Kim Oliver Tokarski Ethik und Entrepreneurship
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Kim Oliver Tokarski Ethik und Entrepreneurship
GABLER EDITION WISSENSCHAFT Entrepreneurship Herausgegeben von Professor Dr. Malte Brettel, RWTH Aachen, Professor Dr. Lambert T. Koch, Universität Wuppertal, Professor Dr. Tobias Kollmann, Universität Duisburg-Essen, Campus Essen, Professor Dr. Peter Witt, Universität Dortmund
„Entrepreneurship“ ist ein noch relativ junger Forschungszweig, der jedoch in Wissenschaft und Praxis stetig an Bedeutung gewinnt. Denn Unternehmensgründungen und deren Promotoren nehmen für die wirtschaftliche Entwicklung einen zentralen Stellenwert ein, so dass es nur folgerichtig ist, dem auch in Forschung und Lehre Rechnung zu tragen. Die Schriftenreihe bietet ein Forum für wissenschaftliche Beiträge zur Entrepreneurship-Thematik. Ziel ist der Transfer von aktuellen Forschungsergebnissen und deren Diskussion aus der Wissenschaft in die Unternehmenspraxis.
Kim Oliver Tokarski
Ethik und Entrepreneurship Eine theoretische sowie empirische Analyse junger Unternehmen im Rahmen einer Unternehmensethikforschung
Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Lambert T. Koch
GABLER EDITION WISSENSCHAFT
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Universität Wuppertal, 2008
1. Auflage 2008 Alle Rechte vorbehalten © Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008 Lektorat: Frauke Schindler / Nicole Schweitzer Gabler ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-1313-5
Geleitwort
V
Geleitwort Wer sich heutigentags mit Wirtschaftsethik auseinandersetzt, wird nicht umhin kommen, für diese interdisziplinäre Thematik, angesiedelt zwischen Wirtschaftswissenschaft und Philosophie, einen regelrechten Boom zu konstatieren. Wesentliche Begründungsstränge lassen sich dabei sicherlich aus der ökonomischen Globalisierung und ihren Konsequenzen für die Ordnung der Wirtschaft ableiten. Wenn es scheinbar in bestimmten Bereichen der internationalen Aktivität von Unternehmen sowie im Wettbewerb zwischen Standorten zu einem Versagen positiven Rechts kommt, wird der Ruf nach einer zusätzlichen, ethisch kontextualisierten Steuerungsdimension lauter. Will man diese analysieren, ist zunächst zu differenzieren: Auf der Makroebene sind moralische Aspekte und Problemlagen ganzer Wirtschaftssysteme zu fokussieren; die Mikroebene beleuchtet den Bereich individueller ethischer Handlungen im Wirtschaftskontext; und gewissermaßen dazwischen auf einer Mesoebene rücken moralische Problemstellungen im Unternehmenskontext in den Mittelpunkt des Interesses; entsprechend kann man hier präzisierend auch von Unternehmensethik sprechen. Letzterer Bereich ist es, in dem sich die vorliegende Arbeit im Kern verorten lässt, wenngleich die beiden anderen Ebenen unweigerlich ebenfalls zu bemühen sind – einerseits um wechselseitige Bedingtheiten aufzuzeigen, andererseits um präzise Abgrenzungen zu ermöglichen. Kim Tokarski, der Autor des Werkes, verfolgt innerhalb dieses Rahmens das Ziel, sowohl aus theoretischer wie auch aus empirischer Perspektive die Relevanz einer Unternehmensethik speziell für junge Unternehmen aufzuzeigen. Es geht ihm dabei gleichermaßen um eine Herausarbeitung der zugrunde liegenden Werte sowie der ethischen Positionierung junger Unternehmen. Auch wenn bereits einiges über Werte und Ethik in jungen Unternehmen geschrieben wurde, so gab es bis jetzt doch keine nur annähernd so systematische und umfassende Aufarbeitung der Problemstellung, die nicht zuletzt die Untiefen vieler eher populärwissenschaftlich anmutender Diskurse in der entsprechenden Begriffswelt entlarvt. Von ganz besonderem Wert ist in diesem Kontext, dass sich Kim Tokarski der Mühe unterzogen hat, vor Ort, und das bedeutet: in jungen Unternehmen empirisch zu erheben, welche Vorstellungen bzw. Deutungsmuster im Kontext der Werte- und Ethikdebatte in der Unternehmensentwicklung aufscheinen und welche sich wandelnde Relevanz der Thematik im Rahmen der Entstehung junger Unternehmen zukommt. Insofern handelt es sich um ein gelungenes und äußerst lesenswertes Werk. Möge es zahlreiche Leser finden, denn es verdient sie.
Univ.-Prof. Dr. Lambert T. Koch
Vorwort
VII
Vorwort Ausgehend von den Gedanken und Positionen der Philosophie im alten Griechenland entwickelte sich über die letzten Jahrtausende eine Vielzahl unterschiedlicher ethischer Strömungen und Ethikpositionen im westlichen Kulturkreis. Dabei war die Ethik lange philosophisch-theoretisch geprägt. Erst in der jüngeren Zeit entwickelte sich vor diesem Hintergrund mit den angewandten Ethiken, zu denen auch die und Unternehmensethik zählt, ein Zweig der verstärkt praxisorientierte Probleme und Problemlösungen und nicht vornehmlich Begründungszusammenhänge in den Vordergrund stellte. In den letzen Jahrzehnten erlangte die Unternehmensethik mitunter vor dem Hintergrund der Globalisierung und der hiermit zumeist implizierten Probleme und Externalitäten eine erhöhte Aufmerksamkeit und Bedeutung in Wissenschaft und Praxis. In der Analyse und Diskussion der Unternehmensethik wurde im deutschsprachigen Kontext zumeist auf Großunternehmen Bezug genommen. Gleichermaßen wurde lediglich in geringem Maße eine empirische Ethikforschung vollzogen. In Kombination dieser beiden Sachverhalte lässt sich in der Reflexion der Thematik bei jungen Unternehmen ein empirischer Forschungsbedarf feststellen. Aus diesem Grunde war es das Ziel dieser Arbeit einen kleinen Beitrag einer empirischen Ethikforschung in Deutschland zu leisten. Dabei ist nicht allein eine Betrachtung der (Unternehmens-)Ethik von Bedeutung. Vielmehr erscheint im Rahmen der Forschung eine ganzheitliche Betrachtung zu artverwandten bzw. die Ethik tangierenden Bereichen bedeutend zu sein, um ein ganzheitliches Bild der Thematik zu generieren. Aus diesem Grunde wurde im Rahmen der vorliegenden Arbeit auch der Bereich der Werte und Werteforschung behandelt. Denn neben institutionellen Ansätzen im Rahmen der Ethik sind gleichermaßen auch individuelle Ansätze relevant. Bei letzteren liegt der Mensch vor dem Hintergrund seiner individuellen Werte und Einstellungen im Mittelpunkt der Betrachtung. In eigener Wahrnehmung und Auffassung steht der Mensch direkt oder indirekt am Anfang und am Ende der Betrachtung einer jeden Ethik sowie jeder Handlung. So gilt es daher auch aus persönlicher Sicht den Menschen zu danken, die im Hintergrund dieses Werkes stehen. Für die Möglichkeit der Promotion, die wissenschaftliche Begleitung und persönliche Ausbildung danke ich zum einen meinem Erstgutachter Prof. Dr. Lambert T. Koch und zum anderen meiner Zweitgutachterin Prof. Dr. Christine Volkmann., die mir beruflich eine wissenschaftliche Laufbahn ermöglicht hat. Mein ganz persönlichster Dank gilt meiner Frau Bianca. Ohne ihre liebenden Worte, ihren Zuspruch, ihre Zuversicht, ihre Kraft und ihre Geduld mit mir während der letzten Jahre wäre dieses Werk nicht möglich gewesen. Der Prozess der Erstellung dieser Ausarbeitung hat viel Zeit in Anspruch genommen. Meiner Frau, meinen Eltern, meiner Familie und meinen Freunden möchte ich daher für ihr Verständnis der beschränkten Zeit im Privaten und ihre moralische Unterstützung danken. Widmen möchte ich dieses Werk Georg und Ralf, die die Fertigstellung nicht erleben durften.
Kim Oliver Tokarski
Inhaltsverzeichnis
IX
Inhaltsverzeichnis Geleitwort................................................................................................................................... V Vorwort ................................................................................................................................... VII Tabellenverzeichnis...............................................................................................................XIII Abbildungsverzeichnis .........................................................................................................XVII Abkürzungsverzeichnis ......................................................................................................... XIX 1
2
Einführung........................................................................................................................... 1 1.1
Zur aktuellen Relevanz und Problemstellung der Thematik ....................................... 1
1.2
Zielsetzung, Aufbau und Vorgehensweise.................................................................... 5
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches....................................................11 2.1
Basisannahmen und philosophisch-theoretische Grundlagen ....................................11
2.1.1 Zum Begriff junger Unternehmen .....................................................................................................11 2.1.1.1 Merkmale und Charakteristika junger Unternehmen ........................................................11 2.1.1.2 Anmerkungen zur zeitlichen Abgrenzungsproblematik ...................................................15 2.1.2 Zu den Begriffen Werte, Einstellungen, Normen, Intentionen und Handlungen ................................19 2.1.2.1 Werte und Werteorientierung ...............................................................................................19 2.1.2.2 Wertestabilität und Wertewandel..........................................................................................32 2.1.2.3 Normen ....................................................................................................................................34 2.1.2.4 Einstellungen, Intentionen und Handlungen .....................................................................36 2.1.2.5 Werte, Wertfreiheit und Werturteilsstreit............................................................................43 2.1.3 Zum Begriff der Ethik im Allgemeinen............................................................................................46 2.1.3.1 Zum Verhältnis von Moral, Moralität und Ethik...............................................................49 2.1.3.2 Zur Erörterung des Begriffes „gut“ .....................................................................................56 2.1.3.3 Zu Dilemmastrukturen und moralischen Dilemmata .......................................................58 2.1.3.4 Zu den Aufgaben der Ethik ..................................................................................................62 2.1.3.5 Zum Konzept der Goldenen Regel......................................................................................64 2.1.3.6 Klassifikation ethischer Positionen ......................................................................................65 2.1.3.6.1 Theoretische Ethik....................................................................................................... 70 2.1.3.6.1.1 Deskriptive Ethik .................................................................................................. 70 2.1.3.6.1.2 Normative Ethik ................................................................................................... 70 2.1.3.6.1.3 Metaethik................................................................................................................ 71 2.1.3.6.2 Angewandte Ethiken.................................................................................................... 72 2.1.3.7 Ausgewählte normative Ethikpositionen im Überblick ....................................................73 2.1.3.7.1 Tugendethik................................................................................................................... 75 2.1.3.7.2 Kantische Ethik ............................................................................................................ 80 2.1.3.7.3 Utilitarismus .................................................................................................................. 84 2.1.3.7.4 Kontraktualismus ......................................................................................................... 88 2.1.3.7.5 Diskursethik .................................................................................................................. 91 2.1.3.7.6 Verantwortungsethik.................................................................................................... 97
X
Inhaltsverzeichnis
2.1.4 Grundlegende Bereiche einer Ethikforschung ..................................................................................102 2.1.4.1 Zum Zusammenhang von Werten, Einstellungen, Handlungen, Intentionen und ethischen Positionen ............................................................................................................103 2.1.4.2 Ausgewählte Modelle ethischen Handelns .......................................................................104 2.1.4.2.1 Zum Modell von Hunt/Vitell...................................................................................104 2.1.4.2.2 Zum Modell von Ferrell/Gresham..........................................................................108 2.1.4.2.3 Zum Modell von Ferrell/Gresham/Fraedrich.......................................................109 2.1.4.2.4 Zum Modell von Sagie/Elizur/Koslowsky ............................................................111 2.2
Unternehmensethik als Teilaspekt der Wirtschaftsethik........................................... 113
2.2.1 Zu den Konstrukten der Wirtschafts- und Unternehmensethik.......................................................113 2.2.1.1 Zur Definition von Wirtschaftsethik.................................................................................116 2.2.1.2 Zur Definition von Unternehmensethik...........................................................................118 2.2.2
Zum Verhältnis von Ethik und Ökonomie...................................................................................125
2.2.3 Handlungsebenen einer Wirtschafts- und Unternehmensethik.........................................................133 2.2.3.1 Mikro, Meso- und Makroebene..........................................................................................133 2.2.3.2 Supraebene ............................................................................................................................136 2.2.4 Abgrenzung Corporate Responsibility und weiterer artverwandter Konstrukte.................................139 2.2.4.1 Corporate Responsibility.....................................................................................................139 2.2.4.1.1 Nachhaltigkeit..............................................................................................................139 2.2.4.1.2 Corporate Social Responsibility................................................................................143 2.2.4.1.3 Corporate Citizenship ................................................................................................146 2.2.4.1.4 Corporate Governance...............................................................................................148 2.2.4.2 Zur Verbindung von Ethik und Corporate (Social) Responsibility..............................150 2.3
Grundlagen und Ansätze einer Unternehmensethik .................................................154
2.3.1 Zur Bedeutung der neuen Institutionenökonomik in der Unternehmensethik...................................154 2.3.1.1 Zur Definition des Begriffes der Institutionen................................................................154 2.3.1.2 Institutionen im ethischen Kontext...................................................................................160 2.3.1.3 Institutionen und Menschenbilder in Wirtschaftstheorie und -praxis..........................163 2.3.2 Inhalt der Unternehmensethik .......................................................................................................168 2.3.2.1 Spannungsfeld von Gewinnmaximierung und Unternehmensethik ............................168 2.3.2.2 Individualethik und Institutionenethik..............................................................................172 2.3.2.3 Legitimation, Gerechtigkeit und Glaubwürdigkeit..........................................................178 2.3.3 Abgrenzung der Unternehmensethik zu Disziplinen der Wirtschaftswissenschaften.........................186 2.3.3.1 Ethik im Kontext des Marketing .......................................................................................186 2.3.3.2 Ethik im Kontext des strategischen Management...........................................................190 2.3.3.3 Ethik im Kontext der Unternehmenskultur.....................................................................192 2.3.4 Ausgewählte Unternehmensethikansätze in Deutschland................................................................197 2.3.4.1 Zum institutionenethischen Ansatz von Karl Homann.................................................199 2.3.4.2 Zum republikanisch-integrativen Ansatz von Peter Ulrich ...........................................208 2.3.4.3 Zum diskursethischen Ansatz von Horst Steinmann und Albert Löhr.......................217 2.3.4.4 Zum governanceethischen Ansatz von Josef Wieland ...................................................224
Inhaltsverzeichnis
2.3.5 2.4
XI
Bewertung und Stand der Forschung ............................................................................................. 229
Spezifika einer „ethischen Situation“ in jungen Unternehmen................................ 237
2.4.1 Zur Relevanz von Ethik im Entrepreneurship Kontext................................................................. 237 2.4.1.1 Zu Annahmen ethischen Verhaltens im Entrepreneurship-Kontext .......................... 237 2.4.1.2 Gute Sitten und Ethik in der lex mercatoria.................................................................... 239 2.4.1.3 Vorbildfunktion von Unternehmern und jungen Unternehmen.................................. 241 2.4.1.4 Zur ethischen Bedeutung junger Unternehmen in der Ökonomie .............................. 247 2.4.2 Zur Ethik in der Unternehmensentwicklung................................................................................. 249 2.4.2.1 Zum Wachstum von Unternehmen.................................................................................. 249 2.4.2.2 Modelle ethischer Entwicklung von Organisationen ..................................................... 251 2.4.2.2.1 Zum Modell von Reidenbach/Robin...................................................................... 252 2.4.2.2.2 Zum Modell von Morris et al. .................................................................................. 256 2.4.3 Ethikmaßnahmen vor dem Hintergrund der Charakteristika junger Unternehmen........................ 259 2.4.3.1 Ethische Visionen ................................................................................................................ 259 2.4.3.2 Unternehmensstrategische Überlegungen........................................................................ 260 2.4.3.2.1 Wettbewerbsstrategie ................................................................................................. 262 2.4.3.2.2 Ordnungspolitische Strategie.................................................................................... 263 2.4.3.3 Personalspezifische Überlegungen .................................................................................... 266 2.4.3.4 Organisationsspezifische Überlegungen........................................................................... 274 2.4.3.5 Netzwerk- und kooperationstechnische Überlegungen................................................. 277 2.4.3.6 Überlegungen hinsichtlich einer Kapitalmarktorientierung........................................... 279 2.4.3.7 Ausgewählte praxisinduzierte Ethikmaßnahmen............................................................ 282 2.4.3.7.1 Ethikkodizes, Codes of Conduct, Verhaltensstandards ....................................... 282 2.4.3.7.2 Stakeholder-Dialog und -Management ................................................................... 292 2.4.3.7.3 Ethikbeauftragte, Ombudsstellen, Ethikkomitees................................................. 296 2.4.3.7.4 Ethikkommissionen ................................................................................................... 297 2.4.3.7.5 Ethik-Management-Systeme..................................................................................... 298 2.4.3.7.5.1 Compliance-Ansatz............................................................................................. 299 2.4.3.7.5.2 Integrity-Ansatz................................................................................................... 300 2.4.3.7.6 Ethiktraining................................................................................................................ 309 2.4.3.7.7 Ethikaudits und Zertifikate ....................................................................................... 310 2.4.3.7.8 Whistle Blowing.......................................................................................................... 315 2.5 3
Zur Ableitung von Hypothesen..................................................................................317
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen................................................... 323 3.1
Methodologische Vorüberlegungen.......................................................................... 323
3.1.1
Zur Anwendbarkeit ethischer Theorien in der Praxis.................................................................... 323
3.1.2
Vorüberlegungen zur Operationalisierung ethischen Verhaltens ..................................................... 325
3.1.3 Aufbau und Design der empirischen Untersuchung........................................................................ 330 3.1.3.1 Datenbasis und Auswahlverfahren.................................................................................... 330 3.1.3.2 Datenerhebungstechnik ...................................................................................................... 331 3.1.3.2.1 Online-Befragung ....................................................................................................... 331
XII
Inhaltsverzeichnis
3.1.3.2.2 Potenzielle methodische Probleme im Rahmen der Erhebung...........................333 3.1.3.3 Datenaufbereitung................................................................................................................337 3.1.3.4 Datenanalyse und statistische Methodiken.......................................................................338 3.2
Empirische Auswertung ethischen Verhaltens junger Unternehmen ...................... 346
3.2.1 Statistische Voraussetzungen.........................................................................................................346 3.2.1.1 Skalenniveau der Variablen .................................................................................................346 3.2.1.2 Umgang mit Missings ..........................................................................................................347 3.2.1.3 Stichprobenumfang und Stichprobenstruktur .................................................................348 3.2.2 Basisannahmen und philosophisch-theoretische Grundlagen ............................................................356 3.2.2.1 Werte und Werteorientierung.............................................................................................356 3.2.2.1.1 Wertedimensionen ......................................................................................................356 3.2.2.1.2 Werte des privaten und beruflichen Alltags............................................................373 3.2.2.2 Ausgewählte normative Ethikpositionen..........................................................................386 3.2.2.3 Ethische Positionierung des Entrepreneurs .....................................................................394 3.2.3 Unternehmensethik .......................................................................................................................407 3.2.3.1 Verhältnis von Ethik und Ökonomie................................................................................407 3.2.3.2 Individualethik und Institutionenethik..............................................................................415 3.2.3.3 Verantwortungsübernahme nach Stakeholdern...............................................................423 3.2.3.4 Einstellung zu (Unternehmens-)Ethik ..............................................................................426 3.2.3.5 Einschätzung unternehmensethischer Probleme ............................................................444 3.2.3.6 Rechtfertigung von Handlungen........................................................................................456 3.2.3.7 Ausgewählte praxisrelevante Ethikmaßnahmen ..............................................................467 3.2.4 4
Methodenkritische Betrachtung ......................................................................................................480
Abschließende Bewertung und Ausblick......................................................................... 483 4.1
Wissenschaftlicher Erkenntnisgewinn...................................................................... 483
4.2
Implikationen für die Wissenschaft und Praxis.........................................................491
Literaturverzeichnis................................................................................................................ 497 Anhang.................................................................................................................................... 559
Tabellenverzeichnis
XIII
Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Unternehmensgrößenklassen..........................................................................................................12 Tabelle 2: Begriffssystem der Kantischen Dreiteilung menschlichen Handelns.......................................39 Tabelle 3: Handlungstypologie .........................................................................................................................39 Tabelle 4: Individuelles und kollektives Handeln ..........................................................................................42 Tabelle 5: Klassifizierung der Betriebswirtschaftslehre nach der Dreiteilung Kants ...............................46 Tabelle 6: Gefangenendilemma ........................................................................................................................59 Tabelle 7: Verantwortungsrelation...................................................................................................................97 Tabelle 8: Mikro-, Meso-, Makro- und Supraebene der Wirtschafts- und Unternehmensethik.......... 138 Tabelle 9: Typen interner und externer Institutionen................................................................................ 156 Tabelle 10: Typologie der Institutioen anhand von Beispielen ................................................................ 156 Tabelle 11: Deutungsmöglichkeiten einer unternehmerischen Gewinnorientierung............................ 170 Tabelle 12: Ethik und ökonomischer Nutzen ............................................................................................. 172 Tabelle 13: Formale Beziehung deutschsprachiger Wirtschafts- und Unternehmensethik zur Ökonomik ............................................................................................................................................. 199 Tabelle 14: Wirtschaftsliberalismus vs. republikanischer Liberalismus................................................... 210 Tabelle 15: Synopse bedeutender deutscher wirtschafts- und unternehmensethischer Konzeptionen ....................................................................................................................................... 232 Tabelle 16: Kulturelle Grundlagen amerikanischer Unternehmensethik ................................................ 235 Tabelle 17: Kulturelle Grundlagen deutscher Unternehmensethik.......................................................... 236 Tabelle 18: Compliance- vs. Integrity-Ansatz ............................................................................................. 302 Tabelle 19: Irrtumswahrscheinlichkeit.......................................................................................................... 339 Tabelle 20: Fehlermöglichkeiten bei der Anwendung von statistischen Tests....................................... 340 Tabelle 21: Interpretation von Korrelationskoeffizienten......................................................................... 341 Tabelle 22: Kriterien Mann-Whitney-U-Test .............................................................................................. 345 Tabelle 23: Kriterien Kruskal-Wallis-H-Test............................................................................................... 346 Tabelle 24: Reduktion Missing Values.......................................................................................................... 348 Tabelle 25: Häufigkeitstabelle Rechtsform .................................................................................................. 349 Tabelle 26: Häufigkeitstabelle Gründungsform.......................................................................................... 350 Tabelle 27: Häufigkeitstabelle Mitarbeiteranzahl ........................................................................................ 351 Tabelle 28: Häufigkeitstabelle Alter nach Kategorien................................................................................ 352 Tabelle 29: Häufigkeitstabelle höchster Schulabschluss ............................................................................ 353 Tabelle 30: Häufigkeitstabelle höchster Hochschulabschluss................................................................... 354 Tabelle 31: Häufigkeitstabelle Familienstand .............................................................................................. 355 Tabelle 32: Wertetypen nach Schwartz ........................................................................................................ 357 Tabelle 33: Wertestruktur nach dem Geschlecht........................................................................................ 367 Tabelle 34: Statistischer Test der Wertestruktur differenziert nach dem Geschlecht........................... 367 Tabelle 35: Wertestruktur nach Alterskategorien ....................................................................................... 369 Tabelle 36: Statistischer Test der Wertestruktur differenziert nach Alterskategorien........................... 370 Tabelle 37: Signifikanzwerte der Wertestruktur differenziert nach Alterskategorien ........................... 371
XIV
Tabellenverzeichnis
Tabelle 38: Grundwerte und grundwertähnliche Werte.............................................................................373 Tabelle 39: Häufigkeitstabelle Grundwerte und grundwertähnliche Werte – privater Alltag ..............375 Tabelle 40: Häufigkeitstabelle Grundwerte und grundwertähnliche Werte – beruflicher Alltag.........376 Tabelle 41: Deskriptive Statistik von Grundwerten und grundwertähnlichen Werten .........................378 Tabelle 42: Korrelation Grundwerte und grundwertähnliche Werte – 1 ................................................379 Tabelle 43: Korrelation Grundwerte und grundwertähnliche Werte – 2 ................................................379 Tabelle 44: Korrelation Grundwerte und grundwertähnliche Werte – 3 ................................................380 Tabelle 45: Korrelation Grundwerte und grundwertähnliche Werte – 4 ................................................380 Tabelle 46: Korrelation Grundwerte und grundwertähnliche Werte – 5 ................................................381 Tabelle 47: Korrelation Grundwerte und grundwertähnliche Werte – 6 ................................................381 Tabelle 48: Korrelation Grundwerte und grundwertähnliche Werte – 7 ................................................381 Tabelle 49: Korrelation Grundwerte und grundwertähnliche Werte – 8 ................................................382 Tabelle 50: Korrelation Grundwerte und grundwertähnliche Werte – 9 ................................................382 Tabelle 51: Korrelation Grundwerte und grundwertähnliche Werte – 10 ..............................................383 Tabelle 52: Deskriptive Statistik Grundwerte und grundwertähnliche Werte – Teilauswahl 1 ...........384 Tabelle 53: Deskriptive Statistik Grundwerte und grundwertähnliche Werte – Teilauswahl 2 ...........385 Tabelle 54: Deskriptive Statistik Grundwerte und grundwertähnliche Werte – Teilauswahl 3 ...........386 Tabelle 55: Normative Ethikpositionen .......................................................................................................387 Tabelle 56: Häufigkeiten normativer Ethikpositionen ...............................................................................388 Tabelle 57: Deskriptive Statistik normativer Ethikpositionen ..................................................................390 Tabelle 58: Korrelation normativer Ethikpositionen – 1...........................................................................391 Tabelle 59: Korrelation normativer Ethikpositionen – 2...........................................................................391 Tabelle 60: Korrelation normativer Ethikpositionen – 3...........................................................................392 Tabelle 61: Korrelation normativer Ethikpositionen – 4...........................................................................392 Tabelle 62: Korrelation normativer Ethikpositionen – 5...........................................................................393 Tabelle 63: Korrelation normativer Ethikpositionen – 6...........................................................................393 Tabelle 64: Zusammenfassung der Skaleneigenschaften des EPQ ..........................................................398 Tabelle 65: Ethics Position Questionnaire – Faktor 1 ...............................................................................399 Tabelle 66: Ethics Position Questionnaire – Faktor 2 ...............................................................................400 Tabelle 67: Deskriptive Statistik des EPQ ...................................................................................................401 Tabelle 68: Deskriptive Statistik der Idealismusdimension und Relativismusdimension nach Geschlecht..............................................................................................................................................402 Tabelle 69: Statistischer Test des EPQ differenziert nach dem Geschlecht...........................................403 Tabelle 70: Deskriptive Statistik der Idealismusdimension und Relativismusdimension nach Religiosität..............................................................................................................................................404 Tabelle 71: Statistischer Test des EPQ differenziert nach der Religiosität .............................................405 Tabelle 72: Items und Intentionen zum Verhältnis von Ethik und Ökonomie .....................................407 Tabelle 73: Korrelation wahrheitsgemäße Antwort – 1 .............................................................................408 Tabelle 74: Korrelation wahrheitsgemäße Antwort – 2 .............................................................................409 Tabelle 75: Häufigkeitstabelle Ethik und Ökonomie .................................................................................410 Tabelle 76: Deskriptive Statistik Ethik und Ökonomie differenziert nach dem Studienabschluss .....411
Tabellenverzeichnis
XV
Tabelle 77:Statistischer Test Ethik und Ökonomie differenziert nach dem Studienabschluss ........... 411 Tabelle 78: Deskriptive Statistik Ethik und Ökonomie differenziert nach Alterskategorien .............. 412 Tabelle 79:Statistischer Test Ethik und Ökonomie differenziert nach Alterskategorien ..................... 412 Tabelle 80: Deskriptive Statistik Ethik und Ökonomie differenziert nach dem Geschlecht............... 413 Tabelle 81:Statistischer Test Ethik und Ökonomie differenziert nach dem Studienabschluss ........... 414 Tabelle 82: Deskriptive Statistik Ethik und Ökonomie............................................................................. 415 Tabelle 83: Items zur Messung der Verwirklichung einer Unternehmensethik..................................... 416 Tabelle 84: Items zur Messung der Verantwortlichkeit für Ethik............................................................ 416 Tabelle 85: Deskriptive Statistik zur Verwirklichung einer Unternehmensethik................................... 418 Tabelle 86: Kruskal-Wallis-Test Verantwortlichkeit für die Ethik........................................................... 419 Tabelle 87: Verwirklichung einer Unternehmensethik und individuelle Verantwortlichkeit für die Ethik ....................................................................................................................................................... 420 Tabelle 88: Verwirklichung einer Unternehmensethik und unternehmerische Verantwortlichkeit für die Ethik .......................................................................................................................................... 421 Tabelle 89: Verwirklichung einer Unternehmensethik und staatliche Verantwortlichkeit für die Ethik ....................................................................................................................................................... 422 Tabelle 90: Items von Verantwortung nach Stakeholdergruppen............................................................ 423 Tabelle 91: Häufigkeitstabelle Verantwortungsübernahme nach Stakeholdern..................................... 424 Tabelle 92: Items des PRESOR..................................................................................................................... 429 Tabelle 93: Deskriptive Statistik PRESOR – 16 Items.............................................................................. 430 Tabelle 94: Erklärte Gesamtvarianz – Faktorenanalyse PRESOR – 16 Items....................................... 430 Tabelle 95: Komponentenmatrix der Faktorenanalyse des PRESOR – 16 Items................................. 431 Tabelle 96: Rotierte Komponentenmatrix der Faktorenanalyse des PRESOR – 16 Items ................. 432 Tabelle 97: Faktorenstruktur des PRESOR aus ursprünglich 16 Items.................................................. 433 Tabelle 98: Deskriptive Statistik PRESOR – 13 Items.............................................................................. 434 Tabelle 99: Erklärte Gesamtvarianz – Faktorenanalyse PRESOR – 13 Items....................................... 434 Tabelle 100: Komponentenmatrix der Faktorenanalyse des PRESOR – 13 Items............................... 435 Tabelle 101: Rotierte Komponentenmatrix der Faktorenanalyse des PRESOR – 13 Items ............... 435 Tabelle 102: Deskriptive Statistik PRESOR – zwölf Items ...................................................................... 436 Tabelle 103: Erklärte Gesamtvarianz – Faktorenanalyse PRESOR – zwölf Items............................... 436 Tabelle 104: Komponentenmatrix der Faktorenanalyse des PRESOR – zwölf Items ......................... 436 Tabelle 105: Rotierte Komponentenmatrix der Faktorenanalyse des PRESOR – zwölf Items.......... 437 Tabelle 106: Interpretation der Faktoren des PRESOR – zwölf Items .................................................. 438 Tabelle 107: Reliabilitäten auf Basis Cronbach´s Alpha für den PRESOR ............................................ 439 Tabelle 108: Reliabilitäten auf Basis Cronbach´s Alpha für den PRESOR nach Item Herausnahme 439 Tabelle 109: Reliabilitäten auf Basis Cronbach´s Alpha für den PRESOR nach Umkodierung von Items....................................................................................................................................................... 439 Tabelle 110: Deskriptive Statistik der Idealismusdimension und Relativismusdimension nach Geschlecht ............................................................................................................................................. 442 Tabelle 111: Statistischer Test des EPQ differenziert nach dem Geschlecht. ....................................... 443 Tabelle 112: Items Einschätzung unternehmensethischer Probleme...................................................... 446
XVI
Tabellenverzeichnis
Tabelle 113: Häufigkeitstabelle der Einschätzung unternehmensethischer Probleme – Items 1-10 ..447 Tabelle 114: Häufigkeitstabelle der Einschätzung unternehmensethischer Probleme – Items 11-20 448 Tabelle 115: Häufigkeitstabelle zu Regelungen bei unternehmensethischen Problemen – Items 110 .............................................................................................................................................................449 Tabelle 116: Häufigkeitstabelle zu Regelungen bei unternehmensethischen Problemen – Items 1120 .............................................................................................................................................................450 Tabelle 117: Klassifizierung Personen- oder Kapitalgesellschaft .............................................................451 Tabelle 118: Deskriptive Statistik unternehmensethischer Regelungen bei Personen- oder Kapitalgesellschaft ................................................................................................................................452 Tabelle 119: Statistischer Test unternehmensethischer Regelungen differenziert nach Personenund Kapitalgesellschaft ........................................................................................................................453 Tabelle 120: Deskriptive Statistik unternehmensethischer Regelungen bei Männern und Frauen .....454 Tabelle 121: Statistischer Test unternehmensethischer Regelungen differenziert nach Männern und Frauen.....................................................................................................................................................455 Tabelle 122: Deskriptive Statistik Test nach Witte/Doll ...........................................................................461 Tabelle 123: Deskriptive Statistik der Varianzanalyse des Tests nach Witte/Doll ................................461 Tabelle 124: Tests der Innersubjekteffekte im Test nach Witte/Doll .....................................................463 Tabelle 125: Paarweiser Vergleiche im Text nach Witte/Doll..................................................................464 Tabelle 126: Deskriptive Statistik des Tests nach Witte/Doll differenziert nach Geschlecht .............465 Tabelle 127: Varianzanalyse des Tests nach Witte/Doll differenziert nach dem Geschlecht..............466 Tabelle 128: Items praxisinduzierter Ethikmaßnahmen ............................................................................468 Tabelle 129: Häufigkeitstabelle der Relevanz unternehmensethischer Maßnahmen............................470 Tabelle 130: Häufigkeitstabelle der Einführung unternehmensethischer Maßnahmen .......................472 Tabelle 131: Korrelationen unternehmenseigener Verhaltenskodex .......................................................474 Tabelle 132: Korrelationen Dialog mit Stakeholdern des Unternehmens...............................................474 Tabelle 133: Korrelationen Ethiktraining der Mitarbeiter .........................................................................475 Tabelle 134: Korrelationen Beachtung des AGG .......................................................................................476 Tabelle 135: Aggregierte Korrelationen unternehmensethischer Maßnahmen ......................................477 Tabelle 136: Deskriptive Statistik unternehmensethischer Maßnahmen bei Personen- oder Kapitalgesellschaften ............................................................................................................................478 Tabelle 137: Statistischer Test unternehmensethischer Maßnahmen differenziert nach Personenund Kapitalgesellschaft. .......................................................................................................................479
Abbildungsverzeichnis
XVII
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Unternehmensentwicklung .......................................................................................................17 Abbildung 2: Integriertes Lebenszykluskonzept............................................................................................18 Abbildung 3: Objektives und subjektives Werteverständnis........................................................................22 Abbildung 4: Werteviereck nach Wieland.......................................................................................................28 Abbildung 5: Einfluss von Werten auf das Handeln ....................................................................................29 Abbildung 6: Wertewandel im Unternehmen ................................................................................................33 Abbildung 7: Zusammenhang von Normen, Einstellungen und Handlungen.........................................36 Abbildung 8: Theorie des überlegten Handelns ............................................................................................40 Abbildung 9: Theorie des geplanten Verhaltens............................................................................................41 Abbildung 10: Prinzip der Wertfreiheit...........................................................................................................45 Abbildung 11: Klassifikation ethicher Positionen im Überblick.................................................................66 Abbildung 12: Zirkulare Reflexionsmethode .................................................................................................68 Abbildung 13: Modell nach Hunt/Vitell...................................................................................................... 107 Abbildung 14: Überarbeitetes Modell nach Hunt/Vitell........................................................................... 108 Abbildung 15: Modell nach Ferrell/Gresham............................................................................................. 109 Abbildung 16: Modell nach Ferrell/Gresham/Fraedrich ......................................................................... 110 Abbildung 17: Modell von Sagie/Elizur/Koslowsky................................................................................. 113 Abbildung 18: Gesellschaftlicher Einfluss von Staat und Wirtchaft ....................................................... 115 Abbildung 19: Zusammenhang von Ethik und Corporate (Social) Responsibility ............................... 152 Abbildung 20: Bestimmung der Unternehmensverantwortung ............................................................... 153 Abbildung 21: Individual- und institutionenethische Handlungsebenen der Wirtschafts- und Unternehmensethik.............................................................................................................................. 176 Abbildung 22: Klassifikation zum Verhältnis von Recht und Ethik ....................................................... 183 Abbildung 23: Hierarchie von Regeln .......................................................................................................... 184 Abbildung 24: Ebenen der Unternehmenskultur ....................................................................................... 193 Abbildung 25: Unternehmensethischer Entscheidungsprozess bei Homann/Blome-Drees.............. 206 Abbildung 26: Unternehmensethische Ansätze im Verhältnis zum Gewinnprinzip ............................ 211 Abbildung 27: Zweistufige Konzeption der Unternehmensethik bei Ulrich ......................................... 215 Abbildung 28: Spannungsfeld des Unternehmers ...................................................................................... 244 Abbildung 29: Modell unternehmerischer Moralentwicklung .................................................................. 253 Abbildung 30: Ethik in der Unternehmensentwicklung nach Morris et al............................................. 258 Abbildung 31: Prozessmodell Stakeholder-Management.......................................................................... 294 Abbildung 32: Einfluss-Interessen-Raster ................................................................................................... 295 Abbildung 33: Ethik-Management-System nach Noll ............................................................................... 304 Abbildung 34: Ethik-Management-System nach Wieland......................................................................... 305 Abbildung 35: Risikosteuerung im Ethik-Management-System............................................................... 307 Abbildung 36: Modell ethischen Handelns in jungen Unternehmen ...................................................... 318 Abbildung 37: Häufigkeiten Rechtsform ..................................................................................................... 349 Abbildung 38: Häufigkeiten Einzel- oder Teamgründung........................................................................ 350
XVIII
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 39: Häufigkeiten Mitarbeiteranzahl............................................................................................351 Abbildung 40: Häufigkeiten Alter nach Kategorien ...................................................................................352 Abbildung 41: Häufigkeiten höchster Schulabschluss................................................................................353 Abbildung 42: Häufigkeiten höchster Hochschulabschluss ......................................................................354 Abbildung 43: Häufigkeiten Familienstand..................................................................................................355 Abbildung 44: Bidimensionaler Werteskreis nach Schwartz .....................................................................359 Abbildung 45: Faktorraum des 14-BiPo-Wertedifferenzials .....................................................................363 Abbildung 46: Stellung im Wertekreis ..........................................................................................................364 Abbildung 47: Differenzierung der Stellung im Wertekreis nach dem Geschlecht...............................365 Abbildung 48: Mittlere Ausprägung der Wertestruktur nach dem Geschlecht ......................................366 Abbildung 49: Mittlere Ausprägung der Wertestruktur nach Alterskategorien......................................369 Abbildung 50: Bedeutsamkeit von Grundwerten und grundwertähnlichen Werten im Privatleben ..374 Abbildung 51: Bedeutsamkeit von Grundwerten und grundwertähnlichen Werten im Berufsleben.375 Abbildung 52: Häufigkeiten der Bedeutsamkeit normativer Ethikpositionen .......................................388 Abbildung 53: Taxonomie ethischer Ideologien im EPQ .........................................................................396 Abbildung 54: Boxplot der Idealismusdimension des EPQ nach Geschlecht .......................................403 Abbildung 55: Häufigkeiten Ethik und Ökonomie ....................................................................................410 Abbildung 56: Verwirklichung einer Unternehmensethik .........................................................................417 Abbildung 57: Boxplot Verwirklichung einer Unternehmensethik und einer ethischen Verantwortlichkeit ................................................................................................................................419 Abbildung 58: Häufigkeitsverteilung der Verantwortungsübernahme gegenüber Stakeholdern.........424 Abbildung 59: Mittlere Ausprägung der Faktorstruktur des PRESOR nach dem Geschlecht...........441 Abbildung 60: Häufigkeiten der Einschätzung unternehmensethischer Probleme ...............................447 Abbildung 61: Häufigkeiten zu Regelungen bei unternehmensethischen Problemen ..........................449 Abbildung 62: Ethische Grundpositionen empirischer Ethikforschung bei Witte/Doll .....................459 Abbildung 63: Häufigkeitsverteilung der Relevanz von unternehmensethischen Maßnahmen ..........469 Abbildung 64: Häufigkeitsverteilung der Einführung von unternehmensethischen Maßnahmen......471
Abkürzungsverzeichnis
XIX
Abkürzungsverzeichnis ABI AG AGB AGG ALLBUS ATBEQ Aufl. BIDR BiPo BMW bspw. BWL bzw. CC CG CO2 CSR DCGK df DIN DIT DJSGI EG EPQ EPQ ERP ESS et al. EU FSC GbR ggf. ggü. GmbH H0 H1 HIUD Hrsg. i. d. R.
Association of British Insurers Aktiengesellschaft Allgemeine Geschäftsbedingungen Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Allgemeine Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften Attitude Towards Business Ethics Questionnaire Auflage Balanced Inventory of Desirable Responding Bi-Polar Bayrische M otorenwerke beispielsweise Betriebswirtschaftslehre beziehungsweise Corporate Citizenship Corporate Governance Kohlenstoffdioxid/Kohlendioxid Corporate Social Responsibility Deutscher Corporate Governance Kodex degrees of freedom (Freiheitsgrade) Deutsches Institut für Normung e. V. Defining Issues Test Dow Jones Sustainability Group Index Europäische Gemeinschaft Ethics Position Questionaire Ethics Position Questionnaire European Recovery Program European Social Survey et altera Europäische Union Forest Stewardship Council Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegebenenfalls gegenüber Gesellschaft mit beschränkter Haftung Nullhypothese Alternativhypothese Hedonismus, Intuitionismus, Utilitarismus Deontologie Herausgeber in der Regel
XX
IBM ICC ILO ISO KfW KG KMU KonTraG LOV Ltd. Max. MBA MDS MES Min. MJT MUT n. Chr. NGO Nr. o. J. o. Jg. o. S. OECD OHG OKK PDF PES PRESOR PVQ R-S-T S. SA 8000 SAI SD SES-17 Sig. Sp. SPSS SRS SSA
Abkürzungsverzeichnis
Industrial Business Machines International Chamber of Commerce International Labour Organization International Organization for Standardization Kreditanstalt für Wiederaufbau Kommanditgesellschaft kleine und mittlere Unternehmen Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich List of Values Limited Maximum Master of Business Administration Multidimensionale Skalierung Multidimensional Ethics Scale Minimum Moral Judgment Test Moralisches-Urteil-Test nach Christus Non-Governmental-Organization Nummer ohne Jahr ohne Jahrgang ohne Seite Organisation for Economic Co-Operation and Development Offene Handelsgesellschaft Organisatorische Koordinations- und Kooperationsmechanismen Portable Document Format Protestantischen Ethik Skala Perceived Role of Ethics and Social Responsibility Portrait Values Questionnaire Religiositäts-Struktur-Test Seite Social Accountability 8000 Social Accountability International Social Desirability Soziale-Erwünschtheits-Skala-17 Signifikanz Spalte Softwarepaket zur Analyse statistischer Daten Social Responsibility Scale Smallest Space Analysis
Abkürzungsverzeichnis
SVS TransPuG u. a. u. U. UN UNCED UNESCO UNFCCC UNO USA v. Chr. vgl. Vol. WHO WTO z. B.
XXI
Schwartz Value Survey Transparenz- und Publizitätsgesetz unter anderem unter Umständen United Nations United Nations Conference on Environment and Development United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization United Nations Framework Convention on Climate Change United Nations Organization United States of America vor Christus vergleiche Volume World Health Organization World Trade Organization zum Beispiel
Einführung
1
Einführung
1.1
Zur aktuellen Relevanz und Problemstellung der Thematik
1
Nach Leisinger (1997) ist der Begriff der Unternehmensethik (in der Wirtschaft) bis in die 1950er Jahre lediglich in geringem Maße thematisiert worden. Moralische Apekte wirtschaftlichen Handelns wurden vornehmlich im Kontext der Sozialethik, und hier zumeist bezogen auf die Frage des Arbeiters und seiner Arbeitsbedingungen sowie Rechte, reflektiert. Eine Diskussion um das Verhältnis zwischen Wirtschaft und Gesellschaft, und somit (auch) zwischen Unternehmen und Gesellschaft, erlangte erst in den (späten) 1960er Jahren eine breite(re) Interessensbasis und Öffentlichkeit. Der Fokus des Interesses lag dabei nicht mehr allein auf den Rechten von Arbeitern und Angestellten. Vielmehr erlangte auch der Schutz der Umwelt, Gesundheits- und (Arbeitsplatz-)Sicherheitsfragen oder Minderheitenrechte eine bedeutende Relevanz. Seit Mitte der 1970er Jahre erfolgt eine (verstärkte) ethische Reflexion gesellschaftlich relevanten Handelns. Hieraus entstand eine Vielzahl unterschiedlicher angewandter Ethiken, so auch die Unternehmensethik.1 Seit den 1980er Jahren haben sich in deutschsprachigen Ländern unterschiedliche Unternehmensethikkonzepte entwickelt, welche auf der langen, historischen Tradition einer philosophischen Ethik in Europa beruhen.2 Die Ausgangsbasis bildeten die zunehmenden ökonomischen und gesellschaftlichen Veränderungen. So war bereits Enderle (1987) vor über 20 Jahren der Auffassung, dass der Druck auf die Unternehmen (in den nächsten Jahren) stark zunehmen wird. Gründe sind hierfür bspw. Umweltproblematiken, Rationalisierungen, Organisationen von Konsumenteninteressen sowie Globalisierungstendenzen bzw. Auswirkungen der Globalisierung. Unternehmen geraten dabei zunehmend in eine Herausforderung in Bezug auf ihre Glaubwürdigkeit, Legitimierung und gesellschaftliche Akzeptanz. Ob und wie die Unternehmen die Herausforderung auf die genannten Bereiche annehmen können, wird davon abhängen, ob und in welchem Maße die Unternehmen auf diese Herausforderungen einzugehen vermögen.3 Die Diskussion über eine ethische Verantwortung der Wirtschaft, und speziell der Unternehmen, für gesellschaftliche Entwicklungen hat in den letzten Jahren (in der Tat) an Intensität und Diskussionsbreite zugenommen. Mitunter ist diese Entwicklung durch nationale und internationale Unternehmensskandale und die hiermit verbundenen mikro- und makroökonomischen Konsequenzen forciert worden.4 Unternehmen sehen sich einem verstärktem Druck moralisch motivierter Forderungen unterschiedlicher Stakeholder ausgesetzt.5 Unternehmensskandale wie bspw. Enron, WorldCom, Comroad oder Parmalat haben mitunter zu einer Vertrauenskrise in die Unternehmen, und die Art ihrer unternehmerischen Handlungen bzw. der unternehmerischen Tätigkeit geführt.6 Unternehmen sehen sich verstärkt mit der Tendenz konfrontiert, dass die Risiken bzw. Kosten unmoralisch-unethischen Verhaltens größer geworden sind. Ethik und Moral sind zu einer Managementaufgabe avanciert.7 Über ein unternehme1 2 3
4 5 6 7
Vgl. Leisinger (1997), S. 9. Vgl. Küpper (2007), S. 254. Vgl. Enderle (1987), S. 435. Siehe speziell zur Thematik der Herausforderung unternehmerischen Handelns im Rahmen der Globalisierung bspw. Parker (1998); Ali (2000). Vgl. Fürst (2005), S. 23. Vgl. Suchanek (2005), S. 63. Vgl. Brink (2005a), S. 149-150; Küpper (2007), S. 250-251. Vgl. Suchanek (2005), S. 63.
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Einführung
risch-legales Handeln hinaus wird von unterschiedlichen Stakeholdern des Unternehmens zunehmend ein ethisch legitimierbares bzw. legitimiertes Verhalten gefordert.8 Eine unternehmerische Herausforderung kann auch als eine ethische Herausforderung gesehen werden.9 So bewegen sich nach Kalveram (1951) alle wirtschaftlichen Bestrebungen und Forderungen zwischen den Dimensionen der Freiheit und des Zwangs sowie zwischen der persönlichen Entscheidung und der Bindung.10 Albach (2005a) vertritt die Auffassung, dass die Ethik, gerade für Betriebswirte, ein vielschichtiger Themenkomplex ist, der einerseits so einfach, einleuchtend und klar sowie andererseits in seiner Vielfalt der Ausprägungen zu verwirrend ist.11 In der unternehmerischen Praxis verursacht der Begriff der Unternehmensethik oftmals eine gewisse Distanz bzw. Ablehnung.12 Als Kritik wird einer Unternehmensethik dabei entgegengebracht, dass diese lediglich in wirtschaftlich erfolgreichen Zeiten für ein Unternehmen von Bedeutung ist und somit mitunter als ein „Luxusgut“ betrachtet werden kann. So merkt Petersen (2005a) an, dass der Einwand bestehe, ein ernsthaftes Interesse an einer Unternehmensethik gäbe es lediglich im Rahmen einer günstigen Ertragslage bei Unternehmen. In wirtschaftlich problematischen Zeiten würde das Interesse dagegen nicht bestehen. Würden Unternehmen trotzdem weiter auf Ethik Bezug nehmen und diese nach außen diskutieren und vermitteln, so wird diese Vorgehensweise lediglich als Marketingstrategie betrachtet, um eine Lösung eines Absatzproblems auf einem ethisch sensiblen Käufermarkt herbeizuführen.13 So wird nach Hilber (2004) die Ethik oftmals durch das Marketing instrumentalisiert.14 Mit dieser Auffassung wird eine Unvereinbarkeit von Ethik und Ökonomie impliziert. Hierbei handelt es sich allerdings um eine verkürzte, undifferenzierte Betrachtung des Verhältnisses von Ethik und Ökonomie. In der Theorie bestehen unterschiedliche Auffassungen des Verhältnisses von Ethik und Ökonomie. Je nach Auffassung des Verhältnisses von Ethik und Ökonomie haben sich unterschiedliche Ansätze einer Wirtschafts- und Unternehmensethik entwickelt.15 Mit dem Begriff der Unternehmensethik wird eine Vielzahl unterschiedlicher Konzepte, Ansätze und teilweise auch lediglich Schlagworte assoziiert.16 Dabei ist anzumerken, dass die Ethik, und hier im Speziellen die Wirtschafts- und Unternehmensethik, eine Vielzahl unterschiedlicher Ansätze und Differenzierungsgrade hervorgebracht hat. So tangiert die Ethik unterschiedliche Wissensbereiche bzw. Wissenschaften. In der Diskussion der Unternehmensethik mit dem Ziel der Generierung einer praktikablen Unternehmensethik sind zwei Bereiche von Bedeutung, die in einem wechselseitigen Verhältnis zueinander stehen. Hierbei handelt es sich zum einen um den Bereich der Philosophie. Zum anderen ist der Bereich der Betriebswirtschaftslehre von Bedeutung. Allgemein könnten in analoger Auffassung die Dimensionen auch als Welt der Wissenschaft einerseits und der Welt der Praxis andererseits gesehen werden.17 Es kann gefragt werden, welche Rolle die Philosophie im Verhältnis von (philoso8 9 10 11 12 13 14 15 16 17
Vgl. Beschorner/Osmers (2005), S. 85. Vgl. Enderle (1987), S. 449. Vgl. Kalveram (1951), S. 15. Vgl. Albach (2005a), S. 6. Vgl. Schmidt (2005a), S. 12. Vgl. Petersen (2005a), S. 131. Vgl. Hilber (2004), S. 248. Hilber bezeichnet die Ethik sogar als Waffe moderner Marketingstrategien. Eine Diskussion der Thematik wird in Kapitel 2.2.2 vorgenommen. Vgl. Schmidt (2005a), S. 12. Vgl. Schmidt (2002), S. 69.
Einführung
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phischer) Ethik und ökonomischer Wissenschaft spielen soll. Daher ist das Verständnis grundlegender philosophisch-ethischer Positionen von Bedeutung. Suchanek (2005) sieht einen Grundkonflikt der Unternehmensethik im Spannungsverhältnis zwischen Ethik (Moral) und Ökonomie (Gewinn). Die Aufgabe einer Unternehmensethik ist es dabei, Unternehmen eine Hilfestellung zur Lösung von Konflikten zwischen Gewinn und Moral zu geben.18 Aßländer (2005) fragt, in Anlehung an das Credo des scholastischen Philosophieverständnisses: „Philosophia ancilla oeconomiae? Ist die Philosophie die Magd der Ökonomie?“19 Das Verhältnis von Ethik und Ökonomie ist grundlegend für die Wissenschaft der Wirtschafts- und Unternehmensethik selbst und ihr Verständnis. Daher wird im Rahmen der hier vorliegenden Arbeit eine theoretische Fundierung philosophischer und ethischer Grundlagen vorgenommen, um das Verhältnis von Ethik und Ökonomie besser erörtern und verstehen zu können. Weiterhin dienen die philisophisch-ethischen Grundlagen und Positionen bzw. Ansätze als Basis einer theoretisch fundierten Unternehmensethik. Kleinfeld (2005) merkt an, dass eine moderne Form der Unternehmensethik nicht das Gewinnerzielungsprinzip von Unternehmen in Frage stellt. Vielmehr sind die Art der Gewinnerzielung bzw. die Handlungen des Unternehmens von Bedeutung.20 Ein Unternehmer21 bzw angestellter Manager trägt nicht nur eine wirtschaftliche Verantwortung, sondern gleichermaßen auch immer eine soziale Verantwortung. Aus diesem Grunde erscheinen neben den wirtschaftlichen Fachkenntnissen auch moralische bzw. ethische Kenntnisse und Fähigkeiten vorteilhaft. Dies wird zumeist auch in der Disziplin anerkannt. Strittig ist jedoch die Gewichtung der beiden Schwerpunkte sowie die Frage nach der Über- bzw. Unterordnung oder aber der Gleichgewichtung der beiden Dimensionen von Ethik und Ökonomie.22 Nach Leisinger (1997) kann zwar ein vollkommener Mensch nicht gefordert werden, denn dieser existiert nicht. Allerdings erscheint es ihm auch nicht gerechtfertigt, den Menchenen als passives Produkt aus Umweltfaktoren und genetischen Anlagen zu sehen, und ihn daher von aller Verantwortlichkeit für ein Handeln zu entlasten. Auch scheint es in der Argumentation von Unternehmen nicht ausreichend zu sein, eine Entlastung von Verantwortung mit dem Hinweis auf externe Einflussfaktoren, wie bspw. den Markt, vorzunehmen.23 Nach Weber (1988) kann einem Menschen keine Vollkommenheit zugesprochen werden. Vielmehr ist mit durchschnittlichen Fehlern von Menschen zu rechnen.24 Wagner (2005) sieht den Menschen als zentralen Mittelpunkt unternehmerischen Handelns.25 Unternehmerisches Handeln vollzieht sich auf Basis von Werten und wird auch an diesen Werten gemes-
18 19
20
21
22 23
24 25
Vgl. Suchanek (2005), S. 65-66. Auf eine Konfliktbeziehung weist auch bspw. Nutzinger (1991), S. 7 hin. Vgl. Aßländer (2005), S. 325-327. Das scholastische Philosophieverständnis war religiös geprägt. Daher lautete das Credo: Philosophia ancilla theologiae, die Philosophie ist die Magd der Theologie. Dieses Verständnis weist der Philosophie lediglich eine instrumentelle (Hilfs-)Funktion zu. Vgl. Kleinfeld (2005), S. 45; Suchanek (2005), S. 65. Siehe zu dieser Diskussion auch die Ausführungen des Kapitels 2.2.2. Für eine sprachliche Vereinfachung wird im Rahmen der Ausarbeitung anstelle der möglichen Benennung eines oder mehrerer Unternehmer der Singular verwendet. Gleichermaßen wird darauf hingewiesen, dass der Begriff Unternehmer auch den der Unternehmerin impliziert bzw. beinhaltet. Vgl. Kalveram (1951), S. 16-17. Vgl. Leisinger (1997), S. 11. Röpke (1979), S. 184 ist in diesem Zusammenhang der Auffassung, dass sich das Wirtschaftsleben nicht in einem moralischen Vakuum abspielt. Vgl. Weber (1988), S. 522. Vgl. Wagner (2005), S. 125.
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Einführung
sen.26 Jedes Individuum, und somit auch Unternehmerinnen und Unternehmer, sind durch ein spezifisches Set an Werten sowie moralische und ethische Grundsätze gekennzeichnet. Die Werte besitzen dabei einen wesentlichen Einfluss auf Einstellungen, Bewertungen, Entscheidungen und Handlungen.27 Eine Handlung muss dabei nicht zwingend als ethisch ausgewiesen sein, um einen ethischen Bezug zu besitzen.28 Mit dem Konzept der Unternehmensethik wird somit oftmals der Begriff des Wertes und des Wertemanagements assotiiert. Gerade bei praxisnahen Konzepten ist die Bestimmung ethischer (Grund-)Werte von zentraler Bedeutung. Diese bilden die Ausgangsbasis der Ableitung unternehmensethischer Instrumente, Maßnahmen oder Profile. Verbunden ist hiermit eine Kritik an den Unternehmensführern bzw. Managern.29 Enderle (1987) geht davon aus, dass der Mensch eine innere Festigkeit benötigt, um sich auf ethische Fragen einlassen zu können. Denn der Bereich der Ethik ist sehr komplex und über Ethik nachzudenken und zu reden kann verunsichern. Ratschläge können schwer erteilt werden. Unterlassen werden sollte die Ethik, wenn diese lediglich das Richten und Verurteilen anderer zum Zweck hat. Probleme ergeben sich zumeist bei Handlungen von zwei oder mehr Personen. Welche Wertesysteme sollen zur Rechtfertigung angewendet werden? Dabei sind dogmatische Positionen zu vermeiden. Voraussetzungen einer Ethik sind, dass die Ethik frei von Moralisierung und Indoktrinierung sein sollte. Denn es gibt keine Berechtigung für Autoritätsargumente oder Machtansprüche.30 Werhan (1990) ist der Auffassung, dass Ethik auf Freiwilligkeit und nicht auf Zwang basiere.31 An dieser kurzen Meinung spiegelt sich bereits ein essentielles Problem der Wirtschafts- und Unternehmensethik wider. Hier steht die Frage im Vordergrund, ob eine Wirtschafts- und Unternehmensethik durch das Individuum oder durch Institutionen, wie bspw. Gesetze, geregelt und realisiert wird.32 Borchers (2005) merkt an, dass Unternehmer und Mitarbeiter eines Unternehmens unterschiedliche Rollen innerhalb und außerhalb des Unternehmens innehaben. Dabei können diese unterschiedlichen Rollen(-pflichten) auch miteinander kollidieren.33 Im Rahmen empirischer Untersuchungen kann dies mitunter beachtsam sein, da gefragt werden kann, ob im Rahmen der Untersuchung, von bspw. Unternehmern, auch immer wirklich die Rolle des Unternehmers untersucht bzw. gemessen wird. In jungen Unternehmen kann mitunter allerdings durch die starke Zentrierung auf den Unternehmer bzw. die Unternehmerin eine (hohe) Übereinstimmung der Rolle als Unternehmer bzw. Unternehmerin und der (wahren) Identität der Person und seiner persönlichen Werte und Normen angenommen werden. Suchanek (2005) merkt an, dass eine Messbarkeit von Ethik und Moral bedeutsam, bspw. für Investitionen in Ethik und Moral, ist. Eine quantitative Messung wird als schwierig angesehen, da bereits eine qualitative Einschätzung oftmals Probleme bereitet.34 Eine empirische Ethikforschung in Deutsch26 27 28 29 30 31 32
33 34
Vgl. Novak (2005), S. 182 und 185. Vgl. Novak (2005), S. 182. Vgl. Karitzki (2005), S. 279. Vgl. Schmidt/Beschorner (2005), S. 3. Vgl. Enderle (1987), S. 435-436. Vgl. Werhahn (1990), S. 84. Diese Fragestellung wird zum einen im Rahmen des Inhaltes der Unternehmensethik in Kapitel 2.3.2, als auch innerhalb ausgewählter Unternehmensethikansätze in Deutschland in Kapitel 2.3.4 näher gehend erörtert und differenziert. Vgl. Borchers (2005), S. 524. Vgl. Suchanek (2005), S. 80.
Einführung
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land, speziell im Kontext kleiner und mittlerer sowie junger Unternehmen, ist aktuell noch nicht umfassend ausgeprägt. Roloff/König (2005) merken an, dass sich wissenschaftliche Untersuchungen zumeist auf Großunternehmen beziehen.35 Nach Leisinger (1997) sind die Gesellschaft und die Umwelt auf unterschiedliche Weise durch die Handlungen von Unternehmen betroffen. Dabei gilt (i. d. R.), je größer ein Unternehmen ist, desto größer ist (zumeist) die Reichweite seiner Auswirkungen.36 Dies mag mitunter ein Grund für eine verstärkte Betrachtung von Großunternehmen im Kontext der Unternehmensethik sein. Untersuchungen und auch hieraus abgeleitete Handlungsempfehlungen für kleine und mittlere Unternehmen werden lediglich in ganz geringem Maße durchgeführt.37
1.2
Zielsetzung, Aufbau und Vorgehensweise
Eine explizite Forschungsanstrengung einer Unternehmensethik mit Blick auf junge Unternehmen als Gegenstand der Untersuchung, ist in der deutschsprachigen Entrepreneurship-Literatur bisher kaum vorgenommen worden.38 Das Ziel der vorliegenden Ausarbeitung ist es, einen theoretischen sowie explorativ-empirischen Beitrag hinsichtlich einer Explikation der Relevanz einer Unternehmensethik in jungen Unternehmen zu leisten. Dabei soll eine Herausarbeitung der zugrunde liegenden Werte sowie der ethischen Positionierung von Unternehmern in jungen Unternehmen vorgenommen werden. Inhaltlich gliedert sich die vorliegende Ausarbeitung zum Thema „Werte und Ethik in jungen Unternehmen“ in vier Abschnitte. Abschnitt 1: Einführung Abschnitt 1 dient der inhaltlichen Beschreibung des Untersuchungsbereiches im Kontext einer Ethik in jungen Unternehmen. Es erfolgt zudem eine Ausarbeitung der theoretischen Zusammenhänge, welche die Interdependenzen zwischen den individuellen Werten und ethischen Positionen eines Unternehmers, seiner potenziellen Bereitschaft zur Implementierung ethikfördernder Maßnahmen im Unternehmen, bis hin zu einer institutionalisierten Unternehmensethik im Fokus haben. Dabei steht die Relevanz einer Unternehmensethik in Bezug auf die spezifischen Problemstellungen und Herausforderungen junger Unternehmen im Vordergrund. Aufgrund der beschriebenen Zielsetzungen wird zudem ein Untersuchungsbereich eröffnet, der gleichsam, insbesondere im Rahmen einer theoretischen Herleitung von Argumentationen, eine hohe Interdisziplinarität zu den Sozialwissenschaften und der Philosophie aufweist. Vereinzelt werden auch Aspekte aus der Sozialpsychologie tangiert. Abschnitt 2: Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches In Abschnitt 2 erfolgt eine Erörterung der Basisannahmen und philosophisch-theoretischen Grundlagen des Untersuchungsbereiches, um für weiterführende Argumentationen ein einheitliches Begriffsverständnis zu generieren. Gerade der Grundlagenbereich der philosophischen Ethik zeichnet sich, als eine der Traditionswissenschaften, durch eine Vielzahl unterschiedlicher, theoretischer Ansätze und 35 36 37 38
Vgl. Roloff/König (2005), S. 379. Vgl. Leisinger (1997), S. 97. Vgl. Roloff/König (2005), S. 379. Einen ersten Beitrag zu einer empirischen Ethikforschung im Entrepreneurship-Kontext liefern bspw. Blumberg/Saßmannshausen/Hofmann (2006) mit einer Sekundärdatenvergleichsanalyse des European Social Survey. Im Rahmen der Analyse wurden die ethischen Einstellungen und das ethische Verhalten von Entrepreneuren, Managern und der Gesamtbevölkerung in Europa untersucht
6
Einführung
Herangehensweisen an ethische Fragestellungen aus. Somit ist vor dem Hintergrund einer ökonomisch veranlassten Ausarbeitung, eine Explikation bzw. Klärung der verwendeten begrifflichen Grundlagen unerlässlich. Zu den Basisannahmen zählt im Sinne der vorliegenden Ausarbeitung auch die definitorische Abgrenzung junger Unternehmen als Untersuchungsgegenstand, welche direkt zu Beginn des Kapitels erfolgt. Im Rahmen der Ausarbeitung wird im Weiteren zunächst eine Erörterung der Begriffe Werte, Einstellungen, Normen, Intentionen und Handlungen hinsichtlich ihrer semantischen Verwendung, als auch in Bezug auf einen inhaltlichen Zusammenhang hinsichtlich des Themenkomplexes der (Unternehmens-)Ethik, in den die genanten Begriffe zu stellen sind, vorgenommen. Die genannten Begrifflichkeiten bilden gemeinsam im Weiteren die argumentative Grundlage zahlreicher ethischer Positionen. Mit Blick auf den Untersuchungsbereich junger Unternehmen erfolgt zudem eine Herausarbeitung der Bedeutung von Werten und Normen im unternehmerischen Kontext. Eine Fortsetzung findet die Grundlagendiskussion in der Erörterung und Abgrenzung klassischer ethischer Positionen, die den späteren Bezugsrahmen für die Entwicklung bzw. Erörterung einer (Wirtschaftsund) Unternehmensethik bilden. Dabei wird ein Überblick sowie eine Erläuterung zu zahlreichen gängigen, klassifikatorischen Ansätzen gegeben. Unter Beachtung der eingangs formulierten Zielsetzungen der vorliegenden Arbeit, die eine Ethik in jungen Unternehmen im Fokus haben, besteht ein Schwerpunkt in der Ausarbeitung der theoretisch-normativen sowie der angewandten Ethiken. Die theoretischnormativen Ethiken bilden dabei vielfach die Ausgangsbasis und inhaltlichen Begründungsansätze der angewandten Ethiken. Zu den theoretisch-normativen Ethiken zählen die Tugendethik, die Kantische Ethik, der Utilitarismus, der Kontraktualismus, die Diskursethik sowie die Verantwortungsethik. Die zuvor dargestellen theoretisch-normativen Ethiken bilden die (philosophisch-ethische) Basis unterschiedlicher Ansätze einer (Wirtschafts- und) Unternehmensethik aus dem Bereich der angewandten Ethiken. Eine Besonderheit in diesem Abschnitt stellt die Herausarbeitung der Bedeutsamkeit ethischer Normen vor dem Hintergrund von Dilemmastrukturen und moralischen Dilemmata dar. Die Ausführungen an dieser Stelle bilden einen weiteren Baustein für Argumentationen im Kontext einer Ethik in jungen Unternehmen. In der Literatur finden sich zahlreiche Modelle unternehmensethischen Handelns. Im Rahmen einer zielführenden Schwerpunktsetzung werden vier Modelle vorgestellt, die dem Inhalt nach Erklärungsansätze für ethisches Handeln in Unternehmen bieten bzw. prinzipiell auf den unternehmerischen Kontext übertragungsfähig erscheinen. Vorgestellt werden die Modelle ethischen Handelns nach Hunt/Vitell (1986, 1993a, 1993b), Ferrell/Gresham (1985), Ferrell/Gresham/Fraedrich (1989) sowie Sagie/Elizur/Koslowsky (1996). Vorweg genommen sei, dass eine empirische Überprüfung der vorgestellten Modelle im Weiteren nicht erfolgt.39 Die Ausführungen dienen jedoch der Veranschaulichung und argumentativen Unterstützung des in der vorliegenden Arbeit aufzuzeigenden Zusammenhangs zwischen Werten und Normen, ethischen Positionen, situativen Einflussfaktoren, Intentionen und Handlungen. In der vorliegenden Arbeit wird der Ansatz verfolgt, dass Unternehmensethik als Theoriegebilde einen Teilaspekt der Wirtschaftsethik darstellt. Im Zuge einer Literaturaufarbeitung erfolgt zunächst eine feinere 39
Hier bieten sich bspw. Ansätze einer weitergehenden empirischen Ethikforschung in Deutschland.
Einführung
7
Granulierung unterschiedlicher Begriffsverständnisse, gängiger Definitionen aber auch inhaltlicher Überschneidungen einer Unternehmens- und Wirtschaftsethik. Gleiches gilt für die definitorische Abgrenzung der verschiedenen, möglichen Handlungsebenen einer Unternehmens- und Wirtschaftsethik. Dabei wird deutlich, dass Unternehmen mit Fragestellungen ethischen Handelns sowohl auf der Mikroebene, als auch auf der Meso-, Makro- und Supraebene konfrontiert sein können. Die jeweiligen Handlungsebenen einer Ethik sind somit nicht in sich geschlossen, sondern hinsichtlich ihrer möglichen Relevanz für (junge) Unternehmen fließend. Vor dem Hintergrund der aktuell immer zahlreicher werdenden Publikationen auf dem Gebiet der Corporate Social Responsibility, erfolgt zudem eine begriffliche Aufarbeitung der Themenkomplexe Nachhaltigkeit, Corporate Social Responsibility, Corporate Citizenship sowie Corporate Governance. Hierbei ist festzustellen, dass in Theorie und Praxis eine Vermischung der genannten Begriffe, einschließlich einer Verwendung der Begriffe der Wirtschafts- und Unternehmensethik, häufig aufzufinden ist. Die Ausführungen an dieser Stelle leisten eine begriffliche Klärung und bieten einen einführenden Überblick über die aktuelle wissenschaftliche Literatur. Oftmals bestehen Vorbehalte in der ökonomischen Theorie, als auch in der unternehmerischen Praxis gegenüber einer Unternehmensethik. Dabei scheinen die unterschiedlichen Interessenslagen eines gewinnorientierten und den Marktgesetzen unterworfenen Wirtschaftens, sowie einer auf das soziale Wohl und die Gemeinschaft ausgerichteten Ethik, nicht miteinander vereinbar zu sein. Eine gemeinsame Betrachtung von Ethik und Ökonomie erfordert daher in Vorfeld eine Klärung der in beiden Wissenschaftsdisziplinen vorherrschenden Positionen. In Abschnitt zwei werden daher, in einem gesonderten Kapitel zum Verhältnis von Ethik und Ökonomie, die unterschiedlichen Positionen gegenübergestellt und diskutiert. Nach erfolgter begrifflicher Einordnung einer Unternehmensethik in die dargestellten philosophischtheoretischen Grundlagen einer Ethik im Allgemeinen, als auch einer Wirtschaftsethik im Speziellen, werden vertiefend die vorherrschenden Ansätze einer Unternehmensethik vorgestellt. Es erfolgt eine Darstellung und Bewertung der Ansätze nach Karl Homann, Peter Ulrich, Horst Steinmann/Albert Löhr sowie Josef Wieland. Sowohl in der Ethik, als auch in der Ökonomie, ist der Begriff der Institution von Bedeutung. Insbesondere in den verschiedenen Argumentationsstrukturen unternehmensethischer Ansätze sind häufig Inhalte erkennbar, die sich auch in der Institutionenökonomik auffinden lassen. Es erfolgt im Weiteren eine Aufarbeitung von Inhalten der neuen Institutionenökonomik im Kontext einer Unternehmensethik. In westlichen Gesellschaften sind vielfach Institutionen in der Grundtendenz am Individualismus ausgerichtet. Hier zeigt sich eine notwendige Verknüpfung im Sinne einer gemeinsamen Betrachtung von Institutionen und vorherrschenden Menschenbildern in der Wirtschaftstheorie und -praxis. Diese wird in der vorliegenden Ausarbeitung anhand des in der Wirtschaft vorherrschenden, theoretischen Menschenbildes bzw. Modells des homo oeconomicus vorgenommen und mündet in einer vergleichenden Betrachtung einer Individual- und Unternehmensethik, auf der Grundlage des zuvor beschriebenen Spannungsfeldes zwischen Gewinnmaximierung und unternehmensethischem Handeln.
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Einführung
Unter Bezugnahme auf praktische Handlungsfelder in Unternehmen werden zudem relevante Aspekte einer Ethik im Kontext verschiedener Disziplinen der Wirtschaftswissenschaften erörtert. Es erfolgt dabei eine Schwerpunktsetzung auf ethisch häufig diskussionswürdige Fragen, wie die einer marktorientierten Unternehmensführung (Ethik im Kontext des Marketing) oder einer Ethik im Kontext des strategischen Managements. Aufgrund der vielfach ähnlichen oder auch gleichen Begriffsverwendungen, erfolgt zudem eine Darstellung der Ethik im Kontext der Unternehmenskultur als einem weiterem unternehmerisch bedeutsamen Handlungsfeld. Abschnitt zwei schließt mit einer umfangreichen Darstellung der Spezifika einer „ethischen Situation“ in jungen Unternehmen, wobei eine tiefere Untergliederung in Bezug auf die Einordnung von Ethik im Entrepreneurship-Kontext, Ethik in der Unternehmensentwicklung sowie praktischen Ethikmaßnahmen in jungen Unternehmen erfolgt. Der Entrepreneurship-Kontext wirft eine Vielzahl von spezifischen, ethischen Herausforderungen auf. So verstärken z. B. der finanzielle und operationale Druck die Bereitschaft, nach zweckdienlichen Lösungen zu suchen. Gleichzeitig sehen sich junge Unternehmen mit ethischen Dilemmata konfrontiert. So sind diese i. d. R. anfälliger für umweltbedingte Einflüsse bzw. deren Wirkungen, beispielsweise aufgrund begrenzter finanzieller Reserven, oder eines begrenzten Produkt- oder Dienstleistungsangebotes. Die unternehmerische Situation ist häufig durch Unsicherheit gekennzeichnet, eine etablierte Unternehmenskultur noch nicht vorhanden. Eine institutionelle Verankerung von Grundsätzen unternehmensethischen Handelns fehlt zumeist. Unternehmern kommt daher gerade in jungen Unternehmen eine Vorbildfunktion zu. Mit zunehmendem Wachstum eines Unternehmens gewinnen die individuellen Werte der Mitarbeiter als Grundlage für ein (un-)ethisches Handeln an Gewicht. Nicht mehr der Unternehmer direkt ist unmittelbarer Initiator und Wächter des unternehmerischen und organisationalen Handelns. Es wächst zumeist die Notwendigkeit einer Institutionalisierung von Unternehmethik im Sinne eines ethisch-moralischen Handelns der Organisation. Basierend auf den Ausführungen von Reidenbach/Robin (1991) und Morris et al. (2002) werden zwei Modelle einer ethischen bzw. moralischen Entwicklung von Organisationen dargestellt.40 Die Darstellung geeigneter unternehmensethischer Maßnahmen erfolgt im Rahmen einer kontextbezogenen Einbettung in strategisch bedeutsame Handlungsfelder für junge Unternehmen. Diese umfasst unternehmensstrategische Überlegungen, mit Schwerpunkt auf die Wettbewerbs- und ordnungspolitische Strategie junger Unternehmen. Des Weiteren erfolgt eine Berücksichtigung möglicher strategischer Überlegungen junger Unternehmen in den Bereichen Personal, Organisation, Netzwerke und Kooperationen sowie Kapitalmarktorientierung. Anschließend werden ausgewählte praxisrelevante Ethikmaßnahmen vorgestellt und hinsichtlich ihrer Bedeutung für junge Unternehmen bewertet. Eine theoretische Systematisierung des Vorgestellten erfolgt dabei vor dem Hintergrund des Compliance- sowie des Integrity Ansatzes.
40
Siehe hierzu Reidenbach/Robin (1991) und Morris et al. (2002).
Einführung
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Abschnitt 3: Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen Abschnitt 3 dient der empirischen Untersuchung einer Ethik junger Unternehmen sowie der Darstellung und Auswertung der im Rahmen einer quantitativen Untersuchung erhobenen Daten. Dabei wird die Gliederungsstruktur des Theorieteils dem empirischen Abschnitt der vorliegenden Ausarbeitung zugrunde gelegt und systematisch in einen Zusammenhang gestellt. Die vorliegende empirische Untersuchung soll hier (vornehmlich) als explorativ-quantitative Studie angesehen werden. Dabei ist es von Bedeutung, sowohl einen kleinen Beitrag zur Überprüfung theoretischer Konstrukte und Hypothesen (auf ihre praxisbezogene Relevanz) zu leisten, als auch weiterhin (potenzielle) (Mess-)Instrumente vorzustellen und diese auf eine Anwendbarkeit im dargestellten Themenkomplex, auch vor dem Hintergrund möglicher folgender empirischer Studien, hin zu überprüfen. Im Rahmen methodologischer Vorüberlegungen werden Ansätze für eine Operationalisierung und Messung ethischen Verhaltens vorgestellt und diskutiert. Es erfolgt eine Erörterung unterschiedlicher Messinstrumente im Kontext einer Ethikforschung, wobei diese sowohl auf soziologischen, wirtschaftswissenschaftlichen und psychologischen Forschungsansätzen basieren. Dabei liegen das Individuum oder die Organisation bzw. eine Kombination aus Beiden im Betrachtungsfokus. Tiefer vorgestellt werden im Schwerpunkt Instrumente der empirischen Ethikforschung hinsichtlich der (kognitiven) Moralentwicklung, der ethischen Positionierung von Individuen, der Messung von Wahrnehmung und Einstellung in Bezug auf Unternehmensethik, der ethischen Bewertung von Handlungen sowie der Messung der ethischen Rechtfertigung von Handlungen. Es folgt eine Darstellung der Ergebnisse einer durchgeführten Online-Befragung junger Unternehmen. Diese gliedert sich, in Anlehnung an die theoretischen Ausarbeitungen, in zwei Unterabschnitte. Zum einen werden empirische Ergebnisse hinsichtlich der Basisannahmen und philosophischtheoretischen Grundlagen des Untersuchungsbereiches aufgezeigt. Einen zentralen Bestandteil bilden dabei die empirischen Ergebnisse auf der Grundlage der zuvor umfassend erörterten Konzepte der Werte und Werteorientierung, welche die Grundlage einer Unternehmensethik bilden. Zum anderen erfolgt eine Auswertung in Bezug auf die Relevanz ausgewählter normativer Ethikpositionen für Unternehmer bzw. Unternehmerinnen in jungen Unternehmen. Hiermit verbunden ist eine Darstellung der ethischen Positionierung von Entrepreneuren auf der Grundlage der empirischen Ergebnisse. Abschnitt 4: Abschließende Bewertung und Ausblick Die vorliegende Arbeit schließt in Abschnitt 4 mit einer Zusammenfassung des wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns der durchgeführten Untersuchung sowie einer Ableitung von Implikationen für die Praxis. Gleichermaßen erfolgt die Darstellung eines Ausblicks auf den untersuchten Themenkomplex.
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
2
11
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
2.1
Basisannahmen und philosophisch-theoretische Grundlagen
Die Diskussion und Behandlung von normativen Problemen in der Wissenschaft ist bereits ein philosophisches Erbe der Antike, das bis in die Neuzeit behandelt wird.41 Insbesondere die philosophische Ethik mit ihren vielfältigen Strömungen und normativen Implikationen ist bis in die heutige wissenschaftliche Arbeit unterschiedlicher Wissenschaftsdisziplinen der theoretische Bezugsrahmen für die Behandlung von Ethik und ethischen Fragestellungen. Im nachfolgenden Kapitel 2 werden ausgewählte philosophisch-ethische sowie theoretische Grundlagen, die den Bezugsrahmen der vorliegenden Untersuchung bilden, vorgestellt. Zunächst erfolgt eine definitorische Eingrenzung junger Unternehmen. Des Weiteren werden Basisannahmen und Begriffserörterungen im Kontext der Untersuchung einer Ethik junger Unternehmen gegeben.
2.1.1 2.1.1.1
Zum Begriff junger Unternehmen Merkmale und Charakteristika junger Unternehmen
Junge Unternehmen können aus systematischer Sicht den kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) zugeordnet werden.42 Dabei unterscheiden sich kleine und mittlere Unternehmen von Großunternehmen durch spezifische Merkmale. Eine Abgrenzung von KMU kann unter Anwendung qualitativer oder quantitativer Merkmale (monodimensional) sowie aus einer Kombination quantitativer und qualitativer Kriterien (bidimensional) erfolgen. Eine quantitative Abgrenzung stellt dabei ein pragmatisches Verfahren unter Verwendung statistischer Größen bzw. Merkmale dar. Das Spektrum potenzieller Abgrenzungsmerkmale reicht hierbei von der Anzahl der Beschäftigten über den Jahresumsatz, die Bilanzsumme, die Bruttowertschöpfung bis hin zum Anlagevermögen. Ein wesentlicher Vorteil quantitativer Abgrenzungskriterien ist die empirische Operationalisierbarkeit.43 Im Rahmen einer quantitativen Abgrenzung weist Mugler (2005) darauf hin, dass nicht nur eine statistische Kenngröße, sondern mehrere bzw. mindestens zwei Kenngrößen verwendet werden sollten. Denn ein Vorteil einer quantitativen Abgrenzung mit mehreren Kenngrößen gegenüber einer Abgrenzung mit nur einer Kenngröße ist, dass Verzerrungen, bspw. durch hohe Umsätze bei gleichzeitig geringer Mitarbeiteranzahl, vermieden werden. Dabei ist anzumerken, dass dies allerdings eine erhöhe Anforderung an die Messung der Unternehmensgröße stellt. In Bezug auf die Unternehmensgröße verweisen Quantitäten auf ein Ausmaß der wirtschaftlichen Leistung, bei denen es sich aber um relative Größen handelt. Dabei ist anzumerken, dass diese ohne die Angabe eines Maßstabes bzw. einer Vergleichsgröße (was als „groß“) gilt, eine geringe Aussagekraft besitzen.44 Seit Anfang 2005 ist in der Europäischen Union eine Definition gültig, die auf einer Empfehlung der Europäischen Kommission des Jahres 2003 basiert (Empfehlung 2003/361/EG), und die die zuvor gültige Definition aus dem Jahre 1996 ersetzt. In der aktuellen Definition wird eine Klassifizierung von Unternehmen als KMU in die drei Unter41 42 43 44
Vgl. Albert (1992), S. 82. Vgl. Schefczyk/Pankotsch (2002), S. 23. Vgl. Volkmann/Tokarski (2006), S. 17. Vgl. Mugler (2005), S. 22-23.
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Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
nehmensgrößenklassen Kleinstunternehmen, kleine und mittlere Unternehmen nach den Kriterien Anzahl der Beschäftigten, Jahresumsatz und Jahresbilanzsumme vogenommen. Die Definition umfasst im Ganzen Kleinstunternehmen, kleine und mittlere Unternehmen mit einer Anzahl von bis zu (unter) 250 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von bis zu 50 Millionen Euro oder einer Jahresbilanzsumme von bis zu 43 Millionen Euro. Im Rahmen der einzelnen Klassenregelungen gilt die jeweilige Anzahl der Beschäftigten und der Umsatz oder die Bilanzsumme des Unternehmens.45 Tabelle 1 verdeutlicht die Klassifikation von Unternehmensgrößen.46 Unternehmensgröße
Anzahl der Beschäftigten
Umsatz in €/Jahr
Bilanzsumme in €/Jahr
Kleinstunternehmen
< 10
bis 2 Mio.
bis 2 Mio.
kleines Unternehmen
< 50
bis 10 Mio.
bis 10 Mio.
mittlere Unternehmen
< 250
bis 50 Mio.
bis 43 Mio.
Tabelle 1: Unternehmensgrößenklassen
Innerhalb der Gruppe der (Kleinst-), kleinen und mittleren Unternehmen weisen (Neu-)Gründungen und junge Unternehmen besondere Charakteristika auf. In diesem Kontext können diese durch spezifische Herausforderungen und Probleme im Rahmen des Unternehmenswachstums qualitativ charakterisiert werden.47 Im Gegensatz zu einer Abgrenzung aufgrund quantitativer Merkmale erfolgt eine qualitative Abgrenzung häufig nach klassischen Unterscheidungsmerkmalen der KMU gegenüber Großunternehmen. Merkmale sind hier bwps. die Wirkung der Unternehmerpersönlichkeit (Einheit von Eigentum, Leitung, Haftung und Risiko). Darüber hinaus sind weitere Merkmale, bspw. informelle sowie enge Kontakte zwischen Unternehmensführung und Mitarbeitern, ein geringer Formalisierungsgrad der Organisation oder aber flache Hierarchiestrukturen, von Bedeutung.48 Achleitner/Nathusius (2004) weisen als Charakteristika junger (Wachstums-)Unternehmen folgende Merkmale aus: kurze repräsentative Unternehmenshistorie49 (zeitlicher Aspekt), Ressourcenknappheit, große Bedeutung immaterieller Vermögensgegenstände, hohe Flexibilitätsanforderungen, hohes Risiko bei gleichzeitiger hoher Chance.50 Fueglistaller/Müller/Volery (2004) schreiben darüber hinaus jungen Unternehmen u. a. ein beschränktes und zum Teil individualisiertes Produkt- oder Dienstleistungsprogramm51, ein persönlich geprägtes Netzwerk, eine (oftmalig vorhandene) Einbettung in die Familie, eine intuitive Entscheidungsfindung sowie eine stark durch den bzw. die Gründer geprägte Unternehmenskultur zu, in der das Verhältnis des Unternehmers zu den Mitarbeitern zumeist durch Verantwortungsbewusstsein
45 46
47 48
49 50 51
Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften (2003); Volkmann/Tokarski (2006), S. 18. Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften (2003). Bei einer Berechnung der Mitarbeiterzahlen sowie der finanziellen Schwellenwerte sind die drei unterschiedlichen Unternehmenstypen eigenständiges Unternehmen, Partnerunternehmen sowie verbundene Unternehmen dem Gesetz nach zu berücksichtigen. Vgl. Fueglistaller/Müller/Volery (2004), S. 92; Volkmann/Tokarski (2006), S. 18. Vgl. Schwarz/Grieshuber (2003), S. 1-2; Fueglistaller/Müller/Volery (2004), S. 92; Mugler (2005), S. 23; Volkmann/Tokarski (2006), S. 17. So auch Hommel/Knecht (2002), S. 8-9 Vgl. Achleitner/Nathusius (2004), S. 4-6. So auch Achleitner/Bassen/Pietzsch (2001), S. 31. Dies weist auf eine höhere Krisenanfälligkeit hin.
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
13
und Menschlichkeit gekennzeichnet ist.52 Ein zentrales Charakteristikum junger Unternehmen, welches in der Literatur oftmals beschrieben wird, ist deren hohe Innovationsfähigkeit.53 Dabei ermöglicht die Anwendung qualitativer Merkmale aufgrund einer feineren Granulierung eine detaillierte Kennzeichnung von KMU. Ein Nachteil besteht allerdings darin, dass die für KMU typischen qualitativen Merkmale im Einzelfall auch für Großunternehmen zutreffend sein können und umgekehrt. Hierdurch wird eine eindeutige Abgrenzung erschwert.54 Schefczyk/Pankotsch (2002) weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass in der Literatur eine Vielzahl unterschiedlicher Kataloge bgzl. der Charakteristika junger Unternehmen existieren, ohne dass sich dabei ein einheitliches Verständnis hinsichtlich potenzieller Merkmalsgruppen bzw. einem jeweiligen Trennungskriterium herausgebildet hat.55 Übergeordnete potenzielle Merkmale junger Unternehmen sind bspw. der Neuheitsgrad des Unternehmens (Liability of Newness), die geringe Größe des Unternehmens (Liability of Smallness) sowie die Dynamik des Unternehmens. Unternehmen mit einem hohen Neuheitsgrad bzw. einer hohen Liability of Newness56 weisen eine hohe Wahrscheinlichkeit auf, dass das Unternehmen aufgrund der noch nicht vollständig abgeschlossenen und sich somit im Aufbauprozess befindlichen Organisation mit seinen Strukturen und Prozessen scheitert. In dieser Phase werden Fehler begangen, da noch keine Erfahrungen und Unternehmensdaten vorliegen. Gleichermaßen existieren noch keine langen Beziehungen zu Kunden und Lieferanten bzw. allgemein zu den Stakeholdern des Unternehmens. Die Wahrscheinlichkeit, dass Unternehmen scheitern sinkt dabei mit zunehmendem Alter.57 Die geringe Größe des Unternehmens bzw. Liability of Smallness,58 geht einher mit einer knappen Ressourcenausstattung, vornehmlich personeller und finanzieller Art. Die Wahrscheinlichkeit eines Scheiterns von Unternehmen sinkt mit zunehmender Größe des Unternehmens. Junge Unternehmen verfügen vielfach über Strukturen und Ressourcen, die der Wahrnehmung unternehmerischer Chancen und Neuausrichtungen gegenüber offen sind. Aufgrund mangelnder Reputation ist eine adäquate Kapital- und Personalbeschaffung erschwert. Junge Unternehmen besitzen, aufgrund des erhöhten Risikos, speziell einen erschwerten Zugang zu Fremdkapital. Auch die Höhe des Fremdkapitals kann limitiert sein, da sich das Unternehmenskonzept erst noch beweisen muss. Darüber hinaus verfügen junge Unternehmen zumeist nicht über die Möglichkeit einer Ausnutzung von Skaleneffekten.59 Aldrich/Auster (1986) sehen in diesem Kontext Probleme bei der Kapitalbeschaffung, geringeren 52
53
54
55
56 57
58 59
Vgl. Fueglistaller/Müller/Volery (2004), S. 92-94. Fröhlich/Pichler/Pleitner (2000), S. 12 weisen auf potenzielle Probleme in der Messung qualitativer Kriterien hin. Vgl. Hisrich/Peters (2002), S. 15-17; Lambing/Kuehl (2003), S. 10-12; Timmons/Spinelli (2004), S. 10. Siehe auch ausführlich Drucker (2004). Vgl. Schwarz/Grieshuber (2003), S. 1-2; Fueglistaller/Müller/Volery (2004), S. 92; Mugler (2005), S. 23; Volkmann/Tokarski (2006), S. 17. Vgl. Schefczyk/Pankotsch (2002), S. 23-24. Einen umfassenden Katalog der Charakteristika von kleinen und mittleren Unternehmen in Bezug zu Großunternehmen liefert Pfohl (2006). Der Begriff der Liability of Newness wurde von Stinchcombe (1965) eingeführt. Vgl. Penrose (1995), S. 217-219; Brüderl/Preisendörfer/Ziegler (1998), S. 60; Achleitner/Bassen/ Pietzsch (2001), S. 30; Hommel/Knecht (2002), S. 9; Mücke (2004), S. 17-18; Fueglistaller/Müller/Volery (2004), S. 96-98; Mugler (2005), S. 106-107; Volkmann/Tokarski (2006), S. 15-16. Siehe ergänzend auch Hager/Galaskiewicz/Larson (2004). Der Begriff der Liability of Smallness wurde von Aldrich/Auster (1986) geprägt. Vgl. Penrose (1995), S. 217-218; Achleitner/Bassen/Pietzsch (2001), S. 30; Mücke (2004), S. 14-15; De (2005), S. 156159; Volkmann/Tokarski (2006), S. 16.
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Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
Steuervorteilen sowie höhere Kosten der Regulierung im Vergleich zu größeren Unternehmen bzw. Großunternehmen.60 Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass die Thesen der Liability of Newness und Smallness, nicht die zugehörigen Charakteristika, aus empirischer Forschungssicht hinsichtlich des zu Grunde gelegten Musters des Risikoverlaufs kritisiert wurden. Denn (einige) neuere Studien zeigen, dass das Sterberisiko von Unternehmen zunächst steigt und dann erst fällt (U-förmiger Verlauf). Aus diesem Grunde schlagen Brüderl/Schüssler (1990) die These der Liability of Adolescence61 vor, in der der Sterbeprozeß in zwei Phasen eingeteilt wird. In der ersten Phase haben die einzelnen neugegründeten Organisationen ein geringes Sterberisiko. Nur für die zweite Phase mit fallendem Risiko gelten die von der Liability of Newness These behaupteten Zusammenhänge.62 Junge Unternehmen befinden sich in einem starken, mitunter sehr schnellen, kontinuierlichen und dynamischen Veränderungsprozess. Der Wandel kann sowohl durch interne, als auch externe Einflussfaktoren initiiert werden.63 Aufgrund der Notwendigkeit zur kontinuierlichen Anpassung an die unbeständigen Umweltbedingungen kann nahezu jedes Unternehmen, das nicht in absehbarer Zeit liquidiert werden soll, als dynamisch bezeichnet werden. Die Dynamik von jungen Unternehmen begründet sich zum einen auf dem von der dynamischen Unternehmensumwelt verursachten Anpassungszwang, und zum anderen durch eine inhärente Dynamik. Im Vergleich zu den etablierten (Groß-)Unternehmen erfolgt durch junge Unternehmen (im Idealfall) eine direkte, eigeninitiative Gestaltung der (zumeist) noch jungen Unternehmensumwelt. Hierzu werden unternehmerische Chancen (Opportunies) genutzt und neue Produkte, aber auch Märkte, realisiert. Junge Unternehmen sind oftmals auch durch ein (überproportionales) Wachstum gekennzeichnet.64 Für Fallgatter (2007) liegt der Schwerpunkt in der Betrachtung junger Unternehmen darin, dass diese potenzialreich sind und somit Wachstumsperspektiven aufweisen.65 Hier zeigt sich eine Verbindung zum Begriff der jungen Wachstumsunternehmen. In einer Bündelung der verschiedenen charakteristischen Merkmale junger Unternehmen ließe sich sagen, dass Entscheidungssituationen und Verhaltensmuster in jungen Unternehmen i. d. R. mit Unsicherheit, u. a. aufgrund der Liability of Newness sowie Liability of Smallness und der hier zugehörigen Charakteristika, behaftet sind. Dieser Annahme kommt im weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit eine besondere Bedeutung zu, da sie die Frage aufwirft, welche Rolle den normativen oder ethischen Verhaltenserwartungen bzw. ethischen Einstellungen der Akteure in jungen Unternehmen zukommt.66 Denn neben den ökonomisch motivierten Aspekten und Definitionen handelt es sich bei (jungen) Unternehmen im Wesentlichen auch um soziale Organisationen, in denen Menschen tätig sind. Rosenstiel definiert Organisationen als Systeme, die der Umwelt gegenüber offen sind, zeitlich überdauernd existieren, spezifische Ziele verfolgen, sich aus Individuen bzw. Gruppen zusammensetzen und somit als soziales 60 61 62 63 64 65
66
Siehe ausführlich Aldrich/Auster (1986). Siehe hierzu auch grundlegend Fichman/Levinthal (1991). Vgl. Mahmood (1996), S. 3. Siehe auch Preisendörfer (2005), S. 137. Vgl. Volkmann/Tokarski (2006), S. 16: Vgl. Hayn (1998), S. 16-22. Vgl. Fallgatter (2007), S. 15. Fallgatter merkt allerdings an, dass eine eindeutige Klassifikation als potenzialreich lediglich immer ex post problemlos möglich ist. Siehe auch zur Erörterung des Begriffes potenzialreicher junger Unternehmen auch Fallgatter (2002), S. 21-29. Siehe hierzu auch Kapitel 2.4.1.
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
15
Gebilde aufgefasst werden können. Organisationen weisen eine bestimmte Struktur auf, welche i. d. R. durch Arbeitsteilung bzw. eine Hierarchie von Verantwortung gekennzeichnet ist.67 Somit sind Unternehmen durch politische, soziale, kulturelle, ökonomische und ökologische Interaktion mit ihrer Umwelt vernetzt.68 Dabei kann ein Unternehmen als eine quasi-öffentliche bzw. im Mindesten sozial exponierte Organisation gesehen werden, die gegenüber der Gesellschaft verantwortlich ist.69 Die hier aufgezeigte Argumentation ist dabei unabhängig vom Alter bzw. anderen klassifikatorischen Merkmalen junger Unternehmen und kann somit analog auf diese übertragen werden. 2.1.1.2
Anmerkungen zur zeitlichen Abgrenzungsproblematik
Oftmals ist eine trennscharfe Differenzierung zwischen den Begriffen der jungen (Wachstums-)Unternehmen sowie Unternehmensgründungen bzw. Start-ups70 problematisch.71 Darüber hinaus wird eine solche Trennung auch teilweise nicht vorgenommen. Der Interessensfokus liegt dabei verstärkt auf dem Gebiet der Unternehmensgründungen und der Darstellung von deren Charakteristika.72 Für Hayn (1998) sind Start-ups und Gründungsunternehmen gekennzeichnet als junge, dynamische sowie überproportional wachsende Unternehmen. Dabei können diese Unternehmen aus zeitlicher Sicht als „jung“ hinsichtlich der faktischen Dauer ihrer unternehmerisch-wirtschaftlichen Existenz beschrieben werden. In diesem Kontext ist, wie bereits erörtert, eine Abgrenzung von etablierten Unternehmen durch weitere Faktoren, wie bspw. die hergestellten und vertriebenen Produkte, die vorliegende Marktstruktur, die Branche oder aber die Kunden bzw. das Kundenverhalten möglich. Dabei kann angemerkt werden, dass, je schneller eine Etablierung des Untenehmens in seinen Märkten bzw. der Branche möglich ist, desto (zeitlich) kürzer kann dieses Unternehmen als jung bezeichnet werden.73 So ist es möglich die Dauer der wirtschaftlichen Existenz als ein Charakteristikum zur Klassifikation zu verwenden. Dabei besteht allerdings das Problem, dass eine trennscharfe, exakte zeitliche Angabe bzw. Grenze schwer anzugeben ist.74 Die aufgezeigt Definition für Gründungsunternehmen von Hayn impliziert den Begriff des jungen Wachstumsunternehmens. So merket auch Fallgatter (2007) an, dass die Begriffe Unternehmensgründung und junges Unternehmen fließend ineinander übergehen.75 Aus sprachlich-klassifikatorischer Sicht kann der Vorschlag vorgebracht werden, Gründungsunternehmen als eine spezielle Teilgruppe junger Unternehmen zu betrachten. Eine Abgrenzung dieser Teilgruppe könnte über die Zeit bzw. Zeitraumperspektive erfolgen. Diese beginnt mit dem Entstehen sowie dem Bewerten unternehmerischer Handlungsfelder und deren Aus-
67 68 69 70
71
72 73 74 75
Vgl. Rosenstiel (1991), S. 128-129. Siehe zur Theorie des Unternehmens als Grundlage bspw. Penrose (1995). Vgl. Pfaff/Jaufmann/Kistler (1991), S. 276. Vgl. Karmesin (1996), S. 202. Im angloamerikanischen Sprachraum bezeichnet dieser Begriff die Neugründung bzw. ein junges Unternehmen. Im deutschen Sprachraum kann der Begriff sowohl eine Gründung im Allgemeinen, als auch eine Gründung speziell im Bereich der New Economy bezeichnen. Der Schwerpunkt der Bezeichnung liegt zumeist auf dem Bereich der New Economy. Siehe Schefczyk/Pankotsch (2002), S. 21. Es zeigt sich auch, dass bspw. eine (allgemeine) Theorie der Unternehmensgründung bislang nicht existiert. Eine Ursache liegt u. a. in einer nicht eindeutigen Begriffsabgrenzung sowie klaren Zusammenhangsdarstellungen. Vgl. Klandt/Schulte (1996), S. 46. Als Beispiel siehe die synonyme Verwendung der Begriffe bei Acheitner/Nathusius (2004), S. 1-4. Vgl. Hayn (1998), S. 16. Vgl. Hayn (2000), S. 15. Allgemein wird in dieser Arbeit der Begriff junger Unternehmen verwendet, um auf einen erweiteren Betrachtungsfokus hinzuweisen.
16
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
schöpfung.76 Dabei stellt sich die Frage bis zu welchem Zeitpunkt bzw. Alter ein Unternehmen als junges Unternehmen bezeichnet werden kann. In der Literatur herrscht hierzu keine einheillige Meinung. Vielmehr existieren unterschiedliche vorgeschlagene Zeitraumbezüge. So werden in der Litaratur teilweise Unternehmen bis zu einem Alter von 20 Jahren als junge (Wachstums-)Unternehmen bezeichnet.77 Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) hingegen definiert den Begriff junge Technologieunternehmen, als Untergruppe junger Unternehmen, im Rahmen der Beteiligungsfinanzierung des ERP-Startfonds als Unternehmen, die nicht älter als fünf Jahre sind und die die Kriterien der EU-Kommission für kleine Unternehmen erfüllen. Es zeigt sich, dass die Bezeichnung junge Unternehmen als eine relative Größe betrachtet werden kann. Die Festlegung einer spezifischen, umfassenden Definition ist daher nicht unproblematisch, wenngleich ein eindeutiges und einheitliches Begriffsverständnis, insbesondere im Hinblick auf die Entrepreneurship-Forschung und -Lehre, grundsätzlich wünschenswert wäre.78 Einen Ansatzpunkt einer theoriegestützen Bestimmung liefern Unternehmensentwicklungs- bzw. Lebenszyklusmodelle. Dabei kann der Übergang eines Unternehmens aus der Wachstumsphase in die Reifephase als Zeitpunkt für das Ende der Bezeichnung junges Unternehmen gewählt werden.79 Beispielweise umfasst im Lebenszyklusmodell nach Timmons/Spinelli (2004) die Start-up- und Wachstumsphase einen Zeithorizont von insgesamt maximal zehn Jahren. Danach kann für die Abgrenzung junger Unternehmen ein Alter von bis zu zehn Jahren angenommen werden.80 Abbildung 1 verdeutlicht die Ausführungen grafisch.81
76 77 78 79 80 81
Vgl. Fallgatter (2007), S. 18. Vgl. Knips (2000), S. 10. Vgl. Volkmann/Tokarski (2006), S. 15. In Anlehnung an Fallgatter (2007), S. 18. Vgl. Volkmann/Tokarski (2006), S. 15. Vgl. Timmons/Spinelli (2004), S. 276.
17
Umsatz
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
Gründung/ Frühentwicklung
schnelles Wachstum
3–4 Jahre
Reife
10 Jahre
Stabilität
Zeit
15 Jahre
Kritische Übergänge: Umsatz
$0–$5 Mio.
$5–$15 Mio.
$15–$25 Mio. und mehr
Mitarbeiter
0 bis 20–25
25–75
75–100 und mehr
Managementstil
Doing
Managing
Managing Managers
Abbildung 1: Unternehmensentwicklung
Dabei weist dieser Punkt Ähnlichkeiten mit weiteren unterschiedlichen, theoretischen Lebenszyklusmodellen auf, in denen implizit oder explizit ein Punkt der Stabilisierung bzw. Stabilität beschrieben wird. Oder anders formuliert, wenn der Punkt der Liability of Newness überwunden wird. Dabei handelt es sich nach prozessularen Definitionen von Entrepreneurship um die Phase der Nachgründung. Fallgatter verweist zum Punkt der Stabilisierung auf ein vierstufiges Phasenmodell von Kazanjian (1988), welches speziell für Technologieunternehmen entwickelt wurde. Bei den vier Stufen zentraler Charakteristika handelt es sich um (1) conception and development, (2) commercialisation, (3) growth und (4) stability.82 Abbildung 2 zeigt ein weiteres Beispiel eines integrierten Lebenszykluskonzeptes von der Vorgründungs-, Gründungs-, Frühentwicklungs- bis zur Wachstumsphase (anfängliches, schnelles und kontinuierliches Wachstum) eines jungen Unternehmens, welches in der Eröterung auch für eine Abgrenzung des Begriffes junger Unternehmen (beispielhaft) verwendet werden kann.83
82
83
Vgl. Fallgatter (2007), S. 18. Das Modell von Kazanjian (1988) erhielt mehrfache empirsche Unterstützung. Siehe hierzu Autio (2000), S. 334-335. Zur Phasenbenennung im Kontext des Entrpreneurship wird auf Bygrave (1989), S. 8; Gartner (1993), S. 233 verwiesen. Vgl. Zacharias (2001), S. 38; Catlin/Matthews (2002), S. 73; Volkmann/Tokarski (2006), 412.
18
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
Umsatz/Gewinn Vorgrüngungsphase
Gründungsphase
Ideengenerierung Planungsphase yKonzept
Frühentwicklungsphase
Wachstumsphase
Umsatz
Aufbauphase
yGründungsplanung
yStart und Anlauf der Geschäfte
Gewinn
t Gründungs- Start des Institutionalisierung "Break-evenentschluss Aufbaus Point" Anfängliches Wachstum
Schnelles Wachstum Turbulenzen
Kontinuierliches Wachstum Turbulenzen
t
Abbildung 2: Integriertes Lebenszykluskonzept
In den ersten Jahren nach der Unternehmensgründung ist das Umsatzwachstum gering ausgeprägt. Die Frühentwicklungsphase und das anfängliche Wachstum umfassen, in abhängigkeit von der Branche, typischerweise fünf bis sieben Jahre. Die Phase des hierauf folgenden Wachstums dauert typischerweise wiederum fünf Jahre, bis sich im Anschluss hieran das Wachstum und das Unternehmen an sich stabilisieren.84 Aus den getroffenen Annahmen hinsichtlich des Punktes der Stabilisierung als obere Grenze der Bezeichnung junges Unternehmen und den Ausführungen von Hisrich/Peters, kann ein Unternehmen mit ein Alter von bis zu zwölf Jahren als junges Unternehmen bezeichnet werden. Die hier angeführten Beispiele potenzieller Definitionen liegen innerhalb üblicher Zeitrahmen des Begriffes junger Unternehmen. Als untere Grenze wird oftmals ein Zeitraum von mindestens drei bis fünf Jahren angegeben. Für die obere Grenze wird ein Zeitraum zwischen acht und zwölf Jahren angenommen.85 In der hier vorliegenden Ausarbeitung wird der Begriff junges Unternehmen für Unternehmen verwendet, die bis zu zehn Jahre alt sind, vom Zeitpunkt der Gründung bzw. Institutionalisierung an gerechnet. Diese Definition erhebt nicht den Anspruch auf Allgemeingültigkeit, vielmehr lassen sich 84 85
Vgl. Hisrich/Peters (2002), S. 501. Vgl. Fallgatter (2007), S. 18.
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
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Vor- und Nachteile anführen und viele weitere Abgrenzungsmöglichkeiten aufzeigen. Denn eine zeitliche Angabe zum Begriff junges Unternehmen ist hierbei vornehmlich relativ, bspw. auch in Bezug auf die Branche oder die Unternehmensumwelt, zu betrachten und kann nicht immer genau angegeben werden. Daher kann diese Definition im Rahmen der hier vorliegenden Arbeit eher als operationalisierte (Arbeits-)Definition gesehen werden.86
2.1.2
Zu den Begriffen Werte, Einstellungen, Normen, Intentionen und Handlungen
Die Begriffe Werte, Einstellungen, Normen, Intentionen und Handlungen sowie die zu diesen Begrifflichkeiten vorgenommenen, inhaltlichen Definitionen und Interpretationen bilden die Grundbasis ethischer Argumentationen. Vor allem der Wertebegriff ist mitunter sehr weit gefasst und bedarf einer konkreten Eingrenzung. In den Abschnitten 2.1.2.1 bis 2.1.2.4 erfolgt daher, neben dem Verweis auf die unterschiedliche Verwendung in den jeweiligen wissenschaftlichen Strömungen, eine definitorische Eingrenzung der Begriffe Werte, analog Werteorientierung und Wertestabilität, Einstellungen, Normen, Intentionen und Handlungen. Auf den konkreten Zusammenhang zwischen Werten, Einstellungen, ethischen Positionen und ethischen Handlungen, welcher noch für den empirischen Teil dieser Untersuchung von besonderer Bedeutung ist, wird an späterer Stelle in Kapitel 2.1.4 eingegangen. 2.1.2.1
Werte und Werteorientierung
Werte lassen sich in unterschiedlichen Bereichen der Wissenschaft finden. Dabei differieren die theoretischen Ansätze, die Bedeutungen sowie die Definitionen des Wertebegriffes je nach wissenschaftlicher Disziplin.87 Es existiert kaum ein Wissensgebiet, in dem der Begriff des Wertes nicht in irgendeiner Form vertreten ist. Daher bezeichnet Fürst (1966) den Wert als „Kosmopolit der Wissenschaften“.88 Die Bandbreite unterschiedlicher Wertedefinitionen wird so auch bereits bei Lautmann (1969) mit 200 Wertdefinitionen ersichtlich.89 Werte sind bereits seit der Antike in der Tradition der Ethik, bspw. bei Platon sowie Aristoteles, Gegenstand der Diskussion und Erforschung.90 Aristoteles verwendete dabei allerdings nicht den Wertbegriff als Terminus. Jedoch war Ethik gleichbedeutend mit Wertphilosophie und Wertethik, wenngleich nicht unter dieser Bezeichnung.91 Im Rahmen der (philosophischen) Ethik werden Werte i. d. R. als normative Verhaltenserwartungen betrachtet. Dabei ist das Gute und Sittliche von besonderer Bedeutung.92 Aufgrund des hohen Einflusses der Kirche waren im Folgenden in (West-)Europa die Wertsysteme stark durch die christliche Wertvorstellung geprägt.93 Eine Spezifikation des Wertebegriffes erfolgte durch Hobbes und Locke im 17. Jahrhundert. Von Thomas Hobbes und John Locke sind werttheoretische Überlegungen hinsichtlich eines subjektiven, in den Bedürfnissen des Menschen verankerten Wertbegriffs vorgenommen worden. Diese Gedanken
86
87 88 89 90 91 92 93
Fallgatter merkt an, dass ein gewählter Zeitraum lediglich als Orientierung dient, um Unternehmen mit vergleichbaren Entwicklungsstadien zu betrachten. Dabei können in einigen Fällen Abweichungen nach oben vorhanden sein. Siehe Fallgatter (2007), S. 18. Vgl. Silberer (1985), S. 119; Knapp (1990), S. 70; Ulrich (2004), S. 188. Vgl. Fürst (1966), S. 474. Vgl. Lautmann (1969), S. 7. Siehe auch Rothenberger (1992), S. 17. Vgl. Scholl-Schaaf (1975), S. 10. Vgl. Werner (2002a), S. 36. Vgl. Schuppe (1988), S. 14. Vgl. Klages (1988), S. 14-15.
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wurden aber im Rahmen des ökonomiewissenschaftlichen Diskurses der objektiven Arbeitswerttheorie von Adam Smith und David Ricardo grundlegend neu formuliert und nachhaltig abgelöst. Diese objektive Wertlehre wurde im Weiteren einerseits mit der steigenden Sensibilität für die soziale Frage, und andererseits durch die neu entstehende utilitaristische Philosophie wiederum angezweifelt. Ersetzt wurde die objektive Wertlehre dann durch einen psychologisch fundierten, subjektiven Wertansatz, dessen Kern die Nützlichkeit zur Bedürfnisbefriedigung zu Grunde liegt.94 Hierbei handelt es sich um eine ökonomische Sichtweise im Kontext ethischer Positionen. Eine Trennung beider Dimensionen ist nicht ganz möglich. In Deutschland fand erst zum Ende des 19. Jahrhunderts bzw. zum Anfang des 20. Jahrhunderts der Wertebegriff verstärkt Eingang in die philosophische Ethik. Die Verwendung des Terminus Wert ist nicht so alt, wie seine ursächliche Bedeutung. Ausserhalb von wirtschaftlichen und mathematischen Kontexten erscheint der Terminus in der Philosophie des 19. Jahrhunderts und in den Sozialwissenschaften sowie den öffentlichen (Sprach-)Gebrach des 20. Jahrhunderts.95 Als bedeutende Vertreter der philosophischen Werttheorie sind Rudolf Hermann Lotze (1817-1881)96, Max Scheler (1874-1928)97 oder Paul Nicolai Hartmann (1882-1950)98 zu nennen.99 Dabei wird Rudolf Hermann Lotze oftmals als Begründer der Wertphilosophie gesehen, der im Zusammenhang seiner Unterscheidung von „Seiendem und Geltendem“ den Begriff des Wertes in der Philosophie etabliert hat.100 Lotze ist jedoch nicht der erste Philosoph, der diesen Begriff verwendet hat. Denn bspw. wird der Wertebegriff bereits von Immanuel Kant (1724-1804)101 verwendet und von der Nationalökonomie in die Philosophie übertragen.102 Vielmehr fügten sich seine Arbeiten in den historischen Kontext ein. Jedoch entfaltet sich bei ihm die Werttheorie.103 Kant weist in der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten104 auf zwei Ausprägungen des Wortes Wert hin. Im Bereich menschlicher Handlungsorientierungen differenziert er zwischen dem, was einen Preis und dem, was eine Würde hat. Hierbei handelt es sich um die Unterscheidung nach einem relativen Wert und einem inneren Wert.105 Dabei ist Kant der Auffassung, dass bei dem was einen Preis hat, auch anstelle des Preises ein Äquivalent gesetzt werden kann. Was keinen Preis und somit kein Äquivalent hat, das hat eine Würde. Ein relativer Wert wird somit dem zugeschrieben, was einen Preis bzw. ein Äquivalent hat. Dabei kann das, was einen Preis besitzt einer ökonomischen Analyse unterzogen werden, denn ein relativer Wert einer Sache in Relation zu allen anderen Sachen, die einen relativen Wert be94 95 96 97
98 99 100 101 102 103 104
105
Vgl. Werner (2002a), S. 35; Knapp (1990), S. 71; Starbatty (1990), S. 86-90. Vgl. Krijnen (2002), S. 527; Petersen (2005a), S. 138. Siehe auch Heyde (1926); Bamberger (1924). Vgl. Bohlken (2002), S. 109. Vgl. Henckmann (1989), S. 692. Max Scheler gilt als Begründer einer Materialenwertethik, welche auf der phänomenologischen Methode Edmund Husserls aufbaut und von Nicolai Hartmann aufgegriffen und fortgesetzt wurde. Siehe hierzu Bohlken (2002), S. 108. Vgl. Jung (1989), S. 311. Vgl. Werner (2002a), S. 14. Vgl. Schnädelbach (1983), S. 206; Bohlken (2002), S. 109. Vgl. Gerhardt (1989), S. 406. Siehe zu einem kurzen Portrait von Hobbes auch Gerhardt (1989). Vgl. Gadamer (1977), S. 206; Werner (2002a), S. 39; Petersen (2005a), S. 138. Vgl. Werner (2002a), S. 70. Das Werk Grundlegung zur Metaphysik der Sitten besitzt bis zum heutigen Tage einen hohen Einfluss auf das Verständnis der Kantischen Moral. Nach Kants Urteil enthält die Schrift die Darlegung und Verteidigung einer neuen Formel des alten Prinzips aller Pflichten, dem Prinzip der Moralität oder des Grundsatzes aller Sittlichkeit. Siehe hierzu Baum (2005), S. 184-185. Vgl. Manstetten (2002), S. 224.
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sitzen sowie hierauf basierende Tauschverhältnisse, sind Gegenstand der Ökonomie. Wert verstanden im ökonomischen Sinne besitzen lediglich Sachen, bei denen es ein Mehr oder Weniger gibt. Eine Sache, die einen relativen Wert hat, kann gegen ein Äquivalent, etwas Gleichwertiges ausgetauscht werden. Für die Messung des Äquivalentes muss ein Wertmaßstab bestehen, wie ihn bspw. das Geld darstellt. Ein innerer Wert wird dem zugeschrieben, was eine Würde hat und kein Äquivalent. Es ist somit unersetzlich und kann daher keinen Preis haben. Der innere Wert ist somit die Bedingung der Auffassung Kants eines Zweckes an sich. Er entzieht sich jeglicher ökonomischen Analyse, denn er ist nicht vergleichbar, austauschbar und nicht instrumentalisierbar außer ihm selbst. Ein solcher Wert ist bspw. die Menschenwürde oder die Gerechtigkeit. Es mag der Einwand erhoben werden, dass die letztgenannten Sachen auch käuflich sind. Allerdings ist zu fragen, ob die Begriffe nicht ihre Bedeutung verlieren, wenn bspw. auf Menschenwürde und Gerechtigkeit durch monetäre Zahlungen verzichtet wird.106 In der Diskussion der Ausführungen von Kant zu der Theorie des absoluten Wertes ohne einen Preis wurden Wertphilosophien im 19. Jahrhundert entwickelt.107 Als weitere wichtige Vertreter in Bezug auf Werte und Wertekonzepte lassen sich Werke von Durkheim (1893), Weber (1922) oder auch Spranger (1922) nennen. So hat Spranger (1922) als einer der Ersten eine umfassende Psychologie der Wertinhalte entwickelt.108 Max Weber (1864-1920)109 war der Auffassung, dass die Reinheit der Wissenschaft durch Wertungen bedroht sei. Daher vertrat er das Ideal einer wertfreien Wissenschaft.110 Nach Durkheim stellen Werte (und Normen) die Integration und den Zusammenhalt einer Gesellschaft sicher, wobei die Vermittlung von Werte bspw. über die Familie, Kirche oder Gewerkschaft (sowie durch die Schule oder die Ausbildungsstelle bzw. das Unternehmen) erfolgt.111 In der Historie gab es zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedliche Wertkonzepte, die sich mitunter stark unterschieden bzw. nicht miteinander vereinbar waren. Jedoch ist anzumerken, dass es mit dem objektiven Wertverständnis und dem subjektiven Wertverständnis zwei Hauptströmungen gab. Vor dem Hintergrund eines objektiven Wertverständnisses wird die Auffassung vertreten, dass die Werte reale Gegenstände bzw. objektiv erfassbare Eigenschaften sind. Beim subjektiven Wertverständnis wird die Auffassung vertreten, dass Werte bzw. der Begriff des Wertes lediglich auf das erfahrende Subjekt hin bestimmbar ist.112 Beide Richtungen führten zu einem wissenschaftlichen Diskurs, in dem mal die eine, mal die andere Sichtweise dominierte. Dabei ist festzustellen, dass diese Spannung (teilweise) bis heute nicht aufgelöst werden konnte. Dabei bewegt sich die Wertetheorie zwischen diesen beiden Dimensionen nicht alleine in der Ökonomie, sondern auch in der Philosophie.113 Dieser Aspekt der Wertediskussion findet sich auch bei Plaum (1986). Bei Werten können zwei Ebenen, die Außenwelt und die Innenwelt, unterschieden werden. In der Außenwelt können bspw. Geld oder die Natur als 106 107
108 109 110 111
112 113
Vgl. Kant (1959), S. 285; Manstetten (2002), S. 224-226; Petersen (2005a), S. 138-139. Vgl. Scheler (1954), S. 29-30. Nach Petersen (2005a), S. 139 spiegelt sich in Kants Unterscheidung zwischen relativem und innerem Wert, bzw. zwischen Preis und Würde, die Differenz von Ethik und Ökonomie wider. Zur Diskussion des Verhältnisses von Ethik und Ökonomie siehe Kapitel 2.2.2. Vgl. Plaum (1986), S. 8. Vgl. Weiß (1989), S. 803. Vgl. Wright (1994a), S. 19. Siehe hierzu auch die Erörterungen in Kapitel 2.1.2.5. Vgl. Durkheim (1893) bzw. die deutsche Übersetzung Durkheim (1988) sowie bei Weber (1922) bzw. Weber (2002). Eine Intergrationsfunktion von Werte sieht auch Meulemann (1996), S. 48. Vgl. Steinbrenner (1999), S. 135. Vgl. Werner (2002a), S. 35-36.
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Wert gesehen und erlebt werden. Diese Erlebnisse der Außenwelt können Einfluss auf die Innenwelt bzw. das Selbstverständnis eines Menschen in Sinne von Ich-Idealen nehmen. Beispiele hierfür sind das Streben nach Reichtum, oder aber das Anstreben von Naturverbundenheit. Aus dieser Darstellung lässt sich anführen, dass Werte immer eine objektive und eine subjektive Dimension besitzen. Dabei kann die subjektive Dimension in vereinfachter Weise weiter in kognitive und emotionale (nonkognitive) Komponenten differenziert werden.114 Der hiermit verbundene Kognitivismus behauptet, dass Werte bzw. Werturteile rational begründet werden können und wahrheitsfähig sind. Der NonKognitivsmus hingegen bestreitet eine rationale Begründung von Werten bzw. Werturteilen. In diesem Zusammenhang besteht in der Wissenschaft ein (Methoden-)Streit zwischen den beiden Positionen, der durch die sprachanalytische Moralphilosophie ausgelöst wurde. In der sprachanalytischen Moralphilosophie wird entweder die Auffassung vertreten, dass Werten bzw. Werturteilen ein rationaler Charakter zugeschrieben wird, oder im Gegensatz dazu Werte bzw. Werturteile nur Gefühle, Emotionen oder Einstellungen des Verwenders darstellen.115 Abbildung 1 verdeutlicht den zuvor erörterten Zusammenhang:
Werte
Außenwelt Beispielhafte Werte Geld Natur
Objektives Wertverständnis
Innenwelt Beispielhafte Werte Streben nach Reichtum Anstreben von Naturverbundenheit Subjektives Wertverständnis emotional
kognitiv
Abbildung 3: Objektives und subjektives Werteverständnis116
Von zentraler Bedeutung sind die Wertebegriffe und Wertdefinitionen zudem in der Soziologie, der Psychologie und der Ethnologie. Hier finden sich zahlreiche, empirische Untersuchungen zu Wertvorstellungen moralischen Verhaltens sowie Normen sozialen Verhaltens.117 Grundlegende Untersuchungen zum Begriff des Wertes gehen auf Untersuchungen an der Harvard Universität zurück, die in dem Werk „Toward a General Theory of Action“ von Parsons/Shils (1951) veröffentlicht wurden.118 In diesem Werk ist auch ein Artikel von Clyde Kluckhohn119 enthalten, der in der Literatur oftmals als ein grundle-
114
115 116 117 118 119
Vgl. Plaum (1986), S. 4. Plaum (1986) verweist in diesem Zusammenhang auf die Ausarbeitungen bei Kohlberg (1973); Rokeach (1973); Sjöberg (1979). Vgl. Steinbrenner (1999), S. 136. Eigene Darstellung. Vgl. Kutschera (1973), S. 7. Siehe auch die Working Papers der „Theory of Action” in Parsons/Bales/Shils (1953). Hierbei handelt es sich um Kluckhohn (1951).
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gendes Werk zur Definition und Erörterung des Begriffes „Wert“ angesehen wird. Kluckhohn (1951) differenziert die beiden Begriffe Wert und Wertorientierung. Werte werden dabei wie folgt definiert: „Value implies a code or a standard which has some persistence through time or, more broadly put, which organizes a system of action. Value, conveniently and in accordance with received usage, places things, acts, ways of behaving, goals of action on the approval-disapproval continuum. […] A value is a conception, explicit or implicit, distinctive of an individual or characteristic of a group, of the desirable which influences the selection from available modes, means and ends of action.“120 Essentiell für den Begriff des Wertes sind affektive Elemente („desirable“), kognitive Elemente („conception“) und konative Elemente („selection“).121 „Ein Wert ist nicht einfach nur eine Bevorzugung, sondern eine, von der man fühlt und/oder meint, daß sie berechtigt ist, entweder »moralisch« oder gedanklich oder durch ein ästhetisches Urteil, gewöhnlich durch zwei von diesen oder durch alle drei.“122 Im englischen Original heißt es: „A value is not just a preference but is a preference which is felt and/or considered to be justified – ‘morally’ or by reasoning or by aesthetic judgments, usually by two or all three of these.“123 Dabei wird implizit betont, dass immer ein Bezug auf das Wünschenswerte, nicht nur das Erwünschte, besteht. Demgegenüber werden Wertorientierungen verstanden als die Werte, die (a) allgemein bzw. generalisiert, (b) organisiert sind und unbedingte existenzielle Urteile bzw. Beurteilungen beinhalten. Eine Wertorientierung ist eine Gruppe von miteinander verbundenen Thesen, die sowohl Wert- wie existenzielle Elemente umfassen. Somit sind Wertorientierungen organisierte, unbedingte und existenzielle Werte. Eine Wertorientierung kann definiert werden als eine generalisierte und organisierte Konzeption, die das Verhalten der Natur, des Menschen mit seinem Platz in ihr, das Verhältnis untereinander und das Erwünschte sowie das Unerwünschte beeinflusst. Dies verdeutlicht sich in der Beziehung zwischen dem Menschen und seiner Umgebung und den Beziehungen der Menschen untereinander.124 Oftmals werden jedoch beide Begriffe des Wertes oder der Wertorientierung synonym verwendet. Eine Differenzierung kann mitunter über den Grad der Abstraktion vorgenommen werden. Wertorientierungen deuten auf ein Orientierungsprinzip mit Handlungsbezug hin. Darüber hinaus können auch einzelne Items einer Werteskala als Wertorientierungen bezeichnet werden. Werte hingegen können als abstrakte Zielvorstellungen sowie thematisch zusammengefasste Wertorientierungen bezeichnet werden. Dabei sind Werteorientierungen übergeordnete Dimensionen von Werten zuzurechen.125 In der Ökonomie werden Werte meist im Sinne objektiver Güterwerte verwendet. Andere Wertedefinitionen in der Ökonomie zeigen auf, dass einem Wert ein auf diesen Wert bezogener Nutzen folgt, der sich direkt oder indirekt materiell auswirkt. Die Verwendung eines (beispielsweise) sozialpsycho120 121 122 123 124 125
Kluckhohn (1951), S. 395. Vgl. Kluckhohn (1951), S. 395. Vgl. die Übersetzung von Bühler (1975), S. 35. Vgl. Kluckhohn (1951), S. 396. Vgl. Kluckhohn (1951), S. 396 und 409-412. Vgl. Hermann (2003), S. 53. Ähnlich zur Zielbestimmtheit von Werten auch Leisinger (1997), S. 15.
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logischen Wertebegriffes in der Betriebswirtschaftslehre ist damit jedoch nicht ausgeschlossen.126 Werte in der Betriebswirtschaft können sich auf unterschiedlichen Ebenen und auf unterschiedliche Objekte hin beziehen. Oftmals besteht in letzter Konsequenz jedoch ein Bezug des Wertes hinsichtlich einer monetären Relation.127 Für Wöhe (1996) sind Urteile über ökonomische Werte, im Gegensatz zu Urteilen über ethische Werte, keine Werturteile, sondern es sind vielmehr rationale Feststellungen bzw. Seinsurteile über den Gebrauchs-, Tausch- oder Ertragswert von Gütern bzw. Dienstleistungen. Hieraus resultiert i. d. R. eine (monetäre) Bezifferung eines zu bewertenden Objektes in Geldeinheiten. Der ökonomische Wert resultiert dabei aus den (prinzipiell) unbegrenzten menschlichen Bedürfnissen und der Knappheit der zur Bedarfsdeckung zur Verfügung stehenden Güter.128 Schneider (2001) bezeichnet bspw. den wirtschaftlichen Wert als einen Wirkungswert, denn der Wert aller Güter schließt sich an den Menschen und seine Zwecke an. Dieser Anschlusspunkt kann entweder darin bestehen, dass einem Gut (Produkt bzw. Dienstleistung) eine Wesenseigenschaft, verstanden als „Wert“ auf Basis einer naturgegebenen oder allgemeingültigen gesellschaftlichen Einschätzung zugeschrieben wird, oder der wirtschaftliche Wert bezeichnet einerseits eine Relation zwischen einzelnen Menschen und ihren Zwecken und andererseits dem Gut, deren Wert einzuschätzen ist. Allgemein lassen sich objektive Gebrauchswerte, objektive Tauschwerte, subjektive Gebrauchswerte und subjektive Tauschwerte unterscheiden.129 Praktische Beispiele für Werte in der Betriebswirtschaftlehre sind: Der objektive oder subjektive Wert im Rahmen der Unternehmensbewertung, der immaterielle Wert im Rahmen der Einzelbewertung oder der beizulegende Wert bzw. Basis und Vergleichswert oder der Teilwert im Rahmen der Bewertungsprinzipien und Bewertungsmaßstäbe der Bilanz sowie Tageswerte, Zukunftswerte und steuerliche Wertansätze im Rahmen der Bewertung einzelner Bilanzpositionen.130 Töpfer (2007) trennt in diesem betriebswirtschaftlichen Kontext die Begriffe Wert und Werte. Werte werden verstanden als eine ideelle Basis im Rahmen der Leistungserstellung, die die strategischen „Leitplanken“ moralisch-inhaltlich zulässigen Handelns bzw. Verhaltens definieren, wohingegen der Wert das betriebswirtschaftliche Ergebnis dieses Prozesses bzw. der Prozesse darstellt.131 Im Kontext von Unternehmen sind Werte nicht als gut gemeinte, freischwebende Ideen aufzufassen, die Mitarbeitern vermittelt werden, um die Mitarbeiter zum Guten zu führen. Relevanz besitzen Werte bspw. als moralischer Rückhalt in der operativen Tätigkeit. Werte können dabei als Hinweis auf die Wertschätzung und den Respekt, den sich die Mitarbeiter entgegenbringen, gesehen werden.132 Der Begriff des Wertes wird oftmals im Sinne zwei übergeordneter Dimensionen, zum einen als ökonomischer Wert und zum anderen als moralischer Wert, aufgefasst. Dabei können Werte sowohl im moralischen als auch im ökonomischen Sinne immer nur relativ bestimmt werden.133 Eine neuere Definition von Werten findet sich anhand der Kriterien von Klein (1991):134
Werte sind Konstrukte auf einem relativ hohen Abstraktionsniveau.
126
Vgl. Silberer (1987), S. 334. In Anlehnung an Specht (2001), S. 64-65. Vgl. Wöhe (1996), S. 1063. Siehe hierzu und zur Diskussion Schneider (2001), S. 668-673. Vgl. Bea/Dichtl/Schweitzer (2001), S. 492-497; Wöhe (2005), S. 635-649 und 876-882; Vgl. Töpfer (2007), S. 488 und. 514. Vgl. Priddat (1996), S. 13. Vgl. Zimmerli (2006), S. 14. Vgl. Klein (1991), S. 25.
127 128 129 130 131 132 133 134
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Werte liegen an der Schnittstelle zwischen Individuum und Gesellschaft. Werte sind gesellschaftlich vermittelt. Werte haben Orientierungscharakter. Werte haben Einfluss auf menschliche Wahrnehmung und menschliches Verhalten. Werte sind objektunspezifisch. Werte sind situationsübergreifend. Werte sind zeitlich relativ stabil. Werte implizieren aufgrund ihrer Generalität und Zentralität innerhalb des mentalen Systems eine hohe emotionale Beteiligung.
An die grundlegende Diskussion zur definitorischen Abgrenzung des Wertebegriffes schließt sich eine weitergehende, in sich kohärente Klassifikation unterschiedlicher Werte an. In der Diskussion über Werte entsteht oftmals eine Konfusion aus der Tatsache, dass eine Person eine allgemeine Kategorie von Werten im Sinn hat, eine andere Person spezielle, eingeschränkte Typen von Werten und wieder eine andere Person einen weiteren spezifischen Typus. Dabei besteht keine allgemeine zusammenfassende Klassifikation von Werten. Beispielsweise werden in der Literatur intrinsiche, extrinsische, inherente (angeborene) und instrumentale Werte unterschieden. Darüber hinaus gibt es Unterscheidungen nach Modalitäten der Bedeutung bzw. Wichtigkeit, wie bspw. positive-negative, fortschreitend-wiederkehrende, potenziell-tatsächlich Werte usw. Darüber hinaus existieren unterschiedliche Inhaltsklassifikationen von Werte wie bspw. hedonistisch, ästhetisch, religiös, ökonomisch, ethisch und logisch. Weitere Klassifizierungen dieser Art sind u. a. theoretisch, sozial oder politisch. Gemein ist allen diesen Klassifizierungen, dass sie kulturgebunden sind.135 Dabei wird hier auf eine westliche Kulturgebundenheit verwiesen. Eine Klassifikation von Werten (bzw. Wertorientierungen) erfolgt bei Kluckhohn anhand von acht Dimensionen. Bei diesen Dimensionen der Klassifizierung handelt es sich um: Modalität (modality), Inhalt (content), Intention bzw. Absicht (intent), Generalisation bzw. Allgemeingültigkeit (generality), Intensität (intensity), Ausgesprochenheit bzw. Deutlichkeit (explicitness), Ausmaß (extent), Organisation (organization).136 Nach Spranger (1921)137 gibt es vier reine Grundwerte. Hierbei handelt es sich um die ökonomische Orientierung (Besitz), ästhetische Orientierung (Schönheit), theoretische Orientierung (Wahrheit) und die religiöse Orientierung (Sittlichkeit; letzter und höchster Sinnbezug). Wobei sich die Werte auf individuelle Geistesakte beziehen und in zweiter Ordnung weitere Werte hervorbringen.138 Als Werte zweiter Ordnung werden durch Spranger bspw. Macht und Liebe sowie politische und soziale Werte abgeleitet.139 Dabei bezog sich Spranger auf die mitteleuropäische Kultur seiner Zeit, wobei Plaum (1986) annimmt, dass die angeführte Wertehierarchie prinzipiell für alle gesellschaftlichen Bedingungen gelten könne. Die Werte Sprangers spiegeln den kognitiven Stil der westeuropäischen Kultur wider. Die Werte werden nicht auf Bereiche der Realität bezogen, die sich im Laufe der Entwicklung herausdifferenzieren.
135 136 137
138 139
Vgl. Kluckhohn (1951), S. 412. Vgl. Kluckhohn (1951), S. 413-421. Auch Bühler (1975), S. 36. Die erste Auflage des Werkes „Lebensformen“ erschien 1914. Unter Beachtung der Vorworte nachfolgenden Auflagen kann die zweite Auflage, also Spranger (1921), als Basisbezugswerk gesehen sollte, da nach Selbstaussagen Sprangers, die zweite Auflage entscheidend über die erste, kurzfristig für einen Festvortrag erstellte Version, erweitert wurde. Vgl. Plaum (1986), S. 15. Siehe auch Spranger (1966), S. 40-41 sowie 47-59 und 67. Vgl. Spranger (1966), S. 66.
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Vielmehr stellen diese Aspekte der Realität dar, wie sie lediglich durch eine abstrahierende Betrachtungswiese erzeugt werden können.140 Seinen Grundwerten folgend leitet Spranger sechs Menschentypen ab. Diese ergeben sich dergestalt, dass jeweils eine bestimmte Sinn- und Wertrichtung in der individuellen Struktur als dominierend gesetzt wird. Dabei sollen lediglich ganz wenige, allgemeinste Grundformen der Persönlichkeit herausgearbeitet werden. Bei den Menschentypen handelt es sich um: Den Machtmenschen, den ökonomischen Menschen, den ästhetischen Menschen, theoretischen Menschen den sozialen Menschen und den religiösen Menschen.141 Als weiterer bedeutsamer Aspekt in Bezug auf Werteuntersuchungen ist die Unterscheidung zwischen faktischen Werten und normativen Werten zu sehen. Faktische Werte können dabei definiert werden als bemerkbare Bevorzugungen, Einschätzungen und Wünsche konkreter Personen zu einer bestimmten Zeit. Normative Werte sind die Bedeutung bzw. der Rang, der den Wertobjekten gegeben werden sollte. Ein normativer Wert ist schwerer zu identifizieren, als ein faktischer Wert. Normative Werte erheben einen Anspruch auf Gültigkeit. Diese geben vor, überzeugen und regulieren zu können.142 Margenau (1959) hält es für falsch bei normativen Werten nach einer objektiven Basis zu suchen. Diese besteht lediglich für faktische Werte. Denn faktische Werte können bspw. durch Äußerungen in Meinungsumfragen erhoben werden. Normative Werte hingegen stellen Verpflichtungen dar, deren Basis in der persönlichen oder kulturellen Sphäre liegt. Durch einen Befehl bzw. eine Direktive, der sich ein Mensch verpflichtet sieht, erhalten normative Werte ihren Wert.143 Eine theoretisch scharfe Trennung zwischen faktischen Werten und normativen Werten ist aufgrund des schwankenden Wertesystems der westlichen Gesellschaft jedoch nicht immer problemlos möglich. Anerkannte Standards und Verhaltensnormen werden angezweifelt, diskutiert oder sogar verändert.144 Hervorgehoben sei an dieser Stelle zudem die prinzipiell nicht vorhandene Klassifikation von Werten bei Nietzsche. Durch Nietzsche (1844-1900)145 wurde eine Wertfreiheit des Begriffes Wert postuliert. Der Begriff des Wertes wurde hier nicht normativ gesehen. Somit erfolgte keine Einteilung in die Kategorien „gut“ bzw. „schlecht“. Bei Nietzsche werden Werte definiert: „[...]als Gesichtspunkte von Erhaltungs- und Steigerungs-Bedingungen in Hinsicht auf komplexe Gebilde von relativer Dauer des Lebens innerhalb des Werdens.“146 Bei Nietzsche zeigte sich eine Vollendung des Wertsubjektivismus im Nihilismus von Werten.147 In vielen Situationen werden Werte zudem hinsichtlich ihrer kognitiven Struktur unterschieden. Dabei wird häufig eine Trennung nach allgemeinen Werten und spezifischen Werten (z. B. auf den Beruf 140 141
142 143 144 145 146 147
Vgl. Plaum (1986), S. 16. Vgl. Spranger (1966), S. 114-115; Plaum (1986), S. 17-21. Siehe umfassend die Originalausführungen bspw. bei Spranger (1966), S. 121-276. Vgl. Margenau (1959), S. 39. Vgl. Margenau (1959), S. 42; Bühler (1975), S. 37-38. Siehe weiterführend auch die Ausführungen bei Wright (1994a). Vgl. Bühler (1975), S. 37. Vgl. Ries (1989), S. 566. Vgl. Nietzsche (1952), S. 685. Vgl. Werner (2002a), S. 95-96. Nietzsche vertrat eine „Umwertung aller Werte“. Hiermit ist die Auffassung verbunden, dass Normen und Gebote gesetzte Werte sind. Diese können niemanden verpflichten, da diese Werte jederzeit aufgehoben und geändert werden können. Eine Umwertung von Werten zeigt, dass diese Werte nicht absolut sind. Somit existiert nach Nietzsche kein absoluter Wert. Durch die „Umwertung aller Werte“ wird bei Nietzsche nicht allein eine Destruktion der geltenden Moral vorgenommen. Vielmehr erfolgt eine Destruktion von Ethik und Moral im Allgemeinen, wenn diese einen absoluten Wert voraussetzen. Siehe hierzu Petersen (2005a), S. 140-141.
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bezogene Werte) vorgenommen. So gehen Roe/Ester (1999) von drei Annahmen aus. Die erste Annahme besagt, dass die kognitive Struktur von Werten eine Ähnlichkeit zwischen allgemeinen und arbeitsbezogenen Werten erkennen lässt. Die zweite Annahme ist die, dass die Projektion allgemeiner Werte auf die Arbeit zu arbeitsbezogenen Werten führt. Die dritte Annahme geht im Umkehrschluss davon aus, dass sich aus arbeitsbezogenen Werten wiederum allgemeine Werte entwickeln können. Die zweite Annahme findet Unterstützung bei Ros/Schwartz/Surkiss (1999), welche von einer Entstehung arbeitsbezogener Werte auf der Basis allgemeiner Werte ausgehen.148 Borchers (2005) stellt in diesem Kontext die Frage, ob wirklich spezifische Werte in der Wirtschaft von Bedeutung sind, oder ob Werte, wie z. B. Ehrlichkeit, Offenheit, Loyalität etc., nicht genau die Werte sind, die auch in anderen Bereichen des „sonstigen“ Lebens von Bedeutung sind.149 Der Hinweis auf die theoretische Unterscheidung mehrerer, möglicher Wertkonstrukte nach Lebensbereichen soll an dieser Stelle keinen Exkurs darstellen. Vielmehr soll ein Beleg für die inhaltlich dichte Vernetzung unterschiedlicher Wertkonstrukte gegeben werden, die letztlich einen eigenen Forschungsbereich eröffnen. Im Sinne der vorliegenden Arbeit wird auf eine strikte Unterscheidung zwischen allgemeinen und spezifischen (z. B. berufs- bzw. arbeitsbezogenen) Werten daher verzichtet. Es wird dabei auf die so eben dargelegte zweite Annahme Bezug genommen, dass arbeitsbezogene Werte auf allgemeinen Werten aufbauen und somit beide Wertkonstrukte interdependent sind. Für die vorliegende Arbeit ist diese Unterscheidung bedeutsam, da die Individualebene der Entrepreneure im spezifischen, berufs- bzw. arbeitsbezogenen Kontext junger Unternehmen betrachtet wird. Siehe hierzu auch die Ausführungen von Kapitel 3.2. Darüber hinaus können weitere Differenzierungen von Werten nach den Werteträgern bzw. nach dem (Ziel-)Objekt des Wertes vorgenommen werden. Beispielweise erfolgt eine Unterscheidung zwischen kulturellen bzw. gesellschaftlichen Werten und individuellen Werten. Als kulturelle bzw. gesellschaftliche Werte werden die institutionalisierten, in einer Kultur oder Gesellschaft überwiegenden Werte bezeichnet. Individuelle Werte sind die Werte einer Person bzw. eines Individuums. Dabei können individuelle Werte einerseits auf die Person an sich, aber auch andererseits auf die Umgebung der Person, wie bspw. die Gesellschaft, bezogen sein. Hierbei wird zwischen individuell reflexiven Werten, den Vorstellungen einer Person hinsichtlich ihrer Ziele und Wünsche im eigenen Leben, und den individuellen projektiven Werten, die auf den Staat und die Gesellschaft bezogenen sind, unterschieden.150 Nach Roe/Ester (1999) erfolgt eine Differenzierung der Werteträger auf den Ebenen der Individuen, Gruppen und Länder.151 Bei Wieland (2000) findet eine inhaltliche Klassifikation von Werten hinsichtlich ihrer alltagsbezogenen, praktischen Auswirkung statt. Dabei werden vier Wertekategorien als Werteviereck gebildet. Das Werteviereck ist in Abbildung 4 dargestellt.
148 149 150 151
Siehe ausführlich Roe/Ester (1999) sowie Ros/Schwartz/Surkiss (1999). Vgl. Borchers (2005), S. 511. Vgl. Hermann (2003), S. 54. Vgl. Roe/Ester (1999), S. 4.
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Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
Leistungswerte • Nutzen • Kompetenz • Leistungsbereitschaft • Flexibilität • Kreativität • Innovationsorientierung • Qualität
Kommunikationswerte • Achtung • Zugehörigkeit • Offenheit • Transparenz • Verständigung • Risikobereitschaft
Kooperationswerte • Loyalität • Teamgeist • Konfliktfähigkeit • Offenheit • Kommunikationsorientierung
Moralische Werte • Integrität • Fairness • Ehrlichkeit • Vertragstreue • Verantwortung
Abbildung 4: Werteviereck nach Wieland152
Ergänzend sei zudem darauf hingewiesen, dass die Wertstruktur die Beziehung zwischen unterschiedlichen Werten bezeichnet.153 Insofern wird zwischen den Begriffen Wertestruktur und Werteklassifikation eine Unterscheidung hergestellt. Im Rahmen der tieferen Auseinandersetzung mit der Frage nach einer möglichen Klassifizierbarkeit von Werten konnten jedoch kaum theoretische oder empirische Arbeiten gefunden werden, die eine allgemeine und vom Untersuchungsbereich unabhängige Definition von Kriterien für eine Werteklassifikation ermöglichen. In Forschungsarbeiten, die Werte über inhaltliche Kriterien zu erfassen versuchen, kann ein hohes Maß an Heterogenität inhaltlicher Bestimmungen von Werthaltungen aufgefunden werden. Hieraus ergibt sich das Problem, dass es schwierig ist, gültige inhaltliche Taxonomien von Werthaltungen unabhängig von dem zu untersuchenden Problembereich sowie den Untersuchungsobjekten zu bestimmen.154 An die bisherigen Ausführungen zu Wertedefinitionen und Werteklassifizierungen schließt sich nun die praktische Frage an, welchen Einfluss Werte auf das Handeln von Individuen, Gruppen oder Institutionen ausüben bzw. welche Funktion Werten zukommen kann. Aufgrund der hohen Forschungsleistungen im Bereich der Werte besteht weitgehend ein Konsens bzgl. des Einflusses von Werten auf Einstellungen und Verhaltensdispositionen.155 Als Konsens wird angesehen, dass Werte als Steuerungselemente für Einstellungen und Verhaltensdispositionen dienen.156 Dabei sei darauf hingewie152 153 154 155
156
Vgl. Wieland (2004a), S. 24. Vgl. Schwartz (1992). Vgl. Scholl-Schaaf (1975), S. 103-104. Vgl. Klages (1992), S. 9. Hierbei ist anzumerken, dass es sich bei Klages um einen Wissenschaftler im Bereich der Soziologie handelt. Vgl. Maag (1989), S. 313.
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sen, dass Werte und Ziele nicht zwingend identisch sind.157 So beeinflussen Werte menschliche Handlungen nicht direkt. Vielmehr nehmen Werte Einfluss auf Einstellungen und Ziele und beeinflussen Handlungen so indirekt.158 Einen Überblick liefert Abbildung 5.159 Beeinflussung
Beeinflussung Individuelle Werte
Rechtfertigung
Einstellungen/ Ziele
Handlungen Rechtfertigung
Abbildung 5: Einfluss von Werten auf das Handeln
Wird angenommen, dass Werte menschliche Handlungen über Einstellungen und Ziele beeinflussen, können Werte als Basis individueller Handlungsmotivation betrachtet werden.160 Bereits Kluckhohn (1951) stellte den Einfluss von Werten auf die Auswahl von Zielen und Verhaltensweisen fest: „Values are operative when an individual selects one line of thoughts or action rather than another, insofar as this selection is influenced by generalized codes rather than determined simply by impulse or by purely rational calculus of temporary expediency.”161 Darüber hinaus beeinflussen Werte nicht nur das Handeln eines Individuums über Einstellungen und Ziele, sondern sie dienen auch der Rechtfertigung von Handlungen. Werden Werte im Sinne normativer Maßstäbe verwendet, so dienen diese zur Handlungsrechtfertigung durch das Individuum bzw. den Akteur.162 Auf der Ebene sozialer Einheiten, also bei Individuen bzw. Gruppen, wird angenommen, dass Werte einen Einfluss auf Nomen haben. Werte definieren Normen sowie gemeinsame Ziele, die wiederum kollektives Handeln erzeugen und dieses leiten.163 Sie dienen sozusagen als Referenzsysteme für das Denken und Handeln des Menschen.164 Bei dieser Verwendungsweise können drei den Werten übertragene Funktionen identifiziert werden. Hierbei handelt es sich um eine Orientierungs- bzw. Steuerungsfunktion, eine Entlastungsfunktion sowie eine Legitimationsfunktion.165 Auch bei Witte (1989) werden Wertefunktionen unterschieden. Hierbei handelt es sich um die Anpassungsfunktion (einige zentrale Werte aus der philosophisch-theologischen Tradition bestimmen das Bewerten verschiedener Individuen), Funktion der Identitätswahrung (jede Person verfügt jedoch über individuelle Wertprioritäten, der identitätswahrenden Werthaltung), Bewertungsfunktion (ausgehend von diesen Werthaltungen werden Regeln zur Bildung von Erwartungen herangezogen), Orientierungsfunktion (Abweichungen zwischen Erwartung und Werthaltung werden unterschiedlich beurteilt. Hierbei dienen Werte als Orientierung) sowie die Selbstdarstellungsfunktion (zum Abschluss wird die Handlung ausgewählt, welche die Identität wahrt).166 Der Soziologe Luhmann (1997) hinge157 158 159 160 161 162 163 164 165 166
Vgl. Bühler (1975), S. 36. Vgl. Küpper (1988), S. 325; Roe/Ester (1999), S. 5. Eigene Darstellung. Siehe weiterführend auch die Ausführungen der Kapitel 2.1.2.4 und 2.1.4.2. Vgl. Peter (2003), S. 13. Vgl. Kluckhohn (1951), S. 402. Vgl. Lenk (1994), S. 181 Vgl. Peter (2003), S. 14. Vgl. Silberer (1991), S. 80. Vgl. Werner (2002a), S. 137. Vgl. Witte (1989), S. 405.
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gen schreibt Werten eine Alamierfunktion zu, bei der Werte eine erste Anregung für eine genauere Problemanalyse bei (neuen) gesellschaftlichen Problemstellungen geben können.167 Für den Wirtschafts- und Unternehmensethiker Homann (2001) haben Werte die für ihn unverzichtbare Funktion einer Heuristik. Sie sind für ihn eine Denk- und Suchanweisung, aber keine Handlungsanweisung.168 Bei Kleinfeld (2005) findet sich die folgende Definition und funktionale Unterteilung von Werten: Unter Werten können Ideen, Orientierungen oder Verhaltensweisen verstanden werden. Diese werden von einem Individuum, einer Gruppe bzw. Gemeinschaft oder innerhalb eines sozialen Systems, wie bspw. einem Kulturkreis, einer Gesellschaft oder einer Organisation, als bedeutend, gut erstrebenswert betrachtet. Darüber hinaus können diese Werte geschätzt, respektiert und gelebt werden. Urteile und Handlungen können durch Werte beeinflusst werden. Dabei kann Werten im Rahmen sozialer Systeme eine dreifache Bedeutung zugemessen werden. Werte besitzen zum ersten eine normative Funktion für das Verhalten der Systemmitglieder. Darüber hinaus haben sie zum zweiten eine konstitutive Funktion für eine Bildung einer individuellen kulturellen Identität. Zum dritten haben Werte eine integrative Funktion bzw. Gemeinschaft stiftende Funktion.169 Die Verwendung von Werten als normative Maßstäbe im alltäglichen Sprachgebrauch in Form von Leitbildern oder Standards erzeugt i. d. R. den Eindruck, dass hier ein allgemeingültiger Anspruch auf Objektivität und Verbindlichkeit besteht.170 Es ist jedoch davon auszugehen, dass ein bestimmter Wert nicht zwingend nur ein bestimmtes Ziel hat, welches wiederum in nur eine bestimmte Handlung mündet bzw. diese als normativen Maßstab postuliert. Vielmehr besitzen laut Cranach et al. (1980) Werte zwei Charakteristika. Zum einen ist der Inhalt von Werten unspezifisch. Es erfolgt eine Einordnung zwischen einem positiven und einem negativen Pol einer Dimension. Zum anderen folgt hieraus, dass der Inhalt als eine Richtschnur für Handlungen verstanden werden kann. Werte beeinflussen Handlungen über Ziele. Dabei stehen Werte und Ziele in einem Verhältnis von Über- und Unterordnung. Die Ziele eines Wertes sind mehrdimensional, denn aus einem Wert können verschiedene Ziele abgeleitet werden.171 Bei Cranach et al. (1980) werden Werte als zentrale kognitive Struktur einer Person gesehen. Werte sind überdauernde, unspezifische Kognitionen. Dabei wird deren Inhalt hoch geschätzt und dieser ist anzustreben. Vom Begriff des Wertes wird der Unwert differenziert. Ein Unwert ist eine überdauernde, unspezifische Kognition. Im Unterschied zum Wert wird der Inhalt abgelehnt und ist zu vermeiden.172 Unwerte können auch als negativ besetze Werte gesehen werden. Die Diskussion zu Werten bzw. Werteorientierungen findet bereits seit geraumer Zeit auch Eingang in die Wirtschaftswissenschaften, primär in zahlreichen Veröffentlichungen in Bezug auf die Unternehmenskultur. Eine Wertediskussion basierend auf philosophisch-theoretischen Grundlagen findet sich jedoch im Themengebiet der Unternehmensethik. Werte prägen ein Unternehmen auf zweierlei Weise. Zum einen spielen von außen, aus der Unternehmensumwelt kommende Werte, einen Rolle. Hier sind insbesondere kulturelle Werte zu nennen. 167 168 169 170 171 172
Vgl. Luhmann (1997), S. 404. Vgl. Homann (2001a), S. 79. Vgl. Kleinfeld (2005), S. 50-51. So auch Meulemann (1996), S. 48; Kleinfeld (2004), S. 106-107. Vgl. Werner (2002a), S. 137. Vgl. Cranach et al. (1980), S. 95. Vgl. Cranach et al. (1980), S. 94.
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Zum anderen erfährt ein Unternehmen eine Werteprägung durch die von Gründern, Führungskräften und Mitarbeitern eingebrachten Werte. Diese prägen das Zielsystem einer Unternehmung durch organisatorische, personelle oder auch technische Entscheidungen.173 Individuen, als auch Unternehmen, können keine wirtschaftlichen Handlungen unabhängig von Werten der sie umgebenden kulturellen sowie sozialen Umwelt vollziehen. Wirtschaftliche Aktivitäten und ein Streben nach Gewinnen können sich lediglich innerhalb eines Marktes von Werten und Waren abspielen. Dabei ist auch den ethischen und kulturellen Werten, gemeinschaftlich mit den ökonomischen Werten, Bedeutung beizumessen.174 Grundwerte geben einem Unternehmen ein spezielles Profil. Dieses trägt zu einer Differenzierung und Profilierung gegenüber den Konkurrenten am Markt bei. Darüber hinaus tragen unternehmensethische Werte zu einer situativen Orientierung und Entscheidungssicherheit bei.175 Dabei bieten Wertorientierungen den Vorteil, relativ stabil und damit prognostisch wertvoll zu sein.176 Ein Unternehmen kann eine spezifische Reputation aufbauen, wenn die Grundwerte konsequent in den Zielsetzungen des Unternehmens integriert sind und sich in den Handlungen des Gründers, der Führungskräfte und der Mitarbeiter widerspiegeln.177 Darüber hinaus besitzen Werte für Unternehmen Motivationsfunktion für das Verhalten der Mitarbeiter, eine Konstitutionsfunktion für die Bildung einer spezifischen kulturellen Identität und eine Integrationsfunktion, die eine Gemeinschaft erzeugen soll.178 Dabei sind Werte kontextspezifisch zu betrachten, wobei der Kontext durch die Aspekte Individuum, Team, Unternehmen und Netzwerk geprägt ist.179 Werte werden primär durch Individuen, bspw. Gründer, Führungskräfte, Mitarbeiter, in das Unternehmen eingebracht. Erlangen sie einen normativen Charakter für das Unternehmen, werden sie zu Unternehmenswerten. Gleichzeitig sind Unternehmenswerte gekoppelt an die Wertenormen der Unternehmensumwelt. In Bezug auf junge Unternehmen ist eine bedeutende Annahme, dass der Gründer mit seinen individuellen (Grund-)Werten das junge Unternehmen prägt bzw. über seine (Grund)Werte Ziele, Strategien und Handlungen des Unternehmens maßgeblich beeinflusst werden. Die Bedeutung von Werten im unternehmerischen Kontext wird in einem Zitat von Thomas Watson Sr., Gründer von IBM deutlich:180 „Betrachten Sie irgendein großes Unternehmen [...] ich glaube, Sie werden feststellen, dass es seine Überlebenskraft nicht seiner Organisationsform oder seinem Verwaltungsgeschick verdankt, sondern der Macht so genannter Überzeugungen (Werte) und dem Anklang, den diese Überzeugungen bei den Menschen im Unternehmen finden.“ Nach Lucas-Bachert (2001) standen auch bei einer Vielzahl anderer Unternehmen bewusst oder unbewusst Werte der Gründer im Mittelpunkt und spielen oft auch viele Jahre oder sogar Jahrzehnte nach der Gründung eine Rolle. So konnte im Rahmen einer weltweit bei Siemens durchgeführten Wertebefragung zum 150jährigen Jubiläum festgestellt werden, dass einige der heutigen Kernwerte identisch mit denen des Firmengründers von Siemens sind. Hierbei handelt es sich um den Pioniergeist und 173 174 175 176 177 178 179 180
Vgl. Bismarck (1999), S. 142. Vgl. Sass (1992), S. 225. Vgl. Schmidt (2002), S. 74. Vgl. Silberer (1991), S. 77. Vgl. Schmidt (2002), S. 74-75. Vgl. Ackermann (2006), S. 187. Vgl. Funk/Strina (2004), S. 251. Zitiert nach Lucas-Bachert (2001), S. 14.
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technischen Fortschritt, den wirtschaftlichen Erfolg und die gesellschaftliche Verantwortung.181 Eine Wahrnehmung von Verantwortung dient dabei als Verteidigung von (nicht-monetären) Werten für den Menschen.182 2.1.2.2
Wertestabilität und Wertewandel
Im Zusammenhang mit empirischen Untersuchungen zu Werten stellt sich die Frage, welche Faktoren zu einer Beeinflussung von Wertaussagen beitragen bzw. inwieweit Wertinformationen stabil sind. So wird Stabilität von Werten geprägt durch Kultur, Religion, sozioökonomischen Status oder auch organisationale Mitgliedschaft.183 Werte werden durch ein Individuum von Eltern, Lehrern, gleichaltrigen (Bezugs-)Personen sowie anderen, für das Individuum bedeutenden Personen übernommen bzw. erlernt, wobei hier nicht ein bewusstes Lernen im Sinne eines schulischen Lernens anzunehmen ist. Durch persönliche Erfahrungen eines Individuums können sich dessen Werte verändern. Nach Krau (1989) kann das Werteprofil eines Individuums in Abhängigkeit vom Alter und dem sozioökonomischen Status variieren.184 Letztlich sind auch Gesellschaften in sich selbst nicht wertehomogen. Die Gesellschaften sind von einem tiefen Wertepluralismus sowie unterschiedlichen Wertkonflikten gekennzeichnet. Diese erschweren die Orientierung unseres Lebens und Handelns, speziell bei gemeinschaftlichem Handeln. Solche Situationen waren bereits in der Historie, bspw. im antiken Griechenland bei Sokrates, Plato und Aristoteles, die Basis für die Diskussion ethischer Fragestellungen.185 Wertkonflikte erstrecken sich auch auf die heutigen Wirtschaftsakteure. Dabei sind die individuelle Ebene, die Meso- sowie Makroebene betroffen.186 In Bezug auf die Werteforschung junger Unternehmen finden sich in Deutschland wenige Untersuchungen, die sich insbesondere auf den Einfluss der individuellen Werte des Gründers auf die Entwicklung eines jungen Unternehmens fokussieren. Allerdings wird mitunter auf Familienunternehmen Bezug genommen, so beispielsweise bei Wieselhuber (2000). Da sich die Gründung von Unternehmen oftmals in Form von Familienunternehmungen vollzieht, erscheint eine Bezugnahme an dieser Stelle gerechtfertigt. So fließen individuelle Werte der Inhaber, analog der Gründer, in die Wertebildung des Unternehmens ein. Folgende charakteristische Merkmale liegen dabei u. a. der Unternehmenssituation zugrunde: Führung und Prägung durch Inhaber bzw. Gründer, Konzentration von Entscheidung und Macht, starker Einfluss von Kompetenz und Bonität des Inhabers (Gründers) auf die Attraktivität des Unternehmens. Der Inhaber, analog der Gründer, investiert nicht nur Kapital, sondern auch Persönlichkeit, welche letztlich wieder auf Werte und Verhaltensorientierungen zurückgeführt werden kann.187 Vergleichbar zu Familienunternehmen, deren Wertestabilität primär durch die Inhaber getragen wird, gibt es Einflussfaktoren für eine Veränderung der Unternehmenswerte. Bei Familienunternehmen zählen zu diesen Einflussfaktoren Generationswechsel, Fremdmanagement, Beteiligung oder der Börsengang.188 Die genannten Einflussfaktoren für einen Wertewandel stellen auch Einschnitte in der Entwicklung junger 181 182 183 184 185 186 187 188
Vgl. Lucas-Bachert (2001), S. 14-15. Vgl. Sommer (2004), S. 71. Vgl. Sagie/Elizur/Koslowski (1996), S. 503-514. Vgl. Krau (1989), S. 100-116. Siehe bspw. auch Wijting/Arnold/Conrad (1978). Vgl. Enderle (1987), S. 434-435; Knapp (1990), S. 71-74. Vgl. Enderle (1987), S. 435. Siehe zu einer weiteren Erörterung der einzelnen Ebenen Kapitel 2.2.3. Vgl. Wieselhuber (2000), S. 58. Vgl. Wieselhuber (2000), S. 60.
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Unternehmen dar. Mit zunehmendem Wachstum ist nicht mehr der Gründer allein der Werttreiber, im Sinne einer hohen Dominanz bei einer wertebasierten Ausrichtung seines Unternehmens, sondern es kommen zunehmend auch exogene Werttreiber hinzu. Werte können verstanden werden als Quelle individueller Handlungsmotivation und letztlich auch als Grundlage einer Ethik. Über den Wertewandel in einem Unternehmen vollzieht sich, aus einer ethischen Betrachtungsweise, der Wandel von der Individualethik zur Institutionenethik in gleichem Maße, wie der Einfluss endogener Wertetreiber zugunsten exogener Wertetreiber abnimmt. Zunächst steht der Unternehmer und seine individuellen Werte im Zentrum der Wertebildung eines Unternehmens. Der Einfluss des Unternehmers wird im Laufe der Unternehmensentwicklung durch die Werte des Unternehmens bzw. die Unternehmenswerte und Normen selbst als Wertebündel abgelöst, wobei Unternehmer und Unternehmen eng miteinander verbunden sind. Im Zuge eines Börsenganges und einer hiermit verbundenen größeren Öffentlichkeit des Unternehmens bzw. eines erweiterten Stakeholderkreises erlangen neue Werteanforderungen und Wertetreiber im Unternehmen eine erhöhte Bedeutung. Denn gerade ein Börsengang führt zu neuen Werten im Unternehmen.189 Abbildung 6 verdeutlicht diesen Zusammenhang. t
Endogene Werttreiber Bspw. Unternehmensgründung
Kunden
Kunden
Kapitalgeber
Werte der Shareholder
Lieferanten
Kapitalgeber
Werte des Unternehmens
Mitarbeiter
Lieferanten
Werte des Unternehmers
Mitarbeiter
Lieferanten
Kunden
Mitarbeiter
Kapitalgeber
Exogene Werttreiber Bspw. Unternehmenswachstum
Bspw. Börsengang
Abbildung 6: Wertewandel im Unternehmen190
Allerdings erscheint die mögliche Annahme, die Anpassung von Organisationen im Zuge eines Wertewandels erfolge in einem stets dynamischen und sich selbst ständig hinterfragenden Prozess, an der Wirklichkeit in Unternehmen vorbeizugehen. Vielmehr sind Tendenzen erkennbar, einmal gewählte Organisationsstrukturen relativ lange festzuhalten, so dass diese häufig vielmehr die Werte von gestern als die aktuellen Werte wieder spiegeln. Dies zeige sich u. a. an der Aufwendigkeit von Reorganisationsprozessen, so auch Silberer (1991).191 Nach Rosenstiel (1986) sind Organisationen in der Wirtschaft Ausdruck der Werthaltungen derer, die sie prägten. Dabei sind einmal erreichte Prägungen
189 190 191
In Anlehnung an Wieselhuber (2000), S. 61. In Erweiterung von Wieselhuber (2000), S. 61. Vgl. Silberer (1991), S. 216.
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erstaunlich stabil, was sich an Verhaltensergebnissen erkennen lässt, die oft Ausdruck von in der Vergangenheit erwünschten Werthaltungen sind.192 In diesem Kontext wird die besondere Prägung, die von den Werthaltungen früher Organisationsmitglieder und insbesondere des Gründers, auf die Organisation eines Unternehmens ausgeht, deutlich. 2.1.2.3
Normen
Der Begriff der Norm besitzt eine mehrdeutige Ausprägung. Zum einen können Normen aus der Erfahrung deduzierte (Durchschnitts-)Qualitäten sein, die bisweilen auch willkürlich per Verordnung und Bestimmung festgelegt werden, wie bspw. DIN-Normen oder ISO-Normen. Zum anderen beschreibt der Begriff der Normen kontrafaktische Regeln und Maßstäbe. Diese letzte Auffassung ist im Sinne des philosophischen Begriffes von Normen als verbindliche Sollensforderungen zu sehen.193 Der Begriff Norm ist abgeleitet aus dem lateinischen Begriff norma, was so viel wie Maß bedeutet. Dabei ist eine Norm ein Maßstab, ein Prinzip bzw. eine Richtschnur, welcher Einstellungen und Verhalten von Menschen regelt.194 Normen und Werte werden oftmals begrifflich synonym verwendet, stellen doch Normen quasi normierte Wertvorstellungen dar.195 Das Handeln von Personen wird bestimmt und reguliert durch Normen. Insofern ist unter einer Norm eine mehr oder weniger stark generalisierte Handlungsanweisung oder auch Vorschrift zu verstehen. Gleichzeitig sind Normen somit Gründe für Urteile, die über eigene oder fremde Handlungen gefällt werden. Die Voraussetzungen, unter denen eine Norm Gültigkeit hat, sind wiederum tief in den lebensweltlichen, kulturellen Hintergründen ihrer Entstehung verwurzelt.196 Normen sind somit imperative Soll-Aussagen von Verhaltensforderungen an Menschen, die im Kern durch Werturteile gekennzeichnet sind. Das Ziel von Normen ist die Generierung einer intendierten Orientierungshaltung an den Menschen, mit der Forderung sich an die aufgestellten Normen zu halten. Dies setzt allerdings eine prinzipielle Handlungsfreiheit des Menschen voraus, denn empirisch-deterministische Gesetzmäßigkeiten behindern die freie Wahl von Handlungen.197 Innerhalb von Gesellschaften werden Verhaltensweisen, die für das Leben bzw. Überleben der Gesellschaft von Bedeutung sind, von den Mitgliedern der Gesellschaft verbindlich in Form einer Normierung eingefordert. Eine Einhaltung der Norm wird dabei, bspw. in Form von Gesetzen, angestrebt. Abweichungen werden sanktioniert.198 Eine Sanktionierung kann dabei formell, in Form der Durchsetzung von Strafen nach Gesetzen oder informell, bspw. durch soziale Abgrenzung oder Prestigeverlust, erfolgen. Eine Befolgung von Normen muss nicht aus logischen Gründen oder aber aufgrund empirischer Gesetzmäßigkeiten erfolgen. Nichts desto trotz sind einige Normen in unterschiedlichen Gesellschaftssystemen von hoher Relevanz bzw. Akzeptanz.199 Ethische Normen geben die Richtung für ein sittlich hochstehendes Leben vor. Dabei sind ethische 192 193 194 195
196 197
198 199
Vgl. Rosenstiel (1986), 253. Vgl. Schweppenhäuser (2003), S. 13; Mieth (2004), S. 126-127. Vgl. Berkel/Herzog (1997), S. 46. Vgl. Wright (1994a), S. 10. In diesem Kontext weist Mieth (2004), S. 126 darauf hin, dass der Begriff der Norm auch erst im Verlauf des 19. Jahrhunderts im Themenkomplex der Ethik mit dem Wort der Moral in Verbindung gesetzt wurde. Vgl. Ott (2002), S. 458. Vgl. Küpper (1999), S. 57-58; Schlicht (2005), S. 340. Siehe zur kritischen Diskussion des Freiheitsbegriffes, speziell vor dem Hintergrund der Neurowissenschaften, die Ausführungen von Schlicht (2005). Vgl. Berkel/Herzog (1997), S. 46. Vgl. Küpper (1988), S. 325.
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Normen verbindlich. Diese Verbindlichkeit ist dabei allerdings nicht rechtlich verbindend, vielmehr sind ethische Normen oftmals mit der Einhaltung per Gewissen verbunden.200 Weitgehend akzeptierte ethische Normen sind bspw. die Menschenwürde, körperliche Unversehrtheit, Freiheit oder Gewissensfreiheit.201 Umgekehrt stellen jedoch existierende oder gar akzeptierte Normen noch nicht direkt ethisch gerechtfertigte Normen dar.202 Sitten, Bräuche und Trends sind soziale Normen, die keinen Gesetzescharakter besitzen.203 Normen entstehen oftmals aus Erfahrungen heraus.204 Die Zweckmäßigkeit von Normen wird gleichermaßen oftmals aus praktischen menschlichen Erfahrungen ersichtlich.205 Normsätze sind Aussagen, die behaupten, dass bestimmte Handlungen geboten, verboten oder erlaubt sind, wie bspw. „Man darf nicht lügen“ oder „Niemand darf einen anderen töten, es sei denn in Notwehr“. Als Behauptungen sind Normsätze wahr oder falsch. In diesem Kontext sind Normsätze von Imperativen zu unterscheiden, die eine sprachliche Form eines Gebotes, Verbotes, Erlaubnis oder Aufforderung, wie bspw. „Lüge nicht“, darstellen. Imperative sind als Handlungen weder wahr noch falsch, denn es sind lediglich Handlungsaufforderungen, die sich in sprachlichen Äußerungen vollziehen.206 Eine weiterführende Differenzierung kann nach institutionalisierten (sanktionierten) Normen (Normierung des Verhaltens durch Sanktionen) und internalisierte Normen, als Teil der Persönlichkeit im Sinne einer Normkonformität als ein eigenständiges Motiv des Handelns, erfolgen. Internalisierte Normen sind ein Teil der Werte eines Menschen, die das Handeln leiten. In der Soziologie ist allerdings eine Unterscheidung von Werten und Normen strittig.207 Aus Normen folgen meist andere Normen, die zu Normensystemen zusammengefasst werden können. Beispiele für Normensysteme sind Gesetzeswerke zur Regelung eines Bereiches des sozialen Lebens, ethische Kodizes, welche Forderungen für das sittliche Verhalten definieren oder Spielregeln, die das Verhalten der Spieler regulieren. Normensysteme definieren ein richtiges, normgerechtes Verhalten in einem Bereich durch die Aufstellung von Forderungen oder Verhaltensrichtlinien.208 Werte und Normen beeinflussen über Einstellungen und Ziele das Handeln von Individuen. Somit ist eine Analyse und Diskussion von Normen notwendig, wenn, bspw. im Kontext einer Unternehmensethik, eine Auseinandersetzung mit Verantwortungsproblemen erfolgen soll. Verantwortung erfordert letztlich eine Beurteilung von Handlungen und deren Folgen anhand von Normen bzw. Werten.209 Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass jedoch unterschiedliche Kulturen bzw. Kulturkreise unterschiedliche (ethische) Normen ausprägen können und sich Gemeinsamkeiten oftmals lediglich auf grundlegende Vorstellungen, wie bspw. die Menschenrechte, beziehen. Selbst in Ländern wie 200 201
202 203 204 205 206 207 208 209
Vgl. Berkel/Herzog (1997), S. 46-47. Vgl. Küpper (1988), S. 325; Fürst/Wieland (2004a), S. 392. Mieth (2004), S. 130 sieht dabei die Menschenwürde als oberste Norm bzw. oberstes normatives Prinzip an. Vgl. Enderle (1987), S. 436. Vgl. Berkel/Herzog (1997), S. 46. Vgl. Böckle (1985), S. 62-65; Schwemmer (1985), S. 41. Vgl. Schwemmer (1985), S. 44. Vgl. Kutschera (1973), S. 11-12. Vgl. Gäfgen (1988), S. 88-89. Vgl. Kutschera (1973), S. 28-29. Vgl. Küpper (1988), S. 325 und 328; Schlicht (2005), S. 362.
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Deutschland und den USA, die sich (vermeintlich) kulturell und ethisch nahe stehen, ist die Universalität ethischer Normen begrenzt. Dies zeigt sich an dem Beispiel der von WalMart geplanten Übertragung und Einführung eines in den USA formulierten, angewendeten und akzeptieren Ethikkodex210 in deutschen WalMart Filialen. Denn der Kodex wurden durch die Mitarbeiter in Deutschland nicht akzeptiert und als zu weitreichend angesehen, so dass durch die Gewerkschaft Ver.di Klage erhoben und die Anwendung des Kodex zunächst unter Berufung auf das Mitbestimmungsrecht durch das Wuppertaler Arbeitsgericht gestoppt wurde. Eine unangepasste Anwendung bzw. ein Transfer von Normen zwischen zwei Ländern ist zu vermeiden.211 Abbildung 7 stellt den zuvor erörterten Zusammenhang grafisch dar.212
Normen Institutionalisierte Normen
Internalisierte Normen
Gesetze, Kodizes Spielregeln (Normensysteme)
Einstellungen/ Ziele
Handlungen
Werte
Abbildung 7: Zusammenhang von Normen, Einstellungen und Handlungen
2.1.2.4
Einstellungen, Intentionen und Handlungen
Auf den besonderen Zusammenhang zwischen Werten, Einstellungen und schließlich Handlungen wurde bereits in Kapitel 2.1.2.1 eingegangen.213 Basierend auf Rokeach (1968) lassen sich folgende Aussagen zu Einstellungen treffen: Einstellungen sind bewertete Überzeugungen. Diese beziehen sich auf spezifische Objekte bzw. Situationen und haben somit immer einen konkreten Gegenstand der Betrachtung. Wertorientierungen sind Überzeugungen, die Handlungen bzw. Urteile über spezifische Objekte oder Situationen hinaus beeinflussen. Dabei sind diese auch losgelöst von unmittelbaren Zielen. Werte sind Einstellungen übergeordnet. Gleichermaßen sind Werte breiter und tiefer angelegt als Einstellungen.214 Somit können Werte als Basis bzw. Fundament für Einstellungen gesehen werden. Dabei wird verdeutlicht, dass ein Individuum keine Einstellungen erzeugt, die dessen Werteorientierungen widersprechen.215 Eine weitere Konkretisierung zu den Begrifflichkeiten Werte und Einstellungen findet sich bspw. bei Silberer (1983). Nach Silberer sind Einstellungen spezifizierte Werthaltungen, die anders als Werte einen konkreten Objekt- bzw. Situationsbezug aufweisen.216
210 211 212 213 214 215 216
Siehe zur Definition und Erörterung von Ethikkodizes Kapitel 2.4.3.7.1. Vgl. Backes/Backes (2005), S. 6; Lochmann (2005), S. 112. Ähnlich Leisinger (1997), S. 57-58. Eigene Darstellung. Zur weitergehenden Erörterung des Zusammenhangs siehe auch Kapitel 2.1.2.4. Siehe ausführlich auch Klages (1992); Maag (1989) oder Roe/Ester (1999). Vgl. Rokeach (1968), S. 109-132. Vgl. Rokeach (1980), S. 261-304. Vgl. Silberer (1983), S. 541-542.
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Definitionen des Begriffes Handlung sind häufig unmittelbar an den Wertebegriff geknüpft oder umgekehrt. Dieser wurde bereits ausführlich im vorangegangenen Kapitel 2.1.2.3 diskutiert. Zusammengefasst lassen sich Werte als bewusste oder unbewusste Orientierungsdirektiven für das menschliche Handeln bestimmen. Der Mensch zeichnet sich durch einen subjektiven Bezug zu Werten aus, welche die Gestaltung seiner selbst oder seiner Umwelt bestimmen.217 Bei Allport (1961) beinhaltet die Definition von Werten ebenfalls einen Handlungsaspekt: „A value is a belief upon which a man acts by preference.“218 Nach Friedrichs (1968) sind Werte bewusste oder unbewusste Vorstellungen des Gewünschten, die sich in Präferenzen bei der Wahl zwischen Handlungsregulativen niederschlagen.219 Umgekehrt sind aber auch menschliche Handlungen zumeist Gegenstände der Normierung und Bewertung.220 Charakteristisch für Handlungen ist ein bewusstes Vorhaben Dinge zu verwirklichen. Insofern sind die Handlungen eines Akteurs stets mit Absichten verknüpft. Dieser Definition folgten laut Hesse (2002) bereits die einschlägigen Vertreter der Philosophiegeschichte, wie Aristoteles, Kant oder auch Hegel.221 Auch bei Max Weber richtet sich Handeln auf die Sinnhaftigkeit menschlichen Tuns, also seine Intentionalität und Reflexivität. Im Gegensatz dazu steht menschliches Verhalten, welches äußeres oder innerliches Tun, Dulden und Unterlassen ohne Unterschied beinhaltet.222 Handeln ist insofern eine zielgerichtete Tätigkeit. Dabei kann einerseits der Begriff des Handelns als intentionaler Akt aufgefasst werden. Andererseits ist eine Handlung gleichsam Interaktion.223 Deutlich wird aber auch, dass die Wahl einer bestimmten Handlung abhängig ist vom situativen Kontext, in dem sich der Handelnde befindet. Freiwilligkeit sowie die rationale Abwägung verschiedener Handlungsmöglichkeiten sind an konkrete Situationen gebunden. Diese Beschreibung findet sich bereits in der aristotelischen Untersuchung der gemischten Handlungen. So würde beispielsweise ein Kapitän, der in einem Orkan seine Ladung über Bord gehen ließe um die Mannschaft zu retten, diese Entscheidung unter gewöhnlichen Umständen nicht fassen.224 So sind für die Beurteilung einer Handlung als moralisch richtig oder falsch auch Kenntnisse über die Situation erforderlich. Eine Involvierung in eine bestimmte Situation ermöglicht in vielen Fällen eine umfassendere Beurteilung der Wirkung, bei der Kenntnis der unmittelbaren Folgen einer Handlung. Darüber hinaus ist die Bewertung einer Handlung abhängig von unterschiedlichen konzeptionellen Grundansichten. Somit kann nicht immer eindeutig bestimmt werden, was in einer konkreten Situation als das Richtige angesehen werden kann. Weitere Problembereiche ergeben sich, wenn einerseits die moralischen Maßstäbe einer Gesellschaft nicht eindeutig bestimmbar sind, und andererseits kein Konsens in Philosophie oder Wissenschaft besteht, welches 217 218 219 220 221 222
223 224
Vgl. Krijnen (2002), S. 528; Cohrs et al. (2002), S. 27. Vgl. Allport (1961), S. 454. Vgl. Friedrichs (1968), S. 113. Vgl. Wright (1994a), S. 13. Vgl. Hesse (2002), S. 390. Vgl. Müller (2007), S. 112. Siehe grundlegend Weber (2002). Weber unterscheidet weiterhin ein soziales Handeln sowie soziale Beziehungen. Soziales Handeln beinhaltet, aufbauend auf dem Handeln, zusätzlich einen sinnhaften Bezug zu Anderen. Hierbei kann es sich um anwesend einzeln Handelnde, wie im Rahmen konkreter sozialer Interaktion, oder aber abwesende vorgestellte Andere, wie bspw. Gott oder ferne Idole, handeln. Der Begriff der sozialen Beziehung beinhaltet die Wechselseitigkeit des Sinnbezuges zwischen mindestens zwei Handelnden. Siehe hierzu Müller (2007), S. 112-113. Vgl. Gerlach (2002), S. 35. Vgl. Aristoteles (1972), Hesse (2002), S. 392.
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ethische Prinzip als das Richtige angesehen werden kann. In diesem Zusammenhang ergeben sich Interpretationsspielräume, die allerdings nicht als völlig losgelöst von allen Normen und Werten im Sinne eines „anything goes“ zu sehen sind. Denn die Bewertung einer Handlung als moralisch oder unmoralisch ist durch den Bewertenden argumentativ zu begründen. Bei schwachen Argumenten kann auch der moralische Standpunkt angezweifelt werden. Trotz dieses Interpretationsspielraumes kann ein ethischer Maßstab formuliert werden. Im Vorfeld kann zwar eine ethisch richtige Handlung im Einzelfall nicht bestimmt werden. Allerdings kann bekannt werden, dass diese nicht gegen ihre eigenen Ermöglichungsbedingungen verstoßen darf. Denn die Ethik setzt voraus, dass ein ethisch Handelnder autonom, freiwillig und nicht unter Zwang gehandelt hat. Ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, so könnte eine Handlung nicht moralisch bewertet werden. Handlungen, die den freien Willen missachten und Individuen gegen deren Willen zu etwas zwingen, was diese aus freiem Entschluss nicht wollen würden, kann als unethisch angesehen werden. Weiterhin erscheint es problematisch, wenn die Bedingungen des ethischen Reflektierens in Bezug auf das Richtig und Falsche nicht ermöglicht werden. Aufgrund der Begebenheit, dass es keinen allgemeinen anerkannten ethischen Standard gibt, ist der Grundsatz der Toleranz und Gleichberechtigung anzunehmen.225 Eine Handlung zu verantworten ist mit der Beantwortung der Frage nach dem Grund der Handlung verbunden. Dabei ist die Voraussetzung, dass beim Handelnden die Kenntnis der Auswirkungen seines Handelns, als auch die Macht sowie eine Verfügung über die Handlungsmittel, und somit ein Gestaltungsspielraum bzw. eine -kompetenz, vorhanden sein muss.226 Handlungen lassen sich hinsichtlich verschiedener Typen klassifizieren. Kant unterscheidet drei Grundformen menschlichen Handelns, das technische, pragmatische sowie moralische Handeln. Das technische Handeln bezieht sich nach Kant stets auf Objekte, Maschinen, Sachen bzw. Materie im Allgemein. Es erfordert nach Kant Geschicklichkeit. Das pragmatische Handeln betrifft nach Kant immer die Menschen und das Zusammenwirken zwischen ihnen. Dabei bedarf das pragmatische Handeln der Klugheit. Das moralische Handeln bezieht sich nach Kant auf die sittlichen Normen bzw. auf die ethischen Werte. Ein moralisches Handeln erfordert Weisheit. Das technische Handeln wird der Wissenschaft, das pragmatische und moralische Handeln der Philosophie zugeordnet. Aus der Gesamtheit des technischen Handelns ergibt sich bei Kant die Kultur. Das Ergebnis der Gesamtheit des pragmatischen Handelns ist die Zivilisation und das Ergebnis der Gesamtheit des moralischen Handelns ist die Moralität.227 Tabelle 2 gibt einen zusammenfassenden Überblick des Begriffssystems der Kantischen Dreiteilung menschlichen Handelns.228
225 226 227 228
Vgl. König (2002), S. 101-102. Ähnlich auch Schlicht (2005), S. 339-340. Vgl. Hubig (1993), S. 43. Vgl. Hinske (1980), S. 103-132; Müller-Merbach (1988), S. 306-309. In Anlehnung an Müller-Merbach (1988), S. 309.
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Grundformen des Handelns
Qualifikation
Domäne
Ergebnis
Technisch
Geschicklichkeit
Wissenschaften
Kultur
Pragmatisch
Klugheit
Zivilisation
Moralisch
Weisheit
Angewandte Philosophie
Moralität
Tabelle 2: Begriffssystem der Kantischen Dreiteilung menschlichen Handelns
Eine andere Klassifizierung des (sozialen) Handelns hat Max Weber vorgenommen. Die Typologie Webers geht von den jeweiligen Motiven aus. Hierbei wird versucht vier Handlungstypen nach Art und Ausmaß rationaler Kontrolle zu klassifizieren. Hierbei handelt es sich um zweckrationales Handeln, wertrationales Handeln, affektuelles Handeln und traditionales Handeln.229 Zweckrationales Handeln beruht auf der Anwendbarkeit von Mitteln zur Erreichung von Zielen bzw. Zwecken. Dieser Idealtypus beinhaltet eine vollständige Kontrolle über die Mittel, den Zweck230, den Wert und die Folge des Handelns. Für Weber ist dieser Idealtypus der Maßstab für die Rationalität menschlichen Tuns. Wertrationales Handeln geht von einem eigenen Wert der Handlung an sich bzw. als solchem aus, die um ihrer selbst Willen getan wird (moralische Verpflichtung). Hierbei sind auch noch Mittel, Zweck und Wert kontrolliert. Die Folgen und Nebenfolgen werden nicht beachtet. Affektuelles Handeln basiert demgegenüber auf keiner rationalen Entscheidung (emotional). Es werden lediglich Mittel und Zwecke kontrolliert, während Wert und Folgen außen vorgelassen werden. Traditionales Handeln basiert auf Traditionen, Gewohnheiten bzw. Vorschriften. Dieses kontrolliert lediglich die Mittel. Alles andere ist nicht unter seiner Kontrolle.231 Das soziale Handeln orientiert sich ausdrücklich an dem Verhalten anderer. Ein sozialer Wert, der zur Beurteilung von Handlungen verwendet wird, ist die Gerechtigkeit.232 Tabelle 3 verdeutlicht den zuvor dargestellten Sachverhalt.233 Gegenstand rationaler Kontrolle Handlungstyp
Mittel
Zweck
Wert
Folge
zweckrational
+
+
+
+
wertrational
+
+
+
-
affektuell
+
+
-
-
traditional
+
-
-
-
Tabelle 3: Handlungstypologie
229 230 231 232 233
Vgl. Müller (2007), S. 113. Nach Weber ist der Zweck die Vorstellung eines Erfolges, welche die Ursache einer Handlung wird. Vgl. Ritsert (1988), S. 108-109; Müller (2007), S. 113-114. Siehe grundlegend Weber (2002). Vgl. Witte/Doll (1995), S. 100. In Anlehnung an Schluchter (1979), S. 192.
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Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
Theorie des überlegten Handelns (Theory of Reasoned Action) Die Theorie des überlegten Handelns basiert auf der grundlegenden Arbeit von Fishbein/Ajzen (1975) und Ajzen/Fishbein (1980).234 Bohner (2002) sieht die Theorie des überlegten Handelns als die bedeutendste klassische Theorie der Beziehung zwischen Einstellung und Verhalten an. Der Kern der Theorie wird durch die Annahme gebildet, dass die Ursache von Verhalten die (Verhaltens-)Absicht (Intention) ist, d. h. eine bewusste Entscheidung, ein bestimmtes Verhalten (behavior) zu vollziehen. Das Verhalten bzw. die Handlung eines Individuums wird somit über die Intention gesteuert.235 Die Intention ist die zentrale Größe des Modells, da jeder Handlung die Intention eine Handlung durchzuführen vorausgeht. Dabei gilt, ja stärker die Intention einer Person ist, desto mehr wird erwartet, dass die Person versucht die Handlung zu vollziehen. Deshalb ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass die Handlung tatsächlich vollzogen wird.236 Über das Konstrukt der Intention werden alle Einflüsse auf das Verhalten angenommen. Die Haupteinflussfaktoren der (Verhaltens-)Absicht sind einerseits die Einstellung gegenüber dem Verhalten sowie andererseits die subjektive Norm. Die Einstellung gegenüber dem Verhalten (attitude toward the behavior) ist definiert als Summe der Produkte aus Erwartung und Bewertung, wobei jedes einzelne dieser Produkte aus der subjektiven Wahrscheinlichkeit (Erwartung), dass das Verhalten eine bestimme Konsequenz hat, multipliziert mit dem Wert, der dieser Konsequenz zugeordnet wird, gebildet wird. Das Konstrukt der subjektiven Norm (subjective norm) behandelt die subjektiv wahrgenommenen sozialen Konsequenzen des Verhaltens. Der Faktor der subjektiven Norm wird auch als Summe von Produkten definiert. Dabei besteht jedes Produkt aus der Meinung, dass eine für die Person bedeutsame andere Person der Auffassung ist, dass diese das Verhalten ausführen solle, und der Bereitschaft, dem Wunsch dieser anderen Person nachzukommen.237 Abbildung 8 zeigt das Modell der Theorie des überlegten Handelns. Attitude toward the behavior Intention
Behavior
Subjective norm Abbildung 8: Theorie des überlegten Handelns238
Theorie des geplanten Verhaltens (Theory of Planned Behavior) Bei der Theorie des geplanten Verhaltens handelt es sich nach Ajzen (1988, 1991) bzw. Ajzen/Madden (1986) um eine Weiterentwicklung der Theorie des überlegten Handelns.239 Neben den Faktoren der 234 235 236 237 238
Vgl. Ajzen/Madden (1985), S. 453. Vgl. Bohner (2002), S. 308-309. Vgl. Ajzen/Madden (1985), S. 454. Vgl. Bohner (2002), S. 308-309. Vgl. Ajzen/Madden (1985), S. 454.
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
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Einstellung gegenüber dem Verhalten und der subjektiven Norm ist die wahrgenommene Verhaltenskontrolle (perceived behavioral control) als dritter Faktor bzw. Prädiktor der (Verhaltens-)Absicht und des Verhaltens in die Theorie integriert worden.240 Je nach Verhaltensbereich können die drei Einflussfaktoren unterschiedlich bedeutsam sein. Auch in dieser Theorie basiert jeder der drei Prädiktoren auf Meinungen, konkret auf Meinungen über das Verhalten (Einstellungen), Meinungen über Normen und Meinungen über Kontrolle.241 Der Kern der Theorie wird, wie in der Theorie des überlegten Handelns, durch die Intention gebildet. Denn es wird angenommen, dass Intentionen die motivationalen Faktoren erfassen, die das Verhalten beeinflussen. Sie sind Indikatoren dafür, wie stark eine Person gewillt bzw. bemüht ist eine Sache zu versuchen, um eine Handlung zu vollziehen. Eine allgemeine Regel ist, dass je stärker die Absicht eines Engagements für eine Handlung ist, desto wahrscheinlicher sollte die Ausführung sein.242 Die Erweiterung der Theorie basiert auf der Annahme einer Verbesserung der Vorhersagekraft für Verhaltensweisen, über die eine Person keine vollständige Willenskontrolle hat. Hierbei handelt es sich bspw. um komplexe Verhaltensweisen, welche umfangreiche Planungen und geeignete Bedingungen voraussetzen.243 Der Wert der Theorie liegt darin begründet, dass diese, neben einer quantitativen Analyse der Zusammenhänge über die Erfassung der Meinung, ein differenziertes Verständnis des infrage stehenden Handlungsbereiches ermöglicht. Hierdurch können gezielte Interventionen nahe gelegt werden. Bierhoff (2000) bezeichnet die Theorie des geplanten Verhaltens daher als die wichtigste Einstellungstheorie der Gegenwart.244 Abbildung 9 zeigt das Modell der Theorie des geplanten Verhaltens. Aus Gründen einer Erleichterung der Darstellung sind mögliche Feed-back-Effekte des Verhaltens der vorangehenden Variablen nicht aufgeführt. Attitude toward the behavior
Subjective norm
Intention
Behavior
Perceived behavioral control
Abbildung 9: Theorie des geplanten Verhaltens245
239 240 241 242 243 244 245
Vgl. Ajzen (1991), S. 181. Vgl. Bierhoff (2000), S. 278; Bohner (2002), S. 310. Vgl. Bierhoff (2000), S. 277. Vgl. Ajzen (1991), S. 181. Vgl. Bohner (2002), S. 310. Vgl. Bierhoff (2000), S. 276-278. Vgl. Ajzen/Madden (1986), S. 458; Ajzen (1991), S. 182. Bei Ajzen/Fishbein (1980), S. 8 ist das Modell (sprachlich) anders dargestellt.
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Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
Handeln im unternehmensspefizischen Kontext Ein besonderer Aspekt sind Handlungen im unternehmerischen (bzw. unternehmensethischen) Kontext. Das ökonomische Handeln hat, ähnlich wie in anderen spezialisierten Berufen einer arbeitsteiligen Welt, historisch bedingt einen Ethos entwickelt.246 Dieser ist zu einem großen Teil unabhängig von den Unterschieden konkurrierender Weltanschauungen.247 Unternehmerische Entscheidungen sind häufig Entscheidungen für ein bestimmtes Handeln unter Unsicherheit aufgrund mangelnder Informationen.248 Gleichermaßen ist zu Fragen, wer handelt: Individuen oder Organisationen? Maring (2005) schlägt eine Differenzierung in individuelles Handeln und, wenn mehrere Personen handeln, kollektives Handeln i. w. S. vor. Tabelle 4 zeigt die Differenzierung der beiden Begriffe:249 Individuelles Handeln
Kollektives Handeln i. w. S.
Handlungen einer Person
Handlungen mehrerer Personen
Individuelle Handlung, in eigenem Namen und auf eigene Verantwortung Handlungen nicht als Stellvertreter oder im Auftrag Relativ isoliert
primäres Handeln
Kollektives Handeln i. e. S. (weitgehend) unkoordiniertes Handeln Handeln vieler unter strategischen, konkurrierenden Bedingungen oder unabhängig voneinander Koordiniertes, kooperatives, sozial normiertes Handeln Massenhandeln Sonderfall: Handlungskoordination über Märkte
Organisationales bzw. institutionales Handeln koordiniertes Handeln zielorientiert arbeitsteilige Organisation i. d. R. hierarchisch, koordiniert, formale Entscheidungsprozesse, Entscheidungsstrukturen etc. Handlungszurechnung zur Organisation bzw. Institution sekundäres Handeln bzw. nicht reduzierbares organisationales bzw. institutionales Handeln
Tabelle 4: Individuelles und kollektives Handeln
Wie aus der zuvor dargestellten Tabelle ersichtlich, unterscheidet Maring zwei Fälle kollektiven Handelns, das kollektive Handeln i. e. S. und das organisationale bzw. institutionale Handeln.250 Im Kontext einer moralisch-ethischen Betrachtung ist das organisationale bzw. institutionale Handeln, welches als Handeln der Organisation aufgefasst werden kann, von besonderer Bedeutung. Der Unterschied zwischen kollektivem Handeln i. e. S. und organisationalem bzw. institutionalem Handeln betrifft Fragen der Herrschaft und der Handlungsfähigkeit. Im Ansatz von Maring sind Organisationen charakterisiert als aufgaben- und zielorientierte, strukturierte, arbeitsteilige soziale Einrichtungen, die spezifische Regeln mit Innen- und Aussendifferenzierug besitzen. Dabei wird mit organisationalem bzw. institutionalem Handeln eine Zielorientierung verbunden, die allerdings nicht mit denen aller einzelnen Mitglieder der Organisation übereinstimmen müssen. Organisationen bzw. Institutionen sind in 246 247 248 249 250
Siehe hierzu auch die Ausführungen der Kapitel 2.4.1.2 und 2.4.1.3. Vgl. Sass (1992), S. 225. Vgl. Bismarck (1999), S. 134. In Anlehnung und Abänderung von Maring (2005), S. 457. An dieser Stelle wird nicht der Bezeichnung Marings gefolgt, der das organisationale bzw. institutionale Handeln als korporatives Handeln bezeichnet. Unternehmen werden und können auch als Institutionen bezeichnet werden. Auch wird die Auffassung von Maring (2005), S. 460, Institutionen lediglich als gesellschaftliche (Regelungs-)Systeme zu betrachten, nicht geteilt.
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
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diesem Kontext Unternehmen, aber auch Behörden, Gewerkschaften und Verbände. Handlungen finden verstärkt auf einer korporativen Ebene statt, da Entscheidungen immer mehr von und in Organisationen getroffen werden. In diesem Kontext wird mit dem Handlungsbegriff auch (oftmals) der Verantwortungsbegriff verbunden. Wesentliche Unterschiede hinsichtlich des Handelns und einer hiermit verbundenen Verantwortung von Organisationen und Individuen sind bspw. eine zumeist größere Reichweite der Folgen des Handelns von Organisationen oder eine erhöhte (ökonomische) Macht. In diesem Kontext geht Maring von einer geringeren Abschreckungswirkung organisationalen Handeln aus, da oftmals keine unmittelbare Rückmeldung sowie Zurechnung der Handlungsfolgen in Organisationen vorgenommen werden kann.251 2.1.2.5
Werte, Wertfreiheit und Werturteilsstreit
Die wissenschaftliche Erkenntnis beruht teilweise auf Werturteilen. Aus diesem Grunde erscheint es schwierig, eine strikte Trennung von Sachaussagen und Werturteilen zu verlangen. Vor diesem Hintergrund ergab sich, maßgeblich aus den Arbeiten von Max Weber, ein Werturteilsstreit in den Sozialwissenschaften.252 Denn vor allem seit Max Weber (1864-1920) existiert in den Gesellschaftswissenschaften, hier im Besonderen in den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, ein Streit um die Werturteilsfrage. Dabei entwickelte sich ein Diskurs mit einer Vielzahl unterschiedlicher Argumentationen. Die grundlegende Argumentation war jedoch, dass wissenschaftliche Aussagen nicht durch Wertbekenntnisse verfälscht werden sollten. Als Entgegnung wird vorgebracht, dass verantwortliches Handeln ohne eine tiefere Befassung mit Ethik nicht erzielbar sei.253 Die Argumentation basiert auf dem methodischen Prinzip der Wertfreiheit, welches von Weber in einer Analyse der Möglichkeiten sozialwissenschaftlicher Forschung formuliert wurde. Nach diesem Prinzip kann eine Realwissenschaft über Handlungsmöglichkeiten informieren, allerdings kann sie keine Anweisungen zu Stellungnahmen oder aber Handlungen produzieren. Aus diesem Grunde können keine normativen Aussagen formuliert werden. Eine logische Analyse von normativen Aussagen wurde durch Max Weber nicht geleistet. Um eine solche Analyse durchzuführen, muss auf die moderne moralphilosophische Diskussion zurückgegriffen werden. Durch sie sind extreme Deutungsversuche in diesem Kontext als unhaltbar herausgearbeitet worden.254 Waibl (2005) merkt in diesem Kontext an, dass das Postulat der Werturteilsfreiheit selbst eine Wertforderung darstellt. Gleichermaßen beruht auch eine Zielauswahl der Wissenschaft, bspw. im Sinne einer Forschung im Dienste der Medizin oder Wirtschaftswissenschaft, auf Wertvorentscheidungen.255 Als gänzlich wertfrei können Wissenschaften nicht beschrieben werden. Prinzipiell ist alle (sozial-)wissenschaftliche Erkenntnis bezugs- und wertideenabhängig. Ein zentraler Wert der Wissenschaften ist die Wahrheit. Eine originäre Wertidee der Wissenschaft bildet somit der Glaube an den Wert der Wahrheit.256 Müller (2007) weist zum besseren Verständnis der Forderungen Webers auf eine Unterscheidung hin, die sich nach dem Tode Webers in der Wissenschaftstheorie etabliert hat. Hierbei handelt es sich um 251 252 253 254 255 256
Vgl. Maring (2005), S. 456-460. Vgl. Albert (1992), S. 82. Vgl. Müller-Merbach (1988), S. 311. Vgl. Albert (1992), S. 82-84. Vgl. Waibl (2005), S. 27. Vgl. Müller (2007), S. 69-71.
44
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
die Trennung dreier Bereiche: des Entdeckungs-, Begründungs- und Verwendungs- bzw. Verwertungszusammenhangs. Im Rahmen des Entdeckungszusammenhangs ist das Konzept der Kulturwertideen von Bedeutung. Hierbei werden Perspektiven, Probleme und Fragen für die Wissenschaften durch Wertideen und Wertbeziehungen angeregt. Themen und Themenstellungen sind dabei kultureller und gesellschaftlicher Natur und werden an die Wissenschaftler von außen herangetragen. Diese müssen die Problemstellungen dann wissenschaftlich transformieren und bearbeiten. Der Begründungszusammenhang beinhaltet die Begriffs- und Theoriebildung, die Methodenauswahl sowie die empirische Analyse. Dies ist der Kern (geistes-)wissenschaftlicher Arbeit. Das Postulat der Werturteilsfreiheit von Weber bezieht sich dabei (vornehmlich) auf den Begründungszusammenhang. In diesem sollte eine Ausblendung politischer, ideologischer und normativer Werturteile im Alltag der Wissenschaft vorgenommen werden. Das Ziel ist die Ermöglichung einer unabhängigen, professionellen und rein wissenschaftlichen Analyse im Dienste der Wahrheit bzw. der Wahrheitsfindung. In dem Maße, in dem durch die Wahrheit als regulative Idee eine Inspiration des Systems der Wissenschaft vorgenommen wird, kann die Forschung internen Standards wie der Objektivität, der Reliabilität und der Validität genügen. Im Kontext des Verwendungs- bzw. Verwertungszusammenhangs steht die Frage, in welcher Form, durch wen und mit welcher Absicht wissenschaftliche Erkenntnisse in (politische) Instrumente bzw. Maßnahmen und die Realität bzw. Praxis umgesetzt werden sollten. Hier befindet sich die Schnittstelle von Wissenschaft, Wirtschaft und Politik, von Wahrheit und Ideologie sowie von Theorie und Praxis. Für Weber bedeutet Werturteilsfreiheit in diesem Bereich, dass Wissenschaftler keine direkten (politischen) Forderungen bzw. Instrumente aus ihren eigenen Forschungen und Ergebnissen ableiten sollten. Dies sollte der politischen und gesellschaftlichen Öffentlichkeit überlassen bleiben. Wird dies doch durch die Wissenschaftler vollzogen, dann sollte dies nicht mit dem Anspruch des Wissenschaftlers, sondern in ihrer Form bzw. Eigenschaft des engagierten Staatsbürgers vollzogen werden.257 Abbildung 10 verdeutlich den zuvor dargestellten Sachverhalt.258
257
258
Vgl. Müller (2007), S. 70-71. Weiterführend auch Müller (2007), S. 189-201. Eine ähnliche Auffassung zum Verwendungszusammenhang ist auch bei Rothschild (1987), S. 18 zu finden. In Anlehnung an die Darstellung bei Müller (2007), S. 72.
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Entstehungszusammenhang „Kulturproblem“
„Wertbeziehung“
„Wertideen“
Art der Forschung: Themen Probleme Begründungszusammenhang wissenschaftliche Argumentation
„Werturteilsfreiheit“ Objektivität Reliabilität Validität
Intellektuelle Redlichkeit sine ira et studio Nüchternheit Sachlichkeit Distanz
Verwertungszusammenhang Verwendung wissenschaftlicher Resultate
„wertgeladene“ öffentliche und politische Diskussion
politisches Programm
„Werturteil“ der Wissenschaft: Glaube an den Wert der Wahrheit
sozialer und kultureller Wandel Änderung von: Verfassung Gesetzen Institutionen Verfahren
Abbildung 10: Prinzip der Wertfreiheit
Auch in Betriebswirtschaftlehre besteht die Frage, ob die Betriebswirtschaftlehre als Wissenschaft Werturteile abgeben oder dies unterlassen sollte. Dabei ist anzumerken, dass bisher keine einheitliche Auffassung zu dieser Fragestellung besteht.259 Um den Werturteilsstreit für die Betriebswirtschaftslehre zu vermeiden, schlägt Müller-Merbach (1988) vor, diese in Anlehnung an die drei Grundformen menschlichen Handelns, des technischen, pragmatischen und moralischen Handelns nach Kant, zu differenzieren.260 Als Ebenen wissenschaftlicher Erkenntnis der Betriebswirtschaftslehre differenziert MüllerMerbach das Wissen um die Sachzusammenhänge (technisch), das Verstehen von Menschen (pragmatisch) sowie das Bewusstsein für Normen (moralisch). In diesem Kontext wird für die Führungsqualifikation Fachwissen (technisch, geschickt), Führungsfähigkeit (pragmatisch, klug) und Verantwortungsbewusstsein (moralisch, weise) benötigt. Diese Anforderungen fallen bei einer Führungskraft bzw. einem Unternehmer in einer untrennbaren Einheit zusammen. Gleichwohl können diese Ebenen in Forschung und Lehre auch getrennt betrachtet werden. Daher sei die Betriebswirtschaftslehre in eine Wissenschaft von der Unternehmung, Führungslehre sowie Ethik ökonomischen Verhaltens differenziert.261
259 260 261
Vgl. Schneider (2001), S. 311; Wöhe (2005), S. 26. Siehe hierzu Kapitel 2.1.2.4. Vgl. Müller-Merbach (1988), S. 309-310.
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Die folgende Tabelle 5 soll den zuvor dargestellten Sachverhalt abschließend verdeutlichen.262 Grundformen de Handelns
Ebene wissenschaftlicher Erkenntnisse
Führungsqualifikation
Betriebswirtschaftliche Teildisziplin
technisch
Wissen um die Sachzusammenhänge
Fachwissen
Wissenschaft von der Unternehmung
pragmatisch
Verstehen von Menschen
Führungsfähigkeit
Führungslehre
moralisch
Bewusstsein für werthafte Normen
Verantwortungsbewusstsein
Ethik ökonomischen Verhaltens
Tabelle 5: Klassifizierung der Betriebswirtschaftslehre nach der Dreiteilung Kants
Die Wissenschaft von der Unternehmung sei werturteilsfrei und somit als eine Wissenschaft im Sinne aller Vertreter der wertfreien Lehre zu verstehen. Hiervon zu trennen ist die Wertlehre, die Ethik ökonomischen Verhaltens. Als verbindendes Element der beiden Ebenen ist die Führungslehre zu sehen. Dabei merkt Müller-Merbach (1988) an, dass die Dreiteilung nicht zwingend, aber nützlich und sinnvoll erscheint. Ein Streitpunkt könnte sich lediglich aus der Frage ergeben, ob die Betriebswirtschaftslehre im Ganzen als Wissenschaft zu sehen ist oder aber nur auf der Ebene der Wissenschaft der Unternehmung. Er merkt jedoch an, dass sich die Frage nach dem Umfang einer Wissenschaft und der Art der Wissenschaftlichkeit auch in anderen Gesellschaftswissenschaften stelle und lediglich von sekundärer Bedeutung sei und von jedem Einzelnen nach seinem individuellen Wissenschaftsverständnis beantwortet werden müsse.263 Das Ziel dieser Ausführungen ist, für die unterschiedlichen Auffassungen in dem Kontext zu sensibilisieren. Gleichermaßen soll gezeigt werden, wie Werturteile in der Betriebswirtschaftslehre in Verbindung mit einer ethischen Argumentation theoretisch begründet und pragmatisch angewendet werden können.
2.1.3
Zum Begriff der Ethik im Allgemeinen
Für das Verständnis der Begrifflichkeit Ethik soll zunächst eine etymologische Erörterung des Wortes Ethik vorgenommen werden, die für spätere Definitionen die Basis eines einheitlichen Grundverständnisses bilden soll. In Kontext des Themenkomplexes Ethik wird in der Literatur zwischen den Begrifflichkeiten Ethik und Moral differenziert. Beide Begrifflichkeiten bezeichnen ähnliche, jedoch nicht immer deckungsgleiche, Ansichten eines Sachverhaltes bzw. Diskussionsobjektes. Durch eine Trennung der beiden Begriffe ist eine Diskussion auf unterschiedlichen Ebenen im Sinne einer feineren Granulierung vor dem Hintergrund unterschiedlicher Reflektionsebenen möglich. In diesem Kontext ist ein weiterer Begriff von Bedeutung, der Begriff der Moralität. Nachfolgend sei daher einerseits auf die Darstellung einer Etymologie der Wörter Ethik und Moral und andererseits auf die Moralität eingegangen. Anzumerken ist, dass die Begrifflichkeiten Ethik und Moral in einer umgangssprachlichen Verwendung in vielen Fällen nicht voneinander getrennt werden und somit eine synonyme Anwendung finden.264 Auch erfolgt keine Ausweisung des Begriffes der Moralität. Unter einer 262 263 264
Vgl. Müller-Merbach (1988), S. 310. Vgl. Müller-Merbach (1988), S. 311-312. So weist auch Leisinger (1997), S. 13 auf eine oftmals synonyme Verwendung hin.
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
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praktischen, alltagssprachlichen Sichtweise ist mitunter eine synonyme Verwendung durchaus möglich, da die Begriffe in vielen Bereichen Gemeinsamkeiten aufweisen und somit (nahezu) deckungsgleich angewendet werden können. In einem wissenschaftlichen Verständnis werden diese Begriffe jedoch aufgrund der bereits angesprochenen Ausgestaltung unterschiedlicher Reflexions- bzw. Begriffscheidungsniveaus voneinander getrennt, um feinere sprachliche und wissenschaftliche Erklärungsansätze zu ermöglichen. Die etymologischen Wurzeln des Begriffes Ethik liegen in dem griechischen Wort Ethos. Das Wort Ethos basiert auf einer dualistischen Ausprägung der Wörter und . Hierbei beschreibt das Wort die Gewohnheiten, die Sitten und Bräuche. Das Wort stellt den Charakter im Sinne einer Grundhaltung der Tugend bzw. des Tugendhaften dar. In diesem Kontext kann Tugend als Fähigkeit eines Menschen zur Durchführung bzw. Ausführung bedeutsamer, qualitativ hochwertiger Handlungen für das Gemeinwesen verstanden werden. Beide Wortausprägungen lassen sich zusammenführend in dem heutigen Begriffsverständnis der Ethik finden.265 Dabei kann der Begriff der Tugend als sittliche Kraft und somit als bestimmte Grundgesinnung aufgefasst werden.266 Tugenden sind Dispositionen bzw. Eigenschaften eines Individuums.267 Weiterhin können Tugenden auch als soziale Kompetenzen verstanden werden, die darauf ausgerichtet sind, die erforderliche Stabilität und Berechenbarkeit menschlichen Verhaltens zu ermöglichen und zu erhalten.268 Der Begriff Ethos hingegen bezeichnet einen Normenkatalog, der im Wesentlichen für eine definierte Gruppe von Individuen oder Institutionen innerhalb einer Gesellschaft Gültigkeit besitzt, wobei die Individuen oder Institutionen sich durch gemeinschaftliche Funktionen und Aufgaben charakterisieren lassen.269 Hier zeigt sich, dass Ethik als wissenschaftliche Reflexion über das Ethos gesehen werden kann.270 Somit ist Ethik die Theorie des Ethos.271 Aus klassifikatorischer Sicht ist Ethik ein Teilbereich der Philosophie. Sie kann in einer ersten Ausprägung definiert werden als Wissenschaft vom moralischen Handeln.272 Dabei ist Ethik eine Wissenschaft, die allgemein eine Beschreibung sowie einen Vergleich und eine Bewertung menschlicher Handlungen vornimmt, bei der das „gute“ Handeln bzw. das „Gute“ des Lebens im Betrachtungsfokus liegt. Somit untersucht die Ethik, ob die Handlungsweisen, die auf Basis von bestehenden Normen vollzogen wurden, auch als „gute“ Handlungen bzw. Taten gewertet werden können. Dabei reflektiert Ethik moralisches Handeln und erörtert Probleme, die mit dem Moralischen in Verbindung stehen. Sie gibt nicht konkrete Handlungsanweisungen, sondern sie rekonstruiert auf formale Weise Bedingungen, die erfüllt sein müssen, so dass eine Handlung, ganz gleich welcher Art, als moralische Handlung bezeichnet werden kann. In der Ethik werden keine letzten und konkreten Einzelziele festgesetzt, die als gut und für jeden erstrebenswert gelten. Sondern durch die Ethik werden Kriterien 265
266 267 268 269 270 271 272
Vgl. Fischer (2003), S. 9-11; Petersen (2005a), S. 132-133. Abweichend von der Schreibweise bei Fischer (2003) wurde für den griechischen Buchstaben Theta das Zeichen in Form einer Minuskel gewählt. Für das im Original ausgewiesene (physikalische) Zeichen Theta lag keine (griechische) Schriftart vor. Vgl. Gerlach (2002), S. 37. Vgl. Schweppenhäuser (2003), S. 15. Vgl. Borchers (2005), S. 504. Vgl. Lay (1989), S. 25. Vgl. Kreikebaum (1996), S. 9; Kleinfeld (2005), S. 42-43. Vgl. Wieland (1999a), S. 33; Schweppenhäuser (2003), S. 16. Vgl. Pieper (2003), S. 17.
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festgelegt, die überprüfen, ob ein Ziel, oder weiter gefasst, welches Ziel an sich als gut bezeichnet werden kann. Somit gibt die Ethik direkt keine Auskunft darüber was als gut bezeichnet werden kann, vielmehr gibt die Ethik Handlungsanweisungen zur Beurteilung des Guten. Ethik ist nicht, wie inkorrekt im Alltag oft angewendet, eine Moral an sich, sondern vielmehr eine kritische Reflexion von Moral, ein Reden über Moral.273 Somit ist die Moral Gegenstand der philosophischen Disziplin der Ethik.274 Ulrich (2004a) sieht die reflexive Orientierungsfunktion für freie und autonome Menschen als aktuelle, praktische Aufgabe der philosophischen Ethik.275 Die Begriffe Moralphilosophie sowie Sittenlehre werden bisweilen auch synonym für den Begriff Ethik verwendet.276 Bei einem Nachdenken über Prinzipien, Begründungen und Anwendungen der Moral in der Ethik, ist Ethik die Philosophie der Moral und somit im weitesten Sinne gleichbedeutend mit Moralphilosophie. Beide Begriffe werden oft synonym verwendet.277 Ethik, verstanden als Reflexion der Moral beinhaltet zwei Dimensionen. Im Kern beschäftigt sich Ethik mit der Frage „Was soll ich bzw. was sollen wir tun?“. Dabei fragt sie nach allgemeinen Bewertungsmaßstäben für Handlungen. Hieraus ergeben sich ethische Prinzipien, wie bspw. der Kategorische Imperativ. Diese ethischen Prinzipien schreiben aber keine bestimmten, ausformulierten Handlungen vor. Vielmehr geben sie allgemeine Vorgaben, da diese allgemein formuliert sind. Denn ethische Prinzipien sind Maßstäbe zur Beurteilung der Realität. Allerdings ist anzumerken, dass die Ethik nicht nur dazu da ist, Beurteilungsmaßstäbe zu formulieren und wissenschaftlich zu begründen. Vielmehr soll das als richtig Erkannte auch in konkrete Maßnahmen umgesetzt werden.278 Ein weiterer Gegenstandsbereich der Ethik ist das Handeln und Unterlassen des Menschen, speziell vor dem Hintergrund von Konfliktfällen. Ethik hat es mit einem Missverhältnis von Faktizität (Ist) und Ideal (Soll) tun. Dieser Tatbestand kann als konstitutiv für den Bereich der Ethik gesehen werden.279 Essentiell für die Ethik ist dabei die Differenzierung von Handlungsbedingungen und Handlungsfreiräumen. Ein Handlungsfreiraum ist dadurch gekennzeichnet, dass mehrere Handlungsvarianten bestehen. Die Sachzwänge determinieren das Handeln dabei nicht vollständig. Es wird nicht allein ein bloßes Reagieren erzwungen. Es bestehen somit Wahlmöglichkeiten und es kann geprüft und darüber nachgedacht werden, nach welchen Kriterien eine Entscheidung getroffen wird, und wie diese ethisch gerechtfertigt werden kann. Handlungsbedingungen können als Grenzen des Handlungsspielraumes gesehen werden. Handlungsbedingungen sind bspw. die Rechtsordnung, wirtschaftliche Rahmenbedingungen, Unternehmenspolitik oder aber persönlichkeitsbedingte innere Grenzen des Individuums. Dabei befasst sich Ethik mit dem wertorientierten Handeln. Somit sind zwei Dimensionen von Bedeutung. Hierbei handelt es sich einerseits um die Werte, andererseits um das Handeln.280 Beide Dimensionen 273
274 275 276 277
278 279 280
Vgl. Werner (1991), S. 129-130; Rusche (1999), S. 30; Pieper (2003), S. 23-24; Waibl (2003), S. 13; Petersen (2005a), S. 133-134. Vgl. Birnbacher (2003), S. 57; Waibl (2005), S. 12. Vgl. Ulrich (2004a), S. 133. Vgl. Homann/Hesse (1988), S. 10; Lorenzen (1991), S. 37. So auch bspw. bei Wetzel (1992), S. 75. Vgl. Schweppenhäuser (2003), S. 15. Siehe auch Definition im Handwörterbuch der Philosophie. Müller-Freienfels (1922). So merken auch Engelhard/Heidemann (2005), S. 3 an, dass die Trennung zwischen Ethik und Moral nicht immer klar vollzogen wird, so dass sich Fragen der Ethik- und Moralbegründung nicht immer eindeutig voneinander trennen lassen. Vgl. König (2002), S. 94-95. Vgl. Dietzfelbinger (2000), S. 87 und 96. Siehe auch Rendtorff (1999), S. 1. Vgl. Enderle (1987), S. 436-438.
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sind essentiell für eine ethische Beurteilung des Handelns. Denn mit einer guten Gesinnung allein erfolgt noch keine gute Tat. Hingegen genügen auch nicht allein die Handlungsfolgen, ohne eine Beachtung der Motivation, für eine ethische Beurteilung des Handelns. Die Handlungsfolgen verweisen auf den Handlungsakteur zurück. Somit kann dieser für seine Handlungen zur Rechenschaft gezogen werden. Seine Einstellungen beeinflussen das zukünftige Handeln.281 Somit plädiert Enderle (1987) für eine gesamtheitliche Betrachtung der zuvor genannten beiden Dimensionen. Dabei wird die Trennung dieser beiden Dimensionen, die bspw. von Max Weber in Gesinnungsethik und Verantwortungsethik vorgenommen wurden, nicht unterstützt bzw. akzeptiert.282 Der Kern einer Vielzahl von Auffassungen und Definitionen ist, dass Ethik eine Reflexionskomponente beinhaltet. Durch die Schriften von Immanuel Kant (Transzendentalismus), Jeremy van Bentham (Utilitarismus) und dem Marquis de Sade (Umkehrphilosophie) wurde erstmals um die Jahre 1780 herum die Ethik als Reflexionstheorie der Moral etabliert. Die Entwicklung und Etablierung dieses Ethikverständnisses kann soziologisch mit Umbrüchen und Revolutionen in der Gesellschaft bzw. Umstellungen der Gesellschaft von schichtspezifischer Differenzierung, im Sinne einer (feudalen) Ständeordnung, zu funktionaler Differenzierung erklärt werden.283 Nach einem heutigen Verständnis kann der Begriff Ethik aufgefasst werden als kritische, oszillierende Reflexion zwischen Theorie und Praxis. Ethik erfährt Einflüsse aus Erfahrungen, Beschreibungen und Wahrnehmungen der faktischen Wirklichkeit. Diese werden einer kritischen Reflexion unterzogen und dann in die Lebenspraxis zurücktransferiert. Beide Ebenen, die praktische und die theoretische Ebene, sind gleichberechtigt zu sehen. Es darf somit kein Primat einer Ebene über der Anderen entstehen.284 Ethik ist kein statisches Theoriegebilde. Vielmehr unterliegt die Ethik gesellschaftlichen und kulturellen Strömungen.285 Dabei wird die Ethik einer ständigen Reflexion an sich unterzogen. Denn Ethik ist vor dem Hintergrund von drei konstitutiven Zeitaspekten zu sehen. Ethik wird durch die Vergangenheit beeinflusst, sie trifft Aussagen von und für die Gegenwart und ist letztlich ausgerichtet auf die Zukunft. Der konstitutive Aspekt zeigt sich, da menschliches Handeln bzw. Nicht-Handeln in spezifischen Situationen auf diesen Zeitaspekten aufbaut.286 Ethik kann zu einer Entwicklung und Förderung moralischer Kompetenz beitragen. Sie ist nicht in der Lage dem Individuum Entscheidungen abzunehmen, wohl aber kann sie als Instrument aufgefasst werden, um zu einer reflextierten eigenverantwortichen Entscheidung zu gelangen.287 2.1.3.1
Zum Verhältnis von Moral, Moralität und Ethik
Das zugrunde gelegte Moralverständnis ist ein essentieller Bestandteil ethischer Diskussionen. Genau genommen ist dabei zwischen Ethik und Moral zu differenzieren, auch wenn diese Differenzierung 281 282
283 284 285 286 287
Vgl. Enderle (1987), S. 436-437. Ähnlich auch Waibl (2005), S. 17. Vgl. Enderle (1987), S. 437. So auch Schulz (1972), S. 710-717. Die Gesinnungsethik orientiert sich an der Reinheit der eigenen Gesinnung und nimmt dabei keine Beachtung der potenziellen Folgen vor. Die Verantwortungsethik hingegen versucht die Auswirkungen bzw. Folgen zu beachten bzw. zu antizipieren und bezieht diese in die Entscheidung bzw. Entscheidungsfindung mit ein. Siehe hierzu Leisinger (1997), S. 156 sowie auch Göbel (2006) S, 16-26. Siehe grundlegend die Ausführungen in bspw. Weber (1988). Vgl. Luhmann (1991), S. 13-15 und S. 20. Vgl. Dietzfelbinger (2000), S. 96. Vgl. Grimm (2002), S. 28. Vgl. Dietzfelbinger (2000), S. 96. Vgl. Waibl (2005), S. 17.
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i. d. R. nicht immer konsequent durchgehalten werden kann.288 Im Gegensatz zur Ethik beschreibt die Moral ein Bündel an Normen und Werten, die den Menschen im Sinne einer Handlungsorientierung durch eine Ausrichtung an diesen dienen soll.289 In der alltäglichen Sprache findet der Begriff der Moral häufig Anwendung. Dabei wird dieser zumeist in einer selbstverständlichen Weise verwendet, ohne dass der Begriff und seine Bedeutung tiefer gehend reflektiert werden. Speamann (1999) beschreibt dies treffend: „Das Moralische versteht sich von selbst, so heißt es. Wenn es so ist, dann ist jedes Wort darüber zuviel. Was sich von selbst versteht kann man nicht durch etwas anderes erklären, was noch besser verständlich wäre [...].“290 Doch der Begriff der Moral, wenngleich er direkt ersichtlich und in seinem semantischen Verständnis trivial bzw. einfach zu sein scheint, erfordert vor dem Hintergrund dieser Ausarbeitung eine grundlegende Erörterung und Definition. Ähnlich zur Definition des Begriffes der Ethik kann eine Erklärung des Begriffes Moral vorgenommen werden. Begriffsentwicklung Bei einer etymologischen Betrachtung leitet sich das deutsche Wort Moral von dem lateinischen Wort moralis ab. Dieses bedeutet so viel wie sittlich bzw. die Sitten betreffend. Dem Begriff moralis, und in Ableitung hiervon somit auch Moral, liegt dabei als Basis wiederum das Wort mos zu Grunde. Mos hat dabei unterschiedliche Bedeutungen. Einerseits bedeutet mos so viel wie, ein starker, zur Regel gewordener Wille auf Basis einer inneren Gesinnung. Im indogermanischen Kontext kann dabei eine Verbindung zu dem Wort Mut gesehen werden. Andererseits kann mos bzw. sein Plural mores als Übersetzung des griechischen Wortes Ethos mit seinen beiden bereits genannten Ausprägungsrichtungen verstanden werden.291 Der Begriff Moral soll etymologisch nach Selbstaussagen auf den römischen Politiker, Anwalt und Philosophen Marcus Tullius Cicero (106 v. Chr. bis 43 v. Chr.) zurückgehen, der als erster eine moraltheologieunabhängige Moralphilosophie entwickelte.292 Dem entgegen stehen jedoch Aussagen in der Rede von Niclas Luhmann anlässlich der Verleihung des Hegel-Preises 1989. Nach dessen Recherchen wird der Beginn einer theologisch unabhängigen Moraltheorie weit später, um das Jahr 1580, datiert. Wobei Luhmann selbst dieses jedoch noch als zu früh bestimmt ansieht.293 Unabhängig davon, wann genau sich der Begriff der Moral etabliert hat, lässt sich feststellen, dass der Begriff Mores in der lateinischen Sprache die Sitten bezeichnet. Im Griechischen werden die Sitten mit Ethos bezeichnet. Wobei somit die enge Verbindung der beiden Begrifflichkeiten ersichtlich wird. Unter Sitten können die in einer Kultur vorausgesetzten geltenden Werte verstanden werden. Dabei wird historisch bedingt in einer traditionellen Gesellschaft unter dem moralisch Richtigen eine Befolgung der geltenden Sitten verstanden.294 Im alltäglichen Sprachgebrauch wird in der heutigen Zeit mit den Begriffen Moral, oder moralisch, kontextabhängig und je nach ideologischer Auffassung oftmals eine positive oder negative Konnotation verbunden. Eine Person als moralisch zu bezeichnen kann positi288 289 290 291 292 293 294
Vgl. Vieth (2006), S. 12. Vgl. Leisinger (1997), S. 13; Bombassaro (2002), S. 15. Spaemann (1999), S. 7. Vgl. Fischer (2003), S. 10. Vgl. Lay (1993), S. 24. Vgl. Luhmann (1991), S. 10-11. Vgl. Zimmerli (2006), S. 14.
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ve Konnotationen assoziieren, in dem Sinne, dass diese wertbezogen ist und nach gesellschaftlich akzeptierten Normen handelt. In bestimmten sozialen und kommunikativen Kontexten kann der Begriff der Moral aber auch negativ besetzt sein und mit Spießbürgerlichkeit oder Konservatismus assoziiert werden.295 Je nach wissenschaftlicher Ausrichtung wird eine individuelle spezifische Auffassung zum Moralbegriff vertreten. Beispielsweise bezeichnet Moral nach dem Soziologen Niklas Luhmann eine besondere Art von Kommunikation. Es bezeichnet nicht die Verfasstheit des menschlichen Charakters, das ethos, nicht eine bestimmte Gesinnung und auch nicht ein System von Normen, die menschliches Verhalten regeln sollen. Vielmehr geht es um eine moralisch qualifizierte Kommunikation und deren Auswirkungen auf psychische und soziale Systeme. Eine moralische Kommunikation liegt dann vor, wenn menschliche Achtung oder Missachtung in der Form von Lob und Tadel beschrieben bzw. vermittelt wird.296 Für Bergmann/Luckmann (1999) ist eine moralische Kommunikation durch eine Tendenz zur Personalisierung und Generalisierung gekennzeichnet. Denn durch ein moralisches Urteil erfolgt die Bestimmung der personalen Identität eines Handelnden als eine moralische Identität.297 Eine moralische Kommunikation kann aber auch leicht zu einem Moralisieren führen. Bei nicht selbstverständlichen Sachverhalten hat Moral die Tendenz, zu polarisieren und Streit zu erzeugen, aus diesem zu entstehen oder diesen zu verschärfen. Moral ist polemogen (Polemik erzeugend) im Sinne eines Streitigkeitsgenerators.298 Denn es lässt sich feststellen: „Moral ist ein riskantes Unternehmen.“299 Zusammenhang von Moral und Moralität Im Zuge einer feineren Granulierung der Begriff wird zudem zwischen Moral und Moralität unterscheiden. Moralität beschreibt als Begrifflichkeit das Vermögen, eine Handlungsweise als moralische, sittlich gute Handlung bezeichnen zu können. Ethik ist eine Disziplin der Philosophie, die als Wissenschaft vom moralischen Handeln verstanden werden kann. Dabei untersucht die Ethik menschliches Handeln und Zusammenleben hinsichtlich der Bedingungen der Moralität. In diesem Kontext reflektiert die Ethik somit das Verhältnis von Moral und Moralität und deren zugrunde gelegten Normen.300 Waibel (2005) versteht Moralität als Wille zum Guten, als eine finale, unhintergehbare Voraussetzung einer moralischen Praxis, welche nicht der Ethik zu verdanken ist, sondern dem Menschen, der sich für diese entscheidet.301
295 296 297 298 299 300 301
Vgl. Grimm (2002), S. 26-27. Vgl. Luhmann (1993), S. 361. Vgl. Bergmann/Luckmann (1999), S. 29. Vgl. Luhmann (1993), S. 370. Luhmann (1993), S. 370. Vgl. Pieper (2003), S. 17-18. Vgl. Waibl (2005), S. 17. Es ist festzustellen, dass aus wissenschaftlicher und auch sprachlicher Hinsicht zwischen Moral und Moralität unterschieden werden kann. In dieser Ausarbeitung wird, vor dem Hintergrund einer sprachlichen Komplexitätsreduktion, eine synonyme Verwendung beider Begrifflichkeiten vorgeommen. In der Analyse wirtschafts- und unternehmensethischer Literatur hat sich gezeigt, dass eine Differenzierung der beiden Beriffe zumeist nicht vorgenommen wird, und oftmals lediglich der Begriff der Moral im Kontext einer ethischen Betrachtung verwendet wird.
