Jutta Wollersheim Dynamic Capabilities im Kontext von Mergers & Acquisitions
GABLER RESEARCH
Jutta Wollersheim
Dyn...
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Jutta Wollersheim Dynamic Capabilities im Kontext von Mergers & Acquisitions
GABLER RESEARCH
Jutta Wollersheim
Dynamic Capabilities im Kontext von Mergers & Acquisitions Erfolg von Zusammenschlüssen von Organisationseinheiten mit unterschiedlichen Routinen
Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Erich Barthel
RESEARCH
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Frankfurt School of Finance & Management, 2010
1. Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010 Lektorat: Ute Wrasmann | Jutta Hinrichsen Gabler Verlag ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-2426-1
Geleitwort Die Häufigkeit der Zusammenlegung von Unternehmensbereichen, sei es aufgrund von Umstrukturierungen oder Mergers & Acquisitions, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele dieser Zusammenschlüsse nicht den geplanten Verlauf nehmen und insbesondere häufig nicht die erhofften Erfolge erzielen. Ein Scheitern wird nicht selten mit dem Aufeinandertreffen unterschiedlicher Unternehmenskulturen begründet. Nun sind Unternehmenskulturen ein sehr weites Feld und es ist schwer, aus einer globalen Betrachtung konkrete Hinweise auf die Wirkungsmechanismen zu erkennen. Fasst man die Betrachtung etwas enger, so erkennt man, dass im Zuge einer M&ATransaktion unterschiedliche Verständnisse darüber aufeinandertreffen, wie auftretende Probleme gelöst werden sollten. Diese unterschiedlichen Lösungsansätze finden ihren Niederschlag in je spezifischen Routinen, die sich in der Vergangenheit gebildet haben und nicht ohne weiteres aufgegeben werden. Das Beharren auf solchen Problemlösungen führt zu Barrieren, die es im Zuge von Zusammenschlüssen zu überwinden gilt. Interessant ist dabei insbesondere die Frage, ob es bestimmten Gruppen leichter fällt als anderen, sich von ihren bisherigen Routinen zu trennen und zu neuen Lösungen zu gelangen, ob es also Merkmale gibt, die es zu erkennen und gegebenenfalls zu fördern gilt, um Zusammenschlüsse mit größerer Wahrscheinlichkeit zum Erfolg zu führen. Einen vielversprechenden Ansatz hierzu bieten Dynamic Capabilities, verstanden als ein Bündel von Fähigkeiten, etablierte Routinen bei Bedarf aufbrechen und neue bilden zu können. Hier setzt die vorliegende Dissertation von Jutta Wollersheim an. Sie untersucht den Beitrag von Dynamic Capabilities zum Erfolg von Zusammenschlüssen mit Hilfe eines innovativen und äußerst vielversprechenden Experiments. Die komplexen Formen der Routinebildung werden auf ein notwendiges, aber immer noch ausreichend differenzierendes Maß zurückgeführt. Die Durchführung des Experiments geht einher mit einer konsequenten Erarbeitung eines einer experimentellen Überprüfung zugänglichen Verständnisses von Dynamic Capability. Durch die Kontrolle weiterer Einflussfaktoren, insbesondere persönlicher und situativer Merkmale, gelingt es, die aufgeworfene Forschungsfrage zielgerichtet und sinnvoll zu beantworten. Die Ergebnisse bestätigen den erwarteten Beitrag von Dynamic Capabilities zum Erfolg von neu zusammengeschlossenen Organisationseinheiten beim Aufbrechen und Neugestalten
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Geleitwort
von unterschiedlichen Routinen. Dynamic Capability erweist sich als ein wichtiger Faktor bei der Gestaltung des organisationalen Wandels. Die sorgfältig aufbereiten Ergebnisse dieser Dissertation bieten nicht nur eine hervorragende Grundlage für weitere Forschung, es lassen sich auch erste Implikationen für Unternehmen ableiten, die in M&A-Transaktionen involviert sind. Deshalb sind der Arbeit von Jutta Wollersheim ein breiter Leserkreis und eine positive Resonanz zu wünschen. Frankfurt am Main, im Mai 2010 Prof. Dr. Erich Barthel
Vorwort Bei der Durchführung meiner Doktorarbeit wurde ich von verschiedenen Seiten unterstützt, so dass ich vielen Personen zum Dank verpflichtet bin. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Erich Barthel für seinen Rückhalt, mit dem er die Entstehung dieser Dissertation begleitet hat. Er hat die Dissertation nicht nur durch seine fachliche Expertise, sondern auch durch die stetige Ermunterung, an Konferenzen teilzunehmen, gefördert. Darüber hinaus danke ich meinem Zweitgutachter Herrn Prof. Dr. Rainer Sibbel, der sich viel Zeit genommen hat, um einzelne Aspekte der Dissertation kritisch mit mir zu diskutieren. Ebenfalls danke ich Herrn Prof. Dr. John Erpenbeck, der das Drittgutachten ohne Zögern übernommen und durch seine Hinweise zu neuen Forschungsideen beigetragen hat. Mein Dank gilt auch Herrn Prof. Dr. Michael Cohen, dessen Ansatz mich bei der Erarbeitung des Forschungsdesigns inspiriert hat. Er stand mir per Email stets als sehr kompetenter Ansprechpartner zur Verfügung. Außerdem danke ich Frau Prof. Dr. Isabell Welpe dafür, dass sie mich gleich zu Beginn meiner Promotion ermuntert hat, meine Forschungsideen auf internationalen Konferenzen zu präsentieren. Nicht zuletzt durch den daraus entstandenen wissenschaftlichen Diskurs konnte sie meine Freude am wissenschaftlichen Arbeiten stärken. Des Weiteren bin ich meinen Kollegen Claudia Carduck, Marcel Rieser, Andreas Egner und Thomas Mattes sowie dem studentischen Team zu Dank verpflichtet. Neben inhaltlichen Gesprächen haben sie stets für gute Laune gesorgt und dadurch zur Stärkung meines Durchhaltevermögens beigetragen. Ein weiterer Dank gilt meinen Mitdoktoranden. Hier sind neben meinen direkten Kollegen insbesondere Christine Breunung und Stefanie Looso zu nennen, die mir trotz Fachfremdheit jederzeit mit Rat und Tat zur Seite standen. Viele persönliche Gespräche und schöne, wenn auch oft arbeitsreiche Zeiten verbinden uns über den beruflichen Lebensbereich hinaus auch freundschaftlich miteinander. Außerdem möchte ich mich bei Claudia Carduck, Marcel Rieser, Christine Breunung, Annelie Stumpf-Gymnich sowie bei meiner Schwester Katja Pfeil und meinem Schwager Dr. Oliver Pfeil bedanken. Sie alle haben mir im Rahmen des Lektorats wertvolle Hinweise gegeben. Mein Dank gilt zudem meinem Freund Gerrit Stumpf, der sich trotz Fachfremdheit ebenfalls durch die einzelnen Kapitel dieser Arbeit kämpfte. Er stand mir während des
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Vorwort
gesamten Studiums mit viel Geduld zur Seite und hat mir die notwendige Kraft gegeben, das Promotionsprojekt abzuschließen. Meinen Eltern danke ich für ihre vorbehaltlose Unterstützung in allen Phasen der Promotion sowie für ihre wohlwollende Förderung meiner persönlichen Entwicklung und beruflichen Zielsetzungen. Beide haben mich in allen meinen Bemühungen stets unterstützt und mich bedingungslos gefördert. Ihnen widme ich in großer Dankbarkeit diese Arbeit. Grafschaft, im Mai 2010 Jutta Wollersheim
Inhaltsverzeichnis Geleitwort ................................................................................................................. V Vorwort .................................................................................................................. VII Tabellenverzeichnis............................................................................................. XIII Abbildungsverzeichnis.......................................................................................... XV Abkürzungsverzeichnis ..................................................................................... XVII 1
Einleitung ........................................................................................................... 1
1.1 Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit ...................................................... 1 1.1.1 Forschungsziel und Forschungsfragen ..................................................... 4 1.1.2 Relevanz der Studie .................................................................................. 6 1.2 Aufbau der Arbeit ............................................................................................. 10
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Theoretischer Bezugsrahmen und Ableitung von Forschungshypothesen ....................................................................................................... 15
2.1 Mergers & Acquisitions als Anlass organisationaler Veränderung .................. 15 2.1.1 Begriffsabgrenzung und Definition von Mergers & Acquisitions ......... 15 2.1.2 Veränderungen auf Organisationsebene................................................. 16 2.1.3 Dynamic Capability als potenzieller Erfolgsfaktor ................................ 21 2.2 Grundlagen des Dynamic Capability-Konzepts................................................ 24 2.2.1 Ressourcenorientierte Perspektive als Ausgangspunkt .......................... 24 2.2.2 Überblick über die zentralen Ansätze der Dynamic CapabilityPerspektive ............................................................................................. 30 2.2.2.1 Vorüberlegungen ...................................................................... 30 2.2.2.2 Integrativer Ansatz von Teece/Pisano/Shuen ........................... 34 2.2.2.3 Ansatz der radikalen Dynamisierung von Eisenhardt/Martin .. 36 2.2.2.4 Ansatz der routinierten Dynamisierung von Zollo/Winter ....... 40 2.2.3 Zusammenfassende Schlussfolgerungen für das Dynamic CapabilityKonzept .................................................................................................. 44
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Inhaltsverzeichnis
2.3 Organisationale Routinen und Veränderungsfähigkeit als wesentliche Merkmale des Dynamic Capability-Konzepts .................................................. 48 2.3.1 Theoretische Grundlagen ....................................................................... 48 2.3.1.1 Vom traditionellen zum dynamischen Verständnis organisationaler Routinen ......................................................... 49 2.3.1.2 Umgang mit veränderungsbedingter Unsicherheit ................... 55 2.3.2 Empirische Untersuchungen................................................................... 58 2.3.2.1 Empirische Untersuchungen organisationaler Routinen .......... 59 2.3.2.2 Empirische Untersuchungen von Veränderungsfähigkeit ........ 64 2.4 Konsequenzen für ein theoretisch fundiertes Dynamic CapabilityVerständnis ....................................................................................................... 68 2.5 Zusammenfassende Schlussfolgerungen........................................................... 71 2.6 Ableitung von Forschungshypothesen .............................................................. 73 2.6.1 Hypothesen zu Dynamic Capability und Erfolg .................................... 73 2.6.2 Hypothesen zu individuellen Fähigkeiten und Dynamic Capability ...... 74 2.6.3 Hypothesen zu individuellen Fähigkeiten und Erfolg ............................ 76 2.6.4 Hypothese zu Dynamic Capability und Erfolg unter Berücksichtigung möglicher Einflussfaktoren ....................................... 76 2.6.5 Zusammenstellung der Hypothesen ....................................................... 77 3
Experimentelle Studie ..................................................................................... 79
3.1 Forschungsdesign und wissenschaftstheoretische Fundierung ......................... 79 3.1.1 Einführung in das Forschungsdesign ..................................................... 79 3.1.2 Wahl des Experiments als Forschungsmethode ..................................... 81 3.1.3 Wissenschaftstheoretische Einordnung .................................................. 85 3.2 Erhebungsinstrumente ....................................................................................... 87 3.2.1 Computerprogramm Transform the Target zur Erhebung von Erfolg ... 88 3.2.1.1 Ursprungsversion des Kartenspiels Transform the Target ....... 88 3.2.1.2 Weiterentwicklung des Kartenspiels Transform the Target ..... 91 3.2.1.3 Voruntersuchung des Kartenspiels ........................................... 94 3.2.1.4 Operationalisierung der abhängigen Variable Erfolg ............... 98 3.2.2 Fragebogen zur Erhebung von Dynamic Capability ............................ 100 3.2.2.1 Ursprungsversion des Fragebogens von Wilkens et al. .......... 100 3.2.2.2 Weiterentwicklung des Fragebogens von Wilkens et al. ........ 102
Inhaltsverzeichnis
3.2.2.3 Voruntersuchung des Fragebogens ......................................... 105 3.2.2.2.1 Vorüberlegungen .................................................... 105 3.2.2.2.2 Itemanalyse auf Basis der Daten des Pretests ........ 106 3.2.2.2.3 Itemanalyse auf Basis der Daten der eigentlichen Befragung ............................................................... 120 3.2.2.4 Operationalisierung der unabhängigen Variable Dynamic Capability ................................................................................ 126 3.2.3 Weitere Erhebungen ............................................................................. 127 3.3 Stichprobenkonstruktion ................................................................................. 134 3.4 Untersuchungsdurchführung ........................................................................... 136 3.5 Vorüberlegungen zu den verwendeten statistischen Verfahren ...................... 139 4
Forschungsergebnisse ................................................................................... 143
4.1 Beschreibung der Stichprobe .......................................................................... 143 4.2 Darstellung der Ergebnisse zu den einzelnen Fragestellungen und Hypothesen ..................................................................................................... 145 4.2.1 Ergebnisse zu Dynamic Capability und Erfolg .................................... 146 4.2.2 Ergebnisse zu individuellen Fähigkeiten und Dynamic Capability ..... 149 4.2.3 Ergebnisse zu individuellen Fähigkeiten und Erfolg ........................... 152 4.2.4 Ergebnisse zu Dynamic Capability und Erfolg unter Berücksichtigung möglicher Einflussfaktoren ..................................... 155 4.2.4.1 Identifizierung potenzieller Einflussfaktoren ......................... 155 4.2.4.2 Isolierte Betrachtung der Beziehung zwischen Dynamic Capability und Erfolg ............................................................. 158 4.3 Zusammenfassung der Ergebnisse .................................................................. 163 5
Fazit ................................................................................................................ 167
5.1 5.2 5.3 5.4
Zusammenfassung der Arbeit ......................................................................... 167 Grenzen der Studie .......................................................................................... 169 Implikationen in Bezug auf den Anwendungskontext .................................... 174 Implikationen für die zukünftige Forschung ................................................... 176
Literaturverzeichnis ............................................................................................. 181 Anhang ................................................................................................................... 213
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Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Ressourcen-, Fähigkeits- und Wissensorientierter Ansatz im Vergleich .. 27 Tabelle 2: Dynamic Capability-Arten nach Eisenhardt/Martin .................................. 39 Tabelle 3: Gegenüberstellung der zentralen Ansätze der Dynamic CapabilityPerspektive ................................................................................................. 46 Tabelle 4: Überblick über den Ablauf des Experiments ............................................. 80 Tabelle 5: Berechnungen zur Itemanalyse auf Basis der Daten des Pretests (Teil 1) ..................................................................................................... 106 Tabelle 6: Berechnungen zur Itemanalyse auf Basis der Daten des Pretests (Teil 2) ..................................................................................................... 107 Tabelle 7: Berechnungen zur Itemanalyse auf Basis der Daten des Pretests (Teil 3) ..................................................................................................... 108 Tabelle 8: Berechnungen zur Itemanalyse auf Basis der Daten des Pretests (Teil 4) ..................................................................................................... 109 Tabelle 9: Auffällige Items hinsichtlich der Itemschwierigkeit ............................... 110 Tabelle 10: Auffällige Items hinsichtlich der Rohwerteverteilung (Teil 1) ............... 111 Tabelle 11: Auffällige Items hinsichtlich der Rohwerteverteilung (Teil 2) ............... 112 Tabelle 12: Auffällige Items hinsichtlich der Ausschöpfung der Skala ..................... 113 Tabelle 13: Auffällige Items hinsichtlich der Trennschärfe ....................................... 114 Tabelle 14: Auffällige Items hinsichtlich der Relevanz ............................................. 115 Tabelle 15: Cronbach’s Alpha der verwendeten Skalen ............................................. 116 Tabelle 16: Berechnungen zur Itemanalyse auf Basis der Daten der eigentlichen Befragung (Teil 1) ................................................................................... 120 Tabelle 17: Berechnungen zur Itemanalyse auf Basis der Daten der eigentlichen Befragung (Teil 2) ................................................................................... 121 Tabelle 18: Berechnungen zur Itemanalyse auf Basis der Daten der eigentlichen Befragung (Teil 3) ................................................................................... 122 Tabelle 19: Tests auf Normalverteilung von Dynamic Capability ............................. 141 Tabelle 20: Interdependenzanalyse zwischen Dynamic Capability und Erfolg2 ........ 146 Tabelle 21: t-Test zur Prüfung von Erfolgsunterschieden .......................................... 149 Tabelle 22: Interdependenzanalyse zwischen Dynamic Capability und individueller Kompetenz ......................................................................... 150 Tabelle 23: Interdependenzanalyse zwischen Dynamic Capability und Intelligenz .. 151
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Tabellenverzeichnis
Tabelle 24: Interdependenzanalyse zwischen Dynamic Capability und Konzentration .......................................................................................... 152 Tabelle 25: Interdependenzanalyse zwischen Individueller Kompetenz und Erfolg2 ...................................................................................................... 153 Tabelle 26: Interdependenzanalyse zwischen Intelligenz und Erfolg ........................ 154 Tabelle 27: Interdependenzanalyse zwischen Konzentration und Erfolg................... 155 Tabelle 28: Interdependenzanalyse zwischen AC Gesamtergebnis und Erfolg2 ........ 156 Tabelle 29: Interdependenzanalyse zwischen Erfolg1 und Erfolg2............................. 157 Tabelle 30: Signifikanztest zur Prüfung der Unterschiede der Korrelationen zwischen Dynamic Capability und Erfolg1 und zwischen Dynamic Capability und Erfolg2 ............................................................................. 158 Tabelle 31: Partialkorrelationen zwischen Dynamic Capability und Erfolg2............. 159 Tabelle 32: Regressionsanalyse zur Überprüfung von Moderatoreffekten ................ 161 Tabelle 33: Zusammenfassung der Ergebnisse ........................................................... 163
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Gang der Untersuchung .......................................................................... 13 Abbildung 2: Mögliche Ergebnisse der Kulturanpassung ............................................ 17 Abbildung 3: Die Ressourcenperspektive..................................................................... 25 Abbildung 4: Die Dynamisierungskonzeption nach Teece/Pisano/Shuen ................... 35 Abbildung 5: Dynamic Capabilities nach Zollo/Winter ............................................... 42 Abbildung 6: Die Wissenstreppe von North ................................................................. 56 Abbildung 7: Überblick über die Charakteristika organisationaler Routinen .............. 64 Abbildung 8: Theoretisch abgeleitetes Dynamic Capability-Verständnis.................... 70 Abbildung 9: Überblick über die Forschungshypothesen ............................................ 77 Abbildung 10: Forschungsdesign der vorliegenden Untersuchung .............................. 86 Abbildung 11: Beispiel für die Kartenverteilung im Spiel Transform the Target ........ 88 Abbildung 12: Überblick über die aus dem Computerspiel zur Verfügung stehenden Daten .................................................................................... 94 Abbildung 13: Beispiel für die in der vorliegenden Arbeit verwendete Kartenverteilung (links: Zwei-, rechts: Vierspielerversion) ................. 96 Abbildung 14: Fehlerfrei bearbeitete Übungszeile aus dem d2-Test ......................... 129 Abbildung 15: Berliner Intelligenzstrukturmodell ..................................................... 133 Abbildung 16: Häufigkeitsverteilung von Dynamic Capability ................................. 140 Abbildung 17: Überblick über die Aggregationsebenen der Daten ............................ 145
Abkürzungsverzeichnis ♥ ♣ α AC AV CK d.h. Diss. F F% F.Vert. GZ GZ-F KAS KL KombinationI KomplexitätsbewältigungI KooperationI M&A Mass. N NK o. Verl. p QUEM R2 R&D Management RBV σ SB SelbstreflexionI Sig. SIPOC SPSS TTT UTB
Herz (im Kartenspiel) Kreuz (im Kartenspiel) Signifikanzniveau Assessment Center Abhängige Variable Colorkeeper das heißt Dissertation Fehlerrohwert Fehlerprozentwert Fehlerverteilung Gesamtzahl der bearbeiteten Zeichen Gesamtzahl der bearbeiteten Zeichen minus Fehlerrohwert komplexes adaptives System Konzentrationsleistungswert Kombination auf individueller Ebene Komplexitätsbewältigung auf individueller Ebene Kooperation auf individueller Ebene Mergers & Acquisitions Massachusetts Stichprobenumfang Numberkeeper ohne Verlag Wahrscheinlichkeit Qualifikations-Entwicklungs-Management (Projekt) Bestimmtheitsmaß Research & Development Management (Zeitschrift) Resource-based View Standardabweichung Schwankungsbreite Selbstreflexion auf individueller Ebene Signifikanz Supplier, Input, Process, Output, Customer Statistical Package for the Social Sciences Transform the Target / Target the Two Uni-Taschenbücher (Verlag)
XVIII
UV UVK VIF Vol. VRIN WiSt x
Abkürzungsverzeichnis
Unabhängige Variable Universitätsverlag Konstanz Varianzinflationsfaktor Volume valuable, rare, inimitable, non-substitutable Wirtschaftswissenschaftliches Studium (Zeitschrift) Mittelwert
1
Einleitung
1.1 Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit Obwohl sich Wissenschaftler seit mehr als 30 Jahren mit Unternehmenszusammenschlüssen und -übernahmen beschäftigen,1 belegen zahlreiche Studien, dass Mergers & Acquisitions eine extrem hohe Misserfolgsquote aufweisen, die in der Regel mit mehr als 50 Prozent beziffert wird.2 So betonen etwa Marks/Mirvis, „efforts to learn why so many combinations fail […] have yielded limited insights.” 3 In der Vergangenheit stellten Studien zum Erfolg von M&A-Transaktionen primär auf finanzielle Aspekte ab.4 Dabei handelt es sich bei „conglomerate acquisitions, related acquisitions, method of payment [cash vs. equity], and prior acquisition experience” 5 um die in diesem Zusammenhang bisher am häufigsten untersuchten Kriterien. Auf diese Kriterien greifen King et al. in einer Metaanalyse zurück, in der sie zu dem Ergebnis kommen, dass bisherige empirische Studien nicht in der Lage sind, die für den Erfolg einer Transaktion wirklich relevanten Variablen zu identifizieren.6 Ähnliche Erkenntnisse ergeben sich aus einer Metaanalyse zum Einfluss kultureller Unterschiede auf den Erfolg von Mergers & Acquisitions: „[A] huge portion of variance remains unexplained.“7 Beide Metaanalysen fordern daher, dass künftig andere mögliche Einflussfaktoren in Studien einbezogen werden, so dass vor allem nichtfinanzielle Dimensionen, wie etwa organisationale Aspekte, Berücksichtigung finden.8 Als Ursachen für die Umsetzungsprobleme werden in Wissenschaft und Praxis verschiedene Aspekte angeführt. Berens/Strauch nennen beispielsweise „eine nicht
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Vgl. Cartwright/Schoenberg (2006), S. S4; Bruner (2002), S. 48. Agrawal/Jaffe/Mandelker heben sogar hervor, dass Mergers & Acquisitions als eines der am meisten untersuchten Gebiete im Finance-Bereich gelten. Vgl. Agrawal/Jaffe/Mandelker (1992), S. 1605. Vgl. beispielsweise Carleton/Lineberry (2004), S. 8f.; Högemann (2005), S. 541; Jansen (2005), S. 531; King et al. (2004), S. 196; Steinle/Eichenberg/Weber-Rymkovska (2004), S. 456; Strähle (2004), S. 68ff. Marks/Mirvis (2001), S. 80. Vgl. Cartwright/Schoenberg (2006), S. S1; King et al. (2004), S. 197. King et al. (2004), S. 198. Vgl. King et al. (2004), S. 188. Stahl/Voight (2004), S. I4. Vgl. Cartwright/Schoenberg (2006), S. S4.
J. Wollersheim, Dynamic Capabilities im Kontext von Mergers & Acquisitions, DOI 10.1007/978-3-8349-8859-1_1, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
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1 Einleitung
oder nicht adäquat durchgeführte Due Diligence“9 als möglichen Grund für weniger erfolgreiche Transaktionen, während etwa Carleton/Lineberry die Unternehmenskultur für den Misserfolg von Mergers & Acquisitions verantwortlich machen.10 Die Unternehmenskultur wird in der Literatur in diesem Zusammenhang häufig angeführt;11 denn in der Regel wird die Ursache der hohen Misserfolgsraten primär in der Integrationsphase gesehen.12 So treffen in der Integrationsphase unterschiedliche Unternehmenskulturen und verschiedene Arbeitsweisen aufeinander, was zunächst zu Stress und Irritationen unter den Mitarbeitern und Führungskräften führt. Dabei wird „das beklagte Merger-Syndrom (Stress, Krisenstimmung, Zentralisierungstendenzen, Gerüchtebildung usw.) [...] vor allem durch Unsicherheit hinsichtlich der vermuteten Veränderungen erzeugt.“13 Doch nicht nur für den einzelnen Mitarbeiter und die Führungskräfte stellen Mergers & Acquisitions eine große Herausforderung dar, sondern auch für die jeweiligen Abteilungen sowie für die Organisation an sich.14 In der Literatur herrscht Einigkeit darüber, dass M&A-Transaktionen auf Gruppen- und auf Organisationsebene mit erheblichen Veränderungen verbunden sind: Hier werden bestehende Strukturen ebenso in Frage gestellt wie langjährig erprobte Arbeitsabläufe.15 Folglich ist im Zuge der Integration zweier Unternehmen anstelle bewährter und bekannter Vorgehensweisen der Umgang mit Unsicherheit gefragt.16 Hier stellt sich die Frage, wie Organisationen beziehungsweise deren Abteilungen mit dieser Unsicherheit umgehen. Auch ist zu überlegen, ob es Unternehmen oder Abteilungen gibt, die sich besser auf neue Gegebenheiten einstellen und diese letztlich leichter bewältigen können als andere. Auf solche und ähnliche Fragen könnte der Dynamic Capability-Ansatz eine Antwort geben. Dieser ist im Kern auf Teece/Pisano/Shuen zurückzuführen, die Dynamic 9
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Berens/Strauch (2002), S. 511. Die Bedeutung der Due Diligence für den Transaktionserfolg ist in der Literatur durchaus anerkannt. Vgl. beispielsweise Beck (2002); Brühl (2002), S. 313; Hölscher/ Nestler/Otto (2007). Vgl. Carleton/Lineberry (2004), S. 13. Vgl. beispielsweise Weber (2001), S. 38f.; Trompenaars/Woolliams (2004), S. 104; Jaeger (2001), S. 9; Zimmer (2001), S. 2f. Vgl. beispielsweise Jansen (2005); Birkinshaw/Bresman/Håkanson (2000); Wolf, R. (2003); Wöhler/Cumpelik (2006), S. 453; Vogel (2002), S. 273. Rohmert (1999), S. 48. Siehe beispielsweise Madhok/Osegowitsch (2000), S. 332. Groob verwendet für Mergers & Acquisitions etwa die Metapher eines „elaborate dance, requiring extended chroreography“, um auf die zahlreichen Herausforderungen einer in eine Fusion involvierten Organisation hinzuweisen. Vgl. Groob (1997), S. 66. Siehe beispielsweise Haransky (1999), S. 13f.; Studt (2008), S. 103ff. Siehe hierzu auch Heby (2007), S. 16ff.
1.1 Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit
3
Capabilities als „the firm's ability to integrate, build, and reconfigure internal and external competences to address rapidly changing environments“17 definieren und damit auf die Fähigkeit einer Organisation verweisen, sich auf neue Situationen einstellen zu können. Diese Fähigkeit wird in der Literatur häufig unter dem Begriff der organisationalen Kompetenz subsumiert.18 Einen Schritt weiter gehen hier Eisenhardt/Martin, deren Begriffsverständnis noch konkreter ist: „We define dynamic capabilities as the firm's processes that use resources […] to match and even create market change. Dynamic capabilities thus are the organizational and strategic routines by which firms achieve new resource configurations as markets emerge, collide, split, evolve, and die.”19 In dieser Sichtweise spiegelt sich erneut die Forderung nach der Anpassungsfähigkeit eines Unternehmens wider, wobei zusätzlich explizit auf den Begriff der Routine verwiesen wird, welcher klassischerweise „repetitive patterns of activity“20 umschreibt. Routinen kommt insbesondere vor dem Hintergrund der zunehmenden Komplexität eine hohe Bedeutung zu;21 denn Routinen können aufgrund der ihnen inhärenten automatischen Vorgehensweisen komplexitätsreduzierend wirken. Insofern wird es weiterhin als wichtig angesehen, dass ein Unternehmen über entsprechende Routinen verfügt. Da jegliche Problemlösungsarchitekturen jedoch unter veränderten Gegebenheiten – wie zum Beispiel im Zuge eines Unternehmenszusammenschlusses – obsolet werden können,22 sind Dynamic Capabilities bedeutsam, um gegebenenfalls von diesen Routinen abweichen und neue Routinen bilden zu können. Analog zur Kompetenz kann auch Dynamic Capability als Mehrebenenphänomen interpretiert und entsprechend auf individuelle Ebene, Netzwerkebene oder Gruppenebene übertragen werden.23 Letztere Ebene scheint mit Blick auf M&A-Transaktionen besonders wichtig. So arbeiten die Mitarbeiter eines Unternehmens in der Regel in Abteilungen gruppiert zusammen. Im Falle eines Unternehmenszusammenschlusses treffen diese Abteilungen mit ihren unterschiedlichen Arbeitsweisen und unter Umständen fest etablierten Routinen aufeinander, was erhebliche Probleme mit sich 17 18
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Teece/Pisano/Shuen (1997), S. 516. Vgl. beispielsweise Wilkens (2004), S. 8; Barthel/Zawacki-Richter (2007), S. 233ff.; Barthel/ Zawacki-Richter/Hasebrook (2006), S. 344ff. Eisenhardt/Martin (2000), S. 1107. Nelson/Winter (1982), S. 97. Vgl. Levinthal (2002), S. 364. Vgl. Schreyögg/Kliesch (2006), S. 460. Vgl. Barthel/Zawacki-Richter/Hasebrook (2006), S. 339 in Verbindung mit Newbert (2005), S. 56.
4
1 Einleitung
bringen kann. Eine Angleichung der Problemlösungsmechanismen ist langfristig unabdingbar. Ein solcher Angleichungsprozess erfordert teilweise sogar, dass Mitarbeiter fest etablierte Handlungsmuster aufbrechen, um neue, bislang unbekannte Herangehensweisen zu adaptieren. Diese auf Gruppenebene entstehenden Differenzen wirken sich mitunter direkt auf höhere Ebenen aus, was wiederum zum Scheitern eines Unternehmenszusammenschlusses führen kann.24 Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob Organisationen beziehungsweise Abteilungen mit stark ausgeprägten Dynamic Capabilities besser mit der mit einem Unternehmenszusammenschluss einhergehenden Unsicherheit umgehen können als Unternehmen beziehungsweise Abteilungen, deren Dynamic Capabilities nur schwach ausgeprägt sind. Erste empirische Studien deuten darauf hin, dass organisationale Kompetenz und Erfolg positiv korrelieren;25 ob dieser Zusammenhang jedoch aufrecht zu halten ist, wenn einzelne Organisationseinheiten aufgrund eines Unternehmenszusammenschlusses zusammengeführt werden, ist ungewiss. An dieser Stelle setzt die vorliegende Arbeit an, um die im folgenden Abschnitt näher spezifizierten Forschungsfragen zu beantworten.
1.1.1 Forschungsziel und Forschungsfragen In der Arbeit wird das Ziel verfolgt, einen Beitrag zur Erklärung der Beziehung zwischen Dynamic Capability und dem Erfolg von Zusammenschlüssen von Organisationseinheiten mit unterschiedlichen Routinen zu leisten. Die Forschungsfrage lautet deshalb: Inwieweit tragen Dynamic Capabilities zum Erfolg von Zusammenschlüssen von Organisationseinheiten mit unterschiedlichen Routinen bei?26 Der Terminus Dynamic Capability ist in der Wissenschaft nicht eindeutig definiert;27 zudem sind in der Literatur diverse Termini vorzufinden, welche synonym zum Dyna24 25 26
27
Vgl. Hogg/Terry (2000), S. 133; Baur (2004), S. 28. Siehe hierzu Mattes (o. J.). Im weiteren Verlauf dieser Arbeit wird in diesem Zusammenhang vom Erfolg von Zusammenschlüssen auf Gruppenebene gesprochen, um zu verdeutlichen, dass die vorliegende Untersuchung nicht auf Organisations-, sondern auf Gruppenebene durchgeführt wurde. Vgl. beispielsweise Cepeda/Vera (2007), S. 426; Macher/Mowery (2006), S. 4; Wang/Ahmed (2007), S. 31; Zahra/Sapienza/Davidsson (2006), S. 921.
1.1 Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit
5
mic Capability-Begriff verwendet werden. So sprechen Henderson/Cockburn beispielsweise von „architectural competence”28, Cohen/Levinthal von „absorptive capacity“29, Kogut/Zander von „combinative capabilities“30 und zahlreiche andere Autoren von „organizational capabilities“31 oder „organizational competencies“32. In diesem Kontext ist folglich von einem „terminologische[n] und konzeptionelle[n] Wirrwarr“33 beziehungsweise von „inconsistencies, overlapping definitions, and outright contradictions”34 die Rede. Die Tatsache, dass hinsichtlich dieses Konstrukts konzeptionelle Unklarheiten bestehen, geht wiederum mit einem Mangel an Operationalisierungsvorschlägen für das Konstrukt einher. Daher ist es zur Untersuchung der Forschungsfrage unabdingbar, zunächst die existierenden Dynamic Capability-Ansätze aufzuarbeiten und zu systematisieren, um letztlich ein theoretisch fundiertes, operationalisierbares Dynamic Capability-Konstrukt ableiten zu können. Ausgehend von dem erarbeiteten Verständnis soll experimentell untersucht werden, ob Gruppen, deren Dynamic Capabilities stark ausgeprägt sind, im Falle einer Zusammenführung erfolgreicher sind als solche Gruppen, deren Dynamic Capabilities nur schwach ausgebildet sind. Das Abstellen auf eine gruppenbasierte Untersuchung erscheint nicht nur aus inhaltlicher, sondern auch aus praktikabler Sicht als angemessen; denn es ist nahezu unmöglich, eine Organisation im Labor abzubilden. So stellt Leavitt bereits treffend fest: „[W]e cannot put a thousand people in a laboratory.”35 Infolgedessen erfolgen Laboruntersuchungen regelmäßig auf individueller oder auf Gruppenebene.36 Da in diesem Zusammenhang neben Einflussfaktoren auf Gruppenebene auch solche auf individueller Ebene relevant sein könnten, erscheint es sinnvoll, zusätzlich individuelle Fähigkeiten zu erheben. Die Berücksichtigung der individuellen Ebene in Studien, die den Einfluss von Routinen oder Fähigkeiten auf den Erfolg untersuchen, wird in der Literatur aktiv gefordert;37 denn es könnten sowohl Wirkungszusammen-
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Henderson/Cockburn (2002), S. 157. Cohen/Levinthal (1990), S. 128ff. Kogut/Zander (1992), S. 383ff. Dosi/Nelson/Winter (2002), S. 1; Spanos/Lioukas (2001), S. 915; Spanos/Prastacos (2004), S. 31. Lado/Wilson (1994), S. 702; Sago (2003), S. 16; siehe hierzu aber auch Gosselin/Heene (2003), S. 23; Escrig-Tena/Bou-Llusar (2005), S. 224; Reed/DeFillippi (1990), S. 89f.; Coriat/Dosi (2000), S. 294. Freiling/Gersch/Goeke (2006), S. 7. Zahra/Sapienza/Davidsson (2006), S. 917. Leavitt (1958). Vgl. Podsakoff/Dalton (1987), S. 424. Siehe hierzu Abell/Felin/Foss (2008), S. 489ff.
6
1 Einleitung
hänge zwischen individuellen Fähigkeiten und Dynamic Capability als auch zwischen individuellen Fähigkeiten und Erfolg bestehen. Vor diesem Hintergrund soll im Hinblick auf das Ziel dieser Dissertation konkret folgenden Fragen nachgegangen werden: 1) Dynamic Capability und Erfolg - Welcher Zusammenhang besteht zwischen Dynamic Capability und dem Erfolg eines Zusammenschlusses auf Gruppenebene? - Wie verändert sich dieser Zusammenhang, wenn mögliche Einflussfaktoren berücksichtigt werden? 2) Individuelle Fähigkeiten und Dynamic Capability - Welcher Zusammenhang besteht zwischen individuellen Fähigkeiten und Dynamic Capability? 3) Individuelle Fähigkeiten und Erfolg - Welcher Zusammenhang besteht zwischen individuellen Fähigkeiten und dem Erfolg eines Zusammenschlusses auf Gruppenebene?
1.1.2 Relevanz der Studie Mit der Beantwortung der im vorangehenden Abschnitt angeführten Forschungsfragen leistet die vorliegende Arbeit einen Beitrag zur Theorie in den Bereichen Dynamic Capability beziehungsweise strategisches Management und Mergers & Acquisitions und könnte zudem langfristig für die M&A-Praxis relevant sein. Aus theoretischer Sicht kommt vor allem der empirischen Untersuchung von Dynamic Capabilities eine hohe Bedeutung zu: Bislang beschränken sich Studien zu dieser Thematik primär auf konzeptionelle Vorgehensweisen; und die wenigen vorzufindenden empirischen Analysen greifen tendenziell auf qualitative Methoden wie etwa auf Fallstudien zurück. Folglich werden in der Wissenschaft zunehmend empirische Herangehensweisen zur Erforschung von Dynamic Capabilities gefordert.38 Mit der Durchführung einer empirischen Studie gehen zugleich die Operationalisierung und damit eine klare Definition von Dynamic Capability einher. In der Literatur wird regelmäßig hervorge38
Vgl. beispielsweise Cepeda/Vera (2007), S. 426; Govind Menon (2008), S. 29; Macher/Mowery (2006), S. 29; Moldaschl (2007), S. 19f.; Wang/Ahmed (2007), S. 31ff.
1.1 Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit
7
hoben, dass das Begriffsverständnis variiert:39 Eine eindeutige Definition ist ebenso wenig vorzufinden wie eine Abgrenzung von ähnlichen Konstrukten. So werden insbesondere Konstrukte wie Organizational Capabilities oder Organizational Competencies teilweise synonym zu Dynamic Capabilities verwendet.40 Einige Autoren sehen darin den Grund dafür, dass bisher kein Konsens existiert, wie Dynamic Capability operationalisiert werden kann.41 Williamson behauptet sogar, dass Dynamic Capabilities noch in keiner Studie konkret operationalisiert und gemessen wurden.42 Dieser Herausforderung möchte sich die vorliegende Arbeit stellen. So werden diverse Dynamic Capability-Verständnisse kritisch diskutiert und zu einer Definition verdichtet. Darauf aufbauend wird eine mögliche Operationalisierung erarbeitet, welche der empirischen Studie zugrunde gelegt wird. Damit leistet diese Dissertation einen wertvollen Beitrag zur Weiterentwicklung des Forschungsgebiets der Dynamic Capabilities. Die Weiterentwicklung des Forschungsfelds der Dynamic Capabilities bringt wiederum eine Bereicherung der Theorie des strategischen Managements mit sich: Studien zum strategischen Management verfolgen im Wesentlichen das Ziel, unternehmerisches Verhalten im Wettbewerb zu deuten beziehungsweise zu prognostizieren, Erfolgsunterschiede zu erklären oder Faktoren zu bestimmen, die das Erlangen strategischer Wettbewerbsvorteile ermöglichen.43 Die Dissertation liefert einen Beitrag zu der Frage, ob Dynamic Capabilities zur Erklärung des Erfolgs von Zusammenschlüssen von Organisationseinheiten mit unterschiedlichen Routinen beitragen können. Hieraus ergeben sich zum einen Hinweise, warum manche Gruppen im Falle eines Zusammenschlusses erfolgreicher sind als andere; zum anderen bereichert die im weiteren Verlauf dargelegte Untersuchung die Diskussion zum Dynamic Capability View als betriebswirtschaftlichen Erklärungsansatz unternehmerischen Erfolgs.44 Somit bietet die Dissertation auch mögliche Antworten auf essentielle Fragen des strategischen Managements.
39
40
41 42 43 44
Vgl. beispielsweise Cepeda/Vera (2007), S. 426; Macher/Mowery (2006), S. 4; Wang/Ahmed (2007), S. 31; Zahra/Sapienza/Davidsson (2006), S. 921. Vgl. beispielsweise Barthel/Zawacki-Richter (2007), S. 233ff.; Barthel/Zawacki-Richter/Hasebrook (2006), S. 344ff.; Erpenbeck (2004), S. 53ff.; Wollersheim/Zawacki-Richter/Barthel (2007), S. 195ff.; Escrig-Tena/Bou-Llusar (2005), S. 224; Helfat/Peteraf (2003), S. 999. Vgl. Cavusgil/Seggie/Talay (2007), S. 165. Vgl. Williamson (1999). Vgl. Bromiley/Papenhausen (2003); Träger (2006), S. 38. Vgl. Helfat et al. (Hrsg.) (2007), S. 120.
8
1 Einleitung
Aufbauend auf den Ergebnissen der Dynamic Capability-Analyse wird in der vorliegenden Dissertation untersucht, ob Gruppen, deren Dynamic Capabilities stark ausgeprägt sind, im Falle einer Zusammenführung erfolgreicher sind als solche Gruppen, deren Dynamic Capabilities nur schwach ausgebildet sind. Da sich auf Basis dieser Analyse erste Rückschlüsse bezüglich des Einflusses von Dynamic Capabilities auf den Erfolg von Zusammenschlüssen ziehen lassen, ist die Arbeit insbesondere im Zusammenhang von Mergers & Acquisitions interessant. Aus theoretischer Sicht erscheint eine Betrachtung der Dynamic Capabilities vor dem Hintergrund von Zusammenschlüssen insofern aufschlussreich, als dass das Dynamic Capability-Konzept bislang nur vereinzelt mit Unternehmensakquisitionen oder -zusammenschlüssen in Verbindung gebracht wurde.45 Dabei sind die bisherigen Ansätze einerseits entweder konzeptioneller oder qualitativer Natur; andererseits legen sie im Kern andere Fragestellungen zugrunde. So greift beispielsweise Voss auf das Dynamic CapabilityKonzept zurück, um M&A-Capabilities zu definieren, untersucht jedoch primär, ob „Unternehmen im Laufe ihrer Akquisitionsstrategien unterschiedliche Arten von M&A-Fähigkeit entwickeln.“46 Doch gerade Studien, welche auf die Untersuchung bisher weitgehend unberücksichtigter Erfolgsfaktoren für M&A-Transaktionen abzielen, scheinen angesichts der hohen Misserfolgsquoten angebracht.47 Dies deutet bereits auf eine möglicherweise langfristig eintretende praktische Relevanz der Studie hin: Grundsätzlich könnten sich Hinweise sowohl für einzelne Unternehmen, welche an einem Zusammenschluss oder einer Übernahme interessiert sind, als auch für diverse Berater im M&A-Prozess (zum Beispiel in Banken oder Kanzleien) ableiten lassen. Für sie könnte es insofern interessant sein, ob tatsächlich Rückschlüsse von der Dynamic Capability-Ausprägung auf den Erfolg von Zusammenschlüssen gezogen werden können, als dass dadurch eine Berücksichtigung der Dynamic Capabilities im Rahmen der Due Diligence unerlässlich würde; denn „eine nicht oder nicht adäquat durchgeführte Due Diligence“48 kann einen Grund für weniger erfolgreiche Fusionen darstellen.49 Obwohl weiche Faktoren oft widerstands-
45
46 47
48 49
Vgl. Helfat et al. (Hrsg.) (2007), S. 80ff.; Keil (2004); Meyer/Lieb-Dóczy (2003); Roy/Roy (2004); Voss (2008). Voss (2008), S. XVIII. Vgl. beispielsweise Carleton/Lineberry (2004), S. 8f.; Högemann (2005), S. 541; Jansen (2005), S. 531; Steinle/Eichenberg/Weber-Rymkovska (2004), S. 456; Strähle (2004), S. 68ff. Berens/Strauch (2002), S. 511. Zur Due Diligence siehe hierzu beispielsweise Berens/Strauch (2005), S. 3ff.
1.1 Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit
9
fähiger eingeschätzt werden als harte,50 liegt der Fokus der einer M&A-Transaktion vorhergehenden Untersuchung der Unternehmen in der Regel auf finanziellen, rechtlichen und steuerlichen Aspekten. Möglicherweise forciert diese Studie langfristig eine Integration der Analyse von Dynamic Capabilities in den Due Diligence-Prozess, so dass diese künftig in Form einer Capability Due Diligence gleichermaßen berücksichtigt wird wie die traditionellen Ausprägungen der Due Diligence. Eng hiermit zusammen hängt die Tatsache, dass Dynamic Capability, sofern sie sich auch im Rahmen von Feldstudien als potenzieller Erfolgsfaktor für Unternehmenszusammenschlüsse bestätigen lässt, bei der im Zuge einer Transaktion erforderlichen Ermittlung des Unternehmenskaufpreises Berücksichtigung finden sollte. Hierzu erscheint es sinnvoll, das Kompetenzkapital eines Unternehmens systematisch zu bewerten und bei der Preisfindung einfließen zu lassen.51 Doch die vorliegende Studie liefert nicht nur Hinweise für die Planungs- und Durchführungsphasen, sondern darüber hinaus für die Post-Merger-Phase. Diese inkludiert in der Regel eine Erfolgskontrolle, hat aber auch die Integration der Unternehmen zur Aufgabe, so dass sie häufig als Integrationsphase bezeichnet wird.52 Es ist wichtig, dass entsprechende Integrationsmaßnahmen stets frühzeitig eingeleitet werden.53 Im Hinblick auf die Hypothese der Arbeit, dass die Ausprägung der Dynamic Capability einen Einfluss auf den Erfolg von Zusammenschlüssen auf Gruppenebene hat, erscheint es sinnvoll, die Rahmenbedingungen in den fusionierten Unternehmen kompetenzförderlich zu gestalten und in Folge der Erfolgskontrolle gegebenenfalls zu adjustieren.54 Abschließend bleibt anzumerken, dass die praktische Relevanz der Studie aufgrund der mit Laborexperimenten generell einhergehenden begrenzten externen Validität bis auf weiteres nur eingeschränkt gegeben ist.55 Die Relevanz der Arbeit liegt primär im theoretischen Bereich begründet.56 Dennoch wird hier die Grundlage für weiter-
50 51 52 53 54
55
56
Vgl. Penzel/Pietig (2000), S. 4. Zum Kompetenzkapital siehe Barthel/Zawacki-Richter (2007), S. 233ff. Vgl. Picot (2008b), S. 22. Vgl. Baur (2004), S. 38ff. Zur kompetenzförderlichen Gestaltung der Rahmenbedingungen eines Unternehmens siehe beispielsweise Schreyögg/Kliesch (2003a; 2003b). Teilweise wird die Generalisierung der mithilfe von Laborexperimenten erlangten Ergebnisse in der Literatur jedoch aktiv gefordert. Siehe hierzu beispielsweise Pruitt/Kimmel (1977), S. 368. In der Regel wird erwartet, dass im Zuge einer Studie stets entsprechende Implikationen für die Praxis abgeleitet werden. Diese Erwartungshaltung wird teilweise jedoch kritisiert. Siehe hierzu Montgomery/Wernerfelt/Balakrishnan (1989), S. 193f.
10
1 Einleitung
führende Forschung gelegt. So könnten ergänzende Feldstudien unternommen werden, um die aufgezeigten Wirkungsbeziehungen zwischen Dynamic Capability und dem Erfolg eines Zusammenschlusses auf Gruppenebene tiefer zu analysieren.
1.2 Aufbau der Arbeit Im Hinblick auf die gegebene Zielsetzung gliedert sich die vorliegende Arbeit in fünf Abschnitte. Nach den einführenden Überlegungen in Kapitel 1 beginnt das zweite Kapitel mit Ausführungen zu Mergers & Acquisitions. Diese umfassen neben einer Begriffsabgrenzung und Definition sowohl eine Diskussion von Veränderungen, die M&A-Transaktionen auf organisationaler Ebene bewirken können, als auch einen Überblick über die wenigen bisherigen Forschungsaktivitäten, in denen Dynamic Capability mit Mergers & Acquisitions in Verbindung gebracht wurde. Vor dem Hintergrund, dass die Forschungsfrage dieser Dissertation auf den Beitrag von Dynamic Capabilities zum Erfolg von Zusammenschlüssen abzielt, wird im Anschluss daran Dynamic Capability – als zentrales Konstrukt dieser Arbeit – einer näheren Betrachtung unterzogen. Hierzu erfolgt zunächst eine systematische Aufarbeitung der Grundlagen des Konzepts: Da es sich bei dem Dynamic Capability-Ansatz um eine Weiterentwicklung der ressourcenorientierten Sichtweise handelt,57 wird letztere Perspektive im Rahmen des Abschnitts 2.2 einleitend kurz vorgestellt, um insbesondere grundlegende Probleme aufzudecken. Anschließend erfolgt eine Darstellung der zentralen Ansätze der Dynamic Capability-Perspektive. So werden die Ursprungsartikel zu diesem Forschungsbereich nacheinander vorgestellt und kritisch diskutiert.58 Im Zuge zusammenfassender Schlussfolgerungen erfolgt eine Gegenüberstellung dieser konzeptionellen Arbeiten, um erste grundsätzliche Rückschlüsse für ein theoretisch fundiertes Dynamic Capability-Verständnis ziehen zu können. Hier zeigt sich zum einen, dass Routinen und Veränderungsfähigkeit als charakteristische Merkmale des Dynamic Capability-Konstrukts fungieren; zum anderen enthält dieser Abschnitt Ausführungen dazu, inwieweit der Dynamic Capability-Ansatz den Problemen der ressourcenorientierten Perspektive zu begegnen vermag. Auf diese grundlegenden Einführungen folgen in Kapitel 2.3 Erläuterungen zu den zuvor identifizierten Merkmalen des Dynamic Capability-Konzepts. Hier werden zunächst 57 58
Vgl. beispielsweise Newbert (2005), S. 56; Sahaym (2005), S. M3; Lawson/Samson (2001), S. 379. Siehe hierzu Teece/Pisano (1994); Teece/Pisano/Shuen (1997); Eisenhardt/Martin (2000); Zollo/ Winter (2002).
1.2 Aufbau der Arbeit
11
theoretische Grundlagen zu organisationalen Routinen sowie zur Veränderungsfähigkeit erarbeitet, bevor eine Darstellung empirischer Untersuchungen zu eben diesen beiden Bereichen erfolgt. Ausgehend von den in den Abschnitten 2.2 und 2.3 erlangten Erkenntnissen wird in Kapitel 2.4 ein theoretisch fundiertes eigenes Dynamic Capability-Verständnis abgeleitet, welches dem mangelnden Konsens hinsichtlich eines operationalisierbaren Dynamic Capability-Konstrukts begegnen soll.59 Eine zusammenfassende Schlussfolgerung rundet diese Ausführungen ab. Der letzte Abschnitt des zweiten Kapitels dient letztlich der Ableitung der Forschungshypothesen, die es im weiteren Verlauf der Arbeit zu untersuchen gilt. Die Strukturierung dieses Kapitels erfolgt ergebnisgetrieben, so dass in Abschnitt 2.6.1 zunächst Zusammenhangshypothesen zu Dynamic Capability und Erfolg formuliert sind, bevor in den Abschnitten 2.6.2 und 2.6.3 Hypothesen bezüglich der Zusammenhänge zwischen individuellen Fähigkeiten und Dynamic Capability sowie zwischen individuellen Fähigkeiten und Erfolg aufgestellt werden. Abschnitt 2.6.4 baut auf den in den vorangehenden Abschnitten des Hypothesenkapitels angestellten Überlegungen auf und beinhaltet schließlich die zentrale Hypothese dieser Arbeit, welche auf den inkrementellen Beitrag von Dynamic Capability zum Erfolg von Zusammenschlüssen abzielt. Zur Überprüfung der Forschungshypothesen wurde eine umfangreiche experimentelle Laborstudie durchgeführt, auf welche im dritten Kapitel näher eingegangen wird. So werden zu Beginn des dritten Kapitels zunächst das Forschungsdesign und die wissenschaftstheoretische Fundierung diskutiert, bevor in Abschnitt 3.2 die verwendeten Erhebungsinstrumente beleuchtet werden. Bei der Vorstellung der Messinstrumente liegt der Schwerpunkt auf dem Computerprogramm Transform the Target zur Erhebung der abhängigen Variable Erfolg sowie auf dem Fragebogen zur Erhebung der unabhängigen Variable Dynamic Capability. Sowohl das Computerprogramm als auch der Fragebogen sind zwar grundsätzlich anderen Studien entlehnt; zu Zwecken der hier durchgeführten Untersuchung waren jedoch erhebliche Anpassungen und Weiterentwicklungen erforderlich. Deshalb sind jeweils ein Abschnitt der Ausgangsvariante, einer der Weiterentwicklung und einer der Voruntersuchung der Instrumente gewidmet. Außerdem erfolgt in diesem Zuge eine genaue Beschreibung, wie die 59
Ein mangelnder Konsens hinsichtlich eines operationalisierbaren Dynamic Capability-Konstrukts wird insbesondere von Williamson bemängelt. Vgl. Williamson (1999).
12
1 Einleitung
einzelnen Konstrukte in dieser Studie konkret operationalisiert worden sind. Um die Effekte von Dynamic Capabilities auf Erfolg isoliert betrachten zu können, wurden im Rahmen des Experiments weitere Variablen erfasst. Diese sind Gegenstand des Abschnitts „weitere Erhebungen“, welcher den Abschluss von Kapitel 3.2 bildet. Daran schließen in den Kapiteln 3.3 und 3.4 detaillierte Ausführungen zur Stichprobenkonstruktion und zur Untersuchungsdurchführung an. Zudem erfolgt in 3.5 eine Erörterung der Vorüberlegungen zu den verwendeten statistischen Verfahren. Im vierten Kapitel werden schließlich die Forschungsergebnisse dargelegt und diskutiert. So beginnt das vierte Kapitel mit einem Abschnitt zur Beschreibung der Stichprobe. Der darauf folgende Abschnitt 4.2 beinhaltet die Darlegung der Befunde zu den einzelnen Fragestellungen und Hypothesen, welche in Kapitel 4.3 letztlich übersichtlich zusammengefasst, in Beziehung zueinander gestellt und abschließend diskutiert werden. Das fünfte Kapitel ist einer zusammenfassenden Darstellung der in der vorliegenden Untersuchung gewonnenen Erkenntnisse gewidmet. Hierzu erfolgt zunächst ein Rückblick über die Arbeit, bevor auf Grenzen der Studie, Implikationen in Bezug auf den Anwendungskontext sowie Implikationen für zukünftige Forschungsaktivitäten eingegangen wird. Die folgende Abbildung fasst den Gang der Untersuchung noch einmal systematisch zusammen.
1.2 Aufbau der Arbeit
13
Kapitel 1
Einleitung
Kapitel 2
Theoretischer Bezugsrahmen und Ableitung von Forschungshypothesen
Kapitel 3
Experimentelle Studie Forschungsdesign und wissenschaftstheoretische Fundierung Erhebungsinstrumente Stichprobenkonstruktion Untersuchungsdurchführung Vorüberlegungen zu den verwendeten statistischen Verfahren
Kapitel 4
Forschungsergebnisse Beschreibung der Stichprobe Darstellung der Ergebnisse zu den einzelnen Fragestellungen und Hypothesen Zusammenfassung der Ergebnisse
Kapitel 5
Fazit Zusammenfassung der Arbeit Grenzen der Studie Implikationen in Bezug auf den Anwendungskontext Implikationen für die zukünftige Forschung
Abbildung 1: Gang der Untersuchung
2
Theoretischer Bezugsrahmen und Ableitung von Forschungshypothesen
2.1 Mergers & Acquisitions als Anlass organisationaler Veränderung Wie sich in der Einleitung gezeigt hat, erfordern Fusionen sowohl Flexibilität als auch Anpassungsfähigkeit der betroffenen Organisationen. Hier könnten Dynamic Capabilities durch die ihnen inhärente Wandlungsfähigkeit unter Umständen hilfreich sein. Vor diesem Hintergrund werden in diesem Kapitel nach einer Begriffsabgrenzung und Definition von Mergers & Acquisitions zunächst Veränderungen diskutiert, die Unternehmenszusammenschlüsse auf organisationaler Ebene bewirken, bevor Dynamic Capabilities im M&A-Kontext näher beleuchtet werden. Hierbei liegt der Schwerpunkt auf einer Betrachtung bisheriger Studien, die Dynamic Capabilities mit Mergers & Acquisitions in Verbindung bringen.
2.1.1 Begriffsabgrenzung und Definition von Mergers & Acquisitions In der deutschen Sprache gibt es kein Pendant für das Begriffspaar Mergers & Acquisitions.60 Zwar lässt es sich mit Unternehmenszusammenschlüsse und Unternehmensübernahmen übersetzen, aber auch diese Begriffe werden, aufgrund einer fehlenden Definition des Begriffes Unternehmen im deutschen Recht, uneinheitlich verwendet.61 So fasst Picot den Begriff Mergers & Acquisitions relativ weit, indem er neben Unternehmenskäufen beziehungsweise -verkäufen und Unternehmenszusammenschlüssen beispielsweise auch Börsengänge sowie Management Buy-Outs und Buy-Ins darunter subsumiert.62 Achleitner hingegen stellt heraus, dass sich Mergers & Acquisitions nach allgemeiner Auffassung auf „den Erwerb und die Veräußerung von Unternehmen, Unternehmensteilen oder Beteiligungen und die Eingliederung in den Unternehmensverbund des Erwerbers ggf. als Tochtergesellschaft (Acquisition) und die Verschmelzung (Fusion) zweier Unternehmen mit oder ohne vorherigen Anteils-
60 61
62
Vgl. Hinne (2008), S. 5. Eine detaillierte Übersicht zu Definitionen von Mergers & Acquisitions findet sich bei Becker (2005), S. 48ff. Vgl. Picot (2008b), S. 18ff. Ein solches weites Begriffsverständnis vertreten beispielsweise auch Ahern/Weston (2007), S. 5.
J. Wollersheim, Dynamic Capabilities im Kontext von Mergers & Acquisitions, DOI 10.1007/978-3-8349-8859-1_2, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
16
2 Theoretischer Bezugsrahmen und Ableitung von Forschungshypothesen
erwerb (Merger)“63 beschränken. Im weiteren Verlauf dieser Arbeit wird diese engere Begriffsabgrenzung nach Achleitner grundsätzlich zugrunde gelegt. Dabei soll auf eine exakte Abgrenzung zwischen Fusion und Unternehmenskauf beziehungsweise –verkauf jedoch verzichtet werden. So werden die Begriffe Fusion und Übernahme beziehungsweise Mergers & Acquisitions in dieser Arbeit, wie in der Forschungspraxis üblich,64 synonym verwendet.
2.1.2 Veränderungen auf Organisationsebene Die Diskussion über den mit Mergers & Acquisitions einhergehenden organisationalen Wandel wurde erstmalig Mitte der achtziger Jahre aufgegriffen.65 Dabei steht seit jeher die Unternehmenskultur im Fokus der Betrachtung. Der Begriff der Unternehmenskultur bezeichnet in diesem Zusammenhang „the sum total of all the shared, taken-forgranted assumptions that a group has learned throughout its history.”66 Angesichts der Tatsache, dass bei einer M&A-Transaktion unterschiedliche Unternehmenskulturen aufeinander treffen, ist es verständlich, dass diesem weichen Faktor – vor allem im Rahmen der Integrationsphase – ein erheblicher Einfluss auf den Erfolg einer Transaktion zugesprochen wird:67 Der Zusammenschluss zweier Unternehmen führt zunächst regelmäßig zu einer Kulturkrise. Die auftretenden Probleme resultieren dabei aus den kulturellen Unterschieden, die in der täglichen Arbeit immer wieder sichtbar werden.68 Um zu verdeutlichen, dass verschiedene Unternehmenskulturen aufeinander treffen, wird daher häufig von einem Culture Clash gesprochen.69 Dieser Culture Clash ruft bei den Mitarbeitern der betroffenen Unternehmen verschiedene emotionale Reaktionen hervor, die vielfach als Merger-Syndrom bezeichnet werden.70 So werden beispielsweise Differenzen zwischen dem eigenen und dem anderen Unternehmen 63 64
65 66
67
68 69 70
Achleitner (2002), S. 141. Vgl. Mititelu/Hunger (2009), S. 20; Cartwright/Schoenberg (2006), S. S1; Gupta/Gerchak (2002), S. 517; King et al. (2004), S. 187; Studt (2008), S. 15. Vgl. Vaara (2002), S. 213. Schein (1999), S. 29. Weitere Definitionen finden sich beispielsweise bei Trompenaars/HampdenTurner (2004), S. 22f.; Trompenaars/Hampden-Turner (1997), S. 6; Hofstede (2001), S. 9; Hofstede (1991), S. 18; Deal/Kennedy (2000), S. 4. Vgl. beispielsweise Walker/Price (2000), S. 7; Carleton/Lineberry (2004), S. 13; Trompenaars/ Woolliams (2004), S. 104; Jaeger (2001), S. 9; Picot (2008a), S. 498ff.; Bartels/Cosack (2008), S. 461f. Vgl. Haussmann (2002), S. 915. Vgl. beispielsweise Marks (1999), S. 15; Zimmer (2001), S. 2; Carleton/Lineberry (2004), S. 13. Vgl. beispielsweise Pribilla (2002), S. 446; Rohmert (1999), S. 48; Jansen/Pohlmann (2000), S. 33; Jaeger (2001), S. 52ff.
2.1 Mergers & Acquisitions als Anlass organisationaler Veränderung
17
stark wahrgenommen; es findet ein permanenter Vergleich zwischen den eigenen Leistungen und denen der anderen Kultur statt, wobei die eigenen als überlegen angesehen werden.71 Erzeugt wird das Merger-Syndrom insbesondere durch Verunsicherungen und Verängstigungen hinsichtlich der vermuteten Veränderungen.72 Vor diesem Hintergrund hängt der Erfolg einer Transaktion letztlich maßgeblich von der Anpassung der betroffenen Kulturen ab. Hierbei kommen als Ergebnis des Annäherungsprozesses vier Anpassungsformen in Betracht:73 Verhältnis der Unternehmen gut Assimilation
Integration
Dekulturation
Separation
schlecht gering
hoch
Ausmaß an Bewahrung der bisherigen Kultur
Abbildung 2: Mögliche Ergebnisse der Kulturanpassung (Quelle: in Anlehnung an Pribilla (2002), S. 461)
Die vier Anpassungsformen sind idealtypisch, das heißt, sie sind in der Praxis in dieser Form nicht notwendigerweise vorzufinden. Vielmehr arbeiten verschiedene Unternehmensbereiche unterschiedlich erfolgreich zusammen, was zu einer Mischung der Anpassungsformen führen kann.74 Lohninger betont jedoch, dass das Management der Unternehmen stets die Integration anstreben sollte.75 Dahingegen hält Pribilla den kulturellen Anpassungsprozess für erfolgreich abgeschlossen, „wenn die verbleibenden Unterschiede zwischen Mutter und Tochter, wie groß oder gering sie auch immer sein mögen, ohne größere Konflikte bestehen bleiben können.“76 Nahavandi/ Malekzadeh entwickelten hierzu ein Modell, welches den Erfolg der kulturellen Anpassung davon abhängig macht, ob beide Unternehmen jeweils die gleiche Anpas71 72 73
74 75 76
Vgl. Jansen/Pohlmann (2000), S. 33f. Vgl. Rohmert (1999), S. 48. Vgl. beispielsweise Nahavandi/Malekzadeh (1988), S. 82f.; Pribilla (2002), S. 461f.; Lohninger (2001), S. 400ff.; Haussmann (2002), S. 915f. Vgl. Haussmann (2002), S. 916. Vgl. Lohninger (2001), S. 402. Pribilla (2002), S. 460.
