Natalie Breitenstein PETRONnJS,
SATYR/CA
1 -15
TEXTE UND KOMMENTARE Eine altertumswissenschaftliehe Reihe
Herausgegeben
von
Siegmar Döpp, Adolf Köhnken, Ruth Scodel
Band 32
Walter de Gruyter . Berlin . New York
PETRONIUS, SATYR/CA 1-15 Text, Übersetzung, Kommentar
von
Natalie Breitenstein
Walter de Gruyter . Berlin . New York
@ Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt ISSN 0563-3087 ISBN 978-3-11-022082-7 Bibliografische
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& Co. KG, Göttingen
Inhaltsverzeichnis Vorwort
...............................................................................................
VII
Einleitung 1. Autor und Werk .............................................................................. IX 2. Textüberlieferung
.
..
.
......
...
......
...
....
..
....
.....
..
.
. . ... .
.
....
....
...
...
... . ... XI
.....
..
.
3. Handlung, Ort, Personal .................................................................XV 4. Literarische Beschaffenheit der Satyrica .
.
Text und Übersetzung
Kommentar
.
..
.....
.
.... ...
....
..
....
......
..
XVII
.............................................................................
...........................................................................................
I
19
In der Rhetorenschule
(Sat. 1-4) .................................................... 21
Agamernnons Gedicht
(Sat. 5)........................................................ 69
Bordellabenteuer
(Sat. 6-8) ............................................................ 91
Eifersuchtsstreit in der Herberge
Auf dem Markt
(Sat. 12-15) ......................................................... 153
Literaturverzeichnis
Register
(Sat. 9-11) ............................... 117
............................................................................
...............................................................................................
217 235
Vorwort Zu Petrons Satyrica fehlt bis heute ein moderner Gesamtkommentar.
'
Wäh
rend die Petron-Forschung noch immer auf die nun schon seit Jahrzehnten angekündigten amerikanischen (Gareth Schmeling) und italienischen (Gian Biagio Conte und Mario Labate) Gesamtkommentare wartet, ist in der Zwi schenzeit ein fundierter TeiIkommentar von Peter Habennehl erschienen (Sat.
79-110; ein weiterer Band zu Sat. 111-141 folgt). Die vorliegende Arbeit, eine leicht überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die im Sommersemester 2008 von der Philosophisch-historischen Fakultät der Universität Bem angenommen wurde, hat sich ergänzend dazu die Kommentierung der Anfangskapitel 1-15 zum Ziel gesetzt. Das Zustandekommen meiner Dissertation wäre undenkbar gewesen ohne die Förderung und Unterstützung von zahlreichen Seiten. Allen, die am Ent stehen dieser Arbeit in irgendeiner Weise beteiligt waren, sei an dieser Stelle herzlich gedankt. Zu besonderem Dank verpflichtet bin ich allen voran meinem Doktorvater Martin Korenjak, der meine Arbeit mit unermüdlichem Interesse und wertvol lem Rat begleitet hat - ungeachtet der räumlichen Distanzen während meiner Auslandsaufenthalte. Peter Habennehl danke ich für die freundliche Übernah me des Korreferats sowie die großzügige Versorgung mit Materialien, nicht zuletzt mit seinem damals noch unpublizierten Kommentar. Für die Aufnahme in die Reihe "Texte und Kommentare" gilt mein Dank den Herausgebern und dem Verlag. Christoph Riedweg, dessen Assistentin ich am Istituto Svizzero di Roma war, verdanke ich eine unvergessliche Zeit in Rom. Bedanken möchte ich mich auch bei der Hofer-Wild-Stiftung in Bem und dem Ministero degli Affari Esteri d'ltalia flir die Stipendien, die mir den Aufenthalt an der Scuola Norma le Superiore di Pisa ermöglicht haben. Dort konnte ich von vielen wertvollen und anregenden Gesprächen mit Gian Biagio Conte, Mario Labate, Giulio Vannini, Emesto Stagni, Andrea Aragosti und Annamaria Cotrozzi profitieren. Zudem stellten mir Paola Cosci und Cristiana Ancisi ihre unveröffentlichte Lizentiats- bzw. Doktorarbeit zur Verfügung. Ebenso danke ich der FulbrightDie italienischen Kommentare von PARATORE 1933 und PELLEGRINO 1975 müssen als üherholt gelten. Einige Editionen und Ü bersetzungen bieten gute Erklärungen in Form von Fuß- oder Endnoten, z.ß. ARAGOSTI; WALSlI; SAOE-GILLELAND.
VllI
Vorwort
Kommission für mein Stipendium an der Brown University (Providence), wo
mir die Gastfreundschaft von John Bodel zuteil wurde. Ihm danke ich ebenso wie David Konstan für die zahlreichen gewinnbringenden Gespräche. Eine unschätzbare Hilfe in jeglicher Hinsicht war mir meine Schwester Pascale Breitenstein, die großen Anteil an meiner Arbeit nahm und mir in allen Krisen und Nöten zur Seite stand. Wertvolle Anregungen zu Einzelfragen gaben mir Magdalene Stoevesandt und Andreas Schatzmann. Marie Theres Fögent beriet mich in juristischen Belangen. Fragen zur Archäologie konnte ich mit Matthias Grawehr besprechen. Mein Vater Urs Breitenstein hat mein Manuskript gelesen. Ihnen allen danke ich ebenfalls von Herzen. Ohne die Unterstützung meiner Familie, die mir Studium und Promotion überhaupt erst ermöglichten, wäre diese Arbeit nie zustande gekommen, und ohne die stete Aufmunterung und den unerschütterlichen Optimismus meines Lebensgefährten Simon Rüttimann hätte ich sie nie zu einem Abschluss brin gen können.
Zürich, 30. Mai 2009
Natalie Breitenstein
Einleitung Die Einleitung soll einen knappen Überblick über die wichtigsten Fragestel ' zu den Sat. bietet.
lungen
1. Autor und Werk Über Petron, den Verfasser der Satyrica, wissen wir kawn etwas. Die meisten Manuskripte überliefern den Autorennarnen Petronius Arbiter oder nur Arbiter. Die wenigen biographischen Angaben, die wir haben, sind mit Vorsicht zu betrachten, da nicht mit Sicherheit gesagt werden kann, dass sie sich auf unse ren Autor beziehen. Die traditionelle These geht davon aus, dass der Verfasser der Satyrica identisch ist mit dem (C.? T.?
p.?)2
Petronius, den Tacitus in anno
16,18f. als Neros elegantiae arbiter (,,Autorität in Fragen der verfeinerten Lebensart") beschreibt - und dies, obwohl Tacitus die Satyrica mit keinem Wort erwähnt. Dass das seltene Cognomen Arbiter sowohl in den Petron Manuskripten überliefert als auch von Tacitus zur Beschreibung von Petrons Funktion arn Hofe Neros benutzt wird, kann aber zwei Gründe haben. Der von Tacitus erwähnte Petronius könnte tatsächlich das Cognomen - oder vielmehr den Spitznamen - Arbiter getragen haben und mit dem Autor der Satyrica identisch sein. Ebenso möglich ist jedoch, dass der Namenszusatz ,,Arbiter" aus Tacitus in die Petronüberlieferung eingednmgen ist - und in diesem Fall 3 wäre er fiir die Frage nach der Identität des Autors wertlos. Auch die Datierung des Textes ist bis heute nicht abschließend geklärt. Die Satyrica werden nach allgemeinem Konsens in die neronische Zeit veror-
Gute Einleitungen finden sich bei: lIABERMEIIL XI-XXXVIII; ML'LLER';
WALSII
XIII
XLIV. Zu Forschungsfragen sei stets auf VAmiINIS kommentierte Petron-Bibliogral'hie (1975--2005, 2
LIL'trum 2007) verwiesen.
Der Vorname ist ein weiterer Unsicherheitsfaktor. TacilUs
(ann.
16,17,1 und 18,1) überliefert
C. (Gaius), während T. (Titus) von zwei Parallelreferenzen (Plin.
nato
37,20; Plut.
mor.
60e)
überliefert wird. I.dR. wird deshalb das C. bei TacillL. in ein T. korrigiert. Zudem wird unser Autor gerne auch mit P. (Publius) Petronius Niger, dem
consul -,ujJectu.,
des Jahres 62 n.
Chr., gleichgesetzt. Dieses Praenomen wird durch einen griechischen Inschriftenfund ge stützt, siehe FWBERT 2003, 109; IIABER-'YEIIL
XI.
Vgl. z.B. den Titel von Properz' erstem Elegien-Buch "Monobiblos", der wahrscheinlich durch Martial in die Properz-IIandschriften eingedrungen ist. Properz selbst nennt sein Buch "Cynthia" (Prop. 2,24,2).
x
Einleitung
tet, und der Terminus ante quem - einhergehend mit der Tacitus-Petron-These - auf 66 n. Chr. gesetzt, dem Jahr des von Tacitus beschriebenen Selbstmords 4 Petrons. Es werden jedoch immer wieder Stimmen für eine spätere Datierung s laut. Vom Originalwerk sind lediglich Fragmente überliefert worden. Die Edi tionen teilen den heutigen Text in 141 Kapitel auf (wahrscheinlich seit MAN),
BuR
welche wiederum in Paragraphen gegliedert werden (seit Anton 1781).6
Die erhaltenen Quellen geben zum originalen Buchumfang der Sat. (z.T. wi dersprüchlich) an, dass die heute vorliegenden Fragmente dem 14., 15. und 16. Buch des Originals entstammen. Doch "lrrtümern und Verderbnissen sind solche isolierten Zeugnisse immer stärker ausgesetzt als die zusammenhän gende Überlieferung" (VAN T1llEL 1971,24). Es wurden viele Versuche unter nommen, die überlieferten Fragmente den antiken Büchern zuzuteilen. Eine vernünftige Einschätzung, um nicht von einem unvergleichbar langen Werk auszugehen, wäre etwa: Sat. 1-26,6: Buch 14; Sat. 26,7-78: Bücher 15-16;
Sat. 79-141: Bücher 17-20.7 Dies würde bedeuten, dass dem erhaltenen Text (ein Drittel) etwa doppelt so viel (zwei Drittel) vorangegangen wäre. Wie viele Bücher auf die Crotonszene, die am Ende unserer Ü berlieferung steht, noch folgten, kann man nicht sagen, doch es ist verlockend, von insgesamt 24 Bü chern (wie bei l/ias und Odyssee) auszugehen. Das Werk ist unter dem Titel Satyricon überliefert, der als griechischer 8 Analog etwa zu Vergils Georgicon
Plural IatUP11CroV /ibri zu verstehen ist.
/ibri
=
Georgica heißt der Titel korrekt Satyrica ("Satyrgeschichten, Satyrspä
ße", "satyr-Iike adventures" [SMlTH XlV)). Wahrscheinlich liegt zudem ein Wortspiel mit der lateinischen satura vor (von satura /anx, "bunte Schüssel"), "Satire", "gastronomischer oder literarischer
Mix",
auch wenn keine etymolo
gische Beziehung zwischen den Wörtern besteht: "a Roman ear would have
4
Darauf lassen Realien, Referenzen zu zeitgenössischen Figuren, ökonomische, gesellschaftli che, juristische Angahen, literarische Anspielungen
auf Seneca und
Lucen, die Sprache u.a.
schließen. 5
Z.B . LAIRD2007; YEII 2007; FWBERT 2003; siehe auch SMm1213f. Erstes Grundlagenwerk zur Frage der Autorschaft und Datierung is1 ROSE 1971 (zur Dehatte im Überblick VANNJNI 2007, 85-95).
6
MÜLLER' 38 1 Anm.1.
7
So IIABER.\lElIL
XIV. Eine Einteilung wie etwa die von MÜLLER' 406- 13, nämlich SOl. 1würde zu einem Werk mit über
26,6: Buch 14; Sol. 26,7-78: Buch 15; Sat. 79-141: Buch 16, dimensionalem Umfang fiihren,
das
in der Literatur
des
Altertums isoliert dastünde. Siehe
auch VAKTIIIEL 1970,257-60 und 1971, 21-4. 8
Der früheste Beleg des Titels gramm. 4,1 p. 153K, 4.
Jh.
(Sotyricon)
findet sich beim Grammatiker Marius Victorinus
In den Manuskripten wird der Titel auf verschiedene Arten ge
schrieben, siehe dazu die Zusammenstellung bei BÜCIIELER' XIIT-XXm. Zum Titel siehe u.a. PETERSMANN 1986, 387-9; FWBERT2003, 1 11 f.
Xl
Einleitung been cocked in that direction" der Satire auf, und
(WALSIJ XVI). Viele Episoden weisen Elemente WALsn 1 970, 72 konstatiert zu Recht: ,,Petronius intended
his tide to convey
to
the alert reader that his book was a derisive account of
Iascivious behaviour, infused with satirical elements."
2. Textüberlieferung Der fragmentarisch überlieferte Text hat eine komplexe, undurchsichtige Über lieferungsgeschichte. Ein gesichertes Stemma existiert (noch) nicht, vieles bleibt aufgrund von zahlreichen ungeklärten Kontaminationen in den Hand schriften bis heute ungewiss, ja nicht einmal der Grund für die lückenhafte Überlieferung ist bekannt. Der heutige Text basiert auf Fragmenten, die sich nach ihrem Umfang in vier Gruppen einteilen lassen: 9
1.
Kurze Exzerpte
(0):
enthalten Auszüge aus den Kapiteln vor und nach der
Cena (Sat. 1-26,5; 55; 80,9- 1 3 7,9).
Darunter finden sich u.a.
das
älteste
und vertrauenswürdigste Petron-Zeugnis, der Codex Bernensis (B, Ende Jh.), sowie zwei Pariser Codices (R und P,
2.
9.
1 2. Jh.).
Lange Exzerpte
(L): umfassen den ganzen Textbestand vor un d nach der Cena (Sal. 1-26,6 und 79-1 4 1 ), von der nur der Anfang ( 27-37,5; 55) so
wie einige Sentenzen enthalten sind. Sie schließen also den gesamten Be stand von
0 mit ein.
Dazu gehören Abschriften und Ausgaben aus dem
1 6. ( 1, 1 57 1 ), der Codex Lambetha nus (r, vor 1 572) und die Drucke von Jean de Tournes (t, Lyon 1 575) und Pierre Pithou (p, Paris 1 577 und 1 587). Codex Traguriensis (H, 1 423): die einzige Handschrift, die den vollständi gen Text der Cena (Sal. 26,7-78) enthält. Florilegien (ep): Handschriften des 1 2.- 14. Jh., die v.a. Verspassagen ent Jh., v.a. der Codex Leidensis von Scaliger
3. 4.
halten. Zu den besterhaltenen gehört das Florilegium Gallicum.
10
Der Text der Kapitel 1 - 1 5 ist also folgendermaßen überliefert: Die Kapitel 1-8 basieren größtenteils sowohl auf der Überlieferung der L- als auch der 0Klasse, die Kapitel 9- 1 5 hingegen mit kleineren Ausnahmen nur auf jener der L-Klasse. Die Verspassagen sind zudem in ep enthalten. Wie erklärt sich dieser Erhaltungszustand? Die O-Klasse geht wohl auf einen Exzerptor zurück, der eine Vorliebe für die Verseinlagen hatte und sich für Äußerungen zu Dichtung und Literatur sowie zu den anderen schönen Künsten interessierte
9
Siehe MCLLER' 381-448. 471-84; REEVE 1983. 295-300; 1993; PETERSMANN 31-6.
VAK nllE!.
(Sat. 1-5;
1970 und 1971, 1-24;
RJCIIARDSON
10
Zum Flo rilegium Gallicwn siehe BRANDIS-EIILERS
1974;
llAMACIIER
1975; ULLMAN 1930.
XlI
Einleinmg
88-90; 1 1 8-24). Dagegen zensurierte er ille Passagen sexuellen Inhalts (z.B. 9-1 1 oder 85-7 Der Ephebe von Pergamon). Im Unterschied zur O-K1asse geht man seit
vAN
TiITEL bei der L-K1asse davon aus, dass sie eine sekundäre " Der Urheber von
Sammlung von Exzerpten verschiedener Herkunft darstellt.
L war also nicht, wie lange angenommen wurde, ein Exzerptor, sondern ein Sammler. Wie also soll man mit dem überlieferten Text umgehen? Wer ihm ein un kritisches oder zu konservatives Handschriftenvertrauen entgegenbringt, über sieht leicht, wie viele Fehler sich in handschriftliche Überlieferungen ein schleichen können (vom kleinen mechanischen Fehler bis zur TextentsteIlung, wie sie z.B. der Abschreiber von P verursachte, der das zweispaltige Gedicht in
Sat. 5
von links nach rechts abgeschrieben hat) und wie stark der ursprüng
liche Text auch durch bewusste Texteingriffe der Kopisten verändert wurde. Auf der anderen Seite birgt ein zu starkes Eingreifen ille Gefahr, dass man den Text nach eigenem Gusto durch Konjekturen verändert (vermeintlich, um ihn zu verbessern) und eine makellose, von Redundanzen und Ähnlichem befreite, allerillngs von der natürlichen Vorlage weit entfernte Version konstruiert. Deshalb gilt es, den Text, so wie er überliefert wurde, zu respektieren und '2 Eingriffe von Fall zu Fall vorsichtig zu pTÜfen. Ein weiteres Problem stellen die Lücken
im
Text dar.
\3
Der O-Exzerptor
kennzeichnet natürlich keine Lücken, zumal er als Exzerptor nach seinen eige nen Kriterien Textblüten ausliest, und es kümmert ihn wenig, ob er durch seine Auslassungen falsche Textübergänge herstellt und dadurch u.U. den Kontext verfalscht. Ein gutes Beispiel für ille Arbeitsweise des Kopisten
Sat. 9,5 'si Lucretia re .. anschließt und .
, ille er direkt an
... •
0 ist die Stelle
Sat. 8,3 (pater familiae) coepit roga
dadurch zwei ganz unterschiedliche Szenen zu einer zu
sammenfügt. Die L- Ü berlieferung auf der anderen Seite kennzeichnet Lücken durch ein oder mehrere Sternchen. Ob sie vom Exzerptor A gesetzt oder vorn Sammler L erschlossen wurden, ist nicht rekonstruierbar. Fest steht leillglich, dass man sich auf die Angaben nicht verlassen kann: Einerseits zeigt der Vergleich von
11 12
13
Siehe VAN TI IIEL 1971; 1970 und 1971a. Oftmals werden Textentscheide aufgnmd des besseren Prosarhythmus getroffen . Doch scheint m ir die Methode sehr unbefriedigen d, zwnal es n och kei ne klaren Richtli nien für die ses Phän omen gibt. Ich verzichte deshalb im Kommentar auf Hinweise zum Prosarhythmus und verweise auf MÜLLER' 449---79 und der.... Q. Curtius Rufus. Geschichte Alexanders des Großen. Latei n isch und Deut.ch, München 1954, 755-82; VANI\1N1 2007, 329; YEII 2007; Pani KEMPE, Oe clausulis petroni ani s, Diss. Grei fswald 1922; c.u. CLARJ(, An Early Use of the Accenrual Clausula: AJPh 50, 1929, 374-7; Francesco DI CJ\PUA, TI ri tm o prossico in Petronio: Giomale Italiano di Filologia, 1948,37; Enrico CAMPANILE, Osservazion i sulla lin gua di Petronio: Annali della Scuola Normale Superiore di Pisa 26,1957,67-9. Zu den Lücken siehe YAK TI IIEL 1971,66-72;
JENSSON 2004, 6-9.
Einleitung
Xlll
H und L, dass L viele echte Lücken nicht kenntlich macht, und zwar an SteI len, wo uns die Lücken gar nicht auffallen würden. Hätten wir nicht die zuver lässigere und vollständigere Parallelüberlieferung von H, wären wohl die meis ten Lücken dieser Textpassage unbemerkt geblieben, da oft kein Bruch im Gedanken-fRedefluss ersichtlich ist.'4 Andererseits bezeichnet die L-Klasse z.T. falsche Lücken: Erstens scheinen Sternchen vor und hinter Gedichten recht mechanisch gesetzt worden zu sein. Zweitens enthält z.B. t zwei Arten von Sternchen: Sechsstrahlige zeigen eine Lücke an, flinfstrahlige verweisen auf eine Randnote zum folgenden Wort. p übernimmt viele Randnoten Sternchen, ohne sie von den Sternchen ftir die Lücken zu unterscheiden. Ähn lich setzen andere Vertreter der L-Klasse Sternchen, wo es sich eigentlich um Textkorruptelen handelt. In einer modernen Edition sollte man m.E. nur dort Lücken setzen, wo sie unumgänglich sind, damit der Text nicht noch fragmen tarischer wird, als er es ohnehin schon ist. Ebenfalls angesprochen werden muss das Problem der Interpolationen.ls Dass es in den Sat. Interpolationen, also Veränderungen des ursprünglichen Textes durch das Einfligen von Wörtern, Sätzen u.Ä. durch die Abschreiber, gibt, ist unbestritten. Doch hat die Diskussion in der Petron-Forschung unver hältnismäßig großen Raum eingenommen. Insgesamt wurden über 300 Inter polationen vermutet.16 MÜLLER hatte in seiner ersten Edition (unter Einfluss von Eduard FRAENKEL) über 1 50 interpolierte Wörter und Passagen ausge macht (von denen er in den neueren Editionen viele wieder zurückgenommen hat). SULLNAN 1 976 fügte noch etwa 70 hinzu. Die vermuteten Interpolatio nen in Sat. 1 - 1 5 sind in der folgenden Tabelle aufgeführt; die von mir über nommenen Vorschläge sind fett gedruckt.
14 15
Siehe auch JEKSSON
S ieh e dazu
2004, 6f.
v.a. die Diskussionen
' b ei NELSON 1971; ML'I.LER' 471-5; PELLEGRlNO 56--8;
SOVERlNl 1974; JENSSON 2004, 12-4. 16
Ein e Auflistung der Interpolationen findet sich bei SULLIVAN 1976; siehe zudem ML'LLER' 474. Dezidiert gegen die Annahm e von Interpolationen spricht sich Q)cCIA 1973 und 1996 aus.
XlV
Einleitung
Vermutete Interpolationen 1,1
JACOBS;GIARDrNA-�ELLO�;�OLLER
{ducem }
BÜCHELER�;�OLLER
2,5
{quidem}
3,3
[ficti] {nec enim ... fecerint] {quam seierit .. . pi.�eiculos} {im}pellunt
3,3 3,4 4,2 4,3 6,1 6,3 7,3 8,4 9,4 10, I 12,2 12,3 12,4 12,5 13,4 14,3 14,3 14,4 14,5 14,5 14,7 14,7 15,2 15,2 15,3
{ut verba atroci stilo effoderent] {in} !quill! nudas{que} {iam ... exegerat} {seu comes} {id est vitrea frueta} {Iatrocinio} [a f miliari.� {emptori.�} {plane i.� ipse erat} {civiii] {.fieel} oder {dipondium} {que quibu.�} {ut pretium ... fueeret iacturam} !qulle eum ""deo ste1erIlt} {tenere] !nowlI}bzw. {nam } {scilicet de more} {iam pene} bzw. {iam pene noctur ni] {qui volebant pallium lucrifacere} {quaeri} bzw. {neque ... haberetur}
BÜCHELER�;�OLLER SULLIVAN SULLIVAN BÜCHELER3-6;�OLLER;GIARDrNA �LO� FRAENKEL;�OLLERI GIARDrNA-�ELLO� GOLDAST; BÜCHELER�; ERNOur;�OLLER FRAENKEL;�OLLERI VANTmEL WEHLE SULLIVAN �LERI FRAENKEL;VAN TmEL FRAENKEL;�OLLERI SULLIVAN BAGNA� GASELEE;�OLLER;GIARDrNA-�ELLO� GRONOVIUS; FRAENKEL;�OLLER �OLLERI
DELZ; �OLLER OUOENOORP; �OLLERI
BÜCHELERI-6. �OLLERI. ERNOur FRAENKEL;
�CHS;�o{LERI
FUCHS; SULLIVAN;�OLLER �LER I
FRAENKEL;�OLLERI; SULLIVAN
Die Entscheidung für oder gegen eine Interpolation hängt mit dem Verständnis von Petrons Stil zusammen. M. E. sollte man es vermeiden, allzu schnell eine Interpolation zu vermuten und Petron einen zu puristischen Sprachgebrauch v.a. angesichts seines kolloquialen Stils - zu unterstellen. Außerdem unterla gen etwa Wortwiederholungen oder Redundanzen in der Antike einer anderen ästhetischen Bewertung als heute, und "unconscious" bzw. "unfigured repetiti ons" galten damals nicht als stilistische Mängel. 1
17
Siehe z.B. WILLS 1996,473-7
7
zu Wortwiederholungen
in der lateinisch en Dichtung.
xv
Einleitung
3 . Handlung, Ort, Personal Hauptperson und Erzähler der
Sat.
ist Enkolp. Mit seinen Begleitern Giton,
Askylt (bis Sat. 80) und Eumolp (ab Sat. 83) erlebt er eine Reihe von Abenteu ern, in der Rhetorenschule, im Bordell, auf dem Trödelmarkt, bei Sexorgien, Gastmählern, Gaunereien, Raufereien, auf einer Schiffsreise mit anschließen dem Schiffbruch, bei Liebesabenteuern, in einer Erbschleicherkomödie Die Handlung von Sat.
1-5
1-15
IK USW.
im Überblick
In der Rhetorenschule
1-2
6-8
Enkolps Rede über den Niedergang der Beredsamkeit
3--4
Agamemnons Gegenrede
5
Agamemnons Gedicht
BordeUabenteuer
9-11
6--7
Enkolps Verirrung ins Bordell
8
Askylts Erlebnisbericht über seine eigene Verirrung ins Bordell
Eifersuchtsstreit in der Herberge
9--10
Gitons Klage, Streit zwischen Enkolp und Askylt und vorläufige Trennung
II
12-15
Enkolps Eroberung Gitons und Askylts Rückkehr
Anf dem Markt
12
Enkolp und Askylt als Verkäufer des Mantels
13
Erkennen der eigenen Tunika im Besitz von Bauersleuten
14
Überlegungen zur Wiedererlangung der Tunika, Bauersleute erheben Anspruch auf den Mantel
15
Einmischung weiterer Leute in den Streitfall, Verwahrung des Mantels und Rückgabe der Tunika
18
SiehezuSaI.
79-141
in ein em ÜbemlickHABERMElIL XXXVIß .
XVI
Einleitung
Über die vorangegangenen Abenteuer kann man nur spekulieren.19 An haltspunkte ergeben sich aus Hinweisen im überlieferten Text sowie einzelnen Fragmenten. Mit einiger Wahrscheinlichkeit vorgefallen sind Ereignisse in Massilia (frg. 1 und 4), eine Liebesbeziehung Enkolps zu einer Doris (Sat. 1 26, 1 8), eine frühere Begegnung mit Lichas, Hedyle und Tryphäna (v.a. Sat. 1 00,7; 1 05 ; 1 07, 1 1 ; 1 1 3,3), ein Raubzug durch die Villa Lykurgs (Sat. 1 1 7,3), 0 eine Gerichtsverhandlung (frg. 8) u.a.2 Schauplatz der Kapitel 1 -99 ist eine Graeca urbs (Sat. 8 1 ,3), vennutlich eine Küstenstadt im großgriechischen Unteritalien, mit all den für einen sol chen Ort typischen offenen (Forum, Straßen, Meeresküste) und geschlossenen Räumen (Rhetorenschule, domus, lupanar, deversoria, balnea, pinacotheca). Den Namen der Stadt erfahren wir nicht, an anderen Stellen wird sie lediglich colonia (Sat. 44, 1 2. 1 6; 57,9; 76, 1 0) genannt. Es ist aber wahrscheinlich, dass sie an einer verlorenen Stelle benannt wird, da alle anderen Städte bei Petron einen Namen tragen; dabei handelt es sich ohne Ausnahme um Namen von tatsächlich existierenden antiken Städten (z.B. Croton, Massilia, Baiae). In der Forschung wurden daher alle möglichen Städte diskutiert - Baiae, Capua, Cumae, Misenum, Neapolis, Pompeji, Puteoli u.a. Von diesen spricht am meis ten für die Hafenstadt Puteoli, ein kommerzielles Zentrum des Römischen Reiches im I . Jh. n. Chr. mit einem erwiesen hohen Anteil an Sklaven und Freigelassenen, die in der Cena eine große Rolle spielen.21 Über die Herkunft und den gesellschaftlichen Stand der Protagonisten können ebenfalls keine definitiven Aussagen gemacht werden. Es spricht prin zipiell nichts dagegen, die vier Hauptfiguren als freie/freigeborene Bürger anzusehen; gegenteilige Äußerungen der Protagonisten sind nicht unbedingt wörtlich zu nehmen.22 Als freie Bürger werden Enkolp und Giton auf Lichas Schiff angesehen (Sat. 1 07,3. 5f. 1 0; 1 08,3). Ebenso spricht Enkolp von sich selbst als liber (Sat. 8 1 ,6 aut vir ego liberque non sum, aut noxio sanguine parentabo iniuriae meae) und - wenn auch unter anderen Vorzeichen - von 19
Siehe zu den RekonstruktionsvelSuch en V AN.... INI2007, 189-92; JENSSON2004.
20
Sieh e dazu aa. PARATORE I 165-71; CIAFFI 1955, 5-22; SULLIVAN 1968, v.a. 34-48; WALSII 1970,73-110; VA.... TIIIEL 1971,25-65. 76-8 ; SClIMELINO 2003,460-3; JE....SSON 2004, 87-173. 175-8 0.
21
22
Siehe zur Dehatte zuletzt I.o C AS C O I 2007, 4-6; JE....SSON 2004, 122-7 (der für Neapel plädiert); einen Überblick bietet VAm."lN1 gaben; zudem hilfreich RIND! 1980, v.a. 118 Anrn. 12; PETERSMANN 1995, 540f. ; MORE....O 1964, 67 Anm. 68; Ocu 1992,42 Anrn. I f.
Sieh e DODEL 1984,46-53; IIABERMEIILXVlßf. Anders z.D. COURTNEY 2001, 39-43 oder JE.... SSON 2004, 110, der meint, En kolp und Askylt seien exules und kämen aus ein er unab h ängigen Stadt außerhalb des römischen Territoriums. Massilia könnte dann wirklich En kolps Heimatstadt sein (frg. I und 4). Eine Zusammenstellung der relevanten Stellen findet sich bei GI AR DIN A 1994.
Einleitung
XVU
Askylt in Sat. 8 1 ,4 als stupro libero stupro ingenuus. Zudem erscheint es En kolp in Sat. 1 3,4 als das Natürlichste, nach dem iu.v civile kämpfen zu wollen, was den römischen Bürgern vorbehalten war (siehe unten ad loc.). Dass En kolp sich hingegen in Sat. 8 1 ,3 exul nennt, kann seiner Einsamkeit zugeschrie ben werden. Giton ist ein spezieller Fall, doch dürfte er ebenso liber und ingenuu.v wie die anderen sein. Er ist der Jüngste des Trios und akzeptiert als puer in der sexuellen Beziehung mit Enkolp (und später Askylt) die passive Rolle. Öfter führt er deshalb auch Aufgaben eines Dieners aus (Sat. 26, 1 0 Gitona libentis sime servile officium tuentem iubemus in ba/neo sequi; 9 1 , I video Gitona cum linteis et strigilibu.v parieti applicitum tristem confusumque. scires. non liben ter servire) und wird während der Cena sogar für einen Sklaven gehalten (Sat. 58, 1 ). 23 So muss das Verhalten der Protagonisten stets mit Blick auf die von ihnen eingenommenen Rollen betrachtet werden (Enkolp z.B. als scholasticu.v in der Rhetorenschule und bei der Cena, als Sträfling auf dem Schiff des Li chas, als Sklave Eumolps in Croton).
4. Literarische Beschaffenheit der Satyrica Die Sat. gelten als das erste überlieferte fiktionale Prosawerk in lateinischer Sprache. Genau genommen handelt es sich um eine Mischung aus Prosa und Vers, ähnlich den menippeischen Satiren. Einem Gattungsbegriff lassen sich die Sat. nur schwer zuordnen. Vielmehr weisen sie Elemente verschiedener Gattungen, d.h. epische, tragische, romanhafte, elegische, satirische, mimische, burleske und komödienhafte Züge auf.24 Treffend beschreibt WALS" XXII die Vielschichtigkeit des Werkes: "In short, it is a eomie romanee. Perhaps the c1earest statement of the aim of sueh eompositions is provided by Lueian' s programme at the outset of his True Hi.�tory (Vera Historia 1 , 1). He promises a story whieh will incorpo:rate strange, elegant and mendacious themes adomed by subtle and whitty evoca tions of earlier literature; he thus seeks to provide pleasurable reading at two levels, the narrative of low adventure relieved by sophistieated Iiterary texture imposing a more intelleetual dimension of entertainment for his highly eduea ted audienee."
23
24
CERVELLERA 1982. 23Of.: .. Sono [ . . .] ingenui tanto Encolpio quanto Giton e [ . . .]. soltanto ehe Gitone si comporta come il tipico schiavetto dall'aneggiamento servile. hen consapevole 001la sua passivi!&, perchc quest'u1tima era consiOOrata negativamente come degna soltanto di UD servo."
Einen guten Überblick über die literarischen Einflüsse bietet II AßE RMEIIL XXI-XXX. Zu dem VAm."JN1
XVIII
Einleitung
Die Sat. zeichnen sich durch ihre personale Erzählweise aus, wobei der Erzähler gleichzeitig als Figur in der Geschichte auftritt. Zwischen den Erleb nissen und der Erzählgegenwart liegt ein zeitlicher Abstand, der es dem Erzäh ler ennöglicht, eine ironische Distanz zum Erlebten einzunehmen und z.B. selbstkritische Bemerkungen anzubringen (z.B. Sat. 7, 1 tam stu/ta; 7,4 tarde. immo iam sero; 1 0,7 hanc tam praecipitem divi.�ionem libido faciebat). Es dominiert jedoch die Perspektive des erlebenden Ich, aus der Spannung und Überraschungseffekte hervorgehen (z.B. die überraschende Rückkehr Askylts in Sat. 1 1 ,2 oder das spannende Hin und Her in der Mantelszene Sat. 1 2- 1 5). Die einzelnen Figuren unterscheiden sich durch ihr individuelles Sprech muster. So hebt sich auch die Diktion Enkolps als Erzähler (urbane Prosa) von der teils vulgären, teils ambitioniert-rhetorischen Sprechweise anderer Perso nen ab (vgl. die vulgären Partien in der Cena oder den rhetorischen Redestil Agamernnons in Sat. 3-5). Allerdings variiert der Erzähler seine Ausdrucks weise und sein Vokabular - sowohl in der direkten als auch der indirekten Rede - entsprechend der Situation. In der Rhetorenschule hat Enkolps Rede einen gelehrt-rhetorischen Duktus, der überreich an Metaphem ist (siehe Ess. 1 -4, 3) und genau den Stil imitiert, den Enkolp in seiner Rede kritisiert. Beim anschließenden Streit in der Herberge hingegen kommt eine erotisch metaphorische Sprache zum Einsatz (siehe Ess. 9- 1 1 , 3), die im Gegensatz zur derb-obszönen Handlung steht. In der Mantelszene schließlich dominiert der juristische Jargon (siehe Ess. 1 2- 1 5, 6), der das zwielichtige Geschehen iro nisch beleuchtet. Inhaltlich bieten Sat. 1 - 1 5 ein großes Spektrum an unterschiedlichen Situ ationen: Rhetorische Deklamationen, Liebesaffaren, Dispute, Gaunereien, Rechtsstreitigkeiten folgen unvermittelt und überraschend aufeinander. Situa tionen und Szenen lösen sich oft durch eine Flucht (Sat. 6, I ; 9, I ; 1 5 ,8 ) oder im Gelächter (Sat. 7,5; 1 0,3; 1 5,8) auf. Die Vorfälle im Bordell (siehe Ess. 6-8, 2), der Streit in der Herberge (siehe Ess. 9- 1 1 , 2) sowie die Tauschaktion auf dem Markt (siehe Ess. 1 2- 1 5, 4) fallen außerdem durch weitreichende Kon gruenzen und Symmetrien in der Handlung auf, die sich bis auf die syntakti sche und lexikalische Ebene auswirken.
Text und Übersetzung Die Textgrundlage bildet Konrad MÜLLERS Teubner-Edition (2003). Dies gilt, wenn nicht anders angegeben, auch für die Fragmente sowie die Siglen der Handschriften. Abweichungen von MÜLLERS Text sind in der folgenden Ta belle aufgeführt (sofern es sich nicht nur um Satzzeichen handelt). Auf einen Apparat wurde verzichtet, dazu sei wiederum auf MÜLLER sowie auf MÜLLERS und BOClmLERS editio major verwiesen. Teubneriana
ducem {ducem} ne ... so/um ne ... {quidem} corrupta eloquentiae regula ... stetit corrupta eloquentia regula stetit
1,1 2,5 2,7 2,8 4,2 4,3 5V.16 5V.20 6,1 6,3 9,6
ad summam . {im }pellunt Attico stilo texoneratat nachV.16 mohlS quod ne ...
quis postea ud summam impellunt atroci stilo vox toneratat nachV.19 muhls quo ne ohne Lücke
tvertit conhlbernium Gedicht nach descendere lupinos{que quibus} videm us {iampene}
vesticonhlbernium Gedicht nach veniret tlupinosque. quibust videamu.� tiampenet ohne Lücke
10,2/3 11,4 14,2bzw. 14,3 15,1 15,2 15,7/8
Kommentar
I
Die Übersetzung dient der schnelleren Erschließung des lateinischen Textes sowie der Verdeutlichung der im Kommentar dargelegten Interpretation. Sie bleibt deshalb nahe am lateinischen Original und erhebt keinen literarischen Anspruch.
Text •
'num alio genere furiarurn dec1amatores inquietantur, qui
clamant:
,,haec
vulnera
pro
Iibertate
publica
excepi, hunc oculum pro vobis impendi; date mihi ducem qui me ducat ad liberos meos, 2
nam
succisi
poplites membra non sustinent"? haec ipsa tolerabilia essent, si ad eloquentiam ituris viam facerent. nunc
et
rerum tumore et sententiarurn vanissimo strepitu hoc tantum proficiunt, ut cum in forum venerint, putent se 3
in
alium
orbem
terrarurn
delatos.
et
ideo
ego
adulescentulos existimo in scholis stultissimos fieri, quia nihil ex bis quae in usu habemus aut audiunt aut vident, sed piratas cum catenis in Iitore stantes, sed tyrannos edicta scribentes quibus imperent filiis ut patrum suorum capita praecidant, sed responsa in pes tilentiam data ut virgines tres aut plures immolentur, sed
mellitos
verborum
globulos
et
omnia
dicta
2
factaque quasi papavere et sesamo sparsa. qui inter
2
olere qui in culina habitant. pace vestra liceat dixisse,
haec nutriuntur non magis sapere possunt quam hene primi omnium eloquentiam perdidistis. levibus enim atque
inanibus
sonis
ludibria
quaedam
excitando
effecistis ut corpus orationis enervaretur et caderet. 3
nondum iuvenes dec1amationibus continebantur, cum
4
deberent loqui . nondum umbraticus doctor ingenia
Sophocles
aut
Euripides
invenerunt
verba
quibus
deleverat, cum Pindarus novemque lyrici Homericis 5
versibus canere timuerunt. et ne poetas solum ad testimonium
citern,
certe
neque
PI atona
neque
Demosthenen ad hoc genus exercitationis accessisse 6
video. grandis et ut ita dicam pudica oratio non est maculosa
7
nec
turgida,
sed
naturali
pulchritudine
exsurgit. nuper ventosa istaec et enormis loquacitas Athenas ex Asia commigravit animosque iuvenum ad magna
surgentes
veluti
pestilenti
quodam
sidere
Übersetzung "Werden die Deklamatoren etwa nicht von denselben Furien getrieben, wenn sie schreien: 'Diese Wunden habe ich mir im Kampf für die Freiheit des Vaterlandes zugezogen, dieses Auge habe ich für euch geopfert; gebt mir einen Führer, der mich zu meinen Kindern geleite, denn meine durch schnittenen Kniekehlen tragen den Körper nicht mehrT Dies wäre noch erträglich, wenn es denjenigen, die zur Beredsamkeit gelangen wollen, den Weg ebnen würde. In Wahrheit aber kommen sie mit dem Schwulst ihrer Themen und dem leeren Wortgeklingel nur so weit, dass sie sich, wenn sie das Forum betreten, auf einen anderen Planeten versetzt fühlen. Und des halb meine ich, dass die jungen Leute in der Schule völlig verdummen, weil sie nichts von dem, was in der Praxis vorkommt, hören oder sehen, sondern von Piraten, die mit Ketten am Strand stehen, von Tyrannen, die Erlasse zu Papier bringen, in denen sie Söhnen befehlen, den eigenen Vätern den Kopf abzuschlagen, von Orakeln, die bei Pest dazu raten, drei oder mehr Jungfrauen zu opfern, honigsüßes Wortkonfekt und lauter Wor te und Taten, die mit Mohn und Sesam bestreut sind. Wer mit solcher Kost ernährt wird, kann nicht mehr Geschmack haben, als einer gut riechen kann, der immer in der Küche steckt. Gestattet mir zu sagen, ihr habt als Erste von allen die Beredsamkeit zugrunde gerichtet. Denn aus leichten und leeren Tönen habt ihr gewisse Spielereien erzeugt und es so weit ge bracht, dass der Körper der Rede erschlaffte und in sich zusammenfiel. Damals waren die jungen Leute noch nicht an die Deklamationen gebun den, als ein Sophokles oder ein Euripides die Worte fand, in denen sie sich ausdrücken sollten. Damals hatte noch kein Stubengelehrter die Talente verdorben, als Pindar und die neun Lyriker sich scheuten, in homerischen Versen zu dichten. Und um nicht nur Dichter als Zeugen anzuführen: Soweit ich sehe, haben sich bestimmt weder Platon noch Demosthenes auf diese Art der Übung eingelassen. Große und - wenn ich das so sagen darf - keusche Rede ist weder bunt gefleckt noch geschwollen, sondern erhebt sich in natürlicher Schönheit. Unlängst ist diese aufgeblasene und maßlose Geschwätzigkeit aus Kleinasien in Athen eingezogen und hat den nach Großem strebenden Geist der jungen Leute wie ein Pestgestirn angeblasen;
5
Übersetzung und nachdem ihre Grundsätze einmal verdorben waren, kam die Bered samkeit zum Stillstand und verstummte. Wer hat später die Perfektion eines Thukydides, wer den Ruf eines Hypereides erlangt? Und ebenso wenig hat eine Dichtung von gesunder Farbe ihren Glanz entfaltet, son dern nichts konnte, weil alles gleichsam mit derselben Nahrung gefUttert wurde, ein hohes Alter erreichen. Auch die Malerei ist nicht anders zugrunde gegangen, nachdem die dreisten Ägypter ein Schnellverfahren
flir diese so hohe Kunstform erfunden hatten."
Agamemnon ließ es nicht zu, dass ich länger in der Halle deklamierte, als er selbst
im
3
Hörsaal geschwitzt hatte, sondern sagte: ,,Junger Mann, da
du eine Redeweise von nicht alltäglichem Geschmack hast und, was höchst selten ist, gesunden Menschenverstand schätzest, will ich dir die Geheimnisse unserer Kunst nicht vorenthalten. Natürlich begehen die Lehrer mit solchen Übungen einen Fehler; sie müssen ja mit den Narren närrisch sein. Denn wenn sie nicht sagen, was die jungen Leute hören möchten, so werden sie, wie Cicero sagt, 'in der Schule alleine sitzen bleiben'. Wie falsche Schmeichler, die nach Einladungen zu Tisch bei reichen Leuten gieren, an nichts eher denken, als was ihrer Meinung nach den Zuhörern am willkommensten sei (denn nicht anders gelangen sie ans Ziel als dadurch, dass sie den Ohren gleichsam Fallen stellen), so muss der Lehrer der Redekunst wie ein Fischer, wenn er nicht den Köder an den Angelhaken hängt, von dem er weiß, dass die Fischlein nach ihm schnap pen werden, ohne Aussicht auf Beute auf der Klippe sitzen bleiben. Wie steht es also? Die Eltern verdienen den Tadel, weil sie nicht wollen, dass ihre Kinder durch strenge Disziplin weiterkommen. Denn zuerst ordneten sie, so wie alles, auch ihre Hoffuungen dem Ehrgeiz unter. Sodann eilen sie auf das Gewünschte zu: Sie treiben noch unreife Studien aufs Forum und streifen den gerade auf die Welt kommenden Knaben die Rhetorik über, die sie
flir
das Allerhöchste halten. Wenn sie aber ein schrittweises
Lernen zuließen, so dass die jungen Leute im Studium mit ernsthafter Lektüre genährt würden, sie ihren Geist an den Maximen der Philosophie formten, mit dem Griffel unerbittlich Worte von der Wachstafel kratzten und lange hörten, was sie nachahmen wollten, wenn sie sich davon über zeugen ließen, dass nichts von hohem Wert sein
kann,
was Knaben gefällt,
dann käme jene erhabene Rede wieder in ihrer majestätischen Würde zur Entfaltung. Heute spielen die Knaben in den Schulen, die jungen Leute machen sich lächerlich auf dem Forum und - was schlimmer ist als beides: Wer etwas falsch gelernt hat, will es
im Alter nicht eingestehen.
Damit du
aber nicht meinst, ich hätte die Stegreifdichtung von lucilianischer Schlichtheit missbilligt, will auch ich meine Gedanken in einem Gedicht ausdrücken:
4
Text 5
artis severae si quis ambit effectus mentemque magnis applieat, prius mores frugalitatis lege poliat exacta. nee euret alto regiam trueem vultu cliensque eenas impotentium eaptet, nee perditis addietus obruat vino mentis ealorem neve plausor in seaenam sedeat redemptus histrionis ad rietus. sed sive annigerae rident Tritonidis arees seu Laeedaemonio tellus habitata eolono Sirenumve domus, det primos versibus annos Maeoniumque bibat felici peetore fontem. mox et Socratieo plenus grege mittat habenas liber et ingentis quatiat Demosthenis anna. hine Romana manus eireumfluat et modo Graio vox toneratat sono mutet suffusa saporem, interdum subdueta foro det pagina eursum: et fortuna sonet eeleri distineta meatu, dent epulas et bella truci mernorata eanore grandiaque indomiti Cieeronis verba minentur. bis anirnum sueeinge bonis: sie flumine largo plenus Pierio defundes peetore verba. '
6
dum hune diligentius audio, non notavi mibi Aseylti fugam ... et dum in hoc dictorum aestu mutus ineedo, ingens seholastieorum turba in portieum venit, ut appa rebat, ab extemporali declamatione nescio euius, qui
2
Agamenmonis suasoriam exeeperat. dum ergo iuvenes sententias rident ordinemque totius dietionis infamant, opportune subduxi me et eursim Aseylton persequi
3
eoepi. sed nee viam diligenter tenebam [quia] nec quo
4
stabulum esset seiebam. itaque quoeumque ieram, eodem revertabar, donee et eursu fatigatus et sudore iam madens accedo anieulam quandam, quae agreste
7
holus vendebat, et 'rogo', inquam, 'mater, numquid seis ubi ego habitem?' delectata est illa urbanitate tarn stulta et 'quidni seiam?' inquit eonsurrexitque et eoepit
2
me praeeedere. divinam ego putabam et ... subinde ut in
3
reieeit et 'hic' inquit 'debes habitare'. eum ego nega
loeum secretiorem venimus, eentonern anus urbana rern me agnoseere domum, video quosdam inter titulos
Übersetzung
Wer sich mit ersthafter Kunst profilieren will und Großes im Sinn hat, schule erst seine Sitten an dem strengen Gesetz der Mäßigkeit. Erhobenen Hauptes lasse er unbeachtet den drohenden Königspalast und giere nicht als Bittstel1er nach den Gastmählern der Mächtigen, noch begebe er sich in üble Gesellschaft und ersäufe im Wein das Feuer seines Geistes, noch sitze er als ein fiir die Bühne bestochener Claqueur vor dem klaffenden Maul des Schauspielers.
7 5
Nein, ob ihm die Burg der waffentragenden Pallas zulächle oder das vom spartanischen Siedler bewohnte Land oder das Heim der Sirenen, er widme die ersten Jahre der Dichtung und trinke glücklichen Herzens von der Quelle Homers. Bald auch von Sokrates' Herde gesättigt, lockere er frei die Zügel und schwinge die Waffen des gewaltigen Demosthenes. Danach umfließe ihn römisches Volk, und seine eben noch von einem griechischen Akzent tbelastetet Stimme werde benetzt und verändere seine Redeweise. Bisweilen gebe ihm eine dem Forum feme Lektüre Schwung: Fortuna erzeuge in ihrem schnellen Schritt unterschiedliche Töne, und Nahrung mögen ihm Kriege sein, besungen im trotzigen Gesang, und drohen sollen die großen Worte des unübertroffenen Cicero. Rüste deinen Geist mit diesen Schätzen: Dann wirst du, voll von dem mächtigen Fluss, aus musischer Brust die Worte verströmen." Während ich ihm allzu aufmerksam zuhörte, bemerkte ich nicht, dass Askylt sich aus dem Staub gemacht hatte. ... Und während ich in dieser Hitze von Worten stumm einherging, kam eine große Schar Studenten in die Halle, offenbar von einer Stegreif-Deklamation von irgendjemandem, der das Wort nach der Suasorie von Agamenmon ergriffen hatte. Während also die jungen Leute über die Sentenzen lachten und den Aufbau der ganzen Rede verrissen, nahm ich die günstige Gelegenheit wahr, mich davonzuschleichen und eilends Askylt zu folgen. Doch weder konnte ich den Weg wieder genau finden, [da] noch wusste ich, wo überhaupt unsere Herberge war. Wohin ich deshalb auch immer ging, ich kehrte stets an einen Ort zurück, an dem ich schon gewesen war, bis ich mich - vom Laufen erschöpft und schon von Schweiß durchnässt - an ein altes Weiblein wandte, das Gemüse vom Land feilbot: "Bitte, Mütterchen", sagte ich, "weißt Du vielleicht, wo ich wohne?" Erheitert durch diesen so dummen Witz, meinte jene: "Wie könnte ich das nicht wissen?", stand auf und ging voran. Ich hielt sie flir eine Seherin, und ... als wir unmittelbar darauf an einen ziemlich abgeschiedenen Ort kamen, riss die Alte einen Vorhang auf und sagte: "Hier musst du wohnen!" Während ich noch versicherte, dass ich das Haus nicht kannte, erblickte ich ein paar Männer, die verstohlen
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Text 4
nudasque meretriees furtim spatiantes. tarde, immo iam sero intellexi me in fornieem esse deduetum. execratus itaque anieulae insidias operui eaput et per medium lupanar fugere eoepi in alteram partem, eum ecce in ipso aditu oeeurrit mihi aeque lassus ae moriens Aseyltos; putares ab eadem anieula esse deductum.
5
itaque ut ridens eum eonsalutavi, quid in loco tarn
8
deformi faeeret quaesivi. sudorem ille manibus detersit
2
inquam ego. at ille deficiens 'eum errarem' inquit 'per
et 'si seires' inquit 'quae mihi aceiderunt'. 'quid novi?' totarn civitatem nec invenirem quo loco stabulum reli quissem, aeeessit ad me pater familiae et dueem se 3
itineri s humanissime promisit. per anfractus deinde obseurissimos egressus in hune loeum me perduxit
4
prolatoque peeulio eoepit rogare stuprum. iam pro cella meretrix assem exegerat, iam ille mihi iniecerat manum et nisi valentior fuissem, dedissem poenas'... adeo ubique omnes mihi videbantur satyrion bibis se •
iunetis viribus molestum eontempsirnus •
9
quasi per ealiginem vidi Gitona in erepidin e semitae stantem et in eundem loeum me eonieci ...
2
eum quaererem numquid nobis in prandium frater parasset, eonsedit puer super lectum et manantes laeri-
3
mas polliee extersit. perturbatus ego habitu fratris quid accidisset quaesivi. at ille tarde quidem et invitus, sed
4
postquam precibus etiam iraeundiam miseui, 'tuus' inquit 'iste frater seu comes paulo
ante
in eonduetum
aceueurrit eoepitque mihi velle pudorem extorquere. 5
eum ego proclamarem, gladium strinxit et "si Lucretia es" inquit "Tarquinium invenisti".'
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quibus ego auditis intentavi in oeulos Aseylti manus et 'quid dieis' inquam 'muliebris patientiae scortum, euius
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ne spiritus purus est'?' inhorreseere se finxit Aseyltos, mox sublatis fortius manibus longe maiore nisu c\ama-
8
vit : 'non taces' inquit 'gladiator obscene, quem tde
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ruinat harena dimisit? non taees, nocturne pereussor, qui ne turn quidem, eum fortiter faceres, eum pura muliere
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pugnasti, euius eadem ratione in viridario frater fui qua nune
in
deversorio
puer
est'?'
'subduxisti
te'
Übersetzung
zwischen Schildern und nackten Huren umherschlichen. Spät, ja allzu spät wurde mir klar, dass ich in ein Bordell verschleppt worden war. So ver fluchte ich den Streich der Alten, verhüllte meinen Kopf und machte mich, mitten durch das Bordell, auf die Flucht in den anderen Teil, als mir, siehe da, gerade am Eingang - gleich mir wie zu Tode erschöpft - Askylt entge genlief. Man hätte glauben können, er sei von derselben Alten verschleppt worden. Als ich ihn also lachend begrüßte, fragte ich, was er an einem so verruchten Ort mache. Er wischte sich mit den Händen den Schweiß ab und sagte: "Wenn du wüsstest, was mir passiert ist!" "Was gibt's Neues?", fragte ich. Jener aber, am Ende seiner Kräfte, sagte: "Nachdem ich durch die ganze Stadt geirrt war und nicht herausgefunden hatte, wo ich die Herberge zurückgelassen hatte, trat ein väterlicher Typ an mich heran und versicherte mir aufs liebenswürdigste, mir den Weg zu zeigen. Auf dun kelsten Umwegen führte er mich dann an diesen Ort, zog sein wertes Stück und begann, Sex von mir zu verlangen. Schon hatte eine Dirne für ihre Zelle ein As gefordert, schon hatte jener Hand an mich gelegt, und wenn ich nicht der Stärkere gewesen wäre, hätte ich Strafe gezahlt" ...
9
8
So reichlich schienen alle rundherum Satyrion getrunken zu haben. •
Mit vereinten Kräften wehrten wir den Lästigen ab. •
Verschwommen sah ich Giton auf dem Gehsteig der Gasse stehen und stürzte ebendorthin ... Als ich fragte, ob uns der Bruder etwas zu Mittag bereitet habe, setzte sich der Knabe auf das Bett und wischte sich die herabfließenden Tränen mit dem Daumen ab. Verwirrt über den Zustand des Bruders fragte ich, was geschehen sei. Er aber - zögerlich und widerwillig, und erst nachdem ich den Bitten auch Zorn beigemischt hatte - sagte: "Dein Bruder da oder dein Begleiter kam kurz zuvor in die Unterkunft gerannt und wollte mich meiner Scham berauben. Als ich um Hilfe schrie, zog er sein Schwert und sagte: 'Wenn du Lukrezia bist, so hast du deinen Tarquinius gefunden!'" Als ich das hörte, streckte ich meine Hände zu Askylts Augen hin aus und sagte: "Was sagst du dazu, Mannshure, die sich wie ein Weib hergibt und an der nicht einmal der Atem sauber ist?" Askylt tat so, als ob er er schrecke, erhob alsbald seine Fäuste noch drohender und brüllte noch lauter: "Willst du nicht schweigen, geiler Fechter, den der KampfPlatz twegen eines Zusammenbruchst entlassen hat? Willst du nicht schweigen, nächtlicher Stoßer, der du nicht einmal damals, als du noch besser bei sammen warst, mit einer sauberen Frau gekämpft hast, und dessen Bruder ich im Garten gewesen bin auf dieselbe Art, wie es nun in der Herberge der Knabe ist?" "Du hast dich", sagte ich, "von der Debatte mit
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Text 10
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inquam 'a praeeeptoris eolloquio'. 'quid ego, homo stultissime, faeere debui, eum fame morerer? an videli eet audirem sententias, id est vitrea fraeta et somniorum interpretamenta? multo me turpior es tu hereule, qui ut foris eenares poetam laudasti'. itaque ex turpissima lite in risum diffusi pacatius ad reliqua secessimus •
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rursus in memoriam revoeatus iniuriae 'Aseylte' inquam 'intellego nobis eonvenire non posse. itaque eommunes sarcinulas partiamur ac paupertatem nostram privatis quaestibus temptemus expellere. et tu Iitteras seis et ego. ne quaestibus tuis obstem, aliud aIiquid promittam; aIioqui mille causae quotidie nos eollident et per totam urbem rumoribus different'. non recusavit Aseyltos et 'hodie' inquit 'quia tamquam seholastiei ad eenam promisimus, non perdamus noetem. eras autem, quia hoc Iibet, et habitationem mihi prospieiam et aIiquem fratrem'. 'tardum est' inquam 'differre quod plaeet' •
hane tarn praeeipitem divisionem libido faciebat; iam dudum enim amoliri eupiebam eustodem mole stum, ut veterem eum Gitone meo rationem reduee rem •
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postquam lustravi oeulis totam urbem, in eellulam redii oseulisque tandem bona tide exactis alligo artissimis eomplexibus puerum fruorque votis usque ad invidiam felieibus. nee adhue quidem omnia erant facta, eum Aseyltos furtim se foribus admovit diseussisque fortissime c1austris invenit me eum fratre ludentern. risu itaque plausuque eellulam implevit, opertum me amieulo evoluit et 'quid agebas' inquit 'frater sanctissime? quid? vestieontubemium facis?' nec se solum intra verba continuit, sed lorum de pera solvit et me eoepit non perfunetorie verberare, adieetis etiam petulantibus dietis: 'sie dividere eum fratre nolito'
Übersetzung
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dem Professor weggeschlichen." "Was sollte ich denn tun, Dummkopf, wenn ich vor Hunger fast starb? Sollte ich mir etwa die Sentenzen anhören, das heißt, dieses zerbrochene Glas und diese Traumdeutereien? Du bist weiß Gott viel schlimmer als ich, hast du doch einem 'Poeten' Kom plimente gemacht, um auswärts essen zu können." So brachen wir nach unserem überaus hässlichen Streit in Gelächter aus und wendeten uns ziemlich friedlich den restlichen Dingen zu.
10
•
Da erinnerte ich mich wieder an das Unrecht und sagte: ,,Askylt, ich sehe ein, dass wir nicht zueinander passen. Lass uns deshalb die gemeinsamen Habseligkeiten teilen und versuchen, unserer Armut durch je eigene Geschäfte ein Ende zu setzen. Du bist gebildet ebenso wie ich. Um deinen Geschäften nicht im Weg zu stehen, will ich irgendetwas anderes betreiben; sonst werden uns täglich tausend Gründe zusammenführen und uns in der ganzen Stadt ins Gerede bringen." Askylt hatte nichts dagegen einzuwenden und sagte: "Da wir heute als Gelehrte zu einem Gastmahl zugesagt haben, wollen wir die Nacht nicht verlieren. Morgen aber, da es so sein soll, werde ich mich nach einer Unterkunft und einem anderen Bruder umsehen." "Es ist müßig", sagte ich, "aufzuschieben, was beschlossene Sache ist." •
Diese überstünte Teilung hat Geilheit ausgelöst; denn schon lange wünschte ich mir, den lästigen Aufpasser loszuwerden, um das alte Ver hältnis mit meinem Giton wiederaufnehmen zu können. •
Nachdem ich in der ganzen Stadt Ausschau gehalten hatte, kehrte ich ins Kämmerchen zurück, verlangte endlich in gutem Glauben Küsse von dem Knaben, schloss ihn ganz fest in meine Arme und genoss glückliche Wonnen, um die mich jeder beneidet hätte. Und wir waren noch nicht einmal fertig, als sich Askylt heimlich zur Türe schlich, die Riegel gewaltsam aufbrach und mich mitten im Liebesspiel mit meinem Bruder vorfand. Mit seinem Lachen und Applaus erflillte er das Kämmerchen, wickelte mich aus dem Mantel, der mich bedeckte, und sagte: "Was hast du getan, frommes Brüderchen? Was? Stellst du Decken Gemeinschaft her?" Und er ließ es nicht bei diesen Worten bewenden, sondern löste den Riemen vom Rucksack und begann, mich nicht nur leicht zu schlagen, wobei er auch noch die unverschämten Worte hinzu fUgte: "So mit dem Bruder teilen solltest du nicht!"
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Text •
Il
veniebamus in forum deftciente iam die, in quo notavimus frequentiam rerum venalium, non quidem pretiosarum sed tamen quarum ftdern male ambulan-
2
tern obscuritas ternporis facillime tegeret. cum ergo et ipsi raptum latrocinio pallium detulissernus, uti occa sione opportunissima coepimus atque in quodam angulo laciniam extremam concutere, si quem forte
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ernptorern splendor vestis posset adducere. nec diu moratus rusticus quidam farniliaris oculis meis cum muliercula
comite propius
accessit
ac
diligentius
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considerare pallium coepit. invicem Ascyltos iniecit
5
subito exanimatus conticuit. ac ne ipse quidern sine
contemplationern super umeros rustici emptoris ac aliquo motu hominern conspexi, nam videbatur ille mihi esse, qui tuniculam in solitudine invenerat. plane 6
is ipse erat. sed cum Ascyltos timeret ftdern oculorum, ne quid temere faceret prius tamquam ernptor propius accessit detraxitque umeris laciniam et dili-
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gentius temptavit.
0 lusum fortunae mirabilern! Nam
adhuc ne suturae quidern attulerat rusticus curiosas manus, sed tamquam mendici spolium etiam fastidio2
se venditabat. Ascyltos postquam depositum esse inviolatum vidit et personarn vendentis conternptam, seduxit me paululum a turba et 'scis' inquit 'frater,
3
rediisse ad nos thesaurum de quo querebar? illa est tunicula adhuc, ut apparet, intactis aureis plena. quid ergo facimus, aut quo iure rern nostram vindicamus?'
4
exhilaratus ego non tantum quia praedam videbam, sed etiam quod fortuna me a turpissima suspicione dimiserat, negavi circuitu agendum, sed plane iure civili dimicandum, ut si nollet alienam rem domino reddere, ad interdictum veniret.
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quid faciunt leges, ubi sola pecunia regnat aut ubi paupertas vincere nulla potest? ipsi qui Cynica traducunt tempora pera non numquam nummis vendere verba solent. ergo iudicium nihil est nisi publica merces, atque eques in causa qui sedet, empta probat.
13
Übersetzung •
Wir kamen, als es schon am Eindunkeln war, auf den Markt, wo wir eine
12
Menge käuflicher Waren sahen, zwar nicht wertvolle, aber doch von sol cher Art, dass die Dämmerstunde deren auf schwachen Füßen stehende Glaubwürdigkeit ganz leicht verdeckte. Da also auch wir selbst den bei einem Raub erbeuteten Mantel mitgebracht hatten, ergriffen wir die her vorragende Gelegenheit und begannen in einem Winkel, ihn beim äußersten Zipfel zu schütteln, gespannt darauf, ob der Glanz des Kleidungsstückes vielleicht einen Käufer anlocken könnte. Und es dauerte nicht lange, da kam ein Bauer, der meinen Augen nicht fremd war, in Begleitung einer Frau näher und begann, den Mantel genauer zu betrachten. Askylt dagegen heftete seinen Blick auf die Schultern des bäurischen Käufers, fuhr plötzlich zusammen und schwieg. Und auch ich betrachtete den Mann nicht ohne Regung, denn er schien mir jener zu sein, der in der verlassenen Gegend die Tunika gefunden hatte. Ja, er war es höchstpersönlich. Da aber Askylt seinen Augen nicht traute und um nichts unbedacht zu
tun , trat er
erst, als wolle er kaufen, näher heran, zog einen Zipfel von der Schulter und untersuchte ihn sorgfliltig. Was für ein wunderbares Spiel des Glücks!
13
Denn bisher hatte der Bauer noch gar nicht die Nähte mit neugierigen Händen betastet, sondern bot die Tunika sogar verächtlich feil, als handle es sich
um
eine Bettlern abgeluchste Beute. Als Askylt sah, dass die Ein-
lage unangetastet und der Verkäufer ärmlich war, flihrte er mich aus der Menge ein wenig beiseite und sagte: "Weißt Du, Bruder, dass der Schatz, dessentwegen ich bei Dir Klage geflihrt habe, zu uns zurückgekehrt ist? Das dort ist die Tunika, die anscheinend noch voll von unberührten Goldstücken ist. Was also tun wir, und mit welchem Recht beanspruchen
wir unser Eigentum?" Ich war hocherfreut, nicht nur, weil ich die Beute sah, sondern auch, weil das Glück mich von einem schändlichen Verdacht befreit hatte. Ich plädierte dafür, nicht auf Umwegen zu handeln, son dern direkt nach Zivilrecht zu kämpfen, so dass er, wenn er die fremde Sache nicht dem Eigentümer zurückgeben wolle, zum Interdikt kommen müsse. Was nützen Gesetze, wo einzig das Geld regiert oder wo keine Armut gewinnen kann? Selbst die, die mit einem kynischen Rucksack umherziehen und die herrschenden Zustände anprangern, pflegen öfters ihre Worte gegen Geld zu verkaufen. Also ist ein Urteil nichts anderes als öffentliche Ware, und der Ritter, der über dem Fall zu Gericht sitzt, billigt Gekauftes.
14
14
Text
contra Ascyltos leges timebat et 'quis' , aiebat, 'hoc loco nos novit aut quis habebit dicentibus fidem? mihi plane placet emere, quamvis nostrum sit, quod agno scimus, et parvo aere recuperare potius thesaurum quam in ambiguam litern descendere. ' 3 sed praeter unum dipondium [sicel] tlupinosque, quibust destinaveramus mercari, nihil ad manum erat. 4 itaque ne interim praeda discederet, vel minoris pal lium addicere placuit et pretium maioris compendii 5 leviorem facere iacturam. cum primum ergo expli cuimus mercem, mulier aperto capite [quae cum rusti co steterat] inspectis diligentius signis iniecit utram que laciniae manum magnaque vociferatione latrones 6 tenere clamavit. contra nos perturbati, ne videremur nihil agere, et ipsi scissam et sordidam tenere coepi mus tunicam atque eadem invidia proclamare nostra 7 esse spolia quae iIIi possiderent. sed nullo genere par erat causa [nostra], et cociones, qui ad clamorem confluxerant, nostram scilicet de more ridebant invi diam, quod pro iIIa parte vindicabant pretio sissimam vestem, pro hac pannuciam ne centonibus 8 quidem bonis dignam. hinc Ascyltos tpenet risum 1 5 discussit, qui silentio facto ' videamus', inquit, ' suam cuique rem esse carissimam; reddant nobis tunicam 2 nostram et pallium suum recipiant. ' etsi rustico mulie rique placebat pennutatio, advocati tamen tiam penet nocturni, qui volebant pallium lucri facere, flagitabant uti apud se utraque deponerentur ac postero die iudex 3 querellam inspiceret. neque enim res tantum quae viderentur in controversiam esse, sed longe aliud quaeri, in utraque parte scilicet latrocinii 4 suspicio haberetur. iam sequestri placebant, et nescio quis ex cocionibus, calvus, tuberosissimae frontis, qui solebat aliquando etiam causas agere, invaserat pal5 lium exhibiturumque crastino die affinnabat. ceterurn apparebat nihil aliud quaeri nisi ut semel deposita vestis inter praedones strangularetur et nos metu cri minis non veniremus ad constitutum . . . . idem plane et 6 nos volebamus. itaque utriusque partis votum casus adiuvit. indignatus enim rusticus, quod nos centonem 7 exhibendum postularemus, misit in faciem Ascolti
übersetzung
15
Dagegen fürchtete Askylt das Recht und sagte: "Wer kennt uns hier, und wer wird unseren Worten Glauben schenken? Ich bin entschieden dafür, dass wir das kaufen, was wir als unser Eigentum erkennen, obwohl es uns gehört, und dass wir für wenig Geld den Schatz wiedergewinnen, statt uns in einen unsicheren Prozess einzulassen. Aber außer einem Zweigroschenstück tund Bohnen, mit denent wir handeln (eig. kaufen) wollten, hatten wir nichts zur Hand. Deshalb be schlossen wir, damit die Beute in der Zwischenzeit nicht abhanden komme, den Mantel sogar zu einem niedrigeren Preis loszuschlagen und den geringeren Verlust für den größeren Gewinn in Kauf zu nehmen. Sobald wir also die Ware ausgelegt hatten, schlug die Frau [die beim Bauern stand] ihr Kopftuch zurück, untersuchte genauer die Kennzeichen, packte mit beiden Händen den Zipfel und schrie mit lauter Stimme, dass sie die Diebe habe. Wir dagegen waren verwirrt und begannen, um nicht den Anschein zu erwecken, als würden wir nichts tun, auch selbst die zerrissene und schmutzige Tunika zu halten und mit derselben Empörung auszurufen, uns gehöre die Beute, die jene besäßen. Doch war der Fall in keiner Weise ausgeglichen, und die Geschäftemacher, die auf das Geschrei her beigeströmt waren, lachten natürlich auf ihre Art über unseren giftigen Gegenangriff, weil sie sahen, dass auf jener Seite ein sehr kostbares Klei dungsstück beansprucht wurde, auf unserer Seite ein nicht einmal für gute Flicken brauchbarer Lumpen. Da machte Askylt dem Gelächter tfastt ein Ende, indem er Ruhe gebot und sagte: "Sehen wir doch ein, dass jedem seine Sache das Liebste ist: So sollen sie uns unsere Tunika zurückgeben und dafür ihren Mantel wiederbekommen." Auch wenn der Tausch dem Bauern und der Frau gefiel, forderten die tschon fastt nächtlichen Advo katen, die aus dem Mantel Gewinn ziehen wollten, dass beides bei ihnen hinterlegt würde und am nächsten Tag ein Richter den Streitfall untersuchte. Denn nicht nur die Dinge, die offenkundig im Streit seien, sondern weitaus mehr sei zu untersuchen, da bei beiden Parteien Verdacht auf Diebstahl bestehe. Schon beschloss man, Mittelsmänner zu fmden, und irgendeiner dieser Geschäftemacher, kahlköpfig, mit stark vorgewölbter Stirn, der manchmal auch Rechtsfalle zu behandeln pflegte, hatte sich auf den Mantel gestürzt und beteuerte, ihn am folgenden Tag vorzulegen. 1m Ü brigen schien nichts anderes angestrebt zu werden, als dass das Klei dungsstück, einmal deponiert, unter den Gaunern zum Verschwinden gebracht wird und wir aus Angst, eines Vergehens beschuldigt zu werden, nicht zum Termin erscheinen. Dasselbe wollten auch wir. Da half ein Zufall dem Wunsch beider Parteien. Denn der Bauer, wütend über unsere Forderung, dass ein Lumpen vorgelegt werden müsse, warf Askylt die
IS
Text
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tunicam et liberatos querella iussit pallium deponere, quod solum litern faciebat. et recuperato, ut putabamus, thesauro in deverso8 rium praecipites abimus, praeclusisque foribus ridere acumen non minus cocionum quam calumniantium coepimus, quod nobis ingenti calliditate pecuniam reddidissent. 9
nol0 quod cupio statirn tenere, nec victoria mi placet parata
Übersetzung
17
Tunika ins Gesicht und hieß uns, die wir keinen Grund mehr zur Klage hatten, den Mantel zu hinterlegen, welcher nun alleine den Streit ausmachte. Nachdem wir den Schatz wiedererlangt hatten, wie wir glaubten, gingen wir Hals über Kopf in die Herberge zurück und begannen hinter verriegel ter Tür zu lachen, nicht weniger über den Scharfsinn der Geschäftemacher als der Ankläger, weil sie uns mit ihrer ungeheuren Schlauheit das Geld wiedergegeben hätten. Ich will nicht, was ich begehre, sofort erhalten, noch gefallt mir ein leichter Sieg.
Kommentar Ein Kommentar ist mit einem N etz zu vergleichen, das einen Text einzufangen versucht, ihn umspannt und dabei einiges auffängt, anderes aber durchlässt. Nie kann er allen und allem gerecht werden, was Text wie die
Sat.
für einen so
fragmentarischen
in noch viel höherem Maße gilt.
Im Sinne eines philologisch-literarischen Kommentars werden mit der Ar beit zwei Ziele verfolgt: Erstens erläutert der Kommentar die zum Verständnis des Textes nötigen sprachlichen, stilistischen und sachlichen (Handlung und Realien) Informationen. Zweitens sollen die literarische Machart und Qualität des Textes sowie narra tologische Phänomene gebührende Erwähnung finden. Darüber hinaus leistet der Kommentar eine Aufarbeitung der modernen For schungsliteratur. So möge er auch als Wegweiser und Orientierungshilfe bei der Beschäftigung mit den Petron-Fragmenten
Sal. 1 - 1 5
und der fast unüber
schaubaren Forschungsliteratur dienen. Der Kommentar bemüht sich, wo immer nötig textkritische Probleme (Überlieferung, Lesarten, Lücken)
zu
besprechen.
Oft
fallt es schwer, der einen
oder anderen Lesart den Vorrang zu geben. Da ein Kommentar m.E. Benutzerinnen und Benutzer dann am brauchbarsten ist, wenn er
fiir
für
die
Lösungs
vorschläge einsteht, versuche ich jedoch, wo möglich, Entscheidungen zu treffen und diese zu begründen. Dabei werden die alternativen Textvarianten und Lesarten, die verworfenen Konjekturen und anderen Interpretationsmög lichkeiten, sofern sie nennenswert und nicht abwegig sind, ebenfall s erwähnt und diskutiert. Ungelöste bzw. unlösbare Probleme - wenn z.B. unter gleich guten Textvarianten keine begrüodbare Favorisierung möglich ist oder der Text unheilbar verderbt ist - werden als solche benannt. Der Kommentarteil ist den einzelnen Szenen entsprechend in fUnf Blöcke ! aufgeteilt. Jeder Block wird mit einem Essay
(Sal. 1-4; 5; 6-8; 9-1 1 ; 1 2- 1 5)
eingeleitet, in dem szenenrelevante Probleme diskutiert und mögliche Interpre tationsansätze aufgezeigt werden. Der lateinische Text wird nach dem Vorbild der Groninger Apuleius-Kommentare Paragraph
für
Paragraph ausgeschrieben
und übersetzt (wo es der Sinnzusammenhang erfordert, werden zwei Paragraphen zusammengefasst). Wenn Fragestellungen einen ganzen Paragraphen betreffen, geht den entsprechenden Lemmata eine übergreifende Besprechung voraus.
Das s chwi erige Gedi ch t Sal. 5 w i rd aus o rga nisatorischen ( nicht sachli ch en) Griind en separat abgehandelt.
20
Kommentar Lateinische Autoren sind
in
der Regel nach dem Index des TLL
griechische nach dem Verzeichnis des N euen Pauly
(3.
( 1 990),
Band) abgekürzt. Die
Stellen werden nach den Standardausgaben zitiert. Wo es sinnvoll erschien, wird der Herausgeber der zitierten Edition genannt. Verweise innerhalb des Kommentars werden mit "siehe oben/unten" angegeben (z.B. siehe unten
1 ,3 papavere ef sesamo).
Saf.
Auf Abschnitte in der allgemeinen Einleitung wird
mit "siehe Einl." verwiesen, auf Abschnitte in den Essays der Szenen mit "sie he Ess.".
In
der Rhetorenschule (Sat. 1 --4)
Die Szene in der Rhetorenschule, die den Anfang des überlieferten Textes der
Sat.
bildet, besteht aus einem engagierten Meinungsaustausch zwischen En
kolp und dem Rhetoriklehrer Agamemnon, in dem beide den zunehmenden Verfall der Redekunst beklagen. Das Zustandekommen und die näheren Um stände des Gesprächs können nur unzureichend aus dem Kontext der vorhan denen Fragmente erschlossen werden (dazu Punkt
1 ).
Der eigentliche Reiz des
Gesprächs liegt nicht so sehr in seinem Inhalt - der sich fast ganz in Gemein plätzen erschöpft - als vielmehr in der ironischen Diskrepanz zwischen den Sprechern und den von ihnen vorgebrachten Thesen (dazu Punkt deren mit Metaphern gespickten Redeweise (dazu Punkt
3).
spräch schließen die Protagonisten an die Rhetorikdebatte des
2)
sowie
Mit ihrem Ge
1.
Jh. n. Chr. an
(dazu Punkt 4), wiederholen aber lediglich die altbekannten Klagen über den N iedergang der Beredsamkeit (dazu Punkt
5).
1 . Rekonstruktion und Setting Aufgrund eines Z ufalls, eines Unfalls oder der aus heutiger Sicht nicht mehr begründbaren Auswahl eines Exzerptors ist der originale Anfang der
Sat.
ver
loren gegangen. Der überlieferte Text setzt mitten in einem sich dem Ende zuneigenden und ursprünglich wohl um einiges umfangreicheren Dialog zwi schen dem Ich-Erzähler Enkolp und dem Rhetoriklehrer Agamemnon ein. Dass Enkolp es ist, der spricht, erfahren wir aus
memnon me diutius declamare.
Sat. 3 , 1 non est passus Aga
Er ist in Begleitung Askylts, der sich im Laufe
des Dialogs jedoch davonstiehlt
(Sat. 6, 1 non notavi mihi Ascyltifogam). Der Bel/um civile (Sat. 1 1 8) und vor der
Dialog gleicht Eumolps Debatte vor dem
Troiae halosis (Sat. 88)
sowohl von der Personenkonstellation (Enkolp mit
jeweils einem älteren Mann, der Verse zu schmieden beginnt) als auch von der Thematik her. Wie Enkolp und Agamemnon miteinander ins Gespräch gekommen sind,
Sat. 6, 1 nescio cuius, qui Agamemnonis suasoriam exceperat sua.wria hielt. Möglich ist, wie COLLIGNON 1 892, 64 meint, dass der Dialog mit einer Beschwerde Agamemnons über den Zustand der Beredsamkeit begann. COSCI 1 978, 202
bleibt offen. Aus
geht allerdings hervor, dass Agamemnon zuvor eine
hingegen rekonstruiert folgendes Szenario: Draußen, vor der Tür des Vortrags saals, lauschen Enkolp und Askylt einer Rede Agamemnons. Dabei wettern sie
22
In der Rhetorenschule (Sat. 1 -4)
gleichzeitig lautstark über die herrschenden Moden in der Rhetorik. Agamem non tritt hinaus in die Säulenhalle, um Enkolp zu antworten. Währenddessen werden in der Aula die Übungen mit einer declamatio extemporalis fortgesetzt. Denkbar ist aber auch, dass sich der Dialog im Säulengang erst nach der Lehr stunde entwickelt und/oder Enkolp zuerst aufgefordert wird, seine Meinung darzulegen, wie z.B. SULLNAN 1 968, 1 6 1 vermutet. Zu den verschiedenen Rekonstruktionsversuchen siehe v.a. CiAFFI 1 95 5 , v.a. 22--44; COSCI 1 978; KENNEOY 1 978.
Das Motiv von Enkolps und Asyklts Schulbesuch wird zwar nicht explizit genannt, kann aber aus einer späteren Szene erschlossen werden: Sie wollen eine Einladung zu einem Essen erschleichen. Diese Vermutung bestätigt sich in Sat. 1 0,2, wo Askylt Enkolp im Streit vorwirft: ut foris eenares poetam lauda.vti. Mit poeta muss Agamernnon gemeint sein, den Asyklt aufgrund von dessen lyrischem Erguss in Sat. 5 abschätzig so nennt (siehe unten Sat. 1 0,2). Tatsächlich scheint Enkolps Unterfangen zu gelingen (Sat. 1 0,6 quia tamquam seholastici ad eenam promisimu.v). Die Szene in der Rhetorenschule spielt an einem Morgen. Das ist der übli che Zeitpunkt fUr Schullektionen und erklärt Enkolps spätere Frage nach dem prandium (Sat. 9,2 eum quaererem numquid nobis in prandium frater paras set, vgl. Askylt in 1 0, 1 eum fame morerer). Mit großer Wahrscheinlichkeit handelt es sich um einen Publikumstag, an dem der Rhetor Darbietungen fUr seine Schüler gab, zu denen Fachkollegen und Leute wie Enkolp und Askylt, die keine eingeschriebenen Studenten waren, zugelassen waren (Sen. eontr. 3 praej 1 6; 4 praej 2. 7; 7 praej I ; siehe dazu PARKS 1 945, 63; KENNEOY 1 978). Dazu passt auch, dass Agamemnon nach seiner suasoria von einem anderen Redner abgelöst wird (Sat. 6, I ab extemporali declamatione nescio cuiu.v). Um wessen Rhetorenschule es sich handelt, kann nicht gesagt werden. KENNEOY 1 978 meint, es sei die eines Kollegen Agamernnons, an der dieser lediglich als Gastredner auftrete. Doch wieso sollte es nicht Agamemnons eigene Schule sein (so z.B. WALsn 1 57 Anm . 3; vgl. Sat. 48)? Das Argument, dass es sich fiir den Schulleiter nicht ziemte, den Saal zu verlassen, während weiter darin deklamiert wurde, ist nicht aussagekräftig, da ein Ein-und Ausgehen an der Schule nicht unüblich war (vgl. Sen. contr. 3 praej 1 0 und Plin. epist. 1 , 1 3,2).
2. Enkolps und Agamemnons Haltung Die Debatte Enkolps und Agamemnons über die Rhetorik darf nicht zu ernst genommen werden, und die vertretenen Ansichten können nicht als persönli che Meinungsäußerung des Autors Petron verstanden werden (wie z.B. die
In der Rhetorenschule (Sa,. 1-4)
23
Schriften Ciceros, Senecas und Quintilians). Das Gespräch zwischen Enkolp und Agamemnon hat dramatische Funktion (SULLIVAN 1 968, 1 60; KENNEny 1 978, 1 78) und ist eher mit Tacitus' Dialogus zu vergleichen. Bei Petron kommt aber noch hinzu, dass es zwei fragwürdige Charaktere sind, die hier den Niedergang der Redekunst beklagen. Die Ernsthaftigkeit des moralisch kritischen Ansatzes wird durch die eingeschränkte Glaubwürdigkeit Agamem nons und Enkolps in Frage gestellt - die Szene ist humoristischer Natur. Die Figur des scholasticus, wie von Agamemnon und zeitweise auch von Enkolp und Askylt vertreten, ist ein Typus des Mimus (zu einem Deklamator namens Agamemnon bei Varro siehe unten Sat. 3 , 1 Agamemnon; zudem WINKLER 1 985, 1 60--5 ; WALS" 1 970, 40f.), der auch in der Satire gerne ver spottet wird (vgl. z.B. Mart. 9,68; 1 0,62 und Philogelos' zahlreiche scholastici Witze). Enkolp als "walking parody of the schola.vticu.�" (WALsn 1 56) "über nimmt eine Rolle, die seiner wirklichen Person und tatsächlichen Situation widerspricht. In Wahrheit ist er genau so ' unauthentisch' und klischeehaft, wie er selbst die vom zeitgenössischen Rhetorikunterricht erzogene Jugend be schreibt" (BAlER 2007, 1 44). Er schimpft über die iuvenes und ist selbst einer von ihnen. Seine Klage, dass der gängige Schulstoff nichts Brauchbares ent halte (Sat. 1 ,3), ist geheuchelt, verschaffen ihm die eigenen rhetorischen Fä higkeiten doch Zugang zum elitären Kreis um Agamernn on und in diesem Fall auch die erhoffte Einladung zu einem Gastmahl. So gesehen ist doch von eini gem Nutzen, was er gelemt hat! Wie schon CONTE 2007, 12 sagt: ,,Encolpio ha assorbito (tanto] a fondo la ormai ripetitiva cultura scolastica [ . . . ]: iI giovane protagonista rappresenta la quintessenza della formazione intellettuale scola stica e declamatoria, e in questo senso egli e schola.�ticus quant'altri rnai." Während Enkolp den interessierten, engagierten Kenner mimt, hat er ei gentlich nur ein kostenloses Essen im Sinn, wie man später erfahrt (siehe unten Sat. 1 0,2). Er schmeichelt Agamemnon und scheint eine konservative Einstel lung für geeignet zu halten, um diesen für sich zu gewinnen: Seine Beispiele sind ausschließlich griechische Autoren (Sophokles, Euripides, Pindar und die anderen Lyriker, Homer, Platon, Demosthenes, Thukydides, Hyperides). Sei ner Meinung nach ist nach den Klassikern des 8.-5 . Jh. nichts Großartiges mehr produziert worden. Später in Sat. 68,5 gibt er sich hingegen als Bewun derer Vergils zu erkennen. Hinzu kommt, dass er mit seiner asianischen Pole mik einen Topos aufgreift, der in neronischer Zeit längst kein Thema mehr war (SINCLAlR 1 984, 232f. ; VON WlLAMOWlTZ-MoELLENDORFF 1 900; HIDBER 1 996, 43; Quint. inst. 1 2, I 0, 1 6). Mit KENNEny 1 978, 1 77 ist festzustellen, dass sein Statement nichts mehr als eine Pose ist. Er scheint sich sein Wissen aus Büchern angeeignet bzw. einer griechischen Quelle entnommen zu haben. So finden sich Aufzählungen von Autoren, wie Enkolp sie bietet, in der Literatur zuhauf (vgl. z.B. Dion. HaI . orat. veto praej. I ; Vell. 1 , 1 6--8 ; De .yubl.). Agamernnons Position ist allerdings ebenso scheinheilig, gibt er doch freimütig zu, dass er seine Ideale dem Geld unterwirft und die Schüler mit
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In der Rhetorenschule (Sat. 1 -4)
billigem Köder anlockt. Im späteren Verlauf der Sat. wird klar: Agamemnon ist ein c/iens am Tische Trimalchios und ein Meister im Ergattern von Einla dungen (Sat. 52,7). Er lobt Trimalchio und schmeichelt ihm (48,5). Letztlich entpuppt er sich wie Enkolp und Askylt als gieriger parasitus comicus, wie er in der römischen Komödie häufig anzutreffen ist (siehe PANAYOTAKIS 1 995, 7).
