I Namen des Frühmittelalters als sprachliche Zeugnisse und als Geschichtsquellen
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Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde Herausgegeben von Heinrich Beck, Dieter Geuenich, Heiko Steuer
Band 66
Walter de Gruyter · Berlin · New York
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Namen des Frühmittelalters als sprachliche Zeugnisse und als Geschichtsquellen Herausgegeben von Albrecht Greule und Matthias Springer
Walter de Gruyter · Berlin · New York
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Ü Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt
ISSN 1866-7678 ISBN 978-3-11-020815-3 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
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Inhalt
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Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Matthias Springer Eröffnungsvortrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Thorsten Andersson Germanische Personennamen vor indogermanischem Hintergrund
9
John Insley Kontinentalgermanische Personennamen in England in altenglischer Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
Hermann Reichert Sprache und Namen der Wandalen in Afrika . . . . . . . . . . . . .
43
Nicole Eller/Sabine Hackl-Rössler/Jürgen Strothmann Personen- und Ortsnamen auf merowingischen Münzen des 7. Jahrhunderts. Das interdisziplinäre DFG-Projekt „Die merowingischen Monetarmünzen als interdisziplinärmediävistische Herausforderung – eine Projektskizze“ . . . . . . . .
121
Maria Giovanna Arcamone Die langobardische Anthroponymie zwischen Germania und Romania. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 Albrecht Greule Spuren der Vorzeit: Die Flussnamen Sachsen-Anhalts und andere Namengeschichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 Friedrich E. Grünzweig Das Forschungsprojekt ‚Altgermanische Toponyme‘, Die Probeartikel AITUI, LUGIDUN und OSAND . . . . . . . . . 159
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Inhalt
Inge Bily Lexikographische Bearbeitung der aus Ortsnamen erschlossenen slawischen Personennamen (am Material des ehem. altsorbischen Sprachgebietes) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
173
Ernst Eichler Nochmals zu Thietmars Umgang mit slavischen Namen in seiner Chronik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
189
Christian Warnke Belcsem/Belkesheim/Balsemerlande – Betrachtungen zu einem angeblichen Gaunamen im elbslawisch-deutschen Berührungsgebiet
193
Reinhard Härtel Probleme der Erschließung von Orts- und Personennamen in mediävistischen Quellenwerken zum Alpen-Adria-Raum . . . . .
235
Monique Bourin/Pascal Chareille Anthroponymie et migrations: les difficultés d’une enquête
. . . .
251
Walter Kettemann/Christa Jochum-Godglück Namenüberlieferung und Personennennung im Kontext. Bedingungen und Möglichkeiten von Erfassung und Auswertung in der Datenbank „Nomen et gens“ . . . . . . . .
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Inhalt
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Vorwort Vom 25. bis zum 29. Oktober 2007 fand in der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg die internationale Tagung zum Jahr der Geisteswissenschaften statt, deren Überschrift lautete: „Namen des Frühmittelalters als sprachliche Zeugnisse und als Geschichtsquellen“. Die Veranstaltung vereinte Teilnehmer aus sieben europäischen Ländern. Sie fügte sich in die jahrelange Arbeit der Forschungsgruppe „Nomen et gens“ ein. Die Unterzeichner legen hiermit die Beiträge der Tagung in gedruckter und zum Teil erweiterter Fassung vor. Leider sahen sich Prof. Dr. J. van Loon (Antwerpen) sowie Prof. Dr. P. Beck und Dr. P. Chareille (Paris/ Nantes) nicht in der Lage, ihre Vorträge noch rechtzeitig druckfertig zu machen. Nicht vorgetragen wurden 2007 der Aufsatz von N. Eller, S. HacklRößler und J. Strothman sowie der von Ch. Warnke, die in diesem Band enthalten sind. Den Gegenstand der Untersuchungen bilden sowohl Namen von Örtlichkeiten (Fluß-, Orts- und „Gau“-namen) als auch Personennamen. Das behandelte Gebiet erstreckt sich von Skandinavien bis nach Nordafrika sowie von England bis ins nördliche und südöstliche Mitteleuropa. Ein wesentliches Ziel der Tagung war es, die Möglichkeiten und Grenzen der Datenverarbeitung innerhalb der Namenforschung zu zeigen sowie neue Vorhaben vorzustellen. Die Tagung selber wurde vornehmlich in Magdeburg vorbereitet. Die Erstellung dieses Bandes erfolgte vornehmlich in Regensburg, wobei die Druckfertigmachung in den Händen von Michael Faltermeier und Silke Schiekofer lag, denen wir für ihre wertvolle Mitarbeit danken. Ebenso gilt unser Dank dem Verlag de Gruyter und den Herausgebern der Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, die die Aufnahme des Tagungsbandes in diese Reihe ermöglichten. Januar 2009
Albrecht Greule Matthias Springer
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Inhalt
Namen des Frühmittelalters – RGA-E Band 66 – Seiten 1–8 © Copyright 2009 Walter de Gruyter · Eröffnungsvortrag Berlin · New York
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Eröffnungsvortrag Matthias Springer
Meine sehr verehrten Damen und Herren, zunächst möchte ich meine Begrüßung ausführlich wiederholen: Ich heiße Sie also in Magdeburg und genauer in der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg herzlich willkommen. Es ist mir ein Bedürfnis, besonders die Teilnehmer und Gäste zu begrüßen, die vom Ausland her den weiten Weg zur mittleren Elbe nicht gescheut haben und die möglicherweise zum ersten Mal die Stadt Magdeburg und das Land Sachsen-Anhalt besuchen. Wir sind versammelt, um über Namen des Frühmittelalters als sprachliche Zeugnisse und als Geschichtsquellen zu sprechen. Unsere Tagung könnte nicht stattfinden, wenn sie nicht in großzügiger Weise von mehreren Seiten unterstützt worden wäre. Folglich komme ich einer angenehmen Pflicht nach, indem ich den Förderern zu Beginn meiner Ausführungen danke. Es sind dies: Die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die GerdaHenkel-Stiftung, das Kultusministerium des Landes Sachsen-Anhalt, die Kulturstiftung Kaiser Otto Magdeburg sowie die Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Es fügte sich glücklich, daß das Jahr 2007 in Deutschland als das Jahr der Geisteswissenschaften begangen wird. Folglich dürfen geisteswissenschaftliche Unternehmen wie das unsere mit einer erhöhten Aufmerksamkeit in der öffentlichen Wahrnehmung rechnen. Ich hoffe, daß diese Anteilnahme kein Strohfeuer bildet. Boshafte Gemüter könnten darauf verweisen, daß man am häufigsten von den Dingen spricht, denen man aus dem Wege gehen will. In der Tat ist die Stellung der Geisteswissenschaften gefährdet. Schon vor achtzig Jahren sagte der Philologe Ulrich von Wilamowitz-Möllendorf: „Heißt es zu schwarz sehen, wenn uns die Furcht ankommt, die Universitäten könnten auf einen ähnlichen Zustand herabsinken, wie er vor 1810 nur zu oft gewesen ist, so daß sie nur den nötigsten Wissensstoff übermittelten und an ein politisches Credo gebunden würden, schlimmer als einst an ein kirchliches … Droht uns nicht die Geistlosigkeit der spätantiken Rhetorik, neben der nur das im Grunde tote Wissen der sieben freien Kün-
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Matthias Springer
ste stand, das den Geist verliert, auch wenn Spezialisten im einzelnen noch so große praktische Erfolge haben.“ Heute wird man hinzufügen müssen, daß es auch ein wirtschaftliches Credo gibt. Nun brauchen Sie nicht zu fürchten, daß ich in Wehklagen ausbrechen wollte – so beliebt dieses Tun auch sein mag. Ich folge lieber dem Satz: „Wer sich beklagt, Verklagt sich selbst und seine eigne Torheit.“ (Grillparzer) Vielmehr möchte ich daran erinnern, daß die Geisteswissenschaftler selber das Heft in die Hand nehmen müssen, wenn sie ihre Fächer aus der Gefahr bringen wollen, völlig an den Rand gedrängt zu werden. Welche Öffentlichkeit soll sich nämlich um Wissenschaften kümmern, die sich nicht um die Öffentlichkeit kümmern und denen der Ruf anhaftet, nichts „praktisch“ Verwertbares hervorbringen zu können? (Ob dieser Ruf berechtigt ist, haben wir hier nicht zu untersuchen.) Ehemals hieß der Inhaber des Amtes, das einer heutigen C 4- oder W 3-Professur entspricht, „ordentlicher öffentlicher Professor“; und unsere Vorgänger waren sich durchaus der Verpflichtung bewußt, die aus einem solchen Amt folgte. Lassen Sie mich das einem Beispiel zeigen: Zu den Marksteinen der sprachwissenschaftlichen Forschung des 19. Jahrhunderts gehört August Schleichers Buch „Die deutsche Sprache“, das 1860 in der ersten Auflage erschien. In seinem Vorwort schrieb Schleicher: „Wäre es mir nicht geglückt, ein für jeden Gebildeten <…> zugängliches und brauchbares Werk zu schreiben, so müßte es als ein verfehltes bezeichnet werden …“ Können Sie sich vorstellen, daß ein heutiger Wissenschaftler ähnliche Worte in einer Vorrede schriebe? Der Ärmste sähe sich sofort dem Verdacht ausgesetzt, gar keinen Beitrag zur hehren Wissenschaft zu leisten und wohl gar der Langweiligkeit die Eigenschaft abzusprechen, ein Ausdruck der Wissenschaftlichkeit zu sein. Übrigens behandelte Schleicher keineswegs nur die deutsche Sprache. Vielmehr ging er von glottogonischen Fragestellungen aus. (Den Gegenstand glottogonischer Untersuchungen bildet die Entwicklung der Sprache und des Sprechens der Menschen überhaupt, also von der Zeit der ersten Menschen an.) Auf jeden Fall steht in Schleichers Buch viel mehr, als der Titel verspricht. Heute hat man beim Vergleich wissenschaftlicher Veröffentlichungen mit ihren Überschriften häufig das umgekehrte Erlebnis. Wir kehren aus dem 19. Jahrhundert in die unmittelbare Gegenwart – und mehr noch – in eben die Stadt zurück, in der wir uns befinden:
Eröffnungsvortrag
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Magdeburg wird von außen über das Mittelalter wahrgenommen. Bei Dresden oder Stuttgart, Potsdam oder Hannover ist das keineswegs der Fall. Man wird geradezu sagen dürfen, daß die Hauptstadt Sachsen-Anhalts mehr als jede andere der deutschen Landeshauptstädte in mittelalterlichen Bezügen erscheint. Auch beruft Magdeburg sich selber in zunehmendem Maße auf seine mittelalterlichen Wurzeln. Den deutlichsten Ausdruck dieses Sachverhalts bildet die hiesige „Kulturstiftung Kaiser Otto“, die 2003 gegründet wurde und die den Kaiser-Otto-Preis verleiht. Und mehr noch: Schon seit 1998 vergeben die Stadt Magdeburg und die Otto-von-Guericke-Universität zusammen den „Eike-von-Repgow-Preis“. Es ist mir ein besonderes Vergnügen, den ersten Inhaber dieses Preises, nämlich Herrn Eichler, als Teilnehmer unserer Tagung begrüßen zu dürfen. Die mittelalterlichen Bezüge ließen sich beliebig erweitern. Zum Beispiel richtete der Franziskanerorden schon 1228 eine Hochschule in Magdeburg ein, ein studium, wie die zeitgenössische Bezeichnung lautete. Hier wirkte seit 1231 der Bruder Bartholomäus. Während der vierziger Jahre schuf dieser Mönch eine Enzyklopädie, die Jahrhunderte in Gebrauch blieb und in der – soweit ich unterrichtet bin – noch Shakespeare nachschlug. Bartholomäus trug den Beinamen Anglicus. Das heißt, er stammte aus England wie Herr Insley, der jedoch leider nicht in Magdeburg, sondern in Heidelberg wirkt. Nun war Bartholomäus Anglicus nicht unmittelbar aus seiner Heimat nach Magdeburg gelangt, sondern über Paris, wo er als Hochschullehrer gearbeitet hatte, bevor es ihn von der Seine an die mittlere Elbe verschlug. Heute haben wir wie vor 775 Jahren die Ehre, Wissenschaftler, die aus Frankreich kommen, in den Mauern unserer Stadt empfangen zu dürfen: Frau Bourin sowie die Herren Beck und Chareille. Aus dem Gebiet Frankreichs im heutigen Sinne stammen die drei ältesten Nennungen des Namens Magdeburg. Die erste findet sich in einem Kapitular, das Karl der Große 805 zu Diedenhofen/Thionville erlassen hat. Zum selben Jahr und nochmals zu 806 sprach die Chronik von Moissac von Magdeburg. Dann verschwand der Ort für 130 Jahre aus der Geschichte. Wir richten unsren Blick auf Italien, woher Frau Arcamone den Weg zu uns gefunden hat. Vom 10. Jahrhundert bis zum Ende des Mittelalters tritt Magdeburg häufig in Beziehungen zu dem Land südlich der Alpen, so daß lange und viel darüber zu erzählen wäre. Nur an drei Dinge sei hier erinnert: Die 968 erfolgte Gründung des Erzbistums Magdeburg wurde 967 in Ravenna beschlossen. Von den mehr als sechzig Bischöfen, die das entsprechende Schriftstücke unterzeichneten, kamen nur zwei aus Deutschland. Die meisten anderen stammten aus Italien.
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Der Erzbischof Albrecht. II. von Magdeburg, der von 1205 bis 1232 regierte, bekleidete in Oberitalien die Würde eines Reichslegaten und war Graf der Romagna. Schließlich besteht noch heute in Magdeburg eine Ambrosiuskirche, wenn auch nicht mehr an ihrem ursprünglichen Platz. Das AmbrosiusPatrozinium ist in Deutschland außerordentlich selten. Der Name der Kirche läßt eine ungewöhnliche Verbindung zu Italien erkennen. Wenn man von Magdeburg nach Schweden blickt, woher Herr Andersson stammt, so gerät mit Sicherheit und an erster Stelle der König Gustav Adolf in unser Blickfeld. „Der Löwe aus Mitternacht“ gehört aber in die Neuzeit, über die wir nicht zu sprechen haben. Jedoch war schon 1368 ein schwedischer König in unmittelbare Beziehungen zu Magdeburg getreten. Es handelt sich um Albrecht „von Mecklenburg“, der damals den Hansestädten ihre Freiheiten in seinem Herrschaftsgebiet bestätigte. Unter den Orten, die in der Urkunde des Königs namentlich genannt werden, findet sich Magdeburg. Wir schauen wieder nach Westen: Antwerpen, das nach heutigen Begriffen in Belgien liegt und Herrn Van Loons Arbeitsstätte bildet, ist mit der weitreichenden Tätigkeit des Norbert von Xanten (oder von Gennep) verbunden, der den Orden der Prämonstratenser gründete und von 1126 bis 1134 Erzbischof von Magdeburg war. Während des Jahres 1124 hatte Norbert „sein erstes Stift in einer Stadt“, nämlich „St. Michael in Antwerpen“ erhalten. In der frühen Neuzeit wurde er „nicht nur zu einem der Nebenpatrone der Stadt Antwerpen, sondern auch zu einem Apostel der Niederlande.“ Damit trat er neben die Heiligen Eligius und Willibrord, so daß wir einen Verbindungsfaden ins Frühmittelalter knüpfen könnten, wenn wir genügend Zeit hätten. Zwischen Österreich, also Herrn Härtels, Herrn Reicherts sowie Herrn Grünzweigs Heimat, und Magdeburg bestand im 12. Jahrhundert ein sehr enger Zusammenhang, denn der doch wohl bedeutendste der hiesigen Erzbischöfe, nämlich Wichmann (1152–1192), war „der zweite Gründer“ des Klosters Seitenstetten in Niederösterreich. Es sei daran erinnert, daß auch die Stadt Wien, bevor sie ein eigenes Bundesland bildete, in Niederösterreich (oder Österreich unter der Enns) lag. Damit mein Schweifen in der Ferne nicht den Verdacht erweckt, ich würde die Nähe mißachten, sei schließlich erwähnt, daß Leipzig, Frau Bilys und Herrn Eichlers Arbeitsort, bereits zwischen 1161 und 1170 mit dem Magdeburger Stadtrecht bedacht wurde. Indem der Begriff des Magdeburger Rechts fällt, könnten wir die Veranlassung finden, unsere Betrachtungen bis nach Witebsk auszudehnen. Diese Stadt liegt immerhin 1400 km von Magdeburg entfernt, aber nur 475 km von Moskau. Die Selbstzucht
Eröffnungsvortrag
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zwingt mich, die Namen all der Städte zu verschweigen, die längs jener 1400 Kilometer mit dem Magdeburger Recht versehen worden sind. Über Regensburg, Herrn Greules Universitätsort, wäre im gegebenen Zusammenhang auch allerhand erzählen. Ich begnüge mich mit einem einzigen Beispiel: 961 empfing Otto I. dort die Gebeine des heiligen Mauritius, die er feierlich nach Magdeburg geleiten ließ. Als der König 937 hier das Moritzkloster gegründet hatte, mußte er sich mit dem Leib des Innozentius begnügen. Von diesem Blutzeugen aus der Thebaischen Legion hatte man bis dahin wenig gehört. Auf jeden Fall führt die Verehrung dieses Heiligen nach St. Moritz/St. Maurice in der Schweiz, während des 10. Jahrhunderts natürlich ins Königreich Burgund. Ich übergehe die Verbindungen zu den Wirkungsstätten der Sitzungsleiter. Jedenfalls dürfte klar sein, daß gesamteuropäische Bezüge sich aus der mittelalterlichen Geschichte Magdeburgs mühelos ergeben und daß sie nicht an den Haaren herbeigezogen werden müssen. Man wird also sagen können, daß Magdeburg aus einem Lehrstuhl für Geschichte des Mittelalters an ihrer Universität Nutzen zieht, denn er dient dem Ansehen der Stadt. Indem ich das sage, bekenne ich mich zu Goethes Spruch: „Nur die Lumpe sind bescheiden. Brave freuen sich der Tat.“ Die Angelegenheit hat jedoch auch eine ernste Seite: Mit dem Ende dieses Semesters trete ich in den Ruhestand; und mehrere Jahre sah es aus, als ob mein Lehrstuhl ersatzlos wegfallen sollte. Neuerdings haben sich die Dinge jedoch zum Besseren gewendet: Meine Nachfolge ist ausgeschrieben, wenn auch nur als W 2-Professur. Der Wegfall der Mittelalterforschung in Magdeburg wäre nicht nur dem Ansehen der Landeshauptstadt abträglich, sondern auch dem des Landes, denn es bestehen in Sachsen-Anhalt überhaupt nur zwei Mittelalterprofessuren: die meine hier und die in Halle. Hoffen wir also, daß die Vernunft und die Selbstachtung siegen und der Universität Magdeburg die Mittelalterforschung erhalten bleibt! 2007 heißt also das „Jahr der Geisteswissenschaften“. Diese Bezeichnung trägt den Untertitel: „Sprachen des Menschen. Wort – Bild – Gedächtnis.“ In eben diesen Rahmen fügt sich die Überschrift unserer Tagung: „Namen des Frühmittelalters als sprachliche Zeugnisse und als Geschichtsquellen“. Daß die Namen Bestandteile der Sprache sind, wird man nicht bestreiten wollen. Und daß in allen Sprachen der Welt Namen vorkommen, dürfte auch nicht zu bezweifeln sein. Eine andere Frage ist die, ob in allen
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Sprachen der Welt die Namen oder wenigstens die Personennamen als eine besondere Wortart vertreten sind. Es können nämlich ganze Sätze als Namen gebraucht werden, zum Beispiel dann, wenn Sie Ihren Sohn „Fürchtegott“ nennen. „Fürchtegott“ ist ein Satz. Damit die anwesenden Linguisten nicht unruhig auf den Stühlen hin und her rutschen, bemerke ich im selben Atemzug, daß Fürchte Gott! nicht nur ein Satz, sondern sogar ein Text ist. Den Nichtlinguisten habe ich zu erläutern, daß der Begriff des Textes hier gleich dem Begriff der obersten sprachlichen Einheit ist, also gleichermaßen Gesprochenes wie Geschriebenes erfaßt. Man könnte die oberste sprachliche Einheit auch mit dem Wort die Äußerung bezeichnen; und das wäre sogar besser, aber es ist nicht üblich. Auf jeden Fall bildet die Namenkunde einen Teil der Sprachwissenschaft. Die Namenkunde ist gewiß derjenige Teil der Sprachwissenschaft, der unter Laien am ehesten Aufmerksamkeit erweckt. Jeder will wissen, was sein Name bedeutet. Jeder will wissen, was der Name seines Wohnorts bedeutet – und so weiter. Nun bildet die Suche nach der ursprünglichen Bedeutung und nach der vormaligen Lautgestalt eines Namens oder sonst eines Wortes, also die Etymologie, ohne Zweifel einen Bestandteil der Namenkunde. Doch beschränkt sich die Namenkunde nicht auf die Etymologie. Zumindest sollte sie es nicht tun. Sei es, wie es sei: Unzweifelhaft entspricht die Beschäftigung mit den Namen den Forderungen des Jahrs der Geisteswissenschaften, die Aufmerksamkeit den Sprachen zuzuwenden. Wie steht es nun mit der Geschichte? Das Wort kommt im Untertitel des Jahrs der Geisteswissenschaften nicht vor. Doch brauchen wir keine Angst zu haben, daß die Geschichte nicht dazu gehöre. Wer sich mit der Vergangenheit beschäftigt, betätigt sich als Historiker – einerlei, ob er sich dessen bewußt ist oder nicht. Nun haben wir gesehen, daß die Etymologie nach vergangenen Formen und Bedeutungen sucht. Zumindest dieser Teil der Sprachwissenschaft – die Etymologie meine ich – ist also zugleich eine geschichtliche Wissenschaft. Im Untertitel des Jahrs der Geisteswissenschaften erscheint auch das Wort Gedächtnis. Was soll das bedeuten? Ist gemeint, daß die Sprache ein Gedächtnis wäre oder ein Gedächtnis enthielte? Oder ist gemeint, daß wir mit Hilfe der Sprache zum Gedenken kommen können, also zu einer Erinnerung? Gehen wir davon aus, daß das letzte gemeint sei. Im Begriff des Gedenkens liegt der Begriff der Vergangenheit beschlossen. Der Zukunft wird man schwerlich gedenken können. Sie dürfte nur zu bedenken sein. Wenn ich vermittels der Sprache zum Gedenken, also zur Erinnerung komme, gelange ich mit Hilfe der Sprache zu einer Kenntnis
Eröffnungsvortrag
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der Vergangenheit. Das heißt, die Sprache bildet eine Geschichtsquelle. Für den Historiker liegt darin nichts Verwunderliches, denn in der Geschichtsforschung gilt der Satz: „Alles ist Quelle“. Die Namen der Vergangenheit bilden jedoch oftmals Quellen besonderer Art. Wir wollen es uns am Beispiel der Elbe veranschaulichen: Der Name des Flusses wird zuerst in der Zeit um Christi Geburt genannt, und zwar von dem griechischen Geographen Strabo. Bevor Schriftwerke an der Elbe selbst geschaffen wurden, sollten noch achthundert oder neunhundert Jahre vergehen. Das heißt, Jahrhunderte bevor ein Land selber Aufzeichnungen hervorbrachte, konnten seine Namen überliefert werden. Es geht aber noch weiter: Der Name Magdeburg kommt zuerst im Jahre 805 vor. Das bedeutet ganz und gar nicht, daß der Name damals erst geschaffen worden wäre. Nach aller Wahrscheinlichkeit konnte er zur Zeit seiner ersten Erwähnung bereits auf ein mehrhundertjähriges Leben zurückblicken. Unsere Erkenntnis läßt sich erweitern: Die meisten der Namen, die in den frühesten Schriftwerken überhaupt erscheinen – ich denke an ägyptische Hieroglyphen oder an Keilschriften – waren zur Zeit ihrer ersten Niederschrift längst in Gebrauch. Die Namen der Vergangenheit gleichen den Funden von Knochen, aus denen die Biologen den Körperbau riesiger, längst ausgestorbener Tiere erschließen. Die Historiker erschließen aus dem Vorkommen bestimmter Namen die Wanderungen ganzer Völker. Ob die biologischen und die geschichtlichen Schlüsse immer fehlerfrei sind, bleibe dahingestellt. Die Auswertung der frühmittelalterlichen Namen setzt das Zusammenwirken von Historikern und Sprachwissenschaftlern voraus. Sie beruht auf einer fächerübergreifenden Zusammenarbeit. Damit sind wir bei einem Schlagwort der gegenwärtigen Wissenschaftspolitik angekommen: der „Transdisziplinarität“. Ich kann das Wort kaum aussprechen. Der wehklagende Ruf nach der Zusammenarbeit unterschiedlicher Fachgebiete hat etwas Befremdliches. Wie soll die Forschung sonst vorankommen? „Isolieren ist der Tod Wissenschaft“, sagte Eduard Norden, einer meiner geistigen Großväter. Geistige Väter und Großväter kann man in beliebiger Anzahl haben, ohne daß die Sittlichkeit leidet. Die Erwähnung des notwendigen Zusammenwirkens verschiedener Fachgebiete soll mir die Brücke zum letzten Teil meiner Ausführungen bilden. Die Tagung, zu der wir uns zusammengefunden haben, findet ihre geistigen und persönlichen Grundlagen in der der Forschergruppe „Nomen et gens“. Diese Arbeitsgemeinschaft, die immerhin auf ein siebzehnjähriges Dasein zurückblicken kann, beruht eben auf der fächerübergreifenden Zusammenarbeit. Sie vereint Althistoriker und Mittelalterforscher, Germa-
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nisten, Romanisten und Slawisten. Es sei nicht verheimlicht, daß diese Arbeitsgemeinschaft zugleich eine menschlich angenehme, ich darf sagen: freundschaftliche Gemeinschaft bildete. Unser Magdeburger Treffen stellt insofern einen Einschnitt dar, als zum letzten Mal die im Dienst befindlichen Professoren die Mehrzahl der Forschergruppe „Nomen et gens“ bilden. In sechs Monaten werden sie in der Minderzahl sein. Die gegenwärtige Tagung wird auch dazu dienen, Grundlagen für die zukünftige Arbeit mit dem Namengut des Mittelalters zu schaffen, und zwar sogar auf einer erweiterten Grundlage. Zum Schluß möchte ich allen danken, die an der Vorbereitung mitgewirkt haben. Ich nenne zuerst meinen verehrten Freund Dieter Geuenich, der die Verbindung mit den ausländischen Partnern hergestellt hat, die seiner Einladung gern gefolgt sind. Zweitens drängt es mich, nachdrücklich hervorzuheben, daß die Zusammenarbeit mit meinem verehrten germanistischen Fachgenossen Professor Albrecht Greule als dem Mitveranstalter der Tagung trotz der großen Entfernung zwischen Regensburg und Magdeburg völlig reibungslos und zeitsparend verlaufen ist. Drittens wende ich mich meiner unmittelbaren Umgebung zu: Meine geschätzte Sekretärin Frau Fischer hat als Leiterin des Organisationsbüros die Zügel ständig fest in der Hand gehalten und vor allem auch die finanziellen Angelegenheiten, die nicht immer ganz leicht zu handhaben sind, mit Umsicht und Geschick geregelt. Im Zusammenhang mit der organisatorischen Vorbereitung muß unbedingt auch der Einsatz meiner wissenschaftlichen Hilfskräfte genannt werden. Nach dem ABC geordnet sind das Herr Anders, Herr Kannmann, Herr Schulze und Herr Stollberg. So möchte ich denn unserer Tagung einen reibungslosen Verlauf und allen Gästen einen angenehmen Aufenthalt in Magdeburg wünschen.
Namen des Frühmittelalters – RGA-E Band 66 – Seiten 9–25 indogermanischem Hintergrund © Copyright Germanische 2009 Walter dePersonennamen Gruyter · Berlinvor · New York
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Germanische Personennamen vor indogermanischem Hintergrund Thorsten Andersson
Einführung Etwas zögernd habe ich die Einladung angenommen, auf dieser Tagung über germanische Personennamen zu sprechen. Dem, was ich schon veröffentlicht habe (Andersson 1990, 1998, 2003, 2005b), habe ich wenig hinzuzufügen. Gelegentlich lässt sich allerdings die Analyse etwas vertiefen. Vor allem sind in der letzten Zeit Beiträge erschienen, die die Stellung der Frau in der nordischen Wikingerzeit in einer Weise beleuchten, die auch für die Personennamenforschung von Gewicht ist. Genderspezifische Fragen spielen in der Anthroponomastik immer eine wesentliche Rolle1, nicht zuletzt in der Beurteilung germanischer Frauennamen. Zunächst möchte ich hier die Gelegenheit wahrnehmen, auf zwei neue nordische Namenbücher hinzuweisen, die die urnordischen Personennamen bzw. die Personennamen der wikingerzeitlichen Runeninschriften behandeln. Diese Namenbücher, die für das Studium des alten nordischen Personennamenschatzes einen enormen Fortschritt bedeuten, sind beide von Lena Peterson, führender nordischer Personennamenforscherin und Runologin, geschaffen worden. Das wikingerzeitliche Lexikon, „Nordiskt runnamnslexikon“, liegt seit dem Jahr 2000 in einer Internetversion vor; eine vierte Auflage ist 2002 zusätzlich als CD-ROM erschienen, und gedruckt liegt die fünfte Auflage seit 2007 vor (Peterson 2002, 2007a). Das Buch enthält die Eigennamen der wikingerzeitlichen nordischen Runeninschriften, und zwar die zahlreichen Personennamen (über 1 500 Namen), die wenigen Ortsnamen (139 Namen) sowie einige Namen mythischer Gestalten, christlicher Zentralgestalten und Heiliger. Das Lexikon der urnordischen Personennamen, „Lexikon över urnordiska personnamn“, liegt seit 2004 vorerst nur im Internet vor (Peterson 1
Grundsätzlich dazu Brylla 2001.
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Thorsten Andersson
2004). Es umfasst die Zeit von Christi Geburt bis ca. 700, also etwas mehr als die Zeit, die wir gewöhnlich „urnordisch“ nennen (ab ca. 200; s. näher Andersson 2005a, 129, 2006, 559 f.). Hauptquellen sind die urnordischen Runeninschriften (96 Namen). Als Ergänzung sind die nordischen Ortsnamen auf -lev (= dt. -leben), die zum großen Teil mit Personennamen zusammengesetzt sind, sowie das altenglische Beowulf-Gedicht, das ja skandinavische Verhältnisse schildert, herangezogen. Die Ortsnamen sind für die Ermittlung alter Personennamen eine unentbehrliche Quelle, wie es Albrecht Greule (1997, 2002) für den Kontinent hervorgehoben hat, und die -lev-Namen bilden einen gelungenen Anfang. Am allerwichtigsten, nicht nur für die nordische, sondern überhaupt für die germanische Forschung ist die Aufarbeitung des Personennamenbestandes der ältesten Runeninschriften, da es sich hier um sehr frühe Originalurkunden handelt. Das Lexikon kann auch als eine bescheidene Ergänzung zum deutschen Projekt „Nomen et gens“ und zum österreichischen Projekt „Studien zur altgermanischen Namenkunde“ (Nedoma 2002) betrachtet werden. In der alten germanischen Gesellschaft herrschte bekanntlich Einnamigkeit. Die Individualnamen konnten wie alle Eigennamen in drei verschiedenen Weisen gebildet werden: durch Proprialisierung vorhandener Wörter, durch Ableitung und durch Zusammensetzung. Die Proprialisierung von Appellativen und Adjektiven dürfte in allen Kulturen die ursprünglichste Art der Personennamenbildung sein. So gebildete Namen machen eine heterogene, zeitlose Gruppe aus, die auf der ganzen Welt Entsprechungen hat. Sie sind etwa mit Beinamen zu vergleichen, die heute noch oft durch Umfunktionierung von Wörtern des normalen Wortschatzes entstehen. Historisch gesehen haben sich ja auch Beinamen nicht selten zu Individualnamen entwickelt (Andersson 2003, 589 f., 604). Urnordische Personennamen, die durch Proprialisierung entstanden sind, sind z. B. die in Runeninschriften belegten Brai&o¯ f. ‚die Breite‘, Hrab–naz m. ‚Rabe‘ und Wakraz m. ‚wacker‘ (vielleicht ursprüngliche Beinamen; Peterson 2004, 7, 11, 18). Morphologisch deutlicher tritt der Charakter eines Eigennamens in Ableitungen hervor, z. B. *Swartingaz m. (Swerting; Beowulf) ‚der Schwarze‘, Waian- m., zu awn. veig f. ‚Kraft‘ (Peterson 2004, 40, 18). Die Bildung von Personennamen durch Proprialisierung ist ursprünglich auch für das Urindogermanische anzunehmen. Allmählich entwickelt sich aber im Indogermanischen der charakteristische Personennamentyp der zweigliedrigen oder dithematischen Namen. Dieser Namentyp, der somit als gemeinindogermanisch zu betrachten ist, ist u. a. für den germanischen Personennamenschatz kennzeichnend. Der zweigliedrige Namentyp, der ursprünglich in den hohen und höchsten Gesellschaftsschichten zu Hause war, sich aber zu immer weite-
Germanische Personennamen vor indogermanischem Hintergrund
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ren Kreisen verbreitete, ist, wie Gottfried Schramm in seiner bahnbrechenden Arbeit „Namenschatz und Dichtersprache“ (1957) gezeigt hat, aus Mannbezeichnungen oder Heldenepitheta der indogermanischen und germanischen Heldendichtung entstanden. Schramm knüpft dabei an eine alte Vorstellung des nahen Zusammenhangs zwischen Dichtung und Personennamen an, die u. a. bei Andreas Heusler (1943, 16 f.) und Edward Schröder (1944, 8) zum Ausdruck kommt. Bekannt ist Schröders Äußerung, dass „der Name selbst <…> ein konzentrierter poetischer Heilwunsch“ sei. Später ist die nahe Verwandtschaft zwischen Dichtung und Personennamen von indogermanistischer Seite nachdrücklich unterstrichen worden (Schmitt 1968a, 5, 1973, 1991). Schramm macht in seiner Untersuchung eingehende Vergleiche sowohl mit der griechischen Dichtung, der Ilias und der Odyssee, als auch mit der germanischen Dichtung, dem Beowulf-Epos und altwestnordischen Preisliedern. Ursprünglich bestehen die zweigliedrigen Namen aus sinnvollen Zusammensetzungen. Diese können aus dem nicht-proprialen Wortschatz übernommen oder neu gebildet sein. Dieselbe poetische Ausdrucksweise kann auch sowohl in Dichtung wie in Personennamen unabhängig voneinander erscheinen. Es kann durchaus ein Zufall sein, dass zwei Namen einer nordischen Häuptlingsfamilie des 7. Jahrhunderts, Hariwulfr und Heruwulf r, in überlieferter germanischer Dichtung Entsprechungen haben, ein dritter Name der Familie, Haquwulfr, dagegen nicht (vgl. Andersson 2003, 592). Die Grundstruktur mit sinnvollen Namen ist dann allmählich durch die Variation der Namenglieder gestört worden. Die sinnvollen Zusammensetzungen werden im Anschluss an Otto Höfler (1954) bekanntlich Primärkombinationen genannt, im Gegensatz zu den nicht-sinnvollen Sekundärkombinationen, z. B. ae. Wulfsta¯ n ‚Wolfstein‘ aus Gliedern der Namen der Eltern, Æthelsta¯ n und Wulfgeva (Höfler 1954, 27, 30). Eine Komplikation dieser Unterscheidung besteht darin, dass auch Variationsnamen durchaus sinnvoll sein können. Das ist z. B. mit den gotischen Fürstennamen Theodericus, Fredericus, Euricus und Alaricus der Fall, deren wörtliche Bedeutung, ‚Volksherrscher‘, ‚Friedensherrscher‘, ‚ewiger Herrscher‘ bzw. ‚Allherrscher‘, zweifellos beabsichtigt war (Andersson 2003, 593, 605). Die Grenze zwischen Primär- und Sekundärkombinationen ist also keinesfalls scharf. Personennamen wie urn. Hrab–naz oder Waian-, die durch Proprialisierung oder Ableitung entstanden sind und die wir als eingliedrig oder monothematisch zusammenfassen können, machen oft einen größeren Anteil des Personennamenschatzes aus als die zweigliedrigen (s. dazu Pulgram 1947, 1960). Unter den von Peterson verzeichneten 96 Personennamen der urnordischen Runeninschriften ist nur etwa ein Drittel zweigliedrig.
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Thorsten Andersson
Die spezifisch indogermanische und germanische Personennamenstruktur kommt aber, wie gesagt, vornehmlich eben in den zweigliedrigen Namen zum Ausdruck2. Die indogermanische zweigliedrige Namenstruktur lebt im Germanischen nur zum Teil weiter. Teils wird dabei die indogermanische Tradition gut bewahrt, teils wird mit ihr aber radikal gebrochen. Die indogermanische Semantik bleibt, die Morphologie nicht.
Semantik: indogermanische Grundzüge Grundlegende semantische Komponenten der indogermanischen Personennamen sind Religion, Kampf und Ruhm sowie Sippengefühl. Die Bedeutung der Religion, d. h. der Beziehung des Menschen zu höheren Mächten, scheint für die Anthroponymie der Welt ein universaler Zug zu sein. Theophore Namen sind für den germanischen Personennamenschatz charakteristisch (Andersson 2003, 594 f., 2005b, 448 ff.). Germ. *ansu- m.3 und *gu&a- n., die häufigsten Bezeichnungen germanischer Gottheiten, kommen als Erstglied zahlreicher Namen vor, z. B. urn. A(n)sugastiz, ogot. Guduin (Zweitglied: ‚Gast‘ bzw. ‚Freund‘). Dazu treten im Nordischen einzelne Götternamen, praktisch nur awn. Freyr und Qórr, als Erstglied auf. Göttinnennamen kommen in dieser Funktion nicht vor, was aber weniger auffällt, da die Erstglieder Frey- und Qór- offensichtlich eine sekundäre Entwicklung darstellen (Andersson 2003, 595, 2005b, 449). In Bezug auf Genderunterschiede ist es wichtiger, auf Personennamen, ursprüngliche Beinamen, hinzuweisen, die die pagane Priesterschaft bezeichnen. Beispiele sind awn. Véseti m., eigentlich ‚einer, der am Heiligtum (vé n.) „sitzt“, d. h. dem Heiligtum vorsteht‘, und – wahrscheinlich – adän. Guthir (awn. *Gu&vér) m., dessen Zweitglied, awn. -vér, -vir, mit got. weiha m. ‚Heiliger, Priester‘ zusammenzuhalten ist (Andersson 2003, 602). Entsprechende feminine Bildungen fehlen, obwohl das Altwestnordische durchaus gy&ja f. ‚Priesterin‘ neben go&i m. ‚Priester‘ (zu go& ‚Gott‘) kennt. Dieser anthroponymische Gegensatz soll aber nicht übertrieben werden. Die Bedeutung der Frau innerhalb der vorchristlichen religiösen Sphäre scheint z. B. durch den Frauennamen awn. Gu&rún hervorzugehen, der sich – als Primärkombination betrachtet – als ‚eine, die die rúnar, d. h. die Geheimnisse oder die geheimen Kenntnisse der Götter, besitzt‘ verstehen lässt (Andersson 2003, 594). 2 3
Zur Terminologie vgl. Andersson 2003, 593 f. mit Hinweisen. Zur Stammbildung s. Bammesberger 1996.
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Das Sippengefühl kommt in den Personennamen in unterschiedlicher Weise zum Ausdruck. Indogermanisches Erbe ist die Variation, durch die die Bindung innerhalb der Familie und der Sippe ausgedrückt wird. Ein Beispiel, ae. Wulfsta¯ n, gebildet aus Gliedern der Namen der Eltern, ist schon genannt worden, ein anderes ist die althochdeutsche Generationsreihe Heribrant, Hiltibrant, Hadubrant (Andersson 2003, 604 f.). Die Variation ist eben eine geniale Erfindung, um mit Hilfe der Namen die Verwandtschaft auszudrücken; Otto Höfler (1954, 26) spricht von Sippenkombination. Beachtenswert ist dabei, dass die Namenglieder der Mütter dieselbe grundlegende Rolle spielen wie die der Väter, was mit der späteren überwältigenden Dominanz der Patronymika den Metronymika gegenüber zu vergleichen ist. Die Variation kann als partielle Nachbenennung aufgefasst werden und wird im Laufe der Zeit weitgehend eben durch Nachbenennung innerhalb der Familie ersetzt. In Skandinavien ist Nachbenennung nach Verwandten in der Wikingerzeit das vorherrschende Namengebungsprinzip. Zusätzlich zu der aus dem Indogermanischen ererbten Variation kann im Germanischen die familiale Bindung auch durch Alliteration ausgedrückt werden. Der Stabreim ist ja eine germanische Neuerung, die die Verlagerung des germanischen Akzentes auf die Stammsilbe voraussetzt. Beispiele sind – mit Variation kombiniert – die drei gerade genannten Namen Heri-, Hilti-, Hadubrant. Während die Religion eine universale Rolle zu spielen scheint, hängt die Bedeutung der Zusammengehörigkeit der Familie von der jeweiligen Gesellschaftsstruktur ab. Die Namenbindung zwischen Generationen ist natürlich für Gesellschaften mit Fokus auf Abstammung, während andere Gesellschaften in den Personennamen stärker die Individualität hervorheben können. Die indogermanische Gesellschaft fokussiert die vertikale Verwandtschaft, wie es die Anthropologen ausdrücken (Andersson 2003, 609). Dass diese Verwandtschaft durch die Anknüpfung der Kinder an ältere Generationen ausgedrückt wird, ist bei uns natürlich, während in anderen Kulturen – in einer kürzeren Zeitperspektive – Benennung nach den eigenen Kindern, d. h. durch Teknonymika (‚NN:s Mutter, Vater‘), üblich ist. Während Religion und Abstammung in der Anthroponymie globale Verbreitung haben, ist die Einrichtung auf Kampf und Ruhm typisch für die indogermanischen und germanischen Personennamen. Als Vergleich sei auf die urfinnische Namenstruktur, so wie sie sich im Ostseefinnischen äußert, hingewiesen. Sie zeichnet sich durch Begriffe wie Liebe, Güte, Freude, Anmut, Schönheit, Hoffnung aus, Begriffe, die im Germanischen vom heroischen und kriegerischen Inhalt der Personennamen überschattet
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werden (Stoebke 1964, 148, Andersson 2003, 610, Saarelma-Maunumaa 2005, 159 f.). Die musterbildenden Heldenepitheta der indogermanischen Personennamen stammen aus der Heldendichtung, z. B. der Ilias und der Odyssee. Den vornehmlichsten Gegenstand der heroischen Dichtung stellen die $, d. h. ‚die Rühme der Männer‘, dar (Schramm 1957, 117 f., Schmitt 1968a, 8, 1968b, 341 f., von See 2006, 14). Griech. « n. ‚Ruhm‘ ist der Kernbegriff der indogermanischen Heldendichtung, und dieses Wort nimmt eine entsprechende Stellung in der indogermanischen Anthroponymie ein. Sowohl Heldendichtung wie Heldennamen sind durch den Wunsch nach « Ν ‚unvergänglicher, unverwelklicher Ruhm‘ gekennzeichnet. Namenbeispiele sind griech. E«/-« (zu « ‚wohlberühmt‘), M«/-« (zu « ‚großer Ruhm‘) und ähnliche vedisch-indoarische Namen. Zu dieser Namengruppe gehört sicherlich auch germ. Hlewa-, u. a. in Hlewagastiz auf dem Horn von Gallehus, das dann in griech. K « eine direkte semantische Entsprechung hat (Andersson 1998, 21 f., 2003, 592). Ein anderes Namenelement mit der Bedeutung ‚Ruhm‘ ist awn. hró&r m., z. B. in urn. *Hro¯ qiwal&az (s. unten). Im Mittelpunkt steht primär der Ruhm, und der Ruhm war in der alten Gesellschaft in erster Linie eben durch kriegerischen Kampf zu erzielen – in dieser Weise haben Achill und Beowulf ihren Ruhm erworben. Ich glaube, man hat etwas zu stark den kriegerischen Charakter germanischer Namen betont. Die Menge von Kampfwörtern, awn. bo˛& f., gunnr f., hildr f., víg n., wahrscheinlich leikr m. (vgl. Sonderegger 1997, 14), und von Waffenbezeichnungen, brandr m. ‚Schwert‘, geirr m. ‚Speer‘ u. a., gibt den germanischen Personennamen ein durchaus kriegerisches Gepräge, aber es ging, so wie ich es sehen möchte, nicht so sehr um den Kampf des Kampfes wegen, sondern um den Kampf des Ruhmes wegen. „Kampfberühmt“ ist ein zentraler Personennamenbegriff in mehreren indogermanischen Sprachen (Naumann 1912, 637, Andersson 1998, 18 f.). Eine gewisse Bestätigung findet diese Auffassung bei einem Vergleich mit den griechischen Personennamen. Auch in diesen sind zwar die kriegerischen Namenglieder hervortretend, aber daneben kommen – in der fortgeschritteneren Zivilisation der Griechen – Glieder vor, die sich ganz allgemein auf Führerschaft und Teilnahme am politischen Leben beziehen. Dies wird sowohl in den frühen Darstellungen von Fick/Bechtel (1894, 13 f.) und Solmsen/Fraenkel (1922, 113 ff., 154) als auch in einem späteren Beitrag von Ernst Pulgram (1947, 201) unterstrichen. Solmsen/Fraenkel (1922, 114 f.) verzeichnen in ihrem bekannten Überblick über verschiedene Sparten des griechischen Personennamenschatzes zunächst eine Gruppe „Mannhaftig-
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keit, Wahrhaftigkeit, Kraft, Mut“, darunter „Ausdrücke für Kampf, Heer, Sieg“, dann aber auch eine Gruppe „Herrschaft und Führung des Volkes in Krieg und Frieden, in Rat und Tat“, z. B. #A « (‚führen‘ + ‚Volk‘), « (‚Volk‘ + ‚Führer‘), K (Zweitglied: ‚waltend‘). Entsprechende Beispiele finden sich nicht so leicht im germanischen Personennamenschatz. Solmsen/Fraenkel (1922, 158) erwähnen zwar neben den charakteristischen germanischen Namen kriegerischen Inhalts auch Namen aus dem Bereich „des Friedenlebens“, die „waltende Tätigkeit des Herrschers, seine Macht, den klugen Rat in der Versammlung“ ausdrücken, aber diese Namen, u. a. solche auf dt. -rat, -wald, sind allgemeinerer Art als die genannten griechischen. Was die Häufigkeit betrifft, mag dazu noch erwähnt werden, dass der Personennamenschatz der urnordischen Runeninschriften neben zahlreichen kriegerischen Namen nur ein paar Beispiele auf -ra¯ &az, -wal&az enthält: Frawara¯ &az, Haira¯ &az, *Hro¯ qiwal&az (Peterson 2004, 8, 9, 12; für *Hro¯ qi- vgl. oben). Wir stoßen hier auf semantische Probleme der vergleichenden indogermanischen Personennamenforschung, die durch Vertreter der verschiedenen Philologien noch näher zu untersuchen und durch Indogermanisten vergleichend zu studieren wären (Andersson 1998, 18 f.). Der kriegerische Zug, der für germanische Männernamen charakteristisch ist, ist auch für germanische Frauennamen kennzeichnend, allerdings mit der schon von Edward Schröder (1944, 10) bemerkten Einschränkung, dass Waffenbezeichnungen als Zweitglied in Frauennamen fehlen. Die Beurteilung der Frauennamen kriegerischen Inhalts gehört zu den interessantesten, gleichzeitig aber auch schwierigsten Fragen germanischer Personennamenforschung. Ehe wir uns ihnen zuwenden, ist es nötig, einen Blick auf die Morphologie indogermanischer und germanischer Personennamen zu werfen.
Morphologie In Personennamen, die durch Proprialisierung entstanden sind, stimmen normalerweise Geschlecht und Genus überein: feminine Substantive werden als Frauennamen, maskuline als Männernamen gebraucht, und von Adjektiven werden je nach Geschlecht verschiedene Flexionsformen benutzt. Urnordische Beispiele dieser normalen Verteilung sind schon genannt worden, der Frauenname Brai&o¯ , die Männernamen Hrab–naz und Wakraz. Dieselbe Struktur eingliedriger Namen finden wir im Griechischen. Zu Tier- und Pflanzenbezeichnungen gehören z. B. Frauennamen wie M ‚Myrte‘, ‚Löwin‘ und Männernamen wie 5A «
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‚Weinstock‘, ‚Löwe‘. Auf Abstrakta gehen Frauennamen wie ! ‚Nachdenken‘ zurück, während Männernamen wie K « ‚Herrscher‘ Standesbezeichnungen als Ursprung haben (Solmsen/Fraenkel 1922, 133 f.; s. weiter Fick/Bechtel 1894, 314 ff.). Diese natürliche Verteilung maskuliner und femininer Wörter ist bekanntlich auch für die Zweitglieder germanischer zweigliedriger Personennamen kennzeichnend. Neben Männernamen wie awn. Gu&brandr, Vígleikr (s. oben), Qorsteinn (steinn m. ‚Stein‘) stehen Frauennamen wie Hildigunnr, Gunnhildr, Gu&rún (s. oben). Edward Schröder (1944, 5 f., 22 ff.) betrachtete diese Verteilung als ursprünglich, was sich als unhaltbar herausgestellt hat. Nach Gottfried Schramms überzeugender Darstellung (s. oben) wurden die indogermanischen zweigliedrigen Frauennamen ursprünglich durch Movierung entsprechender Männernamen oder Zweitglieder gebildet, und zwar durch o¯ - bzw. ¯ı-/io¯ -Stammbildung (vgl. Sonderegger 1997, 17 f.). Griechische Beispiele sind #A! zu #A «, - (< *-j), z. B. in #I , zu -« ‚geboren‘ (Andersson 2003, 596). Alexandra hat dann etwa die Bedeutung ‚mit dem heldenhaften Männernamen Alexander zusammengehörig‘. Deutlicher kann die Abhängigkeit der Frau vom Mann kaum ausgedrückt werden. Diese Bildung von Frauennamen spiegelt gut die Welt der Ilias wider, in der die Männer Helden sind und die Frauen vor allem als Kriegsbeute dienen, darunter Helena und auch Briseis, um die sich Achill und Agamemnon streiten. Reste der indogermanischen Art der Bildung von Frauennamen durch Movierung kommen im Altnordischen vor, was aber Schröder (1944, 6) nicht gebührend berücksichtigte. Awn. -laug f. und -leif f. betrachtet Schramm als feminine Movierungen, germ. *-lauo¯ zu *-lauaz (zu got. liugan ‚heiraten‘, eigentlich ‚eine eidliche Verbindung eingehen‘) bzw. germ. *-laib–o¯ zu *-laib–az ‚Nachkomme, Spross‘. Wichtig aus indogermanischer Sicht sind besonders die ¯ı-/io¯ -Movierungen awn. -elfr f. zu -alfr m. ‚Elf (Naturgeist)‘, -ger&r f. zu -gar&r m., eigentlich ‚Zaun‘, von Schramm als Fürstenmetapher aufgefasst (Andersson 2003, 596 mit Hinweisen). Die im Germanischen vorherrschende Verteilung der Zweitglieder zweigliedriger Personennamen ist als morphologische Neuerung zu betrachten. Vom Gesichtspunkt der Gleichstellung zwischen Frau und Mann aus betrachtet, kann dies als ein Fortschritt angesehen werden, der allerdings dadurch relativiert wird, dass sich im Germanischen eine neue Art femininer Movierung, nämlich durch schwache Flexion, einbürgert, z. B. urn. Ailamundo¯ zu *Ailamunduz (-mundaz?), Finno¯ zu awn. Finnr (zu finnr m. ‚Same; Finne‘; Peterson 2004, 5, 7, 2007b). Auf jeden Fall hat man in unserer Kultur zu allen Zeiten Frauen- und Männernamen unterscheiden wollen; geschlechtsneutrale Personennamen,
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z. B. dt. Eike, Friedel, Kirsten, Toni, sind Ausnahmen. Ein Vorschlag der schwedischen politischen Partei „Feministiskt initiativ“ (FI), die Grenze zwischen Frauen- und Männernamen aufzuheben (För en feministisk politik, Punkt C 28), so dass Männer Lena und Frauen Thorsten heißen könnten, hat außerhalb der Partei wenig Anklang gefunden4. Hier geht es, um zum Hauptthema zurückzukehren, jetzt um die ältere, aus dem Indogermanischen ererbte feminine Movierung von Männernamen und deren Zweitgliedern. Die in nordischen Runeninschriften der Wikingerzeit häufig vorkommenden Namenglieder -ælfr und -gær&r (Peterson 2007a, 101, 263) bekunden diese ältere Struktur.
Semantik: germanische Frauennamen Der hier kurz umrissene morphologische Hintergrund ist für die Beurteilung germanischer Frauennamen von großem Gewicht. Zur Erklärung des auch für die Frauennamen kennzeichnenden kriegerischen Inhalts sind verschiedene Antworten gegeben worden. Karl Müllenhoff zögert nicht. In jenem bekannten Aufsatz von 1852, in dem er sich über die mangelnde Kompetenz des Herrn Förstemann beklagt, dessen Sammlung altdeutscher Personennamen gerade vorlag, betrachtet er die Namen aus dem Blickwinkel des Heldentums. Am einfachsten sind dabei die kriegerischen Männernamen zu verstehen: „Das Ideal des Mannes war der Held.“ Die Frauennamen bereiten ihm auch keine Schwierigkeiten: „Das Ideal des Weibes aber ist in der Mythologie in den göttlichen oder halbgöttlichen Schlacht- und Schicksalsjungfrauen ausgebildet“. Das Heldenideal sei dasselbe, für Männer in der realen, für Frauen in der mythischen Welt zu verwirklichen, und dieses Ideal komme auch in den Frauennamen zum Ausdruck, so dass „wir bei jedem der valkyrischen Natur des Weibes wenigstens eingedenk sein müssen“ (Müllenhoff 1852, 44). Ähnliche Gesichtspunkte sind später mehrmals geäußert worden. Dieses Idealbild der germanischen Frau konnte natürlich nicht unwidersprochen bleiben. Wichtig ist es, zunächst mit Friedrich Kluge (1920, 262) und Anton Scherer (1953) festzuhalten, dass die zweigliedrigen Frauennamen keinesfalls durchgehend kriegerisch sind. Scherer (1953, 21, 29) lenkt vor allem die Aufmerksamkeit auf Zweitglieder wie ahd. -fla¯ t f. ‚Schönheit‘, awn. -frí&r ‚schön‘, frk. -swinda ‚stark‘. Die repräsentativsten 4
Eine mit den geschlechtsspezifischen Vornamen zusammenhängende Spezialfrage ist in den letzten Jahren im schwedischen Reichstag diskutiert worden. Es handelt sich um die Möglichkeit transsexueller Personen, den Vornamen zu wechseln. (Entzenberg 2006, 44 f.)
