Stefan Weinacht · Helmut Scherer (Hrsg.) Wissenschaftliche Perspektiven auf Musik und Medien
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Stefan Weinacht · Helmut Scherer (Hrsg.) Wissenschaftliche Perspektiven auf Musik und Medien
Musik und Medien Herausgegeben von Holger Schramm
Stefan Weinacht Helmut Scherer (Hrsg.)
Wissenschaftliche Perspektiven auf Musik und Medien
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
. . 1. Auflage 2008 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008 Lektorat: Monika Mülhausen / Tanja Köhler Der VS Verlag für Sozialwissenschaften ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: Krips b.v., Meppel Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in the Netherlands ISBN 978-3-531-15274-5
Inhaltsverzeichnis
„Musik und Medien“ auf dem Weg aus dem Niemandsland der Disziplinen...... 7 Stefan Weinacht und Helmut Scherer
I Musikwirtschaft Musik im Spannungsfeld von Wirtschaftsgut und kulturellem Angebot ........... 19 Mike Friedrichsen Die Krise der Musikindustrie: Diskussion bisheriger und potenzieller Handlungsoptionen ............................................................................................. 39 Stephan Kaiser und Max Ringlstetter Am Anfang war mal das Wort… Aktuelle Trends in der Produktpolitik der Kultur-Radios ..................................................................................................... 57 Michael Becker
II Musik als Medieninhalt Music’s in the air – and everywhere... Musik als Teil des Medienangebots...... 65 Ines Vogel und Uli Gleich Musikjournalismus – Ergebnisse aus der wissenschaftlichen Forschung .......... 85 Gunter Reus Mehr als Musik: Die sieben Dimensionen des Eurovision Song Contests....... 103 Irving Wolther
III Podiumsdiskussion Erfolgsmacher oder Erfüllungsgehilfen? Das Wechselverhältnis zwischen Medien und Musikindustrie.............................................................................. 119
6 IV Musikrezeption und -wirkung Rezeption und Wirkung von Musik in den Medien ......................................... 135 Holger Schramm „Lost in Music“ oder „Musik für eine andere Wirklichkeit“? Zur Sozialisation Jugendlicher mit Musik und Medien ................................... 155 Dagmar Hoffmann Filmmusik und Emotionen ............................................................................... 177 Dagmar Unz, Frank Schwab und Jelka Mönch Visualisierung von Musik................................................................................. 193 Christoph Hempel
V Bibliographie Musik und Medien – eine Auswahlbibliografie ............................................... 207 Holger Schramm und Stefan Weinacht
Verzeichnis der Autoren ................................................................................... 227
„Musik und Medien“ auf dem Weg aus dem Niemandsland der Disziplinen Stefan Weinacht und Helmut Scherer
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Das lange ungeliebte Thema
„Musik und Medien“ scheint sich als Thema sowohl für die Kommunikationswissenschaft als auch für die Musikwissenschaft geradezu aufzudrängen. Musik spielt für die Medien ganz offensichtlich eine überragende Rolle. Dies gilt für den Hörfunk, fürs Fernsehen, für die Printmedien, aber auch für das Internet. Im Hörfunk ist Musik der hauptsächliche Medieninhalt. Die Dominanz der Musik im Hörfunk geht vielen Medienkritikern sogar zu weit. Häufig werden mehr Informationen gefordert, und das böse Wort vom Dudelfunk macht die Runde. Im Fernsehen nimmt Musik vielfältige Funktionen ein. Sie kann der hauptsächliche Programminhalt sein, sie dient als Hintergrund, sie überbrückt Pausen, und sie wird zur Untermalung und Intensivierung der visuellen Inhalte eingesetzt. Musik-Events und Musiker bieten oft den Anlass für Boulevard-Geschichten. Auf solche Inhalte greifen auch Printmedien gerne zurück. Stars aus der Musikwelt mit ihrem gelegentlich exzessiven Lebensstil bieten reichhaltig Stoff für die bunten Seiten, für Boulevard-Zeitungen und People Magazine. Viele Zeitschriften enthalten überdies CD-Tipps. Auch im Internet spielen musikbezogene Inhalte und Musik eine zentrale Rolle. Auf speziellen Seiten tauschen sich Fans aus, Musiker haben ihre eigenen Homepages. Man kann im Internet Musik tauschen oder erwerben. Diese Aufzählung sollte auch deutlich machen, welche Rolle umgekehrt die Medien für den Musikbereich spielen. Der weitaus größte Teil der Musikrezeption ist medienvermittelt. Die Medien haben auch deshalb eine überragende ökonomische Bedeutung für den Musikmarkt. Zum einen dienen die Medien als zentrale Marketing-Plattform für Musik, zum anderen stellen sie selbst einen wichtigen Bestandteil der Wertschöpfungskette dar. Dadurch haben die Medien einen enormen Einfluss auf die Produktionsbedingungen von Musik. Das Radiodiktat der Drei-Minuten-Songs beherrscht bis heute die Single-Produktion. Die technischen Anforderungen der medialen Verbreitung wirken sich auf die Wahl der Aufnahmequalität als Mindeststandard aus. Das Aufkommen audiovisueller Medien hat nicht nur die Integration des visuellen Kommunikationskanals in
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Musikaufnahmen erfordert und dadurch eigene Kunstformen wie das Musikvideo gefördert. Es hat auch den Künstler in seiner Selbstdarstellung und Vermarktung vor neue Anforderungen hinsichtlich Attraktivität und Spektakel seiner Darbietungen gestellt. Häufig sind die Reaktionen von Medienvertretern ein wichtiger Früh-Indikator für den Künstler zur Frage: Was kommt an, was nicht? Die Medien sind nicht in der Lage, die ganze Breite des Musikangebots abzubilden. Deshalb wird ausgewählt, welche Künstler mit welchen Stücken im Programm stattfinden. Die Medien wählen aber auch aus, welche Passagen der Stücke eines Künstlers den Weg zum Massenpublikum finden, sei es nun in der Übertragung klassischer Werke, deren Gesamtdauer in der Regel jedes mediale Format überschreitet, oder noch verschärft in der Verwendung als Hintergrundmusik für redaktionelle Beiträge oder Werbespots, die in der Regel lediglich Verwendung für ein paar Takte finden. Die jüngste Form medialer Vermittlung von Musik, der Klingelton, hat diese Entwicklung vorerst auf die Spitze getrieben. Sie wäre nicht erwähnenswert, würde sich nicht jede dieser medialtechnischen Entwicklungen wie bereits erwähnt auf die Produktion von Musik in Form von spezialisierten Anfertigungen, den damit einhergehenden Unternehmensgründungen und den dadurch veränderten Akteurskonstellationen am Musikmarkt insgesamt auswirken. Obwohl es also gute Argumente dafür gibt, dem Thema Medien und Musik in Musik- und Medienwissenschaft eine große Aufmerksamkeit zu schenken, ist es lange Zeit in beiden Wissenschaften eher ein Randthema geblieben. Es stellt sich die Frage, warum dies so ist. Da spielt zum einen natürlich die nahezu zwangsweise geforderte Interdisziplinarität eine gewisse Rolle. Kaum ein Forscher wird in der Lage sein, in ausreichendem Maße musik- und kommunikationswissenschaftliche Kompetenzen zu erwerben: Es wird also in der Regel Teamarbeit notwendig werden. Diese Zusammenarbeit zwischen den Disziplinen ist sicherlich nicht problemfrei, schließlich treffen hier unterschiedliche Methodologien, Fachsprachen und Paradigmen aufeinander. Dies sind wichtige Gründe für die Vernachlässigung dieses Forschungsbereiches. Möglicherweise gibt es aber noch einen tiefer gehenden Grund. Das Thema wird in beiden Wissenschaften mit einer gewissen Herablassung behandelt. Aus Sicht der Kommunikationswissenschaft handelt es sich bei Musik in den Medien um mediale Unterhaltung. Man hat sich aber gerade in der deutschen Forschungstradition immer an der Informationsfunktion der Medien orientiert. Diese galt als vorrangig, als gesellschaftlich wertvoll. Unterhaltung wurde oft mit einem gewissen Argwohn betrachtet. Bieten die Medien Information, dann erfüllen sie eine gesellschaftliche Aufgabe. Bringen sie Unterhaltung, dann sind sie einfach kommerziell. Die lange Tradition des öffentlich-rechtlichen Monopols im Rundfunk hat hier ihre Spuren hinterlassen. Aber auch in der Musikwissenschaft wurde das Thema mit
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spitzen Fingern angefasst. Zum einen gilt die Musik, die in den Medien dominiert, als minderwertig, handelt es sich doch zumeist um Pop- oder Unterhaltungsmusik und nicht um klassische Musik. Zum anderen gilt die Art und Weise der Musikdarbietung als unangemessen. Die Verwendung als akustischer Hintergrund, das Diktat der drei Minuten und das oft schmale Repertoire sind die wichtigsten Kritikpunkte.
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Was das Thema zusehends liebenswert macht
Grundsätzlich gibt es in der Kommunikationswissenschaft zwei aktuelle Tendenzen, die der Anschlussfähigkeit einer Forschung über Musik und Medien zugutekommen. Zum einen wird seit Ende der 80er Jahre die in Deutschland historisch bedingte Fokussierung auf Informationsinhalte im Medienangebot überwunden sowie eine eigenständige Unterhaltungsforschung entwickelt und wahrgenommen. Zum anderen werden in zunehmendem Maße neben kognitiven auch affektive Verarbeitungsprozesse bei der Erklärung von Medienwirkungen berücksichtigt. In beiden Bereichen kann der Untersuchungsgegenstand „Musik und Medien“ auch der Grundlagenforschung dienen. Die Beschäftigung mit Musik in den Medien bietet Möglichkeiten, sich klassischen Fragen der Kommunikationswissenschaft auf neue Weise zu nähern. Es soll an einigen Beispielen aufgezeigt werden, für welche etablierten Forschungsbereiche des Faches Kommunikationswissenschaft der Untersuchungsgegenstand „Musik und Medien“ Anschlussmöglichkeiten bietet. Die traditionsreiche Kommunikatorforschung hat bislang allenfalls den Kulturjournalisten beachtet. Der Musikjournalist war nur selten Gegenstand von Untersuchungen – obwohl bereits der alltagssoziologische Blick in die Redaktionen einen durchschnittlich jüngeren und in der Regel weniger institutionalisierten Mitarbeiter zeigt. Darüber hinaus zeichnen die Arbeit der Musikjournalisten zwei Charakteristika aus, die zunehmend auch andere Ressorts betreffen: Erstens stehen Musikredakteuren deutlich weniger Agenturmeldungen zur Verfügung als beispielsweise Politikjournalisten. Ihre Arbeitsweise vermag daher Aufschlüsse über künftige Entwicklungen der Arbeitsroutinen in anderen Ressorts geben. Denn auch dort sorgen Einsparmaßnahmen dafür, dass Agenturleistungen abbestellt werden. Zweitens sehen sich Musikjournalisten traditionell mit stärkeren externen Einflüssen auf die Nachrichtenselektion konfrontiert als andere Fachjournalisten. Erneute „Payola“-Skandale, der erkaufte Rundfunkeinsatz von Musikstücken, tauchen in regelmäßigen Abständen in den Branchenmagazinen auf. Die Gatekeeper-Funktion der Musikjournalisten gilt als ähnlich korrumpierbar wie jene
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der Automobil-, Reise- oder Medizinjournalisten. Deshalb kann die Kommunikatorforschung von der Betrachtung der spezifischen Berufsgruppe „Musikjournalisten“ profitieren. Diese besonders auffälligen Payola-Ereignisse sind ein Ausdruck des Aufeinandertreffens hochgradig differenzierter Arbeitssysteme. Wie kaum eine andere Branche arbeitet die Musikindustrie mit einem extrem spezialisierten „Promotion“-Apparat. Er soll die öffentliche Wahrnehmung neuer Produkte sicherstellen. Die Public-Relations-Forschung deutscher Prägung kann hier ihre Studien über die wechselseitige Beeinflussung der Systeme PR und Journalismus (Determination und Intereffikation) besonders gut durchführen. Um so mehr bieten sich medienrechtliche Überlegungen an: Aktuell wird heftig über Neuregelungen für Product Placement und Schleichwerbung nachgedacht. Stets wird dabei auf die Unumgänglichkeit der Abbildung von Markenprodukten verwiesen: Sie sind doch auch im alltäglichen Leben präsent. Wo liegen die Grenzen dieser Notwendigkeit? Eine enge Definition des Product Placements müsste jede Wiedergabe von Musik als Form der Schleichwerbung für ein Produkt brandmarken. Eine weitere Definition spricht nur von Product Placement, wenn die Produktpräsentation mit geldwerten Vorteilen für das Medium einhergeht. Die Definitionsfrage von Scheichwerbung und speziell von Product Placement kann also am Beispiel der Musik in den Medien grundsätzlich diskutiert werden. In diesem Zusammenhang bietet darüber hinaus der erwähnte Promotion-Apparat einen tiefen Einblick über Absprachemöglichkeiten und Kopplungsgeschäfte in der Praxis. Aus medienrechtlicher Perspektive kann hier die Frage untersucht werden, welche Absprachen und Verträge noch rechtens sind und welche nicht. Diese Einschätzungen wären eins-zu-eins übertragbar auf die Geschäfte der Medienunternehmen mit anderen Branchen. Auch im Bereich Medien-Marketing und somit für Medienökonomie und Medienmanagement scheinen Studien von Musik und Medien vielversprechend.
Weil erstens eine der dringlichsten Fragen der Medienökonomie in der Erschließung von Erlösquellen und speziell der Nutzungsbereitschaft von paid content in Online-Medien liegt. Vieles deutet darauf hin, dass mittelfristig Zeitungsunternehmen nicht mehr den meisten Umsatz mit Zeitungen machen, TV-Stationen nicht mehr das meiste Geld mit ihrem Fernsehprogramm verdienen und für Plattenfirmen Tonträger nicht mehr die wichtigste Einnahmequelle sein werden. Für Zukunftsszenarien der unterschiedlichen Medienmärkte drängt sich die Vermarktung von Musik als Untersuchungsgegenstand auf. Denn zu keinem anderen Medienangebot hat sich in den vergangenen Jahren eine vergleichbare Diskussion in der Öffentlichkeit verbreitet. Potenziale, Grenzen und Rahmenbedingungen der Zahlungsbe-
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reitschaft für Medieninhalte lassen sich aus Nutzerperspektive ebenso detailliert studieren wie die Erfahrungen der Anbieter mit diversen Handlungsoptionen. Zweitens muss die erwähnte Frage nach Erlösstrukturen mit Fragen des Urheberrechts verknüpft werden. Deshalb ist die Musikbranche stark im Lobbying engagiert. Dessen Strukturen und Niederschlag in der massenmedialen Öffentlichkeit wurden bislang fast ausschließlich in Großbritannien untersucht. Sind diese Ergebnisse auf Deutschland übertragbar? In jedem Fall sind derartige Ergebnisse auf andere Lobbyismus-Felder übertragbar. Neben diesen Fragen rund um das Handelsgut Musik können drittens die zuletzt erfolgreich angewendeten Zusatzgeschäfte im weitesten Sinne untersucht werden: Beigaben zu Print-Produkten, eigenständige Reihen unter dem Markenlabel eines Medienunternehmens, Verlängerungen der Wertschöpfungskette und ähnliche produktpolitische Maßnahmen wurden häufig mit Musikprodukten ausprobiert. Viertens wurden rund um musikalische Inhalte im Online-Bereich kommunikationspolitische Erfahrungen gesammelt, von denen diverse Branchen profitieren können: bezüglich des Community Building im Web 2.0 sowie hinsichtlich der Wirkungen von Hintergrundinformationen, Produktproben und anderen kostenfreien Angeboten. Fünftens hat die Musikindustrie im Bereich der Unternehmensführung Management-Erfahrungen gesammelt, von denen andere Medienbranchen profitieren können. Denn die organisationalen Strukturen der Anbieter waren in der Musikbranche traditionell deutlich auf die kulturellen Strukturen des Endverbrauchermarktes ausgerichtet: Es gab weitgehend autark agierende Klassik-, Jazz-, Rock-, Alternative-, HipHop-Departments. Neuerdings aber werden im Rahmen von Kostensparprogrammen deren operative Zuständigkeiten beschnitten und Aufgabenbereiche zunehmend losgelöst von inhaltlichen Aspekten zusammengeführt. Gleichzeitig wird aber die öffentliche Klage lauter, das musikalische Angebot ignoriere die Nachfrage am Markt. Synergiepotenziale scheinen an die Grenze des Expertentums zu stoßen. Derartige Erfahrungen von Musikunternehmen zu dokumentieren und zu analysieren gehört zu den Kernbereichen des praxisorientierten Medienmanagements. Denn Unternehmen, die auf anderen Medienmärkten tätig sind, stehen jetzt vor denselben Entscheidungen wie die Musikbranche vor einigen Jahren.
Somit ist mehrfach die Online-Kommunikation angesprochen. Aus der Perspektive der computervermittelten Kommunikation stellt sich die Frage nach der Rolle der Musik als Bindeglied zwischen den individuellen Nutzern, nach den
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Grenzen der Kommerzialisierung eines Medieninhalts und der damit eng verbundenen und an Musikstars engagiert diskutierten Authentizität des Angebots. Dies berührt auch das medienpädagogische und mediensoziologische Interesse an Sozialisationsfragen. Wie wirkt sich die Primärerfahrung des Musikhörens auf die Darstellung von Musik in Alltagsgesprächen aus? Führt sie zu anderen Abbildungen als die (sekundäre) Informationsübermittlung durch Kommunikation über Musik? In welchen Kontexten taucht die Musik als Element der Selbstdefinition, -darstellung und Distinktion heute noch auf? Gibt es Nutzergruppen, für die der Content Musik heute als Sozialisationsagent bspw. hinter dem technischen Know-How der Computernutzung zurückgefallen ist? Welche Rolle spielt die Musik als Triebfeder bei der Aneignung von Mediengebrauchsmustern und der generellen Sozialisation? Medienhistorische Überlegungen sind in diesem Zusammenhang naheliegend: Kann die Musik als Schlüsselcontent für die Etablierung neuer Medien gesehen werden? Schon in den Anfangstagen des Radios zählte Musik zum Hauptbestandteil des Programms. Das Fernsehen kam zu Beginn nicht ohne Musikübertragungen und Shows mit Fernsehballett (zur Veranschaulichung der Musik) aus. Ebenso dürfte die Aussicht, sich problemlos ein eigenes Musikprogramm jenseits der vorhandenen Plattensammlung zusammenstellen zu können, für viele Einsteiger ins Internet ein wichtiges Argument gewesen sein. Für die politische Kommunikation kann die These aufgeworfen werden, dass unter dem Einfluss werbepsychologischer Erkenntnisse die Musik auch in modernen Wahlkämpfen eine zunehmend wichtige Rolle eingenommen hat (Beispiel: Angie im Bundestagswahlkampf 2005). Dieser Gedanke kann bis in die redaktionelle Berichterstattung weitergeschrieben werden: Zeigt sich der Bias einer redaktionellen Linie womöglich auch in der gewählten Hintergrundmusik von Kommentaren und Glossen im Rundfunk? Daneben wird die Musik auch von Interessengruppen instrumentalisiert, um mithilfe der an Superstars interessierten Medien die politische Agenda des Massenpublikums zu beeinflussen: Live Aid für die Probleme der Dritten Welt, Rock gegen Rechts und Al Gores Live Earth für das Umweltbewusstsein sind Beispiele für politische Kommunikation via Musik und Medien. Ausgehend von der politischen Kommunikation wurden zahlreiche verallgemeinerbare Prozesse erforscht, etwa das Phänomen der Themenlebenszyklen. In diesem Sinne eignet sich der Untersuchungsgegenstand „Musik und Medien“, um mediale Karrieren nachzuzeichnen und Prominenzforschung zu betreiben. Denn die Zahl der relevanten Akteure ist vergleichsweise gering. An den wenigen langjährigen Karrieren kann nachvollzogen werden, wie man es schafft, den Strudel der Umfeld-Berichterstattung zu überleben. Bei Musikstars wie bei anderen Prominenten führt Erfolg scheinbar automatisch zu einer Negativbewertung
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und Weitung des Kontextspektrums. Nicht nur bei Rockstars verlagert sich das Interesse weg vom Professionellen (Musikalischen) hin zum Privaten. Außerdem sind Themenlebenszyklen zum Teil auch ereignisunabhängig durch mediale Operationsweisen erklärbar. Vielfach für die Musikindustrie vermutet, aber bislang nicht belegt, ist der Zusammenhang zwischen Karrieredauer und Publikationsrhythmus meinungsführender Medien: Der britische Pop- und Rock-Markt dreht deutlich schneller als der deutsche. Die britischen Musikzeitschriften erscheinen wöchentlich und brauchen dafür immer neue Stories. Die deutschen erscheinen monatlich. Kann auf dieser Beobachtung aufbauend geschlossen werden, dass allgemein die Themenlebenszyklen kürzer werden, weil die zunehmende Verbreitung von Sonntagszeitungen und Online-Nutzung zu immer kürzeren Publikationsintervallen führt? Führen Publikationsintervalle zur oben beschriebenen Ausweitung des Kontextspektrums, weil das rezipientenseitige Verlangen nach Neuigkeiten die Medien zur Produktion und Verbreitung noch so randständiger Informationen zwingt? Die Titelgeschichte des britischen New Musical Express, Oasis-Sänger „Gallagher trinkt Milch!“ (1999) wäre in Deutschland bislang wohl undenkbar. Viele der highlight-artig zusammengestellten Fragen werfen methodische Probleme auf: Wie kann Musik intersubjektiv nachvollziehbar codiert werden? Eine Frage, die ihrerseits auf das Potenzial der interdisziplinären Forschungszusammenarbeit am Untersuchungsgegenstand Musik und Medien verweist: Wieso sollten musikwissenschaftlich begründete Typologien von Musik nicht in inhaltsanalytisch anwendbare Skalen übertragbar sein? Die daran anschließenden Erfahrungen bei der Codiererschulung könnten Diskussionen befruchten – bezüglich der Reliabilitätsmessung zum Beispiel. Ist das Angebot von Musik in den Massenmedien anhand von musikalischen Parametern beschreibbar, fragt die Rezeptionsforschung nach der Wahrnehmung von Angebotsunterschieden durch die Nutzer. Diesbezügliche Ergebnisse wären wiederum für die praxisorientierte Marktforschung aller Medienunternehmen von höchstem Wert.
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Musik und Medien: das zunehmend geliebte Thema
In jüngster Zeit mehren sich die Zeichen, die für eine bevorstehende BoomPhase der wissenschaftlichen Untersuchung solcher Fragestellungen sprechen. In Karlsruhe, Detmold/Paderborn, Marburg, Düsseldorf, Oldenburg, Krems, Dortmund, an der HU Berlin und in Hannover fand durch die Einrichtung von Studiengängen oder Professuren die wissenschaftliche Institutionalisierung des Themas „Musik und Medien“ statt. Außerdem hat das Hans-Bredow-Institut in Hamburg für seine Zeitschrift Medien & Kommunikationswissenschaft ein Sonderheft zum Thema herausgegeben. Auf den Call for Papers hin wurden unglaubliche 51 Einreichungen gezählt. Dies kann als Beleg gewertet werden für die aus zahllosen Kongress-Gesprächen erwachsene These, man müsse das Thema lediglich aus dem Hobbykeller vieler Wissenschaftler herausholen. Einen wichtigen Beitrag zur dafür erforderlichen Aussicht auf Reputationsgewinn leistet der VS-Verlag für Sozialwissenschaften, der mit diesem Band eine eigene Buchreihe zum Thema startet. Sie wird ebenso wie das M&K Sonderheft von Holger Schramm herausgegeben. Einige andere Verlage tragen sich mit dem Gedanken, dies ebenso zu tun. Nicht zuletzt vermittelt der Blick in die wichtigsten Fachzeitschriften der Musik- ebenso wie der diversen Sozialwissenschaften den Eindruck, als würden Beiträge über „Musik und Medien“ immer häufiger die Peer Reviews passieren. Es gibt sie also, die Forschung zum Thema. Doch noch findet sie weit verstreut und zumeist auch am Rande der Aufmerksamkeit der wissenschaftlichen Hauptströmungen in den verschiedenen Fächern statt. Daher soll dieser Band dazu beitragen, die Aktivitäten zu bündeln, den Blick über die Grenzen des jeweils eigenen Faches hinaus zu öffnen und dadurch eine Grundlage für weitere Forschungsprojekte sowie den interdisziplinären Austausch anzubieten.
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Struktur und Inhalte des Bandes
Grundlage des Sammelbandes ist eine aus diesen Gründen veranstaltete Tagung. Sie fand unter dem Titel Music Was My First Love – Wissenschaftliche Perspektiven auf Musik und Medien vom 13. bis 15. Juli 2006 am Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung der Hochschule für Musik und Theater Hannover statt.1 Der Sammelband umfasst die Tagungsbeiträge und einzelne Erweiterun1
Für die Mitarbeit bei der Tagungsorganisation und am Sammelband danken die Herausgeber Daniel Reinke, Ines Schumann, Corinna Kastner und Rainer Wingelsdorf. Die Tagung entscheidend mitgestaltet haben: Florian Becker, Michel Bepler, Katharina Berneike, Alexia Compogiorga, Gregor
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gen, um die gesetzten Ziele der Basisinformation und Inspiration zu erreichen. Die Autoren wurden aufgrund ihrer Kompetenz und Veröffentlichungen der letzten drei Jahre ausgewählt. Dafür werden aus kommunikations- und musikwissenschaftlicher, ökonomischer, soziologischer und psychologischer Perspektive Forschungsfelder aufgezeigt, und der Stand der Forschung wird reflektiert. Insbesondere werden Forschungslücken herausgearbeitet, um den Einstieg für künftige Projekte so einfach wie möglich zu gestalten. Der Medienmarkt für Musikprodukte, Musik als Medieninhalt und die Rezeption von Musik – das sind die drei Schwerpunkte, die in diesem Band behandelt werden. Für jeden dieser Bereiche wird ein Gesamtüberblick über die Forschungsfelder geliefert, ein Vertiefungsbereich beispielhaft dargestellt und ein Fallbeispiel aus der neuesten Forschung vorgestellt. Ergänzt wird diese Struktur um das Transkript einer von Praktikern geführten Diskussion zum wechselseitigen Machtverhältnis zwischen Musikindustrie und Massenmedien sowie um eine Auswahlbibliografie zum Thema. Im ersten Block liefert Mike Friedrichsen den Überblick über die bisherigen Erkenntnisse zur Musikwirtschaft. Max Ringlstetter und Stephan Kaiser diskutieren als Vertiefungsbereich aus betriebswirtschaftlicher Perspektive die Handlungsoptionen der Musikindustrie während der Krise der letzten Jahre. Und Michael Becker blickt in seiner Analyse launig auf die Produktpolitik der deutschen Kultur-Radios. Im zweiten Block zur Musik als Medieninhalt geben Ines Vogel und Uli Gleich einen Überblick über die bisherige Forschung zur Musik als Teil des Medienangebots. Vertiefend untersucht Gunter Reus die wissenschaftliche Forschung zum Musikjournalismus. Und Irving Wolther arbeitet in seiner Fallstudie zum Eurovision Song Contest sieben Bedeutungsdimensionen dieses Medienereignisses heraus. Zwischen den Blöcken wird das Machtverhältnis zwischen Medien und Musikindustrie aus der Sicht von Praktikern diskutiert. Die transkribierte Podiumsdiskussion wird von Rainer Wagner geleitet. Es diskutieren der Künstler Heinz Rudolf Kunze und Jürgen Dobelmann (Content Manager Sony BMG) aus der Perspektive der Content-Anbieter und Jochen Ewald (Unterhaltungsredakteur Sat.1), Marco Brandt (Geschäftsführer KISS FM, Berlin) sowie Manfred GilligDegrave (Chefredakteur der Musikwoche) aus Sicht der Medien. Daschmann, Marcel Drews, Jasmin Grimm, Lukas Hartmann, Anna Heidenreich, Annika Heisig, Stephanie Jansen, Katja Kaufmann, Beatrice Kemner, Thomas Klausch, Kristina Klenz, Benjamin Krämer, Peter Liberski, Enno Müller-Stephan, Teresa Naab, Florian Papenfuß, Björn Pitzschke, Daniel Rieger, Alexander Roth, Saskia Schipper, Beate Schneider, Michael Schlüter, Holger Schramm, Thorsten Schroll, Sebastian Steinhardt, Mirko Thiele, Nils Tiemeyer, Rian Toda, Kerstin Trautmann, Marge Velbaum, Maik Zehrfeld. Ihnen allen unseren besten Dank!
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Der dritte Block ist der Rezeption und Wirkung von Musik gewidmet. Holger Schramm liefert den Forschungsüberblick. Dagmar Hoffmann betrachtet die Sozialisation Jugendlicher durch Musik in den Medien als Vertiefungsbereich aus soziologischer Perspektive. Dagmar Unz, Frank Schwab und Jelka Mönch stellen eine Fallstudie zu Filmmusik und Emotionen aus psychologischer Perspektive vor. Und Christoph Hempel reflektiert aus musikwissenschaftlicher Sicht die Visualisierung von Musik. Der Band wird vervollständigt durch eine Bibliografie zum Thema „Musik und Medien“, die demselben Schema Musikwirtschaft – Musik als Medieninhalt – Musikrezeption und -wirkung folgt.
I. Musikwirtschaft
Musik im Spannungsfeld von Wirtschaftsgut und kulturellem Angebot Mike Friedrichsen
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Einleitung
Dass der Musik bislang im Vergleich mit den drei Massenmedien Tageszeitung, Fernsehen und Hörfunk besonders wenig wissenschaftliche Aufmerksamkeit zugekommen ist, dürfte auf zwei Hauptgründe zurückzuführen sein: zum einen auf die vermeintlich größere gesellschaftliche – vor allem: politische – Bedeutung der tagesaktuellen Medien, zum anderen auf den Umstand, dass Wissenschaftler sich „lieber“ intellektuell angeseheneren Medien zuwenden als der Musik (vor allem natürlich der Popmusik). Dabei ist die Musik sowohl im Alltag der Konsumenten als auch ökonomisch von großer Bedeutung. Aufgrund ihrer ökonomischen Bedeutung und da ihre marktliche Präsenz betriebliche Leistungserstellungsprozesse erfordert, muss die Musik auch aus wirtschaftlicher Perspektive betrachtet werden: einerseits kommunikationswissenschaftlich motiviert von der Medienökonomie, andererseits betriebswirtschaftlich motiviert vom Medienmanagement. Nachdem die Betriebswirtschaftslehre Medien, Presse und Publikumszeitschriften lange nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt hatte, hat sich dies in jüngster Vergangenheit geändert, gerade durch zunehmendes Interesse am Medienmanagement. Grundsätzlich bewegen sich Musik und Musikwirtschaft im Spannungsfeld zwischen Kunst und Kommerz bzw. zwischen „kulturelle[r] Aufgabe und wirtschaftliche[m] Problem“ (Hirsch 1987: 87; vgl. ähnlich Schulze 1996: 8). Dabei müssen aus ökonomischer Sicht der Gebrauchs- und Tauschwert von Musik sowie die besondere Eigenschaft von Mediengütern, Elemente privater und öffentlicher Güter in sich zu vereinen, besonders berücksichtigt werden. Auch die Frage nach der Meritorik von Musikgütern darf nicht vernachlässigt werden. Angesichts der angespannten Lage im Musikmarkt und der Vielzahl an neuen Herausforderungen stellt sich für die Unternehmen der Tonträgerindustrie mehr denn je die Frage nach adäquaten Strategien für die Zukunft (vgl. Friedrichsen et al. 2004). Weil Musik offensichtlich nicht nur ein Wirtschaftsgut darstellt, müssen in diesem Zusammenhang auch künstlerische Aspekte berücksichtigt werden. Gerade die Musikbranche leistet durch die Verbindung publizisti-
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Mike Friedrichsen
scher und ökonomischer Ziele im Spannungsfeld zwischen Kunst und Kommerz einen wichtigen Beitrag zum kulturellen Leben. Daher muss man bei der Erörterung des Musikmarktes auch die Stellung von Musikprodukten im Spannungsfeld zwischen Kultur- und Wirtschaftsgut berücksichtigen.1
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Die Anbieter auf dem Tonträgermarkt
Die Musikindustrie ist charakteristisch gekennzeichnet durch ein relativ hohes Risiko der Produktion, die strategische Bedeutung des Distributionsbereiches für die Gewinnerzielung und schließlich die Tendenz zur Bildung oligopolischer Märkte, die durch gleichzeitig stattfindende horizontale, vertikale und transnationale Konzentrationstendenzen vorangetrieben wird. Die Achillesverse der Musikindustrie liegt im Vertrieb ihrer Produkte, da sie diese in den seltensten Fällen direkt verkauft. Ein weit gewachsenes und komplexes Händlernetzwerk hat sich über die Jahrzehnte zwischen Produzenten und Konsumenten etabliert. Der Musikmarkt bildet einen Teilmarkt im Mediengeschäft. Es handelt sich hierbei um einen komplexen und hochdynamischen Industriezweig, der hart umkämpft ist. Aus Industriesicht beeinflussen vier zentrale Marktfaktoren den Weltmusikmarkt. Diese sind neben dem Wettbewerb, der Technologie und dem Handel auch die Konsumenten. Der Tonträgermarkt Deutschlands macht nur einen Teil des gesamten Musikmarktes innerhalb der Musikwirtschaft aus. Die Tonträgerindustrie mit ihren verschiedenen Plattenfirmen machen etwa einen Fünftel der Umsätze, die in der Musikwirtschaft erzielt werden, aus. Nicht zuletzt aufgrund dessen und der auch für sie stets schwierigen Balance zwischen Ökonomie und Kultur sollen im Folgenden kurz die wesentlichen Anbieter vorgestellt werden.
2.1 Majors Die Majors beherrschen sowohl den Weltmarkt für Tonträger als auch die wichtigsten nationalen Märkte. Der Tonträgermarkt gilt deshalb als enges Oligopol (vgl. Bauckhage 2002: 56; Wirtz 2001: 344). Kennzeichen der Majors sind ihre Konzernzugehörigkeit (mit Ausnahme von EMI und Warner), eine vollständige vertikale Integration von der Beschaffung bis zum Absatz (vgl. Schulze 1996:
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Die weitere Diskussion stellt eine überarbeitete Version weiter Passagen des Aufsatzes „Friedrichsen, Mike/Singer, Markus (2005): Independents im Musikmarkt. Eine strategische Analyse unabhängiger Plattenfirmen. Reihe: Flensburger Beiträge zum Medienmanagement, Bd. 10. Flensburg: Professur für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Medienmanagement“ dar.
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134 f.; Kulle 1998: 137) sowie jeweils ein Marktanteil von mehr als zehn Prozent (vgl. Mahlmann 2003: 194 f.). In Deutschland dominieren die international agierenden Majors den Musikhandelsmarkt. So teilen sich die Universal Music Group, AOL Time Warner, die EMI Group und Sony BMG Music Entertainment etwa 75 Prozent des Tonträgermarkts (Mahlmann 2003: 195), wobei der zuletzt genannte Konzern erst 2004 aus einer Fusion der Bertelsmann Musiksparte BMG und der Sony Music entstanden ist. Zu den vier Majors gehört eine große Anzahl Sublabels, die meist nur im Bereich der Musikerselektion und -betreuung sowie bei der Produktion eigenständig operieren (vgl. Kulle 1998: 137; Bauckhage 2002: 58; Almer 2002: 57 ff.). Oft handelt es sich dabei um aufgekaufte, vormals wirtschaftlich unabhängige Firmen (vgl. Bauckhage 2002: 57 f.; Almer 2002: 62).
2.2 Independents Charakteristisch für den Musikmarkt ist außerdem eine große Anzahl kleinerer Plattenfirmen, die unabhängig von internationalen Medienkonzernen tätig sind und als Independents bezeichnet werden. Die Angaben über deren aktuellen Marktanteil variieren zwischen 25 und 30 Prozent; genaue Zahlen existieren nicht. Dominierend sind die Independents in der Regel nur hinsichtlich der Anzahl veröffentlichter Titel. Independents bearbeiten in der Regel bestehende Marktnischen, aber auch neue Trendmärkte (vgl. Kulle 1998: 138; Almer 2002: 65 f.) sowie regionale Märkte (vgl. Tschmuck 2000). Durch diese selektive Marktbearbeitung stehen sie nur teilweise in Konkurrenz zu den Majors um die Nachfragerbudgets (vgl. Schulze 1996: 138 ff.). Gleichzeitig sind die Independents deren Markterprober (vgl. Schulze 1996: 138 ff.; Reebee 1994). Ihnen kommt im Musikmarkt eine Innovatorenrolle zu (vgl. Gruber 1995: 354; Reebee 1994). Gekennzeichnet sind Independents darüber hinaus oft durch wenig formale Strukturen und Kompetenzaufteilungen (vgl. Almer 2002: 69; Gruber 1995: 37), wobei dies v. a. in Abhängigkeit von der Größe des Labels variieren kann (vgl. Almer 2002: 69 f.). Diese reicht vom Ein-Mann-Unternehmen bis – in eher seltenen Fällen – zu Unternehmen mittelständischer Größe. Independents weisen oft eine geringe Existenzdauer auf, was auf wechselnde Trends oder Finanzierungsprobleme zurückzuführen ist (vgl. Schulze 1996: 138; Kulle 1998: 138; Vormehr 2003: 231). Verluste können aufgrund geringer Diversifikation häufig nicht durch andere Bereiche kompensiert werden (vgl. Schulze 1996: 138). Hinzu kommt, dass Independents vielfach „hochgradig
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personenbezogen“ (Almer 2002: 64) sind und deshalb „[...] mit den Ambitionen ihres Gründers [leben und sterben]“ (Almer 2002: 64). Sie wurden oftmals nur deshalb gegründet, weil dem eigenen Musikschaffen von Seiten der bestehenden Labels keine wirtschaftlichen Erfolgschancen eingeräumt worden waren (vgl. Gruber 1995: 50).
2.3 Major-Independents Eine gesonderte strategische Gruppe bilden die Major-Independents, die hinsichtlich Beschäftigtenzahl und Finanzausstattung vielfach mittelständische Dimensionen annehmen (vgl. Schulze 1996: 141). Sie sind, wie die Bezeichnung schon andeutet, eine Mischform zwischen Independent und Major (vgl. Kulle 1998: 132; Wicke 1997; Schulze 1996: 141). Unter Major-Independents sollen solche Firmen verstanden werden, die nicht Teil eines integrierten Konzerns sind. Sie haben jedoch im Gegensatz zu den Independents eigene Vertriebsformen aufgebaut, unabhängig davon, ob eine strategische Fokussierung vorliegt oder nicht. Sofern diese Kriterien gegeben sind, finden diese Unternehmen im Weiteren keine Berücksichtigung, wobei generell anzumerken ist, dass sich präzise Abgrenzungen hinsichtlich der vorzufindenden Bandbreite an Unternehmen im Tonträgermarkt als schwierig erweisen.
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Musik als Kultur- und Wirtschaftsgut
In der medienwirtschaftlichen Diskussion werden Medien als Kulturgüter oft nur am Rande behandelt. In den Veröffentlichungen zur Musikwirtschaft nehmen kulturelle Aspekte lediglich im Bereich der Klassik einen zentralen Platz ein. An dieser Stelle soll die Notwendigkeit einer ganzheitlichen Betrachtung für die gesamte Musikwirtschaft begründet werden. Zunächst geht es um die Frage nach der generellen Rolle der Musik innerhalb der Musikindustrie. Während beispielsweise Sikorski davon ausgeht, dass die Musikwirtschaft auf „geistig-ästhetischen Leistungen gründet“ (Sikorski 1997: 20; vgl. ähnlich Schulze 1996: 102), sieht Wicke die Musik nicht einfach als Ausgangspunkt der Wertschöpfung, sondern vielmehr als deren Produkt (vgl. Wicke 1993). Für ihn ist demnach „der Industrieprozess [...] nicht nur als ökonomische Nutzung eines kulturellen Prozesses zu verstehen“ (Wicke 1993). Letztendlich ist von einer Wechselwirkung auszugehen, bei der auch die Publika in ihrem Einfluss auf den Musikprozess einzubeziehen sind (vgl. Wicke 1993).
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Der Musikwirtschaft kommt als Kulturwirtschaft eine außergewöhnliche Stellung innerhalb der Betriebswirtschaft zu. Es herrscht eine Interdependenz zwischen betriebswirtschaftlichen und künstlerischen Zielen, welche nicht immer komplementär sind. So tritt neben das Marktgesetz von Angebot und Nachfrage die künstlerische Bewertung, die bei der Analyse unternehmerischer Entscheidungen in der Musikwirtschaft nicht außer Acht gelassen werden darf (vgl. Sikorski 1997: 20 ff.). In ähnlicher Weise äußert sich Wegner, der diesen Themenkomplex im Kontext der Klassik behandelt (vgl. Wegner 1999: 20 ff. und 239 ff.), ebenso wie Beck (vgl. Beck 2002: 65 ff.) und Karmasin und Winter (2000: 30) sowie Friedrichsen und Karmenik (2003: 14), die auf die wechselseitigen Verflechtungen der Medien als Wirtschafts- und Kulturgut allgemein hinweisen. An diesem Punkt ergibt sich die Frage nach den Entscheidungsfaktoren musikalischer Produktion. Sikorski hat im Kontext der Neuen Musik den Begriff der „Ästhetik [...] als Komponente des Entscheidungsverhaltens“ (Sikorski 1997: 17) verwendet und zu Recht darauf verwiesen, dass in der privatwirtschaftlich-kommerziellen Musikwirtschaft einige Unternehmen „ihre Geschäftstätigkeit nicht nur auf Musik in ihren kommerziell erfolgreichen Ausprägungen richten, sondern auch auf Musik in kommerziell fragwürdigen bis höchst unsicheren Ausprägungen“ (Sikorski 1997: 17; vgl. ähnlich auch Schulze 1996: 138). Es werden also nicht ausschließlich ökonomische Aspekte bei der Portfolioentscheidung herangezogen. Gleichzeitig merkt Sikorski an, dass außerökonomische Aspekte „in ihrer Entscheidungsrelevanz aber in vielen Fällen notwendigerweise hinter den traditionellen ökonomischen Aspekten zurücktreten“ (Sikorski 1997: 27 f.). Wicke streitet solche ästhetischen Faktoren weitgehend ab. Er geht vielmehr davon aus, dass sowohl Märkte als auch Publika durch die betriebswirtschaftlichen Entscheidungsfaktoren und deren Kosten-Nutzen-Erwägungen definiert und konstituiert werden (vgl. Wicke 1993; Schulze 1996: 143). Diese wiederum basieren auf der Einschätzung der Profitabilität des Nachfragerpotenzials. Es geht bei dieser Sichtweise also letztlich um den Aufbau eines Marktes für ein bestehendes Produkt durch gezielte Angebotsstrategien (vgl. Wicke 1993; Reebee 1994). Der kommerzielle Erfolg einer Musikproduktion ist indes nicht mit Sicherheit zu prognostizieren, vielmehr sind im Tonträgerbereich Misserfolgsquoten von 80 bis 90 Prozent die Regel (vgl. Schulze 1996: 304). Hierzu Wicke: „Was diesen Prozeß bewegt, sind also Mehrheitsentscheidungen unter jenen Minderheiten, die die Tonträgerindustrie zuvor als ihren Markt definiert hat. In diesem Rahmen vermag sie tatsächlich weder zu kontrollieren noch zu manipulieren, was die Leute kaufen“ (Wicke 1993; vgl. ähnlich auch Schulze 1996; 10 bzw. 106). Dabei darf kommerzieller Misserfolg beim Publikum nicht mit fehlender künstlerischer Qualität gleichgesetzt werden, ebenso vice versa (vgl. Hirsch
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1987: 96; Bauckhage 2002: 42 ff.; Reebee 1994). Hinzu kommt, dass die Wirtschaftlichkeit einer Musikproduktion nicht ausschließlich von hohen Verkaufszahlen abhängt sondern auch von den investierten Produktionskosten (vgl. Hirsch 1987: 96). In diesem Spannungsfeld werden von den Unternehmen der Musikwirtschaft einerseits künstlerisch-ästhetische Produkte mit sehr ungewisser ökonomischer Perspektive hergestellt, andererseits Projekte aus vornehmlich ökonomischen Gründen initiiert und auf diese Weise unrentable Produktionen querfinanziert (vgl. Sikorski 1997: 27 f.). Es ist also davon auszugehen, dass die Musikindustrie bei der Definition eines Marktes in der Regel zwar wirtschaftliche Kriterien anlegt, dieses jedoch nicht in jedem Falle tun muss und tut, wobei zu beachten ist, dass „kulturelle Produkte [...] heute nicht mehr außerhalb ihres kommerziellen Kontextes verstanden werden [können]“ (Schulze 1996: 101). Darüber hinaus wird deutlich, dass letztlich doch der Konsument und sein Urteil entscheidend sind. Denn sie entscheiden, auf welcher Basis auch immer, über die wahrgenommene Qualität von Musikprodukten. Die Qualität des Produktes ist für den Nutzer nur durch Konsum erfahrbar und ergibt sich zum Teil erst in Relation zu den Konkurrenzprodukten. Deshalb ist Qualität im Medienbereich allgemein nur begrenzt planbar (vgl. Wirtz 2001: 34 f.). Dies gilt auch für den Musikbereich, wobei erleichternd hinzu kommt, dass Musikprodukte in der Regel weniger zeitempfindlich sind als andere Medienprodukte (vgl. hierzu auch Wirtz 2001: 35; Sjurts 2002: 11 f.). Die Bedürfnisse der Nachfrager müssen aber gar nicht im Gegensatz zu einer künstlerischen Ambition stehen. Vielmehr können sie zum Gegenstand einer kundenorientierten Strategie werden, die auch der zunehmenden Entwicklung hin zu Nachfragermärkten entspricht. Es geht nach Hirsch darum herauszufinden, auf welche Weise dem Rezipienten ungewöhnliche oder innovative Musik bereitgestellt werden kann, unter Zuhilfenahme der Erkenntnisse der Betriebswirtschaft (vgl. Hirsch 1987: 91). Es gilt, „der künstlerischen Botschaft ein[en] angemessene[n] Empfängerkreis zu erschließen“ (Hirsch 1987: 99 f.), denn nur eine gehörte Produktion ist sinnvoll, indem sie dem Ausdruckswillen des Künstlers ein Publikum verschafft (vgl. Hirsch 1987: 91). Nichtsdestotrotz muss jede Produktion finanziert werden – wenigstens durch Querfinanzierung (vgl. hierzu Schulze 1996: 127) – und für den Nachfrager bezahlbar sein, selbst wenn es sich um ein Minderheitenphänomen handelt.
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Tausch- und Gebrauchswert von Musikprodukten
In diesem Kontext ist es erforderlich, nach der Rolle der Musik für den Konsumenten zu fragen, der eine Produktion letztlich durch einen Kauf zum betriebswirtschaftlichen Erfolg macht. Es stellt sich die Frage nach den Bedürfnissen der Nachfrager, die von der Musik befriedigt werden, also nach dem Gebrauchswert von Musik. Dieser besteht neben der Kontemplation v. a. in der emotionalen Ansprache, also in der Möglichkeit zu Unterhaltung, Entspannung, Repräsentation und Identifikation. Oft kommt es dabei zu einer ausschließlichen Reduktion auf den Gefühlsreiz (vgl. Schulze 1996: 10). Da „[...] selbst das Spektakel der Vermarktung ein alles andere als unwesentliches Moment des kulturellen Gebrauchs dieser Musik [ist]“ (Wicke 1993), kommt es vielfach zu einer Verselbstständigung der sinnlichen Werte von Musik als sinnliche Reizmittel. Durch diese ästhetische Abstraktion der Musik wird die Substanz ihres künstlerischen Gebrauchswertes gefährdet, da eine Aufspaltung in Gebrauchswert und sinnlichen Schein bei Musik nicht möglich ist. Durch diese Preisgabe musikalischer Gebrauchswerte rückt die Musik schnell in die Nähe der bloßen Reklame für sich selbst und unterwirft sich so den spezifischen Prinzipien der Werbung, z. B. durch permanente Wiederholung. Diese Verselbstständigung des warenästhetischen Scheins führt dazu, dass dieser selbst Gebrauchswertcharakter annimmt und so über das bloße Versprechen eines qualitativen und quantitativen Optimums der Trägerware hinausgreift, indem dem Konsumenten Gebrauchsfunktionen wie soziale Identität und soziale Differenzierung in Aussicht gestellt werden. Diese sind von umso größerer Bedeutung, je mehr die ursprünglich künstlerischen Gebrauchswerte durch eine „warenästhetische Reizausstattung“ (Feurich 1977: 64) ersetzt werden. Sie erst führen zum Massenerfolg der Ware Musik (vgl. Feurich 1977: 53 ff.). Dem Gebrauchswert gegenüber steht der Tauschwert der Ware Musik, der über den reinen Gebrauchswert hinausgreift und sich aus der Knappheit der Güter ergibt. Der Tauschwert drückt sich dabei in Geldeinheiten als Marktpreis aus (vgl. Wöhe 1996: 1063). Gebrauchs- und Tauschwert werden bei einem homogenen Musikangebot durch den Mechanismus des Grenznutzens bestimmt. Bei zunehmenden Angebotsüberhängen droht ein Abfallen des Tauschwertes. Deshalb wird eine Individualisierung des Angebots angestrebt, um so die Substituierbarkeit durch andere Angebote zu vermindern. Ziel ist ein „Produkt- bzw. Erscheinungsmonopol“ (Feurich 1977: 74), das durch zunehmende Originalität erreicht wird (vgl. Feurich 1977: 73 f.). Wicke spricht in diesem Zusammenhang auch von „Authentizität“ (Wicke 1993). Hier ergibt sich für unabhängige Plattenfirmen ein wichtiger Anknüpfungspunkt für eine Differenzierung gegenüber
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dem musikalisch weitgehend homogenen Angebot des Musikmarktes (vgl. hierzu auch Abschnitt 4.1 und 4.3.1). Diese Überlegungen führen in letzter Konsequenz dazu, dass oftmals die Originalität (nötig zur Vermeidung von Substitution) im außermusikalischen Bereich gesucht wird, unter gleichzeitiger Nivellierung der Musik auf den breiten Hörergeschmack. Ziel ist die Schaffung eines monopolähnlichen Markenartikels losgelöst von der Musik, wodurch die musikalische Austauschbarkeit kompensiert werden soll (vgl. Feurich 1977: 75 ff.). Der Musiker wird zu einem Medienkonstrukt, einem Image (vgl. Wicke 1993). Oft tritt noch eine soziale Komponente hinzu, indem ein soziales Bezugsfeld generiert wird, in das sich der Konsument einkaufen muss (vgl. Feurich 1977: 75 ff.; siehe bspw. MTV Networks 2002).
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Musik als quasi-öffentliches und meritorisches Gut
Im gleichen Kontext wie die Frage nach den Medien als Kultur- oder Wirtschaftsgut steht die Frage nach deren Marktfähigkeit (vgl. Sjurts 2002: 8 ff.; Beck 2002: 6 ff.; Kiefer 2001: 132 ff.; Heinrich 2001: 71 ff.; Wirtz 2001: 30 ff.; Tschmuck 2000). Bei Medien handelt es sich um „quasi-öffentliche Güter“ (Karmasin/Winter 2000: 34; vgl. ähnlich auch Schulze 1996: 151), die Eigenschaften sowohl privater als auch öffentlicher Güter in sich vereinen. Öffentliche Güter unterscheiden sich von privaten Gütern durch Nichtausschluss und Nichtrivalität im Konsum (vgl. Karmasin/Winter 2000: 31 ff.). Im Tonträgermarkt ist das Kriterium der Nichtrivalität dadurch erfüllt, dass sich der Konsum des Mediengutes durch eine Person nicht negativ auf die Verfügbarkeit für andere Personen auswirkt. Das Kriterium des Nichtausschlusses ist prinzipiell ebenfalls gegeben, wird jedoch im Musikbereich durch Hilfskonstrukte wie das Copyright aufgehoben, wodurch Musik zum privaten Gut wird (vgl. Bauckhage 2002: 16; vgl. Kulle 1998: 79 ff.; Tschmuck 2000). Dadurch wird eine wirtschaftliche Verwertung überhaupt erst möglich. Diese Ambivalenz ist ein zentraler Grund dafür, dass Medienprodukte sowohl wirtschaftlichen als auch kommunikativen Dimensionen verpflichtet sind (vgl. Karmasin/Winter 2000: 36 f.). Hier schließt die Frage nach der Meritorik medienwirtschaftlicher Güter an. Meritorische Güter stimmen mit den bekundeten Konsumentenpräferenzen nicht überein, welche aus verschiedenen Gründen als verzerrt gelten (vgl. Kiefer 2001: 136 ff.; Heinrich 2001: 101 ff.; Wirtz 2001: 33; Wegner 1999: 83 ff.). Da der Konsum dieser Güter jedoch „gesellschaftlich erwünscht“ (Kiefer 2001: 136) ist,
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kommt es zu Eingriffen in die Konsumsouveränität durch den Staat oder andere Instanzen (vgl. Kiefer 2001: 136 ff.; Heinrich 2001: 101 ff.; Wirtz 2001: 33). Im Medienbereich wird Meritorik nur für journalistische und informative Inhalte übereinstimmend postuliert (vgl. Kiefer 2001: 136 ff.; Sjurts 2002: 8 ff.), wenngleich Heinrich auf eine fehlende „akzeptable Fundierung“ (Heinrich 2001: 103; ähnlich Wirtz 2001: 33) von Meritorik bzw. Demeritorik hinweist. In der Musikwirtschaft lässt sich Meritorik für den Bereich der Ernsten Musik bejahen, auch wenn Wegner in diesem Kontext zu Recht anmerkt, dass die Abgrenzung zur U-Musik zugunsten einer, wenn auch schwierigen, qualitativen Unterscheidung aufgegeben werden solle (vgl. Wegner 1999: 86). Im Bereich der Unterhaltungsmusik herrscht demnach das freie Spiel der Marktkräfte (vgl. Heimbürge 2001: 7), jedoch existiert eine staatliche Ausbildungs- und Nachwuchsförderung (vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage Drucksache 14/4290 2001: 4 ff.). Außerdem steht im Kontext der Meritorik – in Anlehnung an die Verhältnisse im Buchmarkt – immer wieder eine Senkung des Mehrwertsteuersatzes für Tonträger im Raum (vgl. z. B. Kulle 1998: 173). Im Wissen um die skizzierten Besonderheiten von Musikprodukten soll im Weiteren die Problematik aus einem betriebswirtschaftlichen Blickwinkel beleuchtet werden.
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Relevante Problemfelder im Umfeld des Musikmarktes
Eine Analyse des Musikmarktes und seiner Anbieter muss zwangsläufig die Problemfelder im Marktumfeld einbeziehen. Dabei sind für die Musikwirtschaft die Entwicklungen in den Bereichen Technik, Politik und Recht, Wirtschaft sowie Gesellschaft von Relevanz.