3. Sprec hen in Metaphern Enkolps und Agamemnons "feierlich-steife Deklamationen" (BLÄNSDORF 2007, 1 2 1 ) sind in einem apodiktischen Stil gehalten (zu Agamemnons Ge dicht siehe unten Sat. 5). In formaler Hinsicht auffaIlig ist die Fülle von Ne bensätzen (z.B. Sat. 1 ,3 et ideo . . . . quia . . . aut . . . aut . . . . sed . . . . sed . . . ut . . . . sed . . . sed . . . e t . . .), Anaphern un d Wiederholungen von Partikeln (z.B. 1 ,3 viermal sed; 2,3 zweimal nondum . . . cum; 4,3 viermal ut), Antithesen, Chias men (z.B. 2, 1 ), Abundanzen (z.B. 1 ,3 omnia dicta factaque quasi papavere et sesamo sparsa; 2,2 enervaretur et caderet; 2,6 grandi.� et . . . pudica oratio non est maculosa nec turgida). Zudem zeichnen sich die beiden Reden durch einen auffallend reichen Gebrauch von Metaphern und Vergleichen aus. Diese gehö ren v.a. folgenden Bereichen an: I . Kulinarische Metaphern: Deklamationen fUhren zu einem schlechten Geschmack (Sat. 2, I qui inter haec nutriuntur non magis sapere possunt quam bene olere qui in culina habitant), die zeitgenössische Redekunst ist ,,honigsü ßes Wortkonfekt und lauter Worte und Taten, die mit Mohn und Sesam be streut sind" ( 1 ,3 mellitos verborum globulos et omnia dicta factaque qua.�i papavere et sesamo sparsa). Die Dekadenz der literarischen Gattungen fUhrt Enkolp auf eine "falsche Ernährung" zurück (2,8 omnia qua.�i eodem cibo pasta). Agamemnon vergleicht den Rhetoriklehrer mit einem Fischer (3,3f.) und stellt die Redekunst als Speise dar, die den Geschmack der Schüler treffen müsse. Griechen und Römer konnten den ganzen Prozess vom Schreiben bis zum Konsumieren eines literarischen Textes in Essbegriffe fassen. Die antike Lite raturkritik bediente sich traditionellerweise kulinarischer Metaphern. Schon im platonischen Gorgias wird die Rhetorik mit der Kochkunst verglichen und wie diese als Kunst des Betrugs dargestellt (Gorg. 4650). In Sat. 39, 1 3 werden die obsonatores ("Einkäufer für die Küche") und die rhetores demselben Sternzei chen (Fische) zugeordnet. Zur Dokumentation des Topos CuRnus 1 954, 1 446; BRAMBLE 1 974, 45-59; GoWERS 1 993, 1-49, bes. 40-6. ; LEMolNE 1 99 1 , 359-66 zum Metaphernfeld in didaktischen Schriften. 2. Wassermetaphern: Die "Bewässerung" des Geistes durch die schönen Künste wird mehrmals in ähnlicher Terminologie empfohlen: Sat. 4,3 ut studi-
In der Rhetorenschule (Sat. 1-4)
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OSI IUvenes lectione sevaa irrigarentur; 5 V. 1 2 Maeoniumque bibat felici pectore fontem; V .2 1 f. sie jlumine largo / plenus Pierio defondes pectore ver ba. Die Rede als Wasser ist seit Homer topisch (11. 1 ,249 peev 0:6Ö1'\) und tritt oft in literaturkritischem Kontext auf (Kal i . h . 2, I 05- 12; Pers. proi., vgl. unten Sat. 5). Zum metaphorischen Komplex des ,,Einnehmens" hat RIMELL 2002, z.B. 26-8 Originelles beigetragen. 3. Körpermetaphem: Die Rede als Körper ist ein weiteres topisches Meta phernfeld, Sat. 2,2 corpus orationi� enervaretur et caderet; 2,6; vgl. Plat. Phaedr. 264c; Tac. dia/. 2 1 ,8 oratio autem, sicut corpus hominis, ea demum pulchra est, in qua non eminent venae nec ossa numerantur, sed temperatu.� ac bonu.� sanguis implet membra et exsurgit toris ipsosque nervos rubor tegit et decor commendat; 39,2 debilitatur acfrangitur eloquentia; De subl. 3 ,4 KIlKO l OE ÖYK01 KIll rnl crro�'trov Kill E1tl A.6yrov; Quint. inst. 2,3 ,9. Siehe FANfHAM 1 972, v.a. 1 64f.; BRAMBLE 1 974, 35-8. 4. Pathologische Metaphern: Das Verhalten der Deklamatoren ist Enkolp zufolge pathologisch (Sat. 1 , 1 genere foriarum; inquietantur; 3 ,2 forere). Den prekären Zustand der Rhetorik beschreibt er mit medizinischem Vokabular. Die oratio leide - einem menschlichen Körper gleich - an einer Geschwulst (Sat. 1 ,2 rerum tumore), sei entkräftet (2,3 corpus orationis enervaretur et caderet), mit Flecken übersät und geschwollen (2,6 maculosa; turgida), aufge bläht (2,7 ventosa) und wie von der Pest befallen (2,7 veluti pestilenti quodam sidere afflavit). Ebenso kränkele die Dichtung, die ihre gesunde Farbe verloren habe (2,8 ne . . . quidem sani coloris enituit). 5. Sexuelle Metaphern: Gerade in neronischer Zeit wird fiir die literatur kritik gerne sexuelles Vokabular benutzt, vgl. Pers. 1 , 1 8-2 1 hic neque more probo videas nec voce serena / ingentes trepidare Titos, cum carmina lumbum / intrant et tremulo scalpuntur ubi intima versu; 1 03-6 haec fierent, si testiculi vena ulla paterni / viveret in nobis? summa delumbe saliva I hoc natat in labris, et in udo est Maenas et Attis, I nec pluteum caedit nec demorsos sapi! ungues. So gehören auch bei Petron einige Metaphern der sexuellen Sphäre an (siehe dazu FEDELI 2007, 90f.): Impotenz (Sat. 2,2 levibus enim atque inanibu.� sonis ludibria quaedam excitando effecistis ut corpus orationi� enervaretur et caderet); Potenz (2,6 grandi� et ut ita dicam pudica oratio non est maculosa nec turgida, sed naturali pulchritudine exsurgit; 4,3 illa grandi� oratio haberet maiestatis suae pondus); Antiaphrodisiakum ( 1 ,3 papavere). Dazu passt, so auch FEDELI, dass Agamemnon in Sat. 3 ,2 ein Zitat aus Cic. eael. 41 anfUhrt, eine Stelle, an der es um das sexuelle Verhalten von Jugendlichen geht (siehe unten Sat. 3 ,2). 6. Todesmetaphorik: Der Schilderung Enkolps entsprechend ist die gute alte Beredsamkeit gestorben (Sat. 2,2 enervaretur et caderet; 2,7 stetit et ob mutuit) und die der neueren Zeit i st so schwach, dass sie nicht alt werden kann
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In der Rhetorenschule (Sat. 1 -4)
(2,8 non . . . usque ad senectutem canescere; 2,9 non alium exitum fecit). Vgl. Dion. HaI. orat. veto praej I f. : Die alte philosophische Redekunst sei in Auflö sung begriffen gewesen (KaTEAUEto), hatte begonnen, ihren Geist auszuhau chen und zu verkümmern (a�aJ.1Ev1l . . . E1C7tVEtV Kai J.1apalvEaOal) und wäre beinahe verschwunden (J.1lKPOU oE�aaaa Ei� Tv..O� Tt",avlaOal). Weitere Literatur: CAMPANILE 1 957, 59; WALsn 1 970, 84f. ; SOVERINI 1 985, 1 73 1 ; FEDELI 2007, 87. Eine Zusammenstellung von Tropen und Figu ren in den Sat. gibt STRILCIW 1 927, der Textstrukturen B LÄNSDORF 2007, der Metaphern FEDELI.
4. Rhetorikdebatte ( 1 . Jh.
n.
ehr.)
Mit dem Übergang von der Republik zum Prinzipat und dem damit einherge henden Verlust der republikanischen Freiheit veränderte sich auch die Rheto rik. Während die Gerichtsrhetorik weiterhin wichtig blieb, wurde die politische Beredsamkeit zurückgedrängt. Dafür gewann die Deklamation größere Bedeu tung. Die spätere Republik hatte bereits Deklamationen in verschiedenem Rahmen gekannt. Zum einen war das Praktizieren der declamatio ( Übungsre de) ein wichtiger Bestandteil der Schulausbildung, zum anderen existierte die private Deklamation zu Hause (Cic. Brut. 309f. ; Sen. contr. I praej I I f.). Neben diesen zwei Fonnen entwickelte sich im Prinzipat eine dritte, öffentli che Deklamation, die von Lehrern, Schülern oder erwachsenen Gästen an Rhetorikschulen gehalten wurde. Nicht nur der öffentliche Charakter der De klamationen war neu, sondern auch ihre Themen, die sich aus fiktiven und wirklichkeitsfremden Stoffen speisten (siehe z.B. CLARKE 1 996, 85-99; KEN NEDY 1 972, 3 1 2-22) . Die Realitätsferne war mit ein Grund dafür, dass man sich im I . Jh. n. Chr. über den Niedergang der Rhetorik beklagte. Man unterschied zwei Arten der Deklamation, die controversia und die suasoria. Die controversiae waren Streitreden zu fiktiven Rechtsfatlen, wobei der Student eine Rede für eine der beiden Parteien zu verfassen hatte. Bei den suasoriae handelte es sich um Empfehlungs- bzw. Beratungsreden zu konkre ten Sachfragen. Aufgabe des Studenten war es hier, entweder einer histori schen oder mythischen Person, die schwere Entscheidungen treffen musste, oder in einer frei erfundenen Situation Ratschläge zu erteilen. Als Quellen stehen uns auf der lateinischen Seite 19 vollständig erhaltene Deklamationen (decl. mai.) und 145 Exzerpte (decl. min.), die Quintilian zuge sprochen werden, zur Verfügung, eine weitere Exzerptsammlung von Calpur nius Flaccus sowie das fragmentarische Werk von Seneca Rhetor (contr.). Zu den griechischen Quellen zählen Autoren wie Aristides, Libanius, Eunapius, Lukian u.a. (siehe dazu v.a. RUSSELL 1 983 ) .
In der Rhetorenschule (Sat. 1-4)
27
Die Ä ußerungen von Enkolp und Agamemnon zur Rhetorik betten sich in die Diskussion des I . Jh. n. ehr. über den Niedergang der Beredsamkeit ein. Sie stimmen in vielerlei Hinsicht mit Gedankengängen von Seneca Rhet. über ein (v .a. in den praefationes der contr.) und nehmen den taciteischen Dialogus sowie Quintilians Institutione.v vOlWeg (und wohl auch dessen verlorene Schrift " Über die Gründe des Verfalls der Beredsamkeit"). Alle drei Autoren konstatieren eine Dekadenz der Eloquenz. Die Gründe jedoch werden von allen anders gesehen und unterschiedlich bewertet.
5 . Gründe für den Niedergang der Beredsamkeit Agamemnon und Enkolp greifen in ihren Klagen über den Verfall der Bered samkeit auf klassische Argumente zurück, wie sie auch von Seneca Rhet., Quintilian und Tacitus vorgebracht werden: I . Sen. contr. : Die Gründe für die Dekadenz seien gesellschaftlich moralischer Art (contr. I praef 7 luxu temporum; vgl. Sat. 5). Außerdem un terliege es einer Art Naturgesetz, dass jedes Genus nach einer Phase der Per fektion eine Dekadenz erfahre (contr. I praef 7). Seneca übt keine Kritik an den Inhalten der Deklamationen. Die Eloquenz bleibt auf jeden Fall eine res (oder disciplina) pulcherrima und die Deklamation der beste Weg, sich diese Fertigkeit anzueignen (contr. I praef 7; 2 praef 4). Dennoch sieht er klar den Unterschied zwischen Schule und Forum (contr. 3 praef 1 3 , vgl. Sat. I). 2. Quint. inst.: Auch Quintilian stellt Sinn und Wichtigkeit der Deklamati onen nicht in Frage (in.vt. 2, 1 0, 1 [seil. ratio declamandi] multo e.vt utilis.vima), bemerkt jedoch, dass die schulischen Übungen an Qualität eingebüßt hätten schuld daran seien die Lehrer (inst. 2, 1 0,3 ; 1 2, 1 1 , 1 4; vgl. Sat. 2), aber auch die Eltern (inst. 1 ,2,6--8 ; 1 0,5,2 1 ; vgl. Sat. 3f.) oder menschliche Laster (inst. 1 2, I I , 1 8f.). Da nur noch zum Vergnügen deklamiert werde, fehle es den Re den an Kraft (inst. 5 , 1 2 , 1 7 declamatione.v . . . nervis carent; vgl. Sat. 2,2) und an Realitätsbezug (inst. 8,3,23 ; 2, 1 0,4-- 1 5 ; vgl. Sat. 1 ,3). Quintilian betont die Notwendigkeit einer Annäherung der Schule ans Forum, ist sich aber ebenso bewusst, dass die Differenz es im Idealfall ermöglicht, in der Schule phantasti sche Themen zu behandeln, von denen man sich, einmal gestärkt, später wie der befreien kann (in.vt. 2, 1 0,6). 3. Tac. diai. : Die drei Figuren Messalla, Maternus und Aper behandeln das Thema auf je unterschiedliche Weise. Messalla kritisiert die Trägheit der Ju gend, Gleichgültigkeit der Eltern, Unwissenheit der Lehrer, das Schwinden des mos antiquus, die falsche Erziehung durch Eltern und Rhetoren (dial. 28f.). Maternus hingegen macht die politischen Verhältnisse für die Dekadenz ver antwortlich (dial. 36-42), und Aper sieht den Grund im natürlichen Wandel der Zeit (dial. 1 9f.). Tac. dial. (v.a. 30--5) überschneidet sich in vielen Punkten
I n der Rhetorenschule (Sot. 1 -4)
28 mit
Sat. 1-5.
Bis jetzt ist nicht geklärt, ob Petron
(P ARATORE II
2-5
flir
Tacitus eine Quelle war
mit einer Liste von Vergleichen) oder ob beide auf dieselbe
Quelle zurückgriffen
(COLLIGNON 1 892, 98).
Sat. 88 nato 1 4,2-6; S en. epist. 1 00; 1 06, 1 2 ; 1 08; 1 1 4; Plin. epist. 2, 14; 8, 14; Pers. I ; 3 ,44-7; Juv. 7; De sub/. 44; Ven. 1 , 1 6-8 . Mögliche Bezüge zu Philon von Alexandria (De p/antatione 1 56-59) bei B ARNES 1 973 , v.a. 788-92 (Liste mit direktem Vergleich zu Petron); NOCK 1 932, 1 73 . Lit. z u 1 -5 : SULLIVAN 1 968, v.a. 53-6. 1 58-65; Coser 1 978; KISSEL 1 978; SALLES 2002; CIZEK 1 975 und 1 975a; ALFONSI 1 948; SAGE 1 9 1 5 ; So VERINl 1 985; FEDELI 2007; COTROZZI 2008, 2� 1 . Lit. zum Deklamationswesen der Kaiserzeit: HEATl1 2004, v . a. 299-308; BONNER 1 949; RUSSELL 1 983. Lit. zur römischen Eloquenz-/Kulturkritik: BONNER 1 949, 7 1 -83; LEEMAN 1 963, 287-3 1 0; CLARKE 1 996, 85- 1 08; CAPLAN 1 970, 1 60-95; HÄusSLER 1 975; WILLIAMS 1 978, 6-5 1 ; KENNEDY 1 972, 447-64; HELDMANN 1 982, 6097. 1 99-254; KENNEDY 1 994, 1 86-200; VAN MAL-MAEDER 200 1 , 59-62. 67; CLARK 1 957; RUSSELL 1 98 1 , v.a. 34-68. Weitere zeitgenössische Stimmen zum Thema des Niedergangs:
(zur Malerei) und
1 18
(zur Dichtung); Plin.
Eine Zusammenstellung der wichtigsten Texte zur antiken Literaturkritik bieten
RUSSELL-WINTERBOTTOM 1 972.
Kapitel l Enkolp hält eine Rede über den Niedergang der Rhetorik und bezeichnet die Deklamationen als inadäquaten Schulstoff. § 1,1 'num alio genere furiarum declamatores inquietantur, qui c1amant: "haee vulnera pro libertate publiea exeepi, hune oeulum pro vobis impen di; date mihi dueem qui me dueat ad liberos meos, nam suecisi poplites membra non sustinent"?: "Werden die Deklamatoren etwa nicht von densel ben Furien getrieben, wenn sie schreien: ' Diese Wunden habe ich mir im Kampf für die Freiheit des Vaterlandes zugezogen, dieses Auge habe ich
für
euch geopfert; gebt mir einen Führer, der mich zu meinen Kindern geleite, denn meine durchschnittenen Kniekehlen tragen den Körper nicht mehr',? Den Anfang der fragmentarisch überlieferten
Sat.
bildet ein nicht vollstän
dig erhaltenes Gespräch zwischen Enkolp und dem Rhetoriklehrer Agamem non. Enkolp ereifert sich über die realitätsfeme Phrasendrescherei der Dekla matoren, die er mit einem fiktiven Klageruf imitiert. Enkolps Namen erfahren wir erst in
Sat.
(E'{IC6A1t\O�:
20,7. Der N ame, der in der Regel erotisch gedeutet wird
"der an der Brust Liegende, der Liebling"), scheint von Petron
erfunden zu sein; die weiteren Belege sind alle nachpetronianisch und wohl von Petron inspiriert (darunter Plin.
SOLIN 2003a, num:
epist. 8, I ,2; Mart. 1 ,3 1 ,2 ; 5 ,48,2; KARDAUN 1 993, 1 79-8 1 ).
siehe
1 93-6; PRruLr 1 975, 47-50;
Lesart von Bdmtp, rhetorische Frage, die eine negative Antwort ver
langt, d.h., die Deklamatoren sind von demselben Wahn beherrscht wie die zuvor (in einem nicht überlieferten Textstück) Genannten. Andere Lesarten
cum (RPI; PELLEGRINO I -2 : entstanden wegen der Nähe zum AbI. alio ge nere; BÜCrIELER I in App . : aus SA TYRl-CUM) oder tum (r, HEINSIUS) sind abzulehnen. Durch cum würde der Satz zu einem Nebensatz degradiert, dem wie
ein übergeordneter Satz fehlt. Solche syntaktischen unvollständigen Sätze
Sat. nirgendwo vor. Zudem bliebe alio genere mit cum (oder tum) inhaltlich im Positiven, was keinen guten Sinn ergäbe. So würde lediglich kommen in den
zwischen verschiedenen Typen von Besessenheit unterschieden. Dass
num
ab der Zeit Caesars und auch bei Petron oft durch
setzt wurde (siehe unten
Sat.
numquid
er
7, I ), spricht keinesfalls gegen die Lesart, sondern
verleiht dem pathetisch-rhetorischen Stil der Rede eine literarische Konnota
Coser 1 978, 204 Anm . 1 0; ARAGOSTI 1 989, 1 5 6). alio genere furiarum: Worauf sich Enkolps rhetorische Frage, insbesondere alio genere furiarum, bezieht, ist unklar. furiae kann entweder personifiziert für "Rachegöttinnen" oder metonymisch für furor (TLL 6. 1 . 1 6 1 6.47ft'.) aufge
tion (so auch
fasst werden.
Kap. I
30
COSCI declamatores mit jenen Orests verglichen werden - Orest als topisches Beispiel (vgl . z.B. Cic. Pis. 47 ego te non vaeeordem. non furiosum. non mente eaptum. non tragieo illo Oreste aut Athamante dementiorem putem ?; Hor. sat. 2,3 , 1 3 5 [seil. Orestem] malis dementem aetum Furiis): ,,Avete presente la fo\1ia di Oreste perseguitato Für die erste Lesart bietet sich der Rekonstruktionsversuch von
1 978, 204 an. Sie geht davon aus, dass die Furien der
dalle Furie? Nach
E
forse diverso il genere di Furie che tonnenta i dec1amatori?"
BARClßESI
in
COSCI
1 978, 204 mit
einer Tragödie zitiert haben (z. B . Sen.
Anm. I I
Med.
könnte Enkolp sogar aus
958ff.).
Alternativ wäre denkbar, dass Enkolp vom furor der Dichter gesprochen
Sat. 1 1 8,6 furentis animi vaticinatio; Hor. epist. 2,2,90 qui minus argutos vexatfuror iste poetas ?). Das Verb furere wird sowohl für Dichter wie hat (vgl.
auch für allzu eifrige Redner verwendet, im ersten Sinn häufig positiv
(Ev90\)aUlal.U)�), im zweiten negativ (l1av1a)
konnotiert. Der furor der Redner
Brut. 233 ita furebat tamen. ut mirarere tam alias res agere populum. ut esset insano inter disertos loeus; 276 quod eos quorum altior oratio aetioque esset ardentior furere atque baeehari arbitraretur; orat. 99 furere apud sanos; Sen. eontr. 2, I ,25 Gallu.v Vibius fuit tam magnae olim eloquentiae quam postea insani ae; . . . dum insanos imitatur. dum lenocinium ingenifurorem putat. quod [quo di.v] simulabat ad verum redegit; 9,2,27 sed ne hoe genu.v furoris protegere videar. Auch in den Sat. wirken Dichter häufig verrückt (dazu JENSSON 2004, 54-9). Siehe zum Komplex furor. furere. Furia PASCIIALL 1 939, 42-5 . declamatores qui c1amant: Bei der Wortwiederholung declamatores clamant handelt es sich nicht um ein interpoliertes Substantiv (wie MARZULLO 1 996, 2 8 5 ; GIARDINA 1 995-6, 267 und 1 973-4, 2 1 0 u.a. meinen), sondern vielmehr um eine raffinierte figura etymologiea. Durch die Kombination mit clamare übernimmt declamator ("Schulredner" ) ironischerweise seinen ursp . untechnischen Wortsinn (declamare "Iaute, emphatische Reden halten"): Gewisse declamatores sind nichts anderes als clamatores ! Vgl. Schol. eie. div. 1 1 9St. non declamatores. sed clamatores Tullius voeat. Siehe zur technischen Bedeutung von declamareldeclamator seit Cicero BONNER 1 949, 28-3 1 . inquietantur: Denominativum von inquietus, nachaugusteisch belegt (MAR BACH 1 93 1 , 76). Häufiger - gerade auch im Zusammenhang mit furiae - ist agitare, vgl. z . B . Cic. S. Rose. 66 eo.v agitent Furiae neque eonsi.vtere umquam patiantur; Verg. Aen. 3,33 1 seelerum furiis agitatus Oreste.v. 'baec vulnera non sustinent'?: Die Klagen kann man sich als Teil einer eontroversia vorstellen, wie sie v.a. bei Seneca Rhet. zu finden sind. Der De klamator versetzt sich hier in die Rolle des vir fortis, der seinen Heldenmut mit ist ein geläufiger Topos in den rhetorischen Traktaten, vgl. Cic .
•••
=
•.•
seinem Körper bezahlt hat.
Kap . I
31
Die zwei Sätze sind komplex gebaut: Der erste Satz beinhaltet zwei äqui valente Glieder (Anapher des Demonstrativpronomens haec . . . hunc; Parallele pro libertate / pro vobis; inhaltliche Klimax von allgemeiner Verwundung bis zwn geopferten Auge). Der zweite Satz besteht aus drei wachsenden Gliedern mit d-Alliterationen,figura etymologica, quantitativer Klimax. haec vulnera pro Iibertate publica excepi: Das Zurschaustellen von Wunden ist ein locus classicus (nicht nur) der Deklamation, vgl. z.B. die Vers-Suasorie in Ov. met. 1 3 ,262-5 'sunt et mihi vulnera, cives, / ipso pulchra loeo: nec vanis credite verbis. / aspicite en! ' vestemque manu diduxit et 'haec sunt / pectora semper ' ait 'vestris exercita rebus '; Liv. 2,23,4; Cic. de orat. 2, 1 24; Quint. inst. 6, 1 ,30-5 5 (wo auch auf die Gefahr hingewiesen wird, sich der Lächerlichkeit preiszugeben); Sen. contr. 1 0,4, 1 0 ' tu ', inquit, 'qui oculos non habes, per oculos rogato. tu ', inquit, 'qui manus perdidisti, per manus rogato. tu per illa membra, quae trahis debilia. per ea quisque, quae non habet, ambi at. ' Siehe dazu LEIGI I 1 995. hunc oculum pro vobis impendi: oculum impendere ist nur bei Petron belegt (siehe TLL 7. 1 .546.48ff.). impendere in der Bedeutung "opfern, darangeben" (wie excipere pro oben) findet sich öfters in Verbindung mit vita (z.B. Lucan. 2,382 patriaeque impendere vitam), anima (z. B. Sen. Med. 663 impendens animam marito), sanguis (z.B. Ov. met. 1 3,266f. nil impendit . / sanguini� in socios) oder caput (z.B. Val. Max. 9, 1 5 ext. 2 caput imperio dementer immi nens iusto impendere supplicio coegit). Zugunsten des Parallelismus mit pro libertate publica steht impendere hier mit pro statt mit Dativ, noch belegt bei Sen. epist. 42,7 u.a.; TLL 7. 1 .548.45ff. date mihi ducem qui me ducat ad liberos meos: MÜLLER; GIARDINA MELLONI (auch GIARDINA 1 973-4, 2 1 0) u.a. streichen ducem (nach JACOBS), .
.
das nicht zum pointierten rhetorischen Stil der sonst knappen, einprägsamen Sentenzen passt. Man kann es sich leicht als Ergänzung durch einen Schreiber vorstellen. Doch Enkolp geht es hier nicht wn die Wiedergabe idealer Sentenzen; viel eher parodiert und prangert er den weitschweifigen, umständlichen Stil der Deklamatoren an (ducem als Bestandteil der figura etymologica und Allitera tion bzw. Paranomasie date - ducem - ducat), den er ihnen auch im Folgenden (z.B. Sat. 2,7) vorwirft (so auch COCCIA 1 973, 1 7; DELL' ERA 1 970, 97f.; So VERINI 1 974, 269f.). liberos meos: Die Erwähnung der Kinder hat pathossteigernde Funktion.
Kinder spielten in den in Deklamationen vorgeführten Prozessen häufig eine Rolle, z.B. indem sie den Eltern Unterhalt gewähren müssen (z.B. Sen. contr. I , I ), von ihnen verstoßen oder aufgenommen werden (z.B. Sen. contr. 8,5 abdicavit quidam filium; ille tacuit. fortiter fecit, petit praemio ad patrem
32
Kap. 1
reditum; pater contradixit. postea pater fortiter fecit, petit ad se filii reditum; filius contradicit). nam sueeisi poplites membra non sustinent: Durchtrennte Kniekehlen sind
eine unrühmliche Art der Verletzung, mit der man meist keine Lorbeeren ge winnen kann (vgl. Sen. epist. 66,50). Nicht der glorreiche Soldat, sondern der feige Flüchtling oder Gefangene in Feindeshand wird auf diese Art getroffen (z.B. Verg. Aen. 1 O,699f.; Ov. met. 8,364; Liv. 22,48,4). Enkolp baut in seine Beispiele fUr deklamatorische Sentenzen um der Komik willen also einen absichtlichen Lapsus ein. § 1 ,2 haec ipsa tolerabilia essent, si ad eloquentiam ituris viam faeerent. nune et rerum tumore et sententiarum vanissimo strepitu hoe tantum proficiunt, ut eum in forum venerint, putent se in alium orbem terrarum delatos: Dies wäre noch erträglich, wenn es denjenigen, die zur Beredsamkeit
gelangen wollen, den Weg ebnen würde. In Wahrheit aber kommen sie mit dem Schwulst ihrer Themen und dem leeren Wortgeklingel nur so weit, dass sie sich, wenn sie das Forum betreten, auf einen anderen Planeten versetzt fühlen. Rhetorisch elaboriert trägt Enkolp seine Polemik vor. Auffallend in Sat. 1 ,2f. ist der Chiasmus A-B-B-a, wobei A zwei et-Anaphern und a vier sed Anaphern enthalten: AI A2
B B al a2
1 ,2 rerum tumore (Inhalt) 1 ,2 sententiarum vanissimo strepitu (Fonn) 1 ,2 hoc tantum proficiunt, ut cum in forum venerint, putent se in alium orbem terrarum delatos 1 ,3 et ideo ego adulescentulos existimo in scholis stultissimosfieri. quia nihil ex his quae in usu habemus aut audiunt aut vident
1 ,3 Piraten, Tyrannen, Orakel (Inhalt) 1 ,3 Gewürzküche (Fonn)
haee ipsa tolerabilia essent, si: Vgl. eine ähnliche Satzstruktur in Sat. 69,7 et haec quidem tolerabilia erant. si non ferfiJculum longe monstrosius effecisset ut velfame perire mal/emus. ad eloquentiam ituris viam faeerent: Die Apokoinu-Stellung von ituris er gibt sich aus dem metaphorischen ire ad + Akk . (TLL 5 .2.642.5 I ff. und 647. 1 5ff.; vgl. Sat. 1 1 8,5 viam qua iretur ad carmen) und viam facere ad + Akk. (TLL 6. 1 .87.78ff.). CIAFFI, EIlLERS (,,Jüngern der Eloquenz") ziehen das Satzglied eher zu ituris, während es ERNOUT, ARAGOSTI mit viam facerent
verbinden. Das Bild des Weges, der zur vollkommenen Beredsamkeit führt, ist häu fig, z.B. Quint. inst. 1 2 , 1 1 , 1 1 ut ipsum iter neque impervium neque saltem durum putent (siehe AsSFAIIL 1 932, 69 mit weiteren Stellen). Der Ausdruck
Kap . I
33
ituris (scil. adulescentulis) scheint Petron eigen zu sein (COLLTGNON 1 892,
76). Zum substantivierten Futurpartizip in einem Kasus obliquus vgl. Sat. 1 1 2,6 perituro loeum. Siehe HSz 1 57 §9 1 c; PETERSMANN 2 1 8. rerum tumore: "Schwulst", der Begriff stammt aus der Medizin: "Schwel lung, Geschwulst" (OLD s.v. tumor I b). Hier bezeichnet der Ausdruck nicht (wie üblicherweise im rhetorischen Kontext) einen stilistischen, sondern einen inhaltlichen Fehler. Das Bild des Anschwellens geht oft einher mit dem der Leere (siehe unten vanissimo und Sat. 2,2 inanibus sonis), vgl. Liv. 45,23 , 1 6; Tac. hist. 2,30 tu midum ac vanum; Quint. inst. 2,2 , 1 2 ; 2 , 1 0,7 tumor ille inanis. sententiarum vanissimo strepitu: Den Sentenzen (sententiae, griech. YVOO!1Cl1) kam in der zeitgenössischen Rhetorik große Bedeutung zu; sie waren einer der wichtigsten Bestandteile einer Schulrede. Als griffige Formulierung oder geistreiche Pointe schmückten sie den rhetorischen Vortrag (z.B. Cic. orat. 79). Quintilian, der ihnen ein ganzes Kapitel widmet (inst. 8,5), empfiehlt den maßvollen Gebrauch (8,5,34). Seneca Rhet. berichtet von der Effektha scherei durch Sentenzen: qui declamationem parat, scribit non ut vincat sed ut
placeat. omnia itaque lenocinia [ita] conquirit; argumentationes, quia mo lestae sunt et minimum habent floris, relinquit. sententiis, explicationibus au dientis delinire contentus est. cupit enim se approbare, non causam (contr. 9 praef I). Zum Ausdruck (zusammen mit Sat. 2,2 levibus . . . inanibus sonis) vgl. Suet. Aug. 86,3 an potius Asiaticorum oratorum inanis sententiis verborum volubilitas in nostrum sermonem transferenda ?; Sen. epist. 40,5 multum prae terea habet inanitatis et vani, plus sonat quam valet. . . . quid, quod ne volupta tem quidem ullam habet talLv verborum sine dilectu ruentium strepitu.v ?; Apul. apol. 25 cur vestra oratio rebus flaccet, strepitu viget?; Gell. 17, 1 0, 1 2 Vergili us autem, dum in strepitu sonituque verborum conquirendo laborat; vgl. zu dem Sat. 10, 1 sententias, id est vitreafracta et somniorum interpretamenta. hoc tantum proficiunt: Subjekt des Satzes sind die iuvenes (wie in Sat. 2,3; 4,3 und 4,4). Der Ausdruck tantum profieere, ut ist hier ironischerweise mit einem unerfreulichen Sachverhalt verbunden, vgl. ansonsten z.B. Caes. civ. 3,75,5 qui tantum profecerunt ut equestri proelio commisso pellerent omnis; Cic. Au. 7, 1 3 , I qui, ut aliud nihil, hoc tamen profecit, dedit il/i dolorem. cum in forum venerint: Den schwierigen Gang von der Schule aufs Forum beschreibt Seneca Rhet. ähnlich: Sen. contr. 3 praef 1 3 scholam quasi ludum esse, forum arenam . . . agedum istos declamatores produc in senatum, in fo rum: eum loco mutabunt< ur> . velut advueta clauso et delicatae umbrae cor pora sub divo stare non possunt, non imbrem ferre, non solem sciunt; vix se inveniunt; 9 praef 5 itaque, velut ex umbroso et obscuro prodeuntes loeo cla-
34
Kap. 1
rae lucis fulgor ohscaecat, sic istos e scholis in forum transeuntes omnia tan quam nova et inusitala perturhanl. Auch Quint. inst. 1 ,2, 1 9 deinde cum profe renda sunt studia, caligat in .vale et omnia nova offendit. Zur Diskrepanz von schulischer Übung und Praxis auf dem Forum siehe unten Sat. 2,4 umhraticu.v doctor. venerint statt venerunl, Modusattraktion oder ein umgangssprachlicher Konj . beim cum iterativum, siehe dazu PETERSMANN 277; HSz 624 §334. putent se in alium orbem terrarum delatos: Die Junktur ist sprichwörtlich, siehe dazu OTTO s.v. forum 2, z. B. Plut. symp. 4,4 p. 6690 roOltEP EV iiAMp
ttvi 1COO"J.LCP YEYOVOtoov. Die Ä ußerung beschreibt die Erfahrung der Schüler. In Tat und Wahrheit lebten diese bis dahin auf einem anderen Planeten und lan den nun auf dem Boden der Tatsachen. Ähnliches erlebt M. Porcius Latro in Quint. inst. 1 0,5, 1 8 traditur, uI, cum ei summam in scholis opinionem optinenti causa in fora e.vsel oranda, inpen.ve petierit, uti suhsellia in hasi{jcam transfer rentur. ita il!i caelum novum fuit, ut omnis eius eloquentia contineri tecto ac parietihus videretur; vgl. Sen. contr. 9 praej 3f. § 1,3 et ideo ego adulescentulos existimo in scholis stultissimos fieri, quia nihil ex his quae in usu habemus aut audiunt aut vident, sed piratas cum catenis in litore stantes, sed tyrannos edicta scribentes quibus imperent filiis ut patrum suorum capita praecidant, sed responsa in pestilentiam data ut virgines tres aut plures immolentur, sed mellitos verborum globu los et omnia dicta ractaque quasi papavere et sesamo sparsa: Und deshalb
meine ich, dass die jungen Leute in der Schule völlig verdummen, weil sie nichts von dem, was in der Praxis vorkommt, hören oder sehen, sondern von Piraten, die mit Ketten am Strand stehen, von Tyrannen, die Erlasse zu Papier bringen, in denen sie Söhnen befehlen, den eigenen Vätern den Kopf abzu schlagen, von Orakeln, die bei Pest dazu raten, drei oder mehr Jungfrauen zu opfern, honigsüßes Wortkonfekt und lauter Worte und Taten, die mit Mohn und Sesam bestreut sind. Dies ist mit 64 Wörtern der längste Satz in den erhaltenen Sal. , was gut zur forcierten Rhetorik passt, die Enkolp an dieser Stelle verwendet, siehe Dow DEN 2007, 1 47. Bei Tacitus und Quintilian finden sich zwei vergleichbare Auflistungen solch typischer Deklamationsthemen: Tac. dial. 35,4f. quale.v (scil. controver siae), perfidem, el quam incredihi{jter compositae! . . . .vic fit ut tyrannicidarum praemia aut vitiatarum electione.v aut pestilentiae remedia aut incesta matrum aut quidquid in schola cotidie agitur, in foro ve/ rara vel numquam, ingentihu.v verhis per.vequantur; Quint. inst. 2, 1 0,4f. magos et pestilentiam et responsa el saeviores tragici.v novercas aliaque magi.v adhuc fahu/osa. Während also bei
Tacitus (es spricht Messalla) die Rhetorenschulen mit ihren unzweckmäßigen Übungen auf der ganzen Linie abgelehnt werden (vgl. auch Tac. dial. 3 1 , 1 ),
Kap . I
35
billigt Quintilian die realitäts femen Themen der Deklamationen bis z u einem gewissen Grad (vgl. auch inst. 1 0,5, 1 4--8 und Ess. 1-4, 5). Eine Zusammenstellung von Deklamationsthemen gibt SOVERINI 1 985, 1 7 1 3f. Trimalchio und Agamemnon kommen in Sat. 48,4f. ebenfalls auf den Inhalt einer controversia zu sprechen: pauper et dives inimici erant. adulescentulos existimo in scholis stultissimos fieri: adulescentuli bezeich net zumeist die älteren Schüler der Rhetorikschule, während die jüngeren pueri genannt werden (vgl. Sat. 4,4 pueri; 6, 1 scholasticorum). Der Diminutiv ist im pädagogischen Kontext nicht ungewöhnlich, vgl. z.B. Cic. de orat. 2, 1 1 7; Quint. ins!. 8,5,8; Tac. dial. 35, 1 . Dennoch kann man ihn hier auch im Sinn von "arme Jungen" ("valore affettivo", DELL ' ERA 1 970, 1 5 1 , dagegen MAR BACH 1 93 1 , 49 und RONCAIOLT 1 96 1 , 1 2f. "adulescentulus adulescens") und/oder mit ironisch-abwertender Nuance verstehen (so auch Sat. 3,2). quia nibil ex his quae in usu habemus: habere mit präpositionaler Wendung gehört der Umgangssprache an (HOFMANN 1 67 § 1 53). aut audiunt aut vident: videre spielt auf die theatralische Gestik der Dekla matoren an. Zur zweigliedrigen Verbkonstruktion mit aut-aut vgl. Sen. contr. 9,4,7 aut faceret aut videret, Tac. dial. 29, 1 aut dicat aut faciat; Cic. Manil. 29 aut vi =
dimus aut audivimus. sed ... sed ... sed ... sed ... : Vierfache Anapher. Das zweite sed ist zwar nicht einhellig überliefert (Imt, wobei et in den an und fUr sich vertrauenswürdigeren Quellen t'"drpO überliefert wird, def. BAGNANI 1 964, 229-3 1), stellt aber die
weithin bevorzugte Lesart dar. piratas cum catenis in Iitore stantes: Piraten stellten seit Pompeius kein bedeutendes Problem mehr dar (siehe CARBONERO 1 992) und sind fUr Enkolp
deshalb ein wnso besseres Beispiel. In Seneca Rhet. erscheinen sie häufig: contr. 1 ,2,8 piratas omnis crudelitate efJeratos . . . praeferentes ante se vincula et catenas, gravia captis onera; 1 ,6. 7; 3,3; 7, I . 4. Auch im griech. Roman sind sie prominent. CONTE 2007, 50 weist auf die Romanhaftigkeit vieler contro versiae der Deklarnatorenschulen hin: "i plots immaginari delle declamazioni sono come piccoli romanzi, racconti di stupefacente artificialita." tyrannos edicta scribentes quibus imperent filiis: Tyrannen als Thema von Deklamationen erwähnen auch Sen. contr. 3 ,6; 4,7; 5,8; 7,6; 9,4, 1 tyrannus patrem in arcem cum duobus filiis accersit; imperavit adolescentibus, ut patrem caederent. alter ex his praecipitavit se, alter cecidit; Quint. decl. 253. Das Partizip scribentes, das tyrannos (Befehlsgeber) und imperent (Akt des
Befehlens) voneinander trennt , lässt den tyrannischen Befehl als indirekte Handlung erscheinen (SAGE-GILLELAND 1 45). Gängiger sind edicto imperare, vetare o. Ä . (vgl. z.B. Hor. epist. 2, 1 ,237-40 idem rex ille . . / edicto vetuit, .
nequis se praeter Apellen /pingeret).
36
Kap. \
ut patrum suorum capita praecidant: Enkolps Beispiel übertriffi die seneca nischen Tyrannenedikte ebenso wie fast alle anderen Misshandlungen bei Seneca (manus praecidere, vgl. z.B. eontr. 1 ,7, 1 ; 9,4,2; 1 0,4,3) an Drastik mit Ausnahme der vergleichbaren eontr. 7,2,9. responsa in pestilentiam data ut virgines tres aut plures immolentur: Ora kelsprüche, um eine Epidemie zu beenden, sind v.a. aus der Tragödie (z.B. Soph. Oid. T. ) und der Historiographie bekannt (z.B. oft bei Livius). Vgl . auch Petr. frg. I Massilienses quotiens pe.�ti/entia laborabant. unus se ex pauperibus offerebat. Dieses Beispiel hat kein Pendant bei Seneca Rhet., dafür in Calp. decl. 1 9; 44 re.�pondit oraeulum virginem immolari debere; Quint. decl. 3 84 in pesti/entia responsum est virginem immolandam; 323; 326; 329; Tac. dia/. 3 5,5 pesti/entiae remedia. Quint. inst. 2, 1 0,5 zählt pestilentiam et re.�ponsa zu den üblichen Deklamationsthemen. tres ist eine Übersteigerung, und aut plures wirkt im Vergleich zu den be kanntlich sehr präzisen Orakelsprüchen parodistisch. meUitos verborum globulos : D.h., die Schü1er sind wie Kinder, die sich nur von Konfekt ernähren. Aromen wie Honig, Mohn und Sesam (siehe unten papavere et sesamo) schmeicheln dem Gaumen und machen auch minderwer tige Speisen schmackhaft. Honig war das wichtigste Süßungsmittel im Alter tum (siehe die vielen Rezepte mit Honig bei Apicius). melliti globuli (,,Honigkuchen") waren ein fester Bestandteil der feinen römischen Küche: Klöße aus einer Käse-Dinkel-Teigmasse, in Öl frittiert, danach mit Honig bestrichen und mit Sesam oder Mohn bestreut, vgl. Cato agr. 79. Generell wurden Kuchen sehr oft mit Honig und Mohn/Sesam gar niert, vgl. Sat. 3 1 , l O glires meile ae papavere sparsos; Cato agr. 76,4; 80; 84; Hor. epist. 1 , 1 0, 1 1 pane egeo iam mellitis potiore plaeenti.�; ars 375 Sardo cum melIe papaver; Plin. nato 1 9, 1 68. Siehe ANDRil 1 998, 34. 1 83 . Der Ausdruck globuli verborum ist eine petronianische Erfindung (SClIÖN BERGER 1 938, 220). Das Bild der Süße der Sprache bzw. Literatur ist jedoch gängig, vgl. z.B. Hor. ars 99 (seil . poemata) dulda .�unto; Dion. Hal . eomp. 1 0,2 � tE itöovTJ lCai to lCaA.6v; Cic. de orat. 3 ,96ff., v.a. 1 03 ita sit nobis igitur ornatu.� et suavis orator . . . ut suavitatem habeat austeram et .mlidam. non du/eem atque deeoetam; Sen. suas. 7, 1 2 solebat du/ee.� sententias dieere. frequentius tamen praedulee.� et infraetas. Auch mel kann im übertragenen Sinn flir die Süße von Worten, eines Gedichts o.Ä. stehen, vgl. Hor. epist. 1 , 1 9,44f. ; Plin. epist. 4,3,3; Quint. inst. 1 2 , 1 0,64 Homeru.� . . . ex ore Ne.�toris dixit 'du/dorem meile profluere sermonem ' (alle nehmen Bezug auf Horn. 1/. 1 ,249). omnia dicta factaque: Traditionelle formelhafte Paarung, schon bei Horn. 1/. 9,443 �u9CJ)v Pl1tij p' e�E.vat 1tpl1JCti\pa tE. epycov; Od. 2,304 epyov tE. E1tO;, siehe TLL 5 . 1 . 99 1 .29ff. •••
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papavere et sesamo: Sesam und Mohn wurden in der römischen Küche v.a. zurn Würzen von Kuchen und Brot verwendet (siehe oben zu mellitos verbo rum globulos . . . ) , allerdings nur selten zusammen (Plaut. Poen. 325f. nil nisi laterculos, / sesumam papaveremque. triticum et frictas nuces). Dass Enkolp beide Gewürze nennt, bringt die Abundanz zurn Ausdruck. Deshalb ist es nicht notwendig, wie MARZULLO 1 996, 286 distinktives ac statt et zu setzen. Quinti Iian sagt, dass eine Rede einen angenehmen Geschmack haben muss und nicht zu stark gewürzt sein darf: inst. 1 1 ,3, 1 82 aliud oratio sapit nec vult nimium esse condita; 9,3,4 quod si quis parce et. cum res poscet. utetur. velut ad.�perso quodam condimento iocundior erit (scil . jigura) . Weitere Stellen bei AsSFAHL 1 932, 30. Interessant dazu ist die Beobachtung von PEDEll 2007, 84-6, dass Sesam als unverdaulich und Mohn als schlaffärdernd und antiaphrodisierend galt, was für die Schüler bedeutet: "I'effetto, per<>, e catastrofico, perche si tratta di no zioni pesanti e indigeste, che hanno iI solo risultato di favorire iI sonno degli studenti che di esse si nutrono". Siehe zur Stelle zudem KISSEL 1 978, 3 1 2f. ; CAVALCA 200 1 , 1 55f. ; BURRI SS 1 94 1 ; ROCCA 1 979.
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Kapitel 2 Fortsetzung der Rede Enkolps. Schuld am Niedergang der Rhetorik seien die Lehrer mit ihrem Deklamationsunterricht.
Sat. 2 ist als Ringkomposition angelegt: A B C
2 , 1 qui inter haec nutriuntur non magis sapere possunt quam bene olere qui in culina habitant 2,2 levibus enim atque inanibus soni.v ludibria quaedam exci tando 2,2 effecistis ut corpu., orationis enervaretur et caderet
C
2,6 grandi., et ut ita dicam pudica oratio non est maculosa nec turgida, sed naturali pulchritudine exsurgit B(+C) 2,7 nuper ventosa i.vtaec et enormis loquacitas Athenas ex A.via commigravit animosque iuvenum ad magna surgentes veluti pestilenti quodam sidere afflavit 2,7 eloquentia regula stetit et obmutuit (C+C+)A(+C) 2,8 qui.v postea ad summam Thucydidis, quis Hyperidis ad famam processit? 2,8 ac ne carmen quidem sani coloris enituit 2,8 omnia quasi eodem cibo pasta 2,8 non potuerunt usque ad senectutem cane.vcere
Auffällig sind die vielen Negativformulierungen (Sat. 2, I non magis sapere possunt quam . . . ; 2,3f. nondum . . . cum . . . ; nondum . . . cum . ; 2,5 ne poetas solum . . . ; 2,6 non est maculosa nec turgida; 2,8 ne carmen quidem . . . ; non potuerunt . . . ; 2,9 non alium exitum). Sie dienen dazu, die These komplexer und die Gegenwart in negativem Licht erscheinen zu lassen. Siehe dazu unten Sat. 2,3. ..
§ 2,1 qui inter baec nutriuntur non magis sapere possunt quam bene olere qui in cuUna babitant: Wer mit soleber Kost ernährt wird, kann nicht mehr Geschmack haben, als einer gut riechen kann, der immer in der Küche steckt.
Der Satz ist ein Chiasmus (qui inter . . . sapere possunt / olere [possuntJ qui in ... ). Das Bild von der Sprache als Speise (heide haben mit dem Mund zu tun) ist ein bekannter Topos, v.a. in parodistischem Kontext (vgl. in den Sat. 1 ,3 ; 2,8; 4,3; 5 V. l2. 1 3 . 1 9. 2 1 f.; Pers. 1 ,22 tun, vetule, auriculi., alienis colligis escas; 1 ,80f. quaeri.vne unde haec sartago loquendi / venerit in linguas?; 5,5f. aut quantas robu.,ti carmini.v offas / ingeris; CONTE 1 992, 3 1 1 Anm. I ). Siehe dazu Ess. 1-4, 3 .
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inter haec nutriuntur: nutriri korrespondiert hier mit educari. Die Metapher verwenden in ähnlichem Zusammenhang Sen. contr. 9 praef 4 usque eo inge nia in scholasticis exereitationibus delica te nutriuntur, ut clamorem, silentium, risum, caelum denique pati neseiant; Cic. orat. 37 est enim illa (seil. forma laudation um . . . ) quasi nutrix . . . oratori�; 42 sed quod educata huius nutrimen tis eloquentia est - ipsa se postea colorat et roborat - non alienum fuit de oratoris quasi incunabulis dicere. Um einen ungeflihren Parallelismus mit in culina zu erreichen, hat das Verb hier nicht wie sonst einen AbI. (z.B. his oder his rebus) bei sich, sondern ein Präpositionalobjekt (inter haec), das auf die vorangegangenen melliti ver borum globuli verweist. sapere: Das Verb bewirkt aufgrund seiner Doppelbedeutung ("Geschmack" bzw. "Verstand haben") ein Wortspiel, siehe BRAMBLE 1 974, 1 43f. Anm 2 : "There is perhaps a pun i n sapere; they have n o sense, and, literally, n o taste. If so, 'taste', sapere, may have led 10 'smeIl ', olere, the metaphoric potential of the latter verb (cf. redolere, of literature, Tac. dial. 2 1 ,4; Varro Men . 63B [ . . . ]) probably assisting the simile's creation: from the 'smell ' of literature we revert to that of the kitchen." Vgl. Quint. inst. 1 1 ,3 , 1 82 aliud oratio sapit nec vult nimium esse condita; CONTE 2007, v.a. 1 22-8; FEDELI 2007, 85. quam bene olere qui in culina habitant: (bene) olere ,,(gut) riechen können; (gut) duften". Das Verb hat einen doppelten Sinn: 1 . Der Koch verliert seinen Geruchssinn durch den stäniligen Kontakt mit den Küchengerüchen (so KISSEL 1 978, 3 1 3 Anm 1 2) oder weil er die Küche kaum je verlässt (so OZEK 1 975a, 1 98f. und 1 975, 94f.). 2. Er riecht selbst unangenehm, da er den Küchengeruch angenommen hat (so QTTO s.v. culina, sprichwörtlich: "Womit man umgeht, das hängt einem an", vgl. zudem Plaut. Most. 273-8 quia ecastor mulier recte olet ubi nihil olet. . . . [veteres vetulaeJ olent quasi quom una multa iura confu dit coquos; Sen. epist. 1 08,4 qui in unguentaria tabema resederunt et paullo diutius commorati sunt odorem secum loei ferunt). Das Bonmot zitiert J.G. Herder in den Schriften zur Ästhetik und Literatur 1 767-8 1 (Werke Bd. 2), Frankfurt a.M. 1 993 , 607. culina: Die Lesart culina (L(j) fUgt sich von allen Varianten (danmter co ria B, curia P, chori� R) am besten in den Kontext ein und wird zudem ge stützt von John of Salisbury, polier. 3 , 1 0,497 c-d (Webb) illis qui huic vitio dediti sunt non magis placere virtutem, quam illos bene olere qui in culina habitant. Siehe MÜLLER 1 978, 749; PECERE 1 973, 74; CONTE 1 992, 3 1 1 Anm I und 2007, 1 22f. mit Anm 39. Erwähnenswert ist die Konjektur corian'a ("Gerberei") von Salmasius (ausgehend von dem korrupten coria von B), ilie auf den vielfach bezeugten Gestank in Gerbereien Bezug nimmt (unterstützt von VAN TiIIEL 1 97 1 , 8f. und MARZULLO 1 996, 286). .
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habitant: habitare in mit uneigentlichem Ort, superlativisch fiir "assidue commorari" (TLL 6.3 .2475 .73ff.). Vgl. Cic. Mur. 2 1 qui in fora habitarint flir die, die den ganzen Tag im Gericht verbringen; de orat. 1 ,264 qui habitaret in subselliiv. § 2,2 pace vestra Iiceat dbisse, primi omnium eloquentiam perdidistis. levibus enim atque inanibus sonis ludibria quaedam excitando effecistis ut corpus orationis enervaretur et caderet: Gestattet mir zu sagen, ihr habt als Erste von allen die Beredsamkeit zugrunde gerichtet. Denn aus leichten und leeren Tönen habt ihr gewisse Spielereien erzeugt und es so weit gebracht, dass der Körper der Rede erschlaffte und in sich zusammenfiel . pace vestra Iiceat dixisse: "Mit Verlaub zu sagen", ,,nehmt's mir nicht übel". Nachklassische Variante der ciceronianischen Wendung pace tua dixerim (PETERSMANN 209), vgl . z.B. Sen. nato 3 , 1 1 ,4 pace Theophrasti dixisse liceat; Plin. nato 34, I 08 quod pace eorum dixisse liceat; Sen. Tro. 276f. pace dixivse hoc tua, / Argiva tel/us, liceat, H OFMANN 1 3 1 § 1 2 1 mit Nachtrag; KST 1 4 1 1 § 8 1 ; TLL 5 . 1 .969.44ff. Sie dient zur Abschwächung des Vorwurfs gegen Agamemnon, der hier stellvertretend fiir alle Rhetoriklehrer angeklagt wird. dixisse (statt dicere) hat gnomischen Wert, siehe HSz 35 1 f. § 1 93 ; KST I 1 33f. § 3 3 . primi omnium: Auch Quintilian hält die Lehrer zumindest flir mitschuldig am Niedergang der Rhetorik: inst. 2, 1 0,3 eo quidem res ista culpa docentium rec cidit, ut inter praecipuas, quae corrumperent eloquentiam, causas licentia atque inscitia declamantiumfoerit. levibus enim atque inanibus sonis: Die inanes soni "erklingen" in der Laut struktur des Satzes: s-Laute (inanibus soni.�) umschlossen von I-Lauten (levi bus . . . ludibria) mit Homoioteleuton (-ibus. . . -ibus) . sonus (bzw. sonitus o.Ä.) findet sich häufig i n Kombination mit den Adj . levis (z.B. Sen. dia!. 4, 1 1 ,4; Plin. nato 1 1 ,270) und inanis (z.B. Cic. de orat. 1 ,5 1 ; Tusc. 5 , 1 1 9; Liv. 3 5 ,48,2; Sen. epist. 56, 1 4; 1 08,7). Die beiden Adj . , deren Antonyme plenus und gravis typische Charakteristika einer guten Rede sind, erscheinen häufig in Kombination miteinander, z.B. in Cic. Planc. 63 quaedam inania et levia; orat. 1 70 inanibus verbis levibusque sententiis. Vgl . oben Sat. 1 ,2 sententiarum vanissimo strepitu. ludibria quaedam excitando: Mit ludibria sind die Deklamationen (TLL 7.2. 1 59.73ff. "vana, inepta, indigna sim.") gemeint, die, anstatt ernste und würdevolle Themen zu behandeln, nur "Spielereien" darstellen, vgl. Sat. 1 04,3 ludibria. excitare steht hier flir generare (TLL 5.2. 1 26 1 .6 1 ). Zur instrumentalen Verwendung des Gerundiums im AbI . vgl . Sat. 75,2; 1 07, 1 0 u.a. ; siehe PE TERSMANN 223 ; HSz 379 §203A; KST I 752f. § 1 35 .
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corpus oraöonis enervaretur e t caderet: Der Ausdruck evoziert die Vorstel lung eines Körpers ohne Sehnen und Muskeln, der kraftlos in sich zusammen fällt (vgl. Sat. 1 29,5 negant enim medici sine nervis homines ambulare posse). Die nervi stehen fiir das Fundament einer Rede wie Argumentation, Beweis ftihrung, Struktur. Wenn diese durch das Übermaß an leves et inanes soni geschwächt werden, bricht das ganze Gerüst zusammen. Der Ausdruck corpus orationis ist in der Rhetorik gebräuchlich, z.B. Rhet. Her. 4,45,58 tamquam sanguis perfusus est per totum corpus orationis; Cic. orat. 1 26 quae etsi aequaliter toto corpore orationis fosa esse debet; de orat. 3 ,96; Sat. 1 1 8,5 curandum est ne sententiae emineant extra corpus orationis expres.me; Quint. inst. 3 , 1 1 ,23 (weitere Stellen bei ASSFAIIL 1 932, 7- 10; TLL 4. 1 020AOff.). enervare bzw. enervis, nervus (TLL 5 .2.569. 1 ff.) ist ein häufiges Bild im rhetorischen Kontext (TLL 5 .2.568 A9ff.), vgl. u.a. Tac. dia I. 1 8,5 Cicero nem . . . solutum et enervem; Cic. Tusc. 4,38 quocirca mollis et enervata putan da est Peripateticorum ratio et oratio; 2, 1 5 enervatam muliebremque sententi am; orat. 229 enervetur oratio compositione verborum; 62 neque nervos neque aculeos oratorios acforenses habet; Rhet. Her. 4, 1 1 , 1 6 sine nervis et articulis; Quint. inst. 5 , 1 2 , 1 7 declamationes . . . nervis carent; 9,4, 1 42 compositionem . . . effeminatam e t enervem. Zugleich haben die bei den Verben einen obszönen Beiklang (vgl. ADAMS 3 8 ; BARNES 1 973, 789): enervo (TLL 5 .2.568 A l ff. ; vgl. nervus als membrum virile in Sat. 1 29,5 . 8; 1 3 1 ,6; 1 34, 1 ) und cado (z.B. Mart. 7, 1 8, 1 2 cui non men tula mensque cadit?) beschreiben die oratio als impotent. Siehe Ess. 1--4, 3 . § 2,3 nondum iuvenes declamaöonibus conÖDebantur, cum Sophocles aut Euripides invenerunt verba quibus deberent loqui: Damals waren die j un gen Leute noch nicht an die Deklamationen gebunden, als ein Sophokles oder ein Euripides die Worte fand, in denen sie sich ausdrücken sollten.
Dies ist der Anfang einer ganzen Reihe von Exempla (Sat. 2,3-5): Dichter (Sophokles und Euripides, Pindar, Homer) - Prosaschriftsteller (Platon und Thukydides) - Redner (Demosthenes und Hyperides) - Dichtung - Malerei. So wie Enkolp die aufgezählten Autoren als Beweismittel einsetzt, schlägt er die umgekehrte Richtung zu Quintilian (inst. 1 0) u.a. ein, die eine Leseliste fiir Studenten geben. Enkolp hingegen stellt hier einen direkten Zusammen hang zwischen dem Fehlen der Deklamation und guter Poesie her. Alle guten Dichter der Vergangenheit haben einen Unterricht genossen, der frei von die ser Übungsfonn war. Die Folgerung, dass man sich deshalb in der Schule mit Dichtem etc. beschäftigen solle, wird Agamemnon in seiner Rede und v.a. in seinem Gedicht Sat. 5 ziehen. nondum nondum : Enkolp trauert hier einer idealisierten Vergangenheit nach: Durch die Erfindung der Deklamationen und deren Erklärung zum .••
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Schulstoff wurde der Beredsamkeit ein jähes Ende bereitet. Enko1ps Klage erinnert an den aetas aurea Topos, dessen Charakteristikum die zahlreichen Vemeinungen sind, vg!. z.B. Ov. met 1 ,94-9 nondum . . . nullaque . . . nondum .. . non . . . non . . . non . . . non . . . ; Sen. Med. 309- 1 7 . . . nondum . . . non . . . nondum . . . non . . . nec . . . nondum . . . nondum . . . iuvenes declamationibus eontinebantur: Das Verb ist hier negativ konnotiert im Sinn eines Gefangenseins, einer gewaltsamen Einschränkung, vg!. OLD s.v. contineo 4 ("to maintain or keep a person or thing in a specified state or condition"); TLL 4.704.88ff.; Cic. Brut. 332 contine te in tuis perennibus stu diis. Es wurde unnötigerweise zu korrigieren versucht: conterebantur (DOUSA; HEINSIUS; MARZULLO 1 996, 286); committebantur (Jacobs); conficiebantur (Fuens 1 959, 57); contingebantur (GIARDINA 1 978-9, 387: "anstecken, infi zieren", nach OLD s.v. contingo 6, angelehnt an Sat. 2,7 pestilenti . . . sidere). Zu iuvenes siehe unten Sat. 4,4 . . . iuvenes ridentur. . . eum Sophocles aut Euripides: Zwei der drei großen Tragiker des 5 . Jh. v. Chr. finden hier Erwähnung. Aischylos, der hier nicht genannt wird, hätte sich wegen seiner stilistischen Extravaganz (Aristoph. Ran. z.B. 833-8. 1 1 1 9-76; Quint. inst. 1 0, I ,66 sublimis et gravis et grandilocus saepe usque ad vitium, sed rudis in p/erisque et incompositus) für Enkolps Zwecke schlecht geeignet. invenerunt verba: D.h., sie schufen eine neue Sprache mit Vorbildcharakter. invenire ist (seit augusteischer Zeit) im Vergleich zu reperire umgangssprach lich und wird von Petron bevorzugt, siehe LöFSTEDT, Komm. 232�. Zur Junktur invenirelinventio und verba vg!. Plaut. Trin. 760 ne tu illud verbum actutum inveneris; Cic. part. 3 et res et verba invenienda sunt et con/ocanda; de orat. 1 , 1 8 inventis cogitatisque rebus et verbis . quibus deberent loqui: deberent, dem ein Subjekt nicht eindeutig zugewiesen werden kann, wurde schon früh in Frage gestellt. So überliefert tV /oqui debe mus (die Lesart wird gestützt von Pierre Daniel, der auf ein uns unbekanntes "vetus glossarium S. Dionysii" verweist), während "unus ex veteribus" im Puteanus deberemus aufwies. Zudem schreibt BÜCllELER I einem "incertus aliquis" deceret zu. Die beste Lösung ist, im Subjekt die Tragiker zu sehen und debere in ab geschwächter Bedeutung analog zu dt. "sollen" (eng!. "shall, ought to") aufzu fassen, was den Zwang und die Zukünftigkeit in sich vereint: "sie fanden die Worte, in denen sie reden sollten". Denn nach PETERSMANN 1 86f. ist debere bei Petron "vielfach bedeutungsmäßig ganz geschwächt" - eine reine Futu rumschreibung, die sich im späteren volkstümlichen Latein entwickelte, liegt bei Petron jedoch noch nicht vor, vg!. STEFENELLI 1 962, 1 32 zu Sat. 67,7; PELLEGRIN02 1 29; HSz 3 1 4 § 1 75f. Das heißt also, dass sich die Tragiker ihr eigenes Vokabular zurechtlegen konnten und nicht an Deklamationen gebunden waren. Aus inhaltlichen Grün-
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den verbietet es sich deshalb, die iuvenes als Subjekt von deberent zu begrei fen (so z.B. bei BURMAN 1 3). Vom Spezialfall einer unpersönlichen Konstruk tion (debere[nJt) gehen SULLNAN 1 970, 1 88 (in Anlehnung an Sen. diaI. 5 ,3 , 1 ) und MARZULLO 1 996, 286 (Poetismus, äquivalent zu oportet, decet auf der Basis von Varro ling. 1 0, I ) aus. FuCHS 1 959, 57 ergänzt als Subjekt < dei quoque> oder < qui in fabulis excellerent> . Vor ihm schlägt bereits VON WI LAMOwrrz- MoELLENDORFF 1 884, 7 < dei> als Subjekt vor, später ähnlich ROHDE 1 879, 845 , der zu < dis> invenenmt verba ergänzt. § 2,4 nondum umbratieus doetor ingenia deleverat, eum Pindarus novem que lyrici Homerieis versibus eanere timuerunt: Damals hatte noch kein Stubengelehrter die Talente verdorben, als Pindar und die neun Lyriker sich scheuten, in homerischen Versen zu dichten. umbratieus doctor: Vgl. Plat. Phaidr. 239c ouö' Ev TtAiep lCu8upq> tE8pu)1)livov a.AM 1mo aU)1)11YEt <J1Clq.. Das Bild der Rhetorenschule als
dunkler, muffiger Ort im Gegensatz zwn hellen Licht der Realität auf dem Forum ist ein Gemeinplatz, z.B. Quint. inst. 1 0,5 , 1 7 ne (seil. adulescentes) ab illa. in qua prope consenuerunt. umbra vera discrimina velut quendam solem reformident; 1 ,2, 1 8; Cic. de orat. 1 , 1 57 educenda deinde dictio est ex hac domestica exercitatione et umbratili medium in agmen. in pulverern. in damo rem. in castra atque in aciern forensem; orat. 64 mollis . . . oratio philosopho rum et umbratilis; Plin. epist. 9,2,3 nisi fOrle volumus scholasticas tibi atque. ut ita dicam. umbraticas litteras mittere; Sen. contr. 3 praej 1 3 ; 9 praej 5 . ; luv. 7, I 72f. Siehe auch MARZULLO 1 996, 287; PETRONE 2007, 93f.; oben Sat. 1 ,2 cum inforum venerint. ingenia deleverat: Vgl. zwn Ausdruck und Thema Tac. dial. 3 5 ,2 non facile dixerim utrumne loeus ipse an condiscipuli an genus studiorum plus mali in genii� adferant. Auch bei Quint. inst. 1 ,3 , 1 sind ingenium und natura eines Knaben die Grundvoraussetzungen der Bildung. eum Pindarus novemque lyrici: Anspielung auf den alexandrinischen Kanon der neun wichtigsten griechischen Lyriker (Quint. inst. 1 0, 1 ,61-4) : Alkaios, Sappho, Anakreon, Alkman, Stesichoras, Ibikos, Simonides, Bakchylides und Pindar. Pindar wird für gewöhnlich als Neunter genannt. Enkolp erwähnt Pin dar als primus inter pares, das et ist generalisierend zu verstehen (siehe FRAENKEL in RONCALI 1 974, 69 1 ; "i nove lirici e !Ta lora Pindaro"). Seine Prominenz gegenüber den anderen Dichtem wird allgemein anerkannt, z.B. Quint. inst. 1 0, 1 ,6 1 novern vero lyricorum longe Pindarus princeps spiritus magnificentia. sententii�. figuris. beatissima rerum verborumque copia et velut quodam eloquentiae flumine: propter quae Horatius eum merito credidit ne mini imitabilem . Homerieis versibus eanere timuerunt: Der timor der Lyriker im Hinblick auf den epischen Hexameter wurde von der Forschung in Frage gestellt (COL -
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LIGNON 1 892, 8 1 ; GIARDINA-MELLONI; MARzuLLO 1 996, 287). Daher befür wortet man z.T. das Einfilgen von < non> oder zieht die Lesart von r invene runt (vgl. Sat. 2,3 und 2,9) heran. timuerunt ist hier jedoch nicht negativ kon notiert, zwnal die neun Lyriker (wie zuvor Sophokles und Euripides) als literarische Vorbilder angeftihrt werden. Vielmehr entspricht ihre Scheu vor dem Hexameter der Furcht vor der epischen Großdichtung, die von vielen späteren Generationen im Topos der recusatio beklagt und zur Legitimation von anderen Gattungen und Versmaßen verwendet wurde (vgl. z.B. Verg. ecl. 6; Hor. sat. 2, I ; earm. 1 ,6; vgl. zudem Sat. 1 1 8,5 eeteri enim aut non viderunt viam qua iretur ad earmen, aut visam timuerunt caleare). 1m Fall von Pindar war diese Scheu zudem Anlass, die Sprache zu erneuem: "Sie schrieben nicht mehr in homerischem, sondern in neuem lyrischem Versmaß". Sie haben ihre eigene Sprache geschaffen, analog zu Sophokles' und Euripides' inventio ihres Sprachschatzes (Sat. 2,3 invenerunt verba). § 2,5 et ne poetas solum ad testimonium eitern, certe neque Platona neque Demosthenen ad hoc genus exereitationis accessisse video: Und um nicht nur Dichter als Zeugen anzufilhren: Soweit ich sehe, haben sich bestimmt weder Platon noch Demosthenes auf diese Art der Übung eingelassen. ne ... solum: Das (abgesehen von Ims solum) einhellig überlieferte quidem ergibt keinen Sinn, da Enkolp soeben einige Dichter genannt hat. Es ist entwe der aus dem Text zu streichen (BüC"ELER2� ; MÜLLER etc. außer ERNOUT und DIAZ Y DlAZ) oder besser noch durch die Lesart so/um zu ersetzen (so BÜCIIE LER 1 ; ARAGOSTI). S OVERINIS Vorschlag ( 1 974-5, 253 Anm . 65), in quidem einen "valore vagamente asseverativo in correlazione al successivo eerte" zu sehen, ist nach ne unplausibel . Siehe zur Stelle BURRISS 1 94 1 b, 356f. ad testimonium eitern : Die Periphrase ad + Akk . anstelle eines Dat. finalis findet sich nicht nur in der Volkssprache häufig, vgl. Caes. Gall. 7,80,4 ad auxilium eonvenerant. Siehe PETERSMANN 80; HSz 220 § 1 1 5 Zusatz c; KST I 345f. §78 Anm . 3 . Zum Anfilhren von Zeugen vgl. Ov. fast. 5,683f. sive ego te feci testem, falsove citavi / non audituri numina vana lovis; Tac. ann o 4,43 ,3 quod si va tum, annalium ad testimonia voeentur; dial. 32,5 si testes de.�iderantur, quos potiores nominabo quam apud Graeeos Demosthenem, quem studiosissimum Platonis auditoremfoisse memoriae proditum est? neque Platona neque Demosthenen : Platon und Demosthenes als höchste Repräsentanten der philosophischen Prosa bzw. der Redekunst werden oft zusammen genannt, vielleicht auch deshalb, weil Demosthenes der eifiigste Hörer Platons gewesen ist: Cic. de orat. 1 ,89; Brut. 1 2 1 ; 1 9 1 ; Tac. dial. 32,5 (siehe oben); De subl. 14. neque erscheint häufig in den gehobeneren Partien der Sat., während die volkstümliche Sprache nee bevorzugt (Petr., Tib. Prop., Ov., Priap.). Zur Ver-
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teilung von nec/neque siehe HSz 45 1 f. §24 1 Zusatz E; LöFSTEDT, Synt. 1 25973; AXELSON 1 1 5-8. aeeessisse video: videre in der Bedeutung von scire, siehe Quint. inst. 1 0, 1 , 1 3 nam et 'intel/ego ' et 'sentio ' et 'video ' saepe idem valent quod 'scio ' und 1 4 de intellectu animi recte dixerim 'video '. Die Lesart video findet sich lediglich in p2 (von TuRNEßus). Überliefert ist et ideo (als Anfang des nächsten Satzes), das bei Petron häufig Sätze einleitet (z.B. Sat. 1 ,3), hier aber den vorherigen Satz ohne konjugiertes Verb dastehen ließe. § 2,6 grandis et ut ita dieam pudiea oratio non est maeulosa nee turgida, sed naturali pulehritudine exsurgit: Große und - wenn ich das so sagen darf - keusche Rede ist weder bunt gefleckt noch geschwollen, sondern erhebt sich in natürlicher Schönheit. grandis et pudiea oratio: Gemeint ist eine Rede von gutem, erhabenem Stil und natürlicher Schönheit. grandis ist hier, nicht zuletzt wegen der Erweite rung durch pudica, untechnisch gebraucht. Ebenso ist Agamemnons Bezeich nung dieses von Enkolp geschilderten Ideals als iIla grandis oratio (Sat. 4,3) zu verstehen. Enkolp vergleicht die Ideal vorstellung der oratio mit der eines weiblichen Körpers (groß, keusch, ungeschminkt, natürlich) und stellt sie ihrem negativen Pendant gegenüber (krank, aufgedunsen, befleckt). Große Frauen gelten schon in der Antike als schön (z.B. Horn. Od. 1 5 ,4 1 8 yuvJ, KaAl) Kai �E'Y&A"'; Catull. 86, 1 Quintia formosa est multis, mihi candida, longa / recta est; Prop. 2,2,5 folva coma est longaeque manus et maxima toto / cmpore). pudica ist die römische matrona, die sich nicht mit Schminke herausputzt (so auch KISSEL 1 978, 3 1 4 Anm . 1 5) und nichts tut, was sich für eine Dame nicht ziemt. Die moralischen und ästhetischen Kategorien werden hier nicht unterschieden. Ein ähnlicher Vergleich der oratio mit einer Frau findet sich bei Cic. orat. 64 (seil. oratio philosophorum) casta, verecunda, virgo incorrupta quodam modo; in Brut. 330 wird sie mit einer jungen Frau verglichen, die mit Hortensius' Tod zur Waisen wird: nos . . . orbae eloquentiae quasi tutores relicti sumus, . . . tueamurque u t adultam virginem caste e t a b amatorum impetu quantum pos sumus prohibeamus; fiir Dion. HaI. orat. veto praej 1 ist die attische Stilart wie eine freigeborene und anständige Gattin (i't �EV EAEu6epa Kat crroq>prov 'Ya�E't"), die asianische hingegen eine dumme Hetäre (E'taipa Oe nt; aq>prov). Einen Vergleich der oratio mit dem menschlichen Körper unternimmt auch Tac. dial. 2 1 ,8 oratio autem, sicut corpus hominis, ea demum pulchra est, in qua non eminent venae nec ossa numerantur, sed temperatus ac bonus sanguis implet membra et exsurgit toris ipsosque nervos rubor tegit et decor commen dat (siehe oben Sat. 2,2 corpus orationis enervaretur et caderet). •.•
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dam sidere afflavit, semelque corrupta eloquentia regula stetit et obmutu it: Unlängst ist diese aufgeblasene und maßlose Geschwätzigkeit aus Klein
asien in Athen eingezogen und hat den nach Großem strebenden Geist der jungen Leute wie ein Pestgestim angeblasen; und nachdem ihre Grundsätze einmal verdorben waren, kam die Beredsamkeit zum Stillstand und verstumm te. Mit Athena.� ex Asia sind hier die literarischen Stilrichtungen Attizismus und Asianismus (so z. B. auch SINCLAIR 1 984) gemeint und nicht nur allge mein "das künstliche Aufputzen der Rede mit rhetorischen Kunstmitteln" (KISSEL 1 978, 3 1 4f. ; ALFONSI 1 948, 50 Anm 2). Die Erwähnung Athens an stelle von Rom (und dementsprechend des griechischen Attizismus bzw. Asia nismus) passt in den Kontext. Schon zuvor hatte Enkolp bei seiner Beschrei bung der Blütezeit der antiken Literatur einen griechischen Standpunkt eingenommen und ausschließlich griechische Exempla gewählt (Sat. 2,3-5). Und er wird im gleichen Stil fortfahren (Sat. 2,8), wenn er weitere Vertreter aus dem Kanon des Altertums nennt. Lit. zur Stelle: SINCLAIR 1 984; RUSSELL 1 990; ARAGOSTI ad loc.; SAGE 1 9 1 5; SOVERINI 1 985, 1 7 1 1 Anm 14; 1 727 Anm 95; HIDßER 1 996, 25--44 . .
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nuper: Vielfach wird nuper (,,kürzlich") als Anachronismus aufgefasst (der Verfall der Redekunst in Athen setzt nach Dion. HaI. Ende 4. Jh. ein). nuper
würde dann z.B. auf eine griechische Quelle hinweisen, die Enkolp etwas zu genau zitiert, so z. B . COLLIGNON 1 892, 84; SAGE 1 9 1 5, 50f.; MALITS-FmIRER 2002, 82 mit Anm 5: ,,Enkolp verrät sich durch die Bemerkung, dass dies nuper geschehen sei (2,7) [ ... ] Durch diesen Anachronismus wird deutlich, dass Enkolp eben nur deshalb die Rolle spielt, mit der er seinen bildungskon servativen Gesprächspartner Agamernnon beeindrucken kann." Wir haben jedoch zwei gute Möglichkeiten, nuper anders aufzufassen. Erstens gibt es einige Stellen, an denen nuper im welthistorischen Zusammen hang so viel wie "in neueren Zeiten, vor Zeiten" heißt. So wird es gelegentlich auch bei Jahrzehnte oder Jahrhunderte zurückliegenden Ereignissen gebraucht, z.B. Cic. de div. 1 ,86 neque ante philosophiam patefactam. quae nuper inventa esl; nat. deor. 2, 1 26 nuper id est paucis ante saeclis (CoLLIGNON 1 892, 83). Zweitens, und m.E. hier am treffendsten, ist nuper nicht als konkrete Zeit angabe, sondern als Parodie des Topos des Niedergangs zu verstehen (HELD MANN 1 982, 130 Anm 208). Der asianische Stil wird in rhetorischer Übertrei bung und Polemik der alten, ehrwürdigen attischen Rhetorik gegenübergestellt. "Old things are good, modem developments are bad; and the implication is that, as a11 novelty is to be deplored, so a11 deplorable things must be new" ( RUSSELL 1 990, 294). Mit der Behauptung, der asianische Stil sei erst kürzlich aufgekommen, stützt Enkolp seine These der kurzen Lebensdauer (Sal. 2,8 non potuerunt usque ad seneetutem eaneseere; 2,9 non alium exitum feeit). Ganz .
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ähnlich heißt es in Dion. HaI. orat. veto praef I , dass der asianische Stil ExeE� Kai xP
eignisse auf der Erde verantwortlich sind, wozu auch das Auftreten von Krankheiten gehört, vgl. Liv. 8,9, 1 2 pestifero sidere icti pavebant; Plin. nato 2, I 08 adflantur alii sidere. Das Bild wird durch dasjenige des kranken Körpers (Sat. 2,6 maculosa . . . turgida) vorbereitet. Der gewagte Vergleich wird abgeschwächt durch das vorsichtige veluti . . . quodam, vgl. Sat. 2,6 u t ita dicam; 2 , 8 qua.�i; 3 , 3 quasdam ; HSz 1 96 § 1 07d. semelque corrupta eloquentia regula stetit et obmutuit: Das in LO einhellig überlieferte corrupta eloquentiae regula .detit et obmutuit (DiAZ Y DIAZ "rec te" im App.) mit regula als Subjekt ist nicht sinnvoll (Grundsätze bzw. eine Richtschnur können nicht stehen bleiben und verstummen). Es empfiehlt sich
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deshalb aus inhaltlichen Griinden, eloquentia zwn Subjekt des Satzes zu ma chen, vgl. auch Cic. Brot. 22 subito in civitate cum alia cecideront tum etiam ea ipsa, de qua disputare ordimur, eloquentia obmutuit; 5 1 semei . . . eloquen tia . . . loqui paene dedisceret. Ansonsten muss man wie MÜLLER eine Lücke setzen (.�emelque corrupta eloquentiae regula . . . steti! et obmutuit) und einen Ersatz flir das fehlende Subjekt finden (sein Vorschlag im App.: ars, ähnlich bereits fuCHS 1 959, 58 regula < hoc totum studium sub> stitit auf der Basis von Cic. Brut. 324; prob. DELZ 1 962, 68 1 ) . Betrachtet man eloquentia als Subjekt, wird dieses vom AbI. abs. wn schlossen (corruptä eloquentia regulä), vgl. Sat. 2 1 ,2 extortis nos clunibus; 27,6 exonerata ille vesica; 49,9 recepta cocus tunica; 99,2 profosis ego lacri mis, so FEIX 1 934, 47; ARAGOSTI. Das Homoioteleuton auf -a hat Parallelen, z.B. Sat. 64, 1 0 vasa omnia crystallina; 123 V. 1 85 cana vincta proina. Eine Umstellung zu corruptä regulä [AbI. abs.] eloquentia stetit et obmutuit (nach Haase; gefolgt sind BÜCHELER 1..t; ; ERNOUT; MÜLLER 1 ; prob. FRAENKEL in RoNCALI 1 974, 69 1 ; P ECERE 1 973 , 75; MARZULLO 1 996, 288) drängt sich
nicht auf. Weniger überzeugend die Ansätze von CoURTNEY 1 970, 65 corrupta elo quentia e< repta> regulä; BURRISS 1 94 1 b, 358, der den überlieferten Text verteidigt, aber loquacitas zwn Subjekt erklärt (nach Jungermann) und die Verben mit "got nowhere, had a deadening influence" übersetzt. Dies würde unsinnigerweise heißen, dass die asianische loquacita.� bereits von allein ver schwunden sei. corrupta ... regula: M it corropta regula ist die durch die enormis loqua citas (Sat. 2,7) verursachte Verderbnis der rhetorischen Grundsätze gemeint. Die Junktur ist zwar selten und dann in Bezug auf die "Regeln der Grammatik" belegt (z.B. Prise. gramm. 11 457, 14f. corruptam invenies regulam coniugatio nis), doch findet sich corruptus häufig bezogen auf Stil, Gattung o. Ä . (TLL 4. 1 060. 1 1 ff. "in rebus grammaticis et rhetoricis", vgl. Cic. Brot. 202 inflatum et corruptum orationis genus; Quint. inst. 2,5, 1 0 corrupta.� . . . et vitiosa.� ora tiones). Zu regula als ,,Maßstab" der Redekunst vgl. Cic. orat. 23 1 ab Attico rom regula absunt; Quint. inst. 1 ,5, 1 emendate loquendi regulam; 1 ,6,44 regu la sermonis. stetit et obmutuit: Das Verb stare ist figürlich für "to halt, stop" (nach OLD S.v. sto 1 0) aufzufassen. Zu obmuere vgl. die bereits oben zitierten Stellen Cic. Brut. 22 eloquentia obmutuit; 5 1 semel . . . eloquentia . . . loqui paene dedisceret. Das Bild der Eloquenz, die stehen bleibt und dann verstummt, wird im folgen den Satz weitergeführt (vgl. postea in Sat. 2,8) und geht einher mit dem Bild des Reifens und Altwerdens in Sat. 2,8 non potueront usque ad senectutem canescere. Die Stelle ist ein weiteres Beispiel flir die vielen verschiedenen Metaphern, die in diesen Kapiteln zusammenkommen (siehe Ess. 1 --4, 3) .
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§ 2,8 quis postea ad summam Thucydidis, quis Hyperidis ad famam pro cessit? ac ne carmen quidem sani co loris enituit, sed omnia quasi eodem cibo pasta non potuerunt usque ad senectutem canescere: Wer hat später die Perfektion eines Thukydides, wer den Ruf eines Hypereides erlangt? Und ebenso wenig hat eine Dichtung von gesunder Farbe ihren Glanz entfaltet, sondern nichts konnte, weil alles gleichsam mit derselben Nahrung gefüttert wurde, ein hohes Alter erreichen. ad summam : Das einhellig überlieferte quis postea ad summam (LO, wobei qui 0, siehe dagegen PETERSMANN 267) kann gut gehalten werden. summa steht dann ftir ,,Perfektion" (vgl. Quint. inst. 12, I ,20 defoisse ei (seil. Ciceroni) summam illam, ad quam nemo propius accessit; Sat. 55,4 summa carminis; vgl. zudem Sen. epist. 23,2 ad summa pervenit u.a.) und als Teil eines chiasti schen Parallelismus quis + ad summam + Gen. - quis + Gen. + ad famam, so auch schon ERJIARD bei BURMAN 1 7; SCHÖNBERGER 267; dagegen GIARDINA 1 973-4, 2 1 0f., der summam + Gen. einer Person in Zweifel zieht. MÜLLER und weitere Editoren wie z.B. BÜCIIELER J-ti ; ERNOUT; GIARDINA 1 995--6, 267 folgen der Umstellung von ScR1vERIUS zu ad summam quis postea. Zwar ist die Formel ad summam (,,kurz und gut") bei Petron häufig anzutreffen, doch ist der Satz nicht wirklich resümierend, was ein solches ad summam voraussetzt, sondern bildet die Fortsetzung der exemp/a Reihe . quis ... Thucydidis, quis Hyperidis: Thukydides und Hyperides verkörpern die große attische Eloquenz, vgl. die Stellen in Ciceros Brutus, wo gesagt wird, dass Thukydides einer der Begründer der griechischen Eloquenz war (Brut. 27; vgl. 287f.) und Hyperides an Wichtigkeit gleich nach Demosthenes komme (36; vgl. 67; 1 3 8; 285-88; De sub/. 34, wo er sogar Demosthenes übertrifft). Im Traktat De sublimitate werden häufig genau diese Autoren zitiert (Platon, Demosthenes, Thukydides, Hyperides), vgl. z.B. De sub/. 14; 1 5; 34. ad famam processit: Die Konstruktion Verb der Bewegung + ad mit Akk . findet sich bei Petron häufig in literarischem Kontext (vgl. Sat. 1 ,2 ad eloquen tiam ituris; 1 1 8,5 iretur ad carmen). ne carmen quidem: Das Thema der Dichtung von Sat. 2,5 wird hier wieder aufgenommen (siehe oben Sat. 2,3f.). ne . . . quidem ist hier nicht in seiner ge bräuchlichsten, sondern in einer verblassten Bedeutung verwendet (vgl. unten Sat. 1 2,5 ac ne ipse quidem; 1 3 , 1 ne . . . quidem), andernfalls käme der Dich tung ein unerklärbarer Sonderstatus zu. sani coloris enituit: Mit sanus color ist wieder ein Bezug zum menschlichen Körper gegeben ("natürliche Gesichtsfarbe einer gesunden Person", vgl. Sat. 2,3 corpus orationis enervaretur et caderet; 2,6 pudica oratio non est macu/o sa nec turgida, sed . . . exsurgit). Der Ausdruck ist hier im gleichen bildlichen Sinn (TLL 3. 1 720. 1 9ff. "in imagine") zu verstehen wie in Sat. 1 1 8,5 sententi ae . . . intexto vestibus c% re niteant. -
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Dabei schwingt auch die technisch-rhetorische Bedeutung mit, die ,,Fär bung" des Stils (TLL 3 . 1 720.43ff. "omatus, nitor"), wie Sen. Rhet. den Aus druck gebraucht: color als einer der wichtigsten Bestandteile einer Schulrede und eine der Kategorien, nach denen er sein Werk aufteilt. Siehe AsSFAHL 1 932, 5 8 mit Stellen; ERNESTI 63-6. Außerdem nimmt color hier bereits den Vergleich mit der Malerei vorweg (Sat. 2,9). Mit sanus wird die medizinische Metaphorik fortgefLihrt. sanus findet sich in Bezug auf den Stil häufig bei Cicero, u.a. Brut. 202 nihil erat in eius oratio ne . . . nisi siccum atque sanum; 276 dicendi placidum et sanum genus. Auch eniteo wird oft in rhetorischen Metaphern und Vergleichen verwendet, z.B. Cic. Brut. 2 1 5 Crassi magis nitebat oratio; Quint. inst. 2,5, 1 2 non suo colore nitidis. omnia: Generisches Neutrum Plural, gemeint sind alle Formen der Literatur. quasi eodem cibo pasta: Mit dem ,,Einheitsbrei" sind die Deklamationen gemeint. Anders z.B. Quint. inst. 1 0,5, 1 4, der von den Deklamationen als Kraftfutter spricht: alitur enim atque enitescit velut pabulo laetiore facundia et ad�idua contentionum a.�peritate fatigata renovatur (weitere Stellen bei Ass FAHL 1 932, 27f.). Mit qua.�i wird hier wiederum eine Metapher abgeschwächt (vgl . oben Sat. 2,6 ut ita dicam; 2,7 veluti; 3 ,3 quasdam). ad senectutem canescere: Auch dies ist eine Metapher zum Organismus des Menschen; als Vorbild könnte Cic. Brut. 8 cumque ipsa oratio iam nostra canesceret haberetque suam quandam maturitatem et qua.�i senectutem ge dient haben. Da sich die Kunst nicht gesund entwickeln konnte, stirbt sie früh und erreicht keine Vollendung im Alter (TLL 3 .250.20ff. "senectute matures cere"). Das Alter besitzt in der römischen Gesellschaft hohe Wertschätzung (Urbild der patria potestas; Hochschätzung der senes; siehe RAC s.v. Greisen alter, 1 034-9). Hinter der Idee eines Höhepunkts im Alter steht die Vorstellung von dignitas, gravita.� und auctorita.� als Eigenschaften, die einen reifen Mann auszeichnen (vgl. v.a. Ciceros Cato maior de senectute; Quint. inst. 1 0, 1 ,90 vehemens et poeticum ingenium Salei Ba.vsi fuit. nec ipsum senectute maturu it). § 2,9 pictura quoque non alium exitum fecit, postquam Aegypdorum au dacia tam magnae ards compendiariam invenit' : Auch die Malerei ist nicht anders zugrunde gegangen, nachdem die dreisten Ägypter ein Schnellverfahren flir diese so hohe Kunstform erfunden hatten." pictura quoque non alium exitum fecit: Eine Gegenüberstellung von Malerei und Rhetorik bzw. Dichtung nahmen schon viele Autoren vor, u.a. Cic. Brut. 70 similis in pictura ratio est; de orat. 2,69; 3 ,26; Hor. ars 36 1 ut pictura poe sis. In Sat. 88, 1 wird der Niedergang der Malerei beklagt: cum pulcherrimae artes perissent . . . Weitere Stellen bei AsSFAHL 1 932, 56f.
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exitum feeit: Das in dieser stilistisch gehobenen Rede auffallige exitum facere ("ein Ende nehmen") ist wngangssprachlich flir das klassische exitum habere. Es bezieht sich gewöhnlich auf Personen (z.B. Sat. 45,9; Sen. epist. 1 1 5 , 1 5 quem admirator auri exitum faceret; TLL 5.2. 1 536.22f. und 7 1 ; HE RAEUS 1 937, 1 1 8 mit Anm . 2), passt hier aber zur Todesmetaphorik (Sat. 2,2. 8), siehe oben Ess. 1-4, 3 . Aegyptiorum audacia tam magnae artis compendiariam invenit: Was genau Enkolp damit und v.a. mit dem Begriff compendiaria meint, ist umstrit ten. Die magna ars, die der compendiaria entgegengesetzt wird, könnte die griechische Malerei (mit Staffelei) des 5 ./4. Jh. v. ehr. bis hin zu Zeuxis, Apel les und Protogenes sein. Werke dieser drei Künstler sind es auch, die Enkolp in der Pinakothek (Sat. 83, 1 f. ) als beispielhaft lobt, da sie noch nicht von zeitty pischen Verfallserscheinungen betroffen gewesen seien. Mit den Aegyptii können die griechischen Maler Alexandriens (hell. Zeit) gemeint sein (siehe MORENO 1 960, 1 47f.). So würde nach den griechischen Autoren hier zum zweiten Mal auf künstlerische Vorbilder aus einer weit zurückliegenden Epo che verwiesen werden. Die Gemeinsamkeit mit der Rhetorik liegt darin, dass mit den Deklamati onen an den Schulen ein Einheitsbrei (Sat. 2,8 eodem cibo) gelehrt wird, der ohne viel Theorie, Lektüre, Schreibübung auskommt (vgl. Sat. 4,3) und einen raschen Weg zur Beredsamkeit verspricht (vgl. Sat. 4,2). compendiariam: Der dunkle Ausdruck ist aufgrund mangelnder Indizien nicht eindeutig geklärt. Das Adj . compendiarius, -a, -um leitet sich vom Subst. compendium ab, "etw., mit dem man Zeit gewinnen kann", und hat ein weites Bedeutungsfeld, vgl . z.B. Sen. apocol. 1 3,2; epist. 27,6; 1 1 9, 1 , siehe MORENO 1 960, 1 6 1 f. compendiaria ist ein Adj . fem. (scil. via, iter oder pictura: "Schnellmalerei", "abgekürzte Malerei" o. Ä .; vgl. griech. crUV'tollo<; 606<;). Ob es sich dabei wn einen t. t. aus der Kunstgeschichte handelt, ist aufgrund der dürftigen Quellenlage nicht zu ermitteln. Auch bei Plin. nato 35, 1 00, der Philo xenos von Eretria (4. Jh. V . Chr.) als Erfinder der compendiariae (PIinius ge braucht den Begriff im Plural) bezeichnet, wird der Ausdruck nicht kommen tiert: celeritatem praeceptoris ( Nicomachos) secutus breviores etiamnum quasdam picturae campendiarias invenit. Bei Petron impliziert der Begriff wohl gewisse Techniken, die sich durch Einfachheit und Zeitersparnis auszeichnen, z.B. skizzenhafte Bildausführung, Farbfleckenmalerei, Einsatz von Schablonen, "simple landscape vignettes" (POLLITT 1 970, 333f.) o. Ä ., vielleicht auch eine Kombination dieser Metho den. Zwn Problem siehe MORENO 1 960; BAGNANI 1 962; SCARCIA 1 964 und 1 966; SETTIS 1 970 und POLLITT 1 970, 327-34. =
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tam magnae artis: Umgangssprachliches tam magnus ersetzt in den Sat. häufig tantus, siehe PETERSMANN 1 1 5 ; H OFMANN 99 §94 mit Nachtrag; HSz 206 § I I 0 Zusatz �.