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Frauennamen sieht Scherer (1953, 25) in eingliedrigen Namen wie ahd. Bl¯ıda ‚die Fröhliche‘, Holda ‚die Holde‘, Liuba ‚die Angenehme, Liebe‘, Staracha ‚die Starke‘, Triuwa ‚die Treue‘. Namen dieser Art zeugen seiner Meinung nach von wahren weiblichen Idealen, „von Idealen, denen wir durchaus Verständnis entgegenbringen können“. Solche Namen, heißt es, „reden von Liebenswürdigkeit und Anstand, von Frohsinn und Klugheit, von Schönheit und Kraft, von Adel und Treue“ (Scherer 1953, 26). Es handelt sich hier in der Tat um einen Typ von Frauennamen, der über die Welt weit verbreitet ist und offensichtlich einen universalen Zug bildet. Es ist aber zu bemerken, dass Scherer neben Liebenswürdigkeit und Schönheit ausdrücklich auch Kraft betont. Die von Scherer hervorgehobene – an sich natürliche – Modifizierung ist wichtig. Andererseits bilden die kriegerischen Frauennamen zweifellos eine charakteristische Gruppe, was eine Erklärung erfordert. Scherer möchte das Kriegerische im Frauennamenschatz als eine Folge der Namenvariation innerhalb der Familie sehen. Aus den Namen der Väter und Großväter seien Erstglieder kriegerischen Inhalts in die Frauennamen integriert worden. Die Variation spielt zweifellos für die starke Übereinstimmung zwischen Frauen- und Männernamen eine wichtige Rolle, genügt aber nicht als Erklärung. Gegen diese Annahme spricht vor allem, dass die beiden beliebtesten Zweitglieder germanischer Frauennamen, awn. -gunnr und -hildr (germ. *-gunq¯ı, *-hil&¯ı < *-hel&-), die beide ‚Kampf ‘ bedeuten, unerklärt bleiben (Andersson 2003, 596 f.). Den richtigen Weg zur Erklärung der kriegerischen Frauennamen hat Gottfried Schramm mit seinem Hinweis auf die indogermanische Sitte der Movierung gezeigt, aber auch ihm bereiten, wie ich anderswo näher ausgeführt habe, eben die beiden genannten femininen Zweitglieder, awn. gunnr und hildr, große Schwierigkeiten. Sie lassen sich nämlich nicht als feminine Movierungen erklären. Wir können meines Erachtens nicht umhin, im Anschluss an Müllenhoff und seine Nachfolger, die Walküren, in der altwestnordischen Überlieferung eben mit Namen wie Gunnr und Hildr5, heranzuziehen, und zwar dürfte die Walkürenvorstellung nicht, wie Schramm meint, erst als sekundäre Stütze gewisser Namen dienen, sondern zusammen mit der Movierung eben die Grundlage germanischer Frauennamen kriegerischen Inhalts bilden (Andersson 1990, 1998, 26 ff., 2003, 597). Diese Auffassung wirft mehrere Fragen auf, die auch in der Frauenforschung der letzten Zeit aufgegriffen wurden. 5
Vgl. den Göttinnennamen Sinthgunt im zweiten Merseburger Zauberspruch; dieser „Name mutet wie ein Walkürenname an und könnte <…> vielleicht als späte Mythologisierung aufzufassen sein“ (Lundgreen 2001, 602).
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Zunächst ist die Frage zu stellen, ob die kämpfenden germanischen Frauengestalten nur in der Mythologie zu finden sind. Tacitus erwähnt in seiner Germania (Kap. 18), dass Frauen am Kampf teilnehmen, und diese Auskunft ist von verschiedenen Seiten durchaus ernst genommen worden. In einem auf Genderfragen eingerichteten Symposium 2006 zieht eine Forscherin, Lydia Klos (2006), neben Erzählungen von Schildmaiden (awn. skjaldmeyjar)6 u. a. die – allerdings seltenen – Frauengräber mit Waffenfunden als Stütze dafür heran, dass Frauen, deren Hetzen (awn. hvo˛t f.) zum Kampf wir durch die Literatur gut kennen, auch als Kriegerinnen mitkämpfen konnten7. Es ist wohl die Frage, in welchem Umfang damit zu rechnen ist. Hauptsächlich sind die kämpfenden Frauen zweifellos in Dichtung und Walkürenmythen zu Hause. Müllenhoff spricht um die Mitte des 19. Jahrhunderts von „Schlachtund Schicksalsjungfrauen“ und von „der valkyrischen Natur des Weibes“. In der deutschen wissenschaftlichen Literatur ist oft die Rede von Schlachthelferinnen. Die Walküren kennen wir aus der nordischen Mythologie vor allem als die Dienerinnen Odins, die in seinem Auftrag die zu fallenden Kämpfer auswählen und sie dann in Walhall bewirten. Am ehesten liegt hier eine Entwicklung vor: Mythische Wesen, die am Kampf teilnehmen und dabei die Toten (awn. valr m.) auswählen (so die Etymologie), treten in den Dienst Odins. Die Geschichte des Wortes awn. valkyrja f., das im Altenglischen eine Entsprechung, wælcyrge, hat, ist aber noch nicht genügend klargelegt (Andersson 1998, 26 ff., Zimmermann 2007; vgl. Zimmermann 2006). Wie können die Schlachthelferinnen die Struktur der germanischen Frauennamen mit beeinflusst haben? Ist die hier zugrunde liegende Mentalität zu erfassen? Für Müllenhoff war es einfach. Das Heldenideal sei für Männer und Frauen ein und dasselbe, mit entsprechenden Männer- wie Frauennamen als Folge. Auf einer abstrakteren, nicht unbedingt auf Waffenkampf bezogenen Ebene verkörpern die Schlachthelferinnen Mut, Tatkraft und Stärke – awn. Qrú&r (zu qrú&r f. ‚Kraft‘) ist eben als Walkürenname bezeugt. Auch Scherer, dem das Walkürenhafte an Frauen missfällt, betont, wie gesagt, neben Liebenswürdigkeit und Schönheit auch Kraft als eine wichtige semantische Komponente germanischer Frauennamen.
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Zur Vorstellung von Schildmaiden s. Ney 2004. Über Gräber mit bewaffneten Frauen s. weiter Steuer 2007, 197, 205. Über solche Gräber im skythischen Raum, die die antiken Amazonenmythen beeinflusst haben, s. Wenskus 1999a, 1999b. Diese Hinweise verdanke ich Prof. Dr. Dieter Geuenich, Duisburg-Essen, bzw. Prof. Dr. Helmut Castritius, Darmstadt.
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Mut, Stärke und Tatkraft sind durchaus weibliche Eigenschaften, die in unsere heutige Vorstellungswelt gut hineinpassen. Es ist somit logisch, dass die kriegerischen Frauennamen jetzt, mit feministischem Vorzeichen, wieder analysiert werden. Einen Anfang – denn auf Fortsetzung ist zu hoffen – bildet ein Aufsatz der norwegischen Forscherin Else Mundal (2002). Ihr Fach ist „norrøn filologi“, und sie hat sich in mehreren Beiträgen mit der Stellung der Frau in der altwestnordischen Gesellschaft eingehend beschäftigt (u. a. Mundal 1998, 1999, 2001). Im Anschluss daran analysiert sie das Verhältnis zwischen den kriegerischen Frauennamen und der Einstellung der Frauen zum bekannten Heldenideal. Sie findet die Anknüpfung an die Walkürenvorstellungen überzeugend, möchte aber die Walküren als Symbol eines Frauenideals sehen, das weitgehend mit dem Männerideal identisch sei (Mundal 2002, 131). Sie macht in ihrer Argumentation auf den wichtigen Gegensatz zwischen Rollen einerseits sowie Charakter und Eigenschaften andererseits aufmerksam. Die Geschlechterrollen sind durchaus verschieden, wie uns aus den Sagas wohlbekannt ist. Die männliche Rolle ist strikt definiert, was nicht zuletzt durch das Abweichen von ihr, durch ergi, hervortritt. Das altwestnordische Adjektiv argr, zu dem das Substantiv ergi f. gebildet ist, kann zusammenfassend als ‚unmännlich‘ wiedergegeben werden. Dazu zählte u. a. die in der Heldenideologie besonders auffallende Feigheit. Der Waffenkampf war eine Aufgabe der Männer, damals wie ja auch – vorwiegend – heute. Die Beteiligung der Frauen kam, so wie es in den Sagas dargestellt wird, oft in ihrem Hetzen zum Ausdruck (s. oben), und die Rolle der Frau als Hetzerin betrachtet Mundal (1994, 1999, 70 f.) ebenso wie der norwegische Historiker Sverre Bagge (1997, 178 ff.) als durchaus historisch. Die Rollen der Frauen und Männer waren verschieden, nicht aber die Wertung der weiblichen und männlichen Charakterzüge, stellt Mundal fest, und damit liege auch kein Hindernis einer gemeinsamen Heldenideologie für Frauen und Männer vor. Mundal fasst zusammen (in Übersetzung): „Mann und Frau in der altwestnordischen Gesellschaft teilten die kriegerische Ehrenkultur.“8 Vor diesem Hintergrund erscheint die Kombination von Kämpfern der realen Welt und Kämpferinnen der mythischen Welt ganz natürlich. Die ausführliche Analyse Mundals beinhaltet eine willkommene Vertiefung der Bedeutung der Walkürenvorstellungen für die Frauennamen. Ihre Auffassung und die 150 Jahre ältere, kurz gehaltene Feststellung von Müllenhoff stimmen, trotz verschiedener Vorzeichen, erstaunlich gut miteinander 8
Mundal 2002, 131: „Mann og kvinne i det norrøne samfunnet delte den krigerske æreskulturen.“
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überein. Frauen und Männer gehören einer auf Heldentum eingerichteten Gesellschaft an, die im Grunde dasselbe Idealbild für beide Geschlechter aufstellt. Kein Wunder dann, dass die Frauen- und Männernamen so ähnlich sind. Den Ausgangspunkt dieser Übereinstimmung bildet allerdings die indogermanische feminine Movierung. Die durch die Walkürenvorstellungen zum Ausdruck kommende Weltanschauung bestimmt die kriegerische Komponente der Frauennamen mit, die auch durch die Variation gestützt wird. So ließe sich wohl der Ursprung der germanischen Frauennamen kriegerischen Inhalts zusammenfassen. Der nahe Zusammenhang zwischen Dichtung und Personennamen sollte auch noch einmal betont werden; er ist grundlegend sowohl für Männer- wie für Frauennamen. Die Helden der Dichtung ebenso wie die des Personennamenschatzes sind Krieger, Kämpfer. Wären sie Bauern oder Gelehrte gewesen, hätte der Namenschatz anders ausgesehen.
Ausblick Mit meinen Ausführungen habe ich versucht, die Grundrisse des alten germanischen Personennamenschatzes zu zeichnen. Die weitere Entwicklung in den verschiedenen gentes und regna wird für das Kontinentalgermanische im groß angelegten Projekt „Nomen et gens“ eingehend analysiert. Dieses Projekt hat schon wesentliche Ergebnisse erbracht, und das ist nur ein Anfang. Ähnliche Studien der englischen und der nordischen Personennamen wären sehr zu begrüßen (vgl. Andersson 2002). Um die alte germanische Personennamenstruktur besser zu verstehen, gibt es mehrere Desiderate. Vor dem indogermanischen Hintergrund wäre ein Vergleich mit der Namenstruktur anderer indogermanischer Sprachfamilien wünschenswert. Die Rolle der heldenhaften, kriegerischen Namen, die für die germanischen Personennamen so charakteristisch ist, ließe sich dann sicherer beurteilen. Im nächsten Schritt wäre ein Vergleich mit Anthroponymien anderer Sprachfamilien und Kulturen zu begrüßen. Durch solche, kontrastierende Vergleiche würden die germanische Namenstruktur und die sich in ihr widerspiegelnde Mentalität noch deutlicher hervortreten. Besondere Aufmerksamkeit erfordern die germanischen Frauennamen. Für ein besseres Verständnis des auch ihnen eigenen kriegerischen Charakters wären weitere Untersuchungen erforderlich. Die Vorstufen des Walkürenbildes der altwestnordischen Literatur müssten sicherer ermittelt werden, und im Anschluss daran wäre der Stellung der Frau in verschiedenen altgermanischen Gesellschaften näher nachzugehen.
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Es fehlt nicht an Aufgaben für die zukünftige germanische Personennamenforschung. Die von Else Mundal eingeleitete Analyse der Beziehung zwischen Personennamen und Gesellschaft pocht auf Fortsetzungen. Hier liegt eine Herausforderung vor, der die Frauenforschung von heute wohl nicht ausweichen kann.
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Thorsten Andersson
Namen des Frühmittelalters – RGA-E Band 66 – Seiten 27–42 Kontinentalgermanische in England in altenglischer Zeit © Copyright 2009 Walter de GruyterPersonennamen · Berlin · New York
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Kontinentalgermanische Personennamen in England in altenglischer Zeit John Insley
Während es viele Fortschritte in mehreren Aspekten altenglischer Personennamenkunde gegeben hat – man denke besonders an das skandinavische Element oder an späte Texte wie das Domesday Book – bleibt die Untersuchung der kontinentalgermanischen Personennamen des Altenglischen unterentwickelt. Das grundlegende Werk zu diesem Thema ist immer noch Thorvald Forssners Uppsala-Dissertation von 1916, ein Buch, das nach wie vor verwendet werden muss. Dazu kommen eine Ergänzung, die Olof von Feilitzen für die Smith-Festschrift 1963 schrieb, und die Untersuchung von Feilitzen und Blunt über die Namen der Münzmeister König Edgars, die 1971 in der Whitelock-Festschrift erschien. Die Forschung hat sich auf die frühmittelenglische Zeit konzentriert. Dies ist nicht überraschend, wenn man bedenkt, dass unvergleichbar mehr Material aus dieser Zeit zur Verfügung steht. Forssner bezeichnete die Namen als „Old German“, was eine eher unglückliche Formulierung ist, da sie die dialektale Gliederung verschleiert. Ihm war bekannt, dass das Material heterogen ist, und er bedauerte die Abwesenheit eines Kompendiums der germanischen Personennamen auf dem Gebiet der Romania1. Deshalb war er auf Förstemann (1900) angewiesen, obwohl er versuchte, wo immer es möglich war, Förstemanns Angaben in Einklang mit den romanischen Formen zu bringen. Auf der lexikalischen Ebene ist die Identifizierung kontinentalgermanischer Namen in England relativ einfach. Es gibt Namenelemente wie Agin-, Amal-, Brand-, Erl-, Gôz-, Îsen-, Ôd-, Odel- und Thank-2, die im Altenglischen nicht vorhanden sind, sowie charakteristische Kurznamen wie Drogo3, Fulco4 und Wido5. Auf der morphologischen Ebene finden wir Suf-
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Forssner 1916, S. vi–vii. Vgl. Forssner 1916, S. 273–278. Forssner 1916, S. 60–61. Forssner 1916, S. 98. Forssner 1916, S. 254.
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fixbildungen, wie in Hamelin6 und Tezelin7 oder Derekin8 und Tepekin9. Hier habe ich natürlich weitgehend Material aus der Zeit nach 1066 verwendet, da dieses unvergleichbar umfangreicher ist als das Material aus der angelsächsischen Zeit. Das Problem der dialektalen Gliederung ist das gleiche, und nach der Eroberung hat man die Komplikation, dass die Namen in lateinischen Texten eingebettet sind und dass normalisierte latinisierte Formen die volkssprachlichen Varianten verdecken, so z. B. Amalricus für altfranzösisch Amauri10 und Willelmus für altnordfranzösisch Williaume11. In England gibt es nach der Eroberung einige Fälle, wo es nicht möglich ist, kontinentalgermanische Personennamen von altenglischen oder altnordischen Personennamen zu unterscheiden. Formal könnte die Form Osbertus für den ae. Personennamen O¯sbe(o)rht stehen, aber Osbertus ist recht häufig in der Normandie, wo der Name entweder eine Entlehnung aus England in der Zeit vor 1066 war oder – was wahrscheinlicher ist – ein Relikt früherer Siedlungen aus dem ingwäonischen Raum, vgl. altsächsisch Ôsberht12. Oft muss der Kontext entscheiden. Einer der Münzmeister König Eadreds (946–955) hieß Hildvlf 13. Diese Form kann sowohl dem ostnordischen Hildulf entsprechen als auch dem westfränkischen Hildulfus. Eine weitere Möglichkeit wäre ae. Hildewulf. Andererseits ist der Name des Münzmeisters Hildvlf, Hildolf, der in York zur Zeit Æthelreds II. und Knuts tätig war, aller Wahrscheinlichkeit nach skandinavisch14. Der altnordische Personenname Hróaldr erscheint sporadisch in altenglischen Quellen als Hrowald, Rold, Roold usw.15. Es gibt jedoch einen kontinentalen Namen Roald, eine romanische Form des fränkischen Hrôd–owald (< *Hro¯ qa-walda-). Dieser Name war recht beliebt bei den Bretonen, und in England findet man nach der Eroberung Bretonen, die der feudalen Aristokratie angehören und diesen Namen tragen, z. B. Roaldus constabularius, erblicher Konstabler der bretonischen Grafen von Richmond in Yorkshire Anfang des 12. Jahrhunderts. Dieser Roaldus war sicherlich Bretone. Sein Vater hieß Harscod (altbretonisch Hoiarnscoit16) und sein Sohn Alan17. Außerhalb dieser feuda6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17
Forssner 1916, S. 142. Forssner 1916, S. 229. Insley 1993, S. 59. Feilitzen 1937, S. 383. Forssner 1916, S. 25–26. Vgl. Forssner 1916, S. 255–257. Vgl. Feilitzen 1937, S. 338. Vgl. Feilitzen/Blunt 1971, S. 198; Blunt/Stewart/Lyon 1989, S. 298. Smart 1973, S. 226. Vgl. Björkman 1910, S. 69; Fellows Jensen 1968, S. 219–221. Jackson 1967, S. 211–212 (§ 292). Vgl. Clay 1936, S. 89–95.
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len Schicht gibt es allerdings keinen Grund zu zweifeln, dass Roaldus skandinavischen Ursprungs ist, z. B. kann der Roaldus, der ca. 1210 ein toftum und ein croftum in Lea in Lancashire besaß18, kaum Mitglied der feudalen Aristokratie gewesen sein, und man kann davon ausgehen, dass sein Name ein Reflex des skandinavischen Hróaldr war. Feilitzen war bewusst, dass das Bestimmen der dialektalen Provenienz kontinentalgermanischer Personennamen äußerst schwierig ist. Insbesonders sah er den Mangel an Vergleichsmaterial aus Frankreich als ein schwieriges Problem. 1963 schrieb er: On the whole, however, collections like these that deal with specific areas on the Continent are disappointingly few. This is particularly true of France where the works of Drevin, Michaëlsson and Jacobsson cover only a small part of the field, geographically and chronologically. Hence the assignment of the supposed Continental etyma of ME names to their precise area of origin or dialect is often impossible, and it is inevitable that the majority of parent forms adduced should be described rather vaguely as Old German (OG). However, there can be no doubt that the Low German element was very important. A few name bearers are explicitly described as Flemings or Saxons (cf. Ailbodo, Thiedlef) and some themes, such as -l¯ef (see Brunlef) and Su¯ th- (see Sudhard), point distinctively to that provenance19.
Feilitzen konnte sich auf die Arbeiten von Mansion (1924) über Gent, von Schlaug über die altsächsischen Namen (1955, 1962) und von Bohn (1931) über die Personennamen der Werdener Urbare stützen. Er hätte auch die Urkundensammlung von Koch und Gysseling (1950) als Quelle für Namen aus dem Altniederfränkischen verwenden können. Inzwischen ist der Forschungsstand etwas besser. Mansions Arbeit über Gent (1924) wird von Tavernier-Vereecken (1968) fortgesetzt, und das Werden-Material wurde von Heinrich Tiefenbach in einer Reihe von Aufsätzen weiter bearbeitet (vgl. Tiefenbach 1997, 2002). Die Lage für das Westfränkische ist immer noch problematisch, obwohl eine Reihe von Textausgaben, wie diejenigen von Devroey (Polyptychon von Reims) oder Hägermann (Polyptychon von Saint-Germain-des-Prés), hilfreich sind. In einem Aufsatz über die Namen der Münzmeister König Edgars schrieb Feilitzen 1971: „On general historical grounds it seems reasonable to assume that many of them [i.e. Continental Germanic personal names] are Old Low German, more specifically Old Saxon or Old Flemish (Old Low Franconian), whereas others are undoubtedly of West Frankish origin“20. Dies, scheint mir, ist ein vernünftiger Ausgangspunkt.
18 19 20
Lumby 1936, S. 24 (no. 75 = Lancashire Record Office, Preston, DDHo H 408). Feilitzen 1963, S. 47. Feilitzen/Blunt 1971, S. 208.
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Als Hauptquelle für kontinentalgermanische Personennamen in England in altenglischer Zeit werden die Namen spätaltenglischer Münzmeister dienen. In der sogenannten „St. Edmund Memorial Coinage“ (ca. 895–915)21, die im südlichen Teil des Danelaws geprägt wurde, sind Münzmeister mit kontinentalgermanischen Namen wie Gvndbert 22, Wandefred 23 und Vvidbald 24 belegt, aber die Münzinschriften dieser Gruppe sind manchmal fehlerhaft25, und weitere Forschung scheint angebracht. Die Lage ist besser, wenn wir uns die Namen der Münzmeister der westsächsischen Könige im 10. Jahrhundert anschauen, und hier habe ich die kontinentalgermanischen Namen der Zeit Athelstans (924–939) und Edgars (959–975) untersucht. Dies lässt sich machen, da wir die Studie Blunts (1974) über die Münzen Athelstans haben und den vorbildlichen Aufsatz von Feilitzen und Blunt (1971) über die Namen der Münzmeister Edgars. Die Münzmeister Athelstans mit kontinentalgermanischen Namen sind wie folgt: Abonel 26, Abun 27, Abbon 28, Adelbert 29, Amelric 30, Arnvlf 31, Bald(e)ric 32, Baldwin 33, Beorard 34, Beorger 35, Berngar 36, Efrard 37, Folcred 38, Fredard 39, Frotger 40, Fvlrad 41, Gislemer 42, Godfred 43, Gvntere 44, Harger 45, Hildebert 46, H
ldvlf 47, 21 22 23 24 25
26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47
Vgl. Smart 1985. Smart 1985, S. 85. Smart 1985, S. 87. Ebd. Beispielhaft ist die Form Pancrad (Blunt/Stewart/Lyon 1989, S. 304), die sicherlich für Qancrad
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Hvbald 48, Incgelbert 49, Ingelri 50, Magnard 51, Mathelbert 52, Mathelwold 53, Odo 54, Ræ(ge)nvlf 55, Rihard 56, Rotbert 57, Warengot 58, _ 61, AdelWiard 59. Diejenigen Edgars sind: Abenel 60, Adel-, A delaver 62 63 64 65 66 67 ger , Agulf , Albart , Baldric , Baldwin , Ber(e)nard , Eofer-, Eaferard 68, Eofermvnd 69, Efeorolf 70, Erconbold 71, Flodger 72, _ 76, Ginand 77, Gvnfred 78, Flodvlf 73, Flodvin 74, Folchard 75, Frodald 79 80 81 82 Harcer , Heriger , Herebert , Hereman , Hildvlf 83, Ingelbert, Incgel-, Ingolberd 84, Ingolries 85, Isembert 86, Landbriht 87, Land48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87
Ebd. Ebd. Ebd. Blunt 1974, S. 138. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd. Blunt 1974, S. 139. Ebd. Ebd. Ebd. Feilitzen/Blunt 1971, S. 185; Blunt/Stewart/Lyon 1989, S. 282. Feilitzen/Blunt 1971, S. 186; Blunt/Stewart/Lyon 1989, S. 282. Feilitzen/Blunt 1971, S. 186; Blunt/Stewart/Lyon 1989, S. 283. Feilitzen/Blunt 1971, S. 187. Feilitzen/Blunt 1971, S. 187; Blunt/Stewart/Lyon 1989, S. 285. Feilitzen/Blunt 1971, S. 188; Blunt/Stewart/Lyon 1989, S. 286. Feilitzen/Blunt 1971, S. 188; Blunt/Stewart/Lyon 1989, S. 286. Feilitzen/Blunt 1971, S. 189; Blunt/Stewart/Lyon1989, S. 287. Feilitzen/Blunt 1971, S. 194; Blunt/Stewart/Lyon 1989, S. 294. Feilitzen/Blunt 1971, S. 194; Blunt/Stewart/Lyon 1989, S. 294. Feilitzen/Blunt 1971, S. 194; Blunt/Stewart/Lyon 1989, S. 293. Feilitzen/Blunt 1971, S. 195; Blunt/Stewart/Lyon 1989, S. 294. Feilitzen/Blunt 1971, S. 195; Blunt/Stewart/Lyon 1989, S. 295. Feilitzen/Blunt 1971, S. 195; Blunt/Stewart/Lyon 1989, S. 295. Feilitzen/Blunt 1971, S. 195; Blunt/Stewart/Lyon 1989, S. 295. Feilitzen/Blunt 1971, S. 195–196; Blunt/Stewart/Lyon 1989, S. 295. Feilitzen/Blunt 1971, S. 196; Blunt/Stewart/Lyon 1989, S. 296. Feilitzen/Blunt 1971, S. 197. Feilitzen/Blunt 1971, S. 197; Blunt/Stewart/Lyon 1989, S. 297. Feilitzen/Blunt 1971, S. 198; Blunt/Stewart/Lyon 1989, S. 297. Feilitzen/Blunt 1971, S. 198; Blunt/Stewart/Lyon 1989, S. 298. Feilitzen/Blunt 1971, S. 198; Blunt/Stewart/Lyon 1989, S. 298. Feilitzen/Blunt 1971, S. 198; Blunt/Stewart/Lyon 1989, S. 298. Feilitzen/Blunt 1971, S. 198; Blunt/Stewart/Lyon 1989, S. 298. Feilitzen/Blunt 1971, S. 199; Blunt/Stewart/Lyon 1989, S. 299. Feilitzen/Blunt 1971, S. 199; Blunt/Stewart/Lyon 1989, S. 299. Feilitzen/Blunt 1971, S. 199; Blunt/Stewart/Lyon 1989, S. 300. Feilitzen/Blunt 1971, S. 199; Blunt/Stewart/Lyon 1989, S. 300.
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John Insley
_ 88 _ 92, Ogea 93, fer d , Mangod 89, Marscale 90, Meinard 91, Nor dberd _ _ 94 95 96 97 O delries, Ranvvwin , Radvlf , Regenold , Regen-, Rægnvlf 98, Reinad 99, Ricvlf 100, Ric(c)olf 101, Teodred 102 Îeodgar 103. Auffallend ist das Ausmaß an romanischem Einfluss. Die romanische Form Flod- steht für das germanische *Hlo¯ qa- in Flodger, Flodulf und Floduin104. Ähnlich ist Fro&- in Fro&ald eine romanische Form des germanischen *Hro¯ qa-105. Isem- für germanisch *I¯san- in Isembert ist gleichfalls eine romanische Form106. Die Schreibung für das germanische Namenelement -wini ist häufig im westfränkischen Raum107. Der velare Reibelaut /χ / entwickelt sich zu /s/ in zwei Namen auf -r¯ıh < */-r¯ıka-/, nämlich Ingolries und O&elries. Diese Entwicklung hat Parallelen anderswo in der Romania, vgl. Teuderisci, Teuderis < germ. (langobardisch) *Qeud–a-r¯ıka-108, Ildirissi < germ. (langobardisch) *Hildi-r¯ıka-109 und Teudilascius, Teudilas(s)i, Teudilais < germ. (langobardisch) *Qeud–a-laika-110. Germanisch */-berhta-/ entwickelt sich zu /-bert/ mit Verstummung des Reibelauts in Adelbert, Hildebert usw.111. Bemerkenswert ist die Häufigkeit von /h/-Verlust in Namen mit dem Element /-hard/ als zweites Glied. In Hubald < Hugibald und Wiard < Wîghard verstummt der stimmhafte velare Reibelaut [γ]. Fulrad < Fulcrâd und Harger < Hardgêr sind typische westfränkische Formen, aber die Vereinfachung der Konsonantengruppe kann eine germanische Entwicklung
88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110 111
Feilitzen/Blunt 1971, S. 199; Blunt/Stewart/Lyon 1989, S. 300. Feilitzen/Blunt 1971, S. 201; Blunt/Stewart/Lyon 1989, S. 302. Feilitzen/Blunt 1989, S. 202. Feilitzen/Blunt 1971, S. 202; Blunt/Stewart/Lyon 1989, S. 303. Feilitzen/Blunt 1971, S. 202; Blunt/Stewart/Lyon 1989, S. 303. Feilitzen/Blunt 1971, S. 202; Blunt/Stewart/Lyon 1989, S. 303. Feilitzen/Blunt 1971, S. 203; Blunt/Stewart/Lyon 1989, S. 304. Feilitzen/Blunt 1971, S. 203. Feilitzen/Blunt 1971, S. 203; Blunt/Stewart/Lyon 1989, S. 305. Feilitzen/Blunt 1971, S. 203; Blunt/Stewart/Lyon 1989, S. 305. Feilitzen/Blunt 1971, S. 203; Blunt/Stewart/Lyon 1989, S. 305. Feilitzen/Blunt 1971, S. 203; Blunt/Stewart/Lyon 1989, S. 305, 306. Feilitzen/Blunt 1971, S. 203; Blunt/Stewart/Lyon 1989, S. 306. Feilitzen/Blunt1971, S. 203–204; Blunt/Stewart/Lyon 1989, S. 306. Blunt/Stewart/Lyon 1989, S. 308. Feilitzen/Blunt 1971, S. 205. Feilitzen/Blunt 1971, S. 195. Ebd. S. 196. Vgl. Forssner 1916, S. 165–166. Vgl. Longnon 1895, S. 378–379. Arcamone 1997, S. 166–167. Ebd. S. 167. Ebd. S. 167, 168. Vgl. Longnon 1895, S. 292–293.
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sein. Abonel, Abun und Abbon sind Varianten des germanischen Abbo mit romanischen Suffixen. Gleichzeitig stellt man Anglisierung fest. In Eafer-, Eoferard und Eofermund wird germanisch *Eburdurch altenglisch Eofor112 wiedergegeben . In Landbriht und Landfer& finden wir spätaltenglisch -briht bzw. -fer& für /*-berhta-/ bzw. /*-friqu-/113. In der Form Incgelbert scheint es, dass die erste Silbe palatalisiert wurde, d. h. /ing/ wurde zu /in/. Die Form Îeodgar ist interessant. Formal ist sie altenglisch. Das erste Glied ist Q¯eod- und das zweite ist -ga¯ r, aber man darf die Frage stellen, ob diese Form nicht eine Übersetzung eines kontinentalen Namens sein könnte, vgl. ahd. Thiotgêr, altsächs. Thiadgêr usw. Das Namenelement *Qeud--a- ist häufig im Ostgermanischen und im „Binnendeutschen“, aber im nordseegermanischen Raum scheint es schwächer vertreten zu sein. Die zahlreichen altsächsischen Thiad-Namen könnten vielleicht Ergebnis der Frankonisierung nach der Unterwerfung Norddeutschlands durch die Karolinger sein. Auffallend ist jedoch, dass die Q¯eod-Namen bei den Angelsachsen früh belegt sind – wir finden den Namen Q¯e odric und Q¯e odbald im bernicischen Königshaus Ende des 6. und Anfang des 7. Jahrhunderts114. Auch gibt es einige Ortsnamen, die Personennamen, welche mit Q¯eod- gebildet sind, enthalten, z. B. Theddingworth [Leicestershire] (ae. Q¯eoda)115 und Theberton [Suffolk] (ae. Q¯eodbeorht)116, obwohl keiner dieser Ortsnamen zu den frühesten Schichten gehört. Das Namenelement war voll im altenglischen Sprachsystem integriert. Dies sieht man anhand von hypokoristischen Formen, wie *Teot(t)a in Teddington [Gloucestershire]117 und *Teodec in Tewkesbury [Gloucestershire]118. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass Namen mit Q¯eod- als erstem Glied nicht in der Zeit zwischen Beda und dem 10. Jahrhundert unabhängig belegt sind. Es ist daher denkbar, dass dieses Namenelement bei den Angelsachsen eine Zeit lang außer Gebrauch war und dass sein Wiederauftauchen im 10. Jahrhundert Ergebnis kontinentalgermanischen Einflusses war. Schon 1930 hielt Dorothy Whitelock es für möglich, dass der Name des Bischofes Qeodred von London (926–951) „a German name“ sein könnte119. Sicher ist, dass zwei Männer mit eindeutig kontinentalgermischen Namen von ihm geerbt haben, nämlich Odgar [fränkish Ôd-, Ôtgêr] und Gundwine [westfränkisch 112 113 114 115 116 117 118 119
Feilitzen/Blunt 1971, S. 209. Ebd. Vgl. Ström 1939, S. 36, 177. Cox 2005, S. 103. Ekwall 1960, S. 465a. Smith 1964–1965, II, S. 45–46. Smith 1964–1965, II, S. 61–62. Whitelock 1930, S. S. 99.
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Gunduin(us)]120. In einer Markbeschreibung in einer Urkunde von 968121 finden wir den Ortsnamen [of] Teoqewolding lege, [on] Deodewolding lege. Feilitzen war der Ansicht, dass wir es mit einem ae. Personennamen Q¯eodweald zu tun haben, obwohl er die Meinung von Karlström und Zachrisson, dass das Etymon eher „OG Theudwald“ sei, zitiert122. Hier darf man altsächsisch Thiadold als Parallele notieren123. Sicherlich kontinentalgermanisch ist Qeodulfus, der Name eines Gefolgsmannes Æthelreds II., dem dieser König 1012 fünf Hufen æt Burtune schenkte124. Weiterhin wurde im Testament der Æthelflæd (980–990) einer Sklavin namens Qeodild die Freiheit geschenkt125. Eine kontinentale Parallele wäre altsächsisch Thiadhild, Thiedhild126. Das Problem liegt in der Anglisierung der Schreibformen und dieses ist ein altes Problem. Sicherlich gibt es kontinentalgermanische Personennamen in England vor dem 10. Jahrhundert. Man denke an die Bischöfe Agilbert und Leuthere, die bei Beda erscheinen127. In späteren northumbrischen Quellen findet man andere Beispiele. Ein Münzmeister der northumbrischen Könige Redwulf und Æthelred II hieß Odilo 128, und im ältesten Teil des northumbrischen Liber Vitae findet man die Namen Gerfer&129 und Geruini130, die eindeutig fränkisch sind. Ein anderer Münzmeister von Redwulf und Æthelred II von Northumbrien hieß Vendelberht 131, und derselbe Name erscheint als Uendilbercht im ältesten Teil des northumbrischen Liber Vitae132. Sonst wird der Name bei den Angelsachsen nirgendwo belegt, und die Vermutung läge nah, der Name sei kontinentalgermanisch, man vergleiche fränkisch Wandalbert, altsächsisch Wendilberht133. In einer Urkunde der Zeit zwischen 699 und 717134, die in drei späteren Kopien überliefert ist, finden wir einen Abt namens Omolingc in der Zeugenreihe. Die Form ist anglisiert mit dem typischen mercischen /o/ für /a/ vor Nasalen. Ein Namenelement Omol-, Omul- ist nirgendwo im Altenglischen be120 121 122 123 124 125
126 127 128 129 130 131 132 133 134
Ebd. S. 4 (Nr. 1). S 762. Feilitzen 1945, S. 90. Vgl. Schlaug 1955, S. 84, Schlaug 1962, S. 162. S 929; Sawyer 1979, Nr. 36 [S. 70–71: … meo fideli homini qeodulfo S. 70]. Whitelock 1968, S. 10 (Zeile 33). Dorothy Whitelock (ebd. S. 59) meinte, es sei nicht zwingend, die Q¯eod-Namen immer als kontinentalgermanisch zu betrachten. Schlaug 1955, S. 84; Schlaug 1962, S. 161. Stenton 1971, S. 122, 132–133. Smart 1987a, S. 253. Rollason/Rollason 2007, S. 55 [A.2.111]. Rollason/Rollason 2007, S. 55 [A.2.119]. Smart 1987a, S. 253. Rollason/Rollason 2007, II, S. 156–157 [A.3.757]. Förstemann 1900, Sp. 1527–1528; Schlaug 1962, S. 171. S 1252.
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legt, aber wir hätten eine Parallele in dem altniederfränkischen Namen Amulung, der nach Tiefenbach in Xanten belegt ist135. Letzten Endes kann man nur durch Vergleiche die dialektale Provenienz kontinentalgermanischer Personennamen in England bestimmen. Hier möchte ich zwei Namen näher untersuchen: Amelric, der im Altenglischen nur als der Name eines Münzmeisters aus Winchester zur Zeit Athelstans belegt ist136, und Ingeram, der als der Name eines Thegns König Edgars vorkommt, dem dieser König 963 Land in Vange (Grafschaft Essex) schenkte137. Obwohl Amalaricus als der Name eines westgotischen Königs138, der 531 in Barcelona ermordet wurde139, bekannt ist, scheint Amalric ursprunglich westfränkisch zu sein. Es mag bezeichnend sein, dass das Namenelement Amal- im Hispano-Gotischen nicht sicher belegt ist. Das wohl früheste fränkische Beispiel von Amalricus befindet sich in den Miracula Austregisili episcopi Biturigi140. Bischof Austregisil von Bourges war bei der Synode von Paris 614 anwesend, aber seine Vita wurde erst im 9. Jahrhundert geschrieben141. Ein vir inluster und dux namens Amalricus erscheint in einer Urkunde Childerichs II. von 664 oder 666 zugunsten der Kirche der Heiligen Maria und des heiligen Stephan zu Speyer142. Das älteste Beispiel in einer Originalurkunde ist der Amalricus, dessen Vater Amalberchtus 694 an einem Rechtsstreit in der Königspfalz zu Valenciennes über Land in Bayencourt-sur-Matz (dép. Oise, arr. Compiègne, cant. et comm. Ressonssur-Matz)143 beteiligt war. Dazu sollte man bemerken, dass Bayencourt-surMatz nicht weit entfernt von der Königspfalz von Compiègne war. In der Karolingerzeit ist Amalricus in der Ile-de-France weit verbreitet. Das Polyptychon von Irmino hat mehrere Beispiele in den alten (vor 1968) Départements Seine-et-Oise, Eure-et-Loir und Seine144, und ein Amalricus erscheint 135 136 137 138 139 140 141 142 143 144
Tiefenbach 1984, S. 343. Blunt 1974, S. 135. S 717. Reichert 1987, S. 40. Claude 1970, S. 56. Krusch 1902, S. 207. Vgl. Krusch 1902, S. 188–191. Ebling 1974, S. 51 [Nr. XXIX]. Kölzer 2001, Nr. 141 (Bd. 1, S. 355–357). Longnon 1886, S. 3; Hägermann 1993, S. 2 [I, 13] (Jouy-en-Josas, Seine-et-Oise, arr. Versailles, cant. de Versailles-sud): Longnon 1886, S. 9, 13, 26; Hägermann 1993, S. 6, 8, 16 [II, 6. 34. 115] (Palaiseau, Seine-et-Oise, arr. de Versailles, chef-lieu de cant.): Longnon 1886, S. 68, 71; Hägermann 1993, S. 41, 43 [VI, 12. 34] (Épinay-sur-Orge, Seine-et-Oise, arr. de Palaiseau, cant. de Savigny-sur-Orge): Longnon 1886, S. 131, 135; Hägermann 1993, S. 76, 78 [IX, 173. 198] (Villemeux-sur-Eure, Eure-et-Loir, arr. de Dreux, cant. de Nogentle-Roi): Longnon 1886, S. 208; Hägermann, S. 123 [XIV, 37] (Thiais, Seine, arr. de Sceaux, cant. de Ivry-sur-Seine): Longnon 1886, S. 243; Hägermann 1993, S. 143 [XVI, 56]
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861 in einer Liste der Leibeigenen von Saint-Denis in Mitry-Mory (Dép. Seine-et-Marne)145. Weiter östlich in den Ardennen in der Umgebung von Villance (Neufchâteau, Provinz Luxembourg, Belgien) findet man 893 Amulricus, Amelricus, Amalricus im Polyptychon der Abtei Prüm146. Im 10. Jahrhundert erscheint der Name in Flandern147. Außerhalb des fränkischen Gebiets findet man alemannische Beispiele aus Sankt Gallen148. Werdener und Korveyer Beispiele von Amalric, Amulric aus dem frühen 9. Jahrhundert149 sind wohl die Namen fränkischer Einwanderer. Nach Lage der Belege muss man den Namen Amalric als westfränkisch betrachten, und das Kerngebiet, in dem der Name alt und weit verbreitet war, lag wohl im Pariser Becken und Umgebung. Es ist möglich, wenn auch nicht eindeutig beweisbar, dass König Athelstans Münzmeister Amelric aus dieser Gegend stammte. Ähnliches lässt sich über König Edgars Thegn Ingeram sagen. Im Placitum von 694 über Bayencourt-sur-Matz150 findet man die Form Ingramno, Ingoramno, und im Polyptychon von Irmino wird der servus Ingramnus auf dem Gut von Saint-Germain-des-Prés in Secval (dép. Seineet-Oise, arr. et cant. de Mantes-la-Jolie, comm. de Guerville) erwähnt151. Das fränkische Namenelement Ingo- < *Ingwia-, wie das Element Amal-, scheint charakteristisch für das merowingische und karolingische Neustrien. Man könnte ähnliche Vergleiche für Fulrad 152, Hildebert153 oder Isembert154 machen. Von Neustrien wurden Namen dieses Typs durch fränkischen Einfluss und fränkische Macht nach Osten und nach Norden verbreitet und, allerdings sporadisch, nach England. Es gibt jedoch Personennamen, die wahrscheinlich eine andere regionale Provenienz haben. Es ist eindeutig, dass die Verwendung lexikalischer Elemente aus dem allgemeinen Wortschatz als Namenwörter im Germanischen regional unterschiedlich war. Beispielhaft ist hier die Wort- und Na-
145 146 147 148 149 150 151 152 153 154
(Combs-la-Ville, Seine-et-Marne, arr. de Melun, cant. de Brie-Comte-Robert): Longnon 1886, S. 253; Hägermann 1993, S. 149 [XVII, 36] (Morsang-sur-Seine, Seine-et-Oise, arr. Evry, cant. de Corbeil-sud); Longnon 1886, S. 321; Hägermann 1993, S. 192 [XXIV, 16] (Béconcelle, Seine-et-Oise, arr. de Rambouillet, cant. de Montfort-l’Amaury, comm. d’Orgerus). Tessier 1943–1955, Nr. 228 [II, S. 7–9 (S. 8)]. Schwab 1983, S. 201–207. Tavernier-Vereecken 1968, S. 5. Borgolte/Geuenich/Schmid 1986, S. 524 [a 98]. Schlaug 1962, S. 45. Kölzer 2001, Nr. 141 (Bd. 1, S. 355–357). Longnon 1886, S. 309: Hägermann 1993, 185 [XXII,80bis]. Vgl. Longnon 1895, S. 310. Vgl. Longnon 1895, S. 334–335. Vgl. Longnon 1895, S. 343.
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mengruppe um germ. *qenaz155, nämlich ae. qeg(e)n m. ‚Krieger, Mitglied einer Gefolgschaft; Diener‘, die normale Bezeichnung für ein Mitglied des spätangelsächsischen (10. und 11. Jhdt.) Adelsstandes mit einem Wergeld von 1200 Schillingen156, ahd. thegan, degan m. ‚Krieger, Mitglied einer Gefolgschaft; Diener‘, asächs. thegan m. ‚Junge, Mann; Mitglied einer Gefolgschaft‘157, an. qegn m. ‚Mann, Gemeinfreier, Freier im Dienst eines Königs oder eines Herrn‘, runenschwed., altschwed. qægn, qiagn m. ‚Gemeinfreier, Krieger, Krieger im Dienst des Königs; (in Runeninschriften) Mann (Krieger) von hohem Rang im Dienst eines Königs oder eines Häuptlings‘158. Auffallend im Schwedischen sind die Ortsnamen des Typs Tegnaby (Småland), Tegneby (Bohuslän) < aschwed. *qægnaby‚ ¯ Dorf der 159 qægnaR‘ . Dieser Name ist eine Kollektivbildung, wie es auch Karlaby, Rinkaby oder Svenaby sind160. Es wird vermutet, dass die Tegnaby-Orte Siedlungen von Kriegern im Dienst der Svea-Könige außerhalb von deren Kerngebieten waren161. Moltke war der Meinung, dass im Runendänischen qægn, qiagn die Bezeichnung eines Ranges im Dienst des Königs sei162. Vom Substantiv qægn, qiagn wird der runenschwed. Personenname Qegn, Qiagn abgeleitet, der in Uppland (häufig) und Södermanland vorkommt163. In Schweden und Finnland ist altschwed. Thiægn(e) im Spätmittelalter sporadisch belegt164. Der Name kommt in England vor, vgl. Thein 12. Jhdt. Durham-Liber Vitae165. Runenschwed. Qægn, Qiagn gehört zu der Gruppe der Personennamen, die von Personenbezeichnungen abgeleitet sind. Diese Gruppe scheint recht häufig im nordischen Raum vetreten zu sein. Andere Beispiele aus dem Runenschwedischen sind Boi, DrængR, Karl(i), Svæinn und V¯ıkingR166. Im Gegensatz zu Skandinavien fungiert Theganim kontinentalgermanischen Raum als erstes Glied von normalen zweigliedrigen Personenennamen. Das Element ist besonders häufig im oberdeutschen Raum. Im Verbrüderungsbuch von Reichenau findet man u. a. 155
156 157 158 159 160 161 162 163 164 165 166
Die Etymologie von *qenaz ist schwierig. Orel 2003, S. 418 schreibt: „Close to Gk ‚child‘ < IE *tekno- … Cf. further Skt tákman- ‚offspring‘ also derived from IE *tek- ‚to give birth‘.“ Vgl. Holthausen 1934, S. 362; Stenton 1971, S. 486–487. Vgl. Pfeifer et al. 1989, S. 263. Vgl. Strid 1987, S. 301–306. Wahlberg 2003, S. 316. Vgl. Wahlberg 2003, S. 160–161. Vgl. Strid 1987, S. 305. Moltke 1985, S. 284–289. Strid 1987, S. 302 und S. 314 Anm. 4. Thors 1959, S. 88, s.n. Thiägne. Rollason/Rollason 2007, II, S. 236 [A.6.196]. Vgl. Jansson 1963, S. 114; Strid 1987, S. 303.
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Theganbold 167, Theganhard 168, Theganmar 169 und Theganolt 170 sowie die Simplexform Thegan171. Im niederdeutschen Sprachgebiet ist das Namenelement im Zeitalter der Karolinger und Ottonen eher selten. In Schlaugs Sammlung altsächsischer Personennamen vor dem Jahre 1000 ist das Namenelement lediglich durch zwei Belege von Theganrad(us) vertreten172. Es ist jedoch recht häufig im altniederfränkischen und mittelniederländischen Raum. Beispiele aus Flandern sind Theinardus 1120173, Thegenbold 12. Jh.174, Theinboldus 996–1029175 und Theinbertus 1031–1034176. Wohl aus dieser Gegend kam das Namenelement im 11. Jhdt. nach England. Englische Beispiele sind Teinfriqe [mine circwirhtan] (Dat.) 1057–1066 (Kopie 14. Jh.) < *Theganfrid und Teinardo [falconario] (Dat.) 1130 < Theganhard 177. Eine _ (mit ‚wynn‘ für <w>), der interessante Hybridbildung ist deg(e)nwine Name eines Münzmeisters aus Exeter unter Cnut und Harthacnut178. Das zweite Glied ist ae. -wine, und zweifellos ist der Name eine Hybridbildung, die in England entstanden ist. Eine Parallele wäre der feminine Personenname Thanggeoue < niederdtsch. Thank- und ae. *-geofu, der im DurhamLiber Vitae vorkommt179. Vom Standpunkt der Wortbildung her ist der englische Name Qeg(e)nwine identisch mit kontinentalen Bildungen des Typs Theganhard, Theganrâd. Als zweites Glied kommt -qeg(e)n im Altenglischen vor, vgl. die northumbrischen Namen E¯at&egn (= E¯ad&egn), Cyni&egn, Le¯of&egn, Til&egn, Wil&egn. Als zweites Glied ist -thegan im Althochdeutschen belegt. In Skandinavien ist der Typ lediglich durch an. Farqegn, ODan Farthin, OSwed Farqiægn vertreten. Man muss wohl jeden Namen einzeln betrachten und mit den festländischen Belegen räumlich und chronologisch vergleichen. Dies ist sehr mühsam, und die Ergebnisse werden nicht immer klare Antworten geben. Die kontinentalgermanischen Münzmeisternamen des 10. Jahrhunderts scheinen überwiegend westfränkischen Ursprungs zu sein, und die romanischen Formen werfen Fragen des Sprachkontaktes auf, die untersucht wer167 168 169 170 171 172 173 174 175 176 177 178 179
Autenrieth/Geuenich/Schmid 1979, S. 155 [th 25]. Autenrieth/Geuenich/Schmid 1979, S. 155 [th 28]. Autenrieth/Geuenich/Schmid 1979, S. 155 [th 30]. Autenrieth/Geuenich/Schmid 1979, S. 155 [th 33]. Autenrieth/Geuenich/Schmid 1979, S. 155 [th 24]. Schlaug 1962, S. 159. Tavernier-Vereecken 1968, S. 35. Ebd. S. 44. Ebd. Ebd. S. 74. Vgl. Feilitzen 1963, S. 57–58. Smart 1987b, S. 302. Rollason/Rollason 2007, II, S. 75 [A.2.304].
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den sollten, obwohl das Risiko bleibt, dass die Ergebnisse recht mager ausfallen könnten. Es ist leichter, wenn wir uns mit Anzeichen der Anglisierung befassen. Die Namen erlauben uns Vermutungen, aber die Abwesenheit von zeitgenössischen Berichten über die Sprache von Münzmeistern bedeutet, dass wir nicht über die Interpretation der Formen als linguistische Zeichen hinausgehen können.
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Namen des Frühmittelalters – RGA-E Band 66 – Seiten 43–120 und · Namen in Afrika © Copyright 2009 WalterSprache de Gruyter Berlin · der NewWandalen York
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Sprache und Namen der Wandalen in Afrika Hermann Reichert
Vorliegende Arbeit ist eine stark erweiterte Fassung meines Beitrags für die Edition des Pseudo-Augustinus „Collatio Aurelii Augustini cum Pascentio Arriano“ (hg. Müller / Weber / Weidmann 2008 [8]). Si enim licet dicere non solum barbaris lingua sua, sed etiam Romanis ‚Froia arme‘ quod interpretatur ‚Domine miserere‘, cur non liceret in conciliis patrum in ipsa terra Graecorum, unde ubique destinata est fides, lingua propria homousion confiteri … (Anonymus, Collatio Aurelii Augustini cum Pascentio Arriano, 15, 205 ff.)
1 Problemlage, Zielsetzung, Methoden, Ergebnisse 1.1 Problemlage Ferdinand Wrede veröffentlichte 1886 eine Untersuchung des gesamten damals bekannten sprachlichen Materials der Wandalen. Einer der Schlüsse, die er aus seiner Materialsammlung ziehen konnte, war, dass der wandalische Lautstand „in den Hauptpunkten ganz gotisch“ erscheint (Wrede 1886 [84], 7). Morphologie und Wortschatz sind auf Grund der spärlichen Quellen mit noch geringerer Sicherheit zu beurteilen, doch in dem Wenigen, das wir besitzen, ergeben sich auch in diesen Bereichen keine feststellbaren Unterschiede. Nach dem, was wir über die Wanderungen der Wandalen wissen, ist dieses Ergebnis nicht selbstverständlich. Dass Wandalen und Goten dieselbe Sprache sprachen, ist insofern erstaunlich, als beide Völker weite Wanderungen in Wandergemeinschaften mit anderen Völkern mitmachten und die Heereszüge der Barbaren oft kurzlebige Zufallsgemeinschaften waren. So waren die Wandalen, Ostgermanen, als sie im Jahr 429 nach Afrika eindrangen, in Wandergemeinschaft mit iranischen Alanen; als sie 406 Gallien plünderten, außerdem in Wandergemeinschaft mit westgermanischen Sueben. Der Historiker resümiert: „Die gentes waren aufnahmebereit für Einzelne oder ganze Gruppen. Die Frage nach Sprache, Hautfarbe oder selbst Religion war nicht das Thema“ (Steinacher 2002 [69], 10 f.). Daher könnte man der Ansicht sein, es sei unmöglich, dass die
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Wandalen in Afrika ein mehr oder weniger reines Gotisch gesprochen hätten, und man müsse die betreffenden Zeugnisse anders erklären. Nun hat sich seit Wrede an der Materialbasis viel geändert.
1.2 Auswahl des Materials Nicoletta Francovich Onesti (2002 [25], 139–179) verzeichnet 121 Eigennamen und 10 sonstige Wörter, deren Zugehörigkeit zum Wandalischen sie für sicher oder wahrscheinlich hält. Wrede nannte 53 Namen und nur zwei sonstige Wörter; allerdings hat sich im Bereich der ‚sonstigen Wörter‘ die Materialbasis nicht durch Neufunde vergrößert, sondern nur durch die Zuweisung zum Wandalischen bzw. die Bewertung als Appellativ. Auch die Vermehrung des Namenmaterials beruht nur zum geringeren Teil auf Neufunden. Unter den Namen schied Wrede vor allem die von Katholiken aus, da er irrigerweise annahm, alle Wandalen seien Arianer gewesen, und germanische Namen von Katholiken müssten sich auf Angehörige anderer germanischer Stämme beziehen. Anderseits finden sich unter Wredes 53 sicher oder möglicherweise wandalischen Namen einige, die von Francovich Onesti ausgeschieden und in ihre nachfolgenden Listen alanischer oder sonstiger Namen aufgenommen wurden. Damit ergibt sich insgesamt eine gegenüber Wrede zunächst stark veränderte Quellensituation für die hier zu untersuchende Frage, ob wir von einer eigenen Sprache ‚Wandalisch‘ sprechen können, oder ob es sich um einen vom Ost- oder Westgotischen geringfügig oder gar nicht abweichenden Dialekt des Gotischen handelte. Für diesen Zweck ist aber nur sicher wandalisches Material brauchbar. Nicht von allen 69 Namen, die Francovich Onesti über Wrede hinaus aufnahm, ist die Zugehörigkeit zum Wandalischen so sicher, dass sie für die Frage, ob die Wandalen eine eigene Sprache oder Gotisch sprachen, herangezogen werden könnten. Bei einigen ist die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um ungermanische Namen handelt, sehr groß. Für die vorliegende Untersuchung war daher eine eigene Bestimmung der Materialbasis zu treffen. Die Erweiterung der Materialbasis gegenüber Wrede ergibt sich durch – die Edition früher unbekannter Inschriften der Wandalenzeit (die bis 1954 bekannten zusammengefasst bei Courtois [12], 1955; seither Nachträge in den jährlichen Bänden von AE und bei manfredclauss). – die vollständige Edition der wandalischen Münzen durch Hahn 1973. Korrekturen der Materialbasis ergeben sich durch – die Neuedition eines bekannten Textes, des Pseudo-Augustinus „Collatio Aurelii Augustini cum Pascentio Arriano“ – Neubewertung bekannter Belege.
