führung auf Resultate. Ziele bezeichnen zukünftige Zustände, die Verhaltens- oder Leistungsgrößen annehmen sollen. Sie werden unmittelbar aus dem Arbeitskontext abgeleitet. Das Instrument der Zielvereinbarung findet vor allem im Führungsmodell des Management by Objectives (MbO) seinen Niederschlag. Mit der Zielvereinbarung ist eine Abkehr vom gewohnten Denken in Einzelaufgaben und Verfahren verbunden zugunsten der Ausrichtung auf das größere Ganze. Das Führungsinstrument MbO entlastet die Führenden erheblich von operativen Entscheiden und gibt den Geführten eine deutlich höhere Selbständigkeit in der Zielumsetzung, hinzu kommt die meist praktizierte Mitwirkung schon bei der Zielvereinbarung. Der ergebnisbezogene Maßstab der Zielerreichung kann geeignete Konsequenzen ziehen, z. B. materielle Honorierung bei Zielerfüllung, Förderung und Fortbildung bei unbefriedigendem Zielerreichungsgrad. Damit wird eine (mit-)unternehmerische Ausrichtung der Führungskräfte und Mitarbeiter gefordert und gefördert (vgI. Wunderer 2009, S. 233, 231). Der menschliche Leistungswille wird bei der Führung durch Zielvereinbarung mit dem Streben nach Selbstentfaltung verbunden. Diese These beruht auf den Prämissen des MbO über menschliches Verhalten:
Führungsgrundsätze
199
•
Kenntnis der Ziele fördert die Identifikation und Motivation;
•
Beteiligung bei der Zielbestimmung fördert die Akzeptanz der Ziele;
•
Mitarbeiter wollen die Bewertungskriterien ihrer Leistung kennen;
•
Selbstkontrolle der Zielerreichung fördert die Leistung;
•
transparente Bezahlung macht zufrieden, verfehlte Leistungsziele bringen nicht Tadel, sondern Förderung und Fortbildung.
Die Zielvereinbarung findet statt im Rahmen des institutionalisierten periodischen Mitarbeitergesprächs (vgI. Weibler 2001, S.363 ff.). Vor dem Mitarbeitergespräch formulieren Vorgesetzte und Mitarbeiter in Kenntnis des Organisationsplans der nächsten Periode separat ihre Zielvorstellungen, die sich auf der fachlichen Ebene mehrheitlich im Rahmen der Vorgaben der nächsthöheren Instanz bewegen müssen. Zu beachten ist dabei eine Ausrichtung an den Fähigkeiten des Mitarbeiters mit Einbezug von passenden Entwicklungsmöglichkeiten, auch um Motivationsdefizite durch Unterforderung zu vermeiden. Ebenfalls klar muss sein, dass die zur Zielerreichung notwendigen Ressourcen zur Verfügung stehen. Danach legen Vorgesetzte und Mitarbeiter in kooperativem Austausch ihrer jeweiligen Einschätzungen abschließend gemeinsam fest, welche Ziele erreicht werden sollen. Dies schließt auch die Fixierung von Zwischenergebnissen ein, um sinnvoll in regelmäßigen Zeitabständen einen Soll/Ist-Vergleich anstellen zu können. Zielvereinbarungen sollen tunliehst nicht zu viele Ziele fokussieren. Der Erfolg einer Führung mit Zielen wird bestimmt von der Kräftekonzentration auf Weniges, nur so werden als richtig befundene Ziele realistisch erreichbar. Wenn die gesamte Tätigkeit eines Menschen durch Leistungsziele festgelegt würde, wären wertvolle Kreativitätspotenziale unbrauchbar. Bei zu vielen Zielen könnte zudem das Problem der Priorisierung auftreten, wenn nämlich im Zweifelsfall unklar wäre, welches Ziel gegenüber den anderen vorrangig zu verfolgen ist. Eine Faustregel für die Praxis ist die Beschränkung auf 3 bis 7 herausfordernde, aber noch realistische Ziele. Die Zielvereinbarung ist summarisch betrachtet eine taugliche Möglichkeit, jeden Mitarbeiter nach seinen persönlichen Stärken optimal einzusetzen. Das Instrument bietet durch die sinnvolle Verknüpfung persönlicher und betrieblicher Ziele beiderseitigen Nutzen. In gewissem Ausmaß sind frühzeitig Motivationsdefizite und negative Einstellungen bei Mitarbeitern erkennbar. Auch der in Zeitabständen durchgeführte Soll/Ist-Abgleich begrenzt aufkommende Fehlentwicklungen.
15.4
Führungsgrundsätze
Führungsgrundsätze - auch Führungsrichtlinien, -anweisungen, -leitsätze - beschreiben Normen und Regeln der Führungsbeziehungen zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern. Sie sind meist dauerhafter Bestandteil einer Unternehmensverfassung, in welcher das Führungs-, Sozial- und Leistungsverhalten beschrieben wird, das zur Erfüllung eines einheitli-
200 Ausgewählte Führungsinstrumente zur Umsetzung führungsbezogener Gestaltungsabsichten
chen Führungskonzepts beitragen soll (vgl. Hentze et al. 2005, S.459 ff.), Ausgehend von einem bestimmten Menschenbild werden Vorstellungen über den zu praktizierenden Führungsstil formuliert. In der Regel wird ein partnerschaftlicher oder autoritativdelegativer Führungsstil propagiert. Obgleich in den einzelnen Bereichen einer Unternehmung wegen der unterschiedlichen Bedingungen kein einheitlicher Führungsstil praktiziert wird, versuchen Führungsgrundsätze einen generellen Rahmen für die Führungsgestaltung zu deklarieren und zu normieren. Als hauptsächlicher Zweck von Führungsgrundsätzen wird die Effizienzsteigerung der Organisation angesehen. Sie benennen Verhaltenserwartungen, aus denen die Mitarbeiter das erwünschte Kooperations- und Leistungsverhalten ablesen können und sind so "eine gemeinsame, einheitliche systematische und transparente Orientierungshilfe" (Wunderer 2009, S. 391). Dadurch fördern und begünstigen sie das Zusammenwirken von Vorgesetzten und Mitarbeitern. Im Einzelnen regeln Führungsgrundsätze folgende Inhalte: •
Grundwerte der Führung und Zusammenarbeit (z. B. Vertrauen, wechselseitige Unterstützung, Leistungsprinzip),
•
Partizipation der Mitarbeiter an Entscheidungen (z, B. Delegation, Konsultation),
•
Instrumente der Führung und Zusammenarbeit (z. B. Information, Management by Objectives, Beurteilungs- und Fördergespräch, Konflikthandhabung, Entlohnung),
•
Organisation (z. B. Aufgabenverteilung, Stellvertretung),
•
Sanktionen für die EinhaltunglNichteinhaltung der Führungsgrundsätze.
Idealerweise sollten Führungsgrundsätze zwischen den einzelnen Führungsebenen rollierend formuliert werden, wesentlich bestimmt werden sie faktisch jedoch durch das TopManagement. Den einzelnen Führungskräften steht dieses Instrument dann zwar ohne ihr "Zutun" zur Verfügung, es ist aber für ihre Absichten erläuternd und schwerpunktsetzend nutzbar (vgl. Weibler 2001, S. 373). Der größte Schwachpunkt der Führungsgrundsätze ist oft die mangelnde Sanktionsfähigkeit, was eine geringe Verhaltenswirksamkeit ausmacht. Ihr Stellenwert ist von Mitarbeitern nur dann erkennbar, wenn andere Führungsinstrumente oder Postulate zur Mitarbeiterführung wie z. B. Mitarbeitergespräche, Personalbeurteilung, Aufgabenzuteilung, Zielvereinbarung, Anerkennung und Kritik mit den Führungsgrundsätzen vereinbar sind. Führungsgrundsätzen ermangelt es häufig an einer prägnanten Darstellung und verständlichen Formulierung. Neben diesen Formalien sollen sie mit Blick auf die Zukunft abgefasst sein und einen Realitätsbezug zur gelebten Führungs-"Kultur" innerhalb der Organisation aufweisen.
Kapitel 5: Führungspraxis in Führungskarrierestufen Die Karriere oder berufliche Laufbahn (franz. carriere) ist der Werdegang eines Menschen in seinem Berufsleben. Umgangssprachlich wird der Begriff Karriere dabei häufig verbunden mit Einfluss, Status und hohem Einkommen, sozialem Aufstieg, Veränderung der Qualifikation und Dienststellung, vielfach kann sich dabei auch die Zugehörigkeit zu einer sozialen Schicht ändern. Unterschiedliche Karrierepfade bezeichnen individuelle Berufswege, welche dem einzelnen Mitarbeiter individualspezifische Orientierungsmuster innerhalb des Berufslebens bieten, die einen deutlichen Bezug zu persönlichen Bedürfnis- bzw. Motivstrukturen erkennen lassen. Ein erstes derartiges Orientierungsmuster wird als Managementbzw. Führungskompetenz bezeichnet. Es äußert sich vorrangig in dem Wunsch, Führungsrollen zu übernehmen. Erforderlich ist dazu neben interpersoneller Kompetenz und analytischen Fähigkeiten die Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung, geht es doch darum, Gruppenprozesse zu lenken sowie Problemlagen zu identifizieren, zu analysieren und situationsspezifische Lösungen zustande zu bringen. Die typische Entwicklungsrichtung ist "Aufwärtsmobilität". Für ein anderes Entwicklungsmuster ist charakteristisch, dass dieser Mitarbeitertyp die Herausforderung eines Spezialgebietes besonders schätzt. Die berufliche Orientierung ist die Fachkarriere, der Aufstieg in einer Expertenlaufbahn erscheint besonders dann als erstrebenswert, wenn er sich innerhalb des Spezialgebietes vollzieht und nicht mit zusätzlichen gänzlich "fachfremden" Aufgaben verbunden ist. Weitere Karriereanker für mögliche Karrierepfade sind "Varietät" in horizontaler Entwicklungsrichtung, funktions- bzw. bereichsübergreifende Kompetenz, "Autonomie" gepaart mit hoher Engagementbereitschaft, einsetzbare "Kreativität" oder auch "Sicherheit". "Karriere" macht, wer etwa eine andere oder zusätzliche Tätigkeit oder Verantwortung übernimmt, die für die Organisation wichtig ist, und
202
Kapitel 5: Führungspraxis in Führungskarrierestufen
dadurch höher bewertet wird. Die hierarchische Einordnung des Einzelnen, personale Verantwortung und Zahl der Mitarbeiter, Status und Gehalt werden entkoppelt (vgl. Hentze et al. 2005, S.451). Auch Führungskarrieremuster können je nach Ausmaß des Hierarchieaufbaus unterschiedlich ausfallen, z. B. wenn durch mehr Eigenverantwortung, Selbstorganisation und größere Führungsspannen eine flachere Organisation besteht. Die bisher stark individualisierte Sicht von Aufstieg und Karriere wird zurückgenommen zugunsten von Teamorientierung und des individuellen Beitrags zum Ganzen der Organisation. Im Folgenden werden Praxishinweise und -empfehlungen für Mitarbeiter mit Karriereanker "Aufwärtsmobilität" vorgestellt, die typisiert betrachtet beginnend mit einer "Führung von unten" über verschiedene Projektleiterpositionen ihre berufliche Führungslaufbahn konsequent verfolgen und auf den jeweiligen Karrierestufen ihr Führungspotenzial entwickeln und demonstrieren möchten.
16
Führung von Projektteams
Projekte verändern unsere Welt: Der Bau eines Flughafens oder eines Krankenhauses, die Umorganisation eines Betriebs oder einer Behörde, die Umsetzung einer Unternehmensstrategie, die Errichtung einer Entsalzungsanlage, die Vorbereitung der Serienfertigung eines neuen Automodells, die Entwicklung von Produkten oder eines EDV-Programms, der Aufbau eines Datennetzes, eine Opeminszenierung, der Umzug einer Betriebsstätte, all das sind Beispiele für Leistungserstellung mit Projektcharakter. Sie unterscheiden sich von den kontinuierlichen Formen der Gruppenarbeit, welche integrierter Bestandteil der regulären Arbeitsorganisation sind und zur Bearbeitung der täglichen Arbeitsaufgaben eine ständige Zusammenarbeit erfordern. Beispiele sind mit zunehmendem Handlungsspielraum klassische Arbeitsgruppen, Fertigungsteams und teilautonome Arbeitsgruppen.
16.1
Projektgruppen und andere temporäre Teams
Ein Projekt ist allgemein eine inhaltlich und zeitlich abgegrenzte schwierige und gewichtige, relativ komplexe, oft anfangs intransparente, außerroutinemäßig erst- oder einmalige Aufgabenstellung. Kennzeichnend für die Projektarbeit ist ein umfassendes Führungskonzept - das Projektmanagement - und die Arbeitsform der Gruppenarbeit - die Formierung eines Projektteams und eine projektspezifische Organisation. Andere temporäre Arbeitsgruppen sind Qualitätszirkel oder KVP-Teams für Kontinuierliche-Verbesserungs-Prozesse.
Projektgruppen erarbeiten Lösungen für neuartige, einmalige, inhaltlich und zeitlich abgegrenzte komplexe Problemstellungen, die meist mehrere Funktionsbereiche betreffen. Hierzu werden Mitarbeiter und Führungskräfte auf Grund ihrer Fachkompetenz ausgewählt. Es können vier verschiedene Typen nach dem Grad der organisatorischen Verselbstständigung des Projektziels unterschieden werden: erstens, die StabsProjektorganisation, bei der die Projektkoordination von Stäben als Einfluss-Projektmanagement wahrgenommen wird und die Projektmitarbeiter in ihren Stammabteilungen verbleiben; zweitens, die Matrix-Projektorganisation, die auf einer Kompetenzaufteilung in ein funktions- und ein projektorientiertes Leitungssystem beruht und bei der die Projektmitarbeiter zwar wie bei der Stabs-Projektorganisation in den Stammabteilungen verbleiben, jedoch projektbezogene fachliche Weisungen von dem Projektmanager bzw. der spezifischen Projekteinheit erhalten; drittens, die Schaffung projektorientierter Teilbereiche, d. h. die Aufgliederung von Fachbereichen, wie z. B. der Entwicklung nach Projekten, wobei hier der Projektcharakter fraglich wird; viertens, die reine Projektorganisation, bei der die am Projekt beteiligten Personen aus den verschiedenen Unternehmensbereichen für die Zeitdauer des Projekts freigestellt und als Task Force eine selbstständigen Projektbereich mit
K. F. Withauer, Führungskompetenz und Karriere, DOI 10.1007/978-3-8349-6580-6_17, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
204
Führung von Projektteams
ungeteilter Weisungsbefugnis des Projektleiters bilden. Abgesehen von der Schaffung projektorientierter Teilbereiche verändert die Einführung einer Projektorganisation nicht die vorhandene Organisationsstruktur. Während bei der Stabs- und MatrixProjektorganisation Mitarbeiter neben ihrer Linienfunktion zeitanteilig auch Aufgaben in mehreren Projektteams bearbeiten können, arbeiten sie bei der reinen Projektorganisation für die Zeitdauer des Projektes kontinuierlich zusammen. Die größten Vorteile von Projektgruppen werden in der bereichsübergreifenden Zusammenarbeit von Fachexperten und der damit verbundenen Problemlösungseffizienz gesehen. Die Zusammenführung von Experten außerhalb der Linienorganisation führt allerdings auch zu Konflikten um zeitliche und personelle Ressourcen und Macht zwischen dem Projekt- und dem Linienmanagement. Diese werden zum Teil in die Projektgruppen hineingetragen und führen neben bestehendem Bereichsdenken und mangelnder Qualifikation zur Teamarbeit zu gruppeninternen Spannungen. Konflikte zwischen Projekt- und Linienmanagement scheinen insbesondere bei der Matrix-Projektorganisation aufzutreten und dürften auf die funktions- und eine projektorientierte Kompetenzaufteilung zurückzuführen sein. Am klarsten ist dieses Kompetenzproblem bei der reinen Projektorganisation gelöst. Entsprechend finden sich auch empirische Belege, die sie als effektivste Form der Projektorganisation ausweisen. Allerdings eignet sich diese Form wohl nur für größere und längerfristige Projekte, da sie eine Umstrukturierung und entsprechende Personalund sonstige Kapazitäten voraussetzt, die zudem kleinere Organisationen nur schwer aufbringen können. Projektgruppen wurden vor allem im Bereich der Software-Entwicklung untersucht. Hier zeigte sich, dass die Zusammensetzung und Führung von Teams die Qualität der Teamarbeitsprozesse beeinflusst und diese wiederum in Zusammenhang mit dem Teamerfolg stehen. Qualitativ gute Teamprozesse beinhalten häufigen aufgabenbezogenen Informationsaustausch, der dazu führt, dass die Koordination und Konsensbildung in den Projektteams besser gelingt. Sie finden sich in Teams mit sozial kompetenten Personen mit ähnlichem Wissens- und Fähigkeitsstand, die sich dem Teamziel selbst verpflichten und als gleichberechtigte Mitglieder geführt werden. Diese Befunde dürften auch auf andere Formen der Gruppenarbeit übertragbar sein, wenn es um die Lösung komplexer Probleme geht, und damit auch auf teilautonome Arbeitsgruppen. Ein Projekt managen heißt für einen Projektleiter, im Unternehmen "Unternehmer auf Zeit" zu sein. In der heutigen Praxis des Projektmanagements obliegt ihm die persönliche Verantwortung für die Realisierung der in der Projektdefinition festgelegten Projektziele: Termin, Kosten und Produktqualität. Dem Projektleiter muss zur Erfüllung seiner Aufgaben ein Team zur Seite gestellt sein. In der Praxis orientiert man sich dabei in erster Linie daran, gute Fachleute zu gewinnen, die die für das Projekt notwendigen Qualifikationen mitbringen. An zweiter Stelle steht die Beachtung der Teamfähigkeit. Dem gesamten Projektteam die Projektverantwortung zu übertragen, hat sich nicht bewährt, als wichtig erweist sich indes die Fähigkeit zum Umgang mit anderen Menschen und dass die Teammitglieder auch in der Gruppe arbeiten wollen.
Karriere durch Projekte : Qualifikation für Gruppen- und Teamarbeit
16.2
205
Karriere durch Projekte: Qualifikation für Gruppen- und Teamarbeit
Typische Aufstiegspfade in betrieblichen Organisationen sind die "Karriere in der Linie" oder die "Karriere als Experte". Eine zusätzliche und zunehmend praktizierte Chance des Aufstiegs bietet eine "Karriere in und durch Projektrnanagement" (vgl. Kessler 1994 ff.). Projektarbeit ist in vielen Unternehmen alltäglich, die bereichs- und hierarchiestufenübergreifende Kooperation, die firmenübergreifende und internationale Zusammenarbeit ist notwendig und üblich geworden, die Rolle des Projektleiters ist neben der funktionellen Hierarchie etabliert. Projektleiter gelten als "Unternehmer im Unternehmen". Sie müssen mit einem Team im Rahmen von Budget-, Zeit- und weiteren Rahmenvorgaben beweisen, dass sie Ziele erreichen und Strategien umsetzen können. Projektarbeit wird in manchen Unternehmen höher bewertet als Tagesarbeit, die als Routinearbeit abqualifiziert wird. Was liegt da näher, als den Trend zu mehr Projektarbeit zu nutzen und als potenzieller Aufsteiger im realen Umfeld eines Projekts sich für eine Führungskarriere zu empfehlen? Das erfolgreiche Projekt ist ja der Beweis für die Eignung zu Führungs- und Managementaufgaben. Als Projektleiter kann man demonstrieren, dass man •
vereinbarte Ziele sicher zu erreichen vermag,
•
ein Team motivieren und zum Erfolg führen kann,
•
unternehmerisch denken kann,
•
ins bestehende Führungsteam passt.
Die Übernahme einer Projektleitung lässt sich gezielt für Kontakte innerhalb der Führungsriege zum weiteren Aufbau des sozialen Netzes nutzen. Wenn der berufliche Weg in Richtung Führung und Management gehen soll, dann ist zunehmend Projektrnanagement das geeignete Sprungbrett für Karrieristen. Es geht den Entscheidern nicht nur um die Erreichung jeweiliger Projektziele, es geht auch um die wichtige Frage: wer von unseren Mitarbeitern zeichnet sich durch Führungsqualitäten aus - und wer nicht?
I
Für den Erfolg mit und eine Karriere durch Projekte lassen sich folgende beachtenswerte Ratschläge nutzen (vgl. Kellner 2000, S. 13 ff.):
•
Die Chance der persönlichen Anerkennung und Honorierung des eigenen Tuns nicht bis zum Projektende verschieben, sondern während des Projektverlaufs einfordern.
•
Das neue Prestige als Projektleiter nutzen, sich zu wichtigen Meetings einladen lassen, sich dabei als konstruktiver Gesprächsteilnehmer erweisen, die Tugend der Bescheidenheit aufgeben, Zugehörigkeit zum Führungskreis demonstrieren etwa beim Postverteiler und ähnlichen Fakten.
•
Sich der Führung widmen und Führungskompetenz zeigen, indem man Gruppenprozesse erspürt und steuert, Aufgaben delegiert, entscheidende Verhandlungen mit Au-
Führung von Projektteams
206
ßenstehenden führt, die Teammitglieder selbständig und fähige Leute ihre Arbeit nach ihrer eigenen Art tun lässt, Termintreue und Qualität der vereinbarten Arbeitsergebnisse und den Ressourcenverbrauch kontrolliert. •
Teamarbeit entbindet nicht von der eigenen Verantwortung und Entscheidung, auch ein partnerschaftllcher Führungsstil bedeutet nicht nur Moderation, sondern sich im Team beraten, dann selbst entscheiden und, gerade auch wenn sich dies später als fehlerhaft erweist, das "Wie" und "Warum" an die Mitarbeiter informieren und offen begründen.
•
Kleinkrämerisches Image und Kontrollaktionen vermeiden, den Blick für die wesentlichen Dinge des Projektes behalten.
•
Erfolgswillen und Optimismus ausstrahlen, mangelnde Erfolgserwartung demotiviert. Deshalb: realistische Ziele aushandeln und auf notwendige Ressourcen pochen.
16.3
Das Zusammenstellen des Teams
Das Team, das ein Projekt strukturiert, plant, entwickelt und ausführt oder die Ausführung steuert, ist die Schlüssel-Kompetenz-Einheit in einem Projekt. Der Projektleiter muss deshalb dieses Team - oft mit Hilfe eines zur übergeordneten Unterstützung eingesetzten Lenkungsausschusses - zusammensetzen mit der Absicht, aus den verschiedenen Individuen dann eine funktionierende, sich gegenseitig unterstützende Einheit zu formen (vgl. Kolb 2009, 5.101) . Hierbei ist man in der Praxis oft froh, wenn man gute Fachleute zusammen bekommt, die die für das Projekt notwendigen Qualifikationen mitbringen. Die Frage nach der erforderlichen Teamfähigkeit kommt dann erst an zweiter Stelle. Projektziele können nur erreicht werden, wenn alle beteiligten Organisationseinheiten ihrer jeweiligen Verantwortung zur Projektrealisierung dadurch nachkommen, dass sie die notwendigen personellen Ressourcen zur Verfügung stellen; die im Projektteam arbeitenden Mitarbeiter vertreten durch ihre Arbeit die am Projekt beteiligten Fachabteilungen. So selbstverständlich diese Kernvoraussetzung ist, so häufig wird dagegen in der Praxis verstoßen. Personelle Ressource bedeutet •
zeitliche Verfügbarkeit
•
aufgabentaugliche Qualifikation.
Die Mitgliedschaft in einem Projektteam ist oft nicht für die ganze Dauer des Projektes erforderlich; es kann auf solche Zeitabschnitte beschränkt sein, in denen der Mitarbeiter mit seinem Wissen und Können der Aufgabenstellung am besten dient. So wird in der Regel das Team nicht beim Projektbeginn komplett bestehen, sondern über die Phasen Projektstrukturierung, Planung, Machbarkeitsstudie zunächst als Kernteam und dann erweitertes Team aufgebaut. Erst mit der Entscheidung und Beauftragung mit der Projekt-
Das Zusammenstellen desTeams
207
studie und danach folgenden Realisierung des Projekts erreicht das Team seine volle Stärke (vgI. Kolb 2009, S.23 und 103). Die nachteilige Versuchung bei den projektphasenbedingten "Teilzeitkräften" ist, dass sie in ihrer fachlichen Organisationseinheit gebraucht und beansprucht werden und deshalb im Projekt nur noch "nebenbei" mitmachen bzw. verfügbar sind. Auch aus dem Blickpunkt der Motivation wird die Projektarbeit im Zweifel zurückstehen. Projektarbeit bewegt sich im Spannungsfeld von Linien- und Projektorganisation. Der Widerspruch "Das Projekt hat hohe Priorität, aber keiner hat die notwendige Zeit" bringt das Projekt zwangsläufig von Beginn an in eine Schieflage. Deshalb ist statt oftmals unverbindlicher Prozentwerte für den zeitlichen Einsatz ein konstruktiver, basierend auf einer qualifizierten Aufwandschätzung sachlich fundierter Klärungsprozess unabdingbar, der den Projektzielen und dem Tagesgeschäft gerecht wird, mit klaren schriftlichen Vereinbarungen zwischen den Beteiligten: zwischen dem Projektleiter, den Fach-/Linienvorgesetzten und dem betroffenen Mitarbeiter. Die Aufgabentauglichkeit ist salopp angesprochen mit der Erkenntnis "Kopfzahl ist nicht identisch mit Kopfinhalt". Die Qualifikation der Projektteammitarbeiter ist ebenso bedeutsam wie die zeitliche Verfügbarkeit. Um die geeigneten Mitarbeiter für das Projektteam zu bekommen, müssen notwendigerweise die qualifikatorischen Anforderungen für den jeweiligen Einsatz im Projekt oder für einzelne Abschnitte definiert werden. Meist steht für die Aufgabentauglichkeit die fachliche Qualifikation im Mittelpunkt. Ergänzend sollte indessen auch auf die methodische und soziale Qualifikation der Teammitarbeiter geachtet werden. Für die Praxis ergeben sich mithin noch einige idealerweise anzustrebende aus der Erfahrung gestützte Empfehlungen: Der Prozess des Zusammenfügens eines Teams unterschiedlicher Talente mit unterschiedlichen Kenntnissen, Erfahrungen, Temperamenten und Erwartungen ist vielschichtig und komplex. Er wird in der Wirtschaft oft und im öffentlichen kommunalen Bereich fast immer unterschätzt. Ein nicht zu großes Team erleichtert die nötige Kommunikation und Koordination in der Gruppe; in Lehrbüchern spricht man von 5 bis 7 Personen als einer idealen Gruppengröße. Solange die Zahl der Funktionsgruppen 12 nicht übersteigt und die Zahl der Mitarbeiter unter 40 ist, kann im Sinne einer flachen Hierarchie im Team auf weitere Vorgesetztenebenen außer dem Projektleiter noch verzichtet werden (vgI. Kolb 2009, S. 106). Für die effektive Teamarbeit ist es dienlich, wenn die Teammitglieder im Umgang mit anderen Menschen sozialkompetent sind und auch in der Gruppe arbeiten wollen; eventuell aufgabenabhängig oder bei ausgesprochenen Individualisten kann es besser sein, sie liefern ihre Projektbeiträge besser zu, ohne Teammitglied zu sein. Ein nicht zu unterschiedlicher Fähigkeits- und Wissensstand der Mitarbeiter vereinfacht die Zusammenarbeit; vorantreibend erweist sich zudem eine in der Projektgruppe vorhandene Methodenkompetenz auf dem Gebiet der Projektplanung und -steuerung.
Führung von Projektteams
208
16.4
Führungsverhalten im Projektteam und situative Wahl des Führungsstils
Ein Projekt managen heißt für den Projektleiter: ihm obliegt die persönliche Verantwortung für die Einhaltung der gesetzten Leistungsziele sowie der Projekttermine und des Projektbudgets. Zugleich bedeutet dies, dass die Projektverantwortung nicht - wie häufig geschehen - vom gesamten Projektteam getragen wird. Der Projektleiter ist im Projekt die zentrale Figur. Um ihn herum arbeiten die Mitarbeiter an der gemeinsamen Sache auf das Projektziel hin. Durch die übernommene Projektverantwortung ist der Projektleiter indes nicht Mitglied des Teams! (vgl. Kellner 2000, S. 122). Allenfalls bei kleineren Projekten, wenn der Projektleiter selbst unmittelbare Projektarbeit erbringt, mag man ihn noch als "Erster unter Gleichen" verstehen. Als Spitzenpersönlichkeit des Projekts vertritt der Projektleiter in jedem Falle das Projektergebnis gegenüber dem Auftraggeber. Auch von den Mitarbeitern des Projektteams wird die Position des Projektleiters herausgehoben und kritisch wahrgenommen. Dem Kollegen sehen sie Schwächen eher nach als ihm. Vom Projektleiter eines Projektes verlangen die Mitarbeiter (vgl. Kellner, ebd.) •
Orientierung und Führung,
•
die Schaffung eines leistungsorientierten und motivierenden Umfeldes,
•
dass er eingreift, wenn Mitarbeiter untereinander Probleme haben,
•
er sich schützend vor die Mitarbeiter stellt, wenn es Kritik von außen gibt,
•
sich darum kümmert, wenn Ressourcen nicht bereit stehen.