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Moralische Normen Aber die Beschäftigung mit Moral scheint ein essentieller Bestandteil menschlichen Lebens, Handelns und Zusammenlebens zu sein. Denn Moral ist ein evolutionäres Ergebnis historischer Erfahrungen der Menschheit in ihrem eigenen Entwicklungsprozess, die in Form von selektiv herausgefundenen Normen den Menschen zur Verfügung gestellt werden. Normen sollen es ermöglichen menschlich zu überleben, wobei menschlich Überleben der Zentralbegriff der Moral ist, welcher das höchste moralische Gut definiert. Dies bedeutet, dass durch einen zielgerichteten, sinnvollen zeitlichen, emotionalen, sozialen und finanziellen Aufwand ein Optimum in dem Erhalt und der Entfaltung eines persönlichen emotionalen, sozialen, geistigen, kulturellen, intellektuellen sittlichen etc. Lebens zu erzielen ist.302 Die Normen der Moral entstammen der menschlichen Evolution, in der zunehmend der Mensch die größte Bedrohung des Menschen geworden war und nicht die Natur, wie zu Beginn der menschlichen Evolution. Normen sicherten das sozialverträgliche Verhalten und Handeln. Nach Lay (1990) ist diese Phase überholt. Nicht mehr Menschen gefährden direkt das Überleben, sondern amorale Institutionen mit ihren Agenten sowie die strukturelle Gewalt, die hiervon ausgeht. Institutionen können dabei politische, ökonomische, kulturelle, kirchliche etc. sein. Bestehende moralische Normen des Verständnisses Mensch gegen Mensch und nicht Mensch gegen Institution erzeugen ein Moral-lag im Sinne eines Auseinanderfallens zwischen den Taten und der gebotenen moralischen Normierung. Die Amoralität der Institutionen nutzt bestehende Normen aus, die vor einem anderen historischen Hintergrund entstanden sind, und sichert mit Hilfe dieser Moral den Bestand der Normen um sich selbst zu legitimieren. Alte Normen werden hierbei neu instrumentalisiert.303 In diesem Zusammenhang kann der Begriff Moral, vor dem historischen und aktuellem Kontext, beschrieben werden als eine von der Gesellschaft als Sozialverträglichkeit von Verhalten, Entscheiden und Handeln sicherlich allgemein akzeptierte, mehr oder weniger widerspruchsfreie, konsistente Menge von Normen. Moralische Normen können einem Menschen dabei bewusst oder unbewusst sein. Werden bzw. sind moralische Normen bei (Überlegungen zu) einer Handlung oder Entscheidungen bewusst, so können diese als moralische Wertung im Sinne eines vorab moralisch wertenden Urteils, als moralisches Gewissensurteil, auf die Entscheidung Einfluss nehmen.304 Aus der Beschäftigung mit der Moral entstehen also moralische Normen. Moralische Normen können bezeichnet werden als allgemein zugestimmte, gültige Handlungsverpflichtungen, die vorrangig anderen Handlungsregelungen gesetzt und verfolgt werden, und für die eine primäre und unbedingte, kollektive Befolgung angenommen wird. Dabei ist zu beachten, dass dieser Geltungsbereich bzw. Verbindlichkeitscharakter nicht für Ziele und Lebensideale von (Teil-)Gruppen anzunehmen ist, sondern für das Kollektiv.305 Moralische Normen bieten eine Anleitung zu sozialverträglichem Verhalten. Deren Zweck ist die Schaffung eines Gleichgewichtes zwischen Individualität und Sozialität, Egoismus und Altruismus sowie Egozentrik und Alterozentrik.306 Allgemein können Moralische Normen 302 303 304 305 306
Vgl. Lay (1990), S. 11. Vgl. Lay (1990), S. 11-12. Vgl. Lay (1993), S. 25. Vgl. Düwell (1999), S. 183. Vgl. Lay (1990), S. 11.
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über Traditionen einer Gesellschaft gebildet werden. Soziale Gesellschaften bilden dabei differenzierte Normenkataloge aus, die einem sozialen bzw. sozialverträglichen Zusammenleben als Wohlergehen der Gesellschaft dienen sollen.307 Moral und seine Vermittlung ist dabei einem Wandel unterworfen. Jede Epoche bildet eine ihr entsprechende Moral aus.308 Denn moralische Regeln sind keine prädeterminierten Prinzipien. Vielmehr entwickeln sie sich aus spezifischen Situationen. Im Normenwandel wird eine Prüfung der Anforderungen und Nutzbarkeit der Normen unterzogen.309 Wobei zu beachten ist, dass ein Normenwandel den Wandel der Struktur sozialer Systeme einschließt.310 Moral und Recht Wichtig für ein umfassendes Verständnis der Moral ist auch der Zusammenhang zwischen Moral und Recht. Moralische bzw. normative Ansprüche werden auch als berechtigte Ansprüche angesehen, wenngleich bspw. eine juristische Legitimation nicht immer gegeben ist.311 In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass das abendländische Moral- und Rechtsverständnis historisch auf der in der Aufklärung beruhenden Annahme eines rationalen Akteurs basiert. Es fordert eine Vorherrschaft von Handlungskriterien für eine ethische Beurteilung. Somit steht im Kern eine Zuschreibung von Verantwortlichkeit für die eigenen Handlungen des Menschen vor den jeweiligen Charakterdispositionen. Menschen sind für Ihre Handlungen verantwortlich, auch wenn diese nicht über moralische Charaktermerkmale verfügen. Als hinreichende Handlungsbestimmung wird allein die Einsicht in das moralisch oder juristisch Verbotene vor dem Hintergrund des rationalistischen Menschenbildes gesehen.312 Die Moral, die bspw. im Gegensatz zum Recht keine Institution mit festgelegten Prozeduren und fixierten Regeln eines definierten Geltungsbereiches ist, erscheint daher in Verbindung mit anderen sozialen Elementen, die eine Sanktion ungewünschten Verhaltens gegen die Moral ermöglichen. Verstöße gegen normative Erwartungen werden durch soziale Komponenten sanktioniert.313 Bereits in der römischen Rechtspraxis wurde zwischen sittenwidrigem Verhalten und rechtswidrigem Verhalten differenziert.314 Im 18. Jahrhundert beginnt sich verstärkt eine Differenzierung zwischen Recht und Moral auszuprägen.315 Auch in einem entwickelten, formalen Rechtssystem sind moralische Normen von hoher Bedeutung. Moral ist unverzichtbar in den nachfolgenden vier Kontexten. Zum ersten können nicht alle Probleme rechtlich geregelt werden. Zum zweiten können rechtliche Regelungen ungerecht und unzweckmäßig sein. Zum dritten bedarf das Rechtssystem der moralischen Stützung im Sinne der Forderung der Einhaltung der Gesetze des Rechtsystems. Sowie zum vierten als letzten Punkt, bedarf es einer allgemeinen moralischen Anerkennung des Rechtssystems im Sinne eines Grundkonsenses.316 Im Gegensatz zu Rechtsnormen kann die Einhaltung moralischer Normen nicht erzwungen werden. Verletzungen moralischer Normen können zwar auch Sanktionen nach sich ziehen. Diese sind allerdings nichts physischer Natur, sondern eher Sanktionen durch Internalisierung, 307 308 309 310 311 312 313 314 315 316
Vgl. Lay (1993), S. 26. Vgl. Luhmann (1993), S. 374. Vgl. Buchholz/Rosenthal (2005), S. 312. Vgl. Lay (1989), S. 23. Vgl. Düwell (1999), S. 138. Vgl. Nida-Rümelin (1996), S. 6-7 Vgl. Düwell (1999), S. 169. Vgl. Lay (1993), S. 24. Vgl. Luhmann (1993), S. 379. Vgl. Homann (1988), S. 222.
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wie bspw. ein schlechtes Gewissen.317 Das mit Sanktionskomponenten ausgestatte und bewährte Rechtssystem sowie die kontrollierte, überwachte Gewalt eines demokratischen Rechtsstaates tragen zu einer Entlastung der Moral bei. Das Recht trägt zu einer wirklichkeitsnahen Moral bei, da das Recht moralische Handlungsorientierungen für das Individuum durchführbar und ertragbar macht.318 Es kann festgehalten werden, dass Sittliche wie rechtliche Regeln helfen sollen, dass Leben einer Gemeinschaft zu ordnen.319 Begründung und Quellen der Moral Die Auseinandersetzung bzw. Beschäftigung mit Werten setzt als Prozess in der Kindheit eines Individuums ein. Als Erwachsener erfolgt eine Reflektion der persönlichen Biographie.320 In der frühkindlichen Entwicklungsphase und somit in der Interaktion mit unterschiedlichen Mitgliedern der Familie sowie der Gesellschaft, erfährt der Mensch bereits, dass in einer sozialen Gemeinschaft unterschiedliche Regeln in Ausprägungsformen von Geboten, Verboten, Normen, Vorschriften usw. existieren.321 In der Interaktion mit anderen Menschen erwirbt das Kind im Rahmen der Sozialisation bestimmte Meinungen, Normen, Werte, Tugenden, soziale Fähigkeiten und Persönlichkeitsmerkmale der vorherrschenden Kultur.322 Der Begriff der Sozialisation erfährt, je nach wissenschaftlicher Perspektive, wie bspw. in der Pädagogik, Anthropologie, Ethologie, Soziologie oder Sozialpsychologie, eine unterschiedliche Verwendung, wobei die Einflüsse in allen Fällen auf das Individualsystem abstellen. Witte (1992) als Sozialpsychologe definiert die Sozialisation als lebenslangen Vergesellschaftungs- und Individualisierungsprozess zur Entwicklung und Veränderung des Individualsystems und seiner Subsysteme in Form von Einflüssen der Subsysteme selber, als auch der übergeordneten Mikro-, Mesound Makrosysteme, um deren variierenden Anforderungen unter Wahrung der Identität zu genügen.323 Durkin (2002) spricht dabei von einem Vorgang der Aneignung von Verhaltensregeln, Überzeugungs- und Einstellungssystemen, die einem Menschen ein Funktionieren als vollwertiges Mitglied in der Gesellschaft ermöglichen.324 Die individuelle Sozialisation eines Menschen kann, je nach Ausgestaltung in der Literatur und in Abhängigkeit der wissenschaftlichen Disziplin, bspw. in zwei (primäre und sekundäre) oder drei einzelne Phasen (primäre, sekundäre und tertiäre) unterteilt werden. In diesem Kontext soll nach primärer und sekundärer Sozialisation im sozialpsychologischen Sinne differenziert werden, wobei die Grenzen zwischen den einzelnen Phasen nicht immer trennscharf sind. Die primäre Sozialisation beschreibt die Sozialisation (originär) in der Familie bzw. über die Eltern. Hierbei wird eine individuelle, stabile Identität als Basis mit spezifisch verinnerlichten Normen, Werten und Verhaltensweisen im Kindesalter gebildet, die sich jedoch noch im Rahmen der sekundären Sozialisation verändern kann. Verbunden 317 318 319 320 321 322
323 324
Vgl. Homann (1988), S. 222. Vgl. Kettner (1993), S. 23-24. Vgl. Kutschera (1999), S. 254. Vgl. Bohlander (2004), S. 168. Vgl. Hentze/Heinecke/Kammel (2001), S. 524; Pieper (2003), S. 20; Mieth (2004), S. 32-37. Vgl. Bierhoff (2000), S. 337; Bierhoff/Herner (2002), S. 215-216; Durkin (2002), S. 55; Peperzak (2005), S. 275; Borchers (2005), S. 516. Vgl. Witte (1994), S. 179. Vgl. Durkin (2002), S. 55.
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mit dem primären Sozialisationseffekt sind auch die soziale Lage, die Erziehungsorientierung (Erziehungsziele und -mittel) sowie die Beziehung zwischen Eltern und Kindern.325 Die sekundäre Sozialisation bezieht sich auf die Sozialisation im Rahmen der Schulbildung (Schule und Hochschule) bzw. Ausbildung in Kombination mit der informellen Sozialisation in der Gruppe der Gleichaltrigen und den Massenmedien.326 Als sekundäre Sozialisation können auch Interaktionen und Erfahrungen, bspw. im Berufsalltag mit Kollegen oder Vorgesetzten, angenommen werden, mit denen ein Mensch als soziales Wesen unter Menschen lebt. Die ethische Kompetenz wird somit im Elternhaus, im Freundeskreis, in der Schule, der Ausbildung (bzw. im Unternehmen) sowie in einer religiösen Erziehung gebildet und gestärkt.327 Nach Lay (1993) wird zwischen einer endogenen Moral und eine exogenen Moral unterschieden. Die endogene Moral repräsentiert die Normen der Kindheit und die hieraus resultierende Ausbildung eines moralischen bzw. endogenen Gewissens, welches die Einhaltung der Normen beachtet und beobachtet. Verletzungen gegen diese Normen werden durch endogene Strafen, wie bspw. Angst, Scham oder Schuld sanktioniert. Normenkonformität auf Basis endogener Motive wird in einem Menschen selbst (endogen) erzeugt. Die exogene Moral hingegen wird in der Interaktion mit anderen Gesellschaftsmitgliedern im weitesten Sinne über Lob und Tadel im Interaktions- und Wechselseitigkeitsverhältnis (Anreiz und Sanktion) erzeugt. Normen und Regeln werden sozial vermittelt. Übertretungen von Normen werden sozial von außen (exogen) sanktioniert. Die exogene Moral generiert Anreize oder Sanktionen bei sozialverträglichem bzw. sozialschädlichem Verhalten sozialer Systeme und ist somit nicht personengebunden. Somit sind bspw. auch Sanktionen gegen Unternehmen möglich. Die endogene und exogene Moral sind komplementär zu sehen.328 Es sollte beachtet werden, dass exogene Moral bei der Ausbildung der endogenen Moral beteiligt ist und beide in einem Interaktionsverhältnis stehen, da exogene Moral von außen auf die endogene Moral wirkt und vermittelt wird. Als eine Quelle der Moral wird bei Lay die Ethik gesehen, die in Ihrer Funktion das höchste moralische Gut329 feststellen soll. Die ethische Moral kann dabei in Konflikt mit der endogenen oder exogenen Moral stehen und fordern gegen diese zu verstoßen, wenn dies positivere Auswirkungen auf die Gesamtheit der Menschen hat. Dabei ist zu beachten, dass sich eine ethische Moral nicht durch Gebote oder Verbote realisieren lässt, sondern vielmehr eine kritische Reflektionsfunktion einnimmt.330 Allerdings dürfen Ethik und Moral im Allgemeinen auch nicht strikt voneinander getrennt werden. Sie sind komplementär zu sehen. Denn berechtigte moralische Geltungsansprüche können nicht erhoben werden, ohne dass in gewissem Sinne auch eine Vorstellung besteht, wie diese gerechtfertigt werden können und wie die Begriffe, Theorien und Konzepte funktionieren, mit denen man sie
325 326 327 328
329
330
Vgl. Witte (1994), S. 193-198; Bierhoff/Herner (2002), S. 215. Vgl. Witte (1994), S. 198-222; Bierhoff/Herner (2002), S. 215. Vgl. Lay (1993), S. 26; Durkin (2002), S. 54; Kley (2005), S. 77. Vgl. Lay (1993), S. 26-27. Kleinfeld (2005), S. 40 merkt an, dass moralisch relevante Fragen dort entstehen, wo Menschen bzw. soziale Systeme (inter-)agieren. Was als höchstes Gut definiert wird, darin herrscht keine Einigkeit. Vielmehr sind unterschiedlichste Formen höchster ethischer Güter beschrieben worden, wie bspw. bei Aristoteles in der Glückseeligkeit oder Eudaimonie (Glückseligkeit steht für sich selbst - sie ist nicht, wie andere Güter, lediglich Mittel zum Zweck). Vgl. Lay (1993), S. 28-29.
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rechtfertigen würde. Moralisches Handeln ist immer auch (potenziell) reflexiv.331 Neben der Ethik beschäftigen sich auch andere wissenschaftliche Disziplinen, wie bspw. die Psychologie, Soziologie, Ethnologie sowie die Geschichtswissenschaft mit Phänomenen der Moral. Im Gegensatz zur Ethik geschieht dies primär jedoch unter empirischen Betrachtungsweisen.332 Eine empirische Betrachtung ist jedoch erst bei hinreichend komplex gewordenen Gesellschaften durchführbar, die eine Problematisierung der eigenen Moral ermöglichen.333 2.1.3.2
Zur Erörterung des Begriffes „gut“
Eine Diskussion über und eine Entwicklung von ethischen Kriterien setzt ein gemeinsames Verständnis der moralischen Ausdrücke voraus, die in dieser Diskussion verwendet werden sollen.334 Zentral ist dabei in der Ethik die Frage „Was ist gut“? Dabei kann diese Frage unterschiedlich interpretiert werden. Zum einen als Frage, welches Ding bzw. welche Dinge gut sind. Zum anderen ist zu fragen, wie „gut“ definiert wird. Die Definition des Begriffes „gut“ stellt einen wichtigen Punkt in der Ethik als Disziplin dar. Wie „gut“ zu definieren ist, ist für G. E. Moore die fundamentalste Frage der Ethik.335 Es herrschen unterschiedlichste Auffassungen und Definitionen vor. Die individuelle Auffassung prägt stark die Aussagen zum Begriff des „Guten“. Dabei kann eine Erörterung bspw. nach einer soziobiologischen, psychologischen oder philosophisch-ethischen Betrachtungsweise erfolgen.336 Nachfolgend soll eine, der vorliegenden Ausarbeitung angemessene, primär philosophischethische Sichtweise erörtert werden. In diesem Kontext ist auf zwei fundamentale Probleme der Ethik hinzuweisen, das Sinnproblem und das Begründungsproblem. Im Sinnproblem ist es unerlässlich, moralische Terme bzw. zentrale moralische Ausdrücke wie bspw. „gut“ zu bestimmen und zu definieren. Ein Vergleich verschiedener normativer Theorien ist nur bei gleichem Verständnis der Grundterme möglich. Das Begründungsproblem beinhaltet in Kern die Frage nach der Beweis- und Begründbarkeit moralischer Urteile im Sinne von wahren oder falschen Aussagen. Dies ist so bedeutsam, da eine Ethik als wissenschaftliche Disziplin nur anerkannt werden kann, sofern ihre Aussagen begründbar und intersubjektiv kontrollierbar sind.337 Der Begriff „gut“ ist vieldeutig angelegt. Dabei wird dieser im praktischen Sprachgebrauch mit unterschiedlichen Ausrichtungen und Intentionen angewendet. Oft erfolgt diese Anwendung sprachlich verkürzt, d. h. es werden weitere zugehörige, erklärende Worte vorausgesetzt und als für die Bedeutung selbstverständlich angesehen. Der Begriff „gut“ kann in einer relativen Ausrichtung und einer absoluten Ausrichtung angewendet werden. Zum einen kann die relative Ausrichtung des Wortes „gut“ im Sinne von „gut für eine Person in einer bestimmten Hinsicht“ bedeuten. Bei einer relativen Anwendung können neben den positiven, beabsichtigten Intentionen in einem Anwendungsbereich auch negative Auswirkungen in einem anderen Bereich bzw. Standpunkt verbunden sein. Viele Über331 332 333 334 335
336
337
Vgl. Vieth (2006), S. 12. Vgl. Birnbacher (2003), S. 57. Vgl. Luhmann (1993), S. 374. Vgl. Nida-Rümelin (1996), S. 3. Vgl. Moore (1996), S. 32-34. Übersetzter, erweiterter, aber im Kern unveränderter, Nachdruck der Originalausgabe der Principia Ethica von G. E. Moore aus dem Jahre 1903. Eine Umfassende Analyse des Begriffes „gut“ aus soziobiologischer, psychologischer, und philosophischer Sichtweise gibt bspw. Piper (1997). Vgl. Kutschera (1999), S. 47-50.
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stunden sind bspw. gut für das persönliche Einkommen und den Lebensstandard, hingegen tendenziell aber schlecht für die Gesundheit. Zum anderen kann das Wort „gut“ in einer absoluten Ausrichtung verwendet werden. Diese Bedeutung erlangt Aktualität, wenn es um Interessenskonflikte zwischen einzelnen Positionen oder Standpunkten geht. In diesem Kontext wird die Frage nach einer richtigen Rangordnung zwischen unterschiedlichen Positionen bzw. Standpunkt bedeutsam.338 Die Frage nach einer allgemeingültigen Rangordnung von guten Kriterien wird durch die Philosophie versucht zu erörtern. Gerade vor dem Hintergrund unterschiedlicher Kulturen ist dies eine bedeutsame Aufgabe. Schmidt (2005a) merkt vor der Annahme einer pluralistisch-gesellschaftlichen Perspektive an, dass nicht bekannt ist, was das (eine bzw. einzige, von allen akzeptierte) Gute ist. Jedoch sei dies kein Grund zur Resignation, sondern vielmehr ist hiermit der Anspruch einer kontinuierlichen Auseinandersetzung mit Werten und Ethik verbunden. Dabei wird eine fortwährende Reflexion der Werte vorgeschlagen. Denn Werte sind aus etwas abgeleitet, dass Menschen für wertvoll bzw. erstrebenswert halten, und somit von etwas, das in (irgendeiner) Weise als gut angesehen wird, unabhängig davon, ob bekannt ist, wie es zu diesen Werten bzw. Werthaltungen gekommen ist.339 Leisinger (1997) schlägt bspw. in Anlehung an die Auffassung von Albert Schweitzer im Sinne einer Ehrfurcht vor dem Leben vor, „gut“ als alles das zu beschreiben, was Leben erhält, dieses fördert und auf seinen höchsten Wert bringt.340 Als praktisch-sprachliche Unterscheidung kann zum einen zwischen der attributiven Verwendung (verbundenen, zugeordneten bzw. zugeschriebenen) des Wortes „gut“ und zum anderen der prädikativen Verwendung (aussagenden, behauptenden), im Sinne von Wissen ist „gut“ oder Freude ist „gut“, unterschieden werden. In der attributiven Verwendung kann sich diese auf Dinge (Objekte) oder Personen, bspw. als „gutes“ Gedicht“ oder „guter“ Läufer beziehen.341 „Aussagen über das Gute sind allesamt synthetisch und niemals analytisch […]“342 In dieser Arbeit wird der Auffassung von Nida-Rümelin (1996) gefolgt, der eine eher pragmatische Auffassung vertritt. Die in einer ethischen Diskussion bedeutenden normativen Prädikate, wie bspw. gut, richtig, gerecht sind im Sprachverständnis und -gebrauch fest etabliert, so dass von einer nahezu identischen und gemeinschaftlichen Basis der Verwendung dieser Begriffe ausgegangen werden kann. In vielen Fällen werden die Begriffe erfolgreich angewendet, ohne dass eine umfassende vorgehende definitorische Klärung der Begriffe erfolgen muss. Eine Sorge um unterschiedliche moralische Sprachen erscheint unbegründet. Jedoch ist zwischen einer einheitlichen Sprachbasis moralischer Prädikate bzw. Ausdrücke und ihrer individuell-situativen Anwendung, Verwendung, Auslegung und Interpretation zu trennen.343
338 339 340 341 342 343
Vgl. Spaemann (1999), S. 11-23. Vgl. Schmidt (2005a), S. 15. Vgl. Leisinger (1997), 17. Vgl. Ross (1973), S. 65-66. Moore (1996), S. 36. Vgl. Nida-Rümelin (1996), S. 3-4.
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2.1.3.3
Zu Dilemmastrukturen und moralischen Dilemmata
Der Begriff Dilemma (griech. di-lemma) charakterisiert im Griechischen eine „zweiteilige Annahme“, „Zwiegriff“ oder „Doppelannahme“. Im 19. Jahrhundert wurde der Begriff ins Deutsche übernommen und bezeichnet in der Alltagssprache schwierige Entscheidungssituationen (Zwickmühlen), in denen ein Individuum eine von zwei unerwünschten bzw. unerlaubten Alternativen wählen soll oder muss.344 In der praktischen Philosophie und Ethik wird der Begriff des (praktischen) Dilemmas für Situationen verwendet, in denen ein Individuum oder eine Gruppe zwischen mindestens zwei einander widersprechenden Handlungs- bzw. Unterlassungsoptionen zu entscheiden hat, wobei jede der Alternativen, zumindest auf den ersten Blick (prima facie), starke oder zwingende Gründe vorweisen kann. Dabei gelten Dilemmata als normativ relevant, wenn elementare Bedürfnisse empfindungsfähiger Wesen sowie menschliche Interessen betroffen sind, deren Befriedigung und Erfüllung Gegenstand prima facie berechtigter juristischer oder moralischer Ansprüche von Beteiligten bzw. Betroffenen sind.345 Nach Foot (1997) kann ein moralisches Dilemma als Spezialfall eines Dilemmas gesehen werden. Dabei entsteht ein moralisches Dilemma immer dann, wenn Gründe für sowie gegen eine bestimmte Folgerung existieren. Es handelt sich um Spezialfälle, weil die Folgerung das betrifft, was ein Individuum tun sollte. Dieses kann als moralisches Sollen aufgefasst werden.346 Um eine genauere Begriffsbestimmung eines praktischen Konflikts als moralisches Dilemma vornehmen zu können, erscheint es bedeutend zu prüfen, ob die situative Herausforderung vor dem Hintergrund konfligierender moralischer Werte, Rechte und Pflichten bzw. Normen gedeutet werden kann und was genau darunter zu verstehen ist.347 Nagel (1996) unterscheidet fünf grundlegende Werttypen, spezifische Schuldigkeiten bzw. Verpflichtungen gegenüber anderen Individuen und Institutionen, allgemeine (Grund-)Rechte, Nutzenerwägungen und Überlegungen der Auswirkungen des Handelns, an Vollkommenheit orientierte Ziele und Werte (bspw. Kunst, Mathematik, Astronomie um ihrer selbst willen) sowie persönliche Bindungen an Projekte und Aktivitäten, die bei einer Kollision zu Dilemmata führen können.348 Die Einhaltung ethischer Normen hat um derer selbst willen zu erfolgen und nicht, weil sich entweder Vorteile erhofft, oder Nachteile bei der Verletzung gefürchtet werden. Dahinter steht die Überlegung, dass die Gesamtheit der Mitglieder eines Gemeinwesens Vorteile durch die Einhaltung der Normen erzielen. In diesem Kontext entstehen allerdings unterschiedliche Probleme. Ein Hauptproblem besteht im Opportunismus. Denn wenn ein Individuum allein die Norm verletzt, während alle anderen sie befolgen, erhält das Individuum für sich persönlich eine vorteilhafte Position und schädigt aber gleichermaßen die anderen Individuen (bzw. eine Gesellschaft).349 Nun kann diese Vorgehensweise durch jedes Individuum in Erwägung gezogen und durchgeführt werden. Wenn jedes einzelne Individuum nun aufgrund der zuvor genannten Überlegungen die Normen bricht (und opportunistisch handelt), resultiert hieraus ein schlechtes Gesamtergebnis für alle (die Allgemeinheit). Aber eine Verletzung der Norm ist bei gegebenem Handeln aller anderen Individuen für jedes Indivi-
344 345 346 347 348 349
Vgl. Schmidt (1978), S. 125; Brune (2002), S. 325. Vgl. Brune (2002), S. 325-326. Vgl. Foot (1997), S. 199. Vgl. Brune (2002), S. 326. Vgl. Nagel (1996), S. 182-185. Vgl. Petersen (2005b), S. 129. Dabei erhöht der Opportunismus die Transaktionskosten auf dem Markt.
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duum günstiger als die Befolgung. Hierbei handelt es sich um das in der Spieltheorie bekannte Gefangenendilemma.350 In der Ökonomie werden Dilemmasituationen vornehmlich vor einem spieltheoretischen Hintergrund betrachtet. Hierbei ist das Modell des Gefangenen-Dilemmas eine grundlegende Annahme. Für Albach (2005a) ist das Gefangenen-Dilemma das Grundmodell einer modernen Ethik. Dabei basiert seine Aussage auf den Erörterungen von Homann (2001), der seine Argumentationen (fast immer) auf dem Gefangenen-Dilemma aufbaut.351 Im Folgenden sei daher kurz auf Dilemmastrukturen sowie die Form des Gefangenen-Dilemmas eingegangen, um zum einen eine Basis für das Verständnis der Ausführungen der wirtschafts- und unternehmensethischen Denkweise von Karl Homann des Kapitels 2.3.4.1, aber auch für weitere Argumentationen in dieser Ausarbeitung zu schaffen. In einem Gefangendilemma besitzt jeder Akteur einen Anreiz, die jeweils andere Seite zu hintergehen. Folgen allerdings beide diesem Anreiz, so führt die beiderseitige Defektion zu einem für beide schlechteren Ergebnis, als wenn beide kooperiert hätten. Im Gefangenendilemma werden die vier möglichen Ergebnisse bzw. Kombinationen der Handlungsoptionen (Strategien) in einer 2x2 Matrix dargestellt. Dabei erhalten sie die Bezeichnungen: T (ich defektiere, der Andere kooperiert), R (beide kooperieren), P (beide defektieren) und S (ich kooperiere, der Andere defektiert). In diesem Kontext liegt ein Gefangenendilemma genau dann vor, wenn gilt: T>R>P>S. Das Zeichen > bedeutet dabei „wird vorgezogen“. Im Rahmen der spieltheoretischen Nutzentheorie können T, R, P und S (Nutzen)Werte aus dem Bereich der reellen Zahlen annehmen.352 Die theoretische Darstellung des Gefangenendilemmas verdeutlicht Tabelle 6. Dabei ist in Klammern ein Beispiel für die Auszahlungsmatrix bei reellen Werten von T, R, P und S angeführt. Kooperation
Defektion
Kooperation
R,R (3,3)
S,T (0,5)
Defektion
T,S (5,0)
P,P (1,1)
Tabelle 6: Gefangenendilemma
Bei einer formalen, strategischen Analyse des Gefangenendilemmas kann festgestellt werden, dass in einem einmaligen Spiel des Gefangenenlemmas lediglich Defektion eine egoistisch, rationale Wahl darstellt. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass es, auch in der Realität, zumeist nicht bei einen Spiel bzw. einer Handlung bleibt, sondern eine mehrmalige Interaktion bedeutsam ist. Aus diesem Grunde sind Gefangenendilemma-Superspiele in der Spieltheorie von Bedeutung. Bei Superspielen handelt es sich um eine Serie von Spielen des gleichen Einzelspiels mit denselben Partnern. Dabei kann die Wiederholung bzw. Iteration des Einzelspiels unendlich oft, unbegrenzt mit einer gewissen Abbruchwahrscheinlichkeit oder aber endlich oft erfolgen, wobei die Zahl der Iterationen den Spielpartnern bekannt oder unbekannt ist. Wie im Einzelspiel, so gelten auch im Superspiel allein die Maximen des 350 351
352
Vgl. Hax (1993), S. 773. Vgl. Albach (2005a), S. 5. Siehe auch Homann (2001d). Der Frage ob es rational ist, moralisch zu sein geht Hegselmann (1992) anhand einer spieltheoretischen Analyse anhand des Gefangenendilemmas nach. Siehe zu auch die Ausführungen unterschiedlicher Strategie- bzw. Spielvarianten im Gefangenendilemma bei Vossenkuhl (1992). Vgl. Schüßler (1991), S. 99. Siehe für ein beispielhafte Erklärung auch Bierhoff (2000), S. 394-395.
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rationalen Egoismus. Es gelten keine moralischen Beschränkungen oder Einflüsse für die Strategiewahl. Nun könnte angenommen werden, dass auch hier, wie im Einzelspiel, die beste Strategiewahl die Defektion ist. Dem ist allerdings nicht so.353 Denn durch Axelrod (1984) wird nachgewiesen, dass sich kooperative, aber vergeltungsbereite Akteure in Gefangenendilemma-Superspielen gegen ausbeuterische Opponenten durchsetzen können. Im Rahmen eines Wettbewerbes künstlicher Intelligenzen von Computerprogrammen, die als Agenten einer Verhaltenstaktik zum besten Spielen des Gefangenendilemmas gegeneinander antraten, gewann die Strategie Tit-for-Tat. Hierbei handelt es sich um eine Verhaltensmaxime, nach dem Muster „Wie Du mir so ich Dir“. Diese Verhaltensmaxime kann auch als Vergeltungsprinzip verstanden werden, das auf der Maxime der Reziprozität (Wechselseitigkeit) basiert. Dieses Prinzip liegt sozialem Verhalten unter vielen Umständen zu Grunde.354 Im Rahmen der Spielstrategie des Tit-for-Tat beginnt der Akteur mit einer kooperativen Entscheidung. Danach wird die vorherige Entscheidung der anderen Person bzw. des anderen Akteurs imitiert. Diese Strategie ist ein wirksames Instrumentarium der Auslösung stabiler Muster wechselseitiger Kooperationen. Dabei ist die Strategie eindeutig und vorhersehbar. Gleichermaßen ist die Strategie fair, da sie Kooperation mit kooperativem Handeln belohnt bzw. bei Nichtkooperation als Reaktion ein nichtkooperatives Handeln vollzieht.355 Durch das Gefangenen-Dilemma kann gezeigt werden, dass eine solidarische oder kollektive Absicherung lediglich dann zu einer gesamtwirtschaftlich optimalen Lösung führt, wenn bestimmte moralische Voraussetzungen vorliegen. Sind diese nicht gegeben, resultiert aus einem privatwirtschaftlich verständlichen Optimierungsverhalten, das allein auf den persönlichen Vorteil ausgerichtet ist, eine unerwünschte gesamtgesellschaftliche Situation.356 Eine Vielzahl kollektiver Absicherungen unterliegen dem Problem des Gefangenen-Dilemmas.357 Mikroökonomische Entscheidungen und Handlungen, die für einzelne Subjekte vernünftig sind, können in der Aggregation für Gesellschaft und Natur oft weitgehend unerwünschte Makroergebnisse mit sich bringen.358 Eine Überwindung des Gefangenen-Dilemmas kann einerseits durch die ethische Kategorie des Vertrauens erfolgen. Dabei wird allerdings lediglich einer kleinen Gruppe diese Chance zuteil, dem Gefangenen-Dilemma zu entgehen. Andererseits wäre eine weitere Möglichkeit die Ehre, auch die Ganovenehre. Allerdings kann auch hier nicht damit gerechnet werden, dass eine Überwindung des Gefangenen-Dilemmas bei einer größeren Gruppe (immer) möglich ist. Eine weitere Möglichkeit wäre die der Strafen und Sanktionen. Allerdings müssten diese ohne Ausnahme vollzogen werden, um nicht wiederum ins Gefangenen-Dilemma zurückzufallen. Weitere Möglichkeiten der Überwindung sind Solidarität, Tradition und Sitte, wobei diese auch hier wohl wieder nur bei einer begrenzten Gruppe zu helfen vermögen. Als eine bedeutende Lösung nennt Lachmann (1989) das Prinzip der marktwirtschaftlichen Selbststeuerung. Denn diese erlaubt es jedem Individuum zu bestimmen, wie viel ihm bzw. ihr eine bestimmte Sache Wert ist. Die verborgenen Bedürfnisse lassen 353 354
355 356 357 358
Vgl. Schüßler (1991), S. 100. Vgl. Archer (2002), S. 46. Bierhoff/Herner (2002), S. 249. Siehe ausführlich auch Axelrod (1984) bzw. die die deutsche Übersetzung Axelrod (1987) und weiterhin Wright (1994b). Vgl. Starbatty (1990), S. 94-95; Van Lange/De Dreu (2002), S. 397; Bierhoff/Herner (2002), S. 249. Vgl. Lachmann (1989), S. 139. Vgl. Lachmann (1989), S. 140. Vgl. Barben/Dierkes (1991), S. 213; Bierhoff (2000), S. 395.
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sich lediglich über einen Marktmechanismus feststellen, wenn jeder durch seine Zahlungsbereitschaft auch die wirkliche Bedürftigkeit offenbart.359 Nach Arrow (1973) kann die Situation des Gefangenendilemmas vermieden werden, wenn eine gewisse legitime Zusammenarbeit von Unternehmen erlaubt wird. Ein probates Mittel ist in diesem Kontext ein Ethikkodex, der für eine gesamte Branche Gültigkeit besitzt.360 Nach Bowie (1992) könne, wenn der Ethikkodex einer Branche allgemein anerkannt und ihm ausreichende Geltung verschafft würde, sichergestellt werden, dass die Unternehmen sich in moralischer Weise verhalten. Aus ökonomischer und ethischer Perspektive wäre dies vorteilhaft, da die Unternehmen wettbewerbsfähig bleiben würden und dabei auch noch einen Nutzen aus dem moralischen Verhalten haben würden. Wichtig ist, dass der Kodex für die gesamte Branche ohne Ausnahme gilt.361 Das moralische Verhalten ist dabei allerdings nur so gut, wie die Moral des Ethikkodex. Problematisch in der Überwindung des Gefangenendilemmas ist zudem, dass schwierig sein wird, alle Unternehmen zur Zustimmung und Einhaltung des Ethikkodex zu bewegen.362 Das strukturelle Problem des Gefangenendilemmas bleibt weiterhin bestehen, denn für das einzelne Unternehmen ist es vorteilhafter, sich nicht an den Ethikkodex zu halten, wenn sich alle anderen Unternehmen an diesen halten. Diese Problematik sollte jedem Unternehmen bekannt sein. Aus diesem Grunde würde sich wohl jedes Unternehmen fragen, welche Sicherheiten das Unternehmen hat, dass sich alle Unterzeichner des Ethikkodex an diesen auch halten. Ein Fehlen von Sicherheiten würde wohl verhindern, dass die Übereinkunft zu Stande kommt.363 Bei Maitland (1985) wird dieses Problem als assurance problem bzw. Versicherung-, Sicherheits-, bzw. Vertrauensproblem bezeichnet.364 Das vorteilhafteste Ergebnis kann erzielt werden, wenn sich alle Beteiligten an ethische Normen halten. Aber das beste Ergebnis für jedes einzelne Individuum wird erreicht, wenn dieses die Normen missachtet, bei gleichzeitiger Annahme, dass die Anderen sich hieran halten.365 Ethische Normen, die aus innerer Überzeugung bzw. aus einem inneren Antrieb befolgt werden, sind in diesem Kontext von großer Bedeutung. Wird das Verhalten der Mitglieder eines Gemeinwesens bzw. einer Institution oder einer Organisation in Form einer Normbindung bestimmt, folgt für die Mitglieder hieraus ein Wohlstandsgewinn. Die Situation des Gefangenendilemmas, in der der Wohlstandsgewinn angezweifelt wird, entsteht erst, wenn die Normbefolgung Gegenstand individueller Nützlichkeits- bzw. Nutzkalküle wird. Festzustellen bleibt, dass ein Wohlstandsgewinn möglich wird, wenn eine freiwillige Bereitschaft aller Individuen zur Befolgung von Normen besteht. Allerdings ist auch festzuhalten, dass im individuellen Nützlichkeits- bzw. Nutzkalkül eines jeden einzelnen Individuums eine Normenbefolgung nicht vorteilhaft sein muss. Durch eine allgemeine Bindung an Normen können ökonomische Vorteile erzielt werden. Dies muss aber nicht so sein. Denn die Bereitschaft des einzelnen Individuums zur Zurücknahme unmittelbarer, persönlicher Interessen scheint wohl nur in begrenztem Maße vorhanden zu sein. Gleichermaßen lässt sich diese Bereitschaft wohl 359 360 361 362 363 364 365
Vgl. Lachmann (1989), S. 140-141. Vgl. Arrow (1973), S. 314. Siehe auch Bowie (1992), S. 344. Vgl. Bowie (1992), S. 344. Siehe zum Ethikkodex ausführlich Kapitel 2.4.3.7.1. Vgl. Maitland (1985), S. 134. Vgl. Bowie (1992), S. 344. Vgl. Maitland (1985), S. 132-147. Vgl. Hax (1995), S. 181.
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auch nicht durch moralische Appelle beliebig erhöhen.366 Dennoch kommt bspw. Krelle (1992) aufgrund analytischer Überlegungen zu der Struktur des Gefangenendilemmas zu dem Ergebnis, dass Ethik auch aus ökonomischer Sicht lohnenswert sei.367 2.1.3.4
Zu den Aufgaben der Ethik
Luhmann sieht in der Ethik die Aufgabe, vor Moral zu warnen. Diese Aussage ist vor dem Hintergrund der Annahme einer angenommenen, modernen Gesellschaft zu betrachten, die nicht mehr über Moral integriert ist und den Menschen nicht mehr über Moral ihren Platz in der Gesellschaft zuordnen kann.368 Denn Ethik ist eine Reflexionstheorie der Moral. Es ist jede kognitive Beschreibung und Erörterung, die Probleme der Moral thematisiert und diese zu reflektieren versucht.369 Dabei können Ethiken als Theorien bestehende Sitten, Gebräuche und Wertordnungen widerspiegeln. Ethiken sind dann als Moralkodizes bzw. Lehrgebäude aufzufassen, die ein übliches Zusammenleben von Menschen sowie Auffassungen von gut und böse beschreiben. Dabei dient Ethik der Stabilisierung des sozialen Zusammenhaltes durch die Verinnerlichung unterschiedlicher Sets von Geboten und Verboten, wobei eine Problematisierung dieser so selten wie möglich vorgenommen werden soll.370 Die Grundsätze der Ethik resultieren aus der menschlichen, gesunden Vernunft und nicht aus einem einseitigen Intellektualismus.371 Wer an die Vernunft appelliert, und an einen Menschen als Vernunftwesen glaubt, appelliert gleichermaßen an die Moral, da Vernunft Moral voraussetzt.372 In den Bereich der Ethik können Aufgaben der Normen- und Kontextkontrolle, der Präzisierung und Artikulierung sowie der Systematisierung subsumiert werden.373 Ethik beinhaltet ambivalente, moralinterne und moralexterne inkompatible Ansatzpunkte des Reflexionsbedarfs. Doch hier besteht Aufgabe und Problem der Ethik zugleich. Ethik kann einerseits eine Vermittlungsfunktion im Sinne einer gesellschaftlichen Sprachfunktion der Moral, und andererseits als Übersetzungsfunktion gesellschaftlicher Anforderungen an die Moral dienen.374 Ethik sollte zudem bei der Reflexion der Moral die Strukturen des Gesellschaftssystems beachten.375 Gegenstand der Ethik ist, zusätzlich zu ihrer Aufgabe einer Reflexion der Moral, die Rechtfertigung bzw. Begründung von handlungsleitenden Werten und Normen. Fragen in diesem Kontext sind bspw.: Was ist gut leben? Was ist gerecht handeln? Was ist vernünftig entscheiden? Auf den modernen Kontext bezogen kann dies auch heißen: Wie und warum soll ich verantwortlich handeln?376 Eine weitere Aufgabe der Ethik ist die Prüfung, wo eine an das Individuum adressierte moralische Forde366 367
368 369 370 371
372 373 374 375 376
Vgl. Hax (1993), S. 773. Siehe die Ausführungen von Krelle (1992). Siehe auch die ausführliche ökonomische Analyse und Erörterung spieltheoretischer Annahmen bei Homann/Suchanek (2000). Hackmann (1998), S. 76 merkt an, dass durch ethisches Verhalten die Häufigkeit und das Gewicht von gefangenendilemmabezogenen Rationalitätsfallen reduziert werden kann. Vgl. Luhmann (1991), S. 40-41. Vgl. Luhmann (1993), S. 371. Vgl. Schweppenhäuser (2003), S. 19. Vgl. Kalveram (1951), S. 17. Leisinger (1997), S. 165 merkt an, dass Vernunft die Fähigkeit darstellt, auf der Basis definierter Werte ethische Normen aufzustellen. Vernunft sollte dabei nicht mit Intelligenz gleichgesetzt werden. Vgl. Leisinger (1997), S. 11. Vgl. Krämer (1992), S. 262 Vgl. Luhmann (1993), S. 371. Vgl. Luhmann (1991), S. 40. Vgl. Enderle (1987), S. 436.
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rung überhaupt angebracht ist, da nur so sichergestellt werden kann, dass aus einer uneinbringbaren moralischen Forderung keine ungerechtfertigte moralischer Veruteilung resultiert. Dabei ist zu beachten, dass Sachverhalte zumeist nicht einfach als „schwarz“oder „weiß“ bzw. „gut“ oder „böse“, sondern vielmehr graduell, mit der Frage nach dem Ausmaß, und kontextuell, mit mit der Beachtung des Hintergrundes und der Vorgaben, betrachtet bzw. analysiert werden sollten. Wird in der Ethik eine solche differenzierte Sichtweise bzw. Reflexion vorgenommen, so mahnt Ethik vor einer moralisch fragwürdigen Übertribunalisierung.377 Eng verbunden mit der Beantwortung der genannten Fragestellungen im Kontext der Ethik ist das Menschenbild, das im jeweiligen Kulturkreis sowie zur jeweiligen Zeit vorherrscht. Antworten auf ethische Grundfragen ergeben sich aus dem impliziten und expliziten Verständnis des geglückten Menschseins. Somit sind Ethik und Anthropologie eng miteinander verbunden. Das westliche Menschenbild sieht die Würde des Menschen als höchstes Gut an. Unter der Voraussetzung, dass der Begriff der Würde die fundamentale Freiheit und Gleichheit aller Menschen als gleichwertig anerkennt, stellt die Menschenwürde den zentralen Wert dar, der trotz tiefer gesellschaftlicher, kultureller und religiöser Differenzen am ehesten konsensfähig ist. Dabei sind die Freiheit und Gleichheit gleichermaßen von Bedeutung. Diese beiden Werte sollten in der Menschenwürde enthalten sein. Dabei bedingen sich Freiheit und Gleichheit gegenseitig, sie sind keine Gegensätze.378 Basierend auf diesen Grundlagen sind auch bei vielen wirtschaftlichen Entscheidungen ethische Aspekte von Bedeutung. Eine enge Beziehung besteht u. a. bei personellen und sozialen Entscheidungen, bspw. hinsichtlich der Vergütung, Kurzarbeit oder Entlassung in Unternehmen.379 Anzumerken ist hierbei, dass bspw. die Frage nach einer gerechten Vergütung nicht im Rahmen der Betriebswirtschaftlehre direkt gelöst werden kann, da ein objektiver (Wert-)Maßstab hierfür fehlt. Vielmehr ist eine gerechte Vergütung ein ethischer Wert, der inhaltlich nicht mit wissenschaftlichen Maßnahmen der Betriebswirtschaftlehre ermittelt werden kann. Es können keine Aussagen über die absolute Gerechtigkeit einer Vergütung getroffen werden, sondern lediglich Aussagen über eine relative Gerechtigkeit im Sinne einer Einstufung einzelner Tätigkeiten. Wesentlich ist, dass der Mitarbeiter das Gefühl hat, dass dieser nach dem Wert seiner Leistung vergütet wird und dass gleichermaßen sein Lohn in einem angemessenen, relativen Verhältnis zur Vergütung der anderen Mitarbeiter steht, welche anspruchvollere und weniger anspruchsvolle Tätigkeiten ausführen.380 Dieses Beispiel zeigt, dass auch in der (Betriebs-)Wirtschaft Fragen der Gerechtigkeit von hoher Bedeutung sind. Wobei das Themen- und Beispielspektrum dabei umfassend ist und sich in allen Bereichen wirtschaftlicher Überlegungen, Entscheidungen und Handlungen widerspiegelt. Auch in der Wirtschaft im Allgemeinen und im Kontext von Unternehmen im Speziellen können, wie bereits angeführt, Ethiken als Theorien bestehende Sitten, Gebräuche und Wertordnungen innerhalb des wirtschaftlichen Betrachtungsbereiches widerspiegeln. In der Wirtschaft kann die Ethik der Stabi377 378 379 380
Vgl. Waibl (2005), S. 30. Vgl. Enderle (1987), S. 436. Vgl. Küpper (1988), S. 331. Vgl. Wöhe (1996), S. 272 und 1063. Röttgers (2005), S. 298 argumentiert in diesem Kontext, dass, im Sinne Kants, Handlungsregeln lediglich hypothetische Imperative und niemals kategorische Imperative sind. Aus diesem Grunde seien die Fragen nach einem „gerechten“ Preis bzw. Lohn überwunden. Siehe zu Kant auch die Ausführungen des Kapitels 2.1.3.7.2.
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lisierung des sozialen Zusammenhaltes durch die Verinnerlichung unterschiedlicher Sets von Geboten und Verboten dienen. Eine Aufgabe der Ethik ist es auch, innerhalb der Wirtschaft Reflexionen der (wirtschaftlichen) Moral vorzunehmen. Ethische Einstellungen, und somit auch die Wahrnehmung der Aufgaben, unterliegen im Zeitablauf starken Wandlungen. Damit verbunden sind Veränderungen der Rahmenbedingungen für den Ablauf der Wirtschaft.381 Es besteht hierbei ein wechselseitiges Verhältnis. Beeinflusst wird der Wandel der Ethik durch Veränderungen in der politisch-gesellschaftlichen Situation. Das Verständnis bzgl. der Aufgaben der Ethik in der Wirtschaft hat sich bspw. in Deutschland von den Problemen der Wirtschaftsordnung, der Betriebsverfassung und Mitbestimmung der 1950er und 1960er über Fragen der Umweltverschmutzung, Technologiefolgenabschätzung und Humanisierung der Arbeit der 1970er und 1980er bis hin zu aktuellen Themen der Nachhaltigkeit, Corporate Social Responsibility, Globalisierung und internationalen Wettbewerbsfähigkeit gewandelt.382 Wieland (1999a) ist der Auffassung, dass in den ökonomischen Wissenschaften kaum noch bezweifelt wird, dass eine ökonomische Wohlfahrtstheorie, Ordnungstheorie, Theorie der Firma, Institutionenökonomik, Finanztheorie und Sozialpolitik ohne ethische Theorien oder ohne ein philosophisches Fundament in Vertrags- bzw. Gerechtigkeitstheorien nicht erreichbar ist.383 Die Aufgaben der Ethik und ihre konkreten Ideen sowie Instrumente im Kontext junger Unternehmen, der Dimensionen der Wirtschaft und ihrer Akteure werden im weiteren Verlauf der hier vorliegenden Ausarbeitung tiefer gehend erörtert. 2.1.3.5
Zum Konzept der Goldenen Regel
Bei dem Konzept der Goldenen Regel handelt es sich um eine formale Grundregel in Bezug auf sittlich richtiges Verhalten. Die Goldene Regel kann in vielen volkstümlichen Ethiken, wie bspw. bei Konfuzius und den Sieben Weisen, im indischen Nationalepos Mahabarata oder im Alten und Neuen Testament, aufgefunden werden. Es existiert eine positive und eine negative Formulierung der Goldenen Regel. Die positive Formulierung lautet „Behandle andere so, wie auch du von ihnen behandelt sein willst.“. Die negative Formulierung lautet: „Was du nicht willst, dass man dir tu’, das füg’ auch keinem anderen zu.“. In beiden Ausprägungen wird dazu aufgefordert Abstand zu nehmen vom naturwüchsigen Handeln im Sinne eines bloßen Eigeninteresses oder einer Vergeltungsmoral. Durch die Goldene Regel werden keine spezifischen Handlungsweisen vorgegeben. Vielmehr hat diese die Bedeutung eines Maßstabes für sittliches Handeln sowie leitende Grundsätze. Aufgrund ihrer Einfachheit kann die Goldene Regel zur Lösung mancher sittlicher Differenzen verwendet werden.384 Allerdings kann die Goldene Regel auch nicht umfassend angewendet werden. Denn die Goldene Regel besitzt keine Relevanz gegenüber vielen Fragen des Verhaltens sowie der sozialen Ordnung, die aber gleichwohl eine moralisch relevante Komponente beinhalten. Hierbei handelt es sich bspw. um unilaterale Handlungen, sprich Handlungen, die sich nicht direkt auf eine andere Person richten und der insofern prinzipiell zunächst nichts direkt angetan wird. Ein Beispiel hierfür ist das „Schwarzfahren“ in Bussen und Bahnen, bzw. in juristischer Wortwahl die so genannten Dienstleistungserschleichnis381 382 383 384
Vgl. Gäfgen (1988), S. 85. In Anlehnung an Kreikebaum (1996), S. 41-42; Mieth (2004), S. 154-158; Pfriem (2005), S. 23. Vgl. Wieland (1999a), S. 29-30. Vgl. Höffe (1981), S. 65.
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se. Bei unilateralen Handlungen ist die Goldene Regel zu durchlässig. Darüber hinaus besitzt die Goldene Regel u. a. einen wettbewerbsfeindlichen Charakter. In Bezug auf Formen des Wettbewerbs ist diese zu restriktiv.385 Allgemein kann festgestellt werden, dass die Goldene Regel kein hinreichend genauer Maßstab ist. Zum einen wird, genau wie beim Utilitarismus386, eine sittliche Verantwortung lediglich gegenüber den Mitmenschen ausgesprochen und nicht auch gleichzeitig gegenüber dem Individuum selbst. Zum anderen können Probleme im konkreten Anwendungsfall entstehen, wenn die Goldene Regel unmittelbar auf Bedürfnisse und Interessen des jeweils Handelnden bezogen wird. Als Beispiel sei ein Masochist angeführt, der bei genauer Befolgung der Regel sittlich verpflichtet würde, auch anderen Personen Leid zuzufügen und somit vom Masochisten zum Sadisten würde. Die Goldene Regel müsste dahingehend von konkreten Bedürfnisse und Interessen absehen. Sie könnte in einer erweiterten, abgewandelten Variante lauten: „Wie du willst, dass man deine Bedürfnisse und Interessen berücksichtigt, so berücksichtige auch du die Bedürfnisse und Interessen der anderen.“. Diese Variante führt eine gegenseitige Achtung und Rücksichtnahme an. Dabei vermeidet sie eine Maximierung des Kollektivwohls auf Kosten berechtigter Interessen von Minderheiten, wie dies bspw. bei Utilitarismus der Fall sein kann.387 In der wirtschafts- und unternehmensethischen Literatur wird die Goldene Regel in relativ geringem Maße thematisiert und erörtert.388 Eine (erweiterte) Goldene Regel im wirtschaftlichen Kontext liefert Suchanek (2005): „Investiere in die Bedingungen der Zusammenarbeit zum gegenseitigen Vorteil!“389 Hier wird die Goldene Regel als Schlüssel des Verständnisses einer Erörterung und Operationalisierung der Moral als Managementaufgabe betrachtet.390 Stiglitz (2004) merkt an, dass eine Anwendung der Goldenen Regel innerhalb der (globalisierten) Wirtschaft als problematisch gesehen werden kann, da sich ein äußerst komplexes System gebildet hat, so dass die Befolgung der Goldenen Regel oftmals nicht eindeutig erkennbar bzw. realisierbar ist.391 2.1.3.6
Klassifikation ethischer Positionen
In der Literatur herrscht keine Einigkeit in Bezug auf die Klassifikation ethischer Positionen. Vielmehr ist eine Klassifikation ethischer Positionen in Form verschiedener Ansätze und Ausrichtungen möglich. Eine Klassifikation ist bspw. in Form einer Ethik erster und zweiter Ordnung, als formale und materiale Ethik, als theoretische und angewandte Ethik oder in Form der teleologischen und deontologischen Ethik möglich. Jede Klassifikationsart beschreibt eine spezifische Sichtweise auf den Themenkomplex der Ethik. Die folgenden Ausführungen stellen eine Möglichkeit der Vornahme einer Klassifikation ethischer Positionen dar, die keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit erhebt. Eine Übersicht hierzu kann der Abbildung 11 entnommen werden.392 385 386 387 388 389 390 391 392
Vgl. Brülisauer (1988), S. 312-313. Siehe hierzu die Ausführungen des Kapitels 2.1.3.7.3. Vgl. Höffe (1981), S. 66. Eine Diskussion der Goldenen Regel für Manager ist bspw. bei Enderle (1988) zu finden. Suchanek (2005), S. 75. Vgl. Suchanek (2005), S. 75. Vgl. Stiglitz (2004), S. 104. Eigene Darstellung.
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Klassifikation ethischer Positionen
Ethik 1. Ordnung
Ethik 2. Ordnung
formale Ethik
materiale Ethik
theoretische Ethik
angewandte Ethik
teleologische Ethik
deontologische Ethik
bspw. deskriptive Ethik
normative Ethik
Metaethik
Wirtschaftsethik
Unternehmensethik
Medizinethik
Technikethik
bspw. Tugendethik
Kantische Ethik
Utilitarismus
Kontraktualismus
Libertarismus
Diskursethik
Verantwortungsethik
Abbildung 11: Klassifikation ethicher Positionen im Überblick
Ethik erster und zweiter Ordnung Eine Ethik erster Ordnung bezieht sich auf die Entwicklung von Kriterien der moralischen Beurteilung. Eine Ethik zweiter Ordnung befasst sich mit der Diskussion erkenntnistheoretischer Fragestellungen, der Bedeutungsanalyse moralischer Ausdrücke sowie ontologischer Probleme.393 Formale und materiale Ethiken Bei materialen Ethiken ist die menschliche Glückseeligkeit die letzte Instanz der Begründung moralischer Gebote und Verbote. Bei formalen Ethiken sind unbedingt geltende Verpflichtungen gegenüber anderen Menschen die letzte Instanz der Begründung.394 Bei dominant-materialen Ethiken beziehen sich Normen auf konkrete Handlungen in konkreten Situationen.395 Theoretische und angewandte Ethik In der theoretischen Ethik hat sich eine Unterscheidung in die drei Ebenen der deskriptiven Ethik, normativen Ethik und Metaethik ausgebildet, wenngleich das Verhältnis der einzelnen Ebenen auch nicht immer eindeutig ist.396 In der deskriptiven Ethik werden moralische Haltungen und Überzeugungen beschrieben. In diesem Erkenntnisinteresse kann sie überwiegend der Soziologie, Moralpsychologie und der Ethnologie zugeordnet werden. Die normative Ethik entwickelt Kriterien der moralischen Beurteilung. Die Metaethik kann als Metatheorie der normativen Ethik aufgefasst werden. Erst durch Arbeiten von David Hume (1711-1776) 397, Immanuel Kant (1724-1804) und insbesondere George Edward Moore (1873-1958)398 wurde eine Trennung normativer und deskriptiver Ethikfragestellungen in der (modernen) Philosophie vorgenommen.399 Die angewandte Ethik, auch problemorientierte Ethik genannt, wird auch als „Bindestrichethik“, wie bspw. die Wirtschaftethik, Unternehmensethik, Technikethik, Bioethik, Medizinethik etc., bezeichnet. Diese Teilbereiche sind nicht aus der ethischen Theorie entstanden. Vielmehr haben sich diese Bereiche aus 393 394 395 396 397 398 399
Vgl. Nida-Rümelin (1996), S. 4. Vgl. Schweppenhäuser (2003), S. 14. Vgl. Lay (1989), S. 37. Vgl. Quante (2003), S. 16. Vgl. Prechtl (1989), S. 377. Vgl. Wüstehube (1989), S. 550. Vgl. Nida-Rümelin (1996), S. 4.
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einem Orientierungs- und Klärungsbedarf auf der Basis von neuen Fragestellungen, Problemen und Technologien einer immer komplexer werdenden Gesellschaft heraus entwickelt.400 Somit können die Bindestrichethiken als Reaktion auf die immer komplexer werdende Gesellschaft mit all ihren verbundenen Problemen und Fragestellungen gesehen werden. Gleichwohl können die Bindestrichethiken in Form neuer Konzepte aber Einfluss auf ethische Theorien nehmen, auch wenn sie ursprünglich nicht aus diesen entstanden sind. Gleichwohl ist darauf hinzuweisen, dass Konzepte der Wirtschaftsund Unternehmensethik häufig theoretische Ethikpositionen als Basis ihrer Argumentation verwenden. Bayertz (1991) ist der Auffassung, dass die angewandte Ethik in der Praxis keine Lösungsvorschläge anbieten kann. Vielmehr kann die angewandte Ethik Fragen generieren und gleichermaßen ein Problem in der moralischen Dimension und Relevanz beschreiben.401 Diese Sichtweise erscheint jedoch vor dem Hintergrund ausdifferenzierter angewandte Ethiken, bspw. im Kontext der Wirtschafts- und Unternehmensethik, nicht zwingend nachvollziehbar zu sein. Denn aus der Theorie der Ethik, die bspw. mit der Begründungsfrage befasst ist und den Kern der Moral beschreibt, können sich einzelne Fallbeispiele und Problemdarstellungen ergeben und als Diskussionsgrundlage dienen. Hier besteht ein wechselseitiges Verhältnis zwischen Theorie und angewandter Ethik. Denn die praxisnahen Probleme der angewandten Ethik können wiederum in die Theorie zurückgespiegelt werden.402 Andererseits ist dieser Ansatz der Rückspiegelung nicht immer gewollt. Denn die angewandte Ethik wird von der Überzeugung geleitet, dass für die meisten ethischen Probleme der Gegenwart keine allgemein verbindlichen Prinzipien formuliert werden können. Vielmehr sind für einzelne Probleme spezifische Lösungen von beschränkter theoretischer Reichweite, aber von höchster praktischer Anwendbarkeit, zu formulieren. Diese Vorgehensweise ist heute in der Disziplin der Ethik etabliert. Es hat sich die Tendenz durchgesetzt, die Diskussion und Rechtfertigung allgemeiner Prinzipien und Normen hin zu einer Analyse von Einzelproblemen zu öffnen. Somit hat eine Etablierung der angewandten Ethik in der akademischen Philosophie stattgefunden. Wichtige Debatten werden aktuell zumeist vor dem Hintergrund der angewandten Ethik vollzogen.403 Denn angewandte Ethik vermittelt Orientierung bei der Problemlösung in konkreten Situationen und erhebt nicht primär den Anspruch einer universellen ethischen Verbindlichkeit.404 Ein relativ neuer Ansatzpunkt ist die Anwendung eines induktiven Vorgehens statt des üblichen deduktiven Vorgehens. Bei der induktiven Vorgehensweise werden direkt spezifische Probleme bzw. Fälle bearbeitet. Diese sollen situativ behandelt werden. Eine Begründung moralischer Urteile soll über die Intuition erfolgen. Hieraus sollen dann geltende Regeln und Prinzipien hergeleitet werden. Bei diesem Vorgehen erfolgt ein Verzicht auf Theorien. Hierhinter steht die Auffassung, dass die zugrunde liegenden ethischen (Super-)Theorien, wie bspw. der Utilitarismus oder die Kantsche Ethik, in ihrem Geltungsanspruch immer wieder versagen müssen. Die Basis für diese Überlegungen bildet eine Methode, die von John Rawls405 nach der Idee des reflexiven Gleichgewichts entwickelt wurde.406
400 401 402 403 404 405 406
Vgl. Stähli/Gassmann (2000), S. 10-11. Vgl, Bayertz (1991), S. 33-35. Vgl. Stähli/Gassmann (2000), S. 11. Siehe auch Bayertz (1991). Vgl. Gräber (2002), S. 10. Vgl. Vieth (2006), S. 8-9. Siehe hierzu auch Kapitel 2.1.3.7.4. Vgl. Willigenburg/Heeger (1991), S. 88-95; Stähli/Gassmann (2000), S. 12.
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Abbildung 12 verdeutlicht den zuvor dargestellten Zusammenhang:407 Traditionell, lineare Begründung
Neue, zirkuläre Methode
Theorie(n)
Theorie
Prinzip(ien)
Prinzip(ien)
Regeln
Regeln
Fall
Fall
Abbildung 12: Zirkulare Reflexionsmethode
Arnswald/Kertscher (2002) vertreten die Auffassung, dass die Unübersichtlichkeit ethischer Probleme in modernen, komplexen Gesellschaften die praktische Philosophie zu einer methodischen, wie auch inhaltlichen Neuorientierung zwingt. In diesem Kontext stehen Vertretern traditioneller (theoretischer) Ethiken bzw. Auffassungen von Ethik Autoren gegenüber, die der Überzeugung sind, dass die Regulierungsleistungen der Ethik umso wirkungsvoller ausfallen, und durch die Ausarbeitung bereichsspezifischer Normierungsvorschläge den einzelnen Akteur von der Anwendung genereller bzw. universeller Normen entlasten, je mehr die Ethik als spezielle, angewandte Ethik betrachtet wird.408 Teleologische Klassifikation und deontologische Klassifikation In der Theorie wird häufig eine Klassifikation der Ethik in die beiden Dimensionen der teleologischen Ethik und der deontologischen Ethik vorgenommen. Der Begriff der Deontologie leitet sich einerseits vom griechischen Wort deon, was „Pflicht“ bedeutet und andererseits vom griechischen Wort logos, was „Wort“ bedeutet, ab. Zusammengesetzt würde dieses so viel wie Pflichtwort bedeuten. Im Allgemeinen semantischem Verständnis wird unter dem von Jeremy Bentham eingeführten Begriff der Deontologie die Ethik als Pflichtenlehre verstanden. Der Kern einer deontologischen Ethik ist eine besondere Art der Rechtfertigung und Begründung moralischer Handlungen. Regeln und Gebote, die als Verpflichtungen gesehen werden, bilden den bindenden Maßstab moralisch guter oder aber moralisch verwerflicher Handlungen. Der moralische Maßstab wird als Selbstzweck gesehen, dessen Einhaltung unbedingt Folge geleistet werden muss. Innerhalb deontologischer Ethiken bemisst sich der moralische Wert einer Handlung allein aus den zugrunde gelegten Motiven. Da allein das Motiv für die Beurteilung einer Handlung nach ihrem moralischen Wert als Maßstab dient, sind die aus den Folgen resultierenden Handlungen nicht relevant. Allein von Bedeutung ist die Gesinnung, mit der eine Handlung vollzogen wurde.409 Nach deontologischer Auffassung, Konzepten bzw. Handlungstheorien bemisst sich der Wert einer Handlung aus407 408 409
Vgl. Stähli/Gassmann (2000), S. 12. Vgl. Arnswald/Kertscher (2002), S. 13. Vgl. Blume (2003), S. 291.
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schließlich am Wert der zu Grunde liegenden Handlungsweise im Sinne der moralischen Gesinnung, die zu einer Handlung führt. In diesem Kontext kann auch von formalen Ethiktheorien gesprochen werden, da diese Konzepte allein formale Bestimmungsgründe des Wollens, wie bspw. der Kategorische Imperativ nach Kant, oder die Verpflichtung zur Wahlfreiheit verschiedener Werte oder Ziele nach Sartre, als Beurteilungsprinzipien für menschliches Handelns zugelassen werden. Diesen Ethiken wird mitunter eine Entlastung des Individuums angetragen, wenn das handelnde Individuum die Folgen seiner Handlung nicht mehr verantworten muss, sofern es nach besten Wissen und Gewissen gehandelt hat. 410 Somit kommt der moralischen Verpflichtung im deontologischen Paradigma ein logisches Primat zu. Eine moralische Verpflichtung im Sinne des Guten erfolgt nicht aus einer Optimierung des Guten bzw. einer Wertfunktion.411 Der Begriff „Pflicht“ beinhaltet die Bedeutungskomponente einer Schuldigkeit. Pflichten können aufgefasst werden als Schuldigkeiten gegenüber anderen. Nur durch eine Akzeptierung anderer als Personen, denen etwas geschuldet wird, wird der Mensch zu einer moralischen Persönlichkeit.412 Bei radikalen deontologischen Theorien ist das Gute zur Bestimmung des Richtigen nicht von Bedeutung. Immanuel Kant kann als wohl bedeutendster Vertreter des deontologischen Ansatzes bezeichnet werden.413 Nach teleologischer Auffassung, Konzepten bzw. Handlungstheorien bemisst sich der Wert einer Handlung hingegen ausschließlich an der Qualität der Handlungsfolgen. In diesem Kontext kann auch von so genannten Güteethiken gesprochen werden.414 Handlungsethiken betrachten Kriterien moralisch richtiger Entscheidungen. Der Kern der Handlungsethiken ist das primäre Interesse und die Frage nach dem richtigen Handeln. Sekundär hingegen sind Fragestellungen, welchen Einfluss Charaktermerkmale oder Einstellungen auf richtige Entscheidungen besitzen. Den Handlungsethiken stehen Tugendethiken gegenüber. Das Erkenntnisinteresse von Tugendethiken sind moralisch angemessene Haltungen, Einstellungen bzw. Dispositionen und Charaktermerkmale. In Tugendethiken wird nicht eine moralische Beurteilung der Handlung, sondern der dieser Handlung zugrunde liegenden moralischen Grundeinstellungen und -haltungen vorgenommen.415 In deontologischen Ethiken hängt die moralische Qualität einer Handlung von jener Handlungsweise ab, die damit vollzogen wird. Diese ist richtig bzw. erlaubt, sofern die Handlungsweise erlaubt ist. Sie ist falsch bzw. verboten, sofern die Handlungsweise verboten ist. Bei teleologischen Ethiken hängt die moralische Qualität einer Handlung vom Wert der Folgen ab. Hierbei wird von einer für Zustände definierten Wertordnung ausgegangen. Der Wert einer Handlung wird als Gesamtwert ihrer zu erwartenden Folgen bestimmt. Im Rahmen teleologischer Ethiken ist der Wertbegriff von hoher Bedeutung. Insofern kann diese auch als Wertethik gesehen werden.416 Eine Unterscheidung zwischen Handlungs- und Tugendethiken ist nicht allein rein theoretisch-philosophischer Natur. Es ergeben sich aus dieser Unterscheidung vielmehr essentielle Implikationen. Bei Handlungen handelt es sich um auf Intentionen beruhendes, absichtliches bzw. intendiertes Verhalten, welches unter der Kontrolle des 410 411 412 413 414 415 416
Vgl. Pätzold (2003), S. 342-343. Vgl. Nida-Rümelin (1996), S. 20. Vgl. Kutschera (1999), S. 255. Vgl. Nida-Rümelin (1996), S. 20-21. Vgl. Pätzold (2003), S. 342. Vgl. Nida-Rümelin (1996), S. 5. Vgl. Kutschera (1999), S. 72.
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Handelnden steht und für das dieser zur Verantwortung gezogen werden kann. Tugenden als Charaktereigenschaften, -merkmale, -dispositionen können durch den Menschen nicht direkt gewählt werden, und daher ist der Mensch nicht in gleicher Weise wie bei seinen Handlungen für diese verantwortlich. Die Frage, in wie weit ein Mensch für eine Handlung bei spezifischen Charaktermerkmalen verantwortlich ist, ist entscheidend für die Konkurrenz von Handlungs- und Tugendethiken. Würde eine reine Charakterdeterminiertheit erlernter und angeborener Tugenden das Verhalten des Menschen bestimmen, so gäbe es keine Notwendigkeit für eine Handlungsethik.417 2.1.3.6.1
Theoretische Ethik
2.1.3.6.1.1 Deskriptive Ethik Die deskriptive Ethik bezeichnet eine empirische Untersuchung bestehender Normensysteme, bei der keine normativen Behauptungen aufgestellt werden. Deskriptiv-ethische Untersuchungen sind vor allem in der Soziologie, Ethnologie, Anthropologie, Geschichte und den Rechtswissenschaften von Interesse.418 Eine deskriptive Ethik fragt nicht nach ethischen Gründen geltender Ge- und Verbote. Gleichermaßen unterscheidet sie auch nicht zwischen moralischen und anderen Normen.419 Das Ziel der deskriptiven Ethik ist eine exakte Beschreibung bzw. Abbildung kulturabhängiger Ausprägungen und zugehöriger Handlungsanweisungen. Sie kann auch als empirische Wissenschaft von der Moral bezeichnet werden. Deskriptive Ethik analysiert den ethisch, moralischen bzw. unmoralischen IstZustand sowie kulturelle Auswirkungen bei ihren Untersuchungsobjekten, wie z. B. soziale Gruppen, Schichten und Klassen, aber auch bei bspw. Kulturen, Völkern und Stämmen. Primäre Forschungsinteressen sind zum einen die Untersuchung von Einflussfaktoren der Wandlung moralischer Wertvorstellungen. Zum anderen werden Handlungsabläufe bzw. Verhalten vor dem Hintergrund bio-, psycho- und soziologischer (oder auch wirtschaftlicher) Grundbedingungen erforscht. Hierbei ergeben sich Berührungspunkte zur Wissenschaft der Ethologie (Verhaltensforschung, Persönlichkeitsforschung).420 Deskriptive Aussagen wie bspw. die Beobachtung, dass in der Bundesrepublik Deutschland die Freiheit von Forschung und Lehre verfassungsrechtlich geschützt ist, bedeutet nicht, dass dies in allen Gesellschaften der Fall sein soll.421 In diesem Kontext ist darauf hinzuweisen, dass deskriptive Forschungsprogramme bzw. deskriptive Ethiken nicht immer konsequent rein auf deskriptive Aussagen beschränkt bleiben, sondern zum Teil auch versuchen, aus den deskriptiven Aussagen normative Aussagen zu treffen. Selbst Moritz Schlick, Gründer des Wiener Kreises des Logischen Empirismus, der die Ethik im Werk „Fragen der Ethik“422 als rein deskriptive Disziplin sieht, sei bei seiner Vorgehensweise nicht immer ganz konsequent.423 2.1.3.6.1.2 Normative Ethik 417 418 419 420 421 422 423
Vgl. Nida-Rümelin (1996), S. 5-6 Vgl. Kutschera (1999), S. 42-43. Vgl. Vieth (2006), S. 10. Vgl. Rich (1984), S. 21-22. Vgl. Quante (2003), S. 16-17. Siehe hierzu Schlick (1984). Vgl. Birnbacher (2003), S. 58.
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Die normative Ethik untersucht und trifft Aussagen darüber, wie sich ein Mensch verhalten soll. Somit generiert die normative Ethik Soll-Aussagen bzw. Soll-Forderungen im Gegensatz zu den empirisch erhobenen Ist-Zuständen der deskriptiven Ethik. Mithin behandelt die normative Ethik die Aussage, weshalb ein Mensch zu handeln hat, und nicht warum er wie in einer bestimmten Weise handelt. Normen stellen zwar motivationale Beweggründe für ein bestimmtes Handeln dar, jedoch nicht in deterministischer Weise. Sie beeinflussen vielmehr finale Handlungsziele, die es für einen Menschen zu erreichen gilt. Die Befolgung von Normen kann dabei bewusst oder unbewusst erfolgen. In unbewusster Weise sind diese kasuierenden Charakters und stellen dabei eine Verpflichtung im Sinne von „müssen“ dar. Bewusst empfundene Normen eines reflektierenden Lebens hingegen erzeugen Ziele, die nicht erzwungen und denen bewusst und absichtlich zuwidergehandelt werden kann.424 Normative Aussagen und Begründungen dieser werden in den Bereich der normativen Ethik eingeordnet.425 Gegen eine normative Ethik kann eingewendet werden, dass eine Wissenschaft keine Normen setzen könne. Vielmehr wäre lediglich eine Beschreibung und Erklärung dieser möglich. In der Wissenschaft werden Behauptungen aufgestellt und begründet, jedoch formuliert diese keine Forderungen oder Empfehlungen, wie sich ein Mensch bzw. die Menschen zu verhalten haben. Dieser Einwand kann allerdings nur dann als gerechtfertigt gesehen werden, wenn normative Sätze keine Behauptungssätze wären, sondern bspw. Imperative. Normative Sätze sind jedoch als Behauptungen aufzufassen, daher wird dieses Problem nicht relevant.426 Nach Quante (2003) ist der Themenbereich der Ethik die Beschäftigung mit normativen Aussagen. Aus diesem Grunde erscheint eine Bezeichnung der Ethik als normative Ethik redundant und der Begriff der Ethik ist als normative Ethik zu verstehen. Ethik bzw. normative Ethik stellt normative Behauptungen auf, analysiert normative Behauptungen und fragt nach Begründungen normativer Behauptungen.427 2.1.3.6.1.3 Metaethik Im Gegensatz zur normativen Ethik, die Soll-Aussagen aufstellt, besteht das Erkenntnisinteresse der Metaethik in der theoretischen Reflexion der normativen Ethik. Untersucht werden bspw. die Fragestellungen, ob es sich bei den normativ gewonnenen Erkenntnissen überhaupt um solche an sich handelt, wie diese bestätigt werden können und ob bei diesen eine objektive Bewertung möglich ist. Metaethik besitzt dabei keine ethischen Implikationen.428 Obwohl metaethische Aussagen und Theorien keinen normativen Inhalt besitzen, impliziert dies nicht, dass die Metaethik bzw. metaethische Prämissen oder Analyseergebnisse neutral sind.429 Im Gegensatz zur Logik ist die Metaethik nicht neutral. Konflikte zwischen Ethik und Metaethik müssen daher nicht zwingend zu Gunsten der Metaethik entschieden werden.430 Die Analyse der Grundbegriffe der Ethik sind dem Bereich der Meta424 425 426
427 428 429 430
Vgl. Rich (1984), S. 22-23. Vgl. Kutschera (1999), S. 43 Vgl. Kutschera (1999), S. 44. Die Aussage, dass moralische Urteile Behauptungssätze seien ist in der Literatur jedoch umstritten. Daher kommt es der Metaethik zu, Statuts und Funktion moralischer Urteile zu klären. Siehe Kutschera (1999), S. 48. Vgl. Quante (2003), S. 17. Vgl. Williams (1999), S. 105; Andersen (2005), S. 7. Vgl. Kutschera (1999), S. 46-47; Quante (2003), S. 24. Vgl. Quante (2003), S. 18.
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ethik zuzuordnen, da in diesem Kontext nicht-normative Aussagen über eine Bedeutung, eine logische Struktur sowie eine Anwendung zentraler Grundbegriffe der Ethik getroffen werden.431 Dabei ist die Aufgabe der Metaethik die Hinterfragung sprachlicher Formen als auch die Hinterfragung der Funktion ethischer Aussagen.432 Aussagen über normative Sprache sowie Aussagen über die Form und Begründung normativer Theorien sind sprachtheoretischen sowie methodologischen und somit wissenschaftstheoretischen Inhalts, die der Metaethik zugeordnet werden.433 Aufgrund des Aussagentyps sind metaethische Aussagen von ethischen Aussagen zu differenzieren. Zu beachten ist dabei jedoch, dass die Ebenen der normativen Ethik und der Metaethik nicht unabhängig voneinander sind. Metaethische Annahmen bestimmen ein allgemeines Rahmenkonstrukt der philosophischen Ethik mit der Auswirkung, dass die Metaethik nicht neutral gegenüber der philosophischen Ethik ist.434 Von besonderer Bedeutung sind wissenschaftstheoretische Analysen. Unterschiede einer Vielzahl aktuell existierender Ethiken lassen sich nicht nur in deren normativen Prinzipien erkennen. Vielmehr lassen sich Unterschiede in Bezug auf die Bedeutung moralischer Terme, die Funktion ethischer Aussagen, Methoden und Grenzen der Begründung normativer Sätze aufzeigen.435 Weiterhin sind sprachphilosophische und methodologische Aussagen ein Gegenstandsbereich der Metaethik, da es sich hierbei weder um deskriptive Aussagen im Sinne der deskriptiven Ethik, noch um normative Aussagen oder Forderungen im Sinne der normativen Ethik handelt. Die sprachphilosophischen und methodologischen Aussagen sind mit weitergehenden Annahmen und Konstrukten anderer Disziplinen der Philosophie verbunden.436 2.1.3.6.2
Angewandte Ethiken
Die Bezeichnung der angewandten Ethiken variiert in der Literatur. Neben dem Begriff der angewandten Ethik werden diese auch synonym als bereichsspezifische Ethik, Bereichsethik, anwendungsorientierte Ethik oder praktische Ethik bezeichnet. Im Rahmen der angewandten Ethik spricht Krämer (1992) von einer Speziellen Ethik, wozu bspw. die Medizin-, Bio-, Öko-, Friedens-, Zukunfts- oder Wirtschaftethik gerechnet wird.437 Kettner (1993) sieht als drei Hauptgebiete der angewandten Ethik die Medizinethik (bio/medical ethics), die Umweltethik (environmental ethics) und die Wirtschaftsethik.438 Die Entwicklung einer speziellen Ethik ist von Bedeutung, da bspw. traditionelle Konzepte genereller Prinzipien, die auf einen Einzelfall angewendet werden, der heutigen komplexen und vielfältigen Welt nicht mehr genügen. Angemessener erscheint die Entwicklung spezifischer Normen, die kontextabhängig angewendet werden können, ohne dass z. B. eine Ableitung aus einem allgemein Prinzip im Sinne einer Prinzipienethik vorgenommen wird, da die Normen nicht einfach aus Prinzipien deduzierbar sind, weil diese von speziellen Sachbedingungen abhängen und vor kontextuellen Kenntnisständen zu betrachten sind.439 Angewandte Ethik bejaht das Bestehende bereits, da sie impliziert eine 431 432 433 434 435 436 437 438 439
Vgl. Quante (2003), S. 24; Vieth (2006), S. 13. Vgl. Kunzmann/Burkard/Wiedmann (2003), S. 13. Vgl. Kutschera (1999), S. 45. Vgl. Quante (2003), S. 18. Vgl. Kutschera (1999), S. 45-46. Vgl. Quante (2003), S. 17. Vgl. Krämer (1992), S. 261. Vgl. Kettner (1993), S. 11. Vgl. Krämer (1992), S. 261.
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Verbesserung des Bestehenden vornehmen zu können. Die angewandte Ethik soll bestehende Probleme nicht nur intellektuell kommentieren, sondern sie soll den Menschen zum einen in eine Position bringen, in der in moralisch verantwortungsbewusster Art mit den Problemen umgegangen werden kann. Zum anderen soll sie darüber hinaus zu einer Lösung der Probleme im Idealfall beitragen helfen. Ähnlich wie das Konzept einer psychoanalytischen Supervision kann eine kritische, angewandte Ethik im Sinne einer philosophischen Aufklärung dazu beitragen, eine glaubwürdige Kommunikation in einem öffentlichen Diskurs zu vermitteln und zu erörtern, um dabei bewusste und unbewusste Widersprüche der Menschen moderner Gesellschaften zu lösen. Dabei ist anzumerken, dass die Ethik nicht zwingend als einzig legitimes Instrument aufzufassen ist, welches dies zu leisten vermag. Allerdings kann sie durch die Beschäftigung mit Problemen versuchen, diese in das Bewusstsein der Menschen zu bringen und gleichermaßen einen kritischen Diskurs im Sinne einer zielgerichteten Reflexion anzustoßen. In diesem Kontext gilt es zu beachten, dass eine angewandte Ethik nicht, wird sie im weitesten Sinne als eine kritische Theorie der Gesellschaft verstanden, bestimmte Lebensformen und Lebensweisen vorschreiben kann.440 Allgemein kann allerdings angenommen werden, dass Ethik wirkungsvoller zu sein scheint, je konkreter diese formuliert ist.441 2.1.3.7
Ausgewählte normative Ethikpositionen im Überblick
In diesem Kapitel sollen für das Verständnis der Wirtschafts- und Unternehmensethik relevante, grundlegende normative Ansätze bzw. Ethikpositionen dargestellt werden. Dabei kann aufgrund der Komplexität des Themenbereiches und der syntaktischen Begrenzung der Arbeit lediglich ein nicht abschließender Überblick zu den wesentlichen normativen Ethikpositionen gegeben werden. Die Darstellung der Grundlagen führt zum Kernthema dieser Arbeit, der Unternehmensethik hin. Moralische Beurteilungen und Positionen bzw. Ansätze verwenden unterschiedliche normative Begriffe und Kriterien. Dabei wird in der Beurteilung von Handlungen hinsichtlich ihrer moralischen Zulässigkeit oder Unzulässigkeit auf individuelle Rechte, eingegangene Verpflichtungen, soziale Pflichten sowie unterschiedlichste moralische Prinzipien verwiesen. Hieraus resultieren vier Arten bzw. Klassen alltagsmoralischer Begründungen. In den Haupttypen normativer Ethiken wird jeweils eine dieser Begründungsarten in den Mittelpunkt des Interesses gesetzt, da diese vier unterschiedlichen Arten ganz bestimmten Paradigmen normativer Ethik entsprechen, wobei anzumerken ist, dass die einzelnen Gruppen nicht scharf gegeneinander abgegrenzt werden können.
440 441
Begründung vor dem Hintergrund individueller Rechte (Menschenrechte, Bürgerrechte), die durch eine (demokratische) Verfassung garantiert werden. (Bspw. Redefreiheit, Versammlungsfreiheit, Partizipationsrechte etc.) Begründung vor dem Hintergrund eingegangener Verpflichtungen. Hierbei basieren Verpflichtungen auf vorausgegangenen Handlungen der verpflichteten Person. (Bspw. Vertragsverpflichtungen, Einhalten von Versprechen etc.)
Vgl. Kettner (1993), S. 20. Vgl. Krämer (1992), S. 262-263.
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Begründung vor dem Hintergrund von Pflichten. Pflichten werden als normative Erwartungen definiert. Diese sind mit bestimmten sozialen Rollen verknüpft oder gehören zu den Konstitutionselementen sozialer Rollen. Begründung vor dem Hintergrund von Prinzipien. (Bspw. Hilfen in Notlagen)
In diesem Kontext ist zwischen Verpflichtungen und Pflichten zu trennen. Verpflichtungen werden durch individuelle Handlungen direkt und (prinzipiell) freiwillig auferlegt. Bei Pflichten besteht diese Wahl der Freiwilligkeit von Handlungen nicht.442 Die zentralen Hauptarten normativer Ethik können in reduktiver Weise wiederum einer dieser vier Begründungen zugeordnet werden:443
442 443
444
445
446
Tugendethische Ansätze (Tugendethik): Begründung vor dem Hintergrund von Pflichten – Reduktion topischer Vielfalt moralischer Begründungen auf die normativen Pflichten sozialer Rollen. Kantische Ethik (Kantianismus): Begründung vor dem Hintergrund von Prinzipien – Reduktion topischer Vielfalt moralischer Begründungen auf ein Prinzip, den Kategorischen Imperativ. Utilitaristische Ansätze (Utilitarismus): Begründung vor dem Hintergrund von Prinzipien – Reduktion topischer Vielfalt moralischer Begründungen auf ein Prinzip. Kontraktualistische Ansätze (Kontraktualismus): Begründung vor dem Hintergrund von Verpflichtungen – Reduktion topischer Vielfalt moralischer Begründungen auf eingegangene Verpflichtungen, seien diese implizit, explizit oder fiktiv. Individualrechtliche Ansätze (Libertarismus): Begründung vor dem Hintergrund individueller Rechte – Reduktion topischer Vielfalt moralischer Begründungen durch individuelle Rechte.444 Diskursethische Ansätze (Diskursethik)445 Begründung vor dem Hintergrund von Prinzipien. Verantwortungsethische Ansätze (Verantwortungsethik)446 Begründung vor dem Hintergrund von Pflichten. Vgl. Nida-Rümelin (1996), S. 43. Vgl. Nida-Rümelin (1996), S. 44. Das hier vorgestellte Schema wurde um die Diskursetik und die Verantwortungsethik erweitert. Die individualrechtlichen Ansätze werden im weiteren Verlauf dieser Ausarbeitung nicht erörtert. Aufgrund der Vollständigkeit der Originalquelle sind dieser allerdings hier erwähnt. Nach Werner (2002b), S. 140 handelt es sich bei der Diskursethik um eine Prinzipienethik im Sinne einer kantischen Ethik. Dabei besteht die Aufgabe von Prinzipienethiken eines kantischen Typus in der Formulierung und Begründung eines einzigen Prinzips, dem Moralprinzip. In der Diskursethik handelt es sich bei dem Moralprinzip um ein formales und prozedurales Prinzip. Aus diesem Grunde erscheint es gerechtfertigt, die Diskursethik in die hier vorliegende Klassifikation aufzunehmen. Nach Ladd (1992), S. 297 kann Verantwortung grundsätzlich und wesentlich als eine Tugend aufgefasst werden. Die subjektive Seite der Verantwortung als Tugend ist die Anteilnahme am Wohlergehen anderer Individuen. Als Folge sollten die Menschen ihre Handlungen danach ausrichten, welche potenziellen Folgen sich für das Wohlergehen ande-
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Das hier aufgeführte Schema ist allerdings nicht umfassend und erschöpfend. Beachtet werden muss in diesem Zusammenhang, dass die hier angeführte lebensweltliche Moralbegründung nicht immer deckungsgleich mit einer Systematisierung nach teleologischer und deontologischer Klassifikation von Ethiken ist, die eine übergeordnete Strukturierung des ethischen Diskurses ermöglichen sollen.447 2.1.3.7.1
Tugendethik
Ihren Ursprung findet die Tugendethik bereits im antiken Griechenland. Die als klassische Periode bezeichnete Zeit der Lehrer-Schüler-Beziehung Sokrates-Platon-Aristoteles brachte verschiedene Ausprägungen ethischer Ansätze mit sich. Dabei ist anzumerken, dass sich Ethik seit Sokrates mit einem „Guten“, einem Wert, beschäftigt.448 Sokrates gilt als Begründer der autonomen Ethik. Platon entwickelte auf Basis des sokratischen und vorsokratischen Ansatzes eine metaphysische Konzeption einer Idee- und Sittenlehre. Aristoteles hingegen ist als Begründer einer systematischen, wissenschaftlichen Philosophie zu sehen, die alle Bereiche der menschlichen Erfahrung zu erfassen versucht.449 Bedeutende Vertreter der Tugendethik des 20. bzw. 21. Jahrhunderts sind, vor allem im angloamerikanischen Sprachraum, in der die Tugendethik als Virtue Ethics bezeichnet wird, mit Foot (1978) oder MacIntyre (1984) zu finden. Speziell diese Formen erheben den Anspruch, gegenüber den dominierenden Ethiken des Utilitarismus und der Kantischen Ethik, einen dritten neuen Typ darzustellen.450 Im Betrachtungsfokus einer Tugendethik steht der Akteur bzw. das Individuum, nicht die Handlung. Somit sind nicht die Konsequenzen bzw. die Pflichtmäßigkeit von Handlungen zentraler Gegenstandsbereich moralischer Bewertungen, sondern vielmehr der Charakter des moralischen Akteurs. Hierbei gilt: Moralisch richtig ist, was ein tugendhafter Mensch tun würde. Im Rahmen der Tugendethik ist moralisches Handeln ein Teil der Persönlichkeitsentwicklung. Verbunden sind hiermit Fragen wie: „Wie will ich sein? Wie will ich leben? bzw. „Was ist im Hinblick auf ein gutes Leben ratsam?“. Da keine externe Instanz existiert, die ein spezifisches Moralkriterium nahe legt, das zweifelsfrei angibt, was moralisch richtig (oder falsch) ist, kann als letzte (normative) Richtschnur der tugendhafte Akteur bzw. das Individuum gesehen werden. Dabei ist eine Handlung richtig, wenn sie durch einen tugendhaften Akteur unter spezifischen Umständen gewählt werden würde. Als tugendhaft gilt ein Individuum, das als moralisches Vorbild akzeptiert werden würde. Dabei kann ein Individuum als tugendhaft identifiziert werden, das langfristig in unterschiedlichen Situationen ein klares moralisches Profil erkennen lässt. Ein tugendhafter Akteur ist systematisch moralisch. Die Tugend erstreckt sich über alle Lebensbereiche eines Individuums, und somit sowohl auf das Privatleben, als auch auf das Berufsleben. Angemerkt werden kann, dass nicht die eine Tugendethik existiert, sondern eine Vielzahl unterschiedlicher Positionen. Die zeitgenössische Tugendethik kann als ein Versuch aufgefasst werden, die Kerngedanken der antiken Tugendethik auf dem Niveau aktueller Begrün-
447 448 449 450
rer Individuen ergeben können. Das Ziel einer verantwortlichen Handlung ist die fürsorgliche Verhinderung von schädlichen Auswirkungen für andere Individuen. Aus diesem Grunde erscheint es gerechtfertigt, die Verantwortungsethik in die hier vorliegende Klassifikation aufzunehmen. Vgl. Nida-Rümelin (1996), S. 44. Vgl. Neschke-Hentschke (2005), S. 39. Vgl. Kunzmann/Burkard/Wiedmann (2003), S. 29. Vgl. Tugendhat (2002), S. 10; Ricken (2003), S. 230. Zur Einführung in die (moderne) Tugendethik bzw. Virtue Ethics siehe u. a. bei Darwall (2003) oder Swanton (2003), Hurka (2001).
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dungs- und Argumentationsstandards zu reformulieren und weiterzuentwickeln.451 Denn Tugendethik liegt im antiken Griechenland begründet. So werden zum wesentlichen Verständnis im Folgenden, auch aufgrund der syntaktischen Begrenzung dieser Ausarbeitung, lediglich die Grundzüge einer Tugendethik nach Platon, und vor allem nach Aristoteles, erörtert. Platon Begründet wurde die philosophische Disziplin der Ethik als Tugendethik durch Platon (um 427 v. Chr. bis um 347 v. Chr.)452. Platon analysiert einzelne Tugenden und systematisiert diese in einer Theorie der strukturellen Harmonie der Seele und der polis453. Bei Platon sind Tugenden nicht Mittel zur Wahl richtiger Entscheidungen, so wie dies in manchen Handlungsethiken der Fall ist. Es wird vielmehr nach einer angemessenen Handlung unter Bezugnahme auf die Tugenden, Dispositionen, Einstellungen und Charaktermerkmale gefragt.454 Die vier Kardinaltugenden bei Platon sind Tapferkeit, Besonnenheit, Weisheit und Gerechtigkeit. Aus diesen leitet Platon ein Tugendsystem ab.455 Platon kann als ein moralischer Objektivist bezeichnet werden, da er das objektiv Wahre und das objektiv Gute hinter den Erscheinungen in einer Welt der Strukturen betrachtet und analysiert. Dabei erscheinen ihm die Meinungen von Wahrnehmungen von Menschen nicht als zuverlässige Quelle. Bei Platon fallen normatives und deskriptives Wissen zusammen. Es gibt keine Unterscheidung zwischen ihnen, da beide Bereiche durch Erkenntnisse zugänglich gemacht werden und nicht durch Meinungen oder Präferenzen.456 In seiner Ethik entwickelt Platon die Idee (eidos) des Guten. Auf dieser beruhen die Existenz der Dinge sowie ihre Erkennbarkeit. Dabei ist der Begriff der Idee in dieser Übersetzung von eidos nicht im Sinne einer Idee nach modernem Verständnis zu sehen. Vielmehr wohnt das Gute den Dingen bereits inne. Subjektive Einstellungen und Präferenzen sind für die Bildung bzw. Gründung des Guten nicht relevant. Das Gute ist objektiv gut und nicht relativ für einen Menschen.457 Dabei ist nach Plato die Idee des Guten der höchste Wert.458 Gut ist nicht das, was ein Mensch sich wünscht, sondern vielmehr was seinen objektiven Zweck erfüllt. Gut ist, was seine Bestimmung erfüllt. Jedoch kann die Bestimmung erst verstanden werden, wenn die Ordnung der Welt und somit die Rolle und der Zusammenhang zwischen den Dingen erkannt werden. Diese Ordnung ist nicht direkt ersichtlich, sondern liegt vielmehr hinter den Dingen und kann durch begriffliche Analyse, Klarheit sowie die Lösung von Vorurteilen und Meinungen ergründet werden.459 Platon entwickelt seine Theorie des Guten als Gegenpol zweier historisch herausgebildeter Ethiken, des aus der sophistischen Tradition entstandenen Hedonismus sowie der Ethik des Willens zur
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453 454 455 456 457
458 459
Vgl. Borchers (2005), S. 502-515. Vgl. Martens (1989), S. 614. Wenngleich Halfwassen (2005), S. 13 anmerkt, dass bei Platon die Ethik im Sinne einer eigenständigen philosophischen Disziplin noch nicht existierte. Denn die Einteilung der Philosophie in unterschiedliche Disziplinen wurde durch die Schüler Platons vollzogen. Dabei vollzog Xenokrates eine Einteilung der Philosophie in Dialektik, Physik und Ethik. Aristoteles zeigte, wie eine eigenständige Ethik ausgeführt werden kann. Unter polis wird i. d. R. der antike griechische Stadtstaat verstanden. Vgl. Nida-Rümelin (1996), S. 31 ; Petersen (2005a), S. 134. Vgl. Rapp (2002), S. 69 ; Halfwassen (2005), S. 17. Vgl. Nida-Rümelin (1996), S. 32-33. Vgl. Nida-Rümelin (1996), S. 31. Halfwassen (2005), S. 14 merkt an, dass eher von einer Metaphysik (des Guten), denn von einer Ethik bei Platon gesprochen werden könnte. Vgl. Dempf (1989), S. 13-14. Vgl. Nida-Rümelin (1996), S. 32-33. Dempf (1989), S. 11 merkt an, dass die Begriffe „Gut“ und „Zweck“ hier synonym verwendet werden können.
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Macht.460 Wieland (1999a) sieht Platon als Erschaffer eines ersten bedeutenden wirtschaftsethischen Ordnungsentwurfes.461 Aristoteles Im Gegensatz zu Platon wird bei Aristoteles (384 v. Chr.-322 v. Chr.)462 die eher formale Theorie des Guten durch eine praxisbezogene Theorie des Guten ersetzt. In dieser praxisorientieren Theorie wird das Gute aus dem Lebensklugen (phronimos) bestimmt und nicht durch die Analyse der Philosophie. Von Natur aus gut ist, was die Menschen als gut empfinden.463 Diese Differenzierungen müssen vor dem Hintergrund der Ablehnung der allgemeinen Idee des Guten nach der Lehre Platons gesehen werden. Die Idee des Guten besitzt keinen praktischen Nutzen im realen Leben, da der Begriff „gut“ in mannigfacher Weise verwendet wird und somit keine einheitliche Verwendung besteht. Bei Aristoteles resultiert das Gute eher aus einer vernunftmäßigen Tätigkeit.464 Bei Aristoteles ist nicht, wie bei Plato, ein (radikal) einheitlicher Wert maßgebend. Vielmehr ist der Wertgedanke bei Aristoteles ein Ordnungsprinzip, das Güter, Tugenden und Tätigkeiten höher oder niedriger ordnet und somit wertet.465 In der Ethik von Aristoteles bilden die zwei Grundbegriffe der eudaimonia (Glück; gutes, gelungenes Leben) sowie der aretê (Tugend, Vortrefflichkeit, Vorzüglichkeit, Bestzustand) die zentralen Elemente dieses Konzeptes.466 Dabei ist unter aretê im moralischen Sinne die Verfassung, durch die der Mensch ein guter Mensch ist und sein Werk als Mensch gut vollbringt, zu verstehen.467 Die Ethik Aristoteles wird daher auch häufig als eudaimonistische Tugendethik468 bezeichnet. In dieser Bezeichnung sind der Weg und das Ziel impliziert. Zum einen als Weg die Eudaimonia, die Glückseligkeit als das Tätigsein, das dem Wesen der Tüchtigkeit des Menschen entspricht. Zum anderen als Ziel die Tugenden, die einen Menschen das Ziel erreichen lassen. Dabei schreibt das Konzept nicht Handlungsregeln vor. Die aristotelische Ethik ist eher auf die Qualifizierung und Konstituierung der Menschen als Menschen ausgerichtet. Bei Aristoteles werden keine Regeln begründet, sondern vielmehr wird auf die Kompetenzen, die Tugenden, zum Finden dieser Regeln im Sinne einer Heuristik abgestellt.469 Tugenden sind die lobenswertesten und vortrefflichsten Eigenschaften der menschlichen Seele.470 Die Tugend als Kompetenz ist bedeutender als die Kenntnis einer Regel.471 Tugenden bestehen nicht von Natur aus. Der Mensch muss diese im Laufe des Lebens erwerben. Dabei können Tugenden durch Erziehung und Gewöhnung erworben werden.472 Ethische Tugenden werden durch bestehende gesellschaftliche und staatliche Ordnungen vermittelt. Ihre Gültigkeit resultiert aus der
460 461 462 463 464 465 466 467 468
469 470 471 472
Vgl. Nida-Rümelin (1996), S. 33. Vgl. Wieland (1999a), S. 30. Vgl. Horster (1989), S. 42. Vgl. Nida-Rümelin (1996), S. 35. Vgl. Schulz (1993), S. 53; Halfwassen (2005), S. 13-14. Vgl. Dempf (1989), S. 8. Vgl. Rapp (2002), S. 69; Borchers (2005), S. 514. Vgl. Ricken (2003), S. 232. Neschke-Hentschke (2005), S. 35 merkt an, dass in der Theorie allerdings nicht abschließend geklärt ist, ob bei einem (fundamental) gleichen Grundansatz, die Eudemische oder Nikomachische Ethik die endgültige Form der aristotelischen Ethik darstellt. Siehe zur Entwicklungshypothese Jaeger (1923). Vgl. Fischer (2003), S. 98-99; Andersen (2005), S. 32. Vgl. Rapp (2002), S. 73. Vgl. Fischer (2003), S. 99. Vgl. Rapp (2002), S. 73.
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Tradition sowie der allgemeinen Zustimmung.473 Aristoteles geht von der Frage aus, was ein guter Mensch an sich ist. Der gute Mensch ist der Ursprung und die Ursache eines guten Lebens und somit folgt hieraus, dass der Mensch auch gute Handlungen vollzieht, ein gutes Leben führt und gute Regeln und Gesetze trifft.474 Das menschliche Gute resultiert aus der vernunftmäßigen Tätigkeit, der ethischen Tüchtigkeit. Ethische Tüchtigkeit manifestiert sich in einer Dauereinstellung, die durch Vernunft erzeugt wird und den Charakter eines Menschen prägt. Die Vernunft charakterisiert den Menschen in der Weise seines Lebens und wird als logos (Sprache, Vernunft, Überlegung) bezeichnet. Nach Aristoteles ist der Mensch gut, wenn sein Vernunftvermögen in einem guten Zustand ist. Vernunft reguliert unkontrollierte irrationale Handlungen, die durch ein Ungleichgewicht im Sinne eines Zuviel oder Zuwenig charakterisiert sind, zur Mitte hin. Die Mitte stellt Begrenzung dar. Nach griechischer Auffassung ist Begrenzung immer angemessen, da sich hier der Sinn für Ordnung widerspiegelt, der den Kosmos im Ganzen bestimmt.475 Die ethische Tugend ist inhaltlich als die Mitte (mesotês) zwischen falschen Extremen bestimmt. Tapferkeit ist bspw. die Mitte zwischen Feigheit und Tollkühnheit.476 Die mesotês Lehre richtet sich zum einen auf die richtige Handlung des Tugendhaften und zum anderen auf den richtigen emotionalen Zustand, der die richtige Handlung beim Tugendhaften begleitet und zu einer entsprechenden Entscheidung beiträgt. Das Konzept der mesotês Lehre ist nicht als errechenbares arithmetisches Mittel zu verstehen, sondern als eine jeweils persönliche subjektive Mitte, bei der sich die Mitte einzelfallbezogen orientieren muss.477 Ethische Tugenden beziehen sich dabei immer auf Affekte und Handlungen.478 Für das ethische Handeln ist ferner die phronêsis von Bedeutung.479 Phronêsis stellt eine Art praktischer Vernunft im Sinne einer intellektuellen Fähigkeit dar, Einzelentscheidungen so treffen zu können, dass diese der eudaimonia gerecht werden bzw. auf diese hinwirken.480 Das Zusammenwirken von phronêsis und ethischen Tugenden erzeugt die sittliche Haltung des Menschen, wobei der phronêsis die Aufgabe zukommt, die richtigen Mittel und Wege zu identifizieren, wohin gegen die ethischen Tugenden das Ziel vorgeben.481 Nach Aristoteles ist alles darauf angelegt, einem Ziel (telos) anzustreben.482 Dabei bezieht phronêsis sich auf die Wahl der Handlungen bzw. Wege, die zu einem Ziel führen, das durch Tugend vorgegeben ist, wobei dieses oft mit einer instrumentellen Vernünftigkeit gleichgesetzt wird, die in der deutschen Sprache als Klugheit bezeichnet wird. Jedoch sucht Klugheit die Mittel zu beliebigen Zecken. Die phronêsis hingegen beruft sich dabei auf die Mittel zu tugendhaften Zielen.483 Die Einheit von ethischer Tugend und phronêsis verdeutlicht den Kern einer Tugendethik.484
473 474 475 476 477 478 479 480 481 482 483 484
Vgl. Kunzmann/Burkard/Wiedmann (2003), S. 51; Borchers (2005), S. 518. Vgl. Fischer (2003), S. 98-99. Vgl. Schulz (1993), S. 53; Ricken (2003), S. 232; Andersen (2005), S. 33. Vgl. Kunzmann/Burkard/Wiedmann (2003), S. 51; Brink (2004a), S. 165. Vgl. Rapp (2002), S. 74. Vgl. Ricken (2003), S. 232. Vgl. Kunzmann/Burkard/Wiedmann (2003), S. 51. Vgl. Rapp (2002), S. 75. Vgl. Kunzmann/Burkard/Wiedmann (2003), S. 51. Vgl. Andersen (2005), S. 32. Vgl. Rapp (2002), S. 75-76; Andersen (2005), S. 42-43. Vgl. Ricken (2003), S. 238.
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Wichtig ist die Beachtung der historischen Gesellschaftsstruktur im Zeitalter von Aristoteles. Bei Aristoteles wird von einem Stadtstaat (polis) ausgegangen, die eine relativ kleine Gemeinschaft von Menschen beinhaltete.485 Für das Verständnis der aristotelischen Ethik ist es wichtig, das Verständnis des Wortes „Mensch“ in der damaligen Bedeutung zu kennen. Menschen sind für Aristoteles freie Bürger des Stadtstaates, der Polis. Hierzu gehören u. a. nicht die Sklaven. Sklaven sind das Eigentum der freien Bürger, der Menschen. Da die Sklaven nicht frei sind, können sie auch nicht frei handeln und werden daher als sprechende Werkzeuge behandelt. Es ist somit ersichtlich, dass Aristoteles unter dem Begriff Mensch etwas anderes verstanden hat, als das, was heute gemeinhin unter dem Begriff Mensch verstanden wird.486 In der Polis sind persönliche Beziehungen und Interaktionen von hoher Bedeutung. Aufgrund der Struktur der Polis sind die das Gemeinwesen betreffenden Angelegenheiten den Mitgliedern meist offensichtlich und können von jedem Mitglied überschaut und beurteilt werden. Durch eine latente Bedrohung der Polis von außen wird die innere Zusammengehörigkeit gefördert. In einer solchen Gesellschaftsstruktur ist es ersichtlich, dass von jedem Mitglied eine Leistung zum Erhalt der Polis beigetragen werden muss. Dabei können Leistungen zum Gemeinwohl recht einfach zugeordnet und bewertet werden, was eine Free-rider (Trittbrettfahrer) Mentalität, durch gegenseitige Kontrolle, erschwert. Aus diesem Grunde ist es ersichtlich, warum Aristoteles den Tugenden so viel Bedeutung zukommen lässt. Im Gegensatz dazu sind in hochintegrierten, spezialisierten Gesellschaften wesentlich komplexere Strukturen und Beziehungen auszumachen. Dies ist auch der Grund, warum in modernen Gesellschaften ein anderes Ethikverständnis vorherrscht und dabei die Kompetenzen zum Finden von Regeln nicht im Vordergrund stehen. Die Kompetenzen würden in den modernen Gesellschaftsstrukturen wohl zu hoch sein.487 Zum Bezug der Ökonomik in den Ausführungen von Aristoteles Die Frage, welcher Stellenwert dem wirtschaftlichen Handeln aus Sicht der antiken Tugendlehre zukommt, lässt sich wie folgt beantworten: Bei Aristoteles wird keine Trennung von Ethik und Wirtschaft vorgenommen. Vielmehr bilden die Bereiche der Ökonomik, Ethik und Politik einen zusammengehörigen, untrennbaren Bereich in der praktischen Philosophie.488 Nach den Lehren von Aristoteles musste jeder Bürger der Polis moralisch erzogen werden. Dabei erfolgte eine Einübung der Wertmaßstäbe der Polis zum Erwerb moralischer Kompetenz im Sinne einer Tugend, die als aretê. bezeichnet wird Die Tugend ist die Tüchtigkeit der Seele des Menschen, die dem Individuum das Anstreben eines Zieles, über dessen allgemeinen Wert ein Konsens in der Polis besteht, sowie dessen Umsetzung mit ökonomischen Mitteln ermöglicht. In diesem Kontext sind moralisches, ökonomisches und politisches Handeln für Aristoteles nicht voneinander zu trennen.489 Insofern existieren keine rein ökonomischen Handlungen. Bei der Verselbständigung des Wirtschaftlichen, bspw. im Bereich des Gelderwerbes (Chrematistik), der eine Erzielung von Reichtum über das Lebensnotwendige hinaus zum Ziel hat, ist keine Vereinbarung mit dem 485 486
487 488 489
Vgl. Fischer (2003), S. 100. Vgl. Starbatty (1990), S. 81-82; Fischer (2003), S. 99. Erklärt wird dieser Zustand mit der Annahme, dass die unterschiedenen Menschen bzw. Menschenklassen in verschiedenem Maße am logos Anteil hätten. Siehe hierzu Apel (2002), S. 34-35. Vgl. Fischer (2003), S. 100-101; Borchers (2005), S. 519. Vgl. Bien (1992), S. 41-42; Pieper (2004), S. 54. Vgl. Pieper (2004), S. 54; Petersen (2005a), S. 134.
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moralischen oder politischen Ethos gegeben. Aus diesem Grunde bezeichnet Aristoteles dies als eine widernatürliche Erwerbsarbeit, die eine Korrumpierung der tugendhaften Grundeinstellung der Polis darstellt. Geldvermehrung ist nicht auf natürliche Weise beschränkt. Es existieren keine Grenzen, so dass die Geldmehrung immer weiter vollzogen werden kann, ohne begrenzt zu werden. Die Widernatürlichkeit manifestiert sich auch in der Tatsache, dass das ganze Leben auf die Erzielung von immer Mehr ausgerichtet ist, als dies prinzipiell nötig wäre. Dabei wird Kraft vergeudet, denn die Zeit und Kraft könnte auch für andere Tätigkeiten sinnvoll eingesetzt werden.490 Der Begriff der alteuropäischen Ökonomie oder der Ökonomik im Sinne des Aristoteles bezieht sich auf das Haus und die Lehre vom Hause. In dieser Ausrichtung wird hierunter nicht das Haus allein verstanden. Vielmehr ist der Begriff zweigeteilt zu betrachten. Zum einen werden unter dem Begriff Haus die Personen, die als Gemeinschaft bzw. häusliche Gesellschaft innerhalb des Hauses leben, verstanden. Die häusliche Gesellschaft (Personenverband) wird durch viele unterschiedliche Teilgesellschaften bzw. Stände gebildet. Zum anderen wird unter Haus auch das dem Hausstand zugehörige materielle Eigentum bzw. Ressourcen, wie bspw. Land, Gebäude, Tiere, das Personal und Gesinde sowie die Sklaven verstanden. Ökonomik ist, bezogen auf den Hausherren, die Führung des Hauses, die sittliche Lehre und Anleitung zum nützlich Zusammenleben der zum Hause gehörenden Personen. Darüber hinaus wird unter Ökonomik die Kunst des Erwerbes, der Verwaltung und der Steigerung des Besitzes des Hauses verstanden.491 2.1.3.7.2
Kantische Ethik
In der Kantischen Ethik werden mithilfe von Fragen unterschiedliche Gebiete der Philosophie geordnet. So wird der Bereich der Metaphysik und der philosophischen Erkenntnistheorie durch die Frage „Was kann ich wissen?“ abgedeckt. Im Bereich der Ethik wird die Frage „Was soll ich tun?“ formuliert.492 Das Ziel von Kant ist es Gebote und Forderungen der Moral als objektiv gültig nachzuweisen, um als Konsequenz die Ethik von einer reinen philosophischen Spekulation zu befreien. Moral kann nur dann als gesichert angesehen werden, wenn diese nicht mit empirischen Momenten und Zufälligkeiten verbunden ist. Kant vertritt dabei eine deontologische Moralauffassung, bei der die Verpflichtung einer Handlung aus der Einsicht in die Korrektheit des der Handlung zugrunde liegenden Prinzips besteht. Einem teleologischen Moralverständnis steht Kant skeptisch gegenüber, denn moralische Normen sind nicht durch das Erreichen eines bestimmten Zieles begründbar. Eine reine zielorientierte Ausrichtung moralischer Verbindlichkeit von Handlungsweisen führt zu einer verhängnisvollen Relativierung der Moral.493 Im Rahmen der kantischen Ethik werden alle bis dahin entwickelten Theorien einer philosophischen Begründung des Sittlichen als unzureichend angesehen.494 Nach Kant können Moralprinzipien lediglich formal und nicht inhaltlich bestimmt werden. Diese Aussage kann als Paradigmenwechsel von der antiken zur modernen Moralphilosophie aufgefasst werden. Die Ethik der Antike befasste sich noch mit sittlichen Werten und Gütern zur Erzie490 491 492
493 494
Vgl. Starbatty (1990), S. 81; Pieper (2004), S. 54-55. Vgl. Bien (1992), S. 43-44. Vgl. Schweppenhäuser (2003), S. 51. Weiterhin wurde noch die Frage „Was darf ich hoffen?“ als Frage nach dem Wesen des Menschen thematisiert, die in dem hier bestehenden Kontext allerdings nicht von Bedeutung ist. Siehe hierzu auch Kant (1998), S. 838. Vgl. Pauer-Studer (2003), S. 9. Siehe ausführlich auch die Erörterung bei Grundherr (2003). Vgl. Litt (1981), S. 97.
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lung eines guten Lebens durch spezifische Tugenden.495 Bei einer Begründung der Moral aus sich selbst heraus darf das oberste Prinzip der Moral nicht ein materieller, sondern ein formaler Grundsatz sein, denn eine materielle Formulierung des moralischen Gesetzes führt zu dem Problem, dass die Moral wieder zielgerichtet ist und somit von externen Zielen abhängig wird, was es nach Kant ja zu vermeiden gilt. Die Gültigkeit eines moralischen Gesetzes sollte für sich selbst vernünftig bzw. einsichtig sein. Moral ist bei Kant daher nicht heteronom, sondern vielmehr autonom.496 Bei Kant sind moralische Pflichten das Ergebnis eines Tests von Maximen497 (subjektive Handlungsmaßstäbe). Der Test überprüft die Vereinbarkeit dieser Maximen in Bezug auf eine mögliche Aneignung durch andere Personen. Dabei kann die Vereinbarkeit in eine logische Vereinbarkeit und voluntative (den Willen betreffende) Vereinbarkeit bzw. Unvereinbarkeit differenziert werden. Aus einer logischen Unvereinbarkeit einer Maxime, der Tatsache, dass andere Personen die Maxime sich nicht zu eigen machen, resultiert eine Verbot der Maximen und es besteht eine vollständige Pflicht, Handlungen nicht nach dieser Maxime zu vollziehen. Unter voluntativer Unvereinbarkeit wird die Begebenheit verstanden, bei der sich die bestreffende Personen nicht wünschen kann, dass die Maxime bei anderen Personen die Grundlage des Handelns bildet. Es besteht dabei eine unvollständige Pflicht, bei der nicht nach dieser Maxime gehandelt werden soll.498 Die Ethik von Kant kann als Maximenethik bezeichnet werden. Als Kern der moralischen Reflexion ist die Prüfung der Zulässigkeit sowie des moralischen Werts der subjektiven Prinzipien der Handlungen des Menschen zu sehen.499 Nach Kant werden Maximen als subjektive Grundsätze angesehen, die sich zu einer allgemeinen Gesetzgebung bloß qualifizieren, wobei Rechtspflichten nicht in das Feld der Ethik gehören.500 „Die Ethik gibt nicht Gesetze für die Handlungen, (denn das tut das Ius), sondern nur für die Maximen der Handlungen.“501 Moralische Gebote sind bei Kant gleichbedeutend mit kategorischen Imperativen, die unbedingt und ausnahmslos gelten. Nach Kant darf die Moral nicht auf hypothetische Zweck-Mittel-Überlegungen reduziert werden.502 Der Kategorische Imperativ kann als ein Prinzip verstanden werden, das die Verallgemeinerungsfähigkeit von Handlungsweisen und Maximen bzw. der von diesen berücksichtigten Interessen, die in den Handlungsnormen repräsentiert werden, fordert.503 Der kategorische Imperativ ist, anders formuliert, somit eine Form eines Universalisierbarkeitstests. Allgemein hat die Konzeption der Verallgemeinerung zum Gesetz nach Kant die Diskussion um die Universalisierbarkeit von Moral weiter vorangetrieben.504
495
496 497 498 499 500 501 502 503 504
Vgl. Schweppenhäuser (2003), S. 54. Petersen (2005a), S. 134 merkt an, dass durch Kant eine systematische Trennung von Ethik und politischer Philosophie im Werk der „Metaphysik der Sitten“ vorgenommen wurde. Dabei erfolgte eine Unterscheidung zwischen der Rechtslehre und der Tugendlehre. Vgl. Pauer-Studer (2003), S. 11. Kant bezeichnet Maximen als (subjektiv) begründete Handlungsprinzipien. Siehe hierzu Grundherr (2003), S. 23. Vgl. Nida-Rümelin (1996), S. 21. Vgl. Pauer-Studer (2003), S. 21. Vgl. Kant (1959), S. 28 und 229-230. Kant (1959), S. 229. Im Original wird am Wort Ius per Fußnote auf die 2. Aufl.: „die Rechtslehre“ verwiesen. Vgl. Pauer-Studer (2003). S. 10. Vgl. Habermas (1983), S. 73. Vgl. Nida-Rümelin (1996), S. 22; Ott (2001), S. 82.
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Kant unterscheidet zwischen hypothetischen und kategorischen Imperativen. Unter einem hypothetischen Imperativ ist eine Handlungsanleitung zur Erreichung eines bestimmten Zieles zu verstehen. (Wenn x gewollt ist, dann tue y).505 Im Gegensatz dazu wird ein kategorischer Imperativ dagegen um seiner selbst willen akzeptiert. (Du sollst x tun; tu x)506 Dabei beschreibt der kategorische Imperativ ein unbedingtes Sollen, eine absolute Forderung (Norm) der Vernunft, ohne dabei Rücksicht auf einen Zweck, eine „Materie“ des Willens zu nehmen.507 Nach Kant handeln Menschen bei dem Kategorischen Imperativ als Vernunftwesen, wobei Vernunftwesen nach Gesetzen handeln, die sie sich selbst gegeben haben. Werden Menschen durch Neigungen und Triebe geleitet, handeln diese nicht autonom, sondern heteronom im Sinne von Naturwesen.508 Die Rechtfertigung des kategorischen Imperatives basiert schließlich auf einer spezifischen Explikation der Beziehung von Vernunft, Freiheit und Moral.509 Die Vernunft benötigt einen autonomen, freien Willen unter der Voraussetzung freier Überlegungen und Entscheidungen. Nach Kant kann der Mensch als Noumena, als freies intelligibeles (nur verstandesmäßig begreifbares, nicht sinnlich erfahrbares) Wesen oder als Phänomena, als kausal determiniertes Wesen gesehen werden. Nach Kant umfasst die Welt der Noumena auch die Gesetze der Phänomena. Somit kann der Mensch einerseits frei sein, obwohl er andererseits empirischen, deterministischen Gesetzen untersteht.510 Die Autonomie (Freiheit) verbindet zum einen Handlungen nach Gesetzen im Sinne nicht willkürlich oder zufallsbedingt zu handeln und zum anderen frei im Sinne der Willensfreiheit zu handeln. Die Freiheit ergibt sich nicht aus einer Auswahl beliebig freier Handlungen, sondern in der freien Bestimmung der Gesetzmäßigkeit der Handlungen.511 Als Bedingung moralischen Handelns muss für Kant ein guter Wille vorliegen, da dieser für sich selbst genommen moralisch wertvoll ist, unabhängig von seinen Konsequenzen.512 Ein guter Wille ergibt sich in einem Handeln aus Pflicht heraus, dem eine Maxime, die selbst frei von selbstsüchtigen Absichten aus der Achtung für das moralische Gesetz ist, zugrunde liegt. Ein Handeln aus Pflicht ist nicht zu verwechseln mit pflichtgemäßem Handeln, welches zwar moralkonform ist, allerdings aus egoistischen Intentionen und Motiven heraus vollzogen wird. Der gute Wille kann als ein an das moralische Gesetz gebundenes Wollen aufgefasst werden.513 Kant formuliert als erstes den kategorischen Imperativ in der Formel des allgemeinen Gesetzes. Neben dieser Formel des allgemeinen Gesetztes beschreibt Kant weitere drei Varianten, als Formel des Naturgesetzes, Formel des Zwecks-an-sich-selbst und der Formel der Autonomie. Dabei sind die weiteren Formen des kategorischen Imperatives als gleichwertig mit der Formel des allgemeinen Gesetzes zu betrachten. Insgesamt existieren somit fünf verschiene Versionen des kategorischen Imperativs, die sich in drei Hauptformeln und zwei Unterformeln klassifizieren lassen:514
505 506 507 508 509 510 511 512 513 514
Vgl. Eisler (1994, S. 267. Vgl. Ott (2001), S. 79; Pauer-Studer (2003), S. 10. Vgl. Eisler (1994), S. 267. Vgl. Nida-Rümelin (1996), S. 21; Baum (2005), S. 194. Vgl. Pauer-Studer (2003), S. 18 Vgl. Pauer-Studer (2003). S. 18-19. Vgl. Nida-Rümelin (1996), S. 21-22. Vgl. Ott (2001), S. 80; Pauer-Studer (2003), S. 10. Vgl. Pauer-Studer (2003), S. 11. Siehe hierzu Schönecker/Wood (2002); Pauer-Studer (2003); Baum (2005). Sie auch Eisler (1994), S. 268-269.
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Hauptformel I – Formel des allgemeinen Gesetzes „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, daß sie ein allgemeines Gesetz werde.“ Unterformel Ia – Formel des Naturgesetzes: „Handle so, als ob die Maxime deiner Handlung durch deinen Willen zum allgemeinen Naturgesetz werden sollte.“ Hauptformel II – Formel des Zwecks-an-sich-selbst: „Handle so, daß du die Menschheit, sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden anderen, jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als als Mittel brauchest.“ Hauptformel III – Formel der Autonomie: „Handle so, daß der (dein) Wille durch seine Maxime sich selbst zugleich als allgemein gesetzgebend betrachten könne.“ Unterformel IIIa – Formel des Reichs der Zwecke: „Handle so, als ob du durch deine Maxime jederzeit ein gesetzgebendes Glied im allgemeinen Reich der Zwecke wärest.“
Die Hauptformel I als Formel des allgemeinen Gesetzes mag vermutlich wohl die bekannteste und am häufigsten zitierte Variante des kategorischen Imperatives sein, da die anderen Varianten sich ja auch auf diese Aussage zurückführen lassen und als gleichwertig angesehen werden. In der Unterformel Ia bedeutet die Aussage, eine Maxime der Handlung durch den Willen zum allgemeinen Naturgesetz werden zu lassen, dass dieses Handlungsprinzip als allgemeines Gesetz menschlicher Natur und als für alle Menschen verbindlich betrachtet werden kann. Die menschliche Natur wird in teleologischer Sichtweise als ein System von Zwecken betrachtet, bei der Zweck definiert wird als objektiver Grund des Willens. Kant sieht die für die menschliche Natur objektiv gültigen und notwendigen Zwecksetzungen als ein allgemeines Naturgesetz. Die Hauptformel II kann negativ und positiv interpretiert werden. In negativer Interpretation bedeutet die Aussage, dass Menschen nicht (zur Zielerreichung) instrumentalisiert werden dürfen. Eine Instrumentalisierung liegt dann vor, wenn sich die eigentlichen Absichten des Handelnden für die betroffene Person nicht direkt erschließen bzw. erkennbar sind, und zugleich die betroffene Person bei voller Informationssymmetrie ihrer Behandlung nicht zustimmen würde. Bei einer positiven Betrachtung besagt diese Formel, dass der innere Wert und die Würde einer Person anzuerkennen sind. Die ersten beiden Hauptformeln I und II (Formel des allgemeinen Gesetzes, Formel des Zwecks-an-sich) bieten nach Kant ein Kriterium zur Überprüfung der moralischen Qualität einer Maxime. Die Hauptformel III (Formel der Autonomie) des kategorischen Imperativs ist nicht, wie die ersten beiden Hauptformulierungen der Formel des allgemeinen Gesetzes und der Formel des Zwecks-an-sich, ein Kriterium für den moralischen Wert bzw. Unwert von Maximen, sondern sie bildet einen Übergang zur Rechtfertigung des moralischen Gesetzes durch die Idee der Freiheit. In der Selbstgesetzgebung durch vernünftige Wesen liegt der Ursprung der Moralität. Als Ergebnis eines eigenen (freien) Willens vernünftig zu handeln ist das moralische Gesetz.515
515
Vgl. Pauer-Studer (2003), S. 13-16.
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Die Kernaussage der Unterformel IIIa (Formel des Reiches der Zwecke) ist derart aufzufassen, dass das Reich der Zwecke als ein Bereich gesehen werden kann, wo alle Menschen an und durch den kategorischen Imperativ gebunden sind und aus dieser Tatsache ihre Mitmenschen auch dementsprechend behandeln.516 Aufgrund der Raum- und Zeitunabhängigkeit als universell gültiges, formales Sittengesetz, führt der Kategorische Imperativ zu keinen konkreten Handlungsanweisungen. Daher werden unterschiedliche Kulturen bei der Anwendung des formalen Sittengesetzes unterschiedliche Ergebnisse im Rahmen ethischer Probleme erzielen.517 Sowohl der kategorische Imperativ, als auch die goldene Regel, sind somit als umfassende handlungsethische Kriterien unzureichend.518 In der Praxis kann der Kategorische Imperativ lediglich als eine Minimalanforderung moralischen Handelns in Sinne eines zusätzlichen Hilfsmittels gesehen werden. Denn konkrete situationsbezogene Entscheidungen werden auf Basis des moralischen Urteilsvermögens dem einzelnen Individuum überlassen. Dieses Urteilsvermögen wird geprägt durch die kulturelle Herkunft sowie die Glaubens- und Wertvorstellungen. Ein universell gültiges, moralisches Sittengesetz, wie bspw. der Kategorische Imperativ, bildet lediglich den äußeren Rahmen des moralischen Handelns.519 Trotz der nicht zu vernachlässigenden Kritiken an der Ethik Kants, existieren in ihr essentielle Bestandteile bzw. Elemente, die auch für andere Ethik von Bedeutung sind. Hierbei handelt es sich zum einen um die Begebenheit, dass praktische Vernunft sich darin manifestiert, dass Menschen sich von den jeweils wirksamen Neigungen distanzieren können und menschliches Handeln nicht ein Instrument der Optimierung aktueller Präferenzen sein muss. Zum anderen ist die Universalisierbarkeit subjektiver Handlungsregeln im Sinne von Maximen von Bedeutung. Moral wird dabei aufgefasst als ein System einschränkender Bedingungen. Es wird eine Kompatibilität individueller und kollektiver Handlungsregeln und -ziele gefordert. Moral bei dieser Ausprägung deontologischer Ethik ist kein Ziel, sondern vielmehr Beschränkung, wobei subjektive Ziele lediglich im Rahmen dieser Beschränkungen verfolgt werden dürfen.520 Ethiken, die im Sinne der Tradition Kants stehen, vertreten die Auffassung, dass sich ein richtiges Handeln begründen lässt. Die Begründung erfolgt dabei über einen Verallgemeinerungstest.521 2.1.3.7.3
Utilitarismus
Der Utilitarismus stellt historisch wie aktuell gesehen, eine der am meisten diskutierten ethischen Theorien in der philosophischen Literatur dar.522 Im Allgemeinen wird der Utilitarismus zumeist mit dem Nützlichkeits- und Maximierungsprinzip umschrieben bzw. gleichgesetzt. Dies bedeutet, dass diejenigen Handlungen, also auch die Normen, Institutionen etc., unter den potenziellen Alternativen moralisch geboten sind, die das größte Glück der größten Zahl erzielen.523 Im modernen Sprachgebrauch könnte man auch sagen, dass die Alternativen moralisch geboten sind, die die meisten Inte516 517 518 519 520 521 522 523
Vgl. Pauer-Studer (2003), S. 16. Vgl. Hinterhuber/Nill (1993), S. 273-274. Vgl. Nida-Rümelin (1996), S. 22. Vgl. Hinterhuber/Nill (1993), S. 274. Vgl. Nida-Rümelin (1996), S. 23-24. Vgl. Gottschalk-Mazous (2000), S. 16. Vgl. Kutschera (1999), S. 200. Vgl. Birnbacher (1990), S. 67; Pieper (2003), S. 111-112; Mieth (2004), S. 127-128.
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ressen befriedigen.524 Das Maximierungsprinzip ist dabei einfach und verständlich. Dem Menschen wird schnell ersichtlich, dass die Folgen einer Handlung abgeschätzt werden sollen und dabei eine Güterabwägung notwendig ist.525 Der Utilitarismus ist jedoch eine ethische Position und nicht, wie oftmals aufgefasst, die Philosophie des Egoismus. Denn der Utilitarismus fordert nicht dazu auf, den eigenen Nutzen auf Kosten anderer zu verfolgen, sondern vielmehr eine Förderung des sozialen Wohlergehens vorzunehmen. Denn das utilitaristische Moralprinzip zeichnet nur diejenigen Handlungen und Handlungsweisen als moralisch richtig aus, die aufgrund ihrer Folgen als nützlich für das größtmögliche Wohlergehen aller von der Handlung Betroffenen zu sehen sind.526 Interpretationsspielräume bestehen durch unterschiedliche inhaltliche Definitionen des Begriffes Wohlergehen. Die Skala reicht dabei von einer ersten historisch geprägten hedonistischen Auffassung von Wohlergehen im Sinne von Lust und Leid bis zur Interpretation zur Bestimmung des Guten nach der Präferenzerfüllung. Egoismus und Utilitarismus konvergieren umso stärker, je umfangreicher der Begriff des Wohlergehens definiert wird. Durch das Prinzip der einfachen Aggregation wird im Utilitarismus im Kern die ungewichtete Aufrechnung bzw. Summierung individueller Wohlergehen in einer Gesellschaft beschrieben, wodurch Vergleiche und Bewertungen von Zuständen einer Gesellschaft ermöglicht werden. Neben dem Verbot einer Gewichtung des Wohlergehens ist auch das Zustandekommen der Verteilung bzw. die Struktur des Wohlergehens nicht von Bedeutung.527 In der angelsächsischen und anglo-amerikanischen Welt ist der Utilitarismus seit den grundlegenden Ausführungen von William Paley (1743-1805), Jeremy Bentham (1748-1832)528, John Stuart Mill (1806-1873)529 sowie Henry Sidgwick (1838-1900) eine der bedeutsamsten Positionen im moralphilosophischen Kontext.530 Aber auch in der Politik hat dieses Konzept weltweit eine hohe Relevanz.531 Jeremy Bentham kann als gedanklicher Nachfahre von Hobbes und Locke gesehen werden, wobei er nicht die theoretische Erweiterung der psychologischen und moralphilosophischen Theorien vornimmt, sondern vielmehr in einer praktischen Durchführung des Programms zu sehen ist.532 Für Bentham gelten folgende nicht weiter erörterbare Axiome:533
524 525 526 527 528 529 530
531 532 533
Jede ethische und rechtliche Gesetzgebung, die bei Bentham als fast gleichwertig gesehen werden, muss als Grundlage von Lust- bzw. Unlusterfolgen menschlicher Handlungen gesehen werden. Die Lust- und Unlusterfolge sind hinsichtlich der Gesellschaft und nicht auf Individuen abzuschätzen. Selbstsüchtiges Handeln wird durch Sanktion der Natur, der Wertschätzung des Staates und der Religion bestraft.
Vgl. Stähli/Gassmann (2000), S. 35-36; Ott (2001), S. 94. Vgl. Stähli/Gassmann (2000), S. 36. Vgl. Meran (1992), S. 66-67; Williams (1999), S. 109-110; Dahlstrom (2005), S. 317. Vgl. Nida-Rümelin (1996), S. 9-11. Vgl. Prechtl (1989b), S. 96. Vgl. Elsholz (1989), S. 541. Vgl. Höffe (1975), S. 8; Ott (2001), S. 97. Siehe die Originalliteratur Paley (1785); Bentham (1789); Mill (1863); Sidgwick (1874). Vgl. Stähli/Gassmann (2000), S. 36. Vgl. Litt (1981), S. 147. Vgl. Litt (1981), S. 147-148.
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Die Bestrebungen Benthams zielen darauf ab, Maßstäbe aufzufinden und anzuwenden, die alle erdenklichen Erlebnisse von Lust und Unlust in einer Bilanz menschlichen Glückes als Grundsatz tugendhaften Handelns aufrechnen.534 Im Utilitarismus wird davon ausgegangen, dass Menschen bei einem Entscheidungskonflikt im Rahmen der Wahl einer Handlungsalternative nach einem Kriterium suchen, das zur richtigen Wahl der Handlung beiträgt. Moralisch richtige Handlungen rekonstruiert der Utilitarismus aus einer rationalen Wahl zwischen unterschiedlichen Möglichkeiten. Das Kriterium der Rationalität besteht dabei aus den folgenden vier Teilkriterien:
Die Richtigkeit von Handlungen bestimmt sich von den Folgen her. Der Nutzen ist der Maßstab für die Beurteilung der Folgen. Die Erfüllung menschlicher Bedürfnisse und Interessen, das menschliche Glück, gilt als höchster Wert. Das Wohl aller von der Handlung Betroffenen steht dabei im Mittelpunkt.535
Das kennzeichnende moralische Motiv des Utilitarismus ist das Wohlwollen. Utilitaristisches Wohlwollen bezeichnet dabei eine positive Verbindung zu den Bedürfnissen und Bedürfnisbefriedigungen anderer Menschen. Nicht gemeint sind mit Wohlwollen persönliche, gefühlsmäßige Verbundenheiten bzw. Gefühle im Allgemeinen.536 In den letzten Jahrzehnten etablierte sich durch die Aufweichung der Werttheorie durch utilitaristische Ethiker eine Identifikation des Utilitarismus und des ethischen Konsequentialismus im philosophischen Sprachgebrauch. Im Konsequentialismus wird eine Handlung durch den Wert ihrer Folgen beurteilt. Dabei ist diejenige Handlung richtig, deren Erwartungswert vor dem Hintergrund der zugrunde liegenden Wertfunktion maximal ist. In diesem Falle wird der Erwartungswert gebildet durch den Wert der möglichen, mit Wahrscheinlichkeiten gewichteten, Folgen der Handlung. Als Sonderfall des Konsequentialismus kann der ethische Konsequentialismus gesehen werden, der definierte Merkmale einer zu maximierenden Wertfunktion einfordert. Dabei sind im ethischen Konsequentialismus die Folgen einer Handlung unparteiisch zu beurteilen und dabei formale, interpersonell invariante Wertfunktionen zu optimieren.537 Der Utilitarismus hat sich im Laufe der Zeit in unterschiedlichste Richtungen differenziert. Hierzu zählen Ausrichtung, wie bspw. der positive Utilitarismus, negative Utilitarismus, subjektive Utilitarismus, objektive Utilitarismus, hedonistische Utilitarismus, der ideale Utilitarismus sowie vor allem der Handlungsutilitarismus sowie der Regelutilitarismus.538 Auf die einzelnen Varianten sei an dieser Stelle aber nicht eingegangen. 534 535
536 537 538
Vgl. Litt (1981), S. 147-148. Vgl. Höffe (1975), S. 9-10. Siehe ähnlich auch Ott (2001), S. 97 mit den Komponenten der konsequentionalistischen Orientierung, hedonistische Wertbasis, Gleichheitsgrundsatz, Maximierungsstruktur und Kalkülisierungsideal. Vgl. Williams (1999), S. 118. Vgl. Nida-Rümelin (1996), S. 13; Dahlstrom (2005), S. 318-319 und 328-329. Vgl. Höffe (1975), S. 8. Dahlstrom (2005), S. 318 merkt an, dass der Utilitarismus vielfältiger Kritik ausgesetzt war und ist. Auf Basis der Auseinandersetzung mit den Kritiken sind daher unterschiedliche Versionen des Utilitarismus hervorgegangen. Dabei besitzt wiederum jede einzelne Version Vor- und Nachteile bzw. werden unterschiedliche Kritiken gegen jeden Ansatz vorgebracht. Dahlstrom vertritt die aus seiner Sicht vielversprechendste Variante des RegelUtilitarismus, in dem ein Individuum verpflichtet ist, denjenigen Regeln zu folgen, die wahrscheinlich zu einer Maximierung des Gesamtnutzens führen. Von Interesse ist dabei nicht, ob eine Handlung das beste Ergebnis erzielt, sondern vielmehr, ob sie denjenigen Regeln entspricht, die mit der größten Wahrscheinlichkeit zum bestmöglichen Ergebnis führen, wenn sie allgemein befolgt werden würden. Ein (pluralistischer bzw. eudaimonistischer) Regel-
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Eine besondere Bedeutung des utilitaristischen Denkmodells ergibt sich aus seinem Verhältnis zur Ökonomie. Im Utilitarismus ist eine Handlung moralisch, wenn dessen Folgen wirtschaftlich sind. Dabei wird die Wirtschaftlichkeit durch eine Nutzenkalkülbeschreibung abgebildet, bei der eine Handlung moralisch ist, die einen größtmöglichen Nutzen qua Glück oder Lustbefriedigung für die größtmögliche Zahl (Individuen) erwarten lässt. Dies bedeutet, dass das Nutzenprinzip selber das Moralprinzip ist, da die Moralität von Handlungen sich nach der Wirtschaftlichkeit bestimmen lässt.539 Biervert (1991) führt an, dass die moderne Ökonomik zu einem wesentlichen Teil auf dem utilitaristischen Paradigma beruht.540 Kleinfeld (2005) sieht den Utilitarismus als ein Konzept, welches das normativ-ethische Fundament der Ökonomie bildet. Hierbei wird ein Konflikt zwischen der ökonomischen Theorie und prinzipienethischen Vorstellungen erzeugt.541 In gewisser Weise wird durch den Utilitarismus eine Verallgemeinerung des technisch-ökonomischen Modells der Zweck-MittelRationalität, über den engeren Bereich des technisch-ökonomischen Handelns hinaus auf das individuelle und kollektive Handeln und dabei auch auf die Moral, die hiervon herkömmlich ausgenommen wurde, vorgenommen.542 Der besondere Stellenwert des Utilitarismus in der Ökonomie zeigt sich auch hinsichtlich seiner Anwendung im Rahmen der Entscheidungstheorie.543 Im Rahmen der Entscheidungstheorie wird auf einer theoretischen oder semi-empirischen Basis eine Nützlichkeitsfunktion (utility function) definiert. Hierbei handelt es sich um eine eindeutige mathematische Funktion der für das betrachtete Entscheidungsproblem relevanten Variablen. Die optimale Entscheidung wird aufgrund einer Maximierung der Utility Function unter der Kombination der beinhalteten Variablen vorgenommen. Hierbei kann die Berechnung auf analytischem Wege oder unter der Zuhilfenahme des Computers erfolgen.544 Der Begriff des Nutzens (utility) wurde (u. a.) in der mathematisierten Theorie durch Daniel Bernoullis geprägt.545 Weiterentwickelt wurden diese Gedanken bspw. in der Spieltheorie. Gleichzeitig ist die subjektivistische bzw. personalistische Wahrscheinlichkeitstheorie von Bedeutung. Gerade die ökonomische Wissenschaft profitierte von den alten und neuen Formen einer exakten Wertlehre.546 Bei Güterabwägungen sind Wertfragen stets von entscheidender Bedeutung. In diesem Kontext kann gefragt werden, ob diese bei einer Entscheidung mit einbezogen werden. Gleichermaßen von Bedeutung sind der Wissensstand sowie die Voraussagbarkeit. Hiermit ist die Frage verbunden, ob die Folgen einer Handlung überhaupt abgeschätzt werden können. Gerade im Kontext der Berechnung von Entscheidungen in Computermodellen besteht das Problem, dass die Modelle nicht umfassend genug sind oder aber es Probleme im Kontext der Berechnung gibt. Die Entscheidung ist mit Risiko behaftet. Hierbei lässt sich fragen, ob eine ethische Haltung nicht die sein kann, einfach für Vorsicht zu plädieren und somit bestimmte Handlungen zu unterlassen. Diese ethi-
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546
Utilitarismus, der die Würde des Menschen für ein Element des glücklichen In-der-Welt-Seins ansieht, erfüllt auch Ansprüche auf die Fairness (wahrscheinlicher) Handlungen und ihrer Folgen. Dahlstrom (2005), S. 318-322 und 332-334. Vgl. Pieper (1992), S. 89. Siehe auch die Ausführungen von Biervert/Wieland (1987). Vgl. Biervert (1991), S. 48. Vgl. Kleinfeld (2005), S. 43. Vgl. Birnbacher (1990), S. 65-85. Ähnlich Dahlstrom (2005), S. 324-325. Vgl. Stähli/Gassmann (2000), S. 36. Vgl. Stähli/Gassmann (2000), S. 36. Siehe im Spezielen u. a. die Ausführungen zum St. Petersburg Spiel bzw. Paradoxon bspw. von Vivian (2003); Eisenführ/Weber (2003); Rieger/Wang (2006). Vgl. Wright (1994), S. 11-12.
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sche Auffassung wird bspw. von Hans Jonas vertreten.547 Bezogen auf das betriebswirtschaftliche Beispiel einer Verwendung des Utilitarismus lässt sich anführen, dass ggf. Minderheiten in einem solchen Konzept unberücksichtigt bleiben. Es mangelt hier an einem Konzept der Gerechtigkeit. Dies führt oftmals dazu, dass der Zweck moralisch bedenklich erscheinende Mittel heiligt. Dies führt dazu, dass die Integrität einzelner Individuen, oder aber die ganzer Gruppen, tangiert und mitunter verletzt werden.548 Denn bei einer ausschließlichen Orientierung am Nützlichkeitsprinzip ist es im Utilitarismus legitim, bestimmte Personen oder Personengruppen zu diskriminieren, wenn durch eine bewusste Benachteiligung das allgemeine Wohl gesteigert werden kann. Aus diesem Grunde wird gegen den Utilitarismus häufig die Kritik erhoben, dass dieser bezüglich der Gerechtigkeitsfrage die gewöhnliche Moralvorstellung nicht zu rekonstruieren vermag.549 Eine Ethik, die eine ausschließliche Ausrichtung am utilitaristischen Kalkül vollzieht, ist nicht im Stande, eine synchrone Gerechtigkeit zur Befriedigung einer vortheoretischen Intuition zu implementieren. Eine utilitaristische Ethik kommt über eine reine Verfahrensgerechtigkeit, wie sie dem utilitaristischen Kalkül durch die Gleichbehandlung der Präferenzen aller Betroffenen zugrunde liegt, nicht hinaus.550 2.1.3.7.4
Kontraktualismus
Die Ursprünge des vertragstheoretischen bzw. kontraktualistischen Paradigmas können bis in die griechische Sophistik zurückverfolgt werden. Der Kerngedanke des Kontraktualismus ist, dass es ein gemeinsames Interesse aller Personen gibt, bestimmte Regeln zu befolgen. Aus diesem Grunde sind daher alle Personen bereit einen Vertrag miteinander zu schließen, der die Regeln als für alle verbindlich etabliert. Moralität wird, wie im deontologischen Paradigma, im Sinne von Einschränkungen verstanden, und somit steht eine gemeinsame Auferlegung moralischer Verpflichtungen im Mittelpunkt des Interesses.551 Es existieren im Wesentlichen zwei Ausrichtungsschwerpunkte des Kontraktualismus. Zum einen liegt der Betrachtungsfokus in der Begründung von Normen, wie z. B. bei Hoerster und Gert. Und zum anderen ist der Schwerpunkt in der Etablierung per Vertrag, wie z. B. Locke, Kant, oder Rawls. Der Status des Vertrages wird in diesen einzelnen kontraktualistischen Ausrichtungen jedoch sehr unterschiedlich bewertet. Lockes Ausführungen basieren auf dem Verpflichtungscharakter expliziter oder impliziter Verträge. Kant oder Ralws bspw. sehen das Vertragsargument lediglich als Testverfahren für die Gerechtigkeit einer institutionellen Ordnung.552 Zu den wesentlichen Vertretern des Kontraktualismus zählen u. a. Thomas Hobbes (1588-1679)553, John Locke (1632-1704)554 und John Rawls (1921-2002). Zum kontraktualistischen Konzept von Hobbes Das kontraktualistische Konzept Hobbes nimmt zum einen an, dass einzig individuelle Interessen normativ relevant sind, und zum anderen darüber hinaus menschliches Handeln ausschließlich inte547 548 549 550 551 552 553 554
Vgl. Stähli/Gassmann (2000), S. 36-37. Vgl. Stähli/Gassmann (2000), S. 36. Vgl. Hillerbrand (2006), S. 129. Vgl. Hillerbrand (2006), S. 131. Vgl. Nida-Rümelin (1996), S. 25. Vgl. Nida-Rümelin (1996), S. 27-28. Vgl. Schneider (1989a), S. 362. Siehe zu einem kurzen Portrait von Hobbes auch Schneider (1989a). Vgl. Schneider (1989b), S. 459. Siehe zu einem kurzen Portrait von Locke auch Schneider (1989b).
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ressengeleitet ist. Hobbes Forderungen richten sich allein an die Rationalität individueller Interessenverfolgung von Personen, wobei er von den Menschen nicht erwartet sich kooperativ zu verhalten, sofern dies den eigenen Interessen widersprechen würde.555 Hobbes, als Vertreter einer Naturrechtslehre, geht von einem Naturzustand aus, in dem keine verbindlichen, bindenden und sanktionierenden Regeln von Handlungen existieren. Dieses Fehlen von klaren Regeln und Vereinbarungen führt über individuelle Interessenkonflikte zum einen zu einer Bedrohung des ungestörten Verfügens über Güter und zum anderen zu einer konkreten Bedrohung des Lebens aller Personen. Die Gleichheit der Menschen im Naturzustand manifestiert sich in einer gleichen Bedrohung der Menschen. Natürliche Unterschiede in den Fähigkeiten der Menschen sind nicht in der Lage eine natürliche hierarchische Struktur zu etablieren, die eine Sicherheit der fähigeren Menschen bieten würde. Die Menschen besitzen jedoch soweit Vernunft, um erkennen zu können, dass friedenssichernde Regeln und deren Beachtung zu einem besseren individuellen Leben führen würden. Hobbes bezeichnet diese Regeln als natürliche Gesetze (leges naturales).556 Nach Hobbes ist die einzige Antriebskraft menschlichen Handelns der Egoismus. Vordergründig altruistische Motive lassen sich immer durch egoistische Motive erklären.557 Vernunft ist dabei nichts anderes als Rechnen.558 Gegen diese Auffassung haben sich Shaftesbury, Hutcheson, Butler, Hume und Smith nachdrücklich gewandt. Laut ihrer Ansicht lassen sich menschliche Verhaltensweisen und Einstellungen erklären, wenn zum einen eine egoistische Komponente der individuellen Präferenzmuster, zum anderen aber auch eine altruistische Komponente angenommen wird.559 Im kontraktualistischen Konzept von Hobbes besteht das Hauptaugenmerk auf Regeln, welche den gesellschaftlichen Frieden sichern und eine Zuspitzung von Interessenkonflikten hin zu einem Bürgerkrieg verhindern. Dabei liegt die Begründung von Regeln darin, zu zeigen, dass diese Regeln das Interesse aller Personen widerspiegeln, wobei diese Regeln weder handlungsleitend noch normativ bindend sind. Bindungskraft wird hierbei durch Sanktionen bzw. Bestrafung bei Abweichung von den Regeln erzeugt. Das kontraktualistische Paradigma bei Hobbes beinhaltet zwei konstitutive Elemente:560
Normen gelten als begründet, wenn ihre Etablierung im Interesse jeder Person ist und die Personen daher bereit sind, oder in passenden Umständen bereit wären, mit allen anderen Personen einen Vertrag zur Etablierung der Normen und den hiermit verbundenen Sanktionsmöglichkeiten zu schließen. Normen werden durch Etablierung wirksam bzw. handlungsleitend.
Eine Schwäche des Konzeptes von Hobbes im Sinne einer Minimalmoral ist die Auslieferung jeder einzelnen Person an das etablierte System von Normen.
555 556 557 558 559
560
Vgl. Nida-Rümelin (1996), S. 25-26. Vgl. Nida-Rümelin (1996), S. 26; Siehe bei Tuschling (2005) auch S. 88-89 und 111-112. Vgl. Kutschera (1999), S. 178. Vgl. Hobbes (1984), S. 32. Vgl. Kutschera (1999), S. 178. Ulrich (2000), S. 5 sieht Adam Smith als Vordenker einer ordolibaralen Wirtschaftsphilosophie eines integrierten Marktes und nicht als Vordenker des marktradikalen Neoliberalismus. Siehe hierzu auch Ulrich (1990) bzw. Ulrich (1991). Vgl. Nida-Rümelin (1996), S. 27.
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Zum kontraktualistischen Konzept von Rawls Der kontraktualistische Ansatz von Rawls beinhaltet, bspw. im Gegensatz zu der lediglich minimalmoralischen Friedenssicherung bei Hobbes, ein mehrstufiges Sicherungsverfahren institutioneller Gerechtigkeit. Allein die Etablierung einer an einem Gerechtigkeitskriterium orientierten Institutionengrundstruktur erzeugt ein System von Rechten und Pflichten der Bürger. Bei Rawls stellt dabei der individuelle Gerechtigkeitssinn einen zentralen Aspekt seines Konzeptes dar. Im Rawl’schen Konzept existiert ein ursprüngliches Recht auf Widerstand.561 In seiner Theorie der Gerechtigkeit beschreibt Rawls primäre Grundsätze der Führung eines gesellschaftlichen und politischen Lebens und nicht so sehr der Führung eines individuellen Lebens. Der Grundgedanke der Theorie ist, dass ein faires System von Übereinkünften dann gegeben ist, wenn die einzelnen Individuen bzw. verschiedenen Parteien diesem System zustimmen können, und gleichzeitig nicht wissen, welchen konkret-individuellen Vorteil sie dadurch persönlich erlangen.562 Die Parteien akzeptieren zwei grundlegende Prinzipien der Gerechtigkeit:
Jede Person soll ein gleiches Recht auf die größtmögliche Freiheit beanspruchen, die mit der größtmöglichen Freiheit für andere vereinbar ist. Soziale und ökonomische Ungleichheiten sollen so verteilt sein, dass sie (a) den am meisten Benachteiligten die größten Vorteile bringen und (b) mit Ämtern und Positionen verbunden sind, die unter der Bedingung fairer Chancengleichheit allen offenstehen. Dabei basiert das zweite Prinzip auf dem so genannten Maximin-Prinzip563 In der Theorie der Entscheidung unter Risiko fordert das Maximin-Prinzip, unter mehreren zur Verfügung stehenden Optionen diejenige Option auszuwählen, für die das schlechtmöglichste Ergebnis das vergleichsweise Beste ist.564 Rawls sieht in dem Maximin-Prinzip bzw. in dem aus diesem abgeleiteten Unterschiedsprinzip eines der Grundprinzipien der Gerechtigkeit. Dies sei eine direkte normative Konsequenz der Anwendung seines metaethischen Modells einer Wahl hinter dem Schleier des Nichtwissens, nach dem soziale Normen unter Absehung von der Kenntnis der eigenen sozialen Position festgelegt werden sollen.565 In den Ausarbeitungen bei Rawls erfolgt eine unparteiliche Berücksichtigung und Sicherung aller tangierten Interessen durch die Rückversetzung des moralisch urteilenden Individuums in einen fiktiven Urzustand. Dieser Urzustand schließt Machtdifferentiale bzw. Machtungleichheiten aus und verbürgt sich für gleiche Freiheiten aller. Dabei wird jedes Individuum darüber in Unkenntnis gelassen, welche Position es in einer zukünftigen, wie auch immer gearteten bzw. organisierten gesellschaftlichen Ordnung einnehmen würde.566 Bei Rawls wird, wie bei Kant, die Unparteilichkeit so operationalisiert, dass jedes Individuum versuchen kann, Grundnormen für sich alleine zu rechtfertigen.567 Als Kritik kann vorgebracht werden, dass der Schleier der Unwissenheit in konkreten Entscheidungssituationen nicht besteht. Rawls nimmt dieses lediglich als Hypothese für seine theoreti561
562 563 564 565 566 567
Vgl. Nida-Rümelin (1996), S. 28. Der zentrale Begriff der Gerechtigkeit lässt sich schon bei der Ethik nach Leibniz finden. Hier wird Ethik allerdings als (Grundriss einer) Naturrechtslehre bzw. Rechtsethik verstanden. Engelhard (2005), S. 121. Daher bezeichnet Riley (1996), S. 5 die Ausarbeitungen überspitzt, und in Anlehnung an Rawls, als Theorie der Gerechtigkeit. Vgl. Williams (1999), S. 113. Vgl. Williams (1999), S. 114. Vgl. Birnbacher (1988), S. 125. Vgl. Birnbacher (1988), S. 128-129; Mieth (2004), S. 127. Vgl. Habermas (1983), S. 76; Weikard (1998), S. 197. Vgl. Habermas (1983), S. 76.
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schen Entwicklungen bzw. Überlegungen an, wie rationale Individuen sich unter diesem Schleier entscheiden würden.568 Die theoretischen Ausführungen und Konzeptionen von John Rawls stehen somit in kantischer Tradition.569 Aber in Erweiterung erörtert Rawls den Sinn des Geltens moralischer Gebote auf Basis der Vertragstheorie. Dabei wird die Frage nach der „moralischen Wahrheit“ nicht beachtet.570 Die Überlegungen von Rawls haben einen großen Einfluss auf die Wirtschaftsethik gehabt, obwohl er überwiegend das Problem der politischen Gerechtigkeit, also der Frage nach der Legitimität von Recht und Staat behandelte. Gerechtigkeit ist für Rawls die erste Tugend gesellschaftlicher Institutionen. Diese darf nicht verletzt werden. Hierbei wird die Kritik am Utilitarismus deutlich, bei dem die Gerechtigkeit nicht zwangläufig den höchsten Wert darstellt, sondern vielmehr das soziale Wohl.571 2.1.3.7.5
Diskursethik
Die Diskursethik bildet die Basis unterschiedlicher Wirtschafts- bzw. Unternehmensethiken, wie bspw. der Ansatz von Steinmann/Löhr.572 Aus diesem Grunde ist es wichtig, den theoretischen Bezugsrahmen der Diskursethik zu verstehen. Von besonderer Bedeutung im Rahmen einer Anwendung der Diskursethik in den bereichsspezifischen Ethiken sind zudem die diskursethischen Ausführungen zur Wirtschafts- und Unternehmensethik von Peter Ulrich.573 Als Begründung der Diskursethik kann der im Jahr 1967 erschienene Vortrag von Karl-Otto Apel „Das Apriori der Kommunikationsgemeinschaft und die Grundlagen der Ethik“574 gesehen werden.575 Angeregt durch den Vortrag von Karl-Otto Apel wurde die diskursethische Diskussion durch Jürgen Habermas im Jahre 1983 durch die Aufsatzsammlung „Moralbewusstsein und kommunikatives Handeln“576 weiterentwickelt.577 Die Diskursethik wird in der Literatur als bedeutendster deutscher Beitrag in der praktischen Philosophie in der Nachkriegszeit seit 1945 betrachtet.578 In der Literatur werden zumeist Karl-Otto Apel und Jürgen Habermas als Begründer der Diskursethik gesehen.579 Diese Diskursethik beinhaltet einerseits folgenethische und andererseits prinzipienethische Elemente. Dabei erhebt sie einen universellen Anspruch.580 Habermas und Apel haben die Konsenstheorie auf Basis der Ethik Kants zur Diskursethik erweitert.581 Die von Apel und Habermas entwickelten Modelle 568 569 570 571 572 573 574 575 576
577 578 579
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Vgl. Hax (1993), S. 771 Vgl. Habermas (1983), S. 53. Vgl. Habermas (1992), S. 126. Vgl. Meran (1992), S. 69. Siehe hierzu die Ausführungen des Kapitels 2.3.4.3. Vgl. Werner (2002b), S. 150. Siehe hierzu auch die Ausführungen des Kapitels 2.3.4.2. Veröffentlicht in Apel (1973), S. 358-435. Vgl. Werner (2002b), S. 147. Siehe hierzu im Speziellen den Aufsatz „Diskursethik – Notizen zu einem Begründungsprogramm“ in Habermas (1983), S. 53-125. Vgl. Werner (2002b), S. 148. Vgl. Gottschalk-Mazouz (2000), S. 13. Vgl. Thielemann (2004), S. 67; Rockmore (2005), S. 289. Dabei merkt Rockmore an, dass sowohl Apel, als auch Habermas Versuche unternommen haben, eine akzeptable Fassung des Kantischen Kognitivismus zu formulieren. Vgl. Stähli/Gassmann (2000), S. 39. Vgl. Gottschalk-Mazouz (2000), S. 17; Rockmore (2005), S. 289-290. Die Wahrheit bildet dabei die Grundlage des Guten, da das Gute unmittelbar aus der Wahrheit folgt. Zu fragen ist, wie moralische Wahrheit erreicht wird. Habermas weist in diesem Kontext das Kantische Verfahren, das von der Konzeption des Kategorischen Imperativs abhängt, zurück, da für ihn Wahrheit als Resultat kooperativer Bemühungen anzusehen ist. Siehe Rockmore (2005), S. 295-296.
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einer diskursethisch begründeten Handlungstheorie berücksichtigen, im Gegensatz zur sprachanalytischen Philosophie, den kommunikativen Aspekt der Sprache, der sich nur einem hermeneutischen Zugang erschließt.582 Scherer (2005) merkt an, dass unterschiedliche Varianten der Diskursethik bestehen, die sich vordergründig wenig unterscheiden. Allerdings zeigt sich eine Differenzierung in den Begründungskonzeptionen. Dabei nennt Scherer als grundlegende Begründungskonzeptionen die Transzendentalpragmatik583 nach Karl-Otto Apel und die Universalpragmatik584 nach Jürgen Habermas.585 In der folgenden Argumentation wird vornehmlich auf die Argumentation von Habermas eingegangen. Eine allgemeine Zustimmungsfähigkeit von Handlungsmaximen soll in realen Diskursen einer Prüfung unterzogen werden. In diesen Diskursen sollen unterschiedliche Bedürfnisse, Präferenzen, Perspektiven und Wertorientierungen zu Ausdruck gebracht, gemeinschaftlich bewertet und adäquat berücksichtigt werden können.586 Der Diskurs stellt einen Reflexionsbegriff sowie eine Orientierungsmethode dar, und kann als Modus eines vernuftbezogenen Denkens bezeichnet werden.587 Dabei ist die Diskursethik als offene Ethik angelegt. Sie gibt keine inhaltlichen Kriterien der Prüfung explizit vor. Wichtig ist alleine die Zustimmung aller Beteiligten innerhalb des Diskurses. Die Diskursethik kann als eine Rahmenethik für eine Diskussion ethischer Argumente gesehen werden. Diese müssen nicht zwingend diskursethischer Natur sein. Vielmehr können auch Argumente, die im Rahmen anderer normativer Ethiken entwickelt worden sind, vorgetragen werden. Eine von vornherein anzunehmende Inkompatibilität bzw. Unvereinbarkeit besteht nicht. Die Diskursethik fordert eher dazu auf, unterschiedlichste Konzepte ohne Vorbehalte zu prüfen.588 Habermas unterscheidet auf Basis des aristotelischen Grundsatzes drei Ebenen von Argumentationsvoraussetzungen. Hierbei handelt es sich um Voraussetzungen auf der logischen Ebene der Produkte, der dialektischen Ebene der Prozeduren und der rhetorischen Ebene der Prozesse. In der konkreten Explikation von Beispielen auf diesen drei Ebenen nimmt Habermas auf den Katalog von Argumentationsvorschriften von R. Alexy589 Bezug.590 Innerhalb der Diskursethik werden keine Fragen eines guten Lebens sowie Fragen sittlicher Werte behandelt. Die Diskusethik thematisiert nur Fragen streng allgemein gültiger Letztbegründungen rationaler moralischer Normen. Eine Handlungsnorm kann nur dann gerechtfertigt werden, wenn diese in einer virtuellen Modelldiskussion Zustimmung finden könnte. Zu dieser Diskussion müssen alle Personen Zugang haben, die von potenziellen Folgen und Nebenwirkungen einer Handlung betroffen sein könnten, die man durch Berufung auf diese strittigen Normen legitimieren kann. In der Modelldiskussion sollen alle Beteiligten gleiche Kommunikationschancen besitzen. Der „zwanglose Zwang“ des besseren Arguments soll sich durchsetzen können. Wesentlich ist die Vermeidung einer 582 583 584
585
586 587 588 589 590
Vgl. Pätzold (2003), S. 342; Rockmore (2005), S. 295. Siehe hierzu grundlegend Apel (1973); Apel (1988). Siehe u. a. auch Apel (1993); Apel (2002). Siehe hierzu grundlegend Habermas (1983); Habermas (1992); Habermas (1996); Habermas (1999); und Habemas (2001). Vgl. Scherer (2005), S. 213-214. Die Ausrichtungen von Apel und Habermas können auch als Frankfurter Schule der Diskursethik bezeichnet werden. Darüber hinaus nennt Scherer, speziell hinsichtlich der Entwicklung einer interkulturellen Ethik, den Kulturalismus des philosophischen Konstruktivismus der Erlanger Schule als weitere Begründungskonzeption. Zu letzterem wird bspw. auf Lorenzen (1987); und Kambartel (1989) verwiesen. Vgl. Werner (2002b), S. 145. Vgl. Thielemann (2004), S. 78. Vgl. Werner (2002b), S. 145. Siehe hierzu auch teil- bzw. ansatzweise Habermas (1983), S. 107-108. Siehe hierzu im Original Alexy (1978). Vgl. Habermas (1983), S. 97.
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Beeinflussung, was als moralisch legitim gelte und was nicht, durch Machtinteressen oder Privilegien der Diskutanten.591 Die Basis für eine Diskursethik bilden die Menschenrechte, als unumstößliche und nicht zur Disposition stehende Grundannahme. Hierauf aufbauend ist eine rationale Argumentation eine weitere Voraussetzung für die Diskusethik. Eine rationale Argumentation wiederum setzt mündige Gesprächspartner voraus, welche sich gegenseitig anerkennen. Im Diskurs selbst sollen alle Betroffenen partizipieren. Wird eine Norm aufgestellt, so müssen dieser alle Betroffenen zustimmen592 Thielemann (2004) merkt in diesem Kontext an, dass streng genommen, die Diskursethik selber keine Normen aufstellt. Vielmehr begründet die Diskursethik ein Prinzip, nämlich das der praktischen und theoretischen Vernunft, welches eine Begründung von Normen ermöglicht. Dies bildet die Ausgangsbasis, von der aus Handlungen bzw. Normen als richtig oder falsch beurteilt werden können.593 In Gesprächen werden Handlungen auf der Basis bestimmter Gründe als moralisch richtig oder falsch angenommen. Die Richtigkeit der individuellen Überzeugungen basiert somit auf Gründen. In diesem Kontext ist darauf hinzuweisen, dass in der Diskursethik, anders als bspw. in materialen Ethiken, keine konkreten Inhalte begründet werden. Es erfolgt vielmehr die Begründung eines Verallgemeinerungsprinzips, welches die Prüfung problematischer Inhalte ermöglicht. Dieses Verallgemeinerungsprinzip ist formalistisch, als auch prozeduralistisch, da im Verallgemeinerungsprinzip das Verfahren des Diskurses angewendet wird.594 Innerhalb eines Prozesses des wechselseitigen Austausches von Gründen, in zustimmender oder ablehnender Weise, dem Diskurs, können sich die individuellen Überzeugungen ändern und somit auch die Bewertung der Handlungen. Dieser Diskurs ist niemals vollständig abgeschlossen, denn ein Abschluss müsste eine allgemeine Verteidigung der Handlung als richtig gegenüber allen Argumenten und allen Personen hervorbringen. Ähnliches gilt, wenn gezeigt werden soll, dass eine Aussage wahr ist. Diese Vorgehensweise ist allerdings offen, da zukünftige Gründe und Überzeugungen zum Diskurszeitpunkt noch nicht bekannt sein können. Jedoch muss eine Behauptung, die einen Anspruch auf Richtigkeit oder Wahrheit erhebt, gegen bekannte Kritik verteidigt werden können und offen gehalten werden gegenüber zukünftiger Kritik. Somit entsteht eine Argumentationsverpflichtung.595 Habermas unterscheidet strategisches und kommunikatives Handeln. Das strategische Handeln zeichnet sich dadurch aus, dass Individuen aufeinander mit der Androhung von Sanktionen oder Belohungen einwirken, um die Fortsetzung einer Interaktion zu veranlassen. Im kommunikativen Handeln wird ein Individuum durch ein anderes Individuum rational motiviert eine Anschlusshandlung zu vollziehen. Dies erfolgt durch illokutionaren596 Bindungseffekt eines Gesprächsangebots.597 Lediglich ein intersubjektiver Verständigungsprozess führt zu einem Einverständnis reflexiver Natur. Nur in dieser Form können die Beteiligten wissen, dass sie sich gemeinschaftlich von einem Sachverhalt überzeugt haben.598 In der Diskursethik wird das für richtig erklärt, was den Konsens allen Personen finden kann. Diskursethik kann somit als 591 592
593 594 595 596
597 598
Vgl. Schweppenhäuser (2003), S.28-29; Scherer (2005). Siehe auch Habermas (1991). Vgl. Stähli/Gassmann (2000), S. 39-40. Auch Leisinger (1997), S. 58-59 sieht die Menschenrechte als ein Minimum ethischer Normen an, die, auch über kulturelle Grenzen hinweg, nicht disponibel sind. Vgl. Thielemann (2004), S. 68 und 76. Vgl. Gottschalk-Mazous (2000), S. 16-17; Kettner (2004), S. 47. Vgl. Gottschalk-Mazouz (2000), S. 15. Illokutionär bedeutet so viel wie auf ein kommunikatives Ziel hin ausgerichtet sein bzw. die Intentionen eines Sprechers zum Ausdruck bringend. Vgl. Habermas (1983), S. 68. Vgl. Habermas (1983), S. 77.
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kritische Konsenstheorie aufgefasst werden, bei der eine Übereinkunft auf Gründen bzw. einer Kette von Gründen basiert. Die Kette von Gründen ist dergestalt limitiert, dass dort, wo eine Argumentation als allgemein selbstverständlich angesehen und sich mit dem Ergebnis zufrieden gegeben wird, die Kette von Gründen abgebrochen wird. Allerdings ist dieser Abbruch der Begründung lediglich vorläufig, da die Begründung bei neueren Erkenntnissen überdacht, korrigiert werden oder aber sogar verworfen werden muss.599 In der Diskursethik wird nicht versucht, das Moralprinzip direkt aus vorausgesetzten Prämissen abzuleiten.600 Nach Habermas (1984) besteht das diskursethische Moralprinzip darin, dass jede gültige Norm der Bedingung genügen muss, dass die Folgen und Nebenwirkungen, welche sich aus ihrer allgemeinen Befolgung für die Befriedigung der Einzelinteressen wahrscheinlich ergeben, von allen Betroffenen zwanglos akzeptiert werden können.601 Somit handelt es sich um eine Prinzipienethik im Sinne einer kantischen Ethik. Dabei besteht die Aufgabe von Prinzipienethiken eines kantischen Typus in der Formulierung und Begründung eines einzigen Prinzips, dem Moralprinzip. In der Diskursethik handelt es sich bei dem Moralprinzip um ein formales und prozedurales Prinzip, das auch als Metanorm bezeichnet wird. Das Moralprinzip gibt dabei explizit keine konkreten Handlungsanweisungen vor. Es verdeutlicht vielmehr, welchen Gemeinsamkeiten bei unterschiedlichen moralisch richtigen Handlungsorientierungen bestehen.602 Das Diskursprinzip ist eine regulative Idee, die zum einen in realen Handlungssituationen anzuwenden ist und zum anderen vorschreibt, auch die Interessen derjenigen zu antizipieren, die von den Ergebnissen des Diskurses betroffen sind, allerdings an der tatsächlichen Entscheidungsfindung, aus welchen Gründen auch immer, nicht beteiligt sind.603 Als richtig erkannte, bzw. von allen zwanglos akzeptierte, Handlungsorientierungen sollen dann auch verfolgt und nach ihnen gehandelt werden.604 Das diskursethische Moralprinzip kann als eine Modifikation, aber auch Weiterentwicklung des kantischen Moralprinzips gesehen werden. Das diskursethische Moralprinzip fordert, immer so zu handeln, dass alle Vernunftwesen und alle von der Handlung potenziell Betroffenen dem gewählten Handlungsgrundsatz in einem unbegrenzten, argumentativen Diskurs zustimmen könnten. Somit verschärft die Diskursethik in ihrer Argumentation das kantische Moralprinzip, indem es über die Forderung eines Individuums (das Ich) nach einer Umsetzung einer Maxime in ein allgemeines Gesetz hinausgeht. Alle Vernunftobjekte bzw. alle Individuen, die von der Befolgung der Maximen betroffen sind, müssen die Handlungsmaxime als allgemeines Gesetz wollen können. Zu verstehen ist dieses Wollen-Können als rationale Zustimmungsfähigkeit innerhalb eines unbeschränkten, zwanglosen, argumentativen Diskurses. Die Begründung des Moralprinzips ist, gerade bei Ethiken vom kantischen Typ, von hoher Bedeutung.605 Das Konzept der Diskursethik ist, wie die Ethik Kants, universalistisch, d. h. sie beansprucht Gültigkeit für alle Personen, nicht nur für bestimmte Personen oder Kulturkreise. Kant folgend kann nur das verallgemeinerungsfähig sein, was alle Personen wollen kön599 600 601 602 603 604 605
Vgl. Gottschalk-Mazouz (2000), S. 16; Rockmore (2005), S. 302. Vgl. Werner (2002b), S. 142. Vgl. Habermas (1984), S. 219; Habermas (1988), S. 75-76; Gottschalk-Mazouz (2000), S. 17. Vgl. Werner (2002b), S. 140. Vgl. Meran (1992), S. 73; Burckhart (2004), S. 27. Vgl. Werner (2002b), S. 140. Vgl. Werner (2002b), S. 141 und 146.
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nen.606 Die Theorie der Diskursethik besitzt einen universalistischen Anspruch und ist auch deshalb teilweise mit der Ethik von Kant verwandt, da die Glücks- und Nutzenerwartungen des einzelnen Individuums zurückgenommen werden und das Gemeinwohl im Vordergrund steht.607 Moral und Recht werden in der Diskursethik als Mechanismen der Konfliktlösung erfasst, wenngleich moralische Normen als Selbstzweck und juristische Normen auch als Mittel zu politischen Zwecken gesehen werden.608 Die Diskursethik erfüllt im Rahmen ethischer Diskurse lediglich zwei Sachverhalte. Zum einen definiert sie eine Minimalmoral. Diese wird durch den Ausschluss von Maximen und Argumenten, die nicht auf konsistente Weise diskursiv behandelt werden können, gebildet. Nach kantischem Verständnis sind dies Maximen, die sich nicht als allgemeine Gesetze denken lassen. Diese Minimalmoral schränkt den Bereich potenzieller legitimer moralischer Regelungen von Anfang an ein, da bspw. alle Formen eines ethischen Egoismus ausgeschlossen werden. Darüber hinaus kennzeichnet sie alle Maximen, die personale, soziale oder kognitive Bedingungen argumentativer Problemklärung gefährden könnten, als verwerflich bzw. unsittlich. Zum anderen wird durch die Rechtfertigung des Moralprinzips eine verbindliche Begründung für die Verpflichtung des besten Argumentes im Diskurs angeführt.609 Habermas schreibt der Diskursethik die Möglichkeit zu, den derzeitig zwei bedeutendsten moralischen Intuitionen, dem Mitleid mit den zerbrechlichen Individuen und der Sorge für die gesellschaftlichen Netze, die für die Persönlichkeitsentwicklung mit verantwortlich sind, Rechnung zu tragen.610 In der Diskursethik werden nicht zwingend Diskurse in jeder Situation gefordert. So ist es durchaus denkbar, dass es gute Gründe dafür gibt, allein eine Entscheidung herbeizuführen, zu treffen und für diese verantwortlich zu sein und somit das Risiko eines moralischen Irrtums, das in jeder Handlung situativ immanent ist, zu tragen. Dabei ist für die Handlungsfindung wenigstens ein gedankenexperimenteller Diskurs potenzieller Argumente, die angeführt werden könnten, durchzuführen. Hierbei gelten die gleichen prinzipiellen Grundsätze, wie bei einem real geführten Diskurs.611 Das Konzept der Diskursethik hilft zu verdeutlichen, wie sich die Menschen der Wahrheit oder Richtigkeit vergewissern können, soweit dies überhaupt möglich ist. Sie zeigt ihre Bedeutung, wenn Menschen ihre Überzeugungen als wahr oder richtig begreifen. Hingegen besagt die Diskusethik nicht, dass Menschen sich immer rational verhalten, eine Orientierung an Gründen vornehmen oder immer auf einen Konsens ausgerichtet sind.612 Die Diskursethik verlangt einen Lernprozess mit dem Ziel einer wechselseitigen Perspektivenübernahme. Dabei wird berücksichtigt, was ein einzelnes Individuum will, jedoch nur so weit, als es allen anderen Individuen vernünftig erscheint. Diskursethik ist somit eine dialogische Ethik. In der Diskursethik werden Normen beurteilt, wobei beabsichtigte und unbeabsichtigte Handlungsfolgen berücksichtigt werden.613 Allerdings ist auch die Abwicklung eines realen, idealen philosophischen Dis606 607 608 609 610 611 612 613
Vgl. Gottschalk-Mazouz (2000), S. 16. Vgl. Stähli/Gassmann (2000), S. 40. Vgl. Cortina (1992), S. 285. Vgl. Werner (2002b), S. 145. Vgl. Cortina (1992), S. 285-286. Vgl. Habermas (1983), S. 96; Werner (2002b), S. 146. Vgl. Gottschalk-Mazouz (2000), S. 16. Vgl. Gottschalk-Mazous (2000), S. 16-17.
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kurses nicht völlig herrschaftsfrei, unter der Voraussetzung, dass dieser als realer Diskurs niemals völlig handlungs- und zeitentlastet realisiert werden kann. Im Rahmen eines institutionalisierten Diskurses ist dieser somit von einem Moderator bzw. einer chairperson zu leiten, die bestimmte Herrschafts- und Zwangsfunktionen inne hat, um den Diskurs zu steuern, was wiederum zu einem Optimum an Argumenten führen soll. Dabei dürfen diese Herrschafts- und Zwangsfunktionen allerdings nicht dazu missbraucht werden, um ein vom Moderator intendiertes Diskursergebnis zu erzielen.614 Kritik Die Diskursethik ist allgemein abhängig von einer Theorie praktischer Vernunft. Habermas legt seiner Theorie moralischen Handelns, wie Kant, eine Theorie der reinen praktischen Vernunft, einer reinen Vernunft in praktischer Absicht, zugrunde.615 Kritisch kann an der Diskursethik gesehen werden, dass alle Konflikte für rational lösbar gehalten und gleichermaßen keine moralischen Dilemmata anerkannt werden. Problematisch im Kontext der Diskursethik ist, dass die Betroffenen, die an einem realen Diskurs beteiligt sind, wohl oftmals nicht aus moralischen Gründen handeln, sondern vielmehr durch egoistische Motive und Klugheitsüberlegungen geleitet werden. Darüber hinaus kann die Zustimmung aller Beteiligten zu einem Konsens zu einem Minimalkonsens führen, der dem Problem nicht gerecht wird und keinen Fortschritt bringt. Hierzu kann bspw. eine allzu starke Verwässerung von Gesetzen gezählt werden. Aber die Einbindung vieler unterschiedlicher Betroffener in einen Diskurs kann auch als Initiierung eines Prozesses gesehen werden, der zwar langwierig, aber zielgerichtet sein kann. Als Beispiel sei auf die Konferenzen bzgl. des Klimaschutzes, wie die Rio-Konferenz 1992 sowie die grundlegende Nachfolgekonferenz von Kyoto 1997, deren Ergebnis das Kyoto-Protokoll ist, verwiesen.616 Klimaschutzkonferenzen finden dabei in jährlichem Turnus statt. Auch wenn die Ergebnisse dieser Konferenzen zumeist kritisch gesehen werden und die Umsetzung von Beschlüssen nicht durch alle Beteiligten erfolgt, so können die Intentionen sowie die diskursethischen Absichten als positiv bewertet werden. Rockmore (2005) merkt an, dass der Begriff des Konsenses als Grundlage für eine Ethik allgemein als problematisch zu betrachten ist. Denn die Idee des (politischen) Konsenses mit allen Mitteln kann zu einem erzwungenen Konsens, und sogar zu einem Totalitarismus führen. Gleichermaßen wird auch ein möglicher legitimer Dissens geleugnet. Die Alternative besteht in einem freien und zwanglosen Konsens. Dabei erscheint für Rockmore die Hoffnung jedoch illusionär, dass ein Konsens in der Praxis frei erzielt wird. Gleichermaßen wird angemerkt, dass im akademischen, aber auch politischen Bereich ein Mangel an Konsens nützlicher ist, als seine Realisierung. Ein weiterer Einwand ist, dass das Zustandekommen eines Konsenses nicht mit Wahrheit zu verwechseln ist.617
614 615 616
617
Vgl. Apel (1993), S. 45. Vgl. Rockmore (2005), S. 296-297. Vgl. Stähli/Gassmann (2000), S. 40; Pfriem (2004), S. 26 und 34. Das Kyoto-Protokoll ist ein internationales Abkommen der United Nations Framework Convention on Climate Change (UNFCCC). Das Protokoll wurde im Jahr 1997 auf der dritten internationalen Klimakonferenz in der japanischen Stadt Kyoto verhandelt und verabschiedet. Dabei handelt es sich um eine völkerrechtlich verbindliche Vereinbarung, in der sich die jeweiligen unterzeichnenden Länder zu einer konkreten Reduzierung der Treibhausgasemissionen bis 2012 verpflichten. Siehe im Speziellen <www.unfccc.int>. Vgl. Rockmore (2005), S. 302-304. Siehe auch die Argumentaion von Rescher (1993), S. 195-199 und Pfriem (2005), S. 34. Rockmore merkt an, dass Habermas in späteren Weiterführungen seines Ansatzes den Konsensgedanken fast un-
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Weiterhin wird der Diskursethik vorgeworfen, dass eine Formalisierung der Ethik sowie eine inhaltliche Ausblendung von Bereichen, die für Individuen und Gruppen von Relevanz sind, wie bspw. die Frage nach dem Guten, vorgenommen wird. Durch die Ausblendung von z. B. Werten und Tugenden wollte Habermas erreichen, dass die Diskusethik nicht den Anspruch erhebt, vermitteln zu können, was der Mensch im Einzelnen tun soll. Vielmehr sollten durch die Diskusethik lediglich formale Rahmenbedingungen definiert und geklärt werden, die helfen, eigenständig Lösungswege und Handlungen zu finden.618 2.1.3.7.6
Verantwortungsethik
Bevor die Verantwortungsethik näher gehend erörtert wird, soll als Grundlage kurz der Begriff der Verantwortung dargestellt werden. Der Begriff der Verantwortung kann differenziert werden in die drei Dimensionen der aktiven Handlungsverantwortung, der passiven Rechenschaftsverantwortung, verstanden im Sinne eines Zur-Rechenschaft-Ziehens und der Haftungsverantwortung, die bei der Feststellung einer Zuständigkeitsverletzung im Rechenschaftsprozess relevant wird. Dabei sind alle drei Dimensionen diesem Begriff zugehörig. Allerdings sind diese dennoch in der Argumentation voneinander zu trennen, um logische Fehler zu vermeiden.619 Dabei kann der Begriff der Verantwortung als mindestens dreistelliger Relationsbegriff aufgefasst werden, der von einigen Autoren bis zu einem siebenstelligen Verantwortungsrelationsbegriff erweitert wird.620 Praktikabel erscheint für ein allgemeines Verständnis die Darstellung von Hillerbrand (2006):621 Verantwortungs-subjekt
Verantwortungs-objekt
Verantwortungs-instanz
Beurteilungskriterien/ Werte
Wer?
Für was/wen?
Vor wem/was?
Nach welchen Kriterien?
Personen Institutionen Transzendentale Instanzen (Gott) Informelle Instanzen (bspw. öffentliche Meinung, Etikette)
Moralische Werturteile Außermoralische Werturteile
Handelnder Handlungssubjekt Stellvertreter Juristische Person
Personen Objekte Handlungen Handlungsfolgen (bspw. Klimawandel)
Tabelle 7: Verantwortungsrelation
Aus einer rechtlichen Betrachtung setzt die Übernahme von Verantwortung die Fähigkeit voraus, die Kriterien der Verantwortungsübernahme, unabhängig von äußeren Bestimmungsgründen, zu erkennen und nach diesen zu handeln.622 Dies setzt voraus, dass die Handlungsfolgen prinzipiell absehbar waren. Gleichermaßen müssen die Handlungen des Subjektes frei und bspw. nicht durch biologische Programme (Steuerung durch die Gene) oder gesellschaftliche Verhältnisse determiniert sein. Diese
618 619 620 621 622
bemerkt fallen lässt und die Konsenstheorie nicht heranzieht. Gleichermaßen unterscheidet Habermas nun zwischen Wahrheit und Richtigkeit. Siehe Rockmore (2005), S. 306-309. Vgl. Schweppenhäuser (2003), S. 29. Zu Anwendungsproblemem der Diskursethik siehe auch Apel (2002), S. 68-94. Vgl. Hillerbrand (2006), S. 36; Holz (2000), S. 191-192. Vgl. Hillerbrand (2006), S. 37. In Anlehnung an Hillerbrand (2006), S. 37. Vgl. Kozlowski (2002), S. 263.
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Annahme ist eine zentrale Prämisse einer jeden Ethik und somit auch für die Ausführungen von Hans Jonas.623 Als einer der Ersten im deutschsprachigen Raum hat Hans Jonas, aus Sicht einer praktischen Philosophie, auf die veränderte Problemsituation hinsichtlich der Veränderungen der allgemeinen Lebensbedingungen moderner Gesellschaften im Kontext technischer Veränderungen hingewiesen.624 Dabei gilt Hans Jonas (1903-1993) mit seinem Werk „Das Prinzip Verantwortung – Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation“ als Begründer einer Verantwortungsethik. Im Kern der Überlegungen von Jonas steht eine Ethik, die weit in die Zukunft gerichtet ist. Hintergrund dieser Ethik sind die schnellen technologischen und ökonomischen Entwicklungen der 1960er und 1979er Jahre. Dabei mahnte Jonas zur Vorsicht und forderte Rücksichtnahme. Gleichermaßen warnte er vor der Zerstörung der Umwelt.625 Die Auswirkungen von Handlungen betreffen die Umwelt und auch den Menschen in der Gegenwart sowie in der Zukunft. Ein Verantwortungsverständnis, dass sich alleine auf die Vergangenheit bezieht ist nicht mehr zeitgemäß. Vielmehr ist die Verantwortung im Sinne eines erweiterten Verantwortungsbegriffes nach Hans Jonas oder Hans Lenk zu sehen, der die Erhaltung der Natur und die Zukunft nachfolgender Generationen beachtet.626 Die Verantwortungsethik erweitert die persönliche Moralität um die kollektive sowie personale Verantwortung für die Zukunftsfolgen der hochtechnischen Gesellschaft, die auf der hochtechnischen Lebensform des Menschen basiert.627 Im Rahmen der Verantwortungsethik, bei der eine Orientierung an den Konsequenzen vorgenommen wird, ist zum einen die Gewissenhaftigkeit des Abwägens der Trade-offs (Zielkonflikte, Gegenleistungen, Austauschbeziehungen), und zum anderen die Erkenntnisfähigkeit des Handelnden in einer spezifischen Situation von Bedeutung.628 Verantwortung kann grundsätzlich und wesentlich als eine Tugend aufgefasst werden. Die subjektive Seite der Verantwortung als Tugend ist die Anteilnahme am Wohlergehen anderer Individuen. Als Folge sollten die Menschen ihre Handlungen danach ausrichten, welche potenziellen Folgen sich für das Wohlergehen anderer Individuen ergeben können. Das Ziel einer verantwortlichen Handlung ist die fürsorgliche Verhinderung von schädlichen Auswirkungen für andere Individuen. Dabei impliziert eine unverantwortliche Handlungsweise eine fehlende Fürsorge.629 Der Begriff der Verantwortung kann wie der Begriff der Kausalität indirekt, als auch direkt sein.630 Der Begriff der Verantwortungsethik wurde 1919 durch Max Weber eingeführt, um das Spannungsfeld zu charakterisieren, in welchem politische Entscheidungsfindungen stattfinden. Denn um langfristig moralische Werte realisieren zu können, muss ein Politiker u. U. Pflichten verletzen, die für ihn als Privatperson unumstößlich sind. In diesem Zusammenhang ersetzt Weber den traditionellen Begriff der Gesinnung durch die Verantwortung. Denn es soll nicht alleine die Gegenwart, sondern es
623
624 625 626 627 628 629 630
Vgl. Hillerbrand (2006), S. 38. Ähnlich auch Enderle (2004), S. 258-259. Siehe zur Diskussion des Verantwortungsbegriffes auch Heid (2005). Vgl. Arnswald/Kertscher (2002), S. 13. Vgl. Stähli/Gassmann (2000), S. 40-41. Vgl. Küpper (1988), S. 324; Krelle (1991), S. 110. Siehe hierzu noch Jonas (1979) und Lenk (1982). Vgl. Böhler/Neuberth (1993), S. 33. Vgl. Hinterhuber/Nill (1993), S. 275. Vgl. Ladd (1992), S. 297. Vgl. Ladd (1992), S. 293
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muss auch die Zukunft in ethische Betrachtungen einbezogen werden. In Ansätzen wird bei Weber dabei ein Übergang von einem retrospektiven zu einem prospektiven Verantwortungsbegriff deutlich.631 Wie in der Verantwortungsethik von Max Weber ist ein Unterscheidungsmerkmal des Konzeptes von Jonas gegenüber der Pflichtenethik, dass dieses versucht, die Welt mit ihren Mängeln zu berücksichtigen. Für Jonas bestehen die Defizite der Welt in der statistischen Natur wissenschaftlicher Aussagen im Kontext nicht vollständig bekannter Anfangs- und Randbedingungen.632 Durch Hans Jonas wurde der von Max Weber eingeführte Begriff der Verantwortungsethik aufgegriffen und dabei der Kategorische Imperativ von Kant in die Zukunft verlängert.633 Jonas stellt dem Kategorischen Imperativ von Kant seine Vorstellung im Sinne eines von ihm erdachten Imperatives entgegen. Hieraus wird das Prinzip der Verantwortungs-, Folgen-, Fern oder Zukunftsethik formuliert.634 Der Imperativ von Hans Jonas ist so formuliert: „Handle so, daß die Wirkungen deiner Handlung verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden.“635 Wird dieser Imperativ näher betrachtet so zeigt sich, dass dieser die Ethik als reine Gesinnungsethik aufhebt. Denn es wird die traditionelle Begrenzung der Ethik auf den zwischenmenschlichen Nahbereich überschritten.636 Bei dieser Form von Ethik ist die Achtung und die Ehrfurcht vor dem Leben der Mittelpunkt.637 Wichtige Bedingungen der Verantwortungsethik nach Jonas sind in diesem Kontext:638 „Handle so, daß die Wirkungen deiner Handlung nicht zerstörerisch sind für die zukünftige Möglichkeit solchen Lebens.“ „Gefährde nicht die Bedingungen für den indefiniten Fortbestand der Menschheit auf Erden.“ „Schließe in deine gegenwärtige Wahl die zukünftige Integrität des Menschen als Mit-Gegenstand deines Wollens ein.“ Dabei ist sich Jonas bereits bei seiner Formulierung bewusst, dass die von ihm aufgestellten Imperative theoretisch nicht leicht zu begründen sind. Für die Begründung wird auch die Religion benötigt.639 In diesem Kontext in anzumerken, dass die Imperative zunächst als Axiome gesehen werden müssen. Als Begründungsform wählt Jonas die Ontologie, also die Lehre vom Sein. Denn Sein ist mehr als Nicht-Sein.640 Dabei ist Jonas eher praktisch denn theoretisch veranlagt, denn wichtiger als eine Begründung ist es ihm, dass die Imperative sich an die Politik und somit an ein Kollektiv richten und
631 632 633 634 635 636 637 638
639 640
Vgl. Hillbrand (2006), S. 42. Vgl. Hillbrand (2006), S. 44. Vgl. Hinterhuber/Nill (1993), S. 275. Vgl. Jonas (1979), S. 35-36. Jonas (1979), S. 36. Vgl. Böhler/Neuberth (1993), S. 33. Vgl. Hinterhuber/Nill (1993), S. 275. Vgl. Jonas (1979), S. 36. Hierbei handelt es sich um negativ/positiv Formulierungen sowie Vereinfachungen des Imperatives von Jonas (1979). Vgl. Jonas (1979), S. 36. Vgl. Stähli/Gassmann (2000), S. 41.
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weniger einen Appell an privates Verhalten darstellen. Seine Überlegungen sollen gehört und wahrgenommen werden.641 Ein Axiom ist, dass die Welt in alle Zukunft bestehen soll, und dass sie dabei menschenwürdig bewohnbar bleiben soll. Dies sei eine praktische Verpflichtung des Menschen gegenüber der Nachwelt in einer entfernten Zukunft.642 Dabei sollte das Ziel der Ausrichtung des Handelns nach der Maxime der Nachhaltigkeit erfolgen. Ökonomische und soziale Ansprüche der Gesellschaft sollten unter Beachtung ökologischer Belastungsgrenzen optimiert werden. Sind die Schwellen von Belastungsgrenzen, bspw. der Umweltbelastung, noch nicht erreicht, so sollten ökologische, ökonomische und soziale Ziele gemeinschaftlich entwickelt und keine Dimension bevorzugt werden. Die drei Dimensionen sind untereinander zu prüfen und es ist ein fit zwischen diesen herzustellen. Wenn eine Dimension als Zielgröße ausgegeben wird, ist zu prüfen, ob die anderen beiden Dimensionen nicht ungerechtfertigter Weise benachteiligt werden.643 Dabei ist bei Jonas eine zentrale Bedingung jeden Handelns die Hoffnung das angestrebte Ziel mit dem Mut der Verantwortung zu erreichen und die Furcht, dass jede Handlung unintendierte (Neben-)Folgen haben kann.644 Wichtig ist die Weiterentwicklung des Bewusstseins und der Moral. Es gilt die Auffassung: „Nicht alles, was technisch machbar oder individuell möglich ist, ist auch ethisch vertretbar.“645 Moralische Verantwortung beinhaltet unterschiedliche Arten kausaler Komplexität. Dies wird gerade im Falle von bspw. Katastrophen und der Zuweisung von Verantwortung ersichtlich. Die Verantwortung wird oftmals bei kollektivem Handeln von Individuen als kollektive Verantwortung und in komplexen technologischen und sozialen Strukturen als Systemverantwortung beschrieben.646 Die komplexe Fähigkeit moralische Verantwortung wahrnehmen zu können wird im Rahmen der Kommunikations- und Interaktionsgemeinschaft von Individuen entwickelt.647 Letztlich ist moralische Verantwortung immer eine Beziehung zwischen Individuen. Weder die kollektive Verantwortung, noch die Systemverantwortung geben eine Entschuldigung dafür, bestimmte Individuen von ihrer Verantwortung für bestimmte Ereignisse befreien zu können.648 Wichtig ist, dass anerkannt und herausgearbeitet wird, dass jedes einzelne Individuum Verantwortung und Verantwortlichkeit im Gesamtsystem besitzt. Denn jedes Individuum ist ein Teil des Gesamtsystems. Dabei ist es zwar schwierig die jeweilige Verantwortung einem einzelnen zuzurechen, dies bedeutet aber nicht, dass die Verantwortlichkeit keinem mehr zurechenbar ist. Denn dies würde bedeuten, dass die Entwicklungen nicht mehr zu beeinflussen wären, und somit auch nichts verantwortbar wäre.649 Eine Ethik, die nur von der persönlichen Verantwortung des einzelnen Individuums ausgeht, ist nicht genug. Denn die Handlungen unterschiedlicher Individuen sind miteinander verbunden.650
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Vgl. Stähli/Gassmann (2000), S. 41. Vgl. Jonas (1979), S. 33-34. Vgl. Flasbarth (2002), S. 34. Vgl. Jonas (1979), S. 390-391. Flasbarth (2002), S. 34. Vgl. Ladd (1992), S. 292-293. Vgl. Kettner (2004), S. 50. Vgl. Ladd (1992), S. 293. Vgl. Küpper (1988), S. 324. Vgl. Lenk (1982), S. 202-205.
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Individual- und Institutionenverantwortung sind nicht gleich. Gleichermaßen können sie auch nicht einfach aufeinander reduziert werden. Denn die eine Verantwortung ersetzt die Andere nicht. Aus der Verantwortung des Unternehmens resultiert nicht direkt eine besondere individuelle Verantwortung eines Teils bzw. aller Mitglieder des Unternehmens, obwohl die korporative Verantwortung zur Folge hat, dass ein Teil der Mitglieder des Unternehmens individuelle Verantwortung tragen.651 Unternehmen bzw. Institutionen haben zum einen eine rollen- bzw. aufgabenspezifische sowie eine rechtliche und kausal handlungsgebundene Verantwortung. Zum anderen haben Unternehmen eine moralische oder moralanaloge Verantwortung. Dabei kann die moralische Verantwortung als eine Sekundäre aufgefasst werden, denn sie kann neben sowie unabhängig von der spezifischen Verantwortung einzelner Mitglieder des Unternehmens bestehen, obwohl sie in typischer, je erst zu ermittelnder Weise, mit individuellen moralischen Verantwortlichkeiten in Verbindung steht.652 Verantwortungsbeziehungen können bspw. durch Versprechen, (Arbeits-)Verträge, Vereinbarungen, Anweisungen etc. eingegangen werden. Das Recht jemanden verantwortlich zu machen, kann dabei an Dritte abgetreten bzw. delegiert werden. Im Rahmen einer moralischen Verantwortung ist eine Delegation nicht möglich, da keine Person von dieser Beziehung ausgeschlossen werden kann. Denn moralische Verantwortungsbeziehungen gelten im wechselseitigen Verhältnis und ohne vorherige Vereinbarungen für alle moralischen Personen.653 Es bleibt durch Individuen, Unternehmen, Institutionen und Staaten zu prüfen, ob deren Handlungen einen Beitrag zu ökologischer, ökonomischer und sozialer Gerechtigkeit leisten oder nicht. Für Flasbarth (2002) geht die Berechtigung eines Wohlstands- und Wirtschaftswachstums dann verloren, wenn dieses eine Bedrohung für die Natur einerseits, sowie andere Kulturen oder künftige Generationen andererseits darstellt.654 Die Verantwortungsethik ist für die Wirtschaft von besonderer Bedeutung.655 Flasbarth (2002) sieht Unternehmen in der Pflicht, bei einem Marktversagen, auch vor dem Hintergrund einer globalisierten Welt, korrektiv zu wirken und gegenzusteuern, wenn institutionelle Regelungen versagen bzw. gar nicht erst, bspw. auf internationaler Ebene, vorhanden sind.656 Zunehmend wird ein potenzielles Instrumentarium unter der Bezeichnung der Corporate Social Responsibility vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeit (des Wirtschaftens von Unternehmen) diskutiert.657 Allerdings bestehen auch Kritiken gegenüber einer Verantwortungsethik aus einer theoretischen Sichtweise der Philosophie. Beispielsweise Wieland (1999) sieht die Verantwortungsethik als Ethik zweiter Linie, die eine Legitimität eines bestimmten Zieles voraussetzt, ohne dieses selbst zu rechtfertigen.658 Denn Verantwortung wird nicht als ein elementarer Begriff der Ethik betrachtet.659 Dabei ist anzumerken, dass Verantwortung nicht als ethisch neutraler Begriff gesehen wird.660 Es fehlt einer reinen Verantwortungsethik an der Möglichkeit eine positive Würdigung des wissenschaftlich651 652 653 654 655 656 657 658 659 660
Vgl. Lenk/Maring (1992), S. 159-160. Vgl. Lenk/Maring (1992), S. 159. Vgl. French (1992), S. 319-320. Vgl. Flasbarth (2002), S. 34. Vgl. Hinterhuber/Nill (1993), S. 275. Vgl. Flasbarth (2002), S. 33-34. Siehe hierzu die Ausführungen des Kapitels 2.2.4.1. Vgl. Wieland (1999b), S. 96. Vgl. Höffe (1993), S. 19; Holz (2000), 1992. Vgl. Höffe (1993), S. 20-21.
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technischen Handelns vorzunehmen. Oftmals werden Wissenschaft und Technik vorverurteilt und nicht neutral betrachtet, analysiert und diskutiert.661
2.1.4
Grundlegende Bereiche einer Ethikforschung
Erste empirische Arbeiten zur Untersuchung moralischer Urteilsprozesse lassen sich bei Sharp (1898) auffinden. Sharp merkt in seinen Ausführungen an, dass selbst, wenn Individuen mit scheinbar gleichen Charakteristika Urteile über die gleiche Person tätigen, sich manchmal unterschiedliche Schlüsse hinsichtlich der Moral des Anderen ergaben. Sharp erklärt dies folgendermaßen: Eine Person, die mit einer Urteilsbildung bzw. dem Fällen einer Entscheidung hinsichtlich der Moralität eines Anderen konfrontiert ist, trifft ihre Entscheidung auf der Basis seines bzw. ihres eigenen, individuellen Ethiksystems. Unterschiede in einer Bewertung ergeben sich somit durch unterschiedliche Systeme individueller Ethik bzw. deren Anwendung.662 Die empirische Untersuchung von Sharp (1898) kann dabei als Vorbild zukünftiger empirischer Forschungen im Kontext der Moral- und Ethikforschung gesehen werden. In Verbindung der Untersuchungen von Sharp (1908) und Heider (1958), die Arbeit von Heider kann dabei aus psychologischer Sicht als Hauptquelle der Balance-Theorien, der Attributionstheorien663 und der Gerechtigkeitsforschung gesehen werden, weisen diese Arbeiten auf den Einfluss von Normen und Kultur auf die ethische Haltung eines Individuums hin. Verbunden ist dies darüber hinaus mit der Entwicklungspsychologie hinsichtlich der kognitiven Entwicklungsstufen (nach Kohlberg) in Kombination mit dem Lebensalter.664 Einen grundlegenden Bestandteil bzw. Gegenstandsbereich der Ethikforschung bildet die Werteforschung, bspw. der Sozialpsychologie und der Soziologie. Als Vertreter sind hier u. a. Inglehardt (1977) oder Klages (1984, 1988, 1992) zu nennen, deren Arbeiten enge Verbindungen zu ethischen (Grund-)Positionen aufweisen. Beispielsweise ist eine Unterscheidung von Materialismus und Postmaterialismus nach Inglehardt, eng mit dem Utilitarismus und der Deontologie verbunden.665 Ansatzpunkte ergeben sich weiterhin in der empirischen Gerechtigkeits- und Verantwortungsforschung sowie zum prosozialen Handeln666. In beiden Untersuchungsfeldern existieren umfassende Forschungsleitungen. Diese wurden allerdings bisher nicht mit der Ethikforschung in Verbindung gebracht. Vielmehr sind diese getrennt von anderen Ansätzen aus der Forschung zu einer allgemeinen
661 662 663
664
665
666
Vgl. Hillerbrand (2006), S. 47. Vgl. Forsyth (1980), S. 175. Nach Bierhoff/Herner (2002), S. 22-24 bezeichnet der Begriff Attribution den Prozess der Zuschreibung von Ursachen für ein Ereignis, welcher zu einer subjektiven Erklärung führt. Attributionstheorien bezeichnen dabei die theoretischen Ansätze der Attribution. Siehe zur Einführung in die Attributionstheorie und –forschung bspw. Fösterling (2001). Vgl. Witte (2001), S. 3-4. Anmerkung: Eigenhändige Seitenzählung beginnend mit Seite 1 nach Deckblatt, da keine Zählung in der Ausarbeitung bei Witte (2001) vorhanden ist. Siehe grundlegend Sharp (1898); Sharp (1908) bzw. Sharp (1909); Heider (1958) Vgl. Witte (2001), S. 4. Siehe allgemein zum Materialismus/Post-Materialismus Inglehart (1977). Hier u. a. grundlegend Inglehart (1977), S. 21-176. Zur Fundierung siehe Klages (1984); Klages (1988) und Klages (1992). Prosoziales Verhalten umfasst Verhaltensweisen, welche mit dem Ziel durchgeführt werden, anderen zu helfen. Hiermit ist der Begriff des Altruismus verbunden. Altruismus ist prosoziales Verhalten, welches ohne Berücksichtigung der eigenen Sicherheit oder der eigenen (individuellen) Interessen realisiert wird. Siehe hierzu Zimbardo/Gerrig (2004), S. 797.
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
103
Wertebene zu sehen.667 Für bedeutende ausgewählte empirische Arbeiten im Kontext siehe bspw. Dalbert/Montada/Schmitt (1985), Schneider (1988), Schmitt/Maes/Schmal (1995), Maes/Schmitt/Schmal (1995) und Schmitt/Maes (2001). Siehe darüber hinaus für einen Überblick zur Thematik Reichle/Schmitt (1998). Zum prosozialen Handeln siehe Witte (1994). Witte (2001) merkt an, dass sich die theoretischen und empirischen Ansätze der (Geschichte der) Sozialpsychologie, sozialpsychologischen und soziologischen Werteforschung, der Gerechtigkeitsforschung und des prosozialen sowie verantwortlichen Handelns auf die Wertebene konzentrieren. Hierbei besteht die Möglichkeit und auch die Chance einer gegenseitigen Anregung und eines Austausches zwischen den einzelnen Disziplinen. Allerdings geschieht dies laut Witte nicht. Witte schlägt zwischen den einzelnen Ansätzen und Forschungsgebieten die (praktische) Philosophie mit Ihren Erkenntnissen zur Ethik vor, die den Kern bilden kann.668 Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass aufgrund der Vielzahl und Heterogenität von ethischen Positionen, Ansätzen und Modellen keine einheitliche Auffassung darüber besteht, was bzw. welche Fragestellung oder welches Verhalten ethisch ist oder nicht. Allgemein ist die Beurteilung, inwieweit ein bestimmtes Verhalten den Grundsätzen der Ethik entspricht, u. a. abhängig vom Individuum, der Zeit, der (konkreten) Situation vor dem Hintergrund der verwendeten (normativen) ethischen Theorie bzw. Argumentation.669 Ein anschauliches Beispiel hierfür liefert Bausch (2004). Anhand eines hypothetischen, aber nicht praxisfernen, Beispiels einer Dilemmasituation eines Unternehmers hinsichtlich Bestechungs- und Korruptionszahlungen im Ausland verdeutlicht Bausch unterschiedliche ökonomische, philosophische, sozialwissenschaftliche sowie moralische und ethische Argumentationen und Ansätze zur Beschreibung und (potenziellen) Klärung der Dilemmasituation. Diese werden dem Unternehmer in einem fiktiven Gespräch durch einen praxiserfahrenen Manager, einen Wirtschaftswissenschaftler, einen Philosophen, einen Politologen und einen Wirtschafts- und Unternehmensethiker nahe gebracht.670 2.1.4.1
Zum Zusammenhang von Werten, Einstellungen, Handlungen, Intentionen und ethischen Positionen
Modelltheoretische Annahmen ethischen Handelns, wie anhand ausgewählter Beispiele in den folgenden Kapiteln 2.1.4.2.1 bis 2.1.4.2.4 dargestellt, nehmen implizit oder explizit auf einen konvergierenden Zusammenhang zwischen Werten, Einstellungen, Handlungen, Intentionen und schließlich ethischen Positionen Bezug. Werte nehmen Einfluss auf Einstellungen und Ziele und beeinflussen über Intentionen so indirekt Handlungen.671 Einstellungen lassen sich zudem als spezifizierte Wert667
668
669 670
671
Vgl. Witte (2001), S. 4-5. Umfassende Forschungsleistungen zur Gerechtigkeit wurden bspw. durch die im Jahre 1980 von Leo Montada an der Universität Trier gegründeten Arbeitsgruppe „Verantwortung, Gerechtigkeit, Moral“ geleistet. Siehe zu den Forschungsleistungen ausführlich . Vgl. Witte (2001), S. 5. Siehe auch Dalbert/Montada/Schmitt (1985); Schneider (1988); Schmitt/Maes/Schmal (1995); Maes/Schmitt/Schmal (1995); Schmitt/Maes (2001). Siehe darüber hinaus Witte (1994); Reichle/Schmitt (1998); Witte (2001). Vgl. Böge (2004), S. 24; Würth (2004), S. 224. Vgl. Bausch (2004), S. 129-150. Bausch verdeutlicht hier unterschiedliche wissenschaftliche Absätze zur Klärung und (möglichen) Rechfertigung von Korruption. Dabei werden auch verschiedene wirtschafts- und unternehmensethische Ansätze erörtert. Es zeigt sich die Komplexität und Heterogenität der Reflexion ethischen bzw. unethischen Handelns. Siehe hierzu auch Roe/Ester (1999). Zu den Funktionen von Werten siehe ausführlich 2.1.2.1.
104
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
haltungen mit konkretem Situations- bzw. Objektbezug einordnen. Die Verhaltens- bzw. Handlungsrelevanz von Einstellungen lässt sich im Umkehrschluss auf die abstrakteren Werte, die Einstellungen übergeordnet sind, zurückführen.672 So richtet sich die Einstellung zu einem bestimmten Verhalten auf ein konkretes Objekt in einer spezifischen Situation. Die Einstellung betrifft damit aber nicht das Objekt per se.673 Individuelle Werte beeinflussen demnach über Einstellungen (und Intentionen) das menschliche Verhalten. Demgegenüber erfolgt aber auch eine Rückkoppelung mit den gesellschaftlichen Normvorstellungen oder Institutionen. Diese Rückkoppelung führt nach Windhorst zu einer Veränderung der individuellen Werte hin zu gesellschaftskonformen Wertvorstellungen oder zur Bildung von Subkulturen, wenn keine Anpassung der individuellen Werte erfolgt.674 Dabei werden nach Löhnert (1998) in deutschen Unternehmen moralische Erwartungen und Normen zumeist informell vermittelt. Es erfolgt oftmals keine explizite Thematisierung.675 2.1.4.2
Ausgewählte Modelle ethischen Handelns
Zum besseren Verständnis ethischen Handelns wurden in der Theorie unterschiedliche Modelle und Ansätze entwickelt, welche einen differierenden Komplexitäts-, Abstraktions- und Erklärungsgrad besitzen. Im Folgenden sollen ausgewählte Modelle ethischen Handelns dargestellt werden, um ein Verständnis für den Prozess und potenzielle Einflussgrößen auf ein ethisches Handeln zu generieren. 2.1.4.2.1
Zum Modell von Hunt/Vitell
Hunt/Vitell (1986) bzw. Hunt/Vitell (1993a) vertreten in ihrer ersten modelltheoretischen Ausarbeitung die Auffassung, dass alle theoretischen Anstrengungen im Bereich der (Marketing-)Ethik normativer und nicht positiver Natur sind. Denn zumeist haben sich die theoretischen Arbeiten darauf fokussiert, Richtlinien oder Regeln ethischen Verhaltens zu entwickeln. Im Gegensatz dazu ist das Modell von Hunt/Vitell deskriptiv und nicht präskriptiv in dem Sinne, dass versucht wird, den Entscheidungsprozess in ethischen Problemsituationen zu erklären. Dabei basiert das Modell auf teleologischen sowie deontologischen Ethiktheorien bzw. Ansätzen.676 Bei teleologischen Ethiken erfolgt im Rahmen der Rechtfertigung eine Fokussierung auf die Konsequenzen der Handlungen bzw. des Verhaltens. Der Kern teleologischer Theorien ist die Anzahl des Guten und Bösen, die den Konsequenzen von Handlungen innewohnen. Im Rahmen deontologischer Ethiken erfolgt eine Fokussierung auf die spezifische Handlung oder das Verhalten eines Individuums. Der Kern deontologischer Theorien ist die innewohnende Rechtschaffenheit des Verhaltens.677 Hunt/Vitell vertreten die Auffassung, dass viele Moralphilosophen ein gemischtes teleologisch-deontologisches System von Ethik empfehlen, wie bspw. Frankena (1963). Somit sind für einen ethischen Evaluationsprozess, und daher für ethische Entscheidungen, sowohl teleologische, als auch deontologische Aspekte von Bedeutung.678 672 673 674 675 676
677
678
Siehe hierzu Rokeach (1968) und Rokeach (1980). Vgl. Ajzen/Fishbein (1980), S. 8-9. Vgl. Windhorst (1985), S. 41-42. Vgl. Löhnert (1998), S. 105. Vgl. Hunt/Vitell (1986), S. 5 und 6. Bei Hunt/Vitell (1993a) handelt es sich um einen Beitrag in Smith/Quelch (1993) ab Basis von Hunt/Vitell (1986). Vgl. Hunt/Vitell (1986), S. 6. Siehe zum telelogischen und deontologischen Ansatz auch die Ausführungen des Kapitels 2.1.3.6. Vgl. Hunt/Vitell (1986), S. 7. Siehe grundlegend auch Frankena (1963).
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
105
Die Wahrnehmung einer ethischen Problemsituation wird als Anstoß (trigger) des Prozesses des gesamten Modells von Vitell/Hunt gesehen. Wenn ein Individuum keinen ethischen Inhalt in einer Problemsituation wahrnimmt, kommen die nachfolgenden Elemente des Modells nicht zur Geltung. Diese Feststellung ist dann besonders wichtig, wenn das Modell empirisch getestet werden soll. Denn es ist dabei darauf zu achten, dass die dem Probanden vorgelegten Situationen bzw. Szenarien als Situationen bzw. Szenarien mit ethischem Inhalt wahrgenommen werden.679 Deontologische Bewertung Nachdem ein Individuum eine Situation als ethisch betrachtet, ist der nächste Schritt die Wahrnehmung unterschiedlicher möglicher Alternativen bzw. Handlungen, die folgen könnten, um das ethische Problem zu lösen.680 Dabei ist es unwahrscheinlich, dass ein Individuum das komplette Set aller möglichen Alternativen erkennt. Aus diesem Grunde wird das hervorgerufene Set der Alternativen (evoked set) geringer sein, als das universelle bzw. umfassende. Starke Unterschiede im Verhalten von Individuen in Situationen mit ethischem Inhalt können mitunter teilweise auf Unterschiede in ihrem individuellen Set wahrgenommener Alternativen zurückgeführt werden. Hat ein Individuum einmal das hervorgerufene Set der Alternativen wahrgenommen, so erlangen nun deontologische und teleologische Evaluationen ihre Bedeutung. Im Rahmen der deontologischen Evaluation bewertet das Individuum die inhärente Richtigkeit oder Falschheit bzw. Unrechtmäßigkeit des Verhaltens, welches durch jede Alternative impliziert wird bzw. die jede Alternative mit sich bringt. Dieser Prozess beinhaltet den Vergleich der Verhaltensweisen mit einem Set prädeterminierter deontologischer Normen, die durch persönliche bzw. individuelle Werte oder Verhaltensregeln bestimmt werden. Dabei reichen diese von generellen Ansichten über bspw. Ehrlichkeit, Stehlen, Lügen und Menschen fair zu behandeln, bis hin zu kontextspezifischen Ansichten, wie bspw. unehrliches bzw. täuschendes Marketing, Produktsicherheit oder Datenschutz.681 Teleologische Bewertung Die teleologische Bewertung besteht aus den vier Konstrukten, der wahrgenommenen Konsequenzen jeder Alternative für unterschiedliche Stakeholdergruppen bzw. wahrgenommene (Handlungs-)Konsequenzen, der Wahrscheinlichkeit, dass jede Konsequenz bei jeder Stakeholdergruppe eintritt bzw. die Eintrittswahrscheinlichkeit, der Erwünschtheit bzw. Unerwünschtheit jeder Konsequenz bzw. die Erwünschtheit der Konsequenz und der Wichtigkeit jeder Stakeholdergruppe bzw. die Wichtigkeit der Stakeholder.682 Ethische Beurteilung Der Kern des Modells von Vitell/Hunt postuliert für eine individuelle ethische Beurteilung eine Funktion von der individuellen deontologischen und teleologischen Beurteilung. Dabei ist anzumerken, dass sich, je nach Individuum und Situation, (alleinige) deontologische oder teleologische (Ex-
679 680 681 682
Vgl. Hunt/Vitell (1986), S. 7. Vgl. Hunt/Vitell (1986), S. 7 und 9. Vgl. Hunt/Vitell (1986), S. 9. Vgl. Hunt/Vitell (1986), S. 9.
106
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
trem-)Positionen sowie Mischungen deontologischer und teleologischer Positionen ergeben können.683 Intentionen und Verhalten Hunt/Vitell postulieren, in Anlehnung an das Modell von Fishbein/Ajzen (1975), dass eine ethische Beurteilung Einfluss auf das Verhalten durch die intervenierende bzw. dazwischen liegende Variable der Intention(en) erfolgt. Basierend auf den Empfehlungen von Reibstein (1978) wird eine Konzeptionalisierung des Intentionskonstruktes als Wahrscheinlichkeit, dass (irgend)eine spezielle Alternative gewählt wird, vorgeschlagen.684 Intentionen und die ethische Beurteilung sollen als bessere Prediktatoren von Verhalten in Situationen dienen, in denen ethische Probleme eine zentrale Rolle, denn eine periphere Rolle, einnehmen. Dabei wird in dem Modell davon ausgegangen, dass sich ethische Beurteilungen oftmals von Intentionen unterscheiden, weil die teleologische Beurteilung auch unabhängig bzw. selbstständig das Intentionskonstrukt beeinflusst. Aus diesem Grunde kann ein Individuum zwar eine spezielle Alternative als die ethischste Alternative wahrnehmen und, nichtsdestotrotz, beabsichtigen eine andere Alternative aufgrund bestimmter bzw. gewisser bevorzugter Konsequenzen zu wählen. Durch das Modell wird angenommen, dass als Konsequenz, sollten das konkrete Verhalten und die Intentionen mit der ethischen Beurteilung auseinander fallen, das Gefühl von Schuld im Individuum aufkommt.685 Situationale Bedingungen Durch situationale Bedingungen kann das Verhalten beeinflusst werden. Ein Individuum kann durch situationale Bedingungen so beeinflusst werden, dass das Verhalten inkonsistent mit den vorgelagerten Intentionen und der ethischen Beurteilung ist. Dabei sehen Hunt/Vitell, mit Verweis auf die Arbeiten von Zey-Ferrel/Weaver/Ferrel (1979) und Mayer (1970), die Gelegenheit (Opportunity) als einen entscheidenden Faktor im Sinne einer situationalen Bedingung. Die Opportunity wird als ein bedeutender Faktor der Beeinflussung ethischen Verhaltens gesehen. Wobei Newstrom/Ruch (1975) annehmen, dass Unterschiede zwischen Verhalten und Glauben zumeist eine Funktion von Unterschieden bei der Opportunity sind.686 Tatsächliche (Handlungs-)Konsequenzen Nach der tatsächlich vollzogenen Handlung erfolgt eine Evaluation bzw. Bewertung der hieraus resultierenden Konsequenzen der gewählten Alternative. Dieser Teilbereich kann als bedeutendes Lernkonstrukt innerhalb des Modells betrachtet werden, denn die tatsächlichen (Handlungs)Konsequenzen beeinflussen wiederum das Konstrukt der persönlichen Erfahrungen. Persönliche Erfahrungen, organisationales Umfeld, industrielles Umfeld, kulturelles Umfeld Innerhalb des Modells postulieren Hunt/Vitell eine Beeinflussung der Wahrnehmung einer ethischen Problemsituation, Wahrnehmung unterschiedlicher möglicher Alternativen, wahrgenommene (Handlungs-)Konsequenzen, 683 684 685 686
Vgl. Hunt/Vitell (1986), S. 9. Siehe grundlegend Fishbein/Ajzen (1975) sowie Reibstein (1978). Vgl. Hunt/Vitell (1986), S. 9-10. Vgl. Hunt/Vitell (1986), S. 10. Siehe zur Fundierung Zey-Ferrel/Weaver/Ferrel (1979); Mayer (1970); Newstrom/Ruch (1975.
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
107
deontologische Nomen, Eintrittswahrscheinlichkeit, Erwünschtheit der Konsequenz, Wichtigkeit der Stakeholder durch die Konstrukte der persönlichen Erfahrungen, des organisationalen Umfelds, des industriellen Umfelds und des kulturellen Umfelds. Das Konstrukt der persönlichen Erfahrungen basiert auf einer Vielzahl einzelner Dimensionen, wie bspw. die Ebenen der Moralentwicklung nach Kohlberg, die individuelle Persönlichkeitsstruktur oder aber die gesamten individuellen Lebenserfahrungen.687 Abbildung 13 verdeutlicht den dargestellten Sachverhalt.688 Cultural environment
Industry environment
Perceived ethical problem Deontological norms Perceived alternatives Probability of consequences
Organizational environment Perceived consequences Personal experiences
Situational constraints
Deontological evaluation
Ethical judgments
Intentions
Behavior
Desirability of consequences Importance of stakeholders
Teleological evaluation Actual consequences
Abbildung 13: Modell nach Hunt/Vitell
Durch Hunt/Vitell (1993b) wurde auf Basis von empirischen Untersuchungen und Anmerkungen von Anwendern des Ansatzes, ein erweitertes bzw. angepasstes Modell bzw. eine erweiterte Theorie vorgeschlagen. Ursprünglich waren das Modell und die dazugehörige Theorie lediglich zur Erklärung des Prozesses ethischer Entscheidungen im Kontext des Marketings konzipiert. Das erweiterte Modell beinhaltet nun sowohl einen spezifischen Ansatz, als auch einen allgemeinen Ansatz. Der allgemeine Ansatz wird durch alle Teile des in Abbildung 14 dargestellten Modells gebildet, die sich außerhalb des gestrichelten Rechtecks befinden. Die Bereiche (2), (3) und (4) gehören somit nicht zum allgemeinen Modell, sondern erweitern diese im Sinne einer Spezialisierung im managementbezogenen Kontext. Im erweiterten Ansatz des Modells werden einzelne (spezifische) Einflussfaktoren näher bezeichnet bzw. aufgeschlüsselt. Das Modell ist in Abbildung 14 dargestellt.689
687 688 689
Vgl. Hunt/Vitell (1986), S. 10. In Anlehnung an Hunt/Vitell (1993a), S. 762. In Anlehnung an Hunt/Vitell (1993b), S. 776. Siehe grundlegend Hunt/Vitell (1993b).
108
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches (1) Cultural environment (2)
Perceived ethical problem Deontological norms
Professional environment Perceived alternatives
(3) Industry environment
Probability of consequences
(4) Organizational environment
Perceived consequences
Ethical judgments
Intentions
Behavior
Desirability of consequences
(5) Personal experiences
Situational constraints
Deontological evaluation
Importance of stakeholders
Teleological evaluation Actual consequences
(1) Includes: Religion, Legal system, Political system (2) Includes: Informal norms, Formal codes, Code enforcement (3) Includes: Informal norms, Formal codes, Code enforcement (4) Includes: Informal norms, Formal codes, Code enforcement (5) Includes: Religion, Value system, Belief system, Strength of moral character, Cognitive moral development, Ethical sensitivity
Abbildung 14: Überarbeitetes Modell nach Hunt/Vitell
2.1.4.2.2
Zum Modell von Ferrell/Gresham
Beim Contingency Framework (Eventualitäten Struktur) von Ferrell/Gresham (1985) handelt es sich um ein Mehrstufenmodell eines ethischen Verhaltens zur Entscheidungsfindung. Das Modell beschreibt eine Interaktion auf erster Ebene zwischen der ethischen Situation (ethical issue or dilemma) und den Charakteristika, die mit dem Individuum (individual factors), wie bspw. Wissen, Werte, Einstellungen, Intentionen, verbunden sind. Dabei sind Interaktionen bzw. Beeinflussungen des Individuums mit anderen (Vergleichs-)Personen (significant others), wie bspw. Peers oder dem Management und der Chance (Opportunity) sich mit (un-)ethischen Verhalten zu beschäftigen bzw. sich auf (un-)ethisches Verhalten einzulassen (evaluation of behavior), von Bedeutung. Individuen werden durch Moralphilosophien, die im Rahmen der Sozialisation gelernt werden, durch Erziehung bzw. Bildung und den kulturellen Hintergrund (social and cultural environment) beeinflusst. Dabei kommt nach Ferrell/Gresham, wie bei Kohlberg, der Umwelt eine gewichtige Rolle im Prozess der ethischen Entscheidungsfindung zu.690 Im Modell wird postuliert, dass je geringer die Distanz im Sinne von weniger Grenzen zwischen dem Individuum und den anderen bedeutenden (Vergleichs-)Personen ist, desto mehr Einfluss haben diese auf die Entscheidungen des Individuums. Je besser die Interaktion, desto größer ist der Ein690
Vgl. Ferrell/Gresham/Fraedrich (1989), S. 58.
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
109
fluss. Allerdings kann auch durch Macht und Autorität, bspw. des Managements, der Entscheidungsprozess beeinflusst werden.691 Im Kontext junger Unternehmen könnte dies auch für den Gründer, seine (enge) Beziehung zu den Mitarbeitern und seine Autorität gegenüber den Mitarbeitern gelten. Individuen, die die Chance (Opportunity) haben, sich auf unethisches Verhalten einzulassen, besitzen eine höhere Wahrscheinlichkeit dies auch umzusetzen. Gleichermaßen merken Ferrell/Gresham an, dass je größer die Belohnungen und gleichsam je kleiner die Strafen eines solchen Verhaltens sind, desto wahrscheinlicher ist es, dass ein Individuum ein unethisches Verhalten praktiziert. In diesem Kontext sind die Autoren der Meinung, dass Regelungen im Unternehmen und Ethikkodizes Individuen von unethischem Verhalten abschrecken bzw. abhalten, speziell wenn diese durchgesetzt werden.692 Abbildung 15 verdeutlicht den Zusammenhang.
Social and Cultural Environment
Individual Factors • knowledge • values • attitudes • intentions Ethical Issue or Dilemma • advertising deception • falsifying research data • price collusion • bribes • bid rigging
Individual Decision Making
Significant Others • differential association • role set configuration
Behavior
Evaluation of Behavior • ethical • unethical
Opportunity • professional codes • corporate policy • rewards/punishment
Abbildung 15: Modell nach Ferrell/Gresham
2.1.4.2.3
Zum Modell von Ferrell/Gresham/Fraedrich
Das Modell von Ferrell/Gresham/Fraedrich (1989) ist eine Synthese der Modelle von Ferrell/Gresham (1985) und Hunt/Vitell (1986) und den jeweiligen zugehörigen Konstrukten sowie Basisannahmen, erweitert um die Grundlagenarbeiten von Kohlberg (1969) zur kognitiven Moralentwicklung. Denn nach Ferrell/Gresham/Fraedrich bietet jedes Modell einen spezifischen Ansatz bzw. einzigartige Dimensionen, die eine Erweiterung des Verständnisses eines ethischen Entscheidungsfindungspro691 692
Vgl. Ferrell/Gresham/Fraedrich (1989), S. 58. Vgl. Ferrell/Gresham/Fraedrich (1989), S. 59.
110
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
zesses in Unternehmen ermöglichen. Ein integriertes Modell ermöglicht eine umfassendere Perspektive und Beschreibung des Sachzusammenhanges, denn jedes Modell leistet einen signifikanten, eigenen Beitrag in der Prozessbeschreibung.693 Beispielsweise liefert das Modell von Hunt/Vitell eine Fokussierung auf Mikroaspekte eines individuellen kognitiven Entscheidungsprozesses, während das Modell von Ferrell/Gresham eine mehr makroorientierte Sichtweise liefert. Das Synthesemodell folgt dem grundlegenden Paradigma zum Treffen von Entscheidungen ausgehend von der Wahrnehmung eines Problems, hin zur Suche, Bewertung/Evaluation, Auswahl und zum Ergebnis.694
Ethical Issues
Stage of Cognitive Moral Development
Organizational Culture
Moral Evaluations
Judgments
Cognitions
Teleological
Awareness
Deontological
Social and Economic Environment
Abbildung 6 zeigt eine Visualisierung des Modells nach Ferrell/Gresham/Fraedrich.
Determination
Action
Intentions
Ethical/ Unethical Behavior
Consequences
Opportunity Individual Moderators
Behavioral Evaluation
Abbildung 16: Modell nach Ferrell/Gresham/Fraedrich
Ethischs Probleme bzw. Wahrnehmung eines ethischen Problems (Ethical Issues) Auch im Modell nach Ferrell/Gresham/Fraedrich beginnt der Prozess mit einer Identifikation eines ethischen Problems (ethical issue) aus der Wahrnehmung, dass sich aus der sozialen und ökonomischen Umwelt ein ethisches Dilemma entwickelt hat. Wie Manager ein Problem als ethisches Problem wahrnehmen ist eine bedeutsame Angelegenheit.695 Dies kann gleichermaßen im Kontext von Entrepreneurship auch für Unternehmer angenommen werden. Stufe der kognitive Moralentwicklung (Stage of Cognitive Moral Development) Hier soll das Modell nach Kohlberg, mit der grundlegenden Arbeit von Kohlberg (1969), zur Messung der (Stufe der) kognitiven Moralentwicklung beitragen helfen. Dabei wird davon ausgegangen, dass ein Individuum mit einer höheren kognitiven Moralentwicklungsstufe (tendenziell) eher in der Lage ist, ein Problem als ethisches Problem wahrzunehmen (und darauf entsprechend zu reagieren), als ein 693
694 695
Vgl. Ferrell/Gresham/Fraedrich (1989), S. 56 und 60. Siehe grundlegend auch Kohlberg (1958); Kohlberg (1969); Kohlberg (1973). Vgl. Ferrell/Gresham/Fraedrich (1989), S. 61. Vgl. Ferrell/Gresham/Fraedrich (1989), S. 61.