18
2 Theoretischer Bezugsrahmen und Ableitung von Forschungshypothesen
sungsform anstreben. Ähnlich wie Pribilla gehen auch sie davon aus, dass durch die Kongruenz hinsichtlich der gewünschten Anpassungsform Spannungen vermieden werden, so dass gegebenenfalls auch unterschiedliche Kulturen ohne größere Konflikte nebeneinander bestehen können.77 Eng mit dem Aufeinandertreffen verschiedener Unternehmenskulturen hängt die Tatsache zusammen, dass es im Zuge eines Unternehmenszusammenschlusses unterschiedliche Arbeitsweisen zu vereinbaren gilt. So bilden sich in den einzelnen Abteilungen der jeweiligen Unternehmen mit der Zeit Routinen, um die anstehenden Aufgaben möglichst effizient erledigen zu können.78 Im Falle einer Fusion treffen diese Abteilungen – und somit auch die unterschiedlichen Arbeitsweisen, die sich in der Vergangenheit etabliert haben – aufeinander. Analog zum Vergleich der Unternehmenskulturen erfolgt zunächst zwar ein Abgleich der verschiedenen Problemlösungsmechanismen; aufgrund des engen Zusammenhangs mit der Unternehmenskultur scheint es dabei allerdings plausibel anzunehmen, dass die betroffenen Abteilungen ihre eigenen Handlungsmuster als geeigneter empfinden als jene der anderen Abteilung.79 Sofern die Mitarbeiter eines Unternehmens in der Folge an ihren eigenen Vorgehensweisen festhalten, wird der Integrationsprozess erheblich erschwert. Dennoch bringt der Anpassungsprozess langfristig das Erfordernis mit sich, Routinen aufzubrechen, „wozu ‚Verlernen’ (Zerstören) der […] vorhandenen Routinen notwendig ist.“80 Ziel des Aufbrechens der bestehenden Handlungsmuster ist es, entweder die Vorgehensweisen des anderen Unternehmens zu adaptieren oder aber gemeinsam neue Problemlösungsmechanismen zu entwickeln. Letzteres bringt permanente Weiterentwicklungen, Verbesserungen oder Vereinfachungen mit sich, wodurch mit der Zeit neue gemeinsame Routinen entstehen. Buchner/Hofmann/ Magnus stellen in diesem Zusammenhang fest, dass die mit einem Unternehmenszusammenschluss einhergehenden Veränderungen erst als abgeschlossen angesehen werden können, wenn sie zu etablierten Routinen geworden sind.81 Die so entstandenen Handlungsmuster repräsentieren „das Saatkorn für neue Veränderungen.“82 In diesem Zusammenhang bleibt abschließend anzumerken, dass der Harmonisierungs77 78
79 80 81 82
Vgl. Nahavandi/Malekzadeh (1988), S. 84ff. Vgl. Grant (1991), S. 122 in Verbindung mit Pentland/Rueter (1994), S. 486ff.; Narduzzo/Rocco/ Warglien (2002), S. 46. Vgl. Jansen/Pohlmann (2000), S. 33f. Güttel (2006a), S. 400. Vgl. Buchner/Hofmann/Magnus (2001), S. 22. Buchner/Hofmann/Magnus (2001), S. 142.
2.1 Mergers & Acquisitions als Anlass organisationaler Veränderung
19
aufwand mit zunehmender Divergenz der jeweils etablierten Handlungsmuster steigt, was wiederum mit einem erhöhten Misserfolgsrisiko der Transaktion einhergeht.83 Sowohl die Notwendigkeit von Veränderungen einer Unternehmenskultur als auch das Erfordernis von operativen Routinen betreffen aber nicht nur die organisationale Ebene; vielmehr sind in solche Anpassungsprozesse jeweils die Mitarbeiter beider Unternehmen involviert.84 Inwieweit die Mitarbeiter den mit dem jeweiligen Unternehmenszusammenschluss einhergehenden Veränderungen positiv gegenüber stehen, variiert dabei stark. So lassen sich die Mitarbeiter grundsätzlich einer von drei Kategorien zuordnen: diejenigen, die Widerstand leisten und sich nicht anpassen können oder wollen; diejenigen, die zunächst zwar Widerstand leisten, grundsätzlich aber die Fähigkeit besitzen, ihre Ansicht zu ändern, und diejenigen, die dem Wandel von vornherein positiv gegenüberstehen.85 Angesichts dessen, dass ein Unternehmenszusammenschluss mit weitreichenden Veränderungen verbunden ist,86 erscheint es verständlich, dass den Mitarbeitern und somit dem Personalthema im Hinblick auf die Diskussion über mögliche Erfolgsfaktoren von Unternehmenszusammenschlüssen ebenfalls eine große Bedeutung zukommt.87 Zusammenfassend bringen die Veränderungen damit zum einen die Notwendigkeit einer Integration der Prozesse beider Unternehmen mit sich; zum anderen gehen sie mit dem Erfordernis einer Integration auf Mitarbeiterebene einher; denn individuelle Widerstände wirken der erfolgreichen Implementierung von Veränderungen ebenso entgegen wie kollektive Widerstände, welche sich etwa in Form des Festhaltens an etablierten Routinen äußern können.88 Insofern gelten „task integration“89 und „human integration“90 als wesentliche Voraussetzungen für den Erfolg einer M&A-Trans-
83
Vgl. Gerds/Schewe (2009), S. 94f. Teilweise wird in diesem Zusammenhang davon ausgegangen, dass der Harmonisierungsaufwand mit zunehmendem Grad der Integration steigt. Vgl. Zollo/Singh (2004), S. 1240. 84 Vgl. Waas (2005). 85 Vgl. Corwin/Weinstein/Sweeney (1991), S. 49. 86 Vgl. Corwin/Weinstein/Sweeney (1991), S. 48. 87 Siehe beispielsweise Buono/Bowditch (1990), S. 22; Ligorner (2007), S. 24ff.; Walker/Price (2000), S. 6. 88 Vgl. Studt (2008), S. 33. 89 Birkinshaw/Bresman/Håkanson (2000), S. 400. 90 Birkinshaw/Bresman/Håkanson (2000), S. 400.
20
2 Theoretischer Bezugsrahmen und Ableitung von Forschungshypothesen
aktion.91 Dabei kann die Unternehmenskultur als übergreifendes Phänomen gesehen werden, welches beide Integrationsbereiche gleichermaßen betrifft.92 Obwohl die Bedeutung der Human und der Task Integration für den Erfolg einer M&A-Transaktion erkannt wurde, sind auf diesen Zusammenhang abzielende empirische Studien bislang kaum vorzufinden. Vielmehr stellt die Erfolgsfaktorenforschung bisher auf finanzielle Aspekte ab, so dass etwa der Frage nachgegangen wird, inwieweit das zum Erwerb eines Unternehmens verwendete Zahlungsmittel (Bargeld versus Aktien) den Erfolg der Transaktion beeinflusst.93 In der Regel erfolgt die Erfolgsmessung von Unternehmenszusammenschlüssen hierbei als ex post Betrachtung.94 Sie beschränkt sich derzeit im Wesentlichen auf vier Methoden: die Analyse von Jahresabschlüssen, die Untersuchung von Desinvestitionen zuvor getätigter Akquisitionen, kapitalmarktorientierte Ereignisstudien und die Befragung betroffener Manager.95 Während die drei erstgenannten Methoden grundsätzlich als objektiv einzustufen sind, handelt es sich bei der Befragung von Managern um eine Vorgehensweise, welche rein subjektive Daten liefert. Hier ist insbesondere kritisch anzumerken, dass Ergebnisse komplexer sozialer Veränderungsprozesse in unterschiedlicher Art und Weise wahrgenommen werden können. So kann die PostMerger-Integration aus Sicht eines Managers beispielsweise zu Synergieeffekten führen, während die Mitarbeiter eines Unternehmens damit in der Regel den Abbau von Arbeitsplätzen assoziieren.96 Metaanalysen kommen zu dem Ergebnis, dass die bisherigen, im Wesentlichen auf Basis dieser Methoden durchgeführten empirischen Studien nicht in der Lage sind, die für den Erfolg eines Unternehmenszusammenschlusses wirklich relevanten Variablen zu identifizieren.97 Deshalb wird gefordert, künftig andere mögliche Einflussfaktoren in Studien einzubeziehen, wobei vor allem nichtfinanzielle Dimensionen, wie etwa organisationale Aspekte, Berücksichtigung finden sollten.98 Einen solchen weiteren Einflussfaktor könnten Dynamic Capabilities darstellen. So scheint die dem Dynamic Capability-Konstrukt inhärente Veränderungsfähigkeit insbesondere im Hinblick auf das Aufbrechen und die Neubildung von 91
92 93 94 95 96 97 98
Vgl. Birkinshaw/Bresman/Håkanson (2000), S. 395ff.; Goh (2001), S. 152f.; Nikandrou/ Papalexandris (2007), S. 159. Vgl. Birkinshaw/Bresman/Håkanson (2000), S. 395ff. Vgl. King et al. (2004), S. 198. Vgl. Muehlfeld/Sahib/van Witteloostuijn (2007), S. 111. Vgl. Hinne (2008), S. 84ff.; Picken (2003), S. 54ff.; Meckl/Sodeik/Fischer (2006), S. 165ff. Vgl. Vaara (2002), S. 217. Vgl. King et al. (2004), S. 188; Stahl/Voight (2004), S. I4. Vgl. Cartwright/Schoenberg (2006), S. S4.
2.1 Mergers & Acquisitions als Anlass organisationaler Veränderung
21
Routinen hilfreich. Vor diesem Hintergrund geht der nächste Abschnitt der Frage nach, inwieweit Dynamic Capabilities bisher im Kontext von Mergers & Acquisitions untersucht wurden.
2.1.3 Dynamic Capability als potenzieller Erfolgsfaktor Bislang wurde das Dynamic Capability-Konzept nur vereinzelt mit Unternehmensakquisitionen oder -zusammenschlüssen in Verbindung gebracht. Dabei existieren einerseits Artikel, die Mergers & Acquisitions lediglich als mögliches Anwendungsgebiet hervorheben, ohne etwaige Analysen durchzuführen;99 andererseits gibt es bereits einzelne umfangreiche Studien, in denen Dynamic Capabilities im M&A-Kontext untersucht werden.100 Einige dieser Studien widmen sich unter Rückgriff auf das Dynamic Capability-Konzept der Frage, inwieweit die Transaktionserfahrung eines Unternehmens den Erfolg von Mergers & Acquisitions beeinflusst.101 Es wird davon ausgegangen, dass mehrfach in M&A-Transaktionen involvierte Unternehmen mit der Zeit eine „M&A-Kompetenz“102 aufbauen, welche aus der Überführung von regelmäßig auftretenden Tätigkeiten in Routinen resultiert. In einzelnen empirischen Studien konnte die Existenz von Erfahrungskurveneffekten nicht belegt werden, so dass sie von manchen Wissenschaftlern abgelehnt wird.103 Als Hauptgrund für die Ablehnung der Existenz von Erfahrungskurveneffekten wird die Heterogenität von unregelmäßig auftretenden Unternehmenszusammenschlüssen angeführt, welche die Übertragbarkeit gesammelter Erfahrung auf aktuell anstehende Transaktionen erschwert.104 Trotz widersprüchlicher Ergebnisse gibt es allerdings zunehmend Belege dafür, dass die erfahrungsbasierte Bildung bestimmter Fähigkeiten positiv auf den Transaktionserfolg wirkt.105 Im Hinblick auf das Dynamic CapabilityKonzept selbst betonen Roy/Roy: „Dynamic capabilities can be generated or evolve through direct experience or from the experience of others through organizational
99 100
101
102 103 104 105
Vgl. beispielsweise Helfat/Peteraf (2003), S. 1007; Eisenhardt/Martin (2000), S. 1109. Vgl. beispielsweise Helfat et al. (Hrsg.) (2007), S. 80ff.; Keil (2004); Meyer/Lieb-Dóczy (2003); Roy/Roy (2004); Voss (2008); Zollo/Singh (2004). Siehe hierzu beispielsweise Zollo/Singh (2004). Zudem finden sich Studien, die diesen Zusammenhang speziell für Allianzen untersuchen, bei Zollo/Reuer/Singh (2002); Heimeriks (2009); Heimeriks/Duysters (2007); Heimeriks/Duysters/Vanhaverbeke (2007). Müller-Stewens (2006), S. 176. Vgl. Haleblian/Finkelstein (1999), S. 30ff. Siehe hierzu auch Haleblian/Finkelstein (1999), S. 29ff.; Hayward (2002), S. 21ff. Vgl. Heimeriks/Duysters/Vanhaverbeke (2007), S. 374; Heimeriks/Gates/Zollo (2008), S. R9.
22
2 Theoretischer Bezugsrahmen und Ableitung von Forschungshypothesen
learning processes.”106 Ähnlich kommt auch Voss in ihrer Untersuchung unter Rückgriff auf das organisationale Lernen zu dem Schluss, dass ein positiver Zusammenhang zwischen M&A-Fähigkeit und Transaktionserfahrung besteht.107 Die Bezugnahme zum organisationalen Lernen ist in diesem Kontext weit verbreitet. Dabei stellen die bisherigen Studien in der Regel jedoch lediglich auf die mit der Erfahrung einhergehende Routinenbildung ab, während etwa Feedback durch den Erfolg vorausgehender Transaktionen außen vor bleibt.108 Damit findet die der Dynamic Capability inhärente Veränderungsfähigkeit in bisherigen beziehungsweise (wenn überhaupt) nur indirekt Berücksichtigung.
Studien
kaum
Weitere Studien, die Dynamic Capabilities mit Mergers & Acquisitions in Verbindung bringen, zielen auf die mit M&A-Transaktionen einhergehende Erweiterung der Ressourcenbasis eines Unternehmens ab.109 Gammelgaard spricht in diesem Zusammenhang sogar von „competence-based acquisitions.“110 Dieser Terminus soll verdeutlichen, dass die Beurteilung der Kompetenzen eines Unternehmens maßgeblich zu der Entscheidung beiträgt, ob es sich als Zielgesellschaft eignet.111 Eine interessante Studie darüber, wie Organisationen Unternehmensübernahmen nutzen, um neue Ressourcen zu erlangen, findet sich beispielsweise bei Helfat et al.112 Die Autoren sprechen von akquisitionsbasierten Dynamic Capabilities, welche sich aus „acquisition selection, identification, and reconfiguration capabilities“113 zusammensetzen. Dabei bezieht sich die Acquisition Selection Capability auf die Fähigkeit einer Organisation zu erkennen, ob eine M&A-Transaktion geeignet ist, um die eigene Ressourcenbasis zu erweitern. Die Acquisition Identification Capability geht der Frage nach, inwieweit ein Unternehmen in der Lage ist, eine umfangreiche Due Diligence durchzuführen, um die Identifikation passender Zielgesellschaften sicherzustellen; und die Acquisition Reconfiguration Capability zielt schließlich auf die Fähigkeit einer Organisation ab, die Ressourcen innerhalb der zusammengeschlossenen Unternehmen optimal zu nutzen, indem etwa bereits bestehende Ressourcen zu neuen kombiniert werden. 106 107 108
109 110 111 112 113
Roy/Roy (2004), S. 8. Vgl. Voss (2008), S. XVII. Vgl. Haleblian/Kim/Rajagopalan (2006), S. 357. Diese Autoren führten eine erste Studie durch, in welcher der Einfluss des Erfolgs vorheriger Transaktionen berücksichtigt wird. Sie bringen ihre Untersuchung allerdings nicht direkt mit dem Dynamic Capability-Konzept in Verbindung. Siehe hierzu beispielsweise Helfat et al. (Hrsg.) (2007), S. 80ff.; Güttel (2003). Gammelgaard (2004), S. 45. Vgl. Gammelgaard (1999), S. 3ff. Siehe hierzu Helfat et al. (Hrsg.) (2007), S. 80ff. Helfat et al. (Hrsg.) (2007), S. 81.
2.1 Mergers & Acquisitions als Anlass organisationaler Veränderung
23
Obwohl Helfat et al. durch die Spezifizierung des Begriffs der akquisitionsbasierten Dynamic Capabilities einen wertvollen Beitrag zur Weiterentwicklung des Dynamic Capability-Konzepts im M&A-Kontext liefern, bleibt eine tiefere Analyse des Wirkungszusammenhangs mit dem Erfolg von Mergers & Acquisitions aus. Bei näherer Betrachtung der bislang existierenden Studien fällt zudem auf, dass diese die grundsätzliche Idee des Dynamic Capability-Konzepts ausnahmslos nutzen, ohne Dynamic Capabilities an sich einer umfassenden Untersuchung zu unterziehen. Es wird eher auf Begrifflichkeiten abgestellt, während eine Diskussion von Dynamic Capability im Kontext der Organisationsentwicklung beziehungsweise bezüglich des Themas Personal außen vor bleibt. So legen bisherige Studien im Kern andere Forschungsfragen zugrunde. Voss greift beispielsweise auf das Dynamic CapabilityKonzept zurück, um M&A-Capabilities zu definieren, untersucht jedoch primär, ob „Unternehmen im Laufe ihrer Akquisitionsstrategien unterschiedliche Arten von M&A-Fähigkeit entwickeln.“114 Ein direkter Bezug zu Dynamic Capability im Sinne der Fähigkeit, bestehende Routinen anpassen beziehungsweise aufbrechen und gegebenenfalls entsprechende neue Routinen bilden zu können, ist hier nicht erkennbar. Wie in Abschnitt 2.1.2 ausgeführt, lösen M&A-Transaktionen jedoch erhebliche Veränderungen sowohl auf Mitarbeiter- als auch auf Abteilungs- und Organisationsebene aus, welche häufig das Abweichen von Routinen erfordern. Hier könnten Dynamic Capabilities erfolgsförderlich wirken, so dass deren eingehende Untersuchung unumgänglich erscheint, um Rückschlüsse darüber ziehen zu können, wie sie konkret auf den Erfolg von M&A-Transaktionen wirken. Eine weitere Auffälligkeit der bislang existierenden Studien besteht darin, dass sie ausschließlich konzeptionell ausgerichtet sind oder qualitative Ansätze zur Untersuchung ihrer Forschungsfrage wählen.115 Angesichts der hohen Misserfolgsraten von Mergers & Acquisitions erscheint eine Ergänzung bisheriger Forschungsbemühungen durch eine quantitative Vorgehensweise jedoch angemessen.116 Vor diesem Hintergrund wird das Dynamic Capability-Konzept im Folgenden grundlegend aufgearbeitet.
114 115
116
Voss (2008), S. XVIII. Vgl. beispielsweise Helfat et al. (Hrsg.) (2007), S. 80ff.; Keil (2004); Meyer/Lieb-Dóczy (2003); Roy/Roy (2004); Voss (2008). Zu den hohen Misserfolgsraten von Mergers & Acquisitions siehe beispielsweise Carleton/ Lineberry (2004), S. 8ff.; Jansen (2005), S. 531; Schoenberg (2006), S. 368; Strähle (2004), S. 68ff.
24
2 Theoretischer Bezugsrahmen und Ableitung von Forschungshypothesen
Dabei wird das Ziel verfolgt, ein theoretisch fundiertes, operationalisierbares Verständnis ableiten zu können.
2.2 Grundlagen des Dynamic Capability-Konzepts
2.2.1 Ressourcenorientierte Perspektive als Ausgangspunkt Bei der Dynamic Capability-Perspektive handelt es sich um einen betriebswirtschaftlichen Erklärungsansatz unternehmerischen Erfolgs, so dass sie dem Bereich des strategischen Managements zuzuordnen ist.117 Die Erfolgsfaktorenforschung ist in der Wissenschaft weit verbreitet, obwohl sie teilweise grundlegend kritisiert wird.118 Dabei geht die Literatur zum strategischen Management davon aus, dass solche Unternehmen erfolgreich sind, die strategische Wettbewerbsvorteile erlangen können.119 Zur Erklärung strategischer Wettbewerbsvorteile und deren Ursachen wird in der Regel auf den marktorientierten oder den ressourcenorientierten Ansatz zurückgegriffen.120 Das Forschungsfeld wurde lange Zeit durch die marktorientierte Perspektive121 dominiert, während „man heute von einer Dominanz ressourcenorientierter Ansätze des strategischen Managements sprechen [kann].“122 Der ressourcenorientierte Ansatz (auch als ressourcenbasierter Ansatz oder Resource-based View bezeichnet)123 geht im Wesentlichen auf Penrose124 und Wernerfelt125 zurück. Im Gegensatz zum marktorientierten Ansatz werden hier die Ursachen des Erfolgs nicht im Umfeld einer Organisation, sondern im Unternehmen selbst gesucht; denn der Erfolg eines Unternehmens wird bei dieser „Innen-Außen-Perspektive“126 auf eine
117 118
119 120
121 122 123
124 125 126
Vgl. Nicolai/Kieser (2002), S. 580. Zur Kritik an der Erfolgsfaktorenforschung siehe beispielsweise Nicolai/Kieser (2002), S. 579ff.; March/Sutton (1997), S. 698ff. Im Rahmen dieser Arbeit ist die dort dargelegte Kritik weniger relevant, da diese primär auf methodische Schwächen abzielt, welche mit der Erhebung in der Praxis einhergehen. Vgl. beispielsweise Hungenberg (2004), S. 16f. Vgl. beispielsweise Friedrich/Matzler/Stahl (2002), S. 30; Hungenberg (2004), S. 101; Duschek/ Sydow (2002), S. 426; Probst et al. (2000), S. 70ff.; Gagnon (1999), S. 125; Barney (1995), S. 49. Zum marktorientierten Ansatz siehe beispielsweise Porter (2004a; 2004b; 1999). Duschek/Sydow (2002), S. 426. Vgl. beispielsweise Eberl/Franke/Hofbauer (2006), S. 187; Srivastava (2005), S. 50; Barney (1996), S. 469; Rotem/Amit (1996), S. 56. Siehe hierzu Penrose (1995), S. 24. Siehe hierzu Wernerfelt (1984), S. 171ff. Raich (2002), S. 347.
2.2 Grundlagen des Dynamic Capability-Konzepts
25
entsprechend gute Ausstattung mit Ressourcen127 und Fähigkeiten zurückgeführt. Es wird also davon ausgegangen, dass sich Unternehmen hinsichtlich ihrer Ressourcen und Fähigkeiten unterscheiden, so dass ein etwaiger Erfolg branchenunabhängig in dem jeweiligen Unternehmen selbst begründet liegt.128
Absatz am Markt
Erfolg neue Produkte
Transformation in Produkte Verteidigungsfähigkeit
nachhaltige Wettbewerbsvorteile einzigartige Ressourcenbündel (z.B. Kernkompetenzen)
Allokation Ressourcen
Abbildung 3: Die Ressourcenperspektive (Quelle: in Anlehnung an Fitzek (2002), S. 7)
Dabei kommt nicht allen Ressourcen die gleiche Bedeutung zu. 129 Vielmehr stellt Barney heraus, dass Ressourcen bestimmte Eigenschaften erfüllen müssen, damit sie zum Erfolg eines Unternehmens beitragen können.130 Demzufolge liegen so genannte strategische Ressourcen nur vor, wenn die in der Literatur häufig aufgegriffenen VRIN-Kriterien erfüllt sind.131 VRIN (valuable, rare, inimitable, non-substitutable) steht für die diversen Anforderungen, die an eine strategische Ressource gestellt werden. So sind strategische Ressourcen durch ihren Wert sowie durch ihre Seltenheit gekennzeichnet und dürfen zugleich weder imitierbar noch substituierbar sein. Zudem stellt Barney die Bedeutung der Organisation für den Unternehmenserfolg heraus: Das von den zuvor genannten Faktoren abhängige Erfolgspotenzial eines Unternehmens kann nur realisiert werden, wenn die Organisation entsprechend gestaltet ist. Unter 127
128 129 130 131
Eine ausführliche Diskussion des Begriffes Ressource findet sich zum Beispiel bei Freiling (2002), S. 5ff. Vgl. Wernerfelt (2005), S. 17; Hungenberg (2004), S. 137; Freiling (2001), S. 5f. Vgl. Galbreath/Galvin (2004), S. L2. Siehe hierzu Barney (1991), S. 99ff. Vgl. beispielsweise Sahaym (2005), S. M3; Bowman/Ambrosini (2003), S. 291f.; Griffith/Harvey (2001), S. 598f.; Barney/Wright/Ketchen (2001), S. 625; Lawson/Samson (2001), S. 379; Probst et al. (2000), S. 70.
26
2 Theoretischer Bezugsrahmen und Ableitung von Forschungshypothesen
Organisation fasst Barney dabei unter anderem die Gehaltspolitik und formale Reporting-Strukturen zusammen.132 In der Wissenschaft finden sich diverse Klassifizierungen der ressourcenbasierten Perspektive beziehungsweise etwaige Weiterentwicklungen desselben Ansatzes. Duschek/Sydow differenzieren etwa zwischen unternehmensinternen und unternehmensexternen Ansätzen, wobei sie unter unternehmensexternen Perspektiven den Relational View133 sowie das damit einhergehende Verständnis kooperativer Kernkompetenzen134 subsumieren.135 Diese Abgrenzung erscheint jedoch unscharf, da bei unternehmensexternen Ansätzen nicht nur das Unternehmen und seine Ressourcen im Fokus der Betrachtung stehen, sondern zusätzlich das Umfeld eines Unternehmens; denn hier kommt interorganisationalen Beziehungen eine große Bedeutung zu.136 Somit beinhaltet dieses Verständnis wesentliche Aspekte der marktorientierten Denkweise und ist eher als eine Mischform aus markt- und ressourcenorientiertem Ansatz zu beurteilen. Freiling wählt zur Beschreibung der ressourcenorientierten Perspektive eine in Phasen untergliederte Darstellung, welche bereits mit der Vorgeschichte beginnt und mit der Phase des kompetenzbasierten strategischen Managements endet. Hier werden also nicht nur die Eigenschaften des Ansatzes herausgearbeitet, sondern Hintergründe und Entwicklungsrichtungen beleuchtet.137 Dahingegen behandeln einige Autoren die Weiterentwicklungen der ressourcenorientierten Perspektive als separate Ansätze. So sieht etwa Grant den wissensorientierten Ansatz als eigene Denkrichtung, wobei er allerdings einräumt, dass dieser maßgeblich auf der ressourcenorientierten Perspektive basiert.138 Ebenso stellen Müller-Stewens/Lechner zwar fest, dass es sich bei dem wissensorientierten und dem fähigkeitsorientierten Ansatz um Fortführungen der ressourcenorientierten Denkweise handelt, trotzdem grenzen sie diese voneinander ab.139 Dabei heben sie vor allem die unterschiedlichen Analyseeinheiten und Sichtweisen des Unternehmens sowie die verschiedenen Ursachen für Wettbewerbsvorteile hervor.
132 133 134 135 136 137 138 139
Vgl. Barney (2001), S. 171f.; Barney (1995), S. 56. Siehe hierzu Dyer/Singh (1998), S. 660ff. Siehe hierzu Duschek (1998), S. 230ff. Vgl. Duschek/Sydow (2002), S. 426ff. Vgl. Duschek/Sydow (2002), S. 428. Siehe hierzu Freiling (2001), S. 29ff. Vgl. Grant (1997), S. 450; Grant (1996), S. 110. Vgl. Müller-Stewens/Lechner (2001), S. 279ff.
2.2 Grundlagen des Dynamic Capability-Konzepts Ressourcenorientierter Ansatz
27
Fähigkeitsorientierter Ansatz
Wissensorientierter Ansatz
Intellektuelle Wurzeln
z.B. Wernerfelt, Barney, Penrose
z.B. Penrose, Chandler, Schumpeter
z.B. Nonaka, Grant, Spender
Sichtweise der Firma
Firmen sind einzigartige Ansammlungen von Ressourcen
Firmen sind Bündel von Fähigkeiten, die Ressourcen einsetzen
Firmen sind soziale Einheiten von Wissen
Analyseeinheit
Ressource
Fähigkeit
Wissen
Ursache für Wettbewerbsvorteile
Wertvolle, seltene, nicht imitierbare und nichtsubstituierbare Ressourcen
Die Fähigkeit, Ressourcen unter der Kontrolle der Firma sinnvoll einzusetzen
Firmenspezifisches Wissen und der Umgang damit
Tabelle 1: Ressourcen-, Fähigkeits- und Wissensorientierter Ansatz im Vergleich (Quelle: in Anlehnung an Müller-Stewens/Lechner (2001), S. 284)
Zu einem tieferen Verständnis der vorliegenden Untersuchung trägt eine gesonderte Darstellung der Vielzahl an Weiterentwicklungen des ressourcenorientierten Ansatzes wenig bei. Deshalb wird an dieser Stelle lediglich der Kernkompetenzansatz von Prahalad/Hamel140 kurz angesprochen, welcher maßgeblich zur Verbreitung der ressourcenorientierten Perspektive beigetragen hat:141 Gemäß Prahalad/Hamel sind Kernkompetenzen insbesondere dadurch gekennzeichnet, dass sie nicht nur auf ein Geschäftsfeld beschränkt sind, sondern sich vielmehr auf unterschiedlichen, auch zukünftigen Märkten einsetzen lassen.142 Dahingegen kommt den komplementären Kompetenzen (zum Beispiel Vertrieb) lediglich eine ergänzende Funktion zu: Hierbei handelt es sich um Fähigkeiten, die nicht den Kern eines Unternehmens betreffen, seine Arbeit jedoch unterstützen, indem sie eine koordinierte, effektive und effiziente Aufgabenerledigung ermöglichen. Das Konzept der Kernkompetenzen dient als zentrales Bindeglied zwischen dem ressourcenorientierten Ansatz und den organisatorischen Lerntheorien.143 Dies wird besonders an einer Definition von Prahalad/Hamel deutlich, in der Kernkompetenzen unter anderem als „the collective learning in the organization“144 beschrieben werden. Ähnlich wie Barney bezeichnen Prahalad/ 140 141 142 143 144
Siehe hierzu Prahalad/Hamel (1990), S. 79ff. Vgl. Friedrich/Matzler/Stahl (2002), S. 30; Gagnon (1999), S. 126. Vgl. Prahalad/Hamel (1990), S. 83. Siehe hierzu auch Welge/Al-Laham (2003), S. 50f.; Probst et al. (2000), S. 70ff. Prahalad/Hamel (1990), S. 82.
28
2 Theoretischer Bezugsrahmen und Ableitung von Forschungshypothesen
Hamel solche Ressourcen als Kernkompetenzen, die potenziell den Zugang zu vielen Märkten eröffnen, wertvoll für die Kunden und schwer zu imitieren sind.145 Die Autoren weisen explizit darauf hin, dass sich Kernkompetenzen im Gegensatz zu physischen Vermögensgegenständen nicht abnutzen, sondern durch Anwendung zusätzlich an Wert gewinnen; deshalb ist es auch erforderlich, dass Kernkompetenzen erhalten und gefördert werden.146 Der langandauernde Prozess des organisationalen Lernens führt dazu, dass diverse organisationale Ressourcen (zum Beispiel Arbeitskräfte, Technologien usw.) gebündelt und zu Kompetenzen verknüpft werden. Ist die Kombination der Ressourcen hinreichend komplex, so vermag die Konkurrenz es nicht, diese nachzuvollziehen; somit kann hier ein nachhaltiger Wettbewerbsvorteil entstehen.147 Eine nähere Betrachtung des ressourcenorientierten Ansatzes zeigt, dass dieser keine konträre, sondern eine komplementäre Sichtweise zur marktorientierten Perspektive darstellt.148 In der Literatur wird die Notwendigkeit einer Integration von ressourcenund marktorientiertem Ansatz bereits hervorgehoben.149 Freiling stellt in diesem Zusammenhang fest, dass erste Tendenzen einer Integration der beiden Perspektiven hin zu einem umfassenderen Ansatz zu erkennen sind.150 Ebenso betonen Barney/ Zajac: „The competitive value of these phenomena cannot be understood independent of the specific strategies a firm is pursuing, nor independent of the specific competitive context within which a firm operates.“151 Dennoch wird der ressourcenorientierte Ansatz in der Literatur zum Teil kritisiert:152 Einerseits werden die widersprüchlichen Annahmen bemängelt; denn die ressourcenorientierte Perspektive „implicitly adopts many assumptions from traditional economics, […] [which] clash with the RBVs liberal use of assumptions of bounded rationality.“153 Andererseits gilt das zentrale Konstrukt des Ansatzes – die Ressource – als unklar und widersprüchlich.154 So 145 146 147 148
149 150 151 152
153 154
Vgl. Prahalad/Hamel (1990), S. 83f. Vgl. Prahalad/Hamel (1990), S. 82. Vgl. Probst et al. (2000), S. 71. Vgl. Hungenberg (2004), S. 137; Fitzek (2002), S. 8; Friedrich/Matzler/Stahl (2002), S. 34; Keuper (2001), S. 28. Vgl. Wolf, J. (2003), S. 435. Zur Konvergenz der beiden Ansätze siehe auch Rasche (2002). Vgl. Freiling (2001), S. 11. Barney/Zajac (1994), S. 6. Siehe beispielsweise Priem/Butler (2001a), S. 25ff.; Priem/Butler (2001b), S. 57ff.; Bromiley/ Fleming (2002), S. 321ff.; Träger (2006), S. 38f.; Moldaschl (2007), S. 10; Foss/Knudsen/ Montgomery (1995), S. 1ff.; Freiling/Gersch/Goeke (2006), S. 7f. Bromiley/Fleming (2002), S. 321. Vgl. Bromiley/Fleming (2002), S. 324; Foss/Knudsen/Montgomery (1995), S. 1ff.
2.2 Grundlagen des Dynamic Capability-Konzepts
29
definiert Barney Ressourcen zum Beispiel als nicht handelbar,155 während Amit/Schoemaker feststellen, dass „[r]esources consist inter alia, of know how that can be traded“156, und Wernerfelt sich bei der Darlegung seines Begriffsverständnisses jeglichen Kommentars bezüglich der Handelbarkeit von Ressourcen enthält.157 Hinsichtlich der Definition von Ressourcen weisen manche Autoren zudem auf die Tautologie hin, welche daraus resultiert, dass Ressourcen und Erfolg nicht als separate Konstrukte behandelt werden.158 Des Weiteren kritisieren einzelne Autoren, dass die ressourcenorientierte Perspektive nicht in der Lage ist zu erklären, wie der Prozess zur Gewinnerzielung konkret abläuft. In diesem Zusammenhang wird ein Erklärungsansatz gefordert, welcher sowohl verdeutlicht, wie Ressourcen in marktbezogenes Verhalten übersetzt werden können, als auch, wie dieses marktbezogene Verhalten in Gewinn umgewandelt werden kann.159 Auf den Mangel an kausalen beziehungsweise prozessualen Argumenten wird außerdem die Schwierigkeit zurückgeführt, eindeutige und empirisch überprüfbare Vorhersagen treffen zu können. So liefert der ressourcenorientierte Ansatz nur wenige empirische Aussagen, die ihn von anderen Theorien unterscheiden.160 Diese Kritikpunkte können zumindest teilweise darauf zurückgeführt werden, dass bei der Konzeption der Perspektive darauf verzichtet wurde, wissenschaftstheoretisch fundierte Grundlagen zu erarbeiten.161 So betonen Foss/Knudsen, dass es sich bei dem Ansatz um ein Gebilde handelt, „that was built by a few key contractors on a tight completion deadline and on the basis of somewhat different inputs.”162 Doch obwohl auch Priem/Butler in einer Studie zu dem Ergebnis kommen, dass die Perspektive derzeit die Kriterien einer Theorie nicht zu erfüllen vermag, sind sie der Meinung, dass durchaus Potenzial besteht, die Herausforderungen zu meistern und mithilfe zusätzlicher konzeptioneller Arbeiten künftig einen Theoriestatus zu erlangen.163 Insofern erscheint es interessant zu sehen, inwieweit die hier angeführten Kritikpunkte im Rahmen des Dynamic Capability-Ansatzes aufgegriffen und gegebenenfalls beseitigt 155 156 157 158 159 160 161
162 163
Siehe hierzu Barney (1991), S. 99ff.; Barney (1995), S. 49ff. Amit/Schoemaker (1993), S. 35. Siehe hierzu Wernerfelt (1984), S. 172. Vgl. Bromiley/Fleming (2002), S. 325. Vgl. Bromiley/Fleming (2002), S. 326; Träger (2006), S. 38f. Vgl. Bromiley/Fleming (2002), S. 327f. Vgl. Freiling/Gersch/Goeke (2006), S. 8; siehe hierzu auch Foss/Foss (2004), S. 107ff.; Moldaschl/ Fischer (2004), S. 122ff.; Peteraf/Barney (2003), S. 309ff. Foss/Knudsen (2003), S. 291. Vgl. Priem/Butler (2001a), S. 36.
30
2 Theoretischer Bezugsrahmen und Ableitung von Forschungshypothesen
werden. Dies wird in Abschnitt 2.2.3 behandelt und ist somit Teil der zusammenfassenden Schlussfolgerungen für das Dynamic Capability-Konzept.
2.2.2 Überblick über die zentralen Ansätze der Dynamic Capability-Perspektive
2.2.2.1 Vorüberlegungen Bei der ressourcenorientierten Perspektive handelt es sich ebenso wie bei dem marktorientierten Ansatz um eine statische Betrachtungsweise.164 Die statischen Grundannahmen des Ansatzes sind in der Realität jedoch kaum aufrecht zu erhalten: Märkte sind durch Veränderungen und die damit einhergehenden Unsicherheiten geprägt. So werden beispielsweise Produktlebenszyklen immer kürzer, die Ansprüche der zunehmend informierten Kunden steigen und Markteintrittsbarrieren können leichter überwunden werden.165 Diese Problematik wurde bereits von D’Aveni mit dem Konzept des Hyperwettbewerbs aufgegriffen, welches eine prozessorientierte, dynamische Betrachtungsweise vorschlägt.166 Dieser Wandel von einer statischen hin zu einer dynamischen Sichtweise ist auch Gegenstand der Dynamic Capability-Perspektive. Der Dynamic Capability-Ansatz stellt streng genommen eine Weiterentwicklung der ressourcenorientierten Perspektive dar.167 Dabei werden die Ursachen des Unternehmenserfolgs nicht nur auf die Ausstattung einer Organisation mit entsprechenden Ressourcenbündeln zurückgeführt, sondern die Dynamic Capability-Perspektive beinhaltet neben dem Fokus auf das Innere eines Unternehmens zusätzlich eine Fokussierung auf dessen Umwelt.168 Der Ausgangspunkt der Überlegungen ist, dass Ressourcenbündel aufgrund des sich schnell verändernden Umfeldes eines Unternehmens mitunter veralten können. Eine Anpassungsfähigkeit der Ressourcen ist für ein erfolgreiches Unternehmen folglich unumgänglich. Das heißt, dass die Dynamik der Umwelt durch entsprechende Veränderungen der Ressourcenbasis eines Unter-
164 165 166
167
168
Vgl. Wilkens/Menzel/Pawlowsky (2004), S. 11; Moldaschl (2007), S. 12. Vgl. D’Aveni (1995b), S. 46. Siehe hierzu D’Aveni (1995a; 1995b). Die Bedeutung einer dynamischen Sichtweise wird beispielsweise auch von Noda/Collis betont. Vgl. Noda/Collis (2001), S. 898. Vgl. beispielsweise Govind Menon (2008), S. 22; Newbert (2005), S. 56; Sahaym (2005), S. M3; Colbert (2004), S. 348; Montealegre (2002), S. 516; Lawson/Samson (2001), S. 379. Vgl. beispielsweise Macpherson/Jones/Zhang (2004), S. 162; Träger (2006), S. 60.
2.2 Grundlagen des Dynamic Capability-Konzepts
31
nehmens reflektiert werden muss, um Wettbewerbsvorteile nachhaltig erlangen zu können. In der Wissenschaft gibt es eine Vielzahl an Definitionen des Begriffs Dynamic Capability.169 Diese zielen in der Regel auf die organisationale Ebene eines Unternehmens ab,170 wobei teilweise sogar von „dynamic organizational capability“ 171 beziehungsweise „organizational dynamic capabilities“172 die Rede ist. Bei näherer Betrach-tung der terminologischen Abgrenzungen ist festzustellen, dass diese Dynamic Capability ausnahmslos – zumindest implizit – mit dem Erlangen von Wettbewerbsvorteilen assoziieren.173 Zudem herrscht Einigkeit darüber, dass es sich hierbei um die Fähigkeit eines Unternehmens handelt, die eigene Ressourcenbasis zu verändern. Differenzen bestehen allerdings insofern, als eine Gruppe an Definitionen explizit hervorhebt, dass die entsprechende Anpassung der Ressourcenbasis absichtlich – und damit in Einklang mit den sich aus etwaigen Umweltänderungen ergebenden Anforderungen – erfolgt,174 während andere Begriffsabgrenzungen lediglich auf die generelle Fähigkeit zur Veränderung der Ressourcenbasis abzielen.175 Letzteren Ansatz vertreten auch Schreyögg/Kliesch, indem sie unter Dynamic Capability die Fähigkeit zur Veränderung beziehungsweise zur flexiblen Gestaltung von organisationalen Kompetenzen subsumieren.176 Dabei konzipieren sie organisationale Kompetenz als „komplexe Selektions- und Verknüpfungsleistung [...], deren beobachtbares Ergebnis die – jeweils auf einer variablen Mischung verschiedener Ressourcenbestandteile fußende – erfolgreiche organisationale Handlung ist.“177 Schreyögg/Kliesch differenzieren zwischen den Ressourcen eines Unternehmens als Voraussetzung organisationaler Kompetenz und der Kompetenzleistung an sich. 169 170
171 172 173
174
175
176 177
Vgl. Collis (1994), S. 144f. Eine Ausnahme bildet hier das Verständnis von Newbert, welches die individuelle Ebene betrifft. Vgl. Newbert (2005), S. 56. Fujimoto (2002), S. 244; siehe auch Voelpel/Leibold/Mahmoud (2004), S. 123. Helfat et al. (Hrsg.) (2007), S. 47. Vgl. beispielsweise Griffith/Harvey (2001), S. 598; Roy/Roy (2004), S. 8; Pavlou/El Sawy (2006a), S. 6; Teece/Pisano/Shuen (2002), S. 339; Wang/Ahmed (2007), S. 35. Vgl. beispielsweise Helfat et al. (Hrsg.) (2007), S. 5; Eisenhardt/Martin (2000), S. 1107; Helfat (1997), S. 339; Güttel (2006b), S. 417; Jenner (2006), S. 86; Montealegre (2002), S. 516; Teece/Pisano/Shuen (1997), S. 516; Teece/Pisano (1994), S. 57; Ambrosini/Bowman (2009), S. 33. Vgl. beispielsweise Andreeva/Chaika (2006), S. 10; Bowman/Ambrosini (2003), S. 292; López (2005), S. 661. Vgl. Schreyögg/Kliesch (2005b), S. 20. Schreyögg/Kliesch (2003b), S. 22.
32
2 Theoretischer Bezugsrahmen und Ableitung von Forschungshypothesen
Hierbei besteht die Kompetenzleistung zum einen aus der Selektion von wettbewerbsrelevanten Ressourcenelementen und zum anderen aus deren Verknüpfung.178 Die Selektions- und Verknüpfungsleistung wird durch Stimuli aus der Umwelt angeregt und ist in ihrem Ergebnis in Form einer organisationalen Handlung beobachtbar. Das hierdurch entstehende Feedback führt dazu, dass gegebenenfalls Anpassungen für zukünftige Reaktionen vorgenommen werden können. Zu einer wiederholten Anwendung der Ressourcenverknüpfungen kommt es in der Regel aber nur, wenn diese das Anspruchsniveau des jeweiligen Unternehmens hinreichend erfüllen. Durch diesen rekursiven Prozess entstehen im Zeitablauf Kompetenzmuster, die letztlich das Kompetenzgefüge einer Organisation widerspiegeln. Demzufolge ist für die Entstehung organisationaler Kompetenz entscheidend, dass über einen längeren Zeitraum Erfahrungen hinsichtlich der unterschiedlichen Selektions- und Verknüpfungskombinationen gesammelt werden können. Neben den Erfahrungen aus der Vergangenheit spielen dabei auch gegenwärtige Verknüpfungsmuster sowie künftige Entwicklungsmöglichkeiten eine Rolle. Die Komplexität der Selektions- und Verknüpfungsleistung sowie der langfristige Entstehungsprozess führen schließlich dazu, dass die organisationale Kompetenz von Konkurrenzunternehmen nur schwerlich imitiert werden kann und machen diese somit zum nachhaltigen Wettbewerbsfaktor.179 Auf den ersten Blick scheinen Schreyögg/Kliesch damit auf ein routinebasiertes Kompetenzverständnis abzustellen. Die Autoren erachten es als „sinnvoll, das Konzept der organisationalen Kompetenzen mit dem Routinekonzept zu verknüpfen.“180 Trotzdem findet sich hier auch ein Verständnis von Kompetenz im Sinne von Selbstorganisationsdispositionen wieder. So betonen die Autoren zunächst, dass die „in der Form verlässliche, aber dem Inhalt im Ein[zel]fall nach offene [Hervorhebung nicht im Original] Verknüpfungsleistung […] als Kernelement jeder organisationalen Kompetenz begriffen werden“181 kann. Ferner weisen Schreyögg/Kliesch sowohl auf die Komplexität der Selektions- und Verknüpfungsleistung hin als auch darauf, dass die Unternehmensumwelt einem permanenten Wandel unterliegt, der die Notwendigkeit einer Dynamisierung182 mit sich bringt.183 Infolgedessen ist ein routinebasiertes 178 179 180 181 182
Vgl. Schreyögg/Kliesch (2003b), S. 22f. Vgl. Schreyögg/Kliesch (2005b), S. 14ff. Schreyögg/Kliesch (2005b), S. 16. Schreyögg/Kliesch (2005b), S. 16. Siehe hierzu auch Teece et al. (1997), S. 509ff.; Schreyögg/Kliesch (2005b), S. 20ff.
2.2 Grundlagen des Dynamic Capability-Konzepts
33
Vorgehen allein nicht geeignet, den langfristigen Erfolg eines Unternehmens zu sichern. Stattdessen werden Kompetenzen beziehungsweise Dynamic Capabilities benötigt, die sich in den „Fähigkeiten von Menschen, sich in offenen […], komplexen und dynamischen Situationen selbstorganisiert zurechtzufinden“184 widerspiegeln. Ausgehend von diesem Verständnis schlägt Eberl eine Klassifizierung der verschiedenen Dynamic Capability-Ansätze in radikale, integrative und routinierte Dynamisierung vor.185 Dabei erfolgt die Zuordnung eines Ansatzes zu der jeweiligen Klasse in Abhängigkeit davon, inwieweit dieser die dynamische Komponente berücksichtigt: Wird das Kompetenzkonstrukt als vollkommen dynamisiert angesehen, was gleichbedeutend damit ist, jegliche Musterbildungsprozesse für obsolet zu erklären, so verwendet sie den Begriff der radikalen Dynamik. Von einer integrativen Dynamisierung spricht sie hingegen, wenn die dynamische Komponente in das ursprünglich statische Kompetenzkonstrukt integriert ist, so dass zwar weiterhin von einer Pfadabhängigkeit ausgegangen, zugleich jedoch auch eine gewisse Flexibilisierung und Dynamisierung unterstellt wird.186 Der Klasse der routinierten Dynamisierung ordnet sie letztlich solche Ansätze zu, welche versuchen, die Dynamisierung mithilfe der Einführung separater Innovationsroutinen zu erklären.187 In Anlehnung an diese Kategorisierung werden im Folgenden die zentralen Ansätze der Dynamic CapabilityPerspektive nacheinander vorgestellt, um die grundsätzliche Entwicklung des Ansatzes zu verdeutlichen und entsprechende Rückschlüsse für das im Rahmen dieser Dissertation verwendete Dynamic Capability-Verständnis ziehen zu können. Bei Eberl findet sich eine ausführliche Diskussion weiterer, hier nicht näher betrachteter Ansätze zur Dynamisierung, die sich diesen Kategorien zuordnen lassen und in denen das Kompetenzkonzept Berücksichtigung findet.188
183 184 185 186
187 188
Vgl. Schreyögg/Kliesch (2005b), S. 19. Heyse/Erpenbeck/Max (Hrsg.) (2004), S. 8. Vgl. Eberl (2009), S. 136. Zur Pfadabhängigkeit siehe beispielsweise Sydow/Schreyögg/Koch (2009), S. 689ff.; Cowan/ Gunby (1996), S. 521ff.; David (1985), S. 332ff.; Arthur (1989). Vgl. Eberl (2009), S. 136ff. Siehe hierzu Eberl (2009), S. 136ff.; aber auch Schreyögg/Kliesch (2005a), S. 20ff.; Schreyögg/ Kliesch (2006), S. 462ff.
34
2 Theoretischer Bezugsrahmen und Ableitung von Forschungshypothesen
2.2.2.2 Integrativer Ansatz von Teece/Pisano/Shuen Der Dynamic Capability-Ansatz ist maßgeblich durch die Arbeiten von Teece/Pisano beziehungsweise von Teece/Pisano/Shuen geprägt, die solche Unternehmen als erfolgreich ansehen, die auf Marktveränderungen rechtzeitig reagieren, schnell und flexibel Produktinnovationen hervorbringen und zudem über ein Management verfügen, das interne und externe Kompetenzen effektiv koordiniert und einsetzt. Diese Fähigkeiten fassen Teece/Pisano unter dem Begriff Dynamic Capabilities zusammen.189 Hierdurch wird einerseits, äquivalent zu der Grundidee des ressourcenorientierten Ansatzes, die Fähigkeit hervorgehoben, Handlungspotenziale auf der Basis „von Ressourcen zu identifizieren, zu selektieren, zu verknüpfen, sie zu aktivieren und somit sinnvoll zu nutzen“190; andererseits deutet die Bezeichnung der Dynamik auf die Fähigkeit eines Unternehmens hin, seine Kompetenzen entsprechend der sich mit der Umwelt verändernden Anforderungen zu erneuern.191 Diese beiden Aspekte finden sich auch in der von Teece/Pisano/Shuen eingeführten Definition wieder, welche Dynamic Capabilities als „the firm’s ability to integrate, build, and reconfigure internal and external competences to address rapidly changing environments”192 bezeichnet. Obwohl sich mit der Zeit leicht divergierende Dynamic CapabilityVerständnisse etablieren konnten, scheint die Definition von Teece/Pisano/Shuen am weitesten verbreitet zu sein; denn sie wird in nahezu allen wissenschaftlichen Abhandlungen als Grundlage herangezogen.193 Dabei wird in der Literatur insbesondere die Fähigkeit zur Selbsterneuerung als vorteilhaft hervorgehoben.194 Teece/Pisano führen nachhaltige Wettbewerbsvorteile auf die Faktoren „processes, positions, and paths“195 zurück. Die Position eines Unternehmens zielt auf dessen aktuelle Ausstattung mit Ressourcen ab. So können finanzielle Vermögenswerte eines Unternehmens ebenso als Basis zum Aufbau von Wettbewerbsvorteilen dienen wie 189
190 191
192 193
194
195
Vgl. Teece/Pisano (1994), S. 538; aber auch Teece/Pisano/Shuen (1997), S. 515; Teece/Pisano/ Shuen (2002), S. 337; Teece/Pisano/Shuen (2004), S. 313. Barthel/Zawacki-Richter/Hasebrook (2006), S. 344. Vgl. Teece/Pisano/Shuen (2004), S. 313; Teece/Pisano/Shuen (2002), S. 337; Teece/Pisano/Shuen (1997), S. 515; Teece/Pisano (1994), S. 538. Teece/Pisano/Shuen (1997), S. 516. Siehe beispielsweise Cavusgil/Seggie/Talay (2007), S. 161; Govind Menon (2008), S. 24; Helfat et al. (Hrsg.) (2007), S. 2; Salomo/Gemünden/Leifer (2007), S. 3; Wang/Ahmed (2007), S. 33; Wilson/Daniel (2007), S. 10; Zahra/Sapienza/Davidsson (2006), S. 922. Vgl. beispielsweise Moldaschl (2007), S. 12f.; Schreyögg/Kliesch (2006), S. 462; Eberl (2009), S. 159. Teece/Pisano (1994), S. 541.
2.2 Grundlagen des Dynamic Capability-Konzepts
35
etwa technologische Ressourcen. Dahingegen reflektieren die Pfade eines Unternehmens dessen strategische Alternativen, welche wiederum teilweise durch vergangene Handlungen bestimmt werden. Bei den Prozessen geht es schließlich darum, wie bestimmte Aufgaben in einem Unternehmen erledigt werden. Es handelt es sich um eine hybride Dimension, welche sowohl eine statische als auch eine dynamische Komponente beinhaltet: Zum einen umfassen die Prozesse Routinen, welche als statisch angesehen werden, da sie bestimmte Vorgehensweisen der Ressourcenkoordination und -integration widerspiegeln. Zum anderen zählen hierzu das organisationale Lernen und die Rekonfiguration der Ressourcen. Diese bringen eine dynamische Komponente mit sich, welche bei Veränderungen eine entsprechende Anpassung des jeweiligen Unternehmens gewährleisten soll.196 (1) Positionen
Ressourcen, Marktposition
(2) Pfade
Strategische Handlungsoptionen
(3) Prozesse
Koordination, Integration Æ statisch Organisationales Lernen, Rekonfiguration Æ dynamisch
Abbildung 4: Die Dynamisierungskonzeption nach Teece/Pisano/Shuen (Quelle: in Anlehnung an Eberl (2009), S. 159)
Trotz seiner immensen Verbreitung wird der Ansatz von Teece/Pisano/Shuen in der Wissenschaft vereinzelt kritisiert.197 So bemängeln Zollo/Winter, dass die Definition nicht der Frage nachgeht, wo Dynamic Capabilities herkommen; zudem scheint ein schneller Wandel der Umwelt unterstellt zu werden, obwohl Dynamic Capabilities auch bei langsamen Veränderungen erforderlich sind. Zollo/Winter sind ebenso wie Roy/Roy und Eisenhardt/Martin der Auffassung, dass Dynamic Capabilities mithilfe organisationaler Lernmechanismen entwickelt werden können.198 Infolgedessen kommt in diesem Zusammenhang dem organisationalen Lernen und somit auch dem zuvor beschriebenen Kernkompetenzansatz von Prahalad/Hamel eine große Bedeutung zu. Dieser Aspekt wird in der Definition von Teece/Pisano/Shuen zwar nicht direkt aufgegriffen, ist in deren Verständnis von Prozessen jedoch enthalten, so dass 196
197
198
Vgl. Teece/Pisano/Shuen (2004), S. 315ff.; Teece/Pisano/Shuen (1997), S. 518ff.; Teece/Pisano (1994), S. 541ff. Siehe beispielsweise Zollo/Winter (2002), S. 340; Montealegre (2002), S. 516; Schreyögg/Kliesch (2006), S. 463; Schreyögg/Kliesch (2005b), S. 25ff.; Eberl (2009), S. 162ff. Vgl. Zollo/Winter (2002), S. 340; Roy/Roy (2004), S. 8; Eisenhardt/Martin (2000), S. 1107.
36
2 Theoretischer Bezugsrahmen und Ableitung von Forschungshypothesen
die Kritik von Zollo/Winter in dieser Hinsicht nicht gerechtfertigt erscheint. Des Weiteren wird beanstandet, dass Kompetenz weiterhin als musterbasiertes Konstrukt verstanden und der Aspekt der Dynamisierung lediglich additiv hinzugefügt wird, um eine organisationale Trägheit zu vermeiden.199 So sehen Schreyögg/Kliesch die Vorgehensweise, „das Kompetenzkonstrukt in seiner […] Logik beizubehalten und gleichzeitig das daraus resultierende Risiko dadurch zu beseitigen, dass schlicht eine weitere Dimension in das Konzept hereingenommen wird, nämlich die Dynamisierung durch Lernen und Rekonfiguration“200, als konzeptionellen Widerspruch. Diese Kritik greift allerdings insofern zu kurz, als sie nur auf die Prozesse abzielt und die Dimensionen Position und Pfade außen vor lässt. Hier räumen die Autoren selbst ein, dass eine Berücksichtigung dieser beiden Dimensionen eine Relativierung ihrer Kritik mit sich bringt; denn sowohl Position als auch Pfade repräsentieren gewissermaßen einen Bezug zur Historie, welcher die Wandlungsfähigkeit eines Unternehmens begrenzt: So hängt die Veränderungsfähigkeit von den bisher gewählten Entwicklungspfaden und der damit einhergehenden erreichten Ressourcenausstattung eines Unternehmens ab.201 In aktuelleren Beiträgen spezifiziert Teece sein Dynamic Capability-Verständnis, indem er zwischen dynamischen und nicht-dynamischen Kompetenzen differenziert und Dynamic Capabilities als eine Art Meta-Kompetenz umschreibt.202 So kommt er zu dem Schluss: „Dynamic Capability is a metacompetence that transcends operational competence.“203 Eberl folgert hieraus, dass sich Teece der Problematik des konzeptionellen Widerspruchs zumindest scheinbar bewusst geworden ist und sich in aktuelleren Artikeln klar von seinem Ursprungsansatz distanziert.204
2.2.2.3 Ansatz der radikalen Dynamisierung von Eisenhardt/Martin Eisenhardt/Martin greifen die Kritik, die ressourcenbasierte Perspektive sei tautologisch und ihr mangele es an empirischen Grundlagen, auf und konzipieren Dynamic Capabilities aufgrund dessen als spezifische strategische beziehungsweise
199
200 201 202 203 204
Siehe hierzu Schreyögg/Kliesch (2006), S. 460; Schreyögg/Kliesch (2007), S. 913ff.; Schreyögg/ Kliesch-Eberl (2008), S. 9f. Schreyögg/Kliesch (2006), S. 463. Vgl. Schreyögg/Kliesch (2006), S. 465; Schreyögg/Kliesch (2005a), S. 18; Eberl (2009), S. 167f. Vgl. Teece (2007a), S. 1319ff.; Teece (2007b), S. 19ff.; Teece (2006), S. 1131ff. Teece (2007a), S. 1343. Vgl. Eberl (2009), S. 170.
2.2 Grundlagen des Dynamic Capability-Konzepts
37
organisationale Prozesse.205 So definieren sie Dynamic Capabilities als „the firm's processes that use resources – specifically the processes to integrate, reconfigure, gain and release resources – to match and even create market change.”206 Dabei gehen die Autoren davon aus, dass die Prozesse eines Unternehmens grundsätzlich abgrenzbar und operationalisierbar sind. Eine Gleichsetzung von Dynamic Capabilities mit Prozessen eines Unternehmens bringt demnach eine Abgrenzbarkeit und Operationalisierbarkeit des Dynamic Capability-Konstruktes mit sich, was wiederum die Durchführung empirischer Studien in diesem Forschungsbereich ermöglicht. Angesichts der Existenz umfangreicher empirischer Forschungsergebnisse aus Studien zu Prozessen eines Unternehmens stellen Eisenhardt/Martin die Kritik eines Mangels an empirischen Grundlagen grundsätzlich in Frage.207 Eine nähere Betrachtung des Begriffsverständnisses von Eisenhardt/Martin zeigt, dass sie Dynamik im Gegensatz zu Teece/Pisano/Shuen nicht als zusätzliche Komponente eines musterbasierten Kompetenzkonstrukts, sondern als eine der Kompetenz inhärente Dimension ansehen: Die Autoren differenzieren zwischen moderatdynamischen und hochdynamischen Märkten, welche jeweils einen unterschiedlichen Dynamisierungsgrad der Kompetenz erfordern.208 Unter moderatdynamischen Märkten verstehen sie dabei solche, die zwar durchaus von Veränderungen geprägt sein können, auf denen jeglicher Wandel jedoch vorhersagbar ist; denn moderatdynamische Märkte weisen vergleichsweise stabile Industriestrukturen auf, so dass die Grenzen des Marktes ebenso bekannt sind wie etwa Wettbewerber oder Kunden. Dahingegen bezeichnen Eisenhardt/Martin Märkte als hochdynamisch, wenn sie durch schnelle, nicht vorhersagbare Veränderungen gekennzeichnet sind. Hierbei können Veränderungen sowohl hinsichtlich Nachfrage und Wettbewerb als auch bezüglich der Technologie auftreten. Folglich sind die Grenzen des Marktes verschwommen und es existieren keine Geschäftsmodelle, die sicheren Erfolg versprechen.209 Als Beispiel für einen solchen hochdynamischen Markt wird in der Literatur die Flugindustrie angeführt, während
205 206 207 208 209
Vgl. Eisenhardt/Martin (2000), S. 1106. Eisenhardt/Martin (2000), S. 1107. Vgl. Eisenhardt/Martin (2000), S. 1108. Siehe hierzu Eisenhardt/Martin (2000), S. 1110ff. Vgl. Eisenhardt/Martin (2000), S. 1110ff.; Bourgeois/Eisenhardt (1988), S. 816; Eisenhardt (1989), S. 544; Eisenhardt/Bourgeois (1988), S. 738; Santos/Eisenhardt (2005), S. 498.
38
2 Theoretischer Bezugsrahmen und Ableitung von Forschungshypothesen
zur Verdeutlichung eines moderatdynamischen Marktes auf die Maschinenindustrie verwiesen wird.210 Eisenhardt/Martin gehen davon aus, dass das Erfordernis einer Dynamisierung der Kompetenz mit zunehmendem Dynamisierungsgrad des Marktes steigt. Demzufolge wird davon ausgegangen, dass Unternehmen in moderatdynamischen Märkten auf vorhandenes Wissen und bekannte Vorgehensweisen zurückgreifen können, während sie in hochdynamischen Märkten möglichst flexibel reagieren müssen, um neue, der veränderten Situation angemessene Vorgehensweisen zu entwickeln.211 Dies bedeutet allerdings nicht, dass das Vorgehen eines Unternehmens vollkommen unveränderlich ist, wenn die Dynamik eines Marktes als moderat einzuschätzen ist: Obwohl in diesem Fall musterbasiertem Problemlösen und somit auch Routinen eine große Bedeutung zukommt, sind kleinere Anpassungen durchaus möglich. Bevor eine Problemlösung umgesetzt wird, erfolgt jedoch – analog zum „learning-before-doing“212 nach Pisano – eine umfangreiche Analysephase, welche vor dem Hintergrund bereits bekannten Wissens und bekannter Regeln abläuft. Somit kommen Flexibilität und Anpassungsfähigkeit in moderatdynamischen Märkten nur begrenzt zur Anwendung, weshalb hochdynamische Märkte im Hinblick auf das Dynamic Capability-Konstrukt insgesamt interessanter erscheinen. In einem von hoher Dynamik geprägten Umfeld repräsentieren Dynamic Capabilities „simple (not complicated), experiential (not analytic), and iterative (not linear) processes.“213 Demnach werden jegliche auftretende Probleme mithilfe einfacher Regeln ad-hoc gelöst, ohne dass eine Speicherung des auf diese Weise generierten Wissens erfolgt. Aufgrund dessen sind Unternehmen darauf angewiesen, Echtzeitinformation zu nutzen und sich stets auf neues, kurzfristig generiertes Wissen zu verlassen, was wiederum nicht vorhersagbare Ergebnisse zur Folge hat.214 Vor diesem Hintergrund stellen Eisenhardt/Martin im Hinblick auf Dynamic Capabilities in hochdynamischen Märkten fest: „They are in [a] continuously unstable state.“215
210 211 212 213 214 215
Vgl. Eisenhardt/Bourgeois (1988), S. 738. Vgl. Eisenhardt/Martin (2000), S. 1110f. Pisano (2002), S. 134; zum Learning-before-Doing siehe auch Pisano (1994; 1997). Eisenhardt/Martin (2000), S. 1113. Vgl. Eisenhardt/Martin (2000), S. 1110ff.; Santos/Eisenhardt (2005), S. 498. Eisenhardt/Martin (2000), S. 1113.