6.1 Technologie Die zentrale technologische Herausforderung für die Medienwirtschaft ist die Digitalisierung und mit ihr die Verbreitung des Internet und seiner Dienste, allen voran des World Wide Web (vgl. Karmasin/Winter 2000: 27 ff.; Zerdick et al. 2001: 146 ff.; Kiefer 2001: 26 ff.; Wirtz 2001: 36 ff.; Schumann/Hess 1999: 3f.). Folge ist u. a. auf technischer Ebene eine „Annäherung und Verzahnung der [...] Medien, Telekommunikation und Informationstechnologie“ (Neef/Blömer 2003: 101). Verschiedene Medien und Medieninhalte können also integriert werden, es wird von der Konvergenz der Medien gesprochen (vgl. Latzer 1997; zit. nach Karmasin/Winter 2000: 27 ff.; Heinrich 2001: 204 ff.). Mit diesen Entwicklun-
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gen in Zusammenhang steht die Miniaturisierung der digitalen Technik und mit ihr ein rapides Anwachsen sowohl von Rechen- als auch Speicherkapazitäten sowie die Entstehung zahlreicher De-facto-Standards (vgl. Zerdick et al. 2001: 149 ff.). Hinzu kommt eine deutliche Steigerung bei den Übertragungskapazitäten (vgl. Kiefer 2001: 26 ff.; Heinrich 2001: 196 f.). Diese Veränderungen sind von besonderer Bedeutung für die Musikindustrie, da sowohl die Wertschöpfung als auch die Produkte virtualisiert werden (vgl. Hutzschenreuter 2000: 112). Aufgrund seiner Immaterialität ist das Informationsgut Musik nicht mehr an ein Trägermedium gebunden (vgl. Bauckhage 2002: 11; Neef/Blömer 2003: 101). Vielmehr ist „Musik [...] mittlerweile ein überwiegend digitales Erzeugnis, das von Musikern und Musikunternehmen hauptsächlich in digitaler Form produziert, reproduziert und vertrieben wird“ (Neef/Blömer 2003: 101), wodurch die bisherigen Verwertungsmöglichkeiten in Frage gestellt werden und gleichzeitig neue entstanden sind (vgl. Neef/Blömer 2003: 101 ff.). So ist „Musik als digitales Produkt zum Vorreiter [...] geworden“ (Neef/Blömer 2003: 101). Für die Musikwirtschaft ergibt sich daraus eine Reihe von Herausforderungen, die im Folgenden aufgezeigt wird (vgl. auch Hutzschenreuter 2000: 121 ff.; Neef/Blömer 2003: 103 ff.; Bauckhage 2002: 11; Ceschi 2002: 10 f.). Die Umbrüche in der Wertschöpfungskette beginnen bereits bei der Musikkreation selbst, der durch die Möglichkeiten digitaler Klangerzeugung bzw. Klangbearbeitung völlig neue Dimensionen eröffnet wurden. Ganz neue Musikrichtungen wurden auf diese Weise erst möglich. Im Bereich von Beschaffung und Packaging erscheinen die Veränderungen bislang nicht besonders gravierend. Am ehesten zu nennen sind hier Musik- und A&R-Plattformen im Internet (vgl. hierzu Neef/Blömer 2003: 106), die einen völlig neuen Beschaffungsansatz verfolgen. Der Einfluss der Digitalisierung setzt sich fort in der Produktion von Musik. Die Kosten für Produktionstechnik sind durch die Digitalisierung stark gesunken und damit auch die Produktionskosten für die Tonträgerindustrie (vgl. Bauckhage 2002: 105; Mildner 2004: 123). Gleichzeitig setzte ein Trend zum HomeRecording ein (vgl. ähnlich auch Almer 2002: 46), d. h. die Musiker werden mehr und mehr zu ihrem eigenen Produzenten, was die Einflussmöglichkeiten der Plattenfirmen schmälert, gleichzeitig jedoch die Einkommenssituation der Musiker verbessert, da die Produktionsvorschüsse nicht mehr vollumfänglich in die Finanzierung von Studioaufenthalten fließen. Durch digitale Aufnahme- und Mischungstechniken konnte zudem die akustische Qualität der Aufnahmen, z. B. in Bezug auf die Rauschreduktion, verbessert werden. Hinsichtlich der Herstellung bzw. Vervielfältigung von Musik kommt es durch die Digitalisierung ebenfalls zu einer Reduktion der Kosten, „da bisher
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benötigte, inhaltsspezifische Trägermedien und auf das analoge Format spezialisierte Kopiertechnik überflüssig werden“ (Bauckhage 2002: 21). Bei der körperlosen Vervielfältigung, die ohne Qualitätsverlust möglich ist, werden die Reproduktionskosten gar zu einer Marginalie (vgl. Bauckhage 2002: 11; vgl. ähnlich auch Almer 2002: 46). Dem gravierendsten Wandel ist der Marketingbereich Distribution unterlegen (vgl. Bauckhage 2002: 21 f.; Ceschi 2002: 6). Dieser ist durch die Loslösung von physischen Trägermedien und die Implementierung von Download- bzw. Streaming-Verfahren effizienter und effektiver geworden (vgl. Bauckhage 2002: 12). Durch Verfahren der Datenkompression, wie z. B. MP3, können Übertragungskapazitäten ökonomischer genutzt und so größere Datenmengen übertragen werden (vgl. Kiefer 2001: 26 f.). Die rasche Ausbreitung von Computernetzwerken ermöglicht darüber hinaus eine schnelle und billige weltweite Verbreitung der Daten (vgl. Bauckhage 2002: 21). Gleichzeitig wird das bisherige Konzept der Kompilierung mehrerer Musikstücke auf einem materiellen Tonträger abgelöst durch die Nachfrage nach den jeweiligen Einzelstücken: Die Musik wird zugunsten individueller Zusammenstellungen entbündelt (vgl. Neef/Blömer 2003: 104). Die Kompilation verliert so an ökonomischem Wert (vgl. Ceschi 2002: 84). Aber auch die Distribution körperlicher Träger hat sich durch die Möglichkeiten der Digitalisierung grundlegend verändert. Durch OnlineShopping im Internet ist es möglich geworden, eine oder mehrere Handelsstufen auszuschalten. Gleichzeitig ist die Markttransparenz größer geworden. Durch die Digitalisierung verändern sich auch die Handlungsspielräume des Musikkonsumenten in der Konsumption (vgl. Ceschi 2002: 7). So wurde die räumliche und zeitliche Begrenzung von Musikgütern durch die rasch zunehmende Verbreitung und Nutzung von Computernetzwerken aufgehoben (vgl. Bauckhage 2002: 11 f.). Die Entwicklung digitaler Netze ist mittlerweile so weit fortgeschritten, dass der Abruf von Medieninhalten nahezu zeit- und ortsunabhängig möglich ist (vgl. Zerdick et al. 2001: 146). Hinzu kommt, dass auch das Auffinden relevanter Inhalte innerhalb von Netzen durch die Digitalisierung erheblich erleichtert worden ist. Dies begünstigt den schnellen, leichten und billigen Zugang zu digitalen Kopiervorlagen in den Netzwerken (vgl. Bauckhage 2002: 21 f.). Hier liegen auch die Gründe für die Problematik illegaler Filesharing-Angebote, auf die an dieser Stelle jedoch nicht im Einzelnen eingegangen werden soll (vgl. hierzu z. B. Bauckhage 2002: 24 ff.; Ceschi 2002: 42 ff.). Ebenfalls problematisch in ihren Folgen für das Konsumverhalten ist die Digitaltechnik bei der Vervielfältigung in körperlicher Form, z. B. mittels CD-Brenner (vgl. GfK Panel Services 2003). Bei der Beurteilung der technologischen Entwicklungen sollte nicht übersehen werden, dass die medialen Wertschöpfungsketten teilweise vollkommen
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aufgebrochen sind. Dabei wird von Desintegration gesprochen (vgl. Neef/Blömer 2003: 104 ff.). Theoretisch können alle Vermittlungsstufen zwischen Künstler und Konsument ausgelassen werden. Im Extremfall führt eine solche Disintermediation zur vollständigen Umgehung der Plattenfirmen durch die Künstler (vgl. Neef/Blömer 2003: 104 ff.; Bauckhage 2002: 105; Heimbürge 2001: 61 ff.). Die Künstler können dadurch an Macht gewinnen (vgl. Ceschi 2002: 84 f.). Gleichzeitig steigt die Bedeutung der Konsumenten, die in den Mittelpunkt der Marketingstrategien rücken müssen (vgl. Neef/Blömer 2003: 106). Dabei sollte angemerkt werden, dass „für die Musiker als Urheber [...] ein Zielkonflikt zwischen der Verbreitung ihrer Musik und den nötigen Schutzmaßnahmen [besteht], um [...] tatsächlich auch Erträge zu erhalten“ (Kulle 1998: 254 f.). Allgemein werden die Plattenfirmen zukünftig „verstärkt in Wertschöpfungsnetzwerken denken müssen“ (Neef/Blömer 2003: 110), denn die schnellen Entwicklungen in der digitalen Technik machen es für die Anbieter „nahezu unmöglich, in allen Kanälen mit eigenen Plattformen und Anwendungen präsent zu sein“ (Neef/Blömer 2003: 110).
6.2 Politik und Recht Die grundlegende Entwicklung im regulativen Umfeld ist die zunehmende Deregulierung und Liberalisierung der Märkte. Der staatliche Einfluss auf Medienund Kommunikationswirtschaft geht zurück, in den betreffenden Märkten werden wettbewerbliche Strukturen durchgesetzt (vgl. Karmasin/Winter 2000: 26 f.; Kiefer 2001: 20). Zurückzuführen ist dies auf die veränderten technischen Möglichkeiten, die durch die Digitalisierung entstanden sind (vgl. Kiefer 2001: 21) sowie, damit einhergehend, auf den zunehmenden Druck durch in- und ausländische Interessengruppen aus dem Bereich der Wirtschaft (vgl. Welfens/Graack 1997: 215; zit. nach Kiefer 2001: 21). Zunehmende staatliche Regulierung lässt sich hingegen beim Urheberrecht beobachten. Dieser Bereich ist für die Musikindustrie von zentraler Bedeutung. Das Urheberrecht stellt ein Schutzrecht für Produktinnovationen dar und kann somit als Anreiz zur Produktion neuer Güter aufgefasst werden. Es ist ein zeitlich beschränktes Monopol für den Rechteinhaber. Aus der Musik wird ein handelbares Gut (vgl. Bauckhage 2002: 8 f.; Kulle 1998: 83 f.). Das Urheberrecht wird somit für die Musikwirtschaft zur Grundvoraussetzung ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit (vgl. Bauckhage 2002: 18) und schafft ein rechtliches „Fundament für die Kreativität“ (Spielkamp 2003: 90). Angesichts der Digitalisierung kommt dem Urheberrecht eine besondere Bedeutung zu. Eine tief greifende juristische Bewertung der aktuellen Entwicklungen in der Gesetzgebung zum
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Urheberrecht ist an dieser Stelle nicht möglich. Festzuhalten bleibt, dass gerade angesichts der problematischen Durchsetzbarkeit des Urheberrechts (vgl. Bauckhage 2002: 12 f.; Neef/Blömer 2003: 103 f.) zwar eine weitere Anpassung an die Herausforderungen der Digitalisierung grundsätzlich angezeigt ist, jedoch vor allem das strategische Verhalten der Musikindustrie überdacht werden sollte (vgl. hierzu Friedrichsen et al. 2004: 7 ff.; Mühl-Benninghaus 2004: 162 ff.; Spielkamp 2003: 91). Denn die große Zahl illegaler Musikkopien zeigt, welch hohe Nachfrage nach Musikinhalten prinzipiell besteht.
6.3 Wirtschaft Eine zentrale Entwicklung im Bereich der Wirtschaft und wiederum eng verknüpft mit Deregulierung und Liberalisierung der Märkte ist die Kommerzialisierung (vgl. Kiefer 2001: 21; Heinrich 2001: 189 ff.). Sie ist gekennzeichnet durch die ausschließliche Konzentration auf Konsumentenpräferenzen und Produktionskosten sowie eine Orientierung an ökonomischen Zielen wie z. B. Gewinn (vgl. Heinrich 2001: 189 f.). Auswirkungen der Kommerzialisierung sind die verstärkte Anpassung der Produktqualität an die Konsumentenpräferenzen durch Produktinnovationen im Rahmen eines kundenorientierten Marketing sowie effizientere Produktionsweisen durch Prozessinnovationen. Letztgenannte werden u. a. erreicht durch Outsourcing, Mehrfachverwertung, Synergieausschöpfung und Controlling. Bei der Effizienzsteigerung kommen dabei sowohl Kosten- als auch Qualitätswettbewerb zur Anwendung, wobei im Mediensektor der Kostenwettbewerb überwiegt (vgl. Heinrich 2001: 191 ff.). So werden im Zuge der Kommerzialisierung existierende publizistische Sachziele zunehmend dem wirtschaftlichen Formalziel der Gewinnerwirtschaftung untergeordnet (vgl. Kiefer 2001: 22). Als Manifestation der Kommerzialisierung kann die Globalisierung angesehen werden (vgl. Heinrich 2001: 191). Infolge fortschreitender Deregulierung der Märkte und der Abnahme der Distanzüberwindungskosten kommt es zu einer Entgrenzung des Wettbewerbs (vgl. Heinrich 2001: 191). Globalisierung meint dabei den Prozess einer verstärkten weltwirtschaftlichen Integration durch zunehmende internationale Faktorenmobilität. Durch die technologische Entwicklung wird eine internationale Distribution möglich. In diesem Zusammenhang kommt es auch zu einer Anpassung der Produktionskonzepte im Hinblick auf internationale Vermarktbarkeit (vgl. Kiefer 2001: 23 f.). Eng mit der Globalisierung verbunden ist ein Strukturwandel im Medienbereich. Indikator dieser Entwicklung ist eine zunehmende Konzentration (vgl. Heinrich 2001: 119). Durch Allianzen, Fusionen und Übernahmen versuchen die
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Unternehmen, dem zunehmenden intra- bzw. intermedialen Wettbewerb zu begegnen (vgl. Karmasin/Winter 2000: 26). Ursachen für die Konzentration sind einzelwirtschaftliche Macht- und/oder Effizienzvorteile durch Synergien (vgl. Heinrich 2001: 128). Hervorzuheben sind dabei als zentrale Vorteile Economies Of Scale und Economies Of Scope (vgl. Bea/Haas 2001: 173). Unter Economies Of Scale ist eine für den Medienbereich charakteristische und einzigartige Fixkostendegression zu verstehen (vgl. Heinreich 2001: 129). Aufgrund der Immaterialität von Medienprodukten sind die Produktionskosten unabhängig von der Zahl der Rezipienten. Sie sind fix in Bezug auf die Zahl der Vervielfältigungen bzw. auf die Einschaltquote. Folglich sinken die Stückkosten mit steigender Zahl der Rezipienten (vgl. Heinrich 2001: 96 f.). Als Economies Of Scope wiederum werden Verbundvorteile bezeichnet. Diese treten ein, wenn ein Unternehmen mehrere Produkte billiger produzieren kann als verschiedene Unternehmen je die Einzelprodukte. Sie entstehen, wenn für zusätzliche wirtschaftliche Aktivitäten derselbe Input herangezogen werden kann. Realisiert werden diese Verbundeffekte im Medienbereich v. a. durch enge Diversifikation. Über die genannten Vorteile der Konzentration hinaus sind des Weiteren Ersparnisse bei Mehrfachverwertung und Transaktionskosten zu konstatieren sowie Wettbewerbsausschluss- bzw. Marktzutrittsvorteile (vgl. Heinrich 2001: 131 ff.). Zentrale ökonomische Folge der Medienkonzentration ist die Veränderung der Wettbewerbsbedingungen, in der Regel hin zu einer Verschlechterung des Wettbewerbs (vgl. Heinrich 2001: 136 ff.). Medien kommen aus immer weniger unabhängigen Quellen (vgl. Kiefer 2001: 24). Diese allgemeinen Entwicklungen in der Medienwirtschaft lassen sich auch im Tonträgermarkt beobachten. Dort liegt im Major-Bereich eine hohe Konzentration vor, die weiter vorangetrieben wird durch Fusionen sowie Aufkäufe unabhängiger Labels. Im Independent-Sektor ist dies aufgrund der meist stark eingeschränkten finanziellen Mittel bisher nur in sehr geringem Ausmaß festzustellen. Die Ausnutzung von Synergieeffekten wird dort v. a. durch Allianzen und Kooperationen ermöglicht. Die fortschreitende Konzentration im Tonträgermarkt bedeutet für die Gesellschaft Einbußen bei der publizistischen Qualität. Von den verstärkt global operierenden Unternehmen werden für die zunehmend globalisierten Märkte Einheitsprodukte hergestellt, die in immaterieller Form schnell und billig vertrieben werden können. Die genannten Entwicklungen auf dem Tonträgermarkt stehen in engem Zusammenhang mit einer verstärkten Kommerzialisierung. Wirtschaftliche Erwägungen erscheinen v. a. im Major-Bereich als einziges Kriterium für Veröffentlichungen. Dies äußert sich in der starken Orientierung an den Publikumsinteressen bei der Künstlerwahl und geht dabei bis zu Phänomenen wie „Deutschland sucht den Superstar“. Im Independent-Bereich
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kommt dagegen vor allem Qualitätswettbewerb zum Einsatz, publizistische Ziele werden also meist nicht aus den Augen verloren.
6.4 Gesellschaft Die wichtigsten gesellschaftlichen Entwicklungen mit Relevanz für die Musikwirtschaft sind Individualisierung und Pluralisierung (vgl. Almer 2002: 1). Gestiegene Einkommen, höheres allgemeines Bildungsniveau, die Zunahme der Freizeit sowie zunehmende Mobilität sind als wichtigste Gründe für diese Entwicklungen anzusehen (vgl. Almer 2002: 1; Beck 1983: 35 ff.; Beck 1986, zit. nach Gebesmair 2001: 157 ff.). Dabei führt das steigende Wohlstandsniveau gleichzeitig zu einem weiteren Bedeutungsverlust der Güter des Grundbedarfs zugunsten origineller, höherwertiger Angebote aus den Bereichen Freizeit, Unterhaltung und Kultur (vgl. Lutz/Schlesinger 2003: 39 ff.). Nicht zuletzt diese Entwicklungen führen zu massiven gesellschaftlichen Umstrukturierungen (vgl. Almer 2002: 4). „Das neue Medium zur Positionierung innerhalb der Gesellschaft heißt Stil, verstanden als Summe jener Verhaltensmuster, die das Individuum bei der Auswahl aus einer Vielzahl von Möglichkeiten und Handlungsalternativen an den Tag legt“ (Almer 2002: 2; vgl. auch Gebesmair 2001: 169 ff.). Auf der Suche nach neuen Orientierungshilfen segmentiert sich die Gesellschaft in soziale Milieus, die sich durch Partialität der Gemeinsamkeiten auszeichnen (vgl. Almer 2002: 4 ff.). Ähnlicher Stil wird dabei zum Beurteilungskriterium der freien Beziehungswahl (vgl. Almer 2002: 7; Gebesmair 2001: 172 f.). Eine besondere Stellung als Identifikations- und Segmentierungsmedium nimmt Musik ein (vgl. Almer 2002: 21 ff.). Es bildet sich eine zunehmende Zahl immer kleinerer Nischen heraus, zu deren Bedienung jeweils optimierte Strategien gefunden werden müssen (vgl. Almer 2002: II f.). Der Bedarf nach schärferer strategischer Marktsegmentierung steigt. Gleichzeitig werden neue Möglichkeiten der direkten Kundenansprache eröffnet (vgl. Lutz/Schlesinger 2003: 40; vgl. auch Maier 2000: 69). Es ist jedoch auch anzumerken, dass das Einkaufs- und Konsumverhalten schwerer kalkulierbar wird (vgl. Lutz/Schlesinger 2003: 40; Meffert/Twardawa/Wildner 2001: 17). Die Musikkonsumenten können nicht mehr langfristig bestimmten Gruppierungen zugerechnet werden (vgl. Mischke 1991; Walsh/Frenzel/Wiedmann 2002: 209), da alle Ausprägungen der Pluralisierung als „gleichwertige Denk- und Handlungsalternativen“ (Almer 2002: 3) angesehen werden, was wiederum dazu führt, dass diese öfter gewechselt werden (vgl. Almer 2002: 3). Die entsprechende Bewertung der Alternativen geschieht in Abhängigkeit vom individuellen psychophysischen Erleben, vom eigenen Ge-
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schmack. Es entsteht eine „Erlebnisgesellschaft“ (vgl. Gebesmair 2001: 167; Schulze 1996).
7
Fazit
Vor dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen wird deutlich, dass vor allem Technologie – und damit verbundene gesellschaftliche Veränderungsprozesse – als zunehmend verschärfender Wettbewerbsfaktor die unternehmerischen Entscheidungen der Organisationen im Musikbusiness prägen wird. Es werden sich Veränderungen des Konsumentenverhaltens – vor allem im Mediensektor – manifestieren, und der Zugang zur Aufmerksamkeit der Konsumenten wird möglichst effizient und ohne Streuverluste erfolgen. Weiterer Forschungsbedarf besteht bspw. zu der Frage, inwieweit Communities zu einer Absatzförderung und/oder Konsumentenbindung an eine bestimmte Download-Plattform führen können. Dabei sind die Besonderheiten beim Konsum von Medienprodukten zu berücksichtigen. Darüber hinaus sind für innovative Geschäftsmodelle kommunikationspolitische Maßnahmen von großer Bedeutung. Insbesondere deren Ausgestaltung muss Teil weiterer empirischer Studien sein. Ziel neuer Geschäftskonzepte muss es sein, Musik wieder als Kunst und Kulturgut herauszustellen und nicht als anonyme Ware anzubieten. Es muss eine Emotionalisierung des Konsumenten erfolgen, die zu einem neuen Qualitätsbewusstsein führt. Der Konsument muss einen echten Mehrwert bei der Nutzung der vielen neuen Musikdienste erkennen, der ja durchaus im kulturellen Bereich liegen kann. Das zu erreichen, ist jedoch gerade im heutigen und zukünftigen Zeitalter mobiler Techniken eine echte Herausforderung. Die Internet-Offensive der Musikindustrie hat bereits begonnen. Es bleibt zu hoffen, dass der Innovationsdrang innerhalb der Branche nicht wieder ein Strohfeuer darstellt, denn eDonkey, BitTorrent & Co. sind hellwach und nur einen Klick entfernt.
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Literatur
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Die Krise der Musikindustrie: Diskussion bisheriger und potenzieller Handlungsoptionen Stephan Kaiser und Max Ringlstetter
1
Ausgangslage und Zielsetzung des Beitrags
Die Musikindustrie musste in den vergangenen Jahren wiederholt schwere Absatz- und Umsatzeinbußen hinnehmen und befindet sich in einer ernsthaften Krise. Allein in den letzten fünf Jahren gingen die Absatz- und Umsatzzahlen um mehr als 36 Prozent zurück (siehe Abbildung 1). Abbildung 1: Absatzentwicklung 1970 bis 2005 in Deutschland (Quelle: Wolff 2002; IFPI 2006) in Mio. Stck. 250
1. Boomphase (1970-1978)
2. Boomphase: Das goldene CD-Zeitalter (1985-1997)
1. Markteinbruch (1979-1984)
200
Stagnation (19982000)
2. Markteinbruch (seit 2001)
-31% -36% -27%
150
100
50
0 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 00 01 02 03 04 05 Singles
LP
MC
CD
Jahr
Gesamt
Konnten frühere Krisen, z. B. in den 80er Jahren, noch als Prozess der „Gesundschrumpfung“ (Wolff 2002) charakterisiert werden, befindet sich die Musikindustrie derzeit in einem Prozess der akuten Existenzgefährdung (Dietl et al.
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Stephan Kaiser und Max Ringlstetter
2005). Laufende intensive Kostensenkungs- und Restrukturierungsprogramme – etwa bei BMG – können dies belegen. Die bisherigen Antworten der Musikmanager sind nicht von Erfolg gekrönt. Ein Grund hierfür könnte unter anderem die Vernachlässigung der ökonomischen Logik der Musikindustrie sein. Ziel dieses Beitrags ist es, sich erstens mit der aktuellen Forschung zur Krise der Musikindustrie zu beschäftigen (Abschnitt 2) und einen Überblick über die bisherigen Vorschläge zur Krisenüberwindung zu geben (Abschnitt 3). Zweitens sollen durch einen Bezug auf die ökonomische Logik der Musikindustrie (4) systematisch neue Wege aus der Krise aufgezeigt und diskutiert werden (5). Ein Fazit und Desiderata für die zukünftige Forschung beenden diesen Beitrag.
2
Status quo der Forschung zur Krise der Musikindustrie
In der betriebswirtschaftlichen Literatur finden sich mittlerweile einige Beiträge, die sich mit den Strukturbrüchen und der Krise der Musikindustrie beschäftigen. Dabei handelt es sich zum geringeren Teil um Forschungsbeiträge im klassischem Sinne (z. B. van Wijk 2002; Emes 2004; Dietl et al. 2005; Ringlstetter et al. 2005). Ein großer Teil sind eher berichtende Beiträge aus der Praxis. Dies ist jedoch für ein branchenbezogenes Forschungsfeld nicht sonderlich ungewöhnlich. Der weitaus größere Teil der vorliegenden Beiträge beschäftigt sich mit der Suche nach Begründungen der Krise in der Musikindustrie. So berichtet etwa Hummel (2003) davon, dass die bereits im Jahr 1998 einsetzende Stagnation primär durch die auslaufende Substitution von LPs und MCs durch CDs und durch die mangelnde (Starmaking-)Innovationsfähigkeit der Musikindustrie bedingt ist. Die überwiegende Mehrheit der Autoren hingegen begründet den aktuell sinkenden Musikabsatz mit der explosionsartigen Zunahme an privaten digitalen Musikkopien sowie deren Distribution über illegale digitale Tauschbörsen in Form von Download-Plattformen oder Peer-toPeer(P2P)-Systemen (Liebowitz 2003; Stein/Jakob 2003; sowie anderer Meinung Oberholzer/Strumpf 2004). Entsprechend genießt die Auseinandersetzung mit P2P-Systemen in der Literatur eine besondere Bedeutung, zumal sie paradoxerweise sogar einen potenziellen Ausweg aus der derzeitigen bedrohlichen Situation darstellen könnten (Clement et al. 2002; Schoder 2002; Hess 2003; Hummel 2003). Als Voraussetzung hierfür werden in der Literatur neben technischen Schutzmechanismen vor allem rechtliche Regelungen in Form eines Digital Rights Managements (DRM) genannt, welche die Nutzung und den Schutz der Inhalte bzw. der Rechte gewährleisten (Rosenblatt et al. 2002; van Wijk 2002; von Camphausen/Wurster 2002).
Die Krise der Musikindustrie
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Darüber hinaus führen andere Autoren ins Feld, dass sich in den letzten Jahren auch andere Faktoren verstärkt haben, die für den negativen Entwicklungstrend eine wichtige Rolle spielen: neue Konsumgewohnheiten der Verbraucher (Molteni/Ordanini 2003), der Kampf um Aufmerksamkeit für die knappen Freizeitbudgets (Stein/Jakob 2003) und die generelle Kaufzurückhaltung aufgrund der konjunkturellen Lage. Zudem ergab sich durch die Dominanz der Musikmajors und deren Strategie der internationalen Vermarktung ihrer Künstler eine Vernachlässigung des Aufbaus national verankerter Künstler (o. V. 2004). Gleichzeitig hat die Beschäftigung mit der aktuellen Krise auch die große Abhängigkeit der Musikindustrie vom Tonträgerverkauf aufgezeigt (Dietl et al. 2005). Die geringe Partizipation an anderen Erlösstufen in der Wertschöpfungskette (z. B. Merchandising, Konzerte) kann die Auswirkungen der sinkenden Umsätze im CD-Verkauf nicht kompensieren. Während die Musikunternehmen in der Vergangenheit versäumt haben, ihre Einnahmenbasis zu verbreitern, konnten vor allem bekannte Künstler und Gruppen sukzessive ihre Marken- und Musikrechte nutzen, um zusätzliche Erlöse zu generieren (Stein/Jakob 2003).
3
Die ökonomische Logik der Krise
Einige Autoren aus Wissenschaft und Praxis sprechen bereits davon, dass das momentane Geschäftsmodell der Musikunternehmen grundsätzlich nicht mehr durchsetzbar sei (ähnlich Hummel 2003). Erstaunlicherweise fand bis dato jedoch nur vereinzelt eine kritische Auseinandersetzung mit der ökonomischen Grundlogik der Musikindustrie im Zusammenhang mit der aktuellen Krise statt (Schramm 2003a; Schramm 2003b; Dietl et al. 2005; Ringlstetter et al. 2005). In den folgenden Abschnitten wird die Logik der Musikindustrie deshalb erstens mit dem Phänomen der „First-Copy-Costs“ und der Nutzung von „Econmies of Scale“ (Skaleneffekte) (3.1) und zweitens mit der Kosten- und Komplexitätssituation der Kopieerstellung für den Endverbraucher (3.2) erklärt. Beide Aspekte münden in der so genannten Industrie-Napsterization-Matrix (3.3).
3.1 Das Zusammenwirken von First-Copy-Costs und Economies of Scale Musikunternehmen sind, ebenso wie andere Medienunternehmen, durch einen relativ hohen Fixkostenanteil geprägt (Wirtz 2001). Hierzu zählen sowohl die hohen Vorlaufkosten (z. B. Entwicklungskosten im A&R-Bereich) als auch sonstige Overheadkosten (z. B. das Vorhalten einer technischen und personellen Infrastruktur), fixe Lizenz-Kosten sowie Fixkosten im Bereich der Produktion.
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Stephan Kaiser und Max Ringlstetter
Insgesamt stellen diese Kostenblöcke einen Großteil der Gesamtkosten eines Musikunternehmens dar. Sie werden in der Medienbranche üblicherweise mit dem Begriff der so genannten „First-Copy-Costs“ belegt (Shapiro/Varian 1999) und sind unabhängig von der Anzahl der Rezipienten. Die Existenz der FirstCopy-Costs führte letztendlich zu einer starken Fokussierung der Musikunternehmen auf die Realisierung von Economies of Scale und Scope. So gelang zum einen eine Reduzierung der First-Copy-Costs durch die Erzielung von Verbundvorteilen (Economies of Scope), indem z. B. im Rahmen von Unternehmenszusammenschlüssen A&R-Bereiche, Marketing, Distribution und Verwaltungstätigkeiten zusammengelegt wurden. Zum anderen nutzte man die realisierbaren Skaleneffekte (Economies of scale) bei der Ausweitung der Tonträger-Produktionsvolumina. Durch die starke Erhöhung von Stückzahlen kam so eine überproportionale Kostendegression zustande (Pratten 1988; Jackson 1998). In der Musikindustrie ist die Möglichkeit zur Nutzung von Skaleneffekten – nicht zuletzt auf Grund zunehmender Digitalisierung – prinzipiell besonders groß, da die Kosten der Reproduktion sehr gering sind. Das Zusammenwirken von First-Copy-Costs und Economies of Scale bedeutet zudem, dass die Kosten für den „Produktprototypen“ (First-Copy) als relativ charakterisiert werden können, da ihre Höhe in Relation zum erzielbaren Umsatz zu sehen ist. So sind hohe absolute Kosten für eine Neuerscheinung durchaus ökonomisch sinnvoll, wenn mit entsprechend hohen Einnahmen aus dem Tonträgerverkauf gerechnet werden kann. In diesem Sinne sind die Kosten dann in Relation zu den potenziellen Umsätzen relativ gering, was letztendlich auch die Wahrscheinlichkeit einer Erzielung von Gewinnen wesentlich erhöhte. Auf Grund der FirstCopy-Costs war das Musikgeschäft schon immer risikoreich, jedoch war in der Vergangenheit das Erreichen einer gewissen Profitabilität über einzelne erfolgreiche Künstler für die meisten Musikunternehmen möglich. Hierzu war es ausreichend, dass weniger als zehn Prozent der Songs zu gewinnbringenden Hits wurden (Negus 1992), die damit die Vielzahl an weniger erfolgreichen Musikprojekten mitfinanzierten (Brack 2002; Köhler 2002). Es lässt sich folglich festhalten, dass die absolute Höhe von First-CopyCosts der Ausgangspunkt, aber bei weitem nicht die ganze Erklärung der Krise in der Musikindustrie ist. Vielmehr gibt es weitere Faktoren, die dazu führen, dass First-Copy-Costs heute als relativ hoch im Vergleich zu potenziell erzielbaren Umsätzen zu bezeichnen sind. Zu diesen Faktoren zählen die Komplexität und die Kosten einer Kopie für den privaten Konsumenten.
Die Krise der Musikindustrie
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3.2 Kopiekomplexität und -kosten Auch andere Industriezweige (Pharma, Halbleiter, Automobil etc.) sind durch hohe relative First-Copy-Costs geprägt. Im Gegensatz zur Musikbranche sind in solchen Branchen aber gleichzeitig die Kosten und die Komplexität für die Erstellung einer Kopie für den Endverbraucher sehr hoch. Die Produkte werden in der Regel sowohl durch rechtliche als auch durch technische und ökonomische Mechanismen geschützt. So ist es zum einen unter wirtschaftlichen und technischen Gesichtspunkten für eine Privatperson nahezu unmöglich, gewisse Produkte (z. B. Autos) zu duplizieren, und zum anderen sorgt der Patentschutz für eine, wenn auch zeitlich begrenzte, Sicherung des Produktes vor Nachahmern. In der Vergangenheit galten diese Schutzmechanismen auch in der Musikindustrie, und die Erstellung einer CD-Kopie war damit für den einzelnen Verbraucher mit hohen Kosten bzw. hoher Komplexität verbunden. Durch die Möglichkeit der digitalen Kopie und der grenzenlosen Beschaffbarkeit von Musik auf (illegalen) digitalen Tauschbörsen kam es jedoch zu einem radikalen Wandel in der Kostenposition des Verbrauchers. Die niedrigen Produktionskosten (CD-Rohlinge, kostengünstiger Download) und Technologiekosten (Brennerhardware, Suchsoftware) sowie geringen Transaktionskosten (schnelle und einfache Suche über P2P-Systeme) führten dazu, dass sowohl die Kosten als auch die Komplexität einer Kopieerstellung für den Verbraucher enorm gesunken sind. Zwar können die Verbraucher nicht neue Musikstücke der Künstler kreieren und sind damit gewissermaßen immer noch auf die Musikindustrie angewiesen, doch für die Kopieerstellung existierender Musik haben die Musikunternehmen ihre Schlüsselstellung als kostengünstiger Produzent und Bundler (im Sinne einer nicht-kundenindividuellen Zusammenstellung von Titeln auf einer CD) verloren.
3.3 Die Industrie-Napsterisation Matrix Die Industrie-Napsterisation Matrix (siehe Abbildung 2) illustriert zusammenfassend die sehr bedrohliche Situation der Musikindustrie. Deren momentane „Kostenposition“ wird in der Matrix anhand der zwei Dimensionen „relative First Copy-Costs“ sowie „Kosten und Komplexität der Kopie für Endverbraucher“ charakterisiert.
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Abbildung 2: Industrie-Napsterisation Matrix hoch
Movie
Halbleiter Pharma
Musik „heute“ Relative First-Copy-Costs
he sc it i Kr
„K
e nz re ng te s o
“
Musik „früher“
Bekleidung Zement Bäcker niedrig niedrig
Kosten & Komplexität der Kopie für Endverbraucher
hoch
Die Musikindustrie hat in den letzten Jahren eine Verschlechterung ihrer Kostenposition erfahren, da sich die „Kosten für die Anfertigung einer Kopie vom erworbenen Produkt“ bei dem Endverbraucher aufgrund der radikalen Marktveränderungen zu Ungunsten der Industrie sehr stark reduziert haben (im Sinne einer horizontalen Linksverschiebung in der Matrix). Die günstige KostenKomplexitätssituation für den Endverbraucher bei der Erstellung von Kopien führt dazu, dass die „Amortisierung“ der hohen First-Copy-Costs durch den Verkauf von Hit-CDs für die Musikindustrie nahezu unmöglich geworden ist (Vertikalverschiebung nach oben in der Matrix aufgrund der gestiegenen relativen First-Copy-Costs). Das momentane Geschäftsmodell kann also nicht wie bisher fortgeführt werden, da die Nutzung der Skaleneffekte, und damit die „Amortisierung“ der First-Copy-Costs, nicht mehr durch entsprechende Schutzmechanismen und Opportunitätskosten abgesichert ist. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sich durch die Verbesserung der Kostenposition der Verbraucher und durch die relative Erhöhung der First-Copy-Costs die Musikindustrie über eine gewisse kritische „Kostengrenze“ hinwegbewegte bzw. „gedrängt“ wurde. Jenseits dieser Grenze besteht grundsätzlich für alle Industriebranchen eben aufgrund der Kostenposition gegenüber den Verbrauchern die Gefahr der Napsterisation, sprich die Bedrohung des bestehenden Geschäftsmodells durch Markt- und Technologieveränderungen. Die Industrie-Napsterisation Matrix zeigt die notwendigen Stoßrichtungen und die Auswirkungen möglicher Handlungsoptionen für die Musikunterneh-
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men. Wege aus der Krise führen über die Reduktion der relativen First-CopyCosts sowie über die Erhöhung der Kosten und Komplexität der Kopienerstellung für den Konsumenten. Im Sinne einer Idealpositionierung würde sich beim erfolgreichen Umsetzen dieser Optionen die Musikindustrie in Richtung einer Kostenposition bewegen, die die Grundlage für ein langfristiges und überlebensfähiges Geschäftsmodell bietet.
4
Diskussion bisheriger Maßnahmen zur Krisenüberwindung
Die Musikindustrie hat durch verschiedene Maßnahmen bereits auf die momentane Krise reagiert. Primär setzt die Musikindustrie dabei auf drei Maßnahmen, die sich in der Industrie-Napsterisation Matrix einordnen lassen. Zur Erhöhung der direkten und potenziellen Kopiekosten für den Verbraucher werden auf der einen Seite Maßnahmen des Kopierschutzes und Digital Rights Managements (DRM) ergriffen (4.1) oder Rechtsverfahren angestrebt bzw. zumindest Strafandrohungen ausgesprochen (4.2). Auf der anderen Seite sollen kostenpflichtige Download-Angebote die First-Copy-Costs in Relation zu den erzielbaren Umsätzen senken (4.3).
4.1 Kopierschutz Schon seit der Einführung der Musikkassette besteht die Sorge, dass Konsumenten sich kostenlos Musik beschaffen. Seit sich aber Online-Börsen wie Kazaa etabliert haben, ist der kostenlose Austausch von Musik für die Industrie zu einem ernstzunehmenden Problem erwachsen. Auf den ersten Blick scheint ein Kopierschutz auf Tonträgern, der das Kopieren der Titel auf eine Festplatte verhindert, die wirksamste Lösung. Hierbei hat die deutsche Musikindustrie Rückendeckung durch den Gesetzgeber erhalten. Seit dem 13. September 2003 ist eine Novelle des Urheberrechtsgesetzes in Kraft, die es dem Kunden verbietet, einen auf einer CD oder DVD vorhandenen Kopierschutz zu umgehen. Der Kopierschutz stellt also sowohl eine rechtliche wie auch eine technische Barriere für den Kunden dar. Wenngleich der Mehrheit der Musikkonsumenten zunächst das technische Know-how fehlt, um einen Kopierschutz zu umgehen, so hat doch die Erfahrung der letzten Jahre Folgendes gezeigt: Durch einen regen Wissensaustausch über Internet und Fachzeitschriften zwischen Experten und Konsumenten wird jeder neue Kopierschutz für ernsthaft interessierte Musikkonsumenten umgehbar. Jede Weiterentwicklung eines Kopierschutzes wird demnach das unerlaubte Kopieren nicht verhindern, sondern nur für eine kurze Zeit bremsen (van
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Wijk 2002). Zudem steigt die Anzahl der Kundenbeschwerden über Funktionsmängel durch den Kopierschutz (Theurer 2004). Insgesamt bleibt also abzuwarten, inwieweit ein Kopierschutz – in welcher Form auch immer – eine dauerhafte Schutzreaktion der Musikindustrie sein kann.
4.2 Strafandrohung Aufgrund hoher Tauschvolumina in kostenlosen P2P-Börsen und abnehmenden Umsätzen bei Tonträgern hat die Musikindustrie begonnen, gegen Tauschbörsen und deren Nutzer gerichtlich vorzugehen. In der Industrie-Napsterisation Matrix steigen hierdurch zwar nicht die direkten Kosten einer Kopie, wohl aber die potenziellen Kosten im Sinne eines „Ertapptwerdens“. Neben der 17 Mrd. USDKlage gegen ein Tochterunternehmen von Bertelsmann durch EMI und Universal, haben die Musikindustrie bzw. die jeweiligen Phono-Verbände inzwischen begonnen, auch gegen Privatpersonen gerichtlich vorzugehen. Ziel sind hierbei bislang nur die so genannten „Uploader“, also Personen, die widerrechtlich Titel zum Tausch anbieten. Allerdings kann es nicht Ziel der Musikindustrie sein, die Umsatzeinbußen über Klagen gegen Nutzer von Tauschbörsen zu kompensieren, auch wenn die Klagen nicht ohne Wirkung blieben. Als im Sommer 2003 die ersten Schreckensnachrichten von Klagen gegen Tauschbörsennutzer diese erreichten, sanken die durchschnittlichen Nutzerzahlen von Kazaa deutlich von 4,3 auf 3,2 Mio. (Patalong 2003). Die Strafandrohung bewirkt eine indirekte Erhöhung der Kopierkosten für den Endverbraucher und führt somit in der IndustrieNapsterisation Matrix zu einer horizontalen Rechtsbewegung. Jedoch handelt es sich bisher lediglich um flankierende Maßnahmen, um den Betrieb in illegalen Tauschbörsen zu reduzieren.
4.3 Kostenpflichtige Download-Angebote Um den Kundenwunsch nach Online-Musik zu befriedigen, haben sich in den letzten Jahren viele mehr oder weniger erfolgreiche kostenpflichtige MusikDownload-Plattformen entwickelt. Die erfolgreichste Plattform ist aber überraschenderweise nicht von der Musikindustrie initiiert worden, sondern vom Computerhersteller Apple – das Portal „iTunes“. Schon in den ersten sechs Monaten wurden durchschnittlich 500.000 Musikdownloads pro Monat gekauft, inzwischen berichtet Apple auf der eigenen Website, dass über 3 Milliarden Songs verkauft wurden. Bei aller Euphorie muss man jedoch bedenken, dass iTunes zwar weltweit die Marktführerschaft im Bereich legale Downloads innehat, aber
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verglichen mit dem Tauschvolumen in Tauschbörsen wie Kazaa oder ehemals Napster immer noch ein Aufholpotenzial besteht. Zusammenfassend muss sich die Musikindustrie den Vorwurf gefallen lassen, dass sie auf den Kundenwunsch Online-Musik zu spät reagiert hat und dass Unstimmigkeiten zwischen den großen Labels eine rasche Einführung eines attraktiven Repertoires blockiert haben. Dies zeigt sich besonders deutlich am Beispiel Napster, bei dem es die Musikmajors versäumt haben, eine etablierte Plattform gemeinsam zu nutzen. Neben Virenschutz, Preisen und hohen Verbindungsgeschwindigkeiten wäre gerade ein labelübergreifendes Repertoire der entscheidende Erfolgsfaktor für kostenpflichtige Download-Plattformen (IFPI 2004). Allerdings wird eine – wie auch immer gestaltete – Online-Plattform die grundlegenden Probleme der Musikindustrie nicht vollständig lösen.
5
Veränderung der Wertschöpfungsstruktur als Weg aus der Krise
Die traditionelle Wertschöpfungskette der Musikindustrie unterteilt sich in fünf Stufen (Wirtz et al. 2003): In einer ersten Stufe werden Inputfaktoren, in Form von Musikstücken, Technik und Personal beschafft. Anschließend ist die Produktion zu planen und zu steuern. Eine dritte Stufe ist der Handel mit Rechten an Musikwerken. Die Produktion von Tonträgern bildet dann eine vierte Stufe. Hierzu zählt z. B. auch die Zusammenstellung von Alben. Als fünfte und letzte Stufe unterscheidet man schließlich den Absatz über den Handel sowie die so genannte virtuelle Distribution. Abbildung 3: Wertschöpfungskette der Musikindustrie (Wirtz et al. 2003)
Beschaffung der Inputfaktoren
Musik -produktion
Rechtehandel
Tonträgerproduktion
Absatz
In der Musikindustrie ist ein Anpassungs- bzw. Veränderungsbedarf entstanden, dem die Musikunternehmen mit ihren bisherigen Maßnahmen nicht hinreichend Rechnung tragen. Vielmehr gilt es, fundamentale betriebswirtschaftliche Größen zu verbessern. Bezug nehmend auf die Industrie-Napsterisation Matrix ist es Ziel, die relativen First-Copy-Costs zu senken. Dies impliziert sowohl die Erhö-
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hung der durchschnittlichen Erfolgsquote des gesamten Angebots eines Musikunternehmens als auch eine Erhöhung des Umsatzes pro Künstler. Prinzipielle Ansatzpunkte lassen sich entlang der bestehenden Wertschöpfungsstrukturen der Musikindustrie (Kulle 1998; Zerdick 1999; Wirtz 2001; Wirtz et al. 2003: 508) identifizieren: ein professionelleres Artist Relationship Management (5.1) und die Produktion und Distribution von multiplen digitalen Inhalten (5.2). Insgesamt lässt sich konstatieren, dass die bisherigen Wertschöpfungsstrukturen in Zukunft einigen wesentlichen Veränderungen unterliegen könnten (5.3).
5.1 Proaktives Artist Relationship Management Die Beschaffung von Musikern, seien es Komponisten oder Interpreten, hat in der Musikindustrie traditionell eine zentrale Rolle. Artists and Repertoires (A&R) werden in einer ressourcenorientierten Sichtweise (Wernerfeldt 1984) zu dem strategischen Erfolgsfaktor für Musikunternehmen. Eine Analyse der Musikindustrie zeigt jedoch, dass gerade hierbei Fehlentscheidungen an der Tagesordnung sind. Diese resultieren in einer niedrigen Erfolgsquote von neuen Interpreten bzw. Musikstücken (Negus 1992), so dass der Umsatz je Künstler in Relation zu den gesamten A&R-Entwicklungskosten bzw. zu den Entwicklungskosten eines einzelnen Künstlers zu niedrig ist. Bei der Beschaffung von A&R handelt es sich zunächst um einen Zugriff auf unternehmensexterne Ressourcen, die einen Wertbeitrag für das Unternehmen leisten sollen. Auf dieser Überlegung basiert die Idee des so genannten Artist Lifetime Value, der als Analogie zum bekannteren Customer Lifetime Value (z. B. Blattberg/Deighton 1996) begriffen werden kann. Unter dem Artist Lifetime Value wird im Folgenden der auf die Gegenwart diskontierte Wert der Zahlungen verstanden, die dem Musikunternehmen aus der Zusammenarbeit mit einem Künstler zufließen. Geht man davon aus, dass der Wert eines Kunden der Musikindustrie im Laufe der Zeit zunimmt, so gilt dies konsequenterweise auch für den Wert des Künstlers. Umso mehr ist dies zu vermuten, da Musikunternehmen meist keine eigene starke Marke entwickelt haben. Die Kunden fühlen sich bestimmten Künstlern emotional verbunden, aber (noch) nicht dem Musikunternehmen. Vor diesem Hintergrund scheint ein so genanntes Artist Relationship Management (ARM) sinnvoll, das – neben einer allgemeinen betriebswirtschaftlichen Professionalisierung des Managements und der Prozesse im Bereich A&R – in zweifacher Weise an der Senkung relativer Entwicklungskosten ansetzt:
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Erstens zielt man darauf ab, nur Künstler mit hohem Erfolgspotenzial zu beschaffen. Die dadurch höheren Wertbeiträge der insgesamt unter Vertrag stehenden Künstler senken die First-Copy-Costs in Relation zum gesamten Umsatz des Musikunternehmens. Zweitens geht es um die „Ausnutzung“, d. h. den absoluten Wertbeitrags des Künstlers. Der absolute Wertbeitrag wiederum hängt vom Grad und der Dauer der Ausnutzung einer Ressource ab. Gerade die Dauer des Wertbeitrags von Künstlern ist jedoch in der Musikindustrie auf Grund der ‚Kurzlebigkeit’ von Stars problematisch.
Insgesamt geht ein ARM über die reine Beschaffung von Inputfaktoren hinaus. ARM bedeutet eine Verschiebung von der reinen Künstler- und Talentsuche/ -entdeckung hin zu einer Künstler- und Talententwicklung (siehe Abbildung 4). Abbildung 4: Artist Relationship Management Talententwicklung ARM erhöht: Erfolgsquote Tests
Artists Rechte
Talent suche
MusikUnternehmen
Kunden
Nutzungsgrad des Artist Lifetime Value Dauer der Nutzung des Artist Lifetime Value
Der mit dem ARM verbundene frühzeitige Zugriff auf Künstler ist mit verschiedenen Vorteilen verbunden:
Im Rahmen der Talententwicklung lassen sich zunächst neuartige Testverfahren anwenden. Dies erhöht die Erfolgsquote einzelner Musiktitel und Künstler. Hierzu ist nicht nur der Einbezug von potenziellen Kunden zu zählen (wie z. B. in „Deutschland sucht den Superstar“). Viel versprechend erscheint auch die frühzeitige Auswertung von Suchanfragen auf Download-Plattformen, wie sie etwa von den Unternehmen BigChampagne oder WebSpins, aber auch Non-Profit-Organisationen wie Zonic angeboten werden. Hierfür ist allerdings bereits ein gewisser Bekanntheitsgrad des Künstlers notwendig. Umgekehrt können Download-Plattformen im Internet dazu genutzt werden, mit einem relativ kleinen Marketingbudget junge Musiker
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bekannt zu machen und zu entwickeln. Darüber hinaus kann über neu entwickelte „Hit-Erkennungssoftware“, wie sie z. B. vom Unternehmen HMI Polyphonic angeboten wird, das Erfolgspotenzial eines Musiktitels theoretisch getestet werden. Erfolg versprechend erscheint auch die Zusammenarbeit mit Independentunternehmen. Diese haben häufig sowohl ein besseres Gespür für nationale bzw. lokale Künstler als auch eine stärkere Affinität zu neuen Musiktrends. Der proaktive Zugriff auf Erfolg versprechende Künstler – dies sind dann insbesondere auch lokale Künstler (Schramm 2003b) – sichert umfassendere Rechte. Dies erscheint besonders erwähnenswert, denn das Geschäft mit Musik ist nicht nur der Verkauf von Tonträgern, sondern auch Konzerteinnahmen, der Handel und die Verwertung von Rechten durch die Musikverlage. Mit dem proaktiven Zugriff im Rahmen des ARM geht nun zum einen die langfristigere, rechtliche Bindung Erfolg versprechender Künstler einher, zum anderen aber vor allem auch ein höherer Grad der Nutzung des potenziellen Artist Lifetime Value. Beispielhaft seien hier etwa die Rechte an Klingeltönen, Bildern von Musikern etc. genannt. ARM integriert deshalb die Wertschöpfungsstufe des Rechtehandels zu einem professionellen Rechtemanagement als „Kerngeschäft“ (Stein/Jakob 2003) der Musikindustrie.
5.2 Multi-Channel Distribution von multiplen digitalen Content Die Distribution von multiplem digitalen Content über viele Kanäle betrifft die Wertschöpfungsstufen „Produktion“ und „Absatz“. Die Wertschöpfungsstufe der Produktion hat in der Musikindustrie bisher insbesondere zwei Komponente: die Produktion von Inhalten in Tonstudios sowie die Massenproduktion von physischen Tonträgern (Wirtz 2001). Zwei Veränderungen der Wertschöpfungsstrukturen sind denkbar und bereits absehbar:
Erstens der verstärkte Verzicht auf physikalische Tonträgerproduktion, zumindest bis erste Erfolge des Künstlers klar absehbar sind. In Konsequenz lassen sich damit die Kosten eines Flops senken. Zweitens die Anreicherung und Emotionalisierung der eigentlichen Inhalte mit preiswerten Zusatzleistungen (prinzipiell Friedrichsen et al. 2004). Im Musikbereich sind beispielsweise Konzertmitschnitte, Videos, Interviews, Bilder des Künstlers, Klingeltöne etc. zu nennen. Die Senkung der FirstCopy-Costs wird dann dadurch erreicht, dass der abstrakte Artist Lifetime Value in verschiedensten Wahrnehmungs- und technischen Formaten im Sinne eines „Content Leverage“ (Vizjak/Ringlstetter 2001) mehrfach ver-
Die Krise der Musikindustrie
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wertet wird. Voraussetzung hierfür wäre jedoch ein ARM mit umfassenden Verwertungsrechten am Künstler. Zum Absatzmanagement in der Musikindustrie gehört neben der Produkt- und Preis- sowie der Kommunikationspolitik vor allem die Distributionspolitik (Wirtz 2001). Mithin eine der wohl zentralsten Veränderungen, die einen Weg aus der Krise bedeuten könnte, ist die Erhöhung der Direktvertriebsquote über zwei zentrale Vertriebswege: Internetplattformen und Mobile Music Services. Bei Vertrieb über Internetplattformen lassen sich im Prinzip die Umsatzanteile der Händler, die teilweise deutlich über 30 Prozent liegen (Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft 2003), vermeiden. Direktvertrieb ermöglicht eine stärkere Preisdiskriminierung, etwa zwischen aktuellen Top-Ten Hits und Evergreens. Bei diesem Vertriebsweg ist jedoch wichtig, dass die Musikmajors, wie vorne ausgeführt, labelübergreifend zusammenarbeiten. Darüber hinaus ist eine Abkehr vom bisherigen Denken in CDs und den damit verbunden Preis- und Bundling-Strategien notwendig. Zudem liegen hohe zukünftige Umsatzpotenziale in Mobile Music Services. Die Attraktivität dieses Marktsegments zeigt sich daran, dass Mobilfunkunternehmen mit Klingeltönen mehr Umsätze generieren konnten als die Musikmajors durch ihre Single-CDs (A.T.Kearney 2004). Allerdings besteht gerade bei Mobile Music-Angeboten die Gefahr, dass die Einnahmen zu großen Teilen an die Mobilfunk-Gesellschaften fließen.
5.3 Entstehung neuer Wertschöpfungsstrukturen Eine gleichzeitige Betrachtung der skizzierten einzelnen Handlungsoptionen für die Musikindustrie zeigt, dass sich insgesamt neue Wertschöpfungsstrukturen entwickeln könnten. Zur Diskussion stehen ein professionalisiertes Artist Relationship Management sowie der Absatz vielseitiger Inhalte über verschiedenste Kanäle (siehe Abbildung 5).
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Abbildung 5: Neue Wertschöpfungskette in der Musikindustrie Beschaffung der Inputfaktoren
MusikMusik-produktion
Beschaffung der Inputfaktoren
Multi-Content Produktion
RechteRechtehandel
TonträgerTonträgerproduktion
Absatz
Produktion Tonträger
Absatz über Handel
Digitalisierung
Multi-Channel Distribution
Artist Relationship Management Rechtemanagement inklusive umfassendes umfassendenRechtemanagement
Erfolg versprechend erscheint erstens eine Abkehr von der traditionellen Beschaffung der Inputfaktoren und dem abgekapselten Rechtehandel hin zu einem langfristig angelegten Artist Relationship Management, das ein umfassendes Rechtemanagement integriert. Ein weiterer Weg aus der Krise könnte das Angebot vielseitigerer Inhalte darstellen, die in digitaler Form über verschiedenste Kanäle vertrieben werden, sowie die Partizipation an Erlösquellen jenseits des Tonträger- bzw. Musikstückverkaufs (Konzerte, Merchandising etc.). Es ist freilich zu konzedieren, dass es sich bei den Handlungsoptionen zum Teil um Vorschläge handelt, deren Wahrnehmung der Musikindustrie bereits vor der Krise zum Vorteil hätte gereichen können.
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Fazit und Desiderata
Dieser Beitrag zielte darauf ab, die betriebswirtschaftliche Forschung zur andauernden Krise der Musikindustrie zu analysieren, die bisherigen Strategien zu diskutieren sowie in systematischer Weise Handlungsoptionen zur Krisenüberwindung aufzuzeigen. Bezug nehmend auf die Industrie-Napsterisation Matrix führen diese Handlungsoptionen sowohl zur Senkung der relativen First-CopyCosts als auch zur Erhöhung der Kosten und der Komplexität der Kopie auf Seiten des Endverbrauchers. Anders als die bisherigen Maßnahmen (Strafandro-
Die Krise der Musikindustrie
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hung und Kopierschutz) ermöglichen die vorgeschlagenen Handlungsoptionen eine Verbesserung der Kosten- und Erlösposition, ohne dabei den Kunden zu kriminalisieren. Ein Teil der Handlungsoptionen wird von einzelnen Musikunternehmen bereits in Ansätzen verfolgt. Wünschenswert wären nun an dieser Stelle deshalb klassische empirische Untersuchungen, welche Handlungsoptionen tatsächlich erfolgreich sind und deshalb weiterverfolgt werden sollten. Darüber hinaus ist vor allem aus Sicht der Managementforschung weiterhin unklar, wie ein professionelles und erfolgreiches ARM in der konkreten Umsetzung aussehen kann. Der Grund hierfür liegt in den Besonderheiten, die mit der „Ressource Künstler“ zweifellos verbunden sind. Da diese annahmegemäß nicht trivialer Natur sind, stellt sich die Frage, wie und ob sie durch ein zielorientiertes ARM berücksichtigt werden können, oder ob das Management von Künstlern selbst zur Kunst wird und sich damit einer mechanistischen Managementvorstellung eher entzieht. Derartige Fragen lassen sich in Zukunft wohl nur in interdisziplinären Forschungsteams beantworten.