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Kapitel 3 Agamemnon antwortet, schuld am Niedergang der Rhetorik seien nicht nur die Lehrer, sondern auch die Schüler und deren Eltern. § 3,1 non est passus Agamemnon me diutius declamare in porticu quam ipse in schola sudaverat, sed 'adulescens' inquit 'quoniam sermonem ha bes non publici saporis et, quod rarissimum est, amas bon am mentem, non fraudabo te arte secreta: Agamemnon ließ es nicht zu, dass ich länger in der Halle deklamierte, als er selbst im Hörsaal geschwitzt hatte, sondern sagte: "Junger Mann, da du eine Redeweise von nicht alltäglichem Geschmack hast und, was höchst selten ist, gesunden Menschenverstand schätzest, will ich dir die Geheimnisse unserer Kunst nicht vorenthalten. non est passus Agamemnon me diutius declamare sed: Durch seine Schuldzuweisung hat Enkolp den Widerspruch des Lehrers provoziert. Mit non est passus . baut der Satz Spann ung auf bis zum auflösenden sed. Dieselbe Struktur (neg. Satz + diutius + sed + direkte Rede) findet sich in Sat. 24, 1 non tenui ego diutius lacrimas, sed . . . inquam. Weshalb unterbricht Agamemnon Enkolp genau hier? Vielleicht befürch tet er, Enkolp könne vom eigentlichen Thema abkommen und sich in aus ufernder allgemeiner Kulturkritik verlieren. Agamemnon: Der Name erscheint in den Sat. hier zum ersten Mal; einge führt wurde die Figur des Redelehrers wohl schon zuvor, doch ist diese Stelle nicht erhalten. Sein Assistent heißt bezeichnenderweise Menelaus (Sat. 27,4f.; 8 1 , I antescolanus). Schon Varro gab einem "begnadeten" Redner den Namen Agamemnon (Varro Men. 570A). Bekannt ist der Name Agamemnon aber in erster Linie von dem homerischen äva� clVÖproV: "There is a touch of pathos in the adop tion of role here: a srnall-town teacher of rhetoric and his assistant recasting themselves as the sons of Athreus, heroes of the Trojan War" (SLATER 1 990, 32). Im Vergleich mit dem homerischen Agamemnon besteht noch eine weite re ironische Differenz. In der Ilias gilt Agamemnon nicht als einer der Rede gewaltigsten, eher im Gegenteil: 1m 2. Gesang hält er die berühmte 'Peira' Rede, mit der er bewirkt, dass das Heer beinahe vorzeitig nach Hause gefahren wäre; nur dank Odysseus ' Eingreifen wird das noch verhindert. Der Agamem non der mythologischen Tradition hat mit dem Agamemnon der Sat. auch charakterliche Ähnlichkeiten: Beide sind "Opportunisten, die die Interessen einer höheren Ordnung ihren persönlichen Interessen - oder was sie dafür halten - aufopfern. Der mythologische Agamemnon hält die Befriedigung seiner Hab- und Ehrsucht für wichtiger als das Leben seiner Tochter oder das Gelingen der Expedition, deren Führer er ist. Der petronische Agamemnon •..
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rarissimum, weil die meisten jungen Leute dem attraktiven Unsinn der Dekla mation verfallen. bona mens (TLL 2.2096.79ff.) meint einen wachen, gesun den Geist (vgl. z.B. Sat. 6 1 , 1 ; 70,3; 88,8; 1 3 1 ,3), hat aber kein festes Äquiva lent im Deutschen. amare bonam mentem ist eine unübliche Variante des geläufigen habere bonam mentem (Sat. 70,3 ; 1 1 5 ,3 ; 1 3 1 ,3). non fraudabo te arte secreta: ars (griech. "tEXYll ) ist die lehrbare und lernbare Beherrschung eines Fachs. Doch meint Agamernnon hier nicht so sehr die "Kunst der Rhetorik" (wie in Sat. 5 V. l artis) als vielmehr sein "Berufsge heimnis", das in der "Kunst der Verführung" besteht: Rhetoren wie er seien weit mehr zu leisten imstande, aber aus praktischen und finanziellen Gründen gezwungen, das zu lehren, was die Schüler und deren Eltern wollen. Vgl. auch Sat. 3,4 Fischerrnetapher; 1 4 1 ,8 earo . . . arte quadam eorrumpitur. § 3,2 nimirum in his exercitadonibus doctores peccant, qui necesse habent cum insaniendbus furere. nam nisi dixerint quae adulescentuH probent, ut ait Cicero, "soH in schoHs relinquentur": Natürlich begehen die Lehrer mit solchen Ü bungen einen Fehler; sie müssen ja mit den Narren närrisch sein. Denn wenn sie nicht sagen, was die jungen Leute hören möchten, so werden sie, wie Cicero sagt, in der Schule all eine sitzen bleiben' . •
nimirum: Das in LO einhellig überlieferte nimirum kann gehalten werden (so auch BÜCIrELER 1 ; SAGE-GILLELAND 1 46; BROZEK 1 966, 288; BURRISS 1 94 1 a, 274; SoVERINI 1 974-5, 255; COTROllI 2008, 34f.). nimirum erscheint bei Petron noch in frg. 14 quid est, iudiees, dolus? nimirum ubi aliquidfaetum est. Die Konjektur Leos ni< 1> mirum <sz> , die MÜLLER in seinen Text aufge nommen hat, ist nicht zwingend, auch wenn sie die Satzlogik und den An schluss des nächsten Satzes mit nam verbessert. Ebenfalls besteht kein Grund für Texteingriffe auf inhaltlicher Basis wie minimum (BURMAN 2 1 ) oder < ni hil> nimirum (BÜCIrELER2-t; ; ERNOUT; CiAFFI ) das den Lehrern jegliche Schuld absprechen würde. necesse habent: Familiarismus, vgl. u.a. Ter. Ad. 5 1 ; Cic. Au. 1 0, l a ; 1 6,2,5. cum insaniendbus furere: Schließt an die in Sat. 1 , 1 erwähnten Furien an, von denen die Deklamatoren verfolgt werden. Laut Agamemnon geht derfilror also von den Schülern aus. Sprichwörtlicher Ausdruck (OTTO S.V. filrere mit Belegen, z.B. Theogn. 3 1 3 EV J.lUlV0J.lEvOlr; J.lUlvEa{lcu). Vgl. zudem Hor. sat. 2,3 ,40 insanos qui inter vereare insanus haberi; ein Spiel mit der Redensart treiben Cic. orat. 99 filrere apud sanos et quasi inter sobrios baeehari vinulentus videtur, Sen. eontr. 1 ,7, 1 5 hominem inter seholastieos san um, inter sanos seholasticum. adulescentuH: Die Absurdität, dass die doctores sich den Schülern unterord nen müssen, wird durch den Diminutiv noch verstärkt. ut ait Cicero "soli in schoHs relinquentur": Syntaktisch angepasstes Zitat aus Cic. Cael. 4 1 illud unum direetum iter ad laudem eum labore qui probave,
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runt. prope soli iam in scholis sunt relicti über den ethischen Rigorismus der Stoiker: Cicero, der über das sexuelle Verhalten der Jugendlichen und die Haltung der Eltern und Lehrer dazu debattiert, lehnt die strenge Ethik der Stoi ker als unpraktikabel ab und setzt sich stattdessen für mehr Freiheit und Ver gnügen der J ugendlichen ein. Agamemnon, der sich in der Folge für strenge Unterrichtsprinzipien (Sat. 4, 1 -3) ausspricht, kehrt den ciceronianisehen Kon text also ironisch um (siehe dazu FEDELI 2 007 , 89). § 3,3-4 sieut ticti adulatores eum eenas divitum eaptant nihil prius medi tantur quam id quod putant gratissimum auditoribus fore (nee enim aUter impetrabunt quod petunt nisi quasdam insidias auribus feeerint), (4) sie eloquentiae magister, nisi tamquam piseator eam imposuerit hamis eseam, quam seierit appetituros esse piseieulos, sine spe praedae moratur in seo pulo: Wie falsche Schmeichler, die nach Einladungen zu Tisch bei reichen Leuten gieren, an nichts eher denken, als was ihrer Meinung nach den Zuhö rern am willkommensten sei (denn nicht anders gelangen sie ans Ziel als da durch, dass sie den Ohren gleichsam Fallen stellen), so muss der Lehrer der Redekunst wie ein Fischer, wenn er nicht den Köder an den Angelhaken hängt, von dem er weiß, dass die Fischlein nach ihm schnappen werden, ohne Aus sicht auf Beute auf der Klippe sitzen bleiben. Das Gleichnis Parasit - Lehrer schließt ein weiteres Gleichnis (Lehrer Fischer) ein, das eine Mischung aus Vergleich und Metapher ist. Die beiden Begriffe praeda und scopulus, die inhaltlich eigentlich zum Fischer gehören, sind grammatisch auf den Lehrer bezogen (,,korrekter" wäre, siehe auch BUR MAN 22: sicut ficti adulatores . . . sic eloquentiae magistri. tamquam piscator. qui nonlni.vi eam . . . ). So verschmelzen Bild (Lehrer) und Vergleich (Fischer) zur Metapher. Als tertium comparationis ist allen drei Vergleichsebenen das Bild des Fallenstellens bzw. Köderauswerfens gemeinsam.
piscator eam impo.vuerit hamis escam escam pisciculos praedae scopulo
magister "insidias auribus facere" Schulstoff wie Deklamationen u.a. "adulescentulos" Schülerschaft bzw. Verdienst "cathedra"
Das Bild, dass Fischer Menschen fischen, die sie für sich gewinnen wollen, ist (vornehmlich in negativer Konnotation) auch bekannt aus dem Alten Testa ment (Jer. 1 6, 1 6) sowie den neutestamentlichen Evangelien (Matth. 4, 1 9; Mar kus 1 , 1 7 "leh werde Euch zu Menschenfisehern machen"; Lukas 5, l ff., bes. 1 0), siehe Hengel 1 968, 86f. Ein vergleichbares Fischer-Angel-Köder-Gleichnis findet sich auch bei Hom. Od. 1 2,25 I ff. � Ö· Öt' E1t\ 1tPO�6A!p ixA1W� 1tEP\I1�KEi: i>a�ö!p / ix&Uen
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to'i� oAlyoun ÖOAOV lCata Eiöata paAAtoV / � ltoCJ)'tov ltpoi"o\ poo� lCEpa� ayltaUAO\O, / aOltatpovta Ö' rnElta AalWv epplIjIE 6upa�E, / � Ol y' aOltatpOVT� aElpOVTO ltpoti ltEtpa� ("Wie ein Fischer an langer Rute, vom Vorsprung des Ufers, flir die kleineren Fische den Bissen als Köder hinablä8st in das Meer und das Röhrchen vom Horn des Weidestiers auswirft, schließlich die zappelnde Beute im Bogen ans Land schwingt: genauso zappelten meine Gefährten, aufwärtsgerissen am Felsen."). Vgl . zudem Tib. 2,6,23f. haee (seil. spes) eaptat arundine pisees, / cum tenues hamos abdidit ante cibus; Sen. epist. 8,3 etfera et piscis spe aliqua oblectante decipitur. munera ista fortunae putati.v? insidiae sunt; Mart. 4,56,4--6 qui potes insidia.v dona voeare tuas: / sie avidis faUax indulget piscibus hamus, / ea//ida sie stultas decipit esea fera.v. ficti adulatores eum eenas d1vitum eaptant: adulator beschreibt hier den Typ des parasitu.v, der sich durch Schmeichelei bei Reichen zum Essen einlädt - ganz so, wie Agamemnon und Enkolp es in den Sat. selbst zu tun pflegen (Sat. 1 0,2; 52,7 Agamemnon qui sciebat quibus meritis revoearetur ad eenam; vgl. zudem 5 V.5 c/iensque eenas impotentium eaptet). Schmarotzer gehören zum festen Figureninventar der Komödie und der Satire (siehe DAMON 1 997; PANAYOTAKIS 1 995, 7 mit Anrn. 28). fieti ist neben adulatores zwar nicht ganz logisch und wird deshalb von BüCIIELER2-6 ; MüLLER I gestrichen, kann aber als verdeutlichende Verstärkung des Substantivs im Text belassen werden (woflir sollte es eine Glosse sein?), vgl. Cic. nat. deor. 1 ,3 fietae simulationis. So auch DELZ 1 962, 680; ScnöN BERGER 1 935, 1 242 und 1 946, 1 6 1 Anm . 3; BROZEK 1 966, 288; DELL' ERA 1 970, 98; COCCIA 1 973, 1 7-20; MARZULLO 1 996, 289. Weniger naheliegend ist, fieti als t.t. des Theaters ("Schmeichler/Parasiten der Komödie"; TLL 6. 1 . 775.20ff.; vgl. Sat. 1 1 7,6 serviliter ficti dominum consalutamus) aufzufassen, wie PANAYOTAKIS 1 995, 7; ERNOUT; CIAFFI; ARAGOSTI. V gl. auch Diskussion bei COTROZZI 2008, 36-8. nihil prius medItantur quam id quod putant gratissimum auditoribus fore: Typisches Verhalten eines Schmeichlers, vgl. Ter. Eun. 25 1 -3 quidquid dicunt laudo; id rursum si negant, laudo id quoque; / negat quis; nego; ait: aio; postremo imperavi egomet mihi / omnia adventari; Sen. epist. 77,5 quia adulator et blandus, id consilium dabat quod deliberanti gratius fore suspica batur. prius steht hier für "magis, potius", TLL 1 O.2. l 34 1 .30ff. nee enim aliter impetrabunt quod petunt nisi quasdam insidias auribus feeerint: Der Satz ist redundant. nee steht hier flir non. Die insidiae sind im übertragenen Sinn zu verstehen und werden weshalb durch quasdam abge schwächt, vgl. oben Sat. 2,6 ut ita dicam; 2,7 veluti; 2,8 quasi. Zu sprachlichen insidiae (TLL 7. 1 . 1 89 1 . 1 7ff.) vgl. u.a. Cic. orat. 1 70 nimis enim insidiarum ad eapienda.v auris adhiberi videtur.
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sie eloquentiae magister : Eine ähnliche Aussage fmdet sich in Tac. dial. 29,4, wo Messalla sagt, dass Lehrer die Schüler durch das Lockmittel der Schmeichelei (in/ecebris adulationis) für sich gewinnen. Dasselbe sagte Agamenmon bereits in Sat. 3 ,2 nam nisi dixerint quae adu lescentuli probent. ut ait Cicero. " soli in scholis relinquentur ". nisi ... imposuerit ... , seierit ... , moratur: Präsens (moratur) statt Futur neben Fut. 11 (imposuerit. scierit) ist umgangssprachlich, vgl. z.B. Sat. 1 00,7 quid PO"O ad rem pertinet. si dixero Licham Tarentinum esse dominum huiu.�ce navigii . . ? Siehe PETERSMANN 1 68; HSz 660 §360; KLOTZ 1 9 1 3 , 255. eam imposuerit hamis eseam: esca kann ,,Leckerbissen" oder ,,Köder" hei ßen: Im ersten Sinn Pers. 1 ,22 auriculis alienis co//igi.� escas (siehe KIS SEL 1 990, 1 42 Anm . 1 1 3). Bei Petron gibt der Kontext der Angelmetapher den Sinn ,,Köder" vor (TLL 5.2.855 . 1 8ff.), vgl. eic. Cato 44 divine enim Plato 'escam malorum ' appellat voluptatem. quod ea videlicet homine.� capiantur ut pisces; Plin. nato 1 0, 1 94 non omnes (scil. pi.�ces) eadem e.�ca capiuntur. piseieulos: Lesart von LcpP, während R pisce.� und B discipulos (wohl auf grund des Subjekts des Satzes eloquentiae magi.�ter) haben. MARzuLw 1 996, 289f. (ebenso VAN TIßEL 1 97 1 , 73; dagegen PECERE 1 973, 73) verteidigt di.� cipulos; die pisciculos seien aufgrund des Diminutivs zu klein als Beute, doch vgl. adulescentuli in Sal. 3 ,2. Zudem passt di.�cipulos nicht in die Fischermeta pher, die fast sprichwörtlich ist, vgl. Mart. 4,56,5 sic avidis jal/ax indulget piscibus hamus; 6,63,5f. ; Hor. epist. 1 ,7,74 und Ov. ars 3,425f. u.a. Auch das folgende spe praedae kann sich nur auf Fische und nicht auf Schüler beziehen. •••
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Kapitel 4 Agamemnon setzt seine Rede fort. Er wisse, wie man die Schüler unterrichten müsse. § 4,1 quid ergo est? parentes obiurgatione digni sunt, qui nolunt liberos suos severa lege profieere: Wie steht es also? Die Eltern verdienen den Tadel, weil sie nicht wollen, dass ihre Kinder durch strenge Disziplin weiterkommen. quid ergo est? : Die mechanisierte Wendung der Umgangssprache dient dazu, den Kontakt zum Gesprächspartner aufrechtzuerhalten, und leitet hier die Schlussfolgerung ein. Vgl. z.B. eic. Alt. 2, 1 9,5; Hor. ars 353; Sen. epist. 1 ,5 ; 99, 1 6; Sat. 30, 1 1 ; 1 29,8; KS T I l 1 43 § 1 75,7; HOFMANN 6 7 §66. parentes obiurgatione digni sunt: Agamemnon schiebt die Schuld am Ver lust der Beredsamkeit in letzter Konsequenz den Eltern zu. Der Ausdruck birgt ein leichtes Paradox: Eigentlich sollten die Eltern selbst ihre Kinder bei Fehl verhalten obiurgare. Der negative Einfluss der Eltern auf die Erziehung der Kinder ist ein All gemeinplatz in der Debatte um den Niedergang der Rhetorik (siehe auch Ess. 1-4, 5): Pers. 1 ,79f. hos pueris monitus patres infundere lippos I eum videas; Tac. dial. 28,2 neglegentia parentum; 29,2; Quint. inst. 1 ,2,6--8 Schuld ist die indulgentia der Eltern: inde soluti ae jluente.� non aecipiunt ex seholis mala ista. sed in seholas adferunt ( 1 ,2,8); 1 0,5,2 1 obstant huie . . . nonnihil etiam persuasio patrum numerantium potius declamatione.� quam aestimantium. Über die übertriebenen Ambitionen und die Ungeduld der Eltern sowie deren unerträgliche Auswirkungen auf die Lehrer hat Horaz' Lehrer L. Orbilius Pu pillus ein ganzes Buch geschrieben: Suet. gramm. 9 librum etiam eui est titulus Peri algeos edidit eontinentem querelas de iniuriis quas profe.�sore.� neglegen tia aut ambitione parentum aeciperent. qui nolunt: Der Indikativ im kausalen Relativsatz ist auch im klassischen Latein nicht ungewöhnlich, dazu PETERSMANN 27 1 ; HSz 559 §300b; KS T Il 292-4 § 1 94. Vgl . zudem Sat. 1 0,2 qui utforis eenares poetam laudasti. liberos suos severa lege profieere: Das pleonastische suos gehört der Alltags sprache an, siehe HOFMANN 1 37-9 § 1 28 mit Nachtrag; PETERSMANN 1 3Of.; HSz 1 78f. § 1 04; KST 1 597 § 1 1 6. severa lege: Der Ausdruck (zu lex TLL 7.2. 1 247.73ff. "artis, actionum re gulae") steht hier für severitas, die allgemein als Grundpfeiler der schulischen Erziehung galt: Quint. inst. 1 ,2,5 disciplinam. quae maxime severafoerit, Plin. epist. 3,3,3 seholae severitas; Tac. dial. 28,6 disciplina ae severitas; 29,4 severitate diseiplinae. Vgl. unten Sat. 4,3 ut . . . leetione severa irrigarentur; 5 V.3 frugalitatis lege . . . exaeta.
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§ 4,2 primum enim sie ut omnia, spes quoque suas ambitioni donant. deinde eum ad vota properant, eruda adbue studia in forum impeUunt et eloquentiam, qua nibU esse maius eonfitentur, pueris induunt adbue nas eentibus: Denn zuerst ordneten sie, so wie alles, auch ihre Hoffnungen dem Ehrgeiz unter. Sodann eilen sie auf das Gewünschte zu: Sie treiben noch unrei fe Studien aufs Forum und streifen den gerade auf die Welt kommenden Kna ben die Rhetorik über, die sie für das Allerhöchste halten. sie ut omnia, spes quoque suas ambitioni donant: spes steht metonymisch für den Nachwuchs, auf den sich der Ehrgeiz richtet (so schon HEINsms und Boscmus bei BURMAN 23; später auch HESELTINE-WARMINGTON), vgl. OLD s.v. spes Sb. Der Bezug auf die Kinder liegt hier so klar auf der Hand, dass es abwegig scheint, spe.v suas als die "persönlichen Aussichten" der Eltern zu deuten (wie ElILERS; DELZ 1 9 8 1 a, 62). Die ambitio, ursp. die rechtmäßig (später auch gesetzwidrige) Bemühung eines Politikers um eine politische Laufbahn, galt lange als wichtigstes Motiv im menschlichen Leben, wurde aber u.a. von Horaz (sat. 1 ,6, 1 29 misera ambi tione) und später in der Kaiserzeit als gefiihrliches Laster der römischen Ge sellschaft abgelehnt. Der analog zu vitam donare patriae (z.B. eic. Se.vt. 47; OLD s.v. dono 3b) u. Ä . konstruierte Ausdruck bereitet keine Schwierigkeiten. Deshalb ist DELZ' ( 1 98 I a, 62) Änderungsvorschlag zu ambitione obruunt (LO ambitione) unnö tig. eum ad vota properant: Subjekt sind immer noch die Eltern. Vgl. zum Aus druck Sat. 89 V. 1 6 in vota properat; 64,9 ad rixam properaret. eruda adbue studia: Die ,,noch unreifen Studien" können bildlich verstanden werden als die Elementarübungen aus der Schule, die auf dem Forum nichts zu suchen haben. Meist werden die cruda . . . .vtudia aber als Metonymie für die noch nicht ausgebildeten Schüler (Person-Sache-Beziehung, LAUSBERG 292 §568 I ) angesehen (z.B. EIILERS "Talente"). Doch werden die Schüler selbst unmittelbar darauf erwähnt (pueris induunt adhuc na.vcentibus), was zu einer Redundanz fUhren würde. Das Bild ist dem kulinarischen Bereich entlehnt, wo er für unreife Le bensmittel oder noch nicht verdaute Speisen steht, und ist dem Kontext der Literaturkritik nicht fremd, vgl. Pers. 1 ,5 1 f. non siqua elegidia crudi / dicta runt proceres? ("ohne verdaut zu haben"); 1 ,92 sed numeris decor est et iunc tura addita crudis (technische Unvollkommenheit); in übertragenem Sinn Stat. Ach. 1 ,276f. cruda exordia magnae / indoli.v; 1 ,478 cruda rudimenta u.a. 3 in forum impeUunt: MüLLER (nach BOCIIELER •6) sowie die anderen moder nen Editoren (mit Ausnahme von ERNOUT; PELLEGRINO I -2 ; DIAZ Y DIAZ) I 2 stören sich am überlieferten impellunt (ltVO; propellunt von dmrtp BOCIIELER [also nur von inferioren Handschriften gestützt]) an und klammern das Präfix
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ein. Dazu gibt es keinen Grund: impellere mit in + Ak.k im Sinn von "stoßen" ist geläufig (TLL 7. 1 .54O.34ff.; z.B. Luc. 5 , 1 45f. haerentem duhiamque pre mens in templa sacerdos / impulit). pellere mit in + Ak.k ist selten (TLL 1 O. 1 . 1 0 1 1 .67ff.). Die Notwendigkeit einer guten Ausbildung, bevor man aufs Forum geht, betont auch Cic. Brut. 3 1 1 : Er selbst sei nicht zum Lernen, sondern als doctus aufs Forum gegangen. et eloquentiam pueris induunt adhuc nascentibus: induere nach OLD s.v. induo 6 ("to implant [a quality, feeling, etc., in], impart [to]") bzw. TLL 7. 1 . 1 265.4 I ff., vgl. Quint. inst. 4, 1 ,28 fictam orationem induere personis; 4, I ,47 causas propriis personis dehet induere. Siehe ASSFAI JL 1 932, 34. Der bildhafte Ausdruck pueris . . . adhuc nascentihus ist hyperbolisch. .
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§ 4,3 quod si paterentur laborum gradus fieri, ut studiosi iuvenes lectione severa irrigarentur, ut sapientiae praeceptis animos componerent, ut ver ba atroci stilo effoderent, ut quod vellent imitari diu audirent, <si persua derent> sibi nihil esse magnificum quod pueris placeret, iam iIIa grandis oratio haberet maiestatis suae pondus: Wenn sie aber ein schrittweises Ler nen zuließen, so dass die jungen Leute im Studium mit ernsthafter Lektüre genährt würden, sie ihren Geist an den Maximen der Philosophie formten, mit dem Griffel unerbittlich Worte von der Wachstafel kratzten und lange hörten, was sie nachahmen wollten, wenn sie sich davon überzeugen ließen, dass nichts von hohem Wert sein kann, was Knaben gefallt, dann käme jene erha bene Rede wieder in ihrer majestätischen Würde zur Entfaltung. laborum gradus fieri, ut ut ... ut ... ut: Die Empfehlungen Agamemnons (Lektüre, Studium der Philosophie, Schreiben, Hören und Nachahmen) orien tieren sich an Ciceros Unterrichtsprogramm in De oratore: der kanonischen Trias audire, legere, scrihere (vgl. z.B. Cic. de orat. 1 ,95; Quint. inst. 1 0, 1 ,2f. und 20) und ihren Variationen (2,90. 96. 1 3 1 usus, auditio, lectio, litterae). Die einzelnen Komponenten der schulischen Bildung werden in den ut Anaphern aufgezählt, jedoch nicht in der üblichen Abfolge vom Einfachen zum Komple xen. Es handelt sich hier also nicht um eine systematische Beschreibung der gradu.� laborum, d.h. des graduellen Lernens mit zunehmendem Schwierig keitsgrad (siehe auch CITRONI 1 975a, 298; BATTISTELLA 2006, 200). Zum Konzept der gradus vgl. Cic. Brut. 232 gradus tuos (seil. Ciceronis) et quasi processus dicendi studeo cognoscere; Tac. dial. 30,3 (seil. Cicero) sua initia, suos gradu.�, suae eloquentiae velut quandam educationem re/ert. ut ... lectione severa irrigarentur: Die Schüler mit Pflanzen verglichen. irri gare (wörtl. "bewässern") bezeichnet hier bildliches "Nähren", TLL 7.2 .420.34, und gehört zur Wassermetaphorik, siehe Ess. 1-4, 3 . Z u lectione severa vgl. oben Sat. 4, 1 severa lege. Die Lektüre der griech. und lat. Klassiker war ein fundamentaler Bestandteil des Rhetorikunterrichts, .••
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darüber infonniert Quint. inst. 1 0 (z.B. in.�t. 1 0, I ,8. 1 0. 1 7. 1 9). So auch Sat. 5 V. l I ff. ut sapientiae praeceptis animos componerent: Allen voran legt Cicero Wert auf die Verbindung von e/oquentia und sapientia und betont mehrfach die Wichtigkeit des Studiums der Philosophie sowie angrenzender Gebiete fiir einen künftigen Redner, z.B. in Cic. de orat. 1 ,45-54; 1 ,2 1 9-33 ; 3 , 1 32-43 ; orat. 1 1 -9; Tac. dial. 30-2; Hor. ars 3 1 0-8; Quint. in.�t. 1 0, 1 ,35; 1 2,2,v.a. 22f. Die Unterrichtsrealität sah jedoch vielfach anders aus (MARROU 1 957, 307). Die Junktur praecepta sapientiae erscheint noch bei Cic. Pis. 59; Sen. epist. 94, 1 6; Tac. anno 1 5,62,2; Quint. inst. 1 ,4,4 u.a. Die J unktur animuml-os componere findet sich sonst v.a. noch bei Seneca (dial. 4, 1 8,2 tenero.� adhuc animos componere; 5 , 1 3 ,6. 39, 1 ; epi.�t. 6 1 ,3 ; 89,9); TLL 3 .2 1 20.76ff. ut verba atroci stilo effoderent: Ü ber die Bedeutung des Ausdrucks ist viel diskutiert worden. Mit effodere muss entweder das Schreiben auf der Wachsta fel gemeint sein (so SCHÖNBERGER 1 929, 1 1 99 und 1 938, 1 7 5 und 22 1 ; DELZ 1 962, 680 und 1 98 1 , 67; CüCCIA 1 973, 2 1 Anm 28; MÜLLER ab Ed. 2), das nonnalerweise mit exarare ausgedrückt wird. Oder es steht, was m.E. wahr scheinlicher ist, flir die Korrektur von Geschriebenem (so KISSEL 1 978, 3 1 9 Anm 4 1 ; CITRONI 1 975a; BATTISTELLA 2006; TLL 5.2. I 97.77f.), obwohl man Fehler nicht "ausgrub", sondern mit dem Griffel glattstrich. Für Zweiteres setzte sich jüngst BATTISTELLA 2006 übeneugend ein. Sie sieht in dem Ausdruck ein Bild aus der landwirtschaftlichen Sphäre, wo effo dere t. t. flir das Jäten von Unkraut ist (Cato agr. 50, 1 herhasque malas omnis radicitu.� effodito). Redundanzen sollen entfernt werden, wie der Bauer das Unkraut ausreißt, vgl. Cic. de orat. 2,96 (wie schon SCHÖNBERGER 1 939, 5 1 2 sieht; vgl. CocCIA 1 973, 2 1 Anm ' 28): in qua (.�cil. oratio) nunc interdum. ut in herhi.� rustici solent dicere in summa uhertate. ine.�t luxuries quaedam. quae stilo depascenda est. Dazu passt auch das Bild in Sat. 4,3 iuvenes . . . irrigaren tur. Anders CITRONI 1 975a, der effodio im Sinn von confodio auffasst (Plin. epi.�t. 9,26, 1 3 ut quaedam ex hac epi.�tula . . . confodias). Das Tilgen von Geschriebenem, das flir das Schreibenlernen (die Korrek tur als Lernprozess) steht, impliziert natürlich auch den Schreibvorgang. Des halb ist die Konjektur utroque stilo von DELZ 1 98 1 (und zuvor 1 962, 680 criti co), die auf die Doppelfunktion des Griffels als Schreib- und Korrekturwerkzeug verweist, unnötig. Auch im Zusammenhang mit atroci stilo passt das Korrigieren besser (atrox nach OLD S . V . atrox 7, vgl. Hor. carm. 2, 1 ,24 atrocem animum Cato ni.�). Zu atrox stilus als erbannungsloses Korrekturwerkzeug gesellen sich Stellen wie Mart. 1 ,3 ,9f., der den eigenen Schreibstift, mit dem er Korrekturen an den verfassten Versen vornimmt, als tristi.� harundo bezeichnet, Plin. epi.�t. .
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7, 1 7 , 1 3 , der vom emendator asperrimus spricht (bezugnehmend auf eie. de orat. I , I SO <stilus est> stilus oplimus et praestanlissimus dicendi effector ac magister) oder Hor. ars 294, der das Feilen und Ausmerzen von Fehlern als castigare ad unguem bezeichnet. Oft kommt die Empfehlung, den .vli/us zu gebrauchen, der Forderung nach Korrektur und Selbstkritik gleich: Hor. sat. I , I 0,72 saepe sli/um vertas (diese Stelle halten P ARATORE II 1 8 und S AGE GILLELAND 147 flir ausschlaggebend); Quint. inst. 1 0,4, 1 neque enim sine causa creditum est stilum non minus agere. cum delet. Eher abwegig SClIÖNBERGER 1 938, 1 75 und 22 1 (atrox "(Evor, ÖE1VOr,; stilus schriftliche Übung); MüLLERS Konjektur Attico stilo - eine der Atti =
=
zismus-Debatte geschuldete Behelfslösung. Eine solch explizite Parteinahme ist im Diskurs Agamemnons sonst nicht zu finden. Bedenkenswert hingegen ist die von FUCHS 1 959, 58 angesetzte Lücke ut < •••. ut inania> verba atroci, denn irgendein Adjektiv zu verba wäre schon erwünscht (verba <prova. inep tao perversa. stulta» . Dies hätte leicht durch Homoioteleuton ausfallen kön nen. in dieselbe Richtung geht MARZULLOS 1 996, 290f. atrocia (GIARDINA 1 978-9, 387 acri bzw. acriore). ut quod veUent imitari diu audirent: Zur Wichtigkeit der imitatio siehe eie. de orat. 2,90 und 96; Hor. ars 268f. vos exemp/aria Graeca / nocturna versate manu. versate diurna; Quint. inst. 1 0,2. <si persuaderent>: MüLLER hat zu Recht die Ergänzung von WINTERBOTTOM 1 972, 1 1 in seinen Text aufgenommen, wodurch eine parallele Konstruktion zum vorangehenden si paterentur geschaffen wird, die evtl. wegen der Nähe zu .dbi ausgefallen ist. Dadurch gewinnt die Stelle an Klarheit: Nicht die Jun gen, sondern deren Eltern sind hier gemeint, von deren Ehrgeiz der ganze Passus handelt. Deshalb weniger gut BÜCIIELERS2-6 < ut persuaderent> nach Haupt (dabei bleiben die pueri Subjekt) oder BIRTS ( 1 928, 44) conscii anstelle des folgenden sibi. sibi nibil esse magnificum quod pueris placeret: Vgl. Juv. 1 0, 1 67 ut pueris p/aceas. Zu unkritischem Lob und unpassendem Beifall Quint. inst. 2,2,9- 1 3 ; 1 0, 1 , 1 30. iam illa grandis oratio haberet maiestatis suae pondus: M it illa grandis oratio verweist Agamemnon auf das von Enkolp in Sat. 2,6 grandis . . . oratio geschilderte Ideal, vgl. Tac. dial. 30,5 illa admirabili.v e/oquentia. Deshalb beschränkt sich maie.vtas auch nicht (wie SClIÖNBERGER 268 meint) auf den hohen (grandi.v) Stil. Vgl. zu maie.vtas in Bezug auf die Sprache und Rhetorik (TLL 8. 1 58. 1 6ff.) eie. orat. 20 maiestate verborum; Lae/. 96 quanta in oratio ne maie.vtas!; Quint. in.vt. 1 2, 1 1 ,30 ipsam igitur orandi maiestatem. qua nihil di immorta/es meliu.v homini dederunt. Zu pondus vgl. Quint. in.vt. 1 0,7,28 ita enim servabitur pondu.v (Gewicht des gesprochenen Worts).
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§ 4,4 nune pueri in sehoHs ludunt, iuvenes ridentur in foro, et quod utro que turpius est, quod quisque perperam dicit, in seneetute eonfiteri non volt: Heute spielen die Knaben in den Schulen, die jungen Leute machen
sich lächerlich auf dem Forum und - was schlimmer ist als beides: Wer etwas falsch gelernt hat, will es im Alter nicht eingestehen. nune pueri in seholis ludunt, iuvenes ridentur in foro: "Bilingual pun, since <JXOAT, means both ' leisure' and ' schoo!''' (COURTNEY 200 1 , 59). Vergleichbar ist die Schlussfolgerung Enkolps in Sat. 1 ,2 nunc . . . ut cum in forum venerint, putent se in alium orbem terrarum delatos (siehe oben). Cic. de orat. 3 ,94 nennt die Rhetorenschulen impudentiae ludus, vgl. Tac. dial. 3 5 , I ; Plin. epist.
2, 1 4, 1-3 .
Jüngere Schüler werden meist als pueri, ältere als adulescentes, adulescen tuli oder iuvenes bezeichnet (Tac. dial. 3 5 ,3). Siehe AJ(ELSON 1 948. quod quisque perperam dicit, in senectute eonfiteri non vult: Den besten Sinn ergibt die Lesart didicit der Handschrift A, die zwei Parallelstellen stützen: Hor. ars 4 1 7f. mihi turpe re/inqui est / et quod non didici sane nescire fateri; epist. 2, 1 ,84f. turpe putant . . . quae / inberbes didicere, sen es perdenda fateri. discit (LP) wird nur von PELLEGRINO I -2 aufgenommen, dicit (BR) von SOLARO 2000. Letzterer stützt sich auf Varro u.a. ling. 9, 1 7 verba perperam dicta fUT falsche Aussprache. conjiteri ist unnötigerweise zu korrigieren versucht worden: corrigere J A COBS; confutari ROIIDE 1 879, 845 ; conjiteri < non iam tenendum esse> non vult COURTNEY 1 970, 65 ; injitiari SIIACKLETON BAILEY 1 987, 458. § 4,5 sed ne me putes improbasse sehedium Lueilianae humilitatis, quod sentio et ipse earmine effingam: Damit du aber nicht meinst, ich hätte die
Stegreifdichtung von lucilianischer Schlichtheit missbilligt, will auch ich mei ne Gedanken in einem Gedicht ausdrücken. sed ne me putes improbasse: Agamernnon will anscheinend den Eindruck entkräften, er schätze - und beherrsche - nur die gelehrte Rhetorik. Die humili tas steht dann im Gegensatz zur grandis oratio (Sat. 2,6; 4,3). improbasse kann analog zu Sat. 2,2 dixisse als präsentisches Perfekt aufgefasst werden (so z.B. PETERSMANN 209; PELLEGRIN02 143f.). Möglich ist aber auch das Ver gangenheitstempus. Dann bezieht er sich konkret auf seine Reaktion auf einen früheren Vortrag (siehe zu et ipse) oder versucht, eine frühere (kritische) Ä u ßenmg über die lucilianische Stegreifdichtung zu revidieren (so VAN nITEL 1 97 1 , 26 Anm . 2). sehedium Lueilianae humilitatis: Die Überliefenmg bietet zahlreiche, jedoch korrekturbedürftige Varianten. Der rekonstruierte Text entspricht mit größter Sicherheit dem originalen Wortlaut (siehe unten). Vgl. sprachlich und inhalt lich Sat. 1 32, 1 5 V.2 novae simplicitatis opus.
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Kap. 4
Agamemnon kündigt lediglich ein Gedicht an (carmine). Dass es sich da bei um ein schedium handelt, ist alles andere als zwingend: Der Wortlaut von Sat. 4,5 deutet eher darauf hin, dass mit schedium Lucilianae humilitatis auf nicht überlieferte Verse, wahrscheinlich ein von Enkolp gesprochenes Gedicht zu Beginn der Szene, angespielt wird (so auch SETATOLI 2002, 254-7), auf das Agamemnon jetzt antwortet. Natürlich kann die Luci/ianae humi/itas als Stil vorgabe flir das folgende Gedicht gelten, zumal Agamemnon mit seinem dich terischen Vortrag ja beweisen will, dass er diese sehr wohl zu schätzen und einzusetzen weiß (ein Gedicht nach Art des Lucilius; eine oratio Ciceronianae eloquentiae stammt auch nicht von Cicero). schedium : schedium (lmrmtmp) ist eine Konjektur von PIllTOU, wohl auf der Basis der Lesart in B schadium (dmr haben studium) : "ein aus dem Stegreif gemachtes Gedicht", von OXEÖWV ,,Improvisation" bzw. crXEÖW� "improvi siert" (siehe dazu CAVALCA 200 1 , 149f.). Den Ausdruck, der im Lateinischen kaum gebräuchlich war, hat Lucilius zur bescheidenen Beschreibung seiner Dichtung benutzt: Lucil. 1 296K qui schedium fa< ciam> . Alle Belege des Worts beziehen sich auf Lucilius, z.B. Fest. p. 450, 1 6L <schedl>a genus navi gii < inconditum> ; Paul. Fest. p. 45 1 ,9L schedia genus navigii inconditum, id est trabibus tantum inter se nexis factum, unde mala poemata schedia appel lantur - hier wird der Begriff mit schedia (gr. OXEö{a [seil. vau�]), "Floß, grob gezimmertes Boot", in Verbindung gebracht; Apul. Socr. praej I 1 04M etiam in isto, ut ait Lucilius, schedio * * * et incondito, experimini.
Mit Lucilius' Bescheidenheitstopos und Bekenntnis zu den niedrigeren Gattungen stellt sich Agamemnon in eine Reihe mit diesem und zahlreichen anderen Dichtern: Kall. fr. 1 ,24Pf. Moucrav ' " AE1t"taAE1W; Hor. sat. 1 ,4,39-44; 2,6, 1 7 musaque pedestri; Pers. pro I. 1-7. Lucilianae: Lucil(l)ian(a)e in ImtpB (dagegen Lucianae in IRP und Luci nianae in dmr). Gaius Lucilius, der bedeutendste Satiriker Roms vor Horaz (1 80?- 1 02/ 1 v. Chr.), war sehr produktiv (mind. 30 Bücher Satire, erhalten ist ein Bruchteil), seine Verse seien aber nicht immer bis ins Letzte ausgefeilt gewesen - so das bekannte Urteil von HoT. sat. 1 ,4,9- 1 3 nam fuit hoc vitiosus: in hora saepe ducentos, I ut magnum, versus dictabat stans pede in uno; I cum flueret lutulentus. erat quod tollere velles; I garrulus atque piger scribendi ferre laborem. I scribendi recte. Er habe sie zu schnell (also quasi crXEÖta!) und nicht mit der nötigen Sorgfalt verfasst: 1 , 1 0, 1 -2 nempe inconposito dixi pede currere versus I Lucili. Darauf könnte Agamemnon verweisen. Hingegen sind die sprachlichen Parallelen zu Lueilius, die COLLIGNON 1 892, 233-5
aufzeigt, zu alltäglich und haben keinen großen Aussagewert. humilitatis: humilitatis ist eine Randnotiz des Codex Bernensis (Bm und dnlrt), die Mehrheit der Manuskripte hat improbitatis (improbitatis pO und vel
Kap . 4
67
improbitati.v humilitatis in I), das wohl eine Echoschreibung von improbasse
ist, siehe BOCllELER 1 App.; MüLLER 1 978, 749 mit Anm . 2 . "Unambitiousness, comrnonplaceness (of style)" nach OLD s.v. humilita.v 5 ; TLL 6 . 3 . 3 1 1 7 . 5 5 ff. , vgl. Quint. inst. 8,3,2 1 vim rebus aliquando verborum ipsa humilita.v adlert. Die humilitas bezeichnet hier die humili.v oratio (vgl. C ic. orat. 1 96 humili sermone; 1 92 humilem et abiectam orationem) des Luci lius (so FLORES 1 982, 7 1 ). et ipse: et ipse deutet (wie auch improbasse, siehe oben) sehr wahrscheinlich auf ein vorhergehendes, jetzt ausgefallenes, von Enkolp gehaltenes Gedicht hin (so COLLIGNON 1 892, 228; SUESS 1 927, 9 1 ; CIAFFI 1 95 5 , 24; BARNES 1 97 1 , 27f. ; COSCI 1 978, v.a. 202f. ; COURTNEY 200 1 , 59; SETAJOLI 2002, 254-9). Agamemnon stellt sich der Herausforderung und will seine Meisterschaft auch in dieser Gattung beweisen. Nicht naheliegend ist es, et ipse auf Lucilius zu beziehen (so FLORES 1 982, 72. 76; W ALS H): "auch ich drücke meine Gedan ken in Versen aus, wie Lucilius das gemacht hat". carmine effingam: Das Verb in diesem Sinn verwenden bereits Rhet. Her. 4,63 ejfingitur verbis corporis cuiuspiam lorma; Cic. nato deor. 1 ,47 cum arti ficium ejfingitis; vgl. Hor. carm. 4,2,32 carmina fingo; Mart. 1 2,94,9 epi grammata fingere coepi. Ähnlich leitet Eumolp in Sat. 89, 1 conabor opus versibus pandere zu einem Gedicht ein.
Agamemnons Gedicht (Sat. 5) Agamemnons Verse i n
Bel/um civile (Sat.
Sat.
5 sind nach der
Troiae halosis (Sat. Sat.
1 1 9- 1 24, I ) das drittlängste Gedicht der
89) und dem Der Text ist
unvergleichbar schlecht erhalten, die Rekonstruktion oft nicht befriedigend. Die ungewöhnliche Kombination von Choliamben und Hexametern erin nert an Persius (dazu Punkt
I
und 2). Thema der Verse ist das Postulat, der
Schüler solle seine Zeit nicht mit Unnützem und Lasterhaftem verschwenden (Choliamben, dazu Punkt 2), sondern
zur
fleißigen Lektüre nutzen (Hexame
ter, dazu Punkt 3). V.a. der zweite Teil zeichnet sich durch eine pompöse Sprache aus, die reich an Metaphern und blumigen Ausdrücken ist (dazu Punkt 4).
1 . Metrum Das Gedicht besteht aus zwei aufeinanderfolgenden, metrisch verschiedenen Versgruppen: acht Choliamben und 14 Hexametern, die zwei unterschiedliche, aber verwandte Themen behandeln. Die zwei Teile werden in der Forschung einhellig als zusammengehörig aufgefasst, obwohl ein solcher Wechsel des Versmaßes in der lateinischen Literatur unüblich ist und die zwei erwähnten Versmaße an keiner anderen Stelle nebeneinander verwendet werden - mit einer Ausnahme: Persius hat ein Gedicht in Hinkjamben verfasst und es, so der heutige Stand der Forschung (siehe
KISSEL
ad loc.), seinen in Hexametern
gehaltenen Satiren als Eröffnung vorangestellt (mehr dazu unter Punkt 2). Der Wechsel des Metrums zeigt den thematischen Wechsel von den prak tischen Ratschlägen
flir
den Lebenswandel zum literarischen Programm
an,
das ein Redner Agamernnon zufolge absolvieren sollte (siehe WALSII 1 970, 86; BARNES 1 97 1 , 22f. ; SETAIOLI 2002, 26 1 ;
NELSON
Die Hinkjamben können als pars
(auch wenn V.2-3 nicht verneint
destruens
1 956, 204 mit Anm . 1 2).
sind) bezeichnet werden. Die daktylischen Hexameter, die das literarische Programm formulieren, bilden komplementär dazu die pars sprechen STUBBE 1 933, 1 57 und
SCIIÖNBERGER
i11.�truens
(ähnlich
1 93 5 , 1 242 vom ,,negativen
Programm " und der positiven ,,Parainesis didascalica"; dagegen
FuCIIS
1 938,
1 73 Anm . 32). Oder mit Cato gesprochen: Die Choliamben beschreiben den
vir bonus, nennen.
während die Hexameter die Voraussetzungen
fiir dicendi peritus
70
Agamemnons Gedicht (Sat. 5)
2. Anforderungen an die Lebensweise (V. 1-8) In den Choliamben verkündet Agamemnon, der Student solle weder die Paläs te der Mächtigen noch die Tafeln der Reichen besuchen, er solle seinen Geist nicht mit Alkohol betäuben und sein Geld nicht als Claqueur verdienen. Ironi scherweise verstößt Agamemnon in den Sat. selbst gegen diese von ihm aufge stellten Forderungen. Agamemnon beklagt hier das Schwinden der
das von vielen - al
mores,
lerdings nicht von Agamernn on und Enkolp - als Ursache
fiir
den Verfall der
Beredsamkeit angesehen wurde (siehe Ess. 1 -4 , 5). Dabei geht es Agamemnon zum
einen
um
den Zeitverlust, den eine solche Lebensweise mit sich bringt,
"eine allzu zeitraubende und außerdem sehr unwürdige Weise, sich der Sorge
fiir
den Lebensunterhalt hinzugeben" (NELSON 1 956, 4). Davon spricht auch
(inst. 1 2, 1 1 , 1 8) und führt unter anderen die gleichen Beispiele an: sed breve nobis tempus nos fecimus: quantulum enim studiis partimur? alias hora.� vanus salutandi labor, alias datum fabuli� otium, alias spectacula, alias convivia trahunt. adice tot genera /udendi et insanam corpori� curam, pe regrinationes, rura, ca/cu/orum anxiam sollicitudinem, invitamenta libidinum et vinum et flagrantibus omni genere voluptatum animi� ne ea quidem tempora idonea, quae supersunt. Zum anderen lässt er verlauten, wie wichtig eine un abhängige Gesinnung und Meinungsfreiheit ist (V.4 regiam; V . 5 impotentium; V.6 addictus; V . 8 redemptus). Quintilian
Die Choliamben weisen eine thematische Affinität zur Persius' Satirenpro log auf: "We cannot be blind to the irony that the earnest young poet is parro ted by the cynical Agamemnon" (COURTNEY 200 1 , 59; zu Spuren von Persius bei Petron siehe SUESS 1 927, 89-97; SOVERrNI 1 985, 1 732-4; GAGLIARDI 1 980, 46f. ; COURTNEY 200 1 , 59). Persius klagt dort die zeitgenössischen Dich ter an, es mit ihrer Kunst lediglich auf Verköstigung und Bezahlung abgesehen zu haben: V. I Of.
sequi voces. den Sat. vor.
magister artis ingenique largitor / venter, negata.� artifex
Dieselbe Kritik - und dieselbe Strategie! -
führt
Agamemnon in
3 . Leitfaden zur literarischen Bildung (V.9-22) Die Hexameter-Passage gleicht in allen wesentlichen Aspekten einem Lehrge dicht: (daktylische) Hexameter (wie z.B. die
Ars poetica
von Horaz); erkenn
bares Lehrer-Schüler-Verhältnis; Vermittlung von Wissen; Gliederung eines komplexen Stoffs bzw. Vorgangs in zeitliche Abschnitte
annos; mox; hinc; modo; interdum;
( V. I I - 1 7 primas . . .
siehe unten V. 1 5- 1 6); klar umrissene
Schülerfigur; sachlicher Lehrstoff und poetische Gestaltung; formale Textbau-
71
Agamemnons Gedicht (Sat. 5) steine wie Gleichnisse, Kataloge (auch unter Verwendung von
sive . . .
+
sive. . . sive. . .
J ussiv; siehe unten V . 9- 1 2).
Agamemnon sagt mit seinem Gedicht: Statt sich mit Wein und Essen den Bauch volizuschlagen, soll man sich mit Lektüre sättigen.
In
den Hexametern
präsentiert Agamemnon deshalb eine Leseliste - vergleichbar mit Quintilians Leseliste im 10. Buch seiner Institutiones, wo ebenfalls zuerst die griechischen Autoren
(inst.
1 , 1 0,46-50), allen voran Homer, und
dann
die lateinischen
( 1 0, I ,85-1 3 1 ) angeführt werden. Von einer realistischen Darstellung der Unterrichtspraxis im südlichen Ita lien des
Jh. n. ehr. sollte man jedoch nicht sprechen (so auch JENSSON 2004,
I.
2 8 5 ; vgl . zum Schulstoff in neronischer Zeit NELSON 1 956; PARKS 1 945, 6 1 1 07 u.a.). Das Gedicht ist eine seltsame Mischung von Griechischem und Rö mischem. Angesprochen ist der griechisch(-sprechend)e Schüler, der in Rom
Karriere
machen will. Zuerst soll er sich (in Athen, Tarent oder Neapel, V.9-
1 1 ) mit griechischen Autoren beschäftigen (V . 1 1 - 1 4) - mit steigendem Schwierigkeitsgrad: Homer (Schulstoff beim grammaticu.� bzw. 'Ypal1l1atllco�), Platon und Demosthenes (Schulstoff beim rhetor bzw. PTlTrop oder (JO'P\(JTtl�), was durch Zeitangaben (primos annos; mox; hinc) unterstri chen wird. N ach dem Studium der griechischen Klassiker ist der Redner schon
/iber und
schwingt die Waffen des Demosthenes (V. 1 3 f.). Diese Grundausbil
dung im Griechischen ist ausreichende Basis, um auf dem Forum aufzutreten. Der Schüler soll - angekommen in die römische Welt - seinen griechischen Akzent ablegen (V . I 5 f.). Wider Erwarten (aber insofern logisch, als der j unge Redner nicht nochmals auf die Stufe des Grammatikunterrichts zurückgeht) ist
das
lateinische Programm nicht parallel zum griechischen aufgebaut.
unterbricht die chronologische Abfolge und
subducta foro
interdum
(V. 1 7) macht impli
zit klar, dass der angesprochene Redner bereits auf dem Forum tätig ist, bevor er sich den lateinischen Autoren zuwendet (V . 1 7-20): Die Lektüre lateinischer Klassiker verschiedener Gattungen soll Quintilian
[inst.
dann der Fortbildung dienen (Auch
1 ,2, l l f. ; 1 0,5, 1 9 u.a.] rät dem Redner zur Weiterbildung;
ebenso empfiehlt Plinius
[epist.
7,9,8- 1 6] , sich fortlaufend in anderen Litera
turgattungen wie der Geschichtsschreibung, dem Briefeschreiben oder der Poesie weiterzubilden, und auch Seneca sagt, man solle unentwegt lesen und schreiben; am besten studiere man eine kleine Zahl von Werken gründlich
[epist.
84, l f. ] ).
Die Tatsache, dass Agamemnons Programm nicht genau auf den römi schen Schüler zugeschnitten ist, passt zum griechisch-römischen Sprach- und Kulturmix der ganzen Sat., wie JENSSON 2004, 279-92 überzeugend darlegt. In der
urbs Graeca
sprechen alle Latein, sogar der Ausrufer in
Sat.
97,2. So ist
auch davon auszugehen, dass in der Rhetorenschule Latein gesprochen wurde (so
KENNEOY
1 978, l 77f.; SOVERINl 1 98 5 , 1 727
Anm . 95 [mit Literatur]).
72
Agamemnons Gedicht (Sat. 5)
Agamemnon ist j edoch allem Anschein (und dem Namen) nach Grieche, aller dings ein römischer Grieche, sonst könnte er nicht auf Latein improvisieren. Enkolp seinerseits stammt nicht aus der
urbs Graeca,
wahrscheinlich ist er in
griechischer Sprache erzogen worden (dafür spricht auch seine griechische Perspektive in
Sat.
1 -4 ; siehe Ess. 1-4, 2). Er kann aber sehr gut Latein (an
sonsten würde er sich in Sat. 68,5 nicht so über die Vergil-Verse echauffieren). Viele der Protagonisten tragen griechische Namen (wobei diese griechische oder lateinische Endungen haben können, z.B. zuletzt finden sich in den
Sat. nengesprächen in der Cena).
Gitonem
und
Gitona).
Nicht
zahlreiche Gräzismen (v.a. bei den Freigelasse
Dieses Phänomen tritt oft auf, wenn Römer Griechisches nachbilden (siehe G. WILLIAMS 1 978, v.a. 1 3 8-52; in seinem Buch von 1 968 zeigt er dies an hand von Plautus, Vergils
Eklogen
und Horaz'
Oden).
Dabei ging es nicht
unbedingt darum, den Text von allen griechischen Elementen zu befreien,
um jeden
um
Preis Konsistenz zu erreichen. Ob man so weit gehen und mit JENS
SON 2004 (v.a. 279-92) annehmen soll, dass die
Sat.
chischen Vorlage basieren, ist j edoch fraglich ("The
auf einer expliziten grie
Satyrica
is essentially a
hybrid, a Latin adaption of a Greek work written in a multiplicity of discourse types" [292]).
4. Sprach e und Metaphern Das Gedicht weist viele Wortwiederholungen auf engem Raum auf: men tem/mentis (V .2. 7); plenus (V. 1 3 . 22); detldetldent (V. l 1 . 1 7. 1 9) ; tru cem/truci (V.4. 1 9); verba (V.20. 22); sono/sonet (V. 1 6. 1 8); pectore (V. 1 2 . 22). Einige Interpreten sagen, dies verleihe dem carmen den Charakter einer Improvisation, so dass es sich um eine humilis oratio handle (COLLIGNON 1 892, 230; PARATORE II 1 9; GAGLIARDT 1 980, 46f.; SULLTVAN 1 968, 1 9 I f.). Doch Römer waren im Hinblick auf Wortwiederholungen weniger empfindlich als wir. Die antike Literaturtheorie äußert sich auch nicht gegen Wortwieder holungen aus (siehe EinI. 2). Im Gegenteil spricht die Häufung, mit der dieses Redundanzphänomen in den
Sat.
zu beobachten ist, viel eher
dafür,
darin ein
bewusst eingesetztes Stilelement zu sehen (zu Wiederholungen als Leitworten,
um
,,Bezüge anzudeuten, Stimmungen zu schaffen oder diskrete Pointen zu
setzen", siehe MÜLLER3 503-5). Zudem ist das Gedicht sprachlich und stilis tisch ausgefeilt und weist aufwendige Formulierungen auf (Coscr 1 978, 202
Anm
.
5; TANDOT 1 965, 323
Das
carmen
Anm I ; .
SOMMARTVA 1 996, 59).
ist eine "collage letterario" (Coscr 1 978, 202 Amn. 5). Einige
epische Ausdriic ke erinnern an Vergil : Tritonidis arces (Aen. 2,226; ecl. 2,6 1 ) ; mittat habenas (Aen. 6, 1 ; 5 ,662); det cursum (Aen. 1 0,870); defondes pectore (Aen. 6,5 5 ; zu metrischen Ähnlichkeiten mit Vergil siehe BARNES 1 97 1 , 1 4f.
73
Agamemnons Gedicht (Sat. 5) mit
Anm .
2f.). Die Wortstellung vieler Verse zeugt von stilistischer Feinheit:
I . Muster ABBA (z.B . Verg.
Aen. 4, 1 3 f. quibus ille / iactatus Jatis): V . 1 2 Maeoniumque . . . Jelici pectore Jontem; 1 5 f. Graio / vox tonerata t sono; V.20 grandiaque indomiti Ciceronis verba; V.2 1 his animum succinge boni.�; V.2 1 f. sic flumine largo / plenus. 2. Muster ABAB (z.B . Verg. Aen. 4, 1 0 nostris suc cessit sedibus hospes): V.9 armigerae rident Tritonidis arces; V. l l det primos versibus annos; V. 1 3 et Socratico plenus grege; V . 1 4 ingentis quatiat Demo sthenis arma; V. 1 9 bella truci memorata canore; V.22 Pierio defondes pectore verba. Der Hexameterteil ist geprägt vom Metaphernkomplex des Einnehmens (Mund, Trinken, Essen), der eine Antwort auf die
cenae
und den
vinum
in den
Choliamben ist: Der Schüler soll stattdessen die Werke Homers und der Sokra tiker zu sich nehmen. In V. 1 2 trinkt der Student von der Quelle Homers, in V. 1 3 hat er den Stil der Sokratiker gegessen, in V. 1 9 nährt er sich von epischer Literatur, bis er in V.2 I f. mit Wissen gesättigt ist. In den Schlussversen (V.2 I f.
sic flumine largo / plenus Pierio defondes pectore verba)
ist der Schüler bereit,
das Aufgenommene von sich zu geben. Generell wird der Prozess des Ein nehmens für das Lernen gerne mit dem des Verströmens (Quelle, Fluss) für das literarische Schaffen verknüpft (Kali. fr. I ,33 Pf. ;
De subl.
1 3 ,2; Pers.
prol.
I . 1 4 ; siehe zur Wassersymbolik WIMME L 1 960, v . a. 222-3 3). So auch bei Persius : Ringkomposition V. I
Jonte
und V . 1 4
nectar
(Einschlürfen
bzw.
Ver
strömen einer Pegaseischen Flüssigkeit). Lit. :
ScnÖNBERGER
SClIEIDWErLER
NELSON
1 956;
1 922; SETAIOLI 2002; 2003 ; KISSEL 1 978; OGRIN
1 929;
1 93 5 ;
1 93 8 ;
1 939;
1 940;
1 983;
PETRONE 2007 ; VANNINI 2008; YEH 2007, 409- 1 2. 5 1 1 -6 .
74
Kapitel 5 V. I-3 : artis severae si quis ambit effectus I mentemque magnis applicat, prius mores I frugalitatis lege poliat exacta: Wer sich mit ersthafter Kunst profilieren will und Großes im Sinn hat, schule erst seine Sitten an dem stren gen Gesetz der Mäßigkeit.
artis severae effectus: ars severa ist die rhetorische Fertigkeit, die ein Schüler im Studium erwirbt, und nicht der Schulunterricht (Sat. 4, I severa lege; 4,3 leetione severa). Zur Jtmktur im Kontext der Rhetorik im Gegensatz zur Poesie vgl. Ov. trist. 1 ,9,57 utque tibi prosunt artes. faeunde. severae. / dissimiles i/lis sie nocuere mihi. Mit effeetus wird das Effizienzkriterium betont, an dem sich jede Eloquenz messen muss, siehe LAUSBERG 29 § 1 O, 1 ; 43 §35; vgl. Cic. Tuse. 2,3 effeetus eloquentiae est audientium adprobatio. am bit: Das in LO
Fehler für eine Spätdatierung Petrons). Auch inhaltlich ist das nach Rheto rikliebhaberei klingende
amare nicht passend,
man erwartet etwas wie
appete
re oder studere. Zwei der vorgeschlagenen Konjekturen bieten sich inhaltlich gleicherma ßen gut
an:
Die Konjektur
ambit von t"',
die von den meisten modernen Edito
ren übernommen wurde, ergibt guten Sinn (sogar besseren als das inhaltlich schwache
ambitio der Eltern in Sat. 4,2 wieder auf, hier ambitio sana! Die Konjektur ist nicht unbestritten, zumal sich ambire mit sachlichem Obj . im Sinn von ,,zu erreichen suchen" lediglich in Plaut. Amph. 69 qui ambissent palmam und 74 quasi magistratum sibi alterive ambiverit sowie in späten Zeugnissen findet (TLL 1 . 1 850.46ff.), siehe dazu die von MÜLLER 1 957, 504 geäußerten Zweifel (klar gegen am bit ist NELSON 1 956, v.a. 203 ; für ambit sprechen sich SETAIOLI 2003 , 70; TANDOI 1 968, 77; FLORES 1 982, 68; VANNINT 2008, 2 mit Anm . 3 aus) . inhaltlich amat)
und nimmt die
jedoch in positivem Sinn:
ebenfalls überzeugend, jedoch paläographisch schwieriger zu vertreten ist die Konj ektur
navat
von STUBBE
bemüht", prob. N ELSON Val. FI.
1 93 3 , 1 56 (navat effeetus: "um die Vollendung 1 956, 203), vgl. Cic. Alt. 9, 1 1 ,2 effieere et navare;
3 , 1 45 navet opus. ornat (ELLIS 1 882, 237: "would dress out the qualities o f art") sowie die Umstellung in amat severae si quis artis effeetus (m nach einer Konjektur von TURNEBUS) ab. Unwahrscheinlich und unpassend ist das Hapax hamat ("angeln, trachten") von Elm, das von BRUGNOLI 1 963, 257-9; CuGUSI 1 967, 87f.; SCHNUR 1 992, 1 70 verteidigt wurde, da es zur Fischer-Metapher in Sat. 3,4 passe. ln diesem Dagegen fallen
75
Kap . 5
Fall aber erhielten die Choliamben, die von moralischer Integrität handeln, einen pejorativen Sinn und würden in sich widersprüchlich. Siehe gegen die Lesart auch VANNINI 2007, 1 30 Anm . 24; TANDOI 1 968, 77; PELLEGRIN02 1 46.
mentemque magnis applicat: Der Ausdruck nimmt Enkolps Worte in Sat. 2,7 animosque iuvenum ad magna surgentes wieder auf. mentem applicare ist singulär, vgl. j edoch ähnliche Konstruktionen wie Plaut. Trin. 270 certast res adfrugem adplicare animum; Ter. Maur. 1 579 animum applicare metris. Zum Nexus zwischen literarischer Größe und moralischer Integrität sei auf Catos berühmte Maxime des vir bonus dicendi peritus verwiesen (Cato, [De rhetorica] 1 4 ; Sen. contr. I praef 9 und Quint. inst. 1 2 , 1 , 1 ) , die moralische (amas bonam mentem) und ästhetische (habes non publici saporis) Anforde
oto� 0 ßio�, talis hominibus fuit oratio qualis vita). In dieselbe Richtung geht auch Longinus' Definition von Ü'll O � als "Echo von Seelengröße" (De subl. 9,2 Ü'llo� �E')'aÄ.ocppoouVl1� amiXT\�). frugalitatis lege exacta: frugalitas ("das strenge Maßhalten") gilt als Vor aussetzung ftir den guten Redner, vgl. Sen. epist. 1 7,5 non potest studium salu tare fieri sine frugalitatis eura; Quint. inst. 1 0,3,26 frugalitas necessaria est. frugalitas hier in Anlehnung an Quint. inst. 1 2 , 1 0,2 1 metaphorisch als elo quentiae frugalitas ("una moderazione degli atteggiamenti magniloquenti e teatrali") zu verstehen, wie PETRONE 2007, 9 8- 1 03 vorschlägt, schränkt die rungen an den Redner vereint. Schon Sokrates soll gesagt haben:
tOl0UtO� Kai 0 Ä.Oyo� (Sen. epist.
1 1 4, I
•••
Aussage unnötigerweise ein. Eine Korrektur in
exactae, wie MÜLLER App. sie aufgrund von Sen. dial. exactae homines vorschlägt (und vor ihm schon GoNSALO DE SALAS bei BURMAN II 9 3 ; MOESSLER 1 89 1 , 723), drängt sich nicht auf. Die Verbindung von lex mit exacta (im Sinn von "accuratus, diligens, severus", vgl . V . I arti.v severae; TLL 5 .2 . 1 467. 9ff.) scheint zwar einmalig zu sein, doch findet sich das Adj ektiv mit sinnverwandten Substantiven wie norma (Val . Max. 4,3,5 exactis.vima norma Romanae frugalitatis hier sogar noch in Kombination mit frugalitas) oder regula (Sen. contr. 10 praef 10 omnia ad exactam regulam redigam). Zu lege vgl. oben Sat. 4, 1 liberos suos severa lege profieere. poliat: Konj ektur von HElNsms , die alle Editoren aufnehmen. Die Handschrif ten bieten unmögliche Formen (cpdmrtpO haben polleat; ItV pal/eat; c pal/et). Das Verb (OLD S.v. polio 3 "to bring to a polished or refined state, give finish 1 0, 1 8,4 frugalitatis
-
to") findet sich auch an anderen Stellen Varro rust. 1 ,2, 1 0
im Zusammenhang mit der Moral, vgl.
virum omnibus virtutiblLv politum .
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Kap. S
V.4-5 : nec curet alto regiam trucem vultu I cUensque cenas impotentium captet: Erhobenen Hauptes lasse er unbeachtet den drohenden Königspalast und giere nicht als Bittsteller nach den Gastmählern der Mächtigen. Erste von vier (negativen) Instruktionen (in wachsenden Gliedern) zur Le bensweise des Redners. Ähnliche sittliche Anforderungen an den Rhetor nen nen u.a. Cic. Cael. 46 obterendae sunt omne.Y voluptates. relinquenda studia delectationis. ludus. iocus. convivium. sermo paene est familiarium deseren dus; Quint. inst. 1 2, 1 1 , 1 8 (erwähnt werden der Verzicht auf morgendliche Aufwartungen, Theater und Schauspiel, Gastmähler, Körperpflege, Reisen, Wein und andere Genüsse). Siehe dazu auch Quint. inst. 1 , 1 1 ,2f.; 1 2,2, 1 ; 1 2, 1 1 , 1 8; Tac. dial. 28f. alto vultu : Die Geste des "erhobenen Hauptes" bezieht sich auf das Subjekt und drückt die Unabhängigkeit und geistige Selbständigkeit aus, die der Red ner mitbringen soll. Seine stoische Miene trifft hier bildhaft auf die schroffe Fassade der regia trux (siehe unten). Vgl. zum Ausdruck Hor. carm. 4,9,42f. reiecit alto dona nocentium / voltu; Don. Ter. Eun . 3,2, 1 6 cum fiducia et alto vultu; Sen. epist. 1 1 5,4 hanc faciem alteriorem fulgentioremque. Zu ähnlichen Stellen (mit "animus, mens, spiritus") siehe TLL 1 . 1 777 .24ff. Anders ("überheblich") verstehen z.B. HESELTINE-WARMINGTON und W ALsn den Ausdruck und beziehen ihn auf regiam trucem. Diese Lesart fUhrt jedoch zu einer Doppelung mit trucem. Zudem stünde das Subjekt ohne Attri but da, wohingegen es in allen folgenden Beispielen näher beschrieben wird (V.5 clien.y; V.6 addictu.y; V.7f. plausor . . . / redemptu.y). regiam trucem: Hinter der metonymischen regia verbirgt sich ein finster dreinblickender rex. Das Adj . bezieht sich oft auf den furchteinflößenden Ge sichtsausdruck einer Autoritätsperson, vgl. OLD S.v. trux I b; Sen. Herc. j. 725 magna pars regni trucis / est ipse dominus. cuius aspectus timet / quidquid timetur, 937 non saevi ac truces regnent tyranni. Man kann sich hier den Hof Neros vorstellen. Mit rex wird seit Plautus aber auch der reiche patronus bezeichnet (Plaut. Stich. 454f. confido . . . me meum optenturum regem ridiculis logis; Hor. epist. 1 ,7,37; Juv. 1 , 1 36; Pers. 1 ,67 prandia regnum), weshalb hier regia auch als "patron' s grand house" verstanden werden kann (so auch COURTNEY 200 1 , 59), was zu einer engeren Verbindung mit dem Folgenden führen würde. cUensque captet: Zum Thema und Ausdruck vgl. Sat. 3,3 sicut ficti adula tores cum cena.y divitum captant; 52,7. Das auf nec folgende -que ist wohl metrisch bedingt und ist in nachau gusteischer Dichtung nicht unüblich, vgl . z.B. Sat. 1 2 1 V. 1 05f. ; siehe MüL LER1 App.; HSz 500 § 269a. Man muss deshalb nicht in -ve abändern (nach cp2 ; gefolgt sind BOCIIELER I-6 ; ERNOUT; NELSON 1 956, 203 ; FLORES 1 982, 68) . •••
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impotentium: Steht hier flir ,,(valde) potentium" (TLL 7. 1 .67 1 .52ff.) mit negativem Unterton in der Bedeutung von "präpotent, arrogant, despotisch" vgl. Vel1. 2,29,3 potentia sua numquam aut raro ad impotentiam usus. V.6-7 : nec perditis addictus obruat vin o I mentis calorem: Noch begebe er sich in üble Gesel1schaft und ersäufe im Wein das Feuer seines Geistes. obruat vino I mentis calorem: Der Wein hat nicht nur eine positive Funktion als Wärmespender (wie z.B. bei Hor. epod. 1 1 , 1 3f. calentis . . . I fervidiore mero; carm. 3,2 1 , I I f. narratur et prisci Catonis I saepe mero caluisse virtus) und Stimulans (z. B. epi�t. 1 , 1 9, 1 - 1 1 ); ein Zuviel fUhrt zu Trunkenheit, die sich negativ auf den Intel1ekt auswirkt (vgl . Sat. 88,6 vino scortisque demersi). Vgl. zur Thematik Quint. inst. 1 , 1 1 , 1 5 non de ii� loquor, quihus pars vitae in oleo, pars in vino consumitur, qui corporum cura mentem ohruerunt. Paradox ist die Idee vom Löschen statt Entzünden des Geistes durch Wein. Agamemnon variiert bzw. verstärkt ein Sprichwort, vgI. Plin. nat. 23 ,4 1 sic quoque in proverbium cessit sapientiam vino ohumhrari; Athen. 2, 1 9,23 K "tov 0' otvov ";l1rov "tq, IPPOVE1V E1n
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re"). Allgemein akzeptiert ist die Konjektur scaenam von HEINSIUS, um so scaenam zu redemptus ziehen zu können ("gekauft im Interesse der Bühne"). Nicht besser ist der Vorschlag von SOMMARIVA 1 996, 61 Anm 22, die von einem zu einer cena eingeladenen Schmarotzer ausgeht, der auf der Bühne ( Triklinium) als Claqueur agiert. bistrionis ad rietus: Die Ü berlieferung (histrion(e)i addictus) ist (allein schon des Metrums wegen) korrupt: addictu.v ist eine Echoschreibung aus V.6. Kaum haltbar ist zudem histrioniae addictus ("im Gefolge einer Schauspielergrup pe"; 8URMAN 30f.; BOCIIELER1 ; NELSON 1 956, 203 ; SETAIOLl 2003 , 72f. u.a.) einiger späterer Zeugnisse (Imtp): Abgesehen davon, dass es eine platte Wie derholung von in scaenam redemptus wäre, werden Elisionen eines Langvo kals oder Diphthongs in den Sat. weitgehend vermieden (vgl . MÜLLER 1 957, 504). Den besten Sinn ergibt MÜLLERS Text, der sich aus der Konjektur histrio nLv von TURNEBUS und ad rictus von RIBBECK zusammensetzt (so auch BO CIIELER2-6 ; SCHÖNBERGER 1 939, 509; 1 940, 624; KISSEL 1 978, 32 1 Anm . 52 u.a.). Ein "actor scaenicus" (hLvtrio) ist im I. Jh. n. Chr. am ehesten ein "mi mus" oder "pantomimus" (vgl. Sat. 52,9 histrionem). Am wahrscheinlichsten geht es hier um einen Pantomimus, wo die Schauspieler Masken trugen (DAREMBERG-SAGLIO s.v. persona): rictu.v ("weitgeöffneter Mund", poetischer Plural) ist so als Synekdoche für die Theatermaske (so auch SCnÖNBERGER 1 939, 509) und Metonymie für die Performance des Schauspielers zu verstehen, vgl. Pers. 5,3 fabula seu maesto ponatur hianda tragoedo; Juv. 3, 1 75 personae pallentis hiatum. Nicht ausgeschlossen ist ein Bezug auf den Mimus, der auch Sprechpartien beinhaltete, wobei unter rictu.v dann das ,,aufgerissene Maul (dem nur Lächerliches entströmte)" zu verstehen wäre. Weniger adäquat ist eine Übersetzung mit "Grimassen", so auch VANNINI 2008, 4, der einwendet, der Begriff sei unpassend für eine Handlung, die das ganze Gesicht betreffe (dagegen SETAIOLI 2003 , 73 Anm 203). Zum lächerlichen Grimassenschneiden im Mimus: Quint. inst. 6,3,29 oratori minime convenit dLvtortu.v vultu.v gestu.�que. quae in mimLv rideri solent; Mart. Cap. 5,543 ut histrionibus mos est. qui ora retorquendo ridiculos motu.� specldlltll till ltpDaituhdie schwer integrierbaren Konjekturen ad dicta ("vor den Worten des Schauspielers sitzen", Vorschlag BOCllELER1 App. mit XXXXlll l; DfAZ Y DfAZ, dictum im Sinn von "facete dictum, iocus" [TLL 5 . 1 .992.23ff. ] ; vgl. Cic. A tt . 1 4,3,2 mimorum dicta; Sat. 33,3; 4 1 ,8 laudavimus dictum [Tri malchionisJ) sowie ad nutus (von ANTONIUS; SOMMARIVA 1 996, 59 Anm 1 6), was bedeuten würde, dass die Claqueure auf das Nicken des Schauspielers hin zu applaudieren hätten, was historisch nicht belegt ist. .
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V.9- 1 2 : sed sive armigerae rident Tritonidis arces I seu Lacedaemonio teUus habitata colono I Sirenumve domus, det primos versibus an nos I Maeoniumque bibat feUel pectore fontem: Nein, ob ihm die Burg der waf fentragenden Pallas zulächle oder das vom spartanischen Siedler bewohnte Land oder das Heim der Sirenen, er widme die ersten Jahre der Dichtung und trinke glücklichen Herzens von der Quelle Homers. Die drei gelehrten geographischen Referenzen bezeichnen am ehesten die Städte Athen, Tarent und Neapel . Athen steht als wichtigste und berühmteste Stadt am Beginn des Katalogs, gefolgt von zwei repräsentativen Städten im großgriechischen Kampanien. Der Katalog gleicht im Stil einem homerischen Katalog (z.B. 1/. 2,497). In Apuleius' Metamorphosen-Prolog wird ein solcher epischer Katalog parodiert. Dort behauptet der Sprecher von sich, zugleich aus Athen, Korinth und Sparta zu stammen: Hymettos Attica et Isth[oJmos Ephy rea et Taenaros Spartiaca, glebae felices aeternum libris felicioribus conditae, mea vetus prosapia est (Apul. met. 1 , 1 ). Die Aufzählung der drei griechischen Berge, die die berühmten griechischen Städte repräsentieren, gibt eine geogra phische Beschreibung von Griechenland und sowie der griechischen Literatur (KEULEN 2007, 73 ; HARRISON-WINTERßOTIOM 200 1 , 1 3). sed : Das Verbindungsglied zwischen den zwei Teilen des Gedichts leitet von den moralischen Negativbeispielen (nec . . . nec . . . neve) zu den didakti schen Empfehlungen über. sive ... seu ... -ve: Die Struktur sive. . . sive. . . sive . . . + Jussiv hat Lehrgedichts charakter, vgl. Verg. georg. 3,49-5 1 ; 4,25ff. ; siehe Ess. 5, 3 . rident: Die Ellipse des Dativs verwandelt das metaphorische Verb i n einen kryptischen Ausdruck. ridere ist im Sinn von "Iächeln > gewogen sein > gefal len" (OLD s.V. rideo 2 und 3) zu verstehen, vgl. Hor. carm. 2,6, 1 3 f. iIIe terra rum [=Tarent] mihi praeter omnis / angulus ridet, zudem Sil. 9,203 f. seu Lau rens tihi, Sigeo sulcata colono / arridet tel/us, seu . . . ; TLL 2.638. 1 4ff.) Zu überlegen ist, ob der Text nicht in <ar> rident geändert werden soll, bei dem der Sinn "gefallen" viel gängiger ist (TLL 2.638. 1 4ff. i.q. "placere"). Inhaltlich gesehen muss das Verb auf den Herkunftsort der Studenten (NELSON 1 956, 205f. ; JENSSON 2004, 284; WALSH 1 5 8 Anm . 5; PARATORE II 23) und/oder den Studienort (COLLIGNON 1 892, 234; MÜLLER 1 957, 504; KISSEL 1 978, 322; SETAIOLI 2003 , 74) verweisen. armigerae ... Tritonidis arces: Gemeint ist die Stadt Athen. Das artifizielle Konstrukt wird gebildet aus einer Metonymie (arces [metrischer PI.] = Akro polis = Athen) und einem beschreibenden Epitheton (Tritoniv ist v.a. bei Dich tem ein häufiger Beiname der Göttin Athene, die traditionell mit einem Fluss oder See Triton, Tritonis in Beziehung gesetzt wird, siehe KRUSE, RE s.v. Tritogeneia). Vgl. zum Ausdruck Ov. met. 2,794 Tritonida conspicit arcem; ••.
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Verg. Aen. 2,226 Tritonidis arcem (wobei hier aber das Vorgebirge der Miner va bei Sorrent gemeint ist, S ClIÖNBERGER 269). Athen, wo Platon die erste Philosophenschule (Academia) gründete, steht hier repräsentativ flir Griechenland und den idealen Studienort per se - auch wenn Athen als Studienort im I . Jh. n. Chr. wohl nicht mehr dieselbe Bedeu tung zukam wie Jahrhunderte zuvor (über die Bedeutung der Philosophenschu len Akademie und Peripatos in der Kaiserzeit geben die Quellen z. B. keine Auskunft). Laeedaemonio teHus habitata eolono: Lacedaemonio . . . colono lässt zuerst an Sparta denken (so z.B. NELSON 1 956, 205; BARNES 1 97 1 , 1 6; ÜGRIN 1 983, 54f.; J ENSSON 2004, 284). Doch von Sparta kann hier nicht die Rede sein. Die Kriegsstadt war bekannt flir ihre Waffen und nicht für die Rhetorik (Cic. Brut. 45 haec igitur aetas prima Athen;', oratorem prope perfectum tulit; 50 Lace daemonium vero usque ad hoc tempus audivi fuisse neminem; Tac. dial. 40,3 quem enim oratorem Lacedaemonium . . . accepimus?; Vell. 1 , 1 8,2 ingenia vero solis Atheniensium muris c1ausa exi.,times. neque hoc ego magi., miratus sim quam neminem Argivum Thebanum Lacedaemonium oratorem . . . memoria dignum existimatum). Viel eher wird hier auf die spartanische Koloniestadt Tarent verwiesen (Hor. carm . 3 ,5,56 Lacedaemonium Tarentum; so auch BURMAN 3 1 ; BÜCllE LER 1 App.; COLLIGNON 1 892, 234; MÜLLER 1 957, 504; KISSEL 1 978, 322; SUESS 1 927, 93; SETAIOLI 2003, 74). Lacedaemonius colonus ist in diesem Fall der "spartanische Siedler" (vgl. AL 236, I R Corsica Phocaico tellus habi tata colono; Sil. 9,203f. seu Laurens tibi. Sigeo su/cata c% no / arridet tellus). Diese Lesart wird gestützt von der (bereits flir ridere angeführten) ParallelsteI le Hor. carm. 2,6, 1 0-4 du/ce pellitis ovibus Ga/aesi /flumen et regnata petam Laconi / rura Pha/antho. / ille terrarum mihi praeter omnis / angulus ridet, wo Tarent als ideale Rückzugsmöglichkeit flir das otium litteratum beschrieben wird (vgl. Hor. epist. 1 ,7,45). Zudem werden Tarent und Neapel gemeinsam genannt in Sen. epist. 68,5 iIIe Tarentum se abdidit. ille Neapoli inclusus est. Der Dat. auctoris - der einzige in den Sat. nach PETERSMANN 68 Anm . 25 - gehört der poetischen und gehobenen Sprache an. Sirenumve domus: Sinnvollerweise versteht man diesen Ausdruck als Um schreibung Neapels, auch Parthenope genannt nach der berühmtesten und dort begrabenen Sirene. Petron bezeichnet Neapel an anderer Stelle als Parthenope (Sat. 1 20 V.68), vgl. Plin. nato 3,62 Neapolis . . . Parthenope a tumu/o Sirenis appellata (so auch BURMAN 3 1 ; NELSON 1 956, 205f.; JENSSON 2004, 284; WALsn 1 58n.5; BÜCIlELER 1 App.; CoLLIGNON 1 892, 234; MÜLLER 1 957, 504; KISSEL 1 978, 322; SUESS 1 927, 93 ; SETAIOLI 2003 , 74). Neapel war bekannt für seine Schulen (Stat. si/v. 5,3, 1 05f.), was der Stadt den Namen docta Neapolis (Col. 1 0, 1 34 doctaque Parthenope; Mart. 5,78, 1 4
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docta Neapo/is) eintrug (JENSSON 2004, 1 26). Mit der Umschreibung verweist Agamemnon hier bereits implizit auf Homer. Man sollte aber nicht so weit gehen wie OGRJN 1 983, 52-5, derzufolge die drei Periphrasen auf Troja bzw. Ilias (V.9), Sparta (V. I O), wo Helena und Menelaos herkommen und Tele mach sich hinbegibt, und Odyssee (V . 1 1 ) verweisen (siehe dazu auch VANNlNT 2007, 270). Die Korrektur des überlieferten -que in -ve (von BÜCIIELER I -6 ) ist nötig zur Wahrung der gängigen Folge sive . . . seu . . . -ve und auch inhaltlich unum gänglich, da man nicht zugleich in Tarent und Neapel studieren kann (dagegen SETAIOLI 2003, 75, wie auch schon andere vor ihm, z.B. ERNOUT; PELLEGRI N0 2 1 54; KISSEL 1 978, 322 Anm . 55, der -que mit der Begründung verteidigt, dass die zwei Orte im meridionalen Italien im Gegensatz zu Athen zusammen gehören). primos ... annos: Der erste Lese- und Schreibunterricht kann hier nicht ge meint sein, sondern die Jahre beim grammaticus (bei dem normalerweise Ho mer gelesen wurde). Maeoniumque bibat felici pectore fontem: Maeonius heißt lydisch, d.h. homerisch, seit Homer als Einwohner von Maeonia in Lydien gilt (z.B. Hor. carm. 1 ,6,2; 4,9,5; ähnliche Diktion in Ov. am. 1 , 1 5,9; 3,9,25f. adice Maeoni den, a quo ceu fonte perenni I vatum Piiiriis ora rigantur aquis; Mart. 5, I 0,8). Wassermetaphern im Zusammenhang mit Literatur sind häufig. Hier wird auf das traditionelle Bild Homers als Quelle bzw. Oceanus angespielt: Kali. h. 2, 1 05- 1 3 , siehe F. WILLIAMS 1 978, 85-9 mit Stellenindex. Zu topischem bibe re (TLL 2. I 965 .30ff.) vgl . Ov. Pont. 4,2,47 at tu, cui bibitur felicius Aonius fons; Juv. 7,58f. aptusque bibendis I fontibus Aonidum; Hor. epist. 1 ,2,67f. nunc adbibe puro Ipectore verba, puer, nunc te melioribus offer. V. 1 3- 1 4: mox et Socratico plenus grege mittat habenas / liber et ingentis quatiat Demosthenis arma: Bald auch von Sokrates' Herde gesättigt, lockere er frei die Zügel und schwinge die Waffen des gewaltigen Demosthenes. Die V. 1 2-14 fügen sich zu einem Bild: Der Krieger stärkt sich mit Speis und Trank, schwingt sich aufs Pferd und ergreift die Waffen. Socratico plenus grege: Die meisten Interpreten verstehen darunter das Studi um der platonischen Philosophie und sehen Sokrates hier als Repräsentanten der Philosophie überhaupt, eie. fin. 2, 1 Socrates . . . parens philosophiae; vgl. Sat. 4,3 ut sapientiae praeceptis animos componerent (so z.B. SETAIOLI 2003 , 66f.; N ELSON 1 956, 209; SCIIÖNBERGER 1 938, 222). Doch hier sind vielmehr die Sokratiker (Platon, Xenophon u.v.m.) gemeint, die zur Sprachschulung herangezogen wurden (wie auch in Quint. inst. 1 0, 1 ,8 1-4. 1 23). Sokratische Dialoge verkörpern stilistisch tendenziell das genus humile (v.a. Xenophon),
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an ihnen übt man sich, bevor man den größten und damit auch schwierigsten Redner Demosthenes (bzw. das genus grande) liest. plenus ("voll" im Sinn von "voll von Weisheit/Wissen") wird auch von Eumolp und Enkolp in derselben Bedeutung gebraucht (Sat. 1 1 8,6 nisi plenu.� litteri�; 1 26,8 itaque oratione blandissima plenus . . . inquam). Vgl . zudem Tac. dial. 3 1 , I iis artibus pectu.� implerent; 32,4 pectora implerebat; 3 3 ,6 plenum his artibus animum; Sat. 5 V. 1 2 und V . 1 9, wo Homer "getrunken" bzw. die lateinische Epik o. Ä . "gegessen" wird. grex zur Bezeichnung einer Philosophenschule findet sich seit Cic. de orat. 1 ,42 philosophorum greges iam ab illo fon te et capite Socrate; Hor. sat. 2,3 ,44 Chrysippi porticu.� et grex; epist. 1 ,4, 1 6 Epicuri de grege porcum u.a. Und greges kann man wirklich essen, wie die Freier der Pene10pe beweisen (Horn. Gd. 4,80-1 08, bes. 9 I ff.). mittat habenas: Die Metapher evoziert das Bild eines galoppierenden Reiters, vgl. u.a. Verg. Aen. 5,662 furit immissis Volcanu.� habenis; Prop. 3 , 1 , 1 3 mis sis . . . habenis; Sen. Med. 347 misit habenas. Zudem ist eine Ähnlichkeit mit der Beschreibung Lucilius' als Reiter in luv. 1 , 1 9f. cur tamen hoc potius libeat decurrere campo, I per quem magnu.� equos Auruncae flexit alumnu.� erkenn bar. Uber: "frei, selbständig, emanzipiert". Ähnlich meint Quintilian in inst. 2,4,57, dass reife Schüler, die ihren Stoff beherrschen, in der Lage sind, sui.� viribus sine adminiculo (2,4,5) voranzuschreiten und wie Vögel frei am Himmel zu fliegen (2,4,7 tum expertas vires libero caelo suaeque ipsorum fiduciae permit tunt) bzw. wie hier frei loszugaloppieren (WALSH: ,,riding free"). Dazu passt die Pferdemetapher in Tac. dia/. 39,2 nam quo modo nobilis equos cursu.� et spatia probant, sic est aliquis oratorum campus, per quem nisi fiberi et soluti ferantur. Es besteht kein Grund, das im Enjambement stehende Adjektiv zu quatiat zu ziehen, wie dies KISSEL 1 978, 323 Anm . 60; OGRIN 1 983, 56 Anm . 38 und Ü bersetzer wie HESEL TlNE-W ARMTNGTON; WALS" tun . Unpassend sind die Versuche, das Adjektiv auf moralische Qualitäten zu beziehen (z.8 . STIJBBE 1 93 3 , 66 in Anlehnung an Sat. 1 1 8,3 generosior spiri tus: "voll edler Gesinnung"; ScJIÖNBERGER 1 939, 5 1 0 liber=vitiis liber im Vgl. zu Quint. inst. 1 2, 1 , 1-33) oder das Nichtgebundensein an eine dogmati sche Schule (NELSON 1 956, 208 "ohne dogmatischen Zwang" in Anlehnung an Quint. inst. 1 2 ,2,26 oratori vero nihil est necesse in cuiu.�quam iurare leges) . ingentis quatiat Demosthenis arma: Demosthenes gilt als der bedeutendste Redner der Griechen (Cic. opt. gen. 1 3 pn·nceps facile Demosthenes; siehe DRERUP 1 923). Oft wird er gemeinsam mit Cicero als exemplum genannt (sie he zu Cicero unten V .20): De subl. 1 2 ,4f.; Quint. inst. 1 0, 1 ,39. 1 05- 1 2 ; luv. 1 0, 1 1 4 etc. Zur Wichtigkeit von Demosthenes in der Schulbildung Quint. inst.