2.2 Grundlagen des Dynamic Capability-Konzepts Dynamic Capabilities in moderatdynamischen Märkten
39 Dynamic Capabilities in hochdynamischen Märkten
Definition
spezifische organisationale und strategische Prozesse zur Veränderung der Ressourcenbasis eines Unternehmens
Heterogenität
Best Practices, wobei einige ideosynkratische Details existieren können
Muster
detaillierte, analytische Routinen, die primär auf existierendem Wissen beruhen
einfache, erfahrungsgebundene Vorgehensweisen, die auf neuem, der Situation angemessenem Wissen beruhen
Ergebnis
vorhersagbare Ergebnisse
nicht-vorhersagbare Ergebnisse
Wettbewerbsvorteil
nachhaltige Wettbewerbsvorteile
temporäre Wettbewerbsvorteile
Entstehung
einzigartige Pfade auf der Basis von Lernmechanismen
Problemlösung
wird durch regelmäßige, kleinere Anpassungen gewährleistet
erfolgt spontan in Form einer Ad-hocProblemlösung
Tabelle 2: Dynamic Capability-Arten nach Eisenhardt/Martin (Quelle: in Anlehnung an Eisenhardt/Martin (2000), S. 1111)
Schreyögg/Kliesch stellen den Ansatz insofern in Frage, als für hochdynamische Märkte ein vollkommen dynamisiertes Kompetenzkonstrukt postuliert wird – ein Kompetenzkonstrukt, welches zur Problemlösung zwar grundsätzlich auf die Verknüpfung vorhandener Ressourcen abstellt, dazu aber nicht bereits bekannte Vorgehensweisen wählt, sondern flexible und situationsadäquate Reaktionen fordert.216 Die Kritik der Autoren zielt konkret auf die totale Anpassungsfähigkeit ab, welche letztlich dazu führt, dass die der Kompetenz inhärenten Verknüpfungsmuster nicht mehr gebraucht werden. So heben Schreyögg/Kliesch hervor, dass der Ansatz „das, was er zu dynamisieren beabsichtigt, unterwegs verliert“217 und bezeichnen die Ansicht, dass ein Unternehmen sämtliche Erwartungen mit Blick auf seine Lernmechanismen ausrichten sollte, als irreführend. Obwohl sie sich dessen bewusst sind, dass Eisenhardt/Martin auf die Notwendigkeit von Minimalregeln verweisen,218 gehen sie davon aus, dass Organisationen nach diesem Verständnis alle Impulse aus der Umwelt wahllos aufnehmen und bearbeiten, ohne entsprechende Problemlösungsmechanismen und Strukturen für die Zukunft zu entwickeln.219 Diese Kritik erscheint 216 217 218 219
Vgl. Schreyögg/Kliesch (2006), S. 467; Schreyögg/Kliesch (2005b), S. 30. Schreyögg/Kliesch (2006), S. 467; Schreyögg/Kliesch (2005b), S. 30. Siehe hierzu Eisenhardt/Martin (2000), S. 1113; Santos/Eisenhardt (2005), S. 498. Vgl. Schreyögg/Kliesch (2005a), S. 20ff.; Eberl (2009), S. 143ff.
40
2 Theoretischer Bezugsrahmen und Ableitung von Forschungshypothesen
zunächst zwar berechtigt, ist im Hinblick auf das von Schreyögg/Kliesch geschilderte Ausmaß jedoch zu relativieren; denn Eisenhardt/Martin betonen, dass jeglichen Problemlösungen auch in hochdynamischen Märkten Regeln und Routinen zugrunde liegen, wenn auch nur in einer einfachen Ausführung.220 Zudem scheinen moderatund hochdynamische Märkte in diesem Ansatz beispielhaft angeführt zu werden, obgleich der Dynamisierungsgrad eines Marktes in der Realität als kontinuierlich zu betrachten ist. Dabei repräsentieren hochdynamische Märkte den Endpunkt des Kontinuums und somit eine Extremsituation. Vor dem Hintergrund, dass Eisenhardt/ Martin selbst einräumen, dass mithilfe von Dynamic Capabilities langfristig Wettbewerbsvorteile generiert werden können,221 mutet die Annahme eines vollkommenen Verzichts auf musterbasierte Problemlösungswege zugunsten einer totalen Anpassungsfähigkeit eines Unternehmens daher als unrealistisch an.
2.2.2.4 Ansatz der routinierten Dynamisierung von Zollo/Winter Zollo/Winter definieren Dynamic Capability als „a learned and stable pattern of collective activity through which the organization systematically generates and modifies its operating routines in pursuit of improved effectiveness.”222 Demnach differenzieren sie Dynamic Capabilities von operativen Routinen,223 welche jeweils auf unterschiedlichen Ebenen operieren.224 Dabei bilden operative Routinen die Grundlage, um Aufgaben mithilfe bekannter Vorgehensweisen zu erledigen. Sie weisen eine natürliche Dynamik auf, welche in leicht volatilen Märkten angemessen ist, um den Anforderungen der Umwelt gerecht zu werden. Sind die Märkte jedoch durch eine hohe Dynamik geprägt, so ergibt sich nach dem Verständnis von Zollo/ Winter zusätzlich ein Bedarf an Dynamic Capabilities.225 Diese dienen dazu, die operativen Routinen entsprechend anzupassen beziehungsweise zu optimieren. Die eingangs genannte Definition deutet bereits indirekt darauf hin, dass es sich hier um ein routineartiges Konstrukt handelt, welches auf ein musterbasiertes Vorgehen abstellt. So sind Dynamic Capabilities als eine Art Suchroutine konzipiert, welche
220 221 222 223 224
225
Vgl. Eisenhardt/Martin (2000), S. 1112. Vgl. Eisenhardt/Martin (2000), S. 1117. Zollo/Winter (2002), S. 340. Zum Begriff der Routine siehe Kapitel 2.3.1.1. Eine ausführliche Diskussion der beiden Ebenen findet sich bei Winter (2002). Eine solche Mehrebenenbetrachtung schlägt beispielsweise auch Collis (1994) vor. Siehe hierzu auch Winter (2000), S. 986f.
2.2 Grundlagen des Dynamic Capability-Konzepts
41
Hinweise auf etwaige Änderungsbedarfe liefern soll.226 Sofern Änderungsbedarfe entdeckt werden, helfen Dynamic Capabilities, die aktuellen operativen Routinen zu revidieren und gegebenenfalls systematisch vollkommen neue Vorgehensweisen zu entwickeln.227 Deshalb wird in diesem Zusammenhang teilweise auch von Innovationsroutinen gesprochen.228 Aus der Definition von Zollo/Winter wird zudem deutlich, dass Dynamic Capabilities im Wesentlichen auf Lernprozessen basieren, so dass in ihrem Ansatz dem organisationalen Lernen229 mit Blick auf die Entwicklung von Dynamic Capabilities eine große Bedeutung zukommt. Dabei wird hinsichtlich deren Entwicklung zwischen der Akkumulation von Erfahrung, der Artikulation von Wissen und der Kodifizierung von Wissen differenziert.230 Die Akkumulation von Erfahrung zielt auf eine kontinuierliche Verbesserung und Anpassung der operativen Routinen ab; denn durch die wiederholte Durchführung einer bestimmten Aufgabe kann mithilfe entsprechender Rückmeldeschleifen neues Wissen generiert werden, welches gespeichert wird und somit langfristig zur Optimierung der operativen Routinen beitragen kann. Insofern weist diese Dimension des Lernens gewisse Ähnlichkeiten zum Learning-by-Doing beziehungsweise zum Experiential Learning231 auf.232 Die Artikulation von Wissen bezieht sich auf Prozesse, welche dazu führen, dass bislang implizites Wissen einer Organisation explizit wird. So können Diskussionen ebenso dabei helfen, die Frage „what works and what doesn’t in the execution of a certain organizational task“233 zu beantworten, wie auch die Analyse oder Bewertung bestimmter Vorgehensweisen. Die Kodifizierung von Wissen geht noch einen Schritt weiter als die Artikulation, um Veränderungsbedarfe bewusst zu machen: Sie beinhaltet die Verschriftlichung bestimmter Vorgehensweisen. Hierunter fällt beispielsweise die Erstellung von Handbüchern oder Entscheidungsunterstützungssystemen. Es wird davon ausgegangen, dass Individuen nur in der Lage sind, eine solche klare Dokumentation der Vorgehensweisen zu liefern, wenn sie die betroffenen internen Routinen vollkommen verstanden haben.234 226 227 228 229
230 231 232 233 234
Vgl. Zollo/Winter (2002), S. 339ff. Siehe hierzu auch Nelson/Winter (1982), S. 17. Vgl. Eberl (2009), S. 171; Schreyögg/Kliesch-Eberl (2008), S. 14. Zum organisationalen Lernen siehe auch Argyris (1976; 2002); Argyris/Schön (2002); Pawlowsky (2003), S. 61ff.; Pawlowsky/Geppert (2005), S. 259ff. Vgl. Zollo/Winter (2002), S. 340ff. Zum Experiential Learning siehe beispielsweise Kolb (1984). Vgl. Macpherson/Jones/Zhang (2004), S. 163. Zollo/Winter (2002), S. 341. Vgl. Zollo/Winter (2002), S. 340ff.
42
2 Theoretischer Bezugsrahmen und Ableitung von Forschungshypothesen
Zollo/Winter betonen, dass alle drei Lernmechanismen gleichsam erforderlich sind; denn „Dynamic Capabilities emerge from the coevolution of tacit experience accumulation processes with explicit knowledge articulation and codification activities.“235 Zudem spezifizieren sie den Lernprozess zur Entwicklung von Dynamic Capabilities, indem sie eine Analogie zur Terminologie von March ziehen:236 “the knowledge cycle proceeds […] from an exploration phase to an exploitation one, potentially feeding back into a new exploration phase.”237
LERNMECHANISMEN
DYNAMIC CAPABILITIES
OPERATIVE ROUTINEN
- Akkumulation von Erfahrung - Artikulation von Wissen - Kodifizierung von Wissen
- Innovationsroutinen - “Higher-order”-Routinen - z.B. Postmergerintegration
- Problemlösungsroutinen - “Lower-order”-Routinen
Abbildung 5: Dynamic Capabilities nach Zollo/Winter (Quelle: in Anlehnung an Zollo/Winter (2002), S. 340)
Hinsichtlich des Begriffsverständnisses von Zollo/Winter wird in der Literatur zunächst positiv hervorgehoben, dass die der ressourcenorientierten Perspektive und dem Dynamic Capability-Ansatz teilweise vorgeworfene Tautologie umgangen werden kann; denn gemäß Zollo/Winter gehen zunehmende Dynamic Capabilities nicht notwendigerweise mit einer Erfolgssteigerung einher.238 Angesichts dessen kommen Helfat et al. zu dem Schluss: „the definition of dynamic capability does not suffer from any sort of tautology with regard to the superiority of performance.“ 239 Dennoch wird das Verständnis von Zollo/Winter in der Wissenschaft teilweise auch kritisiert. Eberl bemängelt beispielsweise die Konzipierung von Dynamic Capabilities als Innovationsroutinen: Die Autorin ist der Auffassung, dass Innovation und Routine nicht vereinbar sind; denn Innovationen zielen auf die Entstehung von etwas Neuem und sind somit weder vorhersagbar noch planbar, während Routinen aufgrund ihrer 235 236
237 238 239
Zollo/Winter (2002), S. 344. Zur Terminologie von March siehe March (1991). Zu Exploration und Exploitation siehe beispielsweise auch March (1996; 2006); Gupta/Smith/Shalley (2006), S. 693ff.; Benner/Tushman (2003), S. 247f. Zollo/Winter (2002), S. 344. Vgl. Helfat et al. (Hrsg.) (2007), S. 3. Helfat et al. (Hrsg.) (2007), S. 3.
2.2 Grundlagen des Dynamic Capability-Konzepts
43
Musterstruktur eben diese Eigenschaften aufweisen. Folglich „bergen auch Innovationsroutinen die Gefahr einer mustergeleiteten Reproduktion.“240 Zollo/Winter scheinen sich dieser Problematik bewusst zu sein, da sie selbst darauf verweisen, dass Dynamic Capabilities in einer hochdynamischen Umwelt veränderlich sein müssen.241 Doch an dieser Stelle kritisiert Eberl ebenso wie Moldaschl, dass eine solche Veränderung nicht über Routinen erfolgen kann; vielmehr bedarf es hier ihrer Meinung nach routinebrechender Verfahren.242 Des Weiteren wird beanstandet, der Ansatz von Zollo/Winter stelle hinsichtlich der Lernmechanismen primär auf das Erkennen eines Veränderungsbedarfes ab und unterstelle in der Folge einen vergleichsweise einfachen Rekombinationsprozess, um entsprechende Anpassungen vorzunehmen. Hier wird „an keinem Punkt […] in Erwägung gezogen, dass sich die Signale und Informationen gar nicht richtig entfalten können, dass es also z.B. Lernbarrieren oder Defensivroutinen, Groupthink oder Rechtfertigungsprozesse gibt, die der gewünschten diskursiven Auseinandersetzung mit den Signalen entgegenstehen.“243 Diese Kritik erscheint genauso gerechtfertigt wie der Vorwurf, Zollo/ Winter gingen davon aus, dass die den Dynamic Capability inhärenten impliziten Strukturen durch entsprechende finanzielle und zeitliche Investitionen in Artikulations- und Kodifikationsprozesse zugänglich sind; denn „gerade der implizite und schwer artikulierbare Charakter […] [ist es], der die (wettbewerbsstrategische) Stärke begründet.“244 Lediglich die Kritik einer rein umweltgerichteten Analyse durch Dynamic Capabilities scheint etwas zu kurz zu greifen. So bemängelt Eberl, dass eine Fokussierung der Suchroutinen auf die Umwelt eine Vernachlässigung bereits bestehender Kompetenzen mit sich bringt, was wiederum zur Folge hat, dass Verharrungstendenzen in Richtung organisationale Trägheit245 nicht rechtzeitig erkannt werden.246 Diese Schlussfolgerung erscheint zwar grundsätzlich richtig; angesichts dessen, dass Zollo/Winter mit ihrer Studie der Frage nachgehen, wo Dynamic Capabilities herkommen – und nicht der Frage, inwieweit diese sich weiterentwickeln –, ist es jedoch fraglich, inwieweit Zollo/Winter wirklich eine rein umweltgerichtete Analyse fordern. Allein die Tatsache, dass die Autoren in ihrem 240
241 242 243 244 245 246
Eberl (2009), S. 183; siehe auch Schreyögg/Kliesch (2005b), S. 28; Schreyögg/Kliesch-Eberl (2008), S. 14f. Vgl. Zollo/Winter (2002), S. 341. Vgl. Moldaschl (2007), S. 13; Eberl (2009), S. 184. Eberl (2009), S. 184. Eberl (2009), S. 187. Zur organisationalen Trägheit siehe beispielsweise Hannan/Freeman (1984), S. 149ff. Vgl. Eberl (2009), S. 189ff.; Schreyögg/Kliesch (2005b), S. 28.
44
2 Theoretischer Bezugsrahmen und Ableitung von Forschungshypothesen
Artikel eine auf das Erkennen von Verharrungstendenzen gerichtete Analyse außen vor lassen, lässt im Hinblick auf das Thema ihres Beitrags keine (beziehungsweise nur begrenzt) Rückschlüsse bezüglich des Umgangs mit der Gefahr organisationaler Trägheit zu.
2.2.3 Zusammenfassende Schlussfolgerungen für das Dynamic CapabilityKonzept Vor dem Hintergrund, dass es sich bei der Dynamic Capability-Perspektive um eine Weiterentwicklung des ressourcenorientierten Ansatzes handelt, stellt sich zunächst die Frage, inwieweit die Kritik an letztgenannter Sichtweise aufgegriffen und behoben wird.247 Eine Weiterentwicklung hat stets zur Folge, dass sie indirekt die gleichen Annahmen zugrunde legt wie der Ursprungsansatz selbst, auf dem sie beruht. Insofern kann der Kritik widersprüchlicher Annahmen im Zuge des Dynamic CapabilityAnsatzes nicht hinreichend begegnet werden; denn diese Problematik wird bislang weder in der Literatur aufgegriffen noch bieten die hier diskutierten Grundlagenbeiträge eine Systematisierung der zugrunde liegenden Annahmen. 248 Doch anders als in der ressourcenorientierten Perspektive gilt das zentrale Konstrukt des Ansatzes nicht als vollkommen unklar und widersprüchlich.249 Vielmehr kann dieser Vorwurf hier weitgehend relativiert werden, da Einigkeit darüber zu herrschen scheint, was Dynamic Capability grundsätzlich ist: Zwar unterscheiden sich die Konzepte beispielsweise hinsichtlich der konzeptionellen Verortung des Dynamisierungsmechanismus,250 es besteht jedoch kein Zweifel daran, dass es sich bei Dynamic Capabilities um ein Konstrukt handelt, welches dabei hilft, die Einstellung eines Unternehmens auf sich verändernde Bedingungen zu ermöglichen und somit trotz volatiler Märkte nachhaltige Wettbewerbsvorteile zu erlangen. Ebenso hat die Diskussion der Ansätze von Eisenhardt/Martin und Zollo/Winter gezeigt, dass der Kritik einer Tautologie251 247
248
249
250 251
Zur Kritik an der ressourcenorientierten Perspektive siehe beispielsweise Priem/Butler (2001a), S. 25ff.; Priem/Butler (2001b), S. 57ff.; Bromiley/Fleming (2002), S. 321ff.; Träger (2006), S. 38f.; Moldaschl (2007), S. 10; Foss/Knudsen/Montgomery (1995), S. 1ff.; Freiling/Gersch/ Goeke (2006), S. 7f. Erläuterungen zur Kritik am Dynamic Capability-Ansatz finden sich bei Cavusgil/Seggie/Talay (2007), S. 164. Zur Kritik widersprüchlicher Annahmen der ressourcenorientierten Perspektive siehe Bromiley/ Fleming (2002), S. 321. Zur Unklarheit des zentralen Konstrukts der ressourcenorientierten Perspektive siehe Bromiley/ Fleming (2002), S. 324; Foss/Knudsen/Montgomery (1995), S. 1ff. Vgl. Eberl (2009), S. 196ff. Zur Kritik der Tautologie siehe Bromiley/Fleming (2002), S. 325.
2.2 Grundlagen des Dynamic Capability-Konzepts
45
erfolgreich begegnet werden kann, indem das Konstrukt Dynamic Capability losgelöst von Erfolg behandelt wird.252 Die hier diskutierten Grundlagenbeiträge sind konzeptioneller Natur – sie diskutieren Dynamic Capabilities hinsichtlich des grundsätzlichen Verständnisses sowie bezüglich deren Entstehung. Damit wird einerseits versucht, den Mangel an kausalen beziehungsweise prozessualen Argumenten zu beheben; andererseits werden theoretische Grundlagen geklärt, welche bei der Operationalisierung von Dynamic Capabilities wiederum als Ausgangspunkt dienen können.253 Somit wird indirekt eine Grundlage für in der Literatur vereinzelt bereits vorzufindende empirische Studien geschaffen.254 Die an der ressourcenorientierten Perspektive geäußerte Kritik kann im Rahmen des Dynamic Capabilitiy-Ansatzes also weitgehend relativiert werden. In diesem Zusammenhang ist es im Hinblick auf die im Folgenden dargelegte empirische Studie insbesondere wichtig, dass Dynamic Capability abgrenz- und operationalisierbar ist. Da es verschiedene Definitionsversuche gibt und auch die zuvor vorgestellten Ansätze jeweils wertvolle Hinweise hinsichtlich des Dynamic Capability-Konzepts liefern, erscheint es sinnvoll, ausgehend von einer Gegenüberstellung wesentlicher Aspekte der in den vorangehenden Abschnitten diskutierten Ansätze entsprechende Schlussfolgerungen für die eigene Arbeit zu ziehen. Ziel dabei ist es, ein klares und vor allem operationalisierbares Begriffsverständnis zu erarbeiten. Bei näherer Betrachtung der in den vorangehenden Abschnitten vorgestellten Ansätze der Dynamic Capability-Perspektive fällt auf, dass diese sich bezüglich einzelner Aspekte durchaus voneinander unterscheiden. So wird teilweise davon ausgegangen, dass Dynamic Capabilities lediglich in sehr volatilen, hochdynamischen Märkten zum Einsatz kommen, während vereinzelt unterstellt wird, dass diesen auch in moderatdynamischen Märkten eine hohe Bedeutung zukommt. Außerdem bestehen Differenzen hinsichtlich des Verständnisses, wie die Dynamisierung des Kompetenzkonstrukts erfolgen soll und welche Rolle in der Folge Routinen zugesprochen wird. In 252
253
254
Vgl. Eisenhardt/Martin (2000), S. 1106; Zollo/Winter (2002), S. 339ff.; Helfat et al. (Hrsg.) (2007), S. 3. Zum Mangel an kausalen und prozessualen Argumenten sowie an empirisch überprüfbaren Aussagen der ressourcenorientierten Perspektive siehe Bromiley/Fleming (2002), S. 326ff.; Träger (2006), S. 38f. Empirische Studien hierzu finden sich beispielsweise bei Deeds/DeCarolis/Coombs (2000), S. 211ff.; Mota/de Castro (2004), S. 295ff.; Newbert (2005), S. 55ff.; Roy/Roy (2004), S. 7ff.; Tripsas (1997), S. 341ff.; Verona/Ravasi (2003), S. 577ff.
46
2 Theoretischer Bezugsrahmen und Ableitung von Forschungshypothesen
Bezug auf die Entstehung von Dynamic Capabilities ist man sich zwar einig, dass diese auf Basis organisationaler Lernmechanismen erfolgt, der Detaillierungsgrad in der Schilderung, wie diese Lernmechanismen konkret ablaufen und gestaltet sein sollen, variiert in den einzelnen Ansätzen jedoch stark, so dass diese Frage zum Teil sogar offen bleibt. Integrativer Ansatz von Teece/Pisano/Shuen
Ansatz der radikalen Dynamisierung von Eisenhardt/Martin
Ansatz der routinierten Dynamisierung von Zollo/Winter
Dynamisierungsgrad des Marktes
hochdynamische Märkte
moderatdynamische und hochdynamische Märkte
hochdynamische Märkte
Dynamisierung des Kompetenzkonstrukts
Integration der dynamischen Komponente in das Kompetenzkonstrukt
Dynamisierung des Kompetenzkonstrukts in Abhängigkeit vom Dynamisierungsgrad des Marktes; in hochdynamischen Märkten nahezu vollkommene Dynamisierung
Dynamisierung mithilfe der Einführung separater Innovationsroutinen
Stellenwert von Routinen
mittlere Bedeutung von Routinen
geringe Bedeutung von Routinen
sehr hohe Bedeutung von Routinen
Entstehung
auf Basis von organisationalen Lernmechanismen (keine näheren Angaben, aber implizit im Verständnis von Prozessen enthalten)
auf Basis von organisationalen Lernmechanismen (in hochdynamischen Märkten primär Ad-hocProblemlösung)
auf Basis von organisationalen Lernmechanismen (Akkumulation von Erfahrung, Artikulation und Kodifizierung von Wissen)
Tabelle 3: Gegenüberstellung der zentralen Ansätze der Dynamic Capability-Perspektive
Eine tiefere Analyse der Grundlagenbeiträge zeigt zunächst, dass das Dynamic Capability-Konstrukt nicht ohne Routinen auskommt. So spielen Routinen in den Ansätzen von Teece/Pisano/Shuen und Zollo/Winter eine vergleichsweise große Rolle, wobei letzterer Ansatz sogar eine Einführung von Innovationsroutinen auf einer Metaebene vorschlägt, um die dynamische Komponente zu berücksichtigen;255 und selbst das Konzept von Eisenhardt/Martin, welches Routinen in hochdynamischen Märkten nur eine geringe Bedeutung beimisst, kommt ohne einen gewissen Grad an Routinierung nicht aus; denn auch hier wird auf die Notwendigkeit von Minimalregeln 255
Siehe hierzu Zollo/Winter (2002), S. 339ff.
2.2 Grundlagen des Dynamic Capability-Konzepts
47
verwiesen.256 Dass Routinen im Kontext von Dynamic Capabilities bedeutsam sind, spiegelt sich zudem in verschiedenen Definitionen anderer Autoren direkt wider.257 Trotzdem ist evident, dass Routinen allein nicht ausreichen, um in dem sich unter Umständen schnell verändernden Umfeld eines Unternehmens erfolgreich bestehen zu können.258 Vielmehr bedarf es hier zusätzlich der Wandlungs- beziehungsweise Anpassungsfähigkeit eines Unternehmens.259 Die in den vorangehenden Abschnitten dargelegten Ansätze schlagen verschiedene Alternativen vor, wie eine solche Veränderungsfähigkeit mithilfe einer Dynamisierung des Kompetenzkonstrukts berücksichtigt werden könnte. Obwohl alle Ansätze plausible Vorteile mit sich bringen, bleiben konkrete Hinweise dazu, wie die Wandlungsfähigkeit eines Unternehmens gestaltet sein sollte, aus. Pierce/Boerner/Teece betonen in diesem Zusammenhang etwa, dass die Fähigkeiten, Chancen zu identifizieren und die organisationalen Strukturen entsprechend anzupassen, gleichsam bedeutsam sind.260 Im folgenden Abschnitt werden sowohl Routinen als auch Veränderungsfähigkeit einer näheren Betrachtung unterzogen, um entsprechende Rückschlüsse für das im weiteren Verlauf dieser Arbeit verwendete Dynamic Capability-Konstrukt ziehen zu können. Ziel des folgenden Kapitels ist es dabei, operationalisierbare Verständnisse für Routinen und Veränderungsfähigkeit zu erarbeiten.
256 257
258 259 260
Siehe hierzu Eisenhardt/Martin (2000), S. 1113; Santos/Eisenhardt (2005), S. 498. Siehe hierzu beispielsweise Helfat et al. (Hrsg.) (2007), S. 5; Meyer/Lieb-Dóczy (2003), S. 464; Winter/Szulanski (2001), S. 734; Zott (2003), S. 98. Vgl. Narduzzo/Rocco/Warglien (2002), S. 48. Vgl. Dosi/Nelson/Winter (2002), S. 4; Güttel (2006b), S. 417; Jenner (2006), S. 86. Vgl. Pierce/Boerner/Teece (2002), S. 92.
48
2 Theoretischer Bezugsrahmen und Ableitung von Forschungshypothesen
2.3 Organisationale Routinen und Veränderungsfähigkeit als wesentliche Merkmale des Dynamic Capability-Konzepts
2.3.1 Theoretische Grundlagen Studien konnten belegen, dass Routinen im Hinblick auf den Erfolg eines Unternehmens eine hohe Bedeutung zukommt.261 Dennoch ist unklar, was, insbesondere im Dynamic Capability-Kontext, genau unter diesem Terminus zu verstehen ist. So betonen etwa Macher/Mowery: „Although much of the literature on dynamic capabilities argues that they are rooted in organizational practices and routines, […] the nature of these ‘foundational’ routines has received less attention”262; und auch Cohen et al. heben in Bezug auf die Vielzahl an Definitionen von organisationalen Routinen hervor: „The concept of routine is probably paying the price for its success: as it diffuses, its meaning gets increasingly vague and subject to arbitrary extensions.”263 Vor dem Hintergrund, dass Routinen als zentrales Merkmal des Dynamic CapabilityKonzepts aufgefasst werden,264 erscheint es daher sinnvoll, zunächst die verschiedenen grundsätzlichen Begriffsverständnisse ausführlich darzulegen. Dies ist Gegenstand des nächsten Abschnitts. Im Anschluss daran erfolgt eine ausführliche Erörterung dessen, was unter Veränderungsfähigkeit zu verstehen ist; denn die Veränderungsfähigkeit wird ebenso als erfolgskritisch angesehen. In diesem Kontext wird jedoch hervorgehoben, „preparing for future change appears almost paradoxical as it implies preparing for something that cannot be fully understood or measured today.”265 Insofern scheint hier Kompetenzen, im Sinne von Selbstorganisationsdispositionen,266 eine hohe Bedeutung zuzukommen.
261 262 263
264
265 266
Vgl. Pierce/Boerner/Teece (2002), S. 88. Macher/Mowery (2006), S. 5. Cohen et al. (1996), S. 656. Zur Unklarheit des Begriffs organisationale Routine siehe beispielsweise auch Becker (2005b), S. 249f.; Cohen (2007), S. 773ff. Vgl. beispielsweise Gavetti (2005), S. 599f.; Winter (2003); Narduzzo/Rocco/Warglien (2002), S. 48; Dosi/Nelson/Winter (2002), S. 4. Stoll/Schäffer (2006), S. 281. Vgl. Erpenbeck (2004), S. 58. Zur Selbstorganisation siehe auch Hülsmann/Wycisk (2006), S. 334ff.
2.3 Organisationale Routinen und Veränderungsfähigkeit
49
2.3.1.1 Vom traditionellen zum dynamischen Verständnis organisationaler Routinen Das Forschungsfeld, in dem Routinen angesiedelt sind, gilt generell als sehr aktiv.267 Insofern ist es nicht verwunderlich, dass sich im Laufe der Jahre verschiedene Strömungen innerhalb dieses Forschungsfelds herausgebildet haben. Eine nähere Betrachtung der wissenschaftlichen Beiträge lässt hier zwei grundsätzliche Richtungen erkennen: ein traditionelles, eher starres Verständnis sowie ein dynamisches Verständnis organisationaler Routinen. Der Ursprung des traditionellen Verständnisses liegt in der Einführung des Routinekonzepts im Jahre 1940 durch Stene.268 Seitdem werden Routinen in der Literatur vielfach als stabil und unveränderlich angesehen.269 Dabei kommt insbesondere den Ansätzen von March/Simon beziehungsweise von Nelson/Winter eine große Bedeutung zu.270 March/Simon vergleichen Routinen mit „performance programs“271, welche jeweils durch bestimmte Stimuli ausgelöst werden. Inwieweit eine Aktivität als routiniert gilt, hängt demnach davon ab, in welchem Ausmaß bestimmte Stimuli automatisierte Handlungen hervorrufen. So heben die Autoren hervor: „If search has been eliminated, but a choice remains in the form of clearly defined and systematic computing routines, we will say that the activities are routinized.”272 Das heißt, Routinen werden mit Programmen verglichen, die für jegliche denkbaren Stimuli über entsprechende Definitionen von Standardprozeduren verfügen. Cyert/March sprechen in diesem Zusammenhang erstmals von den in der heutigen Zeit bekannten Standard Operating Procedures, welche sie als eine Grundvoraussetzung für Entscheidungsprozesse in Organisationen sehen.273 Die Begriffe Routine und Standard Operating Procedure werden in der Literatur zwar häufig synonym verwendet, einzelne Autoren differenzieren jedoch zwischen diesen beiden Konstrukten. Cohen et al. betrachten Standard Operating Procedures beispielsweise als „one kind of representation, a formalized statement of what actions should
267 268 269
270 271 272 273
Vgl. Becker (2005b), S. 259. Siehe hierzu Stene (1940), S. 1124ff. Vgl. beispielsweise Ashforth/Fried (1988), S. 305ff.; Cyert/March (1963); Cohen at al. (1996), S. 653ff.; Gersick/Hackman (1990), S. 65ff.; March/Simon (1958); Weiss/Ilgen (1985), S. 57ff. Siehe hierzu March/Simon (1958) beziehungsweise Nelson/Winter (1982). March/Simon (1958), S. 141. March/Simon (1958), S. 142. Siehe hierzu Cyert/March (1963), S. 102ff.
50
2 Theoretischer Bezugsrahmen und Ableitung von Forschungshypothesen
occur“274, während sie Routinen als kontextbezogen definieren und damit klar von Standard Operating Procedures abgrenzen.275 Das Routinekonzept von Nelson/Winter276 wird in der Wissenschaft regelmäßig aufgegriffen und dient vielfach als Ausgangspunkt für die Entwicklung weiterer Ansätze innerhalb dieses Forschungsgebiets.277 Vor allem die von den Autoren gewählten bildhaften Beschreibungen von Routinen werden in der Literatur häufig hervorgehoben.278 Die wohl am weitesten verbreitete Metapher ist die der organisationalen DNA; Nelson/Winter sprechen Genen in der Evolutionstheorie die Rolle zu, die ihnen auch im Bereich der Biologie zukommt: „They are a persistent feature of the organism and determine its possible behavior (though actual behavior is determined also by the environment).“279 Mithilfe der Metaphern wurde der Fokus des theoretischen Interesses erstmalig auf die sich hinter dem Routinebegriff verbergenden Handlungsmuster an sich verschoben.280 Dabei legen Nelson/Winter ihrem Ansatz ein Verständnis zugrunde, welches jenem von March/Simon sehr ähnelt. So beschreiben sie Routinen als übliche und vorhersagbare Verhaltensmuster und stellen damit ebenfalls auf einen hohen Automatismus sowie das Auslösen von Handlungen durch bestimmte Stimuli ab.281 Lediglich die Aspekte „tacitness and [un]awareness“282 werden von den Autoren als weitere Merkmale des Routinekonzepts hinzugefügt. Diese beiden Aspekte sind nach Auffassung der Autoren auf den hohen Automatismus zurückzuführen.283 Obwohl Nelson/Winter auch die Möglichkeit von kleineren Änderungen in Form von „mutations“284 einräumen, vertreten sie somit ebenso wie March/ Simon ein von Stabilität geprägtes Routineverständnis. Diese Stabilitätsinhärenz 274 275
276 277 278
279 280 281 282 283
284
Cohen et al. (1996), S. 673. Vgl. Cohen et al. (1996), S. 673. Zu Standard Operating Procedures siehe auch Kieser/Koch (2002), S. 237f. In der vorliegenden Arbeit werden die Begriffe Prozeduren beziehungsweise Prozesse teilweise synonym für Routine verwendet. Dem liegt ein eingeschränktes Prozessverständnis zugrunde, da es auf die Abfolge von Aktivitäten reduziert ist und somit die Elemente Supplier, Input, Output und Customer außen vor lässt. Zum SIPOC siehe beispielsweise Toutenburg/Knöfel (2007), S. 51. Siehe hierzu Nelson/Winter (1982). Vgl. Cohen et al. (1996), S. 655. Siehe beispielsweise Pentland/Rueter (1994), S. 487; Cohen et al. (1996), S. 656; Feldman/Rafaeli (2002), S. 310; Feldman/Pentland (2003), S. 97. Nelson/Winter (1982), S. 14. Vgl. Pentland/Rueter (1994), S. 487. Vgl. Nelson/Winter (1982), S. 14. Cohen et al. (1996), S. 691. Diese Auffassung wird auch von Cohen/Bacdayan (1994) sowie der psychologischen Literatur geteilt. Nelson/Winter (1982), S. 18.
2.3 Organisationale Routinen und Veränderungsfähigkeit
51
spiegelt sich sowohl in der eigentlichen Definition der Autoren wider als auch in den gewählten Metaphern, welche durchweg ein Bild von vergleichsweise stabilen und unveränderlichen Objekten suggerieren. So definiert Winter Routine als „a relatively complex pattern of behavior […] triggered by a relatively small number of initiating signals or choices and functioning as recognizable units in a relatively automatic fashion”285 und betont nach jahrelanger Forschung noch: „Brilliant improvisation is not a routine.”286 Die Entstehung von Routinen wird in der Literatur auf ein systematisches Ausprobieren zurückgeführt.287 Dabei werden in der Regel solche Handlungsmuster herangezogen, die sich in der Vergangenheit bereits bewährt haben.288 Mit zunehmender Anwendung erhöht sich die Effizienz, was wiederum Zufriedenheit und somit einen verstärkten Rückgriff auf die jeweilige Routine mit sich bringt.289 Dosi/Egidi kommen etwa zu dem Schluss, dass Problemlösungsprozesse in Form einer intelligenten Suche ablaufen. Dabei bringen Erfolge mit der Zeit Regeln hervor, die zu Zwecken der Problemlösung bevorzugt verwendet werden. Nach mehrfacher erfolgreicher Anwendung der entsprechenden Handlungsmuster etablieren sich diese derart, dass bei deren Ausführung jegliche kognitive Anstrengung weitgehend vermieden werden kann.290 Insofern kann die gleiche Aktivität für einen Experten eine Routine darstellen, während sie für einen Laien mit einer großen kognitiven Herausforderung einhergeht.291 Die den Routinen inhärente Stabilität sowie der eng damit in Zusammenhang stehende Automatismus bringen für eine Organisation zwar gewisse Vorteile mit sich, sie können sich jedoch ebenso nachteilig auswirken: Erfordert ein Wandel in der Umwelt einer Organisation etwa eine Anpassung der Routinen, so kann eben diese Stabilität in einer organisationalen Trägheit resultieren.292 Gilbert differenziert hinsichtlich der organisationalen Trägheit zwischen einer Ressourcenträgheit und einer Routinenträgheit. Dabei versteht er Letzteres als das Scheitern einer Organisation, ihre Prozesse 285 286 287 288 289 290 291 292
Winter (1986), S. 165. Winter (2003), S. 991. Vgl. Gavetti/Levinthal (2000), S. 113. Vgl. Lavie/Rosenkopf (2006), S. 802. Vgl. Levinthal/March (1993), S. 95ff. Vgl. Dosi/Egidi (1991), S. 154ff. Vgl. Cohen et al. (1996), S. 671. Zur organisationalen Trägheit siehe beispielsweise Hannan/Freeman (1984), S. 149ff.
52
2 Theoretischer Bezugsrahmen und Ableitung von Forschungshypothesen
zu verändern und die zuvor in Ressourcen getätigten Investments entsprechend zu nutzen.293 Angesichts der Gefahr einer organisationalen Trägheit scheint es interessant zu sehen, ob und inwieweit hier ein dynamisches Verständnis helfen kann. Insbesondere in den Sozialwissenschaften herrscht ein großer Widerstand hinsichtlich der Vorstellung, dass die in die Ausführung einer Routine involvierten Individuen wie reine Programme funktionieren.294 Vor dem Hintergrund, dass Routinen auf Traditionen, Bräuchen oder Gewohnheiten basieren, hebt Giddens etwa hervor: „The routinized character of most social activity is something that has to be ‘worked at’ continually by those who sustain it in their day-to-day conduct.”295 In eine ähnliche Richtung zielen aktuellere Beiträge, welche anstelle formaler Regeln die soziale Vernetztheit der an der Ausführung einer Routine beteiligten Personen betonen.296 Eine soziale Vernetztheit erscheint insofern gegeben, als an der Ausführung organisationaler Routinen in der Regel mehrere Akteure beteiligt sind. Folglich gehen mit Routinen komplexe Interaktionen einher, welche den in der traditionellen Sichtweise postulierten Automatismus ernsthaft in Frage stellen.297 So kommt auch Feldman, obwohl er seine Feldstudie mit einem von Stabilität geprägten Routineverständnis begann, nach umfangreicher Forschung zu dem Ergebnis, dass sich Routinen maßgeblich verändern können.298 Die Gründe für den Wandel von Routinen sind dabei vielfältig: Einerseits können Veränderungen durch einen externen Schock oder sogar durch eine Krise hervorgerufen werden;299 andererseits kann die mit sozialen Verbindungen einhergehende Dynamik als Quelle des Wandels dienen.300 Um den Aspekt der einer organisationalen Routine zugrunde liegenden Dynamik zu verdeutlichen, ziehen Pentland/Rueter die Grammatik einer Sprache heran: „To the extent that organizational processes such as routines can be described as ordered sets
293 294 295 296
297 298 299
300
Vgl. Gilbert (2005), S. 741ff. Vgl. Cohen et al. (1996), S. 685; Giddens (1984), S. 86. Giddens (1984), S. 86. Vgl. Eberl (2009), S. 75f. Ein interessanter Ansatz, welcher neben der den Routinen inhärenten Stabilität soziale Verbindungen der an der Ausführung einer Routine beteiligten Personen berücksichtigt, findet sich beispielsweise bei Howard-Grenville (2005). Vgl. Pentland/Rueter (1994), S. 488. Vgl. Feldman (2000), S. 611. Siehe hierzu auch Lewin (1963). Der Autor entwickelte eines der ersten Modelle sozialer Veränderung. Vgl. Feldman/Pentland (2003), S. 95; Feldman (2000), S. 613.
2.3 Organisationale Routinen und Veränderungsfähigkeit
53
of actions, they can also be described by grammars.”301 Organisationale Prozesse wurden in der Vergangenheit mehrfach mit der Metapher einer Grammatik in Verbindung gebracht.302 Eines der ersten Beispiele hierfür findet sich bei Weick, der feststellt: „Organizing resembles a grammar.“303 Unter einer Grammatik werden in diesem Zusammenhang sowohl ein begrenzter Umfang an Wörtern als auch bestimmte Syntaxregeln einer Sprache subsumiert. Ausgehend von dem zugrunde liegenden Wortschatz lassen sich jeweils Sätze bilden, wobei die Möglichkeiten zur Satzbildung durch die entsprechenden Syntaxregeln von vornherein limitiert sind. Trotzdem lassen sich aufgrund der Grammatik keinerlei Rückschlüsse auf den genauen Wortlaut künftiger Sätze ziehen.304 Genau hier sehen Pentland/Rueter eine Analogie zu dem Konstrukt organisationaler Routinen: „In the same way that English grammar allows speakers to produce a variety of sentences, an organizational routine allows members to produce a variety of performances.”305 Insofern sehen die Autoren Routinen weiterhin als Set möglicher Handlungsmuster an, gehen jedoch davon aus, dass diese weder unveränderlich noch automatisch sein müssen. Eine solche Analogie erscheint insofern sinnvoll, als eine Grammatik für etwaige Situationen weder ein konkretes Ergebnis noch ein bestimmtes Vorgehen festlegt. Stattdessen bietet eine Grammatik – ebenso wie eine Routine – ein Repertoire an verschiedenen Möglichkeiten, auf welches bei Bedarf zurückgegriffen werden kann. Des Weiteren trägt das Bild einer Grammatik dem Umstand Rechnung, dass sich Routinen häufig aus Subroutinen zusammensetzen, die mit der Zeit zu neuen Routinen kombiniert werden können. Hier sind „Grammatical Models“306 in der Lage, verschiedene Ebenen abzubilden, so dass auch Subroutinen ihre Berücksichtigung finden. In diesem Zusammenhang ist zudem hervorzuheben, dass solche Modelle gut geeignet sind, um Abhängigkeiten zwischen verschiedenen Ereignissen abzubilden.307 Das mit dem Konstrukt der Grammatik zugrunde gelegte dynamische Verständnis wird auch von Feldman vertreten. So betont Feldman in Anlehnung an Pentland beziehungsweise Pentland/Rueter, dass sie Routinen neben Stabilität ebenfalls ein 301
302 303 304 305 306 307
Pentland/Rueter (1994), S. 489. Eine weitere Metapher für das Routinekonstrukt findet sich beispielsweise bei Feldman/Rafaeli (2002). Die Autoren vergleichen Routinen mit einem Tanz. Vgl. Pentland (1995), S. 542. Weick (1979), S. 3. Vgl. Lee/Wyner/Pentland (2008), S. 757; Pentland (1995), S. 542f. Pentland/Rueter (1994), S. 490. Pentland (1995), S. 541. Vgl. Pentland/Rueter (1994), S. 485.
54
2 Theoretischer Bezugsrahmen und Ableitung von Forschungshypothesen
gewisses Maß an Flexibilität zuspricht. Dennoch geht sie hinsichtlich der Dynamik des Routinekonzepts noch einen Schritt weiter, indem sie nicht nur auf die Möglichkeit abzielt, aus einem Repertoire an Handlungsmustern auswählen zu können, sondern Routinen als emergente Phänomene beschreibt. So wird hier davon ausgegangen, dass sich das Repertoire selbst ebenso wie die Auswahlregeln innerhalb dieses Repertoires ändern können.308 Das enorme Veränderungspotenzial organisationaler Routinen wird dabei primär auf die betroffenen Akteure zurückgeführt, da deren Handlungen unter anderem durch Gedanken, Gefühle oder Sorgen beeinflusst werden.309 Abgesehen davon können diverse Umstände eine Änderung einer Routine durch die Akteure selbst mit sich bringen – zum Beispiel, wenn die Handlungen der betroffenen Personen nicht zum gewünschten Ergebnis führen oder trotz einer Zielerreichung weiterhin Verbesserungspotenzial gesehen wird.310 Sofern in Folge einer als notwendig erachteten Anpassung nicht nur die Vorgehensweise leicht abgeändert wird, sondern außerdem noch die handlungsleitenden Theorien in Frage gestellt werden, gleicht dieser Prozess dem Double-Loop-Learning nach Argyris.311 Deshalb geht Feldman davon aus, dass innerhalb von Routinen Prozesse des organisationalen Lernens312 ablaufen und dass Routinen in der lernenden Organisation313 ebenfalls eine große Bedeutung zukommt.314 In dem dynamischen Routineverständnis spiegelt sich in Ansätzen bereits ein Veränderungsgedanke wider. So hat sich gezeigt, dass Routinen aufgrund der Möglichkeit, aus einem Repertoire an Handlungsmustern auswählen zu können, ein gewisses Anpassungspotenzial in sich bergen. Hierbei wird zum Teil sogar davon ausgegangen, dass sich das Repertoire selbst ebenso wie die Auswahlregeln innerhalb dieses Repertoires ändern können.315 Dennoch werden Routinen auch in letzterem Falle als emergente Phänomene umschrieben, so dass eine tiefergehende Veränderung auszubleiben scheint. Doch gerade die Wandlungs- beziehungsweise Anpassungsfähigkeit einer Organisation wird als erforderlich angesehen, um in dem sich unter Umständen
308 309 310 311 312 313 314 315
Vgl. Feldman (2000), S. 613. Vgl. Feldman (2000), S. 614. Vgl. Feldman (2000), S. 620. Siehe hierzu beispielsweise Argyris (1976; 2002); Argyris/Schön (2002). Zum organisationalen Lernen siehe Dierkes et al. (2003). Zur lernenden Organisation siehe Senge (1994). Vgl. Feldman (2000), S. 625. Vgl. Feldman (2000), S. 613.
2.3 Organisationale Routinen und Veränderungsfähigkeit
55
schnell verändernden Umfeld eines Unternehmens erfolgreich bestehen zu können.316 Hierbei kommt vor allem dem Vorbereitetsein auf veränderungsbedingte Unsicherheit eine große Bedeutung zu. Was konkret unter Veränderungsfähigkeit beziehungsweise unter dem Vorbereitetsein auf veränderungsbedingte Unsicherheit zu verstehen ist, bleibt in der Wissenschaft bisher aber ungewiss und wird deshalb im folgenden Kapitel diskutiert.
2.3.1.2 Umgang mit veränderungsbedingter Unsicherheit Dass Veränderungen eine erhebliche Unsicherheit für die Betroffenen mit sich bringen, zeigt sich unmittelbar in der Literatur aus den Bereichen Change und Change Management: So können Veränderungen aus Sicht der Mitarbeiter unvorhergesehen eintreten, wie etwa im Falle eines kurzfristig kommunizierten Unternehmenszusammenschlusses. Außerdem sind das Ausmaß der Veränderungen sowie die damit einhergehenden Konsequenzen für die einzelnen Mitarbeiter im Vorfeld oft nicht hinreichend bekannt. Angesichts dieser Unsicherheit wird die Vorbereitung auf zukünftige Veränderungen teilweise als paradox bezeichnet; denn eine angemessene Vorbereitung erfordert grundsätzlich ein konkretes Ziel, welches in diesem Falle nicht gegeben ist.317 Cyert/March argumentieren bereits: „Individuals have goals; [whereas] collectivities of people do not.”318 Insofern besteht die Herausforderung letztlich darin, dass sich das Vorgehen weder planen noch steuern lässt, so dass hier Kompetenzen eine hohe Bedeutung zukommt. In Praxis und Wissenschaft gibt es verschiedene Definitionen des Begriffs Kompetenz, welche grundsätzlich entweder auf die individuelle oder auf die organisationale Ebene abzielen. Dabei bildet die Ebene individueller Kompetenzen den Ursprung der Kompetenzforschung.319 Bei näherer Betrachtung der terminologischen Abgrenzungen ist festzustellen, dass der Kompetenzbegriff auf individueller Ebene in der Regel von
316
317 318 319
Vgl. Dosi/Nelson/Winter (2002), S. 4; Güttel (2006b), S. 417; Jenner (2006), S. 86. Mit Blick auf das Ziel dieser Arbeit liegt der Fokus auf externen Quellen von Unsicherheit, obwohl Unsicherheit grundsätzlich auch durch interne Quellen hervorgerufen werden kann (z.B. im Falle von Restrukturierungsmaßnahmen). Vgl. Stoll/Schäffer (2006), S. 281. Cyert/March (1992), S. 30. Zur Entwicklung des Kompetenzbegriffs siehe beispielsweise Balzereit (2010), S. 98.
56
2 Theoretischer Bezugsrahmen und Ableitung von Forschungshypothesen
Wissen sowie teilweise von Qualifikationen abgegrenzt wird.320 Hierbei bildet die Wissenstreppe von North regelmäßig den Ursprung der Argumentation.321 Wettbewerbsfähigkeit Kompetenz Handeln Können Wissen Informationen Daten Zeichen
+ Einzigartigkeit
+ richtig handeln
+ Wollen
+ Anwendungsbezug
+ Vernetzung
+ Bedeutung
+ Syntax
Abbildung 6: Die Wissenstreppe von North (Quelle: in Anlehnung an North (2002), S. 39)
Kompetenzen umfassen demnach mehr als nur Kenntnisse und Qualifikationen. So manifestiert sich Kompetenz gemäß North/Reinhardt in der Anwendung des Wissens und damit in einer Handlung: „Competencies are concretized at the moment knowledge is applied.“322 Trotzdem kommt zur Bestimmung des Begriffes Kompetenz auch dem Aspekt der Fähigkeit eine große Bedeutung zu.323 Dies spiegelt sich in dem Verständnis von North/Reinhardt wider, die den Begriff Kompetenz an anderer Stelle noch etwas enger fassen: Die Autoren fügen zusätzlich zu den Aspekten der Fähigkeit und der Handlung die Angemessenheit hinzu und definieren Kompetenz schließlich als „die Fähigkeit, situationsadäquat zu handeln.“324 Solche Definitionsansätze finden sich in ähnlicher Weise in diversen wissenschaftlichen Beiträgen, wobei in diesem Zusammenhang jeweils die Handlungsfähigkeit beziehungsweise die Problemlösefähigkeit in den Vordergrund gestellt wird.325 Noch einen Schritt weiter geht hier Erpenbeck,326 320
321 322 323 324 325
Vgl. beispielsweise North/Reinhardt (2005), S. 29ff.; Pawlowsky/Menzel/Wilkens (2005), S. 341; Fank (2004), S. 3; von Rosenstiel (2004), S. 109; Wilkens (2004), S. 2; Messerschmidt/Grebe (2003), S. 53; Fitzek (2002), S. 25f.; Mildenberger (2002), S. 301f. Zur Wissenstreppe von North siehe North (2002), S. 37ff. North/Reinhardt (2003), S. 196; siehe hierzu auch North (2002), S. 40. Vgl. Wucknitz (2005), S. 163. North/Reinhardt (2005), S. 29. Vgl. beispielsweise Pawlowsky/Menzel/Wilkens (2005), S. 351; Wilkens (2004), S. 2; Sveiby (1998), S. 64f.; Schnurer/Mandl (2004), S. 127; Hanft/Müskens (2003), S. 59; Ley/Albert (2003), S. 87; Fitzek (2002), S. 25; Probst et al. (2000), S. 13.
2.3 Organisationale Routinen und Veränderungsfähigkeit
57
indem er Kompetenz als „die Fähigkeit [...] von Menschen, sich in offenen und unüberschaubaren, komplexen und dynamischen Situationen selbstorganisiert zurechtzufinden“327 umschreibt. Dies bedeutet wiederum, dass entsprechend dem zugrunde liegenden Ansatz der Selbstorganisationstheorie328 keine festen Ziele vorgeschrieben sind. Durch das selbständige Setzen von Zielen und die Erarbeitung von Strategien zu deren Erreichen können Erfahrungen gesammelt werden, welche letztlich einen Lernprozess mit sich bringen.329 Eine Zusammenführung dieses Ansatzes mit dem zuvor angesprochenen Ansatz von North/Reinhardt ergibt ein umfassendes, im organisationalen Kontext anwendbares Kompetenzverständnis. Kompetenzen werden demnach als Verhaltensrepertoire gesehen, das sich im Zuge eines selbstorganisierten Vorgehens über Lernprozesse entwickelt und durch Rückkopplungen in jeweils veränderten Situationen zu einem angemessenen Verhalten führt.330 In Analogie zum individuellen Kompetenzverständnis wird der Selbstorganisation in der auf die organisationale Ebene abzielenden kompetenztheoretischen Diskussion ebenfalls eine hohe Bedeutung zugesprochen, da hier „Flexibilität als wichtige Voraussetzung [gilt] […], um in turbulenten Märkten erfolgreich agieren und langfristige Wettbewerbsvorteile generieren zu können.“331 Vor diesem Hintergrund beschreibt Wilkens organisationale Kompetenz – unter Bezugnahme auf das Selbstorganisationskonzept – etwa als „die Handlungsfähigkeit der Unternehmung, sich nachhaltige Wettbewerbsvorteile zu sichern“332 und stellt fest, dass es um die Frage geht, „ob und inwieweit eine Unternehmung imstande ist, Handlungspotenzial aufgrund von Ressourcen zu aktivieren und wirkungsvoll zu nutzen.“333 Ähnlich spiegelt sich in weiteren Definitionen organisationaler Kompetenz die Aktivierung des Handlungs- beziehungsweise Fähigkeitspotenzials wider.334
326
327 328 329 330 331 332 333 334
Siehe hierzu Erpenbeck (2004), S. 58ff.; Erpenbeck (2005), S. 11f.; Heyse/Erpenbeck/Michel (2002), S. 11. Heyse/Erpenbeck/Max (Hrsg.) (2004), S. 8. Siehe hierzu Jutzi/Aderhold (2003), S. 243ff.; Probst (1987). Vgl. Knispel (2005), S. 32. Vgl. Barthel/Rieser/Wollersheim (2009), S. 506ff. Hülsmann/Wycisk (2006), S. 326. Wilkens (2004), S. 8. Wilkens (2004), S. 8. Siehe beispielsweise Barthel/Zawacki-Richter (2007), S. 233ff.; Barthel/Zawacki-Richter/ Hasebrook (2006), S. 344ff.; Wollersheim/Zawacki-Richter/Barthel (2007), S. 195ff. Dieses Kompetenzverständnis lässt sich auch auf Team- und Netzwerkebene übertragen. Zur Kompetenz
58
2 Theoretischer Bezugsrahmen und Ableitung von Forschungshypothesen
Dass die Diskussion organisationaler Kompetenz in einem engen Zusammenhang zur Dynamic Capability-Debatte steht, zeigt sich bereits darin, dass manche Autoren in ihren Abhandlungen zur organisationalen Kompetenz auf den Dynamic CapabilityAnsatz zurückgreifen.335 Dabei dient die Bezugnahme auf die Dynamic CapabilityPerspektive in der Regel dazu, auf den Dynamisierungsgedanken zu verweisen, welcher in den meisten Begriffsverständnissen organisationaler Kompetenz implizit enthalten ist. Insgesamt scheinen die Definitionen organisationaler Kompetenz bislang wenig konkret;336 in Ausnahmefällen wird organisationale Kompetenz in der Literatur synonym zu Dynamic Capability verwendet.337 Bei näherer Betrachtung des organisationalen Kompetenzkonstrukts ist jedoch ersichtlich, dass hier der Fokus auf dem zuvor erwähnten Handlungspotenzial liegt. Die Handlungsfähigkeit ist dabei situationsübergreifend, so dass Selbstorganisationsdispositionen als besonders wichtig erachtet werden.338 Folglich scheint es bei der organisationalen Kompetenz primär um die Veränderungsfähigkeit eines Unternehmens zu gehen. Es ist zwar vereinzelt ein Bezug zu Routinen erkennbar, dieser scheint allerdings eher auf die Fähigkeit abzuzielen, angemessene Routinen bilden zu können, als darauf, ob eine Organisation aktuell über situationsadäquate Routinen verfügt und somit in der Lage ist, ihre Aufgaben effizient zu erledigen. Insofern scheint es gerechtfertigt, organisationale Kompetenz (im Sinne einer Selbstorganisationsdisposition)339 und Dynamic Capability als leicht unterschiedliche Konstrukte zu behandeln. So wird Dynamic Capability im weiteren Verlauf dieser Arbeit als Oberbegriff verwendet, welcher sowohl Routinen als auch organisationale Kompetenz umfasst. Dabei werden die Termini organisationale Kompetenz und Veränderungs- beziehungsweise Anpassungs- oder Wandlungsfähigkeit synonym verwendet.
2.3.2 Empirische Untersuchungen Die vorangehenden Abschnitte dienten dazu, Routinen und Veränderungsfähigkeit als die wesentlichen Merkmale des Dynamic Capability-Konzepts theoretisch aufzuarbei-
335 336 337 338 339
als Mehrebenenphänomen siehe beispielsweise Barthel/Zawacki-Richter/Hasebrook (2006), S. 339. Vgl. beispielsweise Stegmaier/Sonntag (2007), S. 88ff.; Wilkens/Gröschke (2007), S. 272ff. Vgl. Wilkens/Keller/Schmette (2006), S. 123. Vgl. Schreyögg/Kliesch (2006), S. 456. Vgl. Wilkens/Keller/Schmette (2006), S. 125. Vgl. Erpenbeck (2004), S. 58. Zur Selbstorganisation siehe auch Hülsmann/Wycisk (2006), S. 334ff.
2.3 Organisationale Routinen und Veränderungsfähigkeit
59
ten. Hier hat sich gezeigt, dass die Notwendigkeit einer gewissen Anpassungsfähigkeit im Forschungsbereich der Routinen bereits erkannt wurde. Durch das Dynamic Capability-Konstrukt, welches neben der mit Routinen einhergehenden Effizienz zusätzlich den Vorteil der Vermeidung einer organisationalen Trägheit in Form von Veränderungsfähigkeit mit sich bringt, kann diesem Erfordernis in vollem Umfang Rechnung getragen werden. Dennoch ist unklar, wie Routinen und Veränderungsfähigkeit operationalisiert werden können. Im Hinblick auf das Forschungsziel dieser Dissertation sind die nächsten Abschnitte deshalb der Frage gewidmet, inwiefern diese beiden Konstrukte in der Vergangenheit empirisch untersucht und damit auch operationalisiert wurden.
2.3.2.1 Empirische Untersuchungen organisationaler Routinen In der Literatur wird bemängelt, dass das Konzept organisationaler Routinen trotz der ihm zukommenden großen Aufmerksamkeit kaum eine Weiterentwicklung erfahren hat.340 Einer der Hauptgründe hierfür wird im Mangel an empirischen Studien zu diesem Thema gesehen; denn „in purely deductive research, there is always the possibility that an empirical phenomenon can pass theory unnoticed because it was never thought of [and] only empirical research can contribute to certain conceptual questions.“341 Der Mangel an empirischen Untersuchungen ist primär auf die Problematik einer angemessenen Operationalisierung zurückzuführen. Becker hebt in diesem Zusammenhang hervor: „[A]pplying the notion of organizational routines in empirical research is not a trivial matter.”342 Dennoch existieren in der Literatur vereinzelt empirische Studien, die sich dem Thema organisationaler Routinen widmen. Dabei wurden die meisten empirischen Studien in der Vergangenheit im Feld durchgeführt,343 wobei inzwischen auch diverse Laboruntersuchungen organisationaler Routinen existieren.344 Cohen/Bacdayan heben in diesem Zusammenhang hervor, die mit einer Laborsituation einhergehende verbesserte Kontrolle „offers the possibility of 340
341 342 343
344
Vgl. beispielsweise Cohen/Bacdayan (1994), S. 556; Cohen et al. (1996), S. 656; Cohen (2006), S. 389; Becker (2005b), S. 250. Becker (2005b), S. 250. Becker (2005a), S. 817. Vgl. Wang/Zhang (2008), S. 872; Cohen/Bacdayan (1994), S. 558. Feldstudien finden sich beispielsweise bei Edmondson/Bohmer/Pisano (2001); Feldman (2000); Howard-Grenville (2005); Narduzzo/Rocco/Warglien (2002); Pentland/Rueter (1994). Laborstudien zum Thema organisationale Routinen finden sich beispielsweise bei Cyert/March (1963); Cohen/Bacdayan (1994); Egidi (1996); Wang/Zhang (2008).
60
2 Theoretischer Bezugsrahmen und Ableitung von Forschungshypothesen
carefully testing ideas that claim to explain the rich observations of the field.”345 Nichtsdestotrotz wird die Analyse organisationaler Routinen grundsätzlich als Herausforderung betrachtet: Die Beobachtung organisationaler Routinen gestaltet sich zum einen schwierig, weil Routinen einen emergenten Charakter aufweisen und primär auf implizitem Wissen basieren; zum anderen wird es als problematisch angesehen, dass organisationale Routinen komplexe Handlungsmuster darstellen und somit in der Regel mehrere Personen und Unternehmensbereiche gleichzeitig betreffen.346 Eine Studie, die beiden Herausforderungen gleichermaßen zu begegnen scheint, ist die Laboruntersuchung von Cohen/Bacdayan.347 Cohen/Bacdayan entwickelten ein Kartenspiel, um mithilfe eines Laborexperiments zwei Fragestellungen nachzugehen: Zum einen diente das Experiment dem Nachweis, dass sich im Zuge des Kartenspiels Routinen bilden; zum anderen zielte es darauf ab zu untersuchen, in welchem Teil des menschlichen Gedächtnisses Routinen gespeichert werden.348 Zur Analyse dieser Forschungsfragen wurden jeweils zu zwei Terminen mehrere Runden des Kartenspiels „Transform the Target“349 beziehungsweise „Target The Two“350 gespielt. Dabei umfasste jede Spielergruppe zwei Personen, die gemeinsam ein bestimmtes Ziel verfolgten. Beide Personen hatten unterschiedliche Rollen inne, so dass sie abweichende Spielregeln zu beachten hatten. Eine besondere Schwierigkeit lag darin begründet, dass während des Spiels jegliche Kommunikation untersagt war. Die Stichprobe basierte auf insgesamt 64 Studenten. Diese wurden per Zufall zu 32 Spielerpaaren gruppiert und jeweils einer von vier Experimentalgruppen zugewiesen. Die Notwendigkeit der vier Gruppen ist darauf zurückzuführen, dass es in dem Experiment unterschiedliche Versuchsbedingungen gibt: Einerseits wurde bei zwei Gruppen die Länge der Pause zwischen den beiden Spielphasen variiert. Acht Spielerpaare hatten zwischen den beiden Phasen lediglich eine Pause von circa vier Stunden, während den anderen acht Paaren eine Pause von ein bis zwei Wochen zugestanden wurde. Andererseits wurden die Spielbedingungen für eine Experimental345 346
347 348 349 350
Cohen/Bacdayan (1994), S. 558. Vgl. Pentland/Rueter (1994), S. 484; Pentland (2003b), S. 528; Cohen/Bacdayan (1994), S. 555; Cohen et al. (1996), S. 668. Siehe hierzu Cohen/Bacdayan (1994), S. 554ff. Vgl. Cohen/Bacdayan (1994), S. 554f. Egidi/Narduzzo (1997), S. 677; Wang/Zhang (2008), S. 872. Egidi/Bonini (1999), S. 3; Garapin/Hollard (1999), S. 465; Ross et al. (2007).
2.3 Organisationale Routinen und Veränderungsfähigkeit
61
gruppe verändert. So wurden acht Spielerpaare ohne vorherige Ankündigung instruiert, in der zweiten Phase ihre Rollen zu tauschen (das heißt, dass jeweils andere Spielregeln zu beachten waren als in der ersten Spielphase), wobei das Ziel des Spiels leicht variiert wurde. Dahingegen spielten die acht Paare der Kontrollgruppe unter den gleichen Bedingungen wie in der ersten Spielphase; das heißt, weder die Rollen noch das Ziel des Spiels waren Änderungen unterworfen. Dieses Untersuchungsdesign dient als Grundlage zur Beantwortung der beiden zuvor erwähnten Forschungsfragen. Im Hinblick auf die Zielsetzung der vorliegenden Arbeit erscheint insbesondere die erste Forschungsfrage von Cohen/Bacdayan interessant, welche darauf abzielt nachzuweisen, dass sich im Zuge des Kartenspiels Routinen bilden. Zur Untersuchung dieser Forschungsfrage identifizierten die Autoren ausgehend von Organisations- und Evolutionstheorien vier für Routinen charakteristische Merkmale und analysierten, ob sich diese Aspekte in der Vorgehensweise der Probanden beim Spielen von Transform the Target wieder finden.351 In Kapitel 2.3.1.1 hat sich bereits gezeigt, dass Routinen vielfach als musterbasierte Problemlösungsprozesse verstanden werden.352 Da ein großer Vorteil der Routinierung dabei darin liegt, dass sich Vorgehensweisen zur Zielerreichung mit der Zeit verbessern, sehen Cohen/Bacdayan einen ersten Indikator für das Bilden von Routinen in der Reliability, welche genau auf diese Verbesserung abzielt. In einem engen Zusammenhang damit steht das Merkmal Speed. Hier gehen die Autoren davon aus, dass das Zurückgreifen auf routinierte Verhaltensweisen in ungewohnten Situationen schneller ist als das bewusste Treffen von Entscheidungen hinsichtlich eines angemessenen Vorgehens. Insofern sehen sie in der zunehmenden Geschwindigkeit ein Anzeichen der Routinierung. Des Weiteren ziehen die Autoren Repeated Action Sequences heran, um Rückschlüsse auf die Routinenbildung ziehen zu können. Der Aspekt des wiederkehrenden Auftretens bestimmter Handlungsmuster wird ebenso vielfach als Charakteristikum von Routinen hervorgehoben wie auch der Indikator der Occasional Suboptimality.353 Letzteres Merkmal zielt darauf ab, dass gelegentlich Routinen zur Anwendung kommen, obwohl andere Verhaltensweisen objektiv gesehen als angemessener erscheinen.
