Max-Planck-Institut fur auslandisches offentliches Recht und Volkerrecht
Beitrage zum auslandischen offentlichen Rech...
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Max-Planck-Institut fur auslandisches offentliches Recht und Volkerrecht
Beitrage zum auslandischen offentlichen Recht und Volkerrecht
Begrundet von Viktor Bruns
Herausgegeben von Armin von Bogdandy . Rudiger Wolfrum
Band 179
Annette Simon
UN-Schutzzonen Ein Schutzinstrument rur verfolgte Personen? Eine Analyse anhand der internationalen Schutzzonen im Irak, in Ruanda und BosnienHerzegowina mit besonderem Blick auf die schweren Menschenrechtsverletzungen in der safe area Srebrenica UN-Safety Zones a Means ofProtection for Persecuted Persons?
(English Summary)
~ Springer the language of science
ISSN 0172-4770 ISBN 3-540-28105-3 Springer Berlin· Heidelberg. New York Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet iiber abruf-
bar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschiitzt. Die dadurch begriindeten Rechte, insbesondere die der Ubersetzung, des Nachdruckes, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfaltigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfaltigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland yom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulassig. Sie ist grundsatzlich vergiitungspRichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes.
© by Max-Planck-Gesellschaft zur Forderung der Wissenschaften e.v., to be exercised by Max-Planck-Institut fur auslandisches offentliches Recht und Volkerrecht, Heidelberg 2005 Printed in Germany Satz: Reproduktionsfertige Vorlagen yom Autor Druck- und Bindearbeiten: Strauss Offsetdruck, Morlenbach SPIN: 11534303 64/3153 - 5 43210 - Gedruckt auf saurefreiem Papier
Vorwort Das Unverstandnis daruber, daB die Staatengemeinschaft ihr Versprechen, eine hilflose Bevolkerung zu schutzen, nicht einhalt und sich im Nachhinein in endlosen Untersuchungsberichten nicht mehr als eine moralische Verantwortlichkeit attestiert, bewegte mich im Friihjahr 2001 zum Thema dieser Dissertation. Die Arbeit entstand in den Jahren 2001 bis 2003 am Max-Planck Institut fur auslandisches offentliches Recht und Volkerrecht in Heidelberg. Dabei ist die unpersonliche Form des vorangehenden Satzes bewuBt gewahlt, denn nur diese wird dem Beitrag des Instituts und der vielfaltigen Unterstutzung all derjenigen gerecht, die die Arbeit mit zu dem gemacht haben, was sie heute ist. Zunachst geht besonderer Dank an meinen Doktorvater Prof Dr. Dres. h.c. Jochen Abr. Frowein, der mich mit seinen kritischen Fragen und wertvollen Erfahrungen aus der Praxis zu immer neuen DenkanstoBen gefuhrt, manche Sackgassen aufgezeigt und mit motivierenden Diskussionen zum Gelingen der Arbeit beigetragen hat. Ich danke ebenfalls Herrn Prof Dr. Rudolf Bernhardt fur das zugige Erstellen des Zweitgutachtens sowie den Direktoren des Max-Planck Instituts, Herrn Prof Dr. Dr. h.c. Rudiger Wolfrum sowie Herrn Prof Dr. Armin von Bogdandy, fur die Aufnahme der Arbeit in die Reihe "Beitrage zum auslandischen offentlichen Recht und Volkerrecht". Besonders profitiert hat die Arbeit dadurch, daB sie an diesem Institut entstehen konnte, das durch seine hervorragende Bibliothek aber auch die einmalige Moglichkeit zum Austausch mit den Mitarbeitern und Gasten optimale Rahmenbedingungen fur eine Forschungsarbeit wie diese bietet. Insoweit geht mein Dank an die damaligen Direktoren Prof Dr. Dr. h.c. Rudiger Wolfrum und Prof Dr. Dres. h.c. Jochen Abr. Frowein, aber auch an aIle Mitarbeiter. Hervorheben mochte ich dabei die unermudliche Geduld von Frau Petra Weiler in der UN-Abteilung, an die ich nicht selten mit schlechtem Gewissen und langen Suchauftragen herantrat. Daneben haben mir aber auch die Teilnehmer des Heidelberger Doktorandenseminars und des Arbeitskreises Sicherheitspolitik durch ihre Diskussionen und Ratschlage geholfen, das Thema immer wieder aus anderen Perspektiven zu betrachten und mich nicht vollkommen in der Theorie zu verlieren. In fachlicher Hinsicht hat die Arbeit unter anderem durch die kompetenten Kommentare zum humanitaren Volkerrecht von Gregor Schotten gewonnen. Ganz besonders be-
VI
Vorwort
danken mochte ich mich au6erdem bei Christian Walter, Markus Wagner und Sascha Rolf Liider, die die Arbeit mit ihren kritischen Augen vollstandig gelesen haben. Die finanzielle Unterstiitzung der Studienstiftung des Deutschen Volkes ermoglichte mir einen ziigigen Abschlu6 der Arbeit. Mein ganz personlicher Dank geht an Wilhelm - nicht nur fiir seine Nachsicht, Geduld und Motivation - und vor allem an meine lieben Eltern, die mir durch ihre stetige Bestarkung den akademischen Werdegang erst ermoglicht und mich auf dem nicht immer leichten Weg zum Abschlu6 dieser Arbeit mit all ihrer U nterstiitzung begleitet haben. Es bleibt mir, die Hoffnung auszudriicken, da6 diese Arbeit als ein leiserAppell an die Staaten wahrgenommen wird, ihre Verantwortlichkeiten im Rahmen ihres international en Engagements gewissenhaft und pflichtbewu6t sowie den betroffenen Personen wiirdig auszuiiben. Frankfurt am Main, Juni 2004 Annette Simon
Inhaltsiibersicht Einleitung........... ....... ...... ........... ........................................... ......... .......... 1 Erster Teil Schutzzonen im Friedenssicherungsrecht: Gegenstand und Einordnung .................................................................................... 9 Erstes Kapitel: Konzept der Schutzzonen im Friedenssicherungsrecht.................................................................... 9 Zweites Kapitel: UN-Schutzzonen als Fortentwicklung und Erganzung der Schutzzonen im humanitaren Volkerrecht .......... 48 Fazit Erster Teil: UN-Schutzzonen im Schutzsystem fur verfolgte Personen ........................................................................................... 71
Zweiter Teil Volkerrechtlicher Rahmen bei der Errichtung und Sicherung von UN-Schutzzonen ................................................... 75 Drittes Kapitel: Schutzzonenerrichtung als zulassige Ma6nahme der Friedenssicherung ..................................................................... 75 Viertes Kapitel: Befugnisse und Pflichten bei der Sicherung und Organisation einer Schutz zone .................................................... 107
Dritter Teil Gewahrung fundamentaler Rechte in der Schutzzone ......... 131 Funftes Kapitel: Menschenrechtliche Verpflichtungen der Schutzzonenmacht......................................................................... 132 Sechstes Kapitel: Sicherstellung des menschenrechtlichen Mindeststandards durch den UN-Sicherheitsrat ........................ 205 Fazit Dritter Teil: Konsequenzen volkerrechtswidrigen Unterlassens von Schutzma6nahmen durch die UN .................. 263
Zusammenfassung und Fazit.. ....................................................... 267 Summary .............................................................................................. 285 Literaturverzeichnis ......................................................................... 293
VIII
Inhaltsiibersicht
Untersuchungsberichte zu Srebrenica und Ruanda .............. 317 Sachregister ............................. ................................ ............... ............. 319
Inhaltsverzeichnis Einleitung................. ...................... .................. ................................. ....... 1 Erster Teil Schutzzonen im Friedenssicherungsrecht: Gegenstand und Einordnung ................... .................... ............................................. 9 Erstes Kapitel: Konzept der Schutzzonen im Friedenssicherungsrecht ...................................................................... 9 I. II.
Konzeptualisierungsansatze innerhalb der UN ............................ Bisherige Praxis der UN-Schutzzonen .......................................... 1. Safe Havens - Irak 1991 ............................................................ a) Politische Vorgeschichte und Errichtung der safe havens .................................................................................... b) Sicherung der safe havens .................................................... c) Schutz- und humani6rer Standard in den safe havens ...... 2. Safe Areas - Bosnien-Herzegowina 1993 ................................. a) Politische Vorgeschichte und Errichtung der safe areas .... b) Sicherung der safe areas ............ ...................... ..................... (1) Exclusion zonesund Waffenstillstandsabkommen ....... (2) Fall der safe areas Srebrenica und Zepa ........................ c) Schutz- und humani6rer Standard in den safe areas ......... 3. Safe humanitarian zone - Siid-West Ruanda 1994 .................. a) Politische Vorgeschichte und Errichtung der safe humanitarian zone ............................................................... b) Sicherung der safe humanitarian zone ................................ c) Schutz- und humanitarer Standard der safe humanitarian zone ............................................................... 4. Systematische Zusammenfassung der Schutzzonenpraxis ...... a) Humanitares und politisches Instrument ........................... b) Anla6: Volkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit ...................................................................... c) Errichtung durch Anordnung oder Erzwingung der Schutzzone ............................................................................ d) Entmilitarisierung und Begrenzung des Schutzzonengebiets .............................................................. e) Sicherungsmechanismus ......................................................
11 13 14 15 17 20 22 22 23 26 28 29 32
32 35 37 39 39 41 42 44 46
x
Inhaltsverzeichnis
III. Ergebnis ............................................................................................ 46
Zweites Kapitel: UN-Schutzzonen als Fortentwicklung und Erganzung der Schutzzonen im humanitaren Volkerrecht ........................................................... 48 I.
Die Schutzzonenidee und ihre Entwicklung im humanitaren Volkerrecht ...................................................................................... 1. Neutralisierung von Orten in bewaffneten Konflikten .......... 2. Aufkommen des Humanitatsgedankens .................................. II. Formen und Praxis humanitarer Schutzzonen.............................. 1. Schutz besonders schutzbediirftiger Personen Sanitatszonen und -orte ............................................................. 2. Schutz der gesamten Zivilbevolkerung ............................. ....... a) Neutrale Zonen Art. 15 GK IV ........................................... b) Unverteidigte Orte Art. 25 LKO, Art. 59 ZP I ................. c) Entmilitarisierte Zonen Art. 60 ZP I .......................... ........ 3. Praxis des IKRK ......................................................................... III. Humanitare Schutzzonen im Vergleich zu UN-Schutzzonen ..... 1. Funktion der Schutzzonen ........................................................ 2. Errichtung der Schutzzonen ..................................................... 3. Zeitpunkt, Ort und Dauer der Errichtung der Schutzzone ... 4. Eigenschaften des Schutzzonengebiets .................................... 5. Sicherung der Schutzzonen ....................................................... 6. Zusammenfassung der Unterschiede und Gemeinsamkeiten ....................................................................... IV. Ergebnis ............................................................................................
49 49 50 53 54 54 55 55 56 57 60 60 62 63 64 65 67 68
Fazit Erster Teil: UN-Schutzzonen im Schutzsystem fiir verfolgte Personen ........ ........................... .... ................................ 71 Zweiter Teil Volkerrechtlicher Rahmen bei der Errichtung und Sicherung von UN-Schutzzonen ................................................... 75 Drittes Kapitel: Schutzzonenerrichtung als zulassige MaBnahme der Friedenssicherung .............................. 75 I. II.
Verbandskompetenz der UN zur Errichtung von Schutzzonen ..................................................................................... 76 Organkompetenz des UN-Sicherheitsrats zur Errichtung von Schutzzonen ....................................................................•................ 77
Inhaltsverzeichnis
XI
III. Befugnis des UN-Sicherheitsrats zur Schutzzonenerrichtung .... 78 1. Schutzzonenerrichtung als MaBnahme nach Kapitel VII UNC ............ ;.......................................................... 80 a) Bruch des Weltfriedens nach Art. 39 UNC ........................ 80 b) Neutralisierungsanordnung als vorlaufige MaBnahme gemaB Art. 40 UNC ............................................................. 82 (1) Vorlaufigkeit der MaBnahme ......................................... 83 (2) Vorbeugung einer Verschlimmerung der Lage ............. 85 (3) Verbindlichkeit vorlaufiger MaBnahmen und ihre Durchsetzung .................................................................. 86 c) Militarische Einnahme des Schutzzonengebiets gemaB Art. 42 UNC ......................................................................... 87 (1) Zulassigkeit der Delegation der Schutzzonenerrichtung .................................................. 88 (2) Keine endgiiltige Streitlosung ........................................ 91 (3) U nabhangig von der Zustimmung des Gaststaates ...... 92 d) Interventionsverbot gemaB Art. 2 (7) 2. HS UNC. ........... 93 e) VerhaltnismaBigkeitsgrundsatz ........................................... 95 2. Zusammenfassung Befugnis des UN-Sicherheitsrats zur Schutzzonenerrichtung ....................................................... 97 IV. Volkerrechtliche Anforderungen an eine Schutzzone .................. 98 1. VerhaltnismaBigkeit der Ausgestaltung .................................. 101 2. Unterscheidung zwischen Zivilpersonen und Kombattanten........................................................................... 103 3. Zwischenergebnis volkerrechtliche Anforderungen an eine Schutzzone ........................................................................ 105 V. Ergebnis .......................................................................................... 106
Viertes Kapitel: Befugnisse und pflichten bei der Sicherung und Organisation einer Schutz zone ...................... 107 I.
Rechtsquellen der Befugnisse und Pflichten der Schutzzonenmacht............................. .... ........ .......... ...................... 1. Vereinbarung mit dem Gaststaat ............................................. 2. Schutzzonenmandat ................................................................. 3. Besatzungsrechtliche Regelungen des humanitaren Volkerrechts ............................................................................. a) Anwendbarkeit ratione personae ....................................... (1) Bindung der UN an humanitares Volkerrecht.. ......... (2) Bindung der Mitgliedstaaten an humanirares Volkerrecht ....................................................................
107 108 109 110 111 112 116
XII
II.
Inhaltsverzeichnis (3) Zwischenergebnis Anwenclbarkeit ratione personae .................................. ...... ................ .... b) Anwenclbarkeit ratione materiae ...................................... (1) Besetztes Gebiet gemaB Art. 42 (1) LKO ................... (2) Tatsachliche Gewalt ...................................................... (3) Sicherung cler Schutzzone clurch PeaceEnforcement-Truppe .................................................... (4) Sicherung cler Schutzzone clurch Peace-KeepingTruppe ............................................................................ (a) Dber Zustimmung hinausgehencle Gewalt cler Peace-Keeping-Truppe .......................................... (b) Dbertragung vollstancliger Kontrolle ................... (5) Zwischenergebnis ......................................................... c) Modifizierung cler Befugnisse und Pflichten fur UNautorisierte Truppen ........................................................... (1) Weitergehencle Pflichten bei einer von den UN autorisierten Besetzung ................................................ (2) Weitergehende Befugnisse ............................................ Ergebnis ..........................................................................................
117 117 118 119 120 121 122 124 126 126 127 128 129
Dritter Teil Gewahrung fundamentaler Rechte in der Schutzzone......... 131 Fiinftes Kapitel: Menschenrechtliche Verpflichtungen der Schutzzonenmacht ................................... 132 I.
Quellen menschenrechtlicher Verpflichtungen der Schutzzonenmacht ......................................................................... 1. Bindung cler Schutzzonenmacht an das Volkermorclverbot ................................................................... 2. Binclung der Schutzzonenmacht an besatzungsrechtliche Schutzpflichten......................................................................... 3. Bindung der Schutzzonenmacht an die Menschenrechte ..... a) Geltung der Menschenrechte in der Schutzzone ............. (1) Binclung ratione personae ............................................. (2) Bindung in der Schutzzone .......................................... (3) Fortgeltung der Menschenrechte wahrend eines bewaffneten Konflikts .................................................. (4) Ausubung extra-territorialer Hoheitsgewalt in der Schutzzone - ratione loci.............................................. (5) Zwischenergebnis zur Anwendbarkeit der Menschenrechte in cler Schutzzone .............................
133 133 134 135 136 136 138 138
140 143
Inhaltsverzeichnis
II.
b) Verhaltnis der Menschenrechte zu besatzungsrechtlichen Pflichten ........................................ 4. Bindung der Schutzzonenmacht an besondere Rechte intern Vertriebener ...................................................... a) Analoge Anwendung des Fluchtlingsrechts ..................... b) Orientierung an Regelungsvorschlagen zum Schutz intern Vertriebener ............................................................. 5. Ergebnis Geltung menschenrechtlicher Verpflichtungen fur die Schutzzonenmacht ....................................................... Menschenrechtlicher Mindeststandard in Schutzzonen ............. 1. Schutz der physischen Integritat ............................................. a) Volkermordverbot.............................................................. (1) Teilnahmeverbot ........................................................... (2) Verhinderungsgebot ..................................................... (3) Verhinderungspflicht aus Art. I VMK ........................ (4) Gewohnheitsrechtliche Geltung der Verhinderungspflicht .................................................... (5) Territoriale Reichweite der Verhinderungspflicht ...... (6) Inhaltliche Reichweite der Schutzpflicht aus dem Volkermordverbot ........................................................ b) Besatzungsrechtliche Schutzpflicht .................................. (1) Verpflichtungen zu Schutz und Schonung der Zivilbevolkerung ........................................................... (2) Schutz gegen Gewalttatigkeiten innerhalb der Schutz zone .................................................................... (3) Schutz gegen Angriffe von auBen .................... ...... ...... (4) Inhaltliche Reichweite der Schutzpflicht. ................... (5) Pflicht zur Sicherstellung der Einhaltung des humanitaren Volkerrechts ............................................ c) Recht auf Leben .................................................................. (1) Positive Schutzpflicht gegen Verletzungen durch Privatpersonen .............................................................. (2) Bindung der Schutzzonenmacht an die Schutzpflicht ................................................................. (3) Inhaltliche Reichweite der Schutzpflicht. ................... d) Ergebnis Schutz physischer Integritat. ............................. 2. Humanitare und medizinische Versorgung ........................... a) Verpflichtung zur Sicherstellung der humanitaren Versorgung .......................................................................... (1) Besatzungsrechtliche Schon- und Schutzpflicht ........ (2) Menschenrecht auf Ernahrung und medizinische Versorgung ....................................................................
XIII
143 146 147 149 151 152 153 154 155 157 157 159 161 162 163 163 164 165 166 168 171 172 175 176 178 182 183 183 184
XIV
Inhaltsverzeichnis b) Einschrankungen der Verpflichtung zur humanitaren Versorgung .......................................................................... c) Ergebnis Humanitare Versbrgung der Schutzzonenbevolkerung .................................................. 3. Freier Zugang und freies Verlassen der Schutzzone .............. a) Allgemeine Freizugigkeit ................................................... (1) Inhalt des Freizugigkeitsrechts .....•.............................. (2) Suspendierbarkeit und Einschrankungen des Freizugigkeitsrechts ...................................................... b) Ergebnis Freizugigkeit ....................................................... 4. Zufluchts- und Ruckkehrrecht intern Vertriebener .............. a) Recht auf Zuflucht in die Schutzzone............................... (1) Recht auf Freizugigkeit ................................................ (2) Einschrankungen des Zufluchtsrechts ........................ b) Right to Return................................................................... (1) Freizugigkeitsrecht ....................................................... (2) Einschrankungen des Ruckkehrrechts ........................ c) Zusammenfassung .............................................................. 5. Ergebnis menschenrechtlicher Mindeststandard in einer Schutzzone ......................................................................
186 188 189 191 191 193 195
196 196 197 198 199 199 201 201 202
Sechstes Kapitel: Sicherstellung des menschenrechtlichen Mindeststandards durch den UN-Sicherheitsrat ............................................................................. 205 I.
Verpflichtung zum Erla6 von Schutzma6nahmen ...................... 1. "Garantenstellung" .................................................................. a) Selbstbindung durch Schutzerklarung .............................. (1) Wortlaut der UN-Charta ............................................. (2) System kollektiver Sicherheit....................................... (3) Praktische Auswirkungen ............................................ b) Ermessensbindung an zwingendes Volkerrecht .............. (1) Volkermordverbot ........................................................ (2) Handlungspflicht des UN-Sicherheitsrats aufgrund Verhinderungspflicht .................................................... (3) Voraussetzungen der Verhinderungspflicht ................ (4) Inhalt der Verhinderungspflicht .................................. (5) Humanitatsgebot .......................................................... (6) Art. 1 GKen ................................................................... (7) Massentotungen - Recht auf Leben ........................ .... (8) Ergebnis zwingendes Volkerrecht ............................... c) Ermessensbindung an Effektivitatserwagungen ..............
206 207 209 211 212
213 213 214 214 217 218 219 222 222
224 225
Inhaltsverzeichnis (1) Effektivitatserfordernis fur bindende MaBnahmen des UN -Sicherheitsrats ................................. ............... (2) Effektivitatserfordernis in Art. 51 UNC .................... (a) Verhaltnis Selbstverteidigungsrecht/kollektive MaBnahmen... .................. ............ ............... ............ (b) Effektivitat ...... .......... ............................ ...... ............ (c) Schranken des Beurteilungsspielraums des UN-Sicherheitsrats ................................................ (d) Folge der offensichtlichen Ineffektivitat .............. (3) Effektivitatserfordernis aus Geeignetheit und Willkurverbot ................................................................ (a) Effektivitatserfordernis aus Geeignetheit ............. (i)Uberprufung des Beurteilungsspielraums des UN-Sicherheitsrats ......................................... (ii) Ergebnis Geeignetheit ..................................... (b) Effektivitat aus Treu und Glauben ....................... (i)Geltung des Treu- und GlaubensGrundsatzes fur den UN -Sicherheitsrat ....... (ii) Inhalt der Treu- und GlaubenVerpflichtung ................................................... (4) Zusammenfassung Effektivitatserfordernis ................ (5) Rechtsfolge der Verletzung des Effektivitatsgebots ... 2. Zwischenergebnis: Garantenstellung und SchutzmaBnahmen ................................................................... 3. Umsetzung der Verpflichtung durch Mitgliedsstaaten ......... II. Verpflichtung zur Uberwachung des Mindeststandards ............ 1. Umfang der Uberwachungspflicht des UN-Sicherheitsrats .................................................................. 2. Uberwachung des Schutzstandards durch andere UN -Organe.... ..................................... .............. .............. ......... a) UN-Generalsekretar .......................................................... b) UN -Spezialberichterstatter fur Menschenrechte & Sondergesandter fur intern Vertriebene ............................ c) Zusammenfassung und Ausblick ...................................... III. Ergebnis: Sicherung des Mindeststandards durch den UN-Sicherheitsrat .........................................................................
xv 226 227 228 230 233 235 236 236 237 240 240 241 242 243 244 248 250 252 253 256 256 258 260 261
Fazit Dritter Teil: Konsequenzen volkerrechtswidrigen Unterlassens von SchutzmaGnahmen durch die UN ............ 263 Zusammenfassung und Fazit ......................................................... 267
XVI
I.
Inhaltsverzeichnis
Leitlinien fur den Einsatz von UN-Schutzzonen ....................... 1. Asian-African Legal Consultative Committee ...................... 2. Kommentar der London Declaration (2000), ILA ................ 3. Leitlinienentwurf fur UN-Schutzzonen - eine Zusammenfassung .................................................................... SchluBbemerkungen .......... ............ .... ..................... .......................
268 269 270
Summary ..............................................................................................
285
II.
272 279
Literaturverzeichnis ......................................................................... 293 Untersuchungsberichte zu Srebrenica und
Ruanda ..................................................................................................
317
Sachregister .......................................................................................... 319
Abkiirzungsverzeichnis a.A.
andere Ansicht
a. a. O.
am angegebenen Ort
A. Ch.
Appeals Chamber des Jugoslawientribunals
AALCC
Asian-African Legal Consultative Committee
Abs.
Absatz
AdG
Archiv der Gegenwart
AdV
Archiv des Volkerrechts
Adv.Op.
Advisory Opinion
AEMR
Allgemeine Erklarung der Menschenrechte
AFMRK
Afrikanische Menschenrechtskonvention
AJIL AMK
American Journal of International Law Amerikanische Menschenrechtskommission
Art.
Artikel
Aufl.
Auflage
AusfBest
Ausfiihrungs bestimmung
Az.
Aktenzeichen
Bd.
Band
BFSP
British and Foreign State Papers
Buchst.
Buchstabe
BVerfG BVerwG
Bundesverfassungsgericht Bundesverwaltungsgericht
BYIL
The British Yearbook of International Law
CAS CESCR Ch.
Close Air Support Covenant on economic, social and cultural rights Chapter
CICR
Comite International de la Croix Rouge
ders.
derselbe
dies.
dieselbe
Diss.Op.
Dissenting Opinion
Dutchbat
Dutch Battalion
ECRE
European Council on Refugees and Exiles
Abkurzungsverzeichnis
XVIII
EGMR
Europaischer Gerichtshof fUr Menschenrechte
EJIL ELENA
European Journal of International Law
EMK
Europaische Menschenrechtskommission
EMRK
Europaische Menschenrechtskonvention
EPIL
Encyclopedia of Public International Law
EU
Europaische Union
EuGRZ
Europaische Grundrechte Zeitschrift
FAZ
Frankfurter Allgemeine Zeitung
FCA
Federal Court of Australia
FPR
Front Patriotique du Ruanda
GAOR
United Nations General Assembly Official Records
GFK
Genfer Fluchtlingskonvention
GK
Genfer Konvention
GP
Guiding Principles
GYIL
German Yearbook of International Law
HRC
Human Rights Committee
Hrsg.
Herausgeber
HS i. d. R.
Halbsatz in der Regel
i. d. S.
in dem Sinne
i. R.
imRahmen
i. S. d. i.Y.m.
im Sinne des in Verbindung mit
IACHR
Inter-American Court of Human Rights
IASC
Inter Agency Standing Committee
Ibid.
Ibidem
ICJRep.
International Court of Justice, Reports of judgements, advisory opinions, and orders
ICRC
International Committee of the Red Cross
ICTR
International Criminal Tribunal for Rwanda
ICTY
International Criminal Tribunal for Yugoslavia
IDP IFOR
Internally Displaced Persons
European Legal Network on Asylum
Implementation Force
Abkiirzungsverzeichnis IGH IJRL IKRK ILA ILC ILM ImmAR IMO msges.
XIX
Internationaler Gerichtshof International Journal of Refugee Law Internationales Komitee yom Roten Kreuz International Law Association International Law Commission International Legal Materials Immigration Appeal Reports International Migration Organisation
IStGH
insgesamt Internationaler Pakt uber burgerliche und politische Rechte Internationaler Pakt tiber wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte Internationaler Strafgerichtshof
IYHR
Israel Yearbook on Human Rights
LD LKO
London Declaration Haager Landkriegsordnung
ME
Modellentwurf
MichJIL MoU
Michigan Journal of International Law Memorandum of Understanding Medecins sans Frontieres
IPBurgR IPWirtR
MSF NIOD NQHR NVwZ NYIL NZWehrr OASTS OCHA ORC OVG GZoRV para.
Nederlands Instituut voor Oorlogsdokumentatie Netherlands Quarterly of Human Rights Neue Zeitschrift fur Verwaltungsrecht Netherlands Yearbook of International Law Neue Zeitschrift fur Wehrrecht Organisation of American States Treaty Series Office for the Coordination of Humanitarian Affairs Open Relief Centers Oberverwaltungsgericht Gsterreichische Zeitschrift fur offentliches Recht und Volkerrecht paragraph
xx
Abkiirzungsverzeichnis
RdC
Recueil des Cours
Rdnr.
Randnummer
RICR
Revue internationale de la Croix Rouge
RP
Repertory of Practice of the Security Council
RPA
Ruandaise Patriotique Armee
s. o.
SCOR
Siehe oben United Nations Security Council Official Records
SF OR
Security Force
SOFA
Status of Forces Agreement
SZIER
Schweizer Zeitschrift fur internationales und europaisches Recht
T.Ch.
Trial Chamber des Jugoslawientribunals
UN UNAMIR
United Nations
UNC
United Nations Charter
UNCIO UNDP
United Nations Conference on International Organizations United Nations Development Programme
UNEF
United Nations Emergency Force
UNFK UNGC UNHCR UNKRA UNMIK
UN -Folterkonvention United Nations Guards Contingent United Nations High Commissioner for Refugees
United Nations Assistance Mission for Rwanda
UNPA
United Nations Korean Reconstruction Agency United Nations Interim Administration Mission in Kosovo United Nations Protected Areas
UNPROFOR
United Nations Protection Force
UNSG-Report
United Nations Secretary-General Report
UNTS
United Nations Treaty Series
UNWRA
United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East
UNYB
Yearbook of United Nations Law
USA
United States of America Vanderbilt Journal of International Law
VandJIL
Abkiirzungsverzeichnis
XXI
Verf.
Verfasserin
VG
Verwaltungsgericht
Vgl.
vergleiche
VMK
Volkermordkonvention
VwGH
Verwal tungs gerichtshof
WLR
Weekly Law Reports
WVK
Wiener Vertragsrechtskonvention
z.B.
zum Beispiel
ZaoRV
Zeitschrift fur auslandisches offentliches Recht und Volkerrecht
ZP
Zusatzprotokoll
Einleitung Die zweite Halfte des 20. J ahrhunderts ist gekennzeichnet durch eine Wende yom klassischen Staatenkrieg hin zu ethnischen Konflikten zwischen Bevolkerungsgruppen sowie weg von militarischen Auseinandersetzungen hin zu terroristischen Aktivitaten. Kaum ein J ahrhundert nach der Anerkennung des Schutzes der Zivilbevolkerung im Konflikt wird diese damit wieder zum primaren Ziel der Auseinandersetzungen. Schwere Menschenrechtsverletzungen, Massenvertreibungen sowie ein immenser Anstieg der Zahl intern Vertriebener kennzeichnen die heutigen Konflikte. 1 Ein schwer erkampftes Gut unserer Zeit, der Schutz der an Konflikthandlungen unbeteiligten Zivilbevolkerung, steht wieder zur Disposition und die internationale Gemeinschaft versucht mit verschiedensten Mitteln, dieses Grundgebot durchzusetzen. Dabei bedient sie sich neben der umfassenden Verfolgung schwerster Verbrechen vor international en Gerichtshofen und der aktiven Durchsetzung fundamentaler Menschenrechte durch militarische Interventionen neuerdings auch der Errichtung internationaler Schutzzonen2 im Konfliktgebiet. Schutzzonen sind geboren aus der Idee eines moglichst umfassenden Schutzes der Zivilbevolkerung im Konfliktgebiet. Sie werden durch die Staatengemeinschaft im Konfliktgebiet errichtet und sollen verfolgten Personen unter der Idee "bring safety to people and not people to safety,,3 eine heimatnahe Zuflucht bieten. Attraktivitat haben Schutzzonen vor allem als Mittel zur Verhinderung von Fluchtlingsstromen ins Ausland und damit zur Vermeidung einer Ausweitung sowie Verlangerung von Konflikten erlangt. In den 90er Jahren reagierte die internationale
Heute werden 20 - 25 Millionen aufgrund bewaffneter Konflikte intern vertriebene Personen gezahlt. Vgl. UN Press Release, Memorandum of Understanding Seals Agreement to improve UN Assistance to Internally Displaced, 18.4.2002; Global IDP Project, www.idpproject.org.bei: Global Overview. 2 In dieser Darstellung wird der Begriff Schutzzone anlehnend an den allgemeinen Sprachgebrauch als Sammelbegriff fur die verschiedenen Erscheinungsformen wie safety zones, safe areas, safe havens benutzt, wohlwissend, daB die wortliche·Dbersetzung im Einzelfall eine andere ist.
AALCC, Summary Record of the Seminar on the "Establishment of a Safety Zone for Displaced Persons in their Country of Origin" held in New Delphi on 23'd September 1994, Reports and Selected Documents, 1995, 34th Session, Annex II, 138.
2
Einleitung
Gemeinschaft wiederholt mit der Einrichtung von Schutzzonen zum Schutz verfolgter Bevolkerungsgruppen in bewaffneten Auseinandersetzungen. So erzwang eine amerikanisch angefuhrte Militarkoalition bereits 1991 nach dem Golfkrieg im Nordirak safe havens fUr kurdische Fluchtlinge. 1993 griff der UN -Sicherheitsrat das erste Mal den Schutzzonengedanken auf und erklarte in Bosnien sechs safe areas zum Schutz und zur Sicherung der humanitaren Hilfe fur die von serbischen Kampfern bedrohte muslimische Zivilbevolkerung. 1994 ermachtigte er eine Militarkoalition in Ruanda zur Errichtung von safe humanitarian zones zum Schutz der verfolgten Hutu und Tutsi und etablierte damit die Idee der international geschutzten Zonen im Heimatstaat zu einem von der internationalen Gemeinschaft anerkannten Instrument zur Sicherung des Weltfriedens. Schutzzonen stehen aber auch im Schatten des dramatischen Niedergangs der von einer UN-Peace-Keeping-Truppe geschutzten safe area Srebrenica in Bosnien 1995. Dort wurden die von der internationalen Gemeinschaft als sicher erklarten, aber nicht ausreichend abgesicherten Gebiete zu lebensgefahrlichen Orten fur die Bevolkerung, die im Vertrauen auf den Schutz dorthin gezogen war. 4 Bilder und Nachrichten von Massenhinrichtungen, Deportationen und Menschenrechtsverletzungen durch die serbische Konfliktpartei sowie unzahlige nachtragliche Untersuchungsberichte,5 die Identifizierung von Leichen in Mas-
4 Jagger sprach sogar von einem legitimierten Konzentrationslager, Jagger, The Batrayal of Srebrenica.
Inzwischen gibt es einen Bericht des UN-Generalsekretars (The Fall of Srebrenica), drei Untersuchungsdokumente des niederlandischen Verteidigungsministeriums (Debriefing, Omtrent Srebrenica, Feitenrelaas), eine offizielIe Stellungnahme der niederlandischen Staatsanwaltschaft (College van procureurs-generaaI), zwei UntersuchungsausschuBberichte der Zweiten niederlandischen Kammer der Generalstaaten (Commissie Bakker, Enquete Srebrenica), eine historische Untersuchung des Nederlandse Insituut voor Oorlogsdokumentatie NIOD u. Wiebes), einen unabhangigen Bericht des Interkerkelijk Vredesberaad (Srebrenica), einen Untersuchungsbericht des franzosischen Parlaments (Rapport D'Information, Srebrenica). Vgl. dazu: Simon/Vandenberghe, Srebrenica, 681 ff., sowie einen vom Bosnien-Verwalter Paddy Ashdown in Auftrag gegebenen Bericht einer bosnisch-serbischen Untersuchungskommission, vgl. www.ohr.int/.
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sengrabern6 und Prozesse gegen Kriegsverbrechen vor dem Jugoslawientribunaf stehen fur das Scheitern der safe areas. 8 Dennoch besteht Einigkeit uber die Nutzlichkeit des Schutzzonenkonzepts. So gab der UN-Generalsekretiir in seinem Untersuchungsbericht zu Srebrenica nicht dem Instrument an sich, sondern der mangelnden Entschlossenheit der Staatengemeinschaft die Schuld an seinem dramatischen Scheitern. 9 1m Jahr 2000 erkannte sogar der UN-Sicherheitsrat von der Staatengemeinschaft errichtete und gesicherte Schutzzonen als ein Instrument zum Schutz der Zivilbevolkerung in Krisengebieten an.1O Aber auch die ILA hob die Bedeutung von Schutzzonen beim Schutz intern vertriebener Personen heraus,l1 und nicht zuletzt beweisen 2001 wahrend des Afghanistankonflikts lautgewordene Forderungen nach der Errichtung von Schutzzonen fur die Zivilbevolkerung 12 die fortbestehende internationale Wertschatzung des Konzepts. Angesichts der Attraktivitat aber auch der Gefahren von Schutzzonen will diese Arbeit fragen, ob sie fur die Zukunft ein brauchbares Schutzinstrument fur verfolgte Bevolkerungsgruppen im Konflikt darstellen und wie sie dazu ausgestaltet sein mussen. Die Arbeit beschrankt sich dabei auf die Untersuchung von UN-Schutzzonen - ein Begriff, der einen Kompromi6 zwischen einem der vielen durch spezielle Operatio-
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Zu den Massengrabern: BogoevalFetscher, Srebrenica, 30S ff.
7 Vgl. hier vor allem die Anklage gegen den damaligen Staatsprasidenten Jugoslawiens, Milosevic (IT-02-54), den Fuhrer der bosnischen Serben Karadzic und General Mladic (IT-95-5/1S), gegen Popovic (IT-02-57), Beara (IT-02-5S) Blagojevic und Jokic (IT-02-60), D. Nikolic (IT-02-63) sowie die Urteile gegen Krstic (IT-9S-33), Erdemovic (IT-96-22T), Obrenovic (IT-02-60/2) und M. Nikolic (IT-02-60/1), alles erhaltlich unter www.un.orglicty/ind-e.htm.
Der Fall der UN-Schutzzone Srebrenica wird auch als "largest failure of the United Nations in its peacekeeping efforts" beschrieben: Benedek, Srebrenica, 305. 9
The Fall of Srebrenica, para. 490 f.
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S/RES/1296, 19.4.2000.
11 Art. 14 (3) Draft Declaration of International Law Principles on Internally Displaced Persons, International Committee on Internally Displaced Persons, ILA, angenommen mit Res. No. 17/2000, veroffentlicht in: 69 ILA, Conference Report (2000).
12 So B. McKinley, Generaldirektor der IMO, FAZ, 16.10.01, Nr. 240, 3; ebenfalls Bundestagsvizeprasidentin A. Vollmer, Financial Times Deutschland, S.10.01,12.
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nen vorbelasteten englischen Ausdrucke wie safe area, safe havens oder safe humanitarian zone und dem Ausdruck der internationalen Schutzzone darstellt, der vielleicht inhaltlich korrekter ware, wei! die Schutzzonen durch die internationale Gemeinschaft geschutzt werden, aber die Legitimation durch die UN offen lieBe. UN-Schutzzonen sollen in dieser Arbeit fur soIehe von der international en Gemeinschaft im Konfliktgebiet gegen den Willen mindestens einer Konfliktpartei errichteten und geschutzten Gebiete stehen, die ihre Grundlage im Friedenssicherungsrecht finden. Die Frage einer Schutzzonenerrichtung auf der Grundlage des allgemeinen Volkerrechts, insbesondere einer humanitaren Intervention, ist aus der Arbeit ausgeklammert, da wegen des allgemeinen Gewalt- und Interventionsverbots l3 eine Schutzzone auf einer soIehen Grundlage wenn uberhaupt nur ausnahmsweise zulassig ware und damit nicht allgemein als alternatives Schutzinstrument fUr verfolgte Personen im Konflikt in Betracht kame. Dennoch soIl die Untersuchung der bisherigen Schutzzonenpraxis zur Vervollstandigung und aufgrund der ansonsten gegebenen Niihe zu den von den UN autorisierten Schutzzonen neben den vom UN-Sicherheitsrat erklarten safe areas in Bosnien und der von ihm ermachtigten secure humanitarian areas in Ruanda ebenfalls die von einer Militarkoalition im Nordirak errichteten safe havens einschlieBen; auch wenn ihre Grundlage im Friedenssicherungsrecht zweifelhaft ist. Herausgenommen aus der Untersuchung bleiben damit aber soIehe vom UNHCR fur ruckkehrende Fluchtlinge und intern Vertriebene errichteten Gebiete wie beispielsweise die Open relief centers in Sri Lanka,14 die zumindest auf die konkludente Zustimmung der Parteien bauten. 15 Gleichzeitig bleiben aber auch die zum Schutz verfolgter Personen in Drittstaaten errichteten Schutzzonen unbeachtet, wie sie beispielsweise die USA 1994 in verschiedenen Staaten fur haitianische und kubanische Asylsuchende und spater auch auf der Militarbasis Guanta-
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Vgl. Art. 2 ( 3) und (4) UNC.
14 Die ORCs wurden 1993 ohne Sicherheitsratsbeteiligung unter Agide des UNHCR fur die bedrohte tamilische Bevolkerung in Sri Lanka errichtet. Vgl. UNHCR activities financed by voluntary funds: Report for 1990 - 91 and proposed programmes and budget for 1992, Part II Asia and Oceania, A/AC.96/774 (Part II), 50 f.; Landgren, Safety Zones, 45.1 f.; Kendle, Protecting Whom?, 535; Clarance, Open Relief Centers, 325 ff.
IS Mit der Sri Lankischen Regierung wurde ein MoU abgeschlossen und die tamilischen Rebellen haben die ORCs zumindest informell akzeptiert. Siehe dazu: Landgren, Safety Zones, 452.
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namo Bay errichteten. 16 Obwohl diese Gebiete ebenfalls safe havens genannt wurden, handelt es sich nicht um Schutzzonen im hier gemeinten Sinne, weil sie Fluchtmoglichkeiten au6erhalb des Heimatstaates der verfolgten Personen darstellen. Genauso sind aufgrund der speziellen Zielsetzung der Schutzzonen - dem Schutz verfolgter Personen gegen bewaffnete Angriffe im Konflikt - aus der Betrachtung auch soIehe von der international en Gemeinschaft gesicherten Zonen wie die UNPAs in Kroatien ausgeschlossen, die in instabilen Gebieten errichtet wurden, um die Zivilbevolkerung vor allem vor Verbrechen innerhalb der geschutzten Gebiete zu schutzen. 17 Schlie61ich fallt aber auch die reine Sicherung humanirarer Hilfe durch die Staatengemeinschaft ohne die Errichtung besonderer Zonen, wie sie durch das secure humanitarian environment in Somalia erfolgte,18 sowie der nicht auf eine bestimmte Zone bezogene Schutz der Vertriebenen und ubrigen Bevolkerung, wie er der Interim Emergency Multinational Force in Bunia/Kongo ubertragen wurde,19 aus der Untersuchung heraus. Die Fragestellung der Arbeit, ob UN-Schutzzonen eine brauchbare Schutzmoglichkeit fur verfolgte Personen im Konflikt darstellen, verlangt die Antwort auf insgesamt drei wesentliche Punkte: erstens, ob wir uberhaupt zusatzlich neben dem bestehenden Schutzsystem fur verfolgte Personen im Konflikt ein soIehes Schutzinstrument brauchen; zweitens, ob UN-Schutzzonen vor allem angesichts ihres Scheiterns in Bosnien als Schutzinstrument geeignet sind und drittens, weIehe Bedingungen in einer Schutzzone erfullt sein mussen, damit sie als effektives Schutzinstrument angesehen werden konnen und inwieweit diese Bedingungen in einer UN -Schutzzone sichergestellt sind. Dementsprechend teilt sich die Arbeit in drei Abschnitte auf. Um im ersten Abschnitt die grundsatzliche Brauchbarkeit der UNSchutzzonen-Idee neb en den bestehenden Schutzmoglichkeiten fur verfolgte Personen aufzeigen zu konnen, mu6 zunachst das Konzept der UN-Schutzzonen erarbeitet werden. Da in Lehre und Praxis die ver-
16 V gl. Landgren, Safety Zones, 441. 17 Die Funktion der UNPAs in Kroatien lag vor aHem in der Kontrolle der Entmilitarisierung und der lokalen Polizei Vgl. S123280, 11.12.1991, Annex III. 18 Fur Somalia vgl. S/RES/794, 3.12.1992, para. 7, 10; dazu auch Fink, Friedenssicherung II, 785. 19 S/RES/1484, 30.05.2003, wobei der Interim Emergency Multinational Force in Bunia im Ubrigen die gleichen Aufgaben ubertragen wurden, wie sie typisch fur eine Schutzzone sind.
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schiedensten Begriffe fur Schutzzonen wie safety zones, safe areas, safe humanitarian zones, protected areas, security zones oder safe havens kursieren, bedarf es vor allem einer Klarung, welche Zielsetzung und Grundprinzipien sich hinter dies en verschiedenen Begriffen verbergen, worin sie sich unterscheiden und ob es ein gemeinsames Konzept der UN-Schutzzonen gibt. Neben etwaigen Konzeptualisierungsansatzen innerhalb der UN ist dazu vor all em die Praxis der bisherigen SchutzZonen zu untersuchen. Angesichts der Tatsache, daB das Friedenssicherungsrecht nicht explizit die Errichtung von Schutzzonen vorsieht, das humanitare Volkerrecht aber verschiedene Schutzzonen zum Schutz der Zivilbevolkerung im Konflikt regelt,20 stellt sich ebenfalls die Frage, wie UN-Schutzzonen zu diesem humanitaren Konzept stehen und welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede sie aufweisen. Dabei ist gleichzeitig zu klaren, ob neben den humanitaren Schutzzonen uberhaupt ein Anwendungsgebiet fur ein zusatzliches Schutzzonenkonzept im Friedenssicherungsrecht bleibt. Am Ende dieses ersten Teils solI zum Verstandnis sowie zur Beurteilung der Notwendigkeit dieses neuartigen Instruments eine Einordnung in das Schutz system fur verfolgte Personen erfolgen. Vor diesem konzeptionellen Hintergrund und der Klarung des grundsatzlichen Bedurfnisses fur ein neues Schutzinstrument wie die UNSchutzzonen, kann nUn in einem zweiten Teil untersucht werden, ob es sich bei den UN-Schutzzonen urn ein geeignetes Schutzinstrument handelt. Dies setzt vor aHem voraus, daB die zwangsweise Errichtung von Schutzzonen durch die UN sowie die spatere militarische oder polizeiliche Sicherung des Gebiets als Eingriff in die Rechte des Gaststaates volkerrechtlich zulassig sind. Denn, indem UN-Schutzzonen einen notfaHs sogar gewaltsam erzwingbaren Schutz verfolgter Personen durch die internationale Gemeinschaft am Heimatort ermoglichen, greifen sie in eine Kompetenz des Heimatstaates ein. Sie stehen im Spannungsfeld zwischen umfassendem Menschenrechtsschutz als Form der Friedenssicherung und der Souveranitat des Gaststaates, das wegen des Interventionsverbots in Art. 2 (7) UNC grundsatzlich nur mit der Zustimmung des Gaststaates oder durch die Feststellung einer Friedensbedrohung und einer ZwangsmaBnahme nach Kapitel VII UNC durch den UN-Sicherheitsrat aufgelost werden kann. Deswegen mussen in
20 Sanitatszonen und -orte (Art. 23 GK I), Sanitats- und Sicherheitszonen (Art. 14 GK IV), Neutrale Orte (Art. 15 GK IV), Unverteidigte Statten (Art. 25 LKO), Unverteidigte Orte (Art. 59 ZP I) und Entmilitarisierte Zonen (Art. 60 ZP I).
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dieser Arbeit sowohl die Legitimation der Schutzzonen im Friedenssicherungsrecht als auch ihre volkerrechtlichen Grenzen geklart werden. Gleichzeitig bedarf es aber auch der Herausstellung der Befugnisse und Pflichten der Schutzzonenmacht bei der Sicherung und Organisation einer Schutzzone, insbesondere inwieweit sie zur Aufrechterhaltung der offentlichen Ordnung in der Schutzzone offentliche Gewalt wahrnehmen darf oder gar muB. Da UN-Schutzzonen ihre Legitimation im Schutz der Zivilbevolkerung im Konflikt und damit in humanitaren und menschenrechtlichen Werten als Elemente der Friedenssicherung find en, muG in ihnen auch tatsachlich ein gewisser menschenrechtlicher und humanitarer Standard gewahrleistet sein. Insbesondere mit Blick auf die unmenschlichen Verhaltnisse in der safe area Srebrenica, wo Hunger, Krankheiten sowie katastrophale sanitare Bedingungen herrschten und bei deren brutalen Einnahme mehr als 7.000 - 8.000 Menschen urns Leben kamen, ist in einem dritten Tei! zu klaren, welche fundamentalen Rechte der Bevolkerung bei der Sicherung und Organisation einer Schutzzone zu beachten sind und inwieweit sie Einschrankungen unterworfen werden konnen. Angesichts der Tatsache, daG der UN-Sicherheitsrat in Srebrenica trotz des Wissens urn die katastrophalen Zustande und den unmoglichen Schutz keine Anderung seiner safe-area-Politik vornahm,21 ist dabei gesondert auf die Verantwortlichkeiten der UN bei der Sicherstellung des Schutzes und der humanitaren Versorgung in einer von ihnen erklarten oder ermachtigten Schutz zone einzugehen. Dabei ist insbesondere zu Hiren, ob die UN aufgrund einer Schutzzonenerklarung eine Art Garantenstellung hinsichtlich der Sicherstellung eines Mindeststandards einnehmen, die sie zu weiteren SchutzmaGnahmen verpflichtet, wenn der Schutz nicht mehr gewahrleistet werden kann. 22 Soweit der UNSicherheitsrat die Sicherung der Schutz zone einer Schutzzonentruppe iibertragt, ist zudem zu fragen, inwieweit er in dem Fall den Schutz und die humanitare Hilfe in der Schutz zone iiberwachen muG. Dabei solI
21 "Even before the attack on Srebrenica began, it was clear to the Secretariat and Member States alike that the safe areas were not truly «safe». There was neither the will to use decisive air power against the Serb attacks on the safe areas, nor the means on the ground to repulse them. In report after report the Secretariat accordingly and rightly pointed out these conceptual flaws in the safe area policy". The Fall of Srebrenica, para. 494. So kritisiert auch Lord Owen die safe area Politik des UN-Sicherheitsrats: "( ... ) les plus irresponsables (... )", "les pires resolutions" que Ie Conseil ait adoptees, Owen, Balkan Odyssey, 178,355.
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So Frelick, Preventing Refugee Flows, 9.
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ebenfalls auf zusatzliche Uberwachungsmechanismen durch andere UN-Organe eingegangen werden, die die Einhaltung der fundamentalen Rechte in der Schutzzone beobachten und zu ihrer verbesserten Sicherstellung verhelfen kannten. Zuletzt mussen in diesem dritten Teil zumindest kurz die haftungsrechtlichen Folgen fur die UN bei fehlenden Schutzvorkehrungen in einer von ihnen errichteten Schutzzone erartert werden. AbschlieBend kann dann die Beantwortung der Frage gewagt werden, ob, wie und inwieweit UN-Schutzzonen ein brauchbares Schutzinstrument bei Massenverfolgung darstellen kannen. Neben einem Fazit sollen vor aHem auf der Grundlage der erarbeiteten valkerrechtlichen Voraussetzungen einer UN-Schutzzone und den Bedingungen bei ihrer Sicherung zusammenfassende Leitlinien fur ihren zukunftigen Einsatz formuliert werden.
Erster Teil Schutzzonen im Friedenssicherungsrecht: Gegenstand und Einordnung
Erstes Kapitel: Konzept cler Schutzzonen im Frieclenssicherungsrecht "When UNPROFOR HQ received the first cable about the draft of SCR 819 on 16 April 1993, and we were for the first time confronted with the term ,Safe Area', I called for my Chief of Staff (COS) and my legal advisers and we discussed whether it was an established conception, such as Safety Zones. But none of us had ever heard of the term ,Safe Area' before and we set a new meeting for the next day, after some investigations. None of us had found Safe Area as an established term, but Safety Zones and Demilitarized Zones were defined."J Die UN-Charta kennt weder security zones noch protected areas, safe havens, safe humanitarian zones oder safe areas. Auch eine feststehende Definition dieser verschiedenen Begriffe existiert im Friedenssicherungsrecht nicht, vielmehr werden sie in Lehre und Praxis synonym fur die Bezeichnung der von der 5taatengemeinschaft errichteten Schutzzonen benutzt. 2 50 beschreibt das offizielle UN-Peace-Keeping-Glossary wechselseitig safe havens und safe humanitarian zones als safe a3 .. reas und protected zones/areas. Ahnlich wurden im Vorfeld der safe area Resolutionen des UN -Sicherheitsrats in Bosnien auch security zo-
So der damalige Oberkommandierende der UNPROFOR in Bosnien, Lt. General Wahlgren, Wahlgren, Start and End of Srebrenica, 170. 2
Landgren, Safety Zones, 436; Torrelli, Zones des Securite, 788.
Glossary der UN Peace-Keeping-Abteilung bei "S", www.un.org/Deptsl dpko/glossaryls.htm.
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Schutzzonen im Friedenssicherungsrecht
nes,4 protected zones 5 und safe havens6 empfohlen, bevor man spater die Errichtung von safe area/ beschloK Aber selbst nach ihrer Errichtung bezeichnete die Literatur diese Gebiete haufig noch als safe havens. 8
Die verschiedenen Schutzzonenbezeichnungen stellen damit keine termini technici fur einen v61kerrechtlichen Status eines Gebiets dar,9 sondem beschreiben allein ein durch die Staatengemeinschaft errichtetes sicheres Gebiet. Deswegen werden die intemationalen Schutzzonen auch allgemein als inoffizieller Ausdruck fur verschiedenste Versuche definiert, " (... ) (To) declare certain areas off limits so far as military target. mg.IS concerned. ,,10 Trotz dieser begrifflichen Synonymitat straubte man sich aber innerhalb der UN dagegen, in Bosnien den im Irak zuvor gepragten Ausdruck der
4 In seiner Stellungnahme spricht der damalige deutsche Augenministers K. Kinkel auf der London Konferenz am 26.8.1992 in Punkt funf von der Errichtung von safety zones, Volltext siehe Webseite www.un.org/icty/publication/ path.htm.
So der damalige IKRK Prasidenten Sommaruga, zitiert in: The Fall of Srebrenica, para. 45. 6
E/CN.411992/S-1/10, 27.10.1992, para. 25 (b).
7 Zunachst beschlog man in der abschliegenden Erklarung der London Konferenz die Geeignetheit von safe areas zu prUfen: "5. The Co-Chairmen have agreed a programme of action with the parties to the conflict. This includes: (... ) safe areas (viii) Further examination of options including natural zones for safe areas." Specific Decisions by the London Conference 27.8.1992 - LC/C (Final), siehe www.un.org/icty/publication/path.htm. Spater erklarte der UNSicherheitsrat in Res. 787 "( ... ) Recalling the decision by the International Conference on the Former Yugoslavia to examine the possibility of promoting safe areas for humanitarian purposes (... ) 19. Invites the Secretary-General, in consultation with the United Nations High Commissioner for Refugees and other relevant international humanitarian agencies, to study the possibility of and the requirements for the promotion of safe areas for humanitarian purposes (... )", S/RES1787, 16.11.1992, para. 18; in seinen Res. S/RES/819, 16.4.1993 und S/RES/824, 6.5.1993, in denen er bestimmte Sicherheitszonen errichtete, behielt der UN-Sicherheitsrat die Bezeichnung safe area bei.
Weller, Peace-Keeping, 100; Landgren, Safety Zones, 444. 9 So auch fur die safe areas: UNHCR, The State of Worlds Refugees, 1995, 125; Gordon, Safe Areas, 215. 10 Roberts, Humanitarian Issues in International Politics, unter: Humanitarian Law and Action.
1. Kapitel: Konzept der Schutzzonen im Friedenssicherungsrecht
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safe havens zu gebrauchen. 1I Vor diesem Hintergrund ist deswegen zu klaren, was sich genau hinter den verschiedenen UN-Schutzzonenbegriffen verbirgt, auf welchen Grundsatzen die Schutzzonen basieren und welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede sie aufweisen. Bevor dazu die bisherige Schutzzonenpraxisim Irak, Bosnien und Ruanda eingehend betrachtet wird, soIl zunachst nach einem allgemeinen Schutzzonenkonzept innerhalb der UN gefragt werden.
I. Konzeptualisierungsansatze innerhalb der UN
1m Vorfeld der bisher errichteten UN-Schutzzonen existierte innerhalb der UN-Mitgliedsstaaten nur eine grobe Schutzzonenidee, die die Umsetzung des Schutzes weitestgehend der Schutzzonentruppe iiberlieK 12 1m Irak wurde allein die Vorstellung geauBert, daB ein Schutz im Lande durch die internationale Gemeinschaft erreicht werden und der irakischen Fiihrung jeder Zutritt zum Territorium und Dberflug verboten sein sollte. 13 Auch die secure humanitarian areas in Ruanda sollten laut UN-Sicherheitsrat allein zur Sicherheit und dem Schutz der Bevolkerung beitragen. 14 Konkrete Eigenschaften der Gebiete oder Umsetzungsmodalitaten nennt er nicht und sind auch in den Verhandlungen nicht zu finden. ls Ebenso forderte der UN-Sicherheitsrat in Bosnien allein "areas free from any armed attacks and from any other hostile acts (... ) and where the unimpeded delivery of humanitarian assistance
11 So beschrieb der Verhandlungsfiihrer der EU auf der London Konferenz, Lord Owen, die beiden Begriffe als nicht austauschbar, die safe-haven-Idee ginge weiter als der safe area Gedanke. Zitiert in: Leurdijk, United Nations Protected Force, 77. 12 Bettati, Las Areas de Seguridad, 3. So stellte Frankreich auch nach Erkliirung der safe areas fest: "It (The Security Council) is cautious concerning the way to ensure protection of those areas.", S125800, 19.5.1993, 2 (Einschub durch Verf.).
13 Vgl. Bush auf einer Pressekonferenz am 16.4.1991, abgedruckt in: Freedman/Boren, Safe Havens, 54 f. 14 "( ... ) contribute to the security and protection of displaced persons, refugees and civilians at risk in Rwanda, including through the establishment and maintenance, where feasible, of secure humanitarian areas (... )", S/RES/918, 17.5.1994, para. 3a.
IS
Vg.I S/PV.3377, 16.5.1994; SI PV.3392,22.6.1994.
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5chutzzonen im Friedenssicherungsrecht
to the civilian population would be ensured".16 Eine detailliertere Definition der safe areas brachte in Bosnien allein Frankreich ein, wonach es sich urn ein be1agertes Gebiet hande1e, das unter dem Schutz der UN stehe, in dem die Verteilung humanitarer Hilfe sichergestellt sei sowie alle Gewaltakte verboten und dessen AusmaBe genau definiert seien. 17 Ahnlich betonte der UN-Generalsekretar wahrend des safe area Einsatzes wiederholt die Notwendigkeit einer klaren Abgrenzung und Entmilitarisierung des Schutzzonengebiets sowie der Bewegungsfreiheit der Bevolkerung, der Truppe und humanitarer Hilfsorganisationen in dem Gebiet. 18 Offiziell als MaBnahme zur Friedenssicherung anerkannt wurde die Schutzzone aber erst 1998, als der UN -Generalsekretar in seinem Bericht uber den Schutz humanitarer Hilfe fur Fluchtlinge und andere in Konfliktsituationen "safety zones" und "safe areas" als MaBnahme der UN zur Sicherstellung der humanitaren Hilfe in Konflikten aufzahlte. 19 Ein Jahr spater empfahl er dem UN -Sicherheitsrat ausdrucklich fur bestimmte Situationen und unter Einhaltung besonderer Bedingungen die Errichtung vorubergehender "safe corridors" und "security zones" zum Schutz von Zivilpersonen und zur A.uslieferung von Hilfsgutern in bewaffneten Konflikten. 20 Der UN-Generalsekretar beschrankt den Einsatz der "safety zones" in seiner Empfehlung auf Situationen, in denen die Zivilbevolkerung von Volkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen bedroht ist. Als Voraussetzung der "safety zones" nennt er ein bereits. vor ihrer Errichtung vorhandenes ausreichendes Gewaltpotential, urn die Sicherheit der Zivilbevolkerung zu gewahrleisten, sowie die Sicherstellung der Entmilitarisierung der Gebiete und eine Evakuierungsoption fur die Bevolkerung. 16 5/RE5/819, 16.4.1993, para. 1; 5/RES/824, 6.5.1993, para. 3, 4b. Vgl. auch UN-Generalsekretar zum saJe-area-Konzept: "( ... ) the safe areas were envisaged to be areas free from armed attack and from any other hostile acts that would endanger the well-being and the safety of their inhabitants and where the unimpeded delivery of humanitarian assistance to the civilian population would be ensured", UN5G-Report, 5/1994/555, 9.5.1994, para. 2. 17 Note verbale from the permanent Representative of France to the United Nations addressed to the President of the Security Council, 5125800, 19.5.1993, 2. 18
UN5G-Report, 5/1994/555, 9.5.1994, para. 18, UNSG-Report, 5/1994/ 1389, 1.12.1994, para. 45 H. 19
UNSG-Report, S/1998/883, 2.9.1998, para. 22 H.
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UN5G-Report, 5/1999/957,8.9.1999, para. 39.
1. Kapitel: Konzept der Schutzzonen im Friedenssicherungsrecht
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Dieses yom UN-Generalsekretar empfohlene Schutzzonenkonzept wurde 2000 yom UN-Sicherheitsrat ausdrucklich als Mittel der Friedenssicherung angenommen. 21 Es nennt klare Einsetzungsvoraussetzungen und gewisse Eckpfeiler dazu, wie der Schutz gewahrleistet werden solI, jedoch fehlen konkrete Angaben uber die Organisation der Schutz zone, die dort geltenden R~chte und Pflichten und die Verantwortungsverteilung in dem Gebiet. Insoweit geht der UN-Generalsekretar in seiner Empfehlung auch nicht auf die bisher im Rahmen der UN errichteten Schutzzonen fur die Zivilbevolkerung ein. Da die dortige Umsetzungspraxis aber entscheidenden EinfluB auf das UNSchutzzonenkonzept hat, solI sie im Folgenden dargestellt und spater mit den Kriterien des UN-Generalsekretars verglichen werden.
II. Bisherige Praxis der UN-Schutzzonen Die Errichtung von Schutzzonen im Rahmen der Friedenssicherung zum Schutz der verfolgten Bevolkerung im Heimatstaat steht in der Entwicklung der Staatengemeinschaft zum starkeren Einsatz fur humanitare Belange. Lange Zeit g;llt der Schutz verfolgter Personen im eigenen Staat als alleinige Aufgabe des Heimatstaates in Zusammenarbeit mit humanitaren Organisationen und NGOs. 1m Rahmen der UN ubernimmt seit 1950 das politisch neutrale und humanitare Nebenorgan UNHCR den Schutz und die humanitare Versorgung von Fluchtlingen und Vertriebenen. 22 Der UN-Sicherheitsrat hat den Schutz und die humanitare Hilfe verfolgter Personen im Heimatstaat nur sehr zuruckhaltend wahrgenommen, da anderweitige politische MaBnahmen zur Kon-
21 "15. Indicates its willingness to consider the appropriateness and feasibility of temporary security zones and safe corridors for the protection of civilians and the delivery of assistance in situations characterized by the threat of genocide, crimes against humanity and war crimes against the civilian population;"
S/RES/1296, 9.4.2000. 22 Der UNHCR kann auf Anfrage des UN-Generalsekretars und mit Zustimmung des Empfangsstaates auch fur intern Vertriebene tatig werden, vgl. auch www.unhcr.ch. unter IDPs; vgl. dazu auch: Piender, Internally Displaced, 119 ff.
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Schutzzonen im Friedenssicherungsrecht
fliktbeilegung immer ein Risiko fUr die bei humanitarer Hilfe erforderliche Unparteilichkeit, Humanitat und Neutralitat bedeuteten. 23 Mit der allgemeinen Zunahme des humanitaren Engagements unter den Staaten in den 90er Jahren ging Jedoch auch eine verstarkte Betatigung des UN -Sicherheitsrats auf dies em Gebiet einher.24 Fur ihn eroffneten sich vor aHem dort Betatigungsfelder, wo die Staaten die humanitare Hilfe nicht leisten konnen oder wollen und die humanitaren Organisationen und NGOs an ihre Grenzen sto£en. Dies ist meist dann der Fall, wenn humanitare Hilfe ineinem umkampften Gebiet oder an verfolgte Personen geleistet werden soIl und die humanitaren Organisationen damit auf den Schutz durch die UN angewiesen sind. 25 In soleh einem Fall hat der UN-Sicherheitsrat in den letzten Jahren versucht, den Schutz der verfolgten Bevolkerung im Konfliktgebiet durch Beobachtungs- oder Polizeitruppen aber vor aHem auch durch die Errichtung von Schutzzonen zu gewahrleisten.
1. Safe Havens -lrak 1991
Historisch gesehen stellen die 1991 von einer amerikanisch gefuhrten Militarkoalition im Nordirakerrichteten und spater von den UN organisierten safe havens den ersten Versuch einer Schutz zone im Rahmen des Friedenssicherungsrechts dar. Zwar konnen sie nicht als klassische Ma6nahme der UN bezeichnet werden, weil der UN -Sicherheitsrat, wie im Folgenden zu zeigen sein wird, die safe havens niemals selbst erklart oder ausdrucklich ermachtigt hat. Jedoch berief sich die Militar23 Zu den Grundsatzen der humanitaren Hilfe: Sommaruga, Keynote Speech, 21 ff., 23; Karenfort, Die Hilfsorganisation im bewaffneten Konflikt, 43 ff. 24 Roberts verweist vor aHem auf dieerstmals so hohe Anzahl an Sicherheitsratsresolutionen zum humanitaren Volkerrecht und zu humanitaren Aktionen, die Errichtung des Jugoslawientribunals 1992 und des Ruandatribunals 1994 sowie die UN-Interventionen zur Implementierung des humanitaren Volkerrechts in Somalia 1992 (UNITAF) und Bosnien 1995 (Operation Deliberate Force): Roberts, Humanitarian Issues in International Politics, zu 1); SandvikNylund, Caught in Conflicts, 103 ff. weist auf die neuere Praxis des UNSicherheitsrates hin, humanitare Notlagen als Friedensbedrohung i.S.d. Art. 39 UNC anzusehen. Liischer, The UN High Commissioner for Refugees, 168.
25 Meist bitten dann das Rote Kreuz und der UNHCR beim UN-Sicherheitsrat oder -Generalsekretar urn Unterstutzung. Sandvik-Nylund, Caught in Conflicts, 125; Torrelli, Zones de Securite, 809.
1. Kapitel: Konzept der Schutzzonen im Friedenssicherungsrecht
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koalition auf eine Resolution des UN-Sicherheitsrats und die UN iibernahmen spater die Organisation der safe havens, weswegen sie im Rahmen der allgemeinen Schutzzonenpraxis vorgestellt werden sollen.
a) Politische Vorgeschichte und Errichtung der safe havens Nach dem Ende des zweiten Golfkrieges und der Zuruckdrangung der irakischen Armee durch die Alliierten im Marz 1991 kamen im irakischen Staat innenpolitische Spannungen auf, die zu Unruhen fiihrten. Die im Zuge dessen vorgenommenen repressiven Dbergriffe der irakischen Regierung auf die kurdische Bevolkerung im Norden des Landes losten starke Fliichtlingsstrome in die Tiirkei und den Iran aus. 26 Viele der Fliichtlinge verhungerten oder erfroren auf der Flucht durch die Berge, pro Tag wurden circa 1000 Todesopfer gezahlt. Auf Drangen der Tiirkei und Frankreichs beschloB der UN-Sicherheitsrat am 5.4.1991 Res. 688,27 in der er vor allem die MaBnahmen der irakischen Fiihrung gegen die kurdische Bevolkerung verurteilte und den freien Zugang humanitarer Organisationen forderte: "( ... )1. Condemns the repression of the Iraqi civilian population in many parts of Iraq, including most recently in Kurdish-populated areas, the consequences of which threaten international peace and security in the region; (... ) 2. Demands that Iraq (... ) immediately end this repression (... ) 3. Insists that Iraq allow immediate access by international humanitarian organizations to all those in need of assistance (... )".
Diese Resolution enthielt keinen ausdrucklichen Verweis auf Kapitel VII UNC. 1m AnschluB an die Resolution lief die humanitare Hilfe durch eine in der Turkei stationierte internationale Militarkoalition aus den USA, GroBbritannien und Frankreich fur die Kurden an (Operation Provide Comfort). Allerdings stellte sich schnell heraus, daB die humanitare Hilfe in den bergigen Gebieten im Irak sehr muhsam war und dennoch viele Menschen in der Kalte den Tod fanden. Als die Tiirkei mangels weiterer Aufnahmekapazitat zudem auf eine Riickfiihrung der kurdischen Fliichtlinge in den Irak drangte, schlug def damalige britische Premierministers John Major am 8.4.1991 auf dem Luxemburger
26 Ihre Zahl stieg bis auf 400.000 an. Insgesamt ziihlte der kurdische Bevi:ilkerungsanteil im Irak 1-1,5 Mill. Vgl. Freedman/Boren, Safe Havens, 48. 27 S/RES/688, 5.4.1991.
Schutzzonen im Friedenssicherungsrecht
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EU-Gipfel die Einrichtung von durch die UN geschiitzten Enklaven fiir die Kurden vor. 28 Zur Vermeidung weiterer irakischer Vergeltungsschlage gegen die Kurden und zur Ermutigung kurdischer Riickkehrer forderten die USA zunachst am 10.4.1991 die irakische Fiihrung auf, nordlich des 36. Breitengrades aIle Militaroperationen insbesondere Angriffe aus der Luft zu unterlassen (sogen. no fly zone).29 Wenig spater, am 16.4.1991, nahm US-Prasident Bush den Vorschlag Majors auf und erklarte entgegen vehementer Proteste der irakischen Fiihrung,30 im Nordirak sogenannte safe havens einzurichten. 31 Dort sollten die kurdischen Fliichtlinge vor irakischen Angriffen sicher sein und die Verteilung von Hilfsgiitern fiir die Kurden unterstiitzt werden, um die Riickkehi der kurdischen Fliichtlinge aus der Tiirkei und dem Iran in den Irak zu ermoglichen und neuen Fliichtlingsstromenvorzubeugen. 32 Diese safe havens sollten aus amerikanischer Sicht allein eine voriibergehende MaBnahme darstellen, ihre Verwaltung und ihr Schutz sollten so schnell wie moglich an die UN iibergeben werden. 33 Daraufhin drang am 17.4.1991 eine amerikanisch angefiihrte Militarkoalition aus Briten, Franzosen und Tiirken in den Norden des Irak ein und errichtete dort, wo die iiberwiegende kurdische Bevolkerung lebte, eine gesicherte Zone mit verschiedenen Fliichtlingslagern, safe havens, ein. 34 Die sichere Zone umfaBte ein dreieckiges Gebiet von 10.000 Quadratkilo-
28
AdG 1991, 35564;vgl. auch Freedman/ Boren, Safe Havens, 52.
AdG 1991, 35566; Malanczuk, Kurdish Crisis, 120 f.; ebenfalls mit Bezug auf Res. 688 errichteten die Alliierten 1992 als Reaktion auf massive Bombenangriffe der schiitischen Minderheit im Siiden des Irak eine "no fly zone" siidlich des 32. Breitengrads. Vgl. Endemann, Kollektive ZwangsmaBnahmen, 189 Fn.593. 29
30 Der damalige irakische Premierminister S. Hammadi bezeichnete diese Plahe als Verschworung gegen die irakische Fiihrung, YoussefM. Ibrahim, International Herald Tribune, 18.4.1991, abgedruckt in: Freedman/Boren, Safe Havens, 56. 31 AdG 1991, 35556, A 5. 32 Endemann, Kollektive ZwangsmaBnahmen, 187. Hottinger, Die arabische Welt nach dem Golfkrieg, 442; Freedman/Boren, Safe Havens, 50 f. 33 Bush, Pressekonferenz, 16.4.1991, abgedruckt bei: Freedman/Boren, Safe Havens, 55; AdG 1991, 35567; Endemann, Kollektive ZwangsmaBnahmen, 187 f.; Frelick, Preventing Refugee Flows, 9.
34 Es war geplant 6 safe havens, die jeweils 60.000 Menschen beherbergen sollten, zu errichten, vgl. FreedmannlBoren, Safe Havens, 56.
1. Kapitel: Konzept der Schutzzonen im Friedenssicherungsrecht
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metern an der irakischen Grenze zur Tiirkei/5 das spater auf 120 km Breite und 50 km Tiefe ins irakische Land erweitert wurde. 36 Als Grundlage dieser militiirischen Intervention beriefen sich die Alliierten auf die Res. 688,37 die jedoch weder explizit die Errichtung von safe havens noch den Gebrauch militarischer Gewalt unter Kapitel VII UNC autorisierte.3.8
b) Sicherung der safe havens Die safe havens wurden zunachst im Rahmen der Operation Provide Comfort durch eine circa 13.000 Mann starke bewaffnete Bodentruppe der Alliierten verwaltet und kontrolliert,39 sowie durch Hilfsfliige und die Luftiiberwachung in der no-fly-zone durch die Alliierten abgesichert. Urn die Sicherheit zu verstarken und die kurdischen Fliichtlinge zur Riickkehr zu bewegen, wurde die irakische Fiihrung zum Riickzug ihrer militarischen und paramilitarischen Einheiten aus den safe havens aufgefordert und eine klare Begrenzung des geschiitzten Gebiets vorgenommen. 40 Eine Entwaffnung der Kurden und damit eine vollstandige Entmilitarisierung der Fliichtlingslager unterlie6 man jedoch vor allem aus politischen Griinden, da man zum einen die Autonomie der Kurden fordern und dadurch das irakische Regime destabilisieren und zum anderen dem Vorwurf entgehen wollte, nach der Ermutigung der Kurden 35 Es umfaBte das Gebiet zwischen den Stadten Zahko, Amadiya und Dohuk, wobei Dohuk selbst zunachst nicht dazu gehorte. Hottinger, Die arabische Welt nach dem Golfkrieg, 437 ff., 442; Malanczuk, Kurdish Crisis, 121. 36 AHerdings wurde die wirtschaftlich starke Stadt Dohuk nicht Teil des sicheren Gebiets, sondern erfuhr durch eine vertragliche Einigung der UN mit der irakischen Fiihrung besonderen Schutz. AdG, 1991, 35904; Malanczuk, Kurdish Crisis, 121 f.; a.A.: Freedman/Boren, Safe Havens, 59. 37 US-Priisident Bush auf einer Pressekonferenz am 16.4.1991, abgedruckt in: Freedman/Boren, Safe Havens, 54 f.
38 Vgl. dazu vor aHem Fink, Kollektive Friedenssicherung II, 604; Endemann, Kollektive ZwangsmaBnahmen, 189 ff.; Malanczuk, Kurdish Krisis, 122 ff.; Landgren, Safety Zones, 443; Chimni, Safety Zones, 836. Frowein, Unilateral Interpretation of Security Council Resolutions, 103 ff. A.A. Mallat, Safe Haven, 262 ff., dem die Grundlage ausreicht. 39 Die Bodentruppe setzte sich aus Truppenkontingenten der USA, GroBbritanniens, Frankreichs, Spanien, Italien, Australien und der Niederlande zusammen. Quelle: Malanczuk, The Kurdish Crisis, 121. 40
Vgl. Dazu Freedman/Boren, Safe Havens, 57 ff.
18
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zum Aufstand jene jetzt im Stich zu lassen. 41 Parallel dazu unterzeichneten am 18.4.1991 - zwei Tage nach Beginn der safe havens Operation - die irakische Regierung und die UN ein MoU, in dem sich die irakische Regierung dazu verpflichtete, mit den UN bei der Leistung humanitarer Hilfe zu kooperieren. 42 Sie stimmte darin zunachst dem Einsatz ziviler Helfer und der Eroffnung paralleler humanitarer Zentren ZU. 43 Erst spater konnten die Alliierten und die irakische Fuhrung die UN uberzeugen, ebenfalls die Verwaltung der von den Alliierten errichteten safe havens durch eine Polizei-Truppe zu ubernehmen. So kamen die UN und der Irak am 23.5.1991 uberein, die alliierten Truppen in den safe havens durch eine 500 Mann starke, mit leichten Pistol en bewaffnete UN-Polizei-Truppe (UNGC) abzulosen, die dort im Rahmen des MoU fur die Organisation der humanitaren Hilfe und die Ruckfuhrung der Fluchtlinge zustandig sein sollte. 44 Zum Schutz der Kurden hielt eine westliche Militarkoalition zusatzlich eine schnelle Eingreiftruppe mit 5.000 Mann in der Turkei bereit,45 die weiterhin von der amerikanischen Absicherung des Luftraums uber der no-Jly-zone im Rahmen der Operation Provide Comfort profitierte. Parallel zu der safe havens Operation verhandelten kurdische Fuhrer mit der irakischen Regierung uber ein Autonomieabkommen. 46 Am 24.7.1991 endete die humanitare Operation Provide Comfort lund wurde durch Operation Provide Comfort II abgelost, die nun nur noch beschrankt fUr humanitare Aufgaben und hauptsachlich fur die Abwehr von Angriffen auf das sichere Gebiet durch Luftuberwachung zustandig war. 47
41 Human Rights Watch, A Lost Agenda: Human Rights and UN Field Operations, 1993, abgedruckt bei: Landgren, Safety Zones, 443. Kritik an dieser politischen Zielsetzung auch bei: Frelick, Preventing Refugee Flows, 9.
42 ILM, Vol.30, 1991, 860 f., vgl. Freedman/Boren, Safe Havens, 59 ff. 43
Landgren, Safety Zones, 443; Malanczuk, The Kurdish Crisis, 124.
44 United Nations Guards Contingent; vgl. Annex I des MoD vom 18.4. 1991, ILM, Vol. 30,991, 862; vgl. dazu auch Bothe, PK Rdnr. 40, in Simma. 45 "Operation Raised Hammer", USA, GroBbritannien, Frankreich, Niederlande, Italien, Tiirkei, vgl. Freedman/Boren, Safe Havens, 74 ff.; Endemann, Kollektive ZwangsmaBnahmen, 189. 46 Zum tatsiichlichen Durchbruch kam es aber bis zum Ende der safe havens Operation nicht. AdG 1991,35906 ff. Freedmann/Boren, Safe Havens, 63 ff.
47 Vgl. Military Analysis Network, Operation Provide Comfort II, www.fas. org/man/dod-101lops/provide_comforC2.html.
1. Kapitel: Konzept der Schutzzonen im Friedenssicherungsrecht
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Die Angst der Tiirkei vor einem unabhangigen Kurdenstaat im Nordirak und damit verbundenen Unruhen der Kurden im eigenen Land wurden durch die mangelnde Entmilitarisierung der safe havens verstarkt und provozierten sporadische tiirkische Angriffe, die bisweilen die Dberwachung kurdischer Dorfer durch die UN verhinderten. Trotz der bereitgehaltenen alliierten schnellen Eingreiftruppe in der Tiirkei konnten diese Angriffe, auf die Schutz zone nicht abgehalten werden. 1995 muihe die internationale Gemeinschaft sogar hilflos zusehen, wie die Tiirkei im safe havens Gebiet mit 35.000 Mann eine Offensive gegen die tiirkische Kurdenguerilla startete und dadurch wieder tausenden Vertriebenen ihre Hauser nahm sowie die humanitare Hilfe blockierte. Auch hier griffen die Alliierten nicht ein und das UNGC, das bereits von 500 Mann auf 50 verkleinert worden war, war machtlos. Ahnlich fiihrten sowohl die fehlende Entwaffnung der Kurden in den safe havens als auch innerkurdische Aufstande mangels ausreichender Autoritat der UNGC dazu, daB die irakische Fiihrung urn ihre Souveranitat iiber dieses Gebiet bangte. 48 Trotz der politischen Bestrebungen zu einem Autonomieabkommen mit den Kurden, fiirchtete man einen unkontrollierten und vollstandigen Souveranitatsverlust. Diese Angst veranlaBte die irakische Regierung 1996 schlieBlich dazu, ihren Souveranitatsanspruch gewaltsam geltend zu machen, indem sie die nordliche Hauptstadt der kurdischen Enklave Erbil in grausamer Weise mit Massentotungen und Entfiihrungen einnahm. 1m Zuge dessen kam es zu einer Vielzahl von Verschleppungen und Morden an der kurdischen Bevolkerung. Die Alliierten reagierten darauf mit Luftverteidigungsschlagen und einer Evakuierung 7000 bedrohter 1raker ,- die meisten davon Kurden - die direkt mit den humanitaren oder politischen Aktivitaten in Verbindung standen. 49 Die vielen tausend Kurden in den safe havens, die 1991 dort nach der Riickkehr aus der Tiirkei und dem Iran Unterschlupf gefunden hatten, blieben jedoch der Willkiir des irakischen Herrschers ausgesetzt. 1nsgesamt kamen bei diesem Angriff mindestens 96 Personen urns Leben, 1500 wurden festgenommen, wiederum 20.000 Personen wurden innerhalb des Irak vertrieben und 39.000 flohen nach Angaben des UNHCR erneut in den Iran. 50 48 Zu der Starkung der Autonomiebewegungen der Kurden durch die safe havens: Kelly, Peace Operations, Rdn. 162.
49 U.S. Committee for Refugees, World Wide Refugee Information, Safe Haven Collapses in Northern Iraq, www.refugee.org/world/articlesl. 50
U.S.
U.S. Committee for Refugees, Safe Haven Collapses in Northern Iraq: Evacuates 2,000, www.refugees.org/world/articles/iraq....rr96_9.htm.;
Schutzzonen im Friedenssicherungsrecht
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Am 31.12.1996 endete die humanitare Operation Provide Comfort II, die insgesamt fast 62.000 Fliige und verschiedene Bombenangriffe zur Verteidigung gegen irakische Angriffe zum Schutz und zur Versorgung der Kurden gestartet hatte, und wurde durch die Operation Northern Watch, getragen von einer Koalition aus den USA, Gro6britannien und der Tiirkei, abgelost. Ihre Aufgabe war nunmehr allein die Kontrolle der no-fly-zones und der Massenvernichtungswaffen nach Res. 68i 1, nicht mehr aber die Durchsetzung der humanitaren Hilfe nach Res. 688. 52
c) Schutz- und humanitarer Standard in den safe havens Durch die abschreckende Wirkung der Luftangriffe der Alliierten und spater die schnelle Eingreiftruppe in den safe havens konnte ein gewisser Schutz der kurdischen Bevolkerung erreicht werden. Die Anwesenheit der Alliierten im Nordirak ermoglichte 450.000 Menschen die sichere Riickkehr nach Hause und die Schlie6ung des letzten tiirkischen Grenzlagers bereits am 3.6.1991. Allerdings starben auch 13.000 Menschen auf dem Weg in die safe havens. 53 Die fortdauernden kriegerischen Auseinandersetzungen im Land sowie tiirkische und irakische Angriffe auf die safe havens selbst fiihrten zu Totungen, Verschleppungen und damit zu nur einem "modest degree of security,,54 sowie einem anhalt end en Fliichtlingsstrom sowohl in die safe havens hinein als auch aus Ihnen heraus. Vor aHem der Wechsel von der alliierten Bodentruppe zur UN-Polizeitruppe UNGC brachte Unruhen innerhalb dersafe havens sowie vermehrte Angriffe der irakischen und tiirkischen Fiihrung auf die safe havens,55 was durch die fehlende Entmilitarisierung der safe havens zusatzlich provoziert wurden.
UNHCR, Worldwide Refugee Information, 1996, www.refugees.org/world/ articles/iraq_rr96_9.htm. 51
S/Res/687,3.4.1991.
52 Vgl. Military Analysis Network, Operation Provide Comfort II, www.fas.org/man/dod-l01lops/provide_comforC2.html. Aus dies em Grunde beteiligte sich auch Frankreich nicht mehr an der Militarkoalition.
53 Vgl. Malanczuk, The Kurdish Crisis, 121. 54
Roberts, Humanitarian Issues in International Politics, zu 1 d).
55 UNHCR, The State of the World'sRefugees, 2000, 216.
1. Kapitel: Konzept der Schutzzonen im Friedenssicherungsrecht
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Die humanitare Lage in den safe havens wurde zunachst durch das doppelte Wirtschaftsembargo der UN-Sanktionen gegenuber Gesamtirak56 und einem internen Embargo der irakischen Regierung gegenuber dem kurdischen Nordirak stark beeintrachtigt. 57 Dennoch konnten operation Provide Comfort und auch spater die UNGC fur einen weitgehenden humanitaren Standard sorgen. So wurde 1994 in den Gebieten nach Angaben des World Food Programms 70 % des erforderlichen Lebensmittelstandards erreicht, im Vergleich zu nur 40 % in der Mitte und im Suden Iraks. 58 Allerdings fuhrten turkische Blockaden der humanitaren Hilfe auch spater mehrfach noch zu Engpassenin den safe havens. 59 Aufgrund anhaltender Kampfe und GrenzschlieBungen in der Turkei und dem Iran konnte die vertriebene kurdische Bevolkerung die Schutzzone nicht mehr verlassen oder .ins benachbarte Ausland fliehen. 60 Insgesamt waren die safe havens zwar durch das Bedrohungspotential der Alliierten lange Zeit relativ sicher, konnten zur Ruckfuhrung tausender Vertriebener beitragen sowie ein hohes MaB an Schutz und humanitarer Versorgung fur die Bevolkerung bieten. Vor allem aber der Abzug des Bedrohungspotentials und der Autoritat durch die alliierte Enforcement-Truppe aus den safe havens sowie die fehlende Entmilitarisierung der Gebiete haben Autonomiebewegungen in den safe havens vorangetrieben und dadurch Angriffe auf die Schutzzone sowie Blockaden der humanitaren Hilfe provoziert. Zudem wurde der Schutz in den safe havens durch einen unsicheren Zu- und Abgang relativiert. Auch konnten die safe havens den furihre Errichtung ursachlichen Konflikt zwischen der kurdischen Bevolkerung und der irakischenRegierung nicht los en.
56
S/RES/661,6.8.1990.
57
UNHCR, The State of the World's Refugees, 2000, 217.
Vgl. UN Papier zu Irak-Kuwait, www.un.org/Docs/SG/SG-Rpt/ch4d13.htm. 58
59
UNHCR, The State of the World's Refugees, 2000, 217.
60 Landgren, Safety Zones, 442. Die Turkei war nicht zu einer weiteren Aufnahme verpflichtet, da sie allein Mitglied der 1951er Fluchtlingskonvention ist, die eine geographische Begrenzung enthalt. Danach sind als Fluchtlinge nur solche anerkannt, die aus Europa geflohen sind. Hinsichtlich der geographischen Ausweitung im Zusatzprotokoll hat sie einen Vorbehalt eingelegt. Chimni, Safety Zones, 836.
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Schutzzonen im Friedenssicherungsrecht
2. Safe Areas - Bosnien-Herzegowina 1993
Zwei Jahre nach den Erfahrungen im Irak erklarte der UN-Sicherheitsrat 1993 in Bosnien-Herzegowina sechs sogenannte safe areas.
a) Politische Vorgeschichte und Errichtung der safe areas Nach dem Auseinanderfallen des Staates Jugoslawien 1991 und der Unabhangigkeit Bosnien-Herzegowinas brei tete sich 1992 der Biirgerkrieg von Kroatien auch nach Bosnien-Herzegowina aus. UNHCR und IKRK leisteten in groBem Umfang humanitare Hilfe, wurden jedoch immer wieder durch die bosnisch-serbische Biirgerkriegspartei daran gehindert. Mit Res. 75861 weitete der UN-Sicherheitsrat das bisher auf Kroatien beschrankte UNPROFOR Beobachter-Mandat62 zunachst territorial auch auf Bosnien - zu Beginn nur den Flughafen von Sarajevo und spater auf Gesamtbosnien - und mit Res. 77663 inhaltlich auch auf den Schutz von Hilfslieferungen aus. Die anhaltende Politik der ethnischen Sauberung durch die bosnisch-serbische Kriegspartei fiihrte dennoch Anfang 1993 zu einer humanitaren Notlage: Schwere Menschenrechtsverletzungen an der nichtserbischen Bevolkerung, die Behinderung humanitarer Hilfslieferungen und der Arbeit von UNPROFOR sowie die Bedrohung der verbliebenen muslimischen Enklaven durch die bosnisch-serbische Kriegspartei veranlaBten die humanitaren Hilfsorganisationen vor Ort zu dringenden Aufrufen an die internationale Gemeinschaft. 64 Unter dem Druck der Erklarung des franzosische Generals Morillon in Srebrenica, daB die Bevolkerung unter UN-Schutz stehe und er sie nicht mehr allein lassen werde,65 errich-
61
S/RES/758, 8.6.1992, para. 2.
62 Die United Nations Protection Force war zuniichst als Beobachtermission in Kroatien errichtet worden, urn in bestimmten konfliktbehafteten Gebieten, sogen. protected areas, friedliche Bedingungen zu halten, Minderheiten zu schiitzen und ein friedliches Zusammenleben zu ermoglichen, S/RES/743, 21.2.1992; vgl. zur Aufgabe UNPROFORs auch UNSG-Report, S/23280 Annex III, 11.12.1991; Giersch, Konfliktregulierung in Jugoslawien, 228. 63
S/RES/776, 13.14.9.1992, para. 2.
Vor aHem das UNHCR und der IKRK waren in Bosnien tiitig. UNSGReport S125519, 3.4.1993; IKRK, "Saving Lives in Bosnia-Herzegowina", Press Release No. 1728,3.10.1992. 64
65 Vgl. Rapport D'Information, Srebrenica, 22.
1.
Kapitel: Konzept cler Schutzzonen im Friedenssicherungsrecht
23
tete der UN-Sicherheitsrat zunachst am 16.4.1993 mit Res. 819 66 in Srebrenica eine safe area und weitete dieses Konzept am 6.5.1993 durch Res. 82467 auch auf die Stadte Sarajevo, Tuzla, Zepa, Gorazde und Bihac aus:
" Coo.) That the capital city of the Republic of Bosnia and Herzegovina, Sarajevo and the other threatened areas, in particular the towns of Tuzla, Zepa, Gorazde, Bihac as well as Srebrenica and their surroundings should be treated as safe areas by all the parties concerned and should be free from any armed attacks and from any other hostile act." Beide Resolutionen stiitzten sich auf Kapitel VII UNC. Eine formelle Zustimmung der Konfliktparteien zu den safe areas gab es nicht. Die safe areas dienten vor aHem dem humanitaren Zweck, die Menschen vor den Angriffen der bosnisch-serbischen Kampfer zu schiitzen sowie die Verteilung der Hilfsgiiter zumindest punktuell zu gewahrleisten und damit gleichzeitig weiteren Fliichtlingsstromen vorzubeugen. 68 Gleichzeitig sah man sie vor aHem aber auch ais ein voriibergehendes Mittel zur Forderung des politischen Friedensprozesses an. 69
b) Sicherung der safe areas Die Sicherung der safe areas lag zunachst vor aHem bei der 7000 Mann starken Peace-Keeping-Truppe UNPROFOR, die gemaB Res. 776 auch zum Schutz von Hilfslieferungen autorisiert war. Durch ihre Forderung schlossen die bosnischen Serben mit der bosnischen Regierungsarmee am 8.5.1993 eine Entmilitarisierungsvereinbarung fiir Srebrenica und Zepa, die zudem eine klare Abgrenzung des Schutzzonengebiets fur die beiden Stadte vorsah. 70
66
S/RES/819,16.4.1993.
67
S/RES/824,6.5.1993.
68
Report of the Special Rapporteur of the UN Human Rights Commission,
E/CN.4/1992/S-1I10, 27.10.1992, para. 25 (b); ICRC Press Release No. 1728, 3.10.1992 "Saving Lives in Bosnia-Herzegovina". 69 S/RES/824, 6.5.1993, "( ... ) Convinced that treating the towns referred to above as safe areas will contribute to the early implementation of the peace plan
(... )". 70 Entmilitarisierungsvereinbarung vom 17.4.1993, abgedruckt in: S125700, 30.4.1993, Annex II. Nach bosnischen Angaben solI UNPROFOR die bosni-
sche Fiihrung zu einem ersten Entmilitarisierungsabkommen gezwungen ha-
Schutzzonen im Friedenssicherungsrecht
24
Nachdem die politis chen Bemiihungen im Rahmen des Vance-OwenPeace-Plans an der serbischen Ablehnung gescheitert waren und die Angriffe der serbischen Kampfer auf die safe areas und die Behinderung der Hilfskonvois sowie der freien Bewegung UNPROFORs anhielten, suchte man in der UN nach einer Starkung des safe area Regimes. 71 Nach verschiedenen Vorschlagen zur besseren Implementierung der safe area Idee durch Mandatserweiterungen, Gewaltanwendung und TruppenvergroBerung72 verabschiedete der UN -Sicherheitsrat am 4.6.1993 seine Res. 836. 73 Darin erweiterte er das bisher auf den Schutz der humanitaren Hilfe beschrankte UNPROFOR-Mandat auch auf die Abschreckung von Angriffen auf die safe areas, die Beobachtung des Waffenstillstandes, das Fordern des Abzugs der militarischen und paramilitarischen Einheiten der bosnischen Serben und die Einnahme von Schliisselpositionen in den safe areas. 74 Zu dem Zweck ermachtigte er UNPROFOR, ihr Selbstverteidigungsrecht auch gegen Angriffe auf die
ben, weswegen man dieses zweite Abkommen abschloK Vgl. dazu: The Fall of Srebrenica, para. 59 ff. Inhaltlich sah das Abkommen vor, daB die bosnische Regierungsarmee ihre Waffen an UNPROFOR abliefern muBte aber im Gegenzug deren Schutz erhielt und die serbischen Kampfer danach ebenfalls ihre schweren Waffen abziehen muBten. Dabei hielt man sich insbesondere an Art. 60 ZP I; vgl. The Fall of Srebrenica, para. 63 ff. 71 Vgl. The Fall of Srebrenica, para. 70 ff. Darstellung auch bei Fink, Friedenssicherung II, 654 ff; Giersch, Konfliktregulierung in Jugoslawien, 244 f. 72 Vgl. zu den Vorschlagen: The Fall of Srebrenica, para. 70 ff. Vor allem Frankreich brachte einen ausgereiften Vorschlag mit drei Optionen ein, wonach die Resolution eindeutig die Gewaltanwendung ermoglichen miifhe: Dies konnte in der Form einer leichten Option ohne formierte Einheiten oder durch eine leichte Option mit formierten Einheiten (circa 900 Mann in den safe areas) oder eine schwere Option (circa 5000 Mann in den safe areas) verwirklicht werden, wobei die Aufgabe der Truppe in den ersten beiden Fallen vor allem in der Abschreckung von Angriffen lage. S125800, 19.5.1993.
73
S/RES/839,4.6.1993.
Zuvor lag ihre Aufgabe neb en der allgemeinen Beobachtung nach Res. 776 allein im Schutz humanitarer Aktionen, S/RES/776, 14.9.1992; S/RES/836, 4.6.1993 sah nun vor: "( ... ) 5. Decides to extend to that end the mandate of UNPROFOR in order to enable it, in the safe areas (... ), to deter attacks against the safe areas, to monitor the cease-fire, to promote the withdrawal of military or paramilitary units other than those of the Government of the Republic of Bosnia and Herzegovina and to occupy some key points on the ground, in addition to participating in the delivery of humanitarian relief to the population as provided for in resolution 776 (1992) (.. .)". 74
1. Kapitel: Konzept der Schutzzonen im Friedenssicherungsrecht
25
safe areas oder die Behinderung der Bewegungsfreiheit von UNPROFOR sowie humartitare Konvois auszuuben und autorisierte die Mitgliedstaaten, alle notwendigen MaBnahmen zur Unterstutzung der Mandatsausfuhrung von UNPROFOR durch Luftangriffe auf die safe areas zu unternehmen: "( ... ) 9. Authorizes UNPROFOR, in addition to the mandate defined in resolutions 770 (.•. ) and 776 (... ), acting in self defence, to take the necessary measures, including the use of force, in reply to bombardments against safe-areas by any of the parties or to armed incursion into them or in the event of any deliberate obstruction in or around those areas to the freedom of movement of UNPROFOR or of protected humanitarian convoys; 10. Decides that, (... ) Member States, acting nationally or through regional organizations or arrangements, may take, under the authority of the Security Council and subject to close coordination with the Secretary General and UNPROFOR, all necessary measures, through the use of air power, (... ) to support UNPROFOR in the performance of its mandate (... )".75 Nach anfanglichen Irritationen76 wurde Res. 836 so ausgelegt, daB sie die Luftunterstutzung der Mitgliedstaaten sowohl zur gewaltsamen Verteidigung UNPROFORs als auch zur Mandatsverteidigung autorisierte. 77 Spater wei tete der UN-Sicherheitsrat das Angriffsziel der Luftschlage auch auf serbische schwere Waffen in Kroatien aus. 78 Jedoch verhinderte die restriktive Handhabung der Luftunterstutzung in der NATO und der Staatengemeinschaft sowie die komplizierten Entscheidungsvorgange in UN und NATO (dual keyf9 den effektiven Einsatz 75
S/RES/836, 4.6.1993 (Hervorhebung durch Verf.).
Unklar war insofern, ob nur LuftschI;ige zum Schutz von UNPROFOR oder sogar priiventive bzw. vergeltende air strike zur Mandatsverteidigung moglich waren. Zu den unterschiedlichen Auffassungen vgl. vor allem: The Fall of Srebrenica, para. 78 ff.; Debriefing, 11; Simon/Vandenberghe, Srebrenica, 687 f.; Weller, Peace-Keeping, 113 ff; Christakis, L'ONU, 179 ff. 76
77
UNSG-Report, S/1994/555, 9.5.1994, para. 13; Weller, Peace-Keeping,
100. 78
S/RES/958,19.11.1994.
79 Das sogenannte dual-key-Verfahren sah vor, daB sowohl die UN-Fiihrung als auch der NATO-Rat dem Einsatz der Luftunterstiitzung zustimmen muBten. Dieses doppelte Zustimmungserfordernis geht nicht aus Res. 836 hervor, die nur "close coordination" mit UNPROFOR und dem Generalsekretar vorschreibt. Zu dem dual-key-Verfahren kam auch noch der lange interne Ent-
Schutzzonen im Friedenssicherungsrecht
26
dieses Mittels. 80 Insbesondere kam es im Folgenden durch die erstrebte Neutralitat und die Gefahren fur UNPROFOR zu einem sehr zuruckhaltenden Einsatz der Luftunterstutzung. 81
(1) Exclusion zones und Waffenstillstandsabkommen
Nachdem weder eine Starkung UNPROFORs auf 7600 zusatzliche Mann82 noch Appelle an die Parteien83 weitere serbische Offensiven auf die safe areas Sarajevo und Gorazde im Fruhjahr 1994 sowie Geiselnahmen von UNPROFOR-Soldaten verhindern konnten, setzte die NATO auf Bitten des UN -Generalsekretars den Konfliktparteien zunachst in Sarajevo und spater auch in Gorazde ein Ultimatum. Danach muBten sie ihre schweren Waffen aus einer genau definierten exclusion
scheidungsgang hinzu, so mufhe der UNPROFOR-Kommandeur in Bosnien zunachst die Zustimmung des UN-Generalsekretars oder seines zivilen Sonderbeauftragten einholen. Dazu: Giersch, Konfliktregulierung in Jugoslawien, 286; White, Keeping the Peace, 126. Gordon, Safe Areas, 220. 80 "We did not use with full effectiveness this one instrument at our disposal to make the safe areas at least a little bit safer." The Fall of Srebrenica, para. 483. Die NATO hatte sich zunachst allein fur defensive Luftunterstutzung ausgesprochen. Vgl. Kommunique der Ministertagung des Nordatlantikrates, 10.6. 1993, Athen, in: EA, 15/1993, D 295-299. Spater aber auch auf Luftangriffe ausweitend: Vgl. Presseerklarung des Generalsekretars der NATO, Manfred Worner, 2.8.1993, Briissel, in: EA, 7/1994, D 214-215. Zudem sahen die Staaten wegen der moglichen Eskalation des Konflikts Luftangriffe als zu gefahrlich an. Vgl. The Fall of Srebrenica, para. 95. 81 Giersch, Konfliktregulierung in Jugoslawien, 287; Gordon, Safe Areas, 218 ff. So stellte der Sonderbevollmachtigte des UN-Generalsekretars 10 Kriterien fur einen moglichen Lufteinsatz auf. Vgl. dazu: de Rossanet, Peacemaking and Peacekeeping in Yugoslavia, 92 f. Genauso wurde spater der Begriff des Angriffs auf die Zivilbevolkerung, den man fur einen NATO-Einsatz fur erforderlich hielt, sehr eng ausgelegt. Giersch, Konfliktregulierung in Jugoslawien, 288. Zudem ging nach der post air strike guidance der Schutz UNPROFORs dem Schutz der Bevolkerung vor. Vgl Enquete Srebrenica, 186 ff. 82 S/RES/844, 18.6.1994. Die Mitgliedstaaten kamen der Aufforderung nur zogerlich nach, bis Januar 1995 wurden nur 3000 der angeforderten Soldaten bereitgestellt. Zudem waren nach Ansicht des UNPROFOR-Kommandeur Wahlgren ungefahr 34.000 Blauhelme notwendig gewesen, UNSG-Report S125939, 14.6.1993, allerdings war dazu keines der standigen Mitglieder bereit. 83
S/RES/859, 24.8.1993.
1. Kapitel: Konzept der Schutzzonen im Friedenssicherungsrecht
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zone urn das Zentrum von Sarajevo bzw. Gorazde abziehen,84 and ernfalls wiirden die verbliebenen Waffen Ziel von NATO-Luftangriffen. 85 Dies fiihrte insgesamt zu einer Stabilisierung der Lage und ermoglichte verschiedene Vereinbarung zur Bewegungsfreiheit von UNPROFOR in Sarajevo 86 sowie ein Waffenstillstands- und Entmilitarisierungsabkommen in der safe area Gorazde. 87 Nachdem der UN-Sicherheitsrat trotz einer weiteren serbischen Offensive im Herbst 1994 auf die safe area Bihac 88 keine entschiedenen Ma6nahmen gegen die Angriffe der Serben ergriffen und erfolglos an die Kooperation und Einigung der Partein appelliert hatte,89 initiierten im Juni 1995 Frankreich und Gro6britannien zum Schutz der UNPROFOR Soldaten und zur Unterstiitzung bei der Umsetzung ihres Mandats eine schnelle Eingreiftruppe (RRF), die aus zwei schwer bewaffneten Brigaden bestehen aber auch nach Peace-Keeping-Regeln
84 Danach sollten die serb is chen Kampfer ihre Angriffe bis zum Mittag des 27.4. einstellen und sich auf 3 km vom Zentrum zuruckziehen sowie humanitaren Hilfslieferungen und UNPROFOR freien Zugang zur safe area gewahren.
Vgl. Decisions on the Protection of Safe Areas Taken at the Meeting of the North Atlantic Council on 22 0d April 1994, EA, 21/1994, D 627-629; The Fall of Srebrenica, para. 141. 85 BeschluB des Nordatlantikrates vom 9.2.1994, NATO-Brief Nr.1/1994, 11; dies wurde spater durch russische Vereinbarung erreicht: Presseerklarung des NATO-Generalsekretars, M. Worner, 21.2.1994, NATO-Brief Nr.2/1994, 22; EA 1994,232 f. 86 Vgl. The Fall of Srebrenica, para. 120 ff. 87 Den serbischen Kampfern verblieb nach dieser Vereinbarung noch eine Kontrolle iiber 15% des Gebietes der safe area Gorazde. Dies soli aufgrund der ungenauen territorialen Abgrenzung jener safe area nicht besser moglich gewesen sein. Vgl. The Fall of Srebrenica, para. 142 ff. 88 Bereits am 12.3.1994 hatte der erste serbische Bombenangriff auf die safe area Bihac stattgefunden, auf den UNPROFOR mit seiner ersten Anfrage nach
CAS reagiert hatte, die jedoch aufgrund von Verzogerungen beim GenehmigungsprozeB erfolglos blieb. Vgl. The Fall of Srebrenica, para. 157 ff. 89 S/RES/959, 19.11.1994. Dies fiihrte zwar Ende 1994 zu zwei Waffenstillstandsvereinbarungen zwischen den Parteien jedoch zu keiner Beruhigung der Lage.
Schutzzonen im Friedenssicherungsrecht
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eingesetzt werden sollte. 90 Ihr Einsatz wurde vom UN-Sicherheitsrat in Res. 998 ermachtigt. 91
(2) Fall der safe areas Srebrenica und Zepa Allerdings kam die RRF fur die serbische Offensive auf die safe area Srebrenica im Juni 1995 zu spat. Dort war es seit den Entmilitarisierungsabkommen von 1993 relativ ruhig geblieben, obwohl diese nicht eingehalten worden waren. Seit J anuar 1995 hatte es verstiirkt serbische Angriffe und Blockaden der humanitaren Hilfe sowie weitere 100 Geiselnahmen und erste Opfer unter den UNPROFOR-Soldaten gegeben. Zu dem Zeitpunkt standen sich 600 leicht bewaffnete Soldaten des niederlandischen Batallion Dutchbat und 1000 - 2000 schwer bewaffnete bosnisch-serbische Kampfer gegenuber. Die in Srebrenica verbliebenen bosnischen Regierungstruppen waren mit 3000 - 4000 Mann zwar zahlenmaBig stark gewesen, jedoch mangelte es ihnen wegen des fortwahrend en Waffenembargos und des Entmilitarisierungsabkommens an Training und Waffen. 92 Nach verschiedenen erfolglosen Anfragen fur Luftunterstutzung wichen die niederlandischen UNPROFOR-Soldaten am 11.7.1995, ohne einen einzigen direkten SchuB auf die bosnischserbischen Kampfer abgegeben zu haben, einer serbischen Offensive aus dem Zentrum von Srebrenica. Die Bevolkerung fluchtete sich nach Potocari, wo sich das Lager UNPROFORs in der Schutzzon'e befand. Die bosnisch-serbischen Kampfer starteten Massendeportationen der muslimischen Bevolkerung, die von schweren Menschenrechtsverletzungen und Mi6handlungen begleitet wurden. 93 Der UN-Sicherheitsrat forderte noch am gleichen Tag die serbischen Kampfer auf, ihre Angrif90
The Fall of Srebrenica, para. 213 H.; Weller, Peace-Keeping, 150 ff.
"9. Welcomes the letter of the Secretary General of 9 June 1995 on the reinforcement of UNPROFOR and the establishment of a rapid reaction capacity to enable UNPFIUNPROFOR to carry out its mandate; 10. Decides accordingly to authorize an increase in UNPF/UNPROFOR personnel, acting under the present mandate and on the terms set out in the above-mentioned letter, by up to 12.500 additional troops, the modalities of financing to be determined later (... )", S/RES/998, 16.6.1995. 91
92
The Fall of Srebrenica, para. 230, 476 H. Srebrenica, 22.
93 The Fall of Srebrenica, para. 318 H.; Debriefing, 55 H. Dutchbat wurde jedoch angeblich an der Begleitung und Kontrolle dieser Transporte gehindert: The Fall of Srebrenica, para. 340 H; College van procureurs-generaal, 34, 36; Debriefing, 55 H.
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fe auf Srebrenica zu beenden und aus der safe area abzuziehen sowie den Zugangfur humanitiire Hilfe frei zu machen. 94 Um den Untergang weiterer Schutzzonen zu vermeiden, legte man in der London Konferenz fur die safe area Gorazde ein klar umgrenztes Gebiet fest, das von den serbischen Kampfern nicht uberschritten werden durfte. 95 Allerdings muBte erst die safe area Zepa mit nur 120 UNPROFORSoldaten unter einer Offensive der bosnisch-serbischen Kampfer fallen,96 bevor die NATO am 30.8.1995 im Rahmen ihrer Operation Deliberate Force durch offensive Luftangriffe die Einnahme der ubrigen safe areas durch die bosnisch-serbischen Kampfer verhindern konnte. Diese wurden erst beendet, als die Serben zustimmten, weitere Angriffe und Drohungen auf die ubrigen safe areas Bihac, Gorazde, Sarajevo und Tuzla zu unterlassen und ihre schweren Waffen aus der exclusion zone um Sarajevo vollstandig abzuziehen und gleichzeitig aIle Feindseligkeiten im gesamten Land zu stoppen. Am 14.12.1995 unterzeichneten Kroatien, Jugoslawien, die bosnische Regierung und die bosnischserbische Konfliktpartei die Friedensvereinbarung von Paris. 97 Daraufhin ubertrugen die UN in Res. 1031 98 die Verantwortlichkeit von UNPROFOR auf die von der NATO gefuhrte IFOR. Die safe area Mission war mit dem FriedenschluB beendet.
c) Schutz- und humanitarer Standard in den safe areas Insgesamt boten die safe areas einen sehr geringen Schutz und humanitaren Standard. Zwar konnten in den safe areas viele Moslems vor den ethnischen Sauberungen der serb is chen Kampfer bewahrt werden, je-
94 S/RES/1004,12.7.1995. 95 The Fall of Srebrenica, para. 405 ff. 96 Zunachst hatte die eingeschuchterte bosnische Militarfuhtung mit der serbischen Konfliktpartei einen Kapitulationsvertrag fur Zepa, der denjenigen Zivilisten, die wollten, die Evakuierung ermoglichen sollte, unterschrieben, urn ein Massaker wie in Srebrenica zu vermeiden. Der kampffahige mannliche Teil der Bevolkerung sollte in der Enklave verbleiben und jene verteidigen. Bald fluchteten sich aber auch jene in den nahegelegenen Wald und auf jugoslawisches Gebiet und wurden Opfer von ErschieBungen. Daraufhin zog die UN die UNPROFOR Soldaten aus Zepa abo Vgl. The Fall of Srebrenica, para. 421 ff. 97 General Framework Agreement for Peace in Bosnia and Herzegovina, Paris 14.12.1995, 1LM Vol. 35 (1996), 89 ff.