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1 0, 1 ,76 sequitur oratorum ingens manus, ut cum decem simul Athenis aetas una tulent. quorum longe princeps Demosthenes ac paene lex orandi foit: tanta viv in eo, tarn densa omnia, ita quibusdam nervis intenta sunt, tarn nihil otiosum, is dicendi modus, ut nec quod desit in eo nec quod redundet invenias. Metaphern wie "Waffen" und ,,kämpfen" in Bezug auf den Redner sind geläu fig, und auch das Bild von "Demosthenes' Waffen" existiert bereits in Prop. 3 ,2 1 ,27 persequar . . . studium linguae, Demostheniv arma. Vgl. weiter u.v.a. eic. Brut. 37 Phalereus ... non tarn armis institutus quam palaestra; Quint. inst. 2, 1 6, 1 0 arma facundiae; 5, 1 2,2 1 arma . . . eloquentiae; 1 O, 1 ,29f. nos (seil. oratores) vero armatos stare in acie et summiv de rebus discemere et ad victo riam niti. neque ergo arma squalere situ ac rubigine ve/im, sed . . . ; 1 0,5,20. Siehe für weitere Stellen TLL 2.60 1 . 71 ff. quatiat: quatere für das Schwingen der Waffen ist der epischen Sprache entlehnt, vgl. Verg. Aen. 1 0,762 at vero ingentem quatiens Mezentius hastam; 1 1 ,767; Ov. met. 5,9 quatiens . . . hastam; Sat. 1 24 V.268 et ingentern quatiens Mavortius hastam - zur Junktur quatere arma Val. Fl. 6,293 foriis ardens quatit arma patemis. V. I 5- 1 6: binc Romana manus circumfluat et modo Graio / vox toneratat sono mutet suffusa saporem: Danach umfließe ihn römisches Volk, und seine ehen noch von einem griechischen Akzent tbelastetet Stimme werde benetzt und verändere seine Redeweise. Die in den Handschriften überlieferte Fassung des zweiten Teilsatzes (et modo Graio / exonerata sono mutet sujjUsa saporem) ist korrupt: Die heiden Part. Perf. Pass. exonerata . . . sujjUsa passen vom Sinn her nicht zu dem vor handenen Subjekt Romana manus. Grammatisch nicht korrekt ist es (auch wenn es einen besseren Sinn ergäbe), die zwei Partizipien aktiv zu verstehen, wie NELSON 1 956, 2 1 0 mit Arun. 32 und 1 97 1 , 73f. übersetzen will; dagegen PELLEGRIN02 1 60f.; MÜLLER 1 957, 504. Ein schlagender Vorschlag für den schwierigen Passus steht noch aus. Das heste Resultat ist durch die Herstellung eines neuen Subjekts, vox onerata, aus exonerata zu erzielen. Doch ganz lösen lässt sich das Problem nicht: sujjUsa braucht ebenso wie tonerata t ein Objekt, das das Wodurch erklärt. Der Satz käme ganz gut entweder ohne sujjUsa oder tonerata t aus: "und seine eben noch vom griechischen Akzent belaste teIbenetzte Stimme verändere seine Redeweise". Trotz der sprachlichen Probleme ist der Sinn der Verse klar: V. 1 5- 1 6 voll ziehen einen zeitlichen, örtlichen und thematischen Wechsel : Schauplatz sind nicht mehr die griechischen Studienstädte, sondern die römische Öffentlich keit. Nach der grundlegenden Beschäftigung mit den griechischen Klassikern, die das Fundament seiner Ausbildung darstellt, übt sich der Redner nun im Latein, so dass seine Ausdrucksweise von ihrer griechischen Färbung befreit wird. Die Stelle erinnert an den Bildungsgang von Lueius in Apul. met. 1 , 1 ibi
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linguam At< f> idem primis pueritiae stipendiis merui. mox in urbe Latia adve na studiorum Quiritium indigenam sermonem aerumnabili labore nullo ma gistro praeeunte aggressus exeolui. hinc: Die Konjektur hine von PUTEOLANUS (huie 0; hue I und hune cett.) passt gut in die Zeitabfolge primos annos, mox, hine, modo, interdum, sie. Das feh lende Obj ekt (z. B. hune) kann man sich hinzudenken, wie auch in V.9- 1 1 und 1 7 . Die zeitliche Gliederung hat den Charakter eines Lehrgedichts, vgl. z.B. Verg. georg. 1 ,43 vere novo; 50 prius; 64 primis extemplo a mensibus anni; 7 1 alternis etc. (siehe Ess. 5 , 3). Romana manus circumtluat: Es ist nicht ganz klar, wer mit dem unspezifi schen Romana manus gemeint ist. Am besten versteht man den Begriff als ,,multitudo hominum" (TLL 8.366.47ff., v.a. 367.35ff. "gens, populus"), als römische Öffentlichkeit. Plausibel ist deshalb die Annahme, dass es sich um eine Umschreibung des römischen Forums handelt (FUCHS 1 938, 1 74; SCIIÖN BERGER 1 935, 1 234; ElILERS "mitten im Treiben von Rom"). In diesem leben digen sprachlichen Umfeld - wo unablässig Latein gesprochen und gehört werden kann - dürfte das Ablegen eines fremdartigen Akzents (Graio . . . sono) am ehesten gelingen. Im engeren Sinn könnten, dafür spricht V. 1 7 subdueta fora, Rhetoren oder Deklamatoren gemeint sein (wie SCIIEIDWEILER 1 922, 1 052; NELSON 1 956, 2 1 0; KISSEL 1 978, 324 Anm . 6 1 ; OGRIN 1 983, 56), vgl. Quint. inst. 1 0, 1 ,76 oratorum ingens manus; Sen. eontr. 7, 1 ,20 magna novo rum rhetorum manus. Daher weniger plausibel ist die Vermutung zahlreicher Interpreten seit BURMAN 34, der Begriff stehe für die römischen Schriftsteller - in Analogie zu den vorher genannten griechischen Dichtem, Philosophen und Rednern. Graio ... sono: Vgl. zum Ausdruck Petr. frg. 45,4 [= 4 1 B] mutavi Latio barba ra verba sono; Ov. fast. 5 , 1 95f. eorrupta Latino / nominis est nostri littera Graeea sono; tri�t. 5 ,2,67f. nesciaque est voeis quod barbara lingua Latinae. / Graeeaque quod Getieo vieta loquella sono est. Das seltenere und erlesenere Graius steht (v.a. in der Dichtung) für Graecus. vox toneratat: Ü berliefert ist exonerata LO
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initiated with the sound of GTeek be suffused and change its flavour") und das weniger überzeugende vox operata (im Sinn von "sich widmen" von MÜLLER 1 App.; ScIINUR 1 992, 1 70; COURTNEY 1 970, 65). Alle anderen Varianten sind zu weit hergeholt: Z.B. schlägt ein ANoNY MUS bei BURMAN 34 (auch KISSEL 1 978, 324 Anrn. 62) extomata (techn. "ab drechseln") vor; GIARDINA 1 970-2, 1 78 verteidigt exornata von R und macht aus pagina (V. 1 7) das Subjekt von mutet und det (ohne Komma nach sapo rem); BARNES 1 97 1 , 1 7 fasst exonerata und suffusa als Objekte im Neutrum Plural von mutet auf (wobei Letzteres noch das Akk.obj . saporem bei sich hat): "As soon it (Roman oratory) must change utterance, getting rid (exonerata) of its GTeek sound and pouring out ('�uffusa) true eloquence." mutet ... saporem: Zu sapor in Bezug auf den Redestil (OLD s.v. sapor 2) vgl. Quint. inst. 6,3, 1 07 apud GTaecos eX't'ttKlO!!O<; ilIe redden.� Athenarum proprium saporem; 1 2, 1 0, 1 9 saporem ilIum Atticum peregrino miscuerunt; Sat. 3, 1 ; zur Junktur 1 4 1 ,8 aliqua inveniemus blandimenta. quibus saporem mutemus. suffusa: Das Partizip (OLD S.v. suffundo 3 : "to cover or fill with a liquid that wells up from below") passt zu den Wassermetaphern und steht in direktem Zusammenhang mit circumfluat. Die als Flüssigkeit dargestellte Romana ma nus ist der Akteur in diesem transformierenden Vorgang des Benetzens. BURMAN 34 hat aus suffusa das Subjekt zu generieren versucht: scriptura oder structura, die jedoch beide nicht zum oralen Graio . . . sono passen.
V. 1 7-20: interdum subducta foro det pagina cursum: I et fortuna sonet celeri distincta meatu; I dent epulas et beUa truci memorata canore I grandiaque indomiti Ciceronis verba minentur: Bisweilen gebe ihm eine dem Forum ferne Lektüre Schwung: Fortuna erzeuge in ihrem schnellen Schritt unterschiedliche Töne, und Nahrung mögen ihm Kriege sein, besungen im trotzigen Gesang, und drohen sollen die großen Worte des unübertroffenen Cicero. Auffallig sind in diesem Abschnitt interdum und subducta foro, die das progressive Ausbildungsprogramm (V.9- 1 4), das mit dem Kanon der griechi schen Autoren begonnen wurde, unterbrechen. subductaforo deutet darauf hin, dass der Student nunmehr auf dem römischen Forum angekommen ist. Das Lesen der lateinischen Klassiker soll begleitend zum tirociniumfori stattfinden und dient dazu, seine Rede zu bereichern und vervollkomnmen (siehe dazu Ess. 5, 3). V. 1 8-20 sind poetische Umschreibungen literarischer Gattungen. Die Zu weisungen sind unsicher. M.E. handelt es sich um die Trias Drama, Epik und ciceronianisehe Rhetorik, während die meisten Interpreten an erster Stelle die Geschichtsschreibung sehen (NELSON 1 956, 2 1 1-1 7; BARNES 1 97 1 , 1 7; KIS SEL 1 978, 325; PELLEGRIN02 1 63 f. ; SETAJOLI 2002, 27 1 ) . Zuletzt spekulierte
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V ANNTNT 2008, die V. I 7-20 würden sich auf das Lesen zeitgenössischer Epik beziehen (wogegen v.a. die Ciceronis verba in V.20 sprechen). interdum: interdum signalisiert das Nebeneinander des tirocinium fori und der Lektüre römischer Autoren zu Hause - dies im Unterschied zu den zuvor ge schilderten Lernschritten, die chronologisch aufeinander folgen (primos annos, mox, hinc) . subducta foro ... pagin a: pagina hat wenig mit dem auf Mündlichkeit ausge richteten Forum zu tun. Der Begriff tritt hier personifiziert und als pars pro toto für "Geschriebenes" auf, vgl. Sat. 80,9 V.7 inclusit pagina partes. Zwar bleibt offen, ob es sich um Lektüre (NELSON 1 956, 2 1 1 mit Anm 34; KISSEL 1 978, 325; PELLEGRINo2 1 62; COURTNEY 200 1 , 60; VANNINT 2008, 9 mit Anm 3 1 ) oder schriftliche Übungen (SETAIOLl 2002, 274 Anm 1 30; SenÖNDERGER 1 938, 222) handelt, doch die Verben sonet und dent epulas deuten auf Lektüre hin. Ebenso die Parallelität der griechischen und lateinischen Lektürepro grarnme und die Tatsache, dass vom Redner zwar viel Lektüre, aber nicht aktives Üben anderer genera verlangt wird. subducta impliziert eine geographische Ferne zum Forum (anders MüLLER 1 957, 504f. : "eine Lektüre, die mit dem Forum nichts zu schaffen hat"). Die permanente persönliche Weiterbildung durch häusliche Lektüre wird auch von anderen Autoren empfohlen (siehe oben Ess. 5, 3). det . cursum: "Die Lektüre gebe (dem Studenten) Schwung / gestarte ihm freien Lauf' (adulescenti, scholastico ist mitzudenken). Nach Quintilian gibt die Lektüre copia rerum ac verborum (inst. 1 0, I ,5) und dadurch facilitas ( 1 0, I , I). Der Ausdruck erinnert an Verg. georg. 1 ,40 da facilem cursum; Aen. 3,337; Ov. met. 8,3; Liv. 29,24,7; Lucan. 7,544; 9,997 (vgl. TLL 5 . 1 . 1 678.6870). Ihn lediglich als Periphrase für "Iaufen" zu verstehen ("die Lektüre schrei te schnell voran", so TLL 5 . 1 . 1 686.6 1 f. ; HESELTINE-WARMINGTON; ARA GOSTI; SETATOLl 2003, 77; WALSII "Iet his page run free"; VANNTNT 2008, 6), ist unplausibel und würde die Aussage auf den simplen Ratschlag reduzieren, man solle lesen. et ... et ... -que: Die Aufzählung der drei Genera erfolgt in der nicht unübli chen Konstruktion et . . . et . . . -que (vgl. TLL 5.2.884.36ff; Plaut. Mi!. 724 u.a.m.), die bei einer Verschiebung von V.20 verloren ginge (siehe dazu unten V.20). fortuna sonet celeri distincta meatu : Die Schicksalsgöttin Fortuna spielt in mehreren Gattungen eine Rolle (Geschichtsschreibung, Epos, Tragödie, Ro man) und ist allein kein Kriterium dafür, welche literarische Gattung mit der Metapher gemeint sein könnte. Den Ausschlag gibt ce/eri . . . meatu, und zwar für die Tragödie: Der Jambus, d.h. die Jambischen Trimeter des Dramas, heißt an mehreren Stellen celer oder citus (z. B. Hor. carm . 1 , 1 6,24 celeres iambos; .
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ars 252 pes citus; Ov. rem. 377f. iamhus, I seu celer, ex;tremum seu trahat ille pedem). Dies fUhrt zu einer Parallele zum trux canor der folgenden Verse. Die Tragödie ist bei Quintilian so selbstverständlich Teil des Kanons wie die His toriographie (z. B. inst. 1 ,8,6 utiles tragoediae; I , I ,97f.). Bei Philostrat z.B. wird Homer Vater der Sophisten, die Tragödie ihre Mutter genannt (soph . 2,620). Für die Tragödie spricht sich auch WALSII 1 970, 86 mit Anm. I aus, wäh rend NELSON 1 956, 2 1 1 -7; BARNES 1 97 1 , 1 7 ; KISSEL 1 978, 325; PELLEGRIN02 1 63f. ; SETAIOLI 2002, 27 1 die Historiographie favorisieren, die ebenfalls ein wichtiger Bestandteil der rhetorischen Ausbildung war (Quint. in.�t. 1 0, 1 ,3 1 historia quoque alere oratorem quodam uheri iocundoque suco potest; 2,5, ( 9) und in der Fortuna auch ein wichtige Rolle einnahm (vgl. Hor. carm. 2, 1 ,3 ; 3 ,29,49; Verg. Aen. 1 1 ,427; Liv. 2 1 , 1 ,2). Für das Epos sprechen sich COLLIGNON 1 892, 232 [bringt falschlicherwei se fortuna und hella von V. 1 9 zusammen]; FuCHS 1 938, 1 7 5 Anm 37; VAN NINI 2008, v.a. 1 0 aus. Zwar spielt Fortuna darin häufig eine zentrale Rolle (vgl. Lucan oder Eumolps BC), die Gattung des Epos wird jedoch bereits durch den nächsten Vers abgedeckt. distincta: Das Adjektiv kann Attribut zu fortuna sein, dann in der selten belegten Bedeutung von ,,(in sich) unterschiedlich, mannigfaltig" (TLL 5 . 1 . 1 53 1 . 72-4; vgl. Cic. Brut. 69 quam sit in utroque genere et creher et dis tinctus Cato; Catull . 64,90 distinctos . . . colores; so NELSON 1 956, 224 Anm 36; KISSEL 1 978, 325 Anm 63 ; SCHÖNBERGER 1 935, 1 243); oder eher Objekt zu sonet (so auch SCIIEIDWEILER 1 922, 1 054: "das Schicksal lässt schnellen Schrittes unterschiedliches Walten ertönen"). sooet: sonare kann absolut ("ertönen, erklingen") oder wie hier mit Akkusativobjekt ("etwas von sich geben"; OLD s.v. sono 6-9) stehen. deot epulas: Unproblematisch ist der Satz, wenn man et mit "auch" übersetzt und epula.s dare metaphorisch versteht: "intellektuelle N ahrung geben" analog zu hihat in V. 1 2 ; plenus in V . 1 3 ; vgl. auch Sat. 2, 1 qui inter haec nutriuntur; 2,8 omnia quasi eodem ciho pasta; so auch TANDOJ 1 965, 323 Anm I ; MÜL LER 1 957, 505; SETAJOLI 2002, 272f.; PETRONE 2007, 99), vgl. dazu Plaut. Poen. 1 1 75 oculis epulas dare; Cic. top. 25 avidum hominem ad has discendi epulas; div. 1 ,6 1 honarum cogitationum epulis; TLL 5.2.70 1 . 1 1 ff. Manchmal wird epulas et hella als Objekt aufgefasst und darin eine An spielung auf Tragödie und Epik vermutet (so z.B. SLATER 1 990, 30). Dagegen spricht mehreres: Subjekt müsste pagina aus V . 1 7 oder fortuna aus V . 1 8 sein; das Verb wäre dementsprechend in den (metrisch unmöglichen) Singular det abzuändern. Außerdem ist es, obwohl es berühmte tragische epulae gibt, wie z.B. das Bankett des Thyestes (vgl. Mart . 4,49,3f. qui scrihit prandia saevi I Tereos aut cenam, crude Thyesta, tua.rn), doch fraglich, ob epulas alleine auf .
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die Gattung Tragödie verweisen kann (Zweifel schon bei BURMAN 3 5 f ) ; vgl. eine ähnliche Diskussion in Pers. 1 ,67 mit KISSEL 1 990. Andere Texteingriffe sind ebenso wenig erfolgreich: statt dent epulas nach SCIIEIDWEILER 1 922, 1 054 det pugnas; nach SCIIÖNBERGER 1 935, 1 243 und 1 939, 5 1 1 regum epulas; nach COURTNEY 1 970, 65 per pugna.�. Für ältere Vorschläge siehe BURMAN 35f.; BÜCIIELERJ App. beUa truci memorata canore: canor wird hier - bedingt durch bella - im seltenen S inn fiir "poetischer Vortrag", "poetisches Schaffen" gebraucht (N EL SON 1 956, 225 Anm 50; vgl. TLL 3 .276. 84ff). Mit tna canor ist am ehesten das heroische Versmaß gemeint - das bedeutet eine Anspielung auf die Gat tung des Epos. grandiaque indomiti Ciceronis verba minentur: Umschreibung fiir Ciceros Rhetorik, parallel zu der von Demosthenes (V. 1 4) . Mit grandia . . . verba sind erhabene Worte gemeint wie auch in Cic. Brut. 1 2 1 [über Demosthenes] gran ditate verborum; Cic. Brut 29 [über Thukydides] grandes . . . verbis. Dass es sich hier um eine Analogie zu Pers. 3 ,45f grandia si nollem morituri verba Catonis handeln soll und die grandia . . . verba in ironisch-pejorativem Sinn zu verstehen seien (so TANDOI 1 965 ; VERDrERE 1 97 1 , 5 ; SOVERINI 1 985, 1 736 Anm . 1 35 ; PETRONE 2007, 95f.), leuchtet in diesem Kontext nicht ein. Absolutes rninari steht zumeist von Personen (Sat. 95,3 etiam minaris?), hier ist es eigentlich Cicero, der mit seinen Worten (seinem Gegner) droht. minari wird oft im Zusammenhang mit Waffen benutzt, z.B. Cic. farn . 1 1 ,3,3; Liv. 5,36,5, sprich: Ciceros Worte sind vergleichbar mit den Waffen ( V. 1 4 arma) des Demosthenes. minari und indomitus deuten darauf hin, dass mit den grandia . . . verba Ci ceros politische Diskurse wie die Philippica gemeint sind bzw. die politische Haltung Ciceros, der sich Antonius nicht beugt und deshalb indornitus ist (so schon TANDOI 1 965, 325; OGRIN 1 983, 56 Anm . 4 1 ; SETAIOLI 2002, 274; PETRONE 2007, 95 ) . Die Cicero-Antonius-Thematik wurde auch zum Topos in den Rhetorikschulen (vgl. Sen. suas. 6 und 7 ) und stellt im Gedicht wiederum eine Verbindung von Moral und Stil her (siehe oben V. I-3 rnentemque magnis applicat). Abzulehnen ist eine Verschiebung von V.20 zwischen V. 1 6 und V. 1 7, wie von BURMAN 36 lanciert, gefolgt von HAASE (wollte V.20 nach V. 1 7, dagegen FuCIlS 1 938, 1 74 Anm 35 ) ; SCIIEIDWEILER 1 922, L053; FuCIlS 1 938, 1 74 (tauscht zudem 1 8 und 1 9 zur Folge: 1 6, 20, 1 7, 1 9, 1 8 ) ; COURTNEY 1 970, 65; 200 1 , 60 Anm I I und MÜLLER. Anlass der Verschiebung war, dass nach V . 1 7 subducta fora noch einmal auf die Rhetorik verwiesen wird. Allerdings war Cicero kein Lieferant von Musterfallen, wie sie in der Kaiserzeit von Dekla matoren auf dem Forum abgehandelt wurden, sondern galt vielmehr als stilisti sches Vorbild. Zu Hause seine Schriften zu lesen, um sich stilistisch zu bilden, .
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dürfte daher nicht befremdlich gewesen sein. Cicero sollte nicht den Aus gangspunkt des Lernprozesses darstellen, was mit der Verschiebung der Fall wäre, sondern den glanzvollen Höhepunkt: Cicero als lateinischer Demosthe nes, wie dies auch der Parallelismus der Verse 14 und 20 nahelegt. Zu Demos thenes und Cicero als Stilbildner siehe Quint. inst. 1 0, 1 , 1 05-1 2. Ebenfalls gegen eine Verschiebung äußern sich KISSEL 1 978, 325 Anm 65; SETAIOLI 2002, 272 Anm . 1 1 3; VANNINI 2008, 8- 12. .
V.2 1-22: bis animum sueeinge bonis: sie Dumine largo I plenus Pierio defundes pectore verba' : Rüste deinen Geist mit diesen Schätzen: Dann wirst du, voll von dem mächtigen Fluss, aus musischer Brust die Worte verströ men." bis animum sueeinge bonis: Der Ausdruck ist (nach V. 1 3 mittat habenas und V. 1 4 quatiat . . . anna) wiederum der militärischen Metaphorik entnommen. Ebenfalls figürlich erscheint das Verb bei Quint. inst. 1 2,5, 1 horum (scil. ar morum) scientia debet esse succinctus (scil. orator); Tac. dial. 5,6 qua (scil. eloquentia) accinctus. Der Imperativ (mit anschließendem .�ic) tritt hier in der Bedeutung eines Konditionals innerhalb einer hypothetischen Periode auf wie in V. I (vgl. S E TAIOLl 2002, 266 Anm 72). Die bona (d.h. die Stilmuster) umfassen nicht nur die Literaturgattungen in V. l 7-20, sondern die gesamte Ausbildung (V.9-20). Dumine largo I plenus: Der Fluss als Symbol ist in der antiken Literaturtheo rie seit Kallimachos gebräuchlich. Hier steht der Fluss für die bona, die der Student in sich aufnimmt (V. 1 2 bibat, V. 1 3 plenu.�, V. 1 6 .�uffusa , V. l 9 dent epulas), siehe Ess. 1 -4, 3 zu den Wassermetaphern; Ess. 5, 4; vgl. zudem Sat. 1 1 8,3 ceterum neque generosior .�piritus vanitatem amat. neque concipere aut edere partum mens potest nisi ingenti f1umine litterarum inundata; 1 24,2 Eu molpos ingenti volubilitate verborum ejJUdisset; Tac. dial. 30,5 ex multa erudi tione . . . exundat et exuberat illa admirabilis eloquentia. Zu plenu.� siehe oben V. 1 3 Socratico plenu.� grege. Pierio: "musisch, von den Musen inspiriert", nach der Landschaft Pierien am Nordfuß des Olymp, die (neben dem Helikon und dem Parnass) als Sitz der Musen galt, oder nach Pieros, dem makedonischen "Vater" der Musen, auf den man die Einführung des Kultes der neun Musen zurückführte, vgl. z.B. Ov. am. 3 ,9,26 vatum Piifriis ora rigantur aqui.�. Das Adjektiv spielt auf die hesio deisch-kallimacheische poetische Inspiration an. Da es hier jedoch um einen Redner geht, muss der Begriff für die gesamte (durch die zuvor angeführten exemplarischen Beispiele repräsentierte) Literatur gelten, ähnlich dem Stand punkt Eumolps in Sat. 1 1 8,3 ingenti f1umine litterarum inundata oder Cic. orat. 62, wo im Kontext des philosophischen Schreibens von Xenophons mu sischer Stimme gesprochen wird (Xenophontis voce Mu.�as quasi locuta.� fe runt; siehe CüURTNEY 200 1 , 60 Anm . 1 3).
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defundes: defundes kommt von Scaliger (Imc) und gilt aufgrund von Sat. 1 2 1 V. 1 02 tune Fortuna levi defudit peetore voces als gesicherte Lesart. Di e restli chen Handschriften überliefern diffonde(n)s ("ausbreiten, zerstreuen"), das im Sinn von "ausschütten, ausströmen, von sich geben", wie es die Stelle verlangt, nicht belegt ist. defundes fundere, effundere. defundere sind im Zusammenhang mit poeti scher und prophetischer Produktivität verbreitet, vgl. u.v.a. carminalverba effundere in Sat. 23,2; 1 09, 1 ; 1 3 2, 1 1 ; Verg. Aen. 6,55 funditque preces rex peetore ab imo; eic. de orat. 3 , 1 94 versus hexametras . . . fundere ex tempore; Tusc. 1 ,64 carmen . . . fundere; Hor. epist. 2,2, 1 20f. vemens et liquidus puroque simillimus amni /fundet opes; Sat. 1 24,2 (oben zitiert); siehe zu fundere auch RIMELL 2002, 26.
Bordellabenteuer (Sat. 6-8) Nach den Ereignissen in der Rhetorenschule begibt sich Enkolp auf den Heimweg, gelangt jedoch nicht in die Herberge, sondern landet im Bordell. Dort trifft er auf Askylt, der nach eigener Aussage ebenfalls ungewollt von einer fremden Person in das Etablissement gelockt wurde. Abgesehen von vereinzelten Leerstellen im Text, die Fragen aufwerfen (dazu Punkt I), ist die Szene gut verständlich. Ein an die Komödie erinnernder Handlungsablauf sowie die Ähnlichkeit der Abenteuer, die Enkolp und Askylt unabhängig von einander vor ihrem Zusammentreffen im Bordell erleben, sorgen für absurde Komik (dazu Punkt 2).
1 . Rekonstruktion der Handlung Zu Beginn der Szene - wir befmden uns in der Säulenhalle der Rhetorenschule - bemerkt Enkolp, dass Askylt die Flucht ergriffen hat. Wann genau dies ge schah, bleibt offen, denn Enkolp war ganz in Agamemnons Rede (Sat. 3-5) vertieft (Sat. 6, 1 dum hunc diligentius audio). Askylts Bemerkung in Sat. 1 0,2 ut foris cenares poetam lauda.�ti lässt aber vermuten, dass dieser den Anfang von Agamemnons Gedicht in Sat. 5 noch mitbekommen hat (siehe unten Sat. 6, 1 non notavi mihi Ascyltifugam). Möglicherweise begibt sich Enkolp deshalb so schnell auf die Spur Askylts, weil er Böses almt (Sat. 79,9 Ascyltos. omnis iniuriae inventor), die sen gar verdächtigt, Giton aufzusuchen - mit sexuellen Absichten (so GOGA 1 996, 655 und 1 999, 8 1 6; PANAYOTAKIS 1 995, 1 1 ; ScnÖNBERGER 269). Tat sächlich kommt es zu einem solchen Vorfall, der aber zeitlich nicht eindeutig zu verorten ist. paulo ante in Sat. 9,4 spricht dafiir, dass Askylts Übergriff auf Giton erst nach dem Bordellabenteuer (zwischen 8,4 und 9, 1 ) stattfindet, kurz bevor Enkolp in der Herberge ankommt (so auch ARAGOSTI Anm . 1 5). Askylt befindet sich zu diesem Zeitpunkt bereits in der Herberge (siehe unten Sat. 9, 1 ; 9,3f. i.�te); der verstörte Giton ist, vermutlich in Erwartung Enkolps, auf die Straße gestürzt. Dagegen existiert die nicht nur chronologisch schwierige Annahme, dass Askylt während Agamemnons Rede zu Giton eilt und in Sat. 8,2-4 den Vorfall mit dem pater familiae als Alibi erfindet (so ROSE 1 967, l 3 1 ; unplausibel SLATER 1 990, 34 Anm . 20: "lf we accept Ascyltus's story, he must have gotten lost after leaving Giton."). In diesem Fall muss Askylt die Herberge entgegen
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Bordellabenteuer (Sal. 6-8)
seiner Behauptung problemlos gefunden und sich anschließend ins Bordell begeben haben (wie z.B. VAN TiTIEL 1 97 1 , 27; JONES 1 987, 8 1 8 und 1 99 1 , 1 08 annehmen) - ein Hinweis darauf, dass der Übergriff auf Giton erfolglos war. Ob erfunden oder nicht, Askylts Erlebnisbericht stimmt mit dem Abenteu er Enkolps auf geradezu unglaubliche Weise überein! Da Askylt nicht ahnen konnte, dass Enkolp das Gleiche widerfuhr, ist der Wahrheitsgehalt seiner Geschichte nicht ausschlaggebend fUr die komödiantisehe Wirkung der Szene.
2. Symmetrie der Handlungsstränge Enkolp sucht Askylt bzw. den Weg zurück in die Herberge, wird verschleppt und trifft den Gesuchten schließlich dort, wo er ihn nie vermutet hätte: im Bordell. So ist der beinahe missglückte Versuch, cursim A.vcy/ton persequi (Sat. 6,2), doch noch geglückt. Schenken wir Askylt Glauben, ist diesem Ähn liches widerfahren. Das Motiv, erfolglos in der Stadt umherzuirren und sich durch wunderbare Fügung an unerwartetem Ort wiederzufinden, könnte aus der Komödie stammen. Bekannt ist es aus dem ernsthaften griechischen Lie besroman, wo dramatische Verwicklungen ein Liebespaar auseinanderbringen, dessen erneutes Zusammentreffen (vor dem glücklichen Ende) jedoch immer knapp scheitert. Z.B. kommt der Verliebte an denselben Ort wie seine Gelieb te, die vor kurzem abgereist ist. In den Sat. sehen wir dieses Motiv parodistisch verkehrt: Während einer der "Partner" den anderen tatsächlich sucht, ist dieser auf der Flucht. Das Wiedersehen findet statt - und gerät zum ,,Ertapptwerden" im Bordell. Ebenso amüsant ist die Kongruenz der beiden Abenteuer. Der (inhaltlich) parallele Handlungsverlauf impliziert viele syntaktische und lexikalische Über einstimmungen:
Bordellabenteuer (Sat, 6--8)
Enkol s We ins Bordell suhduxi me 6,2 nee viam diligenter teneham [quiaJ 6,3 nee quo stabu/um esset sciebam quoeumque ieram. eodem reverte6,4 bar 6,4 fatigatus et sudore iam madens
As Its We ins Bordell 6, 1 fogam 8,2 nee invenirem quo /oco stabu/um re/iquissem 8,2 errarem .. , per totam civitatem 7,4 8, 1 8,2 8,2 8,2
7, 1 7,2
aeeedo anieu/am / mater agreste ho!u� vendehal (vertrauenerweckend) de/ectata . . ' coepit me praecedere in /oeum secretiorem venimuI'
7,3
inter titu!os nuda.l'que meretriees
8,4
fogere coepi in a!teram partem
8,3 8,4 8,4
6,4
7,4
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8,2 8,3
/a.l'su.l' ae moriens
sudorem i//e manibu� detersit deficiens aecessit ad me paterfamiliae humani.l'sime (vertrauenerweckend) ducem se itineri.I' . . , promi.l'it per anfractuI' deinde obseurissimos egressus in hune /ocum me perduxil pro cella meretrix assem exegerat pro!atoque peeulio ille mihi inieeerat manum et ni.�i va!entiorfoissem
Wie LEFEVRE 2007, 1 58 erkennt, unterscheiden sich die zwei parallelen Ge schichten in ihrer Drastik: Die zweite stellt in aUen wesentlichen Aspekten (Verhalten des Protagonisten, Auftreten der Drittperson, Situation) eine Steige rung bzw. Verschärfung der ersten dar. ParaUele Handlungsstränge finden sich auch an anderen Stellen in den Sat., Z.B. in der Marktszene (rosticus-muliercula vs. Enkolp-Askylt in Sat. 1 2- 1 4) oder auf dem Schiff des Lichas (ähnliche Träume von Lichas und Tryphäna in Sat. 1 04, I f.).
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Kapitel
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Enkolp versucht vergeblich, von der Rhetorenschule in die Herberge zu gelan gen. § 6,1 dum hune diligentius audio, non notavi mihi Aseylti fugam ... et dum in hoe dictorum aestu mutus ineedo, ingens seholastieorum turba in porti eum venit, ut apparebat, ab extemporali declamatione nescio euius, qui Agamemnonis suasoriam exeeperat: Während ich ihm allzu aufmerksam zuhörte, bemerkte ich nicht, dass Askylt sich aus dem Staub gemacht hatte. . . . Und während ich i n dieser Hitze von Worten stumm einherging, kam eine große Schar Studenten in die Halle, offenbar von einer Stegreif-Deklamation von irgendjemandem, der das Wort nach der Suasorie von Agamemnon ergrif fen hatte. dum ... et dum : Die synchronen Nebensätze dum . . . audio und dum . . . ince do verweisen beide auf Enkolps Absorbiertheit, und die deiktischen hunc und hoc beziehen sich sehr wahrscheinlich auf die zuvor in Sat. 5 rezitierten Verse bzw. ihren Sprecher. BÜCHELER 1 App. (nach WEHLE 1 86 1 , 48) vermutet vor et dum aber zu Recht eine Lücke. Stilistisch ist die Folge von drei dum-Sätzen mit je einem eigenen Hauptsatz (dum audio, non notavi / et dum . . . incedo . . . turba . . . venit / dum ergo iuvenes . . . rident . . . subduxi me) unüblich und platt. Die gängige Satzstruktur, die Gleichzeitigkeit indiziert und zur amplijicatio einer Aktion dient, besteht aus mehreren dum-Sätzen und nur einem Hauptsatz (drei- und mehrfaches dum: TLL 5 . 1 .2232.46ff. ; z.B. Lucan. 2,694f.; Mart. 5 , 1 7). Inhaltlich ist eine Lücke zwar nicht zwingend (so auch COSCl 1 978, 20 I Anm. 1 ; PETERSMANN 1 975, 1 1 9; SÜTTERLIN 1 996, 30), man erwartet aber doch nähere Angaben zu Askylts Flucht und zum Grund fiir Enkolps Besorgnis dariiber. diligentius: Zum häufigen Gebrauch des Komparativs in der gesprochenen Sprache siehe PETERSMANN 1 1 1 f. diligentius hat hier einen ironisch selbstkritischen Beiklang, ähnlich dem declamare in Sat. 3 , 1 (so auch P ARA TORE 11 24). non notavi mihi Aseylti fugam: Askylts Flucht ereignete sich während Aga memnons Monolog, ist zeitlich aber nicht genau festzumachen. Sollte Askylt Agamemnon in Sat. 1 0,2 wegen dessen Gedicht in Sat. 5 als poeta bezeichnen, dann war er zu Beginn von Sat. 5 noch anwesend und hat sich wohl kurz da nach aus dem Staub gemacht (so auch CIAFFI 1 955, 25). Zur Flucht als strukturelles Motiv bei Szenenwechseln der Sat. siehe unten Sat. 1 5,8 praecipites abimus praeclusisque foribus ridere . . . coepimus. .•.
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Zum pleonastischen Reflexivpronomen bei notare (im Sinn von animad vertere) vgl. Sat. 1 03,5; 1 1 1 ,6; siehe PETERSMANN 1 29f.; HSz 293-5 § 1 64; STEFENELLI 1 962, 1 9. Ascylti: Der sprechende Name Askylt erscheint hier erstmals im Text. Er wird meist als Ableitung von iiaK"\)At� ("unermüdlich") verstanden. Eine explizite Auslegung des Namens in sexuellem Sinn ist der Ausruf Eumolps, der Askylt nackt im Bad gesehen und von der Anatomie auf die sexuelle Leis tung schließt: Sat. 92,9 0 iuvenem laboriosum: puto iIIum pridie incipere. postero diefinire. Die einzige epigraphische Überlieferung (M. P. [-J Ascyltus, I . Hälfte 2 . J h . n. Chr.) geht nach SOLIN 2003, 6 1 4 und 2003a, 1 96f. wahrscheinlich auf Petron zurück. Eine Erklärung, weshalb man jemanden nach einem solchen Schelm benannt haben sollte, kann man jedoch nur schwer geben. Zum Namen siehe PRIULI 1 975, 57f. ; SClIMELING 1 969, 8; PELLEGRIN02 1 65f. in hoc dietorum aestu mutus incedo: Der Satz weist in seiner überlieferten Form (in hoc dictorum aestu motus incedo) Ungereimtheiten auf. Das Zusam mentreffen von motus und in könnte man im Äußersten noch vertreten, wie PETERSMANN 1 975, 1 20 dies tut: in als Stütze des kausalen Ablativs mit Ver weis auf eine späte Parallele Schol. Juv. 1 ,65 in his rebus concitatus. Das grö ßere Problem stellt motus selbst dar (Müller setzt deshalb motus in Cruces). In der rhetorischen Lehre zählt movere neben docere und delectare zu den drei Funktionen einer Rede (LAUSBERG 1 42-4 §257,3; vgl . Cic. Brut. 1 85 docea tur . . . delectetur . . . moveatur; Quint. inst. 1 2 , 1 0,59). Dass Enkolp jedoch zu diesem Zeitpunkt, nach der Entdeckung der Flucht Askylts, durch Agamem nons Worte emotional bewegt ist, ist nicht überzeugend. Dasselbe gilt für die Konjektur totus (siehe BURMAN 3 8), auch wenn diese das in besser in den Satz integriert (vgl. Sat. 1 28,6 V.9 atque in praeterita se totus imagine versat; 89, 1 sed video te totum in ilIa haerere tabula). Die attraktivste Alternative zu motus stellt zweifelsohne mutus dar, das DELZ 1 962, 68 1 und NISBET 1 962, 230 vor schlagen. Gegen die humanistische Konj ektur in hortis (in Im; ERNOUT; BOClIE LER I-6) spricht, dass das Gespräch in der Säulenhalle stattfindet (vgl . Sat. 3 , 1 in porticu und 6, 1 in porticum; s o auch MüLLER 1 App.; PETERSMANN 1 975, 1 1 8f.), die anschließend von der Menschenmenge erflillt wird, so dass Enkolp unbemerkt fliehen kann. Dass die Schule einen hortus hatte, den die Säulenhal le umgab, ist aus archäologischer Sicht aber nicht unwahrscheinlich, denkt man an die griechischen Gymnasia oder die Athener Akademie, die weitläufi ge Gartenanlagen umfassten (siehe unten in porticum venit). dictorum aestu: Den besten Sinn ergibt der Satz, wenn es sich um Aga memnons dicta (LP) handelt. Enkolp ist immer noch mit Agamemnon zusam-
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men und nicht allein (er nutzt ja die Schar der iuvenes, um sich davonzuschlei chen). Deshalb sind abzulehnen die Lesart in B aestu rerum sowie der Vor schlag von MOESSLER 1 89 1 , 727 und VAN nTIEL 1 97 1 , 27 aestu curarom (da gegen sprechen sich auch MÜLLER 1 978, 754 und PETERSMANN 1 975, 1 20 Anm . 7 aus). aesto: aestus (,,Hitze, Enthusiasmus") ist vergleichbar dem calor in Quint. inst. 1 0,7, 1 3 calor ac spiritus; 2, 1 5 ,28 iuvenili calore und bezieht sich auf den Akt des Redens. Ähnliche (zumeist höhnische) Äußerungen über poetische Ergüsse finden sich in den Sat. an vielen weiteren Stellen, z. B. Sat. 1 24,2 cum haec Eumolpos ingenti volubilitate verborom effudisset. In Sat. 3, I heißt es von Agamemnon auch: in schola sudaverat. incedo: "spazieren, einhergehen", vgl. Sen. nato 7,3 1 ,2 tenero et molli ingressu suspendimus gradum (non ambulamus sed incedimu.�) ; OLD s.v. incedo 2. Überflüssig ist der Vorschlag GIARDINAS ( I 973-4, 2 1 1 und 1 995-6, 267), der incendor will (nach HEINSJUS, wobei dieser [in] hoc will), vgl. OLD s.v. incendo 4; z.B. Plaut. Pseud. 20 I nimi ' sermone huius ira incendor; Verg. georg. 3 ,459 incensos aestus. scholasticorum torba: Mit scholastici sind hier Leute gemeint, die in der Rhetorenschule ein- und ausgehen: Studenten wie auch Gelehrte, Schulredner oder andere Besucher. Will man den Begriff dennoch genauer fassen, so spricht die Tatsache, dass Enkolp und Askylt als Besucher an der Schule sind und sich wie schola.�tici gebärden (vgl. Sat. 1 0,6), fUr "Gasthörer, Laien" bzw. "simples habitues des salles de declamation" (DEROUX 200 1 , 1 83), "the de clamation-buffs, the aficionados, for the most part enthusiastic amateurs" (KENNEDY 1 978, 1 75). Tatsächlich wird der Begriff bei Seneca Rhet. größten teils fUr die Leute verwendet, die weder als Schüler noch als Lehrer Deklama tionen besuchten (wie ein "athletic event", siehe Ess. 1-4, I ) . in porticum venit: Römische Schulen kamen ohne festen Bautyp aus und unterschieden sich von den übrigen Gebäuden einer Stadt nicht wesentlich (siehe V ÖSSING 1 997, 49f.). Dementsprechend sind eigentlich nahezu alle baulichen Kontexte von Schulräumen denkbar. Die Petron-Szene kann man sich gut im Ambiente eines griechischen Gymnasions vorstellen (zumal Unter italien einst zum griechischen Kulturkreis gehörte): Ein Gymnasion war in der Regel ein großes Peristylgebäude mit Hof bzw. Garten in der Mitte, umgeben von einer Säulenhalle und dahinter einzelnen Räumen (siehe zu den Gymna sien in Unteritalien DELORME 1 960, 22 1 -30). Auch in Petrons Rhetorenschule öffnen sich die Aulen zur Säulenhalle hin. ut apparebat: Enkolp kann nur vermuten, wofUr auch nescio cuius spricht. ab extemporali declamatione nescio cuius: extemporalis declamatio ist der rhetorische t. t. für eine aus dem Stegreif gehaltene fiktive politische Rede oder
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eine Gerichtsrede. Das Adj . extemporalis wird beinahe ausschließlich für den rhetorischen Vortrag verwendet: vgl. Sen. contr. 7 praej. 2; Quint. inst. 2,4, 1 5 und 27; 1 0,7, 1 3; 1 1 ,2,3 ; Suet. Aug. 84,2; Tit. 3,2. Die Improvisation wurde häufig praktiziert und war im Falle des Gelin gens ein Zeichen für harte Arbeit, vgl. Quint. inst. 1 0,7, I maximus vero studio rum fructus est . . . ex tempore dicendi facultas; LAUS BERG 547 § 1 145. Sie war jedoch nicht jedermanns Sache und konnte schnell lächerlich werden. So spot ten auch hier die iuvenes über die sententia.y . . . ordinemque totius dictionis. Zu den sententiae und ihren Gefahren, u.a. der Lächerlichkeit und der Gefahr, dass man um ihretwillen den Aufbau der Rede (ordo dictioni.y) vernachlässigt, vgl . Quint. inst. 8,5. Agamemnonis suasoriam: Agamemnon hielt hier also eine suasoria (zu den näheren Umständen siehe Ess. 1-4, I ). Wenn er Trimalchio später in Sat. 48,4 auf dessen Frage hin von einer controversia berichtet, bezieht er sich dement sprechend nicht auf diese, sondern eine offenbar danach gehaltene Rede. exceperat: Der BegrifT hat mehrere Bedeutungen. Hier am ehesten "unmittel bar folgen, das Wort nach jem. ergreifen" (TLL 5.2. 1 254.26ff. und 60fT., wie KENNEDY 1 978; ARROWSMITlI "folIows"). V gl. z.B. Sat. 42, I excepit SeleuclLY fabu/ae partem et 'ego ' inquit 'non cotidie lavor . . '; Caes. civ. 3,87, 1 hunc Labienus excepit; Liv. 7, 1 3, 1 1 orationem Tulli exceperunt preces. Es könnte die Gegenrede zu Agamemnon gewesen sein oder auch eine weitere suasoria ähnlichen Inhalts (oft wurden Reden hintereinander zum selben Thema gehal ten, wie das Werk von Seneca Rhet. zeigt). Doch wie sich oben schon gezeigt hat, kennt Enkolp die genauen Umstände dieser Rede nicht (ut apparebat; nescio cuiILY) . Inwiefern die Deklamation mit der Suasorie Agamemnons ver knüpft war oder auf diese anspielte, geht aus dem Text nicht hervor. Nicht plausibel ist, dass der Vortragende Agamemnons Rede gar "übernommen" (wie SULLIVAN "took over"; PELLEGRINd 1 68 "continuando la suasoria declamata da Agamemnone") oder diese "unterbrochen" haben soll (wie DEROUX 200 1 und MARSlIALL 1 987, 735f. meinen, wobei sie sich auf Ascon. p. 3 7, 1 6St. stützen - wo es aber nicht um eine weitere Rede, sondern um Geschrei geht). .
§ 6,2 dum ergo iuvenes sententias rident ordinemque totius dictionis inra mant, opportune subduxi me et cursim Ascylton persequi coepi: Während also die j ungen Leute über die Sentenzen lachten und den Aufbau der ganzen Rede verrissen, nahm ich die günstige Gelegenheit wahr, mich davonzuschlei chen und eilends Askylt zu folgen. dum ergo: V gl. oben Sat. 6, I dum . . . et dum . . . Hier wird ergo gebraucht, um nach den vorausgegangenen einleitenden Sätzen, die der Situationsbeschrei bung dienen, den nächsten Handlungsschritt wiederzugeben (KST 1I 1 4 1 f. § 1 75,5).
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iuvenes: iuvenis bezeichnet wie hier meist den erwachsenen Mann, kann aber auch Synonym ftir adulescens sein (Sat. 2,3. 7; 4,3), siehe AXELSON 1 948. sententias ordinemque totius dictionis: Die Kritik bezieht sich auf die Sentenzen (sententiae; siehe dazu oben Sat. 1 ,2 sententiarum vanissimo strepi tu) und die Disposition bzw. Gliederung der Gedanken (ordo dictionis; LAUS BERG 2 1 4-47 §443-52), zwei der wichtigsten Bestandteile bzw. Qualitäten einer Rede (vgl. z.B. Quint. inst. 1 2, 1 0,60 compositione aptus, sententiis dul cis). cursim persequi coepi: Enkolps Eile (cursim und dazu noch das intensivie rende Präfix per-) deutet auf einen Verdacht hin, den Enkolp gegenüber Askylt hegt. An anderer Stelle nennt er diesen einen omnis iniuriae inventor (Sat. 79,9). Möglicherweise ahnt er schon, dass Askylt Giton aufsuchen könnte (so GoGA 1 996, 655 und 1 999, 8 1 6; JENSSON 2004, 1 37). Dagegen spricht zwar Enkolps langwierige Befragung Gitons in Sat. 9,3 , doch könnte diese auch dramatischen Zwecken dienen. coepi ist hier ingressiv aufzufassen, obwohl dieser Bedeutungsaspekt bei Petron vielfach nur noch abgeschwächt vorhanden ist. .•.
§ 6,3 sed nec viam diligenter tenebam [quial nec quo stabulum esset scie bam: Doch weder konnte ich den Weg wieder genau finden, [da] noch wusste ich, wo überhaupt unsere Herberge war. Die Syntax des überlieferten Satzes (.�ed nec viam diligenter tenebam quia nec quo stabulum esset sciebam) ist fehlerhaft. Am naheliegendsten ist die Einklammerung bzw. Eliminierung von quia (so MÜLLER nach GoLDAST; ERNOUT; BüClIELER2-<;), zumal Petron knappe Alternativen mit nec - nec liebt (z.B. Sat. 1 6,4; 1 1 6,8; 1 26,3). Möglich ist aber auch - v.a. hinsichtlich der Tautologie der beiden Sätze nec . . . tenebam und nec . . . sciebam , einen Textausfall anzunehmen (eine Lücke setzen BÜCI IELER 1 ; GOGA 1 996). Der Abschreiber könnte den durch quia eingeleiteten Kausalsatz ausgelassen haben, nachdem er das quia schon geschrieben hatte. Dem ersten nec-Satz wäre also ein quia- Satz untergeordnet gewesen, der den Grund angibt, weshalb Enkolp den Weg nicht finden kann, z.B. quia (MOESSLER 1 89 1 , 727). Eher umständlich sind die Eingriffe von GIARDINA 1 970-2, 1 79 und GIARDINA-MELLONI zu sed nec [viam] diligenter tenebam viam nec sowie von PELLEGRIN02 , der das zweite nec in ne abändert, das erste im Sinn von non, das zweite im Sinn von ne . . . quidem und quo als ubi versteht. -
nec viam diligenter tenebam: Der Satz hat zwei Bedeutungsnuancen: I . "den Weg nicht finden, sich verlaufen", vgl. z.B. Ov. met. 2,79 utque viam teneas; LuCT. 5,7 1 4 cursusque viam sub sole tenere. Der Ausdruck lebt in den romani schen Sprachen fort (fr. "tenir le chemin", it. "tenere la via"). 2. "den Weg
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nicht im Gedächtnis haben", elliptisches tenebam flir "in memoria habebam, sciebam" (BURMAN 4 1 ), vg!. z.B. Verg. ecl. 9,45 numeros memini. si verba tenerem; Sen. epist. 27,6 emit servos. unum qui Homerum teneret. alterum qui Hesiodum. Daflir spräche die Parallele mit sciebam . Gemeint ist in jedem Fall der Weg zur Herberge, auch wenn kein Ziel genannt wird (unwahrscheinlich GOGA 1 996: Enkolp versuche, Askylts Weg einzuhalten). [quia[: Siehe oben. quo: Überliefert ist ein klassisch falsches und erklärungsbedürftiges quo. Erste und überzeugendste Erklärung: quo steht flir ubi oder qua, bedingt durch die Vertauschung der Vorstellung von Ruhe und Bewegung (so z.B. PELLEGRIN02 1 69f., siehe zum Phänomen HSz 277 § 1 56�; PETERSMANN 1 00-4 mit Nach trag; CALLEßAT 1 968, 1 95-8). Vg!. Akk . statt Ab!. (z.B . Sat. 42,2 foi enim hodie in fonus; Plaut. Stich. 337f. foi . . . a portu); ubi statt quo (z.B. Tac. anno 1 ,22,2; Apu!. met. 9,39); hinclillinc statt hiclillic (z.B. Sat. 83,3); joras statt foris (z.B. Sat. 30,3). Zweitens kann man zu quo < Ioeo> emendieren (so p2 ; ERNOUT; GoGA 1 996, 654f.), was eine Parallele zu Sat. 8,2 nec invenirem quo loco stabulum reliquissem schaffen würde. Hingegen erscheint die dritte Möglichkeit, quo statt quod zu setzen (so BüCIIELER I--6 ; MÜLLER; PETERSMANN 3 1 7f. : "bedingt durch den vulgären Ausfall des auslautenden d"), inhaltlich unplausibe!. Der Sinn des Satzes wäre dann, dass Enkolp seine Herberge (unter einer Vielzahl anderer Herbergen) nicht mehr erkennt. stabulum: Üblicher Begriff flir Herberge (siehe unten Sat. 9, 1 0 deversorio), kann aber auch ein spezifischer Terminus flir "Bordell" sein (z.B. Cic. Phi!. 2,69; OLD S . V . stabulum 2b). Die Doppeldeutigkeit erzeugt hier einen Witz, denn kurz darauf landet Enkolp tatsächlich im Bordell (ähnlich Sat. 8,2, siehe McGINN 2004, 1 8). § 6,4 itaque quocumque ieram, eodem revertabar, donec et cursu fatigatus et sudore iam madens accedo aniculam quandam, quae agreste bolus ven debat: Wohin ich deshalb auch immer ging, ich kehrte stets an einen Ort zu rück, an dem ich schon gewesen war, bis ich mich - vom Laufen erschöpft und schon von Schweiß durchnässt - an ein altes Weiblein wandte, das Gemüse vom Land feilbot. itaque: Zu itaque siehe unten Sat. 1 5,6 itaque. quocumque ieram, eodem revertabar: Wie in Sat. 6,3 (nec . . . tenebam . . . nec . . . sciebam) werden auch hier das ausweglose Hin und Her und Enkolps Erschöpfung (fatigatus - maden.� unten) in der grammatischen Struktur sicht bar. Enkolp befindet sich wie auch Askylt (Sat. 8,2 cum errarem . . . per totam civitatem) in einer Art Labyrinth - ähnlich Theseus oder Aeneas, denen jedoch von Ariadne bzw. Sibylle der glückliche Weg nach außen gezeigt wird (Verg.
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Aen. 6), während Enkolp und Askylt von ihren "Helfern" (siehe unten anicu lam) noch weiter verschleppt werden. Zum Motiv des Labyrinths, das sich durch die ganzen Sat. zieht, siehe FEDELI 1 98 1 ( l 69f. zu dieser Szene) und 1 98 1 a ( 1 1 Of. zu dieser Szene). et cursu fatigatus et sudore iam madens: Vg\ . Liv. 44,38,9 an longo itinere fatigatum et onere fessum, madentem sudore; Sen. epist. 95, 1 8 cursu defatiga ti. accedo aniculam quandam: Klassisch wäre der Ausdruck accedo ad anicu lam (wie auch in Sat. 8,2 accessit ad me pater familiae). Der reine Akkusativ ist jedoch bei unpersönlichen Objekten bereits im Altlatein und seit Sallust auch bei persönlichen Objekten gebräuchlich, z.B. Sall. Jug. 97,3 Bocchus cum magna multitudine lugurtham adcedit; Tac. hivt. 3 ,24,2. Siehe PETERSMANN 62; KST I 265 § 70A. aniculam: Die unschuldige Gemüseverkäuferin entpuppt sich später als lasterhafte Alte, die an gewisse plautinische lenae erinnert (zum Schleppdienst von Bordellen siehe unten Sat. 7,4 in fomicem esse deductum). Sie ist eine "falsa Arianna" (FEDELI 1 98 1 a, 1 1 0, siehe unten Sat. 7,2 divinam), die Enkolp nicht zum Ausgang des "Labyrinths", sondern in ein Bordell führen wird. Der Diminutiv (siehe DELL'ERA 1 970, 1 3 8f. ; RONCAIOLI 1 96 1 , 13) trägt dazu bei, dass die Frau zunächst harmlos erscheint, vg\ . auch Bauer und Bäuerin in Sat. 1 2-1 5, die ebenfalls die Assoziation des Ländlich-Unschuldigen wecken, und den pater familiae in Sat. 8,2, der ebenfalls als "personaggio-trappola" (LAC,o 2004, 32) auftritt. Die alte Frau als Zauberin, Hexe, Verkäuferin oder Kupplerin ist ein litera rischer Typus des Mimus und der Komödie, siehe OERI 1 948. Bei Apuleius entpuppen sich an mehreren Stellen - ähnlich wie hier - ältere, scheinbar schwache Personen als listig verschlagen, z.B. met. 4, 1 2 ; 1 ,2 1 . Letztere Stelle (Apu\ . met. 1 ,2 1 accessi et de quadam anu caupona ilico percontor etc.) wird häufig auf die Petronstelle (oder eine gemeinsame griechische Quelle) ZUTÜck geftihrt, so z.B. WALsn 1 978, 23; ROSENBLÜTn 1 909, 79; OAFFI 1 960, 50-2. Doch lässt sich trotz der Ähnlichkeit der Szenen keine direkte Abhängigkeit festmachen (siehe KEuLEN 2007, 373f.). quae agreste bolus vendebat: Das Verkaufen von Gemüse (oder auch anderer Waren wie Federvieh, Schuhen, Getränken) war eine Beschäftigung niedrig gestellter Frauen bzw. von Bäuerinnen, siehe dazu KAMPEN 1 98 1 , v.a. 52-72. Die Alte hier bietet, wie sich später herausstellt, mehr als nur Gemüse an. holus hat neben seiner primären Bedeutung (Gemüse) eine sexuelle Kon notation (penis), die hier allerdings nur retrospektiv, d.h. mit Kenntnis des nachfolgenden (unfreiwilligen) Bordellbesuchs, erkennbar wird (vg\. Catull. 94 mentula moechatur. moechatur mentula? certe. / hoc es! quod dicunt, ipsa olera olla legit; Priap. 24,4 fur habeas poenam, Iicet indignere feram 'que /
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'propter holus ' dicas 'hoc ego ? ' 'propter holus '). I n diesem Sinne dient der Begriff als Vorausdeutung auf das Bordell (so auch BUCHHEIT 1 962, 255; STEINBERG 1 996a, 1 0 1; dagegen ADAMS 29 mit Anm . 2).
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Enkolp wird ins Bordell verschleppt und trifft dort überraschend auf Askylt. § 7,1 et 'rogo', inquam, 'mater, numquid seis ubi ego habitem?' delectata est iIIa urbanitate tam stulta et 'quidni seiam?' inquit consurrexitque et coepit me praecedere: "Bitte, Mütterchen", sagte ich, "weißt du vielleicht, wo ich wohne?" Erheitert durch diesen so dummen Witz, meinte jene: "Wie könn te ich das nicht wissen?", stand auf und ging voran. rogo: rogo, das in der Volkssprache der Kaiserzeit oro und quaeso verdrängt, findet sich bei Petron häufig in Anfangsstellung mit Vokativ, vgl. z.B. Sat. 20, 1 . Das Verb schwankt hier in seiner Funktion zwischen Einleitungsphrase einer direkten Rede (numquid sciv steht im Indikativ!) und floskelhafter Inter jektion (neben inquam). Siehe HOFMANN 1 29f. § 1 20; BIVTLLE 2003 , 44. mater: Höfliche Anrede fUr eine unbekannte ältere Frau, schon bei Plautus belegt (z.B. Rud. 263 . 289), vgl. Ov. fast. 4,5 1 3 ; Apul. met. 9 , 1 7 u.a. ; TLL 8.438.59. Siehe DICKEY 2002, 1 1 9f. 340. numquid scis ubi ego habitem? : Enkolps dumme Frage (dies gesteht er in Sat. 7, 1 tam stulta selbst) lässt sich erstens durch seinen aufgewühlten Zustand und seine Verzweiflung erklären (PARATORE II 26). Zweitens fUhIt er sich hier ein weiteres Mal in eine mythologische Wirklichkeit versetzt und glaubt wohl in der Tat, Sibylle vor sich zu haben (siehe unten Sat. 7,2 divinam). numquid: Das lautlich markantere numquid ersetzt das zur Zeit Petrons bereits vom Aussterben bedrohte num, siehe PETERSMANN 262; HSz 542f. §295; KST II 5 1 4 §23 1 . ego: Das Subjektspronomen unterstreicht die Widersprüchlichkeit der Fra ge (vcis ubi ego) . Siehe zum pleonastischen ego zudem unten Sat. 7,2 ego. habitem : Siehe dazu unten Sat. 7,2 hic . . . debes habitare. delectata est illa: est ist nur einmal, dafür in der vertrauenswürdigsten Hand schrift B überliefert. Als Alternative könnte man das folgende et streichen und von einer Ellipse von est ausgehen (vgl. Sat. 1 27, 1 delectata ilIa risit tam blandum). urbanitate tam stuIta: V gl. ein ähnliches selbstkritisches Urteil, ebenfalls retrospektiv aus der Warte des Erzählers gesprochen, in Sat. 1 26,8 multum risit ancilla post tamfrigidum schema. urbanitas ("feiner Witz, Raffinesse") bildet sowohl ein Oxymoron mit stulta als auch einen ironischen Gegensatz zur ru.vticitas der Alten. Ähnlich dazu wird die Alte in Sat. 7,2 im doppelten Sinn als anus urbana bezeichnet als bäuerlich und "witzig, geistreich" (OLD s.v. urbanus 4), vgl. Plaut. Most. 1 5 tu urbanu.v vero scurra, deliciae popli; eic. Cael. 36 removebo ilIum senem durum ac paene agrestem; ex his igitur sumam aliquem ac potissimum mini-
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mum /ratrem qui est in isto genere urhanissimus; Phaedr. 5,5,8 scurra, notus urhano safe. Der Begriff urhanitas wird in den Sat. zumeist ironisch und nega tiv konnotiert gebraucht, z.B. wenn Enkolp das großspurige Gebahren seines Gastgebers Trimalchio belächelt, der, einst lihertus rusticus, eine Existenz als urhanus aufzubauen versucht (Sat. 36,7; 39,6; 52,7). Siehe dazu ausftilrrlich HALVONIK 2005. Alleinstehendes tam (d.h. ohne korrelatives quam) mit Adj . ist bei Petron sehr beliebt (vgl. z.B. Sat. 2,9) und dient zur Hervorhebung; siehe PETERS MANN 1 1 5. quidni sciam?: Mit quidni werden häufig (v.a. in der Komödie) ironische rhetorische Fragen eingeleitet, vgl. z.B. Plaut. Stich. 333 quid agam rogitas? : : quidni rogitem ? Siehe PETERSMANN 264; HSz 4 5 8 §244 und 837 §58. inquit consurrexitque et coepit me praecedere: Die Häufung der Verben drückt die Entschlossenheit und den Tatendrang der Alten aus. Das volkstüm liche Kompositum con.�urgere erscheint bei Petron häufiger als surgere (vgl. z.B. Sat. 60,7; 72,4), vgl. eine Auflistung der in den Sat. zahlreichen Komposi ta mit con- bei MARBACII 1 93 1 , 82-7. § 7,2 divinam ego putabam et ... subinde ut in locum secretiorem venimus, centonem anus urbana reiecit et 'hic' inquit 'debes habitare': Ich hielt sie fiir eine Seherin, und . . . als wir unmittelbar darauf an einen ziemlich abge schiedenen Ort kamen, riss die Alte einen Vorhang auf und sagte: "Hier musst du wohnen ! " divinam ego putabam: Der Erzähler erklärt und entschuldigt seinen folgen schweren Irrtum, den putaham vorwegnimmt. ,,Er ordnet seine Welt, er inter pretiert und definiert Situationen, indem er Rollenzuweisungen vornimmt, die sich jedoch hier und auch im Folgenden als Fehlinterpretationen herausstellen" (MALITS-FUIIRER 2002, 87), vgl. Sat. 1 5,8. divinam: "Wahrsagerin, Seherin, Zauberin" (TLL 5 . 1 625.8ff.; OLD s.v divinus 6 "able to know future or hidden things, forseeing, second-sighted"), vgl. z.B. Mart. 3,7 1 ,2 non sum divinus, sed seio quidjacias. Für Enkolp ist die anicula eine Retterin mit übernatürlichen Fähigkeiten, die ihm in der Not den Weg weist. Dieses Motiv gibt es bereits in Horn. Gd. 7 , 1 3-77 (Athene fUhrt Odysseus) oder Verg. Aen. I , 3 1 4ff. (Venus geleitet ihren Sohn nach Karthago), Aen. 6, 1 24ff. (Sibylle, eine echte divina, weist Aeneas den Weg in die Unterwelt). Tatsächlich ist sie eine typische vetufa (RICIILIN 1 992, 1 94). FEDELI 1 98 1 a, 1 1 0 spricht von einer "falsa Arianna" (schon CtAFFI 1 955, 26), siehe dazu oben Sat. 6,4 aniculam. ego: Lesart von L, während 0 ergo (verteidigt von vAN TIIIEL 1 97 1 , 73, dagegen MÜLLER 1 978, 749) überliefert. Dieselbe Varianz in den Handschrif ten findet sich in Sat. 9,3 und 1 0, 1 . Personalpronomen werden bei Petron häu fig verwendet (über 90 Belege für ego in den Sat. ), v.a. wenn wie hier zuvor
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von einer anderen Person die Rede war. Siehe dazu PETERSMANN 45-8 ; HOF MANN 1 00f. §95. et ... subinde ut: Die Lücke ist von BÜCIIELER ] -t; gesetzt (ebenso ERNOUT, MÜLLER, GIARDINA-MELLONI; VAN TlIIEL 1 97 1 , 73). Sie ist nötig, um die Periode aufzutrennen, da sonst ein unüblicher Subjektswechsel innerhalb eines Satzes vorläge. Am überzeugendsten ist der Zusatz <subsequi coepl> von BÜCIIELER ] im App., der leicht durch ' saute du meme au meme' ausgefallen sein kann und vom parallelen Sat. 72,4 nudisque consurrexit pedibus et Tri malchionem gaudentem subsequi < coepit> gestützt wird. ut in locum secretiorem venimus: secretiorem geht auf BR zurück (verteidigt von PETERSMANN 1 1 2), während IdmrtP das banalere secretum überliefern. Zur Vorliebe Petrons für den Komparativ siehe PETERSMANN I l l f. Bordelle befanden sich meist in etwas abgelegenen Gegenden, siehe dazu HERTER 1 960, 85-8; BLÜMNER 369; McGINN 2004, 24 1 f. centonem reiecit: Der cento, ein aus verschiedenen Stoffen zusammenge flicktes Textil (Decke, Kleidungsstück, hier ein Vorhang, siehe DAREMBERG SAGLIO s.v. cento), betont die Schäbigkeit des Lokals. In den meisten Etablis sements war der Eingang mit einem Vorhang verhängt, vgl. Juv. 6, 1 2 1 intravit calidum veteri centone lupanar (oder mit einem velum bei Mart. 1 ,34,5f. al meretrix abigit testem veloque seraque / raraque Summemmi fornice rima patet). anus urbana: In dem Wortwitz, dass die anicula . . . quae agreste holus vende bat ( rustica) sich nun als urbana ("witzig, geistreich") erweist, vollzieht sich die Verkehrung der harmlosen Landfrau in ihr Gegenteil. Zugleich nimmt urbana das vorangegangene urbanitale (Sat. 7, 1 ) wieder auf: Die lustige Alte steigt auf Enkolps vermeintlichen Scherz ein. hic debes habitare: Mit habitare scheint Petron auf eine Anekdote anzu spielen, die es mindestens seit Horaz (sat. 1 ,2,3 1 -5) gibt: Cato trifft einen Jungen, der gerade aus dem Bordell kommt: quidam notus homo cum exiret fomice, 'macte / virtute esto ' inquit sententia dia Catonis; / 'nam simul ac venas inflavit taetra libido, / huc iuvenes aequom est descendere, non alienas / permolere uxores '. Im Kommentar von Ps. Acro (Schol. Hor. carm. 1 ,2,3 1 p. 20K) ist der zweite Teil der Anekdote überliefert: Catone transeunte quidam exiit de fornice; quem, cum fugeret, revocavit et laudavit. postea cum frequen tius eum exeuntem de eodem lupanari vidisset, dixisse fertur: adulescens, ego te laudavi, tamquam hic intervenires, non tamquam hic habitares. debes: debere oszilliert hier (wie auch im Deutschen) semantisch zwi schen Notwendigkeit und Vermutung. Vgl. ebenso Sat. 33,8 nescio quid boni debet esse; 49,7 plane . . . hic debet servus esse nequissimus. In dieser abge schwächten Bedeutung ist debere im volkstümlichen und späteren Latein häu.••
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fig, findet sich aber bereits in Cic. Brut. 76 nec vero tibi aliter videri debet. Siehe PETERSMANN 1 86f. § 7,3 cum ego negarem me agnoscere domum, video quosdam inter titulos nudasque meretrices furtim spatiantes: Während ich noch versicherte, dass ich das Haus nicht kannte, erblickte ich ein paar Männer, die verstohlen zwi schen Schildern und nackten Huren umherschlichen. negarem me agnoscere domum : Der naive Enkolp hat noch nicht begriffen, dass er hinters licht geführt wurde. video: Das Präsens historicum ersetzt bei Petron gerne das Perfekt. Der Wech sel von Perfekt/Imperfekt und Präsens kann wie hier sogar innerhalb des glei chen Satzes erfolgen, vgl. (Präs. hist. neben Imperfekt) Sat. 49,5; 55, 1 . Siehe dazu HSz 307 § 1 7 1 und 55 1 §297b; KST 1 1 1 86 § 1 8 1 ; PETERSMANN 1 69f. quosdam furtim spatiantes: Männer streifen verstohlen zwischen den Bordelldirnen umher. Der Vorschlag FRAENKELS (MÜLLER I ), quosdam in quasdam zu ändern und das -que von nuda.� zu tilgen, ist unlogisch: Im Gegen satz zu den Frauen dürfte es den Männern durchaus unangenehm gewesen sein, an diesem verruchten Ort angetroffen und erkannt zu werden. So verhüllt im Folgenden auch Enkolp sein Haupt (Sat. 7,4 operui caput). spatiantes (drpO) kommt im Gegensatz zum vulgäreren Kompositum conspatiantes (lmt; prob. MARBACII 1 93 1 , 86; PARATORE 11 30 Anm. I) bei Petron noch an vier weiteren Stellen vor, u.a. Sat. 1 26,3 spatiantem vidi. inter titulos: lesart von Op. Varianten wie inter viculos (drt) oder internucu los (Im) etc. sind abzulehnen. Die umherstreifenden Männer prüfen das Ange bot, indem sie sich die gerade freien Prostituierten sowie die Schilder ansehen, die über jeder Kammer hängen (wie schon TORNAESruS in tm bemerkt "taber narum meretriciarum inscriptiones"). Auf den Schildern standen die Namen der Prostituierten, vgl . Juv. 6, 1 23 prostitit . . . titulum mentita Lyciscae mit Schol. Juv. 6, 1 23 quoniam in cellis nomina meretricum fuerant superscripta; Sen. contr. 1 ,2, 1 deducta es in lupanar. accepisti locum. pretium constitutum est. titulus inscriptus est; 1 ,2,5 meretrix vocata es. in communi loco stetisti. superpositus est cellae tuae titulus. venientem recepi.�ti; 1 ,2,7 nomen tuum pependit in fronte; Mart. 1 1 ,45, 1 intrasti quotiens in.�criptae liminae cellae. Nach Plaut. Asin . 760 in foribus .�cribat occupatam esse se konnte man den Schildern auch entnehmen, wer frei und wer besetzt war. Unklar ist jedoch, ob darauf auch die Dienstleistungen und Preise der Prostituierten vermerkt waren - einziger Fund im Inneren eines Bordells ist Cil 4,2228 Victoria a(.rsibus) V. Siehe McGINN 2004, 39 mit Anm. 1 77 und 286 Anm. 75; VARONE 2005, 99 mit Anm. 36. Einige Interpreten halten es für unpassend, dass tituli gemeinsam mit me retrices genannt werden, und ersetzen sie durch ein Personen bezeichnendes Substantiv. Die Versuche wirken alle sehr bemüht: z.B. SULLIVAN 1 970, 1 88 •••
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vetulas (vgl. Sat. 28,4); KLUSSMANN 1 863 intercutitos ( vehementer cutitus valde stupratus). Dasselbe gilt für andere interpretationen von titulos: GoLD BERGER 1 930, 46-5 1 fasst tituli (titus "Taube, Penis") als Gehilfen der me retrice.v auf, sowie auch STEINBERG 1 996 und 1 996a titulos metonymisch versteht für "esclavos dei fomix", die wie Sklaven auf dem Markt ein Schild um den Hals tragen. nudasque meretriees: meretrix gehört zu den geläufigsten Begriffen für Pros tituierte und wird auch im gehobenen Latein verwendet. Siehe ADAMS 1 983, 326. Von Bordelldirnen wird öfters berichtet, dass sie unbekleidet (nudae) vor ihren cellae standen (vgl . Sen. contr. 1 ,2,7; Juv. 1 0,239) oder saßen (vgl. z.B. Ov. Pont. 2,3,20; Isid. orig. 1 0,229; Juv. 3 , 1 36; Mart. 6,66,2). Vgl. dazu Ov. trist. 2,309f. .vaepe supercilii nudas matrona severi / et Veneris .vtantes ad genus omne videt; J uv. 1 1 , I nf. nudum olido stans /fomice mancipium; Cass. Dio 79, 1 3,3 YUJ.1vo� (scil. 0 !(XpöavaltaUo�) t' aEi Elt\ 6Upa� autoii (scil. ltaMxtiou) eatlil<; itKrnep (Xi ltOpval. Mitunter wird Kleidung erwähnt: Juv. 3 , 1 3 5 cum tibi vestiti facies scorti placet. Vielleicht muss man sich die Dirnen auch in leichter (transparenter) Gewandung (Sat. 55,6 V . 1 5f. aequum est in duere nuptam ventum textilem, / palam prostare nudam in nebula linea ?; Sen. contr. 1 ,2,7 ea veste quam leno dederat) oder mit entblößtem Oberkörper (Juv. 6, I 22f. nuda papillis / prostitit aurati.v) vorstellen. Siehe HERTER 1 960, 93 . Möglicherweise trugen nur die vornehmeren Dirnen Kleider und unterschieden sich dadurch von den niedrigeren, vgl. Tac. anno 1 5,37,3, der den lupanaria inlustribusfemini.v completa die scorta nudis c01poribu.v gegenüberstellt. =
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§ 7,4 tarde, immo iam sero intellen me in fomieem esse deduetum. exeera tus itaque anieulae insidias operui eaput et per medium Iupanar fugere eoepi in alteram partem, eum eeee in ipso aditu oeeurrit mihi aeque lassus ae moriens Aseyltos; putares ab eadem anieula esse deduetum: Spät, ja allzu spät wurde mir klar, dass ich in ein Bordell verschleppt worden war. So verfluchte ich den Streich der Alten, verhüllte meinen Kopf und machte mich, mitten durch das Bordell, auf die Flucht in den anderen Teil, als mir, siehe da, gerade am Eingang - gleich mir wie zu Tode erschöpft - Askylt entgegenlief. Man hätte glauben können, er sei von derselben Alten verschleppt worden. tarde, immo iam sero inteIlen: Selbstkritischer Kommentar des Erzählers Enkolp (v.a. iam sero). in fornieem esse deduetum: fomix (ursp. "Gewölbe, Mauerbogen", TLL 6. 1 . 1 I 26.56ff.) ist eine gebräuchliche Bezeichnung für ein Bordell (so zuerst bei Hor. sat. 1 ,2,30f.; epi.vt. 1 , 1 4,2 1 ), Synonym zu lupanar, siehe oben Sat. 6,4. Um Kunden ins Bordell zu locken, setzten Bordellwirte oder -besitzer Mittler-linnen ein (v.a. in der Komödie und Elegie, siehe HERTER 1 960, 88 mit Belegen) oder heuerten Schlepper an (vgl. Plaut. Men . 33 8-43 morem hunc
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meretrices habent: / ad portum mittunt servolos, ancillulas; /.../ si pellexerunt, perditum amittunt domum; Suet. Cal. 4 1 , 1 misit circum fora et basilicas no menclatores ad invitandos ad libidinem iuvenes senesque). Auch Prostituierte zerrten bisweilen männ liche Passanten mit sich (z.B. Theophr. char. 28,3 ; Isid. orig. 1 8,42,2). Siehe STUMPP 1 998, u.a. 23 5; McGINN 2004, 37 mit Anm . 1 65 . execratus aniculae insidias: Enkolp verflucht d as Verhalten der Alten zu Unrecht als Streich. War er es doch, der erstens eine so unglaubwürdige Frage gestellt hat und zweitens naiverweise meinte, sie könne sie beantworten. operui caput fugere coepi ... cum ecce ... occurrit: Perfekt im Hauptsatz vor einem cum inversum ist sehr selten (bei Petron noch in Sat. 27, I), siehe PETERSMANN 277; HSz 623 §333. Das cum inversum (siehe dazu ausfUhrlich ROEMER 1 96 1 , 205-9; PERROCIIAT 1 940, 287f.) drückt hier eine überraschen de Entwicklung in der Erzählung aus, was zusätzlich durch ecce verstärkt wird. Dass das Subjekt Ascyltos ganz am Schluss steht, sorgt fUr einen Überra schungseffekt (mit ecce auch in Sat. 1 36,4 cum ecce tres anseres [L : et ecce 0]). operui caput: Sich den Kopf zu bedecken hat verschiedene Bedeutungen, hier als Gestus der Scham, vgl. z.B. Sat. 1 1 0,4 abscondebam . . . frequentius vultum; Apul. met. 1 ,6 und HABERMEIIL ad 1 0 1 , 1 1 . Enkolp verhüllt sein Haupt, wie dies Männer im Bordell allgemein zu tun pflegten, vgl . HoT. sat. 2,7,53-6 tu cum proiectis insignibus, anulo equestri / Romanoque habitu, prodis ex iudice Dama, / turpis odoratum caput obscurante lacema, / non es quod simulas?; Hist. Aug. V 4,6 ut vaga< re> tur nocte per tabemas ac lupa naria obtecto capite cucullione vulgari viatorio; Hel. 32,9 tectus cucullione mulionico, ne agnosceretur; Hist ApolI. 34 velato capite lupanar ingreditur. Mit entblößtem Haupt ins Bordell zu gehen war ungewöhnlich, daher die Er wähnung in Plaut. Capt. 475 deforo tam aperto capite ad lenones eunt. Siehe VORBERG 3 1 7f. ; TLL 3 . 3 87.2 I ff. ("caput operire, tegere, sim."). per medium lupanar ... in alteram partem ... in ipso aditu : Römische Bor delle wurden oft lupanar genannt (von lupa "Wölfin, Hure", TLL 7.2. I 846.34ff.). Logischer wäre es, Enkolp hätte durch den eben durchschrittenen (näher gelegenen) Eingang zu fliehen versucht, statt sich noch weiter ins Bordell hineinzubegeben. Die Flucht nach vom ist aber dramaturgisch notwendig: Sie fUhrt zur Begegnung mit Askylt. Die altera pars kann "die andere Seite" des Bordells (vgl . z.B. Caes. GaU. 2,24, I aliam in partem fogam petebant; Lucr. 4,445f. ire . . . / . aliam in par tern) oder einen "anderen Teil" bezeichnen, der jedoch nicht weiter definiert werden kann, da es keinen festen Bautyp fUr ein Bordell gab. Die jeweilige Form scheint sich stark an der vorhandenen Bausubstanz orientiert zu haben. Im noch erhaltenen Bordell des Africanus und Victor in Pompeji im Vicolo dei •.•
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Lupanare (lnsula Vll, 1 2 , 1 8-20) fLihrt ein Haupteingang in einen Gang, an dem fUnf kleine Kammern mit Betten gelegen sind, sowie zu einer Latrine, neben der sich ein zweiter Ein- bzw. Ausgang befindet. Ein dritter Eingang fLihrt über eine Treppe ins erste Stockwerk, wo weitere neun unterschiedlich große Schlafzimmer liegen (siehe S CHNE IDER, RE s.v. meretrix, \ 023f.; VA RONE 2005). Man kann sich die Szene zudem auf zwei verschiedene Arten vorstellen: I . Enkolp trifft noch am selben Eingang (ipso), durch den er hereingekommen ist, auf Askylt (eoepi wäre ingressiv zu verstehen, so dass Enkolp noch gar nicht losgelaufen ist). Gegen diese Annahme spricht aber, dass die langen Ausfüh rungen (per medium lupanar fugere eoepi in alteram partem) dann lediglich als möglicher Fluchtplan im Kopf Enkolps stattfanden. 2. Enkolp rennt mitten durch das Bordell (eoepi abgeschwächt) und trifft auf Askylt am Ein-/Ausgang des anderen Teils (so z.B. BRANlIAM-KINNEY : "But when I reached the door way, I ran smack into AscyltosU). Dabei könnte man aber falschlicherweise meinen, Askylt betrete das Bordell gerade erst, was nicht sein kann aeque lassus ae moriens: aeque (seil . ae ego). lassus et moriens spielt im Sinne eines Oxymorons mit Askylts Namen (siehe oben Sat. 6, 1 Aseylti). Askylts Zustand verrät, dass auch er das Bordell nicht freiwillig aufgesucht hat, und lässt Enkolp vermuten, seinem Gefahrten sei Ähnliches widerfahren wie ihm selbst (Sat. 6,4fatigatus et sudore iam madens). putares ab eadem anicula esse deduetnm: Tatsächlich wurden Enkolp und Askylt in dasselbe Bordell verschleppt, und zwar auf durchaus vergleichbare, wenn auch nicht auf dieselbe Weise. Der Kommentar des Erzählers bereitet den Leser auf die entsprechende Geschichte Askylts vor. Die Ellipse des Subjektsakkusativs (putares seil. eum), wie sie bei Petron öfter vorkommt, ist ein Charakteristikum der Alltagssprache, siehe dazu PE TERSMANN 4 1 ; HSz 362 § 1 99; KST I 700f. § 1 27 und 1 79 §46. Vgl. bei Petron Sat. 1 5,4 exhibiturumque [seil. se] erastino die affirmabat; 9 1 , 1 scires non libenter servire; 9 1 ,3 supprimere ego querellam iubeo u.a. Ebenfalls umgangssprachlich ist der unpersönliche Gebrauch der 2. Pers. des Potentialis (wie auch bei anderen Verben: scire.�, erederes etc.), der bei Petron ebenfalls häufig auftritt, siehe z.B. putes in Sat. 3 7,6; 47,3 etc.; putares in Sat. 22,5; 23,5 etc . ; putasses in Sat. 76, 1 1 . Zugleich wird mit dieser Verb form auch der Leser angesprochen, wodurch dem Erzählten zusätzlich Nach druck verliehen wird. .
§ 7,5 itaque ut ridens eum eonsalutavi, quid in loeo tam deformi faeeret quaesivi: Als ich ihn also lachend begrüßte, fragte ich, was er an einem so verruchten Ort mache.
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ridens: Enkolp lacht aus Verlegenheit oder Erleichterung darüber, einen Lei densgenossen (und Askylt) gefunden zu haben - und evtl. darüber, dass Askylt nicht bei Giton ist, vgl. oben Sat. 6,2 cursim persequi coepi. eum consalutavi: Das Kompositum kann auch bei Begriiß ungen von nur einer Person stehen, TLL 4.358.74ff. ("de singulis"), z.B. Sat. 1 3 1 ,3 me con.mluta vit, Apul . met. 8,3 1 jilio suo parvulo con.mlutato. in loco tarn deformi: Bordelle waren zwar auch fUr ihre misslichen (baulichen und sanitären) Verhältnisse bekannt (vgl. z.B. Plaut. Poen. 834f. in totis aedi bus I tenebrae. latebrae; Apul. met. 7, 1 0 lupanaris spurci sordidique), doch ist deformis hier in erster Linie eine metaphorische Umschreibung des verruchten Ortes (d.h. ignominiosus). Zu tam siehe oben Sat. 7, I urbanitate tam stulta.
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Kapitel 8 Askylt berichtet von seinen Erlebnissen. Auch er wurde ins Bordell gelockt. § 8,1 sudorem ille manibus detersit et 'si scires' inquit 'quae mihi accide runt'. 'quid novi?' inquam ego: Er wischte sich mit den Händen den Schweiß ab und sagte: "Wenn du wüsstest, was mir passiert ist!" "Was gibt's Neues?", fragte ich. sudorem manibus detersit: Parallel zu Sat. 6,4 fatigatus et sudore iam madens. sudorem ist durch die Anfangsstellung betont. Zum Ausdruck vgl. Tac. anno 1 6,4,3 ne sudorem nivi ea, quam indutui gerebat, veste detergeret; Suet. Nero 24, I ut numquam excreare ausus sudorem quoque frontis brachio detergeret. si scires: Der selbständige si-Satz ohne Hauptsatz ist volkstümlichen Charak ters und erscheint formelhaft (wie auch im Deutschen), vgl . Plaut. Pseud. 749 und Ter. Haut. 764 at si scias quam seite in mentem venerit; 770 immo si scias; Sen. contr. 1 ,6,7 0 si scires, quam dives et haec fitisset! Siehe P ETERSMANN 1 95f. ; HOFMANN 52 §56; HSz 33 1 § 1 85 . quae mihi acciderunt: Dies ist die einzige Stelle i n der urbanen Prosa der Sat., an der lnd. statt Konj . im indirekten Fragesatz auftritt, siehe dazu PE TERSMANN 265. Man könnte den Satz aber auch relativisch auffassen, die Grenze ist fließend, vgl. PETERSMANN 268; LÖFSTEDT, Synt. II 8 1 f. Anm . 2; HSz 555 §298a und 538 §294y. quid novi?: quid novi ist eine stehende Redewendung. Die Verbalellipsen sind der lebendigen Alltagssprache eigen, v.a. die Ersparung des lnd. Präs. von esse in Fragesätzen ist verbreitet, siehe HSz 42 1 §2231;; . Vgl. z.B. Cic. de orat. 2, 1 3 Crassus 'numquidnam ' inquit 'novi '?;fam. 1 1 ,27, 1 . ..•
§ 8,2 at ille deficiens 'cum errarem' inquit 'per totam civitatem nec inve nirem quo loco stabulum reUquissem, accessit ad me pater famiUae et ducem se itineris humanissime promisit: Jener aber, am Ende seiner Kräfte, sagte: ,,Nachdem ich durch die ganze Stadt geirrt war und nicht herausgefun den hatte, wo ich die Herberge zurückgelassen hatte, trat ein väterlicher Typ an mich heran und versicherte mir aufs liebenswürdigste, mir den Weg zu zeigen. deficiens: V gl. oben Sat. 8, I sudorem . . . manibus detersit. cum errarem per totam civitatem nec invenirem quo loco stabulum reUquissem: Vgl . oben Enkolp, Sat. 6,3f. sed nec viam diligenter tenebam [quiaJ nec quo stabulum esset sciebam. itaque quocumque ieram, eodem re vertabar. Zum hyperbolischen per totam civitatem vgl. Sat. 1 0,5 per fotam urbem und 1 1 , I totam urbem. stabulum: Siehe dazu unten Sat. 9, 1 0 . deversorio . . . •.•
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pater familiae: pater familiae hier zur respektvollen Bezeichnung eines ver trauenswürdigen älteren Mannes, vgl. z.B. Cic. de orat. 1 , 1 32 qui sicut unus pater familias his de rebus loquor; Quinct. 1 1 sane ceterarum rerum pater familias et prudens et attentus; Sen. epist. 64,7 agamus bonum patrem famili ae. Der Eindruck eines freundlichen älteren Herrs wird im Fortgang der Ge schichte getäuscht, ähnlich dem der anicula in Sat. 6,4-7,2. Zur Anrede eines Unbekannten mit pater vgl. auch Sat. 98,8; 1 00,5 ; DICKEY 2002, 1 20--3 . 348. Die Lesart familiae stammt von 0, während Idtp familias haben. Beide Formen existieren parallel nebeneinander (Prise. gramm. 11 1 98,7; 1 99,7 dici tur . . . et 'pater familiae ' et 'patres familiae ), Petron verwendet aber stets die Form auf -ae (in Sat. 27,2 z.B. ist pater familiae einhellig überliefert). humanissime: Ähnlich wie oben in Sat. 6,4 der Diminutiv anicula streicht das superlativische Adverb hier den positiven Charakter des vermeintlichen Hel fers heraus. Umso deutlicher ist der Kontrast, als dessen niedere Absichten zutage treten. Zu humanitas bei Petron siehe EßERSßACII 1 995, 1 95-9. dueem se itineris ... promisit: Zur Ellipse von esse im Acl siehe PETERS MANN 4 1 -5 . § 8,3 per anfraetus deinde obseurissimos egressus i n hune loeum me per duxit prolatoque peeuUo eoepit rogare stuprum: Auf dunkelsten Umwegen ftihrte er mich dann an diesen Ort, zog sein wertes Stück und begann, Sex von mir zu verlangen. per anfraetus deinde obseurissimos egressus me perduxit: anfractus für "flexus viae" (TLL 2.43 . 1 ff.), vgl. Apul. met. 3, I 0 per quosdam anfra< c> tus domum suam perduxit. Das stützende Partizip e-gressus scheint zwischen per und per-duxit auf den ersten Blick unpassend, doch findet sich egredi mit per häufig, vgl. z.B. Ov. met. 4,93f. per tenebras ... / egreditur; TLL 5.2.28 1 .36ff. in hune loeum: Die Ortsangabe steht analog zu in locum secretiorem in En kolps Erlebnis (Sat. 7,2) . prolatoque peeulio: peculium wörtl. "privater Besitz", "Vermögen" (so PRESTON 1 9 1 6, 45 ) , metaphorisch-obszön ,,männliches Glied" (so ADAMS 43f. ; VORBERG 445 ; SEGEßADE-LoMMATZSCH S.v. peculium; SOVERINI 1 978, 263 f. ; GAGLIARDI 1 980, 47 Anm . 1 4; PELLEGRIN02 I 74f. ) . Hier schwingen beide Bedeutungen mit: Es wird Geld o.Ä. als Bezahlung angeboten (TLL 1 0. 1 . 932.62 "de pecunia"); zugleich wird auf das männliche Geschlechtsteil angespielt (,,zog sein Glied heraus") - der Ausdruck vereint also heide Aspekte des angebotenen Deals. Diese Ambiguität begegnet uns auch im Streit in Plaut. Pseud. I I 87ff. mea quidem haec habeo omnia. / meo peculio empta. :: nemp ' quod femina summa sustinent. Im selben Sinn Hist. Aug. Hel. 9,3 prodebatur autem per eos maxime. qui dolebant sibi homines ad exercendas libidines bene ••.