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1.3 Kriterien für Aufnahme oder Ausschluss Wenn man alles ausscheidet, was mit für diese Untersuchung relevanten Unsicherheiten behaftet ist, wird das Material gegenüber FrancovichOnesti stark reduziert. Z. B. wird man kaum einen in Nordafrika belegten Frauennamen Mannica mit Wahrscheinlichkeit für das Germanische reklamieren können, wenn die Mutter des Augustinus den punischen Namen Monnica trug; einheimische Namen mit Mann- begegnen mehrfach; schon a. 343 trug ein afrikanischer Bischof den Namen Manninus (Mandouze 1982 [46], 669). Gerade im Bereich der eingliedrigen oder anscheinend hybriden Namen ist die Gefahr, dass es sich um tatsächlich ungermanische Namen mit Zweitgliedern aus nur schlecht belegten nordafrikanischen Sprachen handelt, sehr groß. Ableitungen wie -ik- sind in zu vielen Sprachen möglich; Namen mit wenig komplexer Silbenstruktur ebenfalls. Manchmal erlebt man Überraschungen; z. B. ist das häufige germanische Zweitglied -meres nicht ausschließlich germanisch; ein homographes Element findet sich z. B. auch im Iranischen. Dass man in einem zweigliedrigen Namen einem Zufallsbefund aufsitzt, ist allerdings wenig wahrscheinlich: dass beide Glieder eines zweigliedrigen Namens sowohl aus dem Germanischen als auch einer uns unbekannten Sprache stammen könnten, wird nicht oft vorkommen. Z. B. den iranischen Namen Barzimeres entlarvt das ungermanische Erstglied. Bei zweigliedrigen Namen, deren beide Glieder gut aus dem Germanischen deutbar sind, und die von Personen getragen werden, für die auf Grund des Ortes und der Epoche germanische Herkunft nicht unwahrscheinlich ist, wird man daher auch ohne weitere Angaben zur Person annehmen, dass es sich um Germanen handelt. Ebenso wird man bei Personen, von denen im Kontext angegeben wird, dass sie Germanen sind, wenn sie eingliedrige Namen tragen, die sich problemlos germanisch deuten lassen, als sicher gelten lassen, dass der Name germanisch ist. Wenn wir uns aber auf einen eingliedrigen Namen ohne weiteren Hinweis auf germanische Herkunft der Person verlassen müssten, bezeichnen wir ihn als ‚möglicherweise germanisch‘, und verzichten darauf, ihn als Beweismittel für irgendeine sprachliche Erscheinung zu gebrauchen. Da wäre doch mit allerlei Zufällen zu rechnen. Wenn die nordafrikanischen Namen Gauda und Bocchus nicht aus Sallusts ‚Bellum Jugurthinum‘ stammten, würden wir sie für germanisch halten, ebenso einen Presbyter in Numidien, Gildo, wenn wir nicht von Ammianus Marcellinus wüssten, dass ein anderer Träger dieses Namens Sohn des Maurenkönigs Nuba ist (Mandouze 1982 [46], 539 f.). Aus analogen Erwähnungen scheiden hier Hybridbildungen aus. Bei fast allen der von
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Frankovich-Onesti (2006 [26]) als ‚hybrid‘ oder ‚möglicherweise hybrid‘ gelisteten Namen ist die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um ungermanische Namen handelt, größer als die der Annahme von Hybridbildungen. Außerdem ist, wenn man von einem Namen annimmt, dass er eine Hybridbildung ist, noch nicht gesagt, ob es sich um Wandalen auf dem Weg der Romanisierung handelt oder um Einbeziehung von Namenelementen aus der Familie des wandalischen Dienstherrn in die Namengebung alteingesessener Bevölkerung, und somit ein Eindringen wandalischer Namengebung in die Kultur der alteingesessenen Bevölkerung (unten 3). Ebenso problematisch sind germanische Namen, die an ähnlich klingende antike Namen angeglichen wurden: Eugetius (Nr. $ 24) ist ein christlicher Name, der auch weit außerhalb germanischer Bereiche auftritt. Wenn aber ein Träger dieses Namens möglicherweise identisch ist mit dem Bruder des Wandalen Oamer, kann es sein, dass die betreffende Person einen ähnlich klingenden germanischen Namen trug. Wörter, auch appellativische, nicht nur Namen, werden oft aus einer fremden Sprache in die eigene eingedeutet; ein Beispiel ist deutsch Hängematte für einen Gegenstand, der in der Karibik hamaca heißt. Ich bezeichne Hängematte als deutsch, und Eugetius als griechisch-lateinisch, auch wenn es im betreffenden Fall wahrscheinlich nur ein Pseudo-Griechisch ist. Für eine Prosopographie des Wandalenreiches ist es wichtig, auch solche Namen zu verzeichnen; für eine sprachliche Untersuchung germanischer Namen geben sie nichts her. Die Angleichung germanischer Namen an ähnlich klingende antike / christliche war möglicherweise häufig; wir können sie aber nur dann nachweisen, wenn wir für dieselbe Person beide Namen überliefert haben, was nur sehr selten zutrifft und nur für Kulturen, für die die Quellenlage besser ist – z. B. nennt Agnellus von Ravenna den bei Cassiodor stets Theodahadus genannten ostgotischen König immer Deodatus. Für das Wandalische ist da nur die Gleichung Hunirix = Honorius evident; und auch diese nur bedingt vergleichbar, weil es sich bei den auf Honorius geprägten Münzen des Hunirix (477–484; Belege LAN Bd. 1, 436 und 438) um Prägungen auf den Namen des lange verstorbenen Kaisers (393–423) und um einen gewollten Hinweis auf die Ähnlichkeit des Namens handelt: eine Prägung lautet Honorius pius Augustus). Das Bestreben, an Ostrom anzuknüpfen, wird dadurch verständlich, dass er eine Tochter Kaiser Valentinians heiratete. Nennungen des regierenden wandalischen Königs auf Münzen kommen erst unter Gunthamund auf; aber seit der Entführung der Eudoxia durch Gaisericus (a. 455) werden postume Münzen des Honorius zum Hinweis auf die Verwandtschaft mit dessen Familie geprägt, um nicht den regierenden Kaiser nennen zu müs-
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sen:1 ein Kompromiss zwischen Selbständigkeitsstreben und Gehorsam gegen Ostrom. Wieder eine andere Ursache, nämlich nur die Lautähnlichkeit mit dem Namen des Honorius, haben einige falsche Handschriftenlesarten Honorius an Stellen, wo vom Wandalenkönig Hunirix die Rede ist.
1.4 Ergebnisse Das Ergebnis der folgenden Untersuchung wird sein, dass die Ergebnisse Wredes in Details zu korrigieren sind, aber die Korrekturen die Wirkung haben, dass wir mit noch größerer Sicherheit als früher sagen können, dass man keine Unterschiede zwischen Wandalisch und Gotisch nachweisen kann. Als vom 5. Jahrhundert an sich Ostgotisch und Westgotisch vielleicht in der Behandlung der alten Diphthonge ai und au zu unterscheiden begannen, verblieb das Wandalische in dieser Hinsicht konservativ wie das Westgotische, während das Ostgotische anscheinend Änderungen unterworfen war, die sich allerdings nicht so sicher rekonstruieren lassen, wie man gemeinhin annimmt: Wegen der ‚Vokalverwirrung‘ in der romanischen Sprache der Schreiber in den erhaltenen Handschriften und Inschriften herrscht auch in genuin lateinischen Wörtern in der Schreibung der Vokale ein Chaos; dadurch sind sichere Rückschlüsse auf die gebende ostgermanische Sprache in diesem Bereich nicht möglich. Wilhelm Streitberg (1920 [71], 39) formulierte überkritisch: „Wredes Versuch, mit Hilfe der Eigennamen die ostgotischen und wandalischen Spracheigentümlichkeiten festzustellen, ist mißlungen, da er versäumt hat, durch die Untersuchung des romanischen Schreibgebrauchs eine zuverlässige Grundlage zu schaffen“. Aber zumindest zum Teil werden die sogenannten ‚ostgotischen Lautveränderungen‘ vielleicht besser ‚Romanisierungen durch nicht gotische Schreiber oder Steinmetzen‘ genannt. Eine Folgerung aus dem Ergebnis, dass die Wandalen ‚Gotisch‘ sprachen, wird zur Kenntnis frühmittelalterlicher Identitätsbildungen beitragen: nämlich, dass in Wandergemeinschaften die Teilgruppen sich ihrer sprachlichen Eigenart bewusst blieben, und insbesondere die ostgermanischen Völker, so weit wir es beurteilen können, trotz unterschiedlicher Wanderwege und Wandergemeinschaften im 6. Jahrhundert eine einheitliche Sprache sprachen, die wir ‚Gotisch‘ nennen können. Ganz überraschend wird dieser Befund doch nicht kommen: Obwohl wir von Ammianus Marcellinus bis Jordanes immer wieder von Kontakten 1
Freundliche Mitteilung von Wolfgang Hahn, Institut für Numismatik der Universität Wien.
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von Goten mit Hunnen erfahren und Priskos Fremdsprachenkenntnisse von Barbaren bezeugt,2 ist es niemandem gelungen, in der Sprache gotischer Bibeltexte ein hunnisches Wort nachzuweisen. Das Gotische behielt trotz seiner zahlreichen Kontakte mit anderen Völkern seinen ostgermanischen Wortschatz und seine ostgermanische Grammatik.
2 Fremdbeurteilung 2.1 Prokop Prokop (Bell. Vand. 1, 2, 2) konnte feststellen, dass die barbarischen Eindringlinge ins Reich meist gotische Völker, " % & '%, waren, und die berühmtesten von ihnen "% (Ostgoten), Wandalen, O % (Westgoten) und Gepiden. Doch dann setzt er fort: „Früher nannte man sie Sauromaten und Melanchlainoi, bei einigen heißen sie Geten. … Auch haben sie eine Sprache, die gotische.“ Ähnlich nennt er noch Bell. Goth. 4, 5, 5 „Tetraxitische Goten, Goten (Ostgoten), Westgoten, Wandalen und die anderen " % & '%, die man früher Skythen genannt habe, wie alle Völker dieser Gegenden.“ Was er „früher“ nennt, ist teilweise aus sehr alter Literatur; die Melanchlänen hatte er vielleicht aus Herodot. Dass diese Völker nicht Gotisch gesprochen hatten, konnte er nicht wissen. Aber Bell. Goth. 1, 1, 3 zählt er neben den Skiren auch die Alanen zu den Gotenvölkern; Bell. Vand. 1, 3 die Alanen neben den Wandalen. Die Nennung der Alanen in Bell. Goth. 1, 1, 3 bezieht sich auf die Zeit Odoakars und davor, also noch vor Prokops Geburt; die Nennung der Alanen in Bell. Vand. 1, 3 auf die früheren Wanderungen an den Rhein. Bell. Vand. 1, 5 sagt er, dass die Alanen nach der Zeit des Gaisericus ganz in den Wandalen aufgingen; Prokop hat sie als Zeitgenossen nicht mehr als eigene sprachliche Gruppe wahrgenommen. Der Titel ‚König der Wandalen und Alanen‘ meinte also damals keine getrennten, von Prokop als solche wahrnehmbare ethnische Gruppen mehr. Bezüglich der Völker, mit denen Prokop selbst Kontakt hatte, glauben wir ihm vertrauen zu dürfen, wenn er angibt, sie sprächen alle die gotische Sprache: Ostgoten, Wandalen, Westgoten und Gepiden. Die Rugier nennt er Bell. Goth. 2, 14, 24 '% « % ; Agathias zählt 1, 3, 3 auch die Burgunder dazu, doch hatte Agathias nicht dieselbe Sachkenntnis wie Prokop. Walter Pohl (2002 [54], 80 f.) stellt fest „Die Kultur 2
Fragmenta Historicorum Graecorum ed. Carl Müller Bd. 4, 92B: ein Maurusier spricht Latein untermischt mit hunnischen und gotischen Brocken; überliefert in den Excerpta de Legationibus Romanorum.
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der ‚gotischen Völker‘ war in vieler Hinsicht schon am Beginn der Wanderung recht einheitlich“; wir werden Entsprechendes für die Sprache der Wandalen und Goten der Zeit um 500 feststellen. Die Franken zählt Prokop nicht zu den Gotenvölkern. Für einen Griechen waren anscheinend Gotisch und Wandalisch dieselbe Sprache, Gotisch und Fränkisch verschiedene Sprachen.
2.2 ‚De conviviis barbaris‘: gesprochenes Wandalisch-Gotisch Das Epigramm ‚De conviviis barbaris‘ (Anthologia Latina, ed. Shackleton Bailey 279 = Riese 1, 285) enthält einen gotischen Satz. Es lautet im Codex Salmasianus: Inter eils goticum scapia matzia ia drincan non audit quisquam dignos edicere versos.
(„Unter dem gotischen [in wulfilanischer Orthographie] ‚Hails! Skapiam matjan iah drigkan! ‘ [oder] ‚Hails! Skap iah matjan iah drigkan! ‘ ‚Heil! Schaffen wir uns Essen und Trinken!‘ oder ‚Heil! Schaff sowohl Essen als auch Trinken!‘ non audet quisquam dignos educere versus wagt niemand, würdige Verse zu zitieren.“). Es ist gesprochenes Wandalisch, zeigt aber keine Unterschiede zum Gotischen. Dieser Beleg wird kontrovers datiert, entweder schon bevor die Wandalen nach Afrika kamen, oft aber auch erst nach dem Ende der Wandalenherrschaft. Kay (2006 [38], 7) kommt jedoch zu dem Schluss, dass mehrere Indizien dafür sprechen, dass die ganze Sammlung (nicht nur die von ihm edierten Teile) um 500, wahrscheinlich noch während der Wandalenherrschaft, entstanden ist, und kein Indiz gegen diese Datierung der Sammlung spricht. Die Supposition der Extremdatierungen ist: man meint, Goticum könne nicht ‚Wandalisch‘ bedeuten; da dieser Teil der Anthologia Latina sicher in Nordafrika entstanden ist, müsse es sich um vor oder nach der Wandalenzeit in Nordafrika anwesende Goten gehandelt haben; in der Wandalenzeit selbst hätten hier ja nur Wandalen in den Wirtshäusern gegrölt. Der Irrtum dahinter ist: Convivium heißt nicht, dass eine Gruppe von Barbaren, vielleicht irgendwelche ihrer ethnischen Herkunft nach nicht näher bestimmbare Hilfstruppen einer römischen Einheit, also zufälligerweise tatsächlich Goten, in ein Gasthaus stürmte, in dem der Dichter gerade lateinische Verse vortragen wollte, durch die Ankömmlinge gestört wurde und die Worte aufschnappte, die sie beim Eintritt riefen.3 Ein convivium ist eine Veranstaltung von hochgestellten Persönlichkeiten für ge3
Die Gasthaus-Szenerie findet sich noch bei Scardigli (1974 [62]).
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ladene Gäste. Um vor den Gästen mit seiner Bildung zu protzen, lädt der Gastgeber einen gebildeten Dichter ein, der die Gäste mit seinen Versen zu unterhalten hat. Germanische Barbaren in politischer Stellung, die solche convivia veranstalten konnten, waren in Nordafrika nur die Wandalen, und diese nur während der Zeit ihrer Herrschaft. Dass die Gäste wegen des Essens und Trinkens kamen und die Verse missachteten, traf nicht nur römische Dichter im Wandalenreich. Germanisten denken an Walther von der Vogelweide, der sich beklagte, dass er unter den betrunkenen Rittern am Landgrafenhof in Thüringen seine Gedichte nicht vortragen konnte; in anderen Epochen war es nicht anders. Der Dichter dieses Epigramms aber schiebt es auf die Unkultur der Wandalen, mit denen er persönlich zu tun hat und deren Worte er hört und wiedergibt, deren Sprache er als ‚Gotisch‘ bezeichnet. Zu Beginn der Wandalenherrschaft unterhielt man sich sicher beim Gastmahl auf WandalischGotisch. Aber später? Dass man überhaupt einen römischen Dichter einlud, zeigt vermutlich, dass der Gastgeber erwartete, alle Gäste könnten Latein, und dass sie nichts gegen lateinische Dichtung hatten. Das zeigt die Wandalen auf dem Weg der Romanisierung, auch wenn sie noch gotisch grölten, wenn es um Essen und Trinken ging. Ein Gastmahl an einem germanischen Fürstenhof stellen wir uns so vor, dass ein Sänger Heldenlieder über die Taten der Vorfahren vortrug und alle begeistert zuhörten oder mitsangen, wenn auch mit rauhen Stimmen und ungeordnet, wie der Augenund Ohrenzeuge Ammianus Marcellinus den Schlachtgesang der Goten bei Beginn der Schlacht von Marcianopolis beschreibt (31, 7, 11; zu a. 377): maiorum laudes clamoribus stridebant inconditis (‚sie kreischten das Lob ihrer Vorfahren in ungeordnetem Geschrei‘).
3 Der Personennamenbestand als Zeugnis für kulturelle Zugehörigkeit Die Namenelemente der PN von Wandalen und Goten sind zu einem großen Teil gleich; es gibt mehr gemeinsame Namen zwischen Goten und Wandalen als zwischen Goten und Franken. Ein gemeinsamer PN-Wortschatz ist kein Indiz im Sinne der Linguistik dafür, dass Goten und Wandalen eine gemeinsame Sprache sprachen; doch gehört der Namenschatz zum geistigen Umfeld der Sprache. Nicht alle Personen, die im Ostoder Westgotenreich gotische bzw. im Wandalenreich wandalische Namen trugen, waren Goten bzw. Wandalen: es könnten auch Romanen Namen der germanischen Herrenschicht benutzt haben, so wie Germanen auch römische, besonders christliche, Namen annahmen. Dann wären etwaige
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Hybridbildungen nicht so zu erklären, dass man, wie im nachwestgotischen Spanien im Namen *Christomil (Piel / Kremer 1976 [53], 109 f.), ohne selbst Gotisch zu können, aus Stolz auf (angebliche, nicht unbedingt biologisch gemeinte) gotische Vorfahren pseudo-gotische Namen wählte und ein ungermanisches Namenelement in eine zweigliedrige pseudogermanische Bildung mischte. Für die iberische Halbinsel betont Kremer (2006 [42], 167), dass es sich anscheinend meist um „automatische Kombination beliebter (oder konnotierter?) Namenwörter“ handelt. Dass die westgotische Namengebung in Spanien nach der westgotischen Epoche weiterlebt, also Romanen sich an die früheren Herren der Halbinsel pseudologisch ansippten, ist kein Beweis dafür, dass auch früher Romanen westgotische Namen benutzten, da die Benutzung von Namen einer idealisierten Vergangenheit doch etwas anderes ist als die Benutzung von Namen der augenblicklichen Herrenschicht. Aber es ist nicht einzusehen, warum man das nicht hätte tun sollen; es wäre als Höflichkeitsgeste gegenüber der Familie des Herrn zu verstehen gewesen.4 Die Namenwahl kann politische oder kulturpolitische Gründe haben; wenn man sich eine Identität als gotischer Stamm gibt, bringt man das durch die Namengebung zum Ausdruck. Es hätte auch keinen Sinn, hier einen numerischen Vergleich vorzuführen: die meisten erhaltenen Namen sind solche der Königsfamilien, und diese sind durch Heirats- und sonstige Politik am stärksten beeinflussbar. Ein Beispiel dafür ist: In den westgotischen, wandalischen und ostgotischen Königshäusern trat im 5. Jh. der Name ‚Theoderich‘ mehrfach auf, dann auch bei den Franken, obwohl er früher nirgends belegt ist. Wir haben vor dem 5. Jh. weniger Belege von germanischen Namen, als es verschiedene PN gegeben haben wird; ein Argument ex silentio, einen bestimmten Namen habe es früher nicht gegeben, ist daher nicht zulässig. Aber einer der häufigsten Namen kann Theoderich früher nicht gewesen sein; sonst hätten wir zumindest einen Träger des Namens vor dem 5. Jh. belegt. Wenn ein Königshaus mit der Vergabe eines Namens begann und andere nachfolgten, war das eine politische Aussage. Man betonte aber damit nicht unbedingt eine gemeinsame Sprache, die hatte sicher untergeordnete Bedeutung. Auch bei PN weniger hoch gestellter Persönlichkeiten kann der Wunsch, gemeinsame Absammungstraditionen mit den Goten zu besitzen, die Verwendung gotischer PN begünstigen, die dann eine sprachliche Verwandtschaft vorspiegeln könnten, die in Wirklichkeit nicht gegeben war. Am geringsten ist diese Gefahr, wenn sich Namen finden, die bei beiden Völkern belegt sind, aber bei beiden ausschließlich von Perso4
Überzeugt davon, dass auch Romanen sehr früh germanische Namen übernehmen konnten, ist Claude (1971 [6], 111–113).
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nen getragen wurden, die nicht Mitglieder eines Herrscherhauses sind. Obwohl uns solche selten überliefert sind, besitzen wir drei solche Namenpaare zwischen Gotisch und Wandalisch (unten 3.1). Anscheinend zufällig nur wandalisch und althochdeutsch belegt ist Scarila (Nr. $ 74) / Scerilo: Obwohl dieser Name in die Semantik der altgermanischen Namen passt (ahd. scara ‚Kriegerschar‘; scerio ‚Scharmeister‘; scerita ‚ordnete in eine Kriegerschar ein‘ Hildebrandslied), scheint er zufälligerweise selten oder nicht in höheren Sozialschichten üblich gewesen zu sein. Die wenigen althochdeutschen Belege mit Schwerpunkt im Alemannischen, St. Gallen; darunter einen lautlich genau entsprechenden Scerilo von a. 855, verzeichnet Förstemann 1900 [22], 1306). Dazu ergänzt Kaufmann (1968 [37], 305) einige langobardische nach Bruckner (dazu jetzt Francovich-Onesti 2000 [23]). Es könnte sein, dass ein Name dieser Bedeutung für die Schicht der niedrigeren Gefolgsleute und Krieger, die in den Quellen fast nicht repräsentiert ist, kennzeichnend gewesen wäre und daher in diesem wandalischen Zufallsbeleg und im Althochdeutschen überlebt. Das wäre ein Indiz für das Zusammenstimmen der wandalischen mit der allgemeinen altgermanischen Namengebung auch außerhalb des Hochadels.
3.1 Gotisch-wandalische Namenpaare 3.1.1 Den Namen Andvit (Nr. $ 5) trägt quidam presbyter eorum (der Arianer; Victor von Vita, Persecutio 1, 41), der im Rahmen der von Gaisericus angeordneten Katholikenverfolgung eine Schar bewaffneter Arianer anführt; also sicher ein Wandale, und ein Bittsteller beim Ostgotenkönig Theoderich (Cassiodor, Variae 5, 29, 1), also höchstwahrscheinlich ein Ostgote. 3.1.2 Den Namen Tanca trägt ein Wandale (Nr. $ 83), dessen Name auf einem Fußbodenmosaik in einer Basilika in Carthago erhalten ist (Zusammenfassung unter Hostrildi Nr. $ 55). Ebenfalls Tanca* (Ablativ: Tancane) heißt bei Cassiodor (Variae 8, 28 von a. 527) ein Grundbesitzer; sicher ein Ostgote. Ein comes Tanco, der 499 gegen die Bulgaren fällt (Marcellinus comes, Chron. Min. Bd. 2, 95), scheint, der Endung o nach zu schließen, Westgermane zu sein (aber: siehe Stilico; Nr. $ 80). 3.1.3 Den Namen Vitarit (Nr. $ 97) trägt ein Notarius des wandalischen Königs Hunirix (Victor von Vita, Persecutio 2, 3 und 2, 41; in der Ausgabe von Halm, MGH AA Bd. 3, 1, im Index S. 83 falsch ‚Notarius Zenons‘); also sicher ein Wandale. Außerdem erscheint ein Fl. Vitalis Vitarit auf einer
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Inschrift aus Tebessa – Theveste, Numidia, unter deren Merkwürdigkeiten der Herausgeber, Paul-Albert Février (1972 [20], 148, Tebessa Nr. 1) auf die Zählung des Lebensalters nach Halbjahren (semis annos) hinweist, ohne eine Erklärung dafür geben zu können. Dem altgermanischen Gebrauch würde die Zählung nach Halbjahren jedoch entsprechen (Reichert 2007 [58], 868). Diese beiden, sicher Wandalen, tragen denselben Namen wie der ostgotische Witterit (Genitiv) auf einem Papyrus aus Ravenna von a. 539 (Tjäder 1982 [74], 58 Nr. 30).
4 Ermittlung der sicher wandalischen Namen Der Großteil der Germanen, die in Nordafrika zur Wandalenzeit belegt sind, waren Wandalen. Wegen der mehrfach angesprochenen Wandergemeinschaften ist jedoch für jeden Fall zu überprüfen, ob es sich nicht etwa um einen Angehörigen eines anderen germanischen Stammes handelt. Es genügt daher nicht, germanische von nicht germanischen Namen zu trennen, sondern es ist zu untersuchen, ob für einen Beleg eine Feinzuordnung möglich ist; je mehr Bestimmungsstücke für einen Beleg klar sind, desto höher ist seine Aussgekraft. Die folgende Liste wurde so erstellt: Namen, die in der Literatur nur gelegentlich als möglicherweise germanisch bzw. wandalisch bezeichnet wurden, und von denen es offensichtlich ist, dass sie es nicht sind, wurden hier fortgelassen. Namen, die eindeutig wandalische Namen von Wandalen sind (Beispiel: Geilamir), kommen ohne Diskussion in die Liste. Bei allen anderen Namen ist die Entscheidung pro oder contra zu begründen. Als Argumente wären nicht nur sprachwissenschaftliche anzuwenden, sondern, sofern zugänglich, auch archäologische. Koenig (1981 [40], 300) nennt als archäologische Kriterien formale Übereinstimmung mit merowingischen Grabfunden bei Fremdartigkeit im gleichzeitigen nordafrikanischen Fundgut, sowie „ostgermanische“ Tracht (spezifische Fibeltracht): „Historisch verbirgt sich hinter einem Grab mit ostgermanischer Tracht ein Angehöriger der privilegierten wandalischen Herrenschicht“ (Koenig 1981 [40], 302). Koenig weist allerdings darauf hin, dass eine „saubere Grabungsbeobachtung“ nötig wäre, um sicherzustellen, dass die Beigaben zu dem die Inschrift tragenden Grabstein gehören, und dass diese Bedingungen leider nur sehr selten erfüllt sind. Gerade dieses wichtige Kriterium spielt daher in der Praxis nur selten eine Rolle. Ein Problem stellen Namen dar, bei denen der Verdacht, sie könnten nicht wandalisch sein, dadurch hervorgerufen wird, dass sie, wären sie wandalisch, Lautveränderungen zeigen würden, von denen wir annehmen, dass
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das Wandalische sie nicht mitmachte. Solche Namen auszuscheiden, weil ein entsprechender Lautwandel im Gotischen nicht belegt ist, könnte das Ergebnis verfälschen, da ein Ergebnis ‚Das Wandalische unterscheidet sich nicht vom Gotischen‘ vorprogrammiert wäre. Um einem Zirkelschlusses zu entgehen, werden solche Namen genau auf mögliche Relevanz überprüft. Nun die Liste der Namen von Wandalen während der Zeit ihrer nordafrikanischen Herrschaft, die aufzunehmen oder nach Diskussion von Pro und Contra auszuscheiden sind:
$ 1. Abiarica oder Abtarica (Carthago; Courtois 1955 [12], Nr. 149) ist ein eigenartiger Name, der durch die unsichere Lesung weiter an Aussagekraft verliert. Francovich-Onesti (2006 [26], 120) entscheidet sich ohne Diskusson für die Lesung Abiarica und setzt einen Frauennamen mit lateinischer Endung an, der aus einem das sehr seltene germ. Namenelement *Awja- enthaltenden Namen *Awja-r¯ıkaz moviert ist. Unter der Unmenge germanischer Namen mit dem Zweitglied -r¯ık- findet sich aber, wie die Liste im LAN (Bd. 2, 595–601) zeigt, kein einziger Frauenname außer den beiden von Francovich-Onesti (2002 [25], 145 f. bzw. 173 und 2006 [26], 120) für das Wandalische reklamierten Namen Abiarica / Abtarica und Supserika (Nr. $ 81). Zur ungermanischen Bildungsweise des Zweitglieds käme ein sehr seltenes Erstglied: Zum Namenstamm *Awja- bietet Förstemann (1900 [22], 217–219) unter „AVI (vielleicht ist AUJA anzusetzen)“ auf nur ca. zwei Spalten Belege, von denen ein Gutteil als mehr als fraglich zu bezeichnen ist (Kaufmann 1968 [37], 48 fügt s.v. *Awja- noch einen Verweis auf den gallischen PN Avi-cantus hinzu). Aus altgermanischer Zeit stammen mit einiger Sicherheit nur ostgotisch Augis, ohne ja-Ableitung; sowie auf südgermanischen Runeninschriften Awimund m. (Weimar) und Awa f. (Nordendorf 1); dazu kommt eine kleine Zahl minder sicherer (LAN Bd. 2, 472 f.; Nedoma 2004 [50], s. v. Awimund, 227 ff.). Aus dem appellativischen Wortschatz ist im Gotischen die Zusammensetzung awi-liuq ‚Dank‘ (! «, ) bzw. awiliudon ‚danken‘ ( !( , )) belegt (Streitberg 1910 [70], 15). Ansonsten erscheint das Namenelement germ. *Awja- nur im Nordischen, wobei zu berücksichtigen ist, dass der nordische PN-Schatz sich stark von dem der übrigen germanischen Völker unterscheidet. Dort haben wir PN wie Eysteinn, Eydís und auf 2 Brakteaten (Skodborg und Seeland 2) in magischen Zeichenketten die Zeichenfolge auja. Die genaue Bedeutung des Namenselementes lässt sich dadurch nicht ermitteln, doch muss es ein positiver Wert sein
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(Düwel 2005 [17], 19; Krause 1971 [41], 73; Nedoma 2004 [50], 230). Die Deutung des Namens als *Awja-r¯ıka würde daher einen guten Sinn ergeben. Verdacht erregend ist trotzdem die geringe Belegzahl des Namenelements *Awja-. Da ist, wenn Courtois die betreffende Lesung nur als eine von zwei möglichen bezeichnet, Vorsicht geboten. Falls die konkurrierende Lesung in Betracht gezogen werden soll, könnte man für das Erstglied auch eine romanisierende Schreibung von germ. *aud-, wie in Apta-charius bei Gregor von Tours für langobardisch Authari, annehmen (LAN Bd. 1, 107). Sicherheit, dass der Name germanisch ist, haben wir nicht: Namen mit (latinisiert) -icus / ica sind häufig und offensichtlich aus verschiedenen Sprachen belegt; das r zum 2. Glied zu ziehen ist die nächstliegende Lösungsmöglichkeit, aber nicht die einzige. Trotzdem wird, solange die Suche nach passenden Namenelementen in anderen Sprachen ergebnislos bleibt, germanische Herkunft beider Namenelemente in jeder der beiden Lesungsmöglichkeiten wahrscheinlich bleiben. In der germanischen Namengebung kommen für Movierungen nur bestimmte Zweitglieder in Frage (Schramm 1957 [65], 122 ff. und 157 ff.). Zu diesen gehört *r¯ıkaz nicht. Um eine genuin germanische Bildung kann es sich bei Abiarica – Abtarica daher nicht handeln. Die Annahme eines movierten Namens bedeutet nicht notwendig, dass es sich um eine germanische Familie handelt, die in Romanisierung begriffen ist; es ist auch denkbar, dass einheimische Bevölkerung Namen der germanischen Herrenschicht verwendet, aber nach ihren Regeln verändert: Movierung von Frauennamen aus Männernamen wäre für die romanische Namengebung gewöhnlich. Zeugniswert für einen bestimmten Sprachzustand des Wandalischen kommt diesem Beleg nicht zu.
$ 2. Abragila wurde von Wrede doppelt unberechtigt als Katholik ausgeschieden, da Katholizismus allein kein Ausscheidungsgrund wäre, Abragila aber ohnehin nach der Darstellung bei Ferrandus arianischer Presbyter gewesen sein müsste (Lapeyre 1929 [43], 166; Wagner 1982b [78], 362; LAN Bd. 2, 1; Francovich-Onesti 2002 [25], 146; unsicher Mandouze 1982 [46], 29). Namen mit gotisch abrs ‚stark; heftig‘ sind, wenn überhaupt, nur sehr selten belegt: Die Wortbildung im einzigen Beleg, dem Namen des Fl. Abruna (in einer Bataverkohorte in Aquileia) ist unklar, daher könnte er ungermanisch und mit dem italischen Namen Abrunus verwandt sein; der Eintrag im LAN Bd. 1, 8 berücksichtigt die im Thesaurus Linguae Latinae s. v. verzeichneten Belege dieses Namens nicht und ist in ‚möglicherweise
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germanisch‘ zu korrigieren. Der Vorschlag von Wagner (1982b [78], 361–367), in Abr-Agila (‚der starke Agila‘) zu segmentieren, scheint mir nicht gangbar, ebensowenig die von ihm angenommene Parallele, bei Jordanes überliefertes Eterpamara als et erpa Amara (‚und der dunkelfarbige Amara‘) zu deuten. Ein gotisches Adjektiv bei Jordanes ist nirgends belegt; es ist angemessener, Erpamara als undeutbar zu bezeichnen als eine sonst nicht belegte Vorgangsweise des Jordanes anzunehmen. Erpamara (Gen.!) als Name eines mythischen Heros muss nicht der Bildungsweise normaler PN gehorchen und bleibt schon deshalb, wenn vielleicht auch nicht verderbt, doch undeutbar. Die Segmentierung von Abragila in Abr.a-gil.a ist zwar nicht eindeutig, aber die wahrscheinlichste (LAN Bd. 2, 451 mit ‚?‘ bezeichnet). Förstemann (1900 [22], 637) verweist für alle Namen auf -gil zu *g¯ısil, bezweifelt jedoch (Sp. 648), dass Abragila schon hierher gehören kann, da Verkürzungen von -gisil zu -gil sonst erst viel später belegt sind. Auch Kaufmann (1968 [37], 146) stellt fest: „ein Primärstamm Gil- besteht nicht“. Abzulehnen ist der Vorschlag von Lapeyre (1929 [43], 210), den Namen als Hybridbildung eines punischen Erstglieds Ab- (‚Vater des …‘) mit einem gotischen Zweitglied anzusehen, da sich ein gotisches †Ragil nicht plausibel machen lässt. Aber auch in den semitischen Sprachen scheint es kein †Ragil zu geben. Ab-raham könnte also nicht als Parallele gelten. Abr- allein könnte auch aus anderen Sprachen stammen; es gibt italischeNamen wie Abro, Abronius, Abrosus, Abrenus, Abrius. Diese werden von Otto (Thesaurus Linguae Latinae Bd. 1, 136) zu lat. aper gestellt, was nicht für alle zutreffen muss. Ein dritte Quelle von Abr-Namen scheint der Name Abradas (L. Aelius Habradas CIL 6 1058, 1, 20; a. 210 in der cohors V vigilium) zu verlangen, den unter anderen ein Christ trug, der um 600 Ephesos besuchte (Flavius Abradas). Eine Erweiterung eines solchen Namens scheint in den iranischen Namen Abradatas und Abraga¯ n (Justi 1895 [36], 2) vorzuliegen. Einheimische nordafrikanische Namen ergeben nichts Naheliegendes; der Thesaurus Linguae Latinae verhilft nur zu einem Ortsnamen bei Victor von Vita, der einen Abaradirensis (Bewohner von Abadira, Ort in Byzacena) nennt. Nicht in Frage kommt der PN Abra f., da er von einem Nomen der Bedeutung ‚Magd‘ abgeleitet ist. Da bei allen diesen ungermanischen Namen das (a)-gil ungedeutet bleibt, wäre eine Deutung aus dem Germanischen vorzuziehen. Das Zweitglied -gil erinnert zwar an Gil- Schreibungen für Gail- (in Gilimir für Geilamir u. a.), doch tritt dieses gail–geil–gil nie als Zweitglied auf (LAN Bd. 2, 513). Der Name ist also mehrdeutig, vielleicht sogar undeutbar und bleibt daher außer Betracht. Der Vollständigkeit halber sei vermerkt, dass auf Baskisch ebregile ‚Regenmacher‘ heißt.5 5
Freundliche Mitteilung von Gerhard Böhm, Institut für Afrikanistik der Universität Wien.
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$ 3. Agisild[ (LAN Bd. 1, 15 nach Courtois 1955 [12], Nr. 147; Abbildung: Ennabli 1991 [19], Nr. 544). Die Editionen geben als Geschlechtsbezeichnung „f.“ an; wahrscheinlich richtig, weil germanische Männernamen auf -hildus sehr selten sind (z. B. ]aroildus CIL 6 38488; LAN Bd. 1, 74); das Bruchstück enthält nichts, was auf das Geschlecht der oder des Begrabenen hinweist. Die Inschrift ist christlich; in einem zur Wandalenzeit häufigen Duktus. Das gotische Appellativ agis – agisis n. ‚Schrecken; Furcht‘ (* «) ergäbe mit -hild guten Sinn für einen Frauennamen aus dem Sinnbezirk der weiblichen Schlachtenlenkerinnen (nordisch: Walküren). Es ist der einzige sicher germanische Beleg von Agis- Namen mit erhaltenem s des ehemaligen s-Stammes. Die anderen Namen mit Age- bzw. Agi- können auch zu anderen Stämmen gehören (Kaufmann 1968 [37], 20–24). Bei dem häufiger belegten Namenselement Sigi- treten oft Varianten mit Sigis- auf, und zwar, wie die LAN Bd. 1, 601–609 verzeichneten Sigi-Namen zeigen, öfter in Namen von Ostgermanen als in Namen von Franken. Unter den Sigis-Namen ist auch der eines Wandalen (Sigisteus Nr. $ 77). Es ist also wahrscheinlich, dass Agisild[ eine ostgermanischen Charakter tragende wandalische Namenform ist. Zum erhaltenen ld s. unten (5.1.13); zum Ausfall des h (5.1.10); zur Morphologie (5.3.5).
$ 4. #A!«, ein Bruder Geilamirs; nur bei Prokop genannt (LAN Bd. 1, 46). Die von Wrede angenommene Etymologie, zu germ. *am.at- (in deutsch emsig; Ameise) wird allgemein akzeptiert. Der Name ist sicher sowohl der eines Wandalen als auch direkt aus wandalischem Mund in die antike Überlieferung (sei es zu Prokop direkt oder über Latein sprechende Gewährsleute) gelangt.
$ 5. Andvit (s. 3.1.1). Dieser Name eines Wandalen zeigt denselben Lautstand wie der entsprechende ostgotische Name; zu nd unten (5.1.13); zu v (5.1.15); zur Endungslosigkeit (5.3.2).
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$ 6. Ansila ist schon für die ostgotische Königsfamilie des 4. Jh. belegt (Jordanes, Getica 14, 79); ein Gleichnamiger wird von Dracontius (Satisfactio 213 f.) in folgendem Kontext genannt: (deus) contulit absenti (rege Gunthamundo) terrae pelagique triumphos: Ansila testatur, Maurus ubique iacet. Vollmer merkt dazu im Index an (MGH AA Bd. 14, 296): „Ansila victus a Vandalis absente Gunthamundo“. Das berücksichtigt nur eine Möglichkeit. Die Interpretation hängt an der Bedeutung des ubique; dieses kann ‚wo überall‘ und ‚und überall‘ heißen. Möglichkeit 1 ist: ‚(Gott) ließ (den König; Gunthamund) zu Lande und zur See triumphieren, ohne dass er (Gunthamund) dazu persönlich anwesen sein musste: Ansila ist Zeuge dafür, wo überall die Mauren geschlagen wurden‘. Dann wäre Ansila als „Zeuge“ von Dracontius als Sieger oder Besiegter gemeint. Die ironische Deutung von testari, die den Besiegten als Zeugen des Sieges bezeichnet, wäre möglich, obwohl sich bei Du Cange (1883–1887 [1], Bd. 8, 85 ff.) unter den verschiedenen zu testis und seinen Ableitungen verzeichneten Beispielen kein solches findet. Aber wenn das gemeint wäre, müsste Ansila Maure sein, und das wird man nicht annehmen. Wrede (1886 [84], 73) scheint Ansila als siegreichen Feldherrn Gunthamunds aufzufassen; das ist bei der Übersetzung von ubique als ‚wo überall‘ die wahrscheinlichere Deutung. Eine andere Deutung liefert Übersetzungsmöglichkeit 2: ‚(Der Triumph über) Ansila bezeugt das; und die Mauren liegen überall darnieder‘. Dann wäre Ansila ein anderer Feind als die Mauren; da der vorhergehende Vers von Siegen zu Lande und zur See spricht, könnte Ansila der Kommandant einer feindlichen (gotischen?) Flotte sein. Das entspräche der Deutung Vollmers. Die ‚Satisfactio‘ entstand unter Gunthamund (484–496). Da Dracontius sie an den König adressierte, ist die sprachliche Umgebung, in der dieser Name auftritt, als wandalisch festgelegt. Ein fälschender Einfluss ostgotischer Namensformen ist hier nicht anzunehmen, selbst für den Fall, dass Ansila Gote und nicht Wandale war. Für den Lautstand können wir mit ziemlicher Sicherheit das Wandalische ansetzen; für die Person und ihren Namen käme auch die Alternative: ‚Gote‘ in Frage.
$ 7. Ariarith ist ein Name aus der nachwandalischen Epoche; es findet sich kein Hinweis auf wandalische Herkunft. Dieser Name ist daher auszuscheiden.
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$ 8. Arifridos (Courtois 1955 [12], Nr. 127; Nominativ), aus Thuburbo Maius, ist sicher aus der wandalischen Epoche. Koenig (1981 [40], 301, 312, 322 ff.) erwähnt „Beigaben, die zu einem ostgermanischen Männergrab gehören könnten“. Beide Elemente des Namens sind sowohl im Ostgermanischen als auch in anderen germanischen Sprachen belegt. Das Erstglied Ari- tritt auch bei einem Ostgoten auf, einem comes Theoderichs des Großen namens Arigernus, der in Cassiodors Variae und anderen Quellen6 mehrfach genannt wird; außerdem bei einem Westgoten #A ) (Dat.) von ca. a. 370. Namen mit dem Erstglied Ari- findet man jedoch auch bei anderen germanischen Stämmen, besonders wenn man die Variante Ariahinzurechnet, die auch im Namen des Suebenkönigs Ariamir in Spanien belegt ist (anscheinend, der Herkunft der Quelle entsprechend, in gotischer Lautung), und verschiedene außergermanische mit Ari- anlautende Namen, die von den germanischen nicht immer sicher getrennt werden können, sowie anscheinend germanische, aber nicht unbedingt wandalische Namensträger, wie der von Corippus genannte Waffenträger des Feldherrn Johannes namens Ariarith. Das Zweitglied -fridus7 ist anscheinend allen germanischen Stämmen gemeinsam; nach der Mitte des 2. Jh. erscheint -frid im Namen des Hnaudifridus, der einen am Hadrianswall stationierten friesischen numerus kommandierte (LAN Bd. 1, 432). Unter den westgermanischen Namen des 4. Jahrhunderts, von denen doch etliche belegt sind, so dass wir annehmen können, zwar nicht jede Kombination zweigliedriger Namen, aber doch die häufigeren Namensglieder erhalten zu haben, findet sich jedoch kein Name mit dem Zweitglied -frid. Die Namen mit dem Zweitglied -frid scheinen erst durch ostgermanischen Einfluss in der übrigen Germania beliebt geworden zu sein. Ausschließen kann man aber nicht, dass es auch im 4. und 5. Jahrhundert westgermanische Namen auf -frid gab; der Name Arifridos gehört daher nicht zu den Namen mit Elementen, die ausschließlich bei Goten und Wandalen vorkommen, ist hier aber sicher wandalisch. Zu d für q s. unten (5.1.12)
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Belege für diesen und die im Folgenden genannten Namen LAN Bd. 1, 64–65. Zur Geschichte des Namenelements -friq s. Reichert 2008a [59], 135–138.
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$ 9. Arimanus ist sicher ungermanisch; am ehesten iranisch. Justi (1895 [36], 23) verzeichnet die Namen Arimazes, Ariamenes und Ariaramnes bzw. Ariamnes, sowie (1895 [36], 26) Ariomandes und einige weitere ähnliche Namen, aus denen Arimanus entstellt sein könnte.
$ 10. Armogas (Nominativ, Victor von Vita, Persecutio 1, 46) ist LAN Bd. 1, 73 als ‚nicht germ.‘ eingetragen, ist aber wahrscheinlich germanisch: der Akkusativ Armogastem (Victor von Vita, Persecutio 1, 43) sieht aus, als enthielte er das Zweitglied germanisch gast, das in Namen häufig ist. Armogas wurde von Gaisericus verfolgt, weil er Katholik war, obwohl im Gefolge des Wandalen Theoderich; da ist er wahrscheinlich Wandale. Schwierigkeiten der Deutung lassen aber überlegen, ob auch andere Herkunft des Namens möglich wäre: Germanische Namen mit arm ‚pauper‘ gab es nicht; die Bedeutung war für Namen ungeeignet. Die wenigen, von Förstemann (1900 [22], 146 f.) hierher gestellten Namen entstammen späten Epochen; Kaufmann (1968 [37], 40) stellt sie zu *arma- ‚Arm‘. Das ergäbe für die Kombination Armo-gast* keinen Sinn; man muss zu *Arbogast oder *Anagast oder Ähnlichem konjizieren. Graphematisch nächstliegend wäre Arbogast; dieser Name tritt aber nur in fränkischem Kontext auf, ist also nicht sehr wahrscheinlich. Oder man erwägt, ob das Armogas des Nominativs richtig sein könnte und das -gastem eine falsche Deklination Victors. Dann wäre die Frage, ob es ähnliche einheimische Namen gäbe. Die ungermanischen Arm-Namen Nordafrikas (wie Armodius für Harmodius oder Sopitius Armutius (CIL 8 20559; in Mauretania Sitifensis) tragen charakteristisch andere Bildungsweisen. Einheimische Namen auf -gas gibt es in Africa Proconsularis allerdings: Diogas (Nom.), aus Hadrumetum – Sousse (manfredclauss; dort nach Merlin 1944 [47] Nr. 197) und Dogasi (Gen.) aus Uthina – Udhnah (manfredclauss; dort nach AE 2004, Nr. 1851). Überzeugende Parallelen bieten sie aber nicht. Bei der geringen Überlieferung einheimischer Namen in früher Zeit wird man vielleicht auch einen Namen erwägen, der erst im 16. Jh. aufgezeichnet wurde: der Portugiese Gaspar Fructuoso (um 1580–1590) nennt Aremoga als Namen (oder Titel?) einer Priesterin („molher savia“ ‚weise Frau‘) auf der Kanareninsel Gomera; wobei Are- anscheinend mehrfach priesterliche Titel bezeichnet.8 Nach Böhm 8
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könnte ein Endungs-tz eine entsprechende Maskulinform bilden und das -s bzw. st von Armogas – Armogastem ein Versuch sein, dieses wiederzugeben. Wölfel (1965 [82], IV 418 § 68) meint allerdings, Aremoga bedeute vielleicht nur ‚Einwohnerin von Gomeira‘. Ohne Kenntnis der afrikanischen Sprachen kann ich die Wahrscheinlichkeit solcher Möglichkeiten nicht beurteilen. Bei der großen Auswahl an Sprachfamilien (einige Sprachen Nordafrikas waren mit dem Baskischen verwandt) und den wenigen Namen, die in ihnen überliefert sind, kann ungermanische Herkunft des Namens nicht ausgeschlossen werden. Trotzdem wird man für den Namen, weil sein Träger sehr wahrscheinlich Germane war, germanische Herkunft annehmen – aber *A???gast ansetzen. Da die genaue Form nicht eruierbar ist, ist der Name als Basis für eine Untersuchung nicht geeignet.
$ 11. Asdingus für einen Angehörigen der Dynastie der Hasdingi ist die in nordafrikanischen Quellen der Wandalenzeit einzige Schreibung: der Genitiv Singular Asdingui, der in der Satisfactio des Dracontius erscheint, wird durch das Metrum gefordert. Die Anthologia Latina und Dracontius, und auch der spätere Victor von Tunnuna († ca. 570), spiegeln die vulgärlateinische Aussprache, ohne das anlautende H. Einzig einige Cassiodor-Handschriften überliefern die korrekte ostgermanische Form Hasding- (LAN Bd. 1, 421); zum *H- unten (5.1.10); zum sd (5.1.13).
$ 12. Aystheodori aus Labdah (Leptis Magna), Tripolitania, stammt der Datumsangabe nach (Indiktionsangabe, kein Regierungsjahr) aus nachwandalischer Zeit (Fiebiger / Schmidt 1939 Bd. 2, Nr 50); zum Auftreten von Indiktionsangaben erst nach dem Ende der Wandalenzeit Duval 1981 [16], 516 ff.). Es scheint den griechischen Namen Theodoros zu enthalten; das davor gesetzte Ays- ist als ungedeutet zu betrachten. Francovich Onesti (2002 [25], 149) will es als germanisch ansehen und vergleicht Aistomodius* (CIL 3 4453) und Aistulf. Diese Namen sind semantisch sinnvoll zu gotisch aistan (,% ‚sich vor etwas fürchten‘) gebildet: -modius gehört zu gotisch modags ‚zornig auf ‘ (. ( «); ulf ‚Wolf ‘ als Schrecken verbreitendes Tier ist ebenfalls einsichtig. Beide Namen sollen ihre Träger als dem Feind Furcht einjagend kennzeichnen. In Aystheodori wäre dagegen die Kombination nicht sinnvoll, es kann daher mit diesen Namen nicht
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verglichen werden. Auch falls man diese Namen mit Francovich Onesti (2000 [23], 199 f.) statt zu gotisch aistan zu gotisch haifsts ‚Streit; $/‘ stellt, was insbesondere für den sehr frühen Aistomodius* (2. Jh.) eine unwahrscheinlich frühe Romanisierung darstellen würde, wäre keine sinnvolle Kombination erzielbar.
$ 13. Babelo kann verschiedenen Sprachen entstammen.
$ 14. Balda[ (Carthago, Bruchstück; Francovich Onesti 2002 [25], 149, Ennabli 1975 [18], Nr. 323). Das Adjektiv balq ‚kühn‘ ist auch in den anderen germanischen Sprachen belegt und in der germanischen Namengebung allgemein. Dieser Beleg ist sicher wandalisch. Zur Behandlung des germanischen q unten (5.1.13).
$ 15. Baudus in einem Epigramm des Luxurius (Anthologia Latina ed. Shackleton Bailey 302 = Riese 1, 307) bezieht sich auf eine reiche Persönlichkeit des Wandalenreiches und spiegelt daher sowohl den wandalischen Wortschatz als auch Lautstand. Happ (1963 [29], 220–22; 1986 [30], 1, 289) weist darauf hin, dass es appellativisch (‚Gebieter‘) oder Personenname sein kann. Auch wenn der Name gemeint ist, ist er jedoch anscheinend mit Bezug auf die Bedeutung des Namens gesetzt; es ist ein lobendes Prädikat, sei es adjektivisch oder substantivisch, das im Kontext den Wert ‚siegreich, tapfer …‘ oder ‚Anführer, Gebieter …‘ vermittelt. Falls es Personenname ist, wird es im Epigramm ironisch gesetzt, da gesagt wird, dass das Verhalten des Kritisierten dem Sinngehalt des von ihm gewünschten Namens (oder der von ihm gewünschten Bezeichnung) widerspricht (Happ 1963 [29], 26; Wagner 1982a [77], 8 f.). Zum Diphthong au unten (5.1.1); zum intervokalischen d (5.1.12).
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$ 16. Beremut[ und Beremuda (Carthago; Francovich Onesti 2002 [25], 150; Ennabli (1975 [18], Nr. 82); nach manfredclauss: Beremut […] / Beremuda fid[(elis)] / vi(xit) d[ep?(osita?)] / III Idus No[vembres]. Die Inschrift ist bruchstückhaft erhalten; die rechte Seite fehlt. Zeile 1 endet mit ‚Beremut[‘. Ob danach der Name weitergeht, ist unbestimmbar. Man wird sowohl Beremut[ als auch Beremuda für wandalisch, Namen eines Mannes und einer Frau, halten. Der Ostgote Beremud, den Jordanes unter den amalischen Vorfahren Theoderichs nennt (LAN Bd. 1, 134), ist neben dem Wandalen und der Wandalin der einzige Träger dieses Namens. Dazu kommt vielleicht noch ein westgotischer Bischof des späten 7. Jh., da das Veremund der auf 683 bezogenen Konzilsakten eine falsche Schreibung für *Beremud durch romanische Schreiber sein könnte (LAN Bd. 1, 134). Das heißt, wir können mit einem bis zwei belegten Trägern dieses Namens rechnen, die beide Ostgermanen sind; außerhalb des Ostgermanischen ist der Name nicht belegt. Die beiden Namenelemente Bera- und *-mo¯ da sind allerdings gemeingermanisch; ebenso das Appellativ bzw. Adjektiv, gotisch modags ‚zornig auf ‘ (. ( «). Zur Aussprache von d/t unten (5.1.12) zu o¯ /u¯ (5.1.6).
$ 17. Bictoricus ist ungermanisch (rein lat. Ableitung von Victor).
$ 18. Blumarit wird in einem Epigramm des Luxurius (Anthologia Latina ed. Shackleton Bailey 321, 2 = Riese 1, 326) wegen seines Geizes verspottet. Er muss also ein Angehöriger der Oberschicht im Wandalenreich gewesen sein und war daher mit ziemlicher Sicherheit Wandale. Der Name ist ein hapax legomenon; das Namenelement Blo¯ m- ‚Blume‘ ist bei Förstemann (1900 [22], 317) in einem einzigen Beleg eines althochdeutschen Frauennamens Pluoma belegt. Trotzdem ist die Etymologie des Erstgliedes sicher; das Appellativ existiert in allen Teilen des Germanischen. Zur Schreibung u für o¯ unten (5.1.6). Für das Zweitglied -rit gilt die unten (5.3.3) zu besprechende Problematik.
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$ 19. Brandini (CIL 8 23324; Thala, Africa Proconsularis) ist, was das Suffix betrifft, wahrscheinlich lateinisch. Die Erweiterung von Namen verschiedenster Herkunft durch -inius in provinzialrömischer Bevölkerung ist aus keltischen und germanischen Gebieten, wie dem Rheinland, schon seit dem 1. Jh. bekannt; ein Indiz, dass hier das germanische Brand- (in Brandila, bei Cassiodor; LAN 1, 148) gemeint ist, gibt es nicht. Nach Koenig (1981 [40], 302) entstammt diese Inschrift vielleicht schon der vorwandalischen Epoche; selbst wenn die Basis des Namens, Brand-, germanisch sein sollte (aber vgl. keltisch Brandobrici, Holder 1896 [33], Bd. 1, 511 f.), könnte er nicht mit Sicherheit für das Wandalische in Anspruch genommen werden.
$ 20. Cudilu (Ennabli 1975 [18], Nr. 57 p. 186; die Abbildung dort lässt auch die Lesung Gudilu für möglich erscheinen) ist auszuschließen, da es in Nordafrika auch vor und nach der Wandalenzeit Namen wie Cududus, Cududa und ähnliche gab (Beispiele LAN Bd. 1, 392 f.), die anscheinend punisch sind. Da die Steinmetzen nicht immer zwischen C und G unterscheiden, könnte freilich der eine oder andere germanische Name mit Gud- sich hier verbergen; doch haben wir dafür im Einzelfall keine Indizien. Ein sicher ungermanischer Gudul Ilicibran (?) f(ilius) Birzic aus Mactaris – Makthar, Africa Proconsularis (nach manfredclauss) diene zur Warnung davor, ähnliche Namen als germanisch anzusehen.