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
111
Individuum mit einer niedrigen Stufe. Gleichermaßen wird angenommen, dass auch ein soziales Lernen die Wahrnehmung bzw. Wahrnehmungsfähigkeit beeinflusst. Das Synthesemodell deutet auf eine direkte Auswirkung der kognitiven Moralentwicklung auf die Fragestellung hin, wie ein Individuum mit einem ethischen Problem umgeht.696 Moralische Evaluation bzw. Bewertung (Deontological, Teleological Judgements) Als nächster Prozessschritt ist die moralische Evaluation zu nennen. In Anlehnung an Hunt/Vitell wird im Kern einer moralischen Evaluation auf Basis teleologischer und deontologischer Begründungen zurückgegriffen, die die Entscheidung (Judgment) beeinflussen. Dabei sind unterschiedliche Gewichtungen teleologischer und deontologischer Begründungen, bis zu einseitigen Extrempositionen, möglich.697 Intentionen und Handlung (Intentions and Actions leading to ethical or unethical behavior) Auch das Synthesemodell von Ferrell/Gresham/Fraedrich beinhaltet als nächsten Prozessschritt das Konzept der Intentionen nach Fishbein/Ajzen (1975). Die Intention einer Person eine Handlung zu vollziehen ist seine dringliche, umgehende bzw. direkte Bestimmungsgröße. Intention ist die individuelle, subjektive Wahrscheinlichkeit einer Verhaltenseinstellung. Diese Einstellung bzw. Haltung gegenüber einem Verhalten wird bestimmt durch den persönlichen Glauben, der durch eine moralische Evaluation der Situation, der Alternativen und der wahrgenommenen Konsequenzen gebildet wird.698 Diese nehmen wiederum Einfluss auf das Konstrukt der Unternehmenskultur, Gelegenheit und individuellen Moderator(variablen). Unternehmenskultur, Gelegenheit, individuelle Moderatoren (Organizational Culture, Opportunity, individual Moderators) Der letzte bedeutende Bestandteil des Modells wird durch den Einfluss der Unternehmenskultur (Organizational Culture), der Gelegenheit (Opportunity) und der individuellen Moderatoren bzw. Moderatorvarablen (Individual Moderators) gebildet, die jeweils Einfluss auf die ethischen Probleme bzw. die Wahrnehmung ethischer Probleme, die Stufe der kognitive Moralentwicklung, die Moralische Evaluation bzw. Bewertung und die Handlung(en) nehmen.699 2.1.4.2.4
Zum Modell von Sagie/Elizur/Koslowsky
Im Fokus des Modells von Sagie/Elizur/Koslowsky (1996) steht die Analyse arbeitsbezogener Werte und deren Effekte auf das Verhalten von Menschen in Organisationen. Die Autoren gliedern ihren Untersuchungsbereich dabei in die drei Aspekte Struktur arbeitsbezogener Werte, Korrelate arbeitsbezogener Werte und kulturelle Unterschiede.700 Hinsichtlich der Struktur von Werten kommen Sagie/Elizur/Koslowski zu dem Schluss, dass die relative Bedeutung von Werten sich sowohl im Zeitablauf, als auch situativ infolge externer Beeinflussungen und unvorhergesehener Ereignisse verän-
696 697 698 699 700
Vgl. Ferrell/Gresham/Fraedrich (1989), S. 61. Vgl. Ferrell/Gresham/Fraedrich (1989), S. 61. Vgl. Ferrell/Gresham/Fraedrich (1989), S: 61. Siehe auch Fishbein/Ajzen (1975). Vgl. Ferrell/Gresham/Fraedrich (1989), S. 61. Vgl. Sagie/Elizur/Koslowsky (1996), S. 503.
112
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
dern kann.701 Hierbei wird im Übrigen auf die enge Verflechtung arbeitbezogener Werte und allgemeiner, persönlicher Werte von Individuen verwiesen, die verschiedene Lebensbereiche wie die Familie, Kultur und Religion berühren.702 In Bezug auf arbeitsbezogene Werte wird zudem auf Krau (1989) Bezug genommen, der zu dem Ergebnis kommt, dass Werte in Abhängigkeit vom Alter als auch vom sozioökonomischen Status variieren.703 Mittels einer Korrelationsanalyse soll zudem das Verhältnis zwischen arbeitsbezogenen Werten und bestimmten Bezugselementen bzw. Ergebnissen untersucht werden. Als Korrelate arbeitsbezogener Werte nennen die Autoren genetische Einflussfaktoren (vs. der Beeinflussung durch die Umwelt), demographische Faktoren, Ethik, Leistungsbedürfnis, Motivation, Einsatz in und für die Organisation, Wertekongruenz, Arbeitsnormen sowie Leistungsfähigkeit.704 Im Zusammenhang mit Ethik verweisen die Autoren auf einen Zusammenhang zwischen arbeitsbezogenen Werten und religiöser Ethik. Bezug genommen wird dabei auf die Protestantische Arbeitsethik, die nach Brief/Aldag (1994) sowie Furnham (1990), kapitalistische Aktivitäten beeinflusst.705 Ein anderes Beispiel in dem Zusammenhang ist nach Coates (1987) die Konfuzianische Arbeitsethik, die in Japan arbeitsbezogene Werte wie die Betonung von „hard work“, „respect for time“ sowie „drive to accumulate wealth“ prägte.706 In Bezug auf die Betrachtung kultureller Unterschiede kommen Sagie/Elizur/Koslowsky (1996) zu dem Ergebnis, dass in Anlehnung an Hofstede (1980) und Schwartz (1992) sowie Schwarz (1994) eine Berücksichtigung dieser bei der Untersuchung arbeitsbezogener Werte erfolgen sollte.707 So auch Sagie, Elizur und Yamauchi, die zu der Annahme kommen, dass arbeitsbezogene Entscheidungen von der Ausprägung einer stark individualistischen Orientierung (z. B. in den USA) oder eher einer kollektivistischen Orientierung (z. B. Japan) in der Kultur abhängen. Dies zeige sich z. B. bei der Bevorzug von Handlungsalternativen, die entweder den individuellen Benefit oder den Benefit für ein Team erwarten lassen.708 Abbildung 17 zeigt eine Adaption des Modells von Sagie/Elizur/Koslowsky (1996).709
701 702
703 704 705
706 707
708 709
Vgl. Sagie/Elizur/Koslowsky (1996), S. 504. Vgl. Sagie/Elizur/Koslowsky (1996), S. 505. In Bezug auf die enge Verflechtung der Wertkonstrukte unterschiedlicher Lebensbereiche siehe auch Kapitel 2.1.2.1 sowie Roe/Ester (1999) oder auch Ros/Schwartz/Surkiss (1999). Vgl. Krau (1986), S. 100-116. Vgl. Sagie/Elizur/Koslowsky (1996), S. 505-509. Siehe hierzu Brief/Aldag (1994) und Furnham (1990). Grundlegend sei zur Erörterung der Protestantischen Ethik auf die Arbeiten Max Webers verwiesen. Einen Überblick liefert Müller (2007), S. 76-106. Vgl. Coates (1987), S. 17-22. Siehe zu kulturellen Unterschieden bspw. Hofstede (1980); Schwartz (1992); Schwarz (1994); Hofstede/Pedersen/Hofstede (2002); Hofstede/McCrae (2002). Vgl. Sagie/Elizur/Yamauchi (1996), S. 431-444. In Anlehnung an Sagie/Elizur/Koslowsky (1996), S. 511.
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
113
Situation
Correlates (eg. Ethics) Background
Job Behaviors Values
Modality
System Performance
Abbildung 17: Modell von Sagie/Elizur/Koslowsky
2.2
Unternehmensethik als Teilaspekt der Wirtschaftsethik
2.2.1
Zu den Konstrukten der Wirtschafts- und Unternehmensethik
In Zeiten ökologischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Probleme besteht ein Bedürfnis, aber auch eine Notwendigkeit, einer kritischen ethischen Reflexion bestehender wirtschaftlicher und politischer Systeme. Ethische Beurteilungen von sozialen Ordnungen sind vor dem Hintergrund eines komplizierten, komplexen und interdependenten Systems wirtschaftlicher Entscheidungen, Handlungen sowie Konsequenzen zu treffen. Ein Verständnis des gesamten interdependenten wirt- und gesellschaftlichen Systems ist dabei immanent wichtig. Gerade moralische Aussagen über vermeintliche Missstände des Systems sollten auf einer fundierten Analyse und einem Wissen über die Zusammenhänge des Gesamtsystems basieren, und nicht unqualifiziert in moralisch belehrender Weise erfolgen.710 Die Globalisierung der Wirtschaft ist u. a. gekennzeichnet durch die Determinanten eines freien Kapitalverkehrs, einer Konvertibilität der Währungen, einer zunehmenden Verbindung nationaler Volkswirtschaften, verminderter Transport- und Kommunikationskosten, international ungebundener Investitionen sowie einer Aufhebung von Staatsgrenzen für Güter. Hieraus resultiert ein globaler Konkurrenzmarkt. Für diesen Konkurrenzmarkt existieren keine allgemeingültigen Institutionen bzw. Regelmechanismen. Eine Auswirkung der Globalisierung ist die Bedeutungsabnahme ethischer und sozialer Regelwerke für die Wirtschaft. Dabei erfolgt keine globale ethische Regulierung und Steuerung des Marktes, da im Vergleich zu ordnungspolitischen Steuerungsmechanismen der nationalen, sozialen Marktwirtschaft keine legitimierten Interventionsmechanismen existieren. Es wurden auf internationaler Ebene keine Institutionen zur ethischen Steuerung entwickelt. Dieser Missstand würde kein Problem darstellen, wenn der Markt in der Lage wäre, die ökologischen, sozialen sowie ethischen Probleme zu lösen. Die Institution des Marktes besitzt zwar hohe Kompetenzen u. a. im Bereich 710
Vgl. Nutzinger (1991), S. S. 8-9.
114
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
einer effizienten Ressourcenallokation, jedoch besitzt der Mark Kompetenzdefizite im Bereich der Ethik. Aus diesem Grunde ist eine Entwicklung von Modellen der Verbindung von Ethik und Wirtschaft bedeutsam.711 Im Rahmen der Globalisierung ist jedoch nicht immer eine Schaffung von generellem Wohlstand für alle zu beobachten. Vielmehr ist mitunter ein Anstieg des Wohlstandsgefälles festzustellen. Denn auf den freien Waren- und Kapitalmärkten kann eine Verschiebung des Kapitals in Länder mit hohen Renditeerwartungen verzeichnet werden. Hierbei handelt es sich aber auch zumeist um Länder, in denen geringe Umwelt- und Sozialstandards gelten.712 Konkret würde dies eine Verschiebung in Länder mit Fehlern bzw. Bedarfslücken in den Institutionen hinsichtlich ethischer Mindeststandards bedeuten. Der Wandel von vormodernen bäuerlichen, familiär-integrierten Produktions- und Lebensmustern über die industrielle Revolution, die Industrialisierung bzw. die Modernisierung bis hin zur Globalisierung, führte jedoch zu einem wachsenden gesellschaftlichen Wohlstand in den Industrienationen mit gleichzeitig ansteigenden ökonomischen Freiheitsgraden sowie individualisierten Lebensführungen. Der Betrachtungsfokus dieses technologischen, ökonomischen und sozialen Wandels liegt in den letzten Jahren allerdings primär nicht auf den positiven Auswirkungen eines gesellschaftlichen Wohlstands, sondern verstärkt auf den negativen Auswirkungen bzw. Externalitäten marktlicher und in diesem Kontext auch unternehmerischer Aktivitäten.713 Nach Koslowski (1998) sind Externalitäten bzw. Nebenwirkungen ein Problem der Ökonomie sowie der Moral.714 Als Externalitäten werden die (Folge-)Kosten (bzw. der Nutzen) bezeichnet, welche aus einer Transaktion hervorgehen, und die nicht vollständig durch den monetären Wert der Transaktion repräsentiert werden.715 Beispielweise werden gesellschaftliche Kosten durch Arbeitslosigkeit, gesellschaftliche Desintegration oder Verfall des Bildungsstandes (oftmals) nicht in Transaktionen internalisiert, und somit werden diese zu Externalitäten.716 Vermehrt können zudem Tendenzen zur Entstehung einer Subpolitik717 in der Gesellschaft neben den bestehenden politischen Institutionen aufgezeigt werden. Gerade im ökonomischen Kontext kommt Unternehmen eine besondere Bedeutung zu, da diese aktiv an der Gestaltung politischer Prozesse mitwirken können, sie sich jedoch gleichzeitig in einer dualistischen bzw. bisweilen ambivalenten Rolle befinden. Einerseits dienen Unternehmen in klassischer Weise der Erzielung von Einkommen und Wohlstand. Andererseits verursachen Unternehmen durch ihre wirtschaftlichen Aktivitäten negative Externalitäten. Durch die verstärkten subpolitischen Tendenzen sind Unternehmen allerdings gleichzeitig aufgefordert, im Sinne einer politischen Institution, mit den durch die Externalitäten betroffenen Gruppen in einen politischen und auch normsetzenden Prozess der Auseinandersetzung einzutreten und diesen zu gestalten.718
711 712 713 714 715 716 717 718
Vgl. Ruh (2004), S. 16; Fürst/Wieland (2004a), S. 391-293. Vgl. Merck (2002), S. 42. Kritisch hierzu siehe auch Stiglitz (2004). Vgl. Matten (1998), S. 11-12. Vgl. Koslowski (1998), S. 24-25. Vgl. Barben/Dierkes (1991), S. 213; Thurm (2004), S. 109. Vgl. Leisinger (1997), S. 38. Vgl. Beck (1993), S. 162-163. Vgl. Matten (1998), S. 12-13. Ergänzend auch Palazzo (2004), S. 242-243; Scherer/Baumann (2004), S. 290-291.
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
115
Nach Mosdorf (2004) kann, historisch gesehen, ein geringerer Einfluss des Staates auf die Gesellschaft beobachtet werden. Gleichermaßen hat der Einfluss der Unternehmen auf die Gesellschaft historisch gesehen (kontinuierlich) zugenommen. Hiermit verbunden ist eine höhere Aufmerksamkeit und ein höherer Anspruch der Gesellschaft an die Unternehmen, bspw. in moralisch-ethischen Fragestellungen und Handlungsweisen. Unternehmen werden somit verstärkt in gesellschaftliche Verantwortung einbezogen. Unternehmen übernehmen immer mehr öffentliche Aufgaben. Staatliche und wirtschaftliche Regelkreisläufe überschneiden sich zunehmend.719 Karmasin (2005) merkt an, dass Unternehmen als öffentlich exponierte bzw. gesellschaftliche Organisationen gesehen werden können, die durch das Verhältnis von Dualität und Rekursivität von Organisation und Gesellschaft geprägt sind. Unternehmen wird eine Doppelrolle zugesprochen. Zum einen werden Unternehmen als Produzenten von Sozialkapital, und zum anderen als (Produzent von) Realkapital, gesehen. Dabei führt die öffentliche Hervorhebung von Unternehmen u. a. auch zu einer öffentlichen Diskussion über die Legitimität, den Sinn, die Aufgabe und die Verantwortung von Unternehmen. Die Unternehmen werden somit zu einem Ansatzpunkt ethischer Forderungen jenseits von Markt und Staat.720 Der gesellschaftliche Einfluss von Staat und Wirtschaft sowie der gesellschaftspolitische Radius von Staat und Wirtschaft wird durch Abbildung 18 verdeutlicht:721 t Obrigkeitsstaat
Ständestaat
Demokratischer Nationalstaat
Demokratischer Rechts- und Sozialstaat Staatlicher Einfluss
Wirtschaftlicher Einfluss Agrargesellschaft 18. Jahrhundert
Industrielle Revolution 19. Jahrhundert
Starke Staatsrolle
Laissez-Faire-Phase
Staat Wirtschaft
Staat
Wirtschaft
Industriegesellschaft 20. Jahrhundert
Dienstleistungsgesellschaft 21. Jahrhundert
Mehr Kooperation in allen Bereichen
Staat Wirtschaft
Abbildung 18: Gesellschaftlicher Einfluss von Staat und Wirtchaft
Die Erfolge wirtschaftlicher und technologischer Entwicklungen der letzen Jahrhunderte sind beachtlich. Jedoch sind diese mit unterschiedlichsten negativen Auswirkungen bzw. Begleiterscheinungen, wie z. B. Ungleichverteilungen des Reichtums zwischen erster und dritter Welt, struktureller Arbeitslosigkeit, Umweltzerstörungen, Marktversagen und andere Externalitäten verbunden. Gefragt werden
719 720 721
Vgl. Mosdorf (2004), S. 11-21. So auch Zimmerli (2004), S. 240. Vgl. Karmasin (2005), S. 198-200. Zusammenführung und Erweiterung der Darstellungen bei Mosdorf (2004), S. 13 und 16.
116
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
kann in diesem Kontext, ob es sich lediglich um negative Begleiterscheinungen handelt, oder ob diese systemimmanente Folgen und Strukturkrisen darstellen.722 Trotz der negativen Auswirkungen bzw. systemimmanenten Folgen kann eine technologischökonomische Weiterentwicklung nicht einfach aufgegeben werden. Zukünftige Entwicklungstendenzen sollten zwischen den beiden extremen Polen wirtschaftlichen Stillstandes und maximalem, uneingeschränkten wirtschaftlichen Wachstums in einem sich selbst ständig reflektierenden und erneuernden Mittelweg abgewogener sozialer, ökologischer, kultureller und ökonomischer Gesichtspunkte angelegt sein. Unproblematisch gestaltet sich dabei eine Forderung nach einem solchen Mittelweg. Problematisch sind dabei die theoretischen Entwicklungen ethischer Konzepte sowie die praktische Implementierung und Durchsetzung dieser.723 Im Sinne einer Klassifizierung von Wirtschafts- und Unternehmensethik wird eine Differenzierung nach unterschiedlichen Ebenen vorgenommen. Hierzu gehören die:
Mikroebene: Mesoebene : Makroebene: Supraebene:
Individuen Unternehmen bzw. Korporationen Wettbewerbssystem und Gesellschaft Internationales Wettbewerbssystem und Gesellschaft724
In diesem Kontext ist darauf hinzuweisen, dass in der Literatur teilweise unterschiedliche Begriffsauffassungen vorherrschen. So bezeichnet Dietzfelbinger (2000) in Analogie die drei Ebenen als die Systemebene (Wirtschaftsethik), die Institutionenebene (Unternehmensethik) und die Individualebene (Managementethik).725 Gleichermaßen existieren unterschiedliche Ansätze im Diskurs zu der Frage, inwieweit Ethik konkret auf die Handlungsebene überführt werden soll. Dabei wird zwischen der Institutionenethik und der Individualethik unterschieden726. 2.2.1.1
Zur Definition von Wirtschaftsethik
Die Wirtschaft stellt eine Leitfunktion des gesamten gesellschaftlichen Lebens dar. Wirtschaftliche Aktivitäten und deren Auswirkungen tangieren Menschen, vor allem in den Industrienationen, in nahezu den meisten Lebensbereichen.727 Unter der zunehmenden Ökonomisierung der öffentlichen und privaten Lebensbereiche ist einerseits der Wunsch materiellen Wohlstandes, als eines der primären Bedürfnisse der Menschen, sowie die Ausbildung einer Tendenz universaler Käuflichkeit von Dingen zu sehen. Andererseits ist eine Ausbreitung und Dominanz ökonomisch geprägter Denk- und Handlungsweisen in persönlichen Lebensbereichen feststellbar, die vormals durch erzieherische, politische, moralische oder aber ästhetische Maximen geprägt und somit nicht ökonomischen Charakters waren. Persönliche Lebensbereiche unterliegen nun verstärkt den ökonomischen Prämissen der Nut-
722
723 724
725 726 727
Vgl. Lenk/Maring (1996), S. 1. Ähnlich auch Leisinger (2005a), S. 219-220. Hierbei merkt Leisinger diese Vorwürfe im Rahmen der Globalisierung für Großunternehmen an. Vgl. Lenk/Maring (1996), S. 2-3. Siehe hierzu auch die Erörterungen in Kapitel 2.2.3. Oftmals wird allerdings in „klassischer“ Betrachtungsweise lediglich die Mikro-, Meso- und Makroebene, ohne die Supraebene, genannt. Siehe auch Maring (2001), S. 327. Vgl. Dietzfelbinger (2000), S. 97-98. Für weiter gehende Ausführungen zur Unterscheidung der Institutionen- und Individualethik siehe Kapitel 2.3.2.2. Vgl. Enderle (1987), S. 434.
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
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zenmaximierung sowie eines allgemeinen ökonomischen Verwertungsinteresses.728 Somit stellt sich die grundsätzliche Frage nach einer Steuerung wirtschaftlicher Aktivitäten bzw. deren Auswirkungen. Eine Steuerung kann dabei von außen, bspw. durch die Politik, Gesetze, Kirche oder Bildungsinstitutionen sowie auch von innen, durch die Akteure der Wirtschaft und deren Entscheidungen erfolgen.729 Die Ökonomie erhebt mitunter den Anspruch als Leitdisziplin der Sozialwissenschaften angesehen zu werden. Mit der Implementierung des ökonomischen Ansatzes in den Sozial- und Rechtswissenschaften können Vertreter wie Garry S. Becker, J. Buchanan, A. Downs, A. North und R. A. Posner verbunden werden, die durch ihre Ansätze im Sinne einer ökonomischen Theorie der Institutionen, der Verfassung, der Demokratie, des Rechts u. a. den Anspruch erhoben haben, zu einer Erklärung des menschlichen Verhaltens an sich beizutragen.730 Im Rahmen der Diskussion der Wirtschaftsethik befassen sich vornehmlich Wirtschaftswissenschaftler mit dieser Thematik. Dabei werden auch die normativen Grundlagen dieser Disziplin thematisiert. Wichtig ist in der Darstellung dieses Themenbereiches die Auffassung, dass Ethik nicht von außen in die Wirtschaftstheorie hineingebracht werden muss. Vielmehr soll gezeigt werden, dass die Wirtschaftstheorie schon immer einen ethischen Gehalt aufgewiesen hat, den es nun herauszuarbeiten und u. U. kritisch weiterzuentwickeln gilt.731 Nun existieren im Kontext der Ethik unterschiedlichste, miteinander konkurrierende, Wertmaßstäbe sowie die jeweils zugehörigen Begründungsversuche.732 Als eine gemeinsame, zentrale Aufgabe der Ethik kann jedoch die Reflexion aktueller gesellschaftlicher Probleme und Fragen vor dem Hintergrund technischer und sozioökonomischer Entwicklungen gesehen werden. Dabei darf die Ethik nicht lediglich moralisieren oder rein zensorisch agieren. Denn ein Moralisieren reduziert lediglich die Komplexität der Ethik. In diesem Zusammenhang erfolgt zumeist keine Reflexion der Moral. Vielmehr ist eine problemorientierte, integrative und fachübergreifende Betrachtungsweise anzustreben, die im Kern praxisnah, dialogisch, kooperativ und multikommunikativ angelegt ist. Ethische und ökonomische Aspekte sowie Auswirkungen von Zielen und verbundenen Handlungen können jedoch interdependent betrachtet werden.733 Der Begriff der Wirtschaftsethik ist ein vieldeutiger Begriff. Seine Ausprägungen können nach Lenk/Maring (2004) u. a. „Ethik für die Wirtschaft“, „Ethik in der Wirtschaft“, aber auch „Ethik mit ökonomischen Mitteln bedeuten.734 Weiterführende Definitionen des Begriffes Wirtschaftsethik stellen häufig das Handeln bzw. das verantwortungsvolle Handlen von Wirtschaftsakteuren in den Vordergrund. So beinhaltet nach Dietzfelbinger (2000) Wirtschaftsethik das menschliche Handeln bzw. Nicht-Handeln im Bereich der Ökonomie oder dessen Auswirkungen und Folgen für die Ökonomie.735 Nach Küpper (1988) beschäftigt sich die Wirtschaftsethik mit dem Verantwortungsproblem des in der Wirtschaft handelnden Individuums bzw. der Individuen. In diesem Kontext ist es eine Aufgabe der Wirtschaftsethik, für die handelnden Akteure Überlegungen und Hypothesen zu formulieren, 728 729 730
731 732 733 734 735
Vgl. Meran (1991), S. 26. Vgl. Enderle (1987), S. 434. Vgl. Meran (1991), S. 26. Siehe als bedeutende Werke u. a. Becker (1976) bzw. Becker (1993); Becker/Becker (1996) bzw. Becker/Becker (1998); Buchanan (1984); Buchanan (1989); Posner (2007). Vgl. Gerlach (2002), S. 19. Vgl. Koeppe (2004), S. 150. Vgl. Lenk/Maring (1996), S. 4; Leisinger (1997), S. 14; Bausch (2005), S. 283. Vgl. Lenk/Maring (2004), S. 32. Vgl. Dietzfelbinger (2000), S. 97.
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Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
als auch Methoden der Analyse sowie Bewältigung des Verantwortungsproblems bereitzustellen.736 Dabei beschäftigt sich die Wirtschaftsethik mit der Verantwortung des einzel- und gesamtwirtschaftlichen Entscheidungsträgers. Im Kern wird untersucht, ob und in welcher Form die Wissenschaft Instrumente für den wirtschaftlichen Akteur bzw. den in der Wirtschaft Handelnden liefern kann, die bei der Wahrnehmung und der bewussten Übernahme von Verantwortung hilfreich sein können.737 Der Begriff der Verantwortung beinhaltet in der deutschen, aber auch in der lateinischen Sprache als Kern die Wurzel „Antwort“. Im Kontext der Wirtschaftsethik (und Unternehmensethik) kann dieses als ein lebhafter, wechselseitiger Gedankenaustausch zwischen Unternehmen und der Öffentlichkeit, gerade vor dem Hintergrund kritischer Fragen, gesehen werden. Durch die Darstellung von Nehm (2002) wird im Übrigen eine inhaltliche Nähe der Begriffe Wirtschafts- und Unternehmensethik deutlich.738 Andere Definitionen stellen weniger die Rolle von Individuen für ein verantwortliches, wirtschaftliches Handeln in den Vordergrund, sondern betrachten Wirtschaftsethik vornehmlich auf systemischer Ebene. So liegt nach Eigenstetter/Hammerl (2005) der Betrachtungsfokus der Wirtschaftsethik in der Frage nach der Gestaltbarkeit und Begründbarkeit gerechter Wirtschaftssysteme. Die Wirtschaftsethik beschäftigt sich daher auf der Makroebene mit der wirtschaftlichen Rahmenordnung bzw. den Rahmenbedingungen, denen bspw. Gesetze, wirtschaftspolitische oder branchenspezifische Regelungen zugeordnet werden können. Diese sollen eine Steuerung und Kontrolle des Verhaltens der Marktteilnehmer ermöglichen.739 Nach Ulrich/Maak (2000) generiert eine Reflexion der Wirtschaftsweise und Wirtschaftsordnung eine wirtschaftsethische Perspektive. Wirtschaftsethik ist hiernach eine Denkweise der Sachlogik eines Wirtschaftens vom Standpunkt des Menschen her. Das Wirtschaften und die Ausrichtung des Wirtschaftens sollen dem guten Leben an sich und dem gerechten Zusammenleben der Menschen dienen.740 Bereits in früheren Ausführungen von Meran (1991) soll Wirtschaftsethik jedoch kein universales Moralprinzip begründen, sondern vielmehr Anregungen liefern, ökonomische und moralische Motive und Normen miteinander in Kongruenz zu bringen.741 2.2.1.2
Zur Definition von Unternehmensethik
In einer Vielzahl theoretischer Arbeiten herrscht keine begriffliche Klarheit sowie kein begrifflicher Konsens, was unter Unternehmensethik zu verstehen ist. Vielmehr werden mit Unternehmensethik unterschiedliche Begriffe verbunden und synonym verwendet. Hierbei handelt es sich oftmals um Begriffe wie bspw. Compliance, Integrity, Risikomanagement, Codes of Conduct, Nachhaltigkeit, aber auch in genereller Auffassung um die Begriffe Unternehmenskultur sowie Leitbild. In der aktuellen Diskussion sind mit Unternehmensethik u. a. in der Wahrnehmung die Konzepte Corporate Social Responsibility, Corporate Citizenship, unternehmerische Verantwortung und Corporate Governance verbunden.742 Weitere im Kontext der Unternehmensethik genannte Konzepte sind nach Kokot (2002) Corporate Sustainability, 736 737 738 739 740 741 742
Vgl. Küpper (1988), S. 328. Vgl. Küpper (1988), S. 322. Vgl. Nehm (2002), S. 178. Vgl. Eigenstetter/Hammerl (2005), S. 12. Vgl. Ulrich/Maak (2000), S. 11-12. Vgl. Meran (1991), S. 27. Vgl. Schmidt (2002), S. 70; König (2002), S. 96.
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
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sustainable Development, Social Sustainability, Social (Performance) Management, Reputationsmanagement, Stakeholder Management oder Wertemanagement.743 Die Vielzahl unterschiedlicher Begriffsverwendungen erschweren für Unternehmen die Entscheidung, was ein konzeptioneller Ansatz, was eine Umsetzungsmaßnahme, was ein Instrument oder was eine Methode für eine zielgerichtete Unternehmensethik ist.744 In der Theorie und Praxis werden die Konzepte oftmals stark emotional diskutiert. Dabei reichen die Vorwürfe von einem Mangel an wissenschaftlicher Fundierung, bis hin zu einem Fehlen an notwendigen Unternehmensethikkomponenten.745 König (2002) sieht in der Vielzahl der im Kontext von Unternehmensethik verwendeten Begrifflichkeiten den Versuch der Konkretisierung der Werte eines Unternehmens. Dabei werden diese Konzepte als unterschiedliche Ausprägungen einer konkreten Unternehmensethik wahrgenommen. Dabei erscheinen Werte von der sprachlichen Begrifflichkeit fassbarer als der Begriff der Unternehmensethik als solcher.746 Die Suche nach den passenden Begriffen in diesem Kontext wird begleitet durch das Anliegen, ein verantwortungsbewusstes Handeln von Unternehmen in (organisatorischer) Form etablieren zu wollen.747 Leisinger (1997) merkt an, dass (prinzipiell) zwischen einer Unternehmensmoral, dem Inbegriff der Werte und Normen, welche innerhalb eines Unternehmens als verbindlich anerkannt sind, und einer Unternehmensethik, welche eine Reflexion der faktischen in einem Unternehmen herrschenden Normen und Werte sowie des (guten) unternehmerischen Handeln vornimmt, zu differenzieren ist.748 Allerdings kann in der Praxis, als auch in der sprachlichen Verwendung, wohl oftmals eine (sprachliche) Zuordnung der Unternehmensmoral zur Unternehmensethik angenommen werden, so dass zumeist lediglich der Bergriff der Unternehmensethik Anwendung findet und beide Ausrichtungen impliziert. Durch den kontinuierlichen technischen Fortschritt ergeben sich immer neue Handlungsmöglichkeiten und Anwendungsfelder der Technologien für Unternehmen.749 Aufgrund der zunehmenden Technisierung der Welt kann eine Zunahme der hiermit verbundenen Auswirkungen auf die Gesellschaft in ökologischer, ökonomischer und sozialer Hinsicht beobachtet werden. Dabei ist festzustellen, dass eine Diskussion von Technologien in dem Versuch der Lösung negativer ökologischer, ökonomischer oder sozialer Auswirkungen zu neuen Technologien führt, aus denen dann wieder neue Problemen resultieren. Es bildet sich eine Technologie-Problem-Spirale. Es kommt dabei zu einem Konflikt zwischen der Natur und der vom Menschen angewendeten Technik.750 Verbunden mit diesem technologischen Fortschritt ist die Frage nach möglichen moralischen Grenzen des Handelns. Für Unternehmen ist die Frage nach den moralischen Grenzen nicht allein durch den technologischen Fortschritt begrenzt. Vielmehr ist dieser Aspekt generell bei vielen Entscheidungen innerhalb des operativen Tagesgeschäftes von Relevanz.751 Weiterhin wird auch die strategische Ausrichtung des Unternehmens von dieser Fragestellung tangiert. Im Betrachtungsfokus steht nicht mehr allein die soziale Frage des Struktur743 744 745 746 747 748 749 750 751
Vgl. Kokot (2002), S. 109. Vgl. König (2002), S. 96; Kokot (2002), S. 109; Schmidt (2005b), S. 59-60. Vgl. Kokot (2002), S. 110. Vgl. König (2002), S. 96. Vgl. Nehm (2002), S. 179. Vgl. Leisinger (1997), S. 18. Vgl. Matten (1998), S. 14. Vgl. Kümmerer (1993), S. 15-17; Böhler (2004), S. 115; Lazlo (2004), S. 144. Vgl. Matten (1998), S. 14. Ähnlich auch Kohlhof (1996), S. 23-24.
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Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
konfliktes zwischen Kapital und Arbeit, vielmehr kommen unterschiedlichste Einzel- und Interessenkonflikte zwischen Unternehmen, Individuen sowie unterschiedlichen (Bezugs-)Gruppen (des Unternehmens) hinzu. Eine Möglichkeit zur Regelung von Strukturkonflikten bietet die Gesetzgebung durch Ausdifferenzierungen von z. B. Wettbewerbs-, Tarifvertrags- oder Arbeitsrecht. Jedoch ergeben sich im Wirtschaftsprozess sowohl intendierte, als auch nicht-intendierte Auswirkungen des wirtschaftlichen Handelns, die sich nicht über formale Regelungen lösen lassen. Als Idee einer Lösung dieser formal nicht regulierbaren Strukturkonflikte wird die Unternehmensethik angesehen.752 So liegen die Gründe der Notwendigkeit einer Unternehmensethik u. a. in den negativen externen Effekten des Wirtschaftens (Externalitäten) mit ihren sozialen und ökologischen Kosten, die im Marktprozess nicht völlig vermieden werden können und die sich durch verbesserte Rahmenbedingungen mitunter auch nicht völlig vermeiden lassen.753 Darüber hinaus ist die Weiterentwicklung institutioneller Rahmenbedingungen primär reaktiver Natur, d. h. institutionelle bzw. gesetzliche Rahmenbedingungen passen sich den veränderten ökonomischen, technischen, kulturellen und gesellschaftlichen Bedingungen immer mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung an. In diesem Kontext kann von einem systemischen Defizit gesprochen werden. Durch die immer schnelleren wissenschaftlichen, technologischen und wirtschaftlichen Entwicklungen ergibt sich ein immer größerer Anpassungsbedarf institutioneller Rahmenbedingungen. Teilweise agieren Unternehmen in Bereichen neuer Technologien, wie bspw. der Gentechnologie oder der Internettechnologie, zeitweise ohne institutionelle Rahmenbedingen in einem institutionell leeren Raum. Durch fehlende institutionelle Rahmenbedingungen verursachte Schäden und Probleme können bedeutende Auswirkungen auf die Gesellschaft besitzen.754 Ein weiteres systemisches Defizit institutioneller Rahmenbedingungen besteht in der Tatsache, dass Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten bzw. -mechanismen nicht immer vollständig in einer Gesellschaft vollzogen und durchgesetzt werden können. Somit sind nicht alle gesellschaftlich ungewünschten Aktionen verhinder-, aufdeck- und sanktionierbar.755 Unternehmensethik könnte in diesem Falle als Korrektiv dort wirken, wo bspw. institutionelle Rahmenbedingungen nicht oder nicht ausreichend definiert vorhanden sind. Weitere Motive für eine Unternehmensethik sind u. a. christliche Wertvorstellungen, ein fehlendes Vertrauen in staatliche Institutionen bzw. Organe, Überlebensängste und Technikfeindlichkeit, ein präzises Wissen um die Gefährlichkeit von Stoffen, Produkten und Handlungen sowie deren Folgen. Weiterhin umfasst das Motivspektrum bspw. traditionelle bürgerliche Moralvorstellungen von Treu und Glauben, Feminismus, politische Programme oder aber eine strikte Ablehnung der marktwirtschaftlichen Ordnung.756 Die einzelnen Motive weisen eine hohe Bandbreite auf. Inwieweit die Motive berechtigt und begründet sind, soll an dieser Stelle nicht weiter hinterfragt werden. Die Vielfalt der einzelnen Motive legt auch hier die Vermutung nahe, dass es sich bei der Diskussion einer Unternehmensethik nicht alleine um eine Modeerscheinung handelt. Jedoch sind viele Motive und Forderungen auch mit den Emotionen des Menschen verbunden. Daher sollte eine differenzierte Betrach-
752 753 754 755 756
Vgl. Steinmann/Löhr (1992b), S. 235-236. Vgl. Gerum (1992), S. 254-255. Vgl. Enderle (1991), S. 152; Homann/Blome-Drees (1992), S. 114-115. Vgl. Homann/Blome-Drees (1992), S. 115. Vgl. Gerum (1992), S. 254.
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
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tung und Diskussion der Thematik losgelöst von Emotionen erfolgen.757 Umfassende Diskussionen in den Wirtschaftswissenschaften zeigen ebenfalls, dass Unternehmensethik keine Modeerscheinung ist, sondern einen berechtigten Relevanzanspruch erhebt.758 Die ethische Dimension im Rahmen unternehmerischer Entscheidungen und Handlungen wird für Unternehmen verstärkt zu einer existenznotwendigen Bedingung.759 In den 1970er Jahren begann die Einführung des Pflichtfaches Ethik an den Business Schools in den USA. Darüber hinaus entstanden ethische Forschungs- und Beratungsinstitutionen, als auch Kongresse und ethische Trainings für Führungskräfte.760 In Deutschland befindet sich die Unternehmensethik als eine eigenständige wissenschaftliche Disziplin erst noch in einer Phase der Etablierung. Darüber hinaus existieren wenige ausgereifte und praktikable Modelle der praktischen Anwendung für Unternehmen.761 Wie bereits in Kapitel 2.1.3 erläutert, beinhaltet Ethik, verstanden als Reflexion der Moral, zwei Dimensionen.762 Im Kern beschäftigt sich Ethik mit der Frage „Was soll ich bzw. was sollen wir tun?“.763 Dabei fragt sie nach allgemeinen Bewertungsmaßstäben für Handlungen. Hieraus ergeben sich ethische Prinzipien, wie bspw. der Kategorische Imperativ.764 Diese ethischen Prinzipien schreiben aber keine bestimmten, ausformulierten Handlungen vor. Vielmehr geben sie allgemeine Vorgaben. Denn ethische Prinzipien sind Maßstäbe zur Beurteilung der Realität.765 Allerdings ist anzumerken, dass die Ethik nicht nur dazu da ist, Beurteilungsmaßstäbe zu formulieren und wissenschaftlich zu begründen. Vielmehr soll das als Richtig erkannte auch in konkrete Maßnahmen umgesetzt werden.766 Wird unter Ethik die Lehre von der Erkenntnis des rechten Handelns verstanden, so sind im Kontext der Unternehmensethik Fragen hinsichtlich der Maßstäbe rechten Handelns in der Unternehmenspolitik zu erörtern.767 Unternehmensethik kann als eine Kombination aus der ethischen Bewertung der Unternehmensstrategie und der jeweiligen Mittel und Handlungsmöglichkeiten zur Realisierung der Strategie dargestellt werden.768 Zu dieser weit gefassten gesellschaftlichen Verantwortung des Unternehmens wird eine allgemeine Mildtätigkeit, Mäzenatentum oder soziales Engagement als grundsätzliche moralische Verpflichtung des Unternehmens gezählt. In diesem Kontext verwischt die Grenze zwischen Ökonomie und Politik. Gleichermaßen wird damit die Funktionsweise des ökonomischen Systems gefährdet.769 Die Besonderheit einer Wirtschafts- und Unternehmensethik als angewandter Ethik besteht nach Aßländer (2005) in der Vorgehensweise, nicht mit bereits „fertigen“ Antworten nach den zugehörigen Fragen zu suchen, sondern in einer Auseinandersetzung mit praxisrelevanten Fragen der Ökonomie, was in einer Generierung neuer Erkenntnisse mündet.770 757 758 759 760 761 762 763 764 765 766 767
768 769 770
Vgl. Gerum (1992), S. 254. Vgl. Löhr (1996), S. 49. Vgl. Enderle (1987), S. 436. Vgl. Furger (1994), S. 77-78. Vgl. Schmidt (2002), S. 69. Ähnlich Pfriem (2005), S. 24. Siehe hierzu im Speziellen Kapitel 2.1.3 und 2.1.3.4. Vgl. Krelle (1991), S. 95; Würth (2004), S. 224. Siehe hierzu im Speziellen Kapitel 2.1.3.7.2. Vgl. König (2002), S. 94. Vgl. König (2002), S. 94-95. Vgl. Hax (1993), S. 771. In diesem Kontext merkt König (1999), S. 62 an, dass durch die Unternehmensethik eine Reflexion der normativen Grundlagen unternehmerischen Handelns zu vollziehen ist. Vgl. Steinmann/Löhr (1992b), S. 248. Vgl. Steinmann/Löhr (1992b), S. 248. Vgl. Aßländer (2005), S. 330. Eine ähnliche Auffassung weist auch König (1999), S. 69 auf.
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Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
Bei einer Betrachtung nach dem genauen Wortsinn bedeutet Unternehmensethik die Ethik bezogen auf das Unternehmen. Somit ist der Kern der Unternehmensethik die Beschäftigung mit den Normen und Werten eines Unternehmens, mit dessen Moral. Denn jedes Unternehmen steht für bestimmte Normen und Werte und es besitzt eine Moral, die allerdings nicht immer gleich ersichtlich sein muss. Die Normen und Werte eines Unternehmens lassen sich u. a. anhand der angebotenen Produkte, dem Umgang mit den Mitarbeitern oder aber den Auswirkungen der Produktion auf die Mitarbeiter und die Umwelt ermitteln.771 In der Unternehmensethik soll zudem eine Thematisierung von Ad-hoc-Konflikten vorgenommen werden, die sich auf einzelne Unternehmen bzw. Branchen beziehen und aus diesem Grunde noch nicht bzw. gar nicht verallgemeinerbar sind. Aus diesem Grund zielt Unternehmensethik oft auf Selbstbindung bzw. auf freiwillige Vereinbarungen der Beteiligten ab. In abstrakter Weise formuliert, ist der Kern der Unternehmensethik eine einvernehmliche Definition materieller Normen sowie Verfahrensrichtlinien, die Unternehmen dazu auffordern, bestimmte Handlungen durchzuführen/zu unterlassen bzw. bestimmte Folgen und Wirkungen von Handlungen in einer bestimmten Situation zu vermeiden/herzustellen.772 Eine moderne Form der Unternehmensethik stellt nicht das Gewinnerzielungsprinzip von Unternehmen in Frage. Vielmehr ist die Form der Gewinnerzielung bzw. des Wirtschaftens von Bedeutung.773 Wie bereits eingangs beschrieben, existieren unterschiedliche Auffassungen sowie Definitionen des Begriffes bzw. Konzeptes der Unternehmensethik. Dabei führen die Meinungsverschiedenheiten in eine Auseinandersetzung um philosophische und ökonomische Grundlagenprobleme. Die philosophische Komponente der Begrifflichkeit der Unternehmensethik behandelt das Begründungsproblem. In diesem Kontext wird die Frage behandelt, in wie weit eine (Unternehmens-)Ethik überhaupt in einem triftigen Sinne begründet werden kann. Ein weiterer Gegenstand ist die Frage nach einem guten Leben und nicht allein einer willkürlichen Antwort auf die Frage „Was sollen wir tun?“. Die ökonomische Komponente behandelt als Anwendungsproblem die Frage, ob in und wie weit die Unternehmensethik im Kontext der aktuellen wirtschaftlichen Bedingungen praktische Relevanz erlangen kann. Hierbei ist die Frage zu klären: „Was soll ein Unternehmen tun?“. Dabei wird ein Teilbereich bereits durch die Wirtschaftsordnung vorgegeben, bspw. im Sinne eines Beitrages einer allgemeinen Bedarfsdeckung in Form der Gewinnerzielung. Dabei ist es die Aufgabe der Unternehmensethik, wie diese in ökonomischer Hinsicht bereits konkretisierte Aufgabenstellung des Unternehmens vor dem Hintergrund ethischer Aspekte wahrzunehmen ist. Hierdurch unterscheidet sich die Unternehmensethik von einer allgemeinen Ethik anderer Lebensbereiche.774 Trotz dieser Differenziertheit der einzelnen Begriffe im Kontext der Unternehmensethik besitzen diese eine Gemeinsamkeit dergestalt, dass im Kern immer die Frage nach der Verantwortung des Unternehmens bzw. der Unternehmensführung steht. Verantwortung muss nicht nur aktiv übernommen und wahrgenommen werden. Gleichmaßen kann diese auch eingefordert werden. Unternehmen sehen sich einer Forderung nach Verantwortungsübernahme gegenübergestellt. Dabei bildet die Öffentlichkeit die Instanz, die Ver-
771 772 773
774
Vgl. König (2002), S. 94. Vgl. Gerum (1992), S. 261 Vgl. Kleinfeld (2005), S. 45; Suchanek (2005), S. 65. Siehe zu dieser Diskussion auch die Ausführungen des Kapitels 2.2.2. Vgl. Steinmann/Löhr (1992b), S. 237-238.
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antwortung einfordert und vor der sich Unternehmen zu verantworten haben.775 Eng verbunden hiermit ist das Konzept der Legitimität des Unternehmens bzw. der Licence to Operate.776 Für Suchanek (2005) besteht in diesem Kontext der Grundkonflikt einer Unternehmensethik im Spannungsverhältnis zwischen Gewinn und Moral. Die Aufgabe einer Unternehmensethik ist es dabei, Unternehmen eine Hilfestellung zur Lösung von Konflikten zwischen Gewinn und Moral zu geben, sowie einen Beitrag zur Sicherstellung der Legitimationsbasis des wirtschaftlichen Handelns, der Licence to Operate des Unternehmens, zu leisten.777 Bedeutsam für die Anwendbarkeit unternehmensethischer Überlegungen bzw. für die Übernahme von Verantwortung ist die Tatsache, dass Unternehmen über eigenständige Entscheidungsspielräume verfügen müssen. Die Möglichkeit der Handlungsfähigkeit ist eine entscheidende Voraussetzung der Anwendung der Ethik.778 Nach Berkel/Herzog (1997) sollen innerhalb einer Unternehmensethik die folgenden Ziele verfolgt werden:779
Sensibilisierung des Bewusstseins für die Wahrnehmung und Einbeziehung ethischer Aspekte im Arbeitsalltag. Ermöglichung des Vorbringens und Nachdenkens ethischer Bedenken im Rahmen von problematischen Entscheidungen. Ausarbeitung von Entscheidungsregeln und -verfahren, die bei ethischen Fragestellungen angewendet werden können. Anstoß eines unternehmensweiten Dialoges über die grundlegenden Werte und verbindlichen Normen mit dem Ziel einer einvernehmlichen Konsensfindung. Sicherstellung der Verpflichtung aller auf gemeinsame Werte und Maßstäbe mit der Motivation der Unabhängigkeit von äußeren Anreizen. Veranlassung der selbstkritischen Überprüfung und vernünftigen Begründung der Wertüberzeugungen und moralischen Grundhaltungen der Mitarbeiter. Sensibilisierung für die im Arbeitsumfeld eines jeden Individuums zu ändernden Bedingungen mit dem Ziel, moralisch handeln zu können. Ermöglichung von Handlungen der Mitarbeiter im Einklang mit ihren eigenen Grundüberzeugungen und somit die Schaffung von Produktivität.
Mit Bezug und Übertragung der allgemeinen Auffassung von Ethik, der Reflexion der Moral und der Formulierung von ethischen Prinzipien für das Unternehmen, bedeutet dies für eine konkrete Unternehmensethik, dass ein Unternehmen bestimmen muss, was dieses als moralisch richtiges Handeln ansieht. Hieraus ergeben sich die Werte des Unternehmens. Diese manifestieren sich bspw. in einem Code of Conduct bzw. in (Unternehmens-)Leitlinien.780 In Analogie zu den ethischen Prinzipien der philosophischen Ethik, sind diese allgemein gehalten und schreiben keine bestimmten Handlungen vor. 775 776 777 778
779 780
Vgl. Schmidt (2002), S. 70-71; Pfriem (2005), S. 24. Ähnlich Kleinfeld (2005), S. 38. Vgl. König (2005), S. 486. Siehe hierzu auch die Erörterungen des Kapitels 2.3.2.3. Vgl. Suchanek (2005), S. 65-66. Vgl. Lenk/Maring (1996), S. 5. Siehe hierzu auch Enderle (1987), S. 437-438 sowie die Ausführungen im Kapitel 2.1.3 und 2.3.2.3. Des Weiteren siehe speziell die Ausführungen zu „Vernunft, Freiheit und Moral“ in Kapitel 2.1.3.7.2. Vgl. Berkel/Herzog (1997), S. 42. Siehe hierzu auch Kapitel 2.4.3.7.1.
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Vielmehr müssen die Unternehmenswerte in den einzelnen Bereichen des Unternehmens konkretisiert werden. Denn jedes Unternehmen setzt spezifische und individuelle Schwerpunkte ethischer Maßnahmen. Um die langfristige Verankerung der Unternehmenswerte sicherzustellen, sollten diese in institutionelle Regelungen überführt werden.781 Diese Forderung scheint zunächst für etablierte Unternehmen zu gelten und weniger für junge Unternehmen. Es bleibt zu prüfen, wann genau eine Institutionalisierung in jungen Unternehmen vorgenommen wird bzw. vorgenommen werden sollte. Bei unternehmensethischen Entscheidungen übernimmt das Unternehmen eine soziale, ökologische und ökonomische Verantwortung gegenüber seiner Umwelt, in die es eingebunden ist. Dabei ist es sinnvoll, unterschiedliche Stakeholdergruppen zu differenzieren und die Grundwerte des Unternehmens zielgruppengerecht zu kommunizieren. Allgemein ist zu sagen, dass eine professionelle Kommunikation unternehmensintern, als auch unternehmensextern, von Bedeutung für die Umsetzung einer Unternehmensethik ist. Werte müssen dabei intern und extern vermittelt werden. Somit werden die Mitarbeiter immer wieder mit den Werten in Kontakt gebracht, was dazu führen soll, dass sich diese in den Handlungen und Entscheidungen widerspiegeln. Gleichermaßen kann eine professionelle Kommunikation im externen Verhältnis mit den Stakeholdern im Sinne eines professionellen Reputationsmanagements betrieben werden.782 Wichtig sind für eine Unternehmensethik nicht alleine organisationale Strukturen, sondern vielmehr auch die Individuen selbst. Diese sollten empfänglich und sensibel bzw. sensibilisiert für das Thema Ethik sein und über ethische Kompetenz verfügen. Jedes einzelne Mitglied des Unternehmens wird gefordert, mehr oder weniger selbstständig individuell Informationen zu selektieren, zu interpretieren, diese zu bewerten und Handlungen abzuleiten und zu realisieren. Somit ist Unternehmensethik auf allen Ebenen der Organisation bzw. des Unternehmens von Bedeutung.783 Führungskräften und somit auch Unternehmern wird oftmals eine zentrale Rolle in der Umsetzung unternehmensethischer Werte zugeschrieben.784 Im Hinblick auf die Umsetzung einer praxisbezogenen Unternehmensethik sollten nach Dierkes/Zimmermann (1991) die folgenden Fragestellungen beantwortet werden:785
781 782 783 784 785
Wie werden technikethische Aspekte im Kontext unternehmensethischer Konzepte berücksichtigt? Wie erfolgt die Ausgestaltung einer Unternehmensethik im Rahmen lebensdienlicher und wirtschaftlicher Handlungen in einem multikulturellen Werte- und Kulturraum? Wie kann sich die Integration der Unternehmensethik in die Organisationskultur eines Unternehmens vollziehen? Erfolgt eine Überprüfung des Verhältnisses von Individualethik und Institutionenethik, wobei eine einseitige Gewichtung als Defizit gesehen wird?
Vgl. König (2002), S. 95. Vgl. Schmidt (2002), S. 75; Freiberg/Lohrie (2004), S. 82-83. Vgl. Gerum (1992), S. 264-265. Siehe auch Schreyögg (1991), S. 263-264. Vgl. Roloff/König (2005), S. 376. Vgl. Dierkes/Zimmermann (1991), S. 18-19.
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Wie erfolgt die Ausgestaltung bzw. Konkretisierung einer Unternehmensethik in Form einer Institutionenethik hinsichtlich der Verantwortung und Trägerschaft der Unternehmensorganisation als solche?
Aus einer rein ethischen Perspektive bestehen mitunter Vorbehalte gegen eine konkrete Unternehmensethik. Denn durch ethische Prinzipien werden im Allgemeinen Ansprüche formuliert, die nicht erfüllt werden können. Oder aber es wird mit Ethik ein Vorschreiben von Handlungen verbunden. Darüber hinaus ist nicht immer eindeutig geklärt, was ein moralischer Anspruch denn in einer spezifischen, konkreten Situation bedeuten soll. Hieraus ergibt sich oftmals die Begebenheit, dass es zu einer Überforderung eines Individuums oder aber einer Institution kommt, die ethisch handeln möchte. Als Konsequenz wird dann mitunter auf Unternehmensethik verzichtet und einfach aufgegeben.786 Zwischen dem Anspruch der theoretischen Unternehmensethik, in Form von Postulaten, und der Realität in Unternehmen besteht oftmals eine Lücke. Zumeist fehlt es Führungskräften an ethischer Sensibilität.787 Gerum (1992) sieht einen Grund für ein mangelndes Ethikverständnis in dem akademischen Ausbildungssystem begründet, welches zumeist durch eine technokratische Grundorientierung ohne ethische Ausbildung geprägt ist.788 Kokot (2002) hingegen sieht als Nutzenpotenziale der Einführung einer Unternehmensethik eine Stärkung der Motivation und Loyalität der Mitarbeiter, eine Risikoreduzierung sowie ein Risikomanagement, eine Verbesserung der Reputation, einen verbesserten Zugang zu Ressourcen, Steigerung der Prozesseffizienz, bspw. über die Umwelteffizienz, als auch eine Differenzierung am Markt.789 Dabei sollte die Unternehmensethik offen sein für neue Konfliktlagen und Interessenkonstellationen, und kann so, ähnlich wie ein Frühwarnsystem, bei der Erkennung potenzieller Risiken für das Unternehmen helfen.790 Nach Lehner (2004) kann Unternehmensethik dabei als ein Steuerungs- und Regelungssystem für Unternehmen gesehen werden, welches im Idealfall aufgrund seiner systemimmanenten Zielführung über die Identitätsbildung das System Unternehmen führt. Die Heterogenität und Komplexität der Praxis wirken allerdings kontinuierlich als Störgrößen auf ein solches idealtypisches Steuerungs- und Regelsystem.791
2.2.2
Zum Verhältnis von Ethik und Ökonomie
Oftmals bestehen Vorbehalte in der ökonomischen Theorie, als auch in der unternehmerischen Praxis gegenüber einer Unternehmensethik. Dabei wird zumeist von einem Widerspruch zwischen ökonomischen und ethischen Ansprüchen ausgegangen, dass Ethik Geld kosten und nicht in die Ökonomie passen würde.792 Aufgrund unterschiedlicher Interessenbasen scheinen Wirtschaft und ihre Akteure, deren Interesse in der Erzielung von Profit sowie in den Marktgesetzen liegt, und Ethik, die
786 787 788
789 790 791 792
Vgl. König (2002), S. 100-101. Vgl. Gerum (1992), S. 265. Vgl. Gerum (1992), S. 265. So merken auch Roloff/König (2005), S. 377 an, dass die Thematik der Unternehmensethik an deutschen Hochschulen unterrepräsentiert bzw. untergewichtet ist. In den Wirtschaftswissenschaften hat sich bisher, trotz einzelner Veranstaltungen, kein vollständiges didaktisches Konzept etablieren können. Vgl. Kokot (2002), S. 118. Ähnlich auch Leisinger (2005b), S. 98. Vgl. Gerum (1992), S. 261. Vgl. Lehner (2004), S. 189. Vgl. König (2002), S. 98.
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das Interesse auf das soziale Wohl und die Gemeinschaft legt, nicht miteinander vereinbar zu sein. Zur Rechtfertigung der jeweiligen Präferenzen berufen sich Wirtschaftsakteure und Ethik auf unterschiedliche Wertvorstellungen. Innerhalb der Wirtschaft sind dies quantitative Werte. Im Rahmen der Ethik sind qualitative Werte entscheidend.793 Es wird sogar in vielen Fällen davon ausgegangen, dass Moral und wirtschaftliches Handeln nicht miteinander vereinbar sind. Dabei wird angenommen, dass wirtschaftliches Streben nach Gewinnen die Moral außer Kraft setzt.794 Vor dem Hintergrund einer neoklassischen Argumentation wird angenommen, dass die Unternehmen zu gewinnmaximierenden Handlungen gezwungen werden, welche keinen Raum für moralische Ansprüche lassen. Ein Verzicht auf Gewinn zugunsten moralischer Ansprüche würde durch die Konkurrenten ausgenützt. Hieraus wird gefolgert, dass ein Unternehmen dann langfristig nicht überleben könnte. Allerdings handelt es sich hierbei um ideale Annahmen, die in der Realität so wohl nicht erfüllt werden können. Angenommen wird der Mensch als reiner Nutzenmaximierer. Gleichermaßen soll das Unternehmen, aber auch die anderen Marktteilnehmer, über vollständige Informationen einer Situation verfügen. Diese beiden Annahmen treffen in der Realität so nicht zu. Der Kunde erwirbt auch bspw. ein Produkt nicht alleine über den Preis. Vielmehr wird durch das Marketing neben den Produktfunktionalitäten auch ein Image transportiert. Hierbei spielen moralische Aspekte in der Kommunikation eine bedeutende Rolle.795 Oft werden moralische Maßstäbe in der Beurteilung wirtschaftlicher Handlungen lediglich implizit angelegt, ohne die moralischen Maßstäbe näher zu erläutern. Dabei ist anzunehmen, dass der moralisch Urteilende vermutlicherweise sich selber nicht über die ethischen Maßstäbe im Klaren oder bewusst ist. In vielen Fällen wird eine Handlung von Beteiligten oder dritten Akteuren nicht nach ihrer moralischen Richtigkeit und ethischen Fundierung beurteilt, sondern vielmehr lediglich nach ihrer Gesetzeskonformität. Moralisch relevantes Handeln in der Wirtschaft kann sich in nachfolgenden Bereichen vollziehen:796
793 794 795 796
Handlungen von Unternehmen gegenüber der Öffentlichkeit bzw. den Bürgern (et vice versa) Produktion gesundheitsgefährdender Produkte, Umweltverschmutzungen auf Basis der Produktion; Protestaktionen und Boykotte von Bürgern Handlungen von Unternehmen gegenüber dem Staat (et vice versa) Einhaltung institutioneller Verordnungen und Gesetze; Erlassung und Kontrolle der Einhaltung von Gesetzen und Vorschriften Handlungen von Unternehmen gegenüber Unternehmen Wettbewerbsverhalten, Kooperationsbeziehungen, Kunden-Lieferantenbeziehungen, Fusionen und Akquisitionen Handlungen von Unternehmen gegenüber den Mitarbeitern (et vice versa) Personalpolitik, arbeitsvertragliche Beziehungen; Fragen der Loyalität Handlungen von Mitarbeitern gegenüber Mitarbeitern Führungsverhalten; Mobbing; Umgang miteinander
Vgl. Pieper (2004), S. 53. Vgl. Jäger (1992), S. 268. Vgl. König (2002), S. 99. Vgl. Haussmann (2001), S. 172-174.
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Für Unternehmen bestehen vielfältige Möglichkeiten für ein unternehmerisches Handeln. Dabei sind Unternehmen nicht so stark in ihren Handlungsmöglichkeiten eingeschränkt, wie die neoklassische Theorie dies anzunehmen vermag.797 Das Ziel des Prozesses des Wirtschaftens sollte die Sicherstellung des Wohles des Menschen sein. Um dieses Ziel sicherzustellen, muss der Prozess des Wirtschaftens in einer Beziehung zur Ethik stehen.798 Das Verhältnis von Ethik und Ökonomie kann über den, beiden Bereichen gemeinsamen, Aspekt der menschlichen Praxis reflektiert werden, da diese Felder durch menschliches Handeln bestimmt sind. Nach Pieper (1992) können drei unterschiedliche historisch-systematische Erklärungsansätze des Verhältnisses von Ethik und Ökonomie angeführt werden:799
Moralität und Wirtschaftlichkeit sind zwei Aspekte einer Handlungsstruktur. Moralische Handlungen und wirtschaftliche Handlungen bilden zwei voneinander getrennte, selbständige Klassen von Handlungen, die unabhängig voneinander untersucht werden können. Wirtschaftliche Handlungen bilden eine eigene Klasse von Handlungen, die aber gleichwohl dem Prinzip der Moralität verpflichtet sind.
Moralität und Wirtschaftlichkeit sind zwei Aspekte einer Handlungsstruktur Diesem Erklärungsansatz können die ethischen Positionen bzw. Ansätze von Aristoteles und des Utilitarismus zugeordnet werden. Beide Konzepte, so unterschiedlich sie in ihren (ethischen) Konsequenzen sein mögen, enthalten Ausführungen, die die Moralität und Wirtschaftlichkeit als zwei Aspekte einer Handlungsstruktur begreifen lassen. Bei Aristoteles sind die drei Disziplinen Ethik, Politik und Ökonomik in dem Konstrukt der praktischen Philosophie zusammengefasst. Die drei Teilbereiche gehören, auch wenn diese in der praktischen Ausprägung unterschiedlich gewichtet werden, für Aristoteles zusammen. Die Einheit von Ethik, Politik und Ökonomie bilden hierbei die übergeordneten Disziplinen der Handlungstypen in der praktischen Ethik.800 Die Theorieform des Aristoteles wird im Übrigen als Ökonomik und die Konzepte einer modernen Wirtschaftswissenschaft als Ökonomie bezeichnet, um inhaltliche Unterschiede auch direkt sprachlich zu differenzieren.801 Im Gegensatz zu den bei Aristoteles einzelnen Dimensionen fallen im Utilitarismus moralische und wirtschaftliche Aspekte theoretisch gesehen zusammen, da sich die Moralität von Handlungen allein nach ihrer Wirtschaftlichkeit im Nutzenkalkül bestimmt und somit das Nutzenprinzip an sich selbst das Moralprinzip darstellt. Aristoteles sieht Ethik und Ökonomie als analoge Disziplinen der praktischen Philosophie, die Utilitaristen hingegen sehen die Ethik als Ökonomie, et vice versa, die Ökonomie als Ethik.802
797 798 799 800
801 802
Vgl. König (2002), S. 100. Vgl. Ruh (2004), S. 15. Vgl. Pieper (1992), S. 86. Vgl. Pieper (1992), S. 86-88. Ausführliche Textstellen zu Aristoteles u. a. siehe bei Wolf (2007). Eine einfache Möglichkeit für eine digitale Suche bietet Hansen (2003). Vgl. Bien (1992), S. 43. Vgl. Pieper (1992), S. 89-90.
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Moralische Handlungen und wirtschaftliche Handlungen bilden zwei voneinander getrennte Klassen von Handlungen Bilden moralische und wirtschaftliche Handlungen zwei voneinander getrennte, selbständige Klassen von Handlungen, die unabhängig voneinander untersucht werden können, so sind in diesem Erklärungsansatz Ethik und Ökonomie als zwei voneinander unabhängige und autonome Disziplinen mit differierenden Ziel- und Mittelvorstellungen aufzufassen. Als Vertreter dieses Ansatzes können vor allem Adam Smith und David Ricardo, sowie die Physiokraten Francios Quesnay, Victor Mirabeau, Jaques Turgot, als auch später Karl Marx und Friedrich Engels angeführt werden. Die Basis der unterschiedlichen Positionen aller dieser Vertreter ist die Entwicklung einer rein ökonomisch fundierten Werttheorie, ohne dass dabei auf Moral und Ethik zurückgegriffen wird. Der Nutzen von Handlungen im Sinne von Arbeit und Produktion wird als Wert bestimmt, ohne dabei, im Gegensatz zum Utilitarismus, auf eine Einheit von Moral und Nutzen abzustellen. Als bedeutender Vertreter ist hierbei der englische Moralphilosoph Adam Smith zu nennen. Bei Adam Smith ist der erwirtschaftete Nutzen amoralisch, also außermoralisch und das Ergebnis egoistischen, eigenintendierten Handelns. Bereits in seinem Werk „The Theory of Moral Sentiments“ in Jahre 1759 stellt Adam Smith dar, dass moralische Handlungen einerseits auf Sympathie beruhen und andererseits durch Mitgefühl für Freude und Leid anderer Personen der Egoismus überwunden werden kann. Dabei sind Moral und Ökonomie unabhängig und beeinflussen sich nicht. Smith sieht eine Unvereinbarkeit bzw. einen Konflikt zwischen der Schaffung allgemeinen Wohlstands und der persönlichen Steigerung des eigenen Vorteils. Ein Streben nach Wertsteigerung und Nutzenmaximierung besitzt an sich keine moralische Qualität und wird durch keine Ethik begrenzt.803 Das Selbstinteresse ist bei Smith eine leidenschaftslose Handlungsdisposition im Sinne eines inneren Antriebes zur Verbesserung der individuellen Lage. Zu trennen ist in diesem Kontext das Selbstinteresse von Habsucht und Habgier.804 Adam Smith führt als theoretisches Begrenzungskonstrukt in seinem Werk „An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations“805 im Jahre 1776 die metaphysische Annahme einer „unsichtbaren Hand“ (invisible hand) ein, die dafür sorgt, dass ein zielgerichteter Prozess erhalten bleibt, bei dem unterschiedlichste, konkurrierende und auch konfligierende Interessen nicht zu einer Behinderung oder Neutralisierung des Gesamtnutzens führen. Vielmehr soll diese „unsichtbare Hand“ zielgerichtet zu einer Steigerung des Gesamtnutzens und somit zu einer Generierung von Wohlstand führen. Die Einführung dieses metaphysischen Konzeptes ist bei Smith notwendig, da ohne eine übergeordnete moralische Instanz Probleme hinsichtlich der Legitimation ökonomischen Handelns entstehen würden. Allen Elementen der Natur und somit auch dem Menschen sind ordnungsleitende Prinzipien inne, die auf ein harmonisches Ganzes hin ausgerichtet sind und zerstörerische Kräfte in positive Kräfte und Entwicklungen transformieren können.806
803 804 805
806
Vgl. Pieper (1992), S. 91-92. Vgl. Lachmann (1998), S. 58. Siehe hierzu bspw. Smith (1993). Im Deutschen verfügbar unter „Der Wohlstand der Nationen: eine Untersuchung seiner Natur und seiner Ursachen“. Siehe hierzu Smith (2005). Vgl. Pieper (1992), S. 91-92; Zimmerli (2006), S. 18. Anzumerken bleibt, dass nach Ulrich (2000), S. 5-6 bereits bei Montesquieu (1748) ein Konzept im Sinne einer „unsichtbaren Hand“ vertreten wird, wenn gleich dieses auch nicht so bekannt wurde. Siehe hierzu auch Montesquieu (1965), S. 125.
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Bereits Adam Smith hat erkannt, dass ein Markt jenseits einer ethischen Bindung negative Externalitäten (Folgen) erzeugt. Smith vertrat zwar mit der „unsichtbaren Hand“ die Ansicht, dass ein Streben nach der Verbesserung des eigenen Nutzens zu einer Nutzensteigerung der Gesamtheit führt. Allerdings funktioniert dies lediglich, so seine Ausführungen in seinem Werk „Theorie der Ethischen Gefühle“, vor dem Hintergrund einer Gesellschaft moralischer Subjekte.807 Die Erkenntnisse von Smith wurden jedoch von der ökonomischen Klassik nicht beachtet und in dieser Form verworfen. Eine Renaissance erlebte das Konzept allerdings im 19. Jahrhundert mit der Idee des Sozialstaates, welcher eine Korrektur negativer Folgen des Marktes vornimmt. Auch die Idee der sozialen Marktwirtschaft im 20. Jahrhundert verbindet in ihrem Konzept die Bereiche der Ethik und des Marktes.808 Die gesellschaftlichen Strukturen, vor denen Adam Smith seine Theorien entwickelte, war der Merkantilismus, der den größten nationalen Wohlstand zum Ziele hatte. Jedoch konnten diese Ziele durch unzureichende Mittel- bzw. Maßnahmenwahlen und Einmischungen in die Wirtschaftsordnung nicht realisiert werden.809 Mit seinen Schriften ist Adam Smith als der Gründer des Wirtschaftsliberalismus zu sehen. Dieser Liberalismus kann als einflussreicher Faktor des Verlaufes der Wirtschaftspolitik sowie der Entwicklungen des Wirtschaftssystems selbst gesehen werden.810 Der Glaube an die unbedingte Gültigkeit der ökonomischen Gesetze verhinderte die Sicherstellung notwendiger gesellschaftlicher Bedingungen des Wirtschaftlebens, was zu einer Entartung der Marktwirtschaft zu Beginn des 19. Jahrhunderts führte. Entartungserscheinungen der Laissez-faire waren aus Sicht der Wirtschaftstheorie endogene, unvermeidliche und charakteristische Eigenschaften der ökonomischen Freiheit. Diese Auffassung wurde sowohl von den Vertretern des Liberalismus, als auch von den sozialistischen Gegnern der ökonomischen Freiheit geteilt. Liberale Vertreter meinten, die Nachteile müssen akzeptiert werden, da diese nicht zu vermeiden wären. Die Sozialisten waren der Auffassung, dass das Wirtschaftssystem naturgemäß nicht zu verbessern sei und daher vollständig verworfen und durch ein neues ersetzt werden müsse.811 Im Wirtschaftsliberalismus des 19. Jahrhunderts löste sich die Ethik von der Ökonomie und in Theorie wie in der Praxis wurde für eine ethikfreie, maximale emanzipatorische Freizügigkeit des Marktes ohne moralische Hemmnisse plädiert. Als ein negativer Höhepunkt einer frühkapitalistischen Wirtschaftordnung können die Entwicklungen und sozial negativ beobachtbaren Folgen für eine Vielzahl von Menschen im Manchester-Liberalismus etwa zur Mitte des 19. Jahrhunderts gesehen werden. Der Manchester-Liberalismus ist zentral von einem ökonomischen Egoismus und sozialdarwinistischen Tendenzen, im Sinne des Rechtes und des Überleben des Stärkeren, im wirtschaftlichen System und somit auf den (theoretisch) völlig liberalen Märkten geprägt. Erst die langsame, aber stetige Einführung sozialer Rahmen- und Gesetzesordnungen vermochte gerade im 20. Jahrhundert eine Eingrenzung dieser freigesetzten Marktkräfte herbeizuführen. Dies führte nach dem zweiten Weltkrieg bspw. zur Einführung und zum Aufbau der sozialen Marktwirtschaft in 807
808 809 810 811
Siehe ausführlich Smith (2004). Leisinger (1997), S. 36-37 merkt an, dass Smith den Eigennutz als zentrales Element wirtschaftlichen Wohlstands ansah. Dabei kritisierte er diesen Eigennutz aber gleichermaßen, wenn der Eigennutz das einzige Grundmotiv menschlichen Handelns darstellt. Nach Leisingers Ansicht würde es Adam Smith nicht gerecht werden, von ihm zu behaupten, er postuliere den Eigennutz als alleiniges Dogma. Denn seine Moralvorstellungen erstrecken sich auch auf die wirtschaftliche Sphäre. Vgl. Ruh (2004), S. 17. Vgl. Rüstow (2004), S. 23. Vgl. Jäger (1992), S. 269; Rüstow (2004), S. 17. Vgl. Rüstow (2004), S. 26-27.
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der Bundesrepublik Deutschland.812 In der Neoklassik wurde der Ansatz vertreten, wirtschaftliches Handeln von der Ethik abstrahieren zu können. Es bestand der Glaube einer reinen Ökonomik des Wettbewerbes am Markt, ohne ethische Begleitungen.813 Die traditionelle neoklassische Gleichgewichtstheorie lässt, nach ihrem Verständnis der Ökonomie, gar keine Ethik zu. Nach den neoklassischen Auffassungen814 werden keine Handlungen vollzogen, sondern lediglich vielmehr reaktive Anpassungen durchgeführt, und somit existiert theoretisch kein Raum für Ethik. Ein zentraler Bestandteil der Ethik ist das individuelle, gruppenorientierte, oder auch institutionelle Handeln. Ohne Handlungen keine Ethik.815 Wirtschaftliche Handlungen bilden eine eigene Klasse von Handlungen, die aber gleichwohl dem Prinzip der Moralität verpflichtet sind Der Erklärungsansatz, in dem wirtschaftliche Handlungen eine eigene Klasse von Handlungen bilden, die aber gleichwohl dem Prinzip der Moralität verpflichtet sind, führt zu einem modernen Verständnis des Verhältnisses zwischen Ethik und Ökonomie. Dabei sollten, um den Forderungen der Ethik nach Moralität sowie der Ökonomie nach Wirtschaftlichkeit gerecht zu werden, nach Pieper (1992) die drei Bestandteile einer neuen Theorie der Werte, Anregungen der Vertragstheorie sowie Utopien Berücksichtigung finden. In einer neuen Theorie der Werte soll eine kritische Beurteilung bestehender Werte vorgenommen werden. Untersuchungsbereiche wären die Legitimation oder Ablehnung von Werten, die Beschreibung des Geltungsbereites von Werten oder aber die Generierung neuer Werte im Sinne lebensgestaltender Orientierungs- und Entscheidungshilfen. Durch die Vertragstheorie sollen die sich im Rahmen einer uneingeschränkten Anwendung des Nutzenprinzips entstandenen Ungleichheitsverhältnisse als moralisch nicht zulässig klassifiziert werden. Das Nutzenprinzip sollte durch ein Solidaritäts- und Gerechtigkeitsprinzip erweitert werden, welches als Korrektivfunktion im Sinne einer Theorie der Gerechtigkeit fungiert. Dabei sind nutzenmaximierende Handlungen darauf hin zu prüfen, ob diese den zu erwartenden Nutzen nicht auf Kosten anderer erzeugen und somit das jedem zustehende Freiheitsrecht beinträchtigen würden. Eine Handlung ist dann ethisch gerechtfertigt, wenn sich auf Basis eines diskurstechnisch zustande gekommenen Vertrages keine Gründe gegen die Ausführung einer nutzenmehrenden Handlung anführen lassen. Als dritter Baustein einer modernen Wirtschaftsethik können Utopien dienen. Utopien sind als innovative Zukunftsentwürfe zu verstehen, die als praktische Gedankenexperimente mögliche zukünftige, ethische Vorstellungen antizipieren. Utopien können genutzt werden, um aktuelle soziale Zustände mit potenziellen zukünftigen Zuständen zu vergleichen und mögliche Bewertungen und Schlüsse zu erzeugen. Wichtig sind in diesem Kontext auch negative (Endzeit-)Utopien. Diese beschreiben mögliche negative Zustände in der Zu-
812 813
814
815
Vgl. Starbatty (1990), S. 86 und 90-92; Jäger (1992), S. 270. Vgl. Furger (1994), S. 29-30. Ähnlich Starbatty (1990), S. 77-78. Priddat (2005), S. 105 äußert die Meinung, dass seit der Aufklärung eine Gewöhnung an die Auffassung, Märkte als moralisch neutrale Orte zu betrachten, stattgefunden hat. Dies bezeichnet er, vor dem Hintergrund der aristotelisch gestimmten Geschichte des Ökonomie/MoralVerhältnisses, als nicht korrekt. Siehe zur geschichtlichen Entwicklung auch Priddat (2004a). Böge (2004), S. 23 merkt an, dass die soziale Marktwirtschaft in sich bereits eine ethische Komponente einer sozialen Verantwortung der im Markt agierenden Unternehmen beinhaltet. Homogene Güter, vollständige Information, vollständige Transparenz, vollständige Verträge, Fehlen von Transaktionskosten, Verhalten der Wirtschaftssubjekte als Mengenanpasser. Vgl. Lenk/Maring (1996), S. 5; Bausch (2005), S. 282.
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kunft und können durch eine Extrapolation bestehender Zustände in die Zukunft generiert werden.816 Nach Homann/Blome-Drees (1992) können Utopien ökonomisch interpretiert werden als Angebote bzw. Aufforderungen zu weitergehenden Investitionen in die gesellschaftliche Kooperation unter der Beachtung ihrer spezifischen Zielgerichtetheit, Durchführbarkeit und verbundenen Kosten-NutzenRelation.817 Meran (1991) charakterisiert zwei Modelle des Verhältnisses zwischen Moral und Wirtschaft, die als Unterdrückungs-Modell und als Rechtfertigungs-Modell bezeichnet werden. Wirtschaft als Handlungsgeschehen ist ein Teilbereich der praktischen Philosophie. Eine naturwissenschaftliche Betrachtungsweise der Wirtschaft wäre der Art ihres praktischen Gegenstandes nicht angemessen. In der praktischen Philosophie ist Ökonomie keine theoretische Erfahrungswissenschaft, sondern vielmehr eine normative Fachrichtung. Wirtschaftliches Handeln unterlag der Ethik auf Basis tradierter Normen. Aus diesem Grunde spricht Meran von einem Unterdrückungs-Modell (der Wirtschaftsethik).818 Im Unterschied zu den Ausführungen von Pieper, sieht Meran die Ökonomie nicht als eigenständig, sondern unter dem Diktat der Ethik. Wirtschaftliches sowie allgemein gesellschaftliches Handeln bedarf moralischer, kultureller Normierungen, die vielfach aus Traditionen und Erfahrungen entstammen, weil Handlungen einerseits für alle Individuen frei sind, andererseits allerdings andere Individuen von diesen Handlungen tangiert werden. Die Anwendung geeigneter Mittel sowie die Festsetzung richtiger Zwecke obliegen dem Menschen an sich. Ein richtiger Zweck ist auf eine höher geordnete Handlung gerichtet, wobei alle Handlungen auf den Zweck des Menschseins an sich gerichtet sind. Wirtschaft ist nach dieser teleologischen Sichtweise ein Teilbereich eines zweckvollen Weltganzen.819 In vielen Fällen wird in der wissenschaftlichen Diskussion oft das Paradigma einer Hierarchisierung der Ökonomie unter die Ethik angesehen, bei der es die Aufgabe der Moral ist, die Grenzen der Ökonomie zu bestimmen. Homann spricht von einer Domestizierung der Ökonomie durch die Moral.820 Ziel der Ausführungen von Homann (1988) ist es, dieses Paradigma der Domestizierung der Ökonomie durch die Moral zu überwinden, um bessere Voraussetzungen für einen Dialog zwischen Ethik und Ökonomik zu schaffen. Erzielt werden soll dies durch eine Skizze einer ökonomischen Begründung der Moral, im Sinne eines Teilbereiches einer ökonomischen Theorie der Moral. Dabei ist stark zu unterscheiden, dass es in den Ausführungen nicht um den Inhalt, die Legitimation oder die Motivation der Moral geht.821 Eine Rechtfertigung der kapitalistischen, liberalen Wirtschaftsform sind die ethischen Konzepte von bspw. John Locke (1623-1704), Bernard Mandeville (1670-1733), Adam Smith (1723-1790) bis zu F. A. v. Hayek (1899-1992), wobei eine Entkoppelung moralischer und wirtschaftlicher Handlungen in zwei voneinander getrennten Klassen angenommen wird. Die Trennung von Moral und Wirtschaft wird daher bei Meran als Rechtfertigungs-Modell (der Wirtschaftsethik) bezeichnet. Begründet wird die Trennung im Rechtfertigungs-Modell und den zugehörigen ethischen Konzepten dadurch, 816 817 818 819 820 821
Vgl. Pieper (1992), S. 96-99. Vgl. Homann/Blome-Drees (1992), S. 100. Vgl. Meran (1991), S. 25. Vgl. Meran (1991), S. 24-25. Vgl. Homann (1988), S. 216. Vgl. Homann (1988), S. 220-221.
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dass eine private Aneignung von Produktionsmitteln (Arbeit, Boden, Kapital) sowie die Vertragsfreiheit, der inneren Natur eines Individuums entsprechen. Die aus der beobachtbaren wirklichen Natur des Menschen ableitbaren Tendenzen zu destruktiven Leidenschaften können nicht durch Moral, Gesetze, Diskussionen oder argumentative Überredungen gemindert bzw. in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht werden. Vielmehr sind gesellschaftlich nützliche und fördernde Leidenschaften des Menschen zu forcieren, die im Gegensatz zur Moral als Korrektiv wirken können. Als eine solche Leidenschaft wird die Habsucht gesehen, die in einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung wirksame Voraussetzung für die Auslebung dieser vorfindet. Die einzelnen nach Eigennutz handelnden Individuen der Wirtschaft sind Teile eines Gesamtsystems, dass den Kräften bzw. Bewegungsgesetzen von Angebot und Nachfrage in mechanistischer Weise unterliegt. Geprägt sind diese Vorstellungen vom Mechanismus und Deismus, was sich speziell in dem Konzept der „unsichtbaren Hand“ von Adam Smith widerspiegelt.822 Eine dritte, eher moderne Auffassung des Verhältnisses von Ethik und Ökonomie wird von Meran nicht vorgebracht. Lenk/Maring (1996) vertreten in der Diskussion des Verhältnisses von Wirtschaft und Ethik einen Primat (Vorrang) der normativen Ethik vor der Wirtschaft. Normative Ethik soll aber nicht belehren oder allgemeingültige zensorische Lösungsvorschläge geben. Somit ist normative Ethik nicht als Unterdrückungs-Modell im Sinne von Meran zu verstehen.823 Für Spieker (1989) hat die Wirtschaftsethik nicht nach der Ethik jenseits der Ökonomie, sondern vielmehr in der Ökonomie zu fragen.824 Nach Furger (1994) besteht die Frage nicht darin, „[...] ob die Ökonomik eine ethische Dimension aufweist“, sondern vielmehr „[...] wie der ethische Anspruch wirtschaftlich relevant wird“.825 Eine Wirtschaftsordnung, die auf Altruismus basiert, würde zum einen zu einer Fehlallokation knapper Ressourcen führen. Zum anderen würden die individuellen Bedürfnisse nicht befriedigt werden, da im Zweifel jede Person nur ihre eigenen Bedürfnisse kennen kann.826 Degenhardt (1989) sieht es als unrealistisch und gegen die Natur des Menschen an, eine Gesellschaftsordnung verlangen und anstreben zu wollen, die allein den Gemeinnutz gelten lässt. Denn dieses Ideal hat bspw. auch in kommunistischen Gesellschaften nicht zum Erfolg geführt, weil der Mensch anders ist, als die Ideologie dies verlangt. Der Eigennutz des Menschen ist eines der stärksten Motive für Handlungen. Wobei er anmerkt, dass zusätzlich zur Triebfeder des Eigennutzes auch eine Begrenzung bzw. Regelung durch (staatliche) Institutionen erfolgen sollte.827 Die Ökonomie ist ein notwendiger Funktionsbereich der Gesellschaft. Denn die Wirtschaft dient der Sicherstellung des materiellen Lebensunterhaltes. Wichtig ist im Funktionsbereich der Wirtschaft, dass dieser in einem Interdependenzverhältnis zu anderen Funktionsbereichen steht.828 Die Ökonomie tangiert eine Vielzahl menschlicher Lebensbereiche. Eine Ethik, die nicht an die Ökonomie ange-
822 823 824 825 826 827 828
Vgl. Meran (1991), S. 23-24. Vgl. Lenk/Maring (1996), S. 6. Vgl. Spieker (1989), S. S. 98. Vgl. Furger (1994), S. 6. Vgl. Lachmann (1998), S. 59. Vgl. Degenhardt (1989), S. 18-19. Vgl. Gerlach (2002), S. 38.
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
133
schlossen bzw. mit ihr in Einklang gebracht werden kann, verfehlt ihr Ziel.829 Dabei kommt den Unternehmen, als maßgeblichen Handlungsakteuren, eine bedeutende Rolle zu. Eine differenzierte Diskussion der ethischen Fundierung des Handelns in Unternehmen erfordert zum einen Grundkenntnisse über die Ethik an sich. Zum anderen ist es wichtig zu wissen, wie Märkte funktionieren. Darüber hinaus sind Kenntnisse von Bedeutung, nach denen eine Beurteilung der Ergebnisse von Marktprozessen durch Ökonomen vorgenommen wird.830 In der Verbindung zwischen Ethik und Ökonomik müssen sich theoretische und praktische Konzepte verbinden. Ein Wollen muss sich mit dem Wissen verbinden.831 Aufgrund der Pluralisierungstendenzen der Gesellschaft besteht hinsichtlich von gewünschten Normen, auch in Bezug auf die Ökonomie und hier im Speziellen den Unternehmen, ein Dilemma. Ein tugendhaftes unternehmerisches Handeln wird gesellschaftlich verstärkt gewünscht. Jedoch wird durch die Pluralität der Normen in der Gesellschaft das Treffen eindeutiger, von vorneherein festgelegter, Entscheidungen erschwert. Einerseits wird ein gesellschaftliches Gut, wie bspw. ethische Handlungsnormen, verstärkt auf der gesellschaftlichen Ebene nachgefragt. Andererseits wird dessen intersubjektiv eindeutige Existenz auf der individuellen Ebene vermehrt in Frage gestellt. Durch eine Relativierung wird eine Inflationierung vorgenommen.832
2.2.3
Handlungsebenen einer Wirtschafts- und Unternehmensethik
Im Kontext eines sozialwissenschaftlichen Modells wird zunächst zwischen drei unterschiedlichen Handlungsebenen der Ethik differenziert. Hierbei handelt es sich um die Mikroebene, welche die Ebene unmittelbarer zwischenmenschlicher Interaktion, wie bspw. in Familien oder Arbeitsgruppen, darstellt, die Mesoebene, die durch organisierte Sozialsysteme, wie bspw. Unternehmen gekennzeichnet ist, und die gesamtgesellschaftliche Makroebene.833 Darüber hinaus erlangt die international-gesellschaftliche Supraebene, gerade vor dem Hintergrund der Globalisierung, eine immer stärkere Bedeutung. Nach dem Aggregationsgrad der Handlungsträger lassen sich die Handlungsebenen unterscheiden. 2.2.3.1
Mikro, Meso- und Makroebene
Im Bereich der Mikroebene sind Fragen des individuellen Handelns von Personen von Interesse. Die Mikroebene ist in eine Meso-, als auch eine Makroebene eingebettet und steht in wechselseitigem Austausch- und Beeinflussungsverhältnis zu diesen.834 Die Mikroebene beschreibt den Handlungsgrad des Individuums, bspw. des Arbeitnehmers, des Arbeitgebers, des Unternehmers, der Führungskraft oder des Konsumenten, zur Wahrnehmung ethischer Verantwortung. Der Kern ist das individuelle Handeln eines Wirtschaftssubjektes in dessen spezifischen Entscheidungs- und Handlungsfreiraumes. Dabei werden die individuellen Handlungsmöglichkeiten durch die Meso- und Makroebene eingeschränkt, da hier viele wichtige Handlungsbedingungen für jedes Individuum festgelegt werden.835 829 830 831 832 833 834 835
Vgl. Biervert/Wieland (1992), S. 25. Vgl. Hax (1993), S. 778. Vgl. Lachmann (1998), S. 61. Vgl. Matten (1998), S. 14-15. Vgl. Kleinfeld (1998), S. 81; Maring (2005), S. 454. Vgl. Lenk/Maring (2004), S. 34; Maring (2005), S. 454; Eigenstetter/Hammerl (2005), S. 12. Vgl. Enderle (1987), S. 439; Brink/Tiberius (2005), S. 14. Borchers (2005), S. 512 merkt an, dass die Mikroebene den systematischen Ort der Tugendethik für ihre Untersuchungen bildet. Dabei richtet sich die Aufmerksamkeit auf die Individuen sowie ihre spezifischen Rollen innerhalb eines Gesamtsystems, dem Unternehmen. Hier zeigen sich auch Überschneidungen zur Mesoebene.
134
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
Auf der Mikroebene sind besonders Vorantwortungs- und Rollenkonflikte im Rahmen (unternehmerischer) Arbeit von Bedeutung.836 Im Rahmen der empirischen Untersuchung der vorliegenden Arbeit wird besonders die Mikroebene betrachtet. Gerade in jungen Unternehmen haben die individuellen Handlungsbedingungen, aber auch Einstellungen und Werte des Unternehmers einen maßgeblichen Einfluss auf das Unternehmen (und dessen ethische Ausrichtung). Mesoebene Die Mesoebene beschreibt den Handlungsgrad von (wirtschaftlichen) Organisationen. Hierzu sind u. a. Unternehmen, Gewerkschaften, Konsumentenorganisationen oder aber Berufsverbände zu zählen. In diesem Kontext herrschen unterschiedliche Auffassungen vor, wie die einzelnen Handlungsträger zu bewerten sind bzw. wie die Handlungsträger zu ihren jeweiligen Entscheidungen kommen. Aufgrund des hohen Organisationsgrades heutiger Gesellschaften kommt der Mesoebene jedoch eine besondere Bedeutung zu.837 Im Bereich der Mesoebene sind besonders Fragen interner und externer Verantwortung von und in Unternehmen, als auch Probleme der Arten und Typen der Verantwortung von Bedeutung. Nach Maring (2005) bezeichnet die interne Verantwortung die Verantwortung von Mitgliedern der Organisation gegenüber anderen Mitgliedern der Organisation, wie bspw. Kollegen oder Vorgesetzte. Die externe Verantwortung bezieht sich zum einen auf externe Dritte, wie bspw. die Gesellschaft, Kunden, Lieferanten bzw. andere Stakeholder des Unternehmens, und zum anderen auch auf die Umwelt. Die externe Verantwortung kann dabei weitergehend differenziert werden in: die externe Verantwortung der Organisation als Organisation, die externe Verantwortung von Organisationsmitgliedern im Sinne einer repräsentativen Verantwortung bzw. partizipatorischen Mitverantwortung, und die externe Verantwortung der Organisation gemeinsam mit Organisationsmitgliedern.838 Beispielhafte Fragestellungen sind dabei:839
Wem gegenüber und in welcher Hinsicht sind Unternehmen verantwortlich? Können Unternehmen, sei es dabei auch in sekundärer bzw. nicht reduzierbarer Art, selbst handeln? Können Unternehmen moralisch verantwortlich sein?
Auf der Mesoebene werden somit auch Fragen der Unternehmensethik behandelt.840 Die Mesoebene umfasst dabei sowohl Unternehmen, als auch Intermediäre wie bspw. Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände oder Konsumentenorganisationen, sowie die Arbeitsteilung im Allgemeinen. Verbunden ist hiermit auch der Begriff der Verantwortung. Organisationen bzw. Unternehmen kann ökonomische, rechtliche, organisational-moralische und soziale bzw. gesellschaftliche Verantwortung zugeschrieben werden. Im Rahmen der Diskussion um die moralische Verantwortung von Organisationen bzw. Unternehmen ist nach Maring (2005) u. a. zwischen Organisationen als Assoziationen (Aggregatmodell), Organisationen als formale Organisationen (Maschinenmodell), Organisationen aus sozialvertragtheo836 837 838 839 840
Vgl. Maring (2005), S. 454. Vgl. Enderle (1987), S. 439 und 442; Maring (2005), S. 454. Vgl. Maring (2005), S. 460-461. Vgl. Lenk/Maring (2004), S. 34. Vgl. Enderle (1987), S. 442; Eigenstetter/Hammerl (2005), S. 12.
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
135
retischer Sicht (Sozialvertragsmodell), Organisationen als moralische Personen (Personenmodell) bzw. als Personen im weiteren Sinne sowie Organisationen als sekundäre moralische Akteure zu differenzieren. Dabei stellt sich die Frage nach eine höheren Moralfähigkeit von Organisationen bzw. Unternehmen.841 French (1992) versucht theoretisch zu beweisen, dass Unternehmen als moralische Personen aufgefasst werden können. Seine Auffassung ist, dass Unternehmen vollwertige moralische Personen sein können und dabei alle Privilegien, Rechte und Pflichten haben, die in regulärer Weise natürlichen, moralischen Personen zugesprochen werden. French ist der Auffassung, dass Unternehmen an sich für die Handlungen verantwortlich gemacht werden können, um als metaphysische Person dann in einer Eigenschaft als moralische Person behandelt werden zu können.842 Unternehmen selbst haben Gründe, die zur Verwirklichung der etablierten Unternehmensziele dienlich sind. Dies ist unabhängig von dem vorübergehenden Selbstinteresse der Manager zu sehen. Bestehen Unterscheide zwischen den individuellen Zielen der Manager und den des Unternehmens, erscheint es für French (1992) wahrscheinlich, dass die Unternehmensziele relativ stabil sind. Dabei sind die Unternehmen allerdings auf eine begrenzte sozioökonomische Sphäre beschränkt.843 Enderle (1987) vertritt die Auffassung, dass eine Organisation als Ganzheit betrachtet werden sollte. Dabei sollte die Organisation nicht allein als Summe von Elementen aufgefasst werden, denn die Ganzheit der Organisation ist anders als die Summe der einzelnen Elemente. Diese Auffassung wird vor dem Hintergrund sozialwissenschaftlicher und organisationstheoretischer Gründe vertreten. Im Kontext der (Wirtschafts-)Ethik folgt hieraus, dass die Organisation, und hier im Speziellen das Unternehmen, als moralischer Akteur zu sehen ist.844 Maring (2005) vertritt die Auffassung, dass Organisationen bzw. Unternehmen als rollenmäßig strukturierte, zielgerichtete, hierarchisch-arbeitsteilige Handlungssysteme dargestellt werden können. Innerhalb der Organisation wird ein organisationales bzw. institutionales Handeln845 vollzogen, welches durch primäres (individuelles) Handeln konstituiert wird. Somit kann organisationales bzw. institutionales Handeln als sekundäres bzw. nicht-reduzierbares Handeln betrachtet werden. Ohne ein primäres Handeln existiert kein sekundäres Handeln. Somit sind Organisationen bzw. Unternehmen Handlungssysteme auf der Meso- und Makroebene. Das Handeln eines Mesohandlungssystems ist in diesem Kontext ein Handeln, welches (nicht in jedem Falle) auf das Handeln der Akteure des Systems reduzierbar ist. Im primären Sinne handeln faktisch immer Mikrohandlungssysteme bzw. Individuen. Dabei sind Handlungssysteme ab der Mesoebene nicht eine reine Menge von Individuen, sondern vielmehr sozial verbundene, strukturierte Mengen. Handlungssystemen, und somit auch Organisationen bzw. Unternehmen, lässt sich (in gewissem Sinne) auch moralische Verantwortung zuschreiben. Dabei ist anzumerken, dass die (ethisch-moralische) Verantwortung des Mesohandlungssystems neben und unabhängig von der (ethisch-moralischen) Verantwortung der Mikrohandlungssysteme bestehen kann, und umgekehrt. Somit sind Individualverantwortung und organisationale Verantwortung nicht gleich und nicht aufeinander reduzierbar.846 Nach Leisinger 841 842 843 844
845 846
Vgl. Maring (2005), S. 461-462. Vgl. French (1992), S. 317 und 327. Die Analyse zieht sich über die Ausarbeitung von S. 317-317. Vgl. French (1992), S. 326. Vgl. Enderle (1987), S. 439. So auch Enderle (1991), S. 155-157. Enderle befürwortet die Auffassung, dass Unternehmen als moralische (überindividuelle) Akteure zu begreifen seien. Siehe hierzu auch Kapitel 2.1.2.4. Vgl. Maring (2005), S. 462-466. Eine ähnliche Auffassung vertritt Kleinfeld (1998). So merkt auch Suchanek (2005), S. 78 an, dass Unternehmen Integrität zugerechnet werden kann, da Unternehmen Zurechnungssubjekte von Handlun-
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Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
(1997) ist die Frage, ob ein Unternehmen als moralisches Kollektiv betrachtet werden kann, vom Grad der Handlungsfreiheit der Organisationsmitglieder abhängig. Werden den Organisationsmitgliedern Handlungsoptionen zur freien Wahl gegeben, so kann eine individuelle Verantwortung wahrgenommen werden. Bei einer geringen bzw. nicht vorhandenen Handlungsfreiheit liegt nicht die individuelle Verantwortung im Betrachtungsfokus einer ethischen Analyse, sondern die Rigidität der Organisationsstruktur sowie die Führungsgründsätze der Organisation.847 Die allgemeine Fragestellung, die in diesem Bereich auftritt, ist: Hat das Unternehmen ein Gewissen?848 Makroebene Die Makroebene umfasst das wirtschaftliche System mit dessen gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen und somit der Wirtschaftordnung, oder aber der Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik.849 Bestandteile der Makroebene sind der Staat, die Gesellschaft (als auch Moral und Recht). Hier können auch die Ethik der Eigentums- und Wirtschaftsordnung, der (wirtschaftsrelevanten) Gesetze, der Steuer- und Sozialpolitik, aber auch der nationalen (und internationalen) Arbeitsteilung und Wirtschaftsordnung, bspw. hinsichtlich der Tausch- und Verteilungsgerechtigkeit subsumiert werden.850 Fragen sind in diesem Kontext bspw. aufgrund welcher ethischer Kriterien die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen gestaltet werden sollen? Welche Bedeutung haben die Menschenrechte? Was ist ein gerechtes Wirtschaftssystem?851 Auf der Makroebene ist der Begriff der Gerechtigkeit von Bedeutung. Die Mesoebene hingegen wird mit dem Begriff der Verantwortung assoziiert.852 2.2.3.2
Supraebene
Entsprechend des Aggregationsgrades der Handlungsträger lassen sich auch mehr als die drei bereits beschriebenen Handlungsebenen der Ethik unterscheiden.853 Im Rahmen der Globalisierung kann festgestellt werden, dass eine globale, allgemein gültige Wirtschaftsordnung nicht existiert. In diesem Kontext besteht ein Defizit in Bezug auf ordnungspolitische Rahmenbedingungen.854 Dieser Zustand kann mitunter als rechtsfreier Raum aufgefasst werden. Unternehmen werden dabei vor neue Herausforderungen gestellt, da sie einerseits in diesem Themenkomplex agieren müssen, andererseits ihre Handlungen aber auch von der Öffentlichkeit wahrgenommen werden und Unternehmen in diesem Zusammenhang als politische Akteure gesehen werden.855 Die Supraebene umfasst im weiteren Sinne das Übersystem des wirtschaftlichen Handelns aus Sicht einer globalisierten Wirtschaftsperspektive. Die negativen Folgen der Globalisierung sind bspw.
847 848
849 850 851 852
853 854 855
gen sind. Siehe auch Lattmann (1988), S. 25. In diesem Kontext sei auch auf die Ausführungen in Kapitel 2.3.2.2 verwiesen. Vgl. Leisinger (1997), S. 46-47 Zur Diskussion um diese Fragestellung siehe im Speziellen bspw. Goodpaster/Matthews (1982); Donaldson (1982); De George (1988) sowie Kleinfeld (1998). Siehe auch die Anmerkung zum Ende des Kapitels 2.3.2.2. Vgl. Enderle (1987), S. 442. Vgl. Lenk/Maring (2004), S. 34; Maring (2004), S. 454; Eigenstetter/Hammerl (2005), S. 12. Vgl. Enderle (1987), S. 442. Vgl. Kleinfeld (1998), S. 88. Dabei ist allerdings anzumerken, dass Verantwortungsprobleme nicht alleine aus einer Perspektive alleine angemessen betrachtet werden können, da der Verantwortungsbegriff vielfältige Ausprägungen besitzt Vgl. Enderle (1987), S. 442. Vgl. Ulrich (2002), S. 19; Kleinfeld (2005), S. 38. Vgl. Kleinfeld (2005), S. 38 und 44. Siehe auch die Ausführungen von Ruh (2004) und Matten (1998), die in Kapitel 2.2.1 angeführt wurden.
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137
die Umweltverschmutzung und -zerstörung, eine schwierige Technologiefolgenabschätzung, hohe Staatsverschuldungen, Grenzen des Wohlfahrtsstaates und Korruption. Allerdings sind diese Phänomene nicht einfach durch die moderne Gesellschaft verursacht. Vielmehr liegen die Ursachen allgemein formuliert (u. a.) in dem Fehlen einer internationalen Wirtschaftsordnung sowie in einem defizitären Zusammenwirken der gesellschaftlichen Funktionsbereiche.856 So ergeben sich gerade auf der Supraebene einige Besonderheiten im Vergleich zu den vorangegangenen drei andere Ebenen. Transnational tätige Unternehmen handeln oftmals in einem Vakuum institutioneller Rahmenordnungen. Denn es existieren zumeist keine internationalen und für alle Unternehmen gültigen Institutionen, vergleichbar einem Spiel ohne Spielregeln. Hieraus resultiert aber ein verstärkter Druck der Verantwortungsübernahme. Unternehmen entwerfen dabei eigene Verhaltenskodizes. Diese Verhaltenskodizes bzw. Selbstbindungen umfassen Themenspektren wie bspw. die Produktion umweltverträglicher Produkte, Arbeitnehmer- und Frauenrechte oder die berufliche Ausbildung. Sie zeigen, dass Unternehmen kooperieren und gemeinschaftlich Handeln können, auch ohne den Eingriff durch staatliches Handeln. Die Unternehmen verständigen sich dabei über ihre sozio-ökonomischen Präferenzen und definieren die Rahmenbedingungen.857 Neben den eigentlichen Nationalstaaten, den nationalstaatlichen und internationalen Organisationen, wie bspw. der International Labour Organization858 (ILO), sind die Unternehmen die dritte und eigentliche Kraft der Globalisierung.859 Auf den globalen Märkten hat die nationale Politik wenig Steuerungsmöglichkeiten.860 Allein der Begriff der Globalisierung symbolisiert die Grenzen nationalstaatlichre Regelungen.861 Dabei ist festzustellen, dass die internationale Politik nicht in umfassender Weise auf Nachhaltigkeit ausgerichtet ist. Vielmehr ist eine Dominanz der Regelungen des Wirtschaftsverkehrs durch die World Trade Organization (WTO) zu beobachten. Im Rahmen der Globalisierung besteht die Gefahr, dass es ohne institutionalisierte verbindliche Rahmenbedingungen auf multilateralem Niveau zu vielfältigen sozialen und ökologischen Problemstellungen kommt, die es zu lösen gilt. Ansonsten würden die Errungenschaften der sozialen Marktwirtschaft, die an Gemeinwohlinteressen ausgerichtet ist, im Kontext der Globalisierung verloren gehen.862 Flasbarth (2002) fordert international verbindliche Rahmenbedingungen bzw. Regelungen, die ein Sozial- und Umweltdumping verhindern sollen.863 Bei dieser Forderung handelt es sich zunächst primär um eine institutionenethische Forderung. Zum Zusammenhang zwischen Individual- und Institutionenethik siehe Kapitel 2.3.2.2. Ulrich (2002) sieht bei fehlenden supranationalen Rahmenbedingungen Unternehmen in der Pflicht, diese durch autonome Selbstbindungen
856 857 858
859 860 861 862 863
Vgl. Gerlach (2002), S. 20-21. Siehe auch Ruh (2004), S. 16. Vgl. Hengsbach (1996), S. 36; Leisinger (1997), S. 33. Hierbei handelt es sich um die 1946 als Sonderorganisation der Vereinten Nationen konstituierte Internationale Arbeitorganisation der Vereinten Nationen, bei der Regierungen, Arbeitnehmer und Arbeitgeber als gleichberechtigte Partner zusammenarbeiten. Das Mandat umfasst die Verbesserung menschenwürdiger Lebens- und Arbeitsbedingungen durch internationale Übereinkommen über einheitliche Arbeits- und Sozialnormen. Siehe hierzu Klee/Klee (2004), S. 50. Vgl. Merck (2002), S. 44. Vgl. Flasbarth (2002), S. 33; Scherer/Baumann (2004), S. 289. Vgl. Merck (2002), S. 43. Vgl. Flasbarth (2002), S. 33. Vgl. Flasbarth (2002), S. 39.
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Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
der Geschäftsintegrität mit den Stakeholdern des Unternehmens zu ergänzen.864 Einen ersten Beitrag auf der Supraebene liefert der vom ehemaligen UN-Generalsekretär Kofi Annan initiierte UN Global Compact, einem freiwilligen Instrument zur Verbreitung verantwortungsbewusster Unternehmensführung. Bei einem Beitritt zum Global Compact865 verpflichten sich international tätige Unternehmen, die Menschenrechte, internationale Abkommen über grundlegende Arbeitsrechte und Arbeitsstandards sowie Umweltstandards zu beachten und gegen Korruption vorzugehen.866 Der Global Compact basiert dabei auf Freiwilligkeit. Kritiker sehen hierin auch die Schwachstelle einer mangelnden (rechtlichen und monetären) Sanktionierbarkeit bei Verstößen. Dabei wird auch angemerkt, dass sich Unternehmen nur zum Schein am Global Compact beteiligen, um ihre Reputation zu verbessern. Darüber hinaus richtet sich der Global Compact vornehmlich an international tätige (Groß-)Unternehmen.867 Allgemein merkt Enderle (2004) an, dass internationale Gesetze und Regulierungen (bisher) wenig in der Lage waren, (unethische) Marktkräfte einzuschränken.868 Mit Blick auf alle vier Handlungsebenen ließe sich festhalten, dass eine Ebene die anderen Ebenen nicht vollständig determinieren kann. Denn grundsätzlich kann das Individuum nicht vollständig vom Unternehmen, das Unternehmen nicht vollständig von der Wirtschaftsebene bestimmt werden. Denn die eine Ebene kann nicht auf eine der anderen, oder auf die beiden anderen, Ebenen reduziert werden. Die Ebenen sind (teilweise) Interdependent.869 Tabelle 8 stellt den Zusammenhang der Mikro-, Meso-, Makro- und Supraebene der Wirtschafts- und Unternehmensethik zusammenfassend dar.870 Handlungsebene
Handlungsträger
Handlungsfeld
Mikroebene
Individuum
Individualethik (Führungsethik)
Mesoebene
Unternehmen als Institutionen
Unternehmensethik (Institutionenethik, Organisationsethik)
Makroebene
Staat, Gesellschaft, Wirtschaftordnung, Rahmenordnung als Institutionen
Wirtschaftsethik (Institutionenethik, Sozialethik)
Supraebene
internationale Staaten, Gesellschaften, Wirtschaftordnungen, Rahmenordnungen als Institutionen
internationale Wirtschaftsethik
Tabelle 8: Mikro-, Meso-, Makro- und Supraebene der Wirtschafts- und Unternehmensethik
864
865 866 867 868 869 870
Vgl. Ulrich (2002), S. 19. Ähnlich auch Sachs (2004), S. 222. Wobei anzumerken ist, dass hier zumeist von einer Verantwortungsübernahme durch (multinationale) Großunternehmen ausgegangen wird. So auch Scherer/Baumann (2004), S. 290. Siehe hierzu bspw. auch Scherer (2003). Siehe auch . Vgl. Klee/Klee (2003), S. 44-49; Klee/Klee (2004), S. 39-40; Leisinger (2005a), S. 220-221; Leisinger (2005b), S. 96. Siehe hierzu bspw. Sommer (2004), 81-83 oder Klee/Klee (2003), S. 52-53. Vgl. Enderle (2004), S. 257. Vgl. Enderle (1987), S. 442-443; Enderle (1991), S. 160. In Anlehnung an Brink (2002), S. 113; Brink/Tiberius (2005), S. 14; Maring (2005), S. 455. Dabei eigene inhaltliche Änderung und Erweiterung um die Supraebene.
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
2.2.4
139
Abgrenzung Corporate Responsibility und weiterer artverwandter Konstrukte
Innerhalb der Diskussion der Rolle der Unternehmen in der Gesellschaft herrscht keine Einheitlichkeit in der Begriffsverwendung und Begriffsdefinition. So wird dieser Themenkomplex unter Verwendung von Begriffen wie Corporate Responsibility, Corporate Social Responsibility, Corporate Citizenship, Corporate Governance oder aber auch Nachhaltigkeit betrachtet. Dabei beziehen sich die Begriffe auf erweiterte Fragestellungen der Unternehmensführung, wenngleich je nach Autor und Themenausrichtung eine andere Zielrichtung verfolgt wird und unscharfe Definitionen verwendet werden.871 Nachfolgend soll eine kurze Erörterung der Begriffe erfolgen und diese im Kontext der Unternehmensethik abgegrenzt bzw. eingeordnet werden. 2.2.4.1
Corporate Responsibility
Die Abgrenzung und Definition des Begriffs der Corporate Responsibility erfolgt in Theorie und Praxis nicht einheitlich. Allgemein kann Corporate Responsibility als ein dynamisches Konzept der Reflektion eines gesellschaftlichen Diskurses um die moralische Verantwortung von Unternehmen vor dem Hintergrund ökologischer und sozialer Auswirkungen gesehen werden.872 Nach Englisch et al. (2007) ist Corporate Responsibility der übergeordnete Begriff, der aus den Dimensionen Corporate Social Responsibility, Corporate Governance und Corporate Citizenship vor dem Hintergrund des Konzeptes der Nachhaltigkeit besteht. Als Differenzierungsgrad der drei Aspekte wird die Zugehörigkeit zur internen bzw. externen Wertschöpfungskette gewählt. Dabei gehören Maßnahmen der Corporate Social Responsibility zur unternehmensinternen Wertschöpfungskette, in die auch Kunden und Lieferanten zu integrieren sind. Corporate Citizenship mit seinen Instrumenten, wie u. a. Spenden (Corporate Giving), Sponsoring oder Freistellung von Mitarbeitern für soziale bzw. ökologische (Gesellschafts-)Projekte (Corporate Volunteering), liegt dagegen außerhalb der Wertschöpfungskette des Unternehmens.873 Die Gesamtheit der einzelnen Konstrukte ist dabei im Kontext einer nachhaltigen Unternehmensführung (Nachhaltigkeit) zu sehen. Im Folgenden werden die einzelnen Dimensionen von Corporate Responsibility (Nachhaltigkeit, Corporate Social Responsibility, Corporate Citizenship und Corporate Governance) näher gehend erörtert. Dabei erhebt die hier vorgenommene Klassifizierung keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit. 2.2.4.1.1
Nachhaltigkeit
Aufgrund der existierenden, aktuellen globalen Probleme und politischen Konflikte ist das Konzept der Nachhaltigkeit von hoher Aktualität.874 Dabei ist das Konzept der Nachhaltigkeit in den letzten Jahren zu einem wichtigen innovativen Leitbild des politischen Handelns aufgestiegen. In diesem Zusammenhang ist allerdings anzumerken, dass mit dem Konzept der Nachhaltigkeit unterschied-
871 872 873 874
Vgl. Dietzfelbinger (2004), S. 129. In Anlehnung an Bassen/Jastram/Meyer (2005), S. 235. Vgl. Englisch et al. (2007), S. 9. Ähnlich auch Bassen/Jastram/Meyer (2005). Vgl. Wippich (2004), S. 14; König (2005), S. 481.
140
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
lichste Interessen, Forderungen und Standpunkte verbunden sind.875 Radermacher (2004) sieht die Nachhaltigkeit als die große weltpolitische Herausforderung für das neue Jahrtausend.876 Suchanek (2004) versteht unter Nachhaltigkeit „[...] die regulative Idee einer auf prinzipiell unbegrenzte Dauer angelegten gesellschaftlichen Zusammenarbeit zum gegenseitigen Vorteil“877 Aus dem Begriffsverständnis von Suchanek ergibt sich eine Betrachtung auf interindividueller Ebene. Der Begriff der Nachhaltigkeit wurde erstmals durch den sächsischen Adligen Hans Carl von Carlowitz (1645-1714) und seinem Werk Sylvicultura Oeconomica geprägt.878 Seinen Ursprung hat der Begriff in der spätmittelalterlichen Forstwirtschaft in Deutschland. Dabei hatte dieser eine betriebswirtschaftliche Bedeutung, einerseits als statische Nachhaltigkeit der Erhaltung der Waldflächen, und andererseits als dynamische Nachhaltigkeit der Erträge der Waldbewirtschaftung, die gleich bleibende Mengen und Qualitäten der Holzerträge sichern sollte.879 Aufbauend auf diesem ersten Verständnis wurde der Begriff der Nachhaltigkeit auf andere Bereiche, wie bspw. den Fischfang übertragen, und weiterentwickelt. Auch hielt der Begriff Einzug in anderen Ländern, wie Großbritannien und den USA. Hieraus erklärt sich auch die Ähnlichkeit des Begriffes Nachhaltigkeit mit dem englischsprachigen Begriff der Sustainablity.880 Allgemein kann festgestellt werden, dass der Begriff der Sustainability im Deutschen unterschiedlich, bspw. mit Nachhaltigkeit, welche die wohl gebräuchlichste Form darstellt, bzw. mit Zukunftsverträglichkeit sowie dauerhaft umweltgerechter Entwicklung, übersetzt wird.881 Dabei implizieren die Begriffe mitunter ein etwas anderes Begriffsverständnis. In der Regel ist der Begriff der Nachhaltigkeit jedoch die gängigste Übersetzung. Zur Historie der Begriffe Nachhaltigkeit bzw. Sustainability sei auf Grober (2002) sowie Karafyllis (2000) verwiesen. Im Kontext der Begriffsentwicklung wurde der nachhaltige Ertrag auch als sustainable yield bezeichnet, in der ökonomischen Theorie durch das Leitbild eines nachhaltigen Wachstums, als sustainable growth, ersetzt. Gleichermaßen vollzog sich die Etablierung des Begriffes der sustainable development im globalen Diskurs des Übergangs vom 20. zum 21. Jahrhundert.882 Der Begriff der Nachhaltigkeit beinhaltet Aussagen über eine intergenerationale Verteilungsgerechtigkeit, wobei hierunter eine Gerechtigkeit der Verteilung von Nutzen und Last zwischen unterschiedlichen Generationen gemeint ist.883 Verbunden mit dieser Begriffsauffassung ist die wohl bedeutsamste Definition des Begriffes bzw. Konzeptes der Nachhaltigkeit im Bereich der Politik des 20. Jahrhunderts, die von der Brundlandt-Kommission erarbeitet wurde. Die Brundlandt-Kommission, deren offizielle Bezeichnung World Commission on Environment and Delevopment ist, wurde nach der Umweltkonferenz von Nairobi im Jahre 1982 gegründet. Ihre Vorsitzende war die norwegische Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundlandt. Die Definition der Brundtland-Kommission ist die Basis 875 876 877 878 879 880 881 882 883
Vgl. Beermann (2002), S. 207. Siehe auch Nutzinger (2005). Vgl. Radermacher (2004), S. 29. Vgl. Suchanek (2004), S. 93. Vgl. Mieth (2003), S. 182-183. Vgl. Nutzinger/Radke (1995), S. 15; Nutinger (2005), S. 406; König (2005), S. 481-482. Vgl. Diefenbacher (2001), S. 59. Vgl. Diefenbacher (2001), S. 58 und 65. Vgl. Diefenbacher (2001), S. 59-60; Mieth (2003), S. 183-184. Siehe auch Grober (2002); Karafyllis (2000). Vgl. Beermann (2002), S. 208; Radermacher (2004), S. 29.
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des Begriffsverständnisses der Nachhaltigkeit der United Nations Conference on Environment and Development (UNCED) in Rio de Janeiro aus dem Jahre 1992.884 Zum einen heißt es eine Entwicklung nachhaltig zu machen, und somit die Voraussetzungen einer Entwicklung zu schaffen,885 „[...] die den gegenwärtigen Bedarf zu decken vermag, ohne gleichzeitig späteren Generationen die Möglichkeit zur Deckung des ihren zu verbauen.“886 Somit ist Nachhaltigkeit eine Entwicklung, „[…] die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, daß künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können.“887 Das durch die Brundtland-Kommission vor mehr als zweieinhalb Jahrzehnten definierte Konzept der Nachhaltigkeit kann als das Erste seiner Art betrachtet werden. Es scheint immer noch nichts von seiner Aktualität verloren zu haben. Das Konzept beinhaltet zwei Gerechtigkeitspostulate, bei denen zum einen alle Menschen ein Grundrecht auf eine intakte natürliche Umwelt und einen angemessenen Lebensstandard haben, und zum anderen eine Beachtung der Bedürfnisse nachfolgender Generationen bei der Entscheidungsfindung erfolgen soll. Darüber hinaus ist zusätzlich zu den zwei Gerechtigkeitspostulaten der Grundsatz unternehmerischen Handelns, bei dem ein Ausgleich von ökologischen, ökonomischen sowie sozialen Aspekten hergestellt werden soll, von Bedeutung.888 Allgemein wird das Konzept der Nachhaltigkeit in den meisten Fällen in die drei Komponenten der ökonomischen Nachhaltigkeit, der ökologischen Nachhaltigkeit und der sozialen Nachhaltigkeit differenziert.889 Unternehmen verstehen unter einer nachhaltigen Wirtschaftsweise eine Gleichberechtigung ökonomischer, ökologischer und sozialer Aspekte. Allerdings wirkt diese nachhaltige Wirtschaftsweise oftmals nicht als Begrenzung für unternehmerisches Handeln, bspw. in den Bereichen wo ökologische Belastungen zu groß werden.890 Dies kann als ein Unterscheidungskriterium zur Unternehmensethik aufgefasst werden. Denn die (Unternehmens-)Ethik befasst sich u. a. mit einer Diskussion einer potenziellen Begrenzung bzw. Veränderung des wirtschaftlichen Handelns und der Rechtfertigung von Handlungen. Dabei handeln Unternehmen oftmals nach dem Konzept der Nachhaltigkeit, weil hieraus ökonomische Vorteile erwartet werden oder ökonomische Nachteile vermieden werden sollen.891 Eine zukunftsorientierte Wertschöpfung einer wettbewerbsorientierten Marktwirtschaft kann nur erbracht werden, wenn sich dies in ökonomischer, als auch moralischer Hinsicht, bspw. in gesellschaftlicher Anerkennung, lohnt.892 Dabei erfolgt ohne Wertschöpfung kein Wertetransfer.893 Hierbei ist anzumerken, dass eine integrierte Wertschöpfung in einer Marktwirtschaft nur dort betrieben werden kann, wo keine
884 885 886 887 888 889 890 891 892 893
Vgl. Diefenbacher (2001), S. 62-63; König (2005), S. 482. Vgl. Beermann (2002), S. 213. Vgl. Hauff (1987), S. 9-10. Hierbei handelt es sich um die deutsche Fassung des Brundland-Berichtes. Vgl. Hauff (1987), S. 46. Vgl. Wippich (2004), S. 13; Campino/Hoffmann (2004), S. 141-142. Vgl. Lohrie/Merck (2000), S. 43-44; König (2005), S. 483. Vgl. Flasbarth (2002), S. 31. Vgl. Flasbarth (2002), S. 38. Vgl. Zimmerli (2006), S. 19. Vgl. Karitzki (2004a), S. 90.
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kognitiven und moralischen Dissonanzen vorherrschen.894 Dies ist allerdings nur erreichbar, wenn Synergiepotenziale zwischen ökonomischer Wertschöpfung und moralischer Wertorientierung durch Sinngebung optimiert werden können. Dies ist die Bedeutung des Begriffes der Nachthaltigkeit in der Wirtschaft, verstanden als die Optimierung von Wirtschaftlichkeit, Sozialverträglichkeit und Umweltverträglichkeit.895 Somit wird nachhaltiges Handeln aus der strategischen Sichtweise des Unternehmens oftmals vollzogen, wenn sich das Unternehmen hieraus Wettbewerbsvorteile verspricht. Beispielsweise wurden im Bereich des technischen Umweltschutzes ökologische Fortschritte realisiert, da erkannt wurde, dass sich hierdurch Kosten senken lassen können. Aber auch der Markt selber wurde als Wachstumsmarkt definiert. Die Einsparung von Kosten über die Ressourceneinsparung hat den Nebeneffekt, dass auch die Natur entlastet wird. Im Allgemeinen kann ein Geschäftsmodell direkt auf die Entwicklung ökologischer Produkte ausgerichtet sein und ein neuer Markt geschaffen werden. Jedoch stellen sich dieser Aufgabe meistens nur wenige Unternehmen. Nachteilig anzumerken ist allerdings, dass lediglich nachhaltig bzw. ethisch gehandelt wird, wenn dies ökonomisch sinnvoll erscheint. Eine proaktive Haltung, bspw. zum Schutz der Artenvielfalt, ohne direkten ökonomischen Nutzen wird meist nicht eingenommen.896 In der Literatur wird Unternehmen oftmals angeraten, ein professionelles Nachhaltigkeitsmanagement proaktiv zu betreiben. Aus einer rein qualitativen Sichtweise erscheinen Nehm (2002) drei Bereiche als bedeutsam für den Nutzen eines Nachhaltigkeitsmanagements:897
Generierung von Ansehen bzw. Reputation als einem immateriellen Wert. Frühe Identifikation sowie Prävention von Risiken, die Auswirkungen auf die Reputation des Unternehmens, der Lieferanten und Kunden haben könnten.898 Dabei sollte eine Minimierung von Regulierungen vorgenommen werden, um Handlungsfreiräume zu erhalten. Erzielung einer Ressourceneffizienz durch Innovation sowie eine bessere Kontrolle der Wertschöpfungskette. Hieraus kann sich direkt ein monetärer Nutzen ergeben.
Der Nutzen eines Nachhaltigkeitsmanagements, sowie der hiermit verbundenen wirksamen Kommunikation, ist bisher nicht umfassend wissenschaftlich untersucht worden. Daher fordert Nehm (2002), dass die wissenschaftliche Forschung den Zusammenhang der Wirkung von Nachhaltigkeit und Shareholder-Value näher gehend analysiert.899 Erste wissenschaftliche Studien kommen zu dem Ergebnis, dass eine Berücksichtigung von Kriterien der Nachhaltigkeit im Asset-Management zu keinem signifikant schlechteren Ergebnis führt. Diese Aussage läuft der allgemein angenommen Meinung eines Renditeverlustes bei nachhaltigem Investment zuwider. Darüber hinaus verbessert sich die Performance, wobei allerdings keine signifikante Verbesserung nachgewiesen werden kann. Auf eine Reduzierung des Risikos wird durch Indizien hingewiesen.900
894 895 896 897 898 899 900
Vgl. Zimmerli (2006), S. 18. Vgl. Zimmerli (2006), S. 19. Vgl. Flasbarth (2002), S. 36. Siehe auch die Auführungen bei König (2005). Vgl. Nehm (2002), S. 193. Siehe zu einer integritätsorientierten Lieferantenbewertung bspw. Fürst/Wieland (2004a). Vgl. Nehm (2002), S. 193. Vgl. Wippich (2004), S. 19-20.
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Abschließend kann festgehalten werden, dass der Begriff der Nachhaltigkeit gleichbedeutend ist mit einer Verantwortung gegenüber der gesamten Menschheit sowie zukünftiger Generationen und nicht nur eine Verantwortung eines Unternehmens gegenüber seinen Stakeholdern, wie dies meist beim Begriff der Corporate Social Responsibility aufgefasst wird.901 König (2005) merkt an, dass das Konzept der Nachhaltigkeit, wie bspw. auch Instrumente bzw. Ideen wie Corporate Citizenship oder Corporate Social Responsibility, als eine regulative Idee gesehen werden kann. Dabei gibt es nach Kant nichts, was einer regulativen Idee in der Realität entspricht. Die Funktion ist es vielmehr, eine Orientierung zum Handeln zu geben. Die regulative Idee bildet einen kontinuierlichen Antrieb zum Lernen und zu Verbesserungsprozessen.902 2.2.4.1.2
Corporate Social Responsibility
Der Begriff Corporate Social Responsibility (CSR) stammt ursprünglich aus der angloamerikanischen (Wirtschafts-)Debatte. Eine Diskussion findet dabei über die letzten vierzig Jahre hinweg statt, wobei das Thema CSR niemals aktueller war, als in der heutigen Zeit.903 Das Konzept der CSR ist vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Stakeholder des Unternehmens, wie bspw. Kunden bzw. Konsumenten, Investoren, Unternehmen, Öffentlichkeit und Medien, Staat und staatliche Institutionen, oder Nicht-Regierungs-Organisationen bzw. Non-Governmental-Organizations (NGOs), zu betrachten. Es bestehen somit unterschiedlichste (Eigen-)Interessen in diesem Kontext. Der Kern der Diskussion wird zumeist durch Sozial- und Umweltstandards vor dem Hintergrund ökonomischen Handelns gebildet. Im Bereich der Sozialstandards sind bspw. menschenwürdige Arbeitsbedingungen und Sicherheit am Arbeitsplatz, Bekämpfung von Diskriminierung, Meinungs- und Religionsfreiheit von Bedeutung. Jedoch unterscheiden sich die Elemente sowie die Gewichtung in Abhängigkeit von den Stakeholdern. Die Diskussion im CSR ist dynamisch und befindet sich, nicht zuletzt aufgrund der Medienberichterstattung in einem kontinuierlichen Wandel.904 Dabei ist anzumerken, dass es eine Vielzahl unterschiedlicher Definitionen und Auffassungen zum Konzept der Corporate Social Responsibility gibt. Nach de Colle (2004) ist es im Kern aller Debatten aber entscheidend, auf welche Art und Weise ein Unternehmen mit seinen Stakeholdern umgeht, denn dies kann als ein Abbild seiner Corporate Social Responsibility gesehen werden.905 Allgemein umfasst das Konzept der Corporate Social Responsibility im Kern ökonomische, soziale und ökologische Aspekte. Diese drei Aspekte werden auch als Triple Bottom Line bezeichnet.906 In Europa wurde der Begriff Corporate Social Responsibility im Jahre 2001 durch die Veröffentlichung des so genannten EU-Grünbuches etabliert. Unter CSR wird ein sozial verantwortliches Verhalten und Handeln von Unternehmen verstanden, welches durch die Initiierung des Begriffes im Rahmen der Veröffentlichung des EU-Grünbuches angeregt werden sollte.907
901 902 903 904 905 906 907
Vgl. Bassen/Jastram/Meyer (2005), S. 234. Vgl. König (2005), S. 482-483 und 495. Vgl. Smith (2003), S. 52-53 und 54; Bassen/Jastram/Meyer (2005), S. 231; Fuchs-Gamböck (2006), S. 11. Vgl. Bassen/Jastram/Meyer (2005), S. 232-233; Fuchs-Gamböck (2006), S. 12-13. Vgl. de Colle (2004), S. 526. Vgl. Bethin (2003), S. 69. Vgl. Kleinfeld (2005), S. 45.
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Ein wesentlicher Bezugsrahmen für die CSR-Ausrichtung der EU-Kommission ist die sogenannte Lissabon-Strategie, deren Ziel es ist, die Europäische Union bis zum Jahre 2010:908 „[...] zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu machen - einem Wirtschaftsraum, der fähig ist, ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum mit mehr und besseren Arbeitsplätzen und einem größeren sozialen Zusammenhalt zu erzielen.“ Corporate Social Responsibility wird im EU-Grünbuch verstanden, als:909 „[…] ein Konzept, das den Unternehmen als Grundlage dient, auf freiwilliger Basis soziale Belange und Umweltbelange in ihre Unternehmenstätigkeit und in die Wechselbeziehungen mit den Stakeholdern zu integrieren. Sozial verantwortlich handeln heißt nicht nur, die gesetzlichen Bestimmungen einhalten, sondern über die bloße Gesetzeskonformität hinaus „mehr“ investieren in Humankapital, in die Umwelt und in die Beziehungen zu anderen Stakeholdern.“ Nach Auffassung der Europäischen Kommission stellen Unternehmen zunehmend fest, dass ein verantwortliches Verhalten zu einem nachhaltigen Unternehmenserfolg führt.910 In diesem Zusammenhang handelt ein Unternehmen sozial verantwortlich, wenn durch seine Strategien, Prozesse und die Umsetzung von Maßnahmen ein für alle Betroffenen annehmbares Gleichgewicht zwischen den Erfordernissen und Bedürfnissen der verschiedenen Stakeholder hergestellt wird.911 Leisinger (2005a) merkt in diesem Kontext an, dass eine Beachtung ökonomischer, sozialer und ökologischer Aspekte vor dem Hintergrund einer langfristig angelegten Unternehmensstrategie zu vollziehen ist. Eine kurzfristige Unternehmensstrategie beachtet hingegen nicht die Gesamtheit aller drei Aspekte, sondern legt zumeist einen Schwerpunkt auf einen der drei Punkte.912 Im Bereich CSR setzt die EU913 auf freiwillige Vereinbarungen und Verpflichtungen der Unternehmen und nicht auf eine rechtliche Regulierung.914 Gleichermaßen ist es ein Ziel der EU das Konzept der Corporate Social Responsibility auch in kleinen und mittleren Unternehmen bekannt zu machen, so dass auch diese Unternehmen CSR in ihrem Handeln umsetzen können. Nach Sommer (2004) ist es für die Zukunft notwendig, einen Schwerpunkt der Förderung sozialer Verantwortung auf (national agierende) kleine und mittlere Unternehmen zu legen, da das Konzept bisher verstärkt auf (international agierende) (Groß-)Unternehmen ausgerichtet war.915 Kleinfeld (2005) ist der Auffassung, dass die Darstellungen des Grünbuches vor allem von kleinen und mittleren Unternehmen nicht durchgehend positiv aufgenommen werden, da für die Zukunft auf Basis des Grünbuches eine Regulierung der aktuell freiwilligen Maßnahmen befürchtet wird, die vielen Unternehmen zu weit gehen würde. Anzumerken ist hierbei, dass die Ausführungen des Grünbuches verschiedene Konzepte miteinander vermischen. Einerseits werden ethische Verantwortlichkei908 909 910 911 912 913 914
915
Vgl. Europäischer Rat (2000), S. 2. Vgl. Europäische Kommission (2001), S. 7; Europäische Kommission (2002), S. 5. Vgl. Europäische Kommission (2002), S. 5-6. Vgl. Englisch et al. (2007), S. 10. Vgl. Leisinger (2005a), S. 238. Zur Relevanz von CSR in Europa siehe als Grundlage die Ausführungen von Bethin (2003). Englisch et al. (2007), S. 9-10. Eine konträre Ansicht vertritt bspw. Sommer (2004). Er fordert (rechts-)verbindliche Maßnahmen zur Realisierung und Einhaltung von CSR, da freiwillige Maßnahmen nicht ausreichend seien. Daher betrachtet er eine europäische Rechtssetzung als notwendig. Siehe hierzu Sommer (2004), S. 78-81. Vgl. Sommer (2004), S. 84-85.
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ten von Unternehmen, wie bspw. die Einhaltung von Arbeits- und Sozialstandards oder der Menschenrechte, im Grünbuch angeführt. Diese Darstellung dürfte wenig Konfliktpotenzial bieten. Aber andererseits werden gleichsam Aktivitäten des Corporate Citizenship angeführt, die völlig freiwilliger Nutzung sind. Er erfolgt somit eine Vermischung von Forderungen der Einhaltung sozial-ethischer (Mindest-)Standards mit freiwilligen Leistungen der Unternehmen.916 Anzumerken ist an dieser Stelle, dass die Ergebnisse der Studie „Verantwortung und Entrepreneurship – Nachhaltige Unternehmensführung im Mittelstand“ von Englisch et al. (2007) auf eine positive Aufnahme und Bewertung des Konzeptes der Corporate Social Responsibility im Mittelstand hindeuten. Im deutschen Mittelstand werden zahlreiche CSR-Instrumente eingesetzt. Es zeigen sich konkrete Hinweise, dass moralischethisch gehandelt wird, ohne dies jedoch dabei umfassend außerhalb des Unternehmens zu kommunizieren. Corporate Social Responsibility ist dabei „Chefsache.“917 Konkrete Maßnahmen im Sinne einer Corporate Social Responsibility sollen zeigen, dass ein Unternehmen sich seiner gesellschaftspolitischen Verantwortung voll bewusst ist.918 Kraft/Hage (1990) kommen zu dem Schluss, dass für Unternehmen die Ausprägungen der Unternehmensziele, die Unternehmensgröße und die Profitabilität vorherrschende Charakteristika sind, und Corporate Social Responsibility zumeist noch nicht vollständig mit den Unternehmenszielen, der Strategie und Struktur des Unternehmens verbunden ist.919 In der Unternehmensberichterstattung ist der Trend von reinen Umweltberichten zu Nachhaltigkeitsberichten, oder weitergehend zu „Corporate Social Responsibility“ Berichten, zu verzeichnen. Stakeholder erwarten nicht alleine eine Rechenschaftslegung rein über die Ergebnisse des Geschäftsverlaufes. Vielmehr wird verstärkt eine Rechenschaft über die Unternehmensstrategie und -kultur, die Mitarbeiter des Unternehmens oder aber die Einstellung des Unternehmens in Bezug auf die Umwelt, Kultur und Gesellschaft gefordert. Hierbei ist die Schaffung von mehr Transparenz von Bedeutung, die eine Überwindung der Auffassung des Unternehmens als „black box“ hin zu einer Unternehmenspersönlichkeit, die spezifische Werte und Visionen beinhaltet, fördert. Dies dient der Generierung von Glaubwürdigkeit, Transparenz und Vertrauen.920 Für die Erstellung von CSR Berichten können unterschiedliche Hilfestellungen und Instrumentarien in der Praxis identifiziert werden. Beispielsweise werden durch die Association of British Insurers (ABI) „disclosure guidelines on social responsibility“ entwickelt, nach denen soziale, ökologische und ethische Faktoren innerhalb des Geschäftsberichtes offen gelegt werden sollen.921 Dresewski/Kromminga/Mutius (2004) sind der Meinung, dass die soziale Wertedimension als Bestandteil des Unternehmens aufzufassen ist. Daher sollte diese zur Gesamtstrategie des Unternehmens gehören und gleichermaßen in die Management-, Mess- und Reporting Systeme integriert werden.922 Allgemein ist Corporate Social Responsibility somit ein dynamisches Konzept der Reflektion eines gesellschaftlichen Diskurses um die moralische Verantwortung von Unternehmen für die ökologischen und sozialen Auswirkungen ihrer Handlungen. Dabei ist CSR ein Teilbereich des Stakeholder916 917 918 919 920 921 922
Vgl. Kleinfeld (2005), S. 45-46. Siehe die Ergebnisse bei Englisch et al. (2007). Vgl. Werhahn (1990), S. 80. Vgl. Kraft/Hage (1990), S. 11-19. Vgl. Wippich (2004), S. 20; Mosdorf (2004), S. 20. Vgl. Wippich (2004), S. 21. Vgl. Dresewski/Kromminga/Mutius (2004), S. 490-491.
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dialoges. Es umfasst die Teilbereiche einer ökokomischen, ökologischen und sozialen Verantwortung.923 Ein soziales Engagement von Unternehmen kann für die Mitarbeiter sinnstiftend sein und einen Beitrag zum Aufbau von Loyalität und Bindung im Unternehmen leisten.924 2.2.4.1.3
Corporate Citizenship
Nach Dahrendorf (1995) ist Citizenship ein nicht-ökonomischer Begriff, der die Stellung der Menschen unabhängig von dem relativen Wert ihres Beitrages zum Wirtschaftsprozess definiert.925 Diese Definition kann auch als Grundlage für den Begriff Corporate Citizenship gesehen werden. Als Corporate Citizenship (CC) wird das soziale Engagement von Unternehmen bezeichnet. Mit diesem Begriff werden einerseits gesellschaftliche Nutzenziele, verstanden als Stärkung des Gemeinwohls, und andererseits unternehmensbezogene Nutzenziele, bspw. im Sinne einer Verbesserung des Images und der Motivation der Mitarbeiter, verbunden.926 Unter Corporate Citizenship kann somit ein freiwilliges bürgerschaftliches Engagement von Unternehmen für das Gemeinwohl, wie bspw. die Förderung von Bildung und Wissenschaft, Sport oder Kultur, verstanden werden.927 Somit engagiert sich ein Unternehmen im Sinne eines Corporate Citizen für das Gemeinwohl und übernimmt ein freiwilliges, bürgerschaftliches Engagement. Dabei erfolgt eine Bündelung der Aktivitäten des Unternehmens im Gemeinwesen und deren strategische Ausrichtung auf übergeordnete Unternehmensziele.928 Dabei kann nach Wieland (2003) ein gesellschaftliches Engagement auf kommunaler, nationaler und internationaler Ebene sowie ein politisches und sozialpolitisches Engagement erfolgen.929 Dresewski/Kromminga/Mutius (2004) sehen im Corporate Citizenship keine „Schönwetterveranstaltung“, sondern vielmehr einen direkten, unternehmerischen Nutzen, wie bspw. ein strategisches Eigeninteresse der innovativen und kooperativen Gestaltung von Beziehungen zum unternehmerischen Umfeld. Die Generierung einer CorporateCitizenship-Strategie sollte dabei auf die langfristigen Unternehmensziele vor dem Hintergrund der strategischen Unternehmensentwicklung ausgerichtet werden.930 So merkt Behrent (2003) auch an, dass als Reaktion auf weltweite Entwicklungen, sich das bürgerschaftliche Engagement der Unternehmen vom Mäzenatentum bzw. einer paternalistischen Fürsorge zu einer Managementaufgabe wandelt.931 Die gesellschaftlichen bzw. bürgerschaftlichen Aktivitäten eines Unternehmens sind somit zumeist auf strategische Ziele ausgerichtet.932 Dabei ist ein bürgerschaftliches Engagement nicht abhängig von der Unternehmensgröße. So können gerade kleine und mittlere Unternehmen als Promotoren sozialer und ökologischer Initiativen gesehen werden.933 Das Spektrum der Leistungen kann als umfassend charakterisiert, und es können unterschiedliche Professionalisierungsgrade in der Realisation von Corporate Citizenship aufgezeigt werden. Der Um923 924 925 926 927 928 929 930 931 932 933
Vgl. Bassen/Jastram/Meyer (2005), S. 235. Vgl. Dresewski/Kromminga/Mutius (2004), S. 499. Vgl. Dahrendorf (1995), S. 33. Vgl. Willmann (2004), S. 86. Vgl. Kleinfeld (2005), S. 46; Bassen/Jastram/Meyer 82005), S. 234; Fuchs-Gamböck (2006), S. 17. Vgl. Flasbarth (2002), S. 31; Dresewski/Kromminga/Mutius (2004), S. 490. Vgl. Wieland (2003), S. 14. Vgl. Dresewski/Kromminga/Mutius (2004), S. 490-491. Ähnlich Wieland (2002), S. 9-11. Vgl. Behrent (2003), S. 22. Vgl. Bassen/Jastram/Meyer 82005), S. 234. Vgl. Dresewski/Kromminga/Mutius (2004), S. 492 und 512. Zur Entwicklung einer Corporate-Citizenship-Strategie für ein Unternehmen siehe ausführlich Dresewski/Kromminga/Mutius (2004).
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gang mit Corporate Citizenship Leistungen ist so differenziert, wie der Begriff selbst, für den keine einheitliche Definition vorliegt.934 Als potenzielle Instrumente von Corporate Citizenship, die in Anlehnung an den Marketing-Mix in Form eines Corporate-Citizenship-Mix angewendet werden sollen, lassen sich in der Praxis zumeist die folgenden neun Instrumente auffinden: Corporate Giving (Unternehmensspenden), Social Sponsoring (Sozialsponsoring), Corporate Foundations (Unternehmensstiftungen), Corporate Volunteering (gemeinnütziges Arbeitnehmerengagement), Cause Related Marketing935 (Zweckgebundenes Marketing), Social Commissioning (Auftragsvergabe an soziale Organisationen), Community Joint Venture (Gemeinwesen Joint Venture), Social Lobbying (Lobbyarbeit für soziale Anliegen) sowie Venture Philanthropy (Soziales Venture, Risiko bzw. Wagniskapital). In Deutschland sind bisher die Spenden- und Sponsoringaktivitäten von Unternehmen am weitesten verbreitet.936 Allerdings kann eine übermäßige Konzentration auf wohltätige Zwecke, bspw. in Form von Sponsoring, in der Außenwirkung auch negativ aufgefasst werden, wenn eine konsequente Behandlung unternehmensethischer Problemstellungen außer Acht gelassen wird. Dann können Aktivitäten wie das Sponsoring als eine Form des Freikaufens von einem schlechten Gewissens, in Analogie zu dem Kauf eines Ablassbriefes, verstanden werden. Denn kritische Beobachter achten darauf, wie das Unternehmen seine Gewinne erwirtschaftet und nicht alleine wo es diese Gewinne wieder in andere (wohltätige) Aktivitäten investiert.937 Wieland (2003) weist darauf hin, dass die Begriffe und dahinter liegenden Konzepte von Corporate Citizenship und Corporate Social Responsibility nicht synonym aufzufassen sind. Corporate Citizenship beinhaltet eine demokratietheoretische Basis in Form der Rechte und Pflichten des Unternehmens als moralisch proaktiver und kollektiver Bürger. Hingegen ist Corporate Social Responsibility ein werte- und normengeleitetes Management zur Lösung sozialer sowie ökologischer Problemlagen. Wie eine solche Problemlage definiert wird, vollzieht sich über Stakeholder und gesellschaftliche Standards. Somit ist CSR ein problemgetriebenes Wertemanagementkonzept938 Eine Analyse von Schrader (2003) zeigt, dass eine klare Abgrenzung von Corporate Social Responsibility und Corporate Citizenship nicht möglich ist, da vor unterschiedlichen Begriffsdefinitionen argumentiert wird. Corporate Citizenship kann bspw. definiert werden als Corporate Citizenship im engeren Sinne (bürgerschaftliches Engagement an der Schnittstelle zur Zivilgesellschaft), als Corporate Citizenship im weiteren Sinne (bürgerschaftliches Engagement an den Schnittstellen zu Zivilgesellschaft und Staat) sowie Corporate Citizenship im weitesten Sinne (bürgerschaftliches Engagement an den Schnittstellen zu Zivilgesellschaft und Staat sowie im Kerngeschäft). Eine Abgrenzung ist nach Schrader nur möglich, wenn der Begriff des Corporate Citizenship (inhaltlich) reduziert wird, bspw. auf die Spendenaktivitäten von Unternehmen (Corporate Giving) und die Abstellung bzw. Freistellung von Mitarbeitern eines Unternehmens (Corporate Volunteering). In der Abgrenzung der Begrifflichkeiten ist zu fragen, ob 934 935
936 937 938
Vgl. Wieland (2003), S. 14. Hierbei handelt es sich um eine Marketing-Strategie, die den Verkauf von Produkten mit der Unterstützung eines sozialen Zweckes bzw. einer Organisation verbindet. Ein konkretes Beispiel hierfür ist der Musikplayer iPod (Product) Red von Apple. Hier wird ein Teil des Kaufpreises an den Global Fund zur Bekämpfung von HIV/AIDS in Afrika weitergegeben. Siehe <www.apple.com/ipod/red/> sowie übergeordnet die Organisation hinter (Product) Red <www.joinred.com>. Vgl. Dresewski/Kromminga/Mutius (2004), S. 493 und 497-498; Fuchs-Gamböck (2006), S. 18-19. Vgl. Nehm (2002), S. 181. Vgl. Wieland (2003), S. 15-17.
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der Begriff Corporate Citizenship ein übergeordnetes, gleichwertiges oder untergeordnetes Konzept zu Corporate Social Responsibility darstellt.939 Englisch et al. (2007) sehen Corporate Citizenship als einen Teilbereich von Corporate Social Responsibility.940 Diese letztgenannte Auffassung wird auch in dieser Ausarbeitung vertreten, wenn gleich bekannt ist, dass hier unterschiedliche definitorisch-konzeptionelle Auffassungen in der Literatur vertreten werden. Die Dimensionen des Shareholder Value und des gesellschaftlichen Engagements eines Unternehmens als Corporate Citizen stehen für Pierer (2002) in einem engen Zusammenhang. Dabei sieht er ein Dreieck des Einklangs zwischen den Dimensionen des wirtschaftlichen Erfolges, der Sicherung der Arbeitsplätze und der öffentlichen Akzeptanz des Unternehmens. Die Sicherung des wirtschaftlichen Erfolges bildet die Basis der beiden anderen Dimensionen.941 Im Kontext der Globalisierung erfolgt, in Ermangelung und Kompensation globaler Gesetzes- bzw. Rahmenordnungen, eine Zuordnung hoher Verantwortung an Unternehmen bei der Gestaltung einer sozial-gerechten, globalen Welt im Sinne eines Global Corporate Citizen. Aus ethischer Sichtweise sind diese an Unternehmen vorgebrachten Forderungen als nicht verpflichtend zu sehen und bilden somit tendenziell eher freiwillige Leistungen im Sinne einer Tugendethik.942 Für Behrent (2003) ist der Begriff dabei immer mit dem Konzept der Verantwortung verbunden und nicht beliebig interpretierbar. Neben allen Interpretationen von Corporate Citizenship (im Kontext der Überschneidung mit anderen Begriffen, wie bspw. CSR) ist es wichtig, dass diese Konzepte zu einer Diskussion über die Verantwortung von Unternehmen vor dem Hintergrund einer (angewandten) Wirtschafts- und Unternehmensethik, hinsichtliche eines moralischethisches Handelns, anregen.943 2.2.4.1.4
Corporate Governance
Corporate Governance (CG) basiert auf den Grundgedanken der Informationsasymmetrie der Principal-Agency-Theorie hinsichtlich der Notwendigkeit einer Überwachung des Managements (Agenten) durch die Eigentümer des Unternehmens (Prinzipale). Hierbei wird eine Problematisierung der Trennung von Eigentum und Kontrolle vorgenommen.944 Dabei bezeichnet Corporate Governance im Kern die Auseinandersetzung mit der Fragestellung, was (gute) Unternehmensführung und Unternehmenskontrolle ausmachen.945 Vor dem Hintergrund der Unternehmensskandale der letzten Jahre, wie bspw. Enron, WorldCom oder Parmalat, wurden regulatorische Maßnahmen bzw. Gesetze erlassen, die im Kern alle darauf abstellen, das Vertrauen der Investoren in die Unternehmen und somit in die Kapitalmärkte zu erhöhen bzw. wiederzugewinnen, und mehr Transparenz zu generieren. Dabei erfolgt oftmals eine Fokussierung auf die Erfüllung von (mehr oder weniger akzeptierten) Regeln bzw. die Erbrin939
940 941 942 943 944
945
Vgl. Schrader (2003), S. 64-67. Verwiesen sei aber auch auf die gesamte Ausarbeitung. Seitz (2002) liefert bspw. eine (internationale) Studie unter dem Begriff Corporate Citizenship. Diese Studie könnte vermutlich aber tendenzieller eher dem CSR-Bereich zugeordnet werden. Vgl. Englisch etl al. (2007), S. 9. Vgl. Pierer (2002), S. 53-54. Vgl. Kleinfeld (2005), S. 47. Vgl. Behrent (2003), S. 26-27. Vgl. Grüninger (2001), S. 144-48; Grüninger/John (2004), S. 150. Siehe grundlegend bspw. Jensen/Meckling (1976); Eisenhardt (1989); Richter/Furubotn (2003). Vgl. Bassen (2002a), S. 150; Eigenstetter/Hammerl (2005), S. 23. Bassen (2002a), S. 150 weist darauf hin, dass das Begriffsverständnis in Deutschland facettenreich ist. Denn unter dem Begriff kann auch die Unternehmensaufsicht, Unternehmensüberwachung, Herrschaft im Unternehmen bzw. die Unternehmensverfassung als institutioneller Rahmen und Leitungskontrolle verstanden werden. Siehe hier ausführlich auch die Literatur bei Bassen (2002a).
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gung eines Nachweises, dass gegen diese Regeln nicht verstoßen wurde.946 In Deutschland sind in den letzten Jahren das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG), und der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) gemeinschaftlich mit der im Transparenz- und Publizitätsgesetz (TransPuG) gesetzlich festgeschriebenen Verpflichtung zur Abgabe einer Entsprechungserklärung (Comply or Explain)947 institutionalisiert worden. Diese Bestimmungen bilden den Kern einer regulativen Mindestanforderung an die Corporate Governance in Deutschland. Somit müssen deutsche börsennotierte Unternehmen per Gesetz einen Corporate Governance Kodex erstellen.948 In diesem Kontext ist anzumerken, dass Corporate Governance eine Bündelung von Prinzipien und Standards ist, bei der kein Universalmodell besteht, denn gerade im internationalen Kontext ist die Corporate Governance unterschiedlich institutionell ausgeprägt.949 Der Deutsche Corporate Governance Kodex, der im Zeitraum von September 2001 bis Mai 2003 von einer Regierungskommission erarbeitet wurde und aktuell weiter überwacht wird, führt keine ethischen Motive an. Die Zielgruppe sind der Vorstand und Aufsichtsrat (börsennotierter) Kapitalgesellschaften. Die Bestimmungen dieses Kodex werden durch gesetzliche Vorgaben bzw. gesetzliche Regelungen (muss), Empfehlungen bzw. optionale Bestimmungen (soll) und Anregungen (kann) gebildet. In diesem Kontext sind die SollEmpfehlungen diejenigen gesetzesergänzenden Regelungen, für die der Ansatz des comply („gehorche“) or explain („erkläre“) gilt. Die Kann-Anregungen stellen Regelungen dar, die Ausdruck guter Unternehmensführung sind, allerdings bisher in der Praxis noch nicht in der Breite durch die Unternehmen reflektiert werden. Allgemein sind die Ziele von Corporate Governance in Deutschland auf die Interessen der Aktionäre gerichtet. Es wird die duale Verfassung von Aufsichtsrat und Vorstand festgeschrieben, die Postulation einer transparenten Unternehmensführung und eine Stärkung der Unabhängigkeit von Kontrolleuren und Abschlussprüfern vorgenommen.950 Primär richtet sich der Corporate Governance Kodex an börsennotierte Unternehmen. Aufgrund von vielen allgemeingültigen Passagen wird die Beachtung auch nicht-börsennotierten Unternehmen empfohlen.951 Junge Unternehmen werden in der Diskussion über Corporate Governance häufig nicht betrachtet, da hier die (potenziellen) Interessensdivergenzen zwischen dem Management und den Eigentümern aufgrund einer hohen Zielkonvergenz, bzw. des hohes Anteilsbesitzes des Managements, zumeist gering ausgeprägt sind. Die Notwendigkeit von Corporate Governance ist für junge Unternehmen und etablierte Unternehmen unterschiedlich begründet. Aber auch für junge Unternehmen kann die Beachtung der Vorgaben der Corporate Governance vorteilhaft sein, wenngleich die Annahmen nicht für alle Unternehmen(-sformen) gleich realisierbar bzw. zutreffend sein müssen.952 Durch das Konzept der Corporate Governance wird, wie durch CSR, eine Reduktion von Risiken verfolgt. Dabei ist Corporate Governance für alle Stakeholder relevant. Im Unterschied zu CSR ist CG auf die Organe des Unternehmens beschränkt. Das Ziel ist eine Vermeidung eines Fehlverhaltens 946
947
948 949 950 951 952
Vgl. Grüninger/John (2004), S. 149; Heuskel (2004), S. 105-106; Hirsch/Sandt (2005), S. 179-180. Dabei sieht Heuskel (2004) die Forderung nach mehr Transparenz vor dem Hintergrund von Wettbewerbsworteilen nicht unkritisch. Nach dem Comply or Explain Prinzip sind Unternehmen verpflichtet, Abweichungen vom Corporate Governance Kodex zu begründen. Vgl. Albach (2005a), S. 18; Grüninger/John (2004), S. 151. Vgl. Geiß (2004), S. 182-183. Vgl. Cordes (2005), S. 50; Albach (2005), S. 18; Geiß (2004), S. 183; Brink/Tiberius (2005), S. 17; Fürst (2005), 28. Vgl. Geiß (2004), S. 183. Vgl. Bassen (2002a), S. 150 und 161-162. Siehe zur Gesamtanalyse ausführlich Bassen (2002a) sowie zusätzlich die Ausführungen von Bassen (2002b).
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des Managements durch Anreiz- und Kontrollmechanismen. Im Gegensatz hierzu erfolgt im Bereich der CSR auch eine Betrachtung und Einbeziehung von Prozessen.953 Im Bereich der Corporate Governance werden, wie im Kontext des Risikomanagements, Standards der Unternehmensführung und -überwachung definiert. Gleichermaßen soll eine systematische Früherkennung und Bearbeitung von Risiken durch ein internes Kontrollsystem institutionalisiert werden, um Transparenz zu generieren und (potenzielle) Unternehmenskrisen zu vermeiden.954 Allerdings merkt Albach (2005a) an, dass der deutsche Code of Corporate Governance bisher keine große Wirkung gezeigt habe.955 Die zuvor erfolgte Definition und Erörterung von Corporate Governance kann als enge Sichtweise (narrow view) bezeichnet werden, da sie auf die Beziehung zwischen Eigentümer (Kapital) und dem Management verweist. Grüninger/John (2004) weisen auf Basis der Ausführungen von Wieland/Fürst (2004) darauf hin, dass es auch eine weite Sichtweise von Corporate Governance geben kann, welche sich auf das Gesamtspektrum der Art und Weise unternehmerischen Handelns sowie die Beziehung zu den Stakeholdern des Unternehmens bezieht. In diesem Kontext sind nicht allein formale Regeln, wie bspw. Gesetze oder unternehmensinterne Regelungen von Bedeutung, sondern auch informale Regeln, wie die Unternehmenskultur und die Unternehmenswerte. Die weite Auffassung beinhaltet die Kontrolle des Managements durch die Anteilseigner, bleibt aber nicht auf diese beschränkt956 An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass bei dieser (weiten) Ansicht die Grenzen der Konzepte Corporate Governance und Corporate (Social) Responsibility fließend und teilweise deckungsgleich sind, je nachdem welcher (theoretischen) Schule gefolgt wird. Um eine eindeutigere Trennung der einzelnen Konzepte vornehmen zu können, wird in dieser Arbeit unter Corporate Governance die enge Auffassung vertreten.957 2.2.4.2
Zur Verbindung von Ethik und Corporate (Social) Responsibility
Corporate Social Responsibility sowie Corporate Governance (und Corporate Citizenship) sind zunächst strategische Verfahren auf der höchsten Ebene eines Unternehmens. Sie stellen keine adäquate Reaktion für die kleinen alltäglichen Probleme und Handlungen in der Unternehmenspraxis dar. Es fehlt an handlungsleitenden Reflexionskompetenzen. Nach Fassin (2005) können in der Praxis eine Vielzahl unethischer Praktiken in Unternehmen beobachtet werden, die sich bspw. der Corporate Governance verpflichtet haben, oder aber Corporate-Social-Responsibility-Aktivitäten durchführen.958 Die Durchführung von CSR-Aktivitäten, Corporate Citizenship oder die Umsetzung von Corporate Governance müssen nicht zwingend nach ethischen Handlungs- bzw. Reflexionsmaßstäben erfolgen. Praxisnahe Ausprägungen von CSR können ethisch sein und sind dies wohl i. d. R. auch.959 Aber es ist darauf hinzuweisen, dass dies nicht zwingend sein muss. Eine spezielle Anmerkung im Kontext
953 954 955 956 957
958 959
Vgl. Bassen/Jastram/Meyer (2005), S. 234-235; Eigenstetter/Hammerl (2005), S. 23. Vgl. Grüninger/John (2004), S. 153-154; Fürst (2005), S. 28-29. Vgl. Albach (2005a), S. 18. Vgl. Grüninger/John (2004), S. 153; Wieland/Fürst (2004), S. 25. So merken Grüninger/John (2004) auch auf S. 159 an, dass sich das Begriffsverständnis der weiten Definition auf die Corporate Responsibility bzw. Corporate Social Responsibility bezieht. Vgl. Fassin (2005), S. 273. So sieht Schmidt (2005a), S. 13 CSR als ein bedeutendes Instrument einer praktischen Unternehmensethik.
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
151
der Ethik erfordert der Bereich des Corporate Citizenship. Oftmals werden freiwillige Handlungen und Unterstützungen von Unternehmen bspw. in den Bereichen der Bildung, Politik oder Kultur als ethische Maßnahmen eines Unternehmens gesehen. Beispielsweise wird eine Förderung von Künstlern oder eine Einrichtung von Spielplätzen in Kindergärten als ethische Maßnahme und Verantwortung von Unternehmen betrachtet. Dabei ist allerdings anzumerken und zu reflektieren, wie die Gewinne in einem Unternehmen zur Umsetzung dieser Maßnahmen erzielt worden sind. Denn es ist hierbei strikt zwischen der Gewinnerzielung und der Gewinnverwendung zu unterscheiden.960 Ein Unternehmen kann auf unethische Weise, z. B. in Form von Kinderarbeit oder anderen unethischen Praktiken im In- und Ausland, seine Gewinne erzielen. Gleichsam kann z. B. ein Unternehmen, um noch mehr Gewinne zu erzielen, einen Teil seiner Mitarbeiter entlassen. Wird diese Vorgehensweise einer ethischen Reflexion unterzogen, kann diese, je nach der Wahl eines ethischen Begründungsmodells, mitunter als unethische Maßnahme bezeichnet werden und somit wäre die Art der Gewinnerzielung unethisch. Wenn nun ein Teil der Gewinne dann bspw. für Corporate-Citizenship-Maßnahmen verwendet wird, erscheint es fraglich, ob es sich dann um eine ethische Maßnahme des Unternehmens handelt. Die Beantwortung diese Frage ist u. a. abhängig von der Wahl der ethischen Argumentation. Dies soll hier nicht weiter vertieft werden. Das Ziel ist lediglich, kurz zu verdeutlichen, dass spezielle Corporate-Citizenship-Maßnahmen nicht immer direkt als ethisch gesehen werden können. Bassen/Jastram/Meyer (2005) sehen das Konzept der Corporate Social Responsibility als einen Teilbereich der Unternehmensethik.961 Fassin (2005) ist der Auffassung, dass Ethik im Geschäftsleben, und somit auch im Entrepreneurship-Kontext, mehr bedarf als Corporate Social Responsibility und Corporate Governance. Denn Corporate Social Responsibility und Corporate Governance decken lediglich einen kleinen Teilbereich der Unternehmensethik ab.962 Allgemein kann die Ethik, im wirtschaftlichen Kontext die Wirtschafts- und Unternehmensethik, als integrative Klammer im Bereich der Corporate Responsibility, Corporate Social Responsibility, Corporate Governance oder des Corporate Citizenship gesehen werden. Die Ethik dient dabei u. a. als Basis der Reflexion bzw. der Rechtfertigung von Handlungen. Abbildung 19 zeigt den Zusammenhang von Ethik und Corporate (Social) Responsibility.
960 961 962
Ähnlich Löhr (2004), S. 13-14. Vgl. Bassen/Jastram/Meyer (2005), S. 231. So auch Schmidt (2005), S. 13. Vgl. Fassin (2005), S. 265-266.
152
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
Corporate Responsibility
Corporate Governance
Corporate Citizenship
Corporate Social Responsibility
Ökonomische Verantwortung
UmweltVerantwortung
Soziale Verantwortung
CG Kodex
Investor Relations
Energie
Training
Bildung
Vergütung
Ressourceneffizienz
Klimaschutz
Gesund-/Sicherheit
Politik
Korruption
Risikomanagement
Abfallmanagement
Diversity
Kultur
Schnittstelle zu Aktionären und Gläubigern
Eigene Wertschöpfung und Lieferanten
Außerhalb der eigenen Wertschöpfungskette
(Wirtschafts- und Unternehmens-)Ethik als Basis der Rechtfertigung von Handlungen Abbildung 19: Zusammenhang von Ethik und Corporate (Social) Responsibility
Anzumerken ist hierbei, dass es sich bei dieser Darstellung lediglich um einen Vorschlag hinsichtlich des Zusammenwirkens von Ethik, Corporate Social Responsibility, Corporate Citizenship und Corporate Governance handelt, der nicht den Anspruch auf Allgemeingültigkeit erhebt. Vielmehr kann dieser vielleicht als Diskussionsgrundlage weiterer Ausarbeitungen gesehen werden. Zum Ansatz von Georges Enderle – Eine Verbindung von CSR und Ethik Enderle (2004) vertritt das Konzept der Unternehmensverantwortung, welches auf dem von Enderle/Travis entwickelten „ausgewogenen Unternehmenskonzept“ und dem Fähigkeitsansatz bzw. dem Ziel-Rechte-System von Sen basiert.963 Dieses ist vom Begriff realer Freiheiten sowie dem Konzept der Verantwortung964 geprägt, welches, nach Enderles Sicht, für das heutige Verständnis der ethischen Lebenswirklichkeit eine zentrale Rolle965 einnimmt. Das Konzept der Unternehmensverantwortung besteht aus drei Merkmalen. Es wird als Erstes zunächst vorausgesetzt, dass ein Unternehmen, analog zum menschlichen Individuum, einen Handlungsfreiraum mit mehr als einer Handlungsvariante sowie ein Ausmaß an ethischer Verantwortung besitzt, welches den ethischen Grundsatz beinhaltet, dass das Sollen das Können impliziert. Hierbei ergibt sich aus den beiden zuvor genannten Kriterien ein Zusammenhang, denn je größer der Handlungsfreiraum ist, desto größer ist die Verantwortung. Das zweite Merkmal des Konzeptes der Unternehmensverantwortung beinhaltet die Annahme, dass ein 963
964 965
Die Basis bildet u. a. Enderle/Travis (1998) sowie Sen (1982), Sen (1983); Sen (1987), Sen (1999) sowie die deutsche Übersetzung des Letzteren bei Sen (2005). Siehe zur Grundlage auch Kapitel 2.1.3.7.6. Enderle merkt an, dass allerdings zumeist in den Lehrbüchern der Wirtschafts- und Unternehmensethik selten eine seriöse Diskussion dieses Begriffes aufzufinden ist.
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
153
Unternehmen nicht eine reine wirtschaftliche Organisation ist, sondern vielmehr auch im sozialen (gesellschaftlichen, politischen und soziokulturellen) und ökologischen Bereich eingebunden ist. Aus der wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und ökologischen Einbindung ergibt sich das dritte Merkmal. Es handelt sich um eine ökonomische, soziale und ökologische Verantwortung des Unternehmens.966 Die Bestimmung der Unternehmensverantwortlichkeiten erfolgt auf Basis eines dreistufigen Bewertungssystems. Dabei wird eine Liste mit potenziellen Elementen erstellt, die in einem zweiten Schritt nach den drei aufeinander aufbauenden Kategorien minimaler ethischer Forderungen, positiver Verpflichtungen über das Minimum hinaus sowie dem Streben nach ethischen Idealen bewertet werden. Das kann das Unternehmen auf unterschiedliche Weise seiner ethischen Verpflichtung nachkommen und seine ökonomische, soziale und ökologische Verantwortung austarieren, wenn es zumindest die minimalen ethischen Forderungen in diesen drei Bereichen erfüllt.967 Abbildung 20 verdeutlicht diesen Zusammenhang:968 Ethische Herausforderungen: (1) Minimale ethische Forderungen (2) Positive Verpflichtungen über das Minimum (3) Streben nach ethischen Idealen (3)
ökonomische Verantwortung
(2)
• Gewinn machen/maximieren (kurzfristig/langfristig) • Verbesserung Produktqualität • Kapitalvermehrung (Eigentümer/Investoren) • Faire Behandlung der Konkurrenz • Respektierung der Lieferanten • Respektierung der Mitarbeiter (Erhalt der Arbeitsplätze, faires Gehalt, Aus-und Weiterbildung) • Den Kunden dienen
(1)
soziale Verantwortung • Erhalt und Förderung der Gesundheit • Respektierung von Gesetzen und anderen Institutionen • Respektierung von Sitten und Kultur • Engagierung im kulturellen und politischen Leben
ökologische Verantwortung • Einsatz für nachhaltige Entwicklung (geringerer Ressourceneinsatz, Umweltschutz)
Abbildung 20: Bestimmung der Unternehmensverantwortung
Für die genauere Bestimmung der Unternehmensverantwortung wird durch Enderle der Fähigkeitsansatz und das ethische Rahmenkonzept eines Ziel-Rechte-Systems nach Sen vorgeschlagen. Dabei ermöglicht der Fähigkeitsansatz eine konsequent auf Individuen ausgerichtete Informationsbasis zur Erfassung des Einflusses des Verhaltens des Unternehmens in seinen Prozessen und Ergebnissen. Enderle überträgt die von Sen (1999) bzw. Sen (2005) differenzierten fünf Gruppen realer Freihei966 967 968
Vgl. Enderle (2004), S. 258-260. Vgl. Enderle (2004), S. 260-261. In Anlehnung und Erweiterung an Enderle (2004), S. 261-262.
154
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
ten, die durch den Menschen erweitert (entwickelt) werden können. Hierbei handelt es sich um politische Freiheiten, wirtschaftliche Möglichkeiten, soziale Chancen, Transparenzgarantien und soziale Sicherheit. Die Verantwortung von Unternehmen besteht nach Enderle nun in einer Förderung dieser fünf Freiheiten hinsichtlich der ökonomischen, sozialen und ökologischen Verantwortung der Unternehmen.969 Das Konzept weist starke Verbindungen zum Ansatz der Corporate Social Responsibility970 auf, welcher auch auf die ökonomische, soziale und ökologische Dimension abzielt. Die Ausführungen von Enderle sind dabei vor dem Hintergrund der Verantwortungsethik zusehen, und stellen einen praktischen unternehmensethischen Ansatz dar.
2.3
Grundlagen und Ansätze einer Unternehmensethik
2.3.1
Zur Bedeutung der neuen Institutionenökonomik in der Unternehmensethik
Der Begriff der Institution ist sowohl in der Ethik, als auch in der Ökonomik von Bedeutung. Bereits in den Werken von Adam Smith lassen sich Ansätze der Verwendung von Institutionen erkennen. Grundlegende Werke der Institutionenökonomik sind u. a. die Arbeiten von Coase (1937) und North (1988). In der Verbindung von Ethik und Ökonomie, und speziell in den spezifischen Aspekten der Wirtschafts- und Unternehmensethik, nimmt das Konzept der Institution eine besondere Stellung ein, da für die Argumentationsstruktur wirtschafts- und unternehmensethischer Ansätze Institutionen von Bedeutung sind. Aus diesem Grunde soll folgend auf das Konzept der Institutionenökonomik, seine unterschiedlichen Definitionen bzw. Ausprägungen und den Zusammenhang zur (Unternehmens-)Ethik eingegangen werden.971 2.3.1.1
Zur Definition des Begriffes der Institutionen
In der Literatur existiert keine allgemein akzeptierte Definition des Begriffes der Institution. Prinzipiell können jedoch zwei Ansätze unterschieden werden:972
Eine Institution kann als Ergebnis eines Spiels definiert werden. Eine Institution kann als Regel eines Spiels definiert werden.
Dem ersten Ansatz können bspw. die Ausarbeitungen von Schotter (1981), und die Definition von North (1990) dem zweiten Ansatz zugeordnet werden. Denn North ist der Auffassung, dass Institutionen die Regeln eines Spiels in einer Gesellschaft sind.973 North (1992) definiert Institutionen als vom Menschen erdachte Beschränkungen menschlicher Interaktion. Dabei gestalten sie die Anreize zwischenmenschlichen Tausches. Dieser kann politischer, gesellschaftlicher oder wirtschaftlicher Art sein.974 North (1990) differenziert zwischen formellen und informellen Institutionen. In den Bereich der formellen Institutionen werden einfache, geschriebene Gesetze bzw. Rechte, die mit parlamentarischer Mehrheit än969 970 971
972 973 974
Siehe zu den Freiheiten ausführlich das Original Sen (1999) sowie die deutsche Übersetzung Sen (2005). Siehe hierzu Kapitel 2.2.4.1.2. Zur Einführung in das Konzept der neuen Institutionenökonomik siehe bspw. Göbel (2002); Voigt (2002); Richter/Furubotn (2003). Vgl. Voigt (2002), S. 33. Vgl. North (1990), S. 3; Voigt (2002), S. 34. Siehe auch Schotter (1981). Vgl. North (1992), S. 3.
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
155
derbar sind, sowie bindende private Abmachungen und Verträge eingeordnet. Als informelle Institutionen sieht North ungeschriebene Verhaltensregeln und Konventionen, deren Befolgung zunächst grundsätzlich freiwilliger Natur ist. Allerdings unterliegen diese einer gesellschaftlichen oder internen (auf die Person bezogenen) Sanktionierung.975 Middelhoff (2004) ist in diesem Kontext der Auffassung, dass in der unternehmerischen Praxis informelle Institutionen das Verhalten der Organisationsmitglieder im Unternehmen stark beeinflussen.976 Nach Wieland (1999) sind bspw. Werte, Normen und Moral informelle Institutionen.977 Voigt (2002) schlägt in Anlehnung an Ostrom (1986) eine Definition vor, nach welcher eine Institution zwei Komponenten beinhaltet. Hierbei handelt es sich um eine Regelkomponente, die gemeinhin bekannt ist sowie in Form von Geboten oder Verboten charakterisiert wird, und eine Durchsetzungs- bzw. Sanktionskomponente, die bei Regelbruch den Regelbrecher mit Sanktionen belegen kann.978 Somit können Institutionen definiert werden als:979 „[…] allgemein bekannte Regeln, mit deren Hilfe wiederkehrende Interaktionssituationen strukturiert werden und die mit einem Durchsetzungsmechanismus bewehrt sind, der eine Sanktionierung bzw. Sanktionsandrohung im Falle eines Regelverstoßes bewirkt.“ Die Überwachung einer Regel kann in Form einer Selbstüberwachung, ohne zusätzliche Sanktionsandrohung erfolgen. Weiterhin kann eine Regel durch imperative Selbstbindung der Akteure überwacht werden. Hierbei erfolgt eine Internalisierung ethischer Regeln dergestalt, dass eine intrinsische Motivation der Regelbefolgung besteht, selbst dann, wenn dies gegen ein eng definiertes Eigeninteresse verstößt. Darüber hinaus können Regeln im Sinne einer spontanen gesellschaftlichen Überwachung als informelle Kontrolle der Einhaltung gesellschaftlicher Regeln bestehen. Der Bruch einer Regel kann dann über die (Senkung der) Reputation des Regelbrechers erfolgen. Weitere Formen sind die organisierte private Kontrolle, bspw. in Form der Überwachung formeller Regeln durch private Schiedsgerichte. sowie die organisierte staatliche Kontrolle, welche ein hierarchisches Element der Über- und Unterordnung beinhaltet und durch staatliche Gerichte durchgesetzt wird.980 Voigt (2002) unterscheidet zudem zwischen internen und externen Institutionen. Interne Institutionen sind solche, deren Durchsetzung nicht unter Rückgriff auf den Staat erfolgt. Somit handelt es sich bei Regeln, deren Verstoß innerhalb der Gesellschaft sanktioniert wird, um interne Institutionen. Externe Institutionen sind Institutionen, deren Durchsetzung unter Rückgriff auf den Staat erfolgt. Bei ihnen wird ein Regelverstoß durch den Staat und somit nach Voigt außerhalb der Gesellschaft sanktioniert. Interne und externe Institutionen können in einer neutralen Beziehung (nicht miteinander verbundene Bereiche menschlichen Handelns), komplementären Beziehung (Regelüberwachung sowohl durch Staat als auch Private), substitutiven Beziehung (Überwachung der Regeleinhaltung durch den Staat
975 976 977 978 979 980
Vgl. North (1990), S. 40. Vgl. Middelhoff (2004), S. 359. Vgl. Wieland (1999b), S. 30. Vgl. Voigt (2002), S. 34-35. Voigt (2002), S. 34. Vgl. Voigt (2002), S. 36-38.
156
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
oder Private), oder konfligierenden Beziehung (Beachtung einer internen Institution ist mit dem Verstoß einer externen Institution, et vice versa, verbunden) zueinander stehen.981 Die zuvor aufgeführten Überlegungen sind in Tabelle 9 dargestellt.982 Regel
Art der Überwachung
Institutionenkategorie
Beispiel
1. Konvention
Selbstüberwachung
intern vom Typ 1
grammatikalische Regeln der Sprache
2. Ethische Regel
Imperative Selbstbindung
intern vom Typ 2
Dekalog, kategorischer Imperativ
3. Sitte
Spontane Überwachung durch andere Akteure
intern vom Typ 3
gesellschaftliche Umgangsformen
4. Formelle private Regel
Geplante Überwachung durch andere Akteure
intern vom Typ 4
selbst geschaffenes Recht der Wirtschaft
5. Regel positiven Rechts
Organisierte Überwachung
extern
Privat- und Strafrecht
Tabelle 9: Typen interner und externer Institutionen
Eine andere Differenzierung kann nach (markt-)externen Institutionen und (markt-)internen Institutionen auf Basis der grundlegenden Überlegungen von Lachmann (1963), Streit/Wegner (1989) und Kiwit/Voigt (1995) vorgenommen werden. Bei (markt-)externen Institutionen sind die Institutionen Markthandlungen vorgelagert. Dies trifft bspw. für Institutionen einer Marktverfassung, wie Eigentumsrechte, oder für staatliche Regulierungen privater Wirtschaftsaktivitäten, wie z. B. Umweltregulierungen, zu. Bei (markt-)internen Institutionen werden die Institutionen selbsttätig hervorgebracht, ohne dass eine Involvierung staatlicher Stellen bzw. Organe vorliegt. In diesen Bereich sind bspw. die privaten Geschäftsgewohnheiten, aber auch das selbst geschaffene Recht der Wirtschaft, wie z. B. Musterverträge oder Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) oder aber Vereinbarungen über Produktstandards, wie u. a. Gütesigel, Sicherheitsstandards sowie technische Normen, zu subsumieren.983 Wegner (1998) zeigt eine (beispielhafte) Typologie formeller sowie informeller Institutionen und (markt-)externer sowie (markt-)interner Institutionen in Form einer 2x2 Matrix. Den Sachverhalt soll Tabelle 10 verdeutlichen.984 formell
informell
AGB Musterverträge DIN-Normen
Geschäftsgewohnheiten
(markt-)intern
(markt-)extern
Privatrecht Gesetzliche Eingriffe in die private Vertragsgestaltung
Rechtlich relevante, aber ungeschriebene Konventionen (gute Sitten)
Tabelle 10: Typologie der Institutioen anhand von Beispielen
981 982 983 984
Vgl. Voigt (2002), S. 39 und 40-41. Vgl. Voigt (2002), S. 39. Vgl. Wegner (1998), S. 40-41. Siehe grundlegend Lachmann (1963); Streit/Wegner (1989) und Kiwit/Voigt (1995). In Anlehnung an Wegner (1998), S. 42.
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
157
Der Mensch ist der Mittelpunkt und das Ziel aller gesellschaftlichen Institutionen.985 Nur ein Individuum kann Träger von Handlungen und der hiermit verbundenen sittlichen Verpflichtung sein.986 Dabei sieht Nell-Breuning (1992) dies sowohl für das private Umfeld eines Individuums, wie bspw. die Familie, als auch für öffentlich-rechtliche Institutionen, die durch Individuen repräsentiert werden.987 Interne Institutionen werden von Marktteilnehmern freiwillig geschaffen. Sofern kein Marktteilnehmer gezwungen wird, intern Institutionen zu befolgen, sondern in der Wahl der Institutionen prinzipiell frei ist, kann von der Faktizität auf die Legitimation rückgeschlossen werden. Somit erweisen sich interne Institutionen in gleichem Maße als legitim wie private Verträge.988 Aus informellen Institutionen können sich im Laufe der Zeit formelle Institutionen entwickeln.989 Das Ziel von Institutionen ist die Lösung von Problemen sowie, aus verantwortungsethischer Sichtweise, die Umwandlung von Selbstinteresse in Gemeininteresse.990 Institutionen geben Orientierung in einer komplexen Umwelt, insbesondere in Bezug auf das Verhalten anderer. Hierdurch erzeugen sie kognitive und normative Erwartungssicherheit. Institutionen entlasten vom Zwang einer ständigen Konzentration auf die jeweils aktuellen Situationsanforderungen. Gerade vor dem Hintergrund komplexer, anonymer Gesellschaften, in denen durch vielfältige Interdependenzen die Nebenwirkungen individueller Handlungen schlecht abgeschätzt werden können, erhöht sich ihre handlungskanalisiernde Selektionswirkung.991 In diesem Kontext ist der Begriff der funktionalen Institutionalisierung von Bedeutung. Der Begriff der funktionalen Institutionalisierung bezeichnet eine absichtliche, planvolle Gestaltung von Spielregeln eines gesellschaftlichen Zusammenlebens hinsichtlich einer Erreichung menschlicher Zwecke. Menschen einigen sich auf Regeln bzw. Institutionen, um eine Koordination von Handlungen ermöglichen zu können. Dabei bilden Regeln bzw. Institutionen die Voraussetzung eines Zusammenlebens von Menschen in einer Gesellschaft. Der Begriff der funktionalen Institutionalisierung ist eng verbunden mit einer gezielten Etablierung von Interessenkonflikten zur Generierung eines institutionalisierten Leistungswettbewerbes im Dienste gesellschaftlicher Kooperation. Beispiele hierfür sind die Marktwirtschaft mit bspw. konkurrierenden Unternehmen, was tendenziell zu einem Preis- und Innovationswettbewerb führen soll. Weiterhin ist auch die Demokratie als Organisationsform der Politik zu sehen, in der Konkurrenz unter Politikern hinsichtlich der Wählergunst herrscht.992 Dabei tragen zielgerichtete Institutionen zu einer Vermittlung im Konflikt zwischen Eigeninteresse und gesellschaftlichem Interesse bei.993 Eine funktionale Institutionalisierung ermöglicht auch eine institutionelle Konstituierung von Organisationen als rechtlich selbständige, korporative Akteure. Organisationen sind handlungs- und verantwortungsfähige institutionelle Arrangements.994 Anzumerken ist, dass sich Institutionen in der historischen Entwicklung herausgebildet haben können, ohne dass diese von jemand Speziellem geplant wurden. Allerdings ist es nicht immer so, dass Institutionen auf der Basis von Versuch und Irrtum basieren. Denn beispielsweise ist 985 986 987 988 989 990 991 992 993 994
Vgl. Lachmann (1998), S. 59. Vgl. Kleinfeld (1998), S. 79. Vgl. Nell-Breuning (1992), S. 36. Vgl. Wegner (1998), S. 43. Vgl. Bahner (1998), S. 94. Vgl. Lachmann (1998), S. 60. Vgl. Suchanek (1991), S. 78. Vgl. Suchanek (2001), S. 16-18. Vgl. Lachmann (1998), S. 61. Ähnlich Suchanek (2005), S. 73. Vgl. Suchanek (2001), S. 18.
158
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
Wettbewerb auf Märkten beabsichtigt.995 Sowohl geplante, als auch ungeplante Institutionen sind prinzipiell geeignet, die Erwartbarkeit von Handlungen und die Wohlfahrt zu steigern, indem der Koordinations- und Transaktionskostenaufwand gesenkt wird.996 In der Marktwirtschaft werden marktnahe Instrumente, wie bspw. Abgaben und Sanktionen bei unverwünschtem Verhalten, oder Prämien und Vergütungen für gewünschtes Verhalten, zur Schaffung wirtschaftlicher Anreize für moralisches Verhalten eingesetzt. Das Versagen wirtschaftlicher Instrumente soll durch Recht und Restriktionen kompensiert werden. Rechtliche Rahmenbedingungen können ein wirtschaftsethisches Fehlverhalten allerdings nicht verhindern. In diesem Falle sollten Einsicht und Akzeptanz überzeugen und eine Autorität von Werten und Maßstäben in diesem Kontext dazukommen.997 Je nach Entwicklungsstand und Größe der Gesellschaft ergeben sich unterschiedliche Anforderungen an die Institutionen. Kleine Gesellschaften benötigen andere Institutionen als große Gesellschaften. In kleinen Gesellschaften ist bspw. eine bessere Abstimmung und soziale Kontrolle der einzelnen Akteure untereinander möglich. Durch persönliche Bindungen und enge Kontakte in wertorientierten Gesellschaften sind direkte Sanktionen besser erzielbar. In anonymen Großgesellschaften ist dies nicht so ohne weiteres möglich. Hier ersetzen formelle Institutionen, wie bspw. das Recht oder aber auch der institutionalisierte Wettbewerb, eine direkte persönliche Kontroll- und Sanktionsmöglichkeit gegenüber kleinen wertorientierten Gesellschaften.998 Egal wie Institutionen konkret ausgestaltet sind, ist Karitzki (2004b) der Auffassung, dass Gesellschaften und Märkte nicht ohne Institutionen funktionieren können. Dies ist besonders vor dem Hintergrund des Wandels von Gesellschaften und Märkten von Bedeutung.999 Traditionelle Institutionen der Vermittlung von Ethik, wie z. B. die Familie, Kirche, Schule, aber auch die politischen Parteien haben im Laufe der Zeit an Bedeutung verloren und sind schwächer geworden. Darüber hinaus besteht, vor dem Hintergrund der Globalisierung, das Problem, dass auch die Nationalstaaten hinsichtlich der Durchsetzung ethischer Regelungen schwächer werden.1000 Durch Moral werden Handlungsmöglichkeiten erzeugt, die im Idealfall mehr Nutzen gegenüber den Kosten der übernommenen Handlungsbeschränkungen erzielen. Eine Erweiterung erwünschter Handlungsmöglichkeiten ist synonym zur Freiheit. Individuelle Freiheit im Sinne eines individuellen Handlungsspielraumes wird durch Recht und Moral als kollektive Vereinbarungen von Verhaltensbeschränkungen erzeugt.1001 Nach Wieland (1999a) gibt es Indizien für die Vermutung, dass die Unternehmen der Wirtschaft ein neuer Ort der organisatorischen Verankerung moralischer Ansprüche der Gesellschaft sind, und nicht die Familie, die Schule oder gar die Kirche als auch der Staat.1002 Bergmann/Luckmann (1999) sind der Auffassung, dass eine Ausbildung des Rechtssystems sowie eine Differenzierung, Spezialisierung und Retraktion der Religion mit einer Entinstitutionalisierung der Moral verbunden sind. Denn je mehr 995 996 997 998 999 1000 1001 1002
Vgl. Suchanek (1991), S. 78; Karitzki (2004b), S. 6. Vgl. Wegner (1998), S. 35. Vgl. Haupt/Lachmann (1998), S. 8. Vgl. Suchanek (2001), S. 19. Vgl. Karitzki (2004b), S. 5. Vgl. Ruh (2004), S. 17. Vgl. Homann (1988), S. 228; Schäfer (1990), S. 130. Vgl. Wieland (1999a), S. 33.
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
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das Gesetz verbessert bzw. vervollkommnet wird, desto weniger relevant ist die Moral.1003 Der Verlust einer an soziale Institutionen gebundenen Moral ist gleichzusetzen mit einem Verlust eines gesellschaftlichen Konsenses über einen einheitlichen Moralkodex. Dabei ist jedoch anzumerken, dass eine Ausdifferenzierung und Individualisierung von Moral noch nicht bedeutet, dass in einer Gesellschaft keine Moral mehr vorhanden ist. Vielmehr existieren unterschiedliche Formen von Moral mehr oder weniger gleichberechtigt nebeneinander. Hierdurch lässt sich auch u. U. die ambivalente Wirkung des Wortes Moral in der Alltagskommunikation erklären.1004 Es kann angenommen werden, dass es im Vergleich zu anderen öffentlichen Gütern noch schwieriger ist, Moral zu etablieren und zu sichern.1005 Allgemein können in diesem Kontext Werte und Norme als (interne) Institutionen gesehen werden. Dabei können die Werte bzw. Normen als Regelkomponente aufgefasst werden. Nun bedarf es bei einer Institution auch einer Sanktionskomponente. Im Bereich der internen Institutionen ist die Benennung einer Sanktionskomponente nicht ganz einfach. Ansätze zum Finden einer solchen Sanktionskomponente sind bspw. in den Bereichen der Psychologie, Soziologie oder Theologie erkennbar. Beispielweise könnte das Gewissen als eine Sanktionskomponente angenommen werden. Moralisches Verhalten ist gekennzeichnet durch eine Orientierung an anderen Personen. Somit ist es im Wesentlichen kommunikativ angelegt. Bei kollektiven Handlungen ermöglicht Moral dabei die Stabilisierung eines Kollektivs einer parallelen kognitiven Konvention als moralische Institution.1006 Moralische Institutionen (informelle, interne Institutionen) und Nomen sind sensibel hinsichtlich ihrer Übertretung.1007 Normen sind nicht als Begrenzung individueller Freiheit aufzufassen. Vielmehr können Normen als Investitionen in Kooperationen gesehen werden, die Produktivitätsvorteile erzielen und verlässliche wechselseitige Verhaltenserwartungen ökonomischer Interaktionspartner schaffen.1008 Siehe hierzu auch Homann (1988).1009 Eine Förderung der Befolgung von Normen kann durch den Faktor des Verlustes der sozialen Reputation erfolgen. Werden Normen nicht wie gewünscht eingehalten oder aber als ungehörig, standeswidrig oder sozialschädlich betrachtet, so droht ein Verlust an sozialer Reputation. Als letzte Konsequenz kann dies zu einer sozialen Ausgrenzung bzw. Ächtung führen. Diese Vorgehensweise bzw. dieser Mechanismus ist besonders wirksam in Bereichen, wo formalrechtliche Sanktionen, bspw. aufgrund von Beweisschwierigkeiten oder schwer fassbarer Tatbestände, nicht angewendet werden können.1010 Die Reputation besitzt einen Einfluss auf die Fähigkeit zur Kooperation und somit auf die Anzahl potenziell erzielbarer Kooperationschancen. In der Kooperationsökonomie erlangt die Reputation der Kooperationspartner und die Androhung von Reputationsverlusten als Erzwingungsinstrument eine wachsende Bedeutung.1011 Wobei anzumerken ist, dass Reputation ein reziprokes Phänomen ist, denn Reputation entsteht u. a. auch in Verbindung mit den 1003 1004 1005 1006 1007 1008 1009 1010 1011
Vgl. Bergmann/Luckmann (1999), S. 20-21. Vgl. Grimm (2002), S. 27. Vgl. Homann (1988), S. 225. Vgl. Priddat (1994), S. 200-203; Bahner (1998), S. 89-90. Vgl. Bahner (1998), S. 94. Vgl. Homann/Blome-Drees (1992), S. 100. Vgl. Homann (1988), S. 225-226. Vgl. Hax (1993), S. 775 Vgl. Wieland (1999b), S. 40.
160
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
gewählten Kooperationspartnern.1012 Allgemein besitzen Institutionen eine Entlastungsfunktion und führen, wie die Moral, zu einer Senkung der Transaktionskosten.1013 Dabei ist anzumerken, dass jede Transaktion der Wirtschaft als ein Ausdruck von Koordinations- und Kooperationsbemühungen anzusehen ist, wobei die begriffliche Unterscheidung nicht immer trennscharf ist.1014 2.3.1.2
Institutionen im ethischen Kontext
Historisch bedingt war es die Auffassung des Liberalismus, dass Egoismus, Einzelpersönlichkeit sowie schrankenloser Wettbewerb als Naturgesetz zu technischem Fortschritt, und damit auch zu einer Steigerung des Lebensniveaus zu sehen sind, wobei sich eine Selbstregulierung von Spannungen im Arbeits-, Güter- und Kapitalmarkt vollziehen würde. Allerdings sind nach Kalveram (1951) diese ökonomischen Ordnungskräfte überschätzt worden. Denn trotz eines hiermit verbundenen technischen Fortschritts führe eine Wirtschaft ohne rechtlich-sittliche Rahmenbedingungen zu sozialen Gegensätzen und Brüchen im gesellschaftlichen Gefüge.1015 Im Rahmen der ökonomischen Theorie wird zumeist ein System angenommen, in dem jedes Individuum sein Handeln an Anreizen bzw. Regeln und Sanktionen vollzieht. Dabei scheint, als wäre dies ohne eine individuelle Bindung an ethische Normen realisierbar. Denn auch in einer Wirtschaft, die durch eine „unsichtbare Hand“, so wie bei Adam Smith, gesteuert wird, sind Normen zu beachten. Von besonderer Bedeutung ist hierbei die Einhaltung von Regeln im Sinne von Gesetzen und Verträgen. Die Durchsetzung erfolgt anhand spezifischer Sanktionen, die hiermit verbunden sind. Allerdings ist zu beachten, dass diese Wirkweise nur funktionieren kann, wenn keine Korruption, bspw. in der Verwaltung oder Justiz, vorherrscht. Funktionieren würde dies ebenfalls nicht, wenn jedes Individuum sich lediglich an seinem persönlichen Vorteil orientieren würde.1016 Insbesondere die im vorangegangenen Kapitel angeführten internen Institutionen des Typs 2 (Ethische Regeln, imperative Selbstbindung, bspw. Dekalog, kategorischer Imperativ) und Typs 3 (Sitte, spontane Überwachung durch andere Akteure, bspw. gesellschaftliche Umgangsformen) spiegeln wohl die von den meisten Mitgliedern einer Gesellschaft geteilten Normen und Werte wider. Dabei können die Gerechtigkeitsnormen einer Gesellschaft zu einer imperativen Selbstbindung des Typs 2 führen. Gleichermaßen ist es möglich, dass Gesellschaftsmitglieder, die gegen bestimmte Gerechtigkeitsnomen verstoßen, deshalb von anderen Gesellschaftsmitgliedern sanktioniert werden.1017 Mitbestimmung, Ertragsbeteiligung, gerechte Entlohnung, richtige Preisbildung, eine gerechte Verteilung der Güter oder eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen sind Ausprägungen des Aufbaus eines wirtschaftlichen Ordnungssystems auf der Basis der starken, persönlichen Freiheit des Individuums. Dies schafft soziale Sicherheit sowie sozialen Fortschritt und schafft eine Versorgung aller vor dem Hintergrund der Schaffung einer standfesten Sozialstruktur. Erzielt werden kann dies allerdings nur, wenn von den Extremen der reinen Selbstregulierung des Marktes ohne staatliche Regulierungen einerseits, und der Regulierung über eine Verplanung im Sinne des Sozialismus andererseits, 1012 1013 1014 1015 1016 1017
Vgl. Fürst/Wieland (2004a), S. 396. Vgl. North (1990), S. 3; Apel (2002), S. 34; Lenk/Maring (2004), S. 36. Vgl. Wieland (1998a), S. 16. Vgl. Kalveram (1951), S. 15. Vgl. Hax (1993), S. 776. Vgl. Voigt (2002), S. 40.
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Abstand genommen wird. Dabei sollte eine Abkehrung von einer rein materialistischen Denk- und Lebensweise im wirtschaftlichen Handeln, hin zu einem wirtschaftlichen Handeln in Übereinstimmung mit einer ethischen Grundhaltung, vorgenommen werden.1018 Der Markt wird oftmals als Ort einer wirtschaftsethischen Reflexion gesehen. Als ethische Schlüsselgröße wird vor dem Hintergrund des methodologischen, als auch des politisch-strukturellen Individualismus die persönliche Eigenverantwortung und Leistung des Menschen gesehen. Denn das Eigeninteresse ermöglicht kreative Initiativen. Dabei scheint es, in Anlehnung an die Ausführungen von Adam Smith, dass das Eigeninteresse wie durch eine unsichtbare Hand auf das allgemeine Interesse hin gelenkt wird.1019 Aber Marktbeziehungen kommen nur dann zustande, wenn es eindeutige Verfügungsrechte und Entscheidungsbefugnisse gibt. Dabei sind eindeutige Verfügungsrechte im Rahmen einer funktionierenden Marktwirtschaft bedeutender als private Eigentumstitel.1020 Vor dem Hintergrund der Etablierung von Gesetzen des Marktes und den hiermit verbundenen Institutionen konnten bedeutsame Erfolge erzielt werden. Allerdings werden die Grenzen der nationalstaatlichen Regelungen vor dem Hintergrund der Globalisierung immanent. Neben den formellen, externen Institutionen scheinen kulturelle und ethische Faktoren an Bedeutung zu gewinnen. Nach Lehmann (1989) funktionieren Institutionen des Marktes auf Dauer nur, wenn diese durch einen moralischen Grundkonsens getragen werden.1021 Steger (1991) ist dabei der Auffassung, dass nicht allein Märkte und Preise Verhalten koordinieren, sondern auch Werte und Normen.1022 Eine bedeutende Annahme in der Literatur ist, dass eine Bindung an ethische Normen Transaktionskosten reduziert. Diese wären prohibitiv hoch, wenn ethische Normen fehlen würden. Somit benötigt ein Gemeinwesen mit einer komplexen, arbeitsteiligen Wirtschaft einen Minimalkonsens an ethischen Normen, an die sich die Mitglieder des Gemeinwesens auch ohne Anreize und Sanktionen gebunden fühlen.1023 Ein ethikfreier Markt ohne Werte, wie bspw. Vertragstreue oder Produktehrlichkeit, würde hohe Transaktionskosten der Kontrolle und Sicherung erzeugen, da kein Vertrauen zwischen den Interaktions- und Tauschpartnern bestehen würde.1024 Dabei reduziert die formale Ethik der Regelbefolgung zum einen negative Externalitäten, wie z. B. die bereits angesprochenen Transaktionskosten, und erzeugt zum anderen positive Externalitäten wie Vertrauen oder Wohlwollen.1025 In diesem Kontext wird, in unterschiedlich vorliegenden Ansätzen einer ökonomischen Theorie der Moral, die Moral als öffentliches Gut bzw. Kapital mit ökonomischen Vorteilen für die Gesellschaft gesehen, welches allerdings auf Basis der Theorie öffentlicher Güter bestimmten Bedingungen und Restriktionen der Produktion und Erhaltung unterliegt.1026 Eine Voraussetzung der Senkung von Transaktionskosten durch eine allgemein anerkannte Ethik ist, dass ethisches Verhalten als öffentliches Gut aufgefasst wird. Öffentliche Güter kommen allen Beteiligten zu Gute, es besteht allerdings kein individueller
1018 1019 1020 1021 1022 1023 1024 1025 1026
Vgl. Kalveram (1951), S. 16. Vgl. Hengsbach (1996), S. 24-25. Vgl. Hengsbach (1996), S. 25. Vgl. Lehmann (1989), S. 85. Verwiesen sei auch auf Zabel (1999), S. 156. Vgl. Steger (1991), S. 196. Vgl. Hax (1993), S. 776; Waibl (2005), S. 32. Vgl. Furger (1994), S. 5 Vgl. Koslowski (1988), S. 261. Vgl. Homann/Blome-Drees (1992), S. 100.
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Anreiz der Bereitstellung solcher Güter.1027 Auch Kirsch (1991) sieht die Institutionen als vorteilhaft zur Senkung von Transaktionskosten. Er sieht Institutionen als Set von ex-ante-Regeln, als ex ante festgelegte Normen, zur Steuerung menschlichen Verhaltens. Dabei bezeichnet er Institutionen als geronnene Ethik.1028 Ethisches Verhalten, bspw. in Form einer Wirtschafts- und Unternehmensethik, kann positive Nebenwirkungen erzeugen. Diese sind für den Erzeuger aber nur dann nützliche, wenn sich die Mehrheit der anderen an der Produktion beteiligen. Wird ethisches Verhalten als öffentliches Gut aufgefasst, so wird, wie bei fast allen öffentlichen Gütern, die einer reinen Marktsteuerung unterliegen, eine relativ geringe Produktion dieses öffentlichen Gutes zu erwarten sein, was zu einem Marktversagen führt. Dieses Marktversagen einer Produktion ethischen Verhaltens erzeugt erhöhte Transaktionskosten bei Kontrolle und Vertragsdurchsetzung, welche wiederum zu volkswirtschaftlichen Verlusten führen. Würde Ethik, bspw. verstanden als Wirtschafts- oder Unternehmensethik, allgemein anerkannt und befolgt, wäre sie ein Korrektiv gegen diese Form des Marktversagens und würde somit Transaktionskosten senken.1029 Hax (1993) sieht die (Unternehmens-)Ethik allerdings nicht in der Lage Fehler in den Koordinationsmechanismen des Marktes ausgleichen zu können. Mängel des Koordinationsmechanismus können nicht durch die Bindung an ethische Normen geheilt werden. Er vertritt die Auffassung, dass eine ökologisch orientierte (Unternehmens-)Ethik bspw. die Lenkungsdefizite der Marktwirtschaft, z. B. im Rahmen der Inanspruchnahme der natürlichen Umwelt, nicht ausgleichen kann. Denn Ethik ist nicht als „Lückenbüßer“ zum Ausgleich von Lenkungsdefiziten geeignet.1030 Auch Mittelstraß (1989) wehrt sich gegen eine Ethik, die als Reparaturethik verstanden und als bloßes Instrument verwendet wird, lediglich um Dinge wieder zu ordnen und wiederherzustellen.1031 Eine solche Ethik verliert hier Anspruch, eine allgemeine Orientierung zu sein oder eine allgemeine Orientierung auszudrücken. Vielmehr wird diese zu einer Ersatzorientierung, wenn andere Orientierungen in Probleme führen.1032 Werden Normen nicht befolgt, ist eine Unternehmensethik nicht relevant. Eine Befolgung von Normen kann durch Anreize, Kontrollen und Sanktionen im Falle einer Verletzung erreicht werden. Durch solche Verhaltensnormen wird die Unternehmenspolitik gesteuert. Dabei handelt es sich zum einen um Anreiz- und Sanktionsmechanismen des Marktes. Zum anderen sind Gebote und Verbote der Rechtsordnung zu nennen. Dabei ist allerdings anzumerken, dass es sich bei einer Befolgung dieser Normen um ein reines Nützlichkeitskalkül handelt, das keiner ethischen Fundierung bedarf.1033 Die Wirksamkeit der Sanktion des Reputationsverlustes für ein Unternehmen im Kontext einer Normverletzung ist davon abhängig, in welcher Form und wie stark im Gemeinwesen die Überzeugung der Notwendigkeit und Befolgung bestimmt Normen ist. Dies stellt die essentielle Voraussetzung des Sanktionsmechanismus über die Reputation dar. Allerdings ist die Wirksamkeit eines solchen Mechanismus kein hinreichendes Kriterium für eine Durchsetzung von Normen, welche einer 1027 1028
1029 1030 1031 1032 1033
Siehe hierzu auch die Problematik der Allmende. Hier sei bspw. auf Hardin (1968) verwiesen. Vgl. Kirsch (1991), S. 92-94 und 96. Die Bezeichnung erfolgte dabei in sprachlicher Anlehnung an die Definition des Kapitals als geronnener Arbeit bei Marx. Vgl. Koslowski (1988), S. 259-260. Vgl. Hax (1993), S. 776. Vgl. Mittelstraß (1989a), S. 903. Siehe auch Mittelstraß (1989b). Vgl. Mittelstraß (2005), S. 11. Vgl. Hax (1993), S. 773. Ähnlich Waibl (2005), S. 23.
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kritischen Überprüfung auf ihre ethische Fundierung standhalten. In welcher Form die Sanktion des Reputationsverlustes wirkt, ist abhängig von den Wertvorstellungen des Gemeinwesens und der Überzeugung, wie stark diese auch durchgesetzt werden müssen. Denn auch die Ganovenehre des Schweigens gegenüber der Polizei kann vor dem Hintergrund sanktionierbarer Normen gesehen werden.1034 Für Kirsch (1991) ist es im Allgemeinen wichtig, eine Balance zwischen transaktionskostenintensiven ad-hoc-Regeln und transaktionskostensparenden ex-ante-Regeln zu finden.1035 2.3.1.3
Institutionen und Menschenbilder in Wirtschaftstheorie und -praxis
In jeder wissenschaftlichen Analyse liegt der Betrachtung, entsprechend den Auffassungen des Konstruktivismus, bereits ein Bild des Menschen zu Grunde.1036 Capurro (2002) sieht in der Frage nach dem Menschen nicht allein unter biologischen, psychologischen, philosophischen, kulturellen, politischen, sondern auch unter ökonomischen Gesichtspunkten eine essentielle Frage der Menschheit.1037 Ethische und anthropologische Fragestellungen sind in einer Vielzahl von Beziehungen miteinander verbunden. Die Frage, wie ein Mensch handeln soll, verweist unmittelbar auf die Frage, wie sich ein Mensch als Mensch versteht. Dabei ist es das jeweils bestehende Menschenbild, welches Menschen zum Handeln motiviert. Sie werden verinnerlicht, vorgelebt, (medial) fixiert und verbreitet.1038 Zunächst soll eine erste allgemeine Auffassung des Begriffes des Menschenbildes angeführt werden, um hierauf aufbauend die speziellen Auffassungen im Bereich der Ökonomik zu erörtern. Nach Wiegerling (2002) werden Menschenbilder in jeder Kultur und in jeder Epoche hervorgebracht. Dabei sind sie ein Ausdruck von Selbst- und Fremdeinschätzungen. Sie gründen in Bewertungen, Zuschreibungen und Vernachlässigungen. Menschenbilder sind der Ausdruck bestimmter Diskurse, die eine Kultur und Epoche prägen. Gleichermaßen sind Menschenbilder unterschiedlich stabil und besitzen selten scharfe Konturen im Sinne wandelbarer Systeme der Variation einzelner Charaktermerkmale.1039 Ein Menschenbild wird dabei nach den Vorstellungen und Anschauungen der Welt, wissenschaftlichen Methoden, oder aber Denksystemen über den Menschen geprägt.1040 Menschenbilder sind für den Menschen nötig, um eine Orientierung vornehmen zu können. Dabei wird eine Verallgemeinerung vorgenommen, um die Komplexität zu reduzieren. Allgemein ist es wichtig anzumerken, dass Menschenbilder mit der Medialität des Menschen verbunden sind. Sie entstehen im Kontext der Verwendung und Generierung von Schriften, Filmen, Bildern etc. Jedes Menschenbild ist ein mediales Phänomen. Es können jedoch unterschiedliche Medien unterschiedliche Menschenbilder generieren und fördern.1041 Dabei übernehmen Massenmedien heute die Funktion des Mythos in der griechischen Antike, die Sinnstiftung durch Werte- und Normenvermittlung sowie Orientierung und „Erörterung der Welt“.1042 Lehmann (1989) ist der Auffassung, dass durch eine umfassende, überpro1034 1035 1036 1037 1038 1039 1040 1041 1042
Vgl. Hax (1993), S. 775-776. Vgl. Kirsch (1991), S. 111. Vgl. Biervert (1991), S. 42. Vgl. Capurro (2002), S. 83. Vgl. Wiegerling (2002), S. 23. Vgl. Wiegerling (2002), S. 13. Vgl. Biervert (1991), S. 42. Vgl. Wiegerling (2002), S. 16-18. Vgl. Grimm (2002), S. 25. Eine Beschreibung von Menschenbilden aus philosophischer Sicht ausgehend von der Antike, über das Mittelalter und die Renaissance zu den Menschenbildern der Moderne und der Gegenwart liefert Capurro (2002).
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portionale und teilweise übersteigerte Darstellung von Wirtschaftsskandalen in den Medien ein unkorrektes und negatives Bild der Wirtschaft bzw. wirtschaftlicher Handlungen generiert wird. Oftmals wird mit wirtschaftlichem Handeln ein Menschenbild assoziiert, welches von Kälte, Eigennutz bzw. Opportunismus, Gefühllosigkeit und mechanischen Verhaltens geprägt ist.1043 In der Ökonomie wurde die Frage nach dem Menschenbild lange Zeit ausgeblendet oder aber nicht beachtet, da diese Fragestellung im Kontext wirtschaftlicher Aspekte und Analysen nicht für relevant gehalten wurde. Es bestand (und besteht teilweise immer noch) die Auffassung, dass die Ökonomik gar kein Menschenbild hat. Wobei diese Frage diskussionswürdig ist und von Held (1991) auch so nicht bestätigt wird. Die Frage nach dem Menschenbild der Ökonomik kann als Folge der Weiterentwicklung des Untersuchungsgegenstandes der Ökonomik, vor dem Hintergrund der Entwicklungen der Neuen Institutionenökonomik sowie den grundlegenden Ausarbeitungen der normativen Grundlagen der Ökonomik, gesehen werden.1044 In der Ökonomie wurde ein Bild vom Menschen konstruiert, welches durch eine spezifische Form von Rationalität gekennzeichnet ist. Dabei sieht Biervert (1991) die Ökonomik eingebettet in eine Sozialordnung, in die, vor dem Hintergrund eines spezifischen Menschenbildes, grundsätzliche Überlegungen zum Gesellschafts- und Individualvertrag eingehen. Denn moderne Gesellschaften basieren in Politik und Ökonomie auf Individual- und Gesellschaftsverträgen (bzw. Institutionenverträgen), die als Konstrukt geregelt werden müssen.1045 In Ausarbeitungen zur Ökonomik wird der Begriff des Menschenbildes oftmals jedoch zumeist im alltagssprachlichen Verständnis, ohne eine nähere Begriffsdefinition, verwendet.1046 Allgemein darf in der Ökonomik kein Menschenbild zugrunde gelegt werden, das bestimmte, theoretisch denkbare Verhaltensweisen des Menschen von vornherein ausschließen würde.1047 Held (1991) formuliert Thesen der Zusammenhänge zwischen Institutionen, Normen bzw. Werten und Menschenbild, die in Anlehnung an die Ausführungen von North (1988) bzw. North (1981) zu sehen sind:1048
1043 1044 1045
1046 1047 1048
Der Ausgestaltung institutioneller Arrangements liegen implizit oder explizit bestimmte Normen und (dahinter liegende) Werte bzw. Wertvorstellungen zugrunde. (Siehe auch Neue Institutionenökonomik) Das die Gesellschaft und Wirtschaft konstituierende Set der institutionellen Arrangements, ermöglicht einigen der Eigenschaften des Menschen bessere und anderen lediglich geringere Entfaltungsmöglichkeiten. Eine Änderung der menschlichen Eigenschaften „als solche“, verstanden im Sinne von Universalien, können sich trivialer Weise nicht ändern. Vielmehr ändern sich die Erscheinungsformen, wenn die institutionellen Arrangements genügend lange wirksam werden.
Vgl. Lehmann (1989), S. 81-82. Vgl. Held (1991), S. 10-26. Vgl. Biervert (1991), S. 42-43. Laux (2005), S. 205 merkt an, dass einem Individual- bzw. Tauschvertrag der Gesellschaftsvertrag vorausgeht, da gerechtfertigte Ausgangsbedingungen benötigt werden. Nach Weikard (1998), S. 196 legt ein Gesellschaftsvertrag Verfügungsrechte bzw. Regeln fest, nach denen die Verfügungsrechte zugeteilt werden. Vgl. Held (1991), S. 2. Vgl. Kerber (1991), S. 59. Vgl. Held (1991), S. 29-30. Siehe grundlegend North (1981) und North (1988).
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Die Prägungskraft von Institutionen auf Menschen ist abhängig vom Zeitmaß der Dauer, wie sie wirken können. Ein Maßstab ist bspw. die durchschnittliche Dauer in der Generationenabfolge. Eine beliebige Prägung durch Institutionen ist nicht möglich. Vielmehr müssen diese bestimmte Eigenschaften ansprechen und Entfaltungschancen bieten. Prägungen erfolgen immer mit einer zeitlichen Verzögerung und können anhand eines time-lags verfolgt werden. Ein gesellschaftlicher Wandel induziert einen Wertewandel, der sich im sichtbaren Verhalten nur teilweise widerspiegelt, solange bestehende Institutionen dagegen stehen, obwohl ihre Legitimation von innen heraus ausgehöhlt wird. Das Ausmaß der prägenden Kraft von Institutionen ist abhängig von den Vergleichsmöglichkeiten bereits bestehender Institutionen anderer Gesellschaften. Ein Verlust der Attraktivität von Institutionen kann dann einsetzen, wenn sie entsprechend ihren Zielsetzungen erfolgreich waren bzw. diese Ziele erreicht haben.
Als entscheidende Punkte für den Zusammenhang zwischen Institutionen, Werten und Menschenbild sind dabei die folgenden Auffassungen:1049
Institutionen können entsprechend dem zugrunde liegenden Leitbild des Menschen das Verhalten, die Art zu wirtschaften und zu leben über die Zeit prägen. Ein Menschenbild, welches über eine entsprechende Ausgestaltung institutioneller Arrangements in der Grundtendenz die Menschen über einen längeren Zeitraum beeinflusst, kann als theoretischer Erklärungsansatz im Zeitablauf größere Anteile der Wirtschaftsprozesse erklären. Die Prägungskraft von Institutionen hängt davon ab, ob eine Internalisierung der zugrunde liegenden Normen bei den Gesellschaftsmitgliedern gelingt. Gelingt dies nicht, werden die Durchsetzungskosten der Normen zu hoch.
Held (1991) nutzt die aufgeführten Thesen der Zusammenhänge von Institutionen, Normen und Menschenbild zur Beantwortung der Frage nach dem Erfolg des Modells des eigeninteressierten Menschen. Denn in westlichen bzw. westlich orientierten Industriestaaten, besondern in den USA, sind die wichtigsten gesellschaftlich und ökonomische relevanten Institutionen in der Grundtendenz am Individualismus ausgerichtet worden.1050 Der ökonomische Ansatz geht von einem rationalen, eigeninteressierten Individuum aus. Hierbei können beobachtbare Ergebnisse darauf zurückgeführt werden, dass Individuen bei gegebenen Randbedingungen sowie Anreizstruktur der Situation, diejenige Handlungsalternative wählen, die ihnen hinsichtlich ihrer Präferenzstruktur den größten Nutzen bietet.1051 Eine Begründung erfolgt dergestalt, dass Menschen in Konkurrenzsituationen so handeln, als ob sie ihren Nutzen oder Gewinn maximieren würden und dabei die ihnen zur Verfügung stehenden Mittel rational verwenden.1052 In diesem Kontext ist der Begriff des homo oeconomicus von Bedeutung. Der homo oeconomicus ist ein umstrittener Zentralbegriff der Ökonomik mit weitreichenden Folgen für das Selbstverständnis der Menschen.1053 In der Literatur ist der Begriff des homo oeconomicus nicht eindeutig definiert. Viel1049 1050 1051 1052 1053
Vgl. Held (1991), S. 31. Vgl. Held (1991), S. 31. Vgl. Suchanek (1991), S. 76-77. Vgl. Suchanek (1991), S. 82. Vgl. Kerber (1991), S. 57; Gfeller (1999), S. 193.
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mehr bestehen mehr oder weniger ähnliche Auffassungen darüber, was unter diesem Begriff zu verstehen ist.1054 In den Wirtschaftswissenschaften wird der homo oeconomicus nicht als Vorbild bzw. als Ideal des Menschen, oder als ein Ausbildungsziel, betrachtet, sondern vielmehr als Fiktion. Denn es handelt sich um einen von sonstigen Neigungen und Zielen abstrahiert konstruierten Modellmenschen, der sein Handeln lediglich nach ökonomischer Vorteilhaftigkeit ausrichtet. Somit wird der Mensch als Objekt der Wissenschaft berechenbar, vergleichbar einem Mechanismus oder einer Maschine.1055 Der Begriff des homo oeconomicus legt einseitige, egoistische und materialistische Werturteile nahe. Gleichermaßen kann der Begriff aber auch immer wieder auf seinen werturteilsfreien Kerngehalt zurückgenommen werden. Dieser beinhaltet die Aussage, dass ein rational handelnder Mensch selbstgewählte, inhaltlich nicht näher bestimmte Ziele konsequent verfolgt. Dabei scheint dieser formalisierte Idealtypus kein philosophisches Menschenbild mehr zu enthalten.1056 Das Modell des rational und eigentinteressiert handelnden Menschen kann dergestalt interpretiert werden, dass das hierdurch prognostizierte Verhalten durch die äußeren Bedingungen hervorgerufen wird.1057 Im Konzept des homo oeconomicus werden dabei nicht die wirklichen Eigenschaften der realen Akteure abgebildet, sondern vielmehr die Eigenschaften von Handlungssituationen, welche zur einer bestimmten Art der Selektion von Gewohnheiten führen.1058 Die Abstrahierung ist bedeutsam, wenn es bei der Generierung ökonomischen Wissens um die Sachzusammenhänge geht. Denn durch den homo oeconomicus wird der Mensch zu einem Produktionsfaktor, zu einem entindividualisierten Konsumenten und zu einem zahlenmäßigen Lohn- und Gehaltsempfänger.1059 In diesem Kontext kann ein Teil der Kritiken am Konzept des homo oeconomicus eingeordnet werden, wenn angenommen wird, dass es sich hierbei um die Annahme einer realen Abbildung bzw. ein reales Menschenbild handelt. Beim homo oeconomicus handelt es sich aber nicht um ein Menschenbild, das unabhängig von einen spezifischen Problem- bzw. Theoriekontext Gültigkeit als Beschreibung des „Wesens“ des Menschen beansprucht. Die Vorstellung des homo oeconomicus ist lediglich eine pragmatische Reduktion. Es ist ein Schema für spezifische Problemstellungen.1060 Die Definition des Begriffes des homo oeconomicus ist vor dem Hintergrund der so genannten Werturteilsdebatte zu sehen.1061 In diesem Kontext darf die deskriptive Ökonomik lediglich das tatsächlich gegebene Verhalten der Menschen, ob dieses nun moralisch ist oder nicht, hinsichtlich ihrer Theoriebildung zu Grunde legen. Das ethische Sollen ist dabei nicht Gegenstand der Betrachtung. Insofern darf auch kein konkretes Menschenbild zu Grunde gelegt werden.1062 Beim homo oeconomicus handelt es sich um eine von der Problemstellung und der Methodik der ökonomischen Theorie her bestimmte heuristische Fiktion. Diese ist ein Mittel und nicht Gegenstand der ökonomischen Analyse. Denn der Gegenstand der Analyse sind die Auswirkungen bestimmter 1054 1055 1056 1057 1058 1059 1060 1061 1062
Vgl. Kerber (1991), S. 58. Vgl. Müller-Merbach (1988), S. 311; Laux (2005), S. 201-202. Vgl. Kerber (1991), S. 65. Vgl. Suchanek (1991), S. 81. Vgl. Zintl (1989), S. 64; Eigenstetter/Dobiasch/Hammerl (2005), S. 233-234. Vgl. Müller-Merbach (1988), S: 311. Vgl. Suchanek (1997), S. 68-69; van Aaken (2007), S. 281. Siehe zum Werturteilsstreit auch Kapitel 2.1.2.5. Vgl. Kerber (1991), S. 63.
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Anreizstrukturen von Situationen und Institutionen.1063 Scherhorn (1991) weist darauf hin, dass die theoretischen Annahmen des Menschen als Nutzenmaximierer im Sinne des homo oeconomicus, oftmals als Leitbild des wirtschaftlichen und politischen Handelns gesehen werden und die institutionellen Rahmenbedingungen so gestaltet werden, dass der Mensch dazu gezwungen wird, isoliert seinen eignen Nutzen zu maximieren.1064 In der Literatur wird oftmals sogar darauf hingewiesen, dass der homo oeconomicus die Moral verderbe.1065 Suchanek (1997) entgegnet dem, dass bspw. Korruption, Steuerhinterziehung, Versicherungsbetrug etc. von Menschen durchgeführt werden, die häufig nicht zunächst eine ökonomische Ausbildung durchlaufen haben. Die Kritik bzw. die Verteidigung des Begriffes des homo oeconomicus in Bezug auf seine (potenziell) moralschädigenden bzw. neutralen Eigenschaften ist abhängig davon, was als Ursache und was als Wirkung in diesem Zusammenhang gesehen wird.1066 Wie eine Vielzahl von Kritiken am Konzept des homo oeconomicus, seien diese nun gerechtfertigt oder nicht, kann im Kern festgestellt werden, dass die abstrahierende Fiktion des homo oeconomicus der menschlichen Individualität nicht gerecht wird. Wird das (reale) Individual- und Sozialverhalten von Menschen bedeutsam, so ist das Konzept des homo oeconomicus aufzugeben. Denn wenn das Verstehen des Menschen, in möglicherweise anthropologischem Sinne, wichtig ist, so ist die Abkehr von dem fiktiven Einheitsbild des Modellmenschen zu vollziehen. In diesem Zusammenhang ist die Führungslehre von Bedeutung. Denn in ihr wird der homo oeconomicus als Denkmodell aufgegeben. Dabei ist es die Aufgabe der Führungslehre, Menschen zu verstehen, mit ihnen umzugehen, sie zu überzeugen, zu begeistern und zu motivieren, sie herauszufordern, sie anzutreiben bzw. zu bremsen oder aber sie zu Aktionen zu veranlassen oder diese zu unterlassen.1067 Ein anderes erweitertes Menschenbild kann vor dem Hintergrund verhaltens- und handlungstheoretischer Dimensionen beschrieben werden. Hier wird das Menschenbild dergestalt verändert, das der Mensch den Rationalitätsbegriff zum Gegenstand der Reflexion und des Diskurses macht. Es werden unterschiedliche Rationalitätsperspektiven auf der individuellen sowie der institutionellen Ebene integriert. Dabei erfolgt eine Berücksichtigung menschlicher Eigenschaften wie bspw. die Ich-Identität, Empathie, die Möglichkeit des Treffens freier Entscheidungen zwischen Handlungsalternativen, intentionales Handeln sowie Möglichkeiten der Abschätzung von Handlungsfolgen.1068 Diese angeführten Überlegungen und Auffassungen zum Menschenbild beinhalten bereits terminologische Überschneidungen zum Themenkontext der Ethik, in dem die zuvor genannten Begriffe u. a. von Bedeutung sind.1069
1063 1064 1065 1066 1067
1068 1069
Vgl. Suchanek (1991), S. 83; Homann (2005), S. 201. Vgl. Scherhorn (1991), S. 161. Vgl. Gfeller (1999), S. 198-200. Vgl. Suchanek (1997), S. 73-74. Vgl. Müller-Merbach (1988), S. 311. Ähnlich auch Pfriem (2007), S. 297. Aus soziologischer Perspektive merkt Müller (2007), S. 113-114 an, dass neben den (ökonomischen) Zwecken auch die Werte für Handlungen relevant sind. Stiglitz (2004), S. 80 ist der Auffassung, dass sich Ökonomen über die Grenzen dieses Modells bewusst sind. Vgl. Biervert (1991), S. 52. In diesem Kontext ist anzumerken, dass Homann (2005), S. 201-202 die Verwendung eines Menschenbildes im Rahmen einer Wirtschafts- und Unternehmensethik kritisch sieht. Er ist der Auffassung, dass eine Ökonomik nicht auf der Anthropologie begründet werden kann. Aus dem Menschenbild lassen sich für ihn keine Normen oder Ideale für die Wirtschafts- und Unternehmensethik ableiten. Allenfalls lässt er eine Zusammenführung unterschiedlicher Erkenntnisse von Einzelwissenschaften auf ein Menschenbild hin gelten.
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Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
2.3.2 2.3.2.1
Inhalt der Unternehmensethik Spannungsfeld von Gewinnmaximierung und Unternehmensethik
Zwischen gewinnorientiertem Wirtschaften und Ethik besteht an sich kein Widerspruch. Eine Umsetzung moralischer Ansprüche durch ein Unternehmen erfordert einen gesicherten Unternehmensbestand über die Erzielung von Gewinnen. Der wirtschaftliche Erfolg eines Unternehmens ist die Voraussetzung ethischen Handelns. Ethische Maßnahmen, wie bspw. die Investition in ressourcenschonende Produktionsanlagen, tragen einerseits zur ethischen Zielerreichung, in dem gewählten Beispiel möglicherweise zur Schonung der Umwelt durch Ressourceneinsparungen, bei. Andererseits haben solche Maßnahmen Auswirkungen auf den Leistungsprozess. Sie können Kosteneinsparungen oder Produktivitäts- bzw. Wirtschaftlichkeitssteigerungen erzielen. Ethik und Ökonomie stehen hierbei in einem wechselseitigen Verhältnis.1070 Wichtig ist in diesem Kontext das Verständnis, wie sich Gewinne von Unternehmen bzw. Unternehmern zusammensetzen. Gewinne sind die Voraussetzung für den Unternehmensbestand und das Wachstum sowie ein Indikator für Erfolg.1071 Der Gewinn des Unternehmers bzw. Unternehmens setzt sich zusammen aus dem Arbeitslohn des Unternehmers und seiner mitarbeitenden Familienangehörigen (Unternehmerlohn), dem Eigenkapitalzins sowie dem eigentlichen Unternehmensgewinn als Ertrag der unternehmerischen Leistung im Sinne eines Risikogewinns. Da das Unternehmen einem stetigen Marktund Konkurrenzdruck ausgesetzt ist, muss der Gewinn jedes Jahr, unter Risikobedingungen, neu erwirtschaftet werden. Hierfür sind auch (kontinuierlich) Investitionen im Unternehmen zu tätigen. Ein großer Teil des Unternehmensgewinns sind nicht liquide Mittel, sondern bereits Investition bzw. Zuwachs des Betriebsvermögens, welches wieder ein Teil des wirtschaftlichen Wachstums ist.1072 Problematisch ist jedoch häufig die Abwägung einer kurzfristigen Gewinnmaximierung, gegenüber einer auf Langfristigkeit abzielenden Gewinnerzielung und somit die Sicherung des Unternehmensbestandes. Eine moderne Unternehmenskultur beinhaltet nach dem Verständnis von Fetsch (1989), dass sich eine kurzfristige Gewinnmaximierung und eine moderne Unternehmenskultur ausschließen.1073 Für Werhahn (1990) ist der Gewinn nur eine Komponente in der unternehmerischen Tätigkeit. Dabei kommt es nicht auf eine aktuelle Gewinnmaximierung an, sondern auf eine Maximierung der gesamten bzw. totalen Situation, wobei Gewinn nur ein Teilbereich ist.1074 Steger (1991) ist der Auffassung, dass eine eindimensionale Zielsetzung der Gewinnmaximierung durch komplexere Zielsysteme ersetzt werden sollte. Diese verlangen tendenziell nach einer Optimierung und somit Ausbalancierung und Begrenzung einzelner Ziele.1075 Ein modernes Verständnis von Unternehmensethik stellt nicht das Gewinnprinzip als solches in Frage. Vielmehr ist die Begrenzung der konfliktrelevanten Wirkungen des Gewinnprinzips von Bedeutung.1076 Nach Ulrich (2001) stellt eine strikte Orientierung am Gewinnprinzip sicher, dass die Privat1070 1071 1072 1073 1074 1075 1076
Vgl. Willmann (2004), S. 87. Teilweise auch Leisinger (1997), S. 20. Vgl. Fetsch (1989), S. 34. Vgl. Degenhardt (1989), S. 20-22; Werhahn (1990), S. 35-36. Vgl. Fetsch (1989), S. 34. Vgl. Werhahn (1990), S. 36-37. Vgl. Steger (1991), S. 196-197. Die Begrenzungsforderung wird auch in Steger (1992) deutlich. Vgl. Gerum (1992), S. 258; Kleinfeld (2005), S. 45; Suchanek (2005), S. 65.
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wirtschaft (Unternehmen und Unternehmer) dem allgemeinen Interesse der Gesellschaft am Besten dienlich sei und daher als „gut bezeichnet werden könne, vorausgesetzt, es herrschen die Bedingungen eines funktionierenden marktwirtschaftlichen Wettbewerbs.1077 Es ist wichtig zu differenzieren, wie ein Unternehmen die Gewinne erzielt, und was nach Gewinnerzielung mit diesen Gewinnen geschieht.1078 Denn Gewinnstreben und moralische Ansprüche sind gleichzeitig zu erfüllen.1079 Insofern ist die Thematisierung einer Konkurrenz zwischen unternehmerischen Ansprüchen und ethischen Maßstäben von Bedeutung.1080 Auch wenn die unternehmerische Tätigkeit im Rahmen der Legalität erfolgt, ist auf die Ethik zu achten.1081 Gerade im Wachstum von Unternehmen werden die Handlungsfreiräume größer. Somit steigen die Möglichkeit und die Verantwortung zu innovativem ethischen Handeln.1082 Ulrich (1998a) ist der Auffassung, dass nicht alles unmoralisch ist, was unternehmerischen Erfolg bedeuten kann und auch nicht alles unwirtschaftlich ist, was ethisch verantwortbar und sinnvoll ist.1083 Allgemein wird in neueren Diskussionen im Kontext der Unternehmensethik somit die Gewinnorientierung von Unternehmen in der Marktwirtschaft grundsätzlich nicht in Frage gestellt. Jedoch wird der Unternehmensethik die Funktion eines bedeutenden, zusätzlichen Ordnungselementes zugewiesen.1084 Ein aktuell beklagter Vertrauensverlust der Wirtschaft kann als eine Sanktion der Gesellschaft gegenüber normwidrigen Handelns und Verhaltens aufgefasst werden. Erklärt werden kann dies dadurch, dass die Öffentlichkeit in den letzten Jahren zunehmend Handlungen beobachtet, welche als normwidrig interpretiert werden. Beispiele sind in diesem Kontext Entlassungen von Großunternehmen vor dem Hintergrund positiver Geschäftszahlen zur Optimierung des Aktienkurses. Weitere Beispiele sind Missachtungen von Arbeitsschutzvorschriften und somit Gesundheitsschädigungen von Mitarbeitern, verstärkte Entlassungen von älteren Mitarbeitern, Rückzüge der Großbanken aus der Kreditfinanzierung kleiner und mittlerer Unternehmen sowie auf individueller Ebene des Managements als überhöht empfundene Vergütungen und Abgangsentschädigungen von Vorständen, die auch bei strategischen Misserfolgen und Fehlhandlungen gezahlt wurden.1085 Für Ulrich (1996) und Ulrich (2001) ist es bedeutsam zu klären, wie der Begriff des Gewinnprinzips aufgefasst, gedeutet bzw. definiert werden kann. Ulrich zeigt in einer 2x2-Matrix unterschiedliche Inhalte des Gewinnprinzips bzw. der unternehmerischen Gewinnorientierung, wie in Tabelle 11 dargestellt.1086
1077 1078 1079 1080 1081 1082 1083 1084 1085 1086
Vgl. Ulrich (2001), S. 393. Vgl. Lehmann (1989), S. 83; Willmann (2004), S. 87; Lehner (2006), S. 221. Vgl. König (2002), S. 98. Vgl. Haupt/Lachmann (1998), S. 7. Vgl. Enderle (1987), S. 449. Vgl. Enderle (1987), S. 449. Vgl. Ulrich (1998a), S. 22. Vgl. Hax (1993), S. 769-770. Vgl. Cranach (2005), S. 75; Kleinfeld (2005), S. 38-39. In Anlehnung an Ulrich (2001), S. 399.