351 352 353
Vgl. Garapin/Hollard (1999), S. 469; Cohen/Bacdayan (1994), S. 558ff. Siehe hierzu auch Becker (2004), S. 644ff. Siehe beispielsweise Gersick/Hackman (1990); Becker (2004), S. 646ff.
62
2 Theoretischer Bezugsrahmen und Ableitung von Forschungshypothesen
Die vier von Cohen/Bacdayan identifizierten Merkmale organisationaler Routinen konnten im Rahmen des Experiments bestätigt werden, so dass die Autoren zu dem Schluss kommen: „routines emerge in our laboratory task“354. Es gelang den Autoren folglich nachzuweisen, dass sich im Zuge des Kartenspiels organisationale Routinen bilden.355 Dabei konnten einige der mit der Analyse organisationaler Routinen einhergehenden Probleme elegant gelöst werden.356 So greifen die Autoren zur Untersuchung des Konstrukts nicht auf Befragungen von Individuen zurück, die ohnehin nur explizites Wissen preisgeben könnten; stattdessen bietet das Kartenspiel die Möglichkeit, Routinen allein auf Basis von Handlungen zu erforschen. Damit ist gewährleistet, dass neben explizitem Wissen auch das den Handlungen inhärente implizite Wissen357 Berücksichtigung findet.358 Da während des Spiels jegliche Kommunikation der Probanden untersagt ist, besteht außerdem keine Gefahr, dass Rückschlüsse auf der Grundlage beobachteter Äußerungen gezogen werden. Des Weiteren bringt Transform the Target den Vorteil mit sich, dass an der Bildung der Routinen jeweils nur zwei Probanden beteiligt sind. Die Beschränkung auf eine Interaktion zweier Versuchsteilnehmer grenzt den Untersuchungsbereich klar ab und ermöglicht somit eine kontrollierte Analyse des Konstrukts organisationaler Routinen, welche sich in dem Spiel trotz der Begrenzung auf zwei Interakteure nachweislich bilden. Cohen/Bacdayan heben in diesem Zusammenhang hervor, dass es sich bei dem Kartenspiel um eine ideale Umgebung zur Erforschung organisationaler Routinen handelt, „as each hand requires precise rational problem solving, but in the play of many hands there is opportunity for routines to form.“359 Das Kartenspiel Transform the Target stellt, nicht zuletzt wegen seiner Verbreitung in der Wissenschaft,360 einen entscheidenden Beitrag zum Forschungsgebiet organisationaler Routinen dar. So wurde in Studien der University of Trento in Italien ebenso
354 355 356
357
358 359 360
Cohen/Bacdayan (1994), S. 563. Vgl. Cohen/Bacdayan (1994), S. 555. Zu den mit der Analyse organisationaler Routinen einhergehenden Problemen siehe beispielsweise Pentland/Rueter (1994), S. 484; Pentland (2003b), S. 528; Cohen/Bacdayan (1994), S. 555; Cohen et al. (1996), S. 668. Siehe hierzu Nonaka/Takeuchi (1996), S. 833ff.; zur Definition von implizitem Wissen siehe beispielsweise Holyoak/Spellman (1993), S. 278. Vgl. Egidi/Ricottilli (1997), S. 4. Cohen/Bacdayan (1994), S. 559. Siehe beispielsweise Wang/Zhang (2008); Computable and Experimental Economics Laboratory (2006); Soraperra (2006); Egidi/Bonini (1999); Garapin/Hollard (1999); Egidi/Ricottilli (1997); Egidi/Narduzzo (1997); Egidi (1996).
2.3 Organisationale Routinen und Veränderungsfähigkeit
63
bestätigt, dass Transform the Target geeignet ist, um Routinen zu analysieren wie auch in einer Untersuchung der Zhejiang University in China.361 Neben der von Cohen/Bacdayan vorgeschlagenen Operationalisierung sind in der Wissenschaft durchaus weitere Ansätze zur Erhebung organisationaler Routinen vorzufinden. Ein systematischer Überblick hierzu findet sich bei Becker.362 Der Autor führte eine umfangreiche Literaturrecherche zu empirischen Studien in diesem Bereich durch, bei welcher sich insgesamt vier Methoden zur Operationalisierung organisationaler Routinen herauskristallisierten: „identifying repeated sequences; identifying fixed condition-action rules; identifying task variety and analyzability; and identifying the content, process and sequence of recurrent interaction patterns.“ 363 Die erste Methode entspricht der Identifizierung wiederkehrender Handlungsabfolgen bei Cohen/Bacdayan, welche von Becker ebenfalls als Kernmerkmal organisationaler Routinen interpretiert wird. Dass Becker dem Wiederkehren von Handlungsabfolgen eine sehr hohe Bedeutung beimisst, spiegelt sich direkt in seinem Begriffsverständnis wider; denn er definiert Routinen als „recurrent interaction patterns.“364 Kritischer steht der Autor hingegen der zweiten Methode gegenüber. So sieht er die Analyse kausaler Beziehungen im Sinne von March/Simon365 vor allem für Feldstudien als problematisch an. Hinsichtlich der dritten Methode bemängelt Becker, dass diese insbesondere im Vergleich zur vierten Herangehensweise ungeeignet ist, den Routineprozess an sich zu erfassen. Anders als die dritte Methode stellt die vierte auf „routineness of tasks instead of the routinization of task units“366 ab, so dass der Fokus nicht auf die Struktur, sondern direkt auf den Prozess der Aufgabenausführung gerichtet ist. Ausgehend von einer ausführlichen, literaturbasierten Diskussion der Eignung dieser vier Methoden für zukünftige Forschungsarbeiten, identifiziert Becker schließlich sowohl die Häufigkeit als auch die Variation als typische Charakteristika organisationaler Routinen. Während die Häufigkeit dabei das Wiederkehren von Handlungsabfolgen repräsentiert, zielt die Variation – analog zur vierten Methode – auf Inhalt, Prozess und Abfolge von Handlungsmustern ab. Zur Operationalisierung der Variation 361 362 363 364 365 366
Siehe hierzu beispielsweise Egidi (1996); Egidi/Narduzzo (1997); Wang/Zhang (2008). Siehe hierzu Becker (2005a). Becker (2005a), S. 819. Becker (2005a), S. 818. Siehe hierzu March/Simon (1958). Becker (2005a), S. 822.
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2 Theoretischer Bezugsrahmen und Ableitung von Forschungshypothesen
verweist Becker schließlich auf die Arbeiten von Pentland zu Sequential Variety,367 in welchen verschiedene Möglichkeiten zur Erhebung dieses Phänomens einer eingehenden Analyse unterzogen werden. Bei näherer Betrachtung der verschiedenen Alternativen sind Parallelen zur Dimension der gelegentlichen Suboptimalität bei Cohen/ Bacdayan zu erkennen: So schlägt Pentland zur Beurteilung der Sequential Variety unter anderem eine Methode vor, in der verschiedene Handlungsabfolgen direkt miteinander verglichen werden, um Unterschiede in Abständen ausdrücken zu können. Zur Untersuchung, ob gelegentlich Routinen zur Anwendung kommen, obwohl andere Verhaltensweisen objektiv gesehen angemessener sind, scheint ein direkter Abgleich von Handlungsabfolgen im Sinne eines Soll-Ist-Abgleiches ebenfalls als unumgänglich. Die folgende Abbildung stellt die von Cohen/Bacdayan und Becker identifizierten Charakteristika organisationaler Routinen noch einmal übersichtlich gegenüber.368 Charakteristika organisationaler Routinen nach Cohen/Bacdayan
Charakteristika organisationaler Routinen nach Becker
Repeated Action Sequences
Frequency
Occasional Suboptimality
Sequential Variety
Reliability
Speed
Abbildung 7: Überblick über die Charakteristika organisationaler Routinen
2.3.2.2 Empirische Untersuchungen von Veränderungsfähigkeit Anders als im Forschungsfeld der Routinen existieren im Bereich der Veränderungsfähigkeit bislang kaum empirische Ansätze zur Erhebung des Konstrukts. Insofern kommt der Studie von Wilkens und ihren Kollegen eine besondere Bedeutung zu;369 367 368 369
Siehe hierzu Pentland (2003a; 2003b). Vgl. Cohen/Bacdayan (1994), S. 558ff.; Becker (2005a), S. 817ff. Siehe hierzu Wilkens/Gröschke (2007), S. 269ff.; Wilkens/Keller/Schmette (2006), S. 121ff.; Wilkens et al. (2007).
2.3 Organisationale Routinen und Veränderungsfähigkeit
65
denn hierbei handelt es sich um einen der wenigen in der Literatur vorzufindenden quantitativen Ansätze zur Analyse von Veränderungsfähigkeit (in dem hier verwendeten Sinne von Selbstorganisationsdispositionen). Ausgehend von der Frage, inwieweit Wirkungsbeziehungen zwischen unterschiedlichen Kompetenzebenen bestehen, entwickelten Wilkens et al. im Rahmen des Forschungs- und Entwicklungsprogramms Lernkultur Kompetenzentwicklung einen umfangreichen Fragebogen, mit dem sich Kompetenz sowohl auf individueller als auch auf Gruppen- und organisationaler Ebene erfassen lässt.370 Dabei basiert die Fragebogenentwicklung auf einer umfangreichen, systematischen Theorieaufarbeitung, in welcher das Ziel verfolgt wurde, „ebenenübergreifend aussagekräftige Kompetenzdimensionen herauszuarbeiten.“371 Zur theoretischen Fundierung des Fragebogens wurde auf Theorien zurückgegriffen, die einerseits versuchen, Handlung zu erklären und andererseits mehrperspektivisch argumentieren. So ziehen Wilkens et al. die Komplexitätstheorie372 (in der Lesart der Theorie komplexer adaptiver Systeme) sowie die sozial-kognitive Theorie von Bandura373 als Grundlage ihrer Arbeit heran. Die Komplexitätstheorie beschäftigt sich mit der Frage, wie Systeme mit Komplexität umgehen. Dabei liegt dem Ansatz komplexer adaptiver Systeme (KAS-Ansatz) die Annahme zugrunde, dass Ordnungsbildung nicht nur exogen, sondern auch endogen gesteuert wird. Kappelhoff hebt die Fähigkeit komplexer adaptiver Systeme hervor, „sich in einem Zusammenspiel von internen Ordnungskräften und externer Anpassungsdynamik selbstorganisiert zu einer Ordnung am Rande des Chaos zu entwickeln.“374 Eine der primären Erkenntnisse des KAS-Ansatzes besteht hierbei darin, dass komplexe Systeme ihre maximale Handlungsfähigkeit im Übergangsbereich von starren Ordnungszuständen und chaotischen Dynamiken erreichen; denn in diesem Bereich können Ordnungs- und Anpassungsfähigkeit optimal miteinander verbunden werden.375 Angesichts der Parallelen zur organisationalen Kompetenz, welche sich insbesondere in der Steuerung durch Selbstorganisationsmechanismen widerspiegeln, bezeichnen Wilkens et al. „Kompetenz als spezifische Handlungsfähigkeit eines KAS.“376 Im Gegensatz zum KAS-Ansatz, welcher Handlung somit als Ereignis versteht und die Bestimmung eines Optimums an 370 371 372 373 374 375 376
Vgl. Wilkens et al. (2007), S. 4ff. Wilkens/Keller/Schmette (2006), S. 126. Siehe hierzu Kappelhoff (2002); aber auch Tilebein (2007), S. 56f. Siehe hierzu Bandura (1986; 2001). Kappelhoff (2000), S. 350. Vgl. Wilkens/Keller/Schmette (2006), S. 128f.; Wilkens et al. (2007), S. 16ff. Wilkens et al. (2007), S. 17.
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2 Theoretischer Bezugsrahmen und Ableitung von Forschungshypothesen
Handlungsfähigkeit erlaubt, zielt die sozial-kognitive Theorie auf die Handlungsintention ab. Die Handlungsintention, die sich primär auf die individuelle Ebene bezieht, wird durch das Selbstwirksamkeitskonstrukt beschrieben. Als Selbstwirksamkeitserwartung wird die subjektive Überzeugung einer Person bezeichnet, eine bestimmte Handlung oder Verhaltensänderung vollziehen zu können, weil sie sich selbst hinreichend Fähigkeiten zuschreibt, um das jeweilige Problem durch eigenes Handeln bewältigen zu können. Grundsätzlich gilt die Selbstwirksamkeitserwartung eines Individuums als guter Prädiktor für die tatsächlich erfolgende Handlung. Die sozial-kognitive Theorie wird in diesem Falle insofern als sinnvolle Ergänzung betrachtet, als der KAS-Ansatz als zu mechanistisch gilt, um die absichtliche, zielgerichtete Handlung einer Person aufgreifen zu können. Hier kann die Berücksichtigung von Handlungsintentionen helfen, die individuelle Ebene besser zu erfassen. Zusammengenommen werden die beiden Theorien deshalb von Wilkens/ Keller/Schmette als angemessen angesehen, um Kompetenzen im Sinne von Selbstorganisationsdispositionen abzubilden und zugleich die verschiedenen Kompetenzebenen zu integrieren.377 Folglich nutzen sie diese, um ebenenübergreifende Kompetenzdimensionen abzuleiten, auf welche sich die jeweilige Handlungsfähigkeit stützt. Im Ergebnis identifizieren sie vier Kompetenzdimensionen: Kombination, Kooperation, Komplexitätsbewältigung und Selbstreflexion. Bei näherer Betrachtung der aus der Theorie abgeleiteten Kompetenzdimensionen fällt auf, dass diese weitgehend dem Operationalisierungsvorschlag von Schreyögg/Kliesch zur organisationalen Kompetenz entsprechen.378 Die Dimensionen Kombination, Kooperation und Komplexitätsbewältigung sind also vergleichbar mit organisationalem Verknüpfungs-Knowhow, organisationalem Kooperationsvermögen und organisationalem Interpretationsvermögen. Lediglich die Selbstreflexion wurde durch Wilkens et al. als weitere Dimension des Kompetenzkonstrukts hinzugefügt.379 Da dem Ansatz von Schreyögg/Kliesch in der Literatur vereinzelt eine mangelnde theoretische Fundierung (im strengen Sinne) vorgeworfen wird und angesichts dessen, dass er
377 378 379
Vgl. Wilkens/Keller/Schmette (2006), S. 129. Siehe hierzu Schreyögg/Kliesch (2003), S. 39ff. Vgl. Wilkens/Gröschke (2007), S. 274.
2.3 Organisationale Routinen und Veränderungsfähigkeit
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bislang in empirischen Studien nicht zum Einsatz gelangen konnte, erscheint der Ansatz von Wilkens et al. als vorzugswürdig.380 Ein weiterer interessanter, quantitativer Ansatz, der Dynamic Capabilities zu erfassen sucht und somit primär auf den Aspekt der Veränderungsfähigkeit abstellt, findet sich bei Pavlou/El Sawy.381 Basierend auf einer umfangreichen Literaturarbeit können die Autoren die von Teece/Pisano/Shuen vorgeschlagenen382 Dynamic Capabilities zugrunde liegenden Prozesse „reconfiguring, sensing the environment, learning, coordinating, and integrating“383 bestätigen. Selbst sehen sie die Rekonfiguration von Ressourcen dabei als Zielprozess, welcher durch Beobachtung der Umwelt, Lernen, Koordination und Integration ermöglicht wird.384 Hier zeigen sich bereits erste Parallelen zu den Dimensionen der Veränderungsfähigkeit von Wilkens et al.; denn sie stellen etwa im Rahmen der Komplexitätsbewältigung auf entsprechende Umweltsensoren und somit ebenfalls auf das sorgfältige Beobachten der Umwelt ab.385 In Einklang mit den zuvor identifizierten Ziel- und Kernprozessen definieren Pavlou/El Sawy Dynamic Capability schließlich als „[t]he ability to deploy new configurations of operational competencies relative to the competition by effectively sensing the environment, learning, coordinating activities, and integrating interaction patterns.”386 Ausgehend von diesem Verständnis entwickelten Pavlou/El Sawy einen Fragebogen, welcher im Kontext der Entwicklung neuer Produkte zum Einsatz kam. Das Modell konnte auf Basis einer Stichprobe von N = 180 validiert werden und auch der Fragebogen an sich erwies sich im Rahmen eines Pretests als zufriedenstellend.387 Bislang hat der Fragebogen allerdings keinen weitergehenden Einzug in die Diskussion zur empirischen Erhebung von Dynamic Capabilities gefunden, was darauf zurückzuführen sein könnte, dass die auf die Produktentwicklung gerichteten Fragen zu einem großen Teil sehr spezifisch formuliert sind.
380
381 382 383 384 385 386 387
Eine mangelnde theoretische Fundierung (im strengen Sinne) wird von Wilkens/Keller/Schmette kritisiert. Vgl. Wilkens/Keller/Schmette (2006), S. 153. Siehe hierzu Pavlou/El Sawy (2006a), S. 1ff.; Pavlou/El Sawy (2006b), S. 223ff. Siehe hierzu Teece/Pisano/Shuen (1997); Teece (2009), S. 4. Pavlou/El Sawy (2006a), S. 3. Vgl. Pavlou/El Sawy (2006a), S. 3ff. Vgl. Wilkens et al. (2007), S. 19. Pavlou/El Sawy (2006a), S. 6. Vgl. Pavlou/El Sawy (2006a), S. 20ff.
68
2 Theoretischer Bezugsrahmen und Ableitung von Forschungshypothesen
2.4 Konsequenzen für ein theoretisch fundiertes Dynamic CapabilityVerständnis Die Aufarbeitung der zentralen Ansätze der Dynamic Capability-Perspektive hat bereits gezeigt, dass im Hinblick auf das Dynamic Capability-Konstrukt sowohl Routinen als auch Veränderungsfähigkeit eine große Bedeutung zukommt. So stellen auch Dosi/Nelson/Winter fest: „[R]outines are the building blocks of capabilities – although routines are not the only building blocks.”388 In dieser Arbeit wird ebenfalls die Ansicht vertreten, dass das alleinige Abstellen auf Routinen zur Erklärung von Dynamic Capabilities – unabhängig vom vertretenen Routineverständnis – nicht ausreicht;389 denn die Veränderung von Routinen ist grundsätzlich pfadabhängig,390 was wiederum mit einer hohen Bedeutung der Vergangenheit einhergeht.391 Eine emergente Weiterentwicklung organisationaler Routinen scheint somit nicht auszureichen, um dem mit etwaigen Turbulenzen in der Umwelt einhergehenden Erfordernis tiefergehender Veränderungen gerecht zu werden. Stattdessen wird die Wandlungsbeziehungsweise Anpassungsfähigkeit eines Unternehmens als unerlässlich angesehen, um in dem sich unter Umständen schnell verändernden Umfeld einer Organisation erfolgreich bestehen zu können.392 Dementsprechend wird Routinen zwar weiterhin eine hohe Bedeutung beigemessen, zusätzlich wird jedoch die in der Literatur postulierte Integration der Veränderungsfähigkeit in das Dynamic Capability-Konstrukt gefordert. Dabei wird Veränderungsfähigkeit in dieser Dissertation als Selbstorganisationsdisposition und somit als die Fähigkeit einer Organisation, kompetent zu handeln, verstanden. Das Konzept der Selbstorganisation scheint die Fähigkeit, etablierte Routinen bei Bedarf aufbrechen und neue Routinen bilden zu können, optimal abzubilden; denn sowohl das Aufbrechen als auch die Neubildung von Routinen lassen sich mangels eines konkreten Zieles weder planen noch steuern. Hinsichtlich dieses Verständnisses bleibt abschließend anzumerken, dass es die Existenz organisationaler Lernmechanismen nicht ausschließt. Lernmechanismen wurden in den in Kapitel 2.2.2 dargelegten Dynamic Capability-Ansätzen durchweg
388 389
390
391 392
Dosi/Nelson/Winter (2002), S. 4. Die Ansicht, dass Dynamic Capabilities mehr sind als Routinen, vertreten zum Beispiel auch Narduzzo/Rocco/Warglien. Vgl. Narduzzo/Rocco/Warglien (2002), S. 48. Zur Pfadabhängigkeit siehe beispielsweise Sydow/Schreyögg/Koch (2009), S. 689ff.; Cowan/ Gunby (1996), S. 521ff.; David (1985), S. 332ff.; Arthur (1989). Vgl. Becker (2004), S. 652f.; aber auch Dosi/Winter (2002), S. 342. Vgl. Dosi/Nelson/Winter (2002), S. 4; Güttel (2006b), S. 417; Jenner (2006), S. 86.
2.4 Konsequenzen für ein theoretisch fundiertes Dynamic Capability-Verständnis
69
als Voraussetzung zu deren Entstehung gedeutet. Ähnlich wird auch hier davon ausgegangen, dass insbesondere die Weiterentwicklung organisationaler Routinen – wie von Feldman vorgeschlagen –393 auf Basis des organisationalen Lernens erfolgt; denn „learning mechanisms […] are the building blocks of routines.“394 Bisherige empirische Arbeiten liefern wertvolle Ansatzpunkte für einen Operationalisierungsvorschlag des Dynamic Capability-Konstrukts. Im Hinblick auf Routinen kommt hierbei vor allem der Studie von Cohen/Bacdayan eine große Bedeutung zu.395 Eine zusätzliche Berücksichtigung der aufwendig erarbeiteten, theoretisch fundierten Operationalisierung von Becker396 resultiert in zwei Dimensionen, welche sich in beiden Ansätzen gleichermaßen wiederfinden: Der Frequency-Aspekt bei Becker zielt ebenso auf das wiederkehrende Auftreten bestimmter Handlungsmuster ab wie die Dimension der Repeated Action Sequences bei Cohen/Bacdayan; ähnlich kann eine weitgehende Übereinstimmung von Sequential Variety und Occasional Suboptimality konstatiert werden, welche beide auf den Abgleich von Handlungsabfolgen abzielen. Im Hinblick auf das Dynamic Capability-Konstrukt scheint eine Beschränkung auf diese Aspekte vertretbar, so dass die weiteren von Cohen/Bacdayan identifizierten Dimensionen Speed und Reliability außen vor gelassen werden. Hierdurch soll der Forderung Beckers Rechnung getragen werden, aus Vergleichbarkeitsgründen in künftigen Forschungsarbeiten auf die beiden zuvor genannten Dimensionen zurückzugreifen.397 Angesichts der Verbreitung und des Ansehens der Studie von Cohen/ Bacdayan wird allerdings auf die dort verwendeten Begrifflichkeiten (wiederholte Handlungsabfolgen und gelegentliche Suboptimalität) abgestellt. Hinsichtlich der Veränderungsfähigkeit scheint ein Rückgriff auf den Operationalisierungsvorschlag von Wilkens et al. angemessen.398 Als vorteilhaft kann hier insbesondere angemerkt werden, dass deren Definition organisationaler Kompetenz dem in dieser Arbeit gewählten Verständnis von Veränderungsfähigkeit entspricht. Die auf diesem Verständnis aufbauende Ableitung der vier Kompetenzdimensionen durch Wilkens et al. erfolgte zudem theoriegeleitet und wurde bereits im Zuge einer ersten Feldstudie validiert.
393 394 395 396 397 398
Vgl. Feldman (2000), S. 625. Heimeriks/Duysters (2007), S. 30. Siehe hierzu Cohen/Bacdayan (1994). Siehe hierzu Becker (2005a). Vgl. Becker (2005a), S. 839. Siehe hierzu Wilkens et al. (2007).
70
2 Theoretischer Bezugsrahmen und Ableitung von Forschungshypothesen
An dieser Stelle sei angemerkt, dass dem Grad der Routinierung im Hinblick auf das Dynamic Capability-Konstrukt keine Bedeutung zuzukommen scheint. So wird bei der Definition des Terminus in der Literatur regelmäßig das Vorhandensein von Routinen betont,399 während die Dynamic Capability-Ausprägung selbst einzig und allein von dem Grad der Veränderungsfähigkeit eines Unternehmens abhängt. Güttel hebt in Anlehnung an die Ursprungsliteratur zum Themenkomplex der Dynamic Capabilities etwa hervor, dass „[d]ie Anpassung (Adaption und Wandel) der organisationalen Ressourcen- und Kompetenzbasis an geänderte Umfeldbedingungen [...] durch Wirkungsmechanismen der Dynamic Capabilities gesteuert“ wird. 400 Dabei subsumiert er unter Dynamic Capability einerseits Neuerungs- und Stabilisierungsvorgänge, welche dem adäquaten Aufbrechen und Bilden von Routinen dienen; andererseits geht er grundsätzlich von dem Vorhandensein organisationaler Routinen aus. Die Fragen, welche Routinen konkret vorliegen, wie gut die existierenden Routinen jeweils sind, beziehungsweise welche Bedeutung dem Grad der Routinierung hierbei zukommt, bleiben allerdings offen.401 Sachlogisch ist diese Einschränkung richtig, da sich – zumindest beim derzeitigen Stand der Forschung – keinerlei Aussagen dazu treffen lassen, welcher Grad der Routinierung in welcher Situation angemessen ist. Insofern erscheint es zulässig, im Zuge empirischer Untersuchungen des Dynamic CapabilityKonstrukts zunächst lediglich zu überprüfen, ob Routinen vorliegen, um darauf aufbauend die Veränderungsfähigkeit bestimmen zu können. Die folgende Abbildung fasst das im weiteren Verlauf dieser Arbeit zugrunde liegende Dynamic Capability-Verständnis zusammen. Dynamic Capability Routinen
Veränderungsfähigkeit
Wiederholte Handlungsabfolgen
Kombination
Kooperation
Gelegentliche Suboptimalität
Komplexitätsbewältigung
Selbstreflexion
Abbildung 8: Theoretisch abgeleitetes Dynamic Capability-Verständnis
399 400 401
Vgl. beispielsweise Macher/Mowery (2006), S. 3. Güttel (2006b), S. 417. Vgl. Güttel (2006b), S. 422.
2.5 Zusammenfassende Schlussfolgerungen
71
Die Unterteilung in Routinen und Veränderungsfähigkeit sowie der eingefügte Pfeil verdeutlichen das Zusammenspiel dieser beiden Dimensionen. Dynamic Capability wird hier als die Fähigkeit verstanden, bestehende Routinen anpassen beziehungsweise aufbrechen und gegebenenfalls entsprechende neue Routinen bilden zu können. Folglich bilden die bestehenden Routinen die Grundlage, welche es im Falle etwaiger Umweltveränderungen anzupassen beziehungsweise aufzubrechen gilt. Hier setzt die Veränderungsfähigkeit direkt an, während Routinen wiederum ein Ergebnis des Wandlungsprozesses sind. Kommt es in Folge des Aufbrechens etablierter zur Bildung neuer Routinen, dann dienen diese nach einer entsprechenden Verfestigung der Handlungsmuster als neue Grundlage.
2.5 Zusammenfassende Schlussfolgerungen Ausgehend von der Aufarbeitung der Grundlagen des Dynamic Capability-Konzepts konnten in Kapitel 2.4 wesentliche Konsequenzen für ein theoretisch fundiertes Verständnis des Konstrukts abgeleitet werden. Auf dieser Basis wurde Dynamic Capability als die Fähigkeit definiert, bestehende Routinen anpassen beziehungsweise aufbrechen und gegebenenfalls entsprechende neue Routinen bilden zu können. Dieser Fähigkeit kommt vor allem in einer durch Veränderungen geprägten Umwelt eine große Bedeutung zu; denn anderenfalls kann auch ein alleiniges Abstellen auf die kontinuierliche Verbesserung bestehender Prozesse erfolgreich sein. Unternehmenszusammenschlüsse stellen ein Beispiel für eine solche Umweltveränderung dar. 402 So erfordert eine Fusion die Integration unterschiedlicher Unternehmenskulturen sowie unterschiedlicher Routinen, was sowohl auf individueller als auch auf kollektiver Ebene zu Problemen führen kann. Dabei sollte die Trägheit von Organisationen und Mitarbeitern hinsichtlich anstehender Veränderungen generell nicht unterschätzt werden.403 Unternehmenskulturen stehen in der Diskussion über den mit Unternehmenszusammenschlüssen einhergehenden organisationalen Wandel regelmäßig im Fokus der Betrachtung.404 Um die mit einem Culture Clash einhergehenden Probleme einschätzen und ihnen entsprechend entgegenwirken zu können, wird sogar die Auf-
402 403 404
Vgl. Vaara (2002), S. 212. Vgl. Kummer/Steger (2008), S. 46. Vgl. beispielsweise Walker/Price (2000), S. 7; Carleton/Lineberry (2004), S. 13; Jaeger (2001), S. 9; Picot (2008a), S. 498ff.; Bartels/Cosack (2008), S. 461f.
72
2 Theoretischer Bezugsrahmen und Ableitung von Forschungshypothesen
nahme einer Cultural Due Diligence in den Due Diligence-Prozess gefordert.405 Dahingegen mangelt es bislang an Literatur zu der Problematik, unterschiedliche, langjährig erprobte Arbeitsabläufe beziehungsweise Routinen zweier Unternehmen aufeinander abstimmen beziehungsweise diese aufgeben zu müssen, um entsprechende neue Handlungsmuster bilden zu können. Zwar wurde die Notwendigkeit der Task Integration grundsätzlich erkannt;406 den Fragen, welche Unternehmen hinsichtlich dieses Integrationsprozesses besonders erfolgreich sind und worauf dieser Erfolg zurückzuführen ist, wird bisher allerdings nicht nachgegangen. Angesichts dessen, dass Dynamic Capabilities in dem hier verwendeten Sinne auf die Veränderungsfähigkeit eines Unternehmens abzielen, scheinen sie besonders erfolgsförderlich. Dies spiegelt sich auch in dem Verständnis von Zahra/George wider, die Dynamic Capabilities sogar als „change-oriented capabilities“407 bezeichnen, um den Aspekt der Wandlungsfähigkeit besonders zu betonen. Aufgrund der dem Dynamic Capability-Konstrukt inhärenten Dynamik werden Dynamic Capabilities in der Literatur teilweise bereits mit Mergers & Acquisitions in Verbindung gebracht.408 Dabei sind die bislang existierenden Studien – wie in Abschnitt 2.1.3 bereits ausgeführt – allerdings entweder konzeptioneller Natur beziehungsweise rein qualitativ ausgerichtet oder diese greifen auf Dynamic Capabilities zurück, ohne das Konzept einer umfassenden Untersuchung zu unterziehen. Infolgedessen sind Rückschlüsse bezüglich der konkreten Wirkung von Dynamic Capabilities auf den Erfolg von M&A-Transaktionen bis dato nicht möglich. Die Analyse organisationaler Aspekte im M&A-Kontext wird jedoch explizit gefordert, um den hohen Misserfolgsraten von Mergers & Acquisitions409 künftig gegebenenfalls besser entgegenwirken zu können;410 denn bisherige Studien sind nicht in der Lage, die für einen Unternehmenszusammenschluss erfolgsrelevanten Faktoren zu identifizieren.411
405
406 407 408
409
410 411
Siehe hierzu beispielsweise Blöcher (2004); Ferrari/Rothgängel (2003), S. 63ff.; Högemann (2005), S. 539ff.; Rothgängel/Ferrari (2003), S. 120ff.; Strähle (2004); Stumpf (2007), S. 336; Weidinger/Mündemann (1999), S. 427ff.; Wollersheim/Barthel (2008); Zimmer (2001). Siehe hierzu Birkinshaw/Bresman/Håkanson (2000), S. 400. Zahra/George (2002), S. 148. Siehe hierzu beispielsweise Helfat et al. (Hrsg.) (2007), S. 80ff.; Keil (2004); Meyer/Lieb-Dóczy (2003); Roy/Roy (2004); Voss (2008); Zollo/Singh (2004). Zu den hohen Misserfolgsraten von Mergers & Acquisition siehe beispielsweise Carleton/ Lineberry (2004), S. 8ff.; Jansen (2005), S. 531; Schoenberg (2006), S. 368; Strähle (2004), S. 68ff. Vgl. Cartwright/Schoenberg (2006), S. S4. Vgl. King et al. (2004); Stahl/Voight (2004).
2.6 Ableitung von Forschungshypothesen
73
Vor diesem Hintergrund erscheint es sinnvoll zu untersuchen, ob beziehungsweise inwieweit Dynamic Capabilities zum Erfolg eines Zusammenschlusses beitragen. In der vorliegenden Arbeit wird das Ziel verfolgt, einen Beitrag zur Erklärung dieser Beziehung zu leisten. Hierzu werden im folgenden Kapitel Forschungshypothesen abgeleitet, welche es im weiteren Verlauf der Arbeit zu überprüfen gilt.
2.6 Ableitung von Forschungshypothesen Mit Blick auf die zentrale Forschungsfrage dieser Arbeit ist vor allem die Wirkungsbeziehung zwischen Dynamic Capability und dem Erfolg von Zusammenschlüssen relevant. Ziel ist es daher, diese Wirkungsbeziehung möglichst genau zu untersuchen. Um eine isolierte Betrachtung der Wirkungsbeziehung vornehmen zu können, erscheint es unumgänglich, individuelle Fähigkeiten einzubeziehen; denn diese könnten den Zusammenhang zwischen Dynamic Capability und dem Erfolg von Zusammenschlüssen beeinflussen und zudem zu einem tieferen Verständnis von Dynamic Capabilities beitragen. Vor diesem Hintergrund werden in Abschnitt 2.6.1 Zusammenhangshypothesen zu Dynamic Capability und Erfolg formuliert, bevor in den Abschnitten 2.6.2 und 2.6.3 Hypothesen bezüglich der Zusammenhänge zwischen individuellen Fähigkeiten und Dynamic Capability sowie zwischen individuellen Fähigkeiten und Erfolg aufgestellt werden. Abschnitt 2.6.4 beinhaltet letztlich die zentrale Hypothese dieser Arbeit, welche auf den inkrementellen Beitrag von Dynamic Capability zum Erfolg von Zusammenschlüssen abzielt. Insgesamt ist die Strukturierung dieses Kapitels damit ergebnisgetrieben.
2.6.1 Hypothesen zu Dynamic Capability und Erfolg Die vorangehenden Ausführungen haben bereits gezeigt, dass Dynamic Capabilities förderlich auf den Erfolg von Zusammenschlüssen wirken könnten. So treffen die unterschiedlichen Arbeitsweisen verschiedener Abteilungen im Falle einer Fusion aufeinander, was zu erheblichen Problemen führen kann. Insofern kommt der Fähigkeit, bestehende Routinen anpassen beziehungsweise aufbrechen und gegebenenfalls entsprechende neue Routinen bilden zu können, eine hohe Bedeutung zu. Folglich wird davon ausgegangen, dass solche Gruppen, deren Dynamic Capability stark ausgeprägt ist, besser mit der resultierenden Unsicherheit umgehen können als solche Gruppen, deren Dynamic Capability nur schwach ausgeprägt ist. Dabei wird hinsichtlich der
74
2 Theoretischer Bezugsrahmen und Ableitung von Forschungshypothesen
Routinen lediglich auf deren Existenz abgestellt, so dass die Dynamic CapabilityAusprägung einzig und allein von dem Grad der Veränderungsfähigkeit abhängt. In Kapitel 2.3.1.2 wurde bereits aufgezeigt, inwiefern sich Kompetenzen als Veränderungsfähigkeit interpretieren lassen: Kompetenzen sind in diesem Zusammenhang insbesondere deshalb relevant, weil sie nicht nur auf Flexibilität abzielen, sondern zugleich die Situationsadäquatheit jenes flexiblen Vorgehens mit sich bringen. Wilkens et al. vertreten ein Kompetenzverständnis, welches dem hier gewählten Verständnis der Veränderungsfähigkeit entspricht. In der von dieser Definition ausgehenden Ableitung der Kompetenzdimensionen konnten Kombination, Kooperation, Komplexitätsbewältigung und Selbstreflexion als wesentliche Merkmale des Kompetenzkonstrukts identifiziert werden.412 Es wird angenommen, dass diese Dimensionen separat betrachtet ebenfalls positiv mit dem Erfolg eines Zusammenschlusses auf Gruppenebene zusammenhängen. Vor diesem Hintergrund wird folgende Hypothese formuliert: H1: Dynamic Capability korreliert signifikant positiv mit dem Erfolg eines Zusammenschlusses auf Gruppenebene. Diese Hypothese wird durch folgende Unterhypothesen konkretisiert: H1a: Kombination korreliert signifikant positiv mit dem Erfolg eines Zusammenschlusses auf Gruppenebene. H1b: Kooperation korreliert signifikant positiv mit dem Erfolg eines Zusammenschlusses auf Gruppenebene. H1c: Komplexitätsbewältigung korreliert signifikant positiv mit dem Erfolg eines Zusammenschlusses auf Gruppenebene. H1d: Selbstreflexion korreliert signifikant positiv mit dem Erfolg eines Zusammenschlusses auf Gruppenebene.
2.6.2 Hypothesen zu individuellen Fähigkeiten und Dynamic Capability In der Literatur wird gefordert, in Studien, die den Einfluss von Routinen oder Fähigkeiten auf den Erfolg untersuchen, die individuelle Ebene mit einzubeziehen.413 Dabei kommen diverse individuelle Fähigkeiten in Betracht, die unter Umständen einen posi412 413
Siehe hierzu Wilkens et al. (2007). Siehe hierzu Abell/Felin/Foss (2008), S. 489ff.
2.6 Ableitung von Forschungshypothesen
75
tiven Zusammenhang zu dem Dynamic Capability-Konstrukt aufweisen. So konnten in einer Studie hinsichtlich des Kompetenzkonstrukts Wirkungszusammenhänge zwischen der individuellen und den kollektiven Ebenen aufgezeigt werden.414 Aus diesem Grund werden individuelle Kompetenzen und deren Wirkungsgefüge in dieser Studie näher analysiert. Es ist anzunehmen, dass individuelle Kompetenz positiv mit dem Dynamic Capability-Konstrukt korreliert. Neben individueller Kompetenz könnte auch Intelligenz einen engen Zusammenhang zu Dynamic Capability aufweisen. Daher erscheint es angebracht, zusätzlich das Wirkungsgefüge der Intelligenz näher zu untersuchen. In der Literatur existieren diverse Definitionen von Intelligenz.415 Preckel/Brüll führen diese Definitionsvielfalt insbesondere darauf zurück, dass Intelligenz als Disposition verstanden und somit aus dem Verhalten einer Person in einer bestimmten Situation erschlossen wird. Dabei werden in der Regel Leistungssituationen herangezogen, für die sich Kriterien erfolgreichen Handelns definieren lassen.416 Es wird angenommen, dass Intelligenz in einem positiven Zusammenhang zu Dynamic Capability steht. Eine weitere individuelle Fähigkeit, die in diesem Zusammenhang berücksichtigt werden sollte, stellt die Konzentrationsleistung dar. Konzentrationsleistung ist definiert als „eine leistungsbezogene, kontinuierliche und fokussierende Reizselektion, die Fähigkeit eines Individuums, sich bestimmten (aufgaben-)relevanten internen oder externen Reizen selektiv, d.h. unter Abschirmung gegenüber irrelevanten Stimuli, ununterbrochen zuzuwenden und diese schnell und korrekt zu analysieren.“417 Hier wird ein positiver Zusammenhang mit dem Dynamic Capability-Konstrukt erwartet. Vor diesem Hintergrund wird die folgende Hypothese formuliert: H2: Individuelle Fähigkeiten korrelieren signifikant positiv mit Dynamic Capability.
414 415
416 417
Vgl. Wilkens et al. (2007), S. 65. Vgl. beispielsweise Preckel/Brüll (2008), S. 9f.; Amelang (1995), S. 245ff.; Neubauer (2005), S. 323. Vgl. Preckel/Brüll (2008), S. 9. Brickenkamp/Karl (1986), S. 195. Für weitere Definitionen und Begriffsabgrenzungen von Konzentration siehe beispielsweise Kubinger (2006), S. 205; Leitner (2005), S. 9ff.; Schmidt-Atzert/ Büttner/Bühner (2004), S. 9.
76
2 Theoretischer Bezugsrahmen und Ableitung von Forschungshypothesen
Diese Hypothese wird durch folgende Unterhypothesen konkretisiert: H2a: Individuelle Kompetenz korreliert signifikant positiv mit Dynamic Capability. H2b: Intelligenz korreliert signifikant positiv mit Dynamic Capability. H2c: Konzentrationsleistung korreliert signifikant positiv mit Dynamic Capability.
2.6.3 Hypothesen zu individuellen Fähigkeiten und Erfolg Neben einem positiven Zusammenhang zwischen individuellen Fähigkeiten und dem Dynamic Capability-Konstrukt sind Wirkungsbeziehungen zwischen individuellen Fähigkeiten und Erfolg denkbar. Es ist anzunehmen, dass die in Kapitel 2.6.2 angesprochenen individuellen Fähigkeiten den Erfolg eines Zusammenschlusses auf Gruppenebene positiv beeinflussen. Deshalb wird die folgende Hypothese formuliert: H3: Individuelle Fähigkeiten korrelieren signifikant positiv mit dem Erfolg eines Zusammenschlusses auf Gruppenebene. Diese Hypothese wird durch folgende Unterhypothesen konkretisiert: H3a: Individuelle Kompetenz korreliert signifikant positiv mit dem Erfolg eines Zusammenschlusses auf Gruppenebene. H3b: Intelligenz korreliert signifikant positiv mit dem Erfolg eines Zusammenschlusses auf Gruppenebene. H3c: Konzentrationsleistung korreliert signifikant positiv mit dem Erfolg eines Zusammenschlusses auf Gruppenebene.
2.6.4 Hypothese zu Dynamic Capability und Erfolg unter Berücksichtigung möglicher Einflussfaktoren Diese Arbeit geht der Frage nach, inwieweit Dynamic Capabilities zum Erfolg von Zusammenschlüssen auf Gruppenebene beitragen. Vor dem Hintergrund, dass Einflüsse anderer Variablen auf den Zusammenhang zwischen Dynamic Capability und dem Erfolg von Zusammenschlüssen auf Gruppenebene grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden können, ist eine tiefergehende Analyse des Wirkungsgefüges angebracht. Um eine isolierte Betrachtung des Zusammenhangs zu ermöglichen, erscheint
2.6 Ableitung von Forschungshypothesen
77
eine Kontrolle möglicher Einflussfaktoren unumgänglich. In der vorliegenden Arbeit wird davon ausgegangen, dass der inkrementelle Beitrag von Dynamic Capabilities zum Erfolg eines Zusammenschlusses auf Gruppenebene positiv ist. Daher wird folgende Hypothese formuliert: H4: Dynamic Capability leistet einen signifikant positiven Beitrag zu dem Erfolg eines Zusammenschlusses auf Gruppenebene, der über jenen möglicher zusätzlicher Einflussfaktoren hinausgeht.418
2.6.5 Zusammenstellung der Hypothesen Die folgende Abbildung gibt einen Überblick über die zuvor abgeleiteten Forschungshypothesen und deren Zusammenhänge. H1a-d + AV: Erfolg nach Zusammenschluss
UV: Dynamic Capability + +
H4
H2a-c
H3a-c
+
Individuelle Fähigkeiten Weitere Einflussfaktoren Mögliche Einflussfaktoren
Abbildung 9: Überblick über die Forschungshypothesen
Hypothese H1 zielt zunächst auf den Zusammenhang zwischen Dynamic Capability und dem Erfolg von Zusammenschlüssen auf Gruppenebene ab. Ebenso wie die erste Hypothese sind Hypothesen H2 und H3 als Zusammenhangshypothesen formuliert, was in Abbildung 9 durch die gestrichelten Verbindungslinien gekennzeichnet ist. In den Hypothesen H2 und H3 wird davon ausgegangen, dass positive Zusammenhänge zwischen individuellen Fähigkeiten und Dynamic Capability sowie zwischen individuellen Fähigkeiten und Erfolg bestehen. Gegenstand der vierten Hypothese ist schließlich der inkrementelle Beitrag von Dynamic Capability zum Erfolg eines Zusammen418
Eine Konkretisierung der in dieser Arbeit kontrollierten Einflussfaktoren findet sich in Kapitel 4.2.4.1.
78
2 Theoretischer Bezugsrahmen und Ableitung von Forschungshypothesen
schlusses auf Gruppenebene. So wird davon ausgegangen, dass der in Hypothese H1 formulierte Zusammenhang durch individuelle Fähigkeiten sowie weitere Einflussfaktoren beeinflusst werden könnte. Dementsprechend sind mögliche Einflussfaktoren bei der Untersuchung des Beitrags von Dynamic Capability zum Erfolg eines Zusammenschlusses auf Gruppenebene zu berücksichtigen, was in Abbildung 9 wiederum durch einen gestrichelten Pfeil kenntlich gemacht ist.
3
Experimentelle Studie
Im Folgenden wird die im Rahmen dieser Dissertation durchgeführte empirische Studie detailliert beschrieben. Hierbei wird zunächst auf das Forschungsdesign und die wissenschaftstheoretische Fundierung eingegangen, bevor eine Vorstellung der jeweiligen Erhebungsinstrumente sowie Erläuterungen zur Stichprobenkonstruktion folgen. Die letzten beiden Unterkapitel sind schließlich der Untersuchungsdurchführung und den verwendeten statistischen Methoden gewidmet.
3.1 Forschungsdesign und wissenschaftstheoretische Fundierung
3.1.1 Einführung in das Forschungsdesign In der vorliegenden Arbeit wird Dynamic Capability als ein möglicher, den Erfolg von Unternehmenszusammenschlüssen beeinflussender organisationaler Aspekt untersucht. Dabei wird zur Analyse des Zusammenhangs zwischen dem Erfolg eines Zusammenschlusses und der Dynamic Capability-Ausprägung ein Laborexperiment durchgeführt: In einem ersten Termin führen aus jeweils zwei Personen bestehende Gruppen mehrfach eine Aufgabe durch. Ziel dieses Vorgehens ist es, das Problemlösungsverhalten zu routinieren. Im Anschluss daran wird mittels eines Fragebogens die jeweilige Dynamic Capability-Ausprägung erhoben. Basierend auf den Befragungsergebnissen erfolgt im nächsten Schritt ein Zusammenschluss der Zweier- zu Vierergruppen. Hier wird eine Zusammenführung solcher Gruppen vorgenommen, die über eine schwache Dynamic Capability-Ausprägung verfügen und solcher Gruppen, deren Dynamic Capabilities stark ausgeprägt sind. Folglich existieren zwei verschiedene experimentelle Bedingungen. Die Vierergruppen werden in einem zweiten Termin erneut mit der grundsätzlich gleichen (nur leicht erweiterten) Aufgabe konfrontiert. Durch dieses Vorgehen kann schließlich die Hypothese getestet werden, dass Zusammenschlüsse von Gruppen, deren Dynamic Capability stark ausgeprägt ist, erfolgreicher sind als solche von Gruppen mit einer schwachen Dynamic Capability-Ausprägung. Die weiteren in Kapitel 2.6 aufgeführten Hypothesen dienen ergänzend dazu, das Wirkungsgefüge des Dynamic Capability-Konstrukts besser zu verstehen sowie etwaige Beziehungen aufzudecken, die bei einer Berechnung des Zusammenhangs zwischen Dynamic J. Wollersheim, Dynamic Capabilities im Kontext von Mergers & Acquisitions, DOI 10.1007/978-3-8349-8859-1_3, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
80
3 Experimentelle Studie
Capability und dem Erfolg eines Zusammenschlusses auf Gruppenebene zu berücksichtigen sind. Erster Untersuchungstermin
Zweiter Untersuchungstermin
Ziel:
- Routinierung des Problemlösungsverhaltens der Probanden - Erhebung der Dynamic CapabilityAusprägungen der Zweiergruppen
- Erhebung des Erfolgs, mit welchem die jeweiligen Vierergruppen ihre Aufgaben bewältigen
Vorgehensweise:
- Probanden führen in Zweiergruppen mehrfach eine Aufgabe durch - im Anschluss daran füllt jeder Proband einen Fragebogen zur Erhebung der Dynamic Capability-Ausprägung seiner Gruppe aus
- Zweiergruppen werden zu Vierergruppen zusammengeschlossen - leicht erweiterte Version der Aufgabe aus dem ersten Untersuchungstermin ist von Vierergruppen zu bewältigen - etablierte Routinen treffen aufeinander, was die Anpassung beziehungsweise das Aufbrechen und Neubilden von Routinen erfordert
Experimentelle Bedinungen:
Ergebnis:
- routiniertes Problemlösungsverhalten der Zweiergruppen - Werte für die Dynamic CapabilityAusprägungen der Zweiergruppen
Versuchsbedingung 1:
starke Dynamic CapabilityAusprägung
Versuchsbedingung 2:
schwache Dynamic Capability-Ausprägung
- Werte für den Erfolg, mit welchem die jeweiligen Vierergruppen ihre Aufgaben bewältigt haben
Tabelle 4: Überblick über den Ablauf des Experiments
Die verschiedenen Abteilungen eines Unternehmens werden in der vorliegenden Unter-suchung zunächst also durch Zweiergruppen abgebildet. Angesichts dessen, dass unter dem Begriff Abteilung in der Literatur jene organisatorischen Einheiten subsumiert werden, die mehr als eine Stelle umfassen,419 erscheint ein Abstellen auf Zweiergruppen als zulässig. Zudem ist anzumerken, dass die Zweiergruppen jeweils fachlich zusammenhängende Stellen repräsentieren;420 denn die Probanden haben jeweils unterschiedliche Rollen inne, über welche ihre grundsätzlich zusammenhängenden Aufgabenbereiche abgegrenzt sind. Beide Aufgabenbereiche sind zur Problemlösung gleichermaßen wichtig, so dass eine Kooperation innerhalb der Zweiergruppen unabdingbar ist, um erfolgreich sein zu können. Kritisch könnte an dieser Stelle 419 420
Vgl. Nicolai (2009), S. 67f. Ein Verständnis von Organisationseinheit als Oberbegriff für fachlich zusammenhängende Stellen und Personen findet sich beispielsweise bei Stähler/Scheuch (2009), S. 103.
3.1 Forschungsdesign und wissenschaftstheoretische Fundierung
81
lediglich angeführt werden, dass höhere organisationale Schichten und somit auch Führungsstrukturen bei einem Rückgriff auf Zweiergruppen notwendigerweise außen vor bleiben. Ein Zusammenschluss der Zweier- zu Vierergruppen könnte mit Blick auf den Anwendungskontext dieser Arbeit zunächst ebenfalls als unpassend anmuten. So kommt es im Zuge von M&A-Transaktionen regelmäßig zu Entlassungen,421 was wiederum implizieren könnte, im zweiten Untersuchungstermin anstatt mit vier Probanden pro Gruppe mit drei Probanden pro Gruppe zu arbeiten. In der Literatur sind bereits erste Untersuchungen zu finden, die dieser Argumentation folgend mit Dreiergruppen operieren.422 Hier wird jedoch das Ziel verfolgt, einen Beitrag zur Erklärung der Beziehung zwischen Dynamic Capability und dem Erfolg von Zusammenschlüssen von Organisationseinheiten mit unterschiedlichen Routinen zu leisten. Dazu ist es erforderlich, dass Organisationseinheiten mit unterschiedlichen Arbeitsweisen aufeinandertreffen. Dies wäre durch ein Abstellen auf Dreiergruppen im zweiten Untersuchungstermin nicht gewährleistet, weil der Ausschluss eines Probanden dazu führen könnte, dass die zuvor gebildeten Routinen aus dessen Zweiergruppe keinen Einzug in das Problemlösungsverhalten der Dreiergruppe finden würden. In diesem Falle könnte ein Erfolg des Zusammenschlusses mit Blick auf Dynamic Capability, wenn überhaupt, nur auf die Anpassungsfähigkeit dieser Person zurückgeführt werden, nicht aber auf jene der organisatorischen Einheit (also der Zweiergruppe). Da das Laborexperiment die zentrale Forschungsmethode dieser Arbeit darstellt, wird im Folgenden auf generelle Überlegungen hinsichtlich der Wahl des Experiments als Forschungsmethode eingegangen, bevor eine wissenschaftstheoretische Einordnung des Forschungsdesigns erfolgt.
3.1.2 Wahl des Experiments als Forschungsmethode Obgleich der empirischen betriebswirtschaftlichen Forschung innerhalb des Fachbereiches der Betriebswirtschaftslehre eine zunehmend hohe Bedeutung zugesprochen wird, zeigt sich im internationalen Vergleich „ein Nachholbedarf an empirischer betriebswirtschaftlicher Forschung in Deutschland.“423 Vielfach kommen zu Zwecken 421 422 423
Vgl. beispielsweise Baur (2004), S. 28. Siehe hierzu beispielsweise Weber/Camerer (2003), S. 400ff. Hauschildt (2003), S. 9.
82
3 Experimentelle Studie
empirischer Untersuchungen Befragungen zum Einsatz. Einige Wirtschaftswissenschaftler stehen Befragungen jedoch eher kritisch gegenüber,424 so dass sie stattdessen auf Experimente zurückgreifen, um ihre Forschungsfragen beantworten zu können. Davis/Holt betonen sogar, dass eine Tendenz zur experimentellen Ökonomik zu beobachten ist.425 Dieser Trend ist insofern bedeutsam, als Experimente in diesem Bereich bislang vergleichsweise selten als Forschungsmethode verwendet werden.426 Der wesentliche Unterschied zwischen experimenteller und nicht-experimenteller Forschung besteht darin, dass im Rahmen eines Experiments aktiv und gezielt in das Geschehen eingegriffen werden kann, während nicht-experimentelle Forschungsmethoden einen solchen Eingriff nicht ermöglichen.427 So beinhaltet ein Experiment die „Manipulation einer hypothetisch vermuteten Ursache oder Bedingung für eine Wirkung oder einen Effekt.“428 In der Literatur werden Experimente regelmäßig von Quasiexperimenten abgegrenzt, wobei der Unterschied in der Versuchsgruppenzuteilung begründet liegt: So erfolgt diese im Falle eines Experiments randomisiert, während bei Quasiexperimenten mit natürlich gewachsenen Gruppen gearbeitet wird.429 Sowohl Experimente als auch Quasiexperimente können entweder im Feld oder im Labor durchgeführt werden. Dabei sind Laboruntersuchungen durch die Möglichkeit der Kontrolle von vorhandenen Störvariablen gekennzeichnet, welche durch die Durchführung in einer laborähnlichen Umgebung gewährleistet wird. Dahingegen erfolgen Felduntersuchungen in einer möglichst natürlichen Umgebung; das heißt, die natürlichen Verhältnisse werden zu Zwecken der Untersuchung nicht oder nur kaum verändert.430 Laboruntersuchungen zeichnen sich im Vergleich zu Felduntersuchungen in der Regel durch eine höhere interne Validität aus. Von interner Validität wird gesprochen, wenn sich die Untersuchungsergebnisse kausal eindeutig interpretieren lassen; von externer Validität, wenn die Ergebnisse der Untersuchung auf andere vergleichbare Personen, 424 425 426 427 428
429
430
Vgl. beispielsweise Frank/Schulze (2000), S. 103. Vgl. Davis/Holt (1993), S. 4. Vgl. Rack/Christophersen (2007), S. 17. Vgl. Huber (2005), S. 69. Scholl (2003), S. 83. Zur Definition des Experiments siehe auch Fromkin/Streufert (1976), S. 417ff.; Zimmermann (1972), S. 37; Schmidt (2009), S. 15; Wilde (2008), S. 40; Trimmel (2009), S. 66ff. Vgl. Cook/Campbell (1976), S. 224. Zur Abgrenzung von Experimenten und Quasiexperimenten siehe beispielsweise auch Trimmel (2009), S. 65ff.; Kühl (2009), S. 535f. Vgl. Bortz/Döring (2006), S. 57.
3.1 Forschungsdesign und wissenschaftstheoretische Fundierung
83
Orte oder Situationen übertragbar und damit generalisierbar sind.431 Forscher befinden sich im Hinblick auf Validitätsüberlegungen in einem Zielkonflikt: Werden Störfaktoren zu Zwecken der Erhöhung der internen Validität weitgehend eliminiert, resultiert dies in einer Zunahme der Künstlichkeit der Situation und somit in einer Beeinträchtigung der externen Validität. Die Durchführung eines Experiments in einem möglichst natürlichen Umfeld mindert wiederum die Möglichkeit, Störfaktoren zu kontrollieren. Folglich muss in der Forschung stets abgewogen werden, ob der Verallgemeinerbarkeit von Ergebnissen oder aber der Genauigkeit des Kausalitätsnachweises eine größere Bedeutung beigemessen wird.432 Dabei ist zu berücksichtigen, dass sowohl interne als auch externe Validität „nicht als quantifizierbare Konzepte zu begreifen […] sind, sondern als regulative Prinzipien zur Fehlerminimierung.“433 Somit sind die Validitätskonzepte einerseits bei der Versuchsplanung und dem Finden von Schwachstellen im Forschungsdesign und andererseits bei der kritischen Diskussion der Ergebnisse heranzuziehen.434 Die Entscheidung, ob ein Experiment im Labor oder im Feld durchgeführt wird, erfolgt vor diesem Hintergrund in Abhängigkeit von der der jeweiligen Studie zugrunde liegenden Fragestellung.435 Wird in einer Studie das Ziel verfolgt, konkrete Handlungsempfehlungen für die Praxis abzuleiten, so ist eine Felduntersuchung vorzugswürdig. Ein Laborexperiment kommt hingegen gerade dann zur Anwendung, wenn bislang unbekannte Zusammenhänge untersucht werden sollen;436 denn das Experiment gilt „für die Erforschung von Ursache-Wirkungs-Beziehungen [als] [...] effektivste Methode“437: Mithilfe von Laborexperimenten lassen sich kausale Rückschlüsse ziehen, welche durch die exogene Variation von Bedingungen sowie durch 431
432
433 434 435
436 437
Vgl. Bortz/Döring (2006), S. 53. Die Konzepte interner und externer Validität sind ursprünglich zurückzuführen auf Campbell/Stanley (1963). Zur Spannung zwischen interner und externer Validität in ökonomischen Experimenten siehe beispielsweise Schram (2005), S. 225ff.; Lynch (1982), S. 225ff.; Marks (2000), S. 663. Vgl. Fromkin/Streufert (1976), S. 430; Scholl (2003), S. 92; Nakamoto/Brinberg (2003), S. 163. Anderson/Lindsay/Bushman kommen in einer Studie zu dem Schluss, dass Feld- und Labordaten hoch miteinander korrelieren, so dass eine Generalisierbarkeit von Laborergebnissen – entgegen der ansonsten in der Literatur vertretenen Meinung – grundsätzlich gegeben zu sein scheint. Vgl. Anderson/Lindsay/Bushman (1999). Schnell/Hill/Esser (2008), S. 227. Vgl. Schnell/Hill/Esser (2008), S. 227. In der Literatur wird teilweise sogar vorgeschlagen, bei der Planung einer Untersuchung von vornherein eine Verknüpfung von Labor- und Felddaten zu überprüfen. Siehe hierzu Falk/ Dohmen/Sunde (2009), S. 72. Vgl. Rack/Christophersen (2007), S. 19. Huber (2002), S. 71; siehe hierzu auch Sedlmeier/Renkewitz (2008), S. 125.
84
3 Experimentelle Studie
ein hohes Ausmaß an Kontrolle ermöglicht werden.438 Vor dem Hintergrund, dass die zentrale Fragestellung dieser Dissertation bislang noch nicht untersucht wurde, und angesichts dessen, dass Unternehmenszusammenschlüsse eine hohe Komplexität und somit zahlreiche Störfaktoren mit sich bringen, legt diese Arbeit den Fokus auf die Genauigkeit des Kausalnachweises. Neben der Effektivität zur Analyse von Kausalbeziehungen bringen Laborexperimente den Vorteil mit sich, Extremsituationen konstruieren zu können.439 Im Rahmen dieser Dissertation erscheint dies insofern sinnvoll, als dass zwischen unterschiedlich starken Dynamic Capability-Ausprägungen differenziert wird, um eine gezielte Zusammenführung zweier Gruppen vorzunehmen. Ein Verzicht auf eine gezielte Zusammenführung von Gruppen mit extremen Dynamic CapabilityAusprägungen hätte primär Gruppen mit mittlerer Dynamic Capability-Ausprägung zur Folge, was das Aufdecken etwaiger Zusammenhänge zwischen eben dieser Ausprägung und dem Erfolg erschweren würde. Obwohl bei der Durchführung von Laborexperimenten häufig zwischen Experimentalund Kontrollgruppen differenziert wird, ist die „oft anzutreffende Aufteilung der Untersuchungseinheiten in Experimental- und Kontrollgruppe [...] kein konstitutives Element des Experiments, sondern eine für das Sozialexperiment typische Kontrolltechnik.”440 In der vorliegenden Untersuchung wird auf eine solche Kontrolltechnik verzichtet. Dies scheint gerechtfertigt, da die Analyse auf eine Gegenüberstellung von Gruppen mit unterschiedlich stark ausgeprägten Dynamic Capabilities abzielt. Als Kontrolltechniken kommen stattdessen die „Herstellung maximaler Zufallsstreuung“441 sowie die „Gleichsetzung von Faktoren“442 zum Einsatz; außerdem werden zur Gewährleistung eines möglichst hohen Maßes an Kontrolle jene Variablen gemessen, die Erfolgsunterschiede möglicherweise zusätzlich beeinflussen. Nichtsdestotrotz kann die Kontrolle nicht als vollkommen angesehen werden, weil sich etwa subjektive Erfahrungen oder Beweggründe der Probanden zur Teilnahme am Experiment niemals vollständig erfassen lassen.443 Trotz der stets unvollkommenen Kontrollmöglichkeit und der eingeschränkten externen Validität ist der „wissenschaftliche Wert von Laborexperimenten für die Sozial438 439 440 441 442 443
Vgl. Falk/Dohmen/Sunde (2009), S. 56. Vgl. Atteslander (2008), S. 166. Wilde (2008), S. 41. Siehe hierzu auch Zimmermann (1972), S. 58; Eilers (1980), S. 26f. Atteslander (2008), S. 173. Atteslander (2008), S. 173. Vgl. Berninghaus/Ehrhart/Güth (2006), S. 414f.
3.1 Forschungsdesign und wissenschaftstheoretische Fundierung
85
und Wirtschaftswissenschaften [...] immens.“444 Infolgedessen wird die Durchführung von Laborexperimenten zunehmend gefordert; dies spiegelt sich unter anderem in einem aktiven Aufruf der Herausgeber des Academy of Management Journals wider, welcher mit den Worten „I hope that this ‚From the Editors’ results in more lab studies being submitted to AMJ“445 endet. In der Literatur existieren bereits vereinzelt Beiträge, welche die Ergebnisse von Laborexperimenten zum Thema Mergers & Acquisitions darlegen. So haben Weber/Camerer ebenso Laborexperimente in diesem Bereich durchgeführt wie auch Montmarquette et al.446 Folglich ist die Durchführung von Laborexperimenten zu Zwecken von Untersuchungen im M&A-Bereich in der Wissenschaft nicht unüblich.447
3.1.3 Wissenschaftstheoretische Einordnung Als Basis der im Rahmen der vorliegenden Arbeit durchgeführten empirischen Studie wurde eine umfangreiche Literaturrecherche durchgeführt. Die im Zuge der Literaturanalyse gewonnenen Erkenntnisse wurden im zweiten Kapitel systematisch aufgearbeitet. Hierbei lag der Schwerpunkt auf der Entwicklung eines theoretisch fundierten und operationalisierbaren Dynamic Capability-Verständnisses. Neben dieser theoriegeleiteten Vorgehensweise weist die Dissertation des Weiteren eine Empirieorientierung auf. So wird insbesondere zur Bestimmung der Forschungslücke auf empirische Studien zurückgegriffen, welche die hohen Misserfolgsraten von M&A-Transaktionen bestätigen beziehungsweise ausgehend von solchen Studien die Untersuchung organisationaler Aspekte fordern. Der im zweiten Kapitel dargelegte theoretische Bezugsrahmen bildet den Ausgangspunkt für die Forschungshypothesen, die in Kapitel 2.6 abgeleitet wurden. Zur Analyse der zentralen Forschungsfrage wird in dieser Studie schließlich auf ein experimentelles Forschungsdesgin zurückgegriffen. Dabei sind die im Vorfeld der experimentellen Laborstudie durchgeführten Voruntersuchungen der Erhebungsinstrumente teilweise qualitativer und zum Teil quantitativer Natur.