$ 21. Cyrila (Victor von Vita, Persecutio 2, 8; 53 ff.) ist der Name eines arianischen Bischofs, der im Auftrag von Hunirix mit katholischen Bischöfen verhandelt und vorgibt, nicht Latein zu können, obwohl diese wissen, dass er bei anderen Gelegenheiten Latein sprechen konnte. Da kann man sicher sein, dass er ein Wandale ist. Victor berichtet weiter, dass die katholischen Bischöfe ihm vorwerfen, dass er superbe et illicite … sibi nomen Cyrila adsumpsit ‚aus Hochmut und unerlaubt den Namen Cyrila angenommen hatte‘. Ein nomen adsumptum, ein angenommener Beiname, soll Cyrila also sein, kein Taufname; und zu seiner Annahme sollte man eine Erlaubnis brauchen, für die die katholischen Bischöfe ein Monopol zu haben glauben. Man könnte vermuten, dass er den Namen eines der von den Katholiken
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als Heilige verehrten Bischöfe namens Kyrillos (eher wohl Kyrill von Alexandria als Kyrill von Jerusalem) angenommen hatte. Nun sieht die Nominativendung -a nach gotischer Sprache aus. Dann könnte der Name eine Hybridbildung sein. Wenn Victor nicht den zitierten Kontext überlieferte, würde man annehmen, Wandalen hätten einen Namen aus einem griechisch / lateinischen Wortstamm und einem germanischen Diminutivsuffix gebildet. So wie Cyrila sich als angenommener Bischofsname darstellt (auch der viel spätere Slawenapostel Kyrillos hieß nicht ursprünglich so, sondern nahm diesen Namen erst in hohem Alter an), könnte es auch so sein, dass die wandalische Sprache noch so gefestigt war, dass Wandalen, wenn sie einen christlichen Bischofsnamen annahmen, diesen in die gotische Deklination überführten – was für Cyrila, der behauptet, nicht Latein zu können, plausibel wäre. Erschwerend für die Deutung ist jedoch, dass ein Dux des westgotischen Königs Theoderich 2., den Hydatius und Isidor für die Zeit um 460 bezeugen, ebenfalls den Namen Cyrila trug, falls man der für Hydatius bestbezeugten Schreibung vertraut (bei Isidor haben im Namen des Dux alle berücksichtigungswerten Schreibungen den Diphthong eu; der Nominativ kann bei Isidor als Ceurilas, der Ablativ als Ceurila hergestellt werden). Da ein gotischer Heerführer kaum einen Bischofsnamen annahm, könnte man auch vermuten, Cyrila sei ein original gotischer Name und die katholischen Bischöfe hätten ihn wegen des Gleichklanges mit K « missinterpretiert. Dass wir für diesen Namen so viel Zusatzinformation besitzen wie sonst für kaum einen, lässt uns erkennen, dass er mehrdeutig ist. Förstemann (1900 [22], 384) meint, es sei „schwer, diesen namen … von dem schon frühe vorkommenden fremden Cyrillus zu scheiden.“ Weiter sind wir auch heute nicht.
$ 22. Dagila erscheint bei Victor von Vita (Persecutio 3, 33) als Gattin eines cellarita (Aufseher über die Vorratskammer) des Gaisericus und war daher sicher Wandalin, obwohl Namenelemente Dag- auch in nicht germanischen Sprachen existieren und daher ohne diesen Kontext keine eindeutige Zuweisung möglich wäre. Zum Fragment Dagili[ auf einem Grabmosaik in Hippo Regius (AE 1958, Nr. 293) bemerkt Koenig (1981 [40], 301), dass das Grabinventar eher dem einer Frau entspricht. Die Ergänzung durch Francovich Onesti (2002 [25], 151) zu *Dagilia (f.) ist daher wahrscheinlich, obwohl auch der Name des Gatten im Genitiv vorliegen könnte. Zu -agi- s. unten (5.1.14).
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$ 23. Damira, die Tochter des Wandalen Oageis (Anthologia Latina, ed. Shackleton Bailey 340 = Riese 1, 345), trägt trotz Happ (1963 [29], 23) keinen germanischen Namen, wenn man die Kontraktion von Daga- zu Daim nachwestgotischen Namen Damirus bzw. Damiro für romanisch ansieht: nach Piel / Kremer (1976 [53], 111 f.) stammt der älteste Beleg dieses Namens von a. 978. In alten Belegen findet sich Ausfall von g vor i, aber nicht vor a.
$ 24. E (Akkusativ), Bruder des 0O!, wird von Prokop (Bell. Vand. 1, 9, 9 und öfter) genannt; vielleicht derselbe in der Anthologia Latina (ed. Shackleton Bailey 327 = Riese 1, 332) unter dem Namen Eugeti (Genitiv). Die Diskussion der Prosopographie s. unter Nr. $ 64 Oageis. Sprachlich vielleicht für das Erstglied zu vergleichen ist Evarix für den 486 verstorbenen Westgotenkönig bei Sidonius Apollinaris und Greg. Tour. gegen Evericus und Euuericus (= Ewericus) bei Hydatius und Euricus bei den meisten übrigen Autoren (LAN Bd. 1, 263 f.) zu gotisch aiws ‚Zeit, Ewigkeit; 1/‘. Eine Eindeutung von griech. ‚gut‘ in E und Eugeti wäre denkbar, belegt sein könnte eine solche in Euandalicus (CIL 3 13673 aus Ak-Kioi – Trapezunt) von a. 545 in der Titulatur Justinians für Vandalicus (teilweise in griechischen Buchstaben). Für das Zweitglied ist zu überlegen, für welche germanischen Laute das -« des Zweitglieds stehen könnte; vielleicht für -geis? (5.1.2). Eugetius sollte in der überlieferten Form als ‚griechisch‘ gelten (1.3).
$ 25. Fastila (Courtois 1955 [12] Nr. 151), Name des Erbauers eines Gebäudes in Carthago, ist mit großer Sicherheit wandalisch, obwohl das Vandalorum in einer Lücke der Inschrift nur Ergänzung der Herausgeber ist. Nicht wandalisch ist Fastila (f.) aus Caesarea, aus heidnischer Zeit, Freigelassene eines Königs Juba (ob Juba 2., 25 v. Chr. bis 23 n. Chr., gemeint ist, ist mir mangels detaillierter Information über die Inschrift nicht bekannt). Im Germanischen sind Namen mit Fast- belegt für den Gepiden Fastida (Jordanes), für einen burgundischen Comes, der sein signum Fastile unter die burgundischen Constitutiones unter Sigismund von a. 517 setzt (MGH LL Bd. 2,
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1, 34), beides Ostgermanen, und Fl(avius) Fasta, einen Angehörigen der Bataverkohorte in Aquileia (LAN Bd 1, 267).
$ 26. Feva, Cognomen eines Ponponius (Courtois 1955 [12], Nr. 116; Albulae – ’Ain Temouchent, Mauretania Caesariensis; in die wandalische Epoche datiert, doch könnte er dem Inschrifttext nach auch älter sein), ist, als Kurzname ohne signifikant nur im Germanischen vorkommende Lautverbindungen, mit größerer Wahrscheinlichkeit nicht germanisch als germanisch, weil die wandalische Besiedlung in Mauretania Caesariensis nicht dicht war (vgl. Schwarcz 2004 [66]). Es wäre der einzige überlieferte germanische Name aus Albulae. Der Beiname des Rugierkönigs Feletheus qui et Feva (Eugippius, Vita Severini 8, 1 u. ö.) ist möglicherweise ein ad hoc gebildeter Kurzname, da er nur für diese eine Person benutzt wird. Auszuschließen ist germanische Herkunft des Pomponius Feva nicht, aber die Wahrscheinlichkeit doch so deutlich kleiner, dass die Kennzeichnung als ‚nicht germanisch‘ gerechtfertigt ist.
$ 27. Fridamal, der in zwei Epigrammen des Luxurius genannt wird (Anthologia Latina, ed. Shackleton Bailey 299 und 300 = Riese 1, 304; 305), ist sicher ein Wandale. Aber sein Name, der als Umkehrung des Namens der mit Thrasamund verheirateten Tochter des Ostgotenkönigs Theoderich erscheint, könnte eine uns unbekannte Anspielung bergen und eventuell ostgotische Lautung wiedergeben. Wahrscheinlicher ist wohl wandalische Aussprache als Basis für die Schreibung des Luxurius, doch im Zweifel benutze ich solche Namen nicht als Quelle für das Wandalische. Wir haben auch ohne diesen genug Belege für Frid- (unten 5.1.12).
$ 28. Friderich in großteils griechischen Buchstaben auf der Inschrift eines Kindergrabes in Sitifis (CIL 8 8653 A) ist nach Gerd G. Koenig (1981 [40], 302) vielleicht vorwandalisch. Mit dem entsprechenden Vorbehalt wird es für die e/i-Problematik (unten 5.1.4) und den Lautwert von d (unten 5.1.12) herangezogen.
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$ 29. Fridila, aus Caesarea (CIL 8 21424; Courtois 1955 [12], Nr. 169), ist mit Wahrscheinlichkeit aus der wandalischen Epoche und, da die Silbenstruktur hinreichend komplex ist um zufällig unbelegte ungermanische Homonyme als unwahrscheinlich erscheinen zu lassen, sicher germanisch, obwohl in Caesarea sonst keine sicher wandalischen Namen vorkommen. Verwertbar ist es für die e/i-Problematik (unten 5.1.4) und den Lautwert von d (unten 5.1.12).
$ 30. Fridus (Genitiv!) bzw. Fridi ist Widmungsempfänger zweier Gedichte der Anthologia Latina (ed. Riese 1, 18 und ed. Shackleton Bailey 70 = Riese 1, 82); der Verdacht von Frankovich Onesti (2002 [25], 154), dass es sich dabei nicht um dieselbe Person handelt, ist nicht begründet; für den sprachlichen Befund ist diese Frage aber unwichtig. Die Vermutung von Happ (1986 [50], Bd. 1, 303 f.) der Genitiv Fridus im Titel von Anth. Lat. 1, 18 könnte durch die gotische Genitivendung -aus motiviert sein, ist nicht erhärtbar, da die Formulierung des Titels Epithalamium Fridus a Luxurio wohl nicht von Luxurius selbst stammt, sondern vom Sammler der Anthologie (zur Frage des Autors der Titel Happ (1986 [50], Bd. 1, 123 f.), dem wir vielleicht eher schlechtes Latein als Kenntnis gotischer Kasusendungen zutrauen können. Verwertbar ist es für die e/i-Problematik (unten 5.1.4) und den Lautwert von d (unten 5.1.12).
$ 31. Fronimuth (Corippus, Johannis 4, 525) ist ein römischer Feldherrr der nachwandalischen Epoche; selbst falls der Name germanisch ist, wäre die Wahrscheinlichkeit, dass er Wandale sei, nicht allzu groß. Doch hat Corippus einen weiteren Name auf -muth, der einer nicht germanischen Sprache entstammt: der Name Solumuth (so vom Herausgeber Partsch vereinheitlicht aus den in der einzigen Handschrift an allen vier Belegstellen unterschiedlichen Schreibungen *Sulumut [aus subulum ut], Sulumur, Solumuth, Solumur; LAN Bd. 1, 617), den wir in heidnischer Zeit in in Gallien stationierten Truppen finden: Soli / Muti No / licean(us?) M(onumentum) (Dijon – Dibio, Belgica, CIL 13 05572) und Solimuto (Bourges – Avaricum, Aquitania, CIL 13 11141).
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$ 32. Gaisericus: Dieser Name ist in vielen Belegen erhalten (LAN Bd. 1, 301 ff.). Hydatius, Victor von Vita, Prosper und die meisten anderen Chroniken stimmen im Diphthong (ai oder ei) gegen Monophthong (e oder i oder, für nasaliertes e, en) in ungenaueren Quellen überein; das sagt einiges über die Aussprache des alten Diphthongs ai (unten 5.1.1).
$ 33. Der Name des Gamuth (Victor von Vita, Persecutio 2, 15) Bruder des Heldica, gehört sicher zu gotisch *ga-moqs (moqs* %«, . ‚Zorn‘) ‚der Zornige‘. Der Kontext weist ihn als einen der wandalischen nobiles aus, die von Hunirix verfolgt wurden, weil er seinen Bruder Theoderich und dessen Anhänger fürchtete. Aussagekräftig ist dieser Name sowohl für den Lautwert des o¯ (unten 5.1.6) als auch für das q im Auslaut (5.1.12) und zur Endungslosigkeit (5.3.2). Ein nicht germanisches Beinahe-Homonym begegnet anscheinend auf einer Inschrift aus heidnischer Zeit aus Caesarea – Cherchell, Mauretania Caesariensis (manfredclauss): Gamu[s?] / Callip […] / v(otum) s(olvit) [l(ibens) a(nimo)].
$ 34. Gebamundus, Bruder des Gunthimer und des Hildirix, ist in drei Gattungen von Quellen belegt (LAN Bd. 1, 311): die Inschrift auf den von ihm errichteten Thermen (Courtois 1955 [12] Nr. 126), Gebam[, trägt offiziellen Charakter und ihre Anfertigung wurde vermutlich überwacht; ihr entspricht in den lateinischen Chroniken von Victor von Tunnuna und Isidor Gebamundus*. Dagegen schreibt Prokop immer " * 2 «. Zum Lautwert des wandalischen ˘e unten (5.1.4); zum u˘ vor Nasal (5.1.8); zum nd (5.1.13); zum intervokalischen b (5.1.15).
$ 35. Geilamir ist der Name eines Wandalenkönigs, den wir in erstklassigen Quellen besitzen: die Anfertigung der in Italien (Fonzaso bei Feltre?) aufgefundene Silberschüssel mit der Inschrift Geilamir (CIL 8 17412 = Courtois 1955 [12], Nr. 111) wurde sicher von einem Wandalen überwacht, auch
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wenn der Graveur vermutlich Vulgärlatein sprach; auch die prinzipiell weniger zuverlässigen (weil in der Ausführung oft nicht überwachten) Münzbelege dieses Herrschers zeigen dieselbe Schreibung. Mit diesen stimmen die Schreibungen bei einer Reihe von Autoren im Diphthong (ei) überein: Victor von Tunnuna, Corippus und andere (LAN Bd. 1, 312–314). Für diesen Namen ist die tatsächliche Aussprache gesichert. Durch den Vergleich mit Schreibungen in der wandalischen Kultur ferneren Quellen kann er Aufschlüsse darüber geben, mit welchen lautlichen Entstellungen wir in den überlieferten Formen der anderen wandalischen Sprachreste zu rechnen haben; besonders zu den Diphthongen (unten 5.1.1), zu den Vokalen der unbetonten Zwischensilben (5.3.4), zum Vokal in mer / mir (5.1.5) und zur Endungslosigkeit (5.3.2).
$ 36. " ! « (Genitiv), nur bei Prokop belegt (Bell. Vand. 1, 9, 6), Vater des " / Geilamir (Nr. $ 35), wirft außer dem unten (5.3.3) behandelten Problem des Zweitglieds das Problem auf, dass " - wohl dasselbe germanische Element repräsentieren soll wie "- im Namen des Sohnes; darüber unten (5.2).
$ 37. Gentonis (Belege dazu und zu den folgenden Namen LAN Bd. 1, 316) bei Hydatius entspricht Gentunis bei Victor von Vita und im Laterculus regum Vandalorum; dagegen "( bei Prokop. Denselben Namen tragen: ein Gote der Jahre vor 480, dessen Name aus Malchos in den Excerpta de Legationibus Romanorum als " (Dativ) überliefert ist, und ein Truppenkommandant des Kaisers Maurikios in den Balkankriegen der Zeit um 600, den Theophylaktos Simokattes abwechselnd " und "( nennt; möglicherweise ein Ostgermane. An strukturell vergleichbaren Namen kennt das Germanische nur Gantuni[s] (Dativ Plural) aus Köln (CIL 13 8218), vermutlich weibliche Gottheiten in Gestalt von Wasservögeln. Da das Wandalische, wie die anderen ostgermanischen Sprachen auch, keinen i-Umlaut von a zu e vor i/j der Folgesilbe kennt (gotisch sandjan : deutsch senden), ist diese Verbindung jedoch unmöglich. Für Kaufmann (1968 [50], 136) bleibt der Name „unklar“. Wredes halbherzig vorgetragener Versuch, ein gotisches *Ginta-hu¯ ns herzustellen (Wrede 1886 [52], 65), könnte bestenfalls die Form bei Victor von Vita erklären, aber nicht den Namen des
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bei Malchos genannten Goten, den man doch wohl nicht davon abtrennen wird. Als Möglichkeit, den Namen ungermanisch zu erklären, nennt Frankovich Onesti 2002 [25], 158) lat. Gentius, das aber eine nicht vergleichbare Wortbildung zeigt. „Dass mit dem Namen bis jetzt nichts zu beginnen ist“ (Wrede 1886 [52], 65) gilt noch immer.
$ 38. Gibali (Genitiv; Courtois 1952 [49] Nr. 15, Tablette 28b, 9; Tebessa – Theveste, Numidia; Verkaufsurkunde von a. 494 oder knapp danach) ist nordafrikanisch; ein Märtyrer von a. 304 heißt Givalius (Mandouze 1982 [46], 540).
$ 39. Gilesa (aus Tebessa – Theveste, Numidia) wird in einer Verkaufsurkunde von a. 494 genannt (courtois 1952 [49] Nr. 10). Dort wird angegeben, dass sie Gattin eines Iulius Quintianus ist und wie ihr Gatte litteras nescit. Sie gehört also einer Schicht von nur mäßig gebildeten provinzialen Grundbesitzern an; Namen mit Gil- sind unter Wandalen belegt; s-Suffixe zur Bildung eingliedriger Namen gibt es im Ostgermanischen ziemlich oft; es spricht nichts dagegen, den Namen als wandalisch anzusehen. Aber: Wer kann mit Sicherheit sagen, dass es nicht in irgendeiner anderen Sprache dieses Landes ebenfalls mit Gil- anlautende Namen und s-Suffixe gab? Da der Gatte einen romanischen Namen trägt, können wir uns der germanischen Herkunft des Namens der Frau nicht sicher sein, da es kein typisch germanischer Name ist. Bei Gilesa kommt noch dazu, dass es sich, falls sie Wandalin wäre, nicht um eine wandalische Monophthongierung von Geil- zu Gil- handeln würde, sondern um eine vulgärlateinische Erscheinung ihrer romanischen Umgebung, da der Name von König Geilamir in zuverlässigen lateinischen Quellen immer mit Diphthong geschrieben wird, hingegen a. 693, als das Westgotische in Spanien schon zumindest beinahe, vielleicht sogar ganz ausgestorben war, ein Bischof von Gerona Gilimirus (LAN Bd. 1, 356) heißt. Die Monophthongierung ist in Gilimirus sicher ein Zeichen der Romanisierung, nicht einer spätgotischen Lautentwicklung, und ebenso wäre Gilesa zu beurteilen, für den Fall, dass es wandalisch ist. Frankovich Onesti 2002 [25], 159) nimmt dagegen Metathese aus *Gisila oder Gesila an. Das halte ich für wenig wahrscheinlich. In keinem Fall können wir diesen Namen für die Ermittlung des Lautstandes des Wandalischen gebrauchen.
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$ 40. Godagis (Nominativ für Ablativ; Hss. var. Godagisum), nach Victor von Vita (Persecutio 2, 14) von Hunirix verbannter Sohn des Gentun. Informativ für die Aussprache des Wandalischen ist das o¯ , das nicht, wie in Blumarit und Beremud/t als u erscheint (unten 5.1.6). Diskutiert wird das Ablautsverhältnis der Namenelemente -g¯ıs ‚Sprössling‘ und -gais ‚Speer‘ zueinander (unten 5.1.2).
$ 41. " % (nur Akkusativ; Prokop Bell. Vand. 1, 24 7 und 13) ist als Gesandter Gelimers sicher Wandale. Schon auf Münzen des Kaisers Tacitus von a. 276 erscheint tth im Namen des Gotenvolkes. Da diese geläufige Schreibung auf die des PN eingewirkt haben könnte, ist nicht sicher, ob der Segmentierung Wredes (1886 [52], 85) in *Guth-theus zu folgen ist. Nach Wrede wäre als Zweitglied -theus, zu gotisch qius* ‚Haussklave; ! , 1«‘ anzusetzen. Dieses ist in Verbindung mit ‚Gott‘ in mehreren germanischen Namen belegt (sicher in Nr. $ 77 Sigisteus). In christlichen Kulturen geht die Verbreitung von griechisch 3 2 « aus. Falls beide % zum Vorderglied zu ziehen wären, würde das - allerdings kein Zweitglied, sondern ein Suffix repräsentieren.
$ 42. Gudulo, Gudulus entspricht dem numidischen Namen Gududus (z. B. der Mensor Cossutius Gududus AE 1904, Nr. 72; Lambaesis – Tazoult-Lambese, Numidia). Dieser Name ist vom einheimischen Wort für den Wildeber abgeleitet und lautet Gudud. us, wobei das d im Lateinischen und Griechischen manchmal durch l wiedergegeben wird; Gududus und Gudulus sind also derselbe einheimische Name.9
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Freundliche Mitteilung von Gerhard Böhm, Institut für Afrikanistik der Universität Wien.
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$ 43. Guiliaruna presbiterissa (AE 1958, Nr. 290; Hippo Regius – Annaba, Africa Proconsularis; 2. Hälfe 5. Jh.) ist ein für die altgermanische Kulturkunde interessanter Name. Das Zweitglied dieses Namens gehört zu urgerm. *ru¯ no¯ ‚Geheimnis‘; wenn eine Priesterin einen solchen Namen trägt, kann man vermuten, dass es sich nicht um einen PN im engeren Sinn handelt, wie sie anlässlich der Geburt verliehen werden, sondern um eine Art ‚Berufsnamen‘. Aus heidnischer Zeit gehören zu den wenigen Namen von Frauen, die wir insgesamt überliefert haben, gleich drei ‚Berufsnamen‘ von Seherinnen. Eine ist die bei Tacitus genannte Brukterin Velaeda (LAN Bd. 1, 770), deren Name wahrscheinlich germanisch und mit altirisch fili ‚Dichter‘ urverwandt ist (eine andere Möglichkeit wäre, ihn als Entlehnung aus dem Keltischen zu betrachten; das lange ae spricht für das Germanische); eine zweite ist die semnonische Seherin B * (LAN Bd. 1, 115; zu germ. *walu- ‚Zauberstab‘); eine dritte, bei Tacitus, Germania 8, 2, überlieferte, trägt einen Namen, der in den Handschriften unterschiedlich und vermutlich in allen entstellt wiedergegeben wird. Im 19. Jh. konjizierte man aus den bei Tacitus überlieferten Formen auriniam, fluriniam, albriniam (und anderen Varianten) *Albrunam, und hielt das für ziemlich sicher, weil das graphematisch als Quelle der Varianten verständlich (in albriniam wären nur die i-Punkte Fehlinterpretation eines Abschreibers) und außerdem sinnbehaftet wäre: ‚die mit Alben raunt‘ wäre ein guter Berufsname für eine Seherin. Da damals kein zweiter altgermanischer Name mit dem Zweitglied -runa belegt war, stellte er allerdings eine ungesicherte Konjektur dar, und Lena Peterson ist im Recht, wenn sie ihn als „zählebigen Geisternamen“ bezeichnet (Peterson 2002). Die wandalische christliche Priesterin Guiliaruna kann aber ihren Namen nicht aus genuin christlichen Vorstellungen haben; christliche Frauennamen mit dem Sinngehalt ‚prophetissa‘ gibt es nicht. Allerdings gibt es die Erscheinung, dass in erst kürzlich christianisierten germanischen Kulturen heidnische Vorstellungen nachwirken. Dadurch wird dieser Name für unsere Kenntnis der wandalischen Kultur und des Wandalischen in Afrika relevant, und auch für den in der Germania des Tacitus genannten Namen, da nun die Konjektur *Albruna für das Zweitglied eine Parallele in einer tatsächlich belegten Form bekommt. Das enthebt zwar nicht von der Verpflichtung, sie entsprechend als Konjektur zu kennzeichnen, damit hat Peterson Recht, aber der Grad der „Geisterhaftigkeit“ hat sich durch die Parallele Guiliaruna verringert. Das anlautende Gu- in Guiliaruna zeigt die typisch vulgärlateinisch-romanische Schreibung für W- aller germanischen Sprachen; zum .ia. der Kompositionsfuge unten (5.3.4); zum u¯ 5.1.6.
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$ 44. Guitifrida (Courtois 1955 [12], Nr. 160; Nominativ), aus Haidra (Ammaedara), könnte aus nachwandalischer Zeit stammen: die Entstehungszeit wird mit 6.–7. Jh. angegeben (AE 1968, Nr. 640). Der Name Guitifrida zeigt, wie vieles am von Courtois (1955 [12]), gesammelten Material, die vulgärlateinisch-romanische Schreibung Gu- für W-. Ob diese durch die romanische Sprache des Steinmetzen oder der Auftraggeber verursacht war, oder ob es sich um Verwendung von Namen aus der Sprache der wandalischen Herren durch romanische Bevölkerung handelt, ist nicht feststellbar. Namen sowohl mit dem Erstglied Viti- als auch das Zweitglied -frida in Frauennamen sind in der ganzen Germania häufig, so dass der Name auch nicht beweist, dass es sich um eine Ostgermanin handelt, was bei der möglicherweise späten Datierung einen weiteren Unsicherheitsfaktor darstellt. Zum Gu- unten (5.1.15).
$ 45. Gunda, Vater des ]remiro (CIL 8 7394; Cirta – Constantine, Numidia) ist nach Koenig (1981 [40], 302) vielleicht vorwandalisch. Das noch erhaltene Zweitglied des Namens des Sohnes zeigt ostgermanischen Lautstand. Zeugniswert hätte dieser Name für das Schwanken der Wiedergabe von nq als nd oder nt oder nth (unten 5.1.13).
$ 46. Gundericus († 428) stammt zwar noch aus der vorafrikanischen Zeit der Wandalen, doch ist die von Prokop angeblich von einem Wandalen gehörte Form "% « zu berücksichtigen: zu u/o unten (5.1.8) und zum Zweitglied (5.3.3).
$ 47. Guntha iuuenis (auf einem Mosaikfußboden in Sidi Bou Ali – Enfidaville, Africa Proconsularis; AE 1961 Nr. 202) entstammt sicher der Oberschicht des Wandalenreiches. Der Beleg bezeugt u für u˘ vor Nasal (5.1.8) und die Wiedergabe von *nq (unten 5.1.13).
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$ 48. Gunthamundus (LAN Bd. 1, 402 f.): Die Form, wie sie Dracontius in der Satisfactio verwendet, mit nth für germ. *nq in Guntha- und nd für germ. *nd in -mund, ist sicher die vom König für korrekt angesehene Schreibweise. Sie findet sich ebenso auf den unter Gunthamund geschlagenen Münzen. Die Handschriften der Chroniken verhalten sich mit nth oder nt für *nq uneinheitlich; nd für *nd ist konstant. Die Belege auf Verkaufsurkunden romanischer Bevölkerung zeigen meist nt für das *nq des Erstglieds und sonstige Entstellungen, aber das nd für *nd ist auch in ihnen konstant, sogar wenn sich in der sonstigen Schreibung weitere Entstellungen finden, wie z. B. in Ginttabundi (Courtois 1952 [10], Tablette Nr. 2,2b und 11, 22b Theveste – Thebessa, Numidia; 11. Mai und 5. Juni 494; also kein einmaliger Schreibfehler). Von dieser Regel weicht nur der einzige griechische Autor ab, der den Namen Gunthamunds überliefert, nämlich Prokop, der beide Male " 2 « schreibt. Dadurch erhalten wir nuancierte Einsichten in die Wiedergabe von *nq und *nd (unten 5.1.13). In der Kompositionsfuge ist a konstant (unten 5.3.4); zu u vor Nasal (5.1.8).
$ 49. Gunthimer (LAN Bd. 1, 415) wird zunächst nur bei Victor von Tunnuna genannt; die Nennung bei Isidor ist ein Exzerpt aus diesem (Mommsen in Chron. Min. Bd. 2, 299). Zu u vor Nasal unten (5.1.8); zu *nq (5.1.13); zum -mer / -mir-Wechsel (5.1.5); zur Endungslosigkeit (5.3.2).
$ 50. In Hegerit (AE 1953 Nr. 148b; Thibiuca – Zuwaytinat Al Bay, Africa Proconsularis) ist das Erstglied unklar. Die Interpretation von Francovich Onesti (2002 [25], 163) als latinisierte Schreibung für wandalisch *Aigwäre, was den Ersatz von ai durch e betrifft, möglich, da der Kontext serbus für servus (dei) vulgärlateinisches Milieu spiegelt. Aber da wäre der Wegfall eines h wahrscheinlicher als seine hyperkorrekte Einführung (s. unten 5.1.10). Das Erstglied bleibt ungeklärt. Zu -rit unten (5.3.3).
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$ 51. Heldica (LAN Bd. 1, 422) gehörte zu den unter Gamuth (oben Nr. $ 33) erwähnten, von Victor von Vita genannten Mitgliedern des wandalischen Hochadels, die von Hunirix aus dynastischen Gründen verfolgt wurden. Da an beiden Stellen die Überlieferung des e eindeutig ist, ist dieses für Victor gesichert. Da nur germ. *Hild- ‚Kampf ‘ für die Etymologie in Frage kommt (*haliq- ‚Mann; Held‘ hätte im Ostgermanischen keinen i-Umlaut), bezeugt es die Unsicherheit im e/i-Bereich schon für den Autor unten (5.1.4).
$ 52. Hildeguns (Courtois 1955 [12] Nr. 164; Mactaris – Makthar, Africa Proconsularis) auf einer nicht datierten, aber sicher der wandalischen Epoche entstammenden Grabinschrift ist wohl ein Frauenname, und das s steht wohl für wandalisches q. Francovich Onesti (2002 [25], 163) erwägt, ob das -s Rest einer Latinisierung zu -gund(i)s sein könnte. Hinreichendes Material für eine Entscheidung dieser Frage gibt es nicht: fränkische Namen latinisiert zu Baudegundis (Venantius Fortunatus), Berthegundis, Ermegundis, Fredegundis (Gregor von Tours) usw. sind häufig, doch existiert nur ein ostgermanisches Gegenstück (Theodagundae, Genitiv; Cassiodor, Variae 4, 37); dieses ohne Latinisierung mit -is. Die vergleichbaren Namen Alagu(n)q, Alirgu(n)q und Bliqgu(n)q auf Runeninschriften des 6. und 7. Jh. sind westgermanisch (Nedoma 2004 [50], 171 ff., 176 ff., 240 ff.). Zum i unten (5.1.4); zu ld und *nq (5.1.13); zu u vor Nasal (5.1.8); zur Frage der Endung (5.3.2)
$ 53. Hildimer findet sich nur bei Corippus (LAN Bd. 1, 430 unter ‚Hildirix 1‘). Die Schilderung dort legt nahe, dass Partsch (1879 [51], 161) im Recht ist, der annimmt, es handle sich um irrige Schreibungen des Namens von König Hildirix: am Ende der Schlachtschilderung, v. 262–264, heißt es, das Heer floh regemque trementem, / annorum fessum numero casumque paventem / deicit, et sceptrum saevo dedit inde tyranno. Das muss die Ablöse des Hildirix durch Gelimer meinen, und der nicht namentlich genannte rex wird wohl dieselbe Person sein wie der zu Beginn der Schlacht zwei Mal genannte Hildimer. Das wäre ein Zeichen dafür, dass Corippus, der über 30 Jahre
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nach den Ereignissen schrieb, die Namen der Wandalenkönige nicht mehr korrekt im Gedächnis hatte. Anders Courtois (1955 [49], 231 Anm. 15) und Francovich Onesti (2002 [25], 163), die annehmen, Hildimer sei ein Feldherr des Hildirix.
$ 54. Hildirix (LAN Bd. 1, 429 f.) ist vor allem durch mehrere Münzen gesichert; die Varianten Hild-rix und Hil-rix gehen auf das Konto der Stempelschneider. Daneben tritt Hildirit bei Victor von Vita, Hildericus bei Ferrandus, sowie bei Späteren: Hilderix und Hildericus bei Victor von Tunnuna, Hilderis und Ildirix bei Isidor. In der Anthologia Latina (ed. Shackleton Bailey 194, 1 = Riese 1, 203) bieten die Handschriften hildirigi A, hildirici B, hildrici V. Nach Happ (1963 [29], 25) ist davon nur das Letztgenannte metrisch korrekt. Ob aber diese Schreibung nur aus dem Zwang des Metrums zu erklären ist oder weitgehenden Schwund oder Tonlosigkeit des Fugenvokals im Wandalischen bezeugt, ist nicht entscheidbar. Ein gleichnamiger westgotischer Bischof unterschreibt a. 561 mit Ildericus (LAN Bd. 1, 430). Zu H- unten (5.1.10); zu i vor ld (5.1.4); zu ld (5.1.13); zur Kompositionsfuge (5.3.4); zum ¯ı in rix (5.1.5); zum endungslosen Auslaut (5.3.2).
$ 55. Hostrildi (Nominativ?) auf einer Grabinschrift (Fußbodenmosaik) in Carthago (Courtois 1955 [12], Nr. 142 b und c; Beschreibung bei Fiebiger 1944 [49], Nr. 3) zeigt durch die Vergesellschaftung mit Vilimut (Nr. $ 96) und Tanca (Nr. $ 83) sicher wandalische Herkunft. Die Etymologie des Erstglieds ist nicht eindeutig. Die Zuordnung zu *aust.r- setzt hyperkorrekte Einfügung des H durch einen Romanen voraus, der selbst kein anlautendes h sprach und sich nicht sicher war, ob der Name in korrektem Wandalisch mit Vokal oder H anlautete. Derlei ist bei Weitergabe des Textes an den Steinmetz möglich; die Häufigkeit von Hyperkorrekturen in Inschriften wird allerdings überschätzt (s. unten 5.1.10). Das Zweitglied zeigt das romanische Fehlen des h- in ildi für hildis (unten 5.1.10) und das ostgermanische i für germanisches ˘e (unten 5.1.4). Denkbar wären für den Anlaut auch Lautsubstitutionen oder Hörfehler des Steinmetzen; z. B. aus *west.r- oder *uzd- mit eingeschobenem r wie in Usdrilas (LAN Bd. 2, 637 und 649).
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$ 56. Hunirix (LAN Bd. 1, 436 ff.) ist so nur bei Victor von Vita belegt; es zeigt neben weiter nicht erklärungsbedürftigen Varianten wie Hunerix, Hunericus und Huniricus auch solche, die durch die Namensähnlichkeit mit Kaiser Honorius beeinflusst sind (oben 1.3). Zum Anlaut unten (5.1.10); zu ¯ı in rix (5.1.5); zu u¯ (5.1.6); zur Endung (5.3.2).
$ 57. Iuliateus ist provinzialrömisch. Die Annahme einer lateinisch-germanischen Hybridbildung (Francovich Onesti 2002 [25], 166) könnte die Wortbildung nicht erklären.
$ 58. Maioricus sieht nach einer provinzialrömischen Bildungsweise eines lateinischen Namens aus; die Rekonstruktion als germanisches *Malarix (Francovich Onesti 2002 [25], 166) ist ungesichert.
$ 59. Marivadus* ist als Vetrauter des Hunirix sicher Wandale; die Lesung seines Namens ist sehr wahrscheinlich herstellbar (die Metathese Varimadum bei Pseudo-Vergilius von Thapsos ist vereinzelt; die Lesung Mauridano der Edition princeps des Victor von Vita ebenfalls; Lesarten: LAN Bd. 1, 492). Problematisch ist jedoch die etymologische Zuordnung: das Erstglied sieht aus wie die westgermanische Entsprechung von ostgermanisch m¯er / m¯ır, wird aber zu einem Stamm mit a˘ zu stellen sein. Kaufmann (1968 [37], 248 f.) arbeitet überzeugend die Existenz eines Stammes *Ma˘ r- heraus (ob man seiner Interpretation dieses Stammes als „namenrhythmische Kürzung“ aus einem der Stämme *Marha- ‚Ross‘ oder *Marko¯ - ‚Grenzgebiet‘ folgen will, ist hier irrelevant). Das Zweitglied wird man am ehesten zu germ. *badu- ‚Kampf ‘ stellen. Förstemann (1900 [22], 1490) stellte es jedoch „unsicher“ zu *vadja und fand damit verschiedentlich Nachfolger. Trotzdem ist dieser Name für unsere Fragestellung brauchbar, da sich für ostgotisches Sunhivadus* und (nach)westgotisches Trasovado (Nominativ) dieselbe Frage stellt (LAN Bd. 1, 640 und 714; Bd. 2 474 und 638); man
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kann daher mit gleicher Problemlage im Gotischen und Wandalischen rechnen. Zu b/v unten (5.1.15).
$ 60. [M ]erobaudes (CIL 8 27545; Djeradou bei Henchir Certouta, Africa Proconsularis; Bruchstück anscheinend einer Nennung katholischer Märtyrer) ist ein häufiger und durch den gleichnamigen Konsul von a. 377 und 383 sowie durch den Dichter des 5. Jh. bekannt gewordener Name, dessen Schreibung durch die Tradition beeinflusst worden sein könnte. Andernfalls wäre es ein Beleg für erhaltenes altes au (5.1.1), b (5.1.15) und d (5.1.12).
$ 61. Munifrida (Carthago; Courtois 1955 [12], Nr. 148) zeigt älteres u in germ. -mun.i gegen -o- in merowingischen Quellen (unten 5.1.8). Das Erstglied ist selten und gerade dadurch ein guter Zeuge für die aktuelle Aussprache, weil es kaum durch schriftliche Traditionen beeinflusst ist. Es ist sicher ein Frauenname; keine erhaltene Endung eines schwachen Maskulinums, die Fiebiger-Schmidt (1917 [49], Nr. 69) annehmen. Zu u vor Nasal unten (5.1.8); zum i in frid (5.1.4); zu d für q (5.1.12).
$ 62. Muritta ist ein Kurzname, der verschiedenen Sprachen entstammen kann.
$ 63. ]ndilu ist nach Ennabli (1991 [19], Nr. 265) Fehllesung für ]udilu; vermutlich *Cudilu. Dieses ist wahrscheinlich nicht germanisch (s. zu Nr. $ 20).
$ 64. Oageis (Anthologia Latina, ed. Shackleton Bailey 340 = Riese 1, 345) wird von Wrede (1886 [84], 77) zu gotisch ho¯ ha ‚Pflug‘ gestellt. Das überzeugt weder semantisch, noch hätte es Parallelen in der sonstigen germani-
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schen Namengebung. Happ (1963 [29], 26) stellt es zu germ. *hauha-; ebenso das LAN (Bd. 2, 541), aber mit ‚?‘, denn es ist kein PN mit germ. *hauhs sicher belegt. Es ist daher sowohl in der Frage des anlautenden H als auch in der Diphthongenfrage nicht belastbar. Problematisch ist vor allem die Prosopographie: Oageis wird von vielen (z. B. Courtois 1955 [12], 398 f.; Happ 1986 [50], Bd. 2, 341) als identisch mit dem von Prokop E (Akkusativ; Nr. $ 24) genannten Bruder des 0O! (Nr. $ 65) angesehen. E« könnte aber der Namensform nach (ob auch der Person nach, ist wegen mangelnder Angaben in den Quellen unbekannt) eher identisch sein mit dem in der Anthologia Latina genannten Eugetius (Nr. $ 24), und es ist unwahrscheinlich, dass Luxurius den Namen derselben Person so unterschiedlich schrieb; Oageis und Eugetius sind prosopographisch eher nicht identisch (so auch Happ 1986 [50], Bd. 2, 289). Die Entscheidung bezüglich der Prosopographie hat sprachwissenschaftliche Konsequenzen: da Prokop angibt, dass 0O! und E« Brüder waren, muss er wohl ihre Namen zusammen und vom selben Gewährsmann vernommen haben. Wenn man nun annimmt, dass die Namen beider mit demselben Erstglied gebildet seien und bei anderen Autoren als Oamer und Oageis erscheinen, wäre zu folgern, dass Prokop keine einheitliche Substitutionstechnik benutzte, und zwar nicht nur in unterschiedlichen Quellensituatonen, sondern sogar im selben Kontext. Das wäre dann denkbar, wenn Oageis durch das Zweitglied an einen griechischen Namen erinnert hätte und unter Nichtwandalen allgemein Eugetius genannt worden wäre, Oamer aber ein Produkt normaler Lautsubstitution wäre. Ich bezweifle aber, dass *Hauha-geis tatsächlich stark an Eugetius erinnerte, und halte die Identifikation von Oageis mit E« für unwahrscheinlich. Das Zweitglied scheint die Erhaltung des Diphthongs ei/ai zu bezeugen; dazu unten (5.1.1; 5.1.2).
$ 65. Oamer begegnet uns bei Victor von Tunnuna und, in der Schreibung 0O!, bei Prokop (LAN Bd. 1, 432 und 527). Bei Prokop trägt etwa die Hälfte der handschriftlichen Belege den Spiritus asper, aber abgetrennt als Artikel ². Die Ursache für die Setzung des Spiritus asper kann gewesen sein, dass er sich tatsächlich in Prokops Original fand, oder die naheliegende Verwechslung des anlautenden O mit dem Artikel ² durch die Schreiber. Zu Gunsten der Etymologie zu germ. *hauhs ‚hoch‘ nimmt man das erste an. Beide Quellen stimmen überein in der Endungslosigkeit und im Lautwert e für den Vokal des Zweitgliedes. Zum möglichen Entfall des H- unten (5.1.10); zum e in mer unten (5.1.5); zur Endungslosigkeit (5.3.2).
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$ 66. Obadus bei Victor von Vita (LAN Bd. 1, 527) ist zwar auf Grund seiner Funktion (Praepositus Regni unter Hunirix) sicher Wandale, jedoch für welche germanische Lautung die überlieferte Schreibung ob steht, ist nicht mit Sicherheit auszumachen. Verschiedene Vorschläge listet Francovich Onesti (2002 [25], 169); am wahrscheinlichsten erscheint Substitution für germanisches W. *Wadus würde erhaltenes d bezeugen; ebenso die wenig wahrscheinliche Alternative zu -badu- ‚Kampf ‘. Zur w/b-Frage unten (5.1.15); zu d (5.1.12).
$ 67. ]orix (Francovich Onesti 2002 [25], 169) ist auf Grund der Kürze des Fragments nicht verwertbar; doch ist anzumerken, dass es dem ausschließlichen Auftreten des Vokals i in den Namen auf -rix nicht widerspricht (unten 5.1.5).
$ 68. Ostariccus (Courtois 1955 [12], Nr. 170; Tipasa, Mauretania Caesariensis) ist ein Katholik; die Datierung ist unsicher. Man würde eher Gemination des r als des c erwarten; daher setzt Tiefenbach (1991 [72], 264) *aust- wie im Altnordischen an. Doch vielleicht ist es nur Irrtum für *Ostar-ricus. Dass vor dem r-Suffix ein Sprossvokal erscheint, während die Namen sonst ohne diesen, mit aust.r-, gebildet sind, ist nicht weiter verdächtig: schon der älteste Beleg für germanisches *austr-, Auster-avia bei Plinius (eine friesische Insel), ist mit Sprossvokal gebildet. Einen eingliedrigen Namen mit Deminutivsuffix (*Austar-ika) wird man für wenig wahrscheinlich halten. Der Wandel von Au- zu O- kann auf das Konto der Romanisierung des Namens oder auf einen wandalischen Lautwandel gehen (unten 5.1.1).
$ 69. Pinta, Name eines arianischen Bischofs (LAN Bd. 1, 541), ist ungermanisch. Dieser Name tritt schon sehr früh und vor allem in den hispanischen Provinzen auf. Sonstige Vorkommen im Imperium Romanum bezeichnen bisweilen die Herkunft von der iberischen Halbinsel, wie in Leutstetten bei
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München: P(ublio) Iul(io) C(ai) f(ilio) Quir(ina) Pintam[o] / domo ex Hisp(ania) citerio[re] / Augusta Brac(ara) (AE 1972, 359; nach manfredclauss).
$ 70. Analoges gilt für Pintuni.
$ 71. Raginari (Courtois 1955 [12], Nr. 145) oder Ragihari (Koenig 1981 [40], 309) auf einem Gewicht aus Carthago könnte der wandalischen Epoche entstammen. Wegen der unsicheren Lesung ist die Frage, ob germanisches h erhalten ist, nicht entscheidbar, doch wäre es, falls wandalisch, ein Beleg für erhaltenes g vor i (unten 5.1.14).
$ 72. ]remiro s. bei Gunda Nr. $ 45. Vielleicht vorwandalisch; aber typisch ostgermanisch durch das i. Dazu unten (5.1.5); zur Endung (5.3.2).
$ 73. Salo (katholischer Bischof in Mauretanien; LAN Bd. 1, 583) ist ein im Thrakischen und vielen anderen Sprachen auftretender Kurzname, der ohne spezifischen Hinweis auf die Sprachzugehörigkeit des Namensträgers für keine Sprache in Anspruch genommen werden kann.
$ 74. Scarila (LAN Bd. 2, 8): Fulgentius von Ruspe (†533) richtet seine Abhandlung über die Dreifaltigkeit („De incarnatione filii Dei et vilium animalium auctore ad Scarilam liber unus“) an einen Scarila, der veram fidem cognoscere begierig ist und brieflich Fragen bezüglich der Trinität an Fulgentius gerichtet habe. Die historische Zuverlässigkeit der Aussagen solcher Widmungstexte ist gleich null, doch zeigt er, dass es denkbar erschien, dass Wandalen
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zum Katholizismus übertraten. Zur lautlichen Entsprechung mit althochdeutschen Scerilo oben (3).
$ 75. Sifila Sohn des Aystheodorus Nr. $ 12; aus nachwandalischer Zeit; möglicherweise germanisch, nicht unbedingt wandalisch.
$ 76. Sigibali in der Ortsbezeichnung riu sigibali (‚Bach des S.‘), in einer in sehr schlechtem Latein geschriebenen Urkunde der ‚Tablettes Albertini‘ aus dem 10. Regierungsjahr Gunthamunds (Courtois 1952 [10], 278; Tebessa – Theveste, Numidia). Die Namen der Beteiligten sind teils lateinisch, teils nordafrikanisch (Siddina f.); bei -bal könnte man auch an ein punisches Namenelement denken. Falls der Name germanisch ist, ist er vermutlich verballhornt aus *Sigivald. Als Beleg für wandalische Lautentwicklungen wäre das zu unsicher.
$ 77. Sigisteus bezeichnet sich selbst in seinem Brief an den Presbyter Parthemius (Patrologia Latina, Supplement 3/2, Paris 1964, 447) als comes; der Dativ (im Antwortschreiben des Parthemius; ebenda 448) lautet Sigisteo. Dieser Name bezeugt den intakten s-Stamm sigis; das Zweitglied, zu gotisch qius* ‚Haussklave; ! , 1«‘, bezeugt die Wiedergabe von q durch t nach stimmlosem Laut (unten 5.1.11) und vermutlich auch des Diphthongs wulfilanisch iu durch eu, obwohl das durch die lateinische Endung -us (Dativ: -o) vorgespiegelt sein kann.
$ 78. Zu Silibudi (Tebessa – Theveste, Numidia) äußert sich Gsell (1922 [27], Nr. 3455) zurückhaltend: „nom barbare, qui ne me fait pas l’effet d’être africain“. Dem entspricht die Eintragung im LAN (Bd. 1, 610): „möglicherweise germanisch“. Als Zeugnis für eine Lautentwicklung wäre es zu unsicher.
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$ 79. Sindivult (Courtois 1955 [12], Nr. 171; Tipasa, Mauretania Caesariensis): Namen mit *Sinq- haben einen klaren Schwerpunkt bei Ostgermanen (Goten, Eruler; LAN Bd. 1, 611). Allerdings wäre Vermischung mit *Svinq- möglich, da Münzen des westgotischen Königs Svinthila auch die Form Sindila zeigen. Zu i vor Nasal unten (5.1.8); zu nd für nq (5.1.13). -vult zeigt t für auslautendes q (5.1.12); zur Endungslosigkeit (5.3.2).
$ 80. Stilico war nach Orosius (7, 38, 1) Wandale, aber vor deren nordafrikanischer Epoche. Trotzdem ist der Name zu erwähnen, wegen der auffälligen Endung -o (unten 5.3.2). Manche versuchen sie als westgermanischen Einfluss zu erklären, andere als römischen, weil sie das Schimpfwort semibarbarus, mit dem Hieronymus (Epistel 123) ihn meint, als Hinweis auf eine römische Mutter verstehen. ‚Halb barbarisch‘ muss aber nicht eine halb römische Abstammung meinen; es kann auch heißen, dass er trotz seiner Karriere halb Barbar blieb.
$ 81. Supserik (endungsloser Nominativ), seine Tochter Supserika und eine Germa[na?], möglicherweise seine Gattin (LAN Bd. 1, 643 f.), sowie ein Bruchstück Supseri[ (Fevrier 1972 [20], 185 Nr. 12); Tebessa – Theveste, Numidia; offensichtlich aus der Wandalenzeit: Die Ableitung des Namens der Supserika vom Namen ihres Vaters ist im Romanischen, nicht im Germanischen üblich (s. zu Nr. $ 1 Abiarica / Abtarica); es werden daher, falls es sich nicht um ungermanische Namen handelt, eher (pseudo-)germanische Namen eingesessener Bevölkerung sein als teilweise romanisierte Wandalen.
$ 82. Svartifan (Corippus, Johannis 4, 861) ist Maure; mit demselben Zweitglied gebildet ist der Name des Mauren Guenfan (Corippus, Johannis 3, 66). Daher ist Svartifan wahrscheinlich maurisch und den Anklang an germanisch svarta- ‚schwarz‘ zufällig (LAN Bd. 1, 645); die Bildung eines germanisch-
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maurischen Hybridnamens (so Frankovich Onesti 2002 [25], 174) halte ich für unwahrscheinlich.
$ 83. Tanca (oben 3.1.2; Kontext s. Hostrildi Nr. $ 55) dient als Zeugnis für Lautsubstitution von T für *q im Namen eines Wandalen (unten 5.1.11); zur Endung -a des schwachen Nominativs (5.3.2).
$ 84. Theodoricus lautet die überwiegende Zahl der Handschriften-Lesarten bei Victor von Vita (LAN Bd. 1, 669), der angibt, dieser dritte Sohn des Gaisericus sei von Hunirix nach Ermordung von Gattin und Sohn exiliert worden (Persecutio 2, 14). Prokop (Bell. Vand. 1, 5, 11) irrig: Gaisericus habe seinen Besitz Hunirix und Gentun hinterlassen, weil 3 « bereits ohne Nachkommenschaft verstorben gewesen sei. Zu eo für wulfilanisches iu unten (5.1.3); zum Bindevokal o (5.3.4).
$ 85. Theudo[ (Courtois 1955 [12] Nr. 140) auf einem Bruchstück aus Carthago (Kindergrab), das wahrscheinlich zu einem zweigliedrigen Namen wie z. B. *Theudoricus zu ergänzen ist. Zu eu für wulfilanisches iu unten (5.1.3); zum Bindevokal o (5.3.4).
$ 86. Thrasamundus ist der Etymologie zu germ. *qras- ‚Streit‘ in gotisch qrasabalqei* ‚Streitsucht‘ (Skeireins) nach gesichert und in zahlreichen Belegen in verschiedenen Quellengattungen überliefert. Die Überlieferungssituation des nd ist so eindeutig, dass die wenigen Münzbelege mit -mud(u)s keine Zuweisung an *mo¯ d rechtfertigen (LAN Bd. 1, 699 ff.; Bd. 2 581); Thrasamuds scheint nur eine von Münzmeistern geschaffene Abkürzung zu sein. Die abweichenden Schreibungen geben Einblick in quellentypische Substitutionen für alle in diesem Namen vertretenen Laute. Zu q im Anlaut (5.1.11); zu u vor Nasal (5.1.8); zu nd (5.1.13); zum Fugenvokal (5.3.4).
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$ 87. Trigari in der Nr. $ 89 behandelten Inschrift entzieht sich eindeutiger Interpretation.
$ 88. Triova fidelis in pace dp wird von Courtois (1955 [12] Nr. 144; Carthago) ohne Begründung zu deposita (f.) ergänzt. Zu io für iu unten (5.1.3); zu ov für ostgermanisches ggw (unten 5.1.9).
$ 89. Hic iacent Untancus et Innocens partis Trigari (CIL 8 8650; Sitifis – Sétif, Mauretania Caesariensis): zeigt in Untancus t für q im Anlaut des Wortstammes (nicht im Wortanlaut). Das Un- könnte im In- von Innocens eine semantischstrukturelle Parallele haben. Namen mit Tanc- sind zahlreich und meist ostgermanisch (LAN Bd. 1, 648). Die Schreibung Untanccus für eine andere Person desselben Namens (Fiebiger-Schmidt 1939 [21] Nr. 83; Carthago), die aber nach Koenig (1981 [40], 302) vielleicht vorwandalisch ist, spiegelt den Umgang eines romanischen Steinmetzen mit dem germanischen Namen. Zu t für q unten (5.1.11); zu Vokal vor Nasal (5.1.8).
$ 90. Ustriut (Courtois (1955 [12] Nr. 155; Tebessa – Theveste, Numidia) ist weder eindeutig als Maskulinum oder Femininum klassifizierbar noch eindeutig segmentierbar. Die Segmentierung ist fraglich; es finden sich mehrere ostgermanische Namen mit Ust.r- bzw. Usd.r-, die man zu *Uzd-, *Austroder *Westr- stellen kann (LAN Bd. 2, 472 und 649); man könnte auch an eine Segmentierung Us-triut denken, mit verstärkendem us, wie in gotisch us-qriutan ‚einem Beschwerde bringen; ‘ und ähnlich. Sicher ist: es ist ein endungsloser Nominativ (unten 5.3.2).
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$ 91. Valilu (Koenig 1981 [40], 301; Hippo Regius – Annaba, Africa proconsularis) in einem Grab mit Schmuckstücken, die einer Ostgermanin gehören könnten, trägt die Endung -u für ostgermanisches o¯ und ist damit das feminine Pendant zum Namen des Flavius Valila (LAN Bd. 1, 752; Schenkender der Donatio Tiburtina, Rom, a. 471), der offenbar einen ostgermanischen Namen trägt. Zur Endung unten (5.3.2).
$ 92. Der Volksname Vandali (LAN Bd. 1, 755 ff.) hat eine alte Schreibtradition. Daher ist es nicht erstaunlich, dass viele gleichartige Schreibungen mit V- oder VV und nd im Lateinischen und B- und im Griechischen auftreten. Trotzdem finden sich abweichende Schreibungen, die auf den Umgang romanischer Schreiber mit germanischen Namen Licht werfen; insbesondere im Anlaut lateinisch Gu- und griechisch O. Bemerkenswert ist das starke Schwanken des Suffixvokals im Griechischen zwischen , und , das nichts mit dem altgermanischen Suffixablaut Vandili : Vandali zu tun hat. Zum Anlaut unten (5.1.15); zum nd (5.1.13).
$ 93. Varica (Carthago; Courtois (1955 [12] Nr. 146) ist ein unspezifischer, nicht unbedingt germanischer Kurzname.
$ 94. Vasila (Carthago) wird von Ennabli (1975 [18], Nr. 28) als zweifelsfrei wandalischer Name bezeichnet. Ein entsprechendes germanisches Namenelement ist aber nicht belegt. Gegen germanische Herkunft ist auch Francovich Onesti (2002 [25], 178).
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$ 95. Vifrede (Vokativ) auf einem Ring aus einem Grab auf Ibiza, das aus der Zeit stammen könnte, als die Balearen unter wandalischer Herrschaft standen, könnte nach Koenig ([40], 300) wandalisch sein; da es sich auch um einen Goten handeln könnte, bleibt es hier außer Betracht.
$ 96. Vilimut s. Hostrildis Nr. $ 55; zum Anlaut unten (5.1.15); zum Fugenvokal (5.3.4); zum u¯ in -muth (5.1.6); t für q im Auslaut (5.1.12); zur Endungslosigkeit (5.3.2).
$ 97. Vitarit s. zu der ostgotischen Parallele Witterit oben (3.1.3). Das Erstglied gehört zu germanisch *wit- (in althochdeutsch wizzan ‚wissen‘ usw.). Zum Anlaut unten (5.1.15); zu -rit (5.3.3).