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Ebene
methodischer Status empirische These
normatives Postulat
personale Handlungsorientierung
Motiv: subjektives Gewinnstreben
sittliche Pflicht: kapitalistisches Unternehmerethos
sytemischer Funktionsmechanismus
Sachzwang: objektives Gewinnerfordernis
ordnungspolitische Spielregel: „Gewinnprinzip“
Tabelle 11: Deutungsmöglichkeiten einer unternehmerischen Gewinnorientierung
Das subjektive Gewinnstreben sieht Ulrich nicht als ethisches Begründungsproblem, sondern als Motivationsproblem. Denn es liegt eine empirisch-analytische Hypothese faktischer Motive unternehmerischen Handelns vor. Die Gültigkeit ethischer Forderungen ist nicht davon abhängig, was objektiv der Fall ist (soziale Geltung), sondern davon, ob der Geltungsanspruch intersubjektiv als normativ verbindlich begründet werden kann (normative Gültigkeit). Für Ulrich wäre es ein Kategorienfehler, aus dem was Unternehmer bzw. Manager anstreben, eine normative Vorgabe der Unternehmensethik deuten zu wollen. Ein situativ nicht legitimes Gewinnstreben sieht er als Gegenstand unternehmensethischer Kritik und Aufklärung, was eine kritisch normative Idee einer Unternehmensethik jenseits des Gewinnprinzips als Basis besitzt.1087 Ein kapitalistisches Unternehmerethos basiert auf historischen, religiös-geistesgeschichtlichen Traditionen des Calvinismus, in der die Gewinnorientierung zu einer identitätsbildenden Tugend, verstanden im Sinne einer normativen Überhöhung einer erwerbsorientierten Lebensform, erhoben wurde. Der Ort der Moral des Wirtschaftens wurde dabei in die Logik des Marktes verlagert. Als Extremposition kann eine Gewinnorientierung als Gewinnmaximierung nicht nur als moralisches Recht, sondern sogar als sittliche Pflicht interpretiert werden.1088 Für Ulrich ist es wichtig darauf hinzuweisen, dass zwischen Unternehmensethik und Unternehmerethos zu differenzieren ist.1089 Ein unternehmensethisches Gewinnprinzip kann auf konventioneller Stufe (des Moralbewusstseins eines Individuums) zwar diskutiert, aber nicht begründet werden. Ulrich weist darauf hin, dass bei Begründung auf der individuellen Ebene implizit oder explizit auf die institutionelle Ebene, bspw. vor dem Hintergrund von Regeln und Gesetzen, argumentiert wird und auch zu argumentieren ist.1090 Beim objektiven Gewinnerfordernis wird eine Begründung des Gewinnerfordernisses vor dem Hintergrund der faktischen Bedingung der Selbstbehauptung von Unternehmen am Markt, und somit einem Sachzwang des Wirtschaftsystems vorgenommen. Ulrich ist der Auffassung, dass kein Verweis auf Sachzwänge oder systemische Funktionserfordernisse, welche hinsichtlich der Verfolgung unternehmerische Zwecke bestehen, die Verletzung moralischer Rechte anderer Personen unmittelbar rechtfertigen. So hat auch die Unternehmensethik diese Einsicht kategorisch zu verfolgen und sich nicht unter marktwirtschaftliche Systembedingungen zu stellen. Denn nicht der marktwirtschaftliche Wettbewerb nötigt die Wirtschaftssubjekte zu bestimmten
1087 1088
1089
1090
Vgl. Ulrich (2001), S. 399-400. So sieht Friedman (1963), S. 15 bspw. die Gewinnorientierung als fundamentales moralisches Prinzip. Siehe zur deutschen Übersetzung Friedman (2002). Grundlegend sei auch auf Friedman (1970) verwiesen. Ähnlich die Auffassung bei Rappaport (1981). Siehe hierzu auch Suchanek (2005), S. 67-69. Vgl. Ulrich (1998b), S. 2-4; Ulrich (2001), S. 400-402. Ulrich sieht hierin die Basis einer (aktuellen) Shareholder-ValueDoktrin begründet. Vgl. Ulrich (2001), S. 400-402.
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Handlungen, vielmehr stellen diese sich selbst bzw. die Unternehmer und Manager erst mit ihren Zweckvorgaben an das Unternehmen unter konkrete Sachzwänge. Je stärker das Gewinninteresse verfolgt wird, desto stärker sind auch diese Zwänge.1091 Die Begründung der Gewinnorientierung als ordnungspolitische Spielregel wird nach Ulrich zumeist anhand des ökonomischen Rahmendeterminismus, der betriebswirtschaftlichen Formalzieldoktorin und durch die Shareholder-ValueDoktrin vollzogen. Der ökonomische Rahmendeterminismus wird bspw. durch Karl Homann vertreten. Hierbei wird die These vertreten, dass die institutionelle Rahmenordnung als Ort der Moral gesehen werden kann. Die Rahmenordnung soll die Marktteilnehmer moralisch fremddisziplinieren. Für eine ausführliche Erörterung dieses Ansatzes siehe Kapitel 2.3.4.1. Durch die betriebswirtschaftliche Formalzieldoktrin wird angenommen, dass die Gewinnorientierung und auch die Gewinnmaximierung nicht ein Sachziel der Kapitaleigner sind, sondern ein interessenneutrales Formalziel des Unternehmens hinsichtlich eines allgemeinen, öffentlichen Interesses. Das interessenneutrale Formalziel wäre somit wert- und interessenneutral im Sinne einer rationalen Unternehmensführung. Es erfolgt somit eine Trennung zwischen dem, was Gewinn erzielt bzw. das Gewinn erzielt werden soll (Formalziel), und dem, wie Gewinn erzielt werden soll (Sachziel). Ulrich sieht dies kritisch und führt an, dass die Quantität eines erzielbaren Gewinns nicht trennbar ist von der ethischen Qualität der eingesetzten Mittel und Strategien. Durch eine Shareholder-Value-Doktrin erfolgt nach Ulrich die Radikalisierung des betriebswirtschaftlichen Formalziels im Sinne eines strikt privatistischen Modells der Unternehmen als „Kapitalverwertungsveranstaltung“ von Eigentümern. In diesem Kontext werden Individuen (idealerweise) als kapitalistische Lebensformen betrachtet. Dabei ist die Hintergrundannahme, dass eine gesellschaftliche Interessenharmonisierung nach dem neoliberalistischen Modell einer vollständig über effiziente Kapitalallokation gedachten und harmonisierten, totalen Marktwirtschaft vollzogen wird. Soziale bzw. ethische Aspekte sind hierbei private Belange der Kapitaleigner, die das Management nicht zu tangieren braucht.1092 Ulrich verwendet selbst eine eigene Deutung bzw. Definition des Gewinnerzielungsprinzips. Dieses soll nicht an dieser Stelle ausgeführt werden. Vielmehr sei konkret auf die Erörterungen des Ansatzes nach Ulrich in Kapitel 2.3.4.2.1093 Die zuvor dargestellten Ausführungen zeigen die Komplexität und Heterogenität im Sinne unterschiedlicher Erklärungs- und Deutungsansätze des Themas. Dabei ist immer zu beachten, auf welcher Ebene (Individual- bzw. Institutionenebene) genau die Argumentation erfolgt. Gleichermaßen kann in der praktischen Umsetzung des Themenkomplexes zwischen einem Sollen, Wollen und Können differenziert werden. Eine ethische Ausrichtung eines Unternehmens muss nicht nur aus der Organisation heraus intern gewollt und nach außen kommuniziert sowie gelebt werden.1094 Vielmehr ist auch die Annahme, Anerkennung und (monetäre) Honoration dieser Ausrichtung durch die Märkte und ihre spezifischen Stakeholder, wie z. B. die Investoren (Finanzmarkt) oder Käufer (Absatzmarkt) von hoher Bedeutung.1095 Mit einer Orientierung an ethischen Grundsätzen ist eine Aussicht auf ökono1091 1092 1093
1094 1095
Vgl. Ulrich (2000), S. 16-17; Ulrich (2001), S. 402-404. Vgl. Ulrich (1998b ), S. 7-9; Ulrich (2000), S. 18-19; Ulrich (2001), S. 409-412. Anzumerken sei an dieser Stelle, dass Ulrich von der Legitimierung des Gewinnprinzips ausgeht, in seinen Ausführungen an einigen Stellen aber auf die Gewinnmaximierung verweist und diese als nicht legitimierbar herausarbeitet. In seiner Argumentation ist nicht immer eine klare Trennung der Begriffe erkennbar, was bei einer verkürzten Darstellung zu Fehlinterpretationen führen könnte. Schmidt (2005b), S. 64 merkt an, dass eine Gestaltung der Umwelt durch Handlungen erfolgt, und nicht durch Worte. Vgl. Kleinfeld (2005), S. 55; Karitzki (2004b), S. 9.
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mischen Nutzen bzw. Erfolg verbunden, da diese Orientierung einer gesellschaftlichen Veränderung entgegenkommt. Der Nutzen für ein Unternehmen kann in einen unternehmensinternen Nutzen sowie einen unternehmensexternen Nutzen differenziert werden, wie in Tabelle 12 dargestellt.1096 Unternehmensintern:
Unternehmensextern:
Steigerung der Mitarbeitermotivation Förderung des Aufbaus einer Wertegemeinschaft Erleichterter Umgang mit gesetzlichen Vorschriften aufgrund einer erhöhten Sensibilität. Hieraus erfolgt eine Senkung von Friktionskosten sowie eine Haftungsvermeidung. Hilfen bei der Aufdeckung von Schwachstellen
Positive Beeinflussung des Unternehmensimages Verbesserung der Marktposition durch die Generierung eines USP über die ethische Ausrichtung Erleichterung des Umgangs mit Behörden Vermeidung der Einführung neuer gesetzlichen Vorschriften durch ethisch proaktive Einstellungen.
Tabelle 12: Ethik und ökonomischer Nutzen
2.3.2.2
Individualethik und Institutionenethik
Aus handlungstheoretischer Sicht kann die Ethik in die Individualethik und die Institutionenethik differenziert werden. Die Individualethik beinhaltet das moralisch relevante Handeln und Entscheiden eines Individuums, eines Menschen.1097 Innerhalb der Individualethik steht der einzelne Mensch im Betrachtungsfokus. Im Rahmen der Individualethik werden individuell zurechenbare Handlungen, wie bspw. die Frage nach den Auswirkungen bzw. den Motiven, einer Bewertung unterzogen. Dabei erfolgt diese Bewertung anhand eines spezifischen Ethikansatzes bzw. Ethikmodells. Um eine individuelle Ethik vollziehen zu können, bedarf es der Annahme der Freiheit und Autonomie des Menschen in seinen Handlungen.1098 Moralische Verantwortung ist eine individualethische Kategorie. Aus der Annahme, dass die ethischen Problemstellungen moderner Handlungsbedingungen nicht mehr durch eine individualethische Moralphilosophie gelöst werden können, kann nicht gefolgert werden, dass die Individualethik gar nicht mehr von Bedeutung bzw. in Betracht zu ziehen ist.1099 Nach Apel (1993) sind alle Arten traditioneller bzw. konventioneller Individualethik, die eine Rollenverantwortung eines Individuums im Rahmen der Familie, als auch im Rahmen staatlich organisierter Ordnung in Form von Rollenpflichten beinhalten, von der aktuellen Ethik der Mitverantwortung überfordert. Dies lässt sich dadurch begründen, dass die konventionelle Individualethik dem postkonventionellen Begriff der Mitverantwortung, der im Kern einer Makroethik steht, nicht verstehen kann. In der komplexen Umwelt ist es schwierig einzelnen Individuen eine Verantwortung für allgemeine Probleme, wie bspw. Umweltproblematiken anzulasten, auch wenn ein Individuum, bspw. als Umweltminister, über weit reichende Kompetenzen verfügt.1100 In diesem Kontext ist auf die Doppeldeutigkeit des Begriffes der Individualethik hinzuweisen. Zum einen geht es darum, wer im Mittelpunkt ethischer Interessen liegt. Zum anderen wird die Frage gestellt, wem die Verantwortung für ethisches Handeln bzw. das Treffen ethischer Entscheidungen zugeordnet werden kann.1101
1096 1097 1098 1099 1100 1101
In Anlehnung an Ruh (2004), S. 20. Vgl. Kleinfeld (1998), S. 72; Brink/Tiberius (2005), S. 14; Göbel (2005), S. 90. Vgl. Eigenstetter/Hammerl (2005), S. 4. Vgl. Kleinfeld (1998), S. 88. Vgl. Apel (1993), S. 29.-30. Vgl. Krainer (2001), S. 208.
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Die Institutionenethik, die auch Sozialethik genannt und in der Einführung des Begriffs auf den lutherischen Theologen von Oettingen zurückgeführt wird, nimmt Bezug auf eine ethische Gestaltung sowie Fundierung der Rahmenbedingungen des menschlichen Lebens und des Handelns in einer Gesellschaft, Gemeinschaft, Gruppe oder Organisation, also einer Institution.1102 Während der Individualethik bereits seit Kant, vor allem in der Philosophie, Theologie als auch in der gesellschaftlichen Wahrnehmung, eine Aufmerksamkeit zu Teil geworden ist, wurde die Institutionenethik lange Zeit wenig beachtet. Vielmehr wurden sozial- und institutionenethische Überlegungen zumeist in den Sozialwissenschaften, wie bspw. in der Soziologie, Politik oder Geschichte, als auch in der Moraltheologie angestellt. Allerdings hat sich das Interesse an der Institutionenethik in den letzten Jahren verstärkt. Ein Grund hierfür sind die fortschreitenden, wissenschaftlichen und technologischen Entwicklungen. In diesem Zusammenhang finden zunehmend auch die Konzepte der Verantwortung, der Verantwortungsübernahme und somit auch der Verantwortungsethik eine Beachtung. Dabei ist festzustellen, dass Institutionen, und hier im Speziellen gerade Unternehmen, aber auch Behörden und Gewerkschaften mit einer moralischen Verantwortungsübernahme hinsichtlich der Folgen und Auswirkungen ihrer (wirtschaftlichen) Handlungen verbunden sind.1103 In der Institutionenethik erfolgt eine Betrachtung des institutionellen Handelns im Sinne eines überindividuellen Handelns. Institutionen reduzieren Komplexität. Sie basieren auf Regelmäßigkeiten sozialen Handelns. Innerhalb der institutionellen Zusammenhänge handelnde Menschen sind mit einer reinen Individualethik überfordert. Bei der Betrachtung von Wirtschafts- und Unternehmensethik sind insofern beide Positionen, die Individualethik als auch die Institutionenethik, von Bedeutung. Eine einseitige Betrachtung wird dem Komplexitätsgrad der Thematik nicht gerecht.1104 Ethische Interaktionen von Systemen bzw. Institutionen, im Gegensatz zu ethischen Interaktionen von Menschen, werden als Institutionenethik verstanden, die im Kern auf dem vertragtheoretischen Modell nach Hobbes basieren.1105 Die zentrale Frage der Gestaltung von Wirtschafts- und Unternehmensethik ist, ob ethisches Wirtschaften durch die Beeinflussung des Individuums und seiner moralischen Auffassungen und Einstellungen erfolgen sollte, oder ob eher über die institutionellen Rahmenbedingungen regulierend Einfluss genommen werden sollte.1106 Der französischer Schriftsteller, Philosoph und Staatstheoretiker Jean Jaques Rousseau (1712-1778) geht von der Annahme aus, dass der Mensch „von Natur aus gut sei“.1107 Jedoch erscheint diese theoretische Annahme aus der Sicht praktischer Erfahrungen nicht immer zwingend zustimmbar. Gerade unter einer wirtschaftlichen Betrachtung lässt sich beobachten, dass der Mensch im freien Wettbewerb zu Ausbeutungen neigt, indem er seine Stärken zu seinen Gunsten dann einzusetzen pflegt, wenn von der beteiligten schwächeren Partei keine Nachteile zu befürchten sind.1108 Haupt/Lachmann (1998) gehen hingegen davon aus, dass intakte (wirtschaftliche) Rahmenbedingungen keinen Egoismus hervorbringen. Vielmehr wird der Egoismus durch nicht intakte Rahmenbedin1102
1103 1104 1105 1106 1107 1108
Vgl. Kleinfeld (1998), S. 72; Krainer (2001), S. 208. Göbel (2005), S. 90-91 merkt an, dass die Institutionenethik auch als Struktur- oder Ordnungsethik bzw. gesellschaftsstrukturelle Ethik bezeichnet werden kann. Vgl. Kleinfeld (1998), S. 74. Vgl. Eigenstetter/Hammerl (2005), S. 4-5; Schmidt (2005b), S. 60; Brink/Tiberius (2005), S. 14-15. Vgl. Kleinfeld (2005), S. 47. Vgl. Homann et al. (1988), S. 9-33. Vgl. Rousseau (1971), S. 9 und 241. Vgl. Furger (1994), S. 12. Eine Analyse des menschlichen Besitzstrebens vor dem Hintergrund des wirtschaftlichen Wachstums liefert bspw. Löwe (1995). Siehe in diesem Kontext weiterhin auch die Ausführungen zu Dilemmatsrukturen des Kapitels 2.1.3.3.
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gungen begünstigt und gefördert.1109 Für Ulrich (1998a) existiert kein Marktversagen, sondern lediglich ein ordnungspolitisches Versagen, wobei Ulrich, neben den (unvollkommenen) ordnungspolitischen Rahmenbedingungen, eine ordnungspolitische Mitverantwortung der Unternehmer und der Branche bzw. Branchenverbände postuliert.1110 Albach (2005a) vertritt die Auffassung, dass je kleiner die Spielräume sind, die Mitarbeiter, Manager und Unternehmen für ihr Verhalten haben, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie nicht gegen Prinzipien moralischen Verhaltens verstoßen werden. Die Ausgestaltung solcher Rahmenbedingungen ist mit einer (hohen) ethischen Verantwortung verbunden.1111 Allerdings merkt Kley (2005) an den Beispielen Enron und WorldCom an, dass selbst Regelungen durch rechtliche Institutionen ein solches Verhalten nicht zu verhindern mögen. Denn die tatsächliche Lage kann trotzdem verschleiert werden, wenn die Verantwortlichen keine Transparenz wollen.1112 Denn kriminelle Energien können sich vermutlich in allen Institutionen und gegen alle Institutionen einen Weg schaffen.1113 Kleinfeld (1998) vertritt ebenfalls die Auffassung, dass beide Dimensionen, die Individual- als auch die Institutionenethik, von Bedeutung sein sollten. Die Institutionenethik soll den Rahmen auf der Makro- und Mesoebene bilden, in dem die einzelnen Akteure frei handeln können, wodurch für alle gleiche Voraussetzungen geschaffen werden. Beim Auftreten potenzieller Lücken ist das einzelne Individuum gefragt diese zu kompensieren. Hierbei kommt dem moralischen Bewusstsein und Gewissen des Individuums eine bedeutende Stellung zu. Zum einen ist dabei eine Internalisierung der institutionalisierten Normen von Bedeutung. Zum anderen ist das moralische Bewusstsein bzw. Gewissen, als kritisch hinterfragende Instanz einer Institutionenethik, zu sehen. Als Voraussetzung zur Gestaltung und Veränderung von Institutionen muss das Individuum über ethisch transformierte, individuelle Präferenzen verfügen.1114 Als weiterer Vertreter sieht auch Koslowski (1989) die Individual- und Institutionenethik als zwei nicht voneinander trennbare Bereiche an. Denn eine soziale Koordination menschlicher Handlungen über Institutionen kann eigenverantwortliches Handeln nicht ersetzen. Dabei setzt das eigenverantwortliche Handeln eine Innenperspektive, als auch eine kritische Reflexionskomponente des Willens, auch sich selbst gegenüber, voraus. Und dies kann lediglich bei einem Individuum der Fall sein.1115 Kirsch (1991) vertritt die Auffassung eines Gleichgewichtes zwischen Institutionenethik und Individualethik. Die Institutionenethik sieht er dabei als lebensferne ex-ante Regelen, die aber Transaktionskosten senken können. Die Individualethik stellt den Gegenpol hierzu dar, welcher lebensnahe ad-hoc Regeln bereitstellt. Diese Regeln führen aber zu einer Erhöhung der Transaktionskosten.1116 Die Verbindung von Individualethik und Institutionenethik ist interdependent.1117 Denn zum einen bedarf es des Menschen, der die Institutionen gestaltet und auch nach diesen lebt. Zum anderen vollzieht sich Individualethik immer innerhalb eines bestimmten Ordnungsrahmens und somit auch vor 1109 1110 1111 1112 1113 1114 1115 1116 1117
Vgl. Haupt/Lachmann (1998), S. 9. Vgl. Ulrich (1998a), S. 23. Vgl. Albach (2005a), S. 18. Vgl. Kley (2005), S. 77. So auch Spielberg (2005), S. 86. Vgl. Henzler (2005), S. 93. Vgl. Kleinfeld (1998), S. 87-88. Ergänzend auch Krelle (1991), S. 109. Vgl. Koslowski (1989), S. 119. Vgl. Kirsch (1991), S. 87-112. Vgl. Ulrich (2002), S. 16.
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dem Hintergrund spezifischer Institutionen, die für das Individuum handlungsleitend sind. Als praxisfern erscheint die Annahme, dass ein Individuum vollständig aus sich selbst heraus vollkommen moralisch handelt bzw. dass ein Individuum vollkommen autonom und selbständig ist von den Institutionen. Gleiches gilt wohl für eine vollkommene Annahme, dass Institutionen ex ante in der Lage sind, alle potenziellen moralischen Situationen zu erfassen und hieraus moralische Handlungen zu erzeugen. Vielmehr werden Regeln und Normen durch unvorhersehbare Ereignisse neu überdacht. Sie können ihre Angemessenheit verlieren. Das individuelle moralische Bewusstsein des Individuums ist als ethische Instanz wichtig, um eine kritische Überprüfung der Angemessenheit vornehmen zu können.1118 In den konkreten Ausgestaltungen unternehmensethischer Ansätze wird zwar die Notwendigkeit erkannt, eindimensionale Unternehmensethikansätze in Form der Individualethik oder Institutionenethik durch die jeweils andere Form zu ergänzen. Allerdings werden die Wechselwirkung sowie eine konkrete Ausgestaltung nicht weiter ausgeführt. Dabei ist dies sowohl für Ansätze nach der Institutionenethik, wie bspw. von Karl Homann, aber auch bei Konzepten der Individualethik, bspw. nach dem diskurs- bzw. dialogethischen Paradigma, der Fall. Denn die Interdependenz von Individuum und Institution wird nicht ausreichend betrachtet.1119 Ulrich (2001) bezeichnet es als auffallend, wie selten der, für ihn, unauflösliche (theoretische) Zusammenhang zwischen Individual- und Institutionenethik beachtet wird. Als mögliche Erklärung in den Wirtschaftswissenschaften führt er die oftmals strikt angewendete Grenzziehung zwischen der Volkswirtschafts- und Betriebswirtschaftslehre an. Diese Trennung spiegelt sich dann im Kontext unterschiedlicher Ebenen und Positionen der Ethik in der Wirtschaft und seiner Akteure wider.1120
1118 1119 1120
Vgl. Kleinfeld (1998), S. 79. Ähnlich auch Göbel (2005), S. 92. Vgl. Kleinfeld (1998), S. 82; Ulrich (2002), S. 16. Vgl. Ulrich (2001), S. 394.
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Abbildung 21 soll den Zusammenhang von Individual- und Institutionenethik im Kontext der Wirtschafts- und Unternehmensethik verdeutlichen.1121
Handlungsebenen der Wirtschafts- und Unternehmensethik
Personen
Systeme
Individualethik
Werte • Gerechtigkeit • Fairness • Vertrauenswürdigkeit • Ehrlichkeit • etc.
Organisationen Institutionenethik
Informelle Institutionen
Kultur
Einstellungen • Gewinnerzielung • Egoismus • Altruismus • Nutzenmaximierung • etc.
Kriterien: Achtung/Missachtung
Religion
Formelle Institutionen
Makroebene: Staat bzw. staatl. Institutionen Mesoebene: Unternehmen/Verbände unternehm. Institutionen
Kriterien: Anreiz/Prävention
Abbildung 21: Individual- und institutionenethische Handlungsebenen der Wirtschafts- und Unternehmensethik
Die Steuerungs- und Koordinationsdefizite des Rechts bzw. Rechtssystems machen es erforderlich, das Recht um eine Unternehmensethik, mit dem Ziel einer hinreichenden Konfliktregulierung zwischen Unternehmen und Umwelt, zu ergänzen.1122 Gründe für eine begrenzte Steuerungs- und Koordinationsfähigkeit von institutionellen Rahmenbedingungen bzw. Recht sind bspw. rechtstechnische Schwierigkeiten oder der Neuheitsgrad der zu regelnden Materie. Im Kontext der rechtstechnischen Schwierigkeiten besteht das Problem darin, Vorschriften nicht auf Einzelfallbasis zu erzeugen, sondern vielmehr zu abstrahieren, um eine allgemeine Beschreibung der Tatbestände, unter Zuhilfenahme unbestimmter Rechtsbegriffe, zu erzeugen. Dabei ist es wichtig, nicht alle Bereiche des Lebens allzu sehr gesetzlich zu regeln und Freiräume des Handelns zu lassen. Um eine Aufblähung des materiellen Rechts zu vermeiden, wird das Rechtssystem durch reflexive Regelungen entlastet, bspw. im Bereich der Tarifverhandlungen. Im Kontext einer reflexiven Steuerung werden lediglich organisatorische und proze-
1121 1122
In Anlehnung und Erweiterung von Wieland (1998b), S. 31. Vgl. Gerum (1992), S. 255.
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durale Voraussetzungen eines autonomen kommunikativen Interessenabgleichs zwischen Individuen und gesellschaftlichen Gruppen geschaffen.1123 Der Neuheitsgrad der zu regelnden Materie ist gekennzeichnet durch eine time-lag-Problematik. Hierbei läuft die Rechtsentwicklung i. d. R. gesellschaftlichen Veränderungen, die zumeist durch technologische Entwicklungen induziert sind, hinterher. Bei noch nicht geregelten Tatbeständen können durch Handlungen von Unternehmen bspw. schon problematische und vielleicht auch schwer revidierbare Tatsachen geschaffen werden.1124 Gleichermaßen ist anzumerken, dass der Staat keine autonomen Rahmenbedingungen setzt. Denn die Institutionen sind ein Ergebnis eines komplexen Entscheidungs- und Mehrheitsbildungsprozesses, welcher durch die Wirtschaft mitunter auch beeinflusst wird.1125 Gesetze können vornehmlich, speziell vor dem Hintergrund der time-lag-Problematik, als reaktive Institutionen betrachtet werden.1126 Fürst/Wieland (2004a) sind der Auffassung, dass die Bedeutung von formalen Institutionen, wie z. B. gesetzliche Regelungen, abnehmen und informelle Institutionen, zunehmen werden. Auch wenn letztere nicht einklagbar sind, besitzen sie doch gesellschaftliche und akteursbezogene Sanktionskomponenten.1127 Für Dehner (2006) besteht ein Fehler einer ideologischen Überheblichkeit darin, dass Gesetze und Normen vor dem Hintergrund unzulänglicher bzw. unrealistischer Vorstellungen über den Menschen ermittelt und formuliert werden.1128 Ethisches Verhalten ist nicht einfach eine Sache guter Institutionen bzw. Gesetze. Gleichermaßen ist es auch nicht eine Frage guter Individuen. Vielmehr sind beide Dimensionen, gute Institutionen und Individuen von Bedeutung, wenn der ethische Aspekt im menschlichen wirksam sein soll.1129 Für Lenk/Maring (1992) ist eine Leitlinie, nur so viele Gesetze bzw. Gebote und Verbote wie nötig zu erzeugen. Aber gleichermaßen so viele Anreize sowie Eigeninitiative und Eigenverantwortung wie möglich zu fördern.1130 Dabei sollte Wirtschafts- und Unternehmensethik mehr sein, als eine alleinige Ausrichtung auf die Moral einzelner Individuen. Denn Unternehmensethik ist mehr, als die alleinige moralisch-sittliche Ausrichtung eines Managers bzw. einer Führungskraft.1131 Hierzu merkt Mehdorn (2004) an, dass die Verantwortung des Handelns des Individuums proportional zur Entscheidungskompetenz gesehen werden kann.1132 Wichtig ist eine Synthese von Freiheit und Bindung. Dabei sind einerseits die Initiative und persönliche Verantwortung jedes Individuums von Bedeutung. Andererseits bedarf der Wettbewerb institutioneller Sicherungen. Diese sind zunächst auf der Ebene von Einrichtungen der Selbsthilfe zu sehen. Reicht die Selbsthilfe nicht aus, sind diese durch Maßnahmen des Staates zu ergänzen. Im Rahmen der Diskussion um die Konzepte der Individualethik und der Institutionenethik ist die Frage, ob ein Unternehmen als ein eigenständiger moralischer Akteur bezeichnet werden kann, von entscheidender Bedeutung. In diesem Kontext herrscht kein allgemeiner Konsens in der Literatur 1123 1124 1125 1126 1127 1128 1129 1130 1131 1132
Vgl. Kumar/Sjurts (1991), S. 166-167; Gerum (1992), S. 255-256. Vgl. Steger (1991), S. 191; Kumar/Sjurts (1991), S. 168-169; Gerum (1992), S. 257. Vgl. Steger (1991), S. 191. Vgl. Waibl (2005), S. 24. Vgl. Fürst/Wieland (2004a), S. 392. Vgl. Dehner (2006), S. 81. Vgl. Bowie (1992), S. 342. Vgl. Lenk/Maring (1992), S. 158. Vgl. Kleinfeld (1998), S. 75; Schulte-Noelle (2004), S. 217-218. Vgl. Mehdorn (2004), S. 289.
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vor.1133 Kleinfeld (2005) ist in diesem Kontext bspw. der Auffassung, dass immer nur der Mensch in der Lage ist ethisch zu agieren und daher einen ethischen Auftrag besitzt. Unter der Voraussetzung, dass Unternehmen soziale Systeme sind, die durch Individuen konstituiert werden, kann für diese eine ethische Handlungs- und Urteilsfähigkeit sowie die Verpflichtung zu einer ethischen Ausrichtung geltend gemacht werden. Daher sind nach Kleinfeld Unternehmen lediglich in einem sekundären Sinne moralfähig, nämlich durch die Individuen, die im Unternehmen arbeiten.1134 2.3.2.3
Legitimation, Gerechtigkeit und Glaubwürdigkeit
Im Kontext der Wirtschafts- und Unternehmensethik sowie der hiermit verbundenen Differenzierungs- und Erörterungsebenen werden häufig die Begriffe der Legitimation, der Gerechtigkeit und der Glaubwürdigkeit verwandt. Im Fokus solcher Betrachtungen stehen dabei i. d. R. Unternehmen sowie deren Handlungen bzw. Akteure. Um eine Verständnisbasis der Begriffe zu erhalten, sollen diese nachfolgend kurz erörtert werden. Legitimation Das Vertrauen in die Wirtschaft hat vor dem Hintergrund international bedeutsamer Bilanz- und Betrugsskandale von bspw. Enron, WorldCom oder Xerox dazu geführt, dass das Vertrauen in die Wirtschaft, die Unternehmen und die Führungskräfte gemindert wurde. Die Führungskräfte bzw. Vorstandsvorsitzenden haben dabei lediglich opportunistisch gehandelt und als einzigen Wert den persönlichen monetären Wert der eigenen Vergütung maximiert.1135 Zu erklären ist dies auf der einen Seite mit der Annahme des Opportunismus der relevanten Entscheidungsträger und mit der PricipalAgency-Theorie, auf die an dieser Stelle nicht vertiefend eingegangen werden soll.1136 Allgemein sehen sich Unternehmen zunehmend mit der öffentlichen Auffassung und somit einem Legitimationsdruck konfrontiert, dass Unternehmen die Ressourcen einer Gesellschaft nutzen, in gleichem Zuge allerdings weniger Nutzen für die Gesellschaft zurücktransferieren und sogar für die Gesellschaft problematisch sein können. Als Beispiele werden Aspekte der Umwelt, Steuern, sozialen Sicherheit oder der Beschäftigungspolitik angeführt, die in vielen Fällen in der heutigen Zeit auf eine Maximierung des Shareholder Value ausgerichtet sind.1137 In diesem Kontext ist nach Wieland (2004a) in den nächsten Jahren mit einer zunehmenden Komplexität der Unternehmensführung, aufgrund einer Verlagerung der moralischen Begründung von der Makroebene der staatlichen Rahmenordnung auf die Ebene der Unternehmen, zu rechnen. Dies wird voraussichtlich zu einem zunehmenden moralischen Legitimationsdruck der Unternehmen führen. Der Legitimationsbedarf zeigt sich dabei in der Diskussion bspw. um die Stichworte soziale Sicherheit, Beschäftigung und Umwelt. Eine Betrachtung und Legitimation von dem Hintergrund des Shareholder-Value-Konzeptes sei dabei zu einfach gedacht.1138 1133
1134 1135 1136
1137 1138
Siehe zur Thematik auch Goodpaster/Mathews (1982); Donaldson (1982) sowie De George (1988). Ergänzend auch Homann/Suchanek (2000); Enderle (1992). Vgl. Kleinfeld (2005), S. 48. Siehe ausführlich auch Kleinfeld (1998). Ähnlich auch Leisinger (19997), S. 55-56. Vgl. Schmidt (2002), S. 73. Siehe zur Erörterung der Principal-Agency-Theorie bspw. die Ausführungen bei Göbel (2002) oder Richter/Furubotn (2003). Vgl. Wieland/Grüninger (2000), S. 159-160; Ulrich (2000), S. 15; Fürst/Wieland (2004a), S. 391-392. Vgl. Wieland (2004a), S. 21-22. So auch Fürst/Wieland (2004a), S. 392.
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Oftmals erfolgt u. U. eine einseitige Betrachtung, Handlung und Kommunikation hinsichtlich der Stakeholder des Unternehmens. Gerade bei börsennotierten Unternehmen scheint oftmals ein Ungleichgewicht des Kapitalmarktes und seiner Akteure vorzuliegen. Die allgemeine Gesellschaft wird mitunter weniger in die Kommunikation und Handlungen einbezogen. Pierer (2002) ist allerdings der Auffassung, dass eine Gesellschaft für ihr Funktionieren sowie ihre Weiterentwicklung einen Dialog benötigt. Gleichermaßen braucht auch jedes Unternehmen den Dialog mit der Gesellschaft.1139 Der Dialog muss dabei aber nicht von einem Unternehmen eingeleitet werden. Unternehmen können in der heutigen Zeit mitunter auch zu einem Dialog, gerade hinsichtlich ethischer bzw. unethischer Fragestellungen, Handlungen oder Probleme, gezwungen werden, sollte das Unternehmen nicht selber bereit sein einen Dialog zu führen oder aber unethische Handlungen zu unterlassen. Unternehmen besitzen ein Interesse daran, in eine Gesellschaft einbezogen zu werden, weil dies eine gesellschaftliche Legitimation sowie Reputation und somit eine Sicherstellung der licence to operate and grow für das Unternehmen bedeutet.1140 Denn Unternehmen müssen entlang von Legitimitäts- und Legalitätskriterien in der Lage sein, Strukturen im Unternehmen und dem unternehmerischen Handeln zu etablieren, die den Handlungsspielraum der Unternehmen hinsichtlich einer Steuerung der Übernahme von Verantwortung für gesellschaftliche Entwicklungen definieren und handhabbar machen, um keinen Legitimitätsverlust bzw. einen Verlust der licence to operate zu riskieren.1141 Nach Dyllik (1992) können drei Bedingungen einer Legitimation von Unternehmen unterschieden werden. Hierbei handelt es sich um die gesellschaftliche Kommunikations- oder Dialogfähigkeit, die gesellschaftliche Handlungs- oder Kooperationsfähigkeit und die gesellschaftliche Glaubwürdigkeit.1142 Dabei ist nicht allein die Leistungs- und Innovationsfähigkeit der Unternehmen von Bedeutung, sondern die Externalitäten der Handlungen bzw. die negativen Auswirkungen auf die Umwelt und Gesellschaft. Dabei ist anzumerken, dass eine gesellschaftliche Glaubwürdigkeit nicht (allein) mit Marketing- und PublicRelations-Instrumenten generiert werden kann. Gleichermaßen kann die Glaubwürdigkeit auch schnell verloren gehen. Denn gerade vor dem Hintergrund moderner Informations- und Kommunikationstechnologien und der hiermit verbundenen informationstechnologischen Vernetzung der Menschen, bietet sich jedem Menschen die Möglichkeit ethisch nicht korrekte Verhaltensweisen aufzudecken und diese dann weltweit zu publizieren. Die technologische Entwicklung kann als korrektives Instrument aufgefasst werden. Denn es wird die Möglichkeit verringert, ethische Missstände zu verdecken.1143 Verwenden Unternehmen lediglich Public Relations als Alternative zu einer Krisenbewältigung, anstelle einer ernsten Öffnung für und einer Abarbeitung des Problems, können sie ihre Glaubwürdigkeit verlieren und infolgedessen auch ihre Legitimation. Die zentrale Frage der Legitimation einer Existenz des Unternehmens ist somit lediglich jenseits eines Verweises auf marktliche, rechtliche bzw. institutionelle Verpflichtungen zu beantworten. Daher ist Karmesin (1996) der Auffassung, dass die
1139 1140 1141 1142 1143
Vgl. Pierer (2002), S. 63. Vgl. Wieland (2004b), S. 274; Suchanek (2005), S. 65-66. Ähnlich auch eine Aussage bei Leisinger (2004), S. 555. Vgl. Fürst/Wieland (2004a), S. 393; Fürst/Wieland (2004b), S. 595-596. Vgl. Dyllick (1992), S. 477. Vgl. Schmidt (2002), S. 72. Siehe auch Dyllick (1992).
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Unternehmensethik langfristig über die Legitimation sowie über die gesellschaftliche und kulturelle Existenz des Unternehmens entscheidet.1144 Gerechtigkeit In feudalen, mittelalterlichen Gesellschaften wurde die Gerechtigkeit durch den Willen und die Gesetze des Regenten ausgeübt. Diese waren der systematische Ort einer wirtschaftsethischen Reflexion, da hier die Weltordnung bzw. der Wille Gottes widergespiegelt werden sollte. Eine Beantwortung der Frage nach der Gerechtigkeit wurde durch die Regel „suum cuique“ – „jedem das Seine“ beantwortet.1145 Gerechtigkeit kann als individuelle Tugend formuliert werden, die durch einen Appell an das Gewissen sowie an die Verantwortung erzeugt wird. Gleichermaßen kann Gerechtigkeit durch öffentliche Sanktionen erzielt werden. Gerechtigkeit im Markt wird durch die Unterwerfung der Wirtschaftssubjekte unter die Wettbewerbsregeln sowie gesetzlichen Bestimmungen erreicht.1146 Somit handelt es sich bei Letztem um eine Unterordnung der Wirtschaftssubjekte und Institutionen. In modernen Gesellschaften der Neuzeit herrschen unterschiedliche Auffassungen der Kennzeichnung eines systematischen Ortes einer wirtschaftsethischen Reflexion. Dies ist der Fall, da der Begriff der Gerechtigkeit differenzierter betrachtet wird. Denn moderne Gesellschaften sind in unterschiedliche Teilsysteme und Akteure differenziert. Darüber hinaus sind die Ansprüche der Gerechtigkeit vor dem Hintergrund der Einführung und des Lebens von Demokratie erhöht, wobei bspw. Beteiligungsrechte oder soziale Grundrechte respektiert werden wollen. Weiterhin ist Gerechtigkeit ein dynamischer Prozess, der durch Reflexion, gesellschaftliche Konflikte und politische Reformen weiter differenziert wird.1147 Die Literatur des Themengebietes der Gerechtigkeit ist umfassend und nahezu unüberschaubar. Aus diesem Grunde ist eine erschöpfende Darstellung schwierig. Daher kann lediglich ein kurzer Überblick der relevanten Aspekte im Kontext dieser Ausarbeitung gegeben werden. Diefenbacher (2001) vertritt die These, dass es sieben Varianten des Begriffes der Gerechtigkeit gibt, mit denen sich die wichtigsten Zugangswege der Ökonomie beschreiben lassen. Hierbei handelt es sich um:1148 1144 1145 1146 1147 1148
Gerechtigkeit als Teil eines von außen vorgegebenen Normensystems, an das sich die Ökonomie anpassen und dessen Regeln sie befolgen muss, Gerechtigkeit als wesentliche Norm zur Gestaltung der Rahmenbedingungen, innerhalb derer eine Marktökonomie funktionieren kann, Gerechtigkeit als eine ökonomiefremde Norm, die allenfalls erfüllt wird, wenn die Ökonomie sich nach ihren eigenen Gesetzen entwickeln kann, Gerechtigkeit als das Ergebnis einer pragmatischen aufgeklärten Vernunft, durch die Ökonomie ohne Rekurs auf Moralsysteme organisiert wird, Gerechtigkeit als Befolgung der Regel, die Lebensbedingungen der Mitglieder der Gesellschaft zu verbessern, die das jeweils niedrigste Wohlfahrtsniveau aufweisen, Gerechtigkeit als Befriedigung von im Konsens festgelegten Verfahrensregeln, Vgl. Karmesin (1996), S. 210. Vgl. Hengsbach (1996), S. 23. Vgl. Hengsbach (1996), S. 26. Vgl. Hengsbach (1996), S. 23-24. Diefenbacher (2001), S. 90.
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Gerechtigkeit als strategischer Begriff der Herrschenden.
Gerechtigkeit nach ethischem Verständnis ist die Suche nach dem Gleichgewicht zwischen Individual- und Gemeinwohl, welches kontinuierlichen Veränderungsprozessen innerhalb der Gesellschaft unterliegt und somit laufend neu gesucht und definiert werden muss. Dabei liegt Gerechtigkeit zwischen den diametralen Extrempolen einer völligen Gleichheit aller und der Individualität im Sinne einer Privilegienwirtschaft, was zusammengenommen als Ungerechtigkeit bezeichnet werden kann.1149 Dabei ist Gerechtigkeit in einer Korrelation zu anderen Wertbegriffen, wie bspw. Freiheit oder Solidarität, aufzufassen. Dabei stellen Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität Beziehungsbegriffe dar, die in einen Ausgleich gebracht werden sollten. Dieser Auffassung war auch Rawls bei der Entwicklung seiner Ideen. In der abendländischen Ethik bestand, bspw. durch Aristoteles, Thomas von Aquin oder, angelehnt an die philosophische Tradition, auch bei Martin Luther, ein Bemühen, den Begriff der Gerechtigkeit mit der Epikie, der Klugheit zu verbinden. Aus dieser Tradition entstand u. a. die Betrachtungsrichtung der Einzelfallgerechtigkeit und der allgemeinen Gerechtigkeit.1150 Allgemein ist festzustellen, dass Gerechtigkeit (oftmals) mit dem Begriff der Gleichheit verbunden wird. Die Gleichheit selbst setzt Freiheit voraus, denn bei Unfreiheit existiert keine Gleichheit.1151 Zum Begriff der Gerechtigkeit existieren bisweilen unterschiedliche Auffassungen. Insbesondere ist zu prüfen, ob eine Verteilungsgerechtigkeit und Leistungsgerechtigkeit gemeint ist.1152 Der Begriff der Gerechtigkeit ist auch in der theoretischen Begründung der sozialen Marktwirtschaft von Bedeutung. In diesem Kontext wird zwischen formaler und materialer Gerechtigkeit differenziert. Die formale Gerechtigkeit ist erzielt, wenn jedem Bürger die gleichen Rechte zustehen. Die materiale Gerechtigkeit wird unterscheiden in Startgerechtigkeit, verstanden als gleiche Ausgangbedingungen und gleiche materiale bzw. materielle Chancen, Leistungsgerechtigkeit als Tauschgerechtigkeit im Sinne eines angemessenen Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung, und Bedarfsgerechtigkeit als Anspruch auf ein Mindesteinkommen, das einem Gesellschaftsmitglied unabhängig seines Beitrages im wirtschaftlichen Wertschöpfungsprozess zukommen soll, bspw. für Arbeitslose, um in Menschenwürde zu leben.1153 In diesem Kontext kann angemerkt werden, dass ausgehend von der Unterscheidung nach Aristoteles zwischen kommutativer Gerechtigkeit (justitia commutativa) und distributiver Gerechtigkeit (justitia distributiva), in der Ökonomik eine Weiterentwicklung anhand der kommutativen Gerechtigkeit vollzogen wurde. Somit wurde lediglich die Tauschgerechtigkeit zum Gerechtigkeitsproblem des Gemeinwesens. Die distributive Gerechtigkeit ist dabei vornehmlich in den Bereich der (privaten) Tugenden zurückgedrängt worden.1154 Karitzki (2005) schlägt vor, den Begriff der Gerechtigkeit an vier Grundformen sozialen Han1149 1150 1151 1152 1153 1154
Vgl. Furger (1994), S. 8. Vgl. Kreß (2003), S. 80-81. Eine umfassende Erörterung liefert Nutzinger (2005). Vgl. Starbatty (2000), S. 243-253; Albach (2005), S. 8. Vgl. Kastner (2006), S. 53. Siehe zur Verteilungsgerechtigkeit weiterführend bspw. auch Weizsäcker (1988). Vgl. Lampert (1990), S. 115-136. Vgl. Hollstein (2005), S. 426. Die Konzentration auf die Tauschgerechtigkeit, die in der Ökonomie ausgehend von Adam Smith vollzogen wurde, bildet eine wesentliche Voraussetzung fachökonomischen Denkens und lieferte einen Beitrag zur Ausdifferenzierung wissenschaftlicher Disziplinen. Die Bevorzugung der Tauschgerechtigkeit führt allerdings dazu, dass Fragen und Problemstellungen der Verteilungsgerechtigkeit lediglich in begrenztem Maße thematisiert und bearbeitet werden. Dabei führt dies oftmals zu einer Begrenzung hinsichtlich der Frage einer gerechten Anfangsausstattung. Hieraus resultiert die zuweilen vorgebrachte Forderung, die ökonomische Theorie für Fragen der Verteilungsgerechtigkeit zu öffnen, um bspw. Maßstäbe der Würde des Individuums oder lebensweltlicher Gerechtigkeitsvorstellungen in das ökonomische Denken zu integrieren. Siehe hierzu Nutzinger (2005), S. 384-392; Hollstein (2005), S. 427. Nutzinger (2005), S. 383 merkt an, dass die Thematisierung der Gerechtigkeitsproblematik in der deutschen
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delns nach Koller (2003) anzulehnen. Hieraus ergibt sich die Systematisierung: Verteilungsgerechtigkeit bzw. distributive Gerechtigkeit (soziales Handeln: Gemeinschaftsverhältnisse), Tauschgerechtigkeit bzw. kommutative Gerechtigkeit (soziales Handeln: Austauschverhältnisse), politische Gerechtigkeit (soziales Handeln: Herrschaftsverhältnisse) sowie korrektive Gerechtigkeit (soziales Handeln: Unrechtsverhältnisse).1155 Der Begriff und die Bedeutung von Gerechtigkeit fallen nicht mit dem der sozialen Gleichheit zusammen. Ein Mehr an Gleichheit geht immer zu Lasten der Freiheit. Chancengerechtigkeit und Teilhabemöglichkeiten, auch verstanden als eine Teilhabe an Arbeit, bilden Stützen einer freien Bürgergesellschaft. Bei einem Übergang von teilweiser zu dauerhafter Arbeitslosigkeit sind diese Voraussetzungen nicht mehr gegeben.1156 Die meisten Philosophen sehen die Frage nach der Gerechtigkeit als ein zentrales Thema der Wirtschaftsethik. Der Ökonom und Sozialphilosoph Friedrich August von Hayek (1899-1992)1157 hingegen bestreitet, dass die Marktwirtschaft überhaupt Gegenstand von Gerechtigkeitsüberlegungen sein kann. Denn der Begriff der sozialen Gerechtigkeit sei ein Widerspruch in sich. Dabei sieht Hayek den Markt als spontane Ordnung, und somit ist im Fall einer spontanen Ordnung der resultierende Zustand nicht das beabsichtigte Ziel individueller Handlungen. Somit darf der Begriff der sozialen Gerechtigkeit nicht auf Ergebnisse einer Marktwirtschaft angewendet werden. Es existiert keine austeilende Gerechtigkeit, wo niemand etwas austeilt. Denn lediglich menschliches Verhalten kann im Allgemeinen als gerecht oder ungerecht bezeichnet werden. Und nur Situationen, die durch den menschlichen Willen erzeugt wurden, sind als gerecht oder ungerecht zu bezeichnen. Somit können Einzelheiten einer spontanen Ordnung nicht gerecht oder ungerecht sein.1158 Institutionelle Regelungen bzw. das Recht, aber auch der Markt können moralische Entlastungsfunktionen übernehmen. Doch der Annahme einer grundsätzlichen Entlastungsfunktion kann die Einsicht entgegen gehalten werden, dass das, was rechtlich nicht verboten bzw. erlaubt und marktlich möglich ist, nicht notwendigerweise auch gerecht sein muss. Auch wenn unternehmerische Entscheidungen und Handlungen in Übereinstimmung mit dem geltenden Recht sowie den Gepflogenheiten des Marktes stehen, so ist trotzdem zu prüfen, ob die Entscheidungen und Handlungen allgemein bzw. in einer spezifischen Situation auch ethisch vertretbar sind.1159 In diesem Kontext ist anzumerken, dass der Staat versuchen kann, einen Einfluss auf die Regulation des Verhaltens bzw. der Handlungen zu nehmen. Jedoch kann der Staat keine moralische Gesinnung herbeiführen. Durch Gesetze können lediglich (günstige) Rahmenbedingungen generiert werden. Gesetze entbinden den Menschen nicht von der Verantwortung des Nachdenkens und einer ethisch reflektierten Handlung. Somit bildet das Recht lediglich ein ethisches Minimum.1160 Das Spannungsverhältnis von Recht und Ethik ist ein komplexer Themenbereich. Dabei kann die Ethik, verstanden als Reflexionstheorie der Moral,
1155 1156 1157 1158 1159
1160
Wirtschafts- und Unternehmensethikdiskussion in den letzen 20 Jahren lediglich in geringem Maße vollzogen wurde. Siehe in diesem Kontext auch Rusche (1999), S. 53-57. Vgl. Karitzki (2005), S. 280-290. Die Basis bildet Koller (2003). Vgl. Lieberknecht (1998), S. 39. Siehe zur Person bspw. Raybould (1998). Vgl. Hayek (1977), S. 24; Hayek (1981), S. 56. Vgl. Kumar/Sjurts (1991), S. 166; Enderle (1991), S. 152; Gerum (1992), S. 257; Leisinger (1997), S. 44; Apel (2002), S. 20. Vgl. Leisinger (1997), S. 42-43. Siehe bspw. auch Gröschner (1991).
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mitunter sowohl als Fundament, als auch als Erweiterung und Korrektiv des Rechts gesehen werden.1161 Im Spannungsverhältnis von Recht und Ethik können allgemein vier Fälle identifiziert werden.1162 Abbildung 22 verdeutlicht das Klassifikationsschema des Verhältnisses von Recht und Ethik:1163
ethisch
II
I
illegal
legal IV
III
unethisch Abbildung 22: Klassifikation zum Verhältnis von Recht und Ethik
Indifferent und problematisch sind die Quadranten II und III. In der Diskussion zwischen Unternehmen und ihrer Umwelt bzw. ihren Stakeholdern ist zumeist der Quadrant III betroffen. Hierbei ist zwar einerseits die Legalität von Entscheidungen nicht strittig. Jedoch wird zum anderen die Legitimität im Sinne der ethischen Rechtfertigbarkeit der Entscheidungen durch die Öffentlichkeit angezweifelt. Dieser Fall ist allgemeiner Natur und bezieht sich nicht nur auf den Fall neuartiger Konfliktlagen, in denen die rechtlichen Rahmenbedingungen überprüft und ggf. angepasst werden müssen.1164 Die formalen Institutionen eines gesellschaftlichen Zusammenlebens werden in Deutschland durch das Grundgesetz und den hieraus abgeleiteten Einzelgesetzen etc. vorgegeben.1165
1161 1162 1163 1164 1165
Vgl. Waibl (2005), S. 23. Vgl. Gerum (1992), S. 257. Vgl. die Ausführungen bei Henderson (1982), S. 42; Kumar/Sjurts (1991), 171 sowie Gerum (1992), S. 258. Vgl. Gerum (1992), S. 258. Vgl. Dürr (2000), S. 11.
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Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
Nach Homann/Kirchner (1995) lässt sich, wie in Abbildung 23 dargestellt, folgende Hierarchie von (formalen) Regeln identifizieren:1166 Regelhierarchie Verfassung (Einfaches) Gesetz Verordnung/Satzung Gesellschaftsvertrag/Unternehmensverfassung Vertragsnetz Relationaler Vertrag zwischen Akteuren Einfacher Austauschvertrag Abbildung 23: Hierarchie von Regeln
Allgemein kann ein formales, top-down gesetztes Recht bzw. formale Institutionen grundsätzlich Handlungsmöglichkeiten erlauben, die durch informelle Institutionen verboten werden. Gleichermaßen könnten durch formale Institutionen Handlungsmöglichkeiten verboten werden, die durch informelle Institutionen erlaubt sind. Hierbei würden unterschiedliche Typen von Institutionen einander konterkarieren. Dabei entsteht das Problem, dass weder die Erzeuger formeller Institutionen bzw. formellen Rechts, in Demokratien die Parlamente, informelle Institutionen einer Gesellschaft durch einen Mehrheitsbeschluss aufheben können. Noch können sich Individuen i. d. R. ohne Sanktionen über formales Recht hinwegsetzen. North (1990) sieht daher eine Komplementärbeziehung zwischen formellen und informellen Institutionen. Hieraus ergibt sich die Forderung zunächst die informellen Institutionen zu identifizieren und hierauf aufbauend komplementäre formelle Institutionen bzw. Gesetze zu formulieren.1167 Allerdings kann bei dieser Forderung auch ein negativer Aspekt gesehen werden. Denn mitunter entsteht kein Fortschritt hinsichtlich eines möglichen, intendierten Wandels informeller Institutionen über formelle Institutionen, wenn sich immer an den informellen Institutionen orientiert wird. Der Einwand kann aber auch in umgekehrter Weise wirken. Glaubwürdigkeit Ein Unternehmen erscheint im Sinne eines modernen (Umwelt-)Verständnisses als glaubwürdig, wenn eine Internalisierung von externen Effekten als Folgen unternehmerischen Handelns vorgenommen wird.1168 In diesem Kontext ist bspw. die Natur als Objekt an sich schon von Bedeutung und nicht nur in zweiter Konsequenz vor dem Hintergrund der negativen Auswirkungen einer nicht intakten Natur für den Menschen. Darüber hinaus erlangen Unternehmen Glaubwürdigkeit, wenn nicht alleine nach bestehenden institutionellen Regelungen gehandelt wird, sondern auch über diese hinaus. Hiermit ist z. B. ein proaktiver Umweltschutz gemeint, der nicht von bestehenden gesetzlichen Regelungen gefordert ist. Dabei werden u. a. Märkte für ökologische und soziale Produkte ent1166 1167 1168
Vgl. Homann/Kirchner (1995), S. 152. Vgl. North (1990), S. 91; Wegner (1998), S. 35-36. In diesem Kontext merken Eigenstetter/Dobiasch/Hammerl (2005), S. 230 an, dass moralische Glaubwürdigkeit sich auf beobachtbares Verhalten bzw. Handlungen bezieht.
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wickelt, oder aber es wird ein Umweltschutz betrieben, der negative Effekte nicht erst beseitigt, sondern diese erst gar nicht entstehen lässt.1169 Gerade dieser Bereich birgt ein Chancenpotenzial für junge Unternehmen. Einerseits wird eine positive Reputation aufgebaut, die als imagefördernde Wirkung im Rahmen des (strategischen) Marketings genutzt werden kann. Andererseits bieten sich durch neue, innovative Produkte Ansatzmöglichkeiten der Differenzierung gegenüber der Konkurrenz. Dabei können durch innovative Ideen und deren Umsetzung gar neue Märkt erst geschaffen werden. Allerdings ist dies u. U. auch kritisch zu betrachten. Denn umwelt- und sozialverträglich hergestellte Produkte haben oftmals höhere Produktionskosten. Diese sind auf den Preis der Produkte umzulegen. Der Preis bestimmt, trotz der Bekenntnisse der Konsumenten für umweltverträgliche Produkte, das Kaufverhalten und somit ob ein Produkt am Markt durchsetzbar ist oder nicht. Unternehmen bieten Produkte nur dann an, wenn dies der Markt auch verlangt. Sollten umwelt- und sozialverträgliche Produkte am Markt nicht nachgefragt werden, ist ein Angebot dieser aus ökonomischer Sicht nicht sinnvoll.1170 Somit ist aus der ethischen Sichtweise nicht nur die Angebotsseite, also die Unternehmen und deren Produkte und Dienstleistungen von Bedeutung, sondern auch die Nachfrageseite, die Konsumenten. Hier wiederum zeigt sich, wie vielschichtig der Themenkomplex der Ethik ist. Eine eindimensionale Sichtweise, bspw. nur von einer potenziellen Pflicht der Unternehmen her betrachtet, kann den Themenbereich nicht in adäquater Weise abbilden. Wichtig für die Glaubwürdigkeit eines Unternehmens ist die Transparenz gegenüber seinen Stakeholdern. Hieraus folgt die Definition von grundlegenden Normen, denen sich das Unternehmen im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit verpflichtet sieht. Hierbei kann es sich bspw. um Codes of Conduct1171 für die Definition von Umwelt- und Sozialstandards oder Unternehmensleitlinien handeln. Hierdurch soll die Ernsthaftigkeit im Umgang mit einem spezifischen Thema demonstriert, und die Möglichkeit der Überprüfung der eigenen Handlungen anhand der öffentlichen Richtlinien ermöglicht werden. Dabei ist allerdings darauf zu achten, dass es sich um tatsächlich gelebte Normen handelt, und nicht lediglich um das Bekenntnis in Form von Hochglanzbroschüren.1172 Flasbarth (2002) fordert für die Erzielung von Glaubwürdigkeit eines Unternehmens die Einbeziehung von Non-Governmental Organisations (NGOs) bzw. nichtstaatlichen Organisationen, als Spezialisten ökologischer und sozialer Themengebiete. Dabei sollen NGOs in die Formulierung von Unternehmensstrategien einbezogen werden, um ein nachhaltiges Wirtschaften sicherzustellen.1173 Diese Forderung erinnert in den Ansätzen ein wenig an die Dialogethik mit der Forderung der Einbeziehung aller von einer wirtschaftlichen Handlung betroffenen Akteure. Diese hier vorgebrachte Forderung kann in der Praxis zu Problemen führen, wenn eine Vielzahl von kleinen und mittleren Unternehmen dieser Forderung wirklich nachkämen, da dann die Kapazitäten der NGOs begrenzt würden. Auch erscheint diese Forderung nicht für jedes Unternehmen praktikabel, zumal eine Vielzahl von (unternehmens-)ethischen Ansätzen vor dem Hintergrund von Großunternehmen entwickelt worden sind.
1169 1170 1171 1172 1173
Vgl. Flasbarth (2002), S. 38. Vgl. Merck (2002), S. 45. Siehe hierzu Kapitel 2.4.3.7.1. Vgl. Flasbarth (2002), S. 38. Vgl. Flasbarth (2002), S. 38-39.
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Für die Schaffung von Transparenz und Glaubwürdigkeit eines Unternehmens sieht Merck (2002) es nicht mehr alleine als wichtig an, ein Emmissions-Reporting zu betreiben, Abfallströme zu verfolgen oder aber auf recyclingfähige Produkte zu achten. Vielmehr treten die Herstellungsbedingungen in den Vorstufen der Produktion eines Produktes, die Frage nach der Herkunft sowie Gewinnung des Rohstoffes oder aber nach der Vergütungsstruktur und dem Alter der in der Produktion beteiligten Mitarbeiter in den Vordergrund. Wichtig ist dabei, dass die Umwelt- und Sozialbedingungen der gesamten Wertschöpfungskette betrachtet werden.1174 Eine transparente Bekennung eines Unternehmens zu seinen Werten kann als Selbstverpflichtung gesehen werden. Handlungen und Entscheidungen, die eine Verletzung dieser Selbstverpflichtung hervorrufen, werden einklagbar. Diese Einklagbarkeit ist jedoch nicht zwingend in einem juristischen Sinne zu sehen. Vielmehr ist mit einer Schädigung der Reputation des Unternehmens durch die Macht der Öffentlichkeit zu rechnen. Jedoch ist auch der umgekehrte Fall denkbar. Bei einer Formulierung, Einhaltung, Umsetzung und Kommunikation unternehmensethischer Grundwerte können Vertrauen und Glaubwürdigkeit in und für das Unternehmen generiert werden.1175 Dabei kann Vertrauen als die Grundlage betrachtet werden, auf der Individuen, trotz diskontinuierlicher Wahrnehmung und Kommunikation, davon ausgehen, dass ihre Erwartungen hinsichtlich der Handlungen eines Anderen nicht enttäuscht werden.1176 Vertrauen entsteht u. a. durch Transparenz, Bekanntheit, Qualität, Nähe und Stimmigkeit. Sie bewährt sich bei der Erfüllung eines Versprechens.1177 Allgemein kann Vertrauen als ein moralischer Faktor zur Senkung von (Transaktions-)Kosten innerhalb und zwischen Unternehmen bzw. Vertragspartnern als Vertrauensmechanismus gesehen werden. Hieraus können sich bisweilen Nutzeneffekte durch Ethik als Marktvorteile ergeben.1178
2.3.3
2.3.3.1
Abgrenzung der Unternehmensethik zu Disziplinen der Wirtschaftswissenschaften Ethik im Kontext des Marketing
Wird Marketing nach Meffert (2000) sowie Meffert/Burmann/Kirchgeorg (2008) gesehen, als eine an den Kundenbedürfnissen ausgerichtete und somit marktorientierte Unternehmensführung im Sinne systematischer und zielgerichteter betriebswirtschaftlicher Maßnahmen, so zeigt sich, warum Ethik starke Berührungspunkte mit dem Marketing im Sinne einer Marketingethik besitzt.1179 Das Marketing stellt eine Schnittstelle des Unternehmens zu seiner Umwelt dar. Aus diesem Grunde ist das Marketing oftmals einer besonderen Kritik ausgesetzt.1180 Denn eine marktorientierte Unternehmensführung mit einem systematischen Marketing tangiert unterschiedlichste unternehmensinterne bzw. un1174 1175
1176
1177 1178
1179 1180
Vgl. Merck (2002), S. 49-50. Vgl. Wieland (1999b), S. 36; Schmidt (2002), S. 76. Priddat (2004b), S. 114-116 liefert ein einfaches Beispiel, welches eine ökonomische Kosten-Nutzen-Berechnung bei einer Regelübertretung und möglichen Sanktionierung vor dem Hintergrund eines potenziellen Reputationsverlustes beschreibt. Vgl. Behrent (2004), S. 129-130; Eigenstetter/Dobiasch/Hammerl (2005), S. 230-234. Siehe ausführlich zum Vertrauenskonzept Grüninger (2001); Langer (2005); Kautonen (2005). Vgl. Lehner (2006), S. 226. Vgl. Lenk/Maring (2004), S. 36; Grüninger/John (2004), S. 160-161; Schulte-Noelle (2004), S. 214; Laux (2005), S. 208-209. Siehe weiterführend auch Ripperger (2003). Vgl. Meffert (2000), S. 3-11; Meffert/Burmann/Kirchgeorg (20098), S. 12-17. Vgl. Srnka (1997), S. XIII.
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ternehmensexterne Aspekte, die über den Einsatz der Marketinginstrumente hinausgehen, wie bspw. Marktselektionsprobleme, in denen bspw. Konsumentengruppen von Marketinganstrengungen ausgeschlossen werden, weil es sich um ungeeignete Zielmärkte, wie bspw. bei körperlich behinderten Personen, handelt. Darüber hinaus bestehen ethische Fragestellungen hinsichtlich der Marktforschung und den Methoden der Datengewinnung, aber auch ethische Berührungspunkte hinsichtlich eines fairen Umgangs mit Kunden, Lieferanten Wettbewerbern und anderen Stakeholdern.1181 Allgemein wird eine Vielzahl der moralischen Kritik an Unternehmen und am Verhalten von Managern den Aktivitäten des Marketings zugeschrieben. Kritikbeispiele sind irreführende Werbung, unsichere und überteuerte Produkte, die Art der Verkaufsmethoden, umweltschädigende Produktverpackungen oder eine Erziehung der Verbraucher zu immer weiterem Konsumieren.1182 Hierbei wird der Bereich der Werbung ursächlich für ungewollte Marktergebnisse als auch für eine (behauptete) Präferenzbeeinflussung gesehen. Werbung wird bisweilen als „geheimer Verführer“ betrachtet.1183 Palazzo (2004) merkt in diesem Kontext an, dass der Konsum als eine besondere Tätigkeit der heutigen Zeit betrachtet werden kann. So verbraucht der individuelle Konsument heute etwa doppelt so viele Güter (und Dienstleistungen), als noch vor 40 Jahren.1184 Kritisiert werden weiterhin bspw. die Weckung von Bedürfnissen sowie die Förderung von Hedonismus, geplante bzw. künstliche Obsoleszenzen (Veralterung bzw. Reduktion der Nutzungsdauer) von Produkten, Wahrnehmung von Marktchancen unter Einsatz bedenklicher Mittel, Belieferung problematischer Abnehmer, Bereitstellung und Verkauf fragwürdiger Produkte, Erzeugung von Externalitäten durch gesundheitsgefährdende Produkte, Umweltverschmutzung durch überdimensionierte Verpackungen sowie irreführende Kommunikations- und Preisstrategien und somit eine Schädigung des Verbrauchers.1185 Werden, neben den vielen – aber unvollständig angeführten – Beispielen diese (ethischen) Minimalforderungen an Werbung eingehalten, so bietet Werbung dem Kunden auch unterschiedlichste Vorteile. Werbung liefert dem (potenziellen) Konsumenten Informationen über neue Produkte, Preise über Produkte, neue Qualitäten bekannter Produkte. Diese ermöglichen es dem Konsumenten seine Wahl zu treffen und Nutzen in der Verwendung des Einkommens zu steigern, woebei nicht mehr ein reine funktionale Nutzung im Vordergurnd steht.1186 Nach Hilber (2004) ist aus ethischer Sicht im Marketing zu fragen, ob hier die „Wahrheit“ kommuniziert werden muss bzw. ob Marketing ehrlich und glaubwürdig sein soll. Dabei ist die Frage zu stellen, ob vom Marketing überhaupt eine Glaubwürdigkeit, bspw. wie von Nachrichten, erwartet werden kann. Denn, anders als bei Nachrichten, liegt die Intention von Marketing nicht in einer gesamtgesellschaftlichen Zielsetzung, sondern im individuellen Käuferverhalten.1187 Werbung soll nach Molitor (1989) u. a. den moralischen Regeln von Treu und Glauben, der Preiswahrheit oder des Anstandes unter-
1181 1182
1183 1184
1185
1186 1187
Vgl. Smith (1993), S. 11-12. Vgl. Hansen (1995), Sp. 620; Meffert (2000), S. 470-472; Leisinger (2004), S. 567. Siehe auch Müller-Hagedorn (1996), S. 119. Das Kapitel „Kritische Positionen gegenüber Marketing“ ist in der aktuellen, um den Autor Marcus Schnuckel erweiterten, 3. Auflage bei Müller-Hagedorn/Schnuckel (2003) nicht mehr vorhanden. Vgl. Molitor (1989), S. 96. Vgl. Palazzo (2004), S. 239. Siehe für eine Analyse zum Konsum und zur Konsumfreiheit bspw. die Ausführungen von Neuner (2005). Vgl. Raffée (1979), S. 16-27; Angehrn (1981), S. 8-9, Bauer (1993), S. 3; Smith (1993), S. 10; Nieschlag/Dichtl/Hörschgen (1997), S. 102-111; Meffert (2000), S. 470. Vgl. Molitor (1989), S. 96. Vgl. Hilber (2004), S. 252.
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liegen.1188 In diesem Kontext ist auch die Bestimmung von Preisen unter ethischen Gesichtspunkten von Bedeutung. Zwar kann der Einwand vorgebracht werden, dass sich eine Preisbildung nicht auf ethischer Basis, sondern vielmehr auf Basis der ökonomischen Preistheorie als Gleichgewichtspreis der Marktkräfte vollzieht. Dieser theoretischen Annahme kann in praktischer Ausprägung jedoch nicht immer zugestimmt werden, da oft kein identischer Marktpreis existiert. Nahezu jedes materielle Gut kann, abhängig vom Ort und Zeitpunkt des Vorkommens, als individuell abhängige Raum-ZeitStelle gesehen werden, die das Gut je nach Ort und Zeit individualisiert und somit auch seinen Wert bzw. Preis. Angenommen sei in diesem Kontext ein Normalpreis im Sinne einer freien Bildung durch den Markt, um den ein individueller Preis nach oben oder unten oszillieren (schwanken, schwingen) kann. Eine Ausgestaltung des individuellen Preises ergibt sich in der Preisgestaltung zwischen Anbieter und Nachfrager. Dabei wird der individuelle Preis des räumlich und zeitlich individuellen Gutes nicht durch den Marktpreis vollständig determiniert. Sondern dieser ist auch ein Ergebnis ethischer Entscheidungen in der Preisgestaltung.1189 Es existiert ein Preissetzungsspielraum des Preisgestalters bei Bedingungen unvollständiger Konkurrenz, und somit ergibt sich der Preis nicht mechanistisch als Gleichgewichtspunkt. Der Preis ist eine ethisch beeinflussbare Größe als Gestaltungsparameter wirtschaftlicher Transaktionen.1190 Beispielsweise können Dumpingpreise mitunter als unethisch betrachtet werden, wenn diese die Verdrängung von Konkurrenz zum Ziel haben. Wobei es generell schwierig ist diese Preissetzungsart als solche zu identifizieren.1191 Preisbildungen sind nicht autonom von sozialen Normen, Werten und Bedingungen zu sehen. Vielmehr sind an diese Minimalbedingungen der Gerechtigkeit zu stellen, was sich bspw. in tariflichen Festlegungen des Arbeitslohnes, den Wucherparagraphen des Privatrechts oder bei der Festlegung von Darlehenszinsen widerspiegelt.1192 In diesem Kontext handelt es sich sowohl um eine Kritik am Marketing, als auch eine Kritik an der Philosophie der Unternehmen, die diese Praktiken dulden bzw. ermöglichen. Diese Kritikbewegung wird als Konsumerismus bezeichnet und kann als ein mehrdimensionaler politischer Prozess gesehen werden. Dieser umfasst das Engagement unterschiedlicher Individuen und Personen zum Schutz von Verbraucher- und Gemeinwohlinteressen.1193 Das Kernproblem liegt hierbei in einer Nichtberücksichtigung der gesellschaftlichen Folgen durch die Handlungen des Marketings bei einer reinen Ausrichtung auf den Markt und die Gewinnmaximierung des Unternehmens.1194 Dabei stünde die Gewinnmaximierung vor der Kundenorientierung, obwohl durch das Marketing als primäres Ziel die Kundenorientierung im Vordergrund ausgerufen wird.1195 Der Konsumerismus ist eine historische Bedingtheit. Das Marketing und die Marketingkonzeptionen sollen sich weiterentwickelt haben. Allerdings ist zu Fragen, ob die Kernprobleme, die im Konsumerismus aufgeworfen wurden, wirklich gelöst worden sind. Oder ob sich die Instrumente und Ausprägungen lediglich gewandelt haben. Bei der historischen Bewegung des Konsumerismus handelte es sich um einen Interessen- und Werte-
1188 1189 1190 1191 1192 1193 1194 1195
Vgl. Molitor (1989), S. 96. Vgl. Koslowski (1988), S. 261-262. Kritisch Kaas (1999a), S. 140-142. Vgl. Koslowski (1988), S. 264; Weinhold-Stünzi (2000), S. 106 und 123. Vgl. Ortmeyer (1993), S. 393. Vgl. Koslowski (1988), S. 266. Vgl. Meffert (1975), S. 69-71; Hansen/Stauss (1982), S. 2-3; Meffert (2000), S. 470. Vgl. Stauss (1991), S. 122-123. Vgl. Hansen (1988), S. 712.
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
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konflikt.1196 In diesem Kontext gilt es zu Fragen, ob sich das Marketing diesen Werten angepasst hat, oder ob sich nicht die Werte und Bedürfnisse der Menschen an das Marketing angepasst haben. Allgemein kann angenommen werden, dass es gilt, die beiden Dimensionen des Verkaufens auf der einen Seite und des Sozialengagements auf der anderen Seite miteinander zu verbinden, um Synergieeffekte zu nutzen.1197 Denn viele Unternehmen scheinen sich ihrer neuen Rolle, die über eine rein wirtschaftliche Bedeutung hinausgeht, noch nicht bewusst zu sein. Unternehmen wollen positiv und als rechtschaffen sowie achtbar wahrgenommen werden. Dabei kann diese Achtbarkeit des Unternehmens aus reiner Überzeugung des rechtschaffenden Handelns, oder aber auch aus der Erwartung eines Nutzens heraus geschehen, bspw. zum Aufbau oder zur Stärkung einer (Unternehmens-)Marke bzw. einer Corporate Brand. So kann eine Unternehmensmarke ein generelles Interesse für Unternehmensethik im Unternehmen erzeugen. Denn erfolgreiche Marken, und somit auch (zumeist) Unternehmen, sind bspw. nicht das Ergebnis (klassischer) Marketingmaßnahmen. Vielmehr generieren sich diese aus der Konsistenz und Authentizität aller unternehmerischen Kommunikations- und Verhaltensweisen.1198 Nach Palazzo (2004) erfolgt in der (Unternehmens-)Marke eine Verschmelzung der Ansprüche des Marketings mit denen der Ethik.1199 In Zeiten, in denen ein gutes Image eines Unternehmens zunehmend wichtiger wird, können unmoralische Handlungen bzw. als unmoralisch wahrgenommene und bewertete Handlungen eines Unternehmens zu imagerelevanten und wirtschaftlichen Nachteilen, aufgrund von Sanktionsmaßnahmen der Gesellschaft bzw. der Stakeholder, führen. Mögliche Sanktionsmaßnahmen könnten bspw. Boykotte oder Protestaktionen sein, die einerseits Einfluss auf das Unternehmensimage als auch andererseits direkt auf den wirtschaftlichen Erfolg, widergespiegelt bspw. durch den Umsatz, nehmen können.1200 Dabei ist anzumerken, dass sich Image und Reputation unabhängig von messbaren Tatsachen bilden können. Sie werden bspw. auch durch ein tradiertes Vorurteil gebildet.1201 Allgemein ist bspw. Pischetsrieder (2004) der Auffassung, dass der Erfolg des Unternehmens durch den Kunden generiert wird, welcher ein Produkt kauft, welches seinem individuellen Wertesystem entspricht. Dabei reicht die Produktqualität alleine heute nicht mehr für die Gewinnung und Bindung von Käufern aus. Die Produkt- und Dienstleistungsqualität bilden in diesem Kontext die Basis einer Kundenbeziehung. Allerdings ist es darüber hinaus von Bedeutung, ob die Produktion, der Vertrieb und die Verwendung von Gütern und Dienstleistungen verstanden im Sinne des Marketings mit den Wertevorstellungen bzw. dem Wertesystem der Kunden vereinbar sind. Hierzu gehören auch soziale und ethische Aspekte, die Auswirkungen auf die Gesellschaft besitzen.1202 Das Marketing hat Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaft. Dabei sind die ethischen Grundlagen des Marketings kritisch zu reflektieren.1203 Gleichermaßen können bisweilen ethische und marketing-ökonomische Aspekte in zielgerichteter Weise zu Synergieeffekten führen.1204
1196 1197 1198
1199 1200 1201 1202 1203 1204
Vgl. Meffert (1975), S. 70 und 89. Vgl. Wilkens (1993), S. 24. Vgl. Nehm (2002), S. 178; Palazzo (2004), S. 241-243. Siehe zur Bedeutung der Marke für junge Unternehmen bspw. Müller/Nahr-Ettel/Rottweiler (2005). Vgl. Palazzo (2004), S. 246. Vgl. Frey et al. (2004), S. 55. Vgl. Behrent (2004), S. 133. Vgl. Pischetsrieder (2004), S. 96-100. Vgl. Picot (1974), S. 572. Siehe zum Marketing in jungen Unternehmen bspw. Gruber (2004).
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Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
2.3.3.2
Ethik im Kontext des strategischen Management
Der Begriff des strategischen Managements kann interpretiert werden als Vorteilssuche im Wettbewerb durch überlegene Leistungen. Denn alleine durch das Erringen oder Halten von Wettbewerbsvorteilen, bspw. durch das Besetzen attraktiver Produkt-/Marktpositionen, oder aber den Einsatz einzigartiger bzw. nicht oder kaum imitierbarer Ressourcen, können ökonomische Erträge nachhaltig erzielt werden.1205 Haupt/Lachmann (1998) sind dabei der Auffassung, dass Wettbewerbsvorteile auch durch Ethik und Moral realisiert werden können.1206 Die Erzielung von Gewinnen ist ein bedeutendes Ziel eines Unternehmens. Allerdings ist dies nicht das einzige Ziel. Denn ein Unternehmen ist auch eine soziale Institution, in der sich Menschen zusammenfinden, um Dinge zu erreichen, die alleine nicht realisierbar wären.1207 Denn weitere typische Unternehmensziele sind bspw. das Streben nach Umsatz, Anstrebung von Wirtschaftlichkeit, Sicherstellung von Liquidität, Streben nach Image bzw. Prestige, das Streben nach Macht und ethische sowie soziale Bestrebungen.1208 Die Wahrung eines guten Images kann durch ein moralisch korrektes Verhalten sowie die Berücksichtigung legitimer Ansprüche kritischer Anspruchssteller bzw. -gruppen erzielt werden.1209 Entscheidend bei der Wahrung des Images ist die Macht der Konsumenten, deren Kaufkraft und somit auch die Sanktionsmöglichkeiten der Konsumenten gegenüber dem Unternehmen, durch den Verzicht auf den Kauf eines Produktes eine Korrektivfunktion gegenüber dem Unternehmen wahrnehmen zu können. Gleichermaßen kommt der Reputationsmechanismus erst dann zum Tragen, wenn das Unternehmen tatsächlich ein gutes Image bzw. eine gute Reputation zu verlieren hat. Dies ist i. d. R. nur bei bekannten Unternehmen der Fall. Ein weiteres Problem besteht dann, wenn die moralischen Verfehlungen nicht eindeutig, gravierend sowie interessant genug sind, als dass ein öffentliches Interesse hieran entstehen könnte.1210 Allerdings ist einzuwenden, dass auch bei weniger bekannten Unternehmen ein zumindest lokales, öffentliches Interesse bestehen kann. Gerade bei jungen Unternehmen besteht dabei im Falle eines Fehlverhaltens die Gefahr, dass über das Unternehmen, bspw. in der Lokal- oder Regionalpresse, berichtet und ein negatives Image generiert wird, welches das Unternehmen in seinem Bestand oder Wachstum gefährden kann. Schulte-Noelle (2004) ist dabei im Allgemein der Auffassung, dass durch die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien eine umfassende Beobachtung von Unternehmen bzw. unternehmerischer Tätigkeit vollzogen wird. Die Stakeholder des Unternehmens beurteilen die (operative) Tätigkeit des Unternehmens und überprüfen diese anhand ihrer eigenen Wertmaßstäbe. Dabei wird zunehmend eine moralische Rechenschaftslegung über die Entstehung ökonomischer Werte gefordert.1211 Eine moderne, verantwortliche sowie zukunftsgerichtete Unternehmenspolitik hat das Ziel einer Steigerung ethischer Kompetenz im Umgang mit wirtschaftlichen Wertfragen.1212 Soziale Verantwortung, 1205 1206 1207 1208 1209 1210 1211 1212
Vgl. Zahn (2006), S. 125. Vgl. Haupt/Lachmann (1998), S. 7. Vgl. Zahn (2006), S. 125. Vgl. Heinen (1976), S. 59-61. Vgl. Flasbarth (2002), S. 36. Vgl. Flasbarth (2002), S. 36-37. Vgl. Schulte-Noelle (2004), S. 214. Vgl. Jäger (1992), S. 280.
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Umweltverantwortung, Produktsicherheit, die Stabilität sowie wirtschaftliche und ethische Berechenbarkeit des Unternehmensprofils können als die „Tugenden“ des Unternehmens im Sinne einer unabhängigen ethischen Person (Corporate Person) mit eigenem Ethikprofil aufgefasst werden, die unabhängig von dem Unternehmer, dem Manager oder dem Mitarbeiter zu sehen sind.1213 Für Freeman/Gilbert (1991) sind Fragen und Probleme der Unternehmensstrategie immer auch ethische Fragen. So wird vorgeschlagen, die Unternehmensstrategie auf Basis ethischer Grundannahmen zu konzipieren. Gleichermaßen soll sich das Verständnis für die Werte der Unternehmensmitglieder und der Interessensgruppen (Stakeholder) in der Unternehmensstrategie widerspiegeln.1214 Der Ansatzpunkt einer Unternehmensethik ist dabei eine werthafte Ausgestaltung der Unternehmenspolitik.1215 Unter einer wertorientierten Unternehmensführung wird meist das Konzept des shareholder value, oder aber auch anderer betriebswirtschaftlicher Kenngrößen verstanden. Allerdings kann der Begriff auch im Sinne einer Unternehmensführung anhand der Unternehmensziele und handlungsleitenden Werte verstanden werden. Handlungsleitende Werte können dabei bspw. Vertrauen, Respekt, Qualität, Leistung oder aber Solidarität sein.1216 Eine Unternehmensethik kann systemtheoretisch-kybernetischen Ansätzen folgen, indem sie als immanente Handlungsorientierung im Sinne eines Ordnungsrahmens und Bezugspunktes, eine jederzeitige Selbstjustierung auf übergeordnete Ziele sicherstellt. Unternehmensethik kann als funktionaler Charakter für die Unternehmensführung interpretiert werden. Denn die Unternehmensethik kann das Handeln von Mitarbeitern in schlecht definierbar bzw. nicht definierbaren Situationen auf die essentiellen Elemente der Unternehmensstrategie ausrichten, ohne dass hierfür detaillierte Anweisungen gegeben werden müssen. In einem Satz formuliert kann dieses als „Linking People to Strategy“ interpretiert werden.1217 Die Diskussion der Voraussetzungen und Wirkungen strategischer Zielbestimmungen des Unternehmens anhand von Visionen, Missionen und Leitbildern ist in der Wissenschaft und Praxis recht weit fortgeschritten. Allerdings besteht eine Wissenslücke hinsichtlich der Entdeckung, Entwicklung und Nutzbarmachung tatsächlich handlungsleitend wirkender Normen und Werte auf der Arbeitsebene. Denn eine Bewertung von Normen und Werten an sich sowie deren Auswirkungen auf den Unternehmenserfolg bereitet oftmals methodische Probleme.1218 Es ist zu vermuten, dass lediglich eine offene Führungskultur sowie ein deutlich für die Mitarbeiter und anderen Stakeholder sichtbares Vorleben einer werteorientierten Unternehmensführung den aktuellen (globalen) Anforderung der Wirtschaft gerecht werden wird.1219 Eine erfolgreiche Unternehmensführung zeichnet sich dadurch aus, dass im Unternehmen ein Klima geschaffen wird, welches alle Mitarbeiter dazu ermutigt, ihre Handlungskompetenz und Leistungsfähigkeit einzubringen.1220 Neben den „klassischen“ Leitbildern eines Unternehmens, die als ideelle Leitbilder der Unternehmensführung aufzufassen sind, können so genannte Performanz-Leitbilder auf der Arbeitsebene definiert werden, die als gelebte arbeitsspezifische Ziele, Werte und Normen formuliert in engem 1213 1214 1215 1216 1217 1218 1219 1220
Vgl. Sass (1992), S. 226. Vgl. Freeman/Gilbert (1991), S. 11 und 23. Siehe ausführlich zum Konzept Freeman/Gilbert (1991). Vgl. Jäger (1992), S. 278. Vgl. Harms (2006), S. 116. Vgl. Lehner (2004), S. 188-192 und 206; Lehner (2006), S. 223. Vgl. Spath/Ganz (2006), S. 146. Vgl. Lehner (2006), S. 235. Vgl. Spath/Ganz (2006), S. 144.
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Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
Bezug zur operativen Arbeit im Unternehmen, als faktischem Arbeitshandeln der Mitarbeiter stehen. Mit dem Konzept der Performanz-Leitbilder ist intendiert, unternehmens- und mitarbeiterorientierte Grundüberzeugungen, Werte und Einstellungen in einem Leitbild zu formulieren, welches das gemeinsame Arbeitshandeln aller Unternehmensmitglieder steuern soll.1221 Sass (1992) ist der Auffassung, dass wirtschaftliche Profite langfristig ohne ein ethisches Profil des Unternehmens nicht erzielbar sind. Denn eine moderne Unternehmensführung ist dabei ohne die Unternehmensethik als ein Führungsinstrument nach innen und als ein Charakterprofil nach außen nicht vorstellbar.1222 Nach der Auffassung von Würth (2004) ist Unternehmensethik dabei kein alleiniges Unternehmensziel, sondern vielmehr ein (unabdingbarer) Handlungsrahmen, in dem das Unternehmen seine wirtschaftlichen Ziele verfolgt.1223 2.3.3.3
Ethik im Kontext der Unternehmenskultur
Mitte der 1970er Jahre wurde das Phänomen der Corporate Culture, also der Unternehmenskultur, verstärkt diskutiert und erforscht.1224 Der Anlass einer Debatte um die Unternehmenskultur liegt in der Unzufriedenheit mit der in den 1970er Jahren dominierenden, technokratisch orientierten Lehre von der Unternehmensführung begründet, welche durch eine verhaltensdeterminierende Wirkung von Organisationsstruktur und strategischer Planung gekennzeichnet war.1225 Anzumerken ist hierbei, dass die Begriffe, Konzepte und Erörterungen der Unternehmenskultur sowie der Unternehmensethik in der wissenschaftlichen, als auch in der populärwissenschaftlichen Diskussion in einer kurzen zeitlichen Abfolge erschienen sind.1226 In den 1980er Jahren erfolgte eine differenzierte Betrachtung und Ausarbeitung der Thematik der Unternehmenskultur. Als wichtige Vertreter in diesem Zusammenhang sind grundlegend Schein (1985) bzw. Schein (1995), Schein (1997), Deal/Kennedy (1982), Deal/Kennedy (1987) zu nennen, die mit ihren Arbeiten das Forschungsgebiet der Unternehmenskultur dominieren.1227 Unter der Unternehmenskultur wird die Gesamtheit gemeinsamer Werte und Normen verstanden, die sich in organisationalen Handlungsweisen sowie Symbolen konkretisieren.1228 Die Quellen kultureller Normen, Werte und Ansichten sind einerseits die individuellen organisationalen Mitglieder mit ihren spezifischen kulturellen Sets, wie bspw. das (Top-)Management oder der Gründer. Andererseits ist eine Quelle der Verstärkungseffekt des Erfolges des Unternehmens bzw. des Unternehmers, Probleme zu lösen und Ziele zu erreichen.1229 Nach Schein (1995) kann eine Differenzierung nach den drei Ebenen der materiellen Phänomene, der immateriellen Phänomene und der Basisannahmen vorgenommen werden. Bei den materiellen Phänomenen der Artefakte (Artifacts) handelt es sich um optische, sprachliche, Unternehmensprozesse sowie instrumentelle Erscheinungen, die direkt ersichtlich sind,
1221 1222 1223
1224 1225 1226 1227 1228 1229
Vgl. Spath/Ganz (2006), S. 146-147. Vgl. Sass (1992), S. 234. Vgl. Würth (2004), S. 232. Siehe als Beispielkonzept eines ethikbasierenden, strategischen Managements im Bankensektor Knüfermann (2005). Vgl. Jäger (1992), S. 275. Vgl. Osterloh (1991), S. 19-20. Vgl. Osterloh (1991), S. 19. Siehe grundlegend Schein (1995), Schein (1997), Deal/Kennedy (1982), Deal/Kennedy (1987). Vgl. Dülfer (1988), S. 4; Schein (1995), S. 29; Kohlhof (1996), S. 89; Volkmann/Tokarski (2006), S. 42-43. Vgl. Reidenbach/Robin (1991), 273.
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
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wie bspw. Symbole des Unternehmens, die Kleidung bzw. Kleiderordnung, das (Corporate) Design, die Arbeitszeitregelungen oder die Anreiz- und Führungssysteme. Die immateriellen Phänomene der bekundeten Werte (Espoused Values) werden durch die Normen, Werte, ethischen Grundhaltungen und Einstellungen oder Interessen gebildet, welche nicht direkt ersichtlich sind. Beispiele hierfür sind der angewendete Führungsstil, oder aber implizite Regeln oder „Gesetze“ im Unternehmen. Die Basisannahmen bzw. Grundprämissen (Basic Underlying Assumptions) betreffen das (allgemeine) Menschen- und Weltbild. Beispiele hierfür sind u. a., wie der Mensch und seine Anreizstruktur gesehen wird (intrinsisch bzw. nicht-materielle oder extrinsische bzw. materielle Motivation), oder aber wie die Natur gesehen wird (freies Gut oder aber nachhaltiges Gut). Dabei ist anzumerken, dass die drei Ebenen interdependent sind und ihre kulturprägende Bedeutung zur Tiefenstruktur hin zunimmt.1230 In Anlehnung an das Bild eines Eisberges können die zuvor dargestellten Sachverhalte, wie in Abbildung 24 angeführt, visualisiert werden:1231
Oberflächenstruktur Materielle Phänomene
Kulturebenen Optische, sprachliche und instrumentale Erscheinungen (Design, Kleiderordnung, Symbole etc.)
Immaterielle Phänomene
Werte und Normen (Einstellungen, Moral, Werthaltungen etc.)
Basisannahmen
Menschen- und Weltbild (Verhältnis zur Umwelt, Natur sozialer Beziehungen und des menschlichen Handelns)
Tiefenstruktur (organisatorisches Bewusstsein)
Abbildung 24: Ebenen der Unternehmenskultur
Für Deal/Kennedy (1982) sind Werte die Grundlage jeder Unternehmenskultur. Deal/Kennedy beschreiben auch ausführlich die Bedeutung von Riten und Ritualen für die Unternehmenskultur. Sie identifizieren vier Typen von Unternehmenskulturen: die tough-guy, macho culture (individualistisch, risikofreudig, schnelles Feed-back bei richtigem oder falschem Handeln), die work hard/play hard culture (freudg und handlungsorientiert, risikoscheu, schnelles Feed-back), bet-your-company culture (hoch risikofreudig, langsames Feed-back, weitgreifende Entscheidungen) und die process culture (bürokratisch, geringes bis kein Feed-back).1232 In der Forschung können zwei Ansätze zur Unternehmenskultur aufgezeigt werden. Dabei wird zum einen differenziert, dass das Unternehmen eine Kultur hat. Untersucht wird hierbei welche Arten, 1230
1231 1232
Vgl. Schein (1995), S. 29-34; Schein (1997), S. 17-27; Kleinfeld (2004), S. 104-105; Volkmann/Tokarski (2006), S. 4245. Vgl. In Anlehnung an Kleinfeld (2004), S. 104. Vgl. Deal/Kennedy (1982), S. 2, 59-84 und 107-127.
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Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
Typen bzw. Dimensionen von Kulturen identifiziert werden können. Die Beschreibung der Kulturen steht hier im Mittelpunkt der Betrachtungen. Zum anderen wird angenommen, dass das Unternehmen eine Kultur ist. In diesem Kontext wird versucht die Entstehung unterschiedlicher Unternehmenskulturen zu erklären und deren Entwicklung zu verstehen.1233 Karmasin (1996) merkt kritisch an, dass bei keinem dieser beiden Ansätze eine kritische Reflexion der Kultur thematisiert wird. Der Begriff wird lediglich relativistisch aufgefasst. Als Folge hieraus ist eine kritische Distanz zu unreflektierten Traditionen, die sich in der Unternehmenskultur manifestiert haben, nicht möglich. Der Begriff der Kultur ist aus ethischer Perspektive tendenziell ein normativer und nicht deskriptiver Begriff. Gleichermaßen ist der Begriff der Kultur inhärent normativ und präskriptiv, wenn auch deskriptive Elemente enthalten sind.1234 Die Unternehmensethik beschäftigt sich, anders als die Unternehmenskultur, (i. d. R.) (primär) nicht mit einer deskriptiven Feststellung von Normen und Werten mit dem Ziel einer instrumentellen Beeinflussung. Vielmehr ist die Begründung von Normen, und somit die Frage, wie eine Verbindlichkeit von Werten hergestellt werden kann, also warum bestimmte Normen oder Moralprinzipien befolgt werden sollten, von Bedeutung. Somit liegen die Anlässe dieser Thematik nicht (primär) in erfolgsstrategischen Defiziten, sondern in Begründungsdefiziten, deren historische Basis ein Zweifel an der Vorstellung einer ethisch neutralen, ökonomischen-rationalen Tätigkeit des wirtschaftlich Handelnden (Manager- bzw. Unternehmerhandeln) ist.1235 Werhahn (1990) merkt an, dass viele Begriffe und Aussagen im Kontext der Ethik teilweise unter den Begriff der Unternehmenskultur subsumiert werden. Dabei wird mit dem Begriff der Unternehmenskultur dergestalt Missbrauch betrieben, als dass dieser im Sinne eines Aushängeschildes des sozialen Images des Unternehmens verwendet wird, ohne dass wirkliche Konsequenzen für die tatsächliche Führung des Unternehmens bestehen.1236 Für Osterloh (1991) besteht ein Grund, warum die Begriffe der Unternehmenskultur und der Unternehmensethik oftmals synonym verwendet werden darin, dass sowohl in der Unternehmenskultur, als auch in der Unternehmensethik, Normen und Werte von Bedeutung sind, wenngleich diese auch unter verschiedenen Fragestellungen betrachtet werden. In der Unternehmenskulturforschung sollen gemeinsame, deskriptive Werte mit dem Ziel erfasst werden, unternehmerische Problemlösungsprozesse positiv zu beeinflussen. Wird die Unternehmensethik verstanden als Lehre von der Begründung der Normen in einem Unternehmen, so ist diese auch auf eine deskriptive Feststellung faktisch geltender Normen, der Moral oder Sittlichkeit, angewiesen. Allerdings ist sie aber nicht auf erfahrungswissenschaftliche Forschung reduzierbar. Vielmehr benötigt sie diese als Voraussetzung einer Implementation. Somit untersucht die Lehre von der Unternehmenskultur, welche Normen und Werte, also welche Moral faktisch Geltung besitzen. Wohingegen die Lehre von der Unternehmensethik untersucht, wie Normen und Werte begründet und somit akzeptierbar gemacht werden können.1237 Für Kastner (2006) sind Unternehmensphilosophie, Unternehmensethik und Unternehmenskultur zu trennen. Sie bilden drei Bereiche, die zwar in wechselseitiger Verbin-
1233 1234 1235 1236 1237
Vgl. Kasper (1987), S. 15. Vgl. Karmasin (1996), S. 178-180. Vgl. Osterloh (1991), S. 21. Ähnlich Rusche (1999), S. 30 und Rusche (2004), S. 48-49. Vgl. Werhahn (1990), S. 77-78. Vgl. Osterloh (1991), S. 22.
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dung zueinander stehen, aber nicht als gleich anzusehen sind. Die Unternehmensphilosophie behandelt das „wozu“. Die Unternehmensethik verstanden im Sinne eines Wertesystems bezieht sich zunächst auf die Frage des „was“. Also bspw. welches Verhalten gilt im Unternehmen als richtig oder falsch, als gut oder schlecht bzw. als erwünscht oder unerwünscht. Die Unternehmenskultur beschäftigt sich mit dem „wie“. Es geht um die Frage, wie die Werte bzw. Ethik gelebt werden sollen. Die Trennung der drei Bereiche wird an einen Beispiel verdeutlicht. Es ist möglich, ein ethisch wertvoller Mensch zu sein, der als anständige Person wahrgenommen wird. Gleichmaßen ist es aber denkbar, kulturell ein unmögliches Verhalten an den Tag zu legen, bspw. durch unpassende Kleidung, oder aber einen unpassenden Sprachgebrauch oder Umgangsformen.1238 Aufgrund der verwendeten Begriffe der Normen und Werte in den Bereichen der Unternehmensethik, als auch in der Unternehmenskultur, ist eine praktische Trennung dieser beiden Bereiche jedoch oftmals schwierig. Allerdings ist anzumerken, dass in beiden Bereichen unterschiedliche Normen und Werte von Bedeutung sein können. In dieser Ausarbeitung werden Unternehmensethik und Unternehmenskultur als nicht gleich angesehen. Vielmehr stehen sie in einem interdependenten Verhältnis. Die Unternehmensethik manifestiert sich tendenziell in der Unternehmenskultur. Die Unternehmenskultur prägt, wie die Unternehmensethik, über Werte, Normen und Leitbilder das Verhalten der Organisationsmitglieder eines Unternehmens. Dabei hat die Unternehmenskultur einen Einfluss auf den Grad der Kundenorientierung, die Bereitschaft Wissen zu teilen, als auch auf die Geschwindigkeit der Entscheidungsfindung.1239 Unternehmen können dabei als Gemeinschaften aufgefasst werden, die eine gemeinsame Orientierung für den Umgang der Mitarbeiter im Unternehmen, als auch für den Umgang mit anderen benötigen. In diesem Kontext können Leitbilder bei der Orientierung helfen und Maßstäbe für das Handeln definieren. Gleichmaßen kann eine Vermittlung zwischen Gegenwart und Zukunft erfolgen. Ermöglicht wird weiterhin eine klare Positionierung vor dem Hintergrund einer von Flexibilität und Veränderung gekennzeichneten Welt.1240 Wird eine Betrachtung der Leitbilder unterschiedlichster Unternehmen vorgenommen, so kann der Eindruck gewonnen werden, dass die Leitbilder in vielen Fällen sehr ähnlich sind und sich diese fast nur durch den jeweiligen Firmennamen unterscheiden. Dies sollte allerdings nicht als Kritikpunkt gesehen werden, denn eine Leitbildentwicklung kann, auch wenn sie von unterschiedlichen Personen und Unternehmen vorgenommen wird, zu ähnlich oder gar gleichen Ergebnissen führen. Nicht alleine das Leitbild als Endergebnis eines Entwicklungsprozesses, sondern auch der zu diesem führende Entwicklungsprozess selbst ist vor dem Hintergrund der Entwicklung und Stärkung der Unternehmenskultur von besonderer Bedeutung. Dabei muss die Motivation der Leitbildentwicklung klar intern als auch extern kommuniziert werden. Leitbilder sollen Arbeitnehmer in allen Bereichen zum Nachdenken in Bezug auf die jeweils individuelle Position, die Wertvorstellungen, Normen und Arbeitsvorstellungen anregen.1241 Nach Buckingham/Coffman (1999) haben Untersuchungen gezeigt, dass
1238 1239 1240 1241
In Anlehnung an Kastner (2006), S. 57-58. Vgl. Spath/Ganz (2006), S. 150. Vgl. Spath/Ganz (2006), S. 144. Vgl. Dietzfelbinger (2004), S. 131.
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Unternehmen, in denen die Mitarbeiter sich mit der Mission des Unternehmens identifizieren können, überdurchschnittlich erfolgreich sind.1242 Barben/Dierkes (1991) sind der Meinung, dass eine Ethik unternehmerischen Verhaltens nur dann erfolgreich sein kann, wenn diese wirklich gelebt und sie in die Unternehmenskultur integriert wird. Zu den unternehmenskulturellen Voraussetzungen einer breiten Wahrnehmung ethischer, sozialer und ökologischer Verantwortung im Sinne einer Verfolgung unternehmensethischer Ziele zählen u. a. die Berücksichtigung von Verantwortlichkeitskriterien, nicht allein im Bewusstsein der Organisationsmitglieder, sondern auch eine Verankerung in den Alltagsroutinen, den Planungsverfahren und den Leistungsbeurteilungen.1243 Neben den formalen Regeln, Gesetzen und Vereinbarungen unterliegen Unternehmen Verpflichtungen in Sinne stillschweigend vereinbarter, nicht schriftlich fixierter, Grundverträge. Diese bilden auch die Basis interner und externer Beziehungen von Unternehmen. Die in den Grundverträgen beinhalteten Regeln sollen dafür Sorge tragen, dass Unternehmen gesellschaftsdienlich agieren. Hierbei ist anzumerken, dass es sich um kulturspezifische Normensysteme handelt. Diese umfassen auch den Bereich der Unternehmenskultur. Verstöße gegen die Grundverträge werden (im Idealfall) durch die Gesellschaft geahndet, wobei dies mitunter auf subtile Weise, jedoch mit Folgen für den Verstoß erfolgen kann. Bei den angeführten Grundverträgen handelt es sich um den Sozialvertrag mit der Gesellschaft, den psychologischen Vertrag mit den Mitarbeitern und dem Umweltvertrag mit der Natur.1244 Inhalte eines psychologischen Vertrages mit den Mitarbeitern können sein:
Gerechtes Lohnsystem, Gerechte Gewinn- und Kapitalbeteiligung, Vermeidung von Diskriminierungen, Anwendung flexibler Arbeitszeit- und Teilzeitmodelle, Übernahme von Ausbildungsverpflichtungen, Integration von Langzeitarbeitslosen und benachteiligten Gruppen, Organisation der Weiterbildung, (Weiter-)Beschäftigung älterer Mitarbeiter, Verminderung von Überzeit und (negativem) Stress, Autonomie und Freiheitsgrade in der Arbeitsgestaltung, Verhinderung von Missbrauch und Belästigung (Mobbing), Anlaufstellen für Konfliktlösungen und soziale Beratung, Vorkehrungen für Restrukturierungen und Entlassungen, Familienfreundlichkeit.1245
Die Inhalte eines psychologischen Vertrages können mit denen von Gesamtarbeitsverträgen deckungsgleich sein. Eine Einhaltung wird damit zur Pflicht. Jedoch sind nicht alle Gesamtarbeitsverträge für alle Branchen bzw. Unternehmen gleich. Auch können Inhalte eines psychologischen Ver1242 1243 1244 1245
Siehe hierzu Buckingham/Coffman (1999). Vgl. Barben/Dierkes (1991), S. 225. Vgl. Cranach (2005), S. 73-74. Vgl. Cranach (2005), S. 76-77.
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trages über die Bestandteile von Gesamtarbeitsverträgen hinausgehen.1246 Dabei ist anzumerken, dass eine Vertrauenskultur vorteilhafter erscheint als eine Misstrauenskultur. Denn die Arbeit an sich hat keine negativen Auswirkungen auf die Gesundheit, sofern keine körperlichen Überbelastungen erfolgen. Aus psychologischer Sicht führen falsche Werte und negative Emotionen, wie bspw. Neid, Missgunst und Ungerechtigkeiten zu negativen Auswirkungen auf die Gesundheit der Mitarbeiter. Vertrauenskulturen verfügen über kurze Entscheidungswege, da keine Zeit durch Absicherungsprozeduren verloren wird.1247 Eine Unternehmenskultur des internen Miteinander sowie der Zusammenarbeit mit externen Dritten kann nach Spielberg (2005) aber nur entstehen, wenn Unternehmensgrundsätze formuliert und diese auch gelebt werden und eine Beachtung nach innen durchgesetzt wird.1248 Harms (2006) sieht in einer an Werten orientierten Unternehmenskultur, die wirklich gelebt wird und leistungsbereite Mitarbeiter motiviert, die Zukunft.1249 In der Unternehmenskultur, als auch im Umgang mit Mitarbeitern ist es wichtig, eine Kultur der Fairness sowie des Vertrauens aufzubauen.1250 Auch Pischetsrieder (2004) sieht in einer Beachtung der Ethik sowie einer werteorientierten Unternehmenskultur die Basis für einen nachhaltigen Unternehmenserfolg. Eine ethische Werteorientierung bildet dabei die Grundlage für eine ökonomische Wertschöpfung.1251 Inwieweit die Unternehmensethik zu einer Sicherung der unternehmerischen Zukunft beiträgt, ist mitunter abhängig von der individuellen Situation eines Unternehmens und dem Willen zur konsistenten Umsetzung und zielorientierten Nutzung ethischer Wertesysteme. Dabei erscheint es vorteilhaft, eine offene Führungskultur sowie ein deutlich sichtbares Vorleben einer werteorientierten Unternehmensführung zu leben.1252 Die Etablierung einer Unternehmensethik bedarf, ebenso wie die einer Unternehmenskultur, im Sinne eines Wirkprozesses mitunter mehrerer Jahre. Sie wirkt nicht von jetzt auf gleich.1253 Unternehmen sind ein bedeutender Bestandteil der sie umgebenden Gesellschaft und Kultur. Langfristig erscheint es nachteilig, hiermit in Konflikt zu stehen und diesem Umfeld zu schaden. Vielmehr sollte es im Interesse eines Unternehmens liegen, die Ökonomie und gesellschaftliche Alltagskultur in einen Gleichgewichtszustand zu bringen.1254
2.3.4
Ausgewählte Unternehmensethikansätze in Deutschland
Die in Deutschland diskutierten unternehmensethischen Konzeptionen können als methodische Ansätze zur Gewinnung von Moral aufgefasst werden. Das Ziel ist eine Legitimierung der Handlungen des Unternehmens nach innen und außen anhand einer Ausrichtung an akzeptierten moralischen Werten und Normen. Gleichzeitig soll hierdurch eine politische Rolle des Unternehmens wahrgenommen werden, da den Unternehmen, neben der Politik als Akteur, in der heutigen Zeit eine bedeu-
1246 1247 1248 1249 1250 1251 1252 1253 1254
Vgl. Cranach (2005), S. 76. Vgl. Kastner (2006), S 59. Für weitere Erörterungen zum psychologischen Vertrag siehe bspw. auch Rousseau (1995). Vgl. Spielberg (2005), S. 86. Vgl. Harms (2006), S. 118. Vgl. Frey et al. (2004), S. 52. So auch Leisinger (1997), S. 53. Vgl. Pischetsrieder (2004), S. 98. Vgl. Lehner (2004), S. 206. Vgl. Lehner (2006), S. 224. Vgl. Jäger (1992), S. 276.
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Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
tende Rolle zugemessen wird. Darüber hinaus sollen sie verbindliche, ethisch legitimierte, Moralvorstellungen unternehmerischen Handelns erzeugen.1255 Bei den in Deutschland am häufigsten zitierten Ethikansätzen handelt es sich um die Konzeptionen der Vertreter Karl Homann1256 (und Blome-Drees), Horst Steinmann und Albert Löhr1257 sowie Peter Ulrich1258.1259 Dabei sollte es sich bei der Diskussion und Behandlung der Unternehmensethik um eine ernste, langfristige Entwicklung handeln, wobei eine Verlagerung der Diskussion von einer reinen universitären Theorie in die Gesellschaft, die Wirtschaft und die Unternehmen zu beobachten sei. Dabei steht im Kern weniger ein akademischer Wettstreit der besseren Argumente, als vielmehr die praktische Lösung konkreter Fragestellungen.1260 Eine Operationalisierung anwendungsbezogener Ethiken durch konkrete Programme bzw. Instrumente ist für das Wirkungspotenzial bzw. die Wirkungsrichtung von entscheidender Bedeutung. Anwendungsbezogene Ethiken, die lediglich auf Appelle oder Argumente zur Durchsetzung moralischer Bestrebungen verweisen und eine Instrumentierung lediglich als eine Instrumentalisierung der Ethik im Rahmen ökonomischer Zielsetzungen sehen, könnten als problematisch hinsichtlich ihres konkreten Anwendungsbezuges beurteilt werden. Die Implementierung moralischer Ansprüche in die Unternehmensstrukturen erzeugt einen moralischen Diskurs innerhalb des Unternehmens.1261 Dies bedeutet, dass die Ethik nicht als rein ökonomisches Instrumentarium verwendet werden sollte. In diesem Kontext ist allerdings darauf hinzuweisen, dass eine solche Aussage vor dem Hintergrund des Verhältnisses von Ethik und Ökonomie zu sehen ist, und dabei eine spezifische Auffassung in diesem Kontext vertreten wird. Siehe hierzu die Ausführungen des Kapitels 2.2.2. Tabelle 13 zeigt die formale Beziehung der Ansätze von Homann, Ulrich, Steinmann/Löhr und Wieland zur Ökonomik.1262
1255 1256 1257 1258 1259 1260 1261 1262
Vgl. Matten (1998), S. 15. Siehe Homann/Blome-Drees (1992). Siehe Steinmann/Löhr (1992a). Siehe Ulrich (1997). Vgl. Kleinfeld (2005), S. 44. Vgl. Schmidt (2002), S. 90. Vgl. Wieland/Gründinger (2000), S. 166. In Anlehnung an die Ausführungen und Darstellungen bei Panther (2005), S. 70-74.
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
199
Homann
Ulrich
Steinmann/Löhr
Wieland
Primärer inhaltlicher Fokus
Wirtschaftsethik
Wirtschaftsethik
Unternehmensethik
Unternehmensethik
Primäre methodologische Perspektive
Ökonomik
Diskursethik
Diskursethik
Ökonomik
Stellenwert der Auseinandersetzung mit der Ökonomik
groß
groß
klein
groß
Art der rezipierten Ökonomik
Neue Institutionenökonomik in der Vertragtheorie nach James M. Buchanan Spieltheorie1263 ökonomischer Imperialismus nach Garry S. Becker
Ältere und jüngere Neoklassik inkl. der Vertragtheorie nach James M. Buchanan1264
-
Neue Institutionenökonomik nach Oliver Williamson auch evolutionsökonomische Ansätze
Tabelle 13: Formale Beziehung deutschsprachiger Wirtschafts- und Unternehmensethik zur Ökonomik
Anzumerken bleibt zur zuvor dargestellten Tabelle, dass die Argumentationen von Homann und Ulrich eine (umfassende) wirtschaftsethische Betrachtung aufweisen bzw. deren primärer inhaltlicher Fokus im Bereich der Wirtschaftsethik gesehen werden kann. Dies bedeutet allerdings nicht, dass keine unternehmensethischen Argumentationen bzw. Implikationen vorliegen. Vielmehr wird, speziell bei Ulrich, eine umfassende Argumentationsstruktur bzw. Klärung des Themenkomplexes gewählt. 2.3.4.1
Zum institutionenethischen Ansatz von Karl Homann
Die frühen Arbeiten von Karl Homann basieren auf einer teleologischen Position, die dem Utilitarismus entspricht. Eine ethische Reflexion der Wirtschaft erfolgt im systematischen Ort der Rahmenordnung. Hierbei sind Unternehmen dazu verpflichtet, die gesetzten Spielregeln der Rahmenordnung zu befolgen, da ethische Orientierungen nur in diesem Falle als wettbewerbsneutral und marktkonform zu sehen sind. Da der Ansatz in Zügen dem Utilitarismus zugehörig ist, können in diesem Kontext auch die Kritikpunkte des Utilitarismus vorgebracht werden. Ein konkretes Problem besteht darin, dass zur Zielerreichung prinzipiell jedes Mittel eingesetzt werden kann, solange es den Gesamtnutzen (der Akteure bzw. Gesellschaft) maximiert. Um einen hohen gesellschaftlichen Wohlstand zu erzeugen und somit zu einer Maximierung des Gesamtnutzens beizutragen, wird die Gewinnerzielung
1263
1264
Vgl. auch Homann (2005), S. 200-201. Hierbei kritisiert Homann die Ausführungen Peter Ulrichs, da diese seiner Meinung nach fast gar nicht auf das Problem der Dilemmastrukturen und spieltheoretische Positionen eingehen. Ulrich (2005), S. 236-237 und 239-240 hingegen kritisiert den Ansatz von Homann hinsichtlich des Ortes der Moral, der bei Homann die Institutionen und bei Ulrich der Vernunftgebrauch freier, gleicher und mündiger Bürger darstellt. Ulrich (2005), S. 245-246 merkt an, dass im integrativen Ansatz bisher in der ökonomismuskritischen Grundlagenreflexion eine Abarbeitung des neoklassischen-neoliberalen Mainstreams der (normativen) Ökonomik vollzogen wurde. Nicht-neoklassische Strömungen der (politischen) Ökonomie, wie bspw. die klassische institutionalistische Schule, sind bisher lediglich vereinzelt diskutiert worden.
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Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
zum Primat erhoben. Die Frage mit welchen Mitteln nun die Maximierung des Gesamtnutzens über die Gewinnerzielung durch die Unternehmen ermöglicht werden soll, wird durch den Ansatz von Homann nicht näher gehend betrachtet. Unternehmensethik ist dabei nicht wirklich von Bedeutung, da die Ethik sich in den Rahmenordnungen verbirgt und diese bei zielgerichteten Rahmenbedingungen zu einem gewünschten ethischen Verhalten der (Wirtschafts-)Akteure (Unternehmen) führt. Problematisch wird dieser Ansatz, wenn eine Ausweitung der Sichtweise vor dem Hintergrund der Globalisierung vollzogen wird. Im internationalen Kontext existieren keine bzw. so gut wie keine allgemeinen, global anerkannten Rahmenordnungen, die als weltumspannende Spielregeln gelten.1265 Für Karl Homann ist die Ethik dabei nicht der Lehrmeister der Ökonomik.1266 Vielmehr können eine positive und normative Analyse, Ökonomik und Ethik als zwei Seiten einer Medaille betrachtet werden, wobei darauf zu achten ist, dass die Diskurse nicht miteinander vermischt werden, um eine methodisch korrekte bzw. saubere Analyse zu erhalten. Ethik und Ökonomik enthalten keine identischen Details, dafür sind sie als Ganzes jedoch deckungsgleich.1267 Die Überlegungen und Ausarbeitungen von Karl Homann und seinen Mitautoren basieren auf dem klassischen ökonomischen Ansatz von Adam Smith. Die Voraussetzung einer Wirtschaft ist eine hohe Arbeitsteilung und Spezialisierung. Hieraus resultiert ein hoher Abstimmungs- und Koordinationsbedarf.1268 Dieser Abstimmungs- und Koordinationsbedarf kann auf unterschiedlichem Wege erfolgen. Zum einen kann ein Abstimmungs- und Koordinationsbedarf über gemeinsame Werte, Motive, Sympathien oder die Zugehörigkeit zur selben Gruppe erfolgen. Diese Ausprägung war historisch bedingt in früheren Zeiten von hoher Bedeutung. Allerdings kann die Koordination einer modernen Gesellschaft nicht mehr alleine in der zuvor dargestellten Form erfolgen. Vielmehr muss zum anderen eine Abstimmung und Koordination in Form von Regeln vorgenommen werden.1269 Denn in einer modernen Gesellschaft kann sich ein Akteur aufgrund der Komplexität der Gesellschaft und ihrer Interaktionen, im Gegensatz zu einer vormodernen Gesellschaft, einem sozialen Abstimmungs- und Koordinationsbedarf bzw. einer sozialen Kontrolle im Sinne einer Fremdkontrolle als Face-to-FaceInteraktion ohne größere Kosten entziehen. Dies wird als Individualisierung in einer Gesellschaft bezeichnet. Dieses System der sozialen Kontrolle ist ungenügend, da Moral ohne soziale Kontrolle wirkungslos ist. Daher ist ein neues System zu entwickeln bzw. zu etablieren.1270 Wenn die Ökonomik verstanden wird als Theorie menschlicher Interaktionen bzw. Handlungen, dann kann Ökonomik als Ethik mit anderen Mitteln gesehen werden. Denn ein ethischer und ökonomischer Diskurs kann der wechselseitigen Bereicherung und Kritik dienen.1271 Für Homann sind der Kern der Ethik die Handlungen von Individuen. Dabei unterscheidet er in der Handlungstheorie zwischen Handlungen und Handlungsbedingungen. In Analogie zur (Sprach-)Welt des Sports ist dies mit Spielzügen (Handlungen) und Spielregeln (Handlungsbedingungen) vergleichbar. Handlungen können durch ein Individuum im Handlungsvollzug kontrolliert werden. Demgegen1265 1266 1267 1268 1269 1270
1271
Vgl. Kleinfeld (2005), S. 44. Vgl. Albach (2005a), S. 5. Vgl. Homann (1994), S. 99; Homann/Kirchner (1995), S. 147. Vgl. Homann/Kirchner (1995), S. 141-142 und 145; Berkel/Herzog (1997), S. 53. Vgl. Homann/Kirchner (1995), S. 157-158; Berkel/Herzog (1997), S. 53. Vgl. Homann (2000), S. 15-16.Homann (2001a), S. 80-81. Wobei Homann anmerkt, dass dieses Kontrollsystem nicht gänzlich verschwunden ist, denn bspw. in kleinen Interaktionseinheiten wie bspw. der Familie ist dieses noch in Takt. Vgl. Homann (1994), S. 111; Homann/Kirchner (1995), S. 147.
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
201
über beinhalten die Handlungsbedingungen Faktoren, die durch ein einzelnes Individuum nicht geändert werden können. Sie können als gegeben angenommen werden. Das Individuum kann sich den Handlungsbedingungen lediglich anpassen. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass die Handlungsbedingungen langfristig disponibel bzw. veränderbar sind, bspw. über den Staat oder aber auch Verbände.1272 Homann (2000) sieht das Individuum, seine Moral bzw. moralischen Ideen aber mehr als Korrektiv für die Suche nach neuen bzw. veränderten Institutionen. Moralische Ideen sind dabei nicht als unmittelbare Handlungsanweisungen zu sehen, sondern vielmehr als Denk- und Suchanweisungen für eine neue soziale Ordnung, in welche Probleme institutionell einer moralisch akzeptablen Lösung näher gebracht werden können.1273 Denn dem individuellen Vorteilsstreben kann, nach Homann, nicht mit Moral begegnet werden, denn diese Vorstellung wird der Komplexität des Sachverhaltes nicht gerecht.1274 Eine Selbstkontrolle der Ethik durch Moral sowie internalisierte moralische Normen werden im Ansatz von Homann (und Blome-Drees) als theoretisch logisch bzw. adäquat angesehen, aber in der Praxis wird die Selbstkontrolle als nicht erfolgswirksam gesehen, da sich das Handeln eines Akteurs im permanenten Wettbewerb mit Anderen vollzieht. In diesem Kontext werden, vor dem spieltheoretischen Ansatz von (Gefangenen-)Dilemmastrukturen, moralische Vor- und Mehrleistungen ausbeutbar. Eine Gegenwehr kann dabei nur durch eine Gegenausbeutung vollzogen werden. Somit sieht Homann die Selbstkontrolle durch moralische, internalisierte Normen als gescheitert an.1275 Denn in Dilemmastrukturen kann nach Homann ein einzelner Akteur als Defektierer bzw. gar lediglich als potenzieller Defektierer den anderen Akteuren seine Handlungsweise diktieren. Es zeigen sich hierbei asymmetrische Interaktionsstrukturen. Dabei können diese Dilemmastrukturen als produktiv und gefährlich zugleich angesehen werden. Aus diesem Grunde sind sie normativ ambivalent.1276 Homann (2001a) vertritt die Auffassung, dass ein Handeln von Menschen in einer modernen Gesellschaft nicht durch Werte oder Ideale unmittelbar gesteuert wird, sondern vielmehr durch monetäre und nichtmonetäre Anreize bzw. Vorteilserwartungen, da seiner Meinung nach Werte erodieren, wenn die Befolgung von Werte mit dem Erfahren von Nachteilen für einen Akteur verbunden ist. Werteverschiebungen basieren auf relativen Kostenänderungen, verstanden als Opportunitätskosten, auf die Akteure reagieren. Nach Homann kann eine Ethik nicht verlangen, dass systematisch und dauerhaft gegen die individuellen Interessen verstoßen wird.1277 Denn Homann vertritt die Auffassung, dass die Moral für den Menschen da ist, und nicht umgekehrt der Mensch für die Moral. Der Mensch unterwirft sich eigenständig in Form kollektiver Selbstbindung moralischen Regeln, um hieraus Vorteile zu erzielen. Dies ist nach Homann der einzige Grund. Gebunden ist der Akteur an den Konsens über die Regelungen.1278
1272 1273 1274 1275 1276 1277 1278
Vgl. Homann (2000), S. 4-5. Vgl. Homann (2000), S. 10. Vgl. Homann (2001a), S. 80. Vgl. Homann/Blome-Drees (1992), S. 29-35; Homann (2000), S. 16-17; Homann (2001a), S. 81-82. Vgl. Homann/Kirchner (1995), S. 145. Vgl. Homann (2001a), S. 70-71. Vgl. Homann (2001b), S. 174.
202
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
Der Ansatz von Homann folgt klassischen liberalen Wirtschaftsvorstellungen. Der Wohlstand ist die Grundlage der Freiheit. Dabei ist die Freiheit für alle durch Wohlstand die ethische Begründung der Marktwirtschaft in utilitaristischem Sinne. Notwendig, angestrebt und gewollt sind dabei der Leistungswille, das Gewinnstreben und die Konkurrenz.1279 Der Wohlstand einer modernen Wirtschaft ist nach Homann somit von der Einhaltung bestimmter Regeln aller Individuen abhängig und nicht von den Motiven einzelner Individuen. Aus diesem Grunde wird bei dem Ansatz nach Homann zwischen Spielregeln und Spielzügen unterschieden. Bei den Spielregeln handelt es sich um die Rahmenordnung eines Wirtschafts- bzw. Gesellschaftssystem. Im Idealfall sind die Spielregelen der Rahmenordnung für alle gleich, allen bekannt, von allen akzeptiert und gegenüber allen durchsetzbar. In die Handlungsbedingungen subsumiert Homann u. a. natürliche, kulturelle und gesellschaftliche Bedingungen, Marktbedingungen sowie die Rahmenordnung (Gesetze, Wirtschaftsordnung, Justiz etc.).1280 Unter den Spielzügen sind die Handlungen innerhalb dieser Rahmenordnung zu verstehen. Hierbei handelt es sich um die wirtschaftlichen Tätigkeiten.1281 Bereits in frühen Arbeiten, die sich auf die Vertragstheorie beziehen, vertritt Homann (1985) die Auffassung, dass in der Realität unterschiedlichste, sich ergänzende Institutionen benötigt werden.1282 Nach Homann muss eine historisch bedingte Handlungsethik durch eine Bedingungsethik ergänzt werden. Die Bedingungsethik wird auch als Institutionenethik, Ordnungsethik oder Strukturenethik bezeichnet. Für Homann ist die Bedingungsethik grundlegend für die Handlungsethik, da ein Handeln nicht gegen grundlegende Bedingungen vollzogen werden kann. Die Institutionenethik ist dabei dominant, da Bedingungen die Chancen und Grenzen und somit die Optionen und Kosten des Handelns festlegen. Nach Homann ist jede moderne Ethik somit zweistufig zu formulieren, als Institutionenethik und Handlungsethik.1283 Dabei ist darauf zu achten, dass die beiden Ebenen sich nicht systematisch widersprechen, wenn bspw. die Institutionen so ausgestaltet sind, dass Umweltverschmutzungen durch die Handlungsebene ökonomisch belohnt werden.1284 Für Homann (2002) ergibt sich die Frage, wie die Regeln der Institutionen (theoretisch) begründet werden. Homann argumentiert für eine Implementierung bzw. Rechtfertigung von Normen anhand einer Selbstkontrolle der Akteure entlang der eigenen Anreize vor dem Hintergrund einer modernen Gesellschaft.1285 Im Idealfall wird hierdurch ein permanenter Wettbewerb erzeugt. Halten sich alle Teilnehmer an die Rahmenordnung und folgen somit den Spielregeln, wird ein Wohlstand für alle erreicht. Dabei sieht Homann den Wettbewerb vor dem Hintergrund von Regeln einer modernen Marktwirtschaft nicht im Hobbes’schen Sinne des Kampfes jeder Gegen jeden, denn Regeln bzw. Institutionen tragen zu einer Minimierung von Externalitäten, wie bspw. Steuerhinterziehungen oder Umweltverschmutzungen bei, und sie fokussieren den Wettbewerb bspw. auf Qualitätssteigerungen.1286 Homann (2002) verdeutlicht seinen Ansatz, wie bereits angeführt, in der Sprache von J. M. Buchanan, vor dem Hin1279 1280 1281 1282 1283 1284 1285 1286
Vgl. Berkel/Herzog (1997), S. 53. Vgl. Homann (2000), S. 5. Vgl. Berkel/Herzog (1997), S. 53. Vgl. Homann (1985), S. 51. Vgl. Homann (2000), S. 9; Homann (2002), S. 185; Homann (2005), S. 198. Vgl. Homann (2001b), S. 172. Vgl. Homann (2002), S. 185. Vgl. Berkel/Herzog (1997), S. 53; Homann (2000), S. 13.
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203
tergrund des Regelbefolgungsmodells (Stabilisierung verlässlicher Verhaltenserwartungen durch normative Verbindlichkeit) und Regeletablierungsmodells (Ausarbeitung und Etablierung neuer Verbindlichkeiten zur Aneignung weitergehender Kooperationsgewinne).1287 Es können nur solche Handlungen von einem Akteur erwartet werden, für die dieser nicht aufgrund der Bedingungen systematisch eine Benachteiligung erfährt.1288 Erwünschte Ergebnisse in einer Gesellschaft müssen nach Homann (2001) durch die Akteure hergeführt werden als nichtintendierte Resultate intentionaler Handlungen. Dies bedeutet, dass jeder Akteur im eigenen Interesse intentional handelt. Die Auswirkungen der einzelnen Handlungen in der Summe auf gesellschaftlicher Ebene sind von keinem Akteur direkt intendiert. Vielmehr sind die (gesamt-)gesellschaftlichen Resultate (und somit auch wirtschaftliche Resultate) ein Nebenprodukt der individuellen Ziele der einzelnen Akteure. Daher sind gesellschaftliche Resultate nach Homann nicht systematisch von den Zielen und Werten der Akteure abhängig, sondern vielmehr von der (gesellschaftlichen) Rahmenordnung. Diese hat das Ziel, eine Kanalisierung des eigeninteressierten Handelns der Akteure auf gewünschte gesellschaftliche Resultate bzw. ein Gemeinwohl der Gesellschaft vorzunehmen.1289 Bei dieser Auffassung handelt es sich im Kern um den methodologischen Individualismus, wie er von J. M. Buchanan beschrieben wird. Dabei ist zwischen dem positiven methodologischen Individualismus und dem normativen methodologischen Individualismus zu differenzieren. Der positive methodologische Individualismus besagt, dass kollektives Handeln und gesamtwirtschaftliches Handeln auf den Handlungen der einzelnen Individuen basieren Der normative methodologische Individualismus gibt an, dass lediglich Individuen die (einzige) Quelle von Werten darstellen.1290 Homann (2001b) führt an, dass abendländische Traditionen der Ethiken, wie bspw. die Goldene Regel oder der Kategorische Imperativ nach Kant, das individuelle Vorteilsstreben nicht verbieten. Vielmehr setzen diese das Vorteilsstreben als Beweggrund des Handelns voraus und unterwerfen es lediglich Beschränkungen in zeitlicher und sozialer Hinsicht. Homann begründet in seinem Ansatz moralische Beschränkungen hingegen mit der Erwartung größerer Vorteile über den Vollzug von Handlungen (vor dem Hintergrund von Handlungsbeschränkungen).1291 In analoger Weise zu den liberalen Wirtschaftsvorstellungen und dem Konzept der Spielregeln und Spielzüge, die die Grundlage für den Wohlstand einer Gesellschaft bilden und sichern, hat die Ethik nach Homann ihren Ort auch ausschließlich in den Spielregeln und somit auf der Ebene der Rahmenordnung. Somit besitzt die Ethik zunächst grundsätzlich in Form der Wirtschaftethik Relevanz, welche eine Legitimierung der Rahmenbedingungen vornimmt. Die Spielzüge, die auf der Ebene der Handlungen innerhalb der Rahmenordnung liegen, sind nicht für die Ethik verantwortlich. Hier wird der Kern lediglich durch Anreize und Sanktionen gebildet.1292 Handlungsbeschränkungen (innerhalb
1287 1288 1289 1290
1291 1292
Vgl. Homann (2002), S. 186-187 mit Erörterungen aus Homann (2001c), S. 211. Vgl. Homann (2000), S. 9; Homann (2001b), S. 172. Vgl. Homann (2001a), S. 71. Vgl. Homann (1994), S. 91-92. Siehe ausführlich hierzu u. a. Buchanan (1984) und die Artikel in Buchanan (1989) sowie im Original Buchanan/Tullock (1962). Vgl. Homann (2001b), S. 178-179. Vgl. Berkel/Herzog (1997), S. 53; Homann (2001a), S. 71.
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Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
der Rahmenordnung) in Form einer kollektiven Selbstbindung erhöhen die Verlässlichkeit wechselseitiger Verhaltenserwartungen und somit individuelle Handlungsmöglichkeiten.1293 Nun kann gefragt werden, wie es um eine Unternehmensethik bestellt ist, wenn alle Ethik zunächst Wirtschaftsethik ist. Die Unternehmensethik, verstanden im Sinne einer Handlungsethik, ist nach Homann sekundärer Natur und tritt nur dann in Erscheinung, wenn Lücken in den Rahmenordnungen existieren. Ihr kommt eine Funktion der Fein- und Reststeuerung zu.1294 Homann/Blome-Drees (1992) sehen in der Rahmenordnung den systematischen, aber nicht den einzigen, Ort der Moral in der Marktwirtschaft.1295 Allerdings ist hier direkt anzumerken, dass immer Lücken in den Rahmenordnungen existieren (werden), da es eine Lücke zwischen wissens- sowie wirtschaftlichen Entwicklungen und der Konzeption, Verabschiedung und Einführung neuer rechtlicher Regelungen bzw. Rahmenbedingungen gibt. Gleichermaßen kann eine staatliche Kontrolle niemals vollständig erfolgen und alle Bereiche abdecken. Darüber hinaus kann es auch ein Politikversagen geben, wenn es unterlassen wird, bei Tendenzen oder gar direkt absehbaren negativen Entwicklungen, die Rahmenbedingungen zu verbessern.1296 Wenn die Rahmenordnung in der Praxis Lücken oder Fehler aufweist, sollen die Unternehmen eigenständig moralische Verantwortung übernehmen. Dabei sollte über das reguläre Maß systemkonformer Gewinnorientierung hinausgegangen werden. Es sind eigenständige Legitimationsbemühungen zu unternehmen. Hierbei handelt es sich um den zentralen theoretischen Begründungszusammenhang einer Unternehmensethik. Einfacher formuliert bedeutet dies, dass Unternehmen bei Defiziten in der Rahmenordnung Verantwortung übernehmen sollen, die regulär an die Ordnungsebene der Rahmenbedingungen abgegeben wurde. Somit soll das entstandene Verantwortungsvakuum gefüllt werden.1297 Allerdings besteht das Problem, dass Homann das Individuum nicht als Korrektiv der Rahmenordnung anerkennt. Denn eine Kompensation des Versagens der Institutionen kann vor dem Hintergrund markwirtschaftlicher Wettbewerbsbedingungen nicht durch das moralische Gewissen eines Individuums erfolgen.1298 Hieraus entsteht die Frage, wenn bei einem Versagen der institutionellen Rahmenbedingungen der Makro- und Mesoebene nicht das Individuum als letztes in der Lage sein soll, ethische Kompetenzen umzusetzen, wer sollte dies dann vollziehen? Diese Fragestellung weist zugleich auf einen möglichen Kritikpunkt am Ansatz Karl Homanns hin. Bei Homann wird die Interdependenz von Individualund Institutionenethik weitgehend nicht beschrieben. Bei einem Versagen der Institutionen sollen moralische Normen sowie unternehmerische Aktivitäten als Korrektiv wirken. Dabei erfolgt keine Thematisierung des Problems eines möglichen Ausfalls ordnungspolitischer Rahmenbedingungen des Unternehmens. Hier müsste eine weitere Verlagerung auf die dem Unternehmen untergeordnete Ebene, die Ebene des Individuums, erfolgen. Somit müsste eine in sich schlüssige Vorgehensweise der 1293 1294
1295 1296 1297 1298
Vgl. Homann (2001a), S. 73. Vgl. Homann (2000), S. 9. Ähnlich einer Reststeuerungsfunktion von Moral und Werten nach der Auffassung von Luhmann (1993), S. 378. Vgl. Homann/Blome-Drees (1992), S. 35-36 bzw. ausführlich 35-47. Vgl. Berkel/Herzog (1997), S. 53-54; Göbel (2005), S. 91. Vgl. Homann/Blome-Drees (1992), S. 116-117. Vgl. Homann (1993), Sp. 1291. Als Basis für seine Ausführungen wählt Homann hier die Argumentation von Krings (1991).
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205
Verlagerung der Ethik als Korrektiv bei einem Versagen der Makroebene auf die Mesoebene, und bei einem weiteren Versagen von der Mesoebene auf die Mikroebene, erfolgen. Dem Individuum käme dann die Aufgabe zu, Lücken in der Unternehmensordnung durch persönliche ethische Auffassungen bzw. Kompetenz sowie moralische Haltungen zu schließen und gleichermaßen eine Ausnutzung der Lücken zu verhindern.1299 In einer logischen Deduktion wäre dann das Individuum die letzte mögliche Instanz der Verwirklichung von Ethik. Man könnte dann das Individuum als letzte Bastion gegenüber den Unzulänglichkeiten und Fehlern des institutionenpolitischen Systems auffassen.1300 Unternehmen stehen in der heutigen Zeit unter einem verstärkten Legitimationsdruck. Denn gewinnorientiertes, legales Handeln wird nicht mehr nur allein als Legitimationsgrund angesehen. Vielmehr verlangt die Gesellschaft von den Unternehmen die Verfolgung gesellschaftspolitischer und moralischer Ziele, als allein ökonomische Ziele. Hieraus resultiert für die Unternehmen das Problem, dass die Unternehmen einerseits klären müssen, welche Anforderungen die Gesellschaft an sie stellt. Andererseits müssen Unternehmen für einen ethischen Diskurs bereits sein.1301 Darüber hinaus müssen die Unternehmen auch in der Lage sein, den an sie gestellten Anforderungen dergestalt gerecht zu werden, als dass überhaupt Wissen und Instrumente des Führens eines ethischen Dialoges oder ethischer Maßnahmen im Unternehmen vorhanden sind. Im Verhältnis der zwei Dimensionen von ökonomischen Zielen bzw. der Gewinnorientierung und den gesellschaftspolitischen Zielen bzw. der Ethik, kann eine Implementierung moralischer Anliegen in einem Unternehmen nach zwei Strategien vollzogen werden. Hierbei handelt es sich um die Wettbewerbsstrategie und die ordnungspolitische Strategie. Im Rahmen der Wettbewerbsstrategie wird den moralischen Forderungen dergestalt Rechnung getragen, dass Produkte und Dienstleistungen entwickelt und angeboten werden, die (höheren) ethischen Ansprüchen genügen.1302 Potenzielle Beispiele sind vielfältig und nahezu unbegrenzt, da die Beispiele auch von den aktuellen zeitspezifischen Anforderungen an die Unternehmen abhängen. Als konkrete Beispiele in der heutigen Zeit können umweltschonende Produktionsverfahren, Reduktion von CO2-Emmission oder nahezu vollständig recyclebare Produkte genannt werden. Gleichermaßen gehören auch öffentlich bekundete moralische Selbstbindungen des Unternehmens zu dieser Strategieform, wie bspw. eine volle Information der Öffentlichkeit, oder aber ethische Selbstverpflichtungen in Form von Leitbildern. Diese Strategieform ist dadurch gekennzeichnet, dass sie auf das einzelne Unternehmen beschränkt ist. Das Unternehmen verbleibt im klassischen Wirtschaftsprozess. Ein Ziel dieser Strategie ist gleichermaßen auch die Erzielung von Wettbewerbsvorteilen, die durch Produkte und Dienstleistungen, welche den moralischen Zielen der Gesellschaft genügen, ermöglicht werden.1303 Gerade junge Unternehmen könnten durch diese Strategieform Wettbewerbsvorteile generieren, indem sie sich von ihrer Konkurrenz differenzieren. Das Geschäftsmodell des jungen Unternehmens kann sogar auf dieser Strategie basieren. Dies soll bedeuten, dass Produkte und Dienstleistungen angeboten werden, die den moralisch-ethischen Anforderungen 1299 1300
1301 1302 1303
Vgl. Kleinfeld (1998), S. 83. So merkt Göbel (2005,) S. 91 in diesem Kontext an, dass, wenn nicht das Individuum die Rahmenordnung beeinflussen kann, wer sollte dies dann können? Vgl. Berkel/Herzog (1997), S. 54. Vgl. Berkel/Herzog (1997), S. 54. Vgl. Berkel/Herzog (1997), S. 54.
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Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
der Zeit genügen bzw. über die aktuellen Anforderungen hinausgehen und somit ein Alleinstellungsmerkmal darstellen. Als zweite Strategie neben der Wettbewerbsstrategie ist die ordnungspolitische Strategie zu nennen. Im Rahmen der ordnungspolitischen Strategie sollen Defizite der staatlichen Rahmenordnung auf kollektiver (Meso-)Ebene kompensiert werden. Hierbei verpflichten sich die Unternehmen einer Branche oder eine Verbandes zu einer Wahrung von Standards durch branchen- oder verbandseigene Regelungen. Somit wird hier das Instrumentarium der Selbstverpflichtung verwendet, um Fehler in den Rahmenordnungen bzw. Spielregeln zu kompensieren.1304 Die Aufgabe der Unternehmensethik ist dabei die Ausarbeitung und Bereitstellung von konkreten Handlungsempfehlungen zur Ausgestaltung der einzelnen Strategien für die Unternehmen. Homann/Blome-Drees (1992) haben hierfür einen dreistufigen Entscheidungsprozess konzipiert, der es Unternehmen ermöglicht, sich den moralischen Forderungen stellen zu können. Abbildung 25 verdeutlicht den dreistufigen, unternehmensethischen Entscheidungsprozess nach Homann/Blome-Drees:1305 Frage 1: Sind die moralischen Forderungen berechtigt?
hohe moralische Akzeptanz (ethisch)
begründete Zurückweisung
ja
III
I
geringe Rentabilität
hohe Rentabilität
(unprofitabel)
Frage 2: Erfüllt die Rahmenordnung die moralischen Forderungen?
(profitabel)
IV
nein
II
geringe moralische Akzeptanz
ja
in der Rahmenordnung abgegolten
nein
Frage 3: Welche Handlungsmöglichkeiten hat ein Unternehmenunter Wettbewerbsbedingungen?
(unethisch) Quadrant I
Quadrant II
Quadrant III
Quadrant IV
Abbildung 25: Unternehmensethischer Entscheidungsprozess bei Homann/Blome-Drees
Im ersten Schritt ist zu prüfen, ob die moralischen Forderungen ethisch begründet sind. Dabei ist zu prüfen, ob die moralische Forderung von allen Anspruchsgruppen universalisierbar ist und daher von allen gefordert werden kann. Ist dies nicht der Fall, erfolgt eine begründete Zurückweisung, da es sich hierbei um spezifische (individuelle) (Gruppen-)Interessen handelt. Sind die Forderungen berechtigt, so folgt im zweiten Schritt die Prüfung, ob die Rahmenordnung (Gesetze etc.) die moralischen Forderungen erfüllen. Sind die Rahmenordnungen ausreichend, so sind die moralischen Forderungen in der Rahmenordnung abgegolten. Bestehen jedoch Defizite in den Rahmenordnungen, so ist durch 1304 1305
Vgl. Berkel/Herzog (1997), S. 54. In Anlehnung an Homann/Blome-Drees (1992), S. 133 und 158.
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
207
das Unternehmen im dritten Schritt zu prüfen, wie die berechtigten moralischen Forderungen unter Wettbewerbsbedingungen erfüllt werden können. Hierzu generieren Homann/Blome-Drees eine 2x2-Matrix mit den Dimensionen Rentabilität (profitabel/unprofitabel) und moralische Akzeptanz (ethisch/unethisch). In dieser Matrix lassen sich vier Fälle bzw. Quadranten der beiden Dimensionen aufzeigen. Quadrant I stellt den Fall einer positiven Kompatibilität zwischen moralischer Akzeptanz (ethisch) und Rentabilität (profitabel) dar. Handlungen und Strategien sind ethisch-ökonomisch positiv kompatibel. Quadrant II beschreibt einen moralischen Konfliktfall. Handlungen sind hierbei rentabel (profitabel), allerdings weisen sie eine geringe moralische Akzeptanz (unethisch), u. a. in der Gesellschaft, auf. Das Unternehmen sollte bei solchen Handlungen um seine Legitimation und Reputation bedacht sein. Quadrant III weist einen ökonomischen Konfliktfall aus. Handlungen weisen eine geringe Rentabilität (unprofitabel) und eine hohe moralische Akzeptanz (ethisch) auf. Die Erfüllung moralischer Forderung ist nicht ökonomisch. Ein Beispiel wären hier umweltfreundlich hergestellte Produkte, die allerdings aufgrund eines erhöhten Preises nicht von den Kunden angenommen werden. In diesem Quadranten ist das Unternehmen auf eine Änderung der Rahmenordnung angewiesen, die seine Produkte gegenüber nicht-ökologisch hergestellten Produkten begünstigen würde. Der Quadrant IV stellt den Fall einer geringen Rentabilität (unprofitabel) und geringer moralischer Akzeptanz (unethisch) dar. Diese Unternehmen werden, durch mangelnde Legitimität und ökonomischen Erfolg, bei den gewählten Handlungen früher oder später aus dem Markt austreten.1306 Anzumerken bleibt in diesem Kontext, dass das dreistufige Verfahren eine (hohe) ethische Methoden-, Reflexions- und Argumentationskompetenz des anwendenden Individuums erfordert, da moralisch-ethische Begründungsleistungen von hoher Komplexität gekennzeichnet sind. Das Verfahren könnte auch als (vorgeschobene) Rechtfertigung einer (geplanten) Handlung dienen, in dem bereits nach Frage eins und zwei die Reflexion der Handlung als „erledigt“ betrachtet wird. Bei einer korrekten und gewollten Anwendung kann das Verfahren allerdings zu einem Nachdenken über konkrete Situationen, Strategien und Handlungen anregen.
1306
Vgl. Homann/Blome-Drees (1992), S. 133-158.
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Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
2.3.4.2
Zum republikanisch-integrativen Ansatz von Peter Ulrich
Der wirtschafts- und unternehmensethische Entwurf von Peter Ulrich stellt eines der umfassendsten sowie anspruchvollsten Vorhaben dar, eine Ethik des Wirtschaftens deontologisch zu begründen.1307 Die Ausführungen von Peter Ulrich basieren auf der Kritischen Theorie (Frankfurter Schule). In diesem Ansatz wird eine Gesellschafts-, Wirtschafts- und Technikkritik in Bezug auf die moderne, technisierte Wirtschaftsgesellschaft sowie des hiermit verbundenen, einseitig geprägten Menschenbildes vorgenommen. Im Kern wird eine Abkoppelung der wirtschaftlichen Systemwelt von der Lebenswelt aufgezeigt. Nach Ulrich (1988) haben viele Menschen den Bezug zur fortgeschrittenen Industriegesellschaft verloren. Vielmehr haben viele Menschen Bedenken und Angst vor dieser. Denn die Industriegesellschaft wirkt teilweise abschreckend und aus dem Gleichgewicht geraten. Gründe hierfür sind bspw. die Zerstörung der Umwelt oder Massenarbeitslosigkeit in Industrieländern bei gleichzeitiger Verarmung in dritte Welt Ländern. Gleichermaßen gehen Traditionen sowie innere Sinnkriterien verloren. Die Wirtschaft ist ein Teilbereich des menschlichen Lebens. Sie sollte dazu dienen, das menschliche Leben zu bereichern, indem durch Wirtschaften ein Wert bzw. Wohlstand für den Menschen geschaffen wird. Allerdings scheint es, als stelle sich die Wirtschaftsweise selbst in Frage. Für Ulrich ist ein Grund hierfür das Auseinanderfallen von Ethik und Wirtschaft. Obwohl die Ethik und die Wirtschaft bzw. Ökonomie traditionell vereint waren, ist die Ethik aus der Wirtschaft gedrängt worden. Gleichermaßen verfolgt die Wirtschaft nur noch das quantitativ kalkulierende Erfolgsprinzip, welches zum definitiven Sachzwang deklariert wurde. Die hieraus resultierenden Externalitäten bzw. negativen Folgen sind die Konsequenzen modernen Wirtschaftens in entwickelten Gesellschaften. Die negativen Folgen werden dabei durch das Unternehmen externalisiert und somit auf die Gesellschaft umgewälzt. Somit sind diese von allen Mitgliedern zu tragen.1308 Immer mehr Menschen verarmen auch in reichen Volkswirtschaften. Das Resultat hieraus ist, dass immer mehr Menschen auch vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen sind.1309 Als Grundproblem der Wirtschaftsethik sieht Ulrich die Fragestellung, wie es einer Wirtschaftsethik im Ansatz gelingen kann, die Wirtschaft und die Ethik in moderner Weise zusammenzuführen.1310 Im wirtschaftlichen Denken und Handeln können zwei Dimensionen betrachtet werden. Zum einen ist hier die Dimension einer reinen ökonomischen Rationalität zu sehen. In dieser ist allein die ökonomische Sachgerechtigkeit bzw. Effizienz von Bedeutung. Zum anderen ist die Dimension einer reinen, außerökonomischen Moralität zu nennen, bei der die Menschengerechtigkeit bzw. Humanität im Mittelpunkt steht.1311 In der aktuellen Wirtschaftsethikdiskussion sieht Ulrich drei Ansätze. Hierbei handelt es sich um die Ansätze der Wirtschaftsethik als Korrektiv, der Wirtschaftsethik als Rechtfertigung der Wirtschaft und der Wirtschaftsethik als Vernunftethik des Wirtschaftens, wobei der dritte Ansatz von Ulrich selbst vertreten wird.1312
1307 1308 1309 1310 1311 1312
Vgl. Meran (1992), S. 73. Vgl. Berkel/Herzog (1997), S. 55. Siehe ausführlich Vgl. Ulrich (1993a) Vgl. Meireis (1996), S. 158. Vgl. Ulrich (1988), S. 6-7. Siehe hierzu auch Berkel/Herzog (1997) sowie u. a. Ulrich (1994). Vgl. Berkel/Herzog (1997), S. 55.
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
209
Anders als bei Hohmann, der die Rahmenordnung als die letzte nicht mehr hintergehbare Instanz betrachtet, die als Produkt anonymer historischer Entwicklungen zu werten ist, sieht Ulrich die Rahmenbedingungen nicht als zufällig zustande gekommen. Vielmehr werden die Rahmenbedingungen unter einen Legitimationszwang des ganzen demokratischen Gemeinwesens gestellt. Denn die kritische Öffentlichkeit legitimiert die rechtlich verfasste Rahmenordnung. Diese Rahmenordnung steuert den Markt sowie die Unternehmen und die Wirtschaftssubjekte. Die Wirtschaft wird letztlich durch die unbegrenzte kritische Öffentlichkeit aller Bürger bestimmt und gelenkt. Hierzu bedarf es zum einen des Interesses aller Bürger an der sozialökonomischen Vernunft. Zum anderen sind institutionalisierte Kommunikationsformen von weiterer Bedeutung.1313 Der Ansatz einer integrierten Wirtschaftsethik und somit einer integrierten Unternehmensethik nach Ulrich ist durch eine republikanisch-liberale Konzeption im Sinne eines Rechts- und Solidaritätszusammenhangs der Gesellschaftsakteure und nicht durch eine wirtschaftsliberale bzw. neoliberale Konzeption, verstanden im Sinne eines Marktzusammenhangs, geprägt.1314 Für ein Verständnis der Ausführungen Ulrichs ist das Verständnis dieser beiden unterschiedlichen Ansichten von essentieller Bedeutung. Die Tabelle 14 verdeutlicht die Unterschiede des Wirtschaftsliberalismus und des republikanischen Liberalismus.1315
1313 1314 1315
Vgl. Berkel/Herzog (1997), S. 56. Vgl. Ulrich (2000), S. 12-13. In Anlehnung an Ulrich (2000), S. 8.
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Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
Konzept der Person
Freiheitsbegriff
Konzept des Bürgers
Politikbegriff Modus der Vergesellschaftung
Ideal der Wirtschaftsordnung
Wirtschaftsliberale Konzeption
Republikanisch-liberale Konzeption
Mensch als präsoziales Wesen: „Ich rechne, also bin ich“ (Thomas Hobbes)
Mensch als soziales Wesen: „Ich fühle Symphathie, also bin ich“ (Adam Smith)
bedingtes wechselseitiges Interesse
unbedingte wechselseitige Achtung und Anerkennung
primär negative Freiheit („unantastbare“ Privatautonomie gegen Ansprüche anderer: Abwehrrechte)
primär positive Freiheit („öffentlicher Vernunftgebrauch“ unter mündigen Bürgern: Beteiligungsrechte)
Besitzbürger (Bourgeois): „Ich habe Privateigentum, also bin ich“
Staatsbürger (Citoyen): „Ich partizipire an der Res republica, also bin ich“
strategischer Machtausgleich im „Stimmenmarkt“ (Bargaining)
„öffentlicher Vernunftgebrauch“ (deliberative Demokratie)
Vorteilstausch (macht- und interessenbasiert)
gleiche allgemeine Bürgerrechte (gerechtigkeitsbasiert)
Gesellschaft als Marktzusammenhang
Gesellschaft als Rechts- und Solidarzusammenhang
„freie“ Marktwirtschaft („entgrenzt“ und „entfesselt“)
soziale Marktwirtschaft (embedded economy)
totale Marktgesellschaft (Wirtschaft als Gesellschaft)
lebensdienliche Marktwirtschaft (Wirtschaft in der Gesellschaft)
Tabelle 14: Wirtschaftsliberalismus vs. republikanischer Liberalismus
Aus unternehmensethischer Sicht ist für Ulrich (2001) die Rangordnung des formalen Gewinnstrebens, im Verhältnis zu konfligierenden Wertgesichtspunkten, in erster Linie von Bedeutung. Denn nicht erst die Art wie Gewinne erzielt werden (Mitteleinsatz), sondern schon allein die normative Prämisse, dass in einer spezifischen Situation Gewinne erzielt werden sollen, ist aus unternehmensethischer Sicht stets begründungsbedürftig.1316 Ulrich sieht die Rechtfertigung des Gewinnprinzips1317, nach dem Muster des subjektiven Gewinnstrebens, dem kapitalistischen Unternehmerethos, dem objektiven Gewinnerfordernis und dem Muster einer ordnungspolitischen Spielregel, als gescheitert an. Er ist der Auffassung, dass eine strikte Gewinnmaximierung prinzipiell keine legitime unternehmerische Handlungsorientierung sein kann, denn alle konfligierenden Wertgesichtspunkte wären dem Gewinnsterben unterzuordnen. Nach Ulrich ist ein legitimes Gewinnstreben stets ein moralisch begrenztes Gewinnstreben. Spezifische, konfligierende Wertgesichtspunkte können nur durch das vernunftethische Moralprinzip vermieden werden. Das Gewinnstreben ist für Ulrich nur der Gegenstand der unternehmensethischen Reflexion. Es ist als ein Wert bzw. eine Dimension der unternehmerischen Wertschöpfung neben anderen zu sehen. Niemals ist es die ethisch begründbare Maßgabe unternehmerischen Handelns. Nach Ulrich ist es das Ziel einer Unternehmensethik vorbehaltlos zu prüfen, was, aus ethischer Sicht, Vorrang vor dem Gewinnstreben hat. Hier sieht Ulrich eine Verbin1316 1317
Vgl. Ulrich (2001), S. 408. Siehe hierzu die bereits dargestellten Ausführungen in Kapitel 2.3.2.1.
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
211
dung mit dem republikanisch-ethischen Grundsatz einer Unterordnung aller, individuell-privater Partikulärinteressen unter das Wohl der Res publica.1318 Nach Ulrich (2001) und (2004a) kann sich aus einem durch Selbstreflexion entwicklungsfähigen, republikanischen Bürgerethos eine ethisch integrierte Erfolgsidee im Sinne einer republikanischen Wirtschafts- und Unternehmensethik entfalten, die den (vermeintlichen) Gegensatz zwischen ethischem Altruismus und wirtschaftlichem Egoismus aufhebt. Ein republikanisch-ethischer Unternehmer verfolgt zwar auch das Ziel erfolgreich zu sein. Allerdings werden nur die Ziele und Handlungen realisiert, die vor Dritten durch gute Gründe vertreten werden können.1319 Ein integrer Wirtschaftsbürger lässt sich auf Basis des republikanischen Ethos eine gewisses Maß an Selbstbegrenzung seines geschäftlichen Strebens zumuten.1320 Dabei wird nicht die Markteffizienz, sondern, in Anlehnung an Adam Smith, die Gerechtigkeit der gesellschaftlichen Ordnung als vorrangiges Gestaltungskriterium aufgefasst.1321 Abbildung 26 zeigt unternehmensethische Ansätze im Verhältnis zum Gewinnprinzip.1322
Korrektive Unternehmensethik situativer Gewinnverzicht (Geschäftsbegrenzung)
Instrumentalistische Unternehmensethik „ethische“ Gewinnerzielung (Geschäftsstrategie)
Gewinnprinzip
außerökonomische Gewinnverwendung (jenseits des Geschäfts)
Karitative Unternehmensethik kategorischer Legitimitätsvorbehalt als normative Gewinnvoraussetzung (Geschäftsgrundlage)
Integrative Unternehmensethik Abbildung 26: Unternehmensethische Ansätze im Verhältnis zum Gewinnprinzip
Im Rahmen einer instrumentalistischen Unternehmensethik wird Ethik als ein strategischer Erfolgsfaktor aufgefasst. Somit ergibt sich hieraus eine Motivationsfunktion, aber keine normative Orientierungsfunktion. Eine strategische Sicherung längerfristiger Gewinnpotenziale wird durch eine Investition in Ethik, und dabei eine Inkaufnahme von Opportunitätskosten, vollzogen. Ethik wird dabei funktionalistisch im Sinne eines Führungsinstrumentes bzw. als langfristiges, ökonomisches Investitionsgut aufgefasst. Ethik kann unternehmensintern und unternehmensextern positiv wirken. 1318 1319 1320 1321 1322
Vgl. Ulrich (1998a), S. 19-20; Ulrich (2001), S. 413-416. Vgl. Ulrich (2001), S. 299 und 317; Ulrich (2004a), S. 135. Vgl. Ulrich (2004a), S. 135. Vgl. Ulrich (2000), S. 13. Vgl. Ulrich (2001), S. 417.
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Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
Im externen Verhältnis kann ethisches Verhalten die Akzeptanz der Unternehmenspolitik, bspw. durch PR-Maßnahmen, verbessern. Ulrich weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Akzeptanz, im Sinne des Rufes bzw. Images, von der Legitimität unternehmerischen Handelns, die als ethisch begründete normative Gültigkeit gesehen wird, zu trennen ist. Unternehmensintern verbessert nach Ulrich die Ethik im Rahmen der instrumentalistischen Unternehmensethik die Human Relations bzw. Human Resources.1323 Für Ulrich (2004b) suggeriert eine instrumentalistische Unternehmensethik eine verkehrte Rangordnung konfligierender Wertgesichtspunkte. Denn eine Rücksichtnahme auf legitime (ethische) Ansprüche Anderer um ihrer selbst willen wird verfehlt.1324 Im Rahmen der karitativen Unternehmensethik wird das unternehmerische Handeln zunächst am Prinzip der Gewinnmaximierung ausgerichtet. Eine Legitimierung des Handelns erfolgt dadurch, dass aus den erzielten Gewinnen nur nachträglich ausserökonomische Wertansprüche an das Unternehmen erfüllt werden können und sollen. Im Gegensatz zur instrumentalistischen Unternehmensethik wird die Zurverfügungstellung der erwirtschafteten Gewinne nicht durch ihre strategische Nützlichkeit, bspw. im Sinne von PR-Arbeit, begründet. Unternehmensethik kann hierbei als Spendenethik im Sinne einer karitativen (Almosen-)Ethik definiert werden. Dieses Konzept impliziert, dass möglichst hohe Gewinne erzielt werden sollen, um „Gutes“ zu tun. Wie die Gewinne erwirtschaftet werden, ist ähnlich der instrumentalistischen Unternehmensethik, nicht von Bedeutung.1325 Eine korrektive Unternehmensethik erfüllt hingegen die normative Orientierungsfunktion, allerdings nicht die Motivationsfunktion. Denn Ethik wird als Korrektivmaßnahme gegen ein ökonomisches Denken, Streben und Handeln gestellt.1326 Im Rahmen einer solchen Unternehmensethik erfolgt eine freiwillige Selbstbegrenzung des Gewinnstrebens. Hierbei wird implizit oder explizit das Ziel der Gewinnmaximierung aufgegeben. Typische Instrumente einer solchen Ethik sind Ethikkodizes, die Selbstbindungen des Unternehmens als moralische Leitlinien definieren. Die korrektive Unternehmensethik bildet implizit die Basis des überwiegenden Teils der angelsächsischen Business Ethics. In ihrer expliziten Form entspricht sie dem unternehmensethischen Ansatz von Steinmann und seinen Vertretern.1327 Ulrich (2001) selbst vertritt das Konzept einer integrativen Unternehmensethik, dessen erkenntnisleitendes Interesse in einer kritischen Reflexion der ethischen Voraussetzungen legitimen Gewinnstrebens, ohne einen Reflexionsstopp vor normativ vorausgesetzten Richtigkeitsvermutungen bzw. empirisch gegebenen Sachzwängen, besteht. Der Ansatz fängt dabei nicht mit der situationsgerechten Anwendung, sondern mit einer prinzipiellen Kritik des Gewinnprinzips an. Dabei ist die Frage nach den grundsätzlichen Legitimitätsvoraussetzungen und Wertorientierungen einer lebensdienlichen, unternehmerischen Wertschöpfung von Bedeutung. Somit wird die Unternehmensethik als Vernunftethik des unternehmerischen Wirtschaftens im Ganzen konzipiert.1328 Für Ulrich (2004b) soll eine integrative Unternehmensethik u. a. die Geschäftsgrundlagen unternehmerischen Handelns klären, 1323
1324 1325 1326 1327 1328
Vgl. Ulrich (2001), S. 419-421; Ulrich (2004b), S. 65. Bei Ulrich (1998b), S. 14 wird unter Akzeptanz eine faktische Durchsetzbarkeit und unter Legitimität eine begründete normative Gültigkeit verstanden. Vgl. Ulrich (2004b), S. 65. Vgl. Ulrich (2001), S. 421-424. Vgl. Ulrich (2004b), S. 65-66. Vgl. Ulrich (2001), S. 424-427. Siehe zum Ansatz von Steinmann auch Kapitel 2.3.4.3. Vgl. Ulrich (2001), S. 395.
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
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um einen fairen Umgang mit konfligierenden Ansprüchen aller Beteiligten und Betroffenen zu schaffen. Dabei sollen durch das Wirtschaften in legitimer Weise Werte geschaffen werden. Legitim bedeutet hierbei, dass konfligiernde (Stakeholder-)Ansprüche im Rahmen des unternehmerischen Handelns und seiner Ergebnisse sowie Auswirkungen nicht anhand der strategischen Bedeutung für Unternehmensziele, sondern nach Maßgabe der Legitimität der tangierten Ansprüche berücksichtigt werden.1329 Die Kernaussage ist somit, dass das unternehmerische Erfolgs- und Gewinnstreben ausdrücklich der normativen Bedingung der Legitimität unterzuordnen ist. Hierin liegt das oberste unternehmensethische Prinzip begründet. Das unternehmerische Erfolgsstreben soll von Anfang an auf eine normative Legitimationsbasis eingestellt werden und nicht eine fallweise Selbstbegrenzung, wie in der korrektiven Unternehmensethik, darstellen.1330 Für Ulrich ist die integrative Unternehmensethik ein „[…] permanenter Prozess der vorbehaltlosen kritischen Reflexion und Gestaltung tragfähiger normativer Bedingungen der Möglichkeit lebensdienlichen unternehmerischen Wirtschaftens.“1331 Dabei definiert Ulrich die allgemeine Grundnorm integrativer Unternehmensethik als Geschäftsintegrität. Durch diese soll das Unternehmen seine Existenzsicherung sowie den ökonomischen Erfolg ausschließlich durch gesellschaftlich legitime und sinnvolle Strategien unternehmerischer Wertschöpfung erreichen. Die Geschäftsintegrität ist besonders dann von Bedeutung, wenn ökonomische und gleichzeitig ethische Geschäftsstrategien nicht gefunden bzw. realisiert werden können. Nach Ulrich wäre in diesem Falle auf potenzielle Gewinnchancen der Geschäftsstrategien zu verzichten, und die Unternehmenssicherung durch andere Strategien bzw. Maßnahmen zu realisieren.1332 Ulrich (2000) ist der Auffassung, dass die häufig vertretene Position von Unternehmensethik als Verbindung der allgemeinen Ethik und Unternehmensführung nicht ausreichend durchdacht ist und in ein symptomatisches Sachzwangdenken führt. Denn nicht betrachtet wird, dass jede Idee und Konzeption von Unternehmensethik ein poltisch-philosophisches Leitbild einer korrekten Wirtschaftsund Gesellschaftsordnung sowie der Rolle der Unternehmen hierin impliziert.1333 In seiner Konzeption leitet Ulrich zwei Stufen der integrativen Unternehmensethik ab, die Geschäftsethik (1. Stufe) und die republikanische Unternehmensethik (2. Stufe). Die integrative Unternehmensethik ist dabei in sich zweistufig und in Ergänzung der Zweistufigkeit der Institutionenethik (Ordnungsethik) und der Unternehmensethik zu sehen.1334 Dabei begründet sich für Ulrich (1998b) eine (institutionenethische) Unternehmensethik als Teil einer übergeordneten Ordnungsethik der Marktwirtschaft.1335 Diese Ordnungsethik ist selbst eine Institutionenethik und zwar auf der Makroebene und nicht auf der Mesoebene, wie die Unternehmensethik.1336 Die Geschäftsethik normiert die selbst gewählten Grundsätze verantwortungsvoller unternehmerischer Tätigkeit am Markt. Hierbei geht es um eine Selbstbindung des Unternehmens an eine gesellschaftlich legitimierte sowie sinvolle Wertschöpfungs1329 1330 1331 1332 1333 1334 1335 1336
Vgl. Ulrich (2002), S. 66-67. Vgl. Ulrich (2001), S. 428. Ulrich (2001), S. 428. Vgl. Ulrich (2001), S. 428-429. Vgl. Ulrich (2000), S. V. Vgl. Ulrich (2001), S, 429. Vgl. Ulrich (1998b), S. 1. Siehe zur Differenzierung auch die Ausführungen des Kapitels 2.2.3.
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Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
aufgabe im Sinne einer Mission.1337 Für Ulrich (1998a) ist es wichtig, bei Strategien und Handlungen nicht immer auf Sachzwänge des Marktes zu verweisen, sondern innovative, unternehmerische Synthesen ethischer und marktstrategischer Gesichtspunkte zu entwickeln und dabei neue Märkte für ethisch höherwertige Produkte bzw. Dienstleistungen zu generieren. Dabei kann eine so aufgefasste Geschäftsethik durchaus im Einklang mit der klassischen Unternehmerfunktion der „schöpferischen Zerstörung“1338 durch Produkt-, Markt- und Verfahrensinnovationen nach Schumpeter aufgefasst werden.1339 Die republikanische Unternehmensethik beschäftigt sich mit der rentablen Umsetzung ethischsinnvollen Wirtschaftens innerhalb der gesetzten Rahmenbedingungen. Sie zeigt dabei eine Mitverantwortung für die gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen vor dem Hintergrund der unternehmerischen Tätigkeit. Sie hinterfragt kritisch Zwänge des Systems und engagiert sich in der Öffentlichkeit. Es wird ein aktives Engagement einer kollektiven Selbstbindung auf der Ebene von Branchen- sowie anderen (Wirtschafts-)Verbänden gefordert. Hierzu zählen ethische Geschäftsgrundsätze (Branchenstandards) sowie die Bereitschaft auch dann gemeinwohlfördernde, ordnungspolitische Reformen zu initiieren bzw. mitzutragen, wenn diese mitunter zumutbare (monetäre) Konsequenzen für das Unternehmen bedeuten würden, aber langfristig einen positiven (ethischen) Beitrag liefern. Ausdifferenzierte ordnungspolitische Rahmenbedingungen sind speziell vor dem Hintergrund einer Selbstbindung von Unternehmen von Bedeutung, da kollektive Selbstbindungen durch (Konkurrenz-)Unternehmen als (moral) free-rider zur Verbesserung der Wettbewerbsposition ausgenutzt werden können.1340
1337 1338 1339 1340
Vgl. Ulrich (1998b), S. 19. Siehe ausfühlich die Erörterungen bei Schumpeter (2005). Vgl. Ulrich (1998a), S. 21-22. Siehe ergänzend auch Schumpeter (1997). Vgl. Berkel/Herzog (1997), S. 56-57; Ulrich (1998a), S. 19-20; Ulrich (2000), S. 17-18; Ulrich (2001), S, 429. Siehe hierzu auch die Ausführungen der Kapitel 2.4.3.2.2 und Kapitel 2.4.3.7.1.
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Abbildung 27 zeigt die zweistufige Konzeption der republikanischen Unternehmensethik nach Ulrich.1341 2. Stufe der Verantwortung: Republikanische Unternehmensethik Kritische Hinterfragung gegebener Wettbewerbsbedingungen, die in unternehmensethische Dilemmasituationen führen 1. Stufe der Verantwortung: Geschäftsethik Suche nach rentablen Wegen sozialökonomisch sinnvollen und legitimen Wirtschaftens innerhalb der ordnungspolitischen Rahmenbedingungen (Geschäftsintegrität) • unternehmerische Wertschöpfungsaufgabe: lebensdienlicher Unternehmenszweck auf einer tragfähigen „Geschäftsgrundlage“ (Legitimitätsprämisse und Sinngebung) • branchen- und ordnungspolitische Mitverantwortung für ethisch verantwortbare Standards und Rahmenbedingungen des Wettbewerbs (ordoliberales Engagement in Richtung einer vitalpolitisch eingebundenen, lebensdienlichen Marktwirtschaft) Abbildung 27: Zweistufige Konzeption der Unternehmensethik bei Ulrich
Für Ulrich (2002) ist es wichtig, dass sich die individuelle Ebene sowie die Meso- und Makroebene einer Ethik, speziell vor dem Hintergrund fehlender supranationaler Regelungen, wechselseitig stärken.1342 Nach Ulrich (2000) ist Unternehmensethik nicht allein eine individuelle Ethik bzw. Moral der Unternehmensleitung.1343 Nach Ulrich (1993) ist eine moderne Ethik auch nicht als eine „Hüterin der Moral“ aufzufassen. Vielmehr steht sie einem Dogmatismus und einer Ideologie gegenüber, da in einer modernen Ethik ein (selbst-)kritisches, wertebewusstes Betrachten und Überdenken realer Gesamtzusammenhänge aktueller wirtschaftlicher Tätigkeiten vorgenommen wird.1344 Ein Unternehmen soll ein ethisches Stakeholderkonzept gegenüber einem „traditionellen“ strategischen Stakeholderkonzept verfolgen. Im strategischen Stakeholderkonzept ist eine Rücksichtnahme auf Ansprüche der Stakeholder für Ulrich lediglich eine Investition in zukünftigen Unternehmenserfolg im Sinne einer Vorteilskalkulation. Ulrich sieht in einem strategischen Stakeholderkonzept lediglich eine strategisch erweiterte Fassung der Shareholde-Value-Doktrin. Im ethischen Stakeholderkonzept steht hingegen die Anerkennung legitimer Ansprüche aller vom unternehmerischen Handeln Betroffenen um ihrer selbst Willen im Mittelpunkt. Dabei ist dieses Konzept gerechtigkeits- und nicht macht- bzw. interes-
1341 1342 1343 1344
Vgl. Ulrich (2000), S. 17; Ulrich (2001), S. 430; Ulrich (2002), S. 19. Vgl. Ulrich (2002), S. 19-20. Vgl. Ulrich (2000), S. 15. Vgl. Ulrich (1993b), S. 16.
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senbasiert.1345 In diesen letzten Punkten zeigt sich, dass die Forderungen Ulrichs auf dem diskursethischen Paradigma eines herrschaftsfreien, von allen Beteiligten geführten Dialoges, basieren.1346 Zu einer (praktischen) Erörterung des Stakeholder-Dialoges vor dem Hintergrund des diskursethischen Paradigmas siehe bspw. Ulrich (1998b). In der Konzeption von Ulrich soll eine institutionenethische Implementierung anhand der Verortung auf der übergeordneten, unternehmenspolitischen Handlungsebene erfolgen.1347 Die wichtigste Diskursbedingung für Ulrich ist dabei die Einhaltung der Reziprozität.1348 Steinmann/Löhr (1992) merken zu Ulrich kritisch an, dass in diesem Ansatz die Probleme der Wirtschaftethik auf die Ebene der Unternehmensethik verlagert werden, und dies zu einer Überfrachtung des einzelnen Unternehmens mit Begründungspflichten führt, die lediglich gemeinsam in Form eines gesellschaftlichen Dialoges, verstanden im Sinne einer Rationalität einer humanen Gesellschaft, gelöst werden können.1349 Ein integratives Ethikprogramm im Sinne des Konzeptes der integrativen Unternehmensethik, welches allerdings in der Praxis noch nicht standardisiert ist, beinhaltet nach Ulrich (2001) die folgenden Komponenten:1350
Sinngebende unternehmerische Wertschöpfungsaufgabe (Mission Statement) Bindende Geschäftsgrundsätze (Business Principles, Codes of Conduct, Ethikkodizes) Gewährleistete Stakeholderrechte (Bill of Stakeholder Rights, Unternehmensverfassung) Diskursive Infrastruktur („Orte“ des offenen, unternehmensethischen Diskurses, Ethikkomitees) Ethische Kompetenzbildung (Ethiktraining und vorgelebte Integritäts- und Verantwortungskultur) Ethisch konsistente Führungssysteme (Anreiz-, Leistungsbeurteilungs- und Auditingsysteme, Compliance-Programm)
Für Ulrich (2001) ist der Weg zu einem solchen umfassenden Ethikprogramm als ein unternehmensspezifischer, nach den Grundsätzen der Organisationsentwicklung zu gestaltender Lernprozess aufzufassen. Denn es sollte für das Unternehmen ein organisationspolitisches Ziel sein, strukturelle und unternehmenskulturelle Voraussetzungen dergestalt zu entwickeln, dass eine Reflexion und Argumentation hinsichtlich ethischer Probleme unternehmerischen Handelns auf allen hierarchischen Unternehmensebenen als ein selbstverständlicher, „normaler“ Vorgang des Denkens, Redens und Handelns aller Beteiligten betrachtet wird. In einem Ethikprogramm geht es für Ulrich einerseits darum, Strukturen und Entscheidungsprozesse für ethische Reflexion und Argumentation durch Institutionalisierung und Ermächtigung einer machtfreien, diskursiven Klärung von Verantwortbarkeits- und 1345 1346 1347 1348 1349 1350
Vgl. Ulrich (1998b), S. 9-10; Ulrich (2004b), S: 67. Siehe zur Diskursethik auch die Erörterungen des Kapitels 2.1.3.7.5. Vgl. Kleinfeld (1998), S. 82. Vgl. Meran (1992), S. 73. Vgl. Steinmann/Löhr (1992b), S. 246; Neugebauer (1998), S. 173. In Anlehnung an Ulrich (2001), S. 461-462. Zur Erörterung einzelner, praxisindizierter Maßnahmen einer (solchen) Unternehmensethik siehe auch die Ausführungen des Kapitels 2.4.3.7 und seiner Unterkapitel.
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Zumutbarkeitsfragen zu öffnen. Andererseits sollen unerwünschte Verhaltensweisen in der Organisation (aus-)geschlossen werden, indem das unternehmerische Handeln an nachprüfbare, normative Standards gebunden wird und Anreizstrukturen, die zum Opportunismus führen, durch ein System organisierter Verantwortlichkeit ersetzt werden.1351 Im unternehmensethischen Ansatz von Ulrich sollen organisatorische Maßnahmen zur strukturellen Beseitigung von Opportunismusproblemen, im Kern eines Prinzipal-Agenten-Problems zwischen dem Individuum und der Organisation (Unternehmen), seiner Struktur und seinen Mitarbeitern, eingesetzt werden. Hierbei werden zwei übergeordnete Maßnahmen von Ulrich vorgeschlagen:1352
Institutionalisierung und Internalisierung ethischer Aspekte in Führungssysteme (Verhaltensgrundsätze, Führungsleitlinien, Leistungsanreiz- und Beurteilungssysteme), und somit eine Gestaltung der unternehmensinternen Anreizstrukturen hinsichtlich einer Belohnung ethischverantwortlichen Handelns sowie einer Bestrafung unethischen Verhaltens. Dabei fordert Ulrich eine Ausrichtung des Rechnungswesens und Controllings auf pluralistische, nicht allein monetäre, Wertschöpfungsziele. Vermeidung von Unklarheiten über die Rangordnung der Wertmaßstäbe des Handelns. Es sind durch die Unternehmensleitung und Führungskräfte ethische Prämissen und Randbedingungen der Zielerreichung zu definieren, anstatt lediglich einseitig (monetäre) Leistungs- und Erfolgsziele vorzugeben. Hierzu können Ethikkodizes und Ethikrichtlinien helfen.
Allgemein ist es für Ulrich bedeutsam, neben den strukturellen Ethikmaßnahmen, eine im Alltag gelebte und zu erfahrende Integritäts- und Verantwortungskultur im Unternehmen zu etablieren. Dabei sollen alle Organisationsmitglieder vor dem Hintergrund einer Argumentationsintegrität sensibilisiert, befähigt und ermutigt werden, ethische Bedenken zu artikulieren und moralisch verantwortlich zu Handeln. Dabei soll jedes Organisationsmitglied eine kritische Rollendistanz einnehmen, um seiner Verantwortung gerecht zu werden.1353 Wichtig ist, dass ein Ausgleich zwischen öffnenden Diskursmaßnahmen und (options-)schließenden Ethikmaßnahmen im Unternehmen gefunden und realisiert wird.1354 2.3.4.3
Zum diskursethischen Ansatz von Horst Steinmann und Albert Löhr
Steinmann/Löhr (1988) sowie Steinmann/Löhr (1992) nehmen an, dass in post-traditionellen Gesellschaften per definitionem keine gemeinsam geteilte Wertbasis mehr existiert. Vielmehr muss diese zur Konfliktlösung zunächst hergestellt werden. Als alleiniges Mittel sehen sie hierfür den systematischen Gebrauch der Vernunft mittels einer streng disziplinierten Argumentation der Betroffenen eines Konfliktes. Das Ziel ist, über die gemeinsamen Begründungsanstrengungen zu einer rational motivierten Einsicht zu gelangen.1355 In Konfliktfällen reicht es in post-traditionellen Gesellschaften zur Sicherstellung des inneren Friedens daher nicht aus, beim faktischen Pluralismus der vorgebrachten Interessen stehen zu bleiben und ein notwendiges, gemeinschaftliches und einheitliches Handelns 1351 1352 1353 1354 1355
Vgl. Ulrich (2001), S. 456-460 und 462. Vgl. Ulrich (2001), S. 457-458. Vgl. Ulrich (2001), S. 458-459. Vgl. Ulrich (2001), S. 461. Vgl. Steinmann/Löhr (1988), S. 300 und S. 307; Steinmann/Löhr (1991), S. 5-6; Steinmann/Löhr (1992b), S. 240.
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durch die jeweils gegebenen Machtverhältnisse zu bestimmen. Vielmehr ist es wichtig, dass eine gemeinsam getragene Einsicht der Richtigkeit von Konfliktlösungsvorschlägen besteht, die in der Praxis in Form einer allgemeinen und freien Zustimmung der Betroffenen zum Ausdruck kommt.1356 Die Sicherung eines stabilen inneren und äußeren Friedens kann nur durch das Programm einer rationalen Konsensfindung in Form einer Diskurs- bzw. Dialogethik erreicht werden.1357 Frieden ist daher nichts anderes als der freie Konsens.1358 Gleichermaßen gilt dies auch für die Begründung einer Unternehmensethik.1359 Die unternehmensethische Konzeption von Horst Steinmann und Albert Löhr basiert somit, wie die Überlegungen von Peter Ulrich, auf dem diskursethischen Ansatz. Im Rahmen einer Marktwirtschaft ist zu prüfen, ob neben dem Gewinnprinzip auch noch andere Prinzipien im Kontext der Legitimation unternehmerischer Handlungen von Bedeutung sind, sonst wäre die Wirtschaftsethik mit der Unternehmensethik gleichwertig. Allerdings zeigen bereits praktische Erfahrungen, dass eine Legitimation unternehmerischen Handelns allein auf Basis des Gewinnprinzips nicht vollzogen werden kann. Wird das Gewinnprinzip ausschließlich angewendet, führt dies zu Konflikten. In diesem Kontext können gesetzliche Regelungen nicht dazu beitragen die Konflikte zu lösen, da das Formalziel des Gewinns im Sinne von Liquidität und Rentabilität nicht die Sachziele bzw. die Produkte und Dienstleistungen definiert.1360 Die Unternehmensethik ist dann von Bedeutung, wenn die Steuerung der konkreten Unternehmensaktivitäten vor dem Hintergrund des Gewinnprinzips und im Rahmen des geltenden Rechts zu konfliktären Auswirkungen mit internen und externen Bezugsgruppen des Unternehmens führt. Dabei ist das Ziel von Unternehmensethik eine Entwicklung konsensfähiger Strategien des Unternehmens.1361 Nach Steinmann/Löhr ist das generelle Ziel aller ethischen Handlungen, die Begrenzung des Gewinnprinzips auf der Ebene der Unternehmensstrategien in Form eines Konsenses.1362 Durch die Unternehmensethik muss eine Beschränkung eines ungezügelten Gewinnstrebens in Konfliktfällen möglich sein, ohne dass in diesem Kontext gleich die ökonomische Überlebensfrage gestellt wird.1363 Dabei ist in der Konzeption der Unternehmensethik zu zeigen, dass das Gewinnprinzip als fundamentale Überlebensbedingung eines Unternehmens in der Wettbewerbswirtschaft in ethischen Konfliktfällen sehr wohl begrenzt werden kann.1364 Das Gewinnprinzip ermöglicht auf der Unternehmensebene unterschiedliche Handlungsspielräume und hiermit auch drei unterschiedliche, ethische Überlegungen:1365
1356 1357 1358 1359 1360 1361 1362 1363 1364 1365
Hierbei kann es sich um einen funktionalen Ansatz handeln, bei dem die Ethik einen Beitrag zur Gewinnerzielung leistet. Weiterhin können unterschiedliche (zwei), gleich effiziente Gewinnstrategien existieren. Allerdings ist hiervon nur eine Teil bzw. eine Strategie ethisch vertretbar.
Vgl. Steinmann/Löhr (1988), S. 308; Steinmann/Löhr (1992b), S. 239-240. Vgl. Steinmann/Löhr (1988), S. 307; Steinmann/Löhr (1992b), S. 241. Vgl. Lorenzen (1991), S. 54 und 57; Steinmann/Löhr (1995), S. 154. Vgl. Steinmann/Löhr (1992b), S. 241; Steinmann/Löhr (1995), S144. Vgl. Berkel/Herzog (1997), S. 58. Vgl. Steinmann/Löhr (1992a), S. 106. Vgl. Berkel/Herzog (1997), S. 60. Vgl. Steinmann/Löhr (1991), S. 13; Steinmann/Löhr (1992b), S. 244-245. Vgl. Steinmann/Löhr (1992b), S. 245. Vgl. Berkel/Herzog (1997), S. 58-59; Steinmann/Löhr (1991), S. 7-8.
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Eine Verfolgung des Gewinnprinzips führt als Konsequenz zu unerwünschten Auswirkungen bzw. Externalitäten. Diese unerwünschten Auswirkungen identifiziert u. a. Peter Ulrich in der Wirtschaft.
Die Unternehmensethik beansprucht eine situationsgerechte Anwendung des Gewinnprinzips im Wettbewerb der Marktwirtschaft. Dabei sollen unternehmerische Entscheidungen auf ihre Konsensfähigkeit hin überprüft werden. Im Zweifelsfalle erfolgt eine Überordnung ethischer Normen der Friedenssicherung gegenüber den Gewinnprinzipien.1366 Die marktwirtschaftlichen Mechanismen werden nicht in Frage gestellt. Denn ein einzelnes Unternehmen kann nicht das Gewinnprinzip an sich außer Kraft setzen. Vielmehr muss die Unternehmensethik von der marktwirtschaftlichen Ordnung, in ihrer jeweils spezifischen historischen Ausprägung, als einer schon gerechtfertigten Handlungsvoraussetzung ausgehen. Dies bedeutet, dass die Unternehmensethik auf der Wirtschaftsethik basiert und Wirtschaftsethik die Begründung der Wirtschaftordnung zu vollziehen hat.1367 Die Wirtschaftsethik soll auf der gesamtwirtschaftlichen Ebene die Legitimation des Gewinnprinzips überprüfen und hinterfragen. Die Unternehmensethik hingegen soll auf der Ebene des Unternehmens eine Prüfung aller Entscheidungen und Handlungen vornehmen, ob diese ethisch unerwünschte und ethisch nicht rechtfertigbare Auswirkungen produzieren. Dieser Vorgang muss nach Steinmann kontinuierlich erfolgen. Aus diesem Grund wird das Unternehmen als ein kontinuierlicher Ort der ethischen Reflexion gesehen. Daher ist Ethik kontinuierlich zu betreiben und keine vorübergehende Erscheinung. Nicht alleine der Staat und seine Institutionen sind verantwortlich für die Erhaltung des gesellschaftlichen Friedens. Denn alle Unternehmen sind in der Pflicht ihre Interessen vor dem Hintergrund des Erhaltes des gesellschaftlichen Friedens zu vollziehen.1368 Die Erzielung eines friedensstiftenden, freien Konsenses im Rahmen einer Unternehmensethik kann dem Grundsatz nach lediglich in dialogischer Form und nicht in monologischer Form geschehen. In Konfliktfällen sind die Bedingungen eines praktischen Dialoges zwischen den Betroffenen sicherzustellen. Allein in Ausnahmefällen, wie bspw. in Zeitnot, dürfen die Entscheidungsträger einen fiktiven Dialog mit sich selbst vollziehen, um als Ergebnis zu (vorläufig) gerechtfertigten Lösungsansätzen für Konflikte zu gelangen. Diese Form der Unternehmensethik differenziert sich von Ansätzen, die eine gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmensführung den zufälligen, individuellen Wertentscheidungen einzelner Manager übertragen wollen. Eine Form dieser monologischen Konflikthandhabung ist bspw. das Davoser Manifest.1369 Steinmann/Löhr (1988, 1992) kritisieren eine reine Form der Individualethik im Sinne einer Managerethik, die bspw. in Form von Appellen an das Gewissen oder die persönliche Lebensführung der Entscheider gerichtet ist. Dabei werden Kataloge inhaltlicher Normen für das Handeln von Managern kritisch gesehen, da dies eine monologische Vorgehensweise darstellt. Diese Ethikkodizes können ggf. in bestimmten Situationen einen Beitrag einer notwendigen Verantwortungsübernahme im fiktiven Dialog, oder aber zur Förderung der allgemeinen Dialogbereitschaft des Managements leisten.1370 Unternehmensethik muss eine Verständigung anhand von Argumenten zwischen allen Betrof1366 1367 1368 1369
1370
Vgl. Steinmann/Oppenrieder (1985), S. 173; Steinmann/Löhr (1988), S. 308-309; Berkel/Herzog (1997), S. 59. Vgl. Steinmann/Löhr (1992b), S. 246. Vgl. Berkel/Herzog (1997), S. 60-61. Vgl. Steinmann/Löhr (1992b), S. 243-244. Ergänzend auch Steinmann/Löhr (1988), S. 300. Siehe auch grundlegend auch Steinmann (1973). Vgl. Steinmann/Löhr (1988), S. 300-301; Steinmann/Löhr (1992b), S. 244.
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fenen im Rahmen eines rationalen Dialoges fordern. Dabei ist es wichtig, dass die Argumente durch die wechselseitige, dialogische Verständigung Geltung erlangen und nicht durch eine innere stille Zustimmung. In diesem Zusammenhang wird Unternehmensethik als kommunikative Ethik gesehen.1371 Steinmann/Löhr verbinden die dargestellten Charakteristika von Unternehmensethik mit drei essentiellen Kennzeichen der Diskursethik. Dabei soll Unternehmensethik eine prozessuale Anleitung der Entwicklung von personen- sowie situationsübergreifenden Normen sein. Die Normen können entweder materiale Normen inhaltlicher Art, wie bspw. Verhaltenskodizes, oder aber prozessuale Normen, wie bspw. Ethikkommissionen, sein. Bei materialen Normen werden inhaltliche Handlungsvorschriften aufgestellt. Hierbei besteht das immanente Problem, dass diese implizit behaupten, die Befolgung dieser Normen würde ohne Rücksicht auf die jeweilige Situation konsensfähig sein und somit friedensstiftend wirken. Eine universelle Richtigkeitsbehauptung materialer Normen über die Kulturen hinweg kann nicht aufrecht gehalten werden, wie u. a. das Beispiel von Bestechungen und deren Rechtfertigung zeigt. Im Orient wird dies als Bakschisch und im Okzident als Schmiergeld aufgefasst und anders bewertet. Eine für materielle Normen notwendige Begründung kann lediglich von den Betroffenen in der jeweiligen Situation geleistet werden. Vielversprechender sind daher prozessuale Normen im Sinne eines Entwurfes von Verfahrensvorschriften eines friedlichen Umgangs mit Konflikten. Daher ist Unternehmensethik prozessual anzulegen, unabhängig von der Tatsache, dass als Ergebnis inhaltliche Normen als situationsgerechte Handlungsaufforderungen aufgestellt werden müssen. Als praktische Konsequenz ergibt sich hieraus die Forderung der Einrichtung von Ethikkommissionen, Verbraucher- und Umweltschutzbeauftragten in Unternehmen. Diese sollen bei Interessenkonflikten als Ansprech- und Vermittlungspartner wirken.1372 Der Ansatz von Steinmann/Löhr ist eher praxisorientiert, da hier auch konkrete einzelne Fälle analysiert werden.1373 Hieraus entstehende Fallstudien zeigen die Anwendbarkeit und Grenzen der Umsetzung von Ethik in der Praxis auf. Bei Steinmann/Löhr ist das Verhältnis von Individual- und Institutionenethik zwar nicht explizit. Aber es zeigt sich implizit eine starke Komplementarität dieser beiden Dimensionen. Zurückzuführen ist dies u. a. auf den praxisorientierten Charakter des dialogethischen Ansatzes von Steinmann/Löhr. Bei Steinmann/Löhr ist im Verhältnis von Individual- und Institutionenethik, die institutionelle Dimension nur dahingehend implizit erkennbar, als dass ihr Ansatz auf unternehmerische Handlungen bezogen ist, die im Kontext eines spezifischen ordnungspolitischen Rahmens anhand marktwirtschaftlicher Prinzipien vollzogen werden. Diese Rahmenbedingungen führen zu einer grundsätzlichen Moralverträglichkeit. Daher tritt die Ethik lediglich im Ausnahmebzw. Konfliktfall als Korrektiv auf. Die Voraussetzung eines realen Dialoges bilden die Institutionen als bereits gerechtfertigte Normen sowie begründete Prinzipien. Institutionen sollen auch helfen, ein mögliches Versagen der Dialogethik zu verhindern bzw. zu kompensieren.1374
1371 1372 1373
1374
Vgl. Berkel/Herzog (1997), S. 60; Steinmann/Oppenrieder (1985), S. 172. Vgl. Steinmann/Löhr (1991), S. 11; Steinmann/Löhr (1992b), S. 241-243. Als Beispiel einer erfolgreichen dialogethischen Verständigung wird bspw. der Fall Nestlé, im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Substitutionsprodukten für Muttermilch Ende der 1970er Jahre, genannt. Das Fallbeispiel wird in unterschiedlichen Publikationen von Steinmann et al. aufgegriffen, so u. a. bei Steimann/Oppenrieder (1985) und Steinmann/Löhr (1988). Vgl. Kleinfeld (1998), S. 82-83. Siehe aber auch die Darstellungen von Steinmann/Löhr (1995).
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Allerdings zeigen auch Praxisbeispiele auf, dass eine Konsensfindung auf Basis der Dialogethik zwischen Institutionen und Individuen, insbesondere in einer globalen und transkulturellen Weltwirtschaft, auch an ihre Grenzen stößt. Die britische Shell untersuchte drei Jahre lang das Problem der Entsorgung der „Brent Spar“ unter Beachtung nationaler und internationaler Gesetze. Als präferierte Lösung wurde die Tiefseeentsorgung gewählt, die auch durch britische Umweltschützer und Wissenschaftler geprüft und durch die britische Regierung genehmigt wurde. Jedoch bestanden in der moralischen Bewertung bzw. der Meinung bzgl. dieser Vorgehensweise Unterschiede zwischen den Menschen in Großbritannien und Kontinentaleuropa, die diese Lösung nicht akzeptieren und somit die Diskussion über die Vorgehensweise einer Entsorgung bei Shell initiierten.1375 Das Beispiel verdeutlicht auch potenzielle Gefahren für ein Unternehmen bei fehlerhaft angewendeten Moralvorstellungen auf Basis unzureichender bzw. fehlerhafter Informationen. Eine Bestrafung des Verhaltens auf Basis moralischer Prinzipien kann gerade bei kleinen bzw. jungen Unternehmen zu einer Bedrohung der Unternehmensexistenz führen. Das Beispiel der Brent Spar, als auch die Aufforderung der Shell an die nigerianische Schwestergesellschaft ihre vermeidliche Macht zur Lösung politischer und sozialer Probleme in Nigeria einzusetzen, verdeutlichen die Herausforderungen mit denen sich international und somit auch interkulturell tätige Unternehmen konfrontiert sehen. Oft bestehen vielschichtige und auch widersprüchliche Erwartungen, als auch Ansprüche an diese Unternehmen. Dabei müssen tragfähige Lösungen im Kontext eines umfassenden Dialoges mit den relevanten Bezugsgruppen und Individuen entwickelt werden. Die dem Handeln zugrunde liegenden Werte sind dabei offen zu legen und zu erläutern.1376 Dabei besitzen international tätige Unternehmen auch einen hohen Einfluss auf die jeweilige Landespolitik. Andererseits haben Unternehmen Einfluss auf die ethische Grundeinstellung der Mitarbeiter und können diese im Laufe der Zeit auch prägen. Durch international agierende Unternehmen könnte somit, vergleichbar mit einem Technologietransfer, zumindest ein Transfer von bspw. Menschenrechten, Fragen der Arbeitssicherheit oder des Umweltschutzes in Länder erfolgen, in diesen die zuvor genannten Grundwerte für Menschen noch nicht bzw. nicht stark verankert sind.1377 Unternehmensethik bezieht sich auf die konkrete Unternehmensstrategie als dem Sachziel des Unternehmens. Die Freiheitsgrade unternehmerischen Handelns bilden die Basis ethischer Überlegungen. Dabei ist es wichtig, dass eine Bindung der Unternehmensethik an die Unternehmensstrategie keine praxis- und weltfremden Moralansprüche hervorbringt und diese nicht in das Unternehmen hineingetragen werden. Vielmehr sollen Denkanstöße geschaffen und das Bewusstsein bzw. die Wahrnehmung soweit gestaltet werden, dass eine ethische Frage nicht in eine Diskussion hinsichtlich des Gewinnziels führt. Es sollen vielmehr die Mittel zur Gewinnerzielung problematisiert und diskutiert werden. Unternehmensethik befasst sich insofern mit den konkreten Mitteln und Instrumenten, die für die Realisierung einer Strategie verwendet werden. In diesem Kontext sind die Grenzen der Unternehmens- und der Führungsethik fließend. Dies ist der Fall, wenn die auf Effizienz ausgerichteten Managementfunktionen im Rahmen der Realisierung einer Strategie zu Konflikten führen.1378 Stein1375 1376 1377 1378
Vgl. Vahrenholt (2000), S. 34. Vgl. Vahrenholt (2000), S. 34. Vgl. Weißmann (2000), S. 136. Vgl. Berkel/Herzog (1997), S. 59.
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mann/Löhr (1992) sehen allerdings die Unternehmensethik, die als wirtschaftliche Erfolgshilfe in Form eines Mittels zum Zweck, bspw. in Form der Einführung von Führungsgrundsätzen oder Verhaltenskodizes, mit dem Ziel der Leistungssteigerung durch Ethik im Unternehmen verwendet wird, als äußerst kritisch an. Denn ihrer Auffassung nach kann eine solche Unternehmensethik ex definitione keine eigenständige Konfliktlösungskraft entfalten.1379 Unternehmensethik ist vielmehr eine Erweiterung des Rechtes um eine kritisch-loyale Selbstverpflichtung. Die Annahme hierbei ist, dass die Wirkung von Gesetzen begrenzt ist. Gleichermaßen gilt dies auch für die (Preis-)Mechanismen des Marktes. Aus diesem Grunde kommt der Unternehmensethik die Aufgabe als einer dritten Steuerungsfunktion zu.1380 Unternehmensethik muss auf eine Selbstverpflichtung abzielen, da die Orientierungskraft einer ethischen Norm lediglich aus der Einsicht in die Triftigkeit ihrer Begründung erwächst. Eine Unternehmensethik kann daher nicht auf externe Stimuli, wie bspw. Belohungen oder Bestrafungen aufgebaut werden. Die Unternehmensethik unterscheidet sich daher von Sanktionsmaßnahmen, die vielfach in Institutionen zur Durchsetzung benötigt werden. Oftmals wird eine Ergänzung zu rechtlichen Regelungen von Strukturkonflikten und ethischen Selbstverpflichtungen, bspw. in Form von Verhaltenskodizes, Führungsgrundsätzen oder Verbandsrichtlinien, angedacht.1381 Die Unternehmensethik soll lediglich in den Situationen eine friedensstiftende Lösung ermöglichen, wo auf der Unternehmensebene durch die konkrete Wahl der Mittel zur Gewinnerzielung noch ungeregelte Interessenkonflikte auftreten können. Dabei wird das spezifische unternehmerische Handlungsprogramm in Form der Strategiewahl des Unternehmens, und den hierzu gehörenden Mitteln der Durchführung dieser Strategie, angesprochen, wenn unternehmensethische Reflexionen notwendig werden.1382 Eine Unternehmensethik manifestiert sich nicht alleine in einer Verpflichtung bestimmter Personen, sondern darüber hinaus auch in einer ethischen Sensibilisierung organisatorischer Strukturen. Für Steinmann/Löhr (1992) sind die Individualethik und die Förderung ethischer Kompetenzen in diesem Bereich nicht strittig. Vielmehr ist es ihrer Auffassung nach nicht ganz geklärt in wieweit organisatorische Regelungen Gegenstand einer ethischen Sensibilisierung sein können.1383 Steinmann/Löhr selbst sind der Auffassung, dass neben der Förderung der moralischen Urteilskraft einzelner Personen auch die organisatorische Ausgestaltung des Unternehmens dergestalt überprüft werden sollte, ob die Organisation eine Unternehmensethik unterstützt oder behindert.1384 Im Rahmen einer kritischen Reflexion des Ansatzes von Steinmann/Löhr erscheinen u. a. die folgenden Aspekte bedeutsam. Steinmann/Löhr propagieren eine dialogische Verständigung zwischen den Betroffenen über das, was im konkreten Fall als rechtes Handeln gelten soll. Dabei wird die Herstellung eines freien Konsenses der zu befolgenden Normen angestrebt.1385 Die Unternehmensethik von Steinmann/Löhr liefert dabei keine Handlungsanweisungen für spezifische Situationen. Vielmehr werden (allgemeine) Handlungs- bzw. Verfahrensanweisungen gegeben. Auch die kommunikative 1379 1380 1381 1382 1383 1384 1385
Vgl. Steinmann/Löhr (1992b), S. 245. Vgl. Steinmann/Löhr (1988), S. 309-310; Berkel/Herzog (1997), S. 59. Vgl. Steinmann/Löhr (1991), S. 13-14; Steinmann/Löhr (1992b), S. 247; Steinmann/Löhr (1995), S. 144. Vgl. Steinmann/Löhr (1992b), S. 248. In diesem Kontext verweisen sie auf die vielschichtigen Diskussionsbeiträge in Hubig (1982). Vgl. Steinmann/Löhr (1992b), S. 249-250. Vgl. Steinmann/Löhr (1988), S. 307-310; Steinmann/Löhr (1995), S. 143-145.
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Ethik benötigt Handlungsanweisungen. Die Anweisungen der kommunikativen Ethik beziehen sich dabei nicht direkt auf unternehmenspolitische Entscheidungen. Vielmehr ist der Kern der Handlungsanweisungen auf die Art des Dialoges bezogen. Hierbei handelt es sich um die Unvoreingenommenheit, Zwanglosigkeit sowie eine Nicht-Persuasivität (nicht überreden Wollen).1386 Eine Schwäche der kommunikativen Ethik liegt darin, dass in einer konkreten Dialogsituation kein Schleier der Unwissenheit (siehe Rawls) hergestellt werden kann. Aus diesem Grunde wird der angestrebte Dialog durch die Beteiligten nicht geführt, wie es in der Theorie konzipiert wurde. Vielmehr werden die Beteiligten taktisch argumentieren sowie Informationsasymmetrien ausnutzen und Koalitionen schließen; all dies mit dem Ziel einen persönlichen Vorteil zu erzielen. Erfahrungen zeigen, dass die Bereitschaft oftmals gering ist, persönliche Interessen zurückzustellen.1387 Hax (1993) geht davon aus, dass eine dialogische Verständigung im Kontext der Werte lediglich möglich ist, wenn die beteiligten Individuen ein geringes Eigeninteresse am Ergebnis haben, wie bspw. bei einem wissenschaftlichen Diskurs. Denn je stärker die Betroffenheit der jeweiligen Beteiligten ist, umso schwieriger wird es, die Diskussion um Normen abgekoppelt vom persönlichen Interesse zu sehen.1388 Hax (1995) sieht zwei Kritikpunkte in der Konzeption von Steinmann/Löhr. Einerseits ist es für ihn nicht viel versprechend, im Rahmen konkreter Handlungssituationen in einem Dialog der betroffenen Personen zu ermitteln, welches Handeln nun ethisch geboten ist. Andererseits glaubt er nicht daran, dass eine Unternehmensethik helfen kann, die persönlichen Interessen der Menschen ethischen Geboten unterzuordnen. Die Unternehmensethik ist nicht geeignet Mängel in ordnungspolitischen Rahmenbedingungen auszugleichen, da die Menschen zumeist nicht bereit sind, sich in ihrem Verhalten an ethischen Normen zu orientieren bzw. persönliche Interessen ethischen Normen unterzuordnen. Hieraus folgt aber auch keine Resignation. Vielmehr ist nach neuen bzw. verbesserten Rahmenbedingungen zu suchen und diese zu etablieren. Darüber hinaus können nicht alle Betroffenen bei einem unternehmensethischen Problem für einen Dialog ermittelt werden.1389 Beispielsweise ist ein dialogethischer Ansatz im interkulturellen Kontext schwierig zu realisieren, da es sich um viele Dialogteilnehmer handelt, die bei inhomogenen Wertvorstellungen meist zu wenig Zeit zur Verfügung haben, um eine durch Vernunft geleitete, herrschaftsfreie Diskussion führen zu können.1390 Ein weiterer möglicher Kritikpunkt ist darin zu sehen, dass Steinmann/Löhr die Gegebenheiten des Gefangenendilemmas nicht akzeptieren.1391 Steinmann/Löhr bestreiten, dass es möglich ist, allgemeine Regeln auf Basis rationaler Einzelentscheidungen zu etablieren, deren Durchsetzung erzwungen werden kann und die die Handlungsfreiheit jedes Einzelnen begrenzen. Denn die Einführung und Weiterentwicklung eines Ordnungsrahmens muss nicht zwingend umfassende individuelle Nutzenvorstellungen beinhalten. Die Basis des Programms von Steinmann/Löhr bildet die Hoffnung, dass sich die Menschen um einen Konsens bemühen und sich einer freiwilligen Selbstbeschränkung unterwerfen. Hier-
1386 1387 1388 1389 1390 1391
Vgl. Hax (1993), S. 771. Vgl. Hax (1995), S. 180. Vgl. Hax (1993), S. 771-772. Vgl. Hax (1995), S. 180-181 und 191. Vgl. Hinterhuber/Nill (1993), S. 274. Vgl. Hax (1995), S. 191.
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durch soll den Problemen des Gefangenendilemmas entkommen werden. Die Begründung dieser Hoffnung wird allerdings nicht weiter ausgeführt.1392 2.3.4.4
Zum governanceethischen Ansatz von Josef Wieland
Erste Ansätze der Ausarbeitung einer Governanceethik, welche eine besondere Argumentationsform der Unternehmensethik darstellt, werden u. a. grundlegend bei Wieland (1999) vollzogen. Bei Wieland (2001) werden diese ersten Ansätze theoretisch präzisiert und Implikationen der Theoriearchitektur dargestellt.1393 Im Folgenden soll die Theorie der Governanceethik in ihren Kernaussagen und Ideen erklärt werden. Allerdings erfolgt im Kontext dieser Arbeit eine Beschränkung auf die wesentlichen Inhalte. Der Begriff der Governance bezeichnet die Steuerung bzw. die Steuerungsstruktur zur Abwicklung wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Transaktionen. Der Begriff verweist gleichermaßen aber auch auf die Herrschaft, die Regierung bzw. das Regime. Wobei dies auch für Unternehmen, als nichtstaatliche Organisationsformen, gilt. Denn es bleibt anzumerken, dass der hiermit verbundene Begriff „Government“ nicht gleich dem Begriff „State“ ist. Die Überlegungen von Wieland zielen demnach auf eine Governancegesellschaft ab, deren ordnungspolitischer Referenzpunkt die Gesellschaft freier Bürger und ihrer Organisationen ist, und nicht alleine der Staat.1394 Gefragt werden kann, wie diese Auffassung in die Ethik integriert wird. Dabei ist es bedeutsam zu wissen, dass Steuerung Orientierung im Sinne einer Kontingenzbewältigung voraussetzt. Dies stellt den Verbindungspunkt zur Ethik dar, denn Ethik kann u. a. einen Orientierungsrahmen genieren, in dem moralische Aspekte reflektiert werden und von Bedeutung sind.1395 Die Governanceethik fokussiert stark auf das Phänomen der Organisation als Koordinations- und Kooperationsleistung von Akteuren zur Verteilung von Gütern. Denn Kooperationschancen sind auch Lebenschancen. Dies ist für Wieland (1999) ein Unterschied zu traditionellen Betrachtungen des Verhältnisses von Ethik und Ökonomie, bei dem die Bedeutung der Tauschmotivation und die moralische Komponente der formellen und informellen Institutionen im Mittelpunkt des Interesses stehen. Unternehmen sind dabei eine Organisationsform mit der Aufgabe, amoralisch Koordinationsmechanismen und moralische Kooperationsmechanismen dergestalt zu kombinieren und zu festigen, dass organisatorische Stabilität und wirtschaftlicher Erfolg als gemeinsame Erfolgsvoraussetzungen hervorgehen. Denn Kooperation und Koordination sind im positiven (Grenz-)Falle sich wechselseitig steigernde Mechanismen, und im negativen (Grenz-)Falle wechselseitig erodierende Mechanismen.1396 Wieland (2004c) stellt fest, dass die Entwicklung einer Theorie der Governanceethik von der Feststellung geprägt ist, eine zeitgemäße wirtschafts- und unternehmensethische Diskussion gelinge lediglich als interdisziplinäre work in progress. Denn nach Wieland sind weder die ökonomische Neoklassik und ihre Standardtheorien, noch die philosophische Disziplin an sich in der Lage, jeweils alleine eine theoretisch konsistente und empirisch gehaltvolle sowie anwendungsorientierte Wirtschafts- und Unter1392 1393 1394 1395 1396
Vgl. Hax (1995), S. 181. Anmerkungen zur Kritik von Hax liefern Steinmann/Löhr (1995). Vgl. Wieland (2001), S. 8. Siehe darüber hinaus zur Vervollständigung auch Wieland (1999b). Vgl. Wieland (1999b), S. 7 und 42.; Badura (2004), S. 20. Vgl. Badura (2004), S. 20 und 33. Vgl. Wieland (1999b), S. 31-32 und 43.
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nehmensethik zu entwickeln. Wieland ist der Auffassung, dass sich die moderne philosophische Ethik, mit Ausnahme des Utilitarismus und der Vertragstheorie, nicht mit ökonomischen und betriebswirtschaftlichen Fragestellungen beschäftigt und kein Interesse an moralischer Empirie zeigt. Darüber hinaus sieht sich die moderne ökonomische Theorie nicht in der Lage, moralische Fragestellungen als moralökonomische Fragestellungen zu rekonstruieren, sondern lediglich in Form rein ökonomischer Fragestellungen. Aus diesem Grunde ist nach Wieland eine moderne Wirtschafts- und Unternehmensethik theoretisch neu zu formulieren. Dabei ist auf die jeweiligen Erkenntnisse und Theorien der Disziplinen zurückzugreifen. Allerdings können diese nicht ohne einen Bruch bzw. eine theoretische Rekombination hergeleitet werden. Dies ist der Ausgangspunkt der Governanceethik.1397 Dabei ist Wieland (1999b) der Auffassung, dass eine Governanceethik nicht aus einem Begründungsdiskurs, sondern vielmehr aus einem Anwendungsdiskurs erfolgen sollte. In diesem Kontext kann nach Wieland lediglich die Institutionalisierung lokal wirksamer Governancestrukturen im Sinne einer Verbindung von Moral und organisationsökonomischer Strukturen, einen solchen Prozess initiieren.1398 Fürst (2005) merkt an, dass es nicht das Ziel der Governanceethik ist, allgemeine moralische Sätze zu begründen. Vielmehr wird das Ziel verfolgt, die Implementierung und Institutionalisierung moralischer Regeln und Werte, die in der Gesellschaft entwickelt wurden, in distinkten Governancestrukturen zu begründen.1399 Zur Aktivierung und Kontinuierung wirtschaftlicher Transaktionen bedarf es eines spezifischen Governanceregimes bzw. -systems. Ein bedeutendes Merkmal des Ansatzes der Governanceethik sind die Governancestrukturen. Hierbei handelt es sich um Organisations- und Steuerungsstrukturen eines Unternehmens, die als Ermöglichungs- und Beschränkungssystem aufgefasst werden können. Zur Generierung und Realisierung von Governancestrukturen bedarf es individueller und kollektiver Tugenden. Dabei ist anzumerken, dass jede Moral eine Form einer Handlungsbeschränkung ist, da diese bestimmte (Klassen von) Handlungen ausschließt. Gleichermaßen muss jede Moral aber auch Handlungen vor dem Hintergrund einer sozialen Kooperation von Akteuren ermöglichen.1400 Unter (maßgeschneiderten) Governancestrukturen versteht Wieland (1998a) u. a. Vertragsgestaltung, Struktur, informale Vernetzung sowie Regeln der Kosten- und Erfolgszuweisung.1401 Wieland (1999) sieht Unternehmen, im Vergleich bspw. zu einem Staat, als globale, hochadaptive Governancestrukturen.1402 Der Theorie der Governanceethik liegt die Annahme zu Grunde, dass die Probleme einer Wirtschafts- und Unternehmensethik mikroanalytisch als die moralische Dimension distinkter wirtschaftlicher Transaktionen dargestellt werden können. Dabei kann die moralische Dimension distinkter wirtschaftlicher Transaktionen als Funktion (Tm) mit den Variablen IS, FI, IF und OKK dargestellt werden. Formalisiert zeigt sich die Funktion wie folgt:1403 Tmi = f(aISi, bFIij, cIFij, dOKKi) 1397 1398 1399 1400 1401 1402 1403
Vgl. Wieland (2004c), S. 7. Vgl. Wieland (1999b), S. 27-28. Vgl. Fürst (2005), S. 35. Vgl. Wieland (2004c), S. 8-9. Vgl. Wieland (1998a), S. 15. Vgl. Wieland (1999b), S. 16. Vgl. Wieland (2001), S. 8-10.
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mit (a…d = -1,0,1; i = spezifische Transaktion; j = spezifischer Ort)
IS sind individuellen Selbststeuerungsmechanismen bzw. das Regime individueller Selbstbindung/Selbstgovernance der involvierten Personen. Selbstbindungen können nach Wieland auf Tugenden, rationalen Vorteilskalkülen oder anderen Mechanismen basieren. Die Unterschiedlichkeit von Transaktion zu Transaktion oder von Person zu Person wird durch den Indikator (i) angezeigt. FI beschreiben die formellen Institutionen einer Gesellschaft. In diesen sind die moralischen Ansprüche an wirtschaftliche Transaktionen kodifiziert. Die Bestandteile sind spezifisch für die Transaktion, angezeigt durch den Indikator (i) und für den jeweiligen Ort (Staat, Ort, Region etc.) der formalen Institution, angezeigt durch den Indikator (j). Ein Beispiel für FI sind die Umweltgesetzgebungen in Deutschland. IF sind die informellen Institutionen einer Gesellschaft (j) vor dem Hintergrund einer spezifischen Transaktion (i). Informelle Institutionen sind bspw. die Relegion, die moralische Überzeugung oder die Kultur (gesellschaftliche, aber auch organisationale Kultur). OKK beschreiben die Beschaffenheit der Koordinations- und Kooperationsmechanismen einer wirtschaftlichen Organisation, die zur Durchführung, Steuerung und Kontrolle einer Transaktion verwendet werden. Beispiele hierfür sind Leitlinien und Geschäftsprozesse. Durch OKK werden moralische Anforderungen an Transaktionen (bspw. Einhaltung von Umweltschutz) operationalisiert und implementiert.
Die Koeffizienten a, b, c, d der Funktion können jeweils den Wert -1, 0 oder 1 annehmen und zeigen damit an, ob sie einen negativen Einfluss auf die angestrebte moralische Dimension der Transaktion (-1), einen neutralen bzw. keinen Einfluss (0) oder einen positiven Einfluss hinsichtlich der moralischen Dimension der Transaktion (1) für die Funktion besitzen.1404 Die Grundannahme und die Ausrichtung der Governanceethik ist, dass die Realisierung der moralischen Dimension einer Transaktion immer Wahl- und Strukturierungsprobleme impliziert, die es zu lösen gilt. Theoretisch basiert die Governanceethik auf der soziologischen Systemtheorie nach Niklas Luhmann1405 sowie der Neuen Institutionenökonomik und der Organisationsökonomik. Auf dieser Basis wird Moral angenommen als eine individuelle und kollektive Ressource, Kompetenzen und Fähigkeiten eines individuellen und/oder kollektiven Akteurs.1406 Somit sind in dieser Theorie Tugend, Moral, Werte und ethische Überzeugungen moralische Ressourcen einer Organisation. Dabei sind sowohl das Individuum, als auch die Organisation selbst Träger dieser moralischen Ressource. Die individuelle bzw. organisationale Moral besitzt mögliche positive, aber auch negative ökonomische Effekte, welche die Kooperationsrenten aller Akteure betreffen können.1407 Homann (2001c) sieht durch den Kern des Ansatzes von Wieland, also durch die Frage nach den Wirkungen von Moral im Prozess von Führung, Steuerung und Kontrolle von Unternehmen vor dem
1404 1405
1406 1407
Vgl. Wieland (2001), S. 10. Siehe zur Systemtheorie u. a. Luhmann (1987) und Luhmann (2006). Siehe erklärend auch bspw. Fuchs (1992); Berghaus (2004) oder Simon (2007). Vgl. Wieland (2004c), S. 8. Vgl. Wieland (2004b), S. 261.
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Hintergrund funktionaler Differenzierung und Globalisierung, folgende theoretische Konsequenzen begründet:1408
Wieland nimmt formelle und informelle Regeln an, die in einer Gesellschaft verbreitet und anerkannt sind (System moralischer Überzeugungen), wobei sich dieses System auch weiterentwickeln kann. Akteure der Gesellschaft bzw. des Wirtschaftsystems können zwischen Moral und dem Funktionssystem der Gesellschaft (Recht, Politik, Wirtschaft, Wissenschaft etc.) differenzieren. Moral wird im Unternehmen als Ressource angesehen. Durch das Management (bzw. den Unternehmer) ist diese Ressource, wie anderen Ressourcen auch, zu kombinieren und hinsichtlich des Unternehmenserfolges einzusetzen. Dabei ist anzumerken, dass ein Manager (bzw. Unternehmer), der es nicht versteht die Ressource Moral zielgerichtet anzuwenden, nicht als schlechter Mensch gesehen wird, sondern vielmehr als schlechter Manager (bzw. Unternehmer). Moral wird dem Unternehmen bzw. der Organisation zugeschrieben. Die Aufgabe der Konzeption von Wieland ist es, die Kategorien, für die Ethik von Handlungen bei Personen entwickelt wurden, auf die Anwendung bei Organisationen umzuformulieren. Bedeutsam ist dabei die Untersuchung des Zusammenwirkens formeller und informeller Institutionen, individueller Tugenden sowie die Koordinations- und Kooperationsmechanismen einer bestimmten Organisation. Bei diesem Punkt handelt es sich um das Kernstück des Ansatzes von Wieland. Ökonomik wird von Wieland als Wirtschaftswissenschaft gesehen, die durch das Funktionssystem Wirtschaft bzw. dem Gegenstandbereich der Wirtschaft definiert ist. Offen bleibt bei Wieland zunächst, da noch nicht abschließend theoretisiert, die Frage nach der Moralbegründung und der Bewertung alternativer Moralsysteme.
Allgemein wird im Rahmen der Governanceethik eine Modellierung moralsensitiver Steuerungsstrukturen für soziale Prozesse betrieben. Das Konzept der Governanceethik zielt dabei darauf ab, Moral nicht selbstverständlich gegenüber anderen Sphären der menschlichen Welt herauszuheben. Vielmehr ist Moral eine Größe neben weiteren anderen. Somit ist Moral nicht als eine Metakriterium zu sehen, nach dem eine Gesellschaft funktioniert bzw. funktionieren sollte. Allerdings ist sie ein Kriterium, welches für die Organisation sozialer Kontexte von Bedeutung ist.1409 Aus steuerungstheoretischer Sicht können Unternehmen Ansprüche an geforderte Leistungen (der Stakeholder) nur erbringen, wenn Moral als explizite Managementaufgabe in die Organisation integriert wird.1410 Nach Wieland/Grüninger (2000) ist der Kern der Unternehmensethik eine Implementierung von Wertansprüchen und Werthaltungen eines Unternehmens in seine Führungs-, Steuerungs- und Kontrollstrukturen durch das Management, und nicht das Management von Tugenden der Organisationsmitglieder. Verdeutlicht wird diese Vorgehensweise in dem Begriff der Governanceethik. Anzumerken ist hierbei, dass Tugenden nicht als unwichtig gesehen werden. Vielmehr sollen sich Tugenden innerhalb des durch die Governaceethik gebildeten Rahmens realisieren lassen. Durch die Governanceethik sollen Rahmenbedingungen zur Schaffung von Anreizen moralischen Handelns im Unter1408 1409 1410
Vgl. Homann (2001c), S. 198-200. Vgl. Badura (2004), S. 35. Vgl. Wieland (1999b), S. 41.
228
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
nehmen sowie der Wirtschaft gegeben werden. Dabei ist die Governanceethik als eine Gestaltungsaufgabe innerhalb des strategischen Managements zu sehen.1411 Die ansteigende Komplexität und Unsicherheit bei ökonomischen Transaktionen führen zu einer stärkeren Bedeutung der wertegebundenen Identität der individuellen und kollektiven Akteure.1412 Im Rahmen der Governanceethik werden Wirtschafts- und Unternehmensethik in Anlehnung an die Überlegungen von Penrose (1959), als des ökonomischen Problems der Knappheit von Ressourcen und Kompetenzen, welche durch Kooperation unter Wettbewerbsbedingungen überwunden werden kann, entwickelt. Wichtig ist hierbei nochmals der Hinweis, dass ethische Überzeugungen, Tugenden, sowie individuelle und kollektive Werte als moralische Ressourcen hinsichtlich der Anbahnung, Realisierung und Kontrolle von wirtschaftlichen Transaktionen mit ökonomischen Effekten gesehen werden. In diesem Kontext bilden die Annahmen der Unvollständigkeit von Verträgen, sowie die Unsicherheit in personaler, situationaler und informeller Hinsicht die Grundlagen des Ansatzes, da diese erst das Aufwerfen moralischer Fragen ermöglichen. Denn Transaktionen, die durch vollständige Verträge und umfassende Informationen realisiert werden, weisen keine moralischen Fragen auf.1413 Märkte und Organisationen sind Governancestrukturen, die unterschiedliche Eigenschaften aufweisen. Diese Aussage ist vor dem Hintergrund der New Economics of Organization zu sehen, die unterscheidet zwischen der Tatsache, dass Märkte etwas organisieren und der Organisation als einem Gebilde mit spezifischen Eigenschaften. Denn Markt und Unternehmen sind beide Organisationen.1414 Dabei ist anzumerken, dass in einer globalisierten Welt eine stetige Zunahme personaler, situationaler und informationaler Unsicherheit (kooperative Unsicherheit) zu verzeichnen ist. Diese bildet aber auch die Quelle einer angestrebten Optionenvielfalt und die Quelle von Transaktionsgewinnen. Daher kann eine Abschaffung von Unsicherheit nicht das Ziel sein, sondern vielmehr deren produktionsfördernde Gestaltung. Im Ansatz von Wieland ist hiermit auf der Ebene der Koordination eine Implementierung neuartiger und moralsensitiver Steuerungsstrukturen in Unternehmen verbunden. Als konkrete Instrumente schlägt Wieland so genannte Ethik-Management-Systeme bzw. Ethik-AuditSysteme vor. Auf der Ebene der Kooperation sind Inhalt, Form und Medium der Moral der Governancestruktur von Bedeutung.1415 Ethik- bzw. Werte-Management-Systeme können als OKK aufgefasst werden, welche eine Kodifizierung und Implementierung moralischer Werte in einem Unternehmen, aber auch in einem Kooperationsprojekt, zum Ziel haben. Die Kodifizierung der Werte kann dabei als ein Akt der Explikation des moralischen Wissens einer Organisation aufgefasst werden. Die Implementierung der Werte hat das Ziel der Initiierung eines Prozesses zur Verinnerlichung des expliziten moralischen Wissens, hin zu implizit moralischem Wissen der Organisation und ihrer Mitglieder.1416 Interpretationen und Interpre1411 1412 1413 1414 1415 1416
Vgl. Wieland/Grüninger (2000), S. 160. Vgl. Wieland (1999b), S. 18. Vgl. Wieland (2001), S. 12. Vgl. Wieland (1998a), S. 16. Vgl. Wieland (1999b), S. 35-36. Vgl. Wieland (2004b), S. 272. Wichtig ist hierbei die Unterscheidung von explizitem Wissen und implizitem Wissen (tacit knowledge). Explizites Wissen ist formalisierbar und allgemein Zugängig. Implizites Wissen ist demgegenüber ein un(ab)trennbarer Bestandteil des Wissens eines Akteurs, welches nicht ohne Aufwand bzw. Probleme gegenüber anderen bzw. sich selbst expliziert werden kann. Siehe hierzu ausführlich und grundlegend die Differenzierung bei Polanyi (1985). Siehe auch Schanz (2006) sowie zur Neuorientierung in der Theorie Schreyögg/Geiger (2002).
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
229
tationsdiskussionen zur Auslegung der oftmals unpräzise kodifizierten Werte eines Ethik- und Wertemanagementsystems sind gewünscht und notwendig, denn es bleibt anzumerken, dass sich die Bestandteile der verinnerlichten Moralkultur eines Unternehmens nicht für jeden Einzelfall aus den formalen Regeln ableiten lassen. Ethik- und Wertemanagementsysteme geben den Organisationsmitgliedern eine Vision, die die Organisation von anderen unterscheidet. Gegenüber den Stakholderen wird eine bevorzugte Art von Transaktionen signalisiert. Darüber hinaus liefern sie ein Orientierungswissen für interne und externe Entscheidungen der Organisation.1417 Aus ökonomischer Sicht senken Ethik-Management-Systeme Anbahnungs-, Durchführungs- und Kontrollkosten bei wirtschaftlichen Transaktionen durch Selbstbindung und „signalling“. Aus ethischer Sicht sind diese Programme nur dann erfolgreich, wenn moralische Erwägungen wirklich von Bedeutung sind. Sonst lassen sich Ökonomisierungseffekte nicht realisieren.1418
2.3.5
Bewertung und Stand der Forschung
Die drei Konzeptionen von Homann, Ulrich und Steinmann sind sehr abstrakt gehalten. Alle Konzepte nehmen ideale Voraussetzungen an. Bei Homann wird eine ideale Rahmenordnung (Spielregeln) angenommen. Ulrich verweist auf das Ideal der sozialökonomischen Vernunft. Steinmann/Löhr verweist auf einen idealen Diskurs. Gemein haben Ulrich und Steinmann/Löhr die Tatsache, dass diese allein den diskursethischen Ansatz der formalen Sollensethik akzeptieren. Bei Homann hingegen wird nicht weiter ausgeführt, wie und woher die Individuen einer Wirtschaft ihre moralischen Maßstäbe erhalten. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass alle drei Konzeptionen sich lediglich auf einen ethischen Begriff, die Normen sowie ihre Begründung, konzentrieren. Es wird kein konkreter Bezug zur Lebenswirklichkeit der Menschen in einem Unternehmen hergestellt. Gleichermaßen geht eine Bandbreite ethischer Begründungsansätze verloren.1419 Zimmerli (2004) ist der Auffassung, dass sich die (akademisch) geführte Diskussion um Wirtschaftsund Unternehmensethik auf die idealtypische Alternative zwischen ordnungstheoretischer Ethik nach Homann und kommunikationstheoretischer Ethik nach Ulrich reduzieren lässt. Somit kommt nach Zimmerli diesen beiden Positionen die höchste Bedeutung (in der Theorie) zu.1420 Seiner Meinung nach ist es für einen Anwender in der wirtschaftlichen Tätigkeit schwierig, die Vorgaben, Forderungen und Konzepte in der Praxis umzusetzen, da sich in Praxis und Theorie eine andere Auffassung und Möglichkeit der Realisierung von Unternehmensethik gebildet hat. Als Einflussgrößen auf ein modernes Verständnis von Unternehmensethik werden die veränderten gesellschaftlichen Parameter der Globalisierung, Pluralisierung und der Professionalisierung angeführt. Die Globalisierung hat dazu beigetragen, dass unternehmensethische Ansätze vor dem Hintergrund der jeweiligen Kultur zu betrachten sind, in der sie entwickelt wurden. Die Pluralisierung führt zu einem Vorkommen und möglichem Konflikt von unterschiedlichen (kulturellen) Wertesystemen in einem sowie im Umfeld eines Unternehmens. Hieraus resultieren bspw. minimale Ethikkodizes, in denen sich alle Wertesysteme widerspiegeln müssen. Dies ist auch ein Grund, warum Ethikkodizes oftmals sehr ähnlich sind. Eine Professionalisierung 1417 1418 1419 1420
Vgl. Wieland (2004b), S. 272-273. Vgl. Wieland (1999b), S. 36. Vgl. Berkel/Herzog (1997), S. 61. Vgl. Zimmerli (2004), S. 240-241.
230
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
führt nach Zimmerli zu einer erhöhten Komplexität ethischer Entscheidungs- und Verhaltensregeln, die an ein Individuum, im Sinne eines Letztadressaten, herangetragen werden. Als Konsequenz sieht Zimmerli eine „pragmatische Wende“, die sich vor dem Hintergrund der Globalisierung, Pluralisierung und Professionalisierung ergeben muss. In der Verfahrensethik nach Zimmerli erhält die Folgenethik einen Vorrang1421 gegenüber der Gesinnungsethik. Konkret müssen (diskursive) Verfahren entwickelt werden, welche es ermöglichen, über die konvergierenden Werte einen endlichen Diskurs aufzunehmen, um die konfliktären Fälle auszuhandeln. Dies erfordert einen Unternehmensethiker auf höherer Managementebene im Sinne eines Chief Ethics Officer. Somit ist es nicht mehr vorrangig von Bedeutung, umfassende ethische Positionen auf einer semantischen Ebene zu formulieren und diese auf einen konkreten Fall zu kaskadieren. Vielmehr ist es wichtig, einen realen, nicht einen fiktiven, (ethischen) Diskurs zu führen, um moralisch-ethische Handlungsoptionen zu bestimmen. Voraussetzung ist dabei vom Grundsatz her eine echte Symmetrie und Reziprozität.1422 Zimmerli schlägt ein vierstufiges Verfahrensmodell vor, welches als Instrument im Rahmen einer Unternehmensethik angewendet werden kann. Hierbei handelt es sich um ein vierstufiges Ausschlussverfahren. Eine nächste Stufe wird nur erreicht, wenn die Handlungsoption auf der aktuellen Stufe nicht entschieden werden kann. Zunächst ist eine Handlungsoption als geboten/verboten auf Basis formalethischer Vernunftprinzipien (Verallgemeinerbarkeit, Gleichheit/Gleichbehandlung, Gerechtigkeit/Fairness) durchzuführen. Ist keine eindeutige Klärung in geboten/verboten möglich, sind die Handlungsoptionen aus Basis von raum-zeitlich begrenzten Prinzipien, die den Geltungsbereich des Unternehmens übersteigen, zu überprüfen. Danach erfolgt eine (mögliche) Überprüfung der Handlungsoptionen anhand berufsständischer und unternehmensinterner Prinzipien (Standeskodizes, Branchenkodizes, interne Ethikkodizes). Auf der letzen Stufe wird eine Überprüfung anhand unterschiedlicher materialer Wertvorstellungen (branchen-, standesoder unternehmensbezogene Wertevorstellungen) vorgenommen.1423 Anzumerken ist bei den Überlegungen von Zimmerli, dass hier ein praxisnaher Ansatz hervorgehoben wird, der auf eine theoretische (allgemeingültige) und umfassend fundierte Begründung, wie bspw. bei Homann oder Ulrich, (nahezu) verzichtet. Intendiert wird hierbei vornehmlich eine praxisnahe Handlungsanleitung vor dem Hintergrund der Globalisierung, Pluralisierung und Professionalisierung. Der Ansatz von Homann kann vor dem Hintergrund der Globalisierung aktuell problematisch beurteilt werden, da auf der Supraebene keine bzw. zu wenige oder nicht durchsetzbare (ethische) Institutionen (Gesetze, verbindliche Regelungen) existieren, und hier eine große institutionelle Lücke hinsichtlich der Steuerung ökonomischen und moralisch-ethischen Verhaltens im internationalen Kontext besteht. Nationale Institutionen sind, speziell vor dem Hintergrund internationaler unternehmerischer Aktivitäten nicht immer in der Lage die Handlungen „ethisch zu kanalisieren“.1424 Homann könnte hierzu anmerken, dass lediglich, wie in seinem Ansatz angesprochen, eine Time-lagProblematik im internationalen Kontext auf der Supraebene besteht. Hieraus folgt nicht gleich, dass sein Ansatz zu verwerfen ist. Radermacher (2004) ist in diesem Kontext der Auffassung, dass sich im Rahmen der Globalisierung die Nationalstaaten in einem gegenseitigen „Kampf“, bspw. um investi1421 1422
1423 1424
Vgl. zum Vorrangkriterium auch Zimmerli/Wolf (1993), S. 316. Vgl. Zimmerli (2004), S. 242-245. Siehe zum Ethik Officer auch Kapitel 2.4.3.7.3. Siehe hierzu auch die theoretischen Hintergründe der diskursiven Position von Gadamer (1967). Vgl. Zimmerli/Wolf (1993), S. 316; Zimmerli/Assländer (1996), S. 298-299; Zimmerli (2004), S. 245-247. Vgl. Bausch (2005), S. 289-290.