444 445 446 447
Falk/Dohmen/Sunde (2009), S. 54. Colquitt (2008), S. 620. Siehe hierzu Weber/Camerer (2003); Montmarquette et al. (2004). Zu weiteren Laborexperimenten im M&A-Bereich siehe beispielsweise Davis/Wilson (2008); Huck et al. (2007). Ein Feldexperiment im M&A-Bereich findet sich beispielsweise bei Schweiger/DeNisi (1991), S. 110ff.
86
3 Experimentelle Studie
Wissenschaftsverständnis
Objektivismus
Subjektivismus
Literaturanalyse
Verwendung qualitativer und quantitativer Methoden
Hauptforschungsfrage
Quantitative Voruntersuchung
Qualitative Voruntersuchung
Quantitative Studie - Laborexperiment - Befragung
Inwieweit tragen Dynamic Capabilities zum Erfolg von Zusammenschlüssen von Organisationseinheiten mit unterschiedlichen Routinen bei?
Abbildung 10: Forschungsdesign der vorliegenden Untersuchung
Die Abbildung verdeutlicht, dass der Verwendung quantitativer Methoden ein objektivistisches Wissenschaftsverständnis zugrunde liegt, während sich qualitative Herangehensweisen in ein subjektivistisches Wissenschaftsverständnis einordnen lassen. In der vorliegenden Arbeit liegt der Schwerpunkt auf erstgenanntem Verständnis; denn eine qualitative Vorgehensweise wurde lediglich zur Voruntersuchung einzelner Erhebungsinstrumente gewählt. Folglich wird bei der Durchführung der Studie an sich davon ausgegangen, dass die Welt objektiv ist und vom Wissenschaftler durch Beobachtungen erschlossen werden kann. Im Rahmen des objektivistisch geprägten Wissenschaftsverständnisses konnte sich der kritische Rationalismus als bekannteste und dominanteste Erkenntnistheorie etablieren. Der kritische Rationalismus besagt, dass Erkenntnis stets vorläufig ist: Es wird davon ausgegangen, dass sich Forscher der Realität nur annähern können, während eine endgültige Erfassung der Realität unmöglich ist. So bezeichnet Popper die Wissenschaft als Wahrheitssuche und stellt fest: „Und wenn wir auch nie wissen können, ob wir dieses Ziel erreicht haben, so können wir dennoch gute Gründe für die Vermutung haben, dass wir unserem Ziel, der Wahrheit, näher gekommen sind.“448 Dabei besteht die „Tätigkeit des wissenschaftlichen Forschers [...] darin, Sätze oder Systeme von Sätzen aufzustellen und systematisch zu überprüfen; in den empirischen Wissenschaften sind es insbesondere Hypothesen, Theoriensysteme, die aufgestellt
448
Popper (1984), S. 51f.
3.2 Erhebungsinstrumente
87
und an der Erfahrung durch Beobachtung und Experiment überprüft werden.“449 Dementsprechend sollten im Zuge empirischer Untersuchungen theoretisch oder empirisch fundierte falsifizierbare Hypothesen aufgestellt werden, die sich durch Beobachtungen testen lassen. Hinsichtlich etwaiger, zu Forschungszwecken durchgeführter Beobachtungen betont Popper bereits: „It is not the accumulation of observations which I have in mind when I speak of the growth of scientific knowledge, but the repeated overthrow of scientific theories and their replacement by better or more satisfactory ones.“450 Angesichts dessen liegt der Fokus in dieser Arbeit nicht auf den Beobachtungen an sich; vielmehr sollen die Tests der auf Basis einer umfangreichen Literaturarbeit abgeleiteten Hypothesen zu einer Weiterentwicklung bestehender Theorien beitragen. Dem Experiment, welches in der vorliegenden Dissertation zum Testen der Hypothesen herangezogen wird, kommt gemäß dem kritischen Rationalismus lediglich eine kritische Rolle zu. So ist es weder Aufgabe des Experimentators, Theorien zu erzeugen noch auf diese Weise Wissen zu generieren; vielmehr obliegt es ihm, konkrete Hypothesen zu testen und diese möglichst zu falsifizieren.451
3.2 Erhebungsinstrumente Montgomery/Wernerfelt/Balakrishnan fordern, dass die in empirischen Arbeiten verwendeten Variablen präzise definiert und operationalisiert werden. Dabei bezieht sich ihre Aussage auf Studien, welche sich mit latenten Konstrukten, wie sie im Bereich des strategischen Managements vorzufinden sind, befassen.452 Dieser Forderung kann in der vorliegenden Arbeit durch die theoriebasierte Ableitung eines operationalisierbaren Dynamic Capability-Verständnisses begegnet werden, welche Gegenstand des zweiten Kapitels war. Die weiteren, weniger latenten Variablen wurden ebenfalls präzise definiert. Ziel dieses Abschnittes ist es nun, die Messinstrumente vorzustellen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem Computerprogramm Transform the Target zur Erhebung der abhängigen Variable Erfolg sowie auf dem Fragebogen zur Erhebung der unabhängigen Variable Dynamic Capability. Beide 449 450 451
452
Popper (1966), S. 3. Popper (1965), S. 215. Vgl. Popper (1966), S. 72. Das Ziel der Falsifikation bezieht sich auf zuvor formulierte Nullhypothesen. In dieser Dissertation wurden, wie in der Forschungspraxis üblich, lediglich die jeweiligen Alternativhypothesen formuliert. Diese können angenommen werden, sofern eine Falsifikation der nicht explizit formulierten, aber dennoch implizit zugrunde gelegten Nullhypothesen erfolgt. Vgl. Montgomery/Wernerfelt/Balakrishnan (1989), S. 194.
88
3 Experimentelle Studie
Instrumente wurden zu Zwecken der hier durchgeführten Untersuchung angepasst und weiterentwickelt. Deshalb ist jeweils ein Abschnitt der Ausgangsvariante, einer der Weiterentwicklung und einer der Voruntersuchung der Instrumente gewidmet. Außerdem erfolgt eine genaue Beschreibung, wie die Konstrukte in diesem Falle konkret operationalisiert werden. Daran schließt ein Absatz zu Erhebungen an, in welchem die Operationalisierung aller weiteren erfassten Variablen dargelegt wird. Mögliche mit der Erhebung der Variablen einhergehende Probleme werden jeweils direkt angesprochen und diskutiert.
3.2.1 Computerprogramm Transform the Target zur Erhebung von Erfolg
3.2.1.1 Ursprungsversion des Kartenspiels Transform the Target Das im Rahmen der vorliegenden Untersuchung verwendete Instrument zur Erhebung von Erfolg und Routinen basiert auf der in Kapitel 2.3.2.1 vorgestellten Studie von Cohen/Bacdayan.453 Cohen/Bacdayan haben das Kartenspiel Transform the Target als Zweispielerversion entworfen. In dem Spiel hält jeder Spieler eine der insgesamt sechs verwendeten Karten (2♥, 3♥, 4♥ und 2♣, 3♣, 4♣) in der Hand, die restlichen vier Karten liegen auf dem Tisch. Jeder Proband kann seine persönliche Karte sehen, nicht aber die seines Mitspielers. Ebenso liegen zwei der vier Karten auf dem Spielfeld verdeckt, während zwei Karten für beide Spieler sichtbar sind.454
Karte des Numberkeepers
Karte des Colorkeepers
Zielplatz
Abbildung 11: Beispiel für die Kartenverteilung im Spiel Transform the Target (Quelle: in Anlehnung an Cohen/Bacdayan (1994), S. 562)
453 454
Siehe hierzu Cohen/Bacdayan (1994), S. 554ff. Vgl. Cohen/Bacdayan (1994), S. 559.
3.2 Erhebungsinstrumente
89
Ziel des Spiels ist es, die 2♥ möglichst schnell und mit möglichst wenigen Zügen auf den Zielplatz zu bringen. Um dieses Ziel zu erreichen, dürfen die Probanden abwechselnd jeweils die Karte, die sie in der Hand halten, mit einer der Karten auf dem Spielfeld tauschen. Hierbei zählt nicht nur ein Kartentausch als Zug, sondern auch das Aussetzen. Hinsichtlich der möglichen Züge unterliegt jeder Spieler in Abhängigkeit seiner Rolle gewissen Restriktionen: So darf derjenige, der die Rolle des Colorkeepers innehat, mit der Karte, die auf dem Zielplatz liegt, nur tauschen, wenn er eine Karte der gleichen Farbe in der Hand hält (das heißt, es ist erlaubt ♥ gegen ♥ beziehungsweise ♣ gegen ♣ zu tauschen). Dahingegen ist dem Numberkeeper ein Tausch mit der Karte, die auf dem Zielplatz liegt, nur möglich, wenn sich dadurch die Zahl nicht verändert (das heißt, der Numberkeeper darf eine zwei gegen eine zwei, eine drei gegen eine drei beziehungsweise eine vier gegen eine vier tauschen). Diese Restriktionen gelten lediglich für einen Tausch mit der Karte, die auf dem Zielplatz liegt, so dass mit den weiteren drei Karten auf dem Spielfeld beliebig getauscht werden kann. Während des Spiels ist jegliche Kommunikation untersagt.455 Die Spielzeit umfasst maximal 40 Minuten, wobei bis zu 40 Runden gespielt werden können und der Colorkeeper jeweils beginnt.456 Eine Runde gilt einerseits als beendet, wenn die 2♥ auf dem Zielplatz liegt; andererseits wird eine Runde als nicht erfolgreich angesehen und abgebrochen, wenn viermal hintereinander ausgesetzt wird oder das Ziel innerhalb von zwanzig Zügen nicht erreicht werden kann.457 Für jede erfolgreich gespielte Runde erhalten die beiden Versuchsteilnehmer gemeinsam einen Dollar, welcher sich jeweils um die Kosten der durchgeführten Züge verringert (pro Zug fallen Kosten in Höhe von zehn Cent an). Der daraus resultierende Gewinn wird gleichmäßig auf die beiden Spieler verteilt. „This arrangement place[s] the subjects in a fully cooperative relationship with each other, but create[s] a tension between the two performance measures“458; denn aufgrund des Auszahlungsprofils sind die Probanden angehalten, möglichst schnell zu spielen, um bestenfalls alle 40 Runden erfolgreich beenden zu können, auf der anderen Seite ist eine gut durchdachte Vorgehensweise gefragt, um die Anzahl der benötigten Züge zu minimieren. Für die Teilnahme an dem Experiment von Cohen/Bacdayan erhielten die Studenten im Durchschnitt 35 Dollar,
455 456 457 458
Vgl. Cohen/Bacdayan (1994), S. 559. Vgl. Egidi/Bonini (1999), S. 11f. Vgl. Garapin/Hollard (1999), S. 468. Cohen/Bacdayan (1994), S. 560.
90
3 Experimentelle Studie
welche neben den variablen Gewinnen eine Grundvergütung von fünf Dollar pro Spielphase umfassen.459 In dem von Cohen/Bacdayan durchgeführten Experiment wurden jeweils zwei Spielphasen à 40 Minuten beziehungsweise à 40 Runden gespielt. Für die insgesamt 80 Runden wurden 60 verschiedene Anfangskonfigurationen der Karten herangezogen. Folglich war die Kartenverteilung in einzelnen Runden identisch. Aufgrund solcher Wiederholungen konnten etwa Abweichungen in der Vorgehensweise von der ersten zur zweiten Spielphase analysiert werden, wobei sich eine Beeinflussung des Prozederes durch unterschiedliche Ausgangssituationen von vornherein ausschließen ließ. Aus Vergleichbarkeitsgründen war die Kartenverteilung für alle Probanden in den jeweiligen Runden gleich. Ebenso durchliefen alle Versuchsteilnehmer zu Beginn des Experiments das gleiche Training: Zunächst erhielt jeder Proband ein Blatt mit den grundsätzlichen Spielregeln, welche er in Ruhe lesen durfte. Im Anschluss daran wurde beispielhaft eine komplette Runde von Transform the Target Schritt für Schritt vorgeführt. Sowohl für das Training als auch im Zuge der darauf folgenden Spielphasen wurde auf physische Karten zurückgegriffen.460 Transform the Target erscheint im Kontext dieser Arbeit insofern passend, als sich in dem Spiel nachweislich Routinen bilden;461 denn der erste Teil der Experimente dient dazu, die Vorgehensweise der Probanden in einer kleinen Gruppe zu routinieren. In diesem Zusammenhang ist es vor allem vorteilhaft, dass verschiedene Strategien existieren, mit denen das Ziel in Transform the Target erreicht werden kann.462 Hier resultiert die Vielfalt an möglichen Vorgehensweisen zur Zielerreichung in unterschiedlichen Routinen, die im Falle eines Zusammenschlusses gegebenenfalls aufgegeben beziehungsweise angepasst werden müssen. Darüber hinaus bleibt für dieses Experiment hinsichtlich der Generalisierbarkeit der Ergebnisse positiv anzumerken, dass es aufgrund des Designs „a number of fundamental features characteristic of organizational life“463 beinhaltet, obwohl die Untersuchung auf Gruppenebene erfolgt: Ein solches Merkmal ist, dass die mit den beiden Rollen einhergehenden unterschiedlichen Restriktionen eine Arbeitsteilung mit sich bringen. 459 460 461 462 463
Vgl. Cohen/Bacdayan (1994), S. 560. Vgl. Cohen/Bacdayan (1994), S. 560. Vgl. Egidi (1996); Cohen/Bacdayan (1994); Garapin/Hollard (1999). Siehe hierzu Egidi (1996); Egidi/Narduzzo (1997). Cohen/Bacdayan (1994), S. 560.
3.2 Erhebungsinstrumente
91
Außerdem sind neben den Fähigkeiten auch die Informationen asymmetrisch verteilt; denn jeder Proband kann zwar seine persönliche Karte einsehen, nicht aber die seines Mitspielers. Eine weitere Parallele zu einer typischen Organisation beziehungsweise Organisationseinheit kann darin gesehen werden, dass in Transform the Target Entscheidungen unter Unsicherheit getroffen werden müssen, weil für jeden Versuchsteilnehmer außer der Karte des Mitspielers zunächst auch die verdeckt auf dem Tisch liegenden Karten unbekannt sind. Letztlich bildet sich während des Experiments ein komplexes, verflochtenes System, in dem jeweils zwei Probanden kooperieren, um ein gemeinsames Ziel – in diesem Falle die Gewinnmaximierung – zu erreichen.464 Obgleich die Generalisierbarkeit der Ergebnisse natürlich weiterhin eine Grenze der vorliegenden Studie bleibt, wird durch die aufgeführten Parallelen zu einer Organisation beziehungsweise zu einer Organisationseinheit die mit Laboruntersuchungen generell einhergehende geringe externe Validität – soweit eben möglich – relativiert.465 Hinsichtlich der gemeinsamen Zielerreichung wird in Transform the Target auf eine Gewinnmaximierung abgestellt, welche sich in Form der jeweils verdienten variablen Vergütung messen lässt. Vor dem Hintergrund, dass Transform the Target in der vorliegenden Untersuchung zur Operationalisierung der abhängigen Variable Erfolg herangezogen wird, ist eine Erfolgsmessung in Geldbeträgen ebenfalls sehr realitätsnah.
3.2.1.2 Weiterentwicklung des Kartenspiels Transform the Target In der Literatur existieren bereits experimentelle Studien, die Transform the Target in einer computerbasierten Form anwenden.466 Aus Effizienz- beziehungsweise Standardisierungsgründen wurde in der vorliegenden Arbeit ebenfalls auf eine computerbasierte Version des Kartenspiels umgestellt. Hierzu erfolgte eine Ausschreibung zur Suche eines Programmierers mit den inhaltlichen und technischen Anforderungen an das Computerprogramm. Während im Hinblick auf die Technik primär die Umsetzung als Client-Server-Lösung unter Berücksichtigung einiger Eckdaten der vorhandenen Computer (z.B. Monitorauflösung beträgt mindestens 1024x768) im Vordergrund stand, orientierten sich die inhaltlichen Anforderungen grundsätzlich an der Transform the Target-Version von Cohen/Bacdayan. Ebenso wie das Kartenspiel an sich sollte 464 465
466
Vgl. Cohen/Bacdayan (1994), S. 560. Zur externen Validität von Experimenten siehe beispielsweise Sedlmeier/Renkewitz (2008), S. 146ff.; Rack/Christophersen (2007), S. 27f.; Diekmann (2006), S. 302; Scholl (2003), S. 92ff.; Kromrey (2002), S. 96f.; Aronson/Wilson/Akert (2008), S. 41ff. Siehe beispielsweise Garapin/Hollard (1999), S. 467; Egidi (1996), S. 307.
92
3 Experimentelle Studie
auch das Training der Probanden primär computerbasiert erfolgen. Deshalb wurden dem Programmierer eine Einführung in das Experiment mit den grundsätzlichen Spielregeln in Word sowie ein animiertes Beispiel mit entsprechenden Erläuterungen in Powerpoint zur Verfügung gestellt. Das Beispiel wurde so umgesetzt, dass jeder Proband durch einen Mausklick zum jeweils nächsten Schritt gelangt. Folglich kann das Tempo, in dem das Training stattfindet, weitgehend individuell festgelegt werden. Da das Kartenspiel Transform the Target in der vorliegenden Studie in einem anderen Kontext zur Anwendung kommt als bei Cohen/Bacdayan, waren zudem diverse inhaltliche Anpassungen unumgänglich. So stellte sich zunächst die Frage, inwieweit die verschiedenen Dimensionen der organisationalen Kompetenz Berücksichtigung finden. Vor dem Hintergrund, dass mithilfe des Kartenspiels organisationale Routinen im Labor hervorgerufen werden können,467 schienen drei der vier Dimensionen nach Wilkens et al.468 gegeben zu sein: Routinen, definiert als „repetitive patterns of activity“469, wird eine komplexitätsreduzierende Funktion zugesprochen.470 Insofern gehen Routinen zum einen mit Komplexitätsbewältigung einher; zum anderen sind Kombination und Kooperation Voraussetzungen dafür, dass sich organisationale Routinen – und damit aufeinander abgestimmte Vorgehensweisen – bilden können; denn organisationale Routinen „are made up of a sequence of coordinated actions by individuals.“471 Lediglich die Dimension der Selbstreflexion findet sich in der ursprünglichen Version des Kartenspiels nicht wieder. Deshalb wurde nach zwanzig Runden (beziehungsweise maximal zwanzig Minuten) eine bis zu zehnminütige Pause eingeführt. In dieser Pause durften sich die Probanden der jeweiligen Gruppe gemeinsam zurückziehen, um den bisherigen Spielverlauf zu reflektieren und entsprechende Vereinbarungen für die weitere Vorgehensweise zu treffen. Hierzu wurden Papier und Stifte bereitgestellt, so dass bei Bedarf diverse Spielsituationen mithilfe von Zeichnungen verdeutlicht werden konnten. Somit dient die Pause, welche durch das Anklicken des Buttons „Skip Pause“ durch die jeweiligen Spieler vorzeitig beendet werden konnte, primär als Selbstreflexionsphase und gewährleistet, dass auch
467 468
469 470 471
Vgl. Cohen/Bacdayan (1994), S. 555. Siehe hierzu Wilkens et al. (2007); Wilkens/Gröschke (2007), S. 292; Wilkens/Keller/Schmette (2006). Nelson/Winter (1982), S. 97. Vgl. Levinthal (2002), S. 363. Grant (1991), S. 122.
3.2 Erhebungsinstrumente
93
die vierte Dimension der organisationalen Kompetenz nach Wilkens et al.472 Einzug in das Kartenspiel findet. Eine weitere Herausforderung stellte die Erweiterung des Spiels zu einer Vierspielerversion dar. Das Spiel Transform the Target wurde im Zuge einer Studie zur Entstehung von Routinen und zu deren Zusammenhang mit Wissen und Erfolg bereits in einer erweiterten Form durchgeführt;473 die von Wang/Zhang verwendete Transform the Target-Version ist jedoch lediglich für drei Spieler konzipiert und war somit für die im Rahmen dieses Experiments vorgenommene Zusammenführung von je zwei Paaren ungeeignet.474 Aus Vergleichbarkeitsgründen sollten zur Entwicklung der benötigten Vierspielerversion möglichst wenige Änderungen durchgeführt werden. Folglich wurden lediglich zwei weitere Karten (Ass♥ und Ass♣) in das Spiel eingeführt. Im Gegensatz zur Zweispielerversion, in welcher für die jeweilige Kartenverteilung auf die Anfangskonfigurationen von Cohen/Bacdayan zurückgegriffen wurde, erforderte die Erhöhung der Kartenzahl allerdings eine Neuentwicklung entsprechender Konfigurationen. Nichtsdestotrotz konnte durch die Neueinführung der Karten eine Anpassung der grundsätzlichen Regeln umgangen werden: Jeder Spieler hielt weiterhin eine Karte in der Hand und vier Karten lagen auf dem Tisch. Die Spieler behielten in der Vierspielerversion jeweils die Rolle, die sie auch in der Zweispielerversion eingenommen hatten – das heißt, Colorkeeper blieben Colorkeeper und Numberkeeper blieben Numberkeeper – und auch alle weiteren Regeln sowie das Ziel des Spiels blieben unverändert. Lediglich die Bedingungen, unter denen das Spiel vorzeitig abbricht, wurden proportional zur Erhöhung der Spieleranzahl angepasst; das heißt, in der Vierspielerversion gilt eine Runde als nicht erfolgreich und wird abgebrochen, wenn achtmal (statt viermal) hintereinander ausgesetzt wird oder das Ziel innerhalb von vierzig (statt zwanzig) Zügen nicht erreicht ist. Außerdem erforderte die Zusammenführung zweier Spielerpaare eine Entscheidung, in welcher Reihenfolge die Probanden ihre persönliche Karte mit einer Karte auf dem Tisch tauschen durften. Um zu gewährleisten, dass die Mitglieder beider Zweiergruppen gleichermaßen in die Zielerreichung involviert sind, wurde die Reihenfolge wie folgt festgelegt: Der Colorkeeper eines Spielerpaares (Colorkeeper 1) durfte jede Runde beginnen, gefolgt vom Colorkeeper der jeweiligen anderen Zweiergruppe (Colorkeeper 2). Anschließend war Numberkee472
473 474
Siehe hierzu Wilkens et al. (2007); Wilkens/Gröschke (2007), S. 292; Wilkens/Keller/Schmette (2006). Vgl. Wang/Zhang (2008), S. 862ff. Vgl. Wang/Zhang (2008), S. 872.
94
3 Experimentelle Studie
per 1 an der Reihe, bevor schließlich Numberkeeper 2 seinen Zug vollziehen konnte. Demnach wechselten sich die Mitglieder der zusammengeführten Spielerpaare in der Vierspielerversion ab, was die Umsetzung zuvor bewährter Routinen erschwerte. Um eine differenzierte Auswertung der Ergebnisse zu ermöglichen, liefert das entwickelte Computerprogramm gezielt bestimmte Statistiken in einer Excel-Datei. So werden im Hinblick auf das Erfolgskriterium die Gewinne der Spieler für die gesamten 40 Runden ebenso erhoben wie jeweils für die zwanzig Runden vor und nach der maximal zehnminütigen Pause. Darüber hinaus werden zusätzlich Statistiken zur Anzahl benötigter Züge sowie zur Dauer pro Zug und Runde erfasst. Außerdem wird die Gesamtdauer für die jeweiligen Spielhälften (das heißt für die ersten maximal zwanzig Runden sowie für die zweiten maximal zwanzig Runden) ebenso erhoben wie die Dauer der Pause. Letztlich können in der Excel-Datei alle Züge der Probanden Schritt für Schritt nachvollzogen werden. Einen Überblick über die aus dem Computerspiel zur Verfügung stehenden Daten liefert die folgende Abbildung. Daten aus dem Computerspiel
Gewinne der Spieler als Erfolgskriterium - Erfolg (gesamt) - Erfolg (1. Spielphase) - Erfolg (2. Spielphase)
Ergänzende Statistiken - Anzahl benötigter Züge - Dauer pro Zug und Runde - Gesamtdauer für die jeweiligen Spielphasen - Dauer der Pause - konkrete Züge
Abbildung 12: Überblick über die aus dem Computerspiel zur Verfügung stehenden Daten
3.2.1.3 Voruntersuchung des Kartenspiels Die Voruntersuchung des Computerprogramms diente einerseits dazu, die technische Umsetzung der zuvor gestellten Anforderungen und zugleich das generelle experimentelle Setting zu überprüfen; andererseits sollten mithilfe diverser Voruntersuchungen die Angemessenheit der Anfangskonfigurationen für die Kartenverteilung in der Vierspielerversion sowie das neu entwickelte Training erprobt werden. Zunächst wurde Transform the Target sowohl im Rahmen einzelner Vorlesungen als auch mit diversen Freiwilligen mit physischen Karten gespielt. Hierbei wurden Dreiergruppen gebildet, so dass jeweils zwei Spieler und ein Protokollant zur Verfügung standen. Der Proto-
3.2 Erhebungsinstrumente
95
kollant hatte die Aufgabe, für jede Runde die Anzahl der benötigten Schritte sowie die Dauer pro Runde aufzuschreiben und anschließend die Karten neu zu verteilen. Insgesamt wurden jeweils zweimal vierundzwanzig Runden gespielt. Die Karten wurden allerdings per Zufall verteilt, so dass ein Vergleich der einzelnen Gruppen untereinander nicht sinnvoll erscheint. Ziel dieser ersten Versuche war es vielmehr herauszufinden, wie intensiv das Training der Probanden sein muss, inwieweit die Kommunikationsmöglichkeit in der Pause genutzt wird und wie umfangreich diese demnach bemessen sein sollte. Außerdem erhielten die Versuchspersonen in manchen Durchläufen für jede erfolgreich gespielte Runde 50 Cent abzüglich fünf Cent pro benötigten Zug, während in anderen Gruppen keine Bezahlung vorgesehen war. Erste Rückschlüsse wurden sowohl aufgrund von Beobachtungen dieser Voruntersuchungen als auch auf Basis intensiver Diskussionen mit den Teilnehmern gezogen. Hinsichtlich des Trainings stellte sich schnell heraus, dass das alleinige Erklären der Spielregeln nicht ausreichte und somit durch die Vorführung eines Beispiels mit entsprechenden Erläuterungen zu ergänzen war. Außerdem stellten die Probanden in allen Durchgängen ähnliche Fragen. Deshalb wurde entschieden, einerseits eine Möglichkeit zum Stellen von Fragen in das Training aufzunehmen und andererseits auf die offensichtlich grundsätzlich bestehenden Schwierigkeiten gesondert einzugehen, sofern diese in einer Fragerunde nicht zur Sprache kommen. Hinsichtlich der Kommunikationsmöglichkeit in der Pause zeigte sich, dass diese nur eingeschränkt genutzt wurde: Zwar sprachen fast alle Spielerpaare grundsätzliche Dinge kurz ab, in den meisten Fällen dauerte die Pause jedoch maximal eine Minute und nur wenige Probanden nutzten die Pause tatsächlich zu einer intensiven Reflexion. Trotzdem führten Diskussionen mit den Teilnehmern sowie mit entsprechenden Experten zu der Entscheidung, dass die maximale Pausenzeit im Computerprogramm zehn Minuten betragen sollte; schließlich können sich die Probanden gegen eine Pause entscheiden oder diese bereits nach wenigen Minuten vorzeitig beenden. Die erfolgsabhängige Vergütung wirkte auf die Versuchspersonen sehr motivierend, was sich insbesondere in besser durchdachten Vorgehensweisen widerspiegelte. Insofern sollte auf jeden Fall eine variable Vergütung der Probanden erfolgen; bezüglich des generellen Anreizsystems bestand jedoch weiterhin Klärungsbedarf. So stand eine Grundvergütung in entsprechender Höhe ebenso zur Debatte wie die Vergabe von Leistungspunkten. Die Anreizproblematik wurde offen mit Studenten, Professoren und sonstigen Personen außerhalb der Hochschule diskutiert. Ein Anreiz mittels Grundvergütung erschien schwierig, weil ein Großteil der Studenten, die als Probanden in Frage kamen, über ein regelmäßiges Ein-
96
3 Experimentelle Studie
kommen verfügt. Da zudem bereits feststand, dass das Experiment im Rahmen einer Pflichtveranstaltung angeboten werden sollte, wurde zugunsten der Vergabe von Leistungspunkten entschieden.475 Die gewonnenen Erkenntnisse fanden im Zuge der Programmierung von vornherein Berücksichtigung. Zusätzlich wurde dem Programmierer die Anordnung der Karten auf dem Spielfeld vorgegeben. Diese weicht in der vorliegenden Studie leicht von der Verteilung bei Cohen/Bacdayan ab, weil die computerbasierte Umsetzung eine gleiche Darstellung für alle Spieler ermöglicht: Die Erfahrung anderer Experten, dass Spieler beispielsweise einen Tausch mit nahe liegenden Karten stets bevorzugen, konnte in Voruntersuchungen ebenfalls beobachtet werden. Deshalb fiel die Entscheidung, dass jeder Proband seine persönliche Karte am unteren Rand des Bildschirms sehen sollte, wohingegen die jeweiligen Karten der Mitspieler am oberen Bildschirmrand angeordnet wurden. So konnten Unterschiede in den Abständen der persönlichen Karte zu auf dem Spielfeld liegenden Karten für die verschiedenen Versuchsteilnehmer vermieden werden. Karte des Mitspielers
Karten der Mitspieler
Zielplatz
Zielplatz
Eigene Karte
Eigene Karte
Abbildung 13: Beispiel für die in der vorliegenden Arbeit verwendete Kartenverteilung (links: Zwei-, rechts: Vierspielerversion) 475
Die Vergabe von Leistungspunkten als Anreiz zur Teilnahme an Experimenten ist in der Wissenschaft durchaus üblich. So kommen Loyd/Kern/Thompson in einer umfangreichen Studie zu dem Ergebnis, dass im Zeitraum von 1996 bis 2000 34 Prozent der Probanden untersuchter Studien Leistungspunkte für ihre Teilnahme an wissenschaftlichen Untersuchungen erhalten haben. Vgl. Loyd/Kern/Thompson (2005).
3.2 Erhebungsinstrumente
97
Der nächste Schritt bestand schließlich in der Testphase des Computerprogramms. Zu Testzwecken konnte Transform the Target jeweils auf einem Rechner gestartet werden, so dass ein Tester zwei beziehungsweise vier Spieler gleichzeitig repräsentierte. Dies war zum Aufdecken logischer Programmfehler sinnvoll. Um möglichst alle Fehler in der Logik des Programms sowie hinsichtlich der gelieferten Statistiken frühzeitig aufdecken zu können, wurde das Spiel von verschiedenen Personen getestet. Da das Spiel einzelnen Personen bis zu diesem Zeitpunkt unbekannt war, konnte zugleich überprüft werden, ob die Einführung in das Experiment sowie das animierte Beispiel zu Trainingszwecken hilfreich waren. Aufgrund dessen erfolgten vereinzelt Umformulierungen; das grundsätzliche Training blieb jedoch auch nach Rücksprache mit Experten unverändert. Fehler in der Logik des Programms wurden regelmäßig behoben, so dass nach und nach insgesamt zwölf Versionen des Spiels entstanden. Parallel zur Testphase des Computerprogramms wurden die Anfangskonfigurationen für die Kartenverteilung in der Vierspielerversion entwickelt; für die Zweispielerversion wurden die Anfangskonfigurationen von Cohen/Bacdayan herangezogen, welche auch bereits in anderen Studien zur Anwendung kamen.476 Bei der Entwicklung der Anfangskonfigurationen wurde darauf geachtet, dass die jeweiligen Runden zwar mit unterschiedlichen Strategien lösbar sind, es jedoch keine Strategie gibt, die sich durchgängig als optimal erweist. Dadurch sollte erreicht werden, dass – in Einklang mit dem Dynamic Capability-Konzept – tatsächlich solche Gruppen erfolgreicher abschneiden, die in der Lage sind, von Routinen abzuweichen und durch ein flexibles Vorgehen suboptimale Lösungswege zu vermeiden wissen. Die entwickelten Anfangskonfigurationen wurden mehrfach mit verschiedenen Personen komplett durchgespielt und mit der Zeit leicht adjustiert. Nachdem das Computerprogramm hinreichend getestet und die Anfangskonfigurationen für die Vierspielerversion entwickelt waren, erfolgte ein erster Test des Computerprogramms unter Verwendung mehrerer Rechner. Hier stellte sich heraus, dass der Server von einem Rechner aus gestartet werden muss, auf dem als Java-RuntimeEnvironment Version 6 (Update 7) betrieben wird; andernfalls ist ein Start des Programms nicht möglich. Für die Client-Rechner reicht zwar grundsätzlich eine ältere Java-Version aus; sofern eine ältere Version verwendet wird, erscheint die Einführung in das Experiment jedoch stark verzerrt auf dem Bildschirm und ist somit nur schwer
476
Siehe beispielsweise Egidi (1996).
98
3 Experimentelle Studie
lesbar. Deshalb wurde für die vorliegende Studie im Vorfeld auf allen verwendeten Computern Java in der Version 6.0.7 installiert. In der Folge wurden grundsätzliche Dinge bezüglich der Benutzerverwaltung untersucht. Hier stellte sich vor allem die Frage, ob die Zuordnung der Rollen sowie die Zusammensetzung der Spielerpaare per Zufall durch das Computerprogramm erfolgen sollten. Eine zufällige Zuordnung erscheint zwar grundsätzlich sinnvoll, allerdings musste aufgrund der in der vorliegenden Arbeit verfolgten Fragestellung sichergestellt sein, dass Spielerpaare aus der Zweispielerversion auch im zweiten Erhebungstermin weiterhin zusammenblieben und dass jeder Spieler seine Rolle als Color- oder Numberkeeper beibehielt. Deshalb wurde die Benutzerverwaltung so programmiert, dass die Spielerpaare manuell eingegeben werden können. Durch die entsprechende Position in dem dazu verwendeten Excel-Sheet wird die Rolle eines Spielers automatisch bestimmt. Die Bildung der Spielerpaare und Zuweisung der jeweiligen Rollen für die Zweispielerversion erfolgte nichtsdestotrotz per Zufall; für die Vierspielerversion waren die Rollen dann entsprechend vorgegeben und die Zusammenführung der Spielerpaare erfolgte auf Basis der Befragungsergebnisse. Das Computerprogramm wurde letztlich im Zuge eines Pretests des experimentellen Settings abschließend getestet. An diesem Pretest nahmen 24 Personen teil. Durch das intensive Testen in der Entwicklungs- und Testphase konnte die Notwendigkeit erneuter Anpassungen vor den ersten Erhebungsterminen umgangen werden.
3.2.1.4 Operationalisierung der abhängigen Variable Erfolg Als Erfolg von Unternehmenszusammenschlüssen wird in der Literatur deren Beitrag zur Verwirklichung der unternehmerischen Ziele verstanden.477 Hinsichtlich der Frage, wie der Erfolg zu messen ist, herrschen jedoch Differenzen, so dass sowohl strategische als auch finanzielle Erfolgsmaße existieren. Strategische Erfolgsgrößen umfassen „Kennzahlen wie Marktanteile, de[n] Zugang zu Absatz- oder Beschaffungsmärkten, die internationale Wettbewerbsfähigkeit oder die strategische Positionierung als Nummer eins oder Nummer zwei in einem Markt.“478 Dahingegen wird zur Messung des finanziellen Erfolgs regelmäßig auf traditionelle Erfolgskennzahlen zurück477 478
Vgl. Lucks/Meckl (2002), S. 15; Hinne (2008), S. 84. Lucks/Meckl (2002), S. 16.
3.2 Erhebungsinstrumente
99
gegriffen; das heißt, hier stehen Gewinn- und Rentabilitätsgrößen im Vordergrund.479 Strategische Erfolgsgrößen erscheinen im Zuge einer ersten experimentellen Untersuchung des kausalen Zusammenhangs zwischen der Dynamic Capability-Ausprägung und dem Erfolg von Unternehmenszusammenschlüssen wenig sinnvoll. So wäre zu deren Erhebung die Nachbildung eines Marktes erforderlich, was wiederum zusätzliche Störfaktoren mit sich bringen und sich somit zulasten der internen Validität auswirken könnte. Vor diesem Hintergrund wird im Rahmen dieser Arbeit auf den Gewinn als finanzielles Erfolgsmaß abgestellt. Dabei wird zur Operationalisierung der abhängigen Variable Erfolg auf das Kartenspiel Transform the Target zurückgegriffen, in welchem die Gewinne eines jeden Spielerpaares in Euro gemessen werden. Analog zur Studie von Cohen/Bacdayan spiegeln sich in der Höhe der Gewinne sowohl die Geschwindigkeit als auch die Anzahl der benötigten Züge wider; 480 denn die beiden Versuchsteilnehmer erhielten in dieser Studie für jede innerhalb der vorgegebenen Zeit erfolgreich gespielte Runde gemeinsam 50 Cent, welche sich jeweils um 5 Cent pro durchgeführten Zug verringerten. Um eine differenzierte Auswertung zu ermöglichen, wurden die Gewinne für die gesamten 40 Runden in Summe ebenso erhoben wie jeweils für die zwanzig Runden vor und nach der maximal zehnminütigen Pause. Die Durchführung des Kartenspiels erfolgte jeweils zu Beginn eines Erhebungstermins, wobei der zweite Teil der experimentellen Untersuchung frühestens nach acht Wochen stattfand. Folglich sind Einflüsse durch vorhergehende Erhebungen auf das Messergebnis unwahrscheinlich. Auch tageszeitbedingte Einflussnahmen erscheinen hier vernachlässigbar; denn die experimentelle Untersuchung fand grundsätzlich nachmittags statt, nur vereinzelt war sie vormittags beziehungsweise für den frühen Abend terminiert. Ein weiterer Grund für die Vernachlässigbarkeit tageszeitbedingter Einflüsse ist, dass keine zeitliche Differenzierung nach Versuchsbedingungen vorgenommen wurde; das heißt, die Durchführung des Computerspiels erfolgte für beide Versuchsbedingungen gleichzeitig. Da es sich bei dem Messinstrument um ein Spiel handelt, kann außerdem von einer im Tageszeitverlauf etwa gleich bleibenden Motivation der Probanden ausgegangen werden. Hier ist allerdings kritisch anzumerken, dass die Motivation der Probanden möglicherweise variierte. So könnte es sein, dass 479 480
Vgl. Lucks/Meckl (2002), S. 16; siehe hierzu auch Picken (2003), S. 49ff. Vgl. Cohen/Bacdayan (1994), S. 560.
100
3 Experimentelle Studie
manche Probanden ihr Leistungsvermögen im Zuge des Kartenspiels nur eingeschränkt ausgeschöpft haben, was wiederum leicht verzerrte Ergebnisse zur Folge hätte. Ähnlich verhält es sich mit der Konzentration der Probanden, welche im Zuge der Studie als möglicher Einflussfaktor separat erfasst wurde.481
3.2.2 Fragebogen zur Erhebung von Dynamic Capability
3.2.2.1 Ursprungsversion des Fragebogens von Wilkens et al. Zur Erfassung der Dynamic Capabilities wurde im Rahmen dieser Studie ein Fragebogen verwendet, welcher maßgeblich auf dem von Wilkens et al. entwickelten Erhebungsinstrument basiert.482 Ausgehend von dem Ansatz komplexer adaptiver Systeme (KAS-Ansatz)483 sowie von der sozial-kognitiven Theorie von Bandura484 identifizieren Wilkens et al. Kombination, Kooperation, Komplexitätsbewältigung und Selbstreflexion als ebenenübergreifende Kompetenzdimensionen. Diese Kompetenzdimensionen lassen sich sowohl aus Sicht des KAS-Ansatzes als auch aus Sicht der sozial-kognitiven Theorie spezifizieren. Da letztgenannte Spezifikation jedoch lediglich zur Abbildung der Kompetenzdimensionen auf individueller Ebene dient, erfolgt die folgende Darlegung der Kompetenzdimensionen einzig vor dem Hintergrund des KAS-Ansatzes. Entsprechende Ausführungen aus der Perspektive der sozialkognitiven Theorie finden sich bei Wilkens et al.485 Die erste Kompetenzdimension wird als Komplexitätsbewältigung bezeichnet, um auf das Erfordernis einer angemessenen Komplexitätsreduzierung hinzuweisen. Es wird davon ausgegangen, dass ein komplexes adaptives System in der Lage sein muss, Umweltveränderungen wahrzunehmen und bei der Verarbeitung aufgenommener Informationen entsprechend selektiv vorzugehen. Deshalb legen Wilkens et al. bei der Operationalisierung der Komplexitätsbewältigung den Fokus auf Umweltsensoren und Mechanismen zur Informationsverarbeitung. Bei der zweiten Kompetenzdimension – der Selbstreflexion – steht hingegen die Frage im Vordergrund, inwieweit ein komplexes adaptives System fähig ist, die Angemessenheit seiner Handlungsroutinen zu 481 482 483 484 485
Siehe hierzu Kapitel 3.2.3. Siehe hierzu auch Kapitel 2.3.2.2. Siehe hierzu Kappelhoff (2002). Siehe hierzu Bandura (1986; 2001). Siehe hierzu Wilkens et al. (2007), S. 20ff.
3.2 Erhebungsinstrumente
101
reflektieren. So können vorhandene Ordnungsvarianten durch exogene Störungen in Form von Umweltveränderungen in Frage gestellt werden. Sofern sich bestehende Handlungsroutinen hierbei als unangemessen herausstellen, können Vorgehensweisen entsprechend angepasst oder gegebenenfalls sogar durch neue Routinen ersetzt werden. Vor diesem Hintergrund orientieren Wilkens et al. ihre Operationalisierung von Selbstreflexion an „checks und balances dienliche[n] Systemen.“486 Die dritte Kompetenzdimension – Kombination – zielt wiederum auf die Fähigkeit eines komplexen adaptiven Systems ab, organisationale Ressourcen zu integrieren beziehungsweise zu rekombinieren. Dadurch sollen neue Ordnungsmuster generiert werden, welche helfen, das System entsprechend anzupassen und somit die Erhaltung eines optimalen Ordnungszustands zu gewährleisten. Hierbei kommt organisationalen Wissensbeständen beziehungsweise dem Wissensmanagement eine große Bedeutung zu, so dass diese den Schwerpunkt des Operationalisierungsvorschlags von Wilkens et al. bilden. Kooperation als vierte Kompetenzdimension thematisiert letztlich die Fähigkeit eines komplexen adaptiven Systems, Beziehungen aufzubauen und aufrecht zu erhalten. Beziehungen zu diversen Akteuren können Handlungsoptionen erweitern, so dass diese im Hinblick auf die angemessene Entwicklung der eigenen Handlungsfähigkeit als hilfreich angesehen werden.487 Ausgehend von ihrer umfangreichen Literaturarbeit übersetzten Wilkens et al. die vier identifizierten Dimensionen zur ebenenübergreifenden Kompetenzerhebung in entsprechende Items.488 Zusätzlich zu den Items zur Kompetenz an sich wurden auch solche zur Erhebung der individuellen und kollektiven Selbstwirksamkeitserwartung in den Fragebogen aufgenommen. Dabei stellt die Selbstwirksamkeitserwartung ein Außenkriterium dar, welches einzig in das Erhebungsinstrument integriert wurde, um den Operationalisierungsvorschlag für das Kompetenzkonstrukt evaluieren zu können. Die Selbsteinschätzungsfragebögen wurden von Mitarbeitern zweier wissenschaftlicher Einrichtungen ausgefüllt, wodurch letztlich ein Stichprobenumfang von N = 34 generiert werden konnte.489 Insgesamt zeigte sich bei einer Analyse der Daten des Pretests, dass „die theoretisch hergeleiteten Kompetenzdimensionen [...] eine hohe Aufklärungsleistung zur Operationalisierung des Konstruktes Kompetenz“490 er486 487 488 489 490
Wilkens et al. (2007), S. 19. Vgl. Wilkens et al. (2007), S. 19f. Vgl. Wilkens/Keller/Schmette (2006), S. 147. Vgl. Wilkens et al. (2007), S. 34ff. Wilkens et al. (2007), S. 65.
102
3 Experimentelle Studie
bringen können. Dennoch erschienen nicht alle Dimensionen gleichermaßen relevant, weshalb Wilkens et al. eine Verdichtung von Kombination und Kooperation zu einer Dimension vorschlagen. Die Autoren weisen jedoch explizit darauf hin, dass die Notwendigkeit einer Verdichtung zu drei Dimensionen gegebenenfalls in der vergleichsweise kleinen Stichprobe oder in möglichen, leichten Überschneidungen einzelner Dimensionen begründet liegt.491 Insofern sollten weitere Untersuchungen zunächst ebenfalls auf die vier theoretisch fundierten Kompetenzdimensionen abstellen. Der von Wilkens et al. entworfene Fragebogen wurde als Grundlage herangezogen, da er einerseits eine starke theoretische Fundierung aufweist und andererseits eines der wenigen quantitativen Instrumente zur Erhebung von organisationaler Kompetenz repräsentiert. Zudem scheint er die Veränderungsfähigkeit als Kernbestandteil von Dynamic Capability über die Dimensionen Kombination, Kooperation, Komplexitätsbewältigung und Selbstreflexion hinreichend abzudecken. Doch obwohl der Fragebogen bereits im Zuge einer Feldstudie zum Einsatz kam und validiert wurde,492 war eine Weiterentwicklung unumgänglich, um eine entsprechende Passung für die Verwendung in einer Laborsituation zu gewährleisten.
3.2.2.2 Weiterentwicklung des Fragebogens von Wilkens et al. In einem ersten Schritt wurden die in dem von Wilkens et al. entwickelten Fragebogen enthaltenen Items zur organisationalen Ebene sowie zur Gruppenebene dahingehend kritisch geprüft, ob sie im Rahmen der experimentellen Untersuchung sinnvoll erscheinen. Infolgedessen wurden einzelne Items, wie zum Beispiel „Um Trends auf dem Hochschul- und/oder Beratungsmarkt nicht zu verpassen, wird der Markt kontinuierlich beobachtet“493, eliminiert. Items, die auf Gegebenheiten abzielen, die innerhalb des Kartenspiels tatsächlich relevant sein könnten, wurden zunächst im Fragebogen belassen; diese wurden, soweit notwendig, allerdings umformuliert. So wurde etwa das Item „Die Verantwortlichkeiten in unserer Einrichtung sind klar geregelt“494 in „Innerhalb unserer Gruppe waren die Verantwortlichkeiten klar geregelt“ abgeändert. Ergebnis dieser Vorgehensweise war ein vergleichsweise stark verkürzter Fragebogen. 491 492 493 494
Vgl. Wilkens et al. (2007), S. 44. Siehe hierzu beispielsweise Wilkens/Gröschke (2007), S. 275ff.; Wilkens et al. (2007), S. 36ff. Wilkens et al. (2007), S. 128. Wilkens et al. (2007), S. 128.
3.2 Erhebungsinstrumente
103
Um sicherzustellen, dass die Dimensionen Kombination, Kooperation, Komplexitätsbewältigung und Selbstreflexion nach wie vor hinreichend abgebildet sind, wurde das Erhebungsinstrument im nächsten Schritt theoriekonsistent mit zusätzlichen Items angereichert. Insbesondere der Fragebogen von Pavlou/El Sawy diente hierfür als Grundlage.495 Da das Instrument Dynamic Capabilities allerdings speziell in Bezug auf die Entwicklung neuer Produkte erhebt, waren die Items nur bedingt geeignet. Folglich fanden nur ausgewählte Items Einzug in das Befragungsinstrument. Diese wurden aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt und teilweise hinsichtlich der Formulierung leicht überarbeitet. Auf diese Weise entstand zum Beispiel das Item „In unserer Gruppe haben beide Mitglieder nicht nur die eigene Rolle verstanden, sondern auch die Regeln berücksichtigt, die für das andere Gruppenmitglied galten“, welches auf dem Item „We have a global understanding of each other’s tasks and responsibilities“496 von Pavlou/El Sawy basiert. Des Weiteren wurden in Einklang mit dem hier zugrunde liegenden Dynamic Capability-Verständnis eigene Items verfasst. So wurden beispielsweise Items wie „Wir haben erfolgreiche Routinen entwickelt, um uns unser Wissen gegenseitig mitzuteilen“, oder „In der Pause haben wir konkrete Vereinbarungen für das Vorgehen in der zweiten Spielphase getroffen“ in den Fragebogen integriert. Letzteres Item verdeutlicht bereits, dass durch möglichst verhaltensnahe Formulierungen ein direkter Bezug zum Experiment selbst angestrebt wurde. Die einzelnen Items wurden in der Folge sowohl mit Experten als auch mit ausgewählten Testpersonen diskutiert. Dies diente einerseits der Gewährleistung der sprachlichen Verständlichkeit; andererseits konnte das Erhebungsinstrument dadurch hinsichtlich der Eindeutigkeit des Iteminhalts verbessert werden.497 So wurde etwa das von Wilkens et al. adaptierte Item „In der Pause haben wir uns kritisch mit unseren Lernprozessen (d.h. mit Lernverhalten, Lernerfolgen/-misserfolgen und Lernkontexten) auseinandergesetzt“ insofern geändert, als dass die Klammer ersatzlos gestrichen wurde; denn diese stiftete eher Verwirrung und schuf zudem inhaltlich keinen großen Mehrwert.498 Um die Eindeutigkeit des Inhalts herzustellen,499 wurde zudem zum Beispiel das zuvor in Anlehnung an Pavlou/El Sawy verfasste Item „Wir haben erfolg495 496 497
498 499
Siehe hierzu Kapitel 2.3.2.2. Pavlou/El Sawy (2006b), S. 225. Zur Itemformulierung siehe beispielsweise Jonkisz/Moosbrugger (2007), S. 62ff.; Bortz/Döring (2006), S. 254ff.; Krohne/Hock (2007), S. 37. Siehe hierzu Wilkens et al. (2007), S. 128. Zur Notwendigkeit der Eindeutigkeit von Items siehe beispielsweise Rost (2004), S. 55ff.; Scholl (2003), S. 148.
104
3 Experimentelle Studie
reiche Routinen, um neue Informationen und neues Wissen zu identifizieren, zu bewerten und einzuführen“ in mehrere Items zerlegt.500 Hierdurch entstand unter anderem das Item „Wir waren erfolgreich darin, neue Informationen zu identifizieren.“ Die von Wilkens et al. vorgeschlagene verbale, vierstufige Ratingskala501 von „Trifft voll zu“ bis „Trifft gar nicht zu“ – ergänzt um die Antwortmöglichkeit „Nicht relevant bzw. keine Einschätzung“ –502 sollte zunächst für den gesamten Fragebogen beibehalten werden.503 Lediglich im Hinblick auf die Nennung der Dimensionen als jeweilige Überschrift für die dazugehörigen Items wurde verzichtet; anderenfalls wäre eine zufällige Itemreihenfolge nicht möglich gewesen.504 Obwohl vereinzelte Diskussionspartner manche Items nicht als situationsadäquat empfanden, wurden diese zunächst im Fragebogen belassen. Dies erfolgte vor dem Hintergrund, dass „für die Erprobungsphase [...] mehr Items formuliert werden [sollten] als für den endgültigen Test geplant sind.“505 Außerdem wurde davon ausgegangen, dass die geplante Itemanalyse bezüglich der Situationsadäquatheit fundiertere Aussagen ermöglichen würde. Da die Befragung aus Zeit- und Kostengründen sowie zur Sicherung der Datenqualität online durchgeführt werden sollte und sich die Versuchsteilnehmer aufgrund des zuvor durchgeführten Kartenspiels ohnehin vor einem Computer befanden, wurde auf eine Präsenz-Online-Erhebung abgestellt.506 So wurde das Erhebungsinstrument mithilfe der Software Unipark507 abgebildet. Alle Probanden wurden im Vorfeld in der Benutzerverwaltung angelegt, was wiederum die zufällige Generierung eines achtstelligen Codes (bestehend aus Zahlen und Buchstaben) ermöglichte. Der auf diese Weise generierte Code wurde den Probanden auf einem Blatt Papier zur Verfügung gestellt, weil dieser nicht nur als Zugangscode zu dem Fragebogen, sondern zugleich als Passwort für das Computerspiel diente. Um eine Zuordnung der Resultate aus dem
500 501
502
503
504
505 506
507
Vgl. Pavlou/El Sawy (2006b), S. 224. Zur Vorteilhaftigkeit verbaler Ratingskalen siehe beispielsweise Jonkisz/Moosbrugger (2007), S. 52; Krosnick (1999), S. 544; Rost (2004), S. 67f. Zur Integration einer „Keine Einschätzung“-Kategorie in Fragebögen siehe beispielsweise Jonkisz/ Moosbrugger (2007), S. 54; Krosnick (1999), S. 556ff.; Mayer (2004), S. 91f. Rohrmann empfiehlt, die Skala in einem Fragebogen zur Erleichterung des Ausfüllens möglichst konstant zu halten. Vgl. Rohrmann (1978). Zur Empfehlung zufälliger Itemreihenfolgen für Fragebögen siehe beispielsweise Bühner (2006), S. 63; Krampen (1993), S. 97ff. Krohne/Hock (2007), S. 37. Zur Vorteilhaftigkeit von Online-Befragungen siehe beispielsweise Pannewitz (2002), S. 3f.; Jonkisz/Moosbrugger (2007), S. 35f.; Bortz/Döring (2006), S. 254. Siehe hierzu Globalpark (2009).
3.2 Erhebungsinstrumente
105
Computerspiel zu den Befragungsergebnissen zu ermöglichen, mussten die Probanden den Zugangscode als Antwort auf die erste Frage des Fragebogens erneut eingeben.
3.2.2.3 Voruntersuchung des Fragebogens 3.2.2.2.1 Vorüberlegungen Die revidierte Form des Fragebogens wurde im Zuge der generellen Voruntersuchung des experimentellen Designs schließlich einem Pretest unterzogen. Hierdurch sollten zum einen weitere Schwächen hinsichtlich der Itemformulierungen sowie bezüglich des generellen Fragebogendesigns aufgedeckt und zum anderen Daten für eine statistische Itemanalyse generiert werden. Die Itemanalyse gilt als „zentrales Instrument der Testkonstruktion und Testbewertung, in deren Verlauf die psychometrischen Itemeigenschaften als Kennwerte bestimmt und anhand vorgegebener Qualitätsstandards beurteilt werden.“508 Die Beurteilung der Itemeigenschaften erfolgt dabei auf der Grundlage diverser Untersuchungen. So umfasst die Itemanalyse in der Regel Aussagen zu Itemschwierigkeit und Trennschärfe;509 teilweise wird auch eine Untersuchung der Rohwerteverteilung und Homogenität sowie der Dimensionalität empfohlen.510 Auf Basis dieser Analysen können nach und nach auffällige Items identifiziert werden, welche im Zuge der eigentlichen Itemselektion einer kritischen Gesamtbetrachtung unterzogen werden. Vor diesem Hintergrund erschien es für die hier durchgeführte Itemanalyse wichtig, dass der Pretest des Fragebogens unter den Bedingungen stattfand, unter denen das Erhebungsinstrument auch in der eigentlichen Studie zum Einsatz kommen sollte; denn schließlich konnte nur so ermittelt werden, welche Items unter Qualitätsgesichtspunkten für die gegebene Situation zu selektieren waren. Insgesamt haben im Zuge der Voruntersuchung 23 Probanden den Fragebogen ausgefüllt; einer der 24 Pretest-Teilnehmer konnte nur an dem Computerspiel teilnehmen, so dass für diese Person keine Befragungsergebnisse vorliegen. Um eine möglichst hohe Qualität des Fragebogens zu gewährleisten, wurde die Itemanalyse zudem in einem zweiten Schritt auf Basis der Daten der eigentlichen Befragung durchgeführt; die erneute Itemanalyse basiert auf einer Stichprobe von N = 136. Die Berechnungen, welche den in den folgenden Abschnitten diskutierten Ergebnissen 508 509 510
Bortz/Döring (2006), S. 217. Vgl. Kelava/Moosbrugger (2007), S. 74ff. Vgl. Bortz/Döring (2006), S. 217; siehe hierzu aber auch Bühner (2006), S. 76ff.
106
3 Experimentelle Studie
zugrunde liegen, wurden mithilfe des Statistikprogramms SPSS durchgeführt. Dabei wurden Antworten in der Kategorie „Nicht relevant bzw. keine Einschätzung“ als fehlende Werte behandelt.511 3.2.2.2.2 Itemanalyse auf Basis der Daten des Pretests Die im Rahmen dieser Studie durchgeführte Itemanalyse umfasst Aussagen zu Itemschwierigkeit, Rohwerteverteilung, Trennschärfe und Homogenität sowie zur Relevanz der Items und zur Ausnutzung der jeweiligen Skalen. Auf eine Betrachtung der Dimensionalität, welche Auskunft über die Anzahl der mithilfe der Items operationalisierten Konstrukte gibt, wurde hier bewusst verzichtet; denn zu deren Beurteilung wäre eine Faktorenanalyse notwendig gewesen. Aufgrund der vergleichsweise kleinen Stichprobe von N = 23 sind die Voraussetzungen zur Durchführung einer Faktorenanalyse in dieser Vorstudie allerdings nicht aufrechtzuerhalten.512 In diesem Kapitel erfolgt zunächst eine separate Diskussion der jeweiligen Aspekte der Itemanalyse, bevor die dabei gewonnenen Erkenntnisse in einer abschließenden Gesamtbetrachtung zusammengeführt werden. Die abschließende Gesamtbetrachtung dient letztlich dazu, entscheiden zu können, welche Items umformuliert oder gar aus dem Fragebogen eliminiert werden. Tabellen 5 bis 8 geben die wesentlichen Werte wider, welche als Grundlage der folgenden Ausführungen dienen. Item
Min.
Max.
x
σ
Korrigiertes rhoItem-Skala
Nicht relevant*
1
4
3,04
0,825
0,111
0
1
4
3,35
0,775
0,627
0
Kombination In der Pause haben wir eine systematische Fehleranalyse durchgeführt. Wir haben neue Informationen bei unserem Vorgehen immer berücksichtigt und integriert. *
Die Spalte „Nicht Relevant“ enthält auch fehlende Antworten.
Tabelle 5: Berechnungen zur Itemanalyse auf Basis der Daten des Pretests (Teil 1)
511 512
Siehe hierzu beispielsweise Bühner (2006), S. 56. Für konfirmatorische Faktorenanalysen wird generell eine Stichprobengröße von mindestens 200 gefordert, wobei das Verhältnis von Stichprobenumfang zu Item- beziehungsweise Variablenanzahl nicht kleiner als fünf zu eins, beziehungsweise besser nicht kleiner als zehn zu eins sein sollte. Siehe hierzu beispielsweise Bühner (2006), S. 262.
3.2 Erhebungsinstrumente Item
107 Min.
Max.
x
σ
Korrigiertes rhoItem-Skala
Nicht relevant*
1
4
3,18
0,795
0,828
1
1
4
2,86
0,990
0,409
1
1
4
2,95
0,999
0,224
1
2
4
3,18
0,588
0,750
1
2
4
3,17
0,778
0,616
0
1
4
3,27
0,883
0,735
1
1
4
3,26
0,864
0,765
0
1
4
2,74
1,054
0,463
0
2
4
3,42
0,692
0,662
4
1
4
3,23
0,813
0,566
1
1
4
2,78
1,085
0,044
0
1
4
3,09
0,971
0,312
1
1
4
3,26
0,752
0,460
0
1
4
2,96
0,928
0,395
0
1
4
3,14
0,889
0,704
1
Kombination Wir waren in der Lage, innerhalb unserer Gruppe voneinander zu lernen und uns entsprechend neues internes Wissen anzueignen. In der Pause haben wir unsere Vorgehensweise systematisch nach Erfolgskriterien analysiert. Wir haben bei der gezielten Erprobung neuer Vorgehensweisen Fehler toleriert. Wir waren erfolgreich darin, neue Informationen zu identifizieren. Wir waren erfolgreich darin, neue Informationen zu bewerten. Wir haben erfolgreiche Routinen entwickelt, um uns unser Wissen gegenseitig mitzuteilen. Wir waren erfolgreich darin, neue Dinge zu lernen. Wir haben gerne neue Vorgehensweisen ausprobiert, um zu überprüfen, ob der Prozess dadurch verbessert werden kann. Wir haben angemessene Routinen entwickelt, um neue Informationen bzw. neues Wissen effizient zu nutzen. Wir waren erfolgreich darin, vorhandenes Wissen weiterzuentwickeln. In der Pause haben wir bestimmte Spielsituationen aufgezeichnet und diskutiert. Kooperation Unsere Kultur war durch eine enge Zusammenarbeit und Kooperation geprägt. Insgesamt war unsere Gruppe sehr koordiniert. Die Pause haben wir genutzt, um aktiv Meinungen und Sichtweisen aller Gruppenmitglieder einzufordern. Unsere Zusammenarbeit war durch Austausch und ein hohes Zusammengehörigkeitsgefühl geprägt. *
Die Spalte „Nicht Relevant“ enthält auch fehlende Antworten.
Tabelle 6: Berechnungen zur Itemanalyse auf Basis der Daten des Pretests (Teil 2)
108 Item
3 Experimentelle Studie Min.
Max.
x
σ
Korrigiertes rhoItem-Skala
Nicht relevant*
2
4
3,43
0,746
0,699
2
2
4
3,40
0,598
0,462
3
2
4
3,55
0,671
0,527
1
1
4
2,96
0,767
0,569
0
1
4
3,37
0,761
0,513
4
1
4
3,26
0,864
0,416
0
2
4
3,15
0,745
0,680
3
2
4
3,40
0,598
0,144
3
2
4
3,16
0,688
0,672
4
1
4
3,22
0,850
0,652
0
1
4
3,26
0,915
0,756
0
1
4
2,71
0,845
0,796
2
2
4
3,09
0,793
0,542
0
Kooperation Wir haben unsere individuellen Gedanken und Ideen jederzeit gerne in die Gruppe eingebracht. Wir waren erfolgreich darin, uns auf neue Gegebenheiten einzustellen. Die Kommunikationsmöglichkeit in der Pause haben wir genutzt, um uns auszutauschen. Komplexitätsbewältigung Innerhalb unserer Gruppe wurden die Erwartungen klar und deutlich kommuniziert. In unserer Gruppe konnte jeder sein Vorgehen frei gestalten, solange dadurch die Ergebnisse der Gruppe nicht nachteilig beeinflusst wurden. In unserer Gruppe hat jedes Mitglied nicht nur die eigene Rolle verstanden, sondern auch die Regeln berücksichtigt, die für das andere Gruppenmitglied galten. Wir waren erfolgreich darin, sich ändernde Bedingungen durch ein koordiniertes Vorgehen zu bewältigen. Innerhalb unserer Gruppe waren die Verantwortlichkeiten klar geregelt. In stressigen Situationen hat unsere Gruppe einen besonders hohen Zusammenhalt gezeigt bzw. gut zusammengearbeitet. In der Pause haben wir konkrete Vereinbarungen für das Vorgehen in der zweiten Spielphase getroffen. Selbstreflexion In der Pause haben wir unsere Vorgehensweise hinterfragt und festgestellte Änderungsbedarfe in der zweiten Spielphase konsequent und zeitnah umgesetzt. In der Pause haben wir uns kritisch mit unseren Lernprozessen auseinandergesetzt. In der Pause haben wir einander aktiv Rückmeldungen über Verhalten, Leistungsstände und Fortschritte gegeben. *
Die Spalte „Nicht Relevant“ enthält auch fehlende Antworten.