4.1 Eine suebische Inschrift Von den nicht wandalischen Inschriften der wandalischen Epoche Nordafrikas ist die folgende bemerkenswert: Ermengon Suaba … conivves (= coniux) Ingomaris aus Hippo Regius (Courtois 1955 [12], Nr. 70; Abbildungen bei Courtois 1955 [12], Tafel V, S. 199 und bei Duval 1959 [14], nach S. 262). Die Datierung, ‚ANN XXXV‘, wird von Courtois gedeutet als Jahresangabe der wandalischen Ära (= a. 474), von Marec (1958 [48], 59 f.) weniger überzeugend als ‚30jährig‘ (das V ergänzt Marec zu vixit). Diese Inschrift zeigt, dass mit den Wandalen auch Sweben gezogen waren, ohne ihre Sprache an das Wandalische anzupassen: Während das Wandalische wie das Gotische urgermanisches ¯e zu ¯ı hebt und daher die Namen auf -m¯er Richtung -m¯ır tendieren, wird es im Westgermanischen zu a¯ . Sua¯ ba und Ingoma¯ r zeigen diesen Lautwandel so wie deutsch Schwaben und die PN auf -mar. Conivves für coniux zeigt, dass der Steinmetz des Lateinischen nicht ganz mächtig war. Das Suaba könnte der Wortform nach auch ungermanisch sein (zu lat. suavis); im Kontext von germ. Namen westgermanischer Lautgestalt ist der Bezug auf Sueben jedoch sicher. Höchstwahrscheinlich westgermanische
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Lautung und suebischen Namen vereint auch Suabila (Fevrier 1972 [20], 143; Hippo Regius – Annaba, Africa proconsularis), obwohl Février auch eine Bildung zu lat. Suavillus für möglich hält.
5 Dialektale Unterschiede zwischen Gotisch und Wandalisch-Gotisch? Die Wrede noch nicht bekannten wandalischen Namen stimmen zu seinem Befund, dass der Namenschatz der Wandalen weitgehend dem der Goten glich, ohne neue Akzente zu setzen. Erst die Übereinstimmung der Beobachtung, dass es zahlreiche Goten und Wandalen gemeinsame PN gibt, mit der Tatsache, dass die beiden wandalischen Sätzchen, die wir besitzen, nur gotische Wörter enthalten, lässt keine Möglichkeit für vernünftige Zweifel daran, dass die Wandalen ein ziemlich reines Gotisch sprachen. Das eine der beiden Sätzchen, das im Pseudo-Augustinus „Collatio cum Pascentio“, ist der Liturgie entnommen und daher vielleicht nicht Alltagssprache. Das andere, in „De conviviis barbaris“, zeigt das kulturelle Leben der Zivilbevölkerung im Wandalenreich. Es ist, wie ausgeführt (oben 2.2), ein Zeugnis dafür, dass die Sprache der Wandalen in Afrika von den Zeitgenossen als ‚Gotisch‘ bezeichnet wurde. Es empfiehlt sich daher auch für uns, zu sagen, die Wandalen sprachen Gotisch. Da bleibt noch die Möglichkeit, dass es Dialektunterschiede gegeben haben könnte, die sich in für uns feststellbarer unterschiedlicher Wahl lateinischer Schriftzeichen für wandalische und gotische Aussprache mancher Laute niedergeschlagen hätten.
5.1 Suche nach Dialektunterschieden zwischen Gotisch und Wandalisch-Gotisch im sprachlichen Material Die Hauptmasse der Belege gotischer Namen zur Zeit der Wandalen in Afrika entstammt den Varien Cassiodors. Die Wulfila-Bibel entstammt der 2. Hälfte des 4. Jh; einige Schreibvarianten gehen auf das Konto der leicht veränderten Aussprache im Ostgotischen des 6. Jh. Diese lässt sich leider nicht mit so großer Sicherheit aus den Namen rekonstruieren, wie Wrede meinte, weil oft die Eigenheiten romanischer Schreiber den Befund verfälschen können. Nur wenn die Varianten der im 6. Jh. geschriebenen Handschriften der gotischen Bibel dieselben Tendenzen zeigen, kann man von Lautwandel innerhalb des Gotischen sprechen.
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5.1.1 Das Problem der Diphthonge ai und au Eine Eigenheit des von Wulfila für die gotische Bibelübersetzung neu geschaffenen Schriftsystems sorgt schon seit dem 19. Jahrhundert für Diskussion und wurde durch den Strukturalismus der 1960er Jahre neu belebt: Die Frage der Vokalquantitäten und des Überganges von Diphthongen in Monophthonge im Gotischen. Sicher ist: Das Gotische unterschied Kurz- und Langvokale deutlich. Wulfila benutzte die Zeichen für o und e für die Langvokale; für die Kurzvokale musste er daher neue wählen. Im Griechischen waren und mit bzw. in der Aussprache zusammengefallen; die griechische Orthographie blieb aber konservativ und schrieb weiter die Wörter mit und , die man altgriechisch so geschrieben hatte. Nach diesem Vorbild benutzte Wulfila die Digraphen au und ai für o˘ und ˘e; er musste also apaustaulus für « schreiben.10 Ebenso schrieb er in gotischen Wörtern wairqan, das deutsch werden entspricht und immer ˘e hatte, gegen jer deutsch Jahr, das immer einen Langvokal (gotisch ¯e) hatte. Aber es gab im Gotischen auch Wörter, die in allen germanischen Sprachen Diphthonge hatten: stains, deutsch Stein, und hlaupan, deutsch laufen, waren diphthongisch, und falls dieses ai oder au einmal monophthongisiert worden wäre, in einer germ. Sprache doch eher zu einem Langvokal, wie im Deutschen (z. B. gotisch raus : deutsch Rohr), nicht zu einem Kurzvokal. Anders im Romanischen, wo es keine Differenzierung von Längen und Kürzen gab. Daher nahm man bis 1960 meist an, Wulfila habe in seinem neuen Alphabet die Zeichen ai und au für je zwei verschiedene Laute benutzt, nämlich für Diphthonge in Wörtern vom Typ stains und hlaupan und für Kurzvokale in Wörtern vom Typ wairqan (deutsch werden), waurd (deutsch Wort). Ist es denkbar, dass jemand ein neues Alphabet entwirft und dabei Inkonsequenzen begeht? Die Strukturalisten der 2. Hälfte des 20. Jh. sagten: Nein, und die Neuauflagen der Gotischen Grammatik, die ab 1961 von Ernst A. Ebbinghaus bearbeitet wurde, ab 2004 von Frank Heidermanns, geben an, Wulfila hätte die Stammsilbenvokale in wairqan und stains zwar nicht gleich ausgesprochen, aber als kurzes bzw. langes offenes e; während das Zeichen e ein langes geschlossenes e bezeichnet hätte. Dazu muss man das Zeugnis der Namen herunterspielen; die Angabe bei Heidermanns (2004 [50], 40), „solche Schreibungen [seien] traditionell und zählebig“ ist irreführend, da Namen wie der des Goten Gaina um 400 neu in den Gesichtskreis der Antike kamen und daher keinen älte10
Die gelegentliche Schreibung apaustulus wird als Einfluss der ostgotischen Schreiber des 6. Jh. aufgefasst. Belege bei Streitberg (1920 [71], 46).
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ren Sprachzustand als den Wulfilas repräsentieren können. Der Weg derjenigen Strukturalisten ist falsch, die bei der Rekonstruktion nicht oder nur trümmerhaft belegter Sprachstufen annehmen, synchron widerspruchsfreie Systeme seien wahrscheinlicher als synchron widersprüchliche: Das menschliche Denken knüpft an überkommene Strukturen an; die für neue Situationen nötigen Veränderungen werden nicht genau mit dem Übernommenen übereingestimmt; man bemüht sich eher, mit möglichst wenigen diachronen Veränderungen auszukommen. Daher sind alle natürlichen Systeme, seien es Sprachen oder schriftliche Zeichensysteme, irgendwie in sich widersprüchlich. Wulfila hatte sicher andere Sorgen, als sein Alphabet bis ins letzte Detail der Sprachstruktur anzugleichen. Die Belege für die Namen der Goten Gainas und Radagaisus in lateinischen Quellen zeigen durchgehend die Digraphe ai, wie auch für den Wandalenkönig Gaisericus oder Geisericus (Nr. $ 32; ai oder ei macht keinen wesentlichen Unterschied). Für das Gotische ist außerdem das hailag (entspricht etymologisch, wenn auch nicht im Bedeutungsumfang, deutsch heilig) in der Runeninschrift auf dem Ring von Pietroassa beweisend; wenn auch nicht unbedingt für die Entstehungszeit, da die Aussprache einer sakralen Formel konservativ gewesen sein kann. Die kunstgeschichtlich datierbaren Teile des Pietroassa-Schatzes wurden früher allgemein in die Zeit um 360 datiert; insbesondere eine Schüssel (patera) mit neuplatonischen Götterdarstellungen ist sicher in die Zeit Julian Apostatas zu stellen.11 Man nahm daher an, dass die Deponierung mit der Auswanderung der Westgoten zu Beginn der Völkerwanderung zu tun hat. Einige Objekte weisen jedoch Stilmerkmale auf, die für die erste Hälfte des 5. Jahrhunderts kennzeichnend sind; daher wurde der Fund neuerdings mehrfach in diese Zeit gestellt.12 Die gotische Siedlung nahe Pietroassa wurde allerdings bald nach 370 aufgelassen;13 es finden sich dort keine Spuren einer Siedlung des 5. Jahrhunderts. Da die stilistischen Datierungen einen großen Spielraum erlauben, ist es sinnvoll, bei der alten Datierung und bei der Zuweisung an die Westgoten zu bleiben. Der Vokalismus der germanischen Namen der Spätantike ist in den Quellen uneinheitlich. Die Korrumpierungen der Vokale von Namen in den Handschriften sind aber allgemein und betreffen nicht nur Germanisches. Mommsen nimmt z. B. an, dass Hydatius Callaecia schrieb; die beste 11 12 13
Überzeugende Datierung in die Zeit Julians: von Heland (1973 [34], 86–101). So Harhoiu 2003 [31], 147–153. So datiert sie auch Harhoiu (2003 [31], 147 f.). Dass er trotz des frühen Endes der Siedlung auf Grund der doch nur mit großem Spielraum datierbaren Stilmerkmale der Fibeln den Schatzfund nach 400 datiert, erscheint nicht einsichtig: man wird den Schatz nicht unabhängig von der Siedlung betrachten; besonders, wenn ein Stück klar datierbar ist, nämlich die Patera in die Zeit Julians.
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Handschrift schreibt meist Gallec-, bisweilen aber auch Gallic-, selten Gallac-14; die Barbarei im Umgang mit Vokalen ist eine romanische. Generell empfiehlt es sich, vor der Bewertung einzelner Handschriftenlesarten von germanischen Namen in den Apparaten der Ausgaben zu kontrollieren, wie die betreffende Handschrift mit lateinischen Wörtern umgeht, was ein Zeichen für den Grad der Romanisierung der Sprache des Schreibers ist. Z. B. hat die Hydatius-Handschrift F auch Schreibungen wie Ocianum für Oceanum und umgekehrt mare Terrenum statt Tirrenum für das Tyrrhenische Meer; das heißt, dem Schreiber war der Gebrauch von e und i prinzipiell gleichgültig, nicht nur in germanischen Namen, und diese Handschrift (wie auch viele andere) kommt für die Beurteilung des Vokalismus der Barbarensprachen nicht in Betracht. Augustinus klagt (de doctr. Christ. 3, 10, 24): Afrae aures de correptione vocalium vel productione non iudicant. Das war nicht nur in Afrika so; das Vulgärlatein unterschied auch anderswo Längen und Kürzen nicht. Stattdessen unterschied man den Öffnungsgrad: die ehemals langen e und o wurden dem i bzw. u angenähert; die kurzen eher der „Aussprache von Diphthongen“ (Servius, Grammatici Latini ed. Keil 3, 421, 16 ff.). Servius meint damit wohl nicht, dass die Kurzvokale zu Diphthongen wurden, sondern dass der Öffnungsgrad der ehemaligen Kurzvokale dem der ehemaligen Diphthonge glich15. Dass die Überreste germanischer Diphthonge gering sind, erstaunt daher nicht. Das Schwanken zwischen ai und ei in den Namen von Goten und Wandalen in lateinischer Schrift ist nicht weiter interpretationsbedürftig; wichtig ist nur, dass es sich in jedem Fall um die Wiedergabe eines Diphthongs gehandelt haben muss. Man darf nicht mit dem monophthongierten altlateinischen ae argumentieren: dieses wurde in der Schrift meist mit e oder ˛e, nicht mit ai oder ei wiedergegeben. Für das Wandalische sind die am besten bezeugten Namen mit altem ai Geilamir (Nr. $ 35) und Gaisericus (Nr. $ 32). Auch das ei, das der lateinische Dichter von De conviviis barbaris in eils hörte, in wulfilanischer Othographie hieße es hails, ist trotz verschiedener Versuche von Strukturalisten nur als Diphthong erklärbar. Deutlich ist, dass in Quellen, die weiter vom wandalischen Sprecher entfernt sind, oft andere Schreibungen auftreten, insbesondere Formen mit Monophthong e oder n statt des zweiten Teiles des Diphthongs. Informativ
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Mommsen im Apparat, Chronica Minora Bd. 2, 13 zu Zeile 12. Weitere Belege für den geschlossenen, i-nahen Charakter des ehemals langen ¯e gegen das offenere ehemals kurze e, dessen Öffnungsgrad dem des ehemals diphthongischen ae glich (mit dem es daher von Sprechern bzw. Schreibern, die versuchten, klassisches Latein zu schreiben, oft verwechselt wurde), bei Seelmann (1885 [67], 175 ff.).
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ist da eine Inschrift mit der Namensform Gesiric (AE 1949, Nr. 60; Sufetula – Sbeitla, Africa Proconsularis): Es ist die Grabinschrift eines im 28. Regierungsjahr des Gaisericus / Gesiric geborenen und nach der überzeugenden Neulesung und Interpretation der Datumsangabe von Duval (1987 [15], 389 f.; anders Courtois 1955 [12] Nr. 54) im Alter von 78 Jahren, also 545/546, verstorbenen Presbyters. Das zeigt Romanisierung im Mund von Nichtwandalen von ai zu e: der Lautwandel von ai zu e scheint sich also erst in romanischem Mund, nicht in wandalischem, vollzogen zu haben. Bei Victor von Tunnuna findet sich für Gaisericus bei jeweils einheitlicher Überlieferung in beiden Überlieferungszweigen zu a. 455 und 464 Gensericus, hingegen zu a. 523 Giserico (LAN Bd. 1, 302 f.). Da lagen vielleicht schon Victor (um 560) divergente Quellen vor. Interessant ist, wie man im ostgotischen Italien mit wandalischen Namen umging, die den Diphthong ai enthielten: wandalisch Gaisericus erscheint bei Cassiodor als Gensiricus; ein früherer gotischer König, auf den Cassiodor verweist, als Gensimundus (Hss. var. Gesimundus nur in schlechteren Hss.); der letztgenannte scheint dieselbe Person zu sein wie der bei Jordanes als Sohn des Hunimundus bezeichnete Gesimundus (schlechtere Jordanes-Hss. Gise-). Einen Ostgoten seiner eigenen Zeit, dessen Name vermutlich dasselbe Namenelement enthält, nennt Cassiodor Gesila. Daraus kann man schließen, dass Cassiodor der Diphthong ai nicht geläufig war und er versuchte, die wandalischen und älteren gotischen Namen stattdessen mit nasaliertem e wiederzugeben. Weniger auf Genauigkeit bedachte Abschreiber machten dann daraus einfaches e. In ostgotischen Namen Italiens gibt es in den Cassiodor-Handschriften keine Schwankungen; sie zeigen generell e. Allerdings lassen sich auch andere etymologische Anknüpfungen finden; der Befund ist nicht eindeutig, doch ziemlich wahrscheinlich. Das Wandalische scheint diese ostgotische Neuerung nicht mitgemacht zu haben und in diesem Punkt wie das Westgotische konservativer gewesen zu sein. Auch im Zweitglied scheint ei erhalten zu sein; E (Nr. $ 24) und Oageis (Nr. $ 64) legen diese Annahme nahe. Für den anderen Diphthong, au, sind die Belege in wandalischen Namen zahlenmäßig gering, aber immerhin vorhanden (Baudus Nr. $ 15). Wenn man die Beibehaltung der diphthongischen Aussprache des alten ai im Gotischen wegen Gainas und Radagaisus für erwiesen hält, wird man auch Entsprechendes für das alte au annehmen. Unsichere Zeugen, daher nur schwache Indizien, in einem Fall für diphthongische, im anderen für monophthongische Geltung sind [M ]erobaudes (Nr. $ 60) und Ostariccus (Nr. $ 68): das letzte sieht wegen der Geminata cc nach einem nicht des Wandalischen mächtigen romanischen Schreiber aus.
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Im Westgotischen sind bis zum Ende des Westgotenreiches, vor allem in den westgotischen Konzilsakten, Belege für erhaltenes au überliefert. Erhaltenes au zeigt Gauterit, der Name eines Westgoten, der 470 aus Gallien nach Spanien einfiel. Überliefert ist er nur in der gallischen Chronik von 511.16 Außerdem ist für au noch Audemundus in den westgotischen Konzilsakten zu a. 683 bis 693 überliefert. Das ¯e im Namen Auredus, a. 693 Bischof von Lerida (LAN Bd. 1, 101), zeigt, dass es sich um einen gotischen, nicht etwa fränkischen Namen handelt; auch in ihm liegt gotisches au vor. Wenn Jordanes einen Ahnherrn der Amalergenealogie Augis nennt, wird er wohl die ostgotische Aussprache zur Zeit Cassiodors wiedergeben. Ein Indiz könnte auch sein, dass noch der sogenannte „Trebellius Pollio“ (Hist. Aug. Divus Claudius), vermutlich zur Zeit Wulfilas, den Volksnamen der Ostgoten Austrogothi schreibt. Im Ostgotischen scheint sich aber bereits im 5. Jh. au zu o entwickelt zu haben, nimmt man seit Wrede (1891 [85], 165 f.) allgemein an. Hinlänglich sicher bezüglich der Etymologie und auch mehrfach belegt sind Namen mit Od- für Aud-, die diesen Wandel freilich nur für die Stellung vor Dental bezeugen, sowie das Namenelement Ostro-, bei Jordanes sowohl im Namen der Ostgoten als auch im Namen der Ostrogotha, einer Tochter Theoderichs. Die fränkische Prinzessin, die der Ostgote Theoderich heiratete, wird in zwei Quellen namentlich genannt: im Anonymus Valesianus als Augoflada, mit fränkischem au und a¯ , bei Jordanes (wohl aus Cassiodor) als Audefleda, mit gotischem ¯e, aber seltsamerweise mit au, das eigentlich nur fränkisch, nicht ostgotisch sein dürfte.17 Man muss entweder annehmen, dass der Name bei der Verehelichung der Prinzessin nur halb der neuen Sprache angeglichen wurde, oder dass auch im Ostgotischen um 500 die Variante mit au noch als prinzipiell möglich galt. In einigen Fällen könnte bei lateinischen Autoren mit (mittelbar) griechischen Zwischenquellen die Schreibung apt für aud stehen; z. B. Gapt bei Jordanes, für einen Namen, den man sinnvoll nur als gotisch Gaut interpretieren kann. Eine Eigenheit der griechischen Orthographie ist, dass für [wt] geschrieben wird; [gawt] kann man als Lautsubstitution für [gaut] durch jemanden auffassen, der die diphthongische Natur des au wiedergeben wollte und das griechische als ungeeignet empfand, weil es als [o] ausgesprochen worden wäre. Da zeigt sich der Nachteil der Namen: wir wissen nicht, was der Name eines bestimmten Germanen bedeuten sollte; im Fall Gapt haben wir keine sinnvolle Alternative zum au; die anderen Fälle von griechischem in germanischen Namen sind leider doppel16 17
Chronica Minora Bd. 1, 664. Nur in einer Madrider Handschrift des 13. Jh. erhalten. Dass einer der beiden Autoren d oder g verhörte, ist hier irrelevant. Belege: LAN Bd. 1, 95, s. v. Audefled.
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deutig: 04 « bei Cassius Dio 71, 12, 1 wird üblicher Weise zu deutsch Raft gestellt, obwohl es auch zu germanisch *raud- ‚rot‘ gehören könnte, wenn man mit der Möglichkeit der Schreibung für aud rechnet. Der Mörder des Ostgotenkönigs Theodahad heißt nach Prokop, Bell. Got. 1, 11, 6 #O «. Wie soll man den Namen herstellen, wenn man über die Etymologie nicht informiert wird? Hätte Prokop versuchen können, so ein gotisches *Autharit wiederzugeben? Gregor von Tours hat, aus uns unbekannter schriftlicher Quelle und daher durch uns unbekannte Zwischenglieder bedingt, die Schreibung Aptacharius für den Langobardenkönig Autharit (oder Authari). Dass wir im Langobardischen aut anzusetzen haben, ist sicher. Dann könnte apt in gotischen Namen ebenfalls für aut stehen. Die anderen Namen mit sind jedoch bei nur je einem Schriftsteller belegt; wir haben keine Vergleichsmöglichkeit, die uns die richtige Etymologie sichert. Die Möglichkeit, dass einige verkappte gotische aut in der Schreibung überleben, ist also nicht unwahrscheinlich, aber im Einzelfall kaum beweisbar. Ein Problem für sich stellt der Name ]erobaudes (Nr. $ 60) dar, der wohl zu *Merobaudes zu ergänzen ist. Er scheint von einem katholischen Märtyrer der Verfolgungszeit getragen worden zu sein. Später wäre Mer- die korrekte ostgermanische Form gegen westgermanisch Mar-. Doch der Name des Franken Merobaudes und der Familie der Merowinger passen nicht in dieses Schema. Die Probleme des Bindevokals o, der nicht zu dem Adjektiv *ma¯ ri passt, und des ¯e werden weder von der alten, von Schönfeld (1911 [64], 167) noch von der neueren, von Kaufmann (1968 [37], 257 f.) und Tiefenbach (2001 [73]) angeführten Literatur gelöst. Die Aussprache des germanischen Diphthongs ai als wandalisches ei entsprach also nach den bisher behandelten Quellen in etwa der im Gotischen in den Namen Gainas und Radagaisus, sowie in hailag in der Runeninschrift auf dem Ring von Pietroassa. Unterschiede zwischen Gotisch und Wandalisch sind daher auch im Bereich der Diphthonge, der bei der Gliederung einer Sprache in Dialekte sehr sensibel ist, nicht feststellbar, zumindest nicht beweisbar. Für das späte Ostgotische sind keine sicheren Belege auszumachen, weder für erhaltenes ai noch für Monophthongierung zu e, da die wenigen Belege etymologisch unsicher sind. Doch ist es wahrscheinlich, dass, wie Wrede (1891 [52], 165) annimmt, das späte Ostgotische auch hier monophthongierte. Das Wandalische behielt jedoch den alten Lautwert. Wie das Zeugnis des Pseudo-Augustinus, froja arme, in diesen Befund einzupassen ist, s. unten (7.).
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5.1.2 -g¯ıs oder -gais? In E (Nr. $ 24) könnte das einen Diphthong ei spiegeln und -gais ‚Speer‘ anzusetzen sein; ebenso in Oageis (Nr. $ 64). In Godagis (Nr. $ 40) könnte das Namenelemen -g¯ıs ‚Sprössling‘ vorliegen. Das Ablautsverhältnis dieser nicht klar trennbaren Stämme zueinander wird diskutiert (Kaufmann 1968 [50], 147 f.).
5.1.3 Der Diphthong eu/eo Der häufigste bibelgotisches iu enthaltende Name ist Theodoricus (Nr. $ 84), der aber durch die Ähnlichkeit mit griechisch 3 « einerseits mit diesem verwechselt wird, so bei Prokop, welches anderseits vielleicht die Schreibung des germanischen Namens beeinflusste. Ob auch das eo für wulfilanisches iu bei Victor von Vita durch den Anklang an griechisch 3 « bewirkt wurde, ist nicht entscheidbar. Dasselbe gilt für Theudo[ (Nr. $ 85). Eine bessere Quelle für diesen Diphthong ist Triova (Nr. $ 88), weil hier kein störender Einfluss eines Traditionsnamens vorliegen kann. Doch bezeugt er io nur stellungsbedingt vor w, sodass man auch annehmen könnte, in anderer lautlicher Umgebung habe wulfilanisches iu weiterhin gegolten.
5.1.4 Der Kurzvokal e˘ /i Im Ostgermanischen sollte allgemein Fri- wie in Friqareikeikeis (Fehlschreibung für *Friqareikeis) des gotischen Kalenders stehen; doch erscheint in den Namen zahlreicher Ostgermanen, insbesondere Westgoten, Fre-, wie für den Bruder des westgotischen Königs Theoderich 2., um 450–460, in fast allen Hydatius-Handschriften und für mehrere andere Träger dieses Namens bei verschiedenen Autoren (LAN Bd. 1, 285 ff.). Sowohl das vielleicht vorwandalische Friderich (Nr. $ 28) und das vielleicht Beziehungen zum Ostgotischen spiegelnde Fridamal (Nr. $ 27) als auch die sicher wandalischen Fridus (Nr. $ 30), Fridila (Nr. $ 29) und Munifrida (Nr. $ 61) weisen dagegen einheitlich i auf, wie mehrheitlich die ostgotischen Belege. Die gotischen Belege mit e gehen, zumindest großteils, auf das Konto der romanischen Überlieferung. Auch im Wandalischen finden sich jedoch vereinzelt Belege mit ˘e, und zwar Gebamundus (Nr. $ 34) neben " *- bei Prokop. Das e auf der Inschrift der von ihm ebauten Themen, einem Repräsentationsbau, dessen Inschrift doch von einem Wandalen überwacht
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werden sollte, erstaunt, wenn man den Lautwert i für altgermanisches ˘e als gesichert annimmt. Einen ähnlichen Befund ergibt Heldica (Nr. $ 51) im Vergleich mit Hildeguns (Nr. $ 52); in beiden muss *hildi- ‚Kampf ‘ vorliegen. Wenn auch nicht gesichert werden kann, wo die romanische e/i-Verwirrung schuld an den unerklärten e ist und wo auch andere Ursachen in Frage kommen, so ist die Situation im Wandalischen dafür nicht anders als im Ostgotischen.
5.1.5 Das Nebeneinander von e¯ und ¯ı Die Wiedergabe des germanischen ¯e1 durch ¯e statt west- und nordgermanisch a¯ gehört zu den sichersten Kennzeichen ostgermanischen Lautstands. Die Wulfila-Bibel benutzt dafür allgemein und auch in den stärker durch ostgotische Schreiber beeinflussten Teilen fast fehlerfrei das Zeichen e . Außer im Lukasevangelium, das mehrfach Verwechslung von e- und i-Lauten in beide Richtungen kennt, finden sich nur gelegentliches Schwanken wie das für [¯ı ] stehende ei im Lehnwort akeitis neben aketis ‚des Essigs‘ (aus lateinisch acetum, nicht dem 6 « des griechischen Textes; Streitberg 1910 [70], 6 und 1920 [71], 73). Ob man daraus auf einen völligen Zusammenfall von ¯e und ¯ı im Ostgotischen des 6. Jh. schließen oder nur relativ geschlossene Artikulaton des ¯e1 annehmen soll, ist aus der Beleglage nicht rekonstruierbar. Wrede fand in seinem ostgotischen Material in den Belegen der Namen auf mer/mir (germanisch ¯e) ein Verhältnis von etwa 2 : 1 zu Gunsten von mer; aber -r¯ıx (germanisch ¯ı) erscheint immer mit i; nie mit -rex. In den wandalischen Namen ergibt sich auch mit den Wrede noch nicht bekannten Belegen kein anderes Bild: rix ist einheitlich in Hildirix (Nr. $ 54) und Hunirix (Nr. $ 56), wie uneinheitlich auch die anderen Vokale dieser Namen geschrieben werden. Auch das Fragment ]orix (Nr. $ 67) weicht nicht von der Regel ab. Für mer/mir ist dagegen mit Geilamir (Nr. $ 35) in der wandalischen Kultur nahe stehenden Quellen -mir vorherrschend; in späteren, ab Victor von Tunnuna, und in griechischen Quellen dagegen -mer. Die Interpretation des Befundes ist nicht eindeutig: erfolgt die konstante Schreibung -rix mit i aus lautlichen Gründen, trotz des Anklanges an lateinisch rex, oder gerade um diesen zu verhindern? Ist die unterschiedliche sprachgeschichtliche Herkunft Ursache für eine weiterhin unterschiedliche Aussprache von ¯e und ¯ı? Oder waren die beiden Vokale schon in einen zusammengefallen, der aber stellungsabhängig vor k heller klang als vor r? Oder ist es nur eine durch die Häufigkeit der Namen auf -rix/-ricus/- « verfestigte Schreibtradition? Die Einflüsse der
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e/i-Verwirrung im Lateinischen auf die gotischen Texte sind kaum abschätzbar. Dass der Latein schreibende Notar der Urkunde von Neapel Mirica hörte, obwohl dieser mit Merila unterschrieb, zeichnet vielleicht ein realitätsnahes Bild (unten 6). Obwohl keine objektiven Werte über den Klang dieser Laute ermittelt werden können, so ist doch vergleichbar, inwieweit sich die Schreibungen wandalischer und gotischer Namen entsprechen, und da gibt es bei -rix keine Unterschiede, bei mer/mir scheinen auf den ersten Blick im Wandalischen in guten Quellen die -mir stärker vorzuherrschen als im Gotischen; in schlechteren -mer. Wir haben allerdings zu wenige wandalische Namen auf -mir, um einen Zufallsbefund ausschließen zu können: nur Geilamir (Nr. $ 35), diesen zwar sehr gut belegt und in verschiedenen Quellengattungen, aber eben nur eine Person; ]remiro (Nr. $ 72) ist vielleicht vorwandalisch. Dagegen haben wir für drei Personen Namen auf -mer, allerdings bei Griechen oder erst bei Autoren nach dem Ende der Wandalenzeit: Gunthimer (Nr. $ 49) und Oamer (Nr. $ 65) erst bei Victor von Tunnuna, bzw. #O! bei Prokop, und Hildimer (sei es irrtümlich für Hildirix oder für dessen Heerführer; Nr. $ 53) bei Corippus. Zum Nachweis von Unterschieden zwischen Wandalisch und Ostgotisch reicht das nicht.
5.1.6 o¯ und u¯ Schreibungen von u für o¯ finden sich in der Wulfila-Bibel häufiger als von i für ¯e, wie man seit Wrede (1891 [85], 164) weiß. Doch sind auch diese geringfügig im Vergleich zur fast regelmäßigen Wiedergabe von gotischem o¯ durch u bei lateinischen Schreibern, wie in der Urkunde von Neapel gotisch Alamoda : lateinisch Alamud (unten 6). Die wandalischen Namen entsprechen diesem Befund: wulfilanischem modags entspricht ostgotisch Bere-mud bei Jordanes und wandalisch Beremut[ bzw. Beremuda (Nr. $ 16); Blumarit (Nr. $ 18; ahd. Pluoma) und Vilimut (Nr. $ 96). In Godagis (Nr. $ 40) erscheint das o¯ dagegen als o. Prokop nennt im Wandalenkrieg "/« (LAN Bd. 1, 358 ff.) einen Goten von Geburt; ob diese Schreibung auf gotische oder wandalische Aussprache zurückgeht, ist ungewiss. Altes u¯ ist dagegen belegt in Guiliaruna (Nr. $ 43) und Hunirix (Nr. $ 56). Dem ensprechen westgotisch Burila (7. Jh.; LAN Bd. 2, 3) und Trutila (LAN Bd. 1, 722). Auch im Ostgotischen fand Wrede (1891 [85], 164) keine Schreibungen von o für u¯ .
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5.1.7 Nasalierung germanischer Vokale Eine Möglichkeit der Lautsubstitution für die gotischen Diphthonge scheint in der Nasalierung des zweiten Teiles des Diphthongs bestanden zu haben; siehe oben (5.1.1) zu Gensericus usw. Ob Nasalierung germanischer Vokale, auch Kurzvokale, durch vulgärlateinische oder griechische Sprecher auch sonst eine Rolle spielte, ist ungewiss; man erklärt die Formen Transamundus* und Transimundus* für Thrasamundus (Nr. $ 86) vermutlich besser als Kontamination mit lateinisch trans.
5.1.8 Vokal vor Nasal Selten ist in der ganzen Germania end für ind. Folgender Nasal scheint trotz e/i-Verwirrung die Schreibung i begünstigt zu haben (während die Umgebung von Liquiden anscheinend e begünstigte: 5.1.4). Aus dem Wandalischen haben wir Sindivult (Nr. $ 79) zu germanisch *swenq-; aus dem Gotischen zahlreiche Belege (LAN Bd. 2, 619 f.). Fest ist auch die Wiedergabe von un in lateinischen Quellen: Gebamundus (Nr. $ 34); Gundericus (Nr. $ 46); Guntha (Nr. $ 47); Gunthamundus (Nr. $ 48); Gunthimer (Nr. $ 49); Munifrida (Nr. $ 61); Un-tancus (Nr. $ 89). Zum selben Resultat für das Ostgotische kommt Wrede (1891 [85], 164 f.). Die Verschiebung der Klangfarbe von u zu o bei a in "% « (Nr. $ 46) ist vermutlich durch Lautsubstitution im Griechischen verursacht, nicht durch innergermanische Entwicklungen. Auch in iberoromanischen Quellen tritt im 7. Jh. mehrfach gond für gund auf, doch können einige dieser Formen westgermanisch sein.
5.1.9 Ersatz von ggw durch w In Triova (Nr. $ 88) fehlt die ‚goto-nordische Verschärfung‘ von v zu ggw. Das könnte westgermanischer Einfluss sein, ist aber eher Unsicherheit der Romanen, wie der ostgermanische Laut in der Schrift wiedergegeben werden könne. Sicher ist das für das Ostgotische, wo die unterschiedlichen Schreibungen bei Ennodius Triggva (Ablativ), bei Boethius Triggvillam (Akk.), im Anonymus Valesianus 2 Triwane (Abl.), bei Cassiodor Triwilae (Dat.) sich auf insgesamt nur ein bis zwei (unwahrscheinlich drei) Personen beziehen (LAN Bd. 1, 722). Falls Trigari(i) (Nr. $ 87; s. Nr. $ 89) germanisch sein und zu gotisch triggwa ‚Bündnis‘ gehören sollte, entsprächen die Verhältnisse im Wandalischen dem Ostgotischen.
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5.1.10 Germanisches h Zu anlautendem H gibt es schwer erklärbare Befunde: Der bei 10 Autoren in teilweise mehr als einem Beleg überlieferte Name der Hasdingi (Nr. $ 11) ist korrekt mit H nur bei Cassiodor überliefert; die afrikanischen Belege wählen, wie die Griechen, alle A-. Die Namen der Könige Hunirix (Nr. $ 56) und Hildirix (Nr. $ 54) sind jedoch in guten lateinischen Quellen fast ausschließlich mit H- geschrieben. Vielleicht war vor i für die Romanen das germanische h besser hörbar oder nachsprechbar als vor a; Es könnte aber auch auf persönliche Anordnungen von Hunirix und Hildirix zurückgehen. Im ostgotischen Italien finden sich bei Cassiodor alle drei Möglichkeiten: Hyperkorrekturen in Hamal-, Hereleuva neben korrektem Ere(zu germ. *er-; verfehlt Wrede 1886 [84], 61 zu heru- ‚Schwert‘ oder h¯er ‚erhaben‘); Entfall des H- in Unigis, Unimundus; korrektes H in Herminafridus*, Hildericus*, Hasdingi*. Die Hyperkorrekturen treten bei anderen Autoren weniger auf, noch weniger in Inschriften von Zivilbevölkerung. Die Häufigkeit von Hyperkorrekturen in Inschriften wird überschätzt; sie finden sich eher bei Gelehrten, und auch Cassiodor verwendet, wo es sich nicht um den Namen (H)amal, (H)amali selbst handelt, meist Formen ohne H-, wie in Amalafrida. Daher mein Zögern, Etymologisierungsvorschläge mit anlautendem Vokal für inschriftlich mit anlautendem H belegte Namen zu akzeptieren, bei Hegerit (Nr. $ 50) und Hostrildi (Nr. $ 55). Fast alle in der antiken Überlieferung mit O anlautenden germanischen Namen sind, was die Etymologie betrifft, im LAN Bd. 2 mit einem ‚?‘ versehen, da die Möglichkeit von Lautsubstitutionen Mehrdeutigkeiten schafft: Für Oageis (Nr. $ 64) und Oamer (Nr. $ 65) sind in beiden lateinischen Quellen, einem Gedicht des Luxurius bzw. der Chronik Victors von Tunnuna, nur Formen ohne H belegt. Wegen der geringen Belegzahl sind da Zufälle möglich. Da der Spiritus asper, der sich in der Mehrzahl der Belege von 0O! bei Prokop findet, auch durch missverständliche Interpretation als Artikel ² durch die Schreiber entstanden sein kann, wäre außer *hauha- germ. wa- denkbar oder o¯ oder vielleicht sogar aiwa-. Noch ärgere Entstellungen müsste man annehmen, wenn man Oageis mit E« identifizieren will (s. zu Nr. $ 64). Wenn man darauf verzichtet und nur die Form Eugetius mit der griechischen Form E« vereinigt, käme man auf ein wandalisches *Aiwa-gais. Das hätte eine Parallele im Namen des westgotischen Königs Evarix (*Aiwa-r¯ıks), der bei Jordanes und anderen meist als Euricus erscheint (LAN Bd. 1, 263 f.). Oageis – Eugetius – E« ist jedenfalls mehrdeutig. Sehr zufällig werden die Handschriftenbefunde für H- im Griechischen, da ein dem Spiritus asper entsprechendes Zeichen zwar schon in der Antike
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existierte, aber nicht zuverlässig benutzt wurde. Obwohl das germanische h im Ostgermanischen sehr kräftig, reibelautartig, gesprochen wurde, ist im Griechischen Lautentfall das Normale und sind andere Lautsubstitutionen selten; eine Ausnahme ist, dass Malalas " - für Hild- schreibt (LAN Bd. 1, 354 und 429). Für den Anlaut *h- des Zweitglieds nach Konsonant haben wir, beides ohne h, Agisild[ (Nr. $ 3) und Hostrildi (Nr. $ 55). In Hostrildi wäre bei Annahme der übliche Etymologie, zu *Austr-, im Erstglied eine Hyperkorrektur, im Zweitglied Entfall des h anzunehmen; es bietet sich jedoch keine plausible Alternative an. Durch die stark autor- und überlieferungsabhängige Situation ist es nicht möglich, etwaige Unterschiede in der Aussprache des h zwischen Wandalisch und Gotisch festzustellen.
5.1.11 Anlautendes q In Thrasamundus (Nr. $ 86) wird anlautendes q durch Th- wiedergegeben; dagegen durch T- in Tanca (Nr. $ 83); ebenso im Anlaut des zweiten Teils von Zusammensetzungen: Un-tancus (Nr. $ 89); Sigisteus (Nr. $ 77). Die Belegzahl ist gering; die ostgotische Parallele Tanca* (oben 3.1) zeigt dieselbe Schreibung.
5.1.12 Postvokalisches d/q/t Germanisches postvokalisches d liegt sicher vor in: Baudus (Nr. $ 15), [M ]erobaudes (Nr. $ 60) und Obadus (Nr. $ 66). In den Auslaut geraten kann es in *baud-, *mo¯ d- und *r¯ed-, wenn sie als Zweitglied auftreten oder eingliedrige Namen von ihnen gebildet werden und keine lateinische Kasusendung antritt; dann erscheint es als t. Das ist der Fall in Vilimut (Nr. $ 96), sicher auch in Vitarit (Nr. $ 97), das von der ric/rit-Problematik nicht betroffen ist, weil die Zahl der Belege im Wandalischen und Gotischen hinreichend ist; möglich ist es in Beremut[ (Nr. $ 16), wenn die Vermutung richtig ist, dass das t bereits den Auslaut darstellt. Die Wiedergabe der germanischen Media im Auslaut durch t, im intervokalischen Inlaut durch d, entspräche dem, wie wir erwarten, dass germanische Medien in lateinische Buchstaben übertragen wurden, wenn man sich an der Aussprache des Lateinischen im 5. Jh. orientiert: der distinktive Unterschied zwischen d und t lag im Germanischen wahrscheinlich zwischen ‚Lenis‘ gegen ‚Fortis‘; im Lateinischen zwischen ‚stimmhaft‘ und ‚stimmlos‘; eine stimmlose Le-
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nis war für die Germanen wahrscheinlich eine stellungsbedingte allophonische Variante von d, in der lateinischen Laut-Graphem-Entsprechung hatte der Steinmetz dagegen für die stimmlose Variante das Zeichen t zu wählen. Jordanes wählt auch im Auslaut d: Beremud, Evermud, Thorismud; Cassiodor Thorismuth (nur schlechtere Handschriften haben -mund; LAN Bd. 1, 134; 243; 698). Wir sind, wo die Überlieferung nicht eindeutig ist, unsicher, wo *-mo¯ da- ‚Mut; Gesinnung‘ und wo *-munda- ‚Schützer‘ (Kaufmann 1968 [37], 262) vorliegt. Intervokalisches gotisches q erscheint in allen wandalischen Belegen als d: Beremuda (Nr. $ 16); Fridila (Nr. $ 29); Fridus (Nr. $ 30); Arifridos (Nr. $ 8); Munifrida (Nr. $ 61); Fridamal (Nr. $ 27). Das in Friderich (Nr. $ 28) legt eine Aussprache als & nahe, wie auch im Ostgotischen, wo Prokop (Bell. Goth. 3, 12) - « in 7 « bietet, da als stark stimmhafter Reibelaut ausgesprochen wurde.
5.1.13 Die Wiedergabe von *nd und *nq, *ld und lq Wandalisches d und q waren deutlich geschieden. Für nd finden sich keine Formen mit nt: Anduit (Nr. $ 5), Gebamundus (Nr. $ 34), Gunthamundus (Nr. $ 48), Thrasamundus (Nr. $ 86). Auch ld ist in Hildeguns (Nr. $ 52) und ld in Agisild[ (Nr. $ 3) erhalten. Die Provinzialen waren nicht im Zweifel, mit welchem Laut sie d nach Nasal oder Liquid wiedergeben sollten. Dagegen ist in den Namen mit nq in den sicher aus der wandalischen Epoche stammenden Belegen nt bzw. nth vorherrschend, doch findet sich bisweilen auch d. Die Provinzialen hatten offensichtlich keinen genau entsprechenden Laut und waren im Zweifel, wie sie ihn wiedergeben sollten: Die Namen mit *Gunq- in Afrika, die sicher aus der Wandalenzeit stammen, haben nt oder nth bzw. %: Guntha (Nr. $ 47); Gunthimer (Nr. $ 49); Gunda (Nr. $ 45) ist vielleicht vorwandalisch. Aber Sindivult (Nr. $ 79) hat vor Vokal nd für nq; im Auslaut lt für lq. Aufschlussreich ist die Behandlung des Namens des Königs Gunthamund (Nr. $ 48) in den verschiedenen Quellengattungen (LAN Bd. 1, 402 f.). Auf den Münzen ist Gunthamund vermutlich Abkürzung für Gunthamundi, nicht stimmloser Auslaut und auch nicht Zeichen von Endungslosigkeit im Wandalischen. Dracontius, der sich an den König wendet, schreibt Gunthamundus*. In den zeitgenössischen, aber sehr wandalenfernen Datierungs-Angaben der Tablettes Albertini, die von ausschließlich alteingesessener Bevölkerung stammen, kann er außer als Gunthamundi und Guntamundi als Guntamun, Gunthabundi, Guntabundi, Guthabondi, Ginttamundi, Ginttabundi erscheinen; bei Prokop erscheint er als " 2 ««. Da keine entsprechende lateinische Schreibung
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belegt ist und Prokop, hätte er den Namen von einem Wandalen gehört, wohl " % oder " geschrieben hätte, hörte er vermutlich diesen Namen von einem Provinzialen, dessen t wie d klang. Keinen Unterschied zum Gotischen erkennt man auch an der Verbindung lq, die Balda[ (Nr. $ 14) erhalten ist, denn auch die westgotischen Namen mit *Balq- ersetzen lq durch ld (Balderedus, Baldvigius; LAN Bd. 1, 114); die Leges Burgundionum kennen aber einen Baltamodus und Jordanes nennt das westgotische Königsgeschlecht Balthi (LAN Bd. 1, 115). Asdingus ist hier anzuschließen, da das s für stimmhaftes [z] steht, das so stark stimmhaft artikuliert wurde, dass das germanische d nicht, wie nach stimmlosem Konsonant zu erwarten wäre, wie im Auslaut stimmlos wurde, was im Romanischen als t interpretiert worden wäre, wie im 3. Jh. bei Cassius Dio 5A . 5.1.14 Intervokalisches g Die Lautverbindung agi ist erhalten: In Agisild[ (Nr. $ 3); Dagila (Nr. $ 22); Raginari (Nr. $ 71; allerdings unsicher datiert); Sigisteus (Nr. $ 77). Dagegen finden sich im Ostgotischen Zeichen von Ausfall: Vermutlich derselbe Name wie in Dagila (Nr. $ 22; f.) liegt vor in Daila (m.) bei Cassiodor (Variae 5, 30, 1); der Ausfall des g in agi zu ai findet sich bei Cassiodor auch in der Amtsbezeichnung saio ‚Gefolgsmann‘ (aus germ. *sagwia-, wie lat. socius zu sequi; Kögel 1889 [39], 18 f.). Aber möglicherweise liegen hier Wechselformen nach Verners Gesetzt vor (vgl. Pokorny, Indogermanisches Etymologisches Wörterbuch 897).
5.1.15 Intervokalisches und anlautendes b/v Unsicherheit in der Entsprechung von b/v zwischen Gotisch und Latein findet sich auch bibelgotisch: Silbanus für lateinisch Silvanus 7 « (Streitberg 1910 [70], 120). Im Wandalischen ist intervokalisches b noch intakt in Gebamundus (Nr. $ 34) und, sofern wandalisch, in [M ]erobaudes (Nr. $ 60). Dagegen findet sich v für b, sofern etymologisch zu *badugehörig, in Marivadus* (Nr. $ 59). Im Gotischen findet sich, ebenfalls etymologisch nicht eindeutig zu *badu-, Sunhivadus* und (nach)westgotisch Trasovado. Anlautendes wandalisches W bezeugt Vilimut (Nr. $ 96). Vandali (Nr. $ 92) ist durch die lange Schreibtradition verfestigt und daher nicht für die aktuelle Aussprache beweiskräftig. Doch das Schwanken zwischen griechisch
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B- und O- zeigt, dass * einen sehr stimmhaften Laut meint, und daher auch wo es für germanisches b steht, ebenfalls ein nicht stark explosiver, intervokalisch vielleicht reibelautartiger Laut gemeint ist. An romanisierenden Schreibungen findet sich bei Dracontius (Satisfactio 317) Gunthamundus rex Guandalorum (Nr. $ 92); möglicherweise, um eine Allitteration zu erzielen. Guitifrida (Nr. $ 44) ist möglicherweise nachwandalisch.
5.2 Unterschiede zwischen der Wiedergabe im Griechischen und Lateinischen als Mittel zur genaueren Bestimmung des Lautwertes Nicht verwertet werden in der Diskussion um den Lautstand des Gotischen üblicherweise Belege gotischer bzw. wandalischer Namen bei griechisch schreibenden Autoren, weil sie oft von den lateinischen abweichen. Manchmal liegt das daran, dass die Griechen weniger direkten Kontakt mit Germanen hatten als die Römer in Italien, Spanien oder auch Nordafrika, und Zwischenquellen eine zusätzliche Fehlermöglichkeit bedeuten. Aber es gab auch griechische Schriftsteller mit bester Sachkenntnis und direkten Berührungen mit Germanen; vor allem Prokop, der als Geheimschreiber Belisars sowohl den Wandalenkrieg als auch große Teile des Gotenkrieges mitmachte. Wrede (1886 [84], 5) glaubte sich daher berechtigt, zu konstatieren, dass die Griechen „für den germanischen Consonantismus wie Vocalismus (zumal die Diphthonge) gar kein Gehör“ hatten. So ähnlich formuliert man bis heute, obwohl sich zumindest bei einigen der Abweichungen zeigen läßt, dass sie auf genau beschreibbarer Lautsubstitution für germanische Laute, die das Griechische nicht besaß, beruhen, und daher gerade die Differenzen zwischen lateinischer und griechischer Wiedergabe ein genaueres Bild der germanischen Sprache vermitteln als die lateinischen Quellen allein. Ein wesentlicher Punkt ist: Prokop schreibt " ( «« für *Gaisarix (Hydatius: Gaisericus) und " für Geilamir. Den Namen des Vaters des Geilamir–" schreibt er jedoch (im Gen.) " ! ««. Die Lateiner hatten einen dem germanischen ai ähnlichen Laut nur in Formen wie Traianus, also mit intervokalischem j, während das germanische ai auch vor Konsonanten steht; aber sie waren in der Lage, es auszusprechen. Die Griechen in Prokops Umgebung konnten aber den Diphthong ai sicher nicht ordentlich aussprechen. Da das ai in der lateinischen Schreibung Gaisaricus nicht für einen wandalischen Monophthong e stand (für den man eine Variante des e-Zeichens gewählt hätte, s. o.), sondern eben für den Diphthong [ai], ist das ein beschreibbarer Fall von Lautsubstitution für einen in Prokops Sprache nicht vorhandenen Diphthong, wie sie ja auch heute etwa zwischen Deutsch und Englisch selbstverständlich
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ist, kein Fall von „weniger feinem Ohr“. Wenn das Lateinische und das Griechische denselben germanischen Namen unterschiedlich wiedergeben, ist zu schließen, dass es sich um einen Laut handelte, der in einer der beiden Sprachen reproduzierbar war, in der anderen nicht und in ihr daher durch einen anderen substituiert wurde; dafür kommt nur der germanische Diphthong in Frage. Außerdem hatte Prokop die zusätzliche orthographische Schwierigkeit, dass er nicht schreiben durfte, weil dies als ˘e missverstanden worden wäre – oder sogar von ihm missverstanden wurde, falls ihm der Name *Gailamir zuerst in einem schriftlichen Dokument zukam. Warum schrieb er "- für Gail- in ", aber " - in " ! «? Wir wissen es nicht; der einzige Unterschied, den wir feststellen können, ist, dass *Gailamir Zeitgenosse Prokops war, *Gailaris jedoch nicht; die Wahrscheinlichkeit, dass Prokop den Namen nicht hörte sondern las, ist daher für den zweiten Namen etwas größer als für den ersten. Die beiden letztgenannten Beobachtungen würden zu entgegengesetzten Folgerungen verleiten. Mit schwachen Indizien lässt sich nichts beweisen. Zu den Schwierigkeiten bei der direkten Übernahme aus dem Germanischen, die schon groß genug waren, kam für den Griechen noch die weitere Schwierigkeit hinzu, dass die Verkehrssprache in Nordafrika Latein war und kaum jemand Griechisch konnte. Ein Grieche in Belisars Armee hörte wandalische Namen normalerweise nicht von einem nordafrikanischen Griechen, der mit Wandalen zu verkehren gewohnt war (es lebten nur wenige Griechen in Nordafrika), sondern von einem Vulgärlatein sprechenden Provinzialen. Bei verzerrter Aussprache durch die lateinischen Gewährsleute sind noch mehr Hörfehler der Griechen möglich.
5.3
Morphologie
5.3.1 Flexionsendungen Die ungünstige Überlieferungslage lässt nur wenige und begrenzte Schlüsse auf Flexionsendungen zu. Die dabei auftretenden Probleme seien hier skizziert: Der Satz eils scapia matzia ia drincan (oben 2.2) zeigt eindeutig bestimmbare Flexionsendungen in eils und drincan. In eils haben wir den Nominativ Singular der maskulinen a-Stämme; er entspricht genau dem bibelgotischen. Der Infinitiv drincan weist ebenfalls keine Unterschiede zu bibelgotisch drigkan auf. Zweideutig ist matzia insofern, als der Unterschied zu bibelgotisch matjan auf ungenauem Hören des Römers, auf einer bei schnellem Sprechen verschliffenen Endung oder auf Endungsabfall hin-
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weisen könnte. Da in drincan die Infinitivendung erhalten ist, wird man die ersten beiden Möglichkeiten für wahrscheinlicher halten als die dritte. Zweideutig ist scapia insofern, als neben der wahrscheinlicheren Interpretation ‚Hails! Skap iah matjan iah drigkan! ‘, die einen Zuruf während des Conviviums an einen Diener wiedergibt, also während des Vortrags den Dichter stört, in der Literatur weniger oft genannt wird als ‚Hails! Skapiam matjan iah drigkan! ‘, das eine Selbstaufforderung wäre. Diese unhöfliche Äußerung setzt die oben (2.2) abgelehnte ‚Gasthausszenerie‘ voraus. Da der Imperativ im Bibelgotischen endungslos ist, wäre ein etwaiger Endungsverlust im Wandalischen hier nicht zum Tragen gekommen. Die zahlreichen Belege von Eigennamen auf -rix in lateinischen Texten lassen eine gotische Form *r¯ıks vermuten; sie könnten daher, wie eils, Zeugen für erhaltenes Endungs-s im Nominativ des Maskulinums sein. Die schwache Maskulinendung -a ist in zahlreichen sowohl eindeutig wandalischen als auch eindeutig maskulinen Namen erhalten (Nr. $ 25, 47, 51, 74, 83), davon ist ein Name im Ostgorischen identisch überliefert: Tanca (Nr. $ 83). Dazu kommen noch einige in Epoche oder Geschlecht oder Etymologie unsichere Belege. Das entspricht dem Gotischen, wo sie sowohl im Westgotischen als auch im Ostgotischen bis zum Aussterben der Sprache, und noch darüber hinaus in Namen, die von der romanischen Bevölkerung übernommen wurden, erhalten ist. Auch die burgundischen Sprachreste zeigen denselben Zustand; vermutlich behielten alle ostgermanischen Sprachen bis zu ihrem Aussterben diese Endung bei. Stilico (Nr. $ 80) ist ein Einzelfall einer ostgermanischen Maskulinendung -o, der verschieden zu begründen versucht wurde, am plausibelsten ist noch die Annahme, dass es eine politisch motivierte Romanisiernug darstellt, obwohl es auch lateinische Namen auf a gibt. Nicht entscheidbar ist, ob Hildeguns (Nr. $ 52), wie Francovich Onesti vorschlägt, als Kürzung von -gundis aufgefasst werden soll oder die Endung eines gotischen i-Stammes (wie q¯ens) repräsentiert. Die Endung in Valilu f. (Nr. $ 91) ist die vulgärlateinische Entsprechung des ostgermanischen o¯ der Nominativendung der femininen o¯ -Stämme; so auch Francovich Onesti (2002 [25], 177.
5.3.2 Formen ohne lateinische Kasusendung Gegen die wenigen genannten Fälle von erhaltenem Nominativ-s stehen endungslose Nominative auf -mir (Nr. $ 35, 49, 53, 65), -rit (Nr. $ 18, 50, 97; außerdem in einer einzelnen Schreibung von Nr. $ 54), -vit (Nr. $ 5), -mut(h) (Nr. $ 33; 96), -vult (Nr. $ 79), -amal (Nr. $ 27); falls Maskulinum
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auch -(tri)ut (Nr. $ 90) und, wegen des auf -s endenden Stammes nicht feststellbar, möglicherweise auf -gis (Nr. $ 40, 64). Eine lautgesetzliche Ursache darin zu suchen, wie Wrede (1886 [84], 105 f.), empfiehlt sich nicht, weil eils und amal (in Fridamal) gleichen Stammauslaut, aber unterschiedliches Endungsverhalten zeigen. Ob Fridamal eine genuin wandalische Bildung ist, könnte man allerdings bezweifeln (s. zu Nr. $ 27). Francovich Onesti (2002 [25], 162) weist darauf hin, dass mehrere der -mer-Namen ohne Endung von den Autoren übernommen werden, und, dass speziell Victor von Tunnuna Gunthimer, Oamer und Geilimer schreibt. Das ist bemerkenswert, da gerade Victor von Tunnuna, der kein Zeitgenosse der Wandalenherrschaft mehr war, sonst auch Namen, für die andere Quellen auch endungslose Formen bieten, mit der lateinischen Endung -us usw. versieht: Gensericus – Gisericus, Hugnericus – Ugnerico (Dativ), Ricimirus, Guntamundus – Gunthamundus, Trasamundus, Hilderix – Hildericum (Akkusativ), Gebamundum (Akkusativ). Allerdings muss dieser Befund nicht auf das Konto der wandalischen Sprache zu setzen sein: Auch der alanische Name Aspar erscheint bei Victor von Tunnuna wie in allen anderen Quellen auch endungslos; der Auslaut -r könnte als mögliche lateinische Form (Caesar) behandelt worden sein.