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Am Anfang war mal das Wort… Aktuelle Trends in der Produktpolitik der Kultur-Radios Michael Becker
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Einleitung
Beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk – auch im NDR-Programm – folgte traditionell auf eine lange Ansage mit dem Duft eines gewichtigen Musiklexikons ein ebenso gewichtiges Stück Musik. Dem Hörer wurde vermittelt: „Der Mann im Radio weiß etwas, das sagt er Dir, Du nimmst es auf, und hinterher hast Du die Musik verstanden (zu haben).“ Die Art des Wortes hat sich mittlerweile komplett verändert. Es geht bei den öffentlich-rechtlichen Kulturprogrammen inzwischen nicht mehr in erster Linie darum, über das einzelne Stück zu erzählen, sondern allgemeine Informationen unterzubringen. Diese Veränderung der Kultur-Radios ist zurückzuführen auf den Einfluss der privaten Rundfunkanstalten. Sie ist aber vor allen Dingen auf den Einfluss ihrer selbst zurückzuführen sowie auf Media Analysen, denen sie sich trotz anfänglichen Widerstands letztlich sklavisch unterworfen haben.
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Programmproduktion in der Vergangenheit
Mitarbeiter von öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten kennen Kapseln. Kapseln sind kleine Blechrücken, in denen ungefähr 100 dünne Zettelchen im Längsformat stecken, die sehr umständlich einsortiert werden. Seit den ersten Tagen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks stehen in diesen Kapseln die einzelnen Archivposten der Rundfunkanstalten – rosa Zettelchen und weiße Zettelchen. Ganz wichtig ist – und ganz wichtig vor allen Dingen für das Selbstverständnis einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt: Rosa, das sind so genannte Industrie-Umschnitte, während die weißen für Eigenproduktionen stehen. Sie kommen zustande, wenn eine Rundfunkanstalt einen Künstler eingeladen hat, um auf einer Bühne eine Rundfunkproduktion – vergleichbar einer Schallplattenproduktion – einzuspielen. Die Umstellung auf die digitalen Sendemittel und auch die digitale Archivierung – bei vielen Rundfunkanstalten heißt diese DIRA – hat seit Mitte der 90er Jahre dazu geführt, dass die Unterscheidung zwischen Rosa und
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Weiß weggefallen ist. Seither erkennen die Mitarbeiter nicht mehr, ob es sich bei einem Beitrag um einen rundfunkeigenen Mitschnitt oder einen Umschnitt handelt. Diese Veränderung ist im Grunde nur ein Symbol. Denn sie zeigt, dass sich die Rundfunkanstalten auch verabschiedet haben von Eigenproduktionen, auf die sie so stolz wären, dass sie diese mithilfe eines weißen Zettelchens kenntlich machen wollten. Die Rundfunkanstalten hatten früher auf ihren weißen Zettelchen Komponistennamen stehen, die auf rosa Zettelchen gar nicht vorkamen. Da gab es von Kodaly das Konzert für Orchester; oder sie konnten unbekannte Kleinmeister wie Eberl oder Kalkbrenner vorweisen, die auch gesendet wurden. Die NDR Radiophilharmonie hat auf dem damaligen NDR 3 Stücke gespielt, die heute niemand mehr kennt. Inzwischen hat sich aber Entscheidendes geändert: im Angebot wie im Rezeptionsverhalten. Deshalb können viele dieser Aufnahmen nicht mehr gespielt werden: Sie sind schlichtweg zu lang. Die berühmten „Drei-Minuten-Dreißig Musik und 45 Sekunden Moderation“ funktionieren nicht bei einer KalkbrennerSymphonie. Zum anderen hat man festgestellt, dass es viel zu teuer ist, selber zu produzieren. Deshalb werden handelsübliche CDs abgespielt, oder es wird die Information der CD von der hauseigenen Festplatte geholt. Die Aufgabe der Eigenproduktion, zu einem ganz großen Teil zumindest der Eigenproduktion selten gespielter Werke, ist ein Grund für die Veränderung der Kultur-Radios.
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Aktuelle Formatanpassung
Die Anpassung der Formate ist ein anderer. Sie hat Vorteile. Zum einen bedienen sich die Redakteure heute der Mikrowelle DIRA. Sie suchen nach 3:30 bis 4 Minuten langen Stücken, achten darauf, dass kein Sänger auftritt und verlassen sich ansonsten darauf, dass die Musikredaktion bei der Vorauswahl der Stücke schon ordentlich gearbeitet haben wird. Zum anderen werden diese „3:30 Musik, 45 Sekunden Quatschen“ auch von wertkonservativen Radionutzern gutgeheißen, gerade im so genannten Tagesbegleitprogramm. Welchen Sinn macht es, eine Bruckner-Symphonie jemandem vorzuspielen, von dem bekannt ist, dass er jetzt in sein Auto steigt, in fünf Minuten einkaufen geht und somit die nächsten 300 Takte von diesem Stück nicht hört? Allerdings hat die Anpassung der Formate, so wie sie umgesetzt worden ist, auch Nachteile: Die Musik dient mittlerweile oft nur als Puffer. Das merken Sie, wenn es bei den Beiträgen um Themen geht, die musikalisch in keiner Weise angeteast werden. Da läuft eine halbe Symphonie, und anschließend sagt der Moderator: „Ja, der Haydn war doch schon ein unheimlich lustiger Komponist.
Am Anfang war mal das Wort… Aktuelle Trends in der Produktpolitik der Kultur-Radios
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Und jetzt zu unserem Thema, das heute heißt: Brötchen bei McDonald’s.“ Das ist keine stringente Musikplanung. Gleichwohl ist es das Ergebnis einer Reform. Denn der NDR hat sein Kulturprogramm vor vier bis fünf Jahren „reformiert“. Reform ist beim Radio ein schwieriger Begriff, weil eigentlich die Reform jeden Tag stattfinden und vom Hörer kaum bemerkt werden sollte. Radio sollte ein sukzessiver Vorgang sein, dessen „Reformen“ vor allen Dingen nicht nach außen getragen werden. Denn erst durch diese Veröffentlichungen werden Hörer der Veränderungen gewahr und haben somit die Möglichkeit, nach Kosten und Erfolg zu fragen. Bei NDR Kultur, wie es heute heißt, hat die Reform eine Entwicklung von 1,7 Prozent Hörerreichweite vor sieben Jahren auf heute 1,7 Prozent gebracht. Eine Reichweite, die in Wirklichkeit unterhalb des Messbaren liegt. Dafür wurde viel Geld ausgegeben. Denn das Programm wurde in seinem Kernbereich verändert: dem Repertoire. Auch diese Veränderung kann infrage gestellt werden: Was heute an Musik präsentiert wird, ist Mozarts Klarinettenkonzert; ungefähr fünfzehnmal in der Woche und natürlich immer nur in Form des langsamen Satzes, weil er so schön ist. Dazu kommt der Minutenwalzer von Chopin, weil man den vor den Nachrichten immer noch spielen kann. Und schließlich das Konzert für vier Klaviere bzw. Cembali und Orchester von Johann Sebastian Bach. Ungefähr in diesem Rahmen spielt sich die Musikauswahl ab. Gelegentlich gibt es etwas Filmmusik. Das ist dem privaten Klassik-Radio geschuldet, vor dem der NDR immer sehr viel Angst hatte. Dieser minimierte, dieser zusammengeschrumpfte Kulturbegriff ist Ausdruck einer großen Furcht, etwas falsch zu machen im neu formatierten Kulturprogramm. Er zeugt von wenig Wagemut, und es gibt genug Kulturprogramme, auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, die zeigen, dass es genau andersrum gehen kann. Diese Programme sprechen ein zwar wertkonservatives Publikum an, das vermutlich keinerlei Erfahrung mit CD-Brennern hat, aber auch nicht ausschließlich in der Welt der klassischen Musik und fernab aller gesellschaftlichen Entwicklungen lebt. Es verlangt nicht, von einer Mozart-Sonate zum BachKonzert getragen zu werden, sondern es verlangt nach einem erweiterten Kulturbegriff, der sich wiederfindet in Programmen wie Deutschlandradio Kultur oder Figaro, dem Kulturradio des Mitteldeutschen Rundfunks. Diese Sender versuchen, in die Breite zu gehen. Sie stellen einen Singer-Songwriter neben einen alten Rhythm-and-Blues-Star und erst dann kommt plötzlich Bachs Konzert für vier Cembali und Orchester. Dadurch erhalten auch tausendfach gehörte Werke – etwa die von Bach – eine ganz neue Konnotation, und es kann Spaß machen, sie schon wieder zu hören.
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Auswirkungen der Veränderungen
Die geschilderten Veränderungen der Kultur-Radios hatten auch starke Auswirkungen auf den Schallplattenmarkt. Insbesondere die weitgehende Einstellung der Rundfunk-Eigenproduktionen hat sich bemerkbar gemacht. Als die CD erfunden wurde, haben viele Plattenfirmen Repertoire aus den Rundfunk-Archiven übernommen. Die Stationen konnten beispielsweise Mitschnitte der SalzburgerFestspiele von 1957 aufgrund der unmodernen Tonqualität nicht mehr senden und hielten diese auch für nicht marktfähig. Aber es gab CD-Firmen, insbesondere kleine Labels, die in der Lage waren, aus diesen Sachen noch Geld zu machen. So wurde diese Zeit des Aufbrechens der Systeme bei den ÖffentlichRechtlichen die ganz große Zeit der kleinen Labels. Firmen wie CPO in Georgsmarienhütte oder Dabringhaus und Grimm in Detmold koproduzieren seither mit Rundfunkanstalten. Die Produktion wird von den Sendern finanziell unterstützt, wofür deren Logo auf der CD-Rückseite erscheint. Die Labels haben dadurch geringe Produktionskosten und erreichen nicht selten bereits bei 3.000 verkauften Exemplaren den Break-Even. Dieses Vorgehen hat auch die Klassiksparten der Major-Labels in Bedrängnis gebracht. Die haben in den vergangenen zehn Jahren reagiert, indem sie teilweise qualitativ hochwertige Künstler aus ihren Verträgen entlassen und gegen Künstler mit ein bisschen mehr Ausschnitt im Kleid ausgetauscht haben. Der Ausschnitt im Repertoire wurde gleichzeitig immer enger. Parallel dazu sanken, mit Ausnahme von Blockbustern wie AnneSophie Mutter, die Verkaufszahlen dieser Firmen ins Bodenlose. Dazu trugen wiederum die Radios bei, weil sie den Menschen das Standardrepertoire – Mozarts Klarinettenkonzert – kostenlos im Radio präsentierten. Wieso dann noch Platten kaufen? Da die anderen Menschen, die Musik jenseits des klassischen Standardrepertoires hören wollten, diese Art von Radio nicht mehr eingeschaltet haben, ist das Vakuum entstanden, das sich die kleinen Labels zunutze machten.
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Zukunftsaussichten
Dass dieses Vakuum ganz langsam anfängt sich aufzulösen, liegt neben den kleinen Labels auch an der Empfangbarkeit sämtlicher öffentlich-rechtlicher Programme über die gesamte Bundesrepublik. In Frankfurt etwa kann man mittlerweile MDR statt HR hören. Deutschlandradio wird so zum Problem für alle Kulturprogramme des Öffentlich-Rechtlichen, weil es ein öffentlich-rechtlich angelehntes bundesweites Kulturprogramm ist, das eine Vorreiterrolle in Sachen erweiterter Kulturbegriff spielt. Von diesem Programm kann angenommen werden, dass es relativ bald als einziges Kultur-Radio überbleiben wird. Denn die
Am Anfang war mal das Wort… Aktuelle Trends in der Produktpolitik der Kultur-Radios
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kurzen Strecken kulturspezifisch-lokaler Information in den einzelnen öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten können durch Fenster im bundesweit einzigen Kultur-Radio aufgefangen werden. So eine Veränderung hätte auch eine Auswirkung auf die Schallplattenindustrie, eine minimale: Beim Norddeutschen Rundfunk gibt es CD-Tipps, Empfehlungen für den Hörer. Kritiker sagen, dass 99 Prozent der CD-Tipps Repertoire des Hauses Universal wiedergeben und dass von diesen 99 Prozent wiederum 99 Prozent ausschließlich das Standardrepertoire spiegeln. Das heißt, kurz vor Weihnachten wird das Weihnachts-Oratorium in einer Aufnahme mit den Berliner Philharmonikern und Simon Rattle, kurz vor Ostern liturgische Gesänge usw. angeboten. Immer die passende Musik zum passenden Fest. Darauf müsste die Schallplattenindutsrie künftig verzichten. Aber was würde sie verlieren? Mit der Reduzierung aufs Kern-Repertoire wird nicht einmal ein aussterbender, sondern ein real nicht-existenter Hörertypus bedient. Einer, der sich möglicherweise für kulturell gebildet hält, aber nicht lange zuhören kann und schon gar nichts Unbekanntes hören will. Der NDR redet von der berühmten „bügelnden Hausfrau“, die ja in Ruhe zuhören kann und der man jedes Stück komplett ausspielen kann. Da ist ein Bruch in der Logik. Denn niemand kann allen Ernstes bewusst hörend ertragen, fünfzehnmal Mozarts Klarinettenkonzert in einer Woche zu hören. Dieses Stück ist nicht so ein selten gespielter Hit wie damals 1990 „She’s homeless“, den man unbedingt so lange hören wollte, bis er ausgebrannt war. Dieses Stück gibt es seit 200 Jahren, und es wird seit nicht ganz 200 Jahren regelmäßig im Radio gespielt. Vieles deutet darauf hin, dass es sich bei den tatsächlichen Hörern um Menschen handelt, die einfach nur irgendwas im Hintergrund laufen haben wollen. Insofern ist es bei dem Mini-Repertoire des NDR völlig egal, ob er dieses oder jenes Stück spielt. Das zurzeit gesendete Kernrepertoire der Öffentlich-Rechtlichen basiert auf einer minimalen Zahl an Titeln. Es handelt sich im Grunde um eine Rotation. Es gibt kaum einen Unterschied zur Rotation auf Hitradio ffn. Dort spielen sie vielleicht die „besten“ Titel der letzten 20 Jahre, während bei der Rotation von NDR Kultur die „besten“ Titel der letzten 300 Jahre gespielt werden. Und das mit der gleichen Zahl von Musiktiteln. Wie auch bei ffn werden so die Musikliebhaber mit ein wenig Gefühl für das potenziell zur Verfügung stehende musikalische Angebot verärgert. Und ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk sollte in der Lage sein, die einen zu bedienen, ohne die anderen zu vernachlässigen. So stark steht er nicht im Wettbewerb, dass er dazu nicht in der Lage sein könnte. Zumal, wie weiter oben dargestellt, die Veränderung der Einschaltquote nicht als Beleg für den Erfolg der Reform dienen kann. Dagegen ist doch die Alternative das Interessante. Sie kann wie beim Deutschlandradio zelebriert werden, wenn beispielsweise die Musikredakteure mal eben kurz hinter das Mikrophon kommen
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und eine neue CD vorstellen. Da mag auch absolut ausschaltbarer HardcoreTrash darunter sein. Doch es handelt sich stets um komplett neue Musik, die auf Grund von zusätzlichen Erklärungen das Lebens-, das Geschmacksmodell eines Redakteurs vermittelt. Das muss der Hörer nicht teilen wollen. Aber es wirkt authentischer als die Ansage: „Der Haydn war lustig, und jetzt kommt die neue CD von Vanessa Mae“. CDs, die beim Deutschlandradio präsentiert werden, stammen meist von den kleinen Labels, den „Independents“ der Klassik-Szene. Sie haben bei Deutschlandradio oder bei Figaro die ganz große Chance, während sie von Programmen wie NDR Kultur vernachlässigt werden. Langfristig aber dürften die Kleinen, Feinen, Engagierten überleben, weil sie sich schon jetzt marktfertig gemacht haben. Die großen Labels dagegen werden ihr Programm immer weiter kürzen müssen, weil die Aufnahmen der wenigen großen Namen, die sie hegen und pflegen, auch immer mehr Geld kosten werden. Bei den kleinen Labels werden die Künstler auch weiterhin nahezu umsonst produzieren, weil sie ein anderes Ziel verfolgen als die 300.000. verkaufte CD. Sie wollen zum einen, dass sie präsent sind auf dem Markt. Sie wollen konkret im jpc-Katalog als Namen auffindbar sein. Und sie wollen CDs nach ihren Konzerten im Saal absetzen können. Das Konzert als Direktmarketing – das ist für viele Künstler die effektivste Art, ihren Namen unters Volk zu bringen. Außerdem erreicht der Künstler mit dieser überaus klassischen Form der Distribution einen ehrlichen, „fühlbaren“ Absatz seiner Tonträger.
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Fazit
Zusammenfassend sage ich über die Situation der Kulturradios in Deutschland: Es gibt im Moment die Schere zwischen einer Art von Willfährigkeit gegen die große Musikindustrie einerseits, auf der anderen Seite die DeutschlandradioTendenz, die Anarchie als Versuch, den Hörern etwas Anderes, etwas Eigenes, etwas Besonderes und vor allen Dingen etwas Unbekanntes unterzuspielen. An diesem Punkt besteht die Kunst darin, im Unterschied zu allen anderen Radiostationen in den Drei-Minuten-Dreißig Musik und den anschließenden 45 Sekunden Wortbeitrag etwas zu sagen, das hängen bleibt… und nicht nur vom Wetter oder vom Verkehr berichtet. Dann gehören Wort und Musik wieder zusammen.
II Musik als Medieninhalt
Music’s in the air – and everywhere... Musik als Teil des Medienangebots Ines Vogel und Uli Gleich
Musik ist überall. Wir lassen uns von Musik im Radio wecken und beim Frühstück davon berieseln. Auf dem Weg zur Arbeit und in die Schule laufen Autoradio und MP3-Player. Fachjournale und Tageszeitungen versorgen uns mit Konzertkritiken, Rezensionen über neue CDs und mit Informationen über Bands und Interpreten. Wir kaufen CDs und laden Musik aus dem Internet herunter. Das Fernsehen bietet uns musikalische Unterhaltung in Form von Volksmusiksendungen, Chart-Shows und neuesten Videoclips bei MTV und VIVA. In der Freizeit singen wir im Chor und spielen im Musikverein, wir besuchen Diskotheken, Musikkneipen und Konzerte. Im Fußballstadion lassen wir uns von den Fan-Gesängen mitreißen und selbst wenn wir das Finanzamt anrufen, wird uns die Wartezeit mit Musik verkürzt. Die Beispiele verdeutlichen, wie sehr Musik bzw. Musikangebote unseren Alltag durchdringen und uns überall begleiten – vermutlich sogar mehr als andere Medieninhalte und -angebote. Im folgenden Beitrag werden dazu eine Reihe von quantitativen Rahmendaten präsentiert: Nach einem kurzen Überblick über den Musikmarkt in Deutschland zeigen Daten zu Musik als Teil des Medienangebots sowie zu musikbezogenen Freizeitbeschäftigungen, welchen Stellenwert Musik im Alltag der Menschen hat. Es werden dabei sowohl die klassischen Massenmedien wie Radio und Fernsehen als auch neue Medien (vor allem das Internet) einbezogen.
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Der Musikmarkt in Deutschland
1.1 Gesamtangebot und Neuerscheinungen Nach Schramm (2004: 445) ist das Angebot an Musiktonträgern mittlerweile fast „unüberschaubar“. Anhaltspunkte für eine Quantifizierung bieten die jährlichen Erhebungen des Bundesverbandes der Phonographischen Wirtschaft e. V.: Danach wird die Anzahl der Neuerscheinungen im Pop- und Klassikbereich für das Jahr 2006 auf 17.200 Tonträger beziffert (Bundesverband der Phonographischen
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Ines Vogel und Uli Gleich
Wirtschaft e. V. 2006: 38). Gezählt wurden dabei CD-Alben, Maxi-Single-CDs, DVD- und VHS-Musikvideos. Dass 2006 nur rund 900 Bild-/Tonträger weniger auf dem Markt neu erschienen als ein Jahr zuvor, lässt – trotz der vielfach zitierten Krise in der Musikindustrie – auf ein relativ konstantes Niveau der Angebotsvielfalt schließen. Das Gesamtangebot an verschiedenen Tonträgern beziffert der Bundesverband auf 88.015 (Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft e. V. 2006: 39). Tatsächlich muss es jedoch als etwa doppelt so hoch eingeschätzt werden, da Importprodukte und Tonträgerhersteller, die nicht Mitglied im Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft e. V. sind, in der Statistik nicht berücksichtigt werden.
1.2 Musikabsatz in Deutschland Im Jahr 2006 wurden in Deutschland insgesamt 186,3 Millionen „physischer“ Musikmedien verkauft. Im Vergleich zum Vorjahr ist damit ein Absatzrückgang von 1,4 Prozent feststellbar (2005: 189 Millionen; Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft e. V. 2006: 20). Den Hauptanteil verkaufter Tonträger macht nach wie vor das CD-Album mit 149,5 Millionen Einheiten aus. Hier lässt sich über den Zeitraum der vergangenen zehn Jahre ein deutlicher Rückgang verzeichnen, nämlich seit 1997 um etwa ein Drittel. Rückläufig ist vor allem auch der Markt für Maxi-Singles, Musikkassetten und VHS-Musikvideos: So büßte die Maxi-Single in den vergangenen zehn Jahren mehr als zwei Drittel ihres Absatzes ein, bei Musikkassetten liegt der Rückgang sogar bei drei Vierteln. An VHS-Musikvideos wurden im Jahr 2006 nur noch 0,1 Millionen Stück verkauft. Damit liegt ihr Absatz nach einer „Blütezeit“ im Jahr 2002 (3,2 Millionen verkaufte Exemplare) inzwischen deutlich unter dem von vor zehn Jahren (1997: 0,9 Millionen; Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft e. V. 2006: 20). Erklärbar ist diese Entwicklung zum einen damit, dass analoge Speichermedien inzwischen technisch überholt sind. Zum anderen lässt sich gerade der rückläufige Absatz von Maxi-Singles auf die Nutzung illegaler Tauschbörsen (vgl. hierzu auch Abs. 2.4), aber auch auf die zunehmende Bedeutsamkeit legaler Möglichkeiten des Musikdownloads im Internet zurückführen: So stellt der legale Download von Musikstücken mit einem Volumen von 25,2 Millionen verkauften Einzeltracks im Jahr 2006 ein schnell wachsendes Marktsegment dar und weist inzwischen den zweitgrößten Absatzanteil nach dem CD-Album auf (Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft e. V. 2006: 20). Hinzu kommen 1,9 Millionen verkaufte „Bundles“, d. h. komplett heruntergeladene Maxi-Single-CDs oder CD-Alben. Verglichen mit
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dem Vorjahr entspricht dies einem Absatzanstieg von 28 Prozent bei den Einzeltracks und 36 Prozent bei den Bundles.
1.3 Umsatz der Musikindustrie in Deutschland Nach den deutlichen Umsatzrückgängen der Jahre 2000 bis 2003 hat sich der Musikmarkt in den Jahren 2004 bis 2006 wieder etwas stabilisiert, wenngleich nach wie vor sinkende Zahlen zu verzeichnen sind: Im Vergleich zum Jahr 2005 verringerte sich der Umsatz im Jahr 2006 noch einmal um 2,4 Prozent von 1,748 Milliarden Euro auf 1,706 Milliarden Euro (Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft e. V. 2006: 15; vgl. Abb. 1 für eine Übersicht zum Gesamtumsatz der Musikindustrie in den vergangenen zehn Jahren). Abbildung 1: Gesamtumsatz des Phonomarktes in Deutschland 1997 bis 2006 in Millionen Euro (Quelle: Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft e. V. 2006: 15) 3000
2.748 2.709
2.648 2.630 2.365
2500
2.201
2000
1.816
1.753 1.748 1.706
2003
2004
1500 1000 500 0 1997
1998
1999
2000
2001
2002
2005
2006
Im Gegensatz zur negativen Tendenz des Gesamtumsatzes weisen sowohl der digitale als auch der mobile Markt für Musik positive Umsatzentwicklungen auf: So wurden mit Downloads im Jahr 2006 insgesamt 42 Millionen Euro umgesetzt, was gegenüber 2005 (30 Millionen Euro) einen Anstieg von 40 Prozent bedeutet. Fast ebenso hoch war 2006 der Umsatz mit mobiler Musik (41 Millio-
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nen Euro), so dass mit nicht-physischen (digitalen) Musikformaten inzwischen bereits fünf Prozent des Umsatzes der Musikbranche in Deutschland erzielt werden (Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft e. V. 2006: 16 f.). Betrachtet man den Anteil verschiedener Repertoiresegmente am Gesamtumsatz, so ist festzustellen, dass Musik aus dem Bereich der sogenannten „Unterhaltungsmusik“ deutlich dominiert: Pop- und Rockmusik tragen mit 36,8 Prozent bzw. 17,9 Prozent zum Gesamtumsatz bei. Mit deutlichem Abstand folgen die Sparten klassische Musik und Schlager mit jeweils 8,3 Prozent sowie Kinderprodukte (5,9 %) und Dance (4,7 %) (Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft e. V. 2006: 41).
1.4 Musiktauschbörsen im Internet und Musikkopien Die Absatz- bzw. Umsatzeinbußen der Musikindustrie, die insbesondere durch die Verluste im Geschäft mit Maxi-Single-CDs und CD-Alben zustande kommen, lassen sich zum einen durch die zunehmende Substitution physischer Tonträger durch legal bei Internetmusikanbietern erworbene Einzeltracks und Bundles erklären. Zum anderen werden dafür auch das illegale Downloaden von Musikstücken aus dem Internet (z. B. bei Tauschbörsen) sowie das Kopieren („Brennen“) von Musik-CDs verantwortlich gemacht. Nach den Ergebnissen der „Brennerstudie 2007“, in der 10.000 Personen ab zehn Jahren befragt wurden, luden die Deutschen im Jahr 2006 465 Millionen Musikstücke aus dem Internet herunter (vgl. Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft e. V. 2007: 24). Im Vergleich zum Vorjahr (2005: 512 Mio.) sank damit die Anzahl von Musik-Downloads um ca. neun Prozent. Gleichzeitig hat sich jedoch die Zahl der Personen, die überhaupt Musik aus dem Internet downloaden, um 15 Prozent von 8,2 Millionen im Jahr 2005 auf 9,4 Millionen im Jahr 2006 erhöht (Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft e. V. 2007: 24). Zusammen stellen die 20- bis 29-Jährigen (33 %) und die 30- bis 39Jährigen (24 %) über die Hälfte dieser Personen (2005: 48 %). Zwar werden die Angebote legaler Musikanbieter im Internet zunehmend akzeptiert und wahrgenommen (so steigerte sich der Anteil von Downloads kostenpflichtiger Musiktitel von vier Prozent im Jahr 2005 auf sechs Prozent im Jahr 2006), nach wie vor wird Musik jedoch hauptsächlich kostenlos aus dem Internet „bezogen“. 80 Prozent der Titel wurden im Jahr 2006 unentgeltlich über Tauschbörsen beschafft, weitere 14 Prozent über Homepages (Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft e. V. 2007: 26). Vor allem bei jüngeren Nutzern (10- bis 19-Jährige) ist diese Art der Beschaffung offensichtlich stark ausgeprägt: 72 Prozent dieser
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Altersgruppe gaben an, nur kostenlose Downloads zu tätigen (Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft e. V. 2007: 28). 37 Prozent der Deutschen (23,5 Mio.) speichern Musik auf den Festplatten ihrer PCs oder Laptops, 23 Prozent (14,9 Mio.) auf MP3-Playern und MP3Handys. Bei einer durchschnittlichen Anzahl von 614 bzw. 159 Titeln ergibt sich die enorme Anzahl von etwa 16,7 Milliarden Musikstücken, die die Deutschen in digitalen Archiven „horten“ (Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft e. V. 2007: 30). In Bezug auf die Anzahl von Musikkopien kann in den letzten Jahren ein kontinuierlicher Anstieg festgestellt werden. Laut den Ergebnissen der „Brennerstudie 2007“ verfügten im Januar 2007 fast 70 Prozent der Deutschen ab zehn Jahren über die notwendige Hardware, um digitale Inhalte auf CD oder DVD zu brennen (CD-Brenner: 50 %; DVD-Brenner: 19 %) (Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft e. V. 2007: 6). Damit wurden im Jahr 2006 insgesamt 766 Millionen Rohlinge bespielt. Dies ist zwar im Vergleich zum Jahr 2005 (882 Mio.) ein Rückgang um 13 Prozent, gleichzeitig veränderte sich jedoch das Verhältnis von verkauften CD- und DVD-Rohlingen (2005: CD: 71 %, DVD: 29 %; 2006: CD: 64 %, DVD: 36 %). Letztere haben eine etwa achtfache Speicherkapazität, so dass im Jahr 2006 letztlich mehr Musik kopiert wurde als im Vorjahr: Mit 486 Millionen CD-Äquivalenten (eingerechnet sind CDs, DVDs und CD-Rs) übertrifft die Anzahl von Musikkopien den entsprechenden Wert von 2005 um 47 Millionen (Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft e. V. 2007: 18). Die Entwicklung verkaufter CD-Alben im Vergleich zu mit Musik bespielten Rohlingen von 2000 bis 2006 kann der Abbildung 2 entnommen werden. Insgesamt lässt sich festhalten, dass 2006 etwa 3,3-mal so viele mit Musik bespielte Rohlinge im Besitz der Deutschen waren als CD-Alben verkauft wurden (Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft e. V. 2006: 24). 91 Prozent der Musikkopien sind Privatkopien, die für den Eigenbedarf und/oder Freunde, Verwandte und Bekannte hergestellt werden. Zwei Prozent fallen unter „Schulhofpiraterie“, sechs Prozent sind als Internetpiraterie und ein Prozent als gewerbsmäßige Musikpiraterie zu bezeichnen. Nach Angaben des Bundesverbandes der Phonographischen Wirtschaft ergibt sich daraus ein geschätzter Umsatzwert von etwa 6,8 Milliarden Euro, wäre die kopierte Musik gekauft worden. Dies entspricht etwa dem Vierfachen des tatsächlich erreichten Jahresumsatzes von rund 1,7 Milliarden Euro (Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft e. V. 2006: 29).
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Abbildung 2: Mit Musik bespielte Rohlinge (CD-Äquivalente) und verkaufte CD-Alben 2000 bis 2006 in Millionen Stück (Quelle: Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft e. V. 2006: 24) 600 486
500
439
404 400 337 267
300 206,1 200
182184,6
178,7
133
146,8
145,5
147,6
149,5
100 0 2000
2001
2002 Rohlinge
2
2003
2004
2005
2006
CD-Alben
Anteile von Musik in den Medien
2.1 Der Anteil von Musik im Fernsehen Nach Ergebnissen der Programmanalyse 2006 machen Musiksendungen bei den großen öffentlich-rechtlichen (ARD/Das Erste, ZDF) und privaten TV-Anbietern (RTL, SAT.1, ProSieben) durchschnittlich etwa ein Prozent des gesamten Programmangebots aus (Krüger/Zapf-Schramm 2007: 177). Im Jahresdurchschnitt wurden 2006 täglich etwa 15 Minuten an ausgewiesenen Musiksendungen ausgestrahlt (Krüger/Zapf-Schramm 2007: 176). Betrachtet man den Anteil verschiedener Musikstile am Programm, so zeigt sich, dass nur die öffentlichrechtlichen Sender neben Rock, Pop und Schlagern auch volkstümliche Musik und so genannte „ernste Musik“ in ihrem Programmangebot haben (vgl. Abb. 3).
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Abbildung 3: Sendedauer von Musiksendungen bei öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehanbietern im Jahr 2006 (in Minuten/Tag; vgl. Krüger/Zapf-Schramm 2007: 176) 20
19 17
18
16 16
16 14 11
11
12
10 10
10 8
7
6
6
6 3 4
4 2
1
0 ARD/Das Erste
ZDF
Musik, davon:
RTL
Pop/Rock/Schlager
SAT.1 Volksmusik
ProSieben Ernste Musik
Insgesamt erscheinen die hier dokumentierten Musikanteile relativ gering. Zu beachten ist allerdings, dass die angegebenen Werte auf Kodierungen der Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung (AGF) basieren und lediglich explizit als Musiksendungen ausgewiesene Angebote berücksichtigt werden (z. B. „Musikantenstadl“, „Eurovision Song Contest“, Konzertübertragungen). Nicht einbezogen werden musikbetonte Sendungen, wie z. B. Chartshows oder „Wetten, dass...?“, die in andere Kategorien, beispielsweise „Nonfiktionale Unterhaltung“ subsumiert werden. Des Weiteren liegen keine empirischen Daten zur Quantifizierung von Musikanteilen bzw. der vielfältigen Musikelemente in den unterschiedlichsten Programmgenres vor, wie beispielsweise Jingles in Nachrichtensendungen, Musikdarbietungen in Unterhaltungsshows oder Hintergrund- bzw. Moodmusik in Serien oder Spielfilmen. Es ist also davon auszugehen, dass die Zuschauer der reichweitenstärksten Fernsehsender in einem weitaus größeren Ausmaß mit Musik konfrontiert werden, als es die Ergebnisse der oben genannten Programmanalyse nahe legen.
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Neben diesen Vollprogrammen existieren diverse Spartenprogramme, die sich auf Musik spezialisiert haben. So sind beispielsweise über Kabel Deutschland fünf Musikkanäle (z. B. VH1, MTV) empfangbar, der Satellitenanbieter Astra hat derzeit 17 solcher Angebote im Programm (z. B. MTV, VIVA, GIGA TV, Jamba! TV) und via Eutelsat können die Zuschauer sogar zwischen 36 nationalen und internationalen Musikprogrammen wählen (z. B. Tiny Pop, Balkanika Music TV, Akazoo). Betrachtet man die Programmzusammensetzung von MTV und VIVA – der beiden reichweitenstärksten Musikfernsehsender in Deutschland –, so zeigen sich nach Neumann-Braun und Mikos (2006) deutliche Veränderungen in der Programmstruktur im Verlauf der Sendergeschichte. Als MTV Anfang der 1980er Jahre auf Sendung ging, konnte der Sender noch eindeutig der Kategorie „Musiksender“ zugeordnet werden. Musikvideos dominierten zu großen Teilen das Programm und wurden moderiert und/oder unmoderiert nacheinander ausgestrahlt. Zunächst lag dabei der Schwerpunkt auf der Präsentation von „Mainstream-Musikstilen“, später jedoch – mit zunehmender Ausdifferenzierung der Musikszene – wurden auch alternative Stile wie Hard Rock, Heavy Metal, Independent und HipHop im Programm berücksichtigt. Neben einer Diversifizierung der gesendeten Musikstile kam schon bald eine Erweiterung des Programms auf andere, nicht primär musikbezogene Formate (z. B. Cartoons, Reality-Shows, Dokumentationen) hinzu, so dass MTV inzwischen nicht mehr als reine „Abspielstation von Musikvideos“, sondern vielmehr als Jugendfernsehen mit einer Vielzahl von Programmformaten zu verstehen ist (Neumann-Braun/Mikos 2006: 115). Eine vergleichbare Entwicklung lässt sich auch für den deutschen Musiksender VIVA festhalten, der erstmals 1993 auf Sendung ging. Nach Ergebnissen einer Programmstrukturanalyse der beiden Autoren machen Musikvideoformate seit 2004 inzwischen nur noch etwa die Hälfte des Programms auf MTV und VIVA aus. Darüber hinaus reduzierte sich deren inhaltliche Vielfalt auf beiden Sendern in den letzten fünf Jahren deutlich. Entsprechend vermehrt haben sich dagegen Reality-, Personality- und Informationssendungen, die inzwischen das Profil beider Sender mitprägen (NeumannBraun/Mikos 2006: 118). Auch wenn bei diesen „neuen“ Formaten Musik als Programmelement noch immer eine wichtige Rolle spielt, ist sie nicht mehr allein definierendes Programmelement. Insgesamt kann somit das Fernsehen kaum als ein zentrales „Musikmedium“ bezeichnet werden. Vielmehr wird dem Zuschauer im Rahmen des vielfältigen Programmangebots Musik in ihren unterschiedlichsten Facetten „mitgeliefert“ – dies jedoch wahrscheinlich in einem nicht unerheblichen Ausmaß.
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2.2 Der Anteil von Musik im Radio Anders als für das Fernsehen ist der Anteil von Musik am Programmangebot des Radios relativ gut dokumentiert. Das Marktforschungsinstitut emnid ermittelte beispielsweise bei den jeweils zehn reichweitenstärksten öffentlich-rechtlichen (u. a. SWR3, WDR4, Eins Live, Antenne Bayern) und privaten Radiosendern (u. a. Hit Radio FFH, Jump, FFN) einen durchschnittlichen Musikanteil von 75 Prozent bzw. einen durchschnittlichen Wortanteil von 25 Prozent (Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft e. V. 2003: 4). Öffentlich-rechtliche und private Anbieter unterscheiden sich diesbezüglich nicht systematisch voneinander. Große Varianzen in den Musik- und Wortanteilen ergeben sich vielmehr aus dem jeweiligen Profil eines Radiosenders als eher unterhaltungs- oder eher informationsorientiert. So wiesen etwa die Programme „Sputnik“ (MDR) oder „hr klassik“ (HR) im Jahr 2005 einen durchschnittlichen Wortanteil von 3,9 Prozent bzw. 5,3 Prozent auf. Beim „Deutschlandfunk“ betrug er dagegen 70,2 Prozent, bei „SWR cont.ra“ 98,2 Prozent und bei „BR5 aktuell“ sogar 99,4 Prozent (Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland 2006: 338 ff.). Angesichts des eindeutigen Übergewichts von Musikanteilen am Programm der meisten Radiosender in Deutschland, ausgeprägteren Präferenzen der Hörer für eher unterhaltungsorientierte Angebote sowie der hohen täglichen Nutzungszeiten (vgl. auch Abs. 4.1) kann insgesamt konstatiert werden, dass das Radio neben den spezifischen Musikmedien (z. B. CD- und MP3-Player) nach wie vor das wichtigste „traditionelle“ Medium ist, um Musik zu rezipieren.
2.3 Der Anteil von „Musik“ in Zeitschriften und Büchern Musik als spezifischer Inhalt von Zeitschriften und Büchern bezieht sich naturgemäß nicht auf rezipier- d. h. hörbare Musik, sondern vielmehr auf Texte und/oder Bilder, die sich in irgendeiner Form mit musikbezogenen Themen beschäftigen. Dies reicht von der Besprechung neuer Musik-CDs und Konzertkritiken über ökonomische Analysen der Musikindustrie bis hin zur Dokumentation wissenschaftlicher Forschung über Musik. Entsprechend finden sich musikbezogene Themen in allen Arten von Printmedien bzw. deren spezifischen Subkategorien, wie z. B. im Feuilleton oder im Wirtschaftsteil von Tageszeitungen, in Publikumsmagazinen, die über gesellschaftliche Ereignisse (z. B. Galas) berichten oder in Büchern, in denen etwa über die Jugendkultur der 70er Jahre zu lesen ist. Zur Dokumentation eines „Anteils von Musik“ im Zeitschriften- bzw. Buchmarkt (vgl. hierzu auch den Beitrag von Reus im vorliegenden Band), gehen wir
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daher im Folgenden nur auf solche Angebote ein, die sich ausschließlich oder zumindest überwiegend dem Thema „Musik“ widmen und daher von den Kommunikatoren in entsprechende Kategorien eingeordnet werden. Der „PresseKatalog“ der LeserAuskunft GmbH listet für das Jahr 2006 über 40.000 Zeitschriften am Pressemarkt in Deutschland. Über den Anteil von musikbezogenen Periodika gibt Tabelle 1 einen Überblick, wobei sich dahinter im Wesentlichen folgende Produkte verbergen:
Zeitschriften, bei denen der inhaltliche Schwerpunkt auf einem bestimmten Musikstil oder einer bestimmten Musikszene liegt (z. B. „JazzThing“, „Metal Heart“, „Backspin“, „Zillo“), Zeitschriften, die sich mit Musiktechnik oder bestimmten Musikinstrumenten befassen (z. B. „Soundcheck“, „Drumheads“, „Gitarre & Bass“, „Sound & Recording“), musikbetonte Jugendzeitschriften (z. B. „Visions“, „Spex“, „Musikexpress“), ausgewiesene Musikfachzeitschriften, z. T. mit wissenschaftlichem Hintergrund (z. B. „Acta Musicologica“, „Vibe“, „Psychology of Music“), Kundenzeitschriften (z. B. „WOM-Magazin“) sowie Newsletters und E-Papers (z. B. „Akustik-Gitarre“).
Tabelle 1: Anteile musikbezogener Periodika am Pressemarkt in Deutschland 2006 (Quelle: LeserAuskunft GmbH 2006, Stand: 23.09.2006) Kategorie
n
Unterkategorie
n
%
Zeitschriften/Magazine
2.500
Musik
27
1,08
Jugendzeitschriften (Rock/Pop) 44
1,76
900
Musikfachzeitschriften
33
3,67
Fachpresse
13.000
Musik und Tanz
198
1,06
Fachpresse international
18.000
Music (printed)
96
0,53
Zeitschriften/Magazine international
Über die fünf in Tabelle 1 aufgelisteten Kategorien hinweg liegt somit der durchschnittliche Anteil spezifischer musikbezogener Periodika am Pressemarkt in Deutschland bei 1,62 Prozent. Nach Angaben des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels erschienen im Jahr 2005 in Deutschland insgesamt 89.869 neue Bücher (78.082 davon in
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Erstauflage). 9.673 Titel (12,4 % der Erstauflagen) werden der Warengruppe „Kunst und Unterhaltung“ zugerechnet, zu der auch Bücher zum Thema „Musik“ gerechnet zählen. (Arbeitsgemeinschaft der ARD-Werbegesellschaften 2006: 56). Rund 1.000 Bücher, d. h. etwa 1,4 Prozent der Neuveröffentlichungen, beschäftigten sich mit einen musikbezogenen Thema (Statistisches Bundesamt Deutschland 2005: 170). Ähnlich wie beim Fernsehen muss auch hier beachtet werden, dass sich die berichteten Werte lediglich auf explizit als musikbezogen ausgewiesene Printprodukte beziehen. Es liegen keine Informationen darüber vor, in welchem Ausmaß über Musik, musikalische Veranstaltungen sowie über Interpreten und Bands in anderen Zeitschriften (z. B. im Rahmen allgemeiner Jugend- oder Unterhaltungszeitschriften wie „BRAVO“ oder „Bunte“) oder in thematisch anders ausgewiesenen Büchern berichtet bzw. informiert wird. Auch für den Bereich der Printmedien ist somit davon auszugehen, dass die Leser in höherem Ausmaß mit dem Thema „Musik“ in Kontakt kommen als die vergleichsweise geringen Werte zunächst vermuten lassen.
2.4 Der Anteil von Musik im Internet Das Internet vereint schließlich alle Eigenschaften, die die zuvor besprochenen Medien an Möglichkeiten der Musikrezeption bieten: Zum einen kann Musik im Internet gehört werden, zum anderen können Bilder, Musikvideos oder Filme zu musikalischen Veranstaltungen angesehen werden. Weiterhin können Internetnutzer Informationen zu musikalischen Themen recherchieren und lesen. Nicht zuletzt können sie selbst auch aktiv als Kommunikatoren von Musik und musikbezogenen Inhalten auftreten, indem sie beispielsweise an themenbezogenen Diskussionen in einschlägigen Foren partizipieren, Rezensionen zu Musikveröffentlichungen für andere Nutzer bereitstellen oder aber eine eigene Homepage zu einem musikalischen Thema gestalten. Entsprechend vielfältig und unüberschaubar sind auch die Angebote, die zu Musik im Internet existieren. Grob unterscheiden lassen sich beispielsweise Internetauftritte von
aktiv in der Musikbranche tätigen Personen, Institutionen und Unternehmen (z. B. Plattenfirmen, Verlage, Labels, Interpreten und Bands), Handels- und Vertriebsunternehmen für Tonträger (www.amazon.de), Musikdaten (z. B. www.musicload.de), Merchandisingartikel und Tickets für Musikveranstaltungen (z. B. www.eventim.de), legalen und illegalen Tauschbörsen u. a. auch für Musikdaten,
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Informationsanbietern rund um das Thema „Musik“ (z. B. Musikportale, Veranstaltungskalender) sowie von musikbezogenen Datenbanken (z. B. zu Chartpositionen, Musiktexten, Noten und Tabulaturen), Radiosendern, Musikzeitschriften und -fernsehsendern sowie von Musikmagazinen und -abspielstationen, die nur online verfügbar sind, Online-Foren und Newsgroups zu einem musikbezogenen Thema, Musikliebhabern und Fans zu bestimmten Musikstilen, -szenen, Interpreten oder Bands.
Zu beachten ist, dass die vorgenommene Kategorisierung keineswegs als erschöpfend oder trennscharf angesehen werden kann: So können beispielsweise Tonträger oder Merchandising-Artikel durchaus auch bei offiziellen Internetauftritten von Bands erworben werden. Gleichermaßen gibt es sicherlich Angebote, die sich in keine der oben genannten Kategorien einordnen lassen. Betrachtet man – unabhängig vom Inhalt – die Zahl aller öffentlich zugänglichen Seiten im Internet, so konnte die Zahl nach Döring (1999: 161) bereits 1998 auf 320 Millionen Einzelseiten beziffert werden. Inzwischen wird sie bei einem derzeitigen Stand von über 120 Millionen Websites (vgl. Netcraft 2007) auf mehrere Milliarden geschätzt. Eine zuverlässige Aussage über Ausmaß und Art musikbezogener Angebote im Internet zu treffen, gestaltet sich aussichtslos, da zum einen nach wie vor nur ein Bruchteil aller Seiten im Netz bei Suchmaschinen registriert ist (vgl. auch Döring 1999) und es zum anderen keine Quantifizierung der Angebote beispielsweise analog zur Programmstrukturanalyse des Fernsehens gibt.
3
Musik als Freizeitbeschäftigung
Musik bildet nicht nur einen wesentlichen Bestandteil medialer Inhalte und Angebote, Musik ist ebenso für die Freizeitgestaltung von großer Bedeutung. Dabei können sich Menschen in ihrer Freizeit in verschiedener Weise mit Musik beschäftigen: Einerseits kann Musik mittels unterschiedlicher Medien (z. B. Radio, Fernsehen, Internet, CD, MP3-Player) oder live rezipiert werden, andererseits kann sie auch aktiv – alleine oder in Gruppen – selbst produziert werden.
3.1 Das Ausmaß der Musikrezeption Geräte, die das bloße Rezipieren wie auch das Aufzeichnen und Speichern von Musik erlauben, gehören zur „Standardausrüstung“ deutscher Haushalte. In na-
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hezu hundert Prozent der Haushalte ist mindestens ein Radio- und Fernsehgerät vorhanden, 83,5 Prozent verfügen über ein Autoradio. Des Weiteren sind jeweils deutlich über die Hälfte der Haushalte mit CD-Playern (66,4 %), Videorecordern (64,6 %), PCs bzw. Laptops (60 %), Kassettenrecordern (55,8 %) und/oder DVD-Playern (55,7 %) ausgestattet (Arbeitsgemeinschaft der ARDWerbegesellschaften 2006: 65). Während die „klassischen“ Plattenspieler (25,6 %) offensichtlich langsam verschwinden, zeigt sich in den vergangenen Jahren eine deutliche Zunahme von MP3-Playern und DVD-Recordern. Sie waren im Jahr 2006 bereits in einem Viertel bzw. einem Fünftel der deutschen Haushalte vorhanden (vgl. Abb. 4). Abbildung 4: Ausstattung deutscher Haushalte mit Unterhaltungselektronik in Prozent (Quelle: Arbeitsgemeinschaft der ARDWerbegesellschaften 2006: 65) Radiogerät
98,3
Fernsehgerät
97,7
Autoradio
83,5 66,4
CD-Player Videorecorder
64,6
PC
60,0
Kassettenrecorder
55,8
DVD-Player
55,7 29,1
MP3-Player Plattenspieler
25,6
DVD-Recorder
20,4 0
20
40
60
80
100
Insgesamt bleibt damit festzuhalten, dass die Geräteausstattung genügend Möglichkeiten bietet, Musik in unterschiedlichster Form zu konsumieren. Verglichen mit dem umfangreichen Angebot an Tonträgern (vgl. Abs. 2.1) fällt deren tatsächliche Nutzung allerdings vergleichsweise niedrig aus. Betrachtet man das Zeitbudget, dass Erwachsene ab 14 Jahren für die Nutzung verschiedener audiovisueller Medien aufbringen, entfallen täglich lediglich 30 Minuten
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auf die Nutzung von Tonträgern (Arbeitsgemeinschaft der ARDWerbegesellschaften 2006: 70; vgl. hierzu Abb. 5). Jugendliche im Alter zwischen 14 und 19 Jahren erweisen sich mit 78 Minuten pro Tag als die stärkste Nutzergruppe (Arbeitsgemeinschaft der ARD-Werbegesellschaften 2006; vgl. auch Schramm 2004). Im Gegensatz dazu ist das Radio ein Medium, das von allen Altersgruppen gleichermaßen und intensiv genutzt wird: Über 80 Prozent der Deutschen (84 %) werden täglich vom Radio erreicht (Arbeitsgemeinschaft der ARDWerbegesellschaften 2006: 66), wobei die durchschnittliche Hördauer 186 Minuten beträgt (Arbeitsgemeinschaft der ARD-Werbegesellschaften 2006: 81). Gemessen an der Zuwendungszeit liegt der Hörfunk gemeinsam mit dem Fernsehen damit deutlich vor allen anderen Medien an der Spitze. Der hohe Stellenwert des Hörfunks wird auch durch Angaben zur Medienbindung untermauert: Demnach würden 57 Prozent der Befragten das Radio sehr stark oder stark vermissen (Arbeitsgemeinschaft der ARD-Werbegesellschaften 2006: 66). Das Radio stellt somit – auch eingedenk der durchschnittlich hohen Musikanteile im Programm – das für die Nutzung von Musik eindeutig wichtigste Medium dar. Abbildung 5: Zeitbudget für audiovisuelle Medien 1996 und 2006 in Minuten pro Tag (Quelle: Arbeitsgemeinschaft der ARDWerbegesellschaften 2006: 70) 500 458
450 400
363
350 300 250 200 150
193
179 202
167
100 30
50
4
0 Radio
Fernsehen
1996
14
4
Video
Tonträger
2006
AV-Medien gesamt
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Neben der medialen Rezeption kann Musik auch „live“, also vor Ort in Konzertsälen, Operhäusern, Stadien oder in Clubs konsumiert werden. Laut der Theaterstatistik des Deutschen Bühnenvereins im Auftrag des Deutschen Musikinformationszentrums (MIZ) fanden in der Saison 2003/2004 etwa 21.000 Veranstaltungen in öffentlichen Musiktheatern statt, darunter 7.432 Konzerte, 6.575 Opernaufführungen, 2.609 Ballettaufführungen, 2.609 Musicals sowie 1.591 Operetten (Deutsches Musikinformationszentrum 2005a: 1). Klassische Musikveranstaltungen lockten in der Saison 2003/2004 über zwölf Millionen Besucher in die Musiktheater (Deutsches Musikinformationszentrum 2005a: 1). Nach eigenen Angaben besucht fast ein Drittel der Deutschen (31,4 %) mindestens einmal jährlich eine klassische musikalische Veranstaltung (Deutsches Musikinformationszentrum 2005b: 1). Hierbei lassen sich keine nennenswerten Unterschiede zwischen den verschiedenen Altersgruppen feststellen. Im Gegensatz dazu liegt der Altersschwerpunkt der Besucher von Konzerten im Rock-, Pop- oder Jazzbereich auf einer jüngeren Zielgruppe: Etwa ein Viertel der Personen bis 49 Jahre besucht mindestens einmal im Jahr ein solches Konzert (14 bis 24 Jahre: 23,8 %; 25 bis 49 Jahre: 28,8 %), wohingegen Personen ab 50 Jahren dies deutlich seltener tun (50 bis 64 Jahre: 11,1 %; 65 bis 79 Jahre: 3,2 %; 80 Jahre und mehr: 2,4 %; Deutsches Musikinformationszentrum 2005b: 1). Im Gegensatz zu klassischen Musikveranstaltungen gibt es für den Bereich der Rock-, Pop- und Jazzkonzertveranstaltungen weder Angaben bezüglich der Anzahl der Veranstaltungen pro Jahr noch Angaben über die Besucherzahl solcher Veranstaltungen.
3.2 Das Ausmaß aktiven Musizierens in der Freizeit Wie ausgeprägt das Musikmachen in Deutschland ist, zeigt eine Statistik des Deutschen Musikrates aus dem Jahr 2004. Daraus geht hervor, dass etwa ein Fünftel der Deutschen (19,6 %) – neben anderen Freizeitbeschäftigungen – mehr oder weniger regelmäßig selbst Musik macht. Auch hier lässt sich ein Alterseffekt feststellen: So ist das aktive Musizieren vor allem eine Domäne jüngerer Menschen (16,8 % der Menschen im Alter von 14 bis 24 Jahren machen mehrmals im Monat Musik, bei Personen ab 50 Jahren sind es lediglich etwa 5 %; Deutsches Musikinformationszentrum 2005b: 1). Wie aus Abbildung 6 hervorgeht, findet aktives Musizieren in den unterschiedlichsten Kontexten statt, wobei das Singen in Chören („Vokales Laienmusizieren“) an erster Stelle steht. Über den Umfang semiprofessionellen bzw. professionellen Musizierens geben die Mitgliederzahlen der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) einigen Aufschluss: So zählte die
80
Ines Vogel und Uli Gleich
GEMA im Jahr 2005 knapp 62.000 Mitglieder, davon über 53.700 Urheber, d. h. Komponisten und Textdichter (Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte 2006: 36). Abbildung 6: Orchester, Ensembles, Chöre und Musizierende im Laienbereich 2005 (Quelle: Deutsches Musikinformationszentrum 2006; 1)
Vokales Laienmusizieren
1.352.972
Musikschulen
893.538
Allgemein bildende Schulen
866.000
Instrumentales Laienmusizieren
739.516
Rock-, Pop-, Jazz- und Folkloregruppen
500.000
Privater Musikunterricht
380.000
Volkshochschulen
94.851
0
4
500.000
1.000.000
1.500.000
Zusammenfassung und Desiderata
4.1 Fazit: Music’s in the air – and everywhere Aus den vorangegangenen Abschnitten kann Folgendes zusammenfassend festgehalten werden:
Der „klassische“ Tonträgermarkt ist rückläufig: Mit der zunehmenden Bedeutung des digitalen Marktsegments verstärkt sich eine Entwicklung weg von physischen Formen (z. B. Musik-CDs, Schallplatten und Kassetten) hin zu digitalen Formen (z. B. MP3-Dateien) der Musikarchivierung und sammlung.
Music’s in the air – and everywhere… Musik als Teil des Medienangebots
81
Damit verbunden lässt sich eine Veränderung der Distributionswege von Musik bzw. von Musikdaten feststellen: Die Verbreitung von Musikangeboten und -stücken über das Internet und ihr Erwerb online werden in Zukunft vermutlich noch weiter an Bedeutung gewinnen. Des Weiteren wird der Markt für mobile Musik immer wichtiger. Bislang werden überwiegend einzelne Musikstücke und weniger komplette Alben heruntergeladen. Eine mögliche Erklärung für dieses Verhalten ist die verfügbare Technik, speziell die vielfach (noch) lediglich geringen Übertragungsraten, die den Nutzern zur Verfügung stehen. Möglicherweise ist das unausgeglichene Verhältnis von Einzeltracks und Bundles aber auch ein Indiz für die zunehmende Individualisierung des Musikkonsums, indem man sich nicht mehr mit umfangreicheren bzw. in sich abgeschlossenen Werken einzelner Künstler beschäftigt, sondern sich „Compilations“ nach individuellen Präferenzen zusammenstellt. Interessant wird es daher sein, das Download-Verhalten in Bezug auf das Verhältnis von Einzeltracks und Bundles weiter zu beobachten. Das Musikangebot in den „klassischen“ Massenmedien sowie in den neuen Medien ist äußerst vielfältig, seine empirische Quantifizierung ist allerdings problematisch. Laut Programmanalysen bestehen drei Viertel der Radioprogramme aus Musik. Die kodierten Musikanteile im Fernsehen wie auch berichtete Anteile von musikbezogenen Veröffentlichungen am Presse- und Buchmarkt in Deutschland liegen jeweils unterhalb von fünf Prozent. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass in beiden Fällen nur explizit als musikbezogen ausgewiesene Angebote berücksichtigt wurden, so dass das tatsächliche Musikquantum im Fernsehen sowie musikbezogene Information in Printmedien erheblich unterschätzt werden. Das Internet bedient sämtliche Formen der rezeptiven Beschäftigung mit Musik – das entsprechende Angebot dafür ist jedoch kaum zu quantifizieren. Der Konsum von Musik gehört – mehr oder weniger zielgerichtet ausgewählt – zur täglichen Medienerfahrung. Mindestens ein Fünftel der Deutschen konsumiert darüber hinaus nicht nur „Konserven“, sondern rezipiert auch musikalische „Live“-Veranstaltungen. Ein Fünftel macht auch selbst aktiv Musik in unterschiedlichen Kontexten.