Der Projektleiter steht im Fokus des Projekts. Er ist das Bindeglied zwischen einem organisatorisch vorgesehenen, ihn unterstützenden Lenkungsausschuss und dem Team und hält die Kontakte zu externen Fachkräften und anderen Auftragnehmern. Die Hauptaufgaben eines Projektleiters liegen in den folgenden Kategorien (vgl. Kolb 2009, S. 95 f.): •
Er trifft Entscheidungen im Rahmen genehmigter Budgets und Ressourcen und von vereinbarten Zeitplänen, z. B. Auftragsvergabe, Personalbedarf, Anordnung von Sondermaßnahmen.
•
Er bereitet Meilensteine vor, z. B. Projekt-Status, erforderliche Genehmigungen, besondere Entwicklungen.
•
Er führt das Projekt-Team durch: -
Vorbild Klare terminliehe Zielvereinbarungen Kontrollgespräche Effiziente Meetings
Führungsverhalten im Projektteam und situative WahL des Führungsstils
-
Coaching Herbeiführen von Unterstützung Personalentwicklung
•
Er koordiniert und kontrolliert die laufende Projektarbeit
•
Er veranlasst laufende Qualitätsüberprüfungen: -
intern und extern fokussiert auf risikomindernde Maßnahmen stichprobenweise.
•
Er überprüft die Einhaltung verabredeter Methoden und Verfahren.
•
Er plant, plant, plant!
•
Er verantwortet die Projektkommunikation: -
209
intern (mit Lenkungsausschuss, Pate, Team) extern (mit Auftraggeber, verschiedenen Interessengruppen).
•
Er organisiert eine einheitliche und schlüssige Dokumentation.
•
Er klärt Konflikte.
•
Er sammelt Kritik und Anregungen.
Für die Führung von Projektteams stellen sich insbesondere die Fragen nach der Beteiligung an Entscheidungen zusammen mit der Wahl des "richtigen" Führungsstils. Die Gestaltung der Führungsbeziehungen in der Projektarbeit wird bestimmt von verhaltensrelevanten Charakteristika der Persönlichkeit des Projektleiters, die wiederum von dessen motivationaler Orientierung mitgeprägt ist, und ist zudem abhängig von den jeweiligen projektsituativen Bedingungen (siehe Kap . 4, 13.). Offenkundig ist ein autoritärer Führungsstil (siehe Kap. 4, 13.5.) in Projekten nicht angebracht, in denen von oft hochspezialisierten Teammitgliedern Kreativität erwartet wird, in denen die Zielsetzung zu Beginn häufig noch nicht klar definiert ist und in denen es darauf ankommt, dass die Entscheidungen von den Mitarbeitern auch akzeptiert werden. Durch einen eher geeigneten demokratischen und partnerschaftlichen Führungsstil würde der Projektleiter sowohl Meinungen und Erfahrungen der Teammitglieder erfragen und berücksichtigen als auch das Team an Entscheidungen beteiligen. Allerdings gilt diese Empfehlung vor allem für die frühen Projektphasen, in denen es darauf ankommt, die Projektziele zu präzisieren und Lösungen zu finden. In einer anderen, späteren Projektphase wird es notwendig sein, das Führungsverhalten an die veränderte Situation anzupassen. Wenn ein Projekt einmal so weit gediehen ist, dass die Ideen unter Zeit- und Kostendruck realisiert werden müssen, wird ein guter Projektleiter tunliehst einen direktiveren Führungsstil wählen und erfolgreich den autoritativen Führungsstil praktizieren (siehe ebd.).
210
Führung von Projektteams
Bei Meinungsverschiedenheiten im Team beispielsweise, die sich auf die Projektausführung beziehen und in einer Diskussion nicht aufgelöst werden können, hat dann im Interesse der zügigen Durchführung der Projektarbeit das entscheidende Wort der Projektleiter. Ein coachender Führungsstil dürfte geeignet sein, wenn Teammitglieder noch nicht die eigentlich erforderliche aufgabentaugliche Qualifikation aufweisen, aber das Interesse zeigen, besser zu werden und durch die Förderung ihrer Fähigkeiten vorankommen wollen. Die Teamführung im Projekt geschieht regelmäßig in einem organisatorischen Rahmen, der als gestaltetes und bedingendes Umfeld (siehe Kap. I, 2.1-2.3) die Projektarbeit und das Projektmanagement beeinflusst. Deshalb werden für die erfolgreiche Projektleitung einige wichtige organisatorische Regelungen als notwendig erachtet (vgl. Kolb 2009, S. 96 ff.). Hierzu zählt für den Projektleiter eine die Gesamtverantwortung und die dazu erforderlichen korrespondierenden Weisungsbefugnisse ausweisende Arbeitsplatzbeschreibung, die - falls organisatorisch vorgesehen - vom Lenkungsausschuss zu genehmigen ist. Weiterhin sind die Meilensteine im Ablauf der Projektentwicklung und -realisierung festzulegen, womit auch die Phasen definiert sind, deren Abschluss vom Lenkungsausschuss zu billigen ist. Desgleichen ist zu bestimmen, für welche Phasen deren Beginn vom Lenkungsausschuss zu genehmigen ist. Der Projektleiter sollte in einem frühen Stadium des Projekts mitarbeiten - am besten schon in der Strukturierungsphase der Zielidee, spätestens beim Erstellen der Machbarkeitsstudie - , dies gibt ihm noch weitgehende Vorschlagsund Gestaltungschancen und fördert seine Identifikation mit dem Projekt. Dies gilt auch für die Zusammensetzung des Projektteams mit dem Zugeständnis eines Vetorechtes auch bei einem etwaigen Abzug eines Mitglieds aus dem Team.
16.5
Das Projektteam zusammenführen: Teamentwicklung
Um in einem Projektteam die Art und Weise der Zusammenarbeit zu optimieren und seine Effektivität zu fördern, gehört es zu den Aufgaben eines Projektleiters, aus den verschiedenen Individuen eine funktionierende, sich gegenseitig unterstützende Einheit zu formen, ein Klima des Vertrauens und des Zusammenhalts in der Gruppe zu schaffen und die Motivation über alle Phasen des Projektes aufrechtzuerhalten (vgl. Kolb 2009, S. 101 ff.). Teamentwicklung ist keine Einzelmaßnahme, sondern ein rollierender Prozess experimentellen Lernens. Dieser besteht und vollzieht sich in einer Folge von mehreren Workshops. Ziel eines jeden Workshops ist es, echte und konkrete Zusammenarbeitsprobleme aufzuspüren bzw. zu "erforschen" und nach Möglichkeit konkrete "Aktionen" zwischen den oder auch einzelnen Teilnehmern zu vereinbaren, welche die angesprochenen Probleme lösen und zukünftig vermeiden ("Action Research"). Ein Team durchläuft in einem Projekt vier Entwicklungsphasen. Im folgenden sind beispielhaft Verhaltensweisen von Teammitgliedern in einem Startworkshop beschrieben, welche für die Teamentwicklung dysfunktional erscheinen und den Projektleiter heraus-
Das Projektteam zusammenführen: Teamentwicklung
21 1
fordern - zum einen, indem er Ziele klären und Aufgaben verteilen, zum anderen indem er unausgesprochene Fragen, Unsicherheiten oder Konfliktpotenzial erkennen, ansprechen bzw. klärend eingreifen muss (vgl. Schulz-Wimmer 2005, S. 51 ff.). •
Orientierungsphase: Es ist kurz vor Beginn des Workshops. Die meisten Mitarbeiter sind bereits anwesend; einige sind höflich, aber distanziert, vermitteln eher eine abwartende Haltung. Manche versuchen sich in den Mittelpunkt zu spielen und sprechen an, wie sie sich die Projektarbeit vorstellen. Viele beschränken sich auf Small Talk, einige wirken, als ob sie am liebsten wieder gehen wollten. Eines haben aber alle gemeinsam, sie wollen erfahren: Worum geht es? Wer sind die anderen? Was können sie? Was bringt mir das? Soll ich mich engagieren? Der Projektleiter muss in dieser Phase die Teammitglieder einander näherbringen, damit sie sich auf den gemeinsamen Kurs begeben. Mit nachstehenden Angaben gibt er vermutlich die Informationen, an denen die Teammitglieder vorrangig interessiert sind und beantwortet ihre drängendsten Fragen: -
•
Er stellt die Agenda des Workshops vor, fordert zu einer Vorstellungsrunde auf, fragt nach Erwartungen und klärt diese. Er bittet das Team, gemeinsam vorläufige Teamregeln aufzustellen. Er betont nach unterschiedlichen Gesprächsbeiträgen die Gemeinsamkeiten, lässt ausreichend Zeit für Fragen und stellt insbesondere den ruhigeren Teilnehmern selbst Fragen.
Konfliktphase: Das Klima in der Gruppe hat eine Änderung erfahren. Es kommen erste Grundsatzdiskussionen auf, einige verteidigen schon recht heftig ihre Standpunkte, es sieht nach erster Cliquenbildung aus, andere scheinen sich zurückzuziehen, wieder andere wirken sehr angespannt. Kaum jemand spricht es aus, aber man spürt die eigentlichen Themen: Wer hat hier was zu sagen? Welches ist meine Position? Wieso der und nicht ich? Der Projektleiter muss in diese "Positionskämpfe" eingreifen und geeignete sachliche Informationen liefern: -
•
Er spricht sichtbare Konflikte oder Konfliktpotenzial an, bleibt gleichwohl neutral und räumt Zeit zur Klärung ein, bietet zudem seine Hilfe an oder zieht einen externen Moderator hinzu. Er schafft Transparenz durch klare Informationen über Ziele, Termine und Kosten und erklärt nötigenfalls Hintergründe.
Organisationsphase: Das Team macht Fortschritte. Es gibt spürbare Anzeichen eines Wir-Gefühls. Einige machen Vorschläge, Umgangsformen zu vereinbaren, andere schlagen sogar feste Regeln vor, es zeichnen sich die Zuordnung von Aufgaben und die Rollenverteilung ab.
Führung von Projektteams
212
Auch Angebote für Zieldefinitionen werden gemacht. Der Projektleiter sollte diese Entwicklung betont unterstützen. Wichtig ist dabei auch die Klärung der eigenen Rolle: •
Er klärt Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortungen. Er stimmt gemeinsame Verhaltensregeln ab bzw. bietet Strukturen und Regeln an. Stille Teammitglieder unterstützt er. Er verdeutlicht, wie seine Führungsrolle als Projektleiter sich in der Zusammenarbeit darstellt und auswirkt.
Leistungsphase: Nunmehr stimmt auch den Projektleiter frohgemut, mit den Teammitgliedern zu arbeiten. Sie kooperieren, jeder übernimmt Verantwortung, es herrscht allgemeine Zufriedenheit. Der Projektleiter will nunmehr das Team auf diesem Leistungsniveau halten: -
Er kontrolliert konsequent die Arbeitsergebnisse und -fortschritte, sorgt für regelmäßige Ermittlung des Projektstandes durch Feedback in Meetings und Statusberichten erarbeitet gemeinsam Maßnahmen zur Behebung von Planabweichungen.
16.6
Diversity-Management
In Projekten und anderen Aufgabenstellungen ist eine funktionierende Teamarbeit in Unternehmen zuweilen konfrontiert mit dem kreativen erfolgreichen Umgang mit gemischten Gruppenffeams/Gremien. Die zunehmende Komplexität von Problemstellungen bedingt immer stärker eine flexible Zusammenarbeit unterschiedlicher Qualifikationen fachlich, wie z. B. durch Expertenwissen, oder vom Rollentyp, wie z. B. Koordinator, Macher, Mitspieler, Perfektionist. Weitere Diversity-Parameter sind Alter, Geschlecht, Religion, kultureller Hintergrund sowie der soziale Status. Die demographischen Parameter nehmen direkten Einfluss auf die Ausbildung von Werten, des Charakters und im weiteren auf die Fähigkeiten und Erfahrungen des Teammitgliedes und prägen hiermit sein Verhalten. Der individuelle Input jedes Teammitgliedes wirkt zusammen mit den vom sozialen Status beeinflussten Interaktionen auf den Gruppenerfolg (vgl. Ladwig 2009, 5.392). Die Vielzahl instabiler Bedingungen verändert nachhaltig das unmittelbare Umfeld der Unternehmungen und bedingt bzw. beschleunigt tiefgreifende Wandlungsprozesse im Wettbewerbsumfeld der Organisationen. Daraus ergeben sich komplexe Problemstellungen, die zeitnah prozessorientierte Arbeitsweisen in fach- und bereichsgreifenden Teams erfordern. So gewinnt die Projektarbeit als Veränderungsverfahren weit über die traditionell projektorientierten Branchen - wie Luft- und Raumfahrtindustrie, Bauwirtschaft oder Softwareentwicklung - hinaus an Bedeutung. Im Zuge der Globalisierung sind in Zukunft weltumspannende Teamnetzwerke zu beachten, die durch elektronische Medien verbun-
Diversity-Management
213
den rund um die Uhr an konkreten Problemlösungen arbeiten oder bestimmte Serviceleistungen erbringen, wobei die Übergabe von Teilarbeitsschritten und die inhaltliche Abstimmung nur noch über E-Mail bzw. andere Kommunikationstechnologien erfolgen. Ein solches virtuelles Unternehmen erfordert im globalen Netzwerk mithin ein spezielles, Vertrauen schaffendes Team-Diversity-Management (vgl. Ladwig 2009/S. 397 f.), Die Aufgaben von diversifizierten Teams können äußerst unterschiedlich sein, desgleichen ihre Zusammensetzung. Konkrete Beispiele sind Strategiezirkel zur strategischen Unternehmensplanung, marktorientierte F&E-Teams, Neuproduktentwicklungs-Teams, Expertenbeiräte. Diversifiziertes Know-how und problemrelevante disparate Erfahrungen in einem Team können sehr vorteilhaft für die Zielsuche, die Lösung technischer Probleme und die Realisierung sein. Diversity in Bezug auf Werte kann bei schwerfälliger Kompromissbereitschaft zu zeitaufwändigen Schwierigkeiten bei der Zielsuche und Zieldefinition führen und die eigentliche Aufgabenlösung behindern und aufhalten. Zu homogene Teams andererseits mit z. B. nur dominanten Teammitgliedern oder zu vielen Denkern mindern ebenfalls den Teamoutput. Das Ansteuern gemeinsamer Ziele und die Führung eines Diversity-Teams sind situationsabhängig und muss sich nach Zusammensetzung, Aufgabenstellung und Reifegrad bzw. Entwicklungsstufe des Teams richten (siehe 13.4). Ein leistungsbetont-unterweisender Führungsstil ist geboten, wenn das Diversity-Team nur über einen geringen aufgabenbezogenen Reifegrad verfügt. Für ein Team auf reiferer Entwicklungsstufe ist ein partnerschaftlicher Führungsstil empfehlenswert. Mit zunehmender Reife kann sich die Führung mehr partizipativ ausrichten und einen coachenden Führungsstil anwenden, und in Teams in einer sehr hohen Entwicklungsstufe überlässt ein delegativ-demokratischer Führungsstil nach einer Zielklärung dem Team, eigenständig über Mittel und Vorgehensweise zu entscheiden. Ein Team ist hoch entwickelt, wenn es über eine effiziente Arbeitsorganisation verfügt und über interne Interaktionsprozesse eine gute Gruppendynamik aufgebaut hat. Um den Gruppenerfolg eines Diversity-Teams längerfristig aufzubauen, kann es notwendig sein, die Entwicklungsstufe des Teams bzw. den Reifegrad einzelner Teammitglieder zu erhöhen. Ausgangspunkt ist eine Diagnose der entwicklungsbedürftigen und -fähigen Diversity-Parameter. Daraus lässt sich ein zielgerichtetes individuelles und kollektives Personalentwicklungsprogramm ableiten; mit qualifizierten Frauen zusammenzuarbeiten muss anders trainiert werden als die Aneignung von projektnotwendigem Know-how. Bewährte Praktiken der Personalentwicklung sind sogenannte Lernpartnerschaften und "Zwillings"-Programme als Solidargemeinschaften zu bestimmten Entwicklungsthemen (vgl. Ladwig 2009/S. 396 f.).
Führung von Projektteams
214
16.7
Gespräche und Meetings in der Projektzusammenarbeit
Funktionale Projektarbeit ist auf effiziente und zufriedenstellende intensive Kommunikation angewiesen. Der Projektleiter ist in der Regel nicht mit formaler Macht ausgestattet, er muss durch das Wort überzeugen: •
Er braucht Informationen und muss die Vorstellungen, die Sichtweisen und Probleme der Fachabteilung bzw. der Projektrnitarbeiter ermitteln.
•
Führungskräfte eines Fachbereichs möchten vorn Projektleiter über geeignete organisatorische und technische Möglichkeiten beraten werden.
•
Der Projektleiter muss seinem Projektteam bzw. dem höheren Management die erreichten Schritte, den Stand des Projektes klar und verständlich vermitteln.
•
In schwierigen Situationen muss der Projektleiter die unterschiedlichen Sichtweisen im Projekttearn erkennen, ansprechen und zwischen Gruppierungen vermitteln.
Einzelgespräche mit den Teammitarbeitern und Team-Meetings sind deshalb notwendige Führungsaufgaben des Projektleiters. Die Anlässe für Gespräche mit einern Tearnrnitglied bestimmen das Gesprächsziel und die Gesprächskultur, dazu seien die folgenden Empfehlungen gegeben (vgl. Kellner 2000, S. 167 H.):
Einstiegsgespräch zum Commitment Dieses Vier-Augen-Gespräch will eine persönliche Beziehung schaffen, die Rolle und Aufgabe im Projekt darstellen sowie etwaige unterschwellige Widerstände aufspüren und in eine positive Haltung umwandeln.
Delegation und Zielvereinbarung •
Ziele: Die Vereinbarung von Zielen richtet sich auf Ergebnisse und nicht auf die Wege. Das Wie der Zielerreichung ist Sache der Fachleute.
•
Abgrenzungen: Die Aktivitäten jedes Teammitglieds im Projekt sind allen bekannt. Keiner führt eine wesentliche Tätigkeit im Vorhaben aus, die nicht vorher besprochen wurde.
•
Verantwortlichkeit: Delegation geschieht stets an Einzelpersonen oder an Teams mit einern Verantwortlichen.
•
Kompetenzurnfang: Was darf allein entschieden werden, was ist abzusprechen.
•
Bedingungen: eventuell einzuhaltende Regeln, Absprachen, Materialien.
•
Schriftliche Dokumentation: Wer macht was, bis wann, ist verantwortlich.
Gespräche und Meetings in der Projektzusammenarbeit
215
•
Kontrollen: Delegation bedingt Zwischenkontrollen, diese fördern das rechtzeitige Herangehen an die Aufgaben und decken korrigierbare Mängel auf.
•
Fehlerkorrektur: Festgestellte Fehler nie selbst beheben, nicht perfekt sein wollen, dies zeugt von neurotischer Delegationsscheu und disqualifiziert als Führungskraft.
Weitere Anlässe zu Gesprächen mit einem Teammitglied sind: (siehe Kap. 4, 15) •
Anerkennung und Bestätigung,
•
Kritik an Leistungsmängeln,
•
Kritik an persönlichem Fehlverhalten,
•
Reden mit widerständigen Mitarbeitern.
Die erforderliche Zusammenarbeit im Projektteam verlangt vorn Projektleiter vorbereitete und gut geleitet ablaufende Team-Meetings mit der Festlegung und dem Beschluss von Folgearbeiten (vgl. Kolb 2009, S. 107 ff.). In der Vorbereitung gibt neben Ort, Zeit, Dauer der Meetingleiter die Information über die
Tagesordnung und die Art der Sitzung, wie z. B. Koordination von Arbeiten, Information, Vorbereitung Meilenstein, Problemlösung, bittet um etwaige kurze Präsentationen und darum, entsprechend vorbereitet zu sein. Eingeladen wird nur, wer bei der Sitzung gebraucht wird; die Sitzungsteilnahrne ist kein Statussymbol! Außer bei reinen Informationssitzungen erweist sich eine Teilnehrnerzahl von mehr als 12 als effizienzhemmend. Periodische Routinesitzungen sind entbehrlich und nur zeitraubend. Jeder im Team kennt die Zeit- und Arbeitspläne des Projektes, Abweichungen davon werden sofort kommuniziert. Informationen über das Projekt (Arbeitsergebnisse, Entscheidungen, veränderte Rahrnenbedingungen etc.) werden allen mitgeteilt. Zu einer erforderlichen Sitzung wird zeitnah eingeladen. Der geplante Ablauf des Meetings erfordert gleichfalls Disziplin und beginnt pünktlich. Der Projektleiter präzisiert die Art der Sitzung und das Ziel. Ein praktisches Beispiel: "Ziel der heutigen Sitzung ist die Vorbereitung des wichtigen Meilensteins in 14 Tagen. Nach der jetzt abgeschlossenen Machbarkeitsstudie geht es um die Arbeiten zur Präsentation für den Meilenstein. Dem Projekt-Lenkungsausschuss gilt es die Machbarkeitsstudie in einer einstündigen Sequenz von Präsentationen vorzustellen und deren Akzeptanz zu ersuchen. Daraus ergibt sich unser Vorschlag, eine weiterführende Projektstudie und die dafür benötigten Ressourcen zu genehmigen. Die heutige Sitzung beabsichtigt, ein Konzept für die geplanten Präsentationen festzulegen!"
216
Führung von Projektteams
Die Atmosphäre einer Sitzung ist dafür entscheidend, ob sie effektiv abläuft. Der Meetingleiter muss eine Balance zwischen Straffheit und Lockerheit finden. Zu Wortmeldungen sollte ausreichend Gelegenheit sein - auch für die etwas scheuen. Eine positive, offene, unterstützende und hilfreiche Stimmung fördert das Wir-Gefühl. Man zeigt Respekt und Vertrauen zu den anderen. Gefühle wie Ärger und Zorn werden offen ausgesprochen und nicht unterdrückt. Konflikte und Probleme werden nicht "unter den Teppich gekehrt", sondern aufgedeckt und diskutiert (vgl. auch Schulz-Wimmer 2005, S. 55 f.). Vor dem geplanten Ende der Sitzungszeit wiederholt der Meetingleiter zusammenfassend die Ergebnisse und Beschlüsse, die vergebenen Arbeiten werden terminiert. Über die Zusammenfassung erstellt der Protokollant ein Ergebnisprotokoll; der Sitzungsverlauf ist darin nicht geschildert. Das Protokoll wird den Teilnehmern sofort elektronisch übermittelt, allen übrigen Teammitgliedern ist es gleichfalls zugänglich. Die Folgearbeiten betreffen aufgrund gefasster Beschlüsse vergebene Aufträge. Diese Aufträge müssen terminlieh verfolgt werden; bewährt hat sich, hierfür das informell anerkannte Gruppenmitglied zu bestimmen, das auch Teammitglieder bei der Erfüllung der Aufträge kompetent unterstützen und beraten kann. Wer je in Projektteams gearbeitet hat, weiß, dass diese Forderungen kaum einmal alle erfüllt sind. Das macht sie aber nicht überflüssig. Sie stellen eine Checkliste dar, die man immer wieder einmal heranzieht, um kritisch über die Arbeit in der Gruppe nachzudenken und nötige Änderungen anzustreben.
17
Führung des Chefs Führung von unten
Eine umfassende praktikable Definition von Führung in Organisationen beschreibt diese als das eigene sozial akzeptierte Verhalten, mit dem andere so beeinflusst werden, dass bei den Beeinflussten mittelbar oder unmittelbar ein intendiertes Verhalten bewirkt wird (vgl. z. B. Weibler 2001, S.29) . Die Vorstellungen gehen hierbei vielfach davon aus, dass dies durch eine hierarchisch höhergestellte Person geschieht, die in einern bestimmten Kontext Einfluss auf rangniedrigere individuelle oder kollektive Akteure nimmt und ihr Handeln konditioniert, anleitet oder coacht. Ein Blick auf die Führungswirklichkeit zeigt jedoch, dass die Einflussnahme zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter prinzipiell wechselseitig geschieht. Dies will die gewählte Definition der Führung ausdrücken, indern sie von der Einflussrichtung unabhängig sowohl die Beziehung von Führungskräften zu ihren unterstellten Mitarbeitern erfasst wie auch die ,,laterale Führung" unter Gleichgestellten sowie die "Führung von unten" (vgl. Neuberger 2002, S. 47, siehe auch Kap . 1, 1.6). Ein geläufiges Beispiel für die Bedeutung des Einflusses "von unten" ist die Beziehung zwischen Chef und Sekretärin. Sie verfügt oft über ein erhebliches Einflusspotenzial. obschon sie hierarchisch und statusmäßig eigentlich dem Vorgesetzten nachgeordnet ist. Durch die Art und Weise, wie sie Informationen sammelt und selektiert, organisiert und koordiniert, als "Schnittstelle" nach außen und als Informationsstation für interne Mitarbeiter fungiert, gewinnt sie erheblichen Einfluss und avanciert sozusagen zur "grauen Eminenz" oder zum "guten Geist" (vgl. Wunderer 2009, S. 254).
17.1
Merkmale und Besonderheiten der Führung von unten
Aus einer systemtheoretischen Managementperspektive erbringt jeder Akteur Führungsleistungen in einern selbstorganisierenden System. Management erweist sich mithin als eine "Eigenschaft des Systems" und findet permanent im gesamten System statt, jeder ist zumindest potenziell Gestalter bzw. Manager. Daraus wird gefolgert, dass dynamische, entwicklungsfähige Systeme deshalb mit variablen Interaktionsspielräumen ausgestattet sein müssen. Dies erweist sich in der fachlich anspruchsvollen Projektarbeit und bei hochqualifizierten Arbeitsgruppen als unumgänglich, wodurch Mitarbeiter - auch bei verhältnismäßig starkem hierarchischem Gefälle - dank hoher Fachkompetenz einen erheblichen Einfluss auf die Projektführung bzw. den formellen Führer der Gruppe gewinnen. In der Wahl eines Führungsstils taucht die Führung von unten als konzeptioneller Be-
standteil auf bei der stark wechselseitig ausgeprägten partnerschaftlichen Führung sowie zugleich lateraler Kooperation beim demokratischen Führungsstil (siehe Kap . 4, 13.5). Kennzeichnend für beide vorgenannte Führungsstile ist, dass etwaige Konflikte nicht durch eine K. F. Withauer, Führungskompetenz und Karriere, DOI 10.1007/978-3-8349-6580-6_18, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
218
Führung des Chefs - Führung von unten
direkte hierarchische Weisung lösbar sind und deshalb langfristig eine erfolgreiche Zusammenarbeit wesentlich über wechselseitige Abstimmung und Konsens erreichbar ist. 1m Einklang mit der gewählten Definition der Führung, welche das Phänomen unabhängig von der Einflussrichtung erfasst, sei eingegrenzt (Wunderer 2009, S. 254) "Führung von unten" bzw. synonym "Führung des Chefs" ist die wert-, zielund ergebnisorientierte, wechselseitige und aktivierende soziale Einflussnahme auf Personen einer höheren Hierarchiestufe zur Erfüllung gemeinsamer Aufgaben. Anders als bei der Mikropolitik (siehe Kap. 6, 19) ist die Führung des Chefs oder die laterale Führung zwischen Kollegen nicht (nur) eigennützig motiviert, sondern vorrangig auf die Erfüllung gemeinsamer Aufgaben gerichtet.
17.2
Zunehmende praktische Bedeutung der Führung nach oben
Die führungsmäßige Zusammenarbeit in Organisationen zeigt, dass auch eine Führung "nach oben" eine tägliche Realität ist, dass auch die Führenden geführt werden und sich führen lassen müssen, auch wenn sie das nicht wollen oder es ihnen gar nicht auffällt. Gleichwohl zeigen sich heute Tendenzen, welche die Bedeutung der Führung von unten mehr denn je herausheben. Dafür lassen sich folgende Einflussfaktoren nennen (vgl. Wunderer 2009, S. 256 f.): •
Qualifikationswandel der Mitarbeiter: Die gestiegene Qualifikation der Mitarbeiter, verbunden mit höherer Arbeitsteiligkeit in Teams, führt zur" Vermehrung" von "Professionals", denen der direkte Vorgesetzte fachlich häufig nicht mehr überlegen sein kann. Als Spezialisten können sie nun wirksam auf der Aufgabenebene Einfluss nehmen. Die Chefs übernehmen dann zunehmend Projektleiterrollen. Im weiteren Verlauf gewinnt die "Impresario-Rolle" an Bedeutung, in der die Führungskraft v. a. für die Gestaltung optimaler Arbeitsbedingungen ihrer Mitarbeiter zuständig ist. Diese Entwicklung kann auch mit dem Subsidiaritätsund dem Substitutionsprinzip der Führung in Verbindung gebracht werden: Einerseits besteht Subsidiarität der Führung von oben durch die Selbstorganisation der zugeordneten Mitarbeiter, andererseits erfolgt eine zunehmende Substitution interaktiver durch rahmensetzende strukturelle Führung, insbesondere über die Gestaltung der Führungs-/Kooperationskultur und -Organisation. Die skizzierten Tendenzen geben Führungskräften und Mitarbeitern vermehrt Gelegenheit, mit vereinten Kräften an der Entwicklung und Umsetzung von Innovationen zu arbeiten. Die Rollenverteilung kann sich dabei - vereinfacht ausgedrückt - wie folgt gestalten: Der Mitarbeiter liefert in der Rolle des Fachpromotors die zentralen inhaltlichen Inputs, während der Vorgesetzte mit Hilfe seiner Positionsmacht (Machtpromo-
Zunehmende praktische Bedeutung der Führung nach oben
219
tor) und/oder seines Beziehungsnetzwerks (Beziehungspromotor) v. a. die Realisierung der Ideen vorantreibt. Führungskraft und Mitarbeiter können somit also effektive Promotorengespanne bilden. •
Wandel im Organisationsverständnis: Das sich wandelnde Organisationsverständnis geht in die gleiche Richtung: die Dezentralisierung der Führungsorganisation, die Reduzierung von Führungsebenen, die Möglichkeit von Mitarbeitern, zu "eskalieren", also nächsthöhere Ebenen bei wichtigen, aber umstrittenen Entscheiden in Anspruch zu nehmen sowie die Delegation von Verantwortung sind hier nur einige Schlagworte zum .Empotoermeni" der Mitarbeiter durch führungsorganisatorische Konzepte.