5.3.3 *-ric, *-red, *-r¯ıd? Das Wandalische überliefert drei Namen mit dem endungslosen Zweitglied -rit: Blumarit (Nr. $ 18); Hegerit (Nr. $ 50); Vitarit (Nr. $ 97). Diese könnten auf germanisch *r¯ed oder *r¯ıd zurückführbar sein. Dazu kommen einzelne Belege von Namen, die nur in einem Teil der Belege auf -rit enden und in anderen Belegen als -rix oder -ricus auftreten: Hildirit hat Victor von Vita, doch Hildirix (Nr. $ 54) erscheint auf allen Münzen dieses Herrschers, Hildericus bei Ferrandus, In der Anthologia Latina (ed. Shackleton Bailey 194, 1 = Riese 1, 203) bieten die Handschriften hildirigi A, hildirici B, hildrici V. Bei späteren Autoren, die den Namen nicht mehr aus dem Mund von Zeitgenossen hören konnten, findet man: Hilderix und Hildericus bei Victor von Tunnuna, Hilderis und Ildirix bei Isidor. In einem Fall gibt Prokop an, einen Namen von einem Wandalen gehört zu haben, und gerade diesen überliefert er wahrscheinlich falsch. Das muss nicht unbedingt bedeuten, dass er direkt die Worte des Wandalen vernahm, der Wandale könnte zu einem Dolmetscher gesprochen und Prokop dessen latinisierte Aussprache ins Griechische übertragen haben; in der Antike wird die Anwesenheit von Dolmetschern bei Gesprächen üblicherweise nicht erwähnt. Aber es ist wahrscheinlich, dass Prokop sich mit einem
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Wandalen direkt unterhielt, da sowohl Prokop als auch der Wandale Latein können mussten. Prokop behauptet (Bell. Vand. 1, 3, 33), persönlich von einem Wandalen eine Information über den Tod des "% « (belegt im Nom., sowie im Akk. "% ) erhalten zu haben, † 428 in Spanien, den Hydatius Gundericus nennt. Hydatius (ca. 394–469) war Zeitgenosse und von den Vorgängen in Spanien unmittelbar betroffen; er gab den Namen des Wandalenkönigs vermutlich richtig wieder; es gibt keine nennenswerten Handschriftenvarianten. Das u des Hydatius in Gundericus lag vermutlich näher an der Klangfarbe des Wandalischen als das o Prokops; das % Prokops lag dagegen vermutlich näher am q des Wandalischen als das d des Hydatius. Das sind für das Griechische bzw. Lateinische selbstverständliche Lautsubstitutionen. Für Verwirrung sorgt aber der Auslaut des Zweitgliedes: die bei Prokop belegten Kasus, Nominativ und Akkusativ, lassen den Gen. " %! « und den Dat. " %! erwarten. So gebraucht sie Prokop für einen bei Corippus Guntharith genannten, sicher ostgermanischen, aber nicht notwendig wandalischen Rebellen von a. 545–547. Dessen Name müsste auf Wandalisch-Gotisch im Nominativ *Gunqa-r¯ıqs oder *Gunqa-r¯ıq gelautet haben (je nachdem, ob das auslautende s erhalten war), im Akkusativ *Gunqa-r¯ıq, im Genitiv und Dativ *Gunqar¯ıd- + Vokal. Etymologisch geht das nicht auf, denn sowohl in germ. *r¯ıdan ‚reiten‘ als auch in *r¯edan ‚raten‘ liegt d vor, nicht q; aber man könnte annehmen, dass das ostgermanische d fallweise als & (also mit nicht vollständig durchgehaltenem Verschluss) realisiert wurde, was im stimmlosen Auslaut einen dem q ähnlichen Laut ergab. So könnten wir sowohl die Substitution Coripps, th für q, verstehen, als auch die Zuordnung Prokops zur griechischen Deklination auf - «, - «. Der 428 verstorbene König hatte aber *Gunqir¯ıx geheißen, wenn wir dem Gundericus des Hydatius (und späteren Quellen aus Spanien und Frankreich, die aber direkt oder indirekt von Hydatius beeinflusst sein könnten) Glauben schenken. Der erst Jahre später auftauchende Name *Gunqa-r¯ıq(s) kann Prokop nicht beeinflusst haben, als er zu Beginn des Wandalenkrieges den Namen Gundericus im Mund eines Wandalen hörte, der wohl wie *Gunqir¯ıks geklungen hat, und den Prokop nach griechischer Gewohnheit hätte mit " « oder " % « oder " %! « wiedergeben sollen.18 Dass er ihn falsch wiedergab, kann verschiedene Gründe haben. Unsere Chancen, den richtigen zu erraten, sind
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Das Problem der Kompositionsfuge lassen wir hier beiseite: in germanischen Quellen ist von Anfang an ein Nebeneinander von *Gunqi- und *Gunqa- feststellbar. Wenn der Fugenvokal bald als e, bald als a erscheint, kann die Ursache bei den Gunq-Namen auch bei den germanischen Sprechern liegen; abgesehen von den erwähnten Unsicherheiten der nicht germanischen Hörer.
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gering, doch ist es wichtig, auch dort, wo man keine Hypothese anbieten darf, weil keine bewertbaren Indizien vorhanden sind, Szenarien anzubieten, welche Arten von Irrtümern eine konkrete Schreibung, wie - « statt - «, verursacht haben könnten. So wäre es denkbar, dass Prokop in späteren Jahren den Namen *Gunqar¯ıq mehrfach hörte, und zwar nicht nur als den Namen des nordafrikanischen Rebellen, sondern auch als den eines Anführers von Erulern a. 538 (Bell. Goth. 2, 4, 8), den er ebenfalls "% (nur Akk.) nennt; nach seiner Praxis der Überführung der Wörter mit gotischem stammschließendem d in die griechische Deklination auf - «, - «. Das d geht dabei im Griechischen gerade in den häufigsten Kasus verloren, aber das war in der Antike allgemeine Praxis. Als Prokop gegen 550 die ersten sieben Bücher seiner Kriegsberichte zusammenstellte, könnte er diesen Namen im Ohr gehabt haben, ohne zu wissen, dass es sich um zwei nur ähnlich klingende Namen handelte, und, 15 Jahre nach seinem Aufenthalt in Afrika, geglaubt haben, es seien phonetische Varianten desselben Namens. Es ist nicht sinnvoll, sich auf eine Erklärung festzulegen, da wir nicht wissen, in welcher Form Prokop seine Notizen angelegt hatte, aus denen er seine Kriegsgeschichte zusammenstellte. Die Chronologie (Tod des Namensträgers a. 428; Prokop hört den Namen a. 535 und macht Notizen; Prokop schreibt den Namen a. 550 in die Reinschrift) lässt mindestens so breiten Spielraum für Verderbnisse wie für andere Annahmen (Hinzutreten eines Dolmetschers oder andere Zufälle). Die Instabilität des Zweitgliedes -rit/ric finden wir auch im Ostgotischen: auf einer ravennatischen Papyrus-Urkunde, die Tjäder (1982 [74], 146, Nr. 43) mit „542?“ datiert, unterschreibt ein Zeuge Ghiveric – in schlechtem und unbeholfenem Latein, die Buchstaben „kleinlich und schlichter ausgeformt“ (Tjäder 1982 [74], 146), zweifelsfrei eigenhändig. Der Notar gibt den Namen als Giberit wieder. Sollen wir dem Notar mehr vertrauen als dem Zeugen?
5.3.4 Die unbetonten Vokale der Kompositionsfuge zweigliedriger Namen Das Schwanken zwischen a, e, und i in der Kompositionsfuge; z. B. Geila-, Geili-, Geile- für Geilamir (Nr. $ 35) ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass diese unbetont war und daher die Vokalqualität vor allem für Nicht-Muttersprachler schwer erkennbar war. Dieses Phänomen findet sich bei der Wiedergabe von Namen aus allen germanischen Sprachen in fremdem Mund. Ich gehe daher hier nur auf einige bemerkenswerte Fälle ein. Das .ia. der Kompositionsfuge in Nr. $ 43. Guiliaruna zeigt gute Erhaltung des wandalischen Zustands, obwohl der Anlaut die romanisierende
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Schreibung Gu- für W- bietet. Dasselbe Erstglied liegt in ostgotisch Wiliarit vor; ebenfalls mit erhaltenem ia. Hier zeigt sich die enge Verwandtschaft von Gotisch und Wandalisch deutlich. In Vilimut (Nr. $ 96) erscheint dagegen einfaches i, wie in mehreren ostgotischen Namen bei Cassiodor (Wiligis, Wilitancus*), auf ravennatischen Papyri (Wilileva) und anderen (LAN Bd. 1, 779 f.). Schönfeld (1911 [64], 265) hält diesen Wechsel für schon gemeingermanisch, nicht erst durch die romanischen Schreiber verursacht; ihm folgt Kaufmann 1968 [37], 403). Konstant ist a der Kompositionsfuge in Gunthamundus (Nr. $ 48) und in guten Quellen für Thrasamundus (Nr. $ 86), das zum Themavokal in gotisch qrasa-balqei* ‚Streitsucht‘ stimmt; i in Hildirix (Nr. $ 54) und Hildimer (Nr. $ 53) zu germanisch *hildi-. Diese Fälle bezeugen mehr als zufällige Übereinstimmung mit den bibelgotischen Verhältnissen. Ein abweichender Fugenvokal, o statt a, ist dagegen konstant im Namen Theodoricus (Nr. $ 84) und Theudo[ (Nr. $ 85). Bei Prokop (Bell. Vand. 1, 5, 11) erscheint Theodoricus (Nr. $ 84) irrig als 3 «. Der oben bei Nr. $ 84 genannte Kontext zeigt, dass Prokop hier auf einer Quelle beruht, die über die wandalische Geschichte falsch informiert war. Wir können diesen Beleg daher nicht zum Anlass nehmen, Prokop ein schlechtes Ohr für die germanischen Sprachen oder Unachtsamkeit vorzuwerfen. Der Irrtum setzt voraus, dass die Quelle Theodoricus mit Bindevokal o bot. Der Ostgotenkönig Theoderich wird in erstklassigen Quellen, wie den Variae Cassiodors, stets Theodericus geschrieben. Der Apparat zeigt jedoch, dass die Handschriften eine bunte Vielfalt an Schreibungen bieten; die Standardform ist zwar die häufigste, doch eine Minderheit an Lesarten, die den Fugenvokal o bietet, findet sich an vielen Stellen (Lesarten: LAN Bd. 1, 672 f.). Das kann so zu erklären sein, dass das o von Theo- im Bewusstsein der späten Abschreiber hängen blieb; allerdings findet sich auch Theudo-. Da wird man wieder lateinisch-griechisch Theodorus bemühen müssen. Jedenfalls ist es nicht angebracht, diesen einzelnen Namen mit dem Problem, dass bei manchen Autoren, wie Ammianus Marcellinus, o statt a der Kompositionsfuge erscheint, zusammen zu sehen.
5.3.5 Reste originaler konsonantischer Kompositionsfuge In der Kompositionsfuge ist das stammbildende Element alter s-Stämme erhalten in Sigisteus (Nr. $ 81) und Agisild[(Nr. $ 3).
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6 Die ‚gotischen Bilinguen‘ als Vergleichsobjekte Die ältesten Bilinguen, die uns die Namen von Germanen in schriftlicher Fixierung durch Germanen gleichzeitig mit den latinisierten Formen bieten, betreffen Ostgoten und entstammen erst der Mitte des 6. Jahrhunderts. In gotisch geschriebenen ‚Unterschriften‘19 von zwei Urkunden, deren Vertragstexte lateinisch geschrieben sind, finden sich Entsprechungen von lateinisch und gotisch geschriebenen Namen, und zwar in der Urkunde von Neapel (Tjäder 1982 [74], 91 ff. Nr. 34) und in der Urkunde von Arezzo (Scardigli 1973 [61], 269 ff.). In der Urkunde von Neapel lauten die gotisch geschriebenen Namen Ufitahari (Nominativ), Alamoda (Dativ), Sunjaifriqas (Nominativ), Merila (Nominativ), Wiljariq (Nominativ). Aus der Urkunde von Arezzo kommt dazu Gudilaib (Nominativ). In den lateinischen Urkundenteilen entspricht: Optarit (Nominativ), Alamud (Akkusativ), Suniefridus, Mirica (Nominativ), Wiliarit (Nominativ und Genitiv), Gudilebus – Gudeliuus – Gudiliuus (-i usw.). Solche „Übersetzung“20 von Namen macht die Deutung von antiken Belegen germanischer Namen prinzipiell schwer; besonderes Erstaunen verursacht, dass jemand den wohl anders zu etymologisierenden Namen Optarit im lateinischen Text trägt, dessen Unterschrift Ufitahari lautet. Auch wenn man einkalkuliert, dass nach griechischer Schreibtradition pt die normale Schreibung für [ft] oder [wt] ist, und man daher zur Not die Erstglieder vereinigen könnte, würde man zumindest die Zweitglieder trennen, nämlich zu germ. *r¯e1da- ‚raten‘ (germanisches ¯e1 erscheint in allen ostgermanischen Sprachen als ¯ı, in den west- und nordgermanischen als a¯ ) bzw. *harja- ‚Heer‘. Die Kasusendungen 19
20
Das in der Literatur übliche Wort ‚Unterschrift‘ setze ich unter Anführungszeichen, weil es zur Annahme von Eigenhändigkeit im heutigen Sinn verführt, die nicht bei allen gegeben ist: ein Teil war Analphabeten und malte nur ein Kreuz, während der Schreiber ihre Namen einsetzte. So nennt Scardigli (1973 [61], 281) das Verhältnis von Ufitahari – Optarit bzw. Merila – Mirica. Der Ausdruck ist unglücklich, weil die später in Aktion tretenden gotischen Schreiber nicht die lateinischen Formen ins Gotische übersetzten, sondern die muttersprachlichen Namen der Urkundenden boten, während die Schreiber des lateinischen Textes vorher agierten und gängige Latinisierungen derselben benutzten, allerdings nicht lautlich transskribierend, sondern ähnliche, schon öfter gehörte Latinisierungen germanischer Namen (teilweise falsch) zuordnend. Ich stelle mir den Vorgang so vor, wie wenn jemand, der nicht Deutsch kann und nur wenige deutsche Namen kennt, und den heute seltenen Namen Wolfram hört, ihn als Wolfgang oder Wolfang niederschreibt. Die „Unterschriften“ dagegen wurden von Goten geschrieben. Die Existenz des im lateinischen Text gebotenen Namens Optarit wird durch den Namen des Mörders des Theodahath, den Prokop mit 5O « wiedergibt, gestützt. Vermutlich war er dem Notar geläufig, während wir Ufitahari zutrauen dürfen, seinen Namen phonetisch zutreffend geschrieben zu haben.
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sind hier, Mitte des 6. Jahrhunderts, gegenüber dem Wulfilanischen reduziert: von fünf Männernamen, deren Namen stark flektierende Zweitglieder haben und im Nominativ stehen, trägt nur einer (Sunjaifriqas) ein Endungs-s. Gerade dieser entspricht nicht unseren Erwartungen: germ. *friquhätte als u-Stamm bei Wulfila die Nominativendung -us. Das Fehlen der Nominativendung in den vier übrigen Namen lässt annehmen, dass auch im Gotischen noch anscheinend aus dem Urgermanischen ererbte Tendenzen weiterwirkten, deren Folgen im Westgermanischen erst nach dem Aussterben des Gotischen fassbar werden, und in denen möglicherweise West- und Ostgermanisch einander näher standen als das Nordgermanische: die westgermanischen Sprachen haben kein Nominativ-s. Ähnliche Fragen stellen sich uns, wenn wandalische Namen wie Guntarith und viele andere Namen auf -rith neben Guntharic, Gundaricus und anderen Schreibungen auftreten. Wrede ist auf dieses Phänomen mehrmals eingegangen (besonders Wrede 1886 [84], 54 ff.), hat aber nicht auf das analoge Problem in den ostgotischen Urkundenunterschriften hingewiesen, und bei der Behandlung dieses Problems im Ostgotischen (Wrede 1891 [85], 97 ff.) nicht auf die Parallele im Wandalischen. Das Gotische scheint sich noch nach Wulfila weiterentwickelt zu haben, und einige Entwicklungen könnten auch im Ostgotischen und Wandalisch-Gotischen gleichsinnig verlaufen sein.
7 Wer sprach froia arme? Besonders wertvoll für uns sind appellativische Bilinguen, weil wir nicht über die Bedeutung des Textes rätseln müssen, während wir z. B. bei PN mit dem Zweitglied -rith nicht wissen, ob es für -r¯ed (zu deutsch raten) oder für -r¯ıd (zu deutsch reiten) steht oder aus -r¯ık (zu deutsch Reich) verhört wurde. Die beiden Wörter eines Pseudo-Augustinus sind leider die einzige wandalische Bilingue. Wichtig wäre es, auch zu wissen, die Aussprache welcher Gewährsleute in ihr wiedergegeben werden soll. Gotisch könnte man ‚erbarme dich‘ durch den Imperativ (‚erbarme dich‘) oder Optativ (‚du mögest dich erbarmen‘) von arman ausdrücken. Der Imperativ lautet armai, der Optativ würde armais lauten. Aus der statistischen Überlegung, dass ein Abschreiber etwas öfter einen Buchstaben auslässt, als dass er einen zusätzlichen hinzufügt, wäre der Optativ ein wenig wahrscheinlicher, wenn sowohl die Lesung froia arme als auch die Lesung froia armes handschriftlich belegt ist. Wrede hatte die Lesung froia armes bevorzugt, weil mehr Hss. das -s haben. Doch vergesse man nicht die Definition von ‚Wahrscheinlichkeit‘ durch Aristoteles: ‚Es ist wahrschein-
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lich, dass sich auch Dinge gegen die Wahrscheinlichkeit ereignen‘. Und so ist es hier: Tiefenbach (1991 [72], 253) wies darauf hin, dass der Optativ hier nicht zu erwarten ist und auch in keiner der entsprechenden Anrufungen belegt ist. Dagegen, ergab meine Tiefenbach bestätigende Gegenprobe, ist der Imperativ armai in der Wulfila-Bibel sechsmal belegt: Mt IX, 27 , armai uggkis, sunau Daweidis! Ebenso Luk 17, 13: Iesu, talzjand, armai unsis! Luk 18, 38 Iesu, sunu Daweidis, armai mik! Luk 18, 39 sunau Daweidis, armai mik! Marc 10, 47 und 48 sunau Daweidis, Iesu, armai mik! Die Anrufungen um Erbarmen erfolgen alle im Imperativ. Außerdem ist die Handschrift, die froia arme bietet, die älteste der „Collatio“.21 Der Lautstand entspricht dem wulfilanischen Text, mit Ausnahme der Monophthongierung von au und ai. Die neue Ausgabe, die den Text der ältesten Handschrift wählt, bringt den wandalischen Text also dem Gotischen näher. Tiefenbach (1991 [72]) überlegte aus diesem Grund vorsichtig, ob nicht etwa der oberitalienische Schreiber des Gotischen mächtig gewesen sein könnte und die Schreibung der ostgotischen Aussprache in Italien angeglichen haben könnte. Tiefenbach vergleicht dazu den Codex 19 der Abtei Montecassino, der froa armi bietet, und von dem man mit großer Sicherheit annimmt, dass er in Spanien im 8.–9. Jahrhundert geschrieben wurde. Er meint, das -i von armi spiegle möglicherweise eine spätwestgotische Lautentwicklung. Vorliegender Beitrag entstand gleichzeitig mit der Handschriftenbeschreibung der Einleitung der Neuausgabe der „Collatio“, doch durch das freundliche Entgegenkommen von Hildegund Müller durfte ich das relevante Material der Einleitung bereits benutzen. Demnach bleibt die Datierung der Montecassiner Handschrift gleich oder könnte höchstens etwas jünger anzunehmen sein; die Entstehung in Spanien ist sicher. Doch die Anhebung des ¯e zu ¯ı im Gotischen betraf nicht das neue, aus ai postulierte ¯e, das im Althochdeutschen vor r, h, w und im Auslaut entstand, und das wir oben als in Wörtern vom Typ stains gotisches und wandalisches ai bestimmten. Dagegen ist im Romanischen die Verwechslung von e und i normal. Um 800, als die Montecassiner Handschrift entstand, gab es in Spanien niemanden, der gewusst hätte, wie man diese Wörter auf Gotisch ausgesprochen hatte, aber genug Unsicherheit im e–i-Bereich, die mit dem Gotischen nichts zu tun hatte. Dass der älteste Textzeuge des wandalischen domine miserere, der Turiner Codex, ein praktisch reines Gotisch bietet, scheint Tiefenbach suspekt. Er meint, der oberitalienische Schreiber des Turiner Codex hätte vielleicht den barbarischen Text dem Gotischen, das er aus Oberitalien kannte, angenähert, und 21
G.V.26 der Biblioteca Nazionale Universitaria in Turin; 2. Hälfte 6. Jh., geschrieben vermutlich in Oberitalien.
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die Identität mit dem Gotischen könne so zu erklären sein. Das erscheint mir unwahrscheinlich; es reicht hin, auf die auch sonst zu beobachtende Identität von Gotisch und Wandalisch hinzuweisen. Wenn wir aber Geilamir und andere sichere Belege als Zeugen für erhaltenes wandalisches ai finden konnten: wie sind die Monophthonge in froia und arme zu erklären? Wulfila schrieb eine Bibelübersetzung, die nach Meinung Schäferdieks (1998 [63], 446) auch von dem Katholiken Johannes Chrysostomos benutzt wurde und auch von Sokrates Scholastikos und anderen bewundert wird, obwohl sie bedauern, dass er die Goten arianisierte. Die Arianisierung wird also unabhängig vom Bibeltext gesehen, der nicht speziell arianisch ist (wie Schäferdieck betont). Wenn es im Pseudo-Augustinus heißt, dass auch Römer froia arme für domine miserere sagen dürfen: heißt das vielleicht, dass nicht der gotische Text an sich von Katholiken als anstößig empfunden wurde? Die Frage, warum Arianer und Katholiken nur in geringem Ausmaß versuchten, einander zu bekehren, könnte man vielleicht so sehen, dass man die theologischen Unterschiede nicht primär im Auge hatte. Die „von beiden Seiten gezogene religiös-kulturelle Demarkationslinie war ein Politikum ersten Grades“ (Castritius 2007 [4], 13). Die Versteifung der religiösen Fronten ist wohl so zu sehen: Die Wandalen legten auf Abstammungstraditionen größten Wert, und Hunirix und Thrasamund waren vermutlich der Meinung, die Wandalen könnten sich nur durch Betonung religiöser Unterschiede von den Römern getrennt und ohne Mischehen erhalten; daher versteiften sie sich auf ihren Arianismus und hatten nichts dagegen, wenn die Römer Katholiken blieben, wenn sie sich nur außerhalb des wandalischen Kerngebietes ansiedelten. Die ausführlichste Quelle, die Historia Persecutionis des Victor von Vita, stilisiert die Ereignisse, wie vor allem Shanzer (2004 [68], 281–286) herausarbeitete, so, dass katholische confessores dargestellt werden, als wären sie Märtyrer gewesen; was zeigt, dass es weniger echte Märtyrer gab, als die nordafrikanischen Nicäaner sich gewünscht hätten. Die Historia persecutionis bezeugt auch, indem sie dokumentiert, dass Hunirix Wandalen foltern ließ, die die Kirchen von Nicäanern betraten (Historia Persecutionis 2, 9) und die Tischgemeinschaft zwischen Arianern und Nicäanern verbot (Historia Persecutionis 2, 46), dass solche Vergehen tatsächlich vorkamen (Shanzer 2004 [68], 286 f.; dort weitere Beispiele für verbotene Kontakte). Nur unter Hunirix und Thrasamund gab es echte Katholikenverfolgungen. Schwarcz (2004 [66], 57) fasst zusammen, die Wandalen „were, sooner or later, indistuingishable from the Roman provincials of Africa in their costume and habits. What distinguished them was religion and an occupation in the Vandal army.“ Wenn als das Trennende zwischen den Völkern nicht
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die Sprache, sondern die Religion empfunden wurde, könnte auch die Sprache schon im Schwinden gewesen sein. Dass Cyrila (Nr. $ 21) vorgeben konnte, nicht Latein zu können, zeigt allerdings, unabhängig von der Diskussion seines Namens, dass die germanische Sprache der Wandalen zur Zeit des Hunirix noch lebte. Von der Kulturgeschichte zurück zur Lautlehre: wenn ein Römer hätte wiedergeben wollen, wie ein Wandale *frauia armai sprach, hätte er vermutlich auch so geschrieben, wie die Namen Gaisaricus, Geilamir und Baudus, analog zu gotisch Gainas, Radagaisus und wohl auch Auredus, zeigen. Wenn ein Römer aber den gotischen Text nachsprach, sprach er vermutlich auch dann Monophthonge, wenn er Diphthonge gehört hatte, und schrieb dafür auch die Buchstaben für die Monophthonge, e und o. Da froia arme einen wandalisch-gotischen Satz in vulgärlateinischem Mund wiedergibt, kann es die Diphthongenfrage nicht entscheiden; aber dass die „Collatio“ angibt licet dicere non solum barbaris lingua sua, sed etiam Romanis ‚Froia arme‘, zeigt, dass zumindest zentrale Worte des Gottesdienstes auch in die provinzialrömische Kultur Nordafrikas eindrangen. Das Weiterbestehen vieler Detailprobleme hindert nicht an der abschließenden Aussage: Die Wandalen sprachen ein ziemlich reines Gotisch; im Lautstand sind die Sprachen fast identisch; für die Morphologie haben wir kaum Zeugnisse, doch die wenigen, die wir besitzen, zeigen nur geringfügige Differenzen in der Form des allgemeinen Endungsabfalls; die Zeitgenossen, und wohl auch sie selbst, nannten ihre Sprache ‚Gotisch‘, und ihr Namenschatz spiegelt, soweit es sich um germanische und nicht um der christlichen Kultur entnommene Namen handelt, ein zu einem guten Teil mit den Goten gemeinsames Inventar.
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Abkürzungen und Symbole *Wort
rekonstruiert, nicht belegt
Wort*
hier angenommene Nominativendung nicht belegt
[
bzw.] in Inschriften: Bruchstück; Wortende bzw. Anfang fehlt
/
in Inschriften: Zeilengrenze
AE
L’Année Épigraphique, Paris 1889 ff.
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Chronica minora saec. IV. V. VI. VII., ed. Theodor Mommsen, MGH AA Bd. 9, 11, 13
CIL
Corpus Inscriptionum Latinarum
LAN
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Manfredclauss Epigraphik-Datenbank Clauss / Slaby, EDCS. http://www.manfredclauss.de/. Letzter Aufruf am 24. 7. 2008. MGH AA
Monumenta Germaniae Historica, Auctores Antiquissimi
MGH LL
Monumenta Germaniae Historica, Leges
Nr. $
Verweis auf die Liste in Abschnitt 4.
PN
Personenname(n)
Provinzeinteilung: Bei Inschriften gebe ich zur leichteren Auffindbarkeit die Provinz nach der Einteilung der großen Corpora an; das ist die augustäische. Die zur Wandalenzeit in der Byzacena gelegenen Orte erscheinen daher unter „Africa proconsularis“.
Literatur Quellentexte antiker Autoren sind, wo es im Wesentlichen um Textzitate geht, unter dem Namen des Autors (Anonyme unter dem Werktitel) bzw. der Sammlung eingereiht; wo hauptsächlich die Anmerkungen des Herausgebers oder die Einleitung zitiert werden, unter dem Namen des Herausgebers. 1. du Cange , Carolus du Fresne 1883–1887 / Léopold Favre : Glossarium ad scriptores mediae et infimae Latinitatis. 2. Anthologia Latina sive poesis Latinae supplementum, Bd. 1, Libri Salmasiani aliorumque carmina, Hg. Riese , Alexander, 2. Aufl. Leipzig, 1894. Hg. Shackleton Bailey, David, Stuttgart, 1982. 3. Castritius , Helmut (2006): Wandalen, in: Reallexikon der germanischen Altertumskunde, 2. Aufl. Bd. 33, Berlin/New York, S. 168–209. 4. Castritius , Helmut (2007): Die Vandalen. Etappen einer Spurensuche, Stuttgart. 5. Chronica Minora s. Mommsen . 6. Claude , Dietrich (1971): Adel, Kirche und Königtum im Westgotenreich (Vorträge und Forschungen Sonderbd. 8), Sigmaringen.
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Namen des Frühmittelalters – RGA-E Band 66 – Seiten 121–136 Personenund Ortsnamen merowingischen © Copyright 2009 Walter de Gruyterauf · Berlin · New York Münzen des 7. Jahrhunderts
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Personen- und Ortsnamen auf merowingischen Münzen des 7. Jahrhunderts Das interdisziplinäre DFG-Projekt „Die merowingischen Monetarmünzen als interdisziplinär-mediävistische Herausforderung – eine Projektskizze“ Nicole Eller/Sabine Hackl-Rössler/Jürgen Strothmann
Seit Anfang 2007 läuft ein von der DFG gefördertes interdisziplinäres Projekt, dessen Forschungsgegenstand die sogenannten „Merowingischen Monetarmünzen“ sind. Diese Münzen wurden von etwa 585 bis etwa 670 nur in Gold geprägt, nämlich als Trienten, also Drittelsolidi, ab 670 in Silber als Denare, deren Prägung dann 750 in die karolingische Münzprägung mündet. Sie tragen in den meisten Fällen keinen Königsnamen und führen auf der einen Seite ein, manchmal zwei Monetarnamen an und auf der anderen Seite einen Ortsnamen, was aber vor allem für die Trienten gilt.1 Insgesamt sind fast 2000 Personennamen und annähernd 800 Ortsnamen überliefert. Ein wesentlicher Schlüssel für die Nutzung des erheblichen Quellenwertes liegt in den Namen, sowohl in denen der Monetare als auch in denen der Orte. Das Monetarmünzprojekt verfügt über das beteiligte Münzkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin mittelbar selbst über einen beachtlichen Bestand dieser Münzen, immerhin unter 474 Merowingermünzen etwa 250 reine Monetarmünzen, deren Umschriften ausreichend erhalten sind. Deren mustergültige Verzeichnung und wissenschaftliche Aufarbeitung ist zentrale Aufgabe des Projektes.
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Vgl. zur Einführung mit zahlreichen Abbildungen Blackburn/Grierson 1986.
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Nicole Eller/Sabine Hackl-Rößler/Jürgen Strothmann
1 Die Projektgruppen und die jeweiligen Projektziele Das interdisziplinäre DFG-Projekt „Die merowingischen Monetarmünzen als interdisziplinär-mediävistische Herausforderung“ konstituiert sich aus vier Projektgruppen: 1. Numismatische Fachdisziplin mit Sitz im Münzkabinett des Bodemuseums in Berlin (Professor Dr. Bernd Kluge): Autopsie und Dokumentation der insgesamt 474 Münzen im Bestand des Münzkabinetts. Durch die Materialedition soll zudem auch das numismatische Forschungsresümee seit Prou (Prou 1892/1969) und Belfort (Belfort 1892–1895) gezogen werden. Erstellen einer zusammenfassenden Betrachtung des merowingischen Münzwesens im 6. und 7. Jahrhundert, die einen ausführlichen Katalog des nach Paris zweitgrößten Sammlungsbestandes enthält. 2. Historische Fachdisziplin (Universität Paderborn, Professor Dr. Jörg Jarnut): Systematische Untersuchung der Frage, welchen Status die Personen, die sich selbst als Monetare auf fränkischen Solidi und Trienten bezeichnen, haben. Gleichzeitig erfolgt ein Abgleich der festgestellten Namen mit denen von Personen in epigraphischen, diplomatischen und historiographischen Quellen. Herausarbeitung neuer geographischer Zuordnungen der Münzprägungen; folgende zwei Faktoren sind dabei wesentlich: 1. Die Ortsqualifikationen (CIVITAS, VICVS, CASTRVM, PAGUS, MALLVS, etc.) und 2. Institutionenbezeichnungen (MONETARIVS, PALATIO, SCVOLA REGIA, etc.). Darüber hinaus ist die Frage zu klären, inwieweit die Unterscheidungen und Zuweisungen von Münzen nach antik-römischen Provinzen oder merowingischen Teilreichen noch tragfähig sind. 3. Germanistische Fachdisziplin (Universität Regensburg, Professor Dr. Albrecht Greule): Erstellen von Kommentaren zu allen Monetarnamen germanischer Herkunft und Verifizierung bzw. Falsifizierung der von Felder (Felder 2003) vorgebrachten Etymologien. 4. Romanistische Fachdisziplin (Universität Regensburg, Professor Dr. Maria Selig): Beratende Tätigkeit bei der Erstellung der Namenkommentare und Interpretation der Münzaufschriften. Aufbau eines Vergleichskorpus. Dieses kann als Basis zur Rekonstruktion (ortho-)graphischer, phonetischer,
Personen- und Ortsnamen auf merowingischen Münzen des 7. Jahrhunderts
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morphologischer, syntaktischer und semantischer Normen der merowingischen Latinität genutzt werden. Gemeinsames Ziel aller Projektdisziplinen ist die Erstellung eines umfassenden Typenkatalogs unter Berücksichtigung wirtschafts- und sozialhistorischer, numismatischer und philologischer Fragestellungen. Somit wird ein im deutschsprachigen Raum bislang noch nicht existentes umfassendes Nachschlagewerk zum Münzwesen des 6. und 7. Jahrhunderts im Frankenreich geschaffen. Durch den interdisziplinären Aspekt wird dem Defizit früherer Publikationen, die oftmals Erkenntnisse der Nachbardisziplinen unberücksichtigt ließen, entgegengewirkt. Dem Katalog soll auch ein Kapitel zu den Monetarnamen als Teil der merowingischen Namenslandschaft beigegeben werden, mit dem über eine rein etymologische Perspektive hinausgegangen wird. Darin ist zu erörtern, welche Namen auffällig sind und welche neue Typen darstellen, ferner auch, welche Namenschichten auszumachen sind und wie sich ihr Verhältnis verändert. Der Katalog soll in der Publikationsreihe des Münzkabinetts, den Berliner Numismatischen Forschungen, erscheinen.
2 Das Korpus Die Materialbasis setzt sich aus 474 Münzen zusammen, die sich im Münzkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin2 befinden. Das Münzkabinett zählt mit über 500 000 Objekten zu einer der größten numismatischen Sammlungen der Welt.3 Eine Besonderheit der Merowingermünzen ist, dass sie zu einem Großteil nicht den König als Münzherren bezeichnen. „Es überwiegen bei weitem die <…> Münzen, die einen Personennamen mit dem (zumeist verkürzten) Zusatz monetarius führen.“ (Kluge 1997, 1127) Die Monetarmünzen nennen zusätzlich ihren Prägeort.
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Anlässlich des 100. Geburtstages des Bode-Museums wurde das Münzkabinett am 22. Oktober 2004 nach einer sechsjährigen Sanierungszeit eröffnet, im Oktober 2006 wurde das gesamte Bode-Museum feierlich wiedereröffnet. Zu den bedeutendsten Beständen gehören 102 000 griechische und etwa 50 000 römische Münzen der Antike, 160 000 europäische Münzen des Mittelalters und der Neuzeit sowie 35 000 islamisch-orientalische Münzen. Vgl. dazu http://www.smb.museum/smb/sammlungen/details.php?lang=de&objID= 9&p=0 (Zugriff am 24. Oktober 2008) und Kluge 2004. Vgl. dazu Kluge 2004.
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Der Bestandskatalog der merowingischen Monetarmünzen setzt sich wie folgt zusammen (in eckigen Klammern steht die Anzahl der Münzen)4: 1. Pseudoimperiale5 Prägungen (ca. 500–585) [gesamt 82] A. Königliche Prägungen [12] B. Nach Regionen: 1. Austrasien [5] 2. Aquitanien [1] 3. Burgund und Provence [29] 4. Ungeklärte Zuordnung [35] 2. ‚Nationale‘ Prägungen (ca. 585–675) [gesamt 269] A. Königliche Prägungen [31] B. Prägeorte nach Regionen: 1. Austrasien und Friesland [97] 2. Neustrien [32] 3. Aquitanien [45] 4. Burgund und Provence [39] 5. Ungeklärte Zuordnung [25] 3. Periode der Silberprägung (ca. 675–750) [gesamt 118] A. Prägeorte nach Regionen: 1. Austrasien [8] 2. Neustrien [32] 3. Aquitanien [20] 4. Provence [44] 5. Ungeklärte Zuordnung [12] B. Bronzemünzen [2] C. Fälschungen [5]
3 Die Organisation des interdisziplinären Arbeitsablaufs Nachfolgend wird der interdisziplinäre Arbeitsablauf anhand der Münznummer 18206722 erläutert, im Anschluss daran wird der germanistische Namenkommentar präsentiert. Der bislang nicht edierte Sammlungsbestand des Münzkabinetts wurde zunächst digital photographiert und jede Münze eingehend dokumentiert, bestimmt und in eine interne Datenbank (mk_edit) eingepflegt. Dabei wurde dem Bemühen um eine klare Lesart der jeweiligen Orts- bzw. Personennamen der Monetarmünzen oberste Priorität eingeräumt. Die Münzen wurden daraufhin in Form eines interaktiven Katalogs über das Internet allen Projektbeteiligten durch einen Gastzugang zur Verfügung gestellt. Anhand des unten abgebildeten Screenshots6 wird die (nach der Publikation des gedruckten Projektbandes) zusätzlich angestrebte Präsentation im 4
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6
Die Liste wurde von Dr. Karsten Dahmen (Berlin) erstellt und für den vorliegenden Aufsatz zur Verfügung gestellt. Pseudoimperiale Prägungen sind Imitationen spätantiker und byzantinischer Münzen, die in fränkischen Werkstätten hergestellt wurden. Eine vorläufige Fassung wurde unter: https://www.smb.museum/ikmk/object.php?id= 18206722 online gestellt.
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WWW mittels des Interaktiven Kataloges des Münzkabinetts der Staatlichen Museen zu Berlin (ikmk)7 veranschaulicht. Jedes Datenblatt verfügt sowohl im internen mk_edit als auch in der Version des der allgemeinen Öffentlichkeit zugänglichen Internetkataloges ikmk über eine Druckversion. Bei der Autopsie der Münzen werden die Fundumstände, sofern sie bekannt sind, interpretiert, um Chronologie und Verortung der Münze zu verbessern. Allerdings ist dies nur bei einem geringen Prozentsatz der Münzen zu leisten. Jede Münze wird numismatisch nach folgenden Kriterien erfasst: – detaillierte Abbildung des Objekts (Münzbild der Vorder- und Rückseite) – wahrscheinlicher Prägeort (Provinz/Stadt/Atelier) – Münzherr (soweit feststellbar) – Wiedergabe der Legende im Original und „normalisiert“ – Vorstellung möglicher Lesarten 7
Zugriff unter www.smb.museum/ikmk. Zur Zeit sind über 7600 Münzen, Medaillen und andere Objekte aller Epochen aus dem Bestand des Münzkabinetts auf diese Weise zugänglich gemacht worden.
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Datierung Metall Gewicht Durchmesser Stempelstellung ausführliches Literaturzitat Verweis auf weitere Objekte mit demselben Münzmeisternamen mittels Zitat nach Felder Nachdem die Münzen von den Berliner Kollegen im mk_edit freigeschaltet worden sind, werden die Datenblätter einer ersten Sichtung unterzogen und nach germanistischen bzw. romanistischen Gesichtspunkten geordnet und unter den beiden Fachdisziplinen aufgeteilt. Gelegentlich werden bei unsicheren Lesungen Rückfragen an die Numismatik gestellt. Der romanistische Kollege behandelt Romanisierungstendenzen der Monetarnamen und formuliert Textbausteine, die dann in die germanistischen Namenkommentare integriert werden (siehe nachfolgenden Namenkommentar). Zu jedem Personennamen wird ein separater Namenkommentar erstellt. Die Datenbank und die Namenkommentare von Nomen et Gens (NeG)8 stellen dabei ein wichtiges Hilfsmittel dar, da zahlreiche Namenelemente bereits analysiert und auch etymologisiert wurden. Allerdings wurde der Aufbau der NeG-Personennamenkommentare, der die Aspekte „Lemma“, „Etymologie“, „Phonologie/Graphematik“, „Morphologie“ und „Namenlexik“ beinhaltet, modifiziert. Die einzelnen Namenkommentare werden analog nach folgendem Schema aufgebaut: 1. Lemma 2. Bedeutung 3. Namenbestandteile 4. Schreibung/Lautentwicklung 5. Morphologie 6. Bemerkungen Für den Katalog wird ein Verzeichnis der germanischen Namenelemente (ähnlich wie in Felder 2003) anzulegen sein; die der lateinischen Tradition 8
Nomen et Gens (NeG) ist eine Arbeitsgruppe, bestehend aus Althistorikern, Mediävisten und Sprachwissenschaftlern, die Personennamen und Personennamengebung bei den Franken, den Bayern, den Alemannen, den Goten, den Burgundern, den Langobarden, den Sachsen, den Thüringern und einigen weiteren kleineren ostgermanischen beziehungsweise westgermanischen Stämmen von den ersten Zeugnissen der Völkerwanderungszeit bis ins 8. Jahrhundert hinein erforscht. Primäres Ziel ist es, alle erreichbaren Personennamenzeugnisse dieses Zeitraumes zu erfassen, auf elektronisch auswertbare Datenträger aufzunehmen und sowohl historisch als auch philologisch-namenkundlich zu beleuchten. Vgl. dazu exemplarisch Geuenich/Kettemann 1997 und Jarnut 2002.
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zuzuordnenden Namen werden von den Romanisten in einem weiteren Verzeichnis aufgeführt.
4 Exemplarische Analyse eines Monetarnamens (Peccane; Objektnummer 18206722) Die Basis für die nachfolgende exemplarische Analyse des Monetarnamens Peccane (geschrieben ) ist das zugehörige Datenblatt des Interaktiven Katalogs des Münzkabinetts der staatlichen Museen zu Berlin (ikmk) (siehe oben). Für die Namendeutung sind dabei folgende Informationen besonders relevant: x Wiedergabe der Legenden von Vorder- und Rückseite (im Original und „normalisiert“; Vorstellung möglicher Lesarten; außerdem Zusatzinformationen): Vorderseite: ROTO-M [Vor M ein Stern. Rotomo]. Büste mit Diadem nach rechts, ein Arm vor das Gesicht erhoben. Rückseite: + PECCANE M [N retrograd. M mit Überstrich. Peccane Monetarius]. Ankerkreuz über kleinem Balken. x Datierung der Münze: ca. 620–640 x Lokalisierung der Münze: Münzstätte: Rouen, Region: Seine-Maritime, Land: Frankreich x Foto der Münze, um sich selbst ein Bild von der Schreibung des Namens machen zu können (siehe Screenshot). Wie bereits oben erwähnt, erfolgt bei eventuellen Unklarheiten zur Münze bzw. zur Legende eine Rücksprache mit den Numismatikern in Berlin. Die Schreibung PECCANE ist auf der Münze recht deutlich zu erkennen und führt zu folgender Deutung des Monetarnamens Peccane:
1. Lemma (a) *bek-jan- / (b) *bekk-anDer vorliegende Monetarname Peccane kann nicht eindeutig auf nur ein Lemma zurückgeführt werden. Aus diesem Grund werden zwei verschiedene Lemmata angesetzt.
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2. Bedeutung Die Bedeutung von Peccane kann sowohl bei (a) *bek-jan- als auch bei (b) *bekk-an- mit ‚der Stoßer, der Stecher‘ umschrieben werden.9
3. Namenbestandteile (a) Eingliedriger germanischer Personenname (mask.), abgeleitet von einem Stamm *bek- ‚stechen‘ als maskuliner -jan-Stamm *bek-jan- ‚der Stecher‘ (Nomen agentis)10; vgl. das schwache Verb germ. *bek-jan (vgl. ahd. (ana)bicken sw. V. mhd. bicken, ‚stechen, stoßen‘, mndd. pecken, mndl. pecken, me. picchen; vgl. anord. bikkja ‚werfen, stoßen‘).11 (b) Eingliedriger germanischer Personenname (mask.), abgeleitet von einem Stamm *bekk- ‚stechen‘ (< *bek- (siehe oben) mit expressiv geminiertem k12), + germ. Suffix -an- zur Bildung von Nomina agentis.13
4. Schreibung/Lautentwicklung Sowohl bei (a) als auch bei (b) entwickelte sich im Anlaut b > p (*bek- > *pek-) durch expressive Anlautverschärfung in Kurz- und Kosenamen.14 Die Schreibung steht für inlautendes -kk-15. Während diese Geminata bei (b) bereits im Stamm *bekk- (< *bek-) durch expressive Gemination enthalten ist, muss für (a) von westgermanischer Konsonantenverdoppelung von k vor j (*bek-jan-)16 ausgegangen werden. Der Stammvokal e (PECCANE) ist beim Ansatz mit dem Lemma *bekk-an- (b) erhalten. Bei (a) (*bek-jan-) ist entweder die (bereits urgermanische) Hebung von germ. e zu i vor j der Folgesilbe17 unterblieben oder – 9
10 11 12
13 14 15 16 17
Nach Kaufmann 1968, 60 (so auch Förstemann, Sp. 300) handelt es sich beim PN-Stamm „bic“ wohl um die Bezeichnung für eine Stoß- oder Stichwaffe. Aufgrund der hier vorliegenden Ansätze mit dem Suffix -jan- (a) bzw. -an- (b) kann von einem Nomen agentis ‚der Stecher, Stoßer‘ ausgegangen werden. Vgl. auch NeG (Näßl). Vgl. Krahe/Meid III 1969, 96 ff., § 92. Kluge 2002, 701 zu Pickel, picken; vgl. NeG (Näßl). Zur Konsonantenverdoppelung vgl. Krahe/Meid III 1969, 13 f., § 12 und S. 242 f., § 184 (hier nur in Bezug auf Verben). Vgl. Krahe/Meid III 1969, 90 ff., § 91. Vgl. Greule 1996, 1185; vgl. Kaufmann 1965, 34, 42 f.; vgl. auch Felder 2003, 282. Braune/Reiffenstein 2004, 174, § 180. Braune/Reiffenstein 2004, 98 ff., § 96. Vgl. Braune/Reiffenstein 2004, 32, § 30.a); vgl. Krahe I 1966, 56, § 35.
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falls die Hebung stattgefunden hat (*bek-ja- > *bik-ja-) – der gehobene Vokal i wurde durch romanischen Einfluss wieder zu e abgesenkt.18
5. Morphologie Beim Kurznamen Peccane liegt die Endung -ane vor:19 Diese Endung ist bei maskulinen Personennamen Teil eines Deklinationsparadigmas -a, -anis etc. mit -ane als Endung des Ablativs (bzw. bei fortgeschrittenem Verfall des Kasussystems des Casus Obliquus). Bei den Feminina entspricht dieser Deklination -o, -onis etc. Die Verbreitung solcher Namen besonders in Spanien, Südfrankreich und Italien spricht dafür, dass das Muster auf Deklinationsendungen des Gotischen zurückgeht (Jud 1907, 35–37, 40–52, 114). In den westgermanischen Sprachen der Franken, Langobarden und Alemannen entspricht ihm umgekehrt -o, -onis für Maskulina gegenüber -a, -anis für Feminina. Als Monetarnamen auf -a, -anis sind Atila, Audora (=Adoura?), Baba, Babrica, Bera, Donnane (vgl. Dona), Ela (vgl. Ella in Spanien), Guerda, Peccane, Tinila und Vvita (vgl. Witiza) belegt (Jud 1907, 39). Das gelegentliche Auftreten solcher Namen in Nordfrankreich müsste durch dortige vereinzelte Präsenz von Goten erklärt werden.20 Sie wird durch den Ortsnamen Gueux (Dép. Marne) bestätigt, der im Polyptichon von Saint Rémy von 847 als Gothi erwähnt ist (Jud 1907, 38).
6. Bemerkungen Kluge geht davon aus, dass bei Wörtern wie Pickel, picken „sowohl mit Lautmalerei wie auch mit Entlehnung zu rechnen [ist], da entsprechende Wörter in den romanischen Sprachen erscheinen (vgl. etwa it. beccare ‚hacken‘, frz. bêche f. ‚Grabscheit‘)“ (Kluge 2002, 701). 18 19
20
Vgl. Lausberg I 1969, 145, § 156. Die Ausführungen zur Endung -ane wurden als Textbaustein vom Kollegen der Romanistik, Dr. Rembert Eufe, formuliert. Jud denkt an Goten, die nach der Eroberung Südfrankreichs durch die Franken in die Sklaverei geraten seien: „[…] il n’y a pas de difficulté à admettre qu’après la conquête du midi quelques Visigoths ou quelques Burgondes se soient trouvés transplantés comme esclaves dans le nord de la Gaule.“ Sieht man dies als die einzige Möglichkeit an, würde sich die Frage stellen, wie sich der Sklavenstatus zu ihrer Erwähnung als Monetare fügt. Es wäre dann entweder von Freigelassenen oder von einem niedrigen Rang der Monetare auszugehen. Aber warum sollen nicht auch Goten mit einer anderen sozialen Stellung nach Nordfrankreich gekommen sein?
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Die Verbindung zum Romanischen spielt auch bei Felders Deutung von Peccane eine Rolle. Er favorisiert einen Deutungsansatz mit *Bek(k)(und zusätzlich *Bik(k)-; ae. becca ‚Spitzhacke‘, nhd. Pickel, Bickel) als germanisch-sprachige Entsprechung für gall.-lat. beccus ‚Schnabel‘ (Felder 2003, 282 f.). Daneben führt er außerdem weitere Deutungsmöglichkeiten an (1. zu *Beg- = *B¯e1g- als ostgerm. bzw. got. Entsprechung von westgerm. *Ba¯ g-; 2. zu *Beg(g )- als hypokoristische Entsprechung von Berg- oder als zweistämmige Kürzung), die aber für die vorliegenden Ausführungen zu Peccane nicht übernommen werden.
5 Zum Wert der Merowingischen Monetarmünzen für die Geschichtswissenschaft Die Namen auf den Merowingischen Monetarmünzen (MM) stellen für das 7. Jahrhundert einen einzigartigen Datenbestand dar, da Orts- und Personennamen jeweils aus vergleichbaren Zusammenhängen stammen. Die insgesamt fast 2000 auf Monetarmünzen überlieferten Personennamen bezeichnen mit Ausnahme von Königsnamen und einzelnen Bischofsnamen allesamt Monetare als Personen mit grundsätzlich gleicher Funktion, vermutlich auch ähnlicher gesellschaftlicher und sozialer Stellung. Auch die insgesamt nahezu 800 überlieferten Ortsnamen bezeichnen durchweg Orte mit gleicher Funktion, ob es sich nun um Prägeorte handelt oder – wie für möglich gehalten wird – um Orte, an denen Abgaben erhoben werden.21 In jedem Fall handelt es sich um Orte mit politischer und sicher auch wirtschaftlicher Relevanz für das Frankenreich. Der Befund eines außerordentlich homogenen Datenbestandes zu Personen und Orten mit einer Funktion für die politische Ordnung, wie angenommen werden darf, wird in seiner Bedeutung deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass der Datenbestand einer zeitgenössischen Liste eines großen Teils der pagi und der zuständigen comites entspräche, wenngleich vermutlich der Rang der comites höher zu veranschlagen ist. Aber ganz ähnlich mag der Bestand einen Schlüssel zum Verständnis der politischen Ordnung unterhalb des königlichen Handelns darstellen. Die relative Homogenität des Datenbestandes ist für die Erforschung politischer, kultureller und wirtschaftlicher Strukturen ein methodischer Glücksfall. Hinzu kommt die Besonderheit, dass die Namen auf den originalen Datenträgern vorliegen, also nicht im Laufe der Zeit durch Abschrei21
Unter anderem Grierson 1991, 25; siehe auch Stahl 1982, 134, der die Münzprägung als Voraussetzung für die Steuererhebung sieht und so die zahlreichen Prägeorte erklärt.
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ben verändert wurden. Die Schreibungen der Namen auf den Münzen repräsentieren unmittelbar Irrtümer des Stempelschneiders und die zeitgenössische Aussprache, wobei sprachliche Abweichungen zu untersuchen sind und neben der groben Herkunft der Namen als weiteres Mittel dienen könnten, die Herkunft zumindest des Stempelschneiders (der nicht mit dem Monetar identisch sein muss) zu ermitteln. Ähnlich gilt für Schreibungen von Ortsnamen, dass mit ihrer Hilfe – bei entsprechender Parallelüberlieferung – die Münzen vermutlich grob datierbar werden, was neben den Sprachwissenschaften durchaus auch die Geschichtswissenschaft betrifft, etwa bei dem Wandel des Namens von Straßburg von „Argentorate“ zu „Strateburgo“.22 An solchen Fragen zeigt sich die Nähe von Sprach- und Geschichtswissenschaft, denn der Namenswechsel bei Orten hat einen historischen Hintergrund und bedarf neben der sprachwissenschaftlichen auch einer historischen Begründung. Diese Nähe der beiden Disziplinen setzt sich fort mit der Tatsache, dass es zu den Monetaren fast gar keine Parallelüberlieferung gibt. Einer der seltenen Fälle ist die Vita des heiligen Eligius, der die Goldschmiedekunst erlernte und später im Dienst des Königs Münzen herstellte, in der gesamten Vita aber nicht ein einziges Mal als „Monetarius“ bezeichnet wird. Dieser Eligius, der später Bischof von Noyon wurde, muss als eine Art „Obermonetar“ gelten, weil sein Name auf Königsmünzen erscheint und dies sowohl auf Münzen aus Marseille als auch aus Paris.23 Eine zentrale Frage im Hinblick auf die Monetarnamen ist die nach der gesellschaftlichen und sozialen Verortung der Monetare, damit auch auf ihre politische Funktion. Da sich das aus erzählenden Quellen kaum erfahren lässt, ist es notwendig, den Namenbestand mit anderen Beständen abzugleichen. Das können übrigens Sprachwissenschaftler und Historiker gemeinsam tun. Das ist daneben aber eine Frage, deren Beantwortung die Kenntnis und das weitgehende Verständnis des Systems der Monetarmün22
23
Greule, Straßburg 2005, 70–72; danach bedeutet der Ortsname Strateburg „(Siedlung / Platz an der) an der Straße bei der befestigten Stadt“ (ebenda 71); der Grund für den Namenswechsel der befestigten Stadt selbst aber ist unklar. Beide Namen sind auf Münzen erhalten: Depeyrot 1998, 118 f.: STRATEBVRGO C und ARGENTORATI FIT sowie ARGENTORATO FIT. Eine Frage etwa ist die, ob die beiden Namen in der Merowingerzeit jeweils als Fremd- oder Selbstbezeichnung zu verstehen sind bzw. als wessen Bezeichnung sie anzusehen sind. Zu Eligius vgl. Scheibelreiter 2004. – Die Datierung der Eligius-Vita ist kompliziert, wobei die herkömmliche Sicht eine starke Überarbeitung in der frühen Karolingerzeit annimmt und so die wenigen klaren Aussagen der Vita mit einem Fragzeichen zu versehen sind, weil sie möglicherweise nicht ganz zeitgenössisch sind. Eine Neubewertung nahm jüngst Bayer 2007 vor, der mit guten Argumenten die Vita ganz ihrem Autor Audoin von Rouen, dem Freund und Bischofskollegen des Eligius zuweist.