82
Ines Vogel und Uli Gleich
4.2 Desiderata Die Bedeutung von Musik im Alltag der Menschen lässt sich auf der Grundlage der präsentierten Daten unschwer erkennen. Für ein genaueres Bild sind allerdings deutlich differenziertere Struktur- und Programmanalysen auf verschiedenen Ebenen notwendig, insbesondere wenn Musik nicht als eigenständiges Angebot präsentiert wird, sondern als (zusätzliches) inhaltliches Gestaltungsmerkmal (z. B. als dramaturgisches Mittel in Spielfilmen) mit anderen Inhalten gekoppelt ist. Die Ergebnisse solcher Studien könnten verknüpft werden mit medienpsychologischen Untersuchungen zu allgemeinen und/oder situationsspezifischen Funktionen und/oder Wirkungen von Musik (vgl. Schramm 2004). Eine interdisziplinäre Verzahnung musiksoziologischer und -psychologischer mit kommunikationswissenschaftlichen bzw. medienpsychologischen Ansätzen könnte helfen, das „Potenzial“ der „allgegenwärtigen“ Musik differenzierter als bislang zu erforschen.
5
Literatur
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Music’s in the air – and everywhere… Musik als Teil des Medienangebots
83
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Musikjournalismus – Ergebnisse aus der wissenschaftlichen Forschung Gunter Reus
1
Einleitung
Musik, so ein Bonmot von Victor Hugo, drückt aus, was nicht gesagt werden kann und worüber zu schweigen doch unmöglich ist. Mit Musikjournalismus ist es ähnlich. Er freilich will gerade in Worte fassen, was nicht gesagt werden kann – musikalisches Leben und Erleben.1 Darüber zu schweigen ist unmöglich: Musik umfängt uns und fließt durch unseren Alltag wie in keiner Epoche zuvor. Musik stiftet kulturelle und soziale Gemeinsamkeiten, sie bestimmt das Selbstverständnis gesellschaftlicher Gruppen und Milieus. Und als jederzeit verfügbare Ware ist Musik ein mächtiger Wirtschaftsfaktor. Schweigen ist unmöglich – und der Musikjournalismus schweigt auch nicht. Musikzeitschriften in großer Zahl buhlen um Leser, an die sechzig Magazine berichten ausschließlich über Rock und Pop (vgl. Wernke 2002: 45). Längst haben sich im Fernsehen eigene Musikspartensender etabliert. Etwa 200 meist von Popmusik geprägte Hörfunkkanäle strahlen in Deutschland ihre Programme aus. Dazu kommen schätzungsweise 2000 Fanzines (vgl. Blühdorn 1999: 25) sowie unzählige Internetauftritte zu Musikthemen, zusammengestellt von Privatpersonen, Fanclubs, Interessengruppen und Musikindustrie – und nicht zu vergessen das Feuilleton der Tageszeitungen. Da darf auch die Forschung nicht schweigen. Aber begleitet sie das mediale Gespräch über Musik aufmerksam genug? Welche gesicherten Erkenntnisse liegen eigentlich vor über Musikkommunikatoren, über musikalische Themen und die sie verbreitenden Medien? Was wissen wir über das Publikum des Musikjournalismus? Was wissen wir über den Einfluss des Musikjournalismus auf Leser, Seher und Hörer der Massenmedien? Die folgende Bestandsaufnahme versucht, den Antworten auf diese Fragen in drei Arbeitsschritten näher zu kommen:
1
Das Dilemma dieses Vorhabens ist oft thematisiert worden. Besonders eingängig hat es Franz Grillparzer formuliert, dem das Zitat zugeschrieben wird: „Beschriebene Musik ist halt wie ein erzähltes Mittagessen.“ (zit. n. http://www.musikstudio-beck.de/sites/musikzitate.htm)
86 1.
2.
3.
Gunter Reus
Eine Titelanalyse bibliografisch erfasster Literatur soll erste Aufschlüsse darüber geben, mit welchen Aspekten sich Monografien und Aufsätze zum Musikjournalismus bislang auseinandergesetzt haben. Präzisere Auskünfte über das Interesse von Kommunikationswissenschaft und Musikwissenschaft am Thema ermöglicht eine Inhaltsanalyse von jeweils drei Fachzeitschriften. Schließlich tragen wir systematisch zusammen, welche Erkenntnisse die Forschung zum Musikjournalismus gewonnen hat und wo Lücken klaffen.
Insgesamt erfolgt die Bestandsaufnahme aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht. Sie rückt also den Kommunikationsprozess bzw. entsprechende Forschungsfelder2 und nicht musikästhetische Fragen ins Zentrum.3 Als „Musikjournalismus“ gilt dabei jede beschreibende, analysierende oder bewertende Berichterstattung über musikalisches Geschehen und seine Zusammenhänge in Massenmedien. Musikvideos oder die bloße Programmgestaltung in Hörfunk und Fernsehen fallen nicht unter diese Definition; Literatur dazu bleibt folglich unberücksichtigt.
2
Musikjournalismus in Monografien und Aufsätzen
Den Zugang zum Thema eröffnet eine Titelanalyse. Systematische und umfangreiche Stichwortrecherchen4 führten zu einer Liste von 270 Monografien und Aufsätzen, die sich dem Titel nach speziell mit Musikjournalismus befassen. Diese Titel wurden mit einem einfachen Kategoriensystem ausgewertet, und zwar im Hinblick auf den musikjournalistischen Gegenstand (Musikkritik, Moderation etc.), den Zeitbezug dieses Gegenstandes (bis 1945, nach 1945), den musikalischen Bezug (E-Musik, U-Musik), den medialen Bezug (Presse, Hörfunk etc.) sowie den Bezug auf den Kommunikationsprozess (geht es um Kommunikatoren, Medieninhalt, Medium? etc.). Die Bibliografie enthält überwiegend deutschsprachige Literatur und ist schon deshalb nicht als vollständig anzusehen. Sie verzeichnet wissenschaftliche 2
Forschungsfelder der Kommunikationswissenschaft kennzeichnet die so genannte Lasswell-Formel: „Wer sagt was in welchem Kanal zu wem mit welchem Effekt?“ Die Formel ist gewiss schematisch und bildet die Komplexität von Kommunikation bei weitem nicht vollständig ab. Für unsere Zwecke aber erscheint sie ausreichend. 3 Eine solche Perspektive schließt die Berücksichtigung musikwissenschaftlicher Literatur keineswegs aus. 4 Etwa 50 Stichwörter (zum Beispiel Musiksendung, Musikfeuilleton, Musikzeitschrift, Jazzkritik, Popjournalisten, Konzertbericht etc.) wurden recherchiert. Als Quelle diente die Datenbank des gemeinsamen Verbundkataloges norddeutscher Bibliotheken (GVK) mit über 27 Millionen Titeln.
87
Musikjournalismus – Ergebnisse aus der wissenschaftlichen Forschung
wie nicht-wissenschaftliche Darstellungen – das Instrument der Titelanalyse ermöglicht hier keine Trennung, wie es auch Forschungsmethoden oder die fachliche Herkunft der Autoren nicht eindeutig identifizieren kann. So grob das Instrument also bleibt, so erlaubt es doch, in einem ersten Schritt Tendenzen auszumachen, was Fachautoren in der Analyse und Aufarbeitung von Musikjournalismus bisher umgetrieben hat. Musikjournalisten können – rezensierend und kritisierend – künstlerische Einzelereignisse beschreiben und bewerten. Sie können sich zur Kennzeichnung musikalischen Geschehens und kultureller Zusammenhänge aber auch einer Fülle anderer Darstellungsformen bedienen (z. B. Glosse, Kommentar, Essay, Feature). Sie können in Reportagen, Interviews oder Porträts Hintergründen und Entwicklungen des Musiklebens und seiner Akteure nachspüren. Sie können schließlich als Moderatoren musikalische Werke unmittelbar präsentieren und dabei erläutern und kommentieren. Was also verstehen die Autoren der Fachliteratur unter „Musikjournalismus“? Abbildung 1 zeigt, dass sie einen klaren Akzent setzen: Sieben von zehn Monografien und Aufsätzen wenden sich der „klassischen“ Form zu und interessieren sich ausschließlich für die Auseinandersetzung mit dem künstlerischen Einzelereignis (Werk- und Kompositionskritik, Aufführungskritik, Tonträgerrezension). Wie sich Journalisten allgemein mit musikalischen Zusammenhängen, Entwicklungen und Akteuren beschäftigen, untersucht nicht einmal jede dritte Darstellung zum Musikjournalismus (28 Prozent). Und nur eine Hand voll Titel (3 Prozent) befasst sich mit Musikpräsentation und -moderation in den elektronischen Medien. Abbildung 1: Musikjournalismus in Monografien und Aufsätzen – Gegenstand und Zeitbezug (in Prozent) musikjournalistischer Gegenstand
Zeitbezug des musikjourn. Gegenstands
3
17
28 42
69 41 Musikkritik, -rezension andere journ. Formen/Musikberichterst. allg. Musikpräsentation, -moderation
Basis: 270 bibliografierte Titel
bis 1945
nach 1945
übergreifend/unspezifisch
88
Gunter Reus
Parallel dazu zeigt die Titelanalyse, dass ein sehr hoher Anteil (42 Prozent) der Fachliteratur sich mit Musikjournalismus vor 1945 befasst (vgl. Abbildung 1). Das liegt nur zum Teil daran, dass die bibliografierten Aufsätze und Monografien partiell eben auch aus jener Zeit stammen. Stärker ins Gewicht fallen musikwissenschaftliche Arbeiten nach dem zweiten Weltkrieg, die überwiegend historisch ausgerichtet sind und einzelnen Kritikern und Musikzeitschriften vor allem des 18. und 19. Jahrhunderts nachspüren. Noch deutlicher wird die „klassische“ Ausrichtung der Literatur, wenn man nach dem musikalischen und dem medialen Bezug fragt (vgl. Abbildung 2). Zwei von drei Büchern und Aufsätzen thematisieren, wie Musikjournalisten sich mit „E“-Musik beschäftigen; nur jeder siebte Beitrag dagegen untersucht die Auseinandersetzung mit „U“-Musik.5 Und ebenfalls zwei von drei Büchern/Aufsätzen suchen und finden Musikjournalismus nur dort, wo er seine Tradition begründet hat – in Zeitungen und Zeitschriften. Analog zum verschwindend geringen Interesse an Musikmoderation finden sich kaum Fachtitel (5 Prozent), die dem Musikjournalismus in Hörfunk und Fernsehen nachgehen, vom Internet (0 Prozent) ganz zu schweigen. Abbildung 2: Musikjournalismus in Monografien und Aufsätzen – musikalischer und medialer Bezug (in Prozent) musikalischer Bezug
medialer Bezug
19 33 14 67
4
62
1
E-Musik
U-Musik
übergreifend/unspezifisch
Presse (Zeitung, Zeitschrift)
Hörfunk
Fernsehen
übergreifend/unspezifisch
Basis: 270 bibliografierte Titel
5 Unter „E“-Musik verstehen wir alle Orchester-, Chor- und Opernmusik von der Renaissance über Barock, Klassik, Romantik bis zur Moderne, die in der Tradition eines „abendländischen“ Kunst- und Konzertlebens steht. Unter „U“-Musik sind dagegen alle Ausdrucksformen meist angelsächsisch geprägter Popularmusik (Rock, Pop, Schlager, Musical etc.) sowie Jazz zusammengefasst. Eine derartige Aufspaltung des Musiklebens ist künstlich und zu Recht umstritten; dennoch mag sie hier helfen, musikalische Stile und „Kulturen“ grob zu klassifizieren.
89
Musikjournalismus – Ergebnisse aus der wissenschaftlichen Forschung
Zusammenfassend lässt sich sagen: Der durchschnittliche Buch- bzw. Aufsatztitel zum Thema Musikjournalimus befasst sich mit der Rezension/der Kritik so genannter E-Musik in Printmedien, zum großen Teil in historischer Perspektive.6 Es ist augenfällig, dass damit weite Bereiche des modernen Musikjournalismus, vor allem in Radio, Fernsehen und Internet, übergangen werden. Tabelle 1: Musikjournalismus in Monografien und Aufsätzen – Bezug auf den Kommunikationsprozess absolut
%
einzelner Akteur
52
19
Berufsgruppe
7
3
Medieninhalt
76
28
Medium
34
12
Medienpublikum
8
3
Medienwirkung
2
1
journalistische Normen/Berufslehre
16
6
Sonstiges/übergreifend
75
28
270
100
Kommunikator
Basis: 270 bibliografierte Titel
Musikjournalismus ist, wie jeder andere Journalismus auch, ein Kommunikationsprozess, in dessen Verlauf Aussagen von Kommunikatoren über ein Medium verbreitet werden und (möglicherweise) auf Rezipienten einwirken. Was an diesem Prozess interessiert die Autoren der Fachliteratur besonders? Tabelle 1 zeigt, dass die Akteure bzw. Phasen von eher sozialwissenschaftlicher Relevanz in der Literatur kaum ins Gewicht fallen. Hierzu zählt die Untersuchung von Musikjournalisten als Berufsgruppe mit einer speziellen Ausbildung, Arbeitsweise und Berufsauffassung; hierzu zählen Arbeiten über das Medienpublikum mit seinem Rezeptionsverhalten und seinen Erwartungen an den Musikjournalismus; hierzu zählt schließlich der überaus komplexe Prozess der Medienwirkung. Die6
Ein typischer Titel ist zum Beispiel: „Reinhold Schmitt-Thomas: Die Entwicklung der deutschen Konzertkritik im Spiegel der Leipziger Allgemeinen Musikalischen Zeitung (1798-1848). Frankfurt/Main 1969“.
90
Gunter Reus
se drei Gebiete zusammen haben an der bibliografierten Literatur gerade einmal einen Anteil von 7 Prozent (vgl. Tabelle 1). Am zahlreichsten sind dagegen Darstellungen, die sich – in der Regel aus musikästhetischer und -historischer Sicht – mit den Inhalten von Rezensionen befassen (28 Prozent). Gleich groß ist die Kategorie „Sonstiges/übergreifend“, hinter der sich vor allem Essays und allgemeine Abhandlungen über Musikkritik verbergen.7 Mit einzelnen Kritikerpersönlichkeiten und ihrem Werk8 setzen sich 19 Prozent der Titel auseinander. Der Analyse einzelner Medien, insbesondere der zahlreichen musikalischen Periodika und ihrer Geschichte, kommt mit 12 Prozent noch relativ viel Bedeutung zu. Der Blick auf die Bibliografie deutet also bereits an, dass kommunikationswissenschaftliche Fragen die Fachliteratur zum Musikjournalismus weit weniger bestimmen als musikwissenschaftliche Aspekte. Eine Inhaltsanalyse von wissenschaftlichen Fachzeitschriften9 soll diese Vermutung weiter erhärten.
3
Musikjournalismus in wissenschaftlichen Zeitschriften
Fachzeitschriften können als Indikatoren für den Zustand, das Selbstverständnis und den Ehrgeiz einer wissenschaftlichen Disziplin gelten (vgl. Hohlfeld/Neuberger 1998: 321). Aufsätze, die hier veröffentlicht werden, stehen nicht in jedem Einzelfall, aber in der Summe für das, was die wissenschaftliche Gemeinschaft als ihren Gegenstand und damit als bedeutsam erachtet. Von einer Analyse kommunikationswissenschaftlicher und musikwissenschaftlicher Zeitschriften sind also genauere Auskünfte darüber zu erwarten, welche Bedeutung die beiden Fächer dem Thema Musikjournalismus beimessen. Mit den Zeitschriften „Publizistik“, „Medien & Kommunikationswissenschaft“10 und „Media Perspektiven“ verfügt die Kommunikationswissenschaft über drei Fachorgane, die thematisch nicht spezialisiert sind und damit die Breite der Disziplin abdecken sollten. Ihnen lassen sich drei musikwissenschaftliche Zeitschriften von ähnlicher fachlicher Bedeutung und Auflage gegenüberstellen, nämlich „Archiv für Musikwissenschaft“, „Die Musikforschung“ und „(Neue) Zeitschrift für Musik“11. Die Bibliotheken der Hochschule für Musik und Thea7
Ein typischer Titel: „Carl Dahlhaus: Kann Musikkritik objektiv sein? In: Neue Zeitschrift für Musik, 130. Jg., 1969, S. 356-359“. 8 z. B.: „Friedrich Baake: George Bernard Shaw als Musikkritiker. Kiel 1952“. 9 An dieser Inhaltsanalyse wirkten im Sommersemester 2006 mit: Berenike Beschle, Dörte Lebahn, Katrin Losleben und Jenny Witte. Ihnen gilt mein herzlicher Dank. 10 Die Zeitschrift erschien zwischen 1948 und 1999 unter dem Titel „Rundfunk und Fernsehen“. 11 Das von Robert Schumann gegründete Blatt (Auflage heute: etwa 8000 Exemplare) wechselte im Laufe von anderthalb Jahrhunderten immer wieder seinen Namen. Die längste Zeit über hieß es „Zeitschrift für Musik“ bzw. „Neue Zeitschrift für Musik“. Die NZM unterscheidet sich von „Archiv
91
Musikjournalismus – Ergebnisse aus der wissenschaftlichen Forschung
ter Hannover erlaubten eine Vollerhebung: Sämtliche Ausgaben aller sechs Zeitschriften, die von deren Gründungsjahr an12 bis zum Juni 2006 erschienen sind, konnten ausgewertet werden.13 Wo einzelne Jahrgänge oder Hefte fehlten, ließen sich die Lücken recht gut mit Registerbänden decken. Berücksichtigung fanden Aufsätze, Forschungsberichte und Essays; unberücksichtigt blieben Personalien, Tagungsberichte und Rezensionen. Wenn ein Text sich ausschließlich oder überwiegend mit Musikjournalismus befasste, galt er als „Beitrag mit Hauptthema“; wenn Musikjournalismus nur in einem Satz, einem Absatz oder einem Beispiel Erwähnung fand, ohne das gesamte Thema zu bestimmen, so ordneten wir den Text als „Beitrag mit Nebenthema“ ein. Der Auswertung diente das gleiche Kategoriensystemwie bei der Titelanalyse; als zusätzliche Kategorie konnte die Forschungsmethode einbezogen werden. Abbildung 3: Musikjournalismus in kommunikationswissenschaftlichen Zeitschriften – Haupt- und Nebenthema (absolut) 25
19
20 15
Hauptthema Nebenthema
10
4
3
5 0
1
0
0 Publizistik (1956-2006)
Rundfunk und Fernsehen / M&K (1948-2006)
Media Perspektiven (19702006)
Basis: alle Aufsätze, Forschungsberichte, Essays (ohne Personalien, Tagungsberichte, Rezensionen) für Musikwissenschaft“ und „Die Musikforschung“ dadurch, dass sie zwar viele wissenschaftliche Beiträge enthält, aber journalistisch aufgemacht ist und im Stil eher unakademisch wirkt. Dennoch wird sie von Musikwissenschaftlern als bedeutende Fachzeitschrift angesehen. Auch „Media Perspektiven“ (Auflage: etwa 6500) unterscheidet sich von „Publizistik“ und „Medien & Kommunikationswissenschaft“: Sie hat kein wissenschaftliches Herausgebergremium, und eingereichte Beiträge durchlaufen kein Peer Reviewing. 12 Eine Ausnahme bildet lediglich die „(Neue) Zeitschrift für Musik“, die bereits 1843 zum ersten Mal erschien. Hier ließen wir die Auswertung mit dem Jahr 1950 beginnen, um ungefähr den gleichen Zeitraum zu erfassen. 13 Dabei ging es nicht um detaillierte Vergleiche von Periodika. Vielmehr wollten wir ermitteln, wie sich die sechs Zeitschriften in sämtlichen Ausgaben seit ihrer Gründung zum Musikjournalismus äußerten. Unterschiedliche Erscheinungsintervalle und Gründungsjahre fielen also nicht ins Gewicht.
92
Gunter Reus
Schon die Zahl der Beiträge verblüfft: In allen drei kommunikationswissenschaftlichen Zeitschriften zusammen ist während eines halben Jahrhunderts ein einziger Beitrag erschienen, in dem es vorrangig um Musikjournalismus geht (vgl. Abbildung 3). Es war dies ein Essay von Heinrich Breloer in „Rundfunk und Fernsehen“ über den Moderationsstil Dieter Thomas Hecks („ZDF-Hitparade“). Die „Publizistik“ hat im Untersuchungszeitraum etwa 1.200 größere Aufsätze und Berichte gedruckt; 163-mal griffen diese Beiträge Themen der politischen Kommunikation auf, 188-mal ging es um Medienrecht und -politik (vgl. Holtz-Bacha u. a. 2006: 221; 251). Eine Untersuchung über „Sportjournalismus in Japan“ fand ebenso ins Heft wie eine Studie über die „Preußische Pressepolitik zur Zeit der Olmützer Punktation“. Aber niemand hat sich in dieser wichtigen Fachzeitschrift jemals um die Präsentation und Bewertung von Musik in Massenmedien gekümmert. Vergleichsweise viele Fundstellen ergab die Analyse der „Media Perspektiven“; die 19 ermittelten Aufsätze streifen Musikjournalismus (meist in Radio und Fernsehen) allerdings nur am Rande. Abbildung 4: Musikjournalismus in musikwissenschaftlichen Zeitschriften – Haupt- und Nebenthema (absolut) 25
22
20 15 8 10 5
2
1
1
Hauptthema Nebenthema
0
0 Archiv für Musikwissenschaft (1952-2006)
Die Musikforschung (1954-2006)
(Neue) Zeitschrift für Musik (1950-2006)
Basis: alle Aufsätze, Forschungsberichte, Essays (ohne Personalien, Tagungsberichte, Rezensionen)
Waren die Fachorgane der Musikwissenschaft aufmerksamer? Zweimal hat das „Archiv für Musikwissenschaft“ und einmal „Die Musikforschung“ in mehr als 50 Jahren den Musikjournalismus behandelt (vgl. Abbildung 4). Anders dagegen die „(Neue) Zeitschrift für Musik“: Hier zählten wir 22 „Beiträge mit Hauptthema“. Das Ergebnis ist zu relativieren, denn einen großen Anteil an dieser Zahl haben Texte, die eher journalistisch-essayistischen Charakter aufweisen.
93
Musikjournalismus – Ergebnisse aus der wissenschaftlichen Forschung
Gleichwohl: Von den 26 „Beiträgen mit Hauptthema“ gehen 25 auf Musikwissenschaftler zurück; drei Viertel der „Beiträge mit Nebenthema“ fanden sich dagegen in den Fachblättern der Kommunikationswissenschaft. Anders gesagt: Die Disziplin, die sich eigentlich um journalistisches Handeln kümmern sollte, überlässt bis heute der Musikologie das Terrain. Wirklich besetzt hat es allerdings nur die „(Neue) Zeitschrift für Musik“ – und das ohne besonderen wissenschaftlichen Eifer. Fasst man die Beiträge mit Haupt- und Nebenthemen in allen sechs Zeitschriften zusammen, um zu ermitteln, worauf sich das Interesse im weitesten Sinne konzentriert, so nimmt die „klassische“ Form der Musikkritik/-rezension auch hier den ersten Platz der musikjournalistischen Gegenstände ein. Allerdings ist ihr Anteil (41 Prozent) im Vergleich zur Titelanalyse deutlich geschrumpft, während Musikpräsentation und -moderation in Radio und Fernsehen deutlich auf 36 Prozent zugelegt haben (in der Regel freilich nur „nebenbei“ angesprochen werden). Mit 74 Prozent Beiträgen über Musikjournalismus nach 1945 ist der Zeitbezug deutlich aktueller als in der Titelanalyse der bibliografierten Literatur. Beim musikalischen Bezug liegt „E“-Musik mit 53 Prozent immer noch sehr klar vor „U“-Musik (26 Prozent), während Hörfunk (32 Prozent) und Fernsehen (18 Prozent) beim medialen Bezug sehr stark aufgeholt haben. Tabelle 2: Musikjournalismus in kommunikations- und musikwissenschaftlichen Zeitschriften – Bezug auf den Kommunikationsprozess Haupt- u. Nebenthema n = 61
nur Hauptthema n = 26
absolut
%
absolut
%
einzelner Akteur
8
13
8
31
Berufsgruppe
0
0
0
0
Medieninhalt
21
34
8
31
Medium
12
20
2
7
Medienpublikum
9
15
0
0
Medienwirkung
0
0
0
0
Sonstiges/unspezifisch
11
18
8
31
61
100
26
100
Kommunikator
Basis: 61 Beiträge mit Haupt- und Nebenthema
94
Gunter Reus
Ganz ähnlich wie bei der Titelanalyse erweist sich der Bezug auf den Kommunikationprozess (vgl. Tabelle 2). Vor allem der Blick auf Beiträge mit dem Hauptthema Musikjournalismus zeigt sofort, wie stark das Interesse an Medieninhalten, programmatisch-normativen Abhandlungen und Essays („Sonstiges/unspezifisch“) sowie an einzelnen Kritikerpersönlichkeiten ist. Im engeren Sinne kommunikationswissenschaftliche Fragen sind also erneut deutlich unterrepäsentiert. Dies bestätigt sich noch einmal bei den Forschungsmethoden (vgl. Tabelle 3): Obwohl der Medieninhalt eine sehr große Rolle spielt, beruht keine einzige der 26 Untersuchungen mit dem Hauptthema Musikjournalismus auf einer quantitativen Inhaltsanalyse. Auch quantitative Befragungen (zum Beispiel von Journalisten) oder Experimente (zum Beispiel zur Wirkung von Rezensionen) kommen nicht ein einziges Mal vor. In 23 Texten (88 Prozent) verfahren die Autoren dagegen nach Methoden, die eher den Geisteswissenschaften zugerechnet werden, nämlich (historisch-)deskriptiv, (werk-)biografisch bzw. essayistisch. Tabelle 3: Musikjournalismus in kommunikations- und musikwissenschaftlichen Zeitschriften – Forschungsmethoden Haupt- u. Nebenthema n = 61
nur Hauptthema n = 26
absolut
%
absolut
%
quantitativ
8
13
0
0
qualitativ
5
8
2
8
quantitativ
8
13
0
0
qualitativ
1
2
1
4
Experiment
0
0
0
0
(historisch-)deskriptiv
10
16
6
23
(werk-)biografisch
5
8
5
19
essayistisch
21
35
12
46
Sonstiges
3
5
0
0
61
100
26
100
Inhaltsanalyse
Befragung
Basis: 61 Beiträge mit Haupt- und Nebenthema
Musikjournalismus – Ergebnisse aus der wissenschaftlichen Forschung
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Fazit: Die Musikwissenschaft setzt sich in ihren Fachzeitschriften immerhin gelegentlich mit dem Thema „Musikjournalismus“ auseinander, wenn auch häufig in essayistischer Form. Die Kommunikationswissenschaft dagegen spart das Thema in ihren Fachzeitschriften weitgehend aus, obwohl Massenmedien durch Thematisierung, Einordnung und Bewertung zur gesellschaftlichen Bedeutung von Musik beitragen und Musikjournalismus somit ein genuiner Forschungsgegenstand auch dieser Disziplin sein müsste. Nimmt man die Periodika der Kommunikationswissenschaft als Indikator für das Interesse des Faches insgesamt, dann zeigt sich, wie gering die Aufmerksamkeit und wie groß die Ignoranz ist. Wer gleichwohl versucht, sozialwissenschaftlich gestützte Forschungsergebnisse zum Thema zusammenzutragen, ist deshalb zum großen Teil auf „versteckte“ Quellen (Examensarbeiten, unveröffentlichte Forschungsberichte) angewiesen.
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Forschungsergebnisse und Forschungslücken
4.1 Kommunikatorforschung Was wissen wir über Musikjournalisten? In ihrer Diplomarbeit aus dem Jahr 1999 hat Miriam Becker 95 von 159 fest angestellten Musikredakteuren der deutschen Tagespresse befragt. Sie ermittelte ein Durchschnittsalter von 45 Jahren. Demnach sind diese Journalisten älter als die Kollegen anderer Ressorts.14 Vier von fünf Befragten sind Männer (vgl. Becker 1999: 55; ganz ähnliche Daten bei Higgs/Fabris 1971: 46). Ihr Ausbildungsniveau ist beeindruckend: Über 85 Prozent verfügen über ein abgeschlossenes Studium, und jeder zweite festangestellte Musikredakteur arbeitet in leitender Position (vgl. Becker 1999: 57 f.).15 Popmusikalische Themen überlassen die offensichtlich gut etablierten Musikredakteure gern freien Mitarbeitern, die ihnen in überdurchschnittlich großer Zahl zuarbeiten (vgl. Hänecke/Projektgruppe 1992: 5 ff.). Dagegen sehen die Redakteure sich selbst eher für „Klassik“ zuständig, was auch ihrem Musikgeschmack entspricht (vgl. Becker 1999: 59). Sie begreifen sich als Institution, die Musik und Musiker zu bewerten hat, wollen Orientierungshilfe auf dem Musikmarkt geben und der Musik/der Kultur ein Forum bieten. Die Rolle des „Kultur-
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Das Durchschnittsalter deutscher Journalisten liegt nach der jüngsten Erhebung von Weischenberg/Malik/Scholl (2006: 352) bei etwa 41 Jahren. Reus/Schneider/Schönbach (1995: 309) ermittelten ein Jahrzehnt zuvor für Kulturjournalisten ein Durchschnittsalter von knapp 42 Jahren. 15 Der Frauenanteil der festangestellten Journalisten in Deutschland insgesamt liegt bei knapp 35 Prozent; über ein abgeschlossenes Studium verfügen 63 Prozent (vgl. Weischenberg/Malik/Scholl 2006: 350; 353).
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anwalts“ akzeptieren sie entsprechend weitaus lieber als die des „Publikumsanwaltes“ (vgl. Becker 1999: 63; anders Lesle 1984). Dieses Publikum ist in ihren Augen kulturell aktiv und musikalisch interessiert, aber auch „konservativ“ und „traditionell“ (vgl. Becker 1999: 65; Higgs/ Fabris 1971: 43). Es als „Pädagoge“ oder „Erzieher“ beeinflussen zu wollen, kommt Musikjournalisten kaum in den Sinn (vgl. Becker 1999: 63) – eine Rolle, die andere Kulturjournalisten weit häufiger für sich beanspruchen (vgl. Reus/ Schneider/Schönbach 1995: 315). Vielleicht liegt das darin begründet, dass Musikjournalisten immer wieder Zweifel an der sprachlichen Bewältigung musikalischen Erlebens und an der Wirkung des eigenen Handelns bekunden (vgl. Hänecke/Projektgruppe 1992: 103; Lesle 1984: 303 ff.).
Forschungslücken Dieses ohnehin grobkörnige Bild des gebildeten, skrupulösen, älteren Kritikers und Anwaltes „klassischer“ Kulturinhalte kann jedoch allenfalls als Teil- und Momentaufnahme Gültigkeit beanspruchen: Teilaufnahme, weil die wenigen vorhandenen Untersuchungen Musikjournalisten in (Pop-)Musikzeitschriften einfach ausblenden. Auch über die jüngeren, freien Popkritiker der Tagespresse, ihr Selbstverständnis oder ihr Publikumsbild wissen wir nichts. Wir wissen nichts über die vielen Hundert Musikmoderatoren in Radio- und Fernsehsendern – und schon gar nichts über das Heer der LaienKommunikatoren in Fanzines, Internet-Sites oder Blogs, die ja – wenn auch auf nicht-professionellem Niveau – durchaus musikjournalistisch tätig sind. Momentaufnahme, weil vieles darauf hindeutet, dass sich in den Feuilleton-Redaktionen selbst ein Generationswechsel vollzieht, der die Gewichtung musikalischer Ereignisse, Qualitätsvorstellungen und das Rollenselbstbild stark verändern dürfte. Über Musikjournalisten heute wissen wir also aus der Perspektive der Kommunikatorforschung im Grunde sehr wenig.
4.2 Medien- und Medieninhaltsanalyse Popmusik dominiert nicht nur die Berichterstattung eines hochgradig diversifizierten Musikzeitschriftenmarktes (vgl. Wernke 2002; Stachera 1996). Sie hat sich seit 1960 als journalistischer Gegenstand in allen Medien und in diversen Spielarten behauptet. Wolfgang Rumpf (2004) hat diese Entwicklung in Publikumszeitschriften nachgezeichnet; Christian Gundlach (1996) hat analysiert, wie die Lokalpresse längst bereit ist, das Genre des Musicals ernst zu nehmen
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und anzuerkennen. Insgesamt aber ist die Geschichte der journalistischen Aufwertung der Popkultur, die sich in der steten Zunahme von Popkritik auch im Feuilleton spiegelt (vgl. Reus/Harden 2005; Stegert 1998; Saxer 1995; Frank/ Maletzke/Müller-Sachse 1991), noch lange nicht geschrieben worden. Als wesentliches Ergebnis inhaltsanalytischer Untersuchungen lässt sich ferner festhalten, dass ein Bedeutungsverlust der Musikrezension und damit des musikalischen Einzelereignisses nicht zu erkennen ist. Obwohl Beobachter immer wieder klagen, die Rezension verschwände zugunsten oberflächlich-personalisierender Darstellungsformen aus dem Feuilleton, lässt sich ein solcher Trend nicht nachweisen. Im Gegenteil – neben der Meldung ist die Rezension nach wie vor die zentrale journalistische Präsentationsform im Feuilleton (vgl. Reus/Harden 2005: 168; Leyendecker 2003: 81 f.; Hänecke/Projektgruppe 1992: 69; Renger 1984: 327). Dabei zeigen sich markante Unterschiede: In meinungsführenden Kulturredaktionen wie denen von FAZ und Süddeutscher Zeitung liegt bei Tonträgerrezensionen Rock- und Popmusik vorn; bei Aufführungsrezensionen dagegen gilt die meiste Aufmerksamkeit der Oper (vgl. Leyendecker 2003: 85 ff.). Neben Oper, Klassik und Rock/Pop sind andere musikalische Genres wie Jazz, Chanson oder Folklore auffällig unterrepräsentiert (vgl. Leyendecker 2003: 87 f.). Wenn Musikkritiker werten, dann tun sie das im Feuilleton in aller Regel argumentativ und nicht pauschal; dabei fallen ihre Urteile überwiegend positiv aus. Besonders deutlich ist das bei Neuer Musik und in der lokalen Berichterstattung. Negativer dagegen fallen im Feuilleton die Wertungen von popmusikalischen Ereignissen aus (vgl. Döpfner 1991: 261 ff.). Außermusikalische Inhalte (zum Beispiel Biografisches, Kulturpolitik, Organisationskritik, soziale Aspekte) tauchen in der überregionalen Musikkritik häufig auf, überraschenderweise aber seltener in der lokalen Berichterstattung (vgl. Döpfner: 269 ff.). Einige gründliche und umfangreiche Untersuchungen liegen zur Sprache der Musikberichterstattung vor. Sie belegen: Fachbegriffe (dazu lassen sich auch Namen und Titel zählen), superlativische Wendungen (z. B. „fulminant“, „brillant“, „glanzvoll“, „messerscharfe Riffs“) und eine ausgeprägte Metaphorik (z. B. „Koloraturgirlanden“, „Streicherteppich“, „vollmundiger Klang“) können als Kennzeichen der Musikberichterstattung gelten (vgl. Döpfner 1991; Böheim 1987; Renger 1984). Im Popjournalismus kommen Anglizismen und neologistische Ad-hoc-Bildungen („Obszön-Rock“, „Depresso-Schreibe“) hinzu (vgl. Lilienkamp 2001; Ortner 1982). Insgesamt schwankt das sprachlich-stilistische Niveau im Musikjournalismus stark zwischen Gegensätzen: Mal ist die Sprache terminologisch überfrachtet, mal ist sie ausgeprägt bildhaft; mal ist sie abstrakt und abgehoben, mal sinnlich und eingängig. Daran zeigt sich das historisch gewachsene Doppelgesicht
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des Musikjournalismus seit der Romantik (vgl. Tadday 1993): Er will einerseits eine breite Öffentlichkeit, also auch Laien, ansprechen. Andererseits will er einer kritischen Fachöffentlichkeit („Milieu“) genügen und sich abgrenzen. Dieser Gegensatz bestimmt auch das Angebot an Rock-/Popzeitschriften. Es reicht von Magazinen wie „Spex“ mit dem elitären Diskurs-Habitus der „Pop-Avantgarde“ (Hinz 1999) bis zu Heften, die sich eher auf Stars und Interpreten als auf Musik konzentrieren (vgl. Ortmann 1982).
Forschungslücken Der knappe Überblick zeigt, dass die Forschung bislang Rezensionen außerhalb des Zeitungsfeuilletons, vor allem Rezensionen in (Pop-)Zeitschriften, weitgehend ignoriert hat. Es fehlen aber auch Untersuchungen zu anderen Darstellungsformen (Reportagen, Features usw.) und zum gesamten journalistischen Angebot von Musik-TV. Besonders auffällig ist, dass keinerlei Analysen zur Musikmoderation vorliegen. Ist in der Fülle der Pop- und Servicesender im Radio überhaupt noch Musikkritik möglich, oder unterbinden dort die Moderations-Controller längst jede Form von eigenständiger journalistischer Wertung am Mikrophon? Eine solche Frage wäre von der Kommunikationswissenschaft unbedingt aufzugreifen, wie auch die Frage nach Wertungskriterien in der Kritik noch lange nicht beantwortet ist. In Essays vielfach beschworen, empirisch aber nicht untersucht ist der Einfluss von Musikwirtschaft und Konzertveranstaltern auf den Musikjournalismus. Und das auffälligste Phänomen der letzten Jahre könnte auf Dauer den Musikjournalismus insgesamt verändern: nämlich die laienjournalistischen Angebote nicht nur in Offenen Kanälen und Bürgerradios, sondern vor allem im Internet. Wächst hier schon ein neues, ein anderes Musikfeuilleton heran? Bislang erfahren wir hierzu aus der Kommunikationsforschung nichts.
4.3 Publikums- und Wirkungsforschung Auch über Nutzerverhalten bzw. -bedürfnisse und über die Wirkung von Musikjournalismus liegen nur fragmentarische Befunde vor. Als gesichert kann gelten: Wer sich auf Wortbeiträge über Musikgeschehen überhaupt einlässt, erwartet in erster Linie Information, Beschreibung und Einordnungshilfen. Das trifft altersund genreübergreifend sowohl auf Klassikhörer im Radio zu (vgl. Oehmichen/ Feuerstein 2006: 269 f.) wie auf die jugendlichen Hörer von Spartenangeboten (vgl. Oehmichen 1998: 66) und die Nutzer von (Online-)Musikzeitschriften (vgl.
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Wagemanns 2004). Auch die von Lesle (1984: 105 ff.) befragten Musikinteressierten, Interpreten und Komponisten wünschten sich von Rezensionen Neuer Musik in der Presse eher Beschreibung als Bewertung. Das Interesse jugendlicher Nutzer des Musikfernsehens an Musikinformation ist zwar erheblich schwächer ausgeprägt (vgl. Frielingsdorf/Haas 1995: 336 f.), gleichwohl als zusätzliches Nutzungsmotiv vorhanden (vgl. Sun/Lull 1986: 119). Wie informiert man sich vor einem musikalischen Ereignis? Nach den Ergebnissen der ARD-E-Musikstudie 2005 ist für die Besucher von Klassikkonzerten und Opernaufführungen die Tageszeitung mit großem Abstand wichtigste Informationsquelle (vgl. Eckart/Pawlitza/Windgasse 2006: 280). Sicherlich darf man sich aber keinen automatischen Zusammenhang zwischen Medienberichterstattung einerseits und Besuchsverhalten, Kaufentscheidung oder Meinungsbildung des Publikums andererseits vorstellen. Schweiger (2005) wertete über zehn Jahre hinweg Vor- und Nachkritiken zu Premieren an der Bayerischen Staatsoper aus; er konnte nur eine schwache Relation zwischen der Beurteilung in Rezensionen und der Sitzplatzauslastung (als Erfolgsindikator) feststellen. Der Besuch einer Opernaufführung oder eines Konzertes (oft innerhalb eines Abonnements) dürfte weniger spontan erfolgen als zum Beispiel ein Kinobesuch oder der Kauf einer CD und deshalb von Kritikerempfehlungen schwerer zu beeinflussen sein. Für die Entscheidung, einen Tonträger mit Pop-/Rockmusik zu kaufen, sind nach einer Untersuchung von Blühdorn wiederum Musikvideos wichtiger als Rezensionen in Musikzeitschriften. Dennoch haben Plattenkritiken (auch oder gerade „Verrisse“) einen nachweisbaren Einfluss auf das Kaufinteresse (vgl. Blühdorn 1999: 86). Dass man sie überhaupt liest, hängt nach dieser Studie u. a. mit der Stilrichtung und dem Interpreten der Musik, der nummerischen Bewertung, dem Plattenlabel, Vergleichsmöglichkeiten in Überschriften und mit dem Namen des Rezensenten zusammen (vgl. Blühdorn 1999: 87). In welchem Maße Premieren- oder Plattenrezensionen die musikalische Wahrnehmung während der Rezeption oder danach beeinflussen, ist unklar. Belegt ist dagegen, dass Rezensionen dazu dienen, selbst gewonnene Eindrücke nachträglich mit der Meinung eines professionellen Beobachters zu vergleichen (vgl. Blühdorn 1999: 87; Meißner 1979, zit. in Dreher 1983: 75 f.). Hinderlich im Rezeptionsprozess ist die Sprache: In der einzigen experimentellen Untersuchung zum Musikjournalismus konnte Bruhn (1984) nachweisen, dass Rezensionen von Orchesterkonzerten in überregionalen Zeitungen schwer verständlich sind und am besten von Musikwissenschaftlern bewertet werden.
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Forschungslücken: Ähnliche Untersuchungen wie die von Bruhn wären für andere Musikgenres und andere Medien wünschenswert. Auch bei der Rezeption von Musikinformation und -bewertung ist das Ensemble der Massenmedien noch lange nicht ausreichend erforscht; besonders auffällig ist wieder die Vernachlässigung von Musikmoderation, Musikzeitschriften/-fanzines und Internet.16 Die bislang vorliegenden Indizien erlauben bei weitem noch kein Gesamtbild, was das Publikum an Themen, Darstellungsformen, Urteilsfreudigkeit oder stilistischen Ausprägungen von den Musikjournalisten unterschiedlichster Medien erwartet. Genauso weit entfernt sind wir von endgültigen Aussagen darüber, wie sich Musikjournalismus auf Kaufinteresse und Kaufentscheidungen bzw. Besuchsverhalten im Detail auswirkt, wie er die Wahrnehmung von Musik steuern und ästhetische Grundeinstellungen befördern kann. Schließlich fehlen in der Literatur Hinweise darauf, wie Musikjournalismus Selbstbild und Selbstwertgefühl, Karriere und Arbeitsweise eines nicht unbedeutenden Medienteilpublikums beeinflusst – nämlich der Musiker selbst. So behält am Ende die Erkenntnis Gültigkeit, die Ulrich Saxer schon vor anderthalb Jahrzehnten im Vorwort einer Studie zur „Musikberichterstattung in der Schweizer Presse“ formulierte. Unser Fach habe, schrieb Saxer, allen Grund, „verstärkt die publizistikwissenschaftliche Sonde anzusetzen und endlich auch die Kulturberichterstattung zu analysieren und nicht immer bloß den im engeren Sinn politischen Journalismus“ (Hänecke/Projektgruppe 1992: V).
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Literatur
Becker, Miriam (1999): Eine Klassik für sich. Popularisierung klassischer Musik aus der Sicht von Musikredakteuren deutscher Tageszeitungen. Diplomarbeit Hochschule für Musik und Theater Hannover Becker, Peter/Edler, Arnfried/Schneider, Beate (Hrsg.) (1995): Zwischen Wissenschaft und Kunst. Festgabe für Richard Jakoby. Mainz u. a.: Schott Blühdorn, Matthias (1999): Zwischen Suchen Wollen und Finden Sollen. Das Informationsverhalten von Rockmusikkonsumenten in bezug auf Tonträgerneuveröffentlichungen. Diplomarbeit Hochschule für Musik und Theater Hannover Böheim, Gabriele (1987): Zur Sprache der Musikkritiken. Ausdrucksmöglichkeiten der Bewertung und/oder Beschreibung. Innsbruck: Universität Innsbruck
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Schon im Jahr 2002 gaben in einer repräsentativen Studie des SWR 13 Prozent aller Befragten an, „das Internet läge für sie persönlich beim Thema Kunst und Kultur als Informationsmedium auf Platz 1 oder 2“ (Klingler/Neuwöhner 2003: 318).
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Bruhn, Herbert: Musikkritik und Leserpsychologie. Schreiben Musikkritiker zu kompliziert? In: Das Orchester, 32. Jg. 1984. 727-733; 850-855 Döpfner, Mathias O. C. (1991): Musikkritik in Deutschland nach 1945. Inhaltliche und formale Tendenzen. Eine kritische Analyse. Frankfurt am Main u. a.: Lang Dreher, Syrthos (1983): Musikjournalismus. Diplomarbeit Universität München Eckardt, Josef/Pawlitza, Erik/Windgasse, Thomas: Besucherpotential von Opernaufführungen und Konzerten der klassischen Musik. Ergebnisse der ARD-E-Musikstudie 2005. In: Media Perspektiven, Nr. 5. 2006. 273-282 Frank, Bernward/Maletzke, Gerhard/Müller-Sachse, Karl H. (1991): Kultur und Medien. Angebote – Interessen – Verhalten. Eine Studie der ARD/ZDF-Medienkommission. Baden-Baden: Nomos Frielingsdorf, Britta/Haas, Sabine: Fernsehen zum Musikhören. Stellenwert und Nutzung von MTV und VIVA beim jungen Publikum in Nordrhein-Westfalen. In: Media Perspektiven, Nr. 7. 1995. 331-339 Gundlach, Christian (1996): Musicalstandort Deutschland. Die lokale Presseberichterstattung zu einem internationalen Ereignis. Diplomarbeit Hochschule für Musik und Theater Hannover Hänecke, Frank/Projektgruppe (1992): Musikberichterstattung in der Schweizer Presse. Ergebnisse aus Inhaltsanalysen, Redaktions- und Journalistenbefragungen. Zürich: Seminar für Publizistikwissenschaft Hepp, Andreas/Winter, Rainer (Hrsg.) (21999): Kultur – Medien – Macht. Cultural Studies und Medienanalyse. Opladen: Westdeutscher Verlag Higgs, Imma/Fabris, Hans Heinz (1971): Festspielkritik und Festspielkritiker. Studien zur Musikkommunikation. Ergebnisse einer Umfrage unter den Korrespondenten der Salzburger Festspiele im Juli/August 1971. Unveröffentlichter Bericht. Salzburg Hinz, Ralf (21999): Cultural Studies und avancierter Musikjournalismus in Deutschland. In: Hepp, Andreas/Winter, Rainer (Hrsg.) (21999): 173-182 Hohlfeld, Ralf/Neuberger, Christoph: Profil, Grenzen und Standards der Kommunikationswissenschaft. Eine Inhaltsanalyse wissenschaftlicher Fachzeitschriften. In: Rundfunk und Fernsehen, 46. Jg. 1998. 313-332 Holtz-Bacha, Christina/Kutsch, Arnulf/Langenbucher, Wolfgang R./Schönbach, Klaus (Hrsg.) (2006): Fünfzig Jahre Publizistik. Redaktion: Gunter Reus. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften (= Publizistik, Sonderheft 5) Klingler, Walter/Neuwöhner, Ulrich: Kultur in Fernsehen und Hörfunk. Kulturinteresse der Bevölkerung und die Bedeutung der Medien. In: Media Perspektiven, Nr. 7. 2003. 310-319 Lesle, Lutz (1984): Der Musikkritiker – Gutachter oder Animateur? Aspekte einer publikumspädagogischen Handlungstheorie der Musikpublizistik. Hamburg: Wagner Leyendecker, Claudia (2003): Aspekte der Musikkritik in überregionalen Tageszeitungen. Analyse von FAZ und SZ. Frankfurt am Main: Lang Lilienkamp, Marc (2001): Angloamerikanismus und Popkultur. Untersuchungen zur Sprache in französischen, deutschen und spanischen Musikmagazinen. Frankfurt am Main u. a.: Lang
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Oehmichen, Ekkehardt: Medienforschung als Programmberatung. Zur Entwicklung eines neuen öffentlich-rechtlichen Jugendradios. In: Media Perspektiven, Nr. 2. 1998. 6169 Oehmichen, Ekkehardt/Feuerstein, Sylvia: Klassische Musik im Radio. ARD-EMusikstudie 2005: Zur Unverzichtbarkeit des Radios für die Musikkultur. In: Media Perspektiven, Nr. 5. 2006. 259-272 Ortmann, Peter (1982): Jugendzeitschriften und Pop-Musik. Aussagenanalyse des Musikteils von Jugendzeitschriften. Berlin: Spiess Ortner, Lorelies (1982): Wortschatz der Pop-/Rockmusik. Das Vokabular der Beiträge über Pop-/Rockmusik in deutschen Musikzeitschriften. Düsseldorf: Schwann Renger, Rudolf Robert (1984): Musikkritik in der österreichischen Tagespresse. Eine Zustandsanalyse der musikalischen Tagesberichterstattung unter Berücksichtigung der österreichischen Musik- und Medienindustrie. Diss. Universität Salzburg Reus, Gunter/Harden, Lars: Politische „Kultur“. Eine Längsschnittanalyse des Zeitungsfeuilletons von 1983 bis 2003. In: Publizistik, 50. Jg. 2005. 153-172 Reus, Gunter/Schneider, Beate/Schönbach, Klaus (1995): Paradiesvögel in der Medienlandschaft? Kulturjournalisten – wer sie sind, was sie tun und wie sie denken. In: Becker, Peter/Edler, Arnfried/Schneider, Beate (Hrsg.) (1995): 307-327 Rumpf, Wolfgang (2004): Pop & Kritik: Medien und Popkultur. Rock’n’Roll, Beat, Rock, Punk. Elvis Presley, Beatles/Stones, Queen/Sex Pistols in SPIEGEL, STERN & SOUNDS. Münster: Lit Verlag Saxer, Ulrich (1995): Kunstberichterstattung. Analyse einer publizistischen Struktur. Zürich: Seminar für Publizistikwissenschaft Schweiger, Wolfgang (2005): Die Bayerische Staatsoper im Spiegel der Presse. Eine Inhalts- und Wirkungsanalyse der letzten zehn Jahre. Unveröffentlichte PowerPoint-Präsentation, Universität München Stachera, Michael (1996): Rock- und Popmusikzeitschriften in Deutschland. Eine Bestandsaufnahme. Diplomarbeit Hochschule für Musik und Theater Hannover Stegert, Gernot (1998): Feuilleton für alle. Strategien im Kulturjournalismus der Presse. Tübingen: Niemeyer Sun, Se-Wen/Lull, James: The Adolescent Audience for Music Videos and why they watch. In: Journal of Communication, 36. Jg., Nr. 1. 1986. 115-125 Tadday, Ulrich (1993): Die Anfänge des Musikfeuilletons. Der kommunikative Gebrauchswert musikalischer Bildung in Deutschland um 1800. Stuttgart/Weimar: Metzler Wagemanns, Tim (2004): INTRO.DUCING… Eine Fallstudie über die Nutzer von Online-Musikzeitschriften am Beispiel von Intro.de. Bachelorarbeit Hochschule für Musik und Theater Hannover Weischenberg, Siegfried/Malik, Maja/Scholl, Armin: Journalismus in Deutschland 2005. Zentrale Befunde der aktuellen Repräsentativbefragung deutscher Journalisten. In: Media Perspektiven, Nr. 7. 2006. 346-361 Wernke, Katrin (2002): Der Musikzeitschriftenmarkt in Deutschland. Journalismus im Spannungsfeld zwischen inhaltlichem Anspruch und wirtschaftlichem Zwang. Magisterarbeit Hochschule für Musik und Theater Hannover www.musikstudio-beck.de/sites/musikzitate.htm (Stand: Juni 2006)
Mehr als Musik: Die sieben Dimensionen des Eurovision Song Contests Irving Wolther
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Vorwort
Der Eurovision Song Contest (kurz: ESC) ist der weltweit größte Wettbewerb für populäre Musik und mit mehr als 100 Millionen Zuschauern (EBU 2004) das erfolgreichste Fernsehunterhaltungsprogramm in Europa. Ein Musikwettbewerb, gewiss, und doch geht er in seiner Bedeutung weit darüber hinaus und bewegt Jahr für Jahr die Gemüter der Menschen, wie es ansonsten nur internationale Sportereignisse vermögen. Über den Eurovision Song Contest wurde in der Vergangenheit zwar viel geschrieben, aber wenig geforscht. Der Vielzahl historischer Darstellungen steht nur eine verschwindend geringe Anzahl wissenschaftlicher Arbeiten gegenüber, vorwiegend aus dem skandinavischen Raum. Erst in jüngerer Zeit wird der ESC auch in Deutschland vermehrt Gegenstand wissenschaftlicher Auseinandersetzung. Dabei wird der Schwerpunkt allerdings eher auf Einzelaspekte des Wettbewerbs wie Punktevergabe oder Fankultur gelegt. Der vorliegende Aufsatz basiert auf der ersten umfassenden wissenschaftliche Studie über den Eurovision Song Contest überhaupt (Wolther 2006).
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Einleitung
Ursprünglich wurde der ESC von der Europäischen Rundfunkunion (EBU) ins Leben gerufen, um einen jährlich wiederkehrenden Anlass für die Zusammenarbeit der europäischen Fernsehanstalten zu schaffen. Zu diesem Zweck wurde 1955 ein Komponistenwettbewerb nach dem Vorbild des bereits seit 1951 existierenden San-Remo-Festivals in Planung gegeben und 1956 im schweizerischen Lugano erstmalig ausgerichtet. Die Belange der Musikindustrie blieben dabei weitgehend unberücksichtigt. Erst in späteren Jahren wurde das europaweite Vermarktungspotenzial des Wettbewerbs auch von der Schallplattenindustrie entdeckt. Noch heute ist der Eurovision Song Contest in erster Linie ein von den Fernsehanstalten inszeniertes Medienereignis und dient erst nachrangig musik-
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ökonomischen Zwecken. Der anhaltende Erfolg der Veranstaltung, die neben den Nachrichtenprogrammen zu den traditionsreichsten Sendungen des europäischen Fernsehens zählt, hat allerdings in jüngster Zeit zu vermehrten Kommerzialisierungsbestrebungen der EBU geführt.
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Das ritualisierte Medienereignis ESC
Der ESC ist ein Medienereignis. Genauer: ein inszeniertes Medienereignis. Noch genauer: ein medieninszeniertes (Pseudo-)Medienereignis, wie Scherer und Schlütz (2003) in ihrer Arbeit über die deutsche ESC-Vorentscheidung 2000 in Anlehnung an Boorstin (1987) definieren. Die Inszenierung verfolgt dabei vor allem das Ziel, eine umfassende Medienberichterstattung hervorzurufen. Dies betrifft nicht nur die Fernsehanstalten als Initiatoren des Wettbewerbs, sondern natürlich auch das Musikbusiness, aber auch politische Vertreter, die auf Pressekonferenzen, Empfängen und Partys die Öffentlichkeit suchen. Für das Publikum ist der ESC aber auch ein hochgradig ritualisiertes Medienereignis. Spezifische Charakteristika des Programms haben zu seiner Ritualisierung geführt: die Periodizität des Programms (d. h., dass es in regelmäßigen Abständen wiederkehrt), seine Standardisierung und Unveränderlichkeit (d. h., dass das Programm über eine einheitliche Struktur verfügt, die sich über die Jahre nicht oder nur wenig verändert), sein Vergangenheitsbezug (d. h., dass es auf der Tradition früherer Veranstaltungen aufbaut) und nicht zuletzt das Zugehörigkeitsgefühl, das die Zuschauer durch die Teilnahme an dem Fernsehereignis Eurovision Song Contest empfinden. Dieses Zugehörigkeitsgefühl basiert in weiten Teilen auf Schemata nationaler und kultureller Identifikation, die für die Wahrnehmung des Programmangebots Eurovision Song Contest von entscheidender Bedeutung sind.
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Die sieben Dimensionen des ESC
Nun besitzt der Eurovision Song Contest nicht in allen Ländern einen vergleichbaren Stellenwert. Die Begeisterung, die der Wettbewerb und seine nationale Vorentscheidung beispielsweise in Schweden auslösen (die Übertragung erreicht laut Marktforschungsabteilung des Senders SVT regelmäßig Marktanteile von weit über 50 %), lassen hierzulande manchen Programmplaner an seinen Fähigkeiten zweifeln. Doch woher kommt dieser unterschiedliche Stellenwert? Um dieser komplexen Frage auf den Grund zu gehen, erweist es sich als sinnvoll, den Eurovision Song Contest in sieben Bedeutungsdimensionen zu zerlegen. Diese
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Dimensionen ergeben sich aus der spezifischen Struktur und Geschichte des Wettbewerbs und wurden auf der Grundlage qualitativer Voruntersuchungen in Form von Experteninterviews sowie unsystematischer Beobachtung der internationalen Medienberichterstattung über einen Zeitraum von 15 Jahren entwickelt.