•
Technologischer Wandel: Der technologische Wandel erleichtert den direkten und schnellen Zugriff der Mitarbeiter zu zahlreichen Informationen (z. B. E-Mail, Inter- und Intranet etc.) und verstärkt so die Unabhängigkeit des Mitarbeiters.
•
Wertewandel: Der Wertewandel hat auch zu einem Bedeutungsverlust formaler Autorität im Führungsprozess in allen Organisationen (Unternehmen, Militär, Ausbildungsinstitutionen) geführt. Entsprechende Sozialverfassungen (insbesondere Unternehmens- und Führungsgrundsätze) wollen den Einfluss von Mitarbeitern über konsultative, kooperative bzw. delegativ-autonome Führungskonzepte erhöhen. Dabei erhalten im Führungsprozess Werte wie Unabhängigkeit, Gleichberechtigung oder Überzeugungsjähigkeit wachsendes Gewicht. Dagegen nimmt die Bedeutung von Gehorsam, formaler Autorität und Unterordnung ab.
•
Wandel im Führungsverständnis: Die skizzierten Einflussfaktoren haben auch eine Änderung im Selbstverständnis der Führungsfunktion bewirkt. Im Vordergrund stehen nun die strategische Einflussnahme, die Sicherung einer fördernden Arbeitssituation über strukturelle Führung sowie die Anregung zu erhöhter Eigenverantwortung und stärker ergebnisorientierter Führung.
Die fünf Einflussfaktoren wirken in die gleiche Richtung. Sie reduzieren, modifizieren oder substituieren insbesondere die formale Autoritätsgrundlage und Macht der direkten Vorgesetzten im Führungsprozess und erweitern den Einflussbereich der Mitarbeiter. Eine an gemeinsamen Zielen orientierte Einflussnahme der Mitarbeiter auf ihre Vorgesetzten leistet unter den heutigen Bedingungen einen entscheidenden, unverzichtbaren Beitrag zum Unternehmenserfolg. Sie ist zugleich eine wesentliche Voraussetzung für mitunternehmerisches Denken und Handeln der Mitarbeiter und dient damit der Förderung internen Unternehmertums.
220
17.3
Führung des Chefs - Führung von unten
Einflussdimensionen und Strategieansatz der Führung von unten
Die Führung von unten kann einerseits von oben" gewollt und durch systemisch-strukturelle Gestaltung initiiert sein, Vorgesetzte räumen den Mitarbeitern Einflusskompetenzen ein und akzeptieren diese interaktiv. Zum anderen können die Mitarbeiter von sichaus initiativ werden. 1/
Bei der vorgesetzteninitiierten Führung von unten steuert der Vorgesetzte etwa durch einen konsultativen Führungsstil und noch stärker bei kooperativer und delegativer Führung die Einflussnahme des Mitarbeiters (siehe den Ansatz von Tannenbaum/Schmidt, siehe Kap. 4, 13.2). Sie kann strukturell über Funktionen und Programme des Personalmanagements gefördert werden; hierzu zählen Personalentwicklung. Führungsschulung, Qualitäts- und Kreativitätszirkel sowie Führungsgrundsätze und Führungskultur. Die mitarbeiterinitiierte Führung von unten wird vor allem durch die Mitarbeiter veranlasst. Mitarbeiter initiieren und gestalten Einfluss, was vor allem interaktiv geschieht und partnerschaftlich gelebt wird. Neben die partizipative Dimension (I/Machtgestaltungl/) tritt als zwischenmenschliche Komponente von Einflussformen zwischen Führungskraft und Mitarbeitern die prosoziale Dimension (I/Beziehungsgestaltungl/). Aufgrund der fehlenden formalen Macht bietet in der Führung von unten der Einfluss vor allem durch Freundlichkeit über die Beziehungsebene die besseren Erfolgschancen. Über Befragungen gewonnene Analysen konnten in der Praxis folgende sieben Einflussstrategien - gegebenenfalls in Kombination - gegenüber dem Chef und Kollegen aufspüren (vgl. Weibler 2001, S. 70): •
Rationales Überzeugen bzw. sachliches Argumentieren (sachbetonte Diskussion, vorbereitete Schriftstücke mit Zahlen, Schaubildern etc.)
•
Besondere Freundlichkeit, unterstützendes oder einschmeichelndes Verhalten
•
Bestimmtheit, Druck machen, hartnäckige und konsequente Zielverfolgung
•
Aushandeln, Verweis auf geltende Werte/Normen oder bisherige Praktiken
•
Konsultation des Vorgesetzten, Einbinden durch Bitte um Rat
•
Koalitionsbildung mit Gleichgesinnten
•
Höhere bzw. übergeordnete Instanzen einschalten
Die in den USA und der Schweiz durchgeführten Befragungen zeigen, dass Mitarbeiter v. a. über die zwei erstgenannten Strategien (rationale Begründung, Freundlichkeit) sowie über Koalitionsbildung versuchen, ihre Vorgesetzten in ihrem Sinne zu beeinflussen, gegenüber Kollegen werden oft übergeordnete Instanzen eingeschaltet; die Dimension Bestimmtheit ist dagegen bei den Vorgesetzten populärer (vgl. Wunderer 2009, S. 258 ff.). Die Einflussnahme von unten geschieht in der Praxis oftmals nicht nur im Verhältnis zu einem
Interaktive Ansätze und Handlungsempfehlungen zur Führungvon unten
221
Geführten, vielfach wirken Beziehungsnetzwerke mit Absprachen von Mitarbeitern untereinander (vgI. Weibler, ebd.), wodurch sich Einflussmöglichkeiten nach oben konzentrieren bzw. verstärken.
17.4
Interaktive Ansätze und Handlungsempfehlungen zur Führung von unten
Initiativen von Mitarbeitern zur Führung von unten sind sicherlich nur dann passend und erfolgreich, wenn eine Personal- und Führungspolitik ihren förderlichen Beitrag dazu leistet. Partnerschaft kennzeichnet eine interaktive Ausrichtung des Handelns auf Akzeptanz, Toleranz, Loyalität, Vertrauen. Sie ist grundlegend für hohe Motivation und überdurchschnittliches Engagement. Gleichwohl stellt sich die Frage nach der praktischen Ausrichtung einer intendierten Führung von unten. a) Motivfokussierte Ausrichtung des Verhaltens Die motivfokussierte Einflussabsicht auf einen Anderen knüpft an seine Motive als Beweggründe seines Verhaltens an. Je besser die Beweggründe erkannt werden, umso besser kann man das Verhalten einschätzen, sich darauf einstellen und konstruktive Vorschläge und Lösungen finden. So kann man vor Fehlinterpretationen des Verhaltens weitgehend schützen und manche Auseinandersetzungen und Kämpfe lassen sich vermeiden. Die Frage nach den Motiven z. B. des Chefs als Bezugsperson für die Führung von unten lässt sich mittels einer Motivanalyse angehen (siehe hierzu Kap. 2, 4.2). In der Regel wird man nicht die Zeit haben, in einem Gespräch die Motivlage zu analysieren. Die Verhaltensbeobachtung und die Analyse der Verhaltensergebnisse scheinen praktisch die einzig gangbaren Wege zu sein. Dabei sollte beachtet werden, ob das betrachtete Verhalten tatsächlich immer auf eine bestimmte Art und Weise geschieht. Eine erste allgemeine Analyse können die folgenden Fragen liefern (vgI. Drühe-Wienholt 2006, S. 24): •
Wer ist Ihr Chef? Welche Qualifikationen und Kompetenzen besitzt er (sie)? Wo vermuten Sie seine (ihre) Potenziale?
•
Was macht er gern?
222
Führung des Chefs - Führung von unten
•
Was befürwortet er? Was sind seine Lieblingsthemen?
•
Wie kommuniziert er?
•
Was ist sein Arbeitsstil?
•
Was lehnt er ab?
•
Was verärgert ihn? Wie können Sie ihn verärgern?
Nach diesem ersten Bild von der Führungsperson bzw. vom Chef geht es um die fallbezogene Motivbetroffenheit. Unser Verhalten wird von unseren Bedürfnissen und unseren Erwartungen an andere bestimmt, diese Bedürfnisse zu erfüllen. Außerdem spielen unsere Ängste, Wut und Aggressionen eine Rolle für unser Verhalten - auch wenn es sich hierbei eher um Tabuthemen handelt. Wenn man weiß, welche Bedürfnisse der Chef hat, was ihn ängstigt und was ihn verärgert, kann man ihn noch besser verstehen und sein Verhalten richtig einschätzen. Außer der Bedürfnisanalyse des Chefs ist zudem erforderlich, die eigenen Bedürfnisse und Erwartungen an den Vorgesetzten kennenzulernen und zu fragen, was ihn fürchtet oder verärgert. Als zweiter Schritt gilt es, sein Verhalten - aus der eigenen Perspektive - zu analysieren. Als dritten Schritt finden Sie heraus, wie Sie die zukünftige Beziehung zu Ihrern Chef konstruktiver gestalten und illre Vorhaben und Ideen mit weniger Reibungsverlusten einbringen können. Ziel ist es, dass die Verhaltensweisen des Chefs besser eingeschätzt und verstanden werden, was nicht bedeutet, sich fortan zu verstellen und nur alles recht zu machen. Das folgende Fallbeispiel, das keinen Einzelfall beschreibt, sondern eher recht typisch das Arbeitsverhältnis zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter charakterisiert, illustriert das Vorgehen (entnommen aus Drühe-Wienholt 2006, S. 25-29):
"Stellen Sie sichfolgende Situationvor: Ihr Chefist Abteilungsleiter, sehrviel beschäftigt, immer in Eile und jagt von einem Termin zur nächsten Besprechung. Zwischen Tür und Angel gibt er Ihnen knappe Anweisungen zu Projekten. Sie wissen dann schon, was Sie tun sollen. Ihm ist es wichtig,
Interaktive Ansätze und Handlungsempfehlungen zur Führung von unten
223
dass Siediese Aufgaben so schnell wiemöglich erledigen. Da Sieschon längere Zeit mit Ihrem Chef zusammen arbeiten, kennen Sie seinen Arbeitsstil. Sie schätzen Ihren Chefeigentlich auch und arbeiten gerne für ihn, deshalb versuchen Sie, sich so gut wie möglich auf ihn einzustellen. Seine Anweisungen erfüllen Sie sehr genau, strukturiert und schnell. Es verärgert Sie allerdings immer wieder, dass er Sienichtüber kurzfristige Veränderungen auf dem Laufenden hältund SieArbeiten deshalb "für die Tonne" machen. Außerdem delegiert erzu viele Aufgaben und verliert siedann aus den Augen. Ihrem Ärger machen Siemanchmal Luft: entweder indem Sieein langes Gesicht ziehen, wenn er Ihnen wieder einen Auftragaufs Auge drückt, der am besten bisgestern erledigt werden muss und Ihre gesamte Planung über den Haufen wirft, oder indem Siezynische Bemerkungen von sich geben. IhrChefkann beides zwargarnichtleiden, aber das ist Ihnen dann auch egal. Außerdem würden Sie sich freuen, wenn er Sie von Zeit zu Zeit mal dafür lobt, dass er sich immer auf Sie verlassen kann - und dass Sieihmzutragen, was in der Abteilung so los ist und wieesden anderen Mitarbeitern geht. " Aus der Sicht des Mitarbeiters zeigt sich folgende Perspektive:
I
So handeln Sie:
- Sie erfüllen die Anweisungen Ihres Chefs exakt, strukturiert und zügig - Sie stellen sich auf ihn ein. - Sie machen zuweilen ein langes Gesicht - Sie sagen ihm, was Sie ärgert - Sie geben manchmal zynische Bemerkungen von sich
Ihre Perspektive Ihre Bedürfnisse
Siebrauchen von ihm: Anerkennung, Lob, Loyalität, Freundlichkeit
Sieärgert an ihm: Er gibt wichtige Informationen nicht weiter, delegiert zu viel
So werden Sie behandelt
I
- Er gibt knappe, präzise Anweisungen - Er will Aufgaben so schnell wie möglich erledigthaben - Er informiert sich nicht über Veränderungen
Siefürchten: Sie werden seinen Ansprüchen nicht gerecht
Um was "kämpfen" Sie bei Ihrem Chef: Dass er Sie auch in stressigen Situationen einbezieht; dass er Ihr Engagement nicht immer für selbstverständlich hält. In der nächsten Abbildung wird die Perspektive des Chefs für sein eigenes Verhalten ein-
genommen, wie er Sie und sich sieht und welche Bedürfnisse er von Ihnen als sein Mitarbeiter erfüllt sehen möchte:
224
I
So handeln Sie:
Führung des Chefs - Führung von unten
Die Perspektive des Chefs
Bedürfnisse des Chefs
- Sie führen Ihre Aufgaben Er braucht von Ihnen sehr selbständig aus Zuverlässigkeit, Mitdenken. - Sie arbeiten sehr exakt Hartnäckigkeit, - Sie müssen genau gesagt Stimmungsbarometer bekommen, welche Aufgaben höchste Priorität Ihn ärgert an Ihnen: haben - Sie reagieren oft zu emoDass Sie manchrnallautional nisch sind und laut werden - Sie sind zuweilen beleiErfürchtet: digt - Sie können Kritik nicht Ihre Offenheit, dass Sie ihn gut vertragen im Stich lassen
So handelt Ihr Chef
I
- Er gibt knappe, präzise Anweisungen - Er ist immer unter Zeitdruck - Er achtet auf Effizienz - Er muss viele Aufgaben bewältigen - Er trägt sehr viel Verantwortung - Er kann gut delegieren - Er muss immer informiert sein
Um was "kämpft" der Chef: für mehr Sachlichkeit und Effizienz. In diesen Aspekten sieht der Chef seine Bedürfnisse noch nicht so ausreichend befriedigt, wie das seinen Vorstellungen von einer guten Arbeitsbeziehung entspricht. Wenn Sie sich die Zeit nehmen und die Beziehung zwischen TImen und Ihrem Chef (im Anschluss an das Fallbeispiel) mit Hilfe dieser Fragen analysieren, werden Sie vermutlich überrascht sein, wie gut Sie Ihren Chef kennen und wie treffsicher Sie ihn oder sich einschätzen können. Wie Sie in den beiden vorangegangenen Abbildungen sehen konnten, haben sowohl Sie als auch Du Chef Bedürfnisse, die der andere jeweils nur teilweise erfüllt und für deren Befriedigung Sie beide kämpfen. Jeder von TImen ärgert sich bisweilen über das Verhalten des anderen, das heißt nicht nur, Sie regen sich über Ihren Chef auf, sondern sicherlich wissen auch Sie ganz genau, wie Sie ihn zur Weißglut bringen können. Außerdem haben Sie beide Befürchtungen und Ängste vor bestimmten Verhaltensweisen des anderen. Insgesamt befindet sich die Arbeitsbeziehung zwischen Ihnen und Ihrem Chef in einern Ungleichgewicht: nicht in hierarchischer Sicht, sondern in Bezug auf Ihre Bedürfnisse und Ihre Zufriedenheit mit dieser Beziehung. Wie könnte man nun in dieser Beziehung eine Balance herstellen? Da Sie dieses Buch lesen und sich mit dieser Frage auseinandersetzen und Du Chef vermutlich andere Dinge tut, muss es TImen überlassen werden, diese Balance herbeizuführen. Die nachstehende Abbildung zeigt den Weg auf:
Interaktive Ansätze und Handlungsempfehlungen zur Führungvon unten
225
Die neue Beziehung in Balance
I
So handeln Sie:
Bedürfnisse
So handelt Ihr Chef
- Sie führen Aufgaben sehr selbständig aus - Sie arbeiten sehr exakt. - Sie reagieren zukünftig diplomatischer: erst denken, dann reden. - Sie reagieren nicht mehr laut und emotional. - Sie entspannen sich und sorgen so dafür, ihre Frustration zu dämpfen
Siegeben ihm, was erbraucht
- Er gibt knappe, präzise Anweisungen - Er muss viele Aufgaben bewältigen - Er muss immer informiert sein
Sieakzeptieren ihn Sieunterlassen, was ihn ängstigt
I
Sie erfüllen ThreWünsche, ohne gegen den Chef zu sein. Der Mitarbeiter erkennt die Wünsche des Chefs und unterstützt diese . Wie die vorstehende Abbildung verdeutlicht, hat der Mitarbeiter sein Verhalten verändert, nämlich indem er das Verhalten, das seinen Chef verärgert, korrigiert, also nicht mehr launisch reagiert und laut wird. Das heißt nicht, dass er nie mehr laut wird, sondern nur deutlich seltener. Und wenn er sich zukünftig über seinen Chef aufregt, weiß er dennoch, dass er ihn nicht unbedingt bewusst verärgern will. Zum anderen wählt er Verhaltensalternativen, die frustmindernd wirken und zu mehr Gelassenheit führen. Betont sei nochmals, dass es hierbei nicht um "alles recht machen" geht und allein die Wünsche und Bedürfnisse des Vorgesetzten maßgeblich sind. Das Ziel ist vielmehr ein ausgeglichenes Verhältnis für beide Beteiligte in Bezug auf ihre Wünsche und Erwartungen. Für den Mitarbeiter heißt dies, die Verhaltensweisen zu dezimieren, welche den Chef ärgern und ängstigen. Die für das vorstehend behandelte Beispiel gefertigten Abbildungen können als Arbeitsvorlagen dienen, wenn es um eine andere Analyse der Beziehung Mitarbeiter-Chef aus den Perspektiven des Mitarbeiters, des Chefs sowie für die zukünftige Beziehung in Balance geht.
b) Anknüpfung an persönlichkeitsstilgeprägte Verhaltenspräferenzen Eine weitere Möglichkeit der interaktiven Führung von unten eröffnet die Nutzung von Erkenntnissen aus der Persönlichkeitsforschung. Die Unterscheidung von Persönlichkeitstypen beschreibt, dass Menschen unterschiedliche Verhaltenspräferenzen besitzen, die sie deshalb praktizieren, weil ihnen die präferierte Verhaltensdimension leichter fällt, weniger Aufmerksamkeit und Anstrengung verlangt und mit gleichbleibender Qualität gelingt. Die gegensätzliche Ausprägung mag durchaus ebenfalls glücken, weil sie mühevoll gelernt wurde, gleichwohl entspricht sie nicht den persönlichen Vorlieben.
226
Führung des Chefs - Führung von unten
Das DISG-Persönlichkeitsmodell ist ein Vier-Komponenten-Modell, das aus der Kombination der dimensionalen Persönlichkeitsorientierungen vier Quadranten bzw. Grundtypen der Persönlichkeit ableitet, die zugleich grundlegende Verhaltensstile definieren (siehe Kap. 4, 13.2 b: Abbildung 13.2). Durch die auf unterschiedliche Weise eingesetzten Sinne und Verstandeskräfte ergeben sich neigungs- und erfahrungsgeprägte Verhaltenspräferenzen. Wenn sich ein Mensch meist in seiner ihm eigenen Weise verhält, dann tut er das, weil dies für ihn typisch ist. Wenn dieses Verhalten aus anderer Sicht ärgerlich, verfehlt oder störend erscheint, entspricht dies keineswegs solcher Absicht. Es ist vielmehr Ausdruck einer unbewussten oder oft sogar bewussten Eigenheit dieses Menschen. Im Übrigen können verschiedene Ausprägungen einer Präferenz zu gleich guten Ergebnissen führen. Die Anknüpfung an persönlichkeitsstilgeprägte Verhaltenspräferenzen für eine Führung von unten geht davon aus, dass ein Mitarbeiter seine Anliegen und Ziele leichter umsetzen kann, wenn er sich auf die typischen Vorlieben seines Chefs einzustellen vermag. Wenn er seine Ideen an seinen Chef herantragen möchten, dann muss er in der Kommunikation seine Vorlieben berücksichtigen. Dem Mitarbeiter wird das leicht fallen, wenn er ähnliche Präferenzen hat wie sein Chef. Dann läuft in der Interaktion meist automatisch alles richtig. Wahrscheinlicher und schwieriger ist der Fall, wenn Mitarbeiter und Chef entgegengesetzte Vorlieben in Bezug auf ihren Kommunikationsstil haben. In solcher Führung nach oben bedarf es hierzu geeigneter Strategien. Wichtig ist dabei, dass der Mitarbeiter seine Vorlieben nicht aufgeben und sich seinem Vorgesetzten vollkommen anpassen, sondern dass er ihm auf vertrautem Terrain begegnen und seine Sprache sprechen sollte. Zur Typisierung von Verhaltenspräferenzen soll hier das analog auf dem DISG-Persönlichkeitsmodell aufbauende Modell des Myers-Briggs Typenindikators MBT! zugrunde gelegt werden (vgl. Bents/Blank 1992). Die Polarität "extrovertiert" +-+ "introvertiert" wird im MBT! unterteilt in die Aspekte bzw.
Dimensionen
AusprägungderPräferenzen
1. Wohin richten Sie Ihre Aufmerksamkeit?
auf die Umwelt, Mitmenschen, Beziehungen
auf die Innenwelt, Nachdenken, eigene Ideen
2. Wie nehmen Sie Informationen auf?
mit allen Sinnen, detailbezogen, rational
intuitiv, holistisch, irrational
Die Polarität "aufgabenorientiert" Aspekte bzw.
Dimensionen
+-+
"menschenorientiert" wird im MBT! unterteilt in die
AusprägungderPräferenzen
3. Wie treffen Sie Entscheidungen?
logisch, sachverständig, gerecht, objektiv
einfühlsam, empathisch, harmoniebetont, subjektiv
4. Wie organisieren Sie ihre Umwelt?
planvoll, organisierend kontrollierend
flexibel, spontan, freibleibend, regellos
Interaktive Ansätze und Handlungsempfehlungen zur Führungvon unten
227
Für den Umgang mit persönlichen Präferenzen ist es wichtig zu bedenken, dass es sich hier um Beschreibungen handelt, nicht um Bewertungen. Keine Präferenz ist besser oder schlechter als die andere. Analysieren Sie Ihre Abteilung und vor allem Ihren Chef. Wer hat welchen Entscheidungsstil? Wer hat welchen Wahrnehmungsstil? Was passiert, wenn verschiedene "Typen" aufeinander treffen? Hinterfragen Sie jede Entscheidung vor dem Hintergrund des MyersBriggs Typenindikators. Bisher unverständliche Verhaltensweisen Thres Chefs oder Ihrer Kollegen werden so für Sie transparent, nachvollziehbar und für die Zukunft in einem gewissen Rahmen steuerbar. Welche Empfehlungen gelten nun, wie man sich als Mitarbeiter auf bestimmte Verhaltenspräferenzen einstellen kann:
a) Wenn Ihr Chef seine Aufmerksamkeit nach außen richtet lX
Bei s pie 1:
Ihr Chef redet gerne und viel. Themen, die ihn beschäftigen, möchte er mit Ihnen diskutieren. Sie wissen aus Erfahrung, dass Besprechungen mit ihm zeitlichleicht aus dem Ruder laufen. •
Diskutieren Sie Themen, bei denen Ihr Chef sich gut auskennt oder die er mag.
•
Geben Sie unmittelbar Feedback und verbale Anerkennung.
•
Zeigen Sie offenes Interesse und Begeisterung durch Ihre Körpersprache: lehnen Sie sich nach vorne, nicken und lächeln Sie, halten Sie Augenkontakt.
•
Zeigen Sie, dass Sie bereit sind, sich heiklen Themen und kritischen Diskussionen zu stellen.
•
Nicht alle seine Sätze sind bereits ausformuliert, manches ist nur laut gedacht.
b) Wenn Ihr Chef seine Aufmerksamkeit nach innen richtet lX
Bei s p i el:
Ihr Chefist kein Freund der vielen Worte. Er sagt Ihnen kurz und knapp, was er von Ihnen erwartet. Manchmal fällt es Ihnen auch schwer nachzuvollziehen, wie er gerade auf bestimmte Ideen kommt, weil er Ihnen dengrößeren Zusammenhang seiner Gedanken nicht dargestellt hat. •
Praktizieren Sie aktives Zuhören.
•
Denken Sie nach, bevor Sie reden oder lassen Sie Ihren Chef wissen, dass Sie gerade laut denken.
•
Sprechen Sie langsam und ruhig. Machen Sie Pausen und warten Sie auf eine Antwort oder Reaktion.
•
Erwarten Sie keine sofortige Antwort oder Entscheidung.
228
Führung des Chefs - Führung von unten
•
Bleiben Sie bei einem Thema und konzentrieren Sie sich auf dieses. Für ein weiteres Thema gibt es einen neuen Termin.
•
Fassen Sie am Ende des Gespräches das Gesagte zusammen und besprechen Sie mit Ihrem Chef Ihre abschließenden Gedanken und Ihr weiteres Vorgehen.
c) Wenn Ihr Chef eine Vorliebe für Wahrnehmung mit allen Sinnen hat
);( Beispiel: Ihr Chefist ein Freund von Zahlen, Daten und Fakten. Informationen möchte er gerne als Tabellen oder Auflistungen aufbereitet haben. Er will auf einen Blick sehen, was Sache ist und was die Faktenfür diePraxis bedeuten. •
Denken Sie praktisch und überlegen Sie, wie man die Dinge umsetzen kann.
•
Bereiten Sie konkrete Beispiele vor, die belegen, dass Ihre Ideen funktionieren.
•
Stellen Sie Informationen nacheinander vor, springen Sie nicht themenmäßig.
•
Hören Sie den Fakten genau zu und verbinden Sie neue Ideen mit bereits funktionierenden, eingespielten Prozessen.
•
Bedenken Sie, dass Ihr Chef nicht unbedingt immer Veränderungen sucht.
•
Vermeiden Sie den Gebrauch von Metaphern, Analogien und anderen Formen abstrakter Kommunikation. Verwenden Sie stattdessen Worte und Bilder aus dem Alltagsleben.
d) Wenn Ihr Chef eine Vorliebe für intuitive Wahrnehmung hat
);( Beispiel: Ihr Chefist ein Freund von Visionen und Perspektiven. DasAlltagsgeschäft interessiert ihn nur am Rande. Hauptsache es läuft. Im Gespräch sucht er Sie als Sparrings-Partner, um sich mit Ihnen über seine Ideen auszutauschen. Diese Gespräche ufem bisweilen aus und am Ende wissen Sie manchmal garnicht mehr, wie Sie überhaupt auf diese Themen gekommen sind. •
Verzetteln Sie sich nicht in Fakten und Details. Denken Sie an Möglichkeiten, mögen sie auch auf den ersten Blick an den Haaren herbei gezogen sein.
•
Geben Sie einen Überblick, betrachten Sie ein Thema aus der Vogelperspektive.
•
Einigen Sie sich auf die wichtigsten Punkte, fügen Sie notwendigenfalls einzelne Details hinzu.
•
Zeigen Sie zukünftige Möglichkeiten Ihrer Ideen auf. Konzentrieren Sie sich auf langfristige Perspektiven.
•
Lassen Sie Ihren Chef seine Ideen, Visionen und Träume einbringen.
•
Machen Sie einen Realitätscheck, ohne die Ideen Ihres Chefs abzuwerten.
Interaktive Ansätze und Handlungsempfehlungen zur Führung von unten
229
e) Wenn Ihr Chef das Logische und Sachverständige bevorzugt l:t
Bei s pie I:
Ihr Chefist hart, aber fair. Er trifft Entscheidungen um der Sache willen und weil es ums Prinzip geht. Wann er Sie das letzte Mal gelobt hat, wissen Sie nicht mehrgenau. Er schätzt Sachlichkeit, Klarheit und dass die Dingeauf den Punkt gebracht werden. •
Seien Sie objektiv und stellen Sie Ihre Kompetenz unter Beweis.
•
Betrachten Sie Themen aus einer Distanz und reden Sie logisch und objektiv.
•
Diskutieren Sie schlüssig, vernünftig, klar und präzise. Vermeiden Sie zu leidenschaftliche und emotionale Beiträge bei Diskussionen.
•
Zeigen Sie Ursache-Wirkungs-Ketten und Vor- und Nachteile von Themen, Frage- oder Problemstellungen auf.
•
Konzentrieren Sie sich gleichermaßen auf Aufgaben und Ziele wie auf die involvierten Personen.
•
Akzeptieren Sie kritisches Feedback, ohne es persönlich zu nehmen. Geben Sie selbst offenes und ehrlich gemeintes Feedback und positive Rückmeldungen.
f) Wenn Ihr Chef eine Vorliebe für Harmonie und Empathie hat l:t
Bei s pie I:
Ihr Chefhat immerein offenes Ohrfür die Sorgen seiner Mitarbeiter. Siewissen, dass Sie, wenn Sie der Schuhdrückt, zu ihm gehen und mit seinem Verständnis rechnen können. Er kümmert sichsehr darum, dass das Betriebsklima in Ihrer Abteilung stimmt. So gibt es beispielsweise regelmäßig gemeinsame Abendveranstaltungen und derBetriebsausflug ist auchnoch nieausgefallen. •
Nehmen Sie sich Zeit, eine positive Beziehung zu Ihrern Chef aufzubauen. Finden Sie heraus, was ihm wichtig ist.
•
Denken Sie an sein Bedürfnis nach Harmonie und eine positive Atmosphäre.