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
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ves Kapital befinden. Hierbei liegt in gewissem Sinne eine Gefangenen-Dilemma-Situation vor, die die Beteiligten tendenziell eher dazu zwingt, Standards abzubauen, anstatt Standards international abgestimmt durchzusetzen.1425 Der Ansatz von Homann könnte, wie bspw. durch Zimmerli angesprochen, darüber hinaus dahingehend kritisiert werden, dass durch das theoretische Konzept von Homann eine zu geringe Praxisrelevanz im Sinne konkreter Instrumente für die Unternehmen geliefert wird.1426 Röttgers (2005) merkt an, dass bei Homann das Problem besteht, dass Homann in der Bedingungsethik (Institutionen, Rahmenbedingungen) die Normen einer Handlungsethik (Unternehmensethik) begründet sieht. Nun kann gefragt werden, wodurch die Normen der Bedingungsethik fundiert sind. Die Stärke des Ansatzes von Homann liegt dabei nicht in der Konkurrenz zu begründungsorientierten Ansätzen, sondern vielmehr darin, Begründungsfragen gegenüber Problemorientierungen nachrangig zu behandeln.1427 Ulrich liefert mit seinem Ansatz eine umfassende theoretische Beschreibung der Problematik zur Wirtschafts- und Unternehmensethik.1428 Seine ausdifferenzierte Erörterung gipfelt in einem diskursethischen Paradigma. Kritisch angemerkt werden kann der auf Basis der Idealvorstellungen der Diskursethik1429 geforderte idealtypische Diskurs mit den Betroffen zur Lösung eine moral-ethischen Problems. Allerdings wird durch die Vertreter diskursethischer Ansätze oftmals selbst angemerkt, dass ein idealtypischer Dialog nicht möglich ist. Hier konvergiert der ideale Diskurs in Richtung, des bspw. durch Zimmerli geforderten, praktischen Dialoges. Eine Unterscheidung der beiden Varianten ist vermutlich für die Praxis tendenziell eher nachrangig und mitunter eher von theoretischwissenschaftlichem Erkenntnisinteresse. Bausch (2005) merkt in einem Korreferat zu den Ausführungen von Homann und Ulrich an, dass der Grenzertrag der angeführten Diskurse bzw. Ansätze (mitunter) für Unternehmer, die in der Praxis Probleme unter Zeit- und Entscheidungsdruck zu lösen haben, eher gering ist. Vielmehr charakterisiert Bausch diese Ansätze als philosophische Diskurse, die einen Beitrag zur Generierung des Fundamentes eines moralischen Urteils leisten. Die Grundüberlegungen haben dabei u. a. einen Anteil an der Gestaltung der marktwirtschaftlichen Ordnung.1430 Hervorzuheben sei an dieser Stelle der sowohl in den letzten Jahren stark in der theoretischen Diskussion, als auch in der praktischen Anwendung durch seine Instrumente, bspw. in Form von Wertebzw. Ethik-Management-Systemen1431, aufgekommene und sehr differenzierte Ansatz von Wieland.1432 So kann der Ansatz von Wieland, neben den Konzepten von Homann und Ulrich, als weitere bedeutende Konzeption im unternehmensethischen Kontext gesehen werden. Denn der Ansatz von Wieland zeichnet sich durch seine grundlegende theoretische Fundierung, als auch durch seine
1425 1426 1427 1428 1429 1430
1431 1432
Vgl. Radermacher (2004), S. 30. Siehe hierzu Kapitel 2.3.4.1. Vgl. Röttgers (2005), S. 295-297. Siehe hierzu Kapitel 2.3.4.2. Siehe hierzu Kapitel 2.1.3.7.5. Vgl. Bausch 284-285 und 287-288. Dabei kennzeichnet Bausch dem Ansatz von Homann darüber hinaus auch als einen anwendungstauglich orientierten, wissenschaftlichen theoretischen Diskurs. Denn Homann leistet durch die Explikation einer Moralökonomik einen Beitrag hinsichtlich der Realisierungsbedingungen ethischer Imperative in der Marktwirtschaft für die Gestaltung der Rahmenbedingungen ethisch orientierter Praxis. Siehe hierzu Kapitel 2.4.3.7.5. Siehe hierzu Kapitel 2.3.4.4.
232
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
hohe Anwendbarkeit in der Praxis aus. Bausch (2005) merkt an, dass der Ansatz von Wieland in anwendungsorientierter Weise auf das Unternehmen hin ausgerichtet ist. Das Konzept bietet (moralisch motivierten) Unternehmern Orientierungen auf der Handlungsebene. Aus diesem Grunde wird eine Charakterisierung des Ansatzes von Wieland, trotz des theorerischen Gehaltes, als praxeologischer Diskursbeitrag vorgenommen.1433 Tabelle 15 zeigt abschließend eine Kurzübersicht bedeutender Inhalte der wirtschafts- und unternehmensethischen Ansätze von Homann, Ulrich, Steinmann/Löhr und Wieland.1434 Homann
Ulrich
Steinmann/Löhr
Wieland
Rolle der Unternehmensethik
Reparaturansatz
Begründung der Formalziele unternehmerischen Handelns
Regelung von Ad-hocKonflikten
Entwicklung der Unternehmensethik als ökonomisches Problem der Knappheit von Ressourcen und Kompetenzen
Ort der Moral
Rahmenordnung
Diskurse
Diskurse
Individuelle und organisationale Moral als Ressource
Schwerpunkt
philosophisch reflektierte Ökonomik
Relativierung des Gewinnprinzips
Friedenssicherung
Etablierung von Governancestrukturen in Unternehmen (Organisations- und Steuerungsstrukturen)
Verfahren der Normenbegründung
non-kognitivistisch, keine Begründbarkeit
kognitivistisch, vernunftmäßig begründbar
kognitivistisch, vernunftmäßig begründbar
noch nicht abschließend theoretisch fundiert
Gestaltungsfeld
homo-oeconomicusresistente Institutionen
dialogische Begründung von Normen (Formalzielbezug)
friedensstiftender Diskurs (Sachzielbezug)
Generierung von Rahmenbedingungen zur Schaffung von Anreizen moralischen Handelns im Unternehmen
Rolle der Ethik
Gleichwertig zur Ökonomik
Primat der Ethik vor der Ökonomik
Primat der Ethik vor der Ökonomik
Phänomen der Organisation als Koordinations- und Kooperationsleistung von Akteuren zur Verteilung von Gütern
Probleme
Inkonsistenz: ökonomisches Primat kann nicht durchgehalten werden
„Nirwana-Approach“ des idealen Diskurses1435
„Nirwana-Approach“ des idealen Diskurses
Normenbegründung aktuell noch nicht abschließend fundiert
Tabelle 15: Synopse bedeutender deutscher wirtschafts- und unternehmensethischer Konzeptionen
1433
1434 1435
Vgl. Bausch (2005), S. 284 und 289-290. Anzumerken ist in diesem Kontext, dass die Charakterisierung der Ansätze auf Basis dreier Beiträge von Homann, Ulrich und Wieland vorgenommen wurde. In den Beiträgen wurden die Kernausrichtungen der einzelnen Ansätze durch die Autoren erörtert. Eine vollständige Charakterisierung der Ansätze auf Basis der Gesamtliteratur wurde nicht vorgenommen. In Anlehung an Matten (1998), S. 17 mit einer eigenen Erweiterung um den Ansatz von Wieland. König (1999), S. 68 merkt an, dass Peter Ulrich oftmals (auch) auf der Begründungsebene ein Nirwana-Approach unterstellt wird, da sein moralischer Standpunkt von der Wirklichkeit abstrahiere, und dabei keine Ausdifferenzierung abstrahierter Gedanken vorgenommen werde.
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
233
Röttgers (2005) merkt an, dass in Deutschland die wirtschafts- und unternehmensethischen Debatten bzw. Diskussionen der letzen Jahrzehnte durch bestimmte Ansätze dominiert waren, die sich (prägnant) voneinander unterscheiden. Allerdings hat dabei zwischen den Ansätzen lediglich eine geringe Verständigung bzw. Zubewegung aufeinander stattgefunden. Die Frage ist, ob es in diesem Kontext eine Wahrheit geben kann, die bspw. durch einen Konsens erzielt wird, oder ob es sich um eine „verteilte“ Wahrheit handelt. Die Ansätze weisen unterschiedliche Konzeptionen bzw. Schwerpunkte auf, die Röttgers als begründungsorientierte Ansätze gegenüber problem- bzw. anwendungsorientierten Ansätzen bezeichnet.1436 Nach Röttergs bestand ein Fehler der Diskussion der letzen 20 Jahre, den sowohl die Vertreter des begründungsorientierten, als auch des anwendungsorientierten Ansatzes begangen haben, darin, dass die philosophischen Fragen hinsichtlich der Wirtschaft als ethische, und zwar lediglich als ethische Fragen behandelt wurden. Dabei können ethische Fragen auch einer rein theoretischen und nicht nur praktischen Perspektive ausgesetzt werden. Röttgers schlägt eine Erweiterung der Diskussion um die Beschreibung von Grundbegrifflichkeiten, wie bspw. Markt, Wachstum oder Freiheit, im Sinne einer Genealogie der Grundbegriffe nach Nietzsche vor.1437 Einen anderen, empirisch-orientierten Ansatz vertritt bspw. Küpper (2007), der eine analytische Unternehmensethik entwickelt bzw. weiterentwickelt sehen möchte, welche moralische Probleme in Unternehmen analysiert, ohne dabei normativ zu sein. Hierzu gehört eine empirische Forschung hinsichtlich der Hintergründe der Akzeptanz von Werten und Normen, sowie den Einfluss dieser Werte und Normen auf Entscheidungen und Handlungen durch Organisationen. Die logische Deduktion und Untersuchung von ethischen Werten, regulatorischen Systemen und Moral bildet eine weitere Forschungsdimension. Im Rahmen der Verbindung zwischen ethischen Werten und ökonomischen Kriterien wird eine dritte Forschungsrichtung durch Küpper genannt. Dabei ist auch eine Analyse der Gründe der Rechtfertigung von Bewertungen bedeutsam.1438 Zu Fragen und (praktisch) Abzuwarten, wäre in diesem Kontext, ob eine solche Vorgehensweise die beschriebenen Probleme der aktuellen Ansätze überwinden könnte. Donaldson (2007) merkt zum Ansatz von Küpper an, dass dieser zwar eine Vermeidung normativer Aussagen fordert. Teile seiner Argumenation bezeichnet Donaldson allerdings als normativ, so dass die Forderung selbst nicht eingehalten wird. Für Donaldson beinhalten Theorien einer modernen Unternehmensethikforschung sowohl in Deutschland, als auch anderswo in der Welt, empirische und normative Aspekte.1439 Allgemein ist anzumerken, dass Ethik und somit auch unternehmensethische Ansätze, speziell in der Begründung und Reflexion von Handlungen, kulturell bedingt ist. Es sollten daher unterschiedliche Wertmaßstäbe sowie Interpretationen unterschiedlicher Wirtschaftsräume berücksichtigt werden.1440 Vor dem Hintergrund der Globalisierung kann sich hieraus eine hohe Komplexität der Thematik ergeben, die sich vermutlich in den nächsten Jahren einer verstärken theoretischen Untersuchung und praktischen Anwendung zu unterziehen hat. Allgemein scheint in den letzten Jahren ein verstärktes Interesse an praxisnahen Ansätzen, Konzepten und Instrumenten im Kontext der Unternehmens1436
1437 1438 1439 1440
Hier zeigt sich eine ähnliche Ansicht, wie die von Bausch (2005). Einen fehlenden Konsens stellen bspw. auch König (1999), S. 55 und Lee-Peuker (2005), S. 319 fest. Siehe Röttgers (2005), S. 291-304. Vgl. Küpper (2007), S. 259-264. Siehe auch Küpper (2005). Vgl. Donaldson (2007), S. 270-274. Vgl. Kley (2005), S. 76.
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Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
ethik zu bestehen. Als theoretische Erklärung bzw. Hinweis können die unterschiedlichen Konzepte von bspw. Nachhaltigkeit, Corporate Social Responsibility oder Corporate Citizenship dienen. Diese könnten mitunter als praktische Ausprägungsformen bzw. Instrumente einer praxisnahen Unternehmensethik betrachtet werden.1441 Wie durch Zimmerli (2004) angemerkt, erfolgt in Deutschland lange Zeit eine Beschäftigung mit der Thematik der Wirtschafts- und Unternehmensethik in Form umfassender und fundierter Theorien und Methoden im Sinne einer Grundlagenforschung, wobei eine Umsetzung in praxisrelevante Maßnahmen nur langsam vollzogen wird.1442 Schmidt (2005b) merkt an, dass sich in Deutschland lediglich wenige Ansätze zur Unternehmensethik samt ihren Begründern etablieren konnten, und zu einem Bestandteil von Lehrveranstaltungen zur Unternehmensethik geworden sind. Er kritisiert, dass diese oftmals für die Praxis eine geringe Relevanz besitzen und zumeist lediglich Anregungen bieten.1443 Im Gegensatz dazu ist bspw. die amerikanische Business Ethics praxisnah konzipiert und vor dem Hintergrund anwendungsbezogener Konzepte entwickelt und verbreitet worden.1444 Dabei wird gegen die amerikanische Business Ethics oftmals hervorgebracht, dass diese durch Oberflächlichkeit, Funktionalisierung und eine mangelnde wissenschaftliche Fundierung gekennzeichnet sei.1445 Es kann aber eingewendet werden, dass die Unternehmensethik als spezieller Fall der angewandten Ethik sich jedoch um Praxisrelevanz bemühen sollte.1446 Ein Einwand deutscher Unternehmensethiker ist, dass eine amerikanische Unternehmensethik aufgrund kultureller und politischer Unterschiede nicht auf Deutschland übertragbar sei. Prinzipiell ist dieser Einwand berechtigt und eine unreflektierte eins-zueins Übertragung kann nicht vollzogen werden.1447 Allerdings können praktische Erfahrungen einer anwendungsorientierten Unternehmensethik als Inspirationsquelle dienen. Es kann geprüft werden, in welcher Form und welche Instrumente sich u. U. in der deutschen Unternehmenspraxis anwenden lassen.1448 Allgemein lässt sich jedoch zeigen, dass in Deutschland und den USA ein unterschiedliches Begriffsund Anwendungsverständnis einer Unternehmensethik vorliegt, welches sich durch kulturellhistorische Unterschiede begründen lässt. Zu dieser Thematik sei auf die Ausführungen von Löhnert (1998), Palazzo (2000), Grabner-Kräuter (2005) und Palazzo (2005) verwiesen.1449 Rockmore (2005) merkt an, dass sich Ethiker im angloamerikanischen Sprachraum zumeist ethischen Problemen vornehmlich, oder sogar gänzlich unabhängig, von prinzipiellen theoretischen Erwägungen widmen. Zudem neigen europäische Ethiker, wie bereits im antiken Griechenland, dazu, ihre ethischen Ansichten und Positionen auf Basis allgemeiner Theorien herzuleiten.1450 1441 1442
1443 1444
1445 1446 1447 1448 1449 1450
Siehe hierzu auch Kapitel 2.2.4. In Anlehnung an Zimmerli (2004), S. 240-241. Einen ähnlichen Einwand liefert Pfriem (20054), S. 24. Aßänder (2005), S. 331-332 merkt an, dass erst seit Ende der 1990er Jahre eine Verschiebung der Diskussion von einem äußerst theoretischen, zu einem praxisbezogenen Anwendungsbereich zu beobachten ist. Vgl. Schmidt (2005b), S. 59. Siehe hierzu auch die Erörterungen in Kapitels 4.2. Vgl. Löhnert (1998), S. 93. Wobei Ulrich (2005), S. 244-245 anmerkt, dass führende Vertreter der amerikanischen Business Ethics vor einer instrumentalistischen Verkürzung der Thematik warnen und zu einer kritischeren Perspektive raten. Vgl. Schneider (1990), S. 883. Vgl. Wieland (1993), S. 13. Vgl. Löhnert (1998), S. 94. Vgl. Wieland (1993), S. 13-14; Löhnert (1998), S. 94. Siehe grundlegend Löhnert (1998), Palazzo (2000); Grabner-Kräuter (2005) und Palazzo (2005). Vgl. Rockmore (2005), S. 290.
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
235
Aufgrund der syntaktischen und semantischen Begrenzung der vorliegenden Arbeit soll nicht detailliert auf diese Thematik eingegangen werden. Im Folgenden sollen lediglich einige ausgewählte Aspekte dargestellt werden, um eine Sensibilisierung für die unterschiedlichen Ansätze einer Unternehmensethik sowie der hiermit verbundenen unternehmensethischen Auffassungen, Voraussetzungen und Instrumente in Deutschland und den USA vorzunehmen. Wieland (1993) ist der Auffassung, dass sich die wirtschafts- (und unternehmensethische Diskussion) lange auf einem tendenziell abstrakten Niveau bewegte.1451 Die Diskussion des Verhältnisses von Moral und Wirtschaft wird in den USA über drei Komponenten bestimmt. Hierbei handelt es sich um:
die praktischen Erfahrungen und Erfordernisse von Unternehmen, die Probleme einer Integration von Ethik in die Lehre der Volks- und Betriebswirtschaftslehre an Universitäten und Colleges sowie die Arbeiten nichtakademischer „Center for Ethics“.1452 Tabelle 16 zeigt eine Übersicht kultureller Grundlagen der amerikanischen Unternehmensethik.1453
Grundannahmen
Werte
Artefakte/Verhalten
Religion: Republikanischer Protestantismus
Einheit von Profit und Moral Widerstandsrecht
Ethics = good business Öffentlicher Moraldiskurs
Zwischenmenschliche Beziehungen: Individualismus
Moralischer Universalismus
Schriftliche Ethik-Kodizes
Rolle menschlichen Handelns: Orientierung des Tuns
Flexibilität Externe Motivation
Ethikprogramme
Beziehung Mensch/Umwelt: Interne Kontrolle
Glaube an Machbarkeit
Ethikprogramme
Menschenbild: Optimistisch
Glaube an moralische Perfektionierbarkeit
Moralischer Individualismus
Wahrheits- und Wirklichkeitsbild: Empirische Wahrheit
Pragmatismus
Applied science
Tabelle 16: Kulturelle Grundlagen amerikanischer Unternehmensethik
Die Vorstellungen eines grundsätzlich positiven Verhältnisses zwischen Wirtschaft und Moral vor dem Hintergrund des Calvinismus, das spezielle Verständnis von Privatheit und Öffentlichkeit, das Vertrauen in eine Existenz universell gültiger Normen, ein Glaube an eine individuelle moralische Perfektionierbarkeit des Menschen in Kombination mit dem für Amerika typischen Pragmatismus, bilden die Basis der amerikanischen Unternehmensethik und ihrer hierauf entwickelten Instrumente.1454 Die amerikanische Business-Ethics-Bewegung verfügt über langjährige Erfahrungen in der Institutionalisierung ethischer Kommunikation und Entscheidungsverfahren in Unternehmen. Dabei konnte sich eine Vielzahl von Organisationsformen, Instrumenten und ethischen Unternehmensfüh1451 1452 1453 1454
Vgl. Wieland (1993), S. 13. Vgl. Wieland (1993), S. 11. Vgl. Löhnert (1998), S. 111. Vgl. Löhnert (1998), S. 112.
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Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
rungsmodellen, wie bspw. Ethikkodizes, Ethikaudits, Ethikkomitees, Ethik Officer/Ethik Offices, Ethikhotline, Ethikseminare, entwickeln.1455 Vor dem Hintergrund strenger, mit monetärer Sanktionskompetenz (hohe Geldstrafen) ausgestalteten Richtlinien und Gesetzen zeigt sich, dass moralische Fragen in den USA verstärkt in der Nähe von Rechtsfragen angesiedelt sind, was bereits in der angelsächsischen Vertragstheorie angelegt ist.1456 Im Gegensatz zu den vorangegangenen Ausführungen der kulturellen Grundlagen einer amerikanischen Unternehmensethik sind in Tabelle 17 die kulturellen Grundlagen einer deutschen Unternehmensethik dargestellt.1457 Grundannahmen
Werte
Artefakte/Verhalten
Religion: Katholizismus/Feudalismus
Wirtschaft ist unmoralisch Rückzug ins Private
Misstrauen in Unternehmensethik Öffentliches Moralisierungstabu
Zwischenmenschliche Beziehungen: Gemeinschaftsindividualismus
Moralischer Partikularismus
Informelles Unternehmensethos
Rolle menschlichen Handelns: Seinsorientierung
Wertkonservative Haltung
Zurückhaltung
Beziehung Mensch/Umwelt: Externe Kontrolle
Umweltabhängigkeit
Ruf nach Gesetzgeber
Menschenbild: vorsichtig pessimistisch
Individualethik ist schwach
Institutionenethik
Wahrheits- und Wirklichkeitsbild: Potenzielle Wahrheit
Idealismus
Theoriebildung
Tabelle 17: Kulturelle Grundlagen deutscher Unternehmensethik
Studien Studien im deutschen Sprachraum befassen sich bei der Erforschung von Ethik in Unternehmen vorwiegend mit Großunternehmen als Untersuchungsobjekte. So auch bspw. die Studie von Ulrich/Thielemann (1992) oder Ulrich/Lunau/Weber (1998), die 550 der umsatzstärksten deutschen und 224 umsatzstärksten schweizerischen Unternehmen untersucht haben.1458 Unterschiedliche Studien beschäftigen sich mit dem Thema der Corporate (Social) Responsibility, welches, wie gezeigt, Überschneidungen zur Thematik der (Unternehmens-)Ethik aufweist, aber oftmals nicht den gleichen Interessensfokus besitzt. An dieser Stelle soll kein umfassender Hinweis bzw. keine umfassende Literaturanalyse zum Themengebiet der Corporate (Social) Responsibilty erfolgen, da dies nicht dem Betrachtungsschwerpunkt der hier vorliegenden Arbeit entspricht.1459 Staffelhorst (2005) weist darauf hin, dass bspw. ein Bedarf an empirischen Studien zur ökonomischen Wirksamkeit von Ethik-Management- bzw. Werte-Management-Systemen besteht.1460 Allgemein wird
1455 1456 1457 1458 1459 1460
Vgl. Wieland (1993), S. 13 und 29. Vgl. Wieland (1993), S. 21-24. Vgl. Löhnert (1998), S. 112. Siehe hierzu Ulrich/Thielemann (1992); Ulrich/Lunau/Weber (1998), S. 121. Für einen ersten Einstieg siehe bspw. Lunau/Wettstein (2004); Englisch et al. (2007). Vgl. Staffelhorst (2005), S. 196.
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oftmals auf eine zu geringe quantitative und qualitative empirische Forschung im Bereich der Unternehmensethik hingewiesen.1461 In der deutschsprachigen Forschung sind junge Unternehmen als Untersuchungsobjekte unterrepräsentiert bzw. in geringem Maße einer näher gehenden Forschung als Untersuchungs- und Erkenntnisobjekte unterzogen worden.1462 Eine empirische Sekundärdatenvergleichsanalyse des European Social Survey der ethischen Einstellungen und des ethischen Verhaltens von Entrepreneuren, Managern und der Gesamtbevölkerung in Europa liefern Blumberg/Saßmannshausen/Hofmann (2006).1463
2.4
Spezifika einer „ethischen Situation“ in jungen Unternehmen
2.4.1
Zur Relevanz von Ethik im Entrepreneurship Kontext
2.4.1.1
Zu Annahmen ethischen Verhaltens im Entrepreneurship-Kontext
Im Entrepreneurship-Kontext wird eine Vielzahl von Fragen im Hinblick auf spezifische ethische Herausforderungen aufgeworfen. Beispielsweise verstärken der finanzielle und operationale Druck in jungen Unternehmen die Motivation zur Beschäftigung mit zweckdienlichem Verhalten von und im Unternehmen. Darüber hinaus sieht sich der Entrepreneur bzw. das junge Unternehmen mit einer Reihe ethischer Dilemmata konfrontiert, deren Lösung direkten Einfluss auf die Leistungsfähigkeit des Unternehmens besitzt. Grundlegend kann angenommen werden, dass die unternehmerische Tätigkeit an sich direkt ethische Fragen aufkommen lässt.1464 Buchholz/Rosenthal (2005) sehen den Kern des Entrepreneurship verbunden mit Vorstellungskraft, Kreativität, Wahrnehmung von Chancen, Neuheit und Sensitivität. Diese Aspekte prägen den Geist des Entrepreneurship (spirit of entrepreneurship), wobei es keine Garantie für den Erfolg der unternehmerischen Handlungen gibt. Gleichermaßen können diese Qualitäten des Geistes des Entrepreneurship als bedeutsam für die ethische Entscheidungsfindung angesehen werden.1465 Die einzigartigen ethischen Herausforderungen junger Unternehmen können auf die Neuheit (liability of newness) und geringe Größe (liability of smallness) zurückgeführt werden.1466 Im Vergleich zu größeren bzw. etablierten Unternehmen sind junge Unternehmen anfälliger für umweltbedingte Einflüsse bzw. Wirkungen, wie bspw. begrenzte finanzielle Reserven bzw. Liquidität, starke Abhängigkeiten eines limitierten Produkt- und Dienstleistungsangebotes und die Tendenz sich auf eine kleine Kundenbasis zu verlassen.1467 Der Unternehmer hat gleichermaßen keine etablierte Unternehmenskultur, auf die er sich bei der Entscheidungsfindung verlassen kann.1468 Die Charakteristika der liability of newness und liability of smallness junger Unternehmen, wie bspw. der Zeitdruck, die geringe Finanzausstattung, die Machtposition und Durchsetzungsstärke des Unternehmers, die geringe Wahrnehmung junger Unternehmen in der Öffentlichkeit sowie fehlende interne Referenzen für akzeptables bzw. unakzeptables Verhalten, führen oftmals zu einer Förderung oder Rechtfertigung ethischer Kom1461 1462
1463 1464 1465 1466 1467 1468
Siehe hierzu bspw. Küpper (2007), S. 275. Hierbei merken Roloff/König (2005), S. 379 an, es sei auffällig, dass wissenschaftliche Untersuchungen sich meist auf Großunternehmen beziehen. Siehe hierzu Blumberg/Saßmannshausen/Hofmann (2006). Vgl. Morris et al. (2002), S. 331. Vgl. Buchholz/Rosenthal (2005), S. 307. Siehe zu einer kurzen Erörterung Kapitel 2.1.1.1. Vgl. Morris et al. (2002), S. 333. Vgl. Buchholz/Rosenthal (2005), S. 307.
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Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
promisse. Das Eingehen von Kompromissen kann eine entscheidende Auswirkung auf den Zusammenhang zwischen dem Fortbestand des Unternehmens und dem Scheitern des Unternehmens haben.1469 Nach den Auswertungen einer Vielzahl von Fallstudien1470 listet Fassin (2005) unethische Praktiken auf, die im Rahmen der Interviews von Unternehmern und Managern berichtet wurden. Diese ereigneten sich bspw. in den Bereichen Marketing, Verhandlungen, Personal(-management), ZuliefererKunden-Beziehungen sowie Beziehung zu öffentlichen Institutionen (zum Staat). Als dubiose Praktiken wurden, u. a., Lügen und Täuschung, Brechen von Versprechungen, passive Korruption, unfairer Konkurrenzkampf, Vorteilsnahme bzw. Bevorzugung des Managements, unfaire Einstellung und Behandlung gegenüber den Stakeholdern (Machtmissbrauch, Interessenkonflikte: persönliche Interessen vs. Stakeholderinteressen) und manipulative Kommunikation genannt.1471 Die Forschungsanstrengungen ethischen Verhaltens in Unternehmen sind zumeist auf große bzw. etablierte Unternehmen hin ausgerichtet.1472 Hohe ethische Standards aufrechtzuerhalten bürdet jungen Unternehmen hohe Anforderungen auf, die u. U. nicht immer in realistischer Weise im Entrepreneurship-Kontext eingehalten werden können. Denn ethisches Verhalten benötigt u. a. ein moralisches Kalkül, welches erst durch ein gewissen Nachdenken und eine Reflexion zu erreichen ist. Das junge Unternehmen bzw. der Unternehmer steht allerdings unter einem hohen zeitlichen, monetären und psychischen Druck vor dem Hintergrund der Unsicherheit. Diese Drucksituationen bzw. Variablen können Einfluss auf das ethische Entscheidungsverhalten nehmen.1473 Unternehmerisches Verhalten ist ein Set von Handlungen voller ethischer Dilemmata.1474 Vyakarnam et al. (1997) identifizieren vier grundlegende Thematiken ethischer Dilemmata bei kleinen Unternehmen. Hierbei handelt es sich um die unternehmerische Tätigkeit an sich, Konflikte der persönlichen Werte mit den unternehmerischen Anforderungen, soziale Verantwortung und die Auswirkungen der Persönlichkeit bzw. der persönlichen Normen und Werte des Eigentümers auf die Unternehmensethik.1475 Aus diesem Grunde könnte argumentiert werden, dass der Entrepreneurship-Kontext, vor dem Hintergrund einer starken Zentrierung auf den Unternehmer, mit seinen Werten, Normen und ethischen Einstellungen, andere ethische Standards bzw. Vorgehens- und Betrachtungsweisen benötigt, als dies in größeren, etablierten Unternehmen der Fall ist.1476 Diese verwenden mehr formell-organisatorische Maßnahmen der Implementierung und Realisierung einer Ethik, bspw. durch Ethikbeauftragte oder umfassende Ethikkodizes. Rottluff/Schneider (2004) merken in diesem Kontext an, dass ein impliziertes Werteset i. d. R. bei der Unternehmensgründung entsteht. Die spezifischen Werte stehen in einem Zusammenhang mit der Geschäftsidee, dem Produkt, der Gesellschaftsform, der Finanzierungsstrategie, der Standortent1469 1470 1471 1472 1473 1474 1475 1476
Vgl. Morris et al. (2002), S. 333. Wie viele Unternehmen bzw. Unternehmer interviewt worden sind, wird quantitativ nicht angegeben. Vgl. Fassin (2005), S. 266 und 267. Vgl. Morris et al. (2002), S. 331. Vgl. Morris et al. (2002), S. 334. Vgl. Morris et al. (2002), S. 334. Vgl. Vyakarnam et al. (1997), S. 1625-1636. Vgl. Morris et al. (2002), S. 334.
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scheidung und weiterer relevanter Aspekte im Rahmen der Gründung. Die grundlegenden Werte zeigen sich in der Umsetzung des Unternehmenszweckes. Dabei werden die Werte maßgeblich durch den Gründer/Unternehmer bzw. die Gründerpersönlichkeit/Unternehmerpersönlichkeit geprägt. Jedoch können viele Werte zu allgemein, und mitunter für operative Entscheidungen und Handlungen zu unspezifisch sein. Dabei ist eine explizite Klärung und Kommunikation der Werte hinsichtlich der relevanten Stakeholder des Unternehmens von Bedeutung.1477 2.4.1.2
Gute Sitten und Ethik in der lex mercatoria
Das Bild des ehrbaren Kaufmanns als (verlässlicher) Wirtschaftsstil ist in der heutigen Zeit nicht mehr selbstverständlich. Gerade vor dem Hintergrund der Globalisierung ist eine Neuausrichtung des vormals Selbstverständlichen notwendig. Dabei sollte nach Kleinfeld (2005) wenigstens der ethische Anspruch des Unternehmens im Innen- und Außenverhältnis verdeutlicht werden.1478 Bei Konfliktfällen konnte in traditionellen Gesellschaften für eine Lösung auf allgemeinverbindliche, fest gefügte Wertund Ordnungsvorstellungen zurückgegriffen werden. Dabei wurden diese festen Wertegefüge bisweilen und in Einzelfällen zur individuellen Vorteilsnahme umgangen. Allerdings bestand im Allgemeinen kein Zweifel an der grundsätzlichen Integrationskraft in Konfliktfällen. Aus diesem Grunde hatten die Regeln des ehrbaren Kaufmanns bzw. des Kaufmanns gute Sitten, Standeskodizes oder andere Orientierungshilfen einen wesentlichen Einfluss auf den ordnungsgemäßen Ablauf wirtschaftlicher Tätigkeiten.1479 Das Bild des ehrbaren Kaufmann beschreibt Schoser (1990) als solidarisch, aber unabhängig, nach Gewinnen strebend, aber auch sozial verantwortlich, ehrlich und geschäftstüchtig, gesetzestreu und doch offen für Neues.1480 Es bestand ein hohes Maß an Verhaltenssicherheit von Dritten dem Kaufmann gegenüber, da die Werte und Regeln, die er befolgte, allgemein bekannt waren.1481 Vor-moderne Gesellschaften waren durch eine starre normative Integration von Individuen in einen spezifischen sozialen Kontext in der Familie, des Standes oder der Klasse gekennzeichnet. Handlungen des Individuums wurden dabei vornehmlich durch soziale Normen und Bindungen bestimmt.1482 Die vormodernen Gesellschaften können als im Wesentlichen wertintegriert bezeichnet werden. Hierbei waren die allgemein anerkannten Werte meistens religiös fundiert.1483 In pluralistischen Gesellschaften der Moderne kann ein Anspruch einer friedlichen Lösung von Interessenkonflikten nicht alleine mit einem Verweis auf vorgegebene Werte, Normen, Traditionen oder (Standes-)Regeln gelöst werden. Denn in den modernen, post-traditionalen Gesellschaften wird das Leben der Menschen nicht mehr verbindlich durch traditionelle Konfliktlösungsmuster bestimmt.1484 Denn moderne Gesellschaften sind durch eine Individualisierung, im Sinne einer Freisetzung des Eigeninteresses eines Individuums als Freiheit, gekennzeichnet. Das Individuum wird aus tradierten
1477 1478 1479 1480 1481 1482
1483 1484
Vgl. Rottluff/Schneider (2004), S. 434-435. Ähnlich auch Wieselhuber (2000), S. 61; Borchers (2005), S. 520-521. Vgl. Kleinfeld (2005), S. 54-55. Vgl. Steinmann/Löhr (1992b), S. 239. Vgl. Schoser (1990), S. 111. Vgl. Steger (1991), S. 197. Vgl. Suchanek (2001), S. 13. Homann (2005), S. 205-206 merkt hierbei an, dass vormoderne Gesellschaften (tendenziell) gesamtwirtschaftliche Nullsummenspiele spielten, und daher die abendländische Ethik paradigmatisch als eine Ethik der Mäßigung bzw. des rechten Maßes bezeichnet werden kann. Vgl. Suchanek (2001), S. 15. Vgl. Steinmann/Löhr (1992b), S. 239. Ähnlich auch Matten (1998), S. 14-15.
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(Wert-)Bindungen herausgelöst.1485 In modernen Gesellschaften bestehen pluralistische Auffassungen und Meinungen, welche sich auch hinsichtlich normativer Werte widerspiegeln.1486 Dabei sind moderne Gesellschaften nicht wertintegriert, sondern vielmehr regelintegriert.1487 In diesem Kontext wird auch oftmals von einem Wertezerfall gesprochen. Doch bei einem Werteverlust oder Wertezerfall handelt es sich lediglich um einen Wertewandel.1488 Ein zentrales Merkmal des Wertewandels ist die Individualisierung.1489 Individuelle Handlungsmöglichkeiten, verstanden als Freiheit, implizieren nicht eine gänzliche Unabhängigkeit des Individuums von anderen Individuen. Lediglich strikte, direkt vorgegebene Abhängigkeitsverhältnisse, bspw. durch die Geburt in einen Stand, ändern sich. Generelle Abhängigkeiten der einzelnen Individuen innerhalb einer Gesellschaft bleiben bestehen und werden in modernen Gesellschaften sogar bedeutsamer. Individuelle Handlungsmöglichkeiten bzw. Freiheiten führen zu erhöhten (kontingenten) wechselseitigen Abhängigkeiten der Individuen. Freiheit bedeutet nicht völlige Unabhängigkeit. Individualisierung ist nicht gleichbedeutend mit Entsozialisierung. Gestiegene Freiheit bzw. Handlungsmöglichkeiten führen, aufgrund der hochintegrierten sozialen Abhängigkeiten und Interaktionen, zu Abstimmungsproblemen. Individuelle Handlungen müssen Erwartungen von Handlungen anderer Individuen abschätzen und antizipieren, sei es bspw. in der Wirtschaft bei Arbeits- und Tauschprozessen, um eigene Ziele rational verfolgen zu können.1490 Dabei wird das Streben nach Gewinn zumeist oft als nicht unmoralisch gesehen.1491 Somit sollte ein Unternehmer seine Kreativität, Initiative und Einsatzbereitschaft dazu nutzen, Gewinne bzw. Renten im Streben nach einer rationellen Wirtschaftweise zu erzielen. Dabei sollte lediglich beachtet werden, dass alle wirtschaftlichen Handlungen moralischen Gesetzmäßigkeiten unterliegen sollten.1492 Bernhardt (2005) sieht im historischen Konzept des ehrbaren Kaufmanns, der Maß und Ziel kennt und das ius bonum et aequum zu wahren weiß, unabhängig aller gesetzlichen Regelungen und derer Lücken, eine Möglichkeit der gelebten Umsetzung von Ethik und nicht in einer formalisierten, institutionalisierten Ethik. Denn er ist der Auffassung, dass sich Moral, Ethik und Anstand nicht formal verordnen lassen. Er vertritt dabei einen tugendethischen Ansatz, wenn er gute Umgangsformen und ein wenig Klugheit zur Durchführung ehrbarer und ethische Geschäfte fordert.1493 Auch Hochheuser (2005) ist der Auffassung, dass als selbstverständlich erachtete Formen eines fairen Umgangs im Geschäftsleben nicht mehr selbstverständlich sind und diese sogar für einen (scheinbaren) Erfolg aufgegeben werden. Aus diesem Grunde werden diese scheinbaren Selbstverständlichkeiten, die in der Sozialisation gelernt werden sollten, schriftlich formuliert.1494 Gleichermaßen ist eine Verbreitung des anglo-amerikanischen Modells, Geschäfte im Sinne einer Juridisierung von Geschäften durchzuführen, zu beobachten. Denn im Geschäftsalltag werden zumeist ausführliche schriftliche Verträge verwendet.1495 In diesem Kontext kann angemerkt werden, dass Verträge systematisch un1485 1486 1487 1488 1489 1490 1491 1492 1493 1494 1495
Vgl. Becker (1991), S. 14; Suchanek (2001), S. 13. Vgl. Steger (1991), S. 197; Becker (1991), S. 14; Suchanek (2001), S. 15. Vgl. Suchanek (2001), S. 15. Vgl. Giesecke (2005), S. 45. Vgl. Bohlander (2004), S. 175. Vgl. Suchanek (2001), S. 14. Siehe zu einer Diskussion Kapitel 2.2.2. Vgl. Kalveram (1951), S. 20. Vgl. Bernhardt (2005), S. 96. Ähnlich argumentiert auch Schoser (1990), S. 107-108. Vgl. Hochheuser (2005), S. 98. Vgl. Fassin (2005), S. 269.
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vollständig sind. Denn es können nicht alle Eventualitäten in einem Vertrag explizit berücksichtigt werden. Hierbei kann zwischen expliziten und impliziten Verträgen unterschieden werden. Explizite Verträge werden durch das Recht gesichert und sind somit justiziabel. Dagegen gelten implizite Verträge als eine Art Versprechen, da die Bestandteile nicht expliziert werden. Implizite Verträge sind Gegenstand von Unsicherheiten und (ethisch-moralischen) Diskursen.1496 Speziell explizite Verträge können gerade bei jungen Unternehmen zu verstärken Anbahnungs- und Kontrollkosten im Rahmen der unternehmerischen Tätigkeit führen. Eine Möglichkeit der Reduktion dieser Kosten innerhalb der unternehmerischen (Netzwerk-)Beziehungen zu den Stakeholdern bietet die Einführung und Beachtung ethischer (Grund-)Normen bzw. Handlungsweisen, die im Sinne einer Signalfunktion für die Reduktion von Transaktionskosten stehen kann. Gerade bei jungen Unternehmen kann in den ersten Unternehmensjahren eine, wie durch Bernhardt (2005) geforderte gelebte Ethik wahrscheinlich zielorientierter im Sinne einer Individualethik des Gründers vollzogen werden, als eine starre, formalisierte Ethik, wie diese bspw. für Großunternehmen gefordert wird. Im Laufe der Unternehmensentwicklung kann sich hier ein Wandel bzw. eine Evolution von der Individualethik zu einer Institutionenethik vollziehen. Siehe hierzu auch die Ausführungen des Kapitels 2.4.2.2. 2.4.1.3
Vorbildfunktion von Unternehmern und jungen Unternehmen
Die ökonomischen und ethischen Anforderungen unternehmerischen Handelns sind vielfältig. Der Unternehmer soll das Unternehmen erfolgreich führen und dabei innovativ und kostenbewusst handeln. Dabei sind an das Handeln auch ethische Maßstäbe geknüpft. Denn das Unternehmen soll gleichsam nach ethischen und wertbezogenen Maßstäben geführt werden. Dies impliziert sozialverantwortliches Handeln, welches die ethischen Werte des Kulturkreises, in dem das Unternehmen tätig ist, beachtet und fördert.1497 Gleichermaßen kommt (jungen) Unternehmen in der freien Marktwirtschaft u. a. eine beschäftigungspolitische Aufgabe, eine Lenkungsaufgabe in der Volkswirtschaft sowie ein Beitrag für die Entwicklung des Lebensstandards zu.1498 In der freien Wirtschaft und Gesellschaft ist somit auch die Aufgabe des Unternehmers unersetzlich und notwendig. Die Erzielung von Gewinnen wird dabei oftmals kritisch betrachtet, obwohl die Erzielung von Gewinnen die Voraussetzung des Unternehmensbestandes bildet.1499 Allgemein werden die Größenordnungen der Unternehmensgewinne im Verhältnis zum gesamten Volkseinkommen von vielen Menschen überschätzt.1500
1496 1497
1498
1499
1500
Vgl. Brink (2005a), S. 163-164. Vgl. Werhahn (1990), S. 62; Schoser (1990), S. 101; Kohlhof (1996), S. 74-75; Würth (2004), S. 224. Siehe zu potenziellen Definitionen des Begriffes des Unternehmers grundlegend Casson (1982) sowie Hamer (1984). So werden neue Arbeitsplätze überwiegend von Gründungen und Kleinstunternehmen bzw. kleinen Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten generiert. Westdeutsche Gründungen und Kleinunternehmen schaffen 73 % der neuen Arbeitsplätze. Weitere 20 % der neuen Arbeitsplätze finden sich in mittleren Unternehmen. Somit stellen KMU in Westdeutschland in der Summe 93 % der neuen Arbeitsplätze bereit. In Ostdeutschland erzeugen KMU 97 % der neuen Arbeitsplätze. Gründungen und kleine Unternehmen generieren hier 79 %. Siehe hierzu KfW Bankengruppe (2004), S. 103-104. Auch Casson (1982), S. 13 weist darauf hin, dass dem Unternehmer in der Marktwirtschaft eine bedeutende Rolle zukommt. Vgl. bspw. Dürr (2000), S. 13-14. Ähnlich auch Karmasin (2005), S. 200-201. Siehe zu dieser Diskussion auch die Ausführungen des Kapitels 2.2.2. Vgl. Degenhardt (1989), S. 15-17. Degenhardt verweist 1989 darauf, dass 15 % des Volkseinkommens auf Vermögenszins und Unternehmensgewinn und 85 % auf Löhne und Gehälter entfallen.
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Ein Zitat des nordamerikanischen Gewerkschaftsführers Samuel Gompers zeigt, dass selbst aus gewerkschaftlicher Sicht die Erzielung von Gewinnen nicht als unethisch gesehen wird:1501 „Das größte Verbrechen das ein Unternehmer begehen kann, besteht darin, keinen Gewinn zu erzielen“ Dabei steigen die Anforderungen an die Unternehmer beständig, zu einem technischen Fachwissen sind neben analytischen Fähigkeiten, Entscheidungskraft, Durchsetzungsstärke, Branchenkenntnissen auch gut reflektierte ethische Kompetenzen gefordert, um einer an das Unternehmen, zumindest implizit, herangetragenen Mitverantwortung an gesamtwirtschaftlichen, sozialen und politischen Entscheidungen gerecht werden zu können.1502 Es herrscht ein zwiespältiges Bild des Unternehmers vor. Dabei hat sich in Untersuchungen gezeigt, dass es zweckmäßig ist, nicht von dem Unternehmerbild zu sprechen, sondern verschiedene Bilder zu differenzieren.1503 Schmölders (1971, 1978) vertritt in diesem Kontext die Distanzhypothese des (Unternehmer-)Fernbildes und des (Unternehmer-)Nahbildes. Beim Fernbild handelt es sich um ein zumeist unreflektiertes massenpsychologisches Stereotyp. Das Nahbild hingegen beinhaltet die individuellen Erfahrungen, die ein Individuum im Umgang mit Unternehmern bzw. Unternehmerpersönlichkeiten gemacht hat.1504 Einerseits kommt den jungen Unternehmern in der Wirtschaft eine entscheidende Schlüsselposition für den Wohlstand und das Wachstum zu. Andererseits wird der Unternehmer auch als ausbeuterisch, geldgierig, nur auf Profit und Vermehrung seines Kapitals bedachter, rücksichtsloser Vertreter des Kapitalismus gesehen.1505 Somit erscheint das Bild des Unternehmers in der Öffentlichkeit keineswegs immer durchweg positiv.1506 Dies wird durch das nachfolgende Zitat von Wilfried Schreiber, ehemaliger Professor an der Universität zu Köln und Akteur der Vorschläge zur dynamischen Altersrente, verdeutlicht: „Schlüsselfigur der heutigen um den Markt zentrierten Gesellschaft ist der Unternehmer. Das ist schon seit zweihundert Jahren so. Dennoch ist das Bild, das sich die breite Öffentlichkeit vom Unternehmer macht, reichlich verzerrt.“ 1507 Für Hengsbach (1989) liegt die Ursache hierfür in einer weit verbreiteten Unkenntnis der gesamtwirtschaftlichen Funktion des Unternehmers.1508 Unternehmer und (Top-)Manager werden oftmals als rücksichtslos und egoistisch wahrgenommen. Gestützt wird diese Auffassung durch Medienberichte über Bestechungen, Steuerhinterziehungen, Standortverlagerungen zur Steuerminimierung, Subventionsbetrug oder aber schlechte Behandlung von Mitarbeitern. Weiterhin werden Unternehmer und Manager für volkswirtschaftliche Fehlentwick1501 1502 1503 1504
1505 1506
1507 1508
Samuel Gompers zitiert nach Degenhardt (1989), S. 13. Auch in Waibl (2005), S. 19. Vgl. Fetsch (1989), S. 27. Vgl. Werhahn (1990), S. 54; Schäfer (1990), S. 127. Vgl. Schmölders (1971), S. 15-16 und 20-21; Schmölders (1978), S. 127-135. Siehe auch Hamer (1984), S. 13-18. In diesem Kontext sei auch auf Schmölders (1973) verwiesen. Vgl. Weber (1973), S. 32-36; Degenhardt (1989), S. 14-15. Vgl. Schoser (1990), S. 99-100. Siehe Schoser (1990) für eine Argumentation und Beispiele, die aus seiner Sicht zu einem schlechten Bild des Unternehmers beigetragen haben, wie u. a. Sklaven- oder Waffenhandel. So merkt bspw. bereits Winschuh (1954), S. 27 an, dass der Unternehmer sein verzeichnetes Bild in der öffentlichen Meinung in Deutschland berichtigen, und es sowohl positiv, als auch anschaulich, gestalten sollte. Wilfried Schreiber zitiert nach Degenhardt (1989), S. 14. Vgl. Hengsbach (1989), S. 42. So auch Werhahn (1990), S. 31.
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lungen, wie bspw. Arbeitslosigkeit, Armut oder andere soziale Missstände, verantwortlich gemacht.1509 Aus der empirisch ungestützten Wahrnehmung heraus, erscheint diese Aussage tendenziell vermutlich eher für angestellte Manager von (Groß-)Unternehmen Relevanz zu besitzen, denn für Unternehmer in ihrem eigenen Unternehmen, wenngleich auch bei geschäftsführenden Gesellschaftern etwaige Skandale nicht unbeachtet werden dürfen. Fassin (2005) ist der Meinung, dass bspw. ein Machtmissbrauch im Rahmen der Globalisierung zugenommen hat. Dabei ist ein Machtmissbrauch mit der Unternehmensgröße verbunden. Vornehmlich kann dieser in multinationalen Unternehmen aufgefunden werden. Ein Beispiel ist der Machtmissbrauch zwischen multinationalen Unternehmen und kleinen Zulieferern und deren Preisverhandlungen.1510 Der Studie von Bucar/Hisrich (2001) zufolge, in der die ethische Einstellung von Unternehmern und Managern untersucht wurde, zeigen sich Hinweise eines höheren ethischen Verhaltens von Unternehmern gegenüber angestellten Managern. Zurückgeführt wird dies auf die Tatsache, dass Unternehmer direkt monetär mit dem Unternehmen verbunden und abhängig sind. Gleichermaßen ist dies mit einer Verantwortungs- bzw. Risikoübernahme verbunden. Anzumerken ist in diesem Kontext, dass eine Mehrzahl der Unternehmer, als auch der Manager das Gefühl haben, dass ihre persönliche ethische Einstellung gegenüber den Unternehmenszielen zurückstehen muss bzw. geopfert wird.1511 Ulrich/Thielemann (1992) zeigen in ihrer Studie, die bei schweizerischen Führungskräften durchgeführt wurden, dass ein ökonomistisches Denkmuster bei drei Vierteln der befragten Führungskräfte latent bzw. unterschwellig vorhanden ist.1512 Wieland (2004a) ist der Auffassung, dass unerwünschte bzw. nicht vorhandene Werte bei Führungskräften und Mitarbeitern ein Risiko für den Bestand des Unternehmens sein können.1513 Aus einer externen Perspektive auf das Unternehmen und die Wahrnehmung eines Unternehmerbildes konnte in Deutschland gezeigt werden, dass ein Zusammenhang zwischen Unternehmerbild und Unternehmensgröße besteht. Das Bild des Unternehmers bzw. Managers in Großunternehmen wird negativer gesehen, als das Bild des Unternehmers in kleinen und mittleren Unternehmen. Erklärt werden könnte dies mit der Distanzhypothese des Nah- und Fernbildes.1514 Werden soziale, ökologische, kulturelle und politische Folgen der Tätigkeit von Unternehmen und Unternehmern einer ethischen Bewertung mit dem Ziel unterzogen, negative Konsequenzen der Handlungen bzw. Tätigkeiten zu minimieren, so besteht in der Wirtschaftspraxis oftmals die Auffassung, dass ein Unternehmer, der sich mit Ethik beschäftigt, Wettbewerbsnachteile erleidet. Denn für soziale oder ethische Fragen sei im Konkurrenzkampf um Marktanteile und Gewinn kein Platz. Die Beschäftigung mit Unternehmensethik wird somit oftmals als Zeit und Geldverschwendung gesehen1515 Allerdings erscheint es zu einfach, alle Probleme der modernen Gesellschaft und Wirtschaft 1509
1510
1511 1512 1513 1514 1515
Siehe hierzu bspw. Kaas (1999a), S. 126-127; Wieland (2004a), S. 15-16; Schmoldt (2004), S. 68. Kaas (1999a), S. 126127 zitiert hierbei Kreikebaum (1996), S. V. Allerdings ist anzumerken, dass die Ausführungen so nicht direkt sondern mehr implizit bei Kreikebaum zu finden sind. Vgl. Fassin (2005), S. 267. Zum Abhängigkeitsverhältnis von Großunternehmen und kleinen, jungen Unternehmen siehe bspw. auch die Ausführungen zu Abhängigkeiten von Dritten in Volkmann/Tokarski (2006). Vgl. Bucar/Hisrich (2001), S. 59-83. Siehe hierzu die Gesamtstudie von Ulrich/Thielemann (1992). Vgl. Wieland (2004a), S. 19. Vgl. Werhahn (1990), S. 55. Vgl. Frey et al. (2004), S. 56 ; Gerum (1992), S. 253; Bausch (2005), S. 282-283; Petersen (2005a), S. 131.
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auf die Unternehmen und ihre Führungskräfte, seien es nun geschäftsführende Gesellschafter oder angestellte Manager, abzuwälzen. Gleichermaßen ist das Problem vielschichtiger, denn ein Unternehmen befindet sich in einem vernetzten, wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnis mit den Stakeholdern des Unternehmens vor dem Hintergrund unterschiedlichster staatlicher Institutionen. Die Konzepte der Freiheit, Gerechtigkeit, Verantwortung und Glaubwürdigkeit erscheinen dabei immanent.1516 Nach Plesser (1988) handelt ein Unternehmer glaubwürdig, wenn das technisch Machbare, welches ökonomisch realisierbar ist, so weit verwirklicht wird, wie es ökologisch vertretbar und ethisch verantwortbar ist.1517 Wie dies allerdings in der Realität vollzogen wird, ist abhängig vom Geschäftsmodell, der Unternehmenskultur, der Weltanschauung, den kulturellen Gegebenheiten, den Gepflogenheiten der Branche und der Strategie des Unternehmers bzw. Unternehmens. Dabei wird der Unternehmer in seinen Entscheidungen und Handlungen zu Kompromissen genötigt.1518 Die Wertebasis des Unternehmers bildet den Kern des unternehmerischen Handelns. Der Unternehmer steht dabei in einer komplexen Bezugbasis zwischen dem normativen, strategischen und operativen Management.1519 Denn das junge Unternehmen wird in starkem Maße durch die Persönlichkeit des Gründers bzw. Unternehmers geprägt.1520 Abbildung 28 zeigt den Zusammenhang:1521 Wertebasis
Individuum (Unternehmer)
Metaebene Kultur/Natur
direktes Umfeld
normatives, strategisches und operatives Management
(unternehmerischer) Prozess
Abbildung 28: Spannungsfeld des Unternehmers
Wichtig ist für Lehmann (1989), dass der Unternehmer sich, vor dem Hintergrund des Unternehmerbildes, um eine glaubwürdige Vermittlung zwischen Eigen- und Gemeinwohl bemühen sollte.1522 Denn Strümpel (1991) ist der Auffassung, dass das Selbstbild der deutschen Unternehmer, historisch bedingt, durch patriarchalisch-paternalistische Züge gekennzeichnet ist, die bereits im 19. Jahrhundert in der deutschen Industrie bestanden und auch die Zeit überdauert haben. Dabei verbindet sich dies 1516 1517 1518 1519
1520 1521 1522
Vgl. Degenhardt (1989), S. 22. Vgl. Plesser (1988), S. 33. Vgl. Degenhardt (1989), S. 22-23. Vgl. Theile (1996), S. 96-97; Novak (2005), S. 183. Angelehnt an Theile und das St. Galler Management Konzept von Bleicher (1991) und den Ansatz von Kao (1991) zum Unternehmertum, der ein Dreieck von Person, Aufgabe und organisatorischem Kontext annimmt. Vgl. Fueglistaller/Müller/Volery (2004), S. 96. In Anlehnung an Theile (1996), S. 96. Vgl. Lehmann (1989), S. 84-85. Nach Würth (2002), S. 230 kann eine Verbesserung des Bildes des Unternehmers lediglich personenspezifisch erfolgen. Hierzu schlägt Würth eine solide Arbeit sowie Bescheidenheit des Unternehmers als Person vor.
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mit einer modernen Unternehmenskultur, die u. a. auf eine langfristige Sicherung einer Identifikation mit dem Unternehmen durch die Mitarbeiter und Kunden zielt.1523 Schmidt (2005a) merkt an, dass sich eine Vielzahl von Unternehmern in der moralischen Pflicht sehen, dem (Unternehmens-)Umfeld bzw. der Gesellschaft etwas zurückzugeben.1524 In der Unternehmensethik und Wertdiskussion werden kleine und mittlere Unternehmen in Deutschland zumeist nicht wahrgenommen, obwohl diese Unternehmen in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten erfolgreiche Unternehmensentwicklungen zu verzeichnen hatten. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor erscheint dabei eine ausgeprägte Wertorientierung der Unternehmensgründer zu sein, die als Orientierungshilfe und Rückhalt der Mitarbeiter fungiert.1525 Dabei werden viele mittelständische Unternehmen durch die persönlichen Wertvorstellungen der Inhaber geprägt.1526 Auch Lahdesmaki (2005) sieht einen Mangel an empirischer Forschung junger Unternehmen, denn junge Unternehmen bzw. kleine Unternehmen operieren nicht in einem ethischen Vakuum. Vielmehr sind die Unternehmen und die Unternehmer jeden Tag mit unterschiedlichen moralischen Problemstellungen konfrontiert.1527 Bereits Voltaire ist der Auffassung, dass erfolgreiche Kaufleute von Berufswegen ein realistischeres sowie solideres Verhältnis zur Ethik besitzen, als rein theologische, pädagogische sowie philosophische Moralisten.1528 Denn Unternehmerpersönlichkeiten haben oftmals die Begabung eigene Werte zu schaffen, die sie verfolgen.1529 Dürr (2000) sieht die moralische Verantwortung des Unternehmers im Unternehmen als Verantwortung für die Mitarbeiter des Unternehmers bzw. des Unternehmens. Eine Umsetzung dieses Anspruches muss sich in der täglichen operativen Ausübung der Unternehmensführung widerspiegeln. In Ableitung dieser Sicht wird auch eine gesellschaftliche Verantwortung übernommen.1530 Darüber hinaus kann dem Unternehmer eine Verantwortung gegenüber dem Anwender bzw. Verbraucher seiner Produkte, dem Kunden, zugeschrieben werden.1531 Dies impliziert, vor einer Argumentation der Verantwortungsethik, dass das Unternehmen bspw. ungefährliche und auch umweltfreundliche Produkte produzieren sollte.1532 Drucker (1993) merkt an, dass verantwortungsorientierte Unternehmen, die ethisch-nachhaltig Handeln und soziale Verantwortung übernehmen, erfolgreicher sind, als Unternehmen, die lediglich eine kurzfristige Gewinnmaximierung anstreben.1533 Aber das rechte Handeln in der Unternehmenspolitik zu bestimmen ist mit Schwierigkeiten verbunden. Denn bei einer Beurteilung des Handelns müssen die Handlungsfolgen einbezogen werden. Dabei ist eine Einschätzung vor dem Hintergrund eines komplexen Wirkungszusammenhangs äußert schwer.1534 Bereits nach Röpke (1979) wird eine geringe Anzahl ethisch engagierter Unternehmer, die den Markt jenseits von Angebot und Nachfrage sehen, nicht ausreichend sein, um den Markt dauer1523 1524 1525 1526 1527 1528 1529 1530 1531 1532 1533 1534
Vgl. Strümpel (1991), S. 248. Vgl. Schmidt (2005a), S. 13. Vgl. Bohlander (2004), S. 166. Vgl. Remmers (2002), S. 137; Borchers (2005), S. 520-521. Vgl. Lahdesmaki (2005), S. 55. Vgl. Sass (1992), S. 234. Vgl. Breuninger (2006), S. 105. Vgl. Dürr (2000), S. 18. Vgl. Lehrmann (1989), S. 85. Siehe zur Verantwortungsethik die Ausführungen in Kapitel 2.1.3.7.6. Siehe hierzu die Argumentationslinie bei Drucker (1993). Vgl. Hax (1993), S. 772; Wieland (1998a), S. 32.
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haft zu verändern.1535 Zu beobachten ist jedoch, dass auch Vorstandsvorsitzende bzw. Geschäftsführer, wie bspw. Rolf Gerling, Michael Otto oder Stephan Schmidheiny, eine Investition in eine ethische Wirtschaftsweise langfristig als profitabel betrachten. Dabei ist festzustellen, dass eine solche ethische Sichtweise zumeist von Unternehmern vorgenommen wird, die unabhängig von der Börse agieren. Es handelt sich um eigentümergeführte Unternehmen.1536 Nach Wieland (2004a) sind sich bedeutende bzw. einflussreiche Unternehmerpersönlichkeiten bewusst, dass ihre Unternehmen, neben der ökonomischen Verantwortung, auch eine soziale und moralische Verantwortung wahrzunehmen haben. Im Rahmen ihrer Handlungen und Entscheidungen haben sie ihre Werte, im Sinne eines Vorbildes, an die Unternehmenskultur, ihr Unternehmen und die Nachfolger weitergegeben.1537 Eine Vorbildrolle wahrnehmen zu können bedeutet, auch in schwierigen Situationen (bzw. moralischen Dilemmata) als Vorgesetzter (bzw. Unternehmer) sichtbar zu sein, sich als Vertrauensperson zu beweisen und eine Orientierungshilfe zu sein. Dabei muss ein Einklang zwischen Reden und Handeln erzeugt werden, wie es bei Hambrecht/Kokott (2004) im Sinne des Mottos „walk the talk“ beschrieben wird.1538 Allgemein besitzt ein Unternehmer nach Spieker (1989) eine Gemeinwohlverantwortung. Durch eine (faire) Erwirtschaftung von Gewinnen, die Schaffung bzw. den Erhalt von Arbeitsplätzen leistet ein Unternehmer einen Beitrag zum Gemeinwohl. Somit sei nach Spieker die Rentabilität des Unternehmens ein Teil seiner Gemeinwohlverantwortung. Denn durch das Unternehmen wird eine Förderung des Gemeinwohls, bspw. durch die Bereitstellung von Produkten und Dienstleistungen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen, geleistet.1539 Gleichermaßen merkt Wieland (1999) an, dass bspw. Steuerungsdefizite nationalstaatlicher Rahmenordnungen, sowie auch die Konkurrenz solcher nationalstaatlicher Rahmenordnungen, in der globalisierten Welt verstärkt zu einer Zuordnung gesellschaftspolitischer Verantwortung und einem Gestaltungsauftrag an die Unternehmen führen.1540 In diesem Kontext ist speziell der Unternehmer von entscheidender Bedeutung. Die Unternehmerpersönlichkeit beeinflusst mit ihren Wert- und Zielvorstellungen alle Bereiche und Handlungen des unternehmerischen Geschehens. Dabei trifft der Unternehmer die bedeutendsten strategischen, personellen und organisatorischen Entscheidungen. Darüber hinaus trägt er gegenüber den Stakeholdern, wie den Mitarbeitern, Kunden, aber auch der Öffentlichkeit bzw. Gesellschaft, eine moralische Verantwortung.1541 Karitzki (2004b) ist der Auffassung, dass Unternehmer nicht allein an ihren ökonomischen, sondern auch an ihren ethischen Handlungen zu messen sind. Dabei sollte ein Unternehmer nicht vor dem Hintergrund (potenzieller) Sachzwänge des Marktes argumentieren.1542 Aus dieser zentralen Rolle des Unternehmers bzw. Gründers können sich allerdings auch Probleme ergeben. Handelt der Unternehmer nicht als ethisch-moralisches Vorbild, so kann sich in dem Unternehmen eine Unternehmenskultur etablieren, die ethisch-moralischen Ansprüchen, bspw. gegenüber der Gesellschaft, nicht gerecht wird. Denn die Strukturen und Prozesse sind stark abhängig von den persönlichen Be1535 1536 1537 1538 1539 1540 1541 1542
Siehe umfassend die Gesamtargumentation bei. Röpke (1979). Vgl. Merck (2002), S. 45-46. Vgl. Wieland (2004a), S. 14. Vgl. Hambrecht/Kokott (2004), S. 78. Vgl. Spieker (1989), S. 106-107. So auch Werhahn (1990), S. 35. Ähnlich Leisinger (1997), S. 20. Vgl. Wieland (1999b), S. 18. Vgl. Theile (1996), S. 40 und 44. Vgl. Karitzki (2004b), S. 5-6.
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ziehungen. So kann hieraus für das Unternehmen eine potenzielle Gefahr erwachsen.1543 Das Verhalten und die Vorbildfunktion sind somit von besonderer Bedeutung. Albach (2005a) ist der Auffassung, dass Unternehmer (und Mitarbeiter) in ihrer weitaus überwiegenden Anzahl keiner Belehrung durch Ethiker oder Unternehmensethiker bedürfen. Zwar handeln einige Unternehmer unethisch bzw. unmoralisch im Sinne „Schwarzer Schafe“, allerdings ist Albach der Auffassung, dass diese durch Gesetze und Markt sowie die Medien und die öffentliche Meinung, zumindest mittelfristig, daran gehindert werden, unmoralisch zu handeln.1544 Dieser Aussage kann wohl für den zweiten Teil der Regulierungsmechanismen weitgehend zugestimmt werden, allerdings ist kritisch anzumerken, dass eine Belehrung durch die Ethik verstanden als ein Moralisieren, nicht zu den Aufgabenbereichen einer vernünftig-theoretisch-praktikablen Ethik zählen sollte. Ein Belehren ist gerade zu vermeiden. Vielmehr sind Muster, (theoretische) Denk- und Handlungsstrukturen, praktische Hinweise und Handlungsanleitungen und die Förderung einer Reflexionskompetenz ein Teilbereich der Ethik. 2.4.1.4
Zur ethischen Bedeutung junger Unternehmen in der Ökonomie
Im Gegensatz zu Deutschland wurde in den USA in den letzten zwei Jahrzehnten verstärkt eine Kultur der Selbständigkeit gefördert, die den einzelnen dazu auffordert sein Leben selbst in die Hand zu nehmen. In Deutschland besteht zum einen eine Lücke in der Beschäftigung abhängig Beschäftigter. Weiterhin existiert in größerem Maße eine Unternehmerlücke.1545 Unternehmer, und somit u. a. auch junge Unternehmen, sind für die Wirtschaft allerdings von Bedeutung. Unternehmer können durch die Planungsaktivitäten und den hieraus resultierenden Handlungen als Mitgestalter der Zukunft betrachtet werden. Aus diesem Grunde besitzen sie eine hohe Verantwortung für eine Verwirklichung menschenwürdiger Verhältnisse in Gegenwart und Zukunft.1546 Obwohl kleine und mittlere Unternehmen, zu denen auch junge Unternehmen i. d. R. gehören, die größte Anzahl aller wirtschaftlichen Institutionen bilden, werden zumeist Großunternehmen in ihren Handlungen und ihrer (vermeintlichen) Bedeutung verstärkt wahrgenommen. In der Debatte um Unternehmensethik werden kleine und mittlere Unternehmen fast vollständig ignoriert. Enderle (2004) ist jedoch der Auffassung, dass eine Übernahme und Realisierung einer Verantwortung von Unternehmen im Sinne einer Unternehmensethik für kleine und mittlere Unternehmen nicht nur möglich, sondern vielmehr unerlässlich im Rahmen der (Welt-)Wirtschaft ist. Durch verantwortliches Handeln wird ein positiver Beitrag zur Verbesserung ethischen Verhaltens im Kontext der Globalisierung erzielt.1547 Aus gesamtgesellschaftlicher und ökonomischer Sicht haben junge Unternehmen mit ihren Handlungen auch eine Verantwortung gegenüber nachfolgenden jungen (Start-up)Unterrnehmen. Sie sollten durch ihre Handlungsweisen versuchen, kein negatives Unternehmer- bzw. Unternehmensbild
1543 1544 1545 1546
1547
In Anlehnung an Theile (1996), S. 49. Vgl. Albach (2005a), S. 15. Vgl. Dürr (2000), S. 19. Siehe zur Diskussion bspw. als Ausgangsbasis breits auch Hamer (1984). Vgl. Döpfner (1989), S. 140. Siehe auch die Definition von Röpke (1979), S. 377-378, der den Unternehmer mit einem Kapitän vergleicht, dessen Hauptaufgabe in der ständigen Navigation auf dem Meer des Marktes mit seinen der menschlichen Natur entsprechenden Unberechenbarkeiten besteht. Die Funktion des Unternehmers ist die für die Wirtschaft unentbehrliche Abstimmung von Angebot und Nachfrage. Vgl. Enderle (2004), S. 255-256.
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zu erzeugen. Ein Beispiel sind die teilweise unethischen, und bisweilen auch illegalen Handlungen bzw. Geschäftsmodelle, junger Unternehmen während des New-Economy-Hypes, die nicht eine langfristige Unternehmenssicherung zum Ziel hatten. Dies konnte mitunter zu einem negativen Image bzw. einer negativen Wahrnehmung der Unternehmerfunktion bzw. junger Unternehmen in der Gesellschaft führen. Anzumerken ist hierbei, dass dies allerdings nicht alleine als Schuld für den Zusammenbruch des Marktes gesehen werden kann. Einen hohen Einfluss kann auch der Überinvestition der Kapitalseite in einen allgemein überschätzten Markt zugeschrieben werden.1548 Nach Stiglitz (2004) kann die Verletzung ethischer (Grund-)Regeln den Ruf eines gesamten Berufsstandes, einer Branche bzw. eines Sektors schädigen.1549 Mugler (1993) ist der Auffassung, dass durch kleine und mittlere Unternehmen eine gewisse Stabilität der Gesellschaft gesichert und die Gefahr des Auftretens radikaler Strömungen vermindert wird.1550 Allgemein kann festgestellt werden, dass Unternehmen als integraler Bestandteil der Gesellschaft wahrgenommen werden, da sie durch diese in ihren Handlungen beobachtet, bewertet und mitunter auch sanktioniert werden. Die Unternehmen bzw. die Wirtschaft tragen neben der Judikative, Legislative, Exekutive, und verstärkt auch den Medien, zukünftig nicht allein eine Kapital- und Produktverantwortung, sondern auch eine Verantwortung für die Entwicklung der Gesellschaft. Dabei stehen (junge) Unternehmen in einem Spannungsverhältnis zwischen Globalisierung und Gemeinwohlorientierung. Aus diesem Grunde sind (junge) Unternehmen in besonderer Weise ethisch und gesellschaftlich gefordert.1551 Denn speziell in jungen Unternehmen kann von Anfang der Unternehmensentwicklung an Einfluss auf das moralisch-ethische Verhalten genommen und dieses zielorientiert gesteuert werden. Sollen Eigenaktivität, Unternehmensgeist, Tatkraft und Wagnisbereitschaft gefördert werden, so ist das sozialökonomische System an den Gesetzmäßigkeiten des menschlichen Verhaltens, und nicht umgekehrt, auszurichten.1552 Brenkert (2002) ist der Auffassung, dass im Kontext des Entrepreneurship nicht alleine die Gründung neuer Unternehmen bzw. die Tätigkeiten in der Ökonomie von Bedeutung sind. Vielmehr ist es wichtig, wie die Gesellschaft aktuell und für die Zukunft gestaltet werden soll. Dabei beinhaltet eine unternehmerische Gesellschaft das Konzept des Wandels. Dieser ist nicht allein auf Produkte und Dienstleistungen bezogen, sondern auf die Art wie Menschen leben und arbeiten. Vielmehr vollzieht sich ein Wandel in allen Bereichen. Hierbei ist auch ein Wandel von Individuen und Institutionen intendiert. Verbunden ist dieser auch mit einer kontinuierlichen Überprüfung und einem Wandel einer Individual- und Institutionenethik. Wandel und Flexibilität beinhalten unterschiedlichste ethische Implikationen.1553 Junge Unternehmen sind einem Interessenkonflikt unterschiedlicher Stakeholder ausgesetzt. Auf der einen Seite sind bei einem Scheitern der Geschäftsidee bspw. die Kapitalgeber (die ihr Kapital verlieren würden), die Mitarbeiter (die ihren Arbeitsplatz verlieren würden) oder die Gesellschaft im Allgemei1548
1549 1550 1551 1552 1553
Vgl. Schmidt (2004), S. 151-153. Eine ausführliche Aufarbeitung des Betrugsfalles des jungen Unternehmens Refugium AG mit seinen ethisch-moralischen und strafrechtlichen Implikationen liefert Küthe (2004). Vgl. Stiglitz (2004), S. 83. Vgl. Mugler (1993), S. 39-40. Vgl. Mosdorf (2004), S. 19-21; Schmoldt (2004), S. 70. Vgl. Dehner (2006), S. 81. Vgl. Brenkert (2002), S. 33.
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nen (die Ressourcen verlieren würde) betroffen. Auf der anderen Seite besitzen die Stakeholder ein Interesse an Innovationen und somit neuen Ideen, Geschäftsmodellen und Produkten.1554 In diesem Kontext können Innovationen nach Produrktinnovationen, Prozessinnovationen, Strukturinnovationen und Sozialinnovationen differenziert werden.1555 Hierin spiegelt sich auch die soziale (Innovations)Verantwortung von Unternehmern wider, und nicht alleine ihre (rein) ökonomische Verantwortung. Schmidt (2004) sieht junge Unternehmen in der Pflicht zu einer Transparenz gegenüber den Stakeholdern im Sinne eines Risikomanagements. Darüber hinaus sollen junge Unternehmen die Pflicht zu einer wirtschaftlichen und moralischen Nachhaltigkeit wahrnehmen. In dieser soll der Unternehmer im Rahmen seiner Möglichkeiten (ernsthaft und vollständig) prüfen, ob sich die Geschäftsidee dauerhaft wirtschaftlich realisieren lässt. Dabei sollen junge Unternehmen ein Engagement zur Realisierung neuer Ideen beweisen. Die Unternehmen sind hier nicht einseitig in der Pflicht, sondern auch deren Stakeholder. So wird die Transparenz auch von (Risiko-)Kapitalgebern und anderen Stakeholdern gefordert. Gleichermaßen besteht durch die Gesellschaft eine Pflicht zur Förderung eines positiven Gründungsklimas und einer Reduktion der Auswirkungen eines unternehmerischen Scheiterns. Als zentrale Pflicht der Gesellschaft gegenüber den Unternehmen wird eine positive Ethik-Debatte begründet. Diese soll jungen Unternehmen nicht allein ethische Grenzen aufzeigen, sondern Inhalte und Richtungen (sozialer) Innovationen und (ethischer) Handlungen diskutieren.1556 Somit besitzen junge Unternehmen nicht allein eine Pflicht, es sollen auch Rechte an sie herangetragen werden.
2.4.2
Zur Ethik in der Unternehmensentwicklung
Die Ethik von Unternehmern bzw. die Ethik in Unternehmen kann sich im Laufe des Wachstums des Unternehmens, und hiermit verbunden, der Anzahl seiner Organisationsmitglieder, seiner Strukturen und Prozesse, weiterentwickeln. Mögliche Entwicklungstendenzen und theoretische Implikationen in diesem Kontext sollen in den folgenden Kapiteln näher gehend erörtert werden, beginnend mit einer kurzen, allgemeinen Erörterung zum Wachstum von Unternehmen und, hierauf aufbauend, der Darstellung zweier theoretischer Modelle einer ethischen Entwicklung von Unternehmen. 2.4.2.1
Zum Wachstum von Unternehmen
In der Literatur existiert keine einheitliche Definition zum Wachstum von Unternehmen. Ausgehend von den theoretischen Überlegungen von Penrose (1959) zum Unternehmenswachstum, wird Wachstum zumeist als positiver quantitativer oder qualitativer Veränderungsprozess im Sinne eines quantitativen und qualitativen Wachstums differenziert.1557 Wobei anzumerken ist, dass junge Unternehmen nach dem Akt der formalen Gründung über ein hohes überproportionales quantitatives Wachstum verfügen.1558 Als Voraussetzung für die Realisierung von Wachstum wird angenommen, dass ein junges Unternehmen über ein wirtschaftlich tragfähiges Geschäftsmodell verfügt und hierbei ein ausreichend 1554 1555 1556 1557
1558
Vgl. Schmidt (2004), S. 154-155. Vgl. Volkmann/Tokarski (2006), S. 89-91. Vgl. Schmidt (2004), S. 156-157. Vgl. Hommel/Knecht (2002), S. 9. Als grundlegendes Werk zum Themenkomplex des Wachstums siehe Penrose (1995); Albach (1986). Eine Reflexion der Theorie von Penrose (1995) liefert das Herausgeberwerk von Pitelis (2002). Zur weitergehenden Frage, warum Unternehmen verschieden sind, siehe bspw. Knyphausen-Aufseß (1993) oder Agell (2004). Vgl. Heil (1999), S. 9-46.
250
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großes Marktpotenzial vorliegt.1559 Dabei kann das Geschäftsmodell bzw. die unternehmensstrategischen Überlegungen und Visionen bereits ethischen Ansprüchen genügen oder diese explizit berücksichtigen, um dies für das Unternehmenswachstum zu nutzen.1560 Quantitatives Wachstum beinhaltet die Zunahme von direkt messbaren Variablen. Messbare Variablen sind in diesem Kontext bspw. der Absatz, der Umsatz, der Marktanteil, der Gewinn, die Bilanzsumme, die Neuinvestitionen, das Eigen-, Fremd- oder Mezzanine-Kapital, die Anzahl der Mitarbeiter, die Zahl der Patentanmeldungen oder aber die regionale Reichweite des Unternehmens. Als gebräuchliche Variablen zur Messung des quantitativen Wachstums werden der Umsatz und die Anzahl der Mitarbeiter verwendet.1561 Die Messung der Ethik nach quantitativen Aspekten ist in diesem Zusammenhang nicht trivial, da sich Ethik nicht alleine in quantitativen Aspekten widerspiegelt. Unternehmen können ethisch handeln, obwohl dieses anhand quantitativer Kriterien nicht ersichtlich wird. Im Rahmen möglicher quantitativer Kriterien könnte bspw. geprüft werden, ob bereits Ethikkodizes, Ethikbeauftragte, Ombudsstellen, Ethikkomitees, Ethikkommissionen, Ethik-Management-Systeme, Ethiktrainings oder Ethikaudits eingeführt wurden, in welcher Anzahl und wie sich diese um Laufe der Zeit quantitativ entwickelt haben.1562 Wie sich das Verhältnis zwischen (formalen) Maßnahmen gegenüber einer informellen (durch den Unternehmer gelebten) Ethik im Unternehmen, vor dem Hintergrund der Unternehmenskultur, gestaltet, sollte in den nächsten Jahren, speziell in der deutschen Wissenschaft, näher gehend untersucht werden. Anzumerken ist hierbei, dass nicht nur auf quantitative Maßnahmen geachtet werden kann. Denn jede Handlung bzw. jedes Verhalten sollte nach ethischen Maßstäben bewertet werden. Eine Bewertung ist dabei qualitativer Natur. Daher scheint, gerade im Entrepreneurship-Kontext, die Beuteilung der Ethik bzw. des ethischen Verhaltens in (wachsenden) Unternehmen im Sinne einer qualitativen Beobachtung erfolgversprechend zu sein, da quantitativ erfassbare Ethikmaßnahmen in jungen Unternehmen i. d. R. noch nicht etabliert sind. So sieht auch bspw. Pieper (2004) im Rahmen der Ethik qualitative Werte als entscheidend an.1563 Im Gegensatz zum quantitativen Wachstum kann das qualitative Wachstum definiert werden als die Zunahme der Leistungsfähigkeit des Unternehmens hinsichtlich nicht unmittelbar quantifizierbarer Variablen bzw. Merkmale. Als qualitatives Wachstum kann z. B. die Verbesserung der Ergebnisse der Unternehmenstätigkeit ohne Veränderung der Unternehmensgröße in Bezug auf die Unternehmensinputs definiert werden.1564 Beispiele für ein qualitatives Wachstum sind eine Verbesserung der Produktqualität oder der Qualität der Kundenbeziehungen. Zu den qualitativen Variablen zählen weiterhin die Managementkompetenz, Innovationen, Qualität der Mitarbeiter sowie eine Nachhaltigkeit in
1559 1560 1561
1562 1563 1564
Vgl. Volkmann/Tokarski (2006), S. 393-394. Siehe hierzu die Kapitel 2.4.3.1 und 2.4.3.2. Vgl. Volkmann/Tokarski (2006), S. 394-395. Siehe auch Kock (2002), S. 660-661. Auf die Problematik der Messung des quantitativen Wachstums sei an dieser Stelle nicht weiter eingegangen. Konkret wird die Problematik der quantitativen Messung des Wachstums junger Unternehmen bspw. bei Fragen der Unternehmensbewertung deutlich. Hierbei spielt die Berücksichtigung der Einflussgrößen auf zukünftige Gewinn- und Wertsteigerungspotenziale eine zentrale Rolle. Zur Erörterung dieser Maßnahmen siehe die Ausführungen des Kapitels 2.4.3.7. Vgl. Pieper (2004), S. 53. Vgl. Volkmann/Tokarski (2006), S. 396. Siehe grundlegend auch Kürpick (1981).
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der Unternehmensentwicklung. Im Rahmen des Wachstums vollzieht sich auch ein Wandel der Werte bzw. des Wertesystems des Unternehmens.1565 Qualitatives Wachstum ist allerdings insgesamt nur schwer messbar. Gleichermaßen sind auch die Messung eines ethischen Wachstums bzw. des Wandels ethischen Verhaltens und Maßnahmen von Unternehmen im Wachstumsprozess schwierig zu beurteilen. Denn ethische Betrachtungen sind multidimensional. Mögliche Betrachtungsdimensionen können sich in der Strategie, der Organisationsstruktur, der Produkte sowie in den einzelnen Funktionsbereichen, wie bspw. Marketing, Finanzen oder Personal, widerspiegeln. Das Wachstum ist mit einem Prozess des strategischen Wandels und der Neuausrichtung aller Bereiche des Unternehmens verbunden. Dabei ist auf einen strategischen Fit zwischen dem Unternehmen und seinen Ressourcen sowie seiner Umwelt zu achten.1566 Nach Allen (1999) besteht die Herausforderung darin, eine organisationale Struktur zu generieren, die angemessen ist, um in der Umwelt des wachsenden Unternehmens bestehen zu können.1567 Für Pierer (2002) basiert ein erfolgreiches, langfristiges Wachstum dabei auf einem Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen. Denn Umweltschutz ist ein essentieller Bestandteil nachhaltigen Handelns.1568 Während der Entwicklung von Unternehmen prägen diese innere Widersprüche aus. Dabei können diese inneren Widersprüche zu einem negativen Einfluss auf die Arbeit des Unternehmens führen. Hieraus ergibt sich die Forderung eines Erkennens von Sinnkonflikten und deren Lösung.1569 Gerade im Wachstumsprozess von Unternehmen, welcher zumeist durch Turbulenzen gekennzeichnet ist, besitzen nach Brink (2004b) moralische Unternehmen, verstanden als Moral Leader, Vorteile in der Bewältigung dieser Zeiten, bspw. durch die Beachtung einer mitarbeiterfreundlichen Unternehmenskultur.1570 In erfolgreichen Unternehmen werden Mitarbeiter wie erwachsene, mündige Personen behandelt. Einwände, Anregungen oder Kritiken werden aufgenommen und beachtet.1571 Denn Anpassungs- und Wachstumsprozesse im Unternehmen sind in Kooperation und gemeinsamer Anstrengung mit den Mitarbeitern zu vollziehen. Hierbei sind Diskussionen sowie Dialoge und eine offene Informationspolitik von Bedeutung. Dabei ist Dürr (2000) der Auffassung, dass nur wenn (potenziell) negative Informationen und Entwicklungen durch den Unternehmer kommuniziert werden, eine positive Glaubwürdigkeit bei den Mitarbeitern erzeugt wird. Erfahren Mitarbeiter eine bewusste Täuschung, so können die Kommunikationsbereitschaft sowie das Vertrauen möglicherweise auf längere Zeit geschädigt sein.1572 2.4.2.2
Modelle ethischer Entwicklung von Organisationen
Ähnlich den unterschiedlichen theoretischen Modellen bzw. Erklärungsansätzen zum (ökonomischen) Wachstum von Unternehmen (und Märkten), wie u. a. evolutionstheoretische bzw. populati1565 1566
1567
1568 1569 1570 1571 1572
Vgl. Kock (2002), S. 660. Vgl. Zajac/Kraatz/Bresser (2000), S. 429-453. Eine erste (historische) Einführung in die Thematik des Wachstums von Unternehmen liefert bspw. das Herausgeberwerk von Livesay (1995). Siehe weiterführend auch. Covin/Slevin (1997); Arbaugh/Camp (2000); Witt (2002). Vgl. Allen (1999), S. 171. Baghai/Coley/White (1999), S. 45-46 merken, an, dass Wachstum auch durch den Unternehmer bzw. den Manager gewollt und intendiert sein muss. Vgl. Pierer (2002), S. 64. Vgl. Cranach (2005), S. 71. Vgl. Brink (2004b), S. 251-252 und 254. Vgl. Werhahn (1990), S. 84. Vgl. Dürr (2000), S. 17.
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onsökologische Ansätze nach Hannan/Freeeman (1977, 1984), Phasen- bzw. Lebenszyklusmodelle nach Greiner (1972, 1998), Pfeiffer/Bischof (1974), Kazanjian (1988), Gomez/Zimmermann (1993), Timmons/Spinelli (2004), oder aber Prozessmodelle nach Covin/Slevin (1997), haben sich in der Theorie auch spezifische Modelle einer ethischen Entwicklung von Organisationen entwickelt, von denen im Folgenden zwei näher gehend erörtert werden sollen.1573 2.4.2.2.1
Zum Modell von Reidenbach/Robin
Inspiriert durch die grundlegenden Arbeiten von Kohlberg haben Reidenbach/Robin (1991) ein empirisch gestütztes Modell der Moralentwicklung von Unternehmen entwickelt, wobei anzumerken ist, dass eine direkte Übertragbarkeit der Annahmen von Kohlberg nicht möglich ist. Denn Unternehmen entwickeln sich anders als Individuen. Im Rahmen der Modellentwicklung wurden die Handlungen von Unternehmen in Bezug auf unterschiedliche Situationen analysiert. Als klassifikatorische Variablen wurden die Managementphilosophie und Einstellungen, die Anzeichen ethischer Werte der Unternehmenskultur sowie die Existenz und Zunahme organisationaler kultureller Ethik und Artefakte, wie bspw. Ethikkodizes, Ombudsmänner etc., betrachtet.1574 Die moralische Entwicklung eines Unternehmens wird bestimmt durch die Unternehmenskultur. Beide Dimensionen stehen in einem wechselseitigen Verhältnis, denn die moralische Entwicklung wirkt auch unterstützend bei einer Definition der Unternehmenskultur. Im Kern erlebt die Unternehmenskultur eine moralische Entwicklung. Nach Reidenbach/Robin kann die Moralentwicklung eines Unternehmens klassifiziert werden durch unterschiedliche Grade der Erkennung sozialer Aufgaben und deren Kombination mit ökonomischen Aufgaben.1575 In dem hieraus resultierenden Modell werden fünf Stufen unternehmerischer Moralentwicklung unterschieden. Die Bezeichnung jeder Stufe basiert auf dem Verhaltenstypus, der in den Unternehmen identifiziert werden konnte. Hierbei handelt es sich, von einem unethischen Verhalten bis zu einem ethischen Verhalten, um die Stufen amoralisch (amoralisch), legalistisch (legalistic), reagierend (responsive), aufkommende Ethik (emerging ethical) und ethisch (ethical).1576
1573
1574 1575 1576
Siehe eine Übersicht zu Modellen der Unternehmensentwicklung bspw. bei Szyperski/Nathusius (1999), Kaiser/Gläser (1999) oder Höft (1992). Für grundlegende Modelle siehe Greiner (1972); Pfeiffer/Bischof (1974); Hannan/Freeeman (1977); Hannan/Freeman (1984); Kazanjian (1988); Gomez/Zimmermann (1993); Covin/Slevin (1997); Greiner (1998); Timmons/Spinelli (2004). Vgl. Reidenbach/Robin (1991), S. 274. Vgl. Reidenbach/Robin (1991), S. 273-274. Vgl. Reidenbach/Robin (1991), S. 274.
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253
Abbildung 29 zeigt das Modell von Reidenbach/Robin (1991).1577 balanced concern n er nc co
stage 2 stage 1
g rgin eme al c i eth
ics eth
stage 3
al ethic
d an
stage 4
s fit ro rp fo
stage 5
ve onsi resp listic lega
unbalanced concern
ral amo
Abbildung 29: Modell unternehmerischer Moralentwicklung
Zur Operationalisierung des Modells gelten die folgenden acht Prämissen:1578
1577 1578 1579
Nicht alle Unternehmen durchlaufen alle Stufen der Moralentwicklung. Nicht alle Unternehmen sind als ethische Unternehmen (vorher-)bestimmt. Die höchste moralische Entwicklungsstufe eines Unternehmens ist eine Funktion unterschiedlicher Faktoren, wie bspw. der bzw. die Gründer des Unternehmens und ihre individuellen Werte, das (Top-)Management, Faktoren der Unternehmensumwelt (Chancen und Risiken), die Unternehmensgeschichte und Mission des Unternehmens oder aber die Branche.1579 Ein Unternehmen kann nach der Gründung in jeder der fünf Stufen eine moralische Entwicklung beginnen. In welcher Stufe sich das Unternehmen zu Beginn befindet ist u. a. abhängig von den situationalen Faktoren, die in der ersten Prämisse genannt wurden, wobei der Einfluss des Gründers von besonderer Bedeutung ist. Die meisten Unternehmen der ersten Stufe verlassen diese Stufe nicht. Amorale Organisationen erzeugen aufgrund ihrer inhärenten Natur und opportunistischen Philosophie eine (Unternehmens-)Kultur, welche nicht in der Lage ist, Werte sowie Normen und Regeln der Gesellschaft zu adaptieren. Aus diesem Grunde sind die Unternehmen zumeist gezwungen, entweder ihre Unternehmenstätigkeit einzustellen oder schnell ihren (Unternehmen-)Lebenszyklus zu durchlaufen. Unternehmen, welche die erste Stufe überwinden, vollziehen dies durch signifikante strukturelle und kulturelle Veränderungen.
Vgl. Reidenbach/Robin (1991), S. 274. Vgl. Reidenbach/Robin (1991), S. 274-275. Vgl. Reidenbach/Robin (1991), S. 274. Siehe hierzu auch Robin/Reidenbach (1987).
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Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
In einem Unternehmen, das aus unterschiedlichen Abteilungen, strategischen Geschäftseinheiten, Divisionen etc. gebildet wird, können unterschiedliche moralische Entwicklungen zur selben Zeit bestehen. Diese Annahme basiert auf subkulturellen Differenzen innerhalb der Organisation. Die unternehmerische Moralentwicklung muss nicht ein kontinuierlicher Prozess sein, denn Unternehmen können individuell Stufen überspringen bzw. auslassen. Unternehmen einer spezifischen Stufe können auch wieder auf eine andere Stufe wechseln bzw. auf eine vorgelagerte Stufe zurückfallen, wenn Belange ökonomischer Werte nicht adäquat mit Anliegen moralischer Werte ausgeglichen sind. In Zeiten wirtschaftlichen Drucks bzw. bei Anspannungen im Unternehmen kann das Streben nach ökonomischen Werten überwiegen, unbeachtet der Moralität dieser Werte. Gleichermaßen kann bspw. ein neues Management auch als Auslöser für einen Rückschritt gesehen werden. Mit der moralischen Entwicklung von Unternehmen ist keine zeitliche Dimension verbunden. Die Dauer, die ein Unternehmen auf einer Stufe verweilt, wird durch die Funktion der Faktoren der ersten Prämisse bestimmt. Auch bei Unternehmen derselben Stufe können sich, aufgrund der Funktion der Dynamik der Moralentwicklung, Unterschiede in der Moralentwicklung ergeben.
Stufen der organisationalen Moralentwicklung Stufe 1 – Die amorale Organisation Eine amorale Organisation besitzt eine Unternehmenskultur, deren Einstellung beschrieben werden kann als „Gewinnen um jeden Preis“. Die Unternehmenskultur hat kein Problembewusstsein hinsichtlich ethischer Ansprüche. Vielmehr sind Produktivität und Profitabilität die dominierenden Werte dieser Kultur. Das Interesse an Ethik, wenn überhaupt existent, kommt lediglich erst dann auf, wenn das Unternehmen etwas falsch gemacht hat und hierfür zu Verantwortung gezogen werden soll. Diese Kultur ist gekennzeichnet durch den Glauben der Lenkung durch eine unsichtbare Hand nach Adam Smith. Gleichermaßen ist die primäre Auffassung der Legitimität bzw. sozialen Verantwortung von Unternehmen, dass allein Gewinne erzielt werden sollen. Führung wird durch Macht und Autorität vollzogen. Gehorsam wird geschätzt und belohnt. Ungehorsam, auf einer moralischen Ebene, wird bestraft, typischerweise durch den Ausschluss aus der Organisation. Um die Mitarbeiter wird sich wenig gesorgt. Diese werden vielmehr als eine ökonomische Produktionseinheit betrachtet. Den Kern der Unternehmenskultur bildet die philosophische Einstellung, dass das Geschäftliche nicht Gegenstand der Regeln ist, die für Individuen gelten. Eigentümer werden als bedeutendste Stakeholder betrachtet. Aus einem geringen Glauben an Werte einer Unternehmensumwelt resultieren geringe Werte eines Unternehmens.1580 Stufe 2 – Die legalistische Organisation Auf der zweiten Stufe sind legalistische Unternehmen angeordnet. Diese werden so bezeichnet, weil Hauptbeschäftigung und auch die Sorge des Unternehmens darin besteht, den Worten von Gesetzen statt der Intention und den intendierten Absichten von Gesetzen zu folgen. Unternehmen der zwei1580
Vgl. Reidenbach/Robin (1991), S. 275.
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ten Stufe sind durch einen vorschreibenden Gehorsam gegenüber Gesetzen, Kodizes und Regulationen gekennzeichnet. Für Unternehmen dieser Stufe ist die Legalität einer Handlung wichtiger, als die Moralität einer Handlung. Im Unternehmen kommt der Rechtsabteilung bzw. den Anwälten und Justiziaren eine hohe Bedeutung zu. Denn sie operieren als eine Kontrolleinheit gegen Fehlverhalten bzw. Rechtsverletzungen. Im Rahmen einer solchen Unternehmenskultur herrscht die Auffassung vor, dass das Gesetz bzw. Recht gleichbedeutend mit Gerechtigkeit ist, und dass kein Unterscheid zwischen dem was legal und was richtig und gerecht ist besteht. So genannte Codes of Conducts1581 (Verhaltensstandards) reflektieren die legalistische Denkweise. Der primäre Schwerpunkt liegt immer noch auf der Profitabilität des Unternehmens. Diese muss aber auf legalem Wege, nicht auf moralischem Wege, erzielt werden.1582 Die Eigentümer sind immer noch die bedeutendsten Stakeholder des Unternehmens. Unternehmen der zweiten Stufe sind Folger, nicht soziale Führer. Aus gesellschaftlicher Sicht kann von diesem Unternehmen keine tragende moralische Rolle erwartet werden, solange Moral und Recht nicht zusammenfallen.1583 Stufe 3 – Die reagierende Organisation In reagierenden Organisationen der dritten Stufe beginnen sich Unternehmenskulturen zu entwickeln, die Werte enthalten, welche über die (reine) Produktivität und das Gefühl bzw. die Wahrnehmung von Legalität hinausgehen. Reagierende Unternehmen beginnen eine Balance zwischen Gewinnen und richtigem Handeln herzustellen. Dabei ist das rechte Handeln mehr eine Zweckmäßigkeit als ein Zweck an sich. Die Unternehmensführung von Unternehmen der dritten Stufe ist sensibler für die Bedürfnisse der Gesellschaft. Das Management begreift zunehmend, dass die Rolle der Organisation über rein ökonomische Interessen hinausgeht und diese soziale Verantwortung und Pflichten besitzt. Ethikkodizes werden bedeutsamer und deren Fokus erhält eine steigende Reflexion gesellschaftlicher Orientierung. Die Kodizes wandeln sich dabei von reinen Verhaltensstandards zu ethischen Kodizes, die über ein vorschreibendes Verhalten hinausgehen. Die Belange bzw. Interessen anderer Stakeholder, als rein die Interessen der Anteilseigner bzw. Inhaber, beginnen sich zu manifestieren, wenn sich das Management der Wichtigkeit der Mitarbeiter, der Gesellschaft bzw. der Umgebung, in der das Unternehmen operiert, bewusst wird. Dabei sind diese im Entstehen begriffenen Belange, Angelegenheiten bzw. Besorgnisse nicht durch einen Sinn für das rechte Handeln motiviert, sondern vielmehr durch das Erkennen der bedeutenderen sozialen Rolle eines Unternehmens in der Gesellschaft. Ein Aufstieg von der zweiten zur dritten Stufe wird oftmals durch externe Vorkommnisse, die dem Unternehmen oder anderen Unternehmen geschadet haben, initiiert. Diese zwingen das Unternehmen mit sichtbarer ethischer Reaktion zu handeln. Die Intention ist dabei die Meinung unterschiedlicher Stakeholder zum Unternehmen positiv zu beeinflussen. Die dritte Stufe ist ein Schlüsselpunkt in der Moralentwicklung der meisten Unternehmen. Denn das Management beginnt den ökonomischen Wert moralischen Handelns und die Wirksamkeit sozialen Verhaltens zu verstehen. Trotzdem sind Unternehmen auf dieser Stufe durch eine reaktive, denn eine proaktive Mentalität gekennzeichnet.1584
1581 1582 1583 1584
Siehe zur Erörterung 2.4.3.7.1. Siehe zum Zusammenhang von Recht und Moral auch 2.3.2.3. Vgl. Reidenbach/Robin (1991), S. 276-277. Vgl. Reidenbach/Robin (1991), S. 278-279.
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Stufe 4 – Die aufkommende ethische Organisation Bei einer aufkommenden ethischen Organisation handelt es sich um eine, in der das Management des Unternehmens aktiv nach einer Balance zwischen Gewinn und Ethik bzw. Ethik und Ökonomie strebt. Hierfür ist ein hoher Aufwand der Gestaltung und des Managements der Unternehmenskultur nötig, um die gewünschte ethische Ausrichtung zu erhalten. Dabei ist es nötig, dass sich das Unternehmen dem Sozialvertrag zwischen der Wirtschaft und Gesellschaft bewusst wird. Das Management ist sich bewusst, dass Problemlösungen und Handlungen sowohl mit ethischen Konsequenzen verbunden sind bzw. sein können, als auch mit deren potenziellen Gewinnen bzw. Profitabilität. Ethische Ausrichtung des Unternehmens manifestiert sich dabei u. a. in gelebten Ethikkodizes, denn in einer reinen Einführung und Nichtlebung solcher im Unternehmen. Organisationale Handlungen sind aber immer noch durch ad-hoc-Versuche gekennzeichnet, organisationale Werte einzuführen und den Organisationsmitgliedern nahe zu bringen. Dabei kommt es aber immer wieder zu Problemen in der Auswahl und der Implementation der Werte. Bei Unternehmen der vierten Stufe ist eine Veränderung der Unternehmenskultur in der Form zu beobachten, dass diese einen Schwerpunkt in Bezug auf die Ethik ermöglicht.1585 Stufe 5 – Die ethische Organisation Die letzte Stufe 5 einer moralischen Organisationsentwicklung ist die ethische Organisation. Reidenbach/Robin merken an, dass ihnen kein Unternehmen bekannt ist, welches diese Stufe bisher erreicht hat. Dies ist vergleichbar mit der letzten Stufe der Moralentwicklung nach Kohlberg. Das Verhalten von Unternehmen der fünften Stufe ist charakterisiert durch eine organisationsweite Akzeptanz eines gemeinsamen Sets etischer Werte, das die Unternehmenskultur durchdringt. Diese grundlegenden Werte leiten das individuelle Verhalten jeden Tag. Entscheidungen werden sowohl auf Basis der innewohnenden Gerechtigkeit und Fairness der Entscheidung, als auch der Profitabilität getroffen. Somit herrscht eine Balance zwischen Ethik und Ökonomie. Mitarbeiter werden belohnt von Entscheidungen und Handlungen Abstand zu nehmen, die die ethische Position des Unternehmens gefährden könnten. Gleichermaßen werden Mitarbeitertrainings durchgeführt. Auch erfolgt die Mitarbeiterauswahl nicht allein anhand der praktischen und geistigen Fähigkeiten, sondern auch der ethischen Fähigkeiten. Der Unterschied zwischen der vierten und fünften Stufe liegt in einem Bekenntnis zum ethischen Verhalten des Unternehmens.1586 2.4.2.2.2
Zum Modell von Morris et al.
Die ethischen Standards des Unternehmers besitzen eine maßgebliche Bedeutung zu Beginn der Unternehmensentwicklung, im Wachstum bzw. in der Unternehmensentwicklung. Aber der unternehmerische Kontext ist nicht statisch. Denn im Laufe der Unternehmensentwicklung werden im Wachstumsprozess neue Mitarbeiter eingestellt, Aufgaben neu zugewiesen, Stellen mit Managementcharakter geschaffen. Durch die neuen Mitarbeiter und Manager wird die Wertestruktur innerhalb des Unternehmens erweitert. Dabei kann sich im Laufe der Unternehmensentwicklung eine Separation der Unternehmensidentität und der Unternehmenswerte von denen des Unternehmensgründers er1585 1586
Vgl. Reidenbach/Robin (1991), S. 279-280. Vgl. Reidenbach/Robin (1991), S. 280-281 und 283.
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geben. Denn auf Basis der Annahmen zur Lebenszyklusanalyse eines Unternehmens mit seinen vielschichtigen Wandlungen der Strategie, der Struktur und der operationalen Variablen über die Zeit hinweg, implizieren Morris et al. auch einen Wandel bzw. eine Evolution des ethischen Kontextes in Unternehmen.1587 Die Basis der Annahmen von Morris et al. bieten die Ausarbeitungen von Hunt/Vitell (1993).1588 Bisher sind lediglich geringe Forschungsanstrengungen hinsichtlich des Zusammenhangs von Wachstumsphasen des Lebenszyklus eine Unternehmens und der ethischen Ausrichtung bzw. dem jeweiligen ethischen Klima unternommen worden.1589 Morris et al. (2002) sehen den allumfassenden ethischen Wandel durch einen Übergang von der ethischen Einstellung des Unternehmens als Referenzbzw. Ausgangspunkt, hin zu einer Etablierung eines professionellen Managementteams und einer Unternehmenskultur begründet, in der Normen und Werte nun institutionalisiert werden.1590 Level 1 Im Rahmen der Start-up, Gründungs- bzw. Frühentwicklungsphase dominiert in Unternehmen üblicherweise ein (einziger) (Eigner-)Manager den Entscheidungsprozess im Unternehmen. Ein bedeutsamer Faktor der Beeinflussung der Ethik in Unternehmen ist das Management- und Organisationssystem. Aber Unternehmen in der Frühphase haben üblicherweise geringere formale (Organisations-)Strukturen, geringere Kontroll- und Controllingsysteme, geringere Dokumentationen und kleinere prozedurale Hürden. Gleichermaßen existiert zumeist keine etablierte Unternehmenskultur und formale ethische Standards sind nicht etabliert. Der Fokus liegt auf der Umsetzung bzw. auf dem „doing“. Da es im Unternehmen zumeist keine anderen normativen Faktoren gibt, wird das Wertesystem des Unternehmers zur organisationalen Vorlage zur Adressierung moralischer Problemstellungen.1591 Level 2 und Level 3 Innerhalb der Unternehmensentwicklung bzw. des Wachstums, ergeben sich nicht nur Änderungen hinsichtlich der organisationalen Komplexität bzw. Flexibilität von Strukturen. Gleichermaßen besteht hinsichtlich der ethischen Entwicklung sowohl eine Zunahme der Komplexität der beeinflussenden Werte durch die Werte(-systeme) des Gründers, der Manager, neuer und alter Mitarbeiter, als auch eine Zunahme formaler institutioneller Mechanismen zur Stärkung ethischer Standards im Unternehmen. Die Entscheidungsfindung ist nicht mehr alleine ein Prozess des Gründers, sondern vielmehr ein komplexer interdividueller und gruppenorientierter Prozess. Im Laufe des Unternehmenswachstums ergibt sich eine Distanz zwischen dem Gründer und dem Management. Ein bedeutender Punkt in der Unternehmensentwicklung ist der Börsengang, da sich bei diesem die Stakeholdergruppen und Anforderungen an das Unternehmen stark erweitern. Hieraus ergeben sich Anforderungen an formalisierte Ethikmaßnahmen. Denn ethische Entscheidungsfindung kann auch 1587 1588 1589 1590
1591
Vgl. Morris et al. (2002), S. 331-332. Siehe grundlegend Hunt/Vitell (1993). Vgl. Morris et al. (2002), S. 335. Vgl. Morris et al. (2002), S. 335. Enderle (1991), S. 158 merkt an, dass eine Unternehmensethik nicht nur von einem Unternehmer abhängig sein kann, denn dies würde im Rahmen des Wachstums des Unternehmens ab einer gewissen Unternehmensgröße zu einer Überforderung bzw. Selbstüberschätzung des Unternehmers führen. Vgl. Morris et al. (2002), S. 335.
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nicht mehr flexibel erfolgen. Vielmehr sind aufgrund der Komplexität durch das Management Mechanismen zu implementieren, die das ethische Verhalten der Mitarbeiter steuern und leiten.1592 In diesem Kontext ist anzumerken, dass der Einfluss des Gründers des Unternehmens so stark sein kein, dass seine moralischen Werte das Unternehmen über lange Jahre prägen und die starken und durchdringenden ethischen Normen der Gründungszeit im Laufe der Unternehmensentwicklung gefestigt und institutionalisiert werden, um ein Teilbereich der Unternehmenskultur zu werden, auch wenn der Gründer nicht mehr im Unternehmen ist. Für ein Beispiel verweisen Morris et al. auf die Betonung der Goldenen Regel im US-Unternehmen auf J. C. Penny.1593 Abbildung 30 zeigt das Modell von Morris et al. (2002).1594
Predominant: Informal and Individual Ethics
employees
founder
managers
Level 2
founder
Level 1
Start-up
old and new employees
external stakeholders controls, policies procedures
envoonmental turbulence Predominant: Formal and Institutionalised Ethics
owners/directors
Level 3
professional managers
old and new employees
formal ethical structures informal ethical structure
Mature company t
Abbildung 30: Ethik in der Unternehmensentwicklung nach Morris et al.
1592 1593
1594
Vgl. Morris et al. (2002), S. 336. Vgl. Morris et al. (2002), S. 237. Siehe zu Unternehmensinformationen von J. C. Penny . Zur Goldenen Regel siehe Kapitel 2.1.3.5. In Anlehung und Erweiterung von Morris et al. (2002), S. 336.
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2.4.3 2.4.3.1
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Ethikmaßnahmen vor dem Hintergrund der Charakteristika junger Unternehmen Ethische Visionen
Der Begriff der Vision stammt ursprünglich aus dem Lateinischen und leitet sich dabei von dem Wort videre ab, was „sehen“ bedeutet.1595 Visionen und mission statements können in der heutigen Zeit als sinnstiftende Leitbilder gesehen werden, um die Stakeholder im Unternehmen auf ein gemeinsames (bedeutendes) Ziel hin auszurichten. Innerhalb dieser Visionen dominieren jedoch zumeist technologische Zielsetzungen, Wettbewerbsdefinitionen sowie eine (globale) Orientierung am Kunden. Dabei ist eine Verpflichtung gegenüber der Umwelt eher aufzufinden, als Humanprinzipien. Nach Cordes (2005) ist dies zu wenig. Erst durch eine Reintegration der Unternehmensethik werden die bereits vorhandenen Bausteine zu einer Art inneren Verfassung eines modernen Unternehmens komplettiert.1596 In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass der Mensch im Sinne eines Humanprinzips nicht direkt im Mittelpunkt stehen muss. Vielmehr können sich ökonomische und ethische Ansprüche hinsichtlich einer Verbesserung menschlichen (Zusammen-)Lebens auch gegenseitig (indirekt) bedingen. Im Entrepreneurship Kontext merkt Filion (1991) an, dass das unternehmerische Handeln auf einer Vision des Unternehmers basieren sollte, um das unternehmerische Handeln erfolgreich zu gestalten.1597 Novak (2005) vertritt die Auffassung, dass sich bei der Formulierung einer Vision die Persönlichkeit und die Werte eines Unternehmers zeigen und in der Vision widerspiegeln. Dabei können in Visionen auch ethische Grundsätze integriert werden.1598 Visionen in denen Werteorientierung bewusst gesetzt werden, können als ein bedeutender Faktor zur Unterstützung von Veränderungsprozessen gesehen werden.1599 Ein Beispiel für eine Vision mit ökonomischem und ethischem Anspruch ist die Vision des Babynahrungsmittelherstellers Hipp, die durch den Unternehmer Georg Hipp formuliert wurde. Nach zahlreichen Skandalen um verunreinigte, gesundheitsgefährdende bzw. minderwertige Babynahrung boten sich Marktchancen im Bereich biologisch angebauter und hergestellter Nahrungsprodukte. In diesem Kontext entwickelte Georg Hipp die Vision der Herstellung von Babynahrung aus biologisch reinen Rohstoffen. Es zeigt sich, dass Visionen sich durch direkte Einflüsse der Umwelt bzw. Marktentwicklungen generieren können.1600 Die Glaubwürdigkeit von Visionen wird zu einem Problembereich, wenn verschiedene Funktionen in der praktischen Ausprägung miteinander in Konkurrenz treten.1601 Allgemein ist die Formulierung und Realisierung einer Vision stark an eine Person in Form eines Vorstands(vorsitzenden), eines Geschäftsführers oder eines Unternehmers gebunden. Visionen sind somit individuelle Vorstellungen einer zukünftigen Entwicklung auf ein zeitlich entferntes Ziel. Die Formulierung einer Vision kann dabei auch durch Werte, Normen und ethische Einstellungen desjenigen, der die Vision formuliert, geprägt sein. Für junge Unternehmen können sich hinsichtlich der Formulierung einer ethischen Vi1595 1596 1597 1598 1599 1600 1601
Vgl. Fuchs (2005), S. 167. Vgl. Cordes (2005), S. 46. Ähnlich auch Rottluff/Schneider (2004), S. 445. Vgl. Filion (1991), S. 26-40. Vgl. Novak (2005), S. 183. Vgl. Kleinfeld (2004), S. 109. Vgl. Volkmann/Tokarski (2006), S. 412. Vgl. Cranach (2005), S. 70.
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Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
sion strategische Vorteile als Wettbewerbsvorteile im Sinne einer Abgrenzung bzw. Differenzierung von der Konkurrenz bieten. Eng verbunden mit der Formulierung einer Vision sind unternehmensstrategische Überlegungen. 2.4.3.2
Unternehmensstrategische Überlegungen
Den Unternehmensstrategien vorgelagert ist die fundamentale Entscheidung einer Verantwortungsübernahme gegenüber den Stakeholdern. Vor diesem Hintergrund werden alle unternehmerischen Strategien in eine grundsätzliche unternehmensethische Wertorientierung integriert. Hierbei handelt es sich somit um eine Grundsatzentscheidung, die auch als Vision aufgefasst werden kann. Anzumerken ist hierbei, dass die Grundsatzentschiedung teilweise auch wiederum als Strategie, wie bspw. legitimacy strategy, enterprise strategy, top management philosophy, Leitidee, company creeds oder fundamental principles, benannt wird.1602 Aus der Grundsatzentscheidung erfolgt eine Beeinflussung und Ableitung aller nachfolgenden Strategiearten. Hieraus kann gefolgert werden, dass die einzelnen Strategiearten eines Unternehmens per se in sich selbst moralisch sind oder nicht, vielmehr ist es wichtig zu betrachten, für welches Ziel und mit welcher Intention (mit welchem Geiste) sie eingesetzt werden. Somit ist es bei der Überprüfung der Strategiewahl des Unternehmens hinsichtlich ihrer ethischen Qualität bedeutsam zu prüfen, ob das Unternehmen sich um eine Vermittlung der durch die Handlungen tangierten Interessen von Betroffenen durch die Wahl von Strategien bemüht.1603 Ulrich (1998a) ist der Auffassung, dass unternehmerisches Handeln durch einen Unternehmerethos fundiert ist. Dabei kann nicht zwischen einer ethischen und ethikfreien Unternehmensführung gewählt werden. Vielmehr besteht nur die Wahl zwischen ethikbewusster Unternehmensführung und einem unreflektierten, tendenziell ideologischen Umgang mit den impliziten Wertorientierungen unternehmerischen Handelns.1604 Unternehmer müssen immer Entscheidungen treffen. Dabei kann auch eine nicht getroffene Entscheidung als Entscheidung betrachtet werden. Entscheidungen sind dabei vor dem Hintergrund vielfältiger, komplexer und teilweise unübersichtlicher Faktoren zu berücksichtigen. Dabei kann die Tragweite einer Entscheidung schwer abschätzbar sein. Insofern sind Entscheidungen immer vor einem ethischen Hintergrund zu betrachten.1605 In diesem Kontext gilt eine Übertragung des Subsidiaritätsprinzips des Staates auf das Unternehmen, der Unternehmer sollte und muss, rein aus operativer Sichtweise, Entscheidungen an seine Mitarbeiter delegieren, um seine Ziele zu erreichen.1606 Unternehmen verfolgen kurzfristige und langfristige Ziele. Diese Ziele selbst können unethisch sein.1607 Für die Erreichung der Ziele ist in letzter Konsequenz der Vorstand, oder aber in jungen Unternehmen der Gründer, verantwortlich. Der Vorstand bzw. Gründer delegiert die Verantwortung der Zielerreichung auf seine Mitarbeiter. Hierbei kommt es zu einer Spaltung bzw. zu einem Auseinanderfallen von Entscheidung und Verantwortung. Diesem Dilemma wird entkommen, indem der Vorstand bzw. der Gründer generelle Regeln erlässt, 1602 1603 1604 1605 1606 1607
Vgl. Göbel (1992), S. 120 und 233; Göbel (2006), S. 151. Vgl. Göbel (2006), S. 151. Vgl. Ulrich (1998a), S. 16. Vgl. Fetsch (1989), S. 27; Werhahn (1990), S. 41. Vgl. Spieker (1989), S. 105; Werhahn (1990), S. 41. Vgl. Albach (2005a), S. 15.
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
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die ein moralisch korrektes Verhalten sicherstellen sollen. Wird nun aber durch den Mitarbeiter gegen diese Regeln verstoßen, so beruft sich der Vorstand bzw. der Gründer auf sein Delegationsrecht, und der Mitarbeiter vermutlich im konkreten Einzelfall auf missverständliche Anweisungen.1608 Somit ist zwar formal für eine Lösung der Problematik des Auseinanderfallens von Entscheidung und Verantwortung gesorgt worden. Aus theoretisch-ethischer Sichtweise könnte dies allerdings hinterfragt werden. Denn zu Fragen ist, ob nicht schon die intendierten unethischen Ziele die Handlungen, seien diese nun durch den Vorstand, Gründer oder in Form der Delegation durch die Mitarbeiter ausgeführt, in eine bestimmte unethische Richtung gelenkt haben und die formalen Handlungsanweisungen bzw. Regeln, seien diese ggf. auch lediglich informeller Natur in Form mündlicher Anweisungen, nur eine Alibifunktion besitzen. Die ethische Verantwortung eines Unternehmens ist unmittelbar mit dem Grad an Freiheit und Verantwortung verbunden, den es in einer Gesellschaft beansprucht. Pfaff/Jaufmann/Kistler (1991) sehen Freiheit und Verantwortung als zwei Seiten einer Medaille. Denn je größer das Ausmaß dispositiver Freiheit, das ein Unternehmen in einer Gesellschaft beansprucht, desto größer muss auch dessen Verantwortung sein. Und dies gilt nicht allein für die ökonomischen Konsequenzen ihres Handelns, sondern auch für die Konsequenzen der Handlungen auf der ethischen Ebene.1609 In modernen Unternehmen treten Einzelentscheidungen gegenüber der Organisation von Entscheidungsprozessen in den Hintergrund. Dies erfordert eine ausgeprägte Führungsqualität des Unternehmers und ein hohes Maß an Sozialkompetenz.1610 Sollten Normen und Werte, im Gegensatz zu Sachzwängen, das Verhalten von Unternehmen in einem großen Bereich steuern, so ist ein integraler Bestandteil der Rationalität des Managementprozesses, dass darüber Bewusstheit besteht und die grundlegenden Prämissen der Handlungen bzw. der Tätigkeit im Allgemeinen, die leitenden Normen sowie Ziel-Mittel-Kalküle transparent sind, und gleichermaßen auch Begrenzungen der Optionen durch grundlegende Normen erkennbar werden.1611 Gleichermaßen sind die einzelnen Strategiearten bzw. -optionen, die einem Unternehmen zur Verfügung stehen von Bedeutung. Ulrich (1998a) ist der Auffassung, dass die Unternehmer von Anfang an permanent die ethischen Grundlagen einer zu definierenden Geschäftsstrategie mit bedenken sollen, wenn neue strategische Erfolgspositionen generiert werden. Es gilt innovative unternehmerische Synthesen zwischen ethischen und marktstrategischen Aspekten zu entwickeln. Gleichermaßen sollen neue Märkte für ethisch hochwertige Güter geschaffen werden.1612 Wird Unternehmensethik und deren Umsetzung so verstanden, entspricht sie der Unternehmerfunktion nach Schumpeter im Sinne einer schöpferischen Zerstörung in Form von Produkt-, Markt- oder Verfahrensinnovationen.1613
1608 1609 1610
1611 1612 1613
Vgl. Albach (2005a), S. 15. Vgl. Pfaff/Jaufmann/Kistler (1991), S. 276. Vgl. Fetsch (1989), S. 35. Nach Bierhoff/Herner (2002), S. 210 bezeichnet die Sozialkompetenz die Verfügbarkeit kognitiver Fertigkeiten sowie Handlungsmuster, welche einen für alle befriedigenden Austausch zwischen Interaktionspartnern ermöglichen. Dabei ist die moralische Kompetenz ein Teilbereich der Sozialkompetenz. Die moralische Kompetenz bezeichnet die Verfügbarkeit kognitiver Strukturen, emotionaler Reaktionsmuster sowie motivationaler Dispositionen, welche eine Lösung zwischenmenschlicher Konflikte auf der Basis moralischer Normen und ethischer Begründungen ermöglichen. Zur moralischen Kompetenz siehe Bierhoff/Herner (2002), S. 148. Vgl. Steger (1991), S. 201. Vgl. Ulrich (1998a), S. 21. Vgl. Schumpeter (2005), S. 134-137; Ulrich (1998a), S. 22.
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Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
2.4.3.2.1
Wettbewerbsstrategie
Unternehmen können im Rahmen einer wettbewerbspolitischen Strategie versuchen, ökonomische und ethische Ansprüche miteinander zu verbinden. Beispielsweise wäre es möglich, dass Unternehmen versuchen, ethisch-moralischen Ansprüchen in Form innovativer Produkte bzw. Dienstleistungen oder Produktionsmethoden zu entsprechen. In diesem Kontext können z. B. umweltverträglichere Produkte entwickelt, oder aber höhere Arbeitsschutz- und Sicherheitsstandards eingeführt werden. Noll (2002) bezeichnet diese Vorgehensweisen aus dem Betrachtungsfokus der Unternehmensethik als moralische Innovationen.1614 Gerade in jungen Unternehmen besteht die Möglichkeit der Entwicklung und Realisierung einer integrierten, ökonomischen und ethischen, Wettbewerbsstrategie bereits in der Vorgründungs- und Gründungsphase. Denn diese Strategieform kann bereits im Geschäftsmodell des Gründungs- bzw. jungen Unternehmens bewusst angelegt sein. Ethische Aspekte sind dann ein Teilbereich des Geschäftsmodells. Somit kann die Beachtung ethischer Aspekte als ein Wettbewerbsvorteil betrachtet werden. Ein Beispiel hierfür sind Gründungen im Bereich nachhaltiger Energieproduktion, oder aber die Entwicklung und Produktion von Nullenergie- bzw. Positivenergiehäusern. Die Vielfalt potenzieller Beispiele ist so umfassend wie die Anzahl potenzieller Geschäftsmodelle. Prinzipiell erscheint die Beachtung und Etablierung von Ethik im Geschäftsmodell junger Unternehmen vermutlich für nahezu jedes Unternehmen realisierbar zu sein. Entscheidend könnte es sein, ob und in welcher Form der oder die Gründer die Ethik als Wettbewerbsvorteil wahrnehmen (können). Wie in dieser Arbeit bereits angesprochen und diskutiert, dient das Gewinninteresse als Antriebsmotiv der Marktwirtschaft auch für moralische Anliegen. Denn durch eine ethische Orientierung lassen sich für Unternehmen auch Wettbewerbsvorteile generieren. Hiermit verbunden ist die Annahme, dass sich Wettbewerbsvorteile u. a. durch eine Erhöhung der Reputation des Unternehmens aus der Sicht der Nachfrager erzielen lassen. Somit sollten die ethisch-moralischen Werte und Handlungen des Unternehmens öffentlich kommuniziert werden.1615 Wieland (1998b) sieht Ethik und Moral nicht als kostenfreie Güter an. Die Wirkung von Ethik und Moral muss auch nicht zwingend ökonomisch positiv sein. Vielmehr ist es erforderlich eine hohe kommunikative Kompetenz sowie moralische Sensibilität als Managementaufgabe wahrzunehmen, zu akzeptieren und zu beherrschen. Hierin sieht Wieland einen Grund für die Ablehnung bzw. die Scheu von Unternehmen Ethik in der Öffentlichkeit zu thematisieren und zu kommunizieren.1616 In diesen Kontext ist anzumerken, dass Ethik bewusst oder unbewusst zur Stärkung von Wettbewerbsvorteilen angewendet werden kann. Hierbei ist die Intention des Individuums, bspw. des Gründers, von Bedeutung, ethisch zu handeln. Ob mit einer ethischen Handlung auch immer ökonomische Intentionen verbunden waren, oder nicht, muss auch nicht zwingend bedeutsam sein. Dies ist mitunter eine eher philosophische Fragestellung. Vielmehr bleibt die Frage, welcher Wert mit der Handlung verbunden bzw. intendiert ist. In diesem Kontext kann zur Lösung einer solchen Fragestellung bisweilen auf die Unterscheidung eines Wertes nach Kant in Form eines relativen Wertes, der einen 1614 1615 1616
Vgl. Noll (2002), S. 145. Siehe grundlegend zur Wettbewerbsstrategie bspw. Hinterhuber (1990). Vgl. Noll (2002), S. 145. Vgl. Wieland (1998b), S. 39.
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
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Preis bzw. ein Äquivalent besitzen kann, und einem inneren Wert, der eine Würde hat, zurückgegriffen werden.1617 Aus einer rein ökonomischen Betrachtungsweise bringt ein Unternehmen im Rahmen einer Wettbewerbsstrategie eine moralische Vorleistung in Form einer Investition in die Reputation ein, mit der Erwartung positiver unternehmensinterner bzw. -externer Auswirkungen, bspw. in Form einer höheren Zahlungsbereitschaft von Kunden, einer verbesserten Leistungsmotivation der Mitarbeiter oder aber geringerer Risikoprämien der Kapitalgeber. Ob und in welcher Form diese Investitionen erfolgreich sind, wird sich konkret an den Märkten zeigen.1618 Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass potenziell auch Nachteile einer ethischen Wettbewerbsstrategie für ein Unternehmen bestehen können. Dies kann dann der Fall sein, wenn Dilemmasituationen vorliegen, in denen sich ein Unternehmen für die Durchführung einer, aus der Sicht des Unternehmens, ethischen Wettbewerbsstrategie entscheidet. Ein Beispiel hierfür ist, wenn in einem (Drittwelt-)Land übliche, aber ethisch-moralisch verwerfliche, Bestechungszahlungen zu leisten sind, um einen Auftrag zu erhalten. Entscheidet sich nun ein Unternehmen gegen die „übliche“ Vorgehensweise der Bestehung, so können Nachteile für das Unternehmen und Vorteile für die Konkurrenten entstehen, wenn die Konkurrenten weiterhin Bestechungsgelder zahlen und die Aufträge erhalten. Somit profitieren weniger ethisch-moralische Unternehmen von einer individuellen, ethischmoralischen Selbstbindung anderer (Konkurrenz-)Unternehmen.1619 In diesem Kontext zeigen sich wiederum auch die Grenzen einer Individualethik, und das im ethischen Kontext immanente Verhältnis einer Individual- und Institutionenethik.1620 Diese Dilemmasituation kann mit dem Gefangenen-Dilemma verglichen werden. Eine Überwindung dieser Dilemmasituation kann allgemein in Form der ethischen Kategorie des Vertrauens, durch Strafen und Sanktionen bzw. institutionelle Regelungen, oder aber in Form ordnungspolitischer Strategien erfolgen.1621 2.4.3.2.2
Ordnungspolitische Strategie
In Form der Wettbewerbsstrategien versucht ein Unternehmen moralisch akzeptable und ökonomisch tragfähige Lösungen in Einklang zu bringen. Allerdings ist dies nicht immer möglich. Probleme entstehen dann, wenn durch eine Berücksichtigung legitimer Stakeholderinteressen Mehrkosten anfallen, denen kein kompensierender Nutzen gegenübersteht, wie dies bspw. bei einem Differenzierungsvorteil bei Kunden der Fall ist. Ob ein Unternehmen sich im Wettbewerb durch legitime Strategien durchsetzen kann oder nicht, ist auch abhängig von den institutionellen Rahmenbedingungen. Auf diese zielen die ordnungspolitischen Strategien hin ab. Das Ziel ist, wie bei den Wettbewerbsstrategien, die ökonomische Nachteiligkeit richtigen moralischen Handelns auf institutioneller Ebene zu vermindern bzw. zu beseitigen. In diesem Kontext können staatliche und unternehmerische ordnungspolitische Strategien differenziert werden.1622 Nachfolgend sei, aufgrund der Kapitelzuordnung
1617 1618 1619 1620 1621 1622
Siehe hierzu die Ausführungen in Kapitel 2.1.2.1 Vgl. Noll (2002), S. 146. Vgl. Noll (2002), S. 146. Siehe hierzu auch Kapitel 2.3.2.2. Siehe hierzu auch Kapitel 2.1.3.3. Vgl. Göbel (2006), S. 160.
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und der Ausrichtung der vorliegenden Arbeit, nur auf die ordnungspolitische Strategie von Unternehmen eingegangen. Eine ordnungspolitische Strategie von Unternehmen ist gekennzeichnet durch die Ergänzung oder Weiterentwicklung einer unzureichenden marktwirtschaftlichen Rahmenordnung bzw. institutioneller Regelungen in Form einer kollektiven Selbstbindung der Unternehmen einer Branche. Die Maßnahme ist innerhalb einer Branche (tendenziell) wettbewerbsneutral, solange sich alle Unternehmen an diese halten. Bedeutsam kann diese Strategieform sein, wenn einzelne Unternehmen keine Möglichkeit haben, die erwünschte Vereinbarkeit von Moral und Gewinn durch eigene Handlungen zu erreichen. Dies ist bei typischen Dilemmasituationen der Fall.1623 Die Realisierung einer ordnungspolitischen Strategie kann einerseits durch politisches Engagement in Form von Lobbyarbeit und Verbandspolitik mit dem Ziel einer Veränderung von institutionellen Regelungen erfolgen.1624 Hier kann von einer ordnungspolitischen Mitverantwortung gesprochen werden.1625 Ulrich (2001) fordert in diesem Zusammenhang ein republikanisches Engagement von Unternehmen im Sinne einer politischen Teilnahme zur Verbesserung der institutionellen Rahmenbedingungen.1626 Diese Vorgehensweise ist allerdings ein mitunter langwieriger Prozess, der auch nicht immer zielführend im Sinne der Unternehmen sein muss.1627 Auch ist anzumerken, dass Unternehmen oftmals nicht eine proaktiv-ethische ordnungspolitische Strategie verfolgen, sondern vielmehr eine defensive Strategie zur Festigung aktuell bestehender Zustände anwenden, um das Eigeninteresse zu wahren. Denn in der Historie konnte beobachtet werden, dass Umwelt-, Arbeitnehmer-, Verbraucher- oder Tierschutzinteressen durch das ordnungspolitische Engagement von Unternehmen nicht oder nur verzögert in institutionelle Regelungen überführt wurden.1628 Maitland (1986) spricht in diesem Kontext von einem Self-Defeating Lobbying.1629 Als weitere Form der Durchführung einer ordnungspolitischen Strategie kann andererseits versucht werden, institutionelle Defizite in Form einer Substituierung bzw. Ergänzung staatlicher Ordnungspolitik durch Branchenvereinbarungen bzw. Branchenkodizes, vorzunehmen.1630 Im Kontext junger Unternehmen erscheint die Maßnahme eines politischen Engagements zur Änderung institutioneller Regelungen tendenziell hinsichtlich ihres Realisationspotenzials fragwürdig zu sein. Denn dieses Instrumentarium ist mitunter lediglich für Großunternehmen mit einer starken Lobby einsetzbar. Junge Unternehmen besitzen tendenziell keine Möglichkeit einer hohen politischen Einflussnahme. Lediglich über eine Verbandsarbeit könnte, vielleicht auch in jungen Branchen bzw. Märkten, versucht werden Einfluss auszuüben. Aus einer ethischen Sichtweise erscheint eine ordnungspolitische Strategie der Substituierung bzw. Ergänzung staatlicher Ordnungspolitik durch Branchenvereinbarungen für junge Unternehmen zielführender zu sein.
1623 1624 1625 1626 1627 1628 1629 1630
Vgl. Noll (2002), S. 146. Vgl. Noll (2002), S. 146. Vgl. Göbel (2006), S. 162. Vgl. Ulrich (2001), S. 434. Vgl. Noll (2002), S. 146. Vgl. Göbel (2002), S. 162. Vgl. Maitland (1986), S. 67-74. Vgl. Noll (2002), S. 146; Göbel (2006), S. 163.
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Allgemein stellen Branchen- und Berufskodizes ein flexibel einsetzbares und schnell zu handhabendes Instrument dar. Wichtig ist, dass durch Branchen- und Berufskodizes eine Dokumentation der freiwilligen ethischen Maßstäbe gegenüber einer (kritischen) Öffentlichkeit sowie der Politik erfolgen kann.1631 Ordnungspolitische Strategien von Unternehmen können auch mit dem Ziel verbunden sein, die Verantwortungsfähigkeit der Kunden, bspw. auf die Umwelt- und Sozialverträglichkeit eines Produktes, zu stärken. Hier muss das Unternehmen ein Vertrauen zum Kunden aufbauen, denn bei einer Umwelt- und Sozialverträglichkeit handelt es sich um eine Vertrauenseigenschaft, die die Kunden nicht durch Inspektion und Erfahrung verifizieren können. Das Unternehmen muss diese glaubwürdig signalisieren. In diesen Kontext können ethische Warenzeichen eingeordnet werden, die durch Unternehmen bzw. Branchen entwickelt werden, um bspw. die Umwelt- und Sozialverträglichkeit eines Produktes zu kennzeichnen.1632 Grenzen und Gefahren einer ordnungspolitischen Strategie liegen u. a. in der Trittbrettfahrerproblematik, einer fehlenden Sanktionsmöglichkeit sowie im Kartellrecht begründet. Durch die Trittbrettfahrerproblematik der Außenseiter und Newcomer sind Selbstverpflichtungen einer ganzen Branche gefährdet. Unternehmen, die sich nicht an den Kodex bzw. die Kodizes halten, profitieren von der Reputation der Branche ohne selber aktiv tätig zu werden. Gleichermaßen können sie, bspw. durch unmoralische Handlungen, auch das Image der Branche schädigen. Allgemein kann festgehalten werden, dass es für ein Unternehmen ökonomisch umso interessanter ist, sich nicht an den Branchenkodex zu halten, desto mehr Konkurrenten sich an diesen halten. Gerade vor dem Hintergrund von Branchen, die durch eine hohe Globalisierung gekennzeichnet sind, verlieren Branchenkodizes an Wirkung. Branchenkodizes sind Selbstbindungen in Form freiwilliger Verhaltensbindungen mit einer (oftmals) fehlenden Sanktionsmöglichkeit. Hierdurch ist eine Durchsetzung der Selbstverpflichtung stets gefährdet. Eine weitere Grenze dieser ordnungspolitischen Strategieform bildet das Kartellrecht, denn es dürfen keine branchenbezogenen Vereinbarungen getroffen werden, die mitunter zu einer Einschränkung des Wettbewerbs führen können.1633 Auf eine Erörterung der Marktaustrittstrategie wird an dieser Stelle im Kontext junger Unternehmen verzichtet, da das Ziel junger Unternehmen nicht in der Planung eines Marktaustrittes begründet liegt. Oftmals besitzen junge Unternehmen auch nicht unterschiedliche Geschäftsfelder, die eine Planung des Marktaustritts ermöglichen würden. Vielmehr kann ein Marktaustritt mitunter den Niedergang eines jungen Unternehmens bedeuten.1634
1631 1632 1633 1634
Vgl. Noll (2002), S. 147. Vgl. Göbel (2006), S. 164. Siehe in ähnlicher Weise auch die Ausführungen des Kapitels 2.4.3.7.7. Vgl. Kaas (1999b), S. 269. Siehe zum Marktaustritt bspw. die Erörterungen bei Bea/Haas (2005). In der Regel sind für einen Marktaustritt ökonomische Gründe verantwortlich. Allerdings kann ein Marktaustritt auch das Ergebnis ethischer Überlegungen oder Einstellungen bzw. einer ethischen Güterabwägung sein. Aufgrund der negativen Folgen für die Stakeholder eines Unternehmens kann ein teilweiser oder ganzer Marktaustritt aus ethischen Gründen auch negativ betrachtet werden, wenn bspw. Arbeitsplätze abgebaut oder Lieferanten des Unternehmens negativ betroffen sind. Bei Marktaustrittsstrategien werden oftmals unterschiedliche legitime Interessen tangiert. Eine ethische Güterabwägung ist in diesem Falle nicht einfach, sondern vielmehr komplex und bisweilen aufgrund unterschiedlicher Interessen, Argumentationen und Auffassungen strittig. Aufgrund potenzieller negativer Auswirkungen eines Marktaustritts für manche Stakeholder, sollte eine umfassende und sorgfältige Abwägung der einzelnen Interessen vorgenommen werden. Siehe hierzu Göbel (2006), S. 165-166.
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2.4.3.3
Personalspezifische Überlegungen
Der Mensch kann im Unternehmen als eigentlicher Generator von Werten gesehen werden, der den bedeutendsten strategischen Erfolgsfaktor des Unternehmens darstellt. Eine Differenzierung des Unternehmens gegenüber dessen Konkurrenten erfolgt primär nicht über Rohstoffe, materielle Produktionsmittel oder finanzielle Ressourcen, sondern über die Menschen, die den Kern des Humankapitals mit ihrem spezifischen Wissen, Können, Motivationen und Erfahrungen bilden.1635 Dem Humankapital als Träger von Information und Wissen wird seit den 1990er Jahren verstärkt die Generierung von Wertschöpfung zugeschrieben und nicht mehr nur ausschließlich dem Finanz- und Sachkapital. Informationen und Wissen sind die Ressourcen der Ökonomie in der neuen Wissensgesellschaft. Speziell Wissen entsteht im Prozess menschlicher Interaktion und bleibt daher an diesen gebunden. Dabei existiert ohne gemeinsame Erfahrung und Praxis kein Wissen.1636 Nach einer Studie von Niefert et al. (2006) ist ein Haupthemmnis für ein Unternehmenswachstum ein Mangel an qualifiziertem Personal.1637 In diesem Kontext ist anzumerken, dass nicht alleine die Fach- und Methodenkompetenz eines Mitarbeiters von Bedeutung ist, sondern auch seine Sozialkompetenz.1638 Hiermit verbunden sind auch die individuellen Werte, Normen und ethischen Einstellungen des (potenziellen) Mitarbeiters, die im Idealfall mit denen des Unternehmers und der Unternehmenskultur übereinstimmen.1639 Dabei sollen idiosynkratische und im besten Falle nicht imitierbare Fähigkeiten und Ressourcen der Mitarbeiter so genannte Economies of Behaviour erzeugen. Hier zeigt sich, dass diese spezifischen Qualifikationen als Engpassressource gesehen werden können, die einen Wettbewerbsvorteil generieren sollen.1640 Wieland (1998a) sieht eine Wiederentdeckung des Individuellen und der Person. Denn ein individuelles Handeln sowie Verhalten von Teammitgliedern, kodiert in Form von internal (intra) oder external entrepreneurs, wird immer mehr zu einem kritischen Wettbewerbsfaktor, im Sinne eines Geschwindigkeitsfaktors, für Wettbewerbsvorteile. Dabei erfolgt eine Betonung von Qualitäten, wie bspw. Flexibilität, Responsivität, Kreativität sowie Offenheit. Aus theoretischer Sicht geht es hierbei um eine produktive Freisetzung von Individualität im Rahmen einer organisatorischen Form bei gleichzeitiger Zurücknahme formaler Institutionen.1641 Aus diesem Grunde sind die Überlegungen dieses Kapitels umfassender, da die personalspezifischen Überlegungen vor dem Hintergrund der Ethik in jungen Unternehmen eine hohe Bedeutung besitzen. Das menschliche Arbeitsvermögen ist als ein spezieller Produktionsfaktor zu betrachten, der als ein Subjekt aufzufassen ist und einen Eigenwert jenseits seiner Verdinglichung besitzt. Im Gegensatz zu Ein- und Auszahlungen oder Kosten und Leistungen, die den Status eines Objektes besitzen, ist das Arbeitsvermögen auch als qualitativer Status aufzufassen und qualitativ zu behandeln.1642 Verantwortliche Mitarbeiterführung ist dabei nicht trivial. Doch sie erscheint notwendig im Interesse des Unter1635 1636 1637 1638 1639 1640 1641 1642
Vgl. Schütte (2004), S. 75; Wieland (2004a), S. 20; Wieland (2004d), S. 215; Kleinfeld (2005), S. 38. Vgl. Wieland (2004b), S. 256 und 258. Vgl. Siehe hierzu Niefert et al. (2006). Vgl. Pankoke (2004), S. 37-38. Vgl. Küpper (2007), S. 264. Vgl. Wieland/Grüninger (2000), S. 158; Wieland (2004a), S. 20. Vgl. Wieland (1998a), S. 14-15. Vgl. Wittmann (2000), S. 147-148.
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nehmens und seiner Mitarbeiter.1643 Denn Arbeit ist untrennbar an den Menschen und das Personal gebunden und kann (voraussichtlich) niemals vollständig isoliert werden, auch wenn durch den technologischen Wandel sehrwohl eine Verdrängung menschlicher Arbeit durch Maschinen beobachtet werden kann.1644 Eine umfassende Nutzung des Humankapitals eines Unternehmens kann wohl nur vor dem Hintergrund spezifischer Wertvorstellungen und eines Menschbildes vollzogen werden, das eine Anerkennung des Mitarbeiters als Individuum und individuelle Persönlichkeit auffasst. Dabei können die spezifischen Begabungen und Potenziale des Mitarbeiters als eine bedeutsame Größe im Rahmen der Wertschöpfung verstanden werden. Eine solche Anerkennung muss dabei durch die Geschäftsführung des Unternehmens vorgelebt und durch diese getragen werden.1645 Werte erfüllen in diesem Kontext zwei Funktionen. Zum einen dienen sie als Führungsinstrument, mit dem sich das Handeln und Verhalten der Organisationsmitglieder steuern lässt (management by values). Zum anderen bilden Werte einen „sozialen Hebel“ für eine bewusste Gestaltung und Veränderung (der Unternehmenskultur).1646 Eine konträre Auffassung hierzu ist der Instrumentalismus. Im Instrumentalismus wird der Mitarbeiter, im Gegensatz zu einer (deontologischen) Ethik, nicht als Subjekt um seines Selbst willens ohne zweckrationale Überlegungen betrachtet. Vielmehr wird ein zielgerichtetes Handeln im Sinne einer eigenen Interessenverfolgung angenommen. Eine Achtung des Subjektes erfolgt hierbei nur für Personen, die den (ökonomischen) Interessen des Unternehmens dienlich sind. Eine Berücksichtigung ethisch begründeter Rechte, Interessen und Bedürfnisse der Mitarbeiter erfolgt somit nur vor dem Hintergrund einer ökonomischen Kosten-Nutzen-Relation.1647 Das Konzept des Instrumentalismus verfolgt die Auffassung einer effektiven Steuerung und Kontrolle des Mitarbeiters im Rahmen einer Funktionalisierung menschlichen Eigensinns. Menschen werden als instrumentell notwendige Objekte aufgefasst, die auch bei anerkannter Subjektivität der Menschen, lediglich den Zielen und Gestaltungsabsichten des Managements und somit des Unternehmens zu folgen haben.1648 Waibl (2005) weist darauf hin, dass Mitarbeiter immer als Werkzeug bzw. Mittel für einen Zweck gesehen werden können. Dabei ist allerdings anzumerken, dass der Mitarbeiter nicht ausschließlich als Mittel angesehen werden kann, sondern auch als Zweck. Denn anders als Maschinen, die reine Mittel darstellen denen kein Respekt gebührt, sind Individuen hingegen immer auch Zweck für sich selbst, und als solcher (Zweck) zu respektieren.1649 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass als Externalität der Verbesserungsprozesse durch den technologischen Fortschritt eine einseitige Ausrichtung auf das Leistungsprinzip zu sehen ist, was zu einem Verlust der Ganzheitlichkeit des westlich geprägten Individuums führen kann. Hiermit verbunden ist der Glaube an einen unbegrenzten Wissens- und Wirt1643 1644
1645 1646 1647 1648
1649
Vgl. Werhahn (1990), S. 76. Vgl. Kirchner(1990), S. 145; Wittmann (2000), S. 147. Leisinger (1999), S. 99 merkt ein gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis an. Vgl. Schütte (2004), S. 78. Vgl. Kleinfeld (20004), S. 110. Vgl. Wittmann (2000), S. 146. Ähnlich auch Schmoldt (2004), S. 63-64. Vgl. Wittmann (2000), S. 144; Eurich/Kropf (2005), S. 246. Eine ähnliche Argumentation vor dem Hintergrund des Taylorismus gibt Sommer (2004), S. 73-76. Vgl. Waibl (2005), S. 40. Siehe hierzu auch die Ausführungen zur Kantischen Ethik des Kapitels 2.1.3.7.2. Im Speziellen die Hauptformel II der Formel des Zwecks-an-sich-selbst: „Handle so, dass du die Menschheit, sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden anderen, jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als als Mittel brauchest.“. Eine umfassende Erörterung der Würde und Anerkennung des Menschen im Unternehmen, vor dem Hintergrund der Flexibilisierung, liefern Eurich/Kropf (2005).
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schaftsfortschritt. Der aus diesem Prozess hervorgehende Mensch wurde von Herbert Marcuse im Jahre 1964 als eindimensionaler Mensch (one dimensional man)1650 bezeichnet.1651 Probleme in der Sichtweise, dass das Humankapital einen zentralen Stellenwert für die Unternehmensentwicklung darstellt, können einerseits in einem mangelnden Wissen über die Funktionsweise, Grundbedürfnisse, Motivationen und Potenziale der Mitarbeiter gesehen werden. In diesem Zusammenhang besteht ein Unterschied zwischen der betriebswirtschaftlichen Forschung, deren Ergebnisse bspw. auf eine herausfordernde, sinngebende Aufgabe, soziale Einbindung, Eigenverantwortung und gute Führung der Mitarbeiter abstellen, und dem fehlenden praktischen Wissen um diese Ergebnisse. Als bedeutsam werden, gegenüber den Forschungsergebnissen, von den Managern eher eine klare Führung und gute Bezahlung als die Grundbedürfnisse der Mitarbeiter gesehen. Ein Grund für diese Differenz könnte in der Art der Ausbildung der Führungskräfte liegen. Im betriebswirtschaftlichen Forschungs- und Lehrkontext herrscht zur Erklärung von Verhaltensmustern das Bild des homo oeconomicus vor. Dieses soll an dieser Stelle auch nicht in Frage gestellt werden, da es in abstrakter Weise zur Erklärung vereinfachter wirtschaftlicher Probleme beitragen kann. Als problematisch wird durch die „Gegner“ des homo oeconomicus in diesem Kontext jedoch oftmals angemerkt, dass dieses zu Erklärungszwecken geschaffene Bild eines rational-nutzenorientierten Teilnehmers des Wirtschaftsgeschehens, auch direkt auf den „realen“ Menschen bspw. als Mitarbeiter übertragen wird.1652 Dieses Bild soll dann die Sichtweise der Führungskräfte von den Menschen bzw. Mitarbeitern im Sinne einer self-fulfilling prohecy prägen. Hier liegt eine Diskrepanz zwischen Theorie und der Wirklichkeit vor, was zu einem verzerrten Weltbild führen kann. Darüber hinaus kann, so die NichtBeführworter, diese Sichtweise dazu führen, dass Unternehmen als mechanistische, technisch geprägte Organisationen im Sinne einer Maschine gesehen werden, in dem zur Zielerreichung lediglich an den korrekten „Schrauben“ gedreht werden muss. Der Mitarbeiter wird in diesem Kontext als reiner Funktionsträger betrachtet. Diese Sichtweise verzerrt allerdings die Realität, denn ein Unternehmen wird auch durch die individuellen Persönlichkeiten, Normen und Werte sowie Einstellungen der Mitarbeiter gebildet, die über spezifische Fähigkeiten und Potenziale verfügen.1653 Der Mitarbeiter ist vielmehr als individueller Träger von Potenzialen zu sehen. Neben diesen vorgebrachten Problemen liegt andererseits ein weiteres Problem, die Nichtbeachtung des Stellenwertes von Humankapital in dem Nichtwollen der verantwortlichen Führungskräfte bzw. der Geschäftsführung, vor. Emotionen, Bedürfnisse bzw. psychologische Verhaltenserklärungen werden von Managern mitunter als nicht relevant eingestuft, da deren Selbstbild eher einer rationalen, sachlichen und emotionslosen Führungskraft entspricht. Wenn eigenmotivationale Ausrichtungen bei Managern in Kombination mit einem Bedürfnis nach Macht, Fremdwirkung und Selbstdarstellung vorliegen, dann könnte dies zu einer Vernachlässigung bzw. Nichtberücksichtigung der Bedürfnisse der Mitarbeiter führen, da die individuellen Bedürfnisse die Bedürfnisse der einzelnen Mitarbeiter überkompensieren bzw. dominieren.1654
1650 1651 1652 1653 1654
Siehe grundlegend Marcuse (1964). Sowie in der deutschen Übersetzung Marcuse (2005). Vgl. Pieper (2004), S. 55; Fassin (2005), S. 269. Siehe auch die Ausführungen in Kapitel 2.3.1.3. Vgl. Schütte (2004), S. 79-80; Sommer (2004), S. 73-76. Vgl. Schütte (2004), S. 79-80.
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Personalwirtschaft vollzieht sich im Spannungsfeld zwischen dem Subjektcharakter des Handlungsobjektes des Mitarbeiters und somit, in gesamtunternehmerischer Sichtweise, zwischen dem als unternehmerische Funktion berechenbaren Erfolg und der Respektierung des Subjektes Mensch (Mitarbeiter) mit seinen verbundenen Wünschen, Rechten und Pflichten.1655 Eine Aufgabe des Personalmanagements ist ein Management of Diversity, bei dem ein Ausgleich zwischen individueller Subjektivität und organisatorischen Regelungen im Unternehmen vollzogen werden soll. In diesem Spannungsverhältnis existieren unterschiedlichste moralische Fragestellungen.1656 Dem Konzept des Management of Diversity bzw. Managing Diversity liegt die Auffassung zu Grunde, dass qualifizierte personale Ressourcen ein knappes Gut sind. Um die personellen Potentiale erkennen und entwickeln zu können, ist es unerlässlich das Management einer Unternehmung sowie die organisationale Struktur vor dem Hintergrund zunehmender Individualisierung- und Entsolidarisierungstendenzen einer Gesellschaft zu verändern und eine Verbindung unternehmerischer, politischer und ethischer Prozesse herbeizuführen.1657 Managing Diversity basiert auf der Gleichstellungsdiskussion in den USA und fungiert in der Anwendung als Konzept zur Problemlösung sozialer Unterschiede in Organisationen, wie bspw. des Geschlechtes, des Alters, der sozialen Herkunft, der Religion und der Ethnie. Das Managing Diversity strebt u. a. eine Annäherung an trans- bzw. interkulturelle Organisationen an.1658 Die Individualität kann nur mobilisiert werden durch eine gewollte Zulassung von Individualität. In Teams, speziell bei Personen mit einem unterschiedlichen kulturellen Hintergrund, nimmt die Bedeutung von Diversifität zu, speziell in Form multikultureller Wertvorstellungen. Gleichermaßen nimmer auch die Diversifität zwischen den Unternehmen zu.1659 Dabei sind die Vorteile einer Diversifität, verstanden als ein heterogenes Potenzial an Talenten, Ideen und Erfahrungen, unabhängig von der Unternehmensgröße.1660 Mit der Zunahme multikultureller Wertvorstellungen können auch unterschiedliche Normen und Ethikvorstellungen verbunden sein. Das Konzept der Managing Diversity kann an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt werden, da es einen eigenständigen, tiefgreifenden Themenkomplex bildet. Zur weiteren Vertiefung sei hier auf die Literatur einschlägige verwiesen.1661 Aufgrund der zugrunde liegenden Auffassungen dieses Konzeptes ergeben sich jedoch teilweise Berührungspunkt und Überschneidungsbereiche in das Themengebiet der Ethik. Ethische Prinzipien sind schon während der Personalsuche bzw. innerhalb des gesamten Personalakquisitionsverfahrens von Relevanz. Bereits bei der Ausschreibung der Stelle in Form einer Stellenanzeige können einerseits negative Aspekte einer Stelle nicht genannt oder in abgeschwächter Form dargestellt werden, oder andererseits positive Aspekte als zu positiv herausgestellt werden. Treffen 1655 1656
1657 1658
1659 1660 1661
Vgl. Wittmann (2000), S. 148. Vgl. Wieland/Grüninger (2000), S. 158. Als drei grundlegende Paradigmen des Managing Diversity, die Schnittstellen zur Thematikder Ethik aufweisen, werden Fairness und Diskriminierung, Zugang zu Märkten und Legitimation sowie Lernen und Leistungsfähigkeit gesehen. Siehe hierzu Thomas/Ely (1996), S. 79-90 sowie die Ausführungen bei Aretz/Hansen (2002) und Höher/Weißbach (2004). Vgl. Koall/Bruchhagen (2004), S. 182; Wieland (2004a), S. 20-21. Vgl. Koall/Bruchhagen (2004), S. 179; Ramm (2004), S. 289-292; Höher/Weißbach (2004), S. 215-216.; Eurich/Kropf (2005), S. 249-250. Vgl. Wieland (1998a), S. 28. Vgl. Ramm (2004), S. 293. Siehe hierzu bspw. Aretz/Hansen (2002), Koal/Bruchhagen (2004), Zeiß (2007), Hunt/Hansen (2007). Zur Gestaltung von Diversity in kleinen und mittleren Unternehmen siehe u. a. Höher/Weißbach (2004).
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nun die beim späteren Mitarbeiter erzeugten Erwartungen nicht ein, so kann dies zu einem Vertrauensverlust in die Vorgehensweise, die Menschen oder die Kultur des Unternehmens führen, was sich in einer sinkenden Arbeitsmotivation widerspiegeln kann.1662 Speziell in Branchen mit wenig verfügbaren Arbeitskräften besteht für Unternehmen ein Wettbewerbsvorteil am Arbeitskräftemarkt, wenn die Werte des Unternehmens denen der potenziellen Mitarbeiter entsprechen.1663 So könnten auch junge Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil generieren, indem sie ihr Werteprofil bewusst für die Personalbeschaffung einsetzen, um bspw. geringere monetäre Vergütungen im Vergleich zu Großunternehmen zu kompensieren. Wichtig ist dabei ein zielgerichtetes Personalauswahlverfahren, das die Wertvorstellungen der potenziellen Mitarbeiter erfassen kann.1664 Dabei ist anzumerken, dass sich die Werthaltungen von Führungskräften und Mitarbeitern parallel zu den Werthaltungen der Gesellschaft sowie der politischen Kultur im Ganzen entwickeln.1665 Im Bereich der Personalführung und Personalentwicklung sind ethische Prinzipien hinsichtlich einer gerechten Behandlung der Mitarbeiter relevant in Bezug auf Gesundheitsrisiken, Arbeitsplatzgestaltung, Sanktionsmaßnahmen bei Fehlverhalten, Kündigungen, Beurteilungsgesprächen, Fort- und Weiterbildung als auch eine potenzielle Partizipation der Mitarbeiter an Entscheidungen.1666 Eine ethisch legitimierbare Personalführung betrachtet die Mitarbeiter als Subjekte mit zu respektierender Würde. Die Notwendigkeit die Mitarbeiter als Subjekte zu sehen, ist konstitutiv im Sinne einer Bedingung der Möglichkeit lebenspraktisch vernünftigen Wirtschaftens, und nicht nur moralistisch als Restriktion ökonomischer Wertgenerierung, oder funktionalistisch als eine strategische Voraussetzung der Leistungsfähigkeit und Leitungsbereitschaft.1667 Aufgrund der hochdynamischen, globalisierten Märkte, die zu immer schnelleren Reaktionen auf Veränderungen zwingen, wird die Führungsqualität in einem Unternehmen mehr und mehr zu einem bedeutenden Wettbewerbsfaktor.1668 Das Verhalten und Handeln von Individuen wird von, in vielen Fällen unreflektierten, Wertvorstellungen beeinflusst oder gar gesteuert. In wie weit diese Feststellung im Unternehmen nutzbar gemacht werden kann, ist Gegenstand unterschiedlicher ökonomischer Diskussionen.1669 In der Literatur existiert auch keine allgemein anerkannte Führungstheorie, da diese nicht existieren kann, da Führung stark situationsabhängig ist, und weil Führung stark an die individuellen Eigenschaften des Führers und des Geführten gebunden ist. In diesem Kontext sind einzelne Kompetenzen einer Führungspersönlichkeit im Sinne der Führungskompetenz von Bedeutung. Der Begriff der Führungskompetenz ist in der Literatur nicht einheitlich definiert. Vielmehr hat dieser unterschiedlichste Ausprägungen. Als vier Kernbereiche einer Führungskompetenz lassen sich die fachliche Kompetenz (Fachkompetenz), die methodische Kompetenz, die soziale
1662 1663 1664 1665 1666
1667 1668 1669
Vgl. Frey et al. (2004), S. 54. Vgl. Karcher/Pfingst (2004), S. 267. Vgl. Wieland/Grüninger (2000), S. 158-159; Roloff/König (2005), S. 377; König (2005), S. 486. Vgl. Hauff (1991), S. 79; Leisinger (1997), S. 142-143. Vgl. Frey et al. (2004), S. 54; Leisinger (2004), S. 564-565, Sommer (2004), S. 73-76; Roloff/König (2005), S. 377. Eurich/Kropf (2005), S. 255 merken an, dass Unternehmen scheinbar die Relevanz der Weiterbildung von Mitarbeitern hinsichtlich des Verständnisses von Werten und Unternehmensethik unterschätzen, obwohl hieraus Wettbewerbsvorteile entstehen könnten. Vgl. Wittmann (2000), S. 148. Vgl. Winnes (1996), S. 84. Vgl. Dahm/Büscher (2004), S. 89.
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Kompetenz (Sozialkompetenz) sowie die ethische Kompetenz (Ethikkompetenz) nennen.1670 Somit könnte es vorteilhaft sein, wenn alle Organisationsmitglieder, jedoch im Speziellen verstärkt die Führungskräfte, über die Kompetenz verfügen, eine Reflektion ihrer Handlungen hinsichtlich der Werte des Unternehmens vollziehen zu können. Hierbei ist es bedeutsam ökonomische als auch ethische Aspekte im operativen Alltag zu berücksichtigen. Entscheidungen sollten beide Dimensionen einbeziehen und transparent kommuniziert werden. Jedoch ist es auch wichtig, die internen Grenzen eines wertorientierten Handelns des Unternehmens zu kennen und in Erweiterung dieser einen Dialog zur Verbesserung von Rahmenbedingungen durch die Politik und die Gesellschaft zu suchen.1671 Mitarbeiter eines Unternehmens sollten dahingehend geschult werden, wie die ökonomischen Unternehmensziele unter Beachtung sozialer Standards individuell erreicht werden können. In diesem Kontext erscheint eine Sensibilisierung und Förderung des Bewusstseins der Mitarbeiter für die Thematik der Ethik von besonderer Bedeutung. Dies stellt eine Herausforderung für die Personalführung und Personalentwicklung in einem Unternehmen dar.1672 Als grundlegende Basis sollten die individuellen und organisationsspezifischen Werte in konkreten, spezifischen Situationen durch jedes einzelne Individuum konstruiert, kombiniert und kommuniziert werden. Dabei ist auf ein einseitiges Moralisieren bzw. eine einfache Wiederholung, Rezitation oder Zurschaustellung des Leitbildes im Sinne eines rituellen und strikten Appells zu verzichten. Werte müssen durch die Individuen im alltäglichen Leben übersetzt werden. Sie sind nicht als die Darstellung einer absoluten Wahrheit und Weisheit zu verstehen. Auch kann von keiner umfassenden Handlungsanleitung ausgegangen werden.1673 In Bezug auf die individuelle, als auch die organisatorische Ebene ergeben sich beispielhaft nachfolgende theoretisch denkbare Vorteile ethischen Handelns bzw. der Orientierung an Werten:1674
Eine Orientierung an Soll-Werten vermittelt Handlungssicherheit Erfüllung menschlicher Wünsche nach klaren Grundwerten und Verhaltensrichtlinien Mögliche Ableitung des Verhaltens aus Werten und Prämissen Beurteilung des Verhaltens auf Basis transparenter Kriterien Setzung von Standards des zwischenmenschlichen Umgangs, die auch Auswirkungen auf Kunden, Lieferanten sowie die Gesellschaft haben können Entwicklung und Steigerung der Wahrnehmungssensitivität der Einhaltung bzw. NichtEinhaltung von Ist- und Soll-Werten Förderung der intrinsischen Motivation auf Basis der Förderung der Sehnsüchte nach ethischen Grundregeln als Grundbedarfe der Menschen
Zunächst bleibt anzumerken, dass diese Aussagen lediglich als theoretische Konzeptionen denkbar sind. Eine empirische Validierung der Aussagen ist hier noch nicht gegeben. Auch müssen diese Aus1670
1671 1672
1673 1674
Vgl. Winnes (1996), S. 91-97. Angemerkt werden kann in diesem Kontext, dass aus sozialpsychologischer Sicht, die Ethikkompetenz als ein Teil der moralischen Kompetenz gesehen werden kann, welche wiederum einen Teilbereich der Sozialkompetenz darstellt. Siehe hierzu Bierhoff/Herner (2002), S. 148 und 210. Vgl. Bohlander (2004), S. 169. Vgl. Hoenicke (2002), S. 128; Roloff/König (2005), S. 377 merken in diesem Zusammenhang an, dass bei einer ethischen Schulung der Mitarbeiter die Frage besteht, inwieweit ein Unternehmen seine Führungskräfte zu ethischer Fortbildung verpflichten darf. Denn hierbei ist zu Fragen, wo die Grenze zwischen einer fachlichen Fortbildung und einer Schulung der Gesinnung liegt. Vgl. Bohlander (2004), S. 170-171. Vgl. Frey et al. (2004), S. 53-54.
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Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
sagen, sollten sie sich nicht falsifizieren bzw. in einem empirisch-induktiven Verfahren explizieren lassen, nicht für alle Menschen anwendbar sein. Jedoch könnten diese Aussagen mitunter für eine überwiegende Anzahl von Personen auf Basis einer Normalverteilung gelten. Weiterhin bleibt hier zu prüfen, ob es sich bei den Aussagen nicht um ein Moralisieren durch Frey et al. handelt. Von einem Moralisieren ist, wie bereits angesprochen, im Kontext der Ethik abzuraten. Eine Nicht-Einhaltung ethischer Prinzipien des Unternehmens kann zum einen nachteilig für einzelne Individuen gesehen werden, wenn bspw. unmoralisch agierende Individuen aus einer Gruppe ausgeschlossen, oder von anderen Mitarbeitern und Führungskräften gemieden werden. Zum anderen können sich Nachteile ergeben, wenn unmoralisches Handeln bzw. die Nicht-Einhaltung ethischer Prinzipien zum Standard geworden ist. Dies kann sich in einer steigenden bzw. hohen Unsicherheit, der verstärkten Anwendung psychischer und in extremen Fällen physischer Reaktionen, oder aber in einem sozialen Egoismus der Menschen manifestieren.1675 Im Unternehmen sollte eine Umgebung erzeugt werden, in der ein wertorientiertes Handeln honoriert wird und Werte verstanden und kontinuierlich verstärkt werden. Wiederum führt dies zu einer (potenziellen) Verbesserung der Reputation des Unternehmens und einem verbesserten Einklang mit den Werten der Stakeholder. Einerseits sind dazu wertorientiert denkende und handelnde Mitarbeiter einzustellen und zu fördern.1676 Andererseits kann ein wertorientiertes Personalmanagement einen Beitrag leisten. Ein praxisorientiertes Beispiel für ein wertorientiertes Personalmanagement ist die werteorientierte Personalpolitik der BMW AG, die bereits in den 1980er Jahre eingeführt wurde und als ein Prototyp für neuere Ansätze eines werteorientierten Personalmanagements gesehen werden kann. Die Personalpolitik orientiert sich dabei an 16 zumeist ethischen und ideellen Grundwerten der aktuellen Gesellschaft:1677
1675 1676 1677
Orientierung des (Führungs-)Verhaltens, der Führungskonzeption, der Führungsleitsätze an ethischen Zielen Menschlichkeit bzw. Humanität; Würde des Menschen Liberalität und Toleranz (bspw. ggü. Randgruppen und Minderheiten) Gerechtigkeitsstreben (bspw. in der Gleichbehandlung gleicher Tatbestände) Eigentum und Besitzstreben Prinzip von Leistung und Gegenleistung (bspw. in der Vergütungspolitik) Selbständigkeit und Individualität (bspw. bei der Arbeitszeitgestaltung) Selbstverwirklichung in der Arbeit bzw. interessante berufliche Tätigkeit Selbstverwirklichung außerhalb der Arbeit bzw. Work-Life-Balance Status, Macht, Hierarchie (Streben nach sozialem Aufstieg) Streben nach sozialen Kontakten; Gemeinschaftsgefühl Information und Kommunikation freie Meinungsäußerung Sicherheitsstreben Vgl. Frey et al. (2004), S. 55. Vgl. Lehner (2006), S. 220-221. Vgl. Ackermann (2006), S. 187-188.
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Sozialer Nutzen der Arbeit Demokratie (bspw. Beteiligung an Entscheidungen; Selbstbestimmung)
Alle 16 Grundwerte werden durch 1-6 Ziele konkretisiert. Diese wiederum werden durch Strategien und Maßnahmen weiter ausdifferenziert. Darüber hinaus wird eine Ist-Soll-Analyse der einzelnen Grundwerte durchgeführt, wobei die Ist-Soll-Abweichung als ein Indikator für einen personalpolitischen Handlungsbedarf gesehen wird.1678 Das Konzept der wertorientierten Personalpolitik basiert auf der frühen ethisch-normativen Betriebswirtschaftslehre. Ackermann (2006) sieht dieses Konzept als einfache Version der späteren Balance-Scorecard.1679 Das Verständnis in der Personalwirtschaft, den Menschen in seiner Gesamtheit zu betrachten, kann aus ethischer Perspektive positiv als auch negativ gesehen werden. Unter einer holistischen (gesamtheitlichen) Betrachtungsweise ist die Einbeziehung des Mitarbeiters als Ganzes mit seinem Körper (Scientific Management), den sozialen Beziehungen (Human Relations) bis hin zu Aspekten der Subjektivität und seiner Lebenswelt, in einer Auffassung von bspw. Kognitionen oder Emotionen, zu sehen. Der Mensch wird mit seinem Körper, den sozialen Beziehungen und seinen persönlichen Emotionen in die Unternehmenskultur, aufgefasst als unternehmensspezifische Normen- und Wertgemeinschaft, integriert und für die Unternehmung nutzbar gemacht. Vorteilhaft ist diese Integration in das Unternehmen für den Mitarbeiter aus arbeitstechnischer Sicht hinsichtlich einer individuellen Arbeitsplatzgestaltung unter Beachtung persönlicher Bedürfnisse. Darüber hinaus erfüllt eine starke Integration mitunter menschliche Bedürfnisse nach Geborgenheit, Sicherheit, Gemeinschaftlichkeit oder der Schaffung eines Sinnes. Nachteilig kann diesem Ansatz aus ethischer Sichtweise jedoch vorgehalten werden, dass die individuellen Räume der Freiheit, wie bisher freie persönliche Identität, Kultur, Normen und Werte des Mitarbeiters, die nicht ökonomischen Aspekten untergeordnet waren, nun ökonomisch für das Unternehmen funktionalisiert werden. Dies könnte als eine Art Entmündigung und Instrumentalisierung des Mitarbeiters gesehen werden, da für den Mitarbeiter durch eine kontinuierliche Verinnerlichung und Identifikation der Normen, Werte und Ziele des Unternehmen eine normative und kognitive Distanz zum Unternehmen und seiner Arbeit nicht mehr gewährleistet ist. Es besteht das Problem einer konkreten Trennung von Arbeit und Privatleben. Hinzuzufügen ist, dass von einem Mitarbeiter eine solch subtile Einflussnahme in seinen Persönlichkeitsbereich mitunter nicht wahrgenommen wird und dieser nicht weiß, wie er sich dagegen zur Wehr setzen kann. Dies alles führt zu einer ansteigenden Unmündigkeit und Entwöhnung des Mitarbeiters von der Freiheit.1680 In diesem Zusammenhang spricht Habermas (1981) von einer Kolonialisierung der Lebenswelt.1681 Mohn (1990) ist der Auffassung, dass ohne eine Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen, weder kleine und mittlere Unternehmen, noch Großunternehmen geführt werden können.1682 Für Ulrich (1998a) ist unternehmerisches Handeln in diesem Kontext immer in einem Unternehmerethos fundiert, wobei keine Wahl zwischen ethischer und ethikfreier Unternehmensführung besteht. Viel1678 1679 1680 1681 1682
Vgl. Ackermann (2006), S. 188. Vgl. Ackermann (2006), S. 188-189. Vgl. Wittmann (2000), S. 144-145. Vgl. Habermas (1981), S. 293 und 471-475. Ähnlich Laux (2005), S. 209-213. Vgl. Mohn (1990), S. 170.
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mehr besteht lediglich die Wahl zwischen ethikbewusster Unternehmensführung und einem unreflektierten, tendenziell ideologischen Umgang mit impliziten Wertorientierungen unternehmerischen Handelns.1683 Wie ernst einer Führungskraft oder einem Unternehmer eine ethische Personalführung und -motivation ist, lässt sich in Krisenzeiten erkennen. Denn hier ist es entscheidend, ob es sich um eine wirkliche Motivation oder nur um ein Instrument zur Steigerung der Produktivität und der Maximierung des Gewinns handelt.1684 Gerade hinsichtlich einer empirischen Analyse einer Ethik in (jungen) Unternehmen stellt dies einen bedeutenden Sachverhalt dar. Denn eine Analyse und Bewertung des ethischen Verhaltens ist vor dem Hintergrund des wirtschaftlichen Druckes zu sehen, denen das Unternehmen zum Zeitpunkt der Analyse ausgesetzt ist. Es kann nicht abgestritten werden, dass eine Verfolgung ethischer Prinzipien in der Ausrichtung des eigenen Verhaltens zu Wettbewerbsnachteilen führen kann. Problematisch sind bspw. nur partielle Umsetzungen und Einhaltungen ethischer Verhaltensrichtlinien durch die Mitarbeiter, was u. a. zu internen Inkonsequenzen und Kommunikationsproblemen führen könnte. Darüber hinaus können sich auch externe Probleme und Nachteile hinsichtlich des Markt- und Ethikverhaltens der Konkurrenten ergeben. Unmoralische Praktiken von Konkurrenten, wie bspw. Bestechungen zum Erhalt eines Auftrages, können zu Wettbewerbsnachteilen eines ethisch handelnden Unternehmens führen.1685 In diesem Kontext ist allerdings darauf hinzuweisen, dass in dem letztgenannten Beispiel nicht nur moralische, sondern auch rechtliche Aspekte tangiert werden. Je nach landesspezifischer Moralauffassung und landesspezifischem Recht werden Bestechungen als moralisch oder rechtlich nicht verwerflich betrachtet. 2.4.3.4
Organisationsspezifische Überlegungen
Nach Albach (2005a) sind die Organisations- und Prozessstrukturen so zu wählen, dass das Handeln der Individuen innerhalb des Unternehmens und gegenüber der Unternehmensumwelt bzw. dem Umfeld des Unternehmens den Kategorischen Imperativ nicht verletzt. Dabei ist der Kategorische Imperativ die Basis der Vernunftethik. Eine rationale Organisationsgestaltung ist deckungsgleich mit vernunftethischem Verhalten. Dabei ist es vernunftethisch geboten, bei jeder Entscheidung und auch Organisationsgestaltung nicht nur die erwünschten Wirkungen, sondern auch die Nebenwirkungen zu analysieren.1686 Noll (2002) sieht zwei allgemeine Ansatzpunkte für eine Ausgestaltung organisatorisch-struktureller Regelungen zur Förderung einer ethikfreundlichen Organisationsstruktur. Hierbei handelt es sich zum einen um eine Umgestaltung bestehender Organisationsstrukturen und zum anderen um die Schaffung neuer, zusätzlicher Strukturen. Eine ethische Sensibilisierung kann über eine Umgestaltung bestehender Organisationsstrukturen erfolgen. Hierbei soll die gesamte Organisation für ethische Problemstellungen geöffnet werden. Im Betrachtungsfokus liegen mögliche Probleme bürokratischhierarchischer Organisationsstrukturen, die in vielen Fällen zu unethischen (Neben-)Effekten führen. 1683 1684
1685 1686
Vgl. Ulrich (1998a), S. 16. Vgl. Furger (1994), S. 99. Ähnlich bezieht Leisinger (1997), S 148 die Ernsthaftigkeit auf die Tragfähigkeit der Sozialkompetenz in Krisenzeiten. Vgl. Frey et al. (2004), S. 55. Vgl. Albach (2005a), S. 5-6
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275
Dabei ist anzumerken, dass (Befehls-)Hierarchien nicht zwingend gänzlich abzuschaffen sind, da sie, sofern diese in der jeweiligen Lebenszyklusphase des Unternehmens zu diesem passen, zu einer Wertschöpfung beitragen können. Vielmehr sind im diesem Kontext offenere, partizipative Strukturen zu schaffen bzw. zu ergänzen, die eine Reflexion und Kommunikation ethischer Fragen ermöglichen, ohne dass die Hierarchie gänzlich aufgegeben wird. Dabei ist ein bedeutendes Element u. a. die Dezentralisierung von Entscheidungsprozessen mit dem Ziel einer Förderung von Eigeninitiative und Motivation. Darüber hinaus ist eine Förderung von Informations- und Gruppenprozessen zur Verbesserung der Entscheidungsqualität von Bedeutung. Weiterhin sollte der Vorrang einer Eigen- vor der Fremdkontrolle bestehen, um Vertrauen in zwischenmenschliche Beziehungen zu stärken.1687 Für die Durchsetzung ethischer Prinzipien erscheint eine offene Kommunikation im Unternehmen besonders bedeutsam zu sein. In einer Atmosphäre des gegenseitigen Vertrauens scheint dies zu gelingen.1688 Ein Problem im Unternehmen können Informationsasymmetrien sein. Grundsätzlich sind Informationsasymmetrien im Unternehmen nicht abzulehnen, da diese auch produktiv im Sinne einer Anreizstruktur sein können. Wirken sich Informationsasymmetrien allerdings nachteilig auf die Effizienz der Arbeit im Unternehmen aus, so ist es aus ethischer, aber auch ökonomischer, Sicht ratsam, Rahmenbedingungen für moralisches Verhalten im Unternehmen zu definieren und zu implementieren. Dabei können die Rahmenbedingungen die geltenden Gesetze wiederholen und weiterhin die Spielräume, die die Gesetze lassen, unternehmensspezifisch eingrenzen. Diese Vorgehensweise kann dem Bereich der Unternehmensleitbilder, Unternehmensleitsätze, Ethikkodizes1689 etc. zugeordnet werden.1690 Spielberg (2005) vertritt die Auffassung, dass ab einer bestimmten Unternehmensgröße (welche Größe dies ist, führt er nicht aus), eine schriftliche Formulierung von Ethikkodizes und Unternehmensgrundsätzen des internen und externen Miteinanders ein notwendiger, aber nicht hinreichender Teil der Selbstorganisation eines Unternehmens sei. Diese Einstellung sieht Spielberg in erfolgreichen Unternehmern. Denn wenn sich Unternehmer aktiv mit der Einführung eines Ethikkodex beschäftigen, erfolgt i. d. R. auch eine Verschriftlichung der (impliziten) Grundsätze der Unternehmenskultur in dem Ethikkodex.1691 Darüber hinaus können im Unternehmen neue, zusätzliche Strukturen geschaffen werden, die sich speziell mit dem Thema der Ethik im Unternehmen bzw. im wirtschaftlichen Kontext auseinandersetzen. Somit können spezielle Stellen, Abteilungen oder organisatorische Instanzen integriert werden, um aktiv ein Ethik-Management zu betreiben. Als konkrete Beispiele in diesem Kontext sind Ethikbeauftragte, Ethikkommissionen oder Ethikkomitees zu nennen.1692 Die Etablierung spezieller unternehmensinterner Strukturen ist nicht unumstritten. Denn es besteht die Gefahr, dass diese (formalen) Ethikaktivitäten lediglich zu Public-Relations-Zwecken genutzt werden. Darüber hinaus können diese Maßnahmen zu einer verstärkten Bürokratisierung führen. Eine bedeutende Kritik ist, dass ein so komplexes Themengebiet wie die Ethik nicht alleine auf einzelne, spezialisierte Stellen verlagert werden kann. Vielmehr ist die Ethik im gesamten Unternehmen, auf allen Ebenen und bei allen Mitarbei1687 1688 1689 1690 1691 1692
Vgl. Noll (2002), S. 126. Vgl. Werhahn (1990), S. 81. Siehe hierzu u. a. Kapitel 2.4.3.7.1. Vgl. Albach (2005a), S. 19. Vgl. Spielberg (2005), S. 87. Vgl. Noll (2002), S. 127; Leisinger (1997), S. 117.
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tern von Bedeutung und hier zu vollziehen. Ethische Reflexion ist von jedem Organisationsmitglied zu fordern.1693 An dieser Kritik spiegelt sich wiederum die Frage nach einer Individual- und/oder Institutionenethik wider. Wobei die Ebene der Institutionen in diesem Kontext die Institution des Unternehmens ist. In diesem Kontext merkt Leisinger (1997) an, dass für die Realisierung zugewiesener Aufgaben ein Sachwissen sowie Handlungsspielräume erforderlich sind. Ethische Verantwortung kann dort eingefordert werden, wo Wissen über die Konsequenzen des Handelns sowie Handlungsspielräume bestehen. Die Verantwortungsfähigkeit macht einen Entscheidungsträger verantwortlich. Je größer der eigenverantwortliche Entscheidungsspielraum der Mitarbeiter im Unternehmen ist, desto stärker kann die Unternehmensethik durch die Individualethik geprägt sein. Sind die Handlungsabläufe fragmentierter und autoritärer, desto mehr kann die Unternehmensethik als durch die Institution geprägt betrachtet werden.1694 Vorteile einer formalen Etablierung von speziellen, ethischen Organisationsstrukturen sind, dass eine gewisse Professionalisierung der Ethik stattfindet und bei moralischen Konfliktsituationen spezialisierte Stellen hiermit befasst sind und kompetente Verbesserungsvorschläge gegeben werden können. Darüber hinaus werden Mitarbeiter durch eindeutige Zuständigkeitsregelungen von zeitintensiven Argumentations- und Reflexionsprozessen entlastet. Allerdings ist hiermit auch direkt das Problem verbunden, dass ethische Aspekte nicht wahrgenommen oder reflektiert werden, da auf die formalen Stellen vertraut wird. Hierin liegt die Gefahr einer abnehmenden oder fehlenden ethischen Sensibilität der Mitarbeiter des Unternehmens, was zu Problemen bei einer Früherkennung moralischer Situationen führen kann.1695 Aus theoretischer Sicht ist jedoch vermutlich davon auszugehen, dass die Schaffung organisationaler Instanzen, die sich ausschließlich mit Ethik beschäftigen, in jungen Unternehmen aufgrund der i. d. R. knappen finanziellen Ressourcen nicht realistisch erscheint. Zudem sind junge Unternehmen oftmals kleiner, wodurch dem Gründer bzw. Unternehmer, in Abhängigkeit von seiner persönlichen Wertestruktur sowie seinen bewussten (unternehmens-)ethischen Intentionen, eine direktere Einflussnahme auf ethisch relevante Handlungen in der Organisation möglich ist. Sehr wohl stellt sich aber die Frage, inwieweit im Verlauf eines Größenwachstums des Unternehmens ein organisatorischer Rahmen geschaffen werden kann, der einen Beitrag zur Ausgrenzung unethischen Verhaltens leistet, bzw. die Einhaltung der durch den Gründer bzw. Unternehmer geprägten Unternehmensleitsätze oder Zielrichtungen unterstützt. Häufig gilt es auch in einer späteren Phase des Unternehmenswachstums, Leitsätze bzw. ethische Leitbilder des Gründers bzw. Unternehmers, die implizit durch sein (werteorientiertes) Handeln Eingang in (ethische) Unternehmensentwicklung gefunden haben, nun explizit abzubilden bzw. zu formulieren. An dieser Stelle sei zudem auch nochmals auf die modellhaften Ausführungen einer ethischen Entwicklung von Organisationen nach Reidenbach/Robin (1991) sowie Morris et al. (2002) verwiesen.1696
1693 1694 1695 1696
Vgl. Noll (2002), S. 128. Vgl. Leisinger (1997), S. 53-54. Vgl. Noll (2002), S. 128.129. Siehe hierzu Kapitel 2.4.2.2.1und 2.4.2.2.2 sowie grundlegend Reidenbach/Robin (1991) und Morris et al. (2002).
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
2.4.3.5
277
Netzwerk- und kooperationstechnische Überlegungen
Für die nachfolgende Erörterung ist es zunächst bedeutsam zwischen den Begriffen der Koordination und Kooperation zu unterscheiden. Auch Wieland (1998a) differenziert zwischen Koordination und Kooperation. Koordination ist dabei ein sachlicher Prozess einer ex post Abstimmung von erstellten Leistungen und Ressourcen (Angebote) aus Nachfrage in Form von Regelmechanismen. Dabei ist die Basis, dass Unsicherheit ausgeschlossen ist. Beispiele unpersönlicher Koordinationsmechanismen sind Preissignale, Transferpreise, Unternehmensverfassungen, Organisationsregeln oder Vertragsarrangements. Kooperation hingegen ist eine Interaktion individueller Personen anhand ex ante vereinbarter Regeln zur Erbringung von Leistungen vor dem Hintergrund der Unsicherheit. Diese wird versucht, durch weitgreifende und adaptive Vertragsgestaltungen zu reduzieren. Nach dieser Definition sind Märkte reine Koordinationsformen, wohingegen Organisationen Kooperationsprojekte sind, die auch Koordinationsmechanismen nutzen. Im Unternehmen sollen sachliche Koordinationsmechanismen und personale Koordinationsmechanismen dergestalt kombiniert werden, dass organisationale Stabilität und wirtschaftlicher Erfolg hieraus resultieren.1697 Der Markt hat kein Ziel. Wohingegen Unternehmen gegründet werden, um kollektive und individuelle Ziele zu verfolgen. Ein Markt ist ein monolinguales System, in dem einzig über den Preis kommuniziert wird. Ein Unternehmen ist ein polylinguales System, welches die Möglichkeit, aber auch Notwendigkeit besitzt, alle Ereignisse in einer Reihe von Kodierungen, als ökonomische, technische, organisatorische, rechtliche, psychologische und moralische Kodierung, zu dokumentieren und zu bewerten.1698 Luhmann (1987) ist aus soziologischer Perspektive der Meinung, das Personen mit denen man konkurriert, nicht gleichsam identisch mit den Personen sein dürfen, mit denen man kooperiert.1699 Allerdings widersprechen die beobachtbaren Tatsachen einer verstärkten Kooperation von Unternehmen, die gleichzeitig auch Konkurrenten sind, dieser Aussage. Kooperationen erhalten in der wirtschaftlichen Tätigkeit, speziell vor dem Hintergrund der Globalisierungstendenzen, einen erhöhten Stellenwert. Dabei kann das Vertrauen der Kooperationsakteure, verstanden als interdependente Verhaltensund Vertrauenserwartung, einen entscheidenden Faktor, auch für junge Unternehmen, im Wettbewerb bilden.1700 Der Begriff der Globalisierung kann in diesem Kontext unterschiedliche Ausprägungsformen annehmen. Zum einen ist der Begriff als ein weltweites Angebot bzw. eine Nachfrage als Konkurrenz von Unternehmen auf Märkten zu verstehen. Zum anderen bietet sich durch die Globalisierung eine weltweite Möglichkeit der Kooperation. Beide Ausprägungsformen sind miteinander rekursiv vernetzt. Konkurrenzfähigkeit in der Globalisierung wird dabei geprägt durch Kooperationsbereitschaft und Kooperationsfähigkeit. Unternehmerischer Erfolg wird zunehmend abhängig von der Fähigkeit, die organisationale Ressource der Kooperation ökonomisch zielorientiert umsetzen zu können. Die Ökonomie wird zunehmend bestimmt von einer Kooperationsökonomie bei zunehmender allgemeiner Komplexität des Wirtschaftens.1701 Beschrieben werden kann das Verhält-
1697 1698 1699 1700 1701
Vgl. Wieland (1998a), S. 16-17. Vgl. Wieland (1998a), S. 21. Vgl. Luhmann (1987), S. 522. Vgl. Kleinfeld (2005), S. 39. Vgl. Wieland/Grüninger (2000), S. 157.
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Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
nis von Kooperation und Konkurrenz durch eine organisationstheoretische Formulierung einer rekursiven Schleife in Form einer wechselseitigen Stabilisierung von Kooperation und Konkurrenz.1702 Eine Zunahme der Komplexität ökonomischer Entscheidungen kann als ein Resultat einer Verlängerung von globalen Wertschöpfungsketten erklärt werden. Problematisch ist hierbei die Integration und Kontrolle unternehmensweiter Netzwerke. Zum einen ist hierbei die Erstellung eines kulturellen Fit zwischen unterschiedlichen Ländern, Branchen, Unternehmen und Mitarbeitern herzustellen. Zum anderen wird eine dualistische Verhaltensdisposition zwischen Kooperation (co-operation) und Konkurrenz (competition), die im angelsächsischen Sprachgebrauch als co-opetition bezeichnet wird, verstärkt in den Vordergrund des Interesses gerückt. Unternehmen müssen in der Lage sein, mit anderen Akteuren bzw. Unternehmen auf einem Gebiet einerseits in Konkurrenz zu treten und andererseits mit genau den gleichen Akteuren auf einem anderen Gebiet Kooperationen eingehen zu können. Ein und dasselbe Unternehmen kann somit Lieferant, Partner oder Wettbewerber eines anderen Unternehmens sein. Entscheidend für die Fähigkeit der co-opetition sind gelebte Werte wie bspw. Fairness, Verantwortung oder Vertragstreue.1703 Allerdings ist die Fähigkeit zur co-opetition nicht nur vor dem Hintergrund der Globalisierung zu sehen. Denn sie ist in allen Märketen ein Instrument zur Generierung und Abschöpfung verlängerter Wertschöpfungsketten. Auf den Märkten können nicht nur „competitors“ sind auch „complementors“ aufgefunden werden, wobei letztere den Wert der eigenen Produkte erhöhen können. Sie sind gleichermaßen unverzichtbar im Kontext der Erschließung neuer Märkte bzw. Marktsegmente.1704 Wettbewerbsvorteile können dabei nur von permanenten Innovatoren erzielt werden. Dies setzt allerdings Unternehmen bzw. Organisationen voraus, die durch schnelle Reaktionen auf Marktveränderungen bzw. Geschwindigkeit und Dynamik gekennzeichnet sind. Geschwindigkeit ist hierbei ein lineares Konzept, wohingegen Dynamik aus Netzwerkeffekten entsteht.1705 Wieland sieht sowohl Moral als auch Wissen als individuelle und organisationale Ressource an. Ein Akteur wird als Bündel fachlicher und sozialer Ressourcen und Kompetenzen gesehen. Für das Eingehen und die Realisierung einer Kooperationsbeziehung ist es dabei unerheblich, ob es sich um ein Individuum oder eine Organisation handelt, denn sowohl ein Individuum, als auch eine Organisation kooperieren, weil sie sich Vorteile hiervon erhoffen. Eine Kooperation kann allerdings nach Wieland lediglich dann erfolgreich sein, wenn jeder Akteur sich bestimmten Regeln und Organisationszielen und somit einem teilweisen Vorteilsverzicht unterwirft. Dieser soll sicherstellen, dass sich alle besser stellen, als im Falle der Einzelvermarktung ihrer Ressourcen.1706 Eine Lösung ordnungspolitischer Globalisierungsprobleme scheint allein durch heterogene Netzwerke aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft im Sinne eines Gesellschaftsvertrages möglich zu sein.1707 Enderle (2004) empfiehlt gerade (jungen) Kleinstunternehmen und kleinen Unternehmen die Bildung unterschiedlicher Netzwerke zur Reduzierung des zunehmenden Drucks der Globalisierung. Hierdurch sollen Handlungsfreiräume gesichert bzw. erweitert werden, indem Handlungsbedingungen externalisiert werden sowie ökonomische, ökologische und soziale Leistungen verbessert werden. In 1702 1703 1704 1705 1706 1707
Vgl. Ortmann (1995), S: 291; Wieland (1998a), S. 23. Vgl. Wieland/Grüninger (2000), S. 157-158; Wieland (2004a), S. 17-18. Vgl. Wieland (1998a), S. 23-24. Vgl. Wieland (2004b), S. 255. Vgl. Wieland (2004b), S. 261-262. Vgl. Wieland/Grüninger (2000), S. 160.
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279
den letzten Jahren haben sich spezielle Netzwerke kleiner und mittlerer Unternehmen zur Leistungsverbesserung im Umweltbereich etabliert, die die ökonomische und ökologische Verantwortung der Unternehmen sicherstellen sollen. Eine Zusammenarbeit von kleinen und mittleren Unternehmen, Regierungsstellen und auch Nichtregierungsorganisationen sind nach Enderle nicht bloßes Mittel zum Zweck. Vielmehr sind sie ein Ausdruck der Übernahme ökonomischer, ökologischer und sozialer Verantwortung. Enderle empfiehlt die Handlungsfreiräume von kleinen und mittleren Unternehmen auszunutzen und sich in Netzwerken zu organisieren, um deren Position im globalen Markt zu stärken. Ethisches Verhalten kann sich im Rahmen ökonomischer, ökologischer und sozialer Reflexion und Handlungen vollziehen.1708 Dabei sollte ein Netzwerkmanagement durch den Unternehmer vollzogen werden. Unternehmer können dabei nicht mehr allein als Manager arbeitsteiliger Hierarchien gesehen werden, sondern als Manager von Netzwerken.1709 Im Kontext der Netzwerkbeziehungen ist dabei das Vertrauen von besonderer Bedeutung. Die Grundlage für ein stabiles Vertrauen kann durch eine gemeinsame Wertebasis gebildet werden. Im Kontext von Netzwerkbeziehungen geht es auch immer um einen Austausch von Wissen. Auch der Austausch von Wissen basiert auf einer Vertrauensbeziehung. Vertrauen basiert dabei vor allem auf dem Vertrauen zwischen Menschen, denn Menschen geben Wissen weiter. Ein Teilen von Wissen darf einem Mitarbeiter aber auch nicht zum Nachteil gereichen. Der Mitarbeiter muss bei der Wissensweitergabe geschützt werden. Hierbei helfen Normen und ethische Positionen.1710 2.4.3.6
Überlegungen hinsichtlich einer Kapitalmarktorientierung
Diskussionen, Vorschläge und Untersuchungen zur Unternehmensethik werden zumeist vor dem Hintergrund von Großunternehmen vollzogen. Dies mag u. a. damit begründet sein, dass viele der theoretischen Konzepte der deutschen Wirtschafts- und Unternehmensethik in den 1980er und 1990er Jahren entwickelt wurden und der Fokus der Betrachtung dieser Zeit, analog wie in der BWL im Allgemeinen, vornehmlich auf Großunternehmen lag.1711 Eng verbunden könnte hiermit das Bild des Unternehmers sowie die Kultur der Selbständigkeit sein, die beide in Deutschland in den letzten Jahrzehnten, zumindest in ihrer Außen- und Kommunikationswirkung, nicht sonderlich ausgeprägt waren und auch zum Teil noch sind. Neben dem Alter, der Mitarbeiterzahl, dem Umsatz und Gewinn, ist ein wichtiger Unterschied von Großunternehmen gegenüber jungen (meist kleineren) Unternehmen, dass Großunternehmen zumeist börsennotiert sind. Die Börsennotierung ist mit einer Einbindung in vielschichtige, wechselseitige (Abhängigkeits-)Verhältnisse verbunden. Das börsennotierte Unternehmen steht mit mehr Stakeholdern in Verbindung, als ein nicht-börsenotiertes Unternehmen. Ein Beispiel hierfür sind u. a. (Finanz-)Analysten, die die Arbeit des Unternehmens bspw. für Kapitalmarktteilnehmer bewerten. Gleichermaßen ist das kapitalmarkteingebundene Unternehmen weiteren Abhängigkeitsverhältnissen, wie stärkeren Berichtspflichten und Auflagen, ausgesetzt. Ein börsennotiertes Unternehmen muss nicht alleine über die aktuelle Situation Rechenschaft able1708
1709 1710 1711
Vgl. Enderle (2004), S. 267-268. Beispiele für erfolgreiche Netzwerkbeziehungen liefern u. a. Spence/Jeurissen/Rutherfoord (2000). In weiter Anlehnung an Middelhoff (2004), S. 358-359. Vgl. Kleinfeld (2005), S. 39-40. Siehe als Beispiele die Arbeiten von Homann, Ulrich oder Steinmann/Löhr und hierzu die Kapitel 2.3.4.1, 2.3.4.2 und 2.3.4.3 dieser Ausarbeitung.
280
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
gen, sondern die Kapitalgeber davon überzeugen, dass der Kapitaleinsatz von heute einen Mehrwert in der Zukunft generiert.1712 Die Entwicklungen der globalen Gütermärkte werden durch die global miteinander verbundenen Finanzmärkte in starkem Maße determiniert. Aktionen auf Finanzmärkten beeinflussen ökonomische Fundamentaldaten der Gütermärkte. Preise werden oft nur noch teilweise auf Basis des Angebotes und der Nachfrage auf Gütermärkten ermittelt, wie dies geschehen sollte. Vielmehr werden diese durch Finanzmärkte stimuliert. Eine optimale Allokation von Ressourcen bei der Verfolgung des individuellen Eigeninteresses im Sinne einer „unsichtbaren Hand“ nach den Vorstellungen von Adam Smith führt in diesem Kontext nicht zwingend zu einer erhöhten ökonomischen Stabilität, sondern vielfach zu räumlichen und auch globalen Instabilitäten.1713 Unternehmen sehen sich somit einem erhöhten Risiko ausgesetzt. Allerdings trifft dies in Teilen wohl auch auf nicht-börsennotierte Unternehmen zu. Ein bedeutender Unterschied, dem sich börsennotierte Unternehmen ggü. jungen bzw. nichtbörsennotierten Unternehmen ausgesetzt sehen, sind die (hohen) Erwartungen der Analysten, Investoren sowie weiterer Kapitalmarktteilnehmer an die Erwirtschaftung von Gewinnen bzw. Renditen. Dabei ist im ethischen Kontext gegen eine generelle Absicht der Gewinnerzielung nichts einzuwenden. Siehe hierzu auch die Diskussion des Kapitels 2.3.2.1. Allerdings können die in der Praxis beobachtbaren Praktiken einer Gewinnerzielung ohne (vermeintlichen) Maßstab als diskussionswürdig betrachtet werden. Ethisch diskussionsträchtig ist dabei die Gewinnmaximierung zu Lasten der Mitarbeiter, bspw. in Form von Freisetzungen der Mitarbeiter als Kostenreduktion, obwohl das Unternehmen (hohe) Gewinne erzielt. Es kann gefragt werden, ob der ursprüngliche Zweck der Börse in der heutigen Zeit noch der Gleiche ist. Für eine kritische Anmerkung in diesem Zusammenhang siehe Dürr (2000).1714 An der Börse sind zukunftsbezogene Daten und Aussichten von Bedeutung. Dabei zählt verstärkt eine gute Geschichte bzw. Story, warum sich ein Unternehmen in bestimmten Märkten entwickeln und behaupten wird. Dies beeinflusst die Kursentwicklung (positiv). Allerdings ergibt sich ein langfristiger (nachhaltiger) Erfolg bzw. ein Wachstum des Unternehmens nicht durch die Story, sondern durch die realisierte Strategie. Probleme ergeben sich dann, wenn Erfolg versprechende Strategien den Stories am Kapitalmarkt widersprechen. Somit kann die Einschätzung des Kapitalmarktes, die einen anderen Zeithorizont hat, in einem konfliktären Verhältnis zu den Wachstumsstrategien des Managements stehen.1715 Der ursprüngliche Zweck bzw. Sinn der Börse war die Möglichkeit einer Bereitstellung von (Eigen)Kapital für die Wirtschaft. Durch einen Einsatz des Kapitals sollten Gewinne erzielt werden, die dann an die Kapitalgeber zurückfließen. Eine Gefährdung dieses Sinns bzw. dieser Funktion kann sich dadurch ergeben, dass die Börse vorwiegend als Platz für reine Spekulationen betrachtet wird.1716 1712 1713 1714 1715
1716
Vgl. Heuskel (2004), S. 107. Vgl. Thurm (2004), S. 102. Siehe weiterhin auch die Ausführungen von Gerke (2005). Vgl. Dürr (2000), S. 15-16. Vgl. Heuskel (2004), S. 107-108. Ein Beispiel der Divergenz von Story und Strategie am Kapitalmarkt ist der systematische (Kurs-)Abschlag (bis zu 15 %) von Mischkonzernen. Dies wird mit einer fehlenden Fokussierung des Unternehmens begründet, welche eine Diversifikationsstrategie verfolgt. Untersuchungen haben nach Heuskel (2004) aber gezeigt, dass Mischkonzerne im Durchschnitt gleich hohe Renditen erzielen wie fokussierte Unternehmen. Vgl. Cranach (2005), S. 70. Kritisch auch Hengsbach (2005), S. 11-13.
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Die Funktion der Beschaffung von Eigenkapital scheint mitunter in den Hintergrund getreten zu sein. Um dem Druck des Kapitalmarktes, bspw. durch vierteljährliche Berichte des Unternehmens, zu entgehen, entscheiden sich Unternehmen auch bewusst gegen eine Notierung an der Börse.1717 Allgemein kann festgehalten werden, dass junge, nicht-börsennotierte Unternehmen diesem Druck des Aktienmarktes nicht ausgesetzt sind. Hieraus kann eine Hypothese aufgestellt werden, dass junge Unternehmen ethischer handeln, als börsennotierte Unternehmen. Um diese Hypothese zu überprüfen, wäre ein geeignetes Forschungskonzept zu entwickeln. Teile dieser vorliegenden Ausarbeitung bieten hierfür möglicherweise einen Anknüpfungspunkt. In diesem Kontext ist anzumerken, dass bereits Forschungsarbeiten und Studien in diesem Bereich existieren. Allerdings stammen diese zumeist aus dem anglo-amerikanischen Raum und es ist deren Übertragbarkeit zu prüfen. Weiterhin ist oftmals fraglich, wie und ob überhaupt Ethik bzw. ethisches Verhalten gemessen wurde. Zu dieser Thematik sei auf die späteren Ausführungen im empirischen Teil dieser Arbeit verwiesen. Theoretisch kann angenommen werden, dass ein Unterschied bei konkreten ethischen Einstellungen und Handlungen von Großunternehmen und jungen Unternehmen in dem Druck bzw. nicht vorhandenen Druck durch den Kapitalmarkt begründet sein kann. Weitere Unterschiede können im Kontext der Unternehmensentwicklung bzw. des Unternehmenswachstums dergestalt angenommen werden, dass sich Formalisierungstendenzen von informellen ethischen Strukturen zu formellen ethischen Strukturen im Rahmen des Integrity- und Compliance-Ansatzes erörtern lassen. Siehe hierzu die Ausführungen des Kapitels 2.4.3.7.5. Kapitalmarktakteure richten ihr Interesse nicht mehr nur alleine auf den Bereich der Wirtschaftsbilanzen. Darüber hinaus wird verstärkt auch ein Augenmerk auf bzw. eine Beurteilung von Leistungen anderer Bereiche vorgenommen, die in den Bereich der Nachhaltigkeit einzuordnen sind. Hinter dieser Vorgehensweise steht die Annahme, dass die Beachtung und Einhaltung ökologischer und sozialer Kriterien bzw. die Integration von Zukunftstrends in die Geschäftsbereiche durch ein Unternehmen, zu einer Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit und der Rendite beiträgt. Kurz gesagt soll ein nachhaltiges Wirtschaften langfristig betrachtet positive Auswirkungen auf den Unternehmenswert haben. Dieser Trend spiegelt sich am Kapitalmarkt in nachhaltigen Investments bzw. Nachhaltigkeitsfonds wider.1718 Somit sehen sich kapitalmarktorientierte Unternehmen verstärkt mit Befragungsbögen über die Ausrichtung sowie die Aktivitäten in Bezug auf die Nachhaltigkeit des Unternehmens und die hiermit verbundenen Strategien, Pläne und Maßnahmen konfrontiert. In diesem Kontext ist darauf hinzuweisen, dass das Konzept der Nachhaltigkeit als eine praktische Ausprägung bzw. Instrument einer potenziell realisierbaren Unternehmensethik gesehen werden kann. Zur Erörterung und Abgrenzung der Begriffe bzw. Konzepte der Nachhaltigkeit sowie der Corporate Social Responsibility sei auf die Erörterungen des Kapitels 2.2.4 verwiesen. Ein erster Trend war (und ist) die Entwicklung und Publikation von Nachhaltigkeitsberichten. Dabei ist anzumerken, dass der Trend von börsennotierten Unternehmen über die Anforderungen des Ka-
1717
1718
Vgl. Heuskel (2004), S. 108-109. Aber auch Großunternehmen, als Beispiel diente hier lange Porsche, versuchen sich dem Druck von Vierteljahresberichten zu entziehen, da diese ein kurzfristiges Ergebnisdenken, statt ein langfristiges Denken auf ein nachhaltiges Wachstum hin fördern. Vgl. Wippich (2004), S. 18. Zur ethikbezogenen Finanzanalyse siehe bspw. Friesenbichler (2004).
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pitalmarktes ausging und sich (teilweise) auf kleine und mittlere Unternehmen übertragen hat.1719 Die Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten kann sich bspw. am Standard der Global Reporting Initiative orientieren. Diese verfolgen das Ziel der Befriedigung des Informationsbedürfnisses der Stakeholder, die Definition eines Indikators zur Messung der Nachhaltigkeit und die Herstellung von Vergleichbarkeit zumindest zwischen zwei Unternehmen einer Branche. Anzumerken ist, dass die Ziele ziemlich identisch mit den Fragebögen von Ratingagenturen sind und daher als eine Orientierung für ein Reporting verwendet werden können. Hieran zeigt sich, dass dieses Instrumentarium durch kapitalmarktorientierte Unternehmen indiziert wurde. Bisher handelt es sich bei der Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten noch um freiwillige Maßnahmen. Jedoch erscheint langfristig eine Integration des Geschäftsberichtes und des Nachhaltigkeitsberichtes denkbar.1720 In diesem Kontext ist zu fragen, wer in Zukunft angehalten werden wird, diese Berichte zu erstellen. Allgemein ist zu überprüfen, ob die Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichtes auch ethischen Ansprüchen genügt, oder ob die Erstellung eines solchen Berichtes nicht (allein) kommunikationspolitischen Strategien und Maßnahmen dient. Gleiches kann für den aktuellen Trend der Corporate Social Responsibility gefragt werden. Es bleibt zu untersuchen, in wieweit der vom Kapitalmarkt induzierte Trend zu CSR eine Relevanz für junge Unternehmen besitzt bzw. für die Zukunft besitzen wird. Allgemein, egal in welcher konkreten Ausprägung, erscheint es aus langfristiger Sicht sinnvoll, die Interessen unterschiedlicher Anspruchsgruppen bzw. Stakeholder, die Interessen des Gemeinwohls mit den Interessen des Unternehmens zu vereinbaren.1721 2.4.3.7
Ausgewählte praxisinduzierte Ethikmaßnahmen
In einem Unternehmen lassen sich vielzählige, möglicherweise ethisch relevante Problemfelder erkennen. Innerhalb des Personalmanagements können Fragen nach der Gerechtigkeit, Fairness und dem Schutz der Individualrechte von Bedeutung sein. Dabei ist oft im Umgang untereinander Offenheit, Respekt und Kollegialität gewünscht. In der Forschung und Entwicklung kann der Betrachtungsfokus auf ethisch legitimierten Forschungs- und Testverfahren, vor dem Hintergrund der Entwicklung ökologischer und sozialverträglicher Produkte und Dienstleistungen, liegen. Die Unternehmenskommunikation fordert Ehrlichkeit, Transparenz und eine Risikokommunikation. Im Bereich des Einkaufs und der Beschaffung soll auf die Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards geachtet werden. Allgemein im Unternehmensumfeld bzw. der Unternehmensumwelt, aber auch im internen Bereich ist der Schutz vor Wirtschaftskriminalität durch Transparenz und Integrität von hoher Bedeutung.1722 Welche konkreten Maßnahmen der Umsetzung einer Unternehmensethik dienlich sein können, ist damit aber noch nicht beantwortet. Im Folgenden sollen daher einige ausgewählte, praxisinduzierte Ethikmaßnahmen vorgestellt werden. 2.4.3.7.1
Ethikkodizes, Codes of Conduct, Verhaltensstandards
Der Begriff der Ethikkodizes (Ethikkodex) wird im deutschsprachigen Raum häufig in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den Begriffen Unternehmensleitsätze bzw. Unternehmensleitbilder oder aber 1719 1720 1721 1722
Ähnlich Mosdorf (2004), S. 20. Siehe auch die Ausführungen des Kapitels 2.2.4.1.1. Vgl. Wippich (2004), S. 20-21. Vgl. Schmidt (2002), S. 78. Vgl. Kleinfeld (2005), S. 53.
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
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Verhaltensstandards verwendet. Im Englischen werden hiermit die Begriffe Codes of Ethics oder Codes of Conduct, Codes of Bejaviour verbunden. Brink/Tiberius (2005) subsumieren in diesem Kontext auch Unternehmensleitlinien, Mission-Statements oder Visionen.1723 Ethikkodizes sind, zumindest bei größeren Unternehmen bzw. Großunternehmen, ein verbreitetes Instrument der Beschreibung und Kodifizierung des Wertesystems des Unternehmens aus eigener Initiative. Dabei erfolgen zumeist eine Betonung der gesellschaftlichen Einbindung des Unternehmens sowie die Darstellung des Anliegens, den unterschiedlichen internen und externen Stakeholdern bzw. Stakeholder-Gruppen gerecht zu werden. Darüber hinaus erfolgt oft auch eine Verknüpfung ökonomischer Anliegen, wie bspw. Marktführerschaft oder Rentabilität, und ethischer Anliegen, wie z. B. Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit, Rechtschaffenheit.1724 Hier zeigt sich ein praktisches Verhältnis der Kompatibilität zwischen Ethik und Ökonomie. Somit kodifizieren Ethikkodizes die Grundwerte einer Organisation im Wege einer Selbstregulierung. In Form dieser werteorientierten Selbstbindung sowie Selbstverpflichtung werden die Leitlinien, Verhaltens- und Verfahrensweisen der Unternehmensführung festgeschrieben.1725 Dabei sollte darauf geachtet werden, dass ein Ethikkodex vor dem Hintergrund der jeweiligen Kultur zu formulieren ist und andere Kulturkreise zu respektieren sind.1726 Nicht zu verwechseln ist ein Ethikkodex mit einem Corporate-Governance-Kodex. Denn letzterer legt vielmehr die Aufgaben- und Machtverteilung zwischen den Leitungsgremien (Vorstand und Aufsichtsrat) des Unternehmens offen.1727 Die unternehmensethische Ausrichtung, seine Werte und Prinzipien sollten in einem Unternehmensleitbild, dem Vision-Mission-Values Statement fixiert werden, um die Selbstverpflichtungen und Leistungen transparent für alle Anspruchsgruppen darzulegen. Speziell im internationalen Kontext entstehen kontinuierlich neue Herausforderungen, denen mit einer klaren Position begegnet werden muss, die mehr als eine rein materielle Orientierung enthält. Zur Klärung solcher Fragen zwischen Stakeholdern und dem Unternehmen trägt das Leitbild bei.1728 Anzumerken ist hierbei, dass die Erstellung eines Leitbildes und die Unternehmenskultur in einem Zusammenhang stehen. Denn von beiden hängt die Fähigkeit ab, Kriterien ethischer Verantwortlichkeit umfassend zu eruieren und gezielt praktisch verfolgen zu können.1729 Unternehmensleitbilder vermitteln i. d. R. eine Anzahl von Werten, die als Unternehmensgrundwerte den Mitarbeitern eine Orientierung ermöglichen. Dabei bieten die Leitbilder, im Idealfall, erste Antworten auf die Fragen, wofür das Unternehmen steht bzw. nach dem Sinn des Unternehmens, oder aber welche Ziele das Unternehmen verfolgt.1730 Leitbildern werden folgende Wirkungen zugeschrieben:
Positive Auswirkung auf die Beziehungsqualität der Mitarbeiter untereinander sowie zu Führungskräften.
1723
Vgl. Brink/Tiberius (2005), S. 15. Allgemein merken sie an, dass eine rege Diskussion in diesem Kontext zu den einzelnen Begriffen und ihren Unterschieden vorherrscht. Dabei ist ihrer Auffassung nach der Mehrwert der Diskussion unter praktischen Gesichtspunkten umstritten. Vgl. Noll (2002), S. 116; Wieland (1993), S. 30. Vgl. Baumann (2005), S. 40. Vgl. Lochmann (2005), S. 112. Vgl. Hochheuser (2005), S. 98. Vgl. Kleinfeld (2005), S. 52. Vgl. Barben/Dierkes (1991), S. 226. Vgl. Bohlander (2004), S. 165.
1724 1725 1726 1727 1728 1729 1730
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Verbesserung des Images des Unternehmens unter der Voraussetzung einer guten Kommunikation des Leitbildes nach Extern. Verbesserte Identifikation der Mitarbeiter bzw. Führungskräfte mit den Unternehmenszielen sowie den Grundwerten. Ein Leitbild der Führung und Zusammenarbeit hilft eine Richtung vorzugeben und eine Führungsphilosophie an die Mitarbeiter in einem Unternehmen zu transportieren. Unternehmens- oder Führungsleitbilder können verstanden werden als firmeninterner Verhaltenskodex. Dabei richtet sich dieser nicht an einen spezifischen Berufsstand. Vielmehr sind die Zielgruppen alle Mitarbeiter, oder aber nur eine spezielle Gruppe von Personen des Unternehmens, wie bspw. Führungskräfte.1731 Allgemein postulieren Kodizes Verhaltensmaßstäbe und Ziele für einzelne Unternehmen oder Branchen zugunsten von Konsumenten, der Umwelt, von Kapitalgebern oder aber ganzen Ländern dieser Welt.1732 Die zentralen Inhalte von Unternehmenskodizes werden durch Führungsgrundsätze, Verhaltensleitlinien, Handlungsmaximen, Mitarbeiterverhalten, Zusammenarbeit im Unternehmen, Verantwortung gegenüber den Stakeholdern, wie bspw. Anteilseignern, Kunden, Lieferanten, Mitarbeitern, der Gesellschaft oder Umwelt im Allgemeinen gebildet. Des Weiteren befassen sich Unternehmenskodizes mit spezifischen Unternehmenszielen, der Stellung des Unternehmens in der Gesellschaft, der Geschäftspolitik, dem Verhältnis von Umsatz, Gewinn sowie Ertrag und anderen Unternehmenszielen.1733 Nach Wieland/Grüniner (2000) können Unternehmen nicht alleine anhand ihrer Aufbauorganisation charakterisiert werden, vielmehr besitzen Unternehmen ein individuelles Set an Werten, welche das Unternehmen beschreiben. Eine Kodifizierung von Werten kann anhand von schriftlich fixierten Verhaltensstandards vorgenommen werden. Verhaltensstandards differenzieren das Unternehmen von anderen Unternehmen. Dabei sind Verhaltensstandards als eine Absichts- und Willenserklärung aufzufassen, die Verhaltenspräferenzen eines Unternehmens darstellen und als ein Kriterium zur Entscheidungsselektion bei Konfliktsituationen dienen. Sie definieren keinen IstZustand des Unternehmens.1734 Im Prozess der Entwicklung eines Leitbildes bzw. von Unternehmensrichtlinien sind die gelebten Werte und Normen offen zu legen, zu reflektieren und ggf. zu revidieren. Es existieren keine allgemeinen Vorgaben der Entwicklung von Unternehmensrichtlinien. Vor dem Hintergrund praktischer Erfahrungen ist Noll (2002) der Auffassung, dass Regeln im Kontext der Entstehung, der inhaltlichen Formulierung und des Umgangs mit einem Verhaltenskodex einzuhalten sind. Bei der Entwicklung von Unternehmensrichtlinien und Ethikkodizes sollte eine Partizipation der Mitarbeiter vorgenommen werden. Weiterhin erscheint es für die Akzeptanz wichtig, dass die Richtlinien klar und eindeutig formuliert sind, keine Tabus kennen und ehrlich gemeint sind. Auffassungen zum Detaillierungsgrad sind unterschiedlich. Allerdings bestehen Einwände gegen eine zu große Detaillierung. Denn ein Ethikkodex soll den Mitarbeitern Hilfe bei Entscheidungen bieten und diese nicht zu stark einschränken. In diesem Kontext ist anzumerken, dass Ethikkodizes nicht rechtsverbindlich sind und lediglich eine Orientierungshilfe darstellen sollen. Eine Einhaltung ist dabei nur möglich, wenn die Ethikkodizes 1731 1732 1733 1734
Vgl. Berkel/Herzog (1997), S. 74. Vgl. Gerum (1992), S. 263. Vgl. Lenk/Maring (2004), S. 37. Vgl. Wieland/Grüninger (2000), S. 164.
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glaubwürdig gelebt werden. Hierzu ist das Vorleben durch die Führungskräfte von Bedeutung.1735 Im Kontext junger Unternehmen kommt dabei, aus theoretischer Sicht, der Vorbildfunktion des bzw. der Gründer(s)/Unternehmer(s) eine bedeutende Stellung zu, da der Gründer/Unternehmer durch seine Einstellung sowie sein Handeln die Werte und ethische Ausrichtung des Unternehmens prägt. Darüber hinaus sollten Unternehmensrichtlinien über geltende Gesetze und branchenübliche Sitten und Gebräuche hinausgehen, eindeutige Prinzipien enthalten, die Aktivitäten des Unternehmens tangieren, die die bedeutendsten gesellschaftlichen Kontroversen implizieren und eine regelmäßige Überprüfung der Basisannahmen und des zugrunde liegenden Wissensstandes beinhalten.1736 Ethische Kodizes sind ideale Formulierungen. Auch bei einer konkreten Ausprägung, bspw. in Form eines Verhaltensstandards oder gelebter Unternehmenswerte, kann nicht erwartet werden, dass diese wörtlich, direkt und vollständig umgesetzt werden können. Wichtiger ist die Sichtweise als Orientierungshilfe und Wegweiser. Dabei sollte in der praktischen Umsetzung keine Resignation aufkommen, weil diese hehren Prinzipien als unerreichbar angesehen werden. Vielmehr sollten ethische Prinzipien oder Unternehmenswerte als Herausforderung angesehen werden, sich diesen immer weiter zu nähern. Wichtig ist, dass ethische Prinzipien dabei keine konkreten Handlungen vorschreiben. Vielmehr bestehen mannigfache Handlungsspielräume, die in ihrer kontextabhängigen Interpretation situativ umgesetzt werden können.1737 Dabei sind Verhaltensstandards und Führungsleitsätze, verstanden als Spielregeln eines Zusammenarbeitens von Mitarbeitern und Führungskräften, für die Umsetzung von aus theoretischen Konzepten formulierten bzw. abgeleiteten Werten und Prinzipien von hoher Bedeutung. Diese Verhaltensregeln und Führungsleitsätze sollten von den Mitarbeitern und Führungskräften gemeinsam entwickelt, diskutiert und schriftlich fixiert werden, um direkt eine möglichst hohe Akzeptanz zu erzielen.1738 In den 1980er Jahren konnten zumeist ökonomische Zielsetzungen sowie psychologisch-pragmatische Kooperationsregeln in den Unternehmensleitlinien gefunden werden. Aber zum Ende der 1990er Jahre ließ sich ein Wandel insofern beobachten, als dass verstärkt ethische Aspekte Eingang in Unternehmensleitlinien fanden. Ein Grund hierfür könnte in dem immer wieder propagierten Werteverfall sowie in der Zunahme moralisch fragwürdigen Handlungen in der Geschäftswelt gesehen werden. Dies könnte Unternehmen dazu veranlasst haben, sich freiwillig umweltund sozialverträglichen Strategien, Entscheidungen und Handlungen zu verpflichten.1739 Bei der Bestimmung ethischer Verhaltensstandards besteht ein zentrales Problem in der theoretischen Fundierung der Vorbedingungen dieser Verhaltensstandards. Zur Lösung dieses Problem kann auf bestehende Konzepte von (theoretischen) Philosophen, wie bspw. der Verantwortungsethik1740, zurückgegriffen werden, um hieraus wiederum zentrale Regeln des Umgangs abzuleiten, die auf Basis des westlichen Kulturkreises anerkannt sind und somit kommuniziert werden können.1741 Somit sollten kodifizierte Werte innerhalb des Unternehmens, außerhalb des Unternehmens und zwischen Unternehmen in der Gesellschaft kommuniziert werden. Hierbei ist allerdings nicht von einer Kommu1735
1736 1737 1738 1739 1740 1741
Vgl. Noll (2002), S. 116-118. Für einen ausführlichen Entwicklungsprozess anhand eines Praxisbeispiels siehe u. a. Karcher/Pfingst (2004). Vgl. Leisinger (1997), S. 116. Vgl. König (2002), S. 101. Vgl. Frey et al. (2004), S. 52. Vgl. Berkel/Herzog (1997), S. 74. Siehe hierzu Kapitel 2.1.3.7.6. Vgl. Frey et al. (2004), S. 50.
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nikation im Sinne von Public Relation auszugehen, sondern von einer institutionalisierten Kommunikation, die sich im operativen Geschäft widerspiegelt.1742 Ziel oder Funktionen von Verhaltens- bzw. Ethikkodizes bzw. Leitsätzen sind u. a. die Sensibilisierung, Orientierung, Disziplinierung und Legitimierung der Zielgruppe. Im Kontext der Sensibilisierung und Bewusstseinsbildung der Zielgruppe sind die bedeutenden Probleme der Menschheit, wie bspw. der Klimawandel, die Gefährdung der Artenvielfalt, die nachlassenden Roh- und Energiereserven oder aber technologiebezogene Probleme, wie bspw. Gen-, oder Informations- und Kommunikationstechnologien, von Bedeutung. Ethikkodizes liefern eine Orientierung für den Menschen. Dabei wird oftmals ein Leitfaden für den Alltag gefordert, der das einzelne Individuum von seinen Aufgaben des Fragens nach dem Guten und Wünschbaren entlasten soll. Denn sie formulieren Verhaltenserwartungen und definieren moralische Mindeststandards, wobei die Wertebasis transparent gemacht wird. In mehrdeutigen Situationen erleichtert ein Verhaltenskodex die Entscheidung. Darüber hinaus sollen im Rahmen der Disziplinierung Einzelpersonen vor Diskriminierungen, Entlassungen oder Karrieregefährdungen geschützt werden. Des Weiteren soll die Disziplinierung dazu dienen, Skandale bestimmter Personengruppen zu vermeiden. Die Legitimierung von Entscheidungen und Handlungen ist ein weiterer wichtiger Faktor. Das Unternehmen versucht durch die Erstellung von Leitbildern seine Legitimität zu unterstreichen, da dies verdeutlichen soll, dass das Unternehmen moralisch im Sinne eines moralischen Akteurs handelt. Hiermit verbunden ist zumeist eine Schutz- bzw. Vorbeugefunktion vor einer staatlichen Regulierung, die oftmals eingreift, wenn bspw. unmoralische Praktiken zu häufig auftreten.1743 In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass Ethikkodizes auch im Kontext rechtlicher Rahmenbedingungen von Bedeutung sein können. Beispielsweise ist nach § 8 B 2.1 (b) (1) der U.S. Federal Sentencing Guidelines definiert, dass Unternehmen Standards und Prozesse zu Etablieren haben, die vor kriminellen Handlungen schützen und diese aufdecken sollen.1744 Dabei legt das Gesetz Mindeststrafen für bestimmte Gesetzesverstöße von Unternehmen fest. Gleichermaßen besteht aber die Möglichkeit einer Strafreduktion, wenn das Unternehmen darlegen kann, dass angemessene Vorsorgen getroffen wurden, ungesetzliches und unethische Verhalten zu verhindern und aufzudecken.1745 Die Etablierung eines Ethikkodizes, in Kombination mit bspw. einem ComplianceProgramm, kann dann zu einer Strafmilderung führen, wenn dass Unternehmen einmal in einem solchen Zusammenhang wegen eines (rechtlichen) Fehlverhaltens angeklagt ist. Gleichermaßen kann das Fehlen der nach dem Gesetz geforderten Maßnahmen eine bedeutende Rolle bei der Festlegung eines (hohen) Strafmaßes sein. Dabei ist anzumerken, dass es, im Unterschied zu Deutschland, in den USA ein rechtsformbezogenes Unternehmensstrafrecht gibt, welches hohe Geldstrafen für Unternehmen verhängen kann.1746 Im Kontext der Etablierung von Ethikkodizes wird in Deutschland, anders als in den USA, oftmals die Frage gestellt, ob ein Ethikkodex überhaupt nötig ist. In den USA gehören Ethikkodizes zum gelebten Firmenalltag.1747 Es kann hierbei mitunter angenommen werden,
1742 1743 1744 1745 1746 1747
Vgl. Wieland/Grüninger (2000), S. 164-165. Vgl. Detzer (1993), S. 67; Leisinger (1997), S. 115; Dietzfelbinger (1999), S. 163-164. Vgl. Baumann (2005), S. 40-41. Vgl. Backes/Backes (2005), S. 63. Vgl. Baumann (2005), S. 40-41. Vgl. Cordes (2005), S. 49. Ähnlich auch die Diskussion bei Mohr (2005) im Zusammenhang mit der Etablierung individueller Ethikkodizes im Sinne eines „hippokratischen“ Eids von Managern.
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dass die rechtlichen Institutionen einen Beitrag geleistet haben könnten. In den USA sind gesetzliche und selbstbestimmte Kodifizierungen bereits seit den 1960er Jahren erkennbar. Mit den U.S. Federal Sentencing Guideline for Corporations in 1991 und deren Verschärfung in 2004,1748 sowie dem Sarbanes-Oxley-Act von 2002, sind diese als zwei große Meilensteine der aktuellen Zeit zu betrachten.1749 Allerdings ist anzumerken, dass in US-amerikanischen (Groß-)Unternehmen über 100 Textseiten einer kodifizierten Ethik keine Seltenheit sind.1750 Bezogen auf junge Unternehmen kann angemerkt werden, dass solch stark ausgeprägte, regulative Instrumente zu einem erhöhten administrativen Aufwand führen würden. Gleichermaßen müssen aber auch die finanziellen und intellektuellen Ressourcen für den Aufbau dieser unternehmensinstitutionellen Rahmenbedingungen in jungen Unternehmen vorliegen. Eine unternehmensinterne institutionelle Regelung könnte möglicherweise für junge Unternehmen zu einem (Wachstums-) bzw. (Unternehmensbestands-)Problem führen. Allerdings lassen sich im Gegenzug, auch für junge Unternehmen, Vorteile der Einführung von Ethikkodizes aufzeigen. Vorteile von Ethikkodizes sind die Motivationswirkung durch die Ausübung eines Drucks aufgrund der Ansprüche und Erwartungen Gleichgestellter, die Festlegung einer dauerhaften Richtlinie für richtiges oder falsches Handeln und somit Sicherheit bei Entscheidungen, die über denen einzelner Persönlichkeiten und Ad-hoc-Entscheidungen liegen; denn Menschen sind bei individuellen Entscheidungen nicht immer objektiv, sondern eher willenschwach, wobei emotionale Faktoren in der Entscheidungsfindung eine bedeutende Rolle spielen. Darüber hinaus sind Ethikkodizes eine Orientierungshilfe in mehrdeutigen Situationen, wobei in der Literatur geraten wird, den Kodex an die Stellenbeschreibung zu binden, denn es wird, empirisch gestützt, davon ausgegangen, dass klare Regeln einen Einfluss darauf ausüben, ob ein Mitarbeiter sich an ethisch zweifelhaftem Verhalten beteiligt oder nicht. Weiterhin sind Vorteile eines Ethikkodex die Verhaltensleitung der Angestellten und zugleich Einschränkung unumschränkter Macht der Arbeitgeber, denn der Mitarbeiter kann bei moralisch zweifelhaften Anweisungen des Vorgesetzten auf den Ethikkodex verweisen. Weiterhin ist die Bestimmung der sozialen Verantwortlichkeiten der Wirtschaft selbst zu nennen, denn bspw. sollten die Führungskräfte ihre ethische Kompetenz erweitern. Intendiert ist eine Übereinstimmung in der Wahrnehmung und Bewertung von Praktiken der Geschäfts- und Gesellschaftswelt. Letztlich wirken Ethikkodizes positiv auf das Selbstinteresse der Wirtschaft hinsichtlich der Entwicklung von Unternehmensethikkodizes, denn unmoralische bzw. unethische Praktiken werden sonst durch die institutionellen Rahmenbedingungen und somit durch Gesetze geregelt, die die Unternehmen einschränken können. Ethikkodizes werden von Unternehmen (mitunter) als Alternative und vorbeugende Maßnahme gegenüber gesetzlichen Regelungen wahrgenommen.1751 Ethikkodizes im Sinne einer transparenten und wertorientierten Selbststeuerung generieren Integrität im Wettbewerb um Kunden und auch Lieferanten. Darüber hinaus präsentiert sich das Unternehmen gegenüber der Gesellschaft, in deren Gemeinwesen es unternehmerisch tätig ist, als ein good corporate citizen.1752 In jungen Unternehmen könnten Ethikkodizes den Unternehmer bzw. die Unternehmerin als zentrale (moralische) Instanz entlasten, da sie als Orientierungshilfe in 1748 1749 1750 1751 1752
Vgl. Hunsdiek/Tams (2006), S. 44. Vgl. Backes/Backes (2005), S. 62-63. Vgl. Kley (2005), S. 74. Vgl. Bowie (1992), S. 337-339; Leisinger (1997), S. 115-119; Dietzfelbinger (1999), S: 163-164. Vgl. Baumann (2005), S. 40; Brink/Tiberius (2005), S. 27.
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(moralisch) nicht eindeutigen Situation dienen können. Mitarbeitern wird eine klare Struktur in Bezug auf moralisch-ethisches Verhalten gegeben, so dass hiermit auch die Kompetenzen der Mitarbeiter beschrieben, und mitunter gestärkt werden. Gleichermaßen könnte ein Ethikkodex, wenn die Struktur der Mitarbeiter, ihre Einstellungen und Werte in Bezug auf die des Gründers beachtet wird, ein positiven Einfluss auf die Institutionalisierung einer Unternehmenskultur haben. Dabei würden implizite Einstellung und implizites Verhalten expliziert. Kodizes sind probate Mittel der Lösung von Interessenkonflikten. Allerdings sind sie ein recht unzulängliches Instrument Ansprüche konkurrierender Interessen aufzulösen. Dabei ist ein Interessenkonflikt geprägt durch einen Widerstreit von Interessen, bei der es nur eine Lösung im Sinne einer Entweder-Oder-Entscheidung geben kann. Bei konkurrierenden Interessen können diese teilweise durch eine Abwägung der einzelnen Interessen verwirklichet werden. Dabei sind annahmegemäß alle beteiligten Interessen legitim.1753 Ethikkodizes können lediglich einen Korridor zwischen „richtig“ und „falsch“ aufzeigen. Sie geben lediglich eine Orientierung.1754 Im Falle konkurrierender Interessen sind Ethikkodizes nicht besonders hilfreich, denn ein reiner Verweis auf den Ethikkodex ist nicht ausreichend. Vielmehr sind differenzierte Urteilsfähigkeiten von Bedeutung. Bei einem Interessenkonflikt, bei dem ein Interesse einem Anderen weichen muss, können Ethikkodizes helfen Prioritäten zu setzen.1755 Dabei sind ethische Kodizes in Unternehmen der Ausdruck einer bestimmten (wirtschafts-)ethischen Einstellung.1756 Im Rahmen der Unternehmensethik tragen Ethikkodizes zur Lösung von Interessenkonflikten dazu bei, die Spielregeln im Sinne von Institutionen des Unternehmens bereitzustellen. Gerade bei international agierenden Unternehmen bzw. im internationalen Wirtschaftskontext auf der Supraebene ist dies von Bedeutung, da es keine Weltregierung, oder aber multinationale Wirtschaftsund Handelsvereinbarungen gibt bzw. diese nicht umfassend formuliert sind. Daher ist das Instrument der Selbstbindung durch Ethikkodizes von besonderer Bedeutung.1757 Ethikkodizes sind vorteilhaft, um Fälle eines Interessenskonflikts zu lösen. Dabei sind sie nicht geeignet ethische Dilemmata zu lösen, welche auf konkurrierenden Interessen basieren.1758 Vor dem Hintergrund globaler Absatz- und Beschaffungsmärkte sind auch junge Unternehmen in unterschiedlichste Interessenbeziehungen eingebunden, bei denen es zu Interessenkonflikten kommen kann. Ein Ethikkodex könnte eine Signalfunktion bspw. für die Kunden oder aber Lieferanten übernehmen. Dies ist von besonderer Bedeutung, wenn das junge Unternehmen ein Teil einer internationalen Wertekette eines Großunternehmens ist. Denn Großunternehmen fordern bspw. spezifische, formale Regelungen hinsichtlich ethisch-moralischen Handelns. Werden diese nicht eingehalten, so wird ein Unternehmen bspw. nicht als Zulieferer anerkannt.1759 Mit der Einführung und Nutzung von Ethikkodizes sind allerdings nicht nur Vorteile verbunden. Relevant ist bspw. zunächst die Frage, ob für alle Unternehmen ein Kodex sinnvoll ist bzw. ab welcher Unternehmensgröße ein Kodex wünschenswert wäre. Weiterhin ist zu fragen, ob immer indivi1753 1754 1755 1756 1757 1758 1759
Vgl. Bowie (1992), S. 345-346. Vgl. Leisinger (1997), S. 119. Vgl. Bowie (1992), S. 346-347. Vgl. Enderle (1987), S. 445. Vgl. Bowie (1992), S. 347-348. Vgl. Bowie (1992), S. 348. In Anlehnung an Fürst/Wieland (2004a), S. 394-395. Siehe hierzu auch die Ausführungen des Kapitels 2.4.3.7.7.