4.1 Die mediale Dimension Beim Eurovision Song Contest handelt es sich in erster Linie um eine Fernsehsendung, die vordergründig den Zweck verfolgt, hohe Einschaltquoten zu erzielen. Zur Verwirklichung dieses Ziels bemühen sich die beteiligten Fernsehanstalten um eine publikumsgerechte Gestaltung des Programms sowie um eine entsprechende Publicity im Vorfeld. Über die eigentliche Fernsehsendung hinaus bilden Pressekonferenzen, Empfänge und Partys eine parallele ‚Eurovisionswelt’, die einen eigenständigen Informations- und Berichterstattungswert besitzt. Wie bereits erwähnt, stand bei der Schöpfung des ESC die Zusammenarbeit der öffentlich-rechtlichen Programmanbieter Europas im Vordergrund. Für die Eurovision, den Fernsehprogrammaustausch der EBU, ist der Wettbewerb daher fast zu einer Art Synonym geworden. Mittlerweile dient der ESC aber nicht mehr nur als Anlass zur Medienkooperation, sondern auch als Instrument zur Demonstration medialer Macht: Mit dem Millionen Euro teuren Medienspektakel zeigen die in der EBU zusammengeschlossenen Fernsehanstalten, zu welchen technischen Höchstleistungen sie in der Lage sind und versuchen damit, die private Konkurrenz in ihre Schranken zu weisen. Da die EBU den Fernsehanstalten bei der Auswahl ihrer Beiträge völlig freie Hand lässt, können diese die Zusammensetzung des nationalen Teilnehmerfeldes mithilfe selbst definierter Ausschlusskriterien aktiv steuern. Je nach Auslegung des öffentlichen Auftrags geschieht dies mehr oder weniger restriktiv. Um einer Blamage vorzubeugen, nehmen manche Fernsehanstalten selbst Einfluss auf die Bühnenauftritte der von ihnen in den Wettbewerb entsandten Künstler. Nicht zuletzt geht es ihnen dabei um die Wahrung ihres eigenen Ansehens. Dabei wird auf kommerzielle Belange der Musikindustrie selten Rücksicht genommen, wie die folgende Aussage des ehemaligen Programmdirektors des Hessischen Rundfunks, Hans-Otto Grünefeldt, aus dem Jahr 1970 dokumentiert: „Es geht nicht darum […] ein Lied herauszufinden, das etwa kommerziell die größten Chancen hätte […]. Es geht darum, das Lied auszuwählen, das auf […] diesem speziellen Grand Prix Eurovision für die ARD bestehen kann“ (Böhmer 1970).
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Im Gegenzug weckt der ESC bei Zuschauern und Medienvertretern bestimmte (zum Teil historisch gewachsene) Erwartungshaltungen, die von den Fernsehanstalten nicht ignoriert werden können. Vor allem wird der Fernsehanstalt in ihrer Stellvertreterrolle für das eigene Land eine gewisse ‚nationale Verantwortung’ zugewiesen. Insofern bleibt ihr trotz aller Einflussmöglichkeiten nur ein vergleichsweise geringer Spielraum für Veränderungen des Programminhalts.
4.2 Die musikalische Dimension Beim Eurovision Song Contest handelt es sich um einen Musikwettbewerb, und faktisch bleiben von dem Fernsehereignis ESC in erster Linie die gehörten Melodien in Erinnerung. Allerdings wirken sich die mit der Organisation der Fernsehsendung ESC verbundenen Zwänge auf die Art der dargebotenen Musik aus (vgl. Wolther 2005). So wurde die Dauer der Wettbewerbsbeiträge auf drei Minuten beschränkt, um den Zeitrahmen der Veranstaltung bei stetig wachsender Teilnehmerzahl nicht zu sprengen. Das Drei-Minuten-Format erwies sich für Kompositionen nach dem A-B-A-B-C-B-Schema (Strophe-Refrain-Strophe-Refrain-BridgeRefrain) als besonders geeignet. Einen weiteren reglementspezifischen Faktor stellte der Einsatz eines Live-Orchesters dar. Beiträge mit hymnischem Charakter wurden dadurch favorisiert, da sie die instrumentale Klangfülle des LiveOrchesters zu ihrem Vorteil einsetzen konnten. Moderne Pop- und Rockarrangements waren dagegen zunehmend schwieriger umzusetzen, da viele spezifische Klangeffekte durch das Orchester nicht wiedergegeben werden konnten. Erst 1998 wurde die Verwendung von Halb-Playback zugelassen, nicht zuletzt um die Kosten der Veranstaltung zu reduzieren. Auch der Zwang zum Vortrag des Beitrags in Landessprache trug maßgeblich zu der Entwicklung einer charakteristischen Musikfarbe innerhalb des ESC bei. Auf Grund der unterschiedlichen Entwicklung der nationalen Musikmärkte war ein breitgefächertes Musikangebot in Nationalsprache in vielen Ländern nicht mehr selbstverständlich. So kam es, dass vorzugsweise Beiträge eines bestimmten Genres eingesandt wurden, andere Musikfarben hingegen nur selten oder überhaupt nicht vertreten waren. Die Bemühung um musikalische Ausdrucksformen, die in ganz Europa erfolgreich sein sollten, führte zudem in einigen Ländern zur Entstehung eines spezifischen Musikstils, der von geringer Originalität und Experimentierfreude gekennzeichnet ist. Björnberg (1987) weist darauf hin, dass in seiner schwedischen Heimat eine bestimmte Form „kontinentaler Popmusik“ als prototypisch für einen guten ESC-Beitrag empfunden wird. Dennoch gibt es auch nach dem Wegfall der Sprachenregelung im Jahr 1998 und
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der seither feststellbaren Dominanz englischsprachiger Beiträge zahlreiche Beispiele für den Willen, die eigene Musikkultur in typischer Weise zu repräsentieren, vor allem aus Ländern des Mittelmeerraums und Osteuropas, die über regionale Spielarten von Popmusik mit stark folkloristischem Einschlag verfügen. Die beim ESC dargebotene Musik basiert zu einem großen Teil auf angloamerikanischen Vorbildern, der aber in den meisten Ländern eine eigene national-kulturelle Prägung verliehen wurde. Wie diese unterschiedlichen populärmusikalischen Erscheinungsformen wahrgenommen werden, hängt wiederum von kulturspezifischen Hörgewohnheiten ab. Insofern ist die Wahrnehmung des Medienangebots ESC abhängig von der Wahrnehmung der dargebotenen Musik. Vereinfacht gesagt: Wenn man die Musik als Pop wahrnimmt, ist es eine PopEvent, nimmt man sie als Schlager wahr, ist es eine Schlager-Veranstaltung. In Deutschland wurde die beim ESC vorherrschende Form der Unterhaltungsmusik über viele Jahre mit der nationalsprachigen Musikform ‚Schlager’ gleichgesetzt. Das sinkende Ansehen des Schlagers und die damit einhergehende semantische Veränderung des Begriffs schlugen sich somit unmittelbar auf die Wahrnehmung des ESC beim deutschen Publikum nieder. In Schweden hingegen hat sich eine gegenläufige Entwicklung vollzogen. Nationalsprachige Musikformen erfreuen sich dort größter Beliebtheit – ebenso wie der ESC und seine nationale Vorentscheidung, das Melodifestival.
4.3 Die musikökonomische Dimension Festivals und Wettbewerbe gelten allgemein als wichtige Vermarktungsinstrumente für die Musikindustrie. Künstler und Produzenten verfolgen mit ihrer Teilnahme konkrete ökonomische Ziele. Eine gute Platzierung soll das musikalische Produkt auf dem nationalen Markt aufwerten oder sogar über die Landesgrenzen hinaus neue Absatzmärkte eröffnen. Dennoch war die musikökonomische Bedeutung des ESC für ein Festival dieser Größenordnung schon immer relativ gering. Dies lag zum einen daran, dass die Fernsehanstalten durch Reglementvorgaben gezielt die kommerzielle Vereinnahmung ‚ihres’ Wettbewerbs durch die Schallplattenindustrie verhinderten. Zum anderen führten mangelhaftes Marketing sowie veränderte Markt- und Medienbedingungen dazu, dass das Vermarktungspotenzial des Wettbewerbs häufig ungenutzt verpuffte. Eine Vielzahl von Wettbewerbsbeiträgen gelangte erst gar nicht in den freien Verkauf. Wie Denisoff (1975) feststellt, spielt für den kommerziellen Erfolg von Musik eine Anzahl von Faktoren eine Rolle, die mit den ästhetischen Qualitäten der einzelnen Titel oft gar nichts zu tun haben. Entsprechend ist für den Eurovision
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Song Contest davon auszugehen, dass eine Veränderung der dargebotenen Musik nur bedingten Einfluss auf die Verkaufszahlen der Wettbewerbsbeiträge hat. Vielmehr scheint sich der Rückgang nationalsprachiger Musik in den europäischen Hitparaden in der Vergangenheit negativ auf den kommerziellen Erfolg der ESC-Beiträge ausgewirkt zu haben, da diese stilistisch meist dem nationalsprachigen Repertoire zugeordnet werden können (vgl. Wolther 2006: 98 ff.). Der enge Rahmen, der durch die Vorschriften des Reglements gesteckt wird, bestimmt zudem, welcher Ausschnitt aus dem aktuellen Musikgeschehen innerhalb des ESC vorgestellt wird. Dieser Ausschnitt ist unter Umständen für die nationale Musikindustrie einzelner Länder kommerziell unattraktiv und führt dort zu einem nachlassenden Interesse der Musikindustrie und ihrer publikumswirksamen Interpreten an der Veranstaltung. Da das Fernsehen aus der Popularität der teilnehmenden Beiträge unmittelbaren Nutzen in Form von Einschaltquoten zieht, wurde das Reglement dahin geändert, die Möglichkeiten zur Vermarktung der Wettbewerbsbeiträge zu verbessern. Das musikalische Grundgerüst der Veranstaltung blieb davon jedoch weitgehend unberührt, da es auf historischen Entwicklungen und Erwartungshaltungen beruht, die bei Fernsehverantwortlichen, Musikschaffenden und Publikum gleichermaßen verankert sind und sich den ökonomischen Interessen der Musikindustrie entziehen.
4.4 Die politische Dimension Nachdem mit der medialen, der musikalischen und musikökonomischen Dimension die drei zentralen und offensichtlichsten Bedeutungsdimensionen des Eurovision Song Contests behandelt wurden, soll nun auf vier – zumindest aus deutscher Sicht – weniger naheliegende Bedeutungsdimensionen eingegangen werden. Als erste wäre die politische Dimension zu nennen. Diese lässt sich in eine externe (allative1) und eine interne (ablative2) politische Dimension unterscheiden: Die externe (allative) politische Dimension treffen wir bei Situationen an, in denen der Wettbewerb für politische Zwecke instrumentalisiert wird (in denen also das politische System auf das System ESC einwirkt). Ein anschauliches Beispiel hierfür bietet der ESC 2005 in Kiew, bei dem mit Viktor Juschtschenko
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allativ – Wirkungsrichtung von außen nach innen ablativ – Wirkungsrichtung von innen nach außen
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erstmals das Staatsoberhaupt des Gastgeberlandes auf die Bühne trat, um der Siegerin einen Sonderpreis der nationalen Regierung zu überreichen3. Bei der internen (ablativen) politischen Dimension des ESC nimmt der Wettbewerb selbst Einfluss auf die politische Agenda (übt also eine Wirkung auf das politische System aus). So strahlte der italienische Fernsehsender RAI den ESC 1974 nicht live aus, weil der Titel des italienischen Beitrags Sì die Zuschauer im Hinblick auf das am darauf folgenden Tag stattfindende Referendum über eine Beibehaltung des Ehescheidungsverbots hätte beeinflussen können (vgl. Chartitalia 2005 und Feddersen 2002: 138 f.). Um eventuellen politischen Schaden zu vermeiden, verzichten die Verantwortlichen unter Umständen sogar auf die Einreichung bestimmter Kompositionen. So hatte das griechische Fernsehen ERT 1978 ursprünglich einen Beitrag mit dem Titel Mr. Nobel ausgewählt, der von der äußerst populären Interpretin Anna Vissi vorgetragen werden sollte. Da der Text sich allerdings ausgesprochen kritisch mit dem Nobelpreisstifter auseinandersetzte, befürchtete ERT diplomatische Verwicklungen mit Schweden und schickte stattdessen den unverfänglicheren Titel Charlie Chaplin ins Rennen (vgl. Thorsson 1999: 133). Die politische Dimension des Eurovision Song Contests tritt in den einzelnen Teilnehmerländern unterschiedlich stark in Erscheinung. Ein sehr anschauliches Beispiel für die unterschiedliche politische Relevanz des Wettbewerbs bietet der ESC 1996: Das norwegische Fernsehen NRK leitete mit Grußbotschaften ranghoher Politiker aus den jeweiligen Nationen auf die einzelnen Beiträge über. Während diese Aufgabe für Länder wie Polen, die Türkei oder Schweden von dem jeweiligen Staatsoberhaupt beziehungsweise Regierungschef wahrgenommen wurde (Staatspräsident Kwasniewski, Staatspräsident Demirel, Ministerpräsident Persson), standen für Länder wie Spanien oder das Vereinigte Königreich nur nachrangige politische Vertreter zur Verfügung. Die Tatsache, dass sich Staatsoberhäupter und Regierungschefs die Zeit nehmen, dem musikalischen Vertreter ihres Landes eine Grußbotschaft zu schicken, lässt auf einen hohen politischen Stellenwert des Wettbewerbs in den entsprechenden Nationen schließen. Welche politische Bedeutung das Medienereignis ESC in den einzelnen Ländern besitzt, hängt vorrangig von der Stellung des jeweiligen Landes im internationalen Mächtekonzert ab und seit wann es diese Stellung einnimmt. Gerade für die jungen Staaten des ehemaligen Ostblocks spielt der ESC eine wesentliche Rolle zur Überwindung ihrer jahrzehntelangen politischen, wirtschaftlichen, aber auch kulturellen Isolation.
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Bei dem überreichten Preis handelt es sich um die Nachbildung eines Brustschmucks skythischer Könige aus 500 g purem Gold. Die Überreichung des Preises ist somit nicht nur als politische Geste, sondern auch als Akt national-kultureller Repräsentation zu werten.
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Die politische Dimension betrifft im Übrigen nicht die gemeinhin als politisch definierten Fragen der Punktevergabe. Diese sind in erster Linie auf Faktoren räumlicher und kultureller Nähe zurückzuführen, die auf Grund der komplexen Entscheidungssituation bei der Stimmabgabe als Entscheidungshilfen herangezogen werden. Dies wurde von Schweiger und Brosius (2003) bestätigt.
4.5 Die national-kulturelle Dimension Eines der wichtigsten Anliegen vieler Länder besteht in der Darstellung ihrer nationalen Eigenheiten. Dabei wird häufig auf eine mehr oder weniger stark stereotypisierte Symbolik zurückgegriffen, deren Bekanntheit in den übrigen Ländern vorausgesetzt wird, so zum Beispiel auf die Nationalfarben und andere nationale Symbole, oft aber auch auf den Namen des eigenen Landes oder der Landeshauptstadt im Liedtitel. Der Einsatz landestypischer Elemente bei der Gestaltung von Komposition und Darbietung entspringt jedoch nicht zwangsläufig bewussten Überlegungen. Die unterbewusste Identifikation mit der eigenen nationalen Kultur dürfte hier eine entscheidende Rolle spielen. So erklärt Habermas (1990: 151): „Die Gestalt, zu der wir durch unsere Lebensgeschichte, die Geschichte unseres Milieus, unseres Volkes geworden sind, läßt sich in einer Identitätsbeschreibung nicht loslösen von dem Bild, das wir uns und anderen präsentieren, und nach dem wir von den anderen beurteilt, geachtet und anerkannt werden wollen.“
Je enger die Angehörigen einer bestimmten Nation sich mit ihrer Kultur verbunden fühlen, desto wahrscheinlicher dürften sie demnach auf spezifische musikalische, textliche und tänzerische Ausdrucksformen ihrer Kultur zurückgreifen, auf die sie mit Stolz blicken. Dies gilt umso stärker für einen Wettbewerb wie den ESC, in dem die teilnehmenden Künstler für ihr Land eine konkrete Repräsentationsfunktion übernehmen. Von weitaus größerer Bedeutung als die plakative Zurschaustellung nationaler Symbole ist daher der Einsatz folkloristischer bzw. kulturspezifischer Elemente in Komposition und Darbietung. Mithilfe dieser Gestaltungsmittel soll die kulturelle Diversität des Teilnehmerlandes betont werden. Im Vordergrund steht hier der Wille, etwas ‚Besonderes’ vorzustellen, das sich von den Beiträgen der übrigen Nationen abhebt. Die Darstellung kultureller Diversität spiegelt kulturelle Identität aber nicht nur wider, sondern sie konstruiert sie auch (vgl. Frith 1999: 154). Die Produktion und Reproduktion national-kulturell geprägter Musik ist somit nicht zwangsläufig auf einen bestehenden national-kulturellen Hintergrund zurückzuführen, sondern kann auch
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dazu dienen, diesen national-kulturellen Hintergrund mithilfe der Musik immer wieder neu zu erschaffen. Woraus speist sich nun die unterschiedliche national-kulturelle Bedeutung des ESC? Bendix (1996) definiert als eine wichtige Quelle für nationalkulturelles Darstellungsbedürfnis den Unterschied zwischen so genannten Vorreiter- und Nachzüglerländern. So können anhand des Grades ihrer Demokratisierung und ihrer Wirtschaftsstärke Vorreiterländer ausgemacht werden, denen es die weniger demokratischen und wirtschaftsstarken Länder gleichtun wollen. Das Bewusstsein der Rückständigkeit gegenüber den Vorreitern wird durch Betonung der eigenen Kultur abgemildert, weil diese als Quelle künftiger Stärke angesehen wird. Bendix‘ Vorreiter-Nachzügler-Theorie wurde in einer Befragungsstudie von Wolther (2006) bestätigt. Die Fernsehanstalten in ‚Nachzüglerstaaten‘ mit geringem Bruttoinlandsprodukt und junger demokratischer Tradition weisen gegenüber den Fernsehanstalten in ‚Vorreiternationen‘ einige charakteristische Unterschiede auf: Zunächst einmal sind sie deutlich stärker an einer Ausrichtung des ESC interessiert. Zu diesem Zweck wären sie auch dazu bereit, das Budget für ihre übrigen Unterhaltungsprogramme zu kürzen. Sie berichten in ihrem laufenden Programm umfangreicher über den ESC. Und schließlich – und das ist besonders interessant – sehen sie im ESC verstärkt ein Mittel zur Präsentation ihrer nationalen Kultur. Warum aber wird gerade der Eurovision Song Contest für nationalkulturelle Repräsentationszwecke genutzt? Bereits Adorno (1968: 36) stellt im Zusammenhang mit der identifikatorischen Funktion von Unterhaltungsmusik fest: „Die Wirkung von Schlagern, genau vielleicht ihre soziale Rolle, wird man umschreiben dürfen als die von Schemata der Identifikation […]“, und wenn Fiske und Hartley (1985: 129) zu Recht behaupten: „When we watch a popular television programme we are, among other things, asserting our commonality with the other members of our culture“, kann es eigentlich kein besseres Medienangebot als den Eurovision Song Contest geben, um national-kulturelle Identität zu fördern. Somit dürfte die national-kulturelle Identifikation mit dem Beitrag des eigenen Landes den Schlüssel für den anhaltenden Erfolg des Wettbewerbs darstellen. Weitere Quellen für die national-kulturelle Bedeutung des ESC sind kulturelle Minderwertigkeitskomplexe einzelner Nationen (so im Falle von Norwegen und Finnland), Identitätskonstruktionen durch spezifische Darstellungsformen (so im Falle von Deutschland) oder die Demonstration der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Kulturraum (wie im Falle von Israel). Die national-kulturelle Dimension des Eurovision Song Contests steht häufig im Konflikt mit der musikökonomischen Dimension des Wettbewerbs, da die
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internationale Vermarktung stark regional ausgelegter Musiktitel mit finanziellen Risiken verbunden ist, die von den Plattenfirmen nur selten eingegangen werden.
4.6 Die nationalökonomische Dimension Auch wenn die Ausrichtung des Eurovision Song Contests Millionenbeträge verschlingt, gibt es doch kaum ein Land, das sich dieser Aufgabe nicht stellen mag. Die ökonomischen Vorteile, die man sich von der Ausrichtung des Wettbewerbs verspricht, überwiegen offenbar auf lange Sicht die unmittelbaren finanziellen Opfer. Für das irische Fernsehen bedeutete die dreimalige Ausrichtung in Folge eine erhebliche Anstrengung, die jedoch durch einen deutlichen Anstieg der Tourismuszahlen mehr als gerechtfertigt und auch politisch gewürdigt wurde. So erklärte der ehemalige irische Premierminister Charles James Haughey in einer Parlamentsdebatte: „[T]he Eurovision Song Contest […] is a unique experience for this country. […] I pay special tribute to RTE for hosting the song contest for the past three years and previously. It has done a magnificent job and promoted the country throughout the world. […] The promotional advantage from the song contest is incredible. The various clips to promote tourism and so on have done us proud. […] This country and Europe will gain from the event.“ (Houses of the Oireachtas 1995)
Estland und Lettland nutzten im Vorfeld ihres EU-Beitritts ihre Gastgeberrolle, um sich nicht nur als sehenswerte Tourismusziele, sondern auch als attraktive Wissenschafts- und Industriestandorte zu profilieren. In welchem Umfang sich daraus konkrete ökonomische Vorteile für die betreffenden Länder ergeben haben, kann nicht genau bestimmt werden, das estnische Außenministerium jedoch bezifferte den Wert der weltweiten Werbung für das baltische Land mit 1 Milliarde US-Dollar (zit. nach CFC Consulting 2005: 1). Die kontinuierlich steigende Anzahl nationaler Sponsoren bei der Ausrichtung des ESC lässt ebenfalls darauf schließen, dass seitens der Industrie von einer positiven Auswirkung des Wettbewerbs auf die Wirtschaft der Gastgebernation ausgegangen wird.
4.7 Die kompetitorische Dimension Wie auch bei sportlichen Wettkämpfen steht ein Sieg und der damit verbundene Prestigegewinn für Künstler, Produzenten und Nation im Mittelpunkt des Eurovision Song Contests. Für das Publikum stellt die Wertung, die immerhin ein Drittel der Sendezeit in Anspruch nimmt, ein zentrales Programmelement dar.
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Ursprünglich handelte es sich beim ESC um einen Komponistenwettbewerb, und in den frühen Jahren erschienen nicht Ländernamen, sondern die Titel der einzelnen Lieder auf der Punktetafel. Mit wachsender Teilnehmerzahl musste das Abstimmungsverfahren gestrafft werden, und so wurden stellvertretend für ihre Beiträge die einzelnen Länder bepunktet. Mittlerweile wird die Punktetafel durch Länderflaggen ergänzt und auf diese Weise zusätzlich mit nationaler Symbolik aufgeladen. Durch diese rein formale Veränderung wurde der ESC vom Komponistenwettbewerb zu einem Nationenwettkampf, bei dem die musikalische Dimension gegenüber der politischen und national-kulturellen in den Hintergrund rückte. Verschiedene Studien haben Punktesympathien zwischen einzelnen Ländergruppen ausgemacht, die auf Faktoren wie räumlicher und kultureller Nähe beruhen. Die in früheren Jahren festgestellte Hegemonie der westeuropäischen Länder (vgl. Yair & Maman 1996) ist durch die Erfolge osteuropäischer Nationen in jüngster Zeit aufgebrochen, was in den westeuropäischen ‚Stammnationen’ des ESC mit Argwohn beobachtet wird. Auch der Einsatz der englischen Sprache ist als kompetitorischer Aspekt zu werten. Er erfolgt in den meisten Fällen nur zu dem Zweck, eine bessere Wettbewerbsplatzierung zu erreichen, wie Klapheck (2004) darlegt. In der Tat scheinen englischsprachige Wettbewerbsbeiträge auf den ersten Blick deutlich erfolgreicher zu sein als nationalsprachige Titel. Zu einem solchen Ergebnis kommen sowohl Schweiger und Brosius (2003: 284) als auch Le Guern (2000). Der Vorteil der englischen Sprache gegenüber der Nationalsprache ist allerdings statistisch nicht nachweisbar, da der Anteil der Top-10-Platzierungen in englischer Sprache (65,6 %) nur unwesentlich über dem allgemeinen Anteil englischsprachiger Beiträge im Wettbewerb (63 %) liegt, im Top-5-Segment sogar darunter (62,2 %). Entsprechend kommt Klapheck (2004:102) zu dem Schluss: „Die Wahl des Englischen beruht letztlich auf der Vermutung der nationalen Entscheidungsträger, dass das Englische der allgemeinen Sprachvorliebe der ESCZuschauer entspricht.“
Die zum Teil haarsträubend schlechte Aussprache des Englischen dürfte indes häufig eher einen Wettbewerbsnachteil darstellen und ist sicherlich ein weiterer Grund, weshalb der ESC als Popmusikwettbewerb in den anglophonen Ländern nicht ernst genommen wird. Mittlerweile sind daher Länder wie Kroatien und Bosnien-Herzegowina wieder zu einem Vortrag in Landessprache übergegangen.
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Fazit
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Eurovision Song Contest eine Fernsehsendung mit einem ausgesprochen hohen national-kulturellen Repräsentationspotenzial ist, das von den Programmgestaltern erkannt und aktiv genutzt wird. Dies gilt verstärkt für Fernsehanstalten, die ganz oder teilweise durch staatliche oder politische Institutionen finanziert werden, was vorwiegend in Staaten der Fall ist, die im Sinne von Bendix (1996) als Nachzüglerstaaten definiert werden können. Ein Ende des im Rahmen des ESC ausgefochtenen ‚Kampfes der Kulturen‘ ist nicht abzusehen, da die Aufteilung zwischen Vorreitern und Nachzüglern und die daraus resultierende Gewichtung national-kultureller Fragestellungen nicht statisch ist, sondern einem kontinuierlichen Wandlungsprozess unterliegt4.
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Desiderata
Mit dem vorliegenden Aufsatz sollte ein Überblick über die verschiedenen Bedeutungsdimensionen des Eurovision Song Contests gegeben werden. Der Wettbewerb birgt in sich jedoch noch eine Vielzahl von Aspekten, deren eingehendere Untersuchung von großem wissenschaftlichen aber auch wirtschaftlichem Interesse wäre. So bleibt die Frage nach den Ursachen für den Rückgang bzw. die Zunahme nationalsprachiger Musik in den einzelnen Ländern weitgehend unbeantwortet. Es wäre interessant zu untersuchen, inwieweit die jeweiligen Entwicklungen durch die Radioformatierung beeinflusst wurden und werden. Auch eine Untersuchung der nationalen Genre-Präferenzen wäre nicht nur aus musikökonomischer Sicht von großem Interesse. Dabei könnte endlich auch eine Differenzierung des Schlagerbegriffs durchgeführt werden, unter den in Deutschland mittlerweile jede Musikrichtung subsumiert wird, die nicht ausdrücklich angloamerikanischen Ursprungs ist. Insgesamt ist eine vergleichende wissenschaftliche Beschäftigung mit nationalsprachiger Popularmusik bisher nahezu inexistent. Ich hoffe, dass diese Ausführungen einen Beitrag dazu leisten, die Aufmerksamkeit auf dieses Forschungsfeld zu lenken. Popularmusik darf nicht als kulturelles Erzeugnis von zweifelhaftem ästhetischen Wert untersucht werden. Popularmusik ist auch kein simples ‚Wirtschaftsgut‘, wie es in der kritischen Literatur der 1970er Jahre oft dargestellt wurde. Popularmusik erreicht heute mehr Menschen, als es die her4
So erlebten wir erst jüngst, wie vor dem Hintergrund einer schwächelnden deutschen Wirtschaft die Diskussion um eine deutsche ‚Leitkultur’ aufflammte.
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vorragendsten Zeugnisse der Hochkultur vermutlich je vermocht haben. Kulturspezifische Hörgewohnheiten machen es uns unter Umständen schwer, die Popularmusik anderer Länder zu wertschätzen. Und doch gewährt sie uns Einblick in das Denken und Fühlen benachbarter Volksgruppen, die uns trotz relativer räumlicher Nähe und Globalisierung noch immer weitgehend fremd sind. Sie ist daher ein zentraler Schlüssel zum Verständnis fremder Kulturen.
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Literatur
Adorno, Theodor W. (1968): Einleitung in die Musiksoziologie. Frankfurt am Main: Suhrkamp Bendix, Reinhard (1996): Strukturgeschichtliche Voraussetzungen der nationalen und kulturellen Identität in der Neuzeit. In: Giesen, Bernhard (Hrsg.) (1996): 39-55 Björnberg, Alf (1987): En liten sång som alla andra. Melodifestivalen 1959-1983. Göteborg: Göteborgs Universitet Böhmer, Ekkehard (Regie) (16.02.1970): Ein Lied für Amsterdam. Deutsche Vorentscheidung zum Grand Prix Eurovision de la Chanson 1970. Frankfurt am Main: Hessischer Rundfunk (ARD) Boorstin, Daniel J. (1987): Das Image: Der Amerikanische Traum (Manfred Delling & Renate Voretzsch, Übers.). Reinbek bei Hamburg: Rowohlt CFC Consulting (2005): Case Study Eurovision Song Contest Kyiv 2005 (Fallstudie). Kiew: CFC Consulting Chartitalia (2005): Gigliola Cinquetti: Sì e Referendum. Dem Internet entnommen am 07.07.2005 unter http://chartitalia.blogspot.com/2005/06/gigliola-cinquetti-s-ereferendum.html. 03.06.2005 Denisoff, Serge R. (1975): Solid gold: The popular record industry. New Brunswick: Transaction EBU (2004): Eurovision 2004. Dem Internet entnommen am 10.02.2005 unter http://www.ebu.ch/en/union/news/2004/tcm_6-12072.php. 14.05.2004 Engelmann, Jan (Hrsg.) (1999): Die kleinen Unterschiede. Der Cultural Studies-Reader. Frankfurt am Main/New York: Campus. Feddersen, Jan (2002). Ein Lied kann eine Brücke sein. Die deutsche und internationale Geschichte des Grand Prix Eurovision. Hamburg: Hoffmann und Campe Fiske, John/Hartley, John (1985): Reading television (4. Aufl.). London/New York: Routledge Frith, Simon (1999): Musik und Identität (Christoph Gurk, Übers.). In: Engelmann, Jan (Hrsg.) (1999): 149-169) Giesen, Bernhard (Hrsg.) (1996): Nationale und kulturelle Identität. Studien zur Entwicklung des kollektiven Bewusstseins in der Neuzeit (3. Aufl.). Frankfurt am Main: Suhrkamp Habermas, Jürgen (1990): Die nachholende Revolution. Kleine politische Schriften VII. Frankfurt am Main: Suhrkamp
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III Podiumsdiskussion
Erfolgsmacher oder Erfüllungsgehilfen? Das Wechselverhältnis zwischen Medien und Musikindustrie Podiumsdiskussion
Über das Thema „Erfolgsmacher oder Erfüllungsgehilfen? Das Wechselverhältnis zwischen Medien und Musikindustrie“ diskutieren der Künstler Heinz Rudolf Kunze, als Vertreter der Plattenfirmen und ihrer Promotion-Abteilungen Jürgen Dobelmann (Content Manager Sony BMG, München), die Medienvertreter Jochen Ewald (Unterhaltungsredakteur SAT.1) und Marco Brandt (Geschäftsführer KISS FM, Berlin) sowie der Chefredakteur des Branchenmagazins Musikwoche, Manfred Gillig-Degrave. Die Diskussion leitet Rainer Wagner (Kulturreporter der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung). Wagner: Medien und Musikindustrie interessieren sich füreinander, weil es Musik gibt. Deshalb bitte ich zunächst den Musiker in unserer Rund um ein Eingangs-Statement. Kunze: Medien sind enorm und manchmal auch beklemmend wichtig. Sie können sehr viel Schaden anrichten. Sie haben eine ungeheure Macht auch im Zusammenspiel mit der Musikindustrie. Ich bin ja noch ein Mann der alten Schule. Früher gab es so was nicht in Plattenfirmen: Promotion-Abteilungen. Heute ist der Kontakt zu den Medien sehr eng. Auf jeden Fall ist es wichtig, dass man mit den Medien kooperiert, dass man diejenigen, die einem freundlich gewogen sind, auch bei der Stange hält, dass man zu denen offen und nett ist und dass man sie auch mit Informationen versorgt. Jetzt könnte man natürlich aus meiner Sicht den ganzen Abend allein über die Unterschiede zwischen Radio, Fernsehen und Printmedien sprechen. Generell würde ich zum Einstieg nur mal sagen: Die Arbeit mit den Printmedien ist für mich als Künstler die erfreulichste und die fruchtbarste, weil das die Kollegen sind von den Medien, die sich am meisten Zeit nehmen, die am besten vorbereitet sind und wo man sich auch mal geduldiger aussprechen kann. Ganz schwierig ist im Radio alles, was die Tagesaktualität betrifft. Da hören zwar die meisten Menschen zu. Aber man kann froh sein, wenn man sich drei Minuten lang in ganzen Sätzen ausdrücken darf und der Moderator nach zwei Minuten
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Podiumsdiskussion
nur panisch auf die Uhr guckt, aber noch nicht unterbricht. Anders natürlich bei längeren Feature-Sendungen. Denen hört aber kaum jemand zu. Und Fernsehen ist ein ganz besonderer Stiefel. Das ist sehr schwierig geworden für Leute meines Schlages, die eben bei Sendern wie MTV oder VIVA kaum ein Gehör finden. Für unsereins ist das Forum im normalen Fernsehen sehr schmal geworden. Aber als abschließenden Satz meines Eingangs-Statements möchte ich sagen: Eins dürfen Sie nie vergessen: Es hat überhaupt keinen Sinn, als Künstler Medienarbeiter zu beschimpfen. Es gibt dort sehr viele vernünftige, sensible, intelligente Leute, die eben auch in Zwängen drinstecken. Wagner: Danke dafür. Der nächste in unserer Runde, Herrn Dobelmann, hat doppelte Erfahrung als Journalist und jetzt als Plattenmensch. Wie wichtig sind für Sie in Ihrer heutigen Funktion die unterschiedlichen Medien Zeitungen, Zeitschriften, Funk und Fernsehen? Dobelmann: Zuerst mal muss ich sagen, dass ich als Content Manager nicht an vorderster Front kämpfe, was die Medienarbeit angeht. Ich habe früher Promotion gemacht, bin jetzt eher in einer Service-Funktion für die Promotion-Abteilung der Sony BMG. Ich schreibe alle Texte, alle Pressemitteilungen usw. über die deutschen Künstler. Zum Statement von Herrn Kunze: Als Künstler hat er eine ganz andere Sichtweise auf Medien als die Promotion. Denn er lernt ja nur ganz bestimmte Medien kennen, die sich für seine Musik interessieren. Wir kriegen dagegen eine riesige Bandbreite an Themen auf den Tisch, für die wir im gesamten Medienangebot die passenden Medienprogramme in den unterschiedlichen Medien suchen. Zum Beispiel ist in der Aufzählung vorhin das Online-Medium überhaupt nicht genannt worden. Aus unserer Sicht gibt es aber Künstler, die finden nur online statt. Andere Künstler finden nur in Printmedien, nur im TV, nur im Radio oder gestaffelt statt. Idealerweise greift dabei ein Rad ins andere. Jeder Künstler hat ein eigenes Einführungsprofil. Deshalb kommt es ganz auf den Künstler drauf an, wie wichtig die einzelnen Medien für die Promotion sind. Für manche Künstler ist Print völlig irrelevant. Zum Beispiel für Bands im Stile von banaroo. Da kann man vielleicht ein, zwei Teenie-Blättern eine Rezension aus dem Kreuz leiern, aber eine komplette Pressearbeit muss man da gar nicht machen. Dann gibt’s Produkte, die einfach nicht im TV stattfinden können, weil’s dafür keine passenden Sendungen gibt. Und schließlich gibt es Sachen, die einfach nur in ganz wenigen Radioprogrammen stattfinden können, weil sie für die Standardformate zu sperrig sind. Man kann nicht sagen, welche Medien wichtiger sind als andere. Das kommt auf den Künstler an.
Das Wechselverhältnis zwischen Medien und Musikindustrie
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Wagner: Manfred Gillig arbeitet seit vielen, vielen Jahren für verschiedene Zeitschriften, vorzugsweise Fachzeitschriften. Er hat unter anderem lange für stereoplay gearbeitet. Dieses und andere Musikmagazine pflegen ein Rezensionswesen. Gibt es da einen Bedeutungswandel? Wie wichtig sind die Schallplattenmagazine noch? Werden die Rezensionen in der Branche überhaupt noch ernst genommen, oder ist mittlerweile das Vorab-Marketing viel wichtiger? Gillig: Da hat sich sicherlich was verändert. Früher hatten nach meiner Einschätzung Musikkritik und Rezensionen, Texte über Musik noch eine stärkere Wirkung. Ich glaube, das reichte bis zur Mitte der 80er Jahre, als die Stadtzeitungen aufkamen und – polemisch gesagt – jeder meinte, er könnte eine Platte besprechen. Bis dahin lösten „Platten des Monats“ durchaus deutliche Reaktionen im Handel aus. Es gibt Beispiele für die Zeitschriften stereoplay und AUDIO: Orchestral Manœuvres in the Dark oder die Little River Band. Da gab’s im Vorfeld vielleicht 100 Bestellungen, weil die Leute ganz andere Sachen gewohnt waren. Nachdem das Platten des Monats wurden, kamen die Leute mit den Texten in den Laden und sorgten für Nachfrage, woraufhin der Handel neu disponierte und auch die Plattenfirmen reagierten. Heutzutage wäre das wie Weihnachtsfest und Osterfest zusammen, wenn das noch mal passieren würde. Mit dem geschriebenen Wort werden heute keine Einheiten mehr abgesetzt. Musikzeitschriften können nur mehr die sonstigen Aktionen der Plattenfirmen, die da gemacht werden, um den Künstler und sein Produkt bekannt zu machen, begleiten. Sie können das kritisch begleiten. Und manchmal ist eine kritische Begleitung auch besser als eine positivistische Begleitung. Aber dass alleine dadurch groß Musik verkauft wird, glaube ich nicht. Und das sage ich jetzt als Vertreter der Wirtschaftszeitschrift Musikwoche, nicht als desillusionierter stereoplay-Autor. Kunze: Musikzeitschriften können dem Fernsehen gute Stichworte liefern. Zum Beispiel kann eine Susanne Konrad oder ein Herr Lehmann im ZDFMittagsmagazin gute Stichworte brauchen, die ihnen einen Aufhänger geben. Egal, ob sie dem Künstler ohnehin gewogen sind, oder ob die Redaktion sagt, dass sie dem Künstler gewogen sein sollen. Das kann eine pfiffig geschriebene Kritik leisten. Wagner: Das Stichwort Fernsehen gebe ich weiter an Herrn Ewald von der SAT.1-Unterhaltungsredaktion. Inwieweit dient für Sie die Popmusik als Alleinstellungsmerkmal im Wettbewerb mit den anderen Sendern?
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Podiumsdiskussion
Ewald: Zunächst muss man unterscheiden zwischen der Bedeutung von Musik für Musiksender, für die kleineren Sender wie RTL 2, wo sehr speziell mit Musik gearbeitet wird, und für die Vollprogrammsender RTL, SAT.1, ProSieben, ARD, ZDF. Bei uns soll die Musik auf der einen Seite einen redaktionellen Inhalt für eine Sendung liefern. Sie soll uns helfen, eine gute Unterhaltungssendung zu machen oder eine gute Comedy-Sendung usw. Auf der anderen Seite kommt als zweite Komponente die Möglichkeit dazu, in Kooperationen mit der Industrie zu gehen. In diesen Fällen haben wir gemeinsam mit der Industrie ein Produkt entwickelt, bei dem die Musik praktisch Inhalt ist: z. B. Superstar usw. Letztlich wollen wir damit unsere Zuschauerschaft und also unser Ziel erreichen, nämlich höhere Quoten. So betrachten wir Musik. Wagner: Hab ich das richtig verstanden, dass es im Prinzip zwei Möglichkeiten für einen Sender wie den ihren gibt: Entweder Sie nehmen etwas sowieso Populäres und senden das raus, weil Sie sagen, das erhöht unsere Akzeptanz bei den Zuschauern. Oder Sie bauen ein altes Produkt selbst auf. Sie arbeiten also nicht als Scout, der sich unter dem Nachwuchs umsieht nach Neuem? Ewald: Die erste Variante ist nicht nur, dass wir populäre Titel nehmen. Das macht ja Wetten, dass..? Wir haben auch Formate, in die wir neue Titel integrieren können, wenn sie genau die Emotionen wecken, die wir in diesem Format transportieren wollen. Nur die Liebe zählt ist so ein Format. Da passen Songs hin, die gerade an der Grenze sind, erfolgreich zu sein. Die werden dann durch so eine Sendung erfolgreich und helfen uns auch weiter, weil sie vom Publikum angenommen werden. Wagner: Wie wird beispielsweise ein Song für eine Telenovela ausgesucht? Zahlt Ihnen die Industrie dafür was? Ewald: Telenovelas gehören zu einem anderen Bereich. Das ist Fiction und die wird, was die Musik betrifft, von unseren Vermarktern betreut. Da ich in der Unterhaltungsredaktion arbeite, kann ich zu Telenovelas nicht so viel sagen. Sowohl im Bereich Fiction als auch in der Unterhaltung ist es nicht so, dass wir mit den Künstlern viel Geld verdienen. Das ist zwar eine Frage, die nicht unwichtig ist heutzutage. Aber die redaktionelle Betreuung der Musik hat immer noch eine sehr hohe Bedeutung. Das sollte man nicht verkennen. Kunze: Also ein Beispiel in der Zusammenarbeit mit SAT.1 kann ich aus eigener Anschauung schildern. Es gibt in allen Plattenfirmen Abteilungen, die die Zusammenarbeit mit Fernsehsendern koordinieren. Sie schicken Beiträge raus,
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wenn sie Songs des Künstlers XY für irgendwie geeignet halten für irgendeine Fernsehsendung. So bin ich vor zwölf Jahren dazu gekommen, einen Song für die Rechtsanwaltsserie Wolkenstein auf SAT.1 zu machen. Der war auf unserem damaligen Album drauf und wurde dann einfach von dieser Spezialabteilung der Plattenfirma rundum angeboten: Gibt es irgendeine Serie, die mit diesem Song was anfangen könnte? So ist mein Song einige Male gelaufen und hat mir zumindest eine sehr nette Freundschaft mit dem Hauptdarsteller eingetragen. Wagner: Jetzt würde ich ganz gerne noch weitergeben an Marco Brandt von KISS-FM aus Berlin. KISS ist ein Spezialitätensender für Black Music. Wo liegen die Chancen eines solchen Spezialitätensenders in der Musiklandschaft? Wie schaffen Sie es, dass KISS für die Musikbranche ein wichtiger Sender ist? Brandt: Wir sind ein Sender, der sich auf eine Sparte festgelegt hat, und das ist in so einem Markt wie Berlin, wo weit über 30 Sender um Hörer ringen, schon eine gute Situation. Wir sind damit ganz klar positioniert, ohne dass wir großartig mit irgendwelchen Claims arbeiten müssen, weil das Musikprofil alleine eine ganz klare Aussage gibt. Das Musikprofil ist Black Music. Wir spielen also R & B, Hiphop und Softrap. Dabei haben wir weniger direkte Mitbewerber im Markt. Es gibt aber viele andere Sender, die mit unserer Musik einen Teil ihres Programms abdecken. Da KISS aber der einzige Sender ist, der sich ausschließlich mit dieser Musikrichtung auseinandersetzt, haben wir gegenüber den Mainstream-Sendern einen Vorteil. Deren Unterschiede sind für den Hörer letzten Endes kaum wahrnehmbar. Das Profil von KISS ist dagegen sehr wohl wahrnehmbar. Entweder man mag es, oder man mag es nicht. Wagner: Lassen Sie uns auf das Thema der Diskussion zurückkommen – am Beispiel von KISS FM. Wie sehen Sie Ihre Rolle? Was sind Sie: Erfolgsmacher oder Erfüllungsgehilfe? Können Sie Erfolge machen? Müssen Sie mitlaufen, oder gibt es da noch einen Mittelweg? Brandt: Wir machen beides. Wir spielen natürlich die Hits. Die werden von unseren Hörern verlangt, ansonsten würden sie uns nicht hören. Und wir versuchen, Talente zu entwickeln. Wir haben dafür eigens einen Talent-Award entwickelt. Künstler können sich deutschlandweit bei KISS auf der Online-Plattform darstellen. Die Hörer stimmen letzten Endes ab, wer das Talent des Monats wird. Ein Talent des Monats wird bei uns vier Wochen lang im Programm gespielt, bis das nächste Talent gewählt ist. Das Talent des Monats qualifiziert sich gleichzeitig für den Jahresendausscheid. Der findet dieses Jahr im September statt in Berlin. Da gibt es dann den KISS FM Talent Award, der verbunden ist mit Platten-
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vertrag und natürlich auch Airplays. Diese Songs werden natürlich auch verpackt, damit die Hörer wissen, dass es sich um ein Talent handelt. Das Ganze macht sich wirklich sehr gut. Man sieht das auch daran, dass sich die Hörer an der Präsenz im Internet sehr rege beteiligen. Das liegt sicher auch daran, dass man dort viel über die Künstler und ihre Biografien erfahren kann, was in die normale Radiomoderation nicht reinpasst. Wagner: Das klingt fast so, als wäre Erfolg vorprogrammiert. Wie sieht das eine Plattenfirma, Herr Dobelmann? Kann man Erfolgsstrategien über Medien planen? Oder sind Hits Zufallsprodukte? Dobelmann: Ich arbeite jetzt schon acht Jahre lang bei Plattenfirmen, und dort geht es zum Teil planloser zu, als man sich das von außen vorstellt. Da gibt es zunächst eine unglaubliche Menge an Produkten, die bearbeitet werden muss. Was dann letztendlich davon tatsächlich veröffentlicht wird, ist ein geringer Prozentsatz. Damit gehen die Promotion-Abteilungen raus und versuchen, Medienpartner zu überzeugen. Dazu gehört dann auch, dass wir etwas fürs Internet anbieten oder Fernsehspots buchen, wenn der Künstler bei SAT.1 auftritt. Das betrifft aber nur die Großen; Christina Aguilera oder Ricky Martin. Mit Newcomern passiert so etwas nicht. Da weiß niemand, auf welche Knöpfe man drücken muss, um Erfolg zu haben. Und viele Knöpfe stehen da auch gar nicht zur Verfügung. Da müssen wir eher überlegen: Verdammt, wo kriegen wir jetzt jemanden her, der uns unterstützt? Kunze: Auch da hat sich viel geändert. Nach meiner Erfahrung aus den Jahren von 1981 bis ungefähr 1985 wurden früher unbekannte Künstler anders durchgesetzt als heute. Damals hat eine Generation in den Plattenfirmen gearbeitet, die man Plattenfirmen-Leute alter Schule nennen muss. Die wussten auch nicht unbedingt, auf welche Knöpfe zu drücken ist, damit ein garantierter Erfolg rauskommt. Aber es gab eine große subjektive Freiheit, hartnäckig jahrelang auf Knöpfe zu drücken. Als ich im Januar 81 meinen ersten Vertrag unterschrieben habe, war ich niemand, ich war nichts, ich hatte keine Hobby-Karriere vorher gehabt. Aber ich hatte fünf Jahre Zeit, mich zu entwickeln. Die Leute, die an mich geglaubt haben in der Firma, haben fünf Jahre lang hartnäckig nicht nachgelassen, auf Knöpfe zu drücken, bis irgendwann mal der Knopf rot wurde. Und diese Freiheit, an einem Künstler festzuhalten und in ihn auch Vertrauen und Geld zu investieren, die ist in den letzten Jahren durch die erschreckende Krise in der Musikindustrie sehr stark abhanden gekommen. Es gibt zwar immer noch Leute, die das gerne so machen würden. Aber der Controller sitzt ihnen im Nacken. Früher gab es über-
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all Plattenfirmen-Chefs, die Schecks über 500.000 Euro frei unterzeichnen konnten, ohne gegenzeichnen lassen zu müssen. Heute müssen sie sich für 20.000 eine Genehmigung holen. Da die Umsätze eingebrochen sind, wurden die Spielräume enger; auch die Spielräume des Glaubens an neue Künstler. Wagner: Wir wissen natürlich alle von spektakulären Erfolgsprojekten, die alleine über die Medien gemacht wurden. Denken wir nur an die No Angels. Aber die Frage ist doch: Wie nachhaltig ist so ein Erfolg? Wie lange verkauft sich ein Talent Award-Sieger von 2007 oder ein neu geschaffener Superstar wirtschaftlich erfolgreich? Ewald: Als Fernsehsender macht man sich darüber im Vorfeld nicht so viele Gedanken. Unser primäres Ziel ist, ein Format zu planen, das die Zuschauer begeistert. Natürlich ist es schön, wenn dabei eine Band wie die No Angels rauskommt, die nachher drei Studioalben mit viel Drumherum veröffentlicht. Wir sind dann aber nur an den Einnahmen beteiligt. Wir haben ja an dem Künstler nicht die Rechte Wir bringen das Album nicht selber raus. Die Verwertung liegt bei der Schallplattenfirma. Dobelmann: Die Marketing- und die Promotion-Abteilungen haben nach TVFormaten wie DSDS ein Problem. Natürlich war es schön, dass die dritte Staffel mit Tobias Regener wieder sehr erfolgreich gelaufen ist und der Künstler alleine dadurch 300.000 Singles und vom Album über 100.000 Stück verkauft hat. Aber danach muss der Künstler auch ganz anderen Medien angeboten werden. Nicht nur denen, die sowieso DSDS-affin sind. Dabei bekommt man von den Medienpartnern normalerweise zu hören: „Um Gottes Willen, DSDS will ich nie in meinem Heft sehen oder nie in meiner Sendung sehen!“ Dann gibt es wieder keine Knöpfe, auf die man drückt. Dann gilt es, einfach nur Überzeugungsarbeit zu leisten. Dann muss die Musik von Tobias Regener auch ohne DSDS überzeugen. Wagner: Heißt das, dass die Sender, die diese Wettbewerbe machen, im Prinzip nur an der Spannung während des Wettstreits interessiert sind und ihnen nach der Finalsendung alles Weitere egal ist? Ewald: Grundsätzlich ist das nicht falsch formuliert. Die Spannungen, die Emotionen sind das, was der Zuschauer sehen will. Was nachher passiert… Ich will nicht sagen, dass es uns egal ist. Aber wir sind in erster Linie daran interessiert, dass die Sendung, die wir machen, erfolgreich ist.
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Wagner: Wäre es nicht verantwortungsvoller, nach all den Ellenbogenkämpfen und Weinkrämpfen wenigstens dem Sieger die Möglichkeit zu geben, in einer eigenen Show zu beweisen, dass er nicht nur der Sieger eines Wettkampfs, sondern ein wirklicher Star ist? Ewald: In gewissen Kategorien wie Comedy haben wir das gemacht. Aber bei der Musik kann nicht irgendein Sieger seine eigene Show bekommen. Das führt uns aber zu einer spannenden Frage: Wie könnte man Musik im Fernsehen stattfinden lassen? Die klassische Geschichte – es kommt jemand, singt und geht wieder –, die funktioniert nicht. Das hat keine Quote. Das bringt dem Künstler nicht viel. Es bringt dem Sender nicht viel. Die Frage ist also: Wie können wir Musik so verpacken, dass es für Fernsehmacher, Industrie und Künstler interessant ist und on top der Zuschauer auch noch Spaß daran hat? Das wäre sozusagen eine kreative Aufgabe, der wir uns jetzt mal stellen müssen. Dobelmann: Ich glaube, dass es problematisch wäre, eine Fernseh-Show mit einem Musiker zu machen. Der müsste dann ja sich selber spielen. Da wäre das Problem der Authentizität gegeben. Aber man darf nicht vergessen, dass so ein Sieger auf ganz andere Weise belohnt wird. Um noch einmal das Beispiel Tobias Regener aufzugreifen: Der hat einen Plattenvertrag, ein Video und die Möglichkeit, um die Welt zu reisen und einfach seine Musik zu veröffentlichen gewonnen. Auf seinem Album sind drei Eigenkompositionen drauf. Er kann auf Tour gehen und vor Ort seinen Fans und dem Publikum beweisen, dass er ein guter Musiker ist. Er hat auf seiner ersten Headliner-Tour vor 40.000 Leuten gespielt. Das ist der Hammer! Er hat alle Möglichkeiten, von denen andere Newcomer nur träumen. Kunze: Ich glaube auch, dass wir hier zwei Dinge ganz klar auseinanderhalten müssen. Das Interesse der Fernsehmacher ist, einen funkelnden, spektakulären Event auf die Beine zu stellen, eine Art Ritterturnier. Der Pferdefuß dabei ist natürlich für die betroffenen Musiker: Sie müssen, damit der Charakter des Wettbewerbs irgendwie durchscheint, auf einen gemeinsamen Nenner reduziert werden. Alle müssen ähnliche Anforderungen erfüllen. Alle müssen eine bestimmte Sorte von Titel gut singen und bestimmte Aufgaben wettbewerbsgerecht lösen, egal wie typenverschieden sie sind. Natürlich kann man auf diese Art und Weise nie einen Bob Dylan oder einen Springsteen oder einen Keith Richards generieren. Weil die nur ein Ding können und durch diese Meisterprüfungen, die da abgefordert werden, durchrasseln würden. Das heißt, Personen mit Ecken und Kanten, die etwas ganz Eigenständiges, Unverwechselbares machen, kann man durch solche Wettbewerbe nicht erzeugen.
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Wagner: Wenn das Radio solche Wettbewerbe veranstaltet, dann muss es andere Beweggründe haben, weil die Live-Emotionen kaum übertragbar sind. Brandt: Bei uns geht es wirklich darum, Talente zu finden und diese Talente dann auch weiterzuentwickeln. Natürlich auch vor dem Hintergrund, dass Radio ein Medium ohne Rechte-Besitz ist. Wir geben nur Musik weiter und versuchen, so viele Hörer wie möglich zu gewinnen, um diese Kontakte dann wiederum zu vermarkten und damit Geld zu machen. Vor diesem Hintergrund muss man in die Zukunft blicken. Radio wird digital. Das bedeutet, dass es keine Frequenzbeschränkungen mehr gibt und – etwas übertrieben – jeder Radio machen kann. Dann wird der Kampf um die Werbeeinnahmen noch härter. Also haben wir nach anderen Geschäftsmodellen gesucht. Zuerst haben wir für den Talent Award nach Kooperationspartnern in der Musikindustrie gesucht, viel Zuspruch, aber bis heute keine Unterschriften auf den gemeinsam entwickelten Verträgen erhalten. Von daher haben wir jetzt ein eigenes Label gegründet und versuchen auch, die Distributionen und alles Weitere selber hinzukriegen. Letzten Endes wollen wir damit – ganz, ganz weit in die Ferne gesprochen – unabhängiger von den Verwertungsgesellschaften sein. Und das ist eigentlich einer der wichtigsten Gründe, die auch dahinterstecken, wenn wir jetzt versuchen, unsere eigenen Talente zu finden. Gillig: Genau: Eigentlich kann jeder alles machen und versucht jeder, alles zu machen. Früher haben Plattenfirmen angefangen, Zeitschriften zu machen und vorgeschlagen, man müsste einen eigenen Radiosender gründen, um was gegen die Ignoranz der Radioleute zu machen. Fernsehen kann ein eigenes Label machen; Radio kann ein eigenes Label machen. Warum aber bleibt man nicht bei seinen Leisten und versucht das, was man macht, besser zu machen? Nur weil wir jetzt die lokalen, digitalen Möglichkeiten haben, neben den Formatradios für jede Nische einen eigenen Sender zu platzieren, muss das doch nicht von den Plattenfirmen geleistet werden. Die würden doch viel mehr zum Großenganzen beitragen, wenn sie all ihre Kompetenzen nicht nur in den Sieger, sondern in den vielleicht ebenso begabten Zweitplatzierten eines Talentwettbewerbs stecken würden. Wenn ihnen dafür dann professionell gemachte Kanäle zur Verfügung stehen, die bislang im analogen System durchs Format-Raster gefallen sind, dann ist doch allen geholfen, nicht zuletzt den Nutzern. Wagner: Das war ja bereits Zukunftsmusik. Bevor wir aber ausführlich den Blick in die Zukunft wagen, bitte ich den Branchenbeobachter Gillig um einen Blick zurück: Wie hat sich das Machtverhältnis zwischen Medien und Musikindustrie verändert in den letzten 20 Jahren?