•
Suchen Sie zuerst Verbindendes und Themen, bei denen er Ihnen voll und ganz zustimmt, fordern Sie ihn erst später heraus.
•
Vermeiden Sie Kritik und Bewertungen. Seien Sie freundlich und umgänglich, bieten Sie Ermutigung und Unterstützung an.
•
Berücksichtigen Sie persönliche Bedürfnisse als Entscheidungskriterien, zeigen Sie die Auswirkungen von Entscheidungen auf betroffene Menschen.
•
Möglicherweise mag Ihr Chef keine Wettbewerbssituationen. Versuchen Sie GewinnerGewinner-Ergebnisse zu schaffen.
230
Führung des Chefs - Führung von unten
g) Wenn Ihr Chef planvolle, organisierte und kontrollierte Situationen liebt l:t
Beispiel:
Ihr Chef ist ein Freund des Planens, von Meilensteinen und Terminen. Er möchte immer genau wissen, wann er welche Unterlagen von Ihnen bekommt. Zeitliche Verzögerungen kann er überhaupt nicht ausstehen. Planungen sind seiner Meinung nach dazu da, eingehalten und nicht ständig über den Haufen geworfen zu werden.
•
Fällen Sie Entscheidungen, die andere betreffen, so schnell wie möglich.
•
Entscheiden Sie schneller, als es TImenvielleicht lieb ist.
•
Vermeiden Sie es, zu viele Optionen und Handlungsalternativen aufzuzeigen, konzentrieren Sie sich auf die wichtigsten Punkte.
•
Planen Sie Termine und Fristen, geben Sie Ihre Aufgaben und Projekte zuverlässig und rechtzeitig ab.
•
Vermeiden Sie kurzfristige Veränderungen von geplanten Prozessen und etablierten Vorgehensweisen. Gehen Sie strukturiert und mit klar formulierten Erwartungen vor .
•
Fokussieren Sie die Wahl- und Handlungsmöglichkeiten, die Sie sehen, bevor Sie sie Ihrem Chef mitteilen.
•
Vermeiden Sie es, unerwartete Gesichtspunkte und Wahlmöglichkeiten in ein Projekt einzubringen - insbesondere in letzter Minute.
h) Wenn Ihr Chef es liebt, flexibel und spontan zu bleiben l:t
Beispiel:
Ihr Chef zeigt sich, wenn es um Entscheidungen geht, fast stets unschlüssig, zögerlich und bedrängt. Sie haben ihn schon oft angesprochen, dass Sie bezüglich des Kunden eine Entscheidung von ihm brauchen? Und was passiert? Nichts - er sagt, dass er sich noch bestimmte Punkte durch den Kopf gehen lassen muss .
•
Drängen Sie Thren Chef nicht zu Entscheidungen. Gestehen Sie ihm - in Thren Augen vielleicht zu viel- Zeit zu/ Wahl- und Handlungsmöglichkeiten abzuwägen.
•
Planen Sie bei allen Besprechungen Zeit für Diskussionen ein. Berücksichtigen Sie auch Puffer bei Thren Planungen - möglicherweise wirft Ihr Chef alles wieder über den Haufen.
•
Beschreiben Sie Situationen und Problemstellungen, ohne sie zu bewerten.
•
Vermeiden Sie im Gespräch Schlussfolgerungen.
•
Seien Sie offen für sich verändernde und dynamische Informationen, Situationen und Bedingungen.
Strukturale Verankerung der Führung von unten
231
•
Seien Sie bereit, erste Schritte zu unternehmen ohne bereits den ganzen Plan zu kennen oder zu wissen, wohin die Reise letztendlich geht.
•
Bieten Sie Ihrern Chef möglichst viele Wahlmöglichkeiten und Optionen zu einem Thema an. Stellen Sie Fragen, um dann mehr Informationen zu bekommen.
Mit den vorstehenden Empfehlungen, sich als Mitarbeiter auf den bevorzugten Kommunikationsstil seines Chefs einzulassen und "seine Sprache" zu sprechen, sollte es möglich sein, besser von ihm verstanden, geschätzt und respektiert zu werden. Durch eine solche Führung von unten kann er die eigenen Ideen und Vorstellungen ungezwungen und locker einbringen und sich entsprechend positionieren.
17.5
Strukturale Verankerung der Führung von unten
Die strukturale Begünstigung der Führung von unten beginnt bei der Förderung von Management- und Handlungskompetenzen auch bei Personen, die nicht formelle Führungskräfte sind. Zu diesen sogenannten "Schlüsselqualifikationen" zählt führungsbezogen die soziale Kompetenz, insbesondere kommunikative Fähigkeiten auf der Sach- und Beziehungsebene durch eine offene Einstellung zu Anderen, Zuhören-Können, Einfühlungsvermögen (vgl. Withauer 2000, S.262 ff.). Zu ihrer Entwicklung können als Formen helfender Beziehungen eingesetzt werden Instruktion, Coaching und Mentoring, aber auch systematische Wege der Selbstentwicklung durch mentales Training (vgl. ebda, S. 269 ff.). Neben der programmatischen Unterstützung der Führung von unten etwa durch Führungsgrundsätze oder die Betriebsverfassung kommt einer unterstützenden Führungskultur zentrale Bedeutung zu. Sie beginnt in Führungsleitbildern mit der Betonung einer gewollten Kooperation und Partnerschaft und zeigt sich in symbolischen Handlungen des Managements mit einer Abkehr von einer hierarchie- und statusbezogenen Denkhaltung und der vertrauensvollen Übertragung von Befugnissen und das Schaffen sozialer und organisatorischer Umfelder, welche das eigenverantwortliche Handeln der Mitarbeiter und Initiativen fördert.
18
Führung in der Linienposition eines Geschäfts- oder Arbeitsbereichs
In der Führungsposition für eine betriebliche Organisationseinheit übernimmt der Chef Verantwortung für eine Gruppe von Menschen, von denen jeder seine eigenen Vorstellungen und Haltungen pflegt. Diese Problemsicht ist dadurch charakterisiert, dass das Handeln der Führungskräfte in einem Ausschnitt des umfassenderen sozialen Systems Unternehmung betrachtet wird. Gleich ob es sich um eine Gruppe, ein Team oder eine Ansammlung von Einzelkämpfern handelt: es geht stets darum, dass diese Mitarbeiter mit ihrem Chef etwas Nutzbringendes unternehmen.
18.1
Ausgangssituation beim Start als Bereichsleiter
Der Eintritt in die Position einer Bereichs-Führungskraft verändert sowohl das eigene Leben wie auch das der für die Zusammenarbeit zugeordneten Mitarbeiter. Wenn die Position ohne gewachsene Rahmenbedingungen und Werte übernommen wird, also neu geschaffen oder zuvor nicht besetzt war, dann entfällt der Vergleich mit dem Wirken eines Vorgängers. Dies kann ein Vorteil sein, dann lassen sich die Umgangsformen und Regeln der Zusammenarbeit nach eigenem Ermessen formen, sie werden als erstmalig und neu betrachtet. Übernimmt man jedoch eine Führungsposition, deren Pfade in der Vergangenheit durch die Spuren eines Vorgängers geprägt wurden, dann werden Vergleiche angestellt, Sprüche und Gerüchte über die ach so guten (?) alten Zeiten, über "früher" eben. Vielfach wird die Leitung einer Organisationseinheit neu besetzt, weil "sich etwas verändern soll" - und zwar möglichst zum Positiven. Im Idealfall findet man wohlinformierte Mitarbeiter "in freudiger Erwartung" vor. Das größte Interesse dieser Menschen ist, zu erfahren, was sich ändern soll. Statt über die eigenen Leistungen der Vergangenheit zu berichten ist deshalb eher gefragt, mit den Mitarbeitern über die Zukunft zu sprechen, Vorstellungen zu entwickeln über das, was man gemeinsam erreichen will. Anfangs wird man den neuen Führer sorgfältig "beschnuppern", man schaut das fremde Gegenüber zunächst interessiert, aber genau an. Deshalb ist das wichtigste Anliegen für ihn, möglichst schnell sich als glaubwürdig zu erweisen. Sowohl "nett" sein wie auch "distanziert" bleiben, ist dem abträglich. Das Ziel ist Respekt! Als gute Spielregeln haben sich erwiesen: •
Ganz natürlich und authentisch bleiben!
•
Bestimmtheit zeigen, vielleicht sogar Strenge.
•
Unbedingt konsequent sein.
•
Fair und gerecht bleiben!
K. F. Withauer, Führungskompetenz und Karriere, DOI 10.1007/978-3-8349-6580-6_19, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
Führer- und Manager-Rollen
233
Diese Grundsätze sind anzuwenden auf typische Vorkommnisse beim Karrieresprung: Überblick gewinnen, Informationen beschaffen, enttäuschte Karrierehoffnungen eines Mitarbeiters, Setzen von Prioritäten, Zeitmanagement, "Du" oder "Sie", Vorbild sein, mit Vorgesetzten reden, Stress verarbeiten.
18.2
Führer- und Manager-Rollen
Die Führung von Mitarbeitern heißt, andere durch eigenes, sozial akzeptiertes Verhalten so zu beeinflussen, dass die Beeinflussten zwanglos das tun, was man von ihnen erwartet (siehe Kap. 1, 1.6). Diese Definition ist indessen eine einseitige, verengende Betrachtungsweise von Führung. Ein Vorgesetzter ist einiges mehr als "nur" Führer von Unterstellten. Deshalb muss mindestens ab der Leitungsposition für einen leistungserbringenden Arbeitsbereich (Abteilung, Geschäftsbereich) diese Festlegung relativiert werden, zusätzliche Anforderungen werden sichtbar. Zur interaktionellen Führung treten mit je höherer Hierarchiestufe Funktionen, die man den Managementaufgaben zurechnet. Beim Führen sind Führer und Geführte Subjekte, anders ist dies beim Management, bei dem sich das Handeln auf Objekte beziehen kann wie Verträge, Zahlungsströme, Pläne, Institutionen, Strukturen usw. (vgl. Neuberger 2002, S. 31). Management ist nicht nur "Menschen führen". Die Führungsposition vereinigt realiter ein heterogenes Bündel von Rollen in einer Position. Diese von Mintzberg (vgl. Mintzberg 1991; Neuberger 2002, S. 328) abgefassten 10 Arbeitsrollen sind in Abbildung 18.1 aufgeführt. Angesichts dieser zunehmenden Vielfalt an Aufgaben als Vorgesetzter auf dem Führungskarrierepfad "nach oben" ist es hilfreich, die Führung der Mitarbeiter nunmehr grundlegend - und bisherige Ratschläge ergänzend - an mehreren Komponenten effektiver Führung zu orientieren. Dieses Komponentensystem entspricht der geistig-mentalen Grundlage und fundamentalen Regeln, wie sie zunächst für das Selbstmanagement von Führungskräften herausgearbeitet wurden (vgl. Malik 2006). Die Führung von Mitarbeitern beginnt mit dem Nachdenken über die Führung der eigenen Person. Ein Chef muss Zeit für seine Mitarbeiter haben und das "Richtige" tun. Einer, der in der Tageshektik untergeht, hat weder Zeit zum Denken "über den Tag hinaus", noch kommt er zum eigentlichen Führen. Mancher kommt damit dennoch irgendwie zurecht, aber selbstverschuldete Endtermin-Hektik und selbst erzeugter Stress als Dauerzustand sind eher kreativitätsfeindlich und wirken sich negativ auf die Zusammenarbeit aus.
234
Führung in der Linienposition eines Geschäfts- oder Arbeitsbereichs
Abbildung 18. 1 Manager-RoLLen nach Mintzberg (QueLLe: Neuberger 2002, S. 328) > Repräsentator Erfüllen zeremonieller AUfgaben fü r die Organisationseinheit. > Führer
Interaktive Beziehungen zu Mitarbeitern etablieren und pflegen. > Liaison Kontaktnetzwerk zu Personen außerhalb der Organisation schaffen .
> Beobachter
Informationen aus dem Kontaktnetz, vielfach Gerüchte , Hörensagen. > Verteiler
Weitergeben erhaltener Informationen an Mitarbeiter. > Sprecher Inform ieren von auf den Arbeitsbereich einflussreicher Personen .
> Unternehmer
Für entw icklungsorientierten innovativen Wandel sorgen . > Störungsregler
Beilegen von Problemen intern oder extern zur Umwelt. > Ressourcen-Zuordner
Zuteilen von Ressourcen an Personen oder Gruppen. > Verhandler
Aushandeln von bestimmten zukünftigen Aktivitäten der Organisation .
18.3
Postulate zur effektiven Mitarbeiterführung
Die Postulate effektiver Mitarbeiterführung können durch ein Netzwerk (siehe Abbildung 18.2) dargestellt werden, das aus zwei wesentlichen Subsystemen oder Teilkreisläufen besteht. Im Zentrum dieses Netzwerkes steht die Ausrichtung auf Resultate, denn das ist es, was von Mitarbeitern erwartet werden muss. Resultate, insbesondere die richtigen Resultate, kann man nur erzielen, wenn der Vorgesetzte sich selbst klar ist über den Sinn des Beitrags, den der Mitarbeiter leisten soll und dies auch über Ziele und Erwartungen kund tut. Ein effektiver Leistungsbeitrag stellt sich leichter und wahrscheinlicher ein, wenn für die jeweilige Arbeit die Stärken nutzbar sind, dies setzt das Wissen des Führers voraus, zu wissen was ein Mitarbeiter wirklich kann. Klarheit über den Beitrag führt zur Konzentration
Postulate zur effektiven Mitarbeiterführung
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auf die richtigen Prioritäten, und dies wiederum bestimmt die Verständigung über die benötigte Zeit, die für die Erzielung von Resultaten zu verwenden ist. Die Ausrichtung auf die Stärken von Mitarbeitern, aber auch diejenigen der Kollegen, Vorgesetzten und die eigenen ist die einzige Chance, realistische Erwartungen über die Leistungsfähigkeit eines Menschen zu bilden und oftmals auch die Grundlage der tragfähigen intrinsischen Motiva-
tion. Abbildung 18.2
Fünf Postulate zur effektiven Mitarbeiterführung (Quelle: in Anlehnung an Malik 2006, S. 73 ff.)
a) Resultate einfordern Die Ausrichtung auf Ergebnisse ist im Denken und Handeln von Menschen weitgehend unterentwickelt. Fragt man Führungskräfte oder Mitarbeiter danach, was sie in ihrem Unternehmen tun, dann beschreiben sie fast ausnahmslos ihre Tätigkeiten, erzählen wie sehr sie gefordert sind, welche Mühe sie sich geben und wie viel Stress sie ausgesetzt sind. Nur zirka ein Fünftel berichten danach von den Ergebnissen ihres Tuns. Solches Verhalten ist wohl ein Indiz für das Denken und Wahrnehmen der meisten Menschen: sie sind eher input- als outputorientiert. Was zählt, ist allerdings der Output! Deshalb ist es unumgänglich, dass Führungskräfte sich selbst und gleichfalls ihre Mitarbeiter auf Resultate hin orientieren müssen. Diese Ausrichtung des Handelns auf Resultate ist keineswegs selbstverständlich, die Praxis zeigt, dass die Wirklichkeit fast sämtlicher Organisationen der modemen Gesellschaft anders aussieht. Selbst wenn man unterstellt, dass alle Menschen in ihren Organisationen Tag für Tag hart arbeiten, so heißt dies noch lange nicht, dass auch Resultate erzielt werden. Andernfalls wäre es nicht erforderlich, Managementmethoden
236
Führungin der Linienposition eines Geschäfts- oder Arbeitsbereichs
wie etwa das "Führen mit Zielen" überhaupt anzuwenden. Jeder erfahrene Manager weiß, wie schwierig es ist, Menschen auf Ziele hin zu orientieren und es bedarf kontinuierlicher und systematischer Anstrengungen, dies zu erreichen. Die wirksame Arbeit und der Nutzen eines Mitarbeiters liegt einzig in den Ergebnissen seines Tuns. Der Grundsatz der Resultatorientierung gilt nicht nur in der Wirtschaft, sondern in jeder organisierten Leistungsgemeinschaft. Welche Resultate gewollt sind, ist abhängig von der jeweils speziell und konkret betrachteten Organisation. Dabei sind nicht ausschließlich wirtschaftliche Ergebnisse gemeint, sondern gleichfalls nicht-wirtschaftliche, nicht-materielle und nichtfinanzielle Resultate. Was wirklich zählt, sind weder die geleistete Arbeit, noch die entstandenen Mühen und Anstrengungen, sondern ausschließlich die erzielten Resultate. Aus dem Zusammenhang mit diesem Grundsatz leitet sich die Erkenntnis ab: Management ist der Beruf des Erzielens bzw. Erwirkens von Resultaten (vgl. Malik 2006, S. 73). Natürlich ist die Ausrichtung auf Resultate bei der Bewältigung von Aufgaben in zahlreichen Fällen durch gestaltete personenunabhängige Rahmenparameter des Arbeitsumfeldes vorgegeben und bedingt (siehe Kap. 1, 2.2). Offenkundig werden in manchen Leistungsbereichen durch die Technologie Arbeitsgänge so vorstrukturiert oder auch bei Verwaltungstätigkeiten durch Bürokratie durch generelle Regeln, Verfahren oder Formulare, dass die Resultate relativ eindeutig bestimmt sind und eine Interpretation durch eine Führungsperson entbehrlich ist. Es sind dies jene von vornherein gestalteten Strukturen, welche richtunggebend das Handeln im gewünschten Sinne herbeiführen. Die inzwischen erheblich gewandelten Wirtschaftsstrukturen mit einer zunehmenden Vielfalt im Produkt- und Dienstleistungsbereich zeigen, dass eine strukturell gestaltbare Resultatorientierung wie in der standardisierten bzw. Massenproduktion immer weniger infrage kommt. Komplexe Aufgaben im Dienstleistungssektor oder in der Hochtechnologie lassen sich nicht mehr in Einzelschritte zerlegen, ihr Lösungsverlauf ist kaum vorhersehbar und verändert sich, während man an ihnen arbeitet. Es entstehen kurzfristige und unvorhersehbare Anpassungsprozesse, die von den Mitarbeitern ein umfangreiches und kurzfristig aktivierbares Verhaltenspotenzial erfordern. Je mehr angesichts solcher Turbulenzen das kreative und innovative Potenzial von Mitarbeitern gefragt ist, desto mehr wird eine dezentrale Führung "vor Ort" mit mehr Handlungsspielraum und ohne Zeitverzug erforderlich. Gerade dies verlangt jedoch stabilisierende Wertkonturen und Regeln der Zusammenarbeit, zuvorderst steht die Ausrichtung der Leistung der Mitarbeiter auf mit der vorgesetzten Stelle vereinbarte Resultate. Malik (vgl. 2006, S.79) gibt zu bedenken, dass eine Führungskarriere für den Fall nicht ratsam ist, dass ein Führungsaspirant die Resultatorientierung nicht akzeptieren möchte, und deshalb nicht infrage kommen sollte. Eine eingenommene Managementposition würde bei solcher Einstellung nicht dem Interesse der Organisation dienen, wäre nicht im Interesse der Menschen, die unter einer inkompetenten Führung zu leiden hätten, und sie wäre zudem eine unzuträgliche Bürde für die Führungsperson.
Postulate zur effektiven Mitarbeiterführung
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b) Sinn und Beitrag zum Ganzen klären Die Ausrichtung der Arbeitsleistung von Mitarbeitern auf Resultate ist aus der Sicht einer Organisation als Ganzes noch ungenügend. Es kommt auf die richtigen Resultate an; und diese lassen sich nur erzielen, wenn klar ist, dass und inwieweit das Resultat im Rahmen der Gesamtziele der Organisation einen Beitrag zum Ganzen darstellt. Der Erfolg und die Fähigkeiten einer Organisation resultieren nicht aus irgendwelchen mystischen Kräften, sondern schlicht daraus, dass möglichst viele Menschen ihr Handeln aus einem gründlichen Verständnis für den Zweck des Ganzen heraus selbständig in den Dienst des Ganzen stellen können. Führungskräfte haben mithin die wahrscheinlich wichtigste Aufgabe, ihren eigenen Beitrag und den Beitrag ihrer Mitarbeiter zum Zweck der Organisation auszuloten und klar, verständlich und überzeugend zu definieren. Überzeugend ist vor allem, Führungshandlungen sinnhaft zu begründen. Hierbei wird der Mensch als sinnsuchendes Wesen begriffen in seinen alltäglichen und damit auch seinem beruflichen Tätigkeiten. Sinn kann jedoch nicht vorgegeben, er muss gefunden werden. Im menschlichen Denken und Handeln spielt die Suche nach Sinn, Sinn der eigenen Person sowie Sinn des Handlungskontextes und der Produkte des eigenen Handelns die zentrale Rolle (vgl. Probst 1987, S. 75). Dies gilt auch für die kollektive bzw. kooperative Sinnfindung in einer Organisation. Es gehört zu den ersten Aufgaben einer Führungskraft, den Mitarbeitern bzw. Mitarbeitergruppen den Sinn, den Nutzen und den Beitrag für die Ganzheit vor Augen zu führen, es ihnen leicht zu machen, die Ganzheit zu erkennen. Es mag vielleicht idealistisch anmuten und es wäre abwegig zu leugnen, dass Führungskräfte nicht an äußere Merkmale ihrer Position denken, an ihren Rang und Status, ihr Einkommen, an Privilegien, Befugnisse und Vollmachten, ihr Prestige und die Anzahl ihrer Mitarbeiter und aus diesem Blickwinkel den Bezug zum Zweck der Organisation als Ganzes vernachlässigen. Erfahrungen besagen, dass dies die Mehrheit ist, allerdings auch nicht jene, welche wirklich die Resultate bewirken, die etwas bewegen (vgl. Malik 2006, S. 90 f.). Je mehr Arbeitsteilung und Spezialisierung, umso leichter verliert man das Verständnis für den Zweck des Ganzen, und umso grösser ist die Gefahr, dass die Resultate, die man erzielt, keinen Bezug zu diesem Zweck haben. Je größer eine Organisation ist, umso schwieriger ist es, die Frage nach dem Beitrag zu beantworten. Umso mehr bewusste Koordination durch ständiges Eingreifen in das innere Gefüge einer Organisation ist daher erforderlich, und dies wiederum führt zum Sachzwang, eine Organisation letztlich autoritär führen zu müssen, selbst wenn keiner der Beteiligten dies wirklich will. Nur die immer wieder neu gestellte Frage nach dem Beitrag, den jeder Einzelne auf seine Weise für das Ganze leisten kann, vermag dies zu verhindern und begründet das, was man als Selbstregulierung, Selbstkoordination und Selbstorganisation in einer Institution bezeichnet. Dies bedeutet keineswegs, eigene Interessen, Einkommen und Macht nicht ebenfalls im Auge zu behalten, entscheidend wäre im Zweifel, dem Beitrag den Vorrang zu geben. "Richtiges" Management trägt die Verantwortung für die "richtigen" Resultate, und diese sind ein Beitrag zum Funktionieren und zur Zweckerfüllung der Gesamtinstitution. Dieses Kriterium bedeutet zugleich den Schritt von der Effizienz zur Effektivität, vom richtigen Tun der Dinge zur Fähigkeit, die richtigen Dinge zu tun. Diese Art zu denken und zu handeln macht Manager wirksam (vgl. Malik 2006, S. 95).
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Führung in der Linienposition eines Geschäfts- oder Arbeitsbereichs
Ein Beispiel: Zunehmend kürzere Lebenszyklen der Produkte erfordern heute besonders in der Technologie schnelle Innovationen. Die beste Marktposition ist nur zu erreichen, wenn man schneller ist als die Konkurrenz. Herstell- und Informationszeiten werden immer mehr zum zentralen Wettbewerbsfaktor. Immer weniger gilt es, Probleme mit einem Streben nach Perfektionismus zu lösen, um einen uneinholbaren Vorsprung zu gewinnen, ist vielmehr erfolgversprechend das schnelle und damit rechtzeitige Lösen. Natürlich hat dies Auswirkungen auf das Definieren, Strukturieren und Prozesse der Sinnvermittlung des "richtigen" Beitrags in einem Führungsbereich und das Erkennen von Prioritäten. Allein die Ausrichtung auf den Beitrag für die Gesamtinstitution, so vage und mangelhaft dieses Kriterium auch sein mag, eröffnet die Chance, auf allen Ebenen der Organisation die richtigen Ziele zu identifizieren, Mittel richtig einzusetzen, Maßstäbe für die Beurteilung von Resultaten zu finden und Vertrauen und Gerechtigkeit zu schaffen . Die Antworten auf die Fragen "Worin besteht mein Beitrag zum Ganzen?" und "Worin sollte der Beitrag meiner Mitarbeiter bestehen?" werfen fast immer eine Reihe von Problemen auf. Das Erhalten und Schaffen von Erfolgspotenzialen und damit verbunden die Erhaltung bzw. Verbesserung der nachhaltigen "Fitness der Unternehmung" oder einer anderen Institution kann als zentrale Aufgabe des Management gesehen werden. Der Wandel in ihrer Umwelt und Innenwelt, sich den äußeren und inneren Wechsellagen anzupassen und auf Turbulenzen jedweder Art intelligent zu reagieren, stellt oft sehr infrage, inwieweit Beiträge in den einzelnen Bereichen, Abteilungen usw. zweckmäßig bestimmbar sind. Oft wird man sich nur durch gründliches Nachdenken und tiefgreifende Auseinandersetzung mit Mitarbeitern, Kollegen und Vorgesetzten an eine Antwort herantasten können. Die Verdeutlichung des eigenen Beitrags, den Nutzen und den Sinn des eigenen Tuns zu erkennen, bewirkt jene Motivation, die einen Mitarbeiter unabhängig macht von irgendwelchen Anreizen oder motivierenden Verhaltensweisen durch Vorgesetzte. Diese intrinsische Motivation ist stabiler und größer, sie entsteht aus der Arbeit selbst und ist verknüpft mit der Kenntnis des Ganzen, dem Dienst am Ganzen, dem Bewusstsein, etwas Wichtiges zu seiner Entstehung, Erhaltung und zu seinem Erfolg beizutragen. c) Auf Stärken und Begabungen aufbauen
Effektive Mitarbeiterführung richtet die Aufmerksamkeit wie bisher aufgezeigt auf das Einfordern von Resultaten aufgrund eines klaren Verständnisses für den Beitrag, den der Einzelne an das Ganze zu leisten hat. Ein weitergehendes Interesse jeder Organisation richtet sich auch auf die Qualität der geforderten Leistung. Möglichst gute Leistungen bis hin zu Spitzenleistungen sind unumgänglich, weil diese sich aus den objektiven Anforderungen an Organisationen ergeben, aus den Ansprüchen der verschiedensten Gruppierungen ihrer Umwelt. Dies gilt sowohl für in einer Marktkonkurrenz stehende Unternehmen, aber auch für gemeinwirtschaftliche Organisationen wie Verwaltungsbehörden, Bildungsinstitutionen etc., die sich zumindest gesellschaftlich legitimieren müssen. Der qualitative Beitrag von Mitarbeitern oder auch von Mitarbeitergruppen wird wesentlich davon bestimmt, ob und inwieweit bei der geforderten Leistung vorhandene Stärken verwertbar sind. Es scheint zunächst ein Widerspruch zu sein, wenn nur ganz gewöhnli-
Postulate zur effektiven Mitarbeiterführung
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ehe, normale Menschen zur Verfügung stehen, diese aber Höchstleistungen erbringen sollen. Lösbar ist dieses Missverhältnis, wenn man zunächst fragt, wo ein Mitarbeiter seine Stärken besitzt, was er also kann, und sich dann darum bemüht, die Aufgaben für diese Person so zu gestalten, dass eine bestmögliche Deckung entstehen kann zwischen dem, was die Person kann, und dem, was sie zu tun hat. Jeder Mensch hat seine Stärken und Defizite - auf allen möglichen Gebieten. Niemand wird weder von sich selbst noch von anderen erwarten dürfen, dass er in der Lage ist, dort wo er seine Defizite aufweist, besonders gute Leistungen erbringt und hervorragende Resultate erzielt. Höchst wahrscheinlich und angebracht ist es indes, Spitzenleistungen auf Gebieten zu verlangen, wo jemand seine Stärken hat. Überdies wird man sogar feststellen, dass dort Leistungen gar nicht speziell gefordert werden müssen, denn sie werden selbstmotiviert erbracht, weil es den meisten Menschen Spaß bereitet, hervorragende Resultate zu erbringen, wosiegut sind und ihre echten Veranlagungen es ihnen leicht machen. In der vorstehenden Begründung für die Beachtung der Stärken der Mitarbeiter lag die
Betonung auf "vorhandene" Stärken nutzen, nicht auf Stärken entwickeln und schon gar nicht auf Defizite beseitigen. Dies bedeutet nämlich die Nutzung dessen, was schon da ist, und nicht die erst zukünftig verwertbare Entwicklung von etwas. Praktisch tun sich Führungskräfte leichter, Defizite zu entdecken als die Stärken eines Menschen herauszufinden. Die Schwächen fallen einem auf, schon weil sie störend sind, und es ist zudem relativ leicht zu erkennen, was eine Person nicht kann. Aber auch das betriebliche Personalwesen bzw. Human Ressources Management widmet sich durch Förderungs- und Entwicklungsprogramme für Mitarbeiter, Nicht-Stärken bzw. Schwächen oder Defizite zu mildem oder zu reduzieren. Tatsächlich gelingt dies auch meist, allerdings im Sinne von "weniger schwach" oder mittelmäßig. Stärken zu identifizieren, ist hingegen zeitaufwändig und man muss sich für den Menschen interessieren, man muss sein Tun beobachten. Die Feststellung, wenn jemand etwas gerne tut, sei das für dieses Tun ein Indiz für "stark" und "begabt", gilt eher in umgekehrter Korrelation, weil man etwas gut kann, tut man es gern. Viel entscheidender ist indessen die Frage: Was fällt leicht? Die signifikante Korrelation besteht zwischen "leicht fallen" und "gut tun". Viele der sogenannten Defizite sind gar keine richtigen Schwächen, weil man sie vielfach relativ leicht beseitigen oder sie nicht schwerwiegend sind. Zu nennen sind hierzu Lücken an Wissen und Kenntnissen, die durch Lernen ausfüllbar sind, bestimmte Fertigkeiten wie etwa die Bedienung einer Computertastatur oder rhetorische Fähigkeiten, die man trainieren kann, das Verständnis für und die Einsicht in andere Aufgaben und Fachgebiete, was man durch Erfahrung verbessern kann, und schließlich gewisse Eigenarten wie schlechte Gewohnheiten, die man verlernen kann. Problematischer sind einzelne Persönlichkeitsdefizite und Unstimmigkeiten in sozialen Beziehungen, wie etwa bei Konflikten oder für Teamarbeit. Wer Stärken nutzen will, muss oft mehrere und zuweilen auch gravierende schwache Seiten in Kauf nehmen. Mit der Beachtung der Stärken geht einher, sichtbare Mängel zu kompensieren, was nicht heißt, sie zu beseitigen. Die Führungsaufgabe ist hier, die Defizite bedeutungslos bzw. sie organisatorisch weniger relevant zu machen.