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duelle Kodizes erstellt werden müssten, oder ob es nicht auch sinnvoll wäre, branchenbezogene Kodizes, oder Kodizes für Unternehmen mit ähnlichen Geschäftsmodellen bzw. Beschaffenheiten einzuführen und anzuwenden. Weiterhin ist die Überwachung der Einhaltung eines Kodex ein Problem.1760 Auch kann das Individuum nicht ganz von seiner individuellen Entscheidungsverantwortung und kritischen Betrachtung ethischer Probleme durch einen formalisierten Ethikkodex entbunden werden. Aber Individuen können durch Ethikkodizes unterstützt und in ihrer ethischen Kompetenz mittels Ethiktrainings oder durch Ethikkomitees geschult werden. Unabhängig von der Rechtsform und unabhängig von der Größe des Unternehmens kann mit einem Ethikkodex einem Fehlverhalten im Unternehmen, oder aus dem Unternehmen heraus, entgegen gewirkt werden.1761 Als Kritik gegenüber Ethikkodizes wird vorgebracht, dass es diesen in vielen Fällen an praktischer Handlungsorientierung fehlt, da die Ethikkodizes zu allgemein gehalten sind und oft nur wohlklingende Phrasen, wie bspw. „faires Verhandeln“ oder „allgemein anerkannte Standards“ liefern.1762 Als Einwand gegen die Kritik einer allgemeinen Sprache in Ethikkodizes führt Bowie (1992) an, dass in der wirtschaftlichen Praxis viele Vereinbarungen oder Verträge bzw. die wirtschaftliche Umgangssprache allgemeiner Natur sind. Beispiele sind hierfür Teile von Tarifvereinbarungen oder Garantien.1763 Kodizes sind im Allgemeinen mehrdeutig. Somit sind Verfahren zur Interpretation der Bedeutung sowie der Forderungen von Kodizes zu entwickeln. Dies ist dabei kein spezielles Problem von Ethikkodizes von Unternehmen.1764 Unternehmenspolitik tangiert auch immer ethische Fragestellungen. Diese sollten auf der Ebene des Unternehmens behandelt werden. Sie dürfen nicht auf die darunter liegende Ebene des Individuums verschoben werden und das Individuum somit übermäßig belasten. Die Aufstellung eines Ethikkodizes (und dessen Einhaltung) ist nicht alleine als eine Verpflichtung zu sehen. Vielmehr entlasten die Kodizes von einer Verantwortung, die dem Freiheitsraum des Individuums unangemessen wäre.1765 Noll (2002) vertritt die Auffassung, dass nicht zwingend das in Richtlinien bzw. Kodizes enthaltene Ergebnis entscheidend sei, sondern vielmehr der Prozess der Erstellung.1766 Eine weitere Kritik gegenüber Ethikkodizes ist der mangelnde Zwang zu deren Einhaltung. Es ist darauf zu achten, dass aus einem Ethikkodex kein, wie Kleinfeld (2004) es bezeichnet, „Gelesen-GelachtGelocht-Dokument“ wird.1767 Zur Einhaltung der Ethikkodizes sollten diese daher mit einer Sanktionskomponente bzw. einer angemessenen Durchsetzungsmaßnahme ausgestattet sein. Die Durchsetzung von Ethikkodizes erfordert somit deren Institutionalisierung.1768 In Deutschland liegt die eigentliche rechtliche Bedeutung eines Ethikkodex im Arbeitsrecht begründet. Verpflichten sich Mitarbeiter zu Einhaltung des Ethikkodex des Unternehmens, oder müssen die Mitarbeiter eine Verpflichtung unterschreiben, so wird der Ethikkodex (zumeist) ein Bestandteil des Arbeitsvertrages. Eine Verletzung des Ethikkodex ermöglicht dem Arbeitgeber entsprechende disziplinarische Maßnahmen durchzuführen (Abmahnung) oder u. U. sogar das Arbeitsverhältnis zu kündigen. Werden die arbeitsrechtlichen 1760 1761 1762 1763 1764 1765 1766 1767 1768
Vgl. Enderle (1987), S. 445. Vgl. Baumann (2005), S. 41. Vgl. Bowie (1992), S. 339; Noll (2002), S 118. Vgl. Bowie (1992), S. 339. Vgl. Bowie (1992), S. 339. Vgl. Enderle (1987), S. 445. Vgl. Noll (2002), S. 118-119. Vgl. Kleinfeld (2004), S. 123. Vgl. Bowie (1992), S. 340
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Konsequenzen vom Arbeitgeber systematisch angewendet, so kann ein Ethikkodex zu einem bedeutenden Instrument zur Bewahrung oder Verbesserung der Unternehmensethik werden.1769 In einem Unternehmen sollte eine finale bzw. letzte Instanz etabliert werden, die über die Interpretation von Ethikkodizes, ähnlich dem obersten Gericht eines Landes in Rechtsfragen, für das Unternehmen entscheidet. Ähnliche Instanzen sind bspw. auch in einer Branche im Falle von Branchenkodizes zu schaffen.1770 Ethikkodizes alleine reichen nicht aus, um wünschenswerte Ergebnisse in der Unternehmensethik zu erzielen. Vielmehr sind diese durch interne Mechanismen innerhalb des Unternehmens zu unterstützen. Dabei sind die Ethikkodizes angemessen zu interpretieren und effektiv durch ethische Personen durchzusetzen und zu kontrollieren.1771 Ethikkodizes bewältigen nicht alle Probleme der Unternehmensethik. Vielmehr sind sie nur ein Instrument im Kontext der Unternehmensethik. Oftmals sind Ethikkodizes intern ausgerichtet und beziehen in zu geringem Maße die externe Dimension, wie bspw. soziale Probleme, für die sich Wirtschaftsakteure auch mitverantwortlich fühlen müssen, mit ein.1772 Beziehen sie die externe Dimension mit ein, wird ihnen oftmals als Kritik entgegen gebracht, dass die Ethikkodizes lediglich als Marketing- bzw. Public-RelationsInstrumentarium genutzt werden.1773 Langer (2005) merkt an, dass Ethikkodizes oftmals zu einer (nachträglichen) Rechtfertigung von Handlungen verwendet werden, nicht aber zu einer Ausrichtung von Handlungen hinsichtlich (wahren) ethischen Verhaltens.1774 Seit dem Jahre 2002 muss jedes an einer US-Börse notierte Unternehmen, dies gilt auch für ausländische Kapitalgesellschaften,1775 nach dem Sarbanes-Oxley-Act, einem Gesetz, welches als Folge der Bilanzfälschungsskandale (Enron, WorldCom) erlassen wurde, einen Codes of Ethics (Ethikkodex) erlassen, die Stelle eines Ethics Officer (Administrator) schaffen und vorweisen, Mitarbeiterschulungen in moralisch korrektem Verhalten durchführen und innerhalb des Geschäftsberichtes darüber informieren, ob das tatsächliche Verhalten des Unternehmens den Normen des Ethikkodex entsprochen hat. Verstöße gegen den Ethikkodex sind im Geschäftsbericht zu vermerken. Weiterhin hat der Vorstand hierüber einen Bericht zu erstellen. Darüber hinaus haben die Wirtschaftsprüfer festzustellen, ob eine ausreichende Vorsorge getroffen wurde, um Abweichungen zwischen dem tatsächlichen und dem gewollten Verhalten der Mitarbeiter, inklusive des Vorstandes, (moralisches Risiko) zu verhindern.1776 Anzumerken ist, dass die Einführung des Sarbanes-Oxley-Act bedeutende Verbesserungen der unternehmensspezifischen Rahmenbedingungen für individuelles Handeln bewirkt hat. Die vor dem Hintergrund des Sarbanes-Oxley-Act erzeugten Ethikkodizes sind, bspw. im Vergleich zu Ethikkodizes der 1970er Jahre, konkreter formuliert und sie beziehen den Vorstand in die Verantwortung mit ein.1777 Selbstverpflichtungen, wie sie Ethikkodizes darstellen, sollen als eine Ausprägung der Wirtschaftsethik zur Lösung von Problemen externer Effekte, bspw. im Bereich des Umweltschutzes, dienen. Der Kern von Selbstverpflichtungen wird durch eine Eigenverantwortung des Verpflichtenden gebil1769 1770 1771 1772 1773 1774 1775 1776 1777
Vgl. Baumann (2005), S. 42. Vgl. Bowie (1992), S. 340. Vgl. Bowie (1992), S. 341-342. Vgl. Bowie (1992), S. 342. Vgl. Noll (2002), S. 119. Vgl. Langer /2005), S. 439-440 Vgl. Cordes (2005), S. 50. Vgl. Albach (2005a), S. 4 und 18; Backes/Backes (2005), S. 62. Vgl. Albach (2005a), S. 20.
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det. Selbstverpflichtungen werden mitunter auch als Alternative zur Vorbeugung staatlicher Auflagen empfohlen. Dabei bilden Selbstverpflichtungen (und Kodizes) den Versuch einer Vermeidung von Gefangenendilemma-Situationen bzw. Rationalitäts- und sozialen Fallen. Soziale Fallen sind Situationen, die zu pareto-inferioren Resultaten führen. Dies geschieht in Situationen, in denen strukturelle Anreize individuell rationalen Handelns zu kollektiver Irrationalität und somit zu einem SchlechterStellen aller Beteiligten oder, zum Vorteil einiger weniger, zu Lasten der Allgemeinheit führen. Branchenkodizes sollen dabei zur Vermeidung des Gefangenendilemmas bezüglich einzelner Unternehmen dienen. Alleinige Investitionen, bspw. in Umweltschutzmaßnahmen, sollen gemeinschaftlich vollzogen werden, um der Gefangenendilemmasituation zu entkommen.1778 Ein Beispiel einer potenziellen Selbstverpflichtung bietet das Davoser Manifest. Das Davoser Manifest ist ein Verhaltenskodex für Manager bzw. das Management von Unternehmen. Ein Ziel dieses Verhaltenskodex ist es, dass sich das Management verpflichtet, seinen Kunden, Anlegern, Arbeitern und Angesellten sowie den Gemeinschaften, für die es tätig ist, zu dienen. Dabei sollen unterschiedliche Interessenslagen in Einklang gebracht werden.1779 Darüber hinaus haben Ethikleitsätze eines Berufsstandes, also eine berufsständische Selbstverpflichtung, eine hohe Signalwirkung innerhalb und auch außerhalb der Branche und der jeweiligen Unternehmen.1780 Branchenkodizes können also auch zu einer kollektiven Stärkung des Gesamtmarktes führen und bisweilen auch Markteintrittsbarrieren aufbauen.1781 Ein Contra-Argument berufsständischer Selbstverpflichtungen ist, dass diese nicht zur Disziplinierung bzw. Sanktionierung oder Legitimierung geeignet sind. Allenfalls stellen diese eine Sensibilisierung oder Orientierung dar. Oftmals generieren sie jedoch eine zu hohe Erwartungshaltung ihrer Wirksamkeit. Darüber hinaus sind Leitlinien häufig nicht ausreichend instruktiv und sie täuschen über komplexe Systemzusammenhänge hinweg.1782 Immanente Probleme von Branchenkodizes und Selbstverpflichtungen einzelner Unternehmen ergeben sich zudem durch die Trittbrettfahrerproblematik.1783 Wobei dies wiederum ein Problem der Spieltheorie ist, welches verwandt mit der Gefangenen-Dilemma-Problematik ist.1784 Ein internationaler Verhaltenskodex ist der Global Compact (Globale Pakt), der durch den UNGeneralsekretär Kofi Annan im Jahre 1999 initiiert wurde. Der Global Compact soll zu einer Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen der UNO, der Wirtschaft sowie weiteren gesellschaftlichen Gruppen mit dem Ziel der Beachtung der Menschenrechte, menschenwürdiger Arbeitsbeziehungen und Arbeitsstandards sowie dem Schutz der Umwelt beitragen.1785 Der Global Compact kann dabei als ein Instrument zur Verbreitung verantwortungsbewusster Unternehmensführung gesehen werden. Dabei beruht dieses Instrument auf der Annahme, dass eine freiwillige Verpflichtung der (unterzeichnenden) Unternehmen einer regulierenden Maßnahme vorzuziehen ist.1786 Internationale Kodizes 1778 1779 1780 1781 1782 1783 1784
1785 1786
Vgl. Lenk/Maring (2004), S. 37. Vgl. Lenk/Maring (2004), S. 36; Siehe auch Lenk/Maring (1992), S. 397. Vgl. Detzer (1993), S. 87-88. Vgl. Lenk/Maring (2004), S. 38. Vgl. Detzer (1993), S. 88. Vgl. Leisinger (1997), S. 117; Lenk/Maring (2004), S. 38. Ähnlich Suchanek (2005), S. 80. Vgl. Lachmann (1989), S. 141; Maring (2005), S. 474-475 Siehe hierzu auch die Ausführungen zu Dilemmastrukturen des Kapitels 2.1.3.3. Vgl. Bethin (2003), S. 58; Leisinger (2004), S. 553-554; Lenk/Maring (2004), S. 36; Klee/Klee (2004), S. 39-40. Vgl. Klee/Klee (2004), S. 40.
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von öffentlichen Institutionen werden bspw. durch die Organisation for Economic Co-Operation and Development (OECD), die Europäische Union (EU), die ILO (International Labour Organization der UN), der World Health Organization (WHO) oder der International Chamber of Commerce (ICC) herausgegeben.1787 Aber auch bei diesen freiwilligen Initiativen von Unternehmen besteht in vielen Fällen eine Trittbrettfahrerproblematik, welche die Handlungsmöglichkeiten der fortschrittlich agierenden Unternehmen schwächen kann.1788 Im Rahmen einer internationalen unternehmerischen Tätigkeit wird ein (internationaler) Wertekodex als bedeutsam erachtet.1789 Doch trotz der potenziellen, positiven Wirkungen von Ethikkodizes, werden diese von Akteuren der Wirtschaft, aber auch von den Konsumenten oftmals misstrauisch betrachtet.1790 2.4.3.7.2
Stakeholder-Dialog und -Management
Die Werte eines (jungen Unternehmens bzw.) Unternehmers werden oftmals nicht bewusst wahrgenommen oder (nach Außen) konkret vermittelt. Allerdings zeigen sich die Werte im Verhältnis sowie bei Handlungen mit Dritten. Unternehmer bzw. junge Unternehmen stehen in einem wechselseitigen Verhältnis zu unterschiedlichen Anspruchsgruppen, den Stakeholdern.1791 Eine Basisdefinition des Konzeptes der Stakeholder1792 liefert Freeman (1984). In diesem Zusammenhang definiert Freeman (1984) Stakeholder als: „[…] any group that can affect, or is affected by, the achievement of an organization’s objectives.”1793 Bei Freeman wird zwischen Stakeholden im engeren und weiteren Sinne differenziert. Stakeholder im engeren Sinne (primäre Stakeholder) sind dabei die Individuen oder Gruppen, die für den Fortbestand des Unternehmens essentiell sind, und einen direkten, faktischen (ökonomischen) Einfluss auf das Unternehmen haben. Hierzu gehören: Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten, Kapitalgeber, bedeutsame öffentliche Institutionen (z. B. wichtige Regierungsstellen). Stakeholder im weiteren Sinne (sekundäre Stakeholder) sind Individuen oder Gruppen, die auf das Unternehmen und seine Handlungen einwirken oder durch diese beeinflusst werden, aber einen geringeren bzw. teilweise potenziellen Einfluss auf das Unternehmen haben. Hierbei handelt es sich um: Konkurrenten, öffentliche Interessengruppen, Gewerkschaften, Berufsverbände, Behörden, Presse, lokale Gemeinden.1794 Zum Verständnis der Stakeholder-Theorie verweisen Donaldson/Preston (1995) auf drei unterschiedliche Ansätze der Kategorisierung und Entwicklung der Stakeholder-Theorie. Hierbei ist zwischen dem deskriptiven Ansatz, dem instrumentellen Ansatz und dem normativen Ansatz zu differenzieren. Der deskriptive Ansatz der Stakeholder-Theorie beinhaltet die empirische Analyse, Beschreibung und Forschung der Interaktion zwischen Unternehmen und Stakeholdern zur Ermittlung empirischer Erklärungsansätze für Stakeholderbeziehungen. Im instrumentellen Ansatz der Stakeholder-Theorie wird die Auffassung vertreten, dass die (Inte1787 1788 1789 1790 1791 1792
1793 1794
Vgl. Lenk/Maring (2004), S. 36. Vgl. Weißmann (2000), S. 133. Vgl. Gaiser (2006), S. 161. Vgl. Bowie (1992), S. 339. Vgl. Novak (2005), S. 183. Der Begriff hingegen ist vermutlich erstmals 1963 in einem (internen) Papier des Stanford Research Institute verwendet worden. Teilweise werden vergleichbare, wenn auch nicht genau deckungsgleiche, Begriffe, wie Claimants, Pressure Groups, Bezugs-, Anspruchs- oder Interessengruppen, verwendet. Siehe hierzu Göbel (2005), S. 95. Freeman (1984), S. 46. Vgl. Göbel (2005), S. 95-96; Brink (2005), S. 153. Siehe grundlegend Freeman (1984).
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293
ressen der) Stakeholder als Instrument bzw. Mittel zur Zielerreichung beachtet und zielorientiert eingesetzt werden sollten, da diese zu bedeutend sind, um sie zu ignorieren. Dahingegen beinhaltet der normative Ansatz der Stakeholder-Theorie die Annahme, dass das Unternehmen die Interessen der Stakeholder nicht als Mittel zum Zweck sehen soll. Vielmehr bestünde eine moralisch-ethische Verpflichtung zur Beachtung der Interessen und Ansprüche der Stakeholder gegenüber dem Unternehmen. In diesem Ansatz ist die Beachtung der Interessen der Stakeholder nicht ein Mittel zum Ziel, sondern das Ziel selbst. Es erfolgt eine zielbezogene Kosten-Nutzen-Analyse. Im normativen Ansatz besteht die Basis in einer Bewertung der moralischen Auswirkungen unterschiedlicher Unternehmensstrategien. Dabei wird empfohlen, je nach Situation diejenige Entscheidung zu treffen, die einen moralisch vertretbaren Weg zur Abwägung der Stakeholderinteressen darstellt.1795 In diesem Kontext wird oftmals auch von einem Stakeholder-Dialog gesprochen. Der Stakeholder-Dialog wird im Kontext einer ethisch-moralischen Entwicklung verstanden als ein Gedankenaustausch mit Gruppen, die mit dem Unternehmen nur in geringem Maße in einem kontinuierlichen Dialog stehen. Der Dialog ist in vielen Fällen neu, ungewohnt und oftmals auch konfliktär.1796 Bei einem konfliktären Fall besteht für das Management die Herausforderung, die konfliktären Interessen gegeneinander abzuwägen und den Handlungsspielraum des Unternehmens sicherzustellen.1797 Dabei ist Sommer (2004) der Auffassung, dass ein moralisch-ethischer Stakeholder-Dialog umso eher durchgeführt wird, wenn für das Unternehmen ersichtlich wird, dass sozial verantwortliches Handeln einen positiven Einfluss auf die unternehmerische Leistungserbringung hat.1798 In diesem Kontext bilden Werte die Basis des Umgangs mit den Stakeholdern.1799 Nach Leisinger (2004) definieren verschiedene Stakeholder auf Basis ihrer differierenden Werte und Ansprüche die Verantwortung von Unternehmen auf unterschiedliche Weise. Dabei wird nicht jede Forderung eines Stakeholders zu einer moralischen Verpflichtung für das Unternehmen. In diesem Kontext lassen sich drei Grade der Verpflichtung eines Unternehmens unterscheiden: Muss, Soll und Kann. Das „Muss“ sind nicht verhandelbare Elemente, die auf Basis eines allgemeinen gesellschaftlichen Konsenses als selbstverständlich zu sehen sind. Beim „Soll“ handelt es sich um Ansprüche und Standards, die durch interne Richtlinien des Unternehmens oder der Branche gebildet werden. Diese sind speziell in Geschäftsbereichen mit moralisch-ethischen Problemstellungen besonders von Bedeutung, bspw. wenn durch interne Richtlinien mangelnde gesetzliche Regelungen kompensiert werden (z. B. Richtlinien gegen Kinderarbeit). Die „Kann“ Regelungen gehen über das Maß regulärer Ansprüche hinaus und umfassen dabei freiwillige moralisch-ethische Maßnahmen.1800 Stakeholder können dabei einen Beitrag zur Verwirklichung der Mission des Unternehmens leisten. So investiert jeder Stakeholder 1795
1796
1797 1798 1799
1800
Vgl. de Colle (2004), S. 532-535; Beschorner/Osmers (2005), S. 91; Brink (2005a), S. 154; Brink (2005b), S. 73. Siehe grundlegend Donaldson/Preston (1995). Beschorner/Osmers (2005), S. 88 weisen darauf hin, dass der StakeholderAnsatz dazu beigetragen hat, dass in der Theorie und Praxis neben den Marktinteressen auch nicht-marktliche Ansprüche an Unternehmen prinzipiell berücksichtigt werden. Der Stakeholder-Ansatz stellt einen bedeutenden Versuch einer Öffnung des Unternehmens gegenüber der Gesellschaft dar. Vgl. Klein/Steinert (2004), S. 117; Schaltegger (2004), S. 169; Heuskel (2004), S. 110. Brink (2005a), S. 153 merkt an, dass ein Stakeholder aus diskursethischer Sicht ein Betroffener ist. Vgl. Schaltegger (2004), S. 169-170. Vgl. Sommer (2004), S. 83. Vgl. Pischetsrieder (2004), S. 96. Eine umfassende Erörterung eines potenziellen Stakeholder-Dialoges und einer Unternehmenskommunikation liefert Deix (2005). Vgl. Leisinger (2004), S. 560-563. Es zeigen sich hier Verbindungen zum Konzept der Corporate (Social) Responsibility. Siehe hierzu die Ausführungen in Kapitel 2.2.4.1.
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eigene Ressourcen, wenn sich dieser zu einer Kooperation mit dem Unternehmen hinsichtlich wechselseitiger Vorteile entschlossen hat.1801 Je stärker die Stakeholder ihre ökonomischen und ethischen Werte verwirklicht sehen, desto positiver ist die Sichtweise auf das Unternehmen und umso nachhaltiger wird die Unternehmensperspektive. Somit sind ethische Ansprüche und wirtschaftliche Faktoren in das Stakeholder-Management einzubeziehen, um nachhaltig erfolgreich zu sein.1802 Aus diesem Grund erscheint ein strategisch-zielorientiertes Stakeholder-Management, gerade auch für junge Unternehmen, von besonderer Bedeutung zu sein. Dabei sollte aus einer ethischen Perspektive eine Verbindung zwischen dem instrumentellen und dem normativen Ansatz vollzogen werden, da hier sowohl die ökonomischen, als auch die ethischen Interessen berücksichtigt werden können. Ein mögliches Prozessmodell für ein Stakeholder-Management liefert de Colle (2004). Das Modell kann dabei als ein Management-Tool gesehen werden, welches zur Verbesserung der Qualität der Stakeholderbeziehungen beitragen soll. Dabei ist anzumerken, dass die zehn Prozessschritte, aber auch deren Reihenfolge und ggf. die Anzahl der Schritte, durch jedes Unternehmen individuell auf die spezifischen Bedürfnisse der Stakeholderbeziehungen hin anzupassen sind.1803 Abbildung 31 verdeutlicht das Modell:1804
Ermittlung der Stakeholder
Strategieentwicklung
Bewertung der Sachverhalte
Performancemessung
Festlegung der Werte und Pflichten
Kommunikation und Bericht
Setzung der Prioritäten
Überprüfung der Strategien
Zielentwicklung
Kontinuierliches Engagement
Abbildung 31: Prozessmodell Stakeholder-Management
Im Kontext der Stakeholderanalyse sind zunächst die relevanten Interessengruppen und deren legitime Anforderungen zu identifizieren. Für jede Stakeholdergruppe, bspw. Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten, Kapitalgeber etc., ist zu bestimmen, in welcher Form man den Anforderungen gerecht werden will und kann. Dabei verlangen alle Interessengruppen die Beachtung moralischer Werte, die allerdings unterschiedlich ausgestaltet sein können. In diesem Kontext ist anzumerken, dass ein Unternehmen das Ziel verfolgt, (monetäre) Werte, verstanden als Gebrauchs- und Tauschwerte, unter der Prämisse knapper Ressourcen, zu generieren. Dies bedeutet, dass ein Unternehmen nicht allen Erwartungen der einzelnen Stakeholder gleichmäßig und vollständig gerecht werden kann. Hieraus erwächst die Notwendigkeit einer Präzisierung und Abwägungen der Werte und (moralisch-ethischen) Handlungsweisen. Die Klärung des grundlegenden Wertesets ist eine elementare Voraussetzung der 1801 1802
1803
1804
Vgl. de Colle (2004), S. 528; Schaltegger (2004), S. 172-174. Vgl. Pischetsrieder (2004), S. 98-99. Waibl (2005), S., 21-22 merkt an, dass die Anspruchsgruppen der Tiere und der nachfolgenden Generationen bisher in unzureichendem Maße als Stakeholder beachtet werden. Ein Grund hierfür könnte sein, dass der von Pischetsrieder angemerkte Zusammenhang einer Verwirklichung ökonomischer und ethischer Werte und ihrer Verwicklichung nicht durch die Stakeholdergruppe direkt realisierbar ist. Vgl. de Colle (2004), S. 549-550. Siehe für andere Ausführungen dieser Thematik bspw. Göbel (2005). Zur Kommunikation mit Stakeholdern sei auf die Darstellung bei Karmasin (2005) verwiesen. Vgl. de Colle (2004), S. 547.
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
295
Implementierung eines Ethik-Management-Systems sowie anderer Instrumente, wie die Erstellung eines Ethikodex.1805 Eine ausführliche Darstellung von Stakeholder-Werten (Stakeholder Value) gibt Leisinger (1997).1806
Einfluss
Vor dem Hintergrund eines instrumentellen Stakeholder-Managements kann zur strategischen Einordnung der Stakeholderpositionen ein Einfluss-Interessen-Raster verwendet werden. Dieses stellt eine 2x2 Matrix mit den zwei Dimensionen Einfluss der Stakeholder auf das Unternehmen (gering/hoch) und den Interessen der Stakeholder am Unternehmen (gering/groß) bzw. seinen Aktivitäten dar. In den MatrixZellen des Rasters sind instrumentelle Normstrategien ausgewiesen. Das Einfluss-Interessen-Raster stellt sich dabei wie in Abbildung 32 aufgeführt dar:1807 groß
Zufriedenstellung
sorgfältiges Management
gering
Kontrolle (mit geringen Aufwand)
Informierung
gering
groß
Interesse Abbildung 32: Einfluss-Interessen-Raster
Das Raster kann zu einer ersten Kategorisierung der Stakeholder dienen. Allerdings ist in diesem noch kein moralisch-ethischer Aspekt enthalten, sondern lediglich ein Ziel-Nutzen-Kalkül. Vor dem Hintergrund einer moralisch-ethisch begründeten Unternehmensführung ist dieses Raster mitunter kritisch zu betrachten und durch normative Ansätze zu ergänzen. Dabei ist abzumerken, dass, je weniger Stakeholder ein Unternehmen hat, desto stärker der Zusammenhang des persönlichen Nutzens der Stakeholder und dem ökonomischen Erfolg des Unternehmens wahrgenommen wird. In diesem Kontext sind moralische Kosten von Bedeutung. Denn ein Stakeholder wird (vermutlich) seine Ansprüche reduzieren, wenn er die Auswirkungen seiner realisierten Forderungen, die sich bspw. in der Insolvenz eines jungen Unternehmens widerspiegeln können, persönlich wahrnehmen kann.1808 Im Rahmen des normativen Stakeholder-Managements können dabei diskursethische und sozialvertragstheoretische Ansätze und Instrumente helfen, um die Ansprüche und Interessen der Stakeholder an das Unternehmen zu ermitteln. Dabei sollte ein dialogorientierter, herrschaftsfreier, ehrlicher und freiwilliger Dialog mit (allen) Stakeholdern des Unternehmens geführt werden.1809 Allgemein sollten die aus den grundlegenden Visionen und Zielen abgeleiteten Strategien gegenüber den Stakeholdern transparent begründet werden. Dabei sollte insbesondere herausgearbeitet werden, wo der Nutzen liegt und inwiefern dieser den Aufwand, einschließlich der Externalitäten bzw. externen Effekte, übersteigt. Hieraus resultiert eine klare Orientierung der Unternehmensstrategie auf den (Kun1805 1806 1807
1808 1809
Vgl. Rottluff/Schneider (2004), S. 435-436; Schaltegger (2004), S. 172-183. Siehe Leisinger (1997), S. 187-190. In Anlehung an und Abänderung von de Colle (2004), S. 538-540. Eine Ähnliche zweidimensionale Darstellungs- und Entscheidungsmatrix mit den Dimensionen Organisationsfähigkeit und Durchsetzungsfähigkeit der Stakeholder (gering/groß) liefert Schaltegger (1999), S. 3-20. Vgl. Schaltegger (2004), S. 174. Siehe hierzu auch die Kapitel 2.1.3.7.4 und 2.1.3.7.5, sowie in Ergänzung auch die Ausführungen in Kapitel 2.3.4.2 und 2.3.4.3.
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Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
den-)Nutzen bzw. die Stakeholder des Unternehmens im Allgemeinen und die beiderseits vorteilhaften Austauschbeziehungen.1810 Wichtig ist allgemein, dass die unterschiedlichen Sichtweisen der Stakeholder als Chance betrachtet werden, sich gegenseitig besser zu verstehen und hieraus zielgerichtet Lösungen für unternehmerische Probleme in Bezug auf die einzelnen Anspruchsgruppen zu erzeugen.1811 2.4.3.7.3
Ethikbeauftragte, Ombudsstellen, Ethikkomitees
Aus organisatorischer Sicht können im Unternehmen Ethikbeauftragte bspw. in den Bereichen des Konsumentenschutzes, der Umwelt- oder Sicherheitsfragen installiert werden, die die unternehmensinternen und unternehmensexternen Interessen besser berücksichtigen sollen. Dabei ist darauf zu achten, dass diese nicht allein überwachend, sondern bereits im Vorfeld von Entscheidungen tätig werden sollten.1812 Ethikbeauftragte werden im englischen Sprachgebrauch auch als Ethics Officer bezeichnet. Teilweise existieren in US-amerikanischen Unternehmen ganze Abteilungen als Ethics Offices. Die Stelle eines Ethikbeauftragten ist mit einer Bearbeitung aller im Unternehmensalltag anfallenden ethischen Fragestellungen verbunden. Die Aufgabe von Ethikbeauftragten ist u. a. die Kontrolle und Aufdeckung ethisch bedenklicher Aktivitäten bzw. Arbeitsbereiche im Unternehmen, die Entwicklung und Durchführung von Ethiktrainings (Ethikschulungen), Kontrollmechanismen und Audits. Darüber hinaus ist ein Ethikbeauftragter ein Ansprechpartner für Mitarbeiter im Kontext wahrgenommener, ethischer Probleme. Auch die Umsetzung des Leitbildes bzw. Ethikkodex ist Aufgabe des Ethikbeauftragten. Aus diesem Grunde ist dafür zu sorgen, dass die Stelle weit oben in der Unternehmenshierarchie etabliert ist.1813 Für Zimmerli (2004) sollte der (Chief) Ethics Officer ein Mitglied des Vorstands sein.1814 Eine ähnliche Funktion wie die des Ethikbeauftragten weist der Ombudsmann auf. Im Gegensatz zum Ethikbeauftragten, der primär im Auftrage der Geschäftsführung agiert, ist der Ombudsmann eine neutrale Person, die vornehmlich vermittelnd tätig ist. Dabei ist der Ombudsmann eine Anlaufstelle für bestimmte Stakeholdergruppen, wie bspw. Arbeitnehmer oder Kunden. Die Aufgabe des Ombudsmanns ist es, den Dialog mit den Gruppen zu fördern und rechtzeitig Wertkonflikte zu erkennen.1815 Der Ombudsmann stellt eine Vertrauensperson im Unternehmen für die Mitarbeiter zum Themenkomplex der Ethik dar. Dem Ombudsmann können bspw. Beschwerden hinsichtlich einer Verletzung des Ethikkodex zugetragen werden. 1816 Zumeist in US-amerikanischen Unternehmen verbreitet sind Ethikdirektoren oder Ethikkomitees. Sie erscheinen als die höchste formale Instanz zur Interpretation, Vermittlung und Wahrung ethischer Vorstellungen im Unternehmen. Bei Ethikdirektoren handelt es sich um eine Stelle im Vorstand des Unternehmen, die sich mit dem Themenkomplex der Ethik beschäftigt. Ethikdirektoren haben die Aufgabe eine Kommunikation ethischer Ansprüche an die unterschiedlichen Stakeholdergruppen zu 1810 1811 1812 1813
1814 1815 1816
Vgl. Steger (1991), S. 199. Vgl. Leisinger (2004), S. 575. Vgl. Gerum (1992), S. 264. Vgl. Wieland (1993), S. 33; Hoffman (1998), S. 56-57; Löhnert (1998), S. 92; Noll (2002), S. 127-128. Wieland (2004d), S. 214 merkt an, dass in Nordamerika ein Berufsverband für professionelle Ethikmanager existiert. Vgl. Zimmerli (2004), S. 247. Vgl. Noll (2002), S. 128. Vgl. Enderle (1987), S. 446.
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vollziehen. Weiterhin ist es ihre Aufgaben, den Ethikkodex zu interpretieren und das hierauf basierende Anreiz- und Sanktionssystem anzuwenden. Ein Ethikkomitee besteht zumeist aus einem internen sowie einem externen (Ethik-)Direktor sowie einen Ethikbeauftragten.1817 In jungen Unternehmen wird die Funktion des Ethikdirektors, Ethik Officers und Ombudsmannes vermutlich indirekt, und ohne diesen konkret so zu benennen, durch den Gründer selbst übernommen bzw. ausgeübt. Dieser ist (im Zweifel) die Anlaufstelle für bestimmte Stakeholdergruppen oder für die Diskussion und Entscheidung ethisch-moralischer Problembereiche. Die Etablierung einer eigenen, organisatorisch zugewiesenen Stelle in Form eines Ethik Officers, oder gar eines Ethik Offices, und einer Ombudsstelle erscheint erst in einer späteren Unternehmensentwicklungsphase, aufgrund der organisatorischen Komplexität und der hiermit verbundenen Kosten, realisierbar zu sein. Dabei könnten sich hierdurch allerdings Vorteile durch eine Entlastung des Gründers von moralischethischen Problemen und eine Konzentration auf andere Unternehmensprozesse ergeben. So würde sich der Gründer auch den formalisierten Regeln und Institutionen im Unternehmen unterordnen, um nicht willkürlich zu handeln.1818 In Kombination mit der Etablierung eines Ethikkodex könnte in diesem Zusammenhang ein Schritt in Richtung der Institutionalisierung einer Unternehmensethik vollzogen werden. 2.4.3.7.4
Ethikkommissionen
Ethikkommissionen können als Diskussionsforen, oder aber neutrale Kontrollinstanzen bei (gravierenden) ethischen Problemen eingesetzt werden. Ethikkommissionen übernehmen eine Treuhänder-, Überwachungs- und Schiedsrichterfunktion. Darüber hinaus können Ethikkommissionen als Expertengremien aufgefasst werden, welche die sachlichen Voraussetzungen der Anwendung von Ethikkodizes klären sowie die Implementierung in den Unternehmen in Form von interner Überzeugungsarbeit fördern.1819 Ethikkommissionen sollten, bezogen auf ihre Relevanz, auf der Ebene der Geschäftsführung institutionalisiert werden. Dabei ist auf eine heterogene Zusammenstellung mit Mitarbeitern des Unternehmens sowie ggf. Externen zu achten. Die Einführung einer Ethikkommission hat eine Signalfunktion nach innen und außen. Dem Themenkomplex der Ethik kommt hierdurch eine höhere Bedeutung in der Unternehmenspolitik zu. Eine Ethikkommission befasst sich mit allen Belangen bzw. Grauzonen, die trotz der Aufstellung eines Ethikkodex im Unternehmen auftreten können. Dabei wird eine Lösung für ein richtiges Handeln gefunden, anstatt dieses durch schriftlich fixierte Regeln zu lösen.1820 Oftmals steht eine Ethikkommission aber auch außerhalb der Unternehmenshierarchie. Denn sie soll als Gremium dem Druck der etablierten Machtstrukturen entzogen sein. Dabei ist das Gremium intern ohne Hierarchie. Hierdurch wird ein herrschaftsfreier Diskurs im Sinne der Diskursethik ermöglicht. Gerade die Einbeziehung externer Personen, bspw. in Form von Kritikern oder Experten, kann die Diskursqualität erhöhen und eine Einwegkommunikation nach einem PublicRelations-Verständnis möglicherweise reduzieren.1821 Ethikkommissionen sind ein Instrument der Institutionalisierung eines Dialoges mit externen Bezugsgruppen. Sie können dabei nach Lösungen 1817 1818 1819 1820 1821
Vgl. Noll (2002), S. 127; Wieland (1993), S. 31-32. Eine ähnliche Auffassung vertritt auch Zimmerli (2004), S. 247. Vgl. Gerum (1992), S. 264. Vgl. Enderle (1987), S. 446; Kohlhof (1996), S. 15-16. Vgl. Löhr (1996), S. 72; Noll (2002), S. 129.
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bei aufgekommenen ethischen Konflikten suchen. Hiermit ist die Chance verbunden, dass das Unternehmen an Glaubwürdigkeit, Reputation und Akzeptanz gewinnen kann. Wobei der Zeit- und Kostenaufwand nicht unterschätzt werden darf und sich Ethikkommissionen derzeit wohl lediglich in außergewöhnlichen Situationen ergeben werden.1822 Speziell im Kontext junger Unternehmen ist davon auszugehen, dass sich größere Hindernisfaktoren bei der Etablierung von Ethikkommissionen in jungen Unternehmen ergeben werden. Zum einen erlangen wohl ethische Probleme bei jungen Untenehmen in den seltensteten Fällen eine so hohe Aufmerksamkeit, als dass eine Etablierung einer Ethikkommission, bspw. aus Gründen der Reputation, zur Lösung eines ethischen Problems zwingend erforderlich wäre. Darüber hinaus sind Ethikkommissionen mit einem hohen Zeitaufwand verbunden. Dabei würde die Etablierung einer Ethikkommission möglicherweise in einem konfliktäten Verhältnis zu den regulären, strategischen und operativen Aufgaben im Kontext der häufig begrenzten Ressourcen junger Unternehmen stehen. Daher erscheinen Ethikkommissionen zwar als ein theoretisch probates Mittel potenzielle ethische Probleme junger Unternehmen lösen zu können. Allerdings stehen hier potenzielle praktische Probleme bzw. Konflikte entgegen. Aber eine generelle Aussage kann an dieser Stelle nicht getroffen werden. Vielmehr ist dies situations- und kontextspezifisch zu prüfen. Die Einrichtung von Ethikkommissionen ist ein zentrales Instrumentarium zur Umsetzung einer Unternehmensethik im Ansatz von Steinmann/Löhr. Allerdings wird dieses Instrumentarium nicht unkritisch beurteilt. Hax (1993) sieht die Einrichtung von Ethikkommissionen nach dem Muster des „Hüters des Dialogs“ bspw. nach dem Vorschlag von Steinmann/Löhr als äußerst skeptisch. Er vertritt die Auffassung, dass Ethikkommissionen auch beschäftigt werden, wenn sie existieren, denn sie suchen ethische Konflikte, die es zu behandeln gilt. Dabei glaubt er, dass keine dialogische Verständigung zu Stande käme.1823 Dabei hält es Hax (1995) für absurd, dass in Ethikkommissionen die von der Theorie geforderten Dialogbedingungen erreicht werden können.1824 Denn (Eigen-)Interessen und taktische Erwägungen beeinflussen das Verhalten von Gremienmitgliedern. Gleichermaßen kommen in der Praxis Entscheidungen durch Mehrheitsbildungen in Koalitionen zustande. Dabei ist die Praxis weit entfernt von einer dialogischen Verständigung, wie diese mittels Ethikkommissionen angedacht ist.1825 Allgemein sieht er in der Einführung von Ethikkommissionen eine Behinderung der unternehmerischen Aktivität. Diese ist bereits durch unterschiedliche Instrumentarien innerhalb und außerhalb des Unternehmens, bspw. in Form von Gesetzen, zahlreichen Regulierungen unterworfen.1826 2.4.3.7.5
Ethik-Management-Systeme
Ethik-Management-Systeme können als systematische Umsetzung moralisch geforderter Verhaltensweisen in einem Unternehmen verstanden werden. Dabei basieren Ethikprogramme auf zwei unter-
1822 1823 1824 1825 1826
Vgl. Noll (2002), S. 130-131. Vgl. Hax (1993), S. 772. Vgl. Hax (1995), S. 181. Vgl. Hax (1993), S. 772. Vgl. Hax (1995), S. 181.
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
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schiedlichen Ansätzen. Hierbei handelt es sich zum einen um dem Compliance-Ansatz und zum anderen um den Integrity-Ansatz.1827 Die Basis der Ansätze bildet die Ausarbeitung von Paine (1994).1828 2.4.3.7.5.1 Compliance-Ansatz Im Compliance-Ansatz, dessen Ursprünge im angloamerikanischen Bankenbereich zu sehen sind, liegt der Schwerpunkt auf der Beachtung des Rechts bzw. der Rechtskonformität von Unternehmensentscheidungen und den damit verbundenen Handlungen von Mitarbeitern. Im Kern erfolgt eine Information der Mitarbeiter über ihre rechtlichen Pflichten hinsichtlich eines zu sichernden bzw. zu vermeidenden Tatbestandes. In Compliance-Programmen wird zum Ausdruck gebracht, dass das Unternehmen an der Einhaltung bestehender Rechte und Pflichten interessiert ist. Von Bedeutung ist bei dieser Art von Programmen eine Verhinderung von Wirtschaftskriminalität.1829 Es ist ein zentrales Anliegen, die diskretionären Handlungsspielräume der Mitarbeiter mit dem Ziel der Verhinderung opportunistischen (Fehl-)Verhaltens zu begrenzen.1830 Bei dem Compliance-Ansatz soll eine Einhaltung der im Unternehmen herrschenden Regeln durch die Organisationsmitglieder in Form eines Regel- oder Richtlinienkataloges (Ethikkodex) sowie eines hierauf aufbauenden Trainingssystems gewährleistet werden. Die Einhaltung der Regeln sowie das Einhalten geltenden Rechts soll für ein Ethikprogramm nach dem Compliance-Ansatz durch ein dezidiertes Kontroll- bzw. Überwachungssystem gewährleistet werden.1831 Die Pflicht zur Einrichtung eines Compliance-Programms liegt bei der Unternehmensleitung. Dabei führt die Einrichtung und Unterhaltung eines Compliance-Programms dazu, dass die Unternehmensleitung bei Rechtsverstößen des Unternehmens bzw. seiner Mitarbeiter i. d. R. nicht haftet, da die Auffassung besteht, dass die Unternehmensleitung durch die Implementierung eines Compliance-Programms ihrer (Sorgfalts-)Pflicht nachgekommen ist. Im Kontext kleiner (junger) Unternehmen merkt Zimmermann (2004) an, dass gerade der Unternehmer, der jeden Mitarbeiter kennt und weiß, was dieser tut, ein Monitoring im Sinne eines Compliance-Programms vollzieht. Eine formale Struktur ist, aus rechtlicher Sicht, nicht zwingend nötig, da die Rechtsprechung davon ausgeht, dass die Anforderungen an die Art und den Umfang von Aufsichtsmaßnahmen abhängig sind von der Größe des Unternehmens, der Anzahl der Mitarbeiter und der realen Überwachungsmöglichkeiten.1832 Mögliche (Prozess-)Elemente eines Compliance-Programms sind Organisation und Verantwortung, Aufstellen von Regeln, Kommunikation der Regeln und Vorgaben, Schulung der Mitarbeiter, Implementierung organisatorischer Vorkehrungen (Compliance-Beauftragter, Unterschriftenregelungen, Rotationsprinzipien beim Einkauf, Anreiz- und Vergütungssysteme), Kontrolle (Audit) und Etablierung von Sanktionskomponenten.1833 Verantwortlich für die (operative) Umsetzung dieses Systemansatzes sind vornehmlich Mitarbeiter der Innenrevision oder der Rechtsabteilung und somit in vielen Fällen rechtstechnisch ausgebildete Personen. Anzumerken ist in diesem Kontext, dass der Compliance-Ansatz das Menschenbild des 1827 1828 1829 1830 1831 1832 1833
Vgl. Kleinfeld (2005), S. 49. Siehe hierzu Paine (1994). Vgl. Wieland/Grüninger (2000), S. 165; Zimmermann (2004), S. 203-204. Vgl. Noll (2002), S. 119; Bausch (2004), S. 146. Vgl. Rottluff/Schneider (2004), S. 443; Kleinfeld (2005), S. 49. Vgl. Zimmermann (2004), S. 204-207. Vgl. Zimmermann (2004), S. 207-220.
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„homo oeconomicus“ impliziert, das einen vornehmlich materiell und nach Eigennutz strebenden Menschen beinhaltet. Ein ethisches Handeln, als auch eine ethische Reflexion verbunden mit einer möglichen Selbstbindung, werden in diesem Ansatz ausgeschlossen.1834 Problematisch ist bei der Verwendung des Ansatzes des „homo oeconomicus“ die Tatsache, dass es sich hierbei lediglich um ein theoretisches Konzept handelt. Eine direkte Übertragung ist nicht immer möglich bzw. sinnvoll. An einigen Stellen in dieser Arbeit wurde bereits auf diese Problematik hingewiesen.1835 Aber in dem zuvor dargestellten Kontext wird dieses Bild im Compliance-Ansatz auch lediglich impliziert. Allgemein geht der Compliance-Ansatz zudem von einem eher skeptischen, passiven Menschenbild aus. Eine Tugendhaftigkeit wird dabei nicht generell ausgeschlossen. Allerdings lässt sich hierauf nicht primär ein Ethik-Management(-System) aufbauen. Aus diesem Grunde wird tendenziell der worst case eines opportunistischen Verhaltens des Mitarbeiters angenommen. Somit sind Basisannahmen des Compliance-Ansatzes die Annahme äußerer Reize, Belohnungen und Bestrafungen zur Sicherstellung moralisch angemessenen Verhaltens. Motivation wird als extrinsisches Phänomen gesehen.1836 Dabei wird nicht mit einer Akteurs-, sondern mit einer Organisationsmoral gerechnet.1837 Die Wirtschaftskandale der letzten Jahre (wie bspw. Enron oder WorldCom) haben die Ineffektivität von (eindimensionalen) Ethik-Management-Systemen nach dem Compliance-Ansatz aufgezeigt. Es hat sich gezeigt, dass eine Verhaltenssteuerung nicht allein auf Basis formeller Regelungen und Kontrollen vollzogen werden kann. Vielmehr sind Werte und Moral ein wichtiger Baustein der Steuerung und Realisierung moralisch-ethischen Verhaltens in Unternehmen.1838 Ethikkodizes sind dabei ein integraler Bestandteil von Compliance-Programmen international tätiger Unternehmen.1839 Die Ausgangsbasis ethisch-moralischer Reflexionskompetenz hingegen bildet der Integrity-Ansatz. 2.4.3.7.5.2 Integrity-Ansatz Durch den Integrity-Ansatz soll zum einen die Einhaltung geltenden Rechts sichergestellt werden. Darüber hinaus soll, im Gegensatz zum Compliance-Ansatz, andererseits eine Förderung und Entwicklung ethischer Sensibilität, als auch ethischer Argumentations- und Reflexionskompetenz der Organisationsmitglieder erfolgen. Als primäres Ziel wird die Ausprägung einer integritätsfördernden Unternehmenskultur verstanden. In diesem Kontext werden für das Unternehmen bedeutsame Orientierungen, Leitwerte, Gesetze und Regeln entwickelt. Diese bilden die Basis der strategischen Unternehmensführung und werden zuerst auf dieser Ebene implementiert. Danach erfolgt eine Umsetzung innerhalb der operativen Unternehmenstätigkeit. Alles in allem soll somit das Ziel einer integeren Unternehmenskultur verfolgt werden. Daher rührt auch der Name des Programms, denn unter Integrity bzw. Integrität wird Unbescholtenheit und Aufrichtigkeit verstanden, die vor dem Hintergrund der Unternehmensethik gleichzeitig Gesetzestreue und Unbestechlichkeit impliziert. Es herrscht die Annahme der Voraussetzung einer Vertrauenskultur im Kontext einer Unternehmenskultur vor. Dem Integrity Ansatz liegt ein umfassenderes Menschenbild, als dem Compliance-Ansatz zu 1834 1835 1836 1837 1838 1839
Vgl. Kleinfeld (2005), S. 49. Siehe hierzu die Ausführungen des Kapitels 2.3.1.3. Vgl. Noll (2002), S. 120. Vgl. Wieland (1994), S. 20; Matten (1998), S: 24. Vgl. Wieland (2004a), S. 19. Vgl. Baumann (2005), S. 40.
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Grunde.1840 Denn neben dem Streben nach Eigennutz werden auch Werte und Ideale der Individuen als Dimensionen moralischen Handelns berücksichtigt. In diesem Kontext ist die Basis der Motivation eine intrinsische Motivation. Dieser Ansatz entspricht in weiten Teilen neueren Managementmodellen, und ist für Unternehmen relevant, die sich einer hohen Umweltdynamik ausgesetzt sehen. Im Kontext hoher Ungewissheit sowie eines komplexen Umfeldes sollte eine strategische Unternehmensführung darauf bedacht sein, die Potenziale des Mitarbeiters umfassend zu nutzen. Diesen neuen Führungsmodellen, einer schnellen und kompetenten Informationsgewinnung und -bearbeitung werden Integrity-Programme, anders als Compliance-Programme, gerecht, da sie eher einer Selbststeuerung des Mitarbeiters dienen, denn einer Fremdsteuerung.1841 Diese Betrachtungsweise ist gerade im Kontext junger Unternehmen von Bedeutung, da auch hier eine hohe Unsicherheit bei gleichzeitiger Komplexität vorliegt, und den verantwortungsvollen, selbsthandlungsfähigen Mitarbeitern des Unternehmens eine bedeutende Rolle für den Bestand und das Wachstum des Unternehmens zugesprochen wird. Palazzo (2000) ist der Auffassung, dass deutsche Unternehmen Unternehmensethik tendenziell eher im Sinne eines Integrity-Programms durchführen.1842 Wobei Löhnert (1998) anmerkt, dass deutsche Manager oftmals verwundert sind, dass eine komplexe und immaterielle Thematik wie die der Ethik überhaupt „gemanaget“ werden kann, wie dies bspw. die Amerikaner in praktikabler Weise vollziehen.1843 Der Integrity-Ansatz könnte auch nochmals weiter untergliedert werden, und zwar in einen informellen Integrity-Ansatz und einen formellen Integrity-Ansatz. Gerade hinsichtlich des EntrepreneurshipKontextes erscheint diese weitere Differenzierung sinnvoll. Denn in der ersten zeitlichen Entwicklung eines jungen Unternehmens ist zu vermuten, dass das Unternehmen nach einem informellen Integrity-Ansatz handelt. Dieser wird durch die individuellen Werte und ethischen Überzeugungen des Gründers geprägt. Eigene Werte und ethische Überzeugungen (des Gründers) definieren die Unternehmenswerte. Dabei ist wahrscheinlich anzunehmen, dass der Gründer das Unternehmen mehr oder weniger unbewusst und unintendiert prägt, und seine Werte sich in informellen Strukturen des Unternehmens widerspiegeln. Im weiteren Verlauf der Unternehmensentwicklung könnte, in analoger Weise zu der Entwicklung von informellen zu formellen Organisationsstrukturen, sich ein Wandel von informellen Wertestrukturen und somit von einem informellen Integrity-Ansatz hin zu formellen Wertestrukturen als formellem Integrity-Ansatz vollziehen.
1840 1841 1842 1843
Vgl. Kleinfeld (2005), S. 49-50; Noll (2002), S. 120. Vgl. Noll (2002), S. 120-121. Vgl. Palazzo (2000), S. 228. Vgl. Löhnert (1998), S. 93.
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Die Tabelle 18 zeigt eine Übersicht des Compliance- und Interity-Ansatzes. Kriterium
Compliance-Ansatz
Integrity-Ansatz
Prinzip
Legalität
Eigenverantwortung, Selbstbindung
Menschenbild
eingennützig, materiell
autonom, materiell und ideell
Orientierung
Vorgegebene Regeln und Gesetze
eigene Leitwerte und geltendes Recht
Ethik-Programm
Überwachung der Einhaltung
Integration in Managementkultur und Organisationskultur
Verantwortliches Personal
Anwälte
Geschäftsführung, Management, Anwälte
Methodik
Audit-Verfahren
Vorleben, Evaluierungsverfahren
Maßnahmen
Eigene Compliance Standards
eigener Ethikkodex bzw. Wertekodex
Tabelle 18: Compliance- vs. Integrity-Ansatz1844
Im Compliance-Ansatz ist vornehmlich die Fremdsteuerung, im Integrity-Ansatz die Selbststeuerung der Mitarbeiter von Bedeutung. In diesem Kontext ist allerdings anzumerken, dass auch im IntegrityAnsatz die Erreichung ethischer Zielsetzungen durch formale Verhaltensstandards im Sinne von Kontrollen und Strafen, gestützt werden sollte. Denn opportunistisches Verhalten wird sich nie ganz ausschließen lassen. Aus diesem Grunde müssen entsprechende Vorkehrungen im Unternehmen getroffen werden. Daher ist nach Noll (2002) der Integrity-Ansatz nicht zwingend als antinomisches Gegenstück zum Compliance-Ansatz zu verstehen, sondern als Erweiterung, welche die bedeutendsten Aspekte des Compliance-Ansatzes integriert.1845 Auf Basis der langjährigen Erfahrungen mit Compliance-Programmen und Ethik-Management-Systemen stellen Wieland/Grüninger (2000) fest, dass das Ziel der Rechtskonformität bei Compliance-Programmen in vielen Fällen nur über einen gleichzeitigen Einsatz eines Managements von Werten zu erzielen ist, in denen die Compliance-Programme einen Teilbereich bilden.1846 Werte- oder Ethik-Management-Systeme, die in den späten 1980er Jahren aufkamen, zielen auf die Schnittstelle zwischen Individuum und Organisation, und somit zwischen Mitarbeiter und Unternehmen, ab. Den Kern von Ethik-Management-Systemen bilden Werte und Werteprogramme, als gemeinsame, geteilte Basis und Leitfunktion. Als präventive Werte, die gegen unethischopportunistisches Verhalten wirken sollen, zählen bspw. Verantwortlichkeit, Integrität, Transparenz, Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit und Geradlinigkeit.1847 Hambrecht/Kokott (2004) sind dabei der Auffassung, dass bei Unternehmen, die kein Management von Werten betreiben und bei denen somit eine „diffuse“ Ethik vorliegt, die Wahrscheinlichkeit eines unternehmerischen Misserfolges auf Dauer erhöht ist.1848 1844 1845 1846 1847 1848
Vgl. Kleinfeld (2005), S. 50. Vgl. Noll (2002), S. 121. Vgl. Wieland/Grüninger (2000), S. 165-166. Vgl. Wieland (2004a), S. 20; Bausch (2004), S. 146. Vgl. Hambrecht/Kokott (2004), S. 69.
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In diesem Kontext sei darauf hingewiesen, dass eine Abgrenzung der Begriffe Werte-Management-System und Ethik-Management-System nicht immer eindeutig ist. Teilweise werden die Begriffe, je nach Autor und Auffassung, synonym verwendet. Wieland (2004) bezeichnet bspw. ein prozess-institutionalisiertes Management von Werten als Werte-Management-System, in dem es definierte Werteprogramme gibt. Als Instrumente werden ethikbezogene Maßnahmen, wie bspw. Ethikkodizes, Ethik-Audits oder Ethik Hotlines angeführt. Da eine Steuerung des Verhaltens auf Basis ethischer Überlegungen und Anforderungen intendiert ist, wird in dieser Ausarbeitung der Begriff Ethik-Management-System als synonymer Begriff für ein System verwendet, welches im Kern auf einem Management von Werten (Werte-Management-System) basiert, die einen Einfluss auf ein ethisches Verhalten besitzen.1849 So sehen Karcher/Pfingst (2004) einen aktiven Umgang mit Werten eines Unternehmens, und somit den persönlichen Werten der Mitarbeiter, als einen wesentlichen Teil eines Ethik Managements an.1850 Ethik-Management-Systeme stellen eine wertorientierte Selbstverpflichtung und eine damit verbundene Selbststeuerung des Unternehmens und der Mitarbeiter dar. Inhalte von Ethik-Management-Systemen sind bspw. Verhaltensstandards und deren Kommunikation, Schulungsmaßnahmen, Personalauswahlverfahren, Entwicklung von Ethik-Barometern auf der Basis von Bottom-up-Beurteilungen.1851 Eine wirksame Umsetzung von Ethik-Management-Systemen kann nur über eine Implementierung durch und auf der Ebene der Unternehmensleitung bzw. Unternehmensführung erfolgen. Die Verbindung zwischen strategischen Zielen des Unternehmens und operativen und prozessuralen Managementaufgaben ist dabei unerlässlich.1852 Aber es ist anzumerken, dass vor ausdifferenzierten Systemen der Organisation und Kontrolle die Unternehmer bzw. Manager selbst von Bedeutung für das Unternehmen sind. Die Unternehmer haben mit ihren selbst vorgelebten Werten einen bedeutsamen Einfluss auf die Werte, die Unternehmenskultur und den Erfolg.1853 Rottluff/Schneider (2004) sind der Auffassung, dass jedes Unternehmen ein Management von Werten betreibt, auch wenn dies zunächst nicht formalisiert, bspw. in Form eines Ethik-Management-Systems, geschieht. Es stellt sich nicht die Frage, ob ein Unternehmen ein Management von Ethik und Werten benötigt, sondern wie es dies ausgestaltet.1854 In diesem Kontext merkt Wieland (2004a) an, dass die Werte, Moral und Tugenden eines Unternehmers ein bedeutsamer Bestandteil eines Ethik-Management-Systems sind. Unternehmer prägen die Unternehmenskultur durch Entscheidungen und Handlungen, die vor dem Hintergrund des individuellen Werte- und Ethikverständnisses gefällt werden. Allerdings sind diese impliziten Wirkungen für Wieland durch organisatorische und formelle Maßnahmen eines Ethik-Management-Systems in Form von Prozessen und organisatorischen Regelungen zu ergänzen.1855
1849
1850 1851 1852 1853 1854 1855
Bei Fürst/Wieland (2004b), S. 598, Fußnote 17 werden die beiden Begriffe Ethik-Management-System und WerteManagement-System synonym verwendet. Siehe zur Relevanz von Werten, Einstellungen und Handlungen auch die Ausführungen des Kapitels 2.1.2. Vgl. Karcher/Pfingst (2004), S. 267. Vgl. Wieland/Grüninger (2000), S. 165-166. Vgl. Kleinfeld (2005), S. 52. Vgl. Fetsch (1989), S. 36. Vgl. Rottluff/Schneider (2004), S. 431-433. Vgl. Wieland (2004a), S. 14.
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Abbildung 33 zeigt in Anlehnung an Noll (2002) einen möglichen schematischen Aufbau eines EthikManagement-Systems.1856 (Ethische) Vision
Unternehmensleitbild Ethikkodex
strategische, organisatorische Entscheidungen • Compliance-Ansatz • Integrity-Ansatz
organisatorische Maßnahmen • Organisationsstruktur (Ethik-Offices, -Hotlines, -Beauftragte/Kommissionen, Whistle-Blowing) • Unternehmenskultur (Vorbildfunktion des/der Gründer(s) Führungsethik, Ethik-Training)
strategische Entscheidungen für Markt und Umwelt • Markteintrittsstrategien • Wettbewerbsstrategie • ordnungspolitische Strategien • Marktaustrittsstrategien
Ethik-Audits Zertifizierung
Abbildung 33: Ethik-Management-System nach Noll
Die organisationale Anbindung eines Ethik-Management-Systems wird im deutschen Sprachraum in vielen Fällen, anders als in den USA, nicht über ein separates Ethik-Büro bzw. Ethik-Officer (Ethikmanager) vorgenommen. Vielmehr erfolgt im deutschsprachigen Raum eine Implementierung in das Qualitätsmanagement, die Kommunikationsabteilung, die interne Revision oder als Stabstelle der Unternehmensführung. Wichtig ist dabei lediglich, dass Ethik-Management-Systeme als „Chefsache“, verstanden als kontinuierliche Kommunikation der Relevanz der Werte und Vorbildfunktion in der Umsetzung durch das Top-Management, behandelt werden. In jungen Unternehmen fällt diese Aufgabe i. d. R. dem Unternehmer bzw. der Unternehmerin zu.1857 Wieland (2004a) beschreibt einen vierstufigen Prozess eines Ethik-Management-Systems:1858
1856 1857
1858
In Anlehnung und Erweiterung von Noll (2002), S. 115. Vgl. Wieland/Grüninger (2000), S. 166; Wieland (2004a), S. 26; Geiß (2004), S. 198-199. Auch Schulte-Noelle (2004), S. 218 sieht eine Wertevermittlung Top-down als „Chefsache“ an. Ähnlich Novak (2005), S. 184. In Anlehnung an Wieland (2004a), S. 25.
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
4. Schritt Organisation
3. Schritt Implementierung
2. Schritt Kommunikation
1. Schritt Kodifizierung
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Organisation Ethik-/Compliance-Office
Chefsache
Funktionale Integration (bspw. Revision, QM)
Instrumente Compliance-Programm
Werteprogramm
Assuranceprozess
Unternehmenskommunikation Policies&Procedures: Arbeitsverträge, Arbeitsanweisungen, Lieferantenscreening, Corporate-Citizenship-Programm etc.
Unternehmenswerte Grundwerte
Vision, Mission, Werte
Ethikkodex
Abbildung 34: Ethik-Management-System nach Wieland
Im System von Wieland wird immer ein vierstufiger Prozess der Kodifizierung, Kommunikation, Implementierung und Organisation angenommen. Die Grundlage bildet die Festlegung und Kodifizierung der Werte des Unternehmens, die die Identität bestimmen und Entscheidungen strukturieren. Die aus den Werten abgeleiteten (Grund-)Wertekataloge, Ethikkodizes etc. beinhalten dabei moralische Werte sowie Leistungs-, Kommunikations- und Kooperationswerte.1859 Diese Werte verleihen dem Unternehmen eine abgrenzbare Identität. Im Anschluss an die Kodifizierung erfolgt eine institutionalisierte Kommunikation in die (operativen) Tätigkeiten des Unternehmens, bspw. in Arbeitsverträge oder Arbeitsanweisungen. Hierauf folgt eine Implementierung im Sinne eines integrierten IntegrityAnsatzes, der, neben der (Selbst-)Steuerung der Mitarbeiter auf Basis von Werten bzw. Wertprogrammen, auch die Integration des Compliance-Ansatzes vorsieht. Denn beide Aspekte sind von Bedeutung, da Compliance-Programme ohne Werteorientierung ihr operationales Ziel eines Risikomanagements schlecht erreichen. Darüber hinaus sind rein wertgetriebene Integrity-Programme ohne Compliance-Regeln ohne rechtliche Grundlage. Im Rahmen der Implementierung ist auch ein Assuranceprozess zu etablieren, der eine Evaluierung und Kontrolle des Systems vorsieht. Als vierter Prozessschritt erfolgt die Organisation bzw. organisationale Ausgestaltung des Ethik-ManagementSystems im Unternehmen, bspw. durch Ethik Offices. Das Ziel des Ethik-Management-Systems ist ein Herunterbrechen der handlungs- und entscheidungsleitenden Werte eines Unternehmens auf unterschiedliche Ebenen des Managements (Strategie, Organisation, Policies&Procedures, Kommunikation, Controlling) und eine Integration in die Standardinstrumente sowie die Kreierung und Implementierung spezifischer Instrumente.1860 Der Ansatz von Wieland wurde so entwickelt, dass er so-
1859 1860
Siehe hierzu auch Kapitel 2.1.2.1 und Abbildung 4. Vgl. Wieland (2004a), S. 23-27; Grüninger/John (2004), S. 175-177; Fürst (2005), S. 53-55.
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wohl von kleinen und mittleren, als auch Großunternehmen angewendet werden kann.1861 Zur Ausführlichen Erörterung der Inhalte der einzelnen Stufen siehe Wieland (2004a). Als Ziel kann ein Management von Werten und Ethik einen Beitrag zur Herstellung der Integrität des Unternehmens leisten, auch wenn diese mitunter nicht immer einfach zu kommunizieren ist. Allerdings kann ein Ethik-Management-System als eine Investition in Vertrauen betrachtet werden, welches die Erwartungshaltungen (potenzieller) Kooperationspartner im Vorfeld positiv beeinflussen kann, denn ein Unternehmen kommuniziert mit der Etablierung eines Ethik-Management-Systems nicht nur die einzelnen Instrumente, wie bspw. Ethikkodizes, sondern es generiert und kommuniziert Verhaltens- und Erwartungssicherheit in intra-, inter-, und extra-organisationalen Kooperationsbeziehungen.1862 Allerdings ist anzumerken, dass ein solches System Grenzen besitzt und im Einzelfall trotzdem in Individuen geschäftsschädigende oder kriminelle Handlungen bzw. Handlungsspotenziale existieren können. Aber es kann einen Beitrag zur Minimierung opportunistischen Verhaltens geleistet werden, indem geschäftsschädigende oder kriminelle Energien isoliert und schwerer realisierbar werden. Darüber hinaus lassen sich solche Vorgehensweisen durch ein dezidiertes EthikManagement-System schneller identifizieren. Prinzipiell richtet sich ein Ethik-Management-System auch an den überwiegenden Teil der Mitarbeiter, die durch ein solches System mehr Halt und Orientierung im Arbeitsalltag finden sollen.1863 In Deutschland kommt dem Ethik-Management-System der deutschen Bauwirtschaft, welches in den 1990er Jahren entwickelt und etabliert wurden, eine besondere Bedeutung zu.1864 Die verbindlichen Teilbereiche des bauspezifischen Ethik-Management-Systems sind:1865
Etablierung von Verhaltensstandards Integration in das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers Hochrangige, personelle Verantwortlichkeit der Implementierung und Umsetzung Durchführung von Schulungsmaßnahmen Informationsoffenheit, interne Reports und externe, unabhängige Ethik-Audits Eine Festsetzung und Bekanntmachung von Verhaltensregeln oder Führungsleitlinien (-grundsätzen) führt alleine nicht dazu, dass diese nicht ständig missachtet werden. Wichtig ist vielmehr die Vorbildfunktion des Top-Managements sowie der Führungskräfte, die als Promotor und Multiplikator wirken müssen. Sie müssen zum einen die Leitlinien leben und dabei sich zum anderen selbst auch kritisch reflektieren, ob sie diese tatsächlich leben. Darüber hinaus sollen sie Mitarbeiter motivieren, ermuntern und loben. Aber auch ein kritisches Nachfragen und die Durchsetzung der Verhaltensregeln sind von Bedeutung. Begleitet werden muss die Proklamation der Verhaltensregeln durch zielgerichtete Maßnahmen, wie bspw. die Kommunikation innerhalb des Unternehmens, Reflexion der Regeln, Überprüfung der Einhaltung, Kommunikation von gravierenden Regelverstößen, kritische Diskussion von Positiv- und Negativbeispielen der Regelverletzung oder die Entwicklung und Durchführung von Schulungsmaßnahmen.1866 In einem Ethik-Management-System wird dabei versucht, durch die
1861 1862 1863 1864 1865 1866
Vgl. Wieland (2004a), S. 28. Vgl. Behrent (2004), S. 144; Grüninger/John (2004), S. 170-171; Fürst/Wieland (2004b), S. 600. Vgl. Geiß (2004), S. 198-199; Purper (2004), S. 353-354. Vgl. Wieland (2004a), S. 14-15. Vgl. Wieland/Grüninger (2000), S. 167. Siehe zur empirischen Wirksamkeit auch Fürst/Wieland (2004b). Vgl. Frey et al. (2004), S. 65-66.
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Institutionalisierung wertebezogener Selbststeuerungsmechanismen Risiken aus illegalen und moralisch-ethisch unerwünschten Handlungsweisen zu verhindern. Somit übernimmt ein EthikManagement-System auch die Funktion eines Risiko Managements.1867 Die zuvor dargestellten Zusammenhänge verdeutlicht Abbildung 35:1868 Individueller Akteur
Kollektiver Akteur
Werte
Ethik-/Werte Management System
Steuerung der Wahrnehmung
Steuerung selegiert
Risiko
generiert
Verhalten
Abbildung 35: Risikosteuerung im Ethik-Management-System
Aus praktischen Erfahrungen für ein mittelständisches Unternehmen, das bereits seit einigen Jahrzehnten besteht, beschreibt Remmers (2002) bedeutende Faktoren der Beeinflussung des Prozesses zur Generierung und Etablierung eines lebendigen Ethik-Management-Systems, die nicht den Anspruch auf Vollständigkeit erheben:1869
1867 1868 1869
Kommunikation und Reflektion im Sinne einer Offenheit, Transparenz und eines Diskurses. Veränderungen in der Gesellschaft und im Unternehmen erfordern eine Reflektion und ein Infragestellen von Werten und ihrer Begrifflichkeiten. Nicht immer muss ein Wert an sich ersetzt werden, oftmals ist auch lediglich die Begrifflichkeit, die einen Wert beschreibt, neu zu wählen. So kann der Begriff der Ökologie, der mitunter die negative Konnotation einer Belehrung und eines Aufpassens besitzt durch Natürlichkeit oder Verantwortung ersetzt werden. Partizipation von Betroffenen, die zu Beteiligten des Wertewandels werden sollen, um eine höhere Akzeptanz und stärkere Einbringung von Ideen in den Wandlungsprozess zu erzielen. Kongruenz der Shareholder-Werte. Eine Etablierung eines Ethik-Management-Systems kann nur bei einem Übereinstimmen von Wertesystemen und Zielsetzungen der Eigentümer und der Stakeholder erfolgen. Kongruenz der inneren und äußeren Werte. Im Unternehmen sollte Einigkeit über die Kernwerte bestehen, die über eine einheitliche Sprache kommuniziert werden sollten. Eine Verknüpfung der Unternehmenswerte mit den publizierten Markenwerten kann zu einer Authentizität und kritischen Reflexion der Außensicht beitragen. Verbindlichkeit der Führungsprinzipien, denn Widersprüche stellen Werte in Frage und entbinden die Mitarbeiter von ihrer Eigenverantwortung. Unterstützt werden kann die Verbindlichkeit über eine Integration in Führungsleitsätze und Zielvereinbarungen. Vgl. Fürst/Wieland (2004b), S. 599-600; Fürst (2005), S. 36-37. Vgl. Fürst/Wieland (2004b), S. 600; Fürst (2005), S. 52. Vgl. Remmers (2002), S. 148-150.
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Verlässlichkeit und Kalkulierbarkeit durch eine Betriebsverfassung. Eine Betriebsverfassung sorgt für formelle Strukturen und entkoppelt ein Wertesystem von individuellen Persönlichkeitsstrukturen auf der Entscheidungsebene. Wenngleich dies auch zu verlängerten Entscheidungszeiten führen kann. Reduktion der Komplexität durch einfache Botschaften und eine Klarheit bei Konflikten. Dieses Vermögen wird als eine der bedeutendsten Aufgaben der Qualifikation und Kommunikation von Führungskräften angesehen. Recht auf Führung. Zielkonflikte sollen nicht von höheren Ebenen nach unten delegiert werden. In Dilemmasituationen soll ein strategischer Zielkonflikt bereits auf der Entscheiderebene gelöst werden.
Ein Problembereich der Umsetzung von Werten und ethischen Prinzipien liegt in dem Aspekt, dass durch das Top-Management verkündete Werte und ethische Prinzipien nicht durch dieses vorgelebt werden. Als potenzielle Gründe dieses Missstandes können Defizite in der Persönlichkeitsstruktur, wie bspw. Eitelkeit und Narzissmus, Machtansprüche, Misstrauen, Neid und Angst der Individuen gesehen werden. Die Einhaltung der Regeln ist schwierig zu vollziehen bzw. durchzusetzen, wenn es sich um das Top-Management handelt.1870 Die Einhaltung der gesetzten Spielregeln könnte nach dem Motto: „Who guards the guardians“ vollzogen werden. Hier besteht auch eine Principal-AgencyProblematik. Es könnte versucht werden, Überwachung bzw. Einhaltung der Regeln, je nach Rechtsform, ggf. durch die Haupt- oder Gesellschafterversammlung zu erreichen. In jungen, zumeist gründergeführten, Unternehmen ist eine Fremdkontrolle des Unternehmers i. d. R. nicht gegeben bzw. erst gar nicht durch diesen intendiert. Im Mittelpunkt steht vielmehr das bewusste oder unbewusste Set an Werten des Unternehmens. Das primäre Ziel einer integritätsfördernden Unternehmenskultur kann in einem ersten Schritt nur über die Integrität des Unternehmers erreicht werden. Aus einem praktizierten Ethik-Management-System, das durch das Top-Management und die Mitarbeiter getragen wird, vollzieht sich zum einen u. a. auch das konkrete Verhalten gegenüber Lieferanten und Konkurrenten, zum anderen auch die Vorgehensweise des Einsatzes für Mitmenschen, Kollegen, Kunden oder für die Unterrichtung der Öffentlichkeit. Dies gilt sowohl für (international bzw. global agierende) Großunternehmen, als auch für kleine und mittlere Unternehmen.1871 Der Wandel von zunächst informellen Strukturen, die über den Gründer in das Unternehmen hineingetragen werden und dort die Werte, die Kultur und die Handlungen beeinflussen, hin zu formellen Strukturen eines Ethik-Management-Systems wird am Fallbeispiel des Büromöbelherstellers Wilkhan bei Remmers (2000) und Remmers (2002) praxisnah abgebildet. Zunächst wurde die Profilbildung des Unternehmens nach den persönlichen Wertvorstellungen eines der Gründer, Fritz Hahne, zu Beginn der 1950er Jahre vorgenommen. Bereits zu dieser Zeit wurden Wertevorstellungen über eine nachhaltige Produktgestaltung und -produktion im Unternehmen etabliert. Vor dem Hintergrund der durch Fritz Hahne gemachten negativen Kriegserfahrungen und deren individuellen Bewertung, wurden persönliche Wertevorstellungen in das Unternehmen übertragen. Hierbei handelt es sich um den Respekt sowie die Achtung des Individuums und eine Verantwortung und Fürsorgepflicht des Vorgesetzten. Hieraus 1870 1871
Vgl. Wieland/Grüninger (2000), S. 166; Frey et al. (2004), S. 64. Vgl. Willmann (2004), S. 87.
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resultierte der bis heute gültige Führungsgrundsatz, dass keine Anweisung ohne Begründung erfolgen darf. Diese Werte bildeten den Kern der Unternehmenskultur. Aus dieser Verantwortungsübernahme wurde bereits in den 1950er Jahren eine betriebliche Altersversorgung implementiert, da eine fehlende soziale Absicherung in der Nachkriegszeit erkannt wurde.1872 Neben diesen persönlichen, informellen Werten wurden im Laufe der Zeit weitere formelle ethisch-ökonomisch motivierte Instrumente im Unternehmen etabliert. Durch eine Teilnahme an der Arbeitsgemeinschaft Partnerschaft in der Wirtschaft in den 1960er Jahren wurde als Resultat dieser Bemühungen im Jahre 1971 eine materielle Beteiligung der Mitarbeiter am Unternehmen eingeführt. Diese Mitarbeiterbeteiligung basierte auf der sozialen Motivation, die Mitarbeiter an den überproportional, in Relation zu den Löhnen, gestiegenen Gewinnen zu beteiligen. Bis 1998 wurden die Mitarbeiter als Stille Gesellschafter zu 50 Prozent am Unternehmensgewinn beteiligt. Im Laufe der Unternehmensentwicklung wurden Schritte vollzogen, die Unternehmenswerte strukturell und somit formell zu verankern. Alle bisherigen mündlichen und informellen Absprachen wurden in formelle Regelungen in Form von Betriebsvereinbarungen überführt. 1989 wurde durch den Verwaltungsrat beschlossen, dass in Zukunft dem ökologischen Aspekt im Zweifelsfall der Vorrang vor schnellem Gewinn einzuräumen sei. Es wurde somit eine grundlegende ökologische Orientierung formeller Art beschlossen, die die gesamte Wertschöpfungskette umfasste. Gleichermaßen wurde ein ganzheitliches Umweltmanagementsystem nach ISO 14001 entwickelt und eingeführt. In der Organisationsstruktur spiegelt sich die Formalisierung dergestalt wider, dass im Jahre 2000 das Themengebiet der Nachhaltigkeit im Unternehmensbereich Kommunikation & Unternehmensentwicklung, mit den Schwerpunkten Public Relations, Unternehmenskommunikation und Ökologie, verankert wurde. Die formelle Strukturierung wurde vorangetrieben, in dem 2001 damit begonnen wurde ein Nachhaltigkeitsmanagement in Form eines CSR-Projektes zu entwickeln und einzuführen.1873 Der Beschluss des Verwaltungsrates, das ökonomische Interesse im Zweifelsfall unter das ökologische Interesse zu stellen, stellt im Kern die Forderung einer Unternehmensethik nach dem Konzept von Steinmann/Löhr dar. Ob die Ausarbeitung dieses Beschlusses vor dem Hintergrund der Ausarbeitungen von Steinmann/Löhr zu sehen sind, die in der gleichen Zeitperiode entwickelt wurden, kann an dieser Stelle nicht gesagt werden. Aber es zeigt sich, dass die theoretischen Annahmen sich auch in der unternehmerischen Praxis wieder finden lassen. Das kleine Fallbeispiel verdeutlicht in qualitativer Weise einen Wandel des Einflusses der Werte des Gründers auf das Unternehmen hin zu einer formellen Strukturierung und Weiterentwicklung der Unternehmenswerte. Diese formelle Strukturierung zeigt sich stark in den (zertifizierbaren) Standards und Initiativen wie bspw. der ISO 14001. 2.4.3.7.6
Ethiktraining
Durch Ethiktrainings sollen die dominierenden Werthaltungen im Unternehmen verbessert werden. Ein Ziel von Ethiktrainings ist somit die Förderung der Wertkompetenz der Unternehmensmitglieder. Dabei soll das Unternehmen dem im Unternehmensleitbild festgeschriebenen Werten möglichst nahe kommen. Im Rahmen eines Ethiktrainings soll eine Förderung der Wissenskomponente und eine Förderung des Willensaspektes vorgenommen werden. Bei der Wissenskomponente soll eine Förderung des Wis1872 1873
Vgl. Remmers (2000), S. 57-58; Remmers (2002), S. 134-148. Vgl. Remmers (2002), S. 134-148.
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sens über ethische Denkansätze sowie den Umgang mit moralischen Dilemma-Situationen stattfinden. Im Kontext des Willensaspektes soll eine Förderung von Kritikfähigkeit und Kritikbereitschaft sowie gruppendynamischer Prozesse erfolgen.1874 Innerhalb des Ethiktrainings wird den Mitarbeitern ein Dialog miteinander im Bezug auf die Wichtigkeit der Ethik und ihre Realisation im unternehmerischen Alltag ermöglicht.1875 Ethiktrainings dienen bspw. auch der Aufarbeitung ethischer Problemstellungen. Dabei ist darauf zu achten, dass das Ethiktraining nicht missbraucht wird indem die Teilnehmer indoktriniert werden. Vielmehr ist ein offener und lernwilliger Dialog zwischen den Teilnehmern zu schaffen.1876 Allgemein können drei Anlässe, die allgemeine Sensibilisierung der Unternehmensmitglieder für ethische Dilemma-Situationen, die Klärung moralischer Grauzonen und die Integration neuer Mitarbeiter, der Durchführung von Ethiktrainings identifiziert werden. In diesem Kontext soll eine Vermittlung prozeduraler Themen, wie bspw. die Gestaltung von Diskursen, Techniken der Konfliktbearbeitung oder aber Kreativitäts- und Moderationstechniken, als auch eine Vermittlung inhaltlichmaterieller Themenbereiche, wie z. B. ethische Begründungsansätze, Begriffsdefinitionen oder ein Wertemanagement, erfolgen. Im Rahmen der Klärung moralischer Grauzonen sollen Themen, wie bspw. die Abgrenzung von Geschenken und Korruption, oder eine Abgrenzung der Differenzierung und Diskriminierung von Mitarbeiten, durchgeführt werden. Ethiktrainings dienen dabei auch der Integration neuer Mitarbeiter, da diese direkt die moralischen Normen des Unternehmens vermittelt bekommen.1877 Die Durchführung von Ethiktrainings kann bspw. in Form von Vorträgen, Seminaren, Workshops oder einfachen Gesprächen erfolgen. Darüber hinaus sind Videotrainings, case studies oder Rollenspiele weitere Formen der Durchführung von Ethiktrainings.1878 Ethiktrainings können intern oder extern durchgeführt werden. Oftmals wird vorgeschlagen, die Ethiktrainings durch externe Trainer durchzuführen, da diese als neutrale Instanz der Vermittlung fungieren. Bei internen Trainings, bspw. durch das Management, besteht ein Vorteil darin, dass die Unternehmensleitung bzw. der Unternehmer die Bedeutung der Ethik klar herausstellen und eine Signalwirkung geben kann. Gleichermaßen müssen sich die Unternehmensleitung bzw. der Unternehmer dann mit den ethischen Themen selbst auseinander setzen. Nachteilig wird in diesem Kontext gesehen, dass die Unternehmensleitung Gründer oftmals befangen sein kann und keine offene Diskussion über DilemmaSituationen entstehen kann, denn diese ist immer selbst auch ein Teil des moralischen Problems.1879 2.4.3.7.7
Ethikaudits und Zertifikate
Die Zielsetzungen von Ethikaudits sind vor dem Hintergrund unternehmensinterner sowie unternehmensexterner Interessen zu sehen. Im Rahmen unternehmensinterner Interessen sind flexible Informationsund Kontrollsysteme ethischen Managements bzw. Verhaltens von Bedeutung. Bei unternehmensexternen Interessen bilden Ethikaudits die Basis von Zertifizierungsprozessen zur Befriedigung externer Stakeholderinteressen. Denn je nach Stakeholder ergeben sich unterschiedliche Ansprüche an das Unternehmen, die durch ein Zertifikat formell abgebildet werden. So suchen bspw. Investoren 1874 1875 1876 1877 1878 1879
Vgl. Kohlhof (1996), S. 17; Noll (2002), S. 142. Vgl. Hoffman (1998), S. 58-59. Vgl. Enderle (1987), S. 446. Vgl. Noll (2002), S. 142. Vgl. Noll (2002), S. 142-143. Vgl. Noll (2002), S. 143.
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ein ethisches Investment, welches durch ein spezielles Zertifikat oder Auditverfahren nach außen signalisiert wird.1880 Aus theoretisch-klassifikatorischer Sicht können Ethikaudits dabei zur Verfolgung interner Ziele nach dem self-governance-Ansatz, und externer Ziele nach dem third-party-enforcement-Ansatz sowie im Spezielfall dem Managementprozess-Ansatz verwendet werden.1881 Beim unternehmensinternen Ethikaudit nach dem self-governance-Ansatz wird davon ausgegangen, dass lediglich die Existenz und Implementierung eines unternehmensinternen Prozesses überprüfbar ist. Dieser Prozess versucht die moralisch-ethische und rechtskonforme Dimension des Verhaltens zu kontrollieren und ggf. zu korrigieren. Dafür werden für unternehmensinterne Zwecke flexible und zumeist an den Bedürfnissen eines strukturierten Ethik-Management-Systems ausgerichtete Informations- und Kontrollsysteme benötigt.1882 Dabei stellen Ethikaudits (Mess- und Kontroll)Instrumente, wie bspw. Berichte, Bilanzen oder Statistiken, bereit, die eine Informierung und Beurteilung der ethischen Qualität des Unternehmens ermöglichen sollen.1883 Somit dienen (interne) Ethikaudits zur empirischen Erhebung des ethisch-moralischen Klimas in einem Unternehmen.1884 In diesem Kontext bilden Ethikaudits auch einen (integralen) Bestandteil eines Controllingprozesses. Somit können unternehmensinterne Ethikaudits nach dem self-governance-Ansatz als Selbststeuerungssystem des Unternehmens mit einer Prüfung aufgefasst werden, die eine Evaluation zum einen der generellen Existenz, und zum anderen der Wirksamkeit des Werteprogrammes des Unternehmens im Rahmen einer Befragung und Dokumentation vornehmen.1885 Ein unternehmensinternes Ethikaudit kann, je nach Ausgestaltung, mit einer internen oder auch externen Prüfung abgeschlossen werden. Bei dem Einsatz eines Ethik-Management-Systems, bspw. nach dem Ansatz von Wieland, erfolgt (zumeist) eine Prüfung durch einen externen, unabhängigen Auditor. Oftmals wird durch die Unternehmen ein pragmatisches Denkmuster angewendet, wie dieses bspw. in USamerikanischen Großunternehmen vollzogen wird. Ethik-Audits dienen der Analyse, Kontrolle und Verbesserung sensibler Unternehmensaktivitäten und -bereiche. Intendiert ist eine Auffindung ethischer Schwachpunkte im Unternehmen. Hieraus können dann bspw. Ethikindikatoren im Unternehmen entwickelt werden, die das unternehmensethische Klima messen und abbilden sollen.1886 Kritisch angemerkt wird zu diesen Indikatoren, dass sich aus diesen allerdings noch kein umfassendes Bild der moralischen Kompetenz der Mitarbeiter bzw. der Gesamtorganisation ermitteln lässt.1887 Ein unternehmensexternes Ethikaudit nach dem third-party-enforcement-Ansatz basiert auf den Gedanken der Stakeholder-Theory vor dem Hintergrund eines diskursethischen Paradigmas. Im Rahmen einer Fremdsteuerung durch unternehmensexterne Stakeholder wird eine Evaluierung des ethischen Charakters des Unternehmens vollzogen.1888 Unternehmensexterne Ethikaudits, die bspw. 1880 1881
1882 1883 1884 1885 1886 1887 1888
Vgl. Noll (2002), S. 150. Klassifizierung in Anlehnung an die Ausführungen bei Wieland/Grüninger (2000) und Noll (2002). Die theoretische Basis hierzu liefert u. a. Wieland (1993) und Wieland (1996). In Anlehnung an Wieland/Grüninger (2000), S. 161 und Noll (2002), S. 150. Vgl. Hoffman (1998), S. 60. Vgl. Wieland (1993), S. 34. Vgl. Wieland/Grüninger (2000), S. 166. Vgl. Hoffman (1998), S. 60; Noll (2002), S. 150. Vgl. Waxenberger (1999), S. 1. Vgl. Wieland/Grüninger (2000), S. 161 und 166.
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durch NGOs durchgeführt werden, zielen darauf ab, eine Evaluation der ethischen Ausrichtung bzw. des ethischen Charakters des Unternehmens vorzunehmen. Eine ethische Unternehmensführung ist dann gegeben, wenn die legitimen Interessen aller betroffenen Anspruchsgruppen in zumutbarer Weise berücksichtigt werden. Durch ein (unabhängiges) Audit soll die ethische Integrität ermittelt werden, und ob diese allen Ansprüchen der Stakeholder gerecht wird. Eine Publikation kann in Form eines Ethik- und Sozialberichtes erfolgen. Kritisch anzumerken ist hierbei, dass dieser Prozess sehr zeit- und kostenintensiv ist. Gleichmaßen können die bereits angeführten Argumente der Diskursethik vorgebracht werden, dass bspw. nicht alle Stakeholder ermittelt werden können und es ist zu Fragen, ob und in welcher Form die Wertanliegen der Stakeholder in der Unternehmenspolitik betrachtet werden. Es besteht die Gefahr, dass diese Berichte als reine Public-Relations-Maßnahmen wahrgenommen werden.1889 Ein Spezialfall, der immer höhere Bedeutung gewinnt, eines unternehmensexternen Ethikaudits nach dem third-party-enforcement-Ansatz ist die Zertifizierung des Unternehmens im Sinne von Managementprozessen, welche bspw. an die Qualitätsmanagementsysteme nach ISO 9000ff angeleht sind. Hierbei handelt es sich um Prozessstandards, die nach einer speziellen Zertifizierungsinitiative im Unternehmen, für einen bestimmten Bereich, implementiert werden.1890 Dabei wird ein Audit zumeist auf Basis eines spezifischen (internationalen) Standards durchgeführt, je nachdem welcher Bereich zertifiziert werden soll.1891 Werden die Kriterien des Standards erfüllt, so erfolgt i. d. R. die Erteilung eines Zertifikates, welches die Einhaltung des jeweiligen Standards bescheinigt. Im ethisch-ökonomischen Kontext kann ein Standard bzw. Zertifikat als Voraussetzung für die (weitere) Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, hier speziell in einer Zulieferer-Abnehmer-Beziehung, gesehen werden. Denn im Rahmen der Wertschöpfungskette kann ein Standard bzw. Zertifikat als (Mindest-)Anforderung der Zusammenarbeit betrachtet und gefordert werden.1892 Kritisch kann hierzu allerdings angemerkt werden, dass das Erlangen eines Zertifikates auch zu einer scheinbaren „Sicherheit“ führen kann, denn wie die Skandale um Enron gezeigt haben, sind auch externe Prüfungen keine Garantie für die Einhaltung von Richtlinien.1893 Zumeist dient das Instrument des Standards bzw. Zertifikats dazu, gezieltes, kommunizierbares umwelt- und sozialverantwortliches Handeln zu ermöglichen.1894 Ein Beispiel für ein solches Zertifikat ist das Instrument Social Accountability 8000 (SA 8000). Dieses wurde von der Social Accountability International1895 (SAI), einer in New York beheimateten NGO entwickelt. Durch das Zertifikat des SA 8000 wird einem Unternehmen, vergleichbar mit den Zertifizierungsprozessen des Qualitätsmanage1889
1890 1891
1892
1893 1894 1895
Vgl. Noll (2002), S. 151. Siehe hierzu auch Kitson/Campbel (1996). Siehe grundlegend hierzu auch Carmichael et al. (1995) und Carmichael et al. (2002). Vgl. Noll (2002), S. 151. Potenzielle Anwednungsfelder, Institutionen, Standards und Zertifizierungen sind u. a. AA 1000/AA1000s (Social and Ethical Accounting), EFQM (European Quality Foundation Model), EMAS (Eco Management and Audit Scheme), UN-Global Compact (Menschenrechte, Arbeit, Umwelt), GSP (Global Sullivan Principles), GRI (Global Reporting Initiative), IiP (Investors in People), SAI SA 8000 (Social Accountability International), TNS (The Natural Step), WBCSD (World Business Council for Sustainable Development), LBG (London Benchmark Group), ILO Standards (International Labour Organization) oder ISO 14001 (Umweltmanagement). Kokot (2002), S. 118-119. Ein Beispiel ist hier das Unternehmen Faber-Castell, das bspw. die Implementierung einer Sozialcharta auf seine Lieferanten vorzieht. Siehe Belch (2004), S. 73. Vgl. Leisinger (2004), S. 582. Vgl. Beschorner/Osmers (2005), S. 104-105. Siehe für näher gehende Informationen .
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mente (ISO 9000ff) und Umweltmanagemente (ISO 14001), die Einhaltung bestimmter sozialer Mindeststandards bescheinigt, die durch einen unabhängigen Gutachter geprüft werden. Das Zertifikat besitzt eine Signalfunktion für (westliche) Unternehmen, indem es verdeutlicht, dass in dem zertifizierten Unternehmen keine soziale Ausbeutung der Mitarbeiter stattfindet.1896 Das Ziel ist die Etablierung eines weltweit gültigen Zertifizierungs- und Kontrollsystems auf der Ebene der betroffenen Produktionsstätten.1897 Im Bereich des Umweltschutzes ist ein weiteres Beispiel das Forest Stewardship Council (FSC) Zertifikat. Dieses Zertifikat bescheinigt Produkten, dass diese aus nachhaltiger Forstwirtschaft entstanden sind. Das Zertifikat zeigt Kunden, dass Produkte bspw. nicht aus Holz tropischer Bäume gefertigt wurden.1898 Standards bzw. Zertifikate können Glaubwürdigkeit generieren, wenn diese durch unabhängige, akkreditierte Gutachter erstellt worden sind. Darüber hinaus können Zertifikate die Nachfrage nach umwelt- und sozialverträglichen Produkten bündeln. Während weiterhin ein Preiswettbewerb der Produkte besteht, wird sichergestellt, dass soziale oder umweltrelevante (Mindest-)Standards eingehalten werden.1899 In diesem Kontext ist anzumerken, dass eine Auditierung des ethischen Managementsystems bzw. der hiermit verbundenen Prozessstandards mittels eines formalen Gerüstes vorgenommen wird. Daher wird oftmals kritisiert, dass lediglich die Eignung der Instrumente getestet wird, aber nicht, ob die erklärten Ziele erreicht werden. Es erfolge keine ethische Bewertung des Unternehmens. Prinzipiell ist diese Kritik berechtigt. Allerdings ist auch anzumerken, dass die Implementierung eines solchen Systems, bspw. das Führungsverhalten und die Organisationsstrukturen hinsichtlich ihrer ethischen Ausprägung und Eignung im Unternehmen, kritisch reflektiert. Die reflexive Beschäftigung mit dem Thema ist somit gewollt.1900 Sollen (international) anerkannte Standards nach dem Vorbild von Managementprozessen im Unternehmen eingeführt werden, so sind die nachfolgenden Fragen zu klären:1901
Welcher Standard ist für das Unternehmen relevant? In welcher Ausprägung wird der Standard relevant? Ist der Standard national oder international relevant? Wo liegt der Fokus des jeweiligen Standards? Welche Organisation hat diesen ausgearbeitet? Mit welchem Anspruch wurde der Standard erarbeitet? Liefert der Standard auch Kennzahlen? Ist der Standard zertifizierbar? Welche Unternehmen zertifizieren? Welche Institutionen ermöglichen externe Audits?
Probleme können bei der Zertifizierung, bspw. in Entwicklungsländern, dergestalt entstehen, dass die Erteilung meist nur innerhalb eines aufwändigen Qualifizierungsprozesses erlangt werden kann. Dieses ist aber von vielen Unternehmen in Drittwelt- oder Schwellenländern nicht immer einfach zu
1896 1897 1898 1899 1900 1901
Vgl. Lohrie/Merck (2000), S. 51; Merck (2002), S. 50. Eigenstetter/Hammerl (2005), S. 25. Vgl. Lohrie/Merck (2000), S. 51. Vgl. Merck (2002), S. 50-51. Eine Diskussion von Mindeststandards liefert Hoenicke (2002). Vgl. Merck (2002), S. 51. Vgl. Noll (2002), S. 152. Eine Auflistung bedeutender Standards und Initiativen ist bei Kokot (2002) zu finden. Vgl. Kokot (2002), S. 111.
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erzielen. Ein Ausschluss dieser Unternehmen wäre mit Problemen behaftet und kontraproduktiv. Denn es gäbe keine weitere Entwicklung und es können Arbeitsplätze verloren gehen, wenngleich diese auch meist schlechte Arbeitsbedingungen aufweisen. Hieraus könnte nicht die intendierte Stärkung der sozialen Sicherheit resultieren. Vielmehr besteht das Problem einer verstärkten Armut.1902 Die Zertifikate verlieren dann auch ihre Kommunikationswirkung und werden wertlos.1903 Als Beispiel eines Problems kann der living wage des SA 8000 angeführt werden. Neben dem gesetzlichen Mindestlohn soll in einem zertifizierten Unternehmen ein living wage gezahlt werden. Hierbei handelt es sich um einen Lohn, der eine vierköpfige Familie ernähren soll. Aus dieser Forderung können für das zertifizierungswillige bzw. zertifizierte Unternehmen Kosten- und somit Wettbewerbsnachteile gegenüber seinen Konkurrenten erwachsen. Aus diesem Grunde wäre eine Lösung, den Unternehmen Zeit zu geben, sich an die neuen Sozial- und Umweltstandards anzupassen.1904 Eine allgemeingültige Empfehlung kann an dieser Stelle nicht gegeben werden. Denn eine Empfehlung bzw. positive und negative Effekte sind vor dem Hintergrund der gesamten Wertschöpfungskette zu sehen. Beispielweise muss die Zahlung eines living wage nicht als Problem gesehen werden, wenn das Unternehmen als Zulieferer an ein Unternehmen in einem erste Welt Land, durch SA 8000 zertifiziert sein muss, um als Zulieferer angenommen zu werden. Dies gilt zumindest unter der Voraussetzung, dass auch der Abnehmer bereit sein muss, die durch die Zertifizierung entstandenen Mehrkosten selber zu tragen, oder aber die Kosten in Form des Preises an den (End-)Kunden weiterzugeben. Wichtig sind hierbei das Wollen und Können, also die Bereitschaft und das Vermögen der einzelnen Akteure innerhalb der gesamten Wertschöpfungskette. Die Diskussion im Kontext von Ethikaudits ist noch in den Anfängen. Daher warnt Noll (2002) vor zu hohen Erwartungen, die an dieses Instrumentarium gestellt werden könnten. Denn das Problem besteht darin, dass es ein allgemeines Ethikverständnis nicht gibt und auch nicht geben kann und somit Audits und Zertifikate nicht ein allgemein anerkanntes und umfassendes Ethikverständnis abbilden können.1905 Sehr wohl haben sie jedoch praktische Effekte, die bspw. im Bereich des Umweltsschutzes oder der Einhaltung von Arbeits- und Sozialstandards liegen. Bei den positiven Auswirkungen handelt es sich z. B. um ein frühzeitiges Erkennen von negativen Effekten oder möglichen Externalitäten unternehmerischer Handlungen durch eine strukturierte Erhebung im Rahmen der Audits, oder aber um einen möglichen Reputations- bzw. Imagegewinn durch den Nachweis eines Zertifikates. Für junge Unternehmen kann in der Einführung eines Zertifikates eine unternehmerische Chance begründet liegen. Bei einer Zertifizierung lassen sich dabei Wettbewerbsvorteile erzielen, da ein unternehmerisches Handeln direkt anhand eines standardisierten Prozesses ausgerichtet werden kann. Einseits kann sich ein junges Unternehmen durch die Zertifizierung als potenzieller Partner (Zulieferer) innerhalb einer (globalen) Wertschöpfungskette eines anderen (Groß-)Unternehmens anbieten. 1902
1903 1904 1905
In diesem Kontext merkt Waibel (2005), S. 56 vor dem Hintergrund der arbeitenden Armen (working poor) an, dass eine Arbeit zu „Hungerlöhnen“ nicht den wirtschaftlichen Zweck der Arbeit erfüllt, die Armut zu überwinden und die Familie am Leben zu erhalten. Mit den arbeitenden Armen wird das Problem der Arbeitslosigkeit behoben, nicht allerdings das Problem der Armut. Vgl. Merck (2002), S. 51. Vgl. Merck (2002), S. 52. Vgl. Noll (2002), S. 150.
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Darüber hinaus können Zertifikate zur Positionierung des Unternehmens bzw. seiner Marken und Produkte verwendet werden, bspw. durch Umwelt- oder Sozialzertifikate und Siegel. Weiterhin wäre es denkbar, dass sich Synergieeffekte bei der Einführung eines Zertifikates ergeben, da unternehmerische Prozesse standardisiert werden. Andererseits können Zertifikate als ein Versuch der Institutionalisierung von Ethik im Unternehmen gesehen werden. 2.4.3.7.8
Whistle Blowing
Beim Whistle-Blowing, was so viel wie „die Trillerpfeife blasen“ heisst, meldet ein Unternehmensmitarbeiter unethische bzw. nicht rechtskonforme Handlungen des Unternehmens. Der Mitarbeiter „verpfeift“ somit das Unternehmen. Dabei besteht in vielen Fällen zumeist ein Loyalitätskonflikt zwischen der Loyalität des Mitarbeiters gegenüber dem Unternehmen und der Loyalität gegenüber dem eigenen Gewissen sowie der Gesellschaft, die bspw. vor einer Gefährdung durch die Produkte des Unternehmens geschützt werden sollte.1906 Das Instrument des Whistle-Blowing wird auch als Ethikhotline bzw. EthicsHotline bezeichnet. Denn hierbei handelt es sich zumeist um eine (gebührenfreie) Telefonnummer, oder aber auch eine spezielle Internet- bzw. Intranetseite, unter der Mitarbeiter anonym vermutete, moralisch-ethische bzw. rechtliche Unregelmäßigkeiten bzw. Verstöße melden können. Gleichmaßen ist oftmals auch die Möglichkeit verbunden eine Beratung in moralischen Konfliktsituationen zu erhalten.1907 Somit gestatten Whistle-Blowing-Systeme anonymisierte Kommunikationsprozesse zur Bekannt- und Weitergabe unternehmensschädigender Verhaltensweisen durch ein Organisationsmitglied (Whistle-Blower). Diese anonymisierten Möglichkeiten einer Meldung sollen einerseits dem Unternehmen helfen, Fehlverhalten zu identifizieren und zu unterbinden, ohne andererseits karriereschädigende Auswirkungen für den Melder entstehen zu lassen.1908 Dabei ist auch für eine Kultur im Unternehmen zu sorgen, die ein Whistle-Blowing ermöglicht und dieses (tendenziell) als ein ehrbares Verhalten im Sinne eines Nutzens der Gesamtheit sieht.1909 Allgemein erscheint es wichtig, die Mitarbeiter zur Förderung der Zivilcourage und der Ausbildung von Kritikfähigkeit zu unterstützen. Wichtig ist dabei, dass Möglichkeiten der Meldung von Verstößen gegen den Wertekodex des Unternehmens bestehen, ohne dass eine Meldung von Verstößen, bspw. eines Vorgesetzten, zu einem Karrierestopp bzw. zu Ausgrenzungen des Melders führt. Somit erscheint die Einführung eines anonymisierten Meldeverfahrens bzw. Instruments in Form des Whistle-Blowiung geeignet zu sein.1910 Wiehen (2004) merkt an, dass der Whistle-Blower bzw. Hinweisgeber in Deutschland oftmals als Denunziant gesehen und gesellschaftlich abgelehnt wird.1911 Bedenken, dass dieses Instrumentarium als (reines) Denunziationsinstrument genutzt wird, haben sich in der Praxis nicht bestätigt. Die angezeigten Themen sind vornehmlich in den Bereichen der Arbeitssorgfalt, des Missbrauchs der Arbeitszeit, des Angebots von Bestechungen oder bei Fragen der Produktsicherheit zu finden.1912
1906 1907 1908 1909 1910 1911 1912
Vgl. Leisinger (1997), S. 131; Waigl (2005), S. 50. Siehe ausführlich Leisinger (1997). Vgl. Wieland (1993), S. 34-35; Noll (2002), S. 128. Vgl. Kleinfeld (2005), S 53. Vgl. Lochmann (2005), S. 113. Vgl. Kleinfeld (2005), S 53. Vgl. Wiehnen (2004), S. 228. So auch Leisinger (1999), S. 137. Vgl. Noll (2002), S. 128.
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Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
Bei der dargestellten Maßnahme handelt es sich um eine interne organisatorische Möglichkeit des Meldens unethischen Verhaltens in einem Unternehmen. Prinzipiell wäre auch ein externes WhistleBlowing im Sinne einer gesellschaftlichen Verantwortung denkbar. Wenn bspw. ein Kunde oder Zulieferer ein unethisches Verhalten bzw. auch einen Verstoß gegen Gesetze identifiziert, wäre eine Meldung an das Unternehmen möglich. Im äußersten Falle kann auch die Öffentlichkeit über die Medien oder die rechtsstaatlichen Institutionen informiert werden. Ein Beispiel sind Telefonnummern auf LKWs, die angerufen werden können, wenn ein Autofahrer mit der Fahrweise des LKWFahrers, wie z. B. zu dichtes oder schnelles (Auf-)Fahren, nicht zufrieden ist. Es sei allerdings an dieser Stelle angemerkt, dass unter Whistle-Blowing vornehmlich die Meldung durch Mitarbeiter verstanden wird. Weibl (2005) merkt an, dass ein Mitarbeiter allgemein nicht nur ein moralisch-ethisches Recht, sondern eine moralisch-ethische Pflicht hat, öffentlichkeitsschädigende Praktiken des Unternehmens der Gesellschaft bzw. Öffentlichkeit zu melden. Dabei sollten die Praktiken zunächst intern gemeltet werden. Sollte dies keinen Effekt besitzen, so ist danach der Rechtsweg über die Anzeige des Verhaltens, und zum Schluss die Informierung der Medien zu vollziehen. Die Implementierung eines Whistle-Blowing-Systems hat dabei den Vorteil, dass es klare Strukturen der Meldung unethischen und nicht rechtskonformen Verhaltens gibt, und somit alle (potenziellen) Fehlhandlungen zunächst intern geprüft werden können.1913 Nach Leisinger (1997) ist vor einem Whistle-Blowing eine sorgfältige Informationsprüfung und Güterabwägung zwischen der Schwere der Problemstellung, der Handlung und den zu erwartenden Folgen durchzuführen.1914 Fassin (2005) merkt für den Entrepreneurship-Kontext allerdings an, dass Unternehmer ein (öffentliches) Whistle-Blowing vermutlich vermeiden, weil sie fürchten, dass ein Presseartikel über den Fall als negative Nachricht für beide involvierten Parteien interpretiert werden könnte, selbst für den Unschuldigen. Dabei besteht das Problem, dass es sogar oftmals schwer für den Unschuldigen ist, seine Unschuld zu beweisen. Unternehmer tendieren daher eher dazu diese Begebenheit zu vernachlässigen und sich neuen Chancen hinzuwenden.1915 Diese Anmerkung stellt mitunter einen Extremfall dar, und zeigt potenzielle Ängste und Vorurteile gegenüber diesem Instrumentarium. Gerade in jungen Unternehmen kann ein solches System Vorteile bringen. Dabei ist die Wirkungsweise einerseits abhängig von dem Wertesystem und der ethischen Einstellung des Unternehmers bzw. der Unternehmerin. Andererseits ist auch die Unternehmenskultur von Bedeutung. In jungen Unternehmen stellt zumeist der Unternehmer bzw. die Unternehmerin selbst die moralische Instanz im Unternehmen dar, an den sich ein Mitarbeiter wenden kann. Bei einer positiven, nicht bestrafenden Unternehmenskultur hat der Whistle-Blower (im Idealfall) keine negativen Konsequenzen zu befürchten. In Unternehmen, in denen die Kultur nicht so ausgeprägt ist, und wo mitunter mit einer formellen bzw. informellen Sanktionierung des Whistle-Blowers zu rechnen ist, bleibt eine Meldung unethischen bzw. nicht rechtskonformen Handelns vermutlich aus. Allerdings kann der Unternehmer bzw. die Unternehmerin durchaus an einer solchen Meldung interessiert sein, da tendenziell die Gefahr besteht, dass das Verhalten einen negativen Effekt auf die Reputation und die unternehmerische Tätigkeit besitzt. 1913 1914 1915
Vgl. Weibl (2005), S. 51. Vgl. Leisinger (1997), S. 133-134. Vgl. Fassin (2005), S. 267.
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
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Hier kann ein Whistle-Blowing-System auch in jungen Unternehmen helfen, potenzielle ethischökonomische Risken zu melden. Dieses kann einen positiven Beitrag zur Sicherung des Unternehmensbestandes leisten.
2.5
Zur Ableitung von Hypothesen
Im Rahmen der hier vorliegenden Ausarbeitung wurde aus theoretischer Sicht eine Diskussion der Unternehmensethik, als Teilaspekt der Wirtschaftsethik, vor dem Hintergrund junger Unternehmen vorgenommen. Ethische Argumentationen erfolgen, wenn auch in unterschiedlichen Gewichtungen und mit unterschiedlichen Schlussfolgerungen, stets auf der Grundlage von theoretischen oder modellhaften Verwendungen der Begriffe Werte und Werteorientierung, Einstellungen, Intentionen sowie Handlungen. Es erfolgt sozusagen ein Rückgriff auf diese Begrifflichkeiten als Argumentationsbasis. Für den Anwendungsbezug einer Ethik in jungen Unternehmen ist schließlich eine Betrachtung genau dieser Argumentationsbasis wieder relevant. Unternehmerisches Handeln vollzieht sich auf Basis von Werten und wird auch an diesen Werten gemessen.1916 Jedes Individuum, und somit auch Unternehmerinnen und Unternehmer, sind durch ein spezifisches Set an Werten sowie moralische und ethische Grundsätze gekennzeichnet. Die Werte besitzen dabei einen wesentlichen Einfluss auf Einstellungen, Bewertungen, Entscheidungen und Handlungen.1917 Eine Handlung muss dabei nicht zwingend als ethisch ausgewiesen sein, um einen ethischen Bezug zu besitzen.1918 Mit dem Konzept der Unternehmensethik wird somit oftmals der Begriff des Wertes und des Wertemanagements assoziiert. Gerade bei praxisnahen Konzepten ist die Bestimmung ethischer (Grund-)Werte von zentraler Bedeutung. Diese bilden die Ausgangsbasis der Ableitung unternehmensethischer Instrumente, Maßnahmen oder Profile. In Bezug auf junge Unternehmen ist eine bedeutende Annahme, dass der Unternehmer mit seinen individuellen (Grund-)Werten das junge Unternehmen prägt bzw. über seine (Grund-)Werte Ziele, Strategien und Handlungen des Unternehmens maßgeblich beeinflusst werden.1919 In jungen Unternehmen erfolgt die Prägung eines (wertorientierten) unternehmerischen Handelns durch den Unternehmer als Solches.1920 Dem Unternehmer kommt mit seinen individuellen Werten eine besondere Bedeutung als Werteträger für das Unternehmen zu. In der vorliegenden Arbeit wird dabei von der Annahme ausgegangen, dass eine Unterscheidung zwischen allgemeinen (den privaten Alltag betreffenden) und spezifischen (berufs- bzw. arbeitsbezogenen) Werten nicht sinnvoll erscheint. Vielmehr wird davon ausgegangen, dass arbeitsbezogene Werte auf allgemeinen bzw. privaten Werten aufbauen und beide Wertkonstrukte somit interdependent sind.1921 Die (relative) Bedeutung von Werten kann sich jedoch auch situativ, infolge externer Beeinflussungen oder unvorhergesehener Ereignisse, verändern. Zudem ist für die individuelle Werteorientierung des
1916 1917 1918 1919 1920 1921
Vgl. Novak (2005), S. 182 und 185. Vgl. Novak (2005), S. 182. Vgl. Karitzki (2005), S. 279. Siehe zur Definition und Funktion von Werte auch die Ausführungen in Kapitel 2.1.2.1. Siehe hierzu auch Kapitel 2.1.2.1 sowie Lucas-Bachert (2001), S. 14-15. Siehe hierzu Kapitel 2.1.2.1 sowie Roe/Ester (1999) und Ros/Schwartz/Surkiss (1999).
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Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
Unternehmers der soziodemografische, kulturelle sowie religiöse Hintergrund bedeutsam. In Adaption und Erweiterung des Modells von Sagie/Elizur/Koslowsky (1996) erfolgt eine Darstellung des zuvor erörterten Zusammenhanges in Bezug auf die Werte und ethischen Positionen von Unternehmern in jungen Unternehmen.1922 Abbildung 36 veranschaulicht den Zusammenhang grafisch.1923
(normative) Ethik (-positionen) Individueller Hintergrund des Unternehmers • Alter • Geschlecht • sozioökonomischer Status • Kultur • Religion • organisationale Mitgliedschaft
Situation
Unternehmensethik
Einstellungen und Intentionen
Handlungen (im jungen Unternehmen)
Werte
Abbildung 36: Modell ethischen Handelns in jungen Unternehmen
Werte und Werteorientierung Im Zusammenhang mit der Bedeutsamkeit des soziodemografischen Hintergrundes für die Werteorientierung von Unternehmern in jungen Unternehmen werden die folgenden Hypothesen formuliert: HWert1:
Männliche und weibliche Unternehmer weisen eine unterschiedliche Wertestruktur auf.
HWert2:
Jüngere und ältere Unternehmer weisen eine unterschiedliche Wertestruktur auf.
Zudem wird die hypothetische Annahme der Interdependenz zwischen Werten des privaten Alltags und beruflichen Werten einer empirischen Überprüfung unterzogen. HWert3:
Werte des privaten Alltags korrelieren positiv mit den beruflichen Werten. Unternehmerinnen und Unternehmer machen zwischen persönlichen und beruflichen Werten keine Unterschiede, sie sind gleichgerichtet.
Ausgewählte normative Ethikpositionen In Kapitel 2.1.3.7 sind bedeutende theoretische Ethikpositionen dargestellt worden. Diese Konzepte bilden die Grundlage einer Reflexion und Diskussion. Hierauf aufbauend war es von Interesse, wel1922 1923
Siehe hierzu die Ausführungen des Kapitels 2.1.4.2.4 sowie Sagie/Elizur/Koslowsky (1996). Adaption und Erweiterung des Modells von Sagie/Elizur/Koslowsky (1996), 511.
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che Relevanz diese Ethikpositionen für Handlungen von Unternehmerinnen und Unternehmern in der Praxis besitzen. In diesem Kontext wurde angenommen, dass die Befragten nicht zwingend die theoretischen Ethikpositionen umfassend kennen müssen bzw. beschreiben können. Allerdings wurde angenommen, dass sie implizit (bzw. auch unbewusst) nach den in der Theorie ausformulierten und beschriebenen Konzeptionen handeln, ohne dass die Befragten wissen, wie eine solche Ethikposition benannt ist. Gleichermaßen kann aus theoretischer Sicht vermutet werden, dass sich die einzelnen Ethikpositionen nicht voneinander trennen lassen, und daher auch mehrere Ethikpositionen von Bedeutung sein können. Wie bereits gezeigt wurde, besteht die Annahme einer Interdependenz zwischen privaten und beruflichen Werten. Für (normative) Ethikpositionen gilt, dass diese auf privaten sowie beruflichen Werten basieren. Somit kann angenommen werden, dass das implizite bzw. explizite, individuelle Verständnis normativer Ethikpositionen, welches im privaten Bereich des Unternehmers entwickelt wurde, einen Einfluss auf die normativen Ethikpositionen im beruflichen Alltag des Unternehmers besitzt. Es wird somit die folgende Hypothese formuliert: HEthik:
Normative Ethikpositionen des privaten Alltags korrelieren positiv mit den beruflichen normativen Ethikpositionen. Unternehmerinnen und Unternehmer machen zwischen persönlichen und beruflichen Ethikpositionen keine Unterschiede, sie sind gleichgerichtet.
Ethische Positionierung des Entrepreneurs Im Kontext des theoretisch aufgezeigten Zusammenhanges zwischen soziodemografischen Faktoren und Ethikpositionen werden die folgenden Hypothesen formuliert: HEthikposition1: Männliche und weibliche Unternehmer weisen eine unterschiedliche ethische Positionierung auf. HEthikposition2: Die Religiosität besitzt einen Einfluss auf eine unterschiedliche ethische Positionierung. Eine Prüfung erfolgt dabei unter Verwendung des Ethics Position Questionaire (EPQ).1924 Verhältnis von Ethik und Ökonomie Die Beurteilung eines unternehmensethischen Handelns erfolgt vielfach auf der Grundlage zuvor getroffener Bewertungen des Verhältnisses von Ethik und Ökonomie. Dabei ist das Verhältnis von Ethik und Ökonomie grundlegend für die Wissenschaft der Unternehmensethik selbst und ihr Verständnis. Unter Beachtung des aufgezeigten Zusammenhanges zwischen dem individuellen Hintergrund des Unternehmers, seinen Werten, seinen ethischen Positionen sowie Einstellungen werden die folgenden Hypothesen formuliert:
1924
HEthik&Ökonomie1:
Der Studienabschluss besitzt einen Einfluss auf die Einstellung hinsichtlich des Verhältnisses von Ethik und Ökonomie.
HEthik&Ökonomie2:
Das Alter besitzt einen Einfluss auf die Einstellung hinsichtlich des Verhältnisses von Ethik und Ökonomie.
HEthik&Ökonomie3:
Das Geschlecht besitzt einen Einfluss auf die Einstellung hinsichtlich des Verhältnisses von Ethik und Ökonomie.
Zum Konstrukt des EPQ siehe Kapitel 3.2.2.3.
320
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
Einstellung zu (Unternehmens-)Ethik Die Einstellung zur Unternehmensethik wird vor dem Hintergrund möglicher geschlechterspezifischer Unterschiede untersucht. Es wird die folgende Hypothese aufgestellt: HEinstellung: Männliche und weibliche Unternehmer weisen eine unterschiedliche Wahrnehmung von Ethik und sozialer Verantwortung auf. Es erfolgt in diesem Zusammenhang eine Anwendung des Perceived Role of Ethics and Social Responsibility (PRESOR) als primäres Messinstrument.1925 Einschätzung unternehmensethischer Probleme Aus theoretischer und praktischer Sicht ist es von Interesse zu erfahren, welche Probleme als ethische Probleme wahrgenommen werden und welche (tendenziell) eher nicht. Dabei ist es gleichermaßen interessant zu wissen, ob bzw. wann und in welcher Form die befragten jungen Unternehmen (formalisierte) Maßnahmen im Kontext ethischer Probleme eingeführt haben bzw. einführen wollen. In diesem Zusammenhang kann die Hypothese aufgestellt werden, dass Kapitalgesellschaften gegenüber Personengesellschaften „mehr“ Regelungen zu ethischen Problemen getroffen haben. Dies kann damit begründet werden, dass Kapitalgesellschaften aufgrund ihres rechtlichen Formalisierungsgrades auch zu einer erhöhten Formalisierung ethischer Strukturen neigen, als Personengesellschaften. Hiermit wird impliziert, dass Personengesellschaften, aus ethischer Sicht, stärker auf den Gründer/die Gründerin bzw. den Unternehmer bzw. Unternehmerin fokussiert sind als Kapitalgesellschaften. Es wird daher die folgende Hypothese aufgestellt: HRegelungen1: Kapitalgesellschaften haben gegenüber Personengesellschaften „mehr“ Regelungen zu ethischen Problemen. In der Theorie kann die Hypothese aufgestellt werden, dass Unterschiede zwischen Männern und Frauen hinsichtlich der Einführung von Regelungen zu ethischen Problemen bestehen. Dies kann damit begründet werden, dass zwischen Männern und Frauen den Problemen und ihre (formalisierten) Lösung durch Regelungen eine unterschiedliche Bedeutung zugemessen wird. Hinsichtlich einer möglichen geschlechterspezifischen Einschätzung unternehmensethischer Probleme wird daher die folgende Hypothese aufgestellt: HRegelungen2: Zwischen Männer und Frauen bestehen Unterschiede in den Regelungen zu ethischen Problemen. Rechtfertigung von Handlungen Wie bereits in den Kapiteln 2.1.3.1 und 2.1.3.4 dargestellt, kann die Ethik als Reflexion bzw. Rechtfertigung von Handlungen beschrieben werden. Dabei können Handlungen nach unterschiedlichen ethischen Positionen bzw. Ansätzen gerechtfertigt werden. Zudem kann sich die (relative) Bedeutung von Werten und ethischen Positionen situativ infolge unvorhergesehener Ereignisse oder externer Beeinflussungen verändern. Gleiches gilt für die Rechtfertigung von Handlungen. Die Wahl einer Handlung ist abhängig vom situativen Kontext, in dem sich der Handelnde befindet. Gleiches gilt für Freiwilligkeit sowie die rationale Abwägung verschiedener Handlungsmöglichkeiten. An dieser Stelle 1925
Zum Konstrukt des PRESOR siehe Kapitel 3.2.3.4.
Theoretische Grundlagen des Untersuchungsbereiches
321
sei auf die Ausführungen der aristotelischen Untersuchung der gemischten Handlungen, sowie der Bewertung von Handlungen in konkreten Situationen, verwiesen.1926 Die Rechtfertigung von Handlungen in konkreten Situationen kann dabei wiederum auf unterschiedliche ethische (Grund)Positionen zurückgeführt werden.1927 Es wird die folgende Hypothese aufgestellt: HRechtfertigung1: Unternehmerinnen und Unternehmer rechtfertigen ihre Handlungen nach unterschiedlichen ethischen Positionen. Weiterhin wird eine Hypothese der Rechtfertiung von Handlungen hinsichtlich der Differenzierung nach dem Geschlecht formuliert: HRechtfertigung2: Es bestehen geschlechterspezifische Unterschiede zwischen Unternehmerinnen und Unternehmern in der Rechtfertigung ihrer Handlungen nach unterschiedlichen ethischen Positionen. In der vorliegenden Arbeit soll exemplarisch anhand eines Tests mit einem Szenario überprüft werden, wie Unternehmerinnen bzw. Unternehmer Handlungen ethisch rechtfertigen. Von Interesse ist es dabei zu untersuchen, ob bei der Rechtfertigung eine (mögliche) ethische Position dominant ist, wenngleich angenommen werden kann, dass bei einer ethischen Rechtfertigung von Handlungen unterschiedliche Positionen, auch in Kombination, von Bedeutung sein können. Ausgewählte praxisrelevante Ethikmaßnahmen Aus theoretisch-praktischer Sicht ist die Verbindung zwischen der Relevanz bzw. (indirekt) der Bekanntheit und der (Einstellung zur) Einführung einer unternehmensethischen Maßnahme bei jungen Unternehmen von Bedeutung. Dabei kann die Hypothese aufgestellt werden, dass ein Unterschied zwischen der Bekanntheit und Einführung einer unternehmensethischen Maßnahme bei Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften besteht. HMaßnahmen1: Personengesellschaft und Kapitalgesellschaften unterscheiden sich bezüglich der Bekanntheit und der hiermit verbundenen Einführung einer unternehmensethischen Maßnahme. Es kann die Hypothese aufgestellt werden, dass Kapitalgesellschaften gegenüber Personengesellschaften „mehr“ unternehmensethische Maßnahmen eingeführt haben. Dies kann damit begründet werden, dass Kapitalgesellschaften aufgrund ihres rechtlichen Formalisierungsgrades auch zu einer erhöhten Formalisierung ethischer Strukturen neigen, als Personengesellschaften. Hiermit wird impliziert, dass Personengesellschaften, aus ethischer Sicht, stärker auf den Gründer/die Gründerin bzw. den Unternehmer bzw. Unternehmerin fokussiert sind als Kapitalgesellschaften. HMaßnahmen2: Kapitalgesellschaften führen gegenüber Personengesellschaften „mehr“ unternehmensethische Maßnahmen ein.
1926
1927
Siehe hierzu die Ausführungen des Kapitels 2.1.2.4. So würde ein Kapitän der in einem Orkan seine Ladung über Bord gehen ließe um die Mannschaft zu retten, diese Enscheidung unter gewöhnlichen Umständen nicht fassen. Für eine empirische Überprüfung des Zusammenhangs wird im Weiteren auf ein Messinstrument nach Witte/Doll (1995) zurückgegriffen. Siehe hierzu die Ausführungen in Kapitel 3.2.3.6.
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
3
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
3.1
Methodologische Vorüberlegungen
3.1.1
Zur Anwendbarkeit ethischer Theorien in der Praxis
323
Trotz einer umfassenden Diskussion der Unternehmensethik in der Theorie, wird eine Begriffsbestimmung der Unternehmensethik in der Unternehmenspraxis immer schwieriger und diffuser. Ein Grund für diese Entwicklungstendenzen mag darin liegen, dass eine Substitution des Begriffes der Ethik durch andere Begriffe, Schlagworte oder durch pragmatisch bzw. politisch motivierte Initiativen belegt wird. Der theoretisch fundierte und definierte Begriff der Ethik wird durch deutungsoffene, weniger verbindliche Begriffe ersetzt, wie bspw. Integrität, Wertemanagement, Corporate Social Responsibility (gesellschaftliche Verantwortung) oder Corporate Citizenship (bürgerschaftliches Engagement).1928 Die zuvor aufgeführten Begriffe können allerdings als Instrumente bzw. (explizite) Ausprägungsformen einer Ethik betrachtet werden.1929 Gleichermaßen erfolgte in den letzten Jahren im Bereich der unternehmensethischen Forschungen sowie praxisorientierter unternehmensethischer Konzepte, wie bspw. bei der Erhebung von Wertvorstellungen, der Ausarbeitung und Implementierung von Grundwerten im Rahmen von Unternehmensleitbildern oder dem Wertemanagement, eine zunehmende Orientierung am Begriff der Werte. In diesem Kontext existiert eine breite Vielfalt von Strukturierungsversuchen des Begriffes des Wertes im Rahmen der Unternehmensethik.1930 Es bleibt festzuhalten, dass der Begriff des Wertes als ein zentraler Aspekt im Kontext der Ethikforschung angesehen werden kann. In diesem Zusammenhang zeigen sich unterschiedliche Berührungspunkte zu anderen Forschungsdisziplinen, in denen der Wert eine bedeutende Rolle einnimmt. Hierzu gehören bspw. die (allgemeine) Werteforschung, die Erforschung des Wertewandels, Werte im Kontext der Unternehmenskultur, Werte und Kulturwandel.1931 Für Ethnologen ist es bspw. offensichtlich, dass sich verschiedene Kulturen und Gesellschaften auch durch moralische Einstellungen differenzieren. Hingegen weniger klar ist das Verständnis des Auslösers und der Veränderungsprozesse von bestehenden ethischen Einstellungen einer Gesellschaft. Erklärungen sind eher allgemeiner Natur im Sinne eines sozialen Wandels aus Konfliktspannungen sowie sozialen Dysfunktionalitäten. Durch die empirische Sozialforschung und den Befragungen von Personen werden zunehmend Beschreibungen des Wertwandels der Einstellungen der Bevölkerung angeführt.1932 Eine umfassende, quantitative Überprüfung ethischer Theorien und Instrumente wird in der deutschen Unternehmenspraxis, anders als bspw. im angloamerikanischen Sprachraum, kaum vorgenommen.1933 Allerdings zeigen sich ausgehend von den theoretischen Arbeiten nach Wieland (1999, 2001), und dem hiermit verbundenen governanceethischen Ansatz, praxisnahe Anwendungen, da hiermit spezifische, praxisnahe Instrumente verbunden sind.1934 1928 1929 1930 1931 1932 1933 1934
Vgl. Löhr (2004), S. 13. Zur Erörterung dieses Zusammenhanges sie auch nochmals auf Kapitel 2.2.4.2 verwiesen. Vgl. Dahm/Büscher (2004), S. 92-93. Siehe Kapitel 2.1.2 zur Erörterung des Begriffes des Wertes und seiner Korrelate. Vgl. Gäfgen (1988), S. 85. Siehe hierzu auch die Erörterungen in Kapitel 2.3.5. Siehe hierzu auch Kapitel 2.3.4.4.
324
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
Wichtig, auch aus Sicht der Forschung, scheint eine Legitimation der theoretischen Konzepte in der Praxis bzw. durch praxisnahe Anwendungen zu sein. Nach Rich (1980) ist Wirtschafts- und Unternehmensethik lediglich in einer interdisziplinären Diskussion mit der theoretischen Wirtschaftswissenschaft und der Wirtschaftspraxis möglich, da die Findung konkretisierbarer und realistischer Normen bei der Entscheidung von makroökonomischen Ordnungsproblemen und mikroökonomischen Einzelproblemen einen strikten Bezug zur wirtschaftlichen Realität aufweisen.1935 Somit kann verstärkt auf eine Wissenschafts-Praxis-Kommunikation in diesem Kontext hingewiesen werden. Denn angenommen werden sollte auch ein Lernen aus der Praxis bzw. eine Anpassung der Theorie durch Lernprozesse in und aus der Praxis. Im Rahmen der Umsetzung von Ethik in einem Unternehmen sollte nach Kokot (2002) jedes Unternehmen eine individuelle Entscheidung treffen, aus welchen Komponenten die eigene, individuelle Unternehmensethik bestehen soll. Durch die Auswahl unterschiedlicher Komponenten wird individuell festgelegt, wie das verantwortliche Handeln und somit eine Integration unternehmensethischer Aspekte in die Führungssysteme im Unternehmen, organisatorisch unterstützt, abgesichert wird.1936 Denn auf Basis der Erfahrung in der Durchführung qualitativer Fallstudien zum Thema Unternehmensethik stellt Fassin (2005) fest, dass Unternehmer eine Vielzahl von unterschiedlichen unethischen Praktiken selbst erlebt haben und Beispiele dafür geben können. Die unethischen Praktiken werden aber zumeist nicht öffentlich und gelangen nicht in die Medien.1937 In diesem Kontext weisen Dahm/Büscher (2004) darauf hin, dass im Rahmen der Erstellung ihrer Studie bei den ersten Kontaktversuchen in den durchgeführten Interviews mit Führungspersonen des Mittelstandes durchgängig eine zurückhaltende sowie abwehrende Grundhaltung gegenüber der Erstellung einer unternehmensethischen Studie festzustellen war.1938 Innerhalb der Befragung tendierten die befragten Personen dazu, dass Unternehmen unter ethischen Aspekten als korrekt und fehlerfrei zu beschreiben, wobei Konfliktbereiche und potenzielle Schwachstellen auch auf Nachfrage als nicht vorhanden genannt wurden. Es herrschten klare Tendenzen zur Beschönigung der Sachverhalte vor, die sich kaum umgehen bzw. ausräumen ließen. Anzumerken ist hierbei, dass Dahm/Büscher (2004) bei der Durchführung von Interviews im Zusammenhang mit unternehmensethischen Fragestellungen, bei Managern von Großunternehmen keine Tendenzen zu Beschönigungen bzw. Bagatellisierungen von Konflikten feststellen konnten. Als mögliche Erklärung wird eine differierende Identifikation der Manager von Großunternehmen einerseits, sowie kleinen und mittleren Unternehmen andererseits angeführt. In kleinen und mittleren Unternehmen besteht eine hohe Identifikation mit dem Unternehmen.1939 Gerade in kleinen und mittleren Unternehmen, in denen der Unternehmensgründer das Unternehmen führt, scheint diese Aussage die Annahmen bzgl. einer hohen Identifikation des Unternehmers mit dem Unternehmen im Sinne einer Familie zu stützen. Hier zeigen sich auch erste Probleme der Überprüfung einer (theoretischen) Ethik in jungen Unternehmen bzw. einer Unternehmensethik in der Praxis, da dieses Thema mitunter als emotional besetzt
1935 1936 1937 1938 1939
Vgl. Rich (1980), Sp. 1447. Vgl. Kokot (2002), S. 110. Vgl. Fassin (2005), S. 266. Vgl. Dahm/Büscher (2004), S. 90. Vgl. Dahm/Büscher (2004), S. 91.
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
325
beschrieben werden kann. In diesem Kontext kann es zu unterschiedlichen Verzerrungen (Bias) im Rahmen der Untersuchung kommen.1940 Trotz potenzieller Schwierigkeiten, die bei einer quantitativen Ethikforschung bestehen können, erscheint eine solche Forschungsleistung relevant, um die theoretischen Konzepte und zugehörigen Instrumente auf ihre Praxistauglichkeit bzw. Relevanz in der Praxis hin zu überprüfen. Aufgrund deskriptiver Ethiken können theoretische Konzepte mitunter angepasst werden, wenn ersichtlich ist, dass die Konzepte in der Praxis schwer realisierbar sind. Gleichermaßen kann auf Basis von deskriptiven Forschungsergebnissen daraufhin gewirkt werden, theoretische Konzepte und Instrumente in der Praxis bekannter zu machen, wenn ersichtlich ist, dass diese eine hohe Relevanz besitzen.1941 Die Interpretationen aus den Forschungsergebnissen sowie die Ableitung von individuellen Maßnahmen sind dabei kontextspezifisch. In diesem Kontext kann die Reflexion des Gesetzes von Humes (Hume’sches Gesetz) angeregt werden, welches besagt, dass es nicht möglich ist, vom Sein auf das Sollen zu schließen. Denn oftmals werden auf Basis von Aussagen bzw. Zuständen der Realität (Sein) Forderungen über einen wünschenswerten Zustand der Zukunft (Soll) gemacht. Hierbei handelt es sich um ein Sein-SollProblem.1942 Speziell im Kontext der Ethik erscheint diese Thematik beachtenswert. Allerdings ist hierbei darauf hinzuweisen, dass das Gesetz von Humes allgemein zu Problemen der Interpretation bzw. bei der Ableitung von Empfehlungen aus empirischen Forschungsergebnissen, unabhängig ob diese im Kontext der Ethik durchgeführt wurden oder nicht, führen kann, da Empfehlungen als SollZustände angesehen werden können.
3.1.2
Vorüberlegungen zur Operationalisierung ethischen Verhaltens
Eine Operationalisierung ethischen Verhaltens kann auf unterschiedliche Weise erfolgen. Dabei ist es von Bedeutung, auf welchen Bereich sich eine Ethikforschung konkret bezieht. Denn in den unterschiedlichen Wissenschaften, wie bspw. der (Sozial-)Psychologie, der Soziologie oder den Wirtschaftswissenschaften wird zeitlich unterschiedlich lange geforscht. Daher sind (teilweise) differierende Theorien, Operationalisierungskonstrukte und (Mess-)Instrumente im Kontext einer Ethikforschung verfügbar. Gleichermaßen haben die einzelnen Disziplinen einen unterschiedlichen Betrachtungsfokus auf die Thematik, wobei eine Forschung hierbei theoretischer, als auch praktischer Natur in Form qualitativer und quantitativer Studien bzw. deren Kombination sein kann. Zentrale Untersuchungsbereiche, vornehmlich geprägt durch angloamerikanische Studien, sind u. a.: Normen und Werte, (kognitive) Moralentwicklung, ethische Positionierung von Individuen, Wahrnehmungen und Einstellungen, Prozesse ethischer Entscheidungsfindung, Handlungen bzw. Bewertung von Handlungen und ethische Rechtfertigungen von Handlungen. Um diese Ausrichtungen herum existieren vielfältige andere Untersuchungsbereiche,
1940 1941 1942
Siehe hierzu auch Kapitel 3.1.3.2.2. Eine ähnliche Argumentation verfolgen Roloff/König (2005), S. 380. Vgl. Schaber (2002), S. 437. Siehe grundlegend auch Kutschera (1977); Stuhlmann-Laeisz (1983); Schurz (1997). Das Hume’sches Gesetz ist nicht mit dem naturalistischen Fehlschluss zu verwechseln, der durch G. E. Moore in seinem Werk Principia Ethica eingeführt wurde. Moore beschreibt dabei keinen fehlerhaften Schluss aus spezifischen Prämissen, sondern vielmehr ein unzureichendes bzw. falsches Verständnis des Wortes „gut“. Ein naturalistischer Fehlschluss wird begangen, wenn das Wort gut definiert wird, wenn gut mit einer spezifischen Eigenschaft gleichgesetzt wird, auf die mit einem anderen Ausdruck Bezug genommen werden könnte oder wenn die Meinung vertreten wird, gut sei eine natürliche bzw. eine bestimmte übernatürliche Eigenschaft. Siehe hierzu auch Baldwin (1990), S. 71-72; Schaber (2002), S. 437-440.
326
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
die diese zum Teil tangieren bzw. auf diesen aufbauen. Hierzu können u. a. gezählt werden: Ethik und Ökonomie, ethische Organisation, Managerethik und der Unterschied von Managern und Entrepreneuren bzw. Unternehmern hinsichtlich ethischer Einstellungen und Verhaltensweisen, Institutionalisierung von Ethik und Instrumente einer Unternehmensethik oder die Messung organisationaler Ethik. In diesem Forschungskontext kann das Individuum, die Organisation bzw. das Unternehmen oder eine Kombination aus beiden Bereichen im Betrachtungsfokus liegen. Wichtig ist hierbei, auf die Differenzierung der einzelnen Ebenen einer (Wirtschafts- und Unternehmens-)Ethik sowie die Unterscheidung von Individualethik und Institutionenethik hinzuweisen.1943 Auch in der hier vorliegenden Ausarbeitung sind beide Ebenen betrachtet worden. Zum einen richtet sich das Interesse auf den Unternehmer bzw. die Unternehmerin als Individuum, und zum anderen ist die Organisation, bzw. das Unternehmen als solches, von Interesse. Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass speziell im Entrepreneurship-Kontext eine Trennung beider Bereiche schwierig erscheint, da der Unternehmer bzw. die Unternehmerin einen besonderen Stellenwert für das Unternehmen einnimmt. Im Folgenden wird zunächst ein kurzer Überblick über potenzielle Operationalisierungen bzw. Instrumente im Kontext einer empirischen Ethikforschung gegeben. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass die dargestellten Instrumente nicht zwingend im Rahmen der hier vorliegenden Studie eingesetzt wurden. Das Ziel ist es vielmehr, einen ersten Überblick über (potenziell) relevante Instrumente, bspw. für zukünftige Untersuchungen, zu geben. Die verwendeten Messkonstrukte der hier vorliegenden Studie werden differenzierter in den jeweiligen Kapiteln 3.2.2 sowie 3.2.3 und ihrer zugehörigen Unterkapitel erörtert. Die Ethikforschung ist, speziell auch in Deutschland, mitunter eine empirisch-psychologische Forschung. Dabei wird in der Psychologie (oftmals) im Bereich der Entwicklungspsychologie geforscht. Grundlegende Werke zur (kognitiven) Moralentwicklung stammen von Piaget (1932) und Piaget (1973) sowie Kohlberg (1958, 1969, 1973).1944 Der „klassische“ Test in diesem Bereich ist der Moral Judgment Test (MJT) nach Kohlberg, der allerdings als zeitintensiv sowie unpraktikabel einzustufen ist, da die Antworten der Befragten zu vorgegeben (ethischen) Dilemmata in die Stufen nach Kohlberg eingeordnet werden müssen. Ein einfacheres Instrument zur Messung der kognitiven Moralentwicklung ist bspw. der Defining Issues Test (DIT) nach Rest (1979). Hierbei werden den Befragten moralisch-ethische Dilemmata zur Bewertung anhand einer Likert-Skala vorgelegt. Der Test gestaltet sich somit einfacher, als bspw. der MJT.1945 Im Jahre 1999 wurde der DIT überarbeitet bzw. weiterentwickelt zum DIT-2.1946 Der DIT bzw. DIT-2 wurde in vielen Untersuchungen als Instrumentarium eingesetzt.1947 In eine ähnliche, obwohl nicht gleichartige, Forschungsrichtung gehen die Arbeiten von Lind (1985), welcher den Moralisches-Urteil-Test (MUT)1948 entwickelt hat. Der MUT wurde für die Forschung und die Evaluation der Effektivität von Methoden und Programmen entwickelt. Er eignet sich nicht für Evaluationen, welche mit Belohnungen oder Bestrafungen verknüpft sind. Glei1943 1944
1945
1946 1947 1948
Zu den Ebenen einer Ethik siehe Kapitel 2.2.3. Siehe zur Individual- und Institutionenethik Kapitel 2.3.1. Siehe grundlegend zur kognitiven Moralentwicklung Kohlberg (1958), Kohlberg (1969) sowie Kohlberg (1973). Weiterhin sei auf Piaget (1932) sowie Piaget (1990) verwiesen. Vgl. Fraedrich/Thorne/Ferrell (1994), S. 829-831. Siehe zum MJT auch Colby/Kohlberg (1987) sowie zum DIT Rest (1979). Zur Vertiefung siehe auch Rest (1986); Rest/Narvaez (1994), Rest et al. (1997). Siehe hierzu ausführlich Rest et al. (1999a). Zur Unterstützung des DIT siehe grundlegend Narvaez/Bock (2002). Weiterhin Rest et al. (1999b); Rest et al. (2000). Siehe grundlegend zum MUT .
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
327
chermaßen ist er auch nicht für Individualdiagnostik oder für die Auswahl von Menschen geeignet. Der MUT basiert auf der „Zwei-Aspekte-Theorie“ (Dual-Aspect Model) des moralischen Verhaltens und der Moralentwicklung, die in einigen zentralen Punkten (Stufenmodell, Invarianz) sich von der Theorie unterscheidet und diese korrigiert.1949 Dabei ist anzumerken, dass der DIT und der MUT nicht gleichzusetzen sind, da der MUT anderen Konstruktionsprinzipien (und auch Theorieprinzipien) folgt, als der DIT.1950 Der MUT wurde zu zuerst in der deutschen Sprache konstruiert. Allerdings sind auch Übersetzungen in anderen Sprachen verfügbar. Der MUT wurde bereits in unterschiedlichsten Untersuchungen eingesetzt.1951 Ein weiteres (ähnliches) Verfahren zur Messung kognitiver Moralentwicklung bzw. deren Reflexion, das ursprünglich im angloamerikanischen Sprachraum durch Gibbs/Basinger/Fuller (1992) bzw. Basinger/Gibbs/Fuller (1995) entwickelt wurde, ist der Sociomoral Reflection Measure (SRM-SF). Eine deutsche Fassung wurde von Krettenauer/Becker (2001) entwickelt und überprüft.1952 Durch Forsyth (1980) wurde ein Instrumentarium zur ethischen Positionierung von Individuen der Ethics Position Questionnaire (EPQ) entwickelt, der eine Verortung von Individuen in eine 2x2Matrix anhand von zwei Dimensionen, der Relativismus- und der Idealismusdimension ermöglicht.1953 Dieses angloamerikanische Instrumentarium wurde im Rahmen der hier vorliegenden Studie in die deutsche Sprache übersetzt und angewendet. Zur ausführlichen Erörterung und Präsentation der empirischen Ergebnisse sei an dieser Stelle auf Kapitel 3.2.2.3 verwiesen. Neben den Untersuchungen zur kognitiven Moralentwicklung und deren Instrumenten der Operationalisierung, lassen sich in der (vornehmlich angloamerikanischen) Literatur unterschiedliche Instrumente zur Messung von Ethik auffinden. Hierzu gehören auch Skalen bzw. Items zur Messung der Wahrnehmung und Einstellung hinsichtlich einer (Unternehmens-)Ethik bzw. Verortung der Befragten. Namentlich gehört hierzu bspw. der Attitude Towards Business Ethics Questionnaire (ATBEQ) welcher der auf Basis von Aussagen bei Stevens (1979) durch Neumann/Reichel (1987) entwickelt und zunächst bei Preble/Reichel (1988), als potenzielles Instrument zur Messung von (unternehmens-)ethischen Einstellungen, angewendet wurde.1954 Ein weiteres potenzielles Instrument zur Messung von Ethik bzw. ethischer Einstellung ist in der englischsprachigen Literatur bzw. empirischen Ethikforschung der von Singhapakdi et al. (1996) auf Basis der Arbeiten von Kraft/Jauch (1992) konzipierte und konstruierte Befragungsbogen der wahrgenommenen Rolle von Ethik und sozialer Verantwortung, im Original Perceived Role of Ethics and Social Responsibility (PRESOR). Das Ziel des PRESOR war die Entwicklung einer reliablen und validen Skala zur Messung der Wahrnehmung hinsichtlich der Wichtigkeit von Ethik und sozialer Verantwortung. Der PRESOR selbst besteht aus 16 Items, die die unterschiedlichen Dimensionen von Ethik und sozialer Verantwortung im wirt1949
1950 1951 1952 1953
1954
Vgl. grundlegend die Beiträge in Lind/Hartmann/Wakenhut (1983); Lind/Hartmann/Wakenhut (1985) sowie Lind (2004). Sowie weiterhin Lind (1985); Lind (2002); Lind (2003). Zum den Grundlagen und den Unterschieden des DIT und des MUT siehe auch Schmitt (1982). Vgl. Krettenauer/Becker (2001), S. 188-189. Siehe hierzu die umfassenden Referenzen unter . Vgl. Krettenauer/Becker (2001). Siehe grundlegend Forsyth (1980). Darüber hinaus sei auf die Erörterungen in Kapitel 3.2.2.3 verwiesen. Für kritische Anmerkungen zum EPQ siehe bspw. Davis/Andersen/Curtis (2001). Siehe grundlegend Stevens (1979); Preble/Reichel (1988); Neumann/Reichel (1987) sowie Anwendungen u. a. bei Small (1992); Moore/Radloff (1996); Sims/Gegez (2004); Sims (2006); Phau/Kea (2007) oder in Kombination mit anderen Instrumenten wie bei Etheredge (1999).
328
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
schaftlichen Kontext widerspiegeln. Dabei besteht die Skala aus generellen Angaben zur Wichtigkeit von Ethik und sozialer Verantwortung in Bezug auf die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens. Weiterhin beinhaltet die Skala Aussagen, die die Wichtigkeit von Ethik und sozialer Verantwortung in Relation zu anderen traditionellen Maßen organisationaler Leistungsfähigkeit, wie Qualität des Outputs, Profitabilität, Wettbewerbsfähigkeit und Überlebenssicherung, beinhalten.1955 Zur ethischen Bewertung von Handlungen wurde durch Reidenbach/Robin (1988) das Konzept der Multidimensionalskala zur Messung von Ethik der so genannten Multidimensional Ethics Scale (MES) entwickelt. Hierbei handelt es sich um eine Skala, die ursprünglich fünf Dimensionen (Gerechtigkeits-, Relativismus-, Egoismus-, Utilitarismus- und Deontologieskala) beinhaltet. Die Messung bzw. die Bewertung einer Handlung erfolgt anhand (hypothetischer) Szenarien durch Polaritätsskalen.1956 In Reidenbach/Robin (1990) wird eine Verbesserung der Skala und Reduktion auf lediglich drei Dimensionen (breites moralisches Gerechtigkeitskonstrukt, relativistisches Konstrukt, Sozialvertragskonstrukt) vorgenommen.1957 In diesem Kontext ist anzumerken, dass Cohen/Pant/Sharp (1993) darauf hinweisen, dass die (Original-)Skala von Reidenbach/Robin eine Ausgangsbasis für multidimensionale Skalen bilden kann, die allerdings bei jeder Untersuchung neu konstruiert und validiert werden sollte, da die Skala sich in unterschiedlichen Untersuchungen als nicht stabil herausstellte.1958 Einen ähnlichen Ansatz wie die MES, welcher allerdings in Deutschland entwickelt wurde, verfolgen Witte/Doll (1995) mit ihrem Instrumentarium zur Messung der ethischen Rechtfertigung von Handlungen. Im Rahmen des Messkonstruktes wird dem Befragten ein (hypothetisches) Szenario sowie mögliche Handlungsalternativen hierzu präsentiert, wobei sich der Befragte für eine Handlung entscheiden soll. Danach wird der Befragte gebeten auf Basis einer 20 Items umfassenden Likert-Skala anzugeben, welche Aspekte bei seiner Entscheidung für die Wahl der Handlung bedeutsam waren. Den 20 Items liegen vier ethische Positionen zu Grunde, so dass eine Verortung des Befragten anhand der vier ethischen Positionen vorgenommen werden kann.1959 Das Instrumentarium hat sich in unterschiedlichen Befragungen als valide sowie reliabel gezeigt und wurde daher im Rahmen der hier vorliegenden Untersuchung verwendet. An dieser Stelle sei zur weitergehenden Erörterung des Instrumentariums und zur Präsentation der empirischen Ergebnisse auf Kapitel 3.2.3.6 verwiesen. Weitere Skalen, die mit dem Konzept der Ethik in Verbindung stehen, sind bspw. Skalen zur Messung Sozialer Verantwortung bzw. Social-Responsibility-Skalen. Eine aus dem angloamerikanischen Sprachraum stammende Skala zur Messung von Social Responsibility liefern bspw. 1955 1956 1957
1958
1959
Vgl. Singhapakdi et al. (1996), S. 1131-1133. Siehe auch Kraft/Jauch (1992). Siehe Reidenbach/Robin (1988). Siehe Reidenbach/Robin (1990). Die Konstruktion und Intention der MES unterscheidet sich vom MJT und DIT. Siehe zur kurzen Übersicht und Kritik der einzelnen Tests Weber (1996). Zu Anwendungen, Replikationen und Änderungen der Skala siehe bspw. Tsalikis/Nwachukwu (1988); Tsalikis/Ortiz-Buonafina (1990); Reidenbach/Robin/Dawson (1991); Hansen (1992); Henthorne/Robin/Reidenbach (1992); Cohen/Pant/Sharp (1993) Cruz/Shafer/Strawser (2000); Kujala (2001); Kujala/Pietiläinen (2004); Kujala/Pietiläinen (2007). Eine aufbereitete Darstellung der einzelnen Skalen liefert hierbei Kujala (2001). Zur Kommentierung von Hansen (1992) siehe Reidenbach/Robin (1993). Vgl. Cohen/Pant/Sharp (1993), S. 25. In der Strukturstudie von McMahon/Harvey (2007) konnte weder die dreinoch die fünfdimensionale Struktur der zwei Originalstudien von Reidenbach/Robin (1988, 1990) bestätigt werden, wobei einige Items gut zur Messung verwendet werden können McMahon/Harvey schlagen eine eigene Struktur der MES vor. Siehe grundlegend Witte/Doll (1995). Sowie die Erörterungen zu diesem Instrumentarium zu Beginn des Kapitels 3.2.3.6.
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
329
Wood/Chonko/Hunt (1986); Hunt/Kiecker/Chonko (1990). Darüber hinaus sei auf die Social Responsibility Scale (SRS) von Berkowitz/Daniels (1964) bzw. die Kurzversion der SRS von Berkowitz/Lutterman (1968) verwiesen. Eine deutsche Übersetzung, Entwicklung und Validierung der SRS liefert Bierhoff (2000).1960 Als verbundenes Konzept kann in diesem Kontext die Eigenverantwortung gesehen werden. Hier liefern Bierhoff et al. (2005) eine Skala zur Messung der Eigenverantwortung.1961 Das Konzept der Eigenverantwortung ist bspw. mit der protestantischen Ethik, einer Individualethik im Sinne Max Webers, verbunden. Für diese ist es charakteristisch, dass dem Individuum die Verantwortung dafür auferlegt wird, jeweils das Beste aus dem zu machen, was gegeben bzw. möglich ist.1962 Doll/Dick (2000) konstruieren eine protestantische Ethikskala sowie eine humanitär-egalitäre Ethikskala.1963 Darüber hinaus liefern Maes/Schmitt (2001) mit der Protestantischen Ethik Skala (PES) eine weitere Skala.1964 Shanahan/Hyman (2003) liefern den Vorschlag einer Skala zur Messung von Tugendethik, die anders als teleologisch- und deontologisch-klassifizierende Skalen, eine Messung der Tugendethik ermöglicht.1965 Neben der hier vorgestellten Auswahl unterschiedlicher Messkonstrukte im Kontext der Ethik existiert weiterhin eine Vielzahl anderer Instrumentarien. Das Ziel der Vorstellung war es, einen Überblick über die Vielzahl potenzieller Messkonstrukte zu geben und eine Sensibilisierung für die Thematik zu generieren. Auch wurden an dieser Stelle nicht die vielfältigen Untersuchungen dargestellt, die (lediglich) potenzielle bzw. eingesetzte (unternehmens-)ethische Instrumente abfragen. Das Spektrum potenzieller unternehmensethischer Instrumente kann, wie u. a. in Kapitel 2.4.3 dargestellt, als umfassend bezeichnet werden. Neben konkreten unternehmensethischen Maßnahmen, wie bspw. einem Ethikkodex, können auch andere Indikatoren zur Messung einer Ethik herangezogen werden. Dabei ist jedoch anzumerken, dass es im Kontext junger Unternehmen schwieriger erscheint, geeignete Indikatoren aufzufinden. Bei einem kapitalmarktnotierten Unternehmen hingegen können die Umwelt- und Sozialbilanz als ein möglicher Indikator für umwelt- und sozialverträgliches Handeln und somit auch, je nach Definitionsweise, auch als ethisches Handeln, gesehen werden. Dabei dienen Indizes wie bspw. der Dow Jones Sustainability Group Index (DJSGI) oder Sustainability Index Gruppe der Financial Times (FTSE4GOOD) als Indikatoren für eine positive ökologische und soziale Performance im Rahmen der Wertentwicklung börsennotierter „Sustainability Leader“.1966 Im Dow Jones Sustainability Index sind bspw. nur Unternehmen gelistet, die speziellen (ethischen) Kriterien genügen und nachhaltig handeln.1967 Ethische Argumentationen alleine sind am Kapitalmarkt nicht von Bedeutung. Vielmehr zeigt sich, dass Unternehmen mit einer ethischen Ausrichtung oftmals ökologisch und sozial innovative Unternehmen sind, die einen Wettbewerbsvorteil erzielen können.1968 Für junge Unternehmen 1960 1961 1962
1963 1964 1965 1966 1967 1968
Siehe Berkowitz/Daniels (1964); Berkowitz/Lutterman (1968); Bierhoff (2000). Siehe Bierhoff et al. (2005). Vgl. Bierhoff et al. (2005), S. 5; Doll/Dick (2000), S. 138-139. Siehe zur protestantischen Ethik von Max Weber einführend Müller (2007), S. 76-106. Siehe Doll/Dick (2000). Siehe Maes/Schmitt (2001). Siehe Shanahan/Hyman (2003). Vgl. Merck (2002), S. 48. Vgl. Pierer (2002), S. 64-65. Vgl. Merck (2002), S. 48-49.
330
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
können diese Maßnahmen im Rahmen einer Operationalisierung von ethisch bzw. ethischen Handelns mangels fehlender Anwendung gar nicht bzw. lediglich in Ausnahmefällen angewendet werden. Die in der Studie verwendeten Messkonstrukte werden, wie bereits dargestellt, in den jeweiligen Kapiteln der empirischen Studie erörtert. An dieser Stelle soll abschließend auf eine (potenzielle) Problematik bei der Erstellung von Studien im Kontext der (Unternehmens-)Ethik hingewiesen werden. Denn der Begriff der Ethik kann oftmals als theologische Weltfremdheit oder aber philosophisch-abstrakte Unverständlichkeit verstanden werden. Anders gestaltet sich die Sachlage, wenn anstatt des Begriffes Ethik, Begriffe wie Verantwortung, Wertorientierung oder Zielkonflikte verwendet. Bei dieser Herangehensweise entstehen weniger Vorbehalte.1969 Wenngleich anzumerken ist, dass die letztgenannten Begrifflichkeiten nicht direkt synonym mit dem Begriff der Ethik zu sehen sind. Jedoch weisen diese Begriffe in eine ähnliche Richtung. Fassin (2005) weist bei der Erstellung von (qualitativen) Studien zum Thema der Unternehmensethik auf die Problematik hin, dass Unternehmer eine Teilnahme an einer Studie oftmals (mit der Begründung eines engen Terminplanes) ablehnen. Ein Problem bei der Erstellung von Studien ist die Unschlüssigkeit von Unternehmern an diesen mitzuwirken.1970
3.1.3 3.1.3.1
Aufbau und Design der empirischen Untersuchung Datenbasis und Auswahlverfahren
Als Selektionskriterium zur Bestimmung der Untersuchungsobjekte im Rahmen der Befragung wurde das Alter der Unternehmen bzw. das Gründungsjahr gewählt. Wie in Kapitel 2.1.1.2 diskutiert, herrscht in der theoretisch-praktischen Diskussion keine Einigkeit hinsichtlich der zeitlichen Bestimmung von jungen Unternehmen vor. Im Rahmen dieser Untersuchung wird der Begriff „junges Unternehmen“ für Unternehmen bis zu einem Alter von zehn Jahren nach der Gründung verwendet. Der Zeitraum von bis zu zehn Jahren wurde gewählt, um ein breites Spektrum an Unternehmen für die Befragung zu erhalten, und keine Beschränkung auf den Gründungskontext vorzunehmen. Die Grundgesamtheit der Befragung wurde durch drei Datensätze von (jungen) Unternehmen gebildet, die insgesamt 1.126 Objekte beinhalteten.1971 Bei der Auswahl der Grundgesamtheit wurde darauf geachtet, dass die Objekte den Kriterien junger Unternehmen entsprechen.1972 Ein Branchen-Bias soll durch die Berücksichtung unterschiedlicher Branchen vermieden werden. Anzumerken sei in diesem Kontext nochmals, dass die hier vorliegende Ausarbeitung (vornehmlich) als eine explorativ-quantitative Studie betrachtet werden kann. Hierbei ist es intendiert, sowohl einen kleinen Beitrag zur Überprüfung theoretischer Konstrukte und Hypothesen (auf ihre praxisbezogene Relevanz) zu leisten, als auch darüber hinaus (potenzielle) (Mess-)Instrumente vorzustellen und diese
1969 1970 1971
1972
Vgl. Dahm/Büscher (2004), S. 90. Vgl. Fassin (2005), S. 267. So auch Hannafey (2003). In diesem Kontext wird dem Business Angels Netzwerk Deutschland – BAND e. V., der Vereinigung World Trade Center, der VDI/VDE Innovation + Technik GmbH sowie dem Verband deutscher Unternehmerinnen gedankt. Dabei sei darauf hingewiesen, dass die Daten des letzteren Verteilers (vornehmlich) Frauen beinhalteten. Diese wurde intendiert, um eine ausreichende Anzahl von Befragten für eine Analyse geschlechterspezifischer Fragestellungen zu erhalten. Zur finalen Stichprobenstruktur siehe auch Kapitel 3.2.1.3. Siehe aus theoretischer Sicht auch die Erörterungen des Kapitels 2.1.1 und seiner Unterkapitel.
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
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auf eine Anwendbarkeit im dargestellten Themenkomplex, auch vor dem Hintergrund möglicher folgender empirischer Studien, hin zu überprüfen. Das Ziel der Studie ist nicht eine Schätzung von Parametern der Population durch Stichprobeninformationen. Eine Schätzung von Parametern der Population ist nicht (zwingend) der einzige Zweck der Ziehung einer Stichprobe. Denn im Rahmen sozialwissenschaftlicher Untersuchungen ist dies (in vielen Fällen) nicht intendiert. Vielmehr wird (oftmals), wie auch in der vorliegenden Ausarbeitung, u. a. ein Test von (Zusammenhangs-)Hypothesen angestrebt, für die nicht zwingend repräsentative Stichproben1973 benötigt werden. Vielmehr ist es im Sinne der Popperschen Wissenschaftsphilosophie das Ziel, möglichst strenge Tests zur potenziellen Falsifikation von Hypothesen zu erstellen. Aus diesem Grunde können (Zusammenhangs-)Hypothesen daher an willkürlichen Stichproben geprüft werden, wie dies bspw. eine gängige Praxis bspw. in der (Sozial-)Psychologie, aber auch in den Wirtschaftswissenschaften ist.1974 Gleichwohl sei angemerkt, dass es im Rahmen der Auswahl der Stichprobe bereits zu unterschiedlichen, potenziellen Fehlern kommen kann, die einen Einfluss auf die statistische Messung und Auswertung der untersuchten Variablen sowie Annahmen besitzen. Siehe zu potenziellen methodischen Problemen im Rahmen der Ausarbeitung auch Kapitel 3.1.3.2.2. 3.1.3.2 3.1.3.2.1
Datenerhebungstechnik Online-Befragung
Die Datenerhebung wurde in Form einer Online-Befragung durchgeführt.1975 Hierzu wurde auf einem Server des UNESCO Lehrstuhls für Entrepreneurship und Interkulturelles Management das Online-Befragungssystem Cont@xt des Unternehmens Information Factory GmbH installiert und betrieben. Dieses ermöglicht die Erstellung, Versendung, Überwachung (Monitoring) einer OnlineBefragung sowie die Übertragung der erhobenen Daten in die Statistiksoftware SPSS®. Einem Online-Befragungsbogen eines Projektes können unterschiedliche Empfänger bzw. Empfängergruppen zugeordnet werden. Die Beantwortung und somit auch die Datenerhebung können dabei personenbezogen oder anonym erfolgen. Für die hier vorliegende Befragung wurde eine anonyme Erhebung der Daten ausgewählt, da davon ausgegangen wurde, dass potenzielle Teilnehmer einer Befragung tendenziell eher zum Ausfüllen des Online-Befragungsbogens angehalten bzw. motiviert werden können, als wenn eine personenbezogene Erhebung durchgeführt wird. Allerdings ist anzumerken, dass auch die Zusicherung von Anonymität nicht zwingender Weise bspw. vor sozialer Erwünschtheit schützt.1976 Aus dem Online-Befragungssystem wird für jeden Empfänger(kreis) ein statischer Link auf den Online-Befragungsbogen generiert. In einer E-Mail mit spezifischen Informationen zur Befragung sowie 1973
1974
1975 1976
Diekmann (2004), S. 368 merkt an, dass der Begriff der repräsentativen Stichproben in der Statistik kein Fachbegriff ist. Vielmehr wird von Zufallsstichproben oder einer Wahrscheinlichkeitsauswahl gesprochen. Vgl. Diekmann (2004), S. 328-329 und 368-369. Repräsentative Stichproben sind allerdings bei der Untersuchung der Richtung und Stärke von Zusammenhängen in einer definierten Population von Interesse. Siehe Diekmann (2004), S. 369. An dieser Stelle sei zu den Annahmen von Karl Popper auf Popper (2002) verwiesen. Der Aufbau und das Design der Befragung kann dem Anhang der Ausarbeitung entnommen werden. Siehe zu Problemen im Rahmen der Erhebung auch Kapitel 3.1.3.2.2.
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Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
Kontaktdaten ist dieser Link den Befragten bzw. den Personen in den Ausgangsdatensätzen bzw. der Grundgesamtheit zugesendet worden. Bis auf den jeweiligen Empfängerkreis können dabei keine individuellen Rückschlüsse auf den individuellen Empfänger bzw. Befragen gezogen werden. Dabei bestand die Absicht, die Anonymität zu wahren. Um einen etwaigen „Missbrauch“ durch ein nicht ernsthaftig intendiertes Ausfüllen des Befragungsbogens zu minimieren, wurde das OnlineBefragungssystem bzw. der Online-Befragungsbogen auf dem eigenen Web-Server, der zum Betrieb des Systems dient, nicht verlinkt. Ein Zugriff auf das System über das Internet durch nicht befugte Dritte bzw. Personen, die nicht zu dem Empfängerkreis gehören, ist (prinzipiell) nicht möglich, da es sich bei dem Link, um einen kryptischen Link handelt, der für Dritte nicht im Internet verfügbar ist.1977 Das System kann als geschlossenes System betrachtet werden. Denn das System bzw. die generierten Online-Befragungsbögen werden nicht von Suchmaschinen indiziert. So soll ausgeschlossen werden, dass unbefugte Dritte an der Befragung teilnehmen und die Ergebnisse verfälschen können. Das Verfahren der Online-Befragung bietet gegenüber einer papiergestützten Befragung unterschiedliche Vorteile. So kann der Einsatz eines Online-Befragungsbogens als kostengünstiger angesehen werden. Darüberhinaus besteht der Vorteil einer (relativ) kurzen Antwortzeit. Gleichermaßen entfällt eine Übertragung der „analogen“, papiergestützten Daten in eine digitale Form. Somit bestehen keine Schnittstellenprobleme.1978 An dieser Stelle kann der Einwand vorgebracht werden, dass potenzielle Probleme bzw. Verzerrungen bestehen können, wenn die Grundgesamtheit nicht über die technischen Voraussetzungen für die Teilnahme an der Studie besitzt.1979 Um diesem Problem zu begegnen, könnte alternativ in der E-Mail ein Befragungsbogen in Form einer PDF oder Word-Datei angehängt werden, um den Adressaten eine Alternative des Mediums zur Beantwortung zu geben. Auf diese Möglichkeit wurde verzichtet, da auch in diesem Kontext Probleme bestehen können. Denn es ist (potenziell) möglich, dass die Adressaten gegenüber E-Mail-Anhängen aufgrund einer möglichen Virengefahr bei E-Mails negativ eingestellt sind. Darüber hinaus müsste ein E-Mail-Anhang zunächst abgespeichert bzw. ausgedruckt, ausgefüllt und dann per Post zurückgesendet oder gefaxt werden. In diesem Zusammenhang bestehen unterschiedliche potenzielle Fehlerquellen bzw. Schnittstellenprobleme, so dass bei der hier vorliegenden Ausarbeitung auf diese Vorgehensweise verzichtet wurde. Auch reduziert diese Vorgehensweise nicht das Problem nicht vorhandener technischer Voraussetzungen, da der Befragungsbogen ja per E-Mail versendet werden müsste.1980 Bortz/Döring (2002) merken an, dass Vermutungen hinsichtlich einer Häufung von Falschangaben bei Online-Befragungen in Vergleichsstudien nicht bestätigt werden konnten.1981
1977
1978 1979
1980
1981
Angemerkt werden kann, dass der Link zwar von den Befragten selber an Dritte weiterversendet werden kann. Aber diese Möglichkeit besteht auch in Form von Kopien papiergestützter Befragungsbögen oder passwortgeschützter Bereiche. Ausgeschlossen werden kann dies lediglich durch personalisierte, individuelle Links und ggf. Passwörter. Hierbei besteht allerdings das Problem, dass dann keine vollständige Anonymität zugesichert werden kann. Aus diesem Grunde wurde hierauf verzichtet. Vgl. Granello/Wheaton (2004), S. 388; Bortz/Döring (2002), S. 261. Vgl. Couper (2000), S. 467; Bortz/Döring (2002), S. 261. Ein anderer potenzieller Einwand wäre mitunter auch eine Aversion gegenüber technisch durchgeführten Online-Befragungen. Auch weist die vorliegende Rücklaufquote nicht auf potenzielle Probleme und Abneigungen gegenüber der gewählten Vorgehensweise hin. Siehe zur Rücklaufquote auch Kapitel 3.2.1.2. Vgl. Bortz/Döring (2002), S. 261.
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Bei der Gestaltung des Anschreibens per E-Mail und des Befragungsbogen wurden folgende Aspekte berücksichtigt:1982
Nennung der Institution: Es wurde im Anschreiben und im Befragungsbogen der UNESCO-Lehrstuhl für Entrepreneurship und Interkulturelles Management der Fachhochschule Gelsenkirchen als befragende Institution angegeben. Ziel der Studie und Teilnahmeappell: Es wurde der wissenschaftliche Charakter der Studie und der Beitrag der Befragten herausgestellt, um so die Motivation zu stärken. Zusicherung von Anonymität und Vertraulichkeit: Für die gesamte Befragung und Auswertung wurde Anonymität zugesichert. Eine personenbezogene Auswertung ist nicht möglich. Zeitbedarf bei der Ausfüllung des Befragungsbogens: Der Zeitbedarf wurde mit 15-20 Minuten angegeben, um den Teilnehmern einen ungefähren Zeitrahmen zu nennen. Dank für die Mitarbeit und das Ausfüllen Schlichtes Design des Online-Befragungsbogens: Für den Befragungsbogen wurde ein schlichtes Design gewählt und eine einfache Menüführung gewählt, um zur Minimierung der Abbrecherquote beizutragen.1983 Keine offenen Fragen im Online-Befragungsbogen: Ebenfalls einen Beitrag zur Minimierung der Abbruchquote sollte die Vermeidung von offenen Fragen leisten.1984 Keine obligatorischen bzw. Muss-Fragen im Online-Befragungsbogen: Im Rahmen des Befragungsbogens wurde auf Fragen verzichtet, die ausgefüllt werden müssen, um mit der Beantwortung des Befragungsbogens voranzuschreiten. Das Ziel war es hierbei wiederum, die Abbruchquote zu verringern. Denn nicht alle Befragten wollen auch auf alle Fragen antworten. Einblendung einer Fortschrittsanzeige im Online-Befragungsbogen: Eine prozentuale Fortschrittsanzeige sollte den Befragten zeigen, an welcher Stelle des Befragungsbogens sich die Teilnehmer befinden.
Nach vier Wochen wurde den Adressaten nochmals eine Erinnerungs-E-Mail zugesendet, um an eine (ausstehende) Teilnahme an der Befragung zu erinnern. 3.1.3.2.2
Potenzielle methodische Probleme im Rahmen der Erhebung
Im Kontext der Durchführung der Studie können unterschiedliche methodische Probleme bestehen. Daher soll im Folgenden kurz auf (ausgewählte) potenzielle Probleme eingegangen werden, die, vor 1982
1983 1984
In Anlehnung an die Ausführungen bei Bortz/Döring (2002), S. 258. Ergänzt durch die Erkenntnisse von Diamantopoulos/Schlegelmilch (1996); Bosnjak/Tuten (2001); Bosnajk (2001); Knapp/Heidingsfelder (1999). Eine umfassende Beschreibung zum Design von Befragungsbögen liefert Webb (2000). Siehe hierzu die Ausführungen bei Dillman et al. (1998). Siehe hierzu die Ausführungen bei Knapp/Heidingsfelder (1999). So auch Webb (2000), S. 203-205.
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dem Hintergrund der Auswertung und Interpretation der empirischen Ergebnisse, beachtet werden sollten. Im Rahmen der (Umfrage-)Forschung können allgemein drei Kategorien von Fehlerquellen im Kontext der Erstellung von einer (Zufalls-)Stichproben unterschieden werden, wobei sich der Gesamtfehler (Total Survey Error) aus dem Zufallsfehler der Stichprobe (Sampling Variability), dem systematischen Fehler aufgrund des Verfahrens der (Zufalls-)Stichprobenauswahl und den Verzerrungen, die nicht direkt durch das Auswahlverfahren produziert wurden (Nonsampling Bias) zusammensetzt.1985 Im Folgenden wird eine kurze Erörterung hinsichtlich potenzieller systematischer Fehler aufgrund des Verfahrens ein (Zufalls-)Stichprobenauswahl sowie Verzerrungen, die nicht direkt durch das Auswahlverfahren produziert wurden (Nonsampling Bias) vorgenommen.1986 Als systematischer Fehler aufgrund des Verfahrens der (Zufalls-)Stichprobenauswahl sei im Folgenden der Stichprobenfehler erörtert. Stichprobenfehler Systematische Fehler bei der Stichprobenauswahl können auftreten, wenn Elemente der Population mit einer größeren oder geringeren Wahrscheinlichkeit in die Stichprobe eingehen. Sind die unterschiedlichen Auswahlwahrscheinlichkeiten bekannt, kann der Bias bzw. die Verzerrung in Form entsprechender Gewichtungen korrigiert werden. Diekmann (2004) merkt an, dass systematisch verzerrte, selektive Stichproben wohl eines der Hauptprobleme der Stichprobenziehung darstellen.1987 Bortz/Döring (2002) merken an, dass bspw. bei einer korrelationsstatistischen Überprüfung von Zusammenhangshypothesen darauf zu achten ist, dass die Stichprobe die gesamte Population des Untersuchungsergebnisses repräsentiert. Somit ist für die Verallgemeinerung einer Korrelation auf die Grundgesamtheit zu fordern, dass die untersuchte Stichprobe wirklich zufällig gezogen wurde und keine absichtlich oder unabsichtliche systematische Selektion vorliegt. Denn eine Extremgruppenselektion kann bspw. zu einer Unterschätzung von Korrelationen führen.1988 Als potenzielle Fehler von Verzerrungen, die nicht direkt durch das Auswahlverfahren produziert wurden (Nonsampling Bias) nennt Diekmann (2004) den Non-Response, Fehlerquellen bei der Durchführung der Befragung, die Diskrepanz zwischen Zielpopulation und Surveypopulation sowie Messfehler.1989 Im Folgenden seien kurz der Non-Response sowie ausgewählte Fehlerquellen bei der Durchführung der Befragung erörtert. Non-Response Im Rahmen des Non-Response ist zu beachten, dass oftmals nicht alle Personen, die zur Auswahl in die Stichprobe vorgesehenen sind, auch tatsächlich in die Stichprobe gelangen, da Personen bspw. eine Befragung verweigern können. Diese Problematik wird als Non-Response(-Problem) bezeichnet. 1985 1986 1987 1988
1989
Vgl. Diekmann (2004), S. 357. Auf den Zufallsfehler der Stichprobe (Sampling Variability) soll an dieser Stelle nicht weiter eigegangen werden. Vgl. Diekmann (2004), S. 326 und 357. Vgl. Bortz/Döring (2002), S. 510-511. Anzumerken ist in diesem Kontext, dass in der hier vorliegenden Ausarbeitung zwar eine Überprüfung von Korrelationen und Hypothesen vorgenommen werden soll. Allerdings soll dabei kein Schluss von der Stichprobe auf die Population gezogen werden. Vgl. Diekmann (2004), S. 358. In diesem Kontext sei angemerkt, dass die Ausführung von Diekmann sich auf Zufallsstichproben beziehen.
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In diesem Kontext wird zumeist danach entschieden, ob eine Untersuchungseinheit völlig ausfällt (Unit-Non-Response) und somit keine Daten dieses Falles zur Verfügung stehen, oder ob nur einige Variablen des jeweiligen Falles fehlen (Item-Non-Response).1990 Non-Response ist allerdings vornehmlich ein Problem bei der Schätzung von Mittelwerten sowie Anteilswerten vieler (aber nicht aller) Merkmale der Population. Dabei ist mit Verzerrungen bei der Schätzung von Randverteilungen zu rechnen. Im Rahmen sozialwissenschaftlicher Untersuchungen, wie auch der hier vorliegenden Untersuchung, sind allerdings (vielmehr) Zusammenhänge zwischen Variablen (Korrelationen, multivariate Statistiken) vor Bedeutung. In diesem Kontext ist anzumerken, dass diese Zusammenhänge durch Non-Response weniger verzerrt werden, als Randverteilungen. Dabei ist die Schätzung von Korrelationen gegenüber systematischen Stichprobenfehlern i. d. R. robuster, als die Schätzung von bspw. Mittelwerten.1991 Formen der Antwortverzerrung in der Befragung (Response Errors) Als potenzielle Fehlerquellen bei der Durchführung der Befragung nennen Schnell/Hill/Esser (1999) die explizite Verweigerung einer Antwort (Item-Non-Response), die Abgabe einer „Weiß-nicht-Antwort“ (Meinungslosigkeit), die Abgabe einer inhaltlichen Antwort, obwohl keine Meinung zum befragten Gegenstand vorliegt (Non-Attitude), die Abgabe sozial erwünschter Antworten (Soziale Erwünschtheit bzw. Social Desirability), Reaktionen auf Merkmale des Interviewers (Intervieweffekte), Reaktionen auf formale Aspekte von Fragen (Frageeffekte), Reaktionen auf die Abfolge von Fragen (Positionseffekte), Reaktionen auf die Anwesenheit Dritter beim Interview (Anwesenheitseffekte), Reaktionen auf den Auftraggeber der Studie (Sponsorship-Effekte) sowie die Zustimmung zu Fragen unabhängig vom Inhalt der Fragen (Zustimmungstendenz bzw. Akquieszenz).1992 Im Folgenden soll eine kurze Darstellung der sozialen Erwünschtheit sowie der Akquieszenz erfolgen. Soziale Erwünschtheit Soziale Erwünschtheit liegt vor, wenn befragte Personen Antworten abgeben, von denen sie meinen, dass diese (tendenziell) eher auf Zustimmung stoßen, als die „richtige“ Antwort, bei der die Personen soziale Ablehnung befürchten. Ein Erklärungsansatz sozialer Erwünschtheit ist einerseits die soziale Erwünschtheit als Persönlichkeitsmerkmal, wie bspw. das Bedürfnis nach sozialer Anerkennung, und andererseits die situationsspezifische Reaktion auf die Datenerhebung im Sinne einer Beschönigung bzw. einem Verschweigen tatsächlicher Sachverhalte aufgrund von Konsequenzbefürchtungen, wie bspw. einem Reputationsverlust oder aber einer sozialen Ausgrenzung. Darüber hinaus ist die Anpassung der Antworten abhängig von den erfragten Merkmalen (Trait Desirability) sowie von den vom Befragten vermuteten Erwartungen. Das Ausmaß der sozialen Erwünschtheit ist dabei abhängig vom Thema.1993 Speziell bei tabuisierten Fragen tritt soziale Erwünschtheit auf. Je „heikler“ eine Frage aus Sicht des Befragten ist, desto stärker ist i. d. R. die soziale Erwünschtheit.1994 In diesem Kontext kann zwischen kultureller sozialer Erwünschtheit, der Herleitung der vermuteten Erwartungen aus internalisiertem Rollenerwartungen (z. B. Geschlechterrolle), und situationaler sozialer 1990 1991 1992 1993
1994
Vgl. Schnell/Hill/Esser (1999), S. 286. Vgl. Diekmann (2004), S. 364. Vgl. Schnell/Hill/Esser (1999), S. 330-331. Vgl. Schnell/Hill/Esser (1999), S. 332; Bortz/Döring (2002), S. 233. Siehe zur weitergehenden Erörterung bspw. auch Diekmann (2004), S. 382-386. Vgl. Diekmann (2004), S. 384.
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Erwünschtheit, der Herleitung der vermuteten Erwartungen aus konkreten Stimuli der Untersuchungssituation (z. B. Interviewermerkmale) differenziert werden.1995 Zur Kontrolle bzw. Messung sozial erwünschter Antworten können Kontrollskalen eingesetzt werden. Bortz/Döring (2002) merken dabei jedoch an, dass der Einsatz von Kontrollskalen nicht unproblematisch ist. Denn Kontrollskalen können bei (skeptischen) Probanden bzw. Befragten das Misstrauen in die Unersuchungsmethoden der Human- und Sozialwissenschaften steigern. Auch vermuten Befragte oftmals bereits Kontrollskalen in den Befragungen, was zu neuen Antwortverzerrungen führen kann.1996 Dabei wurden in Erweiterung der Forschung von Edwards (1957) unterschiedliche Skalen zur Messung sozialer Erwünschtheit, so genannte Social-Desirability-Skalen (SD-Skalen) entwickelt. Diese Skalen basieren auf der Annahme der sozialen Erwünschtheit als Persönlichkeitsmerkmal. Hierbei gleichen speziell Befragte mit einem geringen Selbstbewusstsein ihre Antworten den vermuteten Erwartungen an. Durch die SD-Skalen können Befragte mit hohen Werten auf einer solchen SD-Skala im Rahmen der Datenanalyse herausgefiltert, oder aber der Versuch einer Korrektur der Antworten entsprechend den gemessenen SD-Werten vorgenommen werden.1997 Eine im angloamerikanischen Sprachraum entwickelte, und (teilweise) immer noch angewendete, Skala zur Messung sozialer Erwünschtheit ist die von Crowne/Marlowe (1960). Die deutsche Übersetzung liefern Lück/Timaeus (1969).1998 Neben der Skala von Crowne/Marlowe bildet das Balanced Inventory of Desirable Responding (BIDR) auf Basis der Arbeiten von Paulhus (1984, 1994, 1998) eine weitere bedeutende Skala im Rahmen der Messung Sozialer Erwünschtheit.1999 Diese beiden Skalen können als grundlegende Forschungsleistungen in diesem Kontext bezeichnet werden.2000 Denn Sie bilden die Ausgangsbasis für die Skalenentwicklung in nicht englischsprachigen Ländern, so auch in Deutschland. So entwickelten bspw. Musch/Brockhaus/Bröder (2002) eine deutschsprachige Version des BIDR von Paulhus (1994).2001 Hierbei handelt es sich um ein zweifaktorielles Inventar zur Messung sozial erwünschter Antworttendenzen.2002 Im deutschsprachigen Raum kann weiterhin auf die Skalen von Amelang/Bartussek (1970) sowie Mummendey/Eifler (1993) verwiesen werden.2003 Stöber (1999) entwickelte im Stile der Skala von Crowne/Marlowe die Soziale-Erwünschtheits-Skala-17 (SES-17).2004 Eine reliable und valide Kurzskala zur zweidimensionalen Messung sozialer Erwünschtheit entwickel-
1995 1996
1997 1998 1999
2000
2001
2002 2003 2004
Vgl. Schnell/Hill/Esser (1999), S. 332-333. Vgl. Bortz/Döring (2002), S. 233. Neben den Kontrollskalen können auch ausbalancierte Antwortvorgaben, „objektive Tests“, Aufforderung zu korrektem Testverhalten und die „Random Response-Technik“ dazu dienen, die Tendenz zu sozial erwünschten Antworten zu reduzieren, bzw. zu kontrollieren. Siehe hierzu die Ausführungen bei Bortz/Döring (2002), S. 233-235. Vgl. Diekmann (2004), S. 385; Schnell/Hill/Esser (1999), S. 332. Siehe auch grundlegend Edwards (1957). Vgl. Stöber (1999), S. 173. Siehe zu den Skalen Crowne/Marlowe (1960) sowie Lück/Timaeus (1969). Siehe zur Skala des BIDR grundlegend Paulhus (1984); Paulhus (1994) sowie Paulhus (1998). Für die Entwicklungsgeschichte sei auch auf Paulhus (2002) verwiesen. Einen Vergleich der Skalen von Crowne/Marlowe und Paulhus geben Leite/Beretvas (2005). Angemerkt werden kann, dass auch in der angloamerikanisch geprägten Literatur weitere Konzepte bzw. Skalen zur Messung sozialer Erwünschtheit vorliegen. So verwenden Peebles/Moore (1998) die Positive Impression Management Scale und den Defensiveness Index des Personality Assessment Inventory nach Morey (1991) zur Messung sozialer Erwünschtheit. Siehe auch die weiterentwickelte Version bei Paulhus (1998). In diesem Kontext sei angemerkt, dass in der Literatur oftmals auch der Begriff des BIDR-6 bzw. BIDR-7 aufzufinden ist. Die Zahl beschreibt in diesem Kontext die Versionsnummer des BIDR. Das BIDR-6 wird bei Paulhus (1994) und das BIDR-7 bei Paulhus (1998) beschrieben. Siehe hierzu Musch/Brockhaus/Bröder (2002). Siehe Amelang/Bartussek (1970); Mummendey/Eifler (1993).Einen Überblick gibt auch Reinecke (1991). Siehe hierzu Stöber (1999).
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ten Winkler/Kroh/Spiess (2006).2005 Ob und welche SD-Skala im Rahmen einer Untersuchung angewendet werden sollte, bleibt individuell zu überprüfen.2006 Auf eine Verwendung von SD-Skalen wurde im Rahmen dieser Ausarbeitung verzichtet, da in einem Pretest des Befragungsbogens durch die Tester bedenken bezüglich der Formulierung der Fragen und der Items geäußert wurden. Denn diese wurden als Abweichend von den anderen Fragen wahrgenommen. Gleichermaßen bestanden Anmerkungen hinsichtlich eines potenziellen Abbruchs der Befragung an der Stelle der SD-Skalen. Daher wurden SD-Skalen im finalen Instrumentarium nicht verwendet. Akquieszenz Zu den Antworttendenzen, einer stereotypen Reaktionsweise auf Fragebogen bzw. Testitems gehört die Akquieszenz. Unter Akquieszenz (Zustimmungstendenz) wird die Zustimmung zu einer Frage ohne den Bezug zum Frageinhalt bezeichnet (Ja-Sage-Tendenz). Diese Form der Zustimmung kann sich bspw. bei Befragten zeigen, die bei semantisch umgekehrt gepolten bzw. nicht gleich gepolten (gedrehten) Fragen beide Male zustimmen, obwohl bei der einen Frage zugestimmt und bei der anderen Frage abgelehnt werden sollte, da beide Fragen den selben Inhalt abfragen, jedoch einfach in der Sprachwahl diametral formuliert sind. Dabei kann die Akquieszenz einerseits als Persönlichkeitsmerkmal von Befragten mit geringer Ich-Stärke in Form einer Strategie zur Minimierung nicht überschaubarer Konsequenzen, und andererseits als im Alltag erlernte Behauptungsstrategie von unterpriviligierten Personen betrachtet werden. Akquieszenz tritt zumeist in unklar definierten Situationen bei Befragten auf, die diese Situationen als lediglich durch Deferenz und Anpassung bewältigbar erlernt haben.2007 Im Rahmen der Arbeit wurden im Instrumentarium der Befragung des Verhältnisses von Ethik und Ökonomie semantisch umgekehrt gepolte Fragen verwendet.2008 Auch im Konstrukt zur Wahrnehmung und Einstellung zu (Unternehmens-)Ethik finden sich (teilweise) negativ gepolte Fragen, die allerdings nicht direkt einen Gegenpol aufweisen, sondern allgemein, im Vergleich zu den anderen Fragen des Instrumentes, negativ formuliert sind.2009 Auf eine umfassende Ausweisung von semantisch umgekehrt gepolten Fragen zur Messung von Akquieszenz wurde im Rahmen dieser Ausarbeitung verzichtet, um das Befragungskonstrukt nicht zeitlich zu verlängern. Die Minimierung der Abbrecherquote aus Zeitgründen stand hier im Vordergrund. 3.1.3.3
Datenaufbereitung
Das verwendete Online-Befragungssystem Cont@xt bietet die Möglichkeit, die erhobenen Daten in Form einer SPSS-Datei und somit einer Datenmatrix auszugeben. Die Befragungsdaten wurden als 2005 2006
2007
2008 2009
Siehe hierzu Winkler/Kroh/Spiess (2006), deren Skala lediglich sechs Items aufweist. Angemerkt werden kann, dass die Items einer SD-Skala mitunter als von den anderen Items der Befragung abweichend durch die Befragten wahrgenommen werden könnten. Somit könnten andersartige Probleme im Kontext einer Befragung entstehen. Vgl. Schnell/Hill/Esser (1999), S. 331-332; Bortz/Döring (2002), S. 236. Zur beispielhaften Erörterung siehe auch Diekmann (2004), S. 386-387. Siehe zum Zusammenhang der Persönlichkeitsstruktur und Akquieszenz bspw. Vagt/Wendt (1978). Zur Quantifizierung des Effektes der Akquieszenz siehe bspw. auch Hinz (2007). Siehe hierzu Kapitel 3.2.3.1 Siehe hierzu Kapitel 3.2.3.4.
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SPSS-Datei ausgegeben und in SPSS® importiert. In diesem Kontext ist anzumerken, dass innerhalb des Befragungssystems eine automatische Codierung der Fragen in Variablen und deren Variablenlabels und sonstigen statistisch relevanten Größen erfolgt, die in die SPSS-Datei übertragen werden. Das System codiert dabei auch fehlende Werte. Die manuelle Erstellung eines Codeplans ist aus diesem Grunde nicht nötig gewesen. Zur besseren Übersicht im Rahmen der Auswertung wurden die automatisch codierten Werte in einen Ausdruck des Befragungsbogens übertragen. Dies diente einerseits der Überprüfung, ob die Codierung durch das Online-Befragungssystem in korrekter Weise durchgeführt wurde. Andererseits kann im Ausdruck die Codierung nachvollzogen werden. Dies dient auch der Verinnerlichung der einzelnen Variablen. Nach dem Datenimport wurde eine Analyse der SPSS-Datei durchgeführt, um eine Datenbereinigung vornehmen zu können. In diesem Zusammenhang wurden bspw. angefangene und nicht vollständig beantwortete Datensätze aus der Datei entfernt. In diesem Zuge wurden zwölf Datensätze aus der Datei entfernt. Dabei ist anzumerken, dass in den restlichen Datensätzen auch kleinere Missings von Antworten bestehen konnten. Diese wurden jedoch im Rahmen des Paarweisen- bzw. Listenweisenfallausschlusses bei der Berechung einer statistischen Kenngröße behandelt. Für eine Darstellung des Umgangs mit fehlenden Werten und die Aufbereitung des Datensatzes sei auch auf Kapitel 3.2.1.2 verwiesen. In der SPSS-Datei wurden einige manuelle (semantische) Anpassungen, bspw. eine Anpassung von Variablenlabels vorgenommen, so dass die aus dem Online-Befragungssystem automatisch generierte Datei den individuellen Anforderungen und Bedürfnissen entsprach. 3.1.3.4
Datenanalyse und statistische Methodiken
Die Datenanalyse wurde mit dem Programmpaket 14.0 der Statistiksoftware SPSS® für Windows® durchgeführt. Als Nachschlagewerke für die statistische Auswertung dienten vornehmlich Bortz/Döring (2002); Backhaus et al. (2006); Bühl (2006) und Janssen/Laatz (2007) sowie ergänzend Bleymüller/Gehlert/Gülicher (1996); Allison (2001); Schira (2005); Kähler (2006) und Duller (2006). Das Datenniveau der vorliegenden Daten entsprach intervall-, ordinal- und nominalskalierten Daten. Im Folgenden werden ausgewählte statistische Verfahren kurz erörtert, um einen Überblick über deren Anwendung im Rahmen der vorliegenden Arbeit zu geben. Für das Verständnis der Interpretation der Ergebnisse sind hierbei besonders die in diesem Kapitel angeführten Tabellen und Werte von Bedeutung. Statistischer Test Im Rahmen der analytischen (schließenden) Statistik kann anhand spezifischer, objektiver Verfahren untersucht werden, ob bspw. ein auftretender Mittelwertunterschied oder auch ein Zusammenhang (Korrelation) zufällig zustande gekommen ist oder nicht. Ein statistischer Test ist ein Verfahren, mit dessen Hilfe bestimmte Hypothesen auf ihre Richtigkeit hin überprüft werden können. Dabei kann grundlegend zwischen zwei Arten von statistischen Tests und Hypothesen unterschieden werden, den Parametertests (Parameterhypothesen) und den Verteilungstests (Verteilungshypothesen) bzw.
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nicht parametrischen Testverfahren. Im Rahmen eines statistischen Tests können zwei Hypothesen formuliert werden:2010
Hypothese 0: H0 (Nullhypothese) – Unterschied/Zusammenhang existiert nicht Hypothese 1: H1 (Alternativhypothese) – Vorliegen eines Unterschiedes/Zusammenhangs
In den Sozialwissenschaften wird i. d. R. die Hypothese H0 als Punkthypothese (es besteht kein Unterschied) und H1 als Bereichshypothese (es besteht irgendeine Differenz) formuliert. Die wahrscheinlichkeitstheoretischen Überlegungen gehen in diesem Falle von der Annahme der Richtigkeit der Nullhypothese aus. Die Wahrscheinlichkeitsverteilung wird auf dieser Basis ermittelt. Eine Ablehnung von H0 wird erst vorgenommen, wenn nur eine geringe Wahrscheinlichkeit von (5 %, oder aber 1 % bzw. 0,1 %) dafür spricht, dass ein beobachteter Unterschied bei Geltung von H0 durch die Zufallsauswahl zustande gekommen sein könnte. Die Annahme von H1 erfolgt indirekt durch die Zurückweisung von H0. Daher auch die Bezeichnung von H1 als Alternativhypothese.2011 Im Rahmen der Prüfstatistik sind Verfahren entwickelt worden, die aus den gegebenen Stichprobenwerten bzw. den resultierenden Kennwerten anhand spezifischer Formeln so genannte Prüfgrößen berechnen. Dabei folgen die Prüfgrößen bestimmten theoretischen Verteilungen (t-Verteilung, F-Verteilung, 2-Verteilung etc.), welche eine Berechnung der Irrtumswahrscheinlichkeit ermöglichen. Hierbei handelt es sich um die Wahrscheinlichkeit sich zu irren, wenn die Nullhypothese verworfen und die Alternativhypothese angenommen wird. Irrtumswahrscheinlichkeiten werden mit p bezeichnet und können Größen zwischen 0 p 1 annehmen. Die Wahl der Irrtumswahrscheinlichkeit ist individuell und abhängig von der Fragestellung. Tabelle 19 zeigt eine Übersicht der üblichen Irrtumswahrscheinlichkeiten, ihre Bedeutung und Symbolisierung (bspw. in SPSS®), wobei anzumerken ist, dass SPSS® die Irrtumswahrscheinlichkeit p unter verschiedenen Bezeichnungen ausgibt. Gleichermaßen werden die Sterne zur Symbolisierung des Signifikanzniveaus nur bei einigen Verfahren ausgegeben.2012 Irrtumswahrscheinlichkeit
Bedeutung
Symbolisierung
p > 0.05
nicht signifikant
ns
p 0.05
signifikant
*
p 0.01
sehr signifikant
**
p 0.001
höchst signifikant
***
Tabelle 19: Irrtumswahrscheinlichkeit
Statistische Tests bieten lediglich eine Entscheidungshilfe. Fehlentscheidungen werden dabei nicht ausgeschlossen. In diesem Kontext kann sowohl ein Fehler erster Art (Objektiv richtig ist H0, es wird sich aber für H1 entschieden), als auch ein Fehler zweiter Art (Objektiv richtig ist H1, es wird
2010 2011 2012
Vgl. Bleymüller/Gehlert/Gülicher (1996), S. 101 und 127; Schira (2005), S. 473-474; Bühl (2006), S. 114-115. Vgl. Janssen/Laatz (2007), S. 338-339. Vgl. Bühl (2003), S. 115.
340
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
sich aber für H0 entschieden) begangen werden. Tabelle 20 zeigt die jeweiligen Fehlermöglichkeiten bei der Anwendung von statistischen Tests:2013 Objektiv richtig ist Entscheidung für
H0
H1
H0
richtig entschieden
Fehler 2. Art =
H1
Fehler 1. Art =
richtig entschieden
Tabelle 20: Fehlermöglichkeiten bei der Anwendung von statistischen Tests
Die Wahrscheinlichkeit für das Begehen eines Fehlers erster Art ist gleich der Irrtumswahrscheinlichkeit p. Die Wahrscheinlichkeit für einen Fehler zweiter Art ist umso kleiner, je größer die Irrtumswahrscheinlichkeit p ist. Die beiden Fehlerarten sind somit miteinander Verbunden.2014 Korrelationsanalyse Um die Hypothese des Zusammenhangs (mindestens) zweier Variablen überprüfen zu können, wurde die Korrelationsanalyse mittels eines (bivariaten) Zusammenhangsmaßes vorgenommen. Dabei zeigt ein (bivariates) Zusammenhangsmaß zumeist an, dass bei einem Wert von 0 kein Zusammenhang, bei 1 ein perfekter Zusammenhang zwischen den Variablen besteht. Bei Variablen, die zumindest Ordinalskalenniveau besitzen, kann auch die Richtung des Zusammenhangs angegeben werden. Ein positiver Wert des Zusammenhangsmaßes zeigt, dass ein größerer Wert auf der unabhängigen Variablen zugleich einen größeren Wert auf der abhängigen Variablen bedeutet. Hingegen indiziert ein negatives Vorzeichen, dass bei einem steigenden Wert der unabhängigen Variablen der Wert der abhängigen Variablen sinkt.2015 Die Maßzahl der Stärke des Zusammenhangs wird als Korrelationskoeffizient bezeichnet, welcher stets mit r angegeben wird. Der Korrelationskoeffizient gibt zumeist einen Wert von -1 bis +1 aus. Positive bzw. negative Vorzeichen geben die Richtung der Korrelation an. Darüber hinaus ist es allerdings von Interesse, wie die Maßzahl hinsichtlich der Stärke des Zusammenhangs interpretiert werden kann. Für die Stärke des Zusammenhangs wird der Betrag des Korrelationskoeffizienten betrachtet. Der Betrag und somit die Stärke des Zusammenhangs ist in Kombination mit seiner Richtung von Interesse. Für eine verbale Beschreibung der Größe des Betrages des Korrelationskoeffizienten sind die in Tabelle 21 dargestellten Abstufungen üblich:2016
2013 2014 2015 2016
Vgl. Schira (2005), S. 464-475; Janssen/Laatz (2007), S. 342-245. Vgl. Bühl (2006), S. 116. Vgl. Janssen/Laatz (2007), 268-269. Vgl. Bühl (2006), S. 342.
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
341
Wert
Interpretation
bis 0,2
sehr geringe Korrelation
bis 0,5
geringe Korrelation
bis 0,7
mittlere Korrelation
bis 0,9
hohe Korrelation
über 0,9
sehr hohe Korrelation
Tabelle 21: Interpretation von Korrelationskoeffizienten
In welcher Form der Korrelationskoeffizient berechnet wird, ist abhängig vom Skalenniveau der betreffenden Variablen. Sind die Variablen ordinalskaliert, wird die Rangkorrelation nach Spearman oder Kendalls-Tau verwendet. Kendalls-Tau ist dabei vorteilhaft beim Auftreten von Ausreißern. Bei intervallskalierten Variablen wird der Pearsonsche Produkt-Moment Korrelations-Koeffizient verwendet.2017 Faktorenanalyse Die Faktorenanalyse ist eine Sammlung von Verfahren, die es ermöglichen, eine Anzahl von (intervallskalierten) Variablen auf eine kleinere bzw. reduzierte Anzahl von Faktoren oder Komponenten zurückzuführen. Dabei werden diejenigen Variablen, welche unterschiedlich stark korrelieren, zu einem Faktor zusammengefasst. Variablen aus unterschiedlichen Faktoren korrelieren gering untereinander. Ein primäres Ziel der Faktorenanalyse ist es, solche Faktoren zu ermitteln, welche die beobachteten Zusammenhänge zwischen den Variablen möglichst vollständig erklären.2018 Weiterhin sind die Ziele einer Faktorenanalyse: die Aufdeckung latenter Strukturen, die Reduktion von Daten sowie die Entwicklung und Überprüfung eines Messinstrumentes. Dabei kann entweder explorativ, d. h. ohne eine vorangestellte Hypothese (Hypothesengenerierung), oder aber konfirmatorisch, d. h. als Überprüfung einer vorangestellten Hypothese (Hypothesenüberprüfung), vorgegangen werden.2019 Allgemein vollzieht sich eine Faktorenanalyse in folgenden Schritten: Vorbereitung einer Korrelationsmatrix der Beobachtungsvariablen, Extraktion der Ursprungsfaktoren, Rotation der Faktoren zur endgültigen Lösung und Interpretation der Faktoren sowie eine eventuelle Berechnung der Faktorwerte für die Fälle des Datensatzes und Speicherung als neue Variable. Für die Extraktion der (Ursprungs-)Faktoren, als auch für die Rotation existieren unterschiedliche Verfahren, die dann auch zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Der Kern der Faktorenanalyse wird durch die Extraktion der Faktoren gebildet. Zunächst werden innerhalb der Faktoranalyse die gegebenen Variablenwerte mittels einer z-Transformation standardisiert. Danach werden die Pearson-Korrelationskoeffizienten zwischen den interessierenden Variablen berechnet. Dabei bildet die Korrelationsmatrix den Ausgangspunkt weiterer Berechnungen.2020 Zu der berechneten Korrelationsmatrix werden die so genannten Eigenwerte sowie die zugehörigen Eigenvektoren 2017 2018 2019
2020
Vgl. Bühl (2006), S. 342 und 344-345. Vgl. Bühl (2006), S. 485; Kähler (2006), S. 207; Janssen/Laatz (2007), S. 531. Kähler (2006), S. 207 merkt an, dass bei einem explorativen Verfahren versucht wird, auf Basis der erhobenen Daten einen Entdeckungszusammenhang auszuspüren. Wird eine These über die Anzahl der Faktoren sowie die konkrete Form des Ansatzes formuliert, ist von einer konfirmatorischen Datenanalyse auszugehen, da bei dieser ein ModellAnsatz über einen vermuteten Sachverhalt hinsichtlich seiner Plausibilität geprüft wird. Vgl. Bühl (2006), S. 485-86; Janssen/Laatz (2007), S. 531.
342
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
bestimmt. Dabei werden Schätzwerte für die Diagonalelemente der Matrix, die als Kommunalitäten bezeichnet werden, eingesetzt. Hiernach erfolgt die Sortierung der Eigenwerte in absteigender Reihenfolge. Im Rahmen der Extraktion werden so viele Faktoren extrahiert, wie Eigenwerte mit einem Wert größer 1 vorliegen. Diese Methode wird als das Kaiser-Kriterium bezeichnet. In diesem Kontext ist anzumerken, dass keine eindeutigen Vorschriften zur Bestimmung der Faktorenanzahl existieren. Die Faktoren werden aus zu diesen Eigenwerten gehörenden Eigenvektoren gebildet. Dabei werden die Elemente der Eigenvektoren als Faktorladungen bezeichnet, wobei diese als Korrelationskoeffizienten zwischen den jeweiligen Variablen und den Faktoren verstanden werden können. Zur Extraktion der Faktoren wurden unterschiedlichste Verfahren entwickelt. Die Hauptkomponentenanalyse ist dabei die (wohl) am Häufigsten verwendete Methode.2021 Bei der Hauptkomponentenanalyse wird davon ausgegangen, dass die Varianz einer Ausgangsvariablen vollständig durch die Faktorextraktion erklärt werden kann. Dabei wird implizit unterstellt, dass keine Einzelrestvarianz (spezifische Varianz + Messfehlervarianz) existiert. Das Ziel der Hauptkomponentenanalyse ist eine möglichst umfassende Reproduktion der Datenstruktur durch möglichst wenige Faktoren. Im Rahmen der Anwendung der Hauptkomponentenanalyse entspricht die Interpretation der Faktoren der Faktoren einer Suche nach einem Sammelbegriff für die auf einen Faktor hoch ladenden Variablen.2022 Nach der Extraktion der Ursprungsfaktoren werden eine Rotation der Faktoren zur endgültigen Lösung und eine Interpretation der Faktoren vorgenommen. Wiederum existieren unterschiedliche Verfahren der Rotation. Allgemein können schiefwinklige (oblique) und rechtwinklige (orthogonale) Rotationen unterschieden werden. Dabei unterstellt eine schiefwinklige Rotation korrelierte Faktoren. Eine rechwinklige bzw. orthogonale Rotation unterstellt unkorrelierte Faktoren.2023 Das gängigste Verfahren einer orthogonalen Rotation ist die Varimax-Rotation bzw. Varimax-Methode. Die Aussagekraft einer Hauptkomponentenanalyse durch die Rotation bzw. Drehung des Koordinatenkreuzes in seinem Ursprung nicht verändert wird. Daher wird oftmals zur Erleichterung der Interpretation eine Rotation vorgenommen. Diese Methode kann verwendet werden, wenn angenommen werden kann, dass eine Korrelation der Faktoren untereinander ausgeschlossen werden kann.2024 Die Faktorladungen der rotierten Faktormatrix können nach Bühl (2006) als das eigentliche Ergebnis der Faktorenanalyse betrachtet werden. Auf Basis dieser muss versucht werden, die einzelnen Faktoren zu interpretieren.2025 Backhaus et al. (2006) merken an, dass eine Interpretation der jeweiligen Faktoren im Rahmen größerer Felduntersuchungen mitunter nicht einfach ist. In diesem Falle wird eine Offenlegung des Faktormusters empfohlen, so dass interessierte Anwender eine Eigeninterpretation der Analyseergebnisse vornehmen können. Anzumerken ist hierbei, dass die Interpretation der Faktoren subjektiv geprägt ist. Dies ist besonders dann der Fall, wenn eine Interpretation aufgrund inhaltlich nicht konsistenter Ladungen schwierig bzw. problematisch ist. Im Rahmen der Interpretation muss der Forscher individuell entscheiden, ab welcher Ladungshöhe die Zuordnung einer Variablen zu einem Faktor vorgenommen wird. Gleichermaßen existieren gewisse Regeln bzw. Konventionen. In der praktischen Anwendung werden „hohe“ Ladungen ab 0,5 angenommen. In diesem Kontext ist darauf zu achten, dass bei einer 2021 2022 2023 2024 2025
Vgl. Backhaus et al. (2006), S. 295; Bühl (2006), S. 485. Vgl. Backhaus et al. (2006), S. 291-292 und 298. Vgl. Janssen/Laatz (2007), S. 531. Vgl. Backhaus et al. (2006), S. 299-301; Bühl (2006), S. 485. Vgl. Bühl (2006), S. 485.
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
343
Variablen, wenn sie Ladungen 0,5 auf mehreren Faktoren aufweist, diese bei jedem dieser Faktoren zur Interpretation herangezogen werden muss. Probleme können bestehen, wenn mehrere Variablen auf mehreren Faktoren gleich hoch laden. In diesem Falle ist es schwierig bis unmöglich, unmittelbar eine sinnvolle Faktorinterpretation zu erzielen.2026 Varianzanalyse (Allgemeines Lineares Modell) Die Varianzanalyse stellt ein Verfahren dar, welches die Wirkung einer oder mehrerer unabhängiger Variablen auf eine oder mehrere abhängige Variablen untersucht. In der Regel nehmen die unabhängigen Variablen lediglich diskrete Werte auf einem nominalen oder ordinalen Messniveau an. Aus diesem Grunde werden die unabhängigen Variablen (zumeist) als Faktoren bezeichnet, die einzelnen Ausprägungen als Faktorstufen. Handelt es sich bei den unabhängigen Variablen allerdings um metrische Werte auf einem Intervall- oder Verhältnisskalenniveau, werden die unabhängigen Variablen als Kovariate bezeichnet. Daher wird die spezifische Analyse in diesem Fall auch als Kovarianzanalyse bezeichnet.2027 Bei der Varianzanalyse können im Allgemeinen zwei unterschiedliche Ausprägungen differenziert werden, die univariate Varianzanalyse und die multivariate Varianzanalyse. Im Rahmen einer univariaten Varianzanalyse wird der Einfluss von einer oder mehrerer unabhängiger Variablen auf eine abhängige Variable untersucht. Bei einer multivariaten Varianzanalyse erfolgt die Untersuchung des Einflusses von einer oder mehrerer unabhängiger Variablen auf mehrere abhängige Variablen. Nach der Zahl der unabhängigen Variablen kann im Rahmen der univariaten und multivariaten Varianzanalyse auch weiterhin eine (sprachliche) Differenzierung zwischen einfaktorieller Varianzanalyse (ein Faktor bzw. eine unabhängige Variable) und mehrfaktorieller Varianzanalyse (mehrere Faktoren bzw. mehrere unabhängige Variablen) unterschieden werden. Einen Sonderfall im Rahmen der Varianzanalyse bilden Faktoren bzw. unabhängige Variablen, die Messwiederholungen beinhalten. Im Allgemeinen können Varianzanalysen durch drei unterschiedliche Methoden berechnet werden. Hierbei handelt es sich um die „klassische“ Methode nach Fisher, die neuere Methode des Allgemeinen linearen Modells“ und um lineare gemischte Modelle. Die klassische Methode nach Fisher wird im Kern durch die zerlegung von Quadratsummen gebildet. Bei der Methode des Allgemeinen linearen Modells hingegen, bildet die Korrelations- und Regressionsrechnung die Grundlage. Im Rahmen der mehrfaktoriellen bzw. mehrdimensionalen Varinzanalyse mit mehr als einer abhängigen Variablen bzw. mehreren Faktoren und ggf. Kovariaten wird ein Design ermöglicht, welches zu einem Allgemeinen linearen Modell führt, welches es zulässt, nicht allein die Varianzanalyse, sondern auch die Regressionsanalyse sowie weitere multivariate Verfahren auf ihren gemeinsamen (linearen) Kern zurückzuführen.2028 Innerhalb der hier voliegenden Ausarbeitung wurde die Methode des Allgemeinen Linearen Modells angewendet.
2026 2027 2028
Vgl. Backhaus et al. (2006), S. 299. Vgl. Backhaus et al. (2006), S. 120-121 und 142; Bühl (2006), S. 417 und 434. Vgl. Backhaus et al. (2006), S. 120-121 und 142-143; Bühl (2006), S. 417 und 434. Bühl merkt an, dass multivariate Analysen dann den univariaten Analysen vorzuziehen sind, wenn die abhängigen Variablen untereinander Korrelationen aufweisen, und nicht unabhängig voneinander sind.
344
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
Nichtparametrische Tests Unter nichtparametrischen Tests ist ein Sammelbegriff für statistische Tests zu verstehen, die angewendet werden, wenn bei den zu testenden Variablen ein Ordinal- oder Nominalskalenniveau vorliegt, so dass parametrische Tests, die eine Annahme über die Verteilung der Variablen beinhalten, nicht angewendet werden dürfen. Weiterhin können parametrische Tests nicht angewendet werden, wenn die zu testenden Variablen zwar ein metrisches Skalenniveau aufweisen, die Datenlage allerdings Anlass für die Annahme gibt, dass die zugrunde liegenden Verteilungen nicht normalverteilt sind. Dies ist oftmals anzunehmen für die Stichprobenverteilung einer Prüfgröße bei kleinen Stichprobenumfängen, da hier der zentrale Grenzwertsatz nicht anwendtbar ist. Daher sind auch in diesem Falle nichtparametrische Tests anzuwenden. Da nichtparametrische Tests keine Annahme über zugrundeliegede Verteilungen benötigen, werden diese auch als verteilungsfreie Tests bezeichnet. Nichtparametrische Tests basieren auf Rangziffern bzw. Häufigkeiten der Variablen. Nichtparametrische Tests sind hinsichtlich ihrer Anwendungsbedingung weniger restriktiv als parametrische Tests. Demgegenüber steht der Nachteil, dass nichtparametrische Tests eine geringere Trennschärfe aufweisen, als parametrische Tests, da Annahmen über die Verteilung nicht beachtet werden, und die Verwendung von Rangziffern gegenüber der Verwendung von Variablenwerten einen Informationsverlust darstellt.2029 Für nichtparametrische Tests existieren unterschiedliche Unterscheidungskriterien. Die Tests unterscheiden sich durch das Skalen- bzw. Messniveau der Variablen, die Anzahl der verwendeten Stichproben sowie die Fragestellung, ob die verwendeten Stichproben unabhängig voneinander sind oder nicht. Die Auswahl und Anwendung eines nichtparametrischen Tests ist abhängig von den zuvor dargestellten Kriterien. Im Kontext des Skalen- bzw. Messniveaus der Variablen ist bei der Auswahl des Tests zu prüfen, welches Skalenniveau (nominal, ordinal, dichotom) vorliegt, und welcher Test für das Skalenniveau daraufhin geeignet ist. Weiterhin bleibt im Zusammenhang der Anzahl der verwendeten Stichproben für die Auswahl eines Tests zu prüfen, ob ein, zwei oder k (mehr als zwei) Stichproben vorliegen. Abschließend ist zu ermitteln, ob die Stichproben unabhängig voneinander oder verbunden sind. Stichproben sind unabhängig voneinander, wenn die Messwerte einer Stichprobe unabhängig von den Messwerten der anderen Stichprobe sind. Dies kann auch innerhalb einer einzigen Befragung bzw. Stichprobe der Fall sein. Erfolgt die Erhebung einer Zufallsstichprobe von Befragten zur Messung von Meinungen (oder Einstellungen) zu unterschiedlichen Themen, so können (bspw.) die beiden Befragtengruppen von Männern und Frauen in der Stichprobe als voneinander unabhängige Einzelstichproben aufgefasst werden. Durch einen entsprechenden Test, der auch die beiden zuvor dargestellten Kriterien beachtet, kann geprüft werden, ob sich die beiden Gruppen (Männer/Frauen) hinsichtlich ihrer Meinung unterscheiden oder nicht. Abhängige bzw. verbundene Stichproben sind i. d. R. im Rahmen einer experimentellen Versuchsanordnung zu finden, so dass auf diese Form an dieser Stell nicht weiter eingegangen wird. Eine umfassende Darstellung potenzieller nichtparametrischer Tests in SPSS unter Ausweisung der drei vorgestellten Kriterien und des Testzweckes liefern Janssen/Laatz (2007).2030
2029 2030
Vgl. Duller (2006), S. 230; Bühl (2006), S. 313; Janssen/Laatz (2007), S. 559. Vgl. Janssen/Laatz (2007), S. 560. Zur Übersicht der nichtparametrischen Test siehe Janssen/Laatz (2007), S. 562.
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
345
Im Rahmen der hier vorliegenden Ausarbeitung wurden als nichtparametrische Test der MannWhitney-U-Test sowie der Kruskal-Wallis-H-Test verwendet. Bühl (2006) merkt an, dass die an häufigsten verwendeten bzw. bekanntesten Tests zum Vergleich von zwei bzw. k (mehr als zwei) Stichproben der Mann-Whitney-U-Test und der Kruskal-Wallis-H-Test sind.2031 Mann-Whitney-U-Test Beim Mann-Whitney-U-Test handelt es sich um einen nichtparametrischen Test für zwei unabhängige Stichproben. Dabei wird geprüft, ob eine Variable in zwei unabhängig voneinander erhobenen stichproben aus einer gleichen Grundgesamtheit stammt. Der Mann-Whitney-U-Test bildet als nichtparametrischer Test die Alternative zum partametrischen t-Test für den Vergleich von zwei Mittelwerten von Verteilungen (zentrale Tendenz bzw. Lage), wenn die Voraussetzungen für den t-Test nicht erfüllt sind. Diese sind nicht erfüllt, wenn keine metrische Skala vorliegt und/oder die getestete Variable nicht normalverteilt ist. Die Voraussetzung des Mann-Whitney-U-Tests ist, dass die getestete Variable mindestens ordinalskaliert ist. Anzumerken ist, dass beim Mann-Whitney-U-Test nicht die Messwerte der Variablen, sondern Rangplätze zugrunde gelegt werden. Gemäß den dargestellten Anforderungen zur Auswahl von nichtparametrischen Tests sind die drei maßgeblichen Kriterien in Tabelle 22 dargestellt.2032 Test
Skalenniveau
Anzahl der Stichproben
Stichprobendesign
Testzweck
Mann-Whitney-UTest
ordinal
2
unabhängig
2 Stichproben aus gleicher Verteilung?
Tabelle 22: Kriterien Mann-Whitney-U-Test
Kruskal-Wallis-H-Test Beim Kruskal-Wallis-Test handelt es sich um einen nichtparametrischen Test für k unabhängige Stichproben, wobei geprüft wird, ob sich k (drei oder mehr) Gruppen bzw. Stickproben unterscheiden oder nicht. In diesem Kontext wird die H0-Hypothese (alle Gruppen stammen aus der gleichen Grundgesamzheit) gegen die H1-Hypothese (alle Gruppen entstammen unterschiedlichen Grundgesamtheiten) geprüft. In diesem Kontext eignet sich der Kruskal-Wallis-Test zur Prüfung auf eine unterschiedliche zentrale Tendenz von Verteilungen. Hierbei stellt dieser eine einfaktorielle Varianzanalyse für Rangziffern dar. Der Kruskal-Wallis-H-Test stellt eine Ausweitung des Mann-Whitney-UTests beim Vorliegen von mehr als zwei unabhängigen Stichproben dar. Gemäß den dargestellten Anforderungen zur Auswahl von nichtparametrischen Tests sind die drei maßgeblichen Kriterien in Tabelle 23 dargestellt.2033
2031 2032 2033
Vgl. Bühl (2006), S. 313. Vgl. Bühl (2006), S. 314; Janssen/Laatz (2007), S. 571 sowie zur Tabelle Janssen/Laatz (2007), S. 562. Vgl. Bühl (2006), S. 324; Janssen/Laatz (2007), S. 578-579 sowie zur Tabelle Janssen/Laatz (2007), S. 562.
346
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
Test
Skalenniveau
Anzahl der Stichproben
Stichprobendesign
Testzweck
Kruskal-Wallis-HTest
ordinal
k (mehr als zwei)
unabhängig
k Stichproben aus gleicher Verteilung?
Tabelle 23: Kriterien Kruskal-Wallis-H-Test
3.2
Empirische Auswertung ethischen Verhaltens junger Unternehmen
3.2.1
Statistische Voraussetzungen
3.2.1.1
Skalenniveau der Variablen
Im Rahmen der Befragung sind einige wenige Merkmale, wie bspw. das Geschlecht, der Familienstand oder die Rechtsform, auf einer Nominalskala erfasst worden. Die Nominalskalenqualität scheint hier unbestritten zu sein. Anders sieht es bei der Betrachtung der überwiegenden Anzahl der Variablen und deren Skalenniveaus aus. Bortz/Döring (2002) weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass in der Literatur (oftmals) keine eindeutige Antwort auf die Frage gegeben wird, ob bspw. Testwerte, Einstellungsmessungen oder Schätz-(Rating-)skalen etc. ordinal- oder intervallskaliert sind. Die Antwort auf diese Fragestellung ist bedeutsam, da eine Berechnung von Mittelwerten sowie anderen relevanten statistischen Maßen lediglich bei intervallskalierten Merkmalen zu rechtfertigen ist. Somit sind bei ordinalskalierten Daten andere statistische Verfahren anzuwenden, als bei intervallskalierten Daten. Allerdings merken Bortz/Döring in diesem Kontext an, dass in der üblichen Forschungspraxis (oftmals) auf eine empirische Überprüfung der jeweiligen Skalenaxiomatik verzichtet wird. Dabei werden die meisten Messungen als per-fiat-Messungen bzw. Messungen durch Vertrauen angesehen. Diese basieren auf Erhebungsinstrumenten (Fragebögen, Tests, Ratingskalen etc.), von denen angenommen wird, dass diese das jeweilige Merkmal auf einer Intervallskala messen würden. Somit können in diesem Kontext auch parametrische Verfahren und nicht nur nicht-parametrische Verfahren auf Basis ordinalskalierter Daten eingesetzt werden. Hinter dieser Annahme steht die Überzeugung, dass die Bestätigung einer Forschungshypothese durch die Annahme eines „falschen“ Skalenniveaus (tendenziell) eher erschwert wird. Hiermit wird impliziert, dass bei einer empirischen Bestätigung einer inhaltlichen Hypothese dies gleichzeitig als ein Beleg für die Richtigkeit der skalentheoretischen Annahme gesehen werden kann. Erfolgt hingegen eine Widerlegung einer inhaltlichen Hypothese, sollte dies zum Anlass genommen werden, auch die Art der Operationalisierung des Merkmals und somit das Skalenniveau zu problematisieren.2034 Aus Gründen der Vorsicht wird bei den meisten der in dieser Arbeit vorliegenden Variablen ein Ordinalskalenniveau angenommen, da zumeist eine individuelle Einschätzung der Befragten auf einer (Likert-)Skala erbeten wird. Dabei handelt es sich bei vielen Skalen nicht um standardisierte, normierte Testkonstrukte, wie die bspw. in der Psychologie oftmals zur Messung spezifischer Merkmale vorliegen, sondern um nicht-standardisierte Test- bzw. Messkonstrukte. Aus diesem Grunde werden für
2034
Vgl. Bortz/Döring (2002), S. 73-74.
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
347
diese Variablen im Rahmen der Auswertung (zumeist) nicht-parametrische (Test-)Verfahren angewendet. Neben diesen nicht-standardisierten Tests bzw. Skalen wurde im Rahmen der hier vorliegenden Arbeit versucht, standardisierte Testverfahren, bspw. aus der (Sozial-)Psychologie, aufzufinden und anzuwenden. Für diese standardisierten und in der Praxis (erfolgreich bzw. oftmals) angewendeten Tests konnten jeweils in unterschiedlichen Studien Reliabilitäten und Validitäten berechnet und nachgewiesen werden.2035 Gleichermaßen liegen hier Auswertungsanweisungen vor. Bei diesen Testbausteinen seien die Anmerkungen von Bortz/Döring (2002) beachtet. Somit werden für diese Testkonstrukte Daten auf Intervallskalenniveau angenommen. Denn im Rahmen der durch den Testautor bzw. die Testautoren angegebenen Testauswertung bzw. der Berechnungsformeln werden intervallskalierte Variablen berechnet.2036 3.2.1.2
Umgang mit Missings
Die im Rahmen von Befragungen auszuwertenden Datensätze beinhalten (zumeist) mehr oder weniger ausgeprägte Lücken. Bei diesen so genannten Missings bzw. Missing Data bzw. Missing Values handelt es sich um fehlende Werte auf einer Variablen bzw. um Werte, die außerhalb des zulässigen Beantwortungsintervalls eingetragen wurden.2037 Die Ursachen können bspw. in einer Verweigerung der Beantwortung der Frage oder aber in einer fehlenden Voraussetzung zur Beantwortung der Frage begründet liegen.2038 Im Umgang mit Missings existieren unterschiedliche Methoden. Dabei kommt der Wahl der Methode eine besondere Bedeutung zu, da dies Auswirkungen auf den Datensatz haben kann und somit die Ergebnisse der Auswertung beeinflusst werden können.2039 Als potenzielle Methoden, die als Standards auch durch das Softwareprogramm SPSS bereitgestellt werden, sind die listwise deletion (fallweiser Ausschluss) und die pairwise deletion (paarweise Ausschluss) zu nennen.2040 Als eine einfache und grundlegende Methode kann der fallweise Ausschluss, die so genannte listwise deletion von fehlenden Daten betrachtet werden. Im Rahmen dieser Vorgehensweise wird ein Fall bzw. eine Beobachtung ausgeschlossen, wenn die entsprechende Datenreihe Lücken aufweist. Im Kontext dieser Methode besteht dass Problem, dass hierbei auch andere, vorhandene (relevante) Informationen ausgeschlossen werden bzw. verworfen werden. Liegen viele unterschiedliche Missings in den einzelnen Fällen vor, wird mitunter die Stichprobengröße in (zu) hohem Maße reduziert.2041 Dieser Problematik trägt die Methode des paarweisen Ausschlusses bzw. der pairwise deletion Rechnung. Bei der Anwendung dieser Methode erfolgt eine separate Berechnung aller Stichprobenwerte. Somit werden lediglich diejenigen Beobachtungen ausgeschlossen, welche für die Berechnung der jeweiligen (statistischen) Werte der Stichprobe fehlen. In diesem Kontext ist darauf hinzuweisen, 2035
2036 2037 2038 2039
2040
2041
Die Erörterung der verwendeten Messkonstrukte erfolgt jeweils in den Kapitel 3.2.2 sowie 3.2.3 und ihren jeweiligen Unterkapiteln. Dies wird bspw. im Rahmen der Auswertung der Kapitel 3.2.2.1.1, 3.2.2.3 sowie 3.2.3.6vollzogen. Vgl. Allison (2001), S. 1 ; Backhaus et al. (2006), S. 151. Vgl. Duller (2006), S: 45. Allison (2001), S. 1 merkt kritisch an, dass die Vielzahl von statistischen Lehrbüchern das Problem der Missing Data nicht beschreibt bzw. keine Anweisungen zum Umgang mit diesen liefert. Neben diesen einfachen Methoden existieren unterschiedlichste andere Verfahren im Umgang mit Missing Values. Bei komplexeren Verfahren werden fehlende Werte durch andere (berechnete) Werte ersetzt. Für eine ausführliche Beschreibung sei auf Allison (2001) verwiesen. In SPSS kann eine tiefergehende Analyse von Missing Values vorgenommen werden, bspw. im Menüpunkt „Analyse fehlender Werte“ (Analysieren) oder bspw. unterschiedliche Methoden unter „Fehlende Werte ersetzen“ (Transformieren). Vgl. Allison (2001), S. 1-2 und 6-8; Duller (2006), S. 50.
348
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
dass bei der Verwendung dieser Methode die Stichprobengröße in Abhängigkeit von der jeweiligen Berechnung statistischer Werte unterschiedlich groß sein kann.2042 Allison (2001) merkt an, dass die pairwise deletion als eine einfache Alternative für viele lineare (statistische) Modelle angesehen werden kann, wie bspw. die lineare Regression, die Faktorenanalyse, aber auch komplexere Strukturgleichungsmodelle.2043 Auf eine Berechung bzw. Ersetzung fehlender Werte wurde im Rahmen der hier vorliegenden Studie verzichtet. Vielmehr wurde ein zweistufiges Vorgehen gewählt. In einem ersten Schritt erfolgte eine Bereinigung des Datensatzes. Hierbei wurden diejenigen Fälle aus dem Datensatz entfernt, welche auf den jeweiligen Variablen überdurchschnittlich viele Missings aufwiesen. Tabelle 24 zeigt die vorgenommenen Reduktionen des Datensatzes des ersten Schrittes. Anzahl der Fälle (gesamt)
Anzahl der Fälle (bereinigt)
Gelöschte Fälle
121
109
12
Tabelle 24: Reduktion Missing Values
Bei den Missings der verbleibenden Datensätze wurde im Rahmen der Auswertung eine pairwise deletion angewandt. Wie bereits in Kapitel 3.1.3.1 dargestellt, umfasste der Gesamtdatensatz 1.126 Objekte. In Verbindung mit den Informationen aus Tabelle 24 ergibt sich eine Bruttorücklaufquote von 10,7 % (121/1.126) bzw. eine Nettorücklaufquote nach Bereinigung von 9,7 % (109/1.126). 3.2.1.3
Stichprobenumfang und Stichprobenstruktur
Die Stichprobe kann zum einen durch unternehmensbezogene Daten und zum anderen durch personenbezogene Daten des Unternehmers bzw. der Unternehmerin beschrieben werden. Der Unternehmer bzw. die Unternehmerin bildeten dabei einen Aspekt im Kontext der Erhebung, da angenommen wird, dass die Unternehmensethik durch die Unternehmerin bzw. den Unternehmer beprägt wird. Neben den personenbezogenen Daten sind allerdings auch die unternehmensbezogenen Daten von Bedeutung, da im Rahmen der Untersuchung auch auf der Ebene des Unternehmens Items im Kontext einer organisationalen Ethik abgefragt wurden. Im Folgenden sind die unternehmens- und personenbezogenen Daten der Stichprobe dargestellt. Unternehmensbezogene Daten Mit 50,5 % wurde die überwiegende Zahl der Unternehmen in Form der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) als Kapitalgesellschaft geführt. Die Rechtsform des Einzelunternehmens nahm mit 30,3 % die zweithäufigste Rechtsform in der Stichprobe ein. Auf einem gleichen prozentualen Niveau befanden sich die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) und die Aktiengesellschaft (AG) mit 5,5 %. Hiernach folgten die GmbH & Co. KG mit 3,7 %, die Offene Handelsgesellschaft (OHG) mit 1,8 %, die angloamerikanische Rechtsform der Limited (Ltd.) mit 1,8 % sowie die Kommanditgesellschaft (KG) mit 0,9 %. Abbildung 37 und die zugehörige Tabelle 25 verdeutlichen die Häufigkeiten der Stichprobe bezogen auf die Rechtsform. 2042 2043
Vgl. Allison (2001), S. 8-9. Vgl. Allison (2001), S. 8.