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Gillig: Ich würde nicht von Machtverhältnis reden. Nennen wir es Empfindlichkeiten. Seit einiger Zeit geht das Gerücht um, dass Jack White SPV kauft. Nach langer Zeit des Schweigens haben wir eine kleine Meldung gemacht, dass da ein Gerücht rumgeht. Prompt kam ein Anruf, der zunächst nach der Quelle der Information fragte, dann mit Anwälten drohte und schließlich ankündigte, nie wieder mit unseren Redakteuren reden zu wollen und auch keine Anzeigen mehr zu schalten. Solche Reaktionen gibt es heute noch vereinzelt. Daneben gibt es Plattenfirmen, die schon lange einen gewissen Stil pflegen. Es gibt einen Major, der schon seit Jahrzehnten sehr empfindlich reagiert, wenn was Negatives über einen wichtigen Künstler geschrieben wird oder eine Platte verrissen wird. Früher kam es öfter vor, dass man ein halbes Jahr lang keine Anzeigen mehr bekommen hat, nachdem im musikexpress neben – um mal ein Beispiel zu nennen – einer halbseitigen Anzeige für die Einstürzenden Neubauten ein totaler Verriss gestanden hat. Das musste man dann eben aushalten. Heute ruft vielleicht noch manchmal jemand aus Hamburg an und sagt: „Also das fanden wir jetzt aber nicht gut, und wie könnt ihr nur.“ Dann muss man halt miteinander klarkommen. Das heißt aber nicht, dass der eine dem anderen da irgendwas vorschreibt. Das Problem mit dem Druckmittel Anzeigenentzug hat sich auch dadurch verringert, dass es den Plattenfirmen heute so schlecht geht, dass sie kaum noch Anzeigen finanzieren, also auch nicht mehr viel entziehen können. Wagner: Da muss ich jetzt aber einhaken und aus der Rolle des Moderators in die Rolle eines Diskutierenden wechseln, der das Genre Tageszeitung vertritt. Denn aus der Erfahrung bei der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung weiß ich, dass wir in den letzten Jahren kaum mehr eine Machtausübung der Plattenbranche erleben. Stattdessen üben die Konzertveranstalter durch Restriktionen gegenüber den Berichterstattern, insbesondere den Bildberichterstattern, immer heftiger ihre Macht aus. Entweder werden überhaupt keine Fotografen zugelassen, oder der Fotograf darf nur innerhalb der ersten zwei Minuten die erste Hälfte des ersten Liedes fotografieren von einem zugewiesenen Platz aus, der ihm ein handwerklich sauberes Arbeiten kaum ermöglicht. Das ist ein ganz klarer Trend. Der wird meines Erachtens durch den technischen Fortschritt zunehmend ad absurdum geführt, weil bei einem Konzert vor 70.000 Fans wahrscheinlich 65.000 Handyfotografen anwesend sind, die natürlich fotografieren was sie wollen und wann sie wollen, und sie können dieses Foto hinschicken, wohin sie wollen. Zurück in der Rolle des Moderators frage ich daher: Hilft der technische Fortschritt dazu, die Macht der Industrie zu begrenzen?
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Gillig: Dazu muss ich dann auch noch zwei kleine Anekdoten loswerden. Erstens zeigt der Fall Robbie Williams, dass die Medien der Musikbranche nicht machtlos gegenüberstehen müssen, wenn sie sich nur organisieren. Bei den Konzerten von Robbie Williams waren die Fotografen auch mit sehr handverlesenen Arbeitsbedingungen konfrontiert worden, woraufhin seine Konzerte von den Nachrichtenagenturen boykottiert wurden, weshalb kaum Fotos vom Tourauftakt gedruckt wurden, woraufhin das Management zumindest teilweise einlenkte. Hanebüchene Verträge werden aber nicht nur den Pressefotografen vorgelegt. So hat beispielsweise Sony BMG Journalisten zum Prelistening des neuen ToolAlbums geladen. Bevor aber das Werk der amerikanischen Band in München vorgespielt wurde, sollten die Journalisten ein fünfseitiges Vertragswerk unterschreiben. Darin stand unter anderem ein Paragraph: „Der Journalist ist sich bewusst, dass er diese Platte nur zu dem Zweck anhören darf, um positive Promotion für sie zu machen“. Da steht auch drin: „Der Journalist ist sich bewusst, dass, wenn er dagegen verstößt und wenn er vor dem Veröffentlichungstermin irgendwas erzählt oder weiter vorspielt,“ – er darf sie ja gar nicht mitnehmen, er hat sie nur vorgespielt bekommen – „dass er sich einer Konventionalstrafe schuldig macht, deren Höhe vom Management der Band festgesetzt wird. Gerichtsstand New York“. Das war offensichtlich ein Vertragswerk des amerikanischen Managements. Nachdem wir das publik gemacht hatten, erfuhren wir keinerlei negatives Feedback aus der deutschen Dependance von Sony BMG. Wagner: Abschließend möge jeder aus der Diskussionsrunde eine Prognose abgeben: Welche Rolle werden die institutionalisierten Medien überhaupt noch spielen in zehn Jahren angesichts der Digitalisierung? Werden wir eine Art von Bürokratisierung erleben, von direktem Kontakt zwischen Künstlern und Publikum, bei dem die Medien dann nur noch so ein schmückendes Beiwerk sind? Fangen wir bei der Plattenindustrie an. Dobelmann: Also mir fehlt die Phantasie, um mir vorzustellen, dass die Medien nur noch schmückendes Beiwerk sind. Denn es gibt ein ungeschriebenes Regelwerk zwischen Medien und Musikbranche, das zum Beispiel festlegt, unter welchen Umständen ein Video bei VIVA gespielt wird. Das kann man nicht einfach wegwischen. Ich könnte mir aber irgendwann mal eine völlige Revolution vorstellen, wenn irgendein Online-Anbieter sich bei einer Plattenfirma einkauft und die Tonträger vom Markt nimmt und nur noch online Musik verbreitet. Kunze: Theoretisch bin ich Anarchist, aber praktisch glaube ich nicht, dass ein direkter Kontakt zwischen Öffentlichkeit und Künstler funktioniert. Das hört sich ganz toll an, überfordert aber, glaube ich, den Menschen. Der weiß dann gar
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nicht mehr, wie er wählen soll. Und diese bündelnde, diese fokussierende Kraft, die eine Plattenfirma nun mal hat, wodurch sie einen Brennpunkt auf etwas richten kann, das Interesse sammeln kann, ist doch auch ein hohes Gut. Gillig: Natürlich wird die Menge an Texten und Inhalten zunehmen, wenn im Prinzip jeder Inhalte produzieren und rausstellen kann. Und natürlich sind sie momentan spannend, die neuen Weblogs, die neuen Internetradios oder sonstige Geschichten. Aber jedes dieser Angebote muss sich die uralte Frage stellen: Wie gewinne ich in dieser Flut Profil, um mich zu behaupten? Aus Sicht des Nutzers: Wo ist der originäre Content? Ein schönes Beispiel sind die Leserbesprechungen auf Amazon. Leser A hat ein Album schon gekauft und fünf Sterne vergeben. Leser B sagt genau das Gegenteil, und wie soll ich mich jetzt entscheiden? Außerdem kommt man ziemlich schnell darauf, dass da jeder schreiben kann, was er will. Im Buchbereich gab es auf Amazon vor einigen Monaten den Fall, dass plötzlich alle Bücher des Rockbuch Verlags ganz mies besprochen waren. Das kostet Glaubwürdigkeit und bringt dem Leser nicht den Nutzen, den er sich erwartet. Ich glaube also: Da entwickelt sich was, das ist auch sehr spannend. Aber nur Angebote mit klarem Profil werden auf Dauer überleben. Brandt: Die Medien wird es weiterhin geben, davon bin ich ganz klar überzeugt. Aber sie werden sich weiter entwickeln, sie werden sich mit der digitalen Situation auseinandersetzen müssen. Mittlerweile kann man Radio übers Handy empfangen und auch zumindest Playlisten abrufen, Logos sehen, und irgendwann wird man vielleicht auch die Musikvideos dahinter sehen. Wer sich darauf einstellt, braucht auch nicht zu glauben, der iPod wäre der Untergang des Radios. Man muss einfach den iPod – wie alle kommenden Technologien – für sich nutzen. Zurzeit heißt das: Podcasts und diverse Dinge, die als Audio Stream runtergeladen werden können, anzubieten. Damit kann der Nutzer zu jeder beliebigen Tageszeit die Inhalte des Radios nutzen, ohne auf eine bestimmte Sendezeit warten zu müssen. Die Hörer von KISS FM sind 14 bis 29, und sie sind Simulanten. Das meine ich nicht negativ. Denn sie simulieren sich ihre eigene Welt. Die haben ihre eigene Welt meistens online in irgendwelchen Games oder in ihren iPods. Das ist eine Welt, die sie sich selber simulieren. Und in dieser Welt müssen wir eine sehr große Rolle spielen. Wenn wir das als Radio schaffen, dann müssen wir überhaupt keine Existenzängste haben. Ewald: Ich denke das ähnlich wie mein Vorredner. Ich denke, das Internet wird vorrangig auf die Musikindustrie Einfluss haben, insbesondere auf die Ver-
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triebswege. Für uns als Fernsehen wird sich nicht viel ändern. Wir werden weiterhin die Aufgabe haben, gute Unterhaltungsprogramme zu entwickeln, und da gehört die Musik einfach dazu. Für uns ist es wichtig, neue Wege zu finden, wie Musik redaktionell einbebaut werden kann. Das ist eine für uns ganz wichtige Geschichte. Von daher ist die Rolle des Internet und der digitalen Welt in dem Sinne nicht so interessant. Das sind für uns reine Vertriebswege. Im Anschluss an die Diskussion auf dem Podium stellt das Publikum Fragen. Im Folgenden Ausschnitte der Diskussion. Publikum: Ich fand die Darstellung ein bisschen putzig, dass Fernsehsender mit Casting-Shows lediglich eine tolle Sendung machen wollen und anschließend nichts mehr damit zu tun haben, wenn die Plattenfirma den Sieger weiter vermarktet. Das ist doch unglaubwürdig, wenn moderne Medienunternehmen wie Bertelsmann Sender und Plattenfirma unter einem Dach haben. Ewald: Bei SAT.1 hat das in der Form nie so stattfinden können. Wir haben mit Universal zusammen gearbeitet, und uns ging es primär darum, ein gutes Unterhaltungsformat fürs TV zu machen. Dobelmann: Von außen mag man sich das so vorstellen: Bei RTL und Sony BMG sitzen alle zusammen und hauen sich auf die Schultern, bis sie nicht mehr gerade laufen können. Aber in Wirklichkeit sitzt man weit voneinander weg. Es macht keinen Unterschied, ob man so ein Projekt in einem Konzern oder mit zwei unabhängigen Unternehmen macht. Umgekehrt ist es doch ein positives Zeichen, wenn ein Konzern sowas zustande bringt. Gillig: Es ist auch eine wirtschaftliche Notwendigkeit geworden in den letzten zehn Jahren, Synergieeffekte zu nutzen, um angesichts der differenzierteren Struktur der Medienlandschaft überleben zu können. Natürlich gehört es zum Grundgedanken eines solchen Konglomerats, wie dem Bertelsmann-Konzern, dass solche Projekte ausprobiert werden. Aber wie lang trägt das? Und von wie vielen Künstlern reden wir? Die zentralere Frage ist doch: Wie kann es ein Künstler heute überhaupt schaffen, sich über eine Platte hinaus, über eine Tournee hinaus eine Gefolgschaft aufzubauen und wirklich davon zu leben? Und wie kann man gute Musik dann weitertransportieren, unters Volk bringen? Das ist letztlich doch die Aufgabe des Journalismus gewesen, jedenfalls hab ich das immer so verstanden, als ich mal angefangen habe, über Musik zu schreiben. Das verliert man dann natürlich leicht aus den Augen, wenn man Konzepte wälzt und
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sagt, wie können wir jetzt hier ein Fernsehkonzept zusammen mit einer Plattenfirma durchbringen usw.? Ewald: Genau, das wollt ich auch gerade sagen. Die Kooperation zwischen TV und Musikindustrie ist doch nur ein Weg unter vielen. Die Arctic Monkeys sind ein Beispiel: Die sind nur über Klicks berühmt geworden. Publikum: Ich wollte noch mal an die Zukunftsprognosen anknüpfen. Die Verbreitungswege von Musik ändern sich bereits. Werden sich deshalb auch neue Formen ausbilden, wie man mit den Künstlern umgeht? Kunze: Die legalen Downloads scheinen ein erster Schritt, aber noch kein Weg zu sein, die Enteignung von Künstlern zu stoppen. Ich habe auch nichts dagegen, wenn wir in fünf Jahren alle als Spray, in Duftform, erhältlich sind. Solange das bei der GEMA konkret abgerechnet wird. Ich hoffe aber, dass es weiterhin Medien gibt mit Fachleuten, die einem Thema einen Schub geben können und die Öffentlichkeit nicht hilflos und ganz alleine im unendlichen Regen stehen lassen. Also ich kann nur meinem Hoffen Ausdruck verleihen, dass es eine Rückbesinnung auf alte Tugenden gibt und dass Leute mal wieder den Mut haben, in Plattenfirmen und auch in Medien, an Künstler zu glauben und auch durch eine längere Durststrecke gerade an jüngeren Leuten festzuhalten und sie nachhaltig aufzubauen. Sie werden dann sehen, die Medienpartner, was sie davon haben werden, wenn sie das durchgestanden haben. Beifall
IV Musikrezeption und -wirkung
Rezeption und Wirkung von Musik in den Medien Holger Schramm
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Einleitung
Musik ist allgegenwärtig und wird in den unterschiedlichsten Formaten und Kontexten rezipiert. Ob via Tonträger, Radio, Fernsehen, Internet, ob im Supermarkt, in Wartesälen, in Restaurants, beim Friseur, beim Gottesdienst, in Konzerten, in der Oper, auf der Arbeit, beim Sport, beim Essen oder beim hingebungsvollen Musikhören zu Hause: Musik ist ein wesentlicher Bestandteil unseres Alltags (DeNora 2000) und wird in unterschiedlichen Quantitäten und Qualitäten wahrgenommen: Sie kann „als Lautsprecher- bzw. Übertragungsmusik, als musikalische Live-Darbietung und als Ergebnis eigenen Musizierens [auftreten]. Quantitativ überwiegt die Lautsprechermusik. Umgekehrt proportional zur Quantität allerdings verhält sich die subjektive Gewichtung. Die selbstvollzogene musikalische Tätigkeit rangiert [nicht selten] vor dem Konzertereignis und dieses wiederum vor der Lautsprechermusik“ (Rösing 1993: 114; Einfügung durch Autor). Viele Menschen erleben Musik also dann intensiver und nachhaltiger, wenn sie selbst musizieren oder Musik live erleben. Die meisten Befunde liegen hingegen für die Lautsprecher-/Übertragungsmusik bzw. medial vermittelte Musik vor. Sie bestimmt den größten Teil des täglichen Musikkonsums und gerät aufgrund der alltäglich zu beobachtenden Relevanz leichter in den Fokus von Wissenschaftlern. Das Wissen über die Rezeption und Wirkung von medial vermittelter Musik generiert sich aus ganz unterschiedlichen Forschungsdisziplinen, die zumeist entweder den Geisteswissenschaften, den Kulturwissenschaften oder den Sozialwissenschaften zuzuordnen sind. Der nun folgende Überblick rekurriert – neben der Medien- und Kommunikationswissenschaft – in großen Teilen auf Disziplinen, die aufgrund ihrer Entstehungsgeschichte (speziell in Deutschland) mehrere Forschungsparadigmen verinnerlicht haben: die Musikwissenschaft und -pädagogik bzw. ihre betreffenden Subdisziplinen.
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Umfang und Stellenwert der Musikrezeption
Musikhören gehört zu den beliebtesten Freizeitbeschäftigungen: Im Jahr 2006 gaben 39 Prozent der deutschen Bevölkerung (im Alter von 14 Jahren und älter)
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Holger Schramm
an, mehrmals die Woche klassische Tonträger wie CDs, Kassetten und Schallplatten zu nutzen (neue Formen der Musiktonträger wie MP3-Player nicht eingerechnet). 80 Prozent hören zudem mehrmals die Woche Radioprogramme (Arbeitsgemeinschaft der ARD-Werbegesellschaften 2006: 71). Der Musikanteil beträgt dabei im Durchschnitt aller Radioprogramme ca. 70 Prozent (Gushurst 2000). Insgesamt hört ein erwachsener Deutscher – ob bewusst oder unbewusst – ca. vier bis fünf Stunden Musik im Tagesdurchschnitt (Schramm 2004), wobei allein ca. drei Stunden auf das Radio und 30 Minuten auf Tonträger (nur klass. Tonträger) fallen (Arbeitsgemeinschaft der ARD-Werbegesellschaften 2006: 70). Ein Großteil der Musiknutzung erfolgt nebenher, denn allein 90 Prozent der Radionutzung erfolgt zeitgleich mit anderen Tätigkeiten (ebd.: 71). Vom zeitlichen Umfang der Nutzung her betrachtet ist das Radio das bedeutendste Musikmedium. Bezüglich der zeitgleichen Nutzung von Musik durch viele Menschen ist hingegen das Fernsehen der „Spitzenreiter“: Allein unter den Jahres-Top-10 der TV-Sendungen mit den höchsten Einschaltquoten versammeln sich regelmäßig vier Musiksendungen bzw. Sendungen mit musikalischen Anteilen:
Wetten, dass..? (12-15 Mio., ca. 50 % Marktanteil) Eurovision Song Contest (bis zu 12 Mio., ca. 40 % Marktanteil) Mainz bleibt Mainz (ca. 8 Mio., ca. 30 % Marktanteil) Krone der Volksmusik/Feste der Volksmusik (ca. 7 Mio., 20-25 % Marktanteil)
Insgesamt hat sich in den letzten Jahren die Tonträgernutzung – insbesondere bei Jugendlichen (die täglich ca. 100 Minuten Radio und ca. 80 Minuten Tonträger hören – MP3-Nutzung wiederum nicht eingerechnet) – stark gewandelt. Da zu den neuen Formen der Musiktonträger und zu mobilen Nutzungsgeräten keine verlässlichen Nutzungszahlen vorliegen, kann über das Ausmaß dieser Nutzung nur spekuliert werden. Die Absatz- und Umsatzrückgänge im klassischen Tonträgersegment sowie die steigenden Zahlen bezüglich des Besitzes von MP3Playern weisen jedoch in eine deutliche Richtung (Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft 2006):
Absatzrückgänge der CD zwischen 1998 und 2005: ca. 40 % Absatzrückgänge der CD-Single zwischen 1998 und 2005: ca. 70 % Anzahl der kostenlosen Musikdownloads von Tauschbörsen auf hohem Niveau: 622 Mio. im Jahr 2002, noch 415 Mio. im Jahr 2005 dagegen Anzahl der kostenpflichtigen Musikdownloads auf niedrigem Niveau: 8 Mio. im Jahr 2004, 20 Mio. im Jahr 2005
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So nutzen mittlerweile 79 Prozent der Jugendlichen (12-19 Jahre) einen MP3Player/iPod täglich oder mehrmals pro Woche. Ebenfalls 79 Prozent sind bereits im persönlichen Besitz eines MP3-Players/iPods. Das Musikrepertoire auf dem MP3-Player/iPod umfasst im Durchschnitt ca. 900 Titel (wobei Jungen im Durchschnitt ca. dreimal so viele Titel bevorraten wie Mädchen). Es kann also von einer hohen alltäglichen Durchschnittsnutzung von MP3-Playern/iPods – zumindest bei Jugendlichen – ausgegangen werden, die die 80 Minuten Tonträgernutzung evtl. sogar übersteigen dürfte. Die Radionutzung ist bei Jugendlichen dagegen rückläufig, bei den 14- bis 19-Jährigen z. B. von durchschnittlich 144 Minuten pro Tag im Jahr 2000 auf 108 Minuten pro Tag im Jahr 2006 gesunken. Ca. 70 Prozent hören Radio aber immer noch täglich oder mehrmals pro Woche. Nur 18 Prozent der 12- bis 19-Jährigen machen im Übrigen noch selbst Musik (Arbeitsgemeinschaft der ARD-Werbegesellschaften 2006: 71; Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest 2006).
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Motive der Musikrezeption
Die Beweggründe, beziehungsweise Motive, für die Zuwendung zu Musik umfassen ein weites Spektrum, das nur sehr schwer zu ordnen ist. Eine erste überwiegend induktive Synopse von zentralen Motiven der Musikrezeption, basierend auf diversen Befunden aus der Musik- und Medienpsychologie, hat Schramm (2004) vorgelegt. In diesem Beitrag soll ausgehend von dieser Synopse eine Systematisierung entlang zentraler Funktionsbereiche erfolgen. Fragt man Menschen danach, warum sie gerne Musik hören, werden primär Motive genannt, die auf die Regulierung des eigenen Energie- und Gefühlshaushalt abzielen (vgl. z. B. Sloboda/O’Neill 2001). Hierzu gehört einerseits das Verstärken, Abschwächen, Kompensieren oder Aufrechterhalten von Stimmungszuständen, die – je nach Person und Situation – als angenehm/positiv oder unangenehm/negativ empfunden werden (Behne 1984, 1986a; Gembris 1990; Knobloch 2003; Knobloch/Zillmann 2002; North/Hargreaves 1996b; Schaub 1981; Schramm 2005a; Sloboda/O’Neill/Ivaldi 2001; Vorderer/Schramm 2004; Wünsch 2001). Des Weiteren gehört hierzu aber auch das Justieren von Erregungszuständen. Musik wird diesbezüglich sowohl als Erregungsstimulanz bzw. zum Aktivieren als auch als Erregungsdämpfer/-katalysator bzw. zum Abreagieren oder Entspannen eingesetzt (Gembris 1985; Flath-Becker 1987; Hafen 1997; Karrer 1999). Insbesondere bei Jugendlichen und im Kontext von Partys und Disco-Besuchen spielt das Aktivieren durch Musik eine große Rolle (Ebbecke/Lüschper 1987).
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Weitere Motive, die sich aus individualpsychologischen Bedürfnissen speisen, ergeben sich aus der Funktion von Musik für bestimmte Aktivitäten: „Participants found it natural to link functions to activities, often mentioning both in the same sentence (e. g. on arrival home from work ,music lifts the stress of work: it has an immediate healing effect’).“ (Sloboda/O’Neill 2001: 419). So dient das Begleiten monotoner Hausarbeit durch Musik der Ablenkung von der Arbeit und damit der subjektiven Erleichterung der Arbeit sowie der Zeitverkürzung. Insbesondere das Radio wird diesbezüglich gerne genutzt, da es einen minimalen Selektionsaufwand erfordert, dabei aber eine durchaus abwechslungsreiche, jedoch nicht überfordernde Klangtapete gewährleistet. Ein weiterer Motivblock ergibt sich dagegen aus sozialpsychologischen bzw. sozialen Bedürfnissen: So dient das Begleiten eines romantischen Essens zu zweit der Schaffung einer romantischen Atmosphäre und der Überbrückung von „peinlicher“ Stille. Auch können soziale Vergleiche über das Hören von Musik in mannigfaltiger Weise vorgenommen werden: Zum einen bietet die Musik auf unterschiedlichen Ebenen (Genre, Komposition und Instrumentierung, Text, Interpret etc.) soziale Informationen, die ich zu mir und meinem Selbstbild in Beziehung setzen kann. Menschen können auf diese Weise ihre Alltagsprobleme in Musiktexten wiederfinden, sich dort Lebenshilfe abholen, sich in ihren Ansichten und Problemlösungsstrategien bestätigt fühlen oder sich davon abgrenzen (Gibson/Aust/Zillmann 2000; Rösing 1992). Musik kann somit ebenso zur Stärkung der sozialen Zugehörigkeit und der Affiliation wie auch zur sozialen Distinktion in hohem Maße „benutzt“ werden (Bourdieu 1982; Diaz-Bone 2002; Knobloch/Vorderer/Zillmann 2000; Schulze 1992). Das Formen der eigenen Identität über das Hören von Musik erfolgt dabei nicht nur im „Stillen“ bzw. im Kopf und Herzen der betreffenden Personen, sondern insbesondere auch in der öffentlichen Darstellung und Kommunikation in Gegenwart anderer (ImpressionManagement). So kultiviert auch der Klassik-Liebhaber seine Zugehörigkeit zum Hochkulturschema (vgl. Schulze 1992) gerne öffentlich, z. B. durch einen Opern-Besuch, der dann bei nächsten Familientreffen zum Gegenstand des Gesprächs gemacht wird. Musik trägt in diesem Sinne also zur Selbstfindung, darstellung und -verwirklichung bei. Ein weiterer sozialpsychologischer Motivbereich liegt im Kompensieren von „Lücken“ im eigenen Leben. Auf einer ganz basalen Ebene kann Musik zunächst einmal ungenutzte Zeit überbrücken, ablenken und Langeweile verhindern. Musik kann im eskapistischen Sinne auch dazu beitragen, zumindest für die Dauer der Rezeption, aus dem „grauen“ Alltag auszusteigen und in eine Phantasiewelt zu entfliehen. Der Musikhörer kann von der Musik mit auf eine Gedanken- und Gefühlsreise genommen werden, die ihm in der realen Welt verborgen bleibt oder nicht zugänglich ist (vgl. auch die Beschreibung als „Tag-
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traum“ von Bonfadelli 1980). Musikinterpreten, aber auch z. B. Radiomoderatoren, fungieren hier nicht selten als sozialer Ersatz (Horton/Wohl 1956; zum Phänomen im Kontext der Radiorezeption vgl. Rubin/Step 2000). Musik kann einen aber nicht nur in „fremde“ Welten entführen, sondern auch dazu beitragen, die eigene Welt zu vergegenwärtigen, „alte Zeiten“, Personen, vergangene Begebenheiten und Situationen wieder zu erinnern (Sloboda 1999). Dies liegt u. a. im verstärkten Einsatz von Musik zu besonderen Anlässen und Situationen (Geburtstag, Hochzeit, Konfirmation, der erste Kuss etc.) begründet. Insofern fungiert Musik als eine Art „Zeitzeuge“ – ähnlich wie ein guter Freund, mit dem man sich zusammen an vergangene Tage und Erlebnisse erinnert (vgl. „memory emotions“ von Oatley/Kerr 1999). Zuletzt sei betont, dass Musik selbstverständlich nicht nur als Mittel zum Zweck, sondern auch gerne und oft um ihrer selbst willen gehört wird. Wenn Musikhörer sich beispielsweise der Musik komplett hingeben, die musik- und text-immanenten Emotionen empathisch miterleben wollen, dann muss dies nicht immer durch eigene Erlebnislücken motiviert sein. Es kann auch im Sinne einer bewussten Reizsuche (vgl. Dollinger, 1993) interpretiert werden. Eine ähnliche Motivlage liegt beispielsweise auch vor, wenn sich Musikhörer darauf konzentrieren, die kompositorische Struktur und Sinnhaftigkeit der Musik zu analysieren. Hier liegt eine besondere Form des „kognitiven Involvements“ vor. Mit diesem Involvement geht in der Regel das strukturelle, beziehungsweise distanzierende, Hören einher (vgl. nächster Abschnitt), es muss sich jedoch nicht mit den anderen Formen des Involvements ausschließen.
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Modalitäten der Musikrezeption
Das Hören von Musik setzt sich aus kognitiven, affektiven und konativen Elementen zusammen bzw. wird durch die geistig-intellektuelle (Musikstruktur, kompositorische Idee und Konstruktion), seelisch-gefühlshafte (Klanglichkeit, sinnliche Reizmomente) und körperliche Ebene (besonders durch die rhythmische Komponente) bestimmt (vgl. Gushurst 2000: 100). Bis in die 70er Jahre hinein wurde vermehrt eine kulturkritische Wertung der verschiedenen Hörmodalitäten vorgenommen. Adorno (1962) beispielsweise unterschied – in abnehmender Wertigkeit – den 1) analytisch-strukturell hörenden Experten vom 2) guten Zuhörer (Kenner), 3) Bildungskonsumenten, 4) emotionalen Hörer, 5) Ressentiment-Hörer, 6) Jazz-Fan, 7) Unterhaltungshörer und 8) gleichgültigen antimusikalischen Hörer, wobei seiner Meinung nach nur die ersten beiden Typen Musik angemessen (d. h. nach dem Wahrheitsgehalt von Musik suchend) hören würden. Rauhe (1975) dagegen legte eine erste nicht-wertende Typologie
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Holger Schramm
vor, von der viele der später empirisch bestätigten Hörmodalitäten (vgl. z. B. Behne 1986b) theoretisch hergeleitet werden. Seine sechs Modalitäten lassen sich auf übergeordneter Ebene entweder dem unbewussten oder bewussten Hören zuordnen. Rösing (1985) schlägt stattdessen die Unterteilung in aufmerksames und unaufmerksames Hören bzw. in konzentriertes und unkonzentriertes Hören vor. Behne (1986b) schließlich ermittelte in einer Studie zur Typologie des jugendlichen Musikgeschmacks acht verschiedene Modalitäten – im Folgenden in der Reihenfolge ihrer Bedeutung für das Musikerleben der Jugendlichen:
motorisches Hören (geht mit Körperbewegungen einher) kompensatorisches Hören (geht mit der Verdrängung unangenehmer Stimmungen einher) vegetatives Hören (geht mit Körperreaktionen wie z. B. Gänsehaut einher) diffuses Hören (erfolgt nebenbei bzw. in Begleitung anderer Tätigkeiten) emotionales Hören (geht mit gefühlvoller Hingabe zur Musik einher) sentimentales Hören (geht mit Erinnerungen an vergangene Erlebnisse einher) assoziatives Hören (geht mit bildhaftem Vorstellen einher) distanzierendes Hören (geht mit einer analysierenden, bewertenden Geisteshaltung einher)
Musik wird in der Regel in Kombination mehrerer Modalitäten rezipiert, die sich ergänzen und beeinflussen. Analytisches Hören schließt emotionales Hören somit nicht aus, sondern kann sich sogar positiv auf das emotionale Erleben von Musik auswirken (Rötter 1987). Mit Blick auf das Zusammenwirken aller Modalitäten spricht Rauhe (1975) vom integrativen Hören, Rösing (1993) vom Hörkonzept als eine personen- oder situationsspezifische Mischung dieser Modalitäten. Jeder Mensch verfügt über ein spezifisches Repertoire an Modalitäten, das er sich in verschiedenen Situationen nutzbar machen kann (z. B. zum Regulieren unangenehmer Stimmungen). Je größer das Repertoire an Modalitäten, desto facettenreicher sollte eine Person Musik erleben können und desto flexibler dürfte sie im (zielgerichteten) Umgang mit Musik sein (Schramm 2005b). Dazu passen Befunde von Lehmann (1994), nach denen habituelle und situative Hörmuster in der Regel sehr hoch korrelieren, wobei Intensivhörer situativ stärker von ihrem habituellen Hörmuster abweichen. Schramm (2005a, 2005b) zeigte, dass der Musikgeschmack bzw. die Präferenz für bestimmte Musikgenres durch die habituellen Hörmuster der Menschen erklärt werden kann (vgl. Tab. 1). Die Werte lassen sich auch dergestalt interpretieren, dass bestimmte Musikgenres stets bestimmte Hörmuster nahe legen. Diese werden jedoch nicht nur von der Musik selbst als vielmehr von situativen und
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individuellen Faktoren beeinflusst (Müller 1990; Ross 1983). Die Musikkategorie bzw. das Musikgenre determiniert also nicht in jedem Fall den Hörmodus (vgl. z. B. Behne 1986b; Schramm 2001), erhöht aufgrund der Konstellation bestimmter Musikparameter jedoch die Wahrscheinlichkeit eines bestimmten Hörmodus. Dies impliziert, dass ein und dieselbe Musik bestenfalls von einem Großteil der Personen ähnlich gehört wird, dass sie aber über alle Personen hinweg durchaus unterschiedlich wahrgenommen und verarbeitet werden kann.
-.26**
HipHop/Rap
-.28**
.19*
Pop/Soundtracks
-.32**
.19**
Jazz/Blues/Soul/R&B/Funk
.21**
House/Trance/Techno
-.22**
Folk/World Music
Beat-Musik der 60er
.20 15,21** .23** .24**
.25**
.18 13,24** .15 11,19** .14 14,90**
.23** .32**
Rock/Alternative/Punk/ Heavy Metal
F-Wert
.24**
korr. R2
Diffuses Hören
.18*
Motorisches Hören
Emotionalvegetatives Hören
Klassik/Neue Musik
Musikgenre-Präferenz
Assoziatives Hören
Distanzierendes Hören
Tabelle 1: „Erklärung“ von Musikgenre-Präferenzen durch Musikrezeptionsmodalitäten (aus Schramm 2005a: 215)
.10 10,28** .10 16,99**
.16* .16*
.02
4,24*
.02
4,08*
**: p < .01; *: p < .05; Beta-Gewichte; Rangfolge nach Varianzaufklärung
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Wirkungen von Musik
Als eine generelle Tendenz bei der Wirkung von Musik lässt sich festhalten, dass positive Wirkungen eher dann eintreten, wenn die Musik den Hörern bekannt ist, wenn sie nicht zu schnell und nicht zu langsam ist (also in etwa dem Herzschlag entspricht) und wenn die musikalische Komplexität den Gewohnheiten und der Verarbeitungskapazität der Hörer entgegenkommt, sie also nicht unter- und nicht
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Holger Schramm
überfordert: „Maximales Wohlgefallen wird bei einer mittleren Erregung und damit einer mittleren Komplexität empfunden; steigt die Aktivierung bei zu komplizierten Wahrnehmungsleistungen an, so sinkt das Wohlgefallen ab. Wirkt dagegen etwas so langweilig, daß es nicht aktiviert, so ist das Wohlgefallen gleich Null“ (Motte-Haber 1996: 166-167; vgl. in diesem Zusammenhang auch die Flow-Theorie von Csikszentmihalyi 1975). Laut Gembris (1977) treten zudem ab einer Lautstärke von ca. 65 Phon zwangsläufig vegetative Reaktionen in Gestalt von Kontraktionen kleiner Blutgefäße und der Veränderung des Herzschlagvolumens ein, ohne dass dabei psychische Reaktionen mit einhergehen müssen. Steigt die Lautstärke an, so kommt es vermehrt zu ergotropen Reaktionen, die kraft- und spannungsentfaltend sind und zu einer Aktivierung des Organismus führen. Trophotrope Reaktionen treten dagegen eher bei geringen Lautstärken auf und sind erholend und entspannend für den Organismus. Das Auftreten von ergo- und trophotropen Wirkungen geht nach Gembris (1977) mit weiteren spezifischen Parameterkonstellationen einher. Es existieren unzählige Mythen über die Wirkung von Musik, was darin begründet liegen mag, dass bisweilen tatsächlich starke, eindrückliche Wirkungen von Musik zu beobachten sind. Ein Beispiel hierfür ist die Todesstrafe durch Musikbeschallung im Alten China (Behne 1995). Um die Diskussion über das tatsächliche Ausmaß der Musikwirkungen zu versachlichen, hat Behne (1999) eine Meta-Analyse von 153 Musikstudien aus den Jahren 1911 bis 1997 vorgenommen. Er hat sich dabei auf diejenigen Studien konzentriert, die Wirkungen von Hintergrundmusik untersucht hatten, da – so Behne – zumindest in den hochzivilisierten Ländern Musik meist nebenbei, beziehungsweise im Hintergrund, gehört werde und diesen Studien daher eine höhere Relevanz für unseren Kulturkreis zuzuschreiben sei (vgl. Argumentation in Abschnitt 2). Dass bei diesen Studien tatsächlich die Musik stets nebenbei, beziehungsweise mit sekundärer Aufmerksamkeit, gehört wurde, ist zu bezweifeln, aber die Studien bezogen sich zumindest auf Kontexte, in denen Musik von den meisten Menschen wohl eher im Hintergrund wahrgenommen wird, wie zum Beispiel das Musikhören beim Verrichten von Schularbeiten, am Arbeitsplatz, an öffentlichen Plätzen, beim Sporttraining oder beim Autofahren. Über den gesamten Zeitraum von 1911 bis 1997 konnte ein Drittel der Studien keine eindeutigen Musikwirkungen belegen, und bei 23 Prozent der Studien deuteten die Ergebnisse lediglich auf schwache, beziehungsweise komplexe, Wirkungen. Bei immerhin 44 Prozent der Studien konnten noch Wirkungen nachgewiesen werden. Zudem sank im Zeitverlauf der prozentuale Anteil derjenigen Studien, die Wirkungen belegten (vgl. Tab. 2). Die Erklärung hierfür könnte zum einen sein, dass die zunehmende Verfügbarkeit und Omnipräsenz von Musik im Verlauf des letzten Jahrhunderts die Menschen hat unempfindli-
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cher, beziehungsweise unempfänglicher für Musik und ihre Wirkungen, werden lassen. Zum anderen könnte der Grund auch in der wissenschaftlichen Veröffentlichungspraxis gesucht werden. Denn erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts erhöhte sich das Ansehen und damit auch die Publikationswahrscheinlichkeit von Studien, die keine signifikanten Wirkungseffekte belegen konnten. Zieht man aber in Betracht, dass zu allen Zeiten solche Studien eher nicht publiziert wurden, so ist der „wahre“ Anteil der Studien, die keine Wirkungen belegen können, sogar um einiges höher als das besagte Drittel einzustufen. Tabelle 2: Ergebnisse von 153 Studien zur Wirkung von Hintergrundmusik 19111969
19701979
19801989
19901997
Gesamt
Wirkungen eindeutig belegt
n %
17 45,9
19 51,4
18 43,9
13 34,2
67 43,8
komplexe bzw. schwache Wirkungseffekte
n
10
7
11
7
35
%
27,0
18,9
26,8
18,4
22,9
eindeutig keine intendierten Wirkungen belegt
n
10
11
12
18
51
%
27,0
29,7
29,3
47,4
33,3
Studien gesamt
n
37
37
41
38
153
%
100
100
100
100
100
Quelle: aus Behne 1999
Auf Basis dieser Meta-Analyse ließe sich argumentieren, dass Musik, wenn sie nebenbei, beziehungsweise im Hintergrund, mit sekundärer Aufmerksamkeit oder unbewusst gehört wird, meistens wohl keine oder nur schwache Wirkungen auf den Menschen zeigt. Dass dennoch viele Studien hier auch starke Wirkungen nachweisen können (vgl. z. B. Brown/Volgsten 2006; Tauchnitz 2005), verweist darauf, dass „Hintergrundmusik“ in bestimmten Situationen und Sozialkonstellationen nicht „hintergründig“, sondern sogar „vordergründig“ wahrgenommen wird, oder dass – und dies ist die prominentere Lesart – viele dieser starken Wirkungen unbewusst vonstatten gehen. Zahlreiche solcher Effekte konnten beim Musikeinsatz in Kaufhäusern, Supermärkten und Restaurants beobachtet werden (vgl. im Überblick: North/Hargreaves 1997b; Vanecek 1991). Smith und Curnow (1966) sowie Rötter und Plößner (1995) belegten Einflüsse von Musik auf die
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Verweildauer in Geschäften. North und Hargreaves (1996a, 1998) fanden heraus, dass Musik mit gemäßigter, mittlerer Komplexität zu einer besseren Bewertung eines Restaurants und der Situation beim Essen führt und dass beispielsweise klassische Musik die Atmosphäre und die Toleranz gegenüber höheren Preisen verbessern kann. Auch positive Wirkungen von Hintergrundmusik am Arbeitsplatz konnten belegt werden, zumindest wenn die Arbeit monotoner Art war. Kunz (1991) fand auf den Dimensionen „Verbesserung des Arbeitsklimas“, „Motivation“ sowie „Leistungssteigerung“ in den meisten seiner Studien positive Effekte. Auch die Wirkung von Musik auf Lernprozesse wird immer wieder gerne – insbesondere mit Blick auf Kinder und Jugendliche im Kontext der vermeintlich schädlichen Effekte beim Verrichten von Schulhausaufgaben – diskutiert. Musik wirkt sich eher dann positiv auf konzentriertes Arbeiten und Lernen aus, wenn sie leise, wenig komplex, beziehungsweise wenig kognitiv fordernd, ist und wenn sie mit den Musikpräferenzen des Hörenden übereinstimmt (Drewes/Schemion 1992; vgl. für spezifische Studien in diesem Bereich: Savan 1999; Wallace 1994).
5.1 Wirkung von Musik im Radio Aufgrund der interindividuell unterschiedlichen Fähigkeiten und Kapazitäten in der Wahrnehmung und Verarbeitung von Musik erweist es sich als sehr schwierig, Radioprogramme zu entwickeln, die von einem möglichst großen Personenkreis positiv bewertet und in der Folge regelmäßig genutzt werden (Münch 1994). Um massenkompatible Musikprogramme zu gestalten, wird der Komplexitätsgrad der Musik im Radio tendenziell eher niedrig (Rösing/Münch 1993) und die damit einhergehende Musikforschung der Radiosender eher einfach gehalten (Schramm/Petersen/Rütter/Vorderer 2002). Die Sender nehmen folglich mit ihrer Entscheidung, Musikprogramme auf kleinstem gemeinsamem Komplexitätsniveau zu entwerfen, eher in Kauf, Hörer zu langweilen als sie zu überfordern. Da beim Hören mehrerer Titel mit ähnlichem Komplexitätsgrad die Aktivierung schnell nachlässt, werden zumindest gewisse klanglich-strukturelle Kontraste zwischen den Titeln, beziehungsweise Wechsel zwischen schnellen, aktivierenden und langsamen, beruhigenden Titeln, bei der Zusammenstellung der Radioprogramme berücksichtigt (MacFarland 1997). Die Frage nach einer Über- und Unterforderung durch Musik im Radio bekommt insbesondere mit Blick auf die Effekte von Musik beim Autofahren eine hohe Bedeutung, denn dort ist das Radio nach wie vor das meist genutzte Musikmedium. Die Forschung hat hierzu allerdings kaum Erkenntnisse zu Tage gefördert. Motte-Haber und Rötter (1990) konnten zeigen, dass sich Musik bei
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einfachem, routinemäßigem Fahren (wie z. B. beim monotonen Fahren auf der Autobahn) positiv und bei schwierigem, anspruchsvollem Fahren (wie z. B. bei dichtem Stadtverkehr) negativ auf die Reaktionszeit auswirkt. Laute Musik würde außerdem zu schnellerem Fahren und langsamere Musik zu einer Verbesserung der Reaktionszeit bei Gefahrensituationen führen. Wenn die Musik als angenehm empfunden wird, reduziert sich die Anzahl der Fahrfehler.
5.2 Wirkung von Musik in Videoclips Spezifische Wirkungen von Musik (sowie spezifische Modalitäten der Nutzung) sind zu erwarten, wenn zum auditiven der visuelle Sinneskanal hinzutritt, beziehungsweise die Musik audiovisuell vermittelt wird (z. B. Behne 1990). Besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang den TV-Musiksender zu, die von Jugendlichen meist in der Funktion eines „visuellen Radios“ zur Begleitung zahlreicher Tätigkeiten zu Hause genutzt werden (Behne/Müller 1996; im Überblick: Neumann-Braun/Mikos 2006). Diverse Untersuchungen (Greeson/Williams 1986; Hansen/Hansen 1990; Johnson/Jackson/Gatto 1995; Peterson/Pfost 1989) zeigten zudem, dass Inhalte und Darstellungsweisen in Musikclips die kognitiven Schemata, Meinungen, Bewertungen und sozialen Verhaltensmuster der Jugendlichen beeinflussen, beziehungsweise primen, können. Nach Hansen und Hansen (2000) kann das häufige Aktivieren dieser Schemata durch Musikvideos sogar stabile Einstellungen und Verhaltensmuster zur Folge haben. Jugendliche finden an Musikvideos in der Regel mehr Gefallen als an der entsprechenden Musik ohne die Visualisierung. Die Musik mit Visualisierung wird auch nach der Rezeption länger positiv bewertet als die betreffende Musik ohne Visualisierung. Dies liegt zum einen daran, dass im Video die Musikinterpreten zu sehen sind, die physiologische Erregung bei den Jugendlichen ansteigt und als positiv erlebt wird. Zum anderen legen die Visualisierungen den Jugendlichen Interpretationen und Bedeutungen der Songs nahe, die ihnen beim reinen Hören der Musik meist verschlossen bleiben (Hansen/Hansen 2000; North/ Hargreaves 1997a). Narrative Videos, die den Inhalt der Songs in Form von Handlungsplots wiedergeben, werden daher in der Regel auch am besten bewertet (Neumann-Braun/Mikos 2006). Altrogge (1994) konnte in diesem Zusammenhang Hinweise vorlegen, dass die Musik beim Rezipieren der Clips bisweilen sogar in den Hintergrund tritt und die Aussage der Musik fast ausschließlich durch die Bilder determiniert wird. Auch Behne (1990) konnte in einem Experiment zeigen, dass selbst für klassische Musik ein Musikvideo unter bestimmten Umständen und für bestimmte Aspekte Sinn schärfend wirken kann. Kontraproduktiv kann das Zusammenspiel von Bildern und Musik jedoch wirken, wenn
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insgesamt ein von den Rezipienten als angenehm empfundener Grad an Komplexität und einwirkenden Reizquellen überschritten wird (Jauk 1995).
5.3 Wirkung von Musik im Film Bei den Musikclips wird Musik mit Bildern angereichert, bei der Filmmusik ist es eher umgekehrt: Die Bilder sind Ausgangspunkt des Gesamtwerks und werden mit Musik untermalt. Die Musik steht also im Dienst des Films und erfüllt verschiedene Funktionen. Man unterscheidet zwischen dramaturgischen, epischen, strukturellen und persuasiven Funktionen (Bullerjahn 2001). Unter der dramaturgischen Funktion versteht man zum Beispiel das Abbilden von Stimmungen und Verstärken vom mimischen Ausdruck der Filmfiguren. Eine epische Funktion nimmt Musik dann ein, wenn sie Ablauf und Tempo der Narration unterstützt beziehungsweise übernimmt. Strukturell wirkt sie, wenn Schnitte, Einzeleinstellungen und Bewegungen verdeckt oder betont werden. Persuasive Wirkungen entfaltet sie, wenn die Bilder unabhängig von den oben skizzierten dramaturgischen Elementen emotional mit Musik aufgeladen werden, um beim Zuschauer zum Beispiel Identifikationsprozesse mit den Protagonisten zu fördern. Musik kann, obwohl sie eigentlich nur Beiwerk ist, die Bedeutung der Filmhandlung nachhaltig beeinflussen. Nicht nur, dass die einzelne Filmsequenz je nach Musikuntermalung anders interpretiert wird (Brosius/Kepplinger 1991); die gesamte nachfolgende Filmhandlung wird anders antizipiert (Vitouch 2001).
5.4 Wirkung von Musik in der audio-visuellen Werbung Auch in der Werbung tritt Musik in unterschiedlichen Formen und Funktionen auf (vgl. im Überblick: Tauchnitz 1990, 2005): als musikalisches Kurzmotiv (Sound-/Audio-Logo), als gesungener Slogan/Jingle, als Werbelied oder in Form von Hintergrundmusik. Ziel des Einsatzes von Werbemusik ist eine Erhöhung der Aufmerksamkeit, beziehungsweise Aktivierung während der Rezeption, eine bessere Bewertung des umworbenen Produkts, eine bessere Erinnerung an die Werbung und das Produkt sowie eine Steigerung der Kaufabsichten. Diese positiven Wirkungen gehen nicht zwangsläufig mit dem Einsatz von Musik einher, sondern hängen beispielsweise ab von der Ausgangsaktivierung (Kafitz 1977), dem Involvement (Park/Young 1986), der Bewertung der Musik (Gorn 1982), den musikalischen Komponenten wie zum Beispiel den eingesetzten Tonarten (Stout/Leckenby 1988) und der Häufigkeit des Werbekontakts (Anand/Sternthal 1984) und zeigen sich manchmal nur auf einzelnen Dimensionen der oben skiz-
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zierten „Wirkungskette“. So führten bei Kafitz (1977) beispielsweise musikunterlegte Radiowerbespots zu einer Erhöhung des Aktivierungsniveaus, aber zu einer geringeren Erinnerungsleistung an die Werbebotschaften.
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Desiderata
Musikpsychologie, Musiksoziologie sowie die Musikpädagogik haben viel Grundlagenwissen zur Rezeption von Übertragungsmusik im Allgemeinen, hingegen wenige Erkenntnisse zur Rezeption der verschiedenen medialen Musikformen generiert. An dieser Stelle könnte nun die Medien- und Kommunikationswissenschaft „ins Spiel kommen“ bzw. ihre Stärken ausspielen. Dies hat sie bisher jedoch nur unzureichend getan. Insbesondere die Forschung zur audiovisuellen Musikrezeption steckt noch in den Anfängen. Betrachtet man beispielsweise die Forschung zu Musikvideos, so übersteigt die Anzahl der Inhaltsanalysen die Anzahl der Studien zu Rezeption und Wirkung um ein Vielfaches. Dies liegt mitunter auch darin begründet, dass viele dieser Studien nicht selten von der Analyse der Musikvideo-Inhalte auf vermeintliche Rezeptionsvorgänge und postrezeptive Wirkungen schließen (Neumann-Braun/Mikos 2006). Insofern gelten viele dieser Studien als Rezeptions- und Wirkungsstudien, was sie methodologisch nur eingeschränkt sein können (vgl. zur „prognostischen Inhaltsanalyse“: Früh 2001). Wir benötigen in jedem Fall diese Art von Analysen, um zunächst einmal die Musikvideoinhalte beschreiben und einordnen zu können. Wir benötigen aber in einem zweiten Schritt Studien, die in methodisch angemessener Weise die Verarbeitungsvorgänge bei der Rezeption sowie kurz- und langfristige Wirkungen dieser Verarbeitung ergründen und empirisch abbilden. Insbesondere die Erforschung langfristiger Wirkungen ist nicht einfach zu bewerkstelligen und erfordert Längsschnittstudien, die im besten Fall als repräsentative Panels angelegt sind. Diese Art von Forschung ist mühsam und kostspielig und wurde wahrscheinlich deshalb bisher kaum umgesetzt. Nichtsdestotrotz bedarf es dieser Art von Studien, da sie die Erforschung kurzfristiger Wirkungen, wie sie durch Experimente im Labor vorgenommen wird, auf einer extern valideren, gesellschaftlich umfassenderen und – mit Blick auf die langfristigen Wirkungen – auch auf einer nachhaltigern Ebene gewährleisten können. Eines der wenigen Beispiele hierfür ist die Panelstudie von Behne (2001) zur Veränderung des Musikerlebens von Jugendlichen in ihrem zweiten Lebensjahrzehnt. Die Erkenntnisse, die aus solchen Studien gewonnen werden können, sollten uns Ansporn und Verpflichtung genug sein.
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Literatur
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„Lost in Music“ oder „Musik für eine andere Wirklichkeit“?1 Zur Sozialisation Jugendlicher mit Musik und Medien Dagmar Hoffmann
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Einleitung
Musik ist vermutlich im Leben aller Menschen von großer Bedeutung, doch im Jugendalter scheint sie ganz besondere Funktionen zu übernehmen. Sie scheint vor allem auch von biografischer Relevanz zu sein, indem sie ästhetische Prägungen vornimmt bzw. dauerhafte Vorlieben zulässt. Musik, Musikprodukte und Musikequipments werden von Jugendlichen ab einem bestimmten Zeitpunkt ihrer Entwicklung stark nachgefragt. Bei der Rezeption und Produktion von Musik zeigen Jugendliche allgemein eine hohe Kompetenz und ein kreatives Engagement. In der Regel wissen sie um den Nutzen musikalischer Kontexte, wissen sich darüber zu sozialisieren und zu präsentieren – sei es über Adaption oder Distinktion. Demzufolge ist Musik im Jugendalter nicht nur „reiner Hörspaß“ und dient nur der Unterhaltung und Gefühlsregulation (vgl. Schramm 2005), sondern sie ermöglicht auch soziale und kulturelle Positionierungen. Die Rezeption von Musik sowie die Auseinandersetzung mit Musik und insbesondere den Songtexten ist auch – so scheint es – eine Auseinandersetzung mit dem eigenen Reifungsprozess, mit dem Erwachsenwerden und Erwachsensein sowie eine Beschäftigung mit den vielfältigen Anforderungen der Gesellschaft. Im Folgenden sollen die Potenziale der musikalischen und medialen Erprobungsräume daraufhin betrachtet werden, inwieweit sie z. B. Verhandlungen über Liebe, Freundschaftsbeziehungen, Sexualskripte, Körper- und Geschlechterkonzepte sowie über Moral zulassen. Es wird der Frage nachgegangen, inwieweit der Umgang mit Musik Identitäts- und Lebensstilentwürfe ermöglicht. Es geht in diesem Beitrag weniger um die innerpsychischen Zustände und Prozesse, um
1
In Anlehnung an den Hit der Sister Sledge mit dem Refrain „We’re lost in music“ bzw. an eine von der Autorin favorisierte Radiosendung moderiert von Helmut Lehnert auf radioeins (rbb). Zudem ein Verweis auf die Textpassage in Blumfelds Song Status: Quo vadis? von dem Album Old nobody (1999).
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Dagmar Hoffmann
psychosoziale Befindlichkeiten, Mood-Management oder Ähnliches, sondern vielmehr um die sozialisationsrelevanten Aspekte im Umgang mit Musik.2
2
Musik- und Mediennutzung in sozialisationstheoretischer Perspektive
Zunächst lässt sich festhalten, dass Jugendliche in der Regel schon vor Eintritt in das Jugendalter mit verschiedenen Musiken in Berührungen gekommen sind und sich demzufolge in der Familie, in der Schule und im Freundeskreis sowie in öffentlichen Räumen und über verschiedene Medien bereits musiksozialisiert haben. In den frühen Lebensjahren sind sie mit Kinderliedern, die ihnen vorgesungen und beigebracht wurden, oder die sie autonom von Musikkassette oder CD gehört haben, konfrontiert worden. Sie haben Musik im Fernsehen erleben können wie z. B. in Kinderprogrammen, in der Werbung, in Filmen und Magazinen. In der Kindheit haben sie ebenso die Musik, die die Eltern präferieren, kennen gelernt. Nicht zuletzt sind sie im Schulunterricht an Musik herangeführt worden. Vielleicht haben sie auch schon im Kindesalter ein Musikinstrument erlernt oder erlernen müssen. Bei nicht wenigen Jugendlichen im Alter von zwölf bis 19 Jahren ist das Musizieren eine beliebte Freizeitaktivität, die sie mehrmals die Woche ausüben: 20 Prozent der Mädchen und 15 Prozent der Jungen beschäftigen sich laut JIM-Studie mit dem selbstständigen Musikmachen (mpfs 2005: 6). Alles in allem sind Jugendliche also durch die Allgegenwart der Musik, durch musikalische Erziehung und Erfahrungen geprägt (vgl. Baacke 1997) und sozusagen musik(vor)sozialisiert worden. Sie haben in verschiedenen Altersphasen der Kindheit musikalische Vorlieben gehabt, die ab einem bestimmten Zeitpunkt der Entwicklung ihre Bedeutung verlieren bzw. durch andere Musikpräferenzen ersetzt werden. Durch die eigene, selbst bestimmte Wahl und den vermehrten Besitz eigener Musik differenziert sich der musikalische Geschmack im Jugendalter aus. Zu dieser Geschmacksausbildung tragen nicht allein Angebote der Medien bei, sondern auch die älteren Geschwister, die gleichaltrigen Freunde und Freundinnen sowie Mitschüler, mit denen Musikstücke und Musikstile sowie die dazugehörigen Musikstars im Hinblick auf ihre Qualität, ihre Popularität und ihre „Coolness“ verhandelt werden. Die Art des Umgangs Jugendlicher mit Musik steht – so wird postuliert – in ganz engem Zusammenhang mit den entwicklungsbedingten Aufgaben oder Anforderungen (vgl. Boehnke/Münch 2005), die Jugendliche in dieser Zeit der Selbstfindung zu erledigen 2
Für die konstruktive Kommentierung des Beitrags danke ich Lena Raissa Hoffmann und den Studierenden der Soziologie der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster sowie den Studierenden des postgradualen Studiengangs Musikmanagement der Donau-Universität Krems.