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Führung in der Linienposition eines Geschäfts- oder Arbeitsbereichs
d) Prioritäten bestimmen, Ziel- und Zeitmanagement Beobachtungsstudien der Arbeit von Führungspersonen ergaben übereinstimmend den Befund, dass dieser Beruf wie kein anderer massiv und systematisch der Gefahr der Verzettelung und Zersplitterung der Kräfte ausgesetzt ist (vgl. Neuberger 2002, S. 452 ff.). Der Arbeitstag ist äußerst zerstückelt, er ist uneinheitlich und enthält viele ungeplante Elemente, wird mit vielen kurzen Arbeitsakten ausgelastet, Vorgesetzte bevorzugen die mündliche Kommunikation, sie leben von sozialen Kontakten, wobei sie viele Informationen sich "vor Ort" holen müssen, und sie kümmern sich um die Angelegenheiten ihrer verschiedenen Führerrollen (siehe Kap . 5, 18.2). Angesichts dieser Arbeitsanalysen erscheint eine systematische Ausrichtung des Tuns auf Resultate kaum zu gelingen. Will man Resultate für das Ganze auf wirklich wichtigen Gebieten erzielen und dabei die vorhandenen Stärken nutzen, dann erfordert dies zwingend, sich zu konzentrieren. Niemand kann dauerhaft auf vielen Gebieten zugleich erfolgreich sein. Natürlich haben Führungskräfte genau so wie die Mitarbeiter neben den wichtigen Aufgaben sich mit einer Fülle von verschiedenen Angelegenheiten zu befassen, die einfach auf sie einstürmen. Gerade deshalb sind aber der Grundsatz der Konzentration und das Bestimmen von Prioritäten unumgänglich, wenn man wirklich Resultate erzielen will. Effektive Fühmngskräfte erledigen erstrangige Dinge zuerst und nur eine Sache auf einmal. Und dies gilt es auch den Mitarbeitern zu vermitteln: das ist der Anwendungsfall des Führens mit Zielen, des Management by Objectives. Mit dieser Methode gelingt es, den planerischen Unterschied zwischen Zielen und Aufgaben zu verdeutlichen.
Führung mit Zielen: In einer für einen Periodenplan aufgeschriebenen Liste anstehender beabsichtigter Aufgaben findet sich in der Regel auch Wichtiges, aber es versteckt sich in einem Gestrüpp von Nebensächlichkeiten, und wenn das Wichtige abzuarbeiten ansteht, gerät es in der Hektik des Tagesgeschäfts leicht aus dem Blickfeld und man beschäftigt sich viel zu lange mit den nebensächlich vielen Aufgaben. Ziele konzentrieren sich auf das lebenswichtig Wenige und erstrebte Ergebnisse. Ziele setzen heißt in Richtung Zukunft denken. Das traditionelle Denken in Einzelaufgaben verleitet dazu, sich in Einzelheiten zu verlieren. Das Denken in Zielen bewirkt, dass das Einzelne auf das große Ganze ausgerichtet ist. Der Grund für nicht erreichte Ziele liegt darin, dass man sich zu viel auf einmal und zu viel Verschiedenartiges vornimmt. Der Mensch neigt hierbei dazu, zu Vieles als wichtig zu betrachten. Dies kommt wiederum daher, dass das Kriterium "dringlich" mit dem Attribut "wichtig" gleichgesetzt und verwechselt wird. Tatsächlich erweist sich indessen: Das Dringende ist seltenwichtig, und das Wichtigeist selten dringend! Beispielsweise ist die Neuordnung der Ablauforganisation eines Arbeitsbereichs wichtig, aber man bemerkt nicht als nachteilig, wenn dies erst demnächst geschieht. Ähnliches gilt für ein ins Auge gefasstes verbessertes Vertriebskonzept. Die Ehrung eines Jubilars ist hingegen dringend und terminfixiert, ein Resultat als Beitrag im Rahmen der Gesamtziele der Organisation entsteht dabei jedoch nicht. Das Prinzip der wertanalytischen Kräftekonzentration besagt, dass von einer Anzahl von Aufgaben normalerweise die bedeutenden Dinge einen relativ kleinen Anteil der Gesamt-
Postulate zur effektiven Mitarbeiterführung
241
aufgaben ausmachen. Als Faustregel gilt: mit 20 Prozent der aufgewandten Zeit (Input) für die lebenswichtig wenigen Probleme oder Aufgaben - erzielt man bereits 80 Prozent der Leistungsergebnisse, die restlichen 80 Prozent der aufgewandten Zeit - für die nebensächlich vielen Probleme oder Aufgaben - erbringen nur noch 20 Prozent der Gesamtleistung, Der Erfolg einer Führung mit Zielen wird bestimmt von der Kräftekonzentration auf Weniges, nur so werden als richtig befundene Ziele realistisch erreichbar.
Zeiimanagement: Aus dieser auch als Pareto-Prinzip bezeichneten Grundregel zur Relation ergebnisbringender Aufgaben am Gesamtumfang des Arbeitspensums ergibt sich für das praktische Handeln die Richtschnur: für das Wesentliche sich mehr Zeit nehmen! Da die Zeit kein vermehrbares Gut ist, heißt das zu entscheiden, wofür man Zeit haben will und wofür nicht. Wie dann wiederum Probleme von mittlerer Wichtigkeit erledigt und wie die Bearbeitung von bedeutungsneutralen Aufgaben arbeitsmethodisch geregelt werden kann, hängt unterschiedlich vom jeweiligen Arbeitsfeld ab (vgl. hierzu die RatgeberFachliteratur, wie Seiwert 2005). Mit der Einteilung der Arbeitsaufgaben in Blitz- und Intensivvorgänge und der Berücksichtigung der Störintensität lässt sich zudem sinnvoll planen, zur richtigen Zeit das Richtige zu tun (vgl. ebd.). Abbildung 18.3
Pareto-Prinzip: wertanalytische Kräftekonzentration (Quelle: Mackenzie 1974, S. 53)
Nebensächlich viele Situationen oder Probleme
80 %
der aufgewandten Zeit
80 %
der Ergebnisse Lebenswichtig wenige Situationen oder Probleme
e) Mut machen und Selbstmotivatton stärken Während im linken Wirkungskreis des Netzwerkdiagramms der Postulate für effektive Führung (siehe Abbildung 18.2) methodische Aspekte überwiegen, zeigt der rechte Kreis die psychischen Hintergründe für persönliche Leistungen. Das fünfte Postulat einer effektiven Mitarbeiterführung klingt fast selbstverständlich. Allerdings kommt bei der Vielzahl von Problemen, die selbstverständlich in einer Organisation auftauchen und zu lösen sind, auch der Gedanke, dass eher seriöse und gute Problem-
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Führung in der Linienposition eines Geschäfts- oder Arbeitsbereichs
lösungsverfahren hilfreich wären und es wirkt sogar abgehoben und befremdlich, das "Mut machen" in den Vordergrund zu stellen. Der Grundsatz, Mut zu machen und positiv zu denken, will die Aufmerksamkeit statt auf Probleme auf die Chancen lenken, die auch jeder Problemsituation innewohnen. Der Grundsatz des mutigen Suchens nach Möglichkeiten und Chancen resultiert aus der Erfahrung, dass auch in einer kniffligen oder gar aussichtslosen Situation nur diese Haltung es aussichtsreich macht, einen Ausweg zu finden und mit gestärkter Motivation die angestrebten Resultate - doch noch - zu erreichen. Die Erwartung von Erfolg ist nicht nur ein wesentlicher Antrieb für Leistung und Ergebnis, sondern Erwartungen steuern auch wesentlich die Qualität der Resultate. Dies weiß man durch die Studien zur signifikanten Wirkung von Placebos oder zu anderen Phänomenen sich selbst erfüllender Prophezeiungen, wobei sich erwies, dass ein Effekt umso wahrscheinlicher eintritt, je mehr man diesen Effekt erwartet. Dies gilt umgekehrt auch für eine negative Erwartung, Bedenken zu haben oder etwas nicht zu können. Gleichwohl wäre eine beliebige Erwartung naiv. Gemeint sind hier jedoch auf vormalig erlebte Erfolge gegründete Erwartungen - und wo könnte das begründeter sein als auf dem Gebiet vorhandener Stärken. Mut machen ist vielfach auch der Schlüssel zur Selbstmotivation. Als Postulat zur effektiven Mitarbeiterführung kommt der Motivationsanstoß noch von außen. Gleichwohl wirkt die Mut machende Anregung belebend und als Lernerlebnis. wie man eine anstehende Anstrengung und Überwindung leichter schafft. Mit der Zeit mag daraus eine Gewohnheit werden, eine zunehmende Begabung zur Selbstmotivation. Sie dürfte durch Erfolgserlebnisse weiter gestärkt werden. Selbstmotivation bei einem Mitarbeiter wird umso eher zustande kommen, je sinnhafter der Arbeitsbeitrag und die damit verknüpfte Zielorientierung und Arbeitsmethodik erscheint, zudem seine persönlichen Stärken erfordert und damit Erfolgserwartungen mit größtmöglicher Aussicht auf Erfüllung bietet. Die Befähigung zur Selbstmotivation macht außerdem unabhängig von den Fehlern, die Führungskräfte selbst bei bestem Willen tagtäglich begehen.
Kapitel 6: Mikropolitische und symbolische Führung Eine funktional-steuernde Mikropolitik wie auch die symbolische, kulturbewusste Führung sind Ausdruck wesentlicher irrationaler Komponenten effektiver Führung, welche die rational geprägte personale Führung wirkungsvoll ergänzen. Sie verweisen zudem in einem erweiterten Führungsverständnis auf individuum- und gruppenübergreifende polyzentrische Lenkungs- und Führungsphänomene.
Irrationale Komponenten tragen wesentlich zum Funktionieren eines sozialen Systems bei. Sie resultieren daraus, dass die Führungskraft nicht als alleiniger Akteur ("Filter", "Verstärker") in einer unilateralen hierarchischen Einflussbeziehung handelt, sondern dass vielmehr im Führungsgeschehen multiple vernetzte Einflussquellen wirken, von denen die Führungskraft zum Teil nur indirekt - vermittelt über Dritte - tangiert wird. Diese polyzentrische Perspektive liegt der Betrachtung des mikropolitischen Beeinflussens und der Führung durch Symbole zugrunde. Zur Erfüllung von Sachaufgaben und der Verwirklichung von Zielen beschränken sich Führungskräfte nicht nur auf eine direkte Handlungssteuerung, sie schaffen und verändern auch Ordnungen Strukturen, Institutionen -, durch die sie sich selbst und anderen dauerhaft und abstimmungsentlastet Handlungsmöglichkeiten eröffnen oder auch einengen. Das Funktionieren von Organisationen kann besser verstanden werden, wenn sie als politische Einrichtungen gesehen werden, in denen mikropolitische Vorgehensweisen der verschiedensten Akteure praktiziert werden. Statt mit nur geliehener oder übertragener Macht zu operieren, ist solches Agieren zur Schaffung eigener exklusiv verfügbarer Machtpotenziale geradezu unerlässlich (siehe Kap. 6,20). Irrationale Komponenten enthält auch die anschließend erörterte unternehmenskulturell geprägte symbolische Führung (siehe 21, 22). Was Führungspersonen tun, ist nie eindeutig, es muss interpretiert werden. Wie wäre es anders zu erklären, dass es nicht nur darauf ankommt, was im Führungsprozess geschieht, sondern auch darauf,
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Kapitel 6: Mikropolitische und symbolische Führung
wer es tut und wie dieses Tun gedeutet wird. In diesem Sinne macht es einen großen Unterschied, ob eine Führungshandlung wie etwa eine Entscheidung in einem Routinerundschreiben oder einem Aushang den Mitarbeitern kundgetan wird oder ob die wortwörtlich gleiche Entscheidung vom Führenden selbst allen Mitarbeiten im Rahmen eines Festaktes bekannt gemacht wird (vgl. v. Rosenstiel 2009, S. 23). Führung geschieht in einem kulturgeprägten Umfeld, das sich als "geronnene" Führung in Fakten - wie Sprache, Gesten, Taten, artifiziellen Symbolen - niederschlägt und als Führungssubstitut oder Führungsersatz wirkt. Dadurch steht es einer Führungskraft nicht mehr frei, wie sie sich verhalten will. Vielmehr wird dadurch sozial verbindlich gemacht, wie sie sich verhalten soll oder bei technologischem Sachzwang sogar muss. Führungskräfte handeln mithin nicht zufällig; ihre exponierte Rolle bedingt, dass sie ihr Handeln inszenieren und es tunliehst kulturbewusst mit kulturkonformen Deutungsund Regieanweisungen versehen (vgl. Neuberger 2002, S. 644).
19
Führung und Mikropolitik
19.1
Machtaufbau und -einsatz als politische Methode der Handlungssteuerung
Die mikropolitische Perspektive verlässt die Modellvorstellung der unilateral hierarchischen Einflussbeziehung einer Führungskraft in der Organisation und nimmt zur Kenntnis, dass jede Führungsperson, ob sie will oder nicht, in soziale Netze und Relationen integriert ist. Die Handelnden sind zum Teil voneinander abhängig oder aneinander interessiert, indem sie zur Befriedigung eigener Interessen den jeweils Anderen gebrauchen können. Jede Position in Organisationen und natürlich auch jede Führungsposition ist sowohl Quelle wie auch Ziel einer Vielzahl von Einflusslinien: zu Vorgesetzten, Kollegen, Mitarbeitern, Stäben, Außenstehenden usw. Politisches Handeln ist nicht nur empirisch alltäglich, sonder auch gedanklich-schlüssig unausweichlich. Wer nur allein und mit sich selbst identisch ist, braucht keine Politik. Wenn es aber Teil-Systeme gibt, dann markieren die Grenzen dieser Systeme Unterschiede. Und wer anders ist als Andere, hat - deswegen! - andere Interessen. Das Leitbild politischen Handelns ist nicht die rationale Entscheidung des allein souveränen Homo oeconomikus. Rationales Handeln setzt nämlich voraus ein in sich stimmiges operationales Zielsystem, die Information über alle möglichen Handlungsalternativen, welche Handlungssituationen zu er-warten sind und welche Ergebnisse jeweils gewählte Alternativen situationsbezogen erzeugen werden sowie eine konsistente Präjerenzordnung, sodass einer angebbaren Regel folgend aus dem Satz von Aktionsmöglichkeiten die attraktivste ausgewählt werden kann. Abgesehen von Routinefällen sind diese Bedingungen beim Führungshandeln nicht gegeben. Mit dieser Betrachtung werden nicht thematisiert die durch umfeldbedingte Rahmenbedingungen erzeugten "Führungssubstitute" oder "symbolisierte Führung" (siehe Kap. 1, 2.3, 2.4). Der mikropolitische Ansatz ist vielmehr dem handlungstheoretischen Paradigma verpflichtet: Personen(gruppen) versuchen, in ihren Handlungen ihre Interessen und Absichten zu verwirklichen. Statt selbstlos allein im Sinne der Organisationsziele zu handeln, rivalisiert ein jeder eigennützig und wohl in wechselseitiger Abhängigkeit mit anderen Opponenten und/oder Partnern, aber keiner dominiert den anderen völlig. Zentrale Variable ist die Macht gesehen als die Fähigkeit, Verhältnisse als Produkt, Bedingung und Rahmen "interessierten" Handelns im eigenen Sinne zu gestalten. Jeder Handelnde hat aufgrund der Komplexität, Intransparenz und Mehrdeutigkeit der Verhältnisse Spielräume, die Ungewissheitszonen darstellen und interpretationsbedürftig sind, dies ist kein Mangel, sondern eine Chance. Diese sucht er zu erhalten oder auszuweiten, teilweise auch durch die absichtliche Kaschierung von Ressourcen und Absichten. Dabei stößt er auf die gleichgerichtete Intention der anderen. Wer hierbei bessere "Trümpfe" ausspielt, ist im Vorteil (vgl. Neuberger 2002, S. 680 ff.), K. F. Withauer, Führungskompetenz und Karriere, DOI 10.1007/978-3-8349-6580-6_20, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
Führung und Mikropolitik
246
Es werden Prozesse und nicht Zustände in den Mittelpunkt gerückt. Die Dinge ändern sich fortwährend, Strukturen und Privilegien erwachsen aus dem Handeln und konditionieren dieses rekursiv. Vielfach kommt es auch auf das"Timing" an, es entstehen zuweilen "einmalige" Gelegenheiten und "verpasste" Chancen oder das Beschleunigen oder Verzögern von Prozessen verändert eigene Vorteile.
19.2
Mikropolitische Taktiken
Sieht man das soziale System einer Unternehmung oder anderen Organisation als politisches System, in dem sich Koalitionen bilden und so lange erhalten, wie sie von und durch einander Nutzen haben, dann wird man seinen Blick richten auf das Bündel der Taktiken zum Stärken und Erhalten der eigenen Position oder Verhandlungsmacht (vgI. Neuberger 2002; S. 696-709):
1. Informationskontrolle; z. B. Schönfärberei, Informationsfilterung und -zurückhaltung, Informationen durchsickern lassen, Gerüchte verbreiten, Informationsmonopole erwerbenusw.
2. Kontrolle von Verfahren, Regeln, Normen; z. B. Entscheidungsprozeduren kontrollieren/ändern, Präzedenzfälle schaffen, passende Kriterien etablieren usw. 3. Beziehungen nutzen oder stören; z. B. Netzwerke und Bündnisse bilden ("Seilschaften"), unbequeme Gegner isolieren, Loyalität belohnen, Nepotismus; Intrigieren, Herabsetzen, Diskreditieren, schlecht aussehen lassen usw. 4. Selbstdarstellung; z. B. vorteilhafte Selbstdarstellung (Impression Management), die eigene Sichtbarkeit erhöhen, demonstratives Imponiergehabe usw. 5. Situationskontrolle, Sachzwang; z. B. Dienst nach Vorschrift, Sabotage, vollendete Tatsachen schaffen, Fakten vertuschen/verschleiern usw. 6. Handlungsdruck erzeugen; z. B. Emotionalisieren, Einschüchtern, Schikanieren, Pokern, Termine setzen/Kontrollieren, "Kuhhandel" usw. 7. Timing; z. B. verfügbar sein, den richtigen Zeitpunkt/Gelegenheiten/Überraschungseffekte nutzen, abwarten (können); Entscheidungen verzögern, Zeitdruck machen usw. Aufzählungen wie diese werden oft als extreme und praxisferne Schwarzmalerei abgetan. Sie nähren das Vorurteil, Mikropolitik sei etwas Illegitimes, Schädliches, Verderbtes. Praktiker können jedoch aus eigener Erfahrung eine Vielzahl von Situationen erinnern, in denen sie selbst solche Techniken eingesetzt haben oder mit deren Einsatz konfrontiert wurden.
Rechtfertigung und Erkennbarkeit mikropolitischen Agierens
19.3
247
Rechtfertigung und Erkennbarkeit mikropolitischen Agierens
Führungskräfte haben zwar eine zugewiesene offizielle Machtposition, die sie formal autorisiert und legitimiert, die aber gemindert oder unterlaufen werden kann etwa durch Expertise, Informationskontrolle, Koalitionen mit anderen Mächtigen. Als "Mikropolitik" sei bezeichnet das Arsenal jener alltäglichen "kleinen" (Mikro!)Techniken, mit denen Macht aufgebaut und eingesetzt wird, um den eigenen Handlungsspielraum zu erweitern und sich fremder Kontrolle zu entziehen. Es sind Taktiken zum Stärken oder Verteidigen von (Verhandlungs-)Positionen (vgl. Neuberger 2002, S. 685). Führungskräfte werden verantwortlich gemacht für das Erreichen organisationaler Ziele; sie unterliegen dabei den formalen Beschränkungen des Systems, in dem sie operieren. Mikropolitik dagegen kennt keine einseitige Bindung an einen verpflichtenden stellenbezogenen Kodex; sie findet in einem komplexen Feld wechselseitig abhängiger interessierter Akteure statt, die einander für ihre eigenen Ziele zu instrumentieren suchen (vgl. ebd., S. 715). Das Erkennen mikropolitischen Agierens ist nicht eine Frage der Beobachtung, sondern lässt sich nur durch Deutung erschließen. Nicht ein Verhaltensakt ist entscheidend, sondern seine Einbettung in einen zielgerichteten Prozess. Ein politischer Akteur wird vorsichtig sein, die eigene Absicht offen zu verkünden, weil er damit im eventuellen Widerstreit den eigenen Spielraum einschränken würde. Diese Tatsache hat der Mikropolitik das Etikett Täuschen und Tarnen, Lug und Trug, Überlisten und Ausbooten, Schmeicheleien und Kuhhandel etc. eingebracht. Eine solche negative Konnotation sieht Mikropolitik als regelloses Chaos, vollends egoistisch, grenzenlos, dysfunktional. Ein Plädoyer für Mikropolitik vermag indes solche Bedenken ausräumen: Zum einen gibt es mehrere verschiedene Methoden der Handlungsbeeinflussung in/von Organisationen. Diese sind in einer Zusammenschau in Abbildung 2.2 (siehe Kap. 1, 2.4) spaltenweise nebeneinander gestellt. In den Zeilen der Zusammenschau sind die Akteure bzw. Stakeholder aufgeführt, und bedeutsam ist, dass das Methodenarsenal allen Handelnden offen steht. In einem "freien Spiel der Kräfte" kann die negative Wirkung einer Beeinflussungsmethode durch das gegenläufige Wirkungsprinzip einer anderen unter Kontrolle gehalten werden. In einem offenen System von "Checks and Balances" kann Mikropolitik ein Korrektiv für bürokratische Formalisierung/Standardisierung sein, letztere sorgt wiederum für eine Begrenzung mikropolitischer Auswüchse. Zum zweiten kommt hinzu, dass nicht nur eine Methode der Handlungssteuerung wünschenswert ist. Dies erschließt sich unschwer aus der Vorstellung, eine Organisation würde nur durch bürokratische Vorschriften oder nur durch technologische Programme, nur durch Charisma Einzelner oder nur durch Gruppenkonsens etc. gesteuert. Mikropolitik ist allgegenwärtig und sie ist unvermeidlich, dies heißt aber nicht, dass es nur noch Mikropolitik gibt.
Führung und Mikropolitik
248
Politisches Agieren fördert den Handlungsfortgang bei unzureichendem Konsens über Lagebeurteilung, Verfahren, Ziele, Werte, berechtigte Teilnehmer. Zu allen diesen Aspekten ist jedoch eine Minimalübereinstimmung vonnöten, die den Korridor der zulässigen Inhalte und Wege wenigstens vage beschreibt. Diese Legitimierung beruht auf in der Organisation etablierten "Selbstverständlichkeiten", auf allgemein gebilligten Werten und Grundsätzen, Moralen und Kulturen.
19.4
Fördern oder Eindämmen mikropolitischen Führungshandelns
Führungskräfte bewerten Mikropolitik ambivalent. Obwohl die meisten moralische Kriterien in ihrer Organisation befürworten, ist das Bekenntnis zur realen Orientierung an moralischen Standards geteilt, und dies wird begründet mit Erfolgsorientierung, fehlender organisationaler Verstärkung bzw. Belohnung moralischen Verhaltens, Wettbewerb und Konkurrenzdruck (vgl. Brenner/Molander 1977, zit. bei Neuberger 2002, S. 721). Mikropolitik kann dysfunktional und gefährlich oder auch nützlich sein. Wenn Mikropolitik das listenreiche Unterfangen ist, die eigenen Interessen zu wahren und sich fremden Interessen sich nicht widerstandslos auszuliefern, dann spricht Vieles dafür, diese Kunst zu lernen und zu lehren. Ein Zuviel an Mikropolitik kann durch jede der anderen Methoden der Handlungssteuerung (siehe das Tableau in Abbildung 2.2, zuvor zitiert) in Balance gehalten werden. In einer funktionierenden Unternehmung werden alle diese Methoden so praktiziert, dass keine fehlen und keine dominieren darf, sich einander "in Schach halten", um durch ihr Wechselspiel jene Dynamik zu erzeugen, die der Organisation ihre Vitalität sichert. Zuweilen mag aber auch eine Stimulierung und Förderung von Mikropolitik ratsam sein, dann nämlich wenn mit erweitertem Handlungsspielraum der Akteure es gleichzeitig um eindeutig herausfordernde Ziele geht, die nur erreichbar sind, wenn mit hohem Engagement in unvermeidlich aufkommenden Konflikt- und Dilemma-Situationen eigensinnige unkonventionelle Wege begangen werden, und dieses zugleich mit einer hohen Verpflichtung auf die Zielvorgaben gepaart ist. Einige Optionen sind z. B. (vgl. Neuberger 2002, S. 725 f.):
•
Unternehmergeist (Intrapreneurship) propagieren und belohnen;
•
Empowerment fördern durch kommunizierte hohe Erwartungen und Positionen;
•
komplexe Bewährungssituationen schaffen, bei denen es statt auf Verfahrenstreue auf Effizienz und Effektivität ankommt (Beispiel: Projektarbeit);
•
erfolgsabhängige Belohnungssysteme einführen (auch Entgeltsysteme);
•
Trotz hochkomplexer, intransparenter Aufgabe (z. B. F+E-Projekt) persönliche Verantwortlichkeit einfordern und zurechnen;
•
Diskussion über moralische Handlungsgrenzen führen.
Fördern oder Eindämmen mikropolitischen Führungshandelns
249
Mikropolitisches eigensinniges Führungshandeln birgt das Risiko, dass sozusagen als Nebenbedingung zur Wahrung eigener Interessen stillschweigend Vorschriften und normale rationale Handlungsweisen verletzt bzw. außer Kraft gesetzt werden müssen. In einer solchen doppelbödigen Situation sind Ziele nicht mehr eindeutig definiert und kann Führung nicht mehr auf Vorgaben und Vorschriften aufbauen. Die bewusste Stimulierung und Tolerierung mikropolitischen Führungshandelns bedarf einer wichtigen und riskanten Vorleistung: das Zutrauen und Vertrauen in die handelnde Führungsperson. Das geschenkte (!) Vertrauen setzt darauf, dass es gerechtfertigt wird, und es beruht sicher auf zuvor gesammelten Indizien für Vertrauenswürdigkeit. Kritischer ist der Fall des Misserfolgs. Wenn dann das Verletzen von Vorschriften oder Werten beklagt und ein "Sündenbock" gesucht und geopfert wird, wird dies künftiges kreatives, eigenverantwortliches und einsatzfreudiges Handeln kaum stimulieren mit negativen Auswirkungen auf Resultate, Kosten, Anpassungsfähigkeit und Innovation.
20
Symbolische Führung und Organisationskultur
Die symbolische Perspektive der Führung zielt auf die Vermittlung oder Erfassung von Sinn, die Stützung und Legitimierung von Handlungen, die Mobilisierung von Mitarbeiterpotenzialen, die Herstellung und das Verständnis zu einer konsequenten Zielorientierung und die Förderung von Neuerungen und Veränderungen (vgl. Probst 1987, S. 92).
20.1
Führung mit Symbolen
Die Führung mit Symbolen stellt statt der Leitidee "Ursachen erzeugen Wirkungen" darauf ab, dass es für die Wirksamkeit des Führungshandelns darauf ankommt, wie dieses wahrgenommen und vom Sinne her verstanden wird. Was Führende tun, ist nie eindeutig, dieses Tun muss interpretiert werden, indem die Handlungen von anderen - sinnvoll gedeutet werden und regeltreues Anschlusshandeln auslösen. Dies geschieht innerhalb einer spezifischen Untemehmenskultur. Eine Kultur enthält "Orientierungen" über Ziele und Zwecke, Beziehungen, Verhaltenserwartungen, die Natur des menschlichen Handelns und Seins. Kultur ist mithin die sinn-orientierte Dimension der Organisation und Führung, und sie prägt die Lebensäußerungen in einer sozialen Gemeinschaft. Führung durch eingesetzte Symbole als einer sinnbildlichen Darstellung einer Botschaft stellt den Bezug her zur Kulturbedingtheit menschlicher Lebensäußerungen und rückt neben den Führer- und Gruppeneinfluss den Menschen als nicht zuletzt von persönlichen und fremdgesetzten Werten geleitetes Individuum in den Blickpunkt. Die Symbole sind Ausdrucksformen und unter-stützen die Entstehung der Kultur eines sozialen Systems. Dies bedeutet eine Schwerpunktverschiebung von der instrumentalistischen Sichtweise traditioneller Führungspraxis hin zum Bewusstsein der ideellen Dimension der Führungsverantwortung und des Führungshandelns.