98 S/RES/1031,15.12.1995.
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doch standen die safe areas bis zur gewaltsamen Durchsetzung durch Operation Deliberate Force der NATO unter standigem BeschuB und Bombenangriffen der bosnischen Serben, so daB das Leben der Einwohner durchgehend gefahrdet war. 99 1n Srebrenica und Zepa gipfelte dies 1995 in der gewaltsamen Einnahme durch die bosnisch-serbische Konfliktpartei mit unzahligen Massenhinrichtungen, MiBhandlungen, Vergewaltigungen und Deportationen. Die safe areas entwickelten sich zu regelrechten Fallen fur ihre Bewohner, in denen sie ordentlich versammelt und entwaffnet cler serbischen Konfliktpartei ausgeliefert wurden. 'oo Insgesamt kamen uber 20.000 in und urn die Schutzzonen urns Leben. IOI Der Schutzgrad dieser eigentlich "sicheren" Gebiete war damit auBerst gering und entsprach in keiner Weise seiner Bezeichnung. 102 Die allgemeine humanitiire Lage in den safe areas verbessertesich zunachst durch die MaBnahmen zur Erleichterung der humanitaren Hilfe der internationalen Gemeinschaft. 103 Allerdings verhinderten alsbald bosnisch-serbische Blockaden und Angriffe sowohl auf die safe areas als auch auf UNPROFOR und das Hilfspersonal haufig die reibungslose Versorgung mit Hilfsgutern. 104 Vor aHem konnte die Versorgung der
99 Tiso, Safe Haven, 584; Lupis, Human Rights Abuses in Srebrenica, 66 ff. Hingegen unterstrich cler UN-Generalsekretar auch im Nachhinein immer wieder, daB, soweit die Zustimmung und Kooperation der Konfliktparteien vorhanden gewesen seien, die Anwesenheit der UN-Beobachter und Patrouille die Uberwachung des Waffenstillstandes ermoglicht und die Sicherheit stabilisiert hatten. Vgl. UNHCR, The State of the World's Refugees, 1995, 129. 100 Jagger formulierte sogar: "They have been delivered to their executioners by the international community",fagger, The Betrayal of Srebrenica. 101 The Fall of Srebrenica, para. 3. Davon bei der Einnahme Srebrenicas allein 7.000 - 8.000: Lupis, Human Rights Abuses in Srebrenica, 71. Daneben kamen insgesamt SO UNHCR Mitarbeiter urns Leben, mehrere hundert wurden verletzt und 117 UNPROFOR Soldaten starben bei dies en safe area Aktionen. The Fall of Srebrenica, para. 3. 102
Vgl. UNHCR, The State of The World's Refugees, 1995,129.
Ogata, UNHCR in the Balkan, 189. Insgesamt wurden vom UNHCR 950.000 Tonnen humanitares Material an 2.7 Millionen Menschen ausgegeben: UNHCR, The State of the World's Refugees, 2000, 226. 103
104 Vor aHem StraBensperren und unnotige burokratische Vorgange sorgten fur Verspatung und Ausfall der Lieferungen. Teilweise konnte UNPROFOR noch nicht einmal ihre eigene Versorgung sicherstellen und muBte vom UNHCR versorgt werden. Vgl. dazu UNHCR, The State of the World's Refugees, 2000, 226 f.
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muslimischen Enklaven wegen der notwendigen Durchquerung serbischen Terrains nicht sichergestellt werden. 105 Diese Verzogerungen und Unterbrechungen l06 der humanitaren Hilfe sowie die gleichzeitige Uberfiillung der Gebiete fiihrten zu einer drastischen Verschlechterung der humanitaren Situation in den safe areas. 107 So berichtete der UNGeneralsekretar und auch der Spezialberichterstatter fiir Menschenrechte mehrfach iiber ein "critical level", "serious shortages" oder "appalling living conditions" in den safe areas. 108 1m Winter 1994 erreichten beispielsweise nur noch 50% der benotigten Hilfsgiiter einige safe areas. 109 Durch die Blockade der humanitaren Hilfe konnte das UNHCR im Januar 1994 in der safe area Gorazde nur 40% der Hilfe tatsachlich leisten und fehlende Medikamente fiihrten zu Todesfallen in den Krankenhausern.lIo Eine Flucht der muslimischen Bevolkerung aus den katastrophalen humanitaren Zustanden in den safe areas war zum einen faktisch durch die anhaltenden Kampfe eingeschrankt. Zum anderen verbat aber sowohl die bosnischen Regierung ein Verlassen cler Enklave als auch die bosnisch-serbische Konfliktpartei, serbisch beherrschtes Territorium zu durchqueren.lJl Auch das UN-Personal hatte bisweilen den Befehl, potentielle Fliichtlinge nicht aus den geschiitzten Gebieten herauszulassen. Il2
105
UNHCR, The State of the World's Refugees, 2000, 227.
106 Die internationale Luftbriicke nach Sarajevo muBte mehrfach unterbrochen und Konvoi Operationen muBten aufgegeben werden. Vgl. Former Yugoslavia - UNPROFOR, United Nations Peace Keeping, Sept. 1996, www.un. org/Depts/dpko/dpko/co_mission/unproLb.htm, unter: Humanitarian Relief. 107 "The safe areas (... ) are for the most part drastically overcrowded, short of basic food and medical resources (... )", vgl. Bericht des Spezialberichterstatters der Menschenrechtskommission, E/CN.4/1994/110, para. 296. Zu den dramatischen Zustanden der venezolanische Delegierte, S/PV.2338, 4.6.1993, para. 2224; UNHCR, The State of the World's Refugees, 2000, 224; NIOD, II, 1456. Jagger sprach von "legitimised concentration camps, unprotected from aggression and cut off from help and supplies",jagger, The Betrayal of Srebrenica.
108 E/CN.4/1994/110, para. 64; UNSG-Report, S/1994/1389, 1.12.1994, para. 17; UNSG-Report, S/19941291, 11.3.1994, para. 17. 109
UNSG-Report, S/1994/1389, 1.12.1994, para. 5.
110
E/CN.4/1994/110, para. 67.
III UNHCR, The State of World's Refugees, 1995, 129; UNHCR, The State of the World's Refugees, 2000, 224. 112 So fur Sarajevo: Zitat eines franzosischen UNPROFOR Soldaten, The Washington Post, UN Keepers of the Siege: Relief Troops Bar Escape from Sa-
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5chutzzonen im Friedenssicherungsrecht
Auch wenn die safe areas viele Menschenleben gerettet haben, konnten sie damit den versprochenen Schutz und die humanitare Versorgung nicht bieten. Mangels vollstandiger Entmilitarisierung der safe areas und ausreichender Mittel und Befugnisse der Peace-Keeping-Truppe UNPROFOR zur zwangsweisen Durchsetzung des Schutzes und der humanitaren Versorgung gefahrdeten permanente Angriffe auf die Schutzzonen und Blockaden cler humanitaren Hilfe das Leben der Bewohner sowie jener, die im Vertrauen auf den Schutz in das Gebiet gezogen waren. Das UNPROFOR in Form der Luftunterstutzung der Mitgliedsstaaten zur Verfugung stehencle Zwangspotential konnte aufgrund cler restriktiven Handhabungund des schwierigen Abstimmungsprozesses nicht effektiv genutzt werden und die brutale Einnahme der Schutzzonen Srebrenica und Zepa nicht verhindern. Die Tatsache, daB die Bevolkerung teilweise sogar daran gehindert wurde, aus den katastrophalen humanitaren Verhaltnissen in den safe areas zu fliehen, machte die Gebiete eher zu einem schlechten Gefangenenlager als einer geschutzten Zone.
3. Safe humanitarian zone - Siid-West Ruanda 1994
Jiingstes Beispiel einer UN -Schutzzone stellt die safe humanitarian zone in Ruanda dar, die 1994 durch eine franzosisch-senegalesische Militarkoalition auf der Grundlage einer Sicherheitsratsresolution errichtet wurde.
a) Politische Vorgeschichte und Errichtung der safe humanitarian zone Mit einem Friedensvertrag zwischen dem damaligen ruandischen Priisidenten und dem Fuhrer cler von Tutsi dominierten Front Patriotique du Rwanda (FPR) soUte am 4.8.1993 der Burgerkrieg beendet werden; darin einigte man sich ebenfalls auf die Aufstellung einer Dbergangsregierung und die. Dberwachung des Friedens durch eine UN-PeaceKeeping-Truppe.1l3 Dazu schuf der UN -Sicherheitsrat in Res. 872 die United Nations Assistance Mission for Ruanda (UNAMIR) mit einem
rajevo, 30.12.1992, A], A 16, abgedruckt in: Frelick, Preventing Refugee Flows, 10. 113 Der Friedensvertrag sah u.a. zur Implementierung eine Neutral International Force fur einen Dbergangszeitraum vor. Vgl. 5126350, 24.8.1993, para. 22; 5126488,24.9.1993, para. 8.
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zunachst fur 6 Monate befristeten Auftrag. 1l4 Ihr kam vor aHem die Aufgabe zu, den Waffenstillstand zu beobachten, die Verteilung der humanitaren Hilfe sicherzustellen, beim Schutz und der Wiedereingliederung der Bevolkerung zu helfen und die Implementierung des Friedensvertrags zu unterstiitzen. 115 Am 6.4.1994Ioste dann der Tod des ruandischen und des burundischen Prasidenten bei einem unaufgeklarten gemeinsamen Flugzeugabsturz in Ruanda ein Massaker zwischen den beiden rivalisierenden Bevolkerungsgruppen in Ruanda, Hutu und Tutsi, aus, das eine Massenflucht nach Zaire nach sich zag. Nachdem Belgien den Ruckzug seiner Truppen erklart hatte, weil es die Situation fur eine Peace-Keeping-Truppe wie UNAMIR als zu gefahrlich beurteilte,116 verringerte auch der UN-Sicherheitsrat am 21.4.1994 den Umfang UNAMIRs von 2800 auf 270. 117 Damit blieb faktisch die FPR als einzige Macht im Land, die das Massaker zwischen Hutu und Tutsi hatte stoppen konnen, das in drei Monaten bereits 500.000 bis 1 Mill. Menschenleben gefordert und eine massive Vertreibung verursacht hatte. Ais die schweren Menschenrechtsverletzungen jedoch anhielten, vergroBerte der UN-Sicherheitsrat in Res. 918 im Mai 1994 wiederum den Truppenumfang von UNAMIR auf 5500 Soldaten, erweiterte gleichzeitig ihr Mandat auf den Schutz der Zivilbevolkerung sowie die Abhilfe der humanitaren Krise u.a. durch die Einrichtung von "Secure Humanitarian Areas" und verhangte ein Waffenembargo gegen Ruanda.1l8 So-
114
S/RES/872,5.10.1993.
115
Ibid., para. 3; S126350, 24.8.1993, para. 22.
116 Zuvor waren bereits 10 belgische UNAMIR Soldaten in den Kampfen umgekommen. V gl. The Secretary General, Statement on Receiving the Rwanda-Report, 16.12.1999, www.un.orglNews/ossg/sgsm_rwanda.htm. AdG, 1994, 38836. li7 S/RES/912, 21.4.1994. Diese kleine Truppe soUte einer rein politischen Prasens nachkommen und bestand aus dem BevoUmachtigten des Generalsekretars, Beratern, militarischen Beobachtern und einer Kompanie.
118 "C ... ) 3. Decides to expand UNAMIR's mandate C... ) Ca) to contribute to the security and protection of displaced persons, refugees and civilians at risk in Rwanda, including through the establishment and maintenance, where feasible, of secure humanitarian areas; Cb) To provide security and support for the distribution of relief supplies and humanitarian relief operations; C... ) 5. Authorizes in this context an expansion of the UNAMIR force level up to 5,500 troops; C... )", S/RES/918, 17.5.1994.
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Schutzzonen im Friedenssicherungsrecht
wohl die FPR als auch die ruandische Regierung stimmten dieser Man. 119 datserwelterung zu. Da jedoch die Mitgliedstaaten nicht sofort die notwendigen Truppenkontingente bereitsteHten - 2 Monate spater war erst ein Zehntel (550 Mann) der angeforderten Menge in Ruanda einsatzbereit _,120 ermachtigte der UN-Sicherheitsrat am 22.6.1994 aufgrund vor aHem franzosischer Initiative in seiner Res. 929 die Mitgliedstaaten zum Ergreifen aller erforderlichen Ma6nahmen, um die humanitaren Ziele der UNAMIR Operation zu erreichen: 121 "( ... ) 2. Welcomes also the offer by the Member States (S/1994/734) to cooperate with the Secretary-General in order to achieve the objectives of the United Nations in Rwanda through the establishment of a temporary operation under national command and control; (... ) 3. Acting under Chapter VII (... ) authorizes the Member States (... ) to conduct the operation referred to in paragraph 2 above using all necessary means to achieve the humanitarian objectives set out in subparagraphs 4 (a) and (b) of resolution 925 (1949);" Indem der UN-Sicherheitsrat auf Paragraph 4 (a) der Res. 925 verwies, der das UNAMIR Mandat enthalt, u.a. "Secure Humanitarian Areas" zum Schutze der Bevolkerung zu errichten,122 autorisierte er diese konkrete Ma6nahme auch fur die Militarkoalition. Die Ermachtigung an die Mitgliedstaaten war auf zwei Monate befristet, bzw. solange, bis UNAMIR fahig sein wurde, ihr Mandat auszufuhren. 123 2500 franzosische und 100 senegalesische Soldaten starteten daraufhin am 23.6.1994
l!9 Vgl. dazu die Stellungnahme des FPR-Fiihrers und spateren stellvertretenden Staatsprasidenten Kagame vor dem UN-Sicherheitsrat, S/PV.3481 , 15.12.1994, 3. Allerdings stimmte die ruandische Regierung nur dem ersten Teil der Resolution zu, Fink, Friedenssicherung II, 786. 120 Brief des UN -Generalsekretars an den UN -Sicherheitsrat yom 19.6.1994, S/1994/728. 121 S/RES/929, 22.6.1994. Frankreich und Senegal hatten in einem Brief an den Prasidenten des UN -Sicherheitsrats yom 20.6.1994 angeboten, Truppen nach Ruanda zu entsenden, "C ... ) to assure the security and protection of displaced persons and civilians at risk in Rwanda C..• )", S/1994/734. 122
S/RES/925, 8.6.1994.
123 "C ... ) 4. Decides that the Mission of Member States C ... ) will be limited to a period of two months C••• ) unless the Secretary-General determines at an earlier date that the expanded UNAMIR is able to carry out its mandate C... )", S/RES/925, 8.6.1994, para. 4.
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die Operation Turquoise und errichteten auf Grundlage von Res. 929 eine safe humanitarian zone im Siidwesten Ruandas, deren Flache ungefahr ein Fiinftel des ruandischen Territoriums ausmachte. Auf ihr wurden 10 Vertriebenenlager errichtet, in denen humanitare Organisationen Hilfe leisten konnten. Erklartes Ziel der safe humanitarian zone war es, die Menschen und das Personal der humanitaren Hilfsorganisationen vor Ort zu schiitzen und dadurch die humanitiire Situation in den Gebieten zu verbessern sowie den Menschenrechtsverletzungen ein Ende zu bereiten, damit die Massenflucht nach Zaire gestoppt werden konnte. 124
b) Sicherung der safe humanitarian zone Obwohl die Errichtung der safe humanitarian zone durch die Militarkoalition zwangsweise entgegen dem ausdriicklichen Willen der Dbergangsregierung FPR erfolgte,125 trafen die Alliierten tatsachlich auf relativ geringen Widerstand. Ihre Truppen waren mit leichten Panzerfahrzeugen und schweren Artilleriegeschiitzen ausgeriistet und konnten auf Luftunterstiitzung zuriickgreifen. Den kampfenden Parteien wurden die genauen Grenzen der Schutzzone mitgeteilt. 126 Ais die FPR die Kontrolle iiber ganz Ruanda bis auf die safe humanitarian zone erlangt hatte, erklarte sie am 19.7.1994 den einseitigen Waffenstillstand und installierte in Kigali die Regierung der Nationalen Einheit. Am 21.8.1994 endete das Mandat der Operation Turquoise und UNAMIR II iibernahm mit 5.500 Mann auf der Grundlage der urspriinglichen Res. 872 und 918 und unter Zustimmung beider Konfliktparteien die humanitaren Aufgaben in der safe humanitarian zone. 127 Zu dem Zeitpunkt befanden sich ungefahr 750.000 intern Vertriebene in den zehn Lagern dieser Zone. UNAMIR II kam vor aHem die Organisation der Fliichtlingsriickkehr zu. Am 30.11.1994 verlangerte der UN -Sicherheitsrat mit
124
TorrellilMillet, Zones de Securite, 228; Melvern, A People Betrayed, 211.
125 Die FPR hatte zwar der Entsendung von Blauhelmen zugestimmt, lehnte jedoch die Prasenz der franzosischen Truppen ab, da jene bisher immer auf Seiten des friiheren Prasidenten Habyarimana gestanden hatten. Die ruandische Regierung stimmte hingegen fur den Einsatz der Militarkoalition. Der UNSicherheitsrat handelte dennoch nach Kapitel VII UNC, da die Zustimmung der FPR als zweite Konfliktpartei fehlte. Vgl. Fink, Friedenssicherung II, 775. 126
Torrellil Millet, Zones de Securite, 228.
127 S/PV.3481, 15.12.1994, 3.
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Res. 965 das UNAMIR~MandatI28 bis zum 9.6.1995 und verstarkte die Mission mit 6000 Mann. 129 Allerdings schiirte der Verdacht, daB die sichere Zone ehemaligen Straftatern des Volkermords Unterschlupf oder einen Fluchtweg nach Zaire bot 130 und daB sich Rebellen und wiederbewaffnete Militars in den Lagern befanden, l3l bei der FPR die Angst vor einer Gegenregierung. Militarische Operationen in der Schutzzone, Hinweise auf geheime Waffenlager im geschiitzten Gebiet 132 und nicht zuletzt die politische Nahe Frilllkreichs zur friiheren ruandischen Fiihrung 133 verstarkten die Furcht der FPR vor dem Verlust ihrer territorialen Integritat und Souveranitat iiber das Gebiet der safe humanitarian zone. Ais die Vertriebenenlager immer mehr zu Zentren von Feindseligkeiten und einer Gefahr fiir die interne Sicherheit wurden, startete UNAMIR mit Unterstiitzung der FPR Ende 1994 die Operation Hope zur Entwaffnung des groBten Lagers, Kibeho, das seinerzeit circa 120.000 Fliichtlinge beherbergte. Da die Spannungen in den Lagern dennoch anhielten, forderte die ruandische Dbergangsregierungim Februar 1995 unter Hinweis auf die Sicherheit der Fliichtlinge ihre sofortige Zuriickfiihrung sowie die endgiiltige SchlieBung der Lager. 134 Die am 17.4.1995 in Zusammenar-
128 Der UN-Sicherheitsrat war vor allem besorgt urn die Lage in den zairischen Fluchtlingscamps. UNSG-Report, PRST/1994/59, S/1994/1308, 18.11. 1994.
129 Er erweiterte zudem ihr Mandat urn den Schutz des Personals des von den UN geschaffenen Ruanda-Tribunals sowie auf die Ausbildung neuer Polizeikriifte: S/RES/959, 30.11.1994. Mit Res. 935 hatte der UN-Sicherheitsrat einen internationalen Strafgerichtshof fur die in Ruanda wiihrend des Burgerkriegs begangenen Kriegsverbrechen der Konfliktparteien eingerichtet. S/RES/935, 1.7.1994, vgl.dazu auch: Fink, Friedenssicherung II, 227 ff. 130 So z.B. MSF, vgl. dazu: UNHCR, The State of the World's Refugees, 1995,128. l3l Vgl. dazu Brief des UN-Generalsekretiirs an den Priisidenten des UNSicherheitsrats, 19.5.1995, S/1995/411, 23.5.1995, para 11.
132 Shalom, The Rwanda Genocide, unter: Pursuing a Cease-Fire. Bei einer Waffendurchsuchung der FPR in den Lagern mit der Zustimmung von UNAMIR entdeckten sie jedoch nur eine begrenzte Zahl an Waffen, vgl. Landgren, Safety Zones, 450. 133
Chimni, Safety Zones, 850; Fink, Friedenssicherung II, 775.
134 Zu den Spannungen: African Rights, London, 1995, Rwanda, "A Waste of Hope": The United Nations Human Rights Field Operation, 7. Die UN hingegen wollten zur Sicherheit der Fluchtlinge eine Ruckfuhrung erst dann zulas-
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beit mit UNAMIR begonnene zwangsweise Auflosung des KibehoCamps fuhrte zu brutalen Massenexekutionen und Ausschreitungen. 135 Dabei kamen mehr als 2000 "geschiitzte" Personen unter den machtlosen Augen der 100 UNAMIR Soldaten und verschiedenen internationalen Hilfsorganisationen umsLeben. 136 Und dies, obwohl die UNAMIR Soldaten nach Res. 918 im Rahmen der Selbstverteidigung auch Gewalt zur Verteidigung des Gebiets, der Bevolkerung und des humanitaren Hilfspersonals einsetzen durften. 137 Die ubrigenLager im Sudwesten Ruandas wurden in den nachsten drei Wochen relativ friedlich evakuiert; die Fluchtlinge kehrten nachHause zuruck oder flo hen nach Zaire. Insgesamt verlief die Ruckkehr der intern Vertriebenen vor aHem wegen der Angst vor weiteren Angriffen und der Abhangigkeit von der Versorgung in den Lagern recht langsam.
c) Schutz- und humanitarer Standard der safe humanitarian zone Die Operation Turquoise der Militarkoalition in Ruanda zum Schutz der safe humanitarian zone mu6 im Hinblick auf den Schutz der Zivilbevolkerung vor au6eren Angriffen zunachst einmal als Erfolg gewertet werden, da siedas Massaker innerhalb der Zivilbevolkerung gelindert 138
sen, wenn im Land eine sicherere Lage vorherrschte. Kleine-Ahlbrandt, The Kibeho crisis, unter:Institutional responses. 135 Vgl. dazu Kibeho Report, Annex; Kleine-Ahlbrandt, The Kibeho crisis, unter: Institutional responses. 136 Nach RPA Angaben nur 338. Dabei sind aber auch Mitglieder der RPA Gegenschlagen der Hutu zum Opfer gefallen. Vgl. dazu: Kibeho Report, insbes. para. 41, 60.
137 "( ••• ) 4.Recognizes that UNAMIR may be required to take action in selfdefence against persons or groups who threaten protected sites and populations, United Nations and other humanitarian personnel or the means of delivery and distribution of humanitarian relief; (... )", S/RES/918, 17.5.1994. Zum Fehlverhalten der UNAMIR Soldaten: Kibeho Report, Annex, para. 44. KleineAhlbrandt spricht sogar davon, daB UNAMIR den Befehl gehabt haben soli, nicht einzugreifen: Kleine-Ahlbrandt, The Kibeho crisis, unter: Massacre at Kibeho. 138 MSF sieht das Ergebnis weniger positiv, und meint, daB Operation Turquoise zu wenig und zu spat gewesen sei, der Volkermord sei durch die FPR und nicht die UN gestoppt worden. Vgl. dazu: UNHCR, The State of the
World's Refugees, 1995, 128.
Schutzzonen im Friedenssicherungsrecht
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und ihr Schutz geboten hat. 139 Wahrend Operation Turquoise beherbergten die Lager 1,2 bis 1,5 Millionen Menschen. 140 Die Situation veranderte sich allerdings, sobald die Militarkoalition durch die Beobachter-Mission UNAMIR II abgelost wurde. Mangels Entwaffnung der Hutus in den Lagern und fehlender Autoritat der UN in dem Gebiet setzten sich die Gewalttatigkeiten zwischen und unter den Hutus und Tutsis innerhalb der Lager fort. Vor aHem provozierte die Militarisierung und Beherbergung von Verbrechern in den Lagern letztendlich ihre gewaltsame SchlieBung durch die FPR. Die aHgemeinen humanitaren Bedurfnisse der Burger konnten in den ruandischen Lagern sowohl durch Operation Turquoise als auch spater durch UNAMIR II weitgehend gedeckt werden;141 vor aHem aber wurden durch die safe humanitarian zone viele Fluchtlinge vor den unmenschlichen humanitaren Umstanden in den zairischen Fluchtlingslagern bewahrt. 142 AHerdings war den Fiuchtlingen durch dieanhaltenden Kampfe der Konfliktparteien sowie die Einschuchterungen durch Hu. . G renzsperrungen d ' 144' tu 143 un d d'Ie zeltwelse er " zamsc h enR eglerung elne Flucht ins benachbarte Ausland trotz der geographischen Grenzlage der Lager nicht moglich. Damit konnten die safe humanitarian areas in Ruanda die Bevolkerung wahrend des andauernden Burgerkriegs weitestgehend vor schweren Menschenrechtsverletzungen bewahren und die Verluste unter der Zivilbevolkerung verringern. Allerdings fuhrte auch der Abzug der Militiirkoalition zu verstiirkten Unruhen und Dbergriffen in der Schutzzone und die fehlende Entmilitarisierung sowie die angebliche Beherbergung von Verbrechern zur gewaltsamen SchlieBung des Kibeho-Camps. Aufgrund der grundsatzlichen Zustimmung und Kooperation der Kon-
139 So
der AbschluBbericht Frankreichs an den UN-Sicherheitsrat,
S/1994/1100, 16.9.1994 African Rights schatzt die Zahl der durch Operation Turquoise geschiitzten Tutsis auf 12.000 - 15.000, vgl. Shalom, The Rwanda Ge-
nocide, unter: Operation Turquoise. 140 Quelle: Kleine-Ahlbrandt, Forced Migration Review, 2.8.1998, unter Development of the Kibeho Crisis. 141
Frelick, Safe Havens, 2; Landgren, Safety Zones, 451 f.
142 Frelick, Safe Havens, 2; Landgren, Safety Zones, 451 f. Zu den unmenschlichen Verhaltnissen in den zairischen Fliichtlingslagern: UNSG-Report,
S/1994/1308, 18.11.1994.
143 Kibeho Repon, para. 11. 144
Chimni, Safety Zones, 850.
1. Kapitel: Konzept der Schutzzonen im Friedenssicherungsrecht
39
fliktparteien konnte aber weiterhin ein gewisser humanitarer Standard und Schutz erreicht werden, so daB die beschrankte Fluchtmoglichkeit der Biirger aus den Lagern keine zusatzliche Harte darstellte.
4. Systematische ZusammenJassung der Schutzzonenpraxis
Die safe havens, safe areas und safe humanitarian zone beruhen auf dem gemeinsamen Grundgedanken, der Errichtung eines sicheren Gebiets zum Schutz vor Angriffen und zur humanitaren Versorgung der verfolgten Zivilbevolkerung, jedoch wahlen sie unterschiedliche Wege der Verwirklichung. 1m Folgenden sollen die bisherigen UN-Schutzzonen anhand ihrer wesentlichen Kriterien bei ihrer Errichtung und Umsetzung zusammengefaBt und in die oben dargestellten Konzeptualisierungsansatze in den UN eingeordnet werden.
a) Humanitares und politisches Instrument Ahnlich wie der UN-Generalsekretar die Errichtung von "security zones" zum Schutz der Zivilbevolkerung und zur Auslieferung der Hilfsgiiter im bewaffneten Konflikt empfahl,145 verfolgten die bisherigen UN-Schutzzonen das primare Ziel, die Zivilbevolkerung vor Verfolgung und direkten Angriffen zu schiitzen und ihre humanitare Versorgung sicherzustellen. So sollten die safe havens im Irak den Kurden als Zufluchtsstatten vor den irakischen Truppen und zur Sicherung ihrer humanitaren Bediirfnisse dienen. 146 Ebenso war man sich vor der Errichtung der safe areas in Bosnien einig, daB sie der humanitaren Krise in den Gebieten abhelfen sollten,147 indem unzahligen Vertriebenen vor Wintereinbruch eine heimatnahe Unterkunft geboten,148 gefahrdeten
145 Siehe oben 1. 146 Vgl. dazu AdG 1991,35565 f.; Freedman/Boren, Safe Havens, 52 f. 147 Der damalige IKRK Prasident Sommaruga sprach auf aer London Konferenz am 26.127.8.1992 von "protectea zones for adressing the humanitarian crisis", zitiert in: The Fall of Srebrenica, para. 45. Vgl. auch S/RES/787, 16.11.1992, para. 19: "( ... ) to study the possibility of and the requirements for the promotion of safe areas for humanitarian purposes". 148 London Konferenz 26.8.1992, Volltext siehe The Path to the Hague, www.un.org/icty/publication/path.htm; Der IKRK schrieb in einem Paper von Okt. 1992: "( ... ) need to protect threatened communities in their places of residence (... )", zitiert in: The Fall of Srebrenica, para. 45.
Schutzzonen im Friedenssicherungsrecht
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Personen, wie jenen in Gefangenenlagern, Verwundeten und in isolierten Gebieten Schutz vor den Kriegsfolgen und direkten Angriffen gewahre 49 und Menschen an einem sicheren Ort mit Nahrung und Medizin versorgt werden sollten. 150 Auch in Ruanda erklarte der UNSicherheitsrat die Ahsicht, durch secure humanitarian areas zur Sic herheit und zum Schutz der vertriebenen und gefliichteten Bevolkerung beizutragen sowie die humanitare Hilfe sicherzustellen. 151 Neben dieser humanitaren Zielsetzung verfolgten die beteiligten Staaten mit den hisherigen Schutzzonen aber auch die Unterstiitzung eines langfristigen politischen Friedensprozesses. 1m Irak wollte man durch den voriibergehenden Schutz in den safe havens ein Leben der Kurden in Frieden und ohne Unterdriickung erreichen 152 und die Riickkehr der kurdischen Fliichtlinge aus der Tiirkei ermoglichen sowie neue Fliichtlingsstrome vermeiden. 153 Ziel war eine Art Ersatzasyl im eigenen Land, urn die spatere Riickfiihrung zu erleichtern und eine gemeinsame Friedenslosung zu ermoglichen. 154 Auch in Bosnien wurde fortwahrend hetont, daB die humanitare Hilfe in den safe areas nicht zum Selbstzweck geleistet werde, sondern durch ihre entspannende Wirkung die langfristige Konfliktlosung unterstiitzen sollte. 155 Der Beitrag der Schutzzonen
149 ICRC Press Release No. 1728, 3.10.1992, "Saving Lives in Bosnia-Herzegovina", abgedruckt in: Sassoli, Humanitares Volkerrecht im Jugoslawienkonflikt, 187 ff.
150 "(00') to provide people with the food and medicines they needed in places where their security was guaranteed", E/CN.4/1994/47, 11.1993, para, 14. 151 "(a) To contribute to the security and protection of displaced persons, refugees and civilians at risk in Rwanda, including through the establishment and maintenance, where feasible, of secure humanitarian areas; (b) To provide security and support for the distribution of relief supplies and humanitarian relief operations; (00')'" S/RES/918, 17.5.1994, para. 3 a, b.; So auch der UNGeneralsekretar, UNSG-Report, S/1994/924, 3.8.1994, para. 7. 152
AdG, 1991, 35566.
153
AdG, 1991, 35565 f.
154
Vgl. Helton, Displacement and Human Rights, 92.
155 So formulierte auch der UN-Sicherheitsrat in seiner safe area Res. 824: "(00') (the safe areas) will contribute to the early implementation of the peace plan (00')'" S/RES/824, 6.5.1993. Ahnlich auch der franzosische Vertreter im UN-Sicherheitsrat "(00') the designation and protection of the safe areas (was) not an end in itself, but only a temporary measure: a step towards a just and lasting politica] solution", vgl. The Fall of Srebrenica, para. 82; so auch der damalige Sondergesandte des UN-Generalsekretars fur Jugoslawien, Akashi,
1. Kapitel: Konzept der Schutzzonen im Friedenssicherungsrecht
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zum FriedensprozeB soUte vor aHem in der Verhinderung weiterer Vertreibungen und damit dem Erhalt der territorialen Verteilung als Grundlage fur einen Friedensvertrag liegen. 156 Zur Verdeutlichung dieser politischen Einbindung der safe areas wurde ihr Dbergangscharakter herausgesteHt: sie sollten die Lage nur solange stabilisieren, bis die Konfliktparteien einen Friedensplan unterzeichnen wurden. 157 Auch in Ruanda unterstrich der UN-Generalsekretar und betonten die Staaten, daB die humanitaren Anstrengungen der internationalen Gemeinschaft, den Volkermord zu stoppen und den Waffenstillstand zu kontrollieren, auf die Wiederaufnahme des Arusha Friedensprozesses gerichtet seien.158 Mit dieser politischen Zielsetzung gehen die bisherigen UNSchutzzonen uber die in der Empfehlung des UN-Generalsekretars formulierte rein humanitare Zielsetzung hinaus.
b) AnlaB: Volkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit AnlaB der bisherigen UN -Schutzzonen bildeten i.d.R. interne ethnische Auseinandersetzungen, bei denen die Zivilbevolkerung primares Kriegsobjekt und Opfer von Volkermord oder anderen schweren Verletzungen der Menschenrechte und des humanitaren Volkerrechts war. So kritisierte der UN-Sicherheitsrat die Menschenrechtsverletzungen und die damalige Hochkommissarin fur Fluchtlinge, Ogata: Akashi, Comments on a Humanitarian Perspective, 217; Ogata, UNHCR in the Balkans, 190, vgl. auch: Wang, UN Peace-keeping Operations and Humanitarian Work, 245 ff., 246. 156 SCOR, 48 m Session, S/PV.3228, 4.6.1993, 12; The Fall of Srebrenica, para. 82; Tiso, Safe Haven, 588. 157 Vgl. UNSG-Report, 5/1994/555, 9.5.l994,para. 30; ebenso UNSG-Report, S/1994/1389, 1.12.1994, para. 40; so auch UN-Spezialberichterstatter fur Menschenrechte in seinem AbschluBbericht zur Menschenrechtssituation in Bosnien, E/CN.4/1996/9, 22.8.1995; ahnlich auch die damalige Hochkommissarin fur Fluchtlinge: Ogata, UNHCR in the Balkans, 190; IKRK Press Release No. 1728,3.10.1992, siehe Fn.149; Torrelli, Zones de 5ecurite, 822. Bei einem langerfristigen humanitaren Einsatz wahnte man vor allem auch die Gefahr einer Verlangerung des Konflikts. So der Sondergesandte des UNGeneralsekretars fur Jugoslawien: Akashi, Comments on a Humanitarian Perspective, 218; ahnlich: Sandvik-Nylund, Caught in Conflicts, 126; Roberts, Humanitarian Issues in International Politics, zu 1 b).
158 5/1994/728, 20.6.1994, para. 14. So z.B. der franzosische Vertreter im UN-Sicherheitsrat Merimee, S/PV.3377, 16.5.1994, 11, derselbe 5/PV.3392, 22.6.1994, 5; ebenfalls so der Vertreter Nigerias: S/PV.3377, 16.5.1994, 17.
Schutzzonen im Friedenssicherungsrecht
42
der irakischen Regierung gegeniiber den Kurden innerhalb des Landes,159 die systematischen Morde in der Zivilbevolkerung in Ruanda 160 oder die ethnische Sauberung der bosnischen Serben gegeniiber der · . h en Bevo· ··lkerung. 161 mus1Imlsc· Hinzu kam jeweils eine verheerende humanitare Lage durch die Blockade der humanitaren Hilfe. Die muslimischen Enklaven in Bosnien waren teilweise vollstandig von humanitarer Hilfe abgeschlossen, im 1rak verhinderte das nationale Embargo fiir den Nordirak eine Versorgung und in Ruanda die fehlende staatliche Struktur sowie die andauemden Kampfe zwischen Hutu und Tutsi. Die Menschenrechtsverletzungen und die humanitare Notlage fiihrten jeweils zu starken Fliichtlings- und Vertriebenenstromen, wobei die Situation meist durch eine Weigerung oder Unfahigkeit der angrenzenden Staaten zur Aufnahme weiterer Fliichtlinge erschwert wurde. 162 Damit wurden die bisherigen Schutzzonen gerade in den yom UN-Generalsekretiir genannten Situationen des Volkermords, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen errichtet; entscheidend erscheint dabei der ethnische Konfliktursprung, der gerade zu gezielten Massentotungen unter der Zivilbevolkerung und Fliichtlingsstromen fiihrte.
c) Errichtung durch Anordnung oder Erzwingung der Schutzzone Die Errichtung der UN-Schutzzonen erfolgte entweder wie im Irak und in Ruanda durch die gewaltsame militarische Einnahme des Gebiets oder wie in Bosnien durch eine Neutralisierungsanordnung des UN-Sicherheitsrats. Sowohl in Bosnien als auch in Ruanda fand die Schutzzonenerrichtung expliziten Ausdruck in einer Resolution des UN-Sicherheitsrats unter Kapitel VII UNc. 163 1m Irak beriefen sich die Alliierten zwar auch auf eine Resolution des UN -Sicherheitsrats, jedoch sah diese weder explizit die Errichtung von safe havens noch die
159
S/RES/688, 5.4. 1991.
160
S/RES/918, 17.5.1994, S/RES/929, 22.6.1994, Praambel.
161
S/RES/819, 16.4.1993, S/RES/824, 6.5.1993, Praambel.
162 So verweigerte die Turkei den Kurden aus dem Nordirak die Einreise, konnte der Iran die Massen an kurdischen Fluchtlingen nicht absorbieren oder war die Flucht fur Hutu und Tustis aus Ruanda in die Fliichtlingslager in Zaire aufgrund der dortigen verheerenden Lage nicht zuzumuten. Siehe oben 1. Kapitel, II.1.c), II.3.c). 163 Siehe oben II.2.a), II.3.a).
1. Kapitel: Konzept der Schutzzonen im Friedenssicherungsrecht
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Ermachtigung zur Anwendung militarischer Gewalt unter Kapitel VII UNC vor. 164 In allen Fallen wurde die Schutzzone unabhangig von der Zustimmung der Konfliktparteien durch Dritte angeordnet oder sogar gegen ihren Willen erzwungen. Auch eine etwaige nachtragliche Zustimmung aller Konfliktparteien zur Schutzzonenerrichtung muB in allen Fallen abgelehnt werden. In Ruanda und im Irak stimmten die Parteien zwar der Ubernahme der Schutzzonenverwaltung durch eine Peace-Keepingbzw. Polizei-Truppe ZU,165 jedoch bezog sich diese Zustimmung allein auf humanitare und Beobachtungsaufgaben im Schutzzonengebiet, nicht aber auf die militarische Sicherung desselben. 166 1m Irak steHte die irakische Regierung zudem eindeutig heraus, daB sie die erzwungene Errichtung der safe havens als Verletzung ihrer Souveranitat und territorialen Integritat ansehe. 167 In Bosnien stimmten die Parteien zwar nach der safe-areas- Errichtung verschiedenen Entmilitarisierungs- oder Waffenstillstandsabkommen fur Schutzzonengebiete ZU,168 jedoch konnen diese Abkommen zumindest von serbischer Seite aufgrund der fortwahrenden Obstruktion cler humanitaren Hilfe und der Angriffe auf die Schutzzonen nicht als nachtragliche Zustimmung gewertet werden. Nur in der Forderung cler bosnischen Regierung nach Ausdehnung des safe-area- Konzepts und einem entschiedeneren Vorgehen der Staatengemeinschaft kann ihre konkludente nachtragliche Zustimmung zur safe-area- Errichtung gesehen werden. 169 164 Siehe oben IL1.a). Vgl. Chimni, Safety Zones, 836; Frowein, Unilateral Interpretation of Security Council Resolutions, 103 ff.; Fink, Friedenssicherung II, 603. Dennoch wird teilweise aufgrund der Feststellung der Bedrohung des Friedens und der Sicherheit in Res. 688 angenommen, dag sie die gewaltsame safe havens Aktion gerechtfertige. Vgl. zu dies em Streitpunkt vor allem Endemann, Kollektive Zwangsmai3nahmen, 189 ff. Malanczuk, The Kurdish Crisis, 123 ff. 165 Fur Ruanda: Siehe oben II.3.a). S/PV.3481, 15.12.1994, 3; fur den Irak: Vgl. oben IL1.b), Annex I des MoU vom 18.4.1991, ILM, Vol. 30, 991, 862; Freedman/Boren, Safe Havens, 59 ff. 166
Siehe oben II.1.b), II.3.b).
167 Siehe oben II.1.b). S/22513, 22.4.1992, Annex, 2; Malanczuk, The Kurdish Crisis, 124; Landgren, Safety Zones, 443. Zudem stimmte Irak gerade keiner militarischen Prasens in cler Schutzzone zu, sonclern allein einer Polizeitruppe. 168
Siehe oben II.2.b).
169 S125718, 4.5.1993; S/PV.3228, 4.6.1993, 7. So auch: Tanja, Humanitarian Intervention and Humanitarian Assistance, 86; Subedi, Safe Havens, 33. Biswei-
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Schutzzonen im Friedenssicherungsrecht
d) Entmilitarisierung und Begrenzung des Schutzzonengebiets In der Praxis laih sich keine allgemeine Entmilitarisierung der Schutzzonen oder eine Evakuierungsoption ausmachen, wie sie der UNGeneralsekretar in seinem 99'er Bericht empfahl. Fur die safe areas in Bosnien forderte der UN-Sicherheitsrat nur den Ruckzug der serbischen Waffen,170 jedoch keine vollstandige Entmilitarisierung auch der bosnischen Regierungsarmee,171 weil die Mitgliedsstaaten furchteten, den bosnischen Einwohnern keinen hundertprozentigen Schutz bieten zu konnen.172 UNPROFOR drang allerdings spater von sich aus in den Stadt en Zepa, Srebrenica und spater auch Gorazde auf Entmilitarisierungsvereinbarungen,173 die jedoch weder eingehalten noch durchgesetzt wurden. Auch von der NATO errichtete exclusion zones im Umkreis verschiedener safe areas fordertenallein die Entmilitarisierung durch serbische schwere Waffen, die bosnische Regierung sollte allein
len wird bereits in der Duldung der Mandatserweiterung von UNPROFOR auf humanitare Hilfe in Res. 770 die konkludente Zustimmung der bosnischen Regierung gesehen. Vgl. Landgren, Safety Zones, 445; Torrelli, Zones de Securite, 810 f. Allerdings konnte sich der UN-Sicherheitsrat von dieser Zustimmung mit der Mandatserweiterung unter Kapitel VII UNC in Res. 836 gelost haben. So auch: Landgren, Saftey Zones, 445 Fn. 22, die von einer Erniedrigung des Konsens-Prinzips spricht. Ahnlich Fink, Friedenssicherung II, 783; Pape, Humanitare Intervention, 225. 170 Siehe oben II.2.b). 171 In Res. 959 und 998 sind zwar Schritte in Richtung einer allgemeinen Entmilitarisierung der safe areas zu erkennen, jedoch wurde dies niemals als notwendige Voraussetzung gefordert "( ...) noting the positive contribution that agreement between the parties on the demilitarization of Sarajevo could make to this end (... ) 6. Further requests the Secretary-General and UNPROFOR to intensify efforts aimed at reaching agreement with the Bosnian parties on the modalities of demilitarization of Sarajevo (... )" S/RES/959, 19.11.1994; "7. Underlines the need for a mutually agreed demilitarization of the safe areas and their immediate surroundings and the benefits this would bring to all parties, in terms of the cessation of attacks on the safe areas and of launching military attacks there from (... )", S/RES/998, 16.6.1995. Dazu Weller, Peace-Keeping, 137; Giersch, Konfliktregulierung in Jugoslawien, 250. 172 Die Befiirworter der safe-area-Resolution iibten deswegen sogar Kritik am Entmilitarisierungsabkommen in Srebrenica und Zepa, S/1994/555, 9.5.1994, para. 21. Diese Bedenken auEerte auch der permanente Vertreter Bosniens, vgl. The Fall of Srebrenica, para. 174.
173 Siehe oben II.2.b)(I).
1. Kapitel: Konzept der Schutzzonen im Friedenssicherungsrecht
45
militarische Tatigkeiten unterlassen. 174 Damit konnte eine vollstandige Entmilitarisierung der safe areas nicht erreicht werden. 175 Dies fuhrte wie im Irak und Ruanda zu fortwahrenden Provokationen der gegnerischen Partei insbesondere zu gefurchteten Autonomiebestrebungen und zusatzlichen Gefahren fur die Bevolkerung und die Schutzzonentruppe. 176 Ahnlich wie Frankreich und der UN-Generalsekretar in Bosnien die klare Abgrenzung des Schutzzonengebiets fur notwendig erklart hatten, urn eine bessere Kontrolle der Gebiete und einen starkeren Schutz der dortigen Bevolkerung zu erreichen, l77 nahmen die Alliierten sowohl in Ruanda als auch im Irak eine klare Abgrenzung des Schutzzonengebiets vor. In Bosnien verzichtete der UN-Sicherheitsrat lange auf eine klare Begrenzung der safe areas,178 urn sich eine Erweiterung des Schutzzonengebiets offenzuhalten. Erst als sich immer mehr die Ansicht durchsetzte, daB eine Begrenzung zur effektiven Verteidigung und Kontrolle des Gebietes erforderlich sei, wurde durch Vereinbarungen oder Erklarung von exclusion zones in mehreren safe areas im Nachhinein eine gewisse territoriale Abgrenzung des geschutzten Gebiets vorgenom-
174 Vgl. The Fall of Srebrenica, para. 141. Fur eine gewisse Entmilitarisierungswirkung argumentiert: Torrelli, Zones de Securite, 824 ff. 175 So beispielsweise zu Srebrenica, vgl. The Fall of Srebrenica, para. 475 f. Allgemein dazu Ogata, UNHCR in the Balkans, 192; Torrelli, Zones de Securite, 843 ff, der vor allem das Problem sah, da~ man nicht zwischen Kombattanten und Zivilbevolkerung unterscheiden konnte. 176 The Fall of Srebrenica, para. 479; Tiso, Safe Haven, 585; Torrelli, Zones de Securite, 826; Landgren, Safety Zones, 445. Dieser Punkt wird haufig als ein Grund fur das Scheitern der safe areas in Bosnien genannt Christakis, L'ONU, 172 ff; Ogata, UNHCR in the Balkans, 192; Gordon, Safe Areas, 228; ahnlich die Kritik auch von Frelick, Safe Havens. Fur Ruanda und Irak vgl. oben II.1.b), II.3.b), dazu v; a. Torrelli, Zones de Securite, 824 f. 177 Siehe oben I. Note verbale from the permanent Representative of France to the United Nations addressed to the President of the Security Council, S125800, 19.5.1993, 2; UNSG-Reports, S/1994/555, 9.5.1994, para. 29 (b) und S/19941 1389, 1.12.1994, para. 25, 45 f. 178 In Res. 824 hie~ es nur "( ... ) That the capital city of the Republic of Bosnia and Herzegovina, Sarajevo and the other threatened areas, in particular the towns of Tuzla, Zepa, Gorazde, Bihac as well as Srebrenica and their surroundings should be treated as safe areas ( ... )" .S/RES/824, 6.5.1993, para. 3.
Schutzzonen im Friedenssicherungsrecht
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men. 179 Allerdings blieben in den meisten safe areas die Grenzen des Kontrollgebiets von UNPROFOR dennoch unklar.180
e) Sicherungsmechanismus Zur Sicherung und Dberwachung der Schutzzone forderte der UNGeneralsekretar in seiner 9ger Empfehlung ein bereits vor der Errichtung der Schutzzone vorhandenes "ausreichendes und glaubwurdiges Gewaltpotential".181 In den bisherigen UN -Schutzzonen wurde dieses durch den Einsatz von Polizei-, Peace-Keeping- und Peace-Enforcement-Truppen erreicht, die in unterschiedlicher Auspragung zur gewaltsamen Durchsetzung des Schutzes und der humanitaren Versorgung befugt waren. Allerdings konnten nur solange, wie eine PeaceEnforcement-Truppe in der Schutzzone selbst anwesend war, der Schutz und die humanitare Hilfe ausreichend gewahrleistet werden. Die Tendenz, aus Grunden der Neutralitat die Schutzzonenverwaltung sobald wie moglich die Verwaltung der Schutzzone einer schwach bewaffneten Peace-Keeping- oder Polizei-Truppe zu ubertragen und die gewaltsame Luftunterstutzung wie in Bosnien restriktiv einzusetzen, fuhrte in allen Fallen zu vermehrten Unruhen in der Schutzzone, verstarkten Angriffen auf dieselbe odergar wie in Srebrenica und Zepa ihrer Einnahme. Nicht zuletzt die katastrophalen humanitaren Zustande und Gefahren fUr die Bevolkerung insbesondere den safe areas sind der traurige Beweis des unzureichenden Gewaltpotentials. 182
III. Ergebnis Innerhalb der UN hat sich in den letztenJahren ein allgemeines Schutzzonenkonzept entwickelt, das jedoch hinsichtlich der konkreten Errichtung sowie Organisation und Sicherung einer Schutz zone offen bleibt. Insoweit kann es aber von der UN-Schutzzonenpraxis erganzt werden, die zwar in Errichtungsweise, Ausgestaltung des Schutzzonengebiets sowie den Moglichkeiten zur zwangsweisen Sicherung U nter-
179 180 181 182
Siehe ohen II.2.h)(1). Dazu auch Roberts, Humanitarian Action in War, 43. Siehe oben 1. Siehe oben II.2.c).
1. Kapitel: Konzept cler Schutzzonen im Frieclenssicherungsrecht
47
schiede aufweist, sich jedoch in seinen wesentlichen Elementen auf einen gemeinsamen Nenner zuruckfuhren laBt. Insgesamt stellen UN-Schutzzonen danach verschiedene Versuche dar, ein bestimmtes belagertes Gebiet frei von Angriffen zu halten, urn die verfolgte Zivilbevolkerung zu schutzen, die Durchfuhrung der humanitaren Hilfe sicherzustellen und dadurch Fluchtlingsstrome zu vermeiden sowie letztendlich ein Klima fur Friedensverhandlungen zu schaffen. Der Einsatz von UN -Schutzzonen ist vor all em fur Situationen des Volkermords, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen im Rahmen einer Massenverfolgung gedacht. In der Vergangenheit wurde ihr Schutz entweder unabhangig von der Zustimmung der Konfliktparteien durch den UN-Sicherheitsrat unter Kapitel VII UNC angeordnet oder durch militarische Einnahme des Gebiets erzwungen. Gleichzeitig wird vor aHem die Entmilitarisierung des Schutzzonengebiets fur notwendig erachtet und durch die Erfahrungen in den bisherigen UN -Schutzzonen weitgehend bestatigt. Zudem pladiert der UNGeneralsekretar fur eine Evakuierungsoption sowie ein "glaubwurdiges und ausreichendes Gewaltpotential" in der Schutzzone. Wahrend ersteres in der Schutzzonenpraxis nicht zu finden ist, unterstreichen die bisherigen Erfolge und MiBerfolge der UN-Schutzzonen jedoch urn so mehr die Notwendigkeit einer von Beginn an vorhandenen zwangsweisen Sicherungsmoglichkeit der Schutzzone. Insoweit zeigt die Praxis insbesondere in Srebrenica, daB der Schutz der Bevolkerung und die humanitare Versorgung nur durch eine militarische Kontrolle des Schutzzonengebiets tatsachlich sichergestellt werden kann. Auf dieser konzeptionellen Grundlage konnen die UN-Schutzzonen nun in Beziehung zu den im humanitaren Volkerrecht geregelten Schutzzonen gesetzt werden.
Zweites Kapitel: UN-Schutzzonenals Fortentwicklung und Erganzung der Schutzzonen im humanitaren Volkerrecht Wie im vorangehenden Kapitel gezeigt wurde, hat sich im Friedenssicherungsrecht ein gewisses Schutzzonenkonzept herausentwickelt, das durch die Empfehlungen des UN-Generalsekretars sowie die bisherige Praxis der UN -Schutzzonen gepragt ist. Die Errichtung von Schutzzonen zum Schutz der Zivilbevolkerung im bewaffneten Konflikt ist allerdings ausdrucklich bisher allein im humanitaren Volkerrecht geregelt. Deswegen berief sich der damalige Befehlshaber UNPROFORs in Srebrenica bei der U msetzung des safe-area- Konzepts mangels anderer Vorgaben auf die Regelungen der "safety zones" und "demilitarized zones" im humanitaren Volkerrecht.' Genauso verwies der UN-Generalsekretar spater fur die notwendigen Voraussetzungen der safe areas in Bosnien auf die im humanitaren Volkerrecht fur Schutzzonen entwickelt.en Grundsatze. 2 Es ist jedoch zu zeigen, daBsich die UN-Schutzzonen in wesentlichen Punkten von jenen im humanitaren Volkerrecht unterscheiden und letztere erganzen. Zunachst sol1 dazu die Schutzzonenidee und ihre Entwicklung im humanitaren Volkerrecht dargelegt werden, urn anschlieBend die verschiedenen Formen derdort geregelten Zufluchtsstatten sowie die nachfolgende Praxis des IKRK im. historischen Zusammenhang begreifen und mit dem UN -Schutzzonenkonzept vergleichen zu konnen.
"None of us had found Safe Area as an established term, but Safety Zones and Demilitarized Zones were defined. As Art. 60 of the Geneva Conventions gave guidelines for the establishment of a demilitarised zone, we decided to follow that article in our further negotiations", Wahlgren, Start and End of Srebrenica, 170. 2 Ausdriicklich fUr die Entmilitarisierung der Gebiete: UNSG-Report, S/1994/1389, 1.12.1994, para. 52.
2. Kapitel: Erganzung der Schutzzonen im humanitaren Volkerrecht
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I. Die Schutzzonenidee und ihre Entwicklung im humanitaren Volkerrecht
Die Schutzzonenidee beruht auf der Annahme, daB der Schutz von Personen vor unrechtmaBiger Gewaltanwendung nicht allein durch die Erklarung ihrer personlichen Unverletzlichkeit gewahrleistet werden kann. In der Regel kann nur die Flucht an andere ungefahrliche Orte oder der aktive Schutz durch Dritte ihre vollstandige Sicherheit garantieren. Daran kniipft der Schutzzonengedanke an, indem er die personliche Unverletzlichkeit durch die Neutralisierung von Orten und Gebieten in der Heimat gewahrleisten will, in die bedrohte Personen fliehen konnen; er ist damit Ausdruck der Idee, den individuellen Schutz von Personen durch einen begrenzten raumlichen Schutz zu garantiereno Humanitare Schutzzonen benutzen genauso wie UN-Schutzzonen den Gedanken der Neutralisierung von Orten, urn die individuelle Immunitat von Zivilpersonen im Konflikt durch die Moglichkeit einer beschrankten territorialen Immunitat zu erganzen. Sie sind Ausdruck davon, daB der Schutz der Bevolkerung gerade im bewaffneten Konflikt untrennbar an den Schutz des Territoriums gebunden ist. Der Gedanke von groBeren neutralen Zonen innerhalb des Kampfgebietes zum Schutz vor den Kriegs.auswirkungen, der die humanitaren Schutzzonen bestimmt und sich in den UN -Schutzzonen wiederfindet, entwickelte sich im 18./19. Jahrhundert.
1. Neutralisierung von Orten in bewaffneten Konflikten
Die Schutzzonenerrichtung im Konflikt wurde maBgeblich durch den aufkommenden Humanitatsgedanken im Krieg und das damit einhergehende Verstandnis der Schutzbediirftigkeit der nicht-kampfenden Bevolkerung vorangetrieben. Der erste Vorschlag zur Errichtung neutralisierter Zonen innerhalb des Kampfgeschehens zum Schutz bestimmter Personen vor den Auswirkungen des Krieges stellte Mitte des 18. Jahrhunderts die Neutralisierung von Badeorten dar.3 Allerdings diente die Neutralisierung dort vorrangig dem Schutz der Militarpersonen und 1762 erhielt Z. B. die Stadt Pyrmont vom Fursten von Soubise fur die franzosische Arrnee und vom Herzog von Braunschweig fur die preu6ische Armee Schutzbriefe, wonach "aile Liebhaber des dortigen Brunnens zu des sen Gebrauch an der QueUe frei und ungehindert sich dahin begeben und daselbst aufhalten konnen", vgl. V. Rittberg, Schutzzonen, 16.
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der Erhaltung des eigenen Kriegspotentials;4 der auf dem Gedanken der Humanitat beruhende Schutz aller friedlichen Personen in Kriegszeiten entwickelte sich erst im 19. Jahrhundert mit der Idee des Staatenkrieges. Danach wurde der Krieg nur zwischen den Staaten und nicht gegen die friedlichen Burger gefuhrt, weswegen letztere vor den Kriegsfolgen zu schutzen sind. 5 Als wegbereitend fur dies en neuen Kriegsbegriff ist die Rousseau-Portalis-Doktrin von 1801 anzusehen, die die Unterscheidung von bewaffneter Streitmacht und friedlicher Bev61kerung propagierte 6 und damit die lange herrschende Vorstellung von Vernichtungskriegen und der absoluten Rechtlosigkeit des Besiegten abloste. Das im 19. Jahrhundert aufkommende Kriegsrecht nahm dann insbesondere auch die Beschrankungen der Kriegsfuhrung zum Schutz der nichtkampfenden Bevolkerung auf und bereitete damit den Weg fur die humanitaren Schutzzonen.
2. Aufkommen des Humanitdtsgedankens Schockiert von den Opferzahlen im Krieg griff Henri Dunant 1862 erstmals offentlich den fur die Entwicklung des Kriegsrechts entscheidenden humanitaren Gedanken auf, daB verwundete und kranke Soldaten aufgrund ihrer Hilflosigkeit sowie ihrer Ungefahrlichkeit fur den Gegner zu Schutz und Hilfe durch Hilfsorganisationen und Zivilbevol-
4 So wurden die Schutzbriefe nur fur die franzosische und preuBische Armee verfaBt. Ibid.
Bereits Vattel (1714-1767) brachte den Gedanken auf, daB zwischen Heer und friedlicher Bevolkerung zu unterscheiden sei. Dazu: Uhler, Schutz der Bevolkerung, 10. Montesquieu setzte sich dann mit dieser Kriegsauffassung kritisch auseinander und Rousseau formulierte 1762 die neue Formel der Staaten..: kriege, in der die Unterscheidung zwischen friedlicher Bevolkerung und Heer aufgenommen wurde. Rousseau, Le contrat social, I, chap. IV. 6 Die These Rousseaus yom Staatenkrieg wurde 1801 yom franzosischen Staats mann und Juristen Portalis bei der Eroffnung des Prisengerichtshofes in Paris wieder aufgenommen. Daraus ergab sich die Rousseau-Portalis-Doktrin. Vgl. dazu: v. Rittberg, Schutzzonen, 10. Die Idee des reinen Staatenkriegs ist spater auch in den von Lieber 1863 verfaBten amerikanischen Kriegsartikeln sowie in Buntschlis 1866 veroffentlichten Lehrbuch des Volkerrechts wiederzufinden. "Instructions for the Government of the Armies of the United States in the field", zu finden in: Strupp, Internationales Landkriegsrecht, 168 ff.
7
Vgl. dazu Torrelli, Zones de Securite, 790.
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kerung berechtigt seien. 8 Bereits am 22.8.1864 einigten sich die Staaten auf die erste Genfer Konvention zur Linderung des Loses der im Felddienste verwundeten Militarpersonen. 9 Wenig spater schlug Dunant im deutsch-franzosischen Krieg die ersten neutralen Zonen zur Erfullung des in der neuen Konvention vorgesehenen Schutzes fur Kriegsverwundete vor. lO Aber genauso wie dieser Vorsto6 blieben auch die von ihm bereits ein Jahr spater, im April 1871, wahrend des Aufstandes der Kommune in Paris angeregten ersten neutral en Zonen zum Schutz der gesamten nicht kampfenden Zivilbevolkerung erfolglos. ll Der revolutionare Vorschlag Dunants, den Schutz der verwundeten Soldaten auf die gesamte Zivilbevolkerung auszudehnen, fand erst 77 Jahre spater in der Vierten Genfer Konvention 12 die Zustimmung der Staatengemeinschaft. Zwar sieht bereits die 1899/1907 geschaffene Haager Landkriegsordnung in ihrem Art. 25 sogenannte "unverteidigte Statten" vor, auf die ein Angriff verboten ist, jedoch beruhten sie nicht auf dem Gedanken des Schutzes der dort lebenden Zivilbevolkerung, sondern allein auf der Kriegsfuhrungsregel der militarischen Notwendigkeit: Der Angriff eines nicht verteidigten Ortes ist nicht notwendig und damit als Mittel des Krieges i.S.d. Art. 22 LKO verboten. 13
Geb. am 8.5.1828 in Genf, Augenzeuge der Schlacht von Solferino 24.6.1859, die 45.000 Tote forderte. Er regte in seinem Buch "Un souvenir de Solferino" 1862 eine internationale Vereinbarung zum Schutze und der Pflege der Kriegsverwundeten an; vgl. Dunant, Erinnerungen an Solferino, 98 ff. Gesetzsammlung fur die Koniglich-PreuBischen Staaten, 1865, 841. Sie wurde spater durch die erste Genfer Konvention vom 12.8.1949 zur Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken der Streitkriifte im Felde aufgenommen, Art. 59 GK I, BGBl. 1954 II S.783. 10 So schlug er der Kaiserin Eugenie die Einrichtung neutraler Zonen fur verwundete Soldaten vor, die jedoch durch die Niederlage Napoleons II in Sedan und seiner Kapitulation nie tatsachlich errichtet wurden. Vgl. v. Rittberg, Schutzzonen, 18 f.; Sandoz, Safety Zones, 900 f. 11 Die Zonen sollten sich auBerhalb von Paris zwischen den beiden feindlichen Lagern von Saint Denis bis Eughien und Comiegne erstrecken. Vgl. v. Rittberg, Schutzzonen, 19 f. 12 Genfer Abkommen zum Schutze von Zivilpersonen in Kriegszeiten, 12.8.1949, UNTS Bd. 75,287. 13 Vgl. Art. 22 Abkommen betreffend die Gesetze und Gebrauche des Landkriegs, 18.10.1907, NRG (3e serie), Bd. 3,461. Vgl. dazu: Born, Die offene Stadt, 38; Oeter, in: Fleck, Handbuch, Rdnr. 458.
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Nach dem ersten Weltkrieg etablierte sich dann die Idee, Zufluchtsorte auch fur ahnlich hilflose Personengruppen wie Alte, Kinder, Schwangere und Mutter von Kindem unter sieben Jahren auszudehnen. Vorreiter war dabei vor aHem der franzosische Generalarzt George Saint-Paul 1929, der in dies em Zusammenhang den Begriff der "Lieux de Geneve" pragte. 14 Wenig spater weiteten verschiedenste Konventionsentwurfe den Adressatenkreis etwaiger Zufluchtsorte sogar auf die gesamte Zivilbevolkerung aus, jedoch scheiterten diese Entwurfe vor aHem wegen des herannahenden Zweiten Weltkrieges. 15 Obwohl damit die Idee neutraler Zonen zum Schutz der gesamten Zivilbevolkerung in bewaffneten Konflikten bis zum Zweiten Weltkrieg noch nicht in einer Konvention formalisiert werden konnte, wurde sie in der Praxis dennoch bereits mehrfach in der ersten Halfte des 20. Jahrhunderts angewandt: 16 So gewahrte 1937 im japanisch-chinesischen Krieg eine u.a. vom IKRK betreute neutrale Zone in Shanghai 250.000 Chines en Schutz. Ahnlich erklarte Franco in Zusammenarbeit mit dem IKRK wahrend des spanischen Burgerkrieges 1936 einen Teil von Madrid als neutralen Zufluchtsort fur die nicht kampfende Bevolkerung, urn sie vor den Kampfen mit Anhangem der republikanischen Regierung aus Valencia zu schutzen. Neben mehreren erfolglosen Versuchen, wah-
14 Generalsekretariat der "Geneva Places", La guerre moderne et la protection des civiles vers la solution de cet angoissant probleme, 13 RICR, 1931, 843; Torrelli, Zones de Securite, 791; Sandoz, Safety Zones, 901. 15 Einen der ersten Entwiirfe bildete dabei der 1934 in Monaco von Arzten und Juristen erarbeitete Vorentwurf eines Abkommens uber den Schutz des menschlichen Lebens im Kriege. Diese juristisch-medizinische Kommission arbeitete unter Leitung der belgischen Regierung und schuf die Vorlage fur spatere Entwiirfe. Vgl. Clemens, Le Projet de Monaco. 1936/1938 veranlaBte das IKRK einen Konventionsentwurf "Zur Schaffung von Sanitatszonen und -orten in Kriegszeiten" durch eine Experten Kommission, vgl. v. Rittberg, Schutzzonen, 40 ff. Weitere Entwurfe waren: La Protection de la Population Civile en Temps de Guerre, Comite International d'Information et d'Action pour la Protection de la Population Civile en temps de guerre, International Law Commission, 1938; Vergier-Boimond, Villes Sanitaires et Cites D'Asile; ILC, Draft Convention for the Protection of Civilian Populations Against New Engines of War, Amsterdam, 1938, erhaltl. unter: www1.umn.edu/humanrtslinstree/1938a. htm. Vgl. zu einer Gesamtschau: v. Rittberg, Schutzzonen, 62 ff.; Sandoz, Safety Zones, 902 f. 16 Zu den Beispielen vgl. insgesamt: Torrelli, Zones de Securite, 791 f.; Landgren, Safety Zones, 439; v. Rittberg, Schutzzonen, 78 ff.; Sandoz, Safety Zones, 904 ff.
2. Kapitel: Erganzung der Schutzzonen im humanitaren Volkerrecht
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rend des Zweiten Weltkrieges Schutzzonen zu errichten, deklarierte die franzosische Armee die Stadt Phalsbourg an der Mosel zur Sanitatsstadt und wurden das norwegische Tromso und mehrere norditalienische Stadte zu neutralen Zonen erklart. 17 Ebenso schuf das IKRK 1948 in Palastina verschiedene Zufluchtsorte, urn erwartete Unruhen nach dem Abzug der Mandatsmacht abzufedern. 18 Unter dem Eindruck der zahlreichen zivilen Opfer im Zweiten Weltkrieg kodifizierten die Staat en schlieBlich am 12.8.1949 mit den Genfer Konventionen verschiedene Zufluchtsorte fur Kriegsverwundete, zivile Kranke und Verwundete sowie die gesamte Zivilbev;olkerung in international en Konflikten. Das erste Abkommen "Zur Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken der Streitkrafteim Felde" ersetzte dabei das Abkommen von 1864 und regelte sogenannte "Sanitatszonen und -orte" fUr verwundete Soldaten. 19 Das vierte Abkommen "Zum Schutz von Zivilbevolkerung in Kriegszeiten" ermoglichte die Errichtung von "Sanitats- und Sicherheitszonen" zum Schutz besonders geschutzter Gruppen innerhalb der Zivilbevolkerung sowie von Neutralen Zonen zum Schutz der gesamten Zivilbevolkerung. 20 1977 verstarkte die Staatengemeinschaft in einem Zusatzprotokoll zu den Genfer Konventionen den Schutz der Zivilbevolkerung, indem sie die Errichtung Unverteidigter Orte und Entmilitarisierter Zonen vorsah. 21 In dem Protokoll wurde zudem die Unterscheidung zwischen kranken und verwundeten Militar- und Zivilpersonen aufgehoben. 22
II. Formen und Praxis humanitarer Schutzzonen
Die im humanitaren Volkerrecht geregelten neutralisierten Orte und Zonen unterscheiden zwischen Schutzgebieten fur besonders schutzbeZu einer ausfiihrlichen Darstellung siehe v. Rittberg, Schutzzonen, 85 H. Torrelli, Zones de Securite, 792; Landgren, Safety Zones, 439; v. Rittberg, Schutzzonen, 87 H.; Sandoz, Safety Zones, 906. 19 Art. 23 GK I. 17
18
20
Art. 14, 15 GK IV.
21
Art. 59, 60 ZP I; Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen vom
12.8.1949 iiber den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte (Protokoll I), 10.6. 1977, UNTS Bd.1125, 3. 22 Art. 8 Ziff. a) ZP I. Vgl. dazu auch: Sandoz, Localites et Zones sous Protection Speciale, 40.
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durftige Personen und solchen, die allgemein fur aIle Nichtkombattanten gelten.
1. Schutz besonders schutzbedurftiger PersonenSanitatszonen und -orte Nach Art. 23 GK I konnen zum Schutz verwundeter und kranker Soldaten sowie ihrem Hilfspersona1 Sanitats- und Sicherheitszonen und nach Art. 14 GK IV fur alle Gebrech1ichen, Betagten, Kinder unter 15 Jahren, Schwangeren und Mutter von Kindem unter 7 Jahren Sanitatszonen und -orte errichtet werden,2, in denen diese besonders schutzbediirftigen Personen vor den Fo1gen des Krieges geschutzt und medizinisch versorgt werden konnen. Die Zonen konnen bereits zu Friedenszeiten24 durch einseitigen Akt der Partei, auf dessen Gebiet sich die Zone befindet, und einer Anerkennungsvereinbarung mit dem Gegner kreiert werden. 25 Die Vereinbarung mu£ keinem besonderen Inhalt genugen, jedoch empfiehIt ein Modellentwurf fur eine Anerkennungsvereinbarung insbesondere die Abgrenzung und Entmilitarisierung des Gebiets. 26
2. Schutz der gesamten Zivilbevolkerung
Den Schutz der gesamten Zivilbevolkerung und verwundeter Kombattan ten strebten die Staaten durch verschiedene in der Vierten Genfer Konvention sowie dem Ersten Zusatzprotokoll geregelte Zufluchtsorte an.
23 Art. 14 GK IV weitet allein den Anwendungsbereich des Art. 23 GK I aus, der von Sanitats- und Sicherheitszonen spricht. Pictet, Commentaire I, Art. 23,237; Gasser, in: Fleck, Handbuch, Rdnr. 513. 24 Art. 14 (1), (2) GK Iv. 25 Art. 14 (1), (2) GK IV. 26 Anhang I, Entwurf einer Vereinbarung tiber Sanitats- und Sicherheitszonen und -orte, Humanitares Volkerrecht in bewaffneten Konflikten - Textsammlung -, Bundesministerium der Verteidigung, 1991, Ordnungsnr. 4a.
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a) Neutrale Zonen Art. 15 GK IV Art. 15 GK IV sieht die Errichtung sogenannter Neutraler Zonen vor, die verwundeten und kranken Kombattanten sowie der nicht kampfenden Zivilbevolkerung Schutz vor den Gefahren des Krieges gewahren sollen. Neutrale Zonen konnen anders als die Sanitats- und Sicherheitszonen nur wahrend kriegerischer Auseinandersetzungen und innerhalb des Kampfgebiets errichtet werden. lhre Errichtung erfolgt durch formelle Vereinbarung der Konfliktparteien iiber die Begrenzung, Verwaltung, Versorgung, Kontrolle und Dauer der Neutralen Zone. 27 1m Vergleich zu den auf Dauer ausgerichteten Sanitats- und Sicherheitszonen verkorpern die Neutralen Zonen aufgrund ihrer Lage im Kampfgebiet eher eine provisorische MaBnahme. 28
b) Unverteidigte Orte Art. 25 LKO, Art. 59 ZP I Als Erganzung der Neutralen Zonen sind die in Art. 59 ZP I zur Vermeidung von Opfern unter cler Zivilbevolkerung geregelten Unverteidigten Orte anzusehen, auf die jegliche Angriffe verboten sind. 29 Sie konsolidieren die bereits in Art. 25 LKO vorgesehenen und im Gewohnheitsrecht anerkannten Unverteidigten Statten, indem sie vor alIem ihre Voraussetzungen festschreiben. 30 Sie werden wie die Neutralen Zonen im Kampfgebiet oder an dessen Rande errichtet31 und miissen dem Gegner zur Besetzung offen stehen. 32 lhr schiitzender Status tritt 27 Pictet, Commentaire IV, Art. 15, 142. Da die Begrenzung nicht ausdriicklich in Art. 15 GK IV geregelt ist, schlagt Pictet die analoge Anwendung des ME fur Sanitats- und Sicherheitszonen vor. Pictet, Commentaire IV, Art. 15, 142; ebenso v. Rittberg, Schutzzonen, 124. 28
Pictet, Commentaire IV, Art. 14, 130; v. Rittberg, Schutzzonen, 123.
Art. 59 (1) ZP I. Rabus, in: Fleck, Handbuch, Rdnr. 633. Ausfuhrlich zu den unverteidigten Orten, Born, Die offene Stadt, 29-87. 29
30 In der LKO standen unverteidigte Orte noch allein im Rahmen von Kriegsfuhrungsregeln, hinter ihnen stand weniger die humanitare Schutzvorstellungen als der Gedanke der militarischen Notwendigkeit (siehe oben 1.1). Vgl. Art. 22 LKO, Solf in: Bothe/Partsch/Solf, 365 f., 376. Eine Verengung der Voraussetzungen im neuen Art. 59 ZP I sieht Born, Die offene Stadt, 38, 45, 87 f.; Oeter, in: Fleck, Handbuch, Rdnr. 458; Kimminich, Schutz der Menschen in bewaffneten Konflikten, 235 ff. 31
Art. 59 (1), (2) ZP 1.
32
Art. 59 (1), (2) ZP 1. Vgl. dazu: Oeter, in: Fleck, Handbuch, Rdnr. 459.
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jedoch anders als bei den Neutralen Zonen bereits mit Vorliegen def in Art. S9 (2) ZP I genannten Voraussetzungen ipso iure ein. 33 Danach mussen aIle Kombattanten sowie alle beweglichen Waffen und militarischen Gegenstande entfernt und durfen ortsfeste militarische Anlagen nicht zu feindseligen Handlungen benutzt werden; zudem durfen auf dem Gebiet weder Kampfhandlungen begangen noch unterstutzt werden. Die gegnerische Partei ist uber die Zone und ihre Grenzen zu notifizieren 34 und kann nach Art. S9 (4) ZP I Einspruch erheben, wenn eine der festgelegten Voraussetzungen fehlt. Daneben ist gema!3 Abs. 5 auch die Errichtung eines Unverteidigten Ortes durch Vereinbarung der Parteien moglich, insbesondere dann, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht erfullt sind.
c) Entmilitarisierte Zonen Art. 60 ZP I Als Weiterentwicklung der Neutralen Zone wird die Entmilitarisierte Zone in Art. 60 ZPI angesehen,35 die der dort wohnenden Bevolkerung und anderen Personen wie zivilen und militarischen Verwundeten Schutz vor den Gefahren des Krieges bieten solI. 36 Dazu sind wie bei den Neutralen Zonen jegliche Feindseligkeiten oder Kriegshandlungen in dem Gebiet verboten. 37 Die Entmilitarisierten Zonen entwickeln das Konzept der Neutralen Zone insofern weiter, als sie sowohl innerhalb als auch au!3erhalb der Kampfzone und bereits zu Friedenszeiten errichtet werden konnen 38 und damit ein eher dauerhaftes Instrument
33 Pilloud/Pictet, Rdnr. 2263, in: Sandoz, CICR Commentaire; Born, Die offene Stadt, 45, 77; Geter, in: Fleck, Handbuch, Rdnr. 459.
34 Art. 59 (2), (4) ZP 1. Zur deklaratorischen Natur dieser Notfizierung: Pilloud/Pictet, Rdnr. 2263, CICR Commentaire; Born, Die offene Stadt, 45, 77; Geter, in: Fleck, Handbuch, Rdnr. 459. 35 Solf, in: Bothe/Partsch/Solf, 376 f. Sandoz, Localites et zones sous protection speciale, 35,42; Rabus, in: Fleck, Handbuch, Rdnr. 633.
36
Gasser, in: Fleck, Handbuch, Rdnr. 514.
37 Vgl. Art. 60 (1) ZP 1. Dabei sind nicht nur Angriffe sondern jegliche militarische Besetzung oder Transporte durch diese Zone aIs Kriegshandlungen angesehen. Vgl. Pilloud/Pictet, Rdnr. 2305 f., in: Sandoz, CICR Commentaire. AIlerdings sind im Gegensatz zu den neutralen Zonen VerteidigungsmaBnahmen moglich. Detter, The Law of War, ch. 6 A iv. 38
Born, Die offene Stadt, 105 f.; Geter, in: Fleck, Handbuch, Rdnr. 461.
2. Kapitel: Erganzung der Schutzzonen im humanitaren Volkerrecht
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darstellen. 39 Sie werden ebenfalls durch ausdriickliche Vereinbarung der Kriegsparteien errichtet, die die Grenzen der Zone festlegen muB. 40
3. Praxis des IKRK Die im humanitaren Volkerrecht kodifizierten Schutzzonen fanden jedoch bisher kaum tatsachliche Anwendung. Die wenigen Beispiele in der Praxis erfiillen nur teilweise die dort geregelten Kategorien und orientierten sich hauptsachlich an den Neutralen Zonen. 20 Jahre nach Unterzeichnung der Genfer Konventionen errichtete das IKRK iiberhaupt erst die ersten neutralisierten Zonen wahrend bewaffneter Auseinandersetzungen. Sie .stellten i.d.R. NotfallmaBnahmen dar, die sich meist in der kurzfristigen Neutralisierung von ein oder zwei Gebauden erschopften. So schuf das IKRK 1971 ohne Absprache mit den indischen aber mit Einverstandnis der pakistanis chen Fiihrung in einem Krankenhaus, einer Schule und einem Hotel in Dakka/Bangladesh eine 10 Tage dauernde neutralisierte Zone zum Schutz von insgesamt 1000 verwundeten und kranken Zivilisten sowie Auslandern. Drei Jahre spater wurden auf Initiative des IKRK bei Nicosia, Zypern, zwei Hotels und eine Klinik fiir neutral erklart, die den Respekt der Rebellen genossen. Sie beherbergten urn die 2000 Personen. Ebenfalls neutralisierte Zonen in dem Rot-Kreuz-Sitz und einem benachbarten Gebaude gewahrten einer geringen Anzahl von Personen 1975 in Saigon, Vietnam, SchutZ. 41 Ohne Erfolg blieb hingegen eine im gleichen Jahr von Vertretern des IKRK vorgeschlagene neutralisierte Zone in Hotelgebauden in Phnom Penh, Kambodscha. Nachdem allein eine Konfliktpartei, die republikanischen Autoritaten, ihre Zustimmung gegeben hatten, ordnete die Roten Khmer als andere Konfliktpartei bereits am darauffolgenden Tag die Evakuierung der 2000 Kranken, Verwundeten, Zivilisten und Auslander an, die sich bis zu diesem Zeitpunkt dorthin gefliichtet hatten. 1m Sommer 1969 wurden in Nicaragua auf Initiative des Prasidenten des nationalen Roten Kreuzes zunachst in einer Kirche, la-
39
Gasser, in: Fleck, Handbuch, Rdnr. 514; Sandoz, Safety Zones, 908.
40 Art. 60 (2) S. 1 ZP I. Es ist ebenfalls empfohlen, Dberwachungsmethoden in der Vereinbarung zu regeln. PilloudlPictet, Rdnr. 2307, in: Sandoz, CICR Commentaire; Geter, in: Fleck, Handbuch, Rdnr. 461.
41 Wobei Sandoz der Ansicht ist, daB es sich urn eine Sanitats- und Sicherheitszone handelte, da sich 60 Verletzte und Kranke dort aufhielten. Sandoz, Safety Zones, 910.
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teinamerikanischen Botschaftsgebauden, Krankenhausern und Behandlungszentren des Roten Kreuzes neutrale Zonen fur Zivilisten und entwaffnete Kombattanten errichtet. Zusatzlich dazu wurde nahe des Flughafens Managua fur 2500 festsitzende Fluchtlinge ein neutrales Gebiet errichtet (sogen. Zona Franca). Sie sollte tausenden von Personen, darunter vor allem auch entwaffneten Militars, Schutz gewahren. 42 Allerdings wurden bereits kurze Zeit spater aIle Manner innerhalb dieser Zone von der neuen Regierung festgenommen. Auch nach Unterzeichnung des ersten Zusatzprotokolls 1977 wurden nur vereinzelt neutrale Gebiete zum Schutz der Zivilpersonen errichtet. So wurde eine vom IKRK 1980 in einem Krankenhaus in N'Djamena, Tschad, errichtete neutralisierte Zone von den Rebellen nur fur drei Monate akzeptiert. Eine in Port Stanley/Falkland 1982 um eine Kathedrale errichtete neutralisierte Zone wurde zwar von den argentinischen und britischen Autoritaten akzeptiert, trat aber aufgrund ihrer verzogerten Errichtung erst gar nicht in Kraft. Ais Prazedenzfall einer neutralisierten Zone auf hoher See kann die sogenannte "Red Cross Box" bezeichnet werden, die im Falklandkrieg zwischen GroBbritannien und Argentinien errichtet wurde. 43 In dies em neutralisierten Meeresgebiet von 20 Seemeilen Durchmesser konnten Lazarettschiffe ungestort kranke und verwundete Militars behandeln, so daB es sich i.S.d. Kategorien des humanitaren Volkerrechts tatsachlich eher um eine Sanitats- als um eine Neutrale Zone handelte. 44 Eine weitere neutrale Zone errichtete 1983 das IKRK in Tripolis/Libyen, die ein islamisches Krankenhaus und ein franzosisch-libanesisches Gymnasium umfaBte. Als vollstandig und explizit auf Vorschriften des humanitaren Volkerrechts beruhende Schutzzone kann die von den Parteien im Dezember 1991 in Kroatien geschaffene "Protected Zone" im Krankenhaus von Osijek gewertet werden. 45 Ihre Errichtung erfolgte in Ausfuhrung eines MoU, das die kroatische und serbische Fuhrung unter der Vermittlung des IKRK 1991 unterzeichnet hatten. Dessen Art. 7 sah die Errichtung
42 Das Problem war hier vor aHem, daB die Fliichtlinge falschlicherweise glaubten, eine Amnestie in den Gebieten zu erhalten. Torrelli, Zones de Securite, 800; Sandoz, Safety Zones, 913 f. 43 Der Durchmesser der Zone belief sich auf 130 Seemeilen. Rabus, in: Fleck, Handbuch, Rdnr. 633; Landgren, Safety Zones, 440; Torrelli, Zones de Securite, 800.
44
Sandoz, Safety Zones, 916.
45
Vgl. auch Sasso/i, zitiert in: Mercier, Schuld ohne Siihne, 116.
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von "Protected Zones" nach einem angehangten "Standard Draft Agreement" vor, das auf Art. 23 der GK I sowie Art. 14 und 15 des GK IV verwies und die Kontrolle durch das IKRK regelte. 46 Die "Protected Zone" im Krankenhaus von Osijek sollte Verwundeten, Kranken, Schwan geren, Kindern, Alten und Muttern von Kindern unter 7 Jahren Schutz bieten und ahnelte damit einer Sanitats- und Sicherheitszone.47 Ebenfalls im Rahmen des MoU wurden auf der Grundlage einer ahnlichen lokalen Vereinbarung im Dezember 1991 ein Krankenhaus und ein Kloster in Dubrovnik, Kroatien, zur neutralisierten Zonen erklart. Sie wurden unter die Beobachtung des IKRK gestellt und sorgten letztendlich 7 Monate lang fur Schutz. Eine permanente Schutzzone fur die Zivilbevolkerung errichtete das IKRK 1994 auf Anfrage der Regierung und der Zapatistischen N ationalen Freiheitsbewegung in Chiapas/Mexiko (zones franches). In diesen Zonen sollte das IKRK vor aHem medizinische Hilfe fUr die Zivilbevol. 48 kerung 1elsten. In der Zeit nach AbschuB der Genfer Konventionen und des ersten Zusatzprotokolls lassen sich damit in der Praxis des IKRK verschiedene Beispiele fur neutralisierte Zonen zum Schutz der Zivilbevolkerung 0der Verwundeten finden. Sie konnten meist einen begrenzten und zeitlich befristeten Schutz bieten und den Konflikt beruhigen49 und beruhten uberwiegend auf der Initiative und der Vermittlung des IKRK. Dieses ubernahm zudem in Zusammenarbeit mit den national en RotKreuz-Organisationen in den meis.ten Fallen die Verwaltung und die Kontrolle der Zonen. Es ist jedoch auffallig, daB die Zonen meist von sehr kurzer Dauer und sehr klein waren, teilweise sogar nur ein Gebaude, insbesondere Krankenhauser, umfaBten, die bereits schon den Objektschutz aus Art. 18 GK IV genossen. Da es sich in der Regel um Notfallsituationen handelte, fehlt in den uberwiegenden Fallen auch eine bei den humanitare Schutzzonen geforderte ausdruckliche Vereinbarung der Konfliktparteien sowie die Erfullung sonstiger im humanitaren Volkerrecht verankerter Voraussetzungen. So befanden sich entgegen den Modellen des humanitaren Volkerrechts unter den geschutzten
46
ICRC Press Release No. 1695,27.11.1991.
47 Vgl. ICRC Communication to the press No. 91/53,31.12.1991; Lavoyer, Protected Zones, 268 f. 48
Vgl. Torrelli, Zones de Securite, 801.
49 Sandoz, Localites et Zones sous Protection Speciale, 45; fur die Zonen in Kroatien: Lavoyer, Protected Zones, 270.
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Schutzzonen im Friedenssicherungsrecht
Personen in den Zufluchtsstatten auch haufig Diplomaten und Auslander sowie Kombattanten. Mit Ausnahme der "Protected Zones" in Kroatien, die sich explizit an den Vorschriften des Genfer Rechts orientierten, folgten die anderen neutralisierten Zonen allein der Idee der humanitaren Schutzzonen - hier insbesondere der neutralen Zone und den Sanitats- und Sicherheitszonen -, nahmen jedoch weder explizit auf die Vorschriften der Genfer Konventionen oder des Zusatzprotokolls Bezug noch richteten sie sich nach den dort empfohlenen Voraussetzungen. 50 Angesichts dieser mangelhaften Praxis der humanitaren Schutzzonen drangt sich der Verdacht auf, daB sie fur den Schutz der Zivilbevolkerung im Konflikt ungeeignet sind und deswegen die Notwendigkeit fur eine neue Form von Schutzzonen besteht. Urn beurteilen zu konnen, inwieweit UN-Schutzzonen hier eine Alternative bieten konnten, sind im Folgenden zunachst ihre Unterschiede und Gemeinsamkeiten in Bezug auf die Schutzzonen im humanitiiren Volkerrecht herauszuarbeiten, urn auf dieser Grundlage das Bedurfnis fUr UN -Schutzzonen beurteilen zu konnen.
III. Humanitare Schutzzonen im Vergleich zu UN-Schutzzonen Die im humanitaren Volkerrecht geregelten Schutzzonen unterscheiden sich von den UN-Schutzzonen vor aHem in ihrer Funktion, Errichtungsweise und -art, den Eigenschaften des Schutzzonengebiets sowie der Sicherung desselben.
1. Funktion der Schutzzonen In ihrer grundsatzlichen Zielsetzung, die Bevolkerung vor Angriffen und den humanitaren Folgen des Krieges durch die Sicherstellung humanitarer und medizinischer Hilfe zu bewahren, ahneln die UNSchutzzonen jenen des humanitaren Volkerrechts. 51 Jedoch unterscheiden sie sich von den humanitaren Schutzzonen dadurch, daB sie zudem 50 Macalister-Smith, in: Bernhardt, EPIL IV, 1623; Lavoyer, Protected Zones, 265; Landgren, Safety Zones, 440. 51 Zu dieser Zielsetzung der Humanitaren Schutzzonen: SassOlilBouvier, How does law protect in war?, 172. Fur die UN-Schutzzonen vgl. oben 1. Kapitel, IIA.a).
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die feindliche Einnahme des Gebiets und Kontrolle uber die dortige Bevolkerung verhindern wollen. 52 Die humanitaren Schutzzonen beabsichtigen hingegen allein den Schutz der Bevolkerung vor den Risiken der Feindseligkeiten, wollen aber nicht vor einer gewaltlosen Einnahme und feindlichen Kontrolle schutzen. 53 Wegen dieses zusatzlichen Schutzes des Territoriums des Gaststaates vor einer gegnerischen Einnahme wurde den USA durch die Errichtung und Sicherung der safe havens im Irak auch die Etablierung eines unabhangigen Kurdenstaates 54 oder der franzosisch angefuhrten Koalition in Ruanda eine Einmischung in das Krafteverhaltnis zwischen den Konfliktparteien 55 nachgesagt. UN-Schutzzonen heben sich zudem in ihrer gleichzeitigen politischen Motivation von den Schutzzonen im humanitaren Volkerrecht ab, indem sie zusatzlich durch die Linderung der humanitaren Notlage Fluchtlingsstrome verhindern und langfristig die Basis fur eine politische Einigung schaffen wollen. 56 Grundidee der humanitaren Schutzzonen bildet allein der Schutz der Zivilpersonen vor den Auswirkungen des Krieges und nicht die Vermeidung von Fliichtlingsstromen. 57 Zwar floB dieser Gedanke bei den Schutzzonen des ersten Zusatzprotokolls den Unverteidigten Orte und Entmilitarisierten Zonen - mit ein,58 jedoch wurden diese dennoch als rein humanitare MaBnahmen und nicht wie die UN-Schutzzonen als politisches Instrument zur Forderung eines Friedensprozesses geschaffen. Eine langfristige politische Zielsetzung schlieBt sich bei den humanitaren Schutzzonen i.d.R. auch schon dadurch aus, daB sie durch die Konfliktparteien selbst und haufig sogar
52 Vgl. zu dieser Zielsetzung der UN-Schutzzonen oben 1. Kapitel, II.4.a). Kritisch zu dieser doppelten Zielsetzung bei den internationalen Schutzzonen: Torrellil Millet, Zones de Securite, 216 ff. 53 Vgl. dazu SassOlilBouvier, How does law protect in war?, 172. 54 Vgl. Darstellung bei: Landgren, Safety Zones, 443; Malanczuk, The Kurdish Crisis, 124; allgemein zur politischen EinfluBnahme: Tiso, Safe Haven, 578. 55 So wurde kritisiert, daB die franzosischen Absichten in Ruanda sehr politischer Natur gewesen seien Frelick, Safe Zones not an answer for Kosovars, 11. 56 Siehe oben 1. Kapitel, II.4.a). 57 Chimni, Safety Zones, 826, der dies vor allem damit begriindet, daB die Staaten 1951 fiir den Fliichtlingsschutz ein paralleles System geschaffen haben. 58
Solf, in: Bothe/Partsch/Solf, 377.
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Schutzzonen im Friedenssicherungsrecht
bereits zu Friedenszeiten errichtet werden konnen,59 wenn die politische Konfliktsituation noch unbekannt ist. Damit bleiben die humanitaren Schutzzonen, indem sie die Zivilbevolkerung nur vor den Kriegsfolgen schutzen wollen, in ihrer Zielsetzung hinter den UN-Schutzzonen zuruck, mit denen zusatzlich auch der Schutz der Zivilbevolkerung vor der gegnerischen Kontrolle von Schutzzonengebiet und -bevolkerung sowie die Forderung eines politischenFriedensprozesses beabsichtigt wird.
2. Errichtung der Schutzzonen
Die unterschiedliche Zielsetzung der humanitaren gegenuber den UNSchutzzonen bedingt ebenfalls eine andere Errichtung. Wahrend die UN-Schutzzonen unabhangig von der Zustimmung und gegen den Willen mindestens einer Konfliktpartei durch die militarische Einnahme des Gebiets durch Dritte erzwungen oder durch eine Neutralisierungserklarung des UN-Sicherheitsrats angeordnet werden konnen,60 erfordem die Schutzzonen im humanitaren Volkerrecht grundsatzlich die ausdruckliche, moglichst schriftliche Einigung der Konfliktparteien uber die Neutralisierung des Gebiets. 61 Allein im Fall der Unverteidigten Orte kann der Schutzzonenstatus auch ohne die Zustimmung der gegnerischen Konfliktpartei bereits ipso iure mit Vorliegen bestimmter in Art. 59 (2) ZP I formulierter Voraussetzungen des Schutzzonengebiets erreicht werden. 62 Bei der Errichtung der humanitaren Schutzzonen kann zwar, wie das auch das IKRK in der Praxis mehrfach getan hat,63 eine dritte Schutzmacht oder neutrale humanitare Organisation vermitteind tatig werden,64 jedoch bleibt fur die Schutzzonenerrichtung anders als bei den UN-Schutzzonen die Zustimmung aller Konfliktparteien oder bei den Unverteidigten Orten die Erfiillung der konstitutiven 59 So zumindest die Sanitatszonen und -orte nach Art. 14 (2) GK IV und die Entmilitarisierten Zonen: Born, Die offene Stadt, 105 f.j Oeter, in: Fleck, Handbuch, Rdnr. 461. 60 Siehe oben 1. Kapitel, II.4.c). 61 Siehe oben II. Vgl. dazu auch: SassOliIBou'llier, 173. 62 Art. 59 (2) ZP I. Vgl. oben II.2.b). 63 Vgl. oben 11.3. 64 Art. 23 (3) GK I, Art. 14 (3) GK IV, Art. 15 (1) GK IV, Art. 60 (2) ZP I. Auch fur ein eigeninitiiertes Tatigwerden humanitarer Organisationen: Pictet, Commentaire IV, Art. 15,140, Art. 14, 138.
2. Kapitel: Erganzung der Schutzzonen im humanitaren Volkerrecht
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Voraussetzungen unerlaBlich. Ihre Errichtung kann also nicht wie bei den UN -Schutzzonen durch Dritte angeordnet oder gar gegen den Willen der Konfliktparteien erzwungen werden.
3. Zeitpunkt, Ort und Dauer der Errichtung der Schutzzone
In ihrer Anwendungssituation bilden die humanitaren Schutzzonen das allgemeinere Instrument gegenuber den UN-Schutzzonen, deren Gedanke auf Situationen systematischer Massenverfolgung beschrankt ist, die durch schwere MenschenrechtsverIetzungen, Versto6e gegen das humanitare Volkerrecht, sowie humanitare Katastrophen mit nicht zu bewaItigenden Fluchtlingsstromen gekennzeichnet sind.65 Die Schutzzonen des humanitaren Volkerrechts konnen hingegen je nach Belieben der Konfliktparteien in jedem internationalen und internen Konflikt 66 und zu jed em Zeitpunkt, teilweise auch schon zu Friedenszeiten errichtet werden. 67 Von Ort und Bestandsdauer der Schutzzonen her sind im humanitaren Volkerrecht die Sanitatszonen und-orte sowie die Entmilitarisierten Zonen, die vorwiegend in moglichst dunn besiedelten und militarisch uninteressanten Gebieten geschaffen werden und von gewisser Dauer sein sollen,68 von den Unverteidigten Orten und Neutralen Zonen aber auch den UN-Schutzzonen zu unterscheiden. Die Unverteidigten Orte und Neutralen Zonen werden ausschlieBlich im oder am Rande des Kampfgebietes errichtet und stell en deswegen i.d.R. ein temporares In-
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Siehe oben 1. Kapitel, II.4.b).
66 Dber den gemeinsamen Art. 3 (3) GKen bleibt die Moglichkeit der Errich tung der genannten Schutzzonen auch in internen Konflikten. Vgl. dazu: SassolilBoHvier, How does law protect in war?, 173.
67 So zumindest die Sanitatszonen und -orte nach Art. 23 (1) GK I, Art. 14 (2) GK IV und die Entmilitarisierten Zonen: Art. 60 (2) ZP I. 68 Fur Sanitiitszonen und -orte: Pictet, Commentaire IV, Art. 14, 134. Pictet weist diesen Zonen deswegen eine gewisse Effizienz zu: Pictet, Commentaire IV, Art. 15, 142. Entmilitarisierte Zonen konnen sowohl innerhalb als auch auBerhalb der Kampfzone errichtet werden. Born, Die offene Stadt, 105 f.; Geter, in: Fleck, Handbuch, Rdnr. 461. Zu ihrer Dauerhaftigkeit: Gasser, in: Fleck, Rdnr. 514; Sandoz, Safety Zones, 908; SassOlilBouvier, How does law protect in war?, 173.
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strument dar. 69 Genauso werden UN -Schutzzonen regelmaBig rein vorubergehend im umkampften Gebiet insbesondere in Enklaven auf gegnerisch kontrolliertem Gebiet errichtet, urn gerade dort Schutz zu bieten, wo die Zivilbevolkerung ihn benotigt. Bei UN-Schutzzonen verhindert zudem die ethnische Natur der bewaffneten Auseinandersetzung eine eindeutige Unterscheidung zwischen Kampfgebiet und neutralem oder militarisch uninteressantem Gebiet.
4. Eigenschaften des Schutzzonengebiets
Wahrend das UN-Schutzzonen-Konzept auBer der Entmilitarisierung keine besonderen Eigenschaften fur das Schutzzonengebiet vorsieht, existieren im humanitaren Volkerrecht detailliertere Regelungen. Zunachst wird fur aIle humanitaren Schutzzonen ahnlich wie bei den safe havens im Irak und der safe humanitarian zone in Ruanda die eindeutige Bestimmung ihrer Grenzen gefordert und zusatzlich eine klare Kennzeichnung derselben empfohlen.70 Daneben setzen die humanitaren Zufluchtszonen genauso wie die UN-Schutzzonen auf eine moglichst weitgehende Entmilitarisierung des Gebiets,71 wobei dies anders als die Delineation des Gebiets nicht zwingend vorgesehen ist. 72 Auf69 Fiir Neutrale Zonen: Art. 15 (1) GK IV. Fiir Unverteidigte Orte vgl. Art. 59 (2) ZP I. Vgl. fiir Neutrale Zonen: v. Rittberg, Schutzzonen, 123; allgemein dazu: SassOlilBouvier, How does law protect in war?, 173.
70 Art. 15 (2) GK IV, Art. 59 (4), (5) ZP I, Art. 60 (2) ZP I. Vgl. auch Art. 6 ME. Fiir eine analoge Anwendung bei Neutralen Zonen: Pictet, Commentaire IV, Art. 15, 142; ebenso v. Rittberg, Schutzzonen, 124. 71 D.h., daB sich allein Zivilisten darin aufhalten und keine militarischen Geriitschaften darin befinden diirfen Delbruck, in: Bernhardt, EPIL I, 999. Fiir Sanitats- und Sicherheitszonen: Art. 2, 3 ME. Fiir Neutrale Zonen wird dies zwar nicht explizit festgelegt, jedoch setzt eine Neutralisierung per se voraus, dag sich weder militarische Ziele auf dem Gebiet befinden noth militarische HandIungen von diesem Ort aus unternommen werden. V. Rittberg, Schutzzonen, 124. Eine vollstandige Entmilitarisierung ist jedoch nicht notwendig, vgl. Delbruck, in: Bernhardt, EPIL I, 999. Fiir Unverteidigte Orte: Art. 59 (2) ZP I. Fiir Entmilitarisierte Zonen: Art. 60 (3) ZP I, dort sind nicht nur Angriffe sondern jegliche militarische Besetzung oder Transporte durch diese Zone ais Kriegshandiungen angesehen. Vgl. Pil!oudlPictet, Art. 60, Rdnr. 2305 f., in: Sandoz, CICR Commentaire. Allerdings sind im Gegensatz zu den Neutralen Zonen Verteidigungsmagnahmen moglich. Detter, The Law of War, ch. 6 A iv. 72 Entscheidend ist die Vereinbarung der Parteien: Pil!oudlPictet, Rdnr. 2310, in: Sandoz, CICR, Commentaire; Solf, in: Bothe/Partsch/Solf, 387.
2. Kapitel: Erganzung der Schutzzonen im humanitaren Volkerrecht
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grund der Schwierigkeiten einer vollstandigen Entmilitarisierung wird haufig zudem nur ein kleines und dunn besiedeltes Gebiet fur eine Schutzzone empfohlen. 73 Daneben empfiehlt das humanitare Volkerrecht insbesondere fur die Sanitatszonen und -orte detaillierte Voraussetzungen etwa uber die in der Schutz zone erlaubten Personen. 74 Der entscheidende Unterschied des humanitaren gegenuber dem UNSchutzzonengebiet ist jedoch darin zu sehen, daB auf dem Gebiet keine Kampfhandlungen stattfinden. Die Konfliktparteien beachten das Gebot zum Schutz der Zivilbevolkerung und das Angriffsverbot fur das Schutzzonengebiet, weswegen das Schutzzonengebiet frei von kriegerischen Auseinandersetzungen bleibt. UN-Schutzzonen werden aber gerade zur Verhinderung der gewaltsamen Einnahme und ethnischen Sauberung des Gebiets durch die feindliche Konfliktpartei errichtet, d.h., mindestens eine Konfliktpartei ist nicht gewillt, das humanitare Schutzgebot der Zivilbevolkerung und die Neutralitat des Schutzzonengebiets zu achten. Dadurch bleibt das Gebiet feindlichen Angriffen ausgesetzt und umkampft. Es muB von der internationalen Gemeinschaft gesichert und im N otfall verteidigt werden.
5. Sicherung der Schutzzonen
Auch die Sicherung des Schutzzonengebiets muB aufgrund der unterschiedlichen Errichtungsweise bei den UN -Schutzzonen anders als bei den konsensualen Schutzzonen des humanitaren Volkerrechts erfolgen. Der entscheidende Unterschied liegt dabei in der Moglichkeit der zwangsweisen Sicherung der Schutz zone. Wahrend im humanitaren
73 Vgl. vor allem fur Sanitats- und Sicherheitszonen: Art. 4a ME; Rabus, in: Fleck, Handbuch, Rdnr. 633. Allgemein zu den geschutzten Orten im Ersten Zusatzprotokoll: Diplomatic Conference on the Reaffirmation and Development of International Humanitarian Law applicable in armed conflicts, Geneva 1974-1977, CDDH/III/SR.23, para. 5; Solf, in: Bothe/Partsch/Solf, 377.
74 Vgl. fur Sanitats- und Sicherheitszonen die Modellvereinbarung siehe 0ben Fn. 26 oder die detaillierten Voraussetzungen der Entmilitarisierten Zonen und Unverteidigten Orte in Art. 59, 60 ZP I. Hierbei handelt es sich jedoch allein urn fakultative Voraussetzungen, entscheidend bleibt die Vereinbarung der Konfliktparteien. Vgl. fUr Entmilitarisierte Zonen: Actes de la Conference diplomatique sur la reaffirmation et Ie developpement du droit international humanitaire applicable dans les conflits armes, Geneve, 1974-1977, XV, 296 f., par. 111; PilloudlPictet, Rdnr. 2310, in: Sandoz, CICR Commentaire; Solf, in: Bothe/Partsch/Solf, 387.
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Volkerrecht aufgrund der Zustimmung der Konfliktparteien zur Schutzzonenerrichtung die Sicherung und Dberwachung der Schutzzone auch durch die Konfliktparteien selbst, eine neutrale Macht oder, wie in der Praxis meist geschehen, eine von ihr beauftragte Schutzmacht wie das IKRK oder andere unparteiische humanitare Organisationen gewahrleistet werden kann,75 muB die Sicherung der UN-Schutzzonen mangels Zustimmung mindestens einer Konfliktpartei auf ein be grenztes Zwangspotential zuruckgreifen konnen. 76 Dieses wurde in den bisherigen UN-Schutzzonen durch eine Kombination internationaler Militarkoalitionen und UN-Peace-Keeping- oder Polizei-Trupp en zu erreichen versucht. Der Schutz der humanitaren Schutzzonen steht und £alIt hingegen mit der Kooperation der Konfliktparteien, seine zwangsweise Durchsetzung durch Verteidigung oder Abwehr von Angriffen ist nicht moglich. Eine Verletzung der Schutzzonenvereinbarung oder der Wegfall der Voraussetzungen der Unverteidigten Orte fuhrt sofort zum Verlust des geschutzten Status des Schutzzonengebiets; die andere Partei wird aus den ihr daraus entstehenden Verpflichtungen befreit und die allgemeinen Vorschriften zum Schutz der Zivilbevolkerung kommen wieder zur Anwendung. 77 Art. 9 ME sieht zwar fur Sanitats- und Sicherheitszonen eine Fristsetzung zur Abstellung der Verletzung durch Sonderausschusse sowie der Loslosung der Gegenpartei aus den Verpflichtungen des Vertrages bei Nicht-Befolgung und damit ein gewisses Verfahren bei
75 Vgl. Art. 9, 10, 14 (3) GA IV. Zur Praxis siehe oben II.3. 76 Siehe oben 1. Kapitel, II.4.e). The Fall of Srebrenica, para. 499; Landgren, Safety Zones, 441 f.; TorrellilMillet, Zones de Securite, 214; Ogata, UNHCR in the Balkans, 193. 77 Dies ist fur Unverteidigte Orte und Entmilitarisierte Zonen explizit in Art. 59 (7) und 60 (7) ZP I geregelt, mug aber auch fur die ubrigen Schutzzonen gelten, da die Schutzvorschriften der Zivilbevolkerung zwingend sind. Vgl. Oeter, in Fleck, Handbuch, Rdnr. 462; Solf, in: Bothe/Partsch/Solf, 384 f.; PilloudlPictet, Rdnr. 2295-2297, 2315, in: Sandoz, CICR Commentaire. Fur schriftliche Vertrage unter Staaten kann sich eine solche Suspendierung auch aus Art. 54 ff. WVK i.V.m. Art. 2 (1) a) WVK ergeben. Die Rechtsfolgenregelung in Art. 59 (7), 60 (7) ZP I bei Nichtbeachtung der Voraussetzungen stellt hingegen eine seltene Vorschrift im humanitaren Volkerrecht dar. Fur Unverteidigte Orte: Oeter, in Fleck, Handbuch, Rdnr. 462. Dennoch wird empfohlen, zuerst eine Verwarnung an die gegnerische Partei auszusprechen, nach Vorbild des Art. 19 (1) GK IV und Art. 9 ME, Oeter, ibid.; so fur die ahnliche Regelung bei Entmilitarisierten Zonen: PilloudlPictet, Rdnr. 2317, in: Sandoz, CICR Commentaire.
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Verletzungen der Schutzzonenvereinbarung vor. 78 Jedoch bleibt die zwangsweise Durchsetzung der humanitaren Schutzzonen unmoglich. Auch eine etwaige repressive Ahndung individueller Verletzungen der humanitaren Schutzzonen uber Art. 146 GK IV bzw. Art. 85 (3) d) ZP I, wenn es sich gleichzeitig urn eine schwere Verletzung i.S.d. 147 GK IV bzw. Art. 85 (3) d) ZP I handelt,19 kann insoweit nicht zur Durchsetzung der Schutzzonenvereinbarung helfen.