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vasatos et maioris peculii opponi; Priap. 52,6f. accedent duo, qui latus tuentur, / pulcre pensilibus peculiati; Plaut. Pers. 1 92 atque ob istanc rem ego aliqui te peculiabo. coepit rogare stuprum: stuprum bezeichnet jede Art des widerrechtlichen Geschlechtsverkehrs, hier die gewaltsame Nötigung (des passiven Partners) zur pedicatio (siehe dazu FANTIlAM 1 99 1 , 270; ADAMS 20Of.). Der Akt kann wie hier homosexuell sein, vgl. Sen. contr. 3 ,8 ibi cum de stupro filii mentio esset. Siehe OLD s.v. stuprum 2; ADAMS 200f. Zu rogare vgl. Sen. contr. 2,7,6 rogata stuprum tacet/ Sogar absolutes ro gare kann die erotische Nebenbedeutung im Sinn von concubitum rogare haben, vgl. Hor. epod. 8, 1 ; Ov. am. 1 ,8,43f.; Catull. 8, 1 3f.; Sat. 87, 1 ; OLD s.v. rogare 7c; PICIION 254; VORBERG 563 . § 8,4 iam pro cella meretrix assem exegerat, iam iIle mihi iniecerat ma num et nisi valentior fuissem, dedissem poenas' ... : Schon hatte eine Dirne fUr ihre Zelle ein As gefordert, schon hatte jener Hand an mich gelegt, und wenn ich nicht der Stärkere gewesen wäre, hätte ich Strafe gezahlt" . . . iam ... iam: D as anaphorische Nebeneinander mehrerer iam wirkt beschleuni gend und steigernd. Es ist belegt seit Verg. ecl. 4,43f. (v gl. TLL 7 . 1 . 1 1 8 .60ff.) und findet sich bei Petron häufig, u.a. iam - iam: Sat. 9 1 ,7; 1 1 4,9; iam - iam iam : 53,9f.; 1 32, 1 . In vielen Fällen folgt ein cum invers um . o überliefert den ersten iam-Satz nicht, was sich leicht durch 'saut du meme au meme' erklären lässt. Es besteht deshalb kein Anlass, den Satz mit VAN TiITEL 1 97 1 , I I zu streichen, vgl. auch MÜLLER 1 978, 749. pro cella: cella steht hier fUr die Kammer einer Dime (TLL 3.760.3ff.), vgl. Juv. 6, 1 1 6-32, bes. 1 22 ce/lam vacuam atque suam; für weitere Stellen siehe oben Sat. 7,3 inter titulos. Die Prostituierte vermietet ihr Zimmerlein auf eigene Rechnung weiter. Dass Bordelle gleichzeitig auch als Stundenhotels genutzt wurden, legen ar chäologische Studien aufgrund der Inschriftenbefunde in Pompeji nahe, siehe VARONE 2005 , v.a. 94-9; McGINN 2004, 38; 2 1 7; BLÜMNER 370 Anm . 4; pro muss deshalb nicht mit ADAMS 1 983, 330 mit "vor" übersetzt werden. assem exegerat: Die Dime nimmt das Geld gleich am Anfang selbst in Emp fang. Es handelt sich hier nur um die Raummiete, weil der pater familiae in dem Bordell lediglich eine Kammer benötigt - den Sexualpartner hat er ja schon mitgebracht. Ein As ist hier der Preis fUr ein Bordellzimmer ohne Service. Sexuelle Dienstleistungen kosteten mehr, in Pompeji zwei As bis vier Sesterzen (DIEIIL 1 9 1 0, 455-7. 460--5 . 467-70. 1 02 1 f. u.a. ; MORENO 1 964, 64 Anm . 5 1 ). Bei Martial kostet eine plebeia Venus zwar nur ein bzw. zwei As (Mart. 1 , 1 03 , 1 0 asse cicer tepidum constat et asse Venus; 2,53,7 s i plebeia Venus gemino tibi iungitur asse), an diesen Stellen wird jedoch die Billigkeit der Dirnen beson-
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ders hervorgehoben. Siehe HERTER 1 960, 80f.; BLÜMNER 368 mit Anm . 7; SCHNEIDER, RE, s.v. meretrix, 1 025; DUNCAN-JONES 1 982, 246; McGrNN 2004, 40-55; STUMPP 1 998, 2 1 6. Zu den in den Sat. genannten Münzen siehe REECE 1 98 1 , 26f.; BODEL 2003 . ille mihi iniecerat man um: Die J unkt ur manum inicere, die nicht immer einen Gewaltakt darstellen muss (z.B. Sat. 9 1 ,9 inieci cervicibus manu.�), bezeichnet hier einen aggressiven Übergriff, vgl. TLL 8.360.79ff. ("vim inferre"); eben falls im gewalttätigen sexuellen Sinn Hor. carm. 1 , 1 7 ,25f. ne male dispari / incontinenti.� iniciat manus; Ov. ars 1 , 1 1 6 virginibus. cupidas iniciuntque manu.�. Vgl. dagegen unten Sat. 1 4,5 iniecit . . . manum, wo das Handaniegen juristischen Zwecken dient. nisi valentior fuissem: Askylt ist - passend zu seinem Namen - der körperlich Stärkere, vgl. oben Sat. 6, 1 A.�cylti und unten 9,7. dedissem poenas: Einige Übersetzer fassen den Ausdruck idiomatisch auf im Sinn von "wäre es mir schlecht ergangen" (z.B. EHLERS : ,,hätte er mir übel mitgespielt"). Die Formulierung kann hier jedoch als Euphemismus für "futu tus essern" mit der Bedeutung einer Vergewaltigung als Strafe aufgefasst wer den, wie es das mancherorts für Ehebrecher oder auch für Obst- und Gemüse diebe gab, vgl. Priap. 24,3 /ur habeas poenam; 5 1 ,27 nimirum apertam convolatis ad poenam; 77, 1 1 poenas do. Eine eher kryptische Auslegung bietet LEFEvRE 2007, 1 57f. , indem er meint, dass Askylt "besonders lässig flaniert" und damit den pater familiae glauben macht, er biete ihm seine Dienste an. Für seine ,,'sträfliche' Noncha lance" muss er dann fast büßen (so LEFEVRE 2007, I 57f.). Umgekehrt meint JENSSON 2004, 79, dass Askylt viel eher unschuldig wirkte und der paterfami Iiae dies auszunutzen trachtete . : Der vorangegangene Satz ist inhaltlich und grammatisch vollständig und scheint Askylts Erlebnisbericht abzuschließen. Er lässt sich jedoch nicht naht los an das folgende Satzfragment anschließen (adeo), weshalb es angebracht ist, mit p2 und den modemen Editoren ein Lückenzeichen zu setzen. Die Überlieferung von 0 endet hier und setzt erst bei Sat. 1 6 wieder ein (eine Ausnahme bildet Sat. 9,5). ••.
adeo ubique omnes mihi videbantur satyrion bibisse nen alle rundherum Satyrion getrunken zu haben.
*:
So reichlich schie
Dem Satz fehlen Anknüpfungspunkte an das zuvor und danach Gesagte, er bildet ein isoliertes Fragment. Es scheint auf einen Vorfall angespielt zu wer den, von dem das verlorene Textstück vor adeo berichtete: das Aufueten eines Lüstlings, der sich an den Protagonisten vergreifen wollte und von diesen später erfolgreich abgewimmelt werden kann (Sat. 8,4 mole.�tum). Weniger wahrscheinlich ist, dass der Satz noch zu Askylts Erzählung gehört.
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Kap. 8
Die Erwähnung des Stimulans satyrion legt zwar nahe, dass hier die lüs ternen Leute im Bordell gemeint sind. Doch ubique deutet darauf hin, dass ein Ortswechsel vorgefallen ist. VAN n ITEL 1 97 1 , 6 und 27f. vermutet, dieses und das folgende Fragment (sowie die weiteren kontextlosen Fragmentnester Sat. 1 9,6--2 1 ,3 ; 1 1 3,9- 1 3 ; 1 2 8,7- 1 29,2; 1 38) gehörten ursprünglich zu anderen Szenen. Dass dieses erste Fragment, wie VAN nITEL meint, aufgrund von saty rion besser in die Quartillaszene (vgl. Sat. 20,7 und 2 1 , I ) passe, leuchtet aller dings nicht ein. Denn hier wird ein subjektiver Eindruck geschildert, ohne dass tatsächlich ein Rauschmittel im Spiel sein muss. ubique omnes : Ironische Übertreibung. omnes spielt auf den neuen Auf dringling (molestus) an. ubique könnte ein Hinweis darauf sein, dass man sich nicht mehr im Bordell befindet. Hingegen hält ROSE 1 967, 1 3 1 ubique für inadäquat und ersetzt es durch utique. satyrion: Liebestrank zur Steigerung der sexuellen Lust, gewonnen aus der gleichnamigen Pflanze mit aphrodisierender Wirkung, beschrieben in Plin. nato 26,96--8. Siehe STUMPP 1 998, 92; McMAnON 1 998, 88 mit Arun. 84; ANDRE 1 985, 227f. Auffallend ist die Ähnlichkeit mit dem Werktitel, über dessen Bedeutung man sich bis heute nicht ganz einig ist, siehe Ein!. I . * : Die Lücke wird von allen Zeugen der L-K1asse vermerkt. iunctis viribus molestum contempsimus wir den Lästigen ab.
*:
Mit vereinten Kräften wehrten
Auch diesem Fragment fehlt der direkte Kontext. Es ist jedoch anzuneh men, dass hier ein dritter Versuch unternommen wurde, die Protagonisten zu sexuellen Handlungen zu drängen. iunctis viribus: Enkolp und Askylt sind hier noch zusammen; später kehren sie unabhängig voneinander in die Herberge zurück (siehe Sat. 9, 1 vidi . . . et . . . m e conieci). molestum : Über den lüsternen Unhold (TLL 8. 1 3 54.3 I ff. "importunus in re amatoria") erfahren wir sonst nichts. Entweder handelt es sich erneut um den pater familiae (so ROSE 1 967, 1 30; LEFEVRE 2007, 1 57 Anm . 1 6) oder, was wahrscheinlicher ist, um einen neuen Belästiger (so auch WALsn 1 5 8 Anm . 8), denn erstens ist Askylt mit dem pater familiae schon allein fertig geworden, zweitens ergibt das vorangegangene ubique omnes erst bei mindestens zwei verschiedenen Angreifern Sinn. contempsimus: Das Verb erscheint hier in der Bedeutung von "repellere" (TLL 4.637.40 und 640. 1 8ff.) und lehnt sich an "contemnere aliquem" in eroti schem Kontext an (TLL 4.637.27ff.; vgl. Sat. 1 08, 1 4 V.5 contemptus amor). *: Die Bordellszene bricht hier ab. Eine Lücke wird von allen Zeugen der L Klasse vermerkt. Verlorengegangen ist, wie sich Enkolp und Askylt dem mo-
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lestus entziehen können und wie sie sich danach trennen oder verlieren, denn Enkolp kehrt später alleine in die Herberge zurück.
Eifersuchtsstreit in der Herberge (Sat. 9-1 1 ) Sat. 9,2 vollzieht einen Schauplatzwechsel: Wir befinden uns nun in der Her berge, wo sich ein Streit zwischen den Protagonisten Enkolp und Askylt ent spannt, der mit dem gemeinsamen Entschluss endet, sich zu trennen. Endlich allein mit Giton, genießt Enkolp lang vermisste Sinnenfreuden, wird aber vom unerwartet zurückkehrenden Askylt in flagranti ertappt. Die fragmentarische Überlieferung fUhrt auch hier wieder zu einigen Un klarheiten (dazu Punkt I ). Die Szene enthält ungewöhnlich viele Peripetien und einige - möglicherweise sehr umfangreiche - Lücken. Zumindest zwi schen Sat. 1 0,3 und 1 0,4 sowie 1 0,7 und 1 1 muss Wichtiges ausgefallen sein. Dennoch lassen sich Sat. 9- 1 1 als Einheit auffassen, zumal sie inhaltlich klar aufeinander folgen und keinen Bruch aufweisen. Ebenso wie in Sat. 6-8 finden sich in der Handlung viele Symmetrien (dazu Punkt 2). Auffallig ist zudem die metaphorisch-euphemistische Sprache, die einen krassen Gegensatz zur ob szönen Thematik bildet (dazu Punkt 3).
1 . Unklarheiten Die zwei größten Unsicherheiten in diesen Kapiteln betreffen zum einen den Vergewaltigungsvorwurf Gitons gegen Askylt, zum anderen die in Sat. 1 0,6 erwähnte cena. Von Askylts Versuch, sich an Giton zu vergreifen, erfahrt der Leser (und Enkolp) lediglich durch Giton. Ob die Vergewaltigung tatsächlich stattgefun den hat oder ob Giton sich wehren konnte oder wollte, geht aus der Äußerung nicht hervor. Einige Interpreten vermuten, Askylt habe Giton gar nicht beläs tigt. Vielmehr beschuldige dieser Askylt zu Unrecht (siehe unten Sat. 9,2 ma nantes lacrimas pollice extersit). Dies ist sehr unwahrscheinlich. Askylt hätte sich gegen den falschen Vorwurf sicherlich gewehrt. Zudem ist sein sexuelles Interesse an Giton offensichtlich (Sat. 79f.). Hingegen würde es bei Giton nicht verwundern, wenn ihm Askylts "Übergriff" gar nicht so unwillkommen war, ihm gar gefiel. Dafür sprechen zum einen Stellen, die Gitons Scheinhei ligkeit und Opportunismus anprangern (wie Sat. 79,9 sive non sentiente iniuri am sive dissimulante; 9 1 ,7 supercilium altiu.� sustulit oder 93 ,4, wo Enkolp ihn ironisch als mitissimus puer bezeichnet), zum anderen die Tatsache, dass sich Giton in Sat. 79f. ohne Zögern für Askylt (und gegen Enkolp) entscheidet.
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Eifersuchtsstreit in der Herberge (Sat. 9--- 1 1 )
Enkolps eigener Besitzanspruch auf Giton gründet auf einem alten Liebes verhältnis mit diesem (Sal. 80,6 velustissimam consuetudinem; in 24,6 be zeichnet er Giton als seinen frater, in 79,9 als fraler non suu.� [=Askylt)), das er zurzeit jedoch nicht ausleben kann . Der Grund dafür ist Askylt, der in Sal. 1 0,7 als lästiger Aufpasser (custos molestu.�) bezeichnet wird. Unwahrschein lich ist daher die These von VAN TIßEL 1 97 1 , 26, dass Askylt nichts von der früheren Affäre weiß. In Sat. 9, 1 0 zeigt sich deutlich, dass dieser im Bilde ist. Mit Askylt hatte Enkolp in der Vergangenheit ebenfalls eine sexuelle Bezie hung (Sat. 9, 1 0 cuiu.v eadem ratione in viridario frater juz), nähere Angaben fehlen jedoch. Im uns überlieferten Text sind sie nunmehr Gefährten (siehe unten Sat. 9,4 tuus . . . iste frater seu comes). Die zweite Unklarheit betriffi die in Sal. 1 0,6 erwähnte cena: Askylt spricht dort von einer Einladung flir denselben Abend (hodie). Doch von dieser cena ist danach nicht mehr die Rede. Dass in den Sal. neben der Cena Trimal chionis noch eine weitere (nicht überlieferte) cena geschildert wird, ist un wahrscheinlich. Entweder findet eine solche an besagtem Abend gar nicht statt, oder die Protagonisten gehen nicht hin. Falls mit der cena die Cena Tri malchionis gemeint ist, besteht folgendes zeitliches Problem: Diese findet keinesfalls noch am selben Abend statt (Sal. 26,7 venerat iam tertiu.v dies). Möglich, dass der Gastgeber sie aufgrund wichtigerer Verpflichtungen in letz ter Minute verschiebt (so z.B. VAN TIßEL 1 97 1 , 36 - in Sat. 34,7 spricht Tri malchio von einem Essen am Vortag flir vornehmere Leute: heri . . . multo honestiores cenabant). Wahrscheinlicher jedoch ist, dass die Protagonisten die erwähnte Einladung nicht wahrnehmen. Es kann gut sein, dass sie von Aga memnon engagiert und verpflichtet wurden, an mehreren Veranstaltungen teilzunehmen. Darauf deuten das Verhalten des Dieners, der sie vor der Cena Trimalchionis aufsucht und zur Teilnahme ermahnt (Sal. 26,9), ihre Ausreden gegenüber Agamemnon am Ende der Cena (Sat. 78,8) sowie Enkolps Furcht hin, von Menelaus alleine in seinem Quartier angetroffen zu werden (Sal. 8 1 , 1 ). So kommt auch SCIIEIDWEILER 1 925, 20 1 -3 zum Schluss: ,,Agamem non scheint an Enkolp und Askylt ein großes Interesse zu nehmen. Als sie ihre erste Verabredung nicht einhalten, geht er eine zweite mit ihnen ein; damit sie dieser zweiten sich nicht entziehen, schickt er seinen Sklaven zu ihnen, der sie auf die Genüsse aufmerksam machen soll, die ihrer warten [ .. . ] ."
Eifersuchtsstreit in der Herberge (Sat. 9-1 1 )
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2. Symmetrie Die Handlungen Enkolps und Askylts verlaufen spiegelbildlich: Beide haben ein Auge auf Giton geworfen, machen sich an diesen heran und werden vom Rivalen gestellt. Beide nehmen zu unterschiedlichen Zeiten dieselben Rollen, die des Verführers und die des Anklägers, ein. As
It mit Giton Askylt vergreift sich an Giton. Askylt wird wird von Giton verra ten. 9,6 Enkolps verba 10, 4 communes sarcinulas partiamur
9,4f. 9,4f.
Enkol mit Giton 11. 1f. Enkolp vergnügt sich mit Giton. 11,2 Enkolp wird von Askylt ertappt . 11, 3f. 11, 4
Askylts verba und verbera sic dividere cumfratre nolito
Auch im Streit zwischen Enkolp und Askylt (Sal. 9,6- 1 0,3) liegt ein paralleler Handlungs- und Argumentationsverlauf vor. Auffallend ist dabei, dass Askylts Reaktionen stets eine Steigerung der Aktion Enkolps darstellen: Er erhebt seine Fäuste noch drohender, schreit lauter und bringt üblere Beschimpfungen vor. Enkol
As
9,6 9,6 9,6 9,6
intentavi in oculos A.�c.ylti man us inquam quis dici.� muliebris patientiae .\·corlum, cui IL\' ...
9,7 9,7 9,8f. 9,8 9,9f.
9,10
subduxisti te ... a praeceptoris colloquio
10, 1 10, 2
It
sublatisfortius manibus longe maior nisu clamavit non taces ... non tace.� gladiator obscene, quem .. . nocturne percussor, qui ... cuilL� ... quid ego ... cumjäme morerer? multo me turpior es tu hercule, qui ut foris cenare.� poetam lau du.�ti
Zuletzt stellen Enkolp und Askylt fest, dass beide sich von ihrem Hunger ha ben leiten lassen. Enkolp suchte die Schule auf, um eine kostenlose Mahlzeit zu ergattern, Askylt verschwand, weil er Hunger verspürte. Die Sphären der Bildung und des Essens sind in den Sat. eng miteinander verbunden, v.a. beim Gastmahl des Trimalchio: ,,La Cena propone un paradosso. Nelle intenzioni degli scholastici quella e soltanto un'occasione per soddisfare grazie al loro prestigio esigenze alimentari; per il padrone di casa e invece I'occasione buona per esibire le spiritose e sorprendenti trovate dei suo ingegno" (CONTE 2007, 1 1 3). Ferner sind die Reden in Sat. 1-5 reich an Essmetaphern. Sal. 1 1 korrespondiert darüber hinaus stark mit Sal. 79f. (ähnlich HUB BARD 1 986, 207), wo Askylt sich an Enkolp für die Vorfälle in Sat. 1 1 zu rä chen scheint.
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Eifersuchtsstreit in der Herberge (Sat. 9-1 1 )
Sat. \ Of.
Sat. 79f. 79,9
79,9
79,11
79, 1 1 79, 1 1f.
Askylt mit Giton in der Herberge cum fratre non suo alieni.l' amplexibu.l' oblitus iuri.l' humani verberibu.l' (gegen Giton), verbL� (gegen Askylt) jidem scelere violasti . . . Enkolps Vorschlag, sich zu trennen, und Askylts scheinbares Einverständnis non repugnavit ille . . . partiti manubilL�
10,7
1 1,1
1 1,4
1 1,3 1O,4f.
79, 1 2
Askylts überraschende Forderung nunc et puerum dividam us
1 1,2-4
80,1
gladium . . . strinxit
1 1,4
80,1
non fruerü . . . hai: praeda intorto circa bracchium pallio
1 1,4
80,2
Enkolp mit Giton in der Herberge Gitone meo
cum
1 1,2
bonafide exaclis . . . artissimis comp/exibus verba und verberare (gegen Enkolp) frater .l'ancti.�sime Enkolps Vorschlag, sich zu trennen, und Askylts scheinbares Einverständnis communes sarcinu/as partiamur . . . non reLusavit As
Wieder ist eine Steigerung vorhanden: Erstens ist Enkolp beim Übergriff an Giton in Sat. 79 sogar (betrunken und schlafend) anwesend, zweitens kann Askylt auch in Sat. 79, wo er der Beklagte ist, Oberhand gewinnen und die Szene bestimmen.
3. Sprache Auffallend ist in dieser erotisch-obszönen Szene die Sprache. Die Protagonis ten drücken sich in Metaphern, Euphemismen und mehrdeutigen oder vagen Umschreibungen aus. Umschweifig schildert Giton den Vergewaltigungsver such (Sat. 9,3-5): Ein mythisches Zitat beschreibt den versuchten Übergriff, die pleonastische Verbalkonstruktion coepit + velle + Inf. schwächt ab, der bildhafte Ausdruck pudorem extorquere für stuprum facere beschönigt, gladi um evoziert mentula. Enkolp und Askylt vermeiden in ihren Invektiven tabui sierte Ausdrücke und verwenden als Schimpfwörter u.a. Verbrecherbezeich nungen (Sat. 9,8 gladiator; 9,9 percussor; vgl. mit Ausnahme der Freigelassenengespräche auch sonst: latro in Sat. 98,6 und 1 07, 1 5; seelerate in 1 37 , 1 ) oder werfen ihrem Gegner Weiblichkeit vor (Sat. 9,6; so auch in 8 1 ,4f.), siehe dazu auch GAERTNER 2003 , 1 26-8.
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Kapitel 9 Gitons Vorwurf, von Askylt vergewaltigt worden zu sein, löst einen Streit zwischen Enkolp und Askylt aus. § 9,1 quasi per caUginem vidi Gitona in crepidine semitae stantem et in eundem locum me conieci : Verschwommen sah ich Giton auf dem Geh steig der Gasse stehen und stürzte ebendorthin . . . •.•
Enkolp ist alleine unterwegs (vidi und m e conieci i m Sing.) und tri fft plötzlich auf Giton. Die Lücke vor diesem Textstück könnte recht umfangreich sein, da einige Zeit vergangen sein muss, während der sich Askylt über Giton hergemacht hat (siehe dazu Ess. 9- 1 1 , I ). Vennutlich stürzte Giton (so kann man mit CIAFFI 1 955, 27; PARATORE II 33 annehmen) direkt nach dem Über griff aus dem Zimmer, um nach Enkolp zu suchen. Ein ganz ähnliches Wieder sehen mit Giton ereignet sich in Sat. 9 1 , 1 video Gitona cum linteis et strigili hu.v parieti applicitum tristem conju.vumque. quasi per caUginem : quasi impliziert, dass per caliginem nicht wörtlich zu verstehen ist (dagegen RoSE 1 967, 1 3 1 : evtl. "dust" oder "smoke from popinae [Garküchen]"). Vielmehr steht quasi per caliginemlnehulam viderelcernere sprichwörtlich für "wie im Nebel, undeutlich" (OTTO S . V . nehu/a I ; TLL 3 . 1 59.69ff.), vgl. C ic. jin . 5 ,43 vis naturae quasi per caliginem cernitur; Phi!. 1 2,2,3 quod videham equidem, sed quasi per caliginem; Plin. epist. 5,8,8 quid praestare deheat orator, adhuc tamen per caliginem video. Enkolp sieht Giton zuerst nur undeutlich, vielleicht aus Erschöpfung (PARATORE II 32 mit Anm 2 vermutet, wegen der orgiastischen Ausschweifungen in der vorangegangenen Bordellszene), wegen Tränen oder weil Giton weit entfernt steht. Gitona: Erste Erwähnung von Enkolps puer (in Sat. 97,2 wird sein Ä ußeres beschrieben: puer . . . annorum circa XVI, cri.vPu.v, mo//is, !ormosus, nomine Giton). Der Name Giton (der griech. Akk . steht 2 1 -mal gegen lediglich zwei Gitonem) ist abgesehen von Polygiton in Auson. epigr. 1 1 5, I G, einer eventuel len Petron-Reminiszenz, weder im Griechischen noch Lateinischen belegt. Er ist vom griechischen 1EiTOOV ("benachbart") abgeleitet und enthält eine eroti sche Anspielung auf Gitons Funktion als Gespiele Enkolps. Siehe zum Namen PRJuLI 1 975, 50 mit Anm 1 39. in crepidine semitae stantem: crepido, aus dem griech. lCPl'\lti�. -iöo�, ursp. "Sockel, Vorsprung", hier "Gehsteig", ist in dieser Bedeutung nur selten be legt, vgl. Val. Max. 4,3 ext. 4 [Diogene.v] erat in crepidine conlocatus und diverse Inschriften, siehe TLL 4. 1 1 68 .36ff. ; CAVALCA 200 I , 74; DAREMBERG SAGLIO S . V . crepido. .
.
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Gehsteige sind ein fester Bestandteil antiker Städte wie z.B. Pompejis und erlaubten dem Fußgänger einen sicheren, trockenen und sauberen Gang ent lang der Straße. Sie waren gegenüber der Straße deutlich erhöht und konnten von gestampfter Erde bis zu großen Marmorplatten unterschiedlichster Mach art sein (siehe z.B. GESEMANN 1 996, 57--6 1 ; SALTOU 1 999, 1 6 1-2 1 8). et in eundem locum me conieci: me conieei driickt die große Erleichterung und Freude Enkolp aus, Gi10n wiederzusehen Zum Ausdruck vgl. Petr. /rg. 1 3 in aumatium memet ipsum conieci. : Die aHgemein akzeptierte Lücke geht auf HADRIANTDES zurück. Von Sat. 9, 1 zu 9,2 findet ein Ortswechsel von der Straße in die Herberge statt. In dem fehlenden Textteil muss zumindest die Rückkehr Enkolps und Gitons in die Herberge erwähnt sein. •..
§ 9,2 cum quaererem numquid no bis in prandium frater parasset, conse dit puer super lectum et manantes lacrimas poUice extersit: Als ich fragte, ob uns der Bruder etwas zu Mittag bereitet habe, setzte sich der Knabe auf das Bett und wischte sich die herabfließenden Tränen mit dem Daumen ab.
Dieser und der folgende Paragraph bilden ein syntaktisches Crescendo: Die erste Frage Enkolps ist indirekt und in einem Nebensatz, die zweite indi rekt, aber in einem Hauptsatz, Gitons Antwort in direkter Rede gehalten (siehe PERl 2007, 1 4f. und 42f.). numquid: Zu numquid siehe oben Sat. 7, I numquid. in prandium parasset: An diesem realistischen Bezugselement zeigt sich erneut der hohe Stellenwert des Essens für die Protagonisten. in + Akk . ansteHe des Dat. finalis ist in der nachklassischen Prosa häufig, siehe PETERSMANN 80; KST I 345 f. §77; HSz 274 § 1 56b; TLL 7. 1 .763.35ff. Vgl. Sat. 47, 1 0 ex eis vultis in cenam statim fieri?; zudem oben Sat. 2,5 ad testimonium eitem. frater: Nebst der Verwandtschaftsbezeichnung wird frater häufig im breiteren Sinn benutzt als "flattering or mildly polite address for men not 100 distant in age and/or rank from the speaker" (DICKEY 2002, 327), d.h. "Freund", ,,Brü derchen" (EIILERS), vgl. z.B. Mart. 9 praej I ; Apul. met. 2, 1 3 ; 9,7. Darüber hinaus kann /rater (wie soror) auch eine spezifisch sexueHe Bedeutung haben und den gleichgeschlechtlichen Sexualpartner bezeichnen, d.h. "Geliebter", "Bruder", vgl. z.B. Sat. 1 2 7, 1 f.; Plaut. Cist. 45 1 ; Mart. 2,4; 1 0,65; 1 2,20. In den Sat. existieren diese Bedeutungen alle nebeneinander, letztlich ent scheidet der Kontext. So ist es, wenn Askylt Enkolp gelegentlich in freund schaftlichem Sinn als frater anspricht (Sat. 1 1 ,3 ; 1 3 ,2) oder bezeichnet ( 1 0,6), nicht dasselbe wie wenn Enkolp auf sein sexuelles Verhältnis zu Giton ver weist (z.B. 9,2; 24,6; 9 1 ,2; 1 29, 1 ) oder Askylt auf ein früheres intimes Ver•.•
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123
hältnis zu Enkolp anspielt (9, 1 0 in viridario frater foi; 1 1 ,4 sie dividere eum fratre nolito). Siehe CALLEBAT 1 968, 74; DICKEY 2002, 1 23-5 . 327. consedit puer super lectum: puer kann (meist aus der Perspektive eines älte ren Mannes) entweder einen Knaben bzw. j ungen Mann oder einen Sklaven bezeichnen. Zudem ist es, und dies triffi hier zu, eine gängige Bezeichnung für den Knaben als Gespiele (z. B. Tib. 1 ,4,83; 1 ,8,67; Mart. 9, 1 1 ,6; 1 1 ,8, 1 2). DI CKEY 2002, 1 9 1-5. 353. super statt in ist in der Volkssprache verbreitet und findet sich bereits in Ov. met. 6,373 super ripam . . . eonsistere, siehe dazu PETERSMANN 1 55-7. Bei Petron sind beide Varianten anzutreffen, vgl. Sat. 96,4 eonsedit in leeto und 1 7, 1 (QuartiUa) sedensque super torum meum diu flevit. Wie Quartilla in Sat. 1 7, 1 will Giton mit seinen Tränen Mitleid erwecken. Dass beide dabei auf dem Bett sitzen, ist erotisch konnotiert. mananies lacrimas poUice extersit: extersit ist eine Emendation von PITlIOU, die alle modemen Editoren (mit Ausnahme von DlAZ Y DfAZ; ALESSIO 1 960/ 1 , 1 47 schlägt exspersit vor) anstelle von expressit in L übernehmen, da po/lice ein Verb in der Bedeutung von "abwischen" verlangt. extergere ist zwar im Zusammenhang mit Tränen nur an dieser konjizier ten Stelle überliefert. Dafür aber erscheinen tergere, detergere und andere Komposita oft in Verbindung mit Tränen (siehe TLL 7.2.840.83ff.) und mit po/lice bzw. manu, z.B. bei Ov. met. 1 3 , 1 32f. manuque . . . laerimantia tersit / lumina; 1 3 ,746 quas [seil. laerimas] . . . detersit poUice virgo. Vgl. in Sat. 8, 1 sudorem i/le manibus detersit und 9 1 ,8 detersit i//e pal/io vultum; Tränen in Verbindung mit manare und poUice in Ov. epist. 1 9,25f. dumque queror la erimae per amantia lumina manant. / po//iee quas tremulo eonscia sieeat anus. Der Ausdruck exprimere laerimas existiert zwar (Ter. Eun. 67f. una me herde jalsa laerimula / quam oculos terendo misere vix vi expresserit - dabei könnte oeulos terendo [,,Augenreiben"] dem polliee in unserem Passus ent sprechen, so BURRISS 1 94 1 a, 275) , doch erstens fließen hier die Tränen bereits (manantes). Zweitens würde das bedeuten, dass Giton das Weinen nur simu liert und falsche Tränen mit dem Daumen herauspresst (expre.v.vit), um Enkolps Aufinerksamkeit auf sich zu ziehen oder einen Streit zwischen Enkolp und Askylt zu provozieren (so vermutet RoSE 1 967, 1 3 1 ) . Man würde dann aber einen Hinweis des Erzählers erwarten, dass er das damals nicht erkannt hat, vgl. Sat. 1 7,2, wo der theatralische Charakter der Tränen Quartillas vom Er zähler entlarvt wird: laerimas ad ostentationem doloris paratas. Ebenso wenig gibt es einen Anhaltspunkt dafür, dass Giton Askylt verleumdet (wieso sollte sich Askylt gegen einen falschen Vorwurf nicht wehren?) oder der eigentliche Verführer war und nun als falscher Ankläger auftritt (Potiphar-Motiv, vgl. Phaedra-Hippolytus), siehe Ess. 9- 1 1 , 1 .
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§ 9,3f. perturbatus ego babitu fratris quid accidisset quaesivi. at ilIe tarde quidem et invitus, sed postquam precibus etiam iracundiam miscui, (4) ' tuus' inquit 'iste frater seu comes paulo ante in conductum accucurrit coepitque mibi velle pudorem extorquere: Verwirrt über den Zustand des Bruders fragte ich, was geschehen sei. Er aber - zögerlich und widerwillig, und erst nachdem ich den Bitten auch Zorn beigemischt hatte - sagte: ,,Dein Bruder da oder dein Begleiter kam kurz zuvor in die Unterkunft gerannt und wollte mich meiner Scham berauben. ego: Das Pronomen ego expliziert den Subjektswechsel. ego ist die Lesart in Ip 2 (von den meisten Editoren bevorzugt), während in den anderen Handschrif ten (dmrtp ! ) ergo (so noch MÜLLER! ) überliefert ist, vgl. zur selben Varianz oben Sat. 7,2 ego. fratris: Siehe dazu oben Sat. 9,2 frater. quaesivi: Parallele zur Lukrezia-Episode in Liv. 1 ,58,7 quaerentique viro. Zu weiteren Parallelen unten Sat. 9,5. tarde quidem et invitus: Das parallele Nebeneinander von Adverb und Ad jektiv ist in der lateinischen Sprache nicht ungewöhnlich, vgl. z.B. Plaut. Men. 1 073 si quid stulte dixi atque imprudens tibi, siehe HSz 1 72 § 1 0 1 . Als drittes Glied gesellt sich im Folgenden noch ein Temporalsatz dazu. postquam precibus etiam iracundiam miscui: precibus iracundiam miscui korrespondiert mit Liv. 1 ,5 8,3 miscere precibus minas (das sich bei Livius aber auf den Schänder bezieht). Siehe dazu unten Sat. 9,5. tuus ... iste frater seu comes: Giton zweifelt, wie er seinen Schänder nennen soll: "dein Bruder oder, wenn du lieber willst, Begleiter" (vgl . zur Selbstkor rektur bei Personenbezeichnungen Apul. met. 1 , 1 7 comes [et pater meusJ et frater meus; Ter. Andr. 2 1 5 f. haec Andria. / si[veJ ista uxor sive amicast). frater ist nicht nur eine gängige Anrede fUr einen Kumpel, sondern hat auch eine erotische Bedeutung (siehe dazu oben Sat. 9,2 frater). Giton spielt auf die intime Beziehung zwischen Enkolp und Askylt an, die laut Sat. 9,9f. turn . . . nunc aber i n der Vergangenheit liegt. Indem er Askylt hier frater nennt, macht er Enkolp zum ,,Mittäter" (dieser hat Askylt in die Beziehung mit Giton einge bracht). Er appelliert nicht nur an einen Freund, sondern an den einstigen Ge liebten seines Schänders, korrigiert sich aber sogleich mit dem distanzierenden comes, das sachlich korrekter und eventuell auch die Bezeichnung ist, die Enkolp gegenüber Giton fUr Askylt verwendet. iste: Das Pronomen drückt Askylts Anwesenheit aus (anders BÜCIIELER ! App., der meint, Askylt sei erst in Sat. 9,6 anwesend). Hier ist es verbunden mit dem durch die Anfangsstellung besonders betonten Possessivpronomen (häufiger ist iste tuus, dazu HSz 1 83 § I 05b; vgl. Ter. Ad. 1 39 iste tuos ipse sentiet; Ov. am. 1 ,8,57 ecce. quid iste tuus praeter nova carmina vates / do nat?). Dass Giton Askylt nicht namentlich nennt, sondern nur indirekt durch
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Pronomina (i.�te ist zudem abschätzig), drückt seine Verachtung für ihn aus. Zu seu siehe HSz 503f. §272; Sat. 5 V.9f. paulo ante: Petron verwendet fast ausnahmslos ante anstelle des gehobeneren antea, siehe PETERSMANN 24 Anm . 9; HSz 223 § 1 1 7. Die Zeitangabe spricht dafür, dass der Übergriff zwischen Sat. 8,4 und 9, 1 stattfand, siehe Ess. 9-1 1 , 1 . eonduetum: Das substantivierte neutrale Adj . steht nachaugusteisch für eine auf Zeit gemietete Unterkunft, vgl . z.B. Sen. benef 7,5,3 nec conductum meum. quamquam sis dominus. intrabis; TLL 4. 1 6 1 .24ff. ; PETERSMANN 1 2 1 ; HSz 1 52-6 §90. aeeucurrit: Reduplizierte Perfektformen erscheinen auch sonst in der urbanen Prosa Petrons (Sat. 52,6 percucurrit). Zudem ist accucurri bereits belegt in Cic. Verr. 1l 5,7 accucurrisse; Att. 1 2, 1 8a, 1 u.a. Siehe NELSON 1 947, 9 1 f. eoepitque mihi veUe pudorem extorquere: Der Ausdruck entspricht in abge schwächter Form Askylts Wendung oben in Sat. 8,3 coepit rogare stuprum. Zudem liegt wieder eine Handlungsparallele vor: zwei (mit dem molestu.� drei) Vergewaltigungsversuche, wobei das Opfer des ersten beim zweiten zum Täter wird. Die umgangssprachliche Konstruktion coepit + velle + Inf. zur Umschrei bung des Perfekts ist zur Zeit Petrons bereits eine "mechanische Phrase" (PE TERSMANN 1 90). Vgl. Sat. 70, 1 0 iam coeperat Fortunata velle saltare; 98,8 incipe velle .�ervare; zudem Verg. Aen. 6,75 1 incipiant in corpora velle reverti; Sen. apocol. 1 4,2 incipit patronus velle respondere; TLL 3 . 1 424.32ff. und 7. 1 .9 1 9.4 1 ff. ; LÖFSTEDT, Komm. 207- 1 0. pudorem extorquere: Bildhafter Ausdruck, zu extorquere im sexuellen Sinn (TLL 5 .2.2043 .53ff. ,,movet amans amatum, ut voluptatem praestet") vgl. Sat. 87,3 male repugnanti gaudium extorsi; Hor. epist. 2,2, 1 39 extorta volupta.�; Porph. Hor. carm. 2 , 1 2 ,25f. ardentia oscula. qu< a> e o.�cula scilicet velit sibi a poscente extorqueri. Vgl. ähnliche Ausdrücke wie in Plaut. Epid. 54 1 plane hicine est qui mi in Epidauro virgini primu . pudicitiam pepulit, Ov. met. 1 ,600 rapuitque pudorem; 6,6 1 6f. pudorem / abstulerunt. § 9,5 eum ego proclamarem, g1adium strinnt et "si Lueretia es" inquit "Tarquinium invenisti''' : Als ich um Hilfe schrie, zog er sein Schwert und sagte: ' Wenn du Lukrezia bist, so hast du deinen Tarquinius gefunden ! '"
Gitons Bericht zufolge hat Askylt eine bekannte Episode aus der klassi schen römischen Literatur zitiert (Liv. 1 ,58) und sich als Tarquinius inszeniert, der sich an der keuschen Lukrezia vergehen will. Die Parallelen zur römischen Königsgeschichte sind zahlreich : Beide Male wird die Abwesenheit des legi timen Partners ausgenutzt; beide Opfer werden mit einer Waffe bedroht (bei Livius stricto gladio), sitzen nach dem Vorfall weinend (Iacrimae obortae bei Livius) auf dem Bett (bei Livius finden Brutus und der Ehemann Collatinus Lukrezia sedentem maestam in cubiculo) und werden von dem zurückgekehr-
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ten Partner nach dem Grund flir die Tränen gefragt (bei Livius quaerenti viro, siehe dazu Sat. 9,3). Allerdings kommt der Hilfeschrei, der Askylts Diktum zu motivieren scheint, in der Lukrezia-Episode nicht vor (Lukrezia schläft, als Tarquinius ihr droht: 'tace, Lucretia . . . moriere, si emiseris vocem ). Das literarische Modell wird parodistisch degradiert. Ironische Differenz erwächst aus dem "sex chan ge in combination with differences in class and circumstance. Giton is no chaste matrona straight out of mythic history" (RICHLIN 1 992, 287). Und wäh rend Lukrezia mit der Schande nicht leben kann und den Freitod wählt, bricht Giton nur melodramatisch in Tränen aus - und entscheidet sich, vor die Wahl gestellt, in Sat. 80,6 sogar flir seinen "Schänder'. Gitons Unzuverlässigkeit als Gewährsmann (siehe auch Sat. 79,9 dissimu/ante) ebenso wie die Mittelbarkeit der Berichterstattung (Askylt - Giton - Enkolp - Leser) tragen weiter dazu bei, dass die Szene keine tragische Wucht, sondern narrative Ironie entfaltet. In den Sat. wird öfter "das Niedrige pathetisch verglichen [ . . . ] mit dem Erhabenen, das aus dem Epos und der Tragödie genommen wird" (KLEßS 1 889, 629; siehe auch WOOTEN, 1 976, 7 1 ), wie z.B. in Sat. 48,7 (Anspielung auf Odysseus/Kyklop); 80,3 (Erwähnung des "Thebanischen Paares"); Sat. 1 05,9 (Anspielung auf die Wiedererkennung des Odysseus durch die Amme). ego: Siehe dazu oben Sat. 7,2 ego. proclamarem: ,,(um Hilfe) rufen, schreien" und jur. "öffentlich und förmlich um (gerichtliche) Hilfe (an-)rufen", vgl. Sat. 1 4,5f.; KASER I 1 1 5 §29 Anm 2 1 und 288 §57 Anm 58; DEßRAY 1 9 1 9, 1 46 mit Anm . 1 0 . Der Ausdruck könnte eine Anspielung auf den c/amor necessitatis sein, eine dem keltischen und germanischen Recht entsprechende Regelung (im römischen Recht ist nichts dergleichen bekannt): Dort "hat eine Frau, der Gewalt angetan wird, nur dann Anspruch auf Verfolgung des Täters, wenn sie sofort schreit" (VAN TIIlEL 1 97 1 , 28 Anm . 1 ) . gladium strinnt: Bei Livius tritt Tarquinius ebenfalls stricto gladio ins Zim mer der Lukrezia (wobei er sein Schwert später als ferrum bezeichnet, s.u.). Auch wenn es sich hier (wie in der Livius-Referenz) um ein echtes Schwert handelt, eröffnet sich dem Leser ein obszöner Nebensinn (so auch ADAMS 2 1 ): Die Bedrohung durch das Schwert steht zugleich flir die drohende Vergewalti gung. Das Bild des männlichen Glieds als Waffe gehört zu den häufigsten sexuellen Metaphern (ADAMS 1 9-22). Vgl . in diesem Sinn den Gebrauch von arma, g/adium, telum u.a. in Plaut. Cas. 909 dum g/adium quaero ne habeat, arripo capu/um. / sed quom cogito. non habuit g/adium. nam esset frigidus; Priap. 9,2. 1 4; 1 1 ,3; 20; 3 1 ,3 ; 43, 1 ; 55,4; Mart. 1 1 ,78,6 dum metuit teli vulnera prima novi. Vgl. zudem Sat. 1 30,4 paratus mi/es arma non habui; 1 32,8, 1 7 ferrum timUl). .
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"si Lueretia es ... Tarquinium invenisti : Vgl. Liv. 1 ,5 8,2 'tace, Lucretia, ' inquit; 'Sex. Tarquinius sum; ferrum in manu est; moriere, si emiseris vocem. '; Ov. fast. 2,795f. ferrum, Lucretia, mecum est ' I natus ait regis, 'Tarquini usque loquor. ' ..
§ 9,6 quibus ego auditis intentavi in oeulos Aseylti manus et 'quid dieis' inquam 'muliebris patientiae seortum, euius ne spiritus purus est?' : Als ich das hörte, streckte ich meine Hände zu Askylts Augen hin aus und sagte: "Was sagst du dazu, Mannshure, die sich wie ein Weib hergibt und an der nicht einmal der Atem sauber ist?" Gitons Anklage löst einen Streit zwischen Enkolp und Askylt (Sat. 9,6ff.) aus, der später in Sat. 79, 1 2ff. wieder aufgenommen wird und dort sein Ende erreicht. In Sat. 8 1 ,4f. ergeht sich Enkolp in ähnlichen Beschimpfungen Askylts (impurns; tamquam puel/am conduxit) bzw. Gitons (.�tolam sumpsit; ne vir esset a matre persua.ms est; opu.� muliebre; tamquam mulier secutuleia) . Die gegenseitigen Beleidigungen folgen konventionellen Invektivemustern (RICITLIN 1 992, 287). Sie sind hyperbolisch und vulgären Inhalts. Doch wäh rend Enkolp in echten Zorn gerät, spielt Askylt Angst vor (Sat. 9,7 inhorresce re se finxit) und setzt sich damit durch. intentavi in oeulos Aseylti manus: Drohgebärde, um dem Gegner den "Kampf' anzusagen (TLL 8.345 . 1 1 ff. "minantium"), evtl. konkret gegen die Augen des Gegners gerichtet. Dieselbe zornige Geste taucht auf in Sat. 1 08,5 intentans in oculos Tryphaenae manu.v; Sen. epist. 7 1 ,22 in oculos nunc mihi manus intentat; vgl. zur Redewendung zudem Ov. met. 5,670f. protervas I intentare manus; Liv. 3 ,47,6 Verginius intentans in Appium manus. quid dieis: Aufforderung, zu den geäußerten Vorwürfen Stellung zu nehmen ("Was sagst du dazu?"). quid dicis mit folgendem Vokativ wird sonst zumeist abgeschwächt als mechanisierte Fonnel zur Dialogeröffnung verwendet, wobei dasjenige, zu dem das Gegenüber Stellung beziehen soll, gewöhnlich in einer weiteren Frage folgt, z.B ebenfalls in vorwurfsvollem Ton Sat. 9 1 ,6 quid dicis, peregrini amoris concessio ? dignus hac iniuria fui?; 1 07, 1 5 ; 1 32,9. Vgl. Cic. Alt. 1 3,45,3 ; Phi!. 2,3 1 ; siehe H OFMANN 43 f. §48. muliebris patientiae seortum: Derbes Schimpfwort, das Askylt als pathicus abstempelt, jemanden, der im Sexualakt die weiblich-passive Rolle einnimmt: muliebriv steht fUr "weibisch, unmännlich" (VORßERG 372); patientia ist kor respondierendes Abstraktum zu patior, dem t. t. fUr die passive Rolle beim Geschlechtsverkehr (qui muliebria patitur yuva\JCo!ta8ii), vgl. Sall. Catil. 1 3,3 viri muliebria pati; Ps. Quint. decl. 3 , 1 1 in muliebrem patientiam vocatur fortasse iam maritu.v; Sen. nat. 1 , 1 6,6 est aliqua etiam prostitutis modestia, et iIIa corpora publico obiecta ludibrio aliquid quo infelix patientia lateat obten=
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dunt; Suet. Jul. 52,3 : Curio warf Caesar vor, er sei omnium mulierum vir et omnium virorum mulier. Dass Askylt tatsächlich einst die passive Rolle einnahm, lässt Sat. 9, 1 0 cu ius eadem ratione in viridario frater foi vermuten, wo Askylt sein früheres Verhältnis zu Enkolp mit dessen heutigem Verhältnis zum Knaben Giton ver gleicht. Die Attacke des pater familiae in Sat. 8,2-4 sowie 8 1 ,4 quem puellam conduxit etiam qui virum putavit bestätigen dies. So ist in Enkolps Aussage auch der ironische Vorwurf enthalten, die ihm zugeschriebene passive Rolle aufgeben und den aktiven Part übernehmen zu wollen. scortum: Ursp. ,,Haut, Leder", derber Ausdruck für meretrix (siehe A DAMS 1 983, v.a. 32 1-7), oft wie hier als Schimpfwort gebraucht. Catull. 6,4f. spottet über die unbekannte Geliebte eines Freundes als fehriculosum scortum; bei [Tib.] 4, 1 0,4 ist die Nebenbuhlerin der adelsstolzen Sulpicia ein scortum. Das Wort wird auch ftir Männer verwendet, z.B. Cic. Phil. 2,44 bezeichnet den jungen Antonius als vulgare scortum, der die toga virilis, sobald er sie erhalten hat, in eine toga muliehris verwandelt. J I -6 ne: BÜCIIELER , MÜLLER (vgl. MÜLLER 430 Arun. 5 5), GIARDTNA-MELLONl ergänzen < quidem> , dagegen DELL' ERA 1 970, 3 1 ; BENDZ 1 94 1 , 35; PETERS MANN 26 und 23 1 sowie 1 975a, 44; ADAMS 2003, 1 1 : Das allein stehende ne (im Sinne von ne . . . quidem) entspricht dem vulgären Stil der Rede, vgl. z.B Quint. inst. 1 ,5,39, der diese harharismi (detractione . . . 'ne hoc fecit ') tadelt; Apu!. met. 3 , 1 1 ac ne istud, quod vehementer ingemescis, contumeliae causa perpessus es; Sat. 47,4 hoc solum vetare ne lovis potest. Siehe auch HSz 447f. §24 1 Zusatz ß. spiritus ... purus: purus/impurus steht im sexuellen Kontext meist ftir "untain tedltainted by oral sex" (RICITLTN 1 99 1 , 28; OLD s.v. purus 5). Die Adjektive werden oft ftir den pathicus in einer homosexuellen Beziehung und ftir Prosti tuierte gebraucht, die den passiven Part beim Anal- und Oralverkehr überneh men. Grundlage daftir war die verbreitete Ansicht, Oralverkehr verursache Mundgeruch - Symptom eines os impurum. Vg! . u.v.a. Catull. 97,2 utrum os an culum olfacerem Aemilio; 98; 99; Mart. 2, 1 2. 6 1 ; 4,39, 1 0; 6,50,6 hasia pura; 9,63 ad cenam invitant omnes te, Phoehe, cinaedi. I mentula quem pas cit, non, puto, purus homo est; 9,67; 1 1 ,30 os male causidicis et dicis olere poetis. I sedfellatori, Zoile, peius olet; 1 1 ,6 1 , 1 4 nec purus esse nunc potest nec inpurus; 1 4,70 si vis esse satur, nostrum potes esse Priapum; I ipsa licet rodas inguina, purus eris. In der Quartilla-Episode werden die Küsse (basia) des Cinäden als olidissima (Sat. 2 1 ,2) und immundissima (23 ,4) bezeichnet. Siehe ausftihrlich RICITLTN 1 983, 26--9 ; OBERMAYER 1 998, 2 1 4-3 1 zum os impurum bei Martial u.a. § 9,7-8 inhorrescere se finxit Ascyltos, mox sublatis fortius manibus longe maiore nisu clamavit: (8) 'non taces' inquit 'gladiator ob scene, quem tde
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ruinat harena dimisit?: Askylt tat so, als ob er erschrecke, erhob alsbald seine Fäuste noch drohender und brüllte noch lauter: "Willst du nicht schwei gen, geiler Fechter, den der Kampfplatz twegen eines Zusammenbruchst entlassen hat?
In Sat. 9,7-1 0 holt Askylt zu einem derart heftigen argumentativen Gegen schlag aus, dass Enkolp nicht mehr dagegenhalten kann. Rhetorisch kunstvoll mit Anaphern (non taces . . . non taces) , Wiederholungen (zweimal non taces mit Vokativ [Subst. und Adj.] und angehängtem Relativsatz), einem Chiasmus (gladiator obscene . . . nocturne percussor) und einem Crescendo von r-Lauten kontert er die Beschimpfung Enkolps, zu der etliche formale Parallelen beste hen: quid dicis vs. non taces; muliebris patientiae scortum vs. gladiator ohscene . . . nocturne percussor; ne spiritus puru.� vs. ne tum quidem . . . pura muliere . . Dies ist nicht die einzige Streitszene, die Petron so symmetrisch arrangiert, vgI. die Mantelszene Sat. 1 2- 1 5 . Eine große Debatte hat sich darüber entzündet, o b die Beleidigungen me taphorisch (so OPELT v.a. 45f.; MULROY 1 970; SCIIMELING 1 994; LEFEVRE 2007, 1 60 Anm 29 u.a.) oder als tatsächlicher Verweis auf Enkolps Biogra phie (so HOUSMAN 1 904; CERUITI-RICIIARDSON 1 989; BAGNANI 1 956; PACK 1 960; PARATORE I 1 67; CiAFFI 1 955, 20 Anm 1 4; 86 Anm . 1 3 ; SULLNAN 1 968, 43-5; JENSSON 2004, 1 3 7-5 1 ) aufzufassen sind (eine Mischform bietet SOVERINI 1 976 und 1 978). Der erotisch aufgeladene Kontext (Enkolps obszö ne Beleidigungen zuvor; obscene und nocturne; die nach percussor folgenden Relativsätze) legt nahe, dass auch Askylts Replik semantisch aus diesem Sprachregister schöpft. Zu erwähnen, dass Enkolp Gladiator war und jemanden umgebracht hat, wäre an dieser Stelle unangebracht. Die Sätze sind m.E. als sexuelle Schmähungen zu verstehen: Die allgemeinen Schimpfwörter gladia tor und percussor erhalten durch die Adjektive obscene und nocturne eine sexuelle Konnotation. Die folgenden Relativsätze quem . . . und qui . . . cuius . . . verweisen auf sexuelle Ereignisse bzw. ein Versagen Enkolps in der Vergan genheit. Kein Licht in die Sache bringt der oft in diesem Zusammenhang genannte Monolog Enkolps in Sat. 8 1 ,3 . Es ist umstritten, ob Enkolp die dort eingestan denen Schandtaten tatsächlich begangen hat (Unschuldsbeteuerung nach MER KELßACH 1 973, 86 Anm 1 9; VAN TiIIEL 1 97 1 , 63; SCIIMELING 1 994, 1 1 8f.; MULROY 1 970; dagegen ausfiihrlich JENSSON 2004, 1 45-5 1). Und auch wenn er sie begangen hat, bedeutet dies noch nicht, dass von dieser auf unsere Stelle geschlossen werden kann (siehe HABERMEIIL ad loc.). .
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inhorrescere se fm.xit: Askylt ist nur scheinbar eingeschüchtert. sublatis fortius manibus: Es muss sich um die Fäuste Askylts handeln. Askylt erwidert und steigert die Geste Enkolps, siehe oben Sat. 9,6 intentlIVi in oculos Ascylti manus.
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longe maiare nisu clamavit: Auch hier liegt eine Steigerung gegenüber En kolps inquam (Sal. 9,6) vor. non taces: Fragen im Sinne einer Aufforderung (PETERSMANN 26 1 ) sind v.a. bei Plautus sehr häufig anzutreffen, z.B. Amph. 700; Mere. 2 1 1 . Askylt repe tiert non laees in Sal. 9,9, vgl. Enkolps quid dicis oben Sal. 9,6 quid dicis. inquit: Wegen des vorangegangenen clamavit wurde inquit von BÜCIIELER 1 App. als überflüssig angesehen. Doch in der Umgangssprache ist (wie im Deutschen) die mechanische Setzung eines pleonastischen inquit/inquam ne ben einem Verbum dicendi nicht selten, siehe dazu PETERSMANN 48f. ; HSz 4 1 8 §22 1 . Vgl. zudem Sal. 4 1 ,8 u.a. Unser Fall ist ein "pleonasmus levior" (so TLL 7. 1 . 1 773.5 1 ff.), da clamavit kein simples Verb des Sagens ist, sondern die Art und Weise beschreibt, wie die Worte ausgesprochen werden (vgl. dagegen "pleonasmus durior", z.B. in Sen. eontr. 7,5,9 Cestius dixit . . . inquit . . . ). gladiator ob scene: Da Gladiatoren aufgrund ihres grausigen Berufes gefLirch tet und verachtet waren (z.B. Juv. 8, 1 99f. haee ultra quid eril nisi ludus? el illie / dedeeus urbi� habes; 1 1 , 1 -20), wurde dieser Terminus häufig als Schimpfwort gebraucht (TLL 6.2.2007.57ff. ; RIESS 200 1 , 36), z.B. in der poli tischen Polemik: Cic. Mur. 50 (über Catilina) iIlius nefarii gladiatoris; dom. 8 1 quae idem i/le gladiator seelera Anagniaefeeeral. Auch hier ist der Begriff als Schimpfwort aufZufassen (so VAN nTIEL 1 97 1 , 62; COCCIA 1 973, 64-7 Anm . 244; PACK 1 960, 3 1 f. und BAGNANI 1 956, 24-7), das aber durch den Kontext und obseene erotisch konnotiert ist (so MULROY 1 970; SCIIMELING 1 994; OßERMAYER 1 998, 3 1 8f. und 2003 , 74f.; OPELT 45f. ; LEFEVRE 2007, 1 60 Anm . 29) in Anlehnung an gladius, das wie alle Waffenmetaphern sexuelle lmplikationen haben kann (so ADAMS 1 9-22; VORBERG 2 1 0; siehe oben Sal. 9,5 gladium strinxit). Begriffe aus der Gladiato rensphäre verwendet der Erzähler auch beim sexuellen Abenteuer mit Quartilla (Sat. 1 9,5; 2 1 ,2). Gladiatoren waren zudem auch bekannt fLir ihre Potenz, da von zeugen Darstellungen von Gladiatoren im Zusammenhang mit einer phal lischen Ikonographie und Graffiti aus Pompeji (z.B. CIL 4,4353 Cresee[njs retia[riusj puparum noetumarum . . . ; 4,89 1 6 Cresee[njs puellar[ijum domi nus) sowie Stellen aus der Literatur (Juv. 6, 1 03-1 1 3 ; Apul. met. 2, 1 5 gladiato riae Veneris; Sen. eontr. 1 ,2,4. 1 0 [Gladiatoren als repräsentative Bordellgän ger], siehe JUNKELMANN 2000, 27; WIEDEMANN 200 1 , 5 3 ; BARTON 1 996, 48). Zudem sind zahlreiche Affaren hochgestellter römischer Damen mit Gladiato ren bezeugt (z. B. Juv. 6,78- 1 1 3 ; Cass. Dio 60,28 : Kaiserin Messalina; Hist. Aug. MA 1 9, 1-7: Kaiserin Faustina), worauf auch Sal. 1 26,6 harena aliquas aeeendil verweist. Schwer vorstellbar hingegen ist, dass hier auf ein obszönes Gladiatoren spiel (Sen. nato 7,3 1 ,3 alius in obseenam ludi partem fogit, et loeatus ad mor tem infame armaturae genus in quo morbum suum etiam periturus exereeat
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legit) bzw. einen Gladiator, der zu solchen sexuellen Spektakeln antritt, ver wiesen wird (so CERUTTI-RICIIARDSON 1 989, 594). obscene: Auch wenn das Wort allgemein fUr "Iousy" (BAGNANI 1 956, 26) oder "foul" (PACK 1 960, 3 1 ) stehen kann , hat es meist einen sexuellen Bezug (TLL 9.2. 1 60.20f.): "ohscenus is used rather 100sely as an evaluative tenn in reference to the sexual language. One fmds it employed on the one hand to describe a basie obscenity (Priap. 29, 1 ), on the other a veiled sexual allusion (Sen. Contr. 1 ,2,23)" (ADAMS 35f.). Vgl . bei Petron Sat. 85,2 ohsceno ser mone; 1 1 7, 1 2 strepitu ohsceno. Gerade bei Personen ist ohscenus meist sexuell konnotiert, vgl . Prop. 3, 1 1 ,3 1 coniugis ohsceni; Liv. 33,28,5 ohscenis illis (seil. mollihus) viris; Sen. contr' 9,2,9 ohscenae puellae; Mart. 6,50,3 ohscenos . . . cinaedos; 1 1 ,6 1 ,4 ohscena . . . Leda; Sen. henef 4,3 1 ,5 hominem tam palam ohscenum; T L L 9.2. 1 6 1 .28ff. quem tde ruinat harena dimisit: Der Relativsatz kann nicht vollständig entschlüsselt werden. Klar ist jedoch, dass er die Beleidigung zusätzlich ver stärkt: Der Beruf des Gladiators ist eine Schande; darin versagt zu haben, ist der Gipfel der Schande. Der Kontext legt auch bei diesem Ausdruck nahe, die Bedeutung übertra gen, auf das Sexuelle bezogen zu verstehen. Die Arena könnte fUr den Kampf platz des Bettes stehen, wobei tde ruina t als Vorwurf des sexuellen Versagens gedeutet werden könnte (so SCIIMELING 1 994, 2 1 6f. ,,no gladiatorllover stays long in the arenafbedroom without a good sword"; MULROY 1 970, 255; OBERMAYER 1 998, 3 1 8 Anm . 3 1 2). tde ruinat: Der von den meisten Editoren in cruces gesetzte Ausdruck lässt sich nicht zweifelsfrei erklären. Man kann versuchen, den Originaltext zu halten. Die Präposition de wird am besten kausal oder temporal aufgefasst ("wegen", vgl. qua de causa; "nach", vgl. Plaut. Most. 697 non honust somnu ' de prandio). de ruina könnte dann innerhalb des hier dominierenden sexuellen Kontextes als "peinliches sexuelles Versagen, Kollaps im Bett" aufgefasst werden (in Anlehnung an OLD s.v. ruina 5 ,,[fig.] ruin, collapse, downfall"). Versuche, den Ausdruck als Vorfall in einer Arena anzusehen, etwa ein Einsturz des Theaters (BAGNANI 1 956, 26; CERUTTI-RICIIARDSON 1 989, 594; SULLNAN 1 968, 43; vgl. Tac. anno 4,62; 1 5 ,22; Suet. Tih. 40; Sen. nat. 6, 1 ), ein Erdbeben (BüCIJELER I App.; KILLEEN 1 969; CERUTTI-RICIIARDSON 1 989, 594; SULLNAN 1 968, 43) oder ein Sturz des Gladiators (BURMAN 54; BURRISS 1 94 1 a, 276; BüCIIELER I App.), scheitern daran, dass sie entweder dem Gladia tor keine Schande bringen oder wohl kaum als ruina beschrieben würden. Will man innerhalb der Gladiatorenmetaphorik bleiben, bietet sich die Konjektur sine rude an (SCIINUR 1 992, 1 7 1 : "ohne Rapier, bes. dasjenige, das tüchtigen Gladiatoren bei ihrer Entlassung oder als Zeichen ihrer Meisterschaft
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verliehen wurde"; vgl. BIRT 1 928 sine rudl) oder de pruna (FRÖlINER 1 9 1 2, 1 66: "glühende Kohle" - "die ungehorsamen Gladiatoren wurden gebrannt, wahrscheinlich mit einer glühenden Kohle"). Unpassend (und ohne Pointe) ist hingegen die Konjektur meridiana (WALS" 1 967, 1 38; prob. PANAYOTAKIS 1 995, 1 7; nach Sen. epist. 7,3 casu in meridian um spectaculum incidi . . . quic quid ante pugnatum est misericordia fuit; nunc omissis nugis mera homicidia sunt), die aber mit einer Gladiatur nichts zu tun hatte: Beim meridian um spec taculum mussten jeweils zwei Mörder gegeneinander antreten. Nur einer der beiden war bewaffnet. Nach seinem Sieg musste dieser selbst ohne Waffen gegen einen Bewaffneten kämpfen. Bei der Genese der Korruptel scheint das folgende haReNA eine Rolle ge spielt zu haben, was Vorschläge begünstigt, die nicht mit -na enden, wie z.B. derisum (FRAENKEL) oder delusum (GURLITT, "mit Spott und Schmach"; nach B URRISS 1 94 1 a, 276 unpetronisches Latein). Zu weit hergeholt ist de ruma (ein altes Wort für mamma, HOUSMAN 1 904, 398, später auch A LESSJO 1 960/ 1 , 3 0 1 -3 ; N ISBET 1 962, 229 findet diese Emendation bemerkenswert; KILLEEN 1 969, 1 27 lehnt sie klar ab). harena: KampfPlatz der Gladiatoren im Amphitheater (TLL 6.3 .2530.39ff.). Ü bertragen steht harena auch für "the scene of any struggle or dispute" (OLD s.v. harena 3c, TLL 6.3.253 1 . 1 0ff. ,,metaph."), vgl. Juv. 1 6,47 lentaque fori pugnamus harena; Plin. epist. 6, 1 2,2 in harena mea. hoc est apud centumviros; Lucan. 6,63 aestuat angusta rabies civi!is harena. Demgemäß (nach SCl IMELING 1 994, 2 1 7) steht harena hier metonymisch für das Bett. dimisit: Innerhalb der Gladiatorensprache ist missus der t.t. für den Gladi ator, der sich ergibt und begnadigt wird bzw. missio für die Entlassung, nicht generell aus dem Gladiatorendienst, sondern aus der Autorität des editor, der das Spektakel gesponsert hat (siehe COLEMAN 2000, 488). Vgl. dimittere in diesem Sinn bei Ps. Quint. decl. 9,22 res dictu incredibi!is: gladiator dimissus. redemptor occisus est!; Suet. Cal. 27 votum exegit ab eo. qui pro salute sua gladiatoriam operam promiserat. spectavitque ferro dimicantem nec dimisit nisi victorem et post multas preces). V gl. im übertragenen Sinn Apul. met. 2, 1 7 hodierna pugna (i.e. Liebes spiel) non habet missionem; Sat. 2 1 ,2 Quartilla ballaenaceam tenens virgam alteque succincta iussit infelicibus dari missionem. § 9,9-10 non taees, nocturne pereussor, qui ne tum quidem, eum fortiter faceres, eum pura mutiere pugnasti, (10) euius eadem ratione in viridario frater fui qua nune in deversorio puer est? ' 'subduxisti te' inquam 'a praeeeptoris eolloquio' : Willst du nicht schweigen, nächtlicher Stoßer, der du nicht einmal damals, als du noch besser beisammen warst, mit einer sauberen Frau gekämpft hast, und dessen Bruder ich im Garten gewesen bin auf dieselbe
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Art , wie e s nun i n der Herberge der Knabe ist?" ,,Du hast dich", sagte ich,
"von der Debatte mit dem Professor weggeschlichen." Auch hier geht es eher um die sexuelle Leistung als um Enkolp als Mörder (percussor) . Dass Enkolp in der Vergangenheit tatsächlich einen Mord began gen hat, ist nicht auszuschließen. Auf ein solches Delikt deutet Sat. 8 1 ,3 effugi iudicium. harenae imposui. hospitem occidi hin (vgl. auch 83,6; 1 1 7,3; BO CllELER 1 9 1 5, 437), das auch einen Hinweis auf eine frühere Tätigkeit als Gladiator enthält. Auch in Sat. 1 30,2 proditionem feci. hominem occidi. templum violavi er wähnt Enkolp einen Mord, allerdings auf scherzhaft-provokante Weise: Er will die Delikte wohl nicht ernsthaft gestehen - und beteuert daher zuvor, noch nie eine Todsünde begangen zu haben: numquam tamen ante hunc diem usque ad mortem de/iqui (SCHMELING 1 994, 22 1 ; MULROY 1 970, 255; SOVERINI 1 976, 1 0 1 Anm . 5; CocCIA 1 973, 64 Anm . 244) -, sondern Circe lediglich mittels drastischer Beispiele zu einer harten Bestrafung bewegen. Gut möglich, dass der Leser der gesamten Satyrica den wahren Kern dieser Scheinbeichte kann te ! Forschungsmeinungen zu Sat. 1 3 0,2 werden zusammengefasst in SOVERINI 1 978, 267f. Im Streit wirft Askylt Enkolp sexuelles Versagen vor. Nie habe sich dieser mit einer ehrbaren, ebenbürtigen Partnerin (pura muliere), sondern immer nur mit j üngeren Lustknaben (frater . . . puer) eingelassen und außerdem habe er seine Potenz eingebüßt (ne tum quidem. cum fortiterfaceres . . .) . non taces: Die Wiederholung (vgl. oben Sat. 9,8 non taces) und die Lautstärke (Sat. 9,8 longe maiore ni.vu clamavit) verleihen der Frage den Charakter einer Drohung. nocturne percussor: percussor kann ein unspezifisches Schimpfwort sein (vgl. Cic. Phil. 4, 1 5 est igitur . . . omne certamen cum percussore. cum latrone. cum Spartaco), so wie auch nocturnus häufig in generellem (nicht erotischem) Sinn negativ konnotiert ist (vgl. unten Sat. 1 5 ,2 nocturni; Cic. Verr. 11 4,95 istius praeclari imperatoris nocturni milites; Sat. 57,3 larifuga nescio quis. nocturnus; 82,2 nocturnus grassator). In diesem Zusammenhang (gladiator ohscene, fortiter faceres, erotische Kämpfe, siehe unten zu pugnasti) ist der Ausdruck als sexuelle Anspielung zu verstehen: percussor als "Stecher im Dunkeln" (so auch ScIIMELING 1 994, 2 1 7; QPELT 46; ADAMS 147; TLL 10. 1 . 1 236.68ff.), als einer, der sein Gegen über durchbohrt: "One of the largest semantic fields from which metaphors for sexual acts were taken in Latin is that of striking, beating and the Iike" (ADAMS 1 45). Vgl. Maxim. eleg. 5, 1 33f. fert tacitum ridetque suum laniata dolorem / et percussori plaudit amica suo. Kampfmetaphern dienen oft zur Beschreibung nächtlicher (sexueller) Abenteuer, z.B. Catull. 66, 1 3 dulcia nocturnae portans vestigia rixae; Verg.
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Aen. 1 1 ,736 nocturnaque bella; Ov. am. 1 ,9,45 nocturnaque bella gerentem; Juv. 8, 1 44 nocturnus adulter; das obszöne noctipugnam in lucil. 1 246 K (dass es obszön zu verstehen ist, wird klar durch Fest. p. 1 80, l l und Paul . Fest. p. 1 8 1 , l l); eil 4,4353 als Cresce(n)s retia(rius) puparum nocturnarum ... (be reits oben erwähnt). ne tum quidem nune: Die "Einst potent-Jetzt impotent"-Dichotomie (0BERMAYER 2003, 7 1-5) ist ein häufiges Motiv in Impotenztexten und wird normalerweise vom Versagenden selbst gesprochen, vgl . u.a. Ov. am . 3 ,7,23 nuper und 67f. nunc . . . nunc. Askylt bringt hier Enkolps Potenzprobleme zur Sprache, die später zu einem zentralen Thema in den Sat. werden (so auch RIClIARDSON 1 984, 1 1 4; SClIMELING 1 994 u.a.). eum fortiter faeeres: facio ("es tun, es machen, den Beischlaf vollziehen") ist oft Substitut für anstößige Wörter (Tll 6. 1 . 1 2 1 .40ff. ; ADAMS 204 und 1 98 1 , 123 mit Anm 4 ; VORBERG 1 75f.), hier für den sexuellen Akt, vgl. Sat. 1 1 ,2 nec adhuc quidem omnia erantfacta; 45,8 qui coactus estfacere, 87,5 si quid vis, fac iterum; J uv. 7,240 nefaciant vicibus; Mart . 1 ,46, l fac sifacis. Absolutes fortiter facere (TLL 6. 1 . 1 I 63. 82ff.) steht für "viriliter agere" häufig in militärischem Zusammenhang und fUgt sich hier gut in die Kampf metaphern ein, vgl. Sen. contr. 1 ,8 qui ter fortiter fecerit. militia vacet; Ps. Quint. decl. 3,5; Quint. decl. 287 praej alterfortiterfecit. alter deseruit; eben falls in sexuellem Zusammenhang steht fortiter in Apul. met. 2, 1 0 tota enim nocte tecumfortiter et ex animo proeliabor. Der Konj . (bei cum determinativum) entspricht dem umgangssprachlichen Stil der Rede, siehe PETERSMANN 277. pura mutiere: pura steht für sexuelle Reinheit (siehe oben Sat. 9,6 spiritus . . . purus) . Die pura mulier ist eine honorable Frau, sprich keine Prostituierte ("eine[r] Fellatrix, die dir behilflich sein musste", wie lEFtWRE 2007, 1 60 Anm 27 treffend sagt). SOVERINI 1 976, 1 04-6 sieht in pura muliere die "donna vera e propria, a tutti gli effetti" (S. 1 05) im Gegensatz zu den weibischen Männern (vgl. mu Iiebris patientia), mit denen Enkolp verkehrt haben soll. Diese Lesart wird sprachlich durch keine Parallelen gestützt. pugnasti: pugnare ist sexuell gefärbt: Ringen beim liebeskampf. Zu militäri schen Metaphern für erotische Kämpfe (nach dem Motiv von Ov. am. 1 ,9, 1 militat omnis amans) vgl . z.B. Prop. 2, 1 5,4 quantaque .�ublato lumine rixa fuit!; Ter. Eun. 899 dabit hic pugnam aliquam denuo; Mart. 1 O,38,6f. 0 quae proelia. quas utrimque pugnas / felix lectulus et lucerna vidit, Lucil. 1 339K vicimus, 0 socii, et magnam pugnavimus pugnam (mit Don. Ter. Eun. 899 'pugnam ' pro stupro . . . ut Lucilius . . . ) ; Apul. met. 2, 1 7 fortiter proeliare . . . occide moriturus . . . hodierna pugna non habet missionem; 5,2 1 nox aderat et ••.
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maritus ad erat pri{mJusque Veneris proeliis velitatus altum soporem descenderat. Siehe VORBERG 546; ADAMS 1 5 8; SPIES 1 930, v.a. 45-53. cuius eadem ratione in viridario frater fui qua nunc in deversorio puer est: Askylt erinnert an sein friiheres intimes Verhältnis mit Enkolp (frater ist hier sexuell konnotiert, vgl. oben Sat. 9,2 frater und 9,4 . . . frater . . . ) bzw. an eine oder mehrere Begegnungen in einem Garten, die sicherlich sexueller Na tur waren. Der Vergleich seiner selbst mit Giton impliziert die unwürdige passive Rolle, die ihm damals zukam (siehe oben Sat. 9,6 muliebris patientiae scortum), doch vielmehr, als dass er sich hier selbst erniedrigt, stellt er im Gegenzug Enkolps Mannhaftigkeit in Frage. Selbst als dieser noch im Vollbe sitz seiner Potenz gewesen sei, habe er nur mit passiven, unterwürfigen Part nern verkehrt. Diese Kritik erhält ihre Schärfe nur vor dem Hintergrund des lmpotenzvorwurfs, da die aktive Rolle im Gegensatz zur passiven nicht nega tiv besetzt ist. viridario: "Lustgarten", ein Garten, Park, bes. zum Vergnügen, vgl. Cic. Att. 2,3 ,2; Sen. contr. 10 praej 9 cultum virid< ar> ium; Suet. Tib. 60; Ulp. dig. 7, 1 , 1 3,4 si forte voluptarium foit praedium, viridaria . . . vel deambulationes . . . habens; Plin. nat. 1 8,7. Um welchen Garten es sich handelt und was dort geschah, muss an einer früheren (nicht überlieferten) Stelle gesagt worden sein. deversorio: Die Begriffe deversorium (Sat. 1 5,8; 1 9,2; 8 1 ,3 u.a.) und sta bulum (Sat. 6,3; 8,2; 1 6,4; 79,5 u.a.) werden synonym fm Herberge verwendet, siehe KLEBERG 1 957, 6f.; 1 8f.; FRIER 1 977, v.a. 3 1-4; STUMPP 1 998, 1 68. Lücke?: Der abrupte Wechsel in Tonfall und Sprachregister zeigt an, dass Enkolp die Beleidigungen ohne Widerrede akzeptiert und kapituliert. Eine vorangehende Lücke ist deshalb nicht anzunehmen. subduxisti te ... a praeceptoris coUoquio: Enkolp kann Askylt einzig noch vorwerfen, seine Pflicht verletzt und ihn alleine gelassen zu haben (Sat. 6, 1 , wo Enkolp die Flucht Askylts nicht bemerkte, da er dem carmen Agamernnons zuhörte). Dieser harmlose Vorwurf Enkolps gibt Askylt anschließend die Mög lichkeit, den Streit mit der simplen Rechtfertigung, aus Hunger weggelaufen zu sein, in friedliche Bahnen zu lenken. Deshalb ist eher nicht davon auszuge hen, dass Enkolp Askylt mit diesem Satz unterstellt, nach Hause geschlichen zu sein, um sich an Giton zu vergehen (so CJAFFI 1 955, 25 und JENSSON 2004, 1 39 ) . inquam : inquam ist die richtige Lesart aus dmrtp, während in Itv inquit über liefert ist. PELLEGRINd 1 79 stützt inquit und stellt die eher umständliche These auf, dass Askylt (dem der Satz dann zufällt) in der 3. Person spöttisch Enkolp zitiert.
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Kapitel l O Versöhnung und (scheinbare) Trennung Enkolps und Askylts. § 10,1 'quid ego, homo stultissime, faeere debui, eum farne morerer? an videlieet audirem sententias, id est vitrea fraeta et somniorum interpre tamenta?: "Was sollte ich denn tun, Dummkopf, wenn ich vor Hunger fast starb? Sollte ich mir etwa die Sentenzen anhören, das heißt, dieses zerbrochene Glas und diese Traumdeutereien? quid ego : Askylt antwortet unverzüglich, bevor Enkolp mit seinen Ausfilh rungen fortfahren kann (lONES 1 984, 1 3 1), was durch das fehlende inquit sichtbar gemacht wird. Zum asyndetischen Nebeneinander von Reden (ohne inquit) siehe PETERSMANN 29 1 . Zu ego statt ergo (t) siehe oben Sat. 7,2 ego und 9,3 ego. homo stultissime: Die herablassende Anrede ist keine böse Beschimpfung. Enkolp ist in diesem Wortgefecht bereits geschlagen, wie seine letzte Frage deutlich macht, und wird von Askylt nur noch milde belächelt und zur Raison gebracht. Die Verspottung der geistigen Eigenschaften ist unter den Kraftausdrücken weitaus am verbreitetsten, vgl. v.a Martial, z.B. 2,40,8; 3,85,3; 6,63,3; 9,96,2; siehe dazu GOLDBERGER 1 932, 1 36; DICKEY 2002, 1 76. 1 82. 360; üPELT I 1 6f. ; PASCITALL 1 939, 1 8-22. homo ist v.a. in der Komödie häufig ein Teil der Beschimpfung, vgl. Sat. 65,5 homo stultissime; Ter. Ad. 2 1 8 hominum homo stultissime; Plaut. Bacch. 1 163; Epid. 333; siehe DICKEY 2002, 1 9Of. faeere debui: dehere mit Inf. steht hier kolloquial als Ersatz fiir den delibera tiven Konj . (vgl . gleich nachher audirem), so auch in Sat. 1 07, 1 0 quid dehent laesifacere. Siehe PETERSMANN 1 87; HSz 3 1 4 § 175f.; TLL 5 . 1 . 1 00.8ff. eum farne morerer: Hyperbolischer Ausdruck, vgl. Sat. 62,8 qui mari limore nisi ego ?; 98,3 ne morientes vellel occidere; 1 0 1 ,2 miserere . . . morientium; TLL 8. 1 494.33ff. Die hier zur Rechtfertigung vorgebrachte Begründung wird im nächsten Satz sogleich entkräftet (anscheinend war auch die schlechte Rede ein Grund zum Gehen). ,,Hunger" hier doppeldeutig auszulegen, da sich Askylt später in der Herberge an Giton vergreift (ERIIARD bei BURMAN 56), ist wohl zu spitzfindig. an videlieet: Zum emphatischen an ("etwa") in der einfachen Frage siehe PETERSMANN 263 ; KST 11 5 1 8f. §233. Das bei Petron nur noch in Sal. 1 1 2,3 erscheinende videlicet verleiht dem Satz einen ironischen Unterton, siehe zum Wort SOVERINI 1 974--5 , 250; PETERSMANN 236f. sententias, id est vitrea fraeta et somniorum interpretamenta: Zu senlentia siehe oben Sal. 1 ,2 sententiarum vanissimo strepitu. Die zwei abschätzigen .••
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Metaphern drücken die Wertlosigkeit des eben auf sententiae reduzierten Vor trags aus. Die Aussage erinnert an Sat. 1 ,2 sententiarum vanissimo strepitu und 2,2 levibus enim atque inanibu.� sonis ludibria; 1 1 8,6 fabulosum tsententiarum tormentum t· Die Fonnel id e.�t (im ursprünglichen erklärenden Sinn "das heißt") er scheint bei Petron neunmal. Es gibt keinen Grund, id est einem Epitomator zuzuschreiben (wie z.B. WEIILE 1 86 1 , 49 Anm. I ), siehe PETERSMANN 5 1 -3 ; DELL' ERA 1 970, 1 20; LÖFSTEDT Komm. 9 1 f. Ebenso ist J ACOßS ' inanes für id est abzulehnen, das zu einer dreigliedrigen Aufzählung fUhren würde, in der ein Konkretum (Sentenzen) mit zwei Metaphern (zerbrochenes Glas und Traumdeutereien) vermischt würde. vitrea fraeta: "Glasscherben", sprichwörtlich ftir etwas gänzlich Wertlo ses, hier "unnütze Gedanken, Lappalien" (ÜTTO s.v. vitrum 2). Zur Junktur vgl. Mart. 1 ,4 1 ,4f. qui pallentia sulphurata fractis / permutat vitrei.�; Sen. dial. 3 , 1 2,4 si vitreumfractum est, si calceus luto sparsu.� est. somniorum interpretamenta: "Traumdeutereien" stehen hier übertragen ftir leeres Geschwätz. somnia sind hier "res vana, nugae" (FORCELLINl s.v. somnium 3) oder "Fantasien", vgl. Ter. Phorm. 494 crede mi, gaudebi ' facta: verum hercle hoc est. :: somniuml; 874 somnium!; Ad. 204 de argento - som nium: 'mox; cras redi ; 394f. tu quantu ' quantu 's nil ni.�i sapientia es, / i1/ ' somnium, danach eie. nato deor. 1 ,42 non philosophorum iudicia sed deliran tium .mmnia über absurde philosophische Theorien. Der Begriff interpretamentum ist selten, neben Petron noch in Gellius (z.B. Gell. 5, 1 8,7) als grammatische Bezeichnung für einen "explikativen Ausdruck" (z.B. die lateinische Entsprechung eines griech. Wortes). Hingegen häufig sind interpretatio bzw. interpres .mmniorum, meist negativ konnotiert, z.B. in der Polemik gegen die Wahrsagerei allgemein und interpretes oder coniectores im Speziellen, v.a. in eie. div. 2, I 44f. (unterschiedliche Deutun gen eines Traums diskreditieren die Fähigkeiten der Interpreten) und auch am Ende des l . Buches (Polemik des Bruders Quintus, der die Wahrsagerei vertei digt, gegen Astrologen, Scharlatane und interpretes somniorum). '
§ 10.1 multo me turpior es tu hereule, qui ut foris eenares poetam lau dasti': Du bist weiß Gott viel schlimmer als ich, hast du doch einem 'Poeten' Komplimente gemacht, um auswärts essen zu können." multo me turpior es tu bereule: BOCllELER 1 App. (DIAZ Y DIAZ im Text) schlägt eine Änderung in multo mehercules turpior es tu vor. Die aus mehercu le hervorgegangene Kurzfonn hercule ist aber gut belegt (z.B. Sat. 88,3 itaque hercule herbarum omnium sucos Democritu.� expressit; Tac. dial. 1 ,2; 14,4; eie. Alt. 2,7,3 hercule, verum ut loquamur) und sollte deshalb nicht angezwei felt werden. Zudem ist hier "die Intetjektion [ 0 0 '] so frei nachgestellt, wie dies bisweilen mit den Adverbien in der Umgangssprache zu geschehen pflegt"
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(PETERSMANN 1 09 Anm . 72), siehe zudern HOFMANN 29f. §36; PETERSMANN 1 975a, 45f. qui ut foris cenares poetam laudasti: Um was für ein Essen es hier geht, ist unklar (vgl. Sat. 1 0,6, wo wieder von derselben cena die Rede ist), vielleicht das Gastmahl von Trimalchio, vielleicht ein anderes (siehe Ess. 9- 1 1 , 1 ) . Mit poeta wird hier abschätzig auf Agamemnon verwiesen, der i n Sat. 5 den Dichter gab (so z.B. auch CIAFFI 1955, 23f.; auch später in den Sat. wird poeta gerne negativ konnotiert, z.B. Sat. 93,3 nomen poetae olfecerit). Die erwähnte Lobpreisung Enkolps ist nicht überliefert. SOVERINI 1 985, 1 730 Anm . 1 1 0 mutmaßt überzeugend, dass sich der Ausspruch auch auf den unter schiedlichen Aufmerksamkeitsgrad von Askylt und Enkolp (Sat. 6, 1 diligenti us audio als Äquivalent für Lob) beziehen könnte. Ebenfalls CIAFFl 1 955, 23 kann sich vorstellen, dass das Lob nur indirekt erfolgte, indem Enkolp zum Zuhören blieb. Askylt wäre dann einfach davon ausgegangen, dass ein Lob gefolgt sein musste. Das Thema des Lobs zur Erschleichung eines Essens ist typisch für die Sa tire und das Epigramm. Allen voran beschreibt Martial (z.B. 2, 1 8 ; 5,44; 5 ,47; 6,48; 9, 1 4 ; 9, 1 9) Typen, die alles daran setzen, sich eine Einladung zu ergat tern . Auch in den Sat. ist das Loben der poetischen Qualitäten des patronu.� ein gebräuchliches Instrument, vgl. die Trimalchio entgegengebrachten Kompli mente Sat. 35, 1 /audationem; 4 1 ,8 /audavimus dictum; 48,7 haec aliaque cum e.fJu.�issimi.� prosequeremur /audationibu.�; 52,8 /audatus Trima/chio. Zum Indikativ im kausalen Relativsatz siehe oben Sat. 4, 1 qui no/unt. Lücke?: Die Lücke, die BüclmLER I-6 (sowie MÜLLER; GIARDINA-MELLONI) vermutet, da der Streit noch nicht beigelegt zu sein scheine, ist nicht nötig. Der Umschwung ist hier gar nicht so abrupt, wie er scheint: Bereits Ende Sat. 9 geht der Streit in scherzhaftes Necken über. Schließlich müssen Askylt und Enkolp sogar einsehen, dass beide sich von ihrem Magen haben leiten lassen. Deshalb löst sich der Streit zuletzt in Lachen auf (ebenfalls gegen eine Lücke sind vAN TurnL 1 97 1 , 28; SÜTTERLIN 1 996, 72; LEFEVRE 2007, 1 6 1 , der auf Plautus [z.B. Rud. 583] verweist, wo "ein einfaches sat Iitiumst genügen [kann], um zu der Tagesordnung zurückzukehren"). § 10,3 itaque ex turpissima Hte in risum difl"usi pacatius ad reHqua seces simus *: So brachen wir nach unserem überaus hässlichen Streit in Gelächter aus und wendeten uns ziemlich friedlich den restlichen Dingen zu. itaque: Anknüpfendes itaque ("und so, da", TLL 7.2.53 1 .23ff.) ohne streng logische Kausalität findet sich oft bei Ü bergängen in der Erzählung zu etwas Neuern, siehe PETERSMANN 256; ROEMER 1 96 1 , 58; HSz 5 1 3 §280; KST 11 1 3 1 § 1 73 . Vgl. unten Sat. 1 5,6 itaque; zudem 39,6; 66,3 ; 1 3 6,4. ex turpissima Hte: V gl. zur Konstruktion Sat. 1 8,4 ex lacrimis in ri.�um mota. ex steht hier beinahe für "pro, post" (TLL 5.2. 1 1 0 1 .28ff.), vgl. z.B. Publil.
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sent. E 1 8 ex lite multa gratia est formosior; Sall. Catil. 3 1 , I ex summa laeti tia . . . repente omnes tristitia inva.�it; Plin. nato 7 , 1 34 quae facit magna gaudia nisi ex malis . . . ? Zugleich kommt ex aufgrund des folgenden in ri.�um diffusi nahe an das zumeist mit faeere verbundene ex als Ausgangspunkt einer Zu standsveränderung (TLL 5.2. 1 1 00.23ff. ; PETERSMANN 1 59f.; HSz 266 § 1 47; KS T 1 18 §6 Anm . 4 und 505 §92,,), vgl. Plaut. Amph. 54 eandem hane. si voltis. faciam < iam> ex tragoedia I eomoedia ut sif omnibus isdem vorsibus; Sat. 94,9 ex dolore in rabiem efferatus. in risum diffusi: Die Ausdrücke mit konsekutivem in + Akk . gehören der lebendigen Alltagssprache an, siehe CALLEBAT 1 968, 227f., vgl. Apul. met. 2,26 ad haee ego insperato luero diffusus in gaudium et in aureos refolgente.�; 8,26 exsultantes in gaudium . Z u diffundere in Bezug auf den Gemütszustand (OLD S . V . diffundo 5 "to free from restraint, relax, cheer"; TLL 5. 1 . 1 I 1 3 .43 ff. "Iaetus, animo remissus") vgl. Ov. ars 1 ,2 1 8 diffundetque animos omnibus ista dies; Ov. met. 3 ,3 1 8 10vem . . . diffusum neetare; Sat. 7 1 , 1 diffusu.� hae eontentione. Zum Lachen in den Sat. als Strukturelement siehe CALLEBAT 1 974, v.a. 292-4. paeatius ad reliqua seeessimus: reliqua ist ein weit gefasster Begriff: "übrige Dinge", die nicht spezifiziert werden. Sinngemäß heißt seeedere ad reliqua "sich wieder anderen Dingen zuwenden, zum Tagesgeschäft übergehen" - ob gemeinsam oder jeder für sich, erfahren wir nicht. Unwahrscheinlich ist die These von CIAFFI 1 955, 28, nach dem unter reliqua konkret die Abenteuer zwischen der Flucht von der Schule und der Rückkehr in die Herberge zu ver stehen sind, die Enkolp in Sat. 1 0,4 erneut an die iniuria erinnern. RoIIDE 1 879, 845 hingegen denkt ans Essen und schlägt ad reliquia.� aeeessimus vor: "Sie machten sich nun an die reliquiae des in Sat. 9,2 erwähnten prandium." Doch Giton hat gar nicht gekocht. *: Von der L-Klasse (außer in I) signalisierte Lücke. Wie viel und was ausge fallen sein könnte, ist reine Spekulation. § 1 0,4 rursus in memoriam revocatus iniuriae 'Aseylte' inquam 'intellego nobis eonvenire non posse. itaque eommunes sareinulas partiamur ae paupertatem nostram privatis quaestibus temptemus expellere: Da erin nerte ich mich wieder an das Unrecht und sagte: "Askylt, ich sehe ein, dass wir nicht zueinander passen. Lass uns deshalb die gemeinsamen Habseligkeiten teilen und versuchen, unserer Armut durch je eigene Geschäfte ein Ende zu setzen. Die folgende Szene (Sat. 1 0,4-1 1 ,4) korrespondiert mit Sat. 79, 1 2ff. : sar cinula.� partiamur - partiti manubia.� sumu.�; non recusavif Ascyltos - non repugnavit ille; gladium .�trinxit - gladium parricidali manu .�trinxit, mit dem Unterschied, dass die zweite Auseinandersetzung zur definitiven Trennung führt . Siehe Ess. 9-1 1 , 2.