20.2
Wirkung eines Symbols
Führung durch und über Symbole setzt auf deren Wirkung. Führungskräfte handeln nicht einfach, ihr Handeln enthält oft codierte Signale und ist mit Deutungs- und Regieanweisungen versehen (vgl. Neuberger 2002, S. 643 f.), deren Sinn nur der versteht, der den Code entschlüsseln kann. Symbole stellen kulturspezifische Erkennungs- oder Beglaubigungszeichen dar. Sie bedeuten etwas für bestimmte Adressaten, deren Sozialisationserfahrung sie in die Lage versetzt, das Gemeinte zu dechiffrieren. Das Erkennungszeichen verstehen nur Eingeweihte, und nur auf sie können oder sollen sie Wirkung ausüben. Ein Symbol ist ein konkretes empiri-
K. F. Withauer, Führungskompetenz und Karriere, DOI 10.1007/978-3-8349-6580-6_21, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
Symbole als Sinnbilder der Unternehmenskultur
251
sches Faktum oder Medium, ein objektiver Sachverhalt, es verweist aber zugleich auf etwas Anderes und ist hierfür Sinnbild, "WahrZeichen", Erkennungsbild. Symbole dienen der Vermittlung von Werten, sozialen Normen, Überzeugungen und Zielen. Ein Ehering ist z. B. ein Symbol für Treue und Zusammengehörigkeit, ein Luxusauto mag ein Zeichen für finanzielle Stärke sein, eine firmenüblich konservative Kleidung ein Symbol für hohe Qualität der Produkte und Seriosität der Mitarbeiter.
20.3
Symbole als Sinnbilder der Unternehmenskultur
Unternehmenskultur stellt einen Handlungsrahmen für Führungskräfte dar, auch wenn dieser, was Wirkungsweise und Ausprägung betrifft, unterschiedlich diskutiert wird. Fast alle Formen menschlichen Verhaltens sind teilweise kulturell bestimmt. Dies zeigt sich im individuellen wie auch sozialen Verhalten, und so ist das kollektive Verhalten von Menschen in Organisationen gleichfalls stark kulturell bedingt. Für das Kulturverständnis und den sinnvollen Umgang mit Kultur sind zwei Perspektiven bedeutsam: •
Auf der einen Seite entsteht Unternehmenskultur aus dem laufenden Verhalten der Mitarbeiter. Sie ist mithin eine Ansammlung von gemeinsam geteilten Werten, Normen, Ideologien etc. in der Unternehmung, wird durch deren Formen gewissermaßen "charakterisiert". Sie ist in dieser Hinsicht Ergebnisgröße.
•
Auf der anderen Seite wirkt die Unternehmenskultur als "kollektive Programmierung" (Hofstede, 1980, Sp. 1169). Sie prägt das Verhalten und ist deshalb eine Inputgröße.
Für eine betriebliche Organisation schafft die Organisationskultur "ein gemeinsames Bezugssystem, eine Linse, die Wahrnehmungen filtert und Erwartungen beeinflusst, gemeinsame Interpretationen ermöglicht, Komplexität reduziert, Handlungen lenkt und legitimiert" (Kieser 1984, S.4). Organisationskultur und Unternehmenskultur sind synonyme Begriffe (vgl. Dülfer 1991, S. 2). Die Kultur verleiht einer Unternehmung nach innen wie nach außen eine eigene unverwechselbare Identität. Die "Oberflächenstruktur" der Organisationskultur ist beobachtbar, erfahrbar, explizit und offen für eine gewisse Einflussnahme. Auf dieser Manifestationsebene der Kultur werden sinngebende und sinnmachende Bedeutungen ausgedrückt, nach innen und außen an die Beteiligten kommuniziert, bestätigt und korrigiert. Es gibt eine Vielzahl von Symbolen, an denen man eine Unternehmenskultur erkennt. Dem Insider sind sie meist so vertraut, dass er sie gar nicht mehr wahrnimmt. Hier seien nur einige Verhaltenskategorien willkürlich herausgegriffen, die Unternehmungskulturen widerspiegeln (vgl. Pümpin et al. 1985, S. 11):
252
Symbolische Führung und Organisationskultur
•
Wie spricht man vom Kunden? Mit Achtung und dienstbereit oder abfällig, wie von einer lästigen Person?
•
Art und Weise der Kommunikation zwischen Kollegen, zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern, zwischen verschiedenen Hierarchiestufen?
•
Arbeiten die Mitarbeiter vorwiegend als "Einzelkämpfer" oder im Team?
•
Wie werden Konflikte ausgetragen? Sucht man zu allererst nach dem Schuldigen oder betrachtet man Fehler als Chance zum Lernen und zu sachlicher Problemlösung?
•
Werden Titel und Hierarchie stark betont, oder sind Arbeitsstil und Zusammenarbeit problemorientiert und sachbezogen?
•
Gibt es viele Gerüchte, oder pflegt man die Mitarbeiter über Wesentliches schnell zu informieren?
•
Wer wird aufgrund welcher Leistungen befördert? Sind die Kriterien transparent, einsichtig und nachvollziehbar?
•
Wie ist die Bereitschaft zu Überstunden ausgeprägt, wenn diese notwendig werden?
•
Wie ist der Briefstil des Hauses? Kunden- bzw. mitarbeiterbezogen oder unpersönlich, umständlich, bürokratisch?
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Wie schnell reagiert man auf Schreiben von außen und innen?
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Wie verhalten sich die Mitglieder von Führungsgremien in Sitzungen? Wer kommt zu Wort? Geht es um persönliche Profilierung oder werden fachlich kompetente Lösungen angestrebt?
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Wie verhalten sich Telefonistinnen und Sekretärinnen gegenüber Kunden und Mitarbeitern? Abweisend und überheblich oder hilfsbereit und freundlich?
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Wie spricht man von der Firma im Freundes- und Bekanntenkreis? Redet man voll Stolz über "seine" Firma oder erzählt man hämische Witze und distanziert sich?
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Gibt es "Helden", die ein besonderes Ansehen genießen und sichtbar verehrt werden?
Führungskräfte greifen permanent gestaltend in den Werdensprozess "ihrer" Organisation ein, um diese durch Managementprozesse auf einen bestimmten Entwicklungspfad zu kanalisieren. Gestaltende Eingriffe in ein zweckorientiertes produktives soziales System bedingen, dass Ereignisse, Prozesse, Zustände und Strukturen nicht nur substanziell entstehen/ sondern auch geistig nachvollzogen und sinnvoll interpretiert, erklärt und begründet werden können.
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Gruppierung und Typen kulturprägender Symbole
20.4
Gruppierung und Typen kulturprägender Symbole
Wie äußert sich die Organisationskultur im betrieblichen Alltag? Welches sind die kulturellen Kräfte, welche die "sichtbare" Kultur steuern? Die sinnbildliche Darstellung einer Botschaft und Ausdruck auch von unbewussten Bedeutungen zeigt sich in symbolischen Handlungen, wie gemeinschaftlich gepflegten Verhaltensweisen, Sitten und Gebräuchen, Riten und Zeremonien sowie in konkreten Objekten oder Gegenständen wie Statussymbolen, Architektur der Gebäude, Bekleidungsgewohnheiten und ansonsten verwendeten Gegenständen, Hilfsmitteln, Einrichtungen, Ausstattungen und Technologien, aber deutlich auch in der Sprache für kommunikative Prozesse in der Organisation und mit der Umwelt durch Geschichten, Legenden, Mythen, Sagen, Redewendungen, ein institutionsspezifisches Vokabular.
Abbildung 20.1
Symboltypen der Unternehmenskultur (Quelle: v. Rosenstiel2009, S. 24, eigene Ergänzungen)
verbale
interaktionale
Artifizielle
Geschichten
Rituale, Zeremonien, Traditionen
Statussymbole
Mythen Parabeln Legenden, Sagen, Märchen Slogans, Maximen, Mottos, Grundsätze Sprachregelungen Jargon, Tabus Lieder, Hymnen Witze Glaubenssätze
Feiern, Jubiläen, Festessen Konventionen Konferenzen, Tagungen Vorstandsbesuche, Revisorbesuche Auswahl und Einführung neuer Mitarbeiter, Beförderung Degradierung, Entlassung, Kündigung, Pensionierung Beschwerden Magische Handlungen, z. B. Mitarbeiterauswahl, strategische Planung
Schriftlich fixierte Systeme z. B. der Einstufung, Beförderung Unternehmensleitbild, Führungsgrundsätze Abzeichen, Embleme, Geschenke, Fahnen Logos Urkunden, Preise, Incentive-Reisen Idole, Totems, Fetische Kleidung, äußere Aufmachung Architektur, Arbeitsbedingungen Plakate, Broschüren, Werkszeitung
254
Symbolische Führung und Organisationskultur
Im Gegensatz zu einer schriftlich dokumentierten Strategie oder dem graphisch darstellbaren Organisations-Plan ist die Kultur der Organisation als Ganzheit nicht fassbar. Erkennbar ist sie lediglich in den durch das Normen- und Wertgefüge geprägten Folgen und Erscheinungsformen in betrieblichen Strukturen und Prozessen in Form einzelner Symbole. Eine Übersicht von Symboltypen, wie sie im Gespräch übermitteltet werden (kommunikationsorientiert), im gemeinsamen Tun sichtbar sind (handlungsorientiert) oder objektbezogen (artifiziell) auftreten, zeigt ausschnitthaft und exemplarisch Abbildung 20.1 (vgl. v. Rosenstiel2009, S. 24). Es gilt kritisch zu prüfen, ob diese in einer Organisation auffindbaren Symbole auch auf die zentralen Werte der Institution hinweisen oder ob diese durch andere Zielsetzungen eventuell gänzlich überdeckt werden. All diese Symbole mit ihrem Bedeutungsgehalt, mit ihrem Versuch der Sinngebung und der Deutung des sonst schwer verständlichen Zusammenhalts machen den wesentlichen Kern dessen aus, was man als Unternehmenskultur beschreibt.
21
Kulturbewusste Führung
Die Organisationskultur wird geprägt durch ein Netz von Werten, Glaubensvorstellungen und Orientierungsmustern, welche das Sozialsystem auf geistiger Ebene zusammenhalten, ein "Wir"-Gefühl erzeugen und sinnhaft aufeinander bezogene Handlungen erzeugen. Hierdurch werden Wahrnehmungen kanalisiert, Erwartungen und Handlungen beeinflusst. Kulturbewusster Führung bietet sich so die gestalterische Chance, eine positive Differenzierung von anderen Unternehmen zu erreichen, z. B. in Bezug auf eine tief verwurzelte Kundenorientierung, Mitarbeitermotivation, Zufriedenheit der Kapitalgeber oder gesellschaftliche Verantwortung: Einstellungen und Verhaltensweisen, die die ganze Organisation durchdringen.
21.1
Wirkungen der Unternehmenskultur
Organisationen durchleben eine Geschichte und ihre Kulturen sind das tradierte "Erbe" der vergangenen Organisationsentwicklung. Kulturelle Normen und Werte sind in ihrer Wirkung wesentlich stärker als die individuelle Beziehung zwischen Chef und Mitarbeiter sowie gruppendynamische und situative Bestimmungsfaktoren. Was einen Manager besonders interessiert, sind die Auswirkungen der Kulturkräfte auf Verhaltensmöglichkeiten und Verhaltensweisen eines humanen sozialen Systems, auf Strategien, Prozesse und Strukturen, die durch die Kultur verhindert oder unterstützt werden. Unternehmenskultur erfüllt folgende vier Funktionen (vgl. Dill/Hügler 1987, S. 146-159): 1. Sie wirkt verhaltenssteuernd und vermittelt Richtlinien für das "tägliche Verhalten" der Mitarbeiter, indem sie Handlungsabläufe und -freiräume bestimmt (Koordinationsfunktion).
2. Sie vermittelt Mitarbeitern den Sinn ihres Tuns und bewirkt bzw. fördert dadurch ihre Leistungsbereitschaft (Motivationsfunktion). 3. Sie gibt ein Gefühl der Zugehörigkeit zum Unternehmen (Identifikationsfunktion). 4. Sie schafft und verdeutlicht den Unterschied zu anderen Unternehmen (Profilierungsfunktion). Zu diesen primären Funktionen kommen wesentliche sekundäre Funktionen:
Produktivität und Leistung: Produktivitätsunterschiede, die zwischen verschiedenen Firmen der gleichen Branche vorkommen, sind oft weit höher als hundert Prozent. Ähnlich verhält es sich mit Abwesenheitsquoten. Solche Unterschiede sind nur erklärbar unter Berücksichtigung der Unternehmenskultur. Aus dieser Sicht kann man sagen, dass die Unternehmenskultur offensichtlich ein Faktor ist, der den Erfolg der Unternehmung - positiv oder negativ - ganz entscheidend zu beeinflussen vermag. Die Leistungskraft einer Unter-
K. F. Withauer, Führungskompetenz und Karriere, DOI 10.1007/978-3-8349-6580-6_22, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
256
Kulturbewusste Führung
nehmung wird vor allem bestimmt durch begeisterte, motivierte Mitarbeiter, die aus einer unternehmerischen Perspektive heraus und entsprechend eigener Verantwortung handeln (vgI. Wunderer 2009, S. 51 f.), Vor allem die Kulturstärke stellt einen wichtigen Aspekt im Umgang mit der Unternehmenskultur dar: denn je stärker die Kultur ist, desto eher pr ägt sie das Verhalten. Eine starke Unternehmenskultur dürfte davon abhängen, dass die Wertvorstellungen der Mitarbeiter nicht gegenläufig sind, die Wertemuster transparent sind, die Organisation lange genug besteht, dass die Mitarbeiter die Kultur internalisieren konnten, die sichtbaren Objekte stimmig zu den Kulturwerten sind und die Wertemuster der Organisation mit der Landeskultur harmonieren. Die Vorteile einer starken gegenüber einer schwach ausgeprägten Unternehmenskultur liegen auf der Hand. Da ist zunächst einmal der geringe formale Regelungsbedarf, d . h. die Abstimmungsprozesse gestalten sich durch die einheitliche Orientierung wesentlich einfacher und direkter. Dies ist insbesondere bei stark dezentralisierten Unternehmenskonzepten von großer Bedeutung, die Unternehmenskultur wirkt bei solchen nur schwierig regulierbaren Prozessen als verknüpfendes Band. Als Beispiel lassen sich hier Unternehmen anführen, die weitgehend auf Franchise-Basis operieren, aber dennoch sehr geschlossen auftreten wie z. B. weithin bekannte Fast-Food-Ketten.
Förderung des betrieblichen Wandels: Starke Kulturen weisen vielfach jedoch auch problematische Auswirkungen auf. Diese betreffen vor allem die Absichten eines notwendigen betrieblichen Wandels; es besteht die Gefahr, dass das unternehmenskulturell verankerte Wertesystem zu einer alles beherrschenden Kraft wird und Dynamik und Veränderungen in der Umwelt ignoriert werden. Mit einer Veränderung des Vorherigen und damit zugleich der Generierung von andersartigem "Neuern" werden bisherige Denk- und Handlungsmuster ungültig und aufgelöst. Die notwendige Förderung des betrieblichen Wandels erfordert eine mit diesem Wollen in Harmonie stehende Unternehmenskultur. Mit einem substanziellen Strukturwandel durch eine gezielte Ressourcenzuordnung - wie z. B. neue Maschinen und Anlagen - sowie funktional variablen Interaktionsspielräumen muss der geistige Strukturwandel mit personenbezogenen Änderungen psychologisch-geistiger Art durch eine bewusste Gestaltung der Unternehmenskultur einhergehen. Kennzeichnend für jeden betrieblichen Wandel ist die Trägheit des Prozesses. Die Disharmonie von strategischem Wollen und andersartiger kultureller Prägung weckt Akzeptanzwiderstände, die vom Management intendierte Strategien verfälschen oder sogar scheitern lassen. Hierin dürften die Gründe liegen, dass bis zu 90 Prozent der unternehmerischen Strategien nicht erfolgreich umgesetzt werden (vgI. Waterman et aI. 1980, zit. bei Pümpin et aI. 1985, S. 18). Die Wirkungen der Unternehmenskultur auf gewollte Strategien sind deshalb auf einem Kontinuum zwischen "unterstützend" und "hemmend" einzuordnen (vgI. ausführlicher Bleicher 1991, S. 95 H. und Dill/l-Iügler 1987, S 172 H.). Langfristig erfolgreiche Unternehmen, die sich den starken Veränderungen in bewegten Zeiten und vielfältigen Entwicklungen stellen, verfügen erfahrungsgemäß sowohl über gute Managementinstrumente - wie Geschäftsfeld-, Organisations- und Managementsys-
Wirkungen der Untemehmenskultur
257
templanung (vgl. Bleicher 2004, 5.199 H.) - als auch über eine starke Kultur. In einem dualen Managementansatz müssen die beiden Perspektiven des Management, die Systemlenkung und die Kulturentwicklung, gleichrangig nebeneinander stehen (vgI. P. Ulrich 1984" 5.320).
Profilierung der strategischen Stoßkraft: Die Unternehmenskultur profiliert die strategische Stoßkraft eines Unternehmens. Die Praxis zeigt, dass die Bandbreite strategischer Möglichkeiten beschränkt ist. Als Profilierungsansätze sind bekannt hardwarebezogene Wettbewerbsvorteile durch Produkt-, Werkstoff-, Verfahrensinnovationen, Produktqualität, ein effizientes Verkaufssystem etc. Bei einer softwarebezogenen Profilierung beruhen Wettbewerbsvorteile auf kulturellen, durch die Mitarbeiter geschaffenen Voraussetzungen, wie überdurchschnittliche Service- und Beratungsleistungen, ausgeprägter Kunden- und Dienstleistungsmentalität, starker Resultats- und Leistungsorientierung, personell bedingten Produktivitätsvorteilen. Beurteilt man die beiden strategischen Profilierungsansätze bezüglich einer Nachahmung durch die Konkurrenz, so lässt sich folgendes feststellen:
Abbildung 21.1
Imitationsschutz hard· und softwarebezogener Profilierungsansätze (Quelle: Pümpin et al. 1985, S. 18
$O~8rebezogene
Profilierungsansätze
hardwarebez.ogene Profilierungsansätze
',,-
"-
Normen, Werte und Denkhaltungen [kulturelles ~otentiall
Produkte-Know-how Veria hrens-K now -how (Know-how-, Sech· und Finanzmittelpotential) ...t.
Imitationsschutz
1 Jahr
Die Schutzfähigkeit hardwarebezogener Profilierungsansätze wird immer geringer. Selbst in technisch anspruchsvollen Bereichen verbreitet sich Know-how rasch. Ein neu auf dem Markt eingeführtes Produkt mit aussichtsreicher Technologie induziert innerhalb kurzer Zeit ähnliche Angebote, sodass die Nutzung anfänglicher Pioniervorteile bald ausfällt.
258
Kulturbewusste Führung
Die Basis einer softwarebezogenen Profilierung ist eine stark ausgeprägte Unternehmenskultur. So ist die überdurchschnittliche Kunden- oder Dienstleistungsmentalität niemals nur das Ergebnis einer direkten Verhaltenssteuerung. Stellenbeschreibungen, Pflichtenhefte, Kontrollsysteme und ständige Anordnungen sind nämlich nicht in der Lage, die angestrebte Profilierung zu erzwingen. Die hohe Wertschätzung des Kunden und die tägliche Bereitschaft, durch persönliches Verhalten einen wirksamen Beitrag zur Kundenzufriedenheit zu leisten, erfordern ein entsprechendes Wert- und Normengefüge in der ganzen Unternehmung. Diese nicht schriftlich festgehaltenen Denkhaltungen bilden den entscheidenden Verhaltenskodex, der insbesondere von den Führungskräften vorgelebt wird und das Handeln der Mitarbeiter prägt. Im Gegensatz zum technischen Wissen ist die über Jahre gewachsene und tradierte Unternehmenskultur gegenüber der Nachahmung durch die Konkurrenz wirkungsvoller abschirmbar. Die Unternehmenskultur ist Multiplikator für kulturgeprägtes und kulturverträgliches Führungshandeln. Als erfolgsstrategisch besonders bedeutsam für eine Grundorientierung der Unternehmenskultur verdienen vier Kriterien besondere Beachtung:
Kundenorientierung: Welche Wertschätzung hat der Kunde? Ist man bereit, auf Kundenwünsche sofort einzugehen? Ist man bereit, dem Kunden zu dienen? Ist man bereit, noch am gleichen Tage zum Kunden zu gehen oder muss der Kunde erst fünfmal telefonieren und dann kommt vielleicht jemand? Innovationsorientierung: Wie stark ist man bereit, Innovationen zu realisieren? Ist man eher zurückhaltend oder werden regelmäßig Innovationen angegangen und realisiert? Ist man unkompliziert oder ist man sehr formalistisch? Sucht man nach Sündenböcken im Falle eines Fehlschlages oder verzichtet man darauf? Mitarbeiterorientierung: Wir stark ist man auf den Mitarbeiter bezogen? Hat der Mitarbeiter eine hohe Wertschätzung? Wird er als Partner betrachtet? Wie hält man es mit Vertrauen und Delegation? Pflegt man einen kooperativen bzw. partnerschaftliehen Führungsstil? Resultats- und Leistungsorientierung: Ist man in dieser Firma darauf ausgerichtet, Aufgaben zügig und dynamisch zu lösen? Will man rasche Resultate erzielen oder wird da gemächlich von einem Tage zum anderen die Sache aufgeschoben? In allen vier Bereichen eine starke Unternehmenskultur aufzubauen, ist offensichtlich kaum möglich. Erfolgreiche Unternehmungen haben meist eine Ausprägung gefördert. Ein allgemein gültiges Idealbild der Unternehmenskultur gibt es nicht. Die Kultur ist stets im Verhältnis zur Strategie zu sehen. So bedingt beispielsweise eine introvertierte Strate-
gie, die auf striktes Kostenmanagement zielt, eine andere Unternehmenskultur als eine innovationsorientierte, auf die Realisierung neuer Produkte gerichtete, extravertierte Strategie. Bei der letzteren könnte die vorbereitende Maßnahme einer Kulturwende die Übernahme von Lizenzen sein (vgl. Dill/Hügler 1987, 180). Das entwicklungsorientierte Anforderungsprofil an die Unternehmenskultur ist letztlich der "Maßstab" für ihre Qualität.
Gestaltungsbereiche der Organisationskultur
21.2
259
Gestaltungsbereiche der Organisationskultur
Das Management der Unternehmenskultur vollzieht sich durch Erkennen, Beurteilen und aktives Gestalten. Kulturbewusste Führung bedeutet für alle Führungsakteure, sich der Unternehmenskultur im eigenen sozialen System bewusst zu werden und sie aktiv mitzugestalten. Es gilt, kritisch zu prüfen, ob die im Unternehmen auffindbaren Symbole auch auf die zentralen Werte des Unternehmens hinweisen oder ob diese durch andere Zielsetzungen gänzlich überdeckt werden. Die Diagnose erfasst die vorhandenen unternehmenskulturellen Symbole und wertet sie zu einem Profil der Unternehmenskultur aus. Die Beurteilung betrachtet die strategische Stoßkraft als Grad der Übereinstimmung der erlebten Unternehmenskultur mit den Erfordernissen der zur Erreichung betrieblicher Ziele gewählten Strategie. Gestalten der Unternehmenskultur heißt, die Kultur verstehen und das Verhalten der Mitarbeiter in Richtung bestimmter Werte beeinflussen. Kulturbewusste Führung ist zweckorientiert und an situative und wiederum kulturgeprägte Voraussetzungen geknüpft. Kulturen sind aufgrund ihrer Entstehung und Komplexität träge Erscheinungen und deshalb nur über einen längerfristigen Lernprozess der Organisationsmitglieder veränderbar. Für das stets auf die Eigenheiten des Unternehmens abgestellte gestalterische Vorgehen bietet sich eine Systematik der Gestaltungsbereiche an. Als solche seien die identifizierten Arten von Symbolen (siehe 20.4) gewählt. Beispielhaft sei nachstehend auf konkrete führungspraktische Gestaltungsmöglichkeiten eingegangen, für die sich ein projektmäßiges Angehen empfiehlt.
LeitbtlderNisionen, Unternehmensgrundsätze Leitbilder oder Visionen gehören zu den objekthaften Symbolen. In sozialen Systemen erhalten Ideen dann eine noch größere handlungsleitende Kraft, wenn sie als Ausdruck eines bestimmten Weltbildes bzw. einer Lebensordnung bewusst werden. Unternehmungen versuchen deshalb zunehmend, ihre Grundannahmen und -werte in Form von Dokumentationen, die oft als "Unternehmensphilosophie", "Unternehmensleitbild", "Grundsätze der Unternehmensführung" oder Katalog der "Unternehmensziele" wie auch gelegentlich eingeschränkter als "Grundsätze der Führung und Zusammenarbeit" (siehe auch Kap. 4, 15.4) bezeichnet werden, für Führungskräfte und Mitarbeiter, oft aber auch für externe Bezugsgruppen sichtbar zu machen und festzulegen. Offenkundig erfüllen solche Aussagen über die Grundannahmen und -werte im Selbstverständnis dieser Unternehmungen eine wichtige Rolle und sind typisch für leistungsstarke Firmen (vgl. Bleicher 2004, S. 169). Warum entwerfen und formulieren Unternehmen Unternehmensgrundsätze und leitbilder und welches ist der geeignete Prozess, die wesentlichen Dimensionen der Unternehmenskultur in dieser Form explizit zu machen? Unternehmensleitbilder und Unternehmensgrundsätze sind von ihrer Intention her expressiv bewusstmachend, dass die Führungskräfte nach unternehmenskulturellen Werten
260
Kulturbewusste Führung
und Normen handeln. Zudem wollen sie bestimmte erwünschte Handlungsweisen "kodifizieren", was insbesondere in Konfliktsituationen Führungskräften und übrigen Mitarbeitern ermöglicht, unter Verweis auf den niedergelegten Grundkonsens Entscheidungen zu fällen oder auch Verhalten zu hinterfragen. Sie können darüber hinaus grundlegend sein für eine Unternehmensplanung, Berichterstattung und Leistungsbeurteilung. Andere artefaktische Symbole sind eventuell vorhandene Stellenbeschreibungen, Funktionendiagramme, Organisationsanweisungen, Geschäftsordnungen als Ausdruck eines Strebens nach Regelmäßigkeit, Kontinuität, Statuserhalt, die Gestaltung der Firmengebäude und der Arbeitsplätze. Zu dieser Art von Symbolen gehören auch die Art und Weise des Zeitmanagements von Führungskräften, der Logo und andere Zeichen, das Briefpapier, wie Berichte, Protokolle, Anweisungen abgefasst werden, Kleidung und Habitus, favorisierte Sportarten, Bildungsniveau, Spesenregelungen, Qualität der eingesetzten Werkzeuge und Materialien, Projektmanagement, Mitbestimmungsreglements etc. Sie charakterisieren im Wesentlichen einen Handlungsrahmen. Symbolisches Handeln
Kultur lebt in ihrer Glaubwürdigkeit nicht vom "Verkünden", sondern in erster Linie vom Vorleben und Vorbild. Das Vorleben einer Kultur geht von bestimmten Modellpersönlichkeiten aus, die als Schlüsselfiguren der Organisationskultur ein bestimmtes Ansehen genießen und sichtbar verehrt werden (Pionierunternehmer, Krisenmanager, Superverkäufer). Solche "Helden" personifizieren Werte, haben Visionen und verwirklichen sie. Ihre Handlungen haben Symbolcharakter und regen zur Nachahmung an. Nicht nur Manager, auch (Mit-)Arbeiter können Helden sein oder werden. Der symbolische Charakter von Handlungen zeigt sich in Traditionen, Gewohnheiten, Routinen, Tabus und sie sind Ausdruck der Kultur. Die Art und Weise, wie Mitarbeiter geführt, informiert, ausgebildet, gefördert werden, Initiativen ergriffen und unterstützt werden, die Zusammenarbeit verhindert oder gestärkt wird, wie eine Arbeit ausgeführt und erfüllt wird, Aufgaben an Mitarbeiter delegiert werden, Projektteams gebildet werden, Kameradschaft und Freundschaft auch außerbetrieblich gepflegt werden, sind Handlungsbeispiele. Symbolische Wirkung haben auch eine Politik der offenen Tür, häufige und offene Koordinationskonferenzen, Toleranz gegenüber Experimenten, das Verhalten bei Fehlschlägen. Von besonderer Bedeutung sind Rituale und Zeremonien. Riten und Rituale sind Bräuche und Gewohnheiten, wie etwa das tägliche Frühstück befreundeter Kollegen sowie auch stärker institutionalisierte Aktivitäten wie etwa die tägliche Postbesprechung, die Auszeichnung des besten Verkäufers, die Aufnahme von Nachwuchskräften in einen Förderkreis. In Zeremonien wird die Kultur der Organisation gefeiert, etwa bei Jubiläen, zur Weihnachtsfeier oder bei einer unternehmenskulturgeprägten Festveranstaltung, z. B. für den so bezeichneten 100 %-Club einer Firma.