Tabelle 7: Berechnungen zur Itemanalyse auf Basis der Daten des Pretests (Teil 3)
3.2 Erhebungsinstrumente Item
109 Min.
Max.
x
σ
Korrigiertes rhoItem-Skala
Nicht relevant*
2
4
3,30
0,703
0,712
0
Selbstreflexion In der Pause haben wir gemeinsam überlegt, wie wir in der zweiten Spielphase vorgehen könnten. *
Die Spalte „Nicht Relevant“ enthält auch fehlende Antworten.
Tabelle 8: Berechnungen zur Itemanalyse auf Basis der Daten des Pretests (Teil 4)
Itemschwierigkeit Der Begriff der Itemschwierigkeit stammt aus dem Bereich der Leistungstestkonstruktion, wo solche Items als besonders schwierig gelten, die vergleichsweise leicht lösbar sind. Schwierigkeit ist demnach gegensätzlich zum üblichen Sprachgebrauch definiert und zielt grundsätzlich darauf ab, wie schwer beziehungsweise wie leicht sich eine Aufgabe lösen lässt. Eine Übertragung der der Itemschwierigkeit zugrunde liegenden Überlegungen auf den Bereich von Fragebögen mutet vor diesem Hintergrund zunächst als unpassend an.513 So können die in dem hier verwendeten Erhebungsinstrument gestellten Fragen weder falsch noch richtig beantwortet werden; vielmehr zielen sie darauf ab, die Einschätzung der jeweiligen Person mithilfe einer Ratingskala zu erfassen. Dennoch ist in diesem Falle die Berechnung der Itemschwierigkeit – im Sinne einer Zustimmungsrate – sinnvoll, um Aussagen zur Rohwerteverteilung der Daten treffen zu können.514 Als Schwierigkeitsindex für Ratingskalen wird dabei in der Regel der Mittelwert verwendet.515 Im Allgemeinen sind im Hinblick auf die Itemvarianz mittlere Itemschwierigkeiten erstrebenswert; denn bei einer mittleren Itemschwierigkeit ist das Maximum der Streuung der Antworten erreicht, so dass gute Differenzierungsmöglichkeiten gegeben sind.516 Lienert/Raatz empfehlen, dass der Wert des Schwierigkeitsindexes zwischen 0,2 und 0,8 liegen sollte.517 Fisseni weist hingegen darauf hin, dass sich zu enge Grenzen des Schwierigkeitsindexes zulasten der Differenzierungsvielfalt auswirken und schlägt deshalb vor, sowohl Items mit mittlerem Schwierigkeitsindex als auch solche mit einem Schwierigkeitsindex größer und kleiner 0,5 zu wählen. Dabei legt der Autor die Annahme 513 514 515 516 517
Vgl. Kelava/Moosbrugger (2007), S. 78. Vgl. Bortz/Döring (2006), S. 218. Vgl. Bühner (2006), S. 83. Vgl. Lienert/Raatz (1998), S. 31; Kelava/Moosbrugger (2007), S. 81. Vgl. Lienert/Raatz (1998), S. 114ff.
110
3 Experimentelle Studie
zugrunde, dass eine Streuung des Schwierigkeitsindexes zwischen 0,1 und 0,9 als hoch anzusehen ist.518 In Anlehnung an die von Lienert/Raatz und Fisseni vorgeschlagenen Grenzen wurde in der vorliegenden Studie deshalb zunächst geprüft, ob der Wert des Schwierigkeitsindexes zwischen 0,15 und 0,85 liegt; bei der hier verwendeten Kodierung von „1 = Trifft gar nicht zu“ bis „4 = Trifft voll zu“ entspricht dies einer Untergrenze von 0,6 sowie einer Obergrenze von 3,4. Bei näherer Betrachtung der zuvor angeführten Mittelwerte fällt auf, dass diese für alle Items vergleichsweise hoch sind: Sie überschreiten nicht nur die empfohlene Untergrenze deutlich, sondern teilweise sogar die Obergrenze. So liefern die Daten für fünf der 31 Items Mittelwerte, die als grenzwertig zu betrachten sind oder deutlich außerhalb des angeregten Toleranzbereiches liegen. Item
Min.
Max.
x
σ
Korrigiertes rhoItem-Skala
Nicht relevant*
2
4
3,42
0,692
0,662
4
2
4
3,43
0,746
0,699
2
2
4
3,40
0,598
0,462
3
2
4
3,55
0,671
0,527
1
2
4
3,40
0,598
0,144
3
Kombination Wir haben angemessene Routinen entwickelt, um neue Informationen bzw. neues Wissen effizient zu nutzen. Kooperation Wir haben unsere individuellen Gedanken und Ideen jederzeit gerne in die Gruppe eingebracht. Wir waren erfolgreich darin, uns auf neue Gegebenheiten einzustellen. Die Kommunikationsmöglichkeit in der Pause haben wir genutzt, um uns auszutauschen. Komplexitätsbewältigung Innerhalb unserer Gruppe waren die Verantwortlichkeiten klar geregelt. *
Die Spalte „Nicht Relevant“ enthält auch fehlende Antworten.
Tabelle 9: Auffällige Items hinsichtlich der Itemschwierigkeit
Rohwerteverteilung Die Rohwerteverteilung ist im Hinblick auf die spätere Auswahl von Items insofern relevant, als sie die im Zuge der Itemanalyse durchgeführten Berechnungen (z.B. die Korrelationshöhe) beeinflussen kann.519 Zur Beschreibung der Verteilung wurden in 518 519
Vgl. Fisseni (2004), S. 36. Vgl. Bühner (2006), S. 77.
3.2 Erhebungsinstrumente
111
der vorliegenden Arbeit neben dem Mittelwert als Maß der zentralen Tendenz auch Standardabweichungen sowie Werte für Schiefe und Kurtosis ermittelt. Grundsätzlich wird eine möglichst hohe Streuung in den Antworten der Befragten angestrebt, da „ein Item, auf das alle Personen die gleiche Antwort geben, [...] keine Information über die interessierenden interindividuellen Unterschiede“520 liefert. Eine Analyse der Standardabweichungen ergab, dass die Unterschiede in den Antworten der Probanden vergleichsweise gering ausfallen. So bewegen sich die Standardabweichung zwischen 0,588 und 1,085. Erwartungsgemäß weisen hierbei die fünf zuvor identifizierten Items, deren Mittelwerte außerhalb des von Lienert/Raatz angeregten Toleranzbereiches liegen, besonders geringe Standardabweichungen auf. Item
Min.
Max.
x
σ
Korrigiertes rhoItem-Skala
Nicht relevant*
2
4
3,18
0,588
0,750
1
2
4
3,42
0,692
0,662
4
2
4
3,43
0,746
0,699
2
2
4
3,40
0,598
0,462
3
2
4
3,55
0,671
0,527
1
2
4
3,15
0,745
0,680
3
2
4
3,40
0,598
0,144
3
2
4
3,16
0,688
0,672
4
Kombination Wir waren erfolgreich darin, neue Informationen zu identifizieren. Wir haben angemessene Routinen entwickelt, um neue Informationen bzw. neues Wissen effizient zu nutzen. Kooperation Wir haben unsere individuellen Gedanken und Ideen jederzeit gerne in die Gruppe eingebracht. Wir waren erfolgreich darin, uns auf neue Gegebenheiten einzustellen. Die Kommunikationsmöglichkeit in der Pause haben wir genutzt, um uns auszutauschen. Komplexitätsbewältigung Wir waren erfolgreich darin, sich ändernde Bedingungen durch ein koordiniertes Vorgehen zu bewältigen. Innerhalb unserer Gruppe waren die Verantwortlichkeiten klar geregelt. In stressigen Situationen hat unsere Gruppe einen besonders hohen Zusammenhalt gezeigt bzw. gut zusammengearbeitet. *
Die Spalte „Nicht Relevant“ enthält auch fehlende Antworten.
Tabelle 10: Auffällige Items hinsichtlich der Rohwerteverteilung (Teil 1)
520
Krohne/Hock (2007), S. 47.
112 Item
3 Experimentelle Studie Min.
Max.
x
σ
Korrigiertes rhoItem-Skala
Nicht relevant*
2
4
3,30
0,703
0,712
0
Selbstreflexion In der Pause haben wir gemeinsam überlegt, wie wir in der zweiten Spielphase vorgehen könnten. *
Die Spalte „Nicht Relevant“ enthält auch fehlende Antworten.
Tabelle 11: Auffällige Items hinsichtlich der Rohwerteverteilung (Teil 2)
Die vergleichsweise hohen Mittelwerte spiegeln sich auch in den ermittelten Werten zur Schiefe wider; denn diese sind ausnahmslos negativ, was wiederum auf eine eher rechtssteile Verteilung hindeutet. Dennoch schwankt die Kurtosis mit Werten zwischen - 1,349 und + 4,083 recht stark, wobei negative Werte auf eher breitgipflige und positive Werte auf eher schmalgipflige Verteilungen hindeuten. Bei einer symmetrischen Verteilung, wie beispielsweise der Normalverteilung, sind Schiefe und Kurtosis gleich null.521 Ausschöpfung der Skala Angesichts der hohen Mittelwerte und der geringen Varianz in den Antworten der Probanden erfolgte zusätzlich eine Überprüfung, inwieweit die vierstufige Skala ausgeschöpft wurde. Hierzu erfolgte eine separate Berechnung für die Dimensionen Kombination, Kooperation, Komplexitätsbewältigung und Selbstreflexion. So wurde für jede Dimension durch einen Abgleich der im Zuge der Itemschwierigkeitsanalyse berechneten Mittelwerte ermittelt, wie stark die Itemschwierigkeit variiert. Für die Dimension Kombination liegt die Itemschwierigkeit beispielsweise zwischen 2,74 und 3,42. Eine Division der sich aus diesen beiden Werten ergebenden Differenz von 0,68 durch die Anzahl der Skalenstufen (in diesem Fall vier) ergibt einen Wert von 0,17; das heißt, die theoretisch mögliche Breite der Antwortskala wird lediglich zu 17 Prozent ausgeschöpft. Ebenso ergeben sich hier für die anderen Dimensionen nur geringe Werte (Kooperation: 0,15; Komplexitätsbewältigung: 0,11; Selbstreflexion: 0,15). Dass die Skala nur eingeschränkt ausgeschöpft wurde, kann im Zuge einer detaillierten Analyse der einzelnen Items bestätigt werden; denn die Antwortmöglichkeit „Trifft eindeutig nicht zu“ wurde bei vielen Items nicht genutzt. 521
Zur Interpretation der Ergebnisse zu Schiefe und Kurtosis siehe beispielsweise Bühner (2006), S. 88f.
3.2 Erhebungsinstrumente Item
113 Min.
Max.
x
σ
Korrigiertes rhoItem-Skala
Nicht relevant*
2
4
3,18
0,588
0,750
1
2
4
3,17
0,778
0,616
0
2
4
3,42
0,692
0,662
4
2
4
3,43
0,746
0,699
2
2
4
3,40
0,598
0,462
3
2
4
3,55
0,671
0,527
1
2
4
3,15
0,745
0,680
3
2
4
3,40
0,598
0,144
3
2
4
3,16
0,688
0,672
4
2
4
3,09
0,793
0,542
0
2
4
3,30
0,703
0,712
0
Kombination Wir waren erfolgreich darin, neue Informationen zu identifizieren. Wir waren erfolgreich darin, neue Informationen zu bewerten. Wir haben angemessene Routinen entwickelt, um neue Informationen bzw. neues Wissen effizient zu nutzen. Kooperation Wir haben unsere individuellen Gedanken und Ideen jederzeit gerne in die Gruppe eingebracht. Wir waren erfolgreich darin, uns auf neue Gegebenheiten einzustellen. Die Kommunikationsmöglichkeit in der Pause haben wir genutzt, um uns auszutauschen. Komplexitätsbewältigung Wir waren erfolgreich darin, sich ändernde Bedingungen durch ein koordiniertes Vorgehen zu bewältigen. Innerhalb unserer Gruppe waren die Verantwortlichkeiten klar geregelt. In stressigen Situationen hat unsere Gruppe einen besonders hohen Zusammenhalt gezeigt bzw. gut zusammengearbeitet. Selbstreflexion In der Pause haben wir einander aktiv Rückmeldungen über Verhalten, Leistungsstände und Fortschritte gegeben. In der Pause haben wir gemeinsam überlegt, wie wir in der zweiten Spielphase vorgehen könnten. *
Die Spalte „Nicht Relevant“ enthält auch fehlende Antworten.
Tabelle 12: Auffällige Items hinsichtlich der Ausschöpfung der Skala
114
3 Experimentelle Studie
Trennschärfe Im nächsten Schritt erfolgte eine Trennschärfeanalyse. Die Trennschärfe522 entspricht der korrigierten Korrelation einer Itemantwort mit dem Gesamtskalenwert und trifft somit eine Aussage dazu, wie prototypisch das jeweilige Item für die untersuchte Skala ist.523 Eine Korrektur des korrelativen Zusammenhangs ist insofern erforderlich, als die Trennschärfe ansonsten künstlich erhöht würde. Grund hierfür ist, dass der Wert des betrachteten Items bei der Berechnung der Korrelation zwischen der Itemantwort und dem Gesamtskalenwert ebenfalls in den Gesamtskalenwert einfließt. Deshalb wird eine Part-whole-Korrektur vorgenommen, um den Wert des aktuell betrachteten Items aus dem Gesamtskalenwert zu eliminieren.524 Ziel ist es, möglichst hohe Trennschärfen zu erreichen; denn geringe Trennschärfen einzelner Items deuten darauf hin, dass diese einen schlechten Indikator für das mithilfe der Skala erhobene Konstrukt darstellen. Hierbei gelten positive Korrelationen zwischen 0,3 und 0,5 als mittelmäßig, während Werte größer 0,5 bereits als hoch eingestuft werden.525 In der vorliegenden Studie liegen die Korrelationen lediglich in vier von 31 Fällen unter der Grenze von 0,3. Item
Min.
Max.
x
σ
Korrigiertes rhoItem-Skala
Nicht relevant*
1
4
3,04
0,825
0,111
0
1
4
2,95
0,999
0,224
1
1
4
2,78
1,085
0,044
0
2
4
3,40
0,598
0,144
3
Kombination In der Pause haben wir eine systematische Fehleranalyse durchgeführt. Wir haben bei der gezielten Erprobung neuer Vorgehensweisen Fehler toleriert. In der Pause haben wir bestimmte Spielsituationen aufgezeichnet und diskutiert. Komplexitätsbewältigung Innerhalb unserer Gruppe waren die Verantwortlichkeiten klar geregelt. *
Die Spalte „Nicht Relevant“ enthält auch fehlende Antworten.
Tabelle 13: Auffällige Items hinsichtlich der Trennschärfe
522
523 524 525
Bühner grenzt Eigen- und Fremdtrennschärfen voneinander ab. Vgl. Bühner (2006), S. 95. Der hier verwendete Trennschärfebegriff entspricht seiner Eigentrennschärfe. Eine Untersuchung der Fremdtrennschärfen im Zuge der Itemanalyse wird in der Regel nicht empfohlen. Vgl. Bortz/Döring (2006), S. 219; Bühner (2006), S. 95; Kelava/Moosbrugger (2007), S. 82. Vgl. Bühner (2006), S. 95. Vgl. Weise (1975), S. 219.
3.2 Erhebungsinstrumente
115
Relevanz der Items Da auf Basis der Itemanalyse letztlich eine fundierte Selektion situationsadäquater Items erfolgen sollte, wurde zudem ermittelt, wie oft zur Beantwortung der einzelnen Items die Kategorie „Nicht relevant bzw. keine Einschätzung“ gewählt, beziehungsweise wie oft ein Item nicht beantwortet wurde. Besonders auffällig waren hier die Items „In unserer Gruppe konnte jeder sein Vorgehen frei gestalten, solange dadurch die Ergebnisse der Gruppe nicht nachteilig beeinflusst wurden“ und „Wir haben angemessene Routinen entwickelt, um neue Informationen bzw. neues Wissen effizient zu nutzen“: Zur Beantwortung dieser Items wurde jeweils dreimal auf die Kategorie „Nicht relevant bzw. keine Einschätzung“ zurückgegriffen und für beide Items blieb eine Antwort einmal aus. Ebenso wurde das Item „In stressigen Situationen hat unsere Gruppe einen besonders hohen Zusammenhalt gezeigt bzw. gut zusammengearbeitet“ viermal unter Rückgriff auf die Kategorie „Nicht relevant bzw. keine Einschätzung“ beantwortet. Item
Min.
Max.
x
σ
Korrigiertes rhoItem-Skala
Nicht relevant*
2
4
3,42
0,692
0,662
4
1
4
3,37
0,761
0,513
4
2
4
3,16
0,688
0,672
4
Kombination Wir haben angemessene Routinen entwickelt, um neue Informationen bzw. neues Wissen effizient zu nutzen. Komplexitätsbewältigung In unserer Gruppe konnte jeder sein Vorgehen frei gestalten, solange dadurch die Ergebnisse der Gruppe nicht nachteilig beeinflusst wurden. In stressigen Situationen hat unsere Gruppe einen besonders hohen Zusammenhalt gezeigt bzw. gut zusammengearbeitet. *
Die Spalte „Nicht Relevant“ enthält auch fehlende Antworten.
Tabelle 14: Auffällige Items hinsichtlich der Relevanz
Homogenität Außerdem wurde Cronbach’s Alpha als Homogenitätsindex berechnet. Die Homogenität gibt Auskunft darüber, wie hoch die Items einer Skala miteinander korrelieren. Diese Information ist sinnvoll, um sicherzustellen, dass die unter einer Skala subsu-
116
3 Experimentelle Studie
mierten Items auch tatsächlich Ähnliches erfragen.526 Zudem besteht ein Zusammenhang zwischen der durchschnittlichen Interkorrelation der Items einer additiven Skala und deren Reliabilität, welche ebenfalls unter Rückgriff auf Cronbach’s Alpha gemessen wird: Steigt die durchschnittliche Interitemkorrelation an, so beeinflusst dies Cronbach’s Alpha positiv, was wiederum in einer Zunahme der Zuverlässigkeit der Messung resultiert.527 Eine solche positive Beeinflussung des Wertes für Cronbach’s Alpha kann auch durch eine Ausweitung der Itemanzahl erreicht werden, so dass die Itemanzahl bei der Interpretation des Wertes stets Berücksichtigung finden sollte.528 Cronbach’s Alpha ist auf den Bereich zwischen null und eins normiert, wobei ein Wert von mindestens 0,7 grundsätzlich bereits als akzeptabel gilt.529 Der Wert von 0,7 wurde für die Skalen der vier untersuchten Dimensionen jeweils erreicht beziehungsweise überschritten. Kombination
Kooperation
Komplexitätsbewältigung
Anzahl der Items
13
7
7
Selbstreflexion 4
Cronbach’s Alpha
0,846
0,768
0,792
0,852
Tabelle 15: Cronbach’s Alpha der verwendeten Skalen
Abschließende Gesamtbetrachtung Die bislang dargelegte schrittweise Analyse, in der bereits erste auffällige Items identifiziert werden konnten, dient als Grundlage der eigentlichen Itemselektion. Hier deutet eine nähere Betrachtung der mithilfe der Itemanalyse gewonnenen Ergebnisse unmittelbar auf eine sehr geringe Varianz in den Antworten der Probanden hin. Dies spiegelt sich sowohl in den Untersuchungen der Itemschwierigkeiten sowie der Standardabweichungen als auch in der Analyse der Ausschöpfung der theoretisch möglichen Breite der Antwortskala wider. Deshalb wurde in einem ersten Schritt eine Erweiterung der Antwortskala vorgenommen, um eine bessere Differenzierung zu
526 527
528 529
Vgl. Bortz/Döring (2006), S. 220f. Schermelleh-Engel/Werner weisen explizit darauf hin, dass Cronbach’s Alpha nichtsdestotrotz hoch sein kann, wenn die Items ein mehrdimensionales Konstrukt erfassen. Vgl. SchermellehEngel/Werner (2007), S. 127. Vgl. Schermelleh-Engel/Werner (2007), S. 127. Vgl. Schmitt (1996), S. 351. Schmitt steht der Verwendung von Cronbach’s Alpha als Homogenitätsindex selbst kritisch gegenüber.
3.2 Erhebungsinstrumente
117
erreichen.530 Matell/Jacoby können in einer Studie nachweisen, dass es unter Reliabilitäts- und Validitätsgesichtspunkten irrelevant ist, wie viele Stufen eine Skala aufweist.531 In der Wissenschaft wird in den meisten Fällen auf vier- bis sechsstufige Skalen zurückgegriffen.532 Eine fünfstufige Skala wurde für das untersuchte Erhebungsinstrument aus Vergleichbarkeitsgründen jedoch von vornherein ausgeschlossen; denn analog zu dem als Grundlage dienenden Fragebogen von Wilkens et al.533 sollte auch hier eine mittlere Antwortkategorie vermieden werden.534 Folglich wurde entschieden, die vier- zu einer sechsstufigen Ratingskala von „1 = Trifft eindeutig nicht zu“ bis „6 = Trifft eindeutig zu“ zu erweitern. Die Antwortmöglichkeit „Nicht relevant bzw. keine Einschätzung“ wurde zusätzlich beibehalten. Eine abschließende Gesamtbetrachtung der zuvor als auffällig identifizierten Items resultierte im nächsten Schritt zum einen in der Eliminierung einzelner Items; zum anderen offenbarte sie den Bedarf, verschiedene Items noch verhaltensnäher zu formulieren. Aus dem Fragebogen eliminiert wurden dabei folgende Items: - „In unserer Gruppe konnte jeder sein Vorgehen frei gestalten, solange dadurch die Ergebnisse der Gruppe nicht nachteilig beeinflusst wurden.“ - „Wir waren erfolgreich darin, neue Informationen zu identifizieren.“ - „Wir haben angemessene Routinen entwickelt, um neue Informationen bzw. neues Wissen effizient zu nutzen.“ - „Innerhalb unserer Gruppe waren die Verantwortlichkeiten klar geregelt.“ Da das Item „Wir waren erfolgreich darin, neue Informationen zu identifizieren“ aus dem Erhebungsinstrument entfernt wurde, erfolgte eine kritische Diskussion mit den Probanden des Pretests über das eng hiermit zusammenhängende Item „Wir waren erfolgreich darin, neue Informationen zu bewerten.“ Als Ergebnis der Diskussion fiel die Entscheidung, die Aussage durch das Streichen des Wortes „neue“ abzuändern. Obwohl die statistischen Werte für das in dem Fragebogen verbleibende Item grundsätzlich zufriedenstellend waren, schien dieses Wort für Unklarheiten zu sorgen, 530 531 532 533 534
Siehe hierzu auch Krohne/Hock (2007), S. 48. Siehe hierzu Matell/Jacoby (1971), S. 657ff. Vgl. Krohne/Hock (2007), S. 42. Siehe hierzu Wilkens et al. (2007), S. 128f. Zur Verwendung einer mittleren Antwortkategorie siehe beispielsweise Krohne/Hock (2007), S. 42.
118
3 Experimentelle Studie
weil die unterschiedlichen Anfangskonfigurationen in Transform the Target nicht notwendigerweise als neue Information aufgefasst wurden. Einer Umformulierung wurde des Weiteren das Item „Wir haben unsere individuellen Gedanken und Ideen jederzeit gerne in die Gruppe eingebracht“ unterzogen. Diskussionen mit Probanden wiesen auf die missverständliche Formulierung des Items hin: So bezogen manche Probanden diese Aussage auf die gesamte Spielzeit inklusive der Pause, während das Item aus Sicht der anderen Probanden lediglich auf die Kommunikation in der Pause abzielte. Um die Verständlichkeit zu verbessern, wurde das Item in „In der Pause haben wir unsere individuellen Gedanken und Ideen in die Gruppe eingebracht“ geändert. Ebenso erfolgte eine Umformulierung des Items „In stressigen Situationen hat unsere Gruppe einen besonders hohen Zusammenhalt gezeigt bzw. gut zusammengearbeitet“ – es lautet nun: „Unsere Gruppe hat einen besonders hohen Zusammenhalt gezeigt bzw. gut zusammengearbeitet.“ Hintergrund hierfür ist, dass sich im Rahmen des Kartenspiels aus Sicht einzelner Probanden keine stressigen Situationen ergaben, was vermehrt zu einer Beantwortung des Items mit „Nicht relevant bzw. keine Einschätzung“ führte. Das Item „Die Kommunikationsmöglichkeit in der Pause haben wir gerne genutzt, um uns auszutauschen“ liefert zwar als kritisch zu betrachtende Werte für Itemschwierigkeit und Standardabweichung und auch die Skala wurde nicht vollkommen ausgeschöpft; nichtsdestotrotz ist die Trennschärfe zufriedenstellend und das Item wird bis auf eine Ausnahme als relevant eingeschätzt. Insofern wurde es ebenfalls im Fragebogen belassen und lediglich leicht umformuliert. In seiner neuen Version lautet das Item nun „Die Kommunikationsmöglichkeit in der Pause haben wir genutzt, um uns auszutauschen und unsere Zusammenarbeit zu verbessern.“ Letztlich wurde noch das zuvor hinsichtlich der Trennschärfe als auffällig identifizierte Item „In der Pause haben wir bestimmte Spielsituationen aufgezeichnet und diskutiert“ abgeändert. Die Korrelation von 0,044 deutet zunächst darauf hin, dass dieses Item etwas anderes erfragt als die restlichen unter der Skala subsumierten Items und somit aus dem Fragebogen entfernt werden sollte. Angesichts der Tatsache, dass das im Rahmen des Pretests für Aufzeichnungen zur Verfügung gestellte Papier kaum benutzt wurde, ist die niedrige Korrelation jedoch nicht verwunderlich; denn wie die Itemanalyse zeigt, erfuhren die meisten Items im Zuge des Pretests eine starke Zustimmung. Eine Diskussion mit den Probanden des Pretests ergab, dass der Verweis
3.2 Erhebungsinstrumente
119
auf die Möglichkeit, das zur Verfügung gestellte Papier zu nutzen, in der Einführung des Experiments leicht überlesen wird. Deshalb wurde entschieden, in den bevorstehenden Erhebungsterminen vor Spielbeginn noch einmal ausdrücklich darauf hinzuweisen und das Item im Fragebogen zu belassen. In seiner neuen Fassung wurde eine verhaltensnähere Formulierung angestrebt, so dass es nun „In der Pause haben wir das Papier benutzt, um bestimmte Spielsituationen aufzuzeichnen“ lautet. Ausgehend von den statistischen Werten wurde auch das Item „Wir waren erfolgreich darin, uns auf neue Gegebenheiten einzustellen“ einer näheren Betrachtung unterzogen. Da es im Hinblick auf das in dieser Arbeit verwendete Dynamic CapabilityVerständnis als äußerst relevant erscheint, wurde die Entscheidung hinsichtlich der Berücksichtigung des Items für spätere Berechnungen verschoben, so dass es zunächst unverändert blieb. Ebenso erfolgten für das Item „In der Pause haben wir eine systematische Fehleranalyse durchgeführt“ keinerlei Anpassungen, obgleich es eine geringe Trennschärfe mit sich bringt; denn dieses Item wurde in Diskussionen mit Probanden grundsätzlich als sehr relevant eingeschätzt, weist gute Werte hinsichtlich Itemschwierigkeit und Streuung auf und ist dem hier zugrunde liegenden Fragebogen von Wilkens et al.535 entnommen. Aus Vergleichbarkeitsgründen erschien es sinnvoll, die in Anlehnung an Wilkens et al. formulierten Items in dem Erhebungsinstrument zu belassen, sofern dem nichts Gravierendes entgegensteht. Aus diesen Gründen erfuhr auch das Item „Wir haben bei der gezielten Erprobung neuer Vorgehensweisen Fehler toleriert“ trotz eines Trennschärfewerts von lediglich 0,224 keinerlei Änderungen. In der Diskussion mit den Probanden des Pretests fiel des Weiteren auf, dass das Item „In der Pause haben wir einander aktiv Rückmeldungen über Verhalten, Leistungsstände und Fortschritte gegeben“ missverständlich war; der Bezug zu Verhalten, Leistungsständen und Fortschritten ließ großen Interpretationsspielraum hinsichtlich dessen, was mit diesen Aspekten genau gemeint sein könnte. Da im Hinblick auf das Kompetenzkonstrukt primär interessant ist, dass Rückmeldungen gegeben wurden (und weniger welche konkret), wurde dieser Passus gelöscht und das Item mit dem Wortlaut „In der Pause haben wir einander aktiv Rückmeldungen gegeben“ verwendet.
535
Siehe hierzu Wilkens et al. (2007), S. 128f.; Wilkens/Gröschke (2007), S. 292.
120
3 Experimentelle Studie
Insgesamt wurden aus dem Itempool von 31 Items somit schließlich 27 selektiert, von denen sechs umformuliert wurden. Letztlich blieben elf Items zu Kombination, fünf zu Komplexitätsbewältigung, sieben zu Kooperation und vier zu Selbstreflexion übrig. Das Ungleichgewicht in der Itemanzahl ist auf die theoriekonsistente Anreicherung des Fragebogens von Wilkens et al. mit selbst- sowie mit den in Anlehnung an das Erhebungsinstrument von Pavlou/El Sawy536 formulierten Items zurückzuführen. Der Fragebogen wurde insbesondere hinsichtlich der Dimension der Kombination stark ausgeweitet, um ein möglichst differenziertes Bild des Konstruktes erlangen zu können. Um sicherzustellen, dass das Messinstrument auch nach der Eliminierung von vier Items aus dem Itempool eine hinreichende Reliabilität aufweist, wurde Cronbach’s Alpha für die jeweiligen Dimensionen erneut berechnet: Trotz der Reduzierung der Itemanzahl ergeben sich für Cronbach’s Alpha weiterhin gute Werte – für Kombination beträgt Cronbach’s Alpha 0,863, für Kooperation 0,768, für Komplexitätsbewältigung 0,837 und für Selbstreflexion 0,852. Insofern scheint die Reliabilität des Messinstruments nach wie vor in ausreichendem Maße gegeben zu sein. Der modifizierte Fragebogen kam schließlich im Zuge der eigentlichen Befragung zum Einsatz. Um eine möglichst hohe Qualität des Erhebungsinstruments gewährleisten zu können, wurde auf der Grundlage der im Zuge der eigentlichen Befragung gewonnenen Daten eine erneute Itemanalyse durchgeführt. 3.2.2.2.3 Itemanalyse auf Basis der Daten der eigentlichen Befragung Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die wesentlichen Ergebnisse der Berechnungen zur Itemanalyse auf Basis der Daten der eigentlichen Befragung. Item
Min.
Max.
x
σ
Korrigiertes rhoItem-Skala
Nicht relevant
1
6
3,88
1,456
0,354
0
Kombination In der Pause haben wir eine systematische Fehleranalyse durchgeführt.
Tabelle 16: Berechnungen zur Itemanalyse auf Basis der Daten der eigentlichen Befragung (Teil 1)
536
Siehe hierzu Pavlou/El Sawy (2006b), S. 223ff.
3.2 Erhebungsinstrumente Item
121 Min.
Max.
x
σ
Korrigiertes rhoItem-Skala
Nicht relevant
1
6
4,71
0,935
0,380
6
1
6
4,90
0,947
0,220
6
1
6
4,35
1,340
0,211
1
1
6
4,28
1,248
0,197
17
3
6
5,03
0,733
0,110
5
2
6
5,28
0,919
0,059
4
2
6
4,83
0,969
0,226
7
1
6
3,79
1,344
0,294
1
2
6
4,75
0,899
0,149
2
1
6
2,64
2,065
0,077
3
2
6
4,74
1,016
0,597
6
2
6
4,71
1,070
0,535
3
1
6
3,95
1,245
0,543
3
2
6
4,46
0,935
0,580
7
1
6
4,34
1,215
0,518
2
2
6
4,88
0,774
0,095
8
Kombination Wir haben neue Informationen in unserem Vorgehen immer berücksichtigt und integriert. Wir waren in der Lage, innerhalb unserer Gruppe voneinander zu lernen und uns entsprechend neues internes Wissen anzueignen. In der Pause haben wir unsere Vorgehensweise systematisch nach Erfolgskriterien analysiert. Wir haben bei der gezielten Erprobung neuer Vorgehensweisen Fehler toleriert. Wir waren erfolgreich darin, Informationen zu bewerten. Wir haben erfolgreiche Routinen entwickelt, um uns unser Wissen gegenseitig mitzuteilen. Wir waren erfolgreich darin, neue Dinge zu lernen. Wir haben gerne neue Vorgehensweisen ausprobiert, um zu prüfen, ob der Prozess dadurch verbessert werden kann. Wir waren erfolgreich darin, vorhandenes Wissen weiterzuentwickeln. In der Pause haben wir das Papier benutzt, um bestimmte Spielsituationen aufzuzeichnen. Kooperation Unsere Kultur war durch eine enge Zusammenarbeit und Kooperation geprägt. Insgesamt war unsere Gruppe sehr koordiniert. Die Pause haben wir genutzt, um unsere Meinungen und Sichtweisen gegenseitig aktiv einzufordern. Unsere Zusammenarbeit war durch Austausch und ein hohes Zusammengehörigkeitsgefühl geprägt. In der Pause haben wir unsere individuellen Gedanken und Ideen in die Gruppe eingebracht. Wir waren erfolgreich darin, uns auf neue Gegebenheiten einzustellen.
Tabelle 17: Berechnungen zur Itemanalyse auf Basis der Daten der eigentlichen Befragung (Teil 2)
122 Item
3 Experimentelle Studie Min.
Max.
x
σ
Korrigiertes rhoItem-Skala
Nicht relevant
1
6
4,83
1,302
0,511
1
1
6
4,33
1,283
0,331
7
2
6
5,17
0,922
0,462
2
2
6
5,17
0,922
0,462
2
1
6
4,56
1,060
0,518
7
2
6
4,86
0,963
0,616
4
1
6
4,83
1,448
0,367
0
1
6
4,47
1,373
0,561
4
1
6
3,54
1,277
0,471
6
1
6
4,44
1,250
0,604
1
1
6
4,84
1,328
0,549
1
Kooperation Die Kommunikationsmöglichkeit in der Pause haben wir genutzt, um uns auszutauschen und unsere Zusammenarbeit zu verbessern. Komplexitätsbewältigung Innerhalb unserer Gruppe wurden die Erwartungen klar und deutlich kommuniziert. In unserer Gruppe haben beide Mitglieder nicht nur die eigene Rolle verstanden, sondern auch die Regeln berücksichtigt, die für das andere Gruppenmitglied galten. In unserer Gruppe haben beide Mitglieder nicht nur die eigene Rolle verstanden, sondern auch die Regeln berücksichtigt, die für das andere Gruppenmitglied galten. Wir waren erfolgreich darin, sich ändernde Bedingungen durch ein koordiniertes Vorgehen zu bewältigen. Unsere Gruppe hat einen besonders hohen Zusammenhalt gezeigt bzw. gut zusammengearbeitet. In der Pause haben wir konkrete Vereinbarungen für das Vorgehen in der zweiten Spielphase getroffen. Selbstreflexion In der Pause haben wir unsere Vorgehensweise hinterfragt und festgestellte Änderungsbedarfe in der zweiten Spielphase konsequent und zeitnah umgesetzt. In der Pause haben wir uns kritisch mit unseren Lernprozessen auseinandergesetzt. In der Pause haben wir einander aktiv Rückmeldungen gegeben. In der Pause haben wir gemeinsam überlegt, wie wir in der zweiten Spielphase vorgehen könnten.
Tabelle 18: Berechnungen zur Itemanalyse auf Basis der Daten der eigentlichen Befragung (Teil 3)
Eine erneute Itemanalyse auf Basis der im Zuge der eigentlichen Befragung gewonnenen Daten zeigt, dass das Problem der vergleichsweise hohen Mittelwerte aus dem Pretest teilweise gelöst werden konnte. Hier ist zunächst anzumerken, dass die von
3.2 Erhebungsinstrumente
123
Lienert/Raatz und Fisseni vorgeschlagenen Grenzen für den Wert des Schwierigkeitsindexes537 in diesem Falle aufgrund der Ausweitung der Skala von vier auf sechs Stufen Werten von 0,9 beziehungsweise 5,1 entsprechen (statt 0,6 beziehungsweise 3,4). Aus den vorliegenden Daten ergeben sich Mittelwerte, die von 2,64 bis 5,28 reichen. Dementsprechend sind die Mittelwerte erneut vergleichsweise hoch. Die Daten liefern jedoch lediglich für zwei Items einen Mittelwert, der außerhalb des angeregten Toleranzbereiches liegt. Ebenso konnte eine Verbesserung hinsichtlich der Rohwerteverteilung erzielt werden. So ist insgesamt ein deutlicher Anstieg der Standardabweichungen zu verzeichnen, wobei die Standardabweichungen zwischen 0,733 und 2,065 liegen. Die vergleichsweise hohen Mittelwerte schlagen sich in den Schiefe-Werten nieder, welche bis auf eine Ausnahme negativ ausfallen. Das heißt, die Daten sind fast ausnahmslos rechtssteil verteilt. Dabei schwankt die Kurtosis zwischen -1,241 und 4,190. Die Verbesserung der Mittelwerte sowie der Varianz in den Antworten der Probanden konnte durch eine erneute Berechnung der Ausschöpfung der Skala bestätigt werden. Die Breite der Antwortskala wurde zwar wieder nur eingeschränkt genutzt; insgesamt ergeben sich jedoch bessere Werte als im Pretest: Die Breite der Skala für die Dimension Kombination wird im Durchschnitt zu 44 Prozent ausgeschöpft, für Kooperation zu 15,5 Prozent, für Komplexitätsbewältigung zu 14 Prozent und für Selbstreflexion zu 21,7 Prozent. Eine detaillierte Analyse der einzelnen Items zeigt außerdem, dass die Antworten der Probanden jeweils zumindest von der Kategorie „Trifft eher nicht zu“ bis hin zu „Trifft eindeutig zu“ variieren; in der Regel wird die Skala komplett ausgeschöpft. Eine Qualitätssteigerung kann zudem zumindest für drei der vier Skalen hinsichtlich der Trennschärfen der einzelnen Items konstatiert werden: Die Korrelation im Bereich der Kooperation liegt nur einmal unter der Grenze von 0,3 und die Items der Skalen Komplexitätsbewältigung und Selbstreflexion sind insgesamt zufriedenstellend. Dabei ist die Trennschärfe der Items häufig höher als 0,5 und fällt somit hoch aus. Die Items der Kombinations-Skala weisen hingegen überwiegend schlechte Trennschärfen auf. Dies schlägt sich auch in einem niedrigen Wert für Cronbach’s Alpha nieder; denn Cronbach’s Alpha beträgt für diese Skala zunächst nur 0,482. Das jeweilige Cronbach’s Alpha der restlichen drei Skalen ist zufriedenstellend. Hier ergeben sich für Kooperation und Selbstreflexion Werte, die über 0,7 liegen. Lediglich für die
537
Vgl. Lienert/Raatz (1998), S. 114ff.; Fisseni (2004), S. 36.
124
3 Experimentelle Studie
Dimension Komplexitätsbewältigung kann dieser Level nicht ganz erreicht werden; hier beträgt Cronbach’s Alpha 0,689 und ist somit als grenzwertig zu betrachten. Bei einer näheren Analyse der Items hinsichtlich ihrer Situationsadäquatheit fällt insbesondere das Item „Wir haben bei der gezielten Erprobung neuer Vorgehensweisen Fehler toleriert“ auf; denn es wurde siebzehnmal mit der Kategorie „Nicht relevant bzw. keine Einschätzung“ beantwortet. Dies war insofern überraschend, als eine solche Einschätzung im Zuge des Pretests lediglich einmal erfolgte. Neben diesem Item wurden zwar auch einige andere Items zum Teil mit der Kategorie „Nicht relevant bzw. keine Einschätzung“ beantwortet; diese waren jedoch in deutlich geringerem Maße betroffen. Leicht auffällig waren hier lediglich die Items „Innerhalb unserer Gruppe wurden die Verantwortlichkeiten klar und deutlich kommuniziert“, „Wir waren erfolgreich darin, neue Dinge zu lernen“, „Unsere Zusammenarbeit war durch Austausch und ein hohes Zusammengehörigkeitsgefühl geprägt“, „Wir waren erfolgreich darin, sich ändernde Bedingungen durch ein koordiniertes Vorgehen zu bewältigen“ und „Wir waren erfolgreich darin, uns auf neue Gegebenheiten einzustellen.“ Eine nähere Betrachtung der mithilfe der Itemanalyse gewonnenen Ergebnisse verdeutlicht zunächst, dass der Problematik der sehr geringen Varianz in den Antworten der Probanden zumindest teilweise begegnet werden konnte. Dies spiegelt sich sowohl in den Untersuchungen der Itemschwierigkeiten sowie der Standardabweichungen als auch in der Analyse der Ausschöpfung der Breite der Antwortskala wider. Nichtsdestotrotz erweisen sich einzelne Items als problematisch. Für die beiden Items, deren Schwierigkeitsindex außerhalb des von Lienert/Raatz und Fisseni angeregten Toleranzbereiches von 0,9 bis 5,1 liegt,538 wurde zugunsten eines Verbleibs im Fragebogen entschieden. So wird die Obergrenze von 5,1 in beiden Fällen nur leicht überschritten; zudem weisen die Items ansonsten akzeptable Werte auf. Besonders auffällig hingegen waren die Items „Wir haben bei der gezielten Erprobung neuer Vorgehensweisen Fehler toleriert“, „In der Pause haben wir das Papier benutzt, um bestimmte Spielsituationen aufzuzeichnen“ und „Wir waren erfolgreich darin, uns auf neue Gegebenheiten einzustellen.“ Für die beiden letztgenannten Items wurde im Zuge der ersten Itemanalyse trotz schlechter Werte für einen Verbleib im Fragebogen entschieden. Eine Bestätigung der vergleichsweise schlechten 538
Vgl. Lienert/Raatz (1998), S. 114ff.; Fisseni (2004), S. 36.
3.2 Erhebungsinstrumente
125
Werte führte zu der Entscheidung, die Daten dieser Items nicht mit in die endgültige Auswertung einzubeziehen. Dies ist vor allem angesichts der geringen Trennschärfen sinnvoll; denn die niedrigen Korrelationen deuten darauf hin, dass die Items etwas anderes erfragen als die restlichen unter der jeweiligen Dimension subsumierten Items, was grundsätzlich das Erfordernis einer Eliminierung dieser Items mit sich bringt. Ebenso erfolgt ein Ausschluss der Daten des Items „Wir haben bei der gezielten Erprobung neuer Vorgehensweisen Fehler toleriert.“ Der Grund hierfür ist, dass – abgesehen von der geringen Trennschärfe – die Relevanz dieses Items in Frage zu stellen ist, weil es siebzehnmal mit der Kategorie „Nicht relevant bzw. keine Einschätzung“ beantwortet wurde. Dieses Vorgehen resultiert in einer leichten Verbesserung der Reliabilität, welche sich in einem Anstieg von Cronbach’s Alpha widerspiegelt. So beträgt Cronbach’s Alpha für Kooperation nun 0,793; im Bereich der Selbstreflexion erfolgten keinerlei Veränderungen, so dass Cronbach’s Alpha weiterhin bei 0,750 liegt. Die Skala für Komplexitätsbewältigung wurde mit Blick auf das Cronbach’s Alpha von 0,689 bereits als grenzwertig eingestuft, obwohl deren Items separat betrachtet zufriedenstellende Werte aufweisen. Hier ergab eine tiefere Analyse, dass Cronbach’s Alpha auf 0,767 gesteigert werden kann: Um dies zu erreichen, fiel die Entscheidung, die Items „Innerhalb unserer Gruppe wurden die Erwartungen klar und deutlich kommuniziert“ und „In der Pause haben wir konkrete Vereinbarungen für das Vorgehen in der zweiten Spielphase getroffen“ für die weiteren Berechnungen ebenfalls nicht zu berücksichtigen. Ebenso wurden weitere Items aus der KombinationsSkala ausgeschlossen: Cronbach’s Alpha konnte durch die Eliminierung der zuvor genannten Items zwar auf 0,595 gesteigert werden; aufgrund der weiterhin schlechten Trennschärfen wurden jedoch weitere Untersuchungen angestellt. So wurden die Items erneut mit verschiedenen Personen diskutiert, wobei sich herausstellte, dass einzelne Items inhaltlich etwas anderes erfragen als der Rest der Skala. Aufgrund dessen erfolgte ein Ausschluss der Items „In der Pause haben wir eine systematische Fehleranalyse durchgeführt“, „Wir haben gerne neue Vorgehensweisen ausprobiert, um zu prüfen, ob der Prozess dadurch verbessert werden kann“ und „In der Pause haben wir unsere Vorgehensweise systematisch nach Erfolgskriterien analysiert“. Infolgedessen kann eine Verbesserung der Trennschärfen konstatiert werden, welche lediglich in einem Fall weiterhin knapp unter der Grenze von 0,3 liegen. Außerdem
126
3 Experimentelle Studie
konnte ein Anstieg von Cronbach’s Alpha auf 0,681 erzielt werden, was jedoch weiterhin als grenzwertig zu betrachten ist. Der für die Auswertung der Daten zugrunde gelegte Fragebogen umfasst somit nicht mehr 27, sondern lediglich 19 Items; davon sind jeweils sechs unter den Dimensionen Kombination und Kooperation zu subsumieren, drei unter Komplexitätsbewältigung und vier unter Selbstreflexion.
3.2.2.4 Operationalisierung der unabhängigen Variable Dynamic Capability Die Operationalisierung der unabhängigen Variable Dynamic Capability erfolgt mithilfe der zuvor entwickelten Items. Dabei liefert die jeweilige Einschätzung der Probanden auf der sechsstufigen Skala von „1 = Trifft eindeutig nicht zu“ bis „6 = Trifft eindeutig zu“ quantitative Werte zu den Dimensionen Kombination, Kooperation, Komplexitätsbewältigung und Selbstreflexion. Um den Wert einer Dimension für den jeweiligen Probanden zu bestimmen, werden Mittelwerte gebildet. Somit kann umgangen werden, dass beispielsweise die Kombination aufgrund der hohen Itemanzahl mit einem höheren Gewicht in die Berechnung des Gesamtwertes für Veränderungsfähigkeit einfließt als die Selbstreflexion; denn analog zur Vorgehensweise von Wilkens et al.539 wird in dieser Studie zur Bestimmung des Wertes für das Konstrukt der Veränderungsfähigkeit ebenfalls auf die Bildung eines Mittelwertes zurückgegriffen. Die Probanden wurden gebeten, den Fragebogen im Anschluss an das Computerspiel zu bearbeiten. Insofern ergeben sich hier ähnliche Konsequenzen hinsichtlich möglicher Verzerrungen der Messergebnisse wie bei dem Computerspiel selbst.540 Zusätzlich spielen hier jedoch Einflussfaktoren eine Rolle, die häufig mit Fragebogenerhebungen einhergehen. Dazu zählen insbesondere die Zustimmungstendenz sowie die soziale Erwünschtheit. Unter einer Zustimmungstendenz – auch Akquieszenz genannt – wird eine vom Iteminhalt unabhängige Zustimmung verstanden.541 Die soziale Erwünschtheit bezeichnet hingegen die generelle Neigung zu konformem, von der Umwelt erwartetem Verhalten. In Abhängigkeit davon, was als Erwartung angesehen wird, kann sich die soziale Erwünschtheit folglich unter Umständen in Form 539 540 541
Siehe hierzu Wilkens et al. (2007), S. 45. Siehe hierzu Kapitel 3.2.1.4. Vgl. Schnell/Hill/Esser (2008), S. 354f.; Bortz/Döring (2006), S. 236.
3.2 Erhebungsinstrumente
127
einer Akquieszenz ausdrücken.542 In der Wissenschaft existieren diverse Vorschläge, wie sich soziale Erwünschtheit und Akquieszenz kontrollieren lassen.543 In diesem Falle wurde von dem Vorschlag Gebrauch gemacht, den Probanden Anonymität zuzusichern; denn die Zusicherung von Anonymität gilt im Hinblick auf die Kontrolle der sozialen Erwünschtheit als besonders zuverlässig. Außerdem beinhaltet die Instruktion des Fragebogens einen Hinweis darauf, dass es weder falsche noch richtige Antworten gibt, um einem sozial erwünschten Antwortverhalten der Probanden entgegenzuwirken. Der Akquieszenz wurde mithilfe eindeutiger Itemformulierungen sowie durch die Verwendung einer polytomen Ratingskala544 begegnet. Beides wird von Jackson empfohlen, um Akquieszenz zu vermeiden.545 Angesichts der hier verwendeten Kontrollmethoden scheinen möglicherweise durch soziale Erwünschtheit und Akquieszenz verursachte Verzerrungen der Daten vernachlässigbar.
3.2.3 Weitere Erhebungen Zusätzlich zu den Dynamic Capability-Daten erfasste der eingesetzte Fragebogen546 zunächst soziodemographische Daten, nämlich Alter und Geschlecht der Probanden. Um das Wirkungsgefüge des Dynamic Capability-Konstrukts besser verstehen und die Effekte von Dynamic Capabilities auf Erfolg isoliert betrachten zu können, erschien es jedoch sinnvoll, weitere Aspekte zu erfassen. So wurde mithilfe des Fragebogens darüber hinaus ermittelt, inwieweit sich die Probanden einer Gruppe vor der Teilnahme an den Experimenten kannten. Darauf folgte die Frage, wie oft die Gruppenmitglieder in der Vergangenheit bereits zusammengearbeitet haben. Eine Analyse der Vertrautheit beziehungsweise der Interaktionshäufigkeit der Probanden ist insofern sinnvoll, als diverse Studien zu dem Ergebnis kommen, dass die Vertrautheit von Gruppenmitgliedern positiv mit Erfolg korreliert.547 In der Gruppenforschung hat sich gezeigt, dass sich Emotionen und Aktivitäten von Personen zunehmend angleichen, wenn diese interagieren.548 Lipman-Blumen/Leavitt sprechen in diesem Zusammenhang von Hot Groups und stellen fest, dass solche hochkohäsiven Gruppen ihre Ziele mit großem 542 543
544 545 546 547 548
Vgl. Bortz/Döring (2006), S. 232f.; Schnell/Hill/Esser (2008), S. 355f. Eine Übersicht über die verschiedenen Kontrollmöglichkeiten findet sich beispielsweise bei Bortz/Döring (2006), S. 233ff. Siehe hierzu Scholl (2003), S. 161. Vgl. Jackson (1967), S. 71ff. Siehe hierzu Anhang 1. Siehe hierzu beispielsweise die Erläuterungen von Egidi/Bonini (1999), S. 19f. Vgl. Homans (1978), S. 145ff.
128
3 Experimentelle Studie
Enthusiasmus verfolgen.549 Insofern ist eine Kontrolle der Vertrautheit und der Interaktionshäufigkeit hilfreich, um potenzielle Einflüsse auf den Erfolg bei etwaigen Berechnungen berücksichtigen zu können. Zudem wurden umfangreiche Daten zu individuellen Fähigkeiten erhoben; diese dienen als Grundlage zum Testen der im zweiten Kapitel abgeleiteten Forschungshypothesen. Zur Erhebung der individuellen Kompetenz wurde dabei auf den Fragebogen von Wilkens et al. zurückgegriffen, dessen theoretische Fundierung bereits in Kapitel 2.3.2.2 erläutert wurde. So enthält das Erhebungsinstrument – analog zur organisationalen Ebene – Items zu den vier Dimensionen Kombination, Kooperation, Komplexitätsbewältigung und Selbstreflexion.550 Die Items wurden zu Zwecken dieser Studie (abgesehen von der Reihenfolge der Items, welche randomisiert wurde)551 unverändert übernommen; denn eine Anpassung aufgrund der Laboruntersuchung war hier nicht notwendig. So sollte die individuelle Kompetenz nicht speziell für die Laboruntersuchung erhoben werden, sondern die Daten sollten die generelle individuelle Kompetenz der Probanden widerspiegeln. Deshalb wurde den Items zur individuellen Kompetenz eine kurze Einleitung vorangestellt, um die Probanden zu bitten, die Items auf ihren Arbeitsalltag zu beziehen beziehungsweise, falls die Probanden bislang nicht berufstätig waren, auf die Erfahrungen, die sie bisher während des Studiums gemacht haben. Die Items zur individuellen Kompetenz waren in den zuvor beschriebenen Fragebogen integriert; sie folgten unmittelbar auf die Fragen zur Vertrautheit und zur Interaktionshäufigkeit und waren den Fragen zur Erhebung der Dynamic Capability-Ausprägung somit vorangestellt. Insofern entsprechen die Konsequenzen hinsichtlich möglicher Verzerrungen der Messergebnisse jenen, die bereits in Kapitel 3.2.2.4 diskutiert wurden. Zur Erfassung der Konzentrationsleistung der Probanden wurde der d2-Aufmerksamkeits-Belastungs-Test552 herangezogen, welcher als eines der am häufigsten zum Einsatz kommenden psychodiagnostischen Verfahren gilt.553 Der d2-Aufmerksamkeits-Belastungs-Test erschien zu Zwecken dieser Studie besonders gut geeignet, da er 549 550 551
552 553
Vgl. Lipman-Blumen/Leavitt (1999). Siehe hierzu Wilkens et al. (2007), S. 121f. Zur Empfehlung zufälliger Itemreihenfolgen für Fragebögen siehe beispielsweise Bühner (2006), S. 63; Krampen (1993), S. 97ff. Siehe hierzu Brickenkamp (2002a; 2002b). Vgl. Krohne/Hock (2007), S. 403; Amelang/Schmidt-Atzert (2006), S. 191; Kubinger (2006), S. 205; Schmidt-Atzert (2004), S. 88; Brickenkamp (2002b), S. 9; Sarges/Wottawa (2001), S. 177.
3.2 Erhebungsinstrumente
129
als Gruppentest durchführbar ist554 und weil dessen Durchführung inklusive der Instruktion der Probanden lediglich circa acht Minuten in Anspruch nimmt, ohne dass die Gütekriterien darunter leiden. So kommen diverse Studien mithilfe verschiedener Techniken beispielsweise fast ausschließlich zu dem Ergebnis, dass die Koeffizienten der d2-Skalen über 0,90 liegen und damit eine hohe bis sehr hohe Reliabilität aufweisen.555 Das Zustandekommen der Konzentrationsleistung wird „auf die individuelle Koordination von Antriebs- und Kontrollfunktionen“556 zurückgeführt. Dabei spiegelt sich der Antrieb im d2-Aufmerksamkeits-Belastungs-Test im Tempo und somit in der Menge des in der vorgegebenen Zeit bearbeiteten Materials wider. Die Kontrolle manifestiert sich hingegen zum einen in der Qualität und damit in einem mit der hohen Sorgfalt einhergehenden niedrigen Fehleranteil und zum anderen im zeitlichen Verlauf der Leistung.557 Um die Konzentrationsleistung – als individuelle Koordination dieser Verhaltenskomponenten – erfassen zu können, werden die Probanden instruiert, auf einem Testbogen mit 14 Zeilen à 47 Zeichen jeweils schnellstmöglich und ohne Fehler den Buchstaben „d“ durchzustreichen, sofern dieser insgesamt mit zwei Strichen versehen ist. Die Schwierigkeit besteht dabei darin, relevante von irrelevanten Stimuli zu unterscheiden. Als irrelevant gelten in diesem Zusammenhang der Buchstabe „d“, wenn er mit einem, drei oder vier Strichen versehen ist sowie unabhängig von der Anzahl der Striche der Buchstabe „p“.558 II
II
I
d
p
d
d
I
I
3
4
1
2
II
d
d
II
I
p
d
d
p
d
II
II
I
I
8
9
10
11
II
5
6
7
I
II
d 12
I
I
II
d
d
p
p
II
II
II
13
14
15
16
II
II
d
d
d
II
II
17
18
19
I
p
d
II
I
d I
20
21
22
Abbildung 14: Fehlerfrei bearbeitete Übungszeile aus dem d2-Test (Quelle: Brickenkamp (2002a))
554
555 556 557 558
Amelang/Schmidt-Atzert heben beispielsweise hervor, dass Gruppenuntersuchungen besonders ökonomisch sind. Vgl. Amelang/Schmidt-Atzert (2006), S. 377. Vgl. Brickenkamp (2002b), S. 28; Amelang/Schmidt-Atzert (2006), S. 194f. Brickenkamp (2002b), S. 6. Vgl. Brickenkamp (2002b), S. 6. Vgl. Brickenkamp (2002b), S. 15f.
130
3 Experimentelle Studie
Mithilfe des d2-Aufmerksamkeits-Belastungs-Tests lassen sich verschiedene Werte ermitteln, welche verschiedene Aspekte der Konzentrationsleistung abbilden:559 - GZ: Der Messwert GZ repräsentiert die Gesamtzahl der bearbeiteten Zeichen und somit das Tempo beziehungsweise den Antrieb. Dabei werden nicht nur relevante Zeichen berücksichtigt, sondern auch solche, die fälschlicherweise durchgestrichen wurden. - F: F bezeichnet den Fehlerrohwert, welcher sich aus der Summe aller Fehler zusammensetzt. Hierzu zählen neben den Auslassungsfehlern, bei denen relevante Zeichen nicht durchgestrichen sind, auch die seltener vorzufindenden Verwechslungsfehler, welche versehentlich durchgestrichene irrelevante Zeichen umfassen. Folglich dient der Fehlerrohwert als Indikator für Kontrolle. - F%: F% stellt den Fehlerprozentwert dar, welcher den Fehleranteil innerhalb des bearbeiteten Testteils angibt. Die Höhe des Fehleranteils lässt Rückschlüsse auf die Sorgfalt und Genauigkeit der Testbearbeitung zu, so dass F% ebenfalls Hinweise zum Aspekt der Kontrolle liefert. - F.Vert.: Ebenso zielt F.Vert., die Fehlerverteilung, auf den Gesichtspunkt der Kontrolle ab: Die Fehlerverteilung zeigt, ob die Fehler nahezu gleichmäßig über die Testphasen verteilt sind. Zur Beurteilung der Fehlerverteilung wird die Anzahl der Fehler für die ersten und die letzten sieben Zeilen gesondert ermittelt, was eine Gegenüberstellung der Ergebnisse für die beiden Testhälften ermöglicht. - SB: Als zusätzlicher Indikator für den zeitlichen Verlauf der Leistung und damit für Kontrolle kann SB, die Schwankungsbreite, herangezogen werden. Zur Ermittlung von SB wird die minimale von der maximalen Teilzeitleistung subtrahiert. Dabei bezieht sich die Teilzeitleistung auf die Anzahl der in der jeweiligen Zeile bearbeiteten Zeichen. - GZ-F: Der GZ-F errechnet sich aus der Differenz zwischen der Gesamtzahl der bearbeiteten Zeichen und der Gesamtzahl der Fehler und gewährleistet folglich, dass neben der Kontrolle auch der Antrieb Berücksichtigung findet. Diesem Messwert wurden vereinzelt Validitätsmängel angelastet,560 welche aufgrund diverser umfangreicher Studien nicht bestätigt werden konnten. Der Wert wird allerdings nur geringfügig durch die Gesamtzahl der Fehler beeinflusst, so dass mit extrem
559 560
Vgl. Brickenkamp (2002b), S. 19ff. Siehe hierzu beispielsweise Oehlschlägel/Moosbrugger (1991); Berg/Erlwein (1991).
3.2 Erhebungsinstrumente
131
hohen beziehungsweise extrem niedrigen Fehlerzahlen einhergehende Überbeziehungsweise Unterschätzungen des Wertes zu beachten sind.561 - KL: KL, der Konzentrationsleistungswert, wurde eingeführt, um eben diese Verfälschungsanfälligkeit auszuschließen. So werden die Fehler hier stärker gewichtet; denn KL beziffert die Differenz zwischen der Anzahl richtig durchgestrichener Zeichen und den Verwechslungsfehlern. Folglich wird durch die Berechnung des KL-Wertes ebenfalls nicht nur dem Tempo beziehungsweise dem Antrieb Rechnung getragen, sondern zusätzlich der Kontrolle. In der vorliegenden Studie wurde der d2-Aufmerksamkeits-Belastungs-Test mit den Standardinstruktionen für Erwachsene durchgeführt; das heißt, die Testdurchführungszeit betrug pro Zeile 20 Sekunden und die Probanden wurden instruiert, alle 14 Zeilen „so schnell wie möglich – aber natürlich auch ohne Fehler“562 zu bearbeiten. Jeder der Probanden hat sich dem Test, welcher in Papierform durchgeführt wurde, unterzogen. Die Erhebung der jeweiligen Konzentrationsleistung der Probanden erfolgte im Rahmen des ersten Termins im Anschluss an das Ausfüllen des Fragebogens. Dass die Tageszeiten der Testdurchführung damit unter Umständen leicht variierten, ist in diesem Zusammenhang zu vernachlässigen. So lassen Studien „keine bedeutsamen Einflüsse der Tageszeit auf die Konzentrationsleistung im Test d2 erkennen.“563 Auch eine Einflussnahme des Tests auf andere Erhebungen kann gänzlich ausgeschlossen werden, weil die Ermittlung der jeweiligen Konzentrationsleistung den Abschluss des ersten Erhebungstermins bildete.564 Aufgrund der Tatsache, dass der zweite Teil der Experimente jeweils frühestens nach acht Wochen durchgeführt wurde, erscheinen Konsequenzen für die weiteren Untersuchungen ebenfalls unwahrscheinlich. Allerdings könnte die Messung eines eventuellen Zusammenhangs zwischen der Konzentrationsleistung und dem im Zuge der Studie gemessenen Erfolg insofern leicht verzerrte Ergebnisse liefern, als dass die Motivation der Probanden möglicherweise während des Untersuchungszeitraums variiert. So ist der d2-AufmerksamkeitsBelastungs-Test grundsätzlich darauf ausgelegt, maximale Leistungsfähigkeit zu
561 562 563 564
Vgl. Brickenkamp (2002b), S. 10f. Brickenkamp (2002b), S. 16. Brickenkamp (2002b), S. 15. Zu Testreihenfolgeeffekten siehe beispielsweise Gooßes (1994); Huber (2005), S. 173f.
132
3 Experimentelle Studie
messen,565 während die Probanden ihr Leistungsvermögen für die Teilnahme an dem Computerspiel unter Umständen nur eingeschränkt ausgeschöpft haben. Des Weiteren wurden Ergebnisse von Erhebungen herangezogen, die im Rahmen des Assessment Centers der Frankfurt School of Finance & Management durchgeführt wurden. So liegen für die Probanden neben dem Gesamtergebnis des Assessment Centers weitgehend Daten zur Intelligenz, zu einem Multimodalen Interview566, einer Gruppenübung und den Englischkenntnissen vor. Im Hinblick auf die vorliegende Studie erscheinen insbesondere die Ergebnisse der Interviews sowie das Konstrukt der Intelligenz bedeutsam. Dabei könnte das Multimodale Interview zumindest annähernd als Fremdeinschätzung der individuellen Kompetenz des Interviewten interpretiert werden; denn im Zuge des Interviews werden die Assessment Center-Kandidaten beispielsweise mit Fragen nach eigenen Stärken und Schwächen zur Selbstreflexion ermuntert. Diese Fremdeinschätzung ist als vergleichsweise objektiv einzustufen, da zwei Beobachter unabhängig voneinander eine Beurteilung vornehmen. Der grundsätzliche Ablauf des Assessment Centers an der Frankfurt School of Finance & Management sieht eine Durchführung der Interviews am späten Vormittag oder am frühen Nachmittag vor. Insofern sind tageszeitbedingte Einflüsse auf die jeweils erzielten Ergebnisse vernachlässigbar. Angesichts dessen, dass die Teilnahme am Assessment Center seitens der Probanden zum Zeitpunkt der Durchführung der vorliegenden Studie bereits circa zwei Jahre zurücklag, können Testreihenfolgeeffekte567 ebenfalls ausgeschlossen werden. Lediglich die Tatsache, dass die Probanden in ihrer Rolle als Teilnehmer im Assessment Center vermutlich hochgradig motiviert waren, während sie ihr Leistungsvermögen für die Teilnahme an dem Computerspiel unter Umständen nur eingeschränkt ausgeschöpft haben, könnte zu leicht verzerrten Ergebnissen hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen den in den Interviews erzielten Ergebnissen und dem im Zuge der Studie gemessenen Erfolg führen. Zur Erfassung der Intelligenz griff die Frankfurt School of Finance & Management in der Vergangenheit auf den Berliner Intelligenzstruktur-Test zurück, welcher „eine sehr umfassende und differenzierte Bestimmung intellektueller Fähigkeiten“568 erlaubt. So 565 566 567 568
Vgl. Krohne/Hock (2007), S. 368. Siehe hierzu Schuler (2002); Schuler (1992), S. 281ff.; Schuler (1989), S. 343ff. Siehe hierzu beispielsweise Gooßes (1994); Huber (2005), S. 173f. Krohne/Hock (2007), S. 388.