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rursus i n memoriam revocatus IDlUriae: rursus revocare ist kein starker Pleonasmus und findet sich häufig: z.B. Cic. part. 1 24 rursusque revocato praevaricationem; Liv. 9,27, 1 rursus ad Caudium revocavit; Ov. met. 7,789f. revocataque [scil. lumina} rursus eodem I rettuleram; Sat. 23, 1 rursus . . . revo cavit, vgl. KST 11 574f. §242. Zum häufigen Gebrauch von Pleonasmen bei Petron siehe SCnÖNBERGER 1 946, 1 6 1 . Es ist durchaus möglich, dass zwischen Sat. 1 0,3 und 1 0,4 ein umfangrei cher Textteil ausgefallen ist. Allerdings ist nicht anzunehmen, dass die er wähnte iniuria erst in dieser Lücke stattfand, da ein Erinnern stets ein vorheri ges Vergessen oder Verdrängen voraussetzt. D.h. das Erinnerte muss eine gewisse Zeit zurückliegen, während der andere Dinge vorgefallen sind oder besprochen wurden. Am plausibelsten ist es daher, den Begriff iniuria auf die erlittene Kränkung (vgl. Sat. 8 1 ,6 iniuriae meae und 9 1 ,7 dignus hac iniuria fui?) durch die beleidigenden Worte Askylts und/oder den sexuellen Übergriff auf Giton zu beziehen. Das nicht konkrete iniuria wird oft verwendet, um die Ausdrücke stuprum oder pedicatio zu vermeiden (vgl. Sat. 79,9 sive non sen tiente iniuriam sive dissimulante 1 33 , 1 usque in iniuriam vigilavit). Siehe dazu ADAMS 1 98 ; 255; OLD s.v. iniuria 4c; TLL 7. 1 . 1 675 .26ff. ; KAsER I 623-5 § 1 45; VORBERG 249; OBERMAYER 1 998, 325 Anm . 347. nobis convenire non posse: Ähnlich argumentiert Enkolp auch später gegen über Eumolp: Sat. 94,5 et ego iracundus sum et tu libidinosus: vide quam non conveniat his moribus (neben convenire wird auch die Konstruktion et ego . . . e t tu aus Sat. 1 0,5 e t tu . . . e t ego wiederholt). Zum unpersönlichen convenit mit Dat. vgl. Sen. contr. 2,6, 1 potest nobis convenire: similes sumus; Mart. 8,35 cum sitis similes paresque vita, I uxor pessima, pessimus maritus, I miror non bene convenire vobis; TLL 4.838.60ff. ; KST I 337f. §76. communes sarcinulas partiamur: Der Diminutiv sarcinulae (zuerst belegt bei Catull. 28,2) drückt hier wirklich eine Verkleinerung aus, wie das pauper tas nostra im selben Satz nahelegt. Vgl. dagegen Sat. 99,4 sarcinulas neben 99,6 sarcinis. Siehe MARBACII 1 93 1 , 62; CALLEBAT 1 968, 378; RONCAIOLI 1 96 1 , 4. Das Motiv des Streits zwischen zwei Genossen und die Teilung ihrer ge meinsamen Sachen findet sich auch in Apul . met. 1 0, 1 4 possumus omnia qui dem cetera fratres manere, ab isto tarnen nexu communionis discedere. Siehe ROSENBLÜTn 1 909, 77 und vgl. Sat. 79, 1 2 partiti manubias sumus. paupertatem nostram privatis quaestibus temptemus expellere: Die um ständliche Formulierung wirkt förmlich und abgeklärt (man könnte meinen, es ginge hier nur um ein Arbeitsverhältnis) in diesem emotionalen Beziehungs streit mit all seinen Ursachen und Konsequenzen (Seitensprung, Eifersucht, Trennungswunsch, plötzliche Lust, Giton wieder für sich allein haben zu wol-
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len). Dies gilt auch für den darauf folgenden Abschnitt. I n Sat. 1 0,7 erfahren wir, dass Enkolp damit seine wahren Beweggründe verschleiern wollte. Man darf den "gelehrten Vortrag" also als scherzhaftes Rollenspiel auffassen. paupertatem expellere ist singulär, das Verb erscheint aber in ähnlichen Kombinationen z.B. mit somnum (Verg. Aen. 8,408); quies (Ov. met. 8,828); famem (Tac. Germ. 23). Vgl. TLL 5.2. 1 635 .67ff. Zur paupertas der Protago nisten siehe unten Sat. 1 4, 1 V.2 paupertas. § 1 0,5 et tu Utteras seis et ego. ne quaestibus tuis obstern, aUud aUquid promittam; aUoqui mille causae quotidie nos collldent et per totam urbem rumoribus different': Du bist gebildet ebenso wie ich. Um deinen Geschäften nicht im Weg zu stehen, will ich irgendetwas anderes betreiben; sonst werden uns täglich tausend Gründe zusammenführen und uns in der ganzen Stadt ins Gerede bringen." et tu Utteras scis et ego: Enkolp spricht von sich und Askylt als literarisch Gebildeten: "uomini di lettere" (CIAFFI 1 955, 22 ) , "literary man" (COURTNEY 200 1 , 64). litteras seire meint hier etwas zwischen "die Buchstaben kennen, lesen und schreiben können" (TLL 7.2. 1 5 1 6.56ff.; vgl. Rhet. Her. 3 ,30 qui litteras seiunt, possunt . . . eis scribere; Sat. 58,7 lapidarias litteras seio) und "über literarische, wissenschaftliche Bildung verfügen" (TLL 7.2. 1 524.35ff. "seientia Iitterarurn"; OLD s.v. littera 8b; vgl. Cic. Brut. 259 exi.vtumabatur bene Latine [seil. loqui], sed litteras neseiebat; fin . 2, 1 2 nihil opus esse eum, qui philosophu.v futuru.v sit, seire litteras ). Bildung wird hier als Schutz vor sozialem Elend verstanden (vgl. Sat. 46,8 Iitterae the.vaurum e.vt). Entscheidend sind die rhetorischen Fertigkeiten der Protagonisten, die es diesen erlauben, sich mit "Geschäften" jedweder Art über Wasser zu halten. Dies kommt jedoch nicht zum Ausdruck, wenn man die Phrase in rein übertragenem Sinn als "du weißt dir zu helfen" (VAN TIßEL 1 97 1 , 27 Anm 2; GREWE 1 993 , 40 Anm 1 8) verstehen will. quaestibus tuis: Damit ist nicht spezifisch eine Unterrichtstätigkeit gemeint, sondem nicht näher definierte Unternehmungen (wie schon Sat. 1 0,4 privativ quaestibus), um über die Runden zu kommen, vermutlich zweifelhafter Natur, zumal die Protagonisten in den Sat. nirgendwo einer ehrlichen Lohnarbeit nachgehen. aUud aUquid promittam: Die Wendung im Sinn von "sich einer Sache ver pflichten" variiert den festen Ausdruck "ad cenam promittere" (siehe unten Sat. 1 0,6 hodie . . . ad cenam promisimu.v), bleibt dabei aber gänzlich inkonkret (vgl. auch Ausdrücke wie "noctem promittere", charakteristisch flir die Prosti tuierte oder Kupplerin, z.B. Juv. 7,84 promisitque diem). ali- wird ebenfalls nicht unterdrückt bei Ter. Phorm. 770 dum aliud ali quid jlagiti confieiat; Cic. inv. 1 , 1 5 cum aliud aliquid factum; fin. 4,46 aliud aliquid adquireret. .
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mille causae quotidie: Die Zahl Tausend steht hyperbolisch fUr ,,zahllose, viele". Sie wirkt verhüllend (de facto ist es nur eine causa) und verleiht der Aussage gleichzeitig mehr Drastik (so auch quotidie und unten per totam ur bem), wie u.a. in Sat. 1 27, 1 0 mille osculis lusimus oder im berühmten Beispiel Catull . 5,7 da mi basia mille, deinde centum. Dieser Gebrauch lebt in der Um gangssprache in zahlreichen modernen Sprachen fort ("tausend Dinge zu tun haben", ,,mille grazie"). Siehe PETERSMANN 1 46; HSz 2 1 1 § 1 1 3a; HOFMANN 89f. §83. per totam urbem rumoribus different: Die Furcht vor der öffentlichen Mei nung, meist in Liebesangelegenheiten, findet sich v.a. bei den Elegikern, z.B. Tib. 1 ,4,83 parce, puer, quae.w, ne turpis fabula fiam; Ov. am. 3, 1 ,2 1 fabula nec sentis - tota iactaris in Urbe; Prop. 1 ,5,26 quam cito de tanto nomine rumor eris!; 2,32,23f. nuper enim de te nostras tme laeditt ad auris I rumor, et in tota non bonus urbefoit; vgl. zudem H or epod. 1 1 ,7f. heu me, per urbem - nam pudet tanti mali - I fabula quanta foi. Hier deutet sie darauf, dass sie vorhaben, länger in der urbs zu bleiben. different ist eine Konjektur von DousA, die von p 2 und den modernen Edi toren übernommen wurde, während Idmrtpl das weniger passende deferent überliefern. differre aliquem im Sinn von "verleumden, ins Gerede bringen" ist gut überliefert, vgl . Plaut. Pseud. 359 te differam dictis meis; Epid. 1 1 8 clamo re differor; Tac. anno 1 ,4,2 pars . . . imminenti� dominos variis rumoribus differebant; TLL 5 . 1 . 1 070.66ff. .
§ 10,6 non recusavit Ascyltos et: 'hodie' inquit 'quia tamquam scholastici ad cenam promisimus, non perdamus noctem. cras autem, quia hoc tibet, et habitationem mihi prospiciam et aliquem fratrem': Askylt hatte nichts dagegen einzuwenden und sagte: "Da wir heute als Gelehrte zu einem Gast mahl zugesagt haben, wollen wir die Nacht nicht verlieren. Morgen aber, da es so sein soll, werde ich mich nach einer Unterkunft und einem anderen Bruder umsehen." non recusavit Ascyltos: Askylt konterkariert Enkolps Trennungsmonolog (Sat. 1 0,4f.) mit dem Vorschlag der Verschiebung um einen Tag: Das Essen geht vor. Vgl. Sat. 79, 1 2 non repugnavit ille, wo es schließlich zur Trennung kommt. hodie ... ad cenam promisimus: Auf die besagte Einladung am selben Abend nimmt der überlieferte Text keinen weiteren Bezug; stattdessen folgt die Markt- und Quartillaszene. Zur Frage, von welcher cena hier die Rede ist, siehe Ess. 9- 1 1 , 1 . Die Verbal ersparung in ad cenam promisimus (zu ergänzen wäre nos ven turoslituros esse) ist der lebendigen Sprache des Alltags eigen, siehe PETERS MANN 44; OLD S . V . promitto 4. Der Ausdruck ist seit Plautus (z.B. Plaut.
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Stich . 596 ad cenam herde alio promisi foras) belegt im Sinn von "verspre ehen, Gast bei einem Mahl zu sein; eine Einladung zum Essen annehmen". tamquam scbolastici: Die Partikel tamquam dient bei Petron nicht nur dem hypothetischen Vergleich, sondern wird wie hier auch im Sinn von ut, sicut zur Angabe eines objektiven Grundes verwendet ("als scholastici, die wir wirklich sind"), wie z.B. in Sat. 99,2 tamquam honarum artium magister; 1 02, 1 3 Eu molpus tamquam litterarum studiosus utique atramentum hahet. Siehe PE TERSMANN 287-8; HSz 596f. §32 1 . Allerdings legt der Kontext nahe, dass Enkolp und Askylt nur zeitweise die Rolle von scholastici wahrnehmen (und sich dann selbst als solche sehen, woftir auch Sat. 1 0,5 et tu litteras sci.� et ego spricht), v.a. um sich Einladungen zu erschleichen. Da der Begriff allgemein breit gefasst wird (siehe oben Sat. 6, 1 scholasticorum turha) und Enkolp in Sat. 1 f. seine rhetorischen Fähigkeiten unter Beweis gestellt hat, ist es nicht angebracht, von der Vorspiegelung falscher Tatsachen zu reden, z.B. BAGNANI 1 964, 234; COURTNEY 200 I , 39--43 . Die Tatsache, dass die Protagonisten in der Funktion von scholastici zu dem Gastmahl geladen sind, bedeutet, dass ihre Teilnahme unbedingt erwartet wird, siehe Ess. 9- 1 1 , 1 . non perdamus noctem: perdere im Sinn von "verlieren, ungenutzt verstrei chen lassen" (TLL 1 O. 1 . I 267.48ff. "perdere vitam, tempus sim.", vgl. Sen. dia/. 1 0, 1 6,5 diem noctis expectatione perdunt. noctem lucis metu). nox steht ftir cena. Nach PARATORE I 1 63 und 1 72 Anm . 2 ist nox wörtlich zu verstehen (sie wollen schlafen), was aber gegen die Logik des Satzes ver stößt und der konträren Verbindung von hodie und cras den Sinn raubt (so auch CIAFFI 1 955, 23 Anm . 1 7). non statt der Prohibitivnegation ne ist volkstümlich, vgl. Sat. 7 1 ,7 ; 74, 1 5 ; 75,6. Siehe PETERSMANN 229; CALLEßAT 1 968, 95; HSz 3 3 7 § 1 86y; KST 1 1 92 §48,2. babitationem mibi prospiciam : prospicere im Sinn von OLD S . V . prospicio 4b ("to look out for [with a view to acquiring]"), vgl. Cic. Sull. 55 ohtulit se ad ferramenta prospicienda; mit Dat. comm.: Liv. 4,49, 1 4 qui sedem senectuti vestrae prospiciunt; Apul. met. 1 ,24 ut . . . aliquid nohis cihatui prospicerem; Lucan. 9,234f. iustas sihi nostra senectus Iprospiciatjlammas. aliquem fratrem: aliqui.� hier in der Bedeutung von alius aliquis, z.B. ebenso in Sat. 1 26,6; Sen. epist. 32,4 quidquid ad te transferunt alicui detrahendum est; auch beim obigen hahitationem wird aliam unterdrückt. Siehe PETERS MANN 1 40; HSz 1 95 § 1 07 Zusatz a; TLL 1 . I 608 .73ff. Im Begrifffrater schwingt hier das ganze Bedeutungsspektrum von Zim mergenosse bis sexueller Partner mit (siehe oben Sat. 9,2 frater). frater hier lediglich als ,,not much more than 'roommate'" (COURTNEY 200 1 , 64) zu ver-
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stehen, würde z u apodiktisch voraussetzen, dass immer nur Doppelzimmer vennietet wurden. § 1 0,7 'tardum est' inquam 'differre quod plaeet' *: "Es ist müßig", sagte ich, "aufzuschieben, was beschlossene Sache ist." tardum est . . . differre quod plaeet: Unpersönliches tardum mit Inf. erscheint nur hier. In seiner wörtlichen Bedeutung ("es ist [zu] spät") ist der Ausdruck tautologisch (denn logischerweise kann nur verschoben werden, was zuvor beschlossen wurde), doch der Sinn erschließt sich leicht: "Warum noch auf schieben, was unausweichlich ist'?" Dennoch könnte die gnomische Sentenz sprichwörtlich sein (DTTO s.v. differre 2), vgl. in diesem Sinne die Überset zung "Gratification delayed is gratification denied" (BRANlIAM-KINNEV ). *: Alle Zeugen der L-Klasse vermerken nach placet eine Lücke. Es fehlen der eigentliche Vollzug der Trennung und der Weggang Askylts. In der Lücke könnte zudem eine Beschreibung der Güteraufteilung (divisionem) liegen, auf die Askylt polemisch Bezug nimmt, wenn er in Sat. 1 1 ,4 sagt: sic dividere cum fratre nolito. hane tam praeeipitem divisionem libido faeiebat; iam dudum enim amoliri eupiebam eustodem molestum, ut veterem eum Gitone meo rationem re dueerem *: Diese überstürzte Teilung hat Geilheit ausgelöst; denn schon lan ge wünschte ich mir, den lästigen AufPasser loszuwerden, um das alte Ver hältnis mit meinem Giton wiederaufnehmen zu können. hane tam praecipitem divisionem libido faciebat: Enkolp deckt hier selbst ironisch die wahren Gründe fUr die Trennung auf, die im Kontrast zu den ver hüllenden mille causae in Sat. 1 0,5 stehen. Auch an anderen Stellen in den Sat. lässt der Erzähler erkennen, dass er manchmal etwas vorgetäuscht hat: Sat. 97,9 fictae preces; 92, 1 3 tamquam non agnoscerem fabulam, tacui. divisionem: "Teilung" im Sinn von divisionem communium sarcinularum (TLL 5. 1 . 1 627.65ff.), was sich auch aus Sat. 1 0,4 communes sarcinulas parti amur und dem Wortspiel in Sat. 1 1 ,4 ergibt. Doch ist die Trennung hier natür lich mitgemeint ("separation, Trennung, separazione", wie ERNOUT, EIILERS, ARAGOSTI, CIAFFI u.a. übersetzen). iam dudum enim amoliri eupiebam eustodem molestum: In ihrer Menage a trois konnte Enkolp seinen Sexualtrieb nicht ausleben. Askylt hat offenbar verhindert, dass es zwischen Giton und Enkolp zu Intimitäten kam. ut veterem eum Gitone meo rationem redueerem: In der Vergangenheit pflegte Enkolp ein erotisches Verhältnis zu Giton, an das er jetzt wieder an schließen zu können hom, vgl. Sat. 80,6 wo Enkolp bezüglich seines Verhält nisses mit Giton von einer vetustissima consuetudo spricht. ratio im Sinn von consuetudo amatoria ("das Verhältnis, der Verkehr", VORBERG 555; DBER MAVER 1 998, 3 1 9 Anm . 3 1 5) scheint einmalig zu sein.
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reducerem stammt von BOCIIELER und wurde von allen modernen Edi toren übernommen, da die Überlieferungen deducerem (1) und diducerem (dmrpt) keinen Sinn ergeben. veterem ratianem reducere ("in alter Weise wie der verkehren") steht verhüllt fUr pedicare. eum Gitone meo: Das affektive Possessivpronomen mea ist umgangs sprachlich und bezeugt die innere Anteilnahme Enkolps (vgl. Sat. 98,8 Gitana tuum; 25, 1 Pannychis nostra; siehe dazu PETERSMANN 1 30f; HOFMANN 1 37-9 § 1 28 mit Nachtrag). *: Eindeutige, in der ganzen L-Klasse markierte Lücke, in der ein Ortswechsel stattfmdet - Sat. 1 1 beginnt auf der Straße. Dass darin die in Sat. 1 0,6 erwähn te cena beschrieben wurde (wie CIAFFI 1955, 29; ARAGOSTJ Anm . 24 vermu ten), ist unwahrscheinlich. In Sat. 1 0,7 besteht Enkolp auf einer sofortigen Trennung, die auch vollzogen wird. Gemäß vAN TIßEL 1 97 1 , 28f. könnte in der Lücke die Abreise Askylts und die Befürchtung Enkolps, Askylt gehe nicht wirklich, sondern verstecke sich irgendwo in der Nachbarschaft, geschildert werden. Sat. 1 1 , 1 lustravi aculis tatam urbem beschriebe dann einen Kontrollgang Enkolps, was viel wahr scheinlicher ist als LENNOX' Vermutung ( 1 978, 748f.), Enkolp suche nach einer Arbeit.
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Kapitel 1 1 Askylts unerwartete Rückkehr. Streit um Giton. § 1 1,1 postquam lustravi oeulis totam urbem, in eeUulam redii oseulisque tandem bona fide exaens alligo artissimis eomplexibus puerum fruorque votis usque ad invidiam felicibus: Nachdem ich in der ganzen Stadt Aus schau gehalten hatte, kehrte ich ins Kämmerchen zurück, verlangte endlich in gutem Glauben Küsse von dem Knaben, schloss ihn ganz fest in meine Arme und genoss glückliche Wonnen, um die mich jeder beneidet hätte. lustravi oeulis totam urbem: Die J unktur oculiv lustrare ist gut belegt: z.B. eic. nat. deor. 2, 1 6 1 totam licet animis tamquam oculis lustrare terram ma riaque omnia; Tac. hist. 2,70 lustrare oeulis coneupivit; Lucan. 7,795 lustrare oculis eampos. Zum hyperbolischen totam urbem vgl. oben Sat. 8,2 eum errarem . . . per totam eivitatem . . . oseulisque tandem bona fide exaetis: Enkolp beansprucht Giton fUr sich, was er in Sat. 1 0,7 (ut veterem cum Gitone meo rationem redueerem) mit dern schon seit langem andauernden Verhältnis mit diesem rechtfertigt. Das Verb exigere lässt Giton bereits hier als passives "Objekt" (und passiven Sexual partner, der er ja ist) erscheinen und ist ein Vorbote für die Teilungsgeschichte in Sat. 80, die hier ihren Anfang nimmt (vgl . Sat. 1 1 ,4 sie dividere cum fratre nolito). bona fide: Der feste Tenninus (der Handels- und Gerichtssprache), der sich auch in der Umgangssprache niedersetzte (z.B. Plaut. Aul. 772), meint hier am ehesten die Sicherheit, in der Enkolp sich vor Askylt wähnt ("im guten Glauben, ahnungslos, arglos", so z.B. BRANIIAM-KINNEY "without looking over my shoulder"), und kündigt als narratologisches Spannungselement die plötzliche Rückkehr Askylts an, ähnlich dem ut putabamus in Sat. 1 5 ,8. Weni ger Sinn ergibt eine Übersetzung wie "aufrichtig" (wie in Sat. 1 1 0,3, wo Tryphäna tune primum bona fide puero basium dedit) oder "so dass der Erfolg sicher ist" (FRAENKEL 1 9 16, 1 93). alligo artissimis eomplexibus puerum: Der Wechsel vom Perfekt ins unmit telbarere hist. Präsens ist bei Petron häufig, sogar wie hier innerhalb eines Satzes, vgl . z.B. (ebenfalls mit -que) Sat. 97, 1 ; 1 1 0,2. Siehe dazu PETERSMANN 1 69f. ; HSz 307 § 1 72; KST 1 1 1 4--7 §3 1 . Die Verbindung eom-/amplexus mit artus ist häufig, vgl. Sen. dia!. 1 2, 1 9,3 te ... illius artissimis amplexibus alliga; benef 7, 1 3 quemadmodum amantes solent. quorum plura oseula et eonplexus artiores non augent amorem sed exereent; Lucan. 8,723 tenet ille dueem eomplexibus artis. Eine ähnliche Szene zwischen Enkolp und Giton findet sich in Sat. 9 1 ,4.
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fruorque votis usque ad invidiam felicibus: fruor gehört zum sexuellen Sprachregister (ADAMS 1 98; VORBERG 20 1 ), vgl. u.a. Plaut. Asin. 9 1 8 sese altemas eum i/lo noctes hac frui; Cic. Tusc. 4,73 Jrueretur voluptate amatoria; Ov. am. 2,9,46 saepe fruar domina; Tib. 1 ,5, 1 7 Jruitur nunc alter amore; Pri apo 50,5 quae si contigeritfruenda nohis; TLL 6. 1 . 1 424.22ff. Mit vota (etwa: "alles, was ich mir gewünscht und erhofft habe") sind hier die sexuellen Wonnen gemeint (siehe ADAMS 1 88. 255; vgl . Ov. ars 1 ,67 1 quantum defuerat pleno post oscula votot), die normalerweise mit gaudia ausgedrückt werden (z.B. Sat. 87,3 . 8; 1 32, 1 5 V.5). Zum Ausdruck usque ad invidiam im Sinn von ,jeder würde mich benei den", vgl. Sen. epist. 1 20,2 1 modo dilatat se usque ad invidiam; Quint. decl. 333,6 utinam non usque ad invidiam! Zum Neid im sexuell-erotischen Kontext vgl. z.B. Prop. 1 ,8,27 rumpantur iniquil; Catull. 5 , 1 2f. ne quis malus invidere possit, / cum tantum sciat esse hasiorum; Plaut. Most. 306f. haec qui gaudent, gaudeant perpetuo suo semper hono; / qui invident, ne umquam eorum quis quam invideatprosus commodis. § 1 1 ,2 nec adbuc quidem omnia erant facta, cum Ascyltos furtim se fori bus admovit discussisque fortissime c1austris invenit me cum fratre luden tem: Und wir waren noch nicht einmal fertig, als sich Askylt heimlich zur Türe schlich, die Riegel gewaltsam aufbrach und mich mitten im Liebesspiel mit meinem Bruder vorfand. nec adbuc quidem omnia erant facta: Unspezifische Termini wie omnia und facere dienen häufig als Umschreibungen für Begriffe aus dem sexuellen Sprachregister; so lässt es sich vermeiden, die Dinge beim Namen zu nennen (vgl. oben Sat. 1 0,4 . . . iniuriae). Zu omnia mit sexueller Implikation vgl. Sen. nato 1 , 1 6,5; Sat. 1 30,5 forsitan dum omnia concupisco; 1 32, 1 omne genus amoris; ADAMS 1 90. 255. Zufacio für den Geschlechtsakt ("es tun", "to do it") siehe oben Sat. 9,9 cumfortiterfaceres. cum Ascyltos furtim se foribus admovit: Hier findet ein kurzer Wechsel von der personalen zur auktorialen Erzählersicht statt, siehe dazu HAßERMEIIL XIXf. Askylt wählt den bestmöglichen Zeitpunkt für einen wirkungsvollen Auftritt. Wo Askylt sich versteckt hat, erfahren wir nicht. Konstruktionen mit cum inversum (hier mit vorausgehender negativer Umkehrung der Aussage wie z.B. auch in Sat. 49, 1 nondum . . . cum . . ; siehe ROEMER 1 96 1 , 206) werden von Petron häufig angewandt, um die Erzählung dynamischer zu gestalten, z.B. beim Auftritt neuer Personen, wobei oft eine Tür mit im Spiel ist: Sat. 92, 1 cum Eumolpus ostium pulsat oder 99,5 cum crepuit ostium impulsum. Ü berhaupt sind Türen in den Sat. wie in Komödien oft Schaltstellen von Szenenwechseln (durch die Tür kommt z.B. Quartilla in Sat. 1 6,2 oder Habinnas in 65,3). Dabei werden sie auch gerne wie hier auf gebrochen (z.B. in 79,7; 97,8). .
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diseussisque fortissime elaustris: Askylt bricht die (wohl abgeschlossene) Tür auf, die danach aber nicht kaputt ist, denn Sat. 1 6,2 sera sua sponte de lapsa cecidit reclusaeque subito fores admiserunt intrantem setzt voraus, dass der Riegel noch ganz ist (anders VAN TUTEL 1 97 1 , 3 1 Anm. I ). fortissime passt zu den zahlreichen Beschreibungen von Askylts körperli cher Stärke (z.B. Sat. 8,4 valentior, 9,7 sublatisfortius manibus). claustra discutere ist singulär, üblicher ist z.B. claustra laxare (vgl. Sat. 97,8; Verg. Aen. 2,25 8f. pinea furtim / laxat claustra Sinon u.a.). invenit me eum fratre ludentem: ludere wird häufig in erotischem Kontext verwendet (vgl . bei Petron Sat. 1 27, 1 0; 1 29,5; 140,9) und schließt die meisten Spielarten der sexuellen Aktivität ein, hier den homosexuellen Verkehr, vgl. Mart. 9,25,8 ludere Mercurio cum Ganymede /icel; ohne Spezifikation Mart. 1 1 ,39,7 ludere nec nobis nec tu permittis amare; 1 1 , 1 04,5; Catull. 68, 1 7 multa satis lusi. Siehe ADAMS 1 62; VORßERG 3 1 4. Zu frater als Sexualpartner vgl. Sat. 9, 1 0; 1 1 ,3 . § 1 1 ,2f. risu itaque plausuque cellulam implevit, opertum m e amieulo evoluit et 'quid agebas' inquit 'frater sanctissime? quid? vesticontuberni um facis?' : Mit seinem Lachen und Applaus erfüllte er das Kämmerchen, wickelte mich aus dem Mantel, der mich bedeckte, und sagte: "Was hast du getan, frommes Brüderlein? Was? Stellst du Decken-Gemeinschaft her?" risu itaque plausuque cellulam implevit: Blossstellendes Auslachen. Zu implere + "sonis sim." (TLL 7. 1 .629.74ff.) vgl. z.B. Verg. A en. 2,769 implevi clamore vias; Sal. 64,9 taeterrimo latatru triclinium implevit; 72, l lamentatio ne triclinium implevit. Lachen und Klatschen werden auch in Sat. 1 8,7 complosis deinde manibus in tantum repente risum ejJUsa est ut timeremus kombiniert. opertum me amiculo evoluit: Wortspiel aus amiculo (von amiculum "Man tel") und amiculo (von amiculus ,,Freund"). Askylt wickelt Enkolp aus dem Mantel und zugleich aus Gitons Umklammerung. evolvere ("auswickeln'·) ist außerdem ein Antonym zu amicere ("einwickeln"), aus dem amiculum sich herleitet. quid agebas: Das Verb ist hier zweideutig und kann auch in sexuellem Sinn verstanden werden, vgl. Juv. 6,5 8 nil actum in montibus; ADAMS 205. ,,Das Imperfekt scheint bisweilen statt des Präsens zu stehen, wenn die dadurch ausgedrückte Handlung in der Gegenwart fortbesteht" (KST I 1 23 §32,3), siehe dazu auch PETERSMANN 1 76; HSz 3 1 6 § 1 76 Zusatz a. Wie WllEELER 1 903, v.a. 1 68 und RONCONI 1 943, 9- 1 2 richtig bemerken, wird die Handlung, die bis gerade eben andauerte, in diesem Moment unterbrochen. Sie sprechen sogar von einer Spezial form des Imperfekts bei unterbrochenen Handlungen. Vgl . z.B. auch Sat. 1 00,6.
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frater sanctissime: sanctus bezeichnet die moralische Integrität einer Person (OLD S.v. sanctus 4) und wird hier durch die höhnische Anrede und den Su perlativ sarkastisch ins Gegenteil gedreht, vgl. eie. Pis. 28 tu scilicet homo religiosus et sanctus. quid?: Absolutes quid drückt Ü berraschung aus, die hier alIerdings nur ge spielt ist; vgl. Sat. 53,6 'quid? ' inquit Trimalchio, 'quando miM Pompeiani horti empti sunt? ' Siehe dazu VÄÄNÄNEN 1 995. AlIerdings wirkt quid? nach quid agebas? ziemlich schwach. Deshalb und aufgrund der korrupten Überlie ferung des Satzes ist nicht auszuschließen, dass quid z.B. das Fragepronomen eines folgenden (nicht überlieferten) Fragesatzes ist. vesticontubernium facis: Der Wortlaut der Stelle ist umstritten; vesticontu bernium (l"lntp) ist eine überzeugende Konjektur von TURNEBUS, während Idr ein unpassendes verti contubernium überliefern. contubernium kann sowohl ,,zelt-/Wohngemeinschaft" (z.B. Plin. epist. 5 , 1 4 [ 1 5],9 ne quis . . . contubernio nostro dies pereat) meinen als auch sexuelIe Intimität im Sinn von concubitus (seit der Kaiserzeit belegt, TLL 4.792.41 ff.): Zwei Sueton-StelIen spielen explizit auf homosexuelIe Beziehungen an: Suet. Jul. 49, 1 Nicomedis contubernium; Cal. 36, 1 Valerius Catullus . . . stupratum a se ac latera sibi contubernio eius defessa etiam vociferatus est. verti contubernium facis ("Machst du unsere Gemeinschaft zunichte?" , EIILERS; ähnlich BÜCIIELERS2•6 diverti contubernium facis) ist zwar gramma tisch vertretbar (PETERSMANN 2 1 3 verteidigt diese Überlieferung [verto ,,zerstören, zunichte machen"] und versteht die Konstruktion als kausatives facere mit AcI [vgl. z.B. Lucr. 5,662 quae faciunt solis nova semper lumina gigni; Verg. Aen. 2,538f. qui nati coram me cernere letum / fecisti; HSz 354 § 1 94 Zusatz] ), inhaltlich überzeugt diese Variante jedoch nicht: ein plumper Vorwurf, der ins Leere läuft, zumal sich Enkolp und Askylt schon getrennt haben und Askylt sich kurz zuvor selbst an Giton vergangen hat. Ähnliches kann gesagt werden zu den Änderungsvorschlägen verticontubernium (ALES SIO 1 960/ 1 , 404f. ; ein Kompositum mit vertere für "qui vertit contubernium" ; Konstruktion vergleichbar z.B. mit julcipedia in Sat. 75 ,6) oder quid vero ? contuberniumfacis? (nach LEARY 200 1 , 625). Die Konjektur vesticontubernium (BüCIIELER 1; ERNOUT; DIAZ Y DlAZ und MÜLLER 1 ) geht von einem Neologismus Petrons aus, einer scherzhaften Wort schöpfung aus vestis (kann ,,Kleidung" oder "Decke" [Luer. 2,36 plebeia veste] heißen, analog zum griech. ;(l..
1 50
Kap. 1 1
auf den Mantel) und erscheint als Ä ußerung Askylts daher plausibler. Solche ad hoc gebildeten Komposita sind auch aus der plautinischen Komödie be kannt (z.B. Amph. 59 und 63 tragico[coJmoedia). Zu den Komposita bei Petron siehe MARBAClI 1 93 1 , 79- 1 1 8 . Ob man sich ftir diesen Neologismus oder einen Verbesserungsvorschlag von FuCHS 1 959, 59 « sub> veste contubernium), ROSE 1 968 (veste contuber nium; bereits Saumaise/Salmasius) oder GIARDINA 1 995--6, 267f.; 1986--7 , 389 « de> veste contubernium) entscheidet, der Sinn bleibt derselbe: "Machst du aus einer Decke ein Zelt ftir zwei?"; "Stellst du unter der Decke ZeItgemein schaft her?" (EHLERS); "Are you playing at houses under the blanket?" (WALSH). Das Motiv "unter demselben Mantel stecken" ist geläufig und topisch. Es kann sogar Sitte gewesen sein, dass Verkehr unter einem Mantel vollzogen wurde (LEARY 200 1 , 625; DOVER 1 983, 92). Im Griechischen gibt es viele Stellen, wo sexuelle Vereinigung auf diese Weise verschleiert wird (Soph. Tr. 539f. lCat vuv ou'oticrat IltllVollEV Ilta� {mo / XAaiV11 � ultaYlCaA.tcrlla; Eur. frg. 603 ,4 ö'tav o'ult'avopo� XAalvav EUYEVOU� ltecrn�; Theocr. 1 8, 1 9 Zav6� 'tot Ouya'tl1P UltO 'tclV Iliav tlCE'tO xA.alvav; vgl . auch Sokrates und Alkibiades im Symposium (Plat. Symp. 2 1 9b). Vgl . zudem Ov. am. 1 ,4,47f. saepe mihi dominaeque meae properata voluptas / veste sub iniecta dulce peregit opus. § 1 1 ,4 nee se solum intra verba eontinuit, sed forum de pera solvit et me eoepit non perfunetorie verberare, adieetis etiam petulantibus dictis: 'sie dividere eum fratre nolito' *: Und er ließ es nicht bei diesen Worten bewen den, sondern löste den Riemen vom Rucksack und begann, mich nicht leicht zu schlagen, wobei er auch noch die unverschämten Worte hinzufUgte: "So mit dem Bruder teilen solltest du nicht ! " n ec s e solum intra verba eontinuit: Reflexives, i n übertragenem Sinn zu verstehendes continere wird normalerweise mit in verbunden, hier hingegen mit intra + Akk. , vgl. Sen. dial. 1 2, 1 1 ,4 qui continebit itaque se intra natura lem modum (TLL 4.704.20f.). sed forum de pera solvit: Eine pera ist eine Art Sack, den man sich mit einem Riemen (forus) um die Schulter hängt (siehe DAREMBERG-SAGLlO s.v. pera). Der lorns dient gerne als Instrument fUr Schläge, vgl. z.B. Apul. met. 3 , 1 4 forus iste, quem tibi verberandae destinasti. me eoepit non perfunctorie verberare: Das Adv. perfonctorie (perfimctorius analog zu defunctorius: Sat. 1 32, 1 0 apodixin < non> defonctoriam und 1 36,5 nec satiatus defonctorio ictu), erscheint zumeist in verneinten Sätzen und be zeichnet in Bezug auf eine Aktion, dass diese nur oberflächlich, leicht oder mit fehlender Sorgfalt durchgeftihrt wird (TLL 1 O. 1 . 1 4 1 7.74ff.). Hier deutet die Litotes auf sarkastisch-humoristische Weise auf die körperliche Stärke Askylts
Kap. ! !
151
hin, der ein ausgewiesener Kraftprotz ist (siehe in dieser Szene 8,4 valentior; 9,7 fortius; 1 1 ,2 fortissime). Priigel für unterlassenen Sex bezieht Enkolp in Sat. 1 34,3 harundinem ab ostio rapuit nihilque respondentem muleavit. adiectis eöam petulanöbus dieös: petulans ("frech") wird wie hier häufig in sexuellem Zusanunenhang gebraucht (OLD s.v. petulan.� c; Sat. 1 3 8,6). So ist der folgende Ausspruch eher anzüglich und süffisant als frech. sie dividere eum fratre nolito: Freier: ,,Das nennst du brüderlich teilen'?" Listig nimmt Askylt den Vorschlag Enkolps in Sat. 1 0,4 intel/ego nobis eonve nire non posse. itaque eommunes sarcinulas partiamur wieder auf. In Sat. 79,9-80,2 wird erneut darauf Bezug genommen, als Enkolp und Askylt sich zum zweiten Mal und endgültig voneinander trennen und Askylt die "Teilung" von Giton fordert (age . . . nune et puerum dividamus), siehe dazu HABERMEHL ad loc. Mit dividere cum fratre ist normalerweise die Erbschaftsteilung zwischen Brüdern gemeint, z.B. Sen. epist. 88, 1 1 quid mihi prodest seire agellum in partes dividere, si neseio eum fratre dividere?; Quint. inst. 7, 1 ,45 avarum, impium, ingratum qui dividere nolit eum fratre. Giton gehört aber nicht wirk lich zur Erbmasse bzw. hier im übertragenen Sinn für Scheidungsmasse im Falle der Gütertrennung, zumal er kein Sklave ist (siehe Einl. 3). Der juristi sche (HEuMANN-SECKEL s.v. dividere) und quasi sprichwörtliche Ausdruck (wie auch dt. "brüderlich teilen", ital. "dividere da buoni fratelli") wird hier parodiert, wozu die Zweideutigkeit von frater - in unserem Fall nicht Bluts bruder, sondern der Genosse, mit dem man das Bett teilt - beiträgt (siehe zu frater oben Sat. 9,2 frater). dividere: Das Verb dividere hat einen erotisch-obszönen Nebensinn ("pe dicare, stuprare") seit Plaut. Aul. 280--6 (Wortwechsel zwischen zwei Köchen, basierend auf der Zweideutigkeit von dividere: 283 mequidem herde, dieam <pro>palam, non divides; 285--6 bellum et pudieum vero prostibulum popli. / post si quis vellet, te hau non velles dividi). Zudem C ic. jam. 9,22,4 non hones tum verbum est 'divisio '? at inest obseenum. Häufiger mit diesem Sinn sind dirumpere (z . B . in Apul. met. 7,2 1 ) und scindere (z.B. in Priap. 54,2; 77,9). So A DAMS 1 5 1 ; VORBERG 1 50; VAN nTIEL 1 97 1 , 27 Anm . 1 ; GREWE 1 993, 48. nolito: Das seltene futurische nolito mit Inf. findet sich bereits in Plautus, z.B. Plaut. Cist. 1 08f. nolito aeriter / eum indamare; Poen. 1 32 1 nolito . . . eonvortere. Siehe PETERSMANN 203 ; HSz 336f. § 1 86 lll. *: Die Lücke wird von allen Zeugen der L-Klasse bezeichnet. Ihr Umfang ist schwer abschätzbar. Es muss eine Art Versöhnung zwischen Enkolp und Askylt geben, da sie die Trennung zu diesem Zeitpunkt nicht vollziehen und bis Sat. 79 f. damit zuwarten. Wenn Sat. 1 2ff. am Abend des Tages stattfindet, und so präsentiert sich uns heute der Text, gehen sie nicht zu dem in Sat. 1 0,6
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Kap. 1 1
angesprochenen Essen, ftir das Askylt ursprünglich die Trennung verschieben wollte, sondern suchen daraufhin den Markt (Sat. 1 2-1 5) auf.
Auf dem Markt (Sat. 1 2-1 5) Die Marktszene ist trotz einzelner Lücken im Text in sich stringent und gut verständlich. Allerdings fehlt uns die Vorgeschichte, auf der die Ereignisse auf dem Markt aufbauen; femer wissen wir nicht, ob die Szene mit dem überliefer ten Schluss tatsächlich zu Ende ist (dazu Punkt I ) . Zudem bedarf es einer ge nauen Prüfung, wie eng die in der Überlieferung folgende Quartilla-Szene mit der Marktszene verbunden ist (dazu Punkt 2). Die Marktszene gilt als eine der komplexesten und verblüffendsten Szenen der Sat. Der Handlungsverlauf ist lebendig, temporeich und steckt voller Über raschungen. Motivinventar und Szenerie sind literarischen Modellen wie der Komödie entnommen (dazu Punkt 3). Der gezielte Einsatz von Symmetrien und Gegensätzen (dazu Punkt 4), ein Verwirrspiel um Sein und Schein (dazu Punkt 5) auf der Handlungsebene und der ausgiebige Einsatz j uristischen Jar gons (dazu Punkt 6) sind die auffälligsten Gestaltungsmittel der Szene.
1 . Vorgeschichte und Ausgang der Marktszene Die Marktszene setzt die Kenntnis früherer Abenteuer Enkolps, Askylts und evtl. Gitons voraus, die nicht Bestandteil der überlieferten Fragmente sind. Die Vorgeschichte lässt sich schwer rekonstruieren. Einzige Anhaltspunkte sind folgende vier Hinweise im Text: A. die in die Tunika eingenähten aurei (Sat. 1 3,2 depositum . . . inviolatum; thesaurum; 1 3 ,3 intactis aureis plena u.a.). Die Herkunft der aurei ist unklar. In der Regel wird der Goldschatz als Beute aus dem Streifzug durch die Villa Lykurgs (erwähnt in Sat. 1 1 7,3) angesehen (z.B. SULLNAN 1 968, 44f.). B. der Diebstahl des Mantels (Sat. 1 2,2 raptum latrocinio pallium). Die Bauersleute erheben Anspruch auf den Mantel, und wir haben keinen Anlass, ihre Eigentümerschaft in Frage zu stellen. Nicht selten wird auch Quartilla als Eigentümerin in Erwägung gezogen (PARATORE I 1 7 1 -3 ; CIAFFI 1 955, 37; SULLNAN 1 968, 45f. - die These stützt sich auf die Identifikation der mulier cu/a mit der anci//a der Quartilla, siehe unten zu 0 und Punkt 2). BURMAN 64 will Lykurg das Eigentum zuschreiben (vgl. ARAGOSTI Anm . 26) . Ob der Mantel allenfalls etwas mit der ominösen vestis divina (Sat. 1 1 4,5) zu tun hat, erschließt sich aus dem Text nicht.
1 54
Auf dem Markt (Sat. 1 2-1 5) C . der Verlust der Tunika
quo querebar?).
(Sat. 1 3 ,2 scis . . . rediisse ad nos thesaurum de
Auf weIche Weise die Tunika verlorenging, geht aus dem
rusticus gefunden und mitge ( 1 2,5 in solitudine invenerat), was Enko1p beobachtet haben muss, da Bauern wiedererkennt ( 1 2,5 videbatur ille mihi esse qui . . . ) . Wieso En
überlieferten Text nicht hervor. Sie wird vom nommen er den
ko1p damals nicht eingeschritten ist ("too much danger?", fragt VAN DER P AARDT
1 996, 67),
erfahren wir nicht. Er muss bei diesem Vorfall aber allein
gewesen sein, andernfalls hätte Askylt keinen Grund, ihm zu misstrauen ( 1 3 ,4
turpissima suspicione).
Wahrscheinlich hängt der Verlust der Tunika mit dem
Diebstahl des Mantels zusammen, zumal die Episode auf dem Markt nahelegt, dass die Bauersleute nicht nur im Besitz der Tunika, sondern auch die früheren Besitzer des gestohlenen Mantels sind. D. die Tempelentweihung, deren Quartilla Enkolp, Askylt und evtl. Giton
( 1 6,3 Quartillae. cuius vos sacrum ante cryptam turbastis; 1 6,4 errorem vestrum; 1 7,4 quod non licuit adspexit; 1 7,6 admisistis inexpiabile scelus). Die Annahme, dass die Mantel-Tunika-Geschichte mit der Tempel bezichtigt
entweihung in einem Zusammenhang steht, stützt sich hauptsächlich auf den
Sat. 1 6,3 [illa scilicet quae mulier vom Markt mit der ancilla der Quartilla gleichsetzt (siehe unten zu Punkt 2). Vertreter dieser These postulie ren grob folgenden Handlungsverlauf (PARATORE I I 65ff., bes. 1 7 1 -3 ; CIAFFI 1 955, 29-4 1 ; PATIMO 200 1 , 1 66; VAN nIIEL 1 97 1 , 29-33 u.a.): EnkoIp und umstrittenen, vermutlich interpolierten Satz in
paulo ante eum rustico steterat},
der die
Askylt stehlen im Zuge der Tempelprofanation den Mantel der Quartilla. Auf
rustieus,
der Flucht verliert Enkolp die Tunika. Der
der in irgendeiner Weise
mit Quartilla in Verbindung stehen muss, findet die verlorene Tunika, was Enkolp beobachtet, der aber nicht einzugreifen wagt. Tags darauf schmiedet Quartilla, die über alles Bescheid weiß, den Plan, sich des
rusticus
und der
Tunika (mit dem eingenähten Geld) als Lockmittel zu bedienen, um die j ungen Männer zu finden. Sie gibt ihrer
ancilla
den Auftrag, den Bauern aufs Forum
zu begleiten (siehe dagegen unten zu Punkt
An
2).
einem für die beiden Freunde glücklichen Ende der Szene würde wohl
niemand zweifeln, wäre da nicht das bedeutungsvolle dazu unten Sat. 1 5 ,8
ut putabamus) des
ut putabamus
(siehe
Erzählers. Bezogen auf reeupero stellt
dieser Einschub das Wiedererlangen des Schatzes in Frage, bezogen auf
sauro
the
den Schatz selbst bzw. dass sich dieser noch in der Tunika befindet. Im
ersten Fall hätten sich die Freunde erneut der Gefahr ausgesetzt, den Schatz zu verlieren (SClIEIDWEILER
1 925, 202;
CIAFFI
1 955, 37; LEFEVRE 2007, 1 64 mit
der Variante, dass Enkolp und Askylt des Diebstahls überfUhrt werden und eine Strafe bezahlen müssen, die dem in der Tunika enthaltenen Gold ent spricht). Im zweiten Fall hätten sie einen wertlosen Geldersatz in der Tunika vorgefunden
(MERKELBACII 1 963, 1 92; SLATER 1 990, 36 Anm . 25; WEIN-
Aufdem Markt (Sat. 1 2-1 5 )
1 55
REICH 1 929, 396 Anm . 34; PARDINI 1 996, 1 89 mit Anm . 34). Ob Enkolp und Askylt zuletzt als Verlierer dastehen, bleibt ungewiss. Der weitere Verlauf der Sat. lässt in diesem Punkt ebenfalls keine Schlüsse zu. Es ist auch schwer vorstellbar, dass die in Sat. 1 1 7,3 genannte vestis, rapinae comes die Tunika der Marktszene sein soll (wie JENSSON 2004, 1 52f. meint). Ein unerwartetes Ende wäre nicht untypisch für die Sat. , wenn man be denkt, dass alle Kurzgeschichten, die milesische Novellen sind (Knabe von Pergamon 85,1-87, 1 0; Matrone von Ephesos 1 1 1 , 1- 1 1 2,8) oder Charakteristi ken dieser Gattung aufweisen (Werwolf 6 1 ,6--62 , 1 4; Hexen 63,3- 1 0; das un zerbrechliche Glas 5 1 , 1--6), ähnlich unerwartet enden: "One can rightly argue that this is a typical feature of the Milesian tale but it occurs also in the sudden conclusions of the mime" (PANAYOTAKIS 1 995, 30), siehe zudem SCIIMELING 1 99 1 , 353--64.
2. Einordnung der Marktszene in das Werk Die uns überlieferte Reihenfolge der Fragmente von Sat. 1-26,6 wurde ver schiedentlich angezweifelt. Anlass dazu gibt u.a. folgende Ungereimtheit: In Sat. 1 0,6 spricht Askylt von einer Einladung zum Essen am selben Tag (ho die . . . ad cenam promisimus). Nach dem Besuch des Marktes jedoch kehren die Protagonisten in aller Ruhe nach Hause zurück und nehmen bei Giton das Abendbrot ein. Eine cena (nämlich die Cena Trimalchioni.�) besuchen sie erst nach dem Intermezzo mit Quartilla, also zwei bis drei Tage später (siehe dazu auch oben Ess. 9- 1 1 , 1 ). Aus diesem Grund hält SGOBBO 1 930 (sowie RmEZZO 1 93 1 ; dagegen aus führlich PARATORE I 1 55--64) sowohl die Markt- als auch die Quartilla-Szene ( 1 2-26,6) für falsch platziert und stellt sie den Kapiteln 1-1 1 voran. Das aber führt zu neuen Anknüpfungsproblemen. SGOBBOS These stützt sich auf einen mittelalterlichen Zusatz zum Petron-Zitat in Fulg. myth. 3,8 (jrg. 7), worin ein Satz aus der Quartilla-Szene dem antiken 1 4. Buch der Sat. zugewiesen wird. Tatsächlich handelt es sich um eine völlig isolierte Angabe, deren Zuverlässig keit und Richtigkeit stark angezweifelt werden darf (so auch VAN TIUEL 1 97 1 , 2 1 -4 und 3 2 Anm . 2 ; CIAFFI 1 955, 38). Dasselbe gilt für den Vorschlag SUL LNANS ( 1 968, 46), der lediglich 1 6-26,6 vor 1- 1 5 setzt und dadurch die Markt- von der Quartilla-Szene trennt. Letztere jedoch bietet nennenswerte Anknüpfungspunkte an die Marktszene: Die verschlossene Tür (Sat. 1 5,8 praeclusisque foribus) wird erwähnt ( 1 6,2 aperi; sera sua sponte delapsa; reclusaeque ... fores), und die schreckhafte Reaktion auf das Klopfen ( 1 6,2 pallidi) ist im Anschluss an die Vorfälle auf dem Markt gut zu verstehen. Berechtigt ist jedoch die Frage, inwiefern Sat. 1 2- 1 5 und 1 6-26 inhaltlich zusammengehören: Handelt es sich um zwei eigenständige Einzelszenen, oder
1 56
Auf dem Markt (Sat. 1 2-1 5)
ist die Marktszene von Quartilla inszeniert worden und der Aufuitt der Bauers leute als List Quartillas aufzufassen (siehe oben 1 O)? Verlässliche Aussagen über den Grad der Kohärenz eines so fragmentarischen Textes wie der Sat. sind generell ein heikles Unterfangen. In den erhaltenen Teilen der Sat. lassen sich sowohl Beispiele für szenenübergreifende Verbindungen finden (z.B. die Figur des Lichas, der plötzlich und überraschenderweise wieder auftaucht und handlungsrelevant wird) als auch fUr abrupte Szenenwechsel, bei denen die Episoden in keiner engeren Beziehung zueinander stehen (vgl. z.B. Anfang und Ende der Cena; Schiflfahrt - Croton). Auch im konkreten Fall der Markt szene lassen sich eindeutige Argumente fUr die eine oder andere Variante nicht finden. In der Quartillaszene gibt es drei Anhaltspunkte, die fUr eine enge Verbindung der Szenen sprechen könnten, aber nicht müssen: A. me derisisse in 1 6,3 könnte sich auf das Auslachen der ealumnianti um . . . quod nohis ingenti eal/iditate pecuniam reddidissent ( 1 5,8) beziehen. Es passt aber ebenso gut zur Entweihung des saerum, weswegen Quartilla und ihr Gefolge Enkolp und Askylt ja aufsuchen. B. Genauso kann latrocinia in Sat. 1 7,4 entweder auf die Mantel-Szene ( 1 2,2 raptum latrocinio pallium) verweisen oder als ,,Räubereien, Streiche" im metaphorischen Sinn und auf die Tempelprofanation bezogen zu verstehen sein. e. In Sat. 1 6,3 erscheint eine mu/ier . . . operto eapite, die durch den fol genden Satz [i//a sci/ieet quae paulo ante cum ru.�tieo steterat] mit der mu/ier der Marktszene gleichgesetzt wird. Bereits in 14,5 wurde dieselbe mulier in Anlehnung an 1 2,3 rusticus quidam jami/iaris oeu/is mei.� cum muliereula eomite als mu/ier aperto eapite [quae eum ru.v/ieo steterat] bezeichnet. Die Koexistenz der zwei fast identischen Sätze, denen die Beschreibung aperto bzw. operto eapite vorausgeht, hat die Forscher dazu veranlasst, den einen und/oder anderen (Teil-)Satz als Interpolation zu betrachten. Jede denkbare Sichtweise wurde vertreten: Beide Sätze sind echt (PELLEGRINO I -2 ; SCHÖN ßERGER; OAFFI 1 955, 36; VAN T1ßEL 1 97 1 , 29; ARAGOSTI 1 979; JENSSON 2004, 1 29); beide Sätze sind zu streichen (MÜLLER; DELZ 1 970, 32f. ; LEFtWRE 2007, 1 64); nur 1 6,3 sollte gestrichen werden (JACOßS; FUCHS; NISßET 1 962, 227; SOVERlNl 1 974-5, 247f. und 1 974, 265f.; DELL' ERA 1 970, 1 08; SÜTTER LlN 1 996, 35; ERNOUT u.a.); nur 1 6,3 ist echt (PARDlNl 1 996, 1 87-90; COURT NEY 200 1 , 66 Anm . 20). Eine Entscheidung zu treffen ist äußerst schwierig. Persönlich tendiere ich dazu, Sat. 1 6,3 als Glosse zu betrachten. Was die Aussage des Satzes betrifft, so würde man an dieser Stelle einen aktuelleren Bezug zur Rolle der Frau auf dem Markt erwarten und nicht die identische Beschreibung von 14,5, wo die mulier nur als Begleiterin fungiert. sci/ieet, das in den Sat. sowohl affmnativ ("freilich, natürlich", z.B. Sat. 1 4,7) als auch - wie hier - rein explikativ
Aufdem Markt (Sat. 1 2-1 5 )
1 57
("nämlich", OLD s.v. scilicet Sb) vorkommt, ist in erläuterndem Sinn v.a. nachklassisch beliebt und kann auf einen Interpolator hindeuten (siehe zu scili cet P ETERSMANN 236f. ; COCCIA 1 973, 29-37; SOVERINI 1 974-5, 248). Natür lich sagt dies noch nichts über den Wahrheitsgehalt der Glosse aus - im Ge genteil ist der Salz sogar dann am besten verständlich, wenn man annimmt, dass seine Aussage zutrifft. Die Marktszene wirkt m.E. jedoch stimmiger, wenn man sie als ein in sich geschlossenes Einzelabenteuer betrachtet. Ist das Geschehen auch dann glaub würdig, wenn die Bauersleute im Auftrag Quartillas handeln? Sind die emotio nalen Reaktionen der Bauersleute in diesem Fall noch plausibel und gerecht fertigt? Weshalb schreit die Frau ( 1 4,5), wenn sie primär nicht am Mantel interessiert ist, sondern daran, Enkolp und Askylt ausfindig zu machen? Würde sie eine diskrete Abwicklung in diesem Fall nicht vorziehen? Wo und wie wird dieses vertrackte Rollenspiel aufgeklärt, oder wird es auch im Originaltext gänzlich dem Leser selbst überlassen?
3 . Motivinventar Die Anleihen bei der Komödie sind unverkennbar (ARAGOSTI 1 979; PANAYO TAKIS 1 995, 20-3 1 ; GARTON 1 972, 73-92). Das Motiv des bestohlenen Diebes oder des betrogenen Betrügers ist aus der comoedia palliata bekannt und kommt z.B. in Plautus' Aulularia vor. Petrons Marktszene ist im wörtlichen Sinn eine comoedia pal/iata (römische Adaption der griechischen Neuen Ko mödie, abgeleitet von pallium [gr. i,.uxtlov], dem Mantel oder Überwurf der griechischen Schauspieler): griechisches Milieu, griechische Namen, ein zent rales Motiv (z. B. ein Schatz), hier ist es sinnigerweise der Mantel selbst. Auch der versteckte Schatz ist ein typisches Komödienmotiv (PANAYOTA KIS 1 995, 25). In Plautus' Aulularia geht es ebenfalls um einen verlorenen Goldschatz: In Aul. 65 sagt Euclio: nunc ibo ut visam. estne ita aurum ut con didi; in 646f. mutmaßt er, dass ein Sklave sein Gold gestohlen und es in sei nem Mantel versteckt habe, worauf er diesen anschreit: agedum. excutedum pallium . ,',' tuo arbitratu. ,' ,' ne inter tunicas habeas. Ob und nach welchen weiteren Modellen Petron die Marktszene gestaltete, lässt sich aufgrund der dürftigen Quellenlage vieler Texte schwer klären. An haltspunkte bieten Titel und/oder spärliche Fragmente des Mimus Aulularia von D. Laberius; der fabula palliata Tunicularia von Cn. Naevius; der fabula palliata Thesaurus von L. Lanuvinus; der fabula A tellana Rusticus von Pom ponius u.a. Gewisse Motive finden sich auch bei Apuleius (siehe CIAFFI 1 960, 1 22-5), zum Beispiel der in einen Mantel eingenähte Schatz in met. 7,4 expromptis mille aureum. quos insutu laciniae contexerat; 7,8 diloricatis statim pannulis
1 58
Auf dem Markt (Sat. 1 2-1 5)
in medium duo milia profutit aureorum und 7,9 veste< m> que lautiusculam proferunt, sumeret abiecto centunculo divite< m> . Ferner liegen Analogien zu dem Streit wn den Mantel und der Einmischung der cociones in Apul. met. 7,25f. vor: Festnahme des Esels, der alleine unterwegs ist (.wlitarius) durch den Wanderer; Streit wn den Besitz des Tieres, Hirten auf der einen Seite (attrahere gestiunt), auf der anderen der Wanderer (audacia valida resistens), Entscheidung, den Dieb und Mörder den Magistraten vorzuführen, damit aber noch einen Tag zu warten (dies sequens). Zudem bestehen Ähnlichkeiten zu Apul. met. 1 ,24 ( WALSII 1 970, 88; VAN DER PAARDT 1 996, 7 1 f. mit Lit. ; ARAGOSTI 1 979, 1 04 Anm . 1 2 sieht nur eine generische Ähnlichkeit) : Lucius geht auf den Markt (forum cupidinis), kauft Fisch und trifft daraufhin seinen alten Freund Pythias, den Marktaufseher (annonam curamus . . . et aedilem gerimus). Schockiert über den Preis des Fi sches, befiehlt Pythias dem Verkäufer, die Ware zu zertreten, so dass Lucius selbst am Schluss ohne Geld und ohne Essen dasteht ( 1 ,25 et nummis simul privatus et cena). Lucius ist Opfer der magistralen Macht des Pythias, der mit seinem Verhalten seine Kompetenzen als Aufseher weit überschreitet. Sein Auftreten ähnelt dem der cociones bei Petron. Und je nachdem, wie die Ge schichte mit dem in der Tunika verborgenen Schatz tatsächlich ausgegangen sein mag, stehen Enkolp und Askylt vielleicht am Ende wie Lucius mit leeren Händen da. Dies zeigt, dass Petron hier aus einem Fundus von Komödien-, Roman und Milesiaka-Motiven schöpft, präzise Abhängigkeiten können daraus j edoch nicht rekonstruiert werden.
4. Symmetrie und Gegensatz Die Szene auf dem Markt funktioniert nach einem der comoedia duplex (die Junktur ist übernommen von Ter. Haut. 6) ähnlichen Muster, deren Handlung auf der parallelen Entwicklung zweier negotia, meist zweier Liebesgeschich ten, basiert. Bei Petron verhalten sich die Handlungen der beiden Parteien Enkolp und Askylt auf der einen Seite, der rusticus und die muliercula auf der anderen - geradezu spiegelbildlich (VAN DER PAARDT 1 996, 67 spricht von einer "mirroring scene"). Die Parteien sind abwechselnd Käufer und Verkäu fer: Die Besitzer geben sich als Käufer aus, während sich die Käufer als Besit zer entpuppen. Beide sind bei des, und diese Symmetrie auf der Handlungsebe ne kommt auch narrativ und lexikalisch zwn Ausdruck.
Aufdem Markt (Sat. 1 2-1 5 )
Enkol lAs It 1 2 , 1 veniehamus 1 2,6 tamqUlJm emptor propius accessit 1 2 ,2 ladniam extremam conLutere 1 4,5 explicuimus mercem 1 2,4 iniecit contemplationem 1 2,5 conspexi 1 2,6 diligenti us temptavit 1 4,6 tenere coepimus ... prodamare
1 59
Bauersleute 1 2,3 propius accessit
1 2,4 (tunica) super umeros . . . emptoris 1 2,3 diligentius considerare 14,5 in.\pectis diligentius signis 1 4,5 latrones tenere damavit
Diese symmetrisch angelegten Handlungen der beiden Parteien gründen - und das ist der Witz der Szene - letztlich auf einer Asymmetrie: Bei den Streitob jekten - ein prächtiger Mantel und eine (wenn auch nur äußerlich) schäbige Tunika - steht nicht Wert gegen Wert ( 1 4,7 sed nullo genere par erat causa [nostraJ). So wundert es nicht, dass die cociones über die invidia (Sat. 1 4,6) spotten, mit der Enkolp und Askylt die Tunika für sich beanspruchen. Eine weitere Symmetrie bilden das Wiedererkennen (des rusticus) bei En kolp und (der Tunika) bei Askylt, die beide einer Anagnorisis im Epos oder Drama gleichkommen und analog aufgebaut sind, was durch eine parallele sprachliche Struktur verstärkt wird. Der Prozess vollzieht sich in beiden Fällen graduell und gipfelt in kurzen, ausrufartigen Sätzen. Enkolp kommt der Bauer bekannt vor ( 1 2,3 familiaris oculis meis), dann erhärtet sich sein Verdacht ( 1 2,5 videbatur ilIe mihi esse qui tuniculam in solitudine invenerat), bis er schließlich Gewissheit erlangt: plane is ipse erat ( 1 2,5). Askylt seinerseits heftet seine Augen an die Schultern des Bauern, auf denen die Tunika liegt ( 1 2,4 umeros rustici emp!oris), tritt näher heran ( 1 2,6 detraxitque umeris laci niam) und erkennt die Tunika endgültig wieder: 0 lusum fortunae mirabilem! ( 1 3, 1). Daraufhin überprüft er die Einlage ( 1 3,2 depositum esse inviolatum vidit) und beurteilt die Tunika als intakt und unberührt: illa es! tunicula adhuc, ut apparet, intactis aureis plena ( 1 3,3).
5. Sein und Schein Die Tunika, in der sich ein kleiner Schatz verbirgt, scheint nicht wertvoll, ist es aber, während der Mantel mit seinem prächtigen Ä ußeren wertvoll scheint, es aber (zumindest im Vergleich zur Tunika) nicht ist. VAN DER P AARDT 1 996, 7 1 sieht hierin einen Bezug z u dem bekannten Ausspruch Plautus' (Plaut. Trin. 1 1 54 tunica propior palliost) sowie der sprichwörtlichen Zeile von Caecilius, zitiert bei Cic. Tusc. 3,56 'saepe est etiam sub palliolo sordido sapientia '. Aus dem Sein-Schein-Rätsel resultiert ein Verwirrspiel um Wissen und Unwissen. Die Bauern, im Besitz der Tunika, kennen nicht deren eigentlichen Wert, als sie sie verkaufen wollen. Auch die cociones, die danebenstehen und lachen, wissen nicht von der kostbaren Einlage. Falls sich hingegen das Geld
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Auf dem Marlct (Sat. 1 2-1 5)
nicht mehr in der Tunika befinden sollte (vgl. die Einschränkung 1 5,8 ut puta bamu.v), wären Enkolp und Askylt am Ende die Unwissenden. Es ist die eingeschränkte Perspektive des Ich-Erzählers, die dieses "Spiel" ermöglicht (siehe dazu u.a. JONES 1 987, 8 1 4f.). Die Mantelepisode wird fast durchgehend aus der Perspektive des erlebenden Ichs geschildert. Das gilt auch für die Gedankengänge der Protagonisten. In Sat. 1 3 , 1 0 Iu.vum fortunae mira bi/em! z.B. spricht Enkolp nicht (von seinem späteren Standpunkt) als Erzäh ler, sondern ausgehend von seinem damaligen Wissensstand als Akteur. Die Gedanken der Bauersleute bleiben deshalb auch unerwähnt, was viele Überra schungseffekte ermöglicht. Erzählerkommentare wie die Beurteilung des Ver haltens der Gegenparteien ( 1 5 ,2 advocati . . . qui volebant pallium lucri facere; 1 5,5 ceterum apparebat nihil aliud quaeri nisi. . . ) sind nicht auktorial, sondern geben die damalige Einschätzung Enkolps wieder. Eine Ausnahme bildet das bereits erwähnte ut putabamus ( 1 5,8).
6. Juristenjargon Nicht nur bei den Tischgesprächen der Cena, wo sich die Freigelassenen in umgangssprachlicher und bisweilen vulgärer Diktion unterhalten, sondern auch in den urbanen Teilen der Sat. werden Vokabulare und Stilebenen diffe renziert und der jeweiligen Situation entsprechend eingesetzt. Nicht selten entstehen dabei komische Effekte und raffinierte Pointen. Während Sat. 1 -5 den schwülstigen Deklarnatorenstil parodieren und Sat. 6- 1 1 einen erotisch obszönen Inhalt in metaphorisch-umschreibende Worte kleiden, fallen die Kapitel der Marktszene durch juristischen Fachjargon auf. PATIMO 200 1 , 1 70 spricht von einem "crescendo metalessicale", in dem die Wörter neben ihrer allgemeinen Bedeutung einen juristischen Sinn haben. Ein grotesker Gegensatz zwischen der Sprache der Justiz und den im ille galen Bereich angesiedelten geschilderten Vorfällen bildet den Auftakt der Szene und beherrscht diese bis zuletzt. Schon die ersten zwei Sätze geben durch ihre Länge und Umständlichkeit (z.B. non quidem . . . sed tamen) sowie das j uristische Vokabular (v.a. veniebamus in forum; rerum venalium; fidem) einen geschäftlichen Ton an, der in ironischem Kontrast zur Situation steht: Es ist Dämmerstunde (deficiente iam die; ob.vcurita.v temporis); das schummrige Licht und die dubiosen Warenangebote bilden das ideale Setting (occa.vione opportunissima) ftir zweifelhafte Geschäfte; die eigene, zu verkaufende Ware ist Diebesgut und wird später als solches entlarvt (raptum latrocinio pallium) . Als er Sicherheit darüber erlangt hat, dass es sich bei der Tunika um den eigenen thesaurus handelt, fragt Askylt seinen Gefährten, als ob er Jurist wäre: quo iure rem nostram vindicamus? (Sat. 1 3,3). Beflügelt von der Aussicht, die wertvolle Tunika wiederzuerlangen, macht Enkolp sich zum Anwalt in eigener
Aufdem Markt (Sat. 1 2-1 5 )
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Sache und entwirft sogleich einen Aktionsplan, den er i n juristischem Jargon vorbringt ( 1 3 ,4 iure eivili dimicandum. ut si nollet alienam rem domino redde re. ud interdictum veniret). Die beiden Strolche präsentieren sich als Opfer. Der Vorschlag, sich auf das Interdikt und das Zivilrecht zu berufen, ist aus j uristischen Gründen nicht adäquat, da sie ja selbst Diebe sind. Dasselbe gilt für das moralisierende Gedicht in 1 4 , 1 /2, das als Plädoyer ftir Anstand und Gerechtigkeit einen ironischen Kontrast zum Kontext bietet. Die einzelnen Handlungen der beiden streitenden Parteien (lnspizierung der Ware, Beratung, Beschlagnahmung der fremden und Verteidigen der eige nen Ware u.a.) werden wie j uristische Verfahrensweisen geschildert: manu., iniectio ( 1 4,5); rei vindicatio ( 1 4,6 tenere coepimu., tunicam; proclamare. nostra esse . . . quae iIli possiderent; 1 4,7 vindica< ri vide> bant, dazu DEBRAY 1 9 1 9, 66). Auch die coeiones, die als dritte Partei in das Geschehen eingreifen, argumentieren juristisch und treten quasi als advocati auf: jlagitabant uti apud se utraque deponerentur ac postero die iudex querellam inspiceret ( 1 5,2), in controversiam esse ( 1 5 ,3), quaeri ( 1 5,3 und 5); in utraque partis ( 1 5,3); latro einii suspieio ( 1 5 ,3), sequestri ( 1 5 ,4). Doch Enkolp entlarvt sie als advocati . . . fiam penet nocturni, qui volebant pallium lucri facere ( 1 5,2); ceterum appa rebat nihil aliud quaeri nisi . . ( 1 5 ,5); praedones ( 1 5,5). Siehe zur Sprache in den Sat. allgemein PETERSMANN; MÜLLER3 497-505 ; RUDEN 1 994; zu den j uristischen Anklängen FOCARDI 1 986; GREWE 1 993 ; BAGNANI 1 964, 23 l f. ; ARAGOSTI 1 979, 1 07- 1 3 . Lit. z u 1 2- 1 5 : PATIMO 200 1 und 2002; VAN DER PAARDT 1 996; GREWE 1 993; FOCARDI 1 986; LEFtWRE 2007. .
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Kapitel 1 2 Enkolp und Askylt gehen auf den Markt, um ihren Mantel zu verkaufen. § 1 1,1 veniebamus in forum deficiente iam die, in quo notavimus frequen tiam rerum venalium, non quidem pretiosarum sed tamen quarum fidem male ambulantem obscuritas temporis facillime tegeret: Wir kamen, als es schon am Eindunkeln war, auf den Markt, wo wir eine Menge käuflicher Wa ren sahen, zwar nicht wertvolle, aber doch von solcher Art, dass die Dämmer stunde deren auf schwachen Füßen stehende Glaubwürdigkeit ganz leicht ver deckte. Die Szene wird eingeleitet mit einem geradezu fonnelhaft ausgedrückten Schauplatzwechsel (ähnlich Sat. 1 1 , 1 in cellulam redii; 1 5,8 in dever.wrium praecipites ahimlLv; 83, 1 in pinacothecam perveni; 90,2; 9 1 ,3 u.a.) sowie ei nem Wechsel der Tageszeit (ähnlich Sat. 26,7 venerat tertius dies; 92, 1 et iam plena nox erat). Das Setting - die zweifache Erwähnung der Dämmerstunde (deficiente iam die und ohscuritas temporis) und die Angabe des Ortes (forum) - lässt ein zwielichtiges Geschehen erwarten. Zahlreiche Szenen in den Sat. ereignen sich in abendlicher oder nächtlicher Stunde (Quartilla-Episode, Cena, Ende der Cena in dunkler Nacht, Begegnung mit dem Soldaten in Sat. 82,2 nocturnus grassator; Episode auf dem Schiff des Lichas). Das forum ist auch bei Apuleius Schauplatz einer scherzhaften Geschichte (Apul. met. 1 ,24f., siehe Ess. 1 2- 1 5 , 3). In der Komödie ist der Markt ein wie derkehrendes Motiv. Auch wenn er in keiner der überlieferten römischen Ko mödien Handlungsort ist (PANAYOTAKIS 1 995, 2 1 ; GARTON 1 972, 86), wird oft von Handlungen berichtet, die dort stattgefunden haben (z.B. Ter. Andr. 226. 254; Plaut. Asin. 245. 25 1 ) . Ein Bühnenausgang führt ja zur Stadt, d.h. zum Forum. veniebamus in forum: Der Ausdruck hat zunächst einen ganz allgemeinen Aussagewert. 1m Speziellen steht in forum aber auch fiir "ad iudices", seltener fiir "ad negotium" (TLL 6. 1 . 1 200.8 1 ; vgl. z.B. Sat. 58, 1 1 eamus in forum): Auf diese beiden Aspekte wird die Verbbedeutung im Verlauf der Szene aus geweitet (Handel, Verwicklung in Rechtsstreit). Zur j uristischen Nebenbedeu tung vieler Begriffe der Marktszene siehe Ess. 1 2- 1 5 , 6 und PATIMO 200 1 , bes. 1 70--9 3. forum bezeichnet im weitesten Sinne einen öffentlichen Platz im Zentrum einer Stadt (zur Frage nach dem Schauplatz der Sat. siehe Einl. 3). Dessen Funktion variierte mit der Tageszeit: Tagsüber wurden dort Handelsgeschäfte und juristische Streitfalle abgewickelt (vgl. Sat. 1-5), nach Sonnenuntergang konnten (gemäß einer im Zwölftafelgesetz erlassenen Vorschrift) keine ehrli-
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chen Aktivitäten mehr auf dem Forum ausgeflihrt werden, vgl. Lex XlI tab. 1 ,9D sofis occasus suprema tempestas esto; Gell. 14,7,8 senatusconsultum . . . post occasum solem factum ratum non foi.,se; Hor. sal. 1 ,6, I 1 3f. fallacem circum vespertinumque pererro / saepe forum. ad,isto divinis mit Porphyrius' Kommentar: mihi videtur Suburam dicere. quod fere sera hora fortivas res solent eo venum deferre. Siehe zum forum RUOFF-VÄÄNÄNEN 1 978; FRAYN 1 993; DE lIGT 1 993. Der Vorgang im Imperfekt als Tempus der Exposition bildet den Hinter grund bzw. die begleitenden Nebenumstände (HSz 3 1 6 § 1 76; KST I 1 22 §32,2) zur Haupthandlung im Perfekt (nolavimus) und schildert ein lineares Geschehen, dessen Anfang und Ende nicht ins Auge gefasst werden, so auch PELLEGRIN02 1 87; dagegen PETERSMANN 1 75 , der hier ein erzählend feststellendes ( narratives, aoristisches) Imperfekt als Merkmal v.a. der Um gangssprache vermutet. deficiente iam die: Der metaphorische Ausdruck bezeichnet den Übergang vom Tag zur Nacht und setzt die Szene von den Komödienvorbildem ab, die immer am Tag spielen. 1m präsentischen Abl. abs. steht die J unktur vor Petron nur bei Ov. trist. 5 , 1 3,28 deficiente die. Vgl . Sat. 20,5 iam deficiente fabula rum contextu; 29,5 in deficiente vero iam porticu; Mela 1 ,42 alque ubi dies deficit ibi noctem agunt; Tac. anno 1 5 ,44,4 ubi defecisset dies. in usu< m> nocturni luminis urerentur. Siehe zudem PATIMO 200 1 , 1 7 1 f. Die Dunkelheit, die gerne für Verborgenes und Verbotenes steht, verweist auf den Lebensstil der Protagonisten, die sich nicht an die geltenden sozialen Regeln halten (Sat. 1 25 ,4 extra legem viventibus), und den unseriösen Charak ter der von ihnen aufgesuchten Lokalitäten (Bordell als locus secretior in Sat. 7,2 und anfractus obscuri.,simi in Sal. 8,3). Zum Motiv der Dunkelheit RIND) 1 980, 1 3 1 . frequentiam rerum venaIium: Eine genauere Beschreibung der feilgebotenen Ware stünde im Widerspruch zur Dämmerung (BRoZEK 1 972, 288). Res vena lis ist ein Begriff aus dem römischen Handelsrecht (PATIMO 200 1 , 1 72; Gai . in.,t. 3, 1 4 1 ; Mod. dig. 2 1 , 1 ,62) und steht in ironischem Kontrast zu den später als suspekt bezeichneten Waren. Vgl . zum Ausdruck ebenfalls im Zusammen hang mit dem forum SaU. Jug. 47, 1 forum rerum venafium lotiu., regni maxu me celebratum. non quidem sed tamen: Zweigliedrige Ausdrücke, deren erster Teil eine Negation formuliert, die der zweite positiv relativiert, sind bei Petron ein sehr häufiges Stilmittel : Während der zweite Satzteil die Hauptaussage trägt, sorgt der erste für Abundanz im Ausdruck (siehe dazu DELL' ERA 1 970, 65-1 30). Die vorliegende Konstruktion (mit tamen) verwendet Petron jedoch nur hier, und sie ist auch in der restlichen lateinischen Literatur wenig belegt (z. B. Tac. dial. 3 ,2; Quint. inst. 9,2,57). Gebräuchlicher ist non quidem . . . sed. =
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non ... pretiosarum: Steht im Gegensatz zum pallium (Sat. 1 2 ,2) der beiden Protagonisten, das in Sat. 1 4,7 als pretiosissima vestis geschildert wird. fidem male ambulantem: Die Bedeutung des Petron eigenen metaphorischen Ausdrucks war bereits Gegenstand zahlreicher Erörterungen. Inhaltlich geht es im ganzen Satz darwn, dass die Ware weniger wert ist, als sie in der Abend dämmerung zu sein scheint. Während das erste der bei den von jrequentiam rerum venalium abhängigen Attribute (non . . . pretiosarum) eindeutig die Qua lität der Ware bezeichnet, ist sich die Forschung beim zweiten (quarum fidem male ambulantem . . . tegeret) uneinig, ob auf die mangelhafte Qualität (BUR MAN 64; PELLEGRlNo2 1 85-7 und 2003 , 73) oder die zweifelhafte Herkunft der Ware (PANAYOTAKIS 1 995, 22 Anm 10; PATIMO 200 1 , 1 72f. ; ARAGOSTI 1 979, 10 1 Anm . 3; FOCARDI 1 986, 57 Anm 3) angespielt wird. non quidem . . . sed tamen bringt zwei Eigenschaften der rerum venalium in ein parataktisches Verhältnis, wodurch auf semantischer Ebene quarum . . . tegeret einen positiven Ausgleich z u non pretiosarum bildet. E s könnte sich demnach um Waren von geringem Wert oder gute Fälschungen handeln, die in der Dämmerung wertvoller erscheinen, als sie wirklich sind - "a great deal of j unk on sale, made to look far more expensive than it really is by the veil of twilight" (RIMELL 2002, 34). Im Kontext muss man fidem male ambulantem j edoch klar als Hinweis auf die zweifelhafte Herkunft der Waren verstehen. Dafiir sprechen die zwielichtige Atmosphäre auf dem nächtlichen Forum, das Wortfides, das dem j uristischen Vokabular entstammt, der überdeutliche Hin weis auf den Raub des Mantels (Sat. 1 2,2 raptum latrocinio) sowie der weitere Szenenverlauf (cum ergo). fidem: Bezeichnet alles, worauf man sich verlassen kann ("fides est id cui confidi potest", TLL 6. 1 .663 .6 1 ), eine "Garantie", z.B. in einer Eigenschaft von Dingen, ,,zuverlässigkeit", "Glaubwürdigkeit", siehe FRAENKEL 1 9 1 6; ders. in RONCALI 1 974, 692. fidem neben male erinnert an die Formel bona fides / mala fides ( "dolus, fraus") - FRAENKEL ordnet die Stelle in TLL 6. 1 .68 1 .63 als Spezialform unter "bona / mala fide emere, possidere, vendere" ein, siehe zudem oben Sat. 1 1 , I bona fide - sowie an ähnliche Ausdrücke wie z.B. Callistr. dig. 22,5 ,3, I quan tafides ("Glaubwürdigkeit") habenda sit testibus. male: Hier im Sinn von non bene (TLL 8.237.6ff.), wie z.B. auch in Sat. 3 8, 1 3 sociorum olla male fervet, und nicht wie oftmals bei Petron zu non ten dierend (male non, HSz 455 §24 1y; TLL 8 .243 . I 8ff.), wie PELLEGRINO 2003, 75 meint. ambulare: Das Verb fungiert bei Petron zumeist als Ersatz für das zwei silbige ire (vgl. z.B. Sat. 1 29,5 negant enim medici homines sine nervis ambu lare), hier personifizierend bei einem abstrakten Begriff (TLL 1 . 1 875.6ff. , vgl. z.B. Apul. met. 3,5 stricto mucrone per totam domum caedes ambulet). .
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male ambulare steht inhaltlich nahe bei den Verben vacillare (vgl . Ar cad.lCharis. dig. 22,5, 1 quorum jides non vacillat, Modestin. dig. 48, 1 0,27, 1 anceps jides vacillat; Sat. 3 8, 1 2 sed male vacillavit), claudicare (so BuRMAN 64; VAN DER PAARDT 1 996, 66 - "wie wenn die Göttin Fides hinkt". Vgl . Cic. jin. 1 ,69 tota amicitia quasi claudicare videatur, Sil. ltal. 1 3 ,33 Dasio fuit haud ignobile nomen / laetus opum, sed clauda jides) oder labare (vgl. Tac. hist. 1 ,26, l labare Germanici exercitu.,jidem; Liv. 32,30,9 labarejidem socio rum). obscuritas temporis facillime tegeret: Das Abstraktum obscuritas ist han delndes Subjekt und Komplize der Straßenhändler. So unterstreicht der Aus druck die Zwielichtigkeit des nächtlichen Forums. Vgl. ein ähnliches Bild bei Sen. nato 1 , 1 6,6 at illud monstrum obscenitatem .,uam spectaculum fecerat, et ea sibi ostentabat quibu., abscondendis nulla satis alta nox est; Plaut. Poen. 320 quae habent nocturna ora, noctu sacrujicatum ire occupant. facillime ist eine "komische Steigerung" (siehe HOFMANN 9 1 § 84): Die obscuritas temporis vermag den wahren Charakter der Waren eben nicht zu verschleiern, denn Tunika und Mantel werden sofort erkannt. Dies ist ein wei teres Argument flir die Diebesgut-Interpretation. Zum Komparativ/Superlativ bei Petron siehe PETERSMANN 1 1 1-5. § 11,2 cum ergo et ipsi raptum latrocinio pallium detulissemus, uti occasi one opportunissima coepimus atque in quodam angulo laciniam eItre mam concutere, si quem forte emptorem splendor vestis posset adducere: Da also auch wir selbst den bei einem Raub erbeuteten Mantel mitgebracht hatten, ergriffen wir die hervorragende Gelegenheit und begannen in einem Winkel, ihn beim äußersten Zipfel zu schütteln, gespannt darauf, ob der Glanz des Kleidungsstückes vielleicht einen Käufer anlocken könnte. cum ergo detulissemus: Ob die Protagonisten den Verkauf des Mantels (in einem verlorenen Textteil) geplant und das Forum bewusst aufgesucht haben, ist unklar. Es sieht hier aus wie eine ad-hoc-Entscheidung, die sich aber in der Notwendigkeit begründet, den Mantel verkaufen zu müssen (vielleicht wegen der divi.,io, Sat. 1 0,4 und 7). ergo kann, je nachdem, ob sie den Entschluss zum Verkauf zuvor geäußert haben oder nicht, folgernd-begründend ("also", "deswegen") oder in verblass tem und nur weiterflihrendem Sinn (,,nun") aufgefasst werden (siehe KST II 1 38-45 § 1 75; HSz 5 1 1 f. §279; PETERSMANN 257f.). Ebenso kann das Verb deferre entweder allgemein ,,mitbringen", "herbeitragen" oder speziell ,,zu Markte tragen, zum Verkauf bringen" (,,rem vendendam in forum sim", TLL 5. 1 .3 1 6. 1 2ff.) bedeuten (siehe dazu auch PATIMO 200 1 , 1 78 Arun. 36). Zum zweiten vgl. Varro ru.d. 1 ,54,2 lecta (seil . uva) defertur in forum vinarium; Colum. 1 2, 1 3 , 1 adforum fructibu., deferendis. •••
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raptum latrocinio pallium: Die Geschichte, wie die Protagonisten an das pallium (ein Mantel bzw. Überwurf von quadratischer oder länglich vierecki ger Form, griech. l,.uittov) gekommen sind, ist nicht überliefert (siehe Ess. 1 21 5, I ). latrocinio wird häufig (z.B. FRAENKEL in RONCALI 1 974, 692; VAN nITEL 1 97 1 , 29 Anm . 2; MÜLLER App.) als Interpolation verdächtigt - wohl zu Un recht. Auch wenn die Geschichte des Raubes wahrscheinlich bereits an anderer Stelle erzählt wurde, wie vAN nITEL 1 97 1 , 29 Anm . 2 argumentiert, ist latro C/n1O nicht überflüssig. latrocinium (,'plündern", "Streifzug", TLL 7.2. 1 0 17 .48ff.) bezeichnet entweder allgemein ein "Verbrechen" oder eine bestimmte Form der rapina, worunter sämtliche Eigentumsdelikte fallen, die mit Gewalt verübt werden - im Unterschied zu Jurtum, dem Diebstahl ohne Gewaltanwendung (zum Wort GRÜNEWALD 1 999, 25f. ; RIESS 200 1 , 44). Der Ausdruck ist deshalb nicht pleonastisch; viel eher unterstreicht er, dass es sich um Raubgut handelt, und verstärkt die dubiose Atmosphäre. Siehe auch unten Sat. 1 5 ,3 latrocinii suspicio. Zum dazugehörigen Nomen agentis latro siehe unten Sat. 1 4,5 latrones tenere clamavit. occasione opportunissima: Für gewöhnlich negativ konnotierte Gegebenhei ten (illegaler Markt, Dämmerstunde, dubiose Waren) sind hier "ideale Bedin gungen" (vgl. Sat. 78,8 nos occasionem opportunissimam . . . Jugimus) und verstärken die Erwartung einer dubiosen Geschichte. Gerade diese "idealen Bedingungen" werden den Protagonisten später zum Verhängnis; es kommt fast zum j uristischen Prozess. uti ... coepimus atque ... concutere: Das Hilfsverb coepi konnte besonders im Latein der Kaiserzeit eine das Perfekt umschreibende, bisweilen sogar rein periphrastische Funktion haben (z.B. Sat. 9,4 coepitque mihi velle pudorem extorquere). Doch wird bei Petron das Verb oft noch in seiner ursprünglich ingressiven Funktion verwendet und bezeichnet den Eintritt einer Handlung (siehe PETERSMANN 1 89-92, bes. 1 9 1 ; NELSON 1 97 1 , 72; LÖFSTEDT, Synt. 1I, 450--2; HSz 3 1 9 § 1 78 und 796 §39). Auch hier steht coepimus als Scharnier zwischen den Infinitiven und kennzeichnet den Beginn der wirklichen Hand lung (obwohl uti weniger zu coepimus passt als concutere). atque ist explikativ verwendet und spezifiziert den vorherigen Gedanken (siehe KS T 11 22 § 1 53 ,9). in quodam angulo: Sie treten mit ihrem Mantel in das Halbdunkel - aus Scham oder, um nicht erkannt zu werden, oder weil der Mantel auch dort als wertvoll erkannt wird, vgl. Plaut. Poen. 34 1 f. invendibili merci oportet ultro emptorem adducere: /probat mers Jacile emptorem reperit, tam etsi in abstru so sitast. laciniam extremam concutere: concutere im Sinn von "schütteln zum Verkauf von etw .... Die Protagonisten packen den Mantel am äußersten Zipfel
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(vgl. Apul. met. 9, 1 7 extremas manu prendens lacinias), um ihn schütteln zu können; so sollen Interessenten angelockt werden. Ausbreiten werden die Protagonisten den Mantel erst in Gegenwart eines potentiellen Käufers (Sat. 1 4,5 explicuimlL� mercem). si quem forte emptorem splendor vestis posset addueere: Die dreifache Abschwächung (si-Satz, forte, Potentialis), die auch in klassischer Zeit nach einem gedanklich zu ergänzenden Verb des Hoffens begegnet (siehe PETERS· MANN 265f. ; HSz 666 §366b), steht in ironischem Kontrast zum splendor vesti.�. splendor vestis: Der Ausdruck ist metaphorisch - das Licht in der Dun kelheit, das die Käufer anlocken soll. Statt des Abstraktums splendor (1t') steht in diversen Handschriften splendida (dmrtp) als Adj ektiv zu vestis. splendor als Agens ist prägnanter als das kraftlose Adjektiv. Vgl. Sat. 1 2 , 1 obscuritas tempori.�. § 12,3 nee diu moratus rustieus quidam famillaris oeuUs meis eum muUer eula eomite propius aeeessit ae diUgentius eonsiderare pallium eoepit: Und es dauerte nicht lange, da kam ein Bauer, der meinen Augen nicht fremd war, in Begleitung einer Frau näher und begann, den Mantel genauer zu betrachten. nec diu moratus: Die rasante Abfolge der folgenden Geschehnisse wird durch nec diu . . . ac . . . invicem . . . ac subito . . . ac angezeigt. Negiertes morari und mora dienen der temporeichen Fortsetzung der Handlung durch die Einführung eines neuen Elements, vgl. u.a. Sat. 78, 1 non e.�t moratus StichlL�; 126, 1 3 nec diu morata dominam producit; 49,6 non fit mora; 49, 1 0 und 64,7 nec mora; 99,6 haud mora (Wechsel zur Schiffsszene). nec plura moratIL� u.Ä. ist schon bei Vergil und Ovid eine geläufige Wendung, z.B. Verg. Aen. 5,38 1 und Ov. met. 1 2,322. PANAYOTAKIS 1 995, 23 spricht von einem theatralischen Element: Das Paar erscheint mit szenischer Pünklichkeit, vergleichbar einem deus ex machi na oder einer günstigen Wende durchfortuna oder casus (vgl. z.B. Sat. 1 5 ,6f.; 96,4). rustieus: Die Figur des Bauers ist ein literarisch vorgeprägter Typus. Unter den Fragmenten der fabulae A tellanae von Pomponius ist ein Titel RIL�ticlL� überliefert (vgl. auch den i\YPOO"t'ivo� Epicharms, FRASSrNETIl 1 967, 6 1 ), was heißen könnte, dass der Bauer bereits in den Atellanae zum klassischen Perso nal gehörte (PANAYOTAKIS 1 995, 23 Anm . 1 1 ; FRASSrNETIl 1 967, 1 08). Der Typus Bauer ist also mit bestimmten Lesererwartungen verknüpft (Armut, Einfalt, lCata
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Land; epist. 1 ,7,83 Städter und Landmann) oder zum Juristen (Hor. ars 2 1 2f. indoctus . . / rusticus urbano eonfusus, turpis honesto; vgl. sat. 1 , 1 ,9 agrieolam laudat iuris legumque peritus und 1 7 tu, eonsultus modo, ru.�tieus). Deutet ru.�tieus zudem auf einen Diebstahl auf dem Land hin (vielleicht ein früherer Schauplatz), im Gegensatz zur Stadt (der jetzige Schauplatz), und ist ein Hinweis auf die geografische Verortung des fiüheren Geschehens? quidam: Steht oft zur Einflihrung einer neuen Person, vgl. Sat. 6,4 anieulam quandam; 1 1 1 , 1 matrona quaedam Ephesi. familiaris oeuUs meis: Beginn einer langen Reihe von Erkenntnisschritten (Anagnorisis), von der Vermutung bis zum sicheren Wissen (siehe dazu Ess. 1 2-1 5, 4). Die Dunkelheit, die zuvor mehrfach betont wurde, erlaubt zuerst nur eine vage Vermutung (COCCIA 1 973 , 27). Enkolp kennt den Bauern lediglich vom Sehen; vgl. auribus meis familia ris in Sat. 1 00,4, als Enkolp die Stimme Lychas' erkennt (ähnlich 1 05,6 notis sima voee). Wenig glaubhaft ist VAN nTTEL 1 97 1 , 29 Anm . 3, der den Aus druck fiir "sicher interpoliert" hält: Enkolp sei sonst ausgesprochen begriffsstutzig und merke immer später als Askylt und nur allmählich, was vorgehe - dies müsse auch hier der Fall sein. eum muUercula comite: Das pleonastische eum . . . eomite ist (wenn auch selten) belegt (TLL 3 . 1 772. 1 9): Liv. 1 ,5 8 , 1 eum eomite uno; 27,3 1 ,5; 33,47, 1 0; 40,24,3 eum eodem eomite Dida. Zusammen mit dem Diminutiv, der hier die Gering- bzw. Unterschätzung der Frau durch die Protagonisten ausdrückt, ist der Zusatz eomite Indiz für die Statistemolle, die der muliercula unterstellt wird, und kontrastiert ironisch mit dem späteren Handlungsverlauf. Noch ahnt man nicht, dass sie später zur handlungstragenden Protagonistin wird (Sat. 14,5). Vgl. Sat. 1 9,4 muliereulae, wo Enkolp im Kopf Kampfpaare bildet und zum falschen Schluss kommt, dass die drei Frauen ihnen selbst gegenüber (virilis sexus) chancenlos seien (injirmissimae) . Der spätere Verzicht auf den Diminutiv (Sat. 1 4,5 un d 1 5,2) ist kein zwin gender Beweis für einen wertneutralen Gebrauch an dieser Stelle. Petron vari iert oft im Fortgang der Erzählung. Vgl. in der Quartilla-Szene: virgine ( 1 7, 1 ) und virguneula ( 1 8,7); mulieres ( 1 9, 1 ) und muliereulae ( 1 9,4); bei der Witwe von Ephesos: muliere ( 1 1 1 ,7), mulierculae ( 1 1 1 , 1 0) und mulier ( 1 1 1 , 1 3). Zu anieula/anus siehe oben Sat. 6,4 aniculam. Zum Diminutiv siehe HSz 772-7 §3 1 ; GAGLIARDI 1 980, 48f.; D ELL'ERA 1 970, 1 5 5 ; MARBACII 1 93 1 , 49-66. propius aceessit: Parallel dazu in Sat. 1 2,6 tamquam emptor propius aeeessit, wo auch Askylt die Rolle des Käufers übernimmt. Dass aeeedere hier auch einen jur. Sinn haben soll, wie P ATIMO 200 I , 1 79 vermutet, ist eher unwahr scheinlich. diligentius considerare ... coepit: diligentius, in den Hss. ItVp überliefert, hingegen in r gestrichen und in dmt ausgelassen, ist zu halten, gerade weil es .