Gestaltungsbereiche der Organisationskultur
261
Sinnvermittlung durch Sprache
Symbole werden durch eine dritte Kategorie geschaffen und vermittelt: die Sprache. In einem Unternehmen bilden sich bestimmte "Vokabularien" heraus, denen bei der Weitergabe unternehmenskultureller Werte und Normen eine zentrale Bedeutung zukommt. Dies wird besonders neuen Mitarbeitern deutlich, die mit den Redewendungen einer zunächst schwierig verstehbaren - "Firmensprache" konfrontiert werden. Indem eine solche spezifische Sprache z. B. höflich oder leger, flapsig oder militärisch knapp sein kann, symbolisiert sie kollektive Werte, Bedeutungen und Interpretationen. Sprache kann dementsprechend als Träger von Kultur identifiziert werden, sie bewirkt, dass sich zwischen den einer Kultur zugehörigen Individuen konsistente Beziehungen entwickeln und stabilisieren. Symbolhafte sprachliche Konkretisierungen einer Unternehmenskultur zeigen sich in Geschichten, Erzählungen, Anekdoten und Stories sowie in Mythen, Legenden, Sagen . Erzählungen und Geschichten sind ausgeschmückte Berichte über bestimmte Geschehnisse in der Vergangenheit mit besonderer unternehmensspezifischer Bedeutung. Derartige Erzählungen, Geschichten und anekdotenhaft geschilderte Erfolgs-Stories können sehr eindrucksvoll sein (vgl. Peters/Waterman 1984, Deal/Kennedy 1987). Indem sie Traditionen verdeutlichen, verbinden sie Firmengeschichte und aktuelle Anliegen der Unternehmung. Die starke Glaubwürdigkeit solcher "Stories" hat ihre Grundlage in der Bezugnahme auf konkrete Ereignisse und der Freiheit des Zuhörers, zu der nicht ausdrücklich ausgesprochenen immanenten "Moral" der Geschichten eigene Schlussfolgerungen zu ziehen. Geschichten vereinfachen die Interpretation bestehender Werte und Normen, weil durch sie vergleichsweise abstrakte kulturelle Standards konkretisiert und ver-bild-licht werden. Mythen sind idealisierte, nahezu dem Bereich der Dichtung zugehörige, gleichsam überhöhte Schilderungen von unternehmensrelevanten Geschehnissen. Sie sind stark subjektiv geprägt und meist eher eine Frage des Glaubens als des Wissens. Solange Mythen als glaubhaft akzeptiert sowie durch ihre bisherige "Anwendung" als erfolgreich erlebt werden, bestimmen sie als kulturelle Deutungsmuster, welche Handlungsweisen in der Organisation als legitim und regelkonform erachtet werden (vgl. Jönsson/Lundin 1977, S. 157 H.). Geschichten, Stories wie auch Mythen, Legenden kreisen um Themen wie Innovation, Sicherheit, Kundentreue, Verhalten zu Mitarbeitern, Technologien, Entscheidungssituationen. Sprache enthält implizit eine Art und Weise, die Welt zu sehen, zu erfassen und zu beschreiben. Menschen mit verschiedenen Sprachen definieren die Welt anders. Sprache kann deshalb mit interpretierten Geschehnissen durch kommunikative Äußerung Wirklichkeiten konstruieren. "Tatsachen" haben keine Bedeutung, bis sie vom Menschen als solche interpretiert werden. Humane soziale Systeme sind Systeme vieler Wirklichkeiten, eine kulturelle Konstruktion. Wirklichkeiten werden geschaffen durch Erwartungen, Wünsche, Voraussagen, die kommuniziert werden müssen und deshalb die Sprache zum Instrument der Gestaltung von Wirklichkeiten macht.
262
21.3
Kulturbewusste Führung
Gesteigerte Führungseffektivität durch symbolisches Führen
Der Führung kommt im Werden einer Unternehmenskultur eine bedeutende prägende Rolle zu. Dies beginnt beim Gründer, der seinem Unternehmen im Stadium des Nochnicht-Vorhandenseins einer Kultur seine Visionen, Werte und Normen "einhaucht". In der weiteren Entwicklung werden Kulturen durch Vorbild und Vorleben der Führung sichtlich stark beeinflusst. Führung erhält dadurch eine symbolische Wirkung, wenn sie Ereignisse in der Arbeitsgruppe, in der Unternehmung oder in der Umwelt in einen "höheren" Zusammenhang stellt, ihnen dadurch "Sinn" gibt und für die Mitarbeiter vernünftig erscheinen lässt. Das unmittelbare Erleben vorbildhafter Führer und die mittelbare Vermittlung ihrer Werte in vielfältigen "Heldensagen", die oft sogar realitätsverschönert auch nach dem Ausscheiden der Akteure aus der Organisation weiterleben, scheinen beim Werden einer Unternehmenskultur eine wesentliche Rolle zu spielen. Symbole als Führungsinstrument zu verwenden, heißt sie zur Gestaltung von Führungsbeziehungen zu nutzen. Der überragende Vorteil hierbei ist, dass mit der Hilfe von Symbolen den Mitarbeitern das Führungsanliegen besser verdeutlicht wird - vorausgesetzt die symbolinhärente Bedeutung wird erkannt und anerkannt. Aus dieser Sicht zielen Symbole wie andere Führungsmittel auch in dieselbe Richtung. Auch sie müssen situationsbezogen passend eingesetzt werden. Führung will Unsicherheit bewältigen und ist zielorientiert. Gleichwohl ist das Tun von Führungskräften nie eindeutig, es muss interpretiert werden. Diese Interpretation soll nicht dem Zufall überlassen, sondern verlangt danach, gesteuert zu werden. Führungskräfte handeln nicht einfach, sie inszenieren ihr Handeln und versehen es mit Deutungsund Regieanweisungen. Symbolische Führung verfolgt die gleichen Ziele wie andere Führungsaktivitäten, etwa zur Leistungssicherung. Die Einflussnahme setzt indessen nicht beim unmittelbaren Verhalten der Geführten an, sondern richtet sich auf die der Verhaltensebene vorgelagerten Wirklichkeitsbilder, Überzeugungen, Einstellungen. Die Absicht ist, die Geführten trotz eines möglicherweise objektiv gegebenen Dissenses bereit zu machen, den Aktivitäten der Führenden Konsens und Rationalität zuzuschreiben. Hierzu werden - häufig ohne bewusste Absicht - Visionen, Symbole, Zeremonien und Rituale eingesetzt, die besonders stark wirken, wenn sie in den Mythen und Traditionen der Organisation wurzeln. Geht es um bestimmte Führungsziele, so sollte man nach Anknüpfungspunkten in der Vergangenheit, nach Traditionen und Vorbildern in der Unternehmensgeschichte suchen. Dadurch wird es leichter, Führung zu akzeptieren (vgl. v. Rosenstiel2009, S. 23). Letztlich ist Führung nur dann effektiv, wenn sie den Glauben an die Bedeutung der Führung stabilisiert. Dadurch wird erreicht, dass das Vertrauen der Geführten in die Führung gefestigt, das Gefühl der Verantwortlichkeit der Führungskräfte stabilisiert wird. Durch symbolische Handlungen und Rituale wird nun diese funktionale Ideologie aufrechterhalten. Entscheidungsakzeptanz wird auf diese Weise sichergestellt; Gewissheit und Orientie-
Gesteigerte Führungseffektivität durch symbolisches Führen
263
rung werden in einer mehrdeutigen und komplexen Welt bewahrt, obwohl es sich dabei nicht selten um Pseudogewissheiten und Pseudoorientierungen handelt. Führungshandlungen und Führungsentscheidungen sind also in diesem Sinne nicht sachlogisch, rational oder funktional, sondern (mikro)politisch (siehe Kap. 6, 19) zu deuten. Führung muss demnach den Zweck verfolgen, trotz objektiver Widersprüche Akzeptanz für Führungsentscheidungen bei den Geführten zu sichern, und zwar in einer Weise, dass diese den Führenden Rationalität zuschreiben. In bestimmten Situationen ist symbolische Führung besonders wirksam. Dies trifft z. B. zu, wenn •
Unsicherheit über das zu Erreichende besteht,
•
Zweifel bei der Bewertung zu erreichender Ziele aufkommen,
•
die Akzeptanz erhöht werden soll,
•
Veränderungen eingeleitet und begleitet werden sollen,
•
Führer und Geführte in einem geringen persönlichen Kontakt zueinander stehen,
•
Loyalität, Comrnitment und Konsens erfolgsrelevanter sind als Fachkenntnisse,
•
eher Kollektive als Einzelpersonen angesprochen werden sollen .
Handlungen, Artefakte und Sprache symbolisieren interaktiv Kultur. Dabei ist Sprache wohl die ausgeprägteste Manifestation. Sprache kommuniziert Kultur und bietet eine "Linse" für die Wahrnehmung von Wirklichkeit. Effektive Führungskräfte zeichnen sich deshalb gerade durch die Fähigkeit aus, Prozesse und Strukturen vor allem für ihre Mitarbeiter sinnvoll aufscheinen zu lassen und auch in Worte zu kleiden, damit möglichst viele Beteiligte oder Betroffene darüber kommunizieren können. Die anstelle schriftlichformaler Übermittlung festgestellte Bevorzugung persönlicher Information durch direkte sprachliche Berichterstattung und Diskussionen bei Führungskräften belegt, "was Manager wirklich tun" (vgl. Mintzberg 1991) und tun sollten. Sinn kann zwar nicht geschaffen werden, aber ein sinn-voller Kontext. Mit der Gestaltung von Artefakten, Handlungen und Sprache bietet symbolisches Führen Interpretationshilfen und -schemata für eine sinnvolle Erfassung der Wirklichkeit an. Der bewusste Einsatz von Symbolen verlangt jedoch von Führungspersonen sprachliche und dramaturgische Fähigkeiten, die bei Einigen kaum ausreichend kompetent vorliegen. Der Entwurf von angemessenen Bildern, das Gefühl für das richtige Timing oder der Dialog über die Symbole selbst ist eine außerordentliche kommunikative Herausforderung. Eine mangelnde soziale Kompetenz setzt beim Versuch des symbolischen Führens sich der Gefahr aus, manieriert und manipulativ zu wirken (vgl. Weibler 2001, S. 383).
Kapitel 7: Training der Führungsqualifikation und Führungseffektivität Erfolgreiche Führungspersonen unterscheiden sich von weniger erfolgreichen und von Geführten durch eine Führungskompetenz, welche Wissen, Fähigkeiten und Einstellungen umfasst und die sie befähigt, zum Funktionieren der Unternehmung beizutragen sowie Wegbereiter der Unternehmungszukunft zu sein. Sie müssen ihren eigenen jeweiligen Beitrag für die Resultate der Unternehmung definieren, und weil sie Führungskräfte sind, müssen sie auch bestimmen und dafür sorgen, dass ihre Mitarbeiter in diesem Sinne für die Unternehmung handeln. Welche überlegene Persönlichkeitsausstattung Führungserfolg bestimmt, war deshalb lange Zeit ein wichtiges Anliegen der Führungsforschung (vgl. Neuberger 2002, S. 223 H.). Gesucht wurde der Idealtyp des erfolgreichen Managers. Der betrieblichen Praxis ist jedoch nicht gedient, wenn nur überragende Persönlichkeiten mit eindeutigen "angeborenen" Führungseigenschaften für Führungsfunktionen infrage kämen. Natürlich gibt es auch führungsrelevante "Talente". Führungspersonen sind jedoch nach vielfältiger Erfahrung keine "übernatürlichen" Wesen. Führung und Management ist ein Beruf, der erlernt und gelehrt werden kann. Deshalb suchen Unternehmungen und andere Organisationen, die Führungsqualifikation ihrer Führungskräfte zu verbessern und weiterzuentwickeln. Entwicklung und Training von Führungskräften beschreitet recht unterschiedliche Wege. Klassische institutionalisierte Entwicklungsrnaßnahmen sind Vorträge, Workshops und Trainings. In manchen Organisationen gilt die Regel, dass Führungskräfte nach spätestens drei Jahren neue Aufgaben übernehmen, damit sie einhergehend mit einem gezielten Selbststudium auf diese Weise ihren Horizont erweitern; andere schicken ausgewählte oder alle Führungskräfte zu internen oder externen Seminaren und binden hierbei den jeweils höheren Vorgesetzten als "Coach" ein. Solche Bildungsrnaßnahmen erfolgen meist explizit und gezielt in formalisierter Form. Von größerer Wirkung zeigen sich implizite, informell stattfindende Lernprozesse, zu denen es einerseits im Prozess der Arbeit
266
und andererseits im sozialen Umfeld kommt. Als besonders nützlich erwiesen hat sich, wenn Führungskräfte aus verschiedenen Bereichen einer Organisation ein anstehendes Projekt bearbeiten und seine Sachziele realisieren, zugleich aber in diesem Arbeitsprozess ihre Führungskompetenz reflektieren und weiterentwickeln ("action learning"). Im Rahmen geplanter Job-Rotation oder zeitbegrenzter Projektmitarbeit sind unterschiedliche Aufgaben zu bewältigen, bei denen im Prozess der Arbeit gelernt wird. Bei Auslandsentsendungen und dem Tätigsein in fremden Kulturen oder gar der Hospitation in anderen Branchen vollzieht sich angeregtes, selbstbestimmtes und selbstverantwortliches Lernen im sozialen Umfeld. Wo lassen sich Defizite in der Führungsqualifikation vermuten? Auf eine gewollte oder sogar zunächst gar nicht beabsichtigte Führungskarriere bereitet keine Ausbildung vor. Wie man mit Menschen umgeht, wie man fachübergreifend denkt, koordiniert, strategisch und zukunftsorientiert arbeitet, verständlich und überzeugend kommuniziert: das macht die führungsqualifikatorische Kompetenz, die eine Führungskraft effektiv macht. Führungsqualifikation ist mithin aus den Anforderungen ableitbar, die jeweils aktuell die Arbeitssituation in der Organisation bestimmen. Die Arbeitssituation in Unternehmen stellt heute an Führungskräfte auch eine Vielzahl von neuen Anforderungen, aus denen sich die notwendigen Qualifikationen ergeben.
22
Neue Anforderungen an Führungskräfte
Mit einer sich ändernden Welt in Unternehmen und anderen Institutionen der Wirtschaft und Gesellschaft mit einer sich ändernden (Führungs-)Rolle müssen Manager mit zusätzlichen Anforderungen zurechtkommen. Einzelne Entwicklungen sind folgende (vgl. Regnet 2009,S. 37 ff.): •
Die zunehmende Komplexität der Arbeitsabläufe und kürzere Produktlebenszyklen bedingen neue Prozesstechnologien und mithin motivierte und mehrfach qualifizierte Mitarbeiter sowie interdisziplinär und eng kooperierende Arbeitsgruppen, die mit neuen zeitsparenden Kommunikationssystemen arbeiten, und zugleich ein mobiles, innovationsfreudiges Management.
•
Konkurrenz- und Kundenorientierung mit zunehmend anspruchsvollerer und spezieller Problemlösungsnachfrage erfordert Kreativität und Mut.
•
Schlankere Organisationsformen und flachere Hierarchien verlagern operative Entscheidungen nach unten, das mittlere Management muss mehr Verantwortung übernehmen und Kompetenz beweisen; gefragt ist der "Intrapreneur", die unternehmerisch orientierte Führungskraft. Führungskräfte müssen neue Formen der Arbeitsorganisation lenken, insbesondere das Projektrnanagement oder wechselnde Tätigkeiten in unterschiedlich zusammengesetzten, internationalen und virtuellen Teams ausüben.
•
Dasselbe Pensum mit weniger Mitarbeitern schaffen, Entlassungswellen aufgrund wirtschaftlicher Problernlagen, strategische Standortverlagerungen und andere Verunsicherungen haben die Folge, dass Mitarbeiter mit ganz unterschiedlichen Interessen und Loyalitäten zu motivieren und zu führen sind.
•
Internationalisierung und Globalisierung verlangt international erfahrene Manager. Über Sprachkenntnisse und Mobilitätsbereitschaft hinaus sind viel wichtiger geistige Flexibilität und ein Empfinden für fremde Kulturen, Verhaltens- und Denkweisen. Hinzu kommt die Beachtung globaler Systemzusammenhänge z. B. bei Umweltturbulenzen oder durch Fehlentscheide ausgelösten Unternehmenskrisen.
•
Der Arbeitsmarkt kann die beruflichen Erwartungen von Mitarbeitern vielfach nur partiell erfüllen, einmal was Karriere und Aufstieg mit gutem Einkommen betrifft, zum anderen bezüglich ausbildungsadäquater Arbeitsstellen mit selbständigem Arbeitsbereich. Durch die steigende Frauenerwerbsquote sind Führungskräfte verstärkt mit selbstbewussten Mitarbeiterinnen konfrontiert, die berufliche Chancengleichheit einfordern. Die demographische Entwicklung führt zu einer älter werdenden Belegschaft, auch bei - gleichbleibender - Zuwanderung sind die Unternehmen auf diese erfahrenen Mitarbeiter angewiesen.
K. F. Withauer, Führungskompetenz und Karriere, DOI 10.1007/978-3-8349-6580-6_23, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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•
Neue Anforderungen an Führungskräfte
Erwartungen derMitarbeiter an den Arbeitgeber sind Ausdruck der gewandelten Wertvorstellungen. Nicht die Arbeit wird infrage gestellt oder Leistung abgelehnt, allenfalls solche Arbeit, die nicht die Sehnsucht nach sinnvoller Beschäftigung und Selbstverwirklichung bietet. Die Arbeitsfreude ist mittlerweile der größte Motivationsfaktor, dies heißt, die Arbeit "muss" Abwechslung, Herausforderung und Erfolgserlebnisse bieten. Das Bedürfnis, in der Arbeit etwas zu leisten, ist stark, Karriere und Geldverdienen sind weiterhin bedeutsam (vgl. Opaschowski 2006, S. 128 ff.). Der Wertewandel bewirkt verstärkte Partizipationswünsche der Mitarbeiter, es wird nicht länger nur gehorcht, man will auch wissen warum. Mitarbeiter wünschen als gestaltete Rahmenbedingungen die laufende Kultivierung von Lern- und Handlungsfeldern, welche die Entfaltung ihrer vorhandenen Intelligenzpotenziale ermöglichen, das heißt das Wissen aktuell zu halten und zu erweitern und ihre Selbstentwicklung zu stimulieren.
Mit vorstehenden fundamentalen Wandlungsvorgängen haben sich die Voraussetzungen für Führungseffektivität und notwendige Führungsqualifikationen verändert (vgl. Regnet 2009, S. 41): •
Statt des besten Fachmanns ist ein Koordinator gefragt, die Führungsperson ist Moderator, Berater und Coach der ihr zugeordneten Gruppe. Die fachliche Führung ist weniger nötig und teilweise kaum noch möglich. Um Innovationen zu bewirken, ist eher der interdisziplinär denkende Generalist vonnöten.
•
Gefordert sind kommunikative Fähigkeiten und Sensibilität. Mitarbeiter erwarten Informationen und regelmäßig ihre Beteiligung an Entscheidungen.
•
Mehr Zeit, Bereitschaft und Anstrengungen müssen für die menschliche Führungder Mitarbeiter eingesetzt werden. Hierzu zählen auch Einfühlungsvermögen und Menschenkenntnis.
•
Veränderungen, insbesondere eine Optimierung der Geschäftsprozesse, sind regelmäßig im Rahmen eines Change-Managements und in kürzeren Abständen zu bewältigen. Die organisatorische Gestaltung wird begleitet von der notwendigen Überzeugungsarbeit zu den Mitarbeitern.
•
Durch die in vielen Bereichen erreichte Automatisierung sind vor allem unqualifizierte Arbeiten und Routinetätigkeiten weggefallen. Die gewonnene Zeit und weitergehend verfügbare Informationen erlauben es den Mitarbeitern, selbständig nicht mehr führungsbestimmte, verantwortungsvollere Aufgaben zu übernehmen.
23
"Schlüssel"qualifikationen der Führungskompetenz
Die Attribute zunehmender Dynamik und des Wandels stellen an die Manager zusätzliche erfolgskritische Anforderungen. Zur Kennzeichnung von persönlichen Eigenschaften, welche eine solch Führungskompetenz ausmachen, spricht man von IISch1üsselqualifikationen" (vgl. Berthel1995, S. 228 f.; Hentze et al. 2005, S. 91). Sch1üsselqualifikationen sind übergeordnete, fachübergreifende Anforderungen, die eine Person in die Lage versetzen, auch in zuvor nicht trainierten Problemsituationen angemessen und kompetent zu handeln. Charakteristisch für sie ist, dass sie keinen unmittelbaren bzw. einen begrenzten Bezug zu bestimmten praktischen Tätigkeiten besitzen, sondern Menschen dazu befähigen, unterschiedliche Positionen und Funktionen qualifiziert wahrzunehmen (vgl. Brommer 1993, S. 66 f.), Es sind also eher allgemeine, funktions- und berufsübergreifende und mithin auch längerfristig verwertbare Fähigkeiten.
Handlungskompetenz Zur Führungskompetenz zählen heute die Sozial- und Motivationskompetenz, die Methodenkompetenz sowie die Persönlichkeitskompetenz. Für die Handlungskompetenz einer Führungskraft sind wesentlich die für das Funktionieren-lassen und FunktionierenKönnen einer Unternehmung praktisch umgesetzten Qualifikationen, sie ergibt sich aus der Summe der Schlüsselqualifikationen. Die Teilbereiche der Handlungskompetenz sollen im Folgenden näher dargestellt werden:
(1) Sozial- und Motivationskompetenz Der Begriff der Sozialkompetenz charakterisiert im Wesentlichen die Fähigkeit eines Menschen zum konstruktiven Umgang mit sich selbst und anderen Menschen. Grundlage für eine gut ausgebildete soziale Kompetenz sind dabei kommunikative Fähigkeiten auf der Sach- und Beziehungsebene durch eine offene Einstellung zu anderen, Zuhören-können, Einfühlungsvermögen. Darüber hinaus zeigt sich soziale Kompetenz in der Fähigkeit, positive zwischenmenschliche Beziehungen aufbauen zu können durch Hilfsbereitschaft, Problemsensitivität, Mitarbeiterbezogenheit, die sich vor allem in der Wertschätzung ausdrückt, konstruktives Feedback und Kompromissfähigkeit. Soziale Kompetenz drückt sich auch darin aus, dass man dazu bereit ist, Konflikte, wo sie notwendig sind, offen auszutragen, anstatt sie zu verdrängen, d . h. Konfrontationen zu wagen, dabei unterschwellige bzw. tabuisierte Themen transparent zu machen und dabei klare Positionen zu beziehen. Durch diese Fähigkeit der konstruktiven Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit sollen Probleme in einem bedürfnisgerechten Einvernehmen nach dem Gewinner-Gewinner-Prinzip (vgl. Hausmann 1994, S. 41) gelöst werden.
K. F. Withauer, Führungskompetenz und Karriere, DOI 10.1007/978-3-8349-6580-6_24, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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"Schlüssel"qualifikationen der Führungskompetenz
Statt des Begriffs Sozialkompetenz werden auch die Faktoren Teamfähigkeit, Kritikfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Berechenbarkeit verwendet (ähnlich Goleman 2000a, S. 29, 35 f. sowie Harlander et al. 1994, S. 492 f.), Motivationskompetenz zeigt sich z. B. im Verhalten der aktiven Einbindung von Mitarbeitern in Problemlösungsprozesse durch ein prozessorientiertes Vorgehen, indem man sie fordert und durch Motivationserlebnisse mobilisiert. Menschen können sich letztendlich nur selbst motivieren. Führungskräfte können diese Selbstmotivation bei großer Erwartungshaltung, aber eher beschränkten Belohnungsmöglichkeiten, durch das Management von Aufgaben, Grenzen und Ressourcen eines Unternehmens immerhin indirekt beeinflussen. In einer schlanken Organisation bieten sich statt eines schnellen Aufstiegs in die institutionelle Führungsmacht anspruchsvolle Positionen ohne dauerhafte Statusmacht. Als solche Möglichkeiten sind zu nennen (vgl. Regnet 2009, S. 44): •
Projektmanagement (siehe Kap. 5, 16): das zunehmend im internationalen Kontext und in virtuellen Strukturen stattfindet;
•
Teamleitung;
•
Coaching: Mitarbeitern helfen bei ihrem persönlichen Entwicklungsprozess;
•
internationale Verantwortung: als Expatriate mehrjährig in einem anderen Land oder aber in international zusammengesetzten Teams;
•
Führungspositionen auf Zeit: mit Rotation auf eine nächste Position oder zurück in die Linie;
•
Alternative Laufbahnstrukturen für Spezialisten und Fachkräfte: Centers of Competence mit Status/Titel, aber ohne eigene Abteilung oder Gruppe.
Interkulturell orientierte soziale und intellektuelle Anforderungen ergeben sich aus Problemfeldern wie Welt- sowie Kulturkonflikten, kulturbedingten Denkweisen, Kulturstandards und Mentalitäten und schließlich aus der Bereitschaft zum persönlichen Enkulturationsprozess (vgl. Wunderlich 1995, S. 580 ff.) , Die weiter noch zunehmende Globalisierung der Wirtschaft, weltweit operierende Unternehmungen, multinationale Konzerne, die immer dichtere globale Vernetzung der Kommunikationskanäle, politische Vorstellungen von offenen Märkten - für all dies reicht es nicht aus, mehrsprachige Mitarbeiter zu beschäftigen. Interkulturelle Kompetenz bedeutet vielmehr eine Sensibilität für fremde Kulturen und die Flexibilität, sich im Verhalten und der Kommunikation auf andere Personen einstellen zu können. Trotz eines Angebots an guten Vorbereitungskursen geht aber noch immer mancher Manager mit notdürftigen Sprachkenntnissen ins Ausland; auf interkulturelle Schulungen verzichten viele Unternehmen und bereuen es später. Wegen der nötigen Bereitschaft zur Mobilität ist eine Entsendung relativ junger Mitarbeiter naheliegend. Hochschulen bieten z. B. internationale Studiengänge an sowie die Möglichkeit, Auslandssemester bzw. Auslandspraktika im Rahmen des Studiums zu absolvieren.
"Schlüssel"qualifikationen der Führungskompetenz
271
(2) Methodenkompetenz (auch strategische Kompetenz genannt) Methodenkompetenz bezeichnet das strategisch eingesetzte und zielgerichtete Umsetzen des vorhandenen Fachwissens zur Bewältigung der Berufsaufgaben. Darüber hinaus umfasst sie die Problemlösungsfähigkeiten für solche Fragestellungen, die nicht durch Anwendung von Fachwissen allein zu bewältigen sind . Sie zielt darauf, Dinge besser und effektiver als bisher zu gestalten, Aufgaben zu vollenden, Ziele mit Energie und Ausdauer zu verfolgen. Adäquate Hilfsmittel, anhand derer Probleme analysiert und Lösungen systematisch erzielt werden können, müssen abrufbar sein. Auf diese Weise verlangt die Ausbildung dieser Gestaltungskompetenz (vgl. Wunderer 2009, S. 58) ein konzeptionelles und kreatives Denken in Strukturen und Zusammenhängen, das Erkennen von möglichen Wechselwirkungen und das Abwägen von Chance und Risiko. Die Methodenkompetenz betrifft strategie- und innovationsorientierte Problemlösungen. Sie lässt sich näher differenzieren nach fachspezifischen Methoden, allgemeinen Arbeitsmethoden, persönlichen Planungs- und Arbeitstechniken bis hin zu Problemlösungsmethoden in Arbeitsteams. Im Einzelnen sind zu nennen (vgl. Brommer 1993, S. 81; Riekhof 1992,S. 63; Wunderer 2009, S. 50 ff.): •
persönliches Zeitmanagement;
•
kontinuierliche Verbesserung der Geschäftsprozesse: ganzheitliches, sowohl analytisches als auch - aus einer "Helikoptersicht" - integratives Denken und Handeln;
•
strategische Kompetenz, d. h. Umgang mit strategischen Planungs- und Analysemethoden wie z. B. Portfolio-Technik, Gap-Analyse, Erfahrungskurvenkonzept, Suchfeldanalyse, Szenariotechnik, strategische Frühaufklärung;
•
unternehmerisches Denken und Handeln durch ein Selbstverständnis des Mitarbeiters als "Intrapreneur" (Unternehmer in der Unternehmung);
•
ein Gefühl für zukünftige Entwicklungen, Imagination, Veränderungen erkennen und antizipieren, Kreativität und visionäres Denken.
(3) Persönlichkeitskompetenz Persönlichkeitskompetenz entwickelt sich durch die Entfaltung der eigenen Persönlichkeit als Voraussetzung für selbständiges und selbstbewusstes Handeln, für die effiziente Umsetzung von Aktionen und Problemlösungen. Selbstverantwortung, Persönlichkeitsentwicklung und Sinngebung sind mithin die wesentlichen Aspekte (vgl. Boethius/Edhin 1997) dieser aktionalen Umsetzungskompetenz. Die Ausübung der Führerrolle erfordert von der Führungskraft Dominanzstreben. Dieses Führungsstreben umfasst die Übernahme von Verantwortung, im sozialen Kontakt mit Anderen Initiative auszuüben, ausgeprägtes Selbstvertrauen und das Gefühl für die persönliche Identität.