Zur Sozialisation Jugendlicher mit Musik und Medien
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haben. Musik übernimmt hier vielfältige Funktionen, die im Folgenden erläutert werden sollen (2.2). Zunächst gilt es, die Bedeutung der Identitätsentwicklung und der Bewältigung von Entwicklungsanforderungen im Jugendalter im Kontext medialer und insbesondere musikalischer Umwelten zu erörtern (2.1).
2.1 Entwicklungsanforderungen und Identitätsentwicklung im Kontext von Musik und Medien Es wird heute davon ausgegangen, dass Individuen nicht nur im Sinne der Vergesellschaftung des Menschen (Durkheim 1972) über die äußeren Anforderungen sozialisiert werden, sondern dass sie sich stets eigenaktiv die Handlungsfelder bzw. Institutionen aussuchen, die sie zur Verwirklichung ihrer Ziele und für die individuelle Entwicklung für angemessen und brauchbar halten. Entwicklung im Jugendalter kann als „Handlung im Kontext“ (Silbereisen 1986) verstanden werden, die der persönlichen Reifung bzw. Ausbildung der Persönlichkeit dient. In modernen Gesellschaften sind die Menschen selbst die „Produzenten“ ihrer Persönlichkeit, wobei gesellschaftlich-normative Anforderungen auch durchaus von ihnen in Frage gestellt, individuell ausgehandelt und neu entschieden werden (können). Um den vielfältigen Anforderungen der Gesellschaft gewachsen zu sein, müssen Jugendliche „sich heute als selbstverantwortliche Planungsinstanz des eigenen Lebens begreifen“ (Vogelgesang 2001; Eisenbürger/Vogelgesang o. J.). Gefordert wird von ihnen ein notwendiges Maß an Selbstmanagement und an Selbstorganisation. In dem Zusammenhang wird auch in den vergangenen Jahren – je nach Sichtweise und disziplinärer Verortung – von der Möglichkeit oder dem Diktat der Selbstsozialisation gesprochen (vgl. u. a. Fromme et al. 1999; Zinnecker 2000). Das Konzept der Selbstsozialisation ist nicht unumstritten, da es nach Ansicht verschiedener Sozialisationstheoretiker zu stark auf das Postulat individueller Handlungsautonomie fokussiert ist (vgl. Bauer 2002) und wiederum von „Selbstschöpfungsvorstellungen“ (Krappmann 2002: 178), die längst überholt schienen, ausgeht. Greift man jedoch einen Teilaspekt der Sozialisation – die mediale bzw. musikalische – heraus, so kann die Betonung der Aspekte von Selbstsozialisation (Hoffmann 2002; Müller 1995) mitunter sinnvoll sein. Die persönliche Entwicklung eines Menschen erfolgt nicht nur aufgrund eines äußeren Drucks, sondern auch aufgrund eines inneren Antriebs. Jugendliche versuchen in dieser Hinsicht vor allem, ein Bewusstsein von sich selbst und ihrer Person im sozialen Raum zu bekommen. Es geht darum, sich selbst wahr- und anzunehmen, sich zu erkennen mit allen Potenzialen und auch Begrenzungen. Es geht auch darum, die eigene Besonderheit zu identifizieren (Nunner-Winkler 1985), sich selbst zu (er-)finden (Kaufmann 2005), ein Konzept bzw. Bild von
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Dagmar Hoffmann
sich selbst zu haben und auch ein persönliches Ideal als „Zielvorgabe“ zu definieren. Dieses Ideal ist keineswegs statisch, sondern es verändert sich in Abhängigkeit von den verfügbaren Ressourcen und den gegebenen bzw. erreichbaren Bedingungen. In dieser Zeit der Selbstfindung und Selbstpositionierung, die meist durch heftige emotionale Dynamiken gekennzeichnet ist, stehen für Jugendliche die folgenden Fragen im Zentrum: Abbildung 1: Fragen im Prozess der Selbstfindung Wer bin ich?
Gegenwartsorientierung
Wer will ich sein?
Zukunftsorientierung
Ļ Wie komme ich dahin, der zu sein, der ich sein will?
Ambivalenzen
Wegbestimmung in Abhängigkeit der vorhandenen Ressourcen
Der Prozess der Selbstfindung erfolgt in modernen Gesellschaften im Wesentlichen über das Sich-Selbst-Ausprobieren und Austesten in privaten und öffentlichen Kontexten. Er findet über die Interaktionen mit anderen sowie über den Vergleich mit anderen statt. Diese anderen können nahestehende, reale Personen oder imaginierte andere sowie auch Medienakteure sein (Hoffmann 2004; Wegener 2007). Es wird aktuell viel und vor allem kontrovers darüber diskutiert, inwieweit Medienakteure und überhaupt mediale Angebote Sozialisationsrelevanz besitzen und Medien Sozialisationsinstanzen sein können (vgl. Hoffmann/Mikos 2007). Aber unbestritten ist, dass Menschen eine Beziehung zu Medien – zu Inhalten und Akteuren – herstellen und über diese Beziehung mit anderen kommunizieren. Somit kann Mediennutzung grundsätzlich als soziales Handeln (Renckstorf 1989), als kreativer und kommunikativer Akt begriffen werden, der subjektiv erlebt, reflektiert, verarbeitet und nicht zuletzt für Entwicklungsbelange nutzbar gemacht werden kann (Charlton/Neumann 1986). Süss (2004) deklariert diese nutzenorientierte Perspektive auf Prozesse der Mediensozialisation als medienkulturellen Ansatz. Dieser Ansatz betont im Gegensatz zu kultur- und medienkritischen Perspektiven die Chancen, welche die ak-
Zur Sozialisation Jugendlicher mit Musik und Medien
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tive Nutzung der Medien für die Lösung von Entwicklungsaufgaben3 haben kann. Somit sind Musik und jegliche mediale Angebote wie Filme, Videos, Werbung etc. als Reize und Impulse zu verstehen, denen über die Art und Weise der Nutzung individuell Sinn und Bedeutungen beigemessen werden können und die je nach Entwicklungskontext und Bedürfnislage alltagspraktisch (mit anderen Menschen) gelebt werden können. Medieninhalte werden demzufolge mit den eigenen Vorstellungen und Gedanken zusammengebracht und für die eigene Lebenspraxis angeeignet. Der Begriff der Medienaneignung, der zunächst im Bereich der Sprachwissenschaften von Holly und Püschel (1993) diskutiert wurde, ist plausibel und hat sich in der Medienwissenschaft etablieren können. Im Folgenden wird davon ausgegangen, dass die Auswahl und die Nutzung der Medien sowie die Art und Weise jeglicher Medienaneignung von Jugendlichen in engem Zusammenhang mit jugendtypischen Entwicklungsbedürfnissen steht und insgesamt zur Identitätsausbildung beitragen kann. Das bedeutet, dass die Medienrezeption nicht nur sinn-, sondern auch identitätsstiftend sein kann. Den Aspekt der Identitätsstiftung haben Charlton und Neumann vielfach im Rahmen der strukturanalytischen Rezeptionsforschung diskutiert (Charlton/Neumann 1986; Charlton/Neumann-Braun 1992), wobei sie sich dem symbolisch-interaktionistischen Paradigma in der Tradition George Herbert Meads (1934, 1968) verpflichtet fühlen, das die Auseinandersetzung mit dem generalized other im Prozess der Identitäts- und Moralentwicklung für essentiell erachtet. Die Identitätsentwicklung ist eine lebenslange Aufgabe, die den Menschen immer beschäftigt und die im Grunde genommen in der modernen Gesellschaft nie abgeschlossen werden kann. Identität bleibt – das liegt vermutlich in der Natur der Sache – damit eigentlich immer unerfüllt (Bauman 1994). Die Frage nach dem Selbst und danach, wer man ist, lässt sich demzufolge entsprechend schwer vollständig beantworten. Nichtsdestotrotz haben Menschen eine ungefähre Vorstellung von sich, wissen um ihre soziale Rolle und ihren Status, andern3
Der Begriff der Entwicklungsaufgabe entstammt dem gleichnamigen Konzept von Havighurst (1948, 1972), das nunmehr über 50 Jahre alt ist und aufgrund seines normativen Charakters für heutige Gesellschaften – so die berechtigte Forderung – überdacht werden muss. Alternativ könnte der flexiblere und aus meiner Sicht auch zeitgemäße Begriff der Handlungsanforderung (Grundmann 2006) verwendet werden, wobei dieser sehr auf die sozial-funktionalen Aspekte von Sozialisation und auf die zu erwerbenden Handlungskompetenzen abzielt. Hier wäre zu prüfen, ob er im Hinblick auf sämtliche Facetten von Identitätsentwicklung weiterhilft. Straus und Höfer (1997) halten mit Bezug auf Helfferich (1994) aus verschiedenen Gründen den Begriff der Handlungsaufgaben im Kontext der Identitätsentwicklung für brauchbar. Ihrer Ansicht nach stellt das Konstrukt der Handlungsaufgaben eine sinnvolle Verbindung von Lebenswelt und Biografie dar. Außerdem berücksichtigt das Konstrukt zentrale, übergreifende Identitätsperspektiven und verweist zudem auf „das Wechselspiel von gesellschaftlicher Vorgabe, kollektiver und subjektiver Aneignung“ (Straus/Höfer 1997: 280) von z. B. Geschlechterkonzepten. In diesem Beitrag wird als vorläufiger Kompromiss dem Begriff der Entwicklungsanforderungen der Vorzug gegeben.
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Dagmar Hoffmann
falls hätten sie auch keinen Ausgangspunkt für personelle und biografische Veränderungen. Gleichwohl ist die Frage nach der Identität nicht immer gleich relevant. Das wäre vermutlich auch viel zu anstrengend. Der Relevanzgrad variiert in Abhängigkeit von den Lebensereignissen und den Veränderungen sozialstruktureller Bedingungen. Ich versuche das an einem Beispiel zu erläutern: Fakt ist, dass man immer Kind seiner Eltern ist und bleibt. Das Kindsein ist die soziale Rolle, die man hat. Diese ist aber nicht statisch, sondern veränderbar. Sie verändert sich über Ereignisse, die erfolgen, oder Personen, die hinzukommen und auf einen einwirken. So verändert sich zum Beispiel das Kindsein durch die in der Pubertät eintretende Geschlechtsreife. Das heißt, damit wird das Verhältnis zu den Eltern neu definiert. Die soziale Rolle des Kindes und das Verhältnis zu den Eltern ändern sich auch, wenn Tochter oder Sohn eine Partnerschaft eingehen oder wenn durch die sozioökonomische Eigenständigkeit die Ablösung vom Elternhaus erfolgt. All diese Ereignisse induzieren also eine Neudefinition des Selbst. Nicht selten sind die in dem Zusammenhang vonstatten gehenden Prozesse krisenhaft, und sie haben oftmals bei den Betroffenen auch das Bedürfnis nach Selbstvergewisserung zur Folge, d. h. im Wesentlichen zu prüfen, ob man im Kern doch nicht oder doch noch ein und derselbe geblieben ist. Auch wenn Jugendliche in der Regel schon viele Erfahrungen in den einzelnen Entwicklungsstufen haben sammeln können und in der mittleren Adoleszenz auch bereits ein Gefühl von Ich-Identität haben (Erikson 1959, 1966), so beschäftigt sie dennoch sehr die Suche nach Identität und personaler Vervollkommnung. Diese Suche im Jugendalter ist von unvergleichlicher Intensität und ‚Dramatik’ (vgl. Krappmann 1997) und meist mit dem Ausleben eines breiten Spektrums von heftigen Gefühlen und Ängsten verbunden. Nicht selten kommen Gefühle von Verunsicherungen, Minderwertigkeit, Einsamkeit, aber auch Selbstüberhöhung auf. Jugendliche changieren stets zwischen den ihnen aufgezwungenen und den eigenen, gewünschten Rollen hin und her. Und dies ist ein Balanceakt. Wurden zu Lebzeiten Eriksons Identitäten primär im unmittelbaren Umfeld, über Institutionen und auch über Religion ausgehandelt, so haben sich diese Sozialisationsoptionen zur Identitätsgewinnung in der Zwischenzeit vervielfältigt, was nicht zuletzt an der Komplexität – inklusive der Mediatisierung – der (post-)modernen Gesellschaft liegt. Demzufolge kann sich der Jugendliche im Hinblick auf die Auseinandersetzung mit seinen Entwicklungsbelangen für oder gegen lebensweltliche und mediale Angebote entscheiden, und er kann diese Angebote für seine Entwicklung unterschiedlich nutzbar machen (Hoffmann 2004; Süss 2004; Boehnke/Münch 2005). Versteht man im Sinne der handlungsorientierten Sozialisationstheorien die Auseinandersetzung mit medialen Angeboten als soziales Handeln, so schließt dieser Akt des Handelns a) den Auswahlprozess für oder gegen dieses oder jenes Medium, b) die eigentliche Nutzung
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161
und c) die postmediale Verarbeitung mit ein (Charlton/Neumann-Braun 1992). So ist die Auswahl eines Radioprogramms kein Zufall, sondern Jugendliche entscheiden sich bewusst und nutzenorientiert z. B. für Energy (NRJ) und gegen Deutschlandradio. Sie haben auch Erwartungen an das Radioprogramm und versuchen da etwas zu finden, was sie für sich gebrauchen können. Wenn der erwartete Nutzen oder die Gratifikation ausbleibt, suchen sie sich ein anderes Programm oder auch ein anderes Medium. So ist mitunter das Bekenntnis zu einem Radioprogramm in der Gleichaltrigengruppe (peer group) ein ganz wichtiges, weil es über Zugehörigkeit oder Außenseiterposition bestimmt. Auch das Wissen über jugendnahe Radioprogramme – selbst wenn sie nicht gefallen – trägt dazu bei, dass man mit anderen Jugendlichen darüber ins Gespräch kommt. In die (oder in eine) peer group integriert zu sein, ist im frühen und mittleren Jugendalter von großer Bedeutung. Das Beispiel zur Präferenz für ein Radioprogramm verweist auch auf Aspekte von Stil- bzw. Szenezugehörigkeit (Hitzler/Bucher/Niederbacher 2001; Müller-Bachmann 2002), auf die soziokulturelle Verortung und Positionierung, die in Zeiten von Pluralisierung und Diversifizierung auch für jugendliche Entwicklungskontexte relevant sind, wenn nicht gar dort ihren Ausgangspunkt haben. Mediale Geschmackspräferenzen sind „wichtige Personensemantiken“ (Reinhardt 2005: 40), und vor allem im Jugendalter sind sie Offenbarungen, die Rückschlüsse auf die Identität zulassen, und zwar nicht nur in Bezug auf Selbst-, sondern auch auf Fremdzuschreibungen. Die Medienvorlieben wirken sich auf „das Bild, das wir im Spiegel der Anderen erzeugen“ (ebd.), aus und zwar nach dem Muster: „Sage mir, was Du liest, hörst, und ich sage Dir, wer Du bist.“ (ebd.). Gemeinsame Medienpräferenzen und geteilte Medienerlebnisse ermöglichen Kollektivierungen und Gruppeninklusionen, sie erlauben aber auch Individualität4 über außergewöhnliche Vorlieben oder etwa die Nicht-Nutzung bestimmter Medien (ebd.). Nun lassen Bekenntnisse der medialen Geschmackspräferenzen nicht in Gänze und nicht auf Dauer erkennen, wer man ist und wer man sein möchte. Sie gewähren aber einen Blick auf Teile der Identität und auf die „situationale Selbstthematisierung“ (Straus/Höfer 1997). Sie ermöglichen anderen und einem selbst die Rekonstruktion von Aspekten der personalen, sozialen und kulturellen Identität. Vielleicht verweisen sie auch auf Aspekte der Geschlechtsidentität und/oder der politischen Identität. So ist anzunehmen, dass Jugendliche, die vorzugsweise Die Ärzte oder Die Toten Hosen hören, von ihrer 4
Reinhardt spricht hier von „Individualisierung durch Abweichung“ (Reinhardt 2005: 40), was mir vor dem Hintergrund soziologischer Individualisierungstheorien und insbesondere des Individualisierungstheorems von Beck (1986) nicht unbedingt passend scheint. Demzufolge ist Individualisierung gesellschafts- und nicht individualinduziert. Individualität ist aber eher als eine Folge der Individualisierung zu betrachten und somit „konstitutives Merkmal der Moderne“ (Schimank 2000: 108).
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Dagmar Hoffmann
politischen Einstellung eher linksorientiert sind. Jugendliche, die zu den Fans von Madonna gehören, haben sich sicherlich verstärkt schon mit oppositionellen, emanzipatorischen Entwürfen vom weiblichen Geschlecht auseinandergesetzt (vgl. Bechdolf 1999). Diese Beispiele veranschaulichen, dass Identität, bzw. Teilidentitäten, sich über die Bewältigung von Entwicklungsanforderungen konstituieren. Die nachfolgende Abbildung differenziert das Konstrukt von Identität in verschiedene Komponenten aus und listet verschiedene für das Jugendalter anzunehmende relevante Entwicklungsanforderungen auf. Die Auseinandersetzung mit den Anforderungen trägt zur Ausbildung und zum Teil auch Festigung verschiedener Teilidentitäten bei, wobei Jugendliche sich nicht gleichermaßen mit allen Anforderungen gleichzeitig beschäftigen (können). Manche scheinen oder sind dringlicher und existentieller als andere. Abbildung 2: Ausdifferenzierung der Identitätsentwicklung und der Entwicklungsanforderungen Identität
Komponenten
Entwicklungsanforderungen
Personale Identität
Körper(selbst)konzept
Soziale Identität
Sexuelle Orientierung
Kulturelle Identität
Geschlechterrolle
Politische Identität
Gleichaltrigenbeziehungen
Nationale Identität
Politische Haltung
Globale Identität
Moralische Praxis
…
Generationenbeziehung
…
Autonomie
Ästhetische Identität Å
Lebensstilpräferenz
…
…
Die aufgeführten Komponenten der Identität verstehen sich nicht als abschließende und allgemeingültige, denn hierüber besteht in der sozialwissenschaftlichen Literatur kein allgemeiner Konsens. Teilidentitäten lassen sich vermutlich noch nach weiteren, ganz verschiedenen Merkmalen attribuieren, wobei etwa der Terminus einer musikalischen Identität bis auf pädagogische Kontexte (vgl. Harnitz 2002) eher ungebräuchlich ist. Überlegenswert scheint aber die Frage
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nach dem Vorhandensein einer ästhetischen Identität,5 die mediale Geschmackspräferenzen und Geschmacksbildungen subsumiert, und die über die gewonnenen ästhetischen Erfahrungen vonstatten gehenden Verstetigungsprozesse berücksichtigt. Im Hinblick auf die biografische Relevanz von Musikvorlieben im Jugendalter wird darauf zurückzukommen sein (3.). Im Folgenden soll zunächst der Versuch unternommen werden, anhand verschiedener Entwicklungsanforderungen zu zeigen, welche Bedeutung und Funktion Musik im Jugendalter hat und welche Kompetenzen über die Nutzung und den Gebrauch von Musik sowie der musikalischen Kontexte erworben werden können.
2.2 Funktionen von Musik im Kontext von Entwicklung und Identitätsausbildung Es ist anzumerken, dass speziell im Jugendalter an den verschiedenen Komponenten der Identität zwar beständig, aber auch mal mehr, mal weniger intensiv gearbeitet wird und dass die verschiedenen Entwicklungsanforderungen nicht sukzessive, sondern je nach Gelegenheit und Dringlichkeit in Angriff genommen werden. Musikbezogene Aktivitäten und musikalische Sozialisationskontexte können dahingehend hilfreich und unterstützend, aber sicherlich auch enttäuschend sein. Im Folgenden werden jedoch primär die Potenziale und weniger die entwicklungshemmenden Faktoren musikbezogener Aktivitäten für bestimmte Entwicklungsanforderungen herausgearbeitet. Gefährdungsmomente scheinen hier im Vergleich zu anderen Medienaktivitäten auch eher selten vorhanden zu sein. „Musiksucht“ wird meines Wissens bislang nur in einigen Internetforen und Weblogs, aber nicht in wissenschaftlichen Kontexten diskutiert. Auch gibt es – wie beruhigend – trotz der Selbstbekenntnisse und der trotzigen Verbohrtheit der Sister Sledge, die sich ganz in der Musik verloren haben und sich einem regulären Beruf verwehren, nicht die geringste Veranlassung, ein Phänomen wie „Musikverwahrlosung“ zu untersuchen.6 Auch die suizidalen Anklänge bei John
5
Für diesen Hinweis danke ich Clemens Schwender, Professor of Communication Science am Jacobs Center for Lifelong Learning and Institutional Development an der International University Bremen. 6 Ich hoffe nicht, hiermit ein neues Forschungsfeld zu eröffnen. Die Debatten um die Medienverwahrlosung, die vor nunmehr zwei Jahren medienwirksam von Christian Pfeiffer initiiert wurden, sind nach meinem Empfinden mühsam genug und nicht zuletzt wenig konstruktiv. Pfeiffer zufolge führt die übermäßige Zuwendung Jugendlicher zu den Medien zu Schulversagen, Isolation und Delinquenz. Seine These und ausgewählte Untersuchungsergebnisse der Studie können unter http://www.kfn.de/medienverwahrlosung.pdf [Zugriff am 2.10.2006] nachgelesen werden.
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Miles7 haben Wissenschaftler zum Glück davon abgehalten, musikalische Leidenschaften zu pathologisieren und zu Untersuchungsgegenständen zu erklären.
2.2.1 Körper(selbst)konzept, sexuelle Orientierung und Geschlechterrolle Populäre Musik wird durch Interpreten vorgetragen. Sie ‚verkörpern’ die Musik, wovon man sich beispielsweise in Konzerten, in Musikvideos und im Internet überzeugen kann. Die meisten Jugendlichen wissen um die an das Musikwerk gebundenen Stars, um ihr Aussehen, ihren Habitus und ihre Popularität. Musikstars zeichnen sich nicht nur durch ihr musikalisches Können, sondern mitunter durch ihr Aussehen, ihre Schönheit, ihren Reichtum, ihre Klugheit, ihren Humor, ihre Coolness oder auch durch Skandale aus wie etwa Drogenexzesse, Schlägereien und Tabubrüche.8 Sich mit der Musik einverstanden erklären, heißt in gewisser Weise, sich auch mit dem dazugehörigen Interpreten auseinanderzusetzen, denn es geht nicht nur allein um den Wert der Musik, sondern auch um den Autor der Musikstücke, an den die Werke gebunden sind. Betrachtet man heute die Fotos von John Miles auf seiner Website,9 dann ist fraglich, ob sein Aussehen zu seiner Glanzzeit ein Thema war und ob die Akzeptanz des Publikums von seinem Sexappeal abhing. Ich meine mich zu erinnern,10 dass seine Musik weitaus entscheidender als sein Aussehen gewesen ist. Ich behaupte aber, dass er heute von Jugendlichen auch auf sein Aussehen hin stärker beurteilt und dass dieses eher auf den Prüfstand gehoben werden würde. Nun sind zwar in der Gegenwartsgesellschaft nicht nur Musiker en vogue, die gut aussehen, aber welche, die in irgendeiner Weise jenseits ihrer musikalischen Qualität positiv attribuiert werden können. Es ist zu beobachten, dass seit geraumer Zeit die visuellen Präsentationen der Stars11 und auch ihre Lebens- und Alltagsgeschichten immer wichtiger geworden sind. Die Auftritte und Stories werden gern von Jugendlichen rezipiert, weil sie – so ist anzunehmen – Entwürfe anbieten in Bezug auf Selbstpräsentationen, in Bezug auf sexuelle und ge7
Ich nehme nicht unbedingt Bezug auf das Tagungsthema in Hannover, sondern primär auf die Textzeile „To live without my music would be impossible to do” in dem legendären Song Music von 1979 auf dem Album Rebel von John Miles. 8 Jüngst sorgte Madonnas Konzerttour „Confessions“ für heftige Diskussionen, weil die Sängerin in ihrer Show mit Sexinszenierungen und religiösen Symbolen spielt. An einer Stelle steigt sie mit Dornenkrone vom Kreuz herab, während Videoschirme Hungernde in Entwicklungsländern zeigen. 9 http://www.john-miles.net/ [Zugriff am 2.10.2006] 10 Der Song Music gehörte jahrelang, wenn nicht jahrzehntelang, zu meinen Topfavoriten. Nun stelle ich fest, dass ich gerade mal zwölf Jahre alt war, als der Song auf den Markt kam. Bis zum heutigen Tag hatte ich kein Bild von John Miles gesehen. 11 Selbst Radiomoderator/en/innen müssen heute ‚mediagen’ sein, da sie auf Werbeplakaten, auf Groß-Events der Sender und selbst in Talkshows zu sehen sind.
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schlechtliche Orientierungen. Wenn es im Refrain heißt „Express yourself“ oder „Justify my love“,12 will man selbstverständlich wissen, wer diese Appelle sendet, d. h. wie diese Sängerin aussieht, wie sie sich kleidet, bewegt, tanzt; wie sie mit Männern umgeht, wie die Männer mit ihr umgehen etc. Ebenso spannend sind die Geschichten über den Mann,13 der 1987 den Song I want your sex sang oder über den Musiker,14 der „23 positions in a one night stand“ im Jahre 1991 propagierte. Aber auch provozierende, satirische Texte wie Männer sind Schweine von der Band Die Ärzte (1998) regen Jugendliche zum Nachdenken an, bieten Konfliktstoff und fordern zum Widerspruch auf.15 Musik stellt mit ihren Texten und ihren Interpreten also bestimmte Angebote an Körperkonzepten, Geschlechterrollen und sexuellen Orientierungen bereit, zu denen sich Jugendliche positionieren können. Es finden sich heute in den Musikvideos neben stereotypen auch emanzipierte, oppositionelle und progressive Bilder von Jugendlichen, von Frauen und Männern (vgl. Bechdolf 1999), wobei die Interpretationen und Formen der Aneignung von Geschlechterbildern und Körperkonzepten durch Jugendliche noch wenig untersucht worden sind (vgl. Neumann-Braun/Mikos 2006). Die Formen der Aneignung funktionieren über Empathie, Identifikationen und Distinktionen, die den dynamischen Prozess der Identitätsausbildung ausmachen. „Identifikationsprozesse sind notwendig, um sich auszutesten, um ein Bewusstsein von sich selbst und seiner Person im sozialen Raum zu bekommen.“ (Hoffmann 2004: 11) Dabei geht es um die Prüfung, den Vergleich, das Aushandeln, die Übernahme oder auch Ablehnung von sozialen Rollen auch in medialen Kontexten. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die Vorbilder und Idole, die 12- bis 19-jährige Jugendliche haben, hauptsächlich aus dem Musikbereich kommen. Von den im Jahr 2003 in der JIM-Studie 1209 Befragten geben 31 Prozent an, dass sie für eine Person aus dem Musikbereich besonders schwärmen. Jungen bekennen sich dabei weniger (26 %) als Mädchen (36 %) zu Musikakteuren. Des Weiteren gehören für sieben Prozent der Befragten die Vorbilder der Film- und Fernsehbranche an. Für jeden zehnten befragten Jungen sind die Vorbilder im Sportbereich zu finden. Personen aus dem sozialen Umfeld sind für Jugendliche eher selten Vorbilder. Für jüngere Jugendliche sind Vorbilder wichtiger als für ältere (mpfs 2004: 8 f.). Leider sind mir keine Jugendmedienstudien bekannt, die die Stars namentlich erfragt haben, was sehr aufschlussreich sein könnte. Es ist anzunehmen, dass die Nennungen 12 Express yourself (1989) und Justify my love (1990) sind hier beispielhafte Songs von Madonna. Zu beiden Songs gab es damals skandalträchtige Musikvideos. 13 George Michael. 14 Prince in seinem Song Get off. 15 Aus informeller Quelle wurde mir berichtet, dass viele Fans von Die Ärzte gar nicht mit dem Song einverstanden sind.
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weit gestreut sein werden, weil das Angebot entsprechend vielfältig und ausdifferenziert ist, wie auch schon die von Jugendlichen favorisierten Musikstile vielzählig sind (Vollbrecht 2002: 63 f.). In diesem Abschnitt wurde zunächst sehr auf die Identifikationspotenziale im Hinblick auf die Musikinterpreten im Kontext von Entwicklung fokussiert, doch in erster Linie ist Musik Rhythmus und Klang, ist es eine Komposition mit einer bestimmten Harmonie und Dramaturgie, und oftmals ist sie mit Gesang und mit Text versehen. Die Funktion der Texte kann in einem weit gefassten Kontext betrachtet werden, „der Körpergefühl, Sinnlichkeit, sexuelle und erotische Ausstrahlung und Attraktivität mit einbezieht, die im musikalischen Environment erprobt und erfahren werden“ (Vollbrecht 2002: 66). Jugendliche suchen sich ihre Erprobungsräume je nach Bedürfnislage im privaten oder auch im öffentlichen Raum, wo man sich präsentiert, bewegt, tanzt und wo auch zunehmend gesungen wird. Sehr beliebt sind bei vielen Jugendlichen Karaoke oder auch so genannte SingStar-Spiele, die auf der Playstation gespielt werden können. Ein Gefühl von Starsein soll da für einen Moment hergestellt werden. Jugendliche möchten auf diese Weise auch einmal im Mittelpunkt (und auf der Bühne) stehen, sie möchten auch mal Sender sein und ihr musikalisches Gesangstalent unter Beweis stellen dürfen. Karaoke im öffentlichen Raum kostet Vorbereitung, Mut und Selbstüberwindung. Es garantiert eine Form von physischem, affektivem Selbstempfinden. Über ihre Darbietung testen Jugendliche aus, wie sie bei anderen ankommen und vergleichen sich mit den anderen. Sie überprüfen den Wert ihres Selbsts.
2.2.2 Gleichaltrigenbeziehungen Fast alle Jugendszenen haben ihre eigene Musik und ihre eigenen Formen der Vergemeinschaftung sowie ihre eigenen Inszenierungspraktiken (vgl. Hitzler/Bucher/Niederbacher 2001). In den verschiedenen Musikszenen und den verschiedenen Musik-Genres werden verschiedene Geschlechterrollen, Körperund Sexualskripte angeboten und von Jugendlichen verhandelt. Die TechnoSzene, die Hardcore-, Gothic- oder HipHop-Szene lassen je spezifische Umgangsweisen mit Körper, Geschlecht und Sexualität erkennen (vgl. ebd.). Gemeinsame Musikpräferenzen ermöglichen also Vergemeinschaftungen in Form von Szenezugehörigkeiten. Diese Szenezugehörigkeiten werden in der Regel im mittleren und späten Jugendalter relevant, im frühen Jugendalter gilt es vor allem, in die Gleichaltrigengruppe (wie z. B. Clique) integriert zu sein. Nur äußerst selten wollen Jugendliche eine Außenseiterrolle in der Schulklasse oder auch in außerschulischen Kontexten einnehmen, wobei es natürlich solche Jugendtypen
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auch gibt. Kollektiv geteilte Medienerlebnisse (wie etwa ein Konzert oder das gemeinsame Schauen eines Musikvideos) und gemeinsam favorisierte Stars erleichtern die Integration in die Gleichaltrigengruppe. Über die Musik und deren Interpreten kann man ins Gespräch kommen, gemeinsam favorisierte Musik kann man tauschen, gemeinsam bewerten und genießen. Gegebenenfalls lässt sich mit limitierten Songveröffentlichungen kokettieren und in irgendeiner Form Aufmerksamkeit erreichen. Soziale Anerkennung verschaffen sich Jugendliche auch über den Besitz möglichst vieler Musikstücke, wobei moderne Speichermedien die Platten- bzw. CD-Sammlung abzulösen scheinen. Eine exponierte Position nehmen auch die Musikkenner in der Gleichaltrigengruppe ein. Sie sind immer über Neuerscheinungen informiert und favorisieren mitunter auch Musik jenseits des Mainstreams. Dies ist tendenziell bei älteren Jugendlichen zu beobachten (Gebel/Wagner 2004). Ihr Mehrwissen wird registriert und mitunter sehr geachtet. Umso mehr ihr Musikwissen geschätzt wird, desto stärker wird es gepflegt – ebenso wie das Image, ein Experte auf dem Gebiet der Musik zu sein. Dieser Teil der Identität kann im Miteinander der peers sehr wertvoll sein und eine stabile, subjektive Größe inmitten all der partiellen Identitätssuchprozesse. Musikpräferenzen korrelieren häufig mit ästhetisch-kulturellen Komponenten wie z. B. Moden, Werten, Szenen und Sprache, und eröffnen damit individuelle Identitätsräume und Kreativitätspotenziale, die individuell und sozial bedeutsam werden können. Allerdings besteht hier aufgrund aktueller Forschungsarbeiten (Hoffmann/Pröstler 2006) der Eindruck, dass Jugendliche heute informeller und toleranter sind als frühere Generationen. Jugendliche akzeptieren andere Geschmackspräferenzen und versuchen nicht, andere von ihren Vorlieben zu überzeugen. Dieses Verhalten scheint eine konsequente Reaktion auf die Vielfalt von medialen Angeboten und das „Crossover von Moden und Ideologien“ (Neumann-Braun/Richard 2006: 9) zu sein. Wichtig ist nur das Wissen um die Musiker und die Songs, die andere Jugendliche gut finden, sodass man die anderen kulturell einordnen, sich selbst dazu positionieren und gegebenenfalls abgrenzen kann (vgl. auch Schmidt/Neumann-Braun 2003).
2.2.3 Politische Haltung und moralische Praxis ‚Sag mir, was Du hörst und ich sage Dir, wo Du stehst und was Du denkst...’ – So in etwa könnte kurz umschrieben werden, was Musik über Jugendliche und ihre politische Haltung verrät. Das trifft natürlich nicht auf alle Jugendlichen zu, aber auf die, die sich bewusst für bestimmte Musik-Genres entscheiden und die sich mit den Songtexten und dem, was auch die Musiker mitunter an Werten transportieren, auseinandersetzen. Auch hier gilt wieder: Musik kann Werte
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thematisieren, indem politische Einstellungen, Ideologien, Tabubrüche oder ‚Wünsche für eine bessere Welt’ besungen werden. Diese Angebote an Werten können individuell und auch kollektiv genutzt werden. Manchmal bietet es sich an, sich allein der politischen und moralischen Auseinandersetzung via Musik hinzugeben. Oftmals kann Musik insbesondere jugendkulturelle Gruppen, die ein bestimmtes Ziel verfolgen, motivieren und stärken. Sie kann die Gruppenmitglieder – wie beim oben beschriebenen Szeneprinzip (2.2.2) – binden. Jugendkulturen, die ihrem Dasein und ihren Zielen nicht über Musik Ausdruck verleihen, sind kaum denkbar. Schon immer gab es programmatische Musik, die verschiedene Jugendkulturen und Jugendgenerationen charakterisierte und subkulturelle Stile etablierte (Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland & Bundeszentrale für politische Bildung 2005; Baacke 1997; MüllerBachmann 2002). Eine politische Haltung einzunehmen, sollte in demokratisch verfassten Gesellschaften ein essentielles Sozialisationsziel sein. Allerdings ist festzustellen, dass es immer weniger als Diktat, sondern eher als Option von Jugendlichen verstanden wird, sich politisch zu informieren, zu engagieren und zu agieren. Bands wie etwa Die Ärzte versuchen, Jugendliche politisch und moralisch zu sensibilisieren und ihnen auch deutlich zu machen, dass sie mitverantwortlich für die Gesellschaft sind,16 in der sie leben. Doch nicht immer sind Songtexte so explizit formuliert, vielfach verbergen sich die Botschaften in Subtexten, im Slang und in Metaphern. Politik und Moral sind eng miteinander verknüpft und im Prinzip gibt es – folgt man Mead – ohnehin „keine geistige oder körperliche Phase des Handelns, keine Art von innerer Erfahrung und keine Vorstellung der äußeren Wirklichkeit, die nicht in ein moralisches Urteil eingebettet wäre.“ (Mead 1980: 360 zitiert nach Cook 1985: 137). Demzufolge würde es gar keiner Skandalsongs oder Skandalvideos wie etwa der von Madonna bedürfen, um ein moralisches Bewusstsein zu erlangen. Dennoch bin ich der Ansicht, dass bestimmte Formen von Provokationen erlaubt sind und manche Entwicklungsphase gar verkürzen können. So diskutiert man vermutlich nicht immer wieder aufs Neue, ob das Wort motherfucker politisch oder moralisch korrekt ist, ebenso wie man sich mit sexuell anzüglichen Posen, wie z. B. dem Griff in den Schritt des Sängers,17 moralisch arrangiert hat. Am Beispiel Madonna sieht man, wie mühsam es auch geworden ist, sich ständig etwas Neues einfallen lassen zu müssen, um aufzufallen, denn an die von ihr in Videoclips und auf der Bühne häufig verwendeten „Darstellungskonventionen der Pornografie“ (Curry 1999: 193) 16
In ihrem Song Deine Schuld (2003) lautet der Refrain: „Es ist nicht deine Schuld, dass die Welt ist, wie sie ist. Es wär’ nur deine Schuld, wenn sie so bleibt.“ 17 Erstmals von Michael Jackson in den 1980er Jahren vollzogen. Diese zum Moonwalk gehörende Pose wurde zu einem seiner bekanntesten Markenzeichen.
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sind bereits hinreichend thematisiert und reflektiert worden. Nichtsdestotrotz können ihrer und anderer zeitgenössischer Popmusik „dissidente Potenziale“ (Schmidt/Neumann-Braun 2003: 269) zugestanden werden.
2.2.4 Generationenbeziehung, Autonomie und Lebensstilpräferenz Über Madonna ist sehr viel geschrieben worden, weshalb sich hier immer wieder Beispiele und Verweise anbieten. Sie hat mit Texten und Videoclips provoziert und polarisiert. Sie hat manchen Mädchen Mut und manchen Jungen Angst gemacht (vgl. Fiske 1987). Sie hat die Gender-Debatte auf ihre Weise neu entfacht und – das ist verdienstvoll – bis heute lebendig gehalten. Wenn junge Menschen ihre Musik- und Starvorlieben als Mittel zur generationsspezifischen Distinktion einsetzen wollen, dann wird ihnen das vermutlich mit Madonna kaum gelingen. Um gegen die Erwachsenen zu rebellieren bzw. zu opponieren – was im Ablösungsprozess von den Eltern und im Hinblick auf das Autonomiebestreben ganz gesund sein kann –, bedarf es sicherlich anderer Musikstile, hilft die mainstream pop culture nicht weiter. Da die heutige Elterngeneration aber schon viele Stile und Starallüren kennengelernt hat, kann davon ausgegangen werden, dass sie sich auch bei neuen Angeboten entsprechend wenig schockiert zeigt. Empirische Untersuchungen dazu stehen allerdings noch aus. Zu beobachten ist jedoch, dass zwischen den Generationen derzeit ein größeres Einvernehmen besteht als in früheren Zeiten und es zum Beispiel nicht ungewöhnlich ist, gemeinsam ein bestimmtes Pop-Konzert zu besuchen oder zumindest das ältere Publikum dort zu dulden, was als ein neues, soziales Phänomen bezeichnet werden kann. Allgemein kann Musik wie andere mediale Angebote natürlich auch von Jugendlichen sehr unterschiedlich gelesen und interpretiert und damit auch verschieden genutzt werden. Es wurde in diesem Beitrag in aller Kürze beschrieben, wie in Songtexten und über die Interpreten Entwürfe von Körperidealen, Sexualität und Geschlecht, Moral und Politik verhandelt werden. An sich beinhalten Songtexte mithin all die Dinge, die Menschen bewegen, die ihnen widerfahren, die sie traurig oder glücklich stimmen. Und es gefällt eben – nicht nur situativ, sondern teilweise auch auf Dauer –, was den eigenen Gefühlen, Stimmungen, Wünschen, Sehnsüchten und Lebensmaximen besonders nahe kommt. Es wird diesen Bedürfnissen auf eine Weise Ausdruck verliehen, die emotional, kognitiv und assoziativ verstärkend und auch entlastend wirken kann. Über die Musikrezeption können – so das Postulat – Lebens-, Liebes- und Partnerschaftsentwürfe reflektiert, avisiert und verworfen werden. Manchmal kommt es einem gar so vor, als ob Musik die Antworten auf ganz persönliche Fragen parat hat, als ob die eigene Geschichte mit anderen Worten in einer anderen Sprache erzählt,
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vertont und aufgelöst wird. Wie und warum diese Mechanismen funktionieren, ist noch nicht sozialwissenschaftlich untersucht worden. Auch hier kann ein Forschungsbedarf reklamiert werden.
3
Musik im biografischen Kontext
In diesen hier vorgenommen Ausführungen ist implizit von einer musikalischen bzw. einer ästhetischen Sozialisation ausgegangen worden, die im Kontext von Entwicklung im Jugendalter die Ausbildung einer ästhetischen Identität zur Folge hat. Diese Identität bedarf nun noch genauer der Beweispflicht, aber sie kann in jedem Fall als biografische (vgl. Kaufmann 2005: 157 ff.) charakterisiert werden, denn ein jeder kann vermutlich retrospektiv über seine musikalischen Vorlieben und Erfahrungen erzählen. Nicht selten sind Musikvorlieben mit einschneidenden Lebens- und Liebesgeschichten – wie in der Erzählung High Fidelity von Nick Hornby – verknüpft und werden deshalb auch nicht vergessen. Es lässt sich beobachten, dass die im Jugendalter favorisierte Musik biografisch stilprägend zu sein scheint. In der Jugendzeit wird offensichtlich eine musikalische Marke gesetzt, von der dann im Laufe des Lebens nur wenig abgewichen wird. Das trifft weniger auf Musiker und Menschen zu, die sich von Berufswegen mit Musik beschäftigen, aber doch auf weite Teile der Bevölkerung, die sich dann ja auch aufgrund ihrer Musikpräferenzen in alltagsästhetischen Schemata und Milieus wiederfinden lassen (vgl. Schulze 1992).18 Wer einmal seine Stilrichtung gefunden hat, bleibt ihr auf lange Zeit verbunden. Es kommt neue Musik dazu, doch die alten Präferenzen werden nicht verworfen. Warum dem so ist, lässt sich – da es an entsprechenden Studien mangelt – nur vermuten: Musik fungiert in biografisch krisenhaften Prozessen – wie dem Jugendalter – sinn- und identitätsstiftend und bietet eine Art Lebenshilfe (vgl. Rösing 1992). Gefühle des ersten starken emotionalen involvements durch Musik werden nicht vergessen, und im ‚nüchternen’ Erwachsenenalter möchte man sich dieser Gefühle über die Musik bewusst oder auch unbewusst wieder besinnen. Im Verbund mit dem ersten Verliebtsein kommt der Musik sicherlich eine besondere Bedeutung zu, was in einem Song von Farin Urlaub19 zum Ausdruck kommt: „Und immer wenn wir traurig waren, und traurig waren wir ziemlich oft, nahm ich dich in meine Arme und dann hörten wir die Smiths. Manchmal auch The Cure oder New Order – aber größtenteils die Smiths.“
18 19
Auch wenn sich die „Erlebnisgesellschaft“ bislang nicht replizieren ließ. Sumisu aus dem Album Endlich Urlaub (2001).
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Zudem sind in der Jugendzeit die ersten Selbstpositionierungen in sozialen, kulturellen und vielleicht auch beruflichen Kontexten über Musik erfolgt, die erste biografische Zäsuren zur Folge hatten. Musikstücke und Musik-Genres erinnern einen mitunter an die im Jugendalter ‚gemeisterten’ Krisen und auch an ein Gefühl des anythings goes, denn hinreichend Freiheitsgrade sind im Jugendalter heute allgemein vorhanden, ebenso wie die Erlaubnis für Visionen und Träume von einer ‚anderen Wirklichkeit’, von den ganz großen Chancen und der ganz großen Liebe. Wer möchte nicht gerne für einen Augenblick in diesen Zustand des imaginären Glücks versetzt werden, und sei es vermittelt über Musik?
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Musiksozialisation als Forschungsthema
In diesem Beitrag ist in aller Kürze beschrieben worden, wie über Musik als Ganzes, über Songtexte und über Interpreten Entwürfe von Körperlichkeiten, Sexualität und Geschlecht, Moral und Politik verhandelt werden (können). Diese Verhandlungen sind Auseinandersetzungen, die über die unmittelbare Musikrezeption weit hinausgehen. Dies lässt sich beobachten und wird in Gesprächen, die ich in den vergangenen Monaten geführt habe, bestätigt. Selbst Menschen, die beruflich mit Musik zu tun haben, versichern, ihre musikalische Prägung im Jugendalter erhalten zu haben. In dieser Phase des Lebens werden ästhetische Erfahrungen gemacht, die identitätsstiftend sind. Warum dies geschieht und wie dieser Mechanismus funktioniert, ist sozialwissenschaftlich noch nicht untersucht worden. Auch die Biografieforschung hat sich diesem Thema bisher nicht hinreichend angenommen. Dietrich und Schubert (2002) erklären sich dieses Manko wie folgt: „Das Ästhetische, gar die populäre Musik, als wichtigen Teil, gar als Kernstück von Biografien zu begreifen, muss verwirren: Denn das Ästhetische ist flüchtig, untrennbar mit unserer Körperlichkeit verbunden, schwer zu beschreiben und einzuschätzen, enthemmend und überhaupt nicht nützlich. Und all dies passt offenbar nicht in das biografietheoretische Denken“ (Dietrich/Schubert 2002: 329). Es passt bedauerlicherweise ebenso wenig zu sozialisationstheoretischen Forschungsparadigmen. Das sollte sich ändern.
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Zur Sozialisation Jugendlicher mit Musik und Medien
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Filmmusik und Emotionen Dagmar Unz, Frank Schwab und Jelka Mönch
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Einleitung
Spiel mir das Lied vom Tod (Sergio Leone, 1968) – Was fällt uns ein, wenn wir diesen Filmtitel hören? Die Handlung? Oder klingt uns die MundharmonikaMelodie in den Ohren? Die meisten Menschen stimmen wohl spontan der Aussage zu, dass Musik einen wichtigen Beitrag zur emotionalen Wirkung eines Films liefert. Ein guter Film zeichnet sich durch das gelungene Zusammenspiel der schauspielerischen Darbietung, der Bildgestaltung mit filmischen Mitteln und der sorgfältig abgestimmten Tonereignisse aus. Aus verschiedenen Forschungstraditionen heraus werden der Filmmusik spezifische Funktionen und Wirkungen zugeschrieben, insbesondere wenn es um die Emotionalisierung der Rezipienten geht (vgl. z. B. Juslin/Slobada 2001; Vitouch 2001). Dennoch gibt es nur vergleichsweise wenige fundierte theoretische Überlegungen und empirische Studien zum Einfluss der Filmmusik auf die Induktion von Emotionen beim Rezipienten. Der vorliegende Beitrag nähert sich der Wirkung von Filmmusik aus einer (medien-) psychologischen Perspektive, fasst theoretische Überlegungen und den Forschungsstand zu diesem Thema zusammen und stellt eine Studie vor, die den Einfluss von Filmmusik auf das Rezeptionserleben fiktionaler Mediendarstellungen untersucht.
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Theoretischer Hintergrund: Emotionsinduktion durch Medien
Das Komponenten-Prozess-Modell: Eine theoretische Basis zur Untersuchung der emotionalen Vorgänge bei der Filmrezeption bietet das „Component Process Model“ von Scherer (z. B. 2001). Scherer hat das Modell zunächst für unmittelbar erlebte Situationen konzipiert, weist aber darauf hin, dass „eine nicht unerhebliche Zahl von Emotionserlebnissen auf die Darstellung von Ereignissen in den Medien zurück [geht].“ (Scherer 1998: 226; zur Anwendung des Modells im Kontext der Medienrezeption vgl. Früh/Fahr 2006; Mangold/Unz/WinterhoffSpurk 2001; Scherer 1998; Unz/Schwab/Winterhoff-Spurk 2002; Wirth/ Schramm/Böcking 2006).
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Um der dynamischen Natur von Emotionen gerecht zu werden, konzeptualisiert Scherer Emotionen als Prozess und weniger als einen Zustand (vgl. z. B. Scherer 2001). Das Component Process Model unterscheidet fünf funktional definierte Subsysteme einer emotionalen Reaktion: ein kognitives System (Appraisal), ein physiologisches System (Erregung), ein motorisches System (Ausdruck), ein motivationales System (Handlungsbereitschaften) sowie ein „Monitor-System“ (subjektives Erleben). Jede dieser Komponenten dient einer bestimmten Funktion bei der Entstehung einer Emotion. Das Modell nimmt einen „Component Patterning Process“ an, in dem das Individuum einen Reiz oder ein Ereignis auf der Basis einer Serie von Appraisal-Schritten, so genannten „StimulusEvaluation-Checks“, bewertet: Dies betrifft die Relevanz (im Einzelnen: Plötzlichkeit, Vertrautheit, Vorhersagbarkeit, intrinsische Angenehmheit, Relevanz für Bedürfnisse/Ziele), Implikationen/Bedeutung für Bedürfnisse/Ziele (im Einzelnen: Ursache, Wahrscheinlichkeit von Konsequenzen, Abweichung von Erwartungen, Zielförderlichkeit, Dringlichkeit), das Coping-Potenzial (im Einzelnen: Kontrollvermögen, Machtpotenzial, Anpassungsvermögen) und die normative Signifikanz (im Einzelnen: Vereinbarkeit mit Selbstbild und externalen Normen). Das Ergebnis der Bewertungen modifiziert den Zustand in den Subsystemen hin zur Anpassung an das Ereignis. Das Muster einer emotionalen Reaktion ist ein kumulatives Ergebnis dieser appraisal-getriebenen Zustandsmodifikationen und entsprechender Synchronisierung zwischen den Subsystemen. Prozesse der Emotionsinduktion durch Medien: Medienrezipienten können Emotionen erleben, wenn eine andere Person (zumeist eine Filmfigur), welche von einem für sie relevanten Ereignis betroffen ist, beobachtet wird – so genannte Kommotionen oder Mit-Emotionen (Scherer 1998; Scherer/Zentner 2001). Es lassen sich verschiedene Wege unterscheiden, wie Emotionen bei der Mediennutzung im Rezipienten entstehen können: durch (a) Appraisal, (b) Empathie oder (c) emotionale Ansteckung. Der „normale“ Fall medienvermittelter Emotionsinduktion erfolgt via (a) Appraisal: Ein Beobachter evaluiert das Ereignis, welches eine emotionale Reaktion einer Person (Beobachtungsobjekt) hervorruft, auf ähnliche Weise und mit ähnlichem Ergebnis wie die beobachtete Person. Anders verhält es sich mit dem Mechanismus der (b) Empathie: Hier muss der Beobachter das Ereignis, das die Emotion beim Beobachtungsobjekt verursacht, nicht selbst kennen. Vielmehr fühlt der Beobachter aufgrund von Identifikationsprozessen „mit“ der beobachteten Person. Emotionsinduktion kann auch durch (c) emotionale Ansteckung (auch motor mimicry genannt, Eisenberg/Strayer 1987) erfolgen: Durch die Beobachtung starker motorexpressiver Reaktionen kann eine ähnliche muskuläre Innervierung im Beobachter entstehen. Dieser Prozess steht im Zusammenhang mit den emotionalen Verstärkungsphänomenen, die propriozeptives Feedback (s. u.) in Probanden auslösen kann (faci-
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al feedback-Hypothese). Emotionalisierende Filmsequenzen sprechen meist alle drei Prozesse der Emotionsinduktion annähernd gleichzeitig an. Zusammenhang zwischen emotionalem Erleben und Präsenz- und Realitätserleben: Nach dem „law of apparent reality“ von Frijda (1988) wird die Intensität einer Emotion u. a. davon beeinflusst, wie real und ich-nah eine Person die emotionsinduzierenden Reize und Situationen erlebt: „Emotions are elicited by events appraised as real, and their intensity corresponds to the degree to which this is the case. What is taken to be real elicits emotions. What does not impress one as true and unavoidable elicits no emotion or a weaker one“ (Frijda 1988: 352). Eng verwandt mit solchen Überlegungen sind im Kontext der Medienrezeption die Konzepte der Tele-Präsenz, der Vividness, der Transportation oder des Involvements (vgl. dazu auch Appel/Koch/Schreier/Groeben 2002; Ortony/Clore/Collins 1988; Rothmund/Schreier/Groeben 2001a, 2001b; Schwab 2004). Mit dem appraisal-theoretischen Konzept des sense of reality ist es möglich, reales Erleben und Filmerleben zu verbinden. Diese globale AppraisalVariable beeinflusst die emotionale Intensität des Filmerlebens – der Rezipient eines Films wird demnach in dem Maße Emotionen erleben, wie die Medienpräsentation es vermag, psychologische Nähe zu induzieren. Emotionsinduktion durch Musik(-medien): Scherer und Zentner (2001) diskutieren emotionale Aspekte der Musikrezeption im Rahmen ihrer emotionspsychologischen Überlegungen. Sie versuchen „to provide a formalization of the processes whereby music produces emotional effects in the listener that go beyond the cognitive inference of what the music can be said to express.“ (Scherer/Zentner 2001: 361) Hierzu erstellen sie eine Liste von Input-Variablen, welche die Emotionen des Rezipienten als Output beeinflussen. Zu den InputVariablen zählen:
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strukturelle Merkmale der Musik: Hier werden nochmals (a) segmentelle Merkmale wie beispielsweise Töne, Intervalle, Akkorde und Parameter wie Dauer, Lautstärke und Tonhöhe von (b) suprasegmentellen Merkmalen wie z. B. Tempo, Melodie, Rhythmus, Harmonie und Dynamik unterschieden, Merkmale der Performance/Darbietung (stabile Merkmale wie z. B. physische Erscheinung, Ruf, spielerische Fähigkeiten sowie Merkmale des Darbietungszustandes wie z. B. Konzentration, Stimmung, Bühnenpräsenz), Merkmale des Hörers (musikalische Expertise, stabile Dispositionen und transiente Hörerzustände wie Konzentration, Stimmung, Motivation) und kontextuelle Merkmale (Ort (z. B. Kirche, Wohnzimmer, Stadion), Anlass (z. B. Party, Kaufhaus, Konzert) und Medium (z. B. Kopfhörer, live)).1
Bei Scherer, Zentner und Schacht (2002) wird das Merkmal Kontext in die drei anderen Merkmale integriert.
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Zur Produktion von emotionalen Effekten durch Musik werden zwei unterschiedliche Routen, eine zentrale und eine periphere Route, unterschieden:
Die zentrale Route steht in direktem Zusammenhang mit dem Zentralen Nervensystem: „This appraisal process may occur in a rudimentary, automatic fashion at lower levels of the CNS (mostly the limbic system), especially for evolutionarily ‚prepared‘ stimuli, or in a more elaborated and more effortful process involving the cortical association regions of the CNS as well as the lower centres...“ (Scherer/Zentner 2001: 366). Empirische Befunde sprechen dafür, dass Musik starke Effekte zu den Bewertungsschritten Neuartigkeit/Plötzlichkeit und insbesondere Angenehmheit generieren kann (vgl. Zentner/Kagan 1996, 1998). Höhere Appraisal-Schritte sind in folgenden Beispielen involviert: Konzert-Setting mit zu hoher Lautstärke oder unerwartet schlechter Musik, Erwartungsverletzungen der melodischen Kontinuität (z. B. Zentner/Kagan 1996, 1998) oder Spannungsverläufe (z. B. Krumhansl 1997). Die Idee einer Emotionsgenerierung über eine periphere Route ist konsistent mit Theorien zum propriozeptiven Feedback, nach denen subjektives Erleben von Emotionen durch motorischen Ausdruck intensiviert bzw. produziert werden kann (z. B. durch Rhythmus oder tiefe Frequenzen). „Movie-goers often report that, while watching a moving film, when the music started they could no longer hold back their tears. This effect may be partly due to similar contagion effects …: when a pre-existing tendency toward specific motor expressions and physiological reactions is reinforced by external stimulation, it may be much harder to keep affect under control“ (Scherer/Zentner 2001: 372). Die periphere Route könnte für bestimmte strukturelle Merkmale der Musik (Wiegenlieder, Marschmusik, Trommelmusik etc.) und kontextuelle Merkmale (Disco, Tanzball, Karneval etc.) relevant sein.
Fazit: Das Komponenten-Prozess-Modell beschreibt die Genese von Emotionen als einen Prozess der Synchronisierung verschiedener Komponenten einer Emotion. Kognitiven Bewertungen kommt in diesem Prozess eine steuernde Funktion zu. Medien können durch Kommotionen (via Appraisal, Empathie oder emotionale Ansteckung) Emotionen beim Rezipienten erzeugen. Besonders bei den appraisal-vermittelten Prozessen der Emotionsinduktion durch Medien sollten Präsenzerleben und Involvement bzw. das Realitätserleben einen wichtigen Einfluss auf die erfahrbaren Emotionen haben.