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Sat. 1 2,6 diligen tius temptavit und 14,5 inspectis diligentius signis; 6, 1 diligentius audio; 1 3 5 , 1 inspicere diligentius coepit (dagegen LENNOX 1 978, 749). Eine gute Parallele für das Verhalten eines Käufers findet sich bei Mart. 6,82, 1 f. quidam me modo, Rufe, diligenter / inspectum, velut emptor aut lanista. Zur häufigen Konstruktion Inf. + Komp./Superl. eines Adverbs + coepi ] siehe MÜLLER 455f. Zu coepi (hier klassisch ingressiv) siehe oben Sat. 1 2,2 . . . coepi. . . häufig bei Petron vorkommt, z.B. kurz darauf noch zweimal,
§ 12,4 invieem Aseyltos iniecit eontempladonem super umeros rusdci emptoris ae subito exanimatus eondeuit: Askylt dagegen heftete seinen Blick auf die Schultern des bäurischen Käufers, fuhr plötzlich zusammen und schwieg.
invieem:
Askylt reagiert auf die Aktion des Bauern.
invicem
leitet die folgen
den parallelen Handlungen ein.
inieeit eontempladonem super umeros: Parallele Handlung zum diligentius considerare (Sat. 1 2,3) des Bauern sowie zum conspexi ( 1 2,5) Enkolps, der den Bauern wiedererkennt, während Askylt die Tunika (wie später in Sat. 1 3 ,3 bekannt wird) auf dessen Schultern erkennt. Die Erwähnung der Tunika bereits 6 an dieser Stelle (wie z.B. BÜCIIELER möchte, der den Ausdruck für verkürzt hält und im App. zu tunicae contemplatione iniectae super umeros rustici ! abändert, oder MÜLLER , der im App. die Ergänzungen < in tunicam> su
per<positam> umeris
oder
< in tunicam impositam> super umeros
vorschlägt)
würde der Szene die Spannung nehmen (so auch FRAENKEL in RONCALI
1 974,
693). Die Junktur inicere contemplationem ist ein Hapax, zu erwarten wäre con templatus est. Es könnte sich um eine metaphorische Bildung nach dem Mus ter von inicere manum ( c um obj . variis") handeln, unter das die Stelle auch im TLL (7. 1 . I 6 1 4.26ff.) eingeordnet ist. Solche periphrastische Ausdrücke sind bei Petron nicht die Regel, vergleichbar wäre das abstrakte intentavimus oculos in proeliantes ("wir hefteten die Augen auf die Streitenden"). Zu super, das an die Stelle von in treten kann, siehe oben Sat. 9,2 consedit puer super lectum. rusdci emptoris: Entweder fasst man rusticus adj ektivisch auf (obwohl rusti cus sonst bei Petron nur substantivisch verwendet wird) oder sieht emptoris als Attribut an (so z.B. bei Mart. 8,52, 1 ton.�orem puerum). Auch wenn das Ne beneinander von rustici und emptoris eine scheinbar redundante Rollenzu "
schreibung darstellt, besteht kein Grund, eine Interpolation anzunehmen (wie
1 974, 693 , der emptoris verdächtigt, 1 996, 1 9 1 , der rusticus streichen will). Einerseits wird nochmals Sat. 1 2,2 si quem forte emptorem . . . posset adducere in Erinnerung gerufen FRAENKEL in MÜLLER App. und RONCALI oder PARDINI
und andererseits die paradoxe Konstellation veranschaulicht, dass der Käufer
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i m Verlauf der Handlung zum Verkäufer resp. die Verkäufer z u Käufern wer den (vgL Askylts Gebaren in Sat. 1 2,6 tamquam emptor). Auch an anderen Stellen in den Sat. werden Personen mit den für die jeweilige Situation am besten passenden Angaben beschrieben (so z.B. der mercennarius [tonsor] in Sat. 1 08,8 sowie 1 03,3. 5; siehe HABERMEHL ad 1 08,8). subito exanimatus eontieuit: subito steht umgangssprachlich für klassisch repente. Petron verwendet beide Begriffe, vgL LöFSTEDT, Komm. 1 68-70. Dass auf das Erschrecken (exanimatu.v im Sinn von TLL 5.2. 1 1 76.74ff. "perturbatus, commotus") hier Schweigen folgt, ist leicht nachvollziehbar. Schließlich geht es darum, den plötzlich wieder aufgetauchten Mantel zurück zuerlangen, ohne die Bauern hellhörig zu machen. Die Freude über das Wie dersehen wird daher unterdrückt. § 12,5 ae ne ipse quidem sine aUquo motu hominem eonspexi, nam videba tur ille mihi esse, qui tunieulam in soUtudine invenerat. plane is ipse erat: Und auch ich betrachtete den Mann nicht ohne Regung, denn er schien mir jener zu sein, der in der verlassenen Gegend die Tunika gefunden hatte. Ja, er war es höchstpersönlich. ae ne ipse quidem: ac (hier hervorhebend-steigernd) findet sich des Ö fteren in Verbindung mit ne quidem (PETERSMANN 239f.). ne . . . quidem wird hier in einer verblassten Bedeutung gebraucht, vgL Sat. 2,8 ne carmen quidem; 1 3 , 1 n e suturae quidem. Das Pronomen ipse unterstreicht den schnellen Fokuswechsel, vgL unten Sat. 1 3,4, wo ego als Verstärkung dient. sine aUquo motu: motu.v im Sinn von "innerer Bewegung", TLL 8. 1 536.20ff. ("motus animi, mentis" et aLl, wie z. B. Cic. nato deor. 3,7 1 sine animi motu; Quint. inst. 4,2, 1 1 5 sine motu menti.v; Cic. leg. agr. 1 ,24 hoc motu (metu var. 1.) atque hac perturbatione animorum nahelegen. Nur t hat motu, Itvdmrp ha ben metu, dennoch wird Ersteres von den meisten Editoren vorgezogen. motu ist übergeordnet und unspezifisch, während metu eine für uns nicht nachvoll ziehbare Furcht impliziert und höchstens das Erschrecken Askylts (exanima tu.v) wieder aufnehmen würde. aliquo (klassisch: ullo) verstärkt die Verneinung sine, siehe dazu HSZ 272 § 1 55. qui tunieulam in soUtudine invenerat: Der Satz nimmt auf die verlorene Vorgeschichte Bezug, die sich nicht genau rekonstruieren lässt (siehe Ess. 1 21 5 , 1). FuCHS 1 959, 59 ergänzt qui < amissam nostram> tunicam, was aber aus dem Kontext schon hervorgeht. Statt tuniculam hat BÜClIELER2-6 tunicam. Doch passt sich der Diminutiv mit seinem "colorito affettivo" (DELL' ERA 1 970, 1 56) gut in die emotionale Anlage der Situation ein (wie Sat. 1 3 ,3 illa est tunicula oder 1 00,2 coepi somnum obruto tunicula capite mentiri, jedoch
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tunica in 1 4,6; 1 5, 1 und 7). Mit dem Diminutiv könnte auch auf die Wertlosig keit der Tunika verwiesen sein (so RONCAIOLI 1 96 1 , 1 9 , vgl. Plaut. Rud. 549 redactus sum usque ad hanc unam tuniculam). Siehe zur Verwendung des Diminutivs auch oben Sat. 1 2,3 cum muliercula comite. plane is ipse erat: Erfolgreicher Abschluss von Enkolps Erkenntnisfmdung. ARAGOSTI 1 979, 1 06 Anm . 15 meint, der Satz werde von Askylt gesprochen, was aufgrund des Tempus jedoch unwahrscheinlich ist. Hier gibt der Erzähler (mit innerer Beteiligung und partieller Identifikation mit seiner Figur) Enkolps Meinung wieder, wohingegen Askylt noch zweifelt (.�ed .. .). Siehe Ess. 1 2- 1 5, 4 und unten Sat. 1 3 , 1 0 lusum fortunae mirabileml; 1 3,3 ilIa est tunicula. plane dient hier der Unterstützung einer absoluten Identifizierung, vgl. Plaut. Poen. 1 1 3 Poenus plane est; Truc. 6 1 8 plane istuc est. Siehe SOVERINI 1 974-5, 229-33; PETERSMANN 235f. ; HOFMANN 73 §69; HABERMEHL ad 87,8. § 1 2,6 sed cum Ascyltos timeret fidem oculorum, oe quid temere faceret prius tamquam emptor propius accessit detraxitque umeris laciniam et diligeotius temptavit: Da aber Askylt seinen Augen nicht traute und um nichts unbedacht zu tun, trat er erst, als wolle er kaufen, näher heran, zog einen Zipfel von der Schulter und untersuchte ihn sorgfältig. timeret fidem oculorum: Die Zweifel GIARDINAS ( 1 983, 243 : <parui aes>timaret fidem oculorum) an der Vollständigkeit der Überlieferung sind unbegründet. Auch wenn die Junktur so nur an dieser Stelle erscheint, lassen sich ihre Elemente doch von vergleichbaren Konstruktionen herleiten: timere mit der Bedeutung "dubitare/zweifeln" dürfte im Sinne einer Analogie von metuere als "metuendo dubitare" übertragen worden sein (Plaut. Amph. 1 1 06 non metuo quin, "ich zweifle nicht, dass"; Ter. Haut. 720 metuo quid agam). Positiv begegnet der Ausdruck in der Form von oculis suis credere (vgl. z. B. Liv. 39,49,8 ni.vi ipse oculis suis credidi.v.vet; Ps. Quint. decl. 1 8, 1 2 suis auri bus, suis credat oculis). Wie eng das Verb credere und das Substantiv fide.v semantisch beieinanderstehen, wird deutlich aus Stellen wie Verg. Aen. 4, 1 2 credo equidem, nec vana fide.v, in denen fides gewissermaßen als Nomen ac tionis zu credere aufgefasst werden kann (FRAENKEL 1 9 1 6, 1 9 1). fide.v mit Gen. subj . erscheint gerade im Zusammenhang mit Augen und Ohren häufig (TLL 6. 1 .684.66ff.), vgl. z.B. Liv. 33 ,32,7 suarum aurium fidei minimum cre dentes; Stat. si/v. 3 , 1 ,8 vix oculi.v animoque fide.v. Vgl . auch Sat. 9 1 ,2 experi mentum oculorum caperem. tamquam emptor: Hypothetischer Vergleich ("als ob er ein Käufer wäre", "als Käufer") als Indikator fUr das Spiel mit Sein und Schein. Enkolp schlüpft vorübergehend in die Rolle eines Käufers, um die Tunika genauer betrachten zu können. V gl. Mart. 6,82, 1 f. quidam me modo, Rufe, diligenter / in.vpectum, velut emptor aut lanista.
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Kap. 1 2
proprius accessit ... diligentius temptavit: Analog zur Handlung des Bauern vorher in Sat. 1 2,3 proprius accessit . . . diligentius considerare . . . coepit. umeris: NISBET 1 962, 230 hält umeris für sonderbar, da nicht explizit gesagt wird, um wessen Schultern es sich handelt. Doch aus dem Kontext geht hervor, dass nur die Schultern des Bauern gemeint sein können (vgl. zudem Sat. 1 2,4 umeros rustici). laciniam: ARAGOSTI 1 979, 1 06 Anm . 1 5 meint, die Sicherheit (Sat. 1 2,6 plane is ipse erat) werde durch die Tatsache redimensioniert, dass das wichtigste Erkennungszeichen lediglich ein Zipfel der Tunika sei. Es könnte jedoch um gekehrt auch ein Zeichen für Deutlichkeit sein, dass schon der Zipfel reicht. Evtl . wird hier auf das literarische Strukturelement der Anagnorisis angespielt, wo sich zwei während längerer Zeit getrennte Personen anhand von kleinen unveränderlichen Merkmalen oder Gegenständen (z.B. Narbe des Odysseus; Haarsträhne des Orest) wiedererkennen. diligentius temptavit: Ü berliefert ist tenuit, das in tentavitltemptavit (BÜCIIE LER� ; ERNOUT; MÜLLER; DIAZ Y DIAZ; PELLEGRINO I -2 ; GIARDINA MELLONI) korrigiert wurde (tenuit durch Silbenausfall > tentavit temptavit, so BURMAN 66). temptavit ist tenuit inhaltlich vorzuziehen (Askylt nimmt die Tunika und flihlt nach dem Geld, deshalb sein folgender Ausruf). Zu temptare im Sinn von "befUhlen", "untersuchen" vgl. u.a. Sat. 1 3 1 ,5 temptare coepit inguinum vires; Apul. met. 2,30 his dictis perterritus temptare formam agredi or; Plaut. Aul. 647 ne inter tunica haheas. :: tempta qua luhet. tenere ist zwar auch im Sinn von ,,(in die Hand) nehmen, anfassen" belegt, u.a. bei Plautus (vgl. OLD s.v. teneo I b), jedoch immer ohne Adverb: Plaut. Cist. 77 1 tene tu cistel/am tihi, aheamus intro; Curc. 2 1 0 tene etiam . . . savium; Merc. 1 49 em, dahitur, tene; Stich. 762 tene tu hoc, educe. Siehe unten Sat. 1 4,6 scivsam et sordidam . . . tunicam. =
1 73
Kapitel 1 3 Enkolp und Askylt erkennen ihre Tunika wieder, die der Bauer anbietet, und beraten das weitere Vorgehen.
zum
Verkauf
§ 13,1 0 lusum fortunae mirabilem ! Nam adhuc ne suturae quidem attule rat rusticus curiosas manus, sed tamquam mendici spoUum etiam fastidio se venditabat: Was flir ein wunderbares Spiel des Glücks ! Denn bisher hatte der Bauer noch gar nicht die Nähte mit neugierigen Händen betastet, sondern bot die Tunika sogar verächtlich feil, als handle es sich um eine Bettlern abge luchste Beute. o lusum fortunae mirabilem! : Akkusativ des Ausrufs, hier zum Ausdruck der freudigen Überraschung des Protagonisten, in dessen GefLihlslage der Erzähler sich versetzt. Der Ausruf bezieht sich hier nicht nur darauf, dass die Protago nisten ihre Tunika wiederfinden (z.B. FOCARDT 1 986, 5 8), sondern vor allem auf die Tatsache, dass der Bauer das eingenähte Geld allem Anschein nach nicht entdeckt hat (z.B. ARAGOSTT 1 979, 1 06). Dies geht aus dem mit nam angeschlossenen Folgesatz sowie der vorangegangenen BefLihlung der Tunika (temptavit) hervor. Der Erzähler stellt hier fortuna (entsprechend der griechischen 'tUXT\) als Motor der Handlung dar, was gut zum Genre des Abenteuerromans passt. Die griechischen Romane (und auch die Metamorphosen des Apuleius), in denen Tyche und Eros den Plot steuern, sind voll von glücklichen Zufallen (siehe dazu OAFFT 1 960, 145-5 1 ; HETNZE 1 899, 502). In den Sat. jedoch, wo fortuna zumeist als unbeständige, unberechenbare oder gar zerstörerische Macht auf tritt (z.B. Sat. 82,6 non multum oportet consilio credere, quia suam habe! fortuna rationem; 1 02, 1 reliqua fortunae committimus; 1 25,2 putabamque a custodia mei removisse vultum Fortunam; 1 33,3 quandoque mihi fortunae arriserit hora; 1 00,3 quasi destruentefortuna constantiam meam; 1 0 1 , 1 'totum me, Fortuna, vicisti' ; 1 1 4,8 sed non crudelis fortuna concedit), ist die Stelle eher eine Ausnahme. Vgl. weiter in dieser Szene Sat. 1 3,4 fortuna me a turpis sima suspicione dimiserat und 1 5,7 casus adiuvit. Zum Bezug zur fortuna der griechischen Komödie siehe ARAGOSTT 1 979, 1 03-5. Aussagen über die Be ziehung zur fortuna im Mimus (RoSENBLÜTn 1 909, 46f.) und zur fortuna in Verbindung mit der fabula milesia (WALsn 1 970, 88; STIJBBE 1 93 3 , 1-20) bleiben vage. Zum "Spiel" der fortuna vgl. Hor. carm. 2, 1 ,3 ludumque Fortunae; 3,29,49-5 1 Fortuna saevo laeta negotio et / ludum insolentem ludere pertinax / transmutat incertos honores. Die InteIjektion 0 beim Akkusativ des Ausrufs ist gehobene Diktion und findet sich bei Petron nur in den urbanen Partien (PETERSMANN 59f. ; 1 08).
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Kap. 1 3
Siehe z u 0, o h HOFMANN 20f. §23 ; vgl. Sat. 24,2 ' 0, inquit, hominem acutum . .. '; TLL 9.2. 1 1 .27ff. ne ... quidem: Die genaue Bedeutung von ne . . . quidem ist auch hier (vgl. oben Sat. 2,8 ne carmen quidem; 1 2,5 ac ne ipse quidem) schwer zu ermitteln: "Nicht einmal die Nähte" ist insofern unbefriedigend, als mit dem Betasten der Nähte der Schatz schon so gut wie entdeckt gewesen wäre. Obwohl ne lediglich in m überliefert ist (nec in Idrtp), ist es ratsam, hier mit MÜLLER (ERNOUT; GIARDINA-MELLONI) in ne . . . quidem umzuändern (dagegen verteidigen nec BüClIELER I�, PELLEGRINO I -2 ; PETERSMANN 1 975, 1 2 I f.; 1 977, 23 I f.). nec ... quidem ist zwar auch an anderen Stellen der Sat. ( 1 02,7; 1 1 0,4; 1 1 2,2; 1 34,2) sowie nachklassisch bezeugt (z.B. Vitr. 2,6,5 nec nominantur quidem; Sen. contr. 2, 1 ,7; 7,4, 1 ), doch empfiehlt sich eine Beibe haltung von nec nur dort, wo es auch kopulative Funktion hat (Sat. 1 1 2,2; 1 34,2). Siehe HSz 450 §24 1 ; KST I I 45f. § 1 57; PETERSMANN 232; HABER MEIIL ad 1 02,7. Abwegig ist PELLEGRINOS2 ( 1 1 8) These, die Stelle sei ein zweiter Fall von nec=non (vgl. Sat. 6,3) und müsse mit ,,non . . . certamente ancora" / "sicher noch nicht" (quidem bestätigend) übersetzt werden. attulerat curiosas manus: manus afferre "Hand anlegen", "untersuchen" im Sinn von manuslvim inferreladmovere (TLL 1 . 1 205. 1 7ff.). Das Adj . curiosu.v, hier in/als Enallage mit manus, fmdet sich oft in Kom bination mit Körperteilen und Sinnesorganen: eic. Sest. 22 curiosis oculi.v; Sat. 26,4 oculum curiosum; Sen. epist. 1 08, 39 auribu.v erectis curiosi.vque (vgl. TLL 4. I 493 .24ff.). mendici spolium: ,,Bettlerkleid", "Bettelfetzen" (EIILERS), vgl . spoliare ("sich bekleiden") und heute im ltal. "spoglia" ("Gewand"); analog zu Enn. scaen. 339 bzw. 341 mendici stola (TLL 8.709.3ff.), wörtlich jedoch "einem Bettler abgenommene Beute". Die Bedeutung von spolium als ,,Beutestück" ist noch sichtbar, wie die nochmalige Verwendung des Begriffs in Sat. 1 4,6 proclamare nostra esse spolia und die Bezeichnung der tunica als praeda in 1 3 ,4 praedam videbam und 1 4,4 ne interim praeda discederet zeigen. Aufgrund der fehlen den Vorgeschichte lässt sich nicht sagen, ob mendici spolium eine präzise Aussage darüber ist, was die Tunika in den Augen des Bauers (Enkolps Mei nung nach) ist. Enkolps Aussage kann auch lediglich auf die Einfalt des Bau ern zielen, der mit der Tunika - die tatsächlich wie ein Bettlerlumpen aussieht (Sat. 1 4,6 sci.vsam et sordidam; 14,8 pannuciam ne centonibus quidem bonis dignam) -, "als hätte er sie einem Bettler abgeluchst", einen dürftigen Fund gemacht zu haben glaubt. venditabat: Die Emendation von GEORGES 1 967, 130 zu ventilabat drängt sich nicht auf. ..•
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§ 13,2 Aseyltos postquam depositum esse inviolatum vidit e t personam vendentis eontemptam, seduxit me paululum a turba et 'seis' inquit 'fra ter, rediisse ad nos tbesaurum de quo querebar?: Als Askylt sah, dass die Einlage unangetastet und der Verkäufer ännlich war, flihrte er mich aus der Menge ein wenig beiseite und sagte: "Weißt du, Bruder, dass der Schatz, des sentwegen ich bei dir Klage geführt habe, zu uns zurückgekehrt ist? depositum: "das, was abgelegt/sicher untergebracht wurde", hier das einge nähte Gold als res deposita (dafür spricht auch Sat. 1 3 ,3 intactis aureis). Be müht ist der Versuch von DANIEL und ERJIARD bei BURMAN 66, depositum auf die Tunika selbst zu beziehen, die Askylt dem Enkolp einst anvertraut hat (depositum= mandatum), woraufhin dieser sie verlor (vgl. Sat. 1 3 ,4 turpissima suspicione). personam vendentis: persona mit Gen. oft im technischen Sinn, z.B. in der juristischen Sprache (TLL 1 O. 1 . l 724.47ff. ; 1 7 1 5.70f.; 1 720.8ff.): Pompon. dig. 2 1 ,2,27 exceptiones ex persona emptori.� ohiectae si ohstant. venditor ei non teneatur. si vero ad personam venditoris respicient . . Vgl. Sat. 1 2 , 1 rerum venalium. eontemptam : scil. esse. Part. Perf. für Adj . (= "contemnendus"), "geringge schätzt, unbedeutend, niedrig, gemein", vgl . z.B. Cic. Brut 96 non contemptus orator; Quint. inst. 6, 1 , 1 6 a viii a/iquo contemptoque ve/ ex contrario a poten te nimium; Sen. dia/. 5,43 , 1 quid i//um ohlatrantem tihi. humilem quidem et contemptum sed superiorihus acidum ac mo/estum. exterere viribus tuis temp tas?; TLL 4.645.7ff. paululum: 1m Sinn von "spatium parvulum", bei Verben der Bewegung vgl. z.B. Plaut. Asin. 925 ahscede ergo paullu/um i.�tuc; TLL 1 0. 1 .827 .34ff. seis : Übergang zur direkten Rede, die den nachfolgend berichteten Ge schehnissen besondere Authentizität verleiht; dazu trägt auch der kolloquiale Charakter der Ä ußerung bei : Sogenannte Bestätigungsfragen stehen (wegen ihrer Ähnlichkeit zum Aussagesatz) in der Umgangssprache oft ohne Frage pronomen, siehe PETERSMANN 26 1 ; HSz 460f. §245; KST 11 501-3 §229. frater: Siehe oben Sat. 9,2 frater. tbesaurum: "Schatz", im Sinn von "collection of precious objects" (OLD S.v. thesaurus 2), vgl. z.B. Plaut. Asin. 277 omnem in tergo thensaurum gerit, hier Geldwert (Sat. 1 3 ,3 aureis). Wir wissen nichts Näheres darüber, siehe Ess. 1 21 5, 1 . querebar: queri ist nach BURMAN 67 und PATIMO 200 1 , 1 83 ein j uristischer Archaismus (steht für agere oder accusare), der mit der Zeit seinen j uristi schen Sinn verloren hat. Der Singular deutet darauf hin, dass sich die Rolle Askylts in Bezug auf Besitz und Verlust des Schatzes von j ener Enkolps unterscheidet. Denkbar ist, dass Askylt der ursprüngliche Besitzer war; fast sicher ist, dass Enkolp den .
•••
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Kap. l 3
Verlust verschuldet bzw. anderweitig in diesen verwickelt war, was
turpissima
suspicione in Sat. 1 3 ,4 nahelegt. § 1 3,3 illa est tunieula adhue, ut apparet, intactis aureis plena. quid ergo facimus, aut quo iure rem nostram vindieamus? ' : Das dort ist die Tunika, die anscheinend noch voll von unberührten Goldstücken ist. Was also tun wir, und mit welchem Recht beanspruchen wir unser Eigentum?"
illa est tunieula: Nachdem Enkolp zuvor bereits den Bauern wiedererkannt hat (Sat. 1 2,3 fami/iaris oculis mei.v; 1 2,5 plane is ipse erat), erlangt nun Askylt letzte Gewissheit darüber, dass es sich bei der Tunika um die eigene handelt, siehe dazu Ess. 1 2- 1 5 , 4. Zum Diminutiv siehe oben Sat. 1 2,5 . . . tuni culam . . . u t apparet: Der Zusatz schränkt nicht ein ("scheinbar"), sondern bekräftigt ("allem Anschein nach"), so auch FUCHS in MERKELBACII 1 963, 1 92 Anm . 7. E r bezieht sich auf d as vorherige temptavit (Sat. 1 2,6). A l s Askylt flihlt, dass die Nähte und die Einlage unberührt sind, schließt er logischerweise darauf, dass das Gold noch in der Tunika steckt. Doch scheint der Ausdruck bis zu einem gewissen Grad das spätere
ut putabamus
vorzubereiten. Er unterstreicht
hier, dass Askylt voreilig von Schein auf Sein schließt.
intactis aureis plena:
Der Ausdruck beinhaltet zwei Aussagen: Erstens befin
(plena), (intactis aureis).
de sich die Einlage noch im Mantel die echten Goldstücke
und zweitens handle es sich um
aurei sind römische Goldmünzen und stehen zuoberst i n der Werteskala. aureus entspricht zur Zeit Neros 400 As 25 Denaren 200 Dupondien (vgl. Sal. 1 4,3, wo Enkolp und Askylt nur einen Dupondius in der Tasche haben). Die aurei erscheinen in den Sat. später wieder (dieselben? nur, wenn Ein
=
=
sie den Schatz wiedererlangen), als Enkolp zwei Goldstücke als S ühne flir die getötete Gans anbietet
(Sat. 1 37,6 ecce duos aureos pono).
siehe B ODEL 2003 , v.a. 276-9. ergo: Überliefert ist in Im ergo, in
Zu
aurei bei
Petron
drtp igitur. Beides sind gebräuchliche Parti ergo bei Petron wesentlich häufi ger zu finden ist. quid-jacere-Sätze existieren mit beiden Partikeln: u.a Ter. Eun. 46 quid igitur faciam ?; 966 quid igitur faciam mi_ver? Aber auch Cic_ fam. 9,26, 1 quid ergo faciam? Zu ergo und igitur siehe HSz 5 1 1 -3 §279; PE TERSMANN 257-9_ faeimus: lnd. anstelle des Konj . in konsultativ-deliberativen Fragen ist als Merkmal der Umgangssprache seit Plautus gebräuchlich (vgl. z.B. Catull. 1 , 1 cui dono lepidum novum libellum), siehe PETERSMANN 1 93f. ; HSz 308 § 1 72 Zusatz a. aut: aut nimmt zur Trennung zweier Fragen (auch wenn diese nicht alternativ sind) in der Alltagsrede häufig die Stelle von et ein (siehe HSz 498 und 500 kel der logischen Folgerung ("also"), wobei
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Kap. 1 3
Zusatz cß §269); PETERSMANN 245 . Die zweite Frage ist hier eine Präzisierung der ersten, vgl. Sat. 1 7,4 u.v.m. quo iure: "aufgrund welcher Rechtslage", Standardausdruck der juristischen Sprache, hier im erweiterten Sinne als "mit welcher Möglichkeit (zu unserem Recht zu kommen)" zu verstehen: ius potestas ("Möglichkeit": TLL 7.2.689.36ff.). Die Frage zielt weder auf den Besitzanspruch, von dem beide Protagonisten überzeugt sind, und damit auf die Berechtigung, die Rückgabe der Tunika zu fordern, noch allein auf das institutionelle Recht ab ("auf wel chem legalen Weg oder mit welchem rechtlichen Mittel"), wie z.B. DEBRAY 1 9 1 9, 62 Anm . 5; PATIMO 200 1 , 1 84; EnLERS ("auf welchem Rechtswege"); ARROWSMITII ("should we bring a formal complaint against hirn in court . . . ?"); W ALsn ("Iawfully claiming"); CIAFFI ("a che titolo di legge") meinen. Denn Askylt selbst lehnt später den Rechtsweg klar ab (Sat. 14, 1 Ascyltos leges timebat). Auch Enkolps Äußerungen deuten darauf hin, dass der Ausdruck hier weit gefasst ist: Obschon er sich sogleich für plane iure civili ausspricht, er wähnt er doch die alternative, nicht zwingend auf den Rechtsweg bezogene Handlungsmöglichkeit eireuitu. vindicamus: vindieare ist ein t.t. aus der juristischen Fachsprache und spielt auf das Prozedere einer vindieatio (,,Eigenturnsherausgabeklage") an. Sie ist die Klage des nichtbesitzenden Eigentümers gegen den besitzenden Nichtei gentümer auf Feststellung des Eigentums und Herausgabe der Sache: Der Anspruchsteller ergriff die Sache, berührte sie mit einem Stab und sagte eine Spruchformel auf (Gai. inst. 4, 1 6; HEUMANN-SECKEL s.V. l aa). Daraufhin machte der Gegner dasselbe. Siehe KASER I 126--3 1 §32; KASER-HACKL 891 07 § 1 4; FOCARDI 1 986, 58-60. Hier ist die Grundbedeutung abgeblasst im Sinn von "beanspruchen, in Anspruch nehmen", z.B. Cic. off. 1 ,2 videor id meo iure quodam modo vindi eare. Askylt will nicht vorschlagen, rechtliche Schritte einzuleiten (siehe oben quo iure). Dennoch wird hier auf den Fachausdruck angespielt als Teil einer gelehrten Ausdrucksweise, die im ironischen Gegensatz zum Erfahrungshin tergrund und allgemeinen Gebaren der Protagonisten steht. Im weiteren Ver lauf des Geschehens wird es gleichwohl zu einer (symbolischen) vindicatio kommen, siehe unten Sat. 1 4,5 zu manus .. . iniecit und 1 4,6. Lücke?: Nach vindieamus ist in I und r eine Lücke vermerkt (in Im DESUN1). Die Lücke ist entweder falsch gesetzt (siehe zur Problematik der unzuverlässi gen Asterisken in L Einl. 2) oder enthielt Informationen, die wir nicht vermis sen: negavi cireuitu agendum könnte auf einen ausgefallenen Vorschlag Askylts antworten. Vgl. auch die Subjektsellipse in 1 3 ,4 si nollet . . . reddere. =
§ 13,4 exhilaratus ego non tantum quia praedam videbam, sed etiam quod fortuna me a turpissima suspicione dimiserat, negavi circuitu agendum, sed plane iure civili dimicandum, ut si nollet alienam rem domino reddere,
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a d interdictum veniret: leh w ar hocherfreut, nicht nur, weil ich die Beute sah, sondern auch, weil das Glück mich von einem schändlichen Verdacht befreit hatte. leh plädierte dafür, nicht auf Umwegen zu handeln, sondern direkt nach Zivilrecht zu kämpfen, so dass er, wenn er die fremde Sache nicht dem Eigen tümer zurückgeben wolle, zum Interdikt kommen müsse. exhilaratus: Partizip in der Anfangsstellung zur Beschleunigung der Hand lung (SClIÖNßERGER 1 946, 1 62). exhilaratus ist bei Petron weniger gebräuch lich als hilaris. ego: Siehe oben Sat. 12,5 ae ne ipse quidem. non tantum quia ... sed etiam quod: Zwei parallele Kausalsätze in antithe tisch-steigernder Ausdrucksweise zur Emphase des zweiten Aussageteils, siehe oben Sat. 1 2, 1 non quidem . . . sed tamen und vgl. 1 3 ,4 negavi . . . sed und si nollet . . . Nach Verben des Affekts findet sich bei Petron mit Ausnahme dieser Stelle ausschließlich quod, nicht quia. praedam: Die im Besitz des Bauern befindliche Tunika wird von den Prota gonisten mehrfach als "Beute" bezeichnet (so auch in Sat. 1 3 , 1 spolium; Sat. 1 4,4 ne interim praeda diseederet; 1 4,6 proclamare nostra esse spolia; vgl. außerdem Sat. 79, 1 2 partiti manubias sumus, wo allerdings kaum von der Tunika, allenfalls von den aurei die Rede ist). Der Begriff deutet auf eine (im erhaltenen Text nicht erwähnte) frühere verbrecherische Inbesitznahme der Tunika durch die Protagonisten und die beabsichtigte Wiedererlangung der Tunika bzw. ihres wertvollen Inhalts hin, der die eigentliche Beute darstellt. Möglich wäre auch, ,,Beute" auf den Bauern zu beziehen qui tuniculam in solitudine invenerat (Sat. 1 2,5). fortuna: Zufortuna siehe oben Sat. 1 3 , 1 0 lusum fortunae mirabilem ! turpissima suspicione: Es ist unklar, worauf sich der Verdacht bezieht. Evtl. hatte Askylt Enkolp in Verdacht, die (ihm evtl. zuvor anvertraute) Tunika verloren oder gar gestohlen zu haben, um sich an dem Schatz zu bereichern. Wie es zum Verlust kam, ist ebenfalls nicht klar, siehe Ess. 1 2- 1 5, 1 . negavi circuitu agendum: Bezieht sich auf Askylts Frage nach dem weiteren Vorgehen und steht als abzulehnende Alternative in Opposition zu iure civili dimieandum (zur antithetischen Ausdrucksweise siehe oben Sat. 1 2, 1 non quidem . . . sed tamen). cireuitu ist im übertragenen Sinn als "auf Umwegen, mit Umtrieben" zu verstehen, vgl . u.a. Sen. epist. 8 1 , 1 9 bonum exemplum cireuitu ad facientem revertitur, so ordnet auch der TLL 3 . 1 1 05 . 83ff. die Stelle ein. Dass cireuitu speziell im j uristischen Sinn zu verstehen ist ("in legibus, edic tis", TLL 3 . 1 1 06.52-9), wie SOVERINI 1 974-5, 230 meint, ist nicht anzuneh men (siehe oben Sat. 1 3,3 quo iure) - auch wenn mit agere der Fachausdruck für ,,Klage" (aetio) verwendet wird. Ebenfalls nicht vordergründig ist, dass Enkolp die moralische Unanfechtbarkeit seines Vorschlags herausstreichen will (,,nicht mit List, Täuschung, Betrug agieren, sondern . . . "), wie SOMMARI-
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VA 1 997, 24 Anm . 46 und BURMAN 67 vennuten. Vielmehr bringt dieser zum Ausdruck, dass er und Askylt als Eigentümer der Tunika per se ein Recht auf ihren Besitz haben, das sie lediglich öffentlich einzufordern brauchen. Klassisch hat der Ablativ ohne Attribut zumeist ein cum bei sich, doch in der älteren Sprache und auch bei Petron herrscht ein freierer Sprachgebrauch (so auch in Sat. 5 1 ,S; 1 1 3, 1 ; 1 32,4). Siehe HSZ 1 1 6f. §77; KST 1 408f. § 8 1 ; PETERSMANN 95; LÖFSTEDT, Synt. 1, 2 1 6-20. plane: Der Begriff ist hier entweder wie in Sat. 12,5 bekräftigend zu verstehen oder im ursprünglichen Sinn von "mit klaren Worten, ausdrücklich". Die auf taUige (und vennutlich gewollte) Wiederaufnahme des Wortes durch Askylt in Sat. 1 4, 1 mihi plane placet emere spricht weder für den einen noch für den anderen Sinn (anders SOVERINI 1 974-5, 230, der das Zweite deshalb nicht für wahrscheinlich hält). iure eiviU dimieandum: Enkolp antwortet auf Askylts Frage in Sat. 1 3,3 quo iure . . Mit iure civili findet eine Verengung des Begriffs ius statt. iu.� civile steht hier gemäß der j uristischen Fachterminologie für das dem römischen Volk eigentümliche ,,zivilrecht" im Gegensatz zum ius honorarium (,,Amts recht"), das auf dem imperium der Magistrate beruht. Siehe zu den anderen, hier auszuschließenden Bedeutungen von ius civile KASER I 1 98-202 §49. Enkolp und Askylt betrachten sich als rechtmäßige Eigentümer der Tuni ka. Als solchen steht ihnen nach dem ius civile die Möglichkeit zu, ihr Eigen tum zurückzuverlangen. Enkolps Vorschlag bedeutet also, dass er, dem ius civile entsprechend, zum Bauern treten und die Herausgabe der Tunika fordern will. Dies kann mit der Vindikationsformel meum esse aio geschehen. Schweigt darauf der Bauer, können die Eigentiimer ihre Tunika an sich neh men; antwortet er jedoch seinerseits mit meum esse aio (was heißt, dass er nollet . . . reddere), soll der Rechtsweg beschritten werden. Wer nach dem iu.� civile um Eigentum streiten will, kann dies, wie Enkolp es vorsieht, zunächst mit dem Interdikt versuchen (obwohl dies dem iu.� hono rarium in der Kompetenz der Prätoren angehört). Deshalb besteht keine Not wendigkeit, ius civile in einem untechnischen Sinn aufzufassen, so dass En kolp den Streit generell unter Berufung auf das römische Recht schlichten möchte (so DEBRAY 1 9 1 9, 63f. ; FOCARDI 1 986, 6 1 Anm . 1 3 ; PATIMO 200 1 , 1 84), oder Petron (bzw. Enkolp) juristische Ungenauigkeit z u unterstellen (so ARAGOSTI 1 979, 1 07; GREWE 1 993, 4 1 Anm . 22). BAGNANI 1 964, 23 1 dekla riert civili gar als Glosse. Der Ausdruck passt j edoch gut in das Gefüge der von den Protagonisten verwendeten j uristischen Begriffiichkeiten (Sat. 1 3 ,3 quo iure. rem vindicamu.�; 1 3,4 alienam rem domino reddere. interdictum usw.), das einen komischen Kontrast zur nonkonformen Lebens- und Gedankenwelt der beiden bildet. .
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s i noUet alienam rem domino reddere: Als Subjekt (Subjektsellipse in nol let . . . veniret) ist der Bauer zu denken. BÜCIIELER2-
zur schäbigen, vermeintlich wertlosen Tunika, die der Bauer achtlos zum Ver kauf anbietet. Die AusfLihrung des Wenn-nicht-dann ist wiederum Stilmittel der Abun danz, siehe dazu oben Sat. 1 2 , 1 non quidem . . . sed tamen. interdictum: Juristisches Schnellverfahren, das eine Vorstufe zum Eigentums streit bedeuten kann, in dem der Prätor einer der beiden streitenden Parteien den Besitz einer Sache einräumt. Im Fall von beweglichen Sachen handelt es sich um ein interdictum utruhi, bei dem der angefochtene Besitz ohne Anhö rung der Parteien demjenigen zugesprochen wird, der ihn den größeren Teil des Jahres (vor der Interdiktserlassung) im Verhältnis zum Prozessgegner fehlerfrei (d.h., dass er die Sache von seinem Gegner weder gewaltsam [vi) noch heimlich fe/am} noch aufgrund einer Bittleihe [praecario} erlangt hat, Gai. inst. 4, 1 50) besessen hat; siehe D EßRAY 1 9 1 9, 62-6; KASER-HACKL 4082 1 §62f.; KASER 1 396--400 §96; 11 256-6 1 §240. ad interdictum venire ist in der lat. Lit. nur selten belegt, daflir noch ein zweites Mal bei Petron in Sat. 83,5 si venturum ad interdictum Herculem (TLL 7. 1 .2 1 77.3 5f.). Sonst meist in der Variante in interdictum venire (Ulp. dig. 43, 1 6, 1 ,34) oder ad interdictum ire (African. dig. 43,30,4) u.a. Gemeint ist konkret, dass der beklagte rusticus im Falle eines Interdikts vor dem Magistrat
zu erscheinen hätte. veniret: Siehe zur Subjektsellipse oben Sat. 1 3 ,4 si nollet . . .
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Kapitel 1 4 Die beiden Parteien reißen sich gegenseitig Tunika und Mantel aus den Hän den. § 14,1 Verspassage ( Sal. 1 4,2 MÜLLER) Die drei an dieser Stelle überlieferten Distichen werden von vielen Editoren auf ÄNTONS Anregung seit BÜClIELER I hinter Sal. 1 4, 1 gestellt (mit Ausnahme von PELLEGRINd 28 f. und ders. I 23 1 f. ; JENSSON 2004, 9). Sie fUgen sich we der an der einen noch an der anderen Stelle gut in den Text ein, die Verschie bung bringt also keine Verbesserung mit sich, sondern reißt den Prosatext unnötig auseinander. Die Distichen erscheinen in L - in O(jlY sind sie ohne Kontext überliefert (wobei (jl nur V. I . 2. 5 enthält) - im Anschluss an Enkolps Vorschlag, den Rechtsweg zu beschreiten. Dort ergeben die Verse, in denen die Korruption der Gerichte beklagt wird, wenig Sinn, da sie Enkolps eben geäußertem Vorhaben zuwiderlaufen. Mit der Verschiebung gingen die Worte an Askylt über, dessen Sichtweise sie jedoch genauso wenig entsprechen. Zwar ist er der Justiz gegenüber kritisch eingestellt, seine Vorbehalte hinsicht lich eines Gerichtsprozesses beziehen sich aber darauf, dass die heiden Prota gonisten niemanden in der Stadt kennen, und nicht darauf, dass sie arm sind und deshalb keinen Prozess gewinnen können. Zudem passt eine in Versen vorgetragene Sitten- und Moralkritik durch Askylt, der auch sonst nie in Ver sen spricht, dramatisch nicht in diese Situation, in der schnelles Handeln nötig ist (Sat. 1 4,4 ne inlerim praeda discederet). Aus diesen Gründen empfiehlt es sich, die Verse an ihrem ursprünglichen Ort zu belassen. So können die Verse dem Erzähler zugeschrieben werden (so auch JENSSON 2004, 223), der sich hier plötzlich unterbricht und seine eigene Meinung zum Thema anbringt. "It is in the nature of prosimetry that the narra tor can dispense with decIarative statements when switching from one dis course type to another" (JENSSON 2004, 9). Nicht auszuschließen ist aber, dass die Distichen - aufgrund der Themenverwandtschaft und des j uristischen Wortschatzes - fälschlicherweise in dieser Szene verortet wurden oder dass der unmittelbare Kontext der Verse fehlt und deshalb von Lücken vor und nach dem Gedicht auszugehen ist (so PELLEGRTNO I -2 ). Siehe zum Thema der Platzierung vAN TiIIEL 1 97 1 , 1 1 ; SOMMARIVA 1 997, 23 Anm . 42; PELLEGRI =
N0 2 28f.; JENSSON 2004, 9. 223f.
Das Gedicht ist in elegischen Distichen verfasst wie Sal. 1 8,6; 80,9; 82,5; 1 09,9; 1 26, 1 8; 1 32, 1 5; 1 3 7,9; alle diese Verspassagen handeln von öffentlicher oder privater Moral und sind ironisch gefärbt. Für PARATORE 11 43 bedeutet die Wahl des Versmaßes eine direkte Bezugnahme auf die griechische gnomi sche Elegie. ARAaosTI 1 979, 1 08 Anm . 2 1 spricht dagegen nur von einer
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Assoziation ("un'associazione intenzionalmente 'facile'''). Andere sehen darin die damals aufgekommene Mode parodiert, elegische Verse für Moralisierun gen zu benutzen (C AlIEN 1 925, 45f. ; WALSII 1 970, 88). Nach SLATER 1 990, 1 63 Anm 12 wird die erhabene Form der Verse durch deren Inhalt ironisiert. Sie bewirkt einen formalen Bruch mit der Romanerzählung und ist ein klares Ironiesignal: Wir haben es hier nicht mit einer ernsthaften Klage über den allgemeinen Sittenverfall zu tun , sondern mit einem satirischen Spottgedicht. Die Lyrisierung wird durch den ausgiebigen Gebrauch rhetorischer Stilmittel zusätzlich gesteigert: die vielen Alliterationen wie traducunt tempora - non numquam nummis - vendere verba - nihil est ni.�i - atque eques (in V.4 sogar in Form zweier Homoioarkta, bemerkt von ARAGOSTI 1 979, 1 08 Anm 2 1 ), das Aufeinanderfolgen von Dentalen und Labialen in der zweiten Hälfte von V.6. Teil des Vokabulars ist eine Reihe von Ausdrücken, die nicht nur der Sphäre der Justiz angehören, sondern gleichzeitig auch jener des Marktes, der ja den Schauplatz der Szene darstellt (pecunia, nummis, vendere. merces. emp ta), siehe dazu ARAGOSTI 1 979, 1 08f. und SOMMARNA 1 997, 27. Der Markt wird zu einem Gericht und das Gericht zu einem Markt, auf dem ein iudicium wie eine merces gegen Geld zu haben ist ("far mercato della giustizia" nach dem Aufsatztitel von S OMMARNA 1 997). lnhaItlich bauen die drei Distichen logisch aufeinander auf: Das erste skiz ziert in Form einer Frage die Problematik, welche das zweite durch ein Exemplum illustriert und unterstreicht; das dritte liefert die abschließende Erkenntnis und stellt die Antwort auf die Eingangsfrage dar. Die Omnipotenz des Geldes sowie die Kritik an der Justiz sind gnomische Topoi. Ersterer ist schon Thema bei Alkaios (frg. 360V XP�llat' äv'lP) und findet später v.a. im Mimus (Pub!. Syr. pecunia unum regimen est rerum omnium) sowie in der Satire (Lucil. 1 1 28K tantum habeas tantum ipse sies tantique habearis) seinen Niederschlag, siehe ARAGOSTI 1 979, 1 08 Anm 19. In der urbs Graeca dreht sich wie im Rom des Horaz (epi.�t. 1 ,6,37 regina Pecunia) oder JuvenaI (z.B. 1 , 1 1 2fT. über die sancti.�.�ima divitiarum maiestas; für weitere Stellen siehe CICU 1 992, 48 Anm 47) alles ums Geld. Das Thema Geld ist bei Petron v.a. in der Cena (z.B. Sat. 77,6 assem habeas. assem valeas) und der Croton-Szene präsent. Auch Eumolp bedient sich des Topos im Gedicht Sat. 83, 1 0 und in 84,2 deinde qui sola.� extruere divitia.� curant. In direkter Verbindung mit der Allmacht des Geldes steht die Korruption der Justiz. Die Klage darüber wurde im 1 . Jh. n. Chr. zum locus communis (v.a. die Bestechlichkeit der Richter, Advokaten, Zeugen): Varro Men. 497-9A .
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ubi tum comitia habebant. ibi nunc fit mercatus / quod leges iubent. non faci unt: 00<; Kai i..aße fervit omnino / avidus iudex reum ducebat esse KOlVOV 'Epl1llv (siehe dazu SnmoE 1 933, 1 57; COLLIGNON 1 892, 286; CIAFFI 1 960,
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1 20); Ov. am. 1 , 1 0,37-40 nec bene conducti vendunt periuria te.�tes / nec bene selecti iudicis arca patet. / turpe reos empta miseros defendere lingua, / quod faciat magnas, turpe tribunal, opes; 3,8,55f. curia pauperibus clausa est, dat census honores: / inde gravis iudex, inde severus eques; Prop. 3 , 1 3 ,49f. auro pulsafides, auro venalia iura, / aurum lex sequitur, mox sine lege pudor, Apul. met. 1 0,33 quid ergo miramini ... si toti nunc iudices sententias suas pretio nundinantur u.v.m. Siehe ferner snmBE 1 933, 1 57; KELLY 1 966, 3 1-68; SE TAIOLI 1 998, 1 53 Anm . 1 1 mit weiteren Primärstellen. Stellen bei Petron, die unmittelbare Kritik an der Justiz enthalten, finden sich weiter v.a. in Sat. 88,8; 1 37,9; 1 1 9 V.39-42. Lit.: COURTNEY 1 7f.; SOMMARIVA 1 997; SETAIOLI 1 998; McMAnoN 1 997; BARNES 1 97 1 , 275-7; PARATORE 11 43; YEn 2007, 507f. V. I-2 : quid faciunt leges, ubi sola pecunia regnat / aut ubi paupertas vin cere nuUa potest?: Was nützen Gesetze, wo einzig das Geld regiert oder wo keine Armut gewinnen kann? Erstes von drei zusammengehörenden Distichen; rhetorische Frage sozial kritischen Inhalts, wobei V.2 (in litotischer Form) die Aussage des zweiten Teils von V. l in anderen Worten wiederholt. Dass das Geld sich anstelle des Rechts durchsetzt, beklagt auch Hor. carm. 3 ,24,35-44 quid leges sine moribus / vanae proficiunt . . . / . . . / magnum paupe ries opprobrium iubet. SOMMARIVA 1 997, 1 1-3 vermutet einen intertextuellen Bezug und will Petrons Verse in Analogie zur Vorlage von Horaz sozialkri tisch (d.h. die mores im Allgemeinen betreffend) verstehen. Damr gibt es im Text keinen Anhaltspunkt. Im Gegenteil: Die zwei folgenden Distichen und die Rahmenhandlung in Prosa betten die Verse in einen juristischen Kontext ein. Das mit ergo eingeleitete letzte Distichon bildet den Schlüssel zum Ver ständnis der hier gestellten rhetorischen Frage. Es gipfelt in der Aussage, ein Sieg vor Gericht sei wie eine Ware zu erkaufen. So muss mit pecunia das Be stechungsgeld, mit paupertas das Fehlen einer solchen Geldsumme und mit vincere das Gewinnen eines Prozesses gemeint sein. quid faciunt leges: O
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quid porro multus stilus e t adsidua leetio et longa studiorum aetas facit. .�i manet eadem quaefuit incipientibus diffieultas? SOMMARIVA 1 997, 1 3 will den Ausdruck in Anlehnung an das umgangs sprachliche quid facit / faciunt? "was flir einen Sinn hatlhaben; was soll/sollen?" übersetzen, vgl. z.B. Pers. 2,69 in saneto quidfacit aurum ?; Mart. 1 ,59,2 inter delicias quid facit ista fames?, siehe CITRONl 1 975, I 97f. Doch gerade die von SOMMARIVA ins Feld geführte Parallele Hor. earm. 3 ,24,35f. spricht gegen diese Übersetzung, wie SETAlOLI 1 998, 1 56 Anm . 30 (und auch SOMMARIVA selbst) bemerkt. leges: Siehe unten Sat. 14, I leges. 80la pecunia regnat: Der Ausdruck beschreibt korrupte Verhältnisse in der Justiz. Dazu gehört die Bestechung des Richters (z.B. Hor. sat. 2,2,8f. male verum examinat omnis / eorruptus iudex), aber auch die Erpressung falscher Zeugnisse (z.B. Callistr. dig. 22,5,3,5 quive ob testimonium dieendum vel non dieendum pecuniam aeeepisse iudieatus vel eonvietu.� erit; Callistr. dig. 42, 1 ,33 falsis testimoniis. eonspiratione adversariorum testibu.� peeunia eor rupti.�. religionem iudici.� cireumventam esse; Rhet. Her. 2, 1 1 testes eorrumpi posse vel pretio vel gratia vel metu vel simultate; Ovids eondueti testes in am.
1 , 1 0,37ff., siehe oben). aut: aut ubi haben Up, haud ibi (pauperlas vineere nuda potest) HEINSIUS . aut trennt hier anstelle von et zwei sinnverwandte Feststellungen (die erste in posi
tiver Form., die zweite negiert), was in der Umgangssprache schon zu Plautus' Zeit vorkommt. Vgl. auch oben Sat. 1 3,3 aut. paupertas: Enkolp streicht mehrfach die eigene Armut heraus, die nicht nur ein Identifikationsmerkmal, sondern - in oft stilisierter Form. - auch Instru ment der Selbstdarstellung ist (OAPFI 1 955, 39 spricht von einem "stemma nobiliare per gli avventurieri"). paupertas war ein catonisch-römisches Ideal; während Eumolp die Armut in positiver Weise mit dem Dichtertum in Verbin dung bringt (z.B. Sat. 83,9 amor ingenii neminem umquam divitem fecit), er scheint sie bei Enkolp jedoch stets negativ konnotiert als Bürde (z.B. Sat. 1 0,4 paupertatem nostram privatis quaestibus temptemu.� expellere; 1 25,4 nempe rursus fugiendum erit et tandem expugnata pauperla.� nova mendicitate revo eanda). Zur pauperlas in Zusammenhang mit dem Gericht vgl. die bereits oben zitierte Stelle Ov. am. 3,8,55 curia pauperibus clau.�a est. nulla: Der umgangssprachliche Gebrauch von nullus statt non erscheint häufig
in den Komödien, aber z.B. auch in Ciceros Briefen, bei Petron nur an dieser Stelle. Er verstärkt die Negation. Siehe HSz 205 § 1 09; HOFMANN 79f. §77; LÖFSTEDT, Synt. 11, 37Of.; PETERSMANN 227. Ausschließen kann man die inhaltlich unplausible Lesart nuda (ltvBY), bei der das zweite ubi (V.2) als Fragepronomen eines neuen Hauptsatzes aufzufassen wäre: "Oder wo kann die nackte Armut triumphieren?"
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vincere: Hier im Sinn von "einen Prozess gewinnen", dagegen SOMMARTVA
1 997, 1 2 Anm 1 6 allgemein " vorherrschen, durchsetzen". .
V.3--4: ipsi qui Cynica traducunt tempora pera I non numquam nummis vendere verba solent: Selbst die, die mit einem kynischen Rucksack umher ziehen und die herrschenden Zustände anprangern, pflegen öfters ihre Worte gegen Geld zu verkaufen. Drastisches Exemplum zur Untermauerung der im ersten Distichon ge machten Aussage: Sogar jene, die sich freiwillig zu einem Leben in absoluter Mittel losigkeit verpflichtet haben, können der Verflihrung durch Geld nicht mehr widerstehen. Der Kynismus galt als die radikalste philosophische Richtung. Die Kyni ker, deren Vorbild Diogenes war, versuchten, in völliger Bedürfnislosigkeit zu leben, und bestritten die Notwendigkeit und Existenzberechtigung der mensch lichen Gesellschaft (darum sprachen sie dieser das Recht ab, durch Gesetze in die Lebensführung des Einzelnen einzugreifen). Hier werden nicht primär die falschen Kyniker (wie in Mart. 4,53 u.v.m.) kritisiert oder gar die echten ge priesen (so zur Stelle HIRZEL 1 895 11, 38; dagegen McMAnON 1 997, 78-80), sondern die Auswüchse der grassierenden Korruption so drastisch als möglich veranschaulicht. Cynica ... pera: pera ist eine Emendation von HEINSIUS (LO und Y überlie fern cera o. Ä . , siehe BURMAN 68f.), da cera im Zusammenhang mit den Kyni
kern nicht belegt ist. Der Rucksack (TLL 10. 1 1 70.24ff.) ist, zusammen mit dem baculus, typi sches Attribut des kynischen Philosophen (der von Stadt zu Stadt wandert, sich der Weisheit hingibt, mit wenig zufrieden ist, auf seine Autarkie vertraut) und Emblem ftir seine gewollte paupertas, vgl. u.a. Mart. 4,53,3 cum baeulo pera que senem; Apul. apol. 22 uno baculo . . . una perula; Sen. epist. 90, 1 4 [Dioge nes} jregit protinus e:xemptum e perula calieem . traducunt tempora: traducere ist hier in der speziellen Bedeutung als "tadeln, verspotten" zu verstehen, wie in Juv. 8, 1 7 traducit avos; 2, 1 59 illie heu miseri tradueimur (tradueere steht bei Petron zumeist in der Bedeutung von "bloß
stellen, lächerlich machen", siehe Setaioli 1 998, 1 57 Anm 40). In der Tat ist das Tadeln ein kynischer Topos (GERIIARD 1 909, 37-9; BILLERDECK 1 978, 57): z.B. Epikt. diatr. 3,22, 1 0 'tPll3vlOV Kai vUv q>opro Kai 'toe' E�Ol . . . .
1tT\piOlOV 1tPOO'AT!'V0l1a1 Kai �UAOV Kai 1tEP1EPX0I1EVO� al'tElV äp�Ol1al 'tou� ix1taV'trov'ta� AoIOOpEiV ("Einen schäbigen Mantel trage ich schon jetzt . . .
Ein Lederränzlein und einen Stock werde ich mir zulegen, werde anfangen, bettelnd herumzuziehen und die Leute, die mir begegnen, zu beschimpfen. "). tempora bezieht sich dann auf die historische Zeit, im Sinne von "Zeiten" - so klassifiziert auch OLD die Stelle (s.v. tempus 4a) -, oder bezeichnet eine
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Zeitperiode mit Referenz z u ihren moralischen, sozialen Bedingungen be zeichnen (OLD s.v. tempus 12, wie z.B. Cic. Catil. 1 , 1 0 tempora, 0 mores). Cynica . . . pera steht verkürzt für "indem sie mit dem kynischen Rucksack auftreten" - das Tragen der pera als stummer Vorwurf, so GRONOVIUS und BROUCKUSIUS bei B URMAN 68; SETATOLl 1 998, 1 57; CoURTNEY 1 7; WALS" ("scom"); ARROWSMITII ("scoft"); HESELTINE-W ARMINGTON ("mock"). Natürlich kann der Ausdruck auch einfach mit "Zeit verbringen" übersetzt werden, die Kritik büßt dann aber an Schärfe ein (traducere "verbringen", "durchschlagen"; tempora ,,Lebenszeit", vgl. Petr. frg. 50, 12. 14B; OLD s.v. tempus 4b; analog zu aetatem/vitam/tempus traducere oder agere gebildete Junktur, vgl. z.B. Cic. fam. 4,6,3 qua ratione nobis traducendum sit hoc tem pus; so z. B . SOMMARIVA 1 997, 14 mit Anm . 22; siehe SETATOLl 1 998, 1 57 Anm. 34). vendere verba: verba stammt aus L, während Y vera hat, dem sich viele mo deme Editionen anschließen (außer MÜLLER), und 0 verba solent emere (un wahrscheinlich; vendere ist vielleicht durch Homoioarkton mit dem folgenden verba/vera verloren gegangen, und der Vers daraufhin mit V.6 empta aufge füllt worden). verba ist vera vorzuziehen, da es besser in den Kontext passt. Die Distichen scheinen sich recht spezifisch auf Zeugenbestechung (nicht auf Bestechung der Richter oder anderes) zu beziehen - und daftir ist vendere verba der beste Ausdruck: "falsche Zeugenaussagen gegen Entgelt machen" (so auch SETAIOLI 1 998, 1 54; COURTNEY 1 7 ; WALS " ("perjure"); SoMMARIVA 1 990, 27f. und 1 997, 1 5 f. 20). Unpassend ist die Übersetzung "Geld nehmen für Vorträge, Lektionen o. Ä ." (z.B. EIILERS ) , zumal die minimalen rhetori schen Fähigkeiten der Kyniker dazu nicht gereicht haben dürften. Für diese Auffassung sprechen auch die vielen Parallelstellen zur Korrup tion der Justiz: u.a. Juv. 14,2 1 8 falsus erit testis, vendet periuria summa; Mart. 5, 1 6,6 sollicitisque velim vendere verba reis (dazu PELLEGRIN02 78; SOMMA RIVA 1 990, 27); Ov. am. 1 , 1 0,37 nec bene conducti vendunt periuria testes und 39 turpe reos empta miseros defendere lingua. Ovids Ausdrücke vendere peri uria und empta lingua verschmelzen bei Petron zu einem (auch schon in Apul. apol. 74 hic advocatorum conductor, hic testium coemptor); AL 927,5f.R ora manusque / vendere (dazu SOMMARIVA 1 990, 26-9); S aU . Catil. 14,3 quos manus atque Iingua periurio aut sanguine civili alebat. Ganz auszuschließen ist vera jedoch nicht: Als "Wahrheit", bezogen auf (falsche) Zeugenaussagen, oder als "rationale Wahrheit" (dazu ARAGOSTJ 1 979, 1 08) würde vera zur Aufgabe des wahren Kynikers passen, dem es ob liegt zu ermitteln und verkünden, was für die Menschen gut und was ftir sie schädlich ist: Epikt. diatr. 3,22,25 "wenn er dies ausgekundschaftet hat, muss er zurückkommen und die Wahrheit berichten" (imaYYElAat 'taAT\6i1). vera
Kap. 1 4
1 87
würde den Sarkasmus der Stelle unterstreichen: Die Wahrheit als absoluter Wert relativiert sich in Anbetracht des Geldes. V.5--6 : ergo iudicium nihil est nisi pubUca merces, I atque eques in causa qui sedet, empta probat: Also ist ein Urteil nichts anderes als öffentliche Ware, und der Ritter, der über dem Fall zu Gericht sitzt, billigt Gekauftes. Das dritte Distichon (mit ergo als Einleitung der Schlussfolgerung) bildet Fazit und Synthese in der dreistufigen Argumentation der Verspassage (Ein gangsfrage - Exemplum - Schlussfolgerung). Diesen Teil des Gedichts zitiert John of Salisbury, polier. 5 , 1 6,355 (Webb) iudicium nichi/ esl nisi publica merces, ! alque eques, in causa qui sedet, emp ta probat. iudicium : Der Begriff entstammt dem Prozessrecht und steht entweder für den
Rechtsstreit, das Gerichtsverfahren (so wird er hier von den meisten Interpre ten aufgefasst) oder im engeren Sinn für das Urteil des Richters (so DEBRAY 1 9 1 9, 1 67; SETAIOLl 1 998, 1 59, siehe TLL 7.2.607.62ff.). Die konkrete Bedeu tung richtet sich nach jener von publica merces: Schlüssig ist der Vergleich eines Urteilsspruchs mit einer käuflichen Ware. In diesem Fall ist der Zweck einer Bestechung, einen Sieg vor Gericht zu erkaufen - daher das zu Beginn der Verspassage konstatierte paupertas vincere nulla potest. Etwas bemüht, aber ebenfalls denkbar ist, dass der ganze Gerichtsprozess gemeint ist, der käuflich erworben werden kann (in Form von Indizien, Aussagen etc.) und daher im übertragenen Sinn als Ware bezeichnet wird. pubUca merces: Meist wird merces hier als eine archaische Nebenform von merx angesehen, die auch bei anderen Autoren belegt ist, z.B. Ps. Quint. decl. 6, 1 7 me ipse perdidi, teneor venale mancipium, el civis Romanus merces jio, el libertatem senex dedi�co, et natus ingenuus venire opto; Sen. Med. 3 6 1 -3 aurea pel/is ! maiusque mari Medea malum, ! merces prima digna carina (so z.B. SOMMARIVA 1 997, 1 6--8 ; COURTNEY 1 7. Siehe TLL 8.797.82-798. 12; SETAIOLl 1 998, 1 58 Anm. 44). Das iudicium ist demnach eine öffentliche Ware, da es von allen, die Geld haben, gekauft werden kann, vgl. Tac. anno 1 1 ,5,2 nec quicquam publicae merci� tam venale foit quam advocatorum per jidia.
Das viel häufigere merces in der Bedeutung von ,,Lohn, Belohnung" (so z.B. SETAIOLl 1 998, 1 58; ARAGOSTI 1 979, 1 09 Anm . 22) ist zwar bei Petron in einem ähnlichen Zusammenhang belegt (Sat. 1 22 V. 1 65f. mercedibus emptae ! ac vi/es operae), in der Gleichsetzung mit iudicium ergibt "öffentlicher Lohn" aber wenig Sinn. eques: Der Ritter in seiner Funktion als Richter (TLL 5.2.7 1 4.75). Nach der lex Aurelia iudiciaria von 70 V. Chr. mussten die zivil- und strafrechtlichen Gerichte zu je einem Drittel aus Senatoren, equites (Ritter) und tribuni aerarii
1 88
Kap. 1 4
(Aerartribunen) zusammengesetzt werden (siehe BRUNT 1 988, KELLY 1 966, 3 5 f. ; JONES 1 972, 86-90;
aerarii wurden aber 46 v. Chr. equites ersetzt, so dass diese
KASER-HACKL 49-5 1
tribuni
aus der Dekurie ausgeschlossen und evtl. durch möglicherweise die größte Gruppe unter den
Richtern darstellten und hier als par.v pro
dann
1 46, 2 1 0f. ;
§6). Die
toto
stehen. Seit Augustus erscheinen
auch die Senatoren nicht mehr unter den Richtern; man nimmt
an,
dass
sie von der Richterfunktion befreit wurden und die Richterschaft von da an nur noch aus Rittern bestand (MOMMSEN 1lI 5 3 5 ;
KASER-HACKL 49-5 1 § 6 ; KÜß equites Romani, 299; so auch COURTNEY 1 7). Es ist j edoch nicht auszuschließen, dass zur Zeit Petrons auch noch Senatoren das Richteramt bekleideten (so z. B . SOMMARIVA 1 997, 1 8 Anm . 32). in causa qui sedet: "über dem Fall zu Gericht sitzen". causa steht hier im j uristischen Sinn von "Streitsache, Rechtsfall" (TLL 3 .689. 1 2 ff. ; HEuMANN S ECKEL S.v. 3), vgl . Sat. 1 4,7 nullo genere par erat causa [nostra}. empta probat: empta nimmt vendere (V.4) wieder auf: "Gekauftes", womit LE R,
RE
s.v.
hier alle Elemente, auf die sich ein Richter stützen muss (Zeugenaussage, Ver teidigungsrede etc.) und die mit Geld zu erpressen sind, gemeint sein können. Vgl. Cic.
am.
Att. 1 , 1 8,3 afJlicta res publica est empto constupratoque iudicio; Ov. turpe reos empta mi.veros defendere lingua. probare nach OLD s.v. probo 3 "to give official approval to after exami 1 , 1 0,39
nation, scrutiny etc.". Der Richter ist nicht selbst korrupt, sondern sanktioniert die Korruption der J ustiz, gut übersetzt bei
HESELTINE-WARMINGTON :
"the
knightly j uror who sits listening to the case approves, with the record of his vote, something bought". Das Verb
probare
macht einen Bezug auf
iudicium
unwahrscheinlich; viel eher sind hier die falschen Zeugenaussagen gemeint, welche sogar die Kyniker gegen Geld machen (vgl. oben V.4
vendere verba).
§ 14,1 contra Ascyltos leges timebat et: 'quis', aiebat, 'boc loco nos novit aut quis babebit dicentibus fidem? mibi plane placet emere, quamvis nostrum sit, quod agnoscimus, et parvo aere recuperare potius tbesaurum quam in ambiguam Iitem descendere' : Dagegen fürcbtete Askylt das Recht und sagte: "Wer kennt uns hier, und wer wird unseren Worten Glauben schen ken? Icb bin entschieden dafür, dass wir das kaufen, was wir als unser Eigen
tum
erkennen, obwohl es uns gehört, und dass wir für wenig Geld den Schatz
wiedergewinnen, statt uns in einen unsicheren Prozess einzulassen. "
leges timebat:
Wört l . "fürchtete sich vor den Gesetzen". M i t
leges
sind hier
aber nicht die Gesetze als objektive Institution gemeint - denn die beiden Pro tagonisten seben sich absolut
im
Recht und betrachten die Tunika als ihr Ei
gentum, das zurückzufordern sie laut Gesetz berechtigt sind. Die Junktur, die z . B . auch bei Ps. Cic.
in Sall. 1 1 ,7 ego nihi/ timui nisi leges; Ov. trist. 5,7,47 non metuunt lege.v. sed cedit viribus aequum; Cic. Verr. 11 4,75 summa metu legum erscheint, wird an dieser Stelle ironisch uminterpretiert: Askylt ist nicht
1 89
Kap. 1 4
etwa gesetzesfürchtig. Schließlich führen die Protagonisten selbst einen ge stohlenen Mantel mit sich
(Sat. 12,2),
und die in die Tunika eingenähten
aurei
würde den Verdacht illegaler Machenschaften wecken, die im Falle eines ge richtlichen Verfahrens aufgedeckt werden könnten. Vielmehr fürchtet er sich vor den Gesetzen,
im
Speziellen - berücksichtigt man den Kontext
(Sat. 14, 1 f.)
- vor dem Kontakt mit der Judikative. Die "Furcht vor den Gesetzen" resultiert also ironischerweise aus einem Mangel an Gesetzesfurcht.
aiebat: Bei lebhafter Schilderung vergangener Ereignisse stehen dicendi gerne im Imperfekt, siehe PETERSMANN 1 74. quis hoc loco nos novit: Askylt lehnt Enkolps Vorschlag, den •.•
v.a.
verba
Rechtsweg
zu beschreiten, mit zwei rhetorischen Fragen ab. Er hält die Chance, als soeben zugereiste Fremde die Rückgabe des Mantels gerichtlich erwirken
zu
können,
fiir gering. Zu dieser Problematik vgl. Mart. 1 2 praej 8f. et videor mihi in alieno fora !itigare; Plaut. Poen. 1402f. quid med hac re facere deceat egomet mecum cogito. / si volo hunc ulcisci. !itis sequar in alieno oppido; ironisch Ter. Andr. 8 1 0-2 nunc me hospitem / litis sequi quam id mihi sit faci/e atque utile / aliorum exempla commonent; Eun. 759f. immo hoc cogitato: quicum res tibist peregrinus est. / minu potens quam tu. minu ' notu ·. minus amicorum hic ha bens. •
N ach JENSSON
2004,
1 54--6 , ist die Aussage Askylts direkt beeinflusst
durch die Erfahrung einer zuvor erzählten Gerichtsverhandlung. Enkolp sei von Lykurg vor Gericht gerettet worden, und Askylt habe etwas Ähnliches
(Sat. 80,8 fortunaeque etiam simi!itudine parem). Auf einen friiheren 8 (.. . Petronius in Euscion ait 'Cerberus forensis erat causidicus ') , frg. 14 und Sat. 8 1 ,3 effogi iudicium hin.
erlebt
Konflikt mit dem Gericht deuten allenfalls frg.
D a die beiden Protagonisten, die sich hier als unbescholtene arme Leute stili sieren, mit dem Diebstahl des Mantels tatsächlich bereits etwas auf dem Kerb holz haben, ist die Stelle jedoch ironisch aufzufassen. Und wenn Askylt be klagt, sie würden hier niemanden kennen, so ist doch offensichtlich, dass ihnen dort, wo man sie kennt, und gerade weil man sie kennt, niemand glauben wird (auch vAN DER P AARDT 1 996, 68 fasst den Satz ironisch aut)o aut: Zur Verbindung zweier Fragen durch aut statt et siehe oben Sat. 1 3,3 auto quis habebit dicentibus fidem: scil. nobis. mihi plane placet: plane in bekräftigendem Sinn (siehe oben Sat. 1 2,5 plane is ipse erat), zusätzlich unterstrichen durch die Alliteration. Wiederaufnahme aus Sat. 1 3,4 sed plane iure civili dimicandum : Sowohl Enkolp als auch Asky lt bestärken ihren jeweiligen Vorschlag mit plane. quamvis nostrum sit, quod agnoscimus: Den besten Sinn ergeben die Teil sätze, wenn man sie gedanklich umdreht und quod agnoscimus als Relativsatz zu placet emere zieht (und nicht von quamvis nostrum sit abhängig macht). Die umständliche Ausdrucksweise kann man allenfalls der emotionalen Ver-
1 90
Kap. 1 4
fassung Askylts zuschreiben, dem die Aussichtslosigkeit, einen Erfolg auf juristischem Weg zu bewirken, aufs Gemüt schlägt: Wie könnten sie den Nachweis der Eigentütnerschaft (agnitio) erbringen, ohne die aurei, die nicht entdeckt werden dürfen, als Beweis ins Feld zu fiihren'? Zu umständlich ist SIIACKLETON BAILEYS ( 1 987, 458) Vorschlag, quod agnoscimus zu streichen und in quamvis nostra sit abzuändern. Die letzte Verwendung der beiden möglichen Bezugswörter für nostra (tuniea und prae da) liegt zu weit zurück (Sat. 1 3,3 bzw. 1 3,4). parvo aere recuperare: reeuperare ist kein Verb des Kaufens im strengen Sinn, wird hier aber analog dazu mit einem AbI. pretii verbunden. in ambiguam Iitem descendere: deseendere "sich einlassen" (OLD s.v. des eendo 4), vgl. ähnliche Ausdrücke wie in eausam deseendere (Liv. 36,7,6 si semel in eausam deseenderit, Cic. A tt. 8, 1 ,3 in eam eausam deseendo) oder in litem deduci (Quint. decl. 338, 1 0 eum vero hoc ipsum dedueatur in litem). § 14,2 Zur Verspassage, die bei MÜLLER an dieser Stelle steht, siehe oben zu Beginn des Kapitels (Sat. 1 4, 1 ). § 14,3 sed praeter unum dipondium [sicei] tlupinosque, quibust destina veramus mercari, nibil ad manum erat: Aber außer einem Zwei groschen
stück tund Bohnen, mit denent wir handeln (eig. kaufen) wollten, hatten wir nichts zur Hand. Der originale und einhellig überlieferte Wortlaut der Stelle scheint unheil bar verderbt und nicht plausibel wiederherstellbar: sed praeter unum dipondi um sieel lupinosque, quibus destinaveramus mereari, nihil ad manum erat. Inhaltliche Ungereimtheiten, nämlich das absolute mereari und die lupini (we
der mit einer Münze von niedrigem Wert noch mit Bohnen lässt sich Handel treiben), haben MÜLLER zu einem Korrekturversuch veranlasst, der allerdings nicht restlos befriedigt: sed praeter unum dipondium [sieel}, lupi nos[que quibus} destinaveramus mereari, nihil ad manum erat (,,Aber außer einem Zweigroschenstück, mit dem wir Bohnen kaufen wollten, hatten wir nichts zur Hand"). Von einem (im Kontext der Handlung überdies wenig be deutsamen) Bohnenkauf ist weder zuvor noch später im Text die Rede. Des halb und da wir es in der Originalfassung, bis auf das zu streichende sieel, mit einem grammatisch korrekten Satz zu tun haben, der von allen Codices einhel lig so überliefert wird, ist dieser der Vorrang zu geben. Die oben angedeuteten inhaltlichen Unstimmigkeiten erforden jedoch das Setzen von Cruees. Grammatisch nicht korrekt ist die Hintereinanderstellung von dipondium und sieel. Belässt man beide Substantive im Text, steht das indeklinable sieel ohne N umeral da. M.E. ist ziemlich klar sieel die Glosse. Der Dupondius ist die übliche Währung in den Sat. , während der sieel im Römischen Reich unüb lich war. Der Vorschlag, dipondium als Glosse aufzufassen (D ANlE L 1 988,
Kap. 1 4
191
349; ALEsslO 1 960/ 1 , 326f. ; SCIIMELING 1 992, 5 3 3 ; GIARDINA 1 997-2000; WALSlI 1 60 Anm 1 4), wäre insofern plausibel, als der wenig gebräuchliche, fremde sieel einer Erklärung durchaus bedurft haben konnte. Doch ist sehr unwahrscheinlich, dass Petron sieel verwendet hat. Da das Wort in späterer .
(christlicher) Zeit gebräuchlicher war, ist es gut möglich, dass ein späterer Abschreiber es als Glosse in den Text eingefügt hat (so auch
MÜLLER; GASE LEE in ROSE 1 944, 77; BROZEK 1 965, 429; NISBET 1 962, 228; DtAZ Y DtAZ) . Lit. zur Stelle : v . a. DANIEL 1 988; SCIIMELING 1 992; COCCIA 1 973, 1 1 9 Anm 472; ARAGOSTI Anm 30; McMAlION 1 997, 78-80. Zum Geld bei Petron M ORENO 1 964, bes. 63; DuNCAN-JONES 1 982, bes. 238-48; BODEL 2003 . .
.
dipondium: Ein di-/dupundius/-um ist eine Münze im Wert von zwei As (TLL 5 . 1 .2285.65tT.). In den Sat. wird das Wort bzw. der Wortstamm an vier weite ren Stellen gebraucht, dreimal von Hermeros (Sal. 58,4 matrem meam dupun dii non facio; 58,5 dominus dupunduarius; 58, 1 4 nemo dupondii evadit), ein mal von Trimalchio (74, 1 5 ego, homo dipundiarius); dabei steht die Münze immer sinnbildlich
für
einen niedrigen Wert. Hier verweist der Dupondius
nicht nur allgemein auf die Mittellosigkeit der Protagonisten, sondern ist als materieller Gegenstand in die Handlung einbezogen.
sitel:
Der
sieei,
auch
.veee/, siclus
(griech. aiyÄ.o�, -ov, ai1CÄ.o�,
-OV,
"Se
keVShekeVSchekel"), bezeichnet eine altorientalischelhebräische Gewichts einheit und ist als Münznorm Name von Ge nach Zeit und Region) unter schiedlichen Silbermünzen (siehe
REGLING, RE
FORCELLINI
s.v.
siclu.v;
DNP s.V.
Siglos;
s . V . l:iyÄ.o�). Deshalb kann in der griechischen und lateinischen
Wiedergabe der Schekel ein
4-, 2- oder
I -Drachmenstück sein.
Die Münze ist als Zahlungsmittel weder
im
Römischen Reich noch in der
lateinischen Literatur gängig und tritt erst bei christlichen Autoren auf (Hiero nymus, Eucherius, Isodor, Vulgata, siehe zu den Stellen D ANIEL Der biblische Terminus muss
für
1 988, 348).
einen mittelalterlichen Mönch oder Kleriker
j edoch vertrauter als der Dupondius gewesen sein. Dies spricht sehr
dafür,
sieel als Glosse zu begreifen. (Auch als Glosse fassen sieel auf: MÜLLER; GA SELEE in ROSE 1 944, 77, der die Glosse auf einen ,,' ingenious Hebraist'" zu rückführt; BROZEK 1 965, 429, nach dem sie - ziemlich unwahrscheinlich - als Ansammlung von Abkürzungen für den Dupondius SUHL [TLL 7.2.2285.5 8tT.] entstanden ist, die ein magister zwischen die Zeilen geschrie ben hat). Allerdings ist nicht ganz auszuschließen, dass die Münze auf dem römi schen Markt im Umlauf war und als Zahlungsmittel akzeptiert wurde: "The Roman monetary system also showed itself capable in practice of absorbing extraneous coins and treating them as those coins of the system they most resembled" ( CRAWFORD
1 970, 46).
Dies gilt umso mehr
für die urbs Graeea
1 92
Kap. 1 4
als Schauplatz des Geschehens, bei der e s sich mit einiger Wahrscheinlichkeit um die Hafenstadt Puteoli handelt, damals Drehscheibe für den Handel mit dem Orient (siehe Einl. 3). In Kampanien gab es seit alters her Juden; aus Puteoli ist eine Gemeinde schon aus vorchristlicher Zeit überliefert, siehe So LIN 1 983, 6 1 2 und 732; PETERSMANN 1 995, 544. Dennoch lässt die Unbe kanntheit des sieel stark bezweifeln, dass Petron den Ausdruck hier benutzte, einfach so und ohne Notwendigkeit. Solche rohen Sernitismen finden sich bei Petron nicht außerhalb der Cena (zu den semitischen Elementen bei Petron, v.a. in der Cena, siehe die umstrittene Auflistung bei HADAS 1 929; dagegen PEPE 1 957; BAUER 1 983). Die meisten Emendationsvorschläge zu sieel setzen weitere Texteingriffe voraus: cieer (f', BÜCIIELER 1 ..t; ; inspiriert durch Sat. 66,4 cieer et lupinum); seilieet (TuRNEßus bei BURMAN 70; DIAZ Y DIAZ App.); siser (PurEANUS bei BURMAN 70: Pflanze); sicilicum (Scaliger, ohne unum vorweg: 1 /48 As); siee lion (in fomm als Variante: wohl sieelieon, sikelisches Kraut); sieeram (P EL LEGRINd 1 89 und ders. I 232: berauschendes Getränk). lupinos: Ob hier echte Bohnen als Geldersatz gemeint sind oder das Wort im übertragenen Sinne für (sehr wenig) Geld steht, ist umstritten. Von echten Bohnen geht allen voran DANIEL 1 988 aus und sieht in den Bohnen, einer Idee von ERIIARD bei BURMAN 7 1 folgend, Spiel- oder Theatergeld. Bohnen wur den im Altertum bei Brettspielen anstelle von Münzen als Spielsteine, aber auch als Geldersatz im Spiel und auf der Bühne eingesetzt (TLL 7.2. 1 850. 7 1 -3 "pro nummis ludentium sunt ut"): Plaut. Poen. 597-9 aurum est profeeto hie, speetatores, eomieum: I maeerato hoc pingues fiunt aura in barbaria boves; I verum ad hane rem agundam Philippum est: ita nos adsimulabimus; Aul. 8 1 82 1 non quod pueri clamitant I in faba se repperisse (8 1 8f. ; dazu A LL EN 1 959 und COMFORT 1 963); Hof. epist. 1 ,7,22 vir bonus et sapiens dignis ait esse paratus, I nee tarnen ignorat, quid distent aera lupinis; CIL 1 3, 1 00 1 7,38 biJ musarum leges nodent, lupinos deeem dabunt, siehe DANIE L 1 988; P ANAYO TAKIS 1 995, 26 mit Anm . 23. Daran knüpft S CIIMELING 1 992, 534 an, der
vennutet, Enkolp habe seine Börse in betrügerischer Absicht mit Theatergeld gefüllt, könne den geplanten Trick jedoch nicht anwenden, weil es ihm an echten Münzen mangle, um die Bohnen zu bedecken. Auch J ENSSON 2004, 9 Anm 22 mutmaßt, die Bohnen seien als Zahlungsmittel vorgesehen gewesen ("But apart from one sekel worth two pennies and lupine seeds we intended to use as money, we had nothing at hand"). Nicht auszuschließen ist, dass lupini hier in einem allgemeineren Sinne etwas nahezu Wertloses bezeichnen: "sunt exempla rerum minimi pretii" (TLL 7.2. 1 850.68ff. und OTTO s.v. lupinus; auch heute noch z.B. im Eng!. "it's not worth the hill of beans"). Vg!. Juv. 1 4, 1 53 tunicam mihi malo lupini. So wäre es denkbar, dass lupini, wie DANIEL 1 988, 348 Anm 4, vennutet, eine um.
.
Kap. 1 4
1 93
gangssprachliche Bezeichnung für Kleingeld war, die jedoch schriftlich nicht belegt, ähnlich den Philippi bei Plautus, v.a. Poen. (z. B. 4 1 5) und Baeeh. (z.B. 230) .