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
349
60
50
Prozent
40
30
20
10
0 Einzelunternehmen
GbR
OHG
KG
GmbH
AG
Limited (Ltd.)
GmbH & Co KG
Abbildung 37: Häufigkeiten Rechtsform
Gültig
Häufigkeit
Prozent
Gültige Prozente
Kumulierte Prozente
33
30,3
30,3
30,3
GbR
6
5,5
5,5
35,8
OHG
2
1,8
1,8
37,6
Einzelunternehmen
KG
1
,9
,9
38,5
GmbH
55
50,5
50,5
89,0
AG
6
5,5
5,5
94,5
Limited (Ltd.)
2
1,8
1,8
96,3
GmbH & Co KG
4
3,7
3,7
100,0
Gesamt
109
100,0
100,0
Tabelle 25: Häufigkeitstabelle Rechtsform
Neben der Frage in welcher Rechtsform die Unternehmen geführt werden, war es von Interesse zu erfahren, ob die Unternehmen als Einzelgründung, Teamgründung (nur Frauen), Teamgründung (nur Männer) oder Teamgründung (Männer und Frauen) gegründet wurden. Abbildung 38 und die zugehörige Tabelle 26 verdeutlichen die Häufigkeiten der Stichprobe bezogen auf die Einzel- oder Teamgründung.
350
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
Prozent
60
40
20
0 Einzelgründung
Teamgründung (nur Frauen)
Teamgründung (nur Männer)
Teamgründung (Männer und Frauen)
Abbildung 38: Häufigkeiten Einzel- oder Teamgründung
Gültig
Häufigkeit
Prozent
Gültige Prozente
Kumulierte Prozente
Einzelgründung
69
63,3
63,3
63,3
Teamgründung (nur Frauen)
1
,9
,9
64,2
Teamgründung (nur Männer)
14
12,8
12,8
77,1
Teamgründung (Männer und Frauen)
25
22,9
22,9
100,0
Gesamt
109
100,0
100,0
Tabelle 26: Häufigkeitstabelle Gründungsform
Wie aus der zuvor dargestellten Abbildung und Tabelle ersichtlich, wurde die Mehrzahl der Unternehmen mit 63,3 % als Einzelgründung vollzogen. Gemischtgeschlechtliche Gründungen in Form der Teamgründung (Männer und Frauen) folgten mit 22,9 % auf dem zweiten Platz. Reine männliche Gründungen Teamgründung (nur Männer) waren mit 12,8 % vertreten. Mit lediglich 0,9 % waren in der Stichprobe weibliche Gründungen Teamgründungen (nur Frauen) enthalten. Die Größe eines Unternehmens kann anhand von quantitativen Unternehmenskennzahlen wie bspw. die Mitarbeiteranzahl oder aber durch den Umsatz bzw. den Gewinn gekennzeichnet werden.2044 Im 2044
Bei der vorliegenden Untersuchung hat sich ein indifferentes Bild bei der Beantwortung der Kennzahlen zum Umsatz und zum Gewinn gezeigt. Trotz der Zusicherung vollständiger Anonymität wurden die Felder für den Umsatz und des Gewinn des Unternehmens lediglich unzureichend ausgefüllt, so dass auf eine Ausweisung dieser beiden Kennzahlen
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
351
Folgenden verdeutlichen Abbildung 39 und die zugehörige Tabelle 27 die Häufigkeiten der Stichprobe bezogen auf die Mitarbeiteranzahl. Für die Darstellung der Mitarbeiteranzahl wurden fünf Gruppen gebildet, um die Mitarbeiterzahl besser veranschaulichen zu können. 60
50
Prozent
40
30
20
10
0 kein Mitarbeiter
1-10 Mitarbeiter
11-20 Mitarbeiter
21-99 Mitarbeiter
über 100 Mitarbeiter
Abbildung 39: Häufigkeiten Mitarbeiteranzahl
Gültig
Häufigkeit
Prozent
Gültige Prozente
Kumulierte Prozente
kein Mitarbeiter
8
7,3
7,3
7,3
1-10 Mitarbeiter
64
58,7
58,7
66,1
11-20 Mitarbeiter
17
15,6
15,6
81,7
21-99 Mitarbeiter
15
13,8
13,8
95,4
ab 100 Mitarbeiter
5
4,6
4,6
100,0
Gesamt
109
100,0
100,0
Tabelle 27: Häufigkeitstabelle Mitarbeiteranzahl
Die überwiegende Anzahl der Unternehmen von 58,7 % beschäftigte zum Zeitpunkt der Befragung 1-10 Mitarbeiter. Auf ähnlichem prozentualem Niveau befanden sich die Gruppen 11-20 Mitarbeiter (15,6 %) und 21-99 Mitarbeiter (13,8 %). 7,3 % der befragten Unternehmen beschäftigten keine Mitar-
an dieser Stelle verzichtet wird. Erklärt werden könnte dies dadurch, dass die Befragten zum einen sehr persönliche Daten im Rahmen der Befragung abgeben mussten und zusätzlich „sensible“ Unternehmensdaten abgefragt wurden. Möglicherweise waren die Befragten zu einer solchen Bereitstellung bzw. Verknüpfung der beiden Bereiche bewusst oder unbewusst nicht bereit, obwohl vollständige Anonymität zugesichert wurde.
352
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
beiter. Und lediglich 4,6 % der Befragten beschäftigten über 100 Mitarbeiter. Somit zeigte sich, dass 92,7 % der befragten Unternehmen einen oder mehr Mitarbeiter beschäftigten. Personenbezogene Daten Nach der Darstellung der unternehmensbezogenen Daten sollen im Folgenden ausgewählte personenbezogene Daten der befragten Unternehmerinnen und Unternehmer präsentiert werden. Zuerst wird die Alterstruktur der Befragten kurz erörtert. Zur besseren Übersicht der Altersstruktur wurden drei Alterklassen gebildet, in die die befragten Unternehmerinnen und Unternehmer gruppiert wurden. Im Folgenden verdeutlichen Abbildung 40 und die zugehörige Tabelle 28 die Häufigkeiten der Stichprobe bezogen auf die Altersstruktur. 60
50
Prozent
40
30
20
10
0 bis 39 Jahre
40 bis 49 Jahre
ab 50 Jahre
Abbildung 40: Häufigkeiten Alter nach Kategorien
Gültig
bis 39 Jahre
Häufigkeit
Prozent
Gültige Prozente
Kumulierte Prozente
25
22,9
22,9
22,9
40 bis 49 Jahre
56
51,4
51,4
74,3
ab 50 Jahre
28
25,7
25,7
100,0
Gesamt
109
100,0
100,0
Tabelle 28: Häufigkeitstabelle Alter nach Kategorien
Der überwiegende Teil der befragten Unternehmerinnen und Unternehmer (77,1 %) war über 40 Jahre alt. Dabei wies die Gruppe 40 bis 49 Jahre mit 51,4 % vor der Gruppe ab 50 Jahre mit 25,7 % den
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
353
höchsten Anteil auf. Mit 22,9 % bildete die Altersgruppe bis 39 Jahre den geringsten Anteil der Befragten. Neben dem Alter sind für die Charakterisierung der Unternehmerinnen und Unternehmer die Bildungsabschlüsse in Form des höchsten Schul- bzw. Hochschulabschlusses ausgewiesen. Abbildung 41 sowie die zugehörige Tabelle 29 zeigen die Häufigkeiten der Befragten in Bezug auf den höchsten Schulabschluss.
Prozent
60
40
20
0 Hauptschule
Realschule
Höhere Handelsschule
Gymnasium
Sonstiges
Abbildung 41: Häufigkeiten höchster Schulabschluss
Häufigkeit Gültig
Prozent
Gültige Prozente
Kumulierte Prozente
Hauptschule
1
,9
,9
,9
Realschule
20
18,3
18,3
19,3
Höhere Handelsschule
10
9,2
9,2
28,4
Gymnasium
76
69,7
69,7
98,2
Sonstiges
2
1,8
1,8
100,0
Gesamt
109
100,0
100,0
Tabelle 29: Häufigkeitstabelle höchster Schulabschluss
Ausgehend von der Interpretation auf Basis der Schulform, zeigte sich, dass die befragten Unternehmerinnen und Unternehmer über einen hohen schulischen Ausbildungsgrad verfügen. Denn 69,7 % der Befragten gaben an, als höchsten Schulabschluss einen Abschluss an einem Gymnasium erwor-
354
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
ben zu haben. 18,3 % absolvierten ihre schulische Ausbildung an einer Realschule und 9,2 % an einer höheren Handelsschule. Lediglich 0,9 % der Befragten haben einen Abschluss an einer Hauptschule erworben. Mit 1,8 % ist die Gruppe Sonstiges ausgewiesen.2045 Die schulische Ausbildung bildet die Grundlage für ein potenzielles Studium. Um ein umfassendes Bild des (Aus-)Bildungsstandes der befragten Unternehmerinnen und Unternehmer zu erhalten, sind in Abbildung 42 und Tabelle 30 die Qualifikationen der Befragten hinsichtlich des höchsten Hochschulabschlusses aufgeführt. 50
Prozent
40
30
20
10
0 kein Studium
Fachhochschulabschluss
Universitätsabschluss
Abbildung 42: Häufigkeiten höchster Hochschulabschluss
Gültig
Häufigkeit
Prozent
Gültige Prozente
Kumulierte Prozente
kein Studium
33
30,3
30,3
30,3
Fachhochschulabschluss
23
21,1
21,1
51,4
Universitätsabschluss
53
48,6
48,6
100,0
Gesamt
109
100,0
100,0
Tabelle 30: Häufigkeitstabelle höchster Hochschulabschluss
Die befragten Unternehmerinnen und Unternehmer wiesen einen hohen (Aus-)Bildungsstand hinsichtlich des höchsten Hochschulabschlusses auf. Einen Abschluss an einer Universität haben 48,6 % der Befragten erworben. In diesem Kontext ist anzumerken, dass neun Personen dieser Personen ihr Studium mit einer Promotion abgeschlossen haben. Dies entspricht in Bezug auf die Universitätsab2045
Die Antworten sind nicht näher gehend bezeichnet. Es könnte sich um keinen Abschluss handeln oder aber auch um Abschlüsse, die bspw. im Ausland erworben wurden. Hierzu können aber keine detaillierten Angaben gemacht werden.
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
355
schlüsse rund 17 % bzw. 8,3 % auf alle Antworten. An einer Fachhochschule konnten 21,1 % einen Abschluss erlangen. Insgesamt betrug die Studiumsquote in der Stichprobe 69,7 %. Somit haben 30,3 % der befragten Unternehmerinnen und Unternehmer kein Studium absolviert. Abschließend sei der Familienstand in Abbildung 43 und Tabelle 31 dargestellt. 60
50
Prozent
40
30
20
10
0 ledig
in einer Partnerschaft
verheiratet
geschieden
verwirtwet
Abbildung 43: Häufigkeiten Familienstand
Gültig
Häufigkeit
Prozent
Gültige Prozente
Kumulierte Prozente
ledig
17
15,6
15,6
15,6
in einer Partnerschaft
11
10,1
10,1
25,7
verheiratet
62
56,9
56,9
82,6
geschieden
17
15,6
15,6
98,2
verwitwet
2
1,8
1,8
100,0
Gesamt
109
100,0
100,0
Tabelle 31: Häufigkeitstabelle Familienstand
In der Stichprobe waren 56,9 % der Befragten verheiratet bzw. 10,1 % in einer Partnerschaft. Zu gleichen (prozentualen) Teilen waren die befragten Unternehmerinnen und Unternehmer mit 15,6 % ledig bzw. geschieden. 1,8 % der Befragten gaben an verwitwet zu sein. Die Darstellung des Familienstandes erfolgt im Kontext der Ethik, um einen umfassenderes Bild der Befragten in der Stichprobe zu erzielen.
356
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
3.2.2
Basisannahmen und philosophisch-theoretische Grundlagen
3.2.2.1
Werte und Werteorientierung
Bei der direkten Erfassung von Werten bzw. Wertvorstellungen wird zumeist neben dem Inhalt auch der normative Aspekt in Form der Wichtigkeit abgefragt. Bei Scholl-Schaaf (1975) wird angemerkt, dass es möglich ist, Wertvorstellungen (und ihr Ausmaß) zu messen.2046 Diese Anmerkung bildete eine wesentliche Annahme der hier vorliegenden Ausarbeitung. Zur Erfassung von Werten existiert eine Vielzahl unterschiedlicher Forschungsansätze und Instrumentarien.2047 3.2.2.1.1
Wertedimensionen
Theorie zum Wertekreis nach Schwartz Die Werteforschung kann vor allem in zwei bedeutende Forschungstraditionen unterteilt werden. Zum einen ist dies die psychologische Werteforschung nach Schwartz (1992) und zum anderen die soziologische Werteforschung auf der Basis von Inglehart (1977) und deren Erweiterung durch Arbeiten von Klages (1984, 1988, 1992).2048 Im Folgenden wird auf die psychologische Werteforschung nach Schwartz und die jeweiligen Testkonstruktionen eingegangen, da diese einen Teilbereich in der Testbatterie der Befragung ausmachten. In den 1990er Jahren entwickelte Schwartz (1992, 1994, 1996) eine Theorie eines umfangreichen individuellen Wertesystems. In diesem Zusammenhang wurde der Schwartz Value Survey (SVS) zur Erfassung von Werten konzipiert.2049 Mit dem Instrument sollen universelle situations- und kulturübergreifende Basiswerte erfasst werden.2050 Dabei besteht bei Schwartz die Annahme, dass jeder benannte Wertetyp ein spezifisches motivationales Ziel abbildet, denn allgemein sind Werte ein motivationales Konstrukt. Sie repräsentieren ein breites Spektrum an Zielen, die über unterschiedliche Zusammenhänge und die Zeit hin zutreffen. Werte sind dabei relativ stabile motivationale Charakteristika eines Individuums, die sich im Erwachsenenzeitalter wenig verändern.2051 Dabei ergänzen sich bestimmte Ziele und konkurrieren zugleich mit anderen Zielen. Diese Ergänzungs-/Konkurrenzstruktur kann in Form eines (Werte-)Kreisbildes dargestellt werden, in dem ähnliche Ziele entsprechende Wertetypen nah bei einander und konfligierende einander gegenüber liegen.2052 Somit repräsentiert die Lage der Wertetypen zueinander den Grad ihrer Vereinbarkeit bzw. Unvereinbarkeit.2053 Grundannahmen des Ansatzes von Schwartz sind, dass Werte motivationale Ziele repräsentieren. Werte können durch den Typus des motivationalen Ziels, verstanden als spezifischer inhaltlicher Aspekt, differenziert werden.2054 Werte, die ein gemeinsames Ziel darstellen, werden zu einem Werte2046 2047 2048 2049
2050 2051 2052 2053 2054
Vgl. Scholl-Schaaf (1975), S. 120. Siehe zu den Grundlagen des Konzeptes Wert auch die Ausführungen in Kapitel 2.1.2. Vgl. Witte/Doll (1995), S. 100. Siehe grundlegend Inglehart (1977); Klages (1984), Klages (1988), Klages (1992). Die Basis der Untersuchungen bilden die Studien von Schwartz/Bilksy (1987); Schwartz/Bilsky (1990), in denen im Rahmen einer empirischen Untersuchung acht Wertetypen identifiziert wurden. Die Wertetypen wurden durch Schwartz (1992) von acht auf zehn Wertetypen erweitert. Siehe auch Schwartz (1994) und Schwartz (1996). Vgl. Glöckner-Rist (2006), o. S.. Siehe grundlegend Schwartz (1992); Schwartz (1994); Schwartz (1996). Vgl. Bardi/Schwartz (2003), S. 1208. Vgl. Mohler/Wohn (2005), S. 1. Vgl. Gennerich (2003c), S. 57. Vgl. Schwartz/Sagiv (1995), S. 93-94; Bardi/Schwartz (2003), S. 1208.
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
357
typus subsumiert. Für Schwartz sind Grundwerte, diejenigen Werte, die universalgültige Grundbedürfnisse des Menschen, wie bspw. körperlich-biologische Grundbedürfnisse, Zugehörigkeit zu Gruppen und soziale Interaktion, in Form eines bewusst anzustrebenden Ziels verkörpern.2055 Schwartz gruppiert umfassende Grundwerte zu zehn Wertetypen zusammen. Diese unterscheiden sich hinsichtlich der motivationalen Ziele der gruppierten Grundwerte. Diese zehn Wertetypen bilden das Wertesystem von Schwartz.2056 Tabelle 32 gibt einen Überblick über die zehn Wertetypen nach Schwartz. Wertetyp
Definition
Zugeordnete Werte
Self-Direction
Unabhängiges Denken und Handeln
Freiheit, Kreativität, Unabhängigkeit, eigene Ziele wählen, Neugierde, Selbstrespekt
Stimulation
Verlangung nach Abwechslung und Stimulation, um auf ein optimales Niveau von Aktivierung zu gelangen
Ein aufregendes und abwechslungsreiches Leben, „sich trauen“
Hedonism
Freude du sinnliche Befriedigung
Genuss, das Leben genießen
Achievement
Persönlicher Erfolg gemäß den sozialen Standards
Ambitionen, Einfluss, Können, Erfolg, Intelligenz, Selbstrespekt
Power
Sozialer Status, Dominanz über Menschen und Ressourcen
Soziale Macht, Besitz, Autorität, das Gesicht in der Öffentlichkeit bewahren, soziale Anerkennung
Security
Sicherheit und Stabilität der Gesellschaft, der Beziehung und des eigenen Selbst
Nationale Sicherheit, Reziprozität von Gefallen erweisen, familiäre Sicherheit, Zugehörigkeitsgefühl
Conformity
Unterdrückung von Handlungen und Aktionen, die andere verletzen und soziale Erwartung gewalttätig erzwingen
Gehorsam, Selbstdisziplin, Höflichkeit, Eltern und ältere Leute in Ehren halten
Tradition
Respekt und Verpflichtung gegenüber den kulturellen oder religiösen Bräuchen und Ideen
Tradition respektieren, Hingabe, meine Portion im Leen akzeptieren, Bescheidenheit, Mäßigkeit
Benevolence
Erhaltung und Förderung des Wohlergehens von nahe stehenden Menschen
Hilfsbereitschaft, Verantwortungsbewusstsein, Vergebung, Ehrlichkeit, Loyalität, reife Liebe, Treue, Freundschaft
Universalism
Verständnis, Toleranz und Schutz für das Wohlbefinden aller Menschen und der Natur
Gleichheit, Einssein mit der Natur, Weisheit, eine Welt aus Schönheit, soziale Gerechtigkeit, Weltoffenheit, die Umwelt schützen, eine Welt des Friedens
Tabelle 32: Wertetypen nach Schwartz
Die einzelnen Wertetypen stehen in einer Beziehung zueinander. Es wird angenommen, dass eine Durchführung von Handlungen unter der Zielverfolgung eines Wertetyps, spezifische praktische, psychologische und soziale Konsequenzen nach sich ziehen. Diese Handlungen stehen entweder in Relation zu den Auswirkungen von Handlungen unter einer Zielverfolgung anderer Wertetypen oder aber in keine Relation.2057 Diese Annahme ist bedeutsam für die grafische Darstellung der einzelnen 2055 2056 2057
Vgl. Schwartz/Sagiv (1995), S. 94. Vgl. Bardi/Schwartz (2003), S. 1208. Vgl. Schwartz/Sagiv (1995), S. 94.
358
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
Wertetypen des Konzeptes von Schwartz. Denn Schwartz bildet dies Wertetypen in Form einer Kreisstruktur ab. In dieser stehen sich unvereinbare Werte einander gegenüber. Werte, die sich ähnlich sind, liegen nahe beieinander. Die Grenzen werden durch die Zuordnung zu den Wertetypen gebildet. Dabei ist anzumerken, dass nahe beieinander liegende Werte von Wertetypen Überschneidungen hinsichtlich motivationaler Ziele beinhalten können.2058 Die Übereinstimmung zwischen dem hypothetischen und dem tatsächlichen Inhalt sowie der Struktur der Werte wurde durch die Smallest Space Analysis (SSA) erzielt, welche eine Multidimensionale Skalierung (MDS) darstellt. Die SSA wurde verwendet, um die Relationen zwischen allen Werten bzw. Werteitems simultan in einem zweidimensionalen Raum basierend auf der Person-Kolleration zwischen der Gewichtungsanzahl eines jeden Wertepaares abzubilden. Je positiver die Korrelation, desto enger liegen die Werte in der Abbildung beieinander. Unterschiedliche Analysen zeigten in jeder der 65 Kulturen eine Replikation der Abgrenzung der zehn postulierten Werte und Ihrer Struktur.2059 Ausgehend von dieser Darstellung wird durch Schwartz eine Zuordnung der zehn Wertetypen auf zwei bipolare Dimensionen. Die Dimensionen werden durch vier Wertetypen höherer Ordnung gebildet. Hierbei werden diese vier Wertetypen höherer Ordnung als Standarttypen bezeichnet. Die erste Dimension wird durch die Werttypen höherer Ordnung Openness to Change und Conservation gebildet. Im höheren Werttypus der Openness to Change (Offenheit für Wandel) finden sich Werte der Wertetypen der Self-Direction, der Stimulation und des Hedonism sowie die hier zugehörigen Werte. Der höhere Werttypus Conservation (Bewahrung) beinhaltet die Wertetypen, Security, Tradition und Conformity und ihre jeweiligen Werte. Die zweite Dimension wird durch die Werttypen höherer Ordnung Self-Transcendence und Self-Enhancement definiert. Self-Transcendence (Selbstranszendenz) besteht aus den Werttypen Universalism und Benevolence. Der letzte höhere Werttypus Self-Enhancement (Selbststeigerung) beinhaltet die Werttypen Achievement und Power.2060 Abbildung 44 zeigt das (theoretische) Model des Wertekreises nach Schwartz.
2058 2059 2060
Vgl. Schwarz/Sagiv (1995), S. 94. Vgl. Bardi/Schwartz (2003), S. 1208. Siehe hierzu im Speziellen Schwartz (1992, 1994) und Schwartz/Sagiv (1995). Vgl. Schwartz/Sagiv (1995), S. 95; Gennerich (2003c), S. 57.
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
359
Openness to Change
Self-Transcendence (10) Self-Direction
(1) Universalism
(9) Stimulation (2) Benevolence (8) Hedonism (3) Conformity (4) Tradition
(7) Achievement
(6) Power Self-Enhancement
(5) Security Conservation
Abbildung 44: Bidimensionaler Werteskreis nach Schwartz2061
Befragungsinstrument – Schwartz Value Survey Die Originalversion des SVS umfasst bei Schwartz (1992) 56 Items.2062 Die Items setzen sich zum einen aus 21 identischen Items des Rokeach Value Survey nach Rokeach (1973) zusammen. Zum anderen wurden die anderen Items u. a. aus den Ausarbeitungen von Levy/Guttman (1974), Hofstede (1980), Munro (1985), Braithwaite/Law (1985) sowie der Chinese Culture Connection (1987) entnommen. Darüber hinaus werden Items auf Basis von Texten über vergleichende Religionen und Beratungen mit Muslim- und Druze Wissenschaftlern neu konstruiert. Das Instrument ist in zwei Teile aufgeteilt. Der erste Teil umfasst dabei, in Anlehnung an Rokeach, terminale Werte, der zweite Teil instrumentelle Werte. Zur Wichtigkeitseinschätzung des Wertes als Leitprinzip des Probanden wird eine neun-stufige Ratingskala angegeben 2063 2061 2062 2063
In Anlehnung an Bardi/Schwartz (2003), S. 1209. In der Darstellung von Glöckner-Rist (2006) wird eine Version 57 Items beschrieben. Vgl. Glöckner-Rist (2006), o. S. Siehe grundlegend Rokeach (1973); Levy/Guttman (1974), Hofstede (1980), Munro (1985), Braithwaite/Law (1985) sowie Chinese Culture Connection (1987).
360
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
Beim Schwartz Value Survey handelt es sich um ein Instrumentarium, welches in der Beantwortung recht lang, abstrakt und gleichermaßen anspruchsvoll für den Probanden ist.2064 Es werden hohe kognitive Fähigkeiten und Fertigkeiten zu abstraktem Denken vorausgesetzt.2065 Für die hier vorliegende Befragung wurde der SVS als potenzielles Instrumentarium identifiziert und im Rahmen der Testkonstruktion in die Testbatterie eingearbeitet. Im Rahmen einer Vorstudie zur Praktikabilität und Zeiteffizienz des gesamten Testkonstruktes, wurde der SVS als zu komplex und umfangreich angesehen. Aus diesem Grunde wurde der SVS aus der Testkonstruktion ausgeschlossen. Als potenzielles anderes Instrumentarium wurde der Portrait Values Questionnaire in der 40 Items umfassenden Version identifiziert. Befragungsinstrument – Portrait Values Questionnaire (PVQ): PVQ-40 Der Portrait Values Questionnaire (PVQ) wurde von Schwartz et al. (2001) entwickelt, getestet und validiert. In diesem Instrument, das aus 40 Items besteht, werden innerhalb jedes Items kurz Personen beschrieben. Der Proband soll pro Item und beschriebener Version angeben, wie ähnlich oder unähnlich die jeweils charakterisierte Person dem Probanten ist. Bei Schwartz et al. (2001) ist das Instrument geschlechtspezifisch differenziert. Es existiert eine Version für Männer, mit charakterisierten Männern in den Items, und eine Version, die auf Frauen zugeschnitten ist. In der Ausarbeitung von Cohrs et al. (2002) wurde eine geschlechtsneutrale Formulierung gewählt, um bei Umfragen technischen Problemen der Erfassung des Geschlechts und der Zuordnung des geschlechtsspezifischen Befragungsbogens entgegen wirken zu können. Als Skala der Antwortkategorie wurde eine sechsstufige Skala gewählt. Die Items des übersetzten PVQ können der Studie von Cohrs et al. (2002) nicht entnommen werden.2066 Auf Anfrage bei Cohrs wurde freundlicherweise der von Cohrs/Moschner übersetzte und geschlechtsneutral formulierte PVQ-40 zur Verwendung in der Befragung der vorliegenden Arbeit zur Verfügung gestellt.2067 Der PVQ-40 wurde in die Testbatterie eingearbeitet. Im Rahmen einer (weiteren) Vorstudie erwies sich der PVQ-40 als nachvollziehbarer und einfacher zu bearbeiten als der SVS. Jedoch zeigte sich, dass die Bearbeitungszeit durch die Probanden als (immer noch) zu hoch eingestuft wurde. Die ausformulierten Beschreibungen der Items sind zwar gut verständlich, aber es dauert eine gewisse Zeit diese zu lesen und die insgesamt 40 Items zu beantworten. Daher wurde nach einem weiteren Instrumentarium gesucht, um Werte auf Basis der Theorie von Schwartz zu erfassen. Als potenzielles Instrumentarium wurde der PVQ-21 identifiziert. Befragungsinstrument – Portrait Values Questionnaire (PVQ): PVQ-21 Für die Abfrage der Wertestrukturen im European Social Survey nach dem Konzept von Schwartz wurde von Schwartz eine gekürzte Fassung des PVQ-40, der Portrait Values Questionnaire mit 21 Items (PVQ-21) entwickelt. Der Aufbau bzw. das Konzept des PVQ-21 ist ähnlich dem des PVQ-40. Es wurden lediglich einige Items gekürzt. In diesem Kontext ist allerdings auf die Problematik der Reliabilität und Validität des PVQ-21 einzuweisen, die nachfolgend kurz erörtert werden soll. 2064 2065 2066 2067
Vgl. Cohrs et al. (2002), S. 27. Vgl. Glöckner-Rist (2006), o. S. Vgl. Cohrs et al. (2002), S. 27. Siehe Schwartz et al. (2001). An dieser Stelle sei Cohrs/Moschner ein Dank hierfür ausgesprochen.
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
361
Überprüfung der Theorie von Schwartz Ein Test der Theorie von Schwartz wurde durch eine Vielzahl von empirischen-experimentellen Studien in unterschiedlichen Kulturen durchgeführt. Dabei wurden die meisten Erhebungen bei Lehrern, Schülern und Studenten durchgeführt, wobei nicht immer repräsentative Stichproben genutzt werden konnten.2068 Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass in unterschiedlichen Kulturen zehn gleiche Wertetypen identifiziert werden können. Dies wird als Beleg einer universellen Gültigkeit des Ansatzes von Schwartz gewertet.2069 Die Studie von Mohler/Wohn (2005) führt eine Überprüfung der Wertetheorie von Schwartz, auf Grundlage der Daten des European Social Survey (ESS) aus 21 europäischen Ländern, in Form eines replikativen Ansatzes mit einer Multidimensionalen Skalierung durch.2070 Als Ergebnis kann zwar festgehalten werden, dass sich bei keiner der berechneten MDS-Grafiken der 19 untersuchten Länder die theoretische Reihenfolge der Wertetypen von Schwartz abbilden lässt. In nahezu allen Ländern, außer Norwegen und Dänemark, liegen die Typen Power und Security nicht direkt nebeneinander. Allerdings können in den Auswertungen, jedoch zumeist die 10 Wertetypen an sich ermittelt werden. Die Lagen der Wertetypen sind nur nicht immer eindeutig, wie in der Theorie beschrieben. Mohler/Wohn (2005) können daher die Universalität des Wertesystems von Schwartz nicht bestätigen. Allerdings bedeutet dies noch nicht, dass die Theorie zu verwerfen oder fehlerhaft ist. Denn es bestehen bei der Berechnung und Vergleichbarkeit einige Probleme. Zum einen ist anzumerken, dass im ESS eine verkürzte 21-Item-Skala von Schwartz auf Basis des PVQ entwickelt und angewendet wurde. Diese ist nicht nach strengen wissenschaftlichen Kriterien entwickelt, sondern vielmehr aus einem bestehenden Instrumentarium heraus nach praktischen Gesichtspunkten verkürzt worden, ohne einen Test auf Bias (Verzerrungen) und Äquivalenzen durchzuführen. Daher kann es bei einer Anwendung des Instrumentariums und einer Berechnung der Wertetypen und Dimensionen zu einer Verzerrung somit auch zu nicht-theoriekonformen Ergebnissen führen. Zum anderen könnte ein weiterer Grund in den Stichproben liegen. Es mag sein, dass Lehrer und Schüler über Kulturen hinweg vergleichbarer sind als die Gesamtbevölkerung.2071 In diesem Kontext sei jedoch anzumerken, dass bei Strack (2005) im Rahmen einer umfassenden Studie der Wertekreis nach Schwartz empirisch bestätigt wird.2072 Die Ausarbeitungen von Mohler/Wohn verwerfen nicht die Theorie von Schwartz, allerdings ergeben sich mitunter Probleme bei der Verwendung des PVQ-21 im interkulturellen Kontext. In Deutschland konnten bspw. alle Wertetypen des Wertekreises identifiziert aber die theoretische Reihenfolge nicht genau abgebildet werden.2073 Auf den Einsatz des PVQ-21 wurde in der vorliegenden Ausarbeitung verzichtet. Nach umfassenden Recherchen wurde 14-Item Bi-Po-Wertedifferential nach Strack als mögliches Instrumentarium identifiziert, welches in mehreren Studien den Wertekreis nach Schwartz abbilden konnte.
2068 2069 2070 2071 2072 2073
Siehe grundlegend. Schwartz (1992). Vgl. Schwartz (1992), S. 37. Ausgewertet werden konnten 19 von 21 Ländern, denn für Italien und Luxemburg lagen keine Daten vor. Vgl. Mohler/Wohn (2005), S. 8-16. Siehe hierzu die Ergebnisse bei Strack (2005). Vgl. Mohler/Wohn (2005), S. 12.
362
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
14-Item Bi-Po-Wertedifferential nach Strack Das 14-BiPo-Wertedifferential wurde durch Michaela Strack mittels einer Reanalyse von Daten des Schwartz Value Survey entwickelt. Zur Ermittlung lagen Selbstbilder (N=726) aus 11 Studien vor. In diesem Befragungsbogen wurden 28 Werte des Schwartz Value Survey 1992 ausgewählt. Dabei wurden Paare der äußersten Positionen ausgewählt und zu 14 Bi-Polaren-Differentialen kombiniert. Probanden müssen in der Befragung zwischen zwei Werten auf einer bipolaren 5er-Skala entscheiden, welchen sie präferieren. Dieser Ansatz beruht auf dem Wertekreis von Schwartz.2074 Anzumerken ist in diesem Kontext, dass hierzu aktuell keine (offizielle) Publikation vorliegt. Diese ist noch in Vorbereitung.2075 Freundlicherweise wurde das Instrumentarium durch Dr. Michaela Strack zur Durchführung der Ausarbeitung zur Verfügung gestellt. Das Instrument des 14-BiPoWertedifferentials wurde bereits in einigen Studien angewendet. Siehe hierzu u. a. Gennerich (2001, 2003a, 2003b), Weber (2005).2076 In der Studie von Strack (2005) wird eine Überprüfung der Gültigkeit des Schwartz Wertekreises anhand einer (Re-)Analyse u. a. von Daten von Schmitt/Maes/Schmal (1997a) bzw. Schmitt/Maes/Schmal (1997b), Fischer et al. (2000), Hurrelmann/Albert (2002) sowie Daten des ALLBUS (1998, 2002)2077. Als Ergebnis wird die Struktur des Wertekreises durch die (Re-)Analysen von Strack bestätigt.2078 Strack (2004) merkt zur Kurzform des 14-BiPo-Wertedifferenzials an, dass die kontinuierliche stabile Semantik des Wertekreises sicherstellt, dass dieser mit verschiedenen Reduktionsmethoden, u. a. bei Schwartz/Bilsky (1987, 1990) in Form der Multidimensionalen Skalierung oder z. B. bei Bilsky (1999), Bilsky/Jehn (1999) in Form der Faktorenanalyse, und mit verschiedenen Item-Sets dargestellt werden kann. Dabei werden sowohl Listen aus unipolaren Werte-Ratings nach Akquieszenz-Ipsatierung, Gennerich (2001, 2003a), als auch bipolare Wertedifferentiale bei Gennerich (2003b) und Weber (2005), angewendet. Voraussetzung sind ein über den Kreis repräsentativ verteiltes Itemset sowie ausreichend heterogene „wahre Varianz“ in den analysierten Fällen (Personen, Situationen).2079 Nominal begründete Wertelisten, wie bspw. Kahles List of Values (LOV) mit neun, bzw. Rokeachs Value Survey (RVS) mit 18 Ziel- und 18 instrumentellen Werten, werden oftmals als unvollständig kritisiert. In Gegensatz dazu bietet die semantische Ordnung der Werte-Inhalte, die durch Schwartz (1992) sowie Schwartz (1994) auf Basis mehrerer (Teil-)Studien in den 1980er Jahren gemeinsam mit Bilsky ermittelt wurden, einen kontinuierlichen (hypothetisch intervallskalierten) (Dimensions-)Raum. Dabei verweisen Schwartz/Bilsky in ihrer Multidimensionalen Skalierung von Wichtigkeitsratings von Werteitems auf eine universale Struktur, die mit 54 Items in verschiedenen Kulturen sowie in unterschiedlichen Religionen Gültigkeit besitzen soll.2080 Aufbauend auf den Ergebnissen von Schwartz 2074 2075 2076 2077 2078
2079
2080
Vgl. Strack (2004), S. 186; Strack (2005), S. 12. Vgl. Strack (2004), S. 186. Siehe Gennerich (2001); Gennerich (2003a); Gennerich ( 2003b) sowie Weber (2005). Die Daten des ALLBUS können unter bestellt werden. Vgl. Strack (2005), S. 1-15. Siehe auch Schmitt/Maes/Schmal (1997a); Schmitt/Maes/Schmal (1997b); Fischer et al. (2000); Hurrelmann/Albert (2002). Vgl. Strack (2004), S. 186, Fußnote 6. Siehe zu dieser Thematik Schwartz/Bilsky (1987) Schwartz/Bilsky (1990); Bilsky (1999); Bilsky/Jehn (1999); Gennerich (2001); Gennerich (2003a); Gennerich (2003b)und Weber (2005). Für weitergehende Forschungen siehe auch Bilsky/Jehn (2002) und Bilsky/Wülker (2000). Siehe grundlegend Schwartz (1992) sowie Schwartz (1994). An dieser Stelle sei auch auf den Anhang von Schwartz (1992) verwiesen.
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
363
wurde das Instrumentarium des 14-BiPo-Wertedifferenzials nach Strack entwickelt. Hierbei ist anzumerken, dass die Dimensionen etwas anders mit Egoismus/Universalismus und Tradition/Selbstbestimmung (ggü. den Bezeichnungen Self-Enhancement, Self-Transcendence, Conservation und Openness to Change) bezeichnet sind. Abbildung 45 zeigt den Faktorraum des 14-BiPo-Wertedifferenzials nach Strack.2081 ,8 Einheit mit der Natur Gerechtigkeit ,6 tolerant
Welt in Frieden
ehrlich demütig
Gleichheit
fromm
,4 weltoffen
soz.Ordnung gehorsam
,2
Tradition Ehrerbietig g.üb. Älteren
Kreativität 0,0
eigene Ziele abwechs.L -,2 wagemutig anregendes Leben -,4
Leben genießen
Kontrolle über Unsicherheit
einflußreich
erfolgAutorität reich soz.Macht Vergnügen Reichtum
-,6 -,8 -,8
Höflichkeit
-,6
-,4
-,2
0,0
,2
öffentliches Ansehen bewahren
,4
,6
,8
Abbildung 45: Faktorraum des 14-BiPo-Wertedifferenzials
In der hier vorliegenden empirischen Untersuchung junger Unternehmen wurde das 14-BiPoWertedifferenzial verwendet. Im Folgenden werden die Ergebnisse der Stichprobe dargestellt. Empirische Ergebnisse der Ausarbeitung Aufgrund der Antworten der Stichprobe konnte, auf Basis einer von Dr. Michaela Strack zur Verfügung gestellten Formel, eine Berechung der Dimensionen Egoismus/Universalismus und Tradition/Selbstbestimmung vorgenommen werden, die jeden Unternehmer bzw. jede Unternehmerin einen bestimmten, individuell-spezifischen Wert auf diesen beiden Dimensionen zuwies. Somit war eine individuelle Bestimmung der Wertezugehörigkeit möglich. Abbildung 46 verdeutlicht die Stellung aller gültigen Werte der Unternehmer und Unternehmerinnen der Stichprobe im Wertekreis.
2081
Vgl. Strack (2004), S. 186.
364
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
Stellung im Wertekreis
Universalismus
3
Universalismus und Selbstbestimmung Universalismus und Tradition Egozentrismus und Selbstbestimmung Egozentrismus und Tradition
2
1
Egozentrismus
0
-1
-2
-3 -3
-2
-1
Selbstbestimmung
0
1
2
3
Tradition
Abbildung 46: Stellung im Wertekreis
Die Ergebnisse weisen auf den ersten Blick auf eine recht homogene Wertestruktur der Unternehmer und Unternehmerinnen hin, da in den einzelnen vier Quadranten ein augenscheinlich einheitliches Auftreten der einzelnen Fälle beobachtet werden kann. Im Weiteren wurde eine differenzierte, tiefergehende Analyse vollzogen. Differenzierung nach dem Geschlecht Dabei war es von Interesse, ob zwischen Männern und Frauen Unterschiede hinsichtlich der Wertestruktur bestanden. Es wurde bereits in Kapitel 2.5 die folgende Hypothese aufgestellt: HWert1:
Männliche und weibliche Unternehmer weisen eine unterschiedliche Wertestruktur auf.
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
365
Abbildung 47 zeigt die Stellung im Wertekreis der Unternehmerinnen und Unternehmer nach dem Geschlecht. Geschlecht
Universalismus
3
männlich weiblich männlich weiblich
2
1
Egozentrismus
0
-1
-2
-3 -3
-2
-1
0
1
Selbstbestimmung
2
3
Tradition
Abbildung 47: Differenzierung der Stellung im Wertekreis nach dem Geschlecht
In der Abbildung 47 wurde jeweils nach dem Geschlecht für die Frauen und die Männer eine Regressions- bzw. Korrelationsgrade eingezeichnet. Im Sinne einer Verfeinerung der zuvor aufgestellten (Haupt-)Hypothese HWert1, kann nun die Hypothese aufgestellt werden, dass Unternehmer und Unternehmerinnen eine stärkere Ausprägung auf die Dimension des Egozentrismus und der Selbstbestimmung hin aufweisen, da in dieser Kombination eher unternehmerische Werte, wie bspw. ein abwechslungsreiches Lebens führen, Wagemut, ein anregendes Leben führen, einflussreich sein, erfolgreich sein, soziale Macht und Reichtum aufzufinden sind. Neben der Dimension der Selbstbestimmung finden sich aber auch in der Dimension der Tradition zwei Werte, die bedeutsam für unternehmerisches Handeln sein können. Hierbei handelt es sich in der Dimension der Tradition um die Werte der Autorität und der Kontrolle über Unsicherheit.2082 Prinzipiell können allerdings auch alle Werte gemeinschaftlich für eine unternehmerische Tätigkeit bzw. einen unternehmerischen Erfolg von Bedeutung sein. Aus diesem Grunde können an dieser Stelle lediglich theoretische (Ideal-)Annahmen hinsichtlich einer Häufung von Werten vor dem Hin-
2082
Siehe hierzu Abbildung 45.
366
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
tergrund einer Dimensionszuordnung getroffen werden. Diese Frage kann auch im unternehmerischen Kontext gestellt werden. Aus der zuvor formulierten (Haupt-)Hypothese HWert1 werden die folgenden Hypothesen HWert1.1 und HWert 1.2 abgeleitet: HWert1.1:
Männliche und weibliche Unternehmer unterscheiden sich bezüglich ihrer mittleren Ausprägung auf der Egozentrismus/Universalismus-Skala.
HWert1.2:
Männliche und weibliche Unternehmer unterscheiden sich bezüglich ihrer mittleren Ausprägung auf der Selbstbestimmung/Tradition-Skala.
Um die Hypothesen überprüfen zu können, war ein aggregiertes Werteniveau aller Personen des Stichprobenumfanges, und somit die durchschnittliche, mittlere Ausprägung auf die zwei Dimensionen Egozentrismus/Universalismus und Selbstbestimmung/Tradition zu bestimmen. Abbildung 48 zeigt die mittlere Ausprägung der Wertestruktur auf den Dimensionen Egozentrismus/Universalismus und Selbstbestimmung/Tradition differenziert nach dem Geschlecht. männlich weiblich
mittlere Ausprägung
-0,10
-0,20
-0,30
-0,40
-0,50 Egozentrismus/Universalismus
Selbstbestimmung/Tradition
Abbildung 48: Mittlere Ausprägung der Wertestruktur nach dem Geschlecht
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
367
Tabelle 33 liefert die zu Abbildung 48 zugehörigen statistischen Werte. Egozentrismus Universalismus
Selbstbestimmung Tradition
Geschlecht
Mittelwert
Standardabweichung
N
männlich
-,4995
,96157
46
weiblich
-,1441
,90944
52
Gesamt
-,3109
,94635
98
männlich
-,0779
,80249
46
weiblich
-,0958
1,00757
52
Gesamt
-,0874
,91247
98
Tabelle 33: Wertestruktur nach dem Geschlecht
Auf den ersten Blick erscheint es, als hätten Männer eine höhere Ausprägung auf die Dimension Egozentrismus/Universalismus und hier speziell auf den Egoismus (negative Werte) aufgewiesen als Frauen. Dabei ist allerdings anzumerken, dass es sich, bei den Männern und Frauen, allgemein lediglich um geringe Ausprägungen auf den Egoismus handelte, wie die Werte mit -0,485 (Männer) und -0,1441 (Frauen) zeigten. In Bezug auf die Dimension der Selbstbestimmung/Tradition lagen die Werte der Männer mit -0,0779 und der Frauen mit -0,0958 noch näher zusammen. Dabei zeigten sie jedoch eine Tendenz auf die Selbstbestimmung. Nun galt es die Hypothese HWert1, männliche und weibliche Unternehmer weisen eine unterschiedliche Wertestruktur auf, statistisch zu überprüfen. Hierzu wurde eine einfaktorielle Varianzanalyse durchgeführt. Es gilt p > Æ nicht signifikant bzw. p Æ signifikant [mit einem Signifikanzniveau von = 0.05]. Als unabhängige Variable ist das Geschlecht, als abhängige Variable sind Egozentrismus/Universalismus bzw. Selbstbestimmung/Tradition gewählt worden. Bei Anwendung der einfaktoriellen Varianzanalyse (Allgemeines Lineares Modell) und der Kenngröße der F-Werte kann folgendes Ergebnis der Tabelle 34 festgestellt werden. Unabhängige Variable
Abhängige Variable
df
F
Sig.
Geschlecht
Egozentrismus Universalismus
1
3,532
,063
Selbstbestimmung Tradition
1
,009
,923
Tabelle 34: Statistischer Test der Wertestruktur differenziert nach dem Geschlecht.
Überprüfung HWert1.1 Mit einem berechneten Signifikanzwert bzw. p-Wert (Geschlecht Æ Egozentrismus/Universalismus) von p = 0,063 gilt: 0,063 > 0,05. Dies bedeutet, dass keine Signifikanz vorliegt. Angemerkt werden kann in diesem Zusammenhang, dass mit 0,063 eine marginale Signifikanz vorliegt, was allerdings vor dem Hintergrund der allgemein akzeptierten Irrtumswahrscheinlichkeiten keine Auswirkung hat. Die Nullhypothese (H0) ist beizubehalten und kann nicht zu Gunsten der formulierten Alternativhypothese (H1) abgelehnt werden. Hieraus ergeben sich folgende Anhaltspunkte: Frauen und Männer unterschieden sich nicht signifikant bezüglich ihrer mittleren Ausprägung auf der Egozentris-
368
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
mus/Universalismus-Skala. Dabei gilt, dass unternehmerisch tätige Männer und Frauen gleichermaßen eine Tendenz zum Egozentrismus aufwiesen, wie in Abbildung 48 dargestellt. Überprüfung HWert1.2 Mit einem berechneten Signifikanzwert bzw. p-Wert (Geschlecht Æ Selbstbestimmung/Tradition) von 0,923 gilt: 0,923 > 0,05. Der p-Wert von 0,923 erreicht keinen auch nur annähernd signifikanten Level. Dies bedeutet, dass keine Signifikanz vorliegt. Die Nullhypothese (H0) ist beizubehalten und kann nicht zu Gunsten der formulierten Alternativhypothese (H1) abgelehnt werden. Hieraus ergeben sich folgende Anhaltspunkte: Frauen und Männer unterschieden sich nicht signifikant bezüglich ihrer mittleren Ausprägung auf der Selbstbestimmung/Tradition-Skala. Dabei gilt aber, dass unternehmerisch tätige Männer und Frauen gleichermaßen eine Tendenz zur Selbstbestimmung aufwiesen, wie in Abbildung 48 dargestellt. Differenzierung nach dem Alter Neben der Differenzierung der Wertestruktur nach dem Geschlecht war auch eine Differenzierung nach dem Alter von Interesse. In Kapitel 2.5 wurde bereits die folgende Hypothese aufgestellt: HWert2:
Jüngere und ältere Unternehmer weisen eine unterschiedliche Wertestruktur auf.
Um die Hypothese überprüfen zu können, war die Erstellung von Alterskategorien (Alter nach Kategorien) vorzunehmen, um diese auf die abhängige Variable hin überprüfen zu können. In diesem Falle wurde die Variable Alter in drei Kategorien aufgeteilt. Es wurden die drei Kategorien bis 39 Jahre, 40 bis 49 Jahre und ab 50 Jahre gebildet. Auf Basis der Alterskategorien konnte ein aggregiertes Werteniveau aller Personen des Stichprobenumfanges, und somit die durchschnittliche, mittlere Ausprägung auf die zwei Dimensionen Egozentrismus/Universalismus und Selbstbestimmung/Tradition hinsichtlich des Alters bestimmt werden. Abbildung 49 zeigt die mittlere Ausprägung der Wertestruktur auf die Dimensionen Egozentrismus/Universalismus und Selbstbestimmung/Tradition differenziert nach den drei Alterskategorien bis 39 Jahre, 40 bis 49 Jahre und ab 50 Jahre.
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
369
0,00
mittlere Ausprägung
bis 39 Jahre 40 bis 49 Jahre ab 50 Jahre
-0,20
-0,40
-0,60
Egozentrismus/Universalismus
Selbstbestimmung/Tradition
Abbildung 49: Mittlere Ausprägung der Wertestruktur nach Alterskategorien
Tabelle 35 liefert die zu Abbildung 49 zugehörigen statistischen Werte. Egozentrismus Universalismus
Selbstbestimmung Tradition
Alter nach Kategorien bis 39 Jahre
Mittelwert
Standardabweichung
N
-,7286
,88511
23
40 bis 49 Jahre
-,2044
,93255
51
ab 50 Jahre
-,2298
1,04076
25
Gesamt
-,3326
,96586
99
bis 39 Jahre
-,1750
,71076
23
40 bis 49 Jahre
-,0574
,99652
51
ab 50 Jahre
-,0377
,91922
25
Gesamt
-,0797
,91096
99
Tabelle 35: Wertestruktur nach Alterskategorien
Zunächst erscheint es, als hätten Unternehmerinnen und Unternehmer mit einem Alter von bis 39 Jahren eine höhere Ausprägung auf die Dimension Egozentrismus/Universalismus und hier speziell auf den Egoismus (negative Werte) aufgewiesen als die Altergruppe von 40 bis 49 Jahre und ab 50 Jahre. Dabei ist allerdings anzumerken, dass es sich bei allen drei Kategorien allgemein lediglich um geringe Ausprägungen auf den Egoismus handelte, wie die Werte mit -0,7286 (bis 39 Jahre), -0,2044 (40 bis 49 Jahre) und -0,2298 (ab 50 Jahre) zeigen. In Bezug auf die Dimension der Selbstbestimmung/Tradition scheint es, als hätte die Altergruppe bis 39 Jahre in Bezug auf die anderen beiden Altergruppen eine
370
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
höhere Ausprägung auf die Selbstbestimmung aufgewiesen. Aufgrund der geringen Mittelwerte von 0,1750 (bis 39 Jahre), -0,0574 (40 bis 49 Jahre) und -0,0377 (ab 50 Jahre) zeigte sich jedoch eine geringe Tendenz auf die Selbstbestimmung. Nun galt es die Hypothese HWert2, jüngere und ältere Unternehmer weisen eine unterschiedliche Wertestruktur auf, statistisch zu überprüfen. Hierzu wurde eine einfaktorielle Varianzanalyse vorgenommen. Es gilt p > Æ nicht signifikant bzw. p Æ signifikant [mit einem Signifikanzniveau von = 0.05]. Als unabhängige Variable ist das Alter nach drei Alterkategorien (bis 39 Jahre, 40 bis 49 Jahre und ab 50 Jahre), als abhängige Variable sind Egozentrismus/Universalismus und Selbstbestimmung/Tradition gewählt worden. Bei Anwendung der einfaktoriellen Varianzanalyse (Allgemeines Lineares Modell) und der Kenngröße der F-Werte kann folgendes Ergebnis der Tabelle 36 dargestellt werden. Unabhängige Variable
Abhägige Variable
df
F
Sig.
Alter nach Kategorien
Egozentrismus Universalismus
2
2,607
,079
Selbstbestimmung Tradition
2
,165
,848
Tabelle 36: Statistischer Test der Wertestruktur differenziert nach Alterskategorien
Überprüfung HWert2 Mit einem berechneten Signifikanzwert bzw. p-Wert (Alter nach Kategorien Æ Egozentrismus/Universalismus) von p = 0,079 gilt: 0,079 > 0,05. Dies bedeutet, dass keine Signifikanz vorliegt. Die Nullhypothese (H0) ist beizubehalten und kann nicht zu Gunsten der formulierten Alternativhypothese (H1) abgelehnt werden. Hieraus ergaben sich folgende Anhaltspunkte: Die drei Alterskategorien unterschieden sich nicht signifikant bezüglich ihrer mittleren Ausprägung auf der Egozentrismus/Universalismus-Skala. Alle Alterskategorien waren gleichermaßen egozentrisch. In Bezug auf die Dimension der Selbstbestimmung/Tradition ergab sich im statistischen Test das folgende Ergebnis. Mit einem berechneten Signifikanzwert bzw. p-Wert (Alter nach Kategorien Æ Selbstbestimmung/Tradition) von 0,848 gilt: 0,848 > 0,05. Der p-Wert von 0,848 erreicht keinen auch nur annähernd signifikanten Level. Dies bedeutet, dass keine Signifikanz vorliegt. Die Nullhypothese (H0) ist beizubehalten und kann nicht zu Gunsten der formulierten Alternativhypothese (H1) abgelehnt werden. Hieraus ergaben sich folgende Anhaltspunkte: Die drei Alterskategorien unterschieden sich nicht signifikant bezüglich ihrer mittleren Ausprägung auf der Selbstbestimmung/Tradition-Skala. Alle Alterskategorien waren gleichermaßen selbstbestimmend. Die zuvor aufgeführte Darstellung liefert bisher keinen Aufschluss über potenzielle Signifikanzen zwischen den konkreten einzelnen Alterskategorien hinsichtlich der abhängigen Variablen der Egozentrismus/Universalismus-Skala bzw. Selbstbestimmung/Tradition-Skala. Aus diesem Grunde war ein multipler Vergleich der einzelnen Alterskategorien auf die abhängige Variable der Egozentrismus/Universalismus-Skala bzw. Selbstbestimmung/Tradition-Skala vorgenommen worden, wie in Tabelle 37 dargestellt.
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
Abhängige Variable
(I) Alter nach Kategorien
(J) Alter nach Kategorien
Egozentrismus Universalismus
bis 39 Jahre
40 bis 49 Jahre
40 bis 49 Jahre
ab 50 Jahre
Selbstbestimmung Tradition
bis 39 Jahre
40 bis 49 Jahre
ab 50 Jahre
371
95% Konfidenzintervall Sig.
un. Grenze
ob. Grenze
,095
-1,1178
,0693
ab 50 Jahre
,198
-1,1815
,1840
bis 39 Jahre
,095
-,0693
1,1178
ab 50 Jahre
,994
-,5515
,6024
bis 39 Jahre
,198
-,1840
1,1815
40 bis 49 Jahre
,994
-,6024
,5515
,878
-,6914
,4562
ab 50 Jahre
,875
-,7974
,5228
bis 39 Jahre
,878
-,4562
,6914
ab 50 Jahre
,996
-,5775
,5380
bis 39 Jahre
,875
-,5228
,7974
40 bis 49 Jahre
,996
-,5380
,5775
40 bis 49 Jahre
Tabelle 37: Signifikanzwerte der Wertestruktur differenziert nach Alterskategorien
Es gilt p > Æ nicht signifikant bzw. p Æ signifikant [mit einem Signifikanzniveau von = 0.05]. Wie aus der zuvor dargestellten Tabelle 37 ersichtlich, erreichten die aufgeführten Signifikanzwerte in Bezug auf die abhängige Variable des Egozentrismus/Universalismus keinen signifikanten Level. Der geringste p-Wert mit 0,095 ist im Vergleich zwischen den Alterskategorien bis 39 Jahre und 40 bis 49 Jahre ausgewiesen und spiegelt die augenscheinliche Differenz der Alterskategorien, wie in Abbildung 49 dargestellt, wider. Allerdings zeigte sich durch den statistischen Test bzw. die Berechnung des Signifikanzwertes, dass keine statistisch signifikanten Abhängigkeiten zwischen den Alterskategorien bis 39 Jahre und 40 bis 49 Jahre bestanden. Die weiteren Signifikanzwerte zwischen den Alterkategorien lagen mit 0,198 und 0,994 auch über dem gewählten Signifikanzniveau. Die Signifikanzwerte zwischen den Alterskategorien hinsichtlich der abhängigen Variable Selbstbestimmung/Tradition erreichten mit 0,878 sowie 0,875 und 0,966 keinen auch nur annähernd signifikanten Level. Daher kann für diesen statistischen Test zusammenfassend festgehalten werden, dass zwischen den drei Alterskategorien keine signifikanten Unterschiede bezüglich ihrer mittleren Ausprägung auf der Egozentrismus/Universalismus-Skala bzw. Selbstbestimmung/Tradition-Skala bestanden. Alle Alterskategorien waren gleichermaßen egozentrisch bzw. selbstbestimmend. Diskussion Die Hypothese, dass sich männliche und weibliche Unternehmer hinsichtlich ihrer Wertestruktur unterscheiden, konnte im Rahmen der hier vorliegenden Untersuchung nicht bestätigt werden. Unternehmerinnen und Unternehmer wiesen eine (ziemlich) ähnliche Wertestruktur auf, wenngleich eine Tendenz der Männer zu mehr Egozentrismus beobachtet werden konnte. Aus empirischer Sicht erga-
372
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
ben sich Hinweise auf die theoretische Annahme, dass Unternehmer und auch Unternehmerinnen (verstärkt) Ausprägungen auf die egozentrische Wertedimension besitzen, was für Unternehmer auch oftmals auch theoretischer Sicht angenommen wird. In analoger Weise könnten Tendenzen hinsichtlich der Ausprägung auf die Dimension der Selbstbestimmung beobachtet werden. Beide Dimensionsausprägungen erscheinen als charakteristische Merkmale für Unternehmerinnen und Unternehmer in der Wahrnehmung ihrer unternehmerischen Aufgaben. Ein analoges Bild des zuvor dargestellten Sachverhaltes ergab sicht hinsichtlich der Differenzierung der Wertestruktur der Unternehmerinnen und Unternehmer nach dem Alter bzw. den Alterskategorien. In der hier vorliegenden Untersuchung konnten keine signifikanten Unterschiede zwischen den einzelnen Alterskategorien in Bezug auf die Egozentrismus/Universalismus- bzw. Selbstbestimmung/Tradition-Skala nachgewiesen werden. Angemerkt werden kann hier, dass sich allenfalls eine leichte Tendenz in der Kategorie bis 39 Jahre zu mehr Egozentrismus zeigte, wenngleich diese nicht signifikant war. Aus wissenschaftlicher Sicht wäre eine tiefergehende, umfassendere Analyse von Interesse. In diesem Kontext können die hier vorliegenden, geringen empirischen Ausprägungen auf die theoretisch angenommene Dimension des Egoismus und der Selbststimmung durch unterschiedliche Ursachen beeinflusst worden sein. Interpretiert werden kann das Ergebnis dahingehend, dass hier mitunter eine Verzerrung (Bias) angenommen werden kann. Zum einen kann hier ein Bias hinsichtlich der sozialen Erwünschtheit (Social Desirability)2083 vorliegen. Bei einer Befragung zum Thema Werte und Ethik handelt es sich mitunter um ein Thema, welches als sensibel bzw. anfällig für soziale Erwünschtheit klassifiziert werden könnte. Die Anpassung der Antworten ist abhängig von den erfragten Merkmalen (Trait Desirability) sowie von den vom Befragten vermuteten Erwartungen. Werte und Ethik werden dann als bedeutsam und wichtig dargestellt und das Antwortverhalten bewusst, aber auch unbewusst angepasst. Dabei kann auch der Zeitpunkt der Befragung vor dem Hintergrund des wirtschaftlichgesellschaftlichen Kontextes von Bedeutung sein. Dies bedeutet, dass je nach aktuell spezifischer Diskussion und Relevanz des Themas Werte und Ethik in den Medien, sich ein (differierendes) Antwortverhalten ergeben kann. Darüber hinaus könnte allgemein bei einer Befragung zum Thema Werte und Ethik ein Response Bias (Freiwilligkeitsbias), eine Verzerrung durch die systematische NichtTeilnahme an einer Befragung auftreten. Zum Thema Ethik und speziell Ethik und Ökonomie bestehen unterschiedlichste, teilweise sehr konträre Auffassung und Meinungen, nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis. Aus diesem Grunde kann es mitunter sein, dass die hier befragten Unternehmerinnen und Unternehmer ein höheres Interesse an der Thematik und bisweilen vielleicht auch eine dementsprechend andere Werte-, Einstellungs- und Handlungsstruktur aufwiesen, als Unternehmerinnen und Unternehmer, die nicht an der Studie teilgenommen haben. Diese Problematik besteht oftmals bei vielen Studien und Untersuchungen. Allerdings erscheint die Thematik der Werte und Ethik besonders „anfällig“ hierfür zu sein. Für die Zukunft sollte hier eine weitergehende Analyse und Forschung betrieben werden, um die hier vorliegenden empirischen Sachverhalt (nochmals) weitergehend zu untersuchen. Für zukünftige wissenschaftliche Untersuchungen kann die Empfehlung ausgesprochen werden, die Gruppe der Unter2083
Siehe auch Kapitel 3.1.3.2.2.
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
373
nehmerinnen und Unternehmer mit einer Referenzgruppe, wie bspw. angestellte Managerinnen und Manager, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder Frauen und Männer der „Normalbevölkerung“ miteinander zu vergleichen. Einen ersten Ansatz eines solchen Vergleichs haben bereits Blumberg/Saßmannshausen/Hofmann (2006) geleistet, die die Gruppe der Unternehmer und der „Normalbevölkerung“ miteinander verglichen haben. Vielleicht ist es vorteilhaft, die Befragung zum Thema Werte und Ethik in eine andere Befragung mit (augenscheinlicher) rein ökonomischer Zielrichtung einzubetten, um den (potenziellen) Response Bias zu verringern. 3.2.2.1.2
Werte des privaten und beruflichen Alltags
Im Folgenden wird eine Ergebnisdarstellung zu der in Kapitel 2.5 aufgestellten Hypothese HWert3 vorgenommen: HWert3:
Werte des privaten Alltags korrelieren positiv mit den beruflichen Werten. Unternehmerinnen und Unternehmer machen zwischen persönlichen und beruflichen Werten keine Unterschiede, sie sind gleichgerichtet.
Messkonstrukt Zur Prüfung der Hypothese HWert3 wurden die Items aus Befragungen bzw. Ansätzen bei Kaufmann/Kerber/Zulehner (1986) und Rebstock (1988) entlehnt. Zur Erhebung wurde auf Grundwerte und grundwertähnliche Werte Bezug genommen und diese hinsichtlich ihrer Bedeutsamkeit für den privaten als auch beruflichen Alltag getestet. Tabelle 38 zeigt die Items des Testbausteins zu Grundwerten und grundwertähnlichen Werten. Items 1-5
Items 6-10
Freiheits- und Menschenrechte
Toleranz gegenüber Andersdenkenden
Leistung und Leistungsbereitschaft
Individualismus
den Schwächeren helfen
Fairness
Verantwortung für Mitmenschen
Solidarität
Verantwortung gegenüber der nächsten Generation
Die Zehn Gebote
Tabelle 38: Grundwerte und grundwertähnliche Werte
Die einzelnen Werte lehnen sich zwar theoretisch an Grundwerte und grundwertähnliche Werte an. Dabei können diese sowohl im Rahmen des individuellen (außerberuflichen) Alltages bzw. Lebens, als auch im beruflichen (unternehmerischen) Alltag bzw. Leben für ein Individuum (aber auch für eine Institution) von Bedeutung sein. Aus diesem Grunde ist es eine Besonderheit dieses Themenkomplexes, dass die befragten Unternehmerinnen und Unternehmer zu der Relevanz der Grundwerte und grundwertähnlichen Werte hinsichtlich ihres persönlichen Alltages und ihres beruflichen Alltages befragt wurden. Es lag in diesem Falle eine Doppelmatrixfrage vor. Die Befragten konnten auf einer 5er-(Likert-)Skala mit den Abstufungen (nicht bedeutsam, wenig bedeutsam, mittelmäßig bedeutsam, ziemlich bedeutsam, sehr bedeutsam) ihre Antwort differenzieren.
374
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
Empirische Ergebnisse Im Folgenden werden die Häufigkeitsverteilungen der zehn Variablen der Grundwerte und grundwertähnlichen Werte bzgl. des privaten Alltages in Abbildung 50 und Tabelle 39 aufgeführt. Frage: Wie bedeutsam sind die folgenden Werte für Handlungen in Ihrem Privatleben? 100%
nicht bedeutsam wenig bedeutsam mittelmäßig bedeutsam ziemlich bedeutsam sehr bedeutsam
Prozente
75%
50%
25%
Die Zehn Gebote
Solidarität
Fairneß
Individualismus
Toleranz gegenüber Andersdenkenden
Verantwortung gegenüber der nächsten Generation
Verantwortung für Mitmenschen
den Schwächeren helfen
Leistung und Leistungsbereitschaft
Freiheits- und Menschenrechte
0%
Abbildung 50: Bedeutsamkeit von Grundwerten und grundwertähnlichen Werten im Privatleben
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
nicht bedeutsam wenig bedeutsam
den Schwächeren helfen
Verantwortung für Mitmenschen
Verantwortung gegenüber der nächsten Generation
Toleranz gegenüber Andersdenkenden
%
%
%
%
2,8 %
1,9 %
1,8 %
0,9 %
3,7 %
0,9 %
N=3
N=2
N=2
N=1
N=4
N=1
15,6 %
24,1 %
9,2 %
7,4 %
13,8 %
N=17
N=26
N=10
N=8
Freiheitsund Menschenrechte
Leistung und Leistungsbereitschaft
% 0,9 %
% 0,9 %
N=1
N=1
0,9 % N=1
mittelmäßig bedeutsam
375
Individualismus
Solidarität
Die Zehn Gebote
% 0,9 %
% 10,1 %
N=1
N=11
10,1 %
13,8 %
N=11
N=15
19,3 %
15,6 %
21,1 %
N=15
N=21
N=17
N=23
% 2,8 %
Fairness %
N=3
ziemlich bedeutsam
15,6 %
37,6 %
43,5 %
43,1 %
36,1 %
40,4 %
38,5 %
29,4 %
45,0 %
22,9 %
N=17
N=41
N=47
N=47
N=39
N=44
N=42
N=32
N=49
N=25
sehr bedeutsam
82,6 %
43,1 %
30,6 %
45,9 %
55,6 %
45,9 %
35,8 %
69,7 %
28,4 %
32,1 %
N=90
N=47
N=33
N=50
N=60
N=50
N=39
N=76
N=31
N=35
Tabelle 39: Häufigkeitstabelle Grundwerte und grundwertähnliche Werte – privater Alltag
In Abbildung 51 und Tabelle 40 sind die Häufigkeitsverteilungen der Grundwerte und grundwertähnlichen Werte in bzgl. des beruflichen Alltages aufgeführt. Frage: Wie bedeutsam sind die folgenden Werte für Handlungen in Ihrem Unternehmen? 100%
nicht bedeutsam wenig bedeutsam mittelmäßig bedeutsam ziemlich bedeutsam sehr bedeutsam
Prozente
75%
50%
25%
Solidarität
Die Zehn Gebote
Fairneß
Individualismus
Toleranz gegenüber Andersdenkenden
Verantwortung gegenüber der nächsten Generation
den Schwächeren helfen
Verantwortung für Mitmenschen
Leistung und Leistungsbereitschaft
Freiheits- und Menschenrechte
0%
Abbildung 51: Bedeutsamkeit von Grundwerten und grundwertähnlichen Werten im Berufsleben
376
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
Freiheitsund Menschenrechte
Leistung und Leistungsbereitschaft
% 1,9 %
%
den Schwächeren helfen
Verantwortung für Mitmenschen
Verantwortung gegenüber der nächsten Generation
Toleranz gegenüber Andersdenkenden
Individualismus
Fairness
Die Zehn Gebote
% 3,7 %
% 19,3 %
N=4
N=21
% 2,8 %
% 0,9 %
% 2,8 %
% 2,8 %
% 3,7 %
N=2
N=3
N=1
N=3
N=3
N=4
wenig bedeutsam
1,9 %
15,1 %
5,6 %
5,6 %
5,5 %
15,7 %
3,7 %
14,8 %
9,2 %
N=2
N=16
N=6
N=6
N=6
N=17
N=4
N=16
N=10
mittelmäßig bedeutsam
4,6 %
2,8 %
38,7 %
13,0 %
16,8 %
21,1 %
22,2 %
6,4 %
25,0 %
23,9 %
N=5
N=3
N=41
N=14
N=18
N=23
N=24
N=7
N=27
N=26
ziemlich bedeutsam
20,4 %
31,5 %
30,2 %
38,0 %
30,8 %
36,7 %
38,0 %
24,8 %
35,2 %
19,3 %
N=22
N=34
N=32
N=41
N=33
N=40
N=41
N=27
N=38
N=21
sehr bedeutsam
71,3 %
65,7 %
13,2 %
42,6 %
43,9 %
33,9 %
20,4 %
65,1 %
21,3 %
28,4 %
N=77
N=71
N=14
N=46
N=47
N=37
N=22
N=71
N=23
N=31
nicht bedeutsam
%
Solidarität
Tabelle 40: Häufigkeitstabelle Grundwerte und grundwertähnliche Werte – beruflicher Alltag
Die stärkste Bedeutsamkeit von Werten für Handlungen im Privatbereich wurde mit 82,6 % (sehr bedeutsam) und 15,6 % (ziemlich bedeutsam) dem Wert der Freiheits- und Menschenrechte beigemessen. Werden beide Antwortkategorien zusammengefasst, so sahen 98,2% der Befragten die Freiheits- und Menschenrechte als ziemlich bzw. sehr bedeutsam an. Auch im beruflichen Alltag waren die Freiheits- und Menschenrechte mit 71,3 % (sehr bedeutsam) sowie 20,4 % (ziemlich bedeutsam) und somit zusammengenommen mit 91,7 % (sehr bedeutsam/ziemlich bedeutsam) von hoher Relevanz. Die hohe Bedeutung der Freiheits- und Menschenrechte kann vor dem Hintergrund eines (christlich) westlichen Werteverständnisses erklärt werden in dem sich die Befragten befanden. Diese Werte sind dabei als Grundwerte auch gesetzlich verankert. Sie besitzen eine fundamentale Bedeutung in der westlichen Kultur. Auch im unternehmerischen Alltag sind diese Werte von Bedeutung, da die Freiheit auch als eine Grundvoraussetzung für privates und unternehmerisches Handeln gesehen werden kann. Ohne Handlungsfreiräume durch Freiheit lassen sich keine Handlungen, weder im privaten Alltag, noch im beruflich-unternehmerischen Alltag, vollziehen.2084 Eng verbunden mit dem Begriff der Freiheit sind die Werte der Menschenrechte. Diese wurden in der Resolution 217 A (III) der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1948 in 30 Artikeln als allgemeine Erklärung der Menschenrechte festgeschrieben.2085 Diese 30 Artikel sind umfassend und könnten von den befragten Unternehmerinnen und Unternehmern vermutlich nicht inhaltlich vollständig wiedergegeben werden.2086 Allerdings ist anzunehmen, dass die Befragten mit den Menschenrechten zumindest die grundlegenden Werte, wie bspw. die Freiheit aller Menschen, die Gleichheit an Würde und Rechten oder den Schutz vor Diskriminierung assoziieren.2087
2084 2085
2086
2087
Siehe hierzu auch die ersten Ausführungen in Kapitel 2.1.2.3. Siehe bspw. die Erklärung im Internet auf den Seiten der Vereinten Nationen unter . Ähnlich einer Befragung zur Relevanz der Zehn Gebote. Hier gaben 66 % der befragten Deutschen an, dass sie sich an die Zehn Gebote halten wollen, wenngleich die Studie auch ergab, dass die Zehn Gebote im Einzelnen und inhaltlich kaum bekannt waren. Siehe hierzu Mieth (2004), S. 131. Für Unternehmer könnte besonders, zumindest implizit, der Artikel 17 von Bedeutung sein, in dem einem Menschen das Recht, sowohl allein als auch in Gemeinschaft mit Anderen Eigentum innezuhaben zugesprochen wird. Dabei darf
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
377
Der Wert der Fairness war im Privatleben mit 69,7 % sehr bedeutsam bzw. 29,4 % ziemlich bedeutsam. Eine ähnliche Bedeutsamkeit wies die Fairness im beruflichen Alltag bei den Befragten mit 65,1 % (sehr bedeutsam) und 24,8 % (ziemlich bedeutsam) auf. Die hohe Bedeutung der Fairness könnte dahingehend erklärt werden, dass dieser als ein „klassischer“ Wert des „ehrbaren Kaufmannes“ interpretiert werden kann, der sowohl im privaten, als auch im beruflichen Alltag von hoher Bedeutung ist. Wie aus der Tabelle 39 und Tabelle 40 ersichtlich, scheint der Wert der Leistung und Leistungsbereitschaft im beruflichen Alltag von höherer Bedeutung zu sein, als im privaten Alltag, was aufgrund der unternehmerischen Tätigkeit der Befragten und der Bedeutung dieses Wertes logisch erscheinen würde. Umgekehrt wären Werte, wie bspw. Verantwortung für Mitmenschen, Verantwortung gegenüber der nächsten Generation oder Toleranz gegenüber Andersdenkenden im privaten Alltag von höherer Bedeutung, als im beruflichen Alltag. Allerdings schätzten die Befragten diese Werte aber zumindest als mittelmäßig bis ziemlich bzw. sehr bedeutsam ein. Ein größerer (deskriptiver) Unterschied kann im Wert den Schwächeren helfen vermutet werden. Zwischen dem beruflichen und privaten Alltag zeigten sich hier Tendenzen, dass der Wert für ein Handeln im beruflichen Alltag von geringerer Bedeutung war, als für ein Handeln im privaten Alltag. Die ersten deskriptiven Ergebnisse warfen die Frage auf, ob zwischen den Werten des privaten Alltages und den Werten des beruflichen Alltages ein Zusammenhang bzw. eine Korrelation besteht. Im Folgenden wird dieser Zusammenhang näher gehend analysiert. Abschließend sei (hierfür) an dieser Stelle noch die deskriptive Statistik der Variablen in Tabelle 41 dargestellt.
niemand willkürlich seines Eigentums beraubt werden. Die Zusicherung des Erwerbs und des Schutzes von Eigentum bilden auch eine Grundvoraussetzung für die Marktwirtschaft.
378
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen N
Freiheits- und Menschenrechte (p) Freiheits- und Menschenrechte (b) Leistung und Leistungsbereitschaft (p) Leistung und Leistungsbereitschaft (b) den Schwächeren helfen (p) den Schwächeren helfen (b) Verantwortung für Mitmenschen (p) Verantwortung für Mitmenschen (b) Verantwortung gegenüber der nächsten Generation (p) Verantwortung gegenüber der nächsten Generation (b) Toleranz gegenüber Andersdenkenden (p) Toleranz gegenüber Andersdenkenden (b) Individualismus (p) Individualismus (b) Fairness (p) Fairness (b) Solidarität (p) Solidarität (b) Die Zehn Gebote (p) Die Zehn Gebote (b)
Mittelwert
Median
Modus
Standardabweichung
Min.
Max.
Perzentile
Gültig 109
Fehlend 0
4,78
5,00
5
,583
1
5
25 5,00
50 5,00
75 5,00
108
1
4,57
5,00
5
,823
1
5
4,00
5,00
5,00
109
0
4,19
4,00
5
,866
1
5
4,00
4,00
5,00
108
1
4,63
5,00
5
,540
3
5
4,00
5,00
5,00
108
1
4,03
4,00
4
,791
2
5
3,00
4,00
5,00
106
3
3,36
3,00
3
,987
1
5
3,00
3,00
4,00
109
0
4,33
4,00
5
,721
2
5
4,00
4,00
5,00
108
1
4,16
4,00
5
,919
1
5
4,00
4,00
5,00
108
1
4,46
5,00
5
,676
2
5
4,00
5,00
5,00
107
2
4,07
4,00
5
1,043
1
5
3,00
4,00
5,00
109
0
4,32
4,00
5
,706
3
5
4,00
4,00
5,00
109
0
3,94
4,00
4
1,012
1
5
3,00
4,00
5,00
109
0
4,01
4,00
4
,977
1
5
3,00
4,00
5,00
108
1
3,56
4,00
4
1,097
1
5
3,00
4,00
4,00
109 109 109 108 109
0 0 0 1 0
4,68 4,51 3,90 3,56 3,53
5,00 5,00 4,00 4,00 4,00
5 5 4 4 5
,525 ,777 ,962 1,097 1,337
2 2 1 1 1
5 5 5 5 5
4,00 4,00 3,00 3,00 3,00
5,00 5,00 4,00 4,00 4,00
5,00 5,00 5,00 4,00 5,00
109
0
3,28
3,00
5
1,460
1
5
2,00
3,00
5,00
(p) = Privat; (b) = Beruf
Tabelle 41: Deskriptive Statistik von Grundwerten und grundwertähnlichen Werten
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
379
Korrelationsanalyse Für eine Überprüfung der Hypothese HWert32088 wurde eine Korrelationsanalyse mittels eines (bivariaten) Zusammenhangsmaßes durchgeführt.2089 Als statistische Kenngröße bzw. (bivariates) Zusammenhangsmaß wurde im hier vorliegenden Fall Kendall-Tau-b verwendet. Dieses ist eine auf paarweisem Vergleich beruhende Maßzahl ordinalskalierter Variablen, welche Bindungen auf einer der Variablen berücksichtigt. Dabei ist anzumerken, dass nicht immer die Werte -1 und +1 erreicht werden können.2090 Überprüfung HWert3 Für die Maßzahl (des Betrages) der Korrelation gelten die in aufgezeigten Interpretationen. Für die Überprüfung der Signifikanz der Korrelation gilt p > Æ nicht signifikant bzw. p Æ signifikant [mit einem Signifikanzniveau von = 0.05]. Zum besseren Verständnis sind die folgenden Auswertungen bzw. Tabellen absteigend sortiert worden, beginnend mit der größten Korrelation und endend mit der geringsten Korrelation. Die Zehn Gebote (beruf) Kendall-Tau-b
Die Zehn Gebote (privat)
Korrelationskoeffizient
,835(***)
Sig. (1-seitig)
,000
N
109
*** Die Korrelation ist auf dem 0,001 Niveau signifikant (einseitig).
Tabelle 42: Korrelation Grundwerte und grundwertähnliche Werte – 1
Die Ergebnisse der Tabelle 42 zeigen, dass mit einem berechneten Signifikanzwert bzw. p-Wert von 0,000 gilt: 0,000 0,001 Æ höchst signifikant. Dies bedeutet, dass die Korrelation als höchst signifikant eingestuft werden kann. Die Nullhypothese (H0) ist in diesem Fall zu Gunsten der formulierten Alternativhypothese (H1) abzulehnen und somit die Alternativhypothese (H1) anzunehmen. Durch den Korrelationskoeffizienten von 0,835 kann mit 0,7 < 0,835 < 0,9 zwischen den zwei Variablen (verbal) eine hohe Korrelation festgestellt werden. Freiheits- und Menschenrechte (beruf) Kendall-Tau-b
Freiheits- und Menschenrechte (privat)
Korrelationskoeffizient
,733(***)
Sig. (1-seitig)
,000
N
108
*** Die Korrelation ist auf dem 0,001 Niveau signifikant (einseitig).
Tabelle 43: Korrelation Grundwerte und grundwertähnliche Werte – 2
2088
2089
2090
Werte des privaten Alltags korrelieren positiv mit den beruflichen Werten. Unternehmerinnen und Unternehmer machen zwischen persönlichen und beruflichen Werten keine Unterschiede, sie sind gleichgerichtet. Vgl. Kapitel 3.1.3.4. Da es sich bei der formulierten Hypothese um eine Punkthypothese handelt, wird bei der Berechnung der Signifikanz ein einseitiger Signifikanztest angewendet. Vgl. Bühl (2006), S. 342; Janssen/Laatz (2007), S. 268-269.
380
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
Die Ergebnisse der Tabelle 43 zeigen, dass mit einem berechneten Signifikanzwert bzw. p-Wert von 0,000 gilt: 0,000 0,001 Æ höchst signifikant. Dies bedeutet, dass die Korrelation als höchst signifikant eingestuft werden kann. Die Nullhypothese (H0) ist in diesem Fall zu Gunsten der formulierten Alternativhypothese (H1) abzulehnen und somit die Alternativhypothese (H1) anzunehmen. Durch den Korrelationskoeffizienten von 0,733 kann mit 0,7 < 0,733 < 0,9 zwischen den zwei Variablen (verbal) eine hohe Korrelation festgestellt werden, wenngleich anzumerken ist, dass der Wert nur minimal über der Grenze von 0,7 (mittlere Korrelation) liegt. Fairness (beruf) Kendall-Tau-b
Fairness (privat)
Korrelationskoeffizient
,659(***)
Sig. (1-seitig)
,000
N
109
*** Die Korrelation ist auf dem 0,001 Niveau signifikant (einseitig).
Tabelle 44: Korrelation Grundwerte und grundwertähnliche Werte – 3
Die Ergebnisse der Tabelle 44 zeigen, dass mit einem berechneten Signifikanzwert bzw. p-Wert von 0,000 gilt: 0,000 0,001 Æ höchst signifikant. Dies bedeutet, dass die Korrelation als höchst signifikant eingestuft werden kann. Die Nullhypothese (H0) ist in diesem Fall zu Gunsten der formulierten Alternativhypothese (H1) abzulehnen und somit die Alternativhypothese (H1) anzunehmen. Durch den Korrelationskoeffizienten von 0,659 kann mit 0,5 < 0,659 < 0,7 zwischen den zwei Variablen (verbal) eine mittlere Korrelation festgestellt werden. Toleranz gegenüber Andersdenkenden (beruf) Kendall-Tau-b
Toleranz gegenüber Andersdenkenden (privat)
Korrelationskoeffizient
,649(***)
Sig. (1-seitig)
,000
N
109
*** Die Korrelation ist auf dem 0,001 Niveau signifikant (einseitig).
Tabelle 45: Korrelation Grundwerte und grundwertähnliche Werte – 4
Die Ergebnisse der Tabelle 45 zeigen, dass mit einem berechneten Signifikanzwert bzw. p-Wert von 0,000 gilt: 0,000 0,001 Æ höchst signifikant. Dies bedeutet, dass die Korrelation als höchst signifikant eingestuft werden kann. Die Nullhypothese (H0) ist in diesem Fall zu Gunsten der formulierten Alternativhypothese (H1) abzulehnen und somit die Alternativhypothese (H1) anzunehmen. Durch den Korrelationskoeffizienten von 0,649 kann mit 0,5 < 0,649 < 0,7 zwischen den zwei Variablen (verbal) eine mittlere Korrelation festgestellt werden.
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
381 Verantwortung gegenüber der nächsten Generation (beruf)
Kendall-Tau-b
Verantwortung gegenüber der nächsten Generation (privat)
Korrelationskoeffizient
,643(***)
Sig. (1-seitig)
,000
N
107
*** Die Korrelation ist auf dem 0,001 Niveau signifikant (einseitig).
Tabelle 46: Korrelation Grundwerte und grundwertähnliche Werte – 5
Die Ergebnisse der Tabelle 46 zeigen, dass mit einem berechneten Signifikanzwert bzw. p-Wert von 0,000 gilt: 0,000 0,001 Æ höchst signifikant. Dies bedeutet, dass die Korrelation als höchst signifikant eingestuft werden kann. Die Nullhypothese (H0) ist in diesem Fall zu Gunsten der formulierten Alternativhypothese (H1) abzulehnen und somit die Alternativhypothese (H1) anzunehmen. Durch den Korrelationskoeffizienten von 0,643 kann mit 0,5 < 0,643 < 0,7 zwischen den zwei Variablen (verbal) eine mittlere Korrelation festgestellt werden. Solidarität (beruf) Kendall-Tau-b
Solidarität (privat)
Korrelationskoeffizient
,600(***)
Sig. (1-seitig)
,000
N
108
*** Die Korrelation ist auf dem 0,001 Niveau signifikant (einseitig).
Tabelle 47: Korrelation Grundwerte und grundwertähnliche Werte – 6
Die Ergebnisse der Tabelle 47 zeigen, dass mit einem berechneten Signifikanzwert bzw. p-Wert von 0,000 gilt: 0,000 0,001 Æ höchst signifikant. Dies bedeutet, dass die Korrelation als höchst signifikant eingestuft werden kann. Die Nullhypothese (H0) ist in diesem Fall zu Gunsten der formulierten Alternativhypothese (H1) abzulehnen und somit die Alternativhypothese (H1) anzunehmen. Durch den Korrelationskoeffizienten von 0,600 kann mit 0,5 < 0,600 < 0,7 zwischen den zwei Variablen (verbal) eine mittlere Korrelation festgestellt werden. Verantwortung für Mitmenschen (beruf) Kendall-Tau-b
Verantwortung für Mitmenschen (privat)
Korrelationskoeffizient
,557(***)
Sig. (1-seitig)
,000
N
108
*** Die Korrelation ist auf dem 0,001 Niveau signifikant (einseitig).
Tabelle 48: Korrelation Grundwerte und grundwertähnliche Werte – 7
382
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
Die Ergebnisse der Tabelle 48 zeigen, dass mit einem berechneten Signifikanzwert bzw. p-Wert von 0,000 gilt: 0,000 0,001 Æ höchst signifikant. Dies bedeutet, dass die Korrelation als höchst signifikant eingestuft werden kann. Die Nullhypothese (H0) ist in diesem Fall zu Gunsten der formulierten Alternativhypothese (H1) abzulehnen und somit die Alternativhypothese (H1) anzunehmen. Durch den Korrelationskoeffizienten von 0,557 kann mit 0,5 < 0,557 < 0,7 zwischen den zwei Variablen (verbal) eine mittlere Korrelation festgestellt werden. Individualismus (beruf) Kendall-Tau-b
Individualismus (privat)
Korrelationskoeffizient
,555(***)
Sig. (1-seitig)
,000
N
108
*** Die Korrelation ist auf dem 0,001 Niveau signifikant (einseitig).
Tabelle 49: Korrelation Grundwerte und grundwertähnliche Werte – 8
Die Ergebnisse der Tabelle 49 zeigen, dass mit einem berechneten Signifikanzwert bzw. p-Wert von 0,000 gilt: 0,000 0,001 Æ höchst signifikant. Dies bedeutet, dass die Korrelation als höchst signifikant eingestuft werden kann. Die Nullhypothese (H0) ist in diesem Fall zu Gunsten der formulierten Alternativhypothese (H1) abzulehnen und somit die Alternativhypothese (H1) anzunehmen. Durch den Korrelationskoeffizienten von 0,555 kann mit 0,5 < 0,555 < 0,7 zwischen den zwei Variablen (verbal) eine mittlere Korrelation festgestellt werden. Leistung und Leistungsbereitschaft (beruf) Kendall-Tau-b
Leistung und Leistungsbereitschaft (privat)
Korrelationskoeffizient
,542(***)
Sig. (1-seitig)
,000
N
108
*** Die Korrelation ist auf dem 0,001 Niveau signifikant (einseitig).
Tabelle 50: Korrelation Grundwerte und grundwertähnliche Werte – 9
Die Ergebnisse der Tabelle 50 zeigen, dass mit einem berechneten Signifikanzwert bzw. p-Wert von 0,000 gilt: 0,000 0,001 Æ höchst signifikant. Dies bedeutet, dass die Korrelation als höchst signifikant eingestuft werden kann. Die Nullhypothese (H0) ist in diesem Fall zu Gunsten der formulierten Alternativhypothese (H1) abzulehnen und somit die Alternativhypothese (H1) anzunehmen. Durch den Korrelationskoeffizienten von 0,542 kann mit 0,5 < 0,542 < 0,7 zwischen den zwei Variablen (verbal) eine mittlere Korrelation festgestellt werden.
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
383 den Schwächeren helfen (beruf)
Kendall-Tau-b
den Schwächeren helfen (privat)
Korrelationskoeffizient
,440(***)
Sig. (1-seitig)
,000
N
106
*** Die Korrelation ist auf dem 0,001 Niveau signifikant (einseitig).
Tabelle 51: Korrelation Grundwerte und grundwertähnliche Werte – 10
Die Ergebnisse der Tabelle 51 zeigen, dass mit einem berechneten Signifikanzwert bzw. p-Wert von 0,000 gilt: 0,000 0,001 Æ höchst signifikant. Dies bedeutet, dass die Korrelation als höchst signifikant eingestuft werden kann. Die Nullhypothese (H0) ist in diesem Fall zu Gunsten der formulierten Alternativhypothese (H1) abzulehnen und somit die Alternativhypothese (H1) anzunehmen. Durch den Korrelationskoeffizienten von 0,440 kann mit 0,2 < 0,440 < 0,5 zwischen den zwei Variablen (verbal) eine geringe Korrelation festgestellt werden. Diskussion Für alle aufgezeigten Korrelationen zeigte sich, dass diese mit einem Signifikanzwert von jeweils 0,000 unter dem Niveau von 0,001 lagen und somit alle Korrelationen als höchst signifikant eingestuft werden können. Die Nullhypothese ist in diesem Fall zu Gunsten der formulierten Alternativhypothese (HWert3) abzulehnen: HWert3:
Werte des privaten Alltags korrelieren positiv mit den beruflichen Werten. Unternehmerinnen und Unternehmer machen zwischen persönlichen und beruflichen Werten keine Unterschiede, sie sind gleichgerichtet.
Die zuvor dargestellte Alternativhypothese ist somit anzunehmen. Die Korrelation zwischen den Variablen(-paaren) (privat und beruf) Die Zehn Gebote sowie Freiheitsund Menschenrechte wiesen mit einem Korrelationskoeffizienten von 0,835 und 0,733 die höchste (positive) Korrelation aller untersuchen Variablen(-paare) auf. Die hohe Korrelation der „Zehn Gebote“ kann vor dem Hintergrund des westlichen, christlich geprägten Kulturkreises interpretiert werden. Denn die Befragung wurde in diesem durchgeführt. Die aufgeführten Grundwerte bilden die Basis von Handlungen in westlicher bzw. westlich-christlicher Tradition. Dabei beziehen sich die „Zehn Gebote“ (zunächst) vornehmlich auf den privaten Alltag. Der berechnete Korrelationskoeffizient zeigt, dass diese (Grund-)Werte aber auch mit dem unternehmerischen Handeln korrelieren und von Bedeutung sein können, wenn diese durch die Unternehmerinnen und Unternehmer in das Unternehmen hineingetragen und dort umgesetzt werden. Die hohe Korrelation der den Variablen(-paaren) (privat und beruf) Freiheits- und Menschenrechte mit 0,733 könnte auch vor dem Hintergrund der westlichen Kultur interpretiert werden. Denn Freiheitsund Menschenrechte sind als gesetzliche (garantierte) Grundrechte in allen Handlungen zu beachten. Aus diesem Grunde erscheint eine hohe Korrelation dieser Variablen als logisch ableitbar. Für zukünftige Forschungen wäre es interessant zu prüfen, ob die Einhaltung der Freiheits- und Menschenrechte in Län-
384
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
dern mit geringen Sozialstandards ebenso hoch privat und beruflich korreliert. Hier ist zwischen der Bedeutung bzw. Einstellung und der konkreten Handlung zu differenzieren.2091 N Die Zehn Gebote (p) Die Zehn Gebote (b) Freiheitsund Menschenrechte (p) Freiheitsund Menschenrechte (b)
Mittelwert
Median
Modus
Standardabweichung
Min.
Max.
Perzentile
Gültig 109
Fehlend 0
3,53
4,00
5
1,337
1
5
25 3,00
50 4,00
75 5,00
109
0
3,28
3,00
5
1,460
1
5
2,00
3,00
5,00
109
0
4,78
5,00
5
,583
1
5
5,00
5,00
5,00
108
1
4,57
5,00
5
,823
1
5
4,00
5,00
5,00
(p) = Privat; (b) = Beruf
Tabelle 52: Deskriptive Statistik Grundwerte und grundwertähnliche Werte – Teilauswahl 1
Die Ergebnisse wiesen in Bezug auf Die Zehn Gebote und Freiheits- und Menschenrechte eine hohe Korrelation auf, wobei bei den Befragten die Relevanz Der Zehn Gebote eher gering und die Relevanz der Freiheits- und Menschenrechte eher hoch anzusiedeln war, wie dies Tabelle 52 entnommen werden kann. Eine mittlere Korrelation wiesen zum einen die Variablen(-paare) (privat und beruflich) Fairness (0,659), Toleranz gegenüber Andersdenkenden (0,649), Verantwortung gegenüber der nächsten Generation (0,643) und Solidarität (0,600) auf. Der Betrag der einzelnen Korrelationskoeffizienten kann als im oberen Bereich des Interpretationsniveaus angenommen werden. Zum anderen wiesen auch die Werte Verantwortung für Mitmenschen (0,557), Individualismus (0,555) und Leistung und Leistungsbereitschaft (0,542) eine mittlere Korrelation auf. Dabei ist allerdings anzumerken, dass diese drei letztgenannten Werte zwar im Bereich von 0,5 bis 0,7 für eine Interpretation der Stärke der Korrelation eine mittlere Korrelation aufwiesen, allerdings lagen die Beträge der Korrelationskoeffizienten nicht wesentlich über der unteren Niveaugrenze von 0,5. Tabelle 53 zeigt nochmals die Relevanz der einzelnen Werte auf mittlerem Korrelationsniveau im beruflichen und privaten Alltag für die befragten Unternehmerinnen und Unternehmer, so dass eine Kontexteinordnung und Interpretation leichter möglich ist.
2091
Siehe zum Zusammenhang von Einstellung, Intention und Handlung auch Kapitel 2.1.2.4.
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen N Fairness (p) Fairness (b) Toleranz gegenüber Andersdenkenden (p) Toleranz gegenüber Andersdenkenden (b) Verantwortung gegenüber der nächsten Generation (p) Verantwortung gegenüber der nächsten Generation (b) Solidarität (p) Solidarität (b) Verantwortung für Mitmenschen (p) Verantwortung für Mitmenschen (b) Individualismus (p) Individualismus (b) Leistung und Leistungsbereitschaft (p) Leistung und Leistungsbereitschaft (b)
385
Mittelwert
Median
Modus
Standardabweichung
Min.
Max.
Perzentile
Gültig 109 109 109
Fehlend 0 0 0
4,68 4,51 4,32
5,00 5,00 4,00
5 5 5
,525 ,777 ,706
2 2 3
5 5 5
25 4,00 4,00 4,00
50 5,00 5,00 4,00
75 5,00 5,00 5,00
109
0
3,94
4,00
4
1,012
1
5
3,00
4,00
5,00
108
1
4,46
5,00
5
,676
2
5
4,00
5,00
5,00
107
2
4,07
4,00
5
1,043
1
5
3,00
4,00
5,00
109
0
3,90
4,00
4
,962
1
5
3,00
4,00
5,00
108
1
3,56
4,00
4
1,097
1
5
3,00
4,00
4,00
109
0
4,33
4,00
5
,721
2
5
4,00
4,00
5,00
108
1
4,16
4,00
5
,919
1
5
4,00
4,00
5,00
109
0
4,01
4,00
4
,977
1
5
3,00
4,00
5,00
108
1
3,56
4,00
4
1,097
1
5
3,00
4,00
4,00
109
0
4,19
4,00
5
,866
1
5
4,00
4,00
5,00
108
1
4,63
5,00
5
,540
3
5
4,00
5,00
5,00
(p) = Privat; (b) = Beruf
Tabelle 53: Deskriptive Statistik Grundwerte und grundwertähnliche Werte – Teilauswahl 2
386
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
Die Korrelation zwischen den Variablen(-paaren) (privat und beruf) den Schwächeren helfen wies mit einem Korrelationskoeffizienten von 0,440 eine geringe Korrelation auf. In Bezug auf alle untersuchen Variablen( paare) war dies auch die geringste Korrelation. Aus theoretischer Sicht kann diese geringe Korrelation dahingehend interpretiert werden, dass dieser Wert den Schwächeren helfen im privaten und beruflichen Alltag nicht die gleiche Relevanz besitzt, da dieser Wert tendenziell eher im privaten Alltag bedeutsam erscheint, denn im beruflichen Alltag. Diese Annahme wird auch durch die empirischen Ergebnisse der Tabelle 54 sowie die Ausführungen zu Beginn dieses Kapitals gestützt. N den Schwächeren helfen (p) den Schwächeren helfen(b)
Mittelwert
Median
Modus
Standardabweichung
Min.
Gültig
Fehlend
108
1
4,03
4,00
4
,791
2
106
3
3,36
3,00
3
,987
1
Max.
Perzentile 25
50
75
5
3,00
4,00
5,00
5
3,00
3,00
4,00
(p) = Privat; (b) = Beruf
Tabelle 54: Deskriptive Statistik Grundwerte und grundwertähnliche Werte – Teilauswahl 3
3.2.2.2
Ausgewählte normative Ethikpositionen
In Bezug auf ausgewählte normative Ethikpositionen wurde in Kapitel 2.5 die folgende Hypothese formuliert: HEthik:
Normative Ethikpositionen des privaten Alltags korrelieren positiv mit den beruflichen normativen Ethikpositionen. Unternehmerinnen und Unternehmer machen zwischen persönlichen und beruflichen Ethikpositionen keine Unterschiede, sie sind gleichgerichtet.
Messkonstrukt Die unterschiedlichen Typen ethischer Argumentation können danach differenziert werden, welche Grundlage für eine Bewertung diese bevorzugen. Aufbauend auf den Erörterungen der Kapitel 2.1.3.5 und 2.1.3.7 wurden ausgewählte normative Ethikpositionen bzw. Konzepte ausgewählt, die auf ihre Relevanz für Unternehmerinnen und Unternehmer für Handlungen im privaten und beruflichen Alltag hin untersucht werden sollten. Für die Erhebung wurden die Items aus Befragungen bei Becker (1996) und Kaufmann/Kerber/Zulehner (1986) entlehnt und zur Erhebung der normativen Ethikpositionen im Rahmen der hier vorliegenden Befragung verwendet.2092 Tabelle 55 zeigt die Items zur Erfassung normativer Ethikpositionen.
2092
Siehe grundlegend Becker (1996) und Kaufmann/Kerber/Zulehner (1986).
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
387
Items
Normative Ethik
Behandle deine Mitmenschen so, wie du auch von ihnen behandelt werden willst. („Was Du nicht willst, das man dir tu', das füg' auch keinem anderen zu“)
Goldene Regel
Handle stets so, dass die Richtschnur deines Handelns zugleich als allgemeines Gesetz gelten kann.
Kategorischer Imperativ nach Kant
Handle stets so, dass Du dem Gemeinwohl nützt.
Utilitarismus
Handle stets so, dass vor allem die Interessen der Schwächsten berücksichtigt werden.
Gerechtigkeitsethik nach Rawls
Handle stets so, dass die von deiner Handlung Betroffenen einverstanden sein können.
Diskursethik nach Habermas
Handle so, dass menschliches Leben auch in der Zukunft nicht gefährdet ist.
Das Prinzip Verantwortung nach Jonas
Tabelle 55: Normative Ethikpositionen2093
Die einzelnen Ethikpositionen können dabei sowohl im Rahmen des individuellen (außerberuflichen) Alltages bzw. Lebens (Privatleben), als auch im beruflichen (unternehmerischen) Alltag bzw. Leben für ein Individuum (aber auch für eine Institution) von Bedeutung sein. Aus diesem Grunde ist es eine Besonderheit dieses Themenkomplexes, dass die befragten Unternehmerinnen und Unternehmer zu der Relevanz der normativen Ethikpositionen hinsichtlich ihres persönlichen Alltages und ihres beruflichen Alltages befragt wurden. Es lag in diesem Falle eine Doppelmatrixfrage vor. Die Befragten konnten auf einer 5er-(Likert-)Skala mit den Abstufungen (nicht bedeutsam, wenig bedeutsam, mittelmäßig bedeutsam, ziemlich bedeutsam, sehr bedeutsam) ihre Antwort differenzieren.
2093
In Anlehnung und Erweiterung an Becker (1996), S. 200-209.
388
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
Empirische Ergebnisse Zunächst erfolgt in Abbildung 52 und der zugehörigen Tabelle 56 eine Darstellung der deskriptiven Ergebnisse in Bezug auf die Einschätzung der Bedeutsamkeit normativer Ethikpositionen. Frage: Wie bedeutsam sind die folgenden Aussagen für Handlungen in Ihrem Privatleben/Berufsleben? 100%
nicht bedeutsam wenig bedeutsam mittelmäßig bedeutsam ziemlich bedeutsam sehr bedeutsam
Prozente
75%
50%
25%
Gerechtigkeitsethik (p)
Gerechtigkeitsethik (b)
Utilitarismus (b)
Utilitarismus (p)
Diskursethik (p)
Diskursethik (b)
Kategorischer Imperativ (b)
Kategorischer Imperativ (p)
Prinzip Verantwortung (b)
Prinzip Verantwortung (p)
Goldene Regel (b)
Goldene Regel (p)
0%
(p) = privat; (b) = Beruf
Abbildung 52: Häufigkeiten der Bedeutsamkeit normativer Ethikpositionen
Prinzip Verantwortung (p)
Prinzip Verantwortung(b)
Kategorischer Imperativ (p)
Kategorischer Imperativ (b)
Diskursethik (p)
Diskursethik (b)
Utilitarismus (p)
Utilitarismus (b)
Gerechtigkeitsethik (p)
Gerechtigkeitsethik (b)
% 1,8%
% 2,8%
%
% 1,8%
% 0,9%
% 3,7%
% 4,6%
% 9,2%
% 2,8%
% 11,0%
N=2
N=3
N=2
N=1
N=4
N=5
N=10
N=3
N=12
0,9%
1,8%
5,5%
7,3%
10,2%
18,3%
9,3%
12,8%
18,3%
25,7%
N=1
N=2
N=6
N=8
N=11
N=20
N=10
N=14
N=20
N=28
5,5%
6,4%
9,2%
24,8%
20,2%
24,1%
26,6%
32,4%
35,8%
33,9%
32,1%
N=6
N=7
N=10
N=27
N=22
N=26
N=29
N=35
N=39
N=37
N=35
Goldene Regel (p)
Goldene Regel (b)
%
%
nicht bedeutsam wenig bedeutsam mittelmäßig bedeutsam ziemlich bedeutsam
18,3%
19,3%
24,8%
24,8%
33,9%
31,2%
35,2%
26,6%
43,5%
32,1%
31,2%
22,9%
N=20
N=21
N=27
N=27
N=37
N=34
N=38
N=29
N=47
N=35
N=34
N=25
sehr bedeutsam
81,7%
75,2%
66,1%
61,5%
35,8%
39,4%
29,6%
24,8%
10,2%
10,1%
13,8%
8,3%
N=89
N=82
N=72
N=67
N=39
N=43
N=32
N=27
N=11
N=11
N=15
N=9
(p) = privat; (b) = Beruf
Tabelle 56: Häufigkeiten normativer Ethikpositionen
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
389
Wie der Abbildung 52 sowie Tabelle 56 entnommen werden kann, kam dem Konzept der Goldenen Regel (Behandle deine Mitmenschen so, wie du auch von ihnen behandelt werden willst bzw. „Was Du nicht willst, das man dir tu', das füg' auch keinem anderen zu“) in den Kategorien „sehr bedeutsam“ und „ziemlich bedeutsam“ die höchste Bedeutung für (die Rechtfertigung von) Handlungen im privaten, als auch beruflichen Alltag zu. Im privaten Alltag waren von den fünf Antwortkategorien lediglich diese höchsten Beiden mit Antworten besetzt (sehr bedeutsam: 81,7 % und ziemlich bedeutsam: 18,3 %). Ein ähnliches Bild ergab sich im beruflichen Alltag, wenngleich mit 5,5 % auch Antworten in der Kategorie „mittelmäßig bedeutsam“ vorlagen. Das Konzept der Goldenen Regel kann, wenngleich es in vielen Kulturkreisen vorzufinden ist, als wesentliches (ethisches) Konzept im westlich-christlich geprägten Kulturkreis angesehen werden. Die Rücksichtname bezieht sich dabei in der hier vorliegenden Ausprägung konkret auf ein (relativ nahe stehendes) Individuum. Es zeigt sich ein konkreter Bezug auf den Menschen. Dem Prinzip Verantwortung (Handle so, dass menschliches Leben auch in der Zukunft nicht gefährdet ist) nahm bei den befragten Unternehmerinnen und Unternehmern aufgrund der Antwortmuster die zweithöchste Bedeutung ein. Auch hier beinhaltete diese normative Ethikposition, wie bei der goldenen Regel, einen konkreten Bezug zum Menschen bzw. zum menschlichen Leben. Bezogen auf die Bedeutsamkeit folgten der Kategorische Imperativ (Handle stets so, dass die Richtschnur deines Handelns zugleich als allgemeines Gesetz gelten kann.) sowie die Diskursethik (Handle stets so, dass die von deiner Handlung Betroffenen einverstanden sein können). Hier zeigte sich, dass diese normativen Ethikpositionen für die befragten Unternehmerinnen und Unternehmer schon eine geringere Bedeutung für Handlungen im privaten und beruflichen Alltag besaßen, als die vorangegangenen zwei Konzepte. Die normativen Ethikpositionen des Utilitarismus (Handle stets so, dass Du dem Gemeinwohl nützt) sowie der Gerechtigkeitsethik (Handle stets so, dass vor allem die Interessen der Schwächsten berücksichtigt werden) waren für Handlungen im privaten und beruflichen Alltag von geringster Bedeutung.2094 Diese beiden Positionen weisen einen (konkreten) Bezug zur Allgemeinheit in Form des „Gemeinwohls“ und „die Interessen der Schwächeren“ auf. Diese schienen für Handlungen der Unternehmerinnen und Unternehmer eine geringere Bedeutung zu besitzen.2095 Abschließend sei an dieser Stelle noch die deskriptive Statistik der Variablen in Tabelle 57 dargestellt.
2094
2095
Anzumerken ist in diesem Kontext, dass die Unterschiede im Antwortverhalten bzgl. der Bedeutsamkeit auch durch die Komplexität der jeweiligen Antwortitems beeinflusst werden könnte. Denn das Konzept der Goldenen Regel könnte mitunter einfacher verstanden und auf konkrete, individuelle Handlungen bezogen bzw. mit diesen verknüpft werden, als dies bei (sprachlich) komplexeren Antwortitems der Fall ist. In diesem Kontext kann angemerkt werden, dass es sich bei der Frage hinsichtlich der Bedeutsamkeit bzw. den spezifischen Antworten um individuelle Einstellungen bzw. Wichtigkeitseinschätzungen handelt. Eine differenziertere Betrachtung bzw. Untersuchung, wie eine Rechtfertigung von (hypothetischen) Handlungen mittels normativ-ethischer Ethikpositionen vorgenommen wird, erfolgt mittels eines Tests in Kapitel 3.2.3.6.
390
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen N
Goldene Regel (p) Goldene Regel (b) Prinzip Verantwortung (p) Prinzip Verantwortung (b) Kategorischer Imperativ (p) Kategorischer Imperativ (b) Diskursethik (p) Diskursethik (b) Utilitarismus (p) Utilitarismus (b) Gerechtigkeitsethik (p) Gerechtigkeitsethik (b)
Mittelwert
Median
Modus
Standardabweichung
Min.
Max.
25
50
75
0
4,82
5,00
5
,389
4
5
5,00
5,00
5,00
109
0
4,70
5,00
5
,569
3
5
4,50
5,00
5,00
109
0
4,52
5,00
5
,812
1
5
4,00
5,00
5,00
109
0
4,40
5,00
5
,934
1
5
4,00
5,00
5,00
109
0
4,00
4,00
5
,913
2
5
3,00
4,00
5,00
109
0
3,99
4,00
5
1,032
1
5
3,00
4,00
5,00
108
1
3,82
4,00
4
1,003
1
5
3,00
4,00
5,00
109
0
3,50
4,00
3
1,160
1
5
3,00
4,00
4,50
108
1
3,45
4,00
4
,961
1
5
3,00
4,00
4,00
109
0
3,21
3,00
3
1,089
1
5
3,00
3,00
4,00
109
0
3,35
3,00
3
1,022
1
5
3,00
3,00
4,00
109
0
2,92
3,00
3
1,123
1
5
2,00
3,00
4,00
Gültig
Fehlend
109
Perzentile
(p) = privat; (b) = Beruf
Tabelle 57: Deskriptive Statistik normativer Ethikpositionen
Das Muster des Antwortverhaltens der Befragten weist auf die Frage hin, ob die normativen Ethikpositionen Unterschiede in Bezug auf den privaten und beruflichen Alltag aufweisen. Diese Frage wird im Folgenden durch in Form einer Korrelationsanalyse näher gehend untersucht. Korrelationsanalyse Für eine Prüfung der Hypothese HEthik2096 wurde eine Korrelationsanalyse mittels eines (bivariaten) Zusammenhangsmaßes durchgeführt.2097 Als statistische Kenngröße bzw. (bivariates) Zusammenhangsmaß wurde im hier vorliegenden Fall Kendall-Tau-b verwendet. Dieses ist eine auf paarweisem Vergleich beruhende Maßzahl ordinalskalierter Variablen, welches Bindungen auf einer der Variablen berücksichtigt. Dabei ist anzumerken, dass nicht immer die Werte -1 und +1 erreicht werden können.2098 Überprüfung HEthik Für die Maßzahl (des Betrages) der Korrelation gelten die in Tabelle 21 aufgezeigten Interpretationen. Für die Überprüfung der Signifikanz der Korrelation gilt p > Æ nicht signifikant bzw. p Æ signifikant [mit einem Signifikanzniveau von = 0.05]. Zum besseren Verständnis sind die folgenden Auswertungen bzw. Tabellen absteigend sortiert worden, beginnend mit der größten Korrelation und endend mit der geringsten Korrelation.
2096
2097 2098
Normative Ethikpositionen des privaten Alltags korrelieren positiv mit den beruflichen normativen Ethikpositionen. Unternehmerinnen und Unternehmer machen zwischen persönlichen und beruflichen Ethikpositionen keine Unterschiede, sie sind gleichgerichtet. Siehe zur Korrelationsanalyse auch. Kapitel 3.1.3.4. Vgl. Bühl (2006), S. 342; Janssen/Laatz (2007), S. 268-269.
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
391 Handle so, dass menschliches Leben auch in der Zukunft nicht gefährdet ist. (beruf)
Kendall-Tau-b
Handle so, dass menschliches Leben auch in der Zukunft nicht gefährdet ist. (privat)
Korrelationskoeffizient
,844(***)
Sig. (1-seitig)
,000
N
109
*** Die Korrelation ist auf dem 0,001 Niveau signifikant (einseitig).
Tabelle 58: Korrelation normativer Ethikpositionen – 1
Die Ergebnisse der Tabelle 58 zeigen, dass mit einem berechneten Signifikanzwert bzw. p-Wert von 0,000 gilt: 0,000 0,001 Æ höchst signifikant. Dies bedeutet, dass die Korrelation als höchst signifikant eingestuft werden kann. Die Nullhypothese (H0) ist in diesem Fall zu Gunsten der formulierten Alternativhypothese (H1) abzulehnen und somit die Alternativhypothese (H1) anzunehmen. Durch den Korrelationskoeffizienten von 0,844 kann mit 0,7 < 0,844 < 0,9 zwischen den zwei Variablen (verbal) eine hohe Korrelation festgestellt werden. Handle stets so, dass die Richtschnur deines Handelns zugleich als allgemeines Gesetz gelten kann. (beruf) Kendall-Tau-b
Handle stets so, dass die Richtschnur deines Handelns zugleich als allgemeines Gesetz gelten kann. (privat)
Korrelationskoeffizient
,840(***)
Sig. (1-seitig)
,000
N
109
*** Die Korrelation ist auf dem 0,001 Niveau signifikant (einseitig).
Tabelle 59: Korrelation normativer Ethikpositionen – 2
Die Ergebnisse der Tabelle 59 zeigen, dass mit einem berechneten Signifikanzwert bzw. p-Wert von 0,000 gilt: 0,000 0,001 Æ höchst signifikant. Dies bedeutet, dass die Korrelation als höchst signifikant eingestuft werden kann. Die Nullhypothese (H0) ist in diesem Fall zu Gunsten der formulierten Alternativhypothese (H1) abzulehnen und somit die Alternativhypothese (H1) anzunehmen. Durch den Korrelationskoeffizienten von 0,840 kann mit 0,7 < 0,840 < 0,9 zwischen den zwei Variablen (verbal) eine hohe Korrelation festgestellt werden.
392
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen Handle stets so, dass Du dem Gemeinwohl nützt. (beruf)
Kendall-Tau-b
Handle stets so, dass Du dem Gemeinwohl nützt. (privat)
Korrelationskoeffizient
,756(***)
Sig. (1-seitig)
,000
N
108
*** Die Korrelation ist auf dem 0,001 Niveau signifikant (einseitig).
Tabelle 60: Korrelation normativer Ethikpositionen – 3
Die Ergebnisse der Tabelle 60 zeigen, dass mit einem berechneten Signifikanzwert bzw. p-Wert von 0,000 gilt: 0,000 0,001 Æ höchst signifikant. Dies bedeutet, dass die Korrelation als höchst signifikant eingestuft werden kann. Die Nullhypothese (H0) ist in diesem Fall zu Gunsten der formulierten Alternativhypothese (H1) abzulehnen und somit die Alternativhypothese (H1) anzunehmen. Durch den Korrelationskoeffizienten von 0,756 kann mit 0,7 < 0,756 < 0,9 zwischen den zwei Variablen (verbal) eine hohe Korrelation festgestellt werden. Handle stets so, dass die von deiner Handlung Betroffenen einverstanden sein können. (beruf) Kendall-Tau-b
Handle stets so, dass die von deiner Handlung Betroffenen einverstanden sein können. (privat)
Korrelationskoeffizient
,749(***)
Sig. (1-seitig)
,000
N
108
*** Die Korrelation ist auf dem 0,001 Niveau signifikant (einseitig).
Tabelle 61: Korrelation normativer Ethikpositionen – 4
Die Ergebnisse der Tabelle 61 zeigen, dass mit einem berechneten Signifikanzwert bzw. p-Wert von 0,000 gilt: 0,000 0,001 Æ höchst signifikant. Dies bedeutet, dass die Korrelation als höchst signifikant eingestuft werden kann. Die Nullhypothese (H0) ist in diesem Fall zu Gunsten der formulierten Alternativhypothese (H1) abzulehnen und somit die Alternativhypothese (H1) anzunehmen. Durch den Korrelationskoeffizienten von 0,749 kann mit 0,7 < 0,749 < 0,9 zwischen den zwei Variablen (verbal) eine hohe Korrelation festgestellt werden.
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
393 Behandle deine Mitmenschen so, wie du auch von ihnen behandelt werden willst. („Was Du nicht willst, das man dir tu', das füg' auch keinem anderen zu“) (beruf)
Kendall-Tau-b
Behandle deine Mitmenschen so, wie du auch von ihnen behandelt werden willst. („Was Du nicht willst, das man dir tu', das füg' auch keinem anderen zu“) (privat)
Korrelationskoeffizient
,660(***)
Sig. (1-seitig)
,000
N
109
*** Die Korrelation ist auf dem 0,001 Niveau signifikant (einseitig).
Tabelle 62: Korrelation normativer Ethikpositionen – 5
Die Ergebnisse der Tabelle 62 zeigen, dass mit einem berechneten Signifikanzwert bzw. p-Wert von 0,000 gilt: 0,000 0,001 Æ höchst signifikant. Dies bedeutet, dass die Korrelation als höchst signifikant eingestuft werden kann. Die Nullhypothese (H0) ist in diesem Fall zu Gunsten der formulierten Alternativhypothese (H1) abzulehnen und somit die Alternativhypothese (H1) anzunehmen. Durch den Korrelationskoeffizienten von 0,660 kann mit 0,5 < 0,660 < 0,7 zwischen den zwei Variablen (verbal) eine mittlere Korrelation festgestellt werden. Handle stets so, dass vor allem die Interessen der Schwächsten berücksichtigt werden. (beruf) Kendall-Tau-b
Handle stets so, dass vor allem Korrelationskoeffizient die Interessen der Schwächsten berücksichtigt werden. (privat)
,629(**)
Sig. (1-seitig)
,000
N
109
*** Die Korrelation ist auf dem 0,001 Niveau signifikant (einseitig).
Tabelle 63: Korrelation normativer Ethikpositionen – 6
Die Ergebnisse der Tabelle 63 zeigen, dass mit einem berechneten Signifikanzwert bzw. p-Wert von 0,000 gilt: 0,000 0,001 Æ höchst signifikant. Dies bedeutet, dass die Korrelation als höchst signifikant eingestuft werden kann. Die Nullhypothese (H0) ist in diesem Fall zu Gunsten der formulierten Alternativhypothese (H1) abzulehnen und somit die Alternativhypothese (H1) anzunehmen. Durch den Korrelationskoeffizienten von 0,629 kann mit 0,5 < 0,629 < 0,7 zwischen den zwei Variablen (verbal) eine mittlere Korrelation festgestellt werden.
394
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
Diskussion Für alle aufgezeigten Korrelationen zeigte sich, dass diese mit einem Signifikanzwert von jeweils 0,000 unter dem Niveau von 0,001 lagen und somit alle Korrelationen als höchst signifikant eingestuft werden können. Die Nullhypothese (H0) ist in diesem Fall zu Gunsten der formulierten Alternativhypothese (H1) abzulehnen: HEthik:
Normative Ethikpositionen des privaten Alltags korrelieren positiv mit den beruflichen normativen Ethikpositionen. Unternehmerinnen und Unternehmer machen zwischen persönlichen und beruflichen Ethikpositionen keine Unterschiede, sie sind gleichgerichtet.
Die zuvor dargestellte Alternativhypothese (H1) ist somit anzunehmen. Die Variablen(-paare) (privat/beruflich) Handle so, dass menschliches Leben auch in der Zukunft nicht gefährdet ist (0,844) [Prinzip Verantwortung nach Jonas] sowie Handle stets so, dass die Richtschnur deines Handelns zugleich als allgemeines Gesetz gelten kann (0,840) [Kategorischer Imperativ] wiesen den höchsten Korrelationskoeffizienten auf. Durch die Korrelationskoeffizienten ergab sich (verbal) eine hohe Korrelation. Dabei ist anzumerken, dass die Werte sich nahe der oberen Niveaugrenze von 0,9 befinden. Darüber hinaus wiesen auch die Variablen(-paare) Handle stets so, dass Du dem Gemeinwohl nützt (0,756) [Utilitarismus] sowie Handle stets so, dass die von deiner Handlung Betroffenen einverstanden sein können (0,749) [Diskursethik] eine hohe Korrelation auf, wenngleich der Betrag der Korrelationskoeffizienten sich eher an der unteren Niveaugrenze befand. Bei den Variablen(-paaren) Behandle deine Mitmenschen so, wie du auch von ihnen behandelt werden willst. („Was Du nicht willst, das man dir tu', das füg' auch keinem anderen zu“) (0,660) [Goldene Regel] und Handle stets so, dass vor allem die Interessen der Schwächsten berücksichtigt werden (0,629) [Gerechtigkeitsethik nach Rawls] konnte eine mittlere Korrelation beobachtet werden. Angemerkt werden kann in diesem Kontext, dass wie bereits in den Korrelationsberechnungen der Grundwerte und grundwertähnlichen Werte des Kapitels 3.2.2.1.2 die Berücksichtigung „der Schwächeren“ bzw. „der Schwächsten“ jeweils in Relation zu allen anderen Korrelationsberechnungen den geringsten Korrelationskoeffizienten aufwies. Es könnte eine Tendenz angenommen werden, dass die Korrelation von Variablen(-paaren), die den (semantischen) Inhalt „den Schwächeren helfen“ aufweisen, eine geringere Korrelation beinhaltet. 3.2.2.3
Ethische Positionierung des Entrepreneurs
Zur ethischen Positionierung des Entrepreneurs wird in der vorliegenden Ausarbeitung der Ethics Position Questionnaire (EPQ) verwendet, welcher im angloamerikanischen Sprachraum oftmals im Rahmen von Ethikuntersuchungen eingesetzt wird. Um den EPQ im deutschen Sprachraum einsetzen zu können, wurde dieser aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt und dann wieder rückübersetzt, um die Semantik der Übersetzung zu überprüfen und die Semantik im Deutschen und Englisch identisch zu halten. Messkonstrukt Der Ethics Position Questionnaire wurde von Donelson R. Forsyth entwickelt. Im EPQ werden vier unterschiedliche ethische Perspektiven diskutiert. Hierbei handelt es sich um den Situationismus, den Absolu-
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
395
tismus, den Subjektivismus und den Exceptionismus. Diese vier Perspektiven sind Ausprägungen der zwei Hauptdimensionen des Relativismus und des Idealismus, an denen sich der EPQ orientiert.2099 Der Entwicklung des EPQ geht ein erster Entwicklungsversuch eines psychologischen Testes durch Schlenker/Forsyth (1977) voraus. Die Annahme hierbei war, dass individuelle Variationen bei Ansätzen moralischer Beurteilung vornehmlich durch zwei schlanke Grundfaktoren beschrieben werden. Der Originaltest von Schlenker/Forsyth (1977) ist dabei lediglich zur ethischen Beurteilung im Kontext der psychologischen Forschung anwendbar gewesen. Das Ziel des EPQ war eine traditionelle Skalenentwicklung die auf alle Typen moralischer Situationen anwendbar ist.2100 Die Dimension bzw. der Faktor des Relativismus beschreibt das Ausmaß, bei dem ein Individuum universelle moralische Maßstäbe ablehnt, um stattdessen relative Maßstäbe anzusetzen. In dieser Dimension lassen sich zwei Extrempositionen diskutieren. Zum einen lehnen einige Individuen die Möglichkeit der Formulierung oder des Vertrauens auf universale, moralische Regeln ab, um Schlüsse über moralische Fragestellungen zu ziehen. Wohingegen andere Personen an absolute moralische Maßstäbe glauben und diese anwenden, wenn sie Entscheidungen treffen.2101 Die zweite bedeutende Dimension, die persönlichen Variationen moralischer Beurteilungen zugrunde liegt, ist der Idealismus. Wie beim Relativismus lassen sich auch beim Idealismus zwei Extrempositionen dieser Dimension aufzeigen. Einige Personen nehmen idealistischer Weise an, dass wünschenswerte Konsequenzen mit der „richtigen“ Handlung immer erreicht werden können. Bei einer wenig ausgeprägten idealistischen Orientierung erkennen Personen an, dass nicht wünschenswerte Konsequenzen oftmals mit gewünschten vermischt sind.2102 Bei einer Dichotomisierung der Dimensionen des Relativismus und des Idealismus ergibt sich eine 2x2 Matrix der Klassifikation ethischer Ideologien. Die Taxonomie zeigt an, dass Individuen eine der vier unterschiedlichen Ansätze (Situationismus, Absolutismus, Subjektivismus, Exceptionismus) annehmen bzw. unterstützen können, um ethische Entscheidungen zu treffen. Die Aufnahme bzw. Einbeziehung in eine dieser vier Gruppen wird dadurch bestimmt, ob eine Person idealistische Werte oder nicht-idealistische Werte annimmt und ob sie glaubt, dass moralische Regeln universal oder relativ sind.2103 Abbildung 53 verdeutlicht die 2x2-Matrix des EPQ nach Forsyth (1980)2104
2099 2100 2101 2102 2103 2104
Vgl. Forsyth (1980), S. 175. Vgl. Forsyth (1980), S. 175 und 177. Vgl. Forsyth (1980), S. 175-176. Vgl. Forsyth (1980), S. 176. Vgl. Forsyth (1980), S. 176. Vgl. Forsyth (1980), S. 176.
396
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
Relativismus Hoch
Idealismus
Hoch
Niedrig
Niedrig
Situationisten
Absolutisten (Deontologie)
Ablehnung moralischer Regeln Verfechter bzw. Befürworter einer individualistischen Analyse einer jeden Handlung in jeder Situation Relativistisch Durchführung einer Kontextanalyse moralisch fragwürdiger Handlungen
Annahme das das bestmögliche Ergebnis immer dadurch erreicht wird, dass universalen moralischen Regeln gefolgt wird Verwendung universaler moralischer Prinzipien zur Formulierung moralischer Entscheidungen
Subjektivisten
Exceptionisten (Teleologie)
Bewertung bzw. Burteilung basiert auf persönlichen Werten und Perspektiven denn auf universalen, moralischen Prinzipien Relativistisch Moralische Entscheidungen sollten primär auf den eigenen persönlichen Werten beruhen
Moralische Nomen als Richtwert von Entscheidungen aber pragmatisch offen für Ausnahmen dieser Standards Utilitaristisch Ausnahmen müssen manchmal gegenüber moralischen Imperativen gemacht werden
Abbildung 53: Taxonomie ethischer Ideologien im EPQ
Die Taxonomie ethischer Ideologien im EPQ ist eine kurze Beschreibung der Charakteristika von Einzelpersonen innerhalb einer jeden Kategorie. Detaillierte Informationen über die vier Typen können durch den Vergleich dieser Typen mit einer spezifischen Denkrichtung in der Philosophie erhalten werden. Obwohl ein Vergleich bzw. eine Gegenüberstellung der einzelnen ethischen Ideologien des EPQ mit einem Gegenstück in der Philosophie viel zur Klärung der Natur einer jeden Position beiträgt, darf nicht übersehen werden, dass zwischen einer philosophischen Analyse eines moralischen Problems und einer psychologischen Analyse einer ethischen Ideologie von Einzelpersonen eine Unterscheidung getroffen werden muss. Deshalb, obwohl es heuristisch ist diese Parallelen zu nennen, behauptet dieser Vergleich nicht, dass sich die psychologischen Ideologien nicht in gewisser Hinsicht von den korrespondierenden Moralphilosophien unterscheiden. Aus diesem Grunde werden, ganz im Gegensatz zu Schlenker/Forsyth (1977), nichtphilosophische Bezeichnungen zur Repräsentierung der einzelnen Ideologien verwendet.2105 Die Gruppe der Situationisten und der Subjektivsten, die eine hohe Ausprägung auf der Dimension des Relativismus besitzen, befürwortet eine ethische Ideologie, die dem ethischen Skeptizismus zugeordnet werden kann. Eine skeptische Sichtweise in der Moralphilosophie erkennt an, dass es viele unterschiedliche Wege gibt Moralität zu betrachten. Alle Varianten des Skeptizismus versuchen mehr oder weniger die Personen zu kritisieren, die versuchen ausdrückliche, festgelegte ethische Prinzipien aufzuzeigen. In der Typologie des EPQ können Personen mit einer hohen Ausprägung im Relativismus (Relativisten), gleichzeitig eine hohe bzw. niedrige Ausprägung auf der Dimension des Idealismus aufweisen. Diese Differenzierung lässt sich auch auf die Moralphilosophie übertragen. Situationisten gehören zu einem Skeptizismus (mit einem hohen Idealismus). Im Kern steht ein Miss2105
Vgl. Forsyth (1980), S. 176-177.
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
397
tauen absoluter moralischer Prinzipien und Argumentation. Stattdessen wird argumentiert, dass jede Situation individuell betrachtet und untersucht werden sollte. Subjektivisten können verstanden werden als Vertreter des ethischen Egoismus, welcher einen pragmatischen Ansatz der Bewertung einer Handlung vertritt. Es wird die Auffassung vertreten, dass keine moralischen Standards gültig sind, außer solchen mit einem Bezug auf das eigene Verhalten. Moralische Evaluationen müssen letztlich auf der persönlichen Sichtweise beruhen.2106 Die Gruppe der Absolutisten und Exceptionisten ist auf der nichtrelativistischen Dimension einzuordnen, da diese eine niedrige Ausprägung auf der Dimension des Relativismus besitzen. Eine niedrige Ausprägung beim Relativismus und eine hohe Ausprägung beim Idealismus kennzeichnen die Absolutisten. Absolutisten neigen dazu Äußerungen bzw. Erklärungen zuzustimmen, die übereinstimmend mit dem generellen Ansatz der Deontologie in der Moralphilosophie sind. In der Deontologie werden Handlungen als moralisch oder unmoralisch durch einen Vergleich mit einer absoluten, universellen moralischen Regel gerechtfertigt. Eine herausragende, immer wieder zitierte deontologische Ethikposition ist die Kantsche Ethik. Kant argumentiert dabei, dass ein moralisches Prinzip ungeachtet seiner Konsequenzen keine Ausnahmen erlaubt.2107 Obwohl keine ethische Ideologie, die durch eine Einzelperson angenommen wird alle Charakteristika eines reinen deontologischen Ansatzes aufweisen mag, liegt der Schwerpunkt der Absolutisten in der Einhaltung der Konsistenz mit moralischen Prinzipien, um wünschenswerte Ziele zu erreichen, ähnlich der deontologischen Philosophie. Exceptionisten befürworten Äußerungen nach dem Ansatz der teleologischen Ethik in der Philosophie. Im teleologischen Ansatz hängt die Moralität einer Handlung ab von den Konsequenzen die sie erzeugt. Ein bedeutender Ansatz teleologischer Ethiken ist der Utilitarismus, bspw. nach dem Gesetz des größten Guten der größten Zahl. Die Typologisierung der Exceptionisten suggeriert, wie im philosophischen Utilitarismus, dass Einzelpersonen die dem Exceptionismus zugeordnet werden können, daran glauben, dass absolute moralische Prinzipien wichtig sind, aber gleichzeitig ist eine Anwendung dieser Regeln auf eine pragmatische Weise vorzunehmen.2108 Der EQP weist folgende Charakteristika auf:2109
2106 2107 2108 2109
Zweidimensionale Skalierung: Die eine Dimension misst den Idealismus, die andere Dimension misst den Relativismus in Bezug auf die Anerkennung bzw. Ablehnung moralischer Prinzipien. Hohe Inter-Item-Konsistenz jeder Dimension, aber gleichzeitig eine breite Repräsentativität des gewünschten Konstruktes Stabilität über die Zeit hinweg Orthogonalität der beiden Dimensionen
Vgl. Forsyth (1980), S. 176. Siehe zur Argumentation von Kant auch Kapitel 2.1.3.7.2. Vgl. Forsyth (1980), S. 176-177. Vgl. Forsyth (1980), S. 177.
398
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
Interskalenkorrelation Skala
MW
SA
Idealismus
Relativismus
Cronbach´s
Testretest
Mittelwert item-total rs
Mittelwert item testretest
Idealismus
6,35
1,17
1,0
-,07
,80
,67
,49
,47
Relativismus
6,18
1,13
-,07
,
,73
,67
,39
,47
N
241
-
241
241
241
76
241
76
Tabelle 64: Zusammenfassung der Skaleneigenschaften des EPQ
Studien von Forsyth/Pope (1984) und Forsyth (1985) unterstützen das zweidimensionale Modell ethischer Ideologien. Eine Zusammenfassung von Studien mit dem EPQ liefert u. a. Forsyth (1992). Anzumerken bleibt in diesem Kontext, dass (neuere) Studien den EPQ durchaus kritisch betrachten, so bspw. Davis/Andersen/Curtis (2001) oder Strack/Gennerich (2007). Davis/Anderson/Curtis (2001) konnten bspw. eine dreifaktorielle Struktur mit den Dimensionen idealism (Idealismus), relativism (Relativismus) und veracity (Aufrichtigkeit, Wahrhaftigkeit) nachweisen.2110 Trotz der vorliegenden Kritik an der Struktur des EPQ, soll dieser im Rahmen der hier vorliegenden Ausarbeitung in seiner Originalversion angewendet werden. Allgemein sollte bedacht werden, dass jedes (psychologisches) Messkonstrukt kritisch betrachtet werden sollte. Tabelle 65 zeigt die Übersetzungen des ersten Faktors des EPQ sowie die zugehörigen Originalitems.2111
2110
2111
Zu kritischen Anmerkungen bzgl. des EPQ siehe bspw. Davis/Anderson/Curtis (2001); Strack/Gennerich (2007). Siehe grundlegend Forsyth/Pope (1984); Forsyth (1985); Forsyth (1992). Kritisch auch Davis/Andersen/Curtis (2001); Strack/Gennerich (2007). Bei der Übersetzung aller 20 Items des EPQ handelt es sich um eine eigene Übersetzung und Rückübersetzung. Anzumerken ist, dass Strack/Gennerich (2007) auch eine Übersetzung des EPQ liefern. Diese lag allerdings zum Zeitpunkt der Durchführung der hier vorliegenden Studie noch nicht vor bzw. wurde noch nicht publiziert.
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
399
Übersetzung der EPQ Items Faktor 1
Original der EPQ Items Faktor 1
1. Alle Menschen sollten sicherstellen, dass ihre Handlungen nie absichtlich einem anderen einen Schaden zufügen, selbst wenn er noch so gering ist.
1. People should make certain that their actions never intentionally harm another even to a small degree.
2. Risiken für einen anderen sollten nie toleriert werden, gleichgültig, wie klein auch die Risiken sein mögen.
2. Risks to another should never be tolerated, irrespective of how small the risks might be.
3. Die bestehende Möglichkeit, anderen zu schaden, ist immer falsch, ungeachtet des zu erzielenden Nutzens.
3. The existence of potential harm to others is always wrong, irrespective of the benefits to be gained.
4. Man sollte nie einem anderen psychologisch oder physisch schaden.
4. One should never psychologically or physically harm another person.
5. Man darf nie eine Handlung vollziehen, die auf irgendeine Weise die Würde und das Wohlergehen eines anderen bedrohen könnte.
5. One should not perform an action which might in any way threaten the dignity and welfare of another individual.
6. Wenn eine Handlung einem unschuldigen Menschen schaden könnte, muss sie unterbleiben.
6. If an action could harm an innocent other, then it should not be done.
7. Zu entscheiden, ob eine Tat durchgeführt wird oder nicht, indem man die positiven Folgen dieser Tat gegen die negativen abwägt, ist unmoralisch.
7. Deciding whether or not to perform an act by balancing the positive consequences of the act against the negative consequences of the act is immoral.
8. Die Würde und das Wohlergehen der Menschen sollten das wichtigste Anliegen in jeder Gesellschaft sein.
8. The dignity and welfare of the people should be the most important concern in any society.
9. Es ist niemals notwendig, das Wohl anderer zu opfern.
9. It is never necessary to sacrifice the welfare of others.
10. Moralisches Verhalten bedeutet Handlungen, die den Idealen der "perfektesten" Handlung sehr nahekommen.
10. Moral behaviors are actions that closely match ideals of the most “perfect” action.
Tabelle 65: Ethics Position Questionnaire – Faktor 1
400
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
Tabelle 66 zeigt die Übersetzungen des zweiten Faktors des EPQ sowie die zugehörigen Originalitems. Übersetzung der EPQ Items Faktor 2
Original der EPQ Items Faktor 2
11. Es gibt keine ethischen Prinzipien, die so wichtig sind, dass sie Bestandteil irgendeines Ethikkodizes sein sollten.
11. There are no ethical principles that are so important that they should be a part of any code of ethics.
12. Was ethisch ist, ist von einer Situation und Gesellschaft zur anderen unterschiedlich.
12. What is ethical varies from one situation and society to another.
13. Moralische Grundsätze müssen als individualistisch betrachtet werden; was für einen Menschen moralisch ist, kann von einem anderen als unmoralisch beurteilt werden.
13. Moral standards should be seen as being individualistic; what one person considers to be moral may be judged to be immoral by another person.
14. Verschiedene Formen der Ethik können nicht nach dem Aspekt ihrer "Richtigkeit" miteinander verglichen werden.
14. Different types of morality cannot be compared as to "rightness."
15. Fragen nach dem, was für jeden ethisch ist, können nie beantwortet werden, da die Entscheidung, was moralisch oder unmoralisch ist, beim Individuum liegt.
15. Questions of what is ethical for everyone can never be resolved since what is moral or immoral is up to the individual.
16. Moralische Prinzipien sind einfach persönliche Regeln, die angeben, wie jemand sich verhalten sollte, und dürfen nicht bei Urteilen über andere angewandt werden.
16. Moral standards are simply personal rules that indicate how a person should behave, and are not be applied in making judgments of others.
17. Ethische Überlegungen in zwischenmenschlichen Beziehungen sind so komplex, dass es den Einzelnen erlaubt sein sollte, ihren eigenen individuellen Kodex zu formulieren.
17. Ethical considerations in interpersonal relations are so complex that individuals should be allowed to formulate their own individual codes.
18. Die starre Kodifizierung einer ethischen Position, die bestimmte Arten von Handlungen verhindert, könnte besseren menschlichen Beziehungen und Anpassungen im Wege stehen.
18. Rigidly codifying an ethical position that prevents certain types of actions could stand in the way of better human relations and adjustment.
19. Es kann keine Regel für Lügen formuliert werden; ob eine Lüge zulässig ist oder nicht, hängt völlig von der Situation ab.
19. No rule concerning lying can be formulated; whether a lie is permissible or not permissible totally depends upon the situation.
20. Ob eine Lüge als moralisch oder unmoralisch beurteilt wird, hängt von den Umständen ab, die eine Handlung umgeben.
20. Whether a lie is judged to be moral or immoral depends upon the circumstances surrounding the action.
Tabelle 66: Ethics Position Questionnaire – Faktor 2
Im Folgenden werden nun die empirischen Ergebnisse, die im Rahmen der Befragung mit dem EPQ erzielt wurden, dargestellt. Empirische Ergebnisse Der EPQ wurde im Rahmen der Befragung angewendet, um ein Bild der Unternehmerinnen und Unternehmer hinsichtlich der Persönlichkeit in Bezug auf die ethische Positionierung zu generieren. Zuvor wurden, vor dem Hintergrund eines theoretischen Zusammenhanges zwischen soziodemografischen Faktoren, Religiosität und Ethikpositionen, die folgenden Hypothesen formuliert:
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
401
HEthikposition1: Männliche und weibliche Unternehmer weisen eine unterschiedliche ethische Positionierung auf. HEthikposition2: Die Religiosität besitzt einen Einfluss auf eine unterschiedliche ethische Positionierung. Unter Einbeziehung der Möglichkeiten, die sich aufgrund einer Verwendung des EPQ ergeben, kann die zuvor formulierte (Haupt-)Hypothese HEthikposition1 verfeinert werden: HEthikposition1.1: Männliche und weibliche Unternehmer unterscheiden sich bezüglich ihrer mittleren Ausprägung auf der Individualismusdimension des EPQ HEthikposition1.2: Männliche und weibliche Unternehmer unterscheiden sich bezüglich ihrer mittleren Ausprägung auf der Relativismusdimension des EPQ Dabei ist kritisch anzumerken, dass ein solcher Test lediglich Tendenzen bzw. Hinweise auf die ethische Struktur bzw. Positionierung der Unternehmerinnen und Unternehmer gibt. Der Test soll an dieser Stelle nicht als umfassendes psychologisches Verortungsinstrument angesehen werden, wenngleich dies auch eine Absicht bei der Konstruktion des Testes gewesen sein mag. Tabelle 67 beinhaltet die deskriptive Statistik des EPQ, auf deren Grundlage eine Positionierung der Unternehmerinnen und Unternehmer vorgenommen werden kann. N Idealismusdimension Relativismusdimension
Mittelwert
Median
Modus
Standardabweichung
Min.
Max.
Perzentile
Gültig 109
Fehlend 0
3,7236
3,7000
3,70
,66050
2,10
5,00
25 3,30
50 3,70
75 4,20
109
0
3,0546
3,1000
3,30
,61161
1,40
5,00
2,60
3,10
3,55
Tabelle 67: Deskriptive Statistik des EPQ
Nach den Ausführungen von Forsyth (1980) ist der Mittelwert aus den 20 Antworten des EPQ zu berechnen. Dabei bilden die ersten zehn Items die Dimension des Idealismus. Die zweiten zehn Items bilden die Dimension des Relativismus. Durch die Mittelwertbildung beider Dimensionen war eine Verortung der Unternehmerinnen auf der Idealismus- und Realismusdimension möglich. Eine Einordnung der Unternehmerinnen und Unternehmer in die 2x2-Matrix der Abbildung 53 konnte anhand der Mittelwerte der beiden Dimensionen erfolgen. Forsyth spricht in seinen Ausführungen von hohen bzw. niedrigen Scores, die eine Zuordnung ermöglichen. Da in dem hier vorliegenden Falle eine 5er-(Likert-)Skala (Werte von 1 bis 5) verwendet wurde, sollte folgende Regelung hinsichtlich der Einordnung als hoch bzw. niedrig auf den jeweiligen Dimensionen getroffen werden. So bildeten der Wert 2,5 auf beiden Dimensionen die Trenngrenze für eine Einordnung als niedrig (1 Mittelwert < 2,5) oder hoch (2,5 Mittelwert 5). Wie aus Tabelle 67 ersichtlich betrug der Mittelwert der Unternehmerinnen und Unternehmer für die Idealismusdimension 3,7236. Mit 3,7236 2,5 konnte die Einordnung der Unternehmerinnen und Unternehmer auf der Idealismusdimension als hoch bezeichnet werden. Für die Relativismusdimension konnte mit einem Mittelwert von 3,0546 2,5 eine Einordnung der Unternehmerinnen und Unternehmer auf der Relativismusdimension als hoch vorgenommen werden. Auf Basis des 2x2-Klassifikationsschema der Abbildung 53 und der vorangegangenen hohen (Mittel-)Werte sowohl auf der Idealismusdimension, als auch auf der Relativismusdimension konnten die Unternehmerinnen als Situationisten bezeich-
402
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
net werden. Dabei sind Situationisten nach Forsyth durch eine Ablehnung moralischer Regeln,2112 eine Verfechtung bzw. Befürwortung einer individualistischen Analyse einer jeden Handlung in jeder Situation sowie eine Durchführung einer Kontextanalyse moralisch fragwürdiger Handlungen gekennzeichnet. Allgemein gelten sie als relativistisch. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass hier nicht die Position des (ethischen) Relativismus vertreten wird, da der Relativismus mit unterschiedlichen (theoretischen Begründungsproblemen) Problemen behaftet sein kann.2113 Darüber hinaus sei an dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen, dass, wie bereits dargestellt, nichtphilosophische Bezeichnungen zur Repräsentierung der einzelnen Ideologien im EPQ verwendet werden. Denn obwohl eine Gegenüberstellung der einzelnen ethischen Ideologien des EPQ mit einem Gegenstück in der Philosophie viel zur Klärung der Natur einer jeden Position beiträgt, darf nicht übersehen werden, dass zwischen einer philosophischen Analyse eines moralischen Problems und einer psychologischen Analyse einer ethischen Ideologie von Einzelpersonen eine Unterscheidung getroffen werden muss. Deshalb, obwohl es heuristisch ist, diese Parallelen zu nennen, behauptet dieser Vergleich nicht, dass sich die psychologischen Ideologien nicht in gewisser Hinsicht von den korrespondierenden Moralphilosophien unterscheiden. Unternehmerinnen und Unternehmer werden im EPQ als Situationisten eingeordnet. Dies bedeutet, dass sie eine ethische Bewertung von Handlungen situativ vornehmen und keine vorgefertigte, immer zutreffende ethische Position (bei der Rechtfertigung von Handlungen) vertreten. Somit wird eine Handlung je nach individuellem Kontext (unterschiedlich) ethisch gerechtfertigt. Ob und wie Unternehmerinnen und Unternehmer Handlungen ethisch Rechtfertigen, wird auf Basis des Instrumentariums nach Witte/Doll (1995) in Kapitel 3.2.3.6 erörtert. Differenzierung nach dem Geschlecht Tabelle 68 zeigt die deskriptive Statistik der Idealismusdimension und Relativismusdimension differenziert nach dem Geschlecht. Geschlecht Idealismusdimension
Relativismusdimension
männlich
Mittelwert 3,5680
Standardabweichung ,71325
N 49
weiblich
3,8550
,59418
59
Gesamt
3,7248
,66347
108
männlich
3,0474
,58895
49
weiblich
3,0503
,63479
59
Gesamt
3,0490
,61158
108
Tabelle 68: Deskriptive Statistik der Idealismusdimension und Relativismusdimension nach Geschlecht
2112
2113
Der Auffassung, dass Situationisten moralische Regeln ablehnen, wird an dieser Stelle nicht gefolgt bzw. diese wird kritisch betrachtet, da zumindest die Einstellung zu bestimmten moralisch-ethischen Positionen und Regeln der Unternehmerinnen und Unternehmer als positiv angesehen werden kann. Siehe hierzu die Ausführungen des Kapitels 2.1.2.4, als auch ergänzend Kapitel 2.1.4.1. Siehe hierzu ausführlich die Erörterungen von Heidemann (2005).
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
403
Es gilt p > Æ nicht signifikant bzw. p Æ signifikant [mit einem Signifikanzniveau von = 0.05]. Als unabhängige Variable ist das Geschlecht, als abhängige Variable sind die Idealismusdimension bzw. Relativismusdimension gewählt worden. Bei Anwendung der (einfaktoriellen) Varianzanalyse (Allgemeines Lineares Modell) und der Kenngröße der F-Werte konnte folgendes Ergebnis der Tabelle 69 festgestellt werden. Unabhängige Variable
Abhängige Variable
df
F
Sig.
Geschlecht
Idealismusdimension
1
5,207
,025
Relativismusdimension
1
,001
,981
Tabelle 69: Statistischer Test des EPQ differenziert nach dem Geschlecht.
Überprüfung HEthikposition1.1 Mit einem berechneten Signifikanzwert bzw. p-Wert (Geschlecht Æ Idealismusdimension) von p = 0,025 gilt: 0,025 0,05. Dies bedeutet, dass eine Signifikanz vorlag. Die Nullhypothese (H0) war zu Gunsten der formulierten Alternativhypothese (H1) zu verwerfen. Männer und Frauen unterschieden sich somit signifikant bezüglich ihrer mittleren Ausprägung auf der Idealismusdimension (p=.025). Männer wiesen mit einem Mittelwert von 3,5680 einen signifikant geringeren Score auf als Frauen mit 3,8550. Der Sachverhalt wird nochmals in Abbildung 54 grafisch veranschaulicht. 5,0
Idealismusdimension
4,5
4,0
3,5
3,0
2,5
2,0
männlich
weiblich
Geschlecht
Abbildung 54: Boxplot der Idealismusdimension des EPQ nach Geschlecht
404
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
Überprüfung HEthikposition1.2 Mit einem berechneten Signifikanzwert bzw. p-Wert (Geschlecht Æ Relativismusdimension) von 0,981 gilt: 0,981 > 0,05. Der p-Wert von 0,981 erreichte keinen auch nur annähernd signifikanten Level. Dies bedeutet, dass keine Signifikanz vorlag. Die Nullhypothese (H0) war beizubehalten und konnte nicht zu Gunsten der formulierten Alternativhypothese (H1) abgelehnt werden. Hieraus ergeben sich folgende Anhaltspunkte: Männer und Frauen unterschieden sich nicht signifikant bezüglich ihrer mittleren Ausprägung auf der Relativismusdimension. Differenzierung nach der Religiosität Neben einer Differenzierung nach dem Geschlecht konnte auch eine Differenzierung der Idealismusdimension sowie der Relativimusdimension nach der Religiosität vorgenommen werden. Dabei wäre es denkbar, dass der Grad der Religiosität einen Einfluss auf die Dimensionen des Idealismus bzw. Relativismus besitzt. Auf der Grundlage der formulierten (Haupt-)Hypothese HEthikposition22114 werden unter Berücksichtigung des EPQ folgende (Unter-)Hypothesen aufgestellt: HPositionierung2.1: Die Religiosität besitzt einen Einfluss auf die mittlere Ausprägung hinsichtlich der Individualismusdimension im EPQ. HPositionierung2.2: Die Religiosität besitzt einen Einfluss auf die mittlere Ausprägung hinsichtlich der Relativismusdimension im EPQ. Tabelle 70 zeigt die deskriptive Statistik der Idealismusdimension und Relativismusdimension differenziert nach der Religiosität. Idealismusdimension
Relativismusdimension
Religiosität
Mittelwert
Standardabweichung
N
gar nicht religiös
3,7760
,60159
19
neutrales Verhältnis
3,6829
,76395
19
gering religiös
3,6265
,67253
26
religiös
3,7946
,64954
43
sehr religiös
3,3500
,49497
2
Gesamt
3,7236
,66050
109
gar nicht religiös
3,1684
,54472
19
neutrales Verhältnis
3,2064
,75313
19
gering religiös
2,9987
,61170
26
religiös
2,9829
,57484
43
sehr religiös
2,8000
,70711
2
Gesamt
3,0546
,61161
109
Tabelle 70: Deskriptive Statistik der Idealismusdimension und Relativismusdimension nach Religiosität 2114
Die Religiosität besitzt einen Einfluss auf eine unterschiedliche ethische Positionierung (bzw. einen unterschiedlichen Score im EPQ).
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
405
Es gilt p > Æ nicht signifikant bzw. p Æ signifikant [mit einem Signifikanzniveau von = 0.05]. Als unabhängige Variable war die Religiosität, als abhängige Variable sind die Idealismusdimension bzw. Relativismusdimension gewählt worden. Bei Anwendung der (einfaktoriellen) Varianzanalyse (Allgemeines Lineares Modell) und der Kenngröße der F-Werte kann folgendes Ergebnis der Tabelle 69 festgestellt werden. Unabhängige Variable
Abhängige Variable
Religiosität
Idealismusdimension Relativismusdimension
df
F
Sig.
4
,463
,763
4
,738
,568
Tabelle 71: Statistischer Test des EPQ differenziert nach der Religiosität
Überprüfung HEthikposition2.1 Mit einem berechneten Signifikanzwert bzw. p-Wert (Religiosität Æ Idealismusdimension) von 0,763 gilt: 0,763 > 0,05. Der p-Wert von 0,763 erreichte keinen auch nur annähernd signifikanten Level. Dies bedeutet, dass keine Signifikanz vorlag. Die Nullhypothese (H0) war beizubehalten und konnte nicht zu Gunsten der formulierten Alternativhypothese (H1) abgelehnt werden. Hieraus ergeben sich folgende Anhaltspunkte: Die Religiosität hatte keinen signifikanten Einfluss auf die Idealismusdimension. Überprüfung HEthikposition2.2 Mit einem berechneten Signifikanzwert bzw. p-Wert (Religiosität Æ Relativismusdimension) von 0,568 gilt: 0,568 > 0,05. Der p-Wert von 0,568 erreichte keinen signifikanten Level. Dies bedeutet, dass keine Signifikanz vorlag. Die Nullhypothese (H0) war beizubehalten und konnte nicht zu Gunsten der formulierten Alternativhypothese (H1) abgelehnt werden. Hieraus ergeben sich folgende Anhaltspunkte: Die Religiosität hatte keinen signifikanten Einfluss auf die Relativismusdimension. Methodologische Anmerkung An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass bei der Messung der Religiosität kein standardisiertes Testverfahren angewendet wurde, da dieses den Befragungsbogen, und somit dessen Beantwortung, zeitlich verlängert hätte. Die befragten Unternehmerinnen und Unternehmer haben eine Selbsteinschätzung der Religiosität auf Basis eine einfachen 5er-(Likert-)Skala vorgenommen. Der Interessenfokus der Befragung lag nicht auf einer religiösen Betrachtung des Sachverhaltes. Im Rahmen der Anwendung einer Selbsteinschätzung hinsichtlich der Religiosität könnte es zu Verzerrungen (bias) gekommen und die Messung daher fehlerhaft bzw. verzerrt sein. Für zukünftige Befragungen, die einen ethischen Zusammenhang (bspw. im Kontext des Instrumentariums des EPQ) untersuchen, mag es ratsam sein, standardisierte Skalen zur Messung der Religiosität zu verwenden. Hier sei insbesondere auf den Religiositäts-Struktur-Test (R-S-T) von Huber verwiesen.2115 2115
Siehe grundlegend Huber (1996); Huber (2003a); Huber (2003b); Huber (2004); Huber (2006); Huber (2007). Darüber hinaus sei auch die Internetseite empfohlen. Als Literaturbasis siehe u. a. Allport/Ross (1967); Stark/Glock (1968).
406
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
Standardisierte Skalen ermöglichen (mitunter) eine korrekte bzw. korrektere Erfassung der Religiosität, als eine reine Selbsteinschätzung der Befragten. In der hier vorliegenden Ausarbeitung wurde der R-S-T bzw. ein Teilbereich des R-S-T, die Zentralitätsskala2116, nicht angewendet, da dies zum einen zu einer zeitlichen Verlängerung bei der Beantwortung des Befragungsbogens geführt hätte. Zum anderen ist auf einen Einsatz verzichtet worden, da die Items bzw. Fragestellungen der Zentralitätsskala im R-S-T stark inhaltlich von den anderen Items des Befragungsbogens abweichen. Darüber hinaus ist das Thema der Religiosität, gleichermaßen wie die Ethik, ein sensibles Thema, was im Rahmen einer Befragung mitunter als Betrachtungsschwerpunkt untersucht werden sollte, und nicht nur als Teilaspekt. Diskussion Das Messinstrument des EPQ konnte in der deutschen Übersetzung angewendet werden. Dabei kann der EPQ als ein relativ einfaches Verfahren zur Messung bzw. Klassifizierung der Befragten in die zu grunde liegende 2x2-Matrix angesehen werden. Kritisch ist in diesem Kontext anzusehen, dass die Konstruktion des EPQ im angloamerikanischen Sprachraum vollzogen wurde. Die Auswahl und Interpretation der vier Positionen könnte daher kulturspezifisch geprägt sein. Allerdings ist anzumerken, dass Forsyth bewusst bei der Benennung der vier Typen des EPQ auf (normativ-)ethische Bezeichnungen verzichtet. So ergibt sich prinzipiell, in Bezug auf unterschiedliche Kulturkontexte und somit ethische Positionen des Kulturkreises, ein potenziell neutrales Instrumentarium zur Einordnung der Befragten. Die Hypothese, dass männliche und weibliche Unternehmer einen unterschiedlichen Score im EPQ aufweisen, konnte teilweise bestätigt werden. In der Befragung wurden die Unternehmerinnen und Unternehmer als Situationisten gekennzeichnet, die eine situative Abwägung von Handlungen vornehmen. Dabei hat sich gezeigt, dass Frauen einen signifikant höheren Score auf der Idealismusdimension aufwiesen als Männer. Für die Einordnung innerhalb der 2x2-Matrix, in Kombination mit der Relativismusdimension, hatte dies jedoch in diesem Falle keine weitergehende Auswirkung, da beide Gruppen (Männer und Frauen) trotzdem als Situationisten einzuordnen waren. Jedoch ist es interessant, dass Frauen als „idealistischer“ angesehen werden konnten, als Männer. Die Hypothese, dass die Religiosität einen Einfluss auf den Score im EPQ ausübt, konnte nicht bestätigt werden. Die Religiosität war von keiner (signifikanten) Bedeutung im Rahmen der Verortung der Befragten hinsichtlich der zwei Dimensionen des EPQ. Es zeigte sich ein differenziertes Religiositätsverständnis. Interessant wäre die Fragestellung, ob eine „sehr religiöse“ Befragungsgruppe andere Scores im EPQ aufweisen würde. Dabei könnte vermutet werden, dass mitunter eine Einordnung in die Gruppe der Absolutisten vorliegen würde, die gekennzeichnet sich durch die Annahme, dass das bestmögliche Ergebnis immer dadurch erreicht wird, dass universalen moralischen Regeln gefolgt wird. Denn es erfolgt eine Verwendung universaler moralischer Prinzipien zur Formulierung moralischer Entscheidungen. Die Klärung dieser Fragestellung wäre für weitere Forschungsanstrengungen
2116
Die kürzeste Form der Messung von Religiosität bietet im R-S-T die Zentralitätsskala. Für die Hinweise und Bereitstellung der Skalen wird Herrn Dr. Huber gedankt.
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
407
interessant. Wie bereits methodenkritisch angemerkt, wäre ein Einsatz eines standardisierten Testes zur Erhebung der Religiosität mitunter vorteilhaft.
3.2.3
Unternehmensethik
3.2.3.1
Verhältnis von Ethik und Ökonomie
Vor dem Hintergrund möglicher soziodemografischer Einflussfaktoren wurden in Kapitel 2.5 die folgenden Hypothesen aufgestellt: HEthik&Ökonomie1:
Der Studienabschluss besitzt einen Einfluss auf die Einstellung hinsichtlich des Verhältnisses von Ethik und Ökonomie.
HEthik&Ökonomie2:
Das Alter besitzt einen Einfluss auf die Einstellung hinsichtlich des Verhältnisses von Ethik und Ökonomie.
HEthik&Ökonomie3:
Das Geschlecht besitzt einen Einfluss auf die Einstellung hinsichtlich des Verhältnisses von Ethik und Ökonomie.
Messkonstrukt Auf Basis der theoretischen Implikationen wird im empirischen Teil der Ausarbeitung, dem Befragungsbogen, eine Einschätzung der Probanden hinsichtlich des Verhältnisses von Ethik und Ökonomie durchgeführt. Hierzu konnte in der Literatur kein bereits bestehendes (standardisiertes) empirisches Testverfahren identifiziert werden. Aus diesem Grunde wurde dieser Teilbereich der Befragung selbst konstruiert. Aussage
Intention der Überprüfung
Ethik und Ökonomie sind miteinander vereinbar
Ethik = Ökonomie (gleichfältig)
Ethische Ansprüche haben immer den Vorrang vor ökonomischen Ansprüchen
Ethik > Ökonomie (Ethik vor Ökonomie)
Ethische Ansprüche haben in manchen Situationen den Vorrang vor ökonomischen Ansprüchen
Situative Entscheidung
Ethische Ansprüche haben niemals den Vorrang vor ökonomischen Ansprüchen
Ethik < Ökonomie (Ökonomie vor Ethik)
Ethik und Ökonomie sind nicht miteinander vereinbar
Ethik Ökonomie (ungleich)
Tabelle 72: Items und Intentionen zum Verhältnis von Ethik und Ökonomie
Bei dem hier vorliegenden Messkonstrukt wurde versucht, zu überprüfen, ob die Befragten bei den interessierenden Items bzw. Fragestellungen des Verhältnisses von Ethik und Ökonomie auch wahrheitsgemäß geantwortet haben. Aus diesem Grunde wurden Items sprachlich „negativ“ gepolt. Es handelte sich zum einen um die zwei Items Ethik und Ökonomie sind miteinander vereinbar sowie Ethik und Ökonomie sind nicht miteinander vereinbar, und zum anderen um die zwei Items Ethische Ansprüche haben immer den Vorrang vor ökonomischen Ansprüchen sowie Ethische Ansprüche haben niemals den Vorrang vor ökonomischen Ansprüchen.
408
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
Zur Überprüfung von wahrheitsgemäßen Angaben im Rahmen der Fragestellung des Verhältnisses von Ethik Ökonomie wurde eine Korrelationsanalyse von zwei Itempaaren vorgenommen. Hierbei sollten die Items Ethik und Ökonomie sind miteinander vereinbar sowie Ethik und Ökonomie sind nicht miteinander vereinbar negativ korrelieren, wenn die Befragten wahrheitsgemäß geantwortet haben. Gleiches gilt für die Items Ethische Ansprüche haben immer den Vorrang vor ökonomischen Ansprüchen sowie Ethische Ansprüche haben niemals den Vorrang vor ökonomischen Ansprüchen. Aus dem zuvor dargestellten Zusammenhang lässt sich als Hypothese (H1) formulieren:2117 HWahrheit1:
Wenn die Befragten wahrheitsgemäß antworten, müssten die Variablen Ethik und Ökonomie sind miteinander vereinbar (Ethische Ansprüche haben immer den Vorrang vor ökonomischen Ansprüchen) und Ethik und Ökonomie sind nicht miteinander vereinbar (Ethische Ansprüche haben niemals den Vorrang vor ökonomischen Ansprüchen) negativ korrelieren.
Um die Hypothese überprüfen zu können, wurde eine Korrelationsanalyse mittels eines (bivariaten) Zusammenhangsmaßes vorgenommen.2118 Als statistische Kenngröße bzw. (bivariates) Zusammenhangsmaß wurde im hier vorliegenden Fall Kendall-Tau-b verwendet, da dieses eine auf paarweisem Vergleich beruhende Maßzahl ordinalskalierter Variablen ist, welche Bindungen auf einer der Variablen berücksichtigt. Überprüfung HWahrheit Für die Maßzahl (des Betrages) der Korrelation gelten die in aufgezeigten Interpretationen. Für die Überprüfung der Signifikanz der Korrelation gilt p > Æ nicht signifikant bzw. p Æ signifikant [mit einem Signifikanzniveau von = 0.05]. Ethik und Ökonomie sind nicht miteinander vereinbar Kendall-Tau-b
Ethik und Ökonomie sind miteinander vereinbar
Korrelationskoeffizient
-,439(***)
Sig. (1-seitig)
,000
N
109
*** Die Korrelation ist auf dem 0,001 Niveau signifikant (einseitig).
Tabelle 73: Korrelation wahrheitsgemäße Antwort – 1
Die Ergebnisse der Tabelle 73 zeigen, dass mit einem berechneten Signifikanzwert bzw. p-Wert von 0,000 gilt: 0,000 0,001 Æ höchst signifikant. Dies bedeutet, dass die Korrelation als höchst signifikant eingestuft werden kann. Die Nullhypothese (H0) war in diesem Fall zu Gunsten der formulierten Alternativhypothese (H1) abzulehnen und somit die Alternativhypothese (H1) anzunehmen. Durch den Korrelationskoeffizienten von -0,439 konte mit 0,2 < -0,439 < 0,5 zwischen den zwei Variablen (verbal) eine geringe Korrelation festgestellt werden.
2117
2118
Da es sich bei der formulierten Hypothese um eine Punkthypothese handelt, wird bei der Berechnung der Signifikanz ein einseitiger Signifikanztest angewendet. Vgl. Kapitel 3.1.3.4.
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
409 Ethische Ansprüche haben niemals den Vorrang vor ökonomischen Ansprüchen
Kendall-Tau-b
Ethische Ansprüche haben immer den Vorrang vor ökonomischen Ansprüchen
Korrelationskoeffizient
-,205(**)
Sig. (1-seitig)
,008
N
105
** Die Korrelation ist auf dem 0,01 Niveau signifikant (einseitig).
Tabelle 74: Korrelation wahrheitsgemäße Antwort – 2
Die Ergebnisse der Tabelle 74zeigen, dass mit einem berechneten Signifikanzwert bzw. p-Wert von 0,008 gilt: 0,008 0,01 Æ sehr signifikant. Dies bedeutet, dass die Korrelation als sehr signifikant eingestuft werden kann. Die Nullhypothese (H0) war in diesem Fall zu Gunsten der formulierten Alternativhypothese (H1) abzulehnen und somit die Alternativhypothese (H1) anzunehmen. Durch den Korrelationskoeffizienten von -0,205 konnte mit 0,2 < -0,205 < 0,5 zwischen den zwei Variablen (verbal) eine geringe Korrelation festgestellt werden. Zwischendiskussion Es hat sich gezeigt, dass bei den zwei Variablenpaaren die Nullhypothese verworfen und die Alternativhypothese angenommen werden musste. Beide Variablenpaare haben jeweils negativ miteinander korreliert, wenngleich angemerkt werden kann, dass die Korrelation eine relativ geringe Ausprägung besaß. Die geringe Korrelation könnte dadurch erklärt werden, dass die Items relativ nahe beieinander lagen und die Befragten den Eindruck gewinnen können, bereits, wenngleich negativ formuliert, auf die Frage geantwortet haben und somit ihre „zweite Einschätzung“ daher nicht „genau spiegelbildlich“ zu sehen ist. Auf Basis der Ergebnisse kann jedoch davon ausgegangen werden, dass die Befragten bei den untersuchten Variablen wahrheitsgemäß geantwortet haben. Empirische Ergebnisse Im Folgenden werden nun die empirischen Ergebnisse, die im Rahmen der Befragung mit dem zuvor erörterten Messkonstrukt erzielt wurden, dargestellt. Deskriptive Ergebnisse Im Folgenden werden die empirischen Ergebnisse des Bereiches der Ethik und Ökonomie erörtert. Zunächst erfolgt in Abbildung 55 und der zugehörigen Tabelle 75 eine Darstellung der deskriptiven Ergebnisse, um einen Eindruck über die Antworten der befragten Unternehmerinnen und Unternehmer zu generieren.
410
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
Frage: Wie beurteilen Sie die folgenden Aussagen zum Verhältnis von Ethik und Ökonomie? 100%
trifft überhaupt nicht zu trifft eher nicht zu weder noch eher zutreffend trifft voll und ganz zu
Anzahl
75%
50%
25%
0% Ethik und Ökonomie sind miteinander vereinbar Ethische Ansprüche haben immer den Vorrang vor ökonomischen Ansprüchen Ethische Ansprüche haben in manchen Situationen den Vorrang vor ökonomischen Ansprüchen
Abbildung 55: Häufigkeiten Ethik und Ökonomie
trifft überhaupt nicht zu
trifft eher nicht zu
weder noch
eher zutreffend
trifft voll und ganz zu
f0_0:Ethik und Ökonomie sind miteinander vereinbar
f0_1:Ethische Ansprüche haben immer den Vorrang vor ökonomischen Ansprüchen
f0_2:Ethische Ansprüche haben in manchen Situationen den Vorrang vor ökonomischen Ansprüchen
% ,9%
% 1,9%
% 3,7%
N=1
N=2
N=4
9,2%
25,0%
10,2%
N=10
N=27
N=11
,9%
32,4%
8,3%
N=1
N=35
N=9
36,7%
30,6%
48,1%
N=40
N=33
N=52
52,3%
10,2%
29,6%
N=57
N=11
N=32
Tabelle 75: Häufigkeitstabelle Ethik und Ökonomie
Im Folgenden sollen nun die Variablen Ethik und Ökonomie sind miteinander vereinbar Ethik und Ökonomie sind miteinander vereinbar, Ansprüche haben immer den Vorrang vor ökonomischen Ansprüchen sowie Ethische Ansprüche haben in manchen Situationen den Vorrang vor ökonomischen Ansprüchen weitergehend untersucht werden. Dabei stellt sich die Frage, ob diese Variablen u. a. vom Studienabschluss, vom Alter oder vom Geschlecht abhängig sein können.
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
411
Differenzierung nach dem Studienabschluss Tabelle 76 zeigt die deskriptive Statistik in Bezug auf die Einstellung von Ethik und Ökonomie differenziert nach dem Studienabschluss. höchster Studienabschluss
Ethik und Ökonomie sind miteinander vereinbar
Ethische Ansprüche haben immer den Vorrang vor ökonomischen Ansprüchen
Ethische Ansprüche haben in manchen Situationen den Vorrang vor ökonomischen Ansprüchen
N
Mittelwert
Median
Modus
Standardabweichung
Min.
Max.
Perzentile
Gültig 33 23
Fehlend 0 0
4,27 4,43
4,00 5,00
4(a) 5
,876 ,896
2 2
5 5
25 4,00 4,00
50 4,00 5,00
75 5,00 5,00
44
0
4,36
5,00
5
,967
1
5
4,00
5,00
5,00
9
0
3,78
4,00
4(a)
1,202
2
5
2,50
4,00
5,00
kein Studium Fachhochschulabschluss Universitätsabschluss Promotion
32 23
1 0
3,16 3,17
3,00 3,00
3 4
,987 1,029
1 1
5 5
2,25 2,00
3,00 3,00
4,00 4,00
44
0
3,23
3,00
3
,985
2
5
2,00
3,00
4,00
9
0
3,56
4,00
4
1,130
2
5
2,50
4,00
4,50
kein Studium Fachhochschulabschluss Universitätsabschluss Promotion
32 23
1 0
4,00 3,83
4,00 4,00
4 4
,950 1,029
1 1
5 5
4,00 4,00
4,00 4,00
5,00 4,00
44
0
4,02
4,00
4
1,067
1
5
4,00
4,00
5,00
9
0
3,11
3,00
4
1,269
1
5
2,00
3,00
4,00
kein Studium Fachhochschulabschluss Universitätsabschluss Promotion
Tabelle 76: Deskriptive Statistik Ethik und Ökonomie differenziert nach dem Studienabschluss
Zur Überprüfung der Hypothese wurde ein nichtparametrischer Test mit k unabhängigen Stichproben (Kruskal-Wallis-H) durchgeführt. Als Testvariablen fungierten die Variablen Ethik und Ökonomie sind miteinander vereinbar, Ethische Ansprüche haben immer den Vorrang vor ökonomischen Ansprüchen und Ethische Ansprüche haben in manchen Situationen den Vorrang vor ökonomischen Ansprüchen. Als Gruppenvariable diente die Variable Höchster Studienabschluss. Es gilt p > Æ nicht signifikant bzw. p Æ signifikant [mit einem Signifikanzniveau von = 0.05]. Tabelle 77 zeigt die Ergebnisse:2119 Ethik und Ökonomie sind miteinander vereinbar
Ethische Ansprüche haben immer den Vorrang vor ökonomischen Ansprüchen
Chi-Quadrat
3,643
1,021
Ethische Ansprüche haben in manchen Situationen den Vorrang vor ökonomischen Ansprüchen 5,889
df
3
3
3
Asymptotische Signifikanz
,303
,796
,117
a. Kruskal-Wallis-Test b. Gruppenvariable: Höchster Studienabschluss
Tabelle 77:Statistischer Test Ethik und Ökonomie differenziert nach dem Studienabschluss
Überprüfung HEthik&Ökonomie1 Mit einem berechneten (asymptotischen) Signifikanzwert bzw. p-Wert von p = 0,303 (Ethik und Ökonomie sind miteinander vereinbar) bzw. 0,796 (Ethische Ansprüche haben immer den Vorrang vor ökonomischen Ansprüchen) bzw. 0,117 (Ethische Ansprüche haben in manchen Situationen den Vorrang vor ökonomischen Ansprüchen) gilt: 0,303 bzw. 0,796 bzw. 0,117 > 0,05. Dies bedeutet, dass keine Signifikanz vorlag. Die Nullhypothese (H0) war beizubehalten und konnte nicht zu Guns2119
Die exakte Signifikanz konnte aufgrund unzureichenden Speichers nicht berechnet werden.
412
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
ten der formulierten Alternativhypothese (H1) abgelehnt werden. Hieraus ergaben sich folgende Anhaltspunkte: Der Studienabschluss hatte keinen Einfluss auf die Beantwortung der Frage bzw. Einstellung, ob Ethik und Ökonomie miteinander vereinbar sind. Gleichermaßen hatte der Studienabschluss keinen Einfluss auf die Beantwortung der Frage bzw. Einstellung, ob ethische Ansprüche immer den Vorrang vor ökonomischen Ansprüchen haben. Auch hatte der Studienabschluss keinen Einfluss auf die Beantwortung der Frage bzw. Einstellung, ob ethische Ansprüche in manchen Situationen den Vorrang vor ökonomischen Ansprüchen haben. Differenzierung nach dem Alter Tabelle 76 zeigt die deskriptive Statistik in Bezug auf die Einstellung von Ethik und Ökonomie differenziert nach dem Alter, wobei anzumerken ist, dass eine Variable Alter nach Kategorien verwendet wurde, die die drei Alterskategorien bis 39 Jahre, 40 bis 49 Jahre und ab 50 Jahre beinhaltet. Alter nach Kategorien
Ethik und Ökonomie sind miteinander vereinbar Ethische Ansprüche haben immer den Vorrang vor ökonomischen Ansprüchen Ethische Ansprüche haben in manchen Situationen den Vorrang vor ökonomischen Ansprüchen
N
Mittelwert
Median
Modus
Standardabweichung
Min.
Max.
Perzentile
bis 39 Jahre 40 bis 49 Jahre ab 50 Jahre bis 39 Jahre 40 bis 49 Jahre ab 50 Jahre
Gültig 25 56 28 25 55 28
Fehlend 0 0 0 0 1 0
4,12 4,43 4,21 3,24 3,24 3,18
4,00 5,00 5,00 3,00 3,00 3,00
4 5 5 2 4 3
,927 ,850 1,134 1,091 ,981 ,983
2 2 1 2 1 1
5 5 5 5 5 5
25 4,00 4,00 4,00 2,00 2,00 3,00
50 4,00 5,00 5,00 3,00 3,00 3,00
75 5,00 5,00 5,00 4,00 4,00 4,00
bis 39 Jahre 40 bis 49 Jahre ab 50 Jahre
25 56 27
0 0 1
3,68 3,96 3,96
4,00 4,00 4,00
4 4 4
1,030 1,095 1,018
2 1 1
5 5 5
3,00 4,00 4,00
4,00 4,00 4,00
4,00 5,00 5,00
Tabelle 78: Deskriptive Statistik Ethik und Ökonomie differenziert nach Alterskategorien
Um die Hypothese überprüfen zu können, wurde ein nichtparametrischer Test mit k unabhängigen Stichproben (Kruskal-Wallis-H) durchgeführt. Dabei fungierten die Variablen Ethik und Ökonomie sind miteinander vereinbar, Ethische Ansprüche haben immer den Vorrang vor ökonomischen Ansprüchen und Ethische Ansprüche haben in manchen Situationen den Vorrang vor ökonomischen Ansprüchen als Testvariablen. Die Variable Alter nach Kategorien diente als Gruppenvariable. Es gilt p > Æ nicht signifikant bzw. p Æ signifikant [mit einem Signifikanzniveau von = 0.05]. Tabelle 77 zeigt die Ergebnisse Ethik und Ökonomie sind miteinander vereinbar
Ethische Ansprüche haben immer den Vorrang vor ökonomischen Ansprüchen
Chi-Quadrat
3,105
,104
Ethische Ansprüche haben in manchen Situationen den Vorrang vor ökonomischen Ansprüchen 2,149
df
2
2
2
Asymptotische Signifikanz
,212
,949
,342
a. Kruskal-Wallis-Test b. Gruppenvariable: Alter nach Kategorien
Tabelle 79:Statistischer Test Ethik und Ökonomie differenziert nach Alterskategorien
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
413
Überprüfung HEthik&Ökonomie2 Mit einem berechneten (asymptotischen) Signifikanzwert bzw. p-Wert von p = 0,212 (Ethik und Ökonomie sind miteinander vereinbar) bzw. 0,949 (Ethische Ansprüche haben immer den Vorrang vor ökonomischen Ansprüchen) bzw. 0,342 (Ethische Ansprüche haben in manchen Situationen den Vorrang vor ökonomischen Ansprüchen) gilt: 0,212 bzw. 0,949 bzw. 0,342 > 0,05. Dies bedeutet, dass keine Signifikanz vorlag. Die Nullhypothese (H0) war beizubehalten und konnte nicht zu Gunsten der formulierten Alternativhypothese (H1) abgelehnt werden. Hieraus ergaben sich folgende Anhaltspunkte: Die Altersgruppe hatte keinen Einfluss auf die Beantwortung der Frage bzw. Einstellung, ob Ethik und Ökonomie miteinander vereinbar sind. Gleichermaßen besaß die Altersgruppe keinen Einfluss auf die Beantwortung der Frage bzw. Einstellung, ob ethische Ansprüche immer den Vorrang vor ökonomischen Ansprüchen haben. Auch hatte die Altersgruppe keinen Einfluss auf die Beantwortung der Frage bzw. Einstellung, ob ethische Ansprüche in manchen Situationen den Vorrang vor ökonomischen Ansprüchen haben. Differenzierung nach dem Geschlecht In Tabelle 80 ist die deskriptive Statistik in Bezug auf die Einstellung von Ethik und Ökonomie differenziert nach dem Alter dargestellt. Geschlecht
Ethik und Ökonomie sind miteinander vereinbar Ethische Ansprüche haben immer den Vorrang vor ökonomischen Ansprüchen Ethische Ansprüche haben in manchen Situationen den Vorrang vor ökonomischen Ansprüchen
N
Mittelwert
Median
Modus
Standardabweichung
Min.
Max.
Perzentile
männlich weiblich
Gültig 49 59
Fehlend 0 0
4,24 4,39
4,00 5,00
5 5
,969 ,891
1 2
5 5
25 4,00 4,00
50 4,00 5,00
75 5,00 5,00
männlich weiblich
49 58
0 1
3,12 3,29
3,00 3,00
4 3
,971 1,026
1 1
5 5
2,00 2,75
3,00 3,00
4,00 4,00
männlich weiblich
49 58
0 1
3,78 4,00
4,00 4,00
4 4
1,177 ,955
1 2
5 5
3,50 4,00
4,00 4,00
5,00 5,00
Tabelle 80: Deskriptive Statistik Ethik und Ökonomie differenziert nach dem Geschlecht
Zur Überprüfung der Hypothese, wurde ein nichtparametrischer Test bei zwei unabhängigen Stichproben (Mann-Whitney-U) durchgeführt. Als Testvariablen fungierten die Variablen Ethik und Ökonomie sind miteinander vereinbar, Ethische Ansprüche haben immer den Vorrang vor ökonomischen Ansprüchen und Ethische Ansprüche haben in manchen Situationen den Vorrang vor ökonomischen Ansprüchen. Als Gruppenvariable diente die Variable Geschlecht diente als Gruppenvariable. Es gilt p > Æ nicht signifikant bzw. p Æ signifikant [mit einem Signifikanzniveau von = 0.05]. Tabelle 81 zeigt die Ergebnisse
414
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen Ethik und Ökonomie sind miteinander vereinbar
Ethische Ansprüche haben immer den Vorrang vor ökonomischen Ansprüchen
Mann-Whitney-U
1301,500
1299,500
Ethische Ansprüche haben in manchen Situationen den Vorrang vor ökonomischen Ansprüchen 1294,500
Asymptotische Signifikanz (2-seitig)
,321
,429
,395
a. Gruppenvariable: Geschlecht
Tabelle 81:Statistischer Test Ethik und Ökonomie differenziert nach dem Studienabschluss
Überprüfung HEthik&Ökonomie3 Mit einem berechneten (asymptotischen) Signifikanzwert bzw. p-Wert von p = 0,321 (Ethik und Ökonomie sind miteinander vereinbar) bzw. 0,429 (Ethische Ansprüche haben immer den Vorrang vor ökonomischen Ansprüchen) bzw. 0,395 (Ethische Ansprüche haben in manchen Situationen den Vorrang vor ökonomischen Ansprüchen) gilt: 0,321 bzw. 0,429 bzw. 0,395 > 0,05. Dies bedeutet, dass keine Signifikanz vorlag. Die Nullhypothese (H0) war beizubehalten und konnte nicht zu Gunsten der formulierten Alternativhypothese (H1) abgelehnt werden. Hieraus ergaben sich folgende Anhaltspunkte: Das Geschlecht hatte keinen Einfluss auf die Beantwortung der Frage bzw. Einstellung, ob Ethik und Ökonomie miteinander vereinbar sind. Gleichermaßen besaß das Geschlecht keinen Einfluss auf die Beantwortung der Frage bzw. Einstellung, ob ethische Ansprüche immer den Vorrang vor ökonomischen Ansprüchen haben. Auch hatte das Geschlecht keinen Einfluss auf die Beantwortung der Frage bzw. Einstellung, ob ethische Ansprüche in manchen Situationen den Vorrang vor ökonomischen Ansprüchen haben. Diskussion Im Rahmen der Untersuchung konnten die drei Hypothesen nicht bestätigt werden, dass der Studienabschluss, das Alter nach Kategorien bzw. das Geschlecht einen Einfluss auf die Beantwortung der Frage bzw. Einstellung hat, ob Ethik und Ökonomie miteinander vereinbar sind bzw. ob ethische Ansprüche immer den Vorrang vor ökonomischen Ansprüchen haben bzw. ob ethische Ansprüche in manchen Situationen den Vorrang vor ökonomischen Ansprüchen haben. Erklärt werden können diese Ergebnisse mitunter dadurch, dass es sich bei den Befragten um eine (relativ) ähnlich bzw. homogene Gruppe an Personen handelte, nämlich um Unternehmerinnen und Unternehmer. Dabei kann mitunter ein Bias hinsichtlich der Teilnahme an der Untersuchung angenommen werden, so dass vielleicht verstärkt Unternehmerinnen und Unternehmer an der Befragung teilnahmen, die ein verstärktes Interesse an der Thematik besaßen. Hiermit verbunden könnte eine (relative) Gleichförmigkeit der Befragten sein. Allgemein kann festgehalten werden, dass die Befragten die Ethik und Ökonomie als miteinander vereinbar gesehen haben. Somit folgten die Befragten der in Kapitel 2.2.2 vorgestellten Argumentation, dass sich Ethik und Ökonomie nicht ausschließen müssen, sondern vielmehr vereinbar sind. Dabei schienen die befragten Unternehmerinnen und Unternehmer der Auffassung zuzustimmen, dass ethische Ansprüche in manchen Situationen den Vorrang vor ökonomischen Ansprüchen haben. Einen generellen Vorrang ethischer Ansprüche vor ökonomischen Ansprüchen sahen die Befragten
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
415
(gerade in Relation zu den anderen Alternativen) tendenzieller eher weniger. Die situative Abwägung ethischer Ansprüche wird auch nochmals in Kapitel 3.2.2.3 differenziert. Tabelle 82 verdeutlicht abschließend den zuvor dargestellten Zusammenhang. Ethik und Ökonomie scheinen als zwei Seiten einer Medaille wahrgenommen worden zu sein. N Ethik und Ökonomie sind miteinander vereinbar Ethische Ansprüche haben immer den Vorrang vor ökonomischen Ansprüchen Ethische Ansprüche haben in manchen Situationen den Vorrang vor ökonomischen Ansprüchen
Mittelwert
Median
Modus
Standardabweichung
Min.
Max.
Perzentile
Gültig 109
Fehlend 0
4,30
5,00
5
,948
1
5
25 4,00
50 5,00
75 5,00
108
1
3,22
3,00
3
,998
1
5
2,00
3,00
4,00
108
1
3,90
4,00
4
1,058
1
5
4,00
4,00
5,00
Tabelle 82: Deskriptive Statistik Ethik und Ökonomie
3.2.3.2
Individualethik und Institutionenethik
In Kapitel 2.3.2.2 wurde die theoretische Fundierung der Differenzierung zwischen der Individualethik und der Institutionenethik dargestellt. Darüber hinaus sind in den Kapiteln 2.3.4.1 bis 2.3.4.4 (unternehmens-)ethische Ansätze erörtert worden, die z. T. auf individualethischen bzw. institutionenethischen Ansätzen basieren. Im Kern stellt sich dabei die Frage, in welchem Umfang Unternehmerinnen und Unternehmer sich selbst die Verantwortung für Unternehmensethik (Individualebene) zuschreiben, oder diese Verantwortung auf Ebene der Institutionen (Institutionenebene) sehen. Messkonstrukt Für die Erhebung wurden Items selbst zusammengestellt bzw. aus einer Befragung von Staffelbach (1994) entlehnt.2120 Um ein differenziertes Bild der Bedeutung individualethischer und institutionenethischer Ansätze zu erhalten, sind zwei Fragebestandteile im Befragungsinstrumentarium verwendet worden, welche an unterschiedlichen Positionen in der Online-Befragung eingesetzt wurden. Im ersten Instrumentarium wurden Items aus einer Befragung von Staffelbach (1994) verwendet. Bei diesen Items mussten sich die befragten Unternehmerinnen und Unternehmer für eine Antwort bzw. ein Items aus einer Liste von präsentierten Items entscheiden Die Fragen wurden im Kontext dieser Arbeit auf den Gründer bzw. Unternehmer umformuliert. Tabelle 83 zeigt die Items dieses Fragenkomplexes.
2120
Siehe Staffelbach (1994).
416
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
Items
Intention
Durch organisatorische, führungsmäßige Maßnahmen des/der Gründer(s)
Gründer/Unternehmer
Durch eine entsprechende Ausgestaltung der ordnungspolitischen Rahmenbedingungen
Staat
Durch eigenverantwortliches Handeln der einzelnen Mitarbeiter
Mitarbeiter
Durch organisatorische, führungsmäßige Maßnahmen des/der Gründer(s) und durch eine entsprechende Ausgestaltung der ordnungspolitischen Rahmenbedingungen
Gründer/Unternehmer & Staat
Durch organisatorische, führungsmäßige Maßnahmen des/der Gründer(s) und durch eigenverantwortliches Handeln der einzelnen Mitarbeiter
Gründer/Unternehmer & Mitarbeiter
Durch eine entsprechende Ausgestaltung der ordnungspolitischen Rahmenbedingungen und durch eigenverantwortliches Handeln der einzelnen Mitarbeiter
Staat & Mitarbeiter
Durch organisatorische, führungsmäßige Maßnahmen des/der Gründer(s)und durch eine entsprechende Ausgestaltung der ordnungspolitischen Rahmenbedingungen und durch eigenverantwortliches Handeln der einzelnen Mitarbeiter
Gründer/Unternehmer, Staat & Mitarbeiter
Tabelle 83: Items zur Messung der Verwirklichung einer Unternehmensethik
Die Frage zielte dabei darauf ab, durch wen eine Unternehmensethik primär verwirklicht werden sollte. Darüber hinaus wurden die Unternehmerinnen und Unternehmer beim zweiten Instrumentarium gebeten, eine Einschätzung zu drei Aussagen zu geben. Im Kern sollte abgefragt werden, wem die Befragten die Verantwortlichkeit im Rahmen der Ethik zuschreiben. Dabei wurden in der Befragung die drei Ebenen der Mikroebene (Individualethik), der Mesoebene (Unternehmensethik) und der Makroebene (Wirtschaftsethik) abgebildet.2121 Tabelle 84 zeigt die Items des Testbausteins zur Verantwortlichkeit für Ethik. Items
Intention
Verantwortlich für die Ethik ist das Individuum
Mikroebene: Individualethik
Verantwortlich für die Ethik ist das Unternehmen
Mesoebene: Unternehmensethik
Verantwortlich für die Ethik ist der Staat
Makroebene: Wirtschaftsethik (Institutionenethik)
Tabelle 84: Items zur Messung der Verantwortlichkeit für Ethik
Die Befragten konnten auf einer 5er-(Likert-)Skala mit den Abstufungen (trifft überhaupt nicht zu, trifft eher nicht zu, weder noch, eher zutreffend, trifft voll und ganz zu) ihre Antwort differenzieren.
2121
Siehe zur theoretischen Fundierung speziell die Kapitel 2.2.3 sowie 2.3.2.2.
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
417
Bei den hier ausgewählten Items handelt es sich um selbstständig generierte Items. Im Folgenden werden die empirischen Ergebnisse des Bereiches der Individualethik und Institutionenethik auf Basis des Messkonstruktes erörtert. Empirische Ergebnisse Zunächst erfolgt in Abbildung 56 und der zugehörigen Tabelle 85 eine Darstellung der deskriptiven Ergebnisse, um einen Eindruck über die Antworten der befragten Unternehmerinnen und Unternehmer auf die Frage zu generieren, durch wen eine Unternehmensethik, was aus der Sicht ihres Unternehmens, primär verwirklicht werden soll. Die Befragten konnten aus den vorgegebenen Antwortalternativen eine Antwort wählen. Frage: Was meinen Sie aus der Sicht Ihrer Unternehmung: Durch wen soll eine Unternehmensethik primär verwirklicht werden?
60
relative Häufigkeiten (%)
50
40
30
20
10
0 organis. führungsm. entsp. Gestaltung eigenver. Handeln Maßn. des ordnungspol. der Mitarbeiter Gründers Rahmenbed.
Abbildung 56: Verwirklichung einer Unternehmensethik
Maßn. des Gründers + ordnungspol. Rahmenbed.
Maßn. des Gründers + eigenver. Mitarbeiter
ordnungspol. Rahmenbed + eigenver. Mitarbeiter
Maßn.des Gründers+ordnung spol.Rahmenbed. +eigenver. Mitarbeite
418
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
Häufigkeit
Prozent
Kumulierte Prozente
organis. führungsm. Maßnahmen des Gründers
5
4,6
4,6
entsp. Gestaltung ordnungspol. Rahmenbedingungen
3
2,8
7,3
eigenverantwortliches Handeln der Mitarbeiter
5
4,6
11,9
Maßnahmen des Gründers + ordnungspol. Rahmenbed.
3
2,8
14,7
Maßnahmen des Gründers + eigenver. Mitarbeiter
27
24,8
39,4
ordnungspol. Rahmenbed + eigenver. Mitarbeiter
4
3,7
43,1
Maßn. des Gründers + ordnungspol. Rahmenbed. + eigenver. Mitarbeiter
62
56,9
100,0
109
100,0
Gesamt Tabelle 85: Deskriptive Statistik zur Verwirklichung einer Unternehmensethik
Wie aus der vorangegangenen Abbildung und der zugehörigen Tabelle ersichtlich, waren für die befragten Unternehmerinnen und Unternehmer die organisatorischen, führungsmäßigen Maßnahmen des/der Gründer(s) [Gründer], eine entsprechende Ausgestaltung der ordnungspolitischen Rahmenbedingungen [Staat bzw. Institutionen] und ein eigenverantwortliches Handeln der einzelnen Mitarbeiter [Mitarbeiter] zur Verwirklichung einer Unternehmensethik mit 56,9 % am Bedeutendsten. Verbindung zwischen der Verwirklichung einer Unternehmensethik und der Einstellung zur generellen Verantwortlichkeit der Ethik Nun handelt es sich bei der zuvor dargestellten Variabeln um eine kumulierte Größe, die die Relevanz des Gründers, des Staates bzw. der Institutionen und der Mitarbeiter als relevante Einflussfaktoren zur Verwirklichung einer Unternehmensethik beinhaltet. In diesem Kontext ist es weiterhin auch von Interesse zu erfahren, wie diese Variable in Verbindung zu der Einstellung steht, wer (allgemein) verantwortlich für die Ethik ist: das Individuum, das Unternehmen bzw. der Staat. Aus diesem Grunde wurden die Einstellungen bzgl. der (generellen) Verantwortlichkeit einer Ethik bzgl. des Individuums, des Unternehmens und des Staates in drei separaten Variablen abgefragt. Im Folgenden sollen diese drei Variablen mit der bereits dargestellten Variablen, durch wen eine Unternehmensethik primär verwirklicht werden soll, in Verbindung gebracht werden. Abbildung 57 zeigt einen Boxplot der Variablen Durch wen soll eine Unternehmensethik primär verwirklicht werden (Abszisse) und den drei Variablen Verantwortlich für die Ethik ist das Individuum, Verantwortlich für die Ethik ist das Unternehmen und Verantwortlich für die Ethik ist der Staat (Ordinate).
trifft überhaupt nicht zu <---------> trifft voll und ganz zu
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
419
Verantwortlich für die Ethik generell ist das Individuum das Unternehmen der Staat 4
2
Gründer
Staat
Mitarbeiter
Gründer + Staat
Gründer + Mitarbeiter
Staat + Mitarbeiter
Gründer + Staat + Mitarbeiter
Durch wen soll eine Unternehmensethik primär verwirklicht werden?
Abbildung 57: Boxplot Verwirklichung einer Unternehmensethik und einer ethischen Verantwortlichkeit2122
Wie aus der Abbildung ersichtlicht, schienen der Staat eine geringere Rolle bei der Verwirklichung einer Unternehmensethik zu spielen. Zur Überprüfung wurde ein nichtparametrischer Test mit k unabhängigen Stichproben (Kruskal-Wallis-H) durchgeführt. Als Testvariablen fungierten die Variablen Verantwortlich für die Ethik ist das Individuum, Verantwortlich für die Ethik ist das Unternehmen und Verantwortlich für die Ethik ist der Staat. Als Gruppenvariable diente Durch wen soll eine Unternehmensethik primär verwirklicht werden. Das Ergebnis des Tests ist in Tabelle 86 dargestellt. Verantwortlich für die Ethik ist das Individuum
Verantwortlich für die Ethik ist das Unternehmen
Verantwortlich für die Ethik ist der Staat
Chi-Quadrat
1,773
1,381
4,062
df
6
6
6
Asymptotische Signifikanz
,939
,967
,668
a. Kruskal-Wallis-Test b. Gruppenvariable: Was meinen Sie aus der Sicht Ihrer Unternehmung: Durch wen soll eine Unternehmensethik primär verwirklicht
Tabelle 86: Kruskal-Wallis-Test Verantwortlichkeit für die Ethik
Vergleich der Gruppen der Variable Durch wen soll eine Unternehmensethik primär verwirklicht werden und Verantwortlich für die Ethik ist das Individuum mittels Kruskal-Wallis-Test Egal ob die Befragten angaben, dass aus der Sicht Ihrer Unternehmung die Unternehmensethik durch den Gründer, die Mitarbeiter und/oder ordnungspolitischer Rahmenbedingungen verwirklicht werden sollten, waren alle Befragten eher bzw. voll und ganz der Meinung, dass das Individuum generell 2122
Aus Gründen der Übersichtlichkeit wurden Ausreißer in der Grafik nicht dargestellt.
420
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
verantwortlich für die Ethik ist (p=.939). Diese Aussage kann auch anders formuliert werden, und zwar: Alle Gruppen der Variable Durch wen soll eine Unternehmensethik primär verwirklicht werden waren der Meinung, dass das Individuum verantwortlich für die Ethik ist (p=.939). Dieser Sachverhalt wird auch durch die Daten der (Kreuz-)Tabelle 87 gestützt. In der Tabelle sind Zellen grau hinterlegt worden, um den zuvor dargestellten Sachverhalt besser veranschaulichen zu können. Was meinen Sie aus der Sicht Ihrer Unternehmung: Durch wen soll eine Unternehmensethik primär verwirklicht werden? organis. entsp. eigenver. Maßn. des Maßn. des fühGestaltung Handeln Gründers Gründers rungsm. ordder Mitar+ ord+ eigenver. Maßnahnungspol. beiter nungspol. Mitarbeiter men des RahmenRahmenGründers bedingunbed. gen
Verantwortlich für die Ethik ist das Individuum
trifft überhaupt nicht zu
trifft eher nicht zu
weder noch
eher zutreffend
trifft voll und ganz zu
Gesamt
Gesamt ordnungspol. Rahmenbed + eigenver. Mitarbeiter
Anzahl
0
0
0
0
0
0
Maßn.des Gründers+ ordnungspol. Rahmenbed. + eigenver. Mitarbeiter 1
%
,0%
,0%
,0%
,0%
,0%
,0%
1,6%
,9%
Anzahl
0
0
0
0
2
0
2
4
%
,0%
,0%
,0%
,0%
7,4%
,0%
3,2%
3,7%
Anzahl
0
0
0
0
0
0
1
1
%
,0%
,0%
,0%
,0%
,0%
,0%
1,6%
,9%
Anzahl
2
1
3
2
9
2
18
37
%
40,0%
33,3%
60,0%
66,7%
33,3%
50,0%
29,0%
33,9%
Anzahl
3
2
2
1
16
2
40
66
%
60,0%
66,7%
40,0%
33,3%
59,3%
50,0%
64,5%
60,6%
Anzahl
5
3
5
3
27
4
62
109
%
100,0%
100,0%
100,0%
100,0%
100,0%
100,0%
100,0%
100,0%
1
Tabelle 87: Verwirklichung einer Unternehmensethik und individuelle Verantwortlichkeit für die Ethik
Vergleich der Gruppen der Variable Durch wen soll eine Unternehmensethik primär verwirklicht werden und Verantwortlich für die Ethik ist das Unternehmen mittels Kruskal-Wallis-Test Unabhängig davon ob die Befragten angaben, dass aus der Sicht Ihrer Unternehmung die Unternehmensethik durch den Gründer, die Mitarbeiter und/oder ordnungspolitischer Rahmenbedingungen verwirklicht werden sollten, waren die Befragten eher der Meinung, dass das Unternehmen generell verantwortlich für die Ethik ist (p=.967). Oder anders formuliert: Alle Gruppen der Variable Durch wen soll eine Unternehmensethik primär verwirklicht werden waren der Meinung, dass das Unternehmen eher verantwortlich für die Ethik ist (p=.967). Die Daten der (Kreuz-)Tabelle 88 stützen diesen Sachverhalt. In der Tabelle sind Zellen grau hinterlegt worden, um den zuvor dargestellten Sachverhalt besser veranschaulichen zu können.
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
421
Was meinen Sie aus der Sicht Ihrer Unternehmung: Durch wen soll eine Unternehmensethik primär verwirklicht werden? organis. entsp. eigenver. Maßn. des Maßn. des fühGestaltung Handeln Gründers Gründers rungsm. ordder Mitar+ ord+ eigenver. Maßnahnungspol. beiter nungspol. Mitarbeiter men des RahmenRahmenGründers bedingunbed. gen
Verantwortlich für die Ethik ist das Unternehmen
trifft überhaupt nicht zu
trifft eher nicht zu
weder noch
eher zutreffend
trifft voll und ganz zu
Gesamt
Gesamt ordnungspol. Rahmenbed + eigenver. Mitarbeiter
Anzahl
1
0
1
0
2
0
Maßn.des Gründers+ ordnungspol. Rahmenbed. + eigenver. Mitarbeiter 4
%
20,0%
,0%
20,0%
,0%
7,4%
,0%
6,5%
,9%
Anzahl
0
1
1
0
3
1
9
15
%
,0%
33,3%
20,0%
,0%
11,1%
25,0%
14,5%
3,7%
Anzahl
0
0
0
0
3
0
6
9
%
,0%
,0%
,0%
,0%
11,1%
,0%
9,7%
,9%
Anzahl
4
1
2
3
12
3
24
49
%
80,0%
33,3%
40,0%
100,0%
44,4%
75,0%
38,7%
33,9%
Anzahl
0
1
1
0
7
0
19
28
%
,0%
33,3%
20,0%
,0%
25,9%
,0%
30,6%
60,6%
Anzahl
5
3
5
3
27
4
62
109
%
100,0%
100,0%
100,0%
100,0%
100,0%
100,0%
100,0%
100,0%
8
Tabelle 88: Verwirklichung einer Unternehmensethik und unternehmerische Verantwortlichkeit für die Ethik
Vergleich der Gruppen der Variable Durch wen soll eine Unternehmensethik primär verwirklicht werden und Verantwortlich für die Ethik ist der Staat mittels Kruskal-Wallis-Test Egal ob die Befragten angaben, dass aus der Sicht Ihrer Unternehmung die Unternehmensethik durch den Gründer, die Mitarbeiter und/oder ordnungspolitischer Rahmenbedingungen verwirklicht werden sollten, waren sich die Befragten nicht sicher, dass der Staat generell verantwortlich für die Ethik ist (p=.668). Mit anderen Worten: Alle Gruppen der Variable Durch wen soll eine Unternehmensethik primär verwirklicht werden waren der Meinung, dass der Staat weder verantwortlich noch nicht verantwortlich für die Ethik ist (p=.668). Dieser Sachverhalt wird auch durch die Daten der (Kreuz-)Tabelle 88 gestützt. In der Tabelle sind Zellen grau hinterlegt worden, um den zuvor dargestellten Sachverhalt besser veranschaulichen zu können.
422
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
Was meinen Sie aus der Sicht Ihrer Unternehmung: Durch wen soll eine Unternehmensethik primär verwirklicht werden? organis. entsp. eigenver. Maßn. des Maßn. des fühGestaltung Handeln Gründers Gründers rungsm. ordder Mitar+ ord+ eigenver. Maßnahnungspol. beiter nungspol. Mitarbeiter men des RahmenRahmenGründers bedingunbed. gen trifft überhaupt nicht zu
Verantwortlich für die Ethik ist der Staat
trifft eher nicht zu
weder noch
eher zutreffend
trifft voll und ganz zu
Gesamt
Gesamt ordnungspol. Rahmenbed + eigenver. Mitarbeiter
Anzahl
1
0
1
0
2
0
Maßn.des Gründers+ ordnungspol. Rahmenbed. + eigenver. Mitarbeiter 6
%
20,0%
,0%
20,0%
,0%
7,7%
,0%
9,7%
,9%
Anzahl
0
1
2
1
2
2
10
18
%
,0%
33,3%
40,0%
33,3%
7,7%
50,0%
16,1%
3,7%
Anzahl
1
0
1
0
8
1
10
21
%
20,0%
,0%
20,0%
,0%
30,8%
25,0%
16,1%
,9%
Anzahl
3
1
0
2
12
1
21
40
%
60,0%
33,3%
,0%
66,7%
46,2%
25,0%
33,9%
33,9%
Anzahl
0
1
1
0
2
0
15
19
%
,0%
33,3%
20,0%
,0%
7,7%
,0%
24,2%
60,6%
Anzahl
5
3
5
3
26
4
62
108
%
100,0%
100,0%
100,0%
100,0%
100,0%
100,0%
100,0%
100,0%
10
Tabelle 89: Verwirklichung einer Unternehmensethik und staatliche Verantwortlichkeit für die Ethik
Diskussion Die höchste Bedeutung zur Verwirklichung einer Unternehmensethik maßen die befragten Unternehmerinnen und Unternehmer dem Individuum zu. Unternehmensethik wurde in dieser Auffassung vornehmlich durch den Menschen getragen. Allerdings sahen die Befragten auch das Unternehmen selbst in der Pflicht, eine Unternehmensethik zu realisieren. Beide Auffassungen sind miteinander verbunden, da Menschen in Unternehmen handeln, wobei angemerkt werden kann, dass Unternehmen als organisatorische Handlungseinheiten durchaus im Sinne einer Eigendynamik handeln können. Hier knüpft auch die Überlegung an, ob Unternehmen ein Gewissen besitzen. Der Staat nahm im Rahmen der Realisierung einer Unternehmensethik eine tendenziell untergeordnetere Rolle ein. Dies mag dahingehend erklärt werden, dass mit dem Begriff der Unternehmensethik möglicherweise vornehmlich die Unternehmen und das Individuum, wie hier aufgezeigt, assoziiert werden, als der Begriff des Staates, wenngleich eine Unternehmensethik nach dem Konzept von Karl Homann, wie in Kapitel 2.3.4.1 dargestellt, aus theoretisch-praktischer Sicht durchaus erklärbar ist. Allerdings schienen die Befragten eher individual- bzw. governanceethischen Ansätzen zu folgen, wie diese bspw. durch Peter Ulrich, Horst Steinmann/Albert Löhr oder Josef Wieland, wie in Kapitel 2.3.4.2, 2.3.4.3 und 2.3.4.4 dargestellt, formuliert werden. Die Verbindung zwischen staatlichen, institutionellen Rahmenbedingungen und einer Unternehmensethik sind vielleicht nicht immer direkt ersichtlich.
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
423
Sollen anwendungsbezogene Implikationen aus diesen Ergebnissen formuliert werden, so ließe sich mitunter sagen, dass eine Förderung der ethischen Kompetenz bzw. eines ethischen Reflexionsvermögens am Individuum ansetzen sollte. Hierzu könnte bspw. eine Vermittlung ethischer Handlungskompetenz im Rahmen der Gründungsaus- und Gründungsweiterbildung, u. a. an Hochschulen, gezählt werden. 3.2.3.3
Verantwortungsübernahme nach Stakeholdern
Als wesentliche Stakeholder können die Mitarbeiter, Kunden, Kapitalgeber, Lieferanten, Konkurrenten, staatliche Institutionen und die Gesellschaft im Allgemeinen identifiziert werden. Diese Aufzählung impliziert nicht, dass dies alle Stakeholder des Unternehmens sind, allerdings erscheinen diese die bedeutendsten Gruppen abbilden zu können. Im Kontext der Unternehmensethik ist nicht alleine die Identifizierung der Stakholder von Bedeutung. Vielmehr ist ein Interessensobjekt der empirischen Ausarbeitung, welchen Stakeholdern gegenüber sich Unternehmer in jungen Unternehmen verantwortlich fühlen. Messkonstrukt Die Erhebung einer Verantwortungsübernahme nach Stakeholdern erfolgte auf Basis einer 5er(Likert-)Skala (trifft voll und ganz zu, eher zutreffend, weder noch, trifft eher nicht zu, trifft überhaupt nicht zu). Hierbei handelt es sich um selbst formulierte Items. Tabelle 90 zeigt die Items des Testbestandteiles der Verantwortungsübernahme nach Stakeholdern. Items
Angesprochene Gruppe
Als Unternehmer habe ich eine Verantwortung gegenüber meinen Mitarbeitern.
Stakeholder: Mitarbeiter
Als Unternehmer habe ich eine Verantwortung gegenüber meinen Kunden.
Stakeholder: Kunden
Als Unternehmer habe ich eine Verantwortung gegenüber meinen Kapitalgebern.
Stakeholder: Kapitalgeber
Als Unternehmer habe ich eine Verantwortung gegenüber meinen Lieferanten.
Stakeholder: Lieferanten
Als Unternehmer habe ich eine Verantwortung gegenüber meinen Konkurrenten.
Stakeholder: Konkurrenten
Als Unternehmer habe ich eine Verantwortung gegenüber staatlichen Institutionen.
Stakeholder: Institutionen
Als Unternehmer habe ich eine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft.
Stakeholder: Gesellschaft
Tabelle 90: Items von Verantwortung nach Stakeholdergruppen
Empirische Ergebnisse Im Folgenden werden die empirischen Ergebnisse des Bereiches der Verantwortungsübernahme nach Stakeholden aufgeführt. Hierzu sind die Häufigkeitsverteilungen der sieben Variablen der Verantwortung gegenüber den Stakeholdern in Abbildung 58 sowie Tabelle 91 aufgeführt.
424
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
Frage: Betrachten Sie einmal die verschiedenen Gruppierungen in Ihrer und um Ihre Unternehmung. Wie bewerten Sie Ihre Verantwortungsübernahme anhand der folgenden Aussagen? Als Unternehmer habe ich eine Verantwortung gegenüber meinen/der… 100%
trifft überhaupt nicht zu trifft eher nicht zu weder noch eher zutreffend trifft voll und ganz zu
Prozente
75%
50%
25%
0% Mitarbeitern Kunden
Kapitalgebern Lieferanten Konkurrenten Gesellschaft staatl. Institutionen
Abbildung 58: Häufigkeitsverteilung der Verantwortungsübernahme gegenüber Stakeholdern
Als Unternehmer habe ich eine Verantwortung gegenüber (meinen/der)
Mitarbeitern
Kunden
Kapitalgebern
Gesellschaft
Lieferanten
staatlichen Institutionen
Konkurrenten
%
%
% 0,9%
% 0,9%
% 2,8%
% 8,3%
% 23,9%
N=1
N=1
N=3
N=9
N=26
0,9%
1,8%
3,7%
3,7%
9,2%
22,2%
34,9%
N=1
N=2
N=4
N=4
N=10
N=24
N=38
3,7%
0,9%
3,7%
12,8%
23,1%
23,9%
N=4
N=1
N=4
N=14
N=25
N=26
20,2%
22,0%
48,6%
52,3%
42,2%
35,2%
11,9%
N=22
N=24
N=53
N=57
N=46
N=38
N=13
78,9%
72,5%
45,9%
39,4%
33,0%
11,1%
5,5%
N=86
N=79
N=50
N=43
N=36
N=12
N=6
trifft überhaupt nicht zu trifft eher nicht zu
weder noch
eher zutreffen
trifft voll und ganz zu
Tabelle 91: Häufigkeitstabelle Verantwortungsübernahme nach Stakeholdern
Auf Basis der Häufigkeitsverteilungen lässt sich sagen, dass sich die befragten Unternehmerinnen und Unternehmer den Mitarbeitern (trifft voll und ganz zu: 78,9 %; eher zutreffen: 20,2 %) und den Kunden (trifft voll und ganz zu: 72,5 %; eher zutreffend: 22,0 %) verpflichtet fühlten. Die Mitarbeiter und Kunden stellten somit die bedeutenden Stakeholder des Unternehmens dar. Kapitalgeber, die Gesell-
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
425
schaft und Lieferanten folgten hierauf. Eine geringe Verpflichtung fühlten die Befragten gegenüber staatlichen Institutionen und Konkurrenten. Diskussion Interessant ist, dass die Befragten sich den Mitarbeitern noch vor den Kunden verpflichtet fühlten.2123 Dies erscheint insofern interessant, als dass aus Sicht des Unternehmens die Kunden die primäre Zielgruppe unternehmerischen Handelns am Markt darstellen. Demgegenüber können die Mitarbeiter in diesem Kontext mitunter als (wertvolle) Ressource des Unternehmens betrachtet werden, um die Unternehmensziele zu erreichen. So wird in der Literatur die Auffassung vertreten, dass das Personal die Engpassressource des Wirtschaftens darstellt. Siehe hierzu die Ausführungen des Kapitels 2.4.3.3. Borchers (2005) ist der Auffassung, dass in kleinen und mittleren Unternehmen mit einer geringen (überschaubaren) Anzahl von Mitarbeitern die Beziehung zwischen Führungskräften und Mitarbeitern persönlicher und enger ist, als in Großunternehmen. Dabei ist das Bewusstsein auch ausgeprägter, dass der eigene Arbeitsplatz von Unternehmensbestand und Unternehmenswachstum und somit auch vom eigenen (Arbeits-)Einsatz abhängt. Speziell in Unternehmen, die durch den Gründer bzw. Unternehmer geführt sind, herrscht eine hohe Bindung und Prägung durch den Unternehmer vor. Aus moralisch-ethischer Sicht, sind speziell die Unternehmer intrinsisch motiviert, (einschlägige) Tugenden bzw. Werte, wie bspw. Verantwortungsbereitschaft, Integrität oder Engagement intensiv zu leben und hiernach zu handeln. Unternehmer und angestellte Manager, speziell von börsennotierten Unternehmen, scheinen sich hinsichtlich der Verpflichtung gegenüber speziellen Stakeholdern zu unterscheiden. Unternehmer fühlen sich den Mitarbeitern verpflichtet, angestellte Manager (börsennotierter Unternehmen) hingegen fühlen sich hingegen zumeist den Kapitalgebern bzw. Aktionären verpflichtet. Angestellte Manager scheinen sich, bspw. bei der Rechtfertigung ihrer Bezüge, weniger mit ihren Mitarbeitern zu identifizieren, als vielmehr mit anderen nationalen und internationalen (Top-)Managern. Dabei kann festgehalten werden, dass die Struktur, Größe und der Status einen Unternehmens einen Einfluss auf die Art und das Ausmaß der Identifikation besitzt. In Unternehmen, die bspw. nach der Sharehoder-Value-Maximierung geführt werden, kann es schwieriger sein, ein Gemeinschaftsdenken und ein moralisch-ethisches bzw. wert- oder tugendorientiertes Handeln zu realisieren.2124 Die Befragten im Rahmen der hier vorliegenden Studie wiesen eine hohe Identifikation mit den Mitarbeitern, die eine wesentliche Ressource im Unternehmen darstellen, als bedeutendste Stakeholdergruppe auf. Allerdings ist anzumerken, dass es für zukünftige Forschungen interessant ist, wie genau diese Verpflichtung gegenüber den Mitarbeitern aussieht. Es ist zu fragen, welche Instrumente, Maßnahmen, Regelungen, Führungsstile oder aber ethischen Rechtfertigungen im Umgang mit den Mitarbeitern konkret vollzogen werden. Erste Hinweise hierzu liefert die Studie von Englisch et al. (2007), die den Zusammenhang von Verantwortung und Entrepreneurship im Mittelstand untersucht. Als meist genannte Aktivitäten für Mitarbeiter, die über gesetzliche Regelungen hinausgehen, werden 2123
2124
In der Studie von Englisch et al. (2007) ist das Verpflichtungsverhältnis genau umgekehrt. Dort fühlen sich die Befragten den Kunden (87 %) und den Mitarbeitern (85 %) bei zugelassenen Mehrfachantworten, verantwortlich. Weiterhin folgen u. a. Lieferanten (44 %), Eigentümer (44 %), Banken (24 %), Investoren (22 %). Die Gesellschaft, beschrieben als Mitbürger, Öffentlichkeit, Allgemeinheit sind mit 4 % ausgewiesen. Vgl. Borchers (2005), S. 520-521.
426
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
Weiterbildungsmaßnahmen (87 %), Ausbildungsmaßnahmen (80 %), Sozialleistungen (75 %), Leistungsabhängige Vergütungssysteme (62 %), Sport-/Kulturangebote (30 %), familienfreundliche Angebote (25) sowie gezielte Recruiting-Aktivitäten (24 %) und eine Mitarbeiterbeteiligung (24 %) genannt.2125 Hierbei handelt es sich um Maßnahmen im Kontext von Corporate Social Responsibility.2126 Dies sind explizite, sichtbare Maßnahmen, die dem Bereich der CSR zugeordnet, oder aber als konkrete Instrumente einer Unternehmensethik betrachtet werden können. Unabhängig davon, um welche Stakeholdergruppe es sich handelt bzw. welche Stakeholdergruppen als bedeutendste angesehen werden, erscheint es von Interesse zu sein, wie genau sich die Verantwortung der Unternehmen gegenüber ihren Stakeholdern manifestiert. Dies kann zum einen in Form konkreter, sichtbarer Instrumente im Unternehmen geschehen. Zum anderen zeigt sich eine Verantwortungsübernahme in (nahezu allen) Handlungen gegenüber den jeweiligen Stakeholdern. Diese Handlungen lassen sich ethisch nach bestimmten Positionen rechtfertigen. Daher könnte für zukünftige Untersuchungen eine Verbindung der Relevanz der Stakeholder und der Untersuchung einer Rechtfertigung von Handlungen, wie in Kapitel 3.2.3.6 durchgeführt, vor dem Hintergrund stakeholderspezifischer moralischer Dilemmata, interessant sein. 3.2.3.4
Einstellung zu (Unternehmens-)Ethik
In Bezug auf die grundlegende Thematik einer Einstellung zu Unternehmensethik wurde in Kapitel 2.5, unter Einbeziehung soziodemografischer Faktoren, die folgende Hypothese aufgestellt: HEinstellung: Männliche und weibliche Unternehmer weisen eine unterschiedliche Wahrnehmung von Ethik und sozialer Verantwortung auf. Für eine Überprüfung wurde ein Messkonstrukt aus dem angloamerikanischen Kulturraum zur Messung der Wahrnehmung von Ethik und sozialer Verantwortung in den europäischen Kulturraum, hier speziell Deutschland, übertragen und getestet. Dabei soll zum Ende die Wahrnehmung bzw. Einstellung hinsichtlich Ethik und sozialer Verantwortung vor dem Hintergrund ökonomischer Einstellungen dargestellt werden.2127 Messkonstrukt Im Rahmen der Ausarbeitung war es bedeutsam, ein Befragungsinstrument zur Messung der Wahrnehmung von Ethik bzw. der Messen der Einstellung zur Ethik zu identifizieren. Mangels geeigneter standardisierter, deutschsprachiger Verfahren, wurde als Instrument, das in der englischsprachigen Literatur bzw. empirischen Ethikforschung von Singhapakdi et al. (1996) konzipierte und konstruierte Instrument der wahrgenommenen Rolle von Ethik und sozialer Verantwortung, im Original Perceived Role of Ethics and Social Responsibility (PRESOR), im Rahmen der hier vorliegenden Ausarbeitung verwendet. Das Ziel des PRESOR war die Entwicklung einer reliablen und validen Skala zur Messung der Wahrnehmung hinsichtlich der Wichtigkeit von Ethik und sozialer Verantwortung. Denn die Information 2125 2126 2127
Vgl. Englisch et al. (2007), S. 18. Siehe hierzu Kapitel 2.2.4.1.2. Zur Diskussion einer (potenziellen) Messung von Einstellungen siehe grundlegend u. a. die Einzelbeiträge in Summers (1970).
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
427
hinsichtlich dieser Aspekte ist wichtig, da Individuen2128 zuerst Ethik und soziale Verantwortung als wichtig wahrnehmen müssen, bevor (voraussichtlich) ihr Verhalten zu ethischer und mehr sozialer Verantwortung reflektiert wird. Die wahrgenommene Wichtigkeit von Ethik und sozialer Verantwortung für die organisationale Leistungsfähigkeit durch ein Individuum kann wahrscheinlich als eine kritische Determinante angesehen werden, ob ein ethisches Problem überhaupt in einer Situation wahrgenommen wird oder nicht. Ebenso kann dies als eine Bestimmungsgröße von Variablen wie bspw. deontologische Normen oder die Wichtigkeit der Stakeholder, neben anderen Variablen, gesehen werden. Deshalb kann die Skala möglicherweise dabei nützlich sein, das Verständnis des Entscheidungsfindungsprozesses in ethischen Situationen zu verbessern.2129 Die Basis des PRESOR bildet die Arbeit von Kraft/Jauch (1992). Deren Instrument wird allerdings als zu lang für einen praktischen Gebrauch angesehen. Der PRESOR selbst besteht aus 16 Items, die die unterschiedlichen Dimensionen von Ethik und sozialer Verantwortung im wirtschaftlichen Kontext widerspiegeln. Dabei besteht die Skala aus generellen Angaben zur Wichtigkeit von Ethik und sozialer Verantwortung in Bezug auf die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens. Weiterhin beinhaltet die Skala Aussagen, die die Wichtigkeit von Ethik und sozialer Verantwortung in Relation zu anderen traditionellen Maßen organisationaler Leistungsfähigkeit, wie Qualität des Outputs, Profitabilität, Wettbewerbsfähigkeit und Überlebenssicherung, beinhalten.2130 In der Studie von Singhapakdi et al. (1996) umfasst der Stichprobenumfang N=153 Studenten aus Masterklassen dreier US-amerikanischer Business Schools. Zur Inhaltsvalidierung wurde das Skalenkonstrukt durch einen Expertenausschuss begutachtet und angepasst. Die Augenscheinvalidität2131 (face validity), die durch Experten überprüft wurde, zeigte, dass als Ziel des Testes eine Messung von Ethik, Werten, Soziale Verantwortung und Wichtigkeit von Ethik für Unternehmen als Antworten gegeben wurde.2132 Im Rahmen einer explorativen Faktoranalyse konnten drei Faktoren isoliert werden. Der erste Faktor wird als soziale Verantwortung und Profitabilität bezeichnet. Dieser erklärte 32,3 % der Varianz mit vier Items. Die Faktorladungen reichten Werte von 0.84 bis 0.54. Der zweite Faktor wird als langfristige Gewinne bezeichnet. Dieser erklärte 12,1 % der gesamten Varianz und bestand aus 6 Items mit Faktorladungen von 0.74 bis 0.48. Der dritte Faktor wird als kurzfristige Gewinne bezeichnet. Dieser erklärte 8.6 % der Varianz und bestand aus 3 Faktoren mit Faktorladungen von 0.74 bis 0.68. Ein vierter Faktor mit drei Items wurde aufgrund von aufgeteilten Faktorladungen nicht betrachtet und ausgeschlossen. Die finale Skala besteht daher aus 13 Items mit 3 Dimensionen. Als Reliabilitäten konnten für den Faktor 1 ein = 0.71, für Faktor 2 ein = 0.57 und für Faktor 3 ein = 0.64 berechnet werden.2133 Etheredge (1999) führte eine Replikationsstudie der Skalenentwicklung von Singhapakdi et al. (1996) durch, um die Faktorstruktur des Instrumentes zu bestätigen und um eine Beurteilung der Validität 2128
2129 2130 2131
2132 2133
Singhapakdi et al. (1996) sprechen in ihrer Studie von Entscheidern im Marketing. Allerdings können die getroffenen Annahmen und Aussagen wohl auch für andere Menschen als bedeutsam angesehen werden. Vgl. Singhapakdi et al. (1996), S. 1131-1132. Vgl. Singhapakdi et al. (1996), S. 1133. Die Augenscheinvalidität zeigt, inwieweit der Validitätsanspruch eines Tests einem Laien, durch die bloße Betrachtung des Tests, gerechtfertigt erscheint. Vgl. Singhapakdi et al. (1996), S. 1133-1134. Vgl. Singhapakdi et al. (1996), S. 1134-1135.
428
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
und Reliabilität eines Einsatzes des Instrumentariums bei Managern in Hong Kong, und somit in einer anderen, als der ursprünglichen US-amerikanischen Kultur, in der das Instrument ursprünglich entwickelt wurde, zu überprüfen.2134 In dieser Replikationsstudie mit MBA Studenten und Managern von Unternehmen in denen die MBA Studenten arbeiteten (N=233) konnte die Dreifaktorenstruktur des PRESOR aus der Studie von Singhapakdi et al. (1996) nicht bestätigt werden. Vielmehr zeigte sich eine Zweifaktorenstruktur mit fünf Items des Faktors, Wichtigkeit von Ethik und sozialer Verantwortung sowie mit vier Items des Faktors Nachrangigkeit/Unterordnung von Ethik und sozialer Verantwortung. Die Reliabilitäten wurden bei Faktor 1 mit = 0.75 und bei Faktor 2 mit = 0.73 angegeben.2135 Etheredge (1999) merkt an, dass jedes Instrument zur Erfassung der Wahrnehmung von Ethik (und sozialer Verantwortung) durch die Kultur und das Wertesystem des Landes geprägt wird, in dem dieses entwickelt und angewendet wird. Obwohl die Dreifaktorenstruktur nicht bestätigt werden konnte, lies sich eine Zweifaktorenstruktur generieren. Die Faktoren konnten klar interpretiert werden und waren substanziell bedeutungsvoll.2136 In der hier vorliegenden Ausarbeitung wurde das Instrument in der Originalversion von Singhapakdi et al. (1996) in der 16 Item Version verwendet. Hierzu wurde das Instrument aus dem englischen einerseits durch den Autor der Studie, als auch andererseits durch ein professionelles Übersetzungsbüro in die deutsche Sprache übertragen und abgeglichen. Dann wurde eine Rückübersetzung ins Englische vollzogen und mit der Originalversion verglichen. Anzumerken ist hierbei, dass gerade Begriffe im Kontext der Ethik in der englischen und deutschen Sprache nicht immer deckungsgleich sind bzw. unterschiedliche Interpretationen in der Übersetzung möglich sind. Es wurde aber bei der Übersetzung darauf wert gelegt, dass der semantische Inhalt des Instrumentariums nicht verfälscht wird und die Übersetzung dem Original so nahe bzgl. des Inhalts wie möglich kommt. Tabelle 92 enthält die übersetzten Items des PRESOR.
2134 2135 2136
Vgl. Etheredge (1999), S. 51-52. Vgl. Etheredge (1999), S. 54 und 56-57. Vgl. Etheredge (1999), S. 60
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
429
Items 1-8
Items 9-16
1. Ethisch und sozial verantwortungsbewusst sein, ist das Wichtigste, das ein Unternehmen tun kann.
9. Soziale Verantwortung und Profitabilität können kompatibel sein.
2. Während die Qualität der Produktion für den unternehmerischen Erfolg entscheidend ist, sind es Ethik und soziale Verantwortung nicht.
10. Geschäftsethik und soziale Verantwortung sind für das Überleben eines Wirtschaftsunternehmens entscheidend.
3. Kommunikation ist für die gesamte Leistungsfähigkeit einer Organisation wichtiger als die Frage, ob sie sich für Ethik und soziale Verantwortung interessiert.
11. Die erste Priorität eines Unternehmens sollte die Moral seiner Angestellten sein.
4. Tagungen zur Unternehmensplanung und Zielsetzung sollten Diskussionen über Ethik und soziale Verantwortung einschließen.
12. Ein Unternehmen trägt über die Erzielung von Gewinnen hinaus eine soziale Verantwortung.
5. Das wichtigste Anliegen eines Unternehmens ist die Gewinnerzielung, selbst wenn es bedeutet, dass die Spielregeln zu den eigenen Gunsten ausgelegt werden oder gegen sie verstoßen wird.
13. Wenn das Überleben eines Unternehmens auf dem Spiel steht, muss man Ethik und soziale Verantwortung vergessen.
6. Ethik und soziales Verantwortungsbewusstsein eines Unternehmens sind für seine langfristige Profitabilität von entscheidender Bedeutung.
14. Seine Leistungsstärke ist für ein Unternehmen viel wichtiger als die Frage, ob es als ethisch oder sozial verantwortungsbewusst gilt.
7. Die gesamte Leistungsfähigkeit eines Unternehmens kann in hohem Masse durch den Grad seiner Ethik und sozialen Verantwortung bestimmt werden.
15. Gute Ethik bedeutet oft gute Umsätze.
8. Um in einer globalen Umwelt wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen die Unternehmen Ethik und soziale Verantwortung missachten.
16. Wenn die Anteilseigner unzufrieden sind, ist alles andere gleichgültig.
Tabelle 92: Items des PRESOR
Im Folgenden werden die empirischen Ergebnisse des Bereiches der Wahrnehmung und Einstellung von Ethik und sozialer Verantwortung auf Basis des Messkonstruktes erörtert. Empirische Ergebnisse Zur Auswertung des PRESOR ist eine Faktorenanalyse durchgeführt worden. Zunächst wurden die 16 Items der Originalversion von Singhapakdi et al. (1996) in die Faktorenanalyse eingebracht, um die von Singhapakdi et al. beschriebene Struktur empirisch zu überprüfen. Tabelle 93 zeigt die deskriptive Statistik der Faktorenanalyse des PRESOR mit 16 Items.2137
2137
Auf die Darstellung der Korrelationsmatrix wird in diesem Kontext aus Gründen der Übersichtlichkeit verzichtet.
430
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
(1) Ethisch und sozial verantwortungsbewusst sein, ist das Wichtigste, das ein Unternehmen tun kann. (2) Während die Qualität der Produktion für den unternehmerischen Erfolg entscheidend ist, sind es Ethik und soziale Verantwortung nicht. (3) Kommunikation ist für die gesamte Leistungsfähigkeit einer Organisation wichtiger als die Frage, ob sie sich für Ethik und soziale Verantwortung interessiert. (4) Tagungen zur Unternehmensplanung und Zielsetzung sollten Diskussionen über Ethik und soziale Verantwortung einschließen. (5) Das wichtigste Anliegen eines Unternehmens ist die Gewinnerzielung, selbst wenn es bedeutet, dass die Spielregeln zu den eigenen Gunsten ausgelegt werden oder gegen sie verstoßen wird. (6) Ethik und soziales Verantwortungsbewusstsein eines Unternehmens sind für seine langfristige Profitabilität von entscheidender Bedeutung. (7) Die gesamte Leistungsfähigkeit eines Unternehmens kann in hohem Masse durch den Grad seiner Ethik und sozialen Verantwortung bestimmt werden. (8) Um in einer globalen Umwelt wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen die Unternehmen Ethik und soziale Verantwortung missachten. (9) Soziale Verantwortung und Profitabilität können kompatibel sein. (10) Geschäftsethik und soziale Verantwortung sind für das Überleben eines Wirtschaftsunternehmens entscheidend. (11) Die erste Priorität eines Unternehmens sollte die Moral seiner Angestellten sein. (12) Ein Unternehmen trägt über die Erzielung von Gewinnen hinaus eine soziale Verantwortung. (13) Wenn das Überleben eines Unternehmens auf dem Spiel steht, muss man Ethik und soziale Verantwortung vergessen. (14) Seine Leistungsstärke ist für ein Unternehmen viel wichtiger als die Frage, ob es als ethisch oder sozial verantwortungsbewusst gilt. (15) Gute Ethik bedeutet oft gute Umsätze. (16) Wenn die Anteilseigner unzufrieden sind, ist alles andere gleichgültig.