6. ZusammenJassung der Unterschiede und Gemeinsamkeiten
Die UN-Schutzzonen ahneln aufgrund ihrer Errichtung innerhalb des Konfliktgebiets vor allem den Neutralen Zonen und Unverteidigten Orten im humanitaren Volkerrecht, allerdings gehen sie in ihrer Zielsetzung weiter, indem sie die Bevolkerung nicht nur vor den Auswirkungen der Feindseligkeiten schutz en wollen, sondern ebenfalls vor der gegnerischen Kontrolle im Schutzzonengebiet. Daraus ergibt sich fur den Anwendungsbereich zudem, daB UN-Schutzzonen in speziellen Situationen des Schutzes der Zivilbevolkerung im Konflikt Anwendung finden. Wahrend die humanitaren Schutzzonen zu jeder Zeit und teilweise auch zu Friedenszeiten errichtet werden konnen, sind UNSchutzzonen insbesondere fur ethnische Konflikte gedacht, die sich durch Volkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Massenverfolgungen auszeichnen und dienen damit vor allem als Zufluchtsort fur verfolgte Personen. Zudem wollen UNSchutzzonen durch die Verhinderung von Fluchtlingsstromen auch zu einer politischen Losung des Konflikts beitragen. Genauso weichen 78 Diese Losung gleicht der gesetzlich vorgesehenen Warnung mit Fristsetzung bei der Verwirkung des Schutzes von Zivilkrankenhausern nach Art. 19 GK IV Nach dem erfolglosen Fristablauf kann sich die Gegenpartei von den Verpflichtungen der Griindungsvereinbarung lossagen und damit den besonderen Status der Zone aufheben (Art. 9 (2) ME). Das Verfahren wird teilweise auch auf Unverteidigte Orte iibertragen: PilloudlPictet, Rdnr. 2295, Fn. 7, in: Sandoz, CICR Commentaire. 79 Als schwere Verletzung gelten nach Art. 85 (3) d ZP I Angriffe gegen Unverteidigte Orte oder Entmilitarisierte Zonen, wenn sie vorsatzlich begangen wurden und den Tod oder eine schwere Beeintrachtigung der korperlichen Unversehrtheit oder der Gesundheit zur Folge haben. Vgl. dazu: Gasser, in: Fleck, Handbuch, Rdnr. 514. l.d.S. bestraft § 11 (1) Nr.2 des neuen Deutschen Volkerstrafgesetzbuches den Angriff auf Unverteidigte Stadte, Entmilitarisierte Zonen und Sanitatszonen. Vgl. Gesetz zur Einfuhrung des Volkerstrafgesetzbuches yom 26.6.2002, BGBl. 20021I Nr. 42, 29.6.2002.
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UN-Schutzzonen in ihrer Errichtung durch Dritteund der Moglichkeit der gewaltsamen Sicherung von der konsensualen Konstruktion der Schutzzonen des humanitiiren Volkerrechts ab. 80 Deswegen werden UN-Schutzzonen auch dem Bereich des ius ad bellum, dem Recht zum Krieg, und nicht dem ius in bello, dem humanitiiren Volkerrecht, zugeordnet. 81 Roberts faBt die wesentlichen Unterschiede der UN-Schutzzonen zu jenen des humanitiiren Volkerrechts in funf Punkten zusammen: 82 eine von den Genfer Konventionen abweichende Bezeichnung, die Ausrufung und Unterstutzung durch Drittsaaten und internationale Organisationen, die Verantwortlichkeit auBenstehender militiirischer Kriifte fur den Schutz der Gebiete, die Sicherheit der Fluchtlinge und die Vermeidung von neuen Fluchtlingsstromen sowie die anhaltende militiirische Aktivitiit der lokalen Kriegsparteien in dem Gebiet. Insgesamt werden UN-Schutzzonen auch als ein neues Konzept der in den Genfer Konventionen geregelten Schutzzonen bezeichnet, die durcheinen Dritten wiihrend eines Konfliktes errichtet werden und eine vorubergehende MaBnahme des UN-Sicherheitsrats zur Sicherung des Friedens und der Sicherheit darstellenY
IV. Ergebnis Die Schutzzonen im humanitiiren Volkerrecht ergiinzen die individuelle Immunitiit von Zivilpersonen im Konflikt urn die Moglichkeit einer beschriinkten territorial en Immunitiit und betonen damit die Notwendig-
80 Zur Dberwindung der Zustimmungsvoraussetzung des humanitaren V61kerrechts: Sandoz, Safety Zones, 926; Landgren, Safety Zones, 441; Torrelli, Zones de Securitt\ 9 ff.
BI SassOlilBouvier, How does law protect in war?, 173. Speziell fur die safe areas in Bosnien: Lavoyer, Protected Zones, 272. 82 Roberts, Humanitarian Issues in International Politics, zu 1d). 83
H eidelmeyer, in: Bernhardt, EPIL IV, 282.
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keit einer Effektivierung des Schutzes der Zivilbevolkerung im Krieg. 84 UN -Schutzzonen greifen diese Idee auf, urn insbesondere den Schutz verfolgter Bevolkerungsgruppen im Konflikt sicherzustellen, den die humanitaren Schutzzonen nicht bieten konnen. 85 Aufgrund der fakultativen Natur und des konsensualen Charakters humanitarer Schutzzonen 86 sowie dem Fehlen verbindlicher Kontroll-, Schlichtungs- und Durchsetzungsmoglichkeiten wird die Errichtung sowie Beachtung humanitarer Schutzzonen nicht nur - wie die Praxis zeigt87 - willkiirlich und unwahrscheinlich,88 sondern insbesondere in Konflikten, in 84 Pictet, CommentaireIV, Art. 14, 136 f; derselbe, Commentaire I, Art. 23, 234; Solf, in: Bothe/Partsch/Solf, 377. 85 So bereits 1970 der UN-Generalsekretar, UNSG-Report, Respect for Human Rights in Armed Conflicts, A/8052, 18.9.1970, para. 48; Bettati, Las Areas de Seguridad, 1; so auch v. Rittberg, Schutzzonen, 107, 146. Vgl. zum konsensualen Charakter oben III.2.
86 Die humanitaren Schutzzonen stehen damit im Gegensatz zur obligatorischen Natur der individuellen Immunitat der Zivilbevolkerung nach Art. 51 ZP I, der Zivilkrankenhauser nach Art. 18 GK IV, der geschutzten Personen nach Art. 27 GK IV sowie des allgemeinen obligatorischen Charakters der Konventionen nach dem gemeinsamen Art. 1 GKen. Vgl. dazu Pictet, Commentaire I, Art. 23,234. Die fakultative Natur war wahrend der Entwurfe der GKen sehr umstritten. Die Entwurfe von 1934, 1936, 1938 und 1939 sahen eine bindende Bekanntgabe vor. Vgl. v. Rittberg, Schutzzonen, 107, 146 ff., der vor aHem auf die mangelnde Aussicht der Verwirklichung dieser Grundsatze im Konfliktfall hinweist. Pictet sieht die Empfehlung zur Errichtung von Schutzzonen fast als verpflichtend an: "Aussi les autorites responsables de chaque pays ne devraientelles pas voir seulement, dans l'article 23, la simple mention d'une solution possible mais bien aussi la recommandation de consacrer leurs efforts a sa mise en ceuvre", Pictet, Commentaire I, Art. 23, 234. Ein 1994 von Monaco bei der UN-Generalversammlung eingebrachter Resolutionsentwurf fur eine Konvention, in der sich die Parteien dazu verpflichten, safety zones im Falle eines Konfliktes fur Frauen, Kinder und Alte zu errichten, fand keine Mehrheit. Vgl. Landgren, Safety Zones, 441. 87 Und wenn sie errichtet wurden, waren sie nur von kurzer Dauer. Siehe oben II.3.
88 PilloudlPictet, Rdnr. 2262, in: Sandoz, CICR Commentaire, die deswegen auch die unverteidigten Orte als Fortschritt im ZP I herausstellen; Sandoz, Localites et Zones sous Protection Speciale, 46; Torrelli, Zones de Securite, 802; Lavoyer, Protected Zones, 265. Zum Hindernis der schriftlichen und ausdrucklichen Vereinbarung: UNSG-Report, Respect for Human Rights in Armed Conflicts, A/8052, 18.9.1970, para. 48; Torrelli, Zones de Securite, 802; Sandoz, Localites et Zones sous Protection Speciale, 47.
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denendas Gebot des Schutzes der Zivilbevolkerung miBachtet wird, unmoglich. Damit stoBen die humanitaren Schutzzonen gerade in den heute haufigen Konflikten an ihre Grenzen, in denen die Konfliktparteien nicht mehr gegen eine Regierung kampfen, sondern die Vernichtung oder Vertreibung einer rivalisierenden ethnischen oder religiosen Gruppe anstreben. 89 In diesen Situationen ruckt eine Beachtung der humanitarrechtlich gebotenen Neutralitat von Schutzzonengebiet und Zivilbevolkerung in die Ferne und die Zivilbevolkerung gerat als direktes Kriegsobjekt ins Visier der Konfliktparteien. Hier auBert sich die Paradoxie humanitarer Schutzzonen: Ihre Errichtung wird urn so dringender, je schwacher der Wille der Parteien zum Schutz der Bevolkerung und damit zur Errichtung von Schutzzonen ist. 90 Die Schutzzonen des humanitaren Volkerrechts konnen man gels Verbindlichkeit im entscheidenden Moment nicht errichtet werden und versagen dadurch gerade in den heutigen ethnischen Konflikten, in denen die Zivilbevolkerung zum primaren Kriegsobjekt geworden ist. 9 ! Hier mussen Schutzzonen gegen den Parteiwillen errichtet werden und erfordern eine aktive Verteidigung.92 An Jieser Stelle besteht Bedarf fur die durch Dritte angeordneten oder erzwungenen Schutzzonen des Friedenssicherungsrechts.
89 Landgren, Safety Zones, 437; Lavoyer, Protected Zones, 265. Die Anderung des Kriegsziels weg vom Staatenkrieg hin zur ethnischen Verfolgung zeigt sich vor aHem an der Verteilung der Kriegsopfer: Wahrend nach ErlaB der Genfer Konventionen noch 90 % Militars waren, fallt dieser Anteil, obwohl die Waffen immer praziser werden, nun auf die Zivilbevolkerung. UNDP, Human Development Report 1994,47.
90 So auch: Sandoz, Localites et Zones sous Protection Speciale, 35, 47. Zur mangelnden Geeignetheit der humanitaren Schutzzonen fur ethnische Konflikte: Torrellil Millet, Zones de Securite, 214. 91 So sieht auch Lavoyer sie als "No more than a temporary remedy of very limited scope", Lavoyer, Protected Zones, 274. Zwar handelte es sich nach Ende des Kalten Krieges auch vorwiegend urn interne Konflikte, auf die die Vorschriften zu den Schutzzonen wegen dem gemeinsamen Art. 2 der GKen nicht direkt anwendbar sind. jedoch konnen die Parteien in dem Fall genauso nach dem gemeinsamen Art. 3 (3)GKen eine solche Vereinbarung treffen. Vgl. Sandoz, Localites et Zones sous Protection Speciale, 35, 47; Torrelli, Zones de Securite, 798; Lavoyer, Protected Zones, 266. 92 Bugnion, Le Comite International de la Croix-Rouge et la protection des victimes de la guerre, 891.
Fazit Erster Teil: UN-Schutzzonen im Schutzsystem fur verfolgte Personen UN-Schutzzonen sind eine Reaktion auf die vermehrt ethnischen Konflikte und das dafur unpassende konsensuale Prinzip der humanitaren Schutzzonen. Sie bilden den dort entwickelten Gedanken des territorialen Schutzes der Zivilbevolkerung im Rahmen des Friedenssicherungsrechts fort, urn den Schutz verfolgter Personen im Heimatstaat zu ermoglichen. Fur jene blieb bisher, wenn die Heimatregierung ihr keinen Schutz bieten kann oder will, weil moglicherweise von ihr selbst die Verfolgung ausgeht, allein die Moglichkeit, auBerhalb ihres Heimatstaates Schutz zu suchen: etwa in vorubergehend eingerichteten Fluchtlingslagern in angrenzenden Staaten oder im Rahmen der im FlUchtlingsrecht vorgesehenen Moglichkeit des dauerhaften Schutzes im Ausland. Wenn die Flucht ins Ausland aber zu gefahrlich, lang oder versperrt war, hatten die verfolgten Personen keine Schutzmoglichkeit. Diese Lucke im Schutzsystem verfolgter Personen konnen UN-Schutzzonen schlieBen, indem sie denjenigen Schutz bieten, denen eine Flucht ins Ausland aufgrund von Gefahren fur Leib und Leben oder, weil sie nicht uber die Grenze gelassen werden, nicht moglich ist. I DaB hier ein verstarktes Schutzbedurfnis besteht, zeigt der dramatische Anstieg der Zahl intern vertriebenen Personen in den letzten Jahren. 2 Diesem kann durch die Errichtung von Schutzkorridoren zur Ermoglichung der Flucht ins Ausiand, aber vor aHem auch durch den Einsatz von Schutzzonen, die den Schutz und die Versorgung im Heimatstaat ermoglichen, gerecht werden. UN-Schutzzonen konnen aber nicht nur diese Schutzlucke schIieBen, sondern bieten auch den Vorteil, daB sie Massenfluchtbewegungen ins Ausland vorbeugen undeine damit verbundene Ausweitung und VerZu dieser Schutzlosigkeit der Intern Vertriebenen: Lee, Legal Status of Internally Displaced Persons, 631; Deng, Protecting the Dispossessed, 8. 2 Heute werden 20-25 Millionen aufgrund bewaffneter Konflikte intern vertriebene Personen geziihlt. Das sind mehr als doppelt so viele als Fluchtlinge. Vgl. UN Press Release, Memorandum of Understanding Seals Agreement to improve UN Assistance to Internally Displaced, 18.4.2002; GlobalIDP Project, www.idpproject.org.bei: Global Overview.
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langerung des Konflikts sowie Folgeprobleme wie Integrationsschwierigkeiten, Kosten und langwierige Riickfiihrungsverfahren verhindern und auf diese Weise Schwachen des Schutzes im Ausland auffangen. 3 Vor aHem beim heutigen Phanomen der Massenverfolgung scheitern Fliichtlingslager ob ihrer begrenzten Kapazitat sowie der erheblichen Sicherheitsschwierigkeiten4 und erscheint ein dauerhaftes Asyl i.S.d. Fliichtlingsrechts unangemessen, da es zumindest eine begrenzte Integration verfolgter Personen im Ausland voraussetzt. 5 Deswegen wurde in Europa insbesondere wahrend der Massenfluchtbewegungen wahrend des Jugoslawienkonflikts Anfang der neunziger Jahre die Figur des temporaren Schutzes eingesetzt. 6 UN-Schutzzonen im Heimatstaat konnten ebenfaHs helfen, die Probleme des Schutzes im Ausland in Situationen der Massenflucht aufzufangen. Dariiber hinaus bieten UN -Schutzzonen gegeniiber einer Flucht ins Ausland den Vorteil, daB sie dem sich international immer mehr herausbildende Recht eines jeden Menschen auf Heimat und ein Leben in
3 Dieselben Gedanken liegen einem Entwurf der britischen Regierung fur "Sichere Hafen" im Heimatstaat zu Grunde, die die Migration von Asylbewerbern bekampfen solI. Vgl. dazu A. V. Mir Hashemi, "Sichere Hafen", 9 ff. 4 Zu den Problemen in Fluchtlingslagern und Verbesserungsvorschlagen: UNHCR, Executive Committee Conclusions, No.48 (XXXVIII)-1987, 12.10. 1987; Jacobsen, A "Safety-First" Approach.
Eingehend dazu Wills, Safe Havens, 26 f. Die Vertragsparteien der Genfer Fluchtlingskonvention hatten eine geringe Zahl von Fluchtlingen im Auge, die grogtenteils aus kommunistischen Staaten an die Grenze kamen und um Asyl baten, jedoch wurden die Regelungen der Konvention nicht auf die Millionen von Fluchtlingen aus der gesamten Welt zugeschnitten. Dies zeigt sich vor allem an Art. 33 (2) GFK, der eine individuelle Betrachtung eines jeden Falles im Hinblick auf die Gefahren fur den Zielstaat erfordert. Dieses individualisierte System ist uberfordert, wenn es mit tausenden von Fluchtlingen auf einmal zurechtkommen muK 6 Indem man den Fluchtlingen nur einen befristeten Aufenthalt und kein volles Asyl zugestartd, umging man Integrationsprobleme. Vgl. Proposal for a Council Directive on minimum standards for giving temporary protection in the event of mass influx of displaced persons and on measures promoting a balance of efforts between Member States in receiving such persons and bearing the consequences thereof, 24.5.2000, Doc. 500PC0303. Zum temporaren Asyl auch die UN-Hochkommissarin fur Menschenrechte: A/AC.96/914, 7.7.1999, Punkt 43. Kalin, Flight in Times of War, 639 f.; Goodwin-Gill, The Refugee in International Law, 19 ff.
Fazit Teil1: UN-Schutzzonen im Schutzsystem fur verfolgte Personen
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familiaren und kulturellen Bindungen (Right to Remain f mehr Beachtung schenken konnten. 8 Gleichzeitig konnte ein Schutz durch Schutzzonen im Heimatstaat verhindern, daB die internationale Gemeinschaft - was insbesondere in Bosnien diskutiert wurde 9 - durch die Unterstutzung der Flucht ethnischen Sauberungen oder Volkermord Vorschub leistet. 1O Indem UN-Schutzzonen also eine Lucke beim Schutz intern Vertriebener schlieBen und dem Problem der Massenfluchtbewegungen durch einen vorverlagerten Schutz im Heimatstaat vorbeugen, konnten sie eine nutzliche Erganzung des bisherigen Schutzsystems fur verfolgte Personen im Konflikt darstellen. Vorraussetzung dafur ware jedoch neben der grundsatzlichen volkerrechtlichen Zulassigkeit dieses vorverlagerten Schutzes im Heimatstaat, daB ein ausreichender physischer Schutz, humanitarer Standard sowie die elementaren Rechte der Bevolkerung in der Schutz zone garantiert sind. Die Untersuchung der insoweit bestehenden volkerrechtlichen Regelungen wird Gegenstand der folgenden Teile zwei und drei sein.
7 Dieses Recht ist zwar bisher noch in keinem regionalen oder universellen Menschenrechtsinstrument anerkannt, wird aber aus dem Recht, nicht vertrieben zu werden. (Art. 9 AEMR; UNHCR, State of the World's refugees, 1995, 69 £f.) und a fortiori aus der Bewegungs- und Wohnsitzfreiheit abgeleitet (Goldman, Internally Displaced, 519 f.; Roos, Right to Live and Remain, 537 ff.; Achermann, Die volkerrechtliche Verantwortlichkeit fluchtverursachender Staaten, 131). Zum Recht auf Heimat vgl. vor allem: Roos, Right to Live and Remain, 517 ff.; Kimminich, Das Recht auf Heimat, 49. Chimni, Safety Zones, 825; Fronhofer, Binnenfluchtlinge, 286; Goodwin-Gill, The Question of a Right to Remain, 102 ff.
Wills, Safe Havens, 28. 9
Vgl. The Fall of Srebrenica, para.52 £f.
10
Vgl. Wills, Safe Havens, 28.
Zweiter Teil Volkerrechtlicher Rahmen bei der Errichtung und Sicherung von UN-Schutzzonen UN-Schutzzonen werden unabhangig von der Zustimmung des Gaststaates errichtet und durch polizeiliche oder militarische Einheiten gesichert. Zu klaren bleibt, inwieweit der UN-Sicherheitsrat uberhaupt soleh eine humanitare Ma6nahme ohne die vorherige Zustimmung des Gaststaates beschlie6en oder ermachtigen kann und welehen volkerrechtlichen Grenzen er dabei unterliegt. Hinsichtlich der militarischen und polizeilichen Sicherung der Schutzzone stellt sich ebenfalls die Frage nach den Befugnissen und pflichten der Schutzzonenmacht in dem Gebiet.
Drittes Kapitel: Schutzzonenerrichtung als zulassige MaBnahme der Friedenssicherung UN-Schutzzonen stell en ein Gebiet dar, in dem verfolgte Personen Schutz suchen und humanitare Hilfe erhalten konnen. Sie verkorpern ein ursprunglich humanitares Instrument, das nun im Rahmen der Friedenssicherung eingesetzt wird. Die Erledigung humanitarer Aufgaben ist jedoch grundsatzlich vorrangige Aufgabe des jeweiligen Aufenthaltsstaates in Zusammenarbeit mit humanitaren Organisationen. Hingegen wurden die UN primar zur Friedenssicherung zwischen den Staaten und nicht zur humanitaren Hilfe fur die Bevolkerung geschaffen. Fur die Klarung der Zulassigkeit von Schutzzonen als Ma6nahme der Friedenssicherung und damit als Eingriff in die Zustandigkeiten des Aufenthaltsstaates mu6 deswegen zunachst die grundsatzliche Verbandskompetenz der UN fur humanitare Aufgaben geklart werden, bevor auf die interne Organkompetenz des UN-Sicherheitsrats sowie seine Befugnis zu und seine rechtlichen Grenzen bei einer Schutzzonenerklarung eingegangen werden kann.
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Rechtlicher Rahmen der Errichtung und Sicherung von UN-Schutzzonen
I. Verbanclskompetenz cler UN zur Errichtung von Schutzzonen
Das Aufgabengebiet einer internationalen Organisation wie der UN bestimmt sich grundsatzlich nach ihrem Grundungsvertrag und seiner Auslegung.! Zwar stellt die UN-Charta fur die UN als Organisation der kollektiven Sicherheit in ihrer Praambel und ihrem Art. 1 (1) als primares Ziel die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit heraus, jedoch bekennen sich die Mitgliedstaaten ebenfalls in der Praambel sowie in Art. 1 (3) und 55, 56, 76 lit. c) UNC zur Bedeutung akonomischer, sozialer und humanitarer Ziele fUr die Wahrung des Weltfriedens. 2 So setzen sich die UN in Art. 1 Nr. 3 UNC unteranderem das Ziel, ,,( ... ) eine internationale Zusammenarbeit herbeizufuhren, urn internationale Probleme wirtschaftlicher, sozialer, kultureller und humanitarer Art zu lasen und die Achtung von den Menschenrechten fur alle (... ) zu fardern und zu festigen". Wahrend diese Zielbestimmung allein die Kooperation zur Lasung humanitarer Probleme formuliert und der UN nicht die konkrete Lasung humanitarer ProbIerne zuweist,3 enthalt Art. 55 lit. c) UNC ein klares humanitares Mandat der UN. 4 Darin wird explizit die Farderung der allgemeinen Achtung und Verwirklichung der Menschenrechte als Ziel verankert, die eng mit der humanitiiren Hilfe verbunden ist. Sie hat im Grunde immer den Schutz von Menschenrechten wie Leben, Gesundheit und Integritat zum Ziel und wird deswegen allgemein unter das Menschenrechtsmandat der UN in Art. 55 UNC gefa6t. 5 Dieses findet sich nochmals in Art. 76 lit. c) UNC als ein Zweck des Treuhandsystems und wird allgemein
Siehe fur aUe: Klein, in: Vitzthum, 4. Abschn., Rdnr. 188 f. 2 Vgl. Praambel der UNC: " (... ) den sozialen Fortschritt und einen besseren Lebensstandard in groBerer Freiheit zu fordern, (... Macalister-Smith, International Humanitarian Assistance, 57.
r.
Dennoch sehen einige Autoren bereits in diesem Bekenntnis zur Kooperation ein humanitares Mandat der UN: Sandvik-Nylund, Caught in Conflicts, 81; auch die UN-Generalversammlung bezog sich in verschiedenen Resolutionen auf Art. 1 (3) UN, um humanitare Aufgaben der UN zu rechtfertigen. Vgl. z.B. A/RES/1007 (ES-II) 1956, preamble; zu weiteren Beispielen MacalisterSmith, International Humanitarian Assistance, 59. 4 Sandvik-Nylund, Caught in Conflicts, 82 f.; Macalister-Smith, International Humanitarian Assistance, 59. 5
Sandvik-Nylund, Caught in Conflicts, 52 ff; Starck, UNO-Wirtschaftssanktionen, 156 ff.
3. Kapitel: Schutzzonen als zulassige Magnahme der Friedenssicherung
77
sogar als eine Hauptaufgabe der UN eingeordnet. 6 Die humanitare Hilfe wurde zudem von UN -Organen und ihren Mitgliedstaaten wiederholt als elementare Aufgabe der Organisation bestatigt. 7 Insgesamt fallen humanitare MaBnahmen wie die Schutzzonen damit in den Aufgabenkatalog der UN. Da jedoch ihre primare Aufgabe die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit bleibt, wird die UN' in humanitaren Belangen nur dann eingreifen, wenn sie diese Aufgabe beriihren. 8
II. Organkompetenz des UN-Sicherheitsrats zur Errichtung von Schutzzonen
Innerhalb der UN werden die Aufgaben von verschiedenen Haupt- und Nebenorganen wahrgenommen. Die Mitgliedstaaten haben dem UNSicherheitsrat dabei gemaB Art. 24 (1) UNC die Hauptverantwortung fUr die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit iibertragen und ihm dazu in Art. 24 (2) UNC konkrete Befugnisse zugestanden. Zwar wird bisweilen behauptet, humanitare Aufgaben fielen nicht in seinen Aufgabenkatalog,9 jedoch miissen grundsatzlich auch humanitare MaBnahmen wie Schutzzonen, sofern sie zur Wahrung des Weltfriedens und der international en Sicherheit beitragen, von der Kompetenz in Art. 24 (1) UNC umfaBt sein. Dagegen spricht auch nicht, daB Art. 60 UNC bereits der Generalversammlung und dem ihr unterstehenden Wirtschafts- und Sozialrat explizit die Uberwachung der Menschenrechte und damit auch humanitare Aufgaben zuweist. lO
6 Ipsen, Volkerrecht, §32 Rdnr. 14; Klein, in: Vitzthum, 4. Abschnitt, Rdnr.203. 7 So betonte der UN-Sicherheitsrat 1974 in Zypern: "( ... ) one of the foremost purposes of the UN is to lend humanitarian assistance." S/RES/361 , 30.8.1974; ebenso bekannte die UN-Generalversammlung 1970 in Res. 2675 (XXV), 9. 12.1970, para. 8 "provision of relief (... ) is in conformity with the humanitarian principles of the Charter (... )" und wiederholte in Res. 46/182, 19.12.1991 "Strengthening of the coordination of emergency humanitarian assistance of the United Nations" als Kodifikation der in Art. 1(3) UNC enthaltenen Prinzipien. 8
Macalister-Smith, International Humanitarian Assistance, 58.
9
Chimni, Safety Zones, 831.
10
So aber: Chimni, ibid.
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Rechtlicher Rahmen der Errichtung und Sicherung von UN-Schutzzonen
Denn, soweit die Wahrungdes Weltfriedens und der internationalen Sicherheit in einer konkreten Situation betroffen sind und der Sicherheitsrat sich mit dieser Angelegenheit befaBt,11 vermag Art. 60 UNC gemaB Art. 12 (1) UNC genauso wie Art. 10 i.V.m. Art. 11 und 14 UNC allein eine subsidiare Zustandigkeit der UN-Generalversammlung und des unter ihr stehenden Wirtschafts- und Sozialrats begriinden.12 Gleiches gilt fUr eine etwaige Zustandigkeit des von der UNGeneralversammlung fiir Fliichtlingsfragen nach Art. 7 (2) i.V.m. Art. 22 UNC errichteten Nebenorgans UNHCR. 13 Damit kommt dem UN-Sicherheitsrat innerhalb der Organisation grundsatzlich die vorrangige Organkompetenz fiir humanitiire Ma6nahmen wie Schutzzonen zu, wenn sie i.S.d. Art. 24 (1) UNC der Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit dienen.
III. Befugnis des UN-Sicherheitsrats zur Schutzzonenerrichtung Zur Wahrung desWeltfriedens und der internationalen Sicherheit weist Art. 24 (2) UNC dem UN-Sicherheitsrat die speziellen Befugnisse der Kapitel VI, VII, VIII und XII UNC zu. Zusatzlich werden bisweilen noch implied/general powers des UN -Sicherheitsrats angenommen. 14 Die Moglichkeit der Errichtung von Schutzzonen ist im Rahmen der
11 Wahrend umstritten ist, ob die Befassung eine konkrete Resolution unter Kapitel VII UNC erfordert,besteht Einigkeit daruber, daB zumindest eine aktive Befassung des UN-Sicherheitsrats stattfinden muK Vgl. HailbronnerlKlein, Art. 12 Rdnr. 8 ff., in: Simma; GoodrichlHambrolSimons, 130 f.; Manin, in: Cot/Pellet, 301 ff. 12
Siehe Delbruck, Art. 24 Rdnr. 4, in Simma.
A/RES/319 (IV), 3.12.1949 High Commissioner's Office; A/RES/428 (V), 14.12.1950 Statute of the Office of the UNHCR. Zur Eigenschaft als Nebenorgan: HilflKhan, Art. 22 Rdnr. 21, in: Simma; K6ckIFischer, Internationale Organisationen, 249. 13
14 Fur die grundsatzliche Existenz solcher implied oder general powers: Namibia, IC] Rep. 1971, 16,52, para. 110; Statement of the Secretary General to the Security Council, 1946, based on the travaux preparatoires of the Charter, SCOR, 91" mtg., No.3, 10.1.1947,44 f.; Delbruck, Art. 24 Rdnr. 5, 10, in: Simma; Jimenez de Arechaga, in: Bernhardt, EPIL IV, 1171; Herndl, Security Council, 324; Kelsen, United Nations, 284; Dahm, Volkerrecht II, 210. Dagegen: Fitzmaurice Diss. Op., Namibia, ICJ Rep. 1971, 208 ff., 292; ArangioRuiz, On the Security Council's "Law Making", 653 ff.
3. Kapitel: Schutzzonen als zulassige MaBnahme der Friedenssicherung
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aufgezahlten Befugnisse des UN-Sicherheitsrates nicht explizit vorgesehen. Es ist deswegen ausgehend yom Inhalt der SchutzzonenmaBnahme zu priifen, inwieweit sie von den vorhandenen Befugnisnormen umfaBt ist. UN-Schutzzonen stenen gewisse yom UN-Sicherheitsrat als neutral angeordnete oder militarisch eingenommene Gebiete dar, in denen der Schutz und die humanitare Versorgung der verfolgten Bevolkerung unabhangig von der Zustimmung der Konfliktparteien sichergestellt werden solI. 15 Entscheidend fiir die Befugnis zur Errichtung einer Schutzzone ist allein die durch die Statusveranderung des Schutzzonenterritorium begriindete Souveranitatsbeschrankung des Gaststaates; die spatere Sicherung der Schutzzone durch militarische oder polizeiliche Einheiten ist dabei auszublenden, sie erfolgt auf einer separaten Grundlage. 16 Eine bindende Neutralisierungsanordnung sowie eine voriibergehende militarische Einnahme des Schutzzonengebiets kann allein als MaBnahme zur Wahrung oder Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit nach Kapitel VII UNCergehen. Nach Kapitel VI UNC konnte der UN-Sicherheitsrat eine Schutzzonenerrichtung nur als MaBnahme der friedlichen Streitbeilegung empfehlen, jedoch vermag er auf dieser Grundlage nicht die Neutralisierung des Gebiets verbindlich anordnen oder seine voriibergehende militarische Einnahme ermachtigen. Zwar wird bisweilen wegen der allgemeinen Formulierung des Art. 25 UNC auch auBerhalb des Kapitel VII UNC ein bindender Charakter der Beschliisse des UN -Sicherheitsrats angenommen, wenn er sich aus dem Resolutionswortlaut ergibt. 17 Jedoch widerspricht diese Ansicht der Logik der UN -Charta, die die Moglichkeit verbindlicher Beschliisse auf Zwangs- und solche MaBnahmen beschrankt, deren Grundlage explizit eine Bindung vorschreibt. 18 Eine bindende Anordnung von Schutzzonen oder ihre
Siehe oben 1. Kapitel, I1.4.c). 16 Hierbei handelt es sich meist urn Peace-Keeping- oder Peace-Enforcement-Truppen, die vom UN-Sicherheitsrat zusatzlich ermachtigt werden. So wurde beispielsweise UNPROFOR in Bosnien erst mit Res. 836 nach der Erklarung der safe areas zu ihrer Sicherung mandatiert. Vgl. dazu unten 15
III. lob )(3). 17 Namibia, Ie] Rep. 1971, 16, 53 f, para 114 ff.; Jimenez de Arechaga, in: Bernhardt, EPIL IV, 1171. 18 FroweinlKrisch, Art. 39, Rdnr. 28, in Simmaj VerdrosslSimma, Universelles Volkerrecht, Rdnr. 159j insbesondere gegen eine bindende Wirkung von Be-
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Rechtlicher Rahmen der Errichtung und Sicherung von UN -Schutzzonen
zwangsweise Errichtung ist damit allein nach Kapitel VII UNC mogIich, unter Kapitel VI konnte eine Schutzzone nur empfohlen werden. Diese Schutzzonenerrichtung ware aber dann von der Zustimmung der Konfliktparteien abhangig und konnte nicht zwangsweise durchgesetzt werden; sie kame den konsensualen Schutzzonen im humanitaren Volkerrecht gleich, lieBe jedoch nicht die hier in Frage stehende Form von UN-Schutzzonen zu, die mindestens gegen den Willen einer Konfliktpartei errichtet und durchgefuhrt werden.
1. Schutzzonenerrichtung als Maflnahme nach Kapitel VII UNC
1m Rahmen von Kapitel VII UNC kann der UN-Sicherheitsrat MaBnahmen mit bindender Wirkung fur die Konfliktparteien beschlieBen. Dabei konnte die Schutzzonenerrichtung durch eine Neutralisierungsanordnung des UN -Sicherheitsrat selbst wie in Bosnien als vorlaufige MaBnahme nach Art. 40 oder friedliche Sanktion nach Art. 41 UNC ergehen, wahrend die Ermachtigung zur zwangsweisen Einnahme des potentiellen Schutzzonengebiets wie in Ruanda allein als militarische Sanktion gemaB Art. 42 UNC moglich ist. Fur eine Schutzzonenerrichtung im Rahmen des Kapitel VII UNC, muB der UN-Sicherheitsrat jedoch zuvor eine Bedrohung, einen Bruch des Friedens oder eine Angriffshandlung i.S.d. Art. 39 UNC feststellen; dies ist zumindest implizit auch fur vorlaufige MaBnahmen nach Art. 40 UNC erforderlich. 19
a) Bruch des Weltfriedens nach Art. 39 UNC Bei Schutzzonen erscheint die Feststellung eines Bruchs des internationalen Friedens problematisch, da sie i.d.R. in internen ethnischen Kon-
schlussen wegen Art. 24 (1) UNC: Delbruck, Art. 25 Rdnr. 14, in: Simma; Tomuschat, Obligations for States, 333; Martenczuk, Rechtsbindung, 37 ff. 19 Auch wenn der Wortlaut von Art. 39 und 40 UNC dies nicht deutlich macht, sind aus systematischer Sicht und zur Abgrenzung zu den Magnahmen in Kapitel VI UNC auch fur Art. 40 die Voraussetzungen des Art. 39 zu fordern. Vgl. FroweinlKrisch, Art. 40 Rdnr. 3 ff., in Simma; Kelsen, United Nations, 739; Kooijmans, Provisional Measures, 290; zumindest fur eine implizite Feststellung: Higgins, The Development of International Law, 236; a.A.: White, Keeping the Peace, 59 ff.; Narayana Rao, Provisional Measures, 65.
3. Kapitel: Schutzzonen als zulassige MaBnahmeder Friedenssicherung
81
flikten errichtet werden 20 und der Friedensbruch klassischerweise Auseinandersetzungen zwischen bewaffneten Einheiten von Staaten verlangt. 21 Jedoch hat der UN-Sicherheitsrat in seiner neueren Praxis vermehrt zumindest eine Bedrohung des Friedens auch bei humanitaren Katastrophen gesehen: 22 So hat er grenzuberschreitende Auswirkungen von Notstanden wie Fluchtlingsstrome,23 Verletzungen des humanitaren Volkerrechts/ 4 humanitare Krisen 25 und schwere Menschenrechtsverletzungen26 fur eine Bedrohung des Friedens i.S.d. Kapitel VII UNC ausreichen lassen. In diesem Sinne erklarte er in seiner Resolution 1296: "5. Notes that the deliberate targeting of civilian population or other protected persons and the committing of systematic, flagrant and widespread violations of international humanitarian and human rights law in situations of armed conflict may constitute a threat to international peace and security, and, in this regard, reaffirms its readiness to consider such situations and, where necessary, to adopt appropriate steps;,,27
20 Siehe oben 1. Kapitel, II.4.b). 21
FroweinlKrisch, Art. 39 Rdnr. 11, in: Simma.
22 Entscheidender Schritt in diese Richtung war S/RES/688, 5.4.1991, die die humanitare Situation der Zivilbevolkerung im Irak als Bedrohung des internationalen Friedens und der Sicherheit in der Region wertete, ohne sich aber explizit auf KapitelVn UNC zu beziehen:"Gravely concerned by the repression of the Iraqi civilian population in many parts of Iraq, including most recently in Kurdish populated areas which led to a massive flow of refugees towards and across international frontiers and to cross border incursions, which threaten international peace and security in the region (... )"; zu einer Aufzahlung ahnlicher Sicherheitsratsresolutionen vgl. Sandvik-Nylund, Caught in Conflicts, Appendix I, 148 ff.; Higgins, Problems and Processes, 256 f. 23 S/RES/713, 25.9.1991 Jugoslawien, 721 27.11.1991, Haiti S/RES/841 , 16.6.1993. 24 S/RES/808, 22.2.1993 Jugoslawien; S/RES/827, 15.5.1993 Jugoslawien; S/RES/941, 23.9.1994 Jugoslawien; S/RES/955, 8.11.1994 Ruanda. 25 S/RES/757, 30.5.1992; S/RES/770, 13.8.1992; S/RES/787, 16.11.1992; S/RES/836,4.6.1993.
26 Vgl. Siid-Rhodesien, S/RES/418, 4. 11.1977, Jugoslawien S/RES/824, 6.5.1993, S/RES/836 4.6.1993, Somalia S/RES1764, 3.12.1992, Ruanda S/RES/ 929, 22.6.1994; Gading, Menschenrechte, 125. 27
S/RES/1296, 19.4.2000, Rdnr. 5 (Hervorhebung von Verf.).
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Rechtlicher Rahmen der Errichtung und Sicherung von UN-Schutzzonen
Da AniaB der UN-Schutzzonen gerade schwere Angriffe auf die und Menschenrechtsverletzungen an der Zivilbevolkerung sind,28 ist i.d.R. auch eine Bedrohung des Friedens gemaB Art. 39 UNC in soleh urspriinglich internen Konflikten denkbar.29
b) Neutralisierungsanordnung als vorlaufige MaBnahme gemaB Art. 40 UNC 1st der Schutz des potentiellen Schutzzonengebiets vor Angriffen ohne militarische Gewalt moglich, konnte die Schutzzonenerrichtung des UN-Sicherheitsrats wie in Bosnien durch eine reine Neutralisierungsanordnung an die Parteien als vorlaufige MaBnahme nach Art. 40 UNC zulassig sein. Unter Art. 40 UNC hat der UN-Sicherheitsrat in der Vergangenheit vor allem MaBnahmen wie Waffenstillstand, den Riickzug von Truppen aus bestimmten Gebieten, Entmilitarisierung oder die Aufforderung zum Unterlassen von Feindseligkeiten erlassen. 30 Bisweilen hat er auch die Achtung der Rechte der Zivilbevolkerung, das Unterlassen von Angriffen gegen sie sowie MaBnahmen zur Linderung ihres Leidens unter Art. 40 UNC gefordert. 31 Diese MaBnahmen ahneln einer Neutralisierungsanordnung zum Schutz der Zivilbevolkerung bei Schutzzonen, die die Konfliktparteien zum Unterlassen von Angriffen auf und feindlichen Akten im Schutzzonengebiet, die Beachtung der Bewegungsfreiheit in der Schutzzone und moglicherweise zur Entmilitarisierung aufruft. 32 Deswegen konnte eine Schutzzonenerklarung durch den UN-Sicherheitsrat nach Art. 40 UNC zulassig sein.
28 Siehe oben 1. Kapitel, II.4.b). 29 So auch Oswald, Places of Protection, 1017 f.; Subedi, Safe Havens, 23 ff. 29. 30 Vgl. RP 1981-1984, Ch. XI, 323 f.; RP 1975-1980, Ch. XI, 396 f.; RP 1964-1965, Ch. XI, 189 f.; FroweinlKrisch, Art. 40 Rdnr. 10, in: Simma. 31
RP, 1985-1988, Ch. XI, 421.
32 Vgl. dazu die Neutralisierungsanordnung fur die safe area Srebrenica: "Demands that all parties and others concerned treat Srebrenica and its surroundings as a safe area which should be free from any armed attack or any other hostile act;" S/RES/819, 16.4.1993, para. 1.
3. Kapitel: Schutzzonen als zulassige Ma6nahme der Friedenssicherung
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(1) Vorlaufigkeit der MaBnahme Nach Art. 40 S. 2 UNC sind nur vorlaufige MaBnahmen zulassig, die die rechtliche Stellung der Parteien unberuhrt lassen und insbesondere nicht abschlieBend einen territorialen Status oder Grenzen anordnen. 33 Der UN-Sicherheitsrat hat in der Vergangenheit die Verpflichtung zur Beachtung einer vorubergehenden Waffenstillstandslinie oder zum vorubergehenden Ruckzug von Truppen aus einem bestimmten Gebiet unter Art. 40 UNC erlassen. 34 Schutzzonen werden nur fur einen beschrankten Zeitraum errichtet und ordnen damit auch nur die vorubergehende Beachtung des WaffenstiIlstands fur das Schutzzonengebiet und den Truppenruckzug aus demselben an. Die tatsachliche Zuordnung des Territoriums bleibt fur einen spateren Friedensvertrag offen. Allerdings konnte die Vorlaufigkeit einer Schutzzonenerrichtung deswegen fragwurdig sein, weil sie nicht nur einen Waffenstillstand fordert, sondern mit der Neutralisierungsanordnung auch ein gewisses "objektives Regime" im Schutzzonengebiet errichtet und dadurch die territorialen Rechte des Gaststaates und die zulassigen Ziele fur aIle anderen Konfliktparteien beeintrachtigt. 35 Aufgrund dieser territorialrechtlichen Wirkungen konnte die Anordnung von UN-Schutzzonen der Vorlaufigkeit entbehren und als nicht-militarische Sanktion i.S.d. Art. 41 UNC angesehen werden. MaBnahmen nach Art. 40 UNC unterscheiden sich vor aIlem in ihrer Vorlaufigkeit von jenen nach Art. 41, der aIle gewaltlosen, die Rechte der Parteien beeintrachtigenden MaBnahmen zur Erhaltung des international en Friedens und der Sicherheit umfaBt. 36 Die Linie zwischen der Vorlaufigkeit einer MaBnahmen i.S.d. Art. 40 UNC und einer gewaltlosen Sanktion nach Art. 41 UNC ist bisweilen
33 FroweinlKrisch, Art. 40 Rdnr. 10, in: Simma. Koojimans formuliert dies als "shall be without prejudice to the rights, claims or positions of the parties concerned", Kooijmans, Provisional Measures, 290. 34 Siehe z.B. S/RES/82, 15.6.1950; S/RESI209, 4.9.1965; FroweinlKrisch, Art. 40, Rdnr. 10, in: Simma; Arrangio-Ruiz, The Security-Council's Law Making,649.
35 Zur erga-omnes-Wirkung solcher "objective regimes": Subedi, The Doctrine of Objective Regimes, 167, 170. Dort sind ebenfalls Hinweise auf die Einordnung der UN-Schutzzonen unter die Kategorie der "objective regimes" zu finden. 36 Tadic, Jurisdiction, A. Ch., 2.10.1995, ICTYJudicial Reports 1994-1995, 391, para. 35 f. FroweinlKrisch, Art. 41, Rdnr. 14, 17, in: Simma, die vor aHem die Grenzbestimmung im Irak/Kuwait Krieg als Beispiel zitieren.
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Rechtlicher Rahmen der Errichtung und Sicherung von UN-Schutzzonen
schwer zu ziehen. Entscheidend fur Art. 41 UNC ist nach dem ICTY, ob die Ma~nahme im Hinblick auf die Rechte der betroffenen Parteien weiter geht als reine "holding operations" oder "stand-still" bzw. "cooling-off" Effekte. 37 1st das der Fall, handelt es sich nicht mehr um rein vorlaufige Ma~nahmen nach Art. 40 UNC, sondern um die Rechte der Parteien beeintrachtigende Sanktionen i.S.d. Art. 41. UNC. Die Neutralisierung des Schutzzonengebiets solI aber gerade nur fur eine von vornherein begrenzte Zeit die humanitare Situation abkuhlen und eine politische Lasung ermaglichen, sie halt sozusagen den Status des Territoriums fUr einen kurzen Moment an und la~t ihn dann ohne Auswirkungen weiterlaufen. Die Neutralisierung soIl den Konfliktparteien keine uber den Schutzzonenzeitraum hinausgehenden Regelungen aufzwingen, insbesondere ubt sie auch - anders als die Ubergangsverwaltung 38 - keine legislativen und exekutiven Funktionen aus, die uber den vorubergehenden Zeitraum hinauswirken. Deswegen ist eine vorubergehende Neutralisierungserklarung im Zusammenhang mit UNSchutzzonen eher in den Rahmen der vorlaufigen Ma~nahmen gema~ Art. 40 einzuordnen als der friedlichen Sanktionen in Art. 41 UNc. 39 Etwas anderes kannte nur fur solche Falle gelten, wo der UNSicherheitsrat - anders als in den bisherigen Fallen - eine dauerhafte Schutzzone anordnet und damit nachhaltig in die Souveranitatsrechte " ft. 40 des G aststaates emgrel Die Vorlaufigkeit der Ma~nahme wird auch nicht dadurch beeintrachtigt, daB die Errichtung von Schutzzonen durch die mittelbare Unterstutzung von vorhandenen Autonomiebestrebungen oder durch ein nachtragliches Scheitern der Friedensverhandlungen maglicherweise eine spatere territoriale Lasung faktisch beeinflu~t und damit die Rechte der Parteien nachhaltig beeintrachtigt. 41 Eine solche faktische Rechtsbe-
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Tadic, Jurisdiction, A. Ch., 2.10.1995, ICTY Judicial Reports 1994-1995,
389, para. 33. 38 Zur Einordnung der UN-Verwaltung unter Art. 41 UNC: Froweinl Krisch, Art. 41 Rdnr. 14, in: Simma. Frowein, Die Notstandsverwaltung von Gebieten durch die Vereinten Nationen, 43 ff.; Stahn, International Territorial Administration, 131. 39 So auch: Subedi, Safe Havens, 29; dies., The Doctrine of Objective Regimes, 200. 40 Vgl. dazu: Subedi, The Doctrine of Objective Regimes, 200. 41 Davon muE bei den safe havens der Alliierten im Nordirak ausgegangen werden. Heute sind die Unabhangigkeitsbestrebungen der dort lebenden Kurden groEer denn je. Vgl. Subedi, The Doctrine of Objective Regimes, 199; all-
3. Kapitel: Schutzzonenals zulassige MaBnahme der Friedenssicherung
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eintrachtigung kann allein zur Folge haben, daB der UN-Sicherheitsrat fur die Absicherung der territorialen Rechte der Parteien - beispielsweise durch Truppenabzug aus dem umstrittenen Gebiet oder die Dberwachung durch UN-Truppen - sorgen muB;42 die rein mittelbare Rechtsbeeintrachtigung macht die MaBnahme jedoch nicht zu einer Sanktion i.S.d. Art. 41 UNC. Ein solcher Nebeneffekt kann die Vorlaufigkeit einer MaBnahme nach Art. 40 UNC schon deshalb nichtbeeinflussen, da die MaBnahmen in Art. 40 UNC schon aufgrund der tatsachlichen Bedingungen regelmaBig bezuglich der Rechte der Betroffenen nicht i.d.S. vollkommen neutral sein konnen, daB die vollstandige Wiederherstellung desursprunglichen rechtlichen status quo moglich ist und damit Art. 40 UNC immer leerliefe. 43 Damit kann der UN-Sicherheitsrat die Neutralisierung eines Gebiets zur Errichtung temporarer Schutzzonen wie in Bosnien als vorlaufige MaBnahme gemaB Art. 40 UNC anordnen. 44 Dabei muB er jedoch die notwendigen MaBnahmen treffen, urn die Vorlaufigkeit der damit einhergehenden Souvel'anitatsbeschrankungen des Gaststaates abzusichern.
(2) Vorbeugung einer Verschlimmerung der Lage Art. 40 UNC fordert weiterhin, daB die MaBnahme einer Verschlimmerung der Lage vorbeugt. Da eine solche Verschlimmerung bereits bei
gemein dazu: FroweinlKrisch, Art. 40 Rdnr. 10, in: Simma; White, Keeping the Peace, 104 f. 42
FroweinlKrisch, Art. 40 Rdnr. 10, in: Simma.
43 FroweinlKrisch, Art. 40 Rdnr. 10, in: Simma; Simon, in: Cot/Pellet, 685; Kelsen, United Nations, 743. 44 So auch Subedi fur voriibergehende Schutzzonen des UN-Sicherheitsrates: Subedi, The Doctrine of Objective Regimes, 200.
45
FroweinlKrisch, Art. 40 Rdnr. 7, in: Simma.
86
Rechtlicher Rahmen der Errichtung und Sicherung von UN-Schutzzonen
in Art. 39 UNC angenommen werden. 46 Indem die Schutzzonen die Fluchtlingssituation und die der Menschenrechte verbessern, beugen sie einer Ausweitung des Konfliktes in humanitiirer und territorialer Hinsicht und damit einer Verschlimmerung vor.
(3) Verbindlichkeit vorlaufiger Ma6nahmenund ihre Durchsetzung Bisweilen wird die Verbindlichkeit vorlaufiger Ma6nahmen nach Art. 40 UNC angezweifelt, da der Wortlaut von Art. 40 allein von "auffor-
dern" spreche und Art. 39 UNC zwischen Empfehlungen und Ma6nahmen unterscheide, letztere aber allein fiir Art. 41, 42 UNC vorsehe. 47 Jedoch mu6 dieser Wortlaut allein als Ausdruck der cliplomatischen Charta-Sprache gewertet werden,4& denn Art. 40 S. 3 UNC sieht Konsequenzen fur die Nichtbefolgung von vorlaufigen Ma6nahmen vor und macht damit deutlich, daB vorlaufige Ma6nahmen ebenfalls als bindend anzusehen sind. 49 Zudem ware eine Unverbindlichkeit vorlaufiger Ma6nahmen auch aus systematischen Grunden nicht haltbar, da sonst Art. 40 UNC keine weiteren Rechte als Kapitel VI UNC enthielte. 50 Schlie6lich wird cler bindende Charakter vorlaufiger Ma6nahmen durch die standige Staatenpraxis bestatigt.51 Deswegen ist in der Literatur auch weitgehend unumstritten, da6 Art. 40 UNC zumindest neben
46 Siehe oben III. 1. a}. Als geeignete MaBnahme zur Beseitigung des Friedensbruchs werden sie von Sandvik-Nylund, Caught in Conflicts, 110 und Subedi, Safe Havens, 29 angesehen. Inwieweit dies in der konkreten Situation tatsiichlich der Fall ist,obliegt der Beurteilung des UN-Sicherheitsrates. 47
Vgl. Dahm, Volkerrecht II, 394; Kooijmans, Provisional Measures, 298 f.
48
So: Simon, in: Cot/Pellet, 687.
49
Siehe Simon, in: Cot/Pellet, 689; Kooijmans, Provisional Measures, 298 ff.
50
Vgl. FroweinlKrisch, Art. 40 Rdnr. 14, in: Simma; Simon, in: Cot/Pellet,
686 f.
51 Bereits 1948 ordnete der UN-Sicherheitsrat einen Waffenstillstand in Paliistina an, der bindend sein sollte und dessen zwingende Wirkung durch eine spiitere Resolution wiederholt wurde: S/RES/54, 15.7.1948; SIRES/59, 19.10.1948. Dieser Charakter wurde noch deutlicher in der Res. zu Iran-Iraq: S/RES/598, 20.7.1987; vgI. dazu die Dberzeugung der Mitgliedstaaten von der Verbindlichkeit: S/Pv'2750, 20.7.1987, 16, 21, 27, 61; vgl. dazu FroweinlKrisch, Art. 40 Rdnr. 15, in: Simma; Simon, in: Cot/Pellet, 687, der auf den Gebrauch befehlender Verben in der Sicherheitsratspraxis zu Art. 40 UNC aufmerksam macht.
3. Kapite1: Schutzzonen als zulassige MaBnahme der Friedenssicherung
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Empfehlungen auch bindende MaBnahmen beinhalten kann, wobei entscheid end jeweils der Wortlaut der Resolution sein sol1. 52 Eine Schutzzonenerrichtung durch Neutralisierungsanordnung an die Konfliktparteien wie in Bosnien kann damit nach Art. 40 UNC bindend erlassen werden. In dies em Fall hangt der Schutz des Gebiets von der fortwahrenden Kooperation der Konfliktparteien abo Eine zwangsweise Sicherung des Schutzzonengebiets kann jedoch durch die spatere Ermachtigung entsprechender Zwangsmittel wie Wirtschaftsembargos oder militarischer MaBnahmen erreicht werden. Vorlaufige MaBnahmen nach Art. 40 UNC konnen - das zeigt vor aHem Art. 40 S. 3 - mit militarischen und nicht-militarischen ZwangsmaBnahmen nach Art. 41, 42 UNC durchgesetzt werden (enforced provisional measures).53 Dies verlangt einen entsprechenden BeschluB des UN -Sicherheitsrates sowie die nochmalige Feststellung einer Friedensbedrohung nach Art. 39 UNC. 54 In diesem Sinne ermachtigte der UN-Sicherheitsrat in Bosnien nach der Schutzzonenerklarung UNPROFOR zur Abwehr von Angriffen auf die Schutzzone und die Mitgliedsstaaten zur gewaltsamen Luftunterstiitzung. 55 Wenn die Konfliktparteien also die Neutralisierungsanordnung fiir die Schutzzone miBachten, kann der UN-Sicherheitsrat zusatzlich nicht-militarische und militarische MaBnahmen zur zwangsweisen Sicherung des Schutzzonengebiets nach Art. 41 und 42 UNC autorisieren.
c) Militarische Einnahme des Schutzzonengebiets gemaB Art. 42 UNC 1st die Kooperation der Konfliktparteien beim Schutz der Bevolkerung von Beginn an nicht zu erreichen, geniigt zur Errichtung einer Schutzzone nicht mehr eine entsprechende Neutralisierungsanordnung an die Parteien. In dem Fall muB das Schutzzonengebiet wie im Irak und in
52 Simon, in: Cot/Pellet, 687; Kelsen, United Nations, 740 ff; Gill, Limitations on the Power of the Security Council, 47; offen in Tadic, Jurisdiction, A.Ch., 2.10.1995, ICTY Judicial Reports 1994-1995,389, para. 33. 53 FroweinlKrisch, Art. 40 Rdnr. 12, in: Simma; Kelsen, United Nations, 740; White, Keeping the Peace, 106. 54 Bisweilen wird schon in der Nichtbefolgung der vorlaufigen MaBnahmen ein solcher Friedensbruch gesehen: S/RES/54, 15.7.1948. Vgl. dazu auch Simon, in: Cot/Pellet, 689; allgemein dazu: FroweinlKrisch, Art. 40 Rdnr. 12, in: Simrna. 55 Siehe oben 1. Kapite1, II.2.b).
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Rechtlicher Rahmen der Errichtung und Sicherung von UN-Schutzzonen
Ruanda zwangsweise eingenommen werden, urn es von bewaffneten Angriffen und anderen feindlichen Akten freizuhalten. Solcher Art gebildete Schutzzonen konnen dann nicht mehr als vorlaufige MaBnahme nach Art. 40 UNC mit der Optioneiner spateren zwangsweisen Durchsetzung errichtet werden, sondern miissen direkt als militarische ZwangsmaBnahme nach Art. 42 UNC ergehen. 56 Da die Schutzzonenerrichtung hier praktisch in der militarischen Einnahme des Gebiets aufgeht, ist sie auch nicht als separate Sanktion nach Art. 41 UNC anzusehen, sondern insgesamt nach Art. 42 UNC zu beurteilen. Danach kann der UN-Sicherheitsrat den Einsatz militarischer Gewalt und die Einnahme eines bestimmten Gebiets beschlieBen und damit die Errichtung einer Schutzzone bestimmen. Allerdings bleibt ihm mangels eigener militarischer Mittel57 bisher allein die Moglichkeit, nach Art. 42 i.V.m. 48 UNC die Mitgliedstaaten zu einer solchen Schutzzonenerrichtung zuautorisieren, ihnen also praktisch die Schutzzonenerrichtung zu iibertragen.
(1) Zulassigkeit der Delegation der Schutzzonenerrichtung Die Dbertragung von MaBnahmen des UN-Sicherheitsrats unter Kapitel VII UNC auf die Mitgliedstaaten ist grundsatzlich zulassig 58 und ergibt sich aus Art. 42, 48 UNc. 59 Eine solche Delegation von Kompetenzen hat jedoch bestimmte Voraussetzungen zu beachten: So kann der UN-Sicherheitsrat nur eigene Kompetenzen und nur im Rahmen seiner
56
Vgl. Oswald, Places of Protection, 1017 ff.
57 Bis heute sind keine Abkommen unter Art. 43 UNC geschlossen worden, wonach die Staaten dem UN-Sicherheitsrat Truppen unterstellen: Fraweinl Krisch, Art. 43, Rdnr. 9 ff., in: Simma. 58 Voraussetzung ist freilich, daB es seine eigenen Kompetenzen sind. Zu den sonstigen Voraussetzungen der Ubertragung siehe vor allem unten unter 6. Kapitel 11.1. Dazu auch: FraweinlKrisch, Art. 42 Rdnr. 25, in: Simma; Gaja, Use of Force 46; Blakker, Is the Authorization Authorized?, 551 f.; White, Keeping the Peace, 118. Zur Praxis des UN-Sicherheitsrats: Chesterman, The Delegation of Security Council Enforcement Powers, 148 ff.
59 FroweinlKrisch, Introduction Ch VII, Rdnr. 32, in: Simma; zur allgemeinen Zulassigkeit einer solchen Ubertragung: Fafibender, The Security Council, 231. Dagegen halt Sarooshi eine zusatzliche Grundlage in den allgemeinen Rechtsprinzipien fur erforderlich: Saraashi, Collective Security, 16 ff.
3. Kapitel: Schutzzonen als zulassige MaEnahme der Friedenssicherung
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Grenzen ubertragen. 60 Er muG zudem die effektive Kontrolle uber die Ausfuhrung der MaGnahme behalten,61 indem er das Mandat eindeutig formuliert und entsprechende Uberwachungsmechanismen vorsieht. 62 Fur eine Ermachtigung zur Schutzzonenerrichtung durch militarische Einnahme des Gebiets reicht es deswegen entgegen einem bisweilen vertretenen Standpunkt63 nicht aus, den Einsatz aller notwendigen Mittel zum Schutz der Bevolkerung zu autorisieren, ohne explizit die Errichtung einer Schutzzone zu nennen. Denn die Autorisierung zu "all necessary means" zum Schutz der Bevolkerung enthalt nicht automatisch die Ermachtigung zur erforderlichen militarischen Kontrolle des Schutzzonengebiets. Zwar ist der Schutz der Bevolkerung eng mit dem des Territoriums verbunden, jedoch kann eineSchutzzonenerrichtung durch militarische Einnahme des Gebiets wegen des damit verbundenen zusatzlichen Eingriffs in die territorial en Rechte des Gaststaates im Lichte des Interventionsverbotes des Art. 2 (7) UNC nicht automatisch yom allgemeinen Ziel des Schutzes der Bevolkerung erfaGt sein; es ist vielmehr eine explizite Ermachtigung zur Schutzzonenerrichtung erforderlich. Aus diesem Grunde hatte die von den Alliierten fur die safe havens im Irak zitierte Res. 688, wenn sie tatsachlich unter Kapitel VII ermachtigt gewesen ware, auch nicht als Grundlage ausreichen konnen,
60 FroweinlKrisch, Introduction Ch. VII, Rdnr. 33, in: Simma; Sarooshi, Collective Security, 42 ff., 92 ff. Ahnlich fur die UN-Generalversammlung: Administrative Tribunal, ICJ Rep. 1954,61 f.; Tadic, ICTY, A. Ch., 2.10.1995, Judicial Reports 1994-1995, Rdnr. 38. 61 FroweinlKrisch, Introduction Ch. VII, Rdnr. 33, Art. 42, Rdnr. 25, in: Simma; Gaja, Use of Force, 46; Blokker, Is the Authorization Authorized?, 551 f.; White, Keeping the Peace, 118; Sarooshi, Collective Security, 128 ff., 159 f. Dies ist insbesondere bei der Dbertragung von Ermessensentscheidungen wichtig. Eine allgemeine Abtretung der Feststellungsbefugnis nach Art. 39 ist deswegen unzulassig. Vgl. FroweinlKrisch, Introduction Ch. VII, Rdnr. 33, in: Simma; Sarooshi, Collective Security, 36 ff.
62 Ermessensentscheidungen konnen deswegen nur mit Ausfuhrungsvorgaben ubertragen werden, eine allgemeine Abtretung der Feststellungsbefugnis nach Art. 39 UNC ware unzulassig. Vgl. FroweinlKrisch, Introduction Ch. VII, Rdnr. 33, Art. 42 Rdnr. 25, in: Simma; Sarooshi, Collective Security, 36 ff., 44 f., 155 f. Siehe auch unten 6. Kapitel 11.1.
63 So Oswald, Places of Protection, 1021, der sogar noch weiter geht und bei fehlender Autorisierung nach Kapitel VII die Errichtung von Schutzzonen auf der Grundlage individueller und kollektiver Selbstverteidigung zulassen will. Ibid., 1021 f.
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Rechtlicher Rahmen der Errichtung und Sicherung von UN-Schutzzonen
weil sie nicht die Errichtung von Schutzzonen autorisierte. 64 Eine Autorisierung des UN-Sicherheitsrats zur Schutzzonenerrichtung durch militarische Einnahme des Gebiets wie in Ruanda muB hingegen als zulassige Dbertragung der MaBnahme angesehen werden. 65 Die Verwaltung und Sicherung einer solcherart von den Mitgliedsstaaten errichteten Schutz zone kann der UN -Sicherheitsrat wie in Ruanda spater selbstubernehmen. Dies muB auch grundsatzlich bei einer wie im Irak urspriinglich ohne Autorisierung des UN-Sicherheitsrats erfolgten Schutzzonenerrichtung zulassig sein. 66 Sofern der UN -Sicherheitsrat eine Bedrohung des Weltfriedens sieht, kann er auch in einer ursprunglich rechtswidrig errichteten Schutz zone tatig werden. Wahrend durch die Dbernahme der Schutzzonensicherung durch die UN auch die Verwaltung und Sicherung einer ursprunglich rechtswidrigen Schutzzone rechtmaBig wird, legitimiert eine solche Schutzzonenubernahme nicht ruckwirkend auch den volkerrechtswidrigen Akt der militarischen Einnahme des Gebiets zur Schutzzonenerrichtung durch die Mitgliedsstaaten. 67 Dies erscheint insbesondere im Hinblick auf das in der UN -Charta enthaltene zentralisierte System der Friedenssicherung geboten. Denn bei einer nachtraglichen Genehmigung fehlt dem UN-Sicherheitsrat die fur eine Delegation von MaBnahmen erforderliche Kontrolle. Er konnte keinerlei EinfluB auf die Ausfuhrung dieser MaBnahme ausuben. Insgesamt ist deswegen eine Legitimierung einer eigenmachtig von den Mitgliedsstaaten errichteten Schutzzone fur die Zukunft nicht aber fur die Vergangenheit moglich. 1m Falle der safe havens im Irak scheiterteeine solche nachtragliche Legitimierung durch den UN-Sicherheitsrat zudem bereits daran, daB 64 S/RES/688, 5.4.1991: "1. Condems the repression of the Iraqi civilian population in many parts of Iraq, including most recently in Kurdish-populated areas, the consequences of which threaten international peace and security in the region (... )". Zur fehlenden Grundlage in Kapitel VII UNC vgl. Malanczuk, The Kurdish Crisis, 127 ff.; Fink, Friedenssicherung II, 603; Endemann, Kollektive Zwangsmagnahmen, 195. 65 Dort hat er sie zu allen notwendigen Magnahmen zur Erreichung der humanitaren Ziele - darunter auch "secure humanitarian areas" - ermachtigt. Vgl. S/RES/929, 22.6.1994, para. 3 der u.a. "secure humanitarian areas" - in para. 4 (a) und (b) in S/RES/925, 8.6.1994 verweist. 66 Siehe oben 1. Kapitel, IL1.b).
67
Fur eine stillschweigende Zustimmung des UN -Sicherheitsrats im Irak:
Endemann, Kollektive Zwangsm~nahmen, 195; Delbruck, Humanitarian Intervention, 896. A.A. Malanczuk, The Kurdish Crisis, 130.
3. Kapitel: Schutzzonen als zulassige MaEnahme der Friedenssicherung
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zum einen eine weitere Resolution fur die Ubernahme der Verwaltung der safe havens durch die UN-Polizeitruppe fehlte 68 und sich die UN zum anderen explizit gegen eine militarische Prasens der UN im Irak und damit auch gegen die militarische Kontrolle des Schutzzonengebiets ausgesprochen haben. 69 Damit konnte die safe havens Errichtung im Irak durch die amerikanisch angefuhrte Militarkoalition allein auf der Grundlage des allgemeinen Volkerrechts insbesondere der vieldiskutierten humanitaren Intervention gerechtfertigt werden. 70 Da eine soIehe Schutzzonenerrichtung jedoch auEerhalb des Friedenssicherungsrechts abliefe, gehort diese Frage nicht in den Zusammenhang dieser Arbeit.
(2) Keine endgultige Streitlosung Indem die militarische Einnahme des Schutzzonengebiets automatisch auch das Territorium schutzt und damit eine gewisse territoriale Verteilung zwischen den Konfliktparteien festigt, konnte sie indirekt eine unter Kapitel VII UNC unzulassige endgultige territoriale Streitlosung anordnen. Wie in Art. 1 (1) UNC deutlich wird, bemuhen die UN sich, internationale Streitigkeiten zu bereinigen oder beizulegen, konnen jedoch dazu nicht die in Art. 1 (1) ebenfalls angesprochenen KollektivmaEnahmen treffen. 71 Deswegen kann die endgultige Streitschlichtung 68 Ihr Einsatz war entweder bereits durch para. 5 der Res. 688 oder zumindest durch die Zustimmung der irakischen Regierung gedeckt. Fur eine Grundlage in Res. 688: Malanczuk, The Kurdish Crisis, 129 f. Fur eine Grundlage in der Zustimmung der irakischen Regierung im MoU: Endemann, Zwangsma£nahmen, 192. 69 Vgl. Malanczuk, The Kurdish Crisis, 130. Sie wollten sogar zunachst gar nicht die Verwaltung der safe havens ubernehmen, erst als die Alliierten und die irakische Fuhrung sie dazu uberredet hatte, schloss en sie ein entsprechendes MoD mit der irakischen Regierung ab. Vgl. oben 1. Kapitel, II.1.b). 70 Fur die Zulassung einer humanitaren Intervention im Irak: Mallat, International Law and Iraq, 264 ff.; ahnlich: Freedman/Boren, Safe havens, 81 f. allgemein fur Schutzzonen: Oswald, Places of Protection, 1022 f.; Franco, Safety Zones, 875. A.A. Endemann, Kollektive Zwangsmagnahmen, 195; Malanczuk, The Kurdish Crisis, 131 f.; Fink, Friedenssicherung II, 604. 71 In Art. 1 (1) DNC heigt es: "Die Vereinten Nationen setzen sich folgende Ziele: 1.den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren und zu diesem Zweck wirksame Kollektivmagnahmen zu treffen, C... ) und internationaIe Streitigkeiten C... ) durch friedliche Mittel C... ) zu bereinigen und beizulegen;" CHervorhebung durch Verf.).
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Rechtlicher Rahmen der Errichtung und Sicherung von UN-Schutzzonen
in Kapitel VI UNC nur empfohlen und nicht durch MaBnahmen des Kapitel VII angeordnet werden.72 Dies schlieBt aber eine rein voriibergehende oder vorbereitende Territoriumsverwaltung und Ausiibung staatlicher Gewalt iiber ein Gebiet unter Kapitel VII UNC nicht aus; ahnlich wird auch iiberwiegend eine UN-Dbergangsverwaltung fiir zulassig erachtet. 73 Da auch eine Schutzzonenerrichtung durch militarische Einnahme des Gebiets genauso wie durch eine Neutralisierungsanordnung74 nur voriibergehend erfolgt und nicht endgiiltig iiber die territoriale Zuordnung des Schutzzonengebiets zum Gaststaat entscheiden solI, steHt sie keine unzulassige endgiiltige territoriale Konfliktlosung dar. 75
(3) Unabhangig von der Zustimmung des Gaststaates Zu priifen bleibt, ob eine Schutzzone auch als ZwangsmaBnahme nach Art. 42 UNC errichtet werden kann, wenn der Gaststaat der Schutzzonenerrichtung ausdriicklich zustimmt. Dies ware vor aHem sinnvoH, wenn die fortwahrende Zustimmung des Gaststaats fraglich ist oder vor aHem wenn die Schutzzone gegen den Willen der anderen Konfliktpartei errichtet und durchgesetzt werden muB. Gleichzeitig brachte die Hiirde des Art. 39 UNC eine groBere Legitimation der MaBnahme. Wahrend vorlaufige MaBnahmen nach Art. 40 UNC faktisch eine gewisse Kooperation und Zustimmung der betroffenen Parteien voraussetzen, suggeriert cler Wortsinn cler ZwangsmaBnahmen nach Art. 41,
72 Fitzmaurice, Diss. Op., Namibia, ICJ Rep. 1971, 6, 293; FroweinlKrisch, Introduction to Chapter VII, Rdnr. 13,20,31, in: Simma; Martenczuk, Rechtsbindung, 254 ff; Kelsen, United Nations, 437 ff.; Arangio-Ruiz, On the Security Council's "Law Making", 637; Gill, Limitations on the Power of the Security Council, 73; Bauer, Effektivitat, 217 ff; Nolte, The Limits of the Security Council's powers 321. Zur heutigen Entwicklung in der Praxis, auch endgiiltige Losungen in Kapitel VII UNC anzuordnen: FroweinlKrisch, Introduction to Chapter VII, Rdnr. 14, in: Simma.
73 Vgl. zur Zulassigkeit einer UN-Dbergangsverwaltung: Frowein, Die Notstandsverwaltung von Gebieten durch die Vereinten Nationen, 43 ff.; Stahn, International Territorial Administration, 131; Subedi, The Doctrine of Objective Regimes, 200. A.A. Fitzmaurice Diss. Op., Namibia, ICJ Rep. 1971,6,293. 74 Siehe oben III.1.b)(1). 75
Subedi, Safe Havens, 29.
3. Kapitel: Schutzzonen als zulassige Ma~nahme der Friedenssicherung
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42 UNC ein Handeln gegen den Willen der Parteien. 76 Jedoch ist die Tendenz erkennbar, allein ein Handeln unabhangig yom Willen des betroffenen Staates ausreichen zu lassen. 77 Es ist auch kein Grund ersichtlich, warum der UN -Sicherheitsrat beispielsweise Truppen, die er zwangsweise entsenden kann, nicht auch auf der gleichen Grundlage als Minus mit der Zustimmung des Gaststaates entsenden konnen sollte. 78 Fur eine solche Auslegung spricht vor allem die Praxis des UNSicherheitsrats in den letzten Jahren. 79 Insbesondere im Hinblick auf eine nachtraglich wegfallende Zustimmung oder dritte nicht kooperierende Konfliktparteien kann eine solche Grundlage erforderlich sein. 80 Deswegen ist anzunehmen, daB Art. 42 genauso wie Art. 41 UNC allein ein Handeln unabhangig yom Willen des betroffenen Staates und nicht gegen dessen Willen voraussetzt. Damit ist auch bei der Zustimmung des Gaststaates eine Schutzzonenerrichtung im Rahmen von Art. 42 UNC moglich.
d) Interventionsverbot gemaB Art. 2 (7) 2. HS UNC Die Errichtung von Schutzzonen ist damit in Form der Neutralisierungsanordnungnach Art. 40 oder der militarischen Einnahme des Gebiets nach Art. 42 UNC auch ohne die Zustimmung des Gaststaates moglich und der damit verbundene Eingriff in seine Souveranitat 76 So bezeichnete der IGH die Ma~nahmen nach Art. 42 im CertainExpenses-Gutachten auch als "enforcement measures", IC] Rep. 1962, 151 ff, 164 f. Deswegen sah auch Frowein lange Zeit eine Zwangsma~nahme mit Zustimmung aller Parteien im Rahmen des Art. 42 UNC nicht fur zulassig an. Frowein, Art. 42 Rdnr. 13, in: Simma (1994); jetzt fordert er aber allein Zwangsma~nahmen unabhangig von der Zustimmung der Parteien: Froweinl Krisch, Introduction to Chapter VII, Rdnr. 15, in: Simma. 77
FroweinlKrisch, Art. 42 Rdnr. 14, in: Simma.
So auch: FroweinlKrisch, Introduction to Ch. VII Rdnr. 15, Art. 42 Rdnr. 14, in Simma. 78
79 S/RES/1I01, 28;3.1997, para. 4 zu Albanien mit der Zustimmung in S/19971260, S/RES/1l25, 6.8.1997 zur Zentralafrikanischen Republik mit der Zustimmung in S/1998/61, para. 9, 23.1.1998; S/RES/1270, 22.10.1999 und S/RES/1289, 7.2.2000 zu Sierra Leone mit der Zustimmung im Lome Friedensabkommen S/2000/13, para. 26, 11.1.2000 und S/1999/777, Annex. Zur Praxis vgl. Blokker, Is the Authorization Authorized?, 544; Neuhold, Collective Secu~ rity after "Operation Allied Force", 88 f. 80
Vgl. dazu FroweinlKrisch, Art. 42 Rdnr. 14, in: Simma.
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Rechtlicher Rahmen der Errichtung und Sicherung von UN-Schutzzonen
grundsatzlich zulassig. Bisweilen wird jedoch behauptet, humanitare MaBnahmen wie Schutzzonen stellten per se keine ZwangsmaBnahmen dar und konnten deswegen aufgrund des Interventionsverbots nach Art. 2 (7) UNC nur mit der Zustimmung des betroffenen Staates errichtet werden. 81 Diese Ansicht stutzt sich vor aHem auf Res. 46/182 der UN-Generalversammlung von 1991, die die Zustimmung des betroffenen Staates als ein Prinzip humanitarer Hilfe erklart. 82 Jedoch vernachlassigt diese Argumentation, daB Resolutionen der UN-Genetalversammlung grundsatzlich nicht bindend sind83 und zudem beim Zustimmungserfordernis in Resolution 46/182 nur von "shall" und nicht, wie die Satze zuvor, von "must" gesprochen wird. 84 Zudem hat bereits der IGH im Nicaragua Fall die Gewahrung humanitarer Hilfe in einem anderen Staat als zulassige MaBnahme bezeichnet, ohne dabei die Zustimmung des betroffenen Staates zu fordern. 85 Damit schlieBt die UN-Praxis zu humanitaren MaBnahmen nicht von vornherein eine humanitare ZwangsmaBnahme aus. Zwar laBt sich vertreten, daB Art. 2 (7) 2. HS UNC nur fur ZwangsmaBnahmen unter Kapitel VII UNC eine Ausnahme yom Interventionsverbot vorsieht und damit yom reinen WortIaut her nicht nur Empfehlungen sondern auch vorlaufige MaBnahmen nach Art. 40 UNC aus-
81
Chimni, Safety Zones, 830; Mani, Humanitarian Intervention, 19 ff.
Rdnr.. 3 der Prinzipien lautet: "The sovereignty, territorial integrity and national unity of States must be fully respected in accordance with the Charter of the United Nations. In this context, humanitarian assistance should be provided with the consent of the affected country and in principle on the basis of an appeal by the affected country." 82
83 Art. 10 UNC spricht nur von Empfehlungen, die die UN-Generalversammlung treffen kann. Vgl. dazu: Salcedo, Derecho International, 122.
84 "2. Humanitarian assistance must be provided in accordance with the principles of humanity, neutrality and impartiality. 3. The sovereignty, territorial integrity and national unity of States must be fully respected in accordance with the Charter of the United Nations. In this context, humanitarian assistance should be provided with the consent of the affected country and in principle on the basis of an appeal by the affected country." A/RES/46f182, 10.12.1991, Annex, Rdnr. 2 f; so auch: Tiso, Safe Haven, 579 f. 85 Allein die sonstigen Grundsatze des Roten Kreuzes zur humanitaren Hilfe miiBten eingehalten werden: Nicaragua, ICJ Rep. 1986, 124 f.
3. Kapitel: Schutzzonen als zulassige Ma£nahme der Friedenssicherung
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sehlieBt. 86 Jedoeh ist nieht ersiehtlieh, warum eine humanitare MaBnahme per se keine ZwangsmaBnahme darstellen und deswegen nur mit der Zustimmung des Gasstaats moglieh sein soUte. Diese Frage ist aber letztlieh unerheblieh, weil in der Praxis bereits jede Feststellung des UN-Sieherheitsrats, daB eine Gefahr fur den Weltfrieden naeh Art. 39 UNC vorliegt, die Ange1egenheit automatiseh zu einer internationalen maeht und damit jede daraufhin besehlossene MaBnahme - aueh eine vorlaufige naeh Art. 40 UNC - nieht dem Interventionsverbot fur interne Angelegenheiten naeh Art. 2 (7) UNC unterworfen ist. 87 Damit unterliegt also aueh eine humanitare MaBnahme wie die in Folge einer Feststellung naeh Art. 39 UNC angeordnete oder erzwungene Sehutzzone nieht dem Interventionsverbot naeh Art. 2 (7) 2. HS - beruhe sie auf Art. 40 oder 42 UNC. Es handelt sieh um eine zulassige humanitare MaBnahme des UN-Sicherheitsrats.
e) VerhaltnismaBigkei ts grundsatz Offen bleibt, inwieweit der UN-Sieherheitsrat frei ist, ob er die Schutzzone durch Neutralisierungsanordnung nach Art. 40 selbst erriehtet oder die Mitgliedsstaaten zur militarisehen Einnahme des Sehutzzonengebiets naeh Art. 42 UNC ermachtigt. Bei der Wahl seiner MaBnahmen in Kapite1 VII UNC muB der UN-Sicherheitsrat grundsatzlieh das VerhaltnismaBigkeitsprinzip beaehten. Es wird vor aHem aus dem System der stufenweisen Durehsetzung des Kapitel VII UNC sowie dem Verweis auf die Erforderliehkeit der MaBnahme im Wortlaut von Art. 40 und Art. 42 UNC abge1eitet, und bildet damit einen fur den UNSicherheitsrat bindenden Grundsatz der UN-Charta i.s.d. Art. 24 (2)
86 So: Tadic, A.Ch., 2.10.1995, ICTY Judicial Reports 1994·1995, Rdnr. 33; Goodrich/M abro/Simons, 292, 306; Kooijmans, Provisional Measures, 292; White, Keeping the Peace, 5M.; Fink, Friedenssicherung II, 602. 87 So wurden die Sicherheitsratsresolutionen zum ONUC Einsatz im Kongo nicht als ZwangsmaBnahme erlassen und gleichzeitig erkliirt, da£ man sich im Einklang mit Art. 2 (7) UNC verhalte. Vgl. dazu Goodrich/Mabro/Simons, 306 f.; White, Keeping the Peace, 56 f.; Oswald, Places of protection, 1018. In diesem Sinne wohl auch Frowein/Krisch, Introduction to Chapter VII, Rdnr. 26, in: Simma, die zumindest auf dieselbe Rechtsfolge hinweisen. A.A. Lamb, Legal Limits to United Nations Security Council Powers, 368 H.; Mani, Humanitarian Intervention, 24.
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Rechtlicher Rahmen der Errichtung und Sicherung von UN-Schutzzonen
UNc. 88 Der VerhaltnismaBigkeitsgrundsatz findet nur in Verbindung mit einem materiellen Rechtssatz Anwendung89 und verlangt vor aHem einen der Geeignetheit entsprechenden inneren· Zusammenhang zwischen MaBnahme und Friedenssicherung, die Ergreifung des mildesten Mittels sowie die VerhaltnismaBigkeit der MaBnahme. 90 Grundsatzlich erscheinen die mit der Schutzzone verbundene territoriale Beeintrachtigung und Beschrankung der Verteidigungsfahigkeit des Gaststaates als geeigneter Eingriff in seine Souveranitat, um die humanitare Situation fur die Bevolkerung zu verbessern, sie zu schutzen und damit den Weltfrieden zu wahren;91 LS.d. mildesten Mittels darf eine Schutz zone aber nur dann ohne Zustimmung der Parteien nach Kapitel VII UNC errichtet werden, wenn anders die humanitare Hilfe und der Schutz der Bevolkerung nicht sicherzustellen ist. Genauso ist einer Schutzzonenerrichtung durch Neutralisierungsanordnung im Rahmen von Art. 40 UNC als minderschwerer Eingriff grundsatzlich der Vorzug vor der Errichtung durch militarische Einnahme und Verteidigung des Gebiets zu geben. 1m konkreten Fall muB die mogliche friedenssichernde Wirkungder Schutzzonen zudem in einem angemessenen Verhaltnis zum Eingriff in die Souveranitat des Gaststaates stehen. Insgesamt muB die Beurteilung der VerhaltnismaBigkeit einer Schutzzonenerrichtung jedoch dem jeweiligen Fall uberlassen bleiben, insbesondere fur die konkrete Ausgestaltung der Schutzzone konnen sich aus dem VerhaltnismaBigkeitsprinzip Grenzen ergeben. 92 Insgesamt steht clem UN-Sicherheitsrat bei cler Beurteilung ein weiter Beurteilungsspielraum ZU,93 der erst bei einem evidenten MiBverhaltnis 94 zwi-
88 Gading, Menschenrechte, 223. Zu Art. 42 FroweinlKrisch, Art. 42 Rdnr. 8, in Simma. Bauer, Effektivitat, 230; vgl. die ausfuhrliche Darstellung zu den dogmatischen Grundlagen bei: Starck, UNO-Wirtschaftssanktionen, 145 ff., 177 ff. 89
Martenczuk, Rechtsbinclung, 277; Starck, UNO-Wirtschaftssanktionen,
183. 90 Vgl. dazu Gading, Menschenrechte, 223. 91 So auch: Subedi, Safe Havens, 29; Tiso, Safe Haven, 582. 92 Siehe unten IV.1. und 6. Kapitel, I.1.c)(3)(a). 93 Fur die Angemessenheit: Bothe, Les Limites, 78 f.; Martenczuk, Rechtsbindung, 279 f., Gading, Menschenrechte, 229; Starck, UNO-Wirtschaftssanktionen, 182. 94 So Herdegen, Constitutionalization of the UN Security System, 157; Bernhardt, Ultra Vires Activities of International Organizations, 604; Schweig-
3. Kapitel: Schutzzonen als zulassige MaBnahme der Friedenssicherung
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schen der Friedenssicherung als Ziel und dem Souveranitatseingriffs durch die Schutzzone als Mittel uberschritten ist.
2. Zusammenfassung Befugnis des UN-Sicherheitsrats zur Schutzzonenerrichtung Die Errichtung temporarer Schutzzonen kann im Rahmen von Kapitel VII UNC entweder wie in Bosnien durch eine entsprechende Neutralisierungsanordnung des UN-Sicherheitsrats als vorlaufige MaBnahme nach Art. 40 UNC erfolgen, die durch spatere vor aHem militarische ZwangsmaBnahmen durchgesetzt werden kann, oder wie in Ruanda auf der Grundlage von Art. 42 UNC durch eine an die Mitgliedstaaten ubertragene militarische Einnahme des Gebiets erreicht werden. Beide Moglichkeiten sind fur die Konfliktparteien bindend und unabhangig von der Zustimmung des Gaststaates gegeben. Die Verwaltung und Sicherung einer von den Mitgliedsstaaten errichteten Schutz zone kann spater von den UN ubernommen werden; dies gilt auch fur solche wie im Irak ohne UN-Mandat errichteten Schutzzonen. Bei der Wahl der MaBnahmen hat der UN-Sicherheitsrat die VerhaltnismaBigkeit zu wahren und deswegen soweit wie moglich die Zustimmung der Parteien zu erzielen sowie eine Schutzzonenerrichtung durch reine Neutralisierungsanordnung nach Art. 40 UNC als geringeren Eingriff der militarischen Einnahme des Gebiets vorzuziehen. Da eine Neutralisierungsanordnung gemaB Art. 40 UNC erst nach einer zusatzlichen Ermachtigung des UN-Sicherheitsrats gemaB Art. 41, 42 UNC zwangsweise gesichert werden kann (enforced provisional measures95 ), kommt jedoch in Fallen, da die Kooperation der Konfliktparteien fehlt, aHein die sofortige militarische Einnahme des Schutzzonengebiets nach Art. 42 UNC als mogliche Schutzzonenerrichtung in Betracht.
man, Legal Limits, 177; Starck, UNO-Wirtschaftssanktionen, 181£. Martenczuk
will dem UN-Sicherheitsrat sogar einen unbegrenzten Beurteilungsspielraum und Rechtsfolgenermessen zugestehen: Martenczuk, Rechtsbindung, 279. 95 Zu Begriff und Unterschied gegenuber direkten ZwangsmaBnahmen vgl. White, Keeping the Peace, 106.
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Rechtlicher Rahmen der Errichtung und Sicherung von UN-Schutzzonen
IV, Volkerrechtliche Anforderungen an eine Schutzzone
Neben der grundsatzlichen Befugnis des UN-Sicherheitsrats zur Errichtung von Schutzzonen stellt sich weiterhin die Frage nach etwaigen volkerrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung einer Schutzzone. Zu prufen ist damit, ob sich aus den bestehenden volkerrechtlichen Regelungen moglicherweise ein bestimmter Typenzwang fur Schutzzonen ergibt, oder ob gar fur die Ausgestaltung von Schutzzonen gewisse allgemeine Rechtsprinzipien existieren, die der UN-Sicherheitsrat bei seinem Schutzzonenmandat beachten muK Eine solche Prufung setzt voraus, daB der UN-Sicherheitsrat bei der Ausgestaltung einer Schutzzone unter Kapitel VII UNC uberhaupt etwaige allgemeine volkerrechtliche Anforderungen beachten muK Grundsatzlich raumen ihm die Art. 39 ff. UNC eine weites Ermessen ein. Deswegen wird auch vereinzelt die Ansicht vertreten, der UNSicherheitsrat unterliege wegen seiner politis chen Natur bei MaBnahmen des Kapitel VII UNC keiner rechtlichen Bindung. 96 Jedoch wird in Lehre und Rechtsprechung heute allgemein zumindest eine begrenzte Rechtsbindung angenommen. 97 Fur letztere Ansicht spricht vor allem der allgemeine Grundsatz, daB eine internationale Organisation immer nur innerhalb des ihr im Grundungsvertrag zugewiesenen Rahmens handeln kann,98 so daB der UN96 Die Autoren begrunden diese Ansicht u.a. mit Art. 103 UNC, der den Verpflichtungen aus der UNC Vorrang gegenuber allen anderen volkerrechtlichen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten einraume, aber auch mit den weiten Befugnissen zur Intervention in innere Angelegenheiten nach Art. 2 (7) UNC sowie damit, daB nur so ein schnelles und wirksames Handeln gewahrleistet sei. Vgl. dazu Degni-Segui, in: Cot/Pellet, 458 H.; Krokel, Bindungswirkung, 75 f.; zu den Argumenten dieser Ansicht auch: Oosthuizen, Playing the Devil's Advocate, 549 H. 97 Fitzmaurice, Diss. Op., Namibia Gutachten, ICJ Rep. 1971, 294 para. 116; unterstutzend Bedjaoui im Lockerbie-Fall, ICJ Rep. 1992,45, para. 25. Tadie, Decision on the Defence Motion on Jurisdiction, T.Ch., 10.8.1995, ICTY Judicial Reports 1994-1995, para. 15 ff.; Bauer, EHektivitat, 209 H.; Lamb, Legal Limits to United Nations Security Council Powers, 366; Schweigman, Legal Limits, 202; Martenczuk, Rechtsbindung, 275 ff.; Starck, UNO-Wirtschaftssanktionen, 226 f.
98 Die UN-Charta steHt nur ein System ubertragener und begrenzter Kompetenzen dar, was durch Art. 24 (1) UNC deutlich wird. Darin wird festgelegt, daB die Mitgliedstaaten dem UN -Sicherheitsrat die Hauptverantwortung fur die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit ubertragen.
3. Kapitel: Schutzzonen als zuliissige MaBnahme der Friedenssicherung
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Sicherheitsrat als Organ der UN zumindest die Grenzen der UNCharta einhalten mu£. Das ergibt sich bereits aus der Entstehungsgeschichte der UN 99 und wird vor aHem durch Art. 24 (2) UNC bestatigt,100 der den UN-Sicherheitsrat bei der ErfuHung seiner Pflichten an die Ziele und Grundsatze der UN -Charta bindet. Daneben hat der IGH im Reparations-Fall die partielle Volkerrechtssubjektivitat der UN IOI anerkannt, so daB sie grundsatzlich auch an die sonstigen gewohnheitsrechtlichen Regelungen und Rechtsgrundsatze des Volkerrechts gebunden sein kann, soweit sie sachlich auf sie anwendbar sind. 102 Dies bildet nur die notwendige Konsequenz dessen, daB die UN bei ihrer Aufgabenwahrnehmung - z.B. der Verwaltung von Territoriurn oder dem Einsatz militarischer Einheiten - in die gleiche Position treten wie Staaten. In dem Fall mussen fur die Organisation auch die in einer solchen Situation allgemein anwendbaren gewohnheitsrechtlichen Regelungen gelten. Damit ist auch der UN-Sicherheitsrat als Organ der UN grundsatzlich an diese gewohnheitsrechtlichen Grundsatze gebunden. Allerdings unterliegen die vom UN-Sicherheitsrat zu beachtenden Ziele und volkerrechtlichen Regelungen grundsatzlich der Abwagung unterVgl. dazu Bustamate, Diss. Op., Certain Expenses, ICJ Rep. 1962,304; vgl. insgesamt dazu: Bauer, Effektivitiit, 213. 99 So auch Bedjaoui, Diss. Op., Convention de Montreal, ICJ Rep. 1992,45, para. 25: "Les travaux pn!paratoires de la Conference de San Francisco ont montre combien I' on etait preoccupe par ce probleme et il s' en degage que l'esprit de la Charte est bien d'empecher Ie Conseil de securite de s'affranchir en quoi que ce soit de cette Charte". Vgl. vor aHem die Aussagen des belgischen, sowjetischen und amerikanischen Vertreters in UNCIO.xn, 49.
100 Ahnlich wollen die Mitgliedstaaten nach der Priiambel Bedingungen schaffen, "unter denen Gerechtigkeit und die Achtung von Verpflichtungen aus Vertriigen und anderen Quellen des Volkerrechts gewahrt werden konnen". Fur eine Bindung spricht auch die Interpretation durch IGH und IC1Y: Fitzmaurice, Diss. Op., Namibia Adv. Gp., ICJ Rep. 1971,294 Rdnr. 116; unterstutzend Bedjaoui, Lockerbie, ICJ Rep. 1992, 45, para. 25. Tadic, Decision on the Defence Motion on Jurisdiction, T. Ch. II, 10.8.1995, ICTY Judicial Reports 19941995, 75 ff., para. 15 ff. 101 Reparations Case, Adv. Op., ICJ Rep. 1949, 174 ff, 178 f. 102 Fur die gewohnheitsrechtlichen Regelungen des humanitiiren Volkerrechts: BothelDorschel, in: Fleck, Visiting Forces, 500; Greenwood, United Nations Military Operations, 16; a.A. Starck, UNO-Wirtschaftssanktionen, 188 ff. Allg. fur die Bindung Internationaler Organisationen an Gewohnheitsrecht: SchermerslBlokker, International Institutional Law, §1339.
100
Rechtlicher Rahmen der Errichtung und Sicherung von UN-Schutzzonen
einander und dort insbesondere mit der Friedenssicherung. 103 Eine absolute Bindung des UN-Sicherheitsrats wird deswegen allein an zwingende Regelungen angenommen. 104 Dem ist schon wegen des unbedingten Vorrangs von ius cogens, der ebenfalls durch Art. 53 WVK bzw. dessen gewohnheitsrechtlichen Gehalt indiziert wird, zuzustimmen: kein internationaler Vertrag - auch nicht die UNC - kann von ihnen abweichen. Insgesamt hat der UN -Sicherheitsrat bei MaBnahmen nach Kapitel VII UNC damit die Ziele und Grundsatze der UN-Charta sowie die auf die UN anwendbaren gewohnheitsrechtlichen Regelungen zu beachten. Allerdings bilden nur zwingende Normen eine absolute Grenze, im iibrigen hat er die verschiedenen Ziele gegeneinander abzuwagen und muB insbesondere dem Hauptziel der Friedenssicherung Vorrang gewah-
103 Allgemein zur Abwagung: FroweinlKrisch, Introduction to Ch. VII, Rdnr. 28; Starck, UNO-Wirtschaftssanktionen, 145 H., 161; Macalister-Smith, International Humanitarian Assistance, 58; Sandvik~Nylund, Caught in Conflicts, 84 L Zur hervorgehobenen Stellung der Friedenssicherung erster Absatz der Praambel und Art. 1 (1) und (2) UNC, in denen die Bewahrung vor Krieg und die Wahrung des Weltfriedens hervorgehoben werden. Vgl. dazu Bauer, Effektivitat, 222 f., v.a. Fn. 645; Schweigmann, Legal Limits, 182; Starck, UNOWirtschaftssanktionen, 175. 104 Lauterpacht Sep. Op., Genocide Case, ICJ Rep. 1993, para. 100; FroweinlKrisch, Introduction to Ch.VII, Rdnr. 29, in: Simma; Gill, Limitations on the Power of the Security Council, 79; Herdegen, Constitutionalization of the UN Security System, 156; Lamb, Legal Limits to United Nations Security Council Powers, 372; D'Angelo, The International Court of Justice and Review of Security Council Resolutions, 572; Bauer, Effektivitat, 225 H.; Glick, Humanitarian Law and United Nations Armed Forces, 62; Starck, UNO-Wirtschaftssanktionen, 222 f. Ablehnend jedoch Martenczuk, Rechtsbindung, 273, ders. The Security Council, the International Court and Judicial Review, 545, wo er vor allem auf den Konflikt mit dem ebenfalls zwingenden Gewaltverbot hinweist.
Eine Bindung an allgemeines Volkergewohnheitsrecht bei MaBnahmen nach Kapitel VII UNC wird iiberwiegend wegen Art. 103 und auch Art. 1 (1) UNC abgelehnt. Ausfiihrlich dazu: Starck, UNO-Wirtschaftssanktionen, 187 H.; Graham, Legal restraints on· Security Council Military Enforcement Action, 297. A.A. D'Angelo, Review of Security Council Resolutions, 572. Eine Bindung an die allgemeinen Rechtsgrundsatze befiirworten: Fitzmaurice, Diss. Op., Namibia Adv. Op., ICJ Rep. 1971,294, para. 115; Bedjaoui, Diss. Op., Lockerbie, ICJ Rep. 1992, 45, para. 26; Bauer, Effektivitat, 227 H.
3. Kapitel: Schutzzonen als zulassige MaBnahme der Friedenssicherung
101
ren. 10S Der UN-Sicherheitsrat hat also nur dann auBerhalb des ius cogens liegende volkerrechtliche Anforderungen an die Form einer Schutzzone zu beach ten, wenn diese mit den anderen Zielen der UNCharta, insbesondere der Friedenssicherung vereinbar sind. Es bleibt daher zu prufen, inwieweit sich fur den UN -Sicherheitsrat volkerrechdiche Anforderungen an die Ausgestaltung einer Schutzzone ergeben. Diesbezuglich ist zunachst festzuhalten, daB die im humanitaren Volkerrecht geregelten Neutralen, Entmilitarisierten und Sicherheitszonen keinen numerus clausus fur Schutzzonen oder bindende Schutzzonenvoraussetzungen aufstellen, sondern neben sich andersartige Schutzzonen zulassen. 106 Allerdings muB eine Schutzzone die Beeintrachtigung der Souveranitat des Gaststaates so gering wie moglich halten und nach dem humanitarrechdichen Trennungsprinzip moglichst zivilen Charakter wahren.
1. Verhaltnismafligkeit der Ausgestaltung Nicht nur die Auswahl der SchutzzonenmaBnahme, sondern auch die Ausgestaltung derselben muB verhaltnismaBig sein. 107 Die durch die Neutralisierungsanordnung oder Einnahme des Schutzzonengebiets, insbesondere das Verbot militarischer Tatigkeiten und eine etwaige Entmilitarisierung erfolgte Beschrankung der Souveranitat des Gaststaates muB also auch in ihrer konkreten Ausgestaltung geeignet zur Friedenssicherung sein, das mildeste Mittel darstellen und einen zur Friedenssicherung proportional en Eingriff darstellen. Der Eingriff in die Souveranitat des Gaststaates durch die Schutzzone darf insbesondere nicht langer andauern und nicht mehr Territorium 105 2ur Abwagung vgl.: FroweinlKrisch, Introduction to Ch.VII, Rdnr. 28, in: Simma; Starck, UNO-Wirtschaftssanktionen, 145 ff., 161; Macalister-Smith, International Humanitarian Assistance, 58; Sandvik-Nylund, Caught in Conflicts, 84 f. Die hervorgehobene Stellung der Friedenssicherung wird aus dem ersten Absatz der Priiambel sowie Art. 1 (1) und (2) UNC deutlich, in denen die Bewahrung vor Krieg und die Wahrung des Weltfriedens jeweils hervorgehoben werden. Vgl. dazu Bauer, Effektivitat, 222 f., v.a. Fn. 645; Starck, UNOWirtschaftssanktionen, 175. 106 Deswegen sind die dort geregelten Voraussetzungen auch rein fakultativ, dadurch soli die Vereinbarung abweichender Schutzzonenformen nicht verhindert werden. Siehe oben 2. Kapitel, III.2. 107 Zur Bindung des UN-Sicherheitsrats an den VerhaltnismaBigkeitsgrundsatz bei der Auswahl der MaBnahme siehe oben: IIl.l.e).
102
Rechtlicher Rahmen der Errichtung und Sicherung von UN-Schutzzonen
umfassen als unbedingt zur Friedenssicherung erforderlich. Der UNSicherheitsrat hat sich des mildesten Mittels zu bedienen l08 und mu6 deswegen die Schutz zone nach kiirzest moglicher Zeit wieder auflosen sowie die Grenzen der Schutzzone moglichst eng fassen und vor aHem - ahnlich wie im humanitaren Volkerrecht 109 - so weit wie moglich festlegen und kennzeichnen. Eine unzureichend begrenzte Schutz zone konntedas Gebiet iiberdas unbedingt erforderliche Territorium hinaus ausweiten und damit unverhaltnisma6ig in die staatliche Souveranitat des Gaststaates eingreifen. Allerdings ist die Souveranitat des Gaststaates im Rahmen der Erforderlichkeit gegen militarische und friedenssichernde Griinde abzuwagen, die eine offene Grenzformulierung der Schutzzone erfordern und rechtfertigen. So ermoglicht etwa nur eine flexible Regelung der Schutzzonengrenzen eine Anpassung an veranderte Verhaltnisse am Boden, oder konnten die Konfliktparteien allzu klare Regelungen zu ihren Gunsten durch strategische Truppenverschiebungen o.a. ausnutzen. In Bosnien befiirchtete man zudem, durch eine klare Abgrenzung des Schutzzonengebiets den Eindruck einer abschlie6enden territorialen Bestimmung und Gebietsverteidigung zu erwecken und damit zusatzliche Angriffe zu provozieren. 110 Bei der letztendlichen Beurteilung der Erforderlichkeit steht dem UNSicherheitsrat ein weiter Spielraum zu, III der allein einer Evidenzkontrolle zuganglich ist und i.d.R. erst beim Einsatz militarischer Ma6nahmen relevant wird. ll2 In den meisten Fallen wird damit die Souveranitat des Gaststaates in der Abwagung mit dem Friedenssicherungsinteresse
108 1m Hinblick auf den Einsatz von ZwangsmaBnahmen: FroweinlKrisch, Art. 42 Rdnr. 7, 8, in: Simma. 109
Siehe oben 2. Kapitel, 1Il.4.
110
Siehe oben 1. Kapitel, II.4.d).
111
Siehe oben IV.
Martenczuk, Rechtsbindung, 279. Starck bringt fur die evidente NichtErforderlichkeit das Beispiel eines massiven militarischen Eingreifens gegen eine bloBe Friedensbedrohung, Starck, UNO-Wirtschaftssanktionen, 182 f. Allgemein zur Erforderlichkeitsgrenze bei Art. 42: FroweinlKrisch, Art. 42 Rdnr. 7, 8, in: Simma, die die Grenzen des Beurteilungsspielraums jedoch offen lassen. Eine Dberpriifung der VerhaltnismaBigkeit nimmt Gading beim militarischen Eingreifen fur Menschenrechte vor: Gading, Menschenrechte, 227 f. 112
3. Kapitel: Schutzzonen als zulassige MaBnahme der Friedenssicherung
103
unterliegen und eine grobe Schutzzonenbegrenzung beispielsweise nach Orten oder Stadten wie in Bosnien ausreichen. l13
2. Unterscheidung zwischen Zivilpersonen und Kombattanten
Weiterhin kann sich fur den UN-Sicherheitsrat aus dem humanitarrechtlichen Trennungsgrundsatz eine Verpflichtung zur Schutzzonenerrichtung allein in militarisch uninteressantem Terrain sowie zur vollstandigen Entmilitarisierung, Begrenzung und Kennzeichnung des Schutzzonengebiets ergeben. Das im bewaffneten Konflikt als fundamental anerkannte Prinzip der Unterscheidung 1l4 ist in verschiedenen Vorschriften der Genfer Konventionen und des ersten Zusatzprotokolls ausdrucklich niedergelegt. 11S Es gilt grundsatzlich auch fUr den UN -Sicherheitsrat, da die Forderung des humanitaren Volkerrechts in Art. 1 (2) - (4) UNC sowie Art. 55, 56 UNC als Ziel der UN verankert ist, 116 an das der UN-Sicherheitsrat nach Art. 24 (2) UNC bei seinen MaBnahmen nach Kapitel VII UNC in der Form gebunden ist, wie es seinen Ausdruck in den Konventionen und im Gewohnheitsrecht gefunden hat. l17 Speziell den humanitar113 Dort erklarte der UN-Sicherheitsrat allein "Srebrenica and its surroundings" als Schutzzone, siehe oben 1. Kapitel, II.2.a).
114 Vgl. Art. 58 lit. a) ZP I. Dazu: So/f, in: Bothe/Partsch/Solf, 282 ff.; Pilloud/de Preux, Rdnr. 1863 ff., in: Sandoz, CICR Commentaire; Gasser, in: Fleck, Handbuch, Rdnr. 510.
115
V.a. in Art. 28 GK IV, Art. 48, und 58 lit. a) ZP I.
116 Siehe oben I. Fur eine solche Bindungswirkung: Gill, Limitations on the Power of the Security Council, 72 ff.; Schweigman, Legal Limits, 179, der jedoch die Bindung an das humanitare Volkerrecht aus Art. 1 (1) UNC und ihrer Praambel herleitet; Bauer, Effektivitat, 222 f.; Starck, UNO-Wirtschaftssanktionen, 141 ff., 146 f., 155; Macalister-Smith, International Humanitarian Assistance, 58. Gasser, Anwendbarkeit des Humanitaren Volkerrechts, 463. Zum bindenden Charakter des Art. 56 UNC: Sandvik-Nylund, Caught in Conflicts, 83; Brownlie, Principles of Public International Law, 532; Malanczuk spricht zumindest von einem Verbot des "move backwards", Malanczuk, Modern Introduction to International Law, 212. f.; fur die Anerkennung einer Bindung durch die UN selbst: ST/SGB/1999/13, 6.8.1999. a.A. Malanczuk, The Security Council, 537.
117 Siehe oben IV. Gardam, Legal Restraints on Security Council Military Enforcement Action, 300 ff.; Starck, UNO-Wirtschaftssanktionen, 155; Gasser, Die Anwendbarkeit des Humanitaren Volkerrechts, 463.
104
Rechtlicher Rahmen der Errichtung und Sicherung von UN-Schutzzonen
rechtlichen Trennungsgrundsatz haben zudem sowohl die UN-Generalversammlung als auch der UN-Generalsekretar als jeder Zeit zu be· . erkl··art. 118 ac hten des P nnZlp Das Prinzip der Unterscheidung enthalt die Pflicht, unter allen Umstanden zwischen militarischem Ziel und Zivilpersonen sowie -objekten zu unterscheiden; diese Pflicht gilt sowohl fur den Angreifer als auch die Macht, die die Zivilpersonen unter ihrer Kontrolle halt.l19 Letztere mu~ insbesondere Zivilpersonen raumlich von militarischem Gerat trennen, urn dem Gegner ein Bekampfen militarischer Ziele zu ermoglichen. 120 Insoweit erfordert der Trennungsgrundsatz vor allem die klare Kennzeichnung ziviler Ziele. 121 Der UN-Sicherheitsrat mu~ also eine Schutzzone moglichst in militarisch uninteressantem Gebiet errichten sowie fur die Entmilitarisierung aber auch die eindeutige Abtrennung und Kenntlichmachung dieses zivilen Schutzgebiets zum ubrigen · sorgen. 122 Kamp f ge blet Allerdings unterliegt auch das Unterscheidungsprinzip mangels iuscogens-Charakters bei Ma~nahmen des UN-Sicherheitsrats nach Kapitel VII UNC der Abwagung mit anderen Faktoren, insbesondere dem Hauptziel der Friedenssicherung und dem staatlichen Souveranitatsrecht. 123 Damit flie~t notwendig auch die Tatsache mit in die Abwagung ein, da~ eine Entmilitarisierung immer gleichzeitig auch eine zusatzliche Beschrankung der Souveranitat des Gaststaates darstellt, er kann sich in der Schutz zone nicht mehr selbst verteidigen. Zudem steht das Trennungsprinzip im humanitaren Volkerrecht unter dem Vorbehalt
118 So erklarte die A/RES12444 (XXIII), 19.12.1968, Respect for Human Rights in Armed Conflict, para. 1 (c): "( ... ) that distinction must be made at all times between persons taking part in the hostilities and members of the civilian population to the effect that the latter be spared as much as possible"; ahnlich im Zusammenhang mit den safe areas in Bosnien: UNSG-Report, S/1994/1389, 1.12.1994, para. 52.
119 Solf, in: Bothe/PartschiSolf, 282 H., Art. 58 ZP I, Rdnr. 2.1.; Gasser, in: Fleck, Handbuch, Rdnr. 510. 120 VgL Art. 58 Buchst. a) ZP 1., Solf, in: Bothe/Partsch/Solf, 282 H.; Gasser, in: Fleck, Handbuch, Rdnr. 510. 121
Vgl. Art. 27 (2) LKO; Solf, in: Bothe/Patsch/Solf, 283.
122 Vgl zum Trennungsgrundsatz als den humanitaren Schutzzonen zugrunde liegendes Prinzip: SassOlilBouvier, How does law protect in war?, 172. 123 Siehe oben IV.
3. Kapitel: Schutzzonen als zulassige MaBnahme der Friedenssicherung
105
des militarisch Moglichen,124 so daB der UN -Sicherheitsrat die Lage der Schutzzonen auch nach Versorgungsgesichtspunkten sowie den Bedurfnissen und dem Aufenthalt der notleidenden Bevolkerung richten kann, die sich wie in Srebrenica nicht selten in einem Gebiet befindet, in dem gerade militarische Stellungen liegen. 125 Genauso konnen militarstrategische Grunde dafiir sprechen, von einer eindeutigen Begrenzung des Schutzzonengebiets abzusehen. 126 Letztendlich muB der UN -Sicherheitsrat den Schutz der Bevolkerung, der Schutzzonenmacht und des humanitaren Personals gegen das Souveranitatsrecht des Gaststaates, die militarischen Moglichkeiten und Versorgungswege abwagen. Grundsatzlich hat er also aufgrund des humanitarrechtlichen Trennungsgrundsatzes das Schutzzonengebiet abzugrenzen, zu kennzeichnen und fur seine Entmilitarisierung zu sorgen. Dabei steht dem UN-Sicherheitsrat jedoch ein weites Ermessen ZU,127 das nur durch eine gegenuber dem Souveranitatseingriff des Gaststaates offensichtlich unverhaltnismaBige Einschrankung des humanitaren Grundsatzes der Unterscheidung uberschritten ist. Dies ist vor allem danndenkbar, wenn sich wichtiges und uberwiegend militarisches Gerat in dem Gebiet befindet und damit die Gefahr fur die Bevolkerung durch auBere Angriffe groB und evident ist.