3.2 Erhebungsinstrumente
133
umfasst der Berliner Intelligenzstruktur-Test 45 unterschiedliche Aufgabentypen, die ein repräsentatives Spektrum an Anforderungen abdecken. Er basiert auf dem Berliner Intelligenzstrukturmodell569, welches in der Literatur als integratives Modell beschrieben wird.570 In dem Modell wird angenommen, dass für jede Intelligenzleistung auf alle intellektuellen Fähigkeiten eines Individuums zurückgegriffen wird, wobei die intellektuellen Fähigkeiten in Abhängigkeit von der jeweiligen Aufgabe mit unterschiedlichen Gewichten einfließen. Zudem wird davon ausgegangen, dass sich Intelligenzleistungen nicht nur bimodal in Operationen und Inhalte klassifizieren lassen, sondern dass eine tiefergehende Klassifikation nach unterschiedlichen Aspekten möglich ist. Eine weitere Annahme des Berliner Intelligenzstrukturmodells besagt, dass diese Fähigkeiten hierarchisch angeordnet sind und sich folglich diversen Generalitätsebenen zuordnen lassen.571 Dabei ist die Allgemeine Intelligenz in der Fähigkeitshierarchie ganz oben angesiedelt, während sich eine Hierarchieebene darunter sieben relativ weite Fähigkeitskonstrukte befinden, die jeweils einer der beiden Modalitäten Operationen und Inhalte zugeordnet sind. In der Regel wird das Berliner Intelligenzstrukturmodell in Form einer Raute dargestellt.572
E LT HA IN
OP ER AT IO NE N
Allgemeine Intelligenz
B Figuralbildhaft
F
Verbal
M V
Numerisch
E N
K
Bearbeitungsgeschwindigkeit Merkfähigkeit
Einfallsreichtum
Verarbeitungskapazität
Abbildung 15: Berliner Intelligenzstrukturmodell (Quelle: Jäger/Süß/Beauducel (1997), S. 5)
569 570 571 572
Siehe hierzu Jäger (1982), S. 195ff.; Jäger (1984), S. 21ff. Vgl. beispielsweise Preckel/Brüll (2008), S. 17. Vgl. Jäger/Süß/Beauducel (1997), S. 4. Vgl. beispielsweise Haberl (2009), S. 31; Jäger/Süß/Beauducel (1997), S. 5.
134
3 Experimentelle Studie
Im Rahmen des Assessment Centers wurde der Berliner Intelligenzstruktur-Test in einer Kurzform durchgeführt, so dass Daten sowohl zur Allgemeinen Intelligenz als auch zur Verarbeitungskapazität vorliegen. Die Verarbeitungskapazität zielt in diesem Kontext auf die „Verarbeitung komplexer Informationen bei Aufgaben, die nicht auf Anhieb zu lösen sind, sondern Heranziehen, vielfältiges Beziehungsstiften, formallogisch exaktes Denken und sachgerechtes Beurteilen von Informationen erfordern.“573 Da sich die Probanden dem Berliner Intelligenzstruktur-Test im Zuge des Assessment Centers unterzogen haben, sind die in dieser Studie verwendeten Ergebnisse bereits circa zwei Jahre alt. Das lange Zurückliegen des Erhebungszeitraums für dieses Konstrukt ist allerdings zu vernachlässigen, weil Intelligenz grundsätzlich als stabiles Konstrukt gilt.574 Folglich kann davon ausgegangen werden, dass sich die Intelligenz der Probanden bis zum Durchführungszeitpunkt der Studie nicht wesentlich verändert hat. Darüber hinaus kam der Berliner Intelligenzstruktur-Test jeweils zur gleichen Tageszeit zur Anwendung, so dass tageszeitbedingten Einflüssen ebenfalls keine Bedeutung zukommt. Ebenso erscheint eine Einflussnahme des Tests auf andere Erhebungen der vorliegenden Studie aufgrund der zeitlichen Distanz als unwahrscheinlich.575 Allerdings kann – wie bereits angesprochen – nicht ausgeschlossen werden, dass die Probanden im Zuge des Bewerbungsverfahrens motivierter waren als während der Teilnahme an der hier dargelegten Studie.
3.3 Stichprobenkonstruktion Die Durchführung des Experiments erfolgte im Rahmen der Veranstaltung Empirische Sozialforschung im dritten Semester des Bachelor-Programms der Frankfurt School of Finance & Management. Dabei wurde der Kurs in fünf verschiedenen Studiengruppen als Pflichtveranstaltung angeboten. Aus Repräsentativitätsgründen wurde eine möglichst große Stichprobe anvisiert.576 Durch die Einbettung des Experiments in eine Pflichtveranstaltung entfiel zwar die Notwendigkeit, intensive Werbemaßnahmen zu ergreifen; Anreize waren allerdings dennoch erforderlich, da niemand zur Teilnahme 573 574
575 576
Jäger/Süß/Beauducel (1997), S. 6. Zur Stabilität der Intelligenz siehe beispielsweise Amelang et al. (2006), S. 196ff. Interessante Ausführungen zur Entwicklung der Intelligenz mit Fortschreiten des Alters finden sich beispielsweise bei Neubauer (2005), S. 329. Zu Testreihenfolgeeffekten siehe beispielsweise Gooßes (1994); Huber (2005), S. 173f. Zur Repräsentativität von Stichproben siehe beispielsweise Bortz/Döring (2006), S. 394ff.
3.3 Stichprobenkonstruktion
135
an den Experimenten gezwungen werden sollte.577 Daher wurden in der ersten Vorlesung – mit entsprechenden mündlichen Erläuterungen – jeweils Anmeldeformulare für das Experiment verteilt, aus denen hervorging, dass die Probanden sechs von 40 Leistungspunkten über eine zweimalige, aktive Teilnahme erreichen konnten.578 Studenten, die sich gegen eine Teilnahme entschieden, erhielten die Möglichkeit, diese sechs Leistungspunkte auf anderem Wege zu erlangen. Durch die Art der Stichprobengewinnung umfasste die Stichprobe für diese Studie ausschließlich Studenten, die gemeinsam in kleinen Studiengruppen studieren; inwieweit sich die Probanden vor der Teilnahme an den Experimenten kannten, wurde mithilfe des Fragebogens kontrolliert. Stichproben, die sich lediglich aus Studenten zusammensetzen, sind im Bereich der Organisationsforschung durchaus üblich.579 Ebenso basieren die im Zusammenhang von Mergers & Acquisitions durchgeführten Experimente meist auf Stichproben, die aus Studenten bestehen.580 Als Gründe für den häufigen Rückgriff auf Studenten als Probanden führen Fromkin/Streufert einerseits an, dass Studenten einfach zu kontaktieren sind und in der Regel relativ zuverlässig erscheinen; anderseits weisen sie darauf hin, dass Studenten vergleichsweise kostengünstige Probanden darstellen, weil sich diese etwa durch die Vergabe von Versuchspersonenstunden zur Teilnahme aktivieren lassen.581 Obwohl es an der Frankfurt School of Finance & Management keine Versuchspersonenstunden gibt, konnten mithilfe der Vergabe von Leistungspunkten letztlich 156 Probanden rekrutiert werden. Als zusätzlicher Anreiz könnte die variable Vergütung582 interpretiert werden, welche in dieser Studie durchschnittlich 4,66 Euro beträgt.583 Die Tatsache, dass – abgesehen von einem Studenten – alle Probanden einer Spende des jeweils verdiente 577
578
579 580
581
582 583
Zur freiwilligen Untersuchungsteilnahme siehe beispielsweise Bortz/Döring (2006), S. 71ff.; Huber (2005), S. 129f. Loyd/Kern/Thompson kommen in einer Studie zu dem Schluss, dass Leistungspunkte zunehmend herangezogen werden, um Probanden zur Teilnahme an Experimenten zu motivieren. Vgl. Loyd/Kern/Thompson (2005). Vgl. Podsakoff/Dalton (1987), S. 424. Siehe beispielsweise Davis/Wilson (2008); Huck et al. (2007); Lindqvist/Stennek (2001); Montmarquette et al. (2004). Vgl. Fromkin/Streufert (1976), S. 443. Weitere Vorteile des Rückgriffs auf Studenten zur Stichprobenkonstruktion finden sich beispielsweise bei Gordon/Slade/Schmitt (1986), S. 197ff.; Higbee/Lott/Graves (1976), S. 240. Siehe hierzu Kapitel 3.2.1.4. In der Wissenschaft werden häufig finanzielle Anreize genutzt, um Probanden für die Teilnahme an Studien zu gewinnen und etwa in Entscheidungssituationen einen Anreiz für das Treffen bestmöglicher Entscheidungen zu schaffen. Siehe hierzu beispielsweise Loyd/Kern/Thompson (2005), S. 16; Nöth (2003), S. 109.
136
3 Experimentelle Studie
Geldes zustimmten, deutet allerdings darauf hin, dass Teilnahmebereitschaft und Motivation der Probanden in diesem Falle nicht auf finanzielle Anreize zurückzuführen sind.584
3.4 Untersuchungsdurchführung Der Untersuchungszeitraum für die Hauptstudie umfasste knapp fünf Monate (September 2008 bis Januar 2009), wobei die Experimente in der Regel nachmittags stattfanden. Dabei wurde die Untersuchung in einem Computerraum durchgeführt, in welchem zwanzig Studentenarbeitsplätze sowie ein Dozentenarbeitsplatz zur Verfügung stehen. Die Anzahl der gleichzeitig an dem Experiment teilnehmenden Probanden war folglich auf zwanzig beschränkt; das heißt, im Maximum wurden in der Zweispielerversion zehn und in der Vierspielerversion fünf Gruppen parallel untersucht – teilweise beschränkte sich die Erhebung aber auch auf einzelne Gruppen. Jeder Erhebungstermin begann mit der Platzierung der Versuchspersonen vor einem Rechner (Pentium (R); CPU; 2,80 GHZ; 0,99 GB RAM), wobei die Studenten zwar grundsätzlich freie Platzwahl hatten, jedoch darauf geachtet wurde, dass Personen, die gemeinsam in einem Team spielten, nicht direkt nebeneinander saßen. Im Anschluss an einen kurzen mündlichen Überblick über den Ablauf und die ungefähre Dauer des Experiments wurden die Probanden instruiert, die Einführung in das Experiment aufzurufen. Zur Anmeldung verwendeten die Studenten als Benutzernamen jeweils ihren Vor- und Zunamen; als Passwort wurde ihnen der mithilfe der Software Unipark585 generierte achtstellige Code zugewiesen. Die Probanden wurden gebeten, das Blatt, auf dem das jeweilige Passwort vermerkt war, während des Experiments aufzubewahren, da dieses später für den Zugang zum Fragebogen benötigt wurde. Nachdem jede der Versuchspersonen für sich die Einführung in das Experiment gelesen und das Beispiel angeschaut hatte, konnten die Probanden Fragen zu dem Kartenspiel stellen. Die Fragen wurden jeweils vor allen anwesenden Studenten beantwortet; sofern eine zusätzliche Visualisierung sinnvoll erschien, wurden für die entsprechenden Erläuterungen ein physisches Kartenspiel oder Zeichnungen an der 584
585
Camerer/Hogarth kommen in einer umfangreichen Studie zu dem Schluss, dass die Effekte finanzieller Anreize in Experimenten durchaus variieren und dass finanzielle Anreize somit nicht notwendigerweise eine erhöhte Motivation beziehungsweise eine Leistungssteigerung mit sich bringen. Vgl. Camerer/Hogarth (1999). Siehe hierzu Globalpark (2009).
3.4 Untersuchungsdurchführung
137
Tafel herangezogen. In der Voruntersuchung des Kartenspiels konnten bereits grundsätzliche Aspekte herauskristallisiert werden, deren Wiederholung und Visualisierung zu Zwecken eines besseren Verständnisses sinnvoll erschienen. Solche Regeln wurden auch wiederholt, wenn niemand danach fragte. Im Anschluss an die Beantwortung der Fragen wurde das Computerspiel durch den Versuchsleiter zentral gestartet. Da die einzelnen Gruppen unterschiedlich viel Zeit benötigten, um die Aufgabe zu bewältigen, wurde den Teams, die das Spiel in weniger als der maximalen Spielzeit beendet hatten, freigestellt, ob sie ruhig vor ihrem Rechner sitzen blieben oder den Computerraum bis zum Ende der maximalen Spielzeit verließen. Auf die Durchführung des Computerspiels folgte schließlich das Ausfüllen des Fragebogens. Die Studenten wurden gebeten, den Fragebogen online auszufüllen. Hierzu wurde der entsprechende Link an die Tafel geschrieben, so dass jede Versuchsperson den Fragebogen von ihrem Rechner aus über das Internet aufrufen und sich mit dem zuvor verteilten Code anmelden konnte. Neben dem Computerspiel und dem Fragebogen kam im ersten Termin zudem der d2-Aufmerksamkeits-Belastungs-Test als weiteres Erhebungsinstrument zum Einsatz. Zu dessen Durchführung wurden jeweils Testblätter und Stifte verteilt, wobei die Probanden sitzen bleiben konnten, so dass keine Unruhe entstand.586 Nach einer kurzen mündlichen Instruktion durften die Studenten Fragen stellen; von dieser Möglichkeit ist allerdings kein Gebrauch gemacht worden, was vermutlich in der Einfachheit des Erhebungsinstruments begründet liegt.587 Die Durchführung des d2-Aufmerksamkeits-Belastungs-Tests entfiel im zweiten Termin; hier erfolgte stattdessen ein Feedback zum d2-AufmerksamkeitsBelastungs-Test: Im ersten Termin wurden die Probanden instruiert, ihren Namen auf das Testblatt zu schreiben, sofern sie ein individuelles Feedback wünschten; andernfalls konnten sie ihr Testblatt mit ihrem Code kennzeichnen, da die Zuordnung der Daten in der vorliegenden Studie über eben diesen Code erfolgt. Jene Probanden, die ein Feedback wünschten, erhielten als Feedback die im Zuge der Auswertung des d2-Aufmerksamkeits-Belastungs-Tests ermittelten Werte. Dabei wurden nicht nur die jeweiligen individuellen Werte zurückgemeldet, sondern auch Minimum, Maximum und Mittelwert für die jeweils eigene Studiengruppe sowie Minimum, Maximum und 586
587
Die Situation sollte stets so gestaltet werden, dass Probanden möglichst optimale Bedingungen zur maximalen Entfaltung ihrer Fähigkeiten haben. Hier erscheint eine ruhige Umgebung besonders wichtig, um Beeinträchtigungen des Versuchsablaufs zu vermeiden. Zur Gestaltung der Testsituation siehe beispielsweise Amelang/Schmidt-Atzert (2006). Vgl. Lüdemann/Lüdemann (2007), S. 40.
138
3 Experimentelle Studie
Mittelwert für die gesamte Stichprobe dieser Untersuchung. Um eine richtige Interpretation der Werte zu gewährleisten, wurden diese zunächst nacheinander erklärt, bevor die Möglichkeit bestand, Fragen zu stellen. Obwohl die Untersuchungsdurchführung grundsätzlich wie geplant verlaufen ist, traten vereinzelt besondere Vorkommnisse auf. So reagierte das Computerspiel sowohl in der Zwei- als auch in der Vierspielerversion bei einzelnen Gruppen nach einer gewissen Zeit nicht mehr auf die Interaktionen der Probanden, was für die betroffenen Gruppen einen Abbruch des Computerspiels erforderlich machte. In beiden Erhebungsterminen war davon jeweils eine Zweier- beziehungsweise Vierergruppe betroffen; da die technischen Probleme in beiden Fällen allerdings erst deutlich nach Beginn der zweiten Spielphase aufgetreten sind, konnten die Probanden trotzdem regulär an den weiteren Erhebungen teilnehmen, so dass hier lediglich keine vollständigen Daten für das Computerspiel vorliegen. Der Grund für den technischen Defekt der Zweispielerversion war ein Nebenläufigkeitsproblem, das nur dann auftrat, wenn sich zwei Spieler exakt gleichzeitig anmeldeten. Da diese Situation in der Testphase nicht vorkommen konnte, war der Fehler des Programms zunächst nicht aufgefallen; das Problem konnte seitens des Programmierers jedoch umgehend behoben werden. In der Vierspielerversion ließen sich die technischen Probleme nicht unmittelbar auf das Computerprogramm zurückführen; vielmehr deutet eine Auswertung der Logfiles auf Netzwerkprobleme hin. Daher wurden seitens des Programmierers nachträglich Verbesserungen in den Kommunikationscode eingebaut, die zum einen eine Entlastung des Netzwerks und zum anderen eine verbesserte Kommunikation zwischen Server und Client mit sich bringen sollten. Die daraus resultierende endgültige Version des Computerspiels kam allerdings lediglich im Zuge der letzten beiden Erhebungstermine zum Einsatz, da zu diesem Zeitpunkt alle weiteren Erhebungen bereits abgeschlossen waren. Während der Erhebung zeigten zwei Probanden ein auffälliges Verhalten, welches gegebenenfalls auf das Empfinden mangelnder Freiwilligkeit zurückzuführen ist; denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass einzelne Studenten die Teilnahme an dem Experiment als kleineres Übel eines Leistungsnachweises betrachtet haben.588 Jene Probanden lieferten auch im Rahmen der Befragung extrem auffällige Ergebnisse, indem sie fast ausschließlich die Antwortmöglichkeit „Nicht relevant bzw. keine 588
Zur Notwendigkeit der freiwilligen Teilnahme an Experimenten siehe Huber (2005), S. 129f.
3.5 Vorüberlegungen zu den verwendeten statistischen Verfahren
139
Einschätzung“ gewählt und andernfalls immer „Trifft voll zu“ angekreuzt haben. Vor dem Hintergrund, dass die Probanden bereits zuvor negativ aufgefallen waren und sich auf Basis der Daten des Fragebogens ohnehin keine Werte für die Dynamic Capability-Ausprägung bestimmen ließen, wurden die beiden Datensätze vor der Auswertung der Ergebnisse eliminiert. Bei der Durchführung des d2-Aufmerksamkeits-Belastungs-Tests zeigte lediglich ein Proband instruktionswidriges Verhalten: Dieser Proband hatte den Testbogen zunächst so umgedreht, dass er falsch herum vor ihm lag, und folglich in Zeile 14 den Buchstaben „p“ durchgestrichen, wenn er mit zwei Strichen versehen war. Nach den ersten 20 Sekunden bemerkte der Proband seinen Fehler, drehte den Testbogen herum und fuhr mit Zeile 2 fort; Zeile 1 wurde gar nicht ausgefüllt. Aufgrund dessen war dieser Testbogen nicht auswertbar. Der Hintergrund der Studie wurde den Probanden erst im Anschluss an den zweiten Erhebungstermin erörtert, um Einflüsse auf deren Verhalten zu vermeiden. 589 Trotzdem reagierten die Untersuchungsteilnehmer – abgesehen von wenigen Ausnahmen – sehr positiv auf das Experiment und bekundeten großes Interesse sowohl an dem Hintergrund der Studie als auch an den Forschungsergebnissen. Die positive Resonanz spiegelt sich in den allgemeinen Feedbackbögen zum Fach Empirische Sozialforschung ebenso wider wie in der Befragung, in der einige Teilnehmer den Freitext nutzten, um das Experiment allgemein zu kommentieren.
3.5 Vorüberlegungen zu den verwendeten statistischen Verfahren In der Literatur wird kontrovers diskutiert, ob die mit Ratingskalen erhobenen Daten ordinal oder metrisch skaliert sind.590 In der Forschungspraxis ist es durchaus üblich, mithilfe von Ratingskalen erfasste Daten als intervallskaliert zu behandeln.591 Baker/Hardyck/Petrinovich konnten in einer Studie nachweisen, dass eine leichte Verzerrung der Äquidistanz einer Skala nicht notwendigerweise zu falschen Ergebnissen von t-Tests führt. Vielmehr sind hier Einflüsse durch eine nicht exakte
589 590 591
Vgl. Atteslander (2008), S. 175; Scholl (2003), S. 97. Vgl. Baker/Hardyck/Petrinovich (1966), S. 291ff.; Bintig (1980), S. 619ff. Vgl. McCarty/Shrum (1997), S. 249.
140
3 Experimentelle Studie
Intervallskalierung auf statistische Entscheidungen vernachlässigbar.592 Zudem kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass die Abstände zwischen den jeweiligen Antwortkategorien seitens der Befragten als gleiche Intervalle aufgefasst werden, sofern eine hinreichende Anzahl an Ausprägungen existiert.593 Dabei bietet eine – wie in dieser Studie verwendete – sechsstufige Skala genügend Differenzierungsmöglichkeiten, ohne die Befragten zu überfordern.594 Vor diesem Hintergrund werden die mithilfe einer Ratingskala erhobenen Daten in der vorliegenden Arbeit als intervallskaliert interpretiert. Eine weitere wichtige Voraussetzung zahlreicher statistischer Verfahren stellt die Normalverteilung dar. Gemäß dem zentralen Grenzwertsatz kann ab einem Stichprobenumfang von 30 bereits eine (annähernde) Normalverteilung angenommen werden.595 Im Hinblick auf die individuellen Fähigkeiten sowie hinsichtlich des Erfolgs scheint dies durchaus plausibel. Da sich bezüglich des Dynamic CapabilityKonstrukts im Zuge der Itemanalyse jedoch gezeigt hat, dass die Probanden insgesamt die linke Hälfte der Skala verstärkt nutzten, erscheint eine Überprüfung der Normalverteilungsannahme für diese Variable als angebracht. So stellt auch eine erste Betrachtung des Histogramms die Normalverteilungsannahme in Frage.
Abbildung 16: Häufigkeitsverteilung von Dynamic Capability
592 593 594 595
Vgl. Baker/Hardyck/Petrinovich (1966), S. 291ff. Vgl. Berekoven/Eckert/Ellenrieder (1999), S. 74. Vgl. Nieschlag/Dichtl/Hörschgen (1994), S. 693f. Siehe hierzu beispielsweise Zwerenz (2006), S. 343f.; Diaz-Bone (2006), S. 144.
3.5 Vorüberlegungen zu den verwendeten statistischen Verfahren
141
Zur statistischen Überprüfung der Normalverteilungsannahme wird in der gängigen Forschungspraxis regelmäßig auf den Kolmogorov-Smirnov-Test in der LillieforsModifikation zurückgegriffen.596 Die Überprüfung auf Normalverteilung mittels Lilliefors-Test ergibt im vorliegenden Fall eine Irrtumswahrscheinlichkeit, die größer ist als 0,05, so dass gemäß dem Lilliefors-Test eine Normalverteilung angenommen werden könnte. Bortz/Lienert/Boehnke empfehlen in diesem Zusammenhang jedoch, die Prüfung der Nullhypothese nicht auf einem Signifikanzniveau von α = 0,05, sondern von α = 0,20 vorzunehmen.597 Bei einem Signifikanzniveau von α = 0,20 wird die Nullhypothese zurückgewiesen. Gemäß der infolgedessen anzunehmenden Alternativhypothese weicht die gegebene Verteilung von einer Normalverteilung ab. Kolmogorov-Smirnova Dynamic Capability
Shapiro-Wilk
Statistik
df
Signifikanz
Statistik
df
Signifikanz
0,139
34
0,092
0,923
34
0,019
a. Signifikanzkorrektur nach Lilliefors
Tabelle 19: Tests auf Normalverteilung von Dynamic Capability
Dieses Ergebnis kann durch den Shapiro-Wilk-Test bestätigt werden. Die Durchführung eines Shapiro-Wilk-Tests wird bei einem Stichprobenumfang unter 50 teilweise anstelle eines Lilliefors-Tests empfohlen; denn der Shapiro-Wilk-Test zeichnet sich durch eine vergleichsweise gute Teststärke aus.598 Aufgrund der Verletzung der Normalverteilungsannahme für die Dynamic CapabilityVariable ist die Anwendbarkeit parametrischer Tests in Frage zu stellen. Eine Verletzung der Normalverteilungsannahme wird jedoch häufig wenig kritisch hingenommen;599 denn es existieren diverse Studien, welche auf die Robustheit der Ergebnisse parametrischer Tests bei Verletzungen ihrer Voraussetzungen hinweisen. So sind etwa die Ergebnisse eines t-Tests nicht unbrauchbar, wenn in der Grundgesamtheit keine Normalverteilung vorliegt.600 Vor diesem Hintergrund werden in der vorliegenden Arbeit teilweise ebenfalls parametrische Verfahren verwendet, welche eigentlich eine Normalverteilung voraussetzen. An dieser Stelle sei darauf 596 597 598 599 600
Siehe hierzu beispielsweise Eckstein (2008), S. 93ff.; Diehl/Staufenbiel (2007), S. 193ff. Vgl. Bortz/Lienert/Boehnke (2000), S. 320. Vgl. Janssen/Laatz (2005), S. 242. Vgl. Brosius (2008), S. 465. Vgl. Brosius (2008), S. 465.
142
3 Experimentelle Studie
hingewiesen, dass die mithilfe dieser Verfahren erzielten Ergebnisse mit Unsicherheit behaftet und dementsprechend vorsichtig zu interpretieren sind. Die Analyse der Daten erfolgte in der vorliegenden Arbeit mithilfe des Statistikprogramms SPSS. Dabei wurden vereinzelte fehlende Werte auf Gruppenebene durch entsprechende Mittelwerte der betroffenen Gruppen ersetzt. Für Daten, welche die individuelle Ebene betreffen, sowie für den Erfolg schien ein solches Vorgehen nicht angemessen, so dass hier fehlende Werte mithilfe des paarweisen Ausschlusses als fehlend behandelt wurden. Antworten in der Kategorie „Nicht relevant bzw. keine Einschätzung“ wurden durchgängig als fehlende Werte behandelt.601
601
Siehe hierzu beispielsweise Bühner (2006), S. 56. Zum Umgang mit fehlenden Werten siehe auch Cleff (2008), S. 25ff.
4
Forschungsergebnisse
Im Folgenden werden im Anschluss an eine Beschreibung der Stichprobe die Ergebnisse zu den einzelnen Fragestellungen und Hypothesen systematisch dargelegt. Dabei umfasst die Darstellung der Forschungsergebnisse zum einen Aussagen hinsichtlich der Beziehungen zwischen Dynamic Capability und Erfolg sowie zwischen individuellen Fähigkeiten und Dynamic Capability beziehungsweise zwischen individuellen Fähigkeiten und Erfolg; zum anderen beinhaltet sie eine Zusammenführung von Dynamic Capabilities und möglichen Einflussfaktoren, welche dazu dient, den Einfluss von Dynamic Capability auf den Erfolg einer Gruppe isoliert betrachten zu können. In Kapitel 4.3 erfolgt schließlich eine Zusammenfassung der Forschungsergebnisse.
4.1 Beschreibung der Stichprobe Insgesamt konnten zunächst 156 Studenten als Probanden gewonnen werden. Aufgrund des zuvor bereits erwähnten auffälligen Verhaltens zweier Versuchsteilnehmer, welches sich auch in deren Befragungsergebnissen widerspiegelt, erschien es unumgänglich, den Datensatz durch eine entsprechende Eliminierung der betroffenen Daten zu bereinigen. Da die beiden Studenten während des Experiments unterschiedlichen Gruppen angehörten, waren hiervon auch die Datensätze der jeweiligen Spielpartner betroffen. Dementsprechend besteht die Stichprobe für den ersten Erhebungstermin aus 152 Probanden. Der Zusammenschluss von Zweiergruppen im zweiten Erhebungstermin erforderte jedoch, dass Studenten, die im ersten Termin ein Spielerpaar bildeten, in der zweiten Runde ebenfalls zum gleichen Zeitpunkt erschienen. Dies erwies sich teilweise als problematisch, weil das Experiment im Rahmen einer Vorlesung und damit zu festgelegten Veranstaltungsterminen durchgeführt wurde. Sofern Versuchspersonen frühzeitig mitteilten, dass sie zu dem gewünschten Zeitpunkt nicht teilnehmen konnten, wurde versucht, mit den jeweiligen anderen Gruppenmitgliedern einen Alternativtermin zu finden; dies war jedoch nicht immer möglich. Außerdem sind manche Probanden – zum Beispiel aufgrund von Krankheit – kurzfristig nicht erschienen. In solchen Fällen wurden die Rollen der fehlenden Personen durch zuvor eingeplante Ersatzpersonen übernommen. Die von den betroffenen Gruppen generierten Daten wurden allerdings nicht in die Analyse einbezogen, um etwaige Verzerrungen zu vermeiden und möglichst saubere Aussagen treffen zu J. Wollersheim, Dynamic Capabilities im Kontext von Mergers & Acquisitions, DOI 10.1007/978-3-8349-8859-1_4, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
144
4 Forschungsergebnisse
können. Nach einer entsprechenden Datenbereinigung beläuft sich die Stichprobe für den zweiten Teil der Studie letztlich insgesamt auf N = 136, was zu Zwecken der hier durchgeführten Berechnungen durchaus als hinreichend erscheint. Die 136 Versuchsteilnehmer des zweiten Erhebungstermins setzen sich aus 95 Männern (69,9 %) und 41 Frauen (30,1 %) zusammen. Das Alter dieser Versuchspersonen reicht von 19 bis 26 Jahre, das durchschnittliche Alter beträgt 21,84 Jahre (SD = 1,646). Aus der Art der Stichprobengewinnung ergibt sich bereits, dass alle Probanden Studenten des dritten Semesters in Bachelor-Studiengängen der Frankfurt School of Finance & Management sind. Folglich verfügen alle Versuchsteilnehmer über eine vergleichbare Ausbildung, so dass von einem relativ homogenen Bildungsstand ausgegangen werden kann. Lediglich hinsichtlich der praktischen Erfahrungen ergeben sich Unterschiede: Hier ergibt eine Analyse der Daten, dass 84 Studenten (61,8 %) im Zuge eines dualen Studienganges einer regelmäßigen Tätigkeit bei einem Unternehmen im Finanzsektor nachgehen, welche in der Regel 50 Prozent der betriebsüblichen Arbeitszeit umfasst. Von den restlichen 52 Personen studieren zwanzig (14,7 %) in einem Modell, welches die Studenten vertraglich zum regelmäßigen Absolvieren von Praktika bei einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft verpflichtet. Folglich verfügen lediglich maximal 32 Probanden (23,5 %) über keine umfassende Berufserfahrung. Die in Kapitel 4.2 dargelegten Ergebnisse basieren alle auf der zuvor detailliert beschriebenen Stichprobe von N = 136. Dabei wurden die Daten mithilfe der Bildung von Mittelwerten aggregiert, um eine einheitliche Analyseebene zu gewährleisten.602 Folglich liegen den Berechnungen jeweils Daten von 68 Zweiergruppen beziehungsweise von 34 Vierergruppen zugrunde. Eine Aggregation der Daten auf Vierergruppenniveau wurde – soweit möglich – vermieden, um den mit einer Aggregation einhergehenden Informationsverlust zu minimieren. Die folgende Abbildung veranschaulicht, auf welcher Aggregationsebene die Daten jeweils zusammengeführt wurden.
602
Diese Vorgehensweise ist in der Forschungspraxis durchaus üblich. Dabei gilt diese Methode der Datenreduktion als logisch und statistisch zulässig. Siehe hierzu auch Kraus (2009a), S. 69.
4.2 Darstellung der Ergebnisse zu den einzelnen Fragestellungen und Hypothesen
145
Aggregation auf Vierergruppenniveau AV: Erfolg nach Zusammenschluss
UV: Dynamic Capability
Aggregation auf Vierergruppenniveau
Aggregation auf Zweiergruppenniveau Individuelle Fähigkeiten Weitere Einflussfaktoren Mögliche Einflussfaktoren
Abbildung 17: Überblick über die Aggregationsebenen der Daten
4.2 Darstellung der Ergebnisse zu den einzelnen Fragestellungen und Hypothesen Zur Überprüfung der im zweiten Kapitel abgeleiteten Forschungshypothesen werden primär Zusammenhangsanalysen durchgeführt. Hierzu werden zunächst jeweils die Korrelationskoeffizienten nach Pearson603 sowie die Rangkorrelationskoeffizienten nach Spearman604 betrachtet. Produkt-Moment-Korrelationskoeffizienten nach Pearson setzen ein metrisches Datenniveau voraus, während zur Berechnung von Rangkorrelationskoeffizienten ein ordinales Datenniveau ausreicht. In der vorliegenden Arbeit werden die von den Interdependenzanalysen betroffenen Daten durchweg als intervallskaliert interpretiert, so dass ein Abstellen auf Produkt-Moment-Korrelationskoeffizienten nach Pearson zunächst als angemessen erscheint. Bei einer Verletzung der Normalverteilungsannahme, welche bezüglich der Variable Dynamic Capability vorliegt, kann eine Berechnung des Korrelationskoeffizienten nach Pearson jedoch verzerrte Ergebnisse liefern. Deshalb werden in dieser Arbeit zusätzlich Korrelationskoeffizienten nach Spearman berechnet; denn diese sind im Falle der Verletzung der Normalverteilungsannahme aussagekräftiger.605
603 604 605
Siehe hierzu beispielsweise Cleff (2008), S. 106ff. Siehe hierzu beispielsweise Cleff (2008), S. 112ff. Vgl. Bühl (2008), S. 345ff.
146
4 Forschungsergebnisse
4.2.1 Ergebnisse zu Dynamic Capability und Erfolg Ziel dieser Arbeit ist es, einen Beitrag zur Erklärung der Beziehung zwischen Dynamic Capability und dem Erfolg von Zusammenschlüssen auf Gruppenebene zu leisten. Vor diesem Hintergrund wurden in Kapitel 2.6.1 zunächst Hypothesen formuliert, welche auf den Zusammenhang zwischen Dynamic Capability beziehungsweise den Dimensionen Kombination, Kooperation, Komplexitätsbewältigung und Selbstreflexion und dem Erfolg eines Zusammenschlusses auf Gruppenebene abzielen. Diese Zusammenhangshypothesen wurden korrelationsstatistisch überprüft. Um möglichst differenzierte Aussagen zu ermöglichen, erfolgte diese korrelationsstatistische Überprüfung nicht nur für die Gewinne, die innerhalb der gesamten 40 Runden nach dem Zusammenschluss der Gruppen erzielt wurden (Erfolg2 (gesamt)), sondern zusätzlich jeweils für die zwanzig Runden vor und nach der maximal zehnminütigen Pause im zweiten Erhebungstermin (Erfolg2 (1. Spielphase) und Erfolg2 (2. Spielphase)). Stärke des Zusammenhangs Hypothese
Variablen rhoPearson
H1
H1a
H1b
H1c
H1d
**
Dynamic Capability Dynamic Capability Dynamic Capability Dynamic Capability Kombination Kombination Kombination Kombination Kooperation Kooperation Kooperation Kooperation Komplexitätsbewältigung Komplexitätsbewältigung Komplexitätsbewältigung Komplexitätsbewältigung Selbstreflexion Selbstreflexion Selbstreflexion Selbstreflexion
Erfolg2 Erfolg2 (1. Spielphase) Erfolg2 (2. Spielphase) Erfolg2 (gesamt) Erfolg2 Erfolg2 (1. Spielphase) Erfolg2 (2. Spielphase) Erfolg2 (gesamt) Erfolg2 Erfolg2 (1. Spielphase) Erfolg2 (2. Spielphase) Erfolg2 (gesamt) Erfolg2 Erfolg2 (1. Spielphase) Erfolg2 (2. Spielphase) Erfolg2 (gesamt) Erfolg2 Erfolg2 (1. Spielphase) Erfolg2 (2. Spielphase) Erfolg2 (gesamt)
rhoSpearman
0,625** 0,459** 0,643**
0,535** 0,344* 0,506**
0,265 0,222 0,288†
0,266 0,032 0,205
0,641** 0,454** 0,652**
0,539** 0,384* 0,522**
0,689** 0,487** 0,702**
0,600** 0,396* 0,591**
0,532** 0,405* 0,552**
0,435** 0,325† 0,431*
p ≤ 0,01; * p ≤ 0,05; † p ≤ 0,10 (zweiseitiger Signifikanztest; N = 34)
Tabelle 20: Interdependenzanalyse zwischen Dynamic Capability und Erfolg2
4.2 Darstellung der Ergebnisse zu den einzelnen Fragestellungen und Hypothesen
147
Insgesamt können vier der fünf formulierten Hypothesen bestätigt werden. So korrelieren abgesehen von Kombination alle Dimensionen sowie die Variable Dynamic Capability selbst signifikant positiv mit dem Erfolg der Zusammenschlüsse auf Gruppenebene. Folglich ist lediglich Hypothese H1a zu verwerfen. Losgelöst von der Situation eines Zusammenschlusses wurde die Hypothese, dass Kombination signifikant positiv mit Erfolg korreliert, bereits im Zuge einer anderen Studie widerlegt. So führte Mattes basierend auf einem komplexen Computerspiel ein umfangreiches Laborexperiment durch, um den Zusammenhang zwischen organisationaler Kompetenz und Erfolg zu untersuchen.606 Organisationale Kompetenz erhob der Autor dabei mithilfe einer leicht adaptierten Version des Fragebogens von Wilkens et al.;607 insofern sind die dort erlangten Resultate (zumindest ansatzweise) vergleichbar mit den im Zuge der vorliegenden Untersuchung erzielten Ergebnissen hinsichtlich des Dynamic Capability-Konstrukts. Mattes führt den Umstand, dass Kombination nicht signifikant positiv mit Erfolg korreliert, darauf zurück, dass sein Experiment den Probanden keine Möglichkeit bot, auf Ressourcen außerhalb der eigenen Gruppe (wie etwa andere Abteilungen) zurückzugreifen, und einzelne Items zur Kombination in seinem Fragebogen auf solche Interaktionen abzielten.608 Dieser Grund kann für die vorliegende Untersuchung relativiert werden: Hier wurden jegliche Interaktionen mit Personen außerhalb der eigenen Gruppe zwar ebenfalls untersagt, dementsprechend wurden die betroffenen Items allerdings bereits im Vorfeld aus dem Fragebogen eliminiert. Insofern wurde die Dimension Kombination in der vorliegenden Arbeit möglicherweise nicht in allen ihren Facetten erfasst. Angesichts dessen, dass Wilkens et al. Kombination auf Organisationsebene im Zuge einer explorativen Faktorenanalyse nicht als eigenständige Dimension identifizieren konnten, liegt aber eher die Vermutung nahe, dass Kombination unter Umständen keine eigenständige Dimension des Dynamic Capability-Konstrukt repräsentiert. So resultierte die Faktorenanalyse von Wilkens et al. in einer dreifaktoriellen Lösung, welche mit einer Zusammenfassung der Dimensionen Kombination und Kooperation einhergeht.609 Da Wilkens et al. betonen, dass die Notwendigkeit einer Verdichtung zu drei Dimensionen in ihrer Studie gegebenenfalls in der vergleichsweise kleinen Stichprobe oder in möglichen
606 607 608 609
Siehe hierzu Mattes (o. J.). Siehe hierzu Wilkens et al. (2007). Vgl. Mattes (o. J.). Vgl. Wilkens et al. (2007), S. 42f.
148
4 Forschungsergebnisse
leichten Überschneidungen einzelner Dimensionen begründet liegt,610 wurde für die vorliegende Studie entschieden, auf alle vier theoretisch fundierten Kompetenzdimensionen abzustellen. Falls sich Kombination in künftigen Studien als eigenständige Dimension herauskristallisieren sollte, erscheint eine nähere Betrachtung der Beziehung dieser Dimension zu Erfolg unumgänglich; insbesondere, weil in der vorliegenden Untersuchung, ebenso wie in der Studie von Mattes, nur lineare Zusammenhänge betrachtet wurden und somit eine Existenz nichtlinearer Zusammenhänge nicht ausgeschlossen werden kann. Bei näherer Betrachtung der vorangegangenen Untersuchungsergebnisse fällt zudem auf, dass die Korrelationen, die den Erfolg in der ersten Spielphase nach dem Zusammenschluss der Gruppen betreffen, durchweg höher sind als jene, die sich auf den entsprechenden Erfolg in der zweiten Spielphase beziehen. Diese Ergebnisse könnten darauf hindeuten, dass Dynamic Capabilities in Zeiten des organisationalen Wandels eine besonders hohe Bedeutung zukommt. Dies ist insofern plausibel, als dass der Anpassungsbedarf zuvor gebildeter Routinen unmittelbar nach einem Zusammenschluss am größten ist und Dynamic Capability als die Fähigkeit verstanden wird, bestehende Routinen anpassen beziehungsweise aufbrechen und gegebenenfalls entsprechende neue Routinen bilden zu können. Im Hinblick auf den in der ersten Hypothese angenommenen Zusammenhang ist zusätzlich die Frage interessant, ob sich der Erfolg eines Zusammenschlusses von Gruppen, deren Dynamic Capabilities stark ausgeprägt sind, signifikant von jenem von Gruppen mit schwacher Dynamic Capability-Ausprägung unterscheidet. Zur Beantwortung dieser Frage wurde – auf Basis der vorangehenden Überlegungen unter Rückgriff auf die Ergebnisse für Erfolg2 (1. Spielphase) – eine Mittelwertanalyse durchgeführt. In der Forschungspraxis wird zur Berechnung von Mittelwertunterschieden regelmäßig der t-Test verwendet. Dieser setzt neben einem metrischen Datenniveau und einer Normalverteilung eine Varianzhomogenität voraus.611 Die Varianzen der hier betrachteten Variablen erweisen sich im Zuge des Levene-Tests auf Varianzgleichheit (in der Brown-Forsythe-Version)612 als homogen. Infolgedessen kommt anstelle des Welch-Tests ein normaler t-Test zur Anwendung.
610 611 612
Vgl. Wilkens et al. (2007), S. 44. Vgl. Brosius (2008), S. 463ff. Siehe hierzu beispielsweise Eckstein (2008), S. 115f.
4.2 Darstellung der Ergebnisse zu den einzelnen Fragestellungen und Hypothesen Levene-Test der Varianzgleichheit
2. Termin Erfolg (1. Spielphase)
Varianzen sind gleich
149
t-Test für die Mittelwertgleichheit
F
Signifikanz
T
df
Sig. (2-seitig)
2,831
0,102
-2,001
32
0,054
-2,102
30,978
0,044
Varianzen sind nicht gleich
N (schwache Dynamic Capability-Ausprägung) = 19; N (starke Dynamic Capability-Ausprägung) = 15
Tabelle 21: t-Test zur Prüfung von Erfolgsunterschieden
Gemäß dem Ergebnis des t-Tests kann der Unterschied hinsichtlich des Erfolgs eines Zusammenschlusses von Gruppen mit verschieden starker Dynamic Capability-Ausprägung mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von fünf Prozent knapp nicht als signifikant interpretiert werden. Brosius weist allerdings explizit darauf hin, dass eine Irrtumswahrscheinlichkeit von zehn Prozent „[i]n einem Untersuchungsfeld, in dem zum einen die Datenbasis sehr beschränkt ist und zum anderen die mit einem fehlerhaften Zurückweisen der Nullhypothese verbundenen Risiken als nicht so gravierend angesehen werden“613 als hinreichend zu erachten ist. Da das Ergebnis des t-Tests mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von zehn Prozent signifikant ist, kann also davon ausgegangen werden, dass der Dynamic Capability-Ausprägung im Hinblick auf den Erfolg eines Zusammenschlusses auf Gruppenebene eine hohe Bedeutung zukommt. Dieses Ergebnis wird durch den Mann-Whitney-U-Test bestätigt, welcher bei kleinen Stichproben teilweise bevorzugt zur Anwendung kommt (mittlerer Rang schwache Dynamic Capability-Ausprägung = 14,84 (N = 19); mittlerer Rang starke Dynamic Capability-Ausprägung = 20,87 (N = 15); Mann-Whitney-U = 92; exakte zweiseitige Sig. = 0,083).614
4.2.2 Ergebnisse zu individuellen Fähigkeiten und Dynamic Capability Die in Kapitel 2.6.2 abgeleiteten Hypothesen H2a bis H2c zielen auf die Wirkungsbeziehung zwischen individuellen Fähigkeiten und Dynamic Capability ab. Diese Zusammenhangshypothesen wurden analog zur ersten Hypothese korrelationsstatistisch überprüft.
613 614
Brosius (2008), S. 472. Vgl. Eckstein (2008), S. 120ff. Zum Mann-Whitney-U-Test siehe auch Diehl/Staufenbiel (2007), S. 223ff.
150
4 Forschungsergebnisse
Hinsichtlich der individuellen Kompetenz ist auffällig, dass die zuvor aufgestellte Hypothese H2a nicht bestätigt werden kann. Vereinzelt bestehen zwar signifikant positive Zusammenhänge zwischen einzelnen Dynamic Capability-Dimensionen und individueller Kompetenz; diese sind jedoch relativ gering und spiegeln sich auf aggregierter Ebene nicht wider. Stärke des Zusammenhangs Hypothese
Variablen rhoPearson
H2a
*
Individuelle Kompetenz Individuelle Kompetenz KombinationI KooperationI KomplexitätsbewältigungI SelbstreflexionI
Dynamic Capability Dynamic Capability Dynamic Capability Dynamic Capability Dynamic Capability Dynamic Capability
0,074 -0,039 -0,006 0,281* -0,017
rhoSpearman
0,214 0,051 0,105 0,270* 0,048
p ≤ 0,05 (zweiseitiger Signifikanztest; N zwischen 55 und 65)
Tabelle 22: Interdependenzanalyse zwischen Dynamic Capability und individueller Kompetenz
Wilkens/Gröschke demonstrieren in einer empirischen Studie, dass „individuelle und kollektive Kompetenzen als insgesamt hoch ausgeprägt wahrgenommen werden können, ohne dass dadurch bereits ein positiver Zusammenhang zwischen diesen Ebenen gegeben ist.“615 Dies kann für die vorliegende Untersuchung ebenfalls konstatiert werden; denn hier kann eine signifikant positive, lineare Wirkungsbeziehung lediglich zwischen Dynamic Capability und Komplexitätsbewältigung auf individueller Ebene beobachtet werden, obwohl die Einschätzungen der Dynamic Capabilities ebenso wie die Selbsteinschätzungen hinsichtlich der individuellen Kompetenz insgesamt positiv ausfallen. Komplexitätsbewältigung bedeutet in diesem Falle, dass ein Individuum seine Fähigkeit, „in unerwarteten Situationen angemessen handeln zu können, auf die Fähigkeit zur Strukturierung bei neuen Herausforderungen [stützt], indem es der steigenden Komplexität durch Selektion von Information und Rückbesinnung auf vorhandene Handlungsoptionen begegnet und dabei affektive Zustände auf Problemlösungsverhalten hin orientiert.“616 Damit scheint Komplexitätsbewältigung mit der Fähigkeit eines Individuums einherzugehen, seine Vorgehensweisen gut zu durchdenken, ohne 615 616
Wilkens/Gröschke (2007), S. 281. Wilkens/Keller/Schmette (2006), S. 136.
4.2 Darstellung der Ergebnisse zu den einzelnen Fragestellungen und Hypothesen
151
dabei bewährte Routinen außen vor zu lassen. Diese Fähigkeit ist genau jene, die im Rahmen des Kartenspiels Transform the Target gefordert wird; denn aufgrund des Auszahlungsprofils sind die Probanden in diesem Spiel angehalten, möglichst schnell zu spielen und zugleich die Anzahl der benötigten Züge zu minimieren, was wiederum eine gut durchdachte Vorgehensweise erfordert. Insofern kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Komplexitätsbewältigung in der vorliegenden Untersuchung allein aufgrund der gewählten zu bewältigenden Aufgabe eine höhere Bedeutung zukommt als den anderen Dimensionen der individuellen Kompetenz. Vor dem Hintergrund, dass die Korrelation zwischen Dynamic Capability und Komplexitätsbewältigung auf individueller Ebene nur vergleichsweise gering ausfällt und sich auf aggregierter Eben nicht widerspiegelt, erscheinen solche Überlegungen jedoch vernachlässigbar.617 Um etwaige Zusammenhänge zwischen individuellen Fähigkeiten und dem Dynamic Capability-Konstrukt aufdecken zu können, wurden in der vorliegenden Arbeit neben der individuellen Kompetenz des Weiteren Daten zur Intelligenz der Probanden herangezogen. Signifikant positive Korrelationen können in diesem Zusammenhang weder für Allgemeine Intelligenz noch für Verarbeitungskapazität beobachtet werden. Stärke des Zusammenhangs Hypothese
Variablen rhoPearson
H2b
Intelligenz Allgemeine Intelligenz Verarbeitungskapazität
Dynamic Capability Dynamic Capability Dynamic Capability
0,007 0,071
rhoSpearman 0,087 0,089
(zweiseitiger Signifikanztest; N = 65)
Tabelle 23: Interdependenzanalyse zwischen Dynamic Capability und Intelligenz
Damit kann Hypothese H2b, welche einen linearen, signifikant positiven Zusammenhang zwischen Dynamic Capability und Intelligenz annimmt, ebenfalls nicht bestätigt werden. Bei näherer Betrachtung der in Hypothese H2c angenommenen Beziehung zwischen der Konzentrationsleistung und dem Dynamic Capability-Konstrukt kann mit Blick auf den Konzentrationsleistungswert kein linearer, signifikant positiver Zusammen617
Bühl interpretiert Korrelationen bis 0,5 als gering, während er Werte bis 0,2 sogar als sehr gering einstuft. Vgl. Bühl (2008), S. 346.
152
4 Forschungsergebnisse
hang beobachtet werden, so dass Hypothese H2c ebenfalls nicht als bestätigt angesehen werden kann. Stärke des Zusammenhangs Hypothese H2c
*
Variablen Konzentrationsleistung KL SB
Dynamic Capability Dynamic Capability Dynamic Capability
rhoPearson
rhoSpearman
-0196 0,275*
-0,192 0.261*
p ≤ 0,05 (zweiseitiger Signifikanztest; N = 67)
Tabelle 24: Interdependenzanalyse zwischen Dynamic Capability und Konzentration
Der Konzentrationsleistungswert ist insgesamt angemessen, um die Konzentration der Probanden abzubilden; denn er berücksichtigt nicht nur das Tempo beziehungsweise den Antrieb, sondern bezieht zusätzlich den Aspekt der Kontrolle mit ein. Anders als die Konzentrationsleistung insgesamt korreliert die Schwankungsbreite signifikant positiv mit Dynamic Capability. Aus der Schwankungsbreite lassen sich Aussagen zur Konstanz ableiten, mit der Individuen ihre Aufgaben bewältigen.618 Dabei geht die zunehmende Schwankungsbreite mit einer abnehmenden Konstanz einher. Folglich ist die vorliegende positive Wirkungsbeziehung dahingehend zu interpretieren, dass die Leistung der Individuen mit zunehmender Dynamic Capability-Ausprägung im Zeitablauf verstärkt schwankt. Ein Abgleich der beobachteten Korrelation zwischen Schwankungsbreite und Dynamic Capability mit jener zwischen Konzentration und Dynamic Capability deutet darauf hin, dass etwaige Zusammenhänge in diesem Kontext nicht auf die Geschwindigkeit zurückzuführen sind, mit der Individuen ihre Aufgaben erledigen, sondern vielmehr auf die Unbeständigkeit, die eben diese Individuen bei der Aufgabenbewältigung mit sich bringen. Inwieweit dieser Umstand darauf hindeutet, dass die Abweichung von der in Routinen liegenden Konstanz die Grundlage für Dynamic Capabilities bildet, könnte im Rahmen weiterer Untersuchungen geklärt werden.
4.2.3 Ergebnisse zu individuellen Fähigkeiten und Erfolg Eine korrelationsstatistische Überprüfung der Zusammenhangshypothesen, welche auf die Beziehung zwischen individuellen Fähigkeiten und dem Erfolg eines Zusammen618
Vgl. Brickenkamp (2002b), S. 19ff.
4.2 Darstellung der Ergebnisse zu den einzelnen Fragestellungen und Hypothesen
153
schlusses auf Gruppenebene abzielen, ergibt ein ähnliches Bild. So sind bezüglich individueller Kompetenzen keine signifikanten Wirkungsbeziehungen mit Erfolg2 (gesamt) festzustellen. Auch hier kann nicht abschließend geklärt werden, ob gegebenenfalls nichtlineare Beziehungen vorliegen, welche sich durch eine Berechnung von Korrelationen nicht aufdecken lassen. Stärke des Zusammenhangs Hypothese H3a
Variablen Individuelle Kompetenz Individuelle Kompetenz KombinationI KooperationI KomplexitätsbewältigungI SelbstreflexionI
Erfolg Erfolg2 (gesamt) Erfolg2 (gesamt) Erfolg2 (gesamt) Erfolg2 (gesamt) Erfolg2 (gesamt)
rhoPearson
rhoSpearman
-0,183 -0,290 -0,153 0,120 -0,163
-0,134 -0,236 -0,080 0,113 -0,132
(zweiseitiger Signifikanztest; N zwischen 22 und 31)
Tabelle 25: Interdependenzanalyse zwischen Individueller Kompetenz und Erfolg2
Hypothese H3a kann also nicht bestätigt werden. Dieses Ergebnis wird auch durch eine Hinzunahme der Daten aus dem Assessment Center der Frankfurt School of Finance & Management bezüglich des multimodalen Interviews gestützt. Die Daten zum multimodalen Interview, welches in der vorliegenden Arbeit als Fremdeinschätzung der individuellen Kompetenz des Interviewten interpretiert wird,619 korrelieren nämlich ebenfalls nicht signifikant positiv mit Erfolg2. Insgesamt könnten diese Ergebnisse darauf zurückzuführen sein, dass in dem Kartenspiel Transform the Target ein aufeinander abgestimmtes Vorgehen der Probanden und damit Fähigkeiten auf Gruppenebene aktiv gefördert werden,620 während individuelle Kompetenz an sich eher sekundär ist. Im Hinblick auf das durchgeführte Experiment kann konstatiert werden, dass individueller Kompetenz insgesamt eine geringe Bedeutung zukommt, da das Konstrukt weder mit Dynamic Capability noch mit dem Erfolg eines Zusammenschlusses auf Gruppenebene in einem signifikanten positiven Zusammenhang zu stehen scheint. Hypothese H3b, welche auf den Zusammenhang zwischen Intelligenz und dem Erfolg von Zusammenschlüssen auf Gruppenebene abzielt, kann ebenfalls nicht bestätigt 619 620
Siehe hierzu Kapitel 3.2.3. Vgl. Cohen/Bacdayan (1994), S. 560.
154
4 Forschungsergebnisse
werden. So korreliert Intelligenz nicht signifikant positiv mit Erfolg2. Der im Vorfeld des zweiten Termins eingeleitete Zusammenschluss repräsentiert einen Wandel, der mit erheblichem Anpassungsbedarf der Problemlösungsmechanismen einhergeht. Folglich zeigt sich in Erfolg2 die Fähigkeit der Probanden, von etablierten Routinen abweichen zu können. Dass hier kein korrelativer Zusammenhang mit Intelligenz feststellbar ist, könnte darauf hindeuten, dass die Fähigkeit, von Routinen abweichen zu können, eben nicht in der Intelligenz begründet liegt, sondern vielmehr auf andere Faktoren zurückzuführen ist. Dahingegen scheint der Intelligenz mit Blick auf den Aufbau von Routinen eine Bedeutung zuzukommen; sowohl allgemeine Intelligenz als auch Verarbeitungskapazität korrelieren nämlich signifikant positiv mit Erfolg1. Da der Zusammenschluss der Gruppen erst nach dem ersten Termin erfolgt, spiegelt sich in Erfolg1 tendenziell das Lösen von wiederkehrenden und somit im Verlauf bekannten Problemen wider; denn Ziel des ersten Termins war es explizit, das Problemlöseverhalten der Probanden zu routinieren. Stärke des Zusammenhangs Hypothese
Variablen rhoPearson
H3b
**
Intelligenz Allgemeine Intelligenz Allgemeine Intelligenz Verarbeitungskapazität Verarbeitungskapazität
Erfolg Erfolg1 (gesamt) Erfolg2 (gesamt) Erfolg1 (gesamt) Erfolg2 (gesamt)
0,219† 0,179 0,319* 0,311†
rhoSpearman 0,353** 0,222 0,358** 0,277
p ≤ 0,01; * p ≤ 0,05; † p ≤ 0,10 (zweiseitiger Signifikanztest; N = 31 bzw. N = 64)
Tabelle 26: Interdependenzanalyse zwischen Intelligenz und Erfolg
Hypothese H3c, welche von einem signifikant positiven Zusammenhang zwischen der Konzentrationsfähigkeit und Erfolg2 ausgeht, kann letztlich ebenfalls nicht bestätigt werden. So korreliert die Konzentrationsleistung – analog zur Intelligenz – lediglich mit Erfolg1 signifikant, während mit Blick auf Erfolg2 keine signifikant positive Wirkungsbeziehung konstatiert werden kann. Diese Korrelationen lassen sich wieder mit Blick auf den Aufbau und das Abweichen von Routinen interpretieren: Hier ist anzunehmen, dass die Konzentrationsleistung im Zuge des Aufbaus von Routinen von Bedeutung ist, wohingegen das Abweichen von Routinen über die Konzentrationsleistung der Probanden hinausgehende Fähigkeiten bedarf.
4.2 Darstellung der Ergebnisse zu den einzelnen Fragestellungen und Hypothesen
155
Stärke des Zusammenhangs Hypothese
Variablen rhoPearson
H3c
†
Konzentrationsleistung KL KL
Erfolg Erfolg1 (gesamt) Erfolg2 (gesamt)
0,184 0,044
rhoSpearman 0,225† 0,040
p ≤ 0,10 (zweiseitiger Signifikanztest; N = 33 bzw. N = 66)
Tabelle 27: Interdependenzanalyse zwischen Konzentration und Erfolg
Das Vorliegen eines positiven Zusammenhangs der Konzentrationsleistung mit Erfolg1 könnte allerdings auch darauf zurückzuführen sein, dass die grundlegenden Spielregeln im ersten Termin vermittelt wurden. Dabei ist nicht auszuschließen, dass Probanden, die sich grundsätzlich besser konzentrieren können, die Spielregeln besser verstanden haben und somit die im Rahmen des Kartenspiels auftretenden Probleme erfolgreicher lösen konnten; denn zur Aneignung der Spielregeln wurden die Probanden gebeten, eine Einführung in das Experiment an ihrem Bildschirm zu lesen und anschließend ein animiertes und kommentiertes Beispiel anzuschauen. Angesichts der Tatsache, dass während des ersten Termins jeder Proband bis zu 40 Runden von Transform the Target spielte, kann davon ausgegangen werden, dass sich jegliche Differenzen hinsichtlich des Verständnisses der Spielregeln bis zum Ende des ersten Termins egalisierten; diese Annahme wird durch die Nichtexistenz eines positiven Zusammenhangs zwischen Konzentrationsleistung und Erfolg2 gestützt.
4.2.4 Ergebnisse zu Dynamic Capability und Erfolg unter Berücksichtigung möglicher Einflussfaktoren
4.2.4.1 Identifizierung potenzieller Einflussfaktoren Im Hinblick auf die zentrale Forschungsfrage dieser Dissertation kommt insbesondere der Wirkungsbeziehung zwischen Dynamic Capability und dem Erfolg von Zusammenschlüssen auf Gruppenebene eine hohe Bedeutung zu. Um letztlich eine fundierte Aussage zu dieser Beziehung treffen zu können, scheint eine tiefere Analyse möglicher Einflussfaktoren unumgänglich. So sind die bislang diskutierten Korrelationskoeffizienten mit einer gewissen Unsicherheit behaftet; denn ein Einfluss seitens einer dritten Variablen auf die dargelegten bivariaten Zusammenhänge ist durchaus
156
4 Forschungsergebnisse
möglich.621 Deshalb wird in diesem Absatz das Ziel verfolgt, potenzielle Einflussfaktoren zu identifizieren, um diese bei einer Betrachtung des interessierenden Zusammenhangs kontrollieren zu können. Hierdurch wird eine Überprüfung der vierten Forschungshypothese ermöglicht, welche von einem signifikant positiven inkrementellen Beitrag von Dynamic Capability zum Erfolg eines Zusammenschlusses auf Gruppenebene ausgeht. Die in den vorangehenden Kapiteln dargelegten Ergebnisse deuten darauf hin, dass individuelle Fähigkeiten in diesem Zusammenhang zu vernachlässigen sind. Dennoch scheint es sinnvoll, die Gesamtergebnisse des Assessment Centers der Frankfurt School of Finance & Management in die Betrachtung einzubeziehen; denn die Gesamtergebnisse des Assessment Centers, unter welchen neben der Intelligenz auch andere individuelle Fähigkeiten subsumiert sind, weisen einen signifikant positiven Zusammenhang zum Erfolg von Zusammenschlüssen auf Gruppenebene auf. Stärke des Zusammenhangs Variablen AC Gesamtergebnis AC Gesamtergebnis AC Gesamtergebnis AC Gesamtergebnis **
Erfolg2 Erfolg2 (1. Spielphase) Erfolg2 (2. Spielphase) Erfolg2 (gesamt)
rhoPearson
rhoSpearman
0,451** 0,235 0,413*
0,514** 0,167 0,421*
p ≤ 0,01; * p ≤ 0,05 (zweiseitiger Signifikanztest; N = 32)
Tabelle 28: Interdependenzanalyse zwischen AC Gesamtergebnis und Erfolg2
Diese signifikant positive Wirkungsbeziehung könnte darauf zurückzuführen sein, dass es Ziel des Assessment Centers ist, nicht nur jene Kandidaten zu identifizieren, die besonders intelligent sind, sondern vielmehr solche, die zusätzlich in der Lage sind, sich auf neue Situationen einstellen und somit kompliziertere Probleme lösen zu können. Neben den den Gesamtergebnissen des Assessment Centers zugrunde liegenden Fähigkeiten kommen als weitere mögliche Einflussfaktoren grundsätzlich die Vertrautheit sowie der Umstand, wie oft die Gruppenmitglieder in der Vergangenheit bereits
621
Vgl. Bortz/Döring (2006), S. 510.
4.2 Darstellung der Ergebnisse zu den einzelnen Fragestellungen und Hypothesen
157
zusammengearbeitet haben, in Betracht.622 Mit Blick auf die Frage, wie gut sich die Gruppenmitglieder vor dem Experiment bereits kannten, können allerdings keine signifikanten Zusammenhänge festgestellt werden. Ebenso scheint eine Berücksichtigung der Interaktionshäufigkeit ex post betrachtet nicht sinnvoll, da – abgesehen von einer Ausnahme – keine Vierergruppe in dieser Konstellation zuvor zusammengearbeitet hatte. Zudem könnte die Variable Erfolg im ersten Erhebungstermin sachlogisch die Beziehung zwischen Dynamic Capability und dem Erfolg im zweiten Erhebungstermin beeinflussen. So kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Erfolg einer Gruppe im zweiten Erhebungstermin zumindest teilweise darauf zurückzuführen ist, dass die jeweiligen Gruppenmitglieder bereits im ersten Termin erfolgreich waren. Eine erste Betrachtung der Korrelationskoeffizienten bekräftigt diese Annahme. Stärke des Zusammenhangs Variablen rhoPearson Erfolg1 Erfolg1 (1. Spielphase) Erfolg1 (2.Spielphase) Erfolg1 (gesamt) **
Erfolg2 Erfolg2 (1. Spielphase) Erfolg2 (2. Spielphase) Erfolg2 (gesamt)
0,608** 0,288 0,559**
rhoSpearman 0,518** 0,367* 0,537**
p ≤ 0,01; * p ≤ 0,05 (zweiseitiger Signifikanztest; N = 33)
Tabelle 29: Interdependenzanalyse zwischen Erfolg1 und Erfolg2
Die Annahme, dass die Korrelation zwischen Dynamic Capability und dem Erfolg eines Zusammenschlusses auf Gruppenebene durch den Erfolg im ersten Erhebungstermin mitbestimmt ist, wird zudem dadurch bestärkt, dass sich diese Korrelation nicht signifikant von jener zwischen Dynamic Capability und dem Erfolg im ersten Erhebungstermin unterscheidet. Dass kein signifikanter Unterschied zwischen den Korrelationen besteht, ist bereits bei einem ersten Abgleich der korrelativen Untersuchungsergebnisse zu vermuten, da die Korrelation zwischen Dynamic Capability und dem Erfolg im ersten Erhebungstermin mit 0,646 (rhoPearson) beziehungsweise 0,563 (rhoSpearman) ähnlich hoch einzustufen ist wie die zuvor diskutierte Korrelation zwischen Dynamic Capability und dem Erfolg im zweiten Erhebungstermin. Diese
622
Siehe hierzu Kapitel 3.2.3.