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"Schlüssel"qualifikationen der Führungskompetenz
Die Begriffe Qualifikation und Fähigkeit lassen erkennen, dass Menschen-führen prinzipiell erlernbar und entwicklungsfähig ist. Ein Lernender kann sich in einzelnen Bereichen vom Anfänger zum Spitzenkönner entwickeln. Dieser lange, schwierige Weg eines gestaffelten Lernprozesses wird aber nicht zwangsläufig bis zum Ende durchschritten (vgl. Hentze et al. 2005, S. 93). Und manche scheitern schon früh an mangelnder Lemwilligkeit. Deshalb muss zu dem Gefüge von Kenntnissen, Fertigkeiten und Verhaltensweisen von Führungskräften ein erkennbares Führungsstreben kommen, also die Bereitschaft, sich Aufgaben, Verantwortung und Befugnisse zu eigen zu machen und Vorgaben einzuhalten. Ein Mensch, der Führungsaufgaben möglichst zu vermeiden sucht, wird kaum lernen, wie man führt. Das Führungslernen sollte auch um den Aspekt des Selbstbewusstseins erweitert sein (vgl. Sauermann 1979, S. 114); demnach müssen Führungskräfte nicht nur um die Lernfähigkeit und -willigkeit für die Sozial- und Motivationskompetenz bemüht sein, sondern auch darum, sich der Stärken und Schwächen eigener Denkweisen und Verhaltensmuster, also ihrer selbst bewusst zu werden. Selbstreflexion und die Bereitschaft zur Selbstentwicklung sind wichtige Voraussetzungen dafür, die persönlichen Fähigkeiten zu entfalten, aber auch ein Fehlverhalten, das vielfach auf in der Kindheit angelegten neurotischen Denkmustern basiert, bewusst zu machen und zu verändern. Das zur Führungskompetenz genannte Dominanzstreben durchläuft in der Entwicklung des Menschen mehrere Stufen vom durch Willenskraft, Entschlossenheit und Mut geprägten Selbstvertrauen über die Selbstbehauptung mit dem Ziel, sich über andere zu erheben, bis zum dienenden Machtstreben für eine Institution, mit der man sich identifiziert. In einer Studie über das Dominanzstreben (vgl. McClelland/Burnham 2003) wird festgestellt: eine erfolgreiche Führerperson besitzt ein stärkeres Bedürfnis nach Macht als nach Leistung. Der Leistungsmotivierte will gerne alles selbst erledigen, statt andere anzuleiten, damit sie die Arbeit ausführen. Er bevorzugt den unmittelbaren Leistungserfolg mehr als die weniger und viel später spürbare Leistung der Mitarbeiter. Und es ergab sich noch eine zweite Notwendigkeit für erfolgreiches Führen: Das Machtbedürfnis einer Führungsperson muss stärker sein als der Wunsch, sich bei Mitarbeitern beliebt zu machen. Der beliebt sein-orientierte Manager, d. h. jener, der bei seinen Mitarbeitern populär und gemocht sein will, will mit jedermann gut auskommen. Er neigt am ehesten dazu, Ausnahmen zu machen, was ein schlechtes Klima schafft, weil die übrigen Mitarbeiter Ausnahmen von den allgemeinen Gruppenregeln als ungerecht empfinden. Ein Mensch mit hoher Persönlichkeitskompetenz ist realitätsbezogen, er ist "eigenständig", setzt sich seine Ziele und handelt konsequent danach. Das in der Studie untersuchte Arbeitsklima in den Gruppen ergab: Ein guter Manager verleiht seinen Mitarbeitern ein Gefühl der Stärke und Verantwortung. Er belohnt ihre Leistung angemessen und sorgt für eine Organisation, in der jeder seine Aufgaben kennt. Dies gibt ein gutes Arbeitsklima. Zur Persönlichkeitskompetenz, in welche sich die "ganze" Person in das betriebliche Wirken einbringen soll, werden im Einzelnen noch folgende Qualitäten gerechnet (vgl. Brommer 1993, S. 83; Wunderer 2009, S. 59):
..Schlüssel"qualifikationen der Führungskompetenz
273
•
Beharrlichkeit, Belastbarkeit, Frustrationstoleranz;
•
Leistungsstreben, Initiative, Engagement, Selbstdisziplin und Ausdauer bei der Verfolgung der gesteckten Ziele;
•
Machbarkeitsglaube, Risikobereitschaft, konstruktiver Umgang mit Misserfolgen;
•
Networking-Fähigkeit, Anpassungsfähigkeit, Flexibilität, Mobilität;
•
Lernfähigkeit und Fortbildungsbereitschaft;
•
Ausstrahlung, Emotionalität, Selbstsicherheit, Glaubwürdigkeit;
•
Ethische Grundsätze durch ein sichtbar gelebtes Wertesystem.
Einflussfaktoren auf die Handlungskompetenz
Fachkompetenz Methodenkompetenz
Persönlichkeitskompetenz
HANDLUNGSKOMPETENZ
(4) Handlungskompetenz Die Handlungskompetenz einer Führungskraft ergibt sich aus der Fähigkeit, die in den drei Kategorien der Führungskompetenz - Sozial-, Methoden- und PersönlichkeitsKompetenz - erlangten Erkenntnisse und Verhaltensweisen verbunden mit der in dem relevanten beruflichen und persönlichen Lebensbereich notwendigen Fachkompetenz anzuwenden und effizient einzusetzen (vgl. Brommer 1993,S. 69, 85). Zwischen dem Ideal und der Realität des Führungsverhaltens von Managern besteht in vielen Unternehmungen eine erhebliche Diskrepanz. Eine Befragung von 350 Führungskräften durch das Management Centre Europe, die die Führungsqualitäten ihrer Vorgesetzten bewertet haben, kommt jedenfalls zu diesem Ergebnis. Nach dieser Untersuchung sind die wichtigsten Eigenschaften der idealen Führungskraft:
"Schlüssel"qualifikationen der Führungskompetenz
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•
das Talent, wirkungsvoll arbeitende Teams zu bilden,
•
die Fähigkeit, zuzuhören,
•
Entscheidungsfreudigkeit und
•
die Fähigkeit, gute Leute im Unternehmen zu halten.
Im Wesentlichen handelt es sich hierbei um Schlüsselqualifikationen aus dem Bereich der sozialen Kompetenz. Demgegenüber zeigen Manager in der Realität im Wesentlichen die folgenden Qualifikationen: •
Entscheidungsfreudigkeit
•
Ehrgeiz
•
Tatkraft
•
starker Wille und
•
Machtstreben.
Diese Eigenschaften spiegeln eine stärker entwickelte Persönlichkeitskompetenz im Vergleich zur Sozial- und Methodenkompetenz wider. Sie resultiert aus dem Streben nach Macht und Dominanz, was auch erklärt, warum "politische Machtspiele" in der Realität einen so großen Raum einnehmen und Zeit und Arbeitsenergie der Führungskräfte beanspruchen.
Selbst-Check - Antworten Selbst-Check 1: a,f Selbst-Check 2: DieFragen könnenunterschiedlich beantwortet werden. a. DieMethoden derFührungkönnenreichen vom Informieren und Überzeugen bis zum Befehl. Einerseits kann man Anreize bieten, z. B. interessante Arbeit,finanzielle Belohnungen oderAnerkennung, oderandererseits mit Sanktionen drohen und Angst verbreiten, z. B. durchscharfe Kontrollen, Versetzungan einenschlechten Arbeitsplatz oderTadel vor anderen. b. DieMethode wird begründet mit ihrerErfolgswirksamkeit. IhreWahl kann also daraufberuhen, dass man glaubt, damiterfolgreich zu sein, dieMitarbeiter wahrscheinlich folgen werden, man sichnur so durchsetzen kann oderweil sie im Betrieb üblich ist. C.
Meistenswird man zugeben müssen,dass dieAkzeptierungzwar vermutet wird,jedoch ein sicheres Wissen nicht vorhanden ist.
Selbst-Check 3: Wahrscheinlich sind die meisten Merkmale wünschenswerte Eigenschaften eines Führers. Es ist jedoch fraglich, ob sie ihn spezifisch kennzeichnen; sie können auchfür Personen, welche nicht führen, angemessen sein. Es erweistsich als unhaltbar, effizientes Führungsverhalten auf ein Charaktermerkmal oderauf eine Kombination von angeborenen Begabungen zurückführen zu wollen. Selbst-Check 4: Der Besuch der Gaststätte mag dadurch motiviert sein, dass dort die Portionen des Essens außerordentlich reichlich sind, dass die Atmosphäre angenehm empfunden wird, dass eine nette Bedienung das Essen serviert und dass der Spaziergang zu dieser Gaststätte an einem Tabakgeschäft vorbei führt, das die bevorzugte Tabak-Marke führt. Die Motivation ergibtsich somit aus dem Zusammenspiel mehrerer aktivierter Motive. Selbst-Check 5: Man müsste ihn besonders niedrig bezahlen, damit der am Existenzminimum lebende Mensch das Bedürfnis nach Geld besonders stark spürt. Dies würde ihn dann stets zur Leistung anreizen. Selbst-Check 6: Wahrscheinlich werden sie sich schnellstens zusammenfinden, um ihre eigenen Ansichten und Beobachtungen zu präsentieren, diejenigen der Kollegen anzuhören, Spekulationen über die Gründe anzustellen und Erklärungen für den Kurseinbruch zu suchen. In mancher Hinsicht wird man übereinstimmen und es kann sich eine - wenigstens vorläufige - Meinung bilden. Zumindest ist dieersteAufregung dadurch beruhigt. Selbst-Check 7: In einer umfangreichen Studie wurde in dem betreffenden Großunternehmen das Fluktuationsproblem systematisch untersucht und brachte aufschlussreiche Ergebnisse. Ein typischer Fall ist das herausgegriffene Beispiel eines jungen Werkzeugmachers. Für ihn war zunächst einmal der Zusammenhang zwischen seiner Arbeit und dem Endprodukt völlig intransparent. Von demfür die Motivation so wichtigen Gefühl, einensinnvollenBeitrag zur betrieblichen Leistungzu K. F. Withauer, Führungskompetenz und Karriere, DOI 10.1007/978-3-8349-6580-6, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Selbst-Check - Antworten
erbringen, konnte keine Rede sein. Zweitens war er in einergroßen, optimal rationell organisierten Werkstatt schlicht "einer von vielen", dieein und dieselbe Arbeit zu verrichten hatten. Er kam sich buchstäblich wie eine"Nummer" vor. Drittens waren seine Vorgesetzten ein und dieselben, die ihn während der Lehre betreuthatten - und die ihn nach wie vor als "Lehrbuben" behandelten. Insbesondere hatte derfrischgebackene Facharbeiter keine Möglichkeit, seine Arbeit selbständig zu disponieren und vorzubereiten. Die Aussagedes Werkzeugmachers überdieMotive seines Ausscheidens umreißt in wenigen Sätzen die Problematik: "Ich gehe in einen kleineren Betrieb, nicht weit von hier. Ich habe dort eine selbständige Arbeit. Es wird mir nicht alles vorgekaut. Dort verstehe ich etwas von Werkzeugmacherei und es gibt keinen Vorarbeiter, der alles selber machen will und alles besser weiß. " Selbst-Check 8: a. Zwang; b. Angst, Sorge; c. Hörigkeit; d. im Bannstehen; e. Einschüchterung oder Bewunderung;f. Gehorsam; g. Pflicht; h. Erwerbsstreben; i. Geltungsstreben; j. Dankbarkeit, Treue; k. Hilfsbereitschaft; 1. Begeisterung; m. sich des Vertrauens würdig erweisen; n. Einsicht, Mitverantwortung; o. eigener Entschluss, Selbstverantwortung Selbst-Check 9: Die Zielsetzung einerFreizeitgruppe, z. B. einer Stammtischrunde, besteht sicherlich darin, ein hohes Maß unterhaltender Aktivitäten und sozialer Kontakte zu realisieren, die der Entspannung dienen. Die Gruppennormen sind Verhaltensregeln, mit denen die Zielerreichung ermöglicht und unterstützt wird. Diejenigen der Freizeitgruppe sind sicherlich Bereitschaft zu Kontakten, Aufgeschlossenheit und Humor. Voraussetzungen für die Bildungeinersolchen Gruppe sind einerseits, dass die Gruppe besser zur Unterhaltung jedes Gruppenmitgliedes beiträgt als das Mitglied zur Unterhaltung seiner selbst und andererseits, dass der Wunsch nach sozialem Kontakt' tatsächlich befriedigt wird. Selbst-Check 10: Die Ordnung der Kontaktstruktur-Typen nach dem Merkmal der ermöglichten Kooperation ist: 1. Paar 2. Dreieck 3. Kette 4. Kreis 5. Stern
6. Hierarchische Struktur 7. Vollstruktur
Selbst-Check 11: b. Selbst-Check 12: Ein Beispiel für Gruppennormen könnte die vormittägliche Kaffeepause in einem Büro sein. Ein neuer Mitarbeiter, der in der Buchhaltung eingesetzt ist, erfährt am Tag seines Eintritts in den Betrieb neben vielen wichtigen anderen Dingen auch, wie die Arbeitszeitgeregelt ist; aufgrund der von den Mitarbeitern gewünschten kürzesten Anwesenheitszeit hat man auf die
Selbst-Check - Antworten
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Einrichtung von Frühstückspausen verzichtet. Am nächsten Tag um 10 Uhr sitzt er am Computer und bucht. Ein Kollege erklärt ihm, dass man in derAbteilung vormittags eine Kaffeepause mache und seine Arbeit entsprechend disponiere. Damit ist das regelgerechte Verhalten definiert. Am nächsten Tag arbeitet der "Neue" bei Beginn der Kaffeepause konzentriert an seinen Buchungsoorgängen. Ein Mitarbeiter erinnert ihn an den Kaffee und erklärt freundschaftlich, dass man gerne zusammensitzt, um ein paar Minuten - vielfach auch mit dem Chef- ungestört plaudern zu können. Am nächsten Tag passiert es ihm wiederum, durch seine Arbeitdieanderen beiderKaffeepause zu stören, weiler ein Kontenpaket abschließen will. Keiner sagt ihm diesmal mehr, dass er aufhören solle; allerdings werfen ihm die Kollegen abschätzige und abweisende Blicke zu. Als er sich am Mittag den anderen zum Mittagessen anschließen will, drehen sie ihm den Rücken. Das letztere Verhalten der Kollegen betrifft den dritten Aspekt, die Ergreifung (negativer) Sanktionen, bei der Durchsetzung von Gruppennormen. Selbst-Check 13: Die Integration eines bestimmten Rollenträgers muss durch die Aktivierung von Motiven geschehen. Dies bedeutet, dass negative Ansprachen (lächerlich machen, isolieren usw.) unangemessen sind. Negativist:
Man aktiviert ihn, indem man ihm den Auftrag erteilt, eine Zusammenfassung zu erstellen.
Mitläufer:
Indem man ihm eine konkrete Aufgabe gibt, kann er einen eigenen Beitrag leisten.
Überagile:
Er sollte einen möglichst komplizierten, ihm angemessenen Aufgabenbereich erhalten.
Spaßvogel:
Er muss daraufhingewiesen werden, dass er dieGruppenarbeit verzögert.
Opponent:
Man erklärt ihm, dass er dieGruppenarbeit hemmt.
Konvertit:
Manfordert ihn zu einer verbindlichen Stellungnahme auf
Selbst-Check 14: In dem nachstehenden Diagramm markieren Sie die in der ersten Spalte Ihres Kurztests ermittelte Gesamtsumme D, indem Sie auf der Diagonalen nach oben links im DQuadranten diese Zahldurch Einkreisen kenntlich machen. Verfahren Sie entsprechend für die Gesamtsumme I auf der Diagonalen nach oben rechts im 1Quadranten, für die Gesamtsumme S auf der Diagonale nach unten rechts für den S-Quadranten sowie für dieGesamtsumme G auf derDiagonale nach unten linksfür den G-Quadranten. Verbinden Siedieeingekreisten Punktemiteinander - am besten mit einem Farbstift -, wodurch das Flächendiagramm entsteht. Die höchste Gesamtsumme kennzeichnet Ihr am stärksten ausgeprägtes Verhalten; die anderen Summen zeigen Ihre Verhaltenstendenzen in den anderen DISG-Bereichen. Sie werden feststellen, dass Sie Merkmale aus allen Verhaltenstendenzen besitzen. Es gibt eben nicht "den" Dominanten und auch nicht "den" Gewissenhaften, zahlreiche Kombinationsmöglichkeiten aus allen vier Berei-
Selbst-Check - Antworten
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chen machen jeden Menschen einzigartig. Das Flächendiagramm macht mithin diefür Sie herausgefundenen Relationen der Verhaltenstendenzen deutlich. DISG-Flächendlagramm (Quelle: Wagner2000, S. 78)
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Selbst-Check 15: Die Abschnitte bzw. Paragraphen, welche einzelne Führungsformen beschreiben, kennzeichnen Sie als Paragraph a = 1/1 Führungsform Paragraph b = 1/9 Führungsform Paragraph c = 9/1 Führungsform Paragraph d = 5/5 Führungsform Paragraph e = 9/9 Führungsform Merken Sie sichIhre typischste Führungsform und vergleichen Sie mit dem Ergebnis von SelbstCheck 16. Selbst-Check 16: Die Sätze der Elemente kennzeichnen Sie in gleicher Weisewie dieAbschnitte im vorausgegangenen Selbst-Check 15: Der ersteSatz für das Element"Initiative, Entscheidungen" a 1 gibt das1.1-Verhalten wieder. Diefolgenden Sätzeentsprechen den Führungsformen 1/9. 9/1. 5/5 und 9/9. Für die übrigen Elemente gilt diegleiche Reihenfolge der Sätze.
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Selbst-Check - Antworten
Tragen Siebittedurch Strichlistung in das folgende Schema die gewählten Sätze ein:
I
1,1
1,9
9,1
5,5
9,9
In Verbindung mit der vorigen Aufgabe haben Sienun die Möglichkeit, darüber nachzudenken, ob SieihrFührungsverhalten ändern sollten und nach welcher Orientierung.
I
Literaturverzeichnis [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] [10] [11] [12] [13] [14] [15] [16] [17] [18] [19] [20] [21] [22] [23] [24] [25] [26] [27] [28]
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Stichwortverzeichnis Abwehrmechanismen 64 Aggression 65 Anerkennung und Kritik 194 Anreizwirkung - Kontext-/Hygienefaktoren 95 - Motivatoren/Contentfaktoren 96 Arbeitsgruppen - differenzierende Führung 154 Arbeitsmotive - individuelle 84 Arbeitszufriedenheit 49,84 Bedürfnis 54 Bedürfnishierarchie - Konsequenzen für die Praxis 91 - Maslow 86 Bedürfnispyramide 86 Bedürfnisse - primäre, sekundäre 58 Betriebsklima - und Führungsstil 181 Beziehungen - chaotische 155 Chaos 156 Charisma 43 Defizitmotive 67, 86 Dominanzmotiv 74 Eigenschaften - Führungs- 43 Einstellungen - individuelle 59 Emotionale Intelligenz 182 Entgelt - Anreizsystem 81 Erfolgszurechner 111 extrinsische Motive 67
Flow-Erlebnis 90 Formelle Führer 153 Frustration 64 Führer-Rolle 14,31 Führung 16 - Begründung 19 - Führungsrolle 150 - Gruppe 117 - in Organisationen 27 - mobilisiert Leistungspotenziale 24 - personaler Aspekt 22 - Rahmenparameter 29 - Sachaspekt 22 - systemisch-strukturelle 33 Führung Arbeitsbereich - Linienposition 232 Führung des Chefs - gemäß Persönlichkeitstendenzen 225 - motivfokussiert 221 Führung nach oben - Einflussfaktoren 218 Führung und Management 16 Führung von unten 217 - Einflussstrategien 220 - wie fördern? 231 Führung, personale - Leadership 18 Führungsbeziehungen 31 - Gestaltung 149 Führungsdefinitionen 24 Führungseffektivität 48 Führungserfolg 46 Führungserfolgsgrößen 48 Führungsform - individuelle 159 Führungsformen 159,174 Führungsgrundsätze 200 Führungsinstrumente 149
K. F. Withauer, Führungskompetenz und Karriere, DOI 10.1007/978-3-8349-6580-6, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
Stichwortverzeichnis
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Führungskompetenz - Schlüsselqualifikationen 269 - trainieren 265 Führungskräfte - neue Anforderungen 267 Führungsleitsätze SkheFührungsgrundsätze Führungsstil 158 - Projekte 209 Führungsstile - erprobte erfolgreiche 180 Führungssubstitute 32 Führungsthemen - Analysekonzept 27 Führungsverhalten 41 - Einflusskomponenten 45 Funktionsstatus 137 Geldmotiv 80 Gruppe - Aktionsmuster - Führung 45 - formelle 122 - leistungsfähige 129 - Merkmale 118 - Verhaltenskategorien 128 Gruppeneffekte 117 Gruppengröße - und Leistung 134 Gruppenkohäsion - Leistung 133 Gruppennormen 139 - Durchsetzung 139 - Sanktionen bei Verstößen 140 Gruppenstrukturen 124 Gruppenvorteile 120 Gruppenzusammenhalt 130 - Zufriedenheit 131 Handlungsbeeinflussung - Methodenarsenal 38 Handlungskompetenz 269 - Einflussfaktoren 273
Hochleister 72 Human Resources Management 35 Human-Relations-Bewegung 104 Interaktive Führung - Stellenwert 36 Interkulturelle Kompetenz 270 intrinsische Motive 67 Job Enrichment 104 Job Rotation 104 Karriere 201 - durch Projekte 205 Karriereerfolg - Ratschläge in Projekten 205 Karrierepfade 201 Kohäsion 151 - Gruppe 131 Kommunikation - Führung durch... 40 Kompetenzmotiv 68 Konflikthandhabung 145 Konflikttypen 145 Kontaktmotiv - Anreize 87 Kultur - Führung durch. .. 35 - Symbole 35 Kulturbewusste Führung 255 Kulturprägende Symbole - Gruppierung und Typen 253 Kündigung - innere 66, 105 Leistung - durch Zwang, Angst 93 Leistungsmotiv 72 Lokomotion 151
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Stichwortverzeichnis
Macht und Autorität 135 Machtmotiv 74 Management - Gestalten 18 - Komplexität 17 - Lenkung 18 Management by Objectives 198 Management-Kreis 22 Managementsysteme 34 Managerrollen 233 Menschenbild - Theorie X und Y 102 Methodenkompetenz 271 Mikropolitik 31 - Rechtfertigung 247 - stimulieren 248 Misserfolgsmeider 73 Misserfolgszurechner 111 Mit-Arbeiter 84 Mitarbeiterführung. effektive - Postulate 234 Mitarbeitergespräch 196, 197 Mobbing 66, 79 Motiv 54 Motivanalyse 56 Motivation 54 - führungspraktische Ratschläge 113 - positive, negative 93 Motivation-Maintenance-Theorie 94 Motivationsentstehung 106 Motivationsforschung - Inhalts-, Prozesstheorien 55 Motivationsprozess 55 Motivationsziele 83 - Harmonisierung 104 Motive im Einzelnen 67 Motivieren, falsches 99 Motivkonflikte 62 Motivstruktur 83 Mut machen - Selbstmotivation 242 Myers-Briggs Typenindikator - MBTI 226
Organisation - dissipative Systeme 17 - System von Gruppen 121 organisationale Fitness 16 Organisationskultur - Gestaltungsbereiche 259 Personalbeurteilung - wechselseitige 198 Personal-Führung 18 Personalstruktur, qualitative 35 Persönlichkeit - Grundtypen 165 Persönlichkeitskompetenz 271 Persönlichkeitsstil 159 Persönlichkeitsstile - idealtypische 166 physiologische Bedürfnisse - Anreize 86 Positionsstatus 137 Prioritäten beachten - Ziel- und Zeitmanagement 240 Projektleiter 205 - Führungsaufgaben 208 Projektmanagement - Führungskonzept 203 Projektteam - Zusammenstellung 206 Prozesstheorien 106 Qualität Leistungsbeitrag - Stärken berücksichtigen 238 Reifegrad-Modell 177 Resultate einfordern 235 Rolle - Gruppenrolle 142 Rollenkonflikt 144 Rollenverhalten 142 Rückzugsreaktion 65
290
Sachleishmgen 20 Selbstachtung und Wertschätzung - Anreize 88 Selbstentfaltung - Anreize 88 Sicherheitsmotiv 78 - Anreize 86 Sinnvolle Leistung - Beitrag zum Ganzen 237 Soziale Positionen 135 Sozialkompetenz 269 Soziogramm 129 Spiritualität 89 Status 137 Status-/prestigemotiv 77 Statussymbole 138 Strategie 33 Strukturen - Führung durch. .. 34 Symbole - als Führungsinstrument 262 Symbole als Sinnbilder - der Unternehmenskultur 251 Taktiken - mikropolitische 246 Team 119, 122 Team-Diversity - Management 212
Stichwortverzeichnis
Teamentwicklung - im Projekt 210 Theorie X und Y 91 Verhaltenseinflüsse - nicht-motivationale 60 Verhaltensgitter - Managerial Grid 172 Vermeidungsstreben 79 Vertrauen - und Führung 191 Vertrauensbildung 192 Vertrauenskader 154 VIE-Theorie 107 Wachstumsbedürfnisse 86 Wachstumsmotive 67 Wertsystem - individuelles 59 Willensakt - Entstehung 109 Willensprozess - Ziele, Feedback 110 Zielvereinbarung - Führung durch ... 198 Zufriedenheit 93 - siehe Arbeitszufriedenheit 49 Zwei-Faktoren-Theorie 96 - praktische Konsequenzen 100
Der Autor Dr. Klaus F. Withauer, Diplom-Wirtschaftsingenieur TU Darmstadt und Dr. rer, pol., verfügt über dreizehn Jahre Berufspraxis vor allem in projektorientierten Unternehmungen der Luft- und Raumfahrtindustrie, der Bauwirtschaft und in Ingenieur-Unternehmen. Er arbeitete zehn Jahre im oberen Management alsGeschäftsführer, Direktor für Finanzen, zuletzt Vorsitzender der Geschäftsleitung einer im internationalen Projektgeschäft tätigen Ingenieurgesellschaft. Danach wirkte er über zwei Jahrzehnte als Professor an der Fachhochschule Worms und lehrte unternehmerisches Management und personale Führung. Heute ist er Berater für Management-Development. Er arbeitet als Moderator von Workshops und alsSeminartrainer. Neben der Führungskräftequalifizierung und dem Intensivtraining Mitarbeiterführung zielt sein Verhaltenstraining der Schlüsselqualifikationen auf effektive Kommunikation, Gesprächs- und Verhandlungsführung, Vortrags- und Präsentationstechnik sowie Selbstmanagement. Er ist Autor mehrerer Buchpublikationen, darunter "Menschen führen" (7. Auflage 2001) und "Fitness der Unternehmung - Management von Dynamik und Veränderung" (Gabler, 2000).
K. F. Withauer, Führungskompetenz und Karriere, DOI 10.1007/978-3-8349-6580-6, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
Stimmen zum Buch Gestern noch im Team, heute Projektleiter oder Chef einer Gruppe oder Abteilung - und dann geht es oft stufenweise weiter! Auf diesem Weg nach oben wird dieses Buch karrierebewusste und immer wieder lernbereite Führungskräfte führungskompetent und "fit" machen. Wer erste Führungserfahrung hat, merkt schnell, dass er mit vorgefertigten Rezepten nicht weiterkommt, gerade auch wenn er zügig handeln muss. Dann wünscht man sich einen Ratgeber oder Helfer. Dieses Buch bietet hierzu das unabdingbare Verständnis des Führungsumfeldes, zu Motiven, Rollen, Führungsbeziehungen, gestaltenden Faktoren, Kommunikation. Aber auch erfahrenen Führungskräften mag es als nützliches Nachschlagewerk für alle (Berufs-)Lebenslagen dienen. Der Autor zeigt den selbst erprobten Stufenweg zur Führungskompetenz und zum Führungserfolg und spricht dabei die Fragen an, die sich im Führungsalltag stellen: von Motivation und Mitarbeitergespräch über Führung nach "oben", Führung von (Projekt-)Teams, Führungsalternativen, welcher Führungsstil ist effektiv, Mikropolitik, symbolische Führung, Führungstraining. Ohne gänzlichen Verzicht auf eine taugliche Fachsprache erhält der Leser begründete, einsichtige praktische Anweisungen und klare Empfehlungen. Mit dem Fokus auf die jeweilige Karrierestufe bietet das Begleitbuch das kompakte Fundament und unter den Führungsbüchern einen
einzigartigen Lesernutzen. Alfred Goll, Vorstand Human and Intellectual Resources, Festo AG & Co. KG, Esslingen (Weltweit führender Anbieter von pneumatischer und elektrischer Automatisierungstechnik)
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Den meisten Menschen mit einer qualifizierten Ausbildung oder Fachstudium kann man heute weitestgehend ein gutes Fachwissen attestieren. Wenn solche sog . "High-Potentials" in unterschiedlichen berufspraktischen Positionen und Funktionen dennoch versagen, sind dafür Defizite in den nichtfachlichen Fähigkeiten ausschlaggebend. In zuvor nicht trainierten Problemsituationen angemessen und kompetent zu handeln, resultiert aus übergeordneten "Schlüsselqualifikationen" und insbesondere Sozial- und Führungskompetenzen. Diese Fähigkeiten werden jedoch in kaum einer Hochschulausbildung gelehrt und geübt. Der daraus aufkommende Wunsch nach einem Praxis-Ratgeber für erfolgreiches Führungs-Können dürfte mit diesem Buch ziemlich gut erfüllt sein. Management ist ja ein über das gesamte System Unternehmung verteiltes Phänomen und betrifft deshalb jeden, der etwas bewegen will. Gerade auch gestandene Führungskräfte können sich anhand der Empfehlungen dieses Buchs vergewissern, wie sie ihre leistungsmäßige und humane Führungsbegabung noch erfolgreicher einsetzen. Gerd Stotmeister, Vorstand Technik, Sto AG, Stühlingen (Führender Spezialist für gedämmte Fassadensysteme)
K. F. Withauer, Führungskompetenz und Karriere, DOI 10.1007/978-3-8349-6580-6, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011