3. Zwischenergebnis volkerrechtliche Anforderungen an eine Schutzzone Damit stellen der VerhaltnismaBigkeitsgrundsatz und das humanitarrechtliche Trennungsprinzip insbesondere eine Pflicht zur Entmilitarisierung, Begrenzung und Kennzeichnung des Schutzzonengebiets auf. Allerdings muB der UN-Sicherheitsrat diese Anforderungen im konkreten Fall gegen die ubrigen Ziele der UN, insbesondere das Hauptziel der Friedenssicherung, abwagen und muB sie deswegen nur dann beachten, wenn sie mit den ubrigen Zielen im Einklang stehen. Insoweit steht dem UN-Sicherheitsrat ein weiter Ermessensspielraum zu, so daB er rechtlich allein verpflichtet ist, eine offensichtliche UnverhaltnismaBigkeit der MaBnahme oder einen offensichtlichen VerstoB gegen das Trennungsprinzip zu verhindern. 124
Solf, in: Bothe/Partsch/Solf, 285; Gasser, in: Fleck, Handbuch, Rdnr. 510.
125
Rapport D'Information, Srebrenica, 26 f.
126
Siehe oben zum VerhaltnismaBigkeitsprinzip: I1I.I.e). Siehe oben IV.
127
106
Rechtlicher Rahmen der Errichtung und Sicherung von UN-Schutzzonen
v. Ergebnis Humanitare MaBnahmen wie Schutzzonen konnen zumindest dann in den Aufgabenbereich der UN fallen, wenn die sie auslosende humanitare Notlage den Weltfrieden und die internationale Sicherheit bedroht. Da insoweit dem UN-Sicherheitsrat die vorrangige Verantwortung fur die Wahrung des Weltfriedens zukommt, kann er auch die Errichtung tempo rarer Schutzzonen beschlieBen. Er kann sie entweder se1bst durch eine Neutralisierungserklarung im Rahmen des Art. 40 anordnen und durch spatere militarische ZwangsmaBnahmen durchsetzen oder, soweit nicht anders moglich, sofort durch eine Autorisierung cler Mitgliedstaaten zur militarischen Einnahme des Gebiets nach Art. 42 UNC erzwingen lassen. Hinsichtlich der Ausgestaltung der Schutzzone ergeben sich zwar insbesondere aus dem VerhaltnismaBigkeitsgrundsatz und dem humanitarrechtlichen Trennungsprinzip die Kriterien cler Entmilitarisierung und Begrenzung des Schutzzonengebiets. Jedoch konnen sie nur als Leitlinien dienen, wei! sie bei der Abwagung vor allem dem Zie1 der Friedenssicherung unterliegen und clem UN-Sicherheitsrat zudem ein weites Ermessen bei der Ausgestaltung seiner MaBnahmen zukommt. Mit der Feststellung der grundsatzlichen volkerrechtlichen Zulassigkeit der Schutzzonenerrichtung bleibt offen, welche volkerrechtlichen Befugnisse und Pflichten bei der Sicherung und Organisation einer Schutzzone zu beachten sind. Deswegen ist im Folgenden auf die Verantwortlichkeitsverteilung zwischen Gaststaat und autorisierter Schutzzonentruppe bei der Organisation und Sicherung einer UN-Schutzzone einzugehen.
Viertes Kapitel: Befugnisse und pflichten bei der Sicherung und Organisation einer Schutzzone Die Organisation einer einmal errichteten Schutzzone erfolgte in der Vergangenheit durch humanitare Organisationen wie das IKRK und das UNHCR sowie NGOs und wurde von einer vom UN-Sicherheitsrat autorisierten Polizei-, Peace-Keeping- oder Peace-EnforcementTruppe unterstutzt: Wahrend die humanitaren Organisationen vorrangig fur die Bereitstellung und Verteilung der humanitaren und medizinischen Hilfe verantwortlich waren, kamen der Truppe vor aHem Aufgaben wie die WiederhersteHung der offentlichen Ordnung, die Sicherung humanirarer Konvois, der Schutz gegen Eindringlinge und Angriffe sowie die Dberwachung des Waffenstillstands und einer etwaigen Entwaffnung zu.! Damit greift die Schutzzonentruppe zumindest in Teilbereichen in die Verwaltung des Schutzzonengebiets ein, so daB zu priifen ist, welche Befugnisse ihr dabei zustehen und ob sie moglicherweise Pflichten gegenuber dem Gaststaat treffen. Inhaltlich muB vor allem geklart werden, inwieweit die Schutzzonenmacht das Schutzzonengebiet gegen Angriffe verteidigen oder daruber hinaus fur die Aufrechterhaltung der offentlichen Ordnung sorgen kann oder gar muB.
I. Rechtsquellen der Befugnisse und pflichten der Schutzzonenmacht
Da der Schutzzonentruppe wegen des Verbots der Einmischung in interne Angelegenheiten gemaB Art. 2 (7) UNC die Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse wie die Verteidigung oder Organisation der Offentlichen Ordnung in der Schutz zone grundsatzlich verboten ist, kann In Bosnien erfolgte z.B. die humanitare Hilfe iiberwiegend durch UNHCR und MSF. Vgl. Debriefing, 56, 62 f. UNPROFOR waren hingegen Aufgaben wie die Abwehr von Angriffen, die Beobachtung des Waffenstillstandes, die Forderung des Waffenabzugs der serbischen Konfliktpartei, die Einnahme von Schliisselpositionen am Boden sowie die Teilnahme an der Verteilung der humanitaren Hilfe iibertragen. Vgl. S/RES/836, 4.6.193, para. 5. Siehe auch oben 1. Kapitel, II.2.a) Fn. 64.
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Rechtlicher Rahmen der Errichtung und Sicherung von UN -Schutzzonen
sie soIehe Befugnisse nur mit der Zustimmung des jeweiligen Gaststaates, aufgrund einer Ermachtigung des UN-Sicherheitsrats unter Kapitel VII UNC oder einer anderweitigen volkerrechtlichen Gestattung wahrnehmen. Damit bestimmen sich die Sicherungs- und Verwaltungsbefugnisse der Schutzzonentruppe primar aus einer etwaigen Vereinbarung mit dem Gaststaat und ihrem Mandat. Soweit dort Lucken auftreten, ist ebenfalls an eine Heranziehung der besatzungsrechtlichen Regelungen des humanitaren Volkerrechts zu denken, die besondere Verwaltungsbefugnisse fur Gebiete vorsehen, die unter der tatsachlichen Kontrolle einer militarischen Macht stehen.
1. Vereinbarung mit dem Gaststaat
Soweit der UN-Sicherheitsrat eine Peace-Keeping- oder eine PolizeiTruppe zur Sicherung der Schutzzone ermachtigt, sind ihre Befugnisse und Pflichten im Schutzzonengebiet regelmaBig in einer Vereinbarung mit dem Gaststaat geregelt. 2 Darin werden der Schutzzonentruppe allerdings meist nur Beobachtungs- und Uberwachungsfunktionen sowie die Organisation und der Schutz der humanitaren Hilfe ubertragen, die Wahrnehmung offentlicher Gewalt wird der Gaststaat sich aber wei~ testgehend vorbehalten. So wurde das UNGC im Irak im MoU zwischen der UN und der irakischen Fuhrung nur mit der Uberwachung und Ruckfuhrung der Fluchtlinge sowie der Organisation der humanitaren Hilfe in den safe havens beauftragt, im iibrigen blieben jedoch die
lokalen Institutionen fur die Wahrung von Recht und Ordnung zustan3 .. •• dig. Ahnlich kam UNAMIR II in Ruanda nach der Ubernahme der Schutzzonenverwaltung vorrangig die Ruckkehr der Fluchtlinge zu. 4 In Bosnien fehlte eine formelle Vereinbarung uber die Befugnisse und Pflichten UNPROFORs in den safe areas,s hier konnten sich ihre Rechte damit allein aus dem Mandat unter Kapitel VII UNC ergeben.
2
Vgl. dazu: BothelDorschel, in: Fleck, Visiting Forces, 491 ff.
MoU und Annex, 18.4.1991, ILM, Vo1.30, 1991, 860 ff. Deswegen hielten die Alliierten zur Sicherung der safe havens weiterhin die schnelle Eingreiftruppe und die Luftiiberwachung bereit. Siehe dazu oben 1. Kapitel, II.1.b). 4
Siehe oben 1. Kapitel, II.3.b).
Siehe oben 1. Kapitel, II.2.b). Das zwischen der bosnischen Regierung und der UN im Mai 1993 geschlossene SOFA enthielt keinerlei Vorschriften iiber die Organisation und Absicherung der safe area, Agreement between the Government of Bosnia and Herzegowina and the United Nations on the Status
4. Kapitel: Befugnisse und pflichten
109
2. Schutzzonenmandat
Fehlt die Zustimmung mindestens einer Konfliktpartei zur Entsendung einer Schutzzonentruppe, wird der UN-Sicherheitsrat ihren Einsatz unter Kapitel VII UNC autorisieren. Darin kann er ihr neben der Verteidigung des Gebiets, der Sicherung der humanitaren und medizinischen Hilfe auch administrative Aufgaben zur Aufrechterhaltung der offentli~ chen Ordnung wie die Beschrankung der Bewegungsfreiheit der Biirger, Kontrolle der Schutzzonengrenzen oder Entwaffnung von Personen iibertragen und ihr dazu entsprechende Zwangsbefugnisse an die Hand geben. So ermachtigte der UN-Sicherheitsrat UNPROFOR in Bosnien beispielsweise neben der urspriinglichen Uberwachung der humanitaren Situation auch zur Abwehr von Angriffen, Uberwachung des Waffenstillstands und Truppenabzugs der bosnisch-serbischen Armee sowie der Einnahme von Schliisselpunkten in der Schutzzone. 6 Gleichzeitig wurde UNPROFOR zur Abschreckung von Angriffen auf und Eindringlingen in die Schutzzone zur Gewaltanwendung im Rahmen der Selbstverteidigung autorisiert. 7 Soweitder Schutzzonentruppe im Mandat keine besonderen Sicherungsbefugnisse iibertragen werden, mug sie aber aufgrund einer allgemeinen Ermachtigung zu
7
S/RES/836, 4.6.1993, para. 9.
So tat er es in Ruanda, wo er die Mitgliedstaaten zur Sicherung humanitiirer Konvois und der Versorgung sowie zur Errichtung von "secure humanitarian areas" und dem Schutz der Bevolkerung zu "all necessary means" ermiichtigteo Vgl. S/RES/929, 22.6.1994, para. 3; siehe auch oben 1. Kapitel, 1I.3.a). 9 Vgl. Zur Anerkennung des Mandatsverteidigungsrechts als Teil des Selbstverteidigungsrechts bei UNPROFOR: S124540, 10.9.1992, para. 9; bzgl. des Gewaltgebrauchs durch die UN Emergency Force: Sill 052/Rev.1 , 27.10.1973, para. 4 d. Allg. zum Mandatsverteidigungsrecht: Cox, Beyond SelfDefense, 253 ff.
110
Rechtlicher Rahmen der Errichtung und Sicherung von UN-Schutzzonen
solche Sicherungsma6nahmen in der Schutzzone wahrnehmen konnen, die zur eigenen Verteidigung oder im Rahmen der Nothilfe gegenuber der Bevolkerung erforderlich sind. Dies betrifft dann vor aHem Ma6nahmen der Gefahrenabwehr. Dariiber hinausgehende Verwaltungsbefugnisse oder eine Entmilitarisierung des Schutzzonengebiets lassen sich aber weder aus der allgemeinen Autorisierung zu "all necessary means" oder dem Selbstverteidigungsrechts einer Peace-KeepingTruppe ableiten. Zwar wird hierin bisweilen eine implizite Autorisierung der Schutzzonentruppe zumindest zur vorubergehenden Wahrnehmung auch konkreter Befugnisse bei der Aufrechterhaltung der Offendichen Ordnung in der Schutzzone gesehen. lO Jedoch stellen solche administrativen Tatigkeiten grundsatzlich einen zusatzlichen Eingriff in die internen Angelegenheiten des Gaststaates dar, der nach Art. 2 (7) UNC verboten ist und deswegen einer expliziten Autorisierung unter Kapitel VII UNC bedarf oder anderweitig volkerrechtlich zulassig sein muK So wird auch gerade fur die Wahrnehmung von Verwaltungskompetenzen eine explizite Dbertragung im Mandat gefordert. 11 Deswegen kann eine Schutzzonentruppe aus ihrem Mandat nur solche Befugnisse und Pflichten zur Verwaltung der Schutz zone ableiten, die explizit yom UN -Sicherheitsrat unter Kapitel VII UNC beauftragt und autorisiert wurden. Daruber hinaus kann sie allein aufgrund des Selbstverteidigungsrechts und der Nothilfe die zu ihrer Verteidigung oder der Schutzzonenbevolkerung notwendigen Ma6nahmen wahrnehmen. Weitergehende Verwaltungskompetenzen und -pflichten konnen der Schutzzonentruppe, soweit sie ihr nicht bereits durch eine Vereinbarung mit dem Gaststaat ubertragen wurden, allein auf der Grundlage der besatzungsrechdichen Regelungen des humanitaren Volkerrechts zukommen.
3. Besatzungsrechtliche Regelungen des humanitaren Volkerrechts 1st die Schutzzonentruppe yom UN-Sicherheitsrat allgemein zur Wahrnehmung alIer notwendigen Ma6nahmen zur Verteidigung der Schutzzone oder einer entsprechenden Mandatsverteidigung im Rahmen des Kapitel VII UNC ermachtigt, fehlt aber eine Konkretisierung ihrer Befugnisse und Pflichten bei der Sicherung der Schutz zone sowohl im Mandat als auch in einer etwaigen Vereinbarung mit dem Gaststaat,
10
Oswald, Places of Protection, 1029, 1033.
11
Sarooshi, Collective Security, 63; vgl. oben 3. Kapitel, III.1.c)(l).
4. Kapitel: Befugnisse und Pflichten
111
konnen ihr auf der Grundlage der besatzungsrechtlichen Regelungen im humanitaren Volkerrecht besondere Befugnisse und Pflichten zur Aufrechterhaltung der offentlichen Ordnung und der Sicherung des Schutzzonengebiets zukommen. Das Besatzungsrecht ist in Art. 42 - 56 LKO sowie Art. 27 - 34 i.V.m. Art. 47 ff. GK IV geregelt und sieht fur den Fall, daB die Ausubung der Hoheitsgewalt eines Staates uber sein Territorium durch die gegnerische Einnahme des Gebiets vorubergehend beschrankt oder unmoglich ist, spezielle Rechte und Pflichten der Besatzungsmacht fur die vorubergehende Verwaltung des besetzten Gebiets vor. Insoweit ist eine Besatzungsmacht vor aHem verpflichtet, die offentliche Ordnung aufrechtzuerhalten sowie die humanitare und medizinische Versorgung in dem Gebiet sicherzustellen. 12 Auf dieser Grundlage konnten der Schutzzonentruppe vorubergehend auch verschiedenste administrative Befugnisse und Pflichten in der Schutzzone zukommen. 13 Voraussetzung fur die Anwendung der besatzungsrechtlichen Regelungen des humanitaren Volkerrechts in der Schutz zone ist zunachst, daB die Schutzzonentruppe ratione personae uberhaupt an die Vorschriften des humanitaren Volkerrechts gebunden ist, unddaB zweitens die besatzungsrechtlichen Vorschriften des humanitaren Volkerrechts auf sie in der konkreten Situation ratione materiae anwendbar sind.
a) Anwendbarkeit ratione personae Die volkerrechtliche Bindung einer militarischen Einheit bestimmt sich grundsatzlich nach der Bindung des Volkerrechtssubjekts, dem sie untersteht. 14 Fur die Anwendung der besatzungsrechtlichen Regeln des humanitaren Volkerrechts auf die Schutzzonentruppe ist also entscheidend, wer als ubergeordnete Schutzzonenmacht auftritt. Dies konnen die UN oder die jeweiligen Entsendestaaten sein.
12
Art. 43 LKO, Art. 55, 56 GK IV.
13 Z.B. Befugnis zur Aufhebung und zum ErlaB von Gesetzen sowie zum Einsatz eigener Verwaltungsstellen und Gerichte: Art. 64 GK IV, Art. 43 LKO. Vgl. bei Gasser, in: Fleck, Handbuch, Rdnr. 547 ff. 14 Vgl. zum System der Zurechnung: Lader, Die volkerrechtliche Verantwortlichkeit der Vereinten Nationen fur VerstoBe gegen die Genfer Abkommen, 511, der insbes. von einer Zurechnung auf die UNO im Falle von UNPROFOR ausgeht.
112
Rechtlicher Rahmen der Errichtung und Sicherung von UN -Schutzzonen
DieZurechnung militarischer Einheiten wird im Volkerrecht allgemein nach operational command and control bestimmt. 15 Danach sind die Entsendestaaten grundsatzlich dann als ubergeordnetes Volkerrechtssubjekt und Schutzzonenmacht anzusehen, wenn ihnen Kommando und Kontrolle uber die Truppe zukommt ("contracted-out" -Missionen).16 Wird die Schutzzone hingegen wie in Bosnien durch eine von den UN-kontrollierte Blauhelm-Mission durchgefiihrt, wird die Truppe als N ebenorgan des UN -Sicherheitsrats kreiert, uber das dem UN ~ Generalsekretar die oberste Befehlsgewalt ubertragen ist. 17 In einem solchen Fall richtet sich die volkerrechtliche Bindung der Schutzzonentruppe nach der Bindung der UN. 1m Lichte dieser beiden Zuordnungsmoglichkeiten muB deswegen gepriift werden, ob die entsendenden Mitgliedstaaten und die UN an das humanitare Volkerrecht, insbesondere die besatzungsrechtlichen Regelungen, gebunden sind.
(1) Bindung der UN an humanitares Volkerrecht Wird die Schutzzone durch UN-Blauhelme gesichert, ist eine etwaige Verpflichtung der UN als Schutzzonenmacht aus humanitarem Volkerrecht zuprufen. Da die UN jedoch weder Vertragspartei der Haager Landkriegsordnung noch der Genfer Konventionen sind, entfalten diese Vorschriften fur die Organisation und ihre Organe keine direkte rechtliche Bindung. Allerdings konnen die UN als partielles Volkerrechtssubjekt 18 grundsatzlich an volkergewohnheitsrechtliche Vorschriften und damit zu15 Shraga, The United Nations as an Actor Bound by International Humanitarian Law, 328; zu der UN Verantwortlichkeit bei UN-Peace-KeepingTruppen, Bothe, PK Rdnr. 93 ff., 124, in: Simma. Am Beispiel von SFOR: Luder, Die volkerrechtliche Verantwortlichkeit der Nordatlantikvertrags-Organisation, 109 ff.
16 So erfolgte Operation Turquoise in Ruanda unter Kommando und Kontrolle Frankreichs, vgl. dazu oben 1. Kapitel, II.3.a). 17 In Bosnien stand den UN das Oberkommando uber UNPROFOR zu: Siekmann, The Legal Position of Dutchbat, 303 ff.; Debriefing, Rdnr. 2.28 f., NIOD II, 1175 ff. Vgl. ebenfalls das Status Agreement fur UNEF I, A/3526, 8.2.1957, para. 23, wo die Truppe jedoch durch die UN-Generalversammlung kreiert wurde. 18 Die zumindest partielle Volkerrechtssubjektivitat hat der IGH in seinem Reparations Case ausdriicklich anerkannt. Reparations Case, Adv. Op., 1949, 174 ff., 178 f. Siehe auch oben, 3. Kapitel, IV.
4. Kapite1: Befugnisse und Pflichten
113
mindest an das gewohnheitsrechtliche humanitare Volkerrecht gebunden sein. 19 Voraussetzung dafur ist, daB die gewohnheitsrechtlichen Regeln inhaltlich auch auf eine Organisation wie die UN anwendbar sind. Fur das humanitare Volkerrecht wird dies bisweilen vor aHem von Seiten der UN mit dem Argument abgelehnt, daB die Organisation kein Adressat des humanitaren Volkerrechts sei, da sie nicht als Konfliktpartei sondern als Rechtsdurchsetzer und Vertreter der international en Gemeinschaft angesehen werden muBte. 20 Deswegen verneinen die UN eine direkte Bindung an die gewohnheitsrechtlichen Regelungen des humanitaren Volkerrechts bisher.21 AHerdings erkennen sie fur Truppen unter UN-Kommando, die sich aktiv am Konflikt beteiligen - sei es auch nur im Rahmen von Selbstverteidigung -, eine Bindung an "principles and spirit" des humaniraren Volkerrechts an. 22 Jedoch kommt es fur die Anwendung des humanitaren Volkerrechts nicht auf die jeweilige Motivation einer Partei an. Konfliktpartei oder Besatzungsmacht kann auch sein, wer ein legitimes Ziel wie die Rechtsdurchsetzung verfolgt. 23 Deswegen mussen die UN zumindest dann, 19 Zu dieser Argumentation fur die Bindung an humanitares Volkerrecht: BothelDorschel, in: Fleck, Visiting Forces, 499 ff.; Greenwood, United Nations Military Operations, 16; vor aHem auch mit Hinblick auf eine Bindung UNPROFORs in Bosnien: ders, International Law and the Conduct of Military Operations, 193. siehe auch oben 3. Kapitel, IV
20 Vgl. zu dieser Ansicht der UN, United Nations Juridical Yearbook, STZ/LEG/SER.CIlO (1972),153. 21 Ibid. 22 Secretary-General's Bulletin on the Observance by United Nations forces of international humanitarian law, ST/SGBIl999/13, 6.8.1999, dort werden "principles and spirit" konkretisiert. Vgl. auch Model Agreement between the United Nations and Member States Contributing Personnel and Equipment to United Nations Peace-keeping Operations, (nachfolgend: Model Agreement peace-keeping) A/46/185, 23.5.1991, Annex, Art. X para. 28; ahnlich haben die UN in den SOFAs mit den Gaststaaten eine Bindung der Organisation und des Gaststaats nur an "principles and spirit" des humanitaren Volkerrechts vorgesehen: Vgl. z.B. Art. 17 der Vereinbarung zwischen den UN und der Republik Ruanda zur Stationierung von UN AMIR, 5.11.1993, zitiert bei: Greenwood, United Nations Military Operations, 21 f.
23 So besagt eine elementare Regel des Volkerrechts, daB die Begrundung fur den Einsatz militarischer Machtmitte1 fUr die Frage der Anwendbarkeit des humanitaren Volkerrechts unerheblich ist. Diese Regel wird ausdriicklich im 5. Absatz der Praambel des Ersten ZusatzprotokoHs wiederholt. Vgl. dazu auch Gasser, Die Anwendbarkeit des Humanitaren Volkerrechts, 460 f.
114
Rechtlicher Rahmen der Errichtung und Sicherung von UN -Schutzzonen
wenn sie staatliche Funktionen wie das Aufstellen von Truppen wahrnehmen, genauso wie Staaten Adressat der damit verbundenen gewohnheitsrechtlichen Verpflichtungen des humanitaren Volkerrechts sein. 24 Allein eine solche Bindung ist mit dem Bekenntnis der UN zu den humanitaren Rechten in Art 1 (3) und Art. 55 lit. c) UNC vereinbar. 25 Insoweit darf auch eine mangelnde Verfolgungsmoglichkeit der UN von Verletzungen des humanitaren Volkerrechts nicht die Bindung der Organisation verhindern. 26 Denn zum einen ist die grundsatzliche Bindung von der Durchsetzung zu unterscheiden und zum anderen konnen die UNsich zur Durchsetzung ihrer humanitaren Verpflichtungen immer noch nationaler Strukturen bedienen.27 Damit schlieBen ihre besondere Stellung und Struktur die UN nicht grundsatzlich als Normadressaten der gewohnheitsrechtlichen Normen des humanitaren Volkerrechts aus, sie konnen hochstens Auswirkungen auf die spatere konkrete Anwendung der gewohnheitsrechtlichen Vorschriften haben?8
24 So beurteilen sich auch nach dem IGH die Pflichten der UN nach ihren Zwecken und Funktionen: Reparations Case, Adv. Op., ICJ Rep. 1949, 180; Zwanenburg, Human Rights and International Obligations for UN Peace Forces, 234 f.; Greenwood, United Nations Military Operations, 14 ff.; Bothe/ Dorschel, in: Fleck, Visiting Forces, 500.
25 Auch wenn die humanitaren Rechte dort allein als Bereiche der Zusammenarbeit und Ziele formuliert werden, so impliziert ein solches Mandat die Bindung der UN selbst an die Menschenrechtsstandards. Siehe oben 3. Kapitel, I. Vgl. dazu Macalister-Smith, Humanitarian Assitance, 58; Gasser, Die Anwendbarkeit des Humanitaren Volkerrechts, 463; Irmscher, Legal Framework, 369; Starck, UNO-Wirtschaftssanktionen, 155; so im Ergebnis: Bauer, Effektivitat, 222 f.; Schweigman, Legal Limits, 171 f. 26 Zu dieser Argumentation Greenwood, United Nations Military Operations, 15; Shraga, The Applicability of International Humanitarian Law, 24.
27 So nehmen die UN beispielsweise in die Vereinbarungen mit truppenstellend en Staaten auch die Verpflichtung auf, daB die Heimatstaaten Verletzungen cler "principles and spirit" des humanitaren Volkerrechts ahnden mi.issen. Vgl. Model Agreement Peace-Keeping Operations, A/46/185, 23.5.1991, Annex, Art. X para. 28; Bothe, Peacekeeping and International Humanitarian Law, 94; Greenwood, United Nations Military Operations, 15 f., 21 f. 28 So Greenwood, United Nations Military Operations, 15, der cliese Ungleichheit der Motive als "legal imbalance" bezeichnet. Vgl. dazu unten unter l.3.c).
4. Kapitel: Befugnisse und Pflichten
115
Insgesamt wird deswegen heute iiberwiegend vertreten, daB die UN und die von ihnen kommandierten Peace-Keeping-Truppen, soweit sie in den sachlichen Anwendungsbereich fallen, zumindest mutatis mutandis an die gewohnheitsrechtlichen Normen des humanitaren Volkerrechts gebunden sind. 29 Gewohnheitsrechtlicher Status kommt heute unproblematisch den Regelungen der Haager Landkriegsordnung30 und den fundamental en humanitaren Grundsatze der Vierten Genfer Konvention zum Schutz der Zivilbevolkerung u.a. im Rahmen einer Besatzung ZU. 31 Der Schutz der Zivilbevolkerung ist auch Teil der yom UN-
29 Das Institut de droit international pladiert sogar fur eine direkte Anwendung der humanitaren Regeln des Kriegsvolkerrechts auf UN-Truppen: Art. 2 der Zagreb Resolution on the Conditions of Application of Humanitarian Rules of Armed Conflict to Hostilities in which United Nations Forces May be Engaged, 3.9.1971, Annuaire de L'Institut de droit international, 54 (1971) II, 465 ff. Dies wurde in Art. 2 der Wiesbadener Resolution yom 13.8.1975 auf aIle Regeln des bewaffneten Konflikts ausgeweitet: Resolution on the Conditions of Application of Rules, other than humanitarian Rules, of Armed Conflict to Hostilities in which United Nations Forces may be engaged, Annuaire de L'Institut de droit international, (56) 1975, 541 ff.; zur Position des IKRK: Palwankar, Applicabilite du droit international humanitaire, 248 f; Greenwood, United Nations Military Operations, 16; Zwanenburg, Human Rights and International Obligations for UN Peace Forces, 234 f.; Schindler, United Nations Forces, 526; Bothe, Peacekeeping and International Humanitarian Law, 94; Shraga, The Applicability of International Humanitarian Law to United Nations Operations, 31; Seyersted, United Nations Forces, 187, 201, 314, 395; Gasser, Die Anwendbarkeit des Humanitaren Volkerrechts, 462; Roberts, Military occupation, 289 f.; BotheiDorschel, in: Fleck, Visiting Forces, 500; Dinstein, War, Aggression and Self-Defence, 146 f.
Fur die Soldaten selbst ergibt sich zudem eine Verpflichtung aufgrund ihrer fortbestehenden nationalen Disziplinargewalt und Bindung an humanitares Volkerrecht. Denn von der Verpflichtung des gemeinsamen Art. 1 GKen, fur die Einhaltung des humanitaren Volkerrechts zu sorgen, sind die Staaten auch im Rahmen von UN-kommandierten Missionen nicht befreit. So Bothe, Peacekeeping and International Humanitarian Law, 94; Zwanenburg, Human Rights and International Obligations for UN Peace Forces, 234 f.; Greenwood, United Nations Military Operations, 17; Kelly, Restoring and Maintaining Order, 177; Roberts, Military occupation, 290. 30 Das hat schon das Niirnberg Tribunal 1946 bestatigt: 41 AJIL 1(1947), 172, 248 f. Schindler, United Nations Forces, 527; Green, The contemporary law of armed conflict, 3; Greenwood, in: Fleck, Handbuch, Rdnr. 125.
31 UNSG-Report, 3.5.1993, 5125704, para. 35. Gill, Limitations on the Power of the Security Council, 83, Fn.125. Kelly, Restoring and Maintaining
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Rechtlicher Rahmen der Errichtung und Sicherung von UN -Schutzzonen
Generalsekretar erklarten "principles and spirit", an die sich die UN gebunden fuhlen. 32 Damit ist zumindest eine Bindung einer UNSchutzzonenmacht an die gewohnheitsrechtlichen Regelungen des Besatzungsrechts unstreitig, deren Inhalt in der Haager Landkriegsordnung sowie der Vierten Genfer Konvention niedergelegt ist. 33
(2) Bindung der Mitgliedstaaten an humanitares Volkerrecht Ermachtigen die UN die Mitgliedstaaten zur Sicherung der Schutz zone und fuhren sie diese Aufgabe durch eine militarische Einheit unter nationalem Kommando durch, sind die Mitgliedstaaten insoweit an die ratifizierten Vertrage des humanitaren Volkerrechts bzw. die darin enthaltenen gewohnheitsrechtlichen Normen gebunden. Allein die Tatsache, da6 die Mitgliedstaaten aufgrund einer Ermachtigung der UN praktisch legitimiert tatig werden, kann sie von dieser Bindung nicht befreien. Denn die UN-Charta sieht nicht vor, da6 Mitgliedstaaten bei yom UNSicherheitsrat autorisierten Aktionen von den eigenen Verpflichtungen aus volkerrechtlichen Vertragen befreit sind; vielmehr bekennt sie sich sogar wie dargelegt zur Forderung der Menschenrechte und humanitarer Werte. Auch Art. 103 UNC kann nicht gegen eine vertragliche Verpflichtung der Mitgliedstaaten angefuhrt werden, da diese Regelung zwar den Vorrang der Charta-Verpflichtungen vor vertraglichen Bindungen festschreibt, jedoch nur fur den Kollisionsfall gilt, der bei der reinen Ermachtigung zum Tatigwerden noch nicht gegeben ist. 34 Peace, 156 ff., 178; Zwanenburg, Human Rights and International Humanitarian Law Obligations for UN Peace Forces, 235; Greenwood, United Nations Military Operations, 16 f.; mit einer Liste der gewohnheitsrechtlichen Regeln: Meron, Human Rights, 47. 32 Dort ist vor allem der Schutz der Zivilbevolkerung als ein fundamentales Prinzip genannt: Sec. 5 des Secretary-General's Bulletin, ST/SGB/1999/13; dazu auch: BothelDorschel, in Fleck, Visiting Forces, 501. Ahnlich wurde das friihere Bekenntnis der UN zu den "principles" des humanitaren Volkerrechts ausgelegt: Schindler, United Nations Forces, 527; Seyersted, United Nations Forces, 187. 33 So: Kelly, Restoring and Maintaining Peace, 178; Zwanenburg, Human Rights and International Humanitarian Law Obligations for UN Peace Forces, 235; Stahn, International Territorial Administration, 139; Greenwood, United Nations Military Operations, 16 f.; Roberts, Military Occupation, 289 ff. Weitergehend sogar: Dinstein, War, Aggression and Self-Defense, 162. 34
Flory, in: Cot/Pellet, 1374.
4. Kapitel: Befugnisse und Pflichten
117
Da fast aIle Staaten Vertragspartei der Haager Landkriegsordnung und Genfer Konventionen sind 35 und in jedem Fall den dort enthaltenen gewohnheitsrechtlichen Regelungen verpflichtet sind, ist eine aufgrund des UN-Sicherheitsrats ermachtigte mitgliedstaatliche Schutzzonenmacht entweder direkt an die Vorschriften des humanitaren Volkerrechts oder zumindest an ihren gewohnheitsrechtlichen Gehalt gebunden.
(3) Zwischenergebnis Anwendbarkeit ratione personae
Damit ist grundsatzlich die Anwendung der in der Haager Landkriegsordnung und der Vierten Genfer Konvention verankerten besatzungsrechtlichen Regeln sowohl auf eine von den UN als auch eine von den Mitgliedstaaten kommandierte Schutzzonentruppe moglich - sei es auf vertraglicher oder gewohnheitsrechtlicher Grundlage. Zu prufen bleibt jedoch, ob die besatzungsrechtlichen Regelungen auch im FaIle von Schutzzonen sachlich einschlagig sind und damit Verwaltungsbefugnisse oder auch -pflichten der Schutzzonenmacht statuieren konnen.
b) Anwendbarkeit ratione materiae Die Anwendung der humanitaren Regeln uber die Besetzung ist sowohl wahrend eines international en bewaffneten Konflikts eroffnet als auch schon bei jeder vollstandigen oder teilweisen Besetzung des Gebiets einer Vertragspartei ohne bewaffneten Widerstand. 36 Die Regelungen sind also nicht nur auf die kriegerische, sondern auch die friedliche Besetzung vor, nach oder auBerhalb einer bewaffneten Auseinandersetzung anwendbar.37 Voraussetzung fur die Anwendung der besatzungsrechtlichen Vorschriften ist allein, daB die Schutzzone als vollstandige oder teilweise Besetzung des Gebiets einer Vertragspartei zu beurteilen ist, sei es innerhalb einer bewaffneten Auseinandersetzung oder friedlich.
35 Vgl. Greenwood, in: Gasser, Rdnr. 125. 36 Wiihrend eines bewaffneten Konfliktes ergibt sich die Anwendbarkeit aus Art. 2 (1) GK IV ansonsten aus Art. 2 (3) GK IV. Vgl. Pictet, Commentaire IV, 27. Greenwood, in: Fleck, Handbuch, Rdnr. 202. 37 Pictet, Commentaire IV, 26 f. Rapport sur les travaux de la Conference d'experts gouvernementaux pour l'etude des Conventions protegeant les victimes de fa guerre, Geneve 1947, 287; vgl. Roberts, Military Occupation, 260 ff.; Kelly,
Restoring and Maintaining Order, 178.
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Rechtlicher Rahmen der Errichtung und Sicherung von UN -Schutzzonen
(1) Besetztes Gebiet gema£ Art. 42 (1) LKO Gema£ Art. 42 (1) LKO gilt ein Gebiet als besetzt, "wenn es sich tatsachlich in der Gewalt des feindlichen Heeres befindet". Ais tatsachliche Gewalt wird die faktische physische und ausschliemiche Kontrolle iiber die Bevolkerung und das Gebiet verstanden; eine formelle Besetzungserklarung reicht weder aus, noch ist sie erforderlich. 38 Entscheidend ist die reine de-facto-Gewalt iiber die Bevolkerung, die de-iureGewalt in Form der Souveranitat verbleibt beim besetzten Staat.39 Da eine Besetzung also keine Ausiibung von Souveranitatsrechten verlangt, sondern bereits die faktische Gewalt iiber ein Gebiet ausreicht, konnen grundsatzlich nicht nur Staaten sondern auch internationale Organisationen eine Besetzung vornehmen, wenn sie, wie die UN, Organe kreieren konnen, die die tatsachliche Gewalt iibernehmen konnen. 40 Damit kann grundsatzlich auch eine von den UN kommandierte Truppe das Schutzzonengebiet besetzen. Allerdings konnte eine Besetzung durch eine Schutzzonenmacht wegen ihrer Autorisierung und damit Legitimation durch den UN-Sicherheitsrat zweifelhaft sein. Denn die Einnahme und mogliche Kontrolle des Schutzzonengebiets dient der Friedenssicherung und der Sicherung humanitarer Rechte der Bevolkerung, hingegen stellt die Besetzung ein Instrument des ius in bello dar. Die Besetzung setzt iedoch wie das gesamte humanitare Volkerrecht keine besondere kriegerische Motivation voraus,41 vielmehr sind sogar humanitare Absichten einer Besetzung wie der Schutz der Bevolkerung vor internen Auseinandersetzungen oder fremden Angriffen anerkannte Ziele. 42 Deswegen kann grundsatzlich auch eine von der UN autorisierte Truppe eine Besetzung vornehmen, soUte sie die einzig effektive Macht im Gebiet verkorpern. 43 38 Kelly, Responsibility for Public Security in Peace Operations, 154; Roberts, Military Occupation, 257.
39 Vgl. Bothe, in: Bernhardt, EPIL III, 765; Gasser, in: Fleck, Handbuch, Rdnr. 525; Greenspan, The Modern Law of Land Warfare, 217.
40 Bei den UN zeigt im Dbrigen schon die Moglichkeit einer Treuhandverwaitung, daB sie eine gewisse Herrschaft uber ein bestimmtes Gebiet ubernehmen konnen. Kelly bezeichnet die Besetzung auch als De-facto-Treuhand: Kelly, Restoring and Maintaining Order, 173, Fn. 103.
41 Siehe oben l.3.b)(1); Gasser, in: Fleck, Handbuch, Rdnr. 528. 42
Roberts, Military Occupation, 300.
43 So vor aHem fur Peace Enforcement-Truppen: Bothe, in: Bernhardt, EPIL III, 768; Roberts, Military Occupation, 289; Kelly, Restoring and Maintaining
4. Kapitel: Befugnisse und Pflichten
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Entscheidend fur die Beurteilung der Schutzzonensituation ist also, ob eine Schutzzonentruppe die tatsachliche Gewalt uber das Schutzzonengebiet ausubt.
(2) Tatsachliche Gewalt Fur die tatsachliche Gewalt uber ein Gebiet i.S.d. Besetzung reicht bereits die potentielle Fahigkeit der eindringenden Armeen aus, das Gebiet zu kontrollieren, und die Unfahigkeit der nationalen Regierung, ihre RegeIn im gleichen Gebiet ohne deren Zustimmung durchzusetzen. 44 Da die Besatzungsmacht fur das Wohlergehen der Bevolkerung zu sorgen hat,45 muB ihr zumindest eine so weitgehende physische Kontrolle des Gebiets moglich sein, daB sie dieser Verantwortung gerecht werden kann. 46 Dazu ist zwar die Einrichtung einer Militarverwaltung nicht notwendig, jedoch reicht auch die alleinige Lufthoheit nicht fur eine Besetzung aus. 47 Genausowenig genugt weder die reine Invasion eines Gebiets ohne Konsolidierung einer Gewaltposition48 noch eine durch vorherige Vereinbarung mit dem Gaststaat sanktionierte Kontrolle durch eine miIitarische Macht. 49 Hinsichtlich einer etwaigen Besetzung des Schutzzonengebiets durch die Schutzzonenmacht ist aufgrund ihrer unterschiedlichen Zwangsbefugnisse und -mittel zwischen der Sicherung und Organisation der Schutzzone durch eine Peace-Enforcement-Truppe und jener durch eine Peace-Keeping-Truppe zu unterscheiden.
Order, 178; derselbe, Responsibility for Public Security in Peace Operations, 155; Oswald, Places of Protection, 1028; Bowett, United Nations Forces, 490; Seyersted, United Nations Forces, 190ff., 321 ff. 44 Benvenisti, Occupation, 182; v. Glahn, Occupation, 28 ff. 45 Vg.I A rt. 43 LK0 . 46 Gasser, in: Fleck, Handbuch, Rdnr. 527. Zu den konkreten Verantwortlichkeiten: Bothe, in: Bernhardt, EPIL III, 765. 47 Gasser, in: Fleck, Handbuch, Rdnr. 527; A.A. v. Glahn, Occupation, 28 f., der jedoch auf die praktischen Ausfiihrungsprobleme hinweist. 48 V. Glahn, Occupation, 28; Schwarzenberger, International Law II, 174. 49 Bothe, in: Bernhardt, EPIL III, 767; Roberts, Military Occupation, 298. A.A. Debbasch, L'Occupation militaire, 2 f.
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(3) Sicherung der Schutz zone durch Peace-Enforcement-Truppe Sind im Schutzzonengebiet staatliche Strukturen teilweise oder vollstandig zusammengebrochen, weil der Staat entweder den Schutz und die humanitare Hilfe der Bev6lkerung in diesem Gebiet nicht mehr sicherstellen kann ("failed state,,)50 oder nicht will, weil er etwa die Vertreibung der dort lebenden Bev6lkerungsgruppe anstrebt, kann die Errich tung und Sicherung einer Schutz zone nur ohne oder sogar gegen den Willen des Gaststaats durch unmittelbaren militarischen Zwang erfolgen. Sie erfordert dann nicht nur die reine Invasion des Gebietes, sondern auch dariiber hinaus eine gewisse tatsachliche Kontrolle der Schutzzonenmacht, urn die fur den Schutz erforderlichen Bedingungen in dem Gebiet, z.B. das Ftlllktionieren der 6ffentlichen Ordnung oder die Einstellung militarischer Handlungen,51 sicherstellen zu k6nnen. Es ist also eine Konsolidierung der Gewalt im Schutzzonengebiet unter gleichzeitiger Einschrankung der hoheitlichen Befugnisse der Gastregierung erforderlich. 52 Soweit die Schutzzonentruppe also nicht nur zur Invasion des Schutzzonengebiets sondern auch zur tatsachlichen Kontrolle desselben mandatiert ist und sie diese Kontrolle ausubt, ist eine Besetzung anzunehmen. 53 Dabei wird die Besetzung des Schutzzonengebiets hicht bereits durch sporadische Angriffe von Dritten oder dem Gaststaat auf die Schutzzone verhindert. Denn fur die tatsachliche Kontrolle eines Gebiets sind Angriffe solange unerheblich, wie sie nicht uber sporadische 50 Bothe nimmt regelmaBig in den Fallen des "failed state" eine Besetzung an, wenn Mitgliedstaaten vom UN-Sicherheitsrat unter Kapitel VII zur zwangsweisen Wiederherstellung der offentlichen Ordnung oder zur Achtung der Menschenrechte autorisiert werden, wie es in Somalia 1992 und Ruanda S/RES/929, 22.6.1994 der Fall war. Vgl. Bothe, in: Bernhardt, EPIL III, 768. 51 So war man sich vor der Errichtung der safe areas in Bosnien auch einig, daB sie eine gewisse Kontrolle iiber die lokale Verwaltung erforderten. The Fall of Srebrenica, para. 50, jedoch wurde dies nicht umgesetzt. 52 Dziedzic, Protection for Humanitarian Relief Operations, 3; Fink bewertet die Schutzzonen als Zonen, "die der Ausiibung nationaler Hoheitsgewalt entweder iiberhaupt nicht mehr oder nur noch in sehr begrenztem Umfang offenstehen sollen.", Fink, Friedenssicherung, II, 785.
53 Zur Moglichkeit, daB Schutzzonen eine Besatzungszone darstellen konnen: Kelly, Restoring and Maintaining Order, 178; derselbe, Responsibility for Public Security in Peace Operations, 155; Oswald, Places of Protection, 1028. Zur allgemeinen Besetzungsmoglichkeit durch Peace-Enforcement-Truppen: Bothe, in: Bernhardt, EPIL III, 768; Roberts, Military Occupation, 289.
4. Kapitel: Befugnisse und Pflichten
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Schlage hinausgehen und die faktische Herrschaft der Truppe in dem Gebiet nicht beeintrachtigen. 54 Erst wenn das der Fall ist, gilt die Besetzung man gels faktischer Kontrolle als beendet. Dementsprechend wurde in der Vergangenheit eine Besetzung des Schutzzonengebiets durch die vom Sicherheitsrat autorisierte Militarkoalitionen der Operation Turquoise in Ruanda sowie fur die ohne UN-Autorisierung erfolgte Operation Provide Comfort im Irak angenommen;55 in beiden Fallen ubte jeweils die am Boden eingesetzte Militarkoalition trotz etwaigem Widerstand von auBen die vollstandige faktische Kontrolle uber das Schutzzonengebiet aus.
(4) Sicherung der Schutz zone durch Peace-Keeping-Truppe
Wird die Sicherung der Schutzzone wie in Bosnien einer unter Kapitel VII UNC autorisierten Peace-Keeping-Truppe uberlassen, ist die Gastregierung i.d.R. zwar bereit, aber nicht stark genug, urn ihre Burger zu schutzen und ihnen zu helfen. In diesem Fall schlieBt die grundsatzlich erforderliche Zustimmung des Gaststaats bereits eine Besetzung des Schutzzonengebiets durch die Truppe aus, es handelt sich dann allein urn die auf einer Vereinbarung beruhende Stationierung von Truppen auf fremdem Territorium. 56 Zwar wird auch dies vereinzelt als eine Besetzung anerkannt,57 jedoch erfordert eine Besetzung die tatsachliche Kontrolle eines Gebiets ohne oder gegen den Willen des besetzten Staates und ist damit bei der reinen Stationierung abzulehnen. Eine Besetzung durch eine Peace-Keeping-Truppe scheitert meist aber auch schon daran, daB ihr vom Gaststaat nicht die vollstandige Kontrolle uber das Gebiet ubertragen wird. 58
54
V. Glahn, Occupation, 29.
55 Siehe oben 1. Kapitel, II.1.b), II.3.b). So auch: Tharoorl Johnstone, The Humanitarian Security Dilemma in International Peacekeeping, 13; Kelly, Responsibility for Public Security in Peace Operations, 155; zu Ruanda: Bothe, in: Bernhardt, EPIL III, 768; zum Irak: Benvenisti, Occupation, 181 f.; a.A. fur Ruanda: Oswald, Places of Protection, 1032. 56 So allgemein fur Peace-Keeping-Truppen: Roberts, Military Occupation, 298, 300 f. i.E. so: Gasser, Anwendbarkeit des Humanitaren Volkerrechts, 467. 57
Debbasch, L'occupation militaire, 2 f.
58 Zu den regelmaBig bei einer Peace-Keeping-Truppe begrenzten Befugnissen hinsichtlich der Aufrechterhaltung der offentlichen Ordnung: Roberts, Military Occupation, 298. Siehe auch oben, 1.1.
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Rechtlicher Rahmen der Errichtung und Sicherung von UN-Schutzzonen
(a) Uber Zustimmunghinausgehende Gewalt der Peace-Keeping-Truppe Eine Anwendung der besatzungsrechtlichen Befugnisse auf die Schutzzonenmacht wird jedoch fur soIehe Falle befurwortet, da die Gastregierung ihre Gewalt vollstandig oder zumindest im Schutzzonengebiet nicht mehr ausuben kann (partially 'failed state') und die Truppe vor Ort bleibt und uber die ursprungliche Vereinbarung hinausgehende Offentliche Gewalt wahrnimmt, urn sich selbst oder die Bevolkerung zu schutzen und die offentliche Ordnung aufrecht zu erhalten. 59 Insoweit konnte fur die Peace-Keeping-Truppe UNPROFOR in den bosnischen safe areas eine Besetzung in Betracht kommen, soweit sie dort uber das ursprungliche SOFA mit der bosnischen Regierung hinausgehende Befugnisse wahrgenommen hat. 60 Roberts hat auf der Grundlage der verschiedenen Formen der Besetzung in der Vergangenheit vier Voraussetzungen zusammengetragen, die auf die Existenz einer Besetzung hinweisen oder zumindest die Notwendigkeit einer Anwendung des Besatzungsrechts empfehlen sollen:
Eine militarische Gewalt mu6 sich entweder ohne wirksame Vereinbarung in einem Gebiet aufhalten oder ihr Kontakt mit der Bevolkerung mu6 uber die Regelungen einer bestehenden Vereinbarung hinausgehen, die milirarische Macht mu6 das System der offentlichen Ordnung und Regierung ersetzen oder anderweitig durch ihre physische Macht zeigen, dieses System ersetzen zu konnen, 59 Ahnlich zeigte sich die Situation bei der UN -Operation im Kongo 196064, wo sie aufgrund der politischen Entwicklung in die internen Verwaltungsangelegenheiten eingriff und damit iiber das urspriinglich mit der Regierung Vereinbarte hinausging. Vgl. dazu Roberts, Military Occupation, 289 ff. Allgemein zur Besetzung durch Peace-Keeping-Truppen: Roberts, ibid., 289 ff., 298; Kelly, Restoring and Maintaining Order, 178; Bowett, United Nations Forces, 490, der auch auf Empfehlungen nach Art. 39 oder Uniting for Peace Resolutions beruhende MaBnahmen bei Vorliegen einer effektiven Kontrolle dem Regime des Besatzungsrechts unterwerfen will. A.A. Gasser, Anwendbarkeit des Humanitaren Volkerrechts, 467 f., der allein eine Orientierung an den besatzungsrechtlichen Normen befiirwortet. Greenwood, United Nations Military Operations, 30. 60 Vgl. zur fehlenden ausdriicklichen Zustimmung der bosnischen Regierung zum safe area Einsatz UNPROFORs: Gray, Host State Consent, 252 ff., 256; siehe oben 1. Kapitel, II.2.b).
4. Kapitel: Befugnisse und Pflichten
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Nationalitat sowie Interesse der Bevolkerung und der intervenierenden Militarmacht mussen sich unterscheiden, wobei die Bevolkerung letzterer keine Loyalitat schuldet und dies muB in einer Situation passieren, da wichtige Elemente der nationalen und internationalen Ordnung verletzt sind und Verwaltung sowie Leben der Gesellschaft auf einer rechtlichen Grundlage fortdauern mussen und eine praktische Notwendigkeit fur Notstandsregeln besteht, um die Gefahr, die aus Spannungen zwischen der Bevolkerung und der militarischen Gewalt resultieren konnen, zu verringern. 61 Vnter diese Kriterien fallt auch der Fall, daB eine Peace-KeepingTruppe in der Schutz zone uber die ursprungliche Vereinbarung mit dem Gaststaat hinaus (1) administrative Befugnisse wahrnimmt (2), die Interessen und die Nationalitat der Bevolkerung sich von jener der Schutzzonenmacht unterscheiden (3) und der Gaststaat zumindest teilweise zusammengebrochen ist (4). Einer Anwendung der besatzungsrechtlichen Regelungen fur diesen Fall ist auch zuzustimmen, da das Handeln der Peace-Keeping-Truppe unabhangig von der Zustimmung des Gaststaats ist und sie zumindest dann, wenn ihr im Mandat die ausreichenden Mittel gegeben sind, auch die fur eine Besetzung erforderliche tatsachliche Gewalt uber das Gebiet ausubt. Soweit der Schutzzonentruppe also im Mandat keine besonderen administrativen Befugnisse eingeraumt sind, konnen ihr in diesem Fall aufgrund der besatzungsrechtlichen Vorschriften besondere Verwaltungsbefugnisse und -pflichten in der Schutz zone zukommen. Insoweit kommt es auch nicht darauf an, ob die Peace-Keeping-Truppe sich an den Feindseligkeiten beteiligt und als Konfliktpartei i.S.d. humanitaren Volkerrechts auftritt,62 da die Regelungen des Besatzungsrechts bereits ohne das Vorliegen bewaffneter Auseinandersetzungen bei der widerstandslosen friedlichen
61 Roberts, Military Occupation, 300 f., so auch der Israelische Supreme Court zur Israelischen Anwesenheit im Libanon, Tsemel et at. v. Minister of Defence et at., 37 (3) Piskei-Din 365, 373 (1983): "If the military force gained effective and practical control over a certain area, it is immaterial that its presence in the territory is limited in time or that the intention is to maintain only temporary military control."
62 So aber Greenwood, United Nations Military Operations, 30; Gasser, Die Anwendbarkeit des Humanitaren Volkerrechts, 467 f., der aber dennoch eine Orientierung an den Vorschriften zum Schutz der Zivilbevolkerung aus der Vierten Genfer Konvention empfiehlt; Seyersted, United Nations Forces, 210.
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Rechtlicher Rahmen der Errichtung und Sicherung von UN -Schutzzonen
Besetzung Anwendung finden; entscheidend ist allein die faktische Kontrolle iiber das Gebiet. 63 UNPROFOR hat in den safe areas zwar Befugnisse wahrgenommen, die nicht vom urspriinglichen SOFA mit der bosnischen Regierung gedeckt waren, jedoch konnte sie sich insoweit auf ihr Mandat oder zumindest die konkludente Zustimmung der bosnischen Regierung berufen. 64 Obwohl offentliche Ordnung und Infrastruktur in den Schutzzonen teilweise fast vollstandig zusammengebrochen waren,65 nahm UNPROFOR dariiber hinaus keine Befugnisse wahr, fiir die eine Heranziehung der besatzungsrechtlichen Vorschriften in Betracht kame. Dazu fehlten UNPROFOR zudem die entsprechenden Zwangsmittel und -befugnisse, urn die zur Besetzung erforderliche tatsachliche Gewalt iiber die safe areas auszuiiben. Insoweit konnte ihr aufgrund der restriktiven Handhabung und des schwierigen Abstimmungsprozesses auch die Luftunterstiitzung durch die Mitgliedsstaaten nicht zur tatsachlichen Gewalt verhelfen. 66 (b) Dbertragung vollstandiger Kontrolle SchlieBlich wollen manche Autoren dann, wenn einer Peace-KeepingTruppe weitgehende Befugnisse im Rahmen der offentlichen Ordnung iibertragen werden, eine Orientierungs- und Leitlinienfunktion des Besatzungsrechts annehmen,67 oder erganzend die gewohnheitsrechtlichen 63 Siehe oben l.3.b). So auch: Cartledge, Legal Constraints on Military Personnel Deployed on Peacekeeping Operations, 127 f.; Kelly, Restoring and Maintaining Order, 178; offen: Oswald, Places of Protection, 1030. 64 Siehe oben 1.1. So beispielsweise fur den Minenunterricht oder den Aufbau von Schulen. Zu dies en Aufgaben vgl. Honig/Both, Srebrenica, 132; ahnlich auch Oswald, Places of Protection, 1031. 65 Dies galt vor aHem fur die safe area Srebrenica: UNSG-Report, S/19941291, 11.3.1994, para. 17. 66 Siehe zur restriktiven Handhabung und dem schwierigen Abstimmungsprozeg oben 1. Kapitel, II.2.b). 67 Gasser, Die Anwendbarkeit des Humanitaren Volkerrechts, 467 f.; Oswald, Places of Protection, 1029 ff.; so wohl auch: Bothe, 786, in: Bernhardt, EPIL III, 768, der jedoch der Vereinbarung Vorrang gibt; unklar Roberts, Military Occupation, 291, der von "some kind of occupation by consent" spricht, aber nicht deutlich macht, ob das Besatzungsrecht hier analog herangezogen werden solI. Zu einer DarsteHung des Meinungsstandes: Irmscher, Legal Framework, 382. A.A. Greenwood, United Nations Military Operations, 30.
4. Kapitel: Befugnisse und Pflichten
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Regelungen der friedlichen Besetzung eingreifen lassen, die inhaltlich jenen der kriegerischen Besetzung gleichkommen. 68 Grundsatzlich ist in dies em Fall eine Orientierung an den besatzungsrechtlichen Vorschriften jedoch gar nicht erforderlich, weil die Befugnisse der Truppe i.d.R. bereits ausfuhrlich in der Vereinbarung mit dem Gaststaat niedergelegt sind. 69 Eine analoge Heranziehung des Besatzungsrechts fur die Befugnisse der Schutzzonenmacht konnte jedoch insoweit erfolgen, als die Vereinbarung mit dem Gaststaat einen schwacheren Schutz· der Bevolkerung oder Lucken aufweist, die nicht durch das Mandat erganzt werden konnen. Fur letzteren Fall spricht vor aHem der Gedanke der Art. 7 und 47 GK IV, nach dem sich besondere Vereinbarungen mit der Besatzungsmacht nicht nachteilig auf die Rechte der Bevolkerung auswirken durfen. 70 Aber auch ansonsten legt die vergleichbare Interessenlage eine Orientierung an den besatzungsrechtlichen Regelungen in dem Fall nahe. Denn sie sind als grundlegende allgemeine Regeln fur den Schutz der Zivilbevolkerung vor einer fremden sie beherrschenden militarischen Macht zu begreifen und mussen deswegen als Mindeststandard unabhangig davon Beachtung finden, ob die Situation von den Parteien als Besetzung ausgestaltet wurde oder nicht. 71
68 Kelly, Restoring and Maintaining Order, 178; zu einer Darstellung der gewohnheitsrechtlichen Regelungen der friedlichen Besetzung: derselbe, NonBelligerent Occupation, 17 ff. Die Grundsatze erfassen vor aHem das Gebot, daB die Operation darauf ausgerichtet sein muB, die urspriingliche Gewalt des Souverans und die zivile Ordnung wiederherzustellen, die Sicherheit der Burger zu bewahren, nur die fur die Sicherheit notwendigen Eingriffe vorzunehmen sowie Frieden und Ordnung zu schaffen. Dabei steht der Besatzungsmacht auch das Recht zu, MaBnahmen fur die eigene Sicherheit zu schaffen.
69 Allgemein fur Peace-Keeping-Truppen: Bothe, in: Bernhardt, EPIL III, 768; Irmscher, Legal Framework, 383; siehe auch oben I.l. 70 So Roberts, Military Occupation, 279. Vereinbarungen in Art. 7 und 47 GK IV konnen vor und wiihrend des Konflikts abgeschlossen werden. Vgl. Pictet, Commentaire, IV, 67 f., 274 f.
71 Fur ein weites Verstiindnis fur das Kriterium "im Machtbereich einer am Konflikt beteiligten Partei": Pictet, Commentaire IV, 53, 57; Parkerson, US Compliance with Humanitarian Law, 71 ff. Roberts, Military Occupation, 279. Auch in der Vergagenheit pliidierten Gerichte fur eine a fortiori Anwendung der besatzungsrechtlichen Regelungen im Fall vertraglich geregelter Verhiiltnisse. Dazu: Roberts, Military Occupation, 278 mit weiteren Nachweisen in Fn. 110.
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Soweit also der Schutzzonenmacht vom Gaststaat die tatsachliche Kontrolle uber die Schutz zone ubertragen ist, die Pflichten der Schutzzonenmacht gegenuber der Bevolkerung aher nicht ausreichend durch ihr Mandat und die Vereinbarung mit dem Gaststaat geklart sind, ist eine analoge Anwendung der besatzungsrechtlichen Vorschriften denkbar.
(5) Zwischenergebnis Damit wird die Sicherung der Schutzzone durch eine unter Kapitel VII UNC autorisierte Peace-Enforcement-Truppe regelmaBig und durch eine nach Kapitel VII UNC autorisierte Peace~Keeping-Truppe zumindest dann eine Besetzung des Schutzzonengebiets darstellen, wenn die Zentralregierung zusammenbricht und die Schutzzonentruppe vor Ort bleibt, urn auch die offentliche Ordnung wieder herzustellen. Halt die Peace-Keeping-Truppe sich hingegen im Rahmen der Vereinbarung mit dem Gaststaat, die ihm die vollstandige Kontrolle des Gebiets ubertragt, konnen die im Besatzungsrecht geregelten Befugnisse und Pflichten fur die Schutzzonenmacht nur soweit analoge Anwendung finden, wie die Vereinbarung mit dem Gaststaat Lucken aufweist oder der Bevolkerung weniger Rechte gewahrt. Die Schutzzonentruppe ist dann aus den besatzungsrechtlichen Regelungen vor all em zur Aufrechterhaltung der offentlichen Ordnung in der Schutz zone verpflichtet und kann dazu vorubergehend verschiedenste administrative Befugnisse wie die Ausfiihrung von Gesetzen und ihre Durchsetzung vor Gerichten wahrnehmen.
c) Modifizierung der Befugnisse und Pflichten fur UN-autorisierte Truppen Es schlieBt sich die Frage an, ob die besatzungsrechtliche Pflicht zur Aufrechterhaltung der offentlichen Ordnung und die daraus folgenden Befugnisse zur vorubergehenden Verwaltung des besetzten Gebiets fur eine UN -autorisierte Schutzzonentruppe nicht modifiziert werden mussen, weil sie keine militarischen Ziele sondern die Friedenssicherung anstrebt.
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(1) Weitergehende Pflichten bei einer von den UN autorisierten Besetzung Grundsatzlich ist eine Besatzungsmacht nicht verpflichtet, die Besetzung aufrecht zu erhalten, sie kann sie zu jedem Zeitpunkt beenden.72 Fur eine UN-autorisierte Truppe als Besatzungsmacht wird mit Verweis auf ihre humanitare Zielsetzung aber vertreten, dag sich die besatzungsrechtIiche Pflicht zur Wiederherstellung und Aufrechterhaltung der Offentlichen Ordnung zu einer absoluten Erfolgspflicht wandIe: bevor die offentliche Ordnung nicht wieder hergestellt ist, durfte sie das besetzte Gebiet nicht verlassen. 73 Unbestritten kann sich eine soIehe "Rehabilitationspflicht" im besetzten Gebiet aus dem Mandat der Schutzzonentruppe ergeben, jedoch erscheint daneben kein Raum fur eine entsprechende Modifizierung der besatzungsrechtlichen Regelungen. Das Besatzungsrecht kann UNTruppen nur die gleichen Pflichten auferlegen wie anderen Truppen. Denn die humanitare Zielsetzung der Schutzzonenoperation ist fur die Frage der Besetzung unerheblich,74 so dag sie auch nicht im Nachhinein eine Ausweitung der besatzungsrechtlichen Pflichten rechtfertigen kann. Auch nach Sinn und Zweck des Besatzungsrechts erscheint eine soIehe Modifikation der Verpflichtung nicht sachgerecht. Dieses soIl dem Umstand Rechnung tragen, dagder Gaststaat aufgrund von Feindseligkeiten nicht mehr die vollstandige Kontrolle uber seine Bevolkerung ausuben kann, und ubertragt deswegen dessen Verpflichtung auf die Besatzungsmacht. Dieser sollen damit aber nicht mehr und nicht weniger Pflichten auferlegt werden, als sie fur den Gaststaat selbst bestunden. Insoweit besteht also ebenfalls kein Grund fur eine Ausweitung der Schutzpflicht aufgrund der besonderen Motivation der Besetzung bei einer Schutzzonenoperation. Schliemich setzte eine rechtliche Verpflichtung zur Rehabilitierung des besetzten Gebiets die UN auch einem unnotigen Erfolgsdruck aus und schrankte ihre Handlungsbereitschaft zu weit ein. 75 72 Kelly, Restoring and Maintaining Order, 160; ders. Peace Operations, Rdnr. 505; Gasser, in: Fleck, Handbuch, Rdnr. 540; v. Glahn, Occupation, 29.
73 Baxter, Proceedings of the American Society of International Law, 1953, 97; allgemein fur eine weitergehende Pflicht: Draft resolution of the second Francois Committee, 50 Annuaire de l'Institut de droit international, 1963, I,
119.
74 Siehe oben I.3.b)(2). 75 Vgl. Seyersted, United Nations Forces, 283.
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Folglich sind die besatzungsrechtlichen Verpflichtungen bei einer yom UN-Sicherheitsrat autorisierten Besetzung des Schutzzonengebiets nicht zu modifizieren. Eine Schutzzonenmacht ist aus dem Besatzungsrecht wie alle anderen Besatzungsmachte ohne humanitare Zielsetzung allein verpflichtet, wahrend ihrer Anwesenheit fur die Wiederherstellung der offentlichen Ordnung zu sorgen und die Schutzzone zu sichern. Eine weitergehende Pflicht insbesondere zum vollstandigen Wiederaufbau des Schutzzonengebiets kann die Schutzzonenmacht damit nur aus ihrem Mandat treffen.
(2) Weitergehende Befugnisse Weiterhin konnte aber wegen der humanitaren Zielsetzung einer von den UN autorisierten Schutzzonenoperation auch an eine Erweiterung der besatzungsrechtlichen Verwaltungsbefugnisse der Schutzzonenmacht gedacht werden. Vereinzelt werden einer UN-autorisierten Truppe aufgrund ihres Polizei-Charakters oder ihrer besonderen Eingriffsmoglichkeiten durch Art. 41, 42 UNC sowie den korrespondierenden Verpflichtungen des Gaststaats nach Art. 2 (5) UNC weitergehende Verwaltungsbefugnisse eingeraumt. 76 DaB das Besatzungsrecht einer speziellen Regelung durch den UNSicherheitsrat im Rahmen des Kapitel VII UNC zu weichen hat (z.B. einem Statut zur Dbergangsverwaltung), ergibt sich schon aus dem besonderen Charakter von Kapitel VII UNC,77 der nach Art. 2 (7) UNC Eingriffe in die internen Angelegenheiten der Staaten und damit auch die Rechte der Bevolkerung ermoglicht. Insofern kann nicht bestritten werden, daB yom UN -Sicherheitsrat zur Wiederherstellung der internationalen Sicherheit autorisierte Schutzzonentruppen bei einer Besetzung durch eine entsprechende Sicherheitsratsresolution weitergehende Eingriffsbefugnisse in die internen Strukturen des Gaststaats und die Rechte der Bevolkerung und damit eine starkere Beachtung der friedenssichernden Aspekte bei der Abwagung zustehen, als dies im Besatzungsrecht vorgesehen ist.
76 Seyersted, United Nations Forces, 281 ff.;Jessup, A Modern Law of Nations, 217; Bowett, United Nations Forces, 491; allgemein fur weitergehende Rechte bei einer humanitaren Einnahme eines Gebiets: Benvenisti, The International Law of Occupation, 167. 77 1m Ergebnis so auch: Greenwood, United Nations Military Operations, 28. Bothe, in: Bernhardt, EPIL III, 768.
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Jedoch muG neb en diesen besonderen Eingriffsmoglichkeiten in Kapitel VII UNC eine allgemeine Ausweitung der besatzungsrechtlichen Befugnisse fur eine Schutzzonentruppe abgelehnt werden. Das Besatzungsrecht dient insbesondere dem Schutz der Zivilbevolkerung, so daB jede Ausweitung der Verwaltungsbefugnisse der Besatzungsmacht einen starkeren Eingriff gegenuber der Bevolkerung bedeutet. Vor diesem Hintergrund macht es jedoch keinen Sinn, aufgrund der friedenssichernden Mission der Schutzzonentruppe ihr im Rahmen des Besatzungsrechts grundsatzlich weitere Befugnisse einzuraumen. Denn die rechtfertigende Motivation einer Schutzzonentruppe hat allein Auswirkungen auf die RechtmaBigkeit der Gewaltanwendung und Einmischung gegenuber dem Gaststaat, fur die Zivilbevolkerung andern sich die Auswirkungen durch die Autorisierung und unterschiedliche Motivation jedoch nicht. Deswegen bleibt auch die Schutzbedurftigkeit der Zivilbevolkerung vor den Auswirkungen fremder Gewalt mit oder ohne UN-Autorisierung unverandert, so daG UN-autorisierten Truppen aufgrund besatzungsrechtlicher Regelungen gegenuber der Zivilbevolkerung keine weitergehenden Eingriffsbefugnisse zustehen durfen als einer nicht-autorisierten Besatzungsmacht. 78 Aus dem Besatzungsrecht selbst kann die Schutzzonenmacht damit keine weiteren Eingriffsbefugnisse gegenuber der Zivilbevolkerung herleiten. Solche sind nur ausnahmsweise durch eine zusatzliche Autorisierung in einer Resolution nach Kapitel VII UNC moglich.
II. Ergebnis Die Befugnisse und Pflichten einer yom UN-Sicherheitsrat unter Kapitel VII UNC zur Sicherung einer Schutz zone eingesetzten Schutzzonentruppe leiten sich bei einer Peace-Keeping-Truppe vorrangig aus einer eventuellen Vereinbarung mit dem Gaststaat und bei einer PeaceEnforcement-Truppe primar aus ihrem Mandat abo Fehlt aber eine entsprechende Vereinbarung mit dem Gaststaat, ist sie luckenhaft oder autorisiert das Mandat keine speziellen administrativen MaBnahmen, kann die Schutzzonentruppe diese im Rahmen ihrer allgemeinen Ermachtigung zur Friedenssicherung oder ihres Selbstverteidigungsrechts wegen 78 Ahnlich: Seyersted, United Nations Forces, 281 ff.; Bowett, United Nations Forces, 491; Castenberg will aufgrund der Souveranitat des Gaststaats auch ihm gegenuber der UN-Truppe keine besonderen Rechte zugestehen: Castenberg, Annuaire de l'Institut de droit international, 1963 50 II, 336 f.
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Art. 2 (7) UNC nur insoweit vornehmen, als sie zur Verteidigung der Truppe oder zur Nothilfe der Bevolkerung unbedingt notwendig sind. Daruber hinausgehende Verwaltungsbefugnisse und Sicherungspflichten insbesondere zur Aufrechterhaltung der offentlichen Ordnung im Schutzzonengebiet konnen sich allein bei einer entsprechenden Kontrolle uber das Schutzzonengebiet aus den besatzungsrechtlichen Regelungen des humanitaren Volkerrechts ergeben. So leiteten sich die Befugnisse und Pflichten ito Schutzzonengebiet der zu Beginn im Irak und in Ruanda zur Sicherung der Schutzzonen eingesetzten Militarkoalitionen neb en dem etwaigen Mandat aus den besatzungsrechtlichen Reglungen ab. 79 Fur die jeweils nachfolgende UNPeace-Keeping- oder Polizei-Truppe galten die in der Vereinbarung mit den Konfliktparteien festgelegten Rechte und Pflichten. 80 In Bosnien konnte sich die zur Sicherung der Schutzzonen eingesetzte Peace-Keeping-Truppe UNPROFOR fur ihre Befugnisse und Pflichten auf ihr Mandat oder zumindest die konkludente Zustimmung der bosnischen Regierung stutzen. 81 Eine erganzende Anwendung der besatzungsrechtlichen Regelungen war entbehrlich und ware zum anderen an der tatsachlichen Gewalt UNPROFORs im Schutzzonengebiet gescheitert. 82 Der Schutzzonentruppe stehen also bei der Sicherung der Schutzzone in jedem Fall die erforderlichen Befugnisse zur Selbstverteidigung und Nothilfe gegenuber der Bevolkerung zu. Zusatzlich kann sie je nach Mandat, Vereinbarung mit dem Gaststaat und tatsachlicher Kontrolle tiber das Schutzzonengebiet Verwaltungsbefugnisse wahrnehmen. Bei einer Besetzung des Schutzzonengebiets kann sie sogar eine Pflicht zur Aufrechterhaltung der offentlichen Ordnung treffen. Zur Rechtssicherheit und Deutlichkeit der Verantwortungsverteilung in der Schutzzone sollten die fur die Schutzzonentruppe jeweils geltenden Sicherungs-, Verwaltungsbefugnisse und etwaigen -pflichten ausdrucklich im Mandat oder einer Vereinbarung mit dem Gaststaat benannt werden.
79
Siehe oben I.3.b)(3).
80
81
Siehe oben I.3.b)(4). Siehe oben I.3.b)(4)(a).
82
Siehe oben I.3.b)(4)(a).
Dritter Teil Gewahrung Jundamentaler Rechte in der Schutzzone "( ... ) surrounded by enemy forces, without basic shelter, medical assistance or infrastructure, isolated and living under sporadic shelling or sniper fire, these areas are becoming more and more like detention centres, administered by the UN and assisted by UNHCR". So beschrieb 1994 der damalige UNHCR-Chef der Bosnien-Mission die Bedingungen in der safe area Srebrenica. 1 Aufgrund cler anhaltenden Blockade von Strom-, Wasser-, humanitarer und medizinischer Giiter durch die serbische Konfliktpartei konnte in der Schutzzone die elementare Versorgung nicht mehr gewahrleistet werden; unzureichende hygienische und sanitare Bedingungen sowie die Dberfiillung der Gebiete fiihrten zu Krankheiten und unmenschlichen Verhaltnissen in der Schutzzone. 2 Auch die Flucht der Bevolkerung aus dem Schutzzonengebiet war nur schwer moglich. Nach der Einnahme der Schutzzone durch die Serben kamen bei MassenerschieBungen zudem 7.000 - 8000 urspriinglich von den UN geschiitzte Muslime - iiberwiegend wehrfahige Manner - urns Leben und zahlreiche Personen wurden miBhandelt, vergewaltigt und deportiert. 3 Angesichts dieser permanenten Verletzung fundamentaler Rechte der Bevolkerung in der von den UN geschiitzten safe area Srebrenica stellt sich die Frage, inwieweit in einer Schutzzone ein menschenrechtlicher Mindeststandard an Schutz, humanitarer Versorgung und Freiheitsrechten gewahrleistet werden muE, welche Verantwortlichkeiten insoweit die Schutzzonenmacht treffen und ob dem UN-Sicherheitsrat als legitimierende Instanz der Schutzzone irgendwelche Pflichten auferlegt sind.
Vgl. UNHCR, The State of The World's Refugees, 1995,129. 2
Vgl. dazu oben 1. Kapitel, IL2.c).
Lupis, Human Rights Abuses in Srebrenica, 71. Daneben kamen insgesamt 50 UNHCR Mitarbeiter urns Leben, mehrere hundert wurden verletzt und 117 UNPROFOR Soldaten starben bei dies en safe area Aktionen. The Fall of Srebrenica, para. 3.
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Gewahrung fundamentaler Rechte in der Schutzzone
Fiinftes Kapitel: Menschenrechtliche Verpflichtungen der Schutzzonenmacht In ihrem Mandat oder einer etwaigen Vereinbarung mit dem Gaststaat wird die Schutzzonentruppe u.a. mit dem Schutz der Bevolkerung und der Unterstiitzung der humanitaren Versorgung beauftragt, jedoch bleiben dort i.d.R. konkrete menschenrechtliche Pflichten vage oder sogar offen. So war UNPROFOR in Bosnien die Unterstiitzung der humanitaren Hilfe, die Verteidigung gegen Angriffe und Eindringlinge, die Einnahme von Beobachtungsposten und die Patrouille der Schutzzonengrenzen iibertragen. 4 Allerdings mandatierte Res. 836 UNPROFOR nicht ausdriicklich zum Schutz der Bevolkerung, sondern nur des Territoriums. 5 Auch zu weitergehenden menschenrechtlichen Pflichten UNPROFORs etwa zur Gewahrung der Bewegungsfreiheit der Bevolkerung, dem AusmaB des physischen Schutzes der Bevolkerung oder beziiglich ihres zu gewahrenden humanitaren und sanitaren Standards enthielten weder das Mandat noch das SOFA eine Aussage. Damit stellt sich die Frage, inwieweit eine Schutzzonenmacht aus allgemeinen volkerrechtlichen Regelungen zur Gewahrung fundamentaler Rechte der Bevolkerung in der Schutzzone verpflichtet ist oder sie sogar positive Schutzpflichten treffen muB, und das Mandat der Schutzzonentruppe insoweit volkerrechtskonform auszulegen ist. 6 Bevor jedoch der konkret in der Schutz zone zu gewahrleistende Mindeststandard an fundamentalen Rechten iiberpriift werden kann, muB zunachst auf die Quellen etwaiger Schutz-, Hilfs- und Rechtsgewahrungspflichten der Schutzzonenmacht eingegangen werden.
4
Siehe zu diesen Befugnissen oben: 4. Kapitel. Rapport D'Information, Srebrenica, 80 f. KlarsteHend: UNSG-Report,
S/1994/555, 9.5.1994, para. 16 ff. 6 Sicherheitsratsresolutionen mussen u.a. in gutem Glauben und chartakonform ausgelegt werden, d.h. vor aHem, dag einer valkerrechtskonformen Lasung Vorzug zu geben ist. Zur Auslegung nach gutem Glauben: Frowein, Unilateral Interpretation of Security Council Resolutions, 99; Wood, Interpretation of Security Council Resolutions, 89. Zu den menschenrechtlichen Verpflichtungen einer UN-Truppe vgl. auch: GenugtenlZegveld, Handhaving van mensenrechten door VN-militairen, 89 ff.
5. Kapitel: Menschenrechtliche Verpflichtungen
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I. Quellen menschenrechtlicher Verpflichtungen der Schutzzonenmacht 1. Bindung der Schutzzonenmacht an das Volkermordverbot
Da Schutzzonen i.d.R. wahrend ethnischer Konflikte errichtet werden, die sich wie in Bosnien und Ruanda durch Volkermord auszeichnen/ konnen sich fur die Schutzzonenmacht vor aHem aus dem Volkermordverbot Schutzverpflichtungen ergeben. Das Volkermordverbot, das seinen Ausdruck in der Volkermordkonvention8 findet, ist als ius-cogensNorm anerkannt 9 und damit sowohl von den Mitgliedstaaten als auch den UN als· Schutzzonenmacht zu achten. 1O Da es nicht nur die Begehung und Teilnahme am Volkermord verbietet, sondern in Art. 1 VMK auch von einer Verpflichtung der Staaten zur Verhinderung und Bestrafung des Volkermords spricht, konnen sich ebenfalls besondere Schutzpflichten der Schutzzonenmacht gegenuber der Bevolkerung ergeben. ll
7 Unabhangig von der Definition des Volkermordes herrschte Einigkeit dariiber, daG in Bosnien durch die serbischen Kampfer und in Ruanda durch die Hutu ein Volkermord begangen wurde. Vg!. Genocide Case, Provisional Measures, IC] Rep. 1993, 3 ff., 325 ff. und der IGH Gericht selbst; zu Ruanda: S/RES/925, 8.6.1994, Praambel; Ruanda-Report, III 5.
Konvention iiber die Verhiitung und Bestrafung des Volkermordes, 9.12.1948, UNTSBd. 78,277. 9 IGH in: Reservations to the Genocide Convention, IC] Rep. 1951,23 und Genocide Case, ICJ Rep. 1993, 348; Art 26 (5) Commentaries to the draft articles on Responsibility of states for internationally wrongful acts adopted by the International Law Commission at its fifty-third session (2001), GAOR, 55 th session, Supp!. No. 10 (A/56/10) chpt. IV.E.2; Brownlie, Principles of Public International Law, 489; Kadelbach, Zwingendes Volkerrecht, 275 f.; Gill, Limitations on the Power of the Security Council, 79; Ragazzi, The Concept of International Obligations Erga Omnes, 94. Vg!. auch Darstellung bei: Starck, UNOWirtschaftssanktionen, 370 f. Die Anerkennung der universalen Gehung des Volkermordverbots zeigt sich auch an Art. 6 Romisches Statut IStGH und den bisherigen Volkermordurteilen des ICTY in Krstic, (IT-98-33-T, 2.8.2001) und ICTR in: Akayesu (ICTR-96-4, 2.9.1998, insbes. para. 16), Kambanda (ICTR97-23,4.9.1998). 10 Siehe zur Bindung der UN an ius cogens oben 3. Kapitel, IV. Art. VIII VMK betrifft allein die Moglichkeit, UN-Organe zu befassen, schlieGt aber eine weitergehende ius-cogens-Bindung der UN nicht aus. Shaw, Genocide, 815, sieht in Art. VIII sogar eine gewisse Verantwortlichkeit der UN.
11
Zum konkreten Inhah der Verpflichtung siehe unten II.
134
Gewahrung fundamentaler Rechte in der Schutzzone
2. Bindung der Schutzzonenmachtan besatzungsrechtliche Sch utzpJlichten
Sofern die Schutzzonenmacht wie die Alliierten zunachst im Irak oder Ruanda das Schutzzonengebiet besetzt halt,t2 ist sie dort zudem an die allgemeine Verpflichtung zu Schonung und Schutz der Zivilpersonen im Konflikt, die in Art. 27 GK IV niedergelegt ist und Teil des zwingenden Volkergewohnheitsrechts bildet,13 gebunden. Diese Verpflichtung regelt den besonderen Schutz und die Rechte geschutzter Personen, die sich in der Gewalt des Gegners befinden und gilt nach Art. 47 GK IV auch fur die Besatzungsmacht. Ihr werden in einer allgemeinen Schon- und Schutzpfliche 4 individualschutzende Garantien fiir die Bevolkerung auferlegt. 15 Diese gelten anders als die allgemeinen Menschenrechte allein gegeniiber der geschiitzten Bevolkerung den Zivilpersonen, nicht jedoch gegeniiber Kombattanten. 16 Die besatzungsrechtliche Schutzverpflichtung wird bei UN -autorisierten Gebietsbesetzungen auch nicht entsprechend des Gedankens in Art. 4 (2) GK IVI7 gegeniiber der Bevolkerung des Gaststaats ausgeschlos-
12
Siehe dazu oben 4. Kapitel, l.3.b)(l).
13
Pictet, Commentaire IV, 215; Gasser, in: Fleck, Handbuch, Rdnr. 502.
14 Art. 27 i.Y.m. Art. 47 GK IV; Art. 27 GK IV lautet: "Die geschiitzten Personen haben unter allen Umstanden Anspruch auf Achtung ihrer Person, ihrer Ehre, ihrer Familienrechte, ihrer religiosen Uberzeugungen und Gepflogenheiten, ihrer Gewohnheiten und Gebrauche. Sie werden jederzeit mit Menschlichkeit behandelt und insbesondere vor Gewalttatigkeiten oder Einschiichterung, vor Beleidigungen und offenlicher Neugier geschiitzt." Ein Mindeststandard ist in Art. 75 ZP. I konkretisiert. 15
Dazu: Gasser, in: Fleck, Handbuch, Rdnr. 524.
16 Vgl. Art. 27 GK IV Fn. 14. Nach Art. 50 (1) ZP I sind Zivilperson i.S.d. humanitaren Volkerrechts, wer nicht den Streitkraften angehort. GemaB Abs. 2 umfaBt die Zivilbevolkerung alle Zivilpersonen und andert nach Abs. 3 ihren Charakter nicht dadurch, daB sich in ihr einzelne Personen befinden, die nicht als Zivilperson anzusehen sind. Damit sind Nationalitat und Vertreibung irrelevant. Sie konnen sich allenfalls auf die spezieHen Rechte auswirken. Z.B. eingeschrankten Schutz genieBen nach Art. 5 GK IV Personen, die bestimmten abtraglichen Tatigkeiten nachgehen oder Auslandern kommen nach Art. 35 ff. GK IV besondere Rechte zu. 17 Art. 4 (2) S.2 GK IV lautet: ,,( ... ) und die Angehorigen eines mitkriegsfiihrenden Staates werden nicht als geschiitzte Personen betrachtet, solange der Staat, dem sie angehoren, eine normale diplomatische Vertretung bei dem Staate unterhalt, in des sen Machtbereich sie sich befinden."
5. Kapitel: Menschenrechtliche Verpflichtungen
135
sen, wei! letzterer etwa noch diplomatische Beziehungen zu den eingreifenden Mitgliedstaaten oder den UN unterhalt. Sinn dieser Regelung ist es, daB Angehorige alliierter Staaten keines besonderen Schutzes bedurfen, wei! dieser durch die diplomatische Vertretung durchgesetzt werden kann. 18 Dieser Gedanke muB grundsatzlich auch gewohnheitsrechtlich fur UN -autorisierte Missionen gel ten. Da aber normale diplomatische Beziehungen dann als abgebrochen anzusehen sind, wenn die Besetzung des Gebiets gegen den Willen des Gaststaats erfolgt,19 greift der Gedanke des Art. 4 (2) GK IV in jedem Fall dann nicht ein, wenn die Schutzzone durch eine Peace-Enforcement-Truppe gegen den Willen des Gaststaats errichtet oder gesichert wird. Aber auch bei einer Besetzung durch eine Peace-Keeping-Truppe, die tiber ihre ursprungliche Vereinbarung hinausgeht und die fur eine Besetzung erforderliche tatsachliche Gewalt in der Schutzzone ubernimmt, fehlen entweder wegen des Zusammenbruchs der Gastregierung diplomatische Beziehungen vollstandig oder sie sind ebenfalls gestort, wei! die Schutzzonenmacht unabhangig yom Willen der Gastregierung tatig wird. Damit steht der Gedanke des Art. 4 (2) GK IV der Anwendung cler besatzungsrechtlichen Regelungen auf das Verhaltnis der Schutzzonenmacht und der dortigen Bevolkerung nicht entgegen. Sofern die Schutzzonenmacht das Schutzzonengebiet also wie die Alliierten in Ruanda und im Nordirak besetzt halt, sind ebenfalls die besatzungsrechtlichen Pflichten zur Gewahrung fundamentaler Rechte der Bevolkerung anwendbar.
3. Bindung der Schutzzonenmacht an die Menschenrechte
Soweit die Schutzzonentruppe wie in Srebrenica mit der Dberwachung der Schutzzonengrenze, dem Schutz der Bevolkerung durch die Verteidigung gegen Angriffe und Eindringlinge offentliche Gewalt ausubt 0der sogar wie in Ruanda und im Irak Befugnisse im Rahmen der Wahrung der offentlichen Ordnung wahrnimmt, ist ebenfalls eine Bindung der Schutzzonenmacht an die volkervertragsrechtlich und gewohnheitsrechtlich verankerten Menschenrechtsstandards denkbar. Voraussetzung fur eine Bindung der Schutzzonenmacht an diese Menschenrechtsstandards ist zunachst, daB sie grundsatzlich Verpflichtete 18 Pictet, Commentaire IV, 49. 19 So Roberts allgemein zur erzwungenen Besetzung und mit historischen Beispielen: Roberts, Military Occupation, 265.
136
Gewahrung fundamentaler Rechte in der Schutzzone
der Menschenrechte ist (ratione personae) und daB sie jene auch gegeniiber der Schutzzonenbevolkerung zu achten hat (ratione materiae, ratione loci). Daneben ist zudem das Verhaltnis der anwendbaren Menschenrechte zu den humanitarrechtlichen Regelungen des Besatzungsrechts zu klaren.
a) Geltung der Menschenrechte in der Schutz zone
(1) Bindungratione personae Bei der Bindung an die Menschenrechte ist wiederum zwischen den Mitgliedstaaten und den UN als Schutzzonenmacht zu unterscheiden. 20 Wird die· Schutz zone durch eine mitgliedstaatlich kommandierte und kontrollierte Truppe durchgefiihrt, sind die Mitgliedstaaten als Schutzzonenmacht zu betrachten und ihre Bindung an die Menschenrechte entscheidend. Sie werden i.d.R. die relevanten Menschenrechtsvertrage wie den IPBiirgR,21 den IPWirtR,22 die EMRK,23 die AMRK,24 die UNFK25 etc. unterzeichnet haben, oder sind zumindest an die daraus folgenden und in der AEMR26 enthaltenen gewohnheitsrechtlichen Menschenrechtsstandards gebunden.
20 Siehe zu dieser Unterscheidung bereits beim humanitaren Volkerrecht: 4. Kapitel, I.3.a).
21 Internationaler Pakt iiber Biirgerliche und Politische Rechte, 19.12.1966, BGBl. 173 II, 1534. 22 Internationaler Pakt tiber wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, 19.12.1966, BGBl. 1973 II, 1570.
23 Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, 4.11.1950, BGBl.1952 II, 685,953. 24
Amerikanische Menschenrechtskonvention, 18.7.1978, OASTS No. 36,
1144.
25 Ubereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe, 10.12.1984, UNTS Vol. 1465,85. 26 Allgemeine Erklarung der Menschenrechte, Resolution 217 (III), GAOR 3rd Session (part I) resolutions, A/810, 71. Die AEMR stellt zwar keine bindende Konvention dar, jedoch sind ihre Vorschriften im Wesentlichen als Gewohnheitsrecht anerkannt. Proclamation of Theran, Final Act of the International Conference on Human Rights, Theran, 1968, A/CONF.32/41, 3. Vgl. dazu ausfiihrliche Darstellung bei: Lillich, Customary International Human Rights Law, 1 ff.
5. Kapitel: Menschenrechtliche Verpflichtungen
137
Handelt die Schutzzonentruppe Unter UN-Kommando, stellen die UN als Schutzzonenmacht das dahinterstehende Volkerrechtssubjekt dar, nach dem sich die Bindung richtet. Die UN sind keine Vertragspartei der einschlagigen Menschenrechtspakte, jedoch bekennen sie sich in Art. 1 (3) und 55, 5627 UNC zu den Menschenrechten. Auch wenn die Menschenrechte dort allein als Bereiche der Zusammenarbeit und Ziele formuliert werden, so impliziert ein soIches Mandat die Bindung der UN selbst an die Menschenrechtsstandards. 28 Inhaltlich sind die Menschenrechte sowohl in ihrer volkergewohnheitsrechtlichen Form als auch in ihrer Konkretisierung in internationalen Vertragen und Deklarationen gemeint?9 Neben der Bindung aus der UN-Charta wird ebenfalls aufgrund ihrer Volkerrechtssubjektivitat eine Bindung der UN an die gewohnheitsrechtlichen Menschenrechtsstandards angenommen, soweit sie durch Peace-Keeping-Trupp en ahnlich wie Staaten Hoheitsgewalt wahrnehmen. 30 Insgesamt wird deswegen generell eine Bindung der UN an die allgemeinen Menschenrechtsstandards befiirwortet. 31
27 Zum bindenden Charakter des Art. 56: Sandvik-Nylund, Caught in Conflicts, 83; Brownlie, Principles of Public International Law, 532; Malanczuk spricht zurnindest von einem Verbot des "move backwords", Malanczuk, Modern Introduction to International Law, 212. 28 Siehe oben 3. Kapitel, I. I.E. so: Namibia, Adv. Op., ICJ Rep. 1971, 16,57 para. 131; FroweinlKrisch, Introduction to Ch. VII, Rdnr. 28, in: Simma; Macalister-Smith, Humanitarian Assistance, 58; Gasser, Die Anwendbarkeit des Humanitaren Volkerrechts, 463; Irmscher, Legal framework, 369; Starck, UNO-Wirtschaftssanktionen, 155; so im Ergebnis: Bauer, Effektivitat, 222 f.; Schweigman, Legal Limits, 171 f.
29 Gardam, Legal Restraints on Security Council Military Enforcement Action, 300; Starck, UNO-Wirtschaftssanktionen, 155. Insgesamt wird der Menschenrechtsschutz wegen seiner sehr allgemeinen Aussage jedoch teilweise als schwach bezeichnet: Brownlie, Principles of Public International Law, 532; Malanczuk meint: " ( ... ) (the) vagueness of the language probably leaves a wide discretion to states about the speed and means of carrying out their obligations (... )", Malanczuk, Modern Introduction to International Law, 212; SandvikNylund, Caught in Conflicts, 83. 30 Vgl. Irmscher, Legal Framework, 369. Zur allgemeinen Bindung der UN an Volkergewohnheitsrecht siehe oben 3. Kapitel, IV. 31 Zwanenburg, Human Rights and International Humanitarian Law, 235; Macalister-Smith, Humanitarian Assitance, 58; Gardam, Legal Restraints on Security Council Military Enforcement Action, 300; Starck, UNO-Wirtschaftssanktionen, 155; Bauer, Effektivitat, 222 f.; Schweigman, Legal Limits, 171 f.
Gewahrung fundamentaler Rechte in der 5chutzzone
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Damit kann eine Schutzzonenmacht - unabhangig ob in Person der Mitgliedstaaten oder der UN - grundsatzlich an die einschlagigen Menschenrechtsstandards gebunden sein, wie sie im Gewohnheitsrecht zu finden sind und in den beiden Menschenrechtspakten IPBurgR und IPWirtR, der AEMR, der UNFK sowie regionalen Instrumenten wie der EMRK und AMRK festgeschrieben sind.
(2) Bindung in der Schutzzone Weiterhin muBten die Menschenrechte auch in der Schutz zone Verpflichtungen fur die Schutzzonenmacht gegenuber der auslandischen Bevolkerung begrunden. Dies konnte in zweierlei Hinsicht fraglich sein: zum einen, weil Schutzzonen i.d.R. wahrend bewaffneter Konflikte errichtet werden, dem klassischen Anwendungsbereich des humanitaren Volkerrechts; und zum anderen, weil es in der Schutzzone urn die Ausubung fremder Hoheitsgewalt auf dem Territorium des Gaststaates geht.
(3) Fortgeltung der Menschenrechte wahrend eines bewaffneten
Konflikts Bisweilen wird die Geltung der Menschenrechte wahrend bewaffneter Konflikte wegen der besonderen Regelungen des humanitaren Volkerrechts angezweifelt. 32 Jedoch scheint dies weniger eine Frage des grundsatzlichen Anwendungsbereichs der Menschenrechte zu sein als eine des Verhiiltnisses zwischen den beiden Rechtsgebieten. Denn die meisten Menschenrechtskonventionen binden die Mitgliedstaaten gegenuber allen Personen, die sich auf ihrem Territorium oder in ihrer Hoheitsgewalt befinden. 33 Damit gelten sie grundsatzlich in jeder Situation und gegenuber jedem, auch wahrend bewaffneter Auseinandersetzungen und gegenuber fremden Staatsburgern. 34 Zu klaren bleibt fur eine Bindung auBerhalb des eigenen Territoriums die insbesondere vom EGMR
32 50 meint Dinstein " (... ) most human rights exist in peacetime but may disappear completely in wartime (... )", Dinstein, Human Rights in Armed Conflict, 350 f.; Meyrowitz, Le Droit de la Guerre et les Droits de l'homme, 1098 f., Pictet, The Protection of War Victims, 11 ff. 33
Vgl. Art. 1 EMRK, Art. 2 (1) IPburgR, Art. 1 AMRK; Art. 2 (1) FK.
34 Zur Frage, ob die reine Jurisdiktion fur die Anwendung der Menschenrechte ausreicht vgl. unten zur Frage der Anwendbarkeit ratione loci I.3.a)(4).
5. Kapitel: Menschenrechtliche Verpflichtungen
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im Bankovic Fall diskutierte Frage, inwieweit die Ausubung extraterritorialer Hoheitsgewalt fur die Anwendung der Menschenrechte ausreicht. 35 Dies ist jedoch erst in einem nachsten Schritt zu klaren, hier geht es allein darum, ob die Menschenrechte uberhaupt wahrend bewaffneter Auseinandersetzungen und damit in Schutzzonen anwendbar sein konnen. Sowohl in der Lehre 36 als auch in der Praxis verschiedener regionaler Menschenrechtsorgane,37 UN-Organe,38 und des IKRK39 wird fur einen universalen Anwendungsbereich der Menschenrechte auch wahrend bewaffneter Auseinandersetzungen argumentiert. Fur die grundsatzliche Fortgeltung der Menschenrechte auch in bewaffneten Konflikten spricht zudem die Tatsache, dag bestimmte Menschenrechte sogenannten Notstandsklauseln unterliegen, wonach ein Staat sie im Falle eines Staatsnotstandes oder Krieges suspendieren kann. 40 Denn zum einen ist diese Suspendierung der Rechte fur Staaten optional, d.h. die Menschenrechte werden nicht automatisch mit Eintritt eines Krieges sus-
35
Bankovic et at. v. Belgium et at., App!. No. 52207/99, 18 ff.
Frowein, Human Rights and Belligerent Occupation, 2 ff, 16; Quigley, Human Rights, 3; Benvenisti, Occupation, 27 ff.; SassOlilBouvier, How does Law Protect in War?, 264; Detter, The Law of War, 161. 36
37 So erktirte die Europiiische Menschenrechtskommission in Cyprus v. Turkey, App!. Nos. 6780/74 und 6950/75, KOM, DR 2,125 ff. die Konvention fur immer dann anwendbar, wenn ein Mitgliedsstaat gewisse "Jurisdiction" ausiibt; ahnlich der EGMR in Loizidou v. Turkey (Prelim. Obj.), 23.2.1995, Series A, No.310, para. 62. Vgl. zur europiiischen Praxis auch: Frowein, Human Rights and Belligerent Occupation, 2 ff. Der IAGMR in: Detainees in Guantanamo Bay, Cuba Request for Precautionary Measures, IACHR, 12.3.2002, www.photius.com/rogue.nations/guantanamo.html. 38 Basic Principles for the Protection of Civilian Population in Armed Conflict, A/RES12675 (XXV), para. 1, 9.12.1970; Respect for Human Rights in Armed Conflict: UNSG-Report, A17720, 20.11.1969. Auch die UNMenschenrechtskommission grundet ihre Resolutionen auf die parallele Anwendbarkeit von Menschenrechten und humanitiirem Volkerrecht: z.E. Res. 199613,11.4.1996, E/CN.4/1996/177, 40 f. 39 Statement by the International Committee of the Red Cross before the UN-General Assembly, Third Committee, item 110(e) of the agenda, 10.11.1998, erhiiltl. unter www.icrc.org. 40
Art. 4 IPburgR, Art. 15 EMRK, Art. 27 (1) AMRK.
140
Gewahrung fundamentaler Rechte in der Schutzzone
pendiert,41 und zum anderen zeigt die gleichzeitige Existenz nichtderogierbarer Menschenrechte,42 dag ihre Anwendung auch fur Konfliktzeiten gedacht war.43 Damit konnen die Menschenrechtsstandards grundsatzlich auch in Schutzzonen wahrend bewaffneter Auseinandersetzungen Anwendung finden. Voraussetzung fur eine Anwendung auf die Schutzzonenmacht ist jedoch, daB die dort ausgeubte extra-territoriale Hoheitsgewalt fur die Anwendung der Menschenrechte ausreicht.
(4) Ausubung extra-territorialer Hoheitsgewalt in der Schutz zone ratione loci
Die Schutzzonenmacht ubt in der Schutzzone durch die PeaceEnforcement-, Peace-Keeping- oder Polizeitruppe zumindest teilweise auf fremden Territorium offentliche Gewalt aus, indem sie etwa wie in Bosnien den Schutz vor Angriffen und hewaffneten Eindringlingen, die Kontrolle von Schlusselpositionen sowie die Verteilung und den Schutz der humanitaren Hilfe uhernimmt und Behinderungen ihrer Mission in der Schutzzone gewaltsam hegegnen kann. Da sich fur die UN die Bindung an die Menschenrechtsstandards bereits bei jeglicher Ausubung hoheitlicher Gewalt direkt aus der UNCharta ergibt, ist sie grundsatzlich auch als Schutzzonenmachtauf dem Territorium eines dritten Staates an die Menschenrechtsstandards gebunden. Anders stellt die Situation sich jedoch dar, wenn wie in Ruanda oder im Irak die Mitgliedsstaaten als Schutzzonenmacht auftreten. Denn nach den allgemeinen und regionalen Menschenrechtskonventionen sind die Menschenrechte meist nur auf dem eigenen Territorium und/oder ihrer Herrschaftsgewalt unterstehenden Menschen zu gewah-
41 Zu dem Fakultativcharakter der Suspendierung im Rahmen des Art. 15 EMRK: Frowein, Human Rights and Belligerent Occupation, 1 ff., Fn. 1. 42 So das Recht auf Leben (Art. 6 IPbiirgR, Art. 2 EMRK, Art. 4 AMRK), das Verbot derFolter, unmenschlicher und herablassender Behandlung (Art. 7 IPbiirgR, Art. 3 EMRK; Art. 5 AMRK) und des Sklavenhandels (Art. 8 IPBiirgR, Art. 4 (1) EMRK, Art. 6 AMRK). 43 Frowein, Human Rights and Belligerent Occupation, 2 ff.; Quigley, Human Rights, 3; Benvenisti, Occupation, 27 ff.; Gras Espiell, Derechos Humanos, Derecho Internacional Humanitario y Derecho Internacional de Refugiados, 706; Nuclear Weapons Adv. Op., Ie] Rep. 1996, 226, 240; Detter, The Law of War, 161 f.
5. Kapitel: Menschenrechtliche Verpflichtungen
141
ren. 44 Entscheidend fur die Anwendbarkeit der Menschenrechte in den Schutzzonen ist also, ob Herrschaftsgewalt i.S.d. Menschenrechtskonventionen auch die Ausubung von Hoheitsgewalt in fremden Staaten beinhaltet. Das Kriterium der Herrschaftsgewalt in Art. 1 EMRK haben sowohl die EMK als auch der EGMR bereits mehrfach so ausgelegt, daB nur ausnahmsweise eine extra-territoriale Herrschaft ausreichen konne, wenn der Staat gewisse offentliche Gewalt des Gaststaats ausube. 45 1m Falle Bankovic faBte der EGMR seine Rechtsprechung wie folgt zusammen: "( .... ) (T)he case-law of the Court demonstrates that its recognition of the exercise of extra-territorial jurisdiction by a Contracting State is exceptional: it has done so when the respondent State, through the effective control of the relevant territory and its inhabitants abroad as a consequence of military occupation or through the consent, invitation or acquiescence of the Government of that territory, exercises all or some of the public powers normally to be exercised by that Government. ,,46 Anders als im Falle Bankovic, in dem der EGMR die notwendige Kontrolle fur die Bombardierung durch die Alliierten im Kosovokrieg ablehnte, muB sie jedoch fUr hoheitliche Akte der Schutzzonenmacht in der Schutz zone regelmaBig angenommen werden. Fur den Fall, daB die Schutzzonenmacht wie in Ruanda und im Irak im Rahmen einer Besetzung die effektive Kontrolle uber Schutzzonenterritorium und -burger wahrnimmt, liegt einer der genannten Ausnahmefalle des EGMR vor. Aber auch die partielle Ausubung offentlicher Gewalt mit Zustimmung 44 Vgl. Art. 1 EMRK, Art. 2 (1) IPBiirgR, Art. 2 (1) FK. Anders nur Art. 1 AMRK, der allein auf "under their jurisdiction" abstellt. 45 So die Kommission zuerst im FaIle Cyprus v. Turkey, Appl. Nos. 6780/74 und 6950/75, KOM, 2 DR 125 ff.; spater der EGMR in: Loizidou: "The responsibility of a Contracting Party may also arise when as a consequence of military action - whether lawful or unlawful - it exercises effective control of an area outside its national territory". Loizidou v. Turkey (Prelim. Obj.), 23.2.1995, Series A, No. 310, para. 62. Im FaIle BankoviC wertete der EGMR NATO Luftangriffe nicht als ausreichende Kontrolle: Bankovic et al. v. Belgium et al., Appl. No. 52207/99. Vgl. zur europaischen Praxis auch: Frowein, Human Rights and Belligerent Occupation, 2 ff. 46 Im Endeffekt lehnte er aber eine solche extra-territoriale Hoheitsgewalt durch NATO Luftangriffe abo Bankovic et al. v. Belgiumet al., Appl. No.
52207/99.
Gewahrung fundamentaler Rechte in der Schutzzone
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oder Duldung des Gaststaats reicht nach dem EGMR fur eine Anwendung der Menschenrechte aus. Damit kommt auch in den ubrigen Fallen, in denen die Mitgliedstaaten als Schutzzonenmacht das Gebiet nicht besetzen aber mit der humanitaren Versorgung, der Verteidigung gegen auBere Angriffe oder der Kontrolle von Teilgebieten oder Grenzen zumindest gewisse offentliche Gewalt wahrnehmen, eine Bindung an die Menschenrechte in Betracht. Nach der Jurisdiktion des EGMR treffen die Mitgliedsstaaten als Schutzzonenmacht damit insoweit menschenrechtliche Verpflichtungen, als sie Hoheitsgewalt wahrnehmen, die normalerweise vom Gaststaat ausgeubt wird. Da sich ahnliche Deutungen des Jurisdiktions-Kriteriums ebenfalls bei der AMK47 und dem UN-Folter-Komitee 48 finden lassen, kann die Interpretation der moglichen extra-territorialen Anwendung der Menschenrechte allgemein auf UN -Menschenrechtspakte ubertragen werden. 49 Nur eine soleh weite Interpretation des Begriffs Hoheitsgewalt fuhrt zudem zu einer effektiven Geltung der Menschenrechte, die die Burger vor Verletzungen durch jegliche Akte der offentliche Gewalt schutzen sollen. 50 Denn eine Begrenzung der Bindung von Staaten auf Akte auf dem eigenen Territorium wurde die Staaten bereits immer dann von ihren Menschenrechtsverpflichtungen befreien, wenn sie Hoheitsgewalt auBerhalb ihres Territoriums ausubten. 51 Damit sprechen die Interpretationspraxis zu den Menschenrechtskonventionen sowie ihr Sinn und Zweck dafur, daB Staaten ausnahmsweise auch fur extraterritoriale Handlungen verantwortlich gemacht werden konnen, wenn sie - wie in den Schutzzonen - durch ihre eigenen Organe auf fremdem Territorium offentliche Gewalt ausuben. 52 Diese extra-territoriale Verantwortlichkeit der Staaten muB wegen Sinn und Zweck und der Effek-
47 Detainees in Guantanamo Bay, Cuba Request for Precautionary Measures, IACHR, 12.3.2002, www.photius.com/rogue.nations/guantanamo.html; Coard et al. v. United States, Case 10.951, Report No. 109199,29.9.1999. 48 Das Komitee empfahl Israel, seine Festnahmepraxis in den besetzten Gebieten zu iiberpriifen, um die Vereinbarkeit mit Art. 16 FK sicherzustellen. Committee against Torture, CAT/C/ISR (Concluding Observations/Comments), para. 8 f., 13. 49 Frowein, Human Rights and Belligerent Occupation, 8. 50 Frowein, ibid., 6. 51
Frowein, ibid., 8.
52 Frowein, Human Rights and Belligerent Occupation, 8; Stahn, International Territorial Administration, 152.
5. Kapitel: Menschenrechtliche Verpflichtungen
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tivitat der Menschenrechte ebenso fur die gewohnheitsrechtlichen Menschenrechtsstandards gelten. 53 Damit sind die Menschenrechte grundsatzlich auch im Falle mitgliedstaatlich geleiteter Schutzzonenmissionen anwendbar, wenn die Schutzzonentruppe Hoheitsgewalt wahrnimmt, die normalerweise dem Gaststaat obliegt.
(5) Zwischenergebnis zur Anwendbarkeit der Menschenrechte in der Schutzzone Insgesamt haben sowohl die UN als auch die Mitgliedstaaten als Schutzzonenmacht gegenuber der Schutzzonenbevolkerung insoweit die allgemeinen Menschenrechtsstandards zu achten, wie ihnen bei der Sicherung der Schutzzone hoheitliche Befugnisse zukommen. Dies wird wie in Bosnien regelma6ig zumindest beim Schutz humanitarer Hilfe, dem Schutz vor Eindringlingen und der Einnahme bestimmter Punkte sowie der gewaltsamen Durchsetzung ihres Auftrages in der Schutzzone der Fall sein, kann insbesondere aber auch wie in Ruanda und im 1rak Aufgaben cler offentlichen Sicherheit in der Schutzzone betreffen.
b) Verhaltnis der Menschenrechte zu besatzungsrechtlichen Pflichten Da bei einer tatsachlichen Kontrolle des Schutzzonengebiets durchdie Schutzzonenmacht, wie sie die Alliierten in Ruanda und im Irak inne hatten, neb en den Menschenrechten auch die besatzungsrechtlichen Regelungen des humanitaren Volkerrechts Anwendung finden,54 stellt sich abschlie6end die Frage nach dem Verhaltnis der beiden Rechtsgebiete zueinander.