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zen voraussetzt, was eine Gemeinschaftsaufgabe für die Geschichtswissenschaft und die Numismatik darstellt. Die Forschergruppe Nomen et Gens (NeG), die aus Historikern und Sprachwissenschaftlern besteht und in ihrer Datenbank, die der Öffentlichkeit in absehbarer Zeit über eine Internetplattform zugänglich gemacht werden soll, einige zigtausend Namen aufgenommen, kommentiert und darüber hinaus prosopographisch erschlossen hat, bietet für das MM-Projekt einen wichtigen Referenzrahmen, sowohl methodisch als auch bei der Untersuchung der Monetarnamen. Dabei unterscheidet sich das Gliederungsinteresse zwischen beiden Projekten, da es im Monetarmünzprojekt wegen der fehlenden Parallelüberlieferung zu Monetaren nur am Rande möglich ist Prosopographie zu betreiben. Das bedeutet, dass bei der Konzeption einer projektinternen Datenbank eine gemeinsame Datenaufnahme für Sprachwissenschaften und Geschichtswissenschaft möglich war. Aufgenommen werden in der bisher noch auf die Berliner Münzen beschränkten MM-Datenbank als Basis der Name und ein ihm zugeordnetes an die germanistischen Lemmata in der NeG-Datenbank angelehntes sprachwissenschaftliches Lemma, nicht etwa die Person. Dabei wird die häufigste Schreibung des Namens zugrunde gelegt; Abweichungen werden aufgeführt, sowohl bei grundsätzlich anderen Schreibungen wie „Elegius“ für Eligius, als auch unter den Lesarten der Münzen. Die Konzeption der Datenbank wird die verschiedensten Abfragen erlauben, auch solche, die weit über die Standardabfrage hinausgehen, an welchen Orten ein bestimmter Name vorkommt. Dazu könnte die Frage gehören, wie viele Hybridnamen in einem bestimmten Departement vorkommen oder ob es eine statistisch greifbare Korrespondenz von Namen und einer bestimmten Münzikonographie gibt. Eine mögliche Frage wäre auch nach Namenelementen in Abhängigkeit von Ort und Raum. Für den Historiker ebenso interessant sind die Ortsnamen, etwa ob das – wie angedeutet – den Namenwechsel betrifft, der zum Teil noch in den Zeitraum der Monetarmünzen fällt, oder die Frage nach der Bedeutung der Münzorte: Sind sie schon auf der spätantiken Tabula Peutingeriana zu finden? Welcher Ort wird auf der Münze jeweils als Civitas, als Vicus oder als Villa bezeichnet? Von einiger Bedeutung für die Fragestellung des Projektes sind auch die vor allem für die Romanistik interessanten Wortendungen, die auf die Kasus der Namen verweisen, die im Falle der Ortsnamen selbst eben oft nicht dekliniert sind, obwohl die Wortendungen in den allermeisten Fällen romanisiert sind. Dabei zeichnet sich ab, dass die Ortsnamen vermutlich im Ablativ oder Kasus Obliquus stehen, vermutlich – anderen Hinweisen
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zufolge – eben meist nicht im Nominativ, was für weitere Fragestellungen von großem Wert ist. So stehen im Hinblick auf die Monetarmünzen Fragen zu den Ortsnamen durchaus gleichberechtigt neben solchen nach den Personennamen. Zudem ist die Identifizierung der Ortsnamen und die Lokalisierung der Orte eine wesentliche Voraussetzung zur Untersuchung der Personennamen. Von erheblicher Bedeutung für unser Verständnis sind die Ortsqualifikationen und weitere Zusätze auf manchen Münzen, die jeweils erklärende Funktion haben und deren separate Aufnahme in die Datenbank ebenso vorgesehen ist wie Angaben zu Gewicht und – wenn bekannt – zum Fundort der Münze.24 Die für die kleine aber komplexe Datenbank bisher gesammelten Daten beruhen wesentlich auf den Münzbeschreibungen der Numismatik und den Namenkommentaren der Sprachwissenschaften sowie auf den Überprüfungen bestehender Lokalisierungen durch die Geschichtswissenschaft und damit auf dem Berliner Bestand. Die Konzeption der Datenbank erlaubt aber durchaus eine Erweiterung auf weitere Referenzbestände. Neben der Arbeit für den Katalog der Berliner Monetarmünzen besteht eine wesentliche Aufgabe der beteiligten Historiker darin, das System der Merowingischen Monetarmünzen so weit möglich auch als Ausdruck des politischen Systems im merowingischen Frankenreich zu verstehen und – neben der Lokalisierungsarbeit – auch damit im Gespräch mit den Sprachwissenschaften und der Numismatik Ergebnisse zu liefern, die diesen wiederum nützlich sein können. Eine wesentliche Beobachtung, die dabei ist, sich zur vorläufigen Erkenntnis zu verdichten, liegt darin, dass – anders als die karolingische politische Ordnung – das Frankenreich des 7. Jahrhunderts noch stark von antiken Strukturen und institutionellen Formen geprägt ist, was sich unter anderem in der in manchen Regionen erkennbaren Kontinuität der Orte und ihrer Funktion als Hauptorte in der Herrschaftsorganisation abzeichnet, wie etwa sehr deutlich im Rheintal. So ist für den Historiker die Frage nach dem Übergang von der Goldzur Silberprägung, von Trienten zu Denaren, ebenso interessant wie für den Numismatiker, sie ist aber nicht so sehr mit dem Edelmetallwechsel verbunden, sondern auch mit den damit einhergehenden Veränderungen
24
Aus dem Abgleich von Prägeort und Fundort lässt sich der Geldumlauf feststellen. Erst in jüngster Zeit sind dazu zwei maßgebliche Arbeiten entstanden: Fischer 2000: Der Münzumlauf (Das reguläre Erscheinen dieser Freiburger Dissertation ist angekündigt) und Lafaurie/Pilet-Lemière 2005: Monnaies du Haut Moyen Âge; siehe nun auch Metcalf 2006.
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in der Gestaltung der Münzen, die bald nach 670 eigentlich keine Monetarmünzen mehr sind, weil sie nicht mehr der bis 670 frankenreichweit geltenden Regel folgen, dass auf einer Münze immer (außer bei Königsmünzen und solchen, die dem Fiscus zugewiesen werden) ein oder mehrere Monetare erscheinen. Außerdem wandeln sich die Ortsangaben zu sehr verkürzten, kaum identifizierbaren Abkürzungen. Die Zahl der Prägeorte nimmt mit der Silberprägung deutlich ab, ebenso die Zahl der Monetarnamen. Es lässt sich schließlich kaum noch von einem einheitlichen System reden. Das Geld scheint das zu werden, was es in den folgenden Jahrhunderten vorrangig sein wird: Zahlungsmittel. Nicht, dass es zuvor kein Zahlungsmittel gewesen wäre, aber es hatte darüber hinaus Funktionen in der staatlichen Verwaltung, die ganz wesentlich mit der Finanzverwaltung zusammenhingen.25 Zwischen 670 und der Münzreform König Pippins scheint es so gewesen zu sein, dass die Münzprägung der zentralen Kontrolle weitgehend entglitten ist, während die eigentliche Monetarmünzprägung vermutlich Ausdruck staatlicher Ordnung war. Darauf deuten die vorläufigen Ergebnisse hin. Sollte sich dieser Eindruck weiter verfestigen, bedeutet das für alle beteiligten Disziplinen, besonders aber für die Geschichtswissenschaft, dass die Merowingischen Monetarmünzen auch in ihrer Gesamtheit und nicht bloß als einzelne Prägungen als Quelle anzusehen sind. Dann würden sie nicht mehr bloß als Hilfe bei der Identifizierung von Orten dienen oder als Reservoir von Namen, die hier und da in anderen Quellen wiederkehren, sondern könnten maßgeblich dazu beitragen, das Frankenreich des 7. Jahrhunderts völlig neu zu verstehen, auch mit Konsequenzen für die Beurteilung von Einzelbefunden. So würde bis zur Mitte des 7. Jahrhunderts von einer nachantiken politischen Ordnung die Rede sein müssen und dieses spannende 7. Jahrhundert selbst müsste als ein wesentlicher Vorbereitungsraum für genuin mittelalterliche Strukturen verstanden werden. Diese Überlegungen sind Ergebnis und Voraussetzung des geschichtswissenschaftlichen Teilprojektes zugleich. Obwohl sie nach der Einbeziehung weiterer Bestände an Monetarmünzen, vor allem des umfangreichen Bestandes der Bibliothèque Nationale de France verlangen, und auch bei weitem nicht abgeschlossen sind oder sein könnten, dienen sie auch der Herstellung des Kataloges der Berliner Münzen, weil so die Einordnung der Münzen und ihres mutmaßlichen Systems in die wirtschaftliche und politische Landschaft des Frankenreiches erleichtert wird, so dass davon
25
Siehe für die spätrömische und durchaus auch für die nachantike Münzprägung Hendy 1988.
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neben den geschichtswissenschaftlichen Beiträgen des Katalogs zur Rolle des Geldes etwa auch Lokalisierungen und Lesungen profitieren können. Darüber hinaus verweisen diese Überlegungen auf die Notwendigkeit, die Merowingischen Monetarmünzen und ihr System weitaus stärker als bisher auch in der Geschichtswissenschaft als Quellen zu berücksichtigen. So entsteht aus der Zusammenarbeit von Numismatik, Germanistischer und Romanistischer Sprachwissenschaft und Geschichtswissenschaft ein umfassend kommentierter Katalog zu einem wesentlichen Bestand an Merowingermünzen. Es besteht die Aussicht, dass eine Folge dieses Projektes ist, dass Merowingische Monetarmünzen auf neuer Grundlage als Quelle von Sprach- und Geschichtswissenschaft dienen und neue Fragestellungen auch die Münzen selbst in einem neuen Licht sehen lassen.
Literatur Bayer, C.M.M. (2007): Vita Eligii. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde 45. S. 461–524. Belfort, Auguste de (1892–1895): Description générale des monnaies Mérovingiennes par ordre alphabétique des ateliers. 5 Bände. Paris. Blackburn, Mark/Grierson, Philip (1986): Medieval European Coinage. With a Catalogue of the Coins in the Fitzwilliam Museum. Cambridge. I: The Early Middle Ages (5th–10th centuries). Cambridge. Braune, Wilhelm (2004): Althochdeutsche Grammatik I. Laut- und Formenlehre. 15. Auflage, bearbeitet von Ingo Reiffenstein. (= Sammlung kurzer Grammatiken germanischer Dialekte.). Tübingen. Depeyrot, Georges (1998): Le Numéraire Mérovingien. L’Âge de l’Or. 4 Bände. Wetteren. Felder, Egon (2003): Die Personennamen auf den merowingischen Münzen der Bibliothèque Nationale de France. (= Abhandlungen der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-Historische Klasse. Neue Folge, Heft 122). München. Fischer, Josef (2000): Der Münzumlauf und Münzvorrat im Merowingerreich. Eine Untersuchung der zeitgenössischen Münzfunde aus dem Gebiet des Reihengräberkreises (Diss.). Freiburg im Breisgau. Förstemann, Ernst (1966): Altdeutsches Namenbuch. Erster Band. Personennamen. Nachdruck der zweiten, völlig umgearbeiteten Auflage. München. Geuenich, Dieter/Kettemann, Walter (1997): Das Pilotprojekt zur gens Alamannorum. Erste Erfahrungen mit einem Teilprojekt von nomen et gens. In: Geuenich, Dieter/Haubrichs, Wolfgang/Jarnut, Jörg (Hg.): ‚Nomen et gens‘. Zur historischen Aussagekraft frühmittelalterlicher Personennamen. Berlin/New York. S. 279–303. Greule, Albrecht (1996): Morphologie und Wortbildung der Vornamen: Germanisch. In: Namenforschung. Ein internationales Handbuch zur Onomastik. 2. Teilband. (= Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft. Band 11.). Berlin/New York. S. 1182–1187.
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Nicole Eller/Sabine Hackl-Rößler/Jürgen Strothmann
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Namen des Frühmittelalters – RGA-E Band 66 – Seiten 137–143 Die langobardische Anthroponymie zwischen © Copyright 2009 Walter de Gruyter · Berlin · New York Germania und Romania
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Die ältesten Texte des frühmittelalterlichen Italiens zeigen von Anfang an neben ererbten Eigennamen hebräischen-griechischen-lateinischen Ursprungs Anthroponyme die sich nicht in die bis dahin übliche lateinische Überlieferung einreihen lassen: es handelt sich um germanische Namen, wie die Forschung schon im 18. Jh. deutlich erkannt hat. An diesen fremden Eigennamen sind die Privaturkunden besonders reich, weshalb sie hier die Basis für einige Überlegungen bilden sollen.1 Dieser Reichtum ist jedoch nicht der einzige Grund, warum die Privaturkunden in diese Untersuchung über die langobardische Anthroponymie einbezogen werden. Wenn auch andere Texte untersucht werden könnten, wie Geschichtsquellen und päpstliche Quellen, die auch gelegentlich konsultiert werden, haben die Privaturkunden mit ihrem unkorrekten Latein den Vorteil, der damals gesprochenen Sprache recht nahe zu sein und erlauben daher Schlüsse über den linguistischen Zustand dieser Anthroponyme und über ihre Anpassungstufe an die damals in Italien gesprochene Sprache. Es ist nicht ganz klar, wie diese Anthroponyme angepasst wurden, weil uns der italienische Sprachzustand der Zeit nicht ausreichend bekannt ist.2 Da er nicht mehr Latein genannt werden kann, spricht man vom Protoitalienischen, denn die italienische Sprache ist reichlich erst seit dem 13. Jh. bezeugt; wie sie früher war, muss man aus spärlichen und verstreuten Belegen erraten.3 Unter diesen Belegen spielen Personennamen und Ortsnamen jedes beliebigen Ursprungs eine wichtige Rolle, wie sie besonders in Privaturkunden vorkommen, wo aufgrund ihres spezifischen Inhalts Personen und Ortschaften reichlich bezeugt sind.4 Es lässt sich sogar behaupten, dass nicht nur die aus dem Lateinischen stammenden Eigennamen auf den Zu1 2 3 4
Siehe CDL. Migliorini 1960, II (Tra il latino e l’italiano, 476–960). Migliorini 1960, III (I primordi, 960–1225). Castellani 1960.
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stand des Italienischen verweisen, sondern dass die germanischen Formen auch und manchmal sogar besser dazu beitragen, Merkmale des Protoitalienischen aufzuzeigen (z. B. siehe unten den Fall Teuderisci <*qeudo¯ -+-r¯ıka-). Unter diesen germanischen Namen sind die des Langobardischen wichtig, weil sie sich in Italien lange gehalten haben und sehr viele noch heute als Familiennamen weiterleben, worüber ich vor drei Jahren in Duisburg berichtet habe.5 Im Folgenden seien einige Merkmale dieser fremd und ungewöhnlich wirkenden Namen genannt, die unter anderem in den Urkunden viel zahlreicher als die einheimischen Eigennamen auftreten. Beispiele: Zeugen, Lucca J. 763, CDL II, 171: Ermipert, Rachiprand, Periprandus, Alaprandu, Isprinca, Osprandus gegen Petronaci; Sabina J. 757, CDL V, 27: Gundualdus, Sindonis, Guinonis, Aidulfi, Sigeramnus, Ramphonis gegen Baruncionis, Barosio, Iohannes, Palumbus; in Monte Sant’Angelo (7.–9. Jh.) auf dem Gargano, Apulien, zählt man unter den langobardischen Namen 120 im Vergleich zu den knapp sechzig der einheimischen Tradition6: z.B. Abard (wo das /w/ von *warda- darstellt), Afridus, Amalteo, Ansipertu, Arnoaldu, Gunperga, Ildirissi, Ratemundus, Teomari, gegen Georgius, Gratiosus, Gurgonia, usw. 1) Die einheimischen Namen sind reich an Ableitungen z. B. -ellus, -ianus, -icus, -inus, -ius, -izo, -osus, -onia, -ucius, -ulus, wie z. B. Amant-ius, Amantulus; Bab-a, Bab-ula, Babb-ulus, Babb-inus; Bon-us, Bon-ellus, Bon-izo, Bonosus; Domm-ulus, Domn-icus, Domn-inulus, Domn-uccio, Domn-uc-ianus, Domn-ul-inus; Luc-ius, Lu-cianus, Luc-ellus, usw.7, wogegen die neuen eher die Zusammensetzung gebrauchen. Der ganze Duktus ist anders: mehr Vokale in den einheimischen, mehr Konsonantengruppen in den neuen Eigennamen, z. B. Erme-pertus, Erme-truda, Gis-ulfus, Rad-oaldus, Rat-chis, Rat-truda, Richi-prandus, Theudi-perga, Teudi-pert, usw. (siehe CDL passim). 2) Die fremden Namen enden häufig auf Konsonanten bzw. auf den Vokal /i/, die weder im Lateinischen noch im Protoitalienischen üblich waren, wie z. B. Aboald, Ansuald, Gheifridi, Sichiprand, Teodulf, Teudemari. 3) Sie zeigen Diphthonge, die nicht üblich waren: im Vulgärlatein waren die Diphtonge fast alle zu Monophtongen geworden.8 Beispiele: Causari, Grimoald, Liutpert, Optileopa, Scauniperga, Teudeperga. 5 6 7 8
Arcamone 2006. Arcamone 1980. Siehe Index des CDL passim; Rohlfs 1954, §§. 1032–1154. Väänänen 1974, S. 94–97.
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4) Sie zeigen Konsonantengruppen die weder im Vulgärlateinischen noch im Protoitalienischen üblich waren. Beispiele: Gausfridi <sfr>, Teuspranda <spr>, Uualtprand , usw. 5) Sie zeigen wiederkehrende fremde Elemente. Beispiele: Gausfridi, Gausperga, Gausprandus; Anselda, Anselenda, Anserada; Rochilda, Romilda, Theothilda, usw. 6) Viele dieser letztgenannten Elemente kommen auch zweisilbig vor, und zwar sind sie mit den Endungen -a bzw. -o versehen und folgen der schwachen Deklination. Beispiele: Aldul-a, All-o, Ans-a, Aud-o, Gaid-o, Gaus-o, Gis-a, Sind-o, Sisul-a, usw. 7) Diese wiederkehrenden Elemente kommen auch in zweigliedrigen Komposita vor, denn zu dieser Zeit gab es wenige Komposita in der einheimischen Namensetzung. Beispiele: Aldi-perga, Ali-perga, Ans-elda, Ar-gait, Audi-pert, Gaus-frit, Gis-ulf, Rode-gis, Sinde-ram, Sisi-pert, usw. 8) Einige dieser Elemente kommen nur als Erstglied des anthroponymischen Kompositums vor, z. B. alle die mit einem Vokal beginnen: *ala-, *ansi-, *erma-, usw., auch *qeudo¯ und *leudi- und einige andere. 9) Nur wenige werden sowohl als Erst – als auch als Zweitglied eines Kompositums verwendet: z.B. *berhta: Perti-funs, Al-pertu; *balda-: Palde-ris, Pal-truda e Gari-pald, Teut-pald; *hild¯ı-: Helde-pert, Hildi-prandus, usw. 10) Viele einfache und auch viele zusammengesetzte Elemente zeigen die lateinische Ableitungssilbe -UL, hauptsächlich in der Toskana: Alpulus, Pertulus, Maricindula, Teudipergula. 11) Einige der als Zweitglied häufigen germanischen Elemente verbinden sich mit oft vorkommenden lateinischen bzw. griechischen Elementen, die aber nur an der ersten Stelle gebraucht werden: Boni-pertus (lat. Bonus), Clari-sinda (lat. Clarus), Domni-chis (lat. Dominus), Dulci-pert (lat. Dulcis), Luci-prand, Luci-pert (lat. Lucius), Rom-ilda (lat. Roma), usw.9 12) Alle diese Elemente und Charakteristika kommen auch in den anderen germanischen Anthroponymien vor,10 d. h. es handelt sich um klassische ger9 10
Arcamone 1997, S. 174. Sonderegger 1997.
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manische Merkmale, die leicht erkennbar sind. Es sind also germanische Elemente in einem Teil der Romania, eben Italien. Sie werden den Langobarden zugewiesen, weil viele davon Spuren der zweiten Lautverschiebung zeigen, welche bekanntlich die Langobarden mitgemacht haben, siehe Pertifuns <*berhta-+-funsa, Liutprand <*leudi -+-branda-, Tachipert <*daga-+ -berhta-, Audilasci <*auda-+-r¯ıka- (<sci> stellt langobardisches / / dar, siehe auch unten), usw.11 Die im langobardischen Italien bezeugten germanischen Elemente weisen allerdings leichte graphische, phonetische, morphologische Unterschiede zu den germanischen Formen auf, die in den germanischen Ländern selbst bezeugt waren. Diese Unterschiede hängen von der Romanisierung ab. Einige Beispiele nicht germanischer Merkmale der protoitalienischen Eigennamen langobardischen Ursprungs sind: 1) Der Laut / / wird nicht geschrieben und nicht ausgesprochen wie es die modernen italienischen Familiennamen langobardischen Ursprungs noch belegen: Alipert <*ala-+-berhta, it. FN Aliperti; Aripert <*harja-+-berhta-, it. FN Ariperti; Arimundus <*harja-+-mundu- it. FN Arimondi; Eldeprand <*hilq¯ı+-branda-; Romilda keinen phonetischen Wert, wie in Homulus, Haudimari, usw.12 2) den Laut /q/ gab es (und gibt es weiterhin) nicht in Italien. Er wird durch /t/ (auch Th- am Wortanfang geschrieben) bzw. /d/ wiedergegeben: Eldeprand <*hilq¯ı-+-branda, Teudipert <*qeudo¯ -+-berhta-. Auch das /%/ der griechischen Wörter war /t/ geworden und später auch /f/,/s/, siehe it. Matteo/Maffeo, in Kalabrien Masseo.13 3) /i/ wird auch als <e> und /u/ als geschrieben: Selberada neben Silberada, Halerona und Haleruna <*ala-+-ru¯ no¯ wie es auch in den vulgärlateinischen Wörtern zu finden ist: z. B. Etalia neben Italia, coniogio statt coniugio, usw.
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Bruckner 1895, Abschnitt II; Gamillscheg 1935; Arcamone 1994; W. Haubrichs (im Druck). Väänänen 1974, § 111. Rohlfs 1949, §§ 201, 216.
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4) Die Silbe /da/ oder die mit dentalen versehenen Silben, wenn sie sich mitten im Wort befinden, fallen häufig weg, besonders in Norditalien, wie es auch im Italienischen vorkommt, z. B. Stra <nordital. strada /v/ geworden war und es das /wi/ im allgemeinen nicht mehr gab. 8) Germ. /k/ erscheint als /sci/ssi/si/ vor palatalen Vokalen, wobei diese Laute als Wiedergabe der palatalen Frikative zu verstehen sind, die es in Italien nicht gab und weiterhin nicht gibt. Diese Romanisierung ist Beweis dafür, dass es bei den Langobarden nicht nur die zweite Lautverschiebung bis zu einer gewissen Stufe gab, sondern auch, dass es den ich-Laut gab: Teuderisci, Teuderis <*qeudo¯ -+-r¯ıhha (*r¯ıka-), Sundrilasci <sundra-+-laihha(*laika-) usw.15 Letztere Beispiele sind wichtig für die Geschichte des italienischen palatalen /s/, das es im Latein nicht gab, das aber im Italienischen sehr häufig vorkommt und dessen Ursprung sehr umstritten ist, wie es in der Historischen Grammatik der italienischen Sprache von Gerhard Rohlfs gut beschrieben ist.16 Die oben genannten Beispiele zeigen, dass dieser Laut schon im 8. Jh. existierte (und vielleicht noch früher). 9) Häufige onymische lateinische Themen kommen als Erstglied vor, wie Bonu-, Claru-, Dominu-, Petru-, Roma- usw., wie es Beispiele wie Boni-pertus, Clari-sinda, Domni-pertus, Petri-pertus, Rom-ualdus, usw. zeigen (siehe auch oben). 10) Die Feminina werden alle in die erste bzw. dritte lateinische Deklination aufgenommen, die Maskulina in die zweite; die letzteren können aber 14 15 16
Siehe Fussnote 7. Arcamone 1975. Rohlfs 1949, §§ 286–288.
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auch endungslos bleiben: Taneldis neben Romilda (
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Namen des Frühmittelalters – RGA-E Band 66 – Seiten 145–157 Spuren der Vorzeit: Sachsen-Anhalts © Copyright 2009 WalterDie de Flussnamen Gruyter · Berlin · New York und andere Namengeschichten
Spuren der Vorzeit: Die Flussnamen Sachsen-Anhalts und andere Namengeschichten Albrecht Greule
1 Einleitung „Das Wasser hat für die Entwicklung von Kulturen eine ganz besondere Bedeutung. Davon zeugt nicht nur der ungeheure kulturelle Reichtum von Wassermythen, Wasserbildern und Wassersymbolen in allen Kulturen, sondern davon zeugen insbesondere auch die zivilisatorischen Leistungen, die für das Trinken und Baden erbracht wurden. Gibt es überhaupt irgendetwas, das nicht materiell oder symbolisch, direkt oder indirekt mit Wasser zu tun hat?“ So fragte der Berliner Theologe Matthias Blum anlässlich einer Tagung zum Thema „Wasser als politischer Sprengstoff “ im vergangenen Jahr (Blum 2007, 1). Ich darf dieses Zitat um einen wesentlichen Punkt ergänzen: Für die Rolle, die das Wasser bzw. die in der Natur vorkommenden Gewässer für die Kulturen spielen, legen auch und schon der ungeheure Reichtum der Gewässer-Namen und – aus heutiger, mitteleuropäischer Sicht vor allem – das hohe Alter dieser Namen beredtes Zeugnis ab. Die Wichtigkeit der Nomination, der Benennung der Gewässer wird auch von der Bibel im ersten Buch Moses betont. Es heißt dort bei der Beschreibung des Paradieses (Gen. 2,10–15): „Ein Strom entspringt in Eden, der den Garten bewässert, dort teilt er sich und wird zu vier Hauptflüssen.“ Diese heißen Pischon, Gihon, Tigris und Eufrat. Was lernen wir aus diesen theologischen Vorgaben? Die Namen der Gewässer, der fließenden und stehenden, der Seen, Flüsse und Bäche, deren Sinn wir in vielen Fällen nicht mehr erkennen – wer weiß schon was Elbe, Saale, Bode oder Unstrut bedeuten? es sind eben Namen von Flüssen – wir lernen also daraus, dass Flussnamen Zeugen der durch das Wasser verursachten kulturellen Entwicklung sind; dass sie teils sehr alte Sprachzeugnisse sind, die es zu erschließen gilt. Dies ist die Aufgabe der Etymologie, genauer der Namen-Etymologie. Wer Namen-Etymologie betreibt, bewegt sich auf schwierigem schwanken-
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dem Gelände – das wird im Verlauf meiner Ausführungen immer wieder deutlich –, denn der Etymologe muss sich auskennen in den Bereichen der Sprachgeschichte, des Laut- und Schreibwandels, der Semantik, der Pragmatik, der vergleichenden Sprachwissenschaft; ebenso sind die Kenntnisse der Historiker, der Archäologen, der Geographen für ihn wichtig, manchmal sogar entscheidend.
2 Die Gewässernamen – ungeschliffene Juwelen Was lernt eigentlich der Student der Onomastik (wie die Wissenschaft genannt wird, zu der die Erforschung der Gewässernamen gehört) heute zu den Flussnamen? Es sei mir erlaubt, hierzu einen Blick in das vor wenigen Jahren erschienene, gewichtige „Lehrbuch für das Studium der Onomastik“ (Brendler 2004) zu werfen. Die Gewässernamen werden dort nach den Talnamen und noch vor den Flurnamen behandelt. Jürgen Udolph, der Autor des Beitrags über die Gewässernamen, lenkt den Blick ohne Umschweife sofort auf den besonderen Status der Gewässernamen, weil „Fluss- und Seenamen häufig ein besonders hohes Alter besitzen“ (Brendler 2004, 329). Weiter wird ausgeführt, dass Gewässernamen häufig aus der Sprache, die an den Ufern der Gewässer gesprochen wird oder wurde, nicht mehr erklärt werden können. Der Altmeister der deutschen Namenforschung Ernst Förstemann wird dazu mit dem Bonmot aus dem Jahre 1863 zitiert, dass Flussnamen die „ungeschliffenen Juwele in der Namenforschung“ seien, und selbst der Philosoph Gottfried Wilhelm Leibniz lässt sich dazu vernehmen, mit den Worten: „Ich bemerke nebenbei, daß die Flußnamen, da sie gewöhnlich aus der ältesten Zeit stammen, am besten die alten Sprachen und die alten Bewohner bezeichnen.“ Aber warum haben Gewässernamen ein höheres Alter als etwa Siedlungsnamen? Das Lehrbuch der Onomastik gibt darauf folgende Antwort: „Man muss sich klar machen, dass ein Gewässer von etwa 100 Kilometern Länge einen wesentlich höheren Bekanntheitsgrad in der Sprache der Umgebung besitzt als eine Siedlung mit ursprünglich vielleicht zehn bis zwanzig Höfen.“ (Brendler 2004, 329f.) Es darf allerdings dagegen gehalten werden, dass unzählige Flüsse und Bäche weit unter 100 km Länge Namen tragen, die in den Worten Ernst Förstemanns ebenfalls „ungeschliffene Juwele“ sind, die durch die Namenforschung geschliffen werden können. Und wir sollten darüber nachdenken, dass es nicht wenige Gewässernamen gibt, die von einer Siedlung am Gewässer auf das Gewässer oder den Fluss übertragen wurden. Darauf werde ich später noch einmal zu sprechen kommen.
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Jetzt löse ich mich aber vom Text des Onomastik-Lehrbuchs, das sich des weiteren zu den diversen geographischen Objekten auslässt, die Gewässernamen tragen, und verzichte darauf, die Leser mit der griechischen Fachterminologie zu langweilen. Nur einen dieser Termini will ich vor Augen führen, nämlich Hydronym als Fachterminus anstelle von „Gewässername“; denn Hydronym ist der internationale Terminus und er enthält das altgriechische Wort für Wasser, nämlich hy´do¯ r, und das altgriechische Wort für Name, nämlich ónoma. Was haben wir bei diesem Ausflug in die akademische Lehr über die Gewässernamen gelernt? Erstens: Nicht alle, aber viele Gewässernamen unseres Landes sind wichtige Zeugnisse für die Sprache von Siedlern früherer Zeiten. Zweitens: es gibt eine Wissenschaft von den Gewässernamen – und das heißt: es gibt Methodiken und Terminologien, die das in Gewässernamen abgesunkene Sprach- und Kulturgut durch wissenschaftliche Deutung heben und für uns verstehbar machen. Einen besonderen Beitrag zur Präzisierung der Gewässernamenforschung nach dem 2. Weltkrieg haben der Indogermanist Hans Krahe und seine Schule geleistet. Das sei anerkennend vorweg bemerkt. Drittens und vorgreifend: „Keine Erforschung der vor- und frühgeschichtlichen Periode eines Territoriums kann an den Gewässernamen vorbeigehen.“ (Brendler 2004, 343)
3 Woher kommen unsere Gewässernamen? In den folgenden Kapiteln möchte ich an Beispielen einen Einblick in den Gang der Erforschung von Gewässernamen geben. Beginnen wir mit der Unstrut. Ich will den im Eichsfeld entspringenden und gegenüber Naumburg in die Saale mündenden Fluss nicht als den Schicksals-Fluss der Thüringer bezeichnen. Aber – die Frage, die Historiker immer wieder nach der Etymologie des Namens Unstrut stellen, hat ihren Grund sicherlich in der Tatsache, dass der Name für alle Zeiten mit der Schlacht an der Unstrut verbunden ist, in der die Franken anno 531 das Schicksal des Thüringer Reichs endgültig besiegelten. Zumindest ist es nämlich denkbar, dass sich über den Gewässernamen der Schlachtort ermitteln lässt und dass sogar der ganze Fluss nach dem Schlachtort benannt wurde. Um der Sache sprachwissenschaftlich auf den Grund zu kommen, müssen wir die Spur verfolgen, die der Name Unstrut in den historischen Quellen hinterlassen hat (vgl. dazu Anhang 2). Dieses Vorgehen hat durchaus
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kriminalistische Züge; denn es geht darum, den ältesten „Beleg“ (wie die Fachleute sagen) für einen Namen aufzuspüren. Wir werden später sehen, dass wir für die Namen großer Flüsse in Norddeutschland wie Elbe, Weser, Saale oder Ems durchaus bei römerzeitlichen Historiographen oder Geographen landen und schon in solchen teils griechisch, teils lateinisch geschriebenen Quellen diese Flüsse erwähnt finden. Für die Unstrut gilt dies leider nicht. Sie wird zum ersten Mal im Zusammenhang mit der erwähnten Schlacht in der „Historia Francorum“ des Gregor von Tours, der in der 2. Hälfte des 6. Jahrhunderts lebte und schrieb, erwähnt; über die „Historia Francorum“ finde ich – kurz und bündig – folgende Notiz: Sie ist „die wichtigste Darstellung der Entstehung des Merowingerreiches“ und sie „ist auf Grund eigener Ermittlungen und heute verlorener Quellen wahrheitsgetreu in schlichtem Stil verfasst“ (Buchwald/Hohlweg/Prinz 1963, 196). Gregor von Tours lokalisiert in dem lateinisch geschriebenen Text die Schlacht „ad Onestrudem fluvium“ (am Fluss Onestrud). Spätere Erwähnungen der Unstrut stammen erst aus dem 10. und 11. Jahrhundert und sie finden sich in den Quedlinburger Annalen und in Urkunden; sie lauten Unstrada, Unstroda, Unstrut, Unstrod u. ä. und weichen nicht unerheblich von dem ältesten Beleg bei Gregor von Tours ab. Das bedeutet, dass der Namenkundler, nachdem er die Zuverlässigkeit der Quellen überprüft hat, die Namenkette in einen lautgeschichtlichen Zusammenhang einordnen muss, an dessen Ende die heutige Mundartform steht. Sie lautet für die Unstrut /unsˇtrúed/ oder /ounsˇtrúet/. Die gängigste Deutung des Namens bringt ihn mit dem in Deutschland häufigen Flurnamen Strut, ahd. struot ‚Sumpfdickicht‘ in Verbindung und sieht darin das Präfix un-, das hier aber nicht die Negation, sondern die Intensivierung meint, wie bei den Wörtern Un-tiefe, Un-tier, Un-wetter. Der Gewässername Unstrut wäre demnach ursprünglich die Bezeichnung einer wegen des starken Sumpfdickichts markanten Stelle oder Flussstrecke auf den ganzen 181 km langen Fluss ausgedehnt worden. Die Gründe dafür kennen wir nicht. Die Schlacht an der Unstrut dürfte nicht der Grund gewesen sein, denn ein starkes Sumpfdickicht ist wohl kaum ein geeigneter Ort für eine Landschlacht. Den Sprachwissenschaftler lässt unter anderem auch die Divergenz dieser Etymologie zu dem ältesten Beleg des Namens bei Gregor von Tours an ihrer Richtigkeit zweifeln. Die Unstrut heißt dort im vierten Fall der konsonantischen Deklination lateinisch Onestrudem, der Nominativ dürfte also etwa *Onestrud- gelautet und feminines Genus wie heute besessen haben. Die späteren Belege wie Unstroda dürften demgegenüber Latinisierungen des Namens sein.
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Vorausgesetzt dass Gregor den Namen nicht erfunden hat, setze ich jetzt mit einer neuen Hypothese an. Sie geht davon aus, dass zahlreiche alte Gewässer- und Ortsnamen in Thüringen und Sachsen-Anhalt mit einem -r-Suffix gebildet sind, und sie sucht im Namen der Unstrut ebenfalls nach einem -r-Suffix. Dieses ergibt sich, wenn man annimmt, dass dem Gewässernamen das germanische Substantiv *unst- ‚die Gunst‘ zugrunde liegt. Vom Substantiv könnte mit dem -r-Suffix ein Adjektiv germanisch *unst-ra‚günstig‘, als Gewässername *Unstra mit der Bedeutung ‚die Günstige‘, abgeleitet sein. Nebenbei bemerkt, kann das Motiv, Flüsse als „günstige“ zu benennen, durch die Tatsache gestützt werden, dass auch das deutsche Wort lieb, ahd. liob, germanisch *leuba- in Gewässernamen vorkommt, z. B. im Namen der Loisach in Bayern; ähnliches gilt für das Adjektiv gut (vgl. Gutach) Zurück zur Unstrut! Von *unstra- könnte mit Hilfe des althochdeutschen Suffixes -o¯ d oder -o¯ di der Name *Unstr-o¯ d bzw. *Unstr-o¯ di gebildet worden sein. *Unstro¯ d ließe sich aufgrund der kollektiven Bedeutung des Suffixes – wie altsächsisch werod ‚die Menge der Männer‘ – verstehen als ‚Menge von günstigem Gelände‘. Ob diese Deutung des Namens eher einen Bezug zum Schlachtort an der Unstrut herstellt, lasse ich lieber offen. Unmöglich ist es aber aus der Sicht der Gewässernamenforschung nicht, dass die Memoria an einen bedeutsamen Ort in einem Gewässernamen weiterlebt (Greule 2008). Bei beiden Etymologien wird angenommen, dass Unstrut nur ein Teiloder Abschnittsname der Unstrut ist, der – aus welchen Gründen auch immer – auf den ganzen Fluss ausgedehnt wurde. So darf man jetzt mit Recht die Frage stellen, ob andere Teilnamen der Unstrut noch vorhanden sind. Die Antwort ist ja. Die bisherige Forschung lehrt nämlich, dass solche von einem Gesamtnamen verdrängten Teilnamen in Namen von Siedlungen entlang des Flusses weiterleben. Jürgen Udolph hat dies kürzlich für den Namen Jena nachgewiesen; ebenso dürfte Bad Kösen ein alter Abschnittsname der Saale gewesen sein. Zumindest den Ortsnamen Nebra halte ich für einen Teilnamen der Unstrut, der älter ist als Unstrut. Ob damit der HortFund von Nebra in Verbindung gebracht werden kann, lasse ich offen. Es bleibt mir noch kurz zu erklären, wie der von Gregor von Tours verwendete Name *Onestrud in den Gesamtzusammenhang einzuordnen ist. An drei Stellen im Namen weicht Gregor von der althochdeutschen Namensform *Unstro¯ d ab, wie man leicht durch einen Vergleich mit *Onestrud feststellen kann. Zwei davon sind dadurch zu erklären, dass die Handschriften, die den Text Gregors überliefern, romanischen Schreibgewohnheiten unterliegen, durch die der ursprüngliche Name *Unstro¯ d als (romanisch) Onestrudem in den lateinischen Text eingepasst wurde.
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4 Ein Blick auf die Forschung Mit dem folgenden kurzen Kapitel will ich einen Überblick über die in Deutschland sehr rege Gewässernamenforschung verschaffen. Die Erfolge dieser Forschungsrichtung gehen auf die nach dem 2. Weltkrieg verstärkten Bemühungen des bereits erwähnten Indogermanisten Hans Krahe zurück. Er konkretisierte seine Ideen durch die Installation des Archivs für die Gewässernamen Deutschlands und Europas in Mainz. Aus dem Archiv sind inzwischen zahlreiche Bände mit den Reihentiteln „Hydronymia Germaniae“ und „Hydronymia Europaea“ hervorgegangen. Sie sind, indem sie systematisch die Gewässernamen in Europa zu erfassen suchen, ein unschätzbares Hilfsmittel der Namenforschung. Weiter ist durch Hans Krahe selbst und nach ihm durch seine Schüler das Paradigma der so genannten „alteuropäischen Hydronymie“ entworfen und in zahlreichen Einzeluntersuchungen ausgebaut worden. Dieses Konzept gibt und gab der Forschung einen festen Rahmen und eine theoretische Basis, auf die sich sowohl die nationale als auch die europaweite internationale Forschung stützen konnten. Mit dem Alteuropa-Konzept eng verbunden ist das Schichten-Modell, auf das ich im nächsten Kapitel zu sprechen komme. Ein Wort muss ich noch zur Ergebnisdarstellung sagen. Relativ schlecht ist es um die landesspezifische, der interessierten Öffentlichkeit und den Nachbarswissenschaftlern zugängliche Darstellung der Ergebnisse der Gewässernamenforschung bestellt. Außer dem Brandenburgischen Gewässernamenbuch verfügen wir noch immer nicht über eine zum Beispiel wörterbuchmäßige Aufarbeitung der Forschung. Dank der Initiativ eines bekannten Verlages entsteht zurzeit ein „Deutsches Gewässernamenbuch (DGNB)“, das analog zu dem bekannten „Etymologischen Wörterbuch“ von Friedrich Kluge die deutschen Gewässernamen („deutsch“ im Sinne der Sprache) etymologisch deuten soll. Es wird damit auch eine Zusammenfassung der Forschungsergebnisse in diesem Bereich bieten. Als Blick in die Werkstatt erlaube ich mir die Entwürfe des Eintrags unter dem Namen Elbe und Unstrut vorzulegen (vgl. Anhang 1 und 2).
5 Gewässernamen und die Indogermanisierung Europas Ein wichtiges Ergebnis aus der Forschung wollen wir festhalten: Die erste Benennung von Gewässern erfolgte in Europa, zumindest in Mitteleuropa, im Zuge der Indogermanisierung dieses Territoriums. Das kann mit Sicherheit daraus geschlossen werden, dass die teils netzartig über Europa verteilten „alt-europäischen“ Gewässernamen in ihrem semantischen und mor-
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phologischen Gepräge entweder aus einer indogermanischen Einzelsprache oder direkt aus der indogermanischen Grundsprache erklärt werden können. Dies muss vor dem Hintergrund neuerer Versuche, die Gewässernamen als vorindogermanisch („vaskonisch“) zu erklären, mit aller Entschiedenheit festgestellt werden. Ein weiteres Ergebnis bisheriger Forschung ist das Schichten-Modell, das heißt: die Gesamtheit der Gewässernamen eines Gebietes lässt sich vertikal auf verschiedene Schichten verteilen, wie ich gleich zeigen werde. Die vertikale Schichtung der Namen entspricht der zeitlichen Abfolge verschiedener Sprachträger, die in diesem Gebiet siedelten. So können wir für Sachsen-Anhalt, das heißt für den Einzugsbereich der mittleren Elbe und ihrer wichtigsten Nebenflüsse, untere Saale und untere Mulde, folgende Gewässernamenschichten feststellen: „deutsche“, will sagen: ostmitteldeutsche und niederdeutsche Namen; slawische, will sagen: altsorbische und altpolabische Namen; germanische Namen und vorgermanische, aber indogermanische Namen. Namen, die sich der Deutung aus dem Indogermanischen entzögen, gibt es nicht. Diese Schichtung entspricht in etwa den Erkenntnissen, die die Vorund Frühgeschichtler zur Besiedelung des Landes haben: Germanen dürften hier erstmals im Verlauf der Latène-Zeit (500 v. Chr. bis zur Zeitenwende) gesiedelt haben. Ferner wurde seit dem 7. Jahrhundert n. Chr. der Landesteil östlich der Flüsse Ohre, Elbe und Saale von Slawen in Besitz genommen, wodurch sich die Trennung in germanisches Altsiedelland und einst slawisch besiedeltes Neusiedelland ergibt. Werfen wir noch einen Blick über die Landesgrenzen hinaus auf die Schichtung der Gewässernamen in Sachsen und Thüringen. Dank einer hervorragenden Forschungslage, die in unserem Fall dem Leipziger Namenforscher Hans Walther zu verdanken ist, überblicken wir die Schichtung in Sachsen sehr gut. Die Abfolge der Gewässernamen-Schichten lautet dort wie folgt: alteuropäische (das sind voreinzelsprachlich-indogermanische Namen), germanische Namen, deutsche Namen, altsorbische (slawische) Namen. Von dieser Schichtung unterscheidet sich die Thüringen betreffende Schichtung kaum; man kann dort – wie in Sachsen-Anhalt – nur eine geographische Teilung insofern feststellen, als etwa die Saale eine Grenze bildet; nur östlich davon kann man aufgrund der Ortsnamen von dichter slawischer Siedlung sprechen. Obwohl eine ausführliche Erforschung der sachsen-anhaltischen Hydronymie noch aussteht, fällt hier die ausgeprägte Schicht mit germanischen Gewässernamen auf. Ich komme an dieser Stelle nicht um einen kurzen Seitenblick auf den Terminus „germanisch“ herum. Wenn ich recht sehe, wird nämlich mehr
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und mehr von Historikern bestritten, dass es Germanen als Volk oder Stamm gab. Es kann aber nicht bestritten werden, dass es germanische Sprachen gibt und gab. Linguistisch ist der Terminus „germanisch“ hiebund stichfest abgesichert. Es handelt sich dabei um die Ausprägung eines indogermanischen Sprachtypus, der sich von den anderen indogermanische Sprachtypen unterscheidet z. B. durch die Lautverschiebung, durch die Stammsilbenbetonung, durch Ausprägung einer starken und schwachen Flexion beim Verb und beim Nomen u.a.m. Wir kennen den Sprachtypus „germanisch“ sehr genau. Aufgrund dieses Wissens ist es auch möglich, Gewässernamen in Sachsen-Anhalt als germanisch im Sinne von frühgermanisch, noch nicht deutsch, zu kategorisieren. Ob wir die Siedler, denen die germanischen Namen zu verdanken sind, als Germanen bezeichnen dürfen, sei dahingestellt. Der Kompromiss läuft darauf hinaus zu sagen: es waren Siedler, die germanisch sprachen. Damit die Leser einen Eindruck von der Fülle der germanischen Gewässernamen in Sachsen-Anhalt bekommen, hier die Liste der Namen: Wipper, Helme, Getel, Aland, Biese, Jeetzel, Dumme, Milde, Mulde, Ilse, Bode, Olbe, Ehle, Ihle, Nuthe, Elster, Havel, Elmen(a), Dremse und Fuhne. Unter den slawischen Namen befinden sich solche, die als vorslawisch deklariert werden. Warum? Einerseits sind sie aus der slawischen Sprache nicht erklärbar, andererseits weisen solche Namen aber typische slawische Lautwandlungen auf. So zum Beispiel die Liquida-Metathese, das heißt die Umstellung eines Lautes wie /l/ oder /r/ aus der Stellung hinter einem Vokal in die Stellung vor einem Vokal. Dieses Phänomen ist zum Beispiel vom Namen der Elbe, die tschechisch Labe heißt, bekannt. Sowohl die deutsche Namensform als auch die tschechische ist aus *Albia hervorgegangen. Das gleiche Phänomen finden wir beim Namen Lober, der auf vorslawisch *Albar- zurückgeht, aber die slawische l-Umstellung aufweist. Werfen wir noch einen Blick nach Süden, um zu sehen, dass die sachsenanhaltische Schichtung der Gewässernamen nicht für ganz Deutschland gilt. Im Süden – nehmen wir Bayern – ist die Schichtung infolge der vorund frühgeschichtlichen Besiedlungs- und Herrschaftsverhältnisse etwas anders. Bayern müssen wir dazu noch teilen in ein römisches Südbayern und in ein nichtrömisches Nordbayern. In ganz Bayern können wir keltische Gewässernamen nachweisen, im Norden liegt gleichsam zwischen der germanischen und der deutschen Schicht ebenfalls eine slawische – oft bayernslawisch genannte; im Süden haben wir mit spätrömischer bzw. frühromanischer Namengebung zu rechnen, die sich allerdings nicht an den Gewässern festmachen lässt. In allen bislang untersuchten Gebieten gibt es gleichsam als Bodensatz eine relativ kleine Gruppe von Namen, die wir aus keiner der bekannten
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Sprachen erklären können. Sie werden deshalb gern „alteuropäisch“ oder besser voreinzelsprachlich-indogermanisch genannt. Man könnte diese Gruppe als unbedeutend abtun, wenn nicht gerade die Namen der großen Flüsse darunter wären und wenn sie nicht die ältesten Zeugnisse der Indogermanisierung Europas wären. Als Beispiele kommen aus unserem Gebiet Elbe und Saale infrage. Die Indogermanisierung Mitteleuropas dürfte sich in groben Zügen wie folgt abgespielt haben. Nach der letzten Eiszeit breiteten sich ab dem 8. Jahrtausend v. Chr. nördlich der Alpen nicht-indogermanische Sprachen aus, deren letzten Rest man im Baskischen zu erkennen glaubt. Im 6. Jahrtausend wanderten aus Südosteuropa kommend die ersten Sprecher des indogermanischen Sprachtypus ein und verdrängten die nicht-indogermanischen Sprachen bis auf Reste und Relikte. Zeugen dieser ersten Indogermanisierungs-„Welle“ sind jene Gewässernamen, die wir (noch) nicht aus einer der bekannten indogermanischen Einzelsprachen wie Keltisch, Germanisch, Slawisch usw. erklären können. Zudem ist es ein Charakteristikum der Namen dieser Schicht, dass sie netzartig über Europa verbreitet sind. Das lässt sich wunderbar am Namen der Saale zeigen. Die Saale wird bereits bei dem griechischen Geographen Strabon kurz nach Christi Geburt als Sálas potamós erwähnt, später heißt sie Sala. In dieser Form gibt es den Gewässernamen Sala zweimal in Ungarn, in Kärnten, im Salzburger Land, als Nebenfluss zum Main, als Nebenfluss zur Leine, in Frankreich, in Polen und in Litauen. Da man einen Zusammenhang mit dem indogermanischen Wort für Salz, das *sal- lautete, vermuten darf, liegt es nahe, das Motiv der Benennung der Saale in der Salzgewinnung und im Salzhandel an ihren Ufern zu sehen. Ich erinnere nur an die frühgeschichtliche, umfangreiche Salzproduktion in Halle an der Saale. Die Versuche, die alt-europäischen Gewässernamen mit Hilfe der rekonstruierten idg. Grundsprache zu erklären, erbrachten bislang interessante Einblicke in die Motive, nach denen die Gewässer benannt wurden, und in die Konstruktion dieser Namen. Es fällt auf, dass sich darunter eine große Gruppe befindet, die grammatikalisch als Adjektive erklärbar sind, die zu indogermanischen Verben gehören. Deshalb tauchen unter den Namen dieser Schicht immer wieder die Suffixe -r-, -l-, -n-, -t- und -nt- auf. Die Verben, die dazu verwendet werden, sind besonders aufschlussreich. Eine Gruppe bezeichnet die Eigenschaften des fließenden Wassers mit der Bedeutung ‚wohin treiben‘, ‚ziellos gehen‘, ‚gehen, wandern‘, ‚schwellen‘, ‚vertrocknen‘, ‚sich in Fortbewegung setzen‘, ‚in Schwung bringen‘, ‚sich füllen, voll werden‘, ‚laufen‘, ‚strömen‘, ‚überwältigen‘, ‚aufreißen‘ oder
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‚wegtreiben‘. Der Wasserantrieb scheint für die Menschen jener Zeit also wichtig gewesen zu sein. Eine andere Verbgruppe, aus der Gewässernamen gebildet wurden, deutet darauf hin, was die Menschen mit dem Wasser machten bzw. welchen Nutzen sie aus ihm zogen. Dazu gehören Verben, die bedeuten: ‚nähren‘, ‚schöpfen‘, ‚gießen‘, ‚begießen‘, ‚überqueren‘, ‚untertauchen‘ usw. – Obwohl der Name der Elbe noch nicht endgültig geklärt ist, scheint mir z. B. eine Etymologie mit dem idg. Verbum idg. *al- (lat. alere; uridg. *h2 el-) ‚nähren, aufziehen‘ möglich zu sein.
6 Gewässernamen und andere Namenkategorien. In aller Kürze möchte ich zum Schluss noch auf das Verhältnis der Gewässernamen zu anderen Namentypen zu sprechen kommen. Dass Gewässernamen ohne Umschweife zu allen Zeiten auch als Siedlungsnamen verwendet werden können, ist eine Binsenweisheit. Die Römer nannten das gewaltige Kastell im heutigen Regensburg gegenüber der Mündung des Flusses Reginos in die Donau schlicht und einfach Regino ‚am Regen‘. Im Oberlauf desselben Flusses liegt im Bayerischen Wald die Kreisstadt Regen. Dass die Namen von Siedlungen gewissermaßen zur Verdeutlichung auch mit anderen Wörtern komponiert wurden, lehren weitere Siedlungen entlang dem Regen: einmal Regenhausen, Name des heutigen Regensburger Stadtteil Reinhausen, oder Regenstauf, wobei sich Stauf auf den charakteristischen Berg, zu dessen Füßen Regenstauf liegt, bezieht. Hier wird eine Siedlung also nach ihrer Lage zwischen dem Regen und dem Stauf benannt. Schließlich charakterisierten die Baiwaren das römische Kastell mit demselben Wort, mit dem die Sachsen auch Magdeburg charakterisierten, nämlich mit dem Wort Burg, indem sie es an den Genitiv des Gewässernamens anhängten. Dabei kommt Regines-burg heraus, was uns direkt auf den heutigen Namen der Stadt an der Donau führt. Weniger bekannt und weniger beachtet wird die Tatsache, dass – umgekehrt – der Name einer bedeutenden Siedlung zum Gewässernamen wird. So ist der Chiemsee in Oberbayern nach dem Ort Chieming benannt. Oder, um ein Beispiel aus der Frühzeit zu nennen, der große Fluss Altmühl, der an der Frankenhöhe entspringt und bei Kelheim in Niederbayern in die Donau mündet, trägt den Namen des keltischen Oppidums auf dem Berg über der Mündung. Das Oppidum ist als Polis bei Ptolemaios, dem Geographen des 2. Jahrhunderts nach Christus, wohl verunstaltet als Alkimoennís bezeugt; richtiger wäre *Alkimonia, was soviel bedeutet wie ‚Abwehr-Berg‘. Wenn also Siedlungsnamen zu Gewässernamen werden konnten, besteht auch die Möglichkeit, aus Gewässernamen die Namen
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von Siedlungen zu erschließen, die wir noch nicht kannten. Ein schönes Beispiel ist die keltische Stadt bei Manching in Oberbayern. An ihr vorbei fließt der heute Parr, älter *Barra, genannte Fluss. Aus dem Gewässernamen dürfen wir darauf schließen, dass das Oppidum Manching wie viele andere Siedlungen in Frankreich ursprünglich keltisch *Barra oder *Barros hieß. Nicht nur Siedlungen wurden mit Gewässernamen benannt, sondern auch ganze Personengruppen. So sind die germanischen Am(p)si-varii ‚die an der Ems wohnende Volksgruppe‘, ebenso sind die slawischen Po-laben ‚die an der Elbe (Wohnenden)‘. Wer gerne Urlaub in Südtirol macht, sollte sich, wenn er sich vom Brenner durch das Tal des Eisack nach Bozen durchquält, einmal bewusst machen, dass der Gewässername Eisack weder etwas mit einem Ei, noch etwas mit einem Sack zu tun hat. Vielmehr ist in dem Gewässername der Name der Isar verbaut. Wie das? Der Eisack hieß in früher Zeit Isara. Zum Gewässernamen Isara wurde für die Bewohner des Tales der Name Isarci gebildet. Diesen Bewohnernamen integrierten die Baiwaren als *I¯sak, was sich zu Eisack entwickelte. Schließlich wissen wir, dass – allerdings relativ spät – auch der Name einer Einzelperson bei der Nomination von Gewässern eine Rolle spielt. Für Bayern mit seinen frühen Quellen kommt eine Untersuchung aus dem Jahre 1988 (Reitzenstein 1988, 14) zu dem Ergebnis, dass es sich bei diesen Personen um Siedler des 8./9. Jahrhunderts handelt, die in die Seitentäler der größeren Flüsse vordrangen, um dort Besitz zu erwerben. Nach ihnen haben die betreffenden kleineren Gewässer ihren Namen bekommen, z. B. den Namen Uuolamuotesaha, das „Gewässer des Wolamuot“, heute Fluss und Ort Wolnzach an der A 93. Bayern bietet darüber hinaus das namenkundliche Kuriosum, dass der Gewässername selbst als Name einer Person verwendet wurde. Auf das absolute Kuriosum machte Norbert Wagner aufmerksam (Wagner 1988): Es ist der althochdeutsche Name eines Mönches namens Ilarleh aus dem niederbayerischen Kloster Niederaltaich (eingetragen im Reichenauer Verbrüderungsbuch). Der Name dieses Geistlichen ist zusammengesetzt aus den Namen der Flüsse Iller und Lech. Ich will nicht weiter darüber spekulieren, ob dieser Name nach altgermanischer Sitte aus dem Namen der Mutter, die von der Iller, und aus dem Namen des Vaters, der vielleicht vom Lech stammte, zusammengesetzt ist. Vielmehr will ich hier schließen – in der Hoffnung Wissenswertes über die Namen als Quellen der Vorzeit mitgeteilt und elegant auf die Internationale Tagung „Namen des Frühmittelalters als sprachliche Zeugnisse und als Geschichtsquellen“ hingeführt zu haben.