Mittel wert
Standard abweichung
Analyse N
3,50
,850
103
2,60
1,079
103
2,96
,969
103
3,94
1,018
103
2,15
,933
103
4,02
,863
103
3,45
1,026
103
1,63
,828
103
4,24 3,69
,822 ,908
103 103
3,10 4,38
1,080 ,628
103 103
2,11
,999
103
2,47
1,136
103
3,24 2,05
1,184 1,033
103 103
Tabelle 93: Deskriptive Statistik PRESOR – 16 Items
Im Rahmen des dimensionsreduzierenden Verfahrens der Faktorenanalyse wurde als Extraktionsmethode die Hauptkomponentenanalyse mit einer Extrahierung von Eigenwerten größer 1 angewendet nach dem Kaiser-Kriterium.2138 Nach der durchgeführten Faktorenanalyse mit den 16 Items ergaben sich vier Faktoren. Tabelle 94 zeigt die erklärte Gesamtvarianz der Faktorenanalyse des PRESOR mit 16 Items. Komponente
Summen von quadrierte Faktorladungen für Extraktion
Anfängliche Eigenwerte
Gesamt
% der Varianz
Kumulierte %
1
5,542
34,636
2
1,776
3 4
Rotierte Summe der quadrierten Ladungen
Gesamt
% der Varianz
Kumulierte %
Gesamt
% der Varianz
Kumulierte %
34,636
5,542
34,636
34,636
3,476
21,724
21,724
11,100
45,736
1,776
11,100
45,736
2,928
18,302
40,026
1,293
8,080
53,816
1,293
8,080
53,816
1,675
10,468
50,495
1,007
6,293
60,109
1,007
6,293
60,109
1,538
9,615
60,109
Tabelle 94: Erklärte Gesamtvarianz – Faktorenanalyse PRESOR – 16 Items
Die Hauptkomponentenanalyse ergab eine Aufklärung der Gesamtvarianz von 34,6 % durch Faktor 1, von 11,1 % durch Faktor 2, von 8,1 % durch Faktor 3 und von 6,3 % durch Faktor 4. Tabelle 95 zeigt die Komponentenmatrix der Faktorenanalyse des PRESOR durchgeführt mit 16 Items.
2138
Siehe zur Grundlegung der Faktorenanalyse und der Begriffe der Hauptkomponentenanalyse, der Eigenwerte und des Kaiser-Kriteriums einführend auch die Erörterungen des Kapitels. 3.1.3.4.
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
431 Komponente
(1) Ethisch und sozial verantwortungsbewusst sein, ist das Wichtigste, das ein Unternehmen tun kann. (2) Während die Qualität der Produktion für den unternehmerischen Erfolg entscheidend ist, sind es Ethik und soziale Verantwortung nicht. (3) Kommunikation ist für die gesamte Leistungsfähigkeit einer Organisation wichtiger als die Frage, ob sie sich für Ethik und soziale Verantwortung interessiert. (4) Tagungen zur Unternehmensplanung und Zielsetzung sollten Diskussionen über Ethik und soziale Verantwortung einschließen. (5) Das wichtigste Anliegen eines Unternehmens ist die Gewinnerzielung, selbst wenn es bedeutet, dass die Spielregeln zu den eigenen Gunsten ausgelegt werden oder gegen sie verstoßen wird. (6) Ethik und soziales Verantwortungsbewusstsein eines Unternehmens sind für seine langfristige Profitabilität von entscheidender Bedeutung. (7) Die gesamte Leistungsfähigkeit eines Unternehmens kann in hohem Masse durch den Grad seiner Ethik und sozialen Verantwortung bestimmt werden. (8) Um in einer globalen Umwelt wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen die Unternehmen Ethik und soziale Verantwortung missachten. (9) Soziale Verantwortung und Profitabilität können kompatibel sein. (10) Geschäftsethik und soziale Verantwortung sind für das Überleben eines Wirtschaftsunternehmens entscheidend. (11) Die erste Priorität eines Unternehmens sollte die Moral seiner Angestellten sein. (12) Ein Unternehmen trägt über die Erzielung von Gewinnen hinaus eine soziale Verantwortung. (13) Wenn das Überleben eines Unternehmens auf dem Spiel steht, muss man Ethik und soziale Verantwortung vergessen. (14) Seine Leistungsstärke ist für ein Unternehmen viel wichtiger als die Frage, ob es als ethisch oder sozial verantwortungsbewusst gilt. (15) Gute Ethik bedeutet oft gute Umsätze. (16) Wenn die Anteilseigner unzufrieden sind, ist alles andere gleichgültig.
1
2
3
,577
,177
,246
4 -,042
-,535
,139
,601
,124
-,682
,059
,061
-,242
,628
,069
,422
,030
-,671
,230
-,312
,073
,711
,115
-,168
,166
,708
,196
-,239
-,033
-,534
,332
,165
-,132
,375 ,658
-,522 ,436
,001 -,223
,464 ,181
,381
,631
,284
-,335
,581
,132
,323
,327
-,617
,391
-,039
,260
-,722
,040
-,204
,152
,561 -,218
,155 ,668
-,416 -,168
-,354 ,442
Tabelle 95: Komponentenmatrix der Faktorenanalyse des PRESOR – 16 Items
Bei der Hauptkomponentenanalyse wurden zwei Items (Item 2 und Item 9) ermittelt, die gleichermaßen auf zwei Faktoren luden. Aus diesem Grunde ist eine Varimax-Rotation mit KaiserNormalisierung der Faktoren-Matrix durchgeführt worden.2139 Danach ergab sich eine gleichmäßigere Aufklärung der Gesamtvarianz durch die vier Faktoren, da nun die Items nicht mehr hauptsächlich nur auf dem Faktor 1 luden. Die Varimax-Rotation ergab eine Aufklärung der Gesamtvarianz von 21,7 % durch Faktor 1, von 18,3 % durch Faktor 2, von 10,5 % durch Faktor 3 und von 9,6 % durch Faktor 4.2140 Tabelle 96 zeigt die rotierte Komponentenmatrix der Faktorenanalyse des PRESOR mit 16 Items.
2139 2140
Siehe zu den grundlegenden Begriffen der Faktorenanalyse die Ausführungen des Kapitels 3.1.3.4. Siehe hierzu Tabelle 94.
432
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen Komponente
(1) Ethisch und sozial verantwortungsbewusst sein, ist das Wichtigste, das ein Unternehmen tun kann. (2) Während die Qualität der Produktion für den unternehmerischen Erfolg entscheidend ist, sind es Ethik und soziale Verantwortung nicht. (3) Kommunikation ist für die gesamte Leistungsfähigkeit einer Organisation wichtiger als die Frage, ob sie sich für Ethik und soziale Verantwortung interessiert. (4) Tagungen zur Unternehmensplanung und Zielsetzung sollten Diskussionen über Ethik und soziale Verantwortung einschließen. (5) Das wichtigste Anliegen eines Unternehmens ist die Gewinnerzielung, selbst wenn es bedeutet, dass die Spielregeln zu den eigenen Gunsten ausgelegt werden oder gegen sie verstoßen wird. (6) Ethik und soziales Verantwortungsbewusstsein eines Unternehmens sind für seine langfristige Profitabilität von entscheidender Bedeutung. (7) Die gesamte Leistungsfähigkeit eines Unternehmens kann in hohem Masse durch den Grad seiner Ethik und sozialen Verantwortung bestimmt werden. (8) Um in einer globalen Umwelt wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen die Unternehmen Ethik und soziale Verantwortung missachten. (9) Soziale Verantwortung und Profitabilität können kompatibel sein. (10) Geschäftsethik und soziale Verantwortung sind für das Überleben eines Wirtschaftsunternehmens entscheidend. (11) Die erste Priorität eines Unternehmens sollte die Moral seiner Angestellten sein. (12) Ein Unternehmen trägt über die Erzielung von Gewinnen hinaus eine soziale Verantwortung. (13) Wenn das Überleben eines Unternehmens auf dem Spiel steht, muss man Ethik und soziale Verantwortung vergessen. (14) Seine Leistungsstärke ist für ein Unternehmen viel wichtiger als die Frage, ob es als ethisch oder sozial verantwortungsbewusst gilt. (15) Gute Ethik bedeutet oft gute Umsätze. (16) Wenn die Anteilseigner unzufrieden sind, ist alles andere gleichgültig.
1
2
3
4
,608
,213
-,096
,051
,053
-,776
,191
,200
-,468
-,414
,044
,372
,734
,082
-,172
-,056
-,594
-,156
,436
,195
,460
,556
,043
-,229
,406
,656
-,014
-,041
-,202
-,372
,247
,446
,189 ,482
,056 ,618
-,160 ,300
-,751 -,033
,577
,196
,074
,600
,703
,085
,093
-,237
-,310
-,331
,602
,187
-,606
-,316
,346
,045
,129 ,001
,748 ,029
-,177 ,838
,174 ,124
Tabelle 96: Rotierte Komponentenmatrix der Faktorenanalyse des PRESOR – 16 Items
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
433
Aus der rotierten Komponentenmatrix konnten (zunächst) folgende Faktoren gebildet werden, wie in Tabelle 97 dargestellt:2141 Faktor 1: Ethisch und sozial verantwortungsbewusst sein, ist das Wichtigste, das ein Unternehmen tun kann.
Item 1
Tagungen zur Unternehmensplanung und Zielsetzung sollten Diskussionen über Ethik und soziale Verantwortung einschließen.
Item 4
Ein Unternehmen trägt über die Erzielung von Gewinnen hinaus eine soziale Verantwortung.
Item 12
Seine Leistungsstärke ist für ein Unternehmen viel wichtiger als die Frage, ob es als ethisch oder sozial verantwortungsbewusst gilt.
Item 14
Faktor 2: Während die Qualität der Produktion für den unternehmerischen Erfolg entscheidend ist, sind es Ethik und soziale Verantwortung nicht.
Item 2
Die gesamte Leistungsfähigkeit eines Unternehmens kann in hohem Masse durch den Grad seiner Ethik und sozialen Verantwortung bestimmt werden.
Item 7
Geschäftsethik und soziale Verantwortung sind für das Überleben eines Wirtschaftsunternehmens entscheidend.
Item 10
Gute Ethik bedeutet oft gute Umsätze
Item 15
Faktor 3 Wenn das Überleben eines Unternehmens auf dem Spiel steht, muss man Ethik und soziale Verantwortung vergessen.
Item 13
Wenn die Anteilseigner unzufrieden sind, ist alles andere gleichgültig.
Item 16
Faktor 4 Soziale Verantwortung und Profitabilität können kompatibel sein.
Item 9
Tabelle 97: Faktorenstruktur des PRESOR aus ursprünglich 16 Items
Zwischendiskussion Es hat sich gezeigt, dass sich die dreifaktorielle Struktur der Originaluntersuchung von Singhapakdi et al. (1996) durch die hier vorliegende Faktorenanalyse nicht replizieren ließ. Singhapakdi et al. bildeten die drei Faktoren „Social responsibility and profitability“ (Items: 8, 9, 13, 15), „Long-term gains“ (Items: 1, 6, 7, 10, 11, 12), „Short-term gains“ (Items: 5, 14, 16).2142 Diese Faktoren entsprechen nicht den im Rahmen der Ausarbeitung extrahierten Faktoren. Gleichermaßen wurde der Faktor 3 lediglich durch zwei und Faktor 4 durch ein Item gebildet. Auf eine Interpretation und Verwendung soll an dieser Stelle verzichtet werden. Im weiteren Verlauf wurde vielmehr eine Faktorenanalyse mit den 13 (Original-)Items vorgenommen, um zu sehen, ob sich die (Original-)Faktoren aus diesen bilden lassen. Faktorenanalyse mit 13 Items Da sich die „Originalfaktoren“ von Singhapakdi et al. (1996) aus den ursprünglichen 16 Items nicht replizieren ließen, wurde eine Faktorenanalyse auf Basis der finalen 13 Items der PRESOR-Skala von 2141 2142
Siehe zu den Konventionen der Interpretation von Faktoren auch die Erörterungen in Kapitel 3.1.3.4. Siehe hierzu Singhapakdi et al. (1996) sowie Etheredge (1998).
434
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
Singhapakdi et al. durchgeführt. Das Ziel war es, zu überprüfen, ob sich aus diesen 13 Items die drei Faktoren von Singhapakdi et al. abbilden lassen. Diese Vorgehensweise entsprach der Replikationsstudie von Etheredge et al. (1999).2143 Tabelle 98 zeigt die deskriptive Statistik der Faktorenanalyse des PRESOR mit 13 Items. (1) Ethisch und sozial verantwortungsbewusst sein, ist das Wichtigste, das ein Unternehmen tun kann. (5) Das wichtigste Anliegen eines Unternehmens ist die Gewinnerzielung, selbst wenn es bedeutet, dass die Spielregeln zu den eigenen Gunsten ausgelegt werden oder gegen sie verstoßen wird. (6) Ethik und soziales Verantwortungsbewusstsein eines Unternehmens sind für seine langfristige Profitabilität von entscheidender Bedeutung. (7) Die gesamte Leistungsfähigkeit eines Unternehmens kann in hohem Masse durch den Grad seiner Ethik und sozialen Verantwortung bestimmt werden. (8) Um in einer globalen Umwelt wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen die Unternehmen Ethik und soziale Verantwortung missachten. (9) Soziale Verantwortung und Profitabilität können kompatibel sein. (10) Geschäftsethik und soziale Verantwortung sind für das Überleben eines Wirtschaftsunternehmens entscheidend. (11) Die erste Priorität eines Unternehmens sollte die Moral seiner Angestellten sein. (12) Ein Unternehmen trägt über die Erzielung von Gewinnen hinaus eine soziale Verantwortung. (13) Wenn das Überleben eines Unternehmens auf dem Spiel steht, muss man Ethik und soziale Verantwortung vergessen. (14) Seine Leistungsstärke ist für ein Unternehmen viel wichtiger als die Frage, ob es als ethisch oder sozial verantwortungsbewusst gilt. (15) Gute Ethik bedeutet oft gute Umsätze. (16) Wenn die Anteilseigner unzufrieden sind, ist alles andere gleichgültig.
Mittel wert
Standard abweichung
Analyse N
3,49
,848
104
2,14
,929
104
4,02
,859
104
3,45
1,023
104
1,63
,825
104
4,24 3,69
,818 ,904
104 104
3,09 4,38
1,080 ,628
104 104
2,12
,998
104
2,47
1,132
104
3,25 2,04
1,180 1,033
104 104
Tabelle 98: Deskriptive Statistik PRESOR – 13 Items
Im Rahmen des dimensionsreduzierenden Verfahrens der Faktorenanalyse wurde als Extraktionsmethode die Hauptkomponentenanalyse mit einer Extrahierung von Eigenwerten größer 1 angewendet. Nach der durchgeführten Faktorenanalyse mit den 13 Items ergaben sich drei Faktoren. Tabelle 99 zeigt die erklärte Gesamtvarianz der Faktorenanalyse des PRESOR mit 13 Items. Komponente
Summen von quadrierte Faktorladungen für Extraktion
Anfängliche Eigenwerte
Gesamt
% der Varianz
Kumulierte %
1
4,500
34,615
2
1,753
3
1,050
Rotierte Summe der quadrierten Ladungen
Gesamt
% der Varianz
Kumulierte %
Gesamt
% der Varianz
Kumulierte %
34,615
4,500
34,615
34,615
2,715
20,888
20,888
13,486
48,102
1,753
13,486
48,102
2,344
18,029
38,917
8,078
56,180
1,050
8,078
56,180
2,244
17,263
56,180
Tabelle 99: Erklärte Gesamtvarianz – Faktorenanalyse PRESOR – 13 Items
Nach der Faktorenanalyse mit ausgewählten 13 Items ergaben sich drei Faktoren auf Basis der Hauptkomponentenanalyse. Dabei ergab die Hauptkomponentenanalyse eine Aufklärung der Gesamtvarianz von 34,6 % durch Faktor 1, von 13,5 % durch Faktor 2 und von 8,1 % durch Faktor 3. Tabelle 100 zeigt die Komponentenmatrix der Faktorenanalyse des PRESOR durchgeführt mit 13 Items.
2143
Auf die Darstellung der Korrelationsmatrix wird in diesem Kontext aus Gründen der Übersichtlichkeit verzichtet.
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
435 Komponente
(1) Ethisch und sozial verantwortungsbewusst sein, ist das Wichtigste, das ein Unternehmen tun kann. (5) Das wichtigste Anliegen eines Unternehmens ist die Gewinnerzielung, selbst wenn es bedeutet, dass die Spielregeln zu den eigenen Gunsten ausgelegt werden oder gegen sie verstoßen wird. (6) Ethik und soziales Verantwortungsbewusstsein eines Unternehmens sind für seine langfristige Profitabilität von entscheidender Bedeutung. (7) Die gesamte Leistungsfähigkeit eines Unternehmens kann in hohem Masse durch den Grad seiner Ethik und sozialen Verantwortung bestimmt werden. (8) Um in einer globalen Umwelt wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen die Unternehmen Ethik und soziale Verantwortung missachten. (9) Soziale Verantwortung und Profitabilität können kompatibel sein. (10) Geschäftsethik und soziale Verantwortung sind für das Überleben eines Wirtschaftsunternehmens entscheidend. (11) Die erste Priorität eines Unternehmens sollte die Moral seiner Angestellten sein. (12) Ein Unternehmen trägt über die Erzielung von Gewinnen hinaus eine soziale Verantwortung. (13) Wenn das Überleben eines Unternehmens auf dem Spiel steht, muss man Ethik und soziale Verantwortung vergessen. (14) Seine Leistungsstärke ist für ein Unternehmen viel wichtiger als die Frage, ob es als ethisch oder sozial verantwortungsbewusst gilt. (15) Gute Ethik bedeutet oft gute Umsätze. (16) Wenn die Anteilseigner unzufrieden sind, ist alles andere gleichgültig.
1
2
,608
,147
3 -,406
-,676
,268
,248
,715
,113
,245
,700
,207
,144
-,555
,339
-,416
,356 ,672
-,524 ,444
,147 ,148
,409 ,594
,595 ,086
-,436 -,131
-,632
,401
,163
-,702
,070
,088
,570 -,216
,171 ,679
,431 ,315
Tabelle 100: Komponentenmatrix der Faktorenanalyse des PRESOR – 13 Items
Auch in diesem Falle ist eine Varimax-Rotation mit Kaiser-Normalisierung der Faktoren-Matrix durchgeführt worden. Dadurch ergab sich eine gleichmäßigere Aufklärung der Gesamtvarianz durch die drei Faktoren. Denn die Items luden nicht mehr hauptsächlich nur auf dem Faktor 1. Dabei ergab die Varimax-Rotation eine Aufklärung der Gesamtvarianz von 20,9% durch Faktor 1, von 18,0% durch Faktor 2 sowie von 17,3% durch Faktor 3.2144 Anzumerken ist hierbei, dass sich nach der Rotation für das Item 14 gleichermaßen starke Ladungen auf allen drei Faktoren ergab, so dass dieses Item ebenfalls ausgeschlossen werden musste. Tabelle 101 zeigt die rotierte Komponentenmatrix der Faktorenanalyse des PRESOR mit 13 Items. Komponente
(1) Ethisch und sozial verantwortungsbewusst sein, ist das Wichtigste, das ein Unternehmen tun kann. (5) Das wichtigste Anliegen eines Unternehmens ist die Gewinnerzielung, selbst wenn es bedeutet, dass die Spielregeln zu den eigenen Gunsten ausgelegt werden oder gegen sie verstoßen wird. (6) Ethik und soziales Verantwortungsbewusstsein eines Unternehmens sind für seine langfristige Profitabilität von entscheidender Bedeutung. (7) Die gesamte Leistungsfähigkeit eines Unternehmens kann in hohem Masse durch den Grad seiner Ethik und sozialen Verantwortung bestimmt werden. (8) Um in einer globalen Umwelt wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen die Unternehmen Ethik und soziale Verantwortung missachten. (9) Soziale Verantwortung und Profitabilität können kompatibel sein. (10) Geschäftsethik und soziale Verantwortung sind für das Überleben eines Wirtschaftsunternehmens entscheidend. (11) Die erste Priorität eines Unternehmens sollte die Moral seiner Angestellten sein. (12) Ein Unternehmen trägt über die Erzielung von Gewinnen hinaus eine soziale Verantwortung. (13) Wenn das Überleben eines Unternehmens auf dem Spiel steht, muss man Ethik und soziale Verantwortung vergessen. (14) Seine Leistungsstärke ist für ein Unternehmen viel wichtiger als die Frage, ob es als ethisch oder sozial verantwortungsbewusst gilt. (15) Gute Ethik bedeutet oft gute Umsätze. (16) Wenn die Anteilseigner unzufrieden sind, ist alles andere gleichgültig.
1
2
3
,169
-,245
,684
-,235
,601
-,418
,686
-,193
,275
,626
-,126
,382
-,597
,470
,142
,233 ,661
-,588 ,091
-,152 ,474
,109 ,336
,227 -,235
,805 ,457
-,234
,677
-,273
-,407
,411
-,414
,728 ,217
-,037 ,748
,095 -,019
Tabelle 101: Rotierte Komponentenmatrix der Faktorenanalyse des PRESOR – 13 Items
Nach Ausschluss des Items 14 ergaben sich folgende Ergebnisse der Faktorenanalyse mit zwölf Items. Tabelle 102 zeigt die deskriptive Statistik PRESOR mit zwölf Items.
2144
Siehe hiezu auch Tabelle 99.
436
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
(1) Ethisch und sozial verantwortungsbewusst sein, ist das Wichtigste, das ein Unternehmen tun kann. (5) Das wichtigste Anliegen eines Unternehmens ist die Gewinnerzielung, selbst wenn es bedeutet, dass die Spielregeln zu den eigenen Gunsten ausgelegt werden oder gegen sie verstoßen wird. (6) Ethik und soziales Verantwortungsbewusstsein eines Unternehmens sind für seine langfristige Profitabilität von entscheidender Bedeutung. (7) Die gesamte Leistungsfähigkeit eines Unternehmens kann in hohem Masse durch den Grad seiner Ethik und sozialen Verantwortung bestimmt werden. (8) Um in einer globalen Umwelt wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen die Unternehmen Ethik und soziale Verantwortung missachten. (9) Soziale Verantwortung und Profitabilität können kompatibel sein. (10) Geschäftsethik und soziale Verantwortung sind für das Überleben eines Wirtschaftsunternehmens entscheidend. (11) Die erste Priorität eines Unternehmens sollte die Moral seiner Angestellten sein. (12) Ein Unternehmen trägt über die Erzielung von Gewinnen hinaus eine soziale Verantwortung. (13) Wenn das Überleben eines Unternehmens auf dem Spiel steht, muss man Ethik und soziale Verantwortung vergessen. (15) Gute Ethik bedeutet oft gute Umsätze. (16) Wenn die Anteilseigner unzufrieden sind, ist alles andere gleichgültig.
Mittel wert
Standard abweichung
Analyse N
3,49
,845
105
2,14
,924
105
4,02
,855
105
3,46
1,019
105
1,64
,822
105
4,24 3,70
,815 ,900
105 105
3,09 4,38
1,075 ,626
105 105
2,11
,993
105
3,25 2,04
1,175 1,028
105 105
Tabelle 102: Deskriptive Statistik PRESOR – zwölf Items
Nach der durchgeführten Faktorenanalyse mit den zwölf Items ergaben sich drei Faktoren. Tabelle 103 zeigt die erklärte Gesamtvarianz der Faktorenanalyse des PRESOR mit zwölf Items.2145 Komponente
Summen von quadrierte Faktorladungen für Extraktion
Anfängliche Eigenwerte
Gesamt
% der Varianz
Kumulierte %
1
4,066
33,880
2
1,749
3
1,046
Rotierte Summe der quadrierten Ladungen
Gesamt
% der Varianz
Kumulierte %
Gesamt
% der Varianz
Kumulierte %
33,880
4,066
33,880
33,880
2,466
20,547
20,547
14,573
48,453
1,749
14,573
48,453
2,208
18,400
38,947
8,719
57,173
1,046
8,719
57,173
2,187
18,226
57,173
Tabelle 103: Erklärte Gesamtvarianz – Faktorenanalyse PRESOR – zwölf Items
Dabei ergab die Hauptkomponentenanalyse eine Aufklärung der Gesamtvarianz von 33,9 % durch Faktor 1, von 14,6 % durch Faktor 2 und von 8,7 % durch Faktor 3. Tabelle 104 zeigt die Komponentenmatrix der Faktorenanalyse des PRESOR mit zwölf Items. Komponente
(1) Ethisch und sozial verantwortungsbewusst sein, ist das Wichtigste, das ein Unternehmen tun kann. (5) Das wichtigste Anliegen eines Unternehmens ist die Gewinnerzielung, selbst wenn es bedeutet, dass die Spielregeln zu den eigenen Gunsten ausgelegt werden oder gegen sie verstoßen wird. (6) Ethik und soziales Verantwortungsbewusstsein eines Unternehmens sind für seine langfristige Profitabilität von entscheidender Bedeutung. (7) Die gesamte Leistungsfähigkeit eines Unternehmens kann in hohem Masse durch den Grad seiner Ethik und sozialen Verantwortung bestimmt werden. (8) Um in einer globalen Umwelt wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen die Unternehmen Ethik und soziale Verantwortung missachten. (9) Soziale Verantwortung und Profitabilität können kompatibel sein. (10) Geschäftsethik und soziale Verantwortung sind für das Überleben eines Wirtschaftsunternehmens entscheidend. (11) Die erste Priorität eines Unternehmens sollte die Moral seiner Angestellten sein. (12) Ein Unternehmen trägt über die Erzielung von Gewinnen hinaus eine soziale Verantwortung. (13) Wenn das Überleben eines Unternehmens auf dem Spiel steht, muss man Ethik und soziale Verantwortung vergessen. (15) Gute Ethik bedeutet oft gute Umsätze. (16) Wenn die Anteilseigner unzufrieden sind, ist alles andere gleichgültig.
1
2
,621
,132
3 -,441
-,661
,274
,242
,728
,097
,218
,709
,195
,145
-,567
,354
-,391
,351 ,697
-,531 ,426
,117 ,110
,405 ,609
,595 ,070
-,411 -,176
-,621
,408
,157
,561 -,212
,168 ,683
,479 ,305
Tabelle 104: Komponentenmatrix der Faktorenanalyse des PRESOR – zwölf Items
2145
Auf die Darstellung der Korrelationsmatrix wird in diesem Kontext aus Gründen der Übersichtlichkeit verzichtet.
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
437
Nach der durchgeführten Varimax-Rotation ergab sich wiederum eine gleichmäßigere Aufklärung der Gesamtvarianz durch die drei Faktoren. Dabei ergab sich eine Aufklärung der Gesamtvarianz von 20,9% durch Faktor 1, von 18,0% durch Faktor 2 sowie von 17,3% durch Faktor 3.2146 Tabelle 105 zeigt abschließend die rotierte Komponentenmatrix der Faktorenanalyse des PRESOR mit zwölf Items. Komponente
(1) Ethisch und sozial verantwortungsbewusst sein, ist das Wichtigste, das ein Unternehmen tun kann. (5) Das wichtigste Anliegen eines Unternehmens ist die Gewinnerzielung, selbst wenn es bedeutet, dass die Spielregeln zu den eigenen Gunsten ausgelegt werden oder gegen sie verstoßen wird. (6) Ethik und soziales Verantwortungsbewusstsein eines Unternehmens sind für seine langfristige Profitabilität von entscheidender Bedeutung. (7) Die gesamte Leistungsfähigkeit eines Unternehmens kann in hohem Masse durch den Grad seiner Ethik und sozialen Verantwortung bestimmt werden. (8) Um in einer globalen Umwelt wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen die Unternehmen Ethik und soziale Verantwortung missachten. (9) Soziale Verantwortung und Profitabilität können kompatibel sein. (10) Geschäftsethik und soziale Verantwortung sind für das Überleben eines Wirtschaftsunternehmens entscheidend. (11) Die erste Priorität eines Unternehmens sollte die Moral seiner Angestellten sein. (12) Ein Unternehmen trägt über die Erzielung von Gewinnen hinaus eine soziale Verantwortung. (13) Wenn das Überleben eines Unternehmens auf dem Spiel steht, muss man Ethik und soziale Verantwortung vergessen. (15) Gute Ethik bedeutet oft gute Umsätze. (16) Wenn die Anteilseigner unzufrieden sind, ist alles andere gleichgültig.
1
2
3
,136
-,256
,717
-,223
,587
-,419
,668
-,207
,314
,623
-,127
,397
-,590
,490
,102
,215 ,636
-,599 ,072
-,121 ,519
,103 ,303
,250 -,253
,783 ,501
-,229
,669
-,277
,753 ,208
-,018 ,749
,073 -,018
Tabelle 105: Rotierte Komponentenmatrix der Faktorenanalyse des PRESOR – zwölf Items
Auf Basis der Ergebnisse der Tabelle 105 ist eine Interpretation der drei Faktoren vorgenommen worden. Dabei ist anzumerken, dass die Polung der einzelnen Items (positiv: + bzw. negativ: -) beachtet und ausgewiesen wurde. Es zeigt sich in Tabelle 106 folgendes Ergebnis:2147
2146 2147
Siehe hierzu Tabelle 103. Backhaus et al. (2006) merken an, dass es bei größeren Felduntersuchungen nicht leicht ist, die jeweiligen Faktoren zu interpretieren. Im Rahmen der Interpretation ist durch den Forscher individuell ab entscheiden, ab welcher Ladungshöhe die Zuordnung einer Variablen zu einem Faktor vorgenommen wird. Als Konventionen werden in der praktischen Anwendung „hohe“ Ladungen ab 0,5 angenommen. Siehe auch die Ausführungen, speziell bei Ladungen auf unterschiedlichen Variablen, in Kapitel 3.1.3.4.
438
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
Faktor 1: Ethik und soziale Verantwortung nutzt der Gewinnerzielung Ethik und soziales Verantwortungsbewusstsein eines Unternehmens sind für seine langfristige Profitabilität von entscheidender Bedeutung.
(+) (Item 6)
Die gesamte Leistungsfähigkeit eines Unternehmens kann in hohem Masse durch den Grad seiner Ethik und sozialen Verantwortung bestimmt werden.
(+) (Item 7)
Um in einer globalen Umwelt wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen die Unternehmen Ethik und soziale Verantwortung missachten.2148
(-) (Item 8)
Geschäftsethik und soziale Verantwortung sind für das Überleben eines Wirtschaftsunternehmens entscheidend.2149
(+) (Item 10)
Gute Ethik bedeutet oft gute Umsätze.
(+) (Item 15)
Faktor 2: Gewinnerzielung steht vor Ethik und sozialer Verantwortung Das wichtigste Anliegen eines Unternehmens ist die Gewinnerzielung, selbst wenn es bedeutet, dass die Spielregeln zu den eigenen Gunsten ausgelegt werden oder gegen sie verstoßen wird.
(+) (Item 5)
Soziale Verantwortung und Profitabilität können kompatibel sein.2150
(-) (Item 9)
Wenn das Überleben eines Unternehmens auf dem Spiel steht, muss man Ethik und soziale Verantwortung vergessen.
(+) (Item 13)
Wenn die Anteilseigner unzufrieden sind, ist alles andere gleichgültig.
(+) (Item 16)
Faktor 3: Ethik und sozialer Verantwortung steht vor Gewinnerzielung Ethisch und sozial verantwortungsbewusst sein, ist das Wichtigste, das ein Unternehmen tun kann.
(+) (Item 1)
Die erste Priorität eines Unternehmens sollte die Moral seiner Angestellten sein.
(+) (Item 11)
Ein Unternehmen trägt über die Erzielung von Gewinnen hinaus eine soziale Verantwortung.
(+) (Item 12)
Tabelle 106: Interpretation der Faktoren des PRESOR – zwölf Items
2148
2149
2150
Eine positive Polung bzw. Umkodierung des Items 8 kann wie folgt dargestellt werden: „Um in einer globalen Umwelt wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen die Unternehmen Ethik und soziale Verantwortung beachten.“ Das Item 10 „Geschäftsethik und soziale Verantwortung sind für das Überleben eines Wirtschaftsunternehmens entscheidend“ lud mit einem Wert von 0,636 auf Faktor 1 und 0,519 auf Faktor 3. Somit sind beide Werte größer dem Kriterium von 0,5. Allerdings kann der Wert des Items 10 auf Faktor 3 als gerade (marginal) über der Grenze von 0,5 bezeichnet werden. Das Item 10 kann inhaltlich sowohl bei Faktor 1, als auch bei Faktor 3 interpretiert werden. In diesem Fall ist es allerdings, aufgrund der größeren Ladung, lediglich Faktor 1 zugeschrieben worden, um eine eindeutige Zuordnung zu erhalten. Eine positive Polung bzw. Umkodierung des Items 9 würde wie folgt darstellt werden: „Soziale Verantwortung und Profitabilität können inkompatibel sein.“
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
439
Anmerkungen zu einer potenziellen Likert-Skalenkonstruktion des PRESOR Für die Faktoren wurden im Rahmen einer Reliabilitätsanalyse2151 die in Tabelle 107 dargestellten Reliabilitätskoeffizienten2152 berechnet: Cronbach’s Alpha
Anzahl der Items
Faktor 1
,510
5
Faktor 2
,276
4
Faktor 3
,556
3
Tabelle 107: Reliabilitäten auf Basis Cronbach´s Alpha für den PRESOR
Würde bei Faktor 1 das Item 8 herausgenommen, so ergäbe sich ein neues Cronbach’s Alpha von 0,759 bei 4 Items. Bei einer Herausnahme des Items 9 auf Faktor 2 ergäbe sich ein neues Cronbach’s Alpha von 0,644 bei 3 Items. Bei Faktor 3 würde sich Cronbach’s Alpha nicht verbessern und bliebe damit bei 0,556 wenn eines der drei Items herausgenommen werden würde. Dieser Sachverhalt ist in Tabelle 108 dargestellt. Cronbach’s Alpha
Anzahl der Items
Faktor 1
,759
4
Faktor 2
,644
3
Faktor 3
,5562153
3
Tabelle 108: Reliabilitäten auf Basis Cronbach´s Alpha für den PRESOR nach Item Herausnahme
Eine positive Polung bzw. Umkodierung des Items 8 bei Faktor 1 sowie eine positive Polung bzw. Umkodierung des Items 9 auf Faktor 2 vorgenommen, ergab im Rahmen einer durchgeführten Reliabilitätsanalyse die in Tabelle 109 dargestellten Reliabilitätskoeffizienten. Cronbach’s Alpha
Anzahl der Items
Faktor 1
,764
5
Faktor 2
,656
4
Faktor 3
,5562154
3
Tabelle 109: Reliabilitäten auf Basis Cronbach´s Alpha für den PRESOR nach Umkodierung von Items
2151
2152
2153
2154
Im Rahmen einer Reliabilitätsanalyse wird die Zusammenstellung einzelner Items zu einem Test betrachtet. Dabei wird auf Basis unterschiedlicher Kriterien überprüft, welche Items für den (Gesamt-)Test brauchbar bzw. unbrauchbar sind. Vgl. Bühl (2006), S. 475. Der Reliabilitätskoeffizient stellt einen bedeutenden Kennwert zur Beurteilung des (Gesamt-)Tests dar. Dabei ist es das Maß der Genauigkeit mit der ein Merkmal durch den Test erfasst wird. Der Reliabilitätskoeffizient nach Cronbach’s Alpha, bei dem es sich um einen gängigen Kennwert handelt, kann betragsmäßig Werte zwischen 0 und 1 annehmen. Vgl. Bühl (2006), S. 477. Würde dem Faktor 3 das Item 12, wie bei Faktor 1 zugeschrieben, so ergäbe sich ein Cronbach’s Alpha für Faktor 3 mit 0,689 und 4 Items. Das Item 12 kann aufgrund der Faktorladung und seines Inhaltes sowohl bei Faktor 1, als auch bei Faktor 3 interpretiert werden. Würde dem Faktor 3 das Item 12, wie bei Faktor 1 zugeschrieben, so ergäbe sich ein Cronbach´s Alpha für Faktor 3 mit 0,689 und 4 Items. Das Item 12 kann aufgrund der Faktorladung und seines Inhaltes sowohl bei Faktor 1, als auch bei Faktor 3 interpretiert werden.
440
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
Durch die Herausnahme von Items hätte sich keine Verbesserung der Reliabilitätskoeffizienten ergeben. Nunnally (1978) schlägt vor, ein Cronbach´s Alpha von 0,5 oder 0,6 als ausreichend für eine frühe Phase in der Forschung zu betrachten.2155 Nach Janssen/Laatz (2007) existieren keine Konventionen hinsichtlich der Höhe des Reliabilitätskoeffizienten, ab dem eine Skala als hinreichend zuverlässig angesehen wird. Oftmals werden aber Mindestwerte von 0,7 oder 0,8 empfohlen.2156 Bei einer Verwendung der extrahierten Faktoren als Likert-Skala für zukünftige Untersuchungen seien die Cronbach´s Alphas bedacht. Eine Veränderung der Itemstruktur sollte eine Überprüfung der Interpretation nach sich ziehen. Trotz der geringen Reliabilität bei Faktor 2 wird mit der extrahierten Faktorenstruktur weitergearbeitet, ohne Items aus den Faktoren herauszunehmen. Dabei sei angemerkt, dass in diesem Falle keine (vollständige) Likert-Skalenkonstruktion angestrebt wurde, sondern eine Faktorenanalyse. Zwischendiskussion Es hat sich gezeigt, dass sich weder die Originalfaktorenstruktur nach Singhapakdi et al. (1996) mit den drei Faktoren „Social responsibility and profitability“ (Items: 8, 9, 13, 15), „Long-term gains“ (Items: 1, 6, 7, 10, 11, 12), „Short-term gains“ (Items: 5, 14, 16), noch die zweifaktorielle Struktur nach Etheredge (1998) mit den Faktoren „Importance of Ethics and Social Responsibility” (Items 1, 6, 7, 19, 12) und „Subordination of Ethics and Social Responsibility” (Items: 5, 8, 12, 14) replizieren ließen.2157 Vielmehr zeigte sich eine eigenständige, interpretierbare dreifaktorielle Struktur mit: Faktor 1: Ethik und soziale Verantwortung nutzt der Gewinnerzielung, Faktor 2: Gewinnerzielung steht vor Ethik und sozialer Verantwortung und Faktor 3: Ethik und sozialer Verantwortung steht vor Gewinnerzielung. Ein Grund für die nicht realisierbare Replizierbarkeit kann in Unterschieden bei der Übersetzung der Items aus der englischen in die deutsche Sprache gelegen haben. Wobei anzumerken ist, dass auf eine möglichst hohe semantische Übereinstimmung bei der Übersetzung und Rückübersetzung geachtet wurde. Darüber hinaus ist es möglich, dass kulturelle Unterschiede einer Replizierbarkeit entgegenstanden. Allgemein kann angemerkt werden, dass die Skalen auf Basis der Items des PRESOR für jede Untersuchung neu konstruiert werden müssen.2158 Da sich im Rahmen dieser Ausarbeitung eine interpretierbare dreifaktorielle Struktur zeigte, soll diese im Folgenden weiter betrachtet werden.
2155 2156 2157 2158
Siehe Nunnally (1978). Vgl. Janssen/Laatz (2007), S. 599. Vgl. Etheredge (1998), S. 56-57. Einen ähnlichen Einwand bringen Cohen/Pant/Sharp (1993), S. 25 im Rahmen der Bewertung der Multidimensional Ethics Scale vor. Die (Original-)Skala der Multidimensional Ethics Scale von Reidenbach/Robin (1988) kann als eine Ausgangsbasis für multidimensionale Skalen bilden, die allerdings bei jeder Untersuchung neu konstruiert und validiert werden sollte, da sich die Skala in unterschiedlichen Untersuchungen als nicht stabil herausstellte. Siehe auch Kapitel 3.1.2.
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
441
Differenzierung der Faktorwerte nach dem Geschlecht Auf Basis der im Rahmen dieser Studie berechneten dreifaktoriellen Struktur des PRESOR mit Faktor 1: Ethik und soziale Verantwortung nutzt der Gewinnerzielung, Faktor 2: Gewinnerzielung steht vor Ethik und sozialer Verantwortung und Faktor 3: Ethik und soziale Verantwortung steht vor Gewinnerzielung konnten für die Befragten Faktorwerte, so genannte z-standardisierte Werte berechnet werden. Diese Faktorwerte eines Befragten kennzeichnet die Position dieses Befragten auf dem jeweiligen Faktor. Dabei gibt der Faktorwert an, wie stark die durch einen Faktor zusammen gefassten Merkmale ausgeprägt sind. In SPSS lassen sich Faktorwerte für jeden Befragten berechnen und im Datenblatt speichern. Gefragt werden kann an dieser Stelle, ob sich Unternehmerinnen und Unternehmer hinsichtlich der Ausprägungen auf die berechneten Faktoren unterscheiden. Hieraus ergibt sich eine Reformulierung der Hypothese HEinstellung2159 auf den PRESOR: HEinstellung: Männliche und weibliche Unternehmer weisen eine unterschiedliche Wahrnehmung von Ethik und sozialer Verantwortung bzw. einen unterschiedlichen Score auf die drei Faktoren des PRESOR auf. Um die Hypothese überprüfen zu können, ist auf Basis des Geschlechts als unabhängige Variable ein Faktorwert aller Personen des Stichprobenumfanges, und somit die durchschnittliche, mittlere Ausprägung auf die drei Faktoren Faktor 1: Ethik und soziale Verantwortung nutzt der Gewinnerzielung, Faktor 2: Gewinnerzielung steht vor Ethik und sozialer Verantwortung und Faktor 3: Ethik und soziale Verantwortung steht vor Gewinnerzielung hinsichtlich des Geschlechts bestimmt worden. Abbildung 59 zeigt die mittlere Ausprägung der Faktorstruktur der drei extrahierten Faktoren des PRESOR differenziert nach dem Geschlecht, als auch der Gesamtstichprobe.
mittlerer Faktorenwert
0,20
männlich weiblich gesamt
0,00
-0,20
Ethik + soz. Verantwortung = Gewinnerzielung Ethik + soz. Verantwortung > Gewinnerzielung Ethik + soz. Verantwortung < Gewinnerzielung
Abbildung 59: Mittlere Ausprägung der Faktorstruktur des PRESOR nach dem Geschlecht
2159
Männliche und weibliche Unternehmer weisen eine unterschiedliche Wahrnehmung von Ethik und sozialer Verantwortung auf.
442
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
Tabelle 68 liefert die deskriptive Statistik der drei Faktoren differenziert nach dem Geschlecht. Geschlecht Regressionsfaktorscore 1
Regressionsfaktorscore 2
Regressionsfaktorscore 3
männlich
Mittelwert -,0817040
Standardabweichung ,92229772
N 48
weiblich
,0909378
1,06058407
56
Gesamt
,0112570
,99813528
104
männlich
,1593381
1,12727183
48
weiblich
-,1421438
,87206941
56
Gesamt
-,0029983
1,00436829
104
männlich
-,2507530
,86515844
48
weiblich
,2291475
1,06368283
56
Gesamt
,0076550
1,00174656
104
Tabelle 110: Deskriptive Statistik der Idealismusdimension und Relativismusdimension nach Geschlecht
Bezogen auf den Faktor 1: Ethik und soziale Verantwortung nutzt der Gewinnerzielung schien es, als hätten die Unternehmerinnen (Frauen) tendenzieller eher dazu geneigt, Ethik und soziale Verantwortung als Bestandteil und positiven Einflussfaktor auf die Gewinnerzielung zu sehen (Mittelwert: 0,0909378), wohingegen die Unternehmer (Männer) dieser Einstellung eher ablehnend gegenüber standen (Mittelwert: -0,0817040). Interessant sind die deskriptiven Statistiken hinsichtlich Faktor 2: Gewinnerzielung steht vor Ethik und sozialer Verantwortung und Faktor 3: Ethik und sozialer Verantwortung steht vor Gewinnerzielung. Die Faktoren stehen sich diametral gegenüber. So weist Faktor 2: Gewinnerzielung steht vor Ethik und sozialer Verantwortung Ethik und soziale Verantwortung als nachrangig gegenüber der Gewinnerzielung aus. Dem gegenüber steht Faktor 3: Ethik und soziale Verantwortung steht vor Gewinnerzielung, welcher Ethik und soziale Verantwortung als vorrangig gegenüber der Gewinnerzielung ausweist. Bei der Betrachtung der deskriptiven Statistiken des Faktors 2 und Faktors 3 zeigt, dass beide Faktoren auch Einstellungen in diametraler Weise messen, wie dies die Faktoren aus theoretischer Sicht aus vermuten lassen. Dabei bestanden (augenscheinlich) Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Hinsichtlich Faktor 2: Gewinnerzielung steht vor Ethik und sozialer Verantwortung wiesen die Männer einen positiven Mittelwert (0,1593381) auf diesem Faktor auf, im Gegensatz zu den Frauen, die einen negativen Mittelwert (-0,1421438) besaßen. Somit sahen die Männer (tendenziell) die Gewinnerzielung vor Ethik und sozialer Verantwortung. Frauen lehnten diese Auffassung eher (tendenziell) ab. Genau umgekehrt verhielt es sich bei Faktor 3: Ethik und soziale Verantwortung steht vor Gewinnerzielung. Die Männer wiesen hier negative Mittelwerte (-0,2507530) auf. Die Frauen hingegen zeigten einen positiven Mittelwert (0,2291475). Somit sahen Frauen Ethik und soziale Verantwortung als vorrangig gegenüber der Gewinnerzielung an. Beide Faktoren wiesen somit tendenziell in die jeweils „korrekte“ Messrichtung. In diesem Kontext war zu untersuchen, ob diese (augenscheinlichen) Unterschiede auch signifikant waren. Somit galt es die Hypothese HPRESOR1, Unternehmerinnen und Unternehmer weisen eine unterschiedliche Faktorstruktur auf, statistisch zu überprüfen. Hierzu wurde eine einfaktorielle Varianzanalyse (Allgemeines Lineares Modell) durchgeführt.
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
443
Es gilt p > Æ nicht signifikant bzw. p Æ signifikant [mit einem Signifikanzniveau von = 0.05]. Als unabhängige Variable ist das Geschlecht, als abhängige Variable sind die drei Faktoren des PRESOR gewählt worden. Bei Anwendung der (einfaktoriellen) Varianzanalyse (Allgemeines Lineares Modell) und der Kenngröße der F-Werte konnte folgendes Ergebnis der Tabelle 69 festgestellt werden. Unabhängige Variable Geschlecht
Abhängige Variable
df
F
Sig.
Regressionsfaktorscore 1
1
,772
,382
Regressionsfaktorscore 2
1
2,360
,128
Regressionsfaktorscore 3
1
6,233
,014
Tabelle 111: Statistischer Test des EPQ differenziert nach dem Geschlecht.
Überprüfung HEinstellung Bei Faktor 1 ergab sich folgendes Ergebnis: Mit einem berechneten Signifikanzwert bzw. p-Wert (Geschlecht Æ Faktor 1: Ethik und soziale Verantwortung nutzt der Gewinnerzielung) von p = 0,382 gilt: 0,382 > 0,05. Dies bedeutet, dass keine Signifikanz vorlag. Die Nullhypothese (H0) war beizubehalten und konnte nicht zu Gunsten der formulierten Alternativhypothese (H1) verworfen werden. Hieraus ergaben sich folgende Anhaltspunkte: Männer und Frauen wiesen keinen signifikant unterschiedlichen Score auf Faktor 1 auf. Hinsichtlich Faktor 2 zeigte sich folgendes Ergebnis: Mit einem berechneten Signifikanzwert bzw. pWert (Geschlecht Æ Faktor 2: Gewinnerzielung steht vor Ethik und sozialer Verantwortung) von p = 0,128 gilt: 0,128 > 0,05. Dies bedeutet, dass keine Signifikanz vorlag. Die Nullhypothese (H0) war beizubehalten und konnte nicht zu Gunsten der formulierten Alternativhypothese (H1) verworfen werden. Hieraus ergaben sich folgende Anhaltspunkte: Männer und Frauen wiesen keinen signifikant unterschiedlichen Score auf Faktor 2 auf. Bei Faktor 3 ließ sich folgendes Ergebnis feststellen: Mit einem berechneten Signifikanzwert bzw. pWert (Geschlecht Æ Faktor 3: Ethik und soziale Verantwortung steht vor Gewinnerzielung) von p = 0,014 gilt: 0,014 0,05. Dies bedeutet, dass eine Signifikanz vorlag. Die Nullhypothese (H0) war zu Gunsten der formulierten Alternativhypothese (H1) zu verwerfen. Hieraus ergaben sich folgende Anhaltspunkte: Frauen und Männer unterschieden sich signifikant in ihrer Ausprägung der zu Faktor 3 zusammengefassten Fragen (p=.014). Während bei den befragten Unternehmerinnen Ethik und soziale Verantwortung vor der Gewinnerzielung stand, war dies bei den befragten Unternehmern signifikant umgekehrt. Bei ihnen hatte die Gewinnerzielung vor Ethik und sozialer Verantwortung Vorrang. Diskussion Die Varianzanalyse hat ergeben, dass sich Frauen und Männer lediglich auf Faktor 3: Ethik und soziale Verantwortung steht vor Gewinnerzielung signifikant in ihrer Ausprägung der zu Faktor 3 zusammengefassten Fragen unterscheiden. Zwar konnte bei Faktor 2: Gewinnerzielung steht vor Ethik und sozialer Verant-
444
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
wortung keine Signifikanz nachgewiesen werden, allerdings gaben die Mittelwerte (geringe) Anzeichen auf die Stützung der Ergebnisse des Faktors 3, da die Faktoren 2 und 3 diametral angelegt sind, und auch die Mittelwerte der Geschlechter sich diametral in Faktor 2 und 3 widerspiegelten, wenngleich, in statistischer Sicht, lediglich für Faktor 3 eine Signifikanz angenommen werden konnte. Interpretieren lassen sich die Ergebnisse dahingehend, dass sich Tendenzen aufzeigen lassen, dass Frauen Ethik und soziale Verantwortung vor der Gewinnerzielung sehen. Hierbei sei angemerkt, dass es sich in diesem Kontext durch die Faktoren des PRESOR um eine Messung der Einstellung bzw. Wahrnehmung der Komponenten Ethik, soziale Verantwortung und Gewinnerzielung und ihrer Relationen, die durch die Faktorstruktur abgebildet wird, handelt. Wie in Kapitel 2.1.2.1 und vornehmlich Kapitel 2.1.2.4 sowie 2.1.4.1 angeführt, besitzen die Einstellung (gegenüber der Ethik und sozialer Verantwortung), die subjektiven Nomen und die wahrgenommene Verhaltenskontrolle einen wechselseitigen Einfluss über die Intention auf das (überlegte) Handeln. Dabei vereinigt die Intention die motivationalen Faktoren zur Erfassung der Beeinflussung des Verhaltens.2160 Ausgehend von diesen Überlegungen können die Ergebnisse dergestalt interpretiert werden, als dass im Sinne der Einstellung die Frauen tendenziell Ethik und soziale Verantwortung vorrangig, die Männer Ethik und soziale Verantwortung nachrangig gegenüber der Gewinnerzielung sehen. Diese Einstellung nimmt, neben den weiteren zuvor angeführten Faktoren der subjektiven Normen und der wahrgenommenen Verhaltenskontrolle, Einfluss auf die Intention, die Absicht eine Handlung zu vollziehen. Ob eine Handlung nun, in diesem speziellen Falle, eine Handlung auf ethische Weise bzw. unter ethischen Gesichtspunkten erfolgt, kann noch nicht gesagt werden. Die ethische Entscheidungsfindung ist ein komplexer Prozess, in dem viele unterschiedliche Faktoren bedeutsam sind. An dieser Stelle sei zur Erörterung auf das Kapitel 2.1.4.2 und seine jeweiligen Unterkapitel verwiesen. Aus theoretischpraktischer Sicht kann angemerkt werden, dass in diesem Themenkomplex, speziell im deutschsprachigen Raum, weitere Forschungsleistungen wünschenswert wären. 3.2.3.5
Einschätzung unternehmensethischer Probleme
In Bezug auf eine Einschätzung unternehmensethischer Probleme, sowie deren Regelungsbedarf, aus Sicht der Unternehmerinnen und Unternehmen von jungen Unternehmen, wurden in Kapitel 2.5 die folgenden Hypothesen formuliert: HRegelungen1: Kapitalgesellschaften haben gegenüber Personengesellschaften „mehr“ Regelungen zu ethischen Problemen. HRegelungen2: Zwischen Männer und Frauen bestehen Unterschiede in den Regelungen zu ethischen Problemen. Messkonstrukt Für eine Überprüfung wurde ein Doppelmatrixfragentypus, bei dem zum einen eine Wichtigkeitsbzw. Relevanzeinschätzung der Befragten zu einem (potenziellen) ethischem Problem gegeben wurde, eingesetzt. Zum anderen wurde pro Item bzw. (potenziellen) ethischem Problem abgefragt, welche Handlungen bzw. Maßnahem die Unternehmen durchgeführt haben bzw. durchzuführen beab-
2160
Vgl. hierzu grundlegend Fishbein/Ajzen (1975); Ajzen/Fishbein (1980). Siehe auch die Ausführungen speziell zur Theorie des überlegten Handelns in Kapitel 2.1.2.4 und zur Illustration Abbildung 9.
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
445
sichtigen. Somit wurde im Rahmen des Messkonstruktes in der ersten Matrixspalte die Wichtigkeit des jeweiligen zeilenbezogenen Fragenobjektes abgeprüft. Dabei ist anzumerken, dass es sich nicht immer direkt um eine Wichtigkeit handeln musste. Vielmehr wurde allgemein eine Einstellung bzw. Wahrnehmung abgeprüft. In diesem konkreten Falle handelte es sich um die Einschätzung, ob und wie stark ein jeweils aufgeführtes Problem, als ethisches Problem durch den Probanden wahrgenommen wurde. Die Einstellung wurde dabei durch eine fünfstufige Skala abgeprüft. Bei der Skala waren in diesem Falle nur die Endpole bezeichnet (1=kein ethisches Problem; 5=ethisch besonders kritisches Problem). Die dazwischen liegenden Abstufungen waren nicht näher bezeichnet.2161 Hierbei handelte es sich um eine Ordinalskala. In der zweiten Matrixspalte wurde die Leistung bzw. Handlung des jeweiligen zeilenbezogenen Fragenobjektes im Rahmen des Unternehmens abgefragt. Unter der Leistung waren hierbei Regelungen bzw. Maßnahmen zu verstehen, die in Bezug auf das jeweilige Fragenobjekt konkret im Unternehmen angewendet wurden. Die Antwortmöglichkeiten stellten sich wie folgt dar: 1 = Regelung beabsichtig, 2 = Regelung nicht beabsichtigt, 3 = Regelung umgesetzt, 4 = Bereits gesetzlich geregelt, 5 = Betrifft mich nicht. Es handelte sich hierbei um eine Nominalskala. Die Items basierten dabei auf den Übersetzungen von Staffelbach (1994) der Originalitems von Molander (1987).2162 Darüber hinaus sind Items von Ulrich/Thielemann (1992) integriert worden.2163 Die Items in den jeweiligen Quellen doppelten sich dabei zum Teil. Anzumerken ist, dass viele der Items der angeführten Studien zumeist auf Großunternehmen zugeschnitten sind, da es sich bei den Studien um Befragungen von Großunternehmen handelt. Daher wurde versucht, unpassende Items auszuselektieren, die augenscheinlich keine Relevanz für junge (kleinere) Unternehmen besaßen. Die Items der Quellen von Staffelbach (1994) und Ulrich/Thielemann (1992) ergaben zunächst eine Itemanzahl von 45 einzelnen Items. Im Rahmen eines Pretests mit einer zufällig ausgewählten Stichprobe aus einem Verteiler mit jungen Unternehmen wurde die Itemanzahl von 45 Items um 25 auf finale 20 Items reduziert. Hierzu wurde ein mehrstufiges Verfahren angewendet. Zunächst wurden die Items als potenziell irrelevant klassifiziert, bei denen keine Antwortmuster zu verzeichnen waren (Missing Values). Danach wurden die Probanden einerseits um eine Einschätzung der einzelnen Items gebeten. Darüber hinaus wurden die Probanden mit auffallend hohen Missing Values gefragt, warum auf die Frage keine Antwort gegeben wurde. Dabei stellte sich heraus, dass bei den meisten Items kein direkter Bezug zum täglichen Geschäft im Unternehmen hergestellt werden konnte. Weiterhin hat sich gezeigt, dass die ursprüngliche Anzahl von 45 Items im Rahmen des Testes als zu hoch angesehen wurde und somit eine Reduktion der Itemanzahl angebracht war. Der Dimensionsraum potenzieller Items bei potenziellen ethischen Problemen ist aus theoretischer Sicht nahezu unendlich. Denn praktisch jedes Problem kann unter spezifischen Umständen als ethisches Problem gesehen werden. Aus diesem Grunde wird kein Anspruch auf Vollständigkeit oder Repräsentativität der Items erhoben. Tabelle 112 zeigt die verwendeten Items. 2161
2162
2163
Zum besseren sprachlichen Verständnis wurden in der hier vorliegenden Ausarbeitung den Ausprägungen 2, 3, und 4 auf der Skala nachträglich sprachliche Äquivalente (2: geringes ethisches Problem; 3: mittleres ethisches Problem; 4: ethisch kritisches Problem) zu geordnet. Ergänzt wurden diese durch weitere Items bei Staffelbach (1994), S. 281-282, dessen Darstellungen auf den Originalitems einer Studie von Brooks (1989) basieren. Siehe Molander (1987). Siehe hierzu Staffelbach (1994), Ulrich/Thielemann (1992).
446
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
Item 1-10
Item 11-20
Ungleichbehandlung ausgewählter Mitarbeitergruppen (z. B. Behinderte)
Zweckentfremdeter Umgang mit dem Kapital der Eigentümer
Ungleicher Lohn für gleichwertige Arbeit (Lohngerechtigkeit)
Kauf von Produkten bei (internationalen) Lieferanten, deren Produktionsverfahren gegen anerkannte Menschenrechte oder Arbeitsstandards verstoßen
Arbeitsbedingungen, die die Gesundheit der Mitarbeiter gefährden
Illegal „geschönte“ Geschäftsbilanzen als Grundlage für Kapitalverhandlungen
Entlassungen, die soziale Härten zur Folge habe
Unternehmensspionage
Schutz von Kundendaten
Falschaussagen über Konkurrenten und ihre Produkte
Verfälschung von Produkteigenschaften
Wettbewerbsverzerrendes Verhalten bei öffentlichen Ausschreibungen
Fingierte Spesen/Auslagen
Steuerhinterziehungen
Eigengebrauch von Firmeneigentum durch Mitarbeiter
Missachtung des Umweltschutzes
Öffentliche Indiskretion durch Mitarbeiter
Geplante Veralterung von Produkten
Selektive, nicht umfassende Informationspolitik
Unterlaufen des Wettbewerbs durch Absprachen
Tabelle 112: Items Einschätzung unternehmensethischer Probleme
Empirische Ergebnisse Im Folgenden werden nun die empirischen Ergebnisse, die im Rahmen der Befragung mit dem zuvor aufgezeigten Messinstrument erzielt wurden, dargestellt. Darüber hinaus wird eine Differenzierung nach der Rechtsform und nach dem Geschlecht für eine weitergehende Analyse vorgenommen. Zunächst sind in Abbildung 60 und in Tabelle 113 sowie Tabelle 114 die Häufigkeiten der Einschätzung (potenzieller) unternehmensethischer Probleme grafisch dargestellt.
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
447
100%
kein ethisches Problem geringes ethisches Problem mittleres ethisches Problem ethisch kritisches Problem ethisch besonders kritisches Problem
Prozente
75%
50%
25%
Steuerhinterziehungen
Mißachtung des Umweltschutzes Geplante Veralterung von Produkten Unterlaufen des Wettbewerbs durch Absprachen
Öffentliche Indiskretion durch Mitarbeiter
Selektive, nicht umfassende Informationspolitik Zweckentfemdeter Umgang mit dem Kapital der Eigentümer Produktionsverfahren der Lieferanten, die gegen Arbeitsstandards verstoßen ngen Illegal "geschönte" Geschäftsbilanzen als Grundlage für Kapitalverhandlu Unternehmensspionage Falschaussagen über Konkurrenten und ihre Produkte Wettbewerbsverzerrendes Verhalten bei öffentlichen Ausschreibungen
Schutz von Kundendaten
Verfälschung von Produkteigenschaften Fingierte Spesen/Auslagen Eigengebrauch von Firmeneigentum durch Mitarbeiter
Entlassungen, die soziale Härten zur Folge haben
Ungleichbehandlung ausgewählter Mitarbeitergruppen
Ungleicher Lohn für gleichwertige Arbeit (Lohngerechtigkeit) Arbeitsbedigungen, die die Gesundheit der Mitarbeiter gefährden
0%
Abbildung 60: Häufigkeiten der Einschätzung unternehmensethischer Probleme
kein ethisches Problem
Ungleichbehandlung ausgewählter Mitarbeiter
Ungleicher Lohn für gleichwertige Arbeit
Gesundheitsgfährdende Arbeitsbedingungen
Entlassungen mit sozialen Härtefolgen
% 9,3%
% ,9%
% 3,7%
% 3,7%
Schutz von Kundendaten
Verfälschung von Produkteigenschaften
Fingierte Spesen/Auslage n
Eigengebrauch von Firmeneigentum
Öffentliche Indiskretion durch Mitarbeiter
Selektive, nicht umfassende Informationspolitk
% 9,2%
% 9,3%
% 3,7%
% 7,3%
% 3,7%
% 8,6%
N=10
N=1
N=4
N=4
N=10
N=10
N=4
N=8
N=4
N=
geringes ethisches Problem
8,4%
8,3%
,9%
2,8%
3,7%
4,6%
9,3%
20,2%
4,6%
14,3%
N=9
N=9
N=1
N=3
N=4
N=5
N=10
N=22
N=5
N=15
mittleres ethisches Problem
12,1%
11,9%
7,5%
24,1%
19,3%
9,3%
18,5%
22,0%
17,6%
24,8%
N=13
N=13
N=8
N=26
N=21
N=10
N=20
N=24
N=19
N=26
ethisch kritisches Problem
37,4%
32,1%
23,4%
36,1%
30,3%
33,3%
25,9%
29,4%
27,8%
37,1%
N=40
N=35
N=25
N=39
N=33
N=36
N=28
N=32
N=30
N=39
ethisch besonders kritisches Problem
32,7%
46,8%
64,5%
33,3%
37,6%
43,5%
42,6%
21,1%
46,3%
15,2%
N=35
N=51
N=69
N=36
N=41
N=47
N=46
N=23
N=50
N=16
Tabelle 113: Häufigkeitstabelle der Einschätzung unternehmensethischer Probleme – Items 1-10
448
kein ethisches Problem
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
Zweckentfremdeter Umgang mit Kapital
Verstoß gegen Arbeitsstandards
Geschönte Geschäftsbilanzen
Unternehmensspionage
Falschaussagen über Konkurrenten
Wettbewerbsverzerrendes Verhalten
Steuerhinterziehungen
Missachtung des Umweltschutzes
Geplante Veralterung von Produkten
Unterlaufen des Wettbewerbs
% 4,6%
% 1,8%
% 1,8%
% 2,8%
% 3,7%
% 4,6%
% 5,5%
% ,9%
% 11,1%
% 8,3%
N=5
N=2
N=2
N=3
N=4
N=5
N=6
N=1
N=12
N=9
geringes ethisches Problem
3,7%
3,7%
4,6%
2,8%
5,6%
5,5%
5,5%
5,5%
12,0%
5,6%
N=4
N=4
N=5
N=3
N=6
N=6
N=6
N=6
N=13
N=6
mittleres ethisches Problem
7,3%
10,1%
13,8%
21,1%
18,5%
20,2%
13,8%
7,3%
25,9%
16,7%
N=8
N=11
N=15
N=23
N=20
N=22
N=15
N=8
N=28
N=18
ethisch kritisches Problem
31,2%
25,7%
29,4%
21,1%
31,5%
29,4%
32,1%
32,1%
23,1%
35,2%
N=34
N=28
N=32
N=23
N=34
N=32
N=35
N=35
N=25
N=38
ethisch besonders kritisches Problem
53,2%
58,7%
50,5%
52,3%
40,7%
40,4%
43,1%
54,1%
27,8%
34,3%
N=58
N=64
N=55
N=57
N=44
N=44
N=47
N=59
N=30
N=37
Tabelle 114: Häufigkeitstabelle der Einschätzung unternehmensethischer Probleme – Items 11-20
Für die Befragten stellten Arbeitsbedingungen, die die Gesundheit der Mitarbeiter gefährden ein ethisch besonders kritisches bzw. ethisch kritisches Problem dar (64,5 % bzw. 23,4 %). Die Sorge um die Gesundheit der Mitarbeiter wird gestützt durch die Ergebnisse bei der Frage, wem sich die Befragten bzw. das Unternehmen verpflichtet fühlt bzw. fühlen. Wie in Kapitel 3.2.3.3 dargestellt, sind die Mitarbeiter die bedeutendste Stakeholdergruppe für das Unternehmen. Neben der Beachtung der Gesundheit stellten Produktionsstandards der Lieferanten, die gegen Arbeitsstandards verstoßen (58,7 %; 25,7 %) ein weiteres bedeutendes ethisches Problem für die Befragten dar, welches im Kern wiederum auf den Schutz des Menschen abzielt, wenngleich es sich in diesem Falle nicht um die eigenen Mitarbeiter handelte, sondern um Mitarbeiter der Lieferanten des Unternehmens. Weiterhin wurde die Missachtung des Umweltschutzes als ethisch besonders kritisches bzw. kritisches Problem (54,1 %; 32,1 %) gesehen. Nach diesen Problemen, die als auf den Menschen direkt bezogen betrachtet werden können, zeigte sich ein (vornehmlich) ökonomisch motiviertes Problem, ein zweckentfremdeter Umgang mit dem Kapital der Eigentümer (53,2 %; 31,2 %), erst „rangniedrigerer“ Stelle.
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
449
100%
Regelung beabsichtigt Regelung nicht beabsichtigt Regelung umgesetzt Bereits gesetzlich geregelt Betrifft mich nicht
Prozente
75%
50%
25%
Unterlaufen des Wettbewerbs durch Absprachen
Steuerhinterziehungen
Mißachtung des Umweltschutzes Geplante Veralterung von Produkten
Illegal "geschönte" Geschäftsbilanzen als Grundlage für Kapitalverhandlungen Unternehmensspionage Falschaussagen über Konkurrenten und ihre Produkte Ausschreibungen öffentlichen bei Verhalten Wettbewerbsverzerrendes
Öffentliche Indiskretion durch Mitarbeiter
Selektive, nicht umfassende Informationspolitik Zweckentfemdeter Umgang mit dem Kapital der Eigentümer Produktionsverfahren der Lieferanten, die gegen Arbeitsstandards verstoßen
Schutz von Kundendaten Verfälschung von Produkteigenschaften Fingierte Spesen/Auslagen Eigengebrauch von Firmeneigentum durch Mitarbeiter
Entlassungen, die soziale Härten zur Folge haben
Ungleichbehandlung ausgewählter Mitarbeitergruppen
Ungleicher Lohn für gleichwertige Arbeit (Lohngerechtigkeit) Arbeitsbedigungen, die die Gesundheit der Mitarbeiter gefährden
0%
Abbildung 61: Häufigkeiten zu Regelungen bei unternehmensethischen Problemen
Regelung beabsichtigt
Ungleichbehandlung ausgewählter Mitarbeiter
Ungleicher Lohn für gleichwertige Arbeit
Gesundheitsgfährdende Arbeitsbedingungen
Entlassungen mit sozialen Härtefolgen
% 1,9%
% 6,5%
% 5,6%
% 4,6%
Schutz von Kundendaten
Verfälschung von Produkteigenschaften
Fingierte Spesen/Auslage n
Eigengebrauch von Firmeneigentum
Öffentliche Indiskretion durch Mitarbeiter
Selektive, nicht umfassende Informationspolitk
% 9,4%
% 7,5%
% 7,6%
% 11,1%
% 15,0%
% 8,6%
N=2
N=7
N=6
N=5
N=10
N=8
N=8
N=12
N=16
N=9
Regelung nicht beabsichtigt
3,7%
6,5%
4,6%
7,4%
6,6%
5,6%
4,8%
10,2%
6,5%
17,1%
N=4
N=7
N=5
N=8
N=7
N=6
N=5
N=11
N=7
N=18
Regelung umgesetzt
18,5%
29,9%
26,9%
13,9%
48,1%
21,5%
24,8%
33,3%
28,0%
31,4%
N=20
N=32
N=29
N=15
N=51
N=23
N=26
N=36
N=30
N=33
Bereits gesetzlich geregelt
21,3%
10,3%
11,1%
18,5%
13,2%
9,3%
13,3%
12,0%
11,2%
2,9%
N=23
N=11
N=12
N=20
N=14
N=10
N=14
N=13
N=12
N=3
Betrifft mich nicht
54,6%
46,7%
51,9%
55,6%
22,6%
56,1%
49,5%
33,3%
39,3%
40,0%
N=59
N=50
N=56
N=60
N=24
N=60
N=52
N=36
N=42
N=42
Tabelle 115: Häufigkeitstabelle zu Regelungen bei unternehmensethischen Problemen – Items 1-10
450
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
Regelung beabsichtigt
Zweckentfremdeter Umgang mit Kapital
Verstoß gegen Arbeitsstandards
Geschönte Geschäftsbilanzen
Unternehmensspionage
Falschaussagen über Konkurrenten
Wettbewerbsverzerrendes Verhalten
Steuerhinterziehungen
Missachtung des Umweltschutzes
Geplante Veralterung von Produkten
Unterlaufen des Wettbewerbs
% 2,8%
% 9,2%
% 4,6%
% 11,0%
% 6,4%
% 4,6%
% 2,8%
% 4,6%
% 1,8%
% 6,4%
N=3
N=10
N=5
N=12
N=7
N=5
N=3
N=5
N=2
N=7
Regelung nicht beabsichtigt
4,6%
6,4%
5,5%
10,1%
11,0%
9,3%
5,6%
5,6%
7,3%
8,3%
N=5
N=7
N=6
N=11
N=12
N=10
N=6
N=6
N=8
N=9
Regelung umgesetzt
27,5%
20,2%
21,1%
13,8%
23,9%
18,5%
26,2%
25,0%
16,5%
14,7%
N=30
N=22
N=23
N=15
N=26
N=20
N=28
N=27
N=18
N=16
Bereits gesetzlich geregelt
5,5%
1,8%
10,1%
9,2%
6,4%
3,7%
14,0%
13,9%
1,8%
11,9%
N=6
N=2
N=11
N=10
N=7
N=4
N=15
N=15
N=2
N=13
Betrifft mich nicht
59,6%
62,4%
58,7%
56,0%
52,3%
63,9%
51,4%
50,9%
72,5%
58,7%
N=65
N=68
N=64
N=61
N=57
N=69
N=55
N=55
N=79
N=64
Tabelle 116: Häufigkeitstabelle zu Regelungen bei unternehmensethischen Problemen – Items 11-20
Es zeigte sich, dass die Befragten bei einer Vielzahl der Items angaben, dass das ethische Problem sie nicht beträfe. Eine im Gegensatz zu den anderen Items geringere Ausprägung der Kategorie „betrifft mich nicht“ wies der Schutz von Kundendaten (betrifft mich nicht: 22,6 %) auf. Der Schutz der Kundendaten wurde von den Unternehmen wahrgenommen und es wurde hierauf auch reagiert. Denn es sind in diesem Bereich auch Regelungen getroffen worden. Darüber hinaus war in der Kategorie „betrifft mich nicht“ bei den Items Eigengebrauch von Firmeneigentum durch Mitarbeiter (betrifft mich nicht: 33,3 %), die öffentliche Indiskretion durch Mitarbeiter (betrifft mich nicht: 39,3 %) sowie selektive, nicht umfassende Informationspolitik (betrifft mich nicht: 40,0 %) eine (relativ) geringe Ausprägung auf die Kategorie hin zu beobachten. Die Häufigkeiten der anderen Items sind dabei größer als 40 % und teilweise sogar über 50 % in der Kategorie „betrifft mich nicht“ auf. Methodenkritische Anmerkung An dieser Stelle ist anzumerken, dass die hohe Anzahl an Antworten in der Kategorie „betrifft mich nicht“ unterschiedliche Gründe haben können. Ein Grund mag sein, dass die vorgelegten Items keine „realen“ operativen Probleme junger Unternehmen darstellten und daher diese Probleme und ihre zugehörigen (potenziellen) Regelungen als nicht relevant betrachtet wurden. Für zukünftige Untersuchungen mag es daher ratsam sein, andere, für junge Unternehmen relevante, Probleme zu identifizieren. Das Auffinden potenzieller Probleme könnte mit Hilfe der Critical-Incidents Methode erfolgen. Darüber hinaus kann die hohe Anzahl an Antworten in der Kategorie „betrifft mich nicht“ damit erklärt werden, dass die Befragten bewusst oder unbewusst nicht ehrlich geantwortet haben könnten, da es sich bei den Items und Problemen um kritische Fragestellungen handelte. Somit kann in diesem Falle ein Bias vorgelegen haben. Trotz möglicher methodischer Anmerkungen soll im Folgenden eine differenzierte Auswertung vorgenommen werden. Differenzierung nach der Rechtsform Für eine Überprüfung der Hypothese HRegelungen12164 wurde in einem ersten Schritt aus der Variablen In welcher Rechtsform wird Ihr Unternehmen geführt eine neue (dichotome) Variable Personen- oder Kapitalge2164
Kapitalgesellschaften haben gegenüber Personengesellschaften „mehr“ Regelungen zu ethischen Problemen.
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
451
sellschaft generiert. Hierzu wurden die vorkommenden Ausprägungen der Variablen In welcher Rechtsform wird Ihr Unternehmen geführt entweder der Dimension Personengesellschaft oder der Dimension Kapitalgesellschaft zugeordnet. Die folgende Tabelle 117 zeigt das Zuordnungsschema zur Erstellung der Variablen Personen- oder Kapitalgesellschaft. Personen- oder Kapitalgesellschaft Personengesellschaft In welcher Rechtsform wird Ihr Unternehmen geführt?
Kapitalgesellschaft
Einzelunternehmen
x
Gesamt 33
GbR
x
6
OHG
x
2
KG
x
1
GmbH
x
55
AG
x
6
Limited (Ltd.)
x
2
GmbH & Co. KG Gesamt
4
x 46
63
109
Tabelle 117: Klassifizierung Personen- oder Kapitalgesellschaft
Die Zuordnung der einzelnen Rechtsformen zur Kategorie Personengesellschaft bzw. Kapitalgesellschaft ist mit einem „x“ markiert. In diesem Kontext ist auf die erfolgte Zuordnung der GmbH & Co. KG als Personengesellschaft hinzuweisen. In der Literatur wird die GmbH & Co. KG zumeist als Mischform zwischen einer Personengesellschaft und einer Kapitalgesellschaft dargestellt. Aufgrund der (dichotomen) Variablen Personen- oder Kapitalgesellschaft zur Klärung der Hypothese, musste eine Zuordnung der GmbH & Co. KG entweder als Personengesellschaft, oder als Kapitalgesellschaft, erfolgen. Die GmbH & Co. KG wurde als Personengesellschaft eingeordnet. Wagner/Rux (2004) merken in Bezug auf die rechtliche Einordnung der GmbH & Co. KG an, dass trotz der Nähe zur Kapitalgesellschaft die GmbH & Co. KG eine Personengesellschaft geblieben ist, die im Wesentlichen dem Recht der Kommanditgesellschaft (KG) unterworfen ist (§§ 161-177a HGB). Denn soweit diese Regelungen nichts anderes vorschreiben, sind gemäß § 161 Abs. 2 HGB die für die offene Handelsgesellschaft (OHG) geltenden Vorschriften (§§ 105-160 HGB) sowie gemäß § 105 Abs. 3 HGB die für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) geltenden Vorschriften (§§ 705-740 BGB) anzuwenden.2165 Aus diesem Grunde erscheint eine Einordnung der GmbH & Co. KG als Personengesellschaft legitim zu sein.2166
2165 2166
Vgl. Wagner/Rux (2004), S. 33. Es sei darauf hingewiesen, dass möglicherweise auch eine andere Zuordnung argumentativ begründet werden kann. Daher wird an dieser Stelle nicht der Anspruch auf Allgemeingültigkeit erhoben.
452
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
In einem zweiten Schritt wurden fünf neue (aggregierte) Variablen (Regelung beabsichtigt, Regelung nicht beabsichtigt, Regelung umgesetzt, bereits gesetzlich geregelt, betrifft mich nicht) gebildet, in denen zusammengefasst wurde, wie oft in den jeweiligen Items bzw. zugehörigen Variablen die jeweiligen Antwortkategorien durch die Befragten angegeben wurde. Somit erfolgte eine Transformation der ordinalen Variablen in metrische Variablen. Tabelle 118 zeigt die deskriptive Statistik von Regelungen (wahrgenommener) unternehmensethischer Probleme bei Personen- oder Kapitalgesellschaften.
Personen- oder Kapitalgesellschaft N Gültig
Personengesellschaft
Fehlend
Regelung nicht beabsichtigt 46
Regelung umgesetzt 46
Bereits gesetzlich geregelt 46
Betrifft mich nicht 46
0
0
0
0
0
Mittelwert
,9348
,6304
3,1957
1,7826
13,0652
Median
,0000
,0000
2,0000
,0000
14,0000
Modus
,00
,00
,00
,00
19,00
Standardabweichung
1,83063
1,40410
3,88513
3,06168
5,94195
Minimum
,00
,00
,00
,00
,00
Maximum
10,00
7,00
16,00
16,00
20,00
25
,0000
,0000
,0000
,0000
8,7500
50
,0000
,0000
2,0000
,0000
14,0000
75
1,2500
1,0000
6,0000
2,2500
19,0000
Gültig
63
63
63
63
63
Fehlend
0
0
0
0
0
Mittelwert
1,5714
2,0476
5,9206
2,1429
8,2063
Median
,0000
,0000
5,0000
1,0000
8,0000
Modus
,00
,00
,00
,00
,00
Standardabweichung
3,62213
3,93671
5,44859
3,16665
6,66275
Minimum
,00
,00
,00
,00
,00
Maximum
19,00
20,00
20,00
12,00
20,00
25
,0000
,0000
1,0000
,0000
1,0000
50
,0000
,0000
5,0000
1,0000
8,0000
75
1,0000
2,0000
10,0000
3,0000
14,0000
Perzentile
N
Kapitalgesellschaft
Regelung beabsichtigt 46
Perzentile
Tabelle 118: Deskriptive Statistik unternehmensethischer Regelungen bei Personen- oder Kapitalgesellschaft
Nun wurde im Folgenden ein varianzanalytischer Vergleich der Personen- und Kapitalgesellschaft hinsichtlich der aufgestellten Hypothese vorgenommen. Es gilt p > Æ nicht signifikant bzw. p Æ signifikant [mit einem Signifikanzniveau von = 0.05]. Als abhängige Variable sind: Regelung beabsichtigt, Regelung nicht beabsichtigt, Regelung umgesetzt, bereits gesetzlich geregelt bzw. betrifft mich nicht gewählt worden. Bei Anwendung des Allgemeinen linearen Modells (General Linear Model) und der Kenngröße der F-Werte konnte folgendes Ergebnis der Tabelle 119 festgestellt werden.
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
453
Quelle
Abhängige Variable
df
F
Sig.
Personen- oder Kapitalgesellschaft
Regelung beabsichtigt
1
1,196
,277
Regelung nicht beabsichtigt
1
5,444
,022
Regelung umgesetzt
1
8,383
,005
Bereits gesetzlich geregelt
1
,354
,553
Betrifft mich nicht
1
15,471
,000
Tabelle 119: Statistischer Test unternehmensethischer Regelungen differenziert nach Personen- und Kapitalgesellschaft
Überprüfung HRegelung1 Mit einem berechneten Signifikanzwert bzw. p-Wert (Personen- oder Kapitalgesellschaft Æ Regelung beabsichtigt bzw. Bereits gesetzlich geregelt) von p = 0,277 bzw. 0,553 gilt: 0,277 bzw. 0,553 > 0,05. Dies bedeutet, dass keine Signifikanz vorlag. Die Nullhypothese (H0) war beizubehalten und kann nicht zu Gunsten der formulierten Alternativhypothese (H1) abgelehnt werden. Hieraus ergaben sich folgende Anhaltspunkte: Sowohl die befragten Unternehmerinnen und Unternehmer von Personengesellschaften, als auch Unternehmerinnen und Unternehmer von Kapitalgesellschaften, gaben gleichermaßen häufig an, Regelungen zu beabsichtigen (p = 0,277). Genauso verhielt es sich bei der Angabe, dass dies bereits gesetzlich geregelt sei (p = 0,553). Mit einem berechneten Signifikanzwert bzw. p-Wert (Personen- oder Kapitalgesellschaft Æ Regelung nicht beabsichtigt, Regelung umgesetzt bzw. betrifft mich nicht) von p = 0,022 bzw. 0,005 bzw. 0,000 gilt: p = 0,022 0,05 (signifikant), p = 0,005 0,01 (sehr signifikant) sowie 0,000 0,001 (höchst signifikant). Die Nullhypothese (H0) war zu verwerfen und die formulierte Alternativhypothese (H1) ist anzunehmen. Hieraus ergaben sich folgende Anhaltspunkte: Die befragten Unternehmer von Kapitalgesellschaften machten signifikant häufiger die Angabe, dass eine Regelung nicht beabsichtigt sei als die befragten Unternehmer von Personengesellschaften (p = 0,022). Dagegen gaben die Unternehmer von Kapitalgesellschaften sehr signifikant häufiger an, dass sie bereits Regelungen zu ethischen Problemen umgesetzt haben, als die Befragten von Personengesellschaften (p = 0,005). Hingegen gaben die Unternehmerinnen und Unternehmer von Personengesellschaften höchst signifikant eher an, dass sie Regelungen zu den ethischen Problemen nicht betreffen würden (p = 0,000). Differenzierung nach dem Geschlecht Im Rahmen der Differenzierung nach Personen- oder Kapitalgesellschaft wurden fünf neue (aggregierte) Variablen (Regelung beabsichtigt, Regelung nicht beabsichtigt, Regelung umgesetzt, bereits gesetzlich geregelt, betrifft mich nicht) gebildet, in denen zusammengefasst wurde, wie oft in den jeweiligen Items bzw. zu-
454
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
gehörigen Variablen die jeweiligen Antwortkategorien durch die Befragten angegeben wurde. Somit erfolgte eine Transformation der ordinalen Variablen in metrische Variablen. Diese Variablen wurden zur Überprüfung der Hypothese HRegelung22167 nun mit der Variablen Geschlecht in Verbindung gebracht. Tabelle 118 zeigt die deskriptive Statistik von Regelungen (wahrgenommener) unternehmensethischer Probleme bei Männern und Frauen.
Gültig
Regelung beabsichtigt 49
Regelung nicht beabsichtigt 49
Regelung umgesetzt 49
Bereits gesetzlich geregelt 49
Betrifft mich nicht 49
Fehlend
Geschlecht N
0
0
0
0
0
Mittelwert
1,2449
1,6735
5,9388
2,4082
8,5918
Median
,0000
,0000
4,0000
1,0000
9,0000
Modus
,00
,00
,00
,00
,00
Standardabweichung
2,65778
3,31278
5,37513
3,55269
6,63613
Minimum
,00
,00
,00
,00
,00
Maximum
14,00
20,00
18,00
16,00
20,00
25
,0000
,0000
,5000
,0000
1,5000
50
,0000
,0000
4,0000
1,0000
9,0000
75
2,0000
2,0000
10,5000
3,0000
14,0000
Gültig
59
59
59
59
59
Fehlend
0
0
0
0
0
Mittelwert
1,3559
1,2542
3,7288
1,5763
11,8136
Median
,0000
,0000
2,0000
1,0000
13,0000
Modus
,00
,00
,00
,00
19,00
Standardabweichung
3,31019
3,13816
4,51370
2,64708
6,52706
Minimum
,00
,00
,00
,00
,00
Maximum
19,00
20,00
20,00
11,00
20,00
25
,0000
,0000
,0000
,0000
6,0000
50
,0000
,0000
2,0000
1,0000
13,0000
75
1,0000
1,0000
6,0000
2,0000
19,0000
Männlich
Perzentile
N
Weiblich
Perzentile
Tabelle 120: Deskriptive Statistik unternehmensethischer Regelungen bei Männern und Frauen
Nun kann im Folgenden ein varianzanalytischer Vergleich der Personen- und Kapitalgesellschaft hinsichtlich der aufgestellten Hypothese vorgenommen werden. Es gilt p > Æ nicht signifikant bzw. p Æ signifikant [mit einem Signifikanzniveau von = 0.05]. Als abhängige Variable sind: Regelung beabsichtigt, Regelung nicht beabsichtigt, Regelung umgesetzt, bereits gesetzlich geregelt bzw. betrifft mich nicht gewählt worden. Bei Anwendung des Allgemeinen linearen Modells (General Linear Model) und der Kenngröße der F-Werte kann folgendes Ergebnis der Tabelle 121 festgestellt werden.
2167
Zwischen Männer und Frauen bestehen Unterschiede in den Regelungen zu ethischen Problemen.
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
455
Quelle
Abhängige Variable
Geschlecht
Regelung beabsichtigt
df 1
F ,036
Sig. ,850
Regelung nicht beabsichtigt
1
,454
,502
Regelung umgesetzt
1
5,395
,022
Bereits gesetzlich geregelt
1
1,940
,167
Betrifft mich nicht
1
6,424
,013
Tabelle 121: Statistischer Test unternehmensethischer Regelungen differenziert nach Männern und Frauen
Überprüfung HRegelung2 Mit einem berechneten Signifikanzwert bzw. p-Wert (Geschlecht Æ Regelung beabsichtigt, Regelung nicht beabsichtigt bzw. Bereits gesetzlich geregelt) von p = 0,850 bzw. 0,502 bzw. 0,167 bzw. gilt: 0,850 bzw. 0,502 bzw. 0,167 > 0,05. Dies bedeutet, dass keine Signifikanz vorlag. Die Nullhypothese (H0) war beizubehalten und konnte nicht zu Gunsten der formulierten Alternativhypothese (H1) abgelehnt werden. Hieraus ergaben sich folgende Anhaltspunkte: Die befragten Unternehmerinnen und Unternehmer gaben gleichermaßen häufig an, Regelungen zu beabsichtigen (p = 0,850) bzw. Regelungen nicht zu beabsichtigen (p = 0,502). Genauso verhielt es sich bei der Angabe, dass dies bereits gesetzlich geregelt sei (p = 0,167). Mit einem berechneten Signifikanzwert bzw. p-Wert (Geschlecht Æ Regelung umgesetzt bzw. betrifft mich nicht) von p = 0,022 bzw. 0,013 gilt: p = 0,022 bzw. 0,013 0,05 (signifikant). Die Nullhypothese (H0) war zu verwerfen und die formulierte Alternativhypothese (H1) anzunehmen. Hieraus ergaben sich folgende Anhaltspunkte: Die befragten Unternehmer machten signifikant häufiger als die Unternehmerinnen die Angabe, dass Regelungen bereits umgesetzt seien (p = 0,022). Dagegen gaben die Unternehmerinnen signifikant häufiger als die Unternehmer an, dass sie Regelungen zu ethischen Problemen nicht betreffen (p = 0,013). Diskussion Im Rahmen der Untersuchung konnten signifikante Unterschiede bei der Einführung bzw. nicht geplanten Einführung von Regelungen zu unternehmensethischen Problemen festgestellt werden. Hierbei gaben Kapitalgesellschaften signifikant häufiger an, Regelungen zu ethischen Problemen umgesetzt zu haben. Dies könnte als ein Grad höherer Formalisierung (impliziter) Regelungen in Kapitalgesellschaften und somit eine höhere Unabhängigkeit von der Person des Unternehmers und seiner individuellen ethischen (Entscheidungs-)Kompetenz ausgelegt werden. Personengesellschaften gaben siginifikant häufiger als Personengesellschaften an, dass Regelungen zu ethischen Problemen sie nicht betreffen würden. Wenngleich anzumerken ist, dass die Mittelwerte beider Gruppen im Vergleich zu den anderen (Anwort-)Alternativen mit 13,0652 (Personengesellschaften) und 8,2063 (Kapi-
456
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
talgesellschaften) als hoch eingeschätzt werden kann. Im Kontext der Differenzierung nach dem Geschlecht gaben Männer an, dass sie die Regelungen umgesetzt haben. Gleichzeitig führten die Frauen an, dass sie diese Regelungen nicht betreffen würden. Dies kann zum einen interpretiert werden, als ein höherer Formalisierungsgrad der Männer für Regelungen zu ethischen Problemen. Allerdings kann zum anderen auch angemerkt werden, dass Frauen ethische Probleme anders bzw. als „geringer“ relevant einstufen, als Männer. Andererseits könnte die Größe und Art des Unternehmens in Bezug auf die vorgegebenen Items bzw. ethischen Probleme einen Einfluss haben, der in nachfolgenden Untersuchungen geklärt werden könnte. Die dargestellten Probleme mögen mitunter von den Unternehmen nicht als Probleme, die eine spezielle Lösung für ein junges Unternehmen erfordern, wahrgenommen werden. Für weitergehende Untersuchungen in diesem Kontext sollten andere (potenzielle) unternehmensethische Probleme und die Fragen zu ihrer organisatorischen Regelung eingesetzt werden, die einen stärkeren Bezug zu jungen Unternehmen aufweisen. Ein allgemeines (theoretisches) Problem bei der Formulierung potenzieller unternehmensethischer Probleme ist, dass (mitunter) jedes Problem eine ethische Komponente besitzen bzw. unterschiedlich ethisch gerechtfertigt werden kann.2168 Die Auswahl kritischer ethischer Probleme kann eine eigenständige Forschungsrichtung darstellen. 3.2.3.6
Rechtfertigung von Handlungen
Im Zusammenhang mit einer ethischen Rechtfertigung von Handlungen wurden in Kapitel 2.5 die folgenden Hypothesen folgenden Hypothesen formuliert: HRechtfertigung1: Unternehmerinnen und Unternehmer rechtfertigen ihre Handlungen nach unterschiedlichen ethischen Positionen. HRechtfertigung2: Es bestehen geschlechterspezifische Unterschiede zwischen Unternehmerinnen und Unternehmern in der Rechtfertigung ihrer Handlungen nach unterschiedlichen ethischen Positionen. Messkonstrukt Auch wenn sozial-ethisches Verhalten des Unternehmers erwünscht bzw. in vielen Fällen auch gefordert ist, so bleibt anzumerken, dass doch auch objektive Hindernisse bestehen, erwünschte menschliche Rücksichtsnahmen immer sowie in jedem Fall im Unternehmen durchzuführen. Im Kontext einer in vielen Fällen unvermeidlichen Fremdbestimmung sowie einer notwendigen, technischen Versachlichung im Unternehmen, stehen dem entgegen. Denn trotz des besten bzw. guten Willens wird ein Unternehmer oft auf Rationalisierungen und Mechanisierungen im Interesse der Konkurrenzfähigkeit nicht verzichten können. Im jeweiligen Falle muss der Unternehmer nach seinem Gewissen entscheiden.2169 Im Kontext wirtschaftlicher Entscheidungen besteht zumeist nicht eine einfache Wahl zwischen ethisch oder unethisch bzw. zwischen gut oder böse. Vielmehr sind Abwägungen zwischen unterschiedlichen Varianten von Bedeutung, in denen verschiedene ethisch legitime Ziele in unterschiedlichem Ausmaß realisiert werden und deren Verwirklichung unter erheblichen Unsicherheiten steht, wobei die Sekundär- und Tertiärwirkungen von Entscheidungen schwer bzw. kaum zu
2168 2169
Siehe hierzu auch Kapitel 3.2.3.6. Vgl. Werhahn (1990), S. 75.
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
457
prognostizieren sind. Gleichermaßen sind sie das Ergebnis der (Re-)Aktionen unterschiedlicher Akteure, wie bspw. Konkurrenten, Kunden oder Behörden.2170 Lahdesmaki (2005) ist der Auffassung, dass eine ethische Entscheidungsfindung durch einen Unternehmer nicht durch einen einzelnen ethischen Ansatz, wie bspw. die Tugendethik, den Utilitarismus oder den Ansatz der Kantischen Ethik, allein beschrieben werden kann. Vielmehr erfolgt eine Entscheidungsfindung und Rechtfertigung durch eine Kombination unterschiedlicher ethischer Ansätze.2171 Dabei rechtfertigt der Unternehmer, sowie (wohl) jedes andere Individuum, seine Handlungen, bewusst oder unbewusst, nach ethischen Positionen. Durch den Testbaustein nach Witte/Doll (1995) soll diese Rechtfertigung von Handlungen bzw. die Reflexion ethischer Positionen anhand eines (fiktiven) Szenarios überprüft werden. Aus sozialpsychologischer Sichtweise kann eine empirische Ethikforschung nach Witte/Doll (1995) als präskriptive Attributionsforschung angesehen werden. Bei der präskriptiven Attributionsforschung rechtfertigen Personen ihre eigenen Handlungen durch eine Zuordnung zu ethischen Grundpositionen.2172 Im Kern des Ansatzes von Witte/Doll (1995) steht die retrospektive Fragestellung, wie Individuen ihr wertorientiertes Handeln rechtfertigen. In Ergänzung ist die prospektive Frage zu sehen, wie unterschiedliche Handlungsalternativen gerechtfertigt und deshalb in der Zukunft empfohlen werden können. Im Kern der Fragestellungen steht somit die Rechtfertigung vergangener und zukünftiger Handlungen bzw. Empfehlungen.2173 Allgemein kann angemerkt werden, dass eine Entscheidung hinsichtlich eines ethischen Problems nach einer ethischen Rechtfertigung verlangt.2174 Bei dem Begriff der Attribution handelt es sich um subjektive Erklärungen durch die Angabe von Ursachen oder Gründen. Somit ist eine Attribution eine differenzierte Angabe von Stärkegraden über die Gründe oder Ursachen zur Erklärung eines Effektes. Rechtfertigungen werden, im Gegensatz zu einer Erklärung auf der Sachebene, auf der Wertebene vollzogen. Daher können Rechtfertigungen in ethischem Sinne als Angabe von Wichtigkeitsurteilen über ethische Grundpositionen im Kontext der Charakterisierung einer Handlung als gut bzw. böse oder richtig bzw. falsch gesehen werden. Die Bezeichnung als präskriptive Attributionsforschung hat die Idee, dass, vergleichbar einer Erklärung durch die Angabe von Ursachen und Gründen bei einer Rechtfertigung, eine Angabe ethischer Grundpositionen vorgenommen wird, welche eine Handlung als gut oder böse klassifizieren. Somit können nicht alleine durchgeführte Handlungen gerechtfertigt, sondern auch zukünftige Handlungen empfohlen werden, so wie auch bei der Attributionstheorie zukünftige Handlungen vermeintlich bewirkt werden können. Aus dieser Erklärung kann in analoger Weise zur deskriptiven Attributionsforschung, die Rechtfertigung bzw. Empfehlung in der präskriptiven Attributionsforschung, wie nachfolgend dargestellt, eingeführt werden:2175
2170 2171 2172
2173 2174 2175
Vgl. Brady (1990), S. 27-30; Steger (1991), S. 193. Vgl. Lahdesmaki (2005), S. 57. Vgl. Witte/Doll (1995), S. 102. Allgemein bezeichnet der Begriff der Attribution den Prozess der Zuschreibung von Ursachen für ein Ereignis, welcher zu einer subjektiven Erklärung führt. Attributionstheorien bilden hierbei den konzeptionellen Rahmen in dem sich die Sozialpsychologie mit Erklärungen für Verhalten beschäftigt, wie diese von Laien bzw. mit dem gesunden Menschenverstand vorgenommen werden. Siehe hierzu Bierhoff/Herner (2002), S. 22-24 und Fincham/Hewstone (2002), S. 215-216. Eine Einführung in das Themengebiet der Attribution liefert bspw. das Herausgeberwerk von Herkner (1980). Als Grundlage sei auch auf Kelley (1967) verwiesen. Vgl. Witte (2001), S. 5-6 Vgl. Heitkamp/Borchardt/Witte (2005), S. 8. Vgl. Witte/Doll (1995), S. 101-102; Witte (2001), S. 6.
458
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
Es existieren Handlungen: (H) Es existieren ethische Grundpositionen, die zu einer Bewertung einer Handlung verwendet werden: (Ei) Es existiert die Bewertung einer Handlung, die auf einer Verbindung ethischer Grundpositionen mit einer Handlung basieren: R(H,Ei) Es existiert eine Differenzierung der Bewertung nach der Bedeutsamkeit der ethischen Grundposition für die Bewertung der Handlung Bi[R(H,Ei)] Es existiert die Rechtfertigung einer Handlung als gut oder böse bzw. als richtig oder falsch RG(Bi[R(H,Ei)]) Der Begriff der präskriptiven Attributionsforschung (PRÄTT) ist somit ein Quintupel der Gestalt: PRÄTT={H,Ei,R(H,Ei); Bi[R(H,Ei], RG(Bi[R(H,Ei)])}
Das Instrumentarium von Witte/Doll (1995) basiert auf den Überlegungen der Konzeption einer empirischen Ethikforschung von Witte (1990). Eine erste Anwendung des empirischen Konstruktes (im berufsbezogenen Umfeld) findet sich bei Hackel (1995).2176 Gollenia (1999) wendete das Instrumentarium im Rahmen der Unterschiedlichkeit von Berufsgruppen und ihrer Rechtfertigungsstrategie an. Maeng (1996) untersuchte die Variationen der Werthaltungen in Abhängigkeit von der Kultur (Deutschland/Korea) Weitere Anwendungen finden sich im Rahmen einer simulierten Rechtfertigung von wirtschaftlichen und medizinischen Entscheidungen in Ethikkommissionen bei Heitkamp/Borchardt/Witte (2005) und Witte/Heitkamp/Wolfram (2005).2177 Bis zu den Arbeiten von Witte (1990) wurde eine Untersuchung von Moral und Ethik zumeist im Rahmen der Entwicklungspsychologie, hier speziell vor dem Hintergrund der Arbeiten von Kohlberg (1958, 1969, 1973) oder Kohlberg/Candee (1984), vorgenommen. Der Übergang von der Entwicklungszur Sozialpsychologie ist daher recht neu und immer noch gering erforscht.2178 Die ethischen Grundpositionen werden vor dem Hintergrund der Pflichtenethik (Deontologie) und der Zweckethik (Teleologie) ausgebildet.2179 Im Ansatz der grundlegenden Annahmen von Witte (1990) bzw. Witte/Doll (1995) sind hiermit die vier ethischen Positionen des Hedonismus, Intuitionismus, Utilitarismus und der Deontologie von Bedeutung.
2176 2177
2178
2179
Im Hedonismus erfolgt die Bewertung einer Handlung nach einem persönlichen Nutzenkalkül im Sinne eines individuellen Wohlbefindens bzw. dem Streben nach Lust und Glückseligkeit (Genuss). Im Intuitionismus erfolgt die Bewertung einer Handlung nach einer individuellen Einsicht ohne weitere Begründung. Es handelt sich um individuelle Kriterien zur Rechtfertigung. Die Begründung erfolgt aus dem individuellen Gefühl und wird als selbstevident angesehen.
Siehe hierzu speziell Hackel (1990), S. 36-37 sowie die Anlage 4, S. 12-15. Siehe Maeng (1996); Gollenia (1999) Heitkamp/Borchardt/Witte (2005) und Witte/Heitkamp/ Wolfram (2005). Vgl. Hackel (1995), S. 36; Witte (2001), S. 3. Anmerkung: Eigenhändige Seitenzählung beginnend mit Seite 1 nach Deckblatt, da keine Zählung in der Ausarbeitung bei Witte (2001) vorhanden ist. Siehe grundlegend Kohlberg (1958); Kohlberg (1969); Kohlberg (1973); Kohlberg/Candee (1984). Grundlegend siehe auch Kohlberg (1984). Vgl. Witte (2001), S. 9.
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
459
Im Utilitarismus erfolgt die Bewertung einer Handlung ausschließlich anhand ihrer Konsequenzen. Der moralische Wert einer Handlung kann nach dem Nutzenmaximierungsprinzip, einem höheren bzw. Maximalen positiven Nutzen aller Betroffenen bestimmt werden. In der Deontologie erfolgt die Bewertung einer Handlung anhand allgemeiner Pflichten bzw. Prinzipien. Denn es existieren eindeutige Regelungen zur Bewertung und Rechtfertigung von Handlungen. Eine Betrachtung der Konsequenzen einer Handlung wird dabei nicht vorgenommen. Der bedeutendste Vertreter einer deontologischen Ethik ist Kant.
Anzumerken ist in diesem Kontext, dass die ethischen Positionen a priori ermittelt wurden. Die Interpretation der mit diesem Instrument erzeugten Daten kann dabei unabhängig von empirischen Generalisationen im Sinne einer deskriptiven Faktorenanalyse erfolgen.2180 Allgemein wurde anhand der bereits eingangs erwähnten empirischen Studien die Bedeutsamkeit der ethischen Grundpositionen in unterschiedlichen Zusammenhängen nachgewiesen. Die ethischen Positionen variieren mit den Eigenschaften der Urteilsobjekte im Sinne individueller, interpersoneller und sozialer Handlungen nach Witte/Doll (1995), mit der Berufssozialisation nach Hackel (1995), mit der Kultur nach Maeng (1996), mit der sozialen Identität nach Gollenia (1999). Darüber hinaus haben sie nach Heitkamp/Borchardt/Witte (2005) sowie Witte/Heitkamp/Wolfram (2005) eine signifikante Wechselwirkung mit der Rolle, die ein Entscheider einnimmt. Die zweite Dimension wird durch die Betrachtungsebene gebildet. Hier kann zwischen einer dem Individuum und der Allgemeinheit unterschieden werden. Aus der Dimension der ethischen Grundpositionen und der Dimension der Betrachtungsebene kann eine 2x2 Matrix gebildet werden. Abbildung 62 verdeutlicht die ethischen Grundpositionen einer empirischen Ethikforschung nach Witte/Doll (1995). Beurteilungsgegenstand
Beurteilungsbezug
Zweck
Pflicht
Persönlich
Hedonismus (Ich achte darauf, wie es mir persönlich ergeht.)
Intuitionismus (Ich bin mir sicher, dass diese Handlung angemessen ist.)
Allgemein
Utilitarismus (Man muss nach meiner Meinung die Konsequenzen einer Handlung für alle betrachten.)
Deontologie (Es kommt nach meiner Meinung auf allgemeingültige Prinzipien als Richtschnur für unsere Handlungen an.)
Abbildung 62: Ethische Grundpositionen empirischer Ethikforschung bei Witte/Doll
Eine unabhängige Erhebung der vier Rechtfertigungsarten ermöglicht eine beliebige Kombination der vier ethischen Grundpositionen. Hieraus ergibt sich, dass ethische Grundpositionen nicht in eine Rangfolge nach ihrer moralischen Qualität gebracht werden kann.2181 Hackel (1995) merkt an, dass ethische Grundpositionen immer in einem sozial-gesellschaftlichen Kontext zu sehen sind. Dabei wird angenommen, dass diese, wie andere Merkmale, auf der Individualsystemebene ein Produkt der
2180 2181
Vgl. Heitkamp/Borchardt/Witte (2005), S. 9. Vgl. Witte/Doll (1995), S. 103-104; Gollenia (1999), S. 18; Witte (2001), S. 9.
460
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
(individuellen) Sozialisation sind.2182 Die Bedeutung der vier ethischen Grundhaltungen konnte in ähnlicher Form auch im Ursprung bei Forsyth (1980)2183 bzw. Forsyth (1992) nachgewiesen werden. Weitere ähnliche Ausarbeitungen sind bei Forsyth/Pope (1984), Forsyth/Nye (1990) sowie Barnett et al. (1998) zu finden.2184 Die Umsetzung dieses Konstruktes erfolgte in Form eines Fragebogens mit insgesamt 20 Items. Pro ethischer Grundposition wurden fünf Items formuliert. Als Frage wird angeführt, wie bedeutsam die aufgeführten Gesichtspunkte bei der Ausführung der Handlung waren. Typischerweise wird hierzu dem Probanden ein Szenario vorgelegt. Als Antwortskala in eine fünfstufige Skala von 1 (nicht bedeutsam) bis 5 (sehr bedeutsam) gegeben.2185 Witte (2001) gibt an, dass sich der Bogen in unterschiedlichen Untersuchungen mit einer befriedigenden internen Konsistenz zwischen 0.65 und 0.92 (Cronbach´s Alpha) bewährt hat.2186 Im Folgenden werden nun die empirischen Ergebnisse, die im Rahmen der Befragung mit dem Test nach Witte/Doll erzielt wurden, dargestellt. Empirische Ergebnisse Der Test nach Witte/Doll enthielt in der durchgeführten Befragung ein Szenario, welches eine (ethische) Dilemmasituation beschreibt.2187 Bei dem Dilemma handelt es sich um ein Szenario, welches bereits in unterschiedlichen Anwendungen des Testes nach Witte/Doll eingesetzt wurde. Das Szenario stellt sich wie folgt dar: „In der Wirtschaft stellt sich immer häufiger die Frage, die Produktion ins Ausland zu verlagern, weil sie sonst nicht auf dem Markt konkurrieren kann. Das bedeutet erhebliche Entlassungen in Deutschland. Eine Alternative ist, durch die Rationalisierungen und Verhandlungen mit dem Betriebsrat, die Lohnkosten zu senken. Die Chancen hierzu sind sehr unsicher. Sollten die Produktionskosten nicht gesenkt werden können, dann werden Verluste entstehen, die die gesamte Firma gefährden und nicht nur die Produktion.“ Nach dem Szenario sollten sich die befragten Unternehmerinnen und Unternehmer entscheiden, ob sie (a) die Produktion ins Ausland verlagern (Variable: Ich würde die Produktion ins Ausland verlagern), oder (b) weiterhin in Deutschland produzieren würden (Variable: Ich würde weiterhin in Deutschland produzieren). Im Anschluss sollten die Befragten ihre Entscheidung anhand von 20 Items auf einer 5er(Likert-)Skala rechtfertigen, dies ist der Kernbestandteil des Testes nach Witte/Doll, bei dem in der Auswertung ein Profil der Rechtfertigung der Handlung nach den Dimensionen Hedonismus (Variable: Hedonismusdimension), Intuitionismus (Variable: Intuitionismusdimension), Utilitarismus (Variable: Utilitarismusdimension) und Deontologie (Variable: Deontologiedimension) erzeugt werden kann.2188
2182 2183 2184
2185 2186 2187 2188
Vgl. Hackel (1995), S. 36. Siehe hierzu Kapitel 3.2.2.3. Vgl. Heitkamp/Borchardt/Witte (2005), S. 9. Siehe grundlegend Forsyth (1980); Forsyth/Pope (1984), Forsyth/Nye (1990); Forsyth (1992) sowie Barnett et al. (1998). Vgl. Witte (2001), S. 11. Vgl. Witte (2001), S. 11. Siehe zur Erörterung von Dilemmata Kapitel 2.1.3.3. Zur Zuordnung der einzelnen Items für die jeweilige Dimension siehe grundlegend Witte/Doll (1995); Witte (2001); Heitkamp/Borchardt/Witte (2005); Witte/Heitkamp/Wolfram (2005).
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
461
Tabelle 122 zeigt die deskriptiven Ergebnisse des Testes nach Witte/Doll, bei der für die Bewertung der Mittelwert von Bedeutung ist. N Hedonismusdimension Intuitionismusdimension Utilitarismusdimension Deontologiedimension
Mittelwert
Median
Modus
Standardabweichung
Min.
Max.
Perzentile
Gültig 109
Fehlend 0
3,1297
3,3333
3,67
,73033
1,00
4,83
25 2,83
50 3,33
75 3,66
109
0
3,2552
3,2000
3,00
,66752
1,00
4,80
3,00
3,20
3,60
109
0
3,8393
3,8000
3,80
,54507
1,20
5,00
3,60
3,80
4,20
109
0
3,3333
3,5000
3,50
,76030
1,00
5,00
2,75
3,50
3,75
Tabelle 122: Deskriptive Statistik Test nach Witte/Doll
Es zeigte sich, dass die Mittelwerte der Hedonismus-, Intuitionismus- und Deontologiedimension mit 3,1297, 3,2552 und 3,3333 nahe beieinander lagen. Augenscheinlich wurde mit einem Mittelwert von 3,8393 eine Rechtfertigung der Handlung nach der Utilitarismusdimension von den befragten Unternehmerinnen und Unternehmern bevorzugt. Varianzanalyse In einem zweiten Schritt war es darüber hinaus von Interesse, ob die Rechtfertigung der Handlung abhängig ist von der gewählten Handlungsalternative Ich würde die Produktion ins Ausland verlagern oder Ich würde weiterhin in Deutschland produzieren. Tabelle 123 zeigt die deskriptive Statistik im Rahmen einer durchgeführten Varianzanalyse des Tests nach Witte/Doll. Wie würden Sie entscheiden?
Dimensionen
Mittelwert
Standardabweichung
N
Ich würde die Produktion ins Ausland verlagern
Hedonismusdimension (1)
3,0075
,82417
58
Intuitionismusdimension (2)
3,1468
,69284
58
Utilitarismusdimension (3)
3,8471
,55114
58
Deontologiedimension (4)
3,2601
,80494
58
Hedonismusdimension (1)
3,2686
,58372
51
Intuitionismusdimension (2)
3,3784
,62139
51
Utilitarismusdimension (3)
3,8304
,54342
51
Deontologiedimension (4)
3,4167
,70475
51
Ich würde weiterhin in Deutschland produzieren
Tabelle 123: Deskriptive Statistik der Varianzanalyse des Tests nach Witte/Doll
Augenscheinlich besaß die Rechtfertigung nach der Utilitarismusdimension bei beiden Handlungsalternativen mit Ich würde die Produktion ins Ausland verlagern (Utilitarismusdimension Mittelwert 3,8471) und Ich würde weiterhin in Deutschland produzieren (Utilitarismusdimension Mittelwert 3,8304) eine Dominanz gegenüber den anderen drei Positionen bzw. Dimensionen.
462
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
Die ethische Position des Utilitarismus ist im Kern gekennzeichnet durch eine Maximierung des Gemeinwohls. Dabei fordert der Utilitarismus nicht dazu auf, den eigenen (individuellen) Nutzen auf Kosten anderer zu verfolgen, sondern vielmehr eine Förderung des sozialen Wohlergehens vorzunehmen. Denn das utilitaristische Moralprinzip zeichnet nur diejenigen Handlungen und Handlungsweisen als moralisch richtig aus, die aufgrund ihrer Folgen als nützlich für das größtmögliche Wohlergehen aller von der Handlung Betroffenen zu sehen sind.2189 In dem hier vorliegenden Falle kann wohl von einer Maximierung des sozialen Wohlergehens des Unternehmens, und nicht der Allgemeinheit ausgegangen werden. Eine (dominante) Rechtfertigung der Handlung nach der ethischen Position Utilitarismus wäre sowohl für die Entscheidung bzw. Handlung Ich würde die Produktion ins Ausland verlagern, als auch die Entscheidung bzw. Handlung Ich würde weiterhin in Deutschland produzieren denkbar, da in diesem Falle die Rechtfertigung der Handlung bzw. des Verhaltens überprüft wird, und nicht die potenziell aus ökonomischer Sicht (objektiv) „wahre“ bzw. „richtige“ Entscheidung.2190 Aus dem zuvor dargestellten Zusammenhang lassen sich, auf der Grundlage der im Vorfeld aufgestellten (Haupt-)Hypothese HRechtfertigungen12191, die folgenden Hypothesen ableiten: HRechtfertigung1: Unternehmerinnen und Unternehmer, die die Produktion ins Ausland verlagern (die weiterhin in Deutschland produzieren) rechtfertigen ihre Handlungen nach unterschiedlichen ethischen Positionen. HRechtfertigung1.1:
Unternehmerinnen und Unternehmer, die die Produktion ins Ausland ver lagern, rechtfer tigen ihre Handlungen nach der ethischen Position des Utilitarismus.
HRechtfertigung1.2:
Unternehmerinnen und Unternehmer, die weiterhin in Deutschland produ zieren, tigen ihre Handlungen nach der ethischen Position des Utilitarismus.
rechtfer
Zur Klärung dieser Fragestellung bzw. Hypothese ist eine Varianzanalyse in der Differenzierung nach den Variablen Ich würde die Produktion ins Ausland verlagern und Ich würde weiterhin in Deutschland produzieren auf die vier Dimensionen der Hedonismusdimension (1), Intuitionismusdimension (2), Utilitarismusdimension (3) und Deontologiedimension (4) (HIUD-Dimension) vorgenommen worden. Tabelle 124 zeigt die Tests der Innersubjekteffekte der HIUD-Dimension im Test nach Witte/Doll differenziert für die Variablen Ich würde die Produktion ins Ausland verlagern und Ich würde weiterhin in Deutschland produzieren. Es gilt p > Æ nicht signifikant bzw. p Æ signifikant [mit einem Signifikanzniveau von = 0.05].
2189 2190
2191
Siehe hierzu Kapitel 2.1.3.7.3. Für beide Handlungen können ökonomische Vor- und Nachteile aufgezeigt werden. Angemerkt werden kann in diesem Zusammenhang, dass es sich bei diesem Szenario um ein abstraktes (hypothetisches) Beispiel handelt, bei dem keine umfassenden Informationen zur Durchführung einer ökonomischen Analyse vorliegen. Unternehmerinnen und Unternehmer rechtfertigen ihre Handlungen nach unterschiedlichen ethischen Positionen.
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
463
Wie würden Sie entscheiden?
Quelle
df
F
Sig.
Ich würde die Produktion ins Ausland verlagern
HIUDDimension
3
23,108
,000
Ich würde weiterhin in Deutschland produzieren
HIUDDimension
2,582
9,745
,000
Tabelle 124: Tests der Innersubjekteffekte im Test nach Witte/Doll
Überprüfung HRechtfertigung1 Für die (Selektions-)Variable Ich würde die Produktion ins Ausland verlagern mit einem berechneten Signifikanzwert bzw. p-Wert (HIUD-Dimension) von p = 0,000 gilt: 0,000 0,001. Dies bedeutet, dass eine Signifikanz vorlag. Die Nullhypothese (H0) war zu Gunsten der formulierten Alternativhypothese (H1) zu verwerfen. Bei der (Selektions-)Variable Ich würde weiterhin in Deutschland produzieren wurde ein Signifikanzwert bzw. p-Wert (HIUD-Dimension) von p = 0,000 berechnet. Es gilt: 0,000 0,001. Dies bedeutet, dass eine Signifikanz vorlag. Die Nullhypothese (H0) war zu Gunsten der formulierten Alternativhypothese (H1) zu verwerfen. Aus beiden Berechnungen ergaben sich folgende Anhaltspunkte: Sowohl die Befragten, die die Produktion ins Ausland verlagern würden als auch die, die weiterhin in Deutschland produzieren würden, zeigten höchst signifikante Unterschiede zwischen den Dimensionen Hedonismus, Intuitionismus, Utilitarismus und Deontologie (beide Gruppen p=0,000). Paarweiser Vergleich der vier unterschiedlichen HIUD-Dimensionen Die zuvor aufgeführte Darstellung lieferte bisher keinen Aufschluss über potenzielle Signifikanzen zwischen den konkreten einzelnen HIUD-Dimensionen hinsichtlich der abhängigen Variablen Ich würde die Produktion ins Ausland verlagern bzw. Ich würde weiterhin in Deutschland produzieren. Aus diesem Grunde waren Mehrfachvergleiche der einzelnen HIUD-Dimensionen auf die abhängige Variable Ich würde die Produktion ins Ausland verlagern bzw. Ich würde weiterhin in Deutschland produzieren vorgenommen worden. Tabelle 125 zeigt den paarweisen Vergleich der vier unterschiedlichen HIUD-Dimensionen [Hedonismusdimension (1), Intuitionismusdimension (2), Utilitarismusdimension (3) und Deontologiedimension (4)].
464
Wie würden Sie entscheiden? Ich würde die Produktion ins Ausland verlagern
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen (I) HIUDDimension 1
2
3
4
Ich würde weiterhin in Deutschland produzieren
1
(J) HIUDDimension 2 3
Mittlere Differenz (I-J) -,139 -,840(*)
Standardfehler ,094 ,122
Sig.(a) ,857 ,000
95% Konfidenzintervall für die Differenz (a) Untergrenze Obergrenze -,396 ,117 -1,173 -,506
4
-,253
,123
,264
-,588
,083
1
,139
,094
,857
-,117
,396
3
-,700(*)
,100
,000
-,974
-,426
4 1
-,113 ,840(*)
,104 ,122
1,000 ,000
-,398 ,506
,171 1,173
2
,700(*)
,100
,000
,426
,974
4
,587(*)
,106
,000
,298
,876
1
,253
,123
,264
-,083
,588
2 3
,113 -,587(*)
,104 ,106
1,000 ,000
-,171 -,876
,398 -,298
2 3
-,110 -,562(*)
,108 ,116
1,000 ,000
-,405 -,881
,186 -,243
4
-,148
,143
1,000
-,540
,244
2
1 3 4
,110 -,452(*) -,038
,108 ,094 ,103
1,000 ,000 1,000
-,186 -,711 -,321
,405 -,193 ,244
3
1
,562(*)
,116
,000
,243
,881
2
,452(*)
,094
,000
,193
,711
4
,414(*)
,098
,001
,143
,684
1 2
,148 ,038
,143 ,103
1,000 1,000
-,244 -,244
,540 ,321
3
-,414(*)
,098
,001
-,684
-,143
4
(*) Die mittlere Differenz ist auf dem Niveau .001 signifikant. (a) Anpassung für Mehrfachvergleiche: Bonferroni. Tabelle 125: Paarweiser Vergleiche im Text nach Witte/Doll
Überprüfung HRechtfertigung1.1 Für die abhängige Variable Ich würde die Produktion ins Ausland verlagern zeigte sich, wie aus Tabelle 125 ersichtlich, dass bei den Befragten, die angaben, sie würden ihre Produktion ins Ausland verlagern, auf der Utilitarismusdimension (3) signifikant höhere Werte ermittelt wurden, als auf den anderen drei Dimensionen [Hedonismusdimension (1), Intuitionismusdimension (2), Deontologiedimension (4)]. Alle berechneten Signifikanzwerte bzw. p-Werte waren p = 0,000. Es gilt 0,000 0,001. Die Nullhypothese (H0) war zu Gunsten der formulierten Alternativhypothese (H1) zu verwerfen. Die drei anderen Dimensionen (1), (2), (4) unterschieden sich wiederum nicht voneinander, da alle berechneten p-Werte größer als 0,264 sind. Dies bedeutet: Die befragten Unternehmerinnen und Unternehmer rechtfertigten die Verlagerung der Produktion ins Ausland nach der ethischen Position des Utilitarismus bzw. der Utilitarismusdimension. Überprüfung HRechtfertigung1.2 Für die abhängige Variable Ich würde weiterhin in Deutschland produzieren zeigte sich, wie aus Tabelle 125 ersichtlich, dass bei den Befragten, die angaben, sie würden weiterhin in Deutschland produzieren, auf der Utilitarismusdimension (3) signifikant höhere Werte ermittelt wurden, als auf den anderen drei Dimensionen [Hedonismusdimension (1), Intuitionismusdimension (2), Deontologiedimension (4)]. Die berechne-
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
465
ten Signifikanzwerte bzw. p-Werte lagen bei p = 0,000 bzw. p = 0,001. Es gilt 0,000 0,001 sowie 0,001 0,001. Die Werte sind höchst signifikant (alle p 0,001). Die Nullhypothese (H0) war zu Gunsten der formulierten Alternativhypothese (H1) zu verwerfen. Die drei anderen Dimensionen (1), (2), (4) unterschieden sich wiederum nicht voneinander, da alle berechneten p-Werte gleich 1,000 sind. Dies bedeutet: Die befragten Unternehmerinnen und Unternehmer rechtfertigten die Handlung, weiterhin in Deutschland zu produzieren, nach der ethischen Position des Utilitarismus bzw. der Utilitarismusdimension. Differenzierung nach dem Geschlecht Nach der erfolgten Überprüfung, ob eine der vier Dimensionen, der Hedonismusdimension (1), Intuitionismusdimension (2), Utilitarismusdimension (3) und Deontologiedimension (4), bei der Rechtfertigung von Handlungen bzw. einer Handlung durch die befragten Unternehmen dominierte, erfolgt im Weiteren die Prüfung der Hypothese HRechtfertigung2: HRechtfertigung2: Es bestehen geschlechterspezifische Unterschiede zwischen Unternehmerinnen und Unternehmern in der Rechtfertigung ihrer Handlungen nach unterschiedlichen ethischen Positionen. Tabelle 126 zeigt die deskriptive Statistik des Testes nach Witte/Doll differenziert nach dem Geschlecht. Geschlecht Hedonismusdimension
Intuitionismusdimension
Utilitarismusdimension
Deontologiedimension
Mittelwert
Standardabweichung
N
männlich
3,0259
,79414
49
weiblich
3,2068
,67167
59
Gesamt
3,1247
,73188
108
männlich
3,2480
,63884
49
weiblich
3,2542
,69928
59
Gesamt
3,2514
,66944
108
männlich
3,7755
,53640
49
weiblich
3,9008
,55082
59
Gesamt
3,8440
,54540
108
männlich
3,1854
,70880
49
weiblich
3,4492
,79087
59
Gesamt
3,3295
,76277
108
Tabelle 126: Deskriptive Statistik des Tests nach Witte/Doll differenziert nach Geschlecht
Es gilt p > Æ nicht signifikant bzw. p Æ signifikant [mit einem Signifikanzniveau von = 0.05]. Als unabhängige Variable ist das Geschlecht, als abhängige Variable sind die Hedonismusdimension, die Intuitionismusdimension, die Utilitarismusdimension und die Deontologiedimension gewählt worden. Bei Anwendung der (einfaktoriellen) Varianzanalyse (Allgemeines Lineares Modell) und der Kenngröße der F-Werte konnte folgendes Ergebnis der Tabelle 127 festgestellt werden.
466
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
Quelle
Abhängige Variable
df
F
Sig.
Geschlecht
Hedonismusdimension
1
1,646
,202
Intuitionismusdimension
1
,002
,962
Utilitarismusdimension
1
1,419
,236
Deontologiedimension
1
3,269
,073
Tabelle 127: Varianzanalyse des Tests nach Witte/Doll differenziert nach dem Geschlecht
Überprüfung HRechtfertigung2 Mit den berechneten Signifikanzwerten bzw. p-Werten (Geschlecht Æ Hedonismusdimension, Intuitionismusdimension, Utilitarismusdimension bzw. Deontologiedimension) von 0,202 bzw. 0,962 bzw. 0,236 bzw 0,073 gilt: 0,202 bzw. 0,962 bzw. 0,236 bzw 0,073 > 0,05. Die Nullhypothese (H0) war beizubehalten und konnte nicht zu Gunsten der formulierten Alternativhypothese (H1) abgelehnt werden. Hieraus ergaben sich folgende Anhaltspunkte: Das Geschlecht der Unternehmer hatte auf die Rechfertigung von Handlungen nach der Hedonismusdimension (p = 0,202), der Intuitionismusdimension (p = 0,962), der Utilitarismusdimension (p = 0,236) und der Deontologiedimension (p = 0,073) keinen signifikanten Einfluss. Diskussion Die Auswertung der Befragung nach dem Test von Witte/Doll hat bei der untersuchten Stichprobe ergeben, dass Unternehmerinnen und Unternehmer Handlungen (vornehmlich) nach der normativen Ethikposition des Utilitarismus2192 rechtfertigten. Als Handlungsalternativen konnte im Test zwischen Produktion ins Ausland verlagern bzw. weiterhin in Deutschland produzieren gewählt werden. Die statistischen Kennzahlen und Signifikanzen zeigen, dass es für die Rechtfertigung der Handlung unerheblich war, ob die Befragten die Produktion ins Ausland verlagern oder aber weiterhin in Deutschland produzieren würden. Beide Handlungen bzw. Handlungsalternativen wurden nach dem Muster des Utilitarismus gerechtfertigt. Der Utilitarismus stellt eine normative Ethikposition dar, die die Maximierung des Gemeinwohls zum Ziel hat. Die Ergebnisse können daher so interpretiert werden, dass die Maximierung des Gemeinwohls, in diesem Falle das Gemeinwohl des Unternehmens bzw. der Fortbestand des Unternehmens, für die Befragten im Vordergrund stand und daher wurde dies mit der normativen Ethikposition des Utilitarismus gerechtfertigt. Diese Rechtfertigung gibt allerdings keine Auskunft über den ökonomischen Erfolg der Handlung. Dies ist auch nicht der Fokus des Testes. Interessant erscheint, dass sich keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern gezeigt haben. Männer und Frauen rechtfertigten ihre Handlungen nicht unterschiedlich. Dies mag als aufschlussreich angesehen werden, denn Frauen wird oftmals eine andere Handlungsweise bzw. eine andere Rechtfertigung von Handlungen zu gesprochen als Männern. Dass sich hier keine Unterschiede gezeigt haben, mag mitunter darin begründet sein, dass eine Gruppe von Unternehmern befragt wurde, die als Gruppe möglicherweise homogenere Strukturen aufweisen, als andere Gruppen. Unternehmerinnen und Unternehmer könnten daher ähnliche Rechtfertigungsmuster aufweisen. Für zukünftige Fragestellungen, ob geschlechterspezifische Unterschiede bei der Rechtfertigung von Handlungen beste2192
Siehe zur theoretischen Erklärung Kapitel 2.1.3.7.3.
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
467
hen, wäre es interessant, Unternehmer mit anderen Gruppen, wie bspw. Studenten oder Arbeitnehmern etc., zu vergleichen. 3.2.3.7
Ausgewählte praxisrelevante Ethikmaßnahmen
Im Folgenden wird eine Prüfung der in Kapitel 2.5 formulierten Hypothesen in Bezug auf ausgewählte praxisrelevante Ethikmaßnahmen vorgenommen: HMaßnahmen1: Personengesellschaft und Kapitalgesellschaften unterscheiden sich bezüglich der Bekanntheit und der hiermit verbundenen Einführung einer unternehmensethischen Maßnahme. HMaßnahmen2: Kapitalgesellschaften führen gegenüber Personengesellschaften „mehr“ unternehmensethische Maßnahmen ein. Messkonstrukt Als ein weiterer Testbaustein wurden praxisinduzierte Ethikmaßnahmen abgefragt. Auf Basis einer Literaturanalyse u. a. bei Ulrich/Thielemann (1992); Staffelbach (1994); Göbel (2006) wurden unterschiedliche Instrumente identifiziert.2193 Hierbei handelte es sich zumeist um formale Ethikmaßnahmen. Die Erörterung, Empfehlung und Anwendung dieser Maßnahmen wird aus der Literatur heraus i. d. R. im Kontext von Großunternehmen bzw. etablierten (größeren) Unternehmen vorgenommen. Zu den Ethikmaßnahmen und ihrer Erörterung und Diskussion der Thematik siehe die Ausführungen des Kapitels 2.4.3. Tabelle 128 zeigt die abgefragten praxisindizierten Ethikmaßnahmen.
2193
Siehe auch die Literatur im theoretischen Teil dieser Ausarbeitung des Kapitels 2.4.3.7 und seiner Unterkapitel.
468
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
Item 1-9
Item 10-17
Institutionalisiertes Ethik-Management-System (bspw. Deutsches Zentrum für Wirtschaftsethik)
Hearings (Zusammentreffen und Diskussion mit externen - Betroffenen zu einem unternehmensethischen Problem)
Nachhaltigkeits-Management-System (DIN EN ISO 14001)
Dialog mit den Stakeholdern des Unternehmens (bspw. zu Kunden, Lieferanten, Kapitalgeber, Mitarbeiter etc. zu unternehmensethischen Fragen)
Unternehmenseigener Verhaltenskodex (Ethikcredos, Ethikkodizes)
Ethiktraining der Mitarbeiter
Leitbild
Ethisches Controlling (Sozial- und Ökobilanzen)
Brancheneigener Verhaltenskodex bzw. Selbstverpflichtungserklärungen
Selbstverpflichtung zum UN Global Compact
Ethikausschuss
Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten (bspw. auf Basis des Leitfadens der Global Reporting Initiative)
Ombudsstelle/Ombudsmann
Sozialstandards nach SA 8000 (Umsetzung und Kontrolle sozialer Mindeststandards in Produktionsbetrieben)
Stabsstelle Ethik
Beachtung des AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz)
Festlegung ethischer Verantwortungsbereiche in bestimmten Stellen (bspw. Verbraucherabteilung, Gleichstellungs-, Umweltschutzbeauftragte, Behindertenvertreter etc.) Tabelle 128: Items praxisinduzierter Ethikmaßnahmen
Es lag in diesem Falle eine Doppelmatrixfrage vor. Zum einen wurde die Relevanz bzw. Bedeutung der einzelnen Maßnahmen für die Befragten erhoben. Die Befragten konnten auf einer 5er-(Likert-)Skala ihre Antwort differenzieren. Bei der Skala waren in diesem Falle nur die Endpole bezeichnet (1=völlig unwichtig; 5=sehr wichtig). Anzumerken ist allerdings, dass in der Einschätzung eine Besonderheit bestand. Da viele der hier vorliegenden Maßnahmen für Großunternehmen entwickelt und ihr Einsatz zumeist in der Literatur auch in diesem Kontext diskutiert wird, bestand für die Befragten die Möglichkeit, die jeweilige Maßnahme als nicht bekannt (Maßnahme nicht bekannt) einzustufen und somit keine Relevanzeinschätzung auf einer 5er-(Likert-)Skala vorzunehmen. Zum anderen wurde pro Item bzw. Maßnahme die (geplante) Umsetzung dieser Maßnahme im Unternehmen abgefragt. Es handelte sich somit um die Abfrage einer intendierten bzw. realisierten Handlung, welche als externes Kriterium zur Messung einer Ethik im Unternehmen herangezogen werden kann. Als Antwortkategorien konnten die Befragten hinsichtlich der unternehmensethischen Maßnahme differenzieren zwischen: bereits eingeführt, Einführung geplant in 12 Monaten, Einführung geplant in 24 Monaten, Einführung nicht geplant, unentschlossen und keine Angabe. Im Folgenden werden nun die empirischen Ergebnisse, die im Rahmen der Befragung mit dem zuvor aufgezeigten Messinstrument erzielt wurden, dargestellt.
0% Beachtung des AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz)
Sozialstandards nach SA 8000
Erstellung von Nachhaltigskeitsberichten
Selbstverpflichtung zum UN Global Compact
Ethisches Controlling (Sozial- und Ökobilanzen)
Ethiktraining der Mitarbeiter
Dialog mit den Stakeholdern des Unternehmens
Hearings
Festlegung ethischer Verantwortungsbereiche in bestimmten Stellen
Stabsstelle Ethik
Ombuds-Stelle/Ombudsmann
Ethikausschuss
Brancheneigener Verhaltenskodex bzw. Selbstverpflichtungserklärungen
Leitbild
Unternehmenseigener Verhaltenskodex (Ethikkodizes)
Nachhaltigkeits-Management-System
Institutionalisiertes Ethik-Management-System
Prozente
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen 469
Empirische Ergebnisse Zunächst sind die Häufigkeitsverteilungen der 17 Variablen hinsichtlich der Relevanz bzw. Bekanntheit unterschiedlicher unternehmensethischer Maßnahmen in Abbildung 63 und der zugehörigen Tabelle 129 dargestellt.
Frage: Wie beurteilen Sie die Wichtigkeit der folgenden unternehmensethischen Maßnahmen? 100%
75%
Maßnahme nicht bekannt völlig unwichtig unwichtig weder noch wichtig sehr wichtig
50%
25%
Abbildung 63: Häufigkeitsverteilung der Relevanz von unternehmensethischen Maßnahmen
470
Maßnahme nicht bekannt völlig unwichtig unwichtig
weder noch
wichtig
sehr wichtig
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen 1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
% 47,7
% 39,6
% 11,9
% 8,5
% 13,8
% 14,2
% 21,3
% 19,4
% 14,7
% 11,9
% 11,0
% 11,0
% 14,7
% 44,0
% 29,6
% 43,1
% 15,7
N= 52
N= 42
N= 13
N=9
N= 15
N= 15
N= 23
N= 21
N= 16
N= 13
N= 12
N= 12
N= 16
N= 48
N= 32
N= 47
N= 17
14,7
12,3
4,6
,9
11,0
23,6
14,8
31,5
12,8
13,8
9,2
16,5
21,1
15,6
15,7
12,8
9,3
N= 16
N= 13
N=4
N=1
N= 12
N= 25
N= 16
N= 34
N= 14
N= 15
N= 10
N= 18
N= 23
N= 17
N= 17
N= 14
N= 10
11,0
9,4
5,5
3,8
12,8
19,8
15,7
18,5
12,8
12,8
12,8
13,8
15,6
11,9
15,7
7,3
11,1
N= 12
N= 10
N=6
N=4
N= 14
N= 21
N= 17
N= 20
N= 14
N= 14
N= 14
N= 15
N= 17
N= 13
N= 17
N= 8
N= 12
8,3
15,1
16,5
4,7
11,9
18,9
19,4
10,2
19,3
21,1
16,5
17,4
10,1
9,2
14,8
11,0
12,0
N=9
N= 16
N= 18
N=5
N= 13
N= 20
N= 21
N= 11
N= 21
N= 23
N= 18
N= 19
N= 11
N= 10
N= 16
N= 12
N= 13
6,4
10,4
15,6
29,2
22,9
17,0
13,9
13,9
21,1
17,4
21,1
22,0
23,9
10,1
14,8
12,8
22,2
N=7
N= 11
N= 17
N= 31
N= 15
N= 18
N= 15
N= 15
N= 23
N= 19
N= 23
N= 24
N= 26
N= 11
N= 16
N= 14
N= 24
11,9
13,2
45,9
52,8
27,5
6,6
14,8
6,5
19,3
22,9
29,4
19,3
14,7
9,2
9,3
12,8
29,6
N= 13
N=14
N= 50
N= 56
N= 30
N= 7
N= 16
N= 7
N= 21
N= 25
N= 32
N= 21
N= 16
N= 10
N= 10
N= 14
N= 32
Tabelle 129: Häufigkeitstabelle der Relevanz unternehmensethischer Maßnahmen Legende: 1. Institutionalisiertes Ethik-Management-System 2. Nachhaltigkeits-Management-System 3. Unternehmenseigener Verhaltenskodex (Ethikkodizes) 4. Leitbild 5. Brancheneigener Verhaltenskodex bzw. Selbstverpflichtungserklärungen 6. Ethikausschuss 7. Ombudsstelle/Ombudsmann 8. Stabsstelle Ethik 9. Festlegung ethischer Verantwortungsbereiche in bestimmten Stellen 10. Hearings 11. Dialog mit den Stakeholdern des Unternehmens 12. Ethiktraining der Mitarbeiter 13. Ethisches Controlling (Sozial- und Ökobilanzen) 14. Selbstverpflichtung zum UN Global Compact 15. Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten 16. Sozialstandards nach SA 8000 17. Beachtung des AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz)
Wie aus der zuvor dargestellten Abbildung und Tabelle ersichtlich, scheint eine Vielzahl von Maßnahmen bei den befragten jungen Unternehmen nicht bekannt gewesen zu sein. So gaben 47,7 % der Befragten an, ein institutionalisiertes Ethik-Management-System nicht zu kennen. Ähnlich verhielt es sich bei der Bekanntheit bzw. Relevanz der unternehmensethischen Maßnahmen: Selbstverpflichtung zum UN Global Compact (44,0 %), Sozialstandards nach SA 8000 (43,1 %), NachhaltigkeitsManagement-System (39,6 %), Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten (29,6 %) oder der Ombudsstelle/Ombudsmann (21,3 %). Diese geringe Relevanz bzw. der geringe Bekanntheitsgrad der unternehmensethischen Maßnahmen lässt sich mitunter dadurch erklären, dass diese Instrumentarien
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
471
bzw. Maßnahmen (theoretisch) für Großunternehmen und somit i. d. R. auch für ältere, etablierte Unternehmen konzipiert wurden. Besser bekannt, und auch in ihrer Anwendung für junge Unternehmen als sehr wichtig bzw. wichtig eingestuft, waren theoretisch und praktisch einfachere, aber in der Wirkung bedeutende Instrumentarien, wie z. B. ein Leitbild (sehr wichtig: 52,8 %; wichtig: 29,2 %) oder aber ein unternehmenseigener Verhaltenskodex bzw. Ethikkodes (sehr wichtig: 45,9 %; wichtig: 15,6 %). Die Darstellung der Relevanz bzw. Bedeutung, verstanden im Sinne der Einstellung der Befragten zu unternehmensethischen Maßnahmen kann die Intention bzw. Handlung zur Einführung bzw. Umsetzung einer unternehmensethischen Maßnahme beeinflussen. Nun war es aus theoretischer Sicht von Interesse zu ermitteln, ob Unterschiede in der Einführung von unternehmensethischen Maßnahmen bei Personen- und Kapitalgesellschaften bestanden. Abbildung 64 und Tabelle 130 zeigen die Handlungen bzw. Handlungsabsichten im Sinne der Einführung unternehmensethischer Maßnahmen. In diesem Kontext ist darauf hinzuweisen, dass die Fälle für die Auswertung ausgeschlossen wurden, bei denen bei der zuvor dargestellten Variablen Relevanz unternehmensethischer Maßnahmen angegeben wurde, die Maßnahme bzw. das Instrument nicht zu kennen. Frage: Ist die unternehmensethische Maßnahme bereits eingeführt bzw. ist eine Einführung geplant? 100%
keine Angabe unentschlossen Einführung nicht geplant Einführung in den nächsten 24 Monaten Einführung in den nächsten 12 Monaten bereits eingeführt
Prozente
75%
50%
Sozialstandards nach SA 8000
Beachtung des AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz)
Erstellung von Nachhaltigskeitsberichten
Selbstverpflichtung zum UN Global Compact
Ethiktraining der Mitarbeiter
Ethisches Controlling (Sozial- und Ökobilanzen)
Hearings
Dialog mit den Stakeholdern des Unternehmens
Stabsstelle Ethik
Festlegung ethischer Verantwortungsbereiche in bestimmten Stellen
Ethikausschuss
Ombuds-Stelle/Ombudsmann
Leitbild
Brancheneigener Verhaltenskodex bzw. Selbstverpflichtungserklärungen
Nachhaltigkeits-Management-System
Unternehmenseigener Verhaltenskodex (Ethikkodizes)
0%
Institutionalisiertes Ethik-Management-System
25%
Abbildung 64: Häufigkeitsverteilung der Einführung von unternehmensethischen Maßnahmen
472
keine Angabe
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen 1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
% 20,8
% 4,3
% 4,2
% 4,2
% 12,5
% 20,8
% 16,7
% 16,7
% 16,7
% 8,7
% 4,2
% 8,3
% 20,8
% 20,8
% 25,0
% 20,8
% 8,3
N=5
N=1
N=1
N=1
N=3
N=5
N=4
N=4
N=4
N=2
N=1
N=2
N=5
N=5
N=6
N=5
N=2
unentschlossen
20,8
26,1
20,8
20,8
20,8
25,0
29,2
29,2
29,2
26,1
29,2
29,2
25,0
20,8
20,8
16,7
16,7
N=5
N=6
N=5
N=5
N=5
N=6
N=7
N=7
N=7
N=6
N=7
N=7
N=6
N=5
N=5
N=4
N=4
Einführung nicht geplant Einführung in den nächsten 24 Monaten Einführung in den nächsten 12 Monaten bereits eingeführt
45,8
52,2
12,5
8,3
33,3
45,8
33,3
41,7
29,2
39,1
25,0
37,5
37,5
41,7
33,3
33,3
16,7
N= 11
N= 12
N=3
N=2
N=8
N= 11
N=8
N= 10
N=7
N=9
N=6
N=9
N=9
N= 10
N=8
N=8
N=4
4,2
8,3
8,3
4,2
4,3
4,2
4,2
8,3
8,3
8,3
N=1
N=2
N=2
N=1
N=1
N=1
N=1
N=2
N=2
N=2
4,2
16,7
4,2
8,3
4,2
4,2
4,2
8,3
4,2
N=1
N=4
N=1
N=2
N=1
N=1
N=1
N=2
N=1
8,3
17,4
50,0
50,0
20,8
4,2
12,5
8,3
20,8
21,7
37,5
16,7
8,3
8,3
12,5
20,8
54,2
N=2
N=4
N= 12
N= 12
N=5
N=1
N=3
N=2
N=5
N=1
N=9
N=4
N=2
N=2
N=3
N=5
N= 13
Tabelle 130: Häufigkeitstabelle der Einführung unternehmensethischer Maßnahmen Legende: 1. Institutionalisiertes Ethik-Management-System 2. Nachhaltigkeits-Management-System 3. Unternehmenseigener Verhaltenskodex (Ethikkodizes) 4. Leitbild 5. Brancheneigener Verhaltenskodex bzw. Selbstverpflichtungserklärungen 6. Ethikausschuss 7. Ombudsstelle/Ombudsmann 8. Stabsstelle Ethik 9. Festlegung ethischer Verantwortungsbereiche in bestimmten Stellen 10. Hearings 11. Dialog mit den Stakeholdern des Unternehmens 12. Ethiktraining der Mitarbeiter 13. Ethisches Controlling (Sozial- und Ökobilanzen) 14. Selbstverpflichtung zum UN Global Compact 15. Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten 16. Sozialstandards nach SA 8000 17. Beachtung des AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz)
Bei der Betrachtung der Häufigkeiten scheint es, dass die befrageten jungen Unternehmen lediglich in geringem Maße (formale) unternehmensethische Maßnahmen umgesetzt bzw. deren Umsetzung geplant haben. In diesem Kontext waren Maßnahmen wie ein unternehmenseigener Verhaltenskodex (Ethikkodizes), ein Leitbild, ein Dialog mit den Stakeholdern des Unternehmens oder die Beachtung des AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) von besonderer Bedeutung sind.
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
473
Verbindung zwischen Bekanntheit und Einführung einer unternehmensethischen Maßnahme bei Personen- und Kapitalgesellschaften Für eine Prüfung der Hypothese HMaßnahme12194, sind die Korrelationen beider Variablen näher gehend analysiert worden. Hierzu wurden die Variablen Relevanz eines institutionalisierten Ethik-ManagementSystems sowie Einführung eines institutionalisierten Ethik-Management-Systems zunächst so kodiert bzw. gepolt, dass diese in die gleiche Richtung weisen, um einen Zusammenhang bzw. eine Korrelation korrekt abbilden zu können. Im Rahmen der Untersuchung wurden die Fälle ausgeschlossen, die die jeweilige unternehmensethische Maßnahme gar nicht kannten.2195 Es gilt p > Æ nicht signifikant bzw. p Æ signifikant [mit einem Signifikanzniveau von = 0.05]. Da es sich in der Analyse um eine Korrelation von 34 Variablen handelt, wird aus Gründen der Übersichtlichkeit auf eine umfassende (tabellarische) Darstellung aller berechneten Ergebnisse verzichtet. Dabei werden zunächst die signifikanten Ergebnisse mit einer tabellarischen Unterstützung präsentiert und erörtert. Bei den nicht signifikanten Ergebnissen wird auf (umfassende) Tabellen der statistischen Kennzahlen verzichtet. Überprüfung HMaßnahmen1 Unterschiede zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften hinsichtlich der Relevanz und der Einführung unternehmensethischer Maßnahmen haben sich bei den folgenden Variablen bzw. unternehmensethischen Maßnahmen gezeigt:
Unternehmenseigener Verhaltenskodex (Ethikkodizes) Dialog mit Stakeholdern des Unternehmens Ethiktraining der Mitarbeiter Beachtung des AGG (Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes)
Für die Korrelation bzgl. der Variablen Relevanz eines unternehmenseigenen Verhaltenskodex (Ethikkodizes) und Einführung eines unternehmenseigenen Verhaltenskodex (Ethikkodizes) hinsichtlich der Variablen Personenund Kapitalgesellschaft zeigten sich folgende statistische Kennzahlen der Tabelle 131.
2194
2195
Personengesellschaft und Kapitalgesellschaften unterscheiden sich bezüglich der Bekanntheit und der hiermit verbundenen Einführung einer unternehmensethischen Maßnahme. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass die Fallzahl bei den jeweiligen Analysen teilweise (wesentlich) geringer ist, als die Gesamtfallzahl.
474
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
Personen- oder Kapitalgesellschaft Personengesellschaft
Ordinal- bzgl. Ordinalmaß
Korrelation nach Spearman
Anzahl der gültigen Fälle Kapitalgesellschaft
Ordinal- bzgl. Ordinalmaß
Wert ,231
Asymptotischer Standardfeh- Näherungsler(a) weise T(b) ,156 1,442
Näherungsweise Signifikanz ,158
Exakte Signifikanz ,157
,117
,001
.
39 Korrelation nach Spearman
Anzahl der gültigen Fälle
,436
3,528
55
Tabelle 131: Korrelationen unternehmenseigener Verhaltenskodex
Bei Personengesellschaften wurde ein unternehmenseigener Verhaltenskodex (Ethikcredos, Ethikkodizes), wenn die Maßnahme bekannt war, nicht unbedingt eingeführt, wenn sie auch für wichtig erachtet wurde, bzw. nicht eingeführt, wenn sie für unwichtig erachtet wurde (R=0,231; p=.157). Hingegen wurde bei Kapitalgesellschaften ein unternehmenseigener Verhaltenskodex (Ethikcredos, Ethikkodizes), wenn die Maßnahme bekannt war, auch eingeführt, wenn sie für wichtig erachtet wurde, bzw. nicht eingeführt, wenn sie für unwichtig erachtet wurde (R=0,436; p=.001). Durch den Korrelationskoeffizienten von 0,436 konnte mit 0,2 < 0,436 < 0,5 zwischen den zwei Variablen (verbal) eine geringe Korrelation festgestellt werden.2196 Für die Korrelation bzgl. der Variablen Relevanz eines Dialoges mit Stakeholdern des Unternehmens und Einführung eines Dialoges mit Stakeholdern des Unternehmens hinsichtlich der Variablen Personen- und Kapitalgesellschaft zeigten sich folgende statistische Kennzahlen der Tabelle 132.
Personen- oder Kapitalgesellschaft Personengesellschaft
Ordinal- bzgl. Ordinalmaß
Korrelation nach Spearman
Ordinal- bzgl. Ordinalmaß Anzahl der gültigen Fälle
Näherungsweise Signifikanz ,495
Exakte Signifikanz .
,124
,005
.
39
Anzahl der gültigen Fälle Kapitalgesellschaft
Wert ,112
Asymptotischer Standardfeh- Näherungsler(a) weise T(b) ,171 ,688
Korrelation nach Spearman
,367
2,955
58
Tabelle 132: Korrelationen Dialog mit Stakeholdern des Unternehmens
2196
Siehe zur (verbalen) Interpretation des Korrelationskoeffizienten auch Kapitel 3.1.3.4.
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
475
Bei Personengesellschaften wurde der Dialog mit den Stakeholdern des Unternehmens (bspw. mit Kunden, Lieferanten, Kapitalgebern, Mitarbeitern etc. zu unternehmensethischen Fragen), wenn die Maßnahme bekannt war, nicht unbedingt eingeführt, wenn sie auch für wichtig erachtet wird, bzw. nicht eingeführt, wenn sie für unwichtig erachtet wurde (R=0,112; p=.495). Hingegen wurde bei Kapitalgesellschaften der Dialog mit den Stakeholdern des Unternehmens (bspw. zu Kunden, Lieferanten, Kapitalgebern, Mitarbeitern etc. zu unternehmensethischen Fragen), wenn die Maßnahme bekannt war, auch eingeführt, wenn sie für wichtig erachtet wurde, bzw. nicht eingeführt, wenn sie für unwichtig erachtet wurde (R=0,367; p=.005). Durch den Korrelationskoeffizienten von 0,367 konnte mit 0,2 < 0,367 < 0,5 zwischen den zwei Variablen (verbal) eine geringe Korrelation festgestellt werden. Für die Korrelation bzgl. der Variablen Relevanz eines Ethiktrainings der Mitarbeiter und Einführung eines Ethiktrainings der Mitarbeiter hinsichtlich der Variablen Personen- und Kapitalgesellschaft zeigten sich folgende statistische Kennzahlen der Tabelle 133.
Personen- oder Kapitalgesellschaft Personengesellschaft
Ordinal- bzgl. Ordinalmaß
Korrelation nach Spearman
Ordinal- bzgl. Ordinalmaß
Näherungsweise Signifikanz ,970
Exakte Signifikanz ,970
,116
,000
.
37
Anzahl der gültigen Fälle Kapitalgesellschaft
Wert ,006
Asymptotischer Standardfeh- Näherungsler(a) weise T(b) ,176 ,038
Korrelation nach Spearman
Anzahl der gültigen Fälle
,447
3,801
60
Tabelle 133: Korrelationen Ethiktraining der Mitarbeiter
Bei Personengesellschaften wurde das Ethiktraining der Mitarbeiter, wenn die Maßnahme bekannt war, nicht unbedingt eingeführt, wenn sie auch für wichtig erachtet wurde, bzw. nicht eingeführt, wenn sie für unwichtig erachtet wurde (R=0,006; p=.970). Bei Kapitalgesellschaften hingegen wurde das Ethiktraining der Mitarbeiter, wenn die Maßnahme bekannt war, auch eingeführt, wenn sie für wichtig erachtet wurde, bzw. nicht eingeführt, wenn sie für unwichtig erachtet wurde (R=0,447; p=.000). Durch den Korrelationskoeffizienten von 0,447 konnten mit 0,2 < 0,447 < 0,5 zwischen den zwei Variablen (verbal) eine geringe Korrelation festgestellt werden. Für die Korrelation bzgl. der Variablen Relevanz der Beachtung des AGG (Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes) und Einführung der Beachtung des AGG (Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes) hinsichtlich der Variablen Personen- und Kapitalgesellschaft zeigten sich folgende statistische Kennzahlen der Tabelle 134.
476
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
Personen- oder Kapitalgesellschaft Personengesellschaft
Ordinal- bzgl. Ordinalmaß
Korrelation nach Spearman
Ordinal- bzgl. Ordinalmaß
Näherungsweise Signifikanz ,773
Exakte Signifikanz ,771
,110
,001
.
38
Anzahl der gültigen Fälle Kapitalgesellschaft
Wert ,048
Asymptotischer Standardfeh- Näherungsler(a) weise T(b) ,165 ,291
Korrelation nach Spearman
Anzahl der gültigen Fälle
,465
3,641
50
Tabelle 134: Korrelationen Beachtung des AGG
Bei Personengesellschaften wurde die Beachtung des AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz), wenn die Maßnahme bekannt war, nicht unbedingt eingeführt, auch wenn sie für wichtig erachtet wurde, bzw. nicht eingeführt, wenn sie für unwichtig erachtet wurde (R=0,048; p=.771). Hingegen wurde bei Kapitalgesellschaften die Beachtung des AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz), wenn die Maßnahme bekannt war, auch eingeführt, wenn sie für wichtig erachtet wurde, bzw. nicht eingeführt, wenn sie für unwichtig erachtet wurde (R=0,465; p=.001). Durch den Korrelationskoeffizienten von 0,465 konnte mit 0,2 < 0,465 < 0,5 zwischen den zwei Variablen (verbal) eine geringe Korrelation festgestellt werden. Im Rahmen der Analyse konnten für die Variablen institutionalisiertes Ethik-Management-System, Nachhaltigkeits-Management-System, Leitbild, brancheneigener Verhaltenskodex bzw. Selbstverpflichtungserklärungen, Ethikausschuss, Ombudsstelle bzw. Ombudsmann, Stabstelle Ethik, Festlegung ethischer Verantwortungsbereiche, Hearings, Ethisches Controlling (Sozial- und Ökobilanzen), Selbstverpflichtung zum UN-Gobal Compact, Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten sowie Sozialstandards nach SA 8000 keine signifikanten Korrelationen sowohl für Personen-, als auch für Kapitalgesellschaften beobachtet werden. Dies bedeutet für alle Variablen: Sowohl bei Personen- als auch bei Kapitalgesellschaften wurden bzw. wurde ein(e) institutionalisiertes Ethik-Management-System, Nachhaltigkeits-Management-System, Leitbild, brancheneigener Verhaltenskodex bzw. Selbstverpflichtungserklärungen, Ethikausschuss, Ombudsstelle bzw. Ombudsmann, Stabstelle Ethik, Festlegung ethischer Verantwortungsbereiche, Hearings, Ethisches Controlling (Sozialund Ökobilanzen), Selbstverpflichtung zum UN-Gobal Compact, Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten sowie Sozialstandards nach SA 8000 wenn die Maßnahme bekannt war, nicht unbedingt eingeführt, auch wenn sie für wichtig erachtet wurde, bzw. nicht eingeführt, wenn sie für unwichtig erachtet wurde. Tabelle 135 zeigt die zugehörigen statistischen Kennzahlen (Ordinal- bzgl. Ordinalmaß: R=Korrelation nach Spearman; p=näherungsweise Signifikanz bzw. exakte Signifikanz; N= Anzahl der gültigen Fälle) der Korrelationen der symmetrischen Maße an.
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
477
Variable/Maßnahme
Personengesellschaft
Kapitalgesellschaft
institutionalisiertes Ethik-ManagementSystem
R=0,004; p=.991; N=18
R=0,175; p=.293; N=38
Nachhaltigkeits-Management-System
R=-0,262; p=.117; N=37
R=-0,163; p=.239; N=54
Leitbild
R=0,184; p=.252; N=40
R=0,213; p=.112; N=57
brancheneigener Verhaltenskodex bzw. Selbstverpflichtungserklärungen
R=0,278; p=.096=; N=37
R=0,096; p=.476; N=57
Ethikausschuss
R=-0,262; p=.117; N=37
R=-0,163; p=.239; N=54
Ombudsstelle bzw. Ombudsmann
R=-0,058; p=.745; N=33
R=-0,100; p=.481; N=52
Stabstelle Ethik
R=-0,040; p=.817; N=35
R=-0,221; p=.115; N=52
Festlegung ethischer Verantwortungsbereiche
R=-0,238; p=.168; N=35
R=0,116; p=.385; N=58
Hearings
R=-0,005; p=.977; N=39
R=0,167; p=.218; N=56
Ethisches Controlling (Sozial- und Ökobilanzen),
R=-0,057; p=.740; N=36
R=-0,036; p=.789; N=57
Selbstverpflichtung zum UN-Gobal Compact,
R=0,113; p=.651; N=18
R=-0,053; p=.743; N=40
Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten
R=-0,210; p=.290; N=27
R=-0,075; p=.614; N=48
Sozialstandards nach SA 8000
R=0,274; p=.268; N=18
R=0,281; p=.0,068; N=43
Tabelle 135: Aggregierte Korrelationen unternehmensethischer Maßnahmen
Einführung von unternehmensethischen Maßnahmen bei Personen- und Kapitalgesellschaften Für die Prüfung der Hypothese HMaßnahme22197, wurde, wie bereits in Kapitel 3.2.3.5 vollzogen, in einem ersten Schritt aus der Variablen In welcher Rechtsform wird Ihr Unternehmen geführt eine neue (dichotome) Variable Personen- oder Kapitalgesellschaft generiert. Hierzu wurden die vorkommenden Ausprägungen der Variablen In welcher Rechtsform wird Ihr Unternehmen geführt entweder der Dimension Personengesellschaft oder der Dimension Kapitalgesellschaft zugeordnet.2198 In einem zweiten Schritt wurden fünf neue (aggregierte) Variablen (Unternehmensethische Maßnahme bereits eingeführt, Unternehmensethische Maßnahme: keine Angabe, Unternehmensethische Maßnahme: geplant in 12/24 Monaten, Unternehmensethische Maßnahme: nicht geplant sowie Unternehmensethische Maßnahme: unentschlossen) gebildet, in denen zusammengefasst wurde, wie oft in den jeweiligen Items bzw. zugehörigen Variablen die jeweiligen Antwortkategorien durch die Befragten angegeben wurde. Somit erfolgte eine Transformation der ordinalen Variablen in metrische Variablen. zeigt die deskriptive Statistik unternehmensethischer Maßnahmen bei Personen- oder Kapitalgesellschaften.
2197 2198
Kapitalgesellschaften führen gegenüber Personengesellschaften „mehr“ unternehmensethische Maßnahmen ein. Siehe zur Zuordnung bzw. Klassifikation Kapitel 3.2.3.5 bzw. Tabelle 117.
478
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
Personen- oder Kapitalgesellschaft N Gültig
Personengesellschaft
Fehlend
Unternehmensethische Maßnahme: keine Angabe 46
Unternehmensethische Maßnahme: geplant in 12/24 Monaten 46
Unternehmensethische Maßnahme: nicht geplant 46
Unternehmensethische Maßnahme: unentschlossen 46
0
0
0
0
0
Mittelwert
2,8043
9,0435
,7174
2,6522
1,5652
Median
2,5000
8,5000
,0000
,0000
,0000
Modus
,00
17,00
,00
,00
,00
Standardabweichung
2,93348
6,02940
1,37700
4,04539
3,21560
Minimum
,00
,00
,00
,00
,00
Maximum
13,00
17,00
6,00
17,00
17,00
25
,0000
3,7500
,0000
,0000
,0000
50
2,5000
8,5000
,0000
,0000
,0000
75
5,0000
15,0000
1,0000
4,2500
2,0000
Gültig
63
63
63
63
63
Fehlend
0
0
0
0
0
Mittelwert
2,5397
6,0952
1,5397
4,9206
1,6984
Median
1,0000
4,0000
,0000
3,0000
,0000
Modus
,00
,00
,00
,00
,00
Standardabweichung
2,96662
6,36197
2,27061
5,47517
3,90465
Minimum
,00
,00
,00
,00
,00
Maximum
14,00
17,00
11,00
17,00
17,00
25
,0000
,0000
,0000
,0000
,0000
50
1,0000
4,0000
,0000
3,0000
,0000
75
4,0000
12,0000
2,0000
9,0000
2,0000
Perzentile
N
Kapitalgesellschaft
Unternehmensethische Maßnahme bereits eingeführt 46
Perzentile
Tabelle 136: Deskriptive Statistik unternehmensethischer Maßnahmen bei Personen- oder Kapitalgesellschaften
Im Folgenden wurde ein varianzanalytischer Vergleich der Personen- und Kapitalgesellschaft hinsichtlich der aufgestellten Hypothese vorgenommen werden. Es gilt p > Æ nicht signifikant bzw. p Æ signifikant [mit einem Signifikanzniveau von = 0.05]. Als unabhängige Variable waren Personen- oder Kapitalgesellschaft, als abhängige Variable waren Unternehmensethische Maßnahme bereits eingeführt, Unternehmensethische Maßnahme: keine Angabe, Unternehmensethische Maßnahme: geplant in 12/24 Monaten, Unternehmensethische Maßnahme: nicht geplant bzw. Unternehmensethische Maßnahme: unentschlossen gewählt worden. Bei Anwendung des Allgemeinen linearen Modells (General Linear Model) und der Kenngröße der F-Werte konnte folgendes Ergebnis der Tabelle 137 ermittelt werden.
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
479
Quelle
Abhängige Variable
df
F
Sig.
Personen- oder Kapitalgesellschaft
Unternehmensethische Maßnahme bereits eingeführt
1
,214
,645
Unternehmensethische Maßnahme: keine Angabe
1
5,965
,016
Unternehmensethische Maßnahme: geplant in 12/24 Monaten
1
4,750
,031
Unternehmensethische Maßnahme: nicht geplant
1
5,641
,019
Unternehmensethische Maßnahme: unentschlossen
1
,036
,850
Tabelle 137: Statistischer Test unternehmensethischer Maßnahmen differenziert nach Personen- und Kapitalgesellschaft.
Überprüfung HMaßnahmen2 Mit einem berechneten Signifikanzwert bzw. p-Wert (Personen- oder Kapitalgesellschaft Æ Unternehmensethische Maßnahme bereits eingeführt bzw. Unternehmensethische Maßnahme: unentschlossen) von p = 0,645 bzw. 0,850 gilt: 0,645 bzw. 0,850 > 0,05. Dies bedeutet, dass keine Signifikanz vorlag. Die Nullhypothese (H0) war beizubehalten und konnte nicht zu Gunsten der formulierten Alternativhypothese (H1) abgelehnt werden. Hieraus ergaben sich folgende Anhaltspunkte: Sowohl die befragten Unternehmerinnen und Unternehmer von Personengesellschaften, als auch Unternehmerinnen und Unternehmer von Kapitalgesellschaften, gaben gleichermaßen häufig an, unternehmensethische Maßnahmen bereits eingeführt zu haben (p = 0,645). Genauso verhielt es sich bei der Angabe, unentschlossen zu sein, unternehmensethische Maßnahmen einzuführen (p = 0,850). Mit einem berechneten Signifikanzwert bzw. p-Wert (Personen- oder Kapitalgesellschaft Æ Unternehmensethische Maßnahme: keine Angabe, Unternehmensethische Maßnahme: geplant in 12/24 Monaten bzw. Unternehmensethische Maßnahme: nicht geplant) von p = 0,016 bzw. 0,031 bzw. 0,019 gilt: p = 0,016 bzw. 0,031 bzw. 0,019 0,05. Dies bedeutet, dass eine Signifikanz vorlag. Die Nullhypothese (H0) war zu Gunsten der formulierten Alternativhypothese (H1) abzulehnen. Hieraus ergeben sich folgende Anhaltspunkte: Die befragten Unternehmer von Personengesellschaften machten signifikant häufiger keine Angabe zur Einführung konkreter Unternehmensethischer Maßnahmen als die befragten Unternehmer von Kapitalgesellschaften (p = 0,016). Dagegen gaben die Unternehmer von Kapitalgesellschaften signifikant häufiger offen zu, die Einführung konkreter Unternehmensethischer Maßnahmen geplant (p = 0,031) oder nicht geplant zu haben (p = 0,019).
480
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
Diskussion Die Relevanz und die Einführung unternehmensethischer Maßnahmen bei jungen Unternehmen zeigt ein sehr indifferentes Bild. Viele in der Theorie, vornehmlich für Großunternehmen, entwickelte Maßnahmen sind jungen Unternehmen nicht bekannt bzw. werden als nicht relevant für den Einsatz im Unternehmen klassifiziert. Dies erscheint nicht verwunderlich, da die Einführung und der Betrieb dieser Maßnahmen mitunter für junge und ggf. auch für kleine Unternehmen nicht praktikabel bzw. „überdimensioniert“ erscheinen mögen. In jungen Unternehmen steht der Unternehmer bzw. die Unternehmerin mit seinen bzw. ihren Werten stark im Fokus der ethischen Prägung und Ausrichtung des Unternehmens. Dabei liegt eine Formalisierung einer (Unternehmens-)Ethik mitunter nicht im (Haupt-)Fokus des Unternehmens und seiner Entwicklung. In diesem Kontext unterscheiden sich allerdings Personen- und Kapitalgesellschaften (teilweise) bei der Einführung bzw. der Absicht der Einführung unternehmensethischer Maßnahmen und ihrer Relevanz. Im Rahmen der Verbindung zwischen Relevanz bzw. Bekanntheit einer unternehmensethischen Maßnahme und ihrer (potenziellen) Einführung konnten Unterschiede zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften für die Variablen bzw. Maßnahmen: unternehmenseigener Varhaltenskodex (Ethikkodizes)Dialog mit Stakeholdern des Unternehmens, Ethiktraining der Mitarbeiter sowie Beachtung des AGG (Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes) festgestellt werden. Angemerkt werden kann in diesem Kontext, dass diese Instrumente aus formalorganisatorischer Sicht als „einfache“, nicht komplexe Maßnahmen betrachtet werden können. Die Maßnahmen: institutionalisiertes Ethik-Management-System, Nachhaltigkeits-Management-System, Leitbild, brancheneigener Verhaltenskodex bzw. Selbstverpflichtungserklärungen, Ethikausschuss, Ombudsstelle bzw. Ombudsmann, Stabstelle Ethik, Festlegung ethischer Verantwortungsbereiche, Hearings, Ethisches Controlling (Sozial- und Ökobilanzen), Selbstverpflichtung zum UN-Gobal Compact, Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten sowie Sozialstandards nach SA 8000 mögen mitunter tendenziell eher für Großunternehmen geeignet sein. Allerdings sei an dieser Stelle anzumerken, dass der Einsatz solcher Instrumente auch von der Branche bzw. davon abhängig ist, ob es sich um ein Dienstleistungsunternehmen oder ein Unternehmen des produzierenden Gewerbes handelt. Für weiterführende Studien mag eine tiefergehende Analyse interessant sein, die mitunter zu anderen Ergebnissen führen kann.
3.2.4
Methodenkritische Betrachtung
Im Rahmen der hier vorliegenden Untersuchung konnten differenzierte Ergebnisse hinsichtlich der Werte und Ethik in jungen Unternehmen bzw. von Unternehmern und Unternehmerinnen generiert werden.2199 In diesem Kontext sei allerdings abschließend auf potenzielle methodische Probleme hingewiesen, die vor den Hintergrund der Ergebnisse dieser Ausarbeitung kritisch betrachtet werden sollten. Dabei sei angemerkt, dass diese Probleme mitunter für eine empirische Ethikforschung im Allgemeinen als relevant betrachtet werden können. Dabei ist nach Siebenhüner (2005) jede Kritik immer in ein Werte- und Zielsystem eingebunden, auf Basis dessen eine Beurteilung bestehender Verhältnisse und Handlungen vorgenommen wird. Jede Kritik kann als normativ betrachtet werden, da diese Bezug zu grundlegenden Normen und Werten nimmt.2200
2199 2200
Siehe die Darstellung des gesamten Kapitels 3.2. Eine abschließende Bewertung wird in Kapitel 4 vorgenommen. Vgl. Siebenhüner (2005), S. 313.
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
481
Zunächst kann die (allgemeine) Annahme potenzieller Verzerrungen für unterschiedlichste Befragungen bzw. (sozialwissenschaftliche) Forschungsleistungen ausgesprochen werden. Allerdings mag für den Themenkomplex Werte und Ethik mitunter eine (erhöhte) Verzerrung bestehen, da es sich um ein Thema handelt, welches als sensibel bzw. anfällig für soziale Erwünschtheit (Social Derirability) klassifiziert werden könnte. Die Anpassung der Antworten ist abhängig von den erfragten Merkmalen (Trait Desirability) sowie von den vom Befragten vermuteten Erwartungen. Werte und Ethik werden dann als bedeutsam und wichtig dargestellt und das Antwortverhalten bewusst, aber auch unbewusst, angepasst. Dabei kann auch der Zeitpunkt der Befragung vor dem Hintergrund des wirtschaftlichgesellschaftlichen Kontextes von Bedeutung sein. Dies bedeutet, dass je nach aktuell spezifischer Diskussion und Relevanz des Themenkomplexes Werte und Ethik in den Medien, sich ein (differierendes) Antwortverhalten ergeben kann. Darüber hinaus könnte allgemein bei einer Befragung zum Thema Werte und Ethik ein Response Bias (Freiwilligkeitsbias), eine Verzerrung durch die systematische Nicht-Teilnahme bzw. Teilnahme an einer Befragung auftreten. Zum Thema Ethik und speziell Ethik und Ökonomie bestehen unterschiedlichste, teilweise sehr konträre Auffassungen und Meinungen, nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis. Aus diesem Grunde kann es mitunter sein, dass die hier befragten Unternehmerinnen und Unternehmer ein höheres Interesse an der Thematik und bisweilen vielleicht auch eine dementsprechend andere Werte-, Einstellungs- und Handlungsstruktur aufwiesen, als Unternehmerinnen und Unternehmer, die nicht an der Studie teilgenommen haben. Diese Problematik besteht oftmals bei vielen Studien und Untersuchungen. Allerdings erscheint die Thematik der Werte und Ethik besonders „anfällig“ hierfür zu sein. Ein Problem der (deutschsprachigen) Ethikforschung besteht darin, dass lediglich wenige objektive, reliable und valide Instrumente zur Messung bzw. Erfassung von Ethik in deutscher Sprache verfügbar sind. Hierzu zählen bspw. der Test nach Witte/Doll (1995) und die zugehörigen Studien zur Messung der ethischen Rechtfertigung von Handlungen.2201 Der Test konnte „erfolgreich“ im Rahmen der Ausarbeitung angewendet werden und zeigte auch interpretierbare Ergebnisse. Trotz dieser Anwendbarkeit sei darauf hingewiesen, dass der Test lediglich vier normative ethische Positionen erfasst. Daher könnte für zukünftige Forschungsleistungen eine Erweiterung des Testes angeregt werden, um mehr als vier Ethikpositionen darstellen zu können. Erste Anstrengungen hinsichtlich einer Erweiterung sind bereits unternommen worden. Im Rahmen einer vergleichenden Fallstudie von Witte/Halverscheid (2006) wurden Statements zur Rechtfertigung von Krieg und Terrorismus nach ethischen Positionen auf Basis der durch Witte vorgeschlagenen präskriptiven Attributionsforschung analysiert.2202 Hierbei wurde die vier ethische Positionen umfassende Bewertungsmatrix um zwei weitere Positionen erweitert. Hierzu sei angemerkt, dass es sich nicht um eine Erweiterung des schriftlichen Tests von Witte/Doll (1995) handelte, sondern lediglich um die Erweiterung der Matrix bzw. der theoretischen Grundlagen dieses Tests.2203 Auf diesen Überlegungen könnte nun allerdings auch für die Zukunft eine Differenzierung des (schriftlichen) Befragungsinstrumentariums angeregt werden bzw. erfolgen.
2201
2202 2203
Neben dem Test von Witte/Doll (1995) konnte zur Erfassung von Werten der (standarisierte) Test von Strack (2004) angewendet werden. Siehe hierzu die Ausführungen in Kapitel 3.2.2.1.1. Siehe zum grundlegenden Ansatz die Ausführungen in Kapitel 3.2.3.6. Hierbei handelt es sich um die Gruppen des teilweisen Utilitarismus und der teilweisen Deontologie.
482
Empirische Aspekte einer Ethik junger Unternehmen
Innerhalb der hier vorliegenden Untersuchung wurden zwei Instrumente, die ihren Ursprung im angloamerikanischen Sprachraum haben, eingesetzt. Hierbei handelt es sich um den Ethics Position Questionnaire (EPQ) zur Messung bzw. Darstellung einer (möglichen) ethischen Positionierung der Unternehmerinnen und Unternehmer. Darüber hinaus wurde zur Untersuchung der Wahrnehmung und Einstellung hinsichtlich einer (Unternehmens-)Ethik das Instrument der Perceived Role of Ethics and Social Responsibility (PRESOR) verwendet. Beide Instrumente mussten aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt werden. In diesem Zusammenhang kann es zu Problemen in der Übersetzung bzw. der Interpretation der Ursprungssprache gekommen sein, so dass mitunter Verfälschungen der Semantik vorgenommen wurden, die die Validität und Reliabilität des Tests (negativ) beeinflusst haben könnten. Um diesem Problem zu begegnen, wurde eine Übersetzung und Rückübersetzung vorgenommen, um zu überprüfen, ob eine semantische Übereinstimmung der Übersetzungen gewährleistet war. Allerdings beinhaltet eine Übersetzung mitunter (immer) die Problematik, dass sich trotz sorgfältiger Übersetzungsleistung, eine Verschiebung bzw. Veränderung des Inhalts bzw. der Semantik ergeben kann. Gleichermaßen können in diesem Kontext kulturspezifische Unterschiede bestehen, die sich auch in den Fragen bzw. Items einer Skala bzw. eines Test widerspiegeln und durch den Befragten in unterschiedlicher Weise wahrgenommen und interpretiert werden können. Kritisch kann vor dem Hintergrund einer Anwendung des EPQ und des PRESOR zur Generierung und Interpretation der Ergebnisse angemerkt werden, dass die Konstruktion des EPQ und PRESOR im angloamerikanischen Sprachraum vollzogen wurde. Die Auswahl und Interpretation der Positionen bzw. Skalen könnte daher kulturspezifisch geprägt sein. Allerdings ist anzumerken, dass im EPQ bei der Benennung der vier Typen des EPQ auf (normativ-)ethische Bezeichnungen verzichtet wurde. So zeigt sich prinzipiell, in Bezug auf unterschiedliche Kulturkontexte, und somit ethische Positionen des Kulturkreises, ein potenziell neutrales Instrumentarium zur Einordnung der Befragten. Allgemein sei allerdings auf potenzielle (kulturspezifische) Probleme einer Übertragung von Instrumenten unterschiedlicher Kultur- und Sprachräume hingewiesen.
Abschließende Bewertung und Ausblick
4
Abschließende Bewertung und Ausblick
4.1
Wissenschaftlicher Erkenntnisgewinn
483
Das Themengebiet der Ethik ist ein komplexer, vielschichtiger und umfassender Bereich. Aus theoretischer Sicht kann festgehalten werden, dass sich im Laufe der Jahrhunderte unterschiedlichste Auffassungen, Ansätze und Positionen von Ethik entwickelt haben.2204 Ausgehend von den Grundlagen der Philosophie sind differenzierte normativ-ethische Ethikpositionen entwickelt worden.2205 Der Kern einer Vielzahl von Auffassungen und Definitionen wird durch die Ethik als Reflexionskomponente gebildet. Ethik untersucht und gibt Handlungsanweisungen zur Beurteilung des Guten. Dabei ist Ethik eine kritische Reflexion von Moral, eine Diskussion über Moral.2206 Zudem erfolgt eine Untersuchung allgemeiner Bewertungsmaßstäbe für Handlungen, wobei sich hieraus ethische Prinzipien ergeben. Diese ethischen Prinzipien schreiben keine bestimmten, ausformulierten Handlungen vor. Vielmehr zeigen sie allgemeine Vorgaben. Denn ethische Prinzipien sind Maßstäbe zur Beurteilung der Realität. In diesem Kontext ist darauf hinzuweisen, dass, vor dem Hintergrund einer anwendungsbezogenen Ethik, diese nicht nur Beurteilungsmaßstäbe formulieren und wissenschaftlich begründen soll. Vielmehr ist das als richtig Erkannte auch in konkrete Maßnahmen umzusesetzen.2207 So kann der Begriff der Ethik nach einem aktuellen Verständnis als kritische Reflexion zwischen Theorie und Praxis gesehen werden. Ethik erfährt Einflüsse aus Erfahrungen, Beschreibungen und Wahrnehmungen der faktischen Wirklichkeit. Diese werden einer kritischen Reflexion unterzogen und dann in die Lebenspraxis zurücktransferiert. Beide Ebenen, die praktische und die theoretische Ebene, sind gleichberechtigt zu sehen.2208 Hier zeigt sich der Schnittpunkt einer philosphischen Ethik mit ihren grundlegenden theoretisch-normativen Ethikpositionen und einer angewandten Ethik, wie der Unternehmensethik. Die Unternehmensethik beinhaltet dabei eine philosophische und eine ökonomische Komponente. Im Rahmen der philosophischen Komponente wird das Begründungsproblem thematisiert. Hierbei erfolgt eine Diskussion, in wie weit eine (Unternehmens-)Ethik überhaupt begründet werden kann. Im Rahmen der ökonomischen Komponente wird das Anwendungsproblem behandelt, ob und in wie weit die Unternehmensethik im Kontext der aktuellen wirtschaftlichen Bedingungen praktische Relevanz erlangen kann. Wichtig ist auch die Thematisierung der Entwicklung und Anwendung potenzieller unternehmensethischer Instrumente. Hierdurch unterscheidet sich die Unternehmensethik von einer allgemeinen (philosophischen) Ethik.2209 Im Rahmen der hier vorliegenden Ausarbeitung wurde aus theoretischer Sicht, ausgehend von der philosophischen Fundierung einer Ethik und der hiermit verbundenen Begriffe der Werte, Einstellungen, Intentionen und Handlungen sowie der Darstellung ausgewählter Modelle ethischen Handelns, eine Diskussion der Unternehmensethik als Teilaspekt der Wirtschaftsethik vor dem Hinter2204
2205 2206 2207 2208 2209
In diesem Kontext ist anzumerken, dass hier von einem abendländischen Verständnis von Ethik ausgegangen wird. Eine Betrachtung von bspw. (fern-)östlichen Auffassungen und Positionen der Ethik ist in den Aussagen noch nicht inkludiert. Vgl. Pieper (2003), S. 17. Vgl. Pieper (2003), S. 23-24; Waibl (2003), S. 13; Petersen (2005a), S. 133-134. Vgl. König (2002), S. 94-95. Vgl. Dietzfelbinger (2000), S. 96. Vgl. Steinmann/Löhr (1992b), S. 237-238.
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Abschließende Bewertung und Ausblick
grund junger Unternehmen vorgenommen. Sowohl die philosophisch-theoretischen Grundlagen, als auch die hieraus abgeleiteten Erörterungen einer Unternehmensethik zeigen ein komplexes, nicht abschließendes Bild auf den Themenbereich. Es kann festgehalten werden, dass kein Konsens in der Literatur, sowohl hinsichtlich der Begründung einer Unternehmensethik, als auch hinsichtlich einer Anwendung einer Unternehmensethik in der Praxis, besteht. Vielmehr lassen sich unterschiedlichste Positionen, Ansätze und Auffassungen sowie Herangehens- und Darstellungsweisen hinsichtlich des Themas aufzeigen. Im Kontext der Darstellung einer Unternehmensethik sind mit den Konzepten von Karl Homann, Peter Ulrich, Horst Steinmann/Albert Löhr und Josef Wieland, vier grundlegende unternehmensethische Ansätze erörtert worden, die in unterschiedlicher Weise einen spezifischen Schwerpunkt auf das Begründungs- und Anwendungsproblem legen. In der Diskussion um die Unternehmensethik bestand lange Zeit ein Schwerpunkt in der Diskussion auf dem Begründungsproblem. Der Anwendungsbezug wird erst in den letzten Jahren, verstärkt auch durch die Ausarbeitungen von Josef Wieland, in den Betrachtungsfokus gerückt. Dabei ist allerdings anzumerken, dass ein Anwendungsbezug sich zumeist auf das Interessensobjekt der Großunternehmen richtet. Eine (ökonomisch-orientierte) empirische Ethikforschung im Bereich junger Unternehmen ist dabei kaum vorgenommen worden. Die Darstellung eines (potenziellen) wissenschaftlichen Erkennisgewinns erfolgt anhand der Ausweisung in Bezug auf die Gliederungsstruktur in den Bereichen: Werte und Werteorientierung, ausgewählte normative Ethikpositionen, ethische Positionierung des Entrepreneurs, Verhältnis von Ethik und Ökonomie, Individualethik und Institutionenethik, Verantwortungsübernahme nach Stakeholdern, Wahrnehmung und Einstellung zu (Unternehmens-)Ethik, Einschätzung unternehmensethischer Probleme, Handlungen und Entscheidungen sowie ausgewählte praxisinduzierte Ethikmaßnahmen. Es erfolgt eine verkürzte Darstellung der empirischen Ergebnisse auf Basis der bereits angeführten Diskussionen der spezifischen Kapitel. Für eine tiefergehende Darstellung bzw. statistische Fundierung sei auf die Erörterungen der jeweiligen Kapitel verwiesen. Werte und Werteorientierung Wertedimensionen Im Rahmen der hier vorliegenden Untersuchung konnte die Hypothese, dass sich männliche und weibliche Unternehmer hinsichtlich ihrer Wertestruktur unterscheiden, nicht bestätigt werden. Unternehmerinnen und Unternehmer wiesen eine (ziemlich) ähnliche Wertestruktur auf, wenngleich eine Tendenz der Männer zu mehr Egozentrismus beobachtet werden konnte. Aus empirischer Sicht ergaben sich Hinweise auf die theoretische Annahme, dass Unternehmer und auch Unternehmerinnen (verstärkt) Ausprägungen auf die egozentrische Wertedimension besitzen, was für Unternehmer auch oftmals aus theoretischer Sicht angenommen wird. In analoger Weise konnten Tendenzen hinsichtlich der Ausprägung auf die Dimension der Selbstbestimmung beobachtet werden. Beide Dimensionsausprägungen erscheinen als charakteristische Merkmale für Unternehmerinnen und Unternehmer in der Wahrnehmung ihrer unternehmerischen Aufgaben. In Bezug auf eine Differenzierung der Wertestruktur der Unternehmerinnen und Unternehmer nach dem Alter bzw. den Alterskategorien ergab sich ein analoges Bild. In der hier vorliegenden Untersu-
Abschließende Bewertung und Ausblick
485
chung konnten keine signifikanten Unterschiede zwischen den einzelnen Alterskategorien in Bezug auf die Egozentrismus/Universalismus- bzw. Selbstbestimmung/Tradition-Skala nachgewiesen werden.2210 Werte des privaten und beruflichen Alltags Im Bereich der Werte des privaten und beruflichen Alltags zeigte sich: Werte des privaten Alltags korrelierten positiv mit den beruflichen Werten. Unternehmerinnen und Unternehmer machten zwischen persönlichen und beruflichen Werten keine Unterschiede, sie waren gleichgerichtet. Die Werte Die Zehn Gebote sowie Freiheits und Menschenrechte wiesen eine hohe (positive) Korrelation auf. Eine mittlere Korrelation wiesen die Werte Fairness, Toleranz gegenüber Andersdenkenden, Verantwortung gegenüber der nächsten Generation und Solidarität, Verantwortung für Mitmenschen, Individualismus und Leistung und Leistungsbereitschaft auf. Der Wert den Schwächeren helfen wies eine geringe Korrelation auf. Die stärkste Bedeutsamkeit von Werten für Handlungen im Privatbereich wurde dem Wert der Freiheits- und Menschenrechte beigemessen. Gleichermaßen besaßen auch im beruflichen Alltag die Freiheitsund Menschenrechte eine hohe Relevanz. Der Wert der Fairness wurde im Privatleben, als auch im beruflichen Alltag als bedeutsam angesehen. Die hohe Bedeutung der Fairness könnte als ein „klassischer“ Wert des „ehrbaren Kaufmannes“ interpretiert werden, der sowohl im privaten, als auch im beruflichen Alltag von hoher Bedeutung ist. Weiterhin zeigte sich, dass der Wert der Leistung und Leistungsbereitschaft im beruflichen Alltag von höherer Bedeutung zu sein schien, als im privaten Alltag, was aufgrund der unternehmerischen Tätigkeit der Befragten und der Bedeutung dieses Wertes logisch erscheinen würde. Ein größerer (deskriptiver) Unterschied konnte im Wert den Schwächeren helfen vermutet werden. Zwischen dem beruflichen und privaten Alltag zeigten sich hier Tendenzen, dass der Wert für ein Handeln im beruflichen Alltag von geringerer Bedeutung war, als für ein Handeln im privaten Alltag. Ausgewählte normative Ethikpositionen Im Bereich normativer Ethikpositionen konnte gezeigt werden: Normative Ethikpositionen des privaten Alltags korrelierten signifikant positiv mit den beruflichen normativen Ethikpositionen. Unternehmerinnen und Unternehmer differenzierten nicht zwischen persönlichen und beruflichen Ethikpositionen, sie waren gleichgerichtet. Den höchsten Korrelationskoeffizienten wiesen die Variablen(-paare) (privat/beruflich) in der normativen Ethikposition des Prinzips Verantwortung nach Jonas sowie im Kategorischen Imperativ auf. Durch die Korrelationskoeffizienten ergab sich (verbal) eine hohe Korrelation. Darüber hinaus wiesen auch der Utilitarismus sowie die Diskursethik eine hohe Korrelation auf. Bei den normativen Ethikpositionen der Goldenen Regel und der Gerechtigkeitsethik nach Rawls konnte eine mittlere Korrelation beobachtet werden. Der Goldenen Regel kam die höchste Bedeutung für (die Rechtfertigung von) Handlungen im privaten, als auch beruflichen Alltag zu. In diesem Zusammenhang kann das Konzept der Goldenen Regel, wenngleich es in vielen Kulturkreisen vorzufinden ist, als wesentliches (ethisches) Konzept im westlich-christlich geprägten Kulturkreis angesehen werden. Das Prinzip der Rücksichtnahme der Golde2210
Angemerkt werden kann in diesem Kontext, dass sich allenfalls eine leichte Tendenz in der Kategorie bis 39 Jahre zu mehr Egozentrismus beobachtet werden kann, wenngleich diese nicht signifikant ist.
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Abschließende Bewertung und Ausblick
nen Regel („Behandle deine Mitmenschen so, wie du auch von ihnen behandelt werden willst“ bzw. „Was Du nicht willst, das man dir tu', das füg' auch keinem anderen zu“) bezieht sich dabei in der hier vorliegenden Ausprägung konkret auf ein (relativ nahe stehendes) Individuum. Es zeigt sich ein konkreter Bezug auf den Menschen.2211 Aufgrund der Antwortmuster kam dem Prinzip Verantwortung bei den befragten Unternehmerinnen und Unternehmern die zweithöchste Bedeutung zu. Auch hier beinhaltet diese normative Ethikposition, wie bei der goldenen Regel, einen konkreten Bezug zum Menschen bzw. zum menschlichen Leben. Als weitere normative Ethikpositionen folgten in der Bedeutsamkeit: der Kategorische Imperativ sowie die Diskursethik. Die normativen Ethikpositionen des Utilitarismus sowie der Gerechtigkeitsethik waren für Handlungen im privaten und beruflichen Alltag von geringster Bedeutung. Die letzten beiden Positionen wiesen einen (konkreten) Bezug zur Allgemeinheit in Form des „Gemeinwohls“ und „die Interessen der Schwächeren“ auf. Diese schienen für Handlungen der Unternehmerinnen und Unternehmer eine geringere Bedeutung zu besitzen. Ethische Positionierung des Entrepreneurs In Bezug auf den Kontext einer ethischen Positionierung des Entrepreneurs konnten die Unternehmerinnen und Unternehmer als Situationisten gekennzeichnet werden, die eine situative Abwägung von Handlungen vornehmen. Allgemeingültige ethische Handlungs- bzw. Rechtfertigungmuster schienen nicht zu bestehen Die Hypothese, dass männliche und weibliche Unternehmer einen unterschiedlichen Score im EPQ aufweisen konnte teilweise bestätigt werden. Denn es hat sich gezeigt: Frauen wiesen einen signifikant höheren Score auf der Idealismusdimension als Männer auf. Es scheint interessant, dass Frauen als „idealistischer“ angesehen werden konnten als Männer. Die Religiosität war von keiner (signifikanten) Bedeutung im Rahmen der Verortung der Befragten hinsichtlich der zwei Dimensionen des EPQ. Somit konnte die Hypothese, dass die Religiösität einen Einfluss auf den Score im EPQ ausübt, nicht bestätigt werden. Verhältnis von Ethik und Ökonomie Allgemein kann festgehalten werden, dass die Befragten die Ethik und Ökonomie als miteinander vereinbar gesehen haben. Für die Befragten bestand zwischen Ethik und Ökonomie kein Grundsatzproblem, wie dieses teilweise aus theoretischer, aber auch praktischer Sichtweise (oftmals) angeführt wird. Somit wurde der in Kapitel 2.2.2 vorgestellten Argumentation gefolgt, dass sich Ethik und Ökonomie nicht ausschließen müssen. In diesem Kontext schienen die befragten Unternehmerinnen und Unternehmer der Auffassung vermehrt zuzustimmen, dass ethische Ansprüche in manchen Situationen den Vorrang vor ökonomischen Ansprüchen haben. Einen generellen Vorrang ethischer Ansprüche vor ökonomischen Ansprüchen sahen die Befragten (gerade in Relation zu den anderen Alternativen) tendenziell eher weniger. Zusammenfassend kann angeführt werden, dass es scheint, als würden Ethik und Ökonomie als zwei Seiten einer Medaille wahrgenommen. Dies entspricht auch einem modernen Verständnis einer (Unternehmens-)Ethik, welches nicht mehr das Ge-
2211
Bei dieser Formulierung besteht wenig Interpretationsspielraum. Suchanek (2005), S. 75 weist, wie in Kapitel 2.1.3.5 aufgeführt, eine interpretatorisch breitere Fassung auf: „Investiere in die Bedingungen der Zusammenarbeit zum gegenseitigen Vorteil“.
Abschließende Bewertung und Ausblick
487
winnerzielungsprinzip von Unternehmen in Frage stellt. Vielmehr ist die Form der Gewinnerzielung bzw. des Wirtschaftens von Bedeutung.2212 Im Rahmen dieser Ausarbeitung ließen sich drei Hypothesen nicht bestätigen. Und zwar, dass der Studienabschluss, das Alter nach Kategorien bzw. das Geschlecht einen Einfluss auf die Beantwortung der Frage bzw. Einstellung hat, ob Ethik und Ökonomie miteinander vereinbar sind bzw. ob ethische Ansprüche immer den Vorrang vor ökonomischen Ansprüchen haben bzw. ob ethische Ansprüche in manchen Situationen den Vorrang vor ökonomischen Ansprüchen haben. Individualethik und Institutionenethik Im Kontext der Individualethik und Institutionenethik wiesen die befragten Unternehmerinnen und Unternehmer dem Individuum die höchste Bedeutung zur Verwirklichung einer Unternehmernsethik zu. Unternehmensethik wurde in dieser Auffassung vornehmlich durch den Menschen getragen. Allerdings sahen die Befragten auch, dass Unternehmen selbst in der Pflicht sind, eine Unternehmensethik zu realisieren. Die beiden zuvor dargestellten Auffassungen können als miteinander verbunden interpretiert werden, da Menschen in Unternehmen handeln, wobei anzumerken ist, dass Unternehmen als organisatorische Handlungseinheiten durchaus im Sinne einer Eigendynamik bzw. als Handlungssystem handeln können. Hiermit verbunden sind auch die Überlegungen, ob Unternehmen ein Gewissen besitzen.2213 Für die Befragten nahm der Staat im Rahmen der Realisierung einer Unternehmensethik eine tendenziell untergeordnete Rolle ein. Erklärt werden kann dies dergestalt, als dass mit dem Begriff der Unternehmensethik möglicherweise vornehmlich das Unternehmen und das Individuum, wie hier aufgezeigt, assoziiert werden, und nicht der Begriff des Staates, wenngleich eine Unternehmensethik nach dem Konzept von Homann, wie in Kapitel 2.3.4.1 dargestellt, auch aus theoretisch-praktischer Sicht durchaus erklärbar ist. Tendenziell schienen die Befragten eher individual- bzw. governanceethischen Ansätzen zu folgen, wie diese bspw. durch Ulrich, Steinmann/Löhr oder Wieland, wie in den Kapiteln 2.3.4.2, 2.3.4.3 und 2.3.4.4 dargestellt, formuliert wurden. Die Verbindung zwischen staatlichen, institutionellen Rahmenbedingungen und einer Unternehmensethik waren für die befragten Unternehmerinnen und Unternehmen vielleicht zu abstrakt bzw. zu komplex und somit nicht immer direkt ersichtlich. Verantwortungsübernahme nach Stakeholdern Die befragten Unternehmerinnen und Unternehmer fühlten sich den Mitarbeitern und den Kunden am meisten verpflichtet. Die Mitarbeiter und Kunden stellten somit die bedeutenden Stakeholder des Unternehmens dar. Kapitalgeber, die Gesellschaft und Lieferanten waren für die Befragten von geringerer Bedeutung. Relativ gering verpflichtet fühlten sich die Befragten gegenüber staatlichen Institutionen und Konkurrenten. Dass die Befragten sich den Mitarbeitern noch vor den Kunden verpflichtet fühlten, erscheint insofern interessant, als dass aus Sicht des Unternehmens die Kunden die primäre Zielgruppe unternehmerischen Handelns am Markt darstellen. Demgegenüber können die Mitarbeiter in diesem Kontext mitunter aber als (essentielle) Ressource des Unternehmens be-
2212
2213
Vgl. Kleinfeld (2005), S. 45; Suchanek (2005), S. 65. Siehe zu dieser Diskussion auch die Ausführungen des Kapitels 2.2.2. Siehe hierzu auch die Darstellungen in Kapitel 2.2.3.1.
488
Abschließende Bewertung und Ausblick
trachtet werden, um die Unternehmensziele zu erreichen. So wird auch in der Literatur die Auffassung vertreten, dass das Personal die Engpassressource des Wirtschaftens darstellt. Siehe hierzu die Ausführungen des Kapitels 2.4.3.3. Einstellung zu (Unternehmens-)Ethik Im Themenkomplex der Wahrnehmung und Einstellung zu (Unternehmens-)Ethik lassen sich die Ergebnisse dahingehen interpretieren, dass für Unternehmerinnen eine Ethik und soziale Verantwortung vor der Gewinnerzielung stand. Die befragten Unternehmerinnen könnten hierbei als ethischer hinsichtlich ihrer Einstellung gesehen werden. In diesem Zusammenhang sei angemerkt, dass durch die (extrahierten) Faktoren dieses Testkomplexes eine Messung der Einstellung bzw. Wahrnehmung der Komponenten Ethik, soziale Verantwortung und Gewinnerzielung und ihrer Relationen, durch die Faktorstruktur vorgenommen wird. Wie in Kapitel 2.1.2.1 und vornehmlich Kapitel 2.1.2.4 sowie 2.1.4.1 angeführt, besitzen die Einstellung (gegenüber der Ethik und sozialer Verantwortung), die subjektiven Normen und die wahrgenommene Verhaltenskontrolle über die Intention, die die motivationalen Faktoren der Beeinflussung des Verhaltens erfasst, einen wechselseitigen Einfluss auf das (überlegte) Handeln.2214 Ausgehend von diesen Überlegungen können die Ergebnisse dahingehend interpretiert werden, als dass im Sinne der Einstellung die Unternehmerinnen tendenziell Ethik und soziale Verantwortung vorrangig, die Unternehmer Ethik und soziale Verantwortung nachrangig gegenüber der Gewinnerzielung sahen. Die ermittelte Einstellung übt, neben den weiteren zuvor angeführten Faktoren der subjektiven Normen und der wahrgenommenen Verhaltenskontrolle, Einfluss auf die Intention, die Absicht eine Handlung zu vollziehen, aus. Ob eine Handlung auf Basis der (ermittelten) Einstellung tatsächlich vollzogen wird, kann nicht gesagt werden. Letztlich ist die Einstellung lediglich ein Einflussfakor auf die Intention und die Handlung. Denn die ethische Entscheidungsfindung ist ein komplexer Prozess, in dem viele unterschiedliche Faktoren bedeutsam sind. An dieser Stelle sei zur Erörterung auf das Kapitel 2.1.4.2 und seine jeweiligen Unterkapitel verwiesen. Einschätzung unternehmensethischer Probleme Im Rahmen der Untersuchung zur Einschätzung unternehmensethischer Probleme konnten siginifikante Unterschiede bei der Einführung bzw. nicht geplanten Einführung von Regelungen zu unternehmensethischen Problemen ermittelt werden. Kapitalgesellschaften gaben sehr signifikant häufiger an, Regelungen zu ethischen Problemen umgesetzt zu haben, als Personengesellschaften. Dies könnte als ein Grad höherer Formalisierung (impliziter) Regelungen in Kapitalgesellschaften, und somit als eine höhere Unabhänigkeit von der Person des Unternehmers, und seiner individuellen ethischen (Entscheidungs-)Kompetenz, interpretiert werden. Personenengesellschaften gaben siginifikant an, dass Regelungen zu ethischen Problemen sie nicht betreffen würden. Im Kontext der Differenzierung nach dem Geschlecht gaben Männer an, dass sie die Regelungen umgesetzt haben. Gleichzeitig führten die Frauen an, dass diese die Regelungen nicht betreffen würden. Dies kann zum einen interpretiert werden, als eine höhere Neigung der Männer hinsichtlich des 2214
Vgl. hierzu grundlegend Fishbein/Ajzen (1975); Ajzen/Fishbein (1980). Siehe auch die Ausführungen speziell zur Theorie des überlegten Handelns in Kapitel 2.1.2.4 und zur Illustration Abbildung 9.
Abschließende Bewertung und Ausblick
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Formalisierungsgrades für Regelungen zu ethischen Problemen. Allerdings kann zum anderen auch angemerkt werden, dass Frauen ethische Probleme anders bzw. als „geringer“ relevant einstuften, als Männer. Andererseits könnte die Größe und Art des Unternehmens in Bezug auf die vorgegebenen Items bzw. ethischen Probleme einen Einfluss haben, der in nachfolgenden Untersuchungen geklärt werden könnte. Die dargestellten Probleme mögen mitunter von den Unternehmen nicht als Probleme, die eine spezielle Lösung für ein junges Unternehmen erfordern, wahrgenommen werden. Für weitergehende Untersuchungen in diesem Kontext sollten möglicherweise andere (potenzielle) unternehmensethische Probleme und die Fragen zu ihrer organisatorischen Regelung eingesetzt werden, um ein weitergehendes Spektrum abzubilden. Ein allgemeines (theoretisches) Problem bei der Formulierung potenzieller unternehmensethischer Probleme ist, dass (mitunter) jedes Problem eine ethische Komponente besitzen bzw. unterschiedlich ethisch gerechtfertigt werden kann.2215 Die Auswahl kritischer ethischer Probleme kann eine eigenständige Forschungsrichtung darstellen. Handlungen und Entscheidungen Im Themenkomplex von Handlungen und Entscheidungen konnte ermittelt werden, dass Unternehmerinnen und Unternehmer Handlungen (vornehmlich) nach der normativen Ethikposition des Utilitarismus2216 rechtfertigten. Im Rahmen des Tests konnte zwischen zwei Handlungsalternativen, die Produktion ins Ausland zu verlagern bzw. weiterhin in Deutschland zu produzieren, gewählt werden. Im Rahmen der Untersuchung zeigte sich, dass es für die Rechtfertigung der Handlung unerheblich war, ob die Befragten die Produktion ins Ausland verlagerten oder aber weiterhin in Deutschland produzierten. Eine Rechtfertigung beider Handlungen bzw. Handlungsalternativen erfolgte nach dem Muster des Utilitarismus. Der Utilitarismus ist eine normative Ethikposition, welche die Maximierung des Gemeinwohls zum Ziel hat. Vor diesem Hintergrund können die Ergebnisse daher so interpretiert werden, dass die Maximierung des Gemeinwohls, in diesem Falle das Gemeinwohl des Unternehmens bzw. der Fortbestand des Unternehmens, für die Befragten im Vordergrund stand. Daher wurde dies mit der normativen Ethikposition des Utilitarismus gerechtfertigt. In diesem Zusammenhang ist allerdings anzumerken, dass diese Rechtfertigung keine Auskunft über den ökonomischen Erfolg der Handlung gibt. Denn dies ist nicht der Fokus des Tests. Zwischen den Geschlechtern haben sich keine Unterschiede gezeigt. Männer und Frauen rechtfertigten ihre Handlungen nicht unterschiedlich. Dass sich hier keine Unterschiede gezeigt haben, mag mitunter darin begründet sein, dass ausschließlich Unternehmerinnen und Unternehmer befragt wurden, die als Gruppe möglicherweise homogenere Strukturen aufwiesen, als andere Gruppen. Unternehmerinnen und Unternehmer könnten daher ähnliche Rechtfertigungsmuster aufweisen, worauf die Ergebnisse hin interpretiert werden könnten. Ausgewählte praxisinduzierte Ethikmaßnahmen Hinsichtlich der Relevanz und der Einführung unternehmensethischer Maßnahmen in jungen Unternehmen zeigte sich ein indifferentes Bild. Viele unternehmensethische Maßnahmen waren den
2215 2216
Siehe hierzu auch Kapitel 2.1.3.7.3 sowie 3.2.3.6. Siehe zur theoretischen Erklärung Kapitel 2.1.3.7.3.
490
Abschließende Bewertung und Ausblick
Befragten nicht bekannt bzw. werden als nicht relevant für den Einsatz in jungen Unternehmen angesehen. Dies kann unterschiedliche Gründe haben. Zum einen erschienen die Einführung und der Betrieb dieser Maßnahmen bzw. Instrumente für junge Unternehmen möglicherweise nicht praktikabel. Denn z. T. sind diese Maßnahmen nicht auf die Strukturen junger Unternehmen hin ausgerichtet. Junge Unternehmen werden stark durch den Unternehmer mit seinen Werten und ethischen Einstellungen geprägt und ausgerichtet. In diesem Zusammenhang steht eine Formalisierung einer (Unternehmens-)Ethik häufig nicht im (Haupt-)Fokus des Unternehmens und seiner Entwicklung. Zum anderen wurde eine Vielzahl unternehmensethischer Maßnahmen bzw. Instumente für Großunternehmen entwickelt. Es ließen sich (teilweise) Unterschiede zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften bei der Einführung bzw. der Absicht der Einführung unternehmensethischer Maßnahmen und ihrer Relevanz feststellen. Im Rahmen der Verbindung zwischen Relevanz bzw. Bekanntheit einer unternehmensethischen Maßnahme und ihrer (potenziellen) Einführung konnten Unterschiede zwischen Personenund Kapitalgesellschaften für folgende Maßnahmen festgestellt werden: unternehmenseigener Varhaltenskodex (Ethikkodizes)Dialog mit Stakeholdern des Unternehmens, Ethiktraining der Mitarbeiter sowie Beachtung des AGG (Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes). Angemerkt werden kann in diesem Kontext, dass diese Instrumente aus formal-organisatorischer Sicht als nicht komplexe bzw. einfach zu realisierende Maßnahmen betrachtet werden können. Hingegen schienen die Maßnahmen: institutionalisiertes EthikManagement-System, Nachhaltigkeits-Management-System, Leitbild, brancheneigener Verhaltenskodex bzw. Selbstverpflichtungserklärungen, Ethikausschuss, Ombudsstelle bzw. Ombudsmann, Stabstelle Ethik, Festlegung ethischer Verantwortungsbereiche, Hearings, Ethisches Controlling (Sozial- und Ökobilanzen), Selbstverpflictung zum UNGobal Compact, Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten sowie Sozialstandards nach SA 8000 mitunter tendenziell eher für Großunternehmen geeignet zu sein. Allerdings sei an dieser Stelle anzumerken, dass der Einsatz solcher Instrumente auch von der Branche bzw. davon abhängig ist, ob es sich um ein Dienstleistungsunternehmen oder ein Unternehmen des produzierenden Gewerbes handelt. Anmerkungen zum wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn Bisher sind relativ wenige wissenschaftlich-empirische Studien im Kontext junger Unternehmen innerhalb des europäischen, bzw. speziell innerhalb des deutschen Sprachraums, realisiert worden. Im Rahmen einer empirischen Ethikforschung junger Unternehmen bestehen daher unterschiedlichste noch abzudeckende Forschungsbereiche bzw. Interessensgebiete. Die hier vorliegende Studie kann lediglich als ein erster, kleiner Beitrag zur Initiierung und Etablierung einer empirischen Ethikforschung in Deutschland gesehen werden. Aufgrund des Neuheitsgrades sowie potenzieller methodischer Schwierigkeiten und Probleme sollten die präsentierten Ergebnisse nicht unreflektiert übernommen, sondern vielmehr kritisch betrachtet sowie einer Analyse unterzogen werden. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass die Ergebnisse lediglich als erste mögliche Indikatoren bzw. Hinweise auf die behandelten Fragestellungen der spezifischen Kapitel bzw. Erörterungen gesehen werden sollten. Das Ziel der Studie war es, ein erstes mögliches Bild einer Ethik in jungen Unternehmen bzw. von Unternehmern und Unternehmerinnen zu generieren.
Abschließende Bewertung und Ausblick
491
Trotz des angesprochenen Neuheitsgrades des empirischen Forschungsgegenstandes und der hiermit verbundenen Schwierigkeiten sollen im folgenden Kapitel einige Überlegungen bzw. Implikationen für die Theorie und Praxis dargestellt werden.
4.2
Implikationen für die Wissenschaft und Praxis
Im Kontext der (Unternehmens-)Ethik sind Werte von entscheidender Bedeutung. In der empirischen Untersuchung zeigten Unternehmerinnen und Unternehmer eine (ziemlich) ähnliche Wertestruktur. Diese unterschieden sich nicht wesentlich in ihren (lebensbezogenen) Werten, die auch unternehmerisch relevante Werte beinhalten. Die Ergebnisse der empirischen Ausarbeitung wiesen auf eine positive Korrelation von privaten und berufsbezogenen Werten hin. Gleichermaßen korrelierten normative Ethikpositionen des privaten Alltags signifikant positiv mit den beruflichen normativen Ethikpositionen. Hierin spiegelt sich die Auffassung wider, dass der Unternehmer mit seinen Werten und normativen Ethikpositionen einen Einfluss auf die Werte des Unternehmens sowie die Unternehmensethik besitzt. In diesem Zusammenhang sahen die Befragten das Individuum auch als entscheidende Größe in der Realisiserung einer Unternehmensethik. Somit wird eine Unternehmensethik in dieser Auffassung vornehmlich durch den Menschen getragen und realisiert. Die Befragten sahen Ethik und Ökonomie als miteinander vereinbar an. Somit schlossen sich die Erzielung von Gewinnen und die Realisierung moralischethischer Handlungen aus Sicht der Befragten nicht aus. Ist eine Formulierung anwendungsbezogener Implikationen aus diesen Ergebnissen intendiert, so ließe sich mitunter sagen, dass eine Förderung der ethischen Kompetenz bzw. eines ethischen Reflexionsvermögens am Individuum ansetzen sollte. Hierzu könnte bspw. eine Vermittlung ethischer Handlungskompetenz im Rahmen der wirtschaftswissenschaftlichen Ausbildung und im Speziellen der Gründungsaus- und Gründungsweiterbildung, u. a. an Hochschulen, gezählt werden. Unternehmensethische Ausbildung Seit dem Ende der 1990er Jahre kann eine Verschiebung der wirtschafts- und unternehmensethischen Diskussion von vornehmlich theoretischen, durch Begründungsaspekte geprägten, Ansätzen hin auf den praxisorientierten Anwendungsbereich beobachtet werden. Dabei besteht ein zunehmendes Interesse an Instrumenten, die Unternehmen eine flexible Reaktion auf moralische und soziale Anforderungen der Gesellschaft ermöglichen. Dabei sieht Aßländer (2005) diese Entwicklung sowohl positiv, als auch negativ. Denn aus positiver Sicht spiegelt diese Entwicklung ein wachsendes Interesse der Unternehmen an den Erkenntnissen der Wirtschafts- und Unternehmensethik wider. Als negativ wird die Gefahr eines kontinuierlichen Begründungsdefizites gesehen, da eine systematische Reflexion der umgesetzten Normen nicht den Bedürfnissen der Praxis nach relativ einfachen Lösungen zu entsprechen scheint.2217 Vor dem Hintergrund des Entrepreneurship-Kontextes und der aufgezeigten Ergebnisse der hier vorliegenden Ausarbeitung kann hinsichtlich (formaler) Instrumentarien einer Unternehmens2217
Vgl. Aßländer (2005), S. 331-332.
492
Abschließende Bewertung und Ausblick
ethik angemerkt werden, dass diese bei jungen Unternehmen oftmals nicht bekannt sind und auch bzw. daher mitunter nicht eingesetzt werden. So scheint diese positive Einschätzung mitunter eher auf Großunternehmen zuzutreffen, für die viele formale Instrumentarien entwickelt wurden. Zwar könnten diese Instrumente, aus theoretischer Sicht, auch für junge Unternehmen angepasst, und in diesen eingesetzt werden, allerdings scheinen, speziell im Kontext junger Unternehmen, andere Elemente von höherer Bedeutung zu sein. So lässt sich in Bezug auf Aßländer fragen, wer ein verstärktes Interesse an solchen Instrumentarien in den letzten Jahren gezeigt hat. Dem von Aßländer angeführten Argument, es bestehe potenziell die Gefahr eines Begründungsdefizites, da die Praxis lediglich an einfachen Instrumenten und nicht deren Reflexion im Kontext der Wirtschafts- und Unternehmensethik interessiert sei, kann entgegnet werden, dass mitunter viele Instrumente die Praxis in einem ersten Schritt erst gar nicht bzw. in geringem Maße erreichen. Roloff/König (2005) fragen, ob die Diskrepanz zwischen (akademischer) Unternehmensethik und (ihrer Anwendung in) der Praxis in einem unausgewogenen Verhältnis von deskriptiver, normativer und Metaethik bestehen könnte. Denn im Rahmen der Unternehmensethik werden zumeist normative Fragestellungen und Fragen der Metaethik thematisiert und diskutiert. Die deskriptive Ethik ist in diesem Kontext von untergeordneter Bedeutung. Als nachvollziehbar wird diese geringe Relevanz gesehen, wenn aus empirischen Untersuchungen bzw. Ist-Aussagen dann Soll-Aussagen abgeleitet werden. Allerdings scheint es nicht rational zu sein, die deskriptive Ethik dazu zu verwenden, um den Argumentationsstand der Praxis, ihre Einstellungen, Probleme und Bedürfnisse zu erheben und bspw. eine Zustandserhebung im Sinne eines (Ab-)Bildes der Praxis zu generieren. Auch bemängeln Roloff/König bspw. die geringe Anzahl an deutschsprachigen Fallstudien in diesem Kontext. Wenn die Bedürfnisse der Praxis nicht beachtet werden, kann die Unternehmensethik die Praxis auch schwer erreichen.2218 Dabei können praxisnahe Fallstudien mit unternehmerischen Entscheidungssituationen bspw. aufzeigen, dass bei moralisch unbedenklichen Einzelentscheidungen im Unternehmen, diese in der Addition jedoch moralisch-ethisch bedenklich sein können.2219 So sollten in Ergänzung zu der hier vorliegenden Ausarbeitung sowie weiterer quantitativer Forschungen, auch qualitative, empirische Forschungsleistungen mit dem Ziel der Ableitung von Fallstudien hinsichtlich einer (Unternehmens-)Ethik im Entrepreneurship-Kontext vollzogen werden. Dabei erscheint sowohl die Darstellung von „good-practice“, als auch „worst-practice“ Fallstudien sinnvoll, um in der Hochschulausbildung den Studierenden ein umfassendes Bild durch eine Kombination von unterschiedlichen Fallstudien, Szenarien, Wirkungszusammenhängen und potenziellen Entscheidungsalternativen zu geben. Gleichermaßen ist es bedeutsam, die quantitative Forschung weiter voran zu treiben, um differenziertere Kenntnisse hinsichtlich ethischer Einstellungen und Intentionen sowie (konkreten) ethischen Verhaltens, und der hiermit verbundenen Zusammenhänge, zu generieren. Schmidt (2005b) sieht neben den Unternehmen auch die Hochschulen in der Pflicht, zeitgemäße Denk- und Handlungsansätze einer verantwortungsvollen Mitgestaltung der Gesellschaft zu entwi-
2218 2219
Vgl. Roloff/König (2005), S. 380. Vgl. Leisinger (1997), S. 166.
Abschließende Bewertung und Ausblick
493
ckeln und zu vermitteln.2220 Bereits Kalveram (1951) merkt an, dass das Ziel der betriebswirtschaftlichen Forschung und Lehre nicht nur in einer Betrachtung, Erforschung, Erörterung und Vermittlung wirtschaftlicher Zusammenhänge liegen sollte. Die Lehre sollte sich nicht nur auf eine reine Wissensvermittlung beschränken. Vielmehr besteht eine Aufgabe auch darin, den Menschen im Sinne der Universitas heranzubilden. Dabei sollen Studierende dieser Wissenschaft, und somit auch bspw. spätere Manager oder Unternehmer, moralisch so ausgebildet werden, dass deren Handlungen auf einem fundierten Ethos beruhen.2221 So ist Borchers (2005) der Auffassung, dass zwar moralische Einstellungen und Tugenden im Rahmen der Sozialisation vornehmlich in der Kindheit geprägt werden. Allerdings werden diese im Laufe des Lebens durch (moralische) Praxis und individuelle Erfahrungen weiter geprägt und differenziert. Bei moralischen Einstellungen, Tugenden und Handlungen, die im wirtschaftlichen Kontext Relevanz erlangen sollen, bildet die frühkindliche Prägung die Grundlage. Hierauf aufbauend müssen diese Einstellungen (und Tugenden) aber auch in der Ausbildung sowie im gesamtgesellschaftlichen Umfeld als relevant erfahren werden. Aus diesem Grunde erscheint es abwegig, in der Ausbildung von Ökonomen bzw. Managern und Unternehmern moralische Aspekte (weitgehend) nicht zu beachten bzw. zu vermitteln und dann, bspw. über Ethikkodizes oder andere Instrumente einer Unternehmensethik, ein (anspruchsvolles) moralisch-ethisches (Tugend-)Profil, und hiermit verbundene Handlungen, von diesen Führungskräften zu fordern. Denn nach Borchers ist es bspw. nicht ausreichend, moralische „Wunschzettel“ (Ethikkodizes) zu formulieren und sich von Seiten der Manager und Unternehmer bestätigen zu lassen, dass Moral und Ethik in der Ökonomie relevant sind. Vielmehr sollte die (Vermittlung von) (Unternehmens-)Ethik Eingang in die Ausbildung von zukünftigen Führungskräften finden, um eine Sensibilisierung zu schaffen und Kompetenzen zu generieren.2222 Allerdings ist in diesem Kontext anzumerken, dass aktuell zumeist eine traditionelle Vermittlung der Lehrinhalte an Hochschulen vorgenommen wird, und diese einer (positiven) Entwicklung einer praktischen Unternehmensethik im Wege steht.2223 Allerdings ist in diesem Kontext anzumerken, dass vom aktuellen Stand aus gesehen die Verbindung von (Unternehmens-)Ethik und Wirtschaft lediglich in geringem Maße vollzogen wurde. Dies mag unterschieliche Gründe haben. So herrscht, wie auch in der Ausarbeitung gezeigt, keine Einigkeit darüber, wie eine Unternehmensethik begründet werden soll, und welche Instrumente in der Praxis (zielgerichtet) angewendet werden sollen. Auch ist die Wirkungsweise der beschriebenen Instrumente, im deutschsprachigen Raum, bisher lediglich in geringem Maße empirisch untersucht worden.2224 Dies gilt sowohl für Großunternehmen, als auch für junge Unternehmen als Untersuchungsgegenstand. Gleichermaßen besteht im Rahmen der Hochschulausbil2220 2221 2222
2223 2224
Vgl. Schmidt (2005b), S. 62. So auch Beschorner/Osmers (2005), S. 105. Ergänzend auch Burckhart (2004), S. 16. Vgl. Kalveram (1951), S. 16. Vgl. Borchers (2005), S. 516-517. Ähnlich vertritt Wagner (2005) die Meinung, dass Unternehmen, die zukünftig erfolgreich sein wollen, kein schriftliches Bekenntnis (Ethikkodex) benötigen, welches die Wichtigkeit der Mitarbeiter betont. Vielmehr muss diese Einstellung bzw. dieses Bekenntnis gelebt sowie durch Handlungen realisiert werden. Vgl. Beschorner/Osmers (2005), S. 105. So merkt bspw. Schmidt (2005a), S. 19 an, dass bislang keine umfassenden (empirischen) Beweise vorliegen, ob unternehmerisches Handeln auch wirklich wirtschaftliche Vorteile bringt. Die Argumentation der positiven Verbindung wird zumeist anhand von Plausibilitätsüberlegungen vorgenommen. Zwar weisen Studien auf eine positive Verbindung von Ethik und Ökonomie hin. Diese Verbindung wird allerdings zumeist anhand von Aussagen in Bezug auf Großunternehmen getroffen. Eine erste Studie in Bezug auf die Auswirkungen von Corporate Responsibility auf die Kapitalkosten liefern Bassen/Hölz/Schlange (2006). Mitunter könnte diese Studie als Vorlage für eine Analyse im unternehmensethischen Kontext dienen.
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Abschließende Bewertung und Ausblick
dung das Problem, dass keine Einheitlichkeit hinsichtlich des Verhältnisses von Ethik und Ökonomie im Allgemeinen innerhalb der Wirtschaftswissenschaften besteht. Auch Albach (2005a) ist der Auffassung, dass die Betriebswirtschaftslehre tief mit der Ethik verbunden ist.2225 Allerdings existiert kein Methodenstreit hinsichtlich der Frage, ob die Betriebswirtschaftslehre einer Ergänzung durch die Unternehmensethik bedarf. Dies verwundert ihn, da die meisten Philosophen, die sich mit Ethik beschäftigen und die Ethik auf unternehmerisches Handeln anwenden, wenig von den betriebswirtschaftlichen Problemen von Unternehmern, Managern, Mitarbeitern und Vertretern der Unternehmenstheorie verstehen. Dabei sieht Albach die Betriebswirtschaftslehre allgemein als eine Wissenschaft mit solidem ethischem Fundament, deren Prinzipien oder entscheidungstheoretischen Axiome Operationalisierungen ethischer Grundsätze sind. Diese Erkenntnis, so Albach, hat sich aber im Fach noch nicht durchgesetzt.2226 Homann (2005) weist darauf hin, dass hinsichtlich einer Präsenz der Wirtschafts- und Unternehmensethik im Rahmen der akademischen Ausbildung eine ernüchternde Bilanz gezogen werden kann. Weder in der Ökonomik, noch in der Philosophie hat sich die Wirtschafts- und Unternehmensethik durchgesetzt. Dies führt er vornehmlich auf methodische Defizite der wirtschaftsethischen Diskussion zurück.2227 Nach Küpper (2007) lässt sich, bspw. im Gegensatz zur angloamerikanischen Hochschulausbildung, aufzeigen, dass die Unternehmensethik kein (wesentlicher) Bestandteil der Curricula an deutschen Hochschulen ist.2228 Auch Nefiodow (2001) stellt einen Mangel an (unternehmens-)ethischer Ausbildung an Hochschulen fest.2229 Eine ähnliche Argumentation führt Aßländer (2005) an. Bei den Fällen, wo eine Wirtschafts- und Unternehmensethik in den akademischen Lehrbetrieb eingeführt wurde, kann trotzdem eine Trennung der Forschungsbemühungen ökonomischer und philosophischer Fakultäten betrachtet werden.2230 Die Unternehmensethik ist in der Betriebswirtschaftlehre keine „spezielle BWL“. Im Allgemeinen ist sie auch kein Pflichtbestandteil von Vorlesungen und Lehrbüchern in der „Allgemeinen BWL“.2231 Nach van Aaken (2007) kann die Ethik die Betriebswirtschaftslehre bei der Ausarbeitung von Hilfestellungen der Handhabung von Problemen der Unternehmenspraxis unterstützen. Die Ethik ist, ähnlich wie bspw. die Psychologie oder die Rechtswissenschaften, für eine anwendungsorientierte, pluralistisch verstandene Betriebswirtschaftslehre von Bedeutung.2232 Ein ähnliches Phänomen kann in der Diskussion in Bezug auf die Entrepreneuship-Lehre in Deutschland aufgezeigt werden, da sich diese auch erst Mitte bis Ende der 1990er Jahre in Form einer Institutionaliserung und Etablierung von Entrepreneurship-Lehrstühlen realisieren ließ. Ebenso ist in der Entrepreneurship-Lehre auch keine „Allgemeine BWL“ zu sehen. Vielmehr liegt ihr Ansatz in einer ganzheitlichen und interdisziplinären Betrachtung unternehmerischer Prozesse und unterneh2225 2226 2227 2228 2229
2230 2231 2232
Siehe hierzu ausführlich auch Albach (2005b). Vgl. Albach (2005a), S. 5. Vgl. Homann (2005), S. 197.198. Zur methodenkritischen Anmerkung siehe Homann (2005). Vgl. Küpper (2007), S. 250. Vgl. Nefiodow (2001), S. 44-45. Die geringe Vermittlung von Ethik in der Ausbildung erscheint ihm verwunderlich, da der Einfluss der Ethik auf die Leistungsfähigkeit einer (Volks-)Wirtschaft bspw. als bedeutsam betrachtet werden kann. Vgl. Aßländer (2005), S. 335. Vgl. Albach (2005a), S. 4. Vgl. van Aaaken (2007), S. 277-279.
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merischen Handelns junger Unternehmen. Die Einbindung der Unternehmensethik kann dabei einen notwendigen Beitrag zur Vervollständigung einer möglichst ganzheitlichen, interdisziplinären Betrachtung in Bezug auf die Entrepreneurship-Lehre leisten. Zu klären ist, in welcher (praktischer und didaktischer) Form, und durch welche theoretischen Ansätze und Konzepte, dies in angemessener Form erfolgen kann. Einer Analyse von Küpper (2007) zufolge, besteht das Problem einer Intergration bzw. Anerkennung der Unternehmensethik in der Betriebswirtschaftslehre in der tief verwurzelten Auffassung einer wertfreien Wissenschaft nach Max Weber.2233 In der deutschen Wissenschaft ist dieses Konzept weitgehend akzeptiert. Dabei wird zumeist versucht, normative Positionen so weit wie möglich zu vermeiden. Dies führt zu einer skeptischen Haltung gegenüber der Unternehmensethik.2234 Nach Leisinger (1997) leiden ethische Divergenzen zumeist darunter, dass die Diskussionspartner die Werte, auf denen ihre spezifischen moralischen Normen gründen, nicht teilen.2235 Eine Verbesserung der Kommunikation der Unternehmensethik mit der Praxis könnte u. a. durch die Anbindung der Unternehmensethik an die Personal- und Organisationslehre innerhalb der Hochschulen im Sinne der Interdisziplinarität erfolgen, da die Instrumente der Personal- und Organisationslehre in der Praxis bekannt und anerkannt sind.2236 Eine Förderung der Wissenschafts-PraxisKommunikation könnte durch die Hochschulen zum einen in Form einer verstärkten Fokussierung auf praxisnahe Themen, der Begleitung der Praxis bei der Konstruktion, Implementierung und Evaluation geeigneter unternehmensethischer Instrumente und ihrer Reflexion, auch in Form von Managementtheorien, vorgenommen werden. Zum anderen sollte eine Kernkompetenz in der Entwicklung von didaktischen Konzepten im Rahmen der wissenschaftlichen Ausbildung zukünftiger Führungskräfte und Unternehmer liegen, da diese in der Unternehmenspraxis später bspw. unternehmensethische Instrumente entwickeln und implementieren können.2237 Als potenzielle positive Entwicklung wird die Einführung und Akkreditierung von Bachelor und Masterstudiengängen an deutschen Hochschulen gesehen. Denn im Rahmen der Akkreditierung kann beobachtet werden, dass teilweise eine Etablierung von Lehrveranstaltungen zur Unternehmensethik durch die Akkreditierungorganisation gefordert wird.2238 So sehen auch Roloff/König (2005) die mangelnde Kohärenz von Unternehmensethik und Betriebswirtschaftslehre sowie Managementtheorie als einen Grund für die aktuell zu beobachtende Trennung von Wissenschaft und Praxis. In der Personal- und Organisationsliteratur lassen sich bspw. unterschiedliche Anknüpfungspunkte einer Unternehmensethik aufzeigen. Allerdings wird eine Themati2233 2234
2235 2236 2237
2238
Siehe hierzu auch Kapitel 2.1.2.5. Vgl. Lorenzen (1991), S. 67; Küpper (2007), S. 251-252. Für eine ausführliche Analyse der Diskussion zur Beziehung zwischen ökonomischer Theorie und Ethik in deutschsprachigen Ländern siehe bspw. die Ausführungen in Küpper (1992). Siebenhüner (2005) ist hingegen der Auffassung, dass eine Wirtschafts- und Unternehmensethik immer normativ fundiert sein muss, sonst ist sie nicht existent. So merkt auch Donaldson (2007), S. 274 an, dass eine Unternehmensethik, und die hiermit vorbundene Forschung, empirische und normative Aspekte beinhalten. Vgl. Leisinger (1997), S. 13. Vgl. Roloff/König (2005), S. 378. Vgl. Roloff/König (2005), S. 380-381. Pfriem (2007), S. 294 merkt an, dass aktuell lediglich eine geringe Diskussion hinsichtlicher moralisch-ethischer Problemstellungen von Unternehmen in der Theorie vollzogen wird. Dabei bildet die Verbindung von der Unternehmenspraxis und ihrer Probleme einen essentiellen Ausgangpunkt betriebswirtschaftlicher Forschung. Vgl. Beschorner/Osmers (200), S. 105-106.
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sierung und eine Einarbeitung ethischer Aspekte hinsichtlich bekannter Theorien und Instrumente nicht vorgenommen.2239 Nach Siebenhüner (2005) streiten Wirtschafts- und Unternehmensethiker seit Jahren über den Status der Disziplin. In diesem Kontext stellt sich die Frage, ob es sich hierbei um ein rein akademisches Vorhaben handelt, welches lediglich auf analytisch-empirische Ziele hin ausgerichtet ist, oder ob es sich um eine kritische Auseinandersetzung mit der Realität bzw. Praxis handelt, für die auch normative Ratschläge entwickelt und zur Verfügung gestellt werden.2240 Nach Roloff/König (2005) scheint eine Störung des Verhältnisses zwischen akademischer und praktischer Unternehmensethik vorzuliegen. Kritisch wird angemerkt, dass auf der einen Seite die Unternehmensethik von Führungskräften bzw. Unternehmern nicht in ausreichendem Maße wahrgenommen, oder ein Missbrauch der Unternehmensethik zu Marketingzwecken vorgenommen werde. Auf der anderen Seite wird kritisch angemerkt, dass innerhalb der akademischen Unternehmensethikdiskussion lediglich eine Beschäftigung mit sich selbst vorgenommen werde, und die praktischen Probleme und Bedürfnisse der Unternehmen und Unternehmer nicht ausreichend beachtet bzw. gelöst würden.2241 Küpper (2007) stellt die Hypothese auf, dass die Unternehmensethik aufgrund ihrer Normativität keine vollständige Akzeptanz in den Wirtschaftswissenschaften erreichen wird, solange die Unternehmensethik sich nicht zu einer empirischen Unternehmensethik entwickelt. Dabei sollte eine Unternehmensethik spezielle empirische, praxisrelevante Probleme empirisch erforschen und die Ergebnisse in die Lehre implementieren.2242 Hier kann auch nach der vorliegenden Ausarbeitung ein Ansatz für weitere Forschungsleistungen gesehen werden. Wünschenwert wäre, wenn diese einen ersten kleinen Beitrag dazu leisten könnte.
2239
2240 2241 2242
Vgl. Roloff/König (2005), S. 378. Einen Ansatz zur Kompensation dieser Problematik liefert das Werk von Göbel (2006), welches allerdings unter der Bezeichnung der Unternehmensethik firmiert. Vgl. Siebenhüner (2005), S. 309. Vgl. Roloff/König (2005), S. 375. Vgl. Küpper (2007), S. 257.
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