Bisweilen wird zwar ein vollstandiger Vorrang des humanitaren Volkerrechts in bewaffneten Konflikten angenommen,55 jedoch hat sich der
53 Interessanterweise laBt sich zu diesem Punkt keine Stellungnahme in der Lehre finden, was jedoch darauf hindeutet, daB darin kein Problem gesehen wird. So deutet Frowein auch die allgemeine Praxis zum Anwendungsbereich der Menschenrechtspakte als Indiz dafur, daB sie fur das gesamte Gebiet der Menschenrechte ("human rights law") gilt: Frowein, Human Rights and Belligerent Occupation, 6. 54 Siehe oben I.2. 55 Insofern ist auf obige Vertreter zu verweisen, die die Menschenrechte generell nicht in bewaffneten Konflikten anwenden wollen siehe oben Fn. 32: Dinstein, Human Rights in Armed Conflict, 350 f.; Meyrowitz, Le Droit de la
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Gewahrung fundamentaler Rechte in der Schutzzone
IGH bereits in seinem Nuklearwaffen-Gutachten fur eine lex-specialisStellung des humanitaren Volkerrechts ausgesprochen}6 Die Vorschrif~ ten des humanitaren Volkerrechts gehen damit aber nur insoweit den Menschenrechten vor, als sie spezielle Regelungen, insbesondere Eingriffsermachtigungen enthalten, ansonsten bleiben die Menschenrechte als lex generalis subsidiar anwendbar.57 In diesem Sinne ist auch die Praxis der EMK 58 und der Staaten in UN-Organen 59 zu deuten. Auch die uberwiegende Lehre spricht sich fur ein soIches lex-specialis-Verhaltnis von humanitarem Volkerrecht zu den Menschenrechten aus. 60 Eine parallele Anwendbarkeit der beiden Rechtsgebiete erscheint auch sachgerecht, wei! die Menschenrechte vor allem· im Bereich der politis chen und burgerlichen Rechte detailliertere Regelungen aufweisen als das humanitare Volkerrecht und beide Rechtsgebiete unterschiedliche Durchsetzungsmechanismen bereithalten. 61 Zudem wird den besonderen Sicherheits- und militarischen Aspekten wahrend bewaffneter KonGuerre et les Droits de l'homme, 1098 f.; Pictet, The Protection of War Victims, 11 ff. 56
Nuclear Waepons Adv. Op., ICJ Rep. 1996, 226, 240.
57 So auch Frowein, Human Rights and Belligerent Occupation, 9 ff., 16. 58 1m Fall Zypern gegen die Turkei befand die Kommission, daB die Turkei als Besatzungsmacht in Zypern die Menschenrechte zu achten habe: Cyprus v. Turkey, Appl. Nos. 6780/74 und 6950/75, KOM, 2 DR 125 ff.; ahnlich hatte die Kommission bereits vorher schon im Fall Hess die EMRK auf die britische Besetzung nach dem Zweiten Weltkrieg angewandt: Hess v. United Kingdom, KOM 2 (1975), 72 ff., 74. In beiden Fallen hat die Kommission das Verhaltnis von Menschenrechten und humanitarem Volkerrecht nicht diskutiert, woraus zu schlieBen ist, daB fur sie die Anwendung der EMRK eindeutig war. V gl. dazu Frowein, Human Rights and Belligerent Occupation, 11; Quigley, Human Rights, 10. 59 Respect for and Implementation of Human Rights in Occupied territories, A/RESI2443, para. 1, 19.12.1968; UNSG-Report, Respect for Human Rights in Armed Conflicts,A/8052 (1970), Annex I, Rdnr. 3; UN-Menschenrechtskommission: E/CNAIL.1195, 1972; fur weitere Nachweise siehe Quigley, Human Rights, 11 f.
60 Frowein, Human Rights and Belligerent Occupation, 16; Stahn, International Territorial Administration, 152. Quigley, Human Rights, 3; Gros Espiell, Derechos Humanos, Derecho Internacional Humanitario y Derecho Internacional de Refugiados, 706. Zu den unterschiedlichen Ansichten vgl. Darstellung bei Benvenisti, Occupation, 188; Kelly, Peace Operations, Rdnr. 602 ff.; Quigley, Human Rights, 1 ff. 61
So auch: Quigley, Human Rights, 27.
5. Kapitel: Menschenrechtliche Verpflichtungen
145
flikte durch eine lex-specialis-Stellung des humanitaren Volkerrechts ausreichend Rechnung getragen. Insgesamt treten die Menschenrechte in bewaffneten Konflikten also zuruck, soweit spezielle Regeln des humanitaren Volkerrechts anwendbar sind; halt letzteres jedoch keine Regelungen bereit, ist auf die Menschenrechte zuruckzugreifen. Insoweit ist auch keine Rechtfertigung fur eine spezielle Auslegung der Menschenrechte im Lichte des humanitaren Volkerrechts ersichtlich/2 die besondere tatsachliche Konfliktsituation kann allein bei der Abwagung zwischen zwei Menschenrechten Berucksichtigung finden. 63 Damit ist eine Schutzzonenmacht nur dann vollstandig an die in den internationalen Vertragen und gewohnheitsrechtlich anerkannten Menschenrechtsstandards gebunden, wenn das Besatzungsrecht in der Schutzzone keine Anwendung findet und sonstige spezielle Regelungen im humanitaren Volkerrecht fehlen. Dies betrifft vor allem den Fall Bosniens, wo die Schutz zone mit der Zustimmung des Gaststaats durch UNPROFOR gesichert wurde. Wird die Schutzzone jedoch wie zunachst in Ruanda und im lrak durch eine Peace-Enforcement-Truppe oder eine die tatsachliche Gewalt innehabende Peace-Keeping-Truppe gesichert, sind die detaillierten besatzungsrechtlichen Regelungen einschlagig und es bleibt nur noch dort Raum fur die subsidiare Anwendung der Menschenrechte, wo sie weitergehende Rechte gewahren und die Sicherheitsinteressen der Besatzungsmacht zurucktreten. 64 Da dies 62 So vertreten es aber einige Autoren mit Verweis auf das Nuklearwaffen Gutachten des IGH: Matheson, The Opinions of the International Court of Justice, 423. Jedoch bezog sich die Aussage des IGH allein auf die Auslegung der speziellen Schranken des Rechts auf Leben, das mit dem Verbot der "willkurlichen" Totung Raum fur eine solche Interpretation tiBt; damit traf er jedoch keine allgemeine Aussage zur Interpretation vor allem unbeschrankbarer Menschenrechte wie dem Verbot der Folter oder Sklaverei. So Frowein, Human Rights and Belligerent Occupation, 12. 63 So auch: Frowein, Human Rights and Belligerent Occupation, 12; Benvenisti, Occupation, 189.
64 Fur die subsidiare Geltung beim Besatzungsrecht: Vgl. Gasser, in: Fleck, Handbuch, Rdnr. 524; Frowein, Human Rights and Belligerent Occupation, 11; Benvenisti, Occupation, 189. Roberts verweist hier vor allem auf die "prolonged military occupation": Roberts, Prolonged Occupation, 70 ff.; ders., Military Occupation, 250; Benvenisti, Occupation, 188; Quigley, Human Rights, 13 ff., der vor allem darauf hinweist, daB sonst das innerstaatliche Recht ohne MaB an den Menschenrechten beibehalten werden muBte; Kelly, Peace Operations, Rdnr. 616 ff., der die Menschenrechte in diesen Fallen jedoch nur als "guidance" und nicht direkt anwenden will.
146
Gewahrung fundamentaler Rechte in der Schutzzone
vor allem den Bereich der politischen und burgerlichen Rechte betrifft, die im Besatzungsrecht nicht geregelt sind, kommt den Menschenrechten bei einer Besetzung des Schutzzonengebiets keine Bedeutung zu. Denn die Schutzzonen werden meist beendet, bevor die Konfliktlage die Wahrnehmung politischer Rechte zulaJk Damit wird die menschenrechtliche Verpflichtung der Schutzzonenmacht vor allem dann relevant, wenn sie aufgrund einer Vereinbarung mit dem Gaststaat und nicht Kraft ihrer tatsachlichen Kontrolle in der Schutzzone offentliche Gewalt wahrnimmt.
4. Bindung der Schutzzonenmacht an besondere Rechte intern Vertrie bener Die Schutzzonenbevolkerung setzt sich uberwiegend aus Personen zusammen, die von einem anderell Teil ihres Landes in die Schutzzone gefluchtet sind. In Bosnien flohen wahrend der Auseinandersetzungen fast 30.000 Moslems aus der Umgebung nach Srebrenica. 65 Da diese Personen ihr Heimatland nicht verlassen, fallen sie nicht unter den Fluchtlingsbegriff des Art. 1 A Nr. 2 GFK, der verlangt, daB sich die Person auBerhalb ihres Landes aufhalt. 66 Sie sind intern vertriebene Personen (IDPs)67, fur die grundsatzlich ebenfalls der allgemeine Schutz
65 Vor den bewaffneten Auseinandersetzungen in Bosnien lebten circa 37.000 Menschen in Srebrenica und im Marz 1993 fast 60.000. Vgl. Rhode, A Safe Area, XIV f. 66 Danach definiert sich ein Fliichtling als eine Person, "die aus der begriindeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalitat, Zugehorigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politis chen Dberzeugung sich auBerhalb des Landes befindet, des sen Staatsangehorigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befiirchtungen nicht in Anspruch nehmen will. " 67 IDPs werden meist definiert als: "Persons or groups of persons who have been forced or obliged to flee or to leave their homes or places of habitual residence, in particular as a result of or in order to avoid the effects of armed conflicts, situations of generalized violence, violations of human rights or natural or human made disasters, and who have not crossed an internationally recognized State border." Introduction (2), Guiding Principles on Internal Displacement submitted by Francis Deng, Special Representative of The Secretary-General to the UN Commission on Human Rights, E/CNA/1998/53/Add.2. Auch der UNHCR schlieBt die Opfer von Naturkatastrophen nicht in seine Definition ein: UNHCR, Internally Displaced Persons: the Role of the United Nations
5. Kapitel: Menschenrechtliche Verpflichtungen
147
durch die Menschenrechte und das humanitare Volkerrecht gilt. 68 Da die Menschenrechte jedoch aufgrund ihrer Notstandsklauseln sowie das humanitare Volkerrecht aufgrund seiner Anwendungsschwelle des bewaffneten Konflikts nicht immer den besonderen Bedurfnissen der intern vertriebenen Bevolkerung gerecht werden, wurde in den letzten Jahren eine Verstarkung der Rechtsposition der IDPs durch eine analoge Anwendung der fluchtlingsrechtlichen Regelungen und die Schaffung eines eigenen Rechtskatalogs propagiert. Hinsichtlich der uberwiegend intern vertriebenen Bevolkerung in der Schutzzone ist deswegen zu prUfen, inwieweit die Schutzzonenmacht neben den allgemeinen Menschenrechten und dem humanitaren Volkerrecht besondere Regelungen fur intern Vertriebene wie etwa ein mogliches Recht auf Asyl in der Schutzzone oder ein besonderes Recht auf Schutz und Hilfe der vertriebenen Bevolkerung beachten muB.
a) Analoge Anwendung des Fliichtlingsrechts Da die vertriebenen Personen genauso wie Fliichtlinge wegen einer drohenden Verletzung von Leib und Leben und dem fehlenden Schutz der Heimatregierung fluchten und sich in der Schutzzone unter der Kontrolle einer fremden Macht befinden, konnte an eine analoge Heranziehung der fluchtlingsrechtlichen Regelungen gedacht werden. Ahnlich befurworten das UNHCR und verschiedene Autoren aufgrund des grundsatzlich gleichgelagerten rechtlichen Interesses von intern Vertriebenen und Fluchtlingen allgemein eine analoge Anwendung des Fluchtlingsrechts auf intern Vertriebene. 69 Gegen eine vergleichbare Interessenlage von Fluchtlingen und intern Vedriebenen insbesondere in Schutzzonen spricht jedoch die unterHigh Commissioner for Refugees (2000). Dazu: Lee, The London Declaration, 455. 68 Zu konkreten Regelungen fur Vertriebene im Humanitaren Volkerrecht Lavoyer, Refugees and Internally Displaced Persons, 164. 69 UNHCR, Declaraci6n de San Jose sobre refugiados y personas desplazadas, San Jose, Costa Rica, 1994, abgedruckt in: 10 Alios de la Declaraci6n de Cartagena sobre Refugiados, Memoria Coloquio Internacional, 415 ff.; Deng, Compilation and Analysis, Rndr. 24 ff.; CohenlDeng, Masses in Flight, 107. Franco, Safety Zones, 876, 893 ff. Lavoyer, Guiding Principles, 472. Diesen Ansatz wahlt auch die Draft Declaration des Committee on Internally Displaced Persons, angenommen durch Res. N 0.17/2000 der ILA, vgl. deren Art. 17 und Kommentar zu Art. 17.
148
Gewahrung fundamentaler Rechte in der Schutzzone
schiedliche Zielsetzung der Schutzzone und des Fliichtlingsasyls: Wahrend das Fliichtlingsasyl auf einen liingeren Aufenthalt ausgerichtet ist, sollen Schutzzonen nur einen eng begrenzten temporaren Schutz bieten. Vor allem aber spricht der territoriale Ansatz des Fliichtlingsrechts gegen eine vergleichbare Interessenlage der Schutzzonenbevolkerung mit Fliichtlingen. Denn fiir die erforderliche Bedrohungssituation beim Fliichtlingsstatus ist allein entscheidend, daB es keinen sicheren Ort auf dem Territorium des Heimatstaates gibt. Ob der Schutz durch Organe des Heimatstaates oder fremde Machte, die mit Zustimmung oder faktisch die Hoheitsgewalt iiber das Gebiet im Heimatstaat ausiiben, sichergestellt wird, ist dabei unerheblich; der Schutz durch eine fremde Macht im Heimatstaat wie in der Schutz zone ist im Fliichtlingsrecht mit dem Schutz durch den Heimatstaat gleichzusetzen. 7o Der Gedanke des Fliichtlingsrechts ist deswegen nur dort anwendbar, wo Staaten iiber Personen auBerhalb deren Heimatstaats Hoheitsgewalt ausiiben. Ein von fremden Machten im Heimatland einer verfolgten Person ausgeiibter Schutz kann nach dem Fliichtlingsrecht hochstens eine interne Fluchtalternative darstellen, die die Fliichtlingseigenschaft ausschlieBt,71 70 Vgl. fur eine soIehe territoriale Sichtweise: Vorschlag Gro~britanniens zu Art. 1 GFK: E/AC.32/L.2, para. 1, 17.1.1950; UNHCR, Position Paper, Relocating Internally as a Reasonable Alternative to Seeking Asylum, 1999, Rdnr. 10 (Position Paper); Richtlinienvorschlagder Kommission uber die Mindestnormen fur die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehorigen und Staatenlosen als Fluchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benotigen, Amtsbl. Nr. C 51 E, 26.02.2002, 325-334, Kommentar zu Art. 9; Canaj v Secretary of State for the Home Department; Vallaj v. Special Adjudicator, 24.5.2001, 2001 EWCA Civ 782, Rdnr. 9; Fadil Dyli v. Secretary of State for the Home Department, 30.8.2000, Immigration Appeals Tribunal, 2000 ImmAR, 652 ff., Rdnr. 13. BVerwGE 108,84 ff., 88 ff. 71 Die Ausnahme intern geschutzter Personen vom Fliichtlingsstatus kam schon wahrend der travaux preparatoires insbesondere durch die Aussagen des franzosischen Vertreters Rochefort (EI AC.8/SR.172, para. 4, 12.8.1950) und der amerikanischen Vertreterin Roosevelt (A/CONF.2/SR.24, para. 17, 17.7.1951) zum Ausdruck, abgedruckt in: Hathaway, Refugee Status, 133 f.; UNHCR, Handbook on Procedure and Criteria for Determining Refugee Status, Rdnr. 91; UNHCR, Position Paper, a.a.O., Rdnr. 1 ff.; Joint Position defined by the Council on the Basis of Art.K3 of the Treaty of European Union on the Harmonised Application of the Term "Refugee" in Art.l of the Geneva Convention", Marz 1996: 96/196I]HA. In der Rechtsprechung wegweisend vor aHem: BVerfGE 81, 58 (65); 80, 315, 343 f.; 79,174. A.A. ECRE, Note from the ECRE on the Harmonisation of the Interpretation of Art.l of the 1951 Geneva Convention, Rdnr. 10. Vgl. aHg. Dazu: ECRE, European Legal Network on Asylum
5. Kapitel: Menschenrechtliche Verpflichtungen
149
aber nicht die Fluchtlingseigenschaft begrunden. Deswegen wird auch haufig die Grenzuberschreitung bei Fluchtlingen als entscheidender Unterschied herausgehoben, der eine vergleichbare rechtliche Interes· 72 sen1age verbletet. Insgesamt ist damit eine analoge Anwendung der menschenrechtlichen Standards im Fluchtlingsrecht auf dasVerhaltnis der Schutzzonenmacht zur dort lebenden vertriebenen Bevolkerung abzulehnen. Die Situation det Schutzzonenbevolkerung als intern Vertriebene ist nicht mit jener von Fluchtlingen vergleichbar. Ihr Schutz ist grundsatzlich durch den Heimatstaat zu gewahren. Nur im Rahmen der Menschenrechte oder des humanitaren Volkerrechts kommt eine Verpflichtung auch der Schutzzonenmacht gegenuber der Bevolkerung in Betracht.
b) Orientierung an Regelungsvorschlagen zum Schutz intern Vertriebener Ergebnis der Bemuhungen um die Rechte intern Vertriebener bilden zudem zwei Entwurfe eines Rechtskatalogs fur intern Vertriebene: die 1998 yom ersten UN-Sondergesandten fUr intern Vertriebene 73 verfaBten Guiding Principles on Internal Displacement74 sowie die 2000 von der ILA verabschiedete und yom AusschuB fur intern Vertriebene Personen erarbeitete London Declaration of International Law Principles on Internally Displaced Persons. 75 Die Dokumente sind zueinander als (ELENA), Research Paper on The Application of the Concept of Internal Protection Alternative, 2000. 72 Kleine-Ahlbrandt, The protection Gap, 21 f.; Geifller, Schutz von Internally Displaced Persons, 139, der jedoch fur die Anwendung des Rechtsgedankens ist; derselbe, The International Protection of Internally Displaced Persons, 457. I.E. so auch Phuong, Internally Displaced Persons, 229; Fronhofer, Binnenfluchtlinge, 285. 73
F. Deng wurde 1992 als solcher durch den damaligen UN -Generalsekretar
ernannt. 74 Guiding Principles (Guiding Principles) submitted by Francis Deng, Special Representative of The Secretary-General to the UN Commission on Human Rights, E/CNAI1998/531 Add.2. Sie basieren auf einer Zusammenfassung aller rechtlichen Regelungen fur intern Vertriebene, die Deng 1996 fur die UNMenschenrechtskommission erarbeitet hatte, vgl. Compilation and Analysis, Part I, E/CNAI1996/521Add.2. 75 ILA Res. No.1712000, veroffentlicht in: 69 ILA, Conference Report (2000). Diese Erklarungwurde maggeblich von Lee und Hofmann erarbeitet
Gewahrung fundamentaler Rechte in der Schutzzone
150
"mutually supportive" und "reinforcing" gedache6 und basieren auf der Idee, daB intern Vertriebenen zunachst die gleichen Rechte aus nationalem Recht, Menschenrechten und humanitarem Volkerrecht zustehen wie der nicht vertriebenen Bevolkerung. 77 Zusatzlich sehen sie aber auch verschiedene Prinzipien des Fremden-, Staatenlosen- und Fluchtlingsrechts als anwendbar auf IDPs. 78 Insgesamt bilden die beiden Kataloge jedoch keine verbindlichen Rechtsinstrumente fur intern Vertriebene, sondern wollen nur ihre bestehenden Rechte zusammenfassen und konkretisieren. 79 Damit konnen die Regelungsvorschlage keine zusatzlichen Pflichten der Schutzzonenmacht gegenuber der intern vertriebenen Bevolkerung begrunden. Da diese Dokumente dennoch bereits weitreichende Anerkennung innerhalb der Staatengemeinschaft erfahren haben,80 soUten sie zumindest bei der Konkretisierung der bestehenden besonderen Rechte cler vertriebenen Bevolkerung in der Schutz zone im Rahmen der Menschenrechte und dem humanitaren Volkerrecht als Orientierung benutzt werden. Die Guiding Principles und London Declaration stehen auch einer grundsatzlichen Verpflichtung einer Schutzzonenmacht an die entsprechenden IDP-Rechte nicht im Wege, wei! sie neben der vorrangigen Verantwortlichkeit des Heimatstaates gegenuber intern Vertriebenen 81 ebenfalls eine Beachtungspflicht fur aIle Personen, Gruppen und Autoritaten unabhangig von ihrem rechtlichen Status festschrei-
und folgt zwei friiheren Erklarungen der ILA: the Declaration of Principles of International Law on Mass Expulsion (1986), 65 ILA, Conference Report 1986, 542, 546 ff. und der Declaration of Principles of International Law on Compensation to Refugees (1992), 65 ILA, Conference Report 1992, 424, 426 ff. 76
Introduction (4) LD.
77
Prine. 1 GP, Art. 2 (1), 3 (1) LD.
78
Art. 2 (1), 3(1) LD.
79 Introduction (1) GP; Introduction (4) LD; Kalin, Internal Displacement, 560; ders. Flight in Times of War, 647; Lavoyer, Guiding Principles, 471 ff.; Geifiler, Schutz von Internally Displaced Persons, 268.
80 Fur die Guiding Principles: Report of the Representative of the SecretaryGeneral, Francis Deng, E/CNAI2002/95/Add.3, 10.12.2001, para. 25 ff.; Kalin, Flight in Times of War, 647 f. 81 Prine. 3, 25 GP; ahnlich Art. 10 LD. Vgl. zur mangelnden Verpflichtung der internationalen Gemeinschaft in den Guiding Principles: Fitzpatrick, Human Rights and Forced Displacement, 12.
5. Kapitel: Menschenrechtliche Verpflichtungen
151
ben. 82 Diese universelle Beachtungspflicht der IDP-Rechte wird in der London Declaration nochmals dadurch betont, daG den IDPs ein eigener Rechtsstatus zuerkannt wird und konkrete MaGnahmen wie "safe areas", Pravention von ethnic cleansing, die Sicherheitsratsbefassung sowie die Einrichtung spezieller Institutionen zu ihrem Schutz vorgesehen sind. 83 Danach sollen in "safe areas" insbesondere die gleichen fundamentalen Menschenrechte gelten wie fur IDPs auGerhalb solcher Gebiete. 84 Damit sind die Guiding Principles und die London Declaration zur Konkretisierung und als Richtlinien fur die von der Schutzzonenmacht gegenuber der vertriebenen Bevolkerung zu beachtenden Verpflichtungen heranzuziehen.
5. Ergebnis Geltung menschenrechtlicher Verpf/ichtungen fur die Schutzzonenmacht
Nimmt die Schutzzonenmacht bei der Sicherung der Schutz zone hoheitliche Befugnisse in Form der Verteidigung, der Dberwachung oder auch im Rahmen der offentlichen Sicherheit wahr, konnen die im Mandat oder einer Vereinbarung mit dem Gaststaat enthaltenen Verpflichtungen zur Einhaltung fundamentaler Rechte der Bevolkerung durch allgemeine volkerrechtliche Regelungen erganzt und konkretisiert werden. Die Schutzzonenmacht ist bei der Sicherung der Schutz zone sowohl an das Volkermordverbot als auch die allgemeinen Menschenrechtsstandards des Volkervertrags- und -gewohnheitsrechts gebunden. Sofern sie das Schutzzonengebiet besetzt halt, gehen jedoch die fundamental en Garantien der besatzungsrechtlichen Schon- und Schutzpflicht den allgemeinen Menschenrechten als speziellere Regelung vor. Als Orientierung fur die besonderen Rechte der intern vertriebenen Bevolkerung in der Schutzzone sind zudem die Guiding Principles und die London Declaration heranzuziehen. Fur die Bindung der Schutzzonenmacht an die im Volkervertrags- und -gewohnheitsrecht niedergelegten fundamentalen Rechte der Bevolkerung ist unerheblich, ob die UN oder die Mitgliedstaaten als Schutzzonenmacht auftreten. Das Volkermordverbot ist in allen Fallen anwend-
82 Princ.2 GP, Art. 11 (1) LD. Vgl. Dazu: Kalin, Flight in Times of War, 644. Fur humanitare Organisationen: OCHA, Handbook for Applying the Guiding Principles on Internal Displacement, 1999, 51 f.
83
Art. 12, 14 (3), 16 LD.
84
Vgl. Art. 14 (2), LD und Kommentar zu Art. 14 (2) Ziff. (6).
152
Gewahrung fundamentaler Rechte in der Schutzzone
bar und die Anwendung der tibrigen Regelungen bestimmt sich allein danach, wie weit die Schutzzonenmacht die tatsachliche Kontrolle tiber Schutzzonengebiet und -bevolkerung austibt. Insgesamt lassen sich zwei Situationen unterscheiden: 1. Dbernimmt die Schutzzonenmacht wie zu Beginn die Alliierten in Ruanda und im Irak durch eine Peace-Enforcement- oder eine Peace-Keeping-Truppe die vollstandige Kontrolle tiber Schutzzonengebiet und -bevolkerung, werden ihre im Mandat implizierten Pflichten gegentiber der Bevolkerung durch die besatzungsrechtlichen Schutz- und Schonpflichten sowie das Volkermordverbot konkretisiert und erganzt. 2. Wird die Schutzzone hingegen wie in Bosnien durch eine Truppe ge-
sichert, die in der Schutzzone im Einklang mit der Zustimmung des Gaststaates allein partiell Hoheitsgewalt austibt - etwa im Bereich der au£eren Sicherheit, der Verteilung und dem Schutz humanitarer Hilfe, dem Schutz vor Eindringlingen und der Einnahme bestimmter Beobachtungspunkte -, werden die im Mandat und einer etwaigen Vereinbarung mit dem Gaststaat enthaltenen menschenrechtlichen Pflichten der Schutzzonenmacht durch das Volkermordverbot und die im Volkervertrags- und -gewohnheitsrecht anerkannten Menschenrechtsstandards konkretisiert und erganzt.
II. Menschenrechtlicher Mindeststandard in Schutzzonen Mit Blick auf die Massentotungen und Mi£handlungen beim Fall der Schutzzone Srebrenica aber auch die katastrophalen humanitaren Umstande in der Enklave und die bisweilen fehlende Fluchtmoglichkeit der Bevolkerung aus dieser Zone, bleibt zu priifen, welchen Mindeststandard vor allem an physischem Schutz, humanitarer Versorgung und Freiztigigkeit die Schutzzonenmacht der Bevolkerung gewahren mu£. Da die Schutz zone in Srebrenica insbesondere auch als Zufluchtsort der intern vertriebenen Bevolkerung diente, soIl ebenso gefragt werden, inwieweit die Schutzzonenmacht den Vertriebenen die Zuflucht in der Schutzzone gewahren und ihre Rtickkehr in den Heimatstaat sic hers tellen mu£. Soweit entsprechende Pflichten der Schutzzonenmacht nicht oder nur unzureichend im Mandat festgeschrieben sind, konnen sie sich, wie 0ben dargestellt, vor aHem aus dem Volkermordverbot und, wenn die Schutzzonenmacht die Schutzzone besetzt halt, aus den besatzungs-
5. Kapitel: Menschenrechtliche Verpflichtungen
153
rechtlichen Rege1ungen, oder wenn ihr nur teilweise die Kontrolle iiber die Bevolkerung iibertragen ist, aus den Menschenrechten ergeben. Zur Konkretisierung sind fur die Rechte der vertriebenen Bevolkerung in der Schutzzone auch die Guiding Principles und London Declaration heranzuziehen.
1. Schutz der physischen Integritdt
Grundsatzlich ist es erklartes Hauptziel einer Schutz zone, den Schutz der dort lebenden Bevolkerung vor den Folgen der ethnischen Verfolgung und des Krieges sicherzustellen. In der safe area Srebrenica gefahrdeten jedoch permanente Angriffe auf die Schutzzone das Leben der Bevolkerung. Bei der spateren gewaltsamen Einnahme der Schutzzone durch die serbischen Kampfer kamen zudem 7000 - 8000 Personen ums Leben. Obwohl UNPROFOR im Rahmen der Selbst- und Mandatsverteidigung zum begrenzten Gewalteinsatz gegen Angriffe auf die Schutzzone und Eindringlinge ermachtigt war,85 hat sie bis zur Einnahme des Schutzzonengebiets keine Schusse auf die serbischen Eindringlingeabgefeuert. 86 Insbesondere die Angst um Geiseln aus den eigenen Reihen fiihrte zu ZUrUckhaltung bei der UNPROFOR-Fiihrung. 87 Die yom UN -Sicherheitsrat autorisierte Luftunterstiitzung durch die Mitgliedsstaaten wurde, obwohl mehrfach von UNPROFOR angefordert, erst nach der Einnahme der Enklave durch die serbischen Kampfer genehmigt. Insoweit schrieben interne Richtlinien den generellen Vorrang des Schutzes der Truppe vor der Ausfiihrung des Mandats und damit dem Schutz der Bevolkerung vor. 88 Nach der Einnahme konnte UNPROFOR die Massendeportationen und -totungen durch die serbischen Eindringlinge nicht verhindern89 und haben nur einem 85 Siehe oben 1. Kapitel, 1I.2.b). 86 The Fall of Srebrenica, para. 472. 87 The Fall of Srebrenica, para. 190 ff. Dazu der Spezialgesandte des UNGeneralsekretars: "Given the threat to United Nations detainees and the determined mood of the Bosnian Serbs, C... ), he had instructed the UNPROFOR Commander that, for the time being, the execution of the mandate was to be secondary to the security of United Nations personnel." 88 Post Air Strike Guidance, Vgl. Enquete Srebrenica, 186 ff. So wurde ebenfalls in Res. 998, insbes. para. 1 vor den Angriffen auf die Bevolkerung die Angriffe auf UNPROFOR verurteilt, S/RES/998, 16.6.1995. Vgl. dazu auch: Torrelli, Zones de Securite, 842 f. 89
Debriefing, 49 ff., 60 ff.
Gewahrung fundamentaler Rechte in der Schutzzone
154
Teil derBevolkerung in ihrem Lager in Potocari Zuflucht gewahrt. 90 Die UN versuchten ihr Verhalten spater damit zu rechtfertigen, daB sie die Einnahme der Schutzzone nicht vorhergesehen und von den Massenmorden erst nachtraglich erfahren haben. 91 Grundsatzlich wird im Mandat die Pflicht einer Schutzzonenmacht zum Schutz der Bevolkerung niedergelegt sein. 1st diese wie in Srebrenica jedoch nicht eindeutig oder nur sehr abstrakt formuliert,92 ergibt sich eine Schutzpflicht und ihre Konkretisierung notwendig aus einer volkerrechtskonformen Auslegung des Mandats. Insoweit ist zu zeigen, daB sich ebenfalls aus dem allgemeinen Volkervertrags- und -gewohnheitsrecht eine Pflicht der Schutzzonenmacht zum Schutz der Bevolkerung vor Gewaltakten innerhalb der Schutzzone und vor bewaffneten Angriffen von auBerhalb des Schutzzonengebiets ergibt. Dabei ist gleichzeitig darauf einzugehen, welche konkreten SchutzmaBnahmen eine Schutzzonenmacht ergreifen muB und inwieweit sie eine Pflicht trifft, die Schutzzone bei Gefahren fur die Bevolkerung aufrechtzuerhalten oder die Bevolkerung zu evakuieren und dafur das Leben ihrer Soldaten zu riskieren. In der Lehre wurde eine Schutzpflicht der Schutzzonenmacht aus den allgemeinen volkerrechtlichen Regelungen haufig von vornherein abgelehnt. 93 Jedoch ist zu zeigen, daB sich sowohl aus dem Volkermordverbot als auch aus den besatzungsrechtlichen Regelungen und den Menschenrechten zumindest eine beschrankte Pflicht auch zur Verhinderung von Angriffen und Gewaltakten Dritter auf die Schutzzonenbevolkerung ergeben kann.
a) Volkermordverbot Der Schutz der Schutzzonenbevolkerung vor ethnisch motivierten Angriffen auf das Leben wird vor aHem durch das Volkermordverbot ge-
90
Kritik dazu in: The Fall of Srebrenica, para. 473; Enquete Srebrenica,
200 ff., 440 ff.; Srebrenica, 114. 91 Kritisch dazu: The Fall of Srebrenica, para. 496; Rapport D'Information, Srebrenica, 52 ff., 75 f. 92 Zur Frage, ob Res. 836 uberhaupt zum Schutz der Bev61kerung ermachtigte: siehe oben 1. Kapitel, II.2.b). 93 Allgemein ablehnend zur Schutzpflicht einer UN-Truppe: Greenwood, United Nations Military Operations, 32; Wells, Safe Haven, 30. Fur UNPROFOR in Srebrenica: Siekmann, The Fall of Srebrenica, 309 ff'
5. Kapitel: Menschenrechtliche Verpflichtungen
155
wahrleistet, an das die UN und die Mitgliedstaaten als Schutzzonenmacht gebunden sind. 94 Das Volkermordverbot ist allgemein als zwingendes Volkergewohnheitsrecht95 anerkannt und findet insbesondere in der Volkermordkonvention96 Niederschlag. Inhaltlich ist Volkermord sowohl die mit der Absicht der vollstandigen oder teilweisen Zerstorung einer national en, ethnischen, rassischen oder religiosen Gruppe begangene Totung (Art. II lit. (a) VMK) als auch die Auferlegung von unzureichenden Lebensbedingungen (vgl. Art. II lit. (c) VMK), worunter uberwiegend die Verringerung der Versorgung der Bevolkerung mit Nahrungsmitteln und die Reduzierung notwendiger medizinischer Versorgung gefafh werden. 97 Wenn Dritte von au6erhalb der Schutzzone oder durch Eindringen in dieselbe Angriffe auf die Schutzzonenbevolkerung mit dem Ziel vornehmen, die dort lebende Bevolkerungsgruppe vollstandig auszuloschen, kann die Schutzzonenmacht mit einem Volkermord in der Schutzzone konfrontiert sein. Fur eine etwaige Schutzpflicht der Schutzzonenmacht ist jedoch entscheidend, ob das Volkermordverbot die Schutzzonenmacht verpflichtet, zum Schutz der Bevolkerung gegen Volkermordhandlungen von Eindringlingen oder Angreifern vorzugehen.
(1) Teilnahmeverbot In Srebrenica wurden Vorwurfe laut, die UN machten sich durch die Duldung eines Volkermordes in der von ihr unterhaltenen Schutzzone zum Teilnehmer desselben und seien deswegen zu positiven Ma6nah-
94
Siehe oben 5. Kapitel, 1.1.
95 Genocide Case, IC] Rep. 1993, 348; Reservations to the Genocide Convention, IC] Rep. 1951,23; Art 26 (5) Commentaries to the draft articles on Responsibility of states for internationally wrongful acts adopted by the International Law Commission at its fifty-third session (2001), GAOR, SSm session, Supp!. No. 10 (A/56/10) chpt. IY.E.2; Brownlie, Principles of Public International Law, 515; Kadelbach, Zwingendes Volkerrecht, 275 f.; Gill, Limitations on the Power of the Security Council, 79; Ragazzi, The Concept of International Obligations Erga Omnes, 94. Vg!. auch Darstellung bei: Starck, UNOWirtschaftsanktionen, 370 f. 96 Konvention tiber die Verhtitung und Bestrafung des Volkermordes, UNTS Bd.78, 277,12.1.1951.
97 Robinson, Genocide Convention, 63 f.; Starck, UNO-Wirtschaftssanktionen, 373; Sandvik-Nylund, Caught in Conflicts, 61.
156
Gewahrung fundamentaler Rechte in der Schutzzone
men zur Verhinderung des Volkermords verpflichtet gewesen. 98 Neben dem Volkermord selbst, seiner Anreizung oder seinem Versuch verbietet Art. III lit.(e) VMK auch die Teilnahme am Volkermord. Diese wird als elementarer Bestandteil des Volkermordverbots auch zum zwingenden Volkerrecht gezahlt. 99 1m Rahmen des Art. III lit. (e) VMK ist heute nicht nur die individuelle sondern auch die Verantwortlichkeit von Staaten anerkannt. loo Nach dem Gewohnheitsrecht muBte konsequenterweise auch eine Verantwortlichkeit der UN moglich sein, so daB grundsatzlich auch eine Teilnahme der Schutzzonenmacht an einem Volkermord in Frage kommt. Allerdings ist bei der bloBen Duldung eines von Dritten begangenen Volkermordsdurch die Schutzzonenmacht bereits der fur eine complicity erforderliche objektiv forderliche Beitrag zweifel haft. Danach muB die Begehung des Volkermords tatsachlich in irgendeiner Weise erleichtert oder erst ermoglicht worden sein,lol was jedoch durch eine reine Unterlassung durch das Unterhalten der Schutzzone nicht geschieht. In jedem Fall wird es regelmaBig aber an der subjektiven Komponente, dem Vorsatz zur Forderung eines fremden Volkermords, der Schutzzonenmacht scheitern. So setzt eine Beteiligung am Volkermord zumindest voraus, daB der Beteiligte die Unterstutzungshandlung subjektiv als solche erkannt und gewollt hat. 102 Dies ist jedoch bei der reinen Unterhaltung von Schutzzonen regelmaBig nicht der Fall, sie sollen eigentlich die Bevolkerung vor dies em Verbrechen schutzen. Eine Teilnahme am Volkermord einer dritten Partei durch die reine Passivitat der Schutzzonemacht entfallt somit.
98
Vgl. dazu Vetlesen, Genocide, 530 ff.
99 Kadelbach, Zwingendes Volkerrecht, 277; Vgl. Darstellung bei Starck, UNO-Wirtschaftssanktionen, 380.
100 Vgl. Lippman, Genocide Convention, 53 ff.; Starck, UNO-Wirtschaftssanktionen, 380. 101 1m Rahmen der Staatenverantwortlichkeit verlangt Art. 16 des ILC Entwurfs Aid oder Assistance, A/CNAIL.602/Rev.1, 26.7.01, die Rdnr. 5 des Commentary zu Art. 16 als "facilitating the commission" konkretisiert. Vgl. auch: Graefrath, Complicity, 373 f. A.A. wohl Vetlesen, der es ausreichen lassen will, dag jemand einem durch einen Dritten begangenen Volkermord zusieht, obwohl er eingreifen konnte: Vetlesen, Genocide, 519 ff., zur Teilnahme durch Passivitat in Schutzzonen vor allem 530 f. Ahnlich auch: Huband, Rwanda The Genocide, 314. 102
Vgl. Starck, UNO-Wirtschaftssanktionen, 381.
5. Kapitel: Menschenrechtliche Verpflichtungen
157
(2) Verhinderungsgebot Es ist jedoch zu zeigen, daB sich aus den Regelungen des Volkermordverbots eine allgemeine Verhinderungspflicht fur die Schutzzonenmacht bezuglich eines durch Dritte gegen die Schutzzonenbevolkerung geplanten Volkermords ergibt, wonach sie verpflichtet ist, die Bevolkerung vor diesem Volkermord zu schutzen.
(3) Verhinderungspflicht aus Art. I VMK
Eine soIehe Verhinderungspflicht konnte sich aus Art. I VMK ergeben, in dem sich alle Mitgliedstaaten zur "Verhutung und Bestrafung" des Volkermords als "ein Verbrechen gemiiB international em Recht" verpflichten. Gegen eine soIehe Deutung des Art. I VMK wird jedoch angefuhrt, daB die Vorschrift zu allgemein und ihre Reichweite zu unklar sei, um eine konkrete Verpflichtung darzustellen. l03 Bisweilen wurde Art. I VMK deswegen auch als uberflussig angesehen. l04 Zwarwird die Verpflichtung zur Verhutung von Volkermord - anders als die Bestrafung - in der Konvention nicht weiter konkretisiert, jedoch taucht sie sowohl im Titel der Konvention als auch in ihrem Art. VIII nochmals auf, wonach die Mitgliedstaaten die Organe der UN damit befassen konnen, ,,( ... ) MaBnahmen zu ergreifen, die sie fur die Verhutung und Bekampfung von Volkermordhandlungen (... ) fur geeignet erachten". Dieser Wortlaut enthiilt eine konkrete Handlungspflicht, die im Zusammenhang mit der allgemeinen due-diligencePflicht als ausreichend konkret anzusehen ist. So wird in der Lehre auch unproblematisch eine Verhinderungspflicht der Staaten aus Art. I VMK angenommen.105 Dabei wird vor aHem darauf verwiesen, daB das Verhinderungsverbot in verschiedenen Vorschriften der Volkermordkon-
103
Starck, UNO-Wirtschaftssanktionen, 384.
104 U.a. Stellungnahme der polnischen und danischen Vertreter bei der Vorbereitungskonferenz, dargestellt bei Drost, Genocide, 76 ff.; ebenso Drost selbst, ibid, 80.
105 Lippman, Genocide Convention, 21; Toope, Duty to Prevent Genocide, 192; Hubard, Rwanda - The Genocide, 314; Vetlesen, Genocide, 530 f.; Jorgensen, State responsibility and the 1948 Genocide Convention, 275; Schabas, Genocide, 447 ff.; Kelly, Restoring and Maintaining Order,. 160; Robinson, The Genocide Convention, 57.
158
Gewahrung fundamentaler Rechte in der Schutzzone
venti on, wie beispielsweise der Verpflichtung zur Bestrafung in Art. V ' 1"IZlt ent h Isel. ' 106 VMK, Imp a ten Dem ist zuzustimmen, denn nur eine Annahme einer Verhinderungspflicht in Art. I VMK ist mit dem Sinn und Zweck der Volkermordkonvention vereinbar, dieses Verbrechen durch internationale Zusammenarbeit vollstandig zu verbannen. 107 Zudem wird diese Auslegung durch die Rechtsprechung des IGH sowie die Staatenpraxis zu Art. I VMK bestatigt. 108 So foigert der IGH in seinem Order for Provisional Measures gegeniiber der Bundesrepublik Jugoslawien unproblematisch aus Art. I VMK eine Verhinderungspflicht der Staaten. 109 .Ahnlich berief sich eine von der bosnischen Regierung beauftragte Anklageschrift im Rahmen der Klage gegen Serbien beziiglich der RechtmaBigkeit der Aufrechterhaltung des UN-Waffenembargos gegen Bosnien auf eine Verhinderungspflicht der Staatengemeinschaft. 110 Ebenso verzichteten
106 So: Schabas, Genocide, 447. Insoweit schlagt m.E. die Argumentation von Starck fehl, die fur die Ablehnung einer Verhinderungspflicht auf deren Nichterwahnung in dem abschlieBenden Art. III VMK verweist: Starck, UNOWirtschaftssanktionen, 386. Denn bei der Verhinderungspflicht handelt es sich urn eine zivilrechtlich deliktische und keine strafrechtliche Pflicht wie sie Art. III VMK enthalt. 107 Vgl. zum Sinn und Zweck die Praambel: "In der Uberzeugung, daB zur Befreiung der Menschheit von solch einer verabscheuungswiirdigen GeiBel internationale Zusammenarbeit erforderlich ist". So auch: Scott, Memorial for Bosnia, 33 f. 108 Zur Beachtlichkeit der spateren Ubung bei der Auslegung von Vertragen: Art. 31 (1) Nr. 3 lit. (b). 109 "( ... ) whereas all parties to the Convention have thus undertaken 'to prevent and punish' the crime of genocide; whereas in the view of the Court, in the circumstances brought to its attention and outlined above in which there is a grave risk of acts of genocide being committed, Yugoslavia and BosniaHerzegownia, whether or not any such acts in the past may be legally imputable to them, are under a clear obligation to do all in their power to prevent the commission of any such acts in the future; ( ... )"; Genocide Case (Order), IC] Rep. 1993, 22, para. 45, 24 para. 52 (Hervorhebung durch Verf.); Toope deutet dies Aussage so, daB der IGH damit implizit die Moglichkeit einer solchen einstweiligen Anordnung sieht, denn sonst hatte er sich auf die Verpflichtung zur Bestrafung nach der Tat beschranken konnen. Vgl. Toope, Duty to Prevent Genocide, 192. 110 Allerdings entschied sich Bosnien Anfang 1994, seine Antrage in Bezug auf das Waffenembargo des UN-Sicherheitsrats aus der Klage gegen Serbien herauszunehmen. Scott, Memorial for Bosnia, 10 f., 28 ff., 36 ff. Eine Verhinde-
5. Kapitel: Menschenrechtliche Verpflichtungen
159
im spateren Ruanda-Konflikt versehiedene Sieherheitsratsmitglieder naehweislieh lange auf die Bezeiehnung der Gesehehnisse als Volkermord, um Verpfliehtungen aus der Volkermordkonvention fur sieh selbst nieht entstehen zu lassen.1l1 Aueh die travaux preparatoires deuten auf die bewuBte Einfugung einer Verhinderungspflicht in Art. I VMK hin. Danaeh wurde vor aHem die Verpfliehtung, Volkermord zu verhuten und zu bestrafen, aus der Praambel in Art. I VMK ubertragen, um diese Verbindliehkeit zu verstarken. ll2 Damit spree hen Wortlaut, Kontext des Art. I VMK, die nachfolgende Staatenpraxis und Rechtspreehung sowie seine historisehe Auslegung fur eine Verhinderungspflieht der Staaten aus Art. I VMK, die auch fur Mitgliedstaaten als Schutzzonenmaeht gelten konnte. Fraglieh bleibt aber, ob daneben ebenfalls eine gewohnheitsreehtliehe Verhinderungspflieht anerkannt ist, an die aueh die UN und Nieht-Mitgliedstaatender Volkermordkonvention als Sehutzzonenmacht gebunden sein konnten.
(4) Gewohnheitsrechtliehe Gehung der Verhinderungspflicht Bisweilen wird aus der erga-omnes-Wirkung des Volkermordverbots l13 eine gewohnheitsrechtliche Verhinderungspflieht gelesen: 114 Zwar be-
rungspflicht der Staaten wurde in dies em Fall auch von Malaysia angefuhrt, vgl. Schabas, Genocide, 492. III SO vor allem der UN-Generalsekretar Boutros Boutros-Ghali, zitiert bei Schabas, Genocide, 495; Report of the Independence Inquiry into the Actions of the United Nations During the 1994 Genocide in Rwanda, 15.12.1999, III. 5. Rapport D'lnformation, Rwanda, Deuxieme Partie, VI B 3; dazu auch: Frontline, The triumph of evil 100 Days of slaughter - A Chronology of U.S'/U.N. Actions, www.pbs.org/wgbh/ ... rontline/ shows/ evil!etc/slaughter.html. 112 Dies geschah vor aHem auf Anregung des belgischen Vertreters im 6. Komitee, Kraeckenbeek. Vgl.: UN GAOR 6ili Committee, 3cd Session, 6th meeting, (1948), 38. Nach den Vatern dieser Konvention soUte der letzte Paragraph der Priiambel die in Art. I VMK verankerte Verpflichtung nun unterstreichen. Vgl. auch schon Art. 1, Draft Convention and Report of the Economic and Social Council, Report of the Sixth Committee, A1760, 3.12.1948; Vgl. dazu: Lippman, Genocide Convention, 21.
113 2ur erga-omnes-Wirkung des Volkermordverbots: Barcelona Traction, IC] Rep. 1970, 32, para. 34. Spater ebenfaUs im Fall Reservation to Genocide Convention ICJ Rep. 1951, 15 ff., 23. Spater wohl ebenfalls fur die Verhinderungspflicht. Vgl. zu einer solchen Deutung der Aussagen des IGH auch Ragazzi, Obligations erga Omnes, 153.
160
Gewahrung fundamentaler Rechte in der Schutzzone
griinde eine erga-omnes- Wirkung des Verbots zunachst keine Pflicht, auch fur die Einhaltung desselben zu sorgen, jedoch konnten ergaomnes-Pflichten nach heutiger Staatenpraxis und Rechtsuberzeugung nicht mehr allein durch Passivitat erfullt werden, sondern erforderten eine positive Durchsetzung, so daB sich eine gewohnheitsrechtliche Pflicht zur Verhinderung von Volkermord ergebe. 115 In jedem Fall kann aus der Bedeutung des Volkermordverbots als zwingende Regelung eine positive Schutzpflicht zur Verhinderung von Volkermord abgeleitet werden. Die Verletzung einer ius cogens Norm stellt ein volkerrechtliches Verbrechen dar, das aktiv verhindert werden muK So fordert heute auch die Staatengemeinschaft fur schwerste internationale Verbrechen wie VOlkermord und ethnische Sauberung 1l6 oder schwereVerletzungen des humanitaren Volkerrechts ll7 neben der rein passiven Einhaltung auch den aktiven Schutz der darin geschutzten Rechtsguter. Ahnlich ist in Lehre undRechtsprechung die Tendenz erkennbar, aus Effektivitatsgesichtspunkten positive MaBnahmen zur Einhaltung fundamentaler Menschenrechte zu verlangen. 1l8 Genauso wird nur eine aktive Verpflichtung zur Verhinderung dieses Verbrechens der Effektivitat der ius-cogens-Norm des Volkermordverbots gerecht. Die Dberzeugungder Staatengemeinschaft, daB die Effektivitat des Volkermordverbots eine umfassende Bekampfung gebietet, wird
114 Scott, Memorial for Bosnia, 33 ff.; Toope, Duty to Prevent Genocide, 192 ff. Fur eine erga-omnes- Verpflichtung aber gegen eine konkrete Pflicht, diese einzuhalten: Oda, Decl., Genocide Case, Prelim. Obj., ICJ Rep. 1996,625 ff., 626, para. 4. Gegen eine erga-omnes- Wirkung der Verhinderungspflicht: Kreca, Diss.Op., Genocide Case, Prelim. Obj., ICJ Rep. 1996,658 ff., 765 para. 101.
115 Toope, Duty to Prevent Genocide, 192 ff. Allgemein zu einer solchen Pflicht bei erga-omnes-Normen: Azzam,The Duty of Third States, 64 H. 116 Fur die Verhinderungspflicht von ethnischen Sauberungsaktionen: UNGeneralsekretiir zu der Situation im friiheren Jugoslawien: Final Report of the Commission of Experts Established Pursuant to Security Council Resolution 780 (1992), SCOR, 49th Session, 2; Quigley, State Responsibility, 370; konkret fur Volkermord: Toope, Duty to Prevent Genocide, 192 H.; Scott, Memorial for Bosnia, 33; a.A. Starck, UNO-Wirtschaftssanktionen, 386. Allgemein fur eine positive Pflicht: Meron, Human Rights, 169 f.; Forde, Human Rights, 262 f. 117 Insbesondere fur militarisches Personal im Einsatzgebiet: Kommentar von Siekmann, Singapore Conference, 21; Wills, Safe Haven, 30; Azzam, The Duty of Third States, 55ff. 118
124.
Quigley; State Responsibility, 370; Sandvik-Nylund, Caught in Conflicts,
5. Kapitel: Menschenrechtliche Verpflichtungen
161
nicht zuletzt auch durch die weltweite Anerkennung des Volkermords als internationales Verbrechen im Rahmen der Internationalen Strafgerichtsbarkeit deutlich. 119 Damit kommt der Verhinderungspflicht bei schweren Menschenrechtsverletzungen und ius-cogens-Normen wie dem Volkermordverbot in Praxis und Rechtsuberzeugung entscheidende Bedeutung zu, so daB sie als gewohnheitsrechtlich anerkannt gelten muK 120 Entgegen mancher Kritik ist eine soIehe Pflicht genauso wie jene aus Art. I VMK auch nicht zu allgemein,121 eine due-diligence- Erfullung reicht aus.122 Damit konnen sowohl Mitgliedstaaten als auch die UN als Schutzzonenmacht zur Verhinderung eines von Dritten begangenen Volkermords verpflichtet sein. Fraglich konnte allein sein, ob diese Verhinderungspflicht nur innerhalb des eigenen Territoriums gilt, oder auch fur fremdes wie das Schutzzonengebiet.
(5) Territoriale Reichweite der Verhinderungspflicht Grundsatzlich ist umstritten, ob die Verhinderungspflicht der Volkermordkonvention rein territorial oder universal gilt. Eine rein territoriale Sichtweise, die besetzte Gebiete und soIehe, in denen eine extra-territoriale Hoheitsgewalt ausgeubt wird, ausschlieBt, widersprache jedoch dem Zweck der Konvention, Volkermord durch internationale Kooperation effektiv zu bekampfen. Zudem zeigt die Anerkennung des Weltrechtsprinzips beim Volkermord, daB die Verfolgung durch Staaten unabhangig yom eigenen Territorium moglich ist. 123 Zwar muB eine um119 Vgl. Art. 6 Statut des 1StGH, Art. 2 Statut des 1CTY, Art. 2 Statut des 1CTR. 120 Der 1GH scheint sogar eine ius-cogens-Natur der Verhinderungspflicht anzuerkennen: So erklarte der 1GH in seiner Reservations to Genocide Convention Entscheidung: "( ... ) the principles underlying the Convention are principles which are recognized by civilized nations as binding on States, even without any conventional obligation." Reservations to Genocide Convention, 1CJ Rep. 1951, 15 ff., 23; vgl. Scott, Memorial for Bosnia, 30. 121
Siehe oben II.l.a)(3). So aber wohl Starck, UNO- Wirtschaftssanktionen,
386. 122
Quigley, Ethnic Cleansing, 370 f.; Meron, Human Rights, 17l.
123 Ausdruck der Anerkennung des Weltrechtsprinzips beim Volkermord ist vor aHem seine umfassende Verfolgung unter Art. 6 Statut des 1StGH, Art. 2 Statut des 1CTY, Art. 2 Statut des 1CTR.
162
Gewahrung funclamentaler Rechte in cler Schutzzone
fassende Verhinderungspflicht mangels praktischer Durchsetzbarkeit abgelehnt werden,124 jedoch muB konsequenterweise wie bei den Menschenrechtskonventionen die Verhinderungspflicht zumindest auch auf solche Gebiete ausgedehnt werden, auf denen eine irgendwie geartete Hoheitsgewalt ausgeiibt wird. 125 Da die Schutzzonenmacht in der Schutz zone zumindest immer eine gewisse hoheitliche Gewalt ausiibt, muB damit auch hier das Verhinderungsgebot des Volkermords aus Art. I VMK gelten. Dies muB genauso auch fiir die entsprechende gewohnheitsrechtliche Verhinderungspflicht gelten, so daB auch die UN, soweit sie durch Peace-Keeping-Truppen zumindest begrenzte Hoheitsgewalt iiber ein Schutzzonengebiet ausiiben und MaBnahmen zur Verhinderung eines Volkermords treffen konnen,126 auch zur Verhinderung von mit Volkermordabsicht begangenen Angriffen auf und gewaltsamen Eindringlingen in die Schutz zone verpflichtet sind.
(6) Inhaltliche Reichweite der Schutzpflicht aus dem Volkermordverbot Die Mitgliedstaaten und die UN sind als Schutzzonenmacht sowohl bei einer Besetzung des Schutzzonengebiets als auch bei nur teilweiser Ubertragung hoheitlicher Rechte gebunden, die Begehung von Volkermord im Schutzzonengebiet im Rahmen der due diligence zu verhindemo Dies kann durch praventive MaBnahmen wie die Evakuierung der Bevolkerung, das Vorgehen gegen Verdachtige oder eine direkte Verteidigung gegen Angriffe erfolgen. Genauso mu6 die Schutzzonenmacht repressiv gegen Tater vorgehen, die sich in der Schutzzone befinden. Sie diirfen nicht wie in Ruanda in der Schutzzone Unterschlupf finden 0der sie zu einem sicheren Fluchtweg ins Ausland nutzen. Aufgrund der zwingenden Natur des Volkermordverbots kann es ausnahmsweise aber auch zusatzliche Zwangsbefugnisse der Schutzzonenmacht zur
124 Robinson, The Genocide Convention, 31 ff.; Starck, UNO-Wirtschaftssanktionen, 382 ff. A.A. Scott, Memorial for Bosnia, 30 ff.; Lauterpacht, Sep. Op., Genocide Case, IC] Rep. 1993, 444 f.; Toope, Duty to Prevent Genocide, 192 ff. 125 Lauterpacht, Sep. Op., Genocide Case, IC] Rep. 1993,444; Scott, Memorial for Bosnia, 36. 126 Diese Verantwortlichkeit der UN als Schutzzonenmacht ist von jener aus Art. Vln VMK zu unterscheiden. Letztere erklart nur eine Kompetenz nach einer Anrufung durch die Staaten. Shaw, Genocide, 815.
5. Kapitel: Menschenrechtliche Verpflichtungen
163
Verhinderung eines Volkermords begrunden 127 und die Schutzzonenmacht insbesondere zur Aufrechterhaltung der Schutzzone verpflichten. 128 Eine Grenze kann insoweit allein der N otstand der Schutzzonentruppe bilden, sie mug nur solange die Verteidigung der Schutzzone aufrechterhalten, wie sie sich nicht selbst ubermagigen Gefahren fur Leib und Leben aussetzt.
b) Besatzungsrechtliche Schutzpflicht Sofern die Schutzzonenmacht das Gebiet wie in Ruanda oder im Irak besetzt halt, kann sich eine Pflicht zum Schutz der Bevolkerung nicht nur aus dem Mandat und dem Volkermordverbot sondern auch aus der besatzungsrechtlichen Regelung zu Schutz und Schonung der Zivilbevolkerung in Art. 27 (1) GK IV sowie dem im gemeinsamen Art. 1 GKen verankerten humaniraren Gebot zur Durchsetzung der Vorschriften zum Schutz der Zivilbevolkerung ergeben.
(1) Verpflichtungen zu Schutz und Schonung der Zivilbevolkerung Das in Art. 27 (1) GK IV, Art. 46 LKO verankerte und als zwingendes Recht anerkannte Gebot zu Schutz und Schonung der Zivilbevolkerung 129 umfagt unter anderem den Anspruch auf Achtung der Person. Insoweit gilt sowohl ein Schonungsgebot i.S. eines Unterlassens von Angriffen auf Zivilpersonen als auch ein Schutzgebot, das ein aktives Tun zur Achtung der Person verlangt. 13o Die Schutzzonenmacht mug in dem Fall also nicht nur aIle Angriffe auf die Bevolkerung unterlassen, sondern auch aktiv Ma6nahmen zum Schutz der Bevolkerung vor
127 So ware eine Evakuierung der Bevolkerung oder die gewaltsame Abwehr gegen nicht autorisierte Ziele denkbar. Fur die gewaltsame Verteidigung bei einer fehlenden Ermachtigung unter Kapitel VII UNC: Oswald, Places of Protection, 1033. 128
So auch Kelly, Restoring and Maintaining Order, 160.
129
Siehe oben I.2.
130 So hat die diplomatische Konferenz sich gewollt gegen den Formulierungsvorschlag "ne seront pas exposees a" und fur "protegee contre" ausgesprochen. Vgl. Actes de la Conference diplomatique de Geneve de 1949, 1950/51, II-A, 697; Pictet, Commentaire IV, 220; Gasser, in: Fleck, Handbuch, Rdnr. 502; Kalshoven, Constraints on the Waging of War, 42, Urner, Die Menschenrechte der Zivilbevolkerung im Krieg, 63.
164
Gewahrung fundamentaler Rechte in der Schutzzone
Schadenergreifen. Entscheidend fiir den Schutz in einer Schutzzone ist, inwiefern die Schutzzonenmacht damit verpflichtet ist, Gewalttatigkeiten gegen Zivilpersonen innerhalb der Schutzzone und bewaffnete Angriffe auf die Schutzzonenbevolkerung von au~erhalb der Schutzzone abzuhalten.
(2) Schutz gegen Gewalttatigkeiten innerhalb der Schutzzone Der Schutz der Bevolkerung vor Verbrechen innerhalb des besetzten Gebietes ist der Besatzungsmacht bereits durch die Pflicht zur Wiederherstellung der offentlichen Ordnung auferlegt. 131 Die Besatzungsmacht tragt aufgrund ihrer physischen Herrschaft iiber das besetzte Gebiet fiir alles, was innerhalb dessen passiert, die letzte Verantwortung. 132 Daraus ergibt sich, da~ sie die Zivilpersonen auch vor jeglichen Gewalttatigkeiten schiitzen mu~, die innerhalb des besetzten Gebiets drohen.133 Insoweit hat eine Besatzungsmacht sowohl dafiir Sorge zu trag en, da~ Angehorige ihrer Streitkrafte jegliche Anwendung von Gewalt gegeniiber der Zivilbevolkerung unterlassen, als auch, daB die Bewohner vor Angriffen durch Dritte wie private Gruppen und Individuen geschiitzt werden. 134 Sie darf unter keinen Umstanden die Tatigkeit solcher Gruppen im besetzten Gebiet dulden oder gar fordern. 135 Die Schutzzonenmacht mu~ deswegen im Rahmen ihrer im Besatzungsrecht zugestandenen administrativen Befugnisse, insbesondere durch praventive Kontrollen und polizeiliche Prasenz aber auch repressive MaBnahmen
ihrer Schutzpflicht nachkommen. Aufgrund der Pflicht zur Wiederherstellung der offentlichen Ordnung mu~ die Schutzzonenmacht also die Bevolkerung vor Gewalttaten in
131
Vgl. Art. 43 LKO. Siehe oben 4. Kapitel, 1.3.
132
Gasser: in: Fleck, Handbuch, Rdnr. 525. Vg.1 A rt. 13,27,32 GK IV; A ft. 48, 75 ZPI.
133
134 Gasser, in: Fleck, Handbuch, Rdnr. 534; Dinstein, Belligerent Occupation and Human Rights, 119; WalshlPeleg, Human Rights under Military Occupation, 67 ff.
135 Gasser, in: Fleck, Handbuch, Rdnr. 534: "The Occupant cannot sit idly by if marauders pester the occupied territory, killing local inhabitants, even though no soldiers of the army of occupation get injured. The occupant must maintain law and order, and he is not at liberty to tolerate a situation of lawlessness and disorder in the occupied territory". Dinstein, Belligerent Occupation and Human Rights, 111, 119.
5. Kapitel: Menschenrechtliche Verpflichtungen
165
der Schutzzone schiitzen. Offen bleibt jedoch, inwieweit sie die Bevolkerungauch vor den Auswirkungen und Angriffen aus dem Kampfgebiet zu schiitzen hat. Eine solche Pflicht konnte allein AusfluB des allgemeinen Schutzgebots sein.
(3) Schutz gegen Angriffe von auBen Grundsatzlich fordert das allgemeine Gebot zum Schutz und zur Schonung der Zivilbevolkerung, alles zu unternehmen, was zur Abwehr 0der auch nur Zur Minderung von durch Kampfhandlungen bedingten Schaden bei der Zivilbevolkerung erforderlich ist. 136 Darin liegt zwar vorrangig eine Pflicht des Angreifenden, die Zivilbevolkerung bei Angriffen zu schonen und insofern sicherzustellen, daB nicht unnotig Zivilisten geschadigt werden. Jedoch wird auch die angegriffene oder bedrohte Partei verpflichtet, dem Gegner zu ermoglichen, militarische Ziele ohne groBe Kollateralschaden zu treffen. 137 So muB sie die Zivilbevolkerung aus der unmittelbaren Umgebung militarischer Ziele fernhalten, indem sie rein zivile Schutzzonen i.S.d. humanitaren Volkerrechts einrichtet oder die Zivilbevolkerung aus gefahrdetem Gebiet evakuiert. 138 Sie ist also vor allem zu PraventivmaBnahmen verpflichtet. Fraglich ist jedoch, ob das besatzungsrechtliche Schutzgebot neben praventiven SchutzmaBnahmen auch die aktive Abwehr von Angriffen auf die Schutzzone verlangt. Dagegen spricht, daB als Konkretisierungen der Schutzverpflichtung allein praventive MaBnahmen genannt werden: So erfordert Art. 58 ZP I nur praventive VorsichtsmaBnahmen und spricht der UN-Generalsekredr in seinen "principles and spirit" allein von "precautions" oder "shall avoid".139 Nirgendwo wird eine aktive Verteidigungspflicht gegeniiber der ZivilbevOlkerung genannt. Diese Beschrankung auf praventive MaBnahmen entspricht auch dem Geist des humanitaren Volkerrechts, das als ius in bello gerade Gewalttatigkeiten vermeiden will und auf praventive MaBnahmen setzt.
136
Pictet, Commentaire IV, 20; Gasser, in: Fleck, Handbuch, Rdnr. 502.
Gasser, in: Fleck, Handbuch, Rdnr. 502, 510; Kalshoven, Constraints on the Waging of War, 42. 137
138 Diese konkreten VorsichtsmaBnahmen finden sich z.B. in Art. 58 ZP I. Vgl. dazu Gasser, in: Fleck, Handbuch, Rdnr. 502, 510; Kalshoven, Constraints on the Waging of War, 42. Vgl. auch zur Evakuierung gefahrlicher Gebiete Art. 49 (4) GK IV.
139
Sec. 5.3 und 5.4 Secretary-General's Bulletin, STISGBJI999/13.
166
Gewahrung fundamentaler Rechte in der Schutzzone
Allerdings wird die Schutzpflicht sehr allgemein als Schutz vor Gefahren durch die Kampfhandlungen verstanden und ihr Sinn ist es, die Zivilbevolkerung nicht schutzlos ihrem Schicksal zu uberlassen, wenn ihr von Kampfhandlungen Gefahren drohen. 140 Dieser Zweck kann aber haufig nicht allein durch PraventivmaGnahmen erreicht werden, gerade bei plotzlichen Angriffen hilft haufig allein eine gewaltsame Abwehr des Angriffs. Die Schutzpflicht wurde jedoch in ihrer Effektivitat stark beeintrachtigt, wenn die Besatzungsmacht in soleh einem Fall die Bevolkerung wissentlich den Gefahren eines Angriffs aussetzen durfte, obwohl sie die Mittel zur Verteidigung hatte. SchlieGlich trafe eine solche Pflicht zur Abwehr offensichtlicher Gefahren von auGen auch den Gaststaat, der ihr jedoch aufgrund der tatsachlichen Gewalt der Besatzungsmacht nicht nachkommen kann. Das Besatzungsrecht will aber mit Ausnahme gewisser militarischer Einschrankungen - der Besatzungsmacht grundsatzlich die gleichen Pflichten auferlegen wie sie fur den Gaststaat gelten wiirden. 141 Damit muG die humanitare Schutzpflicht die Schutzzonenmacht als Besatzungsmacht zumindest dann auch zu einer aktiven Verteidigung gegen Angriffe von auGerhalb der Schutzzone verpflichten, wenn praventive MaGnahmen nicht ausreichen.
(4) Inhaltliche Reichweite der Schutzpflicht Die humanitare Schutzpflicht ist als AusflufS des Rechts auf Leben grundsatzlich unbeschrankbar142 und damit von vornherein allein durch die der Besatzungsmacht zur Verfugung stehenden Mittel begrenzt. 143
140 Gasser, in: Fleck, Handbuch, Rdnr. 502. Nach Urner hat die Besatzungsmacht die Zivilbevolkerung gegen aIle Unmenschlichkeiten " - woher sie auch kommen mogen -" zu schiitzen, Urner, Die Menschenrechte der Zivilbevolkerung im Krieg, 63.
141 Siehe oben 4. Kapitel, l.3.c)(1). Pictet, Commentaire IV, 223; Urner, Die Menschenrechte der Zivilbevolkerung im Krieg, 63, WalshlPeleg, Human Rights under Military Occupation, 142
69.
143 Vgl. Art. 58 ZP I. Gasser, in: Fleck, Handbuch, Rdnr. 510; Urner, Die Menschenrechte der Zivilbevolkerung im Krieg, 63. Pictet formuliert es: "C ... ) elle exige que les Etats prennent toutes mesures et precautions en leur pouvoir afin de prevenir ces actes et de secourir les victimes en cas de besoin." CHervorhebung durch Verf.), Pictet, Commentaire IV, 220. Art. 58 ZP I beschrankt sich
5. Kapitel: Menschenrechtliche Verpflichtungen
167
Die Besatzungsmacht kann nicht zu mehr verpflichtet werden, als der Gaststaat, der wegen des Grundsatzes impossibilium nulla non obligatio est nur zu MaBnahmen im Rahmen seiner Mittel verpflichtet ware. Dies schlieBt allerdings nicht aus, daB die UN oder die Mitgliedstaaten, weil ihnen als Schutzzonenmacht eine weitergehende Anzahl an Mitteln zur Verfugung stehen als dem Gaststaat, auch weitergehende Verpflichtungen treffen. Aber auch Gefahren fur die Schutzzonentruppe konnen ihre Schutzpflicht beschranken. Die Regelungen des Besatzungsrechts dienen als Ausgleich zwischen den Rechten der Zivilbevolkerung und den militarischen Bedurfnissen einer Besatzungsmacht. 144 Die Moglichkeit von Kontroll- und SicherheitsmaBnahmen 145 und des Entzugs des Schutzes aus Sicherheitsgesichtspunkten (z.B. bei Spionen)146 zeigen deutlich den Vorrang des Sicherheitsinteresses der Konfliktpartei, 147 so daB die Schutzzonenmacht keine unannehmbaren Risiken fur ihre Truppe auf sich nehmen muK 148 Dafur spricht ebenfalls, daB auch der Heimatstaat nicht zu MaBnahmen verpflichtet ware, die seine Organe ubermaBig gefahrden wiirden. Damit ist der Schutz der Soldaten der Besatzungsmacht grundsatzlich gegen die Schutzverpflichtungen aus dem Besatzungsrecht abzuwagen. Insgesamt bleibt festzuhalten, daB sich fur die Schutzzonenmacht, sofern sie das Gebiet wie die Alliierten in Ruanda und im Irak besetzt, nicht nur aus dem Mandat sondern auch aus dem Besatzungsrecht eine Pflicht ergibt, die Bevolkerung vor Gewalttaten innerhalb der Schutzzone und gegen Angriffe von auBen zu schutz en. Insoweit kann die Schutzzonenmacht vor allem zu praventiven MaBnahmen wie einer Evakuierung der Bevolkerung oder ihrer Trennung von militarischem Gerat verpflichtet sein. Reicht dies nicht aus, muB sie zumindest bei offensichtlich drohenden Angriffen ausnahmsweise auch zur aktiven Abso gar auf Magnahmen, die "praktisch irgend moglich" sind; Benvenisti, Occupation, 213 ff. 144 WalshlPeleg, Human Rights under Military Occupation, 67 ff. 145 Art. 27 (4) GK IV. 146 Art. 5 GK IV. 147 Voit, Grenzen des Schutzes der Zivilbevolkerung, 174; SassOlilBouvier, How does law protect in war?, 155; Kelly, Peace Operations, Rdnr. 504 ff. Dazu auch: Dinstein, Belligerent Occupation and Human Rights, 114. 148 Schwarzenberger, International Law II, 181 f.; Kelly, Peace Operations, Rdnr.505.
Gewahrung fundamentaler Rechte in der Schutzzone
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wehr von bewaffneten Angriffen auf die Bevolkerung greifen. Die besatzungsrechtliche Schutzverpflichtung findet ihre Grenze im Rahmen der ihr zur Verfugung stehenden Mittel und kann bei Gefahren fur die Schutzzonentruppe eingeschrankt werden. Unter dem Besatzungsrecht bleibt die Schutzzonenmacht jedoch frei, die Schutzzone aufzulosen; eine Pflicht zur Aufrechterhaltung der Schutz zone kann sich nur aus dem Mandat und dem Volkermordverbot l49 ergeben.
(5) Pflicht zur SichersteIlung der Einhaltung des humanitaren Volkerrechts
Moglicherweise konnte sich fur die Schutzzonenmacht auch aus einer dem gemeinsamen Art. 1 GK I50 gleichlautenden gewohnheitsrechtlichen Verpflichtung, die Einhaltung des humanitaren Volkerrechts sicherzustellen,eine Pflicht ergeben, gegen bewaffnete Angriffe von au6erhalb der Schutzzone auf die Bevolkerung vorzugehen. So sind Stimmen in der Lehre zu finden, die sowohl aus Art. 1 GK IV als auch einer gleichlautenden gewohnheitsrechtlichen l51 Norm eine rechtliche Verpflichtung fur Staaten ableiten - seien sie Konfliktpartei oder Dritte -, aktiv fur die Einhaltung des humanitaren Volkerrechts einzutreten. 152 Eine soIehe gewohnheitsrechtliche Pflicht konnte dann fur aIle Staaten und die UN als Schutzzonenmacht gelten.
149
) Vg.I dort,II.1.a)(6.
150 Art. 1 GK IV lautet: "Die Hohen Vertragsparteien verpflichten sich, das vorliegende Abkommen unter allen Umstanden einzuhalten und seine Einhaltung durchzusetzen. "
151 Der IGH bezeichnete Art. 1 als "general principle of humanitarian law", Nicaragua, IC] Rep. 1986, 114, para. 218; ebenfalls zur allgemeinen Anerkennung der Verpflichtungen aus art. 1 GKen: Res. XXIII der 1968 Theraner Internationalen Konferenz iiber Menschenrechte, Final Act of the International Conference on Human Rights, Theran, 1968, 13; Appel du CI CR pour une mobilisation humanitaire, RICR, 1985, 29, 32; Meron, der eine solche gewohnheitsrechtliche Norm nur fUr solche Vorschriften anerkennt, die erga omnes Wirkung haben, Meron, The Geneva Conventions as Customary Law, 355. 152 Partsch, in: Bothe/Partsch/Solf, 43 f.; Pictet, Commentaire IV, 20 ff.; CondorellilBoisson de Chazournes, L'obligation des Etats de «respecter et faire respecter», 17 ff.; Kessler, Art. 1, 506; Kalshoven, The Undertaking to Respect and Ensure Respect, 60; Meron, The Geneva Conventions as Customary Law, 355; SassOlilBouvier, How does law protect in war?, 231; Azzam, Duty of third states, 74; Wills, Safe Haven, 37, der jedoch keine Rechtsgrundlage fiir seine
5. Kapitel: Menschenrechtliche Verpflichtungen
169
Aber selbst wenn man eine solche Handlungspflicht der Schutzzonenmacht annahme, konnte sie ihr nur ein Minimum an aktivem Tun auferlegen,in jedem Fall jedoch keine konkreten effektiven Repressions- 0der Praventionsma6nahmen gegen Verletzungen des humanitaren Volkerrechts von au6erhalb der Schutz zone verlangen. Denn den Adressaten mu6 wegen der starken politischen Bedeutung eines Vorgehens gegen einen dritten Staat ein weiter Ermessensspielraum hinsichtlich der Art def Ma6nahme verbleiben. So wird uberwiegend auch aUein eine Verpflichtung der Staaten anerkannt, die eigenen Soldaten unp Personen unter ihrer Autoritat Zur Einhaltung des humanitaren Volkerrechts anzuhalten und moglicherweise noch andere Staaten zu beobachten und nicht vollstandig untatig bei Verletzungen des humanitaren Volkerrechts durch Dritte zu bleiben. 153 Gesprache und Proteste gegen die volkerrechtswidrige Handlung werden insoweit als ausreichend fur die Pflichterfullung empfunden. 154 Fur eine weitergehende Pflicht fehlen sowohl Anhaltspunkte in den travaux preparatoires l55 als auch jedwede Staatenpraxis. 156 Die Staaten sind nicht verpflichtet, konkrete effektive Ma6nahmen bei Versto6en gegen das humanitare Volkerrecht durch dritte Staaten zu ergreifen oder gar zu intervenieren. 157 Erst recht kann Eingriffspflicht nennt; Levrat, "faire respecter" les Conventions humanitaires, 275 ff. A.A. wohl Greenwood, United Nations Military Operations, 9 f.,32. 153 Kessler, Art. 1, 506; Kalshoven, The Undertaking to Respect and Ensure Respect, 60; wohl auch fur eine enge Auslegung: Meron, The Geneva Conventions as Customary Law, 355; SassOlilBouvier, How does law protect in war?, 231; Wills, Safe Haven, 37, der jedoch keine Rechtsgrundlage fur seine Eingriffspflicht nennt; letztendlich so auch Azzam, der zwar eine Erfolgspflicht anerkennt, aber eine volkerrechtliche Veranrwortung wegen Unterlassens der Staaten erst dann erkJart, wenn ein ahnlicher Mindestmagstab nicht erfullt ist: Azzam, Duty of third states, 74. A.A. Pictet, Commentaire IV, 20 ff.; CondorellilBoisson de Chazoumes, L'obligation des Etats, 26 ff. 154 Kessler, Art. 1, 506; Levrat, "faire respecter" les Conventions humanitaires, 284 ff.; SassOlilBouvier, How does law protect in war?, 231. 155 Siehe Roberts, The Laws of War, 29 f.; Greenwood, United Nations Military Operations, 9 f.; Kessler, Art. 1, 504; Kalshoven, The Undertaking to Respect and Ensure Respect, 60. 156 Vgl. dazu: Greenwood, United Nations Military Operations, 9 f.; Kessler, Art. 1, 505 ff.; Schindler, Die erga-omnes Wirkung des humanitaren V6lkerrechts, 204.
157 Kessler, The Duty to "Ensure Respect", 506 f.; Levrat, "faire respecter" les Conventions humanitaires, 284 ff. Vorsichtig: Meron, Geneva Conventions as Customary Law, 355. A.A. Azzam, The Duty of Third States, 74, der aber
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Gewahrung fundamentaler Rechte in der Schutzzone
der allgemeine Art. 1 GK IV keine Grundlage fur ein militarisches Vorgehen gegen Versto6e des humanitaren Volkerrechts - also etwa im Rahmen einer Verteidigung der Schutzzonenbevolkerung - als Ausnahme yom Gewaltverbot rechtfertigen. 158 Selbst wenn man also aus Art. 1 G Ken eine positive Handlungspflicht zur Verhinderung von Verletzungen des humanitaren Volkerrechts durch Dritte ableitete, ware eine daraus resultierende rechtliche Pflicht der Schutzzonenmacht - sei sie UN oder Mitgliedstaatlich gefuhrt -, gegen Angriffe von au6erhalb der Schutz zone gewaltsam vorzugehen, abzulehnen. 159 Eine solche Pflicht kann sich aus dem Mandat der Schutzzonentruppe, dem Volkermordverbot oder der humanitaren Schutzpflicht ergeben,160 jedoch kann aus dem gemeinsamen Art. 1 GKen hochstens verlangt werden, nicht vollstandig untatig solchen Volkerrechtsverletzungen Dritter zuzusehen. Auch aus einem moglichen erga-omnes-Charakter der Normen des humanitaren Volkerrechts aufgrund der allgemeinen Anerkennung der GKen l61 kann keine konkrete Pflicht abgeleitet werden, effektive Schritte gegen Verletzungen des humanitaren Volkerrechts gegenuber
eine Verantwortlichkeit der Staaten auch erst dann sieht, wenn sie die Minimalanforderungen nicht erfullen. CondorellilBoisson de Chazournes, L'Obligation des Etats, 26 H. 158 So auch: Kessler, Art. 1, 500; CondorellilBoisson de Chazournes, L'obligation des Etats, 31; Kalshoven, The Undertaking to Respect and Ensure Respect,53. 159 Auch nur fur eine moralische Pflicht: Sammaruaga, damaliger Prasident des IKRK, zitiert in: Kalshoven, The Undertaking to Respect and Ensure Respect, 60; Kalshoven, ibid.; Schindler, Die erga-omnes Wirkung des humanitaren Volkerrechts, 204. 160 Vgl. dazu oben: Vgl. dort, II.l.a)(6), II.l.b)(3). 161 So: Azzam, Duty of Third States, 68; Meron, The Geneva Conventions as Customary Law, 355. Kessler ahnlich aber auf der Grundlage einer erga omnes contractantes Pflicht, Kessler, Art. 1, 500 H. Ahnlich wird fur Peace-KeepingTruppen allgemein eine Pflicht angenommen, bei groben Verletzungen des humanitaren Volkerrechts nicht schweigend zuzusehen sondern einzuschreiten. Wills, Safe Havens, 30, der insoweit darauf hinweist, daB der Brahimi Bericht auch eine Autorisierung zur Gewaltanwendung von Peace-Keeping-Truppen zur Verhinderung von Verletzungen des humanitaren Volkerrechts als stillschweigend gegeben ansehe: Report of the Panel on UN Peacekeeping Operations, 23.8.2000, erhaltlich unter: http.www.un.org/peace/reports/peaceoperations/.
5. Kapitel: Menschenrechtliche Verpflichtungen
171
der Bevolkerung zu unternehmen. Denn diese konnte aus denselben Grunden auch nicht weitergehen als eine Handlungspflicht aus dem gemeinsamen Art. 1 GKen.
c) Recht auf Leben Soweit die Schutzzonenmacht wie in Srebrenica das Schutzzonengebiet nicht besetzt halt, ihr also nur teilweise yom Gaststaat hoheitliche Gewalt ubertragen ist, kommt eine etwaige Verpflichtung zum Schutz der Bevolkerung aus dem Recht auf Leben in Betracht. 162 Das Recht auf Leben ist als fundamentales und unverdrangbares Menschenrecht in universalen und regional en Menschenrechtskonventionen 163 sowie gewohnheitsrechtlich anerkannt. 164 Es verbietet zunachst und vor aHem jede willkurliche Zerstorung des Lebens durch staatliche Organe. Die Schutzzonenmacht darf also nicht willkurlich das Leben der Bewohner verletzen. Daneben fordert es aber auch positive Ma6nahmen zum Schutz des Rechtsguts: So hat sich der UN-Menschenrechtsausschu6 fur ein weites Verstandnis des Rechts auf Leben ausgesprochen, das ebenfaHs positive Handlungen des Staates zur Erhohung der Lebenserwartung und Verringerung der Kindersterblichkeit verlange. 165 Ein positiver Schutz des Lebens durch entsprechende Gesetzgebung ist in Art. 6 (1) IPBurgR, Art. 2 (1) EMRK sowie Art. 4 (1) AMRK vorgesehen 166 und wird aus Art. 2 (1) IPBurgR auch
162 Zwar schiitzt auch das Verbot der Folter und anderer erniedrigender unmenschlicher Behandlungen (Art. 5 AEMR) das Leben, aber eine hier gefragte etwaige Schutzpflicht wird nur sehr eng definiert: GenC 7/16, 20/44, abgedruckt in Nowak, CCPR, Appendix, 852 f., 871 ff. Zur allgemeinen Bindung der Schutzzonenmacht an die Menschenrechte siehe oben l.3.a)(l). 163 Art. 6 IPBiirgR, Art. 2 EMRK, Art. 4 AMRK. Und auch in Art. 3 der AEMR, die zwar kein bindendes Volkerrecht darstellt, deren Vorschriften jedoch iiberwiegend als Gewohnheitsrecht anerkannt sind, siehe oben l.3.a)(l). 164 Sandvik-Nylund, Caught in Conflicts, 56, 60; Ramcharan, Right to Life, 10; Kabaalioglu, The Right to Life, 161. Higgins, Derogations Under Human Rights Treaties, 282. 165 General Comment 6/16 Human Rights Committee, GAOR, Supp. No. 40, A/37/40, 1982, 93 para. 5, abgedruckt in: Nowak, CCPR, Appendix, 851f.); a.A. Dinstein, der allein die willentliche Unterversorgung als Verletzung des Rechts auf Leben ansieht: Dinstein, The Right to Life, 115. 166
Vgl. Art. 6 (1) S. 1 IPBiirgR, Art. 2 (1) S. 1 EMRK.
172
Gewahrung fundamentaler Rechte in der Schutzzone
fur administrative und judikative MaBnahmen entnommen. 167 Hinsichtlich einer moglichen Schutzpflicht der Schutzzonenmacht vor Angriffen auf die Bevolkerung ist fraglich, ob sich aus den genannten Ansatzen fur einen positiven Schutz im Recht auf Leben auch eine solche Verpflichtung zum Schutz vor privaten Gewalttatigkeiten und fremden Angriffen ableiten laBt.
(1) Positive Schutzpflicht gegen Verletzungen durch Privatpersonen Die Menschenrechte gelten zunachst nur horizontal und statuieren Verpflichtungen des Staates gegenuber seinen Burgern, nicht jedoch vertikal zwischen Privatpersonen. Allerdings wird in Rechtsprechung und Lehre zunehmend eine allgemeine Schutzpflicht des Staates vor Menschenrechtsverletzungen zwischen Privatpersonen angenommen. 168 Sie wird meist in Art. 2 IPBurgR, 1 EMRK, 1 (1) AMRK, der Effektivitat der Menschenrechte oder der Wurde des Menschen verankert, 169 hangt jedoch fur das konkrete Menschenrecht von der Interpretation der jeweiligen Vorschrift ab. 170 Fur das Recht auf Leben wird sie in der Lehre uberwiegend bejaht. l7l Auch die Praxis zu den Menschenrechtskonventionen bestatigt zumindest eine begrenzte positive Schutzpflicht des Rechts auf Leben. So hat sich schon bei Entstehung des IPBurgR die Mehrheit der Staaten fur einen Schutz des Rechts auf Leben durch den Staat sowohl vor staatli167 Nowak, CCPR, Art. 6, Rdnr. 6; Ramacharan, Right to Life, 10.; Baloro, International Humanitarian Law, 466.
168 ECHR fur Art. 11 EMRK National Union of Belgian Police Case, EGMR, Series A 19, para. 39; Swedish Engine Driver's Union Case, 18 ECHR, Ser. B, 1977,42 ff.; fur Art. 8: Case of X and Yv. The Netherlands, 91 EGMR, Ser. A, 1985, 11 ff.; fUr die AMRK entscheidend: Veldzques Rodriguez, InterAmerican Court of Human Rights, Ser.C, Decisions and Judgements, No.4, para.166. vgl. Zu einer Darstellung: Meron, Human Rights, 162 ff. 169
Forde, Human Rights, 253 ff.; Meron, Human Rights, 162 ff., 164, 169.
170 Forde, Human Rights, 253 ff.; Meron, Human Rights, 164, 169; zu einem Dberblick uber die Rechtsprechung: Wolf, Haftung fur Privatpersonen, 266 ff. 171 Nowak, CCPR, Art. 6, Rdnr. 6; Ramacharan, Right to Life, 10; Baloro, International Humanitarian Law, 466. Auf das Verbot willkurlicher Verhinderung beschrankend: Desch, Right to Life, 101 f. Fur eine positive Schutzpflicht der Staaten in der EMRK auf der Grundlage des Effektivitatsprinzip: v. Dijk, Positive Obligations, 17 ff.; zur Auslegung der AMRK: Wolf, Haftung fur Privatpersonen, 297 ff. Meron, Human Rights, 162 ff.
5. Kapitel: Mens.chenrechtliche Verpflichtungen
173
chen ais auch Eingriffen durch Privatpersonen ausgesprochen.172 Ebenso hat der UN-MenschenrechtsausschuB die Pravention und Bestrafung von Straftaten gegen das Leben ais Verpflichtung aus dem Recht auf Leben erkIart. 173 Ahnlich wird auch der Schutzpflicht im Rahmen des Art. 2 (1) EMRK eine horizontale Schutzwirkung zugeschrieben. 174 Nach Ansicht der EMK kann die Verpflichtung zum Schutz des Lebens aus Art. 2 S. 1 EMRK positive Pflichten des Staates erzeugen. 175 Auch der EGMR hat mehrfach festgestellt, daB Art. 2 (1) EMRK eine positive Pflicht der Staaten begriinden kann, nicht nur strafrechtliche Vorschriften sondern auch operationale MaBnahmen zum Schutz des Lebens vor privaten Angriffen zu ergreifen. 176 Eine sehr weitgehende positive Verpflichtung der Staaten zum Schutz vor privaten Angriffen erkennt der Inter-Amerikanische Gerichtshof an, der in Art. 1 (1) AMRK die Pflicht eines jeden Staates verankert sieht, ,,( ... ) jede Verietzung der in
172 Annotations on the text of the draft International Covenants on Human Rights, 1.7.1955, AI2929, Ch. VI, para. 4; vgl. dazu Dinstein, The Right to Life, 119. 173
GenC 6/16, 2 ff.; Nowak, CCPR, Art. 6, Rdnr. 6.
174 Frowein, in: Frowein/Peukert, Art. 2, Rdnr. 2; Zumindest fur eine positive gesetzliche Schutzpflicht: Frowein, in: Frowein/Peukert, Art. 2 Rdnr. 7; Fawcett, European Comvention on Human Rights, 30 f. Fur eine allgemeine Schutzpflicht aus Effektivitatsgesichtspunkten: v. Dijk, Positive Obligations, 17 ff. 175 Appl. No. 7154175, 12.7.78, DR 14, 31 f. So hat die Kommission im Falle X v. Ireland eine solche Pflicht anerkannt, dem Beschwerdefuhrer jedoch personlichen Polizeischutz verweigert, obwohl sein Leben nachweislich durch Anhanger der IRA bedroht war. X v. Ireland, E 6040173, CD 44, 121 f. Offen in: Anna Hughes .v. the United Kingdom, E11590/85, DR 48,258 ff., 260. Vgl. dazu auch Frowein, in Frowein/Peukert, Art. 2 Rdnr. 7. 176 1m Fall Osman erklarte der EGMR: "This (Art. 2 §1 EMRK) involves a primary duty on the state to secure the right to life by putting in place effective criminal law provisions (... ) It also extends in appropriate circumstances to a positive obligation on the authorities to take preventive operational measures to protect an individual whose life is at risk from the criminal acts of another individual." Osman v. the United Kingdom, EGMR, Reports 1998-VIII, § 115 f.; iihnlich bereits in: L.CB. v. The United Kingdom, EGMR, Reports 1998-III, 1403, § 36; zuletzt in: Edwards v. The United Kingdom, 14.3.2002, Appl. NoA6477/99, § 54, vgl. htp:llhudoc.echr.coe.int. Fur eine positive Pflicht auf Rechtsbeistand aus Art. 8: Marckx, EGMR, Series A, No. 31, 15; allgemein zu positiven Pflichten: Airey, EGMR, Series A, No.32; vgl. Darstellung bei: v. Dijk, Positive Obligations, 17 ff.
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Gewahrung fundamentaler Rechte in der Schutzzone
der Konvention anerkannten Positionen" zu verhindern, untersuchen und bestrafen. 177 Insgesamt zeigt die Praxis zu den internationalen Menschenrechtskonventionen damit, daB beim Recht auf Leben zumind est eine begrenzte Schutzpflicht des Staates gegenuber Angriffen durch Privatpersonen anzunehmen ist. 178 Dem ist auch aufgrund der Bedeutung des Rechtsguts und im Lichte eines effektiven Schutzes zuzustimmen. So wird uberwiegend bei wichtigen Rechtsgutern, insbesondere ius-cogens-Normen, fur eine positive Schutzpflicht der Staaten argumentiert. 179 Dem Recht auf Leben wird heute als fundamentale Grundnorm uberwiegend zwingende Wirkung zuerkannt. 180 Es wird in allen groBen Menschenrechtsinstrumenten als nicht derogierbares Recht garantiert,181 und seine Verletzung im Konflikt zahlt als schwere Verletzung der Genfer Konventionen und Zusatzprotokolle, fur die die Konventionen besondere strafrechtliche Sanktionen der Mitgliedstaaten fordern. 182 Auch das Statut des IStGH sanktioniert verschiedenste Verletzungen des Rechts auf Leben im Rahmen der Verbrechen gegen die Menschlichkeit. 183 Zwar stellt die Todesstrafe zumindest noch in Teilen der Welt eiIle rechtmaBige Einschrankung des Rechts auf Leben dar, jedoch erkennt insbesondere die Rechtsprechung auch hier einen Wandel,184 und zudem wirddas Recht 177 Veltizques Rodriguez, IACHR, Ser.C, Decisions and Judgements, No.4, para.166 = EuGRZ 1989, 171, Rdnr. 164; mit einer ausfiihrlichen Darstellung auch: Wolf, Haftung fur Privatpersonen, 297 ff. 178 So auch Forde, Human Rights, 262 f.; Meron, Human Rights, 169 f. 179
Quigley, State Responsibility, 370; Sandvik-Nylund, Caught in Conflicts,
124. 180 Nowak, CCPR, Art. 6, Rdnr. 2; Ramcharan, Right to Life, 10; Kabaalioglu, The Right to Life, 161. Higgins, Derogations Under Human Rights Treaties, 282; Starck, UNO-Wirtschaftssanktionen, 344 f.
181 Art. 6,4 (2) IPBiirgR, Art. 2, 15 (2) EMRK, Art. 4,27 (2) AMRK, Art. 4 AFMRK. 182 Art. 50 GK I, Art. 51 GK II, Art. 130 GK III, Art. 147 GK IV, Art. 75 (2) lit. a) ZP I, Art. 4 (2) lit. a) ZP II. 183 Art. 7 Statut des IStGH, ebenso Art. 3 Statut des ICTY, Art. 3 Statut des ICTR. 184 Dies kommt wesentlich durch das 13. Zusatzprotokoll der EMRK zum Ausdruck. ILM 41 (2002), 515 f.; United States v. Burns, (2001) 1 S.C.R. 283, Rdnr. 79 ff. mit einer ausfiihrlichen Darstellung der sich wandelnden Uberzeugung. Immer mehr Staaten u.a. auch die Tiirkei haben jiingst die Todesstrafe in Friedenszeiten abgeschafft.
5. Kapitel: Menschenrechtliche Verpflichtungen
175
auf Leben daneben als absolut anerkannt. 18S Zumindest hinsichtlich des Schutzes vor willkurlichen und systematischen Verletzungen ist das Recht auf Leben damit als ius cogens anzusehen. Da ein umfassender Schutz dieses fundamentalen Kerns nur dann gewahrleistet ist, wenn das Rechtsgut ebenfalls aktiv gegen solche schweren Beeintrachtigungen durch Privatpersonen geschutzt wird, ist insoweit auch eine Schutzpflicht fur Staaten anzunehmen. Diese fordert dann auch nicht die Verhinderung jeder einzelnen Bedrohung im taglichen Leben, sondem allein ein Einschreiten bei Lebensgefahren durch systematische Massenaktionen, Aufstande oder Massenaufruhr. 186
(2) Bindung der Schutzzonenmacht an die Schutzpflicht Da die Schutzpflicht aus Effektivitatsgesichtspunkten und der Bedeutung des Rechtsguts abgeleitet wird, stellt sie ein notwendiges Korre1at des eigentlichen Rechts auf Leben dar,187 das auch im Rahmen des gewohnheitsrechtlichen Rechts auf Leben gelten mu6 und grundsatzlich fur die Mitgliedsstaaten und die UN gelten kann. Allerdings bleibt hinsichtlich einer positiven Schutzpflicht als Schutzzonenmacht noch zweierlei fraglich: zum einen, ob die Schutzpflicht auch sachlich auf die UN als intemationale Organisation anwendbar ist und inwieweit die Schutzpflicht in der Schutzzone wirkt, wo die Schutzzonenmacht extra-territoriale Hoheitsgewalt ausubt.
185 Vgl. Art. 6 IPBiirgR, Art. 2 EMRK, Art. 4 AMRK. 186 Ahnlich erklarte auch schon der UN-Menschenrechtsausschug eine Verpflichtung des Staates, Krieg, V6lkermord und Massengewalt zu verhindern und das Leben der Biirger davor zu schiitzen GenC 6/16, 2 ff.; Nowak, CCPR, Art. 6, Rdnr. 6; Ramacharan, Right to Life, 10; Saloro, International Humanitarian Law, 466; Meron, Human Rights, 171. In der EMRK: v. Dijk, Positive Obligations, 17 ff. Ahnlich bei besonderen Fiirsorgeverhaltnissen wie z.B. im Gefangnis wird als geboten angesehen Edwards v. The United Kingdom, 14.3. 2002, Appl. No.46477/99, Rdnr. 57, vgl. htp:llhudoc.echr.coe.int. 187 So auch: Meron, Human Rights, 162 ff.; Forde, Human Rights, 253 ff.; Ramcharan, The Right to Life, 6 f.; Gros Espiell, The Right to Life, 45, 49; Quigley, State Responsibility, 370. Den Einflug zunehmend privater Rechtsverletzungen sah schon der IGH im Theraner Geiselfall: "( ... ) the frequency with which at the present time the principles of international law (... ) are set at naught by individuals or groups of individuals (... )", United States Diplomatic and Consular Staff in Theran, ICJ Rep. 1980, 1 ff., 42.
Gewahrung fundamentaler Rechte in der Schutzzone
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Sieht man die positive Schutzverpflichtung als elementaren Bestandteil des Rechts auf Leben an, an das die UN gebunden sind, miissen sie, wenn sie die entsprechende Hoheitsgewalt wahrnehmen, konsequenterweise auch an die Schutzpflicht gebunden sein. Ahnliches mug auch fiir den bei den Schutzzonen gegebenen Fall der extra-territorialen Ausiibung von Hoheitsgewalt 188 durch die Mitgliedstaaten gelten. Sowe it, wie sie dort das Recht auf Leben bei der Ausiibung von Hoheitsgewalt zu achten haben, mug sie auch die positive Schutzpflicht treffen. Zweifelsfrei gilt diese Schutzverpflichtung dann, wenn die Schutzzonenmacht die vollstandige Kontrolle iiber das Gebiet ausiibt, denn dann kann der Gaststaat die positive Schutzpflicht nicht mehr selbst wahrnehmen, sie mug also - urn nicht vollstandig zu entfallen - durch die Schutzzonenmacht ausgeiibt werden. Aber auch wenn ihr nur in Teilbereichen Hoheitsgewalt iibertragen wird, mug sie als Korrelat dieser Befugnis zumindest in dies en Teilbereichen die Schutzpflicht wahrnehmen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Gaststaat auf die Ausiibung der Verteidigung gegen aug ere Angriffe oder die Wahrnehmung von Polizeiaufgaben in der Schutzzone verzichtet und der Schutzzonenmacht diese Befugnis iibertragt. Dies wird er nicht tun, ohne der Schutzzonenmacht auch die Schutzpflicht zu iibertragen. Damit kann bei massiven Gewaltakten in der Schutzzone und Angriffen auf die Schutzzonenbevolkerung durch Eindringlinge oder Belagerer aus dem Recht auf Leben zumindest insoweit eine Schutzpflicht der Schutzzonenmacht abgeleitet werden, wie ihr hoheitliche Aufgaben iibertragen sind. Da die Schutzpflicht i.d.R. durch polizeiliche oder militarische Tatigkeiten wahrgenommen werden kann, wird dies in der Schutzzone meist im Rahmen von Gewalttaten innerhalb der Schutzzone und bei der Verteidigung gegen aug ere Angriffe und Eindringlinge relevant. Die Schutzzonenmacht ist dann zur Verhinderung willkiirlicher insbesondere grogangelegter gegen das Leben gerichteter Taten Dritter im Rahmen der ihr zur Verfiigung stehenden Mittel verpflichtet.
(3) Inhaltliche Reichweite der Schutzpflicht Bei der Wahl der Schutzmagnahmen ist der Verpflichtete grundsatzlich frei, solange sie nicht offensichtlich unzureichend sind. 189 Zur Verteidi-
188
Siehe oben l.3.a)(4).
189 So die EMK, die das Aufgebot an Polizeikriiften in Nordirland zumindest nicht als vollstandig unzureichend ansah: Mrs. W v. Ireland, E 9360/81, DR 32,
5. Kapitel: Menschenrechtliche Verpflichtungen
177
gung eines rechtswidrigen gewaltsamen Angriffs durch Dritte ist unter Beachtung der VerhaltnismaBigkeit auf der Grundlage des Rechts auf Leben. auch die Totung des Angreifers in Notwehr zulassig. 190 Die Schutzzonenmacht kann also praventiven Verdachtsmomenten nachgehen, Schutz- und VerteidigungsmaBnahmen ergreifen und, soweit in ihrer Zustandigkeit, Evakuierungen vornehmen aber auch repressiv fur die Verfolgung der Tater sorgen. Die Schutzpflicht beim Recht auf Leben ist zudem auf soIehe MaBnahmen begrenzt, die in der Gewalt des Staates liegen und vernunftigerweise von ihm erwartet werden konnen. So entsteht sie nach dem EGMR nur, wenn der Staat von der Gefahr fur ein konkretes Individuum wuBte oder hatte wissen mussen. 191 Die Schutzpflicht gilt nur im Rahmen der due diligence, der Verpflichtete hat alles in seinem Vermogen Stehende zu tun, urn solche Ausschreitungen gegen Einzelne zu verhindern. 192 Insgesamt ist die Schutzpflicht der Schutzzonenmacht damit allein durch ihre zur Verfiigung stehenden Mittel insbesondere zur zwangsweisen Durchsetzung des Schutzes begrenzt. Ahnlich wie bei einem drohenden Volkermord darf die Schutzzonenmacht wegen der Bedeutung des Rechtguts die Schutzzone bei drohenden schweren systematischen Verletzungen des Rechts auf Leben nicht einfach schlieBen und den Schutz aufgeben, ohne daB er anderweitig durch die Evakuierung der Bevolkerung oder die Friedseligkeit der Konfliktparteien sichergestellt ist. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn ihre Soldaten dadurch iibermaBigen Gefahren ausgesetzt wurden. Genauso konnen sich bei schweren Verletzungen des Lebens wegen der Bedeutung des Rechtsguts und der Schwere des Eingriffs aus dem Recht auf Leben ahnlich wie beim Volkermordverbot auch zusatzliche Schutzbefugnisse der Schutzzonenmacht ergeben.
211; Mrs. W v. United Kingdom, E 9348/81, DR 32, 190. Als Grenze fur den Schutz durch gesetzgeberische Magnahmen: Nowak, CCPR, Art. 6, Rdnr. 4. 190
Frowein, in: Frowein/Peukert, Art. 2, Rdnr. 11.
191 Osman v. the United Kingdom, EGMR, Reports 1998-VIII, Rdnr. 116; Edwards v. The United Kingdom, 14.3.2002, App!. No.46477/99, Rdnr. 55, vg!. htp:llhudoc.echr.coe.int. 192
Forde, Human Rights, 253 ff.; Meron, Human Rights, 164.
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Gewahrung fundamentaler Rechte in der Schutzzone
d) Ergebnis Schutz physischer Integritat Die Schutzzonenmacht ist grundsatzlich verpflichtet, im Rahmen der ihr iibertragenen hoheitlichen Befugnisse in der Schutzzone und der ihr zur Verfiigung stehenden Mittel, die Bevolkerung vor Gewalttatigkeiten in der Schutz zone, eindringenden Verbrechern sowie Angriffen von auBerhalb der Schutz zone zu schiitzen. Soweit dies nicht direkt im Mandat niedergelegt ist, ergibt sich eine entsprechende Verpflichtung aus dem allgemeinen Volkervertrags- und -gewohnheitsrecht: Besetzt die Schutzzonenmacht das Gebiet, findet sich diese Pflicht zumindest gegeniiber der Zivilbevolkerung im humanitaren Schutzgebot sowie der Pflicht zur Aufrechterhaltung der offentlichen Ordnung. 1st der Schutzzonenmacht hingegen nur teilweise die Wahrnehmung hoheitlicher Tatigkeiten iibertragen, kann sie insoweit aus dem Recht auf Leben verpflichtet sein, die Bevolkerung vor massiven Gewalttatigkeiten und Angriffen zu schiitzen. Sofern ein Volkermord in der Schutzzone droht, ergibt sich zudem aus dem Volkermordverbot fiir die Schutzzonenmacht eine umfassende Pflicht, diesen zu verhindern. Ahnlich erkennen auch die Guiding Principles eine Schutzpflicht von Hilfsorganisationen und anderen Akteuren wahrend ihrer humanitaren Hilfe an. 193 In der Wahl der SchutzmaBnahmen ist die Schutzzonenmacht grundsatzlich frei, solange die MaBnahmen nicht offensichtlich unzureichend sind. Neben praventiven SchutzmaBnahmen wie der Evakuierung der Bevolkerung aus und der repressiven Verfolgung von Tatern im Schutzzonengebiet kann die Schutzzonenmacht auch - soweit im Einzelfall erforderlich - aktive militarische VerteidigungsmaBnahmen ergreifen. Bei massiven Verletzungen des Rechts auf Leben oder einem drohenden Volkermord in der Schutzzone kann sie wegen der Bedeutung des Rechtguts ausnahmsweise auch zu MaBnahmen auBerhalb ihrer iibertragenen Befugnisse und zur Aufrechterhaltung einer Besetzung des Schutzzonengebiets oder eines anderweitigen Schutzes verpflichtet sein. Dabei bleibt die Schutzzonenmacht allein durch die ihr zur Verfiigung stehenden Zwangsmittel beschrankt und muB keine unverhaltnismaBigen Gefahren beim Schutz der Bevolkerung eingehen. Insoweit sieht das Besatzungsrecht zwar einen recht weitgehenden Vorrang der Sicherheit der Truppe vor, jedoch muB auch dort immer eine 193 Nach Prine. 27 (1) GP trifft Hilfsorganisationen die Pflicht, wenn sie wahrend ihrer Hilfstatigkeit Rechtsverletzungen oder Sicherheitsgefahren bemerken, angemessene MaBnahmen zu ergreifen, um diese zu verhindern. Vgl. auch: Handbook for Applying the Guiding Principles on Internal Displacement, The Brookings Institution, 1999, 51 f.
5. Kapitel: Menschenrechtliche Verpflichtungen
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Abwagung mit den Gefahren fur die Bevolkerung vorgenommen werden. In jedem Fall ist aber in Schutzzonen eine Regelung ahnlich der Post Airstrike Guidance in Bosnien, die bei der Schutzzonensicherung einen generellen Vorrang der Sicherheit der Soldaten vor der Mandatsausfuhrung und damit dem Schutz der Bevolkerung vorsah, 194 zweifelhaft. Die UN waren in Srebrenica als Schutzzonenmacht grundsatzlich verpflichtet, die Einnahme der Schutzzone und den damit verbundenen Volkermord sowie die Massentotungen durch die serbischen Kampfer im Rahmen der ihr zur Verfugung stehenden Mittel zu verhindern und den Schutz des Gebiets aufrechtzuerhalten. Der von ihr mandatierten Peace-Keeping-Truppe UNPROFOR fehlte jedoch die Starke, urn die Schutzzone gegen die serbischen Bombenangriffe und Eindringlinge zu verteidigen. 195 Da mehrfache Anforderung der von den UN ermachtigten Luftunterstutzung durch UNPROFOR erfolglos blieben,196 mu6te die Truppe den Schutz der Bevolkerung praktisch allein durch ihre Anwesenheit sicherstellen. 197 Eine Evakuierung der Bevolkerung scheiterte zudem an einem fehlenden Evakuierungsplan in der UN 198 sowie der Ablehnung der bosnischen Regierung. 199 Hinsichtlich der Deporta-
194 Vgl. zu dieser Guidance: Enquete Srebrenica, 186 H.; kritisch dazu auch: Torrelli, Zones de Securite, 842 f. 195 150 1eichtbewaHnete UNPROFOR Soldaten standen 2000 schwer bewaffneten serbischen Kampfem gegenuber. In Srebrenica konnten zudem durch die B10ckaden der serbischen Kampfer weder ausreichend Munition noch Soldaten in die Enk1ave gebracht werden. Vgl. Dazu: UNSG-Report, S/1994/300, 16.3.1994, para. 35 f.; The Fall of Srebrenica, para. 472. 196 Zu den vergeb1ichen Versuchen UNPROFORs, air support anzurufen, vgl. Debriefing, 29 f., 37, wo sogar behauptet wird, daB eine punktliche Luftunterstutzung die bruta1e Einnahme durch die serb is chen Kampfer hatte verhindem konnen. The Fall of Srebrenica, para. 250 ff., 277 f., 297 ff.; Srebrenica, 79 f. Insbesondere Gefahren fur UNPROFOR fuhrten zu einem restriktiven Einsatz. UNSG-Report, S/1994/1389, 1.12.1994, para. 30 f. So bat der dama1ige niederlandische Verteidigungsminister nach der Einnahme der Schutzzone durch die serbischen Kampfer urn die Aussetzung der Luftunterstutzung, weil er die Gefahren fur die Truppe zu groB einschatzte. Vgl. dazu, The Fall of Srebrenica, para. 306. 197 UNSG-Report, S/1994/555, 9.5.1994, para. 13. 198 Kritik dazu: Rapport D'Information, Srebrenica, 93 f. 199 So M.]. Voorhoeve, zitiert in: Rapport D'Information, Srebrenica, 93 f.; vgl. auch: The Fall of Srebrenica, 318.