158
4 Forschungsergebnisse
Vermutung kann mithilfe der Signifikanzprüfung nach Williams statistisch bestätigt werden.623
T
df
Sig. (2-seitig)
0,042
30
0,967
Korrelation zwischen Dynamic Capability und Erfolg2 (gesamt) (rPearson = 0,651**) Korrelation zwischen Dynamic Capability und Erfolg1 (gesamt) (rPearson = 0,646**) **
p ≤ 0,01 (abhängige Stichprobe; N = 33)
Tabelle 30: Signifikanztest zur Prüfung der Unterschiede der Korrelationen zwischen Dynamic Capability und Erfolg1 und zwischen Dynamic Capability und Erfolg2
Vor diesem Hintergrund scheint es angebracht, den Zusammenhang zwischen Dynamic Capabilities und dem Erfolg von Zusammenschlüssen auf Gruppenebene mithilfe einer Kontrolle etwaiger Einflüsse seitens des Erfolgs im ersten Erhebungstermin sowie seitens der Gesamtergebnisse des Assessment Centers zu isolieren. Dies ist Gegenstand des nächsten Abschnitts.
4.2.4.2 Isolierte Betrachtung der Beziehung zwischen Dynamic Capability und Erfolg Eine Möglichkeit, die Beziehung zwischen Dynamic Capability und Erfolg2 isoliert zu betrachten, besteht in der Berechnung von partiellen linearen Maßkorrelationskoeffizienten. Partialkorrelationen geben den Zusammenhang zweier Variablen an, wobei sie die statistische Eliminierung des Einflusses dritter Variablen ermöglichen. Hierzu wird auf lineare Regressionsschätzungen zurückgegriffen. So werden etwa zur Bestimmung des Zusammenhangs zwischen Dynamic Capability und Erfolg2 unter Berücksichtigung der Kontrollvariablen Erfolg1 zunächst zwei einfache lineare Regressionen geschätzt, von denen eine die Variable Dynamic Capability und die zweite die Variable Erfolg2 jeweils durch die unabhängige Variable Erfolg1 zu erklären versucht. Im nächsten Schritt erfolgt eine Berechnung des partiellen Korrelationskoeffizienten als Pearson Korrelationskoeffizient aus den Residuen der 623
Zur Signifikanzprüfung nach Williams siehe Williams (1959), S. 396ff.; Diehl/Arbinger (1992), S. 382.
4.2 Darstellung der Ergebnisse zu den einzelnen Fragestellungen und Hypothesen
159
Regressionsschätzungen. Sollen anstatt einer mehrere Kontrollvariablen berücksichtigt werden, so erfolgen die beiden Regressionsschätzungen jeweils unter zusätzlichem Einbezug der weiteren möglichen Einflussfaktoren als erklärende Variablen. Das heißt, in diesem Falle wird nicht nur Erfolg1 zur Schätzung der Regressionen herangezogen, sondern darüber hinaus wird das AC Gesamtergebnis als weitere erklärende Variable berücksichtigt.624 Eine solche Eliminierung des Einflusses von mehr als einer Variablen wird als Partialkorrelation höherer Ordnung bezeichnet.625 Um eine differenzierte Analyse der Ergebnisse zu ermöglichen, wurden hier sowohl Partialkorrelationen erster als auch zweiter Ordnung berechnet.
Variablen Dynamic Capability Dynamic Capability Dynamic Capability Dynamic Capability Dynamic Capability Dynamic Capability Dynamic Capability Dynamic Capability Dynamic Capability **
Erfolg2 (1. Spielphase) Erfolg2 (2. Spielphase) Erfolg2 (gesamt) Erfolg2 (1. Spielphase) Erfolg2 (2. Spielphase) Erfolg2 (gesamt) Erfolg2 (1. Spielphase) Erfolg2 (2. Spielphase) Erfolg2 (gesamt)
Konstant Erfolg1 (1. Spielphase) Erfolg1 (2. Spielphase) Erfolg1 (gesamt) AC Gesamtergebnis AC Gesamtergebnis AC Gesamtergebnis Erfolg1 (1.Spielphase); AC Gesamtergebnis Erfolg1 (2.Spielphase); AC Gesamtergebnis Erfolg1 (gesamt); AC Gesamtergebnis
rhopartiell 0,410* 0,377* 0,458** 0,640** 0,478** 0,660** 0,418* 0,370* 0,470**
p ≤ 0,01; * p ≤ 0,05 (zweiseitiger Signifikanztest; N = 27 bis 30)
Tabelle 31: Partialkorrelationen zwischen Dynamic Capability und Erfolg2
Ein Vergleich dieser partiellen Korrelationen mit den zuvor berechneten Korrelationen nach Pearson zeigt zunächst, dass letztere Korrelationskoeffizienten den Sachverhalt grundsätzlich richtig widerspiegeln; denn die partiellen Korrelationen deuten ebenfalls auf signifikant positive Zusammenhänge hin. Dennoch sind die Korrelationskoeffizienten nicht identisch, was wiederum impliziert, dass die Korrelationskoeffizienten nach Pearson aufgrund der Nichtberücksichtung der Einflüsse seitens Erfolg1 und AC Gesamtergebnis Verzerrungen nach oben beziehungsweise Verzerrungen nach unten aufweisen. So bringt eine Kontrolle von Erfolg1 niedrigere Korrelationen mit sich, während die Korrelationen durch eine Kontrolle der Variable AC Gesamtergebnis geringfügig steigen. Niedrigere Korrelationen ergeben sich auch im Falle der Partialkorrelationen zweiter Ordnung, also bei gleichzeitiger Kontrolle von Erfolg1 und AC 624 625
Vgl. Brosius (2008), S. 520; zur Partialkorrelation siehe auch Bortz/Döring (2006), S. 510ff. Vgl. Bortz (2005), S. 447.
160
4 Forschungsergebnisse
Gesamtergebnis. Da die partiellen Korrelationskoeffizienten jedoch durchweg signifikant sind, kann davon ausgegangen werden, dass es sich bei der Wirkungsbeziehung zwischen Dynamic Capability und Erfolg2 nicht um eine Scheinkorrelation handelt.626 Auffällig ist zudem, dass die partiellen Korrelationen, die den Erfolg in der ersten Spielphase nach dem Zusammenschluss der Gruppen betreffen, – analog zu den zuvor berechneten Korrelationskoeffizienten nach Pearson – durchweg höher sind als jene, die sich auf den entsprechenden Erfolg in der zweiten Spielphase beziehen. Dies bekräftigt die zuvor getroffene Annahme, dass Dynamic Capabilities in Zeiten des organisationalen Wandels eine besonders hohe Bedeutung zukommt. Mittels der Partialkorrelationskoeffizienten lässt sich grundsätzlich der Erklärungsanteil von Dynamic Capability an Erfolg2 eruieren. So zeigt eine Quadrierung der Partialkorrelationen zweiter Ordnung, dass Dynamic Capability 22,0 Prozent der Varianz von Erfolg2 (gesamt) beziehungsweise 17,5 Prozent von Erfolg2 (1. Spielphase) aufzuklären vermag.627 Angesichts der Beeinflussung der Beziehung zwischen Dynamic Capability und Erfolg2 durch die Variablen Erfolg1 und AC Gesamtergebnis ist jedoch fraglich, ob Moderatoreffekte vorliegen.628 Demnach gilt es zu überprüfen, ob Erfolg2 mit der Dynamic Capability-Ausprägung umso stärker ansteigt, je höher Erfolg1 beziehungsweise AC Gesamtergebnis ausgeprägt sind. Hierzu wurde eine Moderatoranalyse per multipler Regression durchgeführt; das heißt, mögliche Interaktionseffekte zwischen Erfolg1 beziehungsweise AC Gesamtergebnis und Dynamic Capability wurden berücksichtigt, indem neben den Variablen Dynamic Capability, Erfolg1 und AC Gesamtergebnis die Produkte der möglicherweise interagierenden Variablen als zusätzliche Regressoren in ein Regressionsmodell einbezogen wurden. Um der damit einhergehenden Multikollinearität629 entgegenzuwirken, erfolgte eine Zentrierung der Daten jeglicher Regressoren; das heißt, es wurde jeweils der Mittelwert subtrahiert. Die zentrierten Daten bildeten die Grundlage zum Bilden der Inter-
626 627
628
629
Vgl. Bortz/Döring (2006), S. 510; Cleff (2008), S. 136. Erläuterungen zu Voraussetzungen und zur Aussagekraft quadrierter Korrelationskoeffizienten finden sich beispielsweise bei Kähler (2004), S. 126f. Zu Moderatoreffekten siehe beispielsweise Hair et al. (1998), S. 170f.; Baltes-Götz (2009), S. 8ff.; Urban/Mayerl (2008), S. 294ff. Multikollinearität liegt vor, wenn zwei oder mehr Regressoren deutlich miteinander korrelieren. Zur Multikollinearität siehe beispielsweise Brosius (2008), S. 566ff.; Hair et al. (1998), S. 188ff.
4.2 Darstellung der Ergebnisse zu den einzelnen Fragestellungen und Hypothesen
161
aktionsterme.630 Dieses Vorgehen resultiert in akzeptablen Toleranzwerten beziehungsweise Varianzinflationsfaktoren.631 In diesem Zusammenhang ist jedoch anzumerken, dass trotzdem Kollinearität vorzuliegen scheint; denn Erfolg1 korreliert mit 0,646 (rhoPearson) beziehungsweise 0,563 (rhoSpearman) hoch mit Dynamic Capability. Außerdem weist der Koeffizient Erfolg1 separat betrachtet einen signifikanten Zusammenhang zu Erfolg2 auf, ist jedoch nicht mehr signifikant, sobald Dynamic Capability zusätzlich in die Regression aufgenommen wird. So kann Kollinearität „überhöhte Schätzwerte für die Standardfehler der Regressionskoeffizienten kollinearer Regressoren [mit sich bringen], die wiederum dazu führen, dass die entsprechenden Regressionskoeffizienten aus induktiver Sicht als nicht signifikant bzw. die entsprechenden Regressoren fälschlicherweise als nicht erklärungsfähig gekennzeichnet werden müssen.“632 Grundsätzlich wird empfohlen, in solchen Fällen die Stichprobe zu erweitern oder eine der korrelierenden Variablen aus dem Regressionsmodell zu entfernen.633 In diesem Fall wurde weder eine Stichprobenerweiterung noch eine Eliminierung von Erfolg1 aus dem Regressionsmodell vorgenommen, weil das Vorliegen einer nicht perfekten Kollinearität zur Überprüfung von Moderatoreffekten unproblematisch ist: „[D]er Fit der Regressionsgleichung (also das R2) wird in einem solchen Fall unverzerrt ausgewiesen.“634
2
Modell
R
R
1 2
0,751a 0,758b
0,563 0,575
Änderungsstatistiken
Korrigiertes R2
Standardfehler des Schätzers
Änderung in R2
Änderung in F
df1
df2
0,515 0,490
0,25980 0,26646
0,563 0,011
11,611 0,333
3 2
27 25
Änderung in Signifikanz von F 0,000 0,720
a. Einflussvariablen: (Konstante), Dynamic Capability (zentriert), AC Gesamtergebnis (zentriert), 1. Termin Erfolg (gesamt) (zentriert) b. Einflussvariablen: (Konstante), Dynamic Capability (zentriert), AC Gesamtergebnis (zentriert), 1. Termin Erfolg (gesamt) (zentriert), Interaktionsterm 1 (Dynamic Capability (zentriert)*AC Gesamtergebnis (zentriert)), Interaktionsterm 2 (Dynamic Capability (zentriert)*1. Termin Erfolg (gesamt) (zentriert))
Tabelle 32: Regressionsanalyse zur Überprüfung von Moderatoreffekten
630 631
632 633 634
Siehe hierzu auch Howell (2002); Urban/Mayerl (2008), S. 241. Grundsätzlich sind mit Blick auf Multikollinearität Toleranzwerte unter 0,01 und Varianzinflationsfaktoren über zehn als kritisch einzustufen. Siehe hierzu beispielsweise Brosius (2008), S. 569; Fahrmeir/Kneib/Lang (2009), S. 171. Eckstein (2008), S. 201. Vgl. Cleff (2008), S. 176; Backhaus et al. (2006), S. 92. Brosius (2008), S. 567.
162
4 Forschungsergebnisse
Die Berücksichtigung der Interaktionsterme im Regressionsmodell635 führt zu einer Erhöhung des Bestimmtheitsmaßes R2 um 0,011, welche nicht signifikant von Null verschieden ist. Das heißt, die Aufnahme der Interaktionsterme in das Regressionsmodell trägt nicht signifikant zur Varianzaufklärung bei. Ein Beitrag der Interaktionsterme zur Varianzaufklärung setzt notwendigerweise voraus, dass die jeweiligen Interaktionsterme signifikant sind. Dies ist hier nicht der Fall (Interaktionsterm 1: t = - 0,116; zweiseitige Sig. = 0,909; Interaktionsterm 2: t = - 0,747; zweiseitige Sig. = 0,462), was wiederum den Rückschluss zulässt, dass keine Moderatoreffekte vorliegen. Damit sind die zuvor berechneten Partialkorrelationskoeffizienten, bei deren Berechnung eine Nichtexistenz etwaiger Moderatoreffekte unterstellt wurde, aussagekräftig. Hypothese H4 kann folglich bestätigt werden, so dass davon ausgegangen wird, dass Dynamic Capabilities einen inkrementellen Beitrag zum Erfolg von Zusammenschlüssen auf Gruppenebene leisten.
635
Detailbefunde zum Regressionsmodell finden sich in Anhang 3. Sowohl das Haupteffektmodell als auch das Interaktionseffektmodell sind im vorliegenden Fall insgesamt signifikant. Heteroskedastizität und Autokorrelation liegen nicht vor. Zu Heteroskedastizität und Autokorrelation siehe beispielsweise Backhaus et al. (2006), S. 85ff.; Hackl (2008), S. 174ff.; Assenmacher (2002), S. 163ff.
4.3 Zusammenfassung der Ergebnisse
163
4.3 Zusammenfassung der Ergebnisse Die folgende Tabelle fasst die wichtigsten Ergebnisse der zuvor dargelegten Untersuchungen noch einmal zusammen. Hypothese
Variablen
Erwartete Beziehung
Hypothese bestätigt
H1 H1a H1b H1c H1d
Dynamic Capability Kombination Kooperation Komplexitätsbewältigung Selbstreflexion
Erfolg2 Erfolg2 Erfolg2 Erfolg2 Erfolg2
+ + + + +
ja nein ja ja ja
H2 H2a H2b H2c
individuelle Fähigkeiten individuelle Kompetenz Intelligenz Konzentrationsleistung
Dynamic Capability Dynamic Capability Dynamic Capability Dynamic Capability
+ + + +
nein nein nein nein
H3 H3a H3b H3c
individuelle Fähigkeiten individuelle Kompetenz Intelligenz Konzentrationsleistung
Erfolg2 Erfolg2 Erfolg2 Erfolg2
+ + + +
nein nein nein nein
H4
Dynamic Capability
Erfolg2
+
ja
(Berücksichtigung möglicher Einflussfaktoren)
Tabelle 33: Zusammenfassung der Ergebnisse
Eine nähere Betrachtung dieser Übersicht zeigt, dass Hypothesen H1 und H4, welche einen unmittelbaren Bezug zur zentralen Forschungsfrage dieser Dissertation aufweisen, im Gegensatz zu den Hypothesen H2 und H3 bestätigt werden können. Insgesamt sprechen die dargelegten Ergebnisse hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen individuellen Fähigkeiten und Dynamic Capabilities folglich gegen die zunehmende Forderung, die individuelle Ebene in Studien einzubeziehen, die den Einfluss von Routinen oder Fähigkeiten auf den Erfolg untersuchen;636 denn die die individuelle Ebene betreffenden Hypothesen können in dieser Arbeit mit Blick auf das Dynamic Capability-Konstrukt nicht bestätigt werden. In diesem Kontext könnte der
636
Siehe hierzu Abell/Felin/Foss (2008), S. 489ff.
164
4 Forschungsergebnisse
Umstand relevant sein, dass die Erfassung jeglicher individueller Fähigkeiten möglichst losgelöst von der Laboruntersuchung erfolgte, während das Instrument zur Erhebung von Dynamic Capability speziell auf die Laborsituation angepasst ist. Hier kann eine entsprechende Verzerrung der Dynamic Capability-Daten nicht ausgeschlossen werden. Insofern scheinen individuelle Fähigkeiten in dieser Studie ex-post betrachtet eher als Kontrollgrößen interessant und nicht, um Wirkungsbeziehungen mit Dynamic Capabilities tiefergehend zu analysieren. Hierzu bedarf es – in Einklang mit der Forderung, die individuelle Ebene in Studien einzubeziehen, welche Routinen oder Fähigkeiten betreffen – einer weiteren, eingehenden Untersuchung. Analog zur zweiten Hypothese konnte auch die dritte Hypothese nicht bestätigt werden. Hier ist jedoch ebenfalls anzumerken, dass Erfolg im Zuge der Laboruntersuchung selbst gemessen wurde, während es sich bei den individuellen Daten weitgehend um solche handelt, die im Rahmen des Assessment Centers der Frankfurt School of Finance & Management erhoben wurden. Somit kann für die vorliegende Untersuchung zwar kein Zusammenhang zwischen individuellen Fähigkeiten und dem Erfolg der Zusammenschlüsse auf Gruppenebene konstatiert werden; nichtsdestotrotz beschränken sich jegliche Rückschlüsse primär auf die im Rahmen dieser Studie gewählten Durchführungsbedingungen, welche eben nicht auf die Untersuchung des Zusammenhangs zwischen individuellen Fähigkeiten und Erfolg, sondern auf jene der Wirkungsbeziehung zwischen Dynamic Capability und dem Erfolg von Zusammenschlüssen auf Gruppenebene ausgerichtet waren. Der Frage, inwieweit individuelle Fähigkeiten den Erfolg von Zusammenschlüssen beeinflussen, sollte daher im Zuge künftiger Studien weiter nachgegangen werden, um diesbezüglich eine fundierte, verallgemeinernde Rückschlüsse zulassende Aussage zu ermöglichen. Die im Rahmen dieser Studie existierenden Durchführungsbedingungen wurden speziell mit Blick auf die zentrale Forschungsfrage dieser Arbeit gewählt. So wurde versucht, durch den Rückgriff auf das Kartenspiel Transform the Target einen Zusammenschluss von Organisationseinheiten mit unterschiedlichen Routinen nachzubilden.637 Ziel war es, die zu Beginn postulierte Kausalbeziehung zwischen Dynamic Capabilities und dem Erfolg von Zusammenschlüssen auf Gruppenebene möglichst genau zu untersuchen. Folglich lag der Fokus auf der generell mit Laborexperimenten einhergehenden internen Validität. Durch die in Kapitel 4.2.4 vorgenommene isolierte 637
Siehe hierzu Kapitel 3.1.1 in Verbindung mit Kapitel 3.2.1.1.
4.3 Zusammenfassung der Ergebnisse
165
Betrachtung der Kausalbeziehung wurde versucht zu gewährleisten, dass „sich das experimentelle Ergebnis auch wirklich ursächlich auf die manipulierten Faktoren zurückführen läßt.“638 Die Genauigkeit des Kausalnachweises bringt notwendigerweise eine eingeschränkte externe Validität mit sich.639 Dennoch scheinen auf den hier erlangten Forschungsergebnissen basierende erste Rückschlüsse für tatsächlich auftretende Unternehmenstransaktionen möglich; denn die experimentell geschaffene Realität weist gewisse Parallelen zu dem Realitätsausschnitt auf, auf den sich die zentrale Forschungsfrage dieser Dissertation bezieht.640 Vor dem Hintergrund, dass nicht nur Hypothese H1, sondern auch Hypothese H4 bestätigt werden konnte, ist demnach anzunehmen, dass die Dynamic Capability-Ausprägung mit Blick auf den Erfolg von Zusammenschlüssen von Organisationseinheiten mit unterschiedlichen Routinen bedeutsam ist. Dabei bekräftigen die beobachteten Zusammenhänge die Annahme, dass es gerade der mit einem Zusammenschluss einhergehende organisationale Wandel ist, der die dem Dynamic Capability-Konstrukt inhärente Veränderungsfähigkeit erfordert. Insgesamt bleibt allerdings abzuwarten, ob auch in weiteren Studien ein positiver Zusammenhang zwischen Dynamic Capabilities und dem Erfolg von Zusammenschlüssen konstatiert werden kann. Dabei scheinen zusätzlich im Zuge von Feldstudien zu erlangende Ergebnisse interessant, obgleich diese hinsichtlich des Nachweises der hier untersuchten Kausalbeziehung nur beschränkt aussagekräftig sein werden. Es könnten etwa mithilfe von Beobachtungen oder Interviews ergänzende qualitative Daten im Feld erhoben werden, um den in diesem Experiment empirisch bestätigten Zusammenhang weitergehend zu analysieren und vor allem die Entstehung beziehungsweise die Entwicklung von Dynamic Capability tiefergehend zu erklären.
638 639 640
Eilers (1980), S. 72. Vgl. Fromkin/Streufert (1976), S. 430; Scholl (2003), S. 92; Nakamoto/Brinberg (2003), S. 163. Siehe hierzu Kapitel 3.1.1 in Verbindung mit Kapitel 3.2.1.1.
5
Fazit
Gegenstand dieses Kapitels ist zunächst ein zusammenfassender Rückblick, in welchem die wesentlichen Schritte und Erkenntnisse dieser Arbeit noch einmal prägnant dargelegt werden. Um die erlangten Erkenntnisse besser einordnen zu können, erfolgt im Anschluss daran eine Diskussion der Grenzen der Studie. Darauf schließt sich ein Abschnitt zu Implikationen in Bezug auf den Anwendungskontext an. Den Abschluss bildet letztlich ein Absatz zu Implikationen für die künftige Forschung.
5.1 Zusammenfassung der Arbeit Die Literaturanalyse hat verdeutlicht, dass Mergers & Acquisitions eine extrem hohe Misserfolgsquote aufweisen.641 Um Misserfolge künftig vermeiden zu können, ist eine Identifikation der für einen Unternehmenszusammenschluss entscheidenden Erfolgsvariablen unabdingbar. Deshalb wird gefordert, mögliche Einflussfaktoren in Studien einzubeziehen, die bislang in diesem Zusammenhang nicht untersucht wurden. So wird explizit angeregt, vor allem nichtfinanzielle Dimensionen, wie etwa organisationale Aspekte, zu berücksichtigen.642 Vor diesem Hintergrund bildete die Forschungsfrage, inwieweit Dynamic Capabilities – als ein solcher organisationaler Aspekt – zum Erfolg von Zusammenschlüssen von Organisationseinheiten mit unterschiedlichen Routinen beitragen, den Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit. Zur Beantwortung dieser Forschungsfrage wurden im zweiten Kapitel zunächst theoretische Grundlagen systematisch aufgearbeitet. So beginnt das zweite Kapitel mit einem Abschnitt zu Mergers & Acquisitions, welcher auf den Dynamic CapabilityAspekt abstellt. Im Anschluss daran wurden ausgehend von einer Darlegung und kritischen Diskussion der ressourcenorientierten Sichtweise sowie der zentralen Ansätze der Dynamic Capability-Perspektive erste Rückschlüsse für das im weiteren Verlauf der Dissertation erarbeitete Dynamic Capability-Konstrukt gezogen. Hier hat sich gezeigt, dass das Dynamic Capability-Konstrukt nicht ohne Routinen auskommt, Routinen allein aber nicht ausreichen, um in dem sich unter Umständen schnell verändernden Umfeld eines Unternehmens erfolgreich bestehen zu können. Deshalb 641
642
Vgl. beispielsweise Carleton/Lineberry (2004), S. 8f.; Högemann (2005), S. 541; Jansen (2005), S. 531; King et al. (2004), S. 196; Steinle/Eichenberg/Weber-Rymkovska (2004), S. 456; Strähle (2004), S. 68ff. Vgl. Cartwright/Schoenberg (2006), S. S4.
J. Wollersheim, Dynamic Capabilities im Kontext von Mergers & Acquisitions, DOI 10.1007/978-3-8349-8859-1_5, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
168
5
Fazit
erfolgte im zweiten Kapitel des Weiteren eine strukturierte Aufarbeitung bestehender Literatur aus den Bereichen Routinen und Veränderungsfähigkeit. Dabei wurden neben theoretischen Grundlagen auch empirische Untersuchungen analysiert, um Hinweise hinsichtlich einer möglichen Operationalisierung der Konstrukte zu erlangen. Die auf diese Weise gewonnenen Erkenntnisse wurden schließlich zu einem Begriffsverständnis zusammengeführt. So wurde Dynamic Capability als die Fähigkeit definiert, bestehende Routinen anpassen beziehungsweise aufbrechen und gegebenenfalls entsprechende neue Routinen bilden zu können. Ein Absatz, in welchem die im Rahmen dieser Studie zu überprüfenden Forschungshypothesen formuliert sind, rundet das zweite Kapitel ab. Zur Überprüfung der Forschungshypothesen wurde eine umfangreiche experimentelle Laborstudie durchgeführt, welche den eigentlichen Beitrag der Arbeit ausmacht und im dritten Kapitel näher beschrieben ist. So beginnt das dritte Kapitel mit Ausführungen zum Forschungsdesign und zur wissenschaftstheoretischen Fundierung. Im Anschluss daran sind die verwendeten Erhebungsinstrumente inklusive ihrer Weiterentwicklungen und Voruntersuchungen sowie der konkreten Operationalisierungen beschrieben. Darüber hinaus beinhaltet Kapitel 3 Erläuterungen zur Stichprobenkonstruktion und zur Untersuchungsdurchführung sowie Vorüberlegungen zu den verwendeten statistischen Verfahren. Die mithilfe der experimentellen Laboruntersuchung erlangten Forschungsergebnisse sind schließlich im vierten Kapitel dargelegt. Die Auswertung der Ergebnisse erfolgte hypothesengeleitet, wobei die zuvor formulierten Forschungshypothesen primär einer korrelationsstatistischen Überprüfung unterzogen wurden. Auf diese Weise konnte Hypothese H1 bestätigt werden, so dass von einem positiven Zusammenhang zwischen Dynamic Capability und dem Erfolg von Zusammenschlüssen auf Gruppenebene ausgegangen werden kann. Von den einzelnen Dimensionen des Dynamic Capability-Konstrukts korrelieren abgesehen von Kombination alle mit dem Erfolg von Zusammenschlüssen auf Gruppenebene. Somit wurde hier lediglich die Hypothese H1a verworfen, während die Hypothesen H1b bis H1d bestätigt werden konnten. Der in Hypothese H2 vermutete Zusammenhang zwischen individueller Fähigkeit und Dynamic Capability konnte nicht beobachtet werden. So korrelieren weder individuelle Kompetenz noch Intelligenz oder Konzentrationsleistung mit Dynamic Capability. Infolgedessen sind die Hypothesen H2a bis H2c durchweg zu verwerfen. Ebenso
5.2 Grenzen der Studie
169
konnten die in den Hypothesen H3 und H3a bis H3c angenommenen signifikant positiven Zusammenhänge nicht bestätigt werden. Das heißt, Zusammenhänge zwischen den individuellen Fähigkeiten (individuelle Kompetenz, Intelligenz, Konzentrationsleistung) und dem Erfolg von Zusammenschlüssen auf Gruppenebene konnten empirisch nicht nachgewiesen werden. Mit Blick auf die zentrale Forschungsfrage dieser Arbeit zielt Hypothese H4 auf den inkrementellen Beitrag von Dynamic Capabilities zum Erfolg von Zusammenschlüssen auf Gruppenebene ab. Um etwaige Interdependenzen zwischen Dynamic Capabilities und dem Erfolg von Zusammenschlüssen auf Gruppenebene isoliert betrachten zu können, wurden deshalb neben Korrelationskoeffizienten nach Pearson und Spearman auch partielle Korrelationen gerechnet. Auf diese Weise konnte die zentrale Hypothese dieser Arbeit bestätigt werden. Folglich kann davon ausgegangen werden, dass Dynamic Capabilities einen signifikant positiven inkrementellen Beitrag zum Erfolg von Zusammenschlüssen auf Gruppenebene leisten. Erste Schritte hin zu einem besseren Verständnis der Wirkungsbeziehung zwischen Dynamic Capabilities und dem Erfolg von Zusammenschlüssen auf Gruppenebene wurden hier unternommen.
5.2 Grenzen der Studie Im Folgenden werden mögliche Kritikpunkte an der zuvor dargelegten Studie diskutiert. Dabei wird sowohl auf Grenzen der Forschungsmethode und der Stichprobenzusammensetzung eingegangen als auch auf Einschränkungen hinsichtlich der Erhebungsinstrumente, der Untersuchungsdurchführung und der Auswertung der Ergebnisse. Das Kapitel schließt mit wesentlichen Erfahrungen, die im Zuge des Experiments gesammelt wurden und deren Berücksichtigung für die Zukunft sinnvoll erscheinen. Hinsichtlich der Forschungsmethode liegen die Grenzen der Studie in der mit Laborexperimenten generell einhergehenden geringen externen Validität und damit auch in der Anwendung begründet.643 In Kapitel 3.1.1 erfolgte bereits eine Diskussion, inwieweit die zu Zwecken der Untersuchung gebildeten Zweiergruppen eine organisa643
Zur externen Validität siehe Fromkin/Streufert (1976), S. 430; Scholl (2003), S. 92; Nakamoto/ Brinberg (2003), S. 163.
170
5
Fazit
torische Teileinheit abbilden. Hier hat sich gezeigt, dass ein Abstellen auf Zweiergruppen zwar grundsätzlich zulässig ist; dennoch bleiben bei diesem Vorgehen höhere organisationale Schichten ebenso wie Führungsstrukturen außen vor. Ebenso kann der Zusammenschluss von Zweier- zu Vierergruppen angesichts des generell mit M&ATranskationen einhergehenden Personalabbaus in Frage gestellt werden. Hier könnte eine Abbildung der organisatorischen Teileinheiten durch größere Gruppen helfen, dem Anwendungskontext näher zu kommen und somit eher gerecht zu werden. So würden Gruppen mit mehr als zwei Personen im ersten Erhebungstermin bei der späteren Zusammenführung der Gruppen Entlassungen ermöglichen, ohne dass das Ziel des Aufeinandertreffens von Organisationseinheiten mit unterschiedlichen Arbeitsweisen gefährdet wäre. Mit Blick auf den Anwendungskontext ist des Weiteren anzumerken, dass das experimentelle Design lediglich zur Untersuchung einer vergleichsweise kurzfristigen Sichtweise geeignet ist: Es finden beispielsweise weder langfristige Karriereanreize Berücksichtigung noch können Einstellungen gegenüber Mitgliedern anderer Gruppen hinreichend abgebildet werden; denn die Veränderungen von Einstellungen gegenüber Sicht- und Verhaltensweisen der eigenen Gruppe sowie gegenüber jener anderer Gruppen unterliegen grundsätzlich einem sehr langen Entwicklungsprozess. Dennoch wird die Wahl der Forschungsmethode als angemessen angesehen, da ein zuvor unbekannter Zusammenhang untersucht wird und das Experiment für die Analyse von Ursache-Wirkungs-Beziehungen als effektivste Methode gilt.644 Hier erscheint es sinnvoll, den Fokus zunächst auf die Genauigkeit des Kausalnachweises zu legen und die damit einhergehende eingeschränkte Generalisierbarkeit der Ergebnisse zu tolerieren. Eng hiermit zusammen hängen mögliche Ansatzpunkte zur Kritik an der Stichprobenzusammensetzung. In dieser Studie setzt sich die Stichprobe – wie in der experimentellen Forschungspraxis üblich – ausschließlich aus Studenten zusammen. Die in der Literatur häufig vorzufindende Kritik hinsichtlich des Rückgriffs auf Studenten als Probanden für experimentelle Studien kann im Rahmen dieser Studie allerdings zumindest teilweise vernachlässigt werden.645 So gehen die meisten Probanden dieser Studie einer regelmäßigen Tätigkeit bei einem Unternehmen im Finanzsektor nach. 644
645
Vgl. Huber (2002), S. 71; siehe hierzu auch Sedlmeier/Renkewitz (2008), S. 125; Rack/ Christophersen (2007), S. 19. Zur Kritik hinsichtlich des Rückgriffs auf Studenten als Probanden für experimentelle Studien siehe beispielsweise Elliott et al. (2007); Bortz/Döring (2006), S. 74f.; Sears (1986); Gächter (2009), S. 4; Falk/Dohmen/Sunde (2009), S. 56f.
5.2 Grenzen der Studie
171
Die Studenten, die nicht berufs- beziehungsweise ausbildungsintegriert studieren, sammeln bis zum dritten Semester zum größten Teil zumindest in einem Praktikum erste Berufserfahrung im finanznahen Bereich. Folglich verfügen in der durchgeführten Studie fast alle Probanden nicht nur über einen akademischen Hintergrund, sondern auch über erste Berufserfahrung. Angesichts dessen erscheint die Stichprobenkonstruktion grundsätzlich als angemessen, obgleich die Berufserfahrung der Probanden insgesamt als homogen zu betrachten ist. An dieser Stelle ist jedoch die Relevanz von praktischer Erfahrung für Zwecke der im Rahmen dieser Dissertation durchgeführten Untersuchung zu hinterfragen;646 denn die experimentelle Studie erfolgt unter Rückgriff auf ein Kartenspiel. Insofern sind Auswirkungen etwaiger Berufserfahrung allenfalls auf individueller Ebene (zum Beispiel hinsichtlich der individuellen Kompetenz) zu erwarten. Zudem zielt die vorliegende Untersuchung auf die Ausprägung von Dynamic Capability. Hier ist kein Grund ersichtlich, warum die Wirkung von Dynamic Capability stichprobenabhängig sein sollte. Über die bereits im Zuge der Darlegung der Erhebungsinstrumente genannten Grenzen hinausgehende Kritikpunkte ergeben sich im Bereich des Fragebogens. So erfolgt die Messung der Kompetenz sowohl auf individueller als auch auf Gruppenebene mittels einer Selbsteinschätzung der Probanden. Dabei könnte der Umstand, dass der Experimentator zugleich als Dozent in dem Fach Empirische Sozialforschung fungierte und somit auch außerhalb der Experimente Leistungsnachweise der Teilnehmer zu beurteilen hatte, mit einer teilweise unehrlichen Beantwortung der Fragen einhergehen. Einer sozialen Erwünschtheit beziehungsweise einer Akquieszenz wurde zwar mit den zuvor genannten Techniken entgegengewirkt;647 der Umstand, dass die Probanden zur Beantwortung der Items insgesamt die linke Hälfte der Skala (und somit jene, welche die Zustimmung der Probanden widerspiegelt) verstärkt nutzten, könnte jedoch auf einen eingeschränkten Erfolg dieser Bemühungen hindeuten. Ein weiterer Kritikpunkt könnte darin gesehen werden, dass die Erfassung individueller und gruppenbezogener Aspekte mit ein und demselben Fragebogen die individuelle Differenzierungsfähigkeit stark beansprucht.648 Deshalb wurde der Fragebogen in der vorliegenden Untersuchung sichtbar in verschiedene Bereiche aufgeteilt, wobei den jeweiligen Abschnitten zur Erhebung individueller und gruppenbezogener Aspekte jeweils eine 646 647 648
Siehe hierzu auch Falk/Dohmen/Sunde (2009), S. 56f. Siehe hierzu Kapitel 3.2.2.4. Siehe hierzu auch Wilkens/Keller/Schmette (2006), S. 151.
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5
Fazit
kurze verbale Einführung vorangeht. Trotzdem kann nicht vollkommen ausgeschlossen werden, dass einzelne Probanden hinsichtlich der Differenzierungsfähigkeit an ihre Grenzen gestoßen sind. Letztlich bleibt inhaltlich kritisch anzumerken, dass mithilfe des Fragebogens zusätzlich hätte erhoben werden können, inwieweit die Probanden über Erfahrungen im Kartenspielen verfügen. Hier liegt die Vermutung nahe, dass Personen, die häufig Karten spielen, grundsätzlich besser abschneiden als Personen, die kaum, beziehungsweise gar keine Erfahrung im Kartenspielen aufweisen. Dieser Kritikpunkt kann jedoch insofern relativiert werden, als ein etwaiger Einfluss der Erfahrung durch die nähere Betrachtung des Erfolgs im ersten Erhebungstermin nachträglich kontrolliert wurde. Im Zuge der Untersuchungsdurchführung wurde schließlich versucht, etwaigen Störvariablen, die in dieser Studie nicht separat erhoben wurden, mithilfe der Standardisierung zu begegnen. Folglich kann eine stets gleich bleibende Untersuchungsdurchführung konstatiert werden. Um die hierzu erforderlichen zumindest sinngemäß unveränderten Instruktionen gewährleisten zu können, erfolgte im Vorfeld eine schriftliche Fixierung des genauen Ablaufs, welche Hinweise zu den ergänzenden mündlichen Instruktionen enthält. Das Merkblatt für den Experimentator649 lag bei allen Erhebungsterminen vor. Kritisch ist jedoch zu prüfen, inwieweit ein Versuchsleiter-Erwartungseffekt (auch Rosenthal-Effekt genannt)650 trotz der Standardisierung der Versuchsbedingungen vorlag: Möglicherweise wurden die Probanden seitens des Experimentators unbeabsichtigt beeinflusst, so dass die vorliegenden Ergebnisse gegebenenfalls teilweise auf dessen Erwartungen zurückzuführen sind. Angesichts dessen, dass an den jeweiligen Untersuchungsterminen sowohl Gruppen mit starker als auch mit schwacher Dynamic Capability-Ausprägung gleichzeitig teilnahmen und somit beide Versuchsgruppen den gleichen Bedingungen ausgesetzt waren, sind mögliche Verzerrungen durch einen solchen Versuchsleiter-Erwartungseffekt allerdings unwahrscheinlich. Ein weiterer Kritikpunkt könnte die Auswertung der Forschungsergebnisse darstellen. Dabei liefern sowohl die zu etwaigen Berechnungen herangezogenen Daten Ansatzpunkte zur Kritik als auch die verwendeten Rechenverfahren an sich. Hinsichtlich der den Berechnungen zugrunde liegenden Datenbasis ist zunächst anzumerken, dass Roh649 650
Siehe hierzu Anhang 2. Siehe hierzu Huber (2005), S. 184ff.
5.2 Grenzen der Studie
173
daten für mehrere Analyseebenen vorliegen. So wurden einige Variablen – wie etwa die Intelligenz oder die individuelle Kompetenz – auf individueller Ebene erhoben, während andere Werte – wie zum Beispiel solche zum jeweiligen Erfolg – lediglich auf Gruppenebene vorliegen. Im Zuge der Auswertung besteht die Herausforderung dabei darin, eine unabhängige Verteilung der Variablen zu gewährleisten, da einige Rechenoperationen anderenfalls nicht möglich wären. In der vorliegenden Arbeit wurde dieser Herausforderung durch eine Aggregation der Daten mithilfe der Bildung von Mittelwerten begegnet. Diese Vorgehensweise ist in der Forschungspraxis zwar durchaus üblich, bringt aber einen Informationsverlust mit sich.651 Mit Blick auf die verwendeten Rechenverfahren ergeben sich insofern Ansatzpunkte zur Kritik, als diese lediglich eine Betrachtung linearer Zusammenhänge ermöglichen. Dies gilt sowohl für Korrelationskoeffizienten nach Pearson und Spearman als auch für die berechneten Partialkorrelationen. Folglich kann die Existenz nichtlinearer Zusammenhänge, etwa zwischen individuellen Fähigkeiten und dem Dynamic Capability-Konstrukt, in der vorliegenden Untersuchung nicht ausgeschlossen werden. In diesem Zusammenhang sei zudem angemerkt, dass die Normalverteilungsannahme bezüglich der Variable Dynamic Capability verletzt ist, was – wie bereits in Kapitel 3.5 erläutert – bei einem Rückgriff auf parametrische Verfahren wiederum zu verzerrten Ergebnissen führen kann. Insofern sind die in dieser Arbeit dargelegten Forschungsergebnisse entsprechend vorsichtig zu interpretieren. Abschließend sei angemerkt, dass die Durchführung des Experiments insgesamt zufriedenstellend verlaufen ist. Nichtsdestotrotz konnten hier Erfahrungen gesammelt werden, deren Berücksichtigung für die Durchführung künftiger Laborexperimente sinnvoll erscheinen. So sollte, wenn möglich, vermieden werden, dass der Experimentator auch außerhalb des Experiments Berührungspunkte mit den Probanden hat. Insbesondere eine Funktion als Dozent, welche die Beurteilung von Leistungsnachweisen der Probanden mit sich bringt, scheint mit Blick auf die bereits angeführten Gründe suboptimal zu sein. Des Weiteren besteht hinsichtlich der Untersuchungsdurchführung Optimierungspotenzial: Da das Experiment anstatt in einem für Forschungszwecke eingerichteten Labor in einem Computerraum stattgefunden hat, saßen bis zu 20 Personen gleichzeitig in einem Raum, in dem die einzelnen Arbeitsplätze physisch nicht voneinander getrennt waren. Dies birgt zum einen die Gefahr 651
Siehe hierzu auch Kraus (2009a), S. 69.
174
5
Fazit
einer gewissen Unruhe im Raum; zum anderen kann nicht verhindert werden, dass einzelne Probanden zeitweise auf fremde Bildschirme schauen. Diesem Problem wurde in der vorliegenden Studie Rechnung getragen, indem zuvor darauf hingewiesen und die Probanden zu einem entsprechend disziplinierten Verhalten angehalten wurden. Obwohl Beobachtungen während des Experiments zeigten, dass der Problematik damit hinreichend begegnet werden konnte, erscheint es angebrachter, künftige Laborexperimente in eigens dafür eingerichteten Laboren durchzuführen.
5.3 Implikationen in Bezug auf den Anwendungskontext Obgleich die Relevanz der Arbeit – wie bereits in Kapitel 1.1.2 diskutiert – primär im theoretischen Bereich begründet liegt und tiefergehende Erkenntnisse bezüglich des Anwendungskontextes ergänzender Untersuchungen im Feld bedürfen, lassen sich auf Basis des im Zuge dieser Arbeit erlangten Forschungsergebnisses bereits erste Handlungsempfehlungen für die Praxis ableiten. So ergeben sich zunächst Implikationen für Unternehmen, die an einem Zusammenschluss oder einer Übernahme interessiert sind, sowie für Personen, die im M&A-Prozess beratend tätig werden. Für sie ist die hier beobachtete Wirkungsbeziehung insofern relevant, als dass sie eine Berücksichtigung von Dynamic Capabilities im Rahmen der Due Diligence nahe legt. Durch eine Integration der Analyse von Dynamic Capabilities in den Due DiligenceProzess lassen sich bereits im Vorfeld einer M&A-Transaktion erste Rückschlüsse bezüglich der Dynamic Capability-Ausprägung eines Unternehmens ziehen. Wird im Zuge der Due Diligence eine schwache Dynamic Capability-Ausprägung entdeckt, so sollte entweder von einem Zusammenschluss mit dem betreffenden Unternehmen abgesehen oder frühzeitig mit der Einleitung entsprechender Dynamic Capability förderlicher Maßnahmen begonnen werden. Die Einleitung von Dynamic Capability förderlichen Maßnahmen sollte grundsätzlich mittels einer entsprechenden Gestaltung der Rahmenbedingungen erfolgen. Dieses Vorgehen wurde bereits von Schreyögg/Kliesch in Bezug auf die Entwicklung organisationaler Kompetenz vorgeschlagen und scheint in der Theorie allgemein akzeptiert zu sein.652 Die von den Autoren als Ansatzpunkte empfohlenen Rahmenbedingungen Unternehmenskultur, Organisationales Lernen und Organisationsstruktur 652
Vgl. Schreyögg/Kliesch (2003b), S. 50ff. in Verbindung mit Barthel/Zawacki-Richter/Hasebrook (2006), S. 347ff.; North/Reinhardt (2005), S. 35ff.
5.3 Implikationen in Bezug auf den Anwendungskontext
175
konnten im Rahmen einer Best Practice-Analyse auf Basis der Datenbank der European Foundation for Quality Management als kompetenzförderlich bestätigt werden.653 Aufgrund des engen Zusammenhangs der organisationalen Kompetenz mit dem hier vertretenen Dynamic Capability-Verständnis erscheint es zulässig, die in der Literatur zur organisationalen Kompetenz vorzufindenden Erkenntnisse auf den Dynamic Capability-Bereich zu übertragen. Folglich wird hier empfohlen, die von Schreyögg/Kliesch vorgeschlagenen Rahmenbedingungen derart zu gestalten, dass sich Dynamic Capabilities möglichst gut entwickeln können. Hinsichtlich der Unternehmenskultur scheint es zum Beispiel angebracht, ausgehend von einem positiven Menschenbild eine Offenheit für neue Impulse zu fördern und Lernängste der Mitarbeiter zu minimieren, während der Fokus bezüglich des Organisationalen Lernens etwa auf der Förderung von Lerntypen liegen sollte, die mit dem Hinterfragen als erfolgreich geltender Vorgehensweisen einhergehen (also dem Double-Loop- beziehungsweise dem Deutero-Learning nach Argyris).654 Ebenso sollte die Organisationsstruktur zwar ein gewisses Maß an Stabilität gewährleisten, zugleich aber auch die Veränderungsfähigkeit fördern; das heißt, von zu starren Strukturen eines Unternehmens ist hier abzusehen. Neben den generell als Dynamic Capability förderlich zu gestaltenden Rahmenbedingungen scheint es des Weiteren vorteilhaft, im Falle eines bevorstehenden oder kürzlich vollzogenen Unternehmenszusammenschlusses zusätzliche Maßnahmen einzuleiten. Mit Blick auf die dem Dynamic Capability-Konstrukt inhärente Veränderungsfähigkeit scheint vor allem eine Stärkung der Selbstreflexion als unumgänglich. Hier könnte etwa eine Einführung von regelmäßigen Sitzungen erfolgen, um Arbeitsprozesse kritisch zu reflektieren und innerhalb der Gruppe einander Rückmeldung zu geben. Gegenseitige Rückmeldungen können vor allem in der Integrationsphase nützlich sein, um der Gefahr des Merger-Syndroms entgegen zu wirken.655 In der Integrationsphase scheint zudem eine klare Regelung der Verantwortlichkeiten als notwendig, was wiederum mit einer Stärkung der Komplexitätsbewältigungsdimension nach Wilkens et al. einhergeht. Um analog die Dimension Kombination zu fördern, könnten etwa gezielt Kreativitätstechniken zum Einsatz kommen, welche die Generierung neuer Problemlösungsstrategien ermöglichen. Zur 653 654 655
Siehe hierzu Wollersheim/Zawacki-Richter/Barthel (2007), S. 193ff. Siehe hierzu Argyris (1976; 2002). Zum Merger-Syndrom siehe beispielsweise Pribilla (2002), S. 446; Rohmert (1999), S. 48; Jansen/ Pohlmann (2000), S. 33; Jaeger (2001), S. 52ff.
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5
Fazit
Stärkung der Kooperation könnten letztlich Kontaktplätze – wie zum Beispiel eine Cafeteria – eingerichtet werden; denn solche Kontaktplätze führen in der Regel zu einem verbesserten Kommunikationsfluss im Unternehmen.656 Diese beispielhaft angeführten Maßnahmen können zu einer zunehmenden Dynamic Capability-Ausprägung führen, was im Umkehrschluss wiederum mit einer erhöhten Attraktivität des jeweiligen Unternehmens mit Blick auf anstehende M&A-Transaktionen einhergeht. Sofern Dynamic Capabilities über eine systematische Bewertung des Kompetenzkapitals von Unternehmen Einzug in die Preisfindung einer M&ATransaktion finden, kann sich diese erhöhte Attraktivität sogar unmittelbar in dem entsprechenden Kaufpreis widerspiegeln. An dieser Stelle sei noch angemerkt, dass Dynamic Capability förderliche Maßnahmen auch außerhalb des M&A-Kontextes hilfreich sein können. So kann davon ausgegangen werden, dass Dynamic Capabilities in jeglichen Situationen organisationalen Wandels erfolgsförderlich wirken; Unternehmenszusammenschlüsse sind letztlich als Beispiel für einen solchen organisationalen Wandel zu sehen.657 Insofern bleibt abschließend festzuhalten, dass es insbesondere wichtig ist, die Bedeutung von Dynamic Capabilities in das Bewusstsein einer jeden Organisation zu rücken, so dass dem Thema eine angemessene Bedeutung beigemessen wird.
5.4 Implikationen für die zukünftige Forschung Die im Rahmen dieser Dissertation durchgeführte empirische Untersuchung bietet neben Implikationen für die Praxis auch Ansatzpunkte für weitere Forschungsbemühungen. So deuten die hier erzielten Ergebnisse darauf hin, dass auf Gruppenebene ein Zusammenhang zwischen dem Ausprägungsgrad von Dynamic Capability und dem Erfolg eines Zusammenschlusses besteht. Insofern scheint es zunächst sinnvoll, den Untersuchungsgegenstand in der Erfolgsfaktorenforschung zu Mergers & Acquisitions auf das Dynamic Capability-Konstrukt zu lenken; denn eine Durchführung solcher Studien könnte bisherige Forschungsbemühungen ergänzen und somit langfristig einen Beitrag zu der Frage leisten, warum manche M&A-Transaktionen erfolgreicher sind als andere. In diesem Zusammenhang scheint des Weiteren eine 656 657
Vgl. Wilkens et al. (2007), S. 124ff. Vgl. Vaara (2002), S. 212; Thompson/Wallace/Flecker (1992), S. 285.
5.4 Implikationen für die zukünftige Forschung
177
noch detailliertere Untersuchung des Dynamic Capability-Konstrukts unerlässlich: Das im zweiten Kapitel erarbeitete Dynamic Capability-Verständnis weist gewisse Parallelen zu dem in der Literatur vorzufindenden Konstrukt der Ambidextrie auf; denn Ambidextrie beschreibt die Fähigkeit eines Unternehmens, vorhandene Ressourcenbestände zu nutzen und zugleich hinreichend flexibel zu sein, um in einem durch Unsicherheit geprägten Umfeld erfolgreich bestehen zu können.658 Diese Fähigkeiten sind maßgeblich auf die Arbeit von March zurückzuführen, der in diesem Zusammenhang von Exploitation und Exploration spricht: „Exploration includes things captured by terms such as search, variation, risk taking, experimentation, play, flexibility, discovery, innovation. Exploitation includes such things as refinement, […], efficiency, […], implementation, execution.”659 In einer aktuellen Langzeitstudie konnte die weit verbreitete Vermutung, dass eine Balance zwischen Exploitation und Exploration förderlich auf den nachhaltigen Erfolg eines Unternehmens wirkt, bestätigt werden.660 In der vorliegenden Arbeit hängt der Ausprägungsgrad der Dynamic Capabilities jedoch einzig und allein von der Veränderungsfähigkeit ab, während im Hinblick auf Routinen lediglich auf deren Existenz abgestellt wird.661 Aus theoretischer Sicht ist dies zwar durchaus vertretbar;662 eine empirische Untersuchung der genauen Zusammenhänge erscheint im Hinblick auf neuere Erkenntnisse im Forschungsbereich zur Ambidextrie von Unternehmen aber angebracht. Eng hiermit zusammen hängt die Frage, wie sich Dynamic Capabilities konkret bilden. Zur Beantwortung dieser Forschungsfrage könnte die Analyse individueller Fähigkeiten aufschlussreich sein. In der Literatur wird aktiv gefordert, die individuelle Ebene in Studien, die den Einfluss von Routinen oder Fähigkeiten auf den Erfolg untersuchen, zu berücksichtigen.663 Dies erfolgte in der vorliegenden Dissertation bereits ansatzweise; dabei deuten die erzielten Ergebnisse allerdings darauf hin, dass individuellen Fähigkeiten mit Blick auf etwaige Interdependenzen zwischen Dynamic Capabilities und dem Erfolg von Zusammenschlüssen nur eine geringe Bedeutung zukommt. Inwieweit diese Ergebnisse durch künftige Studien bestätigt werden 658
659 660 661 662 663
Vgl. Birkinshaw/Gibson (2004); Gibson/Birkinshaw (2004); Tushman/O’Reilly (1996); Güttel (2007); Gupta/Smith/Shalley (2006); Benner/Tushman (2003); Raisch et al. (2009); Luo/Rui (2009),S. 50f. March (1991), S. 71. Siehe hierzu Uotila et al. (2009), S. 221ff. Siehe hierzu Kapitel 2.4. Vgl. Kapitel 2.4. Siehe hierzu Abell/Felin/Foss (2008), S. 489ff.
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Fazit
können, bleibt abzuwarten; denn es ist nicht auszuschließen, dass die Nichtexistenz eines linearen Zusammenhangs im Zuge der durchgeführten Untersuchung einzig und allein auf die Laborsituation zurückzuführen ist. Hier könnten insbesondere Studien, deren Hauptforschungsfrage auf den Zusammenhang zwischen individuellen Fähigkeiten und Erfolg abzielt, zu wichtigen Erkenntnissen führen. Vor dem Hintergrund, dass in dieser Studie lediglich ausgewählte individuelle Fähigkeiten untersucht wurden, könnte zudem eine Analyse weiterer individueller Fähigkeiten zu wichtigen Erkenntnissen führen. In diesem Zusammenhang scheint es angesichts der hier beobachteten signifikant positiven Korrelation zwischen Schwankungsbreite und Dynamic Capability des Weiteren interessant, tiefergehend zu untersuchen, inwieweit die Abweichung von der in Routinen liegenden Konstanz die Grundlage für Dynamic Capabilities bildet. Ein weiterer Ansatzpunkt für zukünftige Forschungsarbeiten findet sich im Bereich der zur Ergebnisauswertung verwendeten Datenbasis. So wurde in den Grenzen der Studie bereits darauf hingewiesen, dass die im Zuge dieser Dissertation vorgenommene Aggregation der Daten mithilfe des Bildens von Mittelwerten mit einem erheblichen Informationsverlust einhergeht. Um einen solchen Informationsverlust zu vermeiden, wird in jüngster Zeit zunehmend die Durchführung von Mehrebenenanalysen gefordert.664 Deren Anwendung wird als angemessen erachtet, wenn „the units of analysis are nested within higher units of analysis and dynamics at the higher level influence outcomes at the lower level.“665 Damit setzt die Mehrebenenanalyse an der grundsätzlichen Problematik einer jeden Zusammenhangsanalyse an: Im Gegensatz zu herkömmlichen Zusammenhangsanalysen ist die Mehrebenenanalyse nämlich in der Lage, nicht nur eine Untersuchungsebene zu betrachten, sondern mehrere Analyseebenen in die Berechnungen einzubeziehen.666 Insofern erscheint es interessant zu sehen, ob – beziehungsweise inwieweit – ein Rückgriff auf eine solche differenzierte Auswertungsmethode die in der vorliegenden Arbeit erzielten Forschungsergebnisse bestätigen kann.
664
665 666
Vgl. beispielsweise Kraus (2009a), S. 68ff.; Kraus (2009b), S. 109ff. Zur Mehrebenenanalyse siehe beispielsweise Hox (2002); Hofmann/Gavin (1998); Nezlek/Zyzniewski (1998); Langer (2009); Ditton (1998). Reagans/Argote/Brooks (2005), S. 874. Vgl. Kraus (2009a), S. 68ff.
5.4 Implikationen für die zukünftige Forschung
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Abschließend bleibt anzumerken, dass die in dieser Arbeit untersuchte Kausalbeziehung erstmalig Gegenstand einer experimentellen Studie war. Hier könnten weitere Studien ansetzen, um die erzielten Ergebnisse zu bestätigen, beziehungsweise deren Aussagekraft zu stärken. Dies könnte beispielsweise unter Rückgriff auf eine andere – gegebenenfalls realitätsnähere – Aufgabe zur Routinierung des Problemlösungsverhaltens der Probanden geschehen. Zudem wären andere Vorgehensweisen zur Erhebung des Dynamic Capability-Konstrukts denkbar. So könnten etwa ergänzende Interviews oder Beobachtungen im Feld zu einem tieferen Verständnis beitragen. Obgleich Interviews und Beobachtungen im Feld bezüglich des Nachweises der hier untersuchten Kausalbeziehung nur beschränkt aussagekräftig sein werden, erscheint die Durchführung von Feldstudien im Hinblick auf eine Generalisierbarkeit der Ergebnisse als interessant. In diesem Zusammenhang stellen Knez/Camerer bereits treffend fest: „[L]aboratory data might suggest possibilities which inspire theorizing and suggest interesting kinds of field data to collect.”667
667
Knez/Camerer (1994), S. 108.
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Anhang Anhangsübersicht Anhang 1: Fragebogen ............................................................................................ 214 Anhang 2: Merkblatt für den Experimentator......................................................... 220 Anhang 3: Detailbefunde zur Überprüfung von Moderatoreffekten ...................... 222
J. Wollersheim, Dynamic Capabilities im Kontext von Mergers & Acquisitions, DOI 10.1007/978-3-8349-8859-1, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
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Anhang 1: Fragebogen
J. Wollersheim, Dynamic Capabilities im Kontext von Mergers & Acquisitions, DOI 10.1007/978-3-8349-8859-1, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
Anhang
Anhang
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Anhang 2: Merkblatt für den Experimentator 1) Begrüßung und Zuweisung der jeweiligen Arbeitsplätze 2) Kurze Erläuterung des Hintergrunds der Experimente - Experiment wird im Rahmen der Dissertation von Jutta Wollersheim durchgeführt - Passt gut als Anwendungsbeispiel in die Vorlesung Empirische Sozialforschung - Es wird ein Kartenspiel am Computer durchgeführt; Sinn und Ziel des Experiments werden erst am Ende des zweiten Untersuchungstermins bekannt gegeben - Probanden lernen, wie man das Kartenspiel spielt (Regeln lesen, Fragen dürfen gestellt werden; ein Durchgang wird Schritt für Schritt gezeigt; dann startet für alle gleichzeitig das Spiel) - Regeln wirken zunächst verwirrend, aber durch das Training sollten die Regeln klar werden - Alle müssen zu zweitem Termin noch einmal erscheinen, um sechs Leistungspunkte und Geld zu erhalten - Wichtig: Man spielt miteinander und nicht gegeneinander; das heißt, es gibt keinen Wettbewerb in der eigenen Gruppe; Probanden spielen jeweils im Team und verdienen Geld im Team - Zeigen, wie das Computerprogramm gestartet werden kann 3) TTT-Regeln NK bzw. TTT-Regeln CK und Beantwortung der Fragen - „Bitte lesen Sie nun die Spielregeln. Wenn alle fertig sind, haben Sie die Möglichkeit, Fragen zu stellen“ 4) Probanden starten das Training - Auf allen Computern wird ein Durchgang Schritt für Schritt gezeigt und mit entsprechenden schriftlichen Erläuterungen untermauert 5) Experimentator fasst die wesentlichen Regeln noch einmal mündlich zusammen - Es gibt zwei Rollen: Colorkeeper und Numberkeeper; den Rollen kommt aber nur im Hinblick auf den Platz, der mit dem Wort „Ziel“ gekennzeichnet ist, eine Bedeutung zu J. Wollersheim, Dynamic Capabilities im Kontext von Mergers & Acquisitions, DOI 10.1007/978-3-8349-8859-1, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
Anhang
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- Der Colorkeeper beginnt immer - Man darf nur mit Karten auf dem Spielfeld tauschen, nicht mit der Karte, die der Mitspieler in der Hand hält - Wenn man mit einer verdeckten Karte tauscht, sieht der Mitspieler nicht, um welche Karte es sich hierbei handelt; die eigene Karte wird nämlich wieder verdeckt auf das Spielfeld gelegt - Züge kosten Geld, so dass sie nicht verschwendet werden sollten; andererseits wird Geschwindigkeit belohnt, indem für jede erfolgreich absolvierte Runde 50 Cent gezahlt werden. Folglich müssen Probanden möglicht schnell vorgehen, ihre Züge aber gut durchdenken - Aussetzen zählt auch als Zug und kostet somit ebenfalls fünf Cent 6) Umgang mit dem Computer kurz erläutern - „Pass“-Button unten rechts betätigen, wenn man aussetzen möchte - Eigene Karte mit der Maus auf die Karte ziehen, mit der man tauschen möchte (Doppelklick funktioniert nicht) 7) Experimentator startet für alle gleichzeitig die erste Spielphase 8) Pause - Experimentator achtet darauf, dass nur über das Spiel gesprochen oder anderenfalls die zweite Spielphase eingeleitet wird 9) Online-Fragebogen nach der zweiten Spielphase ausfüllen lassen 10) d2-Test durchführen bzw. Feedback zu d2-Test geben 11) Für die Teilnahme danken 12) Im ersten Termin auf zweiten Termin hinweisen und Datum nochmal nennen
222
Anhang
Anhang 3: Detailbefunde zur Überprüfung von Moderatoreffekten Modellzusammenfassung: Modell 1 2
R 0,751a 0,758b
R2 0,563 0,575
Änderungsstatistiken
Korrigiertes R2
Standardfehler des Schätzers
Änderung in R2
Änderung in F
df1
df2
Änderung in Sig. von F
DurbinWatsonStatistik
0,515 0,490
0,25980 0,26646
0,563 0,011
11,611 0,333
3 2
27 25
0,000 0,720
1,587
a. Einflussvariablen: (Konstante), Dynamic Capability (zentriert), AC Gesamtergebnis (zentriert), 1. Termin Erfolg (gesamt) (zentriert) b. Einflussvariablen: (Konstante), Dynamic Capability (zentriert), AC Gesamtergebnis (zentriert), 1. Termin Erfolg (gesamt) (zentriert), Interaktionsterm 1 (Dynamic Capability (zentriert)*AC Gesamtergebnis (zentriert)), Interaktionsterm 2 (Dynamic Capability (zentriert)*1. Termin Erfolg (gesamt) (zentriert))
ANOVA: Modell 1
2
Quadratsumme
Df
Mittel der Quadrate
F
Signifikanz
2,351 1,822 4,174 2,398 1,775 4,174
3 27 30 5 25 30
0,784 0,067
11,611
0,000
0,480 0,071
6,756
0,000
Regression Residuen Gesamt Regression Residuen Gesamt
Koeffizienten: Nicht standardisierte Koeffizienten
Standardisierte Koeffizienten
Modell
1
(Konstante) Dynamic Capability (zentriert) 1. Termin Erfolg (gesamt) (zentriert) AC Gesamtergebnis (zentriert)
2
(Konstante) Dynamic Capability (zentriert) 1. Termin Erfolg (gesamt) (zentriert) AC Gesamtergebnis (zentriert) Interaktionsterm 1 (zentriert) Interaktionsterm 2 (zentriert)
Kollinearitätsstatistik T
B
Standardfehler
0,744
0,047
0,312
0,113
0,122
Sig.
Beta
Toleranz
VIF
15,884
0,000
0,472
2,769
0,010
0,556
1,798
0,093
0,222
1,315
0,200
0,567
1,764
0,070
0,031
0,290
2,236
0,034
0,964
1,038
0,776
0,062
12,456
0,000
0,302
0,117
0,457
2,587
0,016
0,546
1,830
0,068
0,120
0,124
0,568
0,575
0,358
2,796
0,071
0,032
0,294
2,207
0,037
0,961
1,041
-0,008
0,070
-0,016
-0,116
0,909
0,908
1,101
-0,128
0,171
-0,147
-0,747
0,462
0,438
2,283
J. Wollersheim, Dynamic Capabilities im Kontext von Mergers & Acquisitions, DOI 10.1007/978-3-8349-8859-1, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010