MÜLLERS Emendation erklärt die Bohnen zum Kaufobjekt. lupina/lupini ("Wolfsbohnen") waren ein nahrhaftes, preiswertes Lebensmittel v.a. für Men schen aus ärmeren Schichten (TLL 7.2. 1 850.29ff. ; vgl. Mart. 5 ,78,2 1 et fer vens cieer et tepens lupinu.� als dürftige Mahlzeit), was MÜLLERS Textemenda tion entgegenkommt. Für drei As konnte man in Pompeji ein modius (6,503 kg) Lupinen erstehen (vgl. ETrENNES [ 1 99 1 , 2 1 5-8] Liste von Bedarfsartikeln in Pompeji; DIEIIL 1 9 1 0, 25 Anm . 406 �T\M.l1dCllV 1l0(5l0V) a ' äO"(O"�) 1', vgl. CIL 4,3423 Felicio lupinarius, 3483 Felicio lupinipolus) oder drei ge kochte Portionen (Mart. 1 , 1 03, 1 0 a.�se cieer tepidum con.�tat, 1 ,4 1 ,5f. quod otiosae / vendit qui madidum cieer eoronae, billige Speisen, v.a. Kichererbsen, wurden auf der Straße gekocht und verkauft; Sen. epist. 56,2; so MORENO 1 964, 63). Die Erwähnung eines geplanten (und offensichtlich nie stattfinden den) Bohnenkaufs wäre hier jedoch inhaltlich völlig unmotiviert. Mit dem Gewinn aus dem Verkauf des Mantels hätte der Einkauf außerdem problemlos bezahlt werden können. Es wäre also gar nicht nötig gewesen, extra Geld dafür einzustecken. mereari: mereari steht zumeist mit Objekt für ,,kaufen" (was für MÜLLERS Emendation spricht). Nach der Überlieferung erscheint das Verb aber ohne Objekt in der seltenen und für die Stelle unpassenden Bedeutung von ,,han deln, Handel treiben" (TLL 8.80 1 . 1 ff. , vgl. Plaut. Mere. 83 dieo esse iturum me mereatum; Sa11. Jug. 47, 1 ubi et ineolere et mereari eonsueverant), denn mit einem Zwei-As-Stück (und Bohnen) lässt sich kein Handel treiben. Ü bersetzungen wie ,,(Iupine seeds) we intended to use as money" (JENS SON 2004, 9 Anm . 22) würden zwar inhaltlich passen und sogar die Überliefe rung halten, sind aber vom lateinischen Wortlaut zu weit entfernt. ad manum erat: esse mit präpositionaler Wendung ist umgangssprachlich, vgl. Cic. A tt. 6,3 , 1 res enim est in manibus; HOFMANN 1 67 § 1 53 . Die Junktur ad manum esse findet sich nachklassisch häufig, z.B. Liv. 3,23,3 nihil praeter arma et quod eoeti ad manum fuit cibi fen-e militi lieuit; TLL 8.362.63ff. § 14,4 itaque ne interim praeda diseederet, vel minoris paUium addieere plaeuit et pretium maioris eompendii leviorem faeere iacturam: Deshalb
beschlossen wir, damit die Beute in der Zwischenzeit nicht abhanden komme, den Mantel sogar zu einem niedrigeren Preis loszuschlagen und den geringeren Verlust für den größeren Gewinn in Kauf zu nehmen. ln dieser Fonn ist der Satz nur in tm überliefert, während in den Codices itaque hinter diseederet steht: . . . nihil ad manum erat. ne . . . diseederet. itaque vel minori.� pallium . .. (,,nichts zur H and, [das wir hätten einsetzen können],
damit uns die Beute in der Zwischenzeit nicht abhanden komme. Deshalb
Kap. 1 4
1 94
beschlossen wir sogar . . . "). Die Umstellung macht die Gedankenfolge stringen ter. Ändert man lediglich die Zeichensetzung der codices-Überlieferung (ad manum erat. ne . . . discederet. itaque . . .), kommt itaque an einem unüblichen Ort zu stehen, vgl. normalerweise Sat. 94, 1 itaque ne putes . . . ; 1 1 7,5 itaque ut duraret . . . ; 1 3 1 , 1 0 itaque ut me vidit . . . praeda: Siehe oben Sat. 1 3 ,4 praedam. vel minoris pallium addicere placuit: minori.� ist als Gen. pretii bei Verben des Kaufens unauffallig. STRELITZ 1 879, 629 stößt sich daran, dass das vom
Komparativ suggerierte vorherige Aushandeln eines Preises zwischen Enkolp und Askylt sowie die Ablehnung dieses Preises durch den Bauern fehle. Doch es geht hier lediglich um die Bereitschaft der Protagonisten, den Mantel zu einem niedrigeren als dem (unter anderen Umständen) höchstmöglichen Preis oder unter seinem Wert zu verkaufen. Als Vergleichsgröße für den Komparativ dient der Marktwert des Mantels. addicere gehört zur kommerziellen Sprache, im Sinn von vendere, TLL 1 . 576.39ff. (mit Preisangabe): wie z.B. Suet. Jul. 50,3 amplissima praedia . . . minimo addixit; Sen. contr. 1 ,6,6 a n .�atis magno s e possit addicere; Mart. 1 0,3 1 , 1 addixti servum nummis here mille ducentis. et pretium maioris compendii leviorem facere iacturam: Wörtl. "den gerin geren Verlust zum Preis des größeren Gewinns machen", dem Sinn nach: "für
einen größeren Gewinn den Preis eines kleinen Verlustes zahlen"; kommt im Deutschen dem Ausdruck "etw. für etw. in Kauf nehmen, sich etw. etw. kosten lassen" nahe. Obige Textfassung ist aus Emendationen von BOClIELER2-6 entstanden, während in L ut . . . faceret überliefert ist. Der korrigierten Version ist der Vor zug zu geben, da alle Versuche, den Satz mit ut oder eum (JACOßS) einzulei ten, in die Aporie führen: pretium als Subjekt müsste dann ,,Lohn, Belohnung" bedeuten (wie z. B. Liv. 32,4,6 quod haud .vatis dignum tanti laboris perieuli que pretium erat; Ov. Pont. 2,4, 1 6 hoc pretium curae dulce recenti.� erat), da ein (Kauf-)Preis (hier: das Minusgeschäft beim Mantelverkaut) naturgemäß keinen Verlust (hier: den entgangenen Profit wettmachen) verringern kann . Das aber führt zu einem Zirkelschluss ("damit die Belohnung in Form eines höheren Gewinns den Verlust leichter mache"), weil dann der Verlust (der einzig für den höheren Gewinn in Kauf genommen wurde) dazu dienen würde, den Verlust zu kompensieren. leviorem iacturam: Gemeint ist der finanzielle "Verlust" bzw. entgan gene Profit durch den unvorteilhaften Verkauf des Mantels. Zum Hyperbaton vgl. u.a. Sat. 2 1 ,3 religio.vissimi.� iuravit verbis; eine Auflistung weiterer Stei len bietet FEIX 1 934, 1 7f. 42-9. •.•
§ 14,5 cum primum ergo explicuimus mercem, mulier aperto capite (quae cum rustico steteratJ inspectis diligentius signis iniecit utramque laciniae
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195
manum magnaque vociferatione latrones tenere clamavit: Sobald wir also die Ware ausgelegt hatten, schlug die Frau [die beim Bauern stand] ihr Kopf tuch zurück, untersuchte genauer die Kennzeichen, packte mit beiden Händen den Zipfel und schrie mit lauter Stimme, dass sie die Diebe habe. cum primum ergo expUcuimus mercem: Wiederholung der Szene in Sat. 1 2,2: Dort sind die Protagonisten jedoch noch vorsichtig (in quodam angulo) und breiten die Ware noch nicht offen aus (laciniam extrem am concutere) . Zu explicare im engeren Sinn bei Kleidungsstücken und Textilien (z.B. vestem, velum, TLL 5.2. 1 724.78ff.), vgl. Prud. perist. 1 0,84 1 (seil. mater) explicabat pallium; Cic. de orat. 1 , 1 6 1 non explicata veste neque proposito argento. aperto capire: Die Lesart aperto capite von L ist gegenüber operto capite zu
halten. Letztere ist eine Emendation von WOUWEREN, die in zahlreichen mo demen Editionen übernommen wurde (von MÜLLER jedoch nicht mehr). Sie will den AbI. abs. aperto capite in einen AbI. qual. operto capite abändern, um so die Stellung des folgenden Relativsatzes quae cum rustico steterat plausib ler zu machen. Inhaltlich ergibt aperto fUr die Szene mehr Sinn (so auch VAN DER PAARDT 1 996, 66; DELZ 1 970, 32f. ; PARDINl 1 996, 1 89f.). Es impliziert, dass die mulier ihre Kopfbedeckung, die sie auf der Straße trägt (wie das bei römi schen Frauen üblich war, Val. Max. 6,3 , 1 0; Tac. anno 1 3,45 ; Tert. de pallio 4,9), entfernt: Sie will den Mantel aus nächster Nähe und ganz genau sehen (vielleicht weil sie ihn als ihren eigenen erkennt). operto capite wäre an dieser Stelle eine überflüssige Bemerkung, da die mulier bereits in Saf. 1 2,3 einge führt wurde. Iquae cum rustico steterat] : Dieser Relativsatz ist, wie andere seiner Art (Sat. 1 6,3 [illa scilicet quae paulo ante cum rustico steterat); 25,2 [ea ipsa quae primum cum Quartilla in ce/lam venerat nostram} u.a.), schon oft als Interpo lation verdächtigt worden (COURTNEY 200 1 , 66 Anm . 20; PARDINl 1 996, 1 90 Anm . 36; DELZ 1 970, 32f.; MÜLLER) - gerade im Zusammenhang mit Saf. 1 6,3 , siehe Ess. 1 2- 1 5, 2. Inhaltlich wäre er gerechtfertigt, weil die mulier vorher nur die Begleiterin war und ihr erster Auftritt in Saf. 1 2,3 schon weit zurückliegt (so auch GIAR DINA 1 986-7, 390). Stilistisch gesehen ist er jedoch ungünstig platziert, da auf
einen AbI. abs. nicht noch ein attributiver Relativsatz folgen kann, der von mulier abhängig ist (DELZ 1 970, 32f.). Dass bei einer Streichung die zwei AbI. abs. direkt aufeinanderstoßen, ist bei Petron, der eine Vorliebe fiir Häufungen von Partizipialkonstruktionen hat, nicht ungewöhnlich, vgl. z.B. Sat. 1 8,4 hilarior . . . facta mulier basiavit me spissius ef ex lacrimis in risum mofa des cendentes ab aure capillos meos lenta manu duxit; FEix 1 934, 63-7.
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Das Plusquamperfekt steterat ließe sich zwar an dieser Stelle als Ableitung von dem präsentischen Perfekt stetit (durch mechanische Übernahme aus dem Griechischen eiO""tf\1CE1, HSz 3 1 8 § 1 78 als "sie hatte sich hingestellt" "sie stand") erklären. Unter Beriicksichtigung von Sat. 1 6,3 aber, wo die Vorzeitig keit notwendig ist, lässt es eher auf einen Interpolator schließen: "Sinnvoll war steterat im Zusatz in 1 6,3, den also der Bearbeiter sekundär auch an der frühe ren Stelle einfügte oder an den Rand schrieb, um ja keinen Zweifel über die Identität der Personen aufkommen zu lassen" (DELZ 1 970, 33). Inspectis diIigentius slgnis: Die Frau verhält sich wie der Bauer in Sat. 1 2,3 diligentius considerare pallium coepit und Askylt in 1 2,6 diligentius temptavit. signa steht allgemein für Zeichen bzw. Merkmale, an denen man ein Objekt, eine Person o. Ä . wiedererkennt (CIAFFI 1 955, 30 spricht von "certi segni parti colari"). Vgl. z.B. Cic. Flacc. 36 signum publicum inspe:xit; 37 neque enim testis ipse signo inspecto falsum nos proferre duit; Plaut. Amph. 144f. meo patri . . . aureus / sub petaso: id signum Amphitruoni non erit. So deuten die .�igna auf die Wiedererkennung des Mantels durch die Frau voraus. Anders versteht PELLEGRIN02 190 die signa hier als ,,zierwerk, Stickerei", vgl. Lucr. 5 , 1 428 purpurea [seil veste] atque auro signisque ingentibus apta; Verg. Aen. 1 ,648 pallam .�ignis auroque rigentem. iniecit manum: ,,Hand anlegen, mit der Hand ergreifen", um eine Person bzw. einen Gegenstand festzuhalten, vgl. z.B. Sat. 8,4 iam iIIe mihi iniecerat manum; 1 1 5,5 inicio ego phrenetico manum; Catull. 3 5,9f. manusque collo / ambas iniciens roget morari; TLL 7. 1 . 1 6 1 3 .67ff. Das reflexartige Zupacken der mulier entspringt dem natürlichen Impuls, etwas Wiedergefundenes, das einem selbst gehört und das man zurückhaben will, an sich zu reißen. Zugleich evoziert der Ausdruck das j uristische Prozedere einer manu.� iniectio (so auch ARAaoSTI Anm. 3 1 und 1 979, 1 09 Anm . 24; DEBRAY 1 9 1 9, 66; PATIMO 200 1 , 1 86; dagegen GREWE 1 993, 42 Anm . 25). Sie ist eine archa ische Form, den Schuldner haftbar zu machen, und bestand darin , dass der Gläubiger an seinen Schuldner Hand anlegte, ihn vor den Prätor führte und dort sein Handaniegen unter Berufung auf seine Forderung begründete (HEU MANN-SECKEL s.v. l a; KASER I 1 52f. §40; TLL 7. 1 . 1 6 1 7.3 1 ff.). Im Kontext ist der Ausdruck reine Spielerei, da man eine mamL� iniectio mit einem Mantel nicht vornehmen kann. Gegen eine explizit juristische Auslegung spricht auch die Tatsache, dass Petron an den anderen Stellen den Ausdruck manlL� inicere ohne juristischen Nebensinn benutzt. magna vociferatione clamavit: Verstärkter (fast pleonastischer) Ausdruck: vociferatio ("Iautes Rufen, Schreien") ist hier eine gesteigerte Form des übli cheren magna voce. Vgl. z.B. Colum. 7, 1 2, 1 nam quis hominum c1arilL� aut tanta vociferatione bestiam vel forem praedicat. quam iste latratu? Ulp. dig. =
=
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•••
47, 1 0, 1 5, 1 2 cum vociferatione dictum est.
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latrones tenere damavit: Die Frau liegt mit ihrem Ausspruch richtig: Enkolp und Askylt haben den Mantel gestohlen (Sat. 1 2, 1 raptum latrocinio pallium),
siehe Ess. 1 2- 1 5 , 1 . Der Ausdruck ist als elliptischer Acl (scil. se; E RNOUT: ,)e tiens mes vo leurs"; DELZ 1 970, 32 Anm 4; PETERSMANN 4 1 ) und in einem erweiterten Sinn zu verstehen: "dass sie die Diebe erwischt/gefunden habe", da die Frau mit ihren Händen den Mantel und nicht die Diebe hält. Die indirekte Rede passt zum folgenden proc/amare no.ytra e.y.ye spolia, einem der vielen Paralle lismen in dieser Szene (siehe unten Sat. 1 4,6). Keine überzeugenden Parallelen finden sich hingegen für einen gräzisierenden (in der römischen Volkssprache nicht unüblichen) imperativischen Infinitiv (SClIWYZER-DEBRUNNER 380-3; HSz 366f. §200). Es ist nicht nötig, den Text von L zu korrigieren (siehe COCCIA 1 973, 28f.) und tenere zu streichen (OUDENDORP ; MüLLER 1 ; BOCIIELER2-6 ; nach Sat. 40, 1 'sophos ' universi c/amamu.y; Sat. 67, 1 3 'au au ' illa proc/amavit; vgl. Apul. met. 3,27 rumore vicin< i> ae conc/ama[njtis latronibu.y; siehe FEIX 1 934, 72) oder in tenete abzuändern (BOCIIELER \ SClIÖNBERGER 1 935, 1 244; nach Sat. 1 3 8,3 secutae fugientem 'prende furem ' c/amant) oder temere (PELLEGRIN0 1 232f.). Letzteres würde witzigerweise temere aus Sat. 1 2,6 wieder aufhehmen, wo Askylt den Mantel näher betrachtet, um eben nicht unüberlegt zu handeln (ne quid temere faceret). Doch stünde das Adverb ungünstig nahe bei magna .
vociferatione.
§ 14,6 contra nos perturbati, ne videremur nihil agere, et ipsi scissam et sordidam tenere coepimus tunicam atque eadem invidia prodamare nostra esse spolia quae iIli possiderent: Wir dagegen waren verwirrt und
begannen, um nicht den Anschein zu erwecken, als würden wir nichts tun, auch selbst die zerrissene und schmutzige Tunika zu halten und mit derselben Empörung auszurufen, uns gehöre die Beute, die jene besäßen. Die Reaktion der Protagonisten, d.h. der Gegenangriff zur Verteidigung, spiegelt die Aktion der mulier in Sat. 1 4,5. Die Symmetrie, die sich auch for mal durch direkte sprachliche Bezüge ausprägt (tenere . . . tunicam - latrones tenere; proc/amare - c/amavit; indirekte Rede im Acl - evtI. indirekte Rede im AcI), hat den Charakter einer Karikatur. Der Handlungsablauf entspricht zudem einer rei vindicatio (siehe dazu oben Sat. 1 3 ,3 vindicamus sowie ARAGOSTI 1 979, 1 07 Anm 1 6; FOCARDI 1 986, 59 Anm . 9; DEBRAY 1 9 1 9, 66): Die mulier ergreift den Mantel und schreit. Die vermeintlichen Diebe tun dasselbe und eröffnen damit das Proze dere der rei vindicatio. Diese wird hier jedoch insofern karikiert, als die Betei ligten nicht um eines, sondern um zwei Objekte streiten, wobei jeweils die eine Partei das im Besitz der anderen Partei befindliche Objekt für sich reklamiert (so auch FOCARDI 1 986, 58). Eine solche doppelte vindicatio ist j uristisch gar .
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nicht denkbar - in diesem Fall müssten zwei aufeinanderfolgende separate vindicationes stattfinden (dagegen PATIMO 200 1 , 1 84, die darin keinen j uristi schen Sonderfall sieht). Die Handlung steigert sich ins Komödienhafte und setzt die Vision des Pa rasiten Saturio in Plaut. Pers. 70--2 in die Tat um: uhi quadrupu/ator quempiam iniexit man um, / tantidem ille il/i rusus iniciat man um, / ut aequa parti pro deant ad trisviros. Eine zusätzliche komische Note liegt in der paradoxen Dis krepanz zwischen dem Wert der beiden res: eines wertvollen Mantels auf der
einen Seite, einer schäbigen Tunika auf der anderen (so auch PATIMO 200 1 , 1 84). ne videremus nihil agere: Die des Diebstahls Beschuldigten fühlen sich unter
Druck zu reagieren. Enkolp neigt als Erzähler zur Selbstironie. scissam et sordidam ... tunicam: Der armselige Anblick der zerrissenen und schmutzigen Tunika bildet einen ironischen Kontrast zur Bezeichnung spolia (siehe dazu unten). Das Verb scindere wird auch sonst häufig im Zusammenhang mit Klei dungsstücken verwendet, v.a. in der Wendung scissa veste (z.B. Liv. 3,58, scissa veste, tergum laceratum virgis ostendit; Prop. 2, 1 5, 1 8 scissa veste meas experiere manus; Ps. Quint. decl. 7,7 scissa lacerataque veste). scissa tunica in Priap. 1 2, 1 1 . Vgl. zudem Juv. 3 , 1 48 sifoeda et scissa lacerna, / si toga sordi dula est; Mart. 1 , 1 03 ,5 sordidior multo . . . toga. eadem invidia proclamare: invidia steht hier (ebenso wie in Sat. 14,7 nostram . . . ridehant invidiam) für ,,Empörung", wie WISTRAND 1 946, v.a. 363; OOELSTIERNA 1 949, 26 Anm . 3 (mit Parallelen); SuLLNAN 1 979, 4--6 heraus stellen. Dabei schwingt sicher auch die Bedeutung von "Anschuldigung, Vor wurf' (TLL 7.2.202.47ff.) mit, was vor allem durch die rhetorische und de klamatorische Literatur belegt ist, vgl. u.a. eic. div. in Caec. 46 poterisne eius orationis suhire invidiam ?; Tac. anno 1 1 ,34,3 multa cum invidia jlagitaret; Ps. Quint. decl. 5 , 1 1 alia ... invidia. spolia: spolia als Bezeichnung für die wertlos scheinende Tunika passt zur parodistischen Situation (so auch FOCARDI 1 986, 60 Anm . 1 1 ). Nur aus der Perspektive der Protagonisten handelt es sich um eine wertvolle Beute. Denn sie allein wissen von dem eingenähten Schatz. Und vielleicht ist der Schatz, und mit ihm die Tunika, ja auch im eigentlichen Wortsinn eine Beute, die einem Feind entrissen wurde. Zur wiederholten Bezeichnung der Tunika als Beute siehe oben Sat. 1 3 ,4 praedam und vgl. 1 3 , 1 mendici spolium. possiderent: Nimmt Bezug auf den Besitz (possessio), der bereits im Römi schen Recht vom Eigentum (proprietas) unterschieden wurde. § 14,7 sed nuHo genere par erat causa Inostral , et cociones, qui ad clamo rem confluxerant, nostram scillcet de more ridebant invidiam, quod pro iUa parte vindicabant pretiosissimam vestem, pro hac pannuciam
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ne centonibus quidem bonis dignam: Doch war der Fall in keiner Weise ausgeglichen, und die Geschäftemacher, die auf das Geschrei herbeigeströmt waren, lachten natürlich auf ihre Art über unseren Vorwurf, weil sie sahen, dass auf jener Seite ein sehr kostbares Kleidungsstück beansprucht wurde, auf unserer Seite ein nicht einmal für gute Flicken brauchbarer Lumpen. nullo genere: Umgangssprachlich für nullo modo, vgl. z.B. Sen. epist. 30,4 nullo genere homines mollius moriuntur. Vgl. auch Sat. 26,8 quonam genere anstelle von quomodo; 1 09,2 alio genere anstelle von alio modo; siehe dazu PETERSMANN 228. 264; TLL 6.2. 1 905.57ff. par ... causa [nostral : "Der Fall (als Ganzes) war nicht ausgewogen." Der Satz ist stimmiger, wenn man das ohnehin nicht einhellig überlieferte nostra (dmrtp, 1 nam) streicht, das eine Echoschreibung des folgenden nostram sein
könnte, das sich lediglich auf Enkolp und Askylt bezieht (so auch MÜLLER; PELLEGRIN02 ; DtAZ Y DtAZ u.a.). Ansonsten muss der Satz elliptisch aufge fasst werden: "unser Fall (bezogen auf Enkolp und Askylt) war nicht der glei che (seil. wie der der Gegner )" (so BROZEK 1 966, 289). cociones: coc(t)io ist die seltene, vulgäre Variante für das klassische arillator ("Makler, Vermittler, Geschäftemacher"), so Gell. 1 6,7, 1 2 (zu LabeT. mim. 63 duas mores? herde hoc plus negoti est, inquit cocio; sex aediles viderat): 'cocionem ' pervulgate dicit, quem veteres 'arillatorem ' dixerunt; Fest. p. 19, I--4L arillator, qui etiam coccio appellatur, dictus videtur a voce Graeca, quae est alpe, id est tolle, quia sequitur merces, ex quihus quid cadens lucelli possit tollere. Der cocio ist bekannt für seine Gewinnsucht, wie auch aus Porph. Hor. sat. 2,3,25f. deutlich wird: Mercuriale[mJ quasi lucrosum, quia Cocio appellahatur. omnes enim cociones lucro student. Siehe zum Wort STE FENELLI 1 962, 1 9f.; HERAEUS 1 937, 56f. ; M ARßACII 1 93 1 , v.a. 1 8; PETERS MANN 25. cociones qui stammt von Salmasius. L hat die trivialisierende Verschrei bung conciones quae (wie auch in Sat. 1 5,4 concionihus und 1 5,8 concionum). Das n wurde von MARßACII 1 93 1 , 1 8 als vulgäre Färbung ("parasitisches n")
und typisches Zeichen der Dialekt- und Gaunersprache verteidigt. Theoretisch könnte concio als Nebenform zu contio, -onis f ("Versammlung") aufgefasst werden, doch hat der Plural in diesem Sinn (,,versammlung irgendwelcher Leute") keine Parallele (ARAGOSTI 1 979, 1 09 Arun. 25). qui ad c1amorem confluxerant: Vgl. eine ähnliche Szene in der apuleischen Geschichte über Diophanes und Cerdo (Apul. met. 2, 1 3f.), die sich ebenfalls auf einem Markt abspielt: 2, 1 3 cum jrequentis populi circulo; 2, 1 4 nos omnis circumsecus adstantes in darum cachinnum videret effusos. nostram ... ridebant invidiam : Die cociones lachen über die invidia (siehe oben Sat. 1 4,6 eadem invidia prodamare) von Enkolp und Askylt, dies aber klar vor dem Hintergrund der invidia bzw. Forderung der anderen. Die Wie-
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derholung von Sat. 1 4,6 ist nicht störend. Bedenkenswert ist allenfalls eine Änderung in inseitiam "Ungeschicklichkeit" (tm; GIARDINA 1 986--7, 390 Anm . 3 ; DIAZ Y DIAZ). Weniger überzeugend ist dagegen das von FRAENKEL vorge schlagene insaniam (MÜLLER I ). scillcet de more: scilieet affirmativ "freilich, natürlich". Es liegt klar auf der Hand, weshalb die cociones lachen: Die zwei Streitobjekte unterscheiden sich äußerlich frappant. de more (nach TLL 8. I 527.83ff. "ex consuetudine", "wie es Brauch ist", "wie gewöhnlich") ist von vielen Seiten verdächtigt worden. Belässt man es so im Text, muss man davon ausgehen, dass die eociones im Ruf stehen, immer auszulachen (so z.B. COCCIA 1 973, 29f., der meint, der Ausdruck charakteri siere hier die coeiones und leite die folgende karikierende Beschreibung eines ihrer Exponenten [Sat. 1 5 ,4] ein), was sich durch keine Parallelen belegen lässt. Alternativ kann man mit AMMANNATI 2006 de more von seilicet trennen und hinter qui ad clamorem setzen. de more ist dann allgemeiner zu verstehen und auf den verbreiteten Brauch zu beziehen, dass sich Leute versammeln, wo gestritten wird. Nicht durchzusetzen vermochten sich hingegen Änderungen von de more in seilieet uno ore deridebant (EI ILERS in App. MÜLLER2) oder pleno ore (GIARDINA 1 986--7 , 390f. und Anrn. 8) - wobei beide Fälle paläo graphisch erklärbar wären durch Kontraktion der aufeinanderfolgenden 0 (PLENO ORE; PLENORE; OE MORE) - oder gar die Tilgung von scilieet de more (FuCIJS 1 959, 60 und FRAENKEL in MÜLLER I ). pro iIIa parte pro hac: Die syntaktische Parallelkonstruktion hebt seman tisch den Wertunterschied der Gegenstände hervor. Bereits scilicet oben unter streicht die Diskrepanz. vindicabant: L überliefert vindieabant, was von BROZEK 1 966, 289; vAN DER P AARDT 1 996, 69 Anm . 22; ERNOUT u.a. verteidigt wird. Die Emen dation stammt von STRELITZ 1 879, 630, dem u.a. MÜLLER gefolgt ist, wegen des unlogischen Subjektswechsels von ridebant zu vindicabant. Sie ist nicht zwingend, führt aber zu einem besseren Lesefluss. Zur Bedeutung von vindi eare siehe oben Sat. 1 3,3 vindieamus. pretiosissimam vestem: Der Mantel erregt auf einem Markt mit nicht wert voller Ware (Sat. 1 2, 1 non quidem pretiosarum) Aufmerksamkeit. Der Elati v steht zur Hervorhebung des Gegensatzes zur Tunika (pannucia). pannuciam: Eine pannucia (seil. vestis) ist ein von Flicken übersätes Gewand: Isid. orig. 1 9,22,24 pannucia nunupata quod .vit diversi.v pannis obsita. Siehe zum Wort CAVALCA 200 1 , 1 2 1 f. ; STEFENELLI 1 962, 20f. ; KISSEL 1 990 ad 4,2 1 . centonibus: Ein cento ist ein aus allerhand Lappen bestehendes Stoff Flickwerk. Vgl. Apul. met. 1 ,6 sutili centu culo; 7,5; 7,9 u.a. •..
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§ 14,8 biDc Ascyltos tpenet risum discussit, qui sUentio racto iDquit: Da machte Askylt dem Gelächter tfastt ein Ende, indem er Ruhe gebot und sagte: •••
tpenet: Inhaltlich und an dieser Stelle schwer zu halten ist pa(e)ne ("fast" ) von Idmrtp " auch wenn die Ruhe bald darauf wieder gestört wird, wie BRoZEK 1 966, 289 zur Stützung von paene anführt. -6 bene von p2 (BOCI IE LER I , ERNOUT; S OVERINI 1 974-5, 227-9) wäre eine akzeptable Lösung: Bezogen auf den Verlauf der Handlung (CESARO TERZAGJß: "sedö allora con bel gabo le risate"; HESELTINE-WARMINGTON: "cleverly stopped their laughter" ) billigt der Erzähler mit bene Askylts ver nünftiges Argument, das dem Lachen der cociones ein Ende setzt. Der/Die Abschreiber scheinen aber mit dem Wort auch im Folgenden Mühe gehabt zu haben (Sat. 1 5,2 tiam penet). Von den zahlreichen Verbesserungsversuchen, die an dieser Stelle unternommen wurden, sind erwähnenswert: plane (DEU 1 962, 68 1 mit Angabe von Sat. 5 3 , 1 et plane interpellavit; GIARDINA-MELWNI); perlte (LEARY 200 1 a, 3 1 5 ; VANNIN1 2006, 272 Anm . I ); repente ( M ÜLLER \ GIARDINA 1 980-3, 243; WALsn). sUentio racto inquit: Ein üblicher Weg, sich Gehör zu verschaffen, vgl. Sat. 59,3 mox silentio facta 'scitis ' inquit 'quam fabu/am agant? . . . '; Liv. 6, 1 5,4 tum dictator silentio facta . . . inquit u.a. •••
202
Kapitel 1 5 Der Streitfall löst sich auf.
1 5,1 'videamus', inquit, 'suam cuique rem esse carissimam; reddant nobis tunicam nostram et pallium suum recipiant.' : "Sehen wir doch ein,
§
dass jedem seine Sache das Liebste ist: So sollen sie uns unsere Tunika zu rückgeben und daflir ihren Mantel wiederbekommen." Askylt unternimmt einen Versuch, den Streit beizulegen. Seine Ernsthaf tigkeit steht im Kontrast zum Lachen der Sätzen des Erzählers
(scilicet,
cociones
und den vorausgehenden
Herausstreichung des unterschiedlichen Wertes).
Dass Askylt persönlich sehr an diesem Stück hängt, ist die
flir
diesen Schlich
tungsversuch einzige glaubwürdige Erklärung. Gleichzeitig ist es aber ein implizites Schuldeingeständnis: Er gibt mit seinem Vorschlag indirekt zu, dass das pallium nicht ihnen gehört.
videamus:
Der einhellig überlieferte Konj unktiv
videamus kann als Hortativ lectio difficilior wird in videmu.v von JUNGERMANN
("Sehen wir doch ein, dass . . . " ) gehalten werden. Die anderen Editionen gerne durch die Emendation ersetzt.
suam cuique rem esse carissimam: Sprichwörtliche Redensart, vgl. Cic. Tusc. 5,63 in hoc enim genere . . . suum cuique pu/chrum est; Plin. nat. 1 4,7 1 quando suum cuique p/acet; Cic. Att. 1 4,20,3 ',vuam quoique .vposam, mihi meam; .vuum quoique amorem, mihi meum '; siehe OTTO S.V . .vUu.V. Askylt be ansprucht mit seiner Aussage jedoch weniger sprichwörtliche Allgemeingül tigkeit, als dass er sie auf den konkreten, vorliegenden Fall bezieht.
reddant ... recipiant: Der Satz ist klangvoll: reddant nobi.v tunicam nostram et pallium ,vuum recipiant und spiegelbildlich aufgebaut. § 1 5,2 etsi rustico mulierique placebat permutatio, advocati tamen tiam penet nocturni, qui volebant pallium lucri facere, ßagitabant uti apud se utraque deponerentur ac postero die iudeI quereUam inspiceret: Auch wenn der Tausch dem Bauern und der Frau gefiel, forderten die tschon fastt nächtlichen Advokaten, die aus dem Mantel Gewinn ziehen wollten, dass bei des bei ihnen hinterlegt würde und am nächsten Tag ein Richter den Streitfall untersuchte.
rustico mulierique:
mulier gegenüber dem Bauern nicht mehr Sat. 1 2,3 cum muliercula comite. advocati tamen tiam penet nocturni: Der Ausdruck ist Gegenstand fortwäh render Diskussionen. Erstens ist umstritten, was advocati nocturni (sei es mit oder ohne tiam penet) genau bedeutet, zweitens, ob es sich dabei um eine Beschreibung der cocione.v (FOCARDI 1 986, 63), einen Teil der cocione,v (PAHier wird die
heruntergestuft, vgl. dagegen
Kap. 1 5
203
TIMO 2002) oder eine neue Personengruppe (SCIlEIDWElLER 1 925, 200; vAN DER P AARDT 1 996, 69) handelt. Grammatisch kann advocati . . . nocturni folgendennaßen aufgefasst werden: I . Partizip + Sustantiv
2. Substantiv + Adjek tiv
3. Substantiv + {iam peneJ + Substantiv
,,herbeigerufene Streife" (evtl. tresviri eapitale.�)
,,nächtlich-obskure Advokaten"
"Advokaten, ja geradezu Dun kelmänner"
{iam peneJ reißt den Ausdruck auseinander,
{iam peneJ müsste gestrichen werden:
iam paene korrigiert den Aus druck advoeati. Möglich wäre
müsste aus dem Text gestrieben werden
Entweder sind sie ,,nächtlicb" oder nicht, vgl. engl. "Iadies of tbe night" für Prostituierte
auch, darin ein präzisierendes Adjektiv zu vermuten (rapace.� o. Ä .).
Der sich anschließende Relativsatz qui volebant pallium lueri facere steht im Gegensatz zum Aus druck.
Der sich anschließende Relativsatz qui volebant pallium tueri facere erklärt die dubiosen Gestalten passend.
Die noeturni bilden neben
Die advocati können mit den cociones eine Gruppe (oder
den cociones eine zweite Gruppe .
aber auch zwei Gruppen) bilden.
Keine der drei Varianten befriedigt ganz. M.E. ist Fall 1 am unwahrschein lichsten und Fall 2 am wahrscheinlichsten (siehe zur Argumentation im Ein zelnen unten): Die cociones (oder eine Untergruppe der cociones), die sich nach der Rede Askylts (Sal. 1 5 , 1 ) um ihren Gewinn geprellt sehen, spielen sich mit juristischen Argumentationen als ,,Advokaten" auf. Vom Erzähler werden sie als die entlarvt, die sie wirklich sind: Winkeladvokaten mit zweifelhafter, im Dunkeln liegender Legitimation. Was die Gruppenaufteilung betriffi, spricht, sofern kein Text ausgefallen ist, mehr für eine (wenn auch nicht homogene) Gruppe. Für zwei Gruppen kann lediglich ins Feld geführt werden, dass zwei Bezeichnungen gebraucht werden (cociones sind nicht gleich advocati . . . nocturnz). Für eine Gruppe hingegen sprechen zwei Punkte: 1 . Die cociones und advocati nocturni werden gegen Ende der Szene von Enkolp als eine Gruppe aufgefasst (Sal. 1 5 ,5 praedones; 1 5,8 acumen . . . coci onum). 2. Auch die cociones gehören zur juristischen Halbwelt, zumindest der ei ne: Sal. 1 5,4 so/ebat aliquando etiam causas agere. Doch muss einschränkend mitbedacht werden, dass sich eine Gruppe von Leuten ohne jede amtliche Legitimation, wie sie die cociones darstellen, mit
204
Kap. 1 S
ihrer Forderung ziemlich lächerlich machen würde. Andererseits ist e s so, dass sich einer der codones aufdrängt und den Vorschlag der advocati (teilweise) umsetzt, indem er sich (nur) des pallium bemächtigt (Sat. 1 5,4). Dies würden doch weder die offizielle Streife noch die advocati . . . nocturni zulassen, so fern der codo nicht einer aus ihren Reihen ist. advocati: In der Kaiserzeit sind advocati "Rechtsgelehrte" (KUBlTSCIIEK, RE s.v. advocatu.� 437; TLL 1 .89 1 .57ff. ; so auch bei Petron in Sat. 96,4 advo cationemque commendabam). Diese waren auf dem Forum schnell und leicht zugegen, wie man von der römischen Komödie weiß: z.B. Ter. Eun. 763f. tra.�CU"O ad forum. / volo ego ades.�e hic advocatos nobis in turba hac. Dort ist der advocatus ein gängiger Typus und sorgt eher für Verwirrung , als dass er hilft, vgl. z.B. Plaut. Poen. 5 1 5ff.; Ter. Phorm. 459 (siehe auch SClIMELING 1 992, 532; PATIMO 2002, 3 1 ). Auch andere Autoren geben Bericht über zwei deutige advocati: Sen. dial. 4,7,3 quanta turpiores advocatos habent.'; Gell. 2 , 1 2,6 advocatis malivolis aut avaris qui lites anima.�que eorum inflamment aut odii studio aut lucri. Die advocati lediglich als "herbeigerufen" aufzufassen (Fall I ; VON 4 DOMASZEWSKI, BÜCIIELER •6), scheint in diesem Zusammenhang (wer sollte
herbeigerufen haben? - siehe unten) und im Umfeld der zahlreichen juristi schen Termini zu schwach. Auch die Stellung von tamen hinter advocati spricht tendenziell dafür, dass advocati das wichtigste Wort des Satzes und deshalb substantivisch aufzufassen ist. tiam penet: [iam pene] MÜLLER, wobei MÜLLER ! fiam penet hat. Itp ! haben pene, was von p2 in paene abgeändert wurde. Bis jetzt wurde noch keine akzeptable Lösung gefunden. Oft werden die Wörter (evtl. als Doppelung nach tpenet risum discussit) aus dem Text gestrichen (FUCHS 1 959, 60; MÜLLER), verschoben (vor placebat VANNINI 2006, 272-6) oder (bisher ohne Erfolg) zu korrigieren versucht (siehe im Überblick VANNINI 2006, 272-6; D ELZ schlägt iam plena < nocte> vor; SULLIVAN 1 85 ergänzt zu iam paene < nox erat> und fasst es als Parenthese auf; NISBET 1 962, 230 [DfAZ Y DfAZ] ändert in impor tune, SAGE-GILLELAND in etiam poenae, MÜLLER ! in in rem praesentem, Ro SE 1 965, 223 in [iam] repente, GIARDINA-MELLONI im App. (dub.) in immo plane oder paene. BROZEK 1 965, 429 meint, das korrupte iam pene sei ein Schreibfehler von 111 VIRl). tiam penet nach BüClIELER4 •6 in iam poenae (evtl. Dat. fmalis, so Ro WELL 1 957, 225) umzuwandeln (HESELTINE-WARMINGTON: "but by this time some policemen had been called in to punish us"), ist aus mehreren Gründen unplausibel : Den advocati . . . nocturni steht keine exekutive Gewalt im Straf recht zu (SCl IEIDWEILER 1 925, 200 Anm. I ; dazu unten). Sie haben - das zeigt der Fortgang der Geschichte - kein Interesse zu strafen und sind lediglich auf eine Deponierung des Mantels aus. Zudem: Wer auf dem Markt (um diese
205
Kap. 1 5
Zeit, wo jeder selbst verdächtig ist) sollte Ordnungshüter herbeirufen, damit diese strafen? Auch syntaktisch-grammatik alisch ist ein Dat. finalis an dieser Stelle schwer vertretbar (A RAGOS TI 1 979, 1 1 0 Anm. 26;
COCCIA
1 973, 37f.
Anm. 1 1 0), zudem schließt der folgende Relativsatz zu unvermittelt an
(PATI MO 2002, 1 2). Docturni: Ein Blick auf die Übersetzungen zeigt, wie schwer man sich mit dem Begriff nocturnus tut: "certi avvocati, che entrano in azione, sul far della notte (ai limiti della legge), e infatti, stavo per dire ' faccendieri notturni'" (FOCARDI 1 986, 72 Anm. 57); "pur tuttavia dei testimoni con funzioni inter mediarie, ormai quasi sul far della notte (alla luce crepuscolare)" (PATIMO 2002 , 35); "avvocati - 0 piuttosto dei ladri, vista l'ora ed il luogo" (ARAGO STI); "advocates and yet little more than thieves" (JENSSON 2004, 224); "vo leurs de nuit" (ERNOUT). M.E. ist es am besten, den Begriff als Adjektiv (Fall 2 ) mit einer ethisch moralischen Bedeutung aufzufassen. Das Adjektiv findet sich oft in Verbin dung mit Verbrechem o.Ä., vgl. Sat. 9,9 nocturne percu.vsor; 82,2 nocturnu.v grassator; luv. 8, I 44f. quo, si nocturnu.v adulter / tempora Santonico vela.v adoperta cucullo?; Quint. inst. 5, 1 0,88 siforem nocturnum occidere licet, quid latronem ? Ulp. dig. 47, 1 7, I fores nocturni extra ordinem audiendi sunt; Calp. ecl. 3,73f. ut mala nocturni religavit hracchia Mopsi / Tityrus et forem medio suspendit ovili. Die negative Färbung des Adj ektivs, die auch der folgende Relativsatz (qui volehant pallium lucri facere) impliziert, rührt daher, dass die Nacht oft ,,Komplizin" von Dieben und Verbrechern ist (z. B . Ov. met. 1 3 , 1 5 quorum [scil. factorum] nox conscia sola est. Apul . met. 1 , 1 6 grahattulus als conscius et arhiter, quae nocte gesta sunt). Das Adj ektiv könnte in diesem Sinn auch substantivisch aufgefasst werden
(Fall 3 ) , was aber nicht sehr häufig belegt ist, vgl. evtl.
Sat. 57,3 larifoga nes cio qui.v, nocturnus, qui non valet lotium suum (sofern man nicht auf die Kommata verzichtet). Theoretisch nicht undenkbar (siehe zur Einschränkung oben) ist es, in den
advocati nocturni einen "herbeigerufenen Sicherheitsdienst" zu sehen (Fall I ), 46 wie dies VON DOMASZEWSKI; BÜClmLER • ; BROZEK 1 966, 288f. ; MERKEL BACII 1 963; ROSE 1 965, 222f. ; WALSH 1 60 Anm. 1 5 ; EULERS; DIAZ y DIAZ vertreten. Sie fassen nocturni als festen Begriff zur Bezeichnung eines nächtli chen Sicherheitsdienstes - einer Art Nachtpolizei - auf, indem sie darin die Abkürzung von
triumviri nocturni sehen und diese nach M OMMSEN U 594-7 tresviri capitale.v gleichstellen. Die entsprechenden Quellen zeigen, dass es sich bei den triumviri nocturni um eine Vorform der capitale.v handelt und sich ihre Funktion auf die Feuerwache beschränkte (so CASCIONE 1 999, v . a. 9f. 22-4. 78f. ; STRASBURGER, RE s.v. triumviri): z.B. Liv. 9,46,3 triumviratihu.vque, nocturno altero, altero coloniae (als umgangssprachliche Variante) mit den
206
Kap. 1 S
deducendae; Paul. dig. 1 , 1 5, I apud vetustiores incendii., arcendi., triumviri praeerant. qui ab eo quod excubia., agebant nocturni dicti .,unt. qui volebant pallium lucri facere: Der Relativsatz charakterisiert die advoca ti . . . nocturni genauer und findet eine Parallele in der ähnlichen Aussage En kolps in Sat. 1 5 ,5 ut semel deposita vestis inter praedones strangularetur. Zu den Personen beschreibenden Relativsätzen bei Petron, die oft als Interpolatio nen verdächtigt werden, siehe Vgl. auch unten
COCCIA 1 973, 3 8-43; SULLIVAN 1 976; Einl. 2. Sat. 1 5,4 qui solebat aliquando etiam causas agere.
lucri facere ist eine häufige Junktur v.a. in der Gerichtssprache (TLL 7.2. 1 724.32), aber auch z.B. bei Plaut. Most. 3 54 facere . . . lucri; Pers. 668 feci.,ti lucri; 7 1 3 fecisti lucri (weitere Stellen bei PATIMO 2002, 25). ßagitabant: jlagito als gesteigertes posco: mit Geschrei und Beharrlichkeit. Das Verb hat hier einen j uristischen Beiklang, wie z . B . auch bei Plaut. Men. 46 quia illum clamore vidi jlagitarier; Pseud. 556 clamore magno et multo jlagi tabere; 1 1 45 tu. bone vir. jlagitare saepe clamore inforo; Sat. 92,7 non minore clamoris indignatione Gitona jlagitabat. Siehe TLL 6. 1 .843 .23ff. ; PATIMO 200 1 , 1 87(; 2002, 27. uti: Auffallend ist die Form uti (hier einzig statt ut), die den "carattere solenne ed arcaico" unterstreicht (PATIMO 200 1 , 1 87 Anm . 57). apud se utraque deponerentur: Aufforderung zur Hinterlegung (depositum) , d.h. der unentgeltlichen Aufbewahrung einer beweglichen Sache. Hier geht es um die Sonderform der Sequestration, die Hinterlegung einer Sache durch mehrere Personen zum Zweck der SichersteIlung, etwa (wie hier)
flir die
Dau
er eines Prozesses, beim Sequester ("Vertrauenstnanll, Mittelsperson"), vgl.
Sat. 1 5,4 iam .,equestri placebant. Für diese Zeit wird der Sequester (im Unter schied zum Depositar) Besitzer der Sache. Die Herausgabe der Sache kann nur die siegreiche Partei nach dem Streitentscheid fordern, und zwar mit einer besonderen actio (depositi) sequestraria. Siehe IU.sER I 534--6 § 1 26; ZIM MERMANN 1 996, 205-20; Ulp. dig. 1 6,3,5, 1 ; Pomp. dig. 1 6,3, 1 2,2; Paul. dig. 1 6,3,6; Modestin. dig. 50, 1 6, 1 1 0. Vgl. in der Lit. z.B. Plaut. Rud. l O04f., wo Trachalion, um in Besitz eines Schatzes zu kommen, einen Sequester anstellen will : tu istunc hodie non feres. nisi da., .,equestrum aut arbitrum I quoiius haec res arbitratu fiat. Die advocati . . . nocturni fordern ihrerseits ein sequestrum, obwohl sie das juristisch gesehen gar nicht anordnen können: Die Streitenden können im Normalfall ein
.,equestrum aus freien Stücken wählen, wobei sich beide Partei
en einverstanden erklären müssen. "Also ist alles nur B luff", so SCHEIDWEfLER
1 925, 200, was ja auch Enkolp vermutet. postero die iudex quereUam inspiceret: Dass der Streitfall bereits am fol genden Tag verhandelt werden soll, ist für antike Verhältnisse nicht unplausi-
Kap. 1 5
207
bel, zumal es sich hier nicht um ein Gericht im heutigen Sinn handelt, sondern um Privatrichter, die man jederzeit bestellen konnte.
§ 15,3 neque enim res tantum quae viderentur in controversiam esse, sed longe aliud quaeri, in utraque parte scilicet latrocinü suspicio haberetur: Denn nicht nur die Dinge, die offenkundig im Streit seien, sondern weitaus mehr sei zu untersuchen,
da
bei beiden Parteien Verdacht auf Dieb
stahl bestehe. Die Ersparung des Verbums
dicendi kommt bei Petron öfter vor, z.B. Sat. HSz 423f. §224; PETERSMANN 43 . quae viderentur: Aufgrund des natürlichen Sprachflusses ist quae viderentur zu in controversiam esse zu ziehen (wie z.B. ERNOUT ) und nicht als kurzer eingeschobener bzw. elliptischer Relativsatz zu betrachten (wie z.B. E IILER S; FOCARDI 1 986; DtAZ Y DtAZ). in controversiam esse: t.t. der Gerichtssprache. controversia ist ein so ge bräuchlicher Begriff, dass er neben suasoria zur Bezeichnung einer literari schen Gattung avancierte (so stets bei Petron, z . B . Sat. 48,4). Vertauschung von AbI . und Akk . nach in (ausser tp controversia; vgl. zum üblichen AbI. z.B. eie. inv. 1 ,67 quod in controversia est). Der Akk . wurde aus formelhaften Wendungen mit venire o.Ä. (z. B . eie. Verr. 11 2,37 in controver siam venisset) übernommen; siehe dazu HSz 276--8 § 1 56; HOFMANN 1 66 § 1 52; PETERSMANN 1 04. longe aliud quaeri, : quaeri < quod> stammt von tm, dem die meisten 1 Editoren gefolgt sind (anders PELLEGRIN0 quaeri, < num> ; ders. 2 quaeri, <si> ; SIIACKLETON BAILEY 1 987, 458 quaeri < debere, quod» . Evtl. hat quaeri das Verschwinden von quod (oder einem im Schriftbild noch ähnliche ren < quia> ) unterstützt. quaerere ist hier im j uristischen Sinn von "quaestionem habere, inquire re", "etw. gerichtlich untersuchen" (siehe FORCELLINI s.v. quaero. ; HEU MANN-S ECKEL s.v. quaero 3) zu verstehen, vgl. u.a. Ter. Ad. 482 hunc abduce vinci, quaere rem; eie. Verr. I 27 alterum esse quaesiturum de pecuniis repe tundis. Vgl. die bewusste Wiederaufnahme des Verbs unten Sal. 1 5,5 nihil aliud quaeri. F RAENKELS Streichung von quaeri (MÜLLER 1 ) aufgrund von Sat. 1 1 1 ,8. Siehe KS T 11 552f. § 240;
1 5 ,5 zerstört den Bezug der beiden Stellen zueinander und kommt umso weni ger in Betracht, wenn man
in controversiam esse zu viderentur zieht und nicht quaeri auffasst. in utraque parte: Nach GIARDINA 1 986--7 , 392 müsste der formelhafte Aus druck im Akkusativ stehen: in utrarnque partern (vgl. OLD, S.v. pars 1 4). Es gibt aber genügend Beispiele für in utraque parte (z.B. eie. Lig. 1 9 ; orat. 204). scilicet: scilicet bekräftigt etwas, was offensichtlich ist und nicht erst bewiesen werden muss - wie in Sat. 63,8 quia scilicet ,ja, nämlich" (FOCARDI 1 986, 7 1 parallel zu
Anm .
55). Und in der Tat besteht ein klarer Verdacht auf Diebstahl, wenn die
208
Kap. 1 5
beiden Parteien gegenseitig den Besitz der j eweils anderen
flir
sich beanspru
chen.
latrocinü suspicio:
Im MittelpW1kt der Auseinandersetzung stehen nun nicht
mehr die konkreten
res (pallium und tunica), sondern der Verdacht auf Dieb
stahl, der als Privatdelikt unter das Zivilprozessrecht fallt. Es käme neben der Vindikation also noch die
actio forti (Diebstahlklage als private pönale Klage)
hinzu, bei welcher der "Streitwert" sogar dem doppelten Wert des Streitge genstandes entspricht.
§ 1 5,4 iam sequestri placebant, et nescio quis ex cocionibus, calvus, tube rosissimae frontis, qui solebat aliquando etiam causas agere, invaserat pallium exhibiturumque crastino die afrrrmabat: Schon beschloss man, Mittelsmänner zu finden, und irgendeiner dieser Geschäftemacher, kahlköpfig, mit stark vorgewölbter Stirn, der manchmal auch Rechtsfalle zu behandeln pflegte, hatte sich auf den Mantel gestürzt und beteuerte, ihn
am
folgenden
Tag vorzulegen. Der
cocio reißt lediglich den Mantel an sich, während es zuvor noch dar (utraque) sequestrieren zu lassen. Er offenbart so die wahren Absichten der praedones und bestätigt Enkolp in seiner Vermutung (Sat. 1 5,2 advocati . . . nocturni. qui volebant pallium lucri facere; 1 5 ,5 ceterum apparebat nihil aliud quaeri nisi .. . ). Diese Stelle erhärtet die (mindestens Teil-) Identität zwischen cociones und advocati . . . nocturni (siehe oben Sat. 1 5,2).
um
ging, beide Gegenstände
sequester ist (im Gegensatz zu den advocati!) (.�ecus), also unparteiisch i s t und kein eigenes Interesse verfolgt (ZIMME RMANN 1 996, 2 1 9; KASER 1 389 §94). Elliptische Ausdrucksweise für "it was suggested that trustees should be appointed" (HESELTINE-WARMTNGTON); "schon einigte man sich auf Deposi
iam sequestri placebant:
Ein
eine Person, die "danebenlaußerhalb steht"
tare" (EIILERS); "gia stava prevalendo l 'idea di affidare la roba ai depositari"
(ARAGOSTI). Es besteht kein Grund, in
sequestri ein anormales N eutrum Plural des sequestrum ("Sequestrationen, Sequestrierungen") zu vermuten (z. B. PELLEGRINd 1 93). Alle Beispiele solcher Kasusabweichungen finden sich in der Cena und sind Merkmale der vulgären Sprache (z.B . balneu.� statt balneum in Sat. 4 1 , 1 1 ). Zudem passt die Personenbezeichnung besser zum weiteren Verlauf des Satzes, wo sich sofort ein cocio selbst zum sequester ernennt. Auch der Änderungsvorschlag von COURTNEY 1 988, 74 iam se questrari placebat ist nicht nötig. nescio quis ex cocionibus: Die dubiose Gruppe der cociones (siehe oben Sat. 1 4,7 cociones) erhält mit der Karikatur des einen cocio ein Gesicht. Die fol abstrakten Substantivs
gende negative Beschreibung des Äußeren lässt auf mangelnde Seriosität der Person schließen.
nescio quis wird von Petron gerade bei zwielichtigen Gestal-
209
Kap. 1 5 ten gerne verwendet:
Sat. 57,3 larifuga nescio quis. nocturnus. qui non valet latium suum; 92, I 0 nescio quis enim. eques Romanus ut aiebant in/amis. calvus, tuberosissimae frontis: Diese äußerlichen Merkmale kennzeichnen den cocio sogleich als windig, nicht vertrauenswürdig und verweisen auf des sen zweifelhafte Geschäftstätigkeit. Kahlköpfigkeit ist (außerhalb des religiö
für
sen Kontextes) u.a. Zeichen ehesten
fUr
Gier, Lüsternheit oder Dummheit, hier am
(unlauteres) Gewinnstreben, was Bestätigung findet in Non. p.
1 O,2 1 L (6M): Nonius erklärt das alte Wort
calvitur
als "getäuscht werden -
abgeleitet von den kahlköpfigen Mimus-Darstel1em, weil sie jeden austrick sen". Siehe WINKLER 1 985, 226; PANAYOTAKIS 1 995, 29; VAN
MAL-MAEDER
1 997, 1 06f. Vg\. zur Verspottung von Kahlköpfigkeit auch das
capillorum elegidarion in Sat. 1 09,9f. tuberosissimae frontis: Durch seine Kahlköpfigkeit wirkt die Stirn des cocio viel mächtiger und vorgewölbt (tuberosa; vg\ . dt. "Eierkopf', eng\. "egg head"), vg\ . z.B. Ter. Ad. 245 tuber est totum caput. Alternativ kann man unter dem Ausdruck tuberosissimae jrontis auch verstehen, dass der cocio Pusteln auf der Stirn hat. Der Superlativ steht hier
zum
Zweck der Komik und Parodie, HOFMANN
90-2 § 84 (,,komischer Superlativ"), häufig bei Plautus, aber auch bei Petron z.B. in Sat. 92, 1 2 mutabam egojrequentissime vultum. qui solebat aliquando etiam causas agere: Einer, der Rechtsfal1e behandelt hat. In Kombination mit obiger negativer Beschreibung seines Äußeren: ein professionel1er Rechtsverdreher. Woher weiß das der Erzähler? Viel1eicht hat der
Kauz so sein Vordrängen begründet. invaserat pallium: invadere im juristischem
Sinn "etwas unrechtmäßig in
Besitz nehmen" (TLL 7.2. 1 1 3 . 8 I ff.), vgl. z.B. Sen.
contr. 2 , 1 ,20 aliena bona invadere. exhibiturumque crastino die: [scil . se pallium] . Zum fehlenden se vgl. oben Sat. 7,4 putares .. exhibere versteht sich im Sinn von "eine Sache (vor dem iudex) vorfUhren, ,
vorzeigen" (HEUMANN-SECKEL S.v. I ; TLL 5 . 2 . 1 4 1 9.60ff.) Die Stel1e spielt auf die
actio ad exhibendum
an, ein auf die Hauptklage
(vindicatio)
oder auch
das Interdikt vorbereitendes Rechtsmittel zur Vorlegung oder Vorftihrung der umstrittenen Sache vor dem Prätor. Diese muss bei einem Prozess physisch vorliegen
(KASER I
434 § 1 03). Doch erstreckt sich eine
actio ad exhibendum
normalerweise nicht auf Dritte.
§ 1 5,5 ceterum apparebat nihil aUud quaeri nisi ut semel deposita vestis inter praedones strangularetur et nos metu criminis non veniremus ad constitutum : Im Übrigen schien nichts anderes angestrebt zu werden, als •
••.
dass das Kleidungsstück, einmal deponiert, unter den Gaunern zum Ver-
210
Kap. 1 5
schwinden gebracht wird und wir aus Angst, eines Vergehens beschuldigt zu werden, nicht zwn Tennin erscheinen.
ceterum :
Das Adverb dient hier zur Einleitung eines neuen Gedankens (TLL
3 . 970.28ff. ; vgl.
Sat. 29, 1 u.a.) und ist leicht adversativ (OLD s.v. ceterus 5c; GEORGES s.v. ceterus "in Wahrheit"). nihil aUud quaeri: Die advocati sind unter dem Deckmantel eines juristischen Verfahrens (Sat. 1 5 ,3 longe aliud quaeri) lediglich auf die Bereicherung an dem Mantel aus (nihil aliud quaeri) . semel deposita vestis inter praedones strangularetur: deponere ist hier (wie in Sat. 1 5,2) Fachausdruck für sequestrare, siehe auch LEFEVRE 2007, 1 64 Anm. 50.
strangulare ist eine starke Metapher (eig. "erwürgen, erdrosseln"), wn den (FOCAR
Eifer anzuzeigen, mit dem sich die praedones auf den Mantel stürzen
DI 1 986, 64 Anm. 22). Das Verb verweist natürlich auch ironisch auf die Zwie FUCHS 1 959, 60f. könne
lichtigkeit dieser nächtlichen Forumsbesucher. Nach
"von einem Erdrosseln des Kleidungsstücks nicht die Rede sein". Deshalb
veste i� in Im) emendiert er veste < l> i� inter praedo nes strangularetur ("einen Prozess abwürgen"), was j edoch inhaltlich nicht gut
(aber auch aufgrund von
in die Situation passt. praedones:
, ,Beutemacher", wobei auch die j ur. Bedeutung mitspielt: ,,Perso
am Vermögen anderer bemächtigen", z.B. Paul. dig. 5,3,28 lucrum auferendum esse tam bonae fidei possessori quam praedoni; Ulp. dig.
nen, die sich illegal
5,3,25,3. Dieser starke Ausdruck fallt erst jetzt, als die Absichten der Gauner offenkundig werden. Falls es sich bei den
cociones und advocati nocturni wn
zwei Gruppen handelt, fasst der Begriff hier beide zusammen (siehe dazu oben
Sat. 1 5,2). nos: Enkolp und Askylt sowie die Bauern. Denn wichtiger ist j a, dass die Bau ern nicht erscheinen, weil sie Anspruch auf den Mantel erheben könnten.
metu criminis: crimen
steht metonymisch für die
incusatio und die poena, die crimen ergeben (PATIMO
sich aus der Feststellung und dem Erkennen eines 200 1 , 1 9 1 Anm. 67). Die Junktur ist verschiedentlich
in juristischen
Quellen bezeugt, z.B. Ulp.
dig. 29,5, 1 ,23; Marc . dig. 48,2 1 ,3 praej non veniremus ad constitutum: Das substantivierte Adj . constitutum bedeutet (in der Verbindung mit venire) "verabredete Zusammenkunft, Tennin", vgl. Varro rust. 2,5 , 1 qui tam sero venisset ad constitutum; Cic. Alt. 1 2, 1 , 1 V Kai. igitur ad constitutum; Sat. 57,5 constitutum habui numquam; siehe TLL 4. 524.47ff.; BRUNS 1 8 82, 23 1 f. ; KAsER I 5 8 3 f. § 1 36 . : MÜLLER setzt hier nach BÜCHELER l� zu Recht eine Lücke, da keine forma le Verbindung zwischen den beiden Textpartien gegeben ist: idem . . . voleba mus passt sprachlich schlecht zur vorhergehenden Negation (non veniremus ad .•.
Kap. 1 5
21 1
constitutum) . Inhaltlich fügt es sich aber treffend in den Kontext: Sowohl die praedones (siehe dazu unten Sat. 1 5,6 utriu.vque parti.v votum) als auch En kolp/Askylt wollen von einem Prozess absehen (siehe unten Sat. 1 5,6 idem . . . ) . Ein an dieser Stelle verlorengegangener Textteil müsste diesen beiderseitigen Wunsch, einen Prozess zu verhindern, nochmals erläutern. Auch denkbar wäre schlicht der gemeinsame Versuch einer Einigung (L EFtWRE
2007, 1 65).
Alle anderen Vorschläge vermögen nicht zu überzeugen. Gegen
BOClIE LERS · Ergänzung (in App.) rusticus autem et mu/ier vestem suam quam pri mum recuperare volebant spricht (so auch SClIEIDWEILER 1 925, 20 1 ), dass der Bauer und die Frau nicht zu utriu.vque parti.v in Sat. 1 5,6 gehören. SClIEIDWEI LER schlägt als Alternative etwa Folgendes vor: tunicam autem ne flocci qui dem videbantur facere. immo optare. ut quam primum auferretur ("Nun for derten die praedones auch das Depositum der Tunika"). Dagegen spricht j edoch, dass die praedones sicher kein Interesse an der Tunika haben, sie wol len sie sogar loswerden. Unbefriedigend bleibt MERKELBAClIS Ergänzung ( 1 963, 1 9 I f.), da sie den Anschluss an das Folgende nicht zu verbessern ver mag: ,,Da sagte der Bauer: Es ist doch unerhört, dass ich wegen des Lumpen mantels des Diebstahls bezichtigt werde. - Ein Polizist: Gut, du gibst zu, dass es nicht dein Mantel ist? - Bauer: Ja. - Polizist (zu Askylt): Und du gibst zu, dass es nicht dein pallium ist? - Askylt: Ja. - Polizist: Dann, Bauer, gib dem
Mann
den Lumpenmantel, er ist ja doch nichts wert. Aber das
pallium bleibt
bis morgen früh konfisziert, ob nicht noch j emand anders Ansprüche erhebt." •••
:
Gegen eine Lücke sprechen sich VAN
fel),
TtIIEL 1 97 1 , 30 (mit gewissem ARAGOSTI 1 979, 1 1 2f. Anm 28; SClIEIDWEILER 1 925, 200f. aus.
Zwei
.
§ 1 5,6 idem plane et nos volebamus. itaque utriusque partis votum casus adiuvit: Dasselbe wollten auch wir. Da half ein Zufall dem Wunsch beider Parteien.
idem plane et nos volebamus: idem muss sich auf einen Wunsch der praedo nes beziehen, den Enkolp und Askylt teilen. Das ist durch utriusque partis (siehe unten) sowie aus dem (vorzeitigen) Schluss der Episode bedingt, wo der Bauer als Verlierer dasteht. Der gemeinsame Nenner sind der Wunsch nach einer Einigung und die Verhinderung eines Prozesses. Gegen die Annahme
ARAGOSTIS ( 1 979, 1 1 2 Anm 28), idem beziehe sich auf das Depositum des pallium, spricht, dass Enkolp und Askylt dies sicher nicht aktiv wollen. plane hier in Bezug auf das Pronomen (im Gegensatz zu Sat. 1 2,5; 1 3,4; 1 4, 1 ). itaque: Siehe zum lose anknüpfenden itaque ("und so, da", TLL 7.2.53 1 .23ff.) oben Sat. 1 0,3 itaque. Der Vorschlag SüTIERLINS ( 1 996, 75 Anm 233), den Satz hinter 1 5 ,7 zu versetzen, bringt keine Verbesserung. utriusque partis votum: Die beiden streitenden Parteien sind und waren bis anhin (Sat. 1 5,3 in utraque parte) Enkolp/Askylt und die Bauersleute. Doch es .
.
212
Kap. 1 5
wäre höchst seltsam, wenn mit dem Zufall
(casus), der den Parteien z u Hilfe
kommt, die Handlung einer der beiden Parteien gemeint wäre. Zudem begüns tigt die folgende Reaktion des Bauern seine eigene Lage nicht: Enkolp und Askylt kommen wieder in den Besitz ihres Schatzes, und der Mantel wird bei den praedones deponiert (so auch
ARAGOSTI Anm . 32). So gesehen muss utri usque partis als dynamischer Terminus angesehen werden, der an dieser Stelle Enkolp/Askylt und die praedones umfasst. easus adiuvat: Ist es wirklich ein casus oder nicht eher die einzige mögliche Lösung für den Bauern, ohne Prozess davonzukommen? Er entledigt sich der billigen Tunika, deren rechtmäßiger Besitzer er nicht ist, und fordert die Depo
nierung des Mantels, von dem er behauptet, der Besitzer zu sein. Erzähltech nisch interessant ist, dass Enkolp strikt aus seiner damaligen Perspektive er zählt, d.h. seinen Wissensstand zum Zeitpunkt der Erzählung dem Publikum vorenthält (vgl. auch
Sat. 1 3 , 1
0
lusum fortunae mirahileml; 1 5 ,8 ut putaha
mZL�). N ach
ARAGOSTI 1 979, 1 1 2 ist der casus eine Art deus ex machina, vgl. deZL� ex machina in Sat. 96. Gerade im richtigen Moment er scheint er auf wundersame Art und Weise, vgl. Sat. 1 3 , 1 0 lusum fortunae mirahileml Bargates als
§ 1 5,7 indignatus enim rustieus, quod nos eentonem exhibendum postula remus, misit in faciem Aseylti tunicam et liberatos quereUa iussit pallium deponere, quod solum litem faeiebat: Denn der Bauer, wütend über unsere Forderung, dass ein Lumpen vorgelegt werden müsse, warf Askylt die Tunika ins Gesicht und hieß
uns ,
die wir keinen Grund mehr zur Klage hatten, den
Mantel zu hinterlegen, weIcher nun all eine den Streit ausmachte.
nos eentonem exhibendum postularemus: cento steht abschätzig ftir die centonihus. exhiheo wird hier in der Bedeutung wie oben Sat. 1 5 ,4 von "vorlegen (da
Tunika, siehe oben Sat. 1 4,7
mit die Sache vor den Richter kommt)" gebraucht. Das Hinterlegen der Tunika wurde von Enkolp und Askylt ziemlich sicher explizit in einer Lücke gefor dert. Implizit deuten bereits die Besitzansprüche in
Sat. 1 4,6 proclamare nostra esse spolia und 1 5 , 1 reddant nohis tunicam nostram darauf hin. liberatos quereUa: querella ist der j ur. t. t. ftir die gerichtliche Klage. liherare querella kann aus inhaltlichen Gründen nicht "von der Anklage befreien, frei sprechen" bedeuten (wie z.B. SCARSI übersetzt: "liberatici cosi dalla sua quere la"), da nicht Enkolp und AskyIt von der Anklage auf Diebstahl (des pallium) befreit werden, sondern sich der Bauer selbst vom Diebstahlvorwurf (der Tu nika) entlastet. Gemeint ist also: "befreit, Klage führen zu müssen" "ersparte uns eine Verklagung";
ARROWSMITII :
(EIILERS:
"since we now had nothing to
complain of'; WALSII: ,,now that our complaint was dealt with"). Überlegens-
Kap. 1 5
213
wert ist auch der Änderungsvorschlag in
liberatus von V ANNINI 2006, 275
Anm 8 und 2007a, 2 1 5f. quod solum Iitem fatiebat: lis .
t. t. für den Rechtsstreit vor dem Richter I ), vgl. Sat. 1 4, 1 . Zum Ausdruck litem facere vgl. z. B . Quint. inst. 3 , 1 1 ,24 quid litem faciat (quod ab illis causa vel continen,y dicitur); 7, 1 , 1 4 quae sit Lex quae litemfaciat. Lücke?: PITIIOU signalisiert hier eine Lücke, die die meisten Editoren über nehmen, siehe VAN TIIlEL 1 97 1 , 30. Inhaltlich ist eine Lücke nicht nötig. Dass Enkolp und Askylt den Mantel zur Deponierung freigeben (80CIIELER I App. schlägt als Ergänzung vor: deponimus ergo pallium), versteht sich von selbst. als
(TLL 7 . 2 . 1 496.58ff. ; HEUMANN-SECKEL S . v .
Ob solche Ellipsen von leicht Ergänzbarem, die zur Steigerung des Erzähltem pos dienen, bei Petron häufig vorkommen (wie evtl. zwischen
Sat. 1 0,2 und 3),
ist aufgrund des fragmentarischen Zustands des Textes nicht mit Sicherheit zu sagen.
§ 1 5,8 et recuperato, ut putabamus, thesauro in deversorium praecipites abimus, praeclusisque foribus ridere acumen non minus cocionum quam calumniantium coepimus, quod nobis ingenti calliditate pecuniam reddi dissent: Nachdem wir den Schatz wiedererlangt hatten, wie wir glaubten, gingen wir Hals über Kopf in die Herberge zurück und begannen hinter verrie gelter Tür zu lachen, nicht weniger über den Scharfsinn der Geschäftemacher als der Ankläger, weil sie uns mit ihrer ungeheuren Schlauheit das Geld wie dergegeben hätten.
recuperato: Nimmt recuperare in Sat.
1 4, 1 wieder auf und schließt den Kreis:
Sie haben die Tunika wiedererlangt - j edoch nicht aus eigenem Antrieb.
ut putabamus: Dieser aus der Perspektive des wissenden Erzählers gespro chene Einschub gab Anlass zu vielen Diskussionen, da er je nach Auffassung fundamentale Konsequenzen (siehe auch Ess. 1 2- 1 5 ,
flir
den Ausgang der Geschichte haben kann
I).
Keine Auswirkungen auf das Ende der Geschichte hat der Einschub, wenn
man ihn
analog
z u Sat.
1 3 ,3
ut apparet als neutrale Äußerung betrachtet, die
die eingeschränkte Sichtweise der Protagonisten zur Zeit des Geschehens wie dergibt: Enkolp und Askylt können zu diesem Zeitpunkt nicht sicher wissen, ob die Goldstücke noch
drin sind (z.B. EIILERS "so durften wir annehmen").
Doch glaubhafter ist, dass der Ausdruck einen subtilen Vorbehalt aus drückt, der die Gewissheit über das glückliche Ende der Episode auf dem Markt in Frage stellt (u.a. PATIMO 200 1 , 1 9 3 ; VAN TIIlEL 1 97 1 , 30 mit Anm 2 ; VAN DER PAARDT 1 996, 7 0 ; WEINREICII 1 929, 3 9 6 Anm . 3 4 ; S INKO 1 93 5 , 390). ut putabamu.y wäre dann ein erstes Indiz dafür, dass die ganze Geschichte arn .
Ende der ganzen Szene nochmals umgedreht wird, so dass Enkolp und Askylt
Sat. 69,8 nam cum positus esset. ut nos putabamus. anser altilis . . . , wo Trimalchio seine Gäste irreführt. Auch dort wird der Kon-
als Verlierer dastehen. Vgl.
214
Kap. 1 5
trast zwischen dem ersten Eindruck rung
(.�cire)
(putare)
und der späteren Schlussfolge
sprachlich deutlich.
Denkbar ist z.B., dass sie einen Geldersatz in der Tunika vorfinden
KELBACH
(MER
1 963, 1 92 : "Als sie aber den Lumpenmantel genauer betrachten,
stellen sie fest, dass das Geld nicht mehr darin ist. So haben sie das Geld verlo ren und nun den wertvollen Mantel dazu";
SLATER 1 990, 36 Anm 2 5 ; WEIN PARDINl 1 996, 1 89 mit Anm . 34). Eine andere Möglichkeit ist, dass mit ut putabamus auf einen späteren Zwischenfall, eine neuerliche Gefahrdung vorausgewiesen wird (SCITETDWE TLER 1 925, 202; CIAF FT 1 95 5 , 37). Daran schließt sich die Frage an, wie arm die Protagonisten im weiteren Verlauf der Sat. wirklich sind. Der Rest der Sat. gibt keine sicheren
REICH 1 929, 396
Anm
.
.
34;
Anhaltspunkte, ob die Protagonisten in Besitz des Geldes gekommen sind oder nicht. Einerseits beklagt Enkolp weiterhin seine Armut andererseits teilt er mit Askylt in
auren),
Sat.
(Sat. 8 1 ,3 mendicus), (manubiae, evtl. die
79, 1 2 eine Beute
die ihm gutes Essen (82, 1 ; 92, 1 3 ) und den Wechsel des Quartiers
für sich und Giton ermöglicht (vAN nTTEL Anm 2; HABERMEITL ad 8 1 ,3). deversorium: Siehe oben Sat. 9, 1 0 deversorio. praecipites abimus praeclusisque foribus ridere ... coepimus: praecipites abire steht für praecipitare, und drückt Schnelligkeit aus. Die Eile sowie das (8 1 , 1 ) sowie eine Schifffahrt ( 1 0 1 ,5) 1 97 1 , 30f.
.
Schließen der Tür deuten auf das schlechte Gewissen Enkolps und Askylts und ihren unredlichen Besitz hin. Erst durch den Rückzug nach innen und nur hinter verschlossenen Türen können sie ihren Gefilhlen Ausdruck verleihen. Inwiefern ihr Lachen in Verbindung mit
Sat.
1 6,3
derisisse
steht, ist schwer zu
entscheiden (siehe Ess. 1 2- 1 5 , 2). Eine ähnliche Szene findet sich in
Sat. 9 1 ,3f. , wo Enkolp mit Giton eben (raptimque in hospitium meum pervolo), die Tür (praeclusis deinde foribus) und aus der Distanz einen
falls in die Herberge stürzt hinter sich abschließt
Sieg (Wiedergewinn des Liebespartners) hinter verschlossenen Türen feiert. Zahlreiche Szenen in den
Sat.
finden ihr Ende in einer Flucht, vgl . z.B.
7 8 , 8 ; 90, 1 ; 94,7; 1 3 8 , 3 f. TTLG 2000 spricht von einem in den
Sat.
Sat.
oft wieder
kehrenden Motiv der Flucht und zeigt auf, dass "die Flucht mit all ihren Bre chungen und lmplikationen eine stimmige und reizvolle Technik zur Bewälti gung der episodischen Struktur des Romans darstellt" Ähnlich auch
ZEITLIN
1 97 1 , v . a . 654f. ;
PRESTON
(TTLG 2000, 2 1 7).
1 9 1 5 , 262 : "the author accel
erates action towards the elose of an episode, if several characters are on the scene, engaging everyone in a free-for-all, or ending the incident abruptly by the rapid exit of one of the principals, accompanied often by a slamming of doors." Zum Motiv der Türe siehe oben
Sat.
1 960, 1 8f. 27-9; WEINREICII 1 929, 395-7.
1 1 ,2 . . . foribus . . . ; zudem
CIAFFI
Kap. 1 5
215
acumen non minus cocionum quam calumniantium: Z u cocio siehe oben Sat. 1 4,7 cociones. Mit den calumniantes ("falsche Ankläger, Anschwärzer" nach TLL 3 . 1 9 1 . 1 2ff. und 1 92.75ff.) müssen die Bauersleute gemeint sein. ingenti calliditate: Der ironische Ausdruck könnte durch ein überraschendes Ende, das die wirkliche Verschlagenheit der ,,Bauersleute" offenbart, eine ganz andere Note erhalten. Siehe oben zu
pecuniam reddidissent:
ut putabamus.
Der Konj unktiv, der hier die subjektive Meinung
kennzeichnet, ist ein starkes Indiz dafiir,
ut putabamus als Vorankündigung zu
sehen, dass Protagonisten mit leeren Händen ausgehen werden.
§ 1 5,9 nolo quod cupio statim tenere, / nec victoria mi placet parata:
Ich
will nicht, was ich begehre, sofort erhalten, noch gefallt mir ein leichter Sieg. Nach der heutigen Überlieferung beschließen die zwei fonnal nicht ins Geschehen eingebundenen, in Hendekasyllaben (x x - u u - u tenen Verse die Szene (vgl. zum Metrum die von Enkolp in
I u - -) gehal Sat. 79,8 und Eu -
molp in
Sat. 93,2 und 1 09, 1 0 gesprochenen Gedichte). Sie sind in Ltp überlie 1 8), aber kaum fehl am Platz, auch wenn man sie nicht vennissen würde, wenn sie fehlten (so auch VAN DER PAARDT 1 996, 70 Anm . 26; SLATER 1 990, 1 83). Den Zweizeiler vor Sat. 1 1 zu platzieren, wie dies WALsn 1 60 Anm . 1 5 vorschlägt, wäre zwar denkbar, ist fert, evtl. unvol lständig (so COURTNEY
aber nicht zwingend. Ebenfalls besteht kein Anlass, die Verse aufgrund der thematischen Nähe an
Sat. 93,2 (V. 1 O quicquid quaeritur, optimum videtur) BURMAN 77).
anzuschließen, wie dies in älteren Editionen der Fall ist (siehe
Die Verse sind wahrscheinlich Enkolp in den Mund zu legen, der die un mittelbar vorangegangenen Ereignisse schildert (so auch
CiTTI 2000, 1 83 ; SLATE R 1 990, 1 83). Sie Askylt zuzuschreiben (so PARATORE I 42f. ; PEL LEGRIN0 2 1 95 ; LEFEVRE 2007, 1 69), scheint nicht logisch, da ein Sprecher wechsel im Text nicht kenntlich gemacht wird und Askylt sonst nie in Versen spricht. Das Gedicht ist eine unbekünlln erte Reflexion des Geschehenen, die heim liche Freude, sogar Schadenfreude ausdrückt. Es unterstreicht nochmals die Schwierigkeiten des Unterfangens der Protagonisten, ihre Tunika zUTÜckzuge winnen
(ARAGOSTI 1 979, 1 1 4 Anm 30): quod cupio (V.2) lässt sich auf tun i ca/thesaurus beziehen, statim und nec . . . victoria . . . para ta auf die Tatsache, .
dass die Protagonisten die Tunika nicht sofort und nicht leicht, sondern erst nach der Überwindung vieler Hindernisse, wiedererlangt haben. Das Gedicht lässt aber offen, ob es sich
um
einen endgültigen Sieg handelt oder nicht.
Wenn nicht, würden die Verse auf die Peripetie vorbereiten, die ihnen die Entdeckung des "Wie gewonnen, so zerronnen" bereiten müsste
(WEINRETeIl
1 929, 396 Anm 34). .
Die Verse beziehen sich auf einen hellenistischen, zumeist erotischen To pos, vgl . Kali.
epigr. 3 1 Pf. [= AP 1 2, 1 02]; HoT. sat. 1 ,2, 1 08 (seil. meus amor)
216
Kap. 1 5
transvolat in medio posita etfogientia captat; Ov. ars 3 ,603 quae venit ex tuto, minu.� est accepta voluptas; 3,579 quod datur ex facili longum male nutrit amorem. Aus der Anwendung des erotischen J äger-Gejagter-Topos auf die Wiedererlangung der Tunika (hier ist die wiedergewonnene Beute nicht der/die Geliebte, sondern eine Tunika) erwächst Ironie. Ähnlich spielt Hor.
carm.
1 ,37, 1 7-2 1 mit dem J äger-Gejagter-Topos, den er in die politische Sphäre versetzt (siehe zwn Topos ausflihrlich
C ITn 2000).
nolo/cupio wird traditionell auf die Bezie Eun. 8 1 2f. novi ingenium mulierum: / nolunt ubi velis, ubi noli.� cupiunt ultro; Naev. com. 8R quasi dedita opera quae ego volo ea tu non vis, quae ego nolo ea cupis. cupio ist stärker als (das zu nolo semantisch parallele) velis, vgl. Plaut. Pers. 766 omnia quae tu vis, ea cupio. Siehe dazu CITTI 2000, 20 1 mit Anm . 8010
•••
cupio:
Das Gegensatzpaar
hung zwischen Mann und Frau bezogen, vgl . Ter.
50.
victoria mi placet parata: Das evozierte Bild des Krieges (vgl. z.B. Liv. 5,6, 1 insuescere militem nostrum . . . parata victoria frUl) ist traditionell mit der Lie beselegie verbunden, vgl. Ov. epist. 8,82 ecce, Neoptolemo praeda paratafoi!; Hor. sat. 1 ,2 , 1 1 9 parabilem amo venerem facilemque; PhiIod. AP 1 2, 1 73,5ff.
ou yap E'tOlIlCl / ßOUAoJ.!Cll.
mi : Zusammengezogenes mihi findet sich in der Dichtung häufig. ... : Alle Testimonien der L-Klasse (außer m) vermerken hier eine Lücke. Die Asterisken (bzw.
DESUNT MULTA in Im, wobei mindestens MULTA keinen
großen Aussagewert hat, sondern auf das persönliche Empfinden SCALIGERS oder eines Abschreibers zUTÜckzufiihren ist) können sich auf die Unvollstän digkeit der Szene oder des Gedichts beziehen oder auch nur den Übergang von Poesie zu Prosa markieren (siehe zur Problematik der Asterisken Ein!. 2). Ob in dieser Lücke oder an irgendeiner Stelle die Konklusion der Szene (d.h. die Aufklärung darüber, was sich in der Tunika nun wirklich befindet) stattfand oder nicht, bleibt Spekulation. Das in
Sat. 1 6, 1 folgende sed, dessen adversativer Sinn auf eine erfreuli
che, zuvor geschilderte Situation hindeuten muss, kann entweder nahtlos an den überlieferten Text anschließen oder Bezug auf einen verlorenen Textteil wie das Finden des Schatzes, Feierlichkeiten in der Herberge o.Ä. nehmen. Das Erbleichen der drei Freunde
(Sat. 1 6,2 pallidi) kann im Zusammen
hang mit der vorhergehenden Marktszene stehen, muss aber nicht. Einziger direkter Hinweis für eine Verbindung ist der vielerorts der Interpolation ver dächtigte Relativsatz in Sat. 1 6,3 [illa scilicet quae paulo ante cum rustico steterat], siehe dazu Ess. 1 2- 1 5 , 2 .
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Register Abstraktum
1 27 , 1 64, 1 65 , 1 67
Alliteration
3 1 , 1 82, 1 89
Anagnorisis Anapher
1 59, 1 68, 1 7 1 f.
24, 32, 3 5 , 62, 1 1 2 , 1 29
Anekdote Anrede
1 04
4 1 , 47, 50, 82, 89,
1 85
figura etymologica 30f. Formel, Floskel
5 5 , 1 02, 1 1 1 , 1 24, 1 36,
1 64, 1 77, 1 79, 207 Fragment Xf., XVI, I, 1 9, 2 1 , 29,
Antithese
24, 1 78
Apokoinu
32
I I 3 f. , 1 1 7, 1 53 , 1 5 5f. , 2 1 3 Gattung der Sat. Geld
Architektur - Bordell
1 04-1 09, 1 1 2
- Gehsteig - Markt
Homoioteleuton
95f. 2 3 , 45, 47-49
Attizismus
1 9 1- 1 93, 2 1 3f. 24, 27f. , 45,
5 1 , 57f. , 7 1 , 1 43 , 1 7 1
1 67, 1 8 1 , 1 84, 1 89, 2 1 4
Asianismus
XVII
I I f. , 1 54, 1 82f., 1 85- 1 89,
Gleichnis, Vergleich
1 2 1 f.
I 62f.,
- Schule
47f.
Hyperbel 1 46
Interpolationen Ironie
Autorschaft
- Handlung
IX
Bild (s. Metapher oder Topos) Chiasmus
24, 32, 38, 50, 1 29
Datierung
IX
Diminutiv
3 5 , 56, 59, 1 00, 1 1 1 ,
40, 49, 64
62, 1 1 0, 1 27, 1 36, 1 42 ,
Ausruf 59, 1 59, 1 72f.
X111f.
XV111, 2 1 , 54, 57,
70, 1 02 , 1 26, 1 6Of., 1 8 I f. , 1 89, 216 - Selbstironie des Erzählers
1 40, 1 68, 1 70f. Doppeldeutigkeit
30, 3 3 , 3 5 , 5 5 , 88, 1 03 ,
1 28, 1 36, 1 49, 1 63 , 1 67f. , 1 77, I 88f. , 2 1 0, 2 1 5
79, 99, 1 02, 1 08, I l Of. ,
1 77, 1 80, 1 97, 1 99, 207f. , 2 1 3 Erzählweise
XV111, 1 47, 1 60,
2 1 2f. Euphemismus
Katalog
7 1 , 79
Lehrgedicht Litotes
70f. , 79, 84
1 50, 1 83
Lokalisierung/Setting 1 1 3 , 1 1 7, 1 2 0
55,
94, 144, 1 98 - Sprache
39, 63, 99, 1 02 ,
1 36 Ellipse
36, 40, 46, 50,
60, 1 02 , 1 1 0, 1 27 , 1 37, 1 62,
1 49
Annut
Exemplum
- der Sat.
XVI, 1 9 l f.
- Sat. l -4
2 1 f.
236
Register
- Sat. 5 60, 79-8 1 , 83f. - Sat. 1 2- 1 5 1 60, 1 62, 1 68 Metapher (s.a. Sprache) - Fischer/Angel
57-59, 74f. 1 29-- 1 33 - Kampf/Krieg 8 1 , 1 3 1- 1 34, 2 1 6 - Körper 25, 4 1 , 45f., 48, 50f. - kulinarisch/gastronomisch X, 24, 55, 6 1 , 1 1 9 - MediziniKrankheit 25, 45f., 48, 51 - sexuell XVlll, 25, 1 00, 1 1 1 , 1 25f., 1 30, 1 60, 2 1 5f. - Süße 36 - Tod 25f., 52 - Wasser 24f., 62, 73 , 8 1 , 84f., 89 Metonymie 29, 6 1 , 76, 78f., 1 06, 1 32, 2 1 0 Metrum 69, 72f., 1 8 1 f., 2 1 5 - Gladiator
Motiv (s.a. Topos) - AltwerdeniAlter
25, 49, 5 1 , 1 00 XVlll, 9 1 f., 94f., 1 061 08, 1 3 5, 1 39, 1 54, 2 1 4 - Labyrinth 99f. - Lachen 97, 1 09, 1 38f., 1 48, 1 56, 1 59, 1 99--202, 2 1 3f. - Tränen 1 2 1 , 1 23 , 1 25f. - Türe 1 47f., 1 55, 2 1 3f.
- Flucht
Name - Agamemnon
54f.
- Askylt
95 - Enkolp 29 - Giton 1 2 1 NegationIVemeinung
38, 42, 76, 79, 143, 1 47, 1 63 , 1 70, 1 84 Neologismus 1 49f. Oxymoron 1 02, 1 08
Parallelismus (s.a. Symmetrie) - inhaltlich
7 1 , 86f., 92f., 1 1 0, 1 1 9, 1 24f., 1 58f., 1 69, 206 - sprachlich 3 1 , 39, 50, 64, 88f., 92f., 99, 1 24, 1 59, 1 68, 1 78, 200, 207 Parodie 3 1 , 47, 79, 1 5 1 , 1 60, 1 82, 209 pars pro toto 86, 1 88 Periphrase 44, 8 1 , 86, 1 66, 1 69 Personiftkation 29, 86, 1 64 Pleonasmus/Abundanz (s.a. Redundanz)
24, 37, 60, 95, 1 02, 1 20, 1 30, 1 40, 1 63, 1 66, 1 68, 1 96 Prosarhythmus XlI Redundanz, Wiederholung (s.a. Pleonasmus)
Xli, XlV, 24, 30, 58, 72, 1 29, 1 33f., 1 69, 1 79, 1 83, 1 95 Rekonstruktion XVI, 2 1 f., 30, 69, 9 1 f., 1 1 7f., 1 53- 1 55, 2 1 3 f., 216 Rhetorische Frage 29, 1 03, 1 83, 1 89 Ringkomposition 38, 73 Schimpfwort 1 20, 1 27- 1 3 1 , 1 3 3 Sprache / Stil (s.a. Metapher) - Alltagssprache
56, 1 08, I I 0,
1 39, 1 42, 1 76 - episch 72f., 83 - erotisch/obszönlsexuell
25, 29, 4 1 , 46, 95, 1 1 2f., 1 20, 1 221 24, 1 28- 1 3 1 , 1 33- 1 3 5 , 140, 1 43, 1 47- 1 5 1 - j uristisch XVlll, 1 26, 1 46, 1 53, 1 60- 1 62, 1 64, 1 75, 1 77-1 8 1 ,
237
Register 1 88, 1 96(, 2 04, 206(, 209(,
Tautologie
212
Titel der Sat.
- medizinisch - rhetorisch
25, 48, 5 1
XVllI, 29, 3 1 -34,
4 1 , 46-48, 5 1 , 55, 96, 1 29, 1 82 - technisch
30, 45f. , 5 1 , 1 75 , 1 79
- terminus technicus 52, 5 5 , 58, 64, 96(, 1 27 ( , 1 32, 1 77, 207, - umgangssprachlich
34, 3 5 , 42,
52, 53, 59(, 1 08, 1 25 , 1 30, 1 34, 1 37 , 1 46, 1 6 1 , 1 70, 1 75f. , 1 84, 1 93 , 1 99, 205 - volkstümlich
42, 44, 1 03 f. , 1 1 0,
1 60, 1 99, 208 34, 39, 56, 59, 77,
1 2 1 , 1 37 , 1 44, 1 5 1 , 202 3 1 , 3 6, 7 1 , 93 , 1 1 2 ,
1 1 9f., 1 29f. , 1 65, 1 70, 1 78, 1 82 , 1 96, 1 98, 206, 2 1 3 SymmetrielKongruenz (s.a. Paral lelismus)
-
aetas aurea 42
- Jagd/Jäger 2 1 5 f. - Kritik an der Justiz
1 8 1- 1 89
- Niedergang der Beredsamkeit 2 1 ( , 26-2 8 , 40, 47, 60 Überlieferungl-sgeschichte
XVllI, 92f., 1 1 9f.,
1 39, 1 1 7 , 1 29, 1 53 , 1 58f. , 1 97
IX
XlII, XVI, 2 1 , 29, 1 1 7f. , 1 42, 1 53- 1 55 , 1 66, 1 8 1 , 2 1 5 f. Wachsende Glieder
3 1 , 76
Wechsel - Sprache/Erzählweise
1 43 - vulgär XVllJ, 99, 1 05 , 1 27f.,
Steigerung
X
Topos (s .a. Motiv)
- recusatio 44
2 1 2f.
Sprichwort
98, 1 44
1 3 5 , 1 46,
1 47, 1 70, 200, 2 1 5 - Szene/Schauplatz
83f. , 94, 1 1 4,
1 1 7, 1 22 , 145, 1 47 , 1 56 , 1 62, 214 Wortspiel
X, 39, 1 44, 1 4 8
Zitat 25, 30, 47, 50, 56, 1 20, 1 25- 1 27, 1 3 5 , 1 87