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Gewahrung fundamentaler Rechte in der Schutzzone
tionen und Massentotungen nach der Einnahme der Schutzzone konnte UNPROFOR bisher zum einen keine Kenntnis vorgeworfen werden, und zum anderen war sie auch insoweit gegenuber der serbischen Konfliktpartei machtlos?OO Eine Aufnahme aller fluchtenden Personen in das UNPROFOR-Lager in Potocari war wegen der Uberfullung und unzureichenden Versorgung nicht moglich. 201 Zwar bleibt offen, warum UNPROFOR das, was sie an Gewaltszenen nach der serbischen Einnahme der Enklave gesehen hat, nicht an die UN berichtet hat/ 02 und insbesondere, ob UNPROFOR ihr eigenes Selbstverteidigungsrecht im Rahmen ihrer Schutzpflicht immer voll ausgeschopft und die notigen Gefahren in Kauf genommen hat. Es wird jedoch stark angezweifelt, daB UNPROFOR mit dem ihr allein zustehenden Selbstverteidigungsrecht aufgrund der Ubermacht der serbischen Kampfer und den fur sie drohenden Gefahren203 die Einnahme und Massaker hatte verhindern konnen. 204 Allerdings hatte die UN -Verwaltung durch einen weniger zuruckhaltenden Einsatz und eindeutige Kriterien der Luftunterstutzung sowie einen einfacheren Befehlsweg fur eine effektivere Nutzung dieses einzig vorhandenen Zwangsmittels sorgenund die Verteidigung der Schutzzone ermoglichen mussen?05 Insoweit scheint man vor aHem dem franzosischen General Janvier und dem Sondergesandten des UN-Generalsekretars Akashi einen Vorwurf machen zu mussen, weil sie die Kriterien fUr die Luftunterstutzung zu restriktiv faBten und Janvier sie im entscheidenden Augenblick verweigerte. 206 Da sich die serbische Kon200 The Fall of Srebrenica, para. 473; Debriefing, 49 H. UNPROFOR wurde insbesondere daran gehindert, den Abtransport mannlicher Personen aus Srebrenica oder Potocari zu begleiten. Vgl. Debriefing, 60 H. Allgemein dazu: Srebrenica, 48 H. 201 Srebrenica, 17 f. 202 The Fall of Srebrenica, para. 474. 203 Zu den Gefahren durch Geiselnahmen: Srebrenica, 34 f.; The Fall of Srebrenica, para. 190 ff. 204 The Fall of Srebrenica, para. 473. Gegen ein rechtswidriges Unterlassen von Schutzmagnahmen durch Dutchbat: Siekmann, The Fall of Srebrenica, para. 305 H., para. 340 ff. 205 Zu dem Migverstandnis iiber die Voraussetzungen der Luftunterstiitzung: Debriefing, 37. 206 Enquere Srebrenica, 4.3.10,189 ff.; Rapport D'Information, 144 f.; Rhode, A Safe Area, 364. Bis heute ist zudem nicht geklart, inwieweit zwischen Janvier und Mladic eine Vereinbarung getroHen wurde, keine Luftunterstiitzung zu ge-
5. Kapitel: Menschenrechtliche Verpflichtungen
181
fliktpartei erst zur voHstandigen Einnahme der Schutzzone entschloB, nachdem sie auf so geringen Widerstand in der Schutzzone getroffen war, wird aHgemein angenommen, daB ein friiherer Einsatz der Luftunterstiitzung die Einnahme der Schutzzone hatte verhindern konnen. 207 Genauso werden die UN dafiir kritisiert, die Schutzzonenbevolkerung nicht zumindest durch einen klaren Verteidigungs- und Evakuierungsplan fiir die Schutzzone vor den serbischen Greueltaten geschiitzt zu haben. 208 Vorzuwerfen sind den UN zudem Fehler beim Informationsmanagement und eine Fehleinschatzung der Lage, die ein rechtzeitiges Erkennen der serbischen Absichten und Verhindern der Verbrechen unmoglich machten und zu der paradoxen Situation fiihrten, daB sich das UN -Sekretariat noch nach Beginn der Massaker in Srebrenica urn eine Verhandlungslosung mit der serbischen Fiihrung bemiihte. 209 Insoweit tragen aber vor aHem auch die Mitgliedsstaaten und UNPROFOR wesentliche Verantwortung, die durch fehlende oder verfalschte Informationsweitergabe zur Fehleinschatzung der Bedrohungslage beigetragen hat. 2lO Damit haben die UN insbesondere durch ihre Verantwortlichen im Bereich des Sekretariats und der Befehlsgewalt iiber UNPROFOR und die Luftunterstiitzung ihre Schutzpflicht gegeniiber der Schutzzonenbevolkerung verletzt. Insgesamt scheiterte eine Abwendung der brutalen Einnahme der UN-Schutzzone sowie der folgenden schweren Menschenrechtsverletzungen jedoch vor aHem aber an der fehlenden militarischen Starke UNPROFORs zur zwangsweisen Durchsetzung des Schutzes, die nur durch ein weiteres Mandat des UN-Sicherheitsrats hatte ermoglicht werden konnen. Inwieweit dieser aHerdings zum ErlaB solcher SchutzmaBnahmen verpflichtet gewesen ware, bedarf einer umfassenden Erorterung an spaterer Stelle.211
nehmigen, damit im Gegenzug UNPROFOR-Geiseln freigelassen werden. Rapport D'Information, Srebrenica, 130 ff.; Enquete Srebrenica, 186 ff. 207 So: Debriefing, 37; Rapport D' Information, Srebrenica, 96; Rhode, A Safe Area, 354; offen: The Fall of Srebrenica, para. 482 f., jedoch wird auch in der UN angenommen, daB ein effektiverer Einsatz der Luftunterstiitzung das Massaker zumindest hatte vermindern konnen. 208 Rapport D'Information, Srebrenica, 94. 209
Rhode, A Safe Area, 309 f.
210 The Fall of Srebrenica, para. 487, 496; Rapport D'Information, Srebrenica, 75 f. 211
Siehe dazu ausfiihrlich unten 6. Kapitel.
182
Gewahrung fundamentaler Rechte in der Schutzzone
2. Humanitare und medizinische Versorgung
Die humanitare Versorgung der Schutzzonenbevolkerung erfolgt i.d.R. durch humanitare Organisationen und wird durch die Schutzzonentruppe unterstutzt, indem sie vor aHem die humanitaren Konvois und die Verteilung der Hilfe absichert aber auch fur den DurchlaB der Konvois durch feindliches Gebiet sorgt. Da Schutzzonen wie in Srebrenica haufig in Enklaven errichtet werden, hangt die Versorgung der Bevolkerung vorrangig von der Einfuhr fremder Hilfe von auBerhalb des Schutzzonengebiets abo So fuhrten in Srebrenica die fortwahrenden Blockaden der Hilfskonvois und Arzte aber auch der Wasser- und Stromversorgung durch die serbische Konfliktpartei zu einem permanenten humanitaren Notstand. 212 Die einzige StraBe nach Srebrenica wurde von serbischen Kampfern kontrolliert. 213 Teilweise Iitt so gar UNPROFOR selbst an Versorgungsengpassen. 214 Dies fuhrte, zusatzIich angetrieben durch die Dberfullung des Schutzzonengebiets,215 zu Krankheiten, Unterernahrung sowie katastrophalen hygienischen Zustanden. 216 Wegen ihrer teilweise menschenunwiirdigen Bedingungen wurde die safe area Srebrenica auch als "plus grand camp de concentration" bezeichnet. 217 Da die Schutzzonen grundsatzlich die SichersteHung der humanitiiren Hilfe in dem Gebiet anstreben, stellt sich die Frage, inwieweit die Schutzzonenmacht eine Pflicht zur Sicherung der Versorgungswege und insbesondere zur Durchsetzung des Zugangs humanitarer Transporte zur Schutzzone trifft; und, ob sie insoweit nur fur das Dberleben der Bevolkerung sorgen muB, oder auch daruber hinaus fur ihren angemessenen Lebensstandard.
212 Zu den Blockaden: UNSG-Report, S125700, 30.4.1993, para.18; UNHCR, The State of the World's Refugees, 2000, 227. 213
Rapport D'Infomation, Srebrenica, 32.
214 Rapport D'Infomation, Srebrenica, 31; Honig/Both, Srebrenica, 128 f. 215 Wo zuvor 20.000 bis 30.000 Personen gewohnt hatten, lebten spater circa 70.000 Menschen. Rapport D'Infomation, Srebrenica, 28. 216 Rapport D'Infomation, Srebrenica, 33 f.; UNSG-Report, S/19941291, 11.3.1994, para.16 f. 217 M. Smail Cekic, Direktor des Forschungsinstituts fur Kriegsverbrechen und Volkerrechtsverbrechen an der Universitat Sarajevo, zitiert in: Rapport D'Infomation, Srebrenica, 33.
5. Kapitel: Menschenrechdiche Verpflichtungen
183
a) Verpflichtung zur SichersteHung der humanitaren Versorgung Die Schutzzonentruppe ist wie auch in Srebrenica meist allein allgemein zur Unterstiitzung der Verteilung der humanitaren Hilfe und zum Schutz humanitarer Konvois mandatiert. 218 Auch hier werden Inhalt und Umfang dieser Pflicht durch allgemeine volkerrechtliche Regelungen erganzt und konkretisiert. Es ist zu zeigen, daB sich eine Verpflichtung der Schutzzonenmacht zur Sicherstellung der humanitaren Versorgung in der Schutzzone vor aHem aus dem Besatzungsrecht und den allgemeinen Menschenrechtsstandards ergeben kann.
(1) Besatzungsrechtliche Schon- und Schutzpflicht
Sofern die Schutzzonenmacht das Gebiet besetzt halt, ist sie als Besatzungsmacht bereits aus der aUgemeinen Pflicht zum Schutz der Person in ihrer physischen und psychischen Integritat219 zur angemessenen humanitaren und medizinischen Versorgung der Bevolkerung verpflichtet. Dies ist zudem in Art. 55, 56 GK IV niedergelegt und wird durch die Regelungen der Art. 68 ff. ZP I konkretisiert. Sie wird darin grundsatzlich verpflichtet, die gesamte Bevolkerung des besetzten Gebietes also nicht nur die Zivilbevolkerung - im Rahmen aller ihrer zur Verfiigung stehenden Mittel mit Lebens- und Arzneimitteln zu versorgen. 220 Dabei muB sie ohne Diskriminierung vorgehen221 und hat allein die Pflicht, das Leben der Bevolkerung in der besetzten Zone unter menschenwiirdigen U mstanden zu sichern, hingegen nicht vollstandig fiir deren Versorgung aufzukommen. 222 Die Schutzverpflichtung ist auch hier auf die der Besatzungsmacht zur Verfiigung stehenden Mittel beschrankt. 223 Das befreit die Besatzungsmacht jedoch nicht davon, wenn
218
Vgl. S/RES/836, 4.6.1993, S/RES/776, 14.9.1992.
Zu dem Inhalt dieser Pflicht vgl. Pictet, Commentaire IV, 333. Allgemein dazu vgl. oben 12. 220 Vgl. Art. 55 (1) GK IV. Gasser, in: Fleck, Handbuch, Rdnr. 567, 569. Dinstein, Belligerent Occupation and Human Rights, 119; Art. 69 ZP I weitet dies auf Kleidung und Unterkunft aus. 221 Vgl. Art. 27 (3) GK IV. 219
222
..
Gasser, in: Fleck, Handbuch, Rdnr. 567, 569; auf Uberlebensnotwendiges beschrankt: Kelly, Peace Operations, Rdnr. 519. 223 Vgl. Art. 55 (1) GK IV. Dazu: Gasser, in: Fleck, Handbuch, Rdnr. 567. Hiermit wo1lte man vor aHem den Schwierigkeiten Rechnung tragen, die eine Besatzungsmacht bei der Beschaffung von Lebens- und Arzneimitteln wahrend
184
Gewahrung fundamentaler Rechte in der Schutzzone
die in den besetzen Gebieten verfiigbaren Giiter nicht ausreichen, Hilfsgiiter einzufiihren224 sowie Hilfsaktionen zuzulassen, zu erleich.. tern225 und zu sch"utzen. 226 G enauso mU13n d'Ie Besatzungsmacht d'Ie arztIiche Behandlung in den Gebieten "im Rahmen aller ihr zur Verfiigung stehenden Mittel" gewahrleisten,227 insoweit soll und darf sie sich in erster Linie auf die personelle und materielle Infrastruktur im besetzten Gebiet verlassen. 228 Vorrangige Aufgabe ist dabei die Verhinderung der Ausweitung von Krankheiten und Epidemien. 229 In Ruanda und im Irak waren die Alliierten ais Schutzzonenmacht also aufgrund der besatzungsrechtlichen Regelungen verpflichtet, fiir die iiberlebensnotwendige humanitare und medizinische Versorgung der Bevolkerung zu sorgen. Dabei waren sie zur Einfuhr von Giitern genauso verpflichtet wie zur Sicherung humanitarer Transporte.
(2) Menschenrecht auf Ernahrung und medizinische Versorgung Auch im Rahmen der Menschenrechte ist ein Recht auf Ernahrung, Unterkunft und medizinische Versorgung gewohnheitsrechtlich anern . d tel'1' . cogens angesehen. 231 Es I··aI~t kannt230 und wlr weise sogar a1s tus bewaffneter Auseinandersetzungen zu bewaltigen hat: Pictet, Commentaire IV, 333; Urner, Die Menschenrechte der Zivilbevolkerung im Krieg, 95 f. 224 Art. 55 (1) GK IV. In der Wahl der konkreten MaBnahmen ist die Besatzungsmacht frei, sie muB nur alles in ihrem Vermogen stehende tun, urn die Versorgung der Bevolkerung sicherzustellen. Pictet, Commentaire IV, 334. 225
Art. 59 GK IV, Art. 69-71 ZP I.
226 Gasser: in: Fleck, Handbuch, Rdnr. 567, 569 f.; Dinstein, Belligerent Occupation and Human Rights, 119 f.; Kalshoven, Constraints on the waging of war, 56; Urner, Die Menschenrechte der Zivilbevolkerung im Krieg, 96. Insoweit kommt der Besatzungsmacht die Koordinierungskompetenz zwischen den verschiedenen Humanitaren Hilfsorganisationen zu. Vgl. Art. 55, 60 GK IV. Vgl. Art. 55, 60 GK IV. Kelly, Peace Operations, Rdnr. 523. 227
Vgl. Art. 56 (1) GA IV, Art. 14 (1) ZP I.
228
Gasser, in: Fleck, Handbuch, Rdnr. 570.
229
Kelly, Peace Operations, Rdnr. 520.
230 Baloro, International Humanitarian Law, 466; Sandvik-Nylund, Caught in Conflicts, 61; fur die Anerkennung eines solchen Rechts innerhalb der Menschenrechtspakte: Schotten, Zugangsverweigerung fur humanitare Hilfe, 228 ff. 23l Gill, Limitations on the Power of the Security Council, 79; Ramacharan, The Right to Life, 10.
5. Kapitel: Menschenrechtliche Verpflichtungen
185
sich zum einen im Recht auf Nahrung und Gesundheit in Art. 11 (2) bzw. 12 IPWirtR 232 oder im gewohnheitsrechtlichen Status erlangten Art. 25 AEMR233 verankern. Zum anderen wird aber auch aus dem Verbot der Folter und anderer unmenschlicher Behandlungen234 sowie dem Recht auf Leben 235 eine Verpflichtung der Staaten zur humanitaren Versorgung abgeleitet. 236 Das Recht auf Ernahrung enthalt genauso wie im Besatzungsrecht sowohl negativ das Verbot, die Bev61kerung auszuhungern, als auch posi232 Vgl. Gill, Limitations on the Power of the Security Council, 79; Franco, Safety Zones, 889 f.; Sandvik-Nylund, Caught in Conflicts, 66 H., 69 H. wobei jeweils auf das Problem hingewiesen wird, daB dieser Pakt allein eine schrittweise Herstellung des Lebensstandards erfordere. Vgl. dazu: Ramacharan, The Right to Life, 9; Schotten, Zugangsverweigerung fur humanitare Hilfe, 228 H. 233 Macalister-Smith, Humanitarian Assistance, 63; Brownlie, Principles of International Law, 534 H.; Sandvik-Nylund, Caught in Conflicts, 66 mit weiteren N achweisen.
234 Art. 7 IPBurgR, Art. 5 AEMR, Art. 3 EMRK, Art. 5 AMRK. SandvikNylund, Caught in Conflicts, 66. So hat der EGMR im Faile Ireland v. the United Kingdom die Verweigerung von Nahrung als Befragungsdruckmittel als VerstoB gegen das Folterverbot gewertet: Ireland v. the United Kingdom, ECHR, Series A, No.25, para. 167; ablehnend: Schotten, Zugangsverweigerung fur humanitare Hilfe, 228. 235 Art. 6 IPBurgR, Art. 2 AEMR, Art. 2 EMRK, Art. 4 AMRK. D.h. es ist nicht nur der Schutz vor der Totung durch einen anderen Menschen, sondern auch vorm Tod durch Verhungern oder durch Krankheit enthalten. So der UN MenschenrechtsausschuB: GenC 6/16, Rdnr. 5.; Ramacharan, Right to Life, 7, 10; Schotten, Zugangsverweigerung fur humanitiire Hilfe, 224 ff., 228 ff.; Kabaalioglu, The Obligation to Respect and Ensure, 160 ff.; Ruddick, Internally Displaced, 439; Macalister-Smith, Humanitarian Assistance, 63 ff.; Baloro, International Humanitarian Law, 466; Sandvik-Nylund, Caught in Conflicts, 66 H., 56 H. mit weiteren Nachweisen. A.A. Starck, UNO-Wirtschaftssanktionen, 343 H.; Dinstein, The Right to Life, 115. Auch Europaische Organe haben anerkannt, daB gewisse zivile Rechte auch positive Verpflichtungen sozialen und okonomischen Charakters haben konnen. 1m Fall Airey erklarte der EGMR, daB das Recht auf ein faires Verfahren in Art. 6 EMRK auch ein Recht auf legal aid gewahren kann, was eindeutig ein soziales und okonomisches Recht darstellt. Airey, EGMR, Series A, No. 32. 236 Insgesamt wird so gar aus dem Recht auf Leben, den sozialen Menschenrechten und dem Selbstbestimmungsrecht ein Recht auf humanitare Hilfe gegenuber der kontrollierenden Gewalt abgeleitet. Sandvik-Nylund, Caught in Conflicts, 52-80, 76 f.; gegen ein gewohnheitsrechtlich verankertes Recht auf humanitare Hilfe: Dinstein, The Right to Humanitarian Assistance, 184 f.
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Gewahrung fundamentaler Rechte in der Schutzzone
tiv das Gebot, ihre ausreichende Versorgung im Rahmen der zur Verfugung stehenden Mittel sicherzustellen. 237 Insoweit muB der Bedarf notfalls auch durch die Inanspruchnahme externer humanitiirer Hilfe gedeckt238 und Behinderungen der VersorgungsmaBnahmen mussen z.B. durch Schutz der Hilfskonvois oder die Errichtung von Schutzkorridoren verhindert werden.239 Genauso erfordert das Recht auf Gesundheit einerseits, alles zu unterlassen, was die Gesundheit der Burger beeintrachtigt und MaBnahmen zu treffen, urn Krankheiten zu bekampfen, wie z.B. den Zugang zu medizinischen Einrichtungen sicherzustellen240 oder MaBnahmen gegen Epidemien und Kindersterblichkeit zu ergreifen. 241 Soweit UNPROFOR also in Srebrenica im Bereich der humanitaren Versorgung und dem allgemeinen Schutz der Bevolkerung hoheitliche Gewalt ubertragen war, muBte sie aufgrund allgemeiner Menschenrechtsstandards die humanitare Versorgung in der Schutzzone u.a. durch den Schutz von Hilfskonvois, die Ermoglichung der Einfuhr humanitarer Hilfe und das Auflosen moglicher Blockaden sicherstellen.
b) Einschrankungen der Verpflichtung zur humanitaren Versorgung Grundsatzlich ist das Recht auf lebensnotwendige Versorgung als AusfluB des Rechts auf Leben unbeschrankbar; insbesondere der Kern 237 Vgl. Art. 2 IPWirtR. So erklarte der UN-MenschenrechtsausschuE auch MaEnahmen gegen Unterernahrung als Verpflichtung des Staates GenC 6/16, Rdnr.5. 238 Dies wurde in den Limburg Prinzipien naher erlautert: "(oo.) its available resources refers to both the resources within a State and those available from the international community through international cooperation and assistance", E/CNA11987/17, 1.5.1987, para. 26. 239 Vgl. v.a. Art. 11 IPWirtR; E/C.12/1999/5, CESCR, 12.5.1999, Rdnr. 17; Sandvik-Nylund, Caught in Conflicts, 55; zur Verpflichtung, externe humanitare Hilfe zuzulassen: Schatten, Zugangsverweigerung fur humanitare Hilfe, 228 ff. A.A. Dinstein, The Right to Life, 115. 240 Sandvik-Nylund, Caught in Conflicts, 69, Fn. 243. Nicht dazu gehort wohl zumindest in Kriegszeiten die Verpflichtung zu praventiven MaEnahmen. Sandvik-Nylund, ibid., 69, Fn. 243; Bothe, Droit it la Sante, 25, der allerdings der positiven Verpflichtung 1979 noch keinen gewohnheitsrechtlichen Charakter zuerkennt. 241 GenC 6/17, Rdnr. 5; Rehaf, in: Eide, CCPR, Art. 3, 84. Vgl. Auch Art. 12 (2) IPWirtR.
5. Kapitel: Menschenrechtliche Verpflichtungen
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der menschenunwurdigen Behandlung darf nicht angetastet werden. Dies gilt sowohl im Besatzungsrecht242 als auch bei den Menschenrechten243 und dem zwingenden Volkermordverbot. Allerdings konnen Versorgungsnotstande bei der Schutzzonenmacht selbst die Hilfspflicht zumindest insoweit beschranken, als es urn eigene Mittel der Schutzzonenmacht - z.B. eigene eingerichtete medizinische Einrichtungen etc. geht. Eine Bevorzugung im Hinblick auf Guter, die nicht ursprunglich aus dem besetzten Gebiet kommen, ist zumindest soweit zulassig, als die Sicherstellung der Versorgung der Bevolkerung unverhaltnisma6ige EinbuBen fur die Schutzzonentruppe bedeuten wurde. 244 So kann die vorrangige Behandlung schwer verletzter Soldaten durch eigene medizinische Einheiten in den Schutzzonen zulassig sein und muB auch eine bisweilen kritisierte von UNPROFOR unterlassene medizinische Hilfe an der muslimischen Bevolkerung245 insoweit als zulassig angesehen werden, als sie aufgrund von Lebensgefahren fur die eigenen Soldaten oder eigener Ressourcenknappheit erfolgte. 246 Etwas anderes muB allerdings fur die Nutzung vorhandener Ressourcen im Schutzzonengebiet gelten. Da sie vorrangig zur Versorgung der dortigen Bevolkerung erarbeitet wurden, muB auch insoweit der grundsatzliche Vorrang der Bevolkerung angenommen werden, nur im Notfall kann aus medizinischen Gesichtspunkten die Behandlung des Personals der Schutzzonenmacht in lokalen Einrichtungen Vorrang haben. 247
242 "L'exigence d'un traitement humain et la prohibition de certains actes incompatibles avec ce principe revetent, tout comme l'obligation du respect des droits essentiels et des libertes fondamentales, un caractere general et absolu.» Pictet, Commentaire IV, 220, 223. 243 Zur Unbeschrankbarkeit des Rechts auf Lebens mit Ausnahme einer rechtmaJ3ig verhangten Strafe: Art. 6 IPBurgR, Art. 2 EMRK, Art. 4 AMRK. 244 Sowohl im Rahmen derBesetzung als auch der Menschenrechte hat eine entsprechende Abwagung zu erfolgen, siehe oben II.2.b). 245
College van procureurs-generaal, 21 ff.
246 Sie erfolgten meist aufgrund der Standing Operating Procedure (SOP) 506 Medical Operations (zit. in: College van procureurs-generaal, 27, die die vorrangige Versorgung der UNPROFOR-Soldaten durch die eigenen Ressourcen vorsahen. Vgl. insgesamt dazu: College van procureurs-generaal, 23 ff.; Simon/Vandenberghe, Srebrenica, 691. 247 So im Besatzungsrecht: Vgl. Art. 57 (1) GK IV. Zudem erlaubt im Besatzungsrecht Art. 55 (2) GK IV die Beschlagnahmung von Lebensmitteln aus dem besetzten Gebiet nur unter Berucksichtigung der Bedurfnisse der Zivilbevolkerung und Art. 57 (2) GK IV sieht eine ahnliche Regelung fur medizinisches Ma-
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Gewahrung fundamentaler Rechte in der Schutzzone
c) Ergebnis Humanitare Versorgung der Schutzzonenbevolkerung Auch hinsichtlich der Verpflichtung zur humanitiiren Versorgung konnen Mandat oder eine Vereinbarung mit dem Gaststaat durch allgemeine volkerrechtliche Regelungen konkretisiert werden. So ist die Schutzzonenmacht, wenn sie das Gebiet besetzt, aufgrund der besatzungsrechtlichen Regelungen, und soweit ihr nur teilweise die Kontrolle uber die Schutzzonenbevolkerung zukommt, aus den Menschenrechten verpflichtet, die uberlebenswichtige humanitiire und medizinische Versorgung in der Schutz zone sicherzustellen. Dies entspricht auch den Regelungen in den Guiding Principles und der London Declaration, die ein Minimum an Ernahrung, Trinkwasser und medizinischer Versorgung fur die intern vertriebene Bevolkerung voraussetzen. 248 Inhaltlich ist die Schutzzonenmacht allein zur uberlebensnotwendigen Versorgung der Bevolkerung verpflichtet. Sie muB aile ihr zur Verfugung stehenden Mittel und Fahigkeiten nutzen und aile vernunftigerweise von ihr zu erwartenden MaBnahmen zur Sicherstellung der humanitaren Hilfe ergreifen. So kann sie verpflichtet sein, eigene medizinische Einrichtungen auch der Bevolkerung zu offnen und insbesondere - sofern erforderlich - humanitare Hilfsguter einzufuhren, ihre Einfuhr durch die Errichtung von Schutzkorridoren zu erleichtern und gegen Angriffe der Konfliktparteien zu schutzen. Grundsatzlich sind Einschrankungen des Rechts auf humanitare Versorgung unzulassig. Nur im Einzelfall kann die Versorgung der Schutzzonentruppe bei der Verteilung der eigenen oder in die Schutzzone gebrachten Guter vorgehen. Allerdings ist die Pflicht zur Sicherstellung der humanitaren Versorgung durch die der Schutzzonenmacht zur Verfugung stehenden Mittel zur zwangsweisen Durchsetzung und ihr Kontrollgebiet beschrankt. So konnen insbesondere die Auflosung von Blockaden auBerhalb des Schutzzonengebiets und die Errichtung von Schutzkorridoren fur den sicheren Zugang der Hilfskonvois daran scheitern, daB der Schutzzonentruppe unzureichende Zwangsmittel zur Verfugung stehen. Da Blockaden auBerhalb der Schutzzone i.d.R. die terial vor. Dinstein, Belligerent Occupation and Human Rights, 121; vgl. zu einer Darstellung der Beschrankungen: Kelly, Peace Operations, Rdnr. 521 ff.; Greenspan, The Modern Law of Land Warfare, 232. Zu einem ahnlichen Ergebnis gelangt man bei der Prufung der vernunftigerweise zu erwartenden Ma~nahmen im Rahmen der Menschenrechten und des Volkermordverbots. 248 Vgl. Prine. 18 GP bzw. Art. 3 (2), Art. 13 LD. Danach darf die erbetene humanitare Hilfe von der Regierung oder internationalen Organisationen nicht willkurlich abgelehnt werden: Art. 13 LD, Commentary (2).
5. Kapitel: Menschenrechtliche Verpflichtungen
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Hauptursache humanitarer Mi6stande in der Schutzzone darstellen, kann der Schutzzonenmacht damit wie in Srebrenica schnell die uberlebensnotwendige Hilfe unmoglich werden. So lief auch die P£licht UNPROFORs zur humanitaren Hilfe aufgrund der geringen zur Verfugung stehenden Zwangsmittel aber auch der eigenen Ressourcenknappheit so gut wie leer. UNPROFOR war zwar auch der Schutz der humanitaren Hilfe au6erhalb der Schutzzonen in Bosnien ubertragen,249 jedoch fehlten die entsprechenden Zwangsmittel, urn beispielsweise· die Blockade der einzigen StraBe nach Srebrenica durch die serbischen Kampfer zu durchbrechen. Sie muBte sich aufgrund ihrer Peace-Keeping-Natur auf die Zustimmung der Kon£liktparteien verlassen und hatte damit auch nur in einem sehr beschrankten MaBe die Moglichkeit, den Zugang der humanitaren Hilfe zu den Schutzzonen gewaltsam durchzusetzen. 25o Die Unterlegenheit in Truppellstiirke und Waffen zwangen sie praktisch dazu, die serbische Konfliktpartei allein durch Verhandlungen zum DurchlaB der Guter zu bewegen.
3. Freier Zugang und freies Verlassen der Schutzzone
Dadurch, daB Schutzzonen regelma6ig in Enklaven im Kampfgebiet errichtet werden, bergen sie die Gefahr, zu einer Festung zu werden, aus der die Bevolkerung nicht mehr £liehen kann. 251 In Srebrenica hinderten zudem sowohl die bosnische Zentralregierung als auch die serbische Kon£liktpartei die muslimische Bevolkerung am Verlassen der Schutzzone und damit vor allem an einer Flucht in ein sic heres Gebiet im Inoder Ausland. 252 Deswegen wurde die safe area Srebrenica auch als ein "open jail,,253 bezeichnet. Aus anderen Schutzzonen in Bosnien wurde sogar gemeldet, daB UNPROFOR selbst die Bevolkerung am Verlassen 249 S/RES/776, 14.9.1992, para. 2 ermachtigte UNPROFOR zum Schutz der Hilfskonvois und Freigelassenen allgemein fur Bosnien. 250 Vgl. auch UNHCR, The State of the World's Refugees, 2000, 227.
251 Zu der Bedeutung der Bewegungsfreiheit in Schutzzonen auch: UNHCR, Status of the World's Refugees 1995, 129. 252 Die serbischen Kampfer hinderten die muslimische Bevolkerung an der Dberquerung serbischen Gebiets und die bosnische Regierung wollte dadurch den Verlust weiteren Territoriums verhindern. Vgl. dazu: UNHCR, The State of The World's Refugees, 1995, 129. Bettati, Las Areas de Seguridad, 5. 253 So der Vertreter Venezuelas, S/PV.3208, 6.5.1993, 21.
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Gewahrung funclamentaler Rechte in cler Schutzzone
der Schutzzone gehindert haben S011.254 Diese Ausreisehindernisse aus der Schutzzone konnen nicht nur Auswirkungen auf Familien- und Berufsleben, sondern auch auf die Moglichkeit des Asyls im Ausland haben. Genauso lieB UNPROFOR nach der Einnahme der Schutzzone nur eine bestimmte Anzahl an Personen in das Gebiet urn Potocari.255 Obwohl der Schutzzonenmacht regelmaBig die Uberwachung und Kontrolle des Schutzzonengebiets und insbesondere seiner Grenzen zukommt und auch UNPROFOR gewisse Schliisselpunkte einnehmen und die Schutzzonengrenzen beobachten soUte, find en sich im Mandat von UNPROFOR keinerlei Aussagen iiber die Gewahrung der Freiziigigkeit der Bevolkerung in der Schutz zone und iiber ihre Grenzen hinweg. Allerdings muB yom humanitaren Grundgedanken der Schutzzone ausgehend auch dieses Recht gewahrleistet sein. Schutzzonen stell en zwar ein mehr oder minder abgegrenztes Gebiet auf dem Territorium des Gaststaats dar, in dem die Ausiibung der Hoheitsgewalt des Gaststaats voriibergehend teilweise oder vollstandig von der Schutzzonenmacht wahrgenommen wird. Jedoch solI diese voriibergehende Dbernahme der Hoheitsgewalt keinerlei Auswirkungen auf die freie Bewegung der Bevolkerung in dem sicheren Gebiet selbst und iiber dessen Grenzen hinweg haben. So hat auch der UN-Generalsekretar in Bosnien die freie Bewegung der Bevolkerung "( ... ) to, from and within the safe areas (... )" gefordert?56 Die Flucht der Bevolkerung aus der Schutzzone und der freie Personenverkehr in der Schutzzone SOWle iiber die Schutzzonengrenzen hinweg, etwa um Rohstoffe herbeizuschaffen, Verwandte zu besuchen oder dem Beruf nachzugehen, diirfen durch die Schutzzonenerrichtung nicht unnotig beeintrachtigt werden. Nur eine solche Auslegung des Mandats hinsichtlich der zu achtenden Bewegungsfreiheit der Bevolkerung innerhalb des gesamten Schutzzonengebiets aber vor aHem iiber ihre Schutzzonengrenzen hinweg steht im Einklang mit dem von der Schutzzonenmacht zu achtenden Freiziigigkeitsrecht.
254 Siehe oben 1. Kapitel, II.2.c}. 255 Zur Kritik an cler Aufnahme nur eines Teils cler Fluchtlinge: The Fall of Srebrenica, para. 473; Enquete Srebrenica, 200 ff., 440 ff.; Srebrenica, 114. 256 UNSG-Report, SI1994/1398, 1.12.1994, para. 53.
5. Kapitel: Menschenrechtliche Verpflichtungen
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a) Allgemeine Freizugigkeit Die besatzungsrechtlichen Regeln kennen allein fur Auslander im besetzten Gebiet in Art. 48 i.V.m. Art. 3S GK IV ein explizites Ausreiserecht, nicht aber fur Angehorige des besetzten Staates. AUerdings kann sich ein solches fur die Bevolkerung des Schutzzonengebiets sowohl bei einer Besetzung als auch einer nur teilweisen Kontrolle des Schutzzonengebiets aus dem allgemeinen Freizugigkeitsrecht ergeben. 257 Dieses ist gewohnheitsrechtlich anerkannt258 und gilt als notwendiges Korrelat der gewohnheitsrechtlichen Verpflichtung zur Achtung der Person im Rahmen der allgemeinen Schutzpflicht in Art. 27 GK IV fur die Zivilbevolkerung auch im Besatzungsrecht. 259
(1) Inhalt des Freizugigkeitsrechts Da sich der Inhalt des Freizugigkeitsrechts auch im Besatzungsrecht nach dem menschenrechtlichen Gehalt richtet,z60 umfafh es in beiden Fallen die interne Bewegungsfreiheit aber auch die Wohnsitzfreiheit. 261 Die Schutzzonenmacht mufi der Bevolkerung - bei einer Besetzung nur der Zivilbevolkerung - damit vor aHem die freie Bewegung innerhalb der Schutzzone gewahren und ihr freistellen, wo sie ihren Wohnsitz nimmt. Allerdings ist fraglich, ob die Schutzzonenmacht der Bevolkerung auch die Ausreise aus der und die Einreise in die Schutz zone zugestehen mufi, oder ob sie ihr die Freizugigkeit allein innerhalb der Schutzzone gewahren braucht, wei! die Schutzzonenmacht auch nur dort zumindest partieH Hoheitsgewalt ausubt. Die Schutzzonenmacht verwaltet jedoch sowohl bei einer Besetzung als auch bei einer nur teil257 I. E. so auch Kalin, Human Rights in Times of Occupation, 110 f. fur das Ausreiserecht kuwaitischer Staatsangehoriger wahrend der irakischen Besetzung. 258 E/CN.4/Sub.2/1987/10, para. 24 ff.; Meron, Human Rights, 97. 259 Pictet, Commentaire IV, 216 f.; Urner, Menschenrechte der Zivilpersonen im Krieg, 62, 118 ff. Die Achtung der Person ist weit zu verstehen und umfaBt aIle Rechte und Umweltbedingungen, die die individuelle Personlichkeit ausmachen: Pictet, Commentaire IV, 216 f.; Gasser, in: Fleck, Handbuch, Rdnr.
502. 260
Gasser, in: Fleck, Handbuch, Rdnr. 532.
261 Vgl. Art. 12 IPBurgR, Art. 13 UNDHR, Art. 2 Protokoll Nr. 4 zur EMRK, Vgl. auch Grahl-Madsen, in: Eide, UNDHR Commentary, Art. 13, 203 ff.; Nowak, CCPR, Art. 12 Rdnr. 11 f.
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Gewahrung fundamentaler Rechte in der Schutzzone
wei sen Dbertragung von Hoheitsgewalt durch den Gaststaat das Schutzzonengebiet nur treuhanderisch bzw. stellvertretend fur den Gaststaat. 262 Bei einer Besetzung ist die Schutzzonenmacht grundsatzlich verpflichtet, das "offentliche Leben wiederherzustellen und aufrechtzuerhalten"/63 und auch bei einer Dbertragung von Kontrollrechten durch den Gaststaat muB die Schutzzonenmacht die vorhandene Ordnung i.d.R. unangetastet lassen. Die Rechte der Bevolkerung mussen, soweit es geht, unberuhrt bleiben. Deswegen muB die Schutzzonenmacht der Schutzzonenbevolkerung grundsatzlich genauso wie vor der Schutzzonenerrichtung die freie Bewegung im gesamten Heimatstaat ermoglichen, also auch uber die Grenzen des Schutzzonengebiets hinweg. Dies muB erst recht gelten, wenn die Bevolkerung das besetzte Gebiet wegen Lebensgefahren, zum Zwecke der Nahrungssuche, Berufsausubung oder Verwandtenbesuchen verlassen will, weil die Schutzzonenmacht dann gleichzeitig der Schutzpflicht, der Pflicht zur Gewahrung der Berufsausubung und dem Recht auf Familienleben verpflichtet ist. Die Schutzzonenbevolkerung muB damit grundsatzlich frei sein, das Schutzzonengebiet zu verlassen und wieder zu betreten sowie vollstandig aus ihm in ein anderes Gebiet oder ins Ausland zu fliehen. Ein solches Freizugigkeitsrecht im Hinblick auf innerstaatliche Camps oder ahnliche Schutzgebiete ist im Rahmen der Guiding Principles genauso anerkannt264 wie ein Recht auf Flucht innerhalb des eigenen Landes. 265 Damit mufhe UNPROFOR im Rahmen ihrer hoheitlichen Aufgaben der Schutzzonenbevolkerung grundsatzlich den freien Zugang zur und Abgang von der Schutz zone gewahren. Das Freizugigkeitsrecht fordert aber nicht nur negativ das Unterlassen von Beeintrachtigungen, sondern auch positiv die Gewahrung der er-
262 Fur die Besetzung vgl.: Gasser, in: Fleck, Handbuch, Rdnr. 530; Sassolil Bouvier, How does Law protect in War?, 155. 1m Falle der nur teilweisen Kontrolle uber die Bevolkerung regelt dies der Vertrag mit dem Gaststaat. 263 Art. 43 LKO, Art. 47 GK IV; Al-Hasq, Protection Denied, 85. 264 Princ.14 (2), Princ.12 (2) GP. Hier besteht allein eine Ausnahme fur den Fall, da~ ein geschlossenes Camp unbedingt notwendig ist, z.B. zum Schutz der offentlichen Sicherheit etc. Kalin, Guiding Principles, Annotations, 32. 265 Princ. 15 (a) GP, i.d.S. wohl auch Art. 5 (2) LD. Allgemein zu dieser Pflicht bei IDPs: Kalin, Guiding Principles, Annotations, 36 ff.; Deng, Compilation and Analysis, Rdnr. 222 ff., 235, 245. OCHA, Handbook for Applying the Guiding Principles on internal Displacement, 1999, 28.
5. Kapitel: Menschenrechtliche Verpflichtungen
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forderlichen Bedingungen zur Wahrnehmung des Rechts. 266 Damit ist die Schutzzonenmacht ebenfalls verpflichtet, im Rahmen der ihr zur Verfugung stehenden Mittel alle Hindernisse und Gefahren zu beseitigen, die eine Aus- oder Einreise der Bevolkerung behindern. Insoweit erscheint vor allem wegen der andauernden Kampfe die yom UNGeneralsekretar auch in Bosnien geforderte 267 Errichtung von Schutzkorridoren essentiell.
(2) Suspendierbarkeit und Einschrankungen des Freizugigkeitsrechts Das Freizugigkeitsrecht ist sowohl im Rahmen des Besatzungsrechts als auch im Rahmen der Menschenrechte als ein relatives Recht ausgestaltet und unterliegt weitgehenden Einschrankungs- und Suspendierungsmoglichkeiten. Wahrend im Besatzungsrecht vor aHem militarische und Sicherheitsgesichtspunkte eine Einschrankung oder sogar zeitweise Suspendierung des Rechts rechtfertigen konnen,268 sind im Rahmen der Menschenrechte verschiedenste Grunde u.a. auch Gesundheitsgefahren, die offentliche Sicherheit und Ordnung als Rechtfertigung fUr eine Einschrankung anerkannt. 269 Fur eine vollstandige Derogation dieser Rechte ist eine Notstandslage erforderlich, wie sie sich generell im Rahmen bewaffneter Konflikte 270 wie bei Schutzzonen darstellt.
266 Deng, Compilation and Analysis, Rdnr. 257. Aile Hindernisse und Gefahren mussen beseitigt werden: Nowak, CCPR, Art. 12, Rdnr. 19;Jagerskiold, The Freedom of Movement, 166, 174 f. 267 UNSG-Report, S/1994/1398, 1.12.1994, para. 53.
268 Vgl. Art. 27 (4) GK IV. Pictet, Commentaire IV, 218, 304; Gasser, ibid., Rdnr. 543; zum Problem der fehlenden Definition der militiirischen Notwendigkeit: Voit, Grenzen des Schutzes der Zivilbevolkerung, 179. Zur Suspendierung im Rahmen eines Zwangsaufenthalt oder einer Zwangsinternierung vgl. Art. 78 (1) GK IV. Pictet, Commentaire IV, 218; Dinstein, Belligerent Occupation and Human Rights, 125. 269 Vgl. Art. 12 (3) IPBurgR, Art. 2 (3) Protokoll Nr.4 EMRK, GrahlMadsen, in: Eide, UNDHR Commentary, Art. 13, 207. Diese Grenzen gelten auch fUr das gewohnheitsrechtliche Recht auf Bewegungsfreiheit, denn jenes kann nicht weiter gewahrleistet sein als es vertraglich geht. Die Beschrankungen mussen auf einer gesetzlichen Grundlage ergehen, die sich bei Schutzzonen aus dem nationalen Recht des Gaststaats ergeben kann. 270 UmkehrschluB zu Art. 4 (2) IPBurgR bzw. Art. 15 (2) EMRK. Jagerskiold, The Freedom of Movement, 174. Eine solche Derogation muBte, soweit
Gewahrung fundamentaler Rechte in der Schutzzone
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Damit konnen Personen zum Schutz der offentlichen Ordnung festgenommen und Gebiete aufgrund von Sicherheitsbedenken gesperrt271 oder die Einreise aus gesundheitlichen Grunden in ein bestimmtes uberbevolkertes Gebiet verboten werden.272 Die nach der serbischen Sturmung der Enklave vorgenommene Sperrung des Schutzzonengebiets um das UNPROFOR Lager in Potocari, in das sich unzahlige Menschen fluchteten, konnte damit durch die Dberfullungsgefahr und die unzureichende Versorgung in Abwagung mit den fur die Bedrohung der sich auBerhalb des Gebiets befindlichen Bevolkerung gerechtfertigt werden.273 Zudem wurden besonders Hilfsbedurftige wie Frauen und · der welter . h·1ll au f genommen. 274 K1ll Auch im Hinblick auf das Verlassen und Betreten des Schutzzonengebiets kann die Schutzzonenmacht aufgrund von Sicherheitsbedenken weitreichende Kontrollbefugnisse wahrnehmen, da sie zumindest teilweise die Verantwortung fur die Burger in dem besetzten Gebiet tragt und damit auch entscheiden konnen muB, wer in das Gebiet ein- und ausreisen darf.275 Insoweit konnen vor allem Gefahren fur die fliehende Bevolkerung und damit also auch ein Schutz vor sich selbst eine Verweigerung der Ausreise rechtfertigen. 276 Da allerdings im Falle von Schutzzonen grundsatzlich die Gefahr durch ausreisende Personen gering sein wird, daB sie etwa durch militarische Aktivitaten die Sicherheit der ubrigen Bevolkerung oder der Schutzzonentruppe beeintrachtigen, der Schutzzonenmacht nur teilweise Kontrolle uber das Schutzzonengebiet zukommt, durch den Gaststaat erklart werden. 271 1m Besatzungsrecht: Pictet, Commentaire IV, 223; fur die Menschenrechte: Nowak, CCPR, Art. 12, Rdnr. 34, 36; Grahl-Madsen, in: Eide, UNDHR Commentary, Art. 13, 207. 272
Jagerskiold, The Freedom of Movement, 166, 174 f.; Nowak, CCPR, Art.
12, Rdnr. 39. 273 2ur Kritik an der Aufnahme nur eines Teils der Fluchtlinge: The Fall of Srebrenica, para. 473; Enquete Srebrenica, 200 H., 440 H.; Srebrenica, 114. 274
Srebrenica, 51, 55.
275 So benutzen Besatzungsmachte i.d.R. besondere Ausweiskarten, urn die Bewegung der Bevolkerung kontrollieren und beschranken zu konnen: Vgl. bei Pictet, Commentaire, IV, 223; Cohen, Israeli-Occupied Territories, 201 f.; v. Glahn, Occupation 141. Allg. zur weiten Einschrankbarkeit der Freizugigkeit im Besatzungsrecht: Gasser, in: Fleck, Handbuch, Rdnr. 543. 2ur weiten Einschriinkbarkeit: Cohen, Israeli Occupied Territories, 201; Greenspan, Modern Law of Land Warfare, 233; v. Glahn, Occupation 141. 276
Vgl. fur das Besatzungsrecht: Gasser, in: Fleck, Handbuch, Rdnr. 543.
5. Kapitel: Menschenrechtliche Verpflichtungen
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unterliegen i.d.R. die Sicherheitsbedenken der Schutzzonenmacht den legitimen Interessen der Bevolkerung nach Sicherheit, Berufsausubung, Nahrungssuche oder Familienbesuchen. Soweit UNPROFOR also in Srebrenica uber die Ein- und Ausreise der Schutzzonenbevolkerung entscheiden konnte, durfte sie diese nur bei schweren Sicherheitsgefahren fur die Person, die ubrigen Schutzzonenburger oder sich selbst einschranken. In den Fallen, in denen die Ausreise der Bevolkerung durch die bosnische Regierung behindert wurde, urn weitere Gebietsgewinne der serbischen Konfliktpartei zu unterbinden, fehlten UNPROFOR jedoch die entsprechenden Zwangsbefugnisse, urn gegen diese Entscheidung der bosnischen Regierung vorzugehen. Auch hinsichtlich der faktischen Bewegungshindernisse durch die serbische Konfliktpartei au6erhalb der Schutzzone fehlten UNPROFOR aber die erforderlichen Zwangsmittel zur Durchsetzung der Freizugigkeit beispielsweise durch die Errichtung von Schutzkorridoren. Sie mu6te auf Verhandlungen mit und die Kooperation der serbischen Kampfer vertrauen, die jedoch aufgrund des entgegenstehenden serbischen Kriegsziels, der ethnischen Sauberung, erfolglos war.
b) Ergebnis Freizugigkeit Soweit die Schutzzonenmacht im Mandat oder einer Vereinbarung mit dem Gaststaat nicht explizit zur Gewahrung der Bewegungsfreiheit der Bevolkerung verpflichtet ist, wird eine soIche Verpflichtung auf der Grundlage des allgemeinen Volkervertrags- und -gewohnheitsrechts erganzt. Bei einer Besetzung des Schutzzonengebiets mu6 sie aufgrund des Besatzungsrechts der Zivilbevolkerung und bei einer nur teilweisen Ubertragung hoheitlicher Befugnisse, insbesondere von Kontrollbefugnissen an den Schutzzonengrenzen aufgrund der Menschenrechte die freie Bewegung der gesamten Bevolkerung in der Schutzzone und ihre Aus- und Einreise gewahren. Einschrankungen des Freizugigkeitsrechts oder sogar seine zeitweise Suspendierung aufgrund von Sicherheitsgesichtspunkten sind in einer Schutzzone wegen ihrer humanitiiren Ausrichtung und den geringen Sicherheitsbedenken gegen eine Ausreise von Burgern nur ausnahmsweise zulassig. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Ausreise der Berufsausubung der Bevolkerung dient oder in der Schutzzone schwere Gefahren fur die Bevolkerung drohen. Die Schutzzonenmacht mu6 aber die Freizugigkeit der Bevolkerung uber die Schutzzonengrenzen hinweg im Rahmen der ihr zur Verfugung stehenden Mittel auch durch positive Ma6nahmen ermoglichen. Aufgrund der fortdauernden Kampfe urn die Schutzzone erscheint in-
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Gewahrung fundamentaler Rechte in der Schutzzone
soweit vor aHem die Errichtung von Schutzkorridoren erforderlich. Fehlen der Schutzzonenmacht wie in Srebrenica dazu jedoch die erforderlichen Zwangsmittel, bleibt die Freiziigigkeit der Bevolkerung faktisch auf das Gebiet innerhalb der Schutz zone beschrankt.277 Sie konnte einen Mindeststandard an Freiziigigkeit der Bevolkerung nicht gegen den Willen der bosnischen Regierung und der serbischen Kampfer zwangsweise durchsetzen.
4. Zuf/uchts- und Riickkehrrecht intern Vertriebener
Die Schutzzone dient neb en den in ihrem Gebiet lebenden Personen vor aHem auch intern Vertriebenen als Zufluchtsort. So wuchs die Bevolkerung in Srebrenica wahrend dem Schutz durch die UN von circa 30.000 Personen auf fast 70.000 an.278 Damit steHt sich vor aHem auch die Frage, ob der vertriebenen Bevolkerung ein Recht auf Aufnahme in die Schutzzone (right to asylum/enter) zusteht, und inwieweit die Schutzzonenmacht ebenfalls die Wahrnehmung des Rechts auf Riickkehr der Personen an ihren Heimatort (right to return )279 erleichtern muK Da insoweit das Mandat von UNPROFOR keinerlei Aussagen iiber die Gewahrung dieser Rechte macht, ist dieses volkerrechtskonform i.S.d. im Volkervertrags- und -gewohnheitsrecht bestehenden Verpflichtungen auszulegen.
a) Recht auf Zuflucht in die Schutz zone Zunachst ist nach einem Recht der vertriebenen Bevolkerung des Gaststaates zu fragen, im Schutzzonengebiet Zuflucht zu suchen. Zu priifen ist also, ob die Schutzzonenmacht, soweit sie iiber Einla~ und Verbleib von Personen in der Schutz zone bestimmen kann, ihnen voriibergehenden Unterschlupf und Zugang zur humanitaren Hilfe in der Schutzzone gewahren muK Das Fliichtlingsrecht kennt kein Recht auf Einreise und Aufnahme in einen fremden Staat; Staaten sind grundsatzlich nicht verpflichtet, frem277 So fielen zahlreiche Personen bei der Flucht aus der safe area Sarajevo unter den Schiissen der serbischen Kampfer. Vgl. Frelick, Preventing Refugee Flows, II. 278
Rapport D'Infomation, Srebrenica, 28.
279 Hier sol1 also nicht das Recht auf Riickkehr in die Schutzzone, sondern aus der Schutzzone heraus an den urspriinglichen Wohnsitz gepriift werden.
5. Kapitel: Menschenrechtliche Verpflichtungen
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den Individuen Zuflucht zu gewahren, es bleibt in ihrem Ermessen. Eine Ausnahme gilt allein fur soIehe Situationen, wo die Gefahren fur die fluchtende Person unverhaltnismaBig hoch gegenuber denen des Aufnahmestaates sind. 280 Allerdings konnte sich fUr intern Vertriebene unter der Schutzzonenbevolkerung etwas anderes ergeben, weil sie die Aufnahme in ein Gebiet erbeten, das Teil ihres Heimatstaates darstellt.
(1) Recht auf Freizugigkeit Weder das Besatzungsrecht kennt ein explizites Recht zur Einreise in das besetzte Gebiet281 noch die Menschenrechte ein Recht auf Zuflucht in einen bestimmten Teil des Heimatstaates. Allerdings konnte ein Recht auf Zuflucht in die Schutz zone durch das allgemeine Freizugigkeitsrecht im Rahmen der Menschenrechte aber auch der allgemeinen Schutzpflicht im Besatzungsrecht gewahrleistet sein. 282 Zwar muK die Schutzzonenmacht grundsatzlich nur denjenigen Burgern Freizugigkeit gewahren, die sich unter ihrer Hoheitsgewalt befinden, d.h. jenen in der Schutzzone, nicht jedoch gegenuber den einreisewilligen Vertriebenen auBerhalb der Schutzzone. Allerdings ubt die Schutzzonenmacht die Hoheitsgewalt in der Schutz zone entweder treuhanderisch oder stellvertretend fur den Gaststaat aus, wodurch i.d.R. die Rechte der Bevolkerung unberuhrt bleiben sollen. 283 Der Bevolkerung muB damit die Flucht in das Schutzzonengebiet nach der Schutzzonenerrichtung grundsatzlich genauso moglich sein wie zuvor. Dafur spricht vor allem auch, daB die Schutzzonenerrichtung gerade die Aufnahme vertriebener Personen aus dem Umland bezweckt und damit das Freizugigkeitsrecht regelmaBig durch die Dbertragung oder Dbernahme der Verwaltung nicht auf das Gebiet in der Schutzzone be-
280 Eine soleh fundamentale Bedrohungslage kann auf Naturkatastrophen beruhen oder lebensvernichtender Verfolgung. Allerdings ist auch dann ein Schutz mit den Interessen der eigenen Bevolkerung abzuwagen. Vgl. Doehring, Volkerrecht, Rdnr. 855. 281 .Es entsprache auch regelmaBig nicht den Interessen der Zivilbevolkerung, ihren Wohnsitz in ein besetztes Gebiet zu verlegen oder dorthin zu fliehen; nur in dem Fall von Schutzzonen ist eine Zuflucht in dieser besetzten Zone von Interesse. 282 Siehe oben I1.3.a). 283
Siehe oben zur Freiziigigkeit I1.3.a).
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Gewahrung fundamentaler Rechte in der Schutzzone
schrankt werden soUte. Ebenso unterstreichen die Guiding Principles den freien Zugang zu Camps oder anderen Hilfseinrichtungen. 284 Deswegen ist die Schutzzonenmacht aus dem Freizugigkeitsrecht - sei es im Rahmen der besatzungsrechdichen Schutzpflicht oder den Menschenrechten - grundsatzlich auch verpflichtet, vertriebenen Personen Zuflucht in die Schutzzone zu gewahren. Auch insoweit muB sie nicht nur negativ jede Beschrankung des Rechts unterlassen und die Bevolkerung etwa die Schutzzonengrenze passieren lassen, sondern muB auch soweit ihr die dazu erforderlichen Zwangsmittel zur Verfugung stehen - positive MaBnahmen wie die Errichtung von Schutzkorridoren zur SichersteHung des Rechts ergreifen.
(2) Einschrankungen des Zufluchtsrechts Bei den weiten Einschrankungs- und Suspendierungsmoglichkeiten des Freizugigkeitsrechts,z85 die aufgrund vor aHem militarischer Sicherheitsinteressen der Schutzzonenmacht grundsatzlich auch fur das Zufluchtsrecht gelten, hat die Schutzzonenmacht jedoch wiederum das legitime humanitare Interesse der Bevolkerung auBerhalb der Schutz zone zu achten, freien Zugang zur humanitaren Hilfe in der Schutzzone zu erlangen. Jenes Recht auf Zugang zur humanitaren Hilfe ist sogar als AusfluB des Rechts auf humanitare Versorgung anerkannt. 286 Deswegen wird die Schutzzonenmacht regelmaBig bereits dann eine Verpflichtung zur Aufnahme der vertriebenen Bevolkerung treffen, wenn dadurch die Sicherheit in der Schutzzone nicht iibermaBig gefahrdet ist oder mildere Ma£nahmen moglich sind, urn ihren Sicherheitsbedenken Rechnung zu tragen. Damit muBte UNPROFOR, soweit sie uber die Einreise neuer Vertriebener entscheiden konnte, jene grundsatzlich, wenn nicht schwere Sicherheitsbedenken dagegen sprachen, auch zulassen. In Ausnahmefallen erscheint nach Abwagung aller Umstande jedoch eine Ablehnung der Zuflucht von Kombattanten oder die vollstandige Sperrung einer Schutzzone wegen Dberfiillung oder Versorgungsengpassen zulassig. So sieht auch Princ. 12 (2) GP ausnahmsweise sogenannte geschlossene Camps als zulassig an, die dann jedoch nur solange aufrecht erhalten werden durfen, wie es unbedingt erforderlich er284 Vgl. Prine. 14 (2); ausfuhrlich dazu: Kalin, Guiding Principles, Annotations, 35 f. 285
Siehe oben zur Freizugigkeit II.3.a).
286 Zum Recht auf humanitare Versorgung siehe oben II.2.a)(2).
5. Kapitel: Menschenrechtliche Verpflichtungen
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scheint. 287 Schwierig erscheint es, wenn feindliche ethnische Gruppen in der Schutzzone Zuflucht suchen, die, wie auch in Ruanda geschehen, Unruhe in der Schutz zone selbst stiften konnen. Denn grundsatzlich ist die Schutzzonenmacht an das allgemeine Diskriminierungsverbot gebunden. 288 In diesem Fall muB sie, sofern fiir die feindliche ethnische Gruppe auch besondere Sicherheitsgefahren auBerhalb der Schutzzone drohen, versuchen, durch besondere Polizeikrafte o.a. auch eine Aufnahme jener Personen zu ermoglichen. SchlieBlich ist auch die individuelle Schutzbediirftigkeit der vertriebenen Personen bei der Aufnahmeentscheidung zu beachten, so daB Kinder, Schwangere, Alte, Verletzte und Gebrechliche vorrangig aufzunehmen sind.
b) Right to Return Die vertriebene Bevolkerung in den Schutzzonen hat schlieBlich ein Bediirfnis, an ihren urspriinglichen Wohnsitz auBerhalb der Schutzzone zuriickzukehren. Viele der damals nach Srebrenica Geflohenen und Dberlebenden des Massakers konnten jedoch bis heute nicht aus eigenen Mitteln an ihren Heimatort zuriickkehren, weswegen die internationale Gemeinsyhaft weiterhin aufgefordert wird, ihnen zumindest jetzt zur Riickkehr zu verhelfen. 289 Die Riickkehr der in eine Schutzzone geflohenen Bevolkerung hangt entscheidend auch von der Hilfe der Schutzzonenmacht ab, so daB untersucht werden muB, inwieweit jene verpflichtet ist, den Vertriebenen eine Riickkehr an ihren urspriinglichen Wohnort zu ermoglichen.
(1) Freiziigigkeitsrecht
Eine explizite Grundlage findet das Riickkehrrecht weder in den Menschenrechten noch im Besatzungsrecht. Vertraglich wurde es bisher nur in der ILO Convention No.169 on Indigenous and Tribal People niedergelegt. 290 Jedoch wird es heute allgemein aus dem Freiziigigkeits-
287
Kalin, Guiding Principles, Annotations, 32.
288 Art. 27 (3) GK IV bei einer Besetzung. Ansonsten: Art. 26 IPBiirgR, Art. 14 EMRK, Art. 24 AMRK.
289
Benedek, Srebrenica, 306.
290 Deren Art. 16 (3) lautet: "( ... ) these people shall have the right to return to their traditional lands, as soon as the grounds for relocation cease to exist".
200
Gewahrung fundamentaler Rechte in der Schutzzone
recht abgeleitet. 291 So bekraftigten sowohl der UN-Sicherheitsrat 1993 in seiner Res. 876292 als auch der UnterausschuB zur Pravention von Diskriminierung und zum Schutz von Minderheiten das Recht auf Ruckkehr in den Heimatort fur intern Vertriebene. 293 Es wurde zudem 1995 explizit von den Vertragsparteien des Friedensvertrags von Dayton anerkannt. 294 Auch die Guiding Principles und die London Declaration enthalten ein solches Ruckkehrrecht intern Vertriebener, das fur die jeweilige Autoritat die Pflicht begrundet, nicht nur die Reise dorthin zu gestatten, sondern auch in ihrem Hoheitsgebiet fur die sichere und menschenwurdige Art und Weise zu sorgen. 295 Damit zeigen Staatenpraxis und opinio iuris, daB das Ruckkehrrecht intern Vertriebener als AusfluB ihres Freizugigkeitsrechts allgemein anerkannt ist und so auch grundsatzlich fur das Freizugigkeitsrecht im Rahmen der besatzungsrechtlichen Schutzpflicht gelten muB. 296 Die Schutzzonenmacht hat damit grundsatzlich das Recht der vertriebenen Bevolkerung zu achten, aus der Schutz zone wieder an ihren Heimatort zuruckzukehren. Dabei ist sie zum einen verpflichtet, sich aller Behinderungen dieses Rechts zu enthalten, zum anderen vor aHem aber auch gehalten, die notwendigen Bedingungen zu schaffen, um eine sichere Ruckkehr der Bevolkerung zu ermoglichen. 297 Dies kann beispielsweise die Ausgabe der notwendigen Papiere oder die Bereitstellung der notwendigen Lebens- und Transportmittel aber auch die Er-
291
Geifller, Internally Displaced Persons, 136.
affirm the right of refugees and displaced persons to return to their homes (... )", S/RES/876, 19.10.1993. 292 "( ••• )
293 Sub-Commission Resolution 1994/24, para. 2, Report of the Sub-Commission on Prevention of Discrimination and Protection of Minorities on its Forty-Sixth Session, August 1994, E/CNAISub.2/1994/56, 28.10.1994. 294
Art. I (1) Annex 7 Friedensvertrag von Dayton, ILM 1996, 136 ff.;
S/RES/I031, 15.12.1995, para. 8. 295
Prine. 28 ff GP, Art. 5 (1) LD.
296
Zum Freiziigigkeitsreeht im Rahmen einer Besatzung vgl. oben II.3.a).
297 Vgl. Prine. 28 GP: "1. Competent authorities have the primary duty and responsibility to establish conditions, as well as provide the means, which allow internally displaced persons to return voluntarily, in safety and with dignity, to their homes or places of habitual residence, or to resettle voluntarily in another part of the country. Such authorities shall endeavour to facilitate the reintegration of returned or resettled internally displaced persons." Dazu auch: Lavoyer, Guiding Principles, 478.
5. Kapitel: Menschenrechtliche Verpflichtungen
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richtung von Schutzkorridoren erfordern, urn die sichere Riickkehr zu ermoglichen.
(2) Einschrankungen des Riickkehrrechts
Auch das spezielle Riickkehrrecht unterliegt den allgemeinen Beschrankungen und der Suspendierbarkeit des Freiziigigkeitsrechts vor allem aufgrund von Sicherheitsbediirfnissen, wie sie sowohl im Besatzungsrecht als auch in den Menschenrechten anerkannt sind.298 Da jedoch bei Schutzzonen i.d.R. zum einen durch ausgereiste Personen keine Gefahr besteht, daB jene sich gegen die Schutzzonenmacht wenden und damit die Sicherheit in der Schutzzone gefahrden, und zum anderen die Schutzzonenmacht auch immer die humanitare Zielsetzung ihrer Mission in die Abwagung iiber die Ausreise miteinzubeziehen hat 299 - die Schutzzone solIe gerade nur als voriibergehende Zuflucht dienen und deswegen auch die baldige Riickfiihrung der vertriebenen Bevolkerung fordern - wird die Schutzzonenmacht in aller Regel zur Unterstiitzung der Riickkehr der Bevolkerung verpflichtet sein. Nur im Ausnahmefall kann sie, insbesondere wenn die Sicherheit der ausreisewilligen Personen beispielsweise durch andauernde Kampfe auBerhalb der Schutzzone gefahrdet ist, ihre Ausreise aus der Schutzzone zur Riickkehr voriibergehend verbieten.
c) Zusammenfassung Auch wenn dies nicht ausdriicklich in ihrem Mandat oder einer Vereinbarung mit dem Gaststaat enthalten ist, muB die Schutzzonenmacht der intern vertriebenen Bevolkerung in der Schutzzone besondere Zufluchts- und Riickkehrrechte gewahren. Dies ergibt sich fiir den Fall, daB die Schutzzonenmacht das Gebiet besetzt halt, aus der besatzungsrechtlichen Schutzpflicht. Sofern ihr nur teilweise die Kontrolle iiber die Schutzzonenbevolkerung iibertragen ist, kann sie zumindest soweit, wie sie hoheitliche MaBnahmen wahrnimmt, die insbesondere die Einund Ausreise sowie Ausweisung vertriebener Personen betreffen - beispielsweise die Kontrolle der Schutzzonengrenzen - im Rahmen der Menschenrechte auch zur Beachtung fliichtlingsspezifischer Rechte verpflichtet sein.
298
Siehe oben I1.3.a)(2).
299
Siehe oben I1.3.a)(2).
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Gewahrung funclamentaler Rechte in cler Schutzzone
Die Schutzzonenmacht hat danach der vertriebenen Bevolkerung grundsatzlich die Zuflucht in die Schutzzone zu gewahren. Zwar kommen ihr insoweit weite Einschrankungsmoglichkeiten aufgrund der Sicherheit der Schutzzonenbevolkerung und der eigenen sowie der humanitaren Verhaltnisse in der Schutz zone zu, jedoch fiihrt die gleichzeitige Verpflichtung der Schutzzonenmacht aus den humanitiiren Grundsatzen - insbesondere der Gewahrung des freien Zugangs zur humanitaren Hilfe - dazu, da6 sie nur dann, wenn die drohenden Gefahren durch eine Aufnahme nicht durch andere Sicherheitsma6nahmen verhindert werden konnen, zu einer Verweigerung der Zuflucht fiihren kann. Die Schutzzonenmacht mu6 grundsatzlich auch positive Ma6nahmen zur Ermoglichung der Zuflucht ergreifen, wobei aufgrund der andauernden kriegerischen Tatigkeiten au6erhalb der Schutzzone vor allem die Errichtung von Schutzkorridoren entscheidend ist. Sofern der Schutzzonenmacht die dazu erforderlichen Zwangsmittel fehlen, kann damit das Recht auf Zuflucht in die Schutzzone nur sehr eingeschrankt gewahrleistet werden. Genauso mu6 die Schutzzonenmacht aber auch die notwendigen Bedingungen schaffen, urn eine Riickkehr der vertriebenen Bevolkerung in ihr Heimatgebiet zu ermoglichen. Sie kann das Riickkehrrecht nur in Ausnahmefallen, insbesondere wenn Sicherheitsgefahren fiir den Riickkehrwilligen drohen, vollstandig verweigern. Zudem mu6 sie es ebenfalls durch positive Ma6nahmen wie vor allem die Bereitstellung von Transportmoglichkeiten und sicheren Korridoren ermoglichen. Auch hier hangt die Gewahrleistung des Schutzes damit entscheidend von den der Schutzzonenmacht zur Verfiigung stehenden Mitteln und Befugnissen abo
5. Ergebnis menschenrechtlicher Mindeststandard in einer Schutzzone
Grundsatzlich hat die Schutzzonenmacht einen Mindeststandard an physischem Schutz, humanitarer Versorgung, Bewegungsfreiheit und fliichtlingsspezifischen Rechten zu gewahren. Soweit entsprechende Pflichten der Schutzzonenmacht gegeniiber der Bevolkerung im Mandat oder einer Vereinbarung mit dem Gaststaat nur vage oder nicht explizit enthalten sind, konnen sie durch die besatzungsrechtlichen Regelungen, die allgemeinen Menschenrechtsstandards und das Volkermordverbot konkretisiert und erganzt werden. Inhaltlich ist die Schutzzonenmacht im Rahmen der von ihr iibernommenen Tatigkeit zum Schutz der Schutzzonenbevolkerung vor Angriffen von au6en und internen Gewalttatigkeiten sowie zur humanitaren
5. Kapitel: Menschenrechtliche Verpflichtungen
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Versorgung verpflichtet. Dem kann die Schutzzonenmacht sowohl durch die Evakuierung als auch die Verteidigung der Bevolkerung nachkommen. Bei einem drohenden Volkermord oder schweren systematischen Gefahren fur das Leben ist sie ausnahmsweise verpflichtet, die Schutzzone aufrecht zu erhalten oder den Schutz anderweitig sicherzustellen. Die Schutzzonenmacht darf die Freizugigkeit und Fluchtmoglichkeit der Schutzzonenbevolkerung nicht ubermaBig einschranken und muB den vertriebenen Personen grundsatzlich ein Zufluchtsrecht gewahren und ihre Ruckkehr ins Heimatgebiet fordern. In der Wahl ihrer MaBnahmen ist die Schutzzonenmacht grundsatzlich frei. Sie muB den Mindeststandard im Rahmen der ihr zur Verfugung stehenden Mittel und nur solange gewahrleisten, wie keine besonderen Sicherheitsgefahren fur sie selbst bestehen. Wobei jedoch insoweit beachtet werden muB, daB eine Truppe, die zum Schutz der Bevolkerung eingesetzt wird, gerade besondere Lebensgefahren auf sich nimmt. 1m Fane eines drohenden Volkermords oder anderer systematischer Verletzungen des Rechts auf Leben kann die Schutzzonenmacht ausnahmsweise auch MaBnahmen auBerhalb der ihr zustehenden Befugnisse zur Durchsetzung der Rechte wahrnehmen. Da insbesondere die Abwehr von Eindringlingen und Angriffen auf die Schutz zone sowie die Durchsetzung des sicheren Zugangs zur Schutzzone und der humanitaren Versorgung die gewaltsame Verteidigung der Schutzzone aber auch von Schutzkorridoren erfordern, hangt die Gewahrung des Mindeststandards entscheidend von den der Schutzzonenmacht zur Verfugung stehenden Zwangsmitteln abo Sieht das Mandat oder die Vereinbarung mit dem Gaststaat keine ausreichenden Mittel zur zwangsweisen Verteidigung der Schutzzone und zur Errichtung sicherer Korridore zur Schutzzone vor, kann die Schutzzonenmacht den Mindeststandard objektiv oder aufgrund zu hoher Sicherheitsgefahren nicht gewahrleisten. Dies zeigte sich in dramatischer Weise in der safe area Srebrenica, wo UNPROFOR den humanitaren Mindeststandard mangels ausreichender Mittel zur gewaltsamen Durchsetzung der Hilfslieferungen nicht gewahren und die brutale Einnahme der Schutzzone durch die serbischen Kampfer mangels ausreichender Befugnisse und Mittel zur Evakuierung und Verteidigung der Bevolkerung nicht verhindern konnte. Hier ist der UN-Verwaltung vor allem ein Vorwurf darin zu machen, daB sie das zur Verfugung stehende Zwangsmittel der Luftunterstutzung nicht effektiv einsetzte sowie weder uber einen Verteidigungsplan fur die Schutz zone noch alternativ uber einen Evakuierungsplan fur die Bevolkerung verfugte. Ein ausreichender Schutz und eine bessere humanitare Versorgung der Bevolkerung scheiterte aber vor al-
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Gewahrung fundamentaler Rechte in der Schutzzone
lem an den mangelnden Zwangsmitteln zur Durchsetzung der fundamental en Rechte in der Schutzzone. 300 Die Einhaltung des in der Schutzzone zu gewahrleistenden Mindeststandards an fundamentalen Rechten der Bevolkerung hangt damit wesentlich von der Sicherstellung der erforderlichen Zwangsmittel durch den UN -Sicherheitsrat abo Inwieweit dieser verpflichtet ist, die erforderlichen SchutzmaEnahmen zu erlassen, solI deswegen im folgenden letzten Kapitel geklart werden.
300 Entsprechende Kritik im Final Periodic Report des Special. Rapporteur der UN-Menschenrechtskommission, E/CN.4/1996/9, 22.8.1995, para. 91.
Sechstes Kapitel: Sicherstellung des menschenrechtlichen Mindeststandards durch den UN-Sicherheitsrat '''Srebrenica' has become the historic name for the largest failure of the United Nations in its peace-keeping efforts, the failure to react on time being incapable to anticipate on what could happen.'" In diesem Zitat werden den UN in Srebrenica zwei wesentliche Fehler vorgeworfen: zum einen, daB sie nicht schnell genug auf die Gefahren am Boden reagiert haben, und zum anderen, daB sie die Bedrohungssituation nicht ausreichend uberschauthaben. Ahnlich kritisieren die Untersuchungsberichte zu Srebrenica, daB man im UN-Sicherheitsrat den Einsatz einer starkeren Truppe mit einem weiteren Mandat unterlieB, obwohl man sich bewuBt war,2 daB der Schutz und die Versorgung in der Schutzzone durch die Peace-Keeping-Truppe UNPROFOR allein nicht gewahrleistet werden konnten. 3 Zudem werden eine unzureichende Dberwachung der Situation und Beachtung der vorhandenen Informationen fur die Fehleinschatzung und die verzogerte Reaktion der in-
Benedek, Srebrenica, 305. Ahnliche Kritik an der fehlenden Reaktion durch die UN: Barnett, The Politics of Indifference, 151. 2 "Even before the attack on Srebrenica began, it was clear to the Secretariat and Member States alike that the safe areas were not truly «safe». There was neither the will to use decisive air power against the Serb attacks on the safe areas, nor the means on the ground to repulse them. In report after report the Secretariat accordingly and rightly pointed out these conceptual flaws in the safe area policy". The Fall of Srebrenica, para. 494. Sowohl der UN-Generalsekretar als auch der UN-Menschenrechtsbeauftragte fur Jugoslawien machten mehrfach auf die Notwendigkeit einer Verstarkung der Schutzzonenverteidigung aufmerksam: SG-Report, S/25939, 14.6.1993, para. 4 ff.; UNSG-Report, S/1994/300, 16.3.1994, para. 32 ff.; Final Periodic Report des Special Rapporteur der UN-Menschenrechtskommission, E/CNA/1996/9, 22.8.1995, para. 91.
Rapport D'Information, Srebrenica, 76 H.; The Fall of Srebrenica, para. 497 ff.
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Gewahrung fundamentaler Rechte in der Schutzzone
ternationalen Gemeinschaft auf die bevorstehende Einnahme und die darauffolgenden Verbrechen verantwortlich gemacht. 4 Damit stellt sich zum einen die Frage, inwieweit der UN-Sicherheitsrat mit der Errichtung oder Ermachtigung einer Schutzzone gleichzeitig verpflichtet ist, dort auch durch entsprechende ZwangsmaBnahmen fur den fortwahrenden Schutz und menschenrechtlichen Mindeststandard zu sorgen. Da die ErfuHung einer solehen Schutzpflicht, wie in Srebrenica deutlich wurde, vor aHem von seiner Kenntnis der tatsachlichen Bedrohung in der Schutzzone und seiner Kontrolle der Schutzzonenoperation abhangt, er aber die Sicherung der Schutz zone meist an eine Truppe ubertragt, ist zum anderen zu priifen, inwieweit die Dberwachung der Schutzzonensicherung durch den UN -Sicherheitsrat gewahrleistet ist. Nur wenn ihn eine entsprechende Verantwortung zur Sicherung des menschenrechtlichen Mindeststandards in einer von ihm erklarten oder ermachtigten Schutz zone trifft, kann von einer ausreichenden Gewahrleistung der fundamentalen Rechte in einer UN-Schutzzone ausgegangen und sie als brauchbares Schutzinstrument fur verfolgte Personen angesehen werden.
I. Verpflichtung zum Erla6 von Schutzma6nahmen
Der UN -Sicherheitsrat kann die Mitgliedstaaten wie in Ruanda von vornherein nach Art. 42 UNC zum Gebrauch von "all necessary means" zur zwangsweisen Errichtung einer Schutzzone durch militarische Einnahme des Gebiets ermachtigen und ihnen damit die Verantwortung fur die Einhaltung des Mindeststandards in der Schutzzone ubertragen. 5 Da sich die erforderlichen Verwaltungsbefugnisse bei einer soleh zwangsweisen Einnahme des Gebiets aus dem Besatzungsrecht ergeben,6 verfugen die Mitgliedstaaten grundsatzlich uber die erforderlichen Mittel und Befugnisse, urn den Mindeststandard auch sicherzustellen. Eine Verpflichtung des UN-Sicherheitsrats zur Gewahrleistung des Mindeststandards kann sich in diesem Fall allein hinsichtlich einer
4 Rapport D'Information, Srebrenica, 59 ff., 76; kritisch aber nicht eindeutig: The Fall of Srebrenica, para. 486 f., 496. Siehe oben 3. Kapitel, III.1.c). Fur Ruanda vgl. S/RES/929, 22.6.1994, siehe auch oben 1. Kapitel, II.3.a). 6 Siehe oben 4. Kapitel, I.3.
6. Kapitel: Sicherstellung des Mindeststandards
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Kontrolle und Uberwachung der Ausfuhrung dieser MaBnahme ergeben. 7 Errichtet der UN -Sicherheitsrat die Schutz zone jedoch wie in Bosnien selbst durch eine Neutralisierungsanordnung nach Art. 40 UNC,8 stellt sich die Frage, ob er damit gleichzeitig auch verpflichtet ist, den menschenrechtlichen Mindeststandard durch die entsprechenden ZwangsmaBnahmen in dem Gebiet zu garantieren. Dann durfte er zum einen nur eine Schutzzone nach Art. 40 UNC erklaren, wenn der Mindeststandard auch von Beginn an sichergestellt ist; andernfalls konnte er allein die Mitgliedstaaten nach Art. 42 UNC zur zwangsweisen Errichtung einer solchen Schutz zone durch militarische Einnahme des Gebiets autorisieren. Zum anderen muBte er in einer von ihm errichteten Schutzzone fur die Aufrechterhaltung des Mindeststandards sorgen, indem er die erforderlichen MaBnahmen zur Durchsetzung desselben, insbesondere ein entsprechendes Zwangspotential, die Errichtung von Schutzkorridoren oder die Evakuierung der Bevolkerung autorisiert. 1m Folgenden ist deswegen zu klaren, ob die UN mit der Erklarung einer Schutz zone durch den UN-Sicherheitsrat gleichsam verpflichtet sind, die Einhaltung der fundamentalen Rechte in dem Gebiet durch entsprechende Z wangsmaBnahmen durchzusetzen.
1. " Garantenstellung"
Bei der Frage nach einer Pflicht der UN, den menschenrechtlichen Mindeststandard in einer yom UN-Sicherheitsrat errichteten Schutzzone durch entsprechende SchutzmaBnahmen sicherzustellen, geht es urn das Problem, ob ihnen durch den ErlaB einer vorlaufigen MaBnahme eine Art Garantenstellung zukommen kann, die sie zu weiteren ZwangsmaBnahmen zur Durchsetzung des Schutzes verpflichtet; ob also die UN in Srebrenica verpflichtet gewesen waren, die erforderlichen ZwangsmaBnahmen zur Durchsetzung des Schutzes und der humanitaren Hilfe in der Schutzzone zu erlassen. Rechtstechnisch stellt sich damit die Frage, ob das Ermessen des UN-Sicherheitsrats in Art. 39 UNC nach einer ersten vorlaufigen MaBnahme wie der Schutzzonenerrichtung auf Null reduziert ist und er weitere MaBnahmen zur Friedenssicherung, d.h. hier zur Sicherstellung des menschenrechtlichen Mindeststandards, ergreifen muB. 7
Siehe clazu unten I1.I. Vgl. zu der Grundlage: 3. Kapitel, I11.1.b).
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Gewahrung fundamentaler Rechte in der Schutzzone
Die fur Art. 39 UNC erforderliche Friedensbedrohungliegt im Fall der fortdauernden schweren Menschenrechtsverletzungen und katastrophalen humanitaren Bedingungen in der Schutz zone regelmaBig vor. Eine solche Bedrohung wird bei der Errichtung einer Schutzzone mit den menschenrechtlichen und humanitiiren MiBstiinden begrundet und kann durch die unzureichenden Schutzmechanismen nicht beseitigt werden. 9 Fraglich ist jedoch,ob der UN-Sicherheitsrat als primar politisches Organ uberhaupt zum Ergreifen weiterer MaBnahmen, insbesondere ZwangsmaBnahmen, verpflichtet sein kann. Grundsatzlich ist dem UN -Sicherheitsrat hinsichtlich der EntschlieBung als auch der letztendlichen Auswahl von MaBnahmen nach Art. 39 ff. UNC ein weiter Ermessensspielraum eingeraumt, so daB ihn keine Pflicht zum erstmaligen Handeln treffen kann. 10 Er kann also nicht zur Errichtung einer Schutzzone verpflichtet sein. Davon zu unterscheid en ist jedoch die Frage, ob dem UN-Sicherheitsrat FolgemaBnahmen obliegen konnen, wenn er bereits. eine vorlaufige MaBnahme wie die Schutzzonenerrichtung im Rahmen des Kapitel VII UNC erlassen hat. Entscheidend ist damit, ob das EntschlieBungsermessen des UN-Sicherheitsrats im Rahmen von Art. 39 UNC durch eine erste MaBnahme soweit reduziert sein kann, daB er zum Ergreifen weiterer MaBnahmen zur Friedenssicherung verpflichtet ist, seien dies MaBnahmen zur Durchsetzung, Modifizierungen oder auch nur die Aufhebung der vorherigen MaBnahme. Erstaunlicherweise findet diese Diskussion in der Literatur gar nicht oder zumindest nicht aus dieser Perspektive statt. l1 Ais Anknupfungspunkte fur eine Art Garantenstellung der UN mit einer daraus resultie-
9 Sollte eine Friedensbedrohung fehlen, mussen sonstige MaEnahmen unter der Schwelle des Kapitel VII UNC wie koordinierende und empfehlende MaEnahmen im Hinblick auf die Schutzgewahrung in cler Schutzzone wie die Anregung von Diskussionen, Zusammenarbeit von NGOs und anderen Menschenrechts-und Fluchtlingsorganisationen etc. ausreichen. Fur erga omnes Pflichten: Toope, Duty to prevent Genocide, 194.
10 Bauer, Effektivitat, 76, der deswegen die UN von einem tatsachlichen System kollektiver Sicherheit unterscheidet. Dementsprechend wenig Beachtung findet dieser Punkt auch in der Lehre. Ablehnend mit einem Verweis auf das weite politische Ermessen: Cohen/Jonathan, Art. 39, 645 ff. in: Cot/Pellet. 11 So geht auch Bauer, Effektivitat, 76 nur auf die Frage einer erstmaligen Handlungspflicht ein. Gewisse Dberlegungen hinsichtlich nachtraglich rechtswidrig gewordener Resolutionen finden sich bei Martenczuk, Rechtsbindung,
286.
6. Kapitel: Sicherstellung des Mindeststandards
209
renden Handlungspflicht des UN -Sicherheitsrats konnen hier vor aHem die Schutzzonenerklarung als eine Art tatsachliche Dbernahme oder risikobehaftetes Tun sowie die mit der Schutzzonenerrichtung verbundene Einschrankung der Verteidigungsfahigkeit des Gaststaates durch die Neutralisierungs- und etwaige Entmilitarisierungsanordnung dienen. Eine auf einer solchen Garantenstellung beruhende Handlungspflicht der UN trafe dann zwar letztendlich die standigen Mitglieder im UNSicherheitsrat, jedoch blieben die UN als verantwortliches Volkerrechtssubjekt, das durch den UN-Sicherheitsrat handeln miiBte.
a) Selbstbindung durch Schutzerklarung Zunachst konnten die UN durch die Errichtung und Ausrufung einer Schutzzone, mit der sie den Schutz und gewisse fundamentale Rechte suggerieren, gegenuber dem Gaststaat gebunden sein, diese auch durch die erforderlichen SchutzmaBnahmen des UN-Sicherheitsrats zu garantieren. Als Schutzerklarung muB dabei jede AuBerung ausreichen, die beim Gaststaat oder seiner Bevolkerung das Vertrauen erweckt, daB das Gebiet geschiitzt wird. Dies kann damit bereits in einer einfachen Schutzzonenerklarung liegen und verlangt keine explizite Ausrufung des geschutzten oder sicheren Status des Schutzzonengebiets. Solange der Empfangsstaat im Vertrauen auf den externen Schutz auf die Verteidigung des Schutzzonengebiets verzichtet und der Anordnung des UNSicherheitsrats zur Waffenruhe und Entmilitarisierung folgt oder die Bevolkerung des Gaststaates im Vertrauen auf die Schutzzonenerklarung des UN-Sicherheitsrates anstatt ins sichere Ausland ins Schutzzonengebiet flieht, kann eine erhebliche Schutzerklarung vorliegen. Entscheidend ist der Empfangerhorizont und, ob der Empfangsstaat und die Bevolkerung im Vertrauen auf die Schutzzonenerklarung MaBnahmen vornehmen, die sich ohne den Schutz der UN schadlich auswirken konnen. So hat z.B. der UN-Sicherheitsrat in Bosnien allein die Beachtung der safe areas durch die Konfliktparteien gefordert ("should be treated as safe areas"), sie aber nie offiziell als soIehe ausgerufen. 12 Jedoch suggerierte der Gebrauch des Begriffs safe area im Zusammenhang mit der Mandatierung UNPROFORs zum Schutz des Gebiets fur den Gaststaat und seine Bevolkerung die tatsachliche Sicherheit der 12 S/RES/824, 6.5.1993, para. 3, iihnlich S/RES/819, 16.4.1993, para. 1. Zu dem Unterschied zwischen tatsiichlicher Ausrufung einer Schutzzone und der safe area Res. 824: Koet, Rechtsberater der UNPROFOR, 196.
210
Gewahrung fundamentaler Rechte in der Schutzzone
Gebiete. Dies muB als rechtserheblicher Vertrauenstatbestand ausreichen. Entscheidend fur eine etwaige Bindung der UN gegenuber dem Gaststaat an ihre Schutzzonenresolution, wonach sie die hinsichtlich des Schutzes und der Versorgung des Gebiets in sie gesetzten Erwartungen durch entsprechende MaBnahmen des UN-Sicherheitsrats erfullen mussen, ist das UN-interne Recht. Zu priifen ist, ob die UN-Charta den UN-Sicherheitsrat bei der Erklarung von Schutzzonen nach Art. 40 UNC verpflichtet, ihre Umsetzung und damit den Schutz und die Versorgung der dort lebenden Bevolkerung durch ausreichende SchutzmaBnahmen sicherzustellen. Betrachtet man die ZwangsmaBnahmen des UN-Sicherheitsrats wie wirtschaftliche und militarische Sanktionen nach Art. 41, 42 UNC, so erscheint eine solche Selbstbindung des UN-Sicherheitsrats zur Durchsetzung seiner MaBnahmen abwegig. Dort hat der Adressat der MaBnahme kein Interesse an ihrer Durchsetzung, entscheidend ist vielmehr seine Pflicht aus Art. 25 UNC, die MaBnahme durchzufuhren oder als Adressat zu dulden.13 Anders stellt sich aber der Fall bei humanitaren und insbesondere vorlaufigen MaBnahmen unter Kapitel VII UNC dar, die auch im Interesse des Gaststaats oder seiner Bevolkerung vorgenommen werden. Insbesondere dann, wenn sie wie die Schutzzonen den Adressaten einerseits zu Dispositionen wie Waffenstillstand und moglicherweise Entmilitarisierung zwingen aber andererseits mit internationalem Schutz und Versorgung einen Vorteil versprechen, kann sich die Frage nach einer Pflicht zur zwangsweisen Durchfuhrung der MaBnahme gegen den Widerstand der anderen Konfliktpartei stellen. 14 Nach Art. 24 (1) UNC ubertragen die Mitgliedstaaten dem UNSicherheitsrat die Hauptverantwortung zur Wahrnehmung ihrer Pflichten, was darauf hindeutet, daB er auch fur die Durchfuhrung dieser Pflichten einstehen muK Jedoch laBt sich weder aus dem Wortlaut der
13 Nur die anderen Mitgliedstaaten konnten ein Interesse daran haben, daB die Sanktion auch in allen Bereichen durchgesetzt wird, wei! alle Mitgliedstaaten nach Art. 25 UNC zur Durchfiihrung der MaBnahme verpflichtet sind und beispielsweise dadurch keinen Schad en erleiden wollen, daB eine Sanktion nicht von allen Staaten befolgt wird. 14 Als anderes Beispiel ist auch ein Eingreifen auf Einladung des Gaststaates denkbar, dann hat er ebenfalls ein Interesse daran, daB die MaBnahme durchgefiihrt wird. Allgemein zum Eingreifen auf Einladung vgl. Nolte, Eingreifen auf Einladung.
6. Kapitel: Sicherstellung des Mindeststandards
211
UN -Charta noch aus dem in ihr verankerten System kollektiver Sicherheit eine solche Selbstbindung ableiten.
(1) Wortlaut der UN-Charta Art. 25 UNC sieht allein eine explizite Annahme- und Durchfuhrungspflicht der Mitgliedstaaten fur Beschlusse des UN-Sicherheitsrats vor. Der Gaststaat ist also verpflichtet, eine Schutzzonenresolution nach Kapitel VII UNC zu dulden, und die ubrigen Mitgliedstaaten mussen die erforderlichen Ma6nahmen durchfuhren. Jedoch sagt diese Vorschrift nichts uber die Bindung der Organisation selbst an eine von ihr erklarte Schutzzone aus. Auch aus den speziellen Befugnisnormen des UN -Sicherheitsrats aus Kapitel VII UNC la6t sich keine Verpflichtung zur Durchfuhrung seiner vorlaufigen Ma6nahmen entnehmen. Zwar deutet insbesondere Art. 40 S. 3 UNC, wonach der UN-Sicherheitsrat dem Versagen vorlaufiger Ma6nahmen gebuhrend Rechnung tragt, darauf hin, da6 er den Erfolg der beschlossenen vorlaufigen Ma6nahme sicherstellen muB. Jedoch soIl dieser Satz nur die Moglichkeit von Zwangsma6nahmen nach Art. 41 und 42 UNC gegen solche yom ursprunglichen Aggressor verschiedenen Staaten aufzeigen, die die vorlaufigen Ma6nahmen nicht befolgen;15 er soIl aber keine Verpflichtung des UN-Sicherheitsrats zu weiteren Ma6nahmen nach Art. 41 und 42 UNC zur Durchsetzung der vorlaufigen Ma6nahmen begrunden. Dies wird zudem durch den Wortlaut von Art. 41 und 42 UNC deutlich, die allein eine fakultative Eingriffsbefugnis des UN -Sicherheitsrats vorsehen, urn seinen Beschlussen aus Art. 40 UNC Wirksamkeit zu verleihen. 16
15 Siehe auch FroweinlKrisch, Art. 40 Rdnr. 12, Introduction to Chapter VII Rdnr. 12, in: Simma; Kelsen, United Nations, 740. 16 Art. 41 UNC lautet: "Der UN-Sicherheitsrat kann beschlieGen, welche MaGnahmen ( ... ) zu ergreifen sind, urn seinen Beschliissen Wirksamkeit zu verleihen; ( ... )" und Art. 42 liest sich "1st der UN-Sicherheitsrat der Auffassung, daG die in Artike141 vorgesehenen MaGnahmen unzulanglich sein wiirden. (... ) so kann er (... ) die zur Wahrung oder Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlichen MaGnahmen durchfiihren (... )" (Hervorhebung durch Verf.).
212
Gewahrung fundamentaler Rechte in der Schutzzone
(2) System kollektiver Sicherheit Gegen eine Selbstverpflichtung der Organisation, weitere MaBnahmen zur Durchsetzung vorlaufiger MaBnahmen zu ergreifen, spricht zudem das in der UN -Charta entwickelte System kollektiver Sicherheit. Danach erscheint der UN -Sicherheitsrat allein als legitimierende Instanz, kann aber mangels eigener vor aHem militarischer Mittel die MaBnahmen nicht selbst durchfiihren; dies obliegt den Mitgliedstaaten. Ihm fehlt im Rahmen der militarischen ZwangsmaBnahmen nach Art. 42 UNC eine ahnliche wie bei nicht-militarischen ZwangsmaBnahmen nach Art. 41 UNC bestehende Moglichkeit, die Mitgliedstaaten zum Ergreifen derselben zu verpflichten. 17 Die dazu grundsatzlich erforderliche Uberstellung von Truppen durch Sonderabkommen nach Art. 43 UNC ist bisher nicht erfolgt und kann auch nicht nach Art. 25 UNC erzwungen werden. 18 Auch im Rahmen der inzwischen anerkannten ad-hoc-Mandatierung der Mitgliedstaaten auBerhalb des Art. 43 UNC 19 kann der UN-Sicherheitsrat die Mitgliedstaaten nicht zu militarischen w ZwangsmaBnahmen verpflichten. Art. 43 UNC zeigt, daB zur Uberstellung von Truppen grundsatzlich eine besondere Zustimmung der Mitgliedstaaten erforderlich ist. Zudem rechtfertigt sich das Zustimmungserfordernis damit, daB der Einsatz von Truppen eine viel engere Koordination und logistische Organisation verlangt als der nicht-militarischer ZwangsmaBnahmen nach Art. 41 UNc. 21 Damit fehlen dem UN-Sicherheitsrat vor aHem eigene militarische Mittel, urn die Durchfiihrung seiner vorlaufigen MaBnahmen sicherstellen zu konnen. Deswegen spricht auch das in der UN -Charta verankerte System kollektiver Sicherheit gegen eine Pflicht des UN-Sicherheitsrats, den Schutz und die humanitare Hilfe in einer von ihm erklarten Schutzzonesicherzustellen.
17
Zu dies em Argument: White, Keeping the Peace, 116 f.
18 Fur eine solche Auslegung spricht auch Art. 106 UNC, der fur die Ubergangszeit bis zum AbschluB von Sonderabkommen nach Art. 43 UNC Konsultationen der Parteien vorsieht, urn die erforderlichen MaBnahmen zu treffen, vgl. White, Keeping the Peace, 117. 19 Vgl. dazu: FroweinlKrisch, Art. 42 Rdnr. 19-24, Art. 43 Rdnr. 9, in: Simrna. 20 Bauer, Effektivitat, 74. 21 Vgl. White, Keeping the Peace, 117.
6. Kapitel: Sicherstellung des Mindeststandards
213
(3) Praktische Auswirkungen Eine automatische Selbstbindung der UN an vorlaufige Ma~nahmen des UN-Sicherheitsrats i.d.S., da~ sie fur ihre Durchsetzung einstehen mussen, ist aber in jedem Fall im Hinblick auf die daraus folgenden Konsequenzen abzulehnen. Denn andernfalls waren die UN immer dann, wenn der UN-Sicherheitsrat die Zulassung und den Schutz humanitarer Ma~nahmen im Rahmen des Kapitel VII UNC anordnet und ubernimmt, gegenuber jedem nutznie~enden Mitgliedstaat dieser Ma~ nahme verpflichtet, selbige auch durchzufuhren. Eine soleh weitgehende Verpflichtung der UN schrankte ihre Handlungsbereitschaft jedoch zu stark ein und widersprache Sinn und Zweck der Rolle des UNSicherheitsrats, fur die Wahrung des Weltfriedens zu arbeiten und nicht Interessen von einzelnen Staaten wahrzunehmen. Damit ergibt sich aus der UN-Charta aufgrund des Ermessens des UNSicherheitsrats beim Ergreifen von Zwangsma~nahmen grundsatzlich keine absolute Selbstbindung der UN, eine Schutzzonenerklarung nach Art. 40 UNC auch mit entsprechenden Zwangsma~nahmen durchzusetzen. Die UN waren in Srebrenica nicht bereits durch die Schutzzonenerklarung des UN -Sicherheitsrats verpflichtet, einen menschenrechtlichen Mindeststandard in der Schutz zone durch entsprechende Schutzma~nahmen des UN-Sicherheitsrats zu gewahrleisten. Allerdings ist das Ermessen des UN -Sicherheitsrats nicht unbegrenzt, er ist bei der Ausubung seines Ermessens an die UN-Charta sowie das zwingende Volkerrecht gebunden. 22 Insoweit hat er vor allem die Risiken gegeneinander abzuwagen und kann in diesem Zusammenhang wie im Folgenden zu zeigen ist - verpflichtet sein, ein Mindestma~ an Schutz, humanitaren Rechten und Freiheit der Bevolkerung durch entsprechende Schutzma~nahmen sicherzustellen.
b) Ermessensbindung an zwingendes Volkerrecht Das Ermessen des UN-Sicherheitsrats kann durch das zwingende Volkerrecht nach der Errichtung einer Schutz zone vor allem insoweit beschrankt sein, da~ er in der Schutzzone schwere Verbrechen wie Volkermord, Massentotungen oder Kriegsverbrechen durch entsprechende Schutzma~nahmen verhindern und insoweit einen Mindeststandard an Rechten gewahrleisten muG. In Srebrenica wurden die UN gerade wegen ihres Unterlassens entschiedener Ma~nahmen zur Verhinderung 22
Siehe oben 3. Kapitel, IV.
Gewahrung fundamentaler Rechte in der Schutzzone
214
des Volkermords und der brutalen MiGhandlungen und Massentotungen nach der Einnahme der Schutzzone durch die serbische Konfliktpartei kritisiert. 23
(1) Volkermordverbot Aus dem zwingenden Volkermordverbot ergibt sich eine Verpflichtung fur Staaten zur Verhinderung eines solchen Verbrechens, die vor aHem aus dem ius-cogens-Charakter sowie der Effektivitat des Volkermordverbots selbst abgeleitet wird,z4 Sie gilt grundsatzlich auch fur die UN, soweit sie durch Peace-Keeping-Truppen in der Schutzzone gewisse Kontrolle ausuben. 25 Zu priifen bleibt allerdings, ob dies auch eine unbedingte Pflicht des UN-Sicherheitsrats begriindet, weitere SchutzmaGnahmen zur Verhinderung eines Volkermords in einer von ihm erklarten Schutz zone zu ergreifen, urn insoweit einen Mindeststandard an physischem Schutz zu gewahrleisten.
(2) Handlungspflicht des UN-Sicherheitsrats aufgrund Verhinderungspflicht Der UN-Sicherheitsrat hat bei seinen Beschlussen in jedem Fall das zwingende Volkermordverbot zu achten. 26 Insoweit ist jedoch fraglich, ob er damit gleichzeitig auch zur aktiven Verhinderung von Volkermord verpflichtet ist. Dies muG zumindest dann angenommen werden, wenn auch der Verhinderungspflicht zwingende Wirkung zukommt. Mit Verweis auf die mangelnde Staatenpraxis und die Unbestimmtheit einer entsprechenden Verhinderungspflicht wird dies bisweilen abgelehnt.27 Vor aHem sprache die Nichterwahnung der Verhinderungspflicht im abschlieGenden Katalog der strafbaren Handlungen des Art. III VMK dagegen, daB sie aus der allgemeinen ius-cogens- Natur 23 Dne journee de reflexion sur la tragedie de Srebrenica, Colloque aParis Ie 15 decembre 2001, International Law Forum Du Droit International, 4 (2001) 1, 44; Lupis, Human rights Abuses in Srebrenica, 65 ff.; Vetlesen, Genocide, 530 f. 24
Siehe oben 5. Kapitel, II.1.a)(2).
25
Siehe oben 5. Kapitel, II.1.a)(4).
26
Siehe oben 3. Kapitel, IV.
27 Starck, UNO-Wirtschaftssanktionen, 382 ff., die aus diesem Grunde eine Verhinderungspflicht vollstandig ablehnt, 5. Kapitel, II.1.a)(3).
6. Kapitel: Sicherstellung des Mindeststandards
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des Volkermordverbots gefolgert werden konne. 28 Andere Ieiten den ius-cogens-Charakter der Verhinderungspflicht aus der Bedeutung des allgemeinen Volkermordverbots ab: Die Interpretation des Verbots der schwersten Menschenrechtsverletzung verlange eine besonders starke Beachtung seiner Effektivitat und Zweckgerichtetheit, der man nur durch eine umfassend geltende Verhinderungspflicht gerecht werden konne. 29 Ahnlich argumentierte ad-hoe-Richter Lauterpacht in seiner abweichenden Meinung im Verfahren Bosniens gegen Serbien und Montenegro, der zudem hinsichtlich einer Bindung des UN-Sicherheitsrats hinzufiigte, daB jener die Mitgliedstaaten nicht zu vertragswidrigem Verhalten zwingen durfe. 30 Letztlich muB sich die ius-cogens-Wirkung des Verhinderungsgebots bereits aus ihrer Ableitung als notwendiges Korrelat des zwingenden Volkermordverbots ergeben. Denn wenn sie als ein notwendiges Element des zwingenden Volkermordverbots angesehen wird, muB auch ihr als Teil dieses Volkermordverbots zwingende Wirkung zukommen. Nur so kann das Ziel des Volkermordverbots, die umfassende Bekampfung dieses Verbrechens, 31 erreicht werden. Dagegen spricht auch nicht, daB die Aufzahlung in Art. III VMK die Verhinderungspflicht nicht enthalt, denn sie beschreibt allein die strafrechtlichen Verbote, macht jedoch keine Aussage uber die mit clem Volkermordverbot verbundene volkerrechtliche Verantwortlichkeit der Staaten zur Verhinderung von Volkermord. 32 Auch der IGH erkennt die zwingende Natur der tragenden Prinzipien der Volkermordkonvention, zu denen auch das Verhinderungsgebot gezahlt wird, an: "( ... ) the principles underlying the
28 Art. III VMK lautet: " Die folgenden Handlungen sind zu bestrafen: (a) Volkermord, (b) Verschworung zur Begehung von Volkermord, (c) unmittelbare und offentliche Anreizung zur Begehung von Volkermord, (d) Versuch, Volkermord zu begehen, (e) Teilnahme am Volkermord." Vgl. zu der Argumentation: Starck, UNO-Wirtschaftssanktionen, 386. 29
Scott, Memorial for Bosnia, 30, 35, 37.
30
Lauterpacht, Sep. op., Genocide Case, IC] Rep. 1993,440 f., para. 102.
31 Vgl. schon die Praambel und Art. 1 der Draft Convention of the Economic and Social Council, Report of the Sixth Committee, A/760, 3.12.1948, Lippman, Genocide Convention, 21. 32 Insoweit ist ein Unterschied zwischen dem volkerrechtlichen Verbrechen Volkermord und der Pflicht der Staaten zu machen, Volkermord zu verhindern. Zur Staatenverantwortlichkeit auch fur Unterlassen vgl. Art. 28 ff. ILC Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit, A/CNAIL.602/Rev.1, 26.7.01.
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Gewahrung fundamentaler Rechte in der Schutzzone
Convention are principles which are recognized by civilized nations as binding on States, even without any conventional obligation".33 Fur die Geltung der Verhinderungspflicht auch fur den UN-Sicherheitsrat spricht zudem die Praxis der UN. Der UN-Generalsekretar wies sowohl in seinem Srebrenica Bericht als auch dem spateren SchluBbericht fur Ruanda auf eine umfassende Geltung des Verhinderungsgebots hin: Es konne angesichts des Volkermordes keine Neutralitat geben, UN-Organe hatten die Pflicht gehabt, entschlossen Zu reagieren; und die UN muBten ihre Verantwortung anerkennen, nicht ge..; nugend zur Verhinderung des Volkermordes getan zu haben. 34 Erst jungst auf dem Stockholm International Forum Preventing Genocide wiederholte der UN-Generalsekretar eine Verpflichtung der Staaten~ gemeinschaft, Volkermord zu verhindern. 35 Ahnliche Verantwortung wies das franzosische Parlament den UN-Organen in seinem Untersuchungsbericht zum Volkermord in Ruanda ZU. 36 Damit ist der Verhinderungspflicht im Volkermordverbot ius-cogensWirkung zuzusprechen, die grundsatzlich auch den UN-Sicherheitsrat bindet. Allerdings kann er daraus nicht bei jedem Volkermord auf der Welt zu konkretem Handeln verpflichtet sein. Zu fragen ist deswegen nach den Voraussetzungen fur das Entstehen der Verhinderungsverpflichtung.
33 Reservations to Genocide Convention, ICJ Rep. 1951 , 15 ff., 23., der wohl die Verpflichtungen aus der Konvention auch als erga-omnesVerpflichtungen beschreibt. Ahnlich: Scott, Memorial for Bosnia, 30; Rosenne, Summary Records of the Fifteenth Session, 685<1> mtg., (1963) 1, Yearbook of the International Law Commission, A/CNA/Ser.A/1963/Add.l para. 10.
34 Ruanda Report, IV Recommendations 1, 14. Zu dieser SchlufHolgerung des Berichts: Schiirings, Versagen im Angesicht des V6lkermordes, 57 f.; i.E. so: The Fall of Srebrenica, para. 501. Ahnlich: Huband, Rwanda - The Genocide, 314. 35 The Secretary-General Address to the Stockholm International Forum, Stockhol, Sweden, 26 January 2004. 36 Rapport D'Information, Rwanda, Deuxieme Partie, VI B 3: "( ... ) une obligation pour les organes competents de l'Organisation des Nations Unies de prendre <
6. Kapitel: Sicherstellung des Mindeststandards
217
(3) Voraussetzungen der Verhinderungspflicht Fur Staaten gilt die Verhinderungspflicht grundsatzlich auf dem eigenen Territorium sowie bei extra-territorialer Ausubung von Hoheitsgewalt. 37 Zwar wird ihr teilweise sogar unbegrenzte Geltung zugesprochen,38 jedoch erscheint eine umfassende Verhinderungspflicht mangels praktischer Umsetzbarkeit und Bestimmtheit fraglich. Fur den UNSicherheitsrat muB nach Sinn und Zweck des Volkermordverbots, der umfassenden Bekampfung dieses Verbrechens, aber zumindest dann eine Verhinderungspflicht gelten, wenn er eine gewisse Kontrolle uber ein Gebiet und die dort lebende Bevolkerung ubernimmt, die der Ausubung von Hoheitsgewalt bei Staaten entspricht. In dem Fall ist ihm eine gesteigerte Verantwortung fur die Verhinderung von Volkermord zuzumuten. Eine solche Kontrolle uber Gebiet und Bevolkerung liegt unbestritten dann vor, wenn der UN-Sicherheitsrat eine UN-PeaceKeeping-Truppe als sein Nebenorgan mit der Durchfuhrung einer Schutzzone beauftragt. Aber auch eine reine Schutzzonenerkliirung wie in Srebrenica muB als ausreichende Kontrolle angesehen werden. Indem er die Neutralitat sowie moglicherweise die Entmilitarisierung des Schutzzonengebietes anordnet, kann er Lange und AusmaB der Schutzzone sowie Befugnisse und Mittel zur Sicherstellung der Neutralitat bestimmen, oder konkret entscheiden, ob die territorialen Bedingungen der Schutz zone geeignet sind und die Schutzzonentruppe stark genug ist, urn einen Volkermord in der Schutz zone zu verhindern. Deswegen muB zumindest in einer vom UN-Sicherheitsrat selbst erklarten Schutzzone seine Pflicht zur Verhinderung eines Volkermords angenommen werden. Damit traf den UN-Sicherheitsrat in Srebrenica bereits durch seine Schutzzonenerklarung und schlieBlich durch die Entsendung UNPROFORs zur Sicherung des Gebiets grundsatzlich eine Pflicht, die brutale Einnahme des Schutzzonengebiets zu verhindern. Problematisch erscheint hier jedoch, daB nach den verschiedenen Untersuchungsberichten zu Srebrenica die Einnahme der Schutzzone und insbesondere das AusmaB ihrer brutal en Auswirkungen vom UNSicherheitsrat nicht vorhersehbar waren. 39
37
Siehe oben 5. Kapitel, II.1.a)(5).
38 Scott, Memorial for Bosnia, 30 ff; Lauterpacht, Sep. Op., Genocide Case, Ie} Rep. 1993, 444 f.; Toope, Duty to Prevent Genocide, 192 ff. 39 Rapport D'Information, Srebrenica, 92; The Fall of Srebrenica, 487, 494.