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Musik(-medien) können ebenfalls starke Emotionen im Zuhörer auslösen bzw. verstärken. Strukturelle Merkmale der Musik, Aspekte der Darbietung sowie Zuhörer- und Kontextmerkmale beeinflussen die Emotionsgenese. Es lassen sich eine zentrale und eine periphere Route der Musikverarbeitung unterscheiden. Über eine periphere Route sind besonders im Kino-Setting Effekte filmmusikalischer Parameter zu erwarten (beispielsweise Rhythmen oder tiefe Frequenzen) (vgl. Ergebnisse von Thayer/Levenson 1983). Nachdem wir nun die emotionale Wirkung von einerseits Filmmedien und andererseits Musikmedien skizziert haben, wird im Folgenden die emotionalisierende Wirkung von Filmmusik diskutiert.
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Wirkung von Filmmusik: Forschungsstand
Funktionen der Filmmusik: Bullerjahn (2001), die einen umfassenden Überblick zu theoretischen Entwicklungen und zum Forschungsstand der Wirkungsforschung im Bereich Filmmusik gibt, differenziert verschiedene Funktionen von Filmmusik. Während sich die so genannten Metafunktionen auf die audiovisuelle Rezeptionsform als solche beziehen – wie a) die Neutralisierung bzw. Maskierung akustischer Störfaktoren (z. B. der Projektoren oder Unruhe im Publikum) oder b) die allgemeine Erhöhung des Aktivationsniveaus – oder auch in Bezug auf ökonomische Interessen im Bereich der umfassenden Vermarktung von musikalischen Produkten zu suchen sind, beziehen sich Funktionen im engeren Sinne immer auf einen konkreten Film. Bei den Letzteren werden dramaturgische, epische, strukturelle und persuasive Funktionen unterschieden:
Dramaturgische Funktionen übernimmt Filmmusik im Hinblick auf die unmittelbare, gegenwärtige dramatische Handlung eines Filmes. Stimmungen sollen abgebildet bzw. der Ausdruck der jeweils wechselnden Szenen soll verstärkt werden. Die Musik dient der Verdeutlichung seelischer Vorgänge und der Symbolisierung von Empfindungen und Leidenschaften. Als epische oder auch narrative Funktionen werden die Aufgaben bezeichnet, die eine Filmmusik für die Narration der Filmfabel übernimmt. Hier kann Filmmusik die Erzählzeit oder das Erzähltempo manipulieren. Die Interpretation der Narration wird durch die Filmmusik erleichtert, es werden leicht fassbare Informationen zu historischen, geografischen und gesellschaftlichen Aspekten der Filmerzählung zur Verfügung gestellt. Der Filmmusik ist dies möglich durch die Anregung spezifischer Assoziationen mittels Musikgenre und -stil.
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Strukturelle Funktionen erfüllt die Filmmusik hinsichtlich der Verdeckung oder Betonung von Schnitten sowie Akzentuierungen von Einzeleinstellungen und Bewegungen. Persuasive Funktionen beziehen sich besonders auf emotionale Wirkungen der Filmmusik. Sie beziehen sich darauf, dass Musik nicht nur Emotionen abbilden, sondern sogar beim Rezipienten generieren kann. Filmmusik kann in diesem Zusammenhang Distanz zum Geschehen vermindern, die Wahrnehmung der Bilder affektiv aufladen. Sie verleiht dem filmischen Blick eine zusätzliche „Dimension der Tiefe“. Durch große Lautstärke und tiefe Frequenzen soll der Zuschauer physisch überwältigt werden. Zudem kann die Aufmerksamkeit des Rezipienten auf bestimmte Personen, Gegenstände oder Ereignisse des Films gelenkt werden.
Wirkungen von Filmmusik sind nach Bullerjahn (2001: 125 f.) „... das Ergebnis des Zusammenwirkens von Eigenschaften der Filmmusik und ihren Relationen zu anderen Filmelementen sowie den Erwartungen und Bedürfnissen des Filmrezipienten“. Relevante Variablen auf der Ebene der Filmmusik sind Ausdruck, Parameter, kollative Eigenschaften, Komposition/Produktion, assoziativer Gehalt, Relation zum Bild sowie Relation zur Sprache. Auf Rezipientenebene sind Variablen wie Persönlichkeit, Erfahrung, Vorurteile und Einstellungen von Bedeutung. Die Wirkungsebene vereinigt die Variablen Bannung und Vereinnahmung, strukturelle Wahrnehmung, emotionale Einfühlung, Aneignung von Wissen und Informationsspeicherung, kognitive Schema-Anwendung, Urteils- und Meinungsbildung, Konditionierung und Motivation von Verhalten. Betrachtet man speziell Studien zu Wirkungen von Filmmusik, dann weisen die Ergebnisse auf eine emotionale Wirkung hin, wenn auch widersprüchliche Ergebnisse bezüglich der Debatte um die Bild-Ton-Dominanz auszumachen sind. Ein überwiegender Teil der Beiträge arbeitet mit Fragebogen und semantischen Differentialen, selten werden auch physiologische Messmethoden (Thayer/Levenson 1983) angewandt. Insgesamt findet man folgende Effekte:
Polarisierung: Musik eines Affektgenres rückt die emotionale Wahrnehmung eines neutralen Filmausschnitts in die emotionale Richtung der Filmmusik (Vinovich 1975). Additiver Effekt: Eine paraphrasierende Bild-Musik-Relation verstärkt den Effekt der Musik sowohl im Filmkontext (Berg/Infante 1976; Bolivar et al. 1994; Holicki/Brosius 1988) als auch im Bildkontext (Parrott 1982; Stratton/Zalanowski 1989; Zimmerschied 1972). Dominanz der Musik über das Bild: Die wahrgenommene Stimmung des Films wird durch die Musik stärker beeinflusst als durch das Verhalten der
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Protagonisten (Bullerjahn/Braun/Güldenring 1994; Holicki/Brosius 1988). Hier finden sich allerdings auch kontroverse Ergebnisse, die auf die Dominanz des Bildes hinweisen (Gerrero 1969). Stärkere Valenz negativer Emotionen: Aggressiver Filminhalt kann durch freundliche Musik weniger abgeschwächt werden als freundlicher Filminhalt durch aggressive Musik (Berg/Infante 1976; Bolivar et al. 1994; Cohen 1993; Holicki/Brosius 1988).
Juslin und Laukka (2003) untersuchen in einer Metastudie den Zusammenhang zwischen der Kommunikation von Emotionen bei vokalem und musikalischem Ausdruck. Die Studie zeigt:
Basisemotionen werden äußerst präzise durch vokalen und musikalischen Ausdruck kommuniziert. Zumindest trifft dies auf weite Emotionskategorien wie die Basisemotionen zu (z. B. Ärger, Traurigkeit, Freude, Furcht). Die Dekodiergenauigkeit einzelner Emotionen zeigt ähnliche Muster für beide Kanäle. Ärger und Traurigkeit werden musikalisch allgemein besser kommuniziert als Furcht oder Freude. Basisemotionen werden hinsichtlich der akustischen Parameter Tempo, Lautstärke, Klangfarbe und Tonhöhe präzise interkulturell kommuniziert (wenngleich die intrakulturelle Präzision stärker ausgeprägt ist). Die Dekodierfähigkeit von Basisemotionen in vokalem wie musikalischem Ausdruck entwickelt sich wohl zumindest in früher, vielleicht sogar frühester Kindheit. Der musikalische Ausdruck scheint sich der gleichen emotionsspezifischen Muster akustischer Cues zu bedienen wie der vokale Ausdruck. Emotionsspezifische Muster akustischer Cues sind größtenteils konsistent mit Scherers Vorhersagen (Scherer 1986), welche eine Übereinstimmung zwischen emotionsspezifischen, physiologischen Veränderungen und Stimmproduktion vermuten.
Auf der Basis solcher Überlegungen werden im Zusammenhang mit emotionalen Wirkungen von Filmmusik auch Wirkungen im Hinblick auf Bannung und Vereinnahmung des Rezipienten durch Filmmusik und damit Wirkungen im Hinblick auf das Realitätserleben diskutiert (vgl. Gorbman 1987). Bannung und Vereinnahmung des Rezipienten durch Filmmusik ist nach de la Motte-Haber und Emons (1980: 190) durch „... den Abbau von Realitätsbezügen vermittelnden Prozesse[n]“ möglich. Einerseits wahrt Musik den realen Raum, und andererseits setzt sie als stark gefühlsauslösendes Medium die Selbststeuerung herab. Die Distanz zum Geschehen kann gemindert werden durch ein Treten der reflek-
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torisch-kognitiven Prozesse in den Hintergrund. „Der durch die akustischen Ereignisse geschaffene Raum ist künstlich... Er ist jedoch nicht nur Repräsentation, sondern unmittelbar sinnlich gegeben und trägt damit wesentlich zum Einbezug des Zuschauers bei“ (Motte-Haber/Emons 1980: 58). Möglicherweise ist durch diese sinnliche Unmittelbarkeit das Ausmaß an Identifikation mit dem gezeigten Geschehen erhöht. Untersuchungen zur Wirkung von Filmmusik auf Aufmerksamkeitsprozesse weisen darauf hin, dass die Musik eine bannende/absorbierende Wirkung auf den Rezipienten ausüben kann (Brosius 1990; Wakshlag/Reitz/Zillmann 1982). Fazit: Im Kontext (film-)musikvermittelter Emotion wird der musikalische Ausdruck eines Musikstücks rezipiert und vom Zuschauer decodiert. Über spezifische Konstellationen musikalischer Parameter können der musikalische Ausdruck und somit Emotionen kommuniziert werden (vgl. Juslin/Laukka 2003). Musikalische Parameter sind in der Lage, das Präsenzerleben und empathische Prozesse zu intensivieren, indem kohärente Informationen einfließen (die Angst eines Protagonisten kann durch entsprechende Gestaltung der Filmmusik verdeutlicht und so eine Kommotion erleichtert bzw. intensiviert werden).
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Ableitung von Forschungsannahmen
Die vorliegende Studie untersucht den Einfluss von Filmmusik auf das Rezeptionserleben fiktionaler Mediendarstellungen. Hierbei interessiert besonders, welchen Einfluss die An- bzw. Abwesenheit von Filmmusik, die Art der Filmmusik und verschiedene musikalische Parameter auf das emotionale Erleben (im Speziellen: Kognitives Appraisal und subjektives Empfinden) sowie die RealitätsFiktions-Unterscheidung ausüben. Bezüglich der Wirkung von Filmmusik können auf der Basis der Befunde von Juslin und Laukka (2003) emotionale Effekte speziell der musikalischen Parameter Tempo, Lautstärke, Klangfarbe und Tonhöhe vermutet werden. Speziell die Lautstärke ist nach Juslin und Laukka einer der einflussreichsten musikalischen Parameter hinsichtlich der Kommunikation von Emotionen. Folgt man Cohens (2001) Kongruenz-Assoziations-Modell, nach dem die auditive Komponente der visuellen Komponente untergeordnet ist („visual primacy“), müsste vermutlich eine „laute, aber noch als angenehm empfundene“ Musik im Filmkontext gegenüber einer „leiseren“ eine intensivere emotionale Wirkung generieren, ohne den Fokus der Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Besonders die von Scherer und Zentner (2001) postulierte periphere Route der Emotionsgenerierung durch Musik wird durch eine hohe Lautstärke begünstigt.
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Bezüglich der Tonhöhe werden zu den Befunden von Juslin und Laukka (2003) konforme Wirkungen erwartet. Eine Verminderung der Tonhöhe müsste demnach zu einer Intensivierung von Traurigkeit oder Verzweiflung führen. Die Gestaltung der gesamten auditiven Ebene (Musik, Geräusche, Sprache etc.) trägt vermutlich zum Erleben von Realitätsnähe bei. So kann paraphrasierende Musik das Empfinden räumlicher Nähe, das Spannungserleben und die emotionale Beteiligung begünstigen. Speziell das Spannungserleben und die emotionale Beteiligung sollten zudem durch die Variation der musikalischen Parameter Lautstärke und Tonhöhe beeinflusst werden. Zudem kann angenommen werden, dass paraphrasierend eingesetzte Filmmusik die Emotionswahrnehmung des Rezipienten und so die Emotionsgenerierung durch empathische Prozesse verstärken kann. Die musikalischen Parameter Lautstärke und Tonhöhe können je nach Ausprägung und Konstellation in Verbund mit den restlichen Parametern nach Juslin und Laukka (2003) eine spezifische Emotion abbilden. Im Kontext der Emotionsinduktion durch Filmmusik könnten diese spezifisch zum emotionalen Gehalt des Filmbildes abgestimmten musikalischen Parameter Identifikationsprozesse begünstigen.
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Methode
Versuchsplan: In einem unvollständig gekreuzten Versuchsplan mit neun Versuchsbedingungen wurden die unabhängigen Variablen Art der Musik (keine Musik, „traurige“ bzw. „weniger traurige“ Musik), Tonhöhe (originale bzw. um zwei Ganztöne verminderte Musik) und relative Lautstärke (Unterschied von 11 dB(A) der Musik im Verhältnis zu den restlichen Tonereignissen, dies entspricht circa einer Verdoppelung der Lautstärke) variiert. Als abhängige Variablen wurden die Dimensionen der Realitäts-Fiktions-Unterscheidungen (Rothmund/Schreier/Groeben 2001b) (im Einzelnen: räumliches Dabeisein, Spannungserleben, emotionales Involvement und Identifikation), kognitive AppraisalProzesse (modifizierte Version des GAF, Geneva Emotion Research Group 2002) und subjektives Erleben (M-DAS, Renaud/Unz 2006) erfasst. Versuchspersonen waren 81 Studierende der Universität des Saarlandes. Stimulusmaterial: Da Ärger und Traurigkeit nach Ergebnissen einer Metastudie (Juslin/Laukka 2003) allgemein besser kommuniziert werden als Furcht, Freude und Liebe, wurde für die vorliegende Arbeit auf die Generierung der Emotion Traurigkeit fokussiert. Das Bildmaterial (Beerdigungsszene aus dem Film Braveheart; Mel Gibson, 1995; Musik: James Horner) behandelt ein emotionales Thema (Tod naher Verwandter; Beerdigung) und führt schnell, leicht verständlich und intensiv in die Filmerzählung ein. Die Filmsequenz von insge-
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samt 11:20:96 Minuten Dauer wurde bezüglich der Tonereignisse während der letzten 03:57:96 Minuten manipuliert. Die Filmsequenz bis zu dieser veränderten Szene wurde bis auf die Entfernung des Vorspanns nicht variiert. Die Austauschmusiksequenz (aus der Originalmusik des Soundtracks) wurde aufgrund der Ergebnisse einer Voruntersuchung ausgewählt; die Musik sollte Trauer kommunizieren und als zur Szene passend empfunden werden.
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Ergebnisse
Die inferenzstatistischen Analysen2 ergeben folgende Ergebnisse:
Der musikalische Parameter Tonhöhe beeinflusst das emotionale Erleben. Bei einer verminderten Tonhöhe empfinden die Probanden mehr Verzweiflung und Zuneigung. Darüber hinaus zeigen sich Interaktionseffekte: Versuchspersonen unter der Bedingung „Musik traurig“, „Lautstärke laut“ und „Tonhöhe vermindert“ empfinden mehr Ergriffenheit als Versuchspersonen unter der Bedingung ohne Musik-Hinterlegung. Es zeigen sich hingegen keine Einflüsse der unabhängigen Variablen auf das kognitive Appraisal. Der Parameter relative Lautstärke der Musik (gegenüber den sonstigen Tonereignissen) übt keinen Einfluss auf das emotionale Erleben aus.
Filmmusik beeinflusst Komponenten der Realitäts-Fiktions-Unterscheidung:
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Versuchspersonen unter der Bedingung „Musik“ identifizieren sich stärker mit dem Protagonisten als Versuchspersonen unter der Bedingung „keine Musik“. Die erlebte Ähnlichkeit als eine Subskala der Identifikation ist hauptsächlich für diesen Einfluss verantwortlich. Es finden sich keine Effekte der Anwesenheit von Musik auf die anderen Dimensionen der RFU. Für die Dimension Spannung zeigt sich entgegen der Erwartung, dass die „originale“ Tonhöhe mehr Spannung beim Rezipienten induziert als die „verminderte“ Tonhöhe.
Unterschiedshypothesen wurden mittels ein- bzw. mehrfaktorieller Varianzanalysen auf einem Signifikanzniveau von Į = .05 geprüft. Waren die Voraussetzungen für die Durchführung von Varianzanalysen verletzt, so wurde der Welch-Text zum Test auf Gleichheit der Gruppenmittelwerte bzw. der Brown-Forsythe-Test (beim Vergleich von mehr als zwei Mittelwerten) durchgeführt (vgl. Mönch 2005).
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Effekte der Lautstärke und Interaktionseffekte zeigen sich auf keiner Dimension der Realitäts-Fiktions-Unterscheidung.
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Diskussion
Betrachtet man die Ergebnisse der vorliegenden Studie, sprechen diese für eine Beeinflussung des Rezeptionserlebens fiktionaler Mediendarstellungen durch Filmmusik – wenn auch nicht alle Ergebnisse erwartungsgemäß ausfallen. Die Anwesenheit von Filmmusik scheint das Auftreten identifikatorischer Prozesse zu begünstigen. Die empfundene Ähnlichkeit zum Protagonisten wird durch paraphrasierende Filmmusik unterstützt. Dieser Befund spricht für die Erfüllung einer persuasiven Funktion von Filmmusik (Bullerjahn 2001), nach der Filmmusik die Distanz zum Geschehen vermindert – zumindest was die Ähnlichkeit versus Distanz zum Protagonisten betrifft. Naheliegend ist, dass mittels dieses musikinduzierten Ähnlichkeitsempfindens empathische Prozesse im Kontext fiktionaler Mediendarstellungen beeinflusst werden. Dagegen könnte das Gefühl räumlichen Dabeiseins weniger der Filmmusik – denn hier widersprechen die Ergebnisse den Erwartungen –, sondern eher der Gestaltung von Geräuschen und Atmos, der Klangqualität und dem Lautsprechersystem zuzuschreiben sein. Im Hinblick auf das emotionale Erleben wurde vermutet, dass Musik aufgrund eines „additiven Effekts“ und der „stärkeren Valenz negativer Emotionen“ (Bolivar et al. 1994; Berg/Infante 1976; Cohen 1993; Holicki/Brosius 1988), paraphrasierende Musik (Pauli 1976; Schneider 1990) im Gegensatz zur Abwesenheit von Musik zu einem intensiveren emotionalen Filmerleben führt. Insbesondere das emotionale Erleben von Traurigkeit, Verzweiflung, Ergriffenheit und Zuneigung sollte unter dieser Musikbedingung verstärkt werden. Auch für die Art der Musik („traurig“ versus „weniger traurig“) wurde ein Intensitätsunterschied im emotionalen Erleben vermutet. Beide Musikvarianten sind als paraphrasierend zu bezeichnen (im Sinne Pauli 1976). Auf der von Schneider (1990) postulierten Dimension der „größtmöglichen Abhängigkeit der Musik vom Bild“ versus der „größtmöglichen Selbständigkeit der Musik vom Bild“ wäre die „traurige“ Musik näher an der größtmöglichen Abhängigkeit zu verorten als die „weniger traurige Musik“. Gemäß den Ergebnissen von Juslin und Laukka (2003) sollte zudem die Kommunikation der Emotion Traurigkeit durch die musikalischen Parameter Lautstärke und Tonhöhe begünstigt werden. Besonders „leise“ und in der Tonhöhe „verminderte“ Musik soll nach Juslin und Laukka (2003) Traurigkeit ausdrücken bzw. möglicherweise auch generieren. Im Kontext der Filmrezeption haben wir jedoch angenommen, dass die Lautstärke der Musik generell Emotio-
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nen intensiviert. Übertragen auf den Medienkontext wurde erwartet, dass „lautere“ Musik und in der Tonhöhe „verminderte“ Musik zu einem intensiveren Erleben der Emotionen Traurigkeit, Verzweiflung, Ergriffenheit und Zuneigung führt. Es zeigt sich: Der musikalische Parameter Tonhöhe beeinflusst das subjektive Empfinden im vorliegenden Fall: die Intensität des emotionalen Erlebens von Verzweiflung und Zuneigung. Dagegen finden wir keinen Effekt des musikalischen Parameters relative Lautstärke. Schließlich finden sich entgegen den Erwartungen keine Unterschiede in den Appraisal-Mustern zwischen den Versuchsbedingungen. Die Anwesenheit der Musik, die Art der Musik sowie die Parameter Tonhöhe und Lautstärke haben demnach keinen Einfluss für das kognitive Appraisal. Vermutlich werden musikvermittelte Emotionen im Kontext fiktionaler Mediendarstellungen eher über eine periphere Route (Scherer/Zentner 2001) generiert.
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Desiderata
Filmische Gestaltungsmittel inszenieren Erzählungen. Die Techniken dieser Inszenierungen setzen dabei vermutlich an den mentalen Verarbeitungsmechanismen der Rezipienten an (Ohler 1994; Schwan 2001). Beim Continuity Editing des klassischen Hollywood-Kinos wird die Arbeit des Filmschnitts quasi unsichtbar, da der Schnitt entlang der natürlichen Sequenzierung der kognitiven und affektiven Prozesse geführt wird. Der Filmschnitt unterstützt die Verarbeitung des Films, indem er das Regelwerk des mentalen Prozessierens übernimmt. Wahrscheinlich setzt in ähnlicher Weise paraphrasierend eingesetzte Filmmusik an peripheren Wegen unserer emotionalen Verarbeitung an und übernimmt so eine Art emotionaler „Verführungs“-Funktion. Allerdings stehen Untersuchungen zu den zugrunde liegenden Mechanismen dieser „Verführungs“-Funktion noch weitgehend aus. Weiterführende Studien könnten z. B. den Einfluss weiterer musikalischer Parameter, wie z. B. Tempo oder Dynamik, oder den Einsatz kontrapunktierter Musik auf das emotionale Erleben analysieren. Offen ist bislang auch die Frage, wie Filmmusik empathische Prozesse beeinflusst, oder welchen (moderierenden) Einfluss Prädispositionen, wie Persönlichkeitsvariablen, oder auch musikalische Vorerfahrungen oder Rezeptionserfahrungen auf das Rezeptionserleben haben. Musik lädt zum emotionalen Erleben ein. Aber auch die Abwesenheit von Musik, oder nur vergleichsweise wenig Töne können Emotionen generieren. Denken wir doch nur noch einmal an Ennio Morriocones Mundharmonika…
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Literatur
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Filmmusik und Emotionen
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Visualisierung von Musik Christoph Hempel
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Visualisierung von Musik unter Zeichen medialer Musikvermittlung
Die Musikgeschichte ist reich an Versuchen, dem Hörerlebnis synästhetische Komplemente zur Seite zu stellen: Indem Musik „sichtbar“, „fühlbar“ oder „greifbar“ wird, erweitert sich der Horizont für den Hörer in Richtung eines ganzheitlichen Musikerlebnisses – mit Konsequenzen für Musikästhetik, Musizierpraxis, Musikpädagogik, ja für die gesamte Stilentwicklung. Assoziiert man „Visualisierung“ traditionell mit der Notenschrift, mit der Kunst des Dirigierens oder auch mit Skriabins Farbenklavier, so wachsen die Möglichkeiten synästhetischer Kombination im Zeitalter von Multimedia explosionsartig. Der Beitrag wirft einige Schlaglichter auf traditionelle und moderne Möglichkeiten der Visualisierung von Musik.
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Notenschrift – eindeutige Visualisierung von Musik?
Beim Stichwort Visualisierung von Musik denkt man intuitiv an die (nach den Neumen) älteste und meistgebrauchte Form der Visualisierung von Musik: die Notenschrift. Sie hat rund 1000 Jahre gute Dienste bei der visuellen Abbildung von Musik geleistet. Wer aber glaubt, diese verfüge über ein Zeichensystem und eine Syntax, die Musik originalgetreu und „eins zu eins“ abbildet, sieht sich getäuscht. In vielen Bereichen ist die Notenschrift wenig sinnfällig und alles andere als eine originalgetreue Abbildung von Musik. Das allerdings wäre, wie ich noch zeigen werde, gar nicht immer sinnvoll. Einige Beispiele sollen die Unvollkommenheit der Notenabbildung verdeutlichen: Abbildung 1: Die gleiche Melodie in Ganzen, Halben und Viertelnoten, also mit einer Beschleunigung 1:2:4
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Christoph Hempel
Zum Beispiel die Folge von Notenwerten (Ganze, Halbe, Viertel) in Abbildung 1, deren grafischer Anordnung man nicht ansieht, dass sie beschleunigen: Die Abstände sind gleich, und man muss schon die Unterschiede in der Schreibweise von Viertel- und Halben Noten kennen, um die rhythmische Gestalt richtig zu identifizieren. Das nächste Beispiel (Abb. 2) zeigt, wie irreführend eine grafisch eindrucksvolle Visualisierung von Musik, nämlich eine Orchesterpartitur, sein kann. Abbildung 2: Richard Wagner: Ouvertüre zur Oper „Tannhäuser“ (Ausschnitt mit „Pilgerthema“)
Visualisierung von Musik
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Ein populäres Stück, auch wenn es auf den ersten Blick fremdartig anmutet. Der Ausschnitt aus der Ouvertüre zu Wagners Oper „Tannhäuser“ suggeriert große Aktivität in den Violinen und ruhige Liegetöne in allen anderen Stimmen. Der Klangeindruck ist aber ein ganz anderer: Die Blechbläser intonieren mit großer Geste das populäre Pilgerthema, während die Streicher als flirrende Begleitfigur kaum hörbar über dem Ganzen „schweben“. In den Trompeten- und Posaunenstimmen (Systembezeichnungen „Trp.“ und „Pos.“) ist das Thema mit der charakteristischen Triole zu erkennen. Das dritte Beispiel (Abb. 3) ist noch populärer: Ich habe zu den ersten zwei Takten von „Hänschen klein“ einen vierstimmigen Satz in einer ansprechenden Harmonisierung geschrieben. In einer zweiten Fassung habe ich dann geringe Veränderungen vorgenommen, visuelle Nuancen, für Laien kaum als Unterschiede erkennbar: Dennoch zerstören sie das tonale Klangbild der Musik, wie ein Tropfen Säure ein ganzes Glas Wein ungenießbar macht. Abbildung 3: Der Anfang von „Hänschen klein“ in einer vierstimmigen Harmonisierung, danach mit einigen chromatisch veränderten Tönen
Das vierte Beispiel (Abb. 4) zur Notenschrift zeigt, dass eine wirklich exakte Visualisierung einer Musikwiedergabe mittels Notation bisweilen recht unzweckmäßig sein kann. Ich habe wieder ein populäres Beispiel gewählt, das jeder kennen dürfte: den „Fröhlichen Landmann“ aus dem „Album für die Jugend“ von Schumann. Ich habe es in einem Programm zur Musikaufzeichnung mittels Klaviatur, einem sogenanntes MIDI-Sequencer-Programm mit Notendarstellung, eingespielt und
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Christoph Hempel
erwarte nun ein einigermaßen zufriedenstellendes Noten-Abbild meines Spiels. Das Ergebnis sieht jedoch ganz anders aus als erwartet: Abbildung 4: Robert Schumann „Der fröhliche Landmann“ aus dem „Album für die Jugend“ op. 68, in einer unquantisierten Notendarstellung des Sequencer-/Notations-Programms „Cubase“ (Steinberg)
Hier zum Vergleich die Notation, wie wir sie in jeder Schumann-Ausgabe gedruckt vorfinden (mit einiger Mühe findet man deren Noten auch in der Darstellung des Sequencer-Programms wieder):
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Abbildung 5: Robert Schumanns „Der fröhliche Landmann“ in einer Darstellungsquantisierung mit dem Richtwert der Achtelnote
Der Grund für das bizarre Ergebnis, das uns das Notationsprogramm liefert, ist die Tatsache, dass die Entwicklung der Notenschrift die Entwicklung der Musik ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr mitgemacht hat. An die Stelle exakter Abbildung ist das getreten, was man Stilkenntnis oder Tradition der Interpretation nennen könnte. Geringfügige Dehnungen, durch artikuliertes Spiel leicht verkürzte Notenlängen etc., also alles, was das „musikalische“ Spiel von einem maschinenmäßigen „Herunterspielen“ unterscheidet, versucht das Notationsprogramm möglichst genau mit den Mitteln der konventionellen Notation darzustellen, wobei theoretisch die zeitliche Auflösung einer Viertelnote in über 1500 Unterteilungen möglich ist! Professionelle Notationsprogramme erlauben, die Feinheit der Darstellung zu beschränken, so dass nur die Noten- und Pausenwerte, die im Stück auch tatsächlich vorkommen, in den Noten dargestellt werden. Dieses Verfahren der Rundung nennt man „Quantisieren“. Das zweite Schumann-Notenbeispiel ist das Resultat einer solchen Darstellungs-Quantisierung. Ganz unsinnig ist diese erste, „objektive“ Visualisierung Schumanns mit Computerhilfe nicht, denn sie kann uns helfen, die Feinheiten in professionellen Interpretation zu finden und zu vergleichen („Um wieviel dehnt Pianist x diesen Auftakt, wie gestaltet Pianist y sein unnachahmliches Ritardando...?“). Allerdings würde man hier nicht die Notendarstellung, sondern den Key Editor heranziehen (siehe hierzu Abb. 10).
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Didaktische Aspekte der Visualisierung
Das zweite, was uns beim Stichwort „Visualisierung“ einfällt, sind die musikdidaktischen Aspekte: Die musikalische Analyse bemüht verwandte Darstellungsformen als Hilfe zur Darstellung und Erklärung der Dimensionen eines Kunstwerks. Als weithin bekannt gilt die Darstellungsmethode einfacher Liedformen mit Grafikelementen und Buchstaben (Abb. 6). Abbildung 6: Formale Darstellung einer „Dreiteiligen Liedform“ (Da-capoForm) mit Hilfe von Buchstaben und Farben
Solche Arten formalisierter Musikdarstellung gibt es nicht erst seit der Multimedia-Ära. Aber durch multimediale Darstellungsmittel, d. h. die gleichzeitige Handhabbarkeit und Präsentierbarkeit von Bild, Ton, Film, Sprache, Musik, Animation und Interaktivität in einer Dateneinheit, sind die Möglichkeiten der Visualisierung von Musik unter didaktischen Gesichtspunkten außerordentlich angewachsen. Den Grenzen des Mediums „Buch“ ist geschuldet, dass aus einigen Beispielen multimedial gestalteter Lernsequenzen in dieser Dokumentation nur eine Einzeldarstellung gezeigt wird. Der Benutzer dieser Lernsequenz (Abb. 7) kann Rhythmusmodelle aus dem oberen oder unteren Balken unabhängig voneinander in das mittig stehende Notensystem ziehen und das „komponierte“ Musikstück auch in unvollständigem Zustand abspielen lassen. Die eingesetzten Rhythmusmodelle können beliebig ausgetauscht werden.
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Abbildung 7: Bildschirmdarstellung einer Flash-Animation aus der CD-ROM „Grundlagen Musiktheorie“ des Autors
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Grenzgänge – Grafische Notation
Ich mache einen Sprung von der traditionellen Musiklehre in die Musik und Musikpädagogik der 70er Jahre. Es gab in der zeitgenössischen Musik dieser Jahre (und im Gefolge der aktuellen Musikdidaktik) eine Tendenz, musikalische Verläufe auf so genannte „Parameter“ zu reduzieren und den Musikbegriff auf elementare Bereiche der Akustik zu erweitern: Die relevanten Begriffe hießen jetzt nicht mehr: „Tonika, Dur, Sonatenform, Kontrapunkt, Achtelnote“, sondern „Dichte, Kontrast, Aktion, Farbe, Kontur, Struktur, Zeitleiste“; die so genannte „Grafische Notation“ wurde erfunden. Dadurch eröffneten sich direkte Analogien zwischen grafischen und musikalischen Parametern. Als Beispiel hierfür diene Abbildung 8. Der Screenshot entstammt einem kleinen Flash-Movie, das bei einem Klick auf die grafischen Areale passende „Geräuschfelder“ abspielt:
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Abbildung 8: Bildschirmdarstellung einer Flash-Animation aus der CD-ROM „Grundlagen Musiktheorie“ des Autors
An diesem Beispiel kann (im Rahmen einer computergestützten Präsentation, nicht in einem Buch) gezeigt werden, wie augenfällig sich Klang (bzw. Klangverlauf) und Visualisierung entsprechen können. Gleichzeitig verdeutlicht das Beispiel aber auch, wie wenig differenziert die Visualisierung die tatsächlichen musikalischen Eigenschaften darstellt. Dieses Problem besteht nicht erst seit der Multimedia-Ära. Schon als junger Musikschullehrer habe ich Kinder zu Bildern musikalisch frei assoziativ improvisieren lassen. Eine differenzierte und eindeutige Repräsentation von musikalischen Strukturen kann diese Art der Visualisierung nicht leisten; dafür ist sie sehr assoziativ, direkt anmutend und als Improvisationsvorlage geeignet.
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Schichten und Blöcke – Popmusik seit den 90er Jahren
20 Jahre später: Wir machen einen Sprung in die 90er Jahre. In der Popmusik ist die Computerisierung abgeschlossen und hat zu einer ganz eigenen Art von Visualisierung geführt. Ich lasse hier das weite Feld der assoziativen Beziehung zwischen Musik und Bild in Videoclips aus und wende mich der Beobachtung zu, wie die Struktur der Popmusik sich in den Produktionswerkzeugen und ihren visuellen Darstellungsformen niederschlägt.
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Welches sind die musikalischen Strukturen der Popmusik?
Vertikal sind es klanglich und satztechnisch streng getrennte Schichten. Horizontal sind es austauschbare und verschiebbare Blöcke.
Die Bearbeitungsmöglichkeiten – sämtlich computerbasiert – sind visuell orientiert: Musikalisches Material kann wie Grafik oder Text bearbeitet werden, wie man es von Textverarbeitungs- oder Grafikprogrammen gewohnt ist. Abbildung 9: Ein Poptitel im Arrange-Fenster des Sequencer-/NotationsProgramms „Cubase“ (Steinberg)
Abbildung 9 zeigt einen Ausschnitt aus dem bekannten Poptitel You are my heart, you are my soul des Duos Modern Talking als Computer-Arrangement im Sequencer-Programm „Cubase“. Im „Arrange-Fenster“ sind die horizontale Schichtenstruktur und die blockartige Anordnung der Formabschnitte gut zu erkennen. Alle Rechtecke repräsentieren ein musikalisches Ereignis und können zerschnitten, gelöscht, verschoben, kopiert oder noch auf andere Arten musikalisch bearbeitet werden. Jeder horizontalen Schicht ist klanglich ein bestimmter „Sound“ zugewiesen, der für die Dauer des gesamten Stücks gleich bleibt. In dieser computerbasierten Darstellungsweise wird die musikalische Struktur von Poptiteln praxisorientiert und strukturangemessen visualisiert. Dabei sei dahingestellt, ob die formale Struktur der Popmusik die Entwicklung der Auf-
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nahme-Software beeinflusst hat oder umgekehrt – vermutlich sind die Auswirkungen wechselseitig. Die einzelnen Bausteine der oben gezeigten Darstellung („Parts“) können ihrerseits einer tiefergehenden Bearbeitung unterzogen werden; auch hier ist die Darstellungsform zweckdienlich und visuell orientiert – vor allem für Musiker ohne Notenkenntnis. Öffnet man einen der „Parts“ in dem oben dargestellten Arrange-Fenster, werden die einzelnen Töne in einem „Key Editor“ dargestellt, der sich an den Lochstreifenkartons der Kirmes-Orgeln oder der Pianorollentechnik des 19. Jahrhunderts orientiert (Abb. 10): Die Tonhöhe ist links auf der vertikalen Tastaturabbildung abzulesen; die Musik verläuft von links nach rechts. Die Länge der Striche repräsentiert die Länge der Noten. Das untere Fenster enthält zusätzliche Informationen über die Lautstärke jeder Note. Abbildung 10: Darstellung einer Einzelstimme im „Key Editor“ des Sequencer-/ Notations-Programms „Cubase“ (Steinberg)
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Musik im Zeitverlauf
Zum Abschluss sei auf ein weiteres Visualisierungsproblem verwiesen: den Zeitverlauf in der Musik. Dieser lässt sich mit herkömmlichen grafischen Mitteln ja nur andeuten, denn ein musikalischer Zeitverlauf ist nicht einfach eine Strecke, die von links nach rechts mit den Augen verfolgt wird. Das Auge kann vergleichend zurückschweifen, das Ohr nicht. Zwei gleich lange Formabschnitte einer Komposition sind im Zeitempfinden nicht wirklich gleich lang, sondern der erste ist bereits Vergangenheit und teilweise vergessen, während der zweite erklingt. Aus einer Reihe von multimedialen Darstellungsansätzen des Zeitverlaufs
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sei Abbildung 11 herausgegriffen. Hinter dieser Abbildung verbirgt sich eine Animation, in der Kreise langsam nach hinten wandern und verblassen, während im Vordergrund neue Objekte ins Bild springen, um ebenfalls langsam nach hinten zu wandern und zu verblassen. Abbildung 11: Bildschirmdarstellung der Flash-Animation „Verblassen“ des Autors
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Visualisierung versus Verbalisierung?
Wir machen wiederum einen Zeitsprung in die Musikpädagogik unserer Tage, die sich Gedanken um den Konflikt zwischen kognitiver und emotionaler Orientierung in der Musikvermittlung macht. Oft wird beklagt, dass es im Musikunterricht ein Übergewicht der kognitiven gegenüber der affektiven Vermittlung gibt, und im Schulunterricht, der einen traditionell hohen Sprachanteil hat, stellt sich die Frage, ob eine emotionelle Hördisposition – eines der Hauptlernziele des Musikunterrichts – überhaupt durch verbale Vermittlung aufgebaut werden kann. Musikalische Analyse möchte ja letztlich emotionale Zugänge zur Musik vermitteln, bedient sich aber, je tiefer sie in die Materie eindringt, einer um so artifizielleren Sprache. Musikpädagogik könnte durch Visualisierung von Musik Verständnishilfen geben, die mit weniger Terminologie auskommen, sozusagen als „terminologiearmer Musikunterricht“, indem sie die musikimmanenten emotionalen Botschaften in ein visuelles Medium „übersetzt“ und dadurch direkter
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zum Adressaten bringt als über den Umweg einer kognitiven Ver- und Rückentschlüsselung, wie es bei der Notenschrift und der Terminologie musikalischer Analyse der Fall ist. Freilich ist der Preis dieses direkteren Weges eine größere Unschärfe, im Extremfall Beliebigkeit. Auch neigen visuelle Darstellungen dazu, sich zu verselbstständigen und ihrerseits die Musik in die Rolle des Begleitmediums abzudrängen.
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Fazit
Für die Erklärung von Musik und die Darstellung der Dimensionen eines Kunstwerks – sei es in ihrer einfachen Form der musikalischen Elementarlehre oder auf dem hohem Niveau der musikalischen Analyse – wird vorwiegend die Sprache benutzt, aber auch synästhetische Darstellungsformen der Visualisierung. Schematische Grafiken, Farben, Buchstaben- und Zahlensysteme dienen mehr oder weniger sinnfällig als „Übersetzung“ musikalischer Verläufe in andere „Sprachen“; schließlich ist auch die Notenschrift eine solche „Übersetzung“ – und nicht eben die sinnfälligste. Generationen von Musikpädagogen haben zu diesem Zweck immer neue Systeme ersonnen. Dabei liegt ein Kernproblem vieler Chiffrierungs- und Darstellungssysteme in ihrem kognitiven Anspruch: Analysen komplexer Kunstwerke geraten oft selbst zu komplexen Kunstwerken und verlieren die Aufgabe aus dem Blickfeld, Hilfestellung zum emotionalen Erleben zu geben, während Analysen, die den emotionalen Aspekt vermitteln wollen, sich meist auf das Mittel des Wortes beschränken. Letztere sind sowieso seit dem 19. Jahrhundert verdächtig, weil nicht mehr Komponisten selbst ihre Positionen verteidigen, sondern Musiktheoretiker, Musikschriftsteller und -journalisten bürgerlichen Lesern ihr eigenes Werturteil über künstlerische Produkte ihrer Zeit mitteilen wollen. Da wird oft das Kunstwerk allzu subjektiv im Spiegel eigenen Erlebens dargestellt; da wird in Folge eines „Parteienstreits“ polarisiert, da werden eigene Standpunkte polemisch akzentuiert. Der Grund, warum viele Äußerungen über Musikwerke heute selber nur noch zeitgeschichtliche Dokumente sind, liegt u. a. darin, dass man sich einfach zeitlich zu nah am Objekt ihrer Beschreibung befand. Durch Multimedia eröffnen sich für die Visualisierung neue Horizonte. Dieser Beitrag hat versucht, sowohl die Möglichkeiten kognitiver, eher pädagogisch ausgerichteter als auch emotional-assoziativer Zugangshilfen zu zeigen. Es ist zu hoffen, dass diese attraktiven Formen der Zugangshilfe mittels Visualisierung das Verständnis und das Interesse an der Musik fördern und in einer Zeit des Übergewichts optischer Medien der Musik wieder zu größerer Präsenz verhelfen – auch abseits populärer „Mainstreams“!
V Bibliographie
Musik und Medien – eine Auswahlbibliografie Holger Schramm und Stefan Weinacht
Die Auswahlbibliographie trägt das Unvollständige und das Subjektive der Selektion bereits im Namen. Eine objektive Zusammenstellung „der besten Quellen“ auf Basis einer umfangreichen Befragung von Experten ist zwar denkbar, doch der damit verbundene Aufwand steht in keinem Verhältnis zum Ertrag. Denn die Anschlussfähigkeit einer Bibliographie ist mager: Sie dient in erster Linie am Beginn von Forschungsprojekten dem groben Überblick und der Inspiration. Außerdem stellt sie keine Untersuchung dar, deren Ergebnis dem Kriterium der intersubjektiven Nachvollziehbarkeit entsprechen müsste. Vor diesem Hintergrund enthält die folgende Zusammenstellung vor allem jene Titel, die den Bibliografen bei ihren kommunikationswissenschaftlichen Forschungsarbeiten als besonders ergiebig erschienen sind. Um darüber hinaus auch Perspektiven anderer Disziplinen zu integrieren, wurden zusätzliche Literaturlisten verarbeitet. So bildet diese Bibliografie ein Auswahl von 300 aus knapp 900 Quellen ab, die bereits von diversen Forschern vorselektiert waren. Die endgültige Auswahl dieser Zusammenstellung basiert auf dem Kriterium der face validity. Obwohl sie also unvollständig und subjektiv sein muss, sollte sie den bodenständigen Anspruch der Recherchehilfe und Inspirationsquelle für Vertreter verschiedenster Disziplinen erfüllen können. Für die Recherchefunktion wäre eine weitergehende Differenzierung als die hier gewählte Dreigliedrigkeit „Musikwirtschaft – Musik als Medieninhalt – Musikrezeption und -wirkung“ wünschenswert. Und selbstverständlich sind die oben erwähnten 900 Quellen wesentlich feingliedriger mit zahlreichen Schlagworten erfasst worden. Doch der begrenzte Raum, den ein Sammelband für eine Bibliografie bereitstellen kann, verlangt ein Raster, das nicht zu feinmaschig sein darf. Die Entscheidung für die gewählte Gliederung geht letztlich auf die Struktur des Sammelbandes zurück. Dadurch kann diese Bibliografie als Ergänzung der Literaturlisten der voran stehenden Beiträge genutzt werden. Da keine Literatursammlung über die Grenze der Aktualität zum Zeitpunkt ihrer Drucklegung hinauszureichen vermag, dürfte auch die folgende Bibliografie bald fortgeschrieben werden. Denn sie bildet einen jungen und boomenden Forschungsbereich ab, der wohl noch weit mehr aufschlussreiche Veröffentlichungen in Zukunft hervorbringen wird, als in der Vergangenheit bereits produziert wurden.
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Holger Schramm und Stefan Weinacht
Musikwirtschaft
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Verzeichnis der Autoren
Dr. Mike Friedrichsen, geb. 1960. Dipl.-Volkswirt, M. A., Bankkaufmann. Studium der Volkswirtschaftslehre (Dipl.) und der Betriebswirtschaftslehre, Publizistik und Politologie (M. A.) in Kiel, Mainz, Canterbury und Berlin. Promotion an der FU Berlin. 1999-2003 Professor für Medienwirtschaft, Medienmanagement und Medienforschung an der Hochschule der Medien Stuttgart. 2003-2007 Professor für Medienmanagement am Internationalen Institut für Management der Universität Flensburg. Seit Oktober 2007 Professur für International Media Management and Media Business an der Hochschule der Medien Stuttgart. Arbeitsschwerpunkte: Medienökonomie, Medienmanagement, Medien- und Werbewirkungsforschung, Musikmanagement, Distribution digitaler Medien.
Prof. Dr. Max Ringlstetter, geb. 1959 in München. Studium der Betriebswirtschaftslehre, Promotion und Habilitation an der LMU-München (Lehrstuhl Professor Kirsch). Seit 1993 an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät Ingolstadt der Kath. Universität Eichstätt-Ingolstadt. Inhaber des Lehrstuhls für ABWL, Organisation und Personal. Forschungsschwerpunkte in den Bereichen Unternehmensführung, Medienmanagement und Professional Service Firms. Praktische Tätigkeiten u. a. bei McKinsey & Co., Strategema und beim Institut für Unternehmensentwicklung (unter eigener Leitung).
PD Dr. Stephan Kaiser, geb. 1971 in Bamberg. Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität Regensburg und an der University of Wales, Swansea. Promotion und Habilitation am Lehrstuhl für Organisation und Personal an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät Ingolstadt der Kath. Universität EichstättIngolstadt. Seit Juli 2007 Privatdozent am gleichen Lehrstuhl. Forschungsschwerpunkte in den Bereichen Organisation, Strategie, Personal und Professional Service Firms. Praktische Tätigkeiten als Aufsichtsrat und Berater in verschiedenen Branchen.
Dipl. Journalist Michael Becker, geb. 1966. 1985-1990 Musikstudium (Viola) in Düsseldorf, Mitglied in Berufsorchestern. 1991-1993 Studium der Journalistik am Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung der Hochschule für Musik und Theater Hannover. Musikkritiker der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung. 19932006 Intendant der Niedersächsischen Musiktage. Mitglied zahlreicher Jurys und Kommissionen. Moderator und Präsentator im Radio und auf der Bühne. Seit 2007 Intendant der Tonhalle Düsseldorf und der Düsseldorfer Symphoniker.
Dr. Uli Gleich, geb. 1960. Studium der Pädagogik und der Kommunikationspsychologie an der Universität KoblenzLandau. Seit 1991 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kommunikationspsychologie, Medienpädagogik und Sprechwissenschaft (IKMS) der Universität Koblenz-Landau, Campus Landau. Autor des ARD-Forschungsdienstes in Media Perspektiven. Arbeitsschwerpunkte: Sozioemotionale Dimensionen der Fernsehrezeption, Werbewirkungsforschung.
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Verzeichnis der Autoren
Dipl. Psychologin Ines Vogel, geb. 1973. Studium der Psychologie an der Universität Mannheim, Aufbaustudium „Kommunikationspsychologie/Medienpädagogik“ an der Universität Koblenz-Landau. Seit 2001 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kommunikationspsychologie, Medienpädagogik und Sprechwissenschaft der Universität Koblenz-Landau, Campus Landau. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Sozio-emotionale Dimensionen der Film- und Fernsehrezeption (insbesondere der Rezeption trauriger Filme), kognitive Wirkungen der Zeitungslektüre.
Prof. Dr. Gunter Reus, geb. 1950. Studium der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft, Germanistik, Kunstgeschichte und Promotion in Mainz. Anschließend fünf Jahre in Frankreich als DAAD-Lektor an der Universität Lille. Freier Journalist, Volontär und später Redakteur (u. a. bei Taunus Zeitung Bad Homburg, Frankfurter Neue Presse). Seit 1987 am Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung der Hochschule für Musik und Theater Hannover; seit 1999 außerplanmäßiger Professor für Journalistik. Forschungsschwerpunkte: Kulturjournalismus; Sprache und Stilformen des Journalismus.
Dr. Irving Wolther, geb. 1969. Studierte Angewandte Sprach- und Kulturwissenschaften und Journalistik an den Universitäten Mainz, Genf und Hannover. 1998 Diplom an der Universität Mainz, 2001 Diplom am IJK Hannover. 2006 Promotion über die Bedeutung des Eurovision Song Contests für die nationalkulturelle Repräsentation. Forschungsschwerpunkte: Interkulturelle Popularmusikforschung, Musikwettbewerbe.
Dr. Holger Schramm, geb. 1973. Diplom-Medienwissenschaftler, Studium Medienmanagement (mit Nebenfach Rechtswissenschaft) und Musik in Hannover, Detmold und Austin/USA. 2003 Promotion. Seit 2003 Oberassistent am IPMZ der Universität Zürich. Sprecher der DGPuK-Fachgruppe „Rezeptions- und Wirkungsforschung“. Herausgeber u. a. der Buchreihe „Musik und Medien“. Beratung von Radiosendern. Arbeitsschwerpunkte: Rezeptions- und Wirkungsforschung, Unterhaltungs- und Emotionsforschung, Musik und Medien, Sport und Medien, Geschichte der Unterhaltungsangebote sowie Methoden der Kommunikationsforschung.
Dr. Dagmar Hoffmann, geb. 1964. Diplom-Soziologin, vertritt die Professur Medien und Kommunikation im FB Sprach-, Literatur- und Medienwissenschaft der Universität Siegen. Sie ist Lehrbeauftragte am Institut für Soziologie der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, Gastprofessorin im Department for Arts and Management der Donau Universität Krems und Mitherausgeberin der Zeitschrift Diskurs Kindheits- und Jugendforschung. Arbeits- und Interessensschwerpunkte: Medientheorien und -forschung, Sozialisationstheorien und -forschung.
Verzeichnis der Autoren
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Dr. Dagmar Unz, geb. 1965. Dipl. Psychologin. Studium der Psychologie an der Universität des Saarlandes, Promotion an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen. Wissenschaftliche Assistentin an der Arbeitseinheit Medien- und Organisationspsychologie der Universität des Saarlandes. Aktuelle Forschungsschwerpunkte: Emotionale Medienwirkungen, Medieninhalts- und Formalanalysen, Nutzungsprozesse im WWW. Gegenwärtig Sprecherin der Fachgruppe Medienpsychologie in der Deutschen Gesellschaft für Psychologie, Mitglied des Editorial Boards des „Journal of Media Psychology“, eine der Herausgeber der Buchreihe Medienpsychologie.
Dr. Frank Schwab, geb. 1963. Dipl. Psychologe. Studium der Psychologie und Promotion an der Universität des Saarlandes. Wissenschaftlicher Assistent an der Arbeitseinheit Medien- und Organisationspsychologie der Universität des Saarlandes. Arbeits-/Forschungsschwerpunkte: Evolutionspsychologische Aspekte in Medien und Organisationen, emotionale Medienwirkung, Kino und Multimedia, Systemische Ansätze der Organisationspsychologie. Mitglied des Editorial Boards der Zeitschriften „Media Psychology“ und „Journal of Media Psychology“.
Dipl. Psychologin Jelka Mönch, geb.1977. Studium der Psychologie an der Universität des Saarlandes. Ehemalige Mitarbeiterin an der Arbeitseinheit Medien- und Organisationspsychologie der Universität des Saarlandes mit dem Arbeitsschwerpunkt: emotionale Wirkung von Gewalt in Nachrichten; emotionale Wirkung von Musik. Gegenwärtig in der Jugendhilfe und als freiberufliche Trainerin tätig.
Prof. Christoph Hempel, geb. 1946. Studierte Kirchenmusik, Schulmusik, Dirigieren, Komposition und Oboe an der Hochschule für Musik und Theater Hannover. Seit 1982 Professor für Musiktheorie und Multimedia an der Hochschule für Musik und Theater Hannover. Sonstige Tätigkeiten: Komposition und Produktion von Musicals für Schülerensembles; Aufsätze in musikalischen und musikpädagogischen Fachzeitschriften zu den Themenbereichen Analyse, Arrangement, Jazz-Harmonik, Schulpraxis und Musiktheorie; Fortbildungsveranstaltungen im In- und Ausland; Rundfunksendungen beim Norddeutschen Rundfunk; Computerprogramme für das Gehörtraining.
Prof. Dr. Helmut Scherer, geb. 1955. Studium der Publizistik (Hauptfach), Philosophie und Germanistik an der JohannesGutenberg-Universität Mainz. Promotion und Habilitation an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Seit 1999 Professor für Kommunikations- und Medienwissenschaft am Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung (IJK) der Hochschule für Musik und Theater Hannover. Seit 2002 Direktor des IJK. Arbeitsschwerpunkte: Rezeptionsforschung, Medienwirkungsforschung, Politische Kommunikation, Öffentlichkeit/öffentliche Meinung.
Dipl. Sozialwirt Stefan Weinacht, geb. 1975. Studium der Sozialwissenschaften an der Friedrich-Alexander-Universität ErlangenNürnberg und der University of Wales Swansea/GB. Diplomarbeit zur Promotion in der Musikindustrie. Anschließend wissenschaftlicher Mitarbeiter am kommunikationswissenschaftlichen Lehrstuhl in Nürnberg; seit 2005 am Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung der Hochschule für Musik und Theater Hannover. Forschungsschwerpunkte: Medienmarketing, Musikwirtschaft, Musik als Medieninhalt.
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Verzeichnis der Autoren
Über die Diskussionsteilnehmer: Marco Brandt, geb. 1968. Geschäftsführer der Radio Service Berlin GmbH (RaS). 1993-1998 Moderator, Redakteur und zuletzt Comedy-Chef beim Berliner Rundfunk 91!4. Anschließend Programmdirektor, 1999 zusätzlich Geschäftsführer bei KISS FM. Seit Januar 2006 darüber hinaus Geschäftsführer der RaS.
Jürgen Dobelmann, geb. 1968. Content- und PR-Manager bei SONY BMG in München. Zuvor u. a. in ähnlicher Position bei Sony Music (Berlin), edel records (Hamburg) und dem Management der Fantastischen Vier (Bear Music Factory / Four Music). Davor Musikredakteur beim Stadtmagazin PRINZ (Stuttgart) und im Tonträgereinzelhandel tätig. Seit 2000 freier Autor des Musikmagazins Intro.
Jochen Ewald, geb. 1965. Redakteur Abteilung Unterhaltung/Show bei Sat.1. Magisterstudium der Geschichte und Politik in Osnabrück und Hamburg. Diverse Praktika und freie Mitarbeiterschaften bei Radio, Zeitung und TV. Mitarbeiter bei der Produktionsfirma MeMyself&Eye, u. a. für Bravo-TV. Musikredakteur bei VH-1. Freier Musikredakteur für arte/Tracks. Seit 1998 bei Sat.1 verantwortlich für zahlreiche Musikprojekte im Bereich Unterhaltung/Show.
Manfred Gillig-Degrave, geb. 1950. Chefredakteur der MusikWoche. Musikredakteur bei den HiFi-Magazinen Stereoplay, Audio und HiFiVision, dann Musikexpress. Gründer des Musikmagazins Zounds (insgesamt neun Ausgaben). Seit 1993 Chefredakteur der Branchenfachzeitschrift MusikWoche; zwischendurch eineinhalb Jahre Verlagsleiter des auf Musikbücher spezialisierten Hannibal Verlags.
Heinz Rudolf Kunze, geb. 1957. Rockmusiker und Sprachkünstler, Poet und Komponist. Studium der Germanistik. Seit 1980 auf den Bühnen. Erster Single-Hit „Dein ist mein ganzes Herz“ (1985); insgesamt 25 CD/DVDVeröffentlichungen, zuletzt „Klare Verhältnisse“ (2007). Als Literat Autor von acht Büchern, zwei literarischen Programmen und einem Hörbuch. Übersetzer und Autor von sieben Musicals. Nebenbei u. a. Musikjournalist, Songwriter für andere Interpreten und Mitglied der Bundestags-EnqueteKommission „Kultur in Deutschland“.
Rainer Wagner, geb. 1948. Kulturreporter der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ (HAZ). Nach dem Abitur Volontariat an der Deutschen Journalistenschule in München. Erste Berufserfahrung als Feuilletonredakteur in Stuttgart. Studium der Germanistik, Musik- und Theaterwissenschaft und freiberuflicher Theater- und Musikkritiker – auch in Sachen Pop-Musik (Schwerpunkt Liedermacher und Songwriter). Seit 1978 bei der HAZ; erst als Musikredakteur, dann als Ressortleiter Kultur und jetzt als Kulturreporter.