218
Gewahrung fundamentaler Rechte in der Schutzzone
Zwar ist unklar, inwieweit ein Vorsatz des UN-Sicherheitsrats zur Verletzung der Verhinderungspflicht hinzukommen muK Bisweilen wird beim UN-Sicherheitsrat sogar vollstandig auf ein subjektives Element verzichtet und das rein objektive Vorliegen eines Volkermordes als ausreichend angesehen. 40 Da jedoch die volkerrechtliche Verantwortlichkeit fUr die Verletzung der staatlichen Verhinderungspflicht allgemein auf eine due-diligence-Haftung begrenzt ist,41 muB auch fur den UNSicherheitsrat zumindest das BewuBtsein und eine gewisse Vorhersehbarkeit der Unterstutzung oder Duldung eines Volkermordes i.S. einer groben Fahrlassigkeit gefordert werden. In Srebrenica fehlte dem UNSicherheitsrat eine konkrete Vorhersehbarkeit der brutalen Einnahme Srebrenicas zwar,42 jedoch kann ihm insoweit zumindest ein Fahrlassigkeitsvorwurf gemacht werden, weil er sich bewuBt war, daB die Schutzzone gegen einen serbischen Angriff nicht hatte verteidigt werden konnen. 43 Aufgrund der fortwahrenden Angriffe der serbischen Konfliktpartei auf die Schutz zone sowie der bekannten serbischen Absicht der ethnischen Sauberung muBten die UN aber damit rechnen, daB die Serben auch versuchen wurden, die Schutz zone einzunehmen und "ethnisch zu saubern".
(4) Inhalt der Verhinderungspflicht Dadurch, daB die UN mit der Schutzzonenerklarung eine gesteigerte Verantwortung fur das Schutzzonengebiet ubernehmen, sind sie verpflichtet, einen Volkermord in der Schutzzone zu verhindern und insoweit einen Mindeststandard an Schutz zu gewahrleisten. Der UNSicherheitsrat kann deswegen, sofern ein Volkermord droht, eine Schutzzone durch eine bloBe Neutralisierungsanordnung nur errichten,
Lauterpacht, Sep. op., Genocide Case, ICJ Rep. 1993,440 f., para. 102. 41 Zum due-diligence-MaBstab sieheoben 5. Kapitel, II.1.c)(1). 42 Die Untersuchungsberichte zu Srebrenica konnten nicht kiaren, wann die UN tatsachlich Kenntnis der Volkermordabsicht der serbischen Kampfer hatten haben mussen. Rapport D'Information, 75 f. The Fall of Srebrenica, para. 484 ff. 43 The Fall of Srebrenica, para. 494. Sowohl der UN-Generalsekretar als auch der UN-Menschenrechtsbeauftragte fur Jugoslawien machten mehrfach auf die Notwendigkeit einer Verstarkung der Schutzzonenverteidigung aufmerksam: SG-Report, S125939, 14.6.1993, para. 4 ff.; UNSG-Report, S/19941 300, 16.3.1994, para. 32 ff.; Final Periodic Report des Special Rapporteur der UN -Menschenrechtskommission, E/CN.4/1996/9, 22.8.1995, para. 91. 40
6.
Kapitel: Sicherstellung des Mindeststandards
219
wenn der Schutz der Bevolkerung durch ein ausreichendes Zwangspotential sichergestellt ist. Ansonsten kann er nur die Mitgliedstaaten zur zwangsweisen Einnahme des Gebiets nach Art. 42 UNC ermachtigen. Zudem muB er wahrend der Aufrechterhaltung der Schutzzone die erforderlichen MaBnahmen zur Verhinderung von Volkermord ergreifen. Er ist im Rahmen der due diligence grundsatzlich zu allen verhaltnismaBigen SchutzmaBnahmen zur Verhinderung eines Volkermords verpflichtet. Diese konnen von der reinen Diskussionsanregung und Diplomatie oder Zusammenarbeit mit NGOs bis zur Autorisierung einer Truppenverstarkung, der zwangsweisen Errichtung von Schutzkorridoren oder Evakuierung der Bevolkerung gehen. Die letztendliche Auswahl der MaBnahme erfolgt nach ihrer VerhaltnismaBigkeit und bleibt im Ermessen des UN -Sicherheitsrats. Allerdings erscheint zumindest dann eine Ermessensreduzierung in Art. 39 UNC auf eine zwangsweise Durchsetzung des Schutzes denkbar, wenn ein Volkermord in der Schutzzone nur durch entsprechend starker autorisierte und ausgerustete Truppen oder Gewaltanwendung verhindert werden kann. Indem die UN in Srebrenica die brutale Einnahme und folgenden Massaker der serbischen Konfliktpartei grob fahrlassig nicht durch ausreichende SchutzmaBnahmen verhindert haben, haben sie ihre Pflicht aus der Genozidkonvention verletzt. Denn trotz der fortwahrenden Angriffe auf die Schutzzone sowie der serbischen Praxis der ethnischen Sauberung und dem BewuBtsein urn die Schutzlosigkeit der Enklave haben sie keine starkeren ZwangsmaBnahmen beschlossen, urn den Schutz sicherzustellen.
(5) Humanitatsgebat
Der franzosische General Morillon bezeichnete var der Eroberung Srebrenicas durch die serbische Konfliktpartei einen moglichen Fall der UN-Schutzzone als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. 44 Dies wirft die Frage auf, ob sich ebenfalls aus dem zwingenden Gehalt des Gebots zur menschenwurdigen Behandlung im Konflikt (Humanitatsgrundsatz) eine Pflicht fur die UN ergibt, einen durch die Schutzzonenerrichtung suggerierten Schutz der Bevolkerung auch durch die erforderlichen SchutzmaBnahmen zwangsweise zu gewahrleisten und sie nicht nach einer Neutralisierung und Entmilitarisierung des Gebiets wehrlos dem Gegner zu uberlassen.
44
Le Monde, 13.07.1995, zit. bei: Bettati, Las Areas de Seguridad, 5.
220
Gewahrung fundamentaler Rechte in der Schutzzone
Das Humanitatsgebot bildet die fundamentale Grundnorm des humanitaren Volkerrechts. 45 Heute ist es in verschiedenen Vorschriften zur Kriegsfiihrung in der Haager Landkriegsordnung aber auch zur Behandlung von Zivilpersonen in den Genfer Konventionen und Zusatzprotokollen konkretisiert46 und findet in der Marten'schen Klausel ebenfalls gewohnheitsrechtlichen Ausdruck. 47 Die UN sind als Volkerrechtssubjekt an die gewohnheitsrechtlichen Regeln des humanitaren Volkerrechts gebunden, sofern sie MaBnahmen ergreifen, die in den Anwendungsbereich desselben fallen. 48 Da die Schutzzonenerklarung regelmaBig eine Neutralisierung eines Gebiets 45 Abi-Saab, Les "Principes generaux", 381 ff., der darauf hinweist, daB dieser Grundsatz erstmals in den Nurnberger Prozessen anerkannt wurde. Der IGH erkannte es als "General principle of humanitarian law" an: vgl. Nicaragua vs. US, ICJ Rep., 114, para. 218; ahnlich: Corfu Channel Case, ICJ Rep. 1949, 14 ff., 22 f.; Nicaragua vs. US, ICJ Rep., 114, Rdnr. 220. Schwere VerstoBe dieses Prinzips wurden zudem in das Statut des ICTY aufgenommen, vgl. UNSGReport S/25704, 3.5.1993, para. 48. Prosecutor v. Martie, Review of the Indictment, IT-95-11-R61, 8.3.1996. Allgemein dazu: Sandvik-Nylund, Caught in Conflicts, 14; SassolilBouvier, How does Law protect in Law?, 112 f. Pictet, Principles of International Humanitarian Law, 59 ff. 46 Z.B. Art. 22 ff. LKO, Art. 12 GK I; Art. 12 GK II; Art. 12, 14 GK III; Art. 3, 16,27 GK IV, Art. 10,75,77 ZP I, Art. 4, 7 ZP II.
47 "In den Fallen, die von diesem Protokoll oder anderen internationalen Ubereinkommen nicht erfaBt sind, verbleiben Zivilpersonen und Kombattanten unter dem Schutz und der Herrschaft der Grundsatze des Volkerrechts, wie sie sich aus feststehenden Gebrauchen, aus den Grundsatzen der Menschlichkeit und aus den Forderungen des offentlichen Gewissens ergeben" niedergelegt in der Praambel der 4. Haager Konvention und Art. 1 (2) ZP I. Dazu: Prosecutor v. Martie, Review of the Indictment, IT-95-11-R61, 8.3.1996; SassOlilBouvier, How does Law protect in Law?, 113. Green, Law of armed conflict, 329; T. M eran, The Martens Clause, 78 ff. 48 Siehe oben 4. Kapitel, l.3.a)(1); Palwankar, Applicabilite du droit international humanitaire aux Forces des Nations Unies pour Ie mantien de la paix, 248 f.; Greenwood, United Nations Military Operations, 16; Zwanenburg, Human Rights and International Obligations for UN Peace Forces, 234 f.; Schindler, United Nations Forces, 526; Bothe, Peacekeeping and International Humanitarian Law, 94; Shraga, The Applicability of International Humanitarian Law to United Nations Operations, 31; Seyersted, United Nations Forces, 187,201,314,395; Gasser, Die Anwendbarkeit des Humanitaren Volkerrechts, 462, Roberts, Military Occupation; BothelDorschel, in: Fleck, Visiting Forces, 500; Dinstein, War, Aggression and Self-Defence, 146 f. A.A. Holland, Blue Helmets: Policemen or Combatants?, 1.
6. Kapitel: Sicherstellung des Mindeststandards
221
und den Schutz sowie die faktische Kontrolle durch eine fremde Macht wahrend eines bewaffneten Konflikts mit sich bringt, konnen die UN auch beim ErlaB dieser MaBnahme Adressat gewohnheitsrechtlicher Regeln des humanitaren Volkerrechts sein. Eine Handlungspflicht fur den UN-Sicherheitsrat kann sich daraus jedoch nur ergeben, wenn das Gebot zum Schutz von Personen im Konflikt von ihm als zwingendes Recht unbedingt zu beachten ist. 49 Der IGH hat ausdrucklich die Mindestregeln fur interne Konflikte des gemeinsamen Art. 3 GKen als elementaren Mindeststandardan Humanitat anerkannt,der in jeder Situation ~ internationalem oder internem Konflikt ~ und von jedem ~ also auch von den UN ~ beachtet werden muB. 50 Damit sind aufgrund der Rechtsprechung des IGH und der ihr zugrundeliegenden Staatenpraxis zumindest die elementaren Humanitatserwagungen, wie sie insbesondere im gemeinsamen Art. 3 GKen ihren Ausdruck finden, als ius cogens anzusehen,51 das auch der UN-Sicherheitsrat absolut beachten muB. 52 Fraglich ist jedoch, inwieweit sich direkt aus den Regelungen des gemeinsamen Art. 3 GKen ein HumanitatsmaBstab fur die Schutzzonenerklarung i.d.S. ergibt, daB ein Schutzversprechen gegenuber der Zivilbevolkerung eingehalten werden muB, indem der Schutz entweder aktiv oder durch eine Evakuierung gewahrleistet wird. Art. 3 (1) Nr.1 GKen schreibt die menschliche Behandlung von Zivilpersonen vor und konkretisiert sie in den Mindestverboten a) bis d). Diese enthalten zwar nur Verbote der direkten Verletzungen der Zivilpersonen insbesondere durch Angriffe auf das Leben oder Festnahme von Geiseln, jedoch keine Pflicht zur Verhinderung einer Verletzung durch Dritte. Allerdings muB der direkten Verletzung die Situation gleichgestellt werden, daB eine Konfliktpartei dieZivilbevolkerung offensichtlich schutzlos den Angriffen des Gegners ausgesetzt lafh, insbesondere, wenn diese Konfliktpartei selbst durch ein risikobehaftetes Tun wie die Errichtung einer Schutzzone und die damit verbundene Entwaffnung und Neutralisie49 Siehe zur absoluten Bindung des UN-Sicherheitsrats nur an ius cogens, 3. Kapitel, IV. 50 Corfu Channel Case, ICJ Rep. 1949,22; Nicaragua vs. US, ICJ Rep. 1986, 114 ff., Rdnr. 218 ("minimum yardstick"). Green, Law of armed conflict, 328 f. Pictet, Principles of International Humanitarian Law, 59.
51 Weitergehend sogar Starck, die allen Regeln, die dem Humanitatscharakter entspringen zwingende Wirkung zusprechen will: Starck, UNO-Wirtschaftssanktionen,26l. 52 Zur Bindung des UN-Sicherheitsrats an ius cogens vgl. oben 3. Kapitel, Iv.
Gewahrung fundamentaler Rechte in der Schutzzone
222
rung des Gebiets zu dieser Schutzlosigkeit beigetragen hat. In dem Fall kommt ihre Duldung der Angriffe Dritter einem direkten Angriff gleich. Deswegen bindet das Humanitatsgebot auch die UN, wenn sie eine Schutzzone errichten, den Schutz der Bevolkerung durch den ErlaB der entsprechenden Schutzma6nahmen durch den UN-Sicherheitsrat sicherzustellen und die Bevolkerung nicht offensichtlich den Gefahren des Gegners auszusetzen. Auch aus der Schutzzonenerklatung i.V.m. dem zwingenden Gehalt des Gebots zu menschlicher Behandlung im Konflikt waren die UN in Srebrenica also verpflichtet gewesen, durch den UN-Sicherheitsrat weitere SchutzmaBnahmen zu erlassen, urn die Bevolkerung nicht offensichtlich schutzlos den Angriffen der serbischen Konfliktpartei auszusetzen. Auch insoweit kann der angefuhrte Mangel an Vorhersehbarkeit der konkreten Einnahme und der folgenden Massaker durch die serbische Konfliktpartei nicht das Unterlassen der SchutzmaBnahmen rechtfertigen, weiI bereits das Bewu£tsein, daB die Schutzzone nicht gegen einen Angriff verteidigt werden konnte, die UN vor dem Hintergrund der fortwahrenden Angriffe der serbischen Konfliktpartei zu weiteren SchutzmaBnahmen verpflichtet hatte.
(6) Art. 1 GKen Eine Ermessensreduzierung des UN-Sicherheitsrats hin zu einer Verpflichtung zur Verhinderung von Kriegsverbrechen aus dem gemeinsamen Art. 1 GKen scheitert man gels konkreter Pflichten aus dieser Norm. 53 Die UN konnen allein aus dem Recht auf Leben zur Verhinderung solcher Verbrechen verpflichtet sein, aus Art. 1 GKen kann ihnen aber insoweit keine Garantenstellung fur konkrete SchutzmaBnahmen zukommen.
(7) Massentotungen - Recht auf Leben Parallel zum Volkermordverbot und dem Humanitatsgebot konnte das Ermessen des UN-Sicherheitsrats nach ErlaB einer Schutz zone ebenfalls insoweit eingeschrankt sein, als er systematische und schwere Verletzungen des Rechts auf Leben der Bevolkerung wie bei der brutal en Einnahme der Schutzzone Srebrenica abwehren muB.
53
Siehe oben 5. Kapitel, II.1.b)(5).
6. Kapitel: Sieherstellung des Mindeststandards
223
Das Recht auf Leben enthalt fur Staaten ebenfalls eine Pflicht, dort, wo sie Hoheitsgewalt ausuben, im Rahmen der due diligence massive Verletzungen des Rechtsguts zu verhindern. S4 Dies gilt auch fur die UN als internationale Organisation, soweit sie durch eine Peace-KeepingTruppe gewisse tatsachliche Gewalt uber die Bevolkerung in einer Schutzzone ausuben. 5s Aber auch bereits durch eine Schutzzonenerklarung des UN-Sicherheitsrats muB eine positive Schutzpflicht aus dem Recht auf Leben angenommen werden, die ihn verpflichtet, SchutzmaBnahmen fur das Leben der Bevolkerung in der Schutzzone zu ergreifen. Da dem Recht auf Leben heute als fundamentale Grundnorm uberwiegend zwingende Wirkung zuerkannt wird,56 ist auch def UN-Sicherheitsrat bei einer SchutzzonenmaBnahme nach Art. 40 UNC daran gebunden. Als AusfluB des Rechts auf Leben muB auch der positiven Schutzpflicht ius-cogens- Wirkung zukommen, die gerade der Effektivitat des Lebensschutzes dient. 57 Diese kann nur erreicht werden, wenn auch die Verpflichtung zum Schutz des Lebens zwingend ist. Allerdings kann die positive Schutzpflicht fur den UN-Sicherheitsrat wie beim Volkermordverbot auch nicht uberall gelten. So wie bei Staaten zumindest die partielle Ausubung von Hoheitsgewalt uber die Bevolkerung notwendig ist,58 muB dem UN -Sicherheitsrat zumindest eine gesteigerte Kontrolle uber die Bevolkerung zukommen. Diese kann er durch eine von ihm als Nebenorgan errichtete Peace-Keeping-Truppe in der Schutzzone ausuben,59 aber auch mit jeder Entscheidung unter Kapitel VII UNC, die Auswirkungen auf die Bevolkerung hat. Dadurch, daB er in einer von ihm erklarten Schutzzone uber ihr AusmaB, ihre Dauer und Sicherung bestimmen kann, kommt ihm bereits durch die Schutzzonenerklarung die fur eine Schutzpflicht notwendige Kontrolle uber die dort Iebende Bevolkerung zu. In einer von ihm erklarten Schutzzone wie in Srebrenica ist der UN-Sicherheitsrat damit bei seinen MaB-
54
Siehe oben 5. Kapitel, II.I.e)(l).
55 Siehe oben 5. Kapitel, II.I.e)(2). 56 Siehe oben 5. Kapitel, II.I.e). Nowak, CCPR, Art. 6, Rdnr. 2; Ramcharan, Right to Life, 10; Kabaalioglu, The Right to Life, 161. Higgins, Derogations Under Human Rights Treaties, 282; Starck, UNO-Wirtsehaftssanktionen, 344 f. 57
Siehe oben 5. Kapitel, II.1.e)(l).
58 Siehe oben 5. Kapitel, II.I.e)(2). 59 Ibid.
224
Gewahrung fundamentaler Rechte in der Schutzzone
nahmen aus dem Recht auf Leben verpflichtet, das Rechtsgut gegen Verletzungen durch Dritte zu schutzen. Die positive Verpflichtung zum Schutz des Lebens verlangt allein eine Verhinderung mas siver Verletzungen des Rechts auf Leben im Rahmen der due diligence,60 so daB der UN-Sicherheitsrat nicht jede Totung und nicht jedes Opfer der mangelnden humanitaren oder medizinischen Versorgung in der Schutzzone verhindern muK Er ist jedoch in jedem Fall verpflichtet, die Bevolkerung vor soIehen Massentotungen und MiBhandlungen wie in Srebrenica zu schutzen. Allerdings muB der UN-Sicherheitsrat durch seine Kontrolle der SchutzzonenmaBnahme nur im Rahmen der due diligence fur einen ausreichenden Schutz des Lebens der Bevolkerung in der Schutz zone sorgen. Er darf eine Schutzzone bei drohenden lebensgefahrlichen Angriffen nach Art. 40 UNC nicht errichten, ohnedie Durchsetzung des Schutzes durch ausreichende Zwangsmittel sicherzustellen. Zudem muB er auch nach der Errichtung durch ausreichende MaBnahmen fur den Schutz der Bevolkerung gegen schwere Angriffe sorgen. Auch hier steht ihm ein weites Ermessen hinsichtlich der Art der SchutzmaBnahmen zu. Nur im Einzelfall, wenn anders schwere Verletzungen des Rechts auf Leben der Bevolkerung nicht verhindert werden konnen, kann der UN-Sicherheitsrat genauso wie beim Volkermordverbot verpflichtet sein, weitere ZwangsmaBnahmen zum Schutz zu ergreifen. Auch insoweit ist dem UN-Sicherheitsrat in Srebrenica zumindest ein Fahrlassigkeitsvorwurf zu machen, weil er mit massiven Angriffen cler serbischen Kampfer hatte rechnen und deswegen praventive SchutzmaBnahmen ergreifen mussen, insbesondere weil man sich innerhalb der UN bewuih war, daB die Schutzzone nicht vor einer enclgultigen Einnahme sicher sein wurcle.
(8) Ergebnis zwingendes Volkerrecht
Damit kann das Ermessen des UN-Sicherheitsrats nach der Errichtung einer Schutz zone durch das zwingende Volkermordverbot, Humanitatsgebot sowie das zwingende Recht auf Leben insoweit eingeschrankt sein, daB er weitere SchutzmaBnahmen ergreifen muB, um die Verletzung der geschutzten Rechtsgiiter zu verhindern. Eine soIehe Pflicht traf den UN -Sicherheitsrat grundsatzlich auch in Srebrenica. Hier ist den UN zumindest ein Fahrlassigkeitsvorwurf zu machen, weil der
60
Siehe oben 5. Kapitel, ILl.c)(l).
6. Kapitel: Sicherstellung des Mindeststandards
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UN -Sicherheitsrat, obwohl man sich bewu1h war, dag die Schutz zone nicht gegen einen potentiellen Angriff der serb is chen Konfliktpartei gewappnet sein wiirde, dennoch ein entschiedeneres Vorgehen in Form weiterer Schutzmagnahmen unterlieK 61
c) Ermessensbindung an Effektivitatserwagungen Eine Ermessensbindung des UN-Sicherheitsrats, in einer nach Art. 40 UNC errichteten Schutzzone den menschenrechtlichen Mindeststandard durch die erforderlichen Schutzmagnahmen sicherzustellen, konnte sich weiterhin aus der Einschrankung der Verteidigungsfahigkeit des Gaststaates ergeben, die mit der Neutralisierungs- und etwaigen Entmilitarisierungsanordnung einer Schutzzonenerklarung einhergeht. Durch die Neutralisierungsanordnung ist dem Gaststaat in der Schutzzone nicht nur die Verteidigung verboten, sondern ihm ist jegliche militarische Tatigkeit versagt, so dag ihm, wie es in Srebrenica der Vorwurf war, ebenfalls jegliche Dbung militarischer Operationen fehlt. 62 Ordnet der UN-Sicherheitsrat zusatzlich eine Entmilitarisierung an, fehlen dem Gaststaat zudem jegliche Waffen zur Verteidigung des Schutzzonengebiets. Der UN-Sicherheitsrat konnte deswegen insbesondere in Anbetracht des in Art. 51 UN C anerkannten Selbstverteidigungsrechts der Staaten verpflichtet sein, soIehe Einschrankungen nur vorzunehmen, wenn der Schutz des Gebiets anderweitig garantiert ist. Ld.S. wurde in Srebrenica auch mehrfach kritisiert, dag einerseits die Verteidigungsfahigkeit der bosnischen Kampfer neben dem fortbestehenden Waffenembargo zusatzlich durch die Neutralisierungsanordnung und das Entmilitarisierungsabkommen eingeschrankt wurde, andererseits UNPROFOR aber keinen ausreichenden Schutz gewahrte. 63 Dabei 61 I.E. so Rhode, A Safe Area, 350; Anzeige der Mothers of Srebrenica and Podrinja Association v. United Nations Officials and others (for Srebrenica Massacre), erhaltlich unter: www.Srebrenica.org. 62
The Fall of Srebrenica, para. 477.
S/1994/555, 9.5.1994, para. 21. Diese Bedenken au6erte auch der permanente Vertreter Bosniens, zit. in: The Fall of Srebrenica, para. 174; dazu auch: Gordon, Safe Areas, 215. Einen Verst06 gegen das Selbstverteidigungsrecht durch die Aufrechterhaltung des Waffenembargos in Abwesenheit effektiver Kollektivma6nahmen trug Bosnien in seiner Klage gegen Serbien vor und drohte mit einer Klage solchen Inhalts gegen Gr06britannien: Scott, Memorial for Bosnia, 8 f., 12. Allerdings hat Bosnien die Klage zUrUckgezogen, bevor es zu einem Verfahren kam: GAOR, 48th Session, S126908, 21.12.1993. Zu einer aus63
226
Gewahrung fundamentaler Rechte in der Schutzzone
wird insbesondere bemangelt, daB UNPROFOR bei der serbischen Einnahme der Enklave den bosnischen Kampfern ihre Waffen nicht zuruckgegeben hat. 64 Die UN -Charta sieht zwar keine Selbstbindung der Organisation an Resolutionen des UN-Sicherheitsrats vor,65 jedoch schlieBt dies nicht aus, daB MaBnahmen unter Kapitel VII UNC einem gewissen Effektivitatserfordernis hinsichtlich ihrer friedenssichernden Wirkung unterliegen konnen. Die Beschrankung der Verteidigungsfahigkeit des Gaststaates durch die Neutralisierungs- und etwaige Entmilitarisierungsanordnung durch eine Schutzzonenerrichtung konnte ein ineffektives Mittel zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit darstellen, wenn in der Schutzzone der menschenrechtliche Mindeststandard der Bevolkerung nicht sichergestellt ist und damit wie in Srebrenica schwere Gefahren fur den Gaststaat und seine Bevolkerung drohen. Die Schutzzone konnte dann ihr humanitares Ziel, den Schutz und die Versorgung der Bevolkerung sowie die Beruhigung des Konflikts durch die Verhinderung von Fluchtlingsstromen nicht mehr erreichen und damit ihre friedenssichernde Funktion nicht mehr erfullen. Fraglich ist deswegen, ob die UN-Charta ein solches Effektivitatsgebot fur MaBnahmen des UN-Sicherheitsrats aufstellt.
(1) Effektivitatserfordernis fur bindende MaBnahmen des UNSicherheitsrats Explizit enthalt nur Art. 1 (1) UNC eine Forderung fur "wirksame KollektivmaBnahmen" als Mittel zur Erreichung der Ziele der Organisation. 66 Hingegen knupfen die konkreten Kompetenznormen des UN-
fiihrlichen Argumentation: Scott, ibid., 41 ff., 56 ff. Auch die Mitgliedsstaaten forderten eine Aufhebung des Waffenembargos, wenn der Schutz nicht durch die UN gewahrleistet werden konnte: The Fall of Srebrenica, para. 100. Allerdings erklarten die niederlandischen UNPROFOR-Soldaten, daB sie die Waffen nicht zUrUckgehalten hatten: Debriefing, 24.
64 VgL The Fall of Srebrenica, para. 246, 271. Ahnlich argumentierte der Vertreter Pakistans, S/PV.3208, 6.5.1993, 16. 65 Siehe ohen I. La). 66 Art. 1 UNC lautet: "Die Vereinten Nationen setzen sich folgend Ziele: 1. den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren und zu dies em Zweck wirksame KollektivmaBnahmen zu treffen, Coo.)".
6. Kapitel: Sichefstellung des Mindeststandards
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Sicherheitsrats fiir ZwangsmaBnahmen nach Kapitel VII UNC (Art. 42, 43 und 51 UNC) jeweils an die Erforderlichkeit der MaBnahme an. Allerdings kann aus Art. 1 (1) UNC und der Systematik des Kapitel VII UNC kein allgemeines Effektivitatserfordernis fiir SicherheitsratsmaBnahmen abgeleitet werden. Dazu ist das grundsatzliche Wirksamkeitserfordernis in Art. 1 (1) UNC zu allgemein. Vor allem aber sprechen uniiberwindbare faktische Probleme gegen eine Dberpriifung der tatsachlichen friedenswahrenden Wirkung einer MaBnahme. In der Regel ist nicht auszumachen, wie verschiedene MaBnahmen zur letztendlichen Friedenswahrung beitragen. Zudem wiirde eine tatsachliche Effektivitatskontrolle von ZwangsmaBnahmen eine ex-post-Jacto-Beurteilung erfordern, die den Einschatzungsspielraum des UN-Sicherheitsrates zu weit beeintrachtigen wiirde. So lehnten sowohl Trial als auch Appeals Chamber des ICTY im Verfahren gegen Tadii die Priifung der von der Verteidigung bemangelten Effektivitat des Tribunals zur Friedenssicherung wegen der dazu notwendigen ex-post-Jacto-Priifung ab; sie lieBen allein die Priifung der grundsatzlichen Geeignetheit der MaBnahme zur Friedenswahrung ZU. 67 Deswegen muB eine allgemeine Effektivitatspriifung von ZwangsmaBnahmen i.S. einer nachtraglichen Kontrolle ihrer friedensschaffenden Wirkung abgelehnt werden. Dies schlieBt jedoch nicht eine ex-anteDberpriifung der Effektivitat von ZwangsmaBnahmen aus. Dabei kann es dann Freilich nicht mehr urn eine objektive Dberpriifung sondern muB es urn die Begrenzung einer subjektiven Einschatzung gehen, so daB die Frage entscheidend sein wird, wem die Effektivitatsprognose jeweils zukommt, und, inwieweit ihr durch die UN-Charta objektive Grenzen gesetzt werden. Ais mogliche Schranken def Effektivitatseinschatzung kommen vor allem im Zusammenhang mit der Verdrangung des Selbstverteidigungsrechts des Gaststaates Art. 51 UNC sowie die Geeignetheit im Rahmen der VerhaltnismaBigkeitspriifung und das Willkiirverbot als AusfluB des Treu- und Glauben-Grundsatzes in Betracht.
(2) Effektivitatserfordernis in Art. 51 UNC
Mit der Schutzzonenerklarung ordnet der UN-Sicherheitsrat die Neutralisierung sowie i.d.R. eine Entmilitarisierung des Schutzzonengebiets
67 Tadic, T. Ch., 10.8.1995, ICTY Judicial Reports, 1994-1995, 85, para. 29 ff. Tadic, A.Ch., 2.10.1995, ICTY Judicial Reports, 1994-1995,393, para. 39 f.
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an. Diese zwangsweise Beschrankung der Verteidigungsfahigkeit des Gaststaates konnte bei einem Angriff auf das Schutzzonengebiet i.5.d. Art. 51 UNC 68 eine unzulassige Einschrankung seines Selbstverteidigungsrechts darstellen, wenn der Schutz und die humanitare Versorgung und damit die friedenssichernde Wirkung der Schutzzone nicht gegeben sind. So forderte die bosnische Seite in der safe area Srebrenica auch die Riickgabe ihrer Waffen, weil UNPROFOR die Bevolkerung nicht schiitzen und versorgen konnte. 69 Zu priifen ist damit das Verhaltnis des Selbstverteidigungsrechts des Gaststaates zum Recht des UN-Sicherheitsrats, vorlaufige MaBnahmen wie Schutzzonen zu beschlieBen, insbesondere ob insoweit ein Effektivitatserfordernis fiir seine MaBnahmen besteht. Dieses Verhaltnis beurteilt sich nach Art. 51 S. 1 und S. 2 UNC. (a) Verhaltnis Selbstverteidigungsrecht/kollektive MaBnahmen Nach Art. 51 S. 1 UNC gilt das staatliche Selbstverteidigungsrecht subsidiar und bleibt nur solange bestehen, bis der UN-Sicherheitsrat die "erforderlichen" kollektiven MaBnahmen zur Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit getroffen hat, d.h. er regelt das Verhaltnis zu kollektiven MaBnahmen, die sich gegen den Ag-
68 Fur einen solche reichen auch Angriffe durch nicht-staatliche Akteure, wie sie es beiden Schutzzonen meist sind. So ging im fur das klassische Selbstverteidigungsrecht grundlegenden Caroline Case, der Angriff von kanadischen RebelIen und amerikanischen Sympatisanten aus, Caroline Case, 30 BFSP, 193 ff.; Greenwood, International Law and the War against Terrorism, 308. Fur eine Zurechnung des Handelns an einen anderen Staat: Vgl. RandelzhoJer, Art. 51, Rdnr. 30, in: Simma. So nahm der ICTY auch in Bosnien eine Kontrolle der bosnisch-serbischen Kampfer durch Jugoslawien an: Tadic, IT-94-1, A.Ch., ICTY Judgement, 15.7.1999, para. 162, erhaltlich unter: www.un.org/icty/ judgement.htm. 69 Vgl. The Fall of Srebrenica, para. 246, 271. Lupis, Human Rights Abuses in Srebrenica, 67. Ahnlich argumentierte der Vertreter Pakistans, SIPV.3208, 6.5.1993, 16. Zu historischen Konfliktfallen zwischen Waffenstillstandsanordnungen durch den UN-Sicherheitsrat und dem staatlichen Selbstverteidigungsrecht: Krisch, Selbstverteidigung, 72 ff. Einen VerstoB gegen das Selbstverteidigungsrecht durch die AufrechterhaItung eines Waffenembargos ohne ausreichende KollektivmaBnahmen trug Bosnien in seiner Klage gegen Serbien vor und wollte es als Gegenstand zu einer Klage gegen GroBbritannien machen: Vgl. Scott, Memorial for Bosnia, 8 f., 12,41 ff., 56 ff. Siehe oben Fn. 63.
6. Kapitel: Sicherstellung des Mindeststandards
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gressor richten. 70 Art. 51 S. 2 UNC schreibt daneben unabhangig von S. 1 den Vorrang aller, insbesondere mit den Selbstverteidigungsrecht unvereinbarer Ma~nahmen des UN'-Sicherheitsrates wie Waffenstillstandsanordnungen oder Waffenembargos fest. 7! Damit gewahrt S.2 jeglichen Ma~nahmen aus Art. 39 UNC Vorrang. 72 Da Schutzzonen mit der gleichzeitigen Neutralisierungs- und Entmilitarisierungsanordnung weniger eine Ma~nahme Zur kollektiven Verteidigung des Gaststaates gegen den Aggressor i.S.d. Art. 51 S. 1 UNC als vielmehr eine sonstige das Selbstverteidigungsrecht des Gaststaates beeintrachtigende humanitare Ma~nahme darstellen, fallen sie unter Art. 51 S. 2 UNC. Zwar kann der Schutz der Bevolkerung auch indirekt zu einem gewaltsamen Vorgehen gegen den Aggressor fiihren, jedoch ist fur die Einordnung in Art. 51 UNC das Ziel der Ma~nahme entscheidend. 73 Das liegt nicht in der Intervention auf Seiten eines Staates gegen den Aggressor, sondern in der humanitaren Intervention zu Gunsten der Bevolkerung. Damit ist auch das Verhaltnis der Neutralisierungsund Entmilitarisierungsanordnung im Rahmen einer Schutzzonenerrichtung zum Selbstverteidigungsrecht des Gaststaates nach Art. 51 S. 2 UNC zu beurteilen. Allerdings enthalt S. 2 keine klare Vorrangregelung fur Ma~nahmen des UN-Sicherheitsrats, sondern stellt allein das Fortbestehen der Kompetenz des UN-Sicherheitsrats, Ma~nahmen Zur Friedenssicherung zu treffen, neb en dem Selbstverteidigungsrecht fest. Deswegen wird ver-
70 Art. 51 S. 1 UNC lautet: "Diese Charta beeintrachtigt im Faile eines bewaffneten Angriffs gegen ein Mitglied der Vereinten Nationen keineswegs das naturgegebene Recht zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung, bis der UN-Sicherheitsrat die zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlichen MaBnahmen getroffen hat." RandelzhoJer, Art. 51 Rdnr. 36, in: Simma; Krisch, Selbstverteidigung, 176 ff.
7! Art. 51 S. 2 UNC !autet: "MaBnahmen, die ein Mitglied in Ausubung dieses Selbstverteidigungsrechts trifft, sind dem UN-Sicherheitsrat sofort anzuzeigen; sie beriihren in keiner Weise dessen auf dieser Charta beruhende Befugnis und PHicht, jederzeit die MaGnahmen zu treffen, die er zur Wahrung oder Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit fur erforderlich halt." v gl. Krisch, Selbstverteidigung, 180 f.
72 GoodrichlHambrolSimons, 352. Haufig wird diese Vorschrift als uberHussig angesehen: Krisch, Selbstverteidigung, 177; Kelsen, United Nations, 804 f.; Bowett, Self-Defence, 198 f. A.A. Scott, Memorial for Bosnia, 62 ff., der in S. 2 nur eine ubertriebene Vorsicht sieht. 73
Krisch, Selbstverteidigung, 176 ff.
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schiedentlich auch argumentiert, daB sich das Verhaltnis von MaBnahmen nach S. 2 zum Selbstverteidigungsrecht ebenfalls nach S. 1 richte,14 der explizit die Verdrangung des Selbstverteidigungsrechts durch erforderliche MaBnahmen des UN-Sicherheitsrats zur Friedenssicherung festschreibt. Dagegen spricht jedoch, daB S. 2 fur das Fortbestehen der Kompetenz auf eine subjektive Erforderlichkeitseinschatzung des UNSicherheitsrats abstellt 75 und S. 1 den Vorrang objektiv erforderlicher MaBnahmen gibt. Um dieser unterschiedlichen Perspektive gerecht zu werden, muB sich das Verhaltnis solcher ZwangsmaBnahmen des UNSicherheitsrats zum Selbstverteidigungsrecht, die mit jenem unvereinbar sind, auch nach S. 2 und der dort enthaltenen subjektiven Erforderlichkeitseinschatzung des UN-Sicherheitsrats beurteilen. 76 Entscheidend ist also, ob die Neutralisierungsanordnung des UN-Sicherheitsrats in Srebrenica trotz der katastrophalen Bedingungen in der Schutzzone immer noch ohne weitere SchutzmaBnahmen eine erforderliche MaBnahme zur Friedenssicherung darstellte. Zu priifen bleibt dazu, was unter der Erforderlichkeit in Art. 51 S. 2 UNC inhaltlich zu verstehen ist und inwieweit der Erforderlichkeitseinschatzung des UNSicherheitsrats Grenzen gesetzt sind. (b) Effektivitat Wahrend Einigkeit daruber besteht, daB die Erforderlichkeit in Art. 51 S. 1 und 2 UNC einheitlich als Effektivitat der MaBnahme zur Wahrung oder Wiederherstellung des Weltfriedens verstanden wird,77 sind ihre Kriterien weitgehend umstritten. So werden der endgiiltige Erfolgseintritt gefordert,78 die Geeignetheit fur ausreichend angesehen,19 eine mili-
74 Vgl. Scott, Memorial for Bosnia, 62; Gill, Limitations on the Power of the Security Council, 92 ff.; Bowett, Self-Defence, 198 f.; Kelsen, United Nations, 804 f. Auch in der Staatenpraxis wird insoweit nicht zwischen der objektiven Betrachtung des S. 1 und der subjektiven des S. 2 getrennt, vgl. Krisch, Selbstverteidigung, 211 ff. 75 Vgl. dazu: Krisch, Selbstverteidigung, 211. 76 I.E. so auch Krisch, der allerdings diese Frage erst beim Beurteilungsspielraum in S. 2 aufwirft: Krisch, Selbstverteidigung, 212 ff. 77 Scott, Memorial for Bosnia, 60; Gill, Limitations on the Power of the Security Council, 97; Halberstam, Self-Defence, 240 ff.; Krisch, Selbstverteidigung, 182 ff. 78 Halberstam, Self-Defence, 244, 248; Schweigman, Legal Limits, 192 f.; Marquez Carrasco, La prohibici6n del recurso a la fuerza, 153; Dinstein, War,
6. Kapitel: Sicherstellung des Mindeststandards
231
tarische oder wirtschaftliche ZwangsmaBnahme fur notwendig erachtet,80 ein ausdrucklicher und bindender AusschluB des Selbstverteidigungsrechts fur entscheidend erklart81 oder schlieBlich jede MaBnahme des UN-Sicherheitsrates als effektiv betrachtet. 82 Bisweilen wurde auch vorgeschlagen, die Anforderungen an die Effektivitat mit der Bedeutung des Rechtsguts zu erhohen, so daB bei einem drohenden Volkermord nur hochstwahrscheinlich wirksame MaBnahmen das Selbstverteidigungsrecht verdrangen konnten. 83 Da der Wortlaut des Art. 51 UNC uber den Inhalt der Erforderlichkeit keinen AufschluB gibt, ist die Losung in einer Balance zwischen den Zielen dieser Vorschrift zu suchen: der Fortgeltung des Selbstverteidigungsrechts unter der UN-Charta und seiner Subsidiaritat gegenuber dem kollektiven Sicherheitssystem der UN. 84 Danach kann die Schwere des mit dem Angriff drohenden Verbrechens keine Rolle spielen, wei! sie keinen EinfluB auf die Bedeutung des Selbstverteidigungsrechts hat, dieses beurteilt sich allein nach dem darin verkorperten bewaffneten Angriff. Genauso vermag die Effektivitat keinen endgultigen Erfolgseintritt der koHektiven MaBnahme vorauszusetzen, weil darnit das Selbstverteidigungsrecht praktisch der kollektiven Gewaltanwendung vorginge und zudem eine ex-post-Jacto- Betrachtung verlangen wiirde. Auch kann die Effektivitat nicht jede MaBnahme des UN-Sicherheitsrats ausreichen lassen, weil damit das Selbstverteidigungsrecht praktisch leerliefe. Gegen beide Losungen spricht vor aHem auch der Wortlaut, da die Erforderlichkeit auf eine gewisse Mindestschwelle hindeutet, gleichzeitig aber auch nicht die Wiederherstellung des Friedens sondern allein
Aggression and Self-Defence, 189, fur den Fall, daB der UN-Sicherheitsrat das Selbstverteidigungsrecht nicht explizit ausschlieBt. 79
Scott, Memorial for Bosnia, 68; Bowett, Self-Defence, 198.
80 White, Keeping the Peace, 53; Scott, Memorial for Bosnia, 68; Halberstarn, Self-Defence, 246.
81 Schachter, United Nations Law in the Gulf Conflict, 458; Dinstein, War, Aggression and Self-Defence, 189. 82 Genoni, Notwehr im Volkerrecht, 149; Chayes, The Use of Force in the Persian Gulf, 5 f. 83
Scott, Memorial for Bosnia, 68 f.
84 Ahnlich zum VerhaItnis des Selbstverteidigungsrechts zu MaBnahmen des UN-Sicherheitsrats: Bohmer, Die Ermachtigung zu militarischer Gewaltanwendung durch den UN-Sicherheitsrat, 135.
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Gewahrung fundamentaler Rechte in der Schutz zone
seine Wahrung verlangt. 85 Ebenso fordert der Wortlaut keinen ausdriicklichen Ausschlu6 des Selbstverteidigungsrechts. Die Balance zwischen Selbstverteidigungsrecht und kollektiven Zwangsma6nahmen mu6 vielmehr in einer Prognose liegen, bei der die Geeignetheit und die Art der Ma6nahme eine wesentliche Rolle spielen. Dafur spricht vor allem die Staatenpraxis wahrend des Golfkriegs, als nach Erla6 der Res. 678 Einigkeit bestand, daB bis zu dem darin festgesetzten Termin keine Selbstverteidigung Kuwaits moglich sei, weil man noch Erwartungen in die Ma6nahmen des UN-Sicherheitsrats steckte. 86 A.hnlich gab Gro6britannien im Falkland/Malvinas-Konflikt seine Position auf, daB die Ma6nahme des UN-Sicherheitsrats erfolgreich sein musse, bevor es das Selbstverteidigungsrecht verdrangen konne. 87 Auch in Bosnien wurde ein das Selbstverteidigungsrecht einschrankendes Waffenembargo zu Beginn gebilligt, weil man ausreichende Erwartung in die Effektivitat dieser Ma6nahme setzte. 88 Damit ist die Effektivitat einer Schutzzonenma6nahme, die nach Art. 51 UNC das Selbstverteidigungsrecht verdrangt, nach einer Prognose uber ihre friedenswahrende Wirkung zu beurteilen. Insoweit ist vor allem entscheidend, ob in der Zukunft eine Verscharfung der kollektiven Ma6nahmen zu erwarten ist, wobei ihre Nichtbefolgung i.d.R. als Indiz fur ihre Ineffektivitat gewertet werden kann. 89 So wird ein yom UNSicherheitsrat angeordneter Waffenstillstand, der von einer Partei nicht eingehalten wird, als ineffektive Ma6nahme angesehen, wenn auch in der Zukunft keine zwangsweise Durchsetzung durch den UNSicherheitsrat zu erwarten ist. 90 A.hnlich basierte eine geplante Anklageschrift Bosniens im Zusammenhang mit dem britischen Veto im UNSicherheitsrat zur Aufhebung des Waffenembargos auf dem Gedanken, da6 die Ma6nahmen des UN-Sicherheitsrats i.s.d. Art. 51 UNC nicht
85
Krisch, Selbstverteidigung, 191.
86
Krisch, Selbstverteidigung, 107 ff., 192.
8? SCOR, 2368th mtg., 26.5.1982,10; vgl. auch die bei Genoni zitierte Aussage: Genoni, Die Notwehr im Volkerrecht, 218 ff. 88 So vor aHem der jordanische Vertreter: "(T)he arms embargo was acceptable in the context of the expectation that the international community would take upon itself the task of defending the weaker party.", Al49/PV.51, 3.11.1994,19.
89 90
Krisch, Selbstverteidigung, 202, 204 f. Krisch, Selbstverteidigung, 202; ahnlich: Gill, Limitations on the Power of
the Security Council, 96 f.
6. Kapitel: Sicherstellung des Mindeststandards
233
effektiv waren. 9! Ahnliche Gedanken leiteten einen Gesetzesentwurf der USA zur Mi6achtung des Waffenembargos in Bosnien.92 Damit mu6 die Neutralisierungs- und etwaige Entmilitarisierungsanordnung in einer Schutzzone als ineffektiv i.S.d. Art. 51 UNC gewertet werden, wenn wie in Srebrenica der menschenrechtliche Mindeststandard in der Schutzzone aufgrund der permanenten Angriffe der serbischen Konfliktpartei und ihrer Blockade der humanitaren Hilfe beeintrachtigt wird und keine Besserung der Situation durch Schutzma6nahmen des UN -Sicherheitsrats zu erwarten ist. Eine solche Schutzzone kann ihre humanitare und damit friedenssichernde Wirkung nicht mehr absehbar erreichen. Genauso ist die Situation zu beurteilen, wenn erst spater ersichtlich wird, da6 die Schutzzone ohne weitere Schutzma6nahmen des UN -Sicherheitsrats ihre friedenssichernde Wirkung nicht erreichen kann. 93 (c) Schranken des Beurteilungsspielraums des UN-Sicherheitsrats Da sich die Effektivitat in Art. 51 S. 2 UNC jedoch nach der subjektiyen Beurteilung des UN-Sicherheitsrats richtet,94 bleibt zu fragen, ob und inwieweit dies em Beurteilungsspielraum Grenzen gesetzt sind. Weder aus dem Wortlaut noch aus der Entstehungsgeschichte des Art. 51 S. 2 UNC lassen sich Schranken des Beurteilungsspielraums des UN-Sicherheitsrats entnehmen. Allerdings deutet die Staatenpraxis zumindest auf eine Offensichtlichkeitsgrenze hin. So erklarte Gro6britannien zu Art. 51 UNC kurz nach der Konferenz von San Francisco, da6 "clearly inadequate" Ma6nahmen des UN-Sicherheitsrats nicht das Selbstverteidigungsrecht der Staaten verdrangen konnten. 95 Eine ahnli91 Vgl. dazu Scott, Memorial for Bosnia, 68 ff. 92 Robinson, US Senate votes to lift Bosnian arms embargo, Nachweis bei: Schweigman, Legal Limits, 193, Fn. 855. Aber Prasident Clinton stimmte am
11.8.1995 gegen diese Vorschlage: "Clinton vetos arms embargo", 11.8.1995, Nachweis bei ibidem, Fn. 856. 93 Zur nachtraglichen Anderung der Bewertungsgrundlage: Marquez Carrasco, La prohibici6n del recurso a la fuerza, 154. Krisch, Selbstverteidigung, 229 ff., der bei der zusiitzlichen Unfahigkeit des UN-Sicherheitsrats, seine friihere Entscheidung zu bestiitigen, die Grenze der reinen Ineffektivitiit ausreichen lassen will, 233. 94 Siehe oben l.1.c )(2). 95 "It will be for the Security Council to decide whether these measures have been taken and whether they are adequate for the purpose. In the event of
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Gewahrung fundamentaler Rechte in der Schutzzone
che Auffassung kam bei der Diskussion uber die Aufhebung des Waffenembargos gegen Bosnien zum Ausdruck, dort wurde mit der Zeit die Ansicht laut, daB die Aufrechterhaltung des Waffenembargos das Selbstverteidigungsrecht Bosniens in unzulassiger Weise einschranke. 96 Insgesamt ist deswegen davon auszugehen, daB die Effektivitatseinschatzung des UN-Sicherheitsrats in Art. 51 S. 2 UNC zumindest einer Offensichtlichkeitsgrenze unterliegt. Das bedeutet, es muB fur jedermann erkennbar sein, daB keine friedenssichernde Wirkung der MaBnahme mehr zu erwarten ist. Inwieweit eine Schutz zone, in der der menschenrechtliche Mindeststandard auf absehbare Zeit nicht erreicht werden kann, letztendlich als offensichtlich ineffektive MaBnahme zu werten ist, bleibt eine Frage des Einzelfalls. Es kann zumindest dann angenommen werden, wenn wie in Srebrenica die elementaren Rechte wie Leben und Wurde der Menschen wegen der katastrophalen humanitaren Lage nicht mehr gewahrleistet sind und aufgrund des anhaltenden Boykotts der Konfliktparteien keine Besserung in Sicht und auch keine zwangsweise Durchsetzung der MaBnahme durch den UN-Sicherheitsrat zu erwarten ist. Als also in Srebrenica wegen der Blockadehaltung der serbischen Kampfer eine Besserung der menschenunwurdigen Lebensbedingungen und ein tatsachlicher Schutz des Gebiets ohne weitere SchutzmaBnahmen offensichtlich nicht mehr zu erwarten waren,97 muBte die Aufrechterhaltung der Schutzzone und die damit verbundene Einschrankung der Verteidigungsfahigkeit des bosnischen Staates ohne die Aussicht auf zusatzliche the Security Council failing to take any action, or if such action as it does take is clearly inadequate, the right of self-defence could be involved by any Member or group of Members as justifying any action they thought fit to take", British Commentary on the Charter of the United Nations, presented by the Secretary of State for Foreign Affairs to Parliament by Command of His Majesty, Comd. 6666, London 1945, 9 (zitiert nach Kelsen, United Nations, 803, FnA). 96 The Fall of Srebrenica, para. 99 ff.; So forderte die UN-Generalversammlung den UN-Sicherheitsrat im November 1994 auf, eine sechs Monate wirksame Aufhebung des Waffenembargos zu erwagen: A/RES/49/10, 3.11.1994; vgl. auch: Krisch, Selbstverteidigung, 124 ff. 97 So erklarte M. Sadik Ahmetovic, Vizeprasident der Gemeindeversammlung in Srebrenica wahrend der UN-Schutzzone: "( ... ) il n'y avait ni pain, ni eau, ni electricite, ni medicaments. Les gens mouraient de faim et de manque de medicaments. Les enfants mouraient de maladies infectieuses et, presque chaque jour, des civils etaient tues dans cette zone." Vgl. Rapport D'Information, Srebrenica, 29 ff. mit weiteren Aussagen zu den menschenunwiirdigen Bedingungen in der Schutzzone. NIOD, II, 1456.
6. Kapitel: Sicherstellung des Mindeststandards
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Zwangsmittel zur Durchsetzung der humanitaren Hilfe und des Schutzes als offensichtlich ungeeignet und ineffektiv zur Friedenssicherung angesehen werden. Denn UNPROFOR fehlten aufgrund des restriktiyen Einsatzes der Luftunterstutzung und ihrer zahlen- sowie waffenma!3igen Unterlegenheit gegenuber den serbischen Kampfern offensichtlich die notwendigen Mittel zur Durchsetzung eines Mindestma!3es an Schutz, humanitarer Versorgung und sanitarem Standard in der Schutzzone. Die Versorgung und der Schutz der Schutzzone hingen weitestgehend von der Kooperation der Konfliktparteien ab,98 die angesichts der fortwahrenden Angriffe der serbischen Kampfer auf die Schutzzone und der Blockade der humanitaren und medizinischen Hilfe offensichtlich nicht zu erreichen war. (d) Folge der offensichtlichen Ineffektivitat Grundsatzlich kann die Errichtung oder Aufrechterhaltung einer offensichtlich ineffektiven Schutzzone das Selbstverteidigungsrecht des Gaststaates nach Art. 51 S. 2 UNC nicht verdrangen und la!3t es bei einem Angriff auf das Schutzzonengebiet wiederaufleben. 99 Ma!3nahmen des UN-Sicherheitsrats, die das Selbstverteidigungsrecht dennoch beschranken, wie eine Neutralisierungs- und Entmilitarisierungsanordnung fur das Schutzzonengebiet sind rechtswidrig. Insoweit kann also die Neutralisierungsanordnung und ihre Durchsetzung sowie die verweigerte Ruckgabe der Waffen an die bosnischen Kampfer fur Srebrenica als unzulassig beurteilt werden, der UN-Sicherheitsrat mu!3te die Wahrnehmung des Selbstverteidigungsrechts durch die bosnische Armee in Srebrenica u.a. durch die Riickgabe der Waffen wieder ermoglichen. Das Unterlassen der erforderlichen Schutzma6nahmen kann auch nicht, wie in Srebrenica erfolgt, mit dem Schutz der UN-Truppe gerechtfertigt werden, weil das Selbstverteidigungsrecht und die Souveranitat des Gaststaates nicht generell geringwertiger sind als das Leben der Soldaten. 1oo Der UN-Sicherheitsrat war in Srebrenica durch die mit 98 So auch das empfohlene Konzept des UN-Generalsekretar, UNSGReport, S/1994/555, 9.5.1994, para. 13 ff., S/1994/1389, 1.12.1994, para. 57, S/1995/444, 30.5.1995, para. 65. 99 GoodrichlHambrolSimons, Art. 51,352; Scott, Memorial for Bosnia, 73. 100 Gill, Limitations on the Power of the Security Council, 103. Ahnlich argumentierte die Staatengemeinschaft aber in Bosnien mit der Sicherheit der UNPROFOR Soldaten gegen einen entschiedeneren Einsatz der autorisierten Luftunterstiitzung. Vgl. TorrellilMillet, Zones de Securite, 842 f.; Rapport D'Information, Srebrenica, 49; Holbrooke, To end a war, 70.
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Gewahrung funclamentaler Rechte in cler Schutzzone
der Schutzzonenerklarung nach Art. 40 UNC verbundene Einschrankungen des Selbstverteidigungsrechts Bosniens verpflichtet, einen menschenrechtlichen Mindeststandard in der Schutz zone einzuhalten.
(3) Effektivitatserfordernis aus Geeignetheit und Willkiirverbot Neben der speziellen Norm des Art. 51 UNC, der besondere Effektivitatsanforderungen an solche ZwangsmaBnahmen des UN-Sicherheitsrats stellt, die das Selbstverteidigungsrecht verdrangen und einschranken, kann sich aber auch aus der Beeintrachtigung der allgemeinen Verteidigungsfahigkeit des Gaststaates eine gewisse Effektivitatspflicht hinsichtlich der SchutzzonenmaBnahme und damit eine Ermessensreduzierung des UN-Sicherheitsrats ergeben. Insoweit konnte sich sowohl aus der Geeignetheit im Rahmen des VerhaltnismaBigkeitsgrundsatzes als auch dem Willkurverbot als AusfluB von Treu und Glauben ein Effektivitatserfordernis fur SchutzzonenmaBnahmen des UN -Sicherheitsrats und damit eine Pflicht zur Sicherstellung eines Mindeststandards ergeben. Die beiden Grundsatze gelten allein in Verbindung mit einem konkreten Recht und konnten das Ermessen des UN-Sicherheitsrats in Art. 39 UNC begrenzen. Da eine Schutzzonenerrichtung durch eine Neutralisierungsanordnung wie in Srebrenica oder sogar eine zusatzliche Entmilitarisierungsanordnung nach Kapitel VII UNC ohne die Zustimmung des Empfangsstaates zumindest einen Eingriff in die Souveranitat desselben darstellt, ist zu prufen, ob sie auch dann noch als verhaltnismaBige und nach Treu und Glauben erfolgende MaBnahme beurteilt werden kann, wenn wie in Srebrenica der Mindeststandard an fundamentalen Rechten in der Schutzzone dauerhaft nicht gewahrleistet ist. (a) Effektivitatserfordernis aus Geeignetheit Der UN-Sicherheitsrat ist bei seinen ZwangsmaBnahmen grundsatzlich an den VerhaltnismaBigkeitsgrundsatz gebunden, der unter anderem einen der Geeignetheit entsprechenden inneren Zusammenhang zwischen MaBnahme und Zweck fordert. lol Die Errichtung und Aufrechterhaltung einer Schutzzone stellt zwar grundsatzlich eine geeignete MaBnahme zur Friedenssicherung dar/02 jedoch muB sie sowohl in ihrer 101 Siehe oben 3. Kapitel, III.1.e). Bothe, Les Limites, 76; Gading, Menschenrechte, 222 f. Eine "commensurability" fordert Krings, Sensible Scrutiny, 587. 102 Siehe oben 3. Kapitel, III.1.e).
6. Kapitel: Sicherstellung des Mindeststandards
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konkreten Ausgestaltung l03 als auch ihrer Durchfiihrung dem Verhaltnisma~igkeitsgrundsatz entsprechen. Konnen in einer Schutz zone der Schutz und die fundamental en Rechte der Bevolkerung nicht od'er nicht mehr gewahrleistet werden, konnte sie als ungeeignete Ma~nahme zum Schutz der Bevolkerung und damit zur Friedenssicherung angesehen werden. (i) Dberpriifung des Beurteilungsspielraums des UN -Sicherheitsrats Die Beurteilung der Geeignetheit einer Ma~nahme zur Friedenswahrung verlangt die Bewertung einer politis chen Situation, die nachArt. 39 UNC dem UN-Sicherheitsrat obliegt. Fraglich bleibt deswegen, inwieweit sein Beurteilungsspielraum einer Dberpriifung zuganglich ist. Die Geeignetheitseinschatzung einer Ma~nahme kann nur schwer einer objektiven Dberpriifung unterworfen werden und erfordert i.d.R. eine Prognose, die haufig erst im Nachhinein richtig beurteilt werden kann. Da eine ex-post-facto-Bewertung jedoch grundsatzlich unzulassig ist lO4 und damit die Prognose eine rein politische Einschatzung darstellt, die dem UN -Sicherheitsrat obliegt, mi~t die Lehre der Geeignetheitspriifung einer Ma~nahme des UN-Sicherheitsrats iiberwiegend keine Bedeutung ZU;105 insbesondere sei die grundsatzliche Geeignetheit der Ma~nahme durch das Vetorecht im UN-Sicherheitsrat abgesichert. 106 Allerdings la~t sich in letzter Zeit in der Praxis der UN-Organe und Mitgliedstaaten eine vermehrte Dberpriifung der Geeignetheit von
103
Fur die Geeignetheit bei der Ausgestaltung einer Schutzzone: siehe oben
3. Kapitel, IV.1. 104 Tadic, A.Ch., 2,10.1995, ICTY Judicial Reports, 1994-1995, para. 39 f.; Lamb, Legal Limits to United Nations Security Council Powers, 386; Martenczuk, Rechtsbindung, 278 f.
105 Lamb, Legal Limits to United Nations Security Council Powers, 386; Starck, UNO-Wirtschaftssanktionen, 182 f. Gar keine Nennung dieses Teilprinzips bei: FroweinlKrisch, Introduction Ch. VII, Rdnr.30, in: Simma; Martenczuk, Rechtsbindung, 278 f.; Gasser, Collective Economic Sanctions, 882; Herdegen, Constitutionalization of the UN Security System, 157; anders wohl Gading, Menschenrechte, 224, die die Feststellung nach Art. 39 auf ihre Geeignetheit hin uberpriift. Ebenfalls Weber, Der UNO-Einsatz in Somalia, 103, der aIle Teilgrundsatze im Zusammenhang mit dem Gewaltverbot priift. 106 Martenczuk, Rechtsbindung, 278 f.; ahnlich Herdegen, der deswegen eine Prufung der aus dem englischen Recht stammenden "irrationality" ablehnt: Herdegen, Constitutionalization of the UN Security System, 157.
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Gewahrung fundamentaler Rechte in der Schutzzone
MaBnahmen des UN-Sicherheitsrats feststellen. So wurde bei der Errichtung des Jugoslawien- und Ruandatribunals wiederholt die lneffektivitat dieser MaBnahme zur Friedenssicherung gerugt. 107 Trial und Appeals Chamber des Jugoslawientribunals akzeptierten in der Rechtssache Tadic eine grundsatzliche Oberprufung von UN -Sicherheitsratsresolutionen an der Geeignetheit: anstatt eine soIehe Oberprufung von Anfang an abzulehnen, prufte die Trial Chamber die grundsatzliche Geeignetheit der MaBnahme und lehnte allein eine ex-post-JactoBewertung anhand des letztendlichen Erfolgs ab.108 Ebenso wehrte sich die Appeals Chamber allein gegen eine ex-post-Jacto-Beurteilung der Geeignetheit, schloB aber eine generelle Oberprufung der Geeignetheit der MaBnahme nicht aus. 109 Die vollstandige Ablehnung einer Geeignetheitspriifung scheint insbesondere nicht fur den Fall durchzuhalten zu sein, in dem fur jedermann offensichtlich ist, daB die MaBnahme des UN -Sicherheitsrats nicht zur Friedenssicherung fuhren wird. So war beispielsweise in Srebrenica offensichtlich, daB in der Schutzzone aufgrund der fortwahrenden Blockade der serb is chen Kampfer ohne ein zusatzliches Zwangspotential die fundamentalen Rechte der Bevolkerung nicht sichergestellt werden konnten. Hier ist eine Grenze auch der Geeignetheitsbeurteilung des UN-Sicherheitsrats zu ford ern, die wie bei Art. 51 UNC, urn die Einschatzung des UN-Sicherheitsrats nicht vollstandig zu verdrangen, bei der Evidenz zu suchen ist. lIO Bei soleh einem offensichtlichen Fall stehen einer Prognose auch keine faktischen oder rechtlichen Probleme im Wege; sie erfordert keine expost-Jacto-Betrachtung der Wirksamkeit zur Friedenssicherung wie der lCTY sie im Tadic-Fall abgelehnt hat, da die Ungeeignetheit ins Auge sticht. Ebenso wird auch nicht in den Kernbereich des politis chen Ermessens des UN -Sicherheitsrats bei der Feststellung der Geeignetheit einer MaBnahme eingegriffen, wei! allein die offensichtliche Unge-
107 So hatte der Verteidiger im Tadic Fall die Geeignetheit des Jugoslawientribunals zur Friedenswahrung bezweifelt. Vgl. Tadic, T.Ch., 10.8.1995, Judicial Reports 1994-1995, 85, para. 29 ff. Ahnlich kritisierte die ruandische Regierung die Ineffektivitat der Struktur und Zusammensetzung des dortigen Kriegsverbrechertribunals zur Friedenswahrung. S/PV.3453, 8.11.1994, 13 ff., 15; vgl. dazu Fink, Friedenssicherung I, 780.
108 109 110
Tadic, T.Ch., 10.8.1995, ICTY Judicial Reports 1994-1995, 85, para. 29 ff. Tadic, A.Ch., 2.10.1995, ICTY Judicial Reports 1994-1995,393, para. 39 f. Fur eine soIehe "prima facie" Prufung: King, Sensible Scrutiny, 587.
6. Kapitel: Sicherstellung des Mindeststandards
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eignetheit uberpriift wird. Sinn des Ermessens des UN-Sicherheitsrats ist die Wahrung der politis chen Einschatzungsprarogative seiner standigen Mitglieder, es solI aber nicht dazu fuhren, daB durch die Blockadehaltung einzelner Mitglieder oder Forme1kompromisse vollstandig ungeeignete MaBnahmen aufrechterhalten werden, die ihr eigentliches Zie1 nicht mehrerreichen konnen und damit eine unverhaltnismaBige Beeintrachtigung der staatlichen Souveranitat bedeuten. Hier muB der Beurteilung des UN -Sicherheitsrats eine Grenze gezogen werden, die nicht erst bei der Willkur liegen darf. Fur eine solche Uberprufung an der offensichtlichen Ungeeignetheit zur Friedenssicherung spricht auch der Wortlaut des Art. 51 S. 2 UNC, der auf die dem UN-Sicherheitsrat aus Art. 39 UNC zustehende Pflicht verweist, die MaBnahmen zu ergreifen, die er "fur erforderlich halt". Da daraus keine Differenzierung zwischen MaBnahmen, die das Se1bstverteidigungsrecht einschranken und anderen unter Art. 39 UNC zu entnehmen ist, muB hier genauso eine Evidenzgrenze der Geeignetheitseinschatzung des UN-Sicherheitsrats gefordert werden wie bei Art. 51 S. 2 UNC. l l l Schlie61ich stellt ein begrenzter Beurteilungsspielraum des UN-Sicherheitsrats bei der Geeignetheit nur eine konsequente Fortfuhrung der Bindung des UN-Sicherheitsrats an die VerhaItnismaBigkeit als a11gemeines Rechtsprinzip dar. Damit ist insbesondere bei innovativen MaBnahmen des UN -Sicherheitsrats, wie sie auch die Schutzzonen darstellen, von einer grundsatzlichen Geeignetheitsprufung auszugehen, die aufgrund seines Beurteilungsspielraums auf eine Evidenzprufung beschrankt ist. ll2 Es ist zwar zuzugeben, daB sich die Falle der offensichtlichen Ungeeignetheit aufgrund der breiten Mehrheit der Staaten im UN -Sicherheitsrat abzahlen lassen werden. Jedoch ist es gerade eine Schwache des UN-Sicherheitsrats als politisches Organ, daB seine Resolutionen haufig Ergebnis eines politischen Kompromisses darstellen, der der eigentlichen Konfliktsituation nicht mehr gerecht wird. Auch wenn zu Beginn der MaBnahme i.d.R. noch eine bedingte Aussicht auf ihren Erfolg bestehen mag, droht die Gefahr, daB sich MaBnahmen spater aufgrund der veranderten Situation als vo11kommen ungeeignet zur Zie1erreichung erweisen. So erschien in Srebrenica zunachst aufgrund der Kooperation der Konfliktparteien noch ein gewisser Schutz und Mindeststandard
Siehe oben l.1.c)(2)(c). 112 Ahnlich: Palley, UN Humanitarian and Political Mandates, 164. So auch im Hinblick auf eine "commensurability" Priifung: King, Sensible Scrutiny, 587. 111
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durch die alleinige Anwesenheit UNPROFORs zu gewahrleisten. Als sich jedoch die Obstruktionspolitik der serbischen Kampfer fortsetzte, die Luftunterstiitzung aufgrund einer restriktiven Handhabung leerlief und der UN-Sicherheitsrat keine weiteren Schutzma6nahmen zur Verfiigung stellte, konnte der Mindeststandard in der Schutzzone offensichdich nicht mehr eingehalten werden, 113 so da6 die humanitare friedenssichernde Wirkungder Schutzzone im Nachhinein entfallen ist. (ii) Ergebnis Geeignetheit Eine yom UN-Sicherheitsrat nach Art. 40 UNC erklarte Schutzzone, in der wie in Srebrenica die fundamentalen Rechte der Bevolkerung dauerhaft nicht sichergestellt sind, ist in dieserForm vollkommen ungeeignet zur Verbesserung der humanitaren Lage und damit zur Friedenssicherung. Sie fiihrt sogar offensichtlich zu einer Umkehr ihres humanitaren Ziels, indem sie die Bevolkerung extremen Gefahren aussetzt: Die Bevolkerung wird an einem Punkt konzentriert und unter Erweckung falscher Erwartungen an eine utopische Sicherheit von einer rettenden Flucht in andere Gebiete oder ins Ausland abgehalten sowie zusatzlich durch unzureichende Versorgung geschwacht und durch eine Entmilitarisierung in der eigenen Verteidigung eingeschrankt. Damit wird dem Gegner ein Angriff auf die Bevolkerung erleichtert. Sofern durch die Kooperation der ·Konfliktparteien oder weitere Zwangsma6nahmen in absehbarer Zeit keine Verbesserung der Rechtslage zu erwarten ist, mu6 genauso wie bei der Effektivitatsbeurteilung in Art. 51 UNC die Schutzzonenerrichtung und -aufrechterhaltung durch Neutralisierungsund Entmilitarisierungsanordnung als offensichtlich ungeeignete Ma6nahme zur Friedenswahrung gewertet werden. Sie stellt einen unzulassigen Eingriff in die Souveranitat des Gaststaats dar; die Ma6nahme ist volkerrechtswidrig. Insoweit verpflichtet auch die Geeignetheit im Rahmen des Verhaltnisma6igkeitsgrundsatzes den UN-Sicherheitsrat zur Sicherstellung eines gewissen Mindeststandards fundamentaler Rechte in der Schutzzone. (b) Effektivitat aus Treu und Glauben Die Beschrankung der Verteidigungsfahigkeit des Gaststaates durch eine Neutralisierungs- und Entmilitarisierungsanordnung zur Schutzzonenerrichtung konnte zudem als willkiirlich angesehen werden, wenn
113
Vgl. zur drastischen Verschlechterung der Umstande: NIOD, 11,1456.
6. Kapitel: Sicherstellung des Mindeststandards
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dort ein MindestmaG an Schutz und Versorgung der Bevolkerung nicht gewahrleistet werden kann. (i) Geltung des Treu- und Glaubens-Grundsatzes fur den UN-Sicherheitsrat Der UN-Sicherheitsrat ist nach Art. 24 (2) UNC an die Grundsatze der Organisation gebunden. Darunter fallt auch der Grundsatz von Treu und Glauben, der in Art. 2 (2) UNC seinen Ausdruck findet. Yom Wortlaut her bindet Art. 2 (2) UNC zwar allein die Mitgliedstaaten, jedoch verpflichtet der einleitende Satz des Art. 2 UNC sowohl die Organisation als auch ihre Mitgliedstaaten durch die nachfolgenden Grundsatze. Es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, warum nur die Mitgliedstaaten und nicht die Organisation an Treu und Glauben gebunden sein sollten. Hingegen ist vielmehr anzunehmen, daG die Mitgliedstaaten die Kompetenzen nur ubertragen wollten, wenn die Organisation sie auch nach Treu und Glauben ausuben. 114 Zudem ist eine Bindung an Treu und Glauben auch aus dem fundamentalen Prinzip des pacta sunt servanda abzuleiten, wonach Vertragsparteien an den Vertrag gebunden und damit verpflichtet sind, diesen nach Treu und Glauben auszufuhren. 11S Gerade auch im Hinblick auf die Bindung det Mitgliedstaaten an die Entscheidung des UN-Sicherheitsrats nach Art. 25 UNC muG er als Organ einer auf einem Vertrag grundenden Organisation bei der Erfullung seiner vertraglichen Pflichten den Grundsatz von Treu und Glauben achten. 116 Deswegen ist der UN-Sicherheitsrat grundsatzlich auch beim ErlaG einer vorlaufigen MaGnahme nach Art. 40 UNC wie der Schutzzonenerklarung und ihrer Aufrechterhaltung an Treu und Glauben gebunden.
114 Vgl. insgesamt dazu: Schweigman, Legal Limits, 173, Starck, UNOWirtschaftssanktionen, 145 ff., 176. 115 Vgl. Art. 25 WVK zur historischen Geltung des Grundsatzes: Lachs, Pacta Sunt Servanda, in: Bernhardt, EPIL III, 847 ff.; Wehberg, Pacta Sunt Servanda, 775 ff. Schweigman und Starck gehen sogar noch weiter und erklaren den Treu- und Glaubens-Grundsatz als Grundfestung jeder Rechtsordnung: Schweigman, Legal Limits, 174; Starck, UNO-Wirtschaftssanktionen, 145 ff., 176. 116 I.E. so auch: Interpretation of the agreement of 25 March 1951 Between the WHO and Egypt, Adv. Op., ICJ Rep. 1980,73 ff., 95; MulleriKolb, Art. 2 (2) Rdnr. 4, in: Simma; VerdrosslSimma, Universelles V6lkerrecht, 47; Schwarzen berger, Fundamental Principles, 215.
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(ii) lnhalt der Treu- und Glauben-Verpflichtung lnhaltlich bestimmt der Treu- und Glaubens-Grundsatz, daB Entscheidungen weder willkiirlich noch rechtsmiBbrauchlich getroffen werden durfen. 117 Sie diirfen nicht gegen den letztendlichen Sinn und Zweck der UN-Charta verstoBen, den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren. 118 So stellt der ICTY darauf ab, ob der UN-Sicherheitsrat "arbitrarily or for an ulterior purpose" handelt. ll9 Der Beurteilungsspielraum des UN-Sicherheitsrats beschrankt die Uberpriifung zudem auf grobe RechtsmiBbrauchlichkeit. 120 Dadurch, daB der UN -Sicherheitsrat die Verteidigungsfahigkeit eines Mitgliedsstaates wie in Srebrenica durch eine Neutralisierungs- oder eine Entmilitarisierungsanordnung beschrankt, obwohl der menschenrechtliche Mindeststandard in der Schutzzone nicht eingehalten und damit das humanitare Ziel der Schutzzone nicht erreicht werden kann, wird die MaBnahme noch nicht per se rechtsmiBbrauchlich. Dazu miiBten die standigen Mitglieder die Schutzzone zusatzlich nicht zur Friedenssicherung, sondern ohne besondere Zielsetzung errichten oder mit ihr allein andere Vorteile verfolgen, wie die Befreiung von - sofern es sie gabe - eigenen Pflichten zur Aufnahme von Fliichtlingen im eigenen Land. 121 Eine Schutzzonenerrichtung, in der ein Mindeststandard an Rechten nicht eingehalten werden kann, kann offensichtlich ungeeignet zur Friedenssicherung sein, jedoch muB fiir ihre RechtsmiBbrauchlichkeit zusatzlich ein geistiges Element hinzukommen, die MaBnahme muB unabhangig von einer moglichen Friedenssicherung erlassen werden, dazu reicht ein fehlender Mindeststandard nicht aus.
117 Muller betont ein Verhalten nach dem Sinn, Zweck und Geist der Vorschriften: MiilleriKolb, Art. 2 (2) Rdnr. 16 H., in: Sirnma; Schweigman, Legal Limits, 174. 118
MiillerlKolb, Art. 2 (2) Rdnr. 4, in: Simma; Schweigman, Legal Limits,
175. 119 Tadic, Decision on Defence Motion, 10.8.1995, T.Ch. II, ICTY Judicial Reports, 1994-1995, para. 15. 120 Schweigman, Legal Limits, 174 f.; Starck, UNO-Wirtschaftssanktionen, 180 H.
121 Schweigmann nennt das Beispiel, daB der UN-Sicherheitsrat gegen einen Staat Wirtschaftssanktionen verhangt, damit die Mitgliedsstaaten ihre oHenen Forderungen gegen diesen Staat einlosen konnen. Schweigmann, Legal Limits, 175.
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(4) Zusammenfassung Effektivitatserfordernis Zwar schreibt die UN-Charta kein allgemeines Effektivitatserfordernis i.S. einer Erfolgspflicht fur MaBnahmen des UN-Sicherheitsrats fest, sondern gesteht ihm einen wei ten Beurteilungsspielraum hinsichtlich der friedenssichernden Wirkung seiner MaBnahmen zu. Jedoch unterliegt er dabei einer Evidenzgrenze, wonach MaBnahmen, die das Selbstverteidigungsrecht eines Staates beschranken, gemaB Art. 51 S. 2 UNC nicht von vornherein offensichtlich ineffektiv und sonstige Beschrankungen der Verteidigungsfahigkeit eines Staates nicht offensichtlich ungeeignet zur Friedenssicherung oder gar evident rechtsmiBbrauchlich sein oder werden durfen. Eine Schutzzonenerrichtung durch Neutralisierungs- und Entmilitarisierungsanordnung des UN -Sicherheitsrats nach Art. 40 UNC kann eine offensichtlich ineffektive MaBnahme nach Art. 51 UNC darstellen oder offensichtlich ungeeignet zur Friedenssicherung sein oder werden, wenn klar erkennbar ist, daB dort fundamentale Rechte wie Leben und Menschenwurde der Bevolkerung dauerhaft offensichtlich nicht (mehr) eingehalten werden konnen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn wie in Srebrenica offensichtlich ist, daB mindestens eine Konfliktpartei ihre Blockaden der Hilfslieferungen sowie ihre Angriffe auf die Schutzzone nicht einstellen wird und man gels Aussicht auf die zwangsweise Durchsetzung des Schutzes und der humanitaren Hilfe dadurch der Mindeststandard an Rechten in der Schutzzone dauerhaft nicht sichergestellt ist. Folge ist die Rechtswidrigkeit bzw. das Rechtswidrigwerden der MaBnahme. In Srebrenica wurde damit die Schutz zone angesichts des offensichtlich unzureichenden Mindeststandards an Rechten zu einer offensichtlich ineffektiven und ungeeigneten Ma6nahme, die insbesondere im Hinblick auf die spatere brutale Einnahme der Schutz zone durch die serbischen Kampfer eine unzulassige Einschrankung des Selbstverteidigungsrechts aber auch der allgemeinen Verteidigungsfahigkeit des bosnischen Staates darstellte. Es bleibt jedoch zu klaren, ob sich aus der Rechtswidrigkeit einer offensichtlich ineffektiven SchutzzonenmaBnahme des UN -Sic her he its rats eine Art Garantenstellung der UN ergibt, die den UN-Sicherheitsrat ahnlich wie das zwingende Volkerrecht 122 zu weiteren SchutzmaBnahmen verpflichtet. MuBte der UN-Sicherheitsrat also in Srebrenica aufgrund der offensichtlichen Ineffektivitiit seiner SchutzzonenmaBnahme weitere ZwangsmaBnahmen ergreifen, urn den menschenrechtlichen
122
Siehe oben Ll.b).
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Mindeststandard und damit die friedenssichernde Wirkung der Schutzzone wieder herzustellen, oder hatte es ausgereicht, wie der UN-Generalsekretar ebenfalls vorschlug,123 die Operation abzubrechen? Fraglich ist also die Rechtsfolge einer soleh ineffektiven Einschrankung der Verteidigungsfahigkeit des Gaststaates: ob der UN-Sicherheitsrat dadurch zur Rucknahme der MaBnahme oder - entsprechend einer Art Ingerenz - sogar zu weiteren ZwangsmaBnahmen zur Sicherung des Mindeststandards verpflichtet sein kann?
(5) Rechtsfolge der Verletzung des Effektivitatsgebots Die Diskussion in volkerrechtlicher Lehre und Praxis geht in der Frage urn die Folgen rechtswidriger Resolutionen des UN-Sicherheitsrats insoweit zu kurz, als sie sich allein damit beschaftigt, ob rechtswidrige Resolutionen fur Mitgliedstaaten Verbindlichkeit behalten und wann sie nichtig sein konnen. Zu etwaigen Korrektur- oder Rucknahmepflichten des UN-Sicherheitsrats laBt sich jedoch kaum etwas finden;124 dabei konnen diese aus allgemeinen Erwagungen zu den Folgen rechtswidriger Akte im Volkerrecht abgeleitet werden. Soweit eine Nichtigkeit rechtswidriger Resolutionen angenommen wird, wie dies uberwiegend bei einer anfanglichen Rechtswidrigkeit einer Resolution der Fall ist,125 ist ihre Rucknahme oder Modifizierung durch den UN-Sicherheitsrat nicht mehr erforderlich. Dann muB er allein dafur sorgen, daB der Vollzug der MaBnahme ruckgangig gemacht wird. Sofern also seine Schutzzonenresolution mangels menschenrechtlichen Mindeststandards offensichtlich ineffektiv oder ungeeignet und deswegen rechtswidrig ware, ware die N eutralisierungs- und etwaige Entmilitarisierungsanordnung des UN-Sicherheitsrats nichtig und der UN-Sicherheitsrat muBte die Verteidigung des Gaststaats zulassen, ihm insbesondere seine Waffen zuruckgeben. Es bestunde aber grundsatz123 UNSG-Report, S/1995/444, 30.5.1995, para. 72. 124 Andeutungsweise bei: Martenczuk, Rechtsbindung, 286. Allgemein zur Frage, ob der UN-Sicherheitsrat seine MaBnahmen zuriicknehmen mug: Caron, The Legitimacy of The Security Council, 578 H. 125 Krisch, Selbstverteidigung, 218 H.; Martenczuk, Rechtsbindung, 151 H.; bei einem Verstog gegen ius cogens: Lauterpacht, Sep. Op., Genocide Case, IC] Rep. 1993, para. 103 f.; Gill, Limitations on the Power of the Security Council, 111; Herdegen, Constitutionalization of the UN Security System, 158 f.; auch bei nachtragl. Anderung der Handlungsgrundlage, deTS., Der Sicherheitsrat, 118. A.A. Delbruck, Art. 25, Rdnr. 18, in: Simma.
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lich keine Pfiicht, weitere Schutzma6nahmen zu ergreifen. Eine soiche konnte sich nur ausnahmsweise bei der fortbestehenden Kontrolle der Schutzzonenma6nahme aus dem zwingenden Volkermordverbotverbot oder Recht auf Leben ergeben. 126 Bejaht man die fortbestehende Verbindlichkeit rechtswidriger Resolutionen des UN -Sicherheitsrats, wie dies vor all em fur nachtraglich rechtswidrig gewordene Resolutionen angenommen wird,127 stellt sich die Frage, ob den UN-Sicherheitsrat eine Pflicht trifft, die Rechtswidrigkeit durch Rucknahme oder Modifizierung der Resolution zu besei~ tigen. Hier erscheint eine Pflicht zur Beseitigungder Rechtswidrigkeit nur als konsequente Fortfuhrung der rechtlichen Bindung des UNSicherheitsrats. Denn trifft ihn die Pfiicht, nur soiche Ma6nahmen zu ergreifen, die rechtma:Big sind, dann· mu6 er auch darauf achten, da6 seine Resolutionen rechtma6ig bleiben, sei es durch ihre Modifikation oder Rucknahme.128 Dafur spricht vor all em, da6 bisher nur eine inzidente Kontrolle von UN-Sicherheitsrats-Resolutionendurch den IGH moglich 129 und eine einseitige Loslosung durch die Mitgliedstaaten
126 Siehe oben l.1.b)(l) und l.1.b)(5). 127 Etwa weil sich die tatsachlichen Umstande geandert haben: Martenczuk argumentiert dafur, daE rechtswidrige UN-Sicherheitsratsresolutionen verbindlich bleiben und damit durch den UN-Sicherheitsrat zUrUckgenommen oder modifiziert werden mussen. Martenczuk, Rechtsbindung, 286. In Ausnahmefallen auch fur eine Nichtigkeit: Herdegen, Der Sicherheitsrat, 118. 128 I.E. so auch: Martenczuk, Rechtsbindung, 286. Fur eine solche Pflicht analog cler Staatenverantwortlichkeit wohl Gill, Limitations on the Power of the Security Council, 107 ff. 1m Zusammenhang mit dem Waffenembargo in Bosnien sieht Lauterpacht die Konstruktion einer positiven Pflicht zur Waffenruckgabe jedoch als schwierig an: Lauterpacht, Sep. Op., Genocide Case, ICJ Rep. 1993, Rdnr. 103. 129 Zur grundsatzlich begrenzten aber zumindest inzidenten Kontrollmoglichkeit von Sicherheitsratsresolutionen durch den IGH: Certain Expenses, ICJ Rep. 1962, 151, 170 ff., Lybia Arab Jamahiriya v. United States, Priliminary Objections, ICJ Rep. 1992,3,15, Bosnia Herzegovina v Yugoslavia (Serbia and Montenegro) ICJ Rep. 1993,3, 18, bestatigt durch ICJ Rep. 1993,325/ vor allem Lauterpacht, Diss. Op. ICJ Rep. 1993,407,440 ff.; Martenczuk, Rechtsbindung, 67 ff.; Lamb, Legal Limits to United Nations Security Council Powers, 364 ff. Allgemein zur Problematik der gerichtlichen Kontrolle des UNSicherheitsrats, D'Angelo, The International Court of Justice and Judicial Review of Security Council Resolutions, 561 ff.; Martenczuk, The Security Council, the International Court and Judicial Review, 517 ff.
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nicht anerkannt ist,130 dem UN -Sicherheitsrat also die alleinige Kompetenz zur Aufhebung rechtswidriger Resolutionen zukommt. l3l Ein ahnliches Ergebnis laGt sich aus den allgemeinen Grundsatzen zur Staatenverantwortlichkeit ableiten, wonach Staaten u.a. rechtswidrige Handlungen vermeiden und sofort abstellen miissen.132 Diese allgemeinen Grundsatze miissen mutatis mutandis auch fiir andere Volkerrechtssubjekte wie internationale Organisationen gelten, sofern sie staatsahnliche Funktion wahrnehmen und die Grundsatze damit sinngemaG auf sie anwendbar sind. 133 Ihre Bindung bildet dann ein notwendiges Korrelat der Wahrnehmung staatsahnlicher Funktionen und wird insbesondere dort angenommen, wo Organisationen administrative Gewalt auf einem Territorium ausiiben. 134 Damit ist auch aus diesem Gedanken heraus zumindest in der Schutzzonensituation, wo gewisse tatsachliche Gewalt iiber die Bevolkerung ausgeiibt wird, eine Pflicht des UN -Sicherheitsrats anzunehmen, das Rechtswidrigwerden dieser MaGnahme zu vermeiden bzw. den Vollzug seiner rechtswidrigen Resolutionen durch eine Riicknahme oder eine Modifikation abzustellen. Damit ergibt sich aus der rechtlichen Bindung des UN -Sicherheitsrats grundsatzlich keine Pflicht, eine rechtswidrige Resolution durch positi-
130
Caron, The Legitimacy of The Security Council, 578 ff.
131 Vgl. die Reaktionen zur einseitigen Aufhebung der Sanktionen durch GroBbritannien und die USA im Rhodesien Konflikt: AIRES 192 (XXXIV), 19.12.1979; S/PV.2181, 21.12.1979, u.a. der Vertreter Zambias para. 30, Nigerias ibid. para. 42 ff.; dazu ebenfalls: Caron, The Legitimacy of the Security Council, 578, 582; Martenczuk, Rechtsbindung, 284 f.; Suy, Some legal Questions concerning the Security Council, 687 ff.; Hurst, Economic Sanctions, 259. Allgemein dazu: Gowlland-Debbas, Collective Responses, 648. 132 Nun niedergelegt in Art. 30, 31 ILC Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit, NCN.4/L.602/Rev.1. 133 So auch die iiberwiegende Ansicht in der Lehre: Dahm, V6lkerrecht III, 276 ff.; Bothe, in: Vitzthum, V6lkerrecht, Rdnr. 32; Eagleton, International Organizations, 393. Hirsch, The Responsibility of International Organisations, 189. v.a. zur Wiederherstellung des status quo ante: Gill, Limitations on the Power of the Security Council, 107 ff., 112 ff. Umstritten ist allein, inwieweit dahinter auch eine Verantwortlichkeit der Mitgliedstaaten besteht. Bothe, ibid., Rdnr.32.
134 Ais Beispiele werden die Hoheit am Hauptsitz der Organisation oder auch die Verwaltung von Territorium genannt. Vgl. Garcia-Amador, La Responsabilite Internationale De L'Etat, 152; Eagleton, International Organizations, 394; Hirsch, The Responsibility of International Organizations, 63.
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ve MaBnahmen zu korrigieren. Bei Nichtigkeit der Resolution muB er allein den Vollzug aussetzen und ruckgangig machen, braucht aber keine neue MaBnahme zu erlassen. Rechtswidrige aber gultige Resolutionen kann er wahlweise zurucknehmen oder modifizieren. 135 Damit ist der UN-Sicherheitsrat bei einer rechtswidrigen Schutzzonenerklarung verpflichtet, wenn er nicht selbst die erforderlichen SchutzmaBnahmen ergreift, militarische Tatigkeiten des Gaststaats auf dem Schutzzonengebiet wieder zuzulassen und ihm etwaige entnommene Waffen wiederzugeben. Sofern die SchutzzonenmaBnahme weiterhin guItig ist, muBte er zusatzlich die Rechtswidrigkeit durch Rucknahme der Neutralisierungs- und Entmilitarisierungsanordnung beseitigen. Grundsatzlich liegt es in seinem Ermessen, ob er selbst die erforderlichen SchutzmaBnahmen ergreift oder dem Gaststaat seine Verteidigungsfahigkeit wiedergibt. Jedoch muB der UN-Sicherheitsrat zumindest dann, wenn die Gefahren fur die fundamentalen Rechte der Bevolkerung beim Ruckzug aus der Schutzzone noch groBer waren - etwa weil der Gaststaat zahlenmaBig der anderen Konfliktpartei unterlegen ist oder ihm einfach das erforderliche militarische Operationstraining fehIt -, selbst die notwendigen MaBnahmen zur Sicherstellung des Schutzes ergreifen. Dies ergibt sich bereits aus den positiven Schutzpflichten des zwingenden Volkermordverbots und dem Recht auf Leben. 136 Da Schutzzonen gerade errichtet werden, weil der Gaststaat den Schutz und die Versorgung der Bevolkerung nicht mehr sicherstellen kann, wird i.d.R. eine Pflicht zu weiteren SchutzmaBnahmen bestehen. Damit muBte der UN-Sicherheitsrat in Srebrenica den bosnischen Kampfern entweder wieder militarische Tatigkeiten auf dem Schutzzonengebiet zugestehen und Ihnen die Waffen zuruckgewahren oder selbst die erforderlichen MaBnahmen zum Schutz der Bevolkerung ergreifen. Angesichts der Tatsache, daB bei einem Ruckzug aus dem Schutzzonengebiet und einer Ruckgabe der Waffen an die bosnische Armee die Gefahr fur fundamentale Rechte der Bevolkerung aufgrund der uberzahligen serbischen Kampfer noch groBer gewesen ware, ist sogar davon auszugehen, daB den UN-Sicherheitsrat auch aus dem Effektivitatsgebot die Pflicht traf, weitere SchutzmaBnahmen zu ergreifen, sei 135 Dies muE gleichermaBen fur eine anfangliche und nachtragliche Rechtswidrigkeit von Resolutionen gelten. Vgl. zur Frage des Rechtswidrigwerdens: Herdegen, Der UN-Sicherheitsrat, 118 f.; ders., Constitutionalization of the UN Security System, 155; Gill, Limitations on the Power of the Security Council, 111; Martenczuk, Rechtsbindung, 286. 136
Siehe oben I.1.b)(I) und I.1.b)(5).
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es indem erdie zwangsweise Evakuierung der Bevolkerung, die Errichtung von Schutzkorridoren oder den Einsatz eine Peace-EnforcementTruppe autorisiert hatte.
2. Zwischenergebnis: Garantenstellung und SchutzmajSnahmen
Die UN nehmen bei einer Schutzzonenerrichtung eine Art GarantensteHung hinsichtlich des dort erforderlichen Mindeststandards an Schutz, humanitaren Bedingungen und Freiheiten ein, aus der sich besondere Pflichten des UN-Sicherheitsrats ableiten lassen. Diese ergeben sich zwar nicht direkt aus der Schutzzonenerklarung, jedoch kann der UN-Sicherheitsrat aufgrund der besonderen Verantwortungsiibernahme mit der Schutzzonenerrichtung zumindest zur Verhinderung von Volkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und schweren Verletzungen des Rechts auf Leben im Rahmen der due diligence verpflichtet sein. Genauso darf er das Selbstverteidigungsrecht und die Verteidigungsfahigkeit des Gaststaats durch eine Neutralisierung und etwaige Entmilitarisierung des Schutzzonengebiets nicht beschranken, wenn die Ma:Bnahme offensichtlich ineffektiv oder ungeeignet zur Friedenssicherung ist. Dies ist sie dann, wenn die elementaren Rechte der Bevolke~ rung in der Schutzzone offensichtlich dauerhaft nicht einzuhalten sind oder eingehalten werden konnen. In der yom UN-Sicherheitsrat erklarten safe area Srebrenica traf den UN-Sicherheitsrat hinsichtlich der Massenmorde und Mi:Bhandlungen nach der Einnahme der Schutzzone durch die serbischen Kampfer zumindest im Rahmen eines Fahrlassigkeitsvorwurfes eine Verhinderungspflicht. Da die Schutzzone zudem bereits vorher aufgrund ihrer andauernden fatalen humanitaren Lage zu einer offensichtlich ineffektiven und ungeeigneten Ma:Bnahme zur Friedenssicherung geworden war, ist die fortdauernde Einschrankung der Verteidigungsfahigkeit der bosnischen Regierung durch die Neutralisierungserklarung und die Nichtriickgabe der Waffen unzulassig geworden. Aus dieser Verhinderungspflicht des UN-Sicherheitsrats ergibt sich, da:B er bei einem drohenden Volkermord und Massentotungen sowie evidenten und dauerhaften Verletzungen des Mindeststandards in der Schutz zone die erforderlichen Schutzma:Bnahmen ergreifen muK Dazu ist er verpflichtet, bei der Schutzzonenerrichtung das zur Durchsetzung des Schutzes und der Versorgung notwendige Gewaltpotential sicherzustellen, die Ma:Bnahme zu beobachten und - soweit erforderlich - zu korrigieren. Jedoch ist der UN-Sicherheitsrat nur bei einem drohenden Volkermord oder schweren Verletzungen des Rechts auf Leben zum
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Erla6 weiterer Zwangsma6nahmen zur Sicherung der Schutzzone und der Versorgungswege verpflichtet. Sofern also mindestens eine Konfliktpartei die Schutzzone von Beginn an offensichtlich boykottieren wird und dadurch schwere Beeintrachtigungen fur die Schutzzonenbevolkerung drohen, kann der UN-Sicherheitsrat die Schutzzone nicht selbst nach Art. 40 UNC erklaren, sondern mu6 direkt die militarische Einnahme des Schutzzonengebiets durch die Mitgliedstaaten nach Art. 42 UNC autorisieren. Sind zudem die humanitare Versorgung und Freizugigkeit der Bevolkerung durch den Boykott der Konfliktparteien offensichtlich bedroht, mu6 der UNSicherheitsrat auch die Errichtung von Schutzkorridoren ermachtigen. Zeigen sich hingegen beide Konfliktparteien kooperationsbereit, kann der UN-Sicherheitsrat auch selbst eine Schutz zone durch bl06e Neutralisierungsanordnung nach Art. 40 UNCerrichten. Jedoch mu6 er beim Wegfall der Kooperation mindestens einer Konfliktpartei und drohenden Massentotungen oder Volketmord auch hier das entsprechende Gewaltpotential zur zwangsweisen Durchsetzung des Schutzes in Form einer Peace-Enforcement-Truppe autorisieren. Genauso mu6 er spater bei einem drohenden Volkermord oder Massentotungen zum Schutz der Bevolkerung zusatzliche Ma6nahmen wie beispielsweise die Ausweitung der Ziele fur Zwangsma6nahmen oder die Errichtung von .. htlgen. . 137 Schutz k orn·d oren ermac Insgesamt trifft den UN-Sicherheitsrat also mit der Errichtung einer Schutzzone grundsatzlich eine Pflicht, die notwendigen Schutzma6nahmen zur Sicherung des Mindeststandards in der Schutzzone zu erlassen. Allerdings kommt ihm hinsichtlich der Erforderlichkeit der Schutzma6nahmen ein weites Ermessen zu: allein den Schutz vor Volkermord, Massentotungen und dauerhaften Beeintrachtigungen des Mindeststandards mu6 er sicherstellen. Dadurch sind vor allem nachtragliche Schutzma6nahmen des UN-Sicherheitsrats ungewi6; so mu6 der UN-Sicherheitsrat insbesondere bei einer Schutzzonenerrichtung durch bl06e Neutralisierungsanordnung nach Art. 40 UNC erst bei einem drohenden Volkermord oder Massentotungen weitere Schutzma6nahmen ergreifen. 1m Lichte der "Garantenstellung" der UN fur den Schutz und die elementaren Rechte in der Schutzzone ist jedoch eine gutglaubige und moglichst effektive Erfullung der Schutzpflicht zu for137 Ahnlich weitete der UN-Sicherheitsrat in Bosnien in Res. 908 die Luftuntersriitzung zur Verteidigung UNPROFORs und ihres Mandats auf das kroatische Territorium aus und autorisierte 3500 zusatzliche Soldaten fur UNPROFOR, S/RES/908, para. 4, 8.
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dern. Deswegen muB der UN-Sicherheitsrat entweder sofort die Schutzzonenerrichtung nach Art. 42 UNC an die Mitgliedsstaaten delegieren oder bei einer Schutzzonenerktirung nach Art. 40 UNC direkt von Beginn an ausreichende Mittel zum zwangsweisen Schutz und fiir den Notfall die Evakuierung der Bevolkerung sowie die Errichtung von Schutzkorridoren sicherstellen. Dazu gehort neb en einem entsprechenden Mandat vor allem auch, daB der UN-Sicherheitsrat, weil er weder selbst iiber die erforderlichen Truppenkontingente verfiigt noch Sonderabkommen nach Art. 43 UNC abgeschlossen hat, sich vor jeder Schutzzonenerrichtung die erforderlichen militarischen Mittel von den Mitgliedstaaten zusichern laBt,138 urn nicht wie in Srebrenica vor dem Problem zu stehen, daB die Mitgliedstaaten die zum Schutz erforderlichen Truppenkontingente nicht bereitstellen. 139
3. Umsetzung der Verpflichtung durch Mitgliedsstaaten
Hinsichtlich der Umsetzung der Schutzverpflichtungen des UN-Sicherheitsrats ist klarzustellen, daB sein Handeln oder Nicht-Handeln als politisches Gremium yom Zusammenspiel vor allem seiner standigen Mitglieder bestimmt wird. So verhinderte in Srebrenica letztendlich ihre Unentschlossenheit die Autorisierung der erforderlichen ZwangsmaBnahmen und damit die Einhaltung des menschenrechtlichen Mindeststandards. Zudem trug die mangelnde Bereitschaft der Staat en, die von ihnen befiirworteten Truppenkontingente zur Verfiigung zu stellen, zum Scheitern cler UNPROFOR-Mission bei. 140 Es fehlte insgesamt der politische Wille der Staaten, den Schutz der safe area mit entschiedenen Mitteln sicherzustellen. 141
138 Zu dem allgemeinen Erfordernis, die Bereitstellung der autonslerten Truppen vorher zusichern zu lassen: Brahimi Bericht, Report of the Panel on UN Peacekeeping Operations, 23.8.2000, erhaltlich unter http.www.un.org/ peace/reports/peace-operationsl.; Rapport D'lnformation, Srebrenica, 173 f. 139 Statt der 7600 autorisierten Mann wurden bis Januar 1995 nur 3000 bereitgestellt. Siehe oben 1. Kapitel, 11.2. b). 140 Siehe oben 1. Kapitel, II.2.b). Zudem konnte man sich in Bosnien nicht auf die vom UN-Generalsekretar fur erforderlich gehaltenen 34.000 Soldaten einigen, sondern nur auf eine "leichte Option" mit 7500 Soldaten. Vgl. Rhode, A Safe Area, XVI. 141 Vgl. The Fall of Srebrenica, para. 490. Der UN-Generalsekretar schreibt deswegen auch der Staatengemeinschaft, verkorpert im UN -Sicherheitsrat, der Kontaktgruppe sowie den anderen Regierungen, dem UN-Sekretariat und der
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Deswegen ist fur die Umsetzung der Schutzpflicht des UN-Sicherheitsrats bei den Mitgliedstaaten, insbesondere den standigen Mitgliedern anzusetzen. Die Verpflichtung des UN-Sicherheitsrats zu handeln bedeutet letztendlich eine Verpflichtung fur die Staaten, im UNSicherheitsrat zu kooperieren und ein solches Handeln zu ermoglichen. 142 Sie mussen durch den EriaB entsprechender ZwangsmaBnahmen sowie durch Diskussionen und Vorschlage fur die Einhaltungdes Mindeststandards in der Schutz zone sorgen. Genauso erfordert die Kooperationspflicht, daB die Mitgliedstaaten, wenn sie die Bereitstellung von Truppen ankundigen, diese auch zur Verfugung stell en. Verhindert eines der standigen Mitglieder im UN-Sicherheitsrat durch sein Veto die Aufhebung einer rechtswidrigen MaBnahme oder das Ergreifen weiterer SchutzmaBnahmen, ware eine Klage gegen dieses standige Mitglied denkbar. Denn die standigen Mitglieder sind personlich genauso wie das Gesamtorgan UN-Sicherheitsrat an das Volkermordverbot gebunden und durfen keine willkurlichen, offensichtlich ungeeigneten oder ineffektiven Einschrankungen des Souveranitatsrechts des Gaststaates vornehmen. In diesem Sinne erfolgte die von Bosnien gegen GroBbritannien angedrohte aber spater nicht weiterverfolgte Klage, mit der die bosnische Regierung das Veto der britischen Regierung zur Aufhebung des Waffenembargos als Verletzung seines Selbstverteidigungsrechts und VerstoBes gegen das Volkermordverbot ansah. 143 Zur Umgehung eines Vetos wird bisweilen auch ein AusschluB bestimmter Staat en von der Abstimmung n::ich Art. 27 (3) UNC oder eine Enthaltung gemaB Art. 5 UNC befurwortet. 144 Bei einer Blockade des UN-Sicherheitsrats kann jedoch keine Pflicht der Mitgliedsstaaten angenommen werden, selbstandig auBerhalb der UN die Sicherung der Schutzzone vorzunehmen. Sie bleiben als standige Mitglieder des UN-Sicherheitsrats zum Handeln verpflichtet und Mission am Boden die Mitschuld zu, die einen friiheren Einsatz von Gewalt zur Durchsetzung der Schutzzone verhindert hatten. The Fall of Srebrenica, para. SOL 142 Quigley, State Responsibility, 373 ff. Eine solehe Pflicht ergibt sich vor allem aus Treu und Glauben, danach sind sie verpflichtet zu kooperieren, urn die erforderlichen MaBnahmen im UN-Sicherheitsrat zu ergreifen und ein rechtmaBiges Handeln zu ermoglichen. MiillerlKolb, Art. 2 (2), Rdnr. 20, in: Simma. 143 Vgl. Scott, Memorial for Bosnia, 12.
144 Dies schlug die Untersuchungskommission zum Fehlverhalten der UN wahrend des Volkermords in Ruanda vor: Ruanda Report, Recommendations
12.
252
Gewahrung fundamentaler Rechte in der Schutzzone
mussen deswegen allein MaBnahmen in dies em Gremium ergreifen; nach auBen hin bleiben die UN als Schutzzonenmacht verantwortlich. Zudem wurde durch ein einseitiges Handeln der Mitgliedstaaten die Kontrolle der UN uber die MaBnahme unterlaufen. 145 Die Mitgliedstaaten mussen alles ihnen Mogliche im Rahmen von Diplomatie und Verhandlungen im UN-Sicherheitsrat versuchen, urn den Schutz in der Schutzzone sicherzustellen. Insoweit sind insbesondere Vorschlage fur eine eigene Mission unter UN-Autorisierung, wie sie Frankreich in Bosnien hinsichtlich der RRF machte,146 denkbar. Die Schutzpflicht des UN-Sicherheitsrats wird also durch seine Mitglieder umgesetzt, die entsprechend kooperieren muss en, urn den erforderlichen Mindeststandard in der Schutzzone sicherzustellen.
II. Verpflichtung zur Dberwachung des Mindeststandards In Srebrenica wird neben dem U nterlassen von SchutzmaBnahmen vor allem auch die mangelhafte Kenntnis der tatsachlichen Bedrohungssituation vor der Einnahme der Schutzzone sowie die verspatete Kenntnis von den Massakern nach der Einnahme 147 und die damit einhergehende fehlende Kontrolle uber die Operation 148 fur die unzureichende Reaktion des UN -Sicherheitsrats verantwortlich gemacht. So erhielt der UNSicherheitsrat vom Sondergesandten des UN -Generalsekretars kurz vorm Fall der Schutzzone unzutreffende Berichte dahingehend, daB die serb is chen Angriffe auf die Schutz zone gestoppt hatten, UNPROFOR dagegen von der bosnischen Armee angegriffen worden ware, und mit keinem Wort wurde die mehrfach angeforderte und abgelehnte Luftun-
145 So liegt auch die Kompetenz zur Rucknahme einer MaBnahme beim UNSicherheitsrat: Caron, The Legitimacy of the Security Council, 582. Eine andere hier nicht zu behandelnde Frage ist freilich, ob sie im Rahmen einer humanitaren Intervention tatig werden durfen. 146 Leider wurde dieser Vorschlag fur eine robuste Truppe jedoch nur in abgeschwachter Form vom UN-Sicherheitsrat angenommen. Siehe dazu oben l. Kapitel,II.2.b). 147 The Fall of Srebrenica, para. 487, 497. So wurde in den Untersuchungsberichten vor allem der mangelnden Informationspolitik die Schuld zugewiesen: Wiebes, Intelligence en de oorlog in Bosnie, 11 ff.; Rapport D'Information, Srebrenica, 72 ff. 148 Enquete Srebrenica, 4.2.4.,145 ff.
6. KapiteI: Sicherstellung des Mindeststandards
253
terstiitzung erwahnt. 149 Ahnlich bemiihte man sich in den UN noch wahrend die Massaker in der Schutzzone bereits begonnen hatten urn eine friedliche Lasung,150 undkamen Informationen iiber die unzahligen Fliichtlinge aus der Schutz zone bisweilen erst in die Presse, bevor sie offiziell berichtet wurden. 151 Auch Dutchbat informierte die UNFiihrung nur unzureichend iiber die Geschehnisse nach dem Fall der Enklave. 152 Grundsatzlich gehen mit der Schutzpflicht des UN -Sicherheitsrats notwendig die fortwahrende Beobachtung des Mindeststandards in der Schutzzone sowie die erforderlichen Korrekturen der MaBnahme einher. Wie kann der UN-Sicherheitsrat jedoch dieser Beobachtungs- und Korrekturpflicht nachkommen, wenn er die Schutzzonensicherung wie in Srebrenica einer Schutzzonentruppe iibertragt? Diese Frage stellt sich urn so mehr fiir den Fall, daB der UN-Sicherheitsrat die Schutz zone nicht selbst erklart, sondern wie in Ruanda von vornherein die Mitgliedsstaaten unter Art. 42 UNC zur zwangsweisen Errichtung und Sicherung einer Schutz zone ermachtigt.lnwieweit ist hier die Einhaltung des Mindeststandards iiberhaupt noch durch die Beobachtung und Kontrolle des UN-Sicherheitsrats sichergestellt?
1. Umfang der Oberwachungspflicht des UN-Sicherheitsrats
Handelt der UN -Sicherheitsrat zur Wiederherstellung des Weltfriedens und der international en Sicherheit selbst, behalt er die vollstandige Kontrolle iiber seinHandeln und kann es jeder Zeit beobachten sowie entsprechend den veranderten tatsachlichen Verhaltnisse anpassen. In den meisten Fallen, wie auch bei der Sicherung oder der zwangsweisen Errichtung einer Schutzzonedl1rch militarische MaBnahmen, fehlen dem UN-Sicherheitsrat aber die Fahigkeiten zur Umsetzung seiner Beschliisse. Dbertragt er die Ausfiihrung der MaBnahme in diesem Fall auf ein anderes Organ oder gar eine ext erne Einheit, entbindet ihn dies nicht davon, weiterhin die RechtmaBigkeit der MaBnahme und ihre Ausfiihrung zu beobachten und kontrollieren. 149 The Fall of Srebrenica, para. 282. 150 Vgl. dazu: Rhode, A Safe Area, 309 f. 151 Vgl. Anklage der Mothers of Srebrenica and Podrinja Association v. United Nations Officials and others (for Srebrenica Massacre), erhiiltlich unter: www.Srebrenica.org. 152 The Fall of Srebrenica, para. 474.
254
Gewahrung fundamentaler Rechte in der Schutzzone
Die Ubertragung von Kompetenzen auf Nebenorgane sowie externe Einheiten setzt eine effektive Kontrolle des UN-Sicherheitsrats iiber die Ausfiihrung der delegierten MaBnahmen voraus. 153 Dies ist sowohl als Konsequenz cler Ubertragung politischer Verantwortung als auch der in Kapitel VII UNC vorgesehenen zentralisierten Ausiibung von Gewalt durch die UN allgemein anerkannt. 154 Der UN-Sicherheitsrat muB eingreifen konnen, wenn das Mandat nicht richtig ausgefiihrt wird und es modifizieren oder gar beenden konnen, wenn die tatsachliche Lage dies erfordert. 155 Die Kontrolle iiber die MaBnahme kann der UN -Sicherheitsrat entweder dadurch behalten, daB er eine UN-kommandierte Peace.,.KeepingTruppe nach Art. 7 (2), 29 UNC als sein Nebenorgan errichtet, deren Mandat er jederzeit andern oder sie zuriickholen kann;156 oder, wenn er die Sicherung der Schutzzone den Mitgliedstaaten iibertragt, indem er . enges 157 un d Wle . m . R uand a b efnstetes . 158 M an d at f ormu1·lert. em Die vollstandige Kontrolle iiber die Sicherung der elementaren Rechte in der Schutzzone verlangt aber vor aHem auch ausreichende Kenntnis der tatsachlichen Situation und cler UmsetzungsmaBnahmen. Deswegen
153 FroweinlKrisch, Art. 42, Rdnr. 25, in: Simma; Gaja, Use of Force, 46; Blokker, Is the Authorization Authorized?, 551 f.; White, Keeping the Peace, 118; Sarooshi, Collective Security, 128 ff., 159 f. Dies ist insbesondere bei der
Dbertragung von Ermessensentscheidungen wichtig. Eine allgemeine Abtretung der Feststellungsbefugnis nach Art. 39 ist deswegen unzulassig. Vgl. FroweinlKrisch, Introduction Ch. VII, Rdnr. 33, in: Simma; Sarooshi, Collective Security, 36 ff. Zur grundsatzlichen Zulassigkeit der Ubertragung von Kompetenzen des UN-Sicherheitsrats: Siehe oben 3. Kapitel, III.1.c)(l). 154
FroweinlKrisch, Introduction Ch. VII, Rdnr. 33, Art. 42 Rdnr. 25.
155
Sarooshi, Collective Security, 159 f.
156 Zu dies en Voraussetzungen fur Nebenorgane: RoP, 1946-51,202 ff.; Sarooshi, Collective Security, 89, 128 H. 157 FroweinlKrisch, Art. 42, Rdnr. 27, in: Simma; Quigley, Privatization of Security Council Enforcement Action, 264; Sarooshi, Collective Security, 41, 155; White, Keeping the Peace, 118. Ermessensentscheidungen konnen nur mit Ausfuhrungsvorgaben ubertragen werden. So ist insbesondere eine allgemeine Abtretung der Feststellungsbefugnis nach Art. 39 unzulassig. Vgl. FroweinlKrisch, Introduction Ch. VII, Rdnr. 33, in: Simma; Sarooshi, Collective Security, 36 H.
158 Die Alliierten wurden in Ruanda nur fur zwei Monate mandatiert bzw. solange his UNAMIR fahig sein wiirde, die Aufgabe zu ubernehmen. S/RES/929, 22.6.1994, para. 4, siehe oben 1. Kapitel, II.3.a).
6. Kapitel: Sicherstellung des Mindeststandards
255
muB der UN-Sicherheitsrat, wenn er Kompetenzen iibertragt, die MaBnahme iiberwachen und der Truppe eine Berichtspflicht iiber die Ausiibung der iibertragenen Kompetenzen auferlegen. 159 Zur Dberwachung der MaBnahme kann er wie in Bosnien Beobachtertruppen entsenden und den UN-Generalsekretar urn Berichterstattung bitten. 160 In Ruanda sah der UN-Sicherheitsrat fUr Operation Turquoise ebenfalls klare Berichtspflichten vor. 161 Der UN-Sicherheitsrat kann damit seiner Beobachtungs- und Kontrollpflicht in einer von ihm autorisierten oder erklarten Schutz zone dadurch nachkommen, daB er wie in Srebrenica der Truppe oder dem UN-Generalsekretar eine Berichtspflicht auferlegt. Letzterer kann jedoch wiederum einen Sondergesandten mit der Berichterstattung beauftragen. Das Beispiel Srebrenica, in dem gerade die fehlerhafte Informationsweitergabe durch Dutchbat sowie den Sondergesandten des UNGeneralsekretars Akashi kritisiert wird,162 zeigt jedoch deutlich, daB diese mittel bare Dberwachung einer MaBnahme durch den UN-Sicherheitsrat aufgrund ihrer langen und komplizierten Berichtswege schnell ineffizient zu werden droht und enorm fehieranfallig ist. Sie hat nicht zuletzt in Srebrenica zu einem verfalschten Bild der tatsachlichen Bedrohungslage durch die serbischen Kampfer gefiihrt. Es wird sogar davon ausgegangen, daB eine bessere Informationspolitik den UNSicherheitsrat und die Mitgliedstaaten eher zu einem entschiedeneren Vorgehen veranlassen und das Massaker in Srebrenica verhindern oder zumindest in seinem AusmaB verringern hatten konnen. 163 Aber auch hier ist in Anbetracht der Tatsache, daB die Mitgliedstaaten teilweise
159 Eine Berichtspflicht der Truppe wurde bisher vorrangig bei PeaceKeeping-Operationen eingefugt, jedoch ist in letzter Zeit eine allgemeine Anerkennung dieser Voraussetzung zu beobachten: Vgl. SIRES/794j S/PV.3145, 7 f., 13 f., 24 f., 29 f., 32,43. Vgl. aUg. zur Berichtspflicht: FroweinlKrisch, Art. 42, Rdnr. 25, 26, in: Simmaj Sarooshi, Collective Security, 155, 161 f., 163. 160
Sarooshi, Collective Security, 160j vgl. fur Srebrenica S/RES/824, para. 6.
161 S/RES/929, 22.6.1994, para. 10. 162 Siehe oben II. 163 The Fall of Srebrenica, para. 487, 497. So wurde in den Untersuchungsberichten vor allem der mangelnden Informationspolitik die Schuld zugewiesen: Wiebes, Intelligence en de oorlog in Bosnie, 11 ff.j Rapport D'Information, Srebrenica, 72 ff. "En bref, l'ONU ne savait pas ce qU'elle savait, faute d'une gestion coordonnee de l'information. Et elle en savait tres peut.» Rapport D'Information, Srebrenica, 73j dazu auch, The Fall of Srebrenica, para. 474.
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Gewahrung fundamentaler Rechte in der Schutzzone
uber mehr Informationen als die UN verfugten,164 wieder den Mitgliedsstaaten eine wesentliche Verantwortlichkeit bei der Dberwachung zuzuschreiben. Sie sind als Mitglieder der UN genauso verpflichtet, fur den Mindeststandard in einer UN -Schutzzone zusorgen und durfen dem UN-Sicherheitsrat .insbesondere keine entscheidungserheblichen Informationen vorenthalten.
2. Uberwachung des Schutzstandards durch andere UN-Organe In Srebrenica haben sowohl der UN-Generalsekretar als auch der UNSpezialberichterstatter fur Menschenrechte in Srebrenica fruhzeitig erklart, da~ der Schutz der Bevolkerung in der Schutzzone nicht ohne ein entschiedeneres Vorgehen, eine vollstandige Entmilitarisierung und Abgrenzung der Schutzzone oder die Evakuierung der Bevolkerung erreicht werden konne. 165 Dabei verwiesen sie zwar nicht auf die serbische Einnahmeabsicht aber wiederholt auf die katastrophale humanitare Lage in der Schutzzone. Obwohl dem UN-Sicherheitsrat also zumindest Informationen zur menschenunwurdigen Lage in der Schutzzone und dringende Handlungsempfehlungen vorlagen, ergriff er keine weiteren Ma~nahmen zur Sicherung der Schutzzone. 166 Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, inwieweit uberhaupt eine Ruckbindung des UN -Sicherheitsrats an Berichte und Empfehlungen anderer UNOrgane besteht und zur Durchsetzung des menschenrechtlichen Mindeststandards in der Schutzzone beitragen kann.
a) UN-Generalsekretar In Bosnien beauftragte der UN-Sicherheitsrat den UN-Generalsekretar mit den fortlaufenden Berichterstattungen und Empfehlungen zur Imp~
164 The Fall of Srebrenica, para. 486 f. So trat Madeleine Albright erst am 10. August 1995 mit Luftaufnahmen vom 11. bis 17. Juli vor den VN-Sicherheitsrat: Rapport D'Information, Srebrenica, 117 f. 165 Vgl. Final Report on the situation of human rights in the territory of the former Yugoslavia submitted by Mr. Tadeusz Mazowiecki, E/CN.4/1996/9, 22.8.1995, para. 125; UNSG-Report, S/1994/555, 9.5.1994, para. 23 ff., S/1994/1389, 1.12.1994, para. 45 ff. 166 Conference Scene, Vne journee de reflexion sur la tragedie de Srebrenica, Colloque a Paris Ie 15 decembre 2001, International Law Forum Du Droit International,4 (2002)1, 41 ff., 44.
6. Kapitel: Sicherstellung des Mindeststandards
257
lementierung des safe-area-Konzeptes, 167 woraufhin er auf die Mangel der Schutzzonenpolitik hinwies und verschiedene Verbesserungsvorschlage formulierte. 168 Insoweit kam dem UN-Generalsekretar vor allem in seiner Empfehlungs- und Auskunftskompetenz gegenuber dem UN-Sicherheitsrat besondere Bedeutung zu. Der UN-Generalsekretar kann aber auch als hOchster Verwaltungsbeamte der Organisation (Art. 97 S. 3 UNC) nach Art. 99 UNC von sich aus die Aufmerksamkeit des UN-Sicherheitsrats auf eine friedensbedrohende Angelegenheit wie die fortwahrenden Menschenrechtsverletzungen und fatalen humanitaren Umstande in einer Schutzzone lenken. Zudem kann er von sich aus Empfehlungen zur rechtlichen Gestaltung, Verantwortungsverteilung und menschenrechtlichen Situation in einer konkreten Schutz zone abgeben. Dies ergibt sich aus der standigen Praxis des UN-Generalsekretars zu Art. 99 UNC, in dem ein allgemeines Initiativrecht gegenuber dem UN-Sicherheitsrat fur Erklarungen, Vorschlage und Resolutionsentwurfe zu allen politischert Fragen verortet wird. 169 Zwar ist eine rechtliche Bindung des UN-Sicherheitsrats an solche Auskiinfte, Empfehlungen und Vorschlage des UN-Generalsekretars nicht explizit in der UN-Charta vorgesehen, jedoch muB sie der UNSicherheitsrat i.S.d. Loyalitat zwischen den UN-Organen bei seinen Entscheidungen nach Treu und Glauben beachten. Die gemeinsame Verpflichtung zur Friedenssicherung der UN-Organe verlangt, daB der UN-Sicherheitsrat zumindest dringliche Empfehlungen des UN-Generalsekretars zur Verhinderung schwerer Menschenrechtsverletzungen nach Treu und Glauben in seine Diskussionen mit einbezieht; dies muB insbesondere dann gelten, wenn er selbst urn diese Empfehlungen oder Auskunfte gebeten hat. l7O Der UN -Sicherheitsrat darf etwa wiederholte Aufrufe des UN-Generalsekretars zur Entmilitarisierung und Delinea167
Vgl. zur Umsetzung der ZwangsmaBnahmen in den Schutzzonen:
S/RES/836, 4.6.1993, para. 13; S/RES/844, 18.6.1993, para. 6; zur Ausweitung
des saJe-area-Konzeptes auf weitere Stadte; zur Umsetzung des Schutzzonenkonzeptes S/RES/900, 4.3.1994, para. 7; S/RES/959, 19.11.1994, para. 7 und UNSG-Report S/1994/1389, 1.12.1994. 168 Vgl. UNSG-Report, S/1994/555, 9.5.1994, para. 23 ff., S/1994/1389, 1.12.1994, para. 45 ff., wo er insbesondere die Entrnilitarisierung und Begrenzung der Schutzzonen forderte. 169 Fiedler, Art. 99 Rdnr. 14, in: Simma. 170 Zu dieser inter-organschaftlichen Loyalitat: HailbronnerlKlein, Art. 11, Rdnr. 33, in: Simma.
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Gewahrung fundamentaler Rechte in der Schutzzone
tion des Schutzzonengebiets wie in Srebrenica nicht miBachten, sondern muB sich damit auseinandersetzen. Insbesondere bei der Frage der Erforderlichkeit weiterer SchutzmaBnahmen in einer Schutzzone hat er Berichte, Empfehlungen und Vorschlage des UN-Generalsekretiirs bei seiner Abwagung zu beachten. Zur Effektivierung des Menschenrechtsstandards in der Schutz zone und, urn menschenunwurdige Bedingungen wie in der Schutzzone Srebrenica zu verhindern, ware eine starkere freiwillige Ruckbindung des UN -Sicherheitsrats gerade in Fallen, da er selbst den UN-Generalsekretar urn Berichterstattung bittet, wunschenswert.
b) UN-Spezialberichterstatter fur Menschenrechte & Sondergesandter fur intern Vertriebene In Bosnien zeichneten die fortlaufenden Berichte des UN-SpezialBerichterstatters fur Mertschenrechte ein klares Bild der katastrophalen humanitaren Bedingungen in Srebrenica und des geringen Schutzpotentials UNPROFORs. l7l Obwohl sie dem UN-Sicherheitsrat eindeutig die Notwendigkeit weiterer Schutz- oder EvakuierungsmaBnahmen darlegten, reagierte dieser nicht. 172 Dabei kommt gerade der UN -Menschenrechtskommission mit ihren Spezialberichterstattern sowie dem 1993 berufenen Sonderbeauftragten des UN-Generalsekretars fur intern Vertriebene 173 die Dberwachung der fundamentalen Rechte der Bevolkerung zu. Sie sammeln in sogenannten "Country missions" die entsprechenden Informationen uber die Menschenrechts- und humanitare Lage und berichten insbesondere der UN-Menschenrechtskommission 174 und UN-Generalversammlung. 175 Da sie nicht direkt an den 171 E/CNA11994/3, 5.5.1993; E/CNA11994/6, 26.8.1993, E/CNA11994/47, 17.11.1993; E/CNAI1994/110, 21.2.1994; E/CNA11995/4, 10.6.1994; E/CNAI 1995,10,4.8.1994; vgl. Auch das Fazit des Spezialberichterstatters in: E/CNAI 199619, 22.8.1995, para. 125.
l72 V gl. Letter addressed by T. Mazowiecki to the Chairman of the Commission on Human Rights, E/CNAI1996/9, 22.8.1995, Annex 1. 173 Seit 1992 sitzt Francis Deng auf dieser Position des Spezialberichterstatters. 174 Die UN-Menschenrechtskommission berichtet an ihr iibergeordnetes Hauptorgan, den Wirtschafts- und Sozialrat. Dieser wird nur auf Initiative des UN-Sicherheitsrats nach Art. 65 UNC konsultiert. Kritisch zur mangelnden Einschaltung des Wirtschafts- und Sozialrats durch den UN -Sicherheitsrat: Kunig, Art. 65, Rdnr. 6, in: Simma.
6. Kapitel: Sicherstellung des Mindeststandards
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UN-Sicherheitsrat berichten konnen und er auf die Berichte sowie die darin enthaltenen Empfehlungen nicht reagieren muB, fehlt dem UNSpezialberichterstatter fur Menschenrechte sowie dem Sonderbeauftragten fur intern Vertriebene noch mehr als dem UN-Generalsekretar eine entsprechende Ruckbindung des UN~Sicherheitsrats an ihre Arbeit. 1m Hinblick auf die Glaubwurdigkeit der Menschenrechtspolitik der UN und die Effektivitat dieser Hilfsorgane muB aber auch hier eine Treu- und Glaubens-Bindung des UN-Sicherheitsrats an ihre Empfehlungen und Berichte angenommen werden. Wenn die UN-Menschenrechtskommission und ihre Spezialberichterstatter sowie der UNSonderbeauftragte einerseits die Einhaltung der Menschenrechte und humanitaren Rechte kontrollieren sollen, jedoch andererseits nur an die fehlerhaft handelnden Mitgliedstaaten Berichte senden konnen, nicht aber an den UN-Sicherheitsrat, der ebenfalls elementare Menschenrechte zu achten hat, lauft das Bekenntnis der UN zu den Menschenrechten leer und wird unglaubwurdig. Dies war wesentliche Motivation fur den UN-Spezialberichterstatter fur Menschenrechte im ehemaligen Jugoslawien, Tadeusz Mazowiecki, von diesem Posten zuruckzutreten. 176 Gerade aufgrund ihrer groBeren Sachnahe gegenuber dem UNSicherheitsrat und ihrer Rolle fur die Menschenrechtspolitik im System
175 Der Sonderbeauftragte des UN-Generalsekretars fur intern Vertriebene berichtet ebenfalls direkt nur der UN-Menschenrechtskommission und der UN-Generalversammlung. Daneben erstattet er zusatzlich auch einem InterAgenry Standing Committee (IASC) Bericht, das dem Emergenry Relief Coordinator untergeordnet ist und dessen standiger Tagesordnungspunkt ebenfalls das Schicksal intern Vertriebener darstellt. Vgl. zur Berichtspflicht auch: OHCHR, Mandate and activities of the Representative of the SecretaryGeneral on Internally Displaced Persons, F. M. Deng, www.unhcr.ch/. Die Funktion des Emergenry Relief Coordinator ubt der Direktor des OCHA aus. Das IASC vereint die groBten humanitaren UN-, nicht UN-Agenturen und NGOs und solI der internationalen Kooperation sowie Konsensbildung bei der Reaktion auf zivile Katastrophen dienen. Die IASC dient sozusagen als Schnittpunkt der verschiedenen Organisation en, die sich mit dem Schicksal intern Vertriebener befassen. Vgl. dazu mit einer Liste der in IASC beteiligten Organisationen: www.reliefweb.int/. Inzwischen wurde auch eine Einheit fur IDP Fragen im OCHA eingerichtet, vgl. Statement of the Representative of the Secretary-General on internally Displaced Persons, Dr. Francis Deng, to the 58th Session of the Commission on Human Rights, 11.4.2002. 176 "I (... ) cannot continue to participate in the pretence of the protection of human rights." E/CN.4/1996/9, 22.8.1995, Annex I.
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Gewahrung fundarnentaler Rechte in der Schutzzone
der UN-Charta muB eine starkere freiwillige Ruckbindung des UNSicherheitsrats bei Schutzzonen an die Menschenrechtsorgane uber eine Auskunftsanfrage nach Art. 65 UNC genauso vorangetrieben werden wie eine grundsatzlich starkere Bindung an vielleicht auch unerwunschte Stellungnahmen. Wiederholte Forderungen eines UN-Spezialberichterstatters oder der UN-Menschenrechtskommission nach einer Anderung oder Erganzung der Schutzzone, wie es fur Srebrenica geschehen ist, konnen yom UN-Sicherheitsrat nicht gutglaubig ubergangen werden. 177
c) Zusammenfassung und Ausblick Srebrenica hat gezeigt, daB die Dberwachung und Gewahrleistung des Schutzes und der elementaren Rechte der Bevolkerung in UNSchutzzonen durch die Berichterstattung des bisweilen yom UNSicherheitsrat selbst beauftragten UN-Generalsekretars und dem sachnahen Spezialberichterstatter fur Menschenrechte effektiviert werden konnte. Sie haben dem UN-Sicherheitsrat entsprechende Warnungen und Empfehlungen gesendet, nur hat er diese nicht umgesetzt. Zwar ist der UN-Sicherheitsrat auch nicht an diese Empfehlungen rechtlich gebunden, jedoch muB er sie im Lichte der Loyalitat der UN-Organe und der Glaubwurdigkeit der UN-Menschenrechtspolitik zumindest nach Treu und Glauben bei seinen Entscheidungen beachten. Der UNSicherheitsrat hatte in Bosnien die drangenden Forderungen nach einer Verstarkung der Schutzzonensicherheit und Durchsetzung der humanitaren Hilfe nicht ubergehen durfen. Die Berichte und Empfehlungen des UN-Generalsekretars und Spezialberichterstatters fur Menschenrechte sowie des Sondergesandten fur intern Vertriebene konnen also nicht nur die Diskussion unter den Mitgliedsstaaten im UN-Sicherheitsrat und in der Offentlichkeit anregen, sondern engen auch das Ermessen des UN -Sicherheitsrats hinsichtlich der Bedrohungssituation und den konkreten SchutzmaBnahmen ein. Zur Effektivierung des Mindeststandards in Schutzzonen ist allerdings uber eine verstarkte Ruckbindung des UN-Sicherheitsrats zumindest an von ihm angeforderte Stellungnahmen und Empfehlungen des UNGeneralsekretars nachzudenken, urn dadurch einer fortwahrenden und evidenten MiBachtung von Warnungen vorzubeugen. Ebenso muB in 177 Mazowiecki forderte eine rechtliche Bindung des UN-Sicherheitsrats an die Berichte des Spezial-Berichterstatters, urn eine schnelle Reaktion erreichen zu konnen: E/CNAI1996/9, 22.8.1995, Rdnr. 125, 129.
6. Kapitel: Sicherstellung des Mindeststandards
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Zukunft dem UN -Spezialberichterstatter fur Menschenrechte sowie dem UN -Sonderbeauftragten fur intern Vertriebene aufgrund ihrer Anwesenheit vor Ort und ihrer Sachnahe eine zentrale Rolle bei der Kontrolle der menschenrechtlichen und humanitaren Lage in Schutzzonen zukommen. Dazu sind ebenfalls eine starkere Konsultation und Selbstbindung des UN-Sicherheitsrats an ihre Berichte und Empfehlungen zu fordern. Sie konnten letztendlich als neutrale Instanz - ahnlich der Schutzmacht im humanitaren Volkerrecht, die u.a. durch weitreichende Beobachtungsrechte zur Einhaltung desselben in Gebieten der Konfliktparteien beitragt, l78 - uber die Wahrung des menschenrechtlichen Mindeststandards in einer Schutzzone wachen, den UNSicherheitsrat uber die Rechtssituation und Gefahrdungslage informieren und zu einer entsprechenden Anpassung und Effektivierung seiner Schutzzonenpolitik veranlassen.
III. Ergebnis: Sicherung des Mindeststandards durch den UN-Sicherheitsrat
Wenn der UN-Sicherheitsrat eine Schutzzone erklart oder ermachtigt mu6 er grundsatzlich auch durch entsprechende Schutzma6nahmen einen Mindeststandard an fundamentalen Rechten der Schutzzonenbevolkerung gewahrleisten. Jedoch wird seine Schutzpflicht durch einen wei ten Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Bedrohung der erforderlichen Schutzma6nahmen stark eingeschrankt: Er mu6 allein Volkermord, systematische Verletzungen des Rechts auf Leben sowie eine dauerhafte und evidente Beeintrachtigung des Mindeststandards in der Schutzzone verhindern. Und auch nur in letzteren Fallen ist der UNSicherheitsrat zu weiteren Schutzma6nahmen verpflichtet. Insgesamt kann damit zur Friedenssicherung aufgrund der politischen Bewertung des UN-Sicherheitsrats schon eine Schutzzone ausreichen, die nicht zu jeder Zeit und nur in einem sehr geringen Ausma6 fundamentale Rechte der Bevolkerung gewahrleistet. Zudem gefahrden die nur mittelbare Beobachtung der Schutzzonensituation des UN-Sicherheitsrats, komplizierte Informationswege sowie seine mangelhafte Ruckbindung an
178 Zur Einsetzung der Schutzmachte vgl. Art. 8-10 GK I; Art. 8-10 GK II, Art. 8-10 GK III; Art. 9-11 GK IV Zu Kontrollrechten der Schutzmacht vgl. z.B.: Art. 30, Art. 55 (3) GK IV Insgesamt zur Funktion der Schutzmacht: Wolfrum, in: Fleck, Handbuch, Rdnr. 1215, insbes. 1217.
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Gewahrung fundamentaler Rechte in der Schutzzone
Berichte und Empfehlungen anderer UN-Organe die erforderliche Anpassung der Schutzzonenpolitik. Wegen dieser insgesamt nur geringen Absicherung und indirekten Uberwachung des menschenrechtlichen Mindeststandards in der Schutzzone durch den UN-Sicherheitsrat konnen UN-Schutzzonen nur dann als .Schutzmoglichkeit fUr verfolgte Personen in Betracht kommen, wenn der UN-Sicherheitsrat entweder bereits die Schutzzonenerrichtung wie in Ruanda an die Mitgliedsstaaten delegiert oder generell mit seiner Schutzzonenerklarung gleichzeitig ein ausreichendes Zwangspotential, die Errichtung von Schutzkorridoren sowie fur den Notfall einen Evakuierungsplan sicherstellt. Fur einen angemessenen Menschenrechtsschutz in UN-Schutzzonen und eine effektivere Schutzzonenpolitik des UN-Sicherheitsrats bleibt zudem ein Nachdenken uber institutionelle Reformen im UN-Menschenrechtssystem unausweichlich. Dabei erscheinen ein starkerer EinfluB der UN-Menschenrechtsorgane genauso wie eine Institutionalisierung der Uberwachungs- und Berichtsmissionen fur Schutzzonen beispielsweise durch einen speziellen AusschuB fur die Rechte der Schutzzonenbevolkerung elementar.
Fazit Dritter Teil: Konsequenzen volkerrechtswidrigen Unterlassens von SchutzmaBnahmen durchdie UN Insbesondere im Hinblick auf die gravierenden Folgen, die Fehler im Rahmen der UN-Verwaltung, ihre verspatete Reaktion sowie die unterlassenen SchutzmaGnahmen durch den UN-Sicherheitsrat in der safe area Srebrenica nach sich zogen, ist abschlieGend nach den Haftungsfolgen dieses volkerrechtswidrigen Verhaltens fur die UN zu fragen. Unbestrittene Folge volkerrechtlicher Verbrechen bildet die strafrechtliche Ahndung der verantwortlichen Einzelpersonen. Die UN mussen deswegen die Hauptverantwortlichen fur das Massaker in der Schutzzone sowohl auf Seiten der serbischen Konfliktpartei als auch der UN zur Verantwortung ziehen. Die Volkerrechtsverbrechen durch die serbische Konfliktpartei, die die UN in ihrem Verantwortungsgebiet zugelassen haben, mussen sie zumindest nachtraglich verfolgen. Insoweit stellt der yom Bosnien-Verwalter Paddy Ashdown in Auftrag gegebene Untersuchungsbericht einer bosnisch-serbischen Kommission, der die konkrete Beteiligung bosnischer Serben herausarbeitet, l einen wesentlichen Schritt zur Aufarbeitung, Aufdeckung und Verfolgung der Straftaten dar. Allerdings kam es bisher, obwohl eine entsprechende Instanz in Form des ICTY zur Verfugung steht, erst zu vier Verurteilungen wegen des Massakers in Srebrenica;2 acht weitere Verantwortliche sind angeklagt. 3 Hier muG es Prioritat der UN sein, der Angeklagten, insbesondere der beiden Hauptverantwortlichen fur das Massaker in Srebrenica, des Serbenfuhrers Radovan Karadzic und seines Generals Ratko Mladie, habhaft zu werden, um ihre Taten zu ahnden. 4
www.ohr.int/ohr-dept/. 2 Krstic, IT-98-33, 19.04.04; Erdemovic, IT-96-22T, OS.03.1998; Obrenovic 1T-02-60/2, 10.12.2003, und M. Nikolic IT-02-60/1, 02.12.2003.
Milosevic, IT-02-S4; Karadzic/Mladic, IT-9S-S/18; D. Nikolic, IT.02-63; BlagojeviclJokic, IT-02-60; Popovic, 1T-02-S7; Beara, IT-02-S8. 4 Zu dieser Kritik: Rapport D'lnformation, Srebrenica, 166 ff. The Fall of Srebrenica, para. SOl ff.
264
Gewahrung fundamentaler Rechte in der Schutzzone
Aber auch innerhalb der UN fehlen bisher klare personelle Konsequenzen. So wurden vor allem die kritisierte unangemessene Friedenspolitik des General Janvier und die Fehleinschatzung des Sondergesandten des UN-Generalsekretars Akashi, diezur Ablehnung der Luftunterstutzung im entscheidenden Zeitpunkt fuhrten,5 bisher nicht weiter verfolgt. Selbst die unzahligen Untersuchungsberichte zur Beteiligung der UN und der Mitgliedsstaaten an dem Massaker6 konnten nicht eindeutig aufklaren, ob es einen Deal zwischen Janvier und Mladic gab und inwiefern tatsachlich absichtlich falsche Informationen weitergegeben wurden. Diese Berichte konnen auch im ubrigen nicht als Exkulpation der UN oder der sie beauftragenden Staaten angesehen werden, da in ihnen fast vollstandig die Frage rechtlicher Konsequenzen ausgeklammert und allein von moralischen Pflichten gesprochen wird. Genauso kann der in Folge des belastenden Untersuchungsberichts des niederlandischen Parlaments erfolgte Rucktritt der gesamten niederlandischen Regierung im April 2002 nach sieben Jahren und in Anbetracht der Tatsache, dag einen Monat spater Neuwahlen bevorstanden, nur als symbolischer Akt und nicht als politische Verantwortungsubernahme angesehen werden. Zudem verpflichtet aber die volkerrechtliche Verantwortlichkeit der UN fur die durch ihre Organe begangenen Verbrechen ebenfalls zur Reparation des Schadens insbesondere in Form der Entschadigung. 7 Eine solche Reparationspflicht mug aufgrund der anerkannten Volkerrechtssubjektivitat der UN 8 auch fur sie als internationale Organisation geiten, da die volkerrechtliche Haftung nur die logische Folge der Volkerrechtssubjektivitat bildet. Deswegen ist auch allgemein anerkannt, dag die UN fur Volkerrechtsverletzungen ihrer Organe Schadenersatz
Rapport D'Information, Srebrenica, 132 ff.; Srebrenica, 12; Enquete Srebrenica, 4.3.10.; JJulliard, Should Janvier be Held Accountable for the Events at Srebrenica?, Le Nouvel Observateur, 3.-9. Okt. 1996, erhaltl. unter: www.haverford.edu. B. Jagger, The Betrayal of Srebrenica, The European, 25.Sept.-1.0kt. 1995, erhaltl. unter: www.haverford.edu. Rhode, A Safe Area, Sunday, July 9, 1995. Vgl. dazu oben Einleitung, Fn.5. 7 Chorzow Factory Case (1928), PCJ Ser. A, No. 17,29. Vgl. dazu Amra/lah, The International Responsibility, 61. Art. 34 ff. des Entwurfs zur Staatenverantwortlichkeit, A/CNAI1.60Z/Rev.1.
Siehe oben 3. Kapitel, IV.
Fazit Teil3: Konsequenzen fur die UN
265
und Wiedergutmachung zahlen mussen. 9 In diesem Sinne haben die UN in der Vergangenheit wiederholt fur Volkerrechtsverletzung von UNPeace-Keeping-Truppen die Zahlung von Entschadigungen ubernommen: 1961 erkannten sie ihre Pflicht zu Entschadigungszahlungen an Mitglieder einer Delegation des IKRK in Katanga an, die in der Nahe der von der UN-Truppen besetzten Stadt Elisabethville in Katanga Schaden erlitten hatten. 1O 1m Kongo schlossen die UN 1965 mit Belgien ein Entschadigungsabkommen fur belgische Staatsangehorige, die Schaden durch ONUC erlitten hatten. 1I Damit sind die UN auch aufgrund ihres volkerrechtswidrigen U nterlassens der erforderlichen SchutzmaBnahmen in Srebrenica verpflichtet, Entschadigungen an die Opfer und Hinterbliebenen von Srebrenica zu zahlen. DaB die Organisation nicht Hauptverursacher der Massentotungen und MiBhandlungen war, sondern viel mehr die serbische Konfliktpartei,12 spielt keine Rolle. Fur die volkerrechtliche Verantwortlichkeit kommt es allein auf die Volkerrechtsverletzung der UN an, die zumindest mitursachlich fur die Opfer bei der Einnahme der Schutzzone waren. Zwar ist es schwer, die Verursachung jeder konkreten Tat festzuniachen, jedoch haben die UN erklart, aIle Menschen in Srebrenica zu schutzen, so daB auch eine allgemeine Haftung fur aIle mit der brutalen Einnahme verbundenen Opfer angenommen werden kann. Hier ware ein Entschadigungstopf fur die Opfer und Hinterbliebenen des Massakers in Srebrenica denkbar. Bis heute sind jedoch noch keine Zahlungen an die Opfer erfolgt. Versuche einer Ahndung des volkerrechtswidrigen Verhaltens der UN wurden bereits vor dem Fall der Schutzzone durch die von Bosnien gegen GroBbritannien angestrebte aber spater nicht weiterverfolgte Klage wegen der Aufrechterhaltung des Waffenembargos vor dem IGH un9 Institut de Droit International, Annual IDI, Vol. 54 II (1971), 469; Annual IDI, Vol. 56 (1975), 543; Ginther, in: Bernhardt, EPIL II, 1337; Meng, Internationale Organisationen, 328 ff.; Schermers, Liability of International Organizations, 6 ff.; Amrallah, The International Responsibility of the United Nations, 61 ff.; KocklFischer, Internationale Organisationen, 592 ff.; Bothe, Streitkrafte internationaler Organisationen, 149 ff.; Miiller, Grundsatze der volkerrechtlichen Verantwortlichkeit internationaler Organisationen, 157. 10
Vgl. dazu: KocklFischer, Internationale Organisation en, 593.
11 Agreement between Belgium and UN. 20. Feb. 1965, Revue BeIge, Vol.1 (1965),559.
12 Vgl. hierzu die Entscheidung des IeTY zu Srebrenica: Krstic, IT-98-33, 02.08.01; Erdemovic, IT-96-22T.
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Gewahrung fundamentaler Rechte in der Schutzzone
ternommen. 13 Funf Jahre nach dem Massaker in Srebrenica forderte die Mothers of Srebrenica and Podrinja Association durch den Volkerrechtler EA. Boyle die ChefankIagerin des ICTY, Carla del Ponte, auf, Anklage gegen "United Nations Officials and Others" zu erheben. 14 Damit strebten sie neben der individuellen Ahndung der Verantwortlichen innerhalb der UN sowie auf serbischer Seite ebenfalls Entschadigungszahlungen an die Opfer und Hinterbliebenen des Massakers an. Vor dem ICTY wurden jedoch bis heute keine weiteren Ermittlungen in dieser Sache aufgenommen. Bisher erschopft sich also die Konsequenz des Fehlverhaltens der UN in Srebrenica in der vom UN-Generalsekretar erklarten moralischen Verantwortung: "Srebrenica crystallized a truth understood only too late by the United Nations and the world at large: that Bosnia was as much a moral cause as a military conflict. The tragedy of Srebrenica will haunt our history forever. In the end, the only meaningful and lasting amends we can make to the citizens of Bosnia and Herzegovina who put their faith in the international community is to do our utmost not to allow such horrors to recur.,,15
13
Vgl. dazu Scott, Memorial for Bosnia.
14 Angefiihrt werden als Angeklagte: Boutros Boutros-Ghali, Kofi Annan, Yasushi Akashi, Bernard Janvier, Rupert Smith, Herve Gobillard, Javis Voorhoeve, Cees Nicolai, Thomas Karremans, Robert Franken, Thornvald Stoltenberg, Carl Bildt, David Owen, Michael Rose, Their Subordinates. Anzeige erhaltlich unter: www.Srebrenica, org.
15 The Fall of Srebrenica, para. 503 f.
Zusammenfassung und Fazit UN-Schutzzonen stellen in den heutigen Konflikten, die die Vertreibung oder gar Vernichtung einer Bevolkerungsgruppe zum primaren Ziel haben, eine notwendige und geeignete Erganzung des bestehenden Schutz systems fur die verfolgte Zivilbevolkerung dar. 1 Hier kapituliert das System der konsensualen Schutzzonen im humanitaren Volkerrecht, und das speziell fur die Verfolgungssituation geschaffene Fliichtlingsrecht ist wegen seiner Ausrichtung auf einzelne Fluchtlinge mit dem heutigen Phanomen der Massenflucht uberfordert und Iafh vor allem die innerhalb eines Landes vertriebenen Personen schutzlos. Die Idee des zwangsweise durchsetzbaren internationalen Schutzes vertriebener Personen in ihrem Heimatstaat, wie ihn die UN-Schutzzonen fordern, bietet insoweit eine willkommene Losung. Sie unterstutzt das heute anerkannte Recht auf Heimat und verhindert Folgeprobleme einer Flucht wie die Ausweitung des Konflikts und die langwierige Ruckfuhrung der vertriebenen Bevolkerung. Gleichzeitig Fullen sie die Schutzlucke fUr solche verfolgten Personen, die aus Gebrechlichkeit oder aufgrund von Gefahren fur Leib und Leben ihr Recht auf Flucht in ein anderes Land nicht wahrnehmen konnen oder wollen. UN-Schutzzonen bilden grundsatzlich auch eine volkerrechtlich zulassige MaBnahme der Friedenssicherung, die keinem besonderen Formenzwang unterliegt. Sie kommen jedoch in Zukunft nur dann als Schutzmoglichkeit in Betracht, wenn die Befugnisse und Verantwortlichkeiten in der Schutzzone klar zugewiesen und ein Mindeststandard an fundamentalen Rechten sichergestellt ist. Da der gewahrleistete Schutz- und Rechtsstandard wesentlich im Ermessen des UN-Sicherheitsrats steht, setzt dies einen bereits im Schutzzonenmandat manifestierten politis chen Willen der Staaten voraus, die fundamental en Rechte notfalls auch zwangsweise durchzusetzen, und fordert ein klares Schutzzonenkonzept. Die Vergangenheit hat in Zepa und Srebrenica nur allzu schmerzlich gezeigt, wie Schutzzonen am fehlenden politischen Willen der Staatengemeinschaft und dem Mangel eines klaren Konzepts scheitern konnen. Insoweit ist der Feststellung zuzustimmen:
So auch: Wills, Safe Haven, 26 ff.; Geifiler, Schutz von Internally Displaced Persons, 283 ff.; Sandvik-Nylund, Caught in Conflicts, 102.
Zusammenfassung und Fazit
268
"Safe havens are currently being promoted as a solution best able to secure the safety of displaced peoples, best suited to protecting peoples' "right to remain" and best able to protect people from social and cultural harm entailed in moving far from their home region. But unless the problems and responsibilities associated with setting up and maintaining safe havens are properly examined, the protections offered will frequently remain largely illusionary. ( ... ) If safe havens are to become the policy of the future there must be international agreement about when, where, how, with what resources and under whose authority external powers are to provide and maintain protected zones within another sovereign state.,,2 Mit der Absicht, in diese aufgeworfenen Fragen Klarheit zu bringen, sollen auf der Grundlage der in Teil zwei und drei erforschten rechtlichen Voraussetzungen und Bedingungen fur die Errichtung und Sicherung einer Schutz zone zusammenfassende Leitlinien fur den Einsatz von UN-Schutzzonen entworfen werden, die fur die Formulierung eines Schutzzonenkonzepts und ihre zukunftige Rolle beim Schutz verfolgter Personen bedeutsam erscheinen. AbschlieBend kann dann die Beantwortung der Frage gewagt werden, inwieweit UN-Schutzzonen tatsachlich als brauchbare Schutzmoglichkeit fur verfolgte Personen anzusehen sind.
I. Leitlinien fur den Einsatz von UN-Schutzzonen
Bevor ein eigener Ansatz fur Leitlinien zum Einsatz von UN -Schutzzonen prasentiert wird, solI zunachst ein kurzer Blick auf bisherige Vorschlage zu einer Konkretisierung des Konzeptes geworfen werden. Zwar gab es bisher nur sehr vereinzelte Bestrebungen, Bedingungen fur die Errichtung und Organisation von UN-Schutzzonen in einem Dokument festzuschreiben; bisweilen wurde sogar aus Flexibilitatsgesichtspunkten fur die bewuBte Offenlassung der Form und Definition von Schutzzonen pladiert. 3 Konkrete Prinzipien fur die Errichtung und Organisation von Schutzzonen finden sich insbesondere in den Vorschlagen des Asian-African Legal Consultative Committee (AALCC) von 1995 sowie der ILA in ihrer London Declaration von 2000.
2
Wills, Safe Haven, 26 ff., 31. Sandoz, Safety Zones, 926.
Zusammenfassung und Fazit
269
1. Asian-African Legal Consultative Committee
Das friiheste aber weitaus ausfiihrlichste Modell fiir eine internationale Schutzzone auf der Grundlage einer UN-Sicherheitsratsresolution brachte das AALCC ein. Dessen Sekretariat schlug bereits 1989 13 Prinzipien vor, die als Rahmen fiir die Errichtung von sogenannten "Safety Zones" dienen sollten.4 Diese Prinzipien bildeten die Grundlage fiir die weitere Diskussion auf dem Treffen 19945 und die letztendliche gemeinsame Formulierung eines Vorschfags mit dem UNHCR fUr einen rechtlichen Rahmen fiir "Safety Zones" 1995. 6 Die yom AALCC formulierten Rahmenbedingungen enthalten vor allem Anwendungssituationen fiir Schutzzonen, Regelungen zu ihrer Organisation und ihrem Status. Danach konnen bei einer bestimmten Anzahl vertriebener Personen "Safety Zones" errichtet werden (2. (1». Ihre Grundlage solI neb en einer bindenden UN-Sicherheitsratsresolution ebenfalls die Zustimmung aller Konfliktparteien und eine Vereinbarung des klar umgrenzten sicheren Gebiets bilden (2. (2), (3». Gleichzeitig wird die vollstandige Entmilitarisierung fUr erforderlich erachtet (2. (4». Die Durchfiihrung der "Safety Zone" soll unter Oberaufsicht der UN erfolgen, die internationale Organisationen mit der Versorgung der Bevolkerung und - soweit erforderlich - eine Schutztruppe mit der Sicherung des Schutzzonengebiets betraut (3.) Des weiteren werden die Pflicht der Konfliktparteien· und des Gaststaates zur Kooperation mit internationalen Organisationen sowie die Achtung der Rechte der Bevolkerung festgeschrieben (4.). Diesbeziiglich formulieren die Grundsatze allein die faire Behandlung durch die internationalen Akteure sowie die gleiche Behandlung mit Personen auBerhalb der 4 Doc. No. AALCC/XXVIII/89/3, abgedruckt in: Asian-African Legal Consultative Committee, Report and Selected Documents of the Thirty-Third
Session, Tokyo, Japan, 17.-21.1.1991 (Report and Selected Documents, 1991), 148 ff. Asian-African Legal Consultative Committee, Report and Selected Documents, 1991, 148 ff. Aber auch dort wurden die Prinzipien nicht formlich angenommen, sondern man entschied sich fur eine weitere Untersuchung des Themas: Decision of the Thirty-third Session (1994) agenda item: "Status and Treatment of Refugees and Displaced Persons", 21.1.1994, para. 10, abgedruckt in AALCC, ibid., 133 f. 6 Proposed Legal Framework for the Establishment of a Safety Zone for Displaced Persons in their Country of Origin, AALCC, Reports and Selected Documents of the 34th Session, Doha, Qatar, 17. - 22.4.1995, (AALCC, Legal Framework), 128 ff.
270
Zusammenfassung und Fazit
Schutzzone (5.). Gleichzeitig wird der Schutz und die Sicherheit der internationalen Helfer in der Schutzzone gegenuber dem Gaststaat und den Konfliktparteien verankert (6.). Schlie61ich betont der Vorschlag des AALCC die vorubergehende Natur der Schutzzone und behalt die SchlieBung einer UN-Sicherheitsratsresolution vor (7.). Insgesamt entwirft der Vorschlag des AALCC damit Regelungen zu Einsatz, Errichtung und Organisation einer Schutzzone, wobei die sehr weitgehendenRegelungen zur Organisation und Verantwortungsverteilung zwischen der UN, internationalen Organisationen und dem Gaststaat herauszuheben sind. Allerdings geht der Vorschlag anders als die in dieser Arbeit vorrangig untersuchten Schutzzonen yom Grundmodell einer Schutzzone aus, die zwar auf einer UN -Sicherheitsratsresolution beruht, aber gleichzeitig von der Zustimmung aller Konfliktparteien getragen wird. So zielen die vorgeschlagenen "Safety Zones" auch nicht spezieU auf den Schutz der verfolgten Bevolkerung, sondern ahnlich wie die Sicherheitszonen im humanitaren Volkerrecht allgemein auf den Schutz der Zivilbevolkerung vor den Auswirkungen bewaffneter Auseinandersetzungen. 7 Gleichzeitig laBt der AALCC-Vorschlag gewisse Detailfragen der Errichtung und Verantwortung in der Schutzzone offen. Insgesamt vermag der Entwurf aber dennoch fur die Formulierung von Leitlinien fur UN-Schutzzonen einen Ansatz bilden, der allerdings einer Anpassung und Konkretisierung bedarf. Bemerkenswert erscheint der Vorschlag des AALCC vor aHem deswegen, weil viele Entwicklungslander Mitglied des AALCC sind und er damit fur die Anerkennung des Schutzzonenkonzeptes in Landern steht, in denen ein erhohtes Risiko fur soIehe Konfliktsituationen gegeben ist, die Schutzzonen nach sich ziehen konnen. 8
2. Kommentar der London Declaration (2000), I LA
Eine aktuellere Formulierung von Leitlinien fUr die Errichtung und Durchfuhrung von Schutzzonen findet sich im Kommentar zur London Declaration des Committee on Internally Displaced Persons der ILA.9 Dieser Rechtskatalog fur IDPs sieht in seinem Art. 14 (3) die Errich7
Vgl. Nr. 1. AALCC, Legal Framework. So auch Chimni, Safety-Zones, 852. 9 Report and Draft Declaration for Consideration at the 2000 Conference, angenommen mit Resolution No.1712000. Ausfiihrlich zu diesem Dokument: siehe oben 4. Kapitel, L4.b).
Zusammenfassung und Fazit
271
tung von "Safe Areas" wahrend bewaffneter Konflikte oder ziviler Unruhen zur Sicherstellung der humanitaren Versorgung vor. Zwar formuliert die Vorschrift selbst keine Prinzipienfiir die Errichtung und Durchfiihrung von Schutzzonen, jedoch empfiehlt der Kommentar zu Art. 14 (3) bestimmte Voraussetzungen fiir Schutzzonen, die in solch einem Dokument innovativ und deswegen bemerkenswert erscheinen. Vor aHem aber stellt die London Declaration die Rechte der Schutzzonenbevolkerung heraus. Als mogliche Voraussetzungen fiir die Errichtung von "Safe Areas" werden hier Situationen genannt, die geeignet sind, das Leben und die Freiheit von lOPs zu beeintrachtigen (1). Weiterhin sieht der Kommentar zur London Declaration eine Erklarung der Schutz zone durch eine internationale Organisation vor, wobei hier nicht notwendig ein BeschluB des UN-Sicherheitsrats vorausgesetzt wird. Auchdie Ourchfiihrung der Schutz zone wird einer neutralen Organisation oder NGO anempfohlen, urn die Neutralitatdes Gebiets sicherzustellen. Oamit umfassen die Schutzzonen i.S.d. London Declaration nicht nur vom UN-Sicherheitsrat errichtete oder ermachtigte Schutzzonen sondern aIle Formen,
10
Ibid., Commentary, (8).
11 "( •.. ) preconditions for the establishment of such areas may include: ( ... )", ibid., Commentary, Art. 14 (3), Rdnr. (5) LD (Betonung durch Verf.). 12 Vgl. etwa ibid., Commentary Art. 14 (3), Rdnr.(6), (7). Wenn auch das ge-
samte Dokument keinen verbindlichen Charakter hat. Siehe oben 4. Kapitel, I.4.b).
Zusammenfassung und Fazit
272
reas" diegleichen fundamentalen Menschenrechte und Freiheiten zukommen wie anderen. nicht vertriebenen Mitbiirgern des Gaststaates, entbehrt zwar eines expliziten Rechte- und Pflichtenkatalogs, muB jedoch als Verweis auf aIle anderen IDP-Regelungen verstanden werden, die die London Declaration enthalt: insbesondere auf die Bewegungsfreiheit (Art. 4), das Riickkehrrecht (Art. 5) und die humanitare Versorgung (Art. 3 (2». Diese Verbindung wirdinsbesondere nochmals durch die Klarstellung deutlich, daB der Aufenthalt in Schutzzonen weder als Vorwand fiir eine zwangsweise Vertreibung dienen noch ein Verzicht auf das Recht auf Asyl bedeuten darf,13 d.h. der Aufenthalt in einer Schutzzone darf den Rechtsstatus der IDPs nicht beeintrachtigen. Insgesamt enthalt der Kommentar zur London Declaration damit einzelne Empfehlungen zur Errichtung und Durchfiihrung auch von durch den UN -Sicherheitsrat errichteten· oder ermachtigten Schutzzonen. Der Schwerpunkt dieses Dokuments liegt jedoch insbesondere in einem weitgehenden Bekenntnis zu den Rechten der Schutzzonenbevolkerung und der Verankerung der entspreclienden Verantwortlichkeit aller Akteure inderinternationalen Gemeinschaft. 14
3. Leitlinienentwurffiir UN-Schutzzonen - eine Zusammenfassung Da trotz der dargelegten Schutzzonenentwiirfe weiterhin umfassende auf UN-Schutzzonen zugeschnittene Prinzipien fehlen, die aIle wesentlichen Bedingungen ihrer Errichtung und Organisation enthalten, sollenim Folgenden auf der Grundlage der in Teil zwei und drei erarbeiteten rechtlichen Bedingungen sowie der vorhandenen Ansatze in der Staatengemeinschaft Leitlinien fiir UN-Schutzzonen entworfen werden. Diese solIen von den volkerrechtlichen Voraussetzungen ausgehend Empfehlungen zur Errichtung, Sicherung und Verantwortlichkeitsverteilung zwischen Gaststaat, Schutzzonenmacht und UN in den Schutzzonen geben, urn zum optimalen Schutzstandard in der Schutzzone zu verhelfen. Da jede Konfliktsituation jedoch andere MaBnahmen zur Erreichung des Schutzzonenziels fordert, muB das Modell Raum fiir Flexibilitat lassen und kann nur einen Rahmen bilden, der im
13
Ibid., Commentary (7).
14 Vgl. Commentary, zu Art. 11 LD. Nach Art. 12 LD ist insbesondere die UN zur Kooperation mit dem Gaststaat aufgerufen, um angemessene Institutionen zu schaffen.
Zusammenfassung und Fazit
273
konkreten Fall durch Mandat, Einsatzregeln der Truppe und eine etwaige Vereinbarung mit dem Gaststaat einer Konkretisierung bedarf.
> Schutzzonengrundlage Urn eine Bindung aller Konfliktparteien an die Neutralitat des Schutzzonengebiets zu erreichen und eine zwangsweise Durchsetzung der Schutzzone zu ermoglichen, ist eine Grundlage der Schutzzone in einer bindenden UN-Sicherheitsratsresolution nach Kapitel VII UNC erforderlich. Damit wird die Zustim~ung des potentiellen Gaststaates zwar entbehrlich, bleibt aber im Hinblick auf das Gebot friedlicher Streitbeilegung in Art. 2 (3) UNC, der Sicherheit der Schutzzonen sowie der Neutralitat und Unparteilichkeit der. humanitaren Hilfe erstrebenswert und muB deswegen, sofern moglich, herbeigefuhrt werden. ls Allerdings wird dies in ethnischen Konflikten, in denen Schutzzonen i.d.R. gebraucht werden, nur sehen moglich sein. Auch die Auflosung der Schutz zone kann wiederum nur durch eine UN-Sicherheitsratsresolution geschehen. Die Errichtung der Schutzzone kann bei entsprechender Kooperation der Konfliktparteien durch eine Neutralisierungsanordnung fur das Gebiet nach Art. 40 UNC erfolgen. Sofern jedoch mindestens eine Konfliktpartei offensichtlich diese Anordnung miBachten wird, kommt allein eine unter Art. 42 UNC autorisierte militarische Einnahme des Schutzzonengebiets in Betracht. Nur so sind Schutz, humanitare Versorgung und fundamentale Freiheiten der Bevolkerung in der Schutzzone von Beginn an gewahrleistet. > AnlaB der Schutzzonenerrichtung Grundsatzlich setzt die Schutzzonenerrichtung unter Kapitel VII UNC eine Feststellung der Bedrohung des Weltfriedens oder der internationalen Sicherheit durch den UN-Sicherheitsrat voraus, so daB die letztendliche Errichtung der Schutzzone von der Abwagung der Gesamtumstande, insbesondere der Alternativen, der ubrigen politischen Situation, der Lage der Konfliktparteien und ihrer Ziele abhangt. Offen bleibt dabei jedoch, wann der mit einer Schutzzonenerrichtung verb un-
15 So auch Geifiler, Schutz von Internally Displaced Persons, 286 f., der sogar die Zustimmung aller Konfliktparteien fur unbedingt erforderlich halt. Ahnlich, Sandoz, Safety Zones, 926; Chimni, Safety Zones, 853. Njenga, Safety Zones, 821; Tiso, Safe Haven, 579; allgemein fur M
274
Zusammenfassung und Fazit
dene Eingriff in die Souveranitat des Gaststaates gerechtfertigt ist, welche Situationen also ein Erfordernis fur Schutzzonen indizieren. 16 Entgegen der Ansicht, Massenfluchtbewegungen oder eine objektive Zahl an Fluchtlingen als Ausloser fur die Errichtung einer Schutz zone zu nehmen,17 muB mit der Auffassung des UN-Generalsekretars l8 an die Ursachen der Fluchtlingsstrome angeknupft werden, seien dies schwere Menschenrechtsverletzungen oder konkrete Tatbestande wie Volkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen. Entscheidend fur die Errichtung von Schutzzonen muB aufgrund ihres Ziels - dem Schutz und der Sicherstellung der Versorgung der Bevolkerung am Heimatort - die Verletzung fundamentaler Rechte der Bevolkerung bleiben. Deswegen darf nicht erst auf den Fluchtlingsstrom gewartet, sondern muB bereits an den ihn auslosenden schweren und systematischen Menschenrechtsverletzungen angeknupft werden. Dies verlangt bereits der praventive Charakter der Schutzzonen, wonach Massenfluchtbewegungen und eine Ausweitung des Konflikts gerade durch Schutz und Versorgung vor Ort verhindert werden sollen. Ausloser der Schutzzonen muB die Ursache fur die Flucht bleiben, das Bedurfnis nach humanitarer Hilfe sowie die Gefahr fur ihre korperliche Integritat durch schwere Menschenrechtsverletzungen wie Volkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen. ~ Lage der Schutz zone Da gerade eine Migrationswelle unterbunden und ein Verbleib am Heimatort ermoglicht werden sollen, werden UN-Schutzzonen anders als jene im humanitiiren Volkerrecht im Konfliktgebiet angesiedelt. Dort konnen sie grundsatzlich uberall errichtet werden, es soBte allein im Lichte des humanitarrechtlichen Trennungsgrundsatzes l9 darauf geachtet werden, daB sich moglichst wenig feste militarische Einrichtungen in dem Gebiet befinden. Ansonsten soBte sich die Lage der Schutzzonen nach den Bedurfnissen der notleidenden Bevolkerung richten. So
16 Fur konkrete Einsatzvoraussetzungen der Schutzzonen sprach sich auch der Chef der UNHCR Mission S. Bari bei dem AALCC Seminar uber die Errichtung von "Safety Zones" fur vertriebene Personen in ihrem Heimatland aus. Neu Delhi, 23.09.1994, AALCC, Legal Framework, Annex II, 137. Gegen klare Kriterien: Chimni, Safety Zones, 853. 17 Arulanantham, Restructured Safe Havens, 47; AALCC, Legal Framework, 2 (1).
18 S/1999/957, 8.9.1999. 19 Siehe oben 3. Kapitel, IV.2.
Zusammenfassung und Fazit
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sind moglichst Ballungszentren zu wahlen, urn so viele Menschen wie moglich innerhalb einer gewissen Infrastruktur schiitzen zu konnen. Vor allem auch Enklaven, in denen Personen durch feindliches Feuer eingekesselt sind, benotigen besonderen Schutz. Allerdings sollte die einzelne Schutzzone nicht zu groB sein, urn ihre Sicherung und Versorgung zu erleichtern. Zudem sind im Hinblick auf die Flucht- und Riickkehrmoglichkeit der Bevolkerung sowie die Versorgung in der Schutz zone ebenfalls strategische Aspekte wie die Nahe zum sicheren Ausland und Versorgungswege zu beachten. SchlieBlich ist, sofern es die Konfliktlage ermoglicht, die Errichtung von Schutzzonen auf dem Territorium beider Konfliktparteien anzustreben, urn durch die Gegenseitigkeit eine starkere Beachtung der Neutralitat der Gebiete zu erreichen. 20 ~ Befristete MaBnahme UN-Schutzzonen diirfen keine endgiiltige territoriale Losung schaffen oder suggerieren. 21 Deswegen muB die temporare Natur einer Schutzzone herausgestellt und durch entsprechende politische MaBnahmen abgesichert werden. 22 UN-Schutzzonen konnen nur eine wirksame MaBnahme zur Friedenssicherung darstellen, wenn sie in einen politischen ProzeB eingebunden sind. ~ Entmilitarisierung und Begrenzung des Schutzzonengebiets 1m Lichte des humanitarrechtlichen Unterscheidungsgrundsatzes 23 und der Neutralitat des Schutzzonengebiets muB das Schutzzonengebiet weitestgehend entmilitarisiert und klar begrenzt werden. 24 Letzteres vor aHem auch deswegen, urn eine eindeutige Zuweisung der Verantwortlichkeiten der Schutzzonenmacht zu ermoglichen. 25
20 Dies wird allerdings h1lufig aufgrund der Konfliktlage nicht moglich sein, weil sich meist eine Partei nur noch verteidigen aber nicht mehr angreifen kann, so daB im gegnerischen Gebiet ein Schutz der Bevolkerung entbehrlich ist. 21
Siehe oben 3. Kapitel, III.1.c)(2).
22
Sandoz, Safety Zones, 927. I.d.S. auch: Tiso, Safe Haven, 576.
23
Siehe oben 3. Kapitel, IY.2.
24 Fur Entmilitarisierung u.a.: MendlovitzlFousek, A UN Constabulary, 116.Chimni, Safety Zones, 854; Roberts, Humanitarian Issues in international Politics, Nr. 3g; Geifiler, Schutz von Internally Displaced Persons, 287. 25 Fur eine klare Verantwortungsverteilung: Chimni, Safety Zones, 853; Wills, Safe Havens, 31.
276
Zusammenfassung und Fazit
~ Schutzkorridore Da Schutzzonen innerhalb des Kampfgebiets, teilweise auch in Enklaven errichtet und von den Konfliktparteien aktiv boykottiert werden, indem sie den Zugang humanitarer Hilfe blockieren, miissen i.d.R. gleichzeitig Schutzkorridore errichtet werden. Nur so kann der Zugang der notleidenden Bevolkerung sowie ihre humanitare und medizinische Versorgung vollstandig gewahrleistet und die Bewegungsfreiheit, insbesondere die Fluchtmoglichkeit der Schutzzonenbevolkerung aufrechterhalten werden. 26
~ Organisation und Sicherung der Schutzzone Die Organisation der Schutzzone muB der Neutralitat und Unparteilichkeit wegen primar durch neutrale humanitare Organisationen wie das IKRK oder UN-Behorden wie UNHCR in Kooperation mit den Konfliktparteien erfolgen. Allerdings kannder Schutz der Bevolkerung und der humanitaren Hilfe sowie, soweit erforderlich, die Herstellung von Recht und Ordnung in der Schutzzone nur durch eine zusatzliche von den UN autorisierte Schutzzonentruppe erreicht werden. 27 Ais Schutzzonentruppe kann bei entsprechender Kooperationsbereitschaft der Konfliktparteien eine Peace-Keeping-Truppe ausreichen. Da die Kooperationsbereitschaft jedoch meist maBgeblich vom Bedrohungspotential abhangt und jederzeit wegfallen kann, eine Peace-KeepingTruppe aber durch iibermaBigen Waffeneinsatz ihre Neutralitat riskiert und sich selbst in Gefahr bringt, erscheint wahrend der gesamten Schutzzonenoperation der Riickhalt durch das ausreichende Zwangspotential einer Peace-Enforcement-Einheit unausweichlich. 28
26 Siehe oben 5. Kapitel, II.2.c), II.3.b), Ahnlich werden Schutzzonen immer im gleichen Atemzug mit Schutzkorridoren genannt. Vgl. UNSG-Report, S/1999/957, 8.9.1999, para. 39. AALCC, Report and Selected Documents, 1991, 155. 27 Insoweit scheint der Vorschlag zur Organisationsverteilung des AALCC brauchbar, AALCC, Legal Framework, 3., O. Ahnlich: Geifller, Schutz von Internally Displaced Persons, 287. 28 Siehe oben 6. Kapitel, 1.2. Vgl. Zum notwendigen Bedrohungspotential: UNSG-Report, 5/1998/883, 22.9.1998, Rdnr. 23. The Fall of Srebrenica, para. 499; Rapport D'Information, Srebrenica, 153 ff.; Sandvik-Nylund, Caught in Conflicts, 102; Sandoz, Safety Zones, 926; MendlovitzlFousek, A UN Constabulary, 116; fur einen anhaltenden militarischen Schutz: Tiso, Safe Haven, 588.
Zusammenfassung und Fazit
277
~
Rechte der Bevolkerung und Verantwortlichkeiten in der Schutz zone Die Schutzzonenmacht hat im Rahmen ihrer in der Schutzzone zugewiesenen hoheitlichen Aufgaben gemeinsam mit dem Gaststaat fur einen menschenrechtlichen Mindeststandard der Bevolkerung zu sorgen. Dieser ergibt sich fur die Schutzzonenmacht bei vollstandiger Kontrolle des Schutzzonengebiets aus der besatzungsrechtlichen Schutzpflicht und ansonsten aus den Menschenrechten und wird durch das zwingende Volkermordverbot erganzt. 29 1m Rahmen ihres Befugniskatalogs trifft dieSchutzzonenmacht vor allem eine umfassende Pflicht zum Schutz gegen Angriffe von au~erhalbund Gewaltakte innerhalb der Schutzzone, zur Sicherstellung humanitarer Hilfe und medizinischer Versorgung, zur Aufnahme notleidender Personen in die Schutz zone sowie zur Gewahrung der Flucht ins Ausland und der Ruckkehr aus der Schutzzone. 30 Die wesentlichen Verpflichtungen der Schutzzonenmacht gegenuber der Bevolkerung sollten insbesondere auch in Abgrenzung zu den Verantwortlichkeiten des Gaststaates vor jeder Schutzzonenmission klar herausgestellt werden. 3l Gleichzeitig ist innerhalb der UN eine allgemeine Formulierung der fundamentalen Rechte der Schutzzonenbevolkerung erstrebenswert, die in jeder Schutzzone gelten. Als inhaltliche Vorlage konnten dabei die London Declaration sowie die Guiding Principles fur IDPs dienen. 32 ~
Verantwortlichkeit der UN/Schutzpflichten des UN-Sicherheitsrats Neben der Schutzzonenmacht hat aber auch die UN als legitimierende Instanz ihre rechtma~ige Durchfuhrung und insbesondere die Aufrechterhaltung des menschenrechtlichen Mindeststandards in der Schutzzone zu gewahrleisten. 33 Dazu mu~ der UN -Sicherheitsrat mit 29
Siehe oben 5. Kapitel, 1.5.
30 Siehe oben 5. Kapitel, 11.5. Zur Aufnahmepflicht vgl. auch: MendlovitzlFousek, A UN Constabulary, 116.
31 Franco, Safety Zones, 897. Dies kann im Mandat selbst bzw. dessen Konkretisierung in anderen Dokumenten wie Berichten des UN -Generalsekretars oder bei Peace-Keeping-Truppen durch eine Vereinbarung mit dem Gaststaat, im operations plan und den rules of engagement erfolgen. Fur Peace-KeepingTruppen: Bothe/Dorschl, in: Fleck, Visiting Forces, 491. 32
Siehe dazu 5. Kapitel, 1.4.b).
33
Siehe oben 6. Kapitel, Chimni, Safety Zones, 853.
Zusammenfassung und Fazit
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der Errichtung der Schutzzone ein ausreichendes Bedrohungspotential, die Errichtung von Schutzkorridoren sowie eine Evakuierungsoption sicherstellen. 34 Da die UN mangels eigener militarischer Mittel zudem auf die Ressourcen der Mitgliedstaaten angewiesen sind, muB der UNSicherheitsrat sich vor einer Schutzzonenerrichtung die Bereitstellung der erforderlichen militarischen Mittel durch die Mitgliedstaaten zusichern lassen. 35 Solange die Schutzzone aufrechterhalten wird, muB er zudem die tatsachliche Situation uberwachen und die Mandatsausfuhrung durch die Schutzzonenmacht kontrollieren, indem er ein vor aHem bezuglich Gewaltanwendung sowie Rechte und Pflichten der Schutzzonentruppe konkret gefaBtes und zeitlich befristetes Mandat mit Berichtspflichten erIa!h. 36 ~
Unabhangige Beobachtung des Mindeststandards
Um die Einhaltung des Mindeststandards in der Schutzzone sicherzustelIen, ist ebenfalls eine unabhangige Beobachtung der menschenrechtlichen Situation in der Schutzzone unausweichlich. 37 Dies kann zunachst durch Nebenorgane der UN, wie OCHA oder UNHRC erfolgen, die durch einen Sondergesandten zur Beobachtung der menschenrechtlichen und humanitaren Lage in der Schutzzone dem UNSicherheitsrat unabhangig berichten und die Schutzzonentruppe uber ihre humanitarrechtlichen Pflichten unterrichten konnten. 38 Berichte und Empfehlungen von UN-Organen zu der konkreten Menschenrechtslage in einer Schutzzone hat der UN-Sicherheitsrat bei seinen MaBnahmen zumindest nach Treu und Glauben zu beachten, insbesondere, wenn er diese von sich aus anfordert. Insoweit konnte vor aHem im Lichte der Menschenrechtspolitik der UN eine vermehrte Eigenbindung des UN-Sicherheitsrats an Berichte und Empfehlungen der sachnaheren menschenrechtlichen Nebenorgane fur eine effektivere und damit glaubwurdigere Schutzzonenpolitik sorgen.
34
Siehe oben 6. Kapitel, I.
35 So auch fur andere Peace-Keeping-Missionen: Brahimi Bericht, Report of the Panel on UN Peacekeeping Operations, 23.8.2000, erhaltlich unter: http.www.un.org/peace/reports/peace-operations/.
36
Siehe oben 6. Kapitel, S. 205.
37 Siehe oben 6. Kapitel, S. 205. So beschreibt auch Wills: "Accurate and independent monitoring and reporting of security in safe havens is crucial." Wills, Safe Haven, 26 ff., 31. 38
So fur Fluchtlingslager, Jacobsen, Safety First Approach, 8.
Zusammenfassung und Fazit
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Sofern eine UN-Schutzzone entsprechend der Leitlinien errichtet, gesichert und durch die erforderlichen Vereinbarungen im konkreten Fall erganzt wird, erscheint das Instrument auch in der Zukunft geeignet, eine Rolle im Schutzsystem fur die verfolgte Bev6lkerung zu spielen.
II. Schlu6bemerkungen
Der Gedanke der UN-Schutzzonen, des Schutzes verfolgter Personen in ihrem Heimatland, stellt grundsatzlich eine erforderliche und geeignete Erganzung des Schutzes von Zivilpersonen im Konflikt dar.39 Jedoch bieten UN-Schutzzonen aufgrund ihrer geringen GroBe nur lokal begrenzte Zufluchtsorte fur einige wenige Personen aus der naheren Umgebung und sind nicht auf massive Fluchtlingsstrome ausgerichtet. UN-Schutzzonen konnen zudem nur als voriibergehende Schutzmoglichkeit und nur im NotfalI dienen. 4o Dies liegt zum einen bereits darin begrundet, daB sie eine Feststellung der Friedensbedrohung durch den UN-Sicherheitsrat voraussetzen und der mit ihnen verbundene Eingriff in die Rechte des Gaststaates sowie ihr erzwungener Schutz im Lichte des Gewaltverbots sowie der Gefahr der politis chen Instrumentalisierung nur als ultima ratio in Betracht kommen. Zum anderen stelIen UN-Schutzzonen aber auch im Hinblick auf den in ihnen gewahrleisteten geringen Rechtsstandard nur eine NotfaHosung dar, fur den Fall, daB ein Schutz der verfolgten Personen in einem anderen sicheren Gebiet oder im Ausland nicht moglich ist. UN-Schutzzonen bieten zwar den Vorteil, daB die verfolgten Personen in ihrem gewohnten Lebensraum bleiben k6nnen und nicht den gefahrlichen Weg mit den Ruckkehrschwierigkeiten in weiter entfernte Gebiete oder ins Ausland starten mussen. Jedoch werden das Recht auf Heimat und das AusmaB des Rechts auf Flucht ins Ausland vor aHem durch ein drittes Recht bestimmt: das Recht auf ein Leben in Sicherheit: 41 "In country protection needs to be weighed against the right of individuals
39 Zur Brauchbarkeit des Instruments auch Achermann, Die volkerrechtliche Verantwortlichkeit fluchtverursachender Staaten, 238. Geifiler, Schutz von Internally Displaced Persons, 283 ff. 40 Tiso, Safe Haven, 576, der aber auch im praventiven Bereich der Schutzzone zur Ermoglichung eines Friedensvertrages Bedeutung zuspricht: ibid., 593 ff. 41 UNHCR, The State of the World's Refugees, 1995,68.
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Zusammenfassung und Fazit
to leave their own country, to seek and enjoy asylum, or return on a voluntary basis, and not to be compelled to remain in a territory where life, liberty or physical integrity is threatened. ,,42 In einer Schutzzone kann i.d.R. jedoch kein sic heres und normales Leben fortgefuhrt werden, weil die Lebensbedingungen durch die fortdauernden Kampfe stark beeintrachtigt werden. Zudem hangen Schutz und Versorgung in der Schutzzone von der gewaltsamen Durchsetzung durch die Staatengemeinschaft abo Insbesondere der Spagat zwischen humanitar geforderter Unparteilichkeit und entschlossener Gewaltanwendung hat in der Vergangenheit mehrfach zur Beeintrachtigung der Schutzqualitat der Schutzzonen und zu hohen Opferzahlen unter der Zivilbevolkerung gefuhrt. 43 Bisweilen hat sich aufgrund der Entwaffnung der heimischen Kampfer die bestehende Gefahr fur die verfoigte Bevolkerung in den Schutzzonen sogar verstarkt. 44 Deswegen konnen UN-Schutzzonen nur im Notfall und nur ais vorubergehende Schutzmoglichkeit fur solche Personen dienen, denen eine Flucht in ein anderes sicheres Gebiet insbesondere ins Ausland nicht moglich oder zu gefahrlich ist.
Daraus ergibt sich aber auch, dag die internationale Gemeinschaft alles daransetzen mug, den verfoigten Personen neben der notdurftigen Zufluchtsmoglichkeit in die Schutzzone ebenfalls die Flucht ins Ausland oder in andere sichere Gebiete im Heimatstaat offen zu halten. Die Flucht in eine Schutzzone kann nicht ais Verzicht auf das Recht auf Asyl gewertet werden. 45 Insbesondere durfen potentielle Aufnahmestaaten verfoigten Personen - wie in der Vergangenheit geschehen - kein Asyl verweigern, nur weil in ihrem Heimatstaat eine Schutzzone existiert oder sie aus einer solchen geflohen sind;46 UN-Schutzzonen kon42
Landgren, Displaced Persons, unter Sri Lanka.
43 Stopford, Peace-Keeping or Peace Enforcement, 508 ff., insbes. 509; zu dem Spagat in Bosnien: Weller, Peace-Keeping, insbes. 173.
44 So fur safe areas: TharooriJohnstone, The Humanitarian Security Dilemma in International Peacekeeping, 10. 45 Guiding Principles on Internal Displacement submitted by Francis Deng, Special Representative of The Secretary-General to the UN Commission on Human Rights, E/CNA/1998/53/Add.2; ILA Declaration of International Law Principles on Internally Displaced Persons, ILA Res. No.1712000, verOffentlicht in: 69 ILA, Conference Report (2000). 46 So auch: Franco, Safety Zones, 893 ff.; Sandoz, Safety Zones, 925 f. Zu einem solchen Verhalten im Bosnienkonflikt: Vgl. Frelick, Preventing Refugee Flows, 10. UN-Schutzzonen stell en keine die Fliichtlingseigenschaft ausschlieBende interne Fluchtmoglichkeit dar.
Zusammenfassung und Fazit
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nen und sollen aufgrund ihrer geringen Kapazitat keine die Fluchtlingseigenschaft ausschlieBende interne Fluchtmoglichkeit darstellen. 47 Dies ist ebenfalls wegen der drohenden Verwasserung der in der Fluchtlingskonvention gewahrten Rechte und dort verankerten ganzheitlichen Losung des Fluchtlingsproblems abzulehnen. 48 Der Schutz in UNSchutzzonen kann und darf den Schutz verfolgter Personen im Ausland nur erganzen. Deswegen muB die internationale Gemeinschaft ebenfalls positiv dafur sorgen, daB den verfolgten Personen eine Flucht in andere sichere Gebiete moglich bleibt. Dies kann durch ein Einwirken auf Nachbarstaaten zur Grenzoffnung, die Errichtung von Schutzkorridoren oder Bereitstellung von Transportmitteln und Evakuierungsmoglichkeiten fur jene Personen geschehen, denen eine Flucht ins Ausland oder in andere sichere Gebiete aus eigenen Kraften nicht moglich ist. Nicht zuletzt heiBt das aber auch, daB die Schwachen des heutigen Schutzsystems fur verfolgte Personen nicht allein durch den Einsatz von Schutzzonen aufgefangen werden konnen. 49 Es muB weiterhin uber 47 Zur Figur der internen Fluchtmoglichkeit: vgl. bereits in den travaux preparatoires zur GFK die Aussagen des franzosischen Vertreters Rochefort (EI AC.8/SR.172, para. 4, 12.8.1950) und der amerikanischen Vertreterin Roosevelt (A/CONF.2/SR.24, para. 17, 17.7.1951), abgedruckt in: Hathaway, Refugee Status, 133 f.; UNHCR Handbook on Procedure and Criteria for Determining Refugee Status, Rdnr. 91; UNHCR, Position Paper, "Relocating Internally as a Reasonable Alternative to Seeking Asylum", 1999, Rdnr. 1 ff.; EU Joint Position defined by the Council on the Basis of Art.K3 of the Treaty of European Union on the Harmonised Application of the Term "Refugee" in Art.1 of the Geneva Convention" Marz 1996: 961196/JHA. In der Rechtsprechung wegweisend vor allem: BVerfGE 81, 58 (65); 80, 315, 343 f.; 79, 174. A.A. ECRE, Note from the ECRE on the Harmonisation of the Interpretation of Art.1 of the 1951 Geneva Convention, Rdnr. 10. Vgl. aUg. dazu: ECRE, European Legal Network on Asylum (ELENA), Research Paper on The Application of the Concept of Internal Protection Alternative, 2000.
48 "Refugee protection is about more than bare physical safety. It should contribute to the resolution of the instability suffered by the individual victim of war or persecution." Landgren, Displaced Persons, unter Sri Lanka. Ahnlich wurde auch der Vorschlag GroBbritanniens, extraterritoriale Schutzzonen fur Asylbewerber einzurichten, kritisch aufgenommen. Vgl. dazu: A. V. Mir Hashemi, "Sichere Hafen", 9 ff. 49 "Prevention (... ) is not a substitute for asylum." So die damalige Hochkommissarin fur Fluchtlinge: Ogata, Note on International Protection, Submitted by the High Commissioner, Executive Committee of the High Commissioner's Programme, Forty-third session, UN General Assembly, 25.8.1992, section D.26, 8.
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Zusammenfassung und Fazit
eine Anpassung des Fluchtlingsrechts an das Phanomen der Massenflucht in ethnischen Konflikten und einen verbesserten Schutz der IDPs nachgedacht werden. Positive Entwicklungen sind insoweit das im Kosovo Konflikt aufgekommene temporare Asy150 sowie ein verstarkter Einsatz der internationalen Gemeinschaft fur die Sicherheit von Fluchtlingslagern in Nachbarstaaten und die Dokumente zum Schutz intern Vertriebener. 51 Fur den Bereich, in dem UN -Schutzzonen ihre berechtigte Rolle im Schutz system fur verfolgte Personen spielen konnen, ist die Formulierung eines hinsichtlich Einsatz, Errichtung und Sicherung ausfuhrlichen Schutzzonenkonzeptes innerhalb der UN entscheidend, das im konkreten Einsatzfall durch eindeutige Verantwortungszuweisungen erganzt wird. Es sollte zumindest die Elemente der oben formulierten Leitlinien enthalten. Gleichzeitig erscheint ein entschiedener Einsatz fur die fundamentalen Rechte der Schutzzonenbevolkerung sowie die Institutionalisierung eines entsprechenden Dberwachungssystems in der Schutzzone unausweichlich, um einen Mindeststandard an Rechten durch die fortwahrende Anpassung der MaBnahme an die aktuellen Bedingungen sicherzustellen; die Schutzzone kann nur als dynamisches Instrument ihr Ziel erreichen. 52 Der letztendliche Erfolg und die Anerkennung dieses Instruments vor allem auch nach seinem dramatischen Scheitern in Srebrenica wird vom Willen der Staatengemeinschaft abhangen, den Schutz und die Versorgung der verfolgten Personen notfalls zwangsweise durchzusetzen. UN-Schutzzonen sind eine Frage der Verantwortung, nur wenn die Staatengemeinschaft bereit ist, diese Verantwortung zu ubernehmen und pflichtbewuBt auszuuben, konnen UNSchutzzonen in Zukunft eine erfolgreiche Rolle beim Schutz verfolgter
50 Indem man den Fluchtlingen nur einen befristeten Aufenthalt und kein voIles Asyl zugestand, umging man das Problem der Integration. Vgl. Proposal for a Council Directive on minimum standards for giving temporary protection in the event of mass influx of displaced persons and on measures promoting a balance of efforts between Member States in receiving such persons and bearing the consequences thereof, 24.5.2000, Doc. 500PC0303. Zum temporaren Asyl auch UN-Hochkommissarin fur Menschenrechte: A/AC.96/914, 7.7.1999, Punkt 43. Kalin, Flight in Times of War, 639 f.; Goodwin-Gill, The Refugee in International Law, 19 ff. 51
Siehe oben 5. Kapitel, S. 132.
52 Allgemein zur Erforderlichkeit von AnpassungsmaBnahmen beim Schutz durch die UN: de Rossanet, Peacemaking and Peacekeeping in Yugoslavia, 19.
Zusammenfassung und Fazit
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Personen gegen Volkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen spiel en.
Summary UN-Safety Zones - a Means of Protection for Persecuted Persons? During the 1990s the international community established the idea of internationally created and protected areas within the war zone: In 1990 the USA initiated safe havens for the Kurds in Northern Iraq, in 1993 the UN-Security Council declared six safe areas in Bosnia and Herzegovina in order to protect the Muslim population from the Serbian aggression and in 1994, during the civil war between the Hutu and Tutsi in Rwanda, France - with authorization from the UN-Security Council - created a safe humanitarian zone. Although the humanitarian situation was grave, the degree of safety in these areas was partly very low and the UN -safe area Srebrenica even ended with mass killings and the death of more than 7000 persons. The UN -Security Council in 2000 considered temporary safety zones as a means for the protection of civilians and the delivery of humanitarian assistance in situations of mass persecution as a result of genocide, crimes against humanity or war crimes. But until now the UN still lack a clear concept as well as rules and guidelines as to the creation, organization and protection of such safety zones. This book analyses the nature and legal framework of safety zones created under the auspices of the UN (UN-safety zones), focusing on the human rights obligations within such UN-safety zones and the corresponding responsibility of the UN-Security Council. On this basis the analysis evaluates UN-safety zones as in-land protection means for persecuted persons and elaborates legal and political guidelines for the creation and organization of UN-safety zones.
I. The overall aim of the safety zones created by the international community in Iraq, Rwanda and Bosnia was to keep a certain area free of attacks in order to protect persecuted persons, to insure access of humanitarian aid, prevent mass flights to neighbouring countries and, in the long term, to enable peace talks. They can be seen as reactions to the
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Summary
increasing ethnic conflicts and the insufficiencies of the consensual safety zones under international humanitarian law - neutral zones, undefended cities and demilitarised zones - to cope with these problems. International safety zones had been built in situations where civilians had become the primary object of warfare like genocide, crimes against humanity and war crimes, i.e. where the safety zones under international humanitarian law failed due to their consensual character. By granting protection of civilians in certain areas within the war zone, international safety zones take up the concept of the safety zones under international humanitarian law. But they develop it further by imposing this zone against the will of at least one party to the conflict and protecting it from falling under enemy control.
The creation of safety zones falls within the competence of the UN if triggered by a humanitarian crisis which endangers world-peace and international security. Bearing the primary responsibility for maintaining international peace and security, the UN -Security Council may proclaim the creation of temporary safety zones. This can be done - as was the case in Bosnia - by demanding the neutralization (and demilitarisation) of a certain area on the basis of a provisional measure according to Art. 40 UNC and subsequently, if necessary, enforcing the neutralization through measures based on Arts 41 - and 42 UNC -. A second option is for the UN-Security Council - as in Rwanda - to directly authorize the member states to occupy a certain area on the basis of Art. 42 UNC in order to create such a safety zone. Both options are binding on the parties of the conflict and independent from the consent of the host-state. Due to the principle of proportionality, the UN-Security Council has to try to achieve the consent of the parties first and prefer a safety zone built on Art. 40 UN. In deciding upon and implementing a UN-safety zone the UN-Security Council enjoys wide discretion. Criteria like demilitarisation, delimitation and delineation of the safety zone, which usually apply according to the principle of proportionality and the humanitarian principle of separation, are not binding as such for the UN-Security CounciL However, they must be balanced with the overall objective of securing world peace.
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Summary
II. The powers of the protecting forces in a UN-safety zone may derive from eventual arrangements with the host-state and from the respective mandate. If there is no agreement or mandate or if it lacks detailed regulations with regard to the administrative powers like in Bosnia, the protecting forces in the UN-safety zone may only assume these powers on the basis of their general authorization to keep the peace or to selfdefence if these measures are necessary for their own or the peoples' defence. Further administrative or protective powers, especially those concerning the maintenance of public order within the UN-safety zone may also derive from the law of occupation in situations where the forces have the factual control over the UN-safety zone. This was the case e.g. with the military coalition in Rwanda. On the basis of the law of occupation the protecting forces may even be obliged to maintain public order in the safety zone. The mandate or an agreement with the host-state may also bind a power in the UN-safety zone to guarantee fundamental rights when taking over public authority by defending the territory or supervising public order. But even if these instruments do not or only scarcely foresee such obligations they arise out of or are specified by the general rules of public international law. A power creating, supervising and protecting a UN-safety zone is bound by the prohibition of genocide as well as the general human rights standards as laid down in conventional and customary public international law. In case the power occupies the territory of the safety zone, these general human rights standards are superseded by the special obligation under the laws of occupation to protect and ensure the well-being of the civilian population. The obligation to respect conventional and customary public international law when organizing a UN -safety zone arises without respect to whether the UN or the member states command the UN-safety zone mission. For the prohibition of genocide is always applicable and human rights obligations as well as those arising from the laws of occupation only depend on the amount of the protecting power's factual control over the UN-safety zone. Thus, when exercising its assigned competences in a UN-safety zone the protecting power is bound by general international law to protect the population against internal and external aggression as well as to assure the access of humanitarian aid. When encountering threats of genocide or strong and systematic killings like in Srebrenica the power can even be obliged to maintain the UN -safety zone and defend the
Summary
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people or to offer alternative protection by evacuation. The protecting power must also omit disproportionate restrictions on the people's freedom of movement and the right to leave the UN-safety zone. The right of persecuted persons to enter the UN-safety zone may only be restricted for reasons of capacity or because of overwhelming security threats. The protecting power must also contribute to the safe return of displaced people in the UN-safety zone. The fundamental human rights obligations of the protecting power must only be fulfilled within the means at hand and only as long as there are no overwhelming threats for itself. This is why the UN -safe area mission in Srebrenica failed. In considering the protecting power's security threat it must be kept in mind that soldiers as part of their duty assume a greater risk for their lives especially when acting under a mandate to protect people. Thus, a general proposition according to which the soldiers' safety precedes the safety of the people- as was promulgated in the case of Srebrenica - is not acceptable in a UN-safety zone. Moreover, UNPROFOR lacked the necessary enforcement means to guarantee the access of humanitarian aid to the safe area, to divert the permanent attacks on the safe area and finally to avoid the brutal invasion by the Serbian troops. The UN-administration failed to furnish UNPROFOR with the necessary enforcement powers and did not make effective use of the NATO air power at hand. Additionally, it neither had a clear plan for the defence of the safe area nor for the evacuation of the civilian population.
III. Ensuring the safety of the people in a UN-safety zone and guaranteeing their fundamental rights is not only a duty of the protecting power but also entails the responsibility of the UN-Security Council which declared or at least authorized the safety zone. If the UN-Security Council declares or authorizes the creation of a safety zone, it is obliged to guarantee a minimal standard of fundamental rights in the safety zone by providing the necessary protection measures. This duty arises from the UN-Security Council's obligation to obey the ius cogens rules of international law, like the prohibition of genocide, the principle of humanity and the obligation to prevent systematic killings when exercising its discretionary power under Art. 39 UNC. As a consequence the UN-Security Council, before declaring a safety zone, is obliged to authorize and assure the necessary protection measures in order to pre-
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vent an infraction of these rights. Likewise, when subsequently recognizing evident infractions of the minimum human rights standard in a UN-safety zone like in Srebrenica, the UN-Security Council may also be obliged to authorize and ensure further enforcement measures. In Srebrenica the UN did not carry out its assessment with due diligence when the UN-Security Council, although aware of the fact that the safe areas could not be sufficiently protected against potential attacks from Serbian troops, failed to provide the necessary protection means. At the same time the UN-Security Council can be obliged to foresee the necessary protection measures for the safety zone on the basis of an effectiveness requirement for enforcement measures when ordering the demilitarisation of the UN-safety zone or even collecting the weapons of the host-state. Effectiveness as a part of the principle of proportionality is inherent in Chapter VII and explicitly stated in Art. 51 UNC. Thus, a host-state's sovereignty over its defence capacity in general and its right of self-defence may only be restricted by effective UN-Security Council measures to achieve international peace. Because of the UNSecurity Council's wide discretionary power when making a determination under Art. 39 UNC this requirement of effectiveness is limited to obvious cases. But still, the creation of a UN-safety zone by ordering the neutralization and demilitarisation of the safety zone under Art. 40 can be or becomes an obviously ineffective measure in the sense of Art. 51 or becomes evidently ineffective for the protection of peace, if it is clear that the protection of the people and their fundamental rights can not be guaranteed. Srebrenica was such an obvious case, where the Serbian troops did not stop the attacks on the safe area and permanently hindered the access of humanitarian aid. If in such a case the UNSecurity Council keeps up the safe area without taking the necessary measures to enforce the protection and the supply of humanitarian aid, the restriction of the host-state's sovereignty or its right to self-defence becomes illegal. The UN-Security Council either has to end the measure or allow the necessary enforcement actions. Thus, the UN-Security Council may either directly delegate the creation of the safety zone to the member states and authorize all necessary means to protect the population and ensure humanitarian aid like in Rwanda or it must authorize and ensure the necessary protection means and safety corridors and draw up a potential evacuation plan before declaring a safety zone itself. Additionally the UN-Security Council has to exercise the permanent supervision and control over the human rights situation in the safety zone - another reason for the dramatic fall of the safe area Srebrenica.
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Summary
News reports about massacres or inhuman conditions were lost in the complicated and slow information flow. In addition repeated warnings from the UN -Special Rapporteur for human rights in Bosnia were not heeded by the UN-Security Council. Although the UN-Security Council is not obliged to react to reports and urgent recommendations by other human rights bodies; it cannot close its eyes to reported gross violations of human rights in a UN-safety zone. To ensure the protection of the fundamental rights in UN-safety zones and to contribute to a successful and reliable safety zone policy, a reform of the UN -human rights system seems to be indispensable. In such a process the call for a stronger influence of the UN-human rights bodies in general as well as for a more direct and institutionalised supervision and reporting for UN-safety zones, e.g. by special committees for the rights of the population, seems to be elementary.
IV. When determining the responsibility for the dramatic failure of the UN-safe area in Srebrenica, mistakes were made in London, Moscow, Paris and Washington. - However, there is also a case for responsibility of the UN. The failure to protect the population in a UN-safety zone results in the individual responsibility of decision makers within the UN and the corresponding obligation of the UN to prosecute the perpetrators - those from the conflicting parties but also those within the UN-administration. The creation of the ICTY and the condemnation of Serbian military and governmental personnel remain patchwork in light of the fact that the main persons accountable for the massacre in Srebrenica, the Serbian leader Radovan Karadzic and his general Ratko Mladic, have not been tried so far. As to the individuals within the UNadministration the world still waits for prosecutions or clear disciplinary consequences. It should also be kept in mind that the UN as an international organization may incur international responsibility for its organs and may be obliged to pay compensation to victims or their heirs. But indemnification claims from Bosnian people have been kept in silence and have so far been rejected. The infinite number of investigation reports on the fall of Srebrenica does not suffice for exculpation. If at all, they may only serve as symbolic excuses, but cannot replace remedies in international law.
Summary
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v. The idea of UN -safety zones, i.e. the protection of persecuted people in their homeland, can be valued as a necessary and suitable complement for the protection of civilians in conflicts. By providing in-country protection, UN-safety zones prevent mass flights to other countries and the relating problems of prolongation of the conflict, costly and difficult integration and the return of the refugees. But there is a need for guidelines and a clear distribution of responsibilities for a UN-safety zone. Additionally a permanent supervision of the human rights situation in a UN-safety zone seems indispensable to ensure the adjustment of the means to the actual needs in the UN-safety zone. The main lesson from Srebrenica is that UN-safety zones can only playa role in the protection of displaced persons if the states are willing to protect the people - if necessary, by use of military force. When formulating guidelines for the creation and organization of UNsafety zones it must be kept in mind that they can only offer protection to a very small number of people living in the designated geographical area and only for a limited time period. UN-safety zones are an emergency instrument, since they require a declaration of an endangerment of international peace under Chapter VII and since they restrict the host-state's sovereignty. Moreover, they are an exception to the general rule of non-intervention. Especially the discretion of the UN-Security Council as to the human rights standard in a UN-safety zone limits the instrument to situations where displaced persons have no other chance to flee from the aggression than seeking refuge in a UN-safety zone. The protection through UN-safety zones can and shall only complement the protection of persecuted people outside their country. States may not deny asylum to people because there is a UN-safety zone in their home country, even if they fled from a UN -safety zone. The international community cannot sit back after creating UN-safety zones. Rather at the same time it has to offer alternatives like the evacuation from the war zone to safer regions. Also, the adjustment of the refugee law to the phenomenon of mass flights in ethnic conflicts and a better protection of internally displaced persons seem indispensable.
In the end UN-safety zones are a case of responsibility. Only if the international community is willing to take this responsibility and to exercise it faithfully, can UN-safety zones leave the dark shadow of Srebrenica behind and become a successful instrument in the fight against
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Summary
the greatest enemies of civilians in armed conflicts - genocide, crimes against humanity and war crimes.
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Sachregister Asian African Legal Consultative Committee: 269 f. Bosnien-Herzegowina - Dayton Accord: 200 Dual-key Verfahren: 25 Exclusion zones: 26 f., 44 f. Krieg in: 22 f. NATO: 25 ff., 29 f., 44 Operation Deliberate Force: 29 f. - Post Airstrike Guidance: 153, 179 - Safe area, siehe auch Srebrenica: 22 ff., 39 ff., 43 ff., 108, 209 - UNPROFOR: 22 ff., 44 ff., 108 f., 122, 124, 132, 179 ff., 194 f., 235 - Vance-Owen Peace Plan: 24 Europaischer Gerichtshof fur Menschenrechte - Bancovic et al. v. Belgiumet al.: 139, 141 - Cyprus v. Turkey: 139 - Loizidou: 139, 141 - Positive Schutzpflichten aus der EMRK: 171 ff. Fluchtlingsrecht - Erganzung durch Schutzzonen: 71,281 - Massenverfolgung: 47,63, 67, 72 - Recht auf Asyl: 272, 280 - Right to Remain: 73, 268 Genozidverbot - Bindung UN-Sicherheitsrat: 214ff.
- Erga-omnes Verpflichtung: 159 f., 216 - Gewohnheitsrechtliche Geltung: 159 ff. - Ius cogens, siehe dort - Verhinderungspflicht: 157 ff., 214ff. Humanitares Volkerrecht - Besatzungsrecht: 110 ff., 134 ff., 143 ff., 163 ff., 183 ff. - Entmilitarisierte Zonen: 56 - Neutrale Zonen: 55,58 - Schutzzonen: 48 ff., 53 ff., 60 ff. - Trennungsgrundsatz: 103 ff., 274 - Unverteidigte Orte: 55 - Verhaltnis zu Menschenrechten: 138 ff. ICTY - Entscheidungen: 3, 263 - Tadic: 227,238,242 - Verfolgung: 3, 263, 266 IKRK - in Bosnien-Herzegowina: 22 - Schutzzonen-Praxis: 52 f., 57 ff. Internally Displaced People - Asian-African Legal Consultative Committee, siehe dort - Guiding Principles on Internal Displacement: 149 ff. - London Declaration of International Principles on Internally Displaced Persons: 149 ff., 270 ff. - UN-Sondergesandter: 258 f.
320
Internationaler Gerichtshof - Bosnia-Herzegovina v. Yugoslavia (Serbia and Montenegro): 254, 265 f. - Certain-Expenses-Gutachten: 93,245 - Genocide Case: 158 - Namibia-Gutachten: 98 f. - Nicaragua Case: 94,221 - Nuclear Weapons: 144 f. - Reparations Case: 99 - Reservations to the Genocide Convention Case: 133, 161, 215 Irak - No-fIy-zones: 16 ff., 20 - Operation Provide Comfort: 15 f., 17 f., 20 f., 121 - Safe Haven: 14 ff., 40, 42 f., 61,90 f. - UNGC: 18 ff., 108 Ius cogens - Bindung UN -Sicherheitsrat, siehe dort - Genozidverbot: 133, 160 f., 214 ff.
- Recht auf Leben: 174 f., 223 Menschenrechte - Bindung UN-Sicherheitsrat, siehe dort - Freiziigigkeit: 191 ff., 197 ff., 199 ff. - und Friedensbedrohung: 80, 208 - Gewohnheitsrecht: 136 ff., 175, 184 f., 191 - und humanitares Volkerrecht, siehe dort - Ius cogens, siehe dort - Positive SchutzpfIichten: 172 ff., 223
Sachregister - Recht auf humanitare Versorgung: 183 ff. - Recht auf Leben, siehe dort - Right to Remain: 73, 268 - Right to Return: 199 ff. Recht auf Leben - Geltung in der Schutz zone: 175 ff. - Ius cogens: 174 f., 223 - Positive SchutzpfIichten: 172 ff., 222 Ruanda-Konflikt - Operation Turquoise: 35 ff., 121,255 - safe humanitarian zone: 32 ff., 90 - UNAMIR: 32 ff., 108 - UN-Bericht: 216 Schutzzonen - Bedrohung des Weltfriedens: 80 ff., 273 ff. - Befugnisse in einer: 107 ff. - Besatzung: 117 ff. - Bosnien Herzegowina, siehe dort - Delineation: 12,44 f., 101 ff., 275 - Evakuierungsplan: 12,44, 179, 181,262 - Freier Zugang/Freies Verlassen: 189 ff. - im humanitaren Volkerrecht, siehe dort - Humanitarer Korridor: 71, 184, 188, 195 f., 202, 249 f., 276 - Konzept: 11 ff., 46 - Leitlinien: 268 ff. - als Ma~nahme det Friedenssicherung: 42 f., 80 ff. - Menschenrechtlicher Mindeststandard: 152 ff., 205 ff.
Sachregister - Neutralisierungsanordnung: 42,79, 82 ff., 207, 218 f., 225 ff., 240 ff. - Recht auf Zuflucht: 196 ff. - Right to Return: 199 ff. - Trennungsprinzip: 103 ff. - im Vergleich zu humanitaren Schutzzonen: 60 ff. - Verteidigungsplan: 203 - vorlaufige MaBnahme: 83 ff. - als ZwangsmaBnahme: 43, 87 ff., 120 ff. Schutzzonenrnacht - Bindung an Volkerrecht: 111 ff., 126 ff. - menschenrechtliche Verpflichtungen: 132 ff. - Rechte in einer Schutzzone: 107 ff. Selbstverteidigungsrecht - Beschrankung durch UNSicherheitsrat: 228 ff., 235 - Beurteilungsspielraum: 230 ff., 233 ff. - Effektivitat: 230 ff., 235 ff., 240 ff. - Waffenstillstandsanordnung/-embargo UNSicherheitsrat: 225 ff., 234 Srebrenica - Dutchbat: 28, 253, 255 - Safe area: 28 ff., 130, 153, 182,189,203,228,248 - Untersuchungsberichte: 2 f., 205,217,263 f. UN-Sicherheitsrat - Art. 1: 91, 103,226 f. - Art. 2 (7): 93 ff., 89, 110, 128 ff. - Art. 24: 77 f., 99, 210, 241 - Art. 39: 80 ff., 86 ff., 98 f., 207 ff., 229, 236 ff.
321
-
Art. 40: 82 ff., 207 ff., 224 f. Art. 41: 83 ff., 92 f. Art. 42: 87 ff., 206 f., 273 Art. 51: 225,227 ff., 243 Art. 55: 76,103,114 Art. 76: 76 Bedrohung des Weltfriedens, vgl. Vereinte Nationen - Beobachtungs- und Uberwachungspflicht: 253 ff. - Beurteilungsspielraum: 95, 213 ff., 225 ff. - Bindung an Genozidverbot, siehe dort - Bindung an Menschenrechte: 222 ff. - Effektivitatserfordernis: 225 ff. - Einschrankung der Verteidigungsfahigkeiten: 228 ff. - Garantenstellung: 206 ff. - Ius cogens: 213 ff., 100 f. - Kapitel VII: 80 ff., 212 ff. - Massentotungen: 80, 222 ff. - VerhaltnismaBigkeitsgrundsatz: 95 ff., 101 ff., 236 ff. - Vorlaufige MaBnahmen: 82 ff. - Waffenstillstandsanordnungen, siehe Selbstverteidigungsrecht - Wirksamkeit und RechtmaBigkeit der Handlungen: 93 ff., 98 ff., 206 ff., 244 ff. - ZwangsmaBnahmen: 87 ff., 207 ff. Vereinte Nationen - Bindung an Gewohnheitsrecht: 99 f., 113 f., 136 f. - Bindung an humanitares Volkerrecht: 112 ff., 126 ff.
322
- Bindung an Menschenrechte: 137 ff. - Begrenzung durch ius cogens: 100,213 ff. - Generalsekretar: 12 f., 216, 256 ff. - Kompetenzen allgemein: 76 ff. - Office of civilian and humanitarian affairs (OCHA): 278
Sachregister - Sondergesandter fur Intern Vertriebene, siehe Internally Displaced People - Spezialberichterstatter fur Menschenrechte: 256, 258 ff. - UNHCR: 13,31,131,269 - UN-Sicherheitsrat, siehe dort - Volkerrechtliche Verantwortlichkeit: 263 ff. Zwingendes Volkerrecht, siehe Ius cogens
Max-Planck-Institut fUr auslandisches offendiches Recht und Volkerrecht
Beitrage zum ausHindischen offentlichen Recht und Volkerrecht Hrsg.: A. von Bogdandy, R. Wolfrum Bde. 27-59 erschienen im Carl Heymanns Verlag KG Kiiln, Berlin (Bestellung an: Max-Planck-Insritut fur Viilkerrechr, 1m Neuenheimer Feld 535, 69120 Heidelberg); ab Band 60 im Springer Berlin, Heidelberg, New York, London, Paris, Tokyo, Hong Kong, Barcelona 179 Annette Simon: UN-Schutzzonen - Ein Schutzinstrument flir verfolgte Personen? 2005. XXI, 322 Seiten. Geb. € 74,95 178 Petra Minnerop: Paria-Staaten im Volkerrecht? 2004. XXIII, 579 Seiten. Geb. € 99,95 177 Rudiger Wolfrum, Volker Roben (eds.): Developments of International Law in Treaty Making. 2005. VIII, 632 Seiten. Geb. € 99,95 176 Christiane Hohn: Zwischen Menschenrechten und Konfliktpravention. Der Minderheitenschutz im Rahmen der Organisation fUr Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). 2005. XX, 418 Seiten. Geb. € 84,95 175 Nele Matz: Wege zur Koordinierung volkerrechdicher Vertrage. Volkervertragsrechdiche und institutionelle Ansatze. 2005. XXIV, 423 Seiten. Geb. € 84,95 174 Jochen Abr. Frowein: Volkerrecht - Menschenrechte - Verfassungsfragen Deutschlands und Europas. Ausgewahlte Schrifren. Hrsg. von Matthias Hartwig, Georg Nolte, Stefan Oeter, Christian Walter. 2004. VIII, 732 Seiten. Geb. € 119,95 173 Oliver Dorr (Hrsg.): Ein Rechtslehrer in Berlin. Symposium fUr Albrecht Randelzhofer. 2004. VII, 117 Seiten. Geb. € 54,95 172 Lars-Jiirgen Geburtig: Konkurrentenrechtsschutz aus Art. 88 Abs. 3 Satz 3 EGY. Am Beispiel von Steuervergiinstigungen. 2004. XVII, 412 Seiten (4 Seiten English Summary). Geb. € 84,95 171 Markus Bockenforde: Griine Gentechnik und Welthandel. Das Biosafety-Protokoll und seine Auswirkungen auf das Regime der WTO. 2004. XXIX, 620 Seiten. Geb. € 99,95 170 Anja v. Hahn: Traditionelles Wissen indigener und lokaler Gemeinschafren zwischen geistigen Eigentumsrechten und der public domain. 2004. xxv, 415 Seiten. Geb. € 84,95 169 Christian Walter, Silja Voneky, Volker Roben, Frank Schorkopf (eds.): Terrorism as a Challenge for National and International Law: Security versus Liberty? 2004. XI, 1484 Seiten. Geb. € 169,95 168 Kathrin Osteneck: Die Umsetzung von UN-Wirtschafrssanktionen durch die Europaische Gemeinschafr. 2004. XXXIX, 579 Seiten. Geb. € 99,95 167 Stephan Sina: Der volkerrechdiche Status des Westjordanlandes und des Gaza-Streifens nach den Osloer Vertragen. 2004. XXI, 410 Seiten. Geb. € 84,95 166 Philipp Dann: Parlamente im Exekutivfoderalismus. 2004. XXIII, 474 Seiten. Geb. € 89,95 165 Rudiger Wolfrum (Hrsg.): Gleichheit und Nichtdiskriminierung im nationalen und internationalen Menschenrechtsschutz. 2003. VIII, 299 Seiten. Geb. € 74,95 164 Rildiger Wolfrum, Nele Matz: Conflicts in International Environmental Law. 2003. XI, 213 Seiten. Geb. € 64,95 zzgl. landesiiblicher MwSt. 163 Adam Bodnar, Michal Kowalski, Karen Raible, Frank Schorkopf (eds.): The Emerging Constitutional Law of the European Union. 2003. IX, 595 Seiten. Geb. € 99,95 zzgl. landesiiblicher MwSr. 162 Jochen Abr. Frowein, Klaus Scharioth, Ingo Winkelmann, RUdiger Wolfrum (Hrsg.): Verhandeln fUr den FriedenlNegotiating for Peace. Liber Amicorum Tono Eitel. 2003. XIII, 866 Seiten. Geb. € 129,95
161 Michaela Fries: Die Bedeutung von Artikel 5 (f) der Rassendiskriminierungskonvention im deutschen Recht. 2003. XIX, 429 Seiten. Geb. € 84,95 160 Helen Keller: Rezeption des Volkerrechts. 2003. xxxv, 855 Seiten. Geb. € 129,95 159 Cordula Droge: Positive VerpHichtungen der Staaten in der Europiiischen Menschenrechtskonvention. 2003. XX, 432 Seiten. Geb. € 89,95 158 Dagmar Richter: Sprachenordnung und Minderheitenschutz im schweizerischen Bundesstaat. 2005. UY, 1315 Seiten. Geb. € 179,95 157 Thomas Giegerich: EuropiiischeVerfassung und deutsche Verfassung im transnationalen Konstitutionalisierungsproze«: Wechselseitige Rezeption, konstitutionelle Evolution und foderale Verllechtuug. 2003. LXV, 1534 Seiten. Geb. € 199,95 156 Julia Sommer: Verwaltungskooperation am Beispiel administrativer Informationsverfahren im Europiiischen Umweltrecht. 2003. XXX, 891 Seiten. Geb. € 129,95 155 Frank Schorkopf Die Ma«nahmen der XIV EU-Mitgliedstaaten gegen Osterreich Moglichkeiten und Grenzen einer "streitbaren Demokratie" auf europiiischer Ebene. 2002. XIII, 217 Seiten. Geb. € 64,95 154 Hanri .Mostert: The Constitutional Protection and Regulation of Property and its Influence on the Reform of Private Law and Landownership in South Mrica and Germany. 2002. xxv, 643 Seiten. Geb. € 99,95 zzgl. landestiblicher MwSt. 153 Stefan Ohlho./f Methoden der KonHiktbewaltigung bei grenziiberschreitenden Umweltproblemen im Wandel. 2003. XXX, 651 Seiten. Geb. € 99,95 152 Hans-Joachim Cremer, Thomas Giegerich, Dagmar Richter, Andreas Zimmermann (Hrsg.): Tradition und Weltoffenheit des Rechts. Festschtift fUr Helmut Steinberger. 2002. XVI, 1483 Seiten. Geb. € 199,151 Nico Krisch: Selbstverteidigung und kollektive Sicherheit. 2001. VIII, 449 Seiten. Geb. € 84,95 150 Beate Schulte zu Sodingen: Der volkerrechtliche Schutz der Walder: nationale Souveriinitat, multilaterale Schutzkonzepte und unilaterale Regelungsansatze. 2002. XXXI, 575 Seiten. Geb. €99,95 149 Mahendra Singh: German Administrative Law in Common Law Perspective. 2001. XXXI, 377 Seiten. Geb. € 79,95 zzgl. landesiiblicher MwSt. 148 Utz Remlinger: Die Einwirkung des Gemeinschaftsrechts auf die Riickabwicklung rechtswidriger Beihilfeverhaltnisse. 2001. XXVI, 393 Seiten. Geb. € 84,95 147 Dagmar Patricia Stroh: Die nationale Zusammenarbeit mit den Internationalen Straftribunalen fUr das ehemalige Jugoslawien und fUr Ruanda. 2002. XXVII, 395 Seiten. Geb. € 84,95 146 Rainer Grote, Thilo Marauhn (Hrsg.): Religionsfreiheit zwischen individueller Selbstbestimmung, Minderheitenschutz und Staatskirchenrecht - Volker- und verfassungsrechtliche Perspektiven. 2001. VIII, 632 Seiten. Geb. € 99,95 145 Silja VOneky: Die Fortgeltung des Umweltvolkerrechts in internationalen bewaffneten KonHikten. 2001. XXVIII, 593 Seiten. Geb. € 99,95 144 Niels Kruger: Anwendbarkeit von Umweltschutzvertragen in der Antarktis. 2000. XXII, 360 Seiten. Geb. € 79,95 143 Bettina Kellersmann: Die gemeinsame, aber differenzierte Verantwortlichkeit von Industriestaaten und Entwicklungslandern fUr den Schutz der globalen Umwelt. 2000. XXII, 380 Seiten. Geb. € 79,95 142 Beate Rudolf Die thematischen Berichterstatter uud Arbeitsgruppen der UN-Menschenrechtskommission. 2000. XXVI, 663 Seiten. Geb. € 114,00 141 Andreas Zimmermann: Staatennachfolge in volkerrechdiche Vertriige. 2000. L, 960 Seiten. Geb. € 149,00 140 Christoph Benedict: Sekundarzwecke im Vergabeverfahren. 2000. XXXII, 323 Seiten. Geb. € 74,95 139 Clemens Ladenburger: Verfahrensfehlerfolgen im franzosischen und im deutschen Verwaltungsrecht. 1999. XXIv, 534 Seiten. Geb. € 99,95