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Literatur Blum, Matthias (2007): „Das Wasser ist unser“ (Gen 26,20). Über die Bedeutung des Wassers für die Entwicklung von Kulturgesellschaften, in: zur debatte 37/2, S. 1–3. Brendler, Andrea und Silvio (2004): Namenarten und ihre Erforschung. Ein Lehrbuch für das Studium der Onomastik. Anlässlich des 70. Geburtstages von Karlheinz Hengst herausgegeben. Hamburg. Buchwald, Wolfgang/Hohlweg, Armin/Prinz, Otto (1963): Tusculum-Lexikon griechischer und lateinischer Autoren des Altertums und des Mittelalter. Völlig neu bearbeitet, München. Greule, Albrecht (2008): Von der Memoria zum kognitiven Merkzettel. Namentypen und Memoria, in: Nomen et Fraternitas. Festschrift für Dieter Geuenich zum 65. Geburtstag, herausgegeben von Ludwig, Uwe/Schilp, Thomas. Berlin, New York, S. 197–202. Reitzenstein, Wolf-Armin Frhr. von (1988): Das Alter der mit Personennamen gebildeten Flußnamen in Bayern, in: Blätter für oberdeutsche Namenforschung 25, S. 3–14. Wagner, Norbert (1988): Ilarleh, in: Beiträge zur Namenforschung, Neue Folge 23, S. 241–243.
Anhang 1 Elbe, die cˇech. Labe, sorb. Lobja. (Belege: Udolph, HG.A.16, S. 89–98). Die griechischen und lateinischen Nennungen des Namens deuten auf einen maskulinen i-Stamm Albi-, hinter dem aber wie bei f Weser ein germanischer langsilbiger -jo¯ -Stamm (feminin) steckt: Nom. *Albi, Gen. *Albjo¯ s, später Nom. *Albja. Daraus entstand mit i-Umlaut korrekt das Femininum Elbe/Elve. Aus dem Namen haben sich im Prozess der Deonymisierung die Appellative anord. elfr ‚Fluss‘ und mndd. elve ‚Flussbett‘ entwickelt. Wird normalerweise zum indogermanischen Farbadjektiv *albho- ‚weiß‘, gestellt, was auch (im Keltischen?) die Bedeutung ‚Fluss‘ angenommen haben und wozu auch altgriechisch Alpheiós, größter Fluss der Peloponnes, gehören soll. In Anbetracht der Größe und Bedeutung der Elbe wurde die „weiße“ Farbe des Wassers als Benennungsmotiv aber auch in Frage gestellt. Unter einer anderen Perspektive kann man den Flussnamen (ig.) *Albhja¯ - mit dem keltischen Namen für Britannien gall.-lat. Albio¯ n, mir. Albbu (Gen. Albban, < *Albien-) und kymr. elfydd (< *albíjo-) ‚Erde, Welt‘ in Verbindung bringen. Diese Gruppe könnte mit einem Suffix -bhi- von der urig. Verbwurzel *h2el- ‚nähren, aufziehen‘ abgeleitet sein; *h2el-bhi- > (kelt.-gm.) *albi- in der Bedeutung ‚Raum (Fluss), der nährt‘. Reichert, Lexikon, S. 32 f.; Pokorny, IEW, S. 30 f.; Bathe, Elbe; Schmid, Elbe; Rix, LIV, S. 262.
Anhang 2 Unstrut, die l. z. Thüringischen Saale, entsteht im Eichsfeld (Thüringen) und mündet gegenüber Naumburg (Sachsen-Anhalt), /unsˇtrúed, ounsˇtrúet/ (Mundart des Thüringer Waldes). Anno 531 Schlacht an der Unstrut. 6. Jh. (Gregor von Tours) ad Onestrudem fluvium, zu 781 (Anf. 11. Jh.) fluvios … Unstradam, 979 Unstroda, 991 Vnstrut, 994 Vnstrod, 1002 ripa fluminis Unstrodae. Der Name wird meistens als eine Bildung zu gm. *stro¯ du- (ahd. struot stF.) ‚sumpfiges Gebüsch, Sumpfdickicht‘ mit dem angeblich verstärkenden Präfix un- (wie in Un-tiefe,
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Un-tier, Un-wetter) erklärt und es wird angenommen, dass es sich dabei um eine Stellenbezeichnung handelt, die auf den ganzen Fluss ausgedehnt wurde. Damit wäre Unstrut kein originärer, sondern ein übertragener Gewässername. An dieser Deutung sind Zweifel angebracht. Angesichts einer ganzen Reihe germanischer Namen mit r- und str-Suffix in Thüringen kann erwogen werden, ob es sich auch bei Unstrut um einen solchen Namen handelt. Als Basis für eine Bildung mit dem r-Suffix kommt gm. *unst(i)- ‚Gunst‘ (vgl. ahd. unst ‚Gunst‘) infrage. Davon kann ein Adjektiv *unst-ra- ‚günstig‘ abgeleitet und mit dem Determinativ gm. -Q-/-&(zur Bezeichnung einer markanten Stelle an der Unstrut, vgl. ahd. hofero¯ t ‚bucklig‘ zu hovar ‚Buckel‘, vgl. auch f Pöllat) ein Ortsname ‚der günstige (Ort)‘ gebildet worden sein: *Unstro¯ & m. (994 Vnstrod) bzw. *Unstro¯ &o¯ f. (979 Unstroda). Auf Grund der geschichtlichen Bedeutung des Ortes wurde der Name auf den ganzen Fluss ausgedehnt. – Die Erwähnung von *Unstro¯ & bei Gregor von Tours als Onestrud(em) zeigt Romanisierung des Namens (U- > O-, Auflösung der Konsonantengruppe -nstr- durch Sprossvokal -e-, -o¯ - > -u-). *Unstro¯ & m. entwickelte sich regulär zu omd. *Unstrût > Unstrut. Das bereits in den alten Quellen erkennbare feminine Genus setzte sich in Anlehnung an andere Flussnamen (vgl. Sala, die f Saale) schließlich durch. Borchers, Große Flüsse, S. 67; Ulbricht, Saale, S. 214 f.; Udolph, Germanenprobleme, S. 255; Seebold, starke Verben, S. 80; Krahe/Meid, Wortbildungslehre, S. 143, 78–80.
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Namen des Frühmittelalters – RGA-E Band 66 – Seiten 159–172 Forschungsprojekt Toponyme‘, ©Das Copyright 2009 Walter ‚Altgermanische de Gruyter · Berlin · New YorkDie Probeartikel AITUI, LUGIDUN
Das Forschungsprojekt ‚Altgermanische Toponyme‘, Die Probeartikel AITUI , LUGIDUN und OSAND Friedrich E. Grünzweig
Das hier vorzustellende Projekt ‚Altgermanische Toponyme‘ hat die Sammlung und kritische Aufbereitung der einschlägigen Forschungsliteratur über die altgermanischen Toponyme zum Ziel. Es kann auf die Ergebnisse diverser Vorprojekte unter der Leitung von Hermann Reichert zurückgreifen: ‚Kommentierte Bibliographie zur altgermanischen Namenkunde 1920–1990‘ sowie ‚Planmäßige Sammlung der älteren Forschungsliteratur‘ (beide Robert Nedoma), und schließt an die Projekte ‚Altgermanische Ethnonyme‘ (Alexander Sitzmann) sowie ‚Die Etymologie der altgermanischen Ethnonyme‘ (Friedrich Grünzweig) an. Diese zwei zuletzt genannten Projekte zeitigten als Ergebnis ein von den beiden Projektmitarbeitern verfasstes etymologisches Handbuch Die altgermanischen Ethnonyme (Sitzmann/Grünzweig 2008). Alle diese Projekte wurden vom Österreichischen Fonds zur wissenschaftlichen Förderung (kurz FWF) finanziert, wie auch das hier vorzustellende vom FWF finanziert wird. Die Ergebnisse der beiden erstgenannten Vorprojekte sind zwar nicht als solche geschlossen publiziert, sind aber in zahlreiche Publikationen, insbesondere namenkundliche Stichwörter des Reallexikons der germanischen Altertumskunde, eingeflossen. Das gleiche gilt auch für die beiden Projekte zu den altgermanischen Völkernamen, deren Ergebnisse z. T. in namenkundliche Artikel zu Ethnonymen verarbeitet wurden. Auch die als Habilitationsprojekt vom ehemaligen Projektmitarbeiter Robert Nedoma durchgeführte Zusammenstellung der Personennamen in südgermanischen Runeninschriften (Nedoma 2004) gehört in diesen Kreis Wiener namenkundlicher Arbeiten. Darüber hinaus seien ergänzend genannt: der Rezensionsaufsatz Hermann Reicherts Der neue „Hoops“ (Reichert 2002), Alexander Sitzmanns Aufsatz Von Franken und Heuschrecken, Eine slavischgermanische Wortgleichung (Sitzmann 2006) und von beiden der Rezensionsaufsatz zu Ludwig Rübekeils Diachrone Studien zur Kontaktzone zwischen Kelten und Germanen, 2002, (Reichert/Sitzmann), sowie mein im Druck befindlicher Beitrag Gross-Germanien für den Kommentarband zu
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Stückelbergers und Graßhoffs neuer Ptolemaios-Edition (Grünzweig im Druck). Das hier vorzustellende Projekt basiert auf Hermann Reicherts Lexikon der altgermanischen Namen (LaN) mit seinen ungefähr 3000 Namen (mit ungefähr 26 000 Belegen). In den Textband, in dem die Lemmata in alphabetischer Ordnung erscheinen, konnten etymologische und bibliographische Hinweise nur in einigen wenigen Fällen und nur in geringem Umfang aufgenommen werden. Es ist deshalb als sinnvolle Ergänzung eine Sammlung der Sekundärliteratur in Form einer kritisch kommentierten Bibliographie notwendig, um den Stand der Diskussion Benutzern verschiedener Disziplinen transparent zu machen. In Anbetracht der Materialfülle ist eine Aufteilung der Bibliographie zu den altgermanischen Namen in einzelne Projekte, die mit einem kalkulierbaren Aufwand von einer Person zu bewältigen sind, unumgänglich. Das hier vorgestellte Projekt hat sich zum Ziel gesetzt die altgermanischen Toponyme zu bearbeiten (d. h. Namen, die germanisch sind oder sein könnten bzw. in germanischem Siedlungsgebiet lokalisiert werden bzw. werden könnten), eine Namensgattung die ungefähr 290 Lemmata (inkl. Flussnamen) umfasst und in einem Zeitraum von zwei Jahren vollständig bearbeitet werden soll, wobei der Übergang von Sammlung zu Druckvorbereitung fließend sein soll. Einen Anreiz zur Behandlung der altgermanischen Toponyme stellt die Tatsache dar, dass die einzige zusammenfassende Publikation die Dissertation von Gerhard Rasch: Antike geographische Namen nördlich der Alpen mehr als ein halbes Jahrhundert später von Stefan Zimmer in gedruckter Form herausgegeben wurde, lediglich durch eine eineinhalbseitige Auswahlbibliographie ergänzt (Rasch 1950). Das dokumentiert den Bedarf einer aktuellen Darstellung, denn neuere umfassende Darstellungen fehlen; so bieten etwa die von Ernst Eichler et al. herausgegebenen 3 Bände: Namenforschung, Ein internationales Handbuch zur Onomastik (Eichler et al. 1995/96) nur einen ersten knappen und unvollständigen Überblick über die altgermanische Toponymie. Nur auf keltische Ortsnamen bei Ptolemaios beschränkt sich die von David N. Parsons und Patrick Sims-Williams herausgegebene Spezialaufsatzsammlung: Ptolemy, Towards a linguistic atlas of the earliest Celtic place-names of Europe (Parsons/Sims-Williams 2000). Eine Arbeit, die das Ziel hat, ein Standard-Referenzorgan für mehrere Jahrzehnte zu schaffen, darf sich nicht auf einen einzigen Gesichtspunkt beschränken. Auch ist für jeden Namen gesondert festzustellen, für welche Problematiken er erhellend sein könnte, und welche Probleme er seinerseits aufwirft; auch die an seiner Erforschung beteiligten oder interessierten Nachbarwissenschaften sind daher von Fall zu Fall verschieden; desglei-
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chen die bisherigen Forschungsschwerpunkte zu jedem Namen. Die Einheit des Projektes wird daher durch den Gegenstand, Altgermanische Toponyme, gewährleistet, nicht durch die zu ihrer Erforschung angewandten Methoden und auch nicht durch die dabei erreichbaren Ziele. Was für die hier zu erforschenden Namen gleich ist und als einheitliche Problemstellung referiert werden kann, sind daher vor allem die Probleme der technischen Durchführung und Arbeitstechniken. Zum einen ist die Forschungsliteratur, die nach 1990 erschienen ist, zu erfassen (bis 1990 liegt eine Bibliographie von Nedoma vor), zum zweiten sind die bisher gesammelten stichwortartigen Exzerpte (unter Einbeziehung der neuesten Forschungsliteratur) zu redigieren und zu kleinen Artikeln weiterzuverarbeiten, um den modernen Forschungstand übersichtlich und kritisch gesichtet zu dokumentieren. Anders als bei Monographien zu einem Thema, das als Ganzes eine Fragestellung bietet, sind die möglichen Fragen an altgermanische Namen bzw. die Fragen, die altgermanisches Namenmaterial zu beantworten in der Lage ist, und daher die Problemstellungen und anzuwendenden Methoden für jeden Namen und daher jedes Lemma im geplanten Gesamtwerk unterschiedlich. Gemeinsam ist jedoch, dass die Kombination der verstreut publizierten Erkenntnisse über einzelne Namen, die von Einzelforschern kaum mehr überblickt werden, nötig ist, um falsche Lehrmeinungen zu korrigieren. Oft stellt sich auch heraus, dass Jahrzehnte alte Beobachtungen im Lichte neuer Diskussionsthemen wieder aktuell werden. Die Aufarbeitung der bereits zu einem Namen publizierten Forschungsergebnisse und der Anstoß zu ihrer vergleichenden Würdigung und zum Anbringen von Korrekturen und ergänzenden Vorschlägen geht daher Hand in Hand. Die Frage ob durch die Bearbeitung einer Bibliographie strittige Fragen einer Klärung zugeführt werden können, und ob dadurch wissenschaftliches Neuland erschlossen werden kann, braucht nicht mehr gestellt zu werden: aus der bisherigen Arbeit an den Vorprojekten hat sich gezeigt, dass beides der Fall ist. Was nun ganz konkret den Aufbau der einzelnen Artikel betrifft, so folgt dem Stichwort in der ersten Zeile die Referenz auf das LaN. Danach folgen die Belege aus der antiken bis frühmittelalterlichen Literatur und Epigraphik. Der Belegliste folgt in der Regel eine Kurzausführung zu Lokalisierung und Kontext. Den Hauptteil stellt der etymologische Artikel dar. Die Artikel selbst enthalten ein kritisches Referat der Forschungslage. Vielleicht wird es fallweise möglich sein, neue Vorschläge zur Etymologie und zu lautlichen oder formalen Problemen einzubringen. Da jeder Name andere Fragen aufwirft, ist es unmöglich, dabei nach einem einheitlichen Schema vorzugehen. Trotzdem soll versucht werden, in zwei, bisweilen
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auch drei der folgenden Schritte vorzugehen; charakteristischer Weise folgendermaßen: 1.) Wo es notwendig erscheint, wird eine Untersuchung der Namen bezüglich ihrer Stammbildung vorangestellt. Diese ist zwar eng verzahnt mit Fragen der Wortbildung und Etymologie, aber in vielen Fällen wegweisend für die weitere Untersuchung. 2.) Die Erstellung der wahrscheinlichsten Rekonstruktion(en) des ursprünglichen Lautstandes. Bei offenbar stark verderbten Belegen kann in den meisten Fällen keine eindeutige Entscheidung getroffen werden. Eingriffe in die überlieferte Form der Belege sollen vermieden werden, in älterer Forschung vorgenommene Konjekturen werden aber referiert. Etwaige Zustimmung zu diesen Vorschlägen erfolgt unter Bedacht. Nicht selten ist dieser Schritt verzahnt mit Punkt 3.). 3.) Die eigentliche Etymologie. Darunter ist nicht nur der Vergleich mit bekanntem Wortmaterial zu verstehen, sondern auch die Bestimmung der Art der Wortbildung, i.e. ob es sich um ein Kompositum oder eine Ableitung handelt und, sofern das zweite festgestellt wurde, um welchen Ableitungstyp es sich handelt. Zur Etymologie gehört auch der Versuch einer semantischen Deutung. Wie die Erfahrungen bei der Behandlung der altgermanischen Ethnonyme gezeigt haben, ist diese Vorgehensweise sinnvoll und führt zu einem übersichtlichen Ergebnis. Begonnen wurde das Projekt mit der größten zusammenhängenden Gruppe von Namenbelegen, nämlich denen bei Ptolemaios. Zur Veranschaulichung und als Präsentation eines kleinen Teils der bisherigen Ergebnisse folgen drei vorläufige Probeartikel. Vorweg muss noch kurz etwas zum Terminus ‚illyrisch‘ angemerkt werden. Heute wird dieser auf die eigentlichen Illyrier auf dem Balkan beschränkt, die nicht ohne weiteres mit den mitteleuropäischen sog. ‚Illyrern‘ sprachlich und ethnisch gleichgesetzt werden können. Fest steht aber ein linguistischer Bezirk von der Ostsee bis an die Adria, offenbar mit Ausläufern nach Westen (Westfalen, Rheinland, Gallien). Unerheblich ist dabei, ob es sich um eine (dialektal gegliederte) Sprache oder mehrere deutlich getrennte Sprachen gehandelt hat und ob man dieses Sprachkontinuum ‚venetisch‘, ‚veneto-illyrisch‘ oder ‚alteuropäisch‘ nennt; grundsätzlich handelt es sich dabei um mehr oder weniger eng verwandte indogermanische Sprachen oder Dialekte (s. Meid 1964, 108 f.; Krahe 1964, 201 ff.). Im
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Folgenden wird überall dort, wo ein Autor mit „illyrisch“ (abgekürzt „ill.“) dieses Sprach- bzw. Dialektkontinuum meint, der Terminus als Zitat durch doppelte Anführungszeichen kenntlich gemacht. AITUI (germ.?) Referenz: LaN I, 18; LaN II, 455. Überlieferung: Ptol. 2,11,27 (A1 , Nom. Sg. X; $ R W U 8; 1 9 Z; 9 7). Lokalisierung und Kontext: 11. ‚Polis‘ im Norden Germaniens in der nördlichsten Klimazone auf 37° 20’ ÖL und 54° 30’ NB (U) bzw. 37° 50’ ÖL und 55° 30’ NB (X) zwischen K und 5A «. Die Lesart 9 (7), auf die sich Müller (ad loc.) für die Gleichsetzung mit Küstrin stützt, ist wertlos (s. Cuntz, ad loc.). Was das Suffix - betrifft, so entspricht dieses wohl *-ou -ia¯- bzw. *-ou -io- (man vgl. die Wiedergabe von Novaesium als N durch Ptol. 2,11,29; s. NUAISI). Dieses Suffix ist als nicht typisch germ. zu beurteilen (s. Grünzweig, Germ. Ethn., 193 f.). In der Germania findet es sich noch drei Mal: Mit größter Wahrscheinlichkeit nicht germ. ist der ON 7 (SETUI), den Ptolemaios östlich des Sudeta-Gebirges ansetzt, in einem Gebiet mit zahlreichen weder germ. noch kelt. aber idg. Namen. Ganz in der Nähe von A1 setzt er den ON M() 9 (MERSUI) an. Den dritten Beleg stellt der VN Lemovii (Tac. Germ. 44,1) dar, die ebenfalls in der Nähe, südlich der Ostsee, westlich der Rugii zu suchen sind (Grünzweig, Germ. Ethn., 192) [der Inselname Codannovia ist unsicher und wohl fernzuhalten (s. CODANNOVI); auch Austeravia, Scadinavia, wohl Komposita, sind fernzuhalten (s. AUSTERAVI, SCADINAVI)]. Relativ häufig ist dieses Suffix in kelt. ON zu finden: z. B. Durocornovium (Holder I, 1384 f.) oder O - 9 (Ptol. 2,3,16, Britannien) bzw. fem. in Gerg-ovia, Seg-ovia etc.; wahrscheinlich von ON abhängig sind die Theonyme: z. B. Dul(l)-ovius (C.I.L. 12, 1279 f.) oder Mars Brit-ovius (C.I.L. 12, 3082) bzw. fem. Vin-ovia (C.I.L. 7, 427, Binchester, vgl. o. O 9 ). Ein gleichlautendes Suffix ist auch bei kelt. VN anzutreffen: z. B. Seg-ovii (C.I.L. 5, 7231) oder Lex-ovii (z. B. Caes. BG 3,9,10) [vgl. auch K ()- 9 , Ptol. 2,3,11 f. u. 19, Schottland; Esu-vii, Caes. BG 2,34 (vgl. PN Esu-vius/Esu-via, Holder I, 1476)]. Aber auch außerhalb des Kelt. finden sich geographische Namen mit diesem Suffix: z. B. die ON 7 in Dalmatien (Krahe 1925, 37; gleichlautend mit dem ‚germ.‘ 7 !), thrak. Bers-ovia, umbr. Fis-ovio, Krapu-vio (= Grab-ovio) und vielleicht auch in Danu-vius, Vesu-vius, (s. Holder II, 894, mit weiteren Belegen). Ein Vergleich mit dem ähnlichen und ebenfalls weit verbreiteten Suffix -a¯vo- [z. B.
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in 5A (Ptol. 2,11,30, s. ANAU)] verbietet sich in formaler Hinsicht, da diesem in der Regel das -i- fehlt. Eine funktionale Verwandtschaft ist aber nicht auszuschließen. Somit könnte das Suffix *-ov-ia¯ - in A1 gut kelt. sein. Zum einen spricht aber die geographischen Lage zwischen Oder und unterer Elbe [Gebiet der (germ.?) Jastorf-Kultur (s. RGA 16, 49, Abb. 2)] dagegen. Zudem dürfte es sich um ein einst weitverbreitetes Suffix aus einer alten idg. (und damit vorkelt. bzw. vorgerm.) Sprachschicht handeln, das weit gestreut in verschiedenen idg. Sprachen nachweisbar ist, wie die vergleichbaren Namensbildungen zeigen. Ähnlich äußerte sich Rasch (1950, 182), dass die Bildung an „ill.“ ON mit Suffix -uia- erinnere. Was das stammhafte Element betrifft, ait- od. ast-, war dieses für Rasch (a.a.O.) unsicher. Much (1897, 110) zog die wenig zuverlässige Lesart 1 9 (Z) heran und emendierte zu *A1 9; dieses beziehe sich vielleicht auf das Sommerlager des Varus, man vgl. Vell. Pat. 2,117: „mediam ingressus Germaniam <…> trahebat aestiva“; von Ptol. sei dieses dann zusammen mit Alisos (= Aliso), Munition, und Laciburgion (= Askiburgion) auf die falsche Stelle versetzt, an die Ripa Oceani statt an die Ripa Rheni, wobei die Relation zueinander stimme. Die Korrektur aus einer schlechten Lesart macht diese Deutung wenig wahrscheinlich. Die Lesart ast- bietet keinen semantisch sinnvollen Anschluss [idg. *azd- in gr. Ν( (< *azd-io-) ‚dörre, trockne‘, IEW, 69; idg. *ost- in ai. ásthi, av. ast(i)-, gr. . , alb. asht ‚Knochen‘, IEW, 783; idg. *ozdo- in gr. 6( «, arm. ost, ‚Ast, Zweig‘, got. asts, ahd. ast ‚Ast‘, IEW, 785 f.]. Für die Lesart ait- findet sich bei Pokorny lediglich ein Anklang: idg. *ai-ti-/-to- ‚Anteil‘ [in av. a¯eta ‚der gebührende Teil‘, gr. ρ (< *aitia) ‚Anteil, Schicksal‘, osk. aeteis ‚partis‘ etc., IEW, 10]. Das scheidet aber aus semantischen Gründen eher aus. Pokornys Ansatz idg. *ait- (IEW, 11) ist wohl in idg. *aidh- ‚Feuer‘ zu korrigieren (zur Wurzel *h2 eidh- ‚anzünden‘, LIV, 230), in gr. ρ « ‚Brand‘, ´ ‚Brennholz‘, ae. a¯ d , ahd. eit ‚Glut, Schei; ‚zünde an, brenne‘, ai. edhaterhaufen‘ [der Aetna, der vermutlich Ursache für Pokornys Irrtum ist, geht auf den in Italien gesprochenen gr. Dialekt mit verlorener Aspiration zurück]. Zu dieser Wurzel existiert ein kelt. u-Stamm *aidu-, im VN Aedui (< *aidu oi) und air. aed ‚Feuer‘ (Delamarre 2003, 35 f.). Rein formal könnte es sich bei A1 , wenn es Aitu-ia wiedergibt, um eine ja-Ableitung von diesem kelt. u-Stamm handeln. Dieser müsste dann aber lautverschoben worden sein (kelt. *aidu-ia > germ. *aitw-ja). Da es aber keine absicherbaren Belege für lautverschobene kelt. Wörter im Germ. gibt, erscheint das äußerst unwahrscheinlich. Zudem spricht die Lokalisierung im Gebiet der Jastorf-Kultur ebenfalls dagegen. Nicht auszuschließen ist noch, dass der
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Name aus einer idg. Sprache stammt, in der ein Verlust der Aspiration stattfand: *aidh- > *aid-, welches dann die germ. Lautverschiebung mitgemacht hätte. Einen semantisch sinnvolleren und formal einwandfreien Anschluss bietet aber die Wurzel idg. *oid- ‚schwellen‘, in gr. 1!, 1 ‚schwelle‘, ρ « ‚Geschwulst‘, arm. aitnum (< *oid-nu-mi) ‚ich schwelle‘, ahd. eiz ‚Eiterbeule, Geschwür‘ etc. (IEW, 774), vielleicht auch enthalten im balkanill. ON O1! (daneben der VN O;«, Krahe 1925, 30, 93). Folgt man diesem Anschluss, ergäbe das einen Fl.N auf der Grundlage eines idg. Wortes für ‚(an)schwellen‘ (vgl. TULIFURD). Dieser Fl.N hätte dann seinerseits die Grundlage des ON *oid-(o)u -ia¯- gebildet, der in seiner endgültigen Form (mit dem Fl.N identisch?, vgl. LUPPI) ein im Idg. weit verbreitetes Suffix aufweist. Aufgrund der Lokalisierung ist dieser ON wohl dem Gebiet zuzuweisen, in dem wahrscheinlich die Konstituierung des Germ. stattgefunden hat (Jastorf-Kultur). Somit könnte die Namensbildung zum einen noch eine vorgerm. sein, i.e. aus einer Zeit stammen, bevor sich die idg. Sprache der ansässigen Bevölkerung zum Germ. entwickelte, und folglich der ON die germ. Lautverschiebung mitmachte: vorgerm. *oid-(o)u -ia¯- > germ. *ait-(o)w-jo¯ -. Zum andern könnte es sich um eine frühe aber bereits germ. Bildung handeln, mittels eines aus dem Idg. ererbten Suffixes, der später ausgestorben ist. LUGIDUN (nicht germ.) Referenz: LaN I, 478; LaN II, 564. Überlieferung: Ptol. 2,11,28 ( , Nom. Sg. X; R W U Z 7 8). Lokalisierung und Kontext: 41. ‚Polis‘ im östlichen Mittelgermanien in der nördlichen der beiden mittleren Klimazonen auf 39° 30’ ÖL und 52° 30’ bzw. 52° 10’ NB zwischen K ! und 7. Dieser ON stellt offenbar ein Kompositum mit dem Zweitglied gall. du¯ non, latinisiert du¯ num ‚befestigter Platz, Burg‘ dar (zu air. dún ‚castra, arx‘; entspricht germ. *tu¯ n, in ae. tu¯ n ‚Zaun, Garten, Hof, Dorf, Stadt‘ > ne. town, aisl. tún ‚eingehegter Platz vor dem Haus, Hofplatz, Stadt‘, ahd zu¯ n > nhd. Zaun, IEW, 263), das sich häufig in kelt. ON findet (Holder I, 1375 ff.; Rasch 1950, 133 ff.). Der ganze Name wird in der Forschung mehrheitlich zu den gall. Parallelen Lug(u)-dunum gestellt und somit als kelt. gedeutet (Much 1897, 125 f.; Hoops III, 167; Schwarz 1931, 17; 21961, 39; Rasch 1950, 159). Laut Rasch (1950, 136) ist die Übersetzung von gall. lugos durch Kleitophon als ‚ (Rabe)‘ der Bedeutung nach kaum aus dem Idg. zu erklären; eine andere
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Erklärung bezeichnet als ‚Wunschberg‘; die beste Deutung für Rasch ist die von Heiricus (Vita S. Germani) als ‚mons lucidus‘, zu idg. *leug- ‚hell, glänzend‘, was ihn zur Deutung ‚leuchtende‘ oder ‚glänzende Burg‘ führt. Allerdings liegt hier die Form - statt Lug(u)-dunum vor. Rasch (1950, 159) argumentierte daher mit einem Schreibfehler -i- für -u- bei „allein berechtigtem Lugudunum“, ohne diesen ausreichend begründen zu können. Schwarz (21961, 39) umging dieses Problem, indem er den ON zum kelt. PN Lugios stellte. Dieser Ansatz ist formal und semantisch möglich. Much (1897, 124) erwog die Möglichkeit, dass der ON vielleicht mit dem VN Lugii zu verbinden sei (wie bei Batavodurum), verwarf diesen Vorschlag aber sofort wieder zugunsten der gall. ON Lug(u)dunum (s. o.); für Much stelle Lugii einen „Oberbegriff “ dar, und ein damit gebildeter ON sei unwahrscheinlich. M.E. besteht in Anbetracht des Fugenvokals -i- durchaus die Möglichkeit, der ON gehe auf den VN zurück. Der VN Lugii wird beinahe einhellig mit got. liuga ‚Ehe‘, afries. logia ‚heiraten‘, ahd. ur-liugi < *uz-liugja- ‚Krieg, i.e. vertragloser Zustand‘ etc. bzw. air. lu(i)ge ‚Eid‘ < *lug hio- [kymr. llw, bret. le ‚dass.‘] in Verbindung gebracht, als Fortsetzung einer idg. Wurzel *leu g h-/lug h- ‚(be)schwören, sich vertraglich binden‘ und in etwa als ‚Eidgenossen‘ gedeutet (s. dazu Grünzweig, Germ. Ethn., 199 ff.). Strittig ist, ob der Name germ. oder kelt. sei. Das Hauptproblem stellt dabei die Vollstufe der germ. Appellativa gegenüber der Schwundstufe im VN dar, da schwundstufige Ableitungen auf -ja- die Ausnahme darstellen (vgl. vollstufiges *uz-liugja-). Ein kelt. Exonym ist daher nicht von vorn herein auszuschließen (man vgl. die ähnlich zu lokalisierende Großgruppe der Vandili = germ. Endonym?, s. Grünzweig, Germ. Ethn., 295 f.). Anderseits besteht die Möglichkeit, dass es sich bei der Grundlage des VN (oder beim VN selbst?) um ein Lehnwort aus dem Kelt. handelt (wie tw. auch für die germ. Appellative vermutet und bei Begriffen aus dem gesellschaftlichen Bereich nicht selten: z. B. germ. *r¯ıkja- ‚mächtig‘ zu kelt. -r¯ıx) und der Name als germ. empfunden wurde. Auf den ON zurückkommend, so weist das Determinativkompositum Lugi-dunon ein zweifelsfrei kelt. Hauptglied -dunon ‚Burg, Stadt‘ auf. Bei der Annahme, der VN Lugii stelle ein kelt. Exonym dar, würde der ganze Name eine sprachlich unauffällige kelt. Fremdbezeichnung darstellen. Bei der Annahme eines germ. bzw. germ. empfundenen VN läge eine Hybridbildung vor. Es könnte sich in diesem Fall wieder um eine kelt. Fremdbezeichnung handeln, basierend auf einem germ. VN. In beiden Fällen wäre es naheliegend, kelt. Gewährsleute für die dem Ptolemaios vorliegende Quelle anzunehmen, die den Namen in der Form ihrer Muttersprache nannten. Zuletzt könnte es sich um eine germ. Eigenbezeichnung han-
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deln, gebildet mittels eines Lehnwortes ‚Burg‘ (aufgrund höheren Prestiges der kelt. Sprache?), wobei zu bedenken ist, dass eindeutige germ. Bildungen auf germ. *burg- fehlen; diese sind stets um -ja- zu -burgion/-burgium erweitert und könnten auf Berge zu beziehen sein (s. ASCIBURGI 1). Zu guter Letzt kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass die mehrheitliche Ansicht zutrifft, und der Name ein weiteres Bsp. für häufig anzutreffendes kelt. Lug(u)dunum darstellt (man vgl. das in der Nähe angesetzte K und die gleichnamigen Orte in Raetien und Pannonien, Ptol. 2,11,29 bzw. 2,12,8 u. 2,14,5). Dann wäre er vom VN zu trennen. OSAND (nicht germ.) Referenz: LaN I, 537; LaN II, 586. Überlieferung: Ptol. 2,11,29 (#O!, Nom. Sg. X; $! 8). Lokalisierung und Kontext: 75. „Polis“ im Südosten Germaniens in der südlichen der beiden mittleren Klimazonen auf 43° ÖL und 50° 20’ (8) bzw. 50° 50’ (X) NB nach K . Nach Sˇimek (III, 99 ff.) stellt es eine Station auf einem Handelsweg von Carnuntum/Brigetio-Kelamantia zur Weichselmündung dar (bei Trentschin?). Rasch (1950, 78) schloss eine Lokalisierung bei Alt-Sendak oder Olomouc nicht aus. Den Ort südlicher anzusetzen (so auch Steche 1937, 145; Sˇimek III, 118; Hansen 1991, 579) ist zwar nicht von vorn herein auszuschließen. Dagegen spräche mit Reichert (RGA 22, 305) aber, dass der Ort näher an der Donau als an der Ostsee angegeben wird, demnach eher von der Donau aus berechnet wurde und nicht von der zu weit nördlich angesetzten Ostseeküste. Pokorny (1936a, 321) lokalisiert allgemein in Schlesien. In der Forschung wird die Lesart #A! bevorzugt. Much (1897, 141 ff.) verglich mit aus #A« bzw. #A« emendiertem *#A« (ASKAUL) (zustimmend: Krahe 1936, 574; Pokorny 1936a, 321; skeptisch: Schwarz 1931, 18; Rasch 1950, 215). Zudem setzte Much (a.a.O.) die beiden ON kurzerhand gleich. Das ist mit Reichert (RGA 22, 305) nicht akzeptabel, da die Gradangaben bei Ptolemaios nicht so willkürlich sind. Krahe (1936, 574) verglich zusätzlich mit dem ON A (Ptol. 2,16,9) = Ausancalione (Tab. Peut.) in Dalmatien, da der Wandel -au- > -a- für das „Ill.“ charakteristisch sei (Krahe 1931,17 f.). Pokorny (1936b, 77) erhob dagegen den Einwand, dass der Lautwandel -au- > -a¯ - erst für die röm. Kaiserzeit belegt ist und daher kaum vor der Keltisierung des böhmischen Raumes dort stattgefunden haben kann [vgl. auch Ausancalione in der Tab. Peut.]. Kretschmer (1933, 123) deutete A/Ausancalione als Ort der Ausancali = Aurunculi (älter #A9 «) (= Osker), die nach Liburnien gezogen seien; er setzt #A! (mittels ill. Lautwandel -au- > -a-) mit lat.
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Aurunca (< *Ausonca) gleich, ihrem Hauptort in Italien. Auch hier gilt der berechtigte Einwand Pokornys, dass dieser Lautwandel erst für die röm. Kaiserzeit belegt ist (s. o.). Much (1905, 105) zog später noch den korsischen ON 5A als Vergleich hinzu, und #A! stelle zudem eine vorgerm. Entsprechung zum Asciburgion-Gebirge ‚Eschengebirge‘ (ASKIBURGI 2) dar (vgl. russ. jasenч ‚Esche‘ [< idg. *osen-], lit. úosis ‚Esche‘ [< idg. *o¯ sis, IEW, 782], Much Hoops I, 131). Pokorny (1936b, 76; vgl. 1940, 60) führte diesen Vorschlag weiter aus, da „Ill.“ und Lig. sehr enge Beziehungen aufweisen; das Suffix idg. *-enk-: *-n k- erscheine im „Ill.“ und Lig. als -ink-: -ank- (s. Krahe 1925, 56 f.) (wie auch im Gall., entsprechend germ. -ing-: -ung-; s. Schwarz 1931, 17; zur Suffixentsprechung s. auch Much Hoops III, 393; Krahe 1925, 56 f.; Reichert RGA 22, 305); wie Much an russ. jasenч ‚Esche‘ anzuschließen, könne aber nicht sein, da bei Ableitung von *osen- eher *asen-ka zu erwarten wäre; weiters gehöre wahrscheinlich der ven. ON O¯sopus als ‚Eschenbach‘ hierher und in Korsika wäre das o- erhalten geblieben, weshalb diese Herleitung unwahrscheinlich sei. Pokorny (a.a.O., 77) ging daher von einem möglicherweise nichtidg. Ursprung aus und vermutete, dass #A! vielleicht zum mediterranen Nomen as(s) ‚Stein‘ gehöre. Nach Güntert (1932, 23 f.) sei dieses in vorgr. $!- « ‚Steinwanne‘, im lakonischen ON #A, im dalmatinischen ON Asamum und im thrak. Fl.N %A « ‚Steinbach‘ enthalten. Pokorny (a.a.O.) stellte diesen Beispielen noch den nordafr. Fl.N #A! «, den lig. ON Asmantia, den umbr. ON Asisium zur Seite; vielleicht gehören dazu auch die etr. PN As-urius, As-ernia und As-nius. Eine weitere Möglichkeit stellt für Pokorny auch ein Anschluss an die idg. Wurzel *a¯s- ‚brennen, glühen‘ dar [in lat. a¯ rea ‚freier Platz (ausgebrannte, trockene Stelle)‘, nhd. Esse (< *asio¯ n), ahd. erin (< *azena) ‚Diele, Boden‘, aisl. arinn ‚Erhöhung, Feuerstätte‘, Walde/Hofmann I, 65]; aber Pokorny ist in jedem Fall zuzustimmen, dass as- eine so einfache Lautkombination darstellt, dass hier Vorsicht geboten ist. Rasch (1950, 215) zog als einziger die Lesart #O! heran: unter Vorbehalt ließe sich dieses auf ein *Osanta zurückführen, bei dem ein Stimmhaftwerden des Dentals nach Nasal, eingetreten wäre (dazu Krahe 1931, 23); dieses könnte eine t-Weiterbildung zu idg. *o¯ s-en- ‚Esche‘ darstellen (Walde/Pokorny I, 184; IEW 782), zumal auffallend sei, dass die pann. Osi(i) in derselben Gegend gesucht werden müssen. Pokorny (1936a, 321) stellt auch diesen VN zum Eschenwort, was aber sehr unsicher ist, da in den westidg. Sprachen *o¯s- immer um -n- oder -k- erweitert ist (s. Sitzmann, Germ. Ethn. 219, mit Lit.; vgl. ASKIBURGI 1). Bei einem vom Eschenwort ausgehenden Ansatz des ON ist der VN wohl fernzuhalten.
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Das -d-Suffix in #O! könnte aber auch anders erklärt werden. Ein germ. lautverschobenes idg. *-nt-´- > germ. *-nd–- (s. Meid 1967, § 129) scheidet aufgrund der Lokalisierung aus, da sich das wahrscheinliche Gebiet, in dem sich wohl das Germ. konstituiert hat (Jastorf-Kultur), viel zu weit entfernt liegt (s. RGA 16, 49, Abb. 2). Kretschmer (1932, 220 f.) erwähnt, dass zahlreiche ON in Kleinasien, vorgr. ON sowie etr. Namenbelege ein Suffix -nd- bzw. -n- aufweisen. Wahrscheinlicher als eine voridg. ist es aber eine idg. Namenbildung anzunehmen, zumal sich auch dort, selten aber doch, Bildungen auf -(n)d- nachweisen lassen (Brugmann/Delbrück II, 1, 468 ff.). Am ehesten zu vergleichen ist wohl lat. gla¯ ns, glandis, russ.-ksl. zˇeludц (< *zˇelo˛dч < [*]gelandu-,1 s. Vasmer REW, s.v. zˇëludц) ‚Eichel‘ und die Adjektivierung mittels Suffix -ra- lit. giléndra ‚reiche Ernte an Früchten (wohl ursprünglich Eicheln)‘. Mit Pokorny (IEW, 472 f.) stellen diese Wörter wohl Erweiterungen um -nd- von einem verlorengegangenen idg. *g we l- ‚Eiche‘ dar, das nur noch in Ableitungen in der Bedeutung ‚Eichel‘ vorhanden ist, vgl. gr. *! « (< *g we l-əno-), arm. katin, katnoi [< *g we l(ə)-eno-] ‚Eichel‘. Im Gr. finden sich Patronymika und verwandte PN wie 0E «, K« bzw. 7/«, 0I/«, die einen weiteren Hinweis auf die Bedeutung des Suffixes als Zugehörigkeitsbildungen liefern könnten (s. Brugmann/Delbrück II, 1, 470 f.). Bei der vorliegenden Lesart #O! ist es denkbar, dass es sich, wie auf anderem Wege von Rasch vorgeschlagen, um eine Ableitung mittels -(n)d- vom idg. Eschenwort *o¯s-en- handelt (vgl. lat. ornus ‚Bergesche‘ < *os-en-os, russ. jasenч ‚Esche‘ < *os-en-, zum Langvokal lit. úosis ‚Esche‘ < *o¯ s-is, IEW, 782). Ob es sich bei dieser Herleitung mit Much (1905, 105) tatsächlich um eine vorgerm. Entsprechung zum Asciburgion-Gebirge ‚Eschengebirge‘ (ASKIBURGI 2) handeln würde, bleibe dahingestellt.
1
Diese Notation urslawischer Lautung folgt dem Modell Georg Holzers (z. B. Holzer 1998; 2003). Urslawisch bezeichnet hierbei den einheitlichen Lautstand des Slawischen um 600 n. Chr., der anhand von Lehnbelegen (aus den das Slawische umgebenden Sprachen bzw. Entlehnungen in dieselben) rekonstruierbar ist. Auf die Kennzeichnung mit Asterisk wird von Holzer verzichtet, um eine Unterscheidung von auf klassische Weise (durch den Vergleich der slawischen Tochtersprachen) rekonstruierte, ebenfalls Urslawisch genannte Lautungen zu ermöglichen. Daher werden von mir nach Holzer angesetzte urslawische Lautungen mit Asterisk in eckigen Klammern gekennzeichnet ([*]), um eine Unterscheidung zu ermöglichen.
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Abkürzungen ae. afr. afries. ahd. ai. air. aisl. alb. arm. av. bret. etr. Fl.N gall. germ. got. gr. idg. ill.
altenglisch afrikanisch altfriesisch althochdeutsch altindisch altirisch altisländisch albanisch armenisch avestisch bretonisch etruskisch Flussname gallisch germanisch gotisch griechisch indogermanisch illyrisch
kelt. ksl. kymr. lat. lig. lit. NB ne. nhd. ÖL ON osk. PN röm. russ. thrak. umbr. ven. VN
keltisch kirschenslawisch kymrisch latein ligurisch litauisch Nördliche Breite neuenglisch neuhochdeutsch Östliche Länge Ortsname oskisch Personenname römisch russisch thrakisch umbrisch venetisch Völkername
Literatur Brugmann/Delbrück I–III = Brugmann, Karl/Delbrück, Berthold (1897–1916): Grundriß der vergleichenden Grammatik der indogermanischen Sprachen, zweite Bearbeitung, Straßburg. C.I.L. = Corpus Inscriptionum Latinarum (1863 ff), Berlin.
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Friedrich E. Grünzweig
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Namen des Frühmittelalters – RGA-E Band 66 – Seiten 173–187 Personennamen in Ortsnamen © Copyright 2009 Walter de Gruyter · Berlin · New York
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Lexikographische Bearbeitung der aus Ortsnamen erschlossenen slawischen Personennamen (am Material des ehem. altsorbischen Sprachgebietes) Inge Bily
1 Einleitung Im Rahmen der Erforschung slawischer Personennamen (PN) wurden neben den bereits vorliegenden Arbeiten (Schlimpert DS 32; Tr. 1, 41–56: Kap. I „Ortsnamen aus Vollnamen“; Svob.; Benesˇ; SSNO; Malec 1; Malec 2; Malec Onomastica VII; Malec Onomastica XXII, XXIII; außerdem Rospond -jц und Rospond OSG XII mit reichem Material zu den zweigliedrigen slawischen Vollnamen) weitere grundlegende Nachschlagewerke (Wenzel Wb.; Rymut Słownik) wie auch theoretisch-methodologische Studien (Wenzel 1987; Wenzel 1994) geschaffen, die für die Erklärung wie auch die siedlungsgeschichtliche und namentypologische Einbindung von Ortsnamen (ON) unentbehrlich sind. Außerdem sei an die Vorträge auf der I. Internationalen Konferenz zur slawischen Anthroponomastik, die vom 17.–18. Dezember 1991 in Leipzig stattfand, erinnert, die als Beiheft 17 der Namenkundlichen Informationen unter dem Titel „Anthroponymica Slavica“ von Walter Wenzel herausgegeben wurden (Wenzel 1993). Die Ergebnisse anthroponomastischer Untersuchungen bieten dem Ortsnamenforscher nicht selten Nachweise, die Lücken in den Belegreihen von Ortsnamen schließen helfen. Sie steuern mitunter sogar ältere als bisher bekannte Belege bei (Wenzel 2000, 129 u. 131), wodurch aus einer bisher als unsicher geltende Deutung eine sichere werden kann (Atlas Heft 2, 15–16). Andererseits wird aus den slawischen Ortsnamen wertvolles Material für die Erforschung der Personennamen erschlossen. Eine Untersuchung der aus den Ortsnamen des ehem. altsorbischen (aso.) Sprachgebietes rekonstruierten zweigliedrigen slawischen Vollnamen (VN) hat E. Eichler (DS 19, 171–217 und 294 ff.) mit dem Ziel vorgelegt, eine Typologie der Ortsnamen, die aus diesen Personennamen abgeleitet sind, zu schaffen, wobei, der Zielstellung der Untersuchung entsprechend, der jeweilige Ortsname als Stich-
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wort fungiert. Unter Einbeziehung von Vergleichsnamen werden die Vollnamen und ihre Namenglieder erklärt. Eine namentypologische Karte (DS 19, Karte 1, 216/217) gibt Auskunft über die Verbreitung im Untersuchungsgebiet. Slawisch-deutsche Mischnamen sind in einem eigenen Teil angeschlossen. Eine zusammenfassende Übersicht der aus Ortsnamen des ehem. altsorbischen Sprachgebietes rekonstruierten slawischen Personennamen wird jedoch bisher vermisst. Gedacht ist dabei an ein Verzeichnis, das, ähnlich einem Personennamenbuch, einen Überblick über vorhandene slawische Personennamen (Vollnamen bzw. Namenglieder und auch Kurznamen) ermöglicht. Als Grundlagen für die Schaffung von Verzeichnissen der in den Ortsnamen unseres Arbeitsgebietes enthaltenen slawischen Personennamen werden vor allem die Ortsnamenbücher der Reihe „Deutsch-Slawische Forschungen zur Namenkunde und Siedlungsgeschichte“, außerdem die erste zusammenfassende Behandlung slawischer Ortsnamen des ehem. altsorbischen Sprachgebietes durch E. Eichler (Eichler Slaw. ON) sowie das Historische Ortsnamenbuch von Sachsen (Hist. ONB Sachsen 3, 217–227: Register der slawischen Personennamen in Ortsnamen) angesehen, aber auch Untersuchungsergebnisse, die in Aufsätzen zusammengefasst sind (Hengst Bosauer ZV). Weiterhin sind die Arbeiten zu den slawisch-deutschen Mischnamen (Hybride) auszuwerten, d. h. außer der Darstellung E. Eichlers in den „Studien zur Frühgeschichte slawischer Mundarten zwischen Saale und Neiße“ (DS 19, 211–213) die Aufsätze bzw. Vorträge zu diesem Thema von H. Naumann (Naumann 1993), E. Saß (Saß 1986; Saß 1993) und H. Walther (Walther 1978). Als ein wichtiger Ausgangspunkt für die Erschließung der in den Ortsnamen des altsorbischen Gebietes enthaltenen Personennamen ist der Atlas altsorbischer Ortsnamentypen (Atlas Hefte 1, 2, 3/4, 5) anzusehen, besonders das alphabetische Register der rekonstruierten altsorbischen Personennamen in den untersuchten Ortsnamen – ergänzt durch rekonstruierte altpolabische Vollnamen in Ortsnamen (Atlas Heft 5, 35–81), denn neben der typologischen Bearbeitung von Siedlungsnamen des ehem. altsorbischen Gebietes und der kartographischen Darstellung der Untersuchungsergebnisse im Atlas altsorbischer Ortsnamentypen, wurden im Rahmen der Arbeiten an den Ortsnamen auch Ergänzungen zu vorhandenen Sammlungen slawischer Personennamen gewonnen.
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2 Vorschlag einer lexikographischen Bearbeitung der aus Ortsnamen erschlossenen slawischen Personennamen 2.1 Anlage und Aufbau eines Stichwortes Als Stichwort fungiert der aus einem Ortsnamen rekonstruierte altsorbische Personenname. In Klammern steht die Frequenz des Personennamen in den bisher im Atlas altsorbischer Ortsnamentypen untersuchten Ortsnamen. Die Ordnung des Materials erfolgt alphabetisch nach den aus den Ortsnamen rekonstruierten Personennamen. Auf die Erklärung der Namenglieder mit ihrer Rückführung auf altkirchenslawische (aksl.) Ableitungsbasen folgt der Hinweis auf das ortsnamenbildende Morphem, anschließend der Ortsname, aus dem der Personenname rekonstruiert wurde, mit seinem Erstbeleg, der rekonstruierten altsorbischen Grundform (Grf.) sowie den entsprechenden Quellen der Bearbeitung des Ortsnamen (Ortsnamenbücher; Atlas altsorbischer Ortsnamentypen; Verzeichnisse von aus Ortsnamen rekonstruierten altpolabischen Vollnamen [Schmitz 1993; Müller 2000]). Belege für das Vorkommen von Namengliedern als Zweitglied eines Vollnamen bilden den Abschluß einer Stichwortbearbeitung.
2.2 Beispiel Als Beispiel wird nachfolgend L’ub, das zu den produktivsten Ableitungsbasen gehört (Wenzel Studien, Bd. 1, S. 65), vorgestellt, und zwar als Ableitungsbasis von Kurznamen bzw. als Erstglied zweigliedriger slawischer Vollnamen (s. Punkt A) und auch als Zweitglied zweigliedriger slawischer Vollnamen (s. Punkt B). A: L’ub- als Ableitungsbasis von Kurznamen bzw. als Erstglied zweigliedriger slawischer Vollnamen *L’ub(a) (3) l’ub-: aksl. l’ubч ‚lieb‘ + ø-Suffix; zum PN L’ub(a) vgl. DS 32, 77 und Wenzel Wb. 1, 252, jeweils mit VglN. – Verbindung mit dem ON-Suffix -ici: ON Liebitz, Groß und Klein nso. Wjelike, Małe Libice, sw., ssw. Lieberose: 1420 Lubicze, aso. Grf. *L’ubici (DS 36, 185; Eichler Slaw. ON 2, 130; Wenzel ON NL 75; Atlas Heft 3/4, S. 68, 354).
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ON †Leubitz n. Burkartshain, sö. Wurzen: 1421 (PN) Lubitz, aso. Grf. *L’ubici (DS 13, 120; DS 31, 94 f.; Eichler Slaw. ON 2, 126; Hist. ONB Sachsen 1, 585 f.; Atlas Heft 3/4, S. 68, Nr. 355). ON †Löbitz bei Niederschmon, s. Querfurt: 1146 Lubice, aso. Grf. *L’ubici (Eichler Slaw. ON 2, 138; Atlas Heft 3/4, S. 68, Nr. 356). *L’uban (16) l’ub-: aksl. l’ubч ‚lieb‘ + Suffix -an; zum PN L’uban vgl. DS 32, 77 und Wenzel Wb. 1, 253, jeweils mit VglN. – Verbindung mit dem ON-Suffix + -ici: ON Löbnitz nö. Delitzsch: 995 Liubanisci, aso. Grf. *L’ubanici (DS 4, 71; DS 31, 97; Eichler Slaw. ON 139; Hist. ONB Sachsen 1, 608; Atlas Heft 3/4, S. 67, Nr. 337). ON Leubnitz sö. Dresden: 1227 de Lubanitz, aso. Grf. *L’ubanici (DS 11, 66; DS 31, 95; Eichler Slaw. ON 2, 126; Hist. ONB Sachsen 1, 586; Atlas Heft 3/4, S. 67, Nr. 338). ON Löbnitz/Bode ö. Staßfurt, nw. Bernburg: 1205 in Lubenize, aso. Grf. *L’ubanici (DS 31, 97; Eichler Slaw. ON 2, 139 f.; Atlas Heft 3/4, S. 67, Nr. 339). ON Löbnitz, Jena- nö. Jena, dazu †Oberlöbnitz, am Dorlberg zwischen Jenalöbnitz und Kleinlöbichau: 1209/28 (PN de) Lobeniz, Lubenytz, aso. Grf. *L’ubanici (DS 31, 98; Eichler Slaw. ON 2, 139; Atlas Heft 3/4, S. 67, Nr. 340). ON Löbnitz, Abt- nnö. Camburg, sw. Naumburg: 1225 (PN de) Lubiniz, aso. Grf. *L’ubanici (DS 35, 209; Eichler Slaw. ON 2, 139; Atlas Heft 3/4, S. 67, Nr. 341). ON Löbnitz sw. Köthen: 1252 Lubeniz, aso. Grf. *L’ubanici (DS 38, 251 f.; DS 31, 97; Eichler Slaw. ON 2, 139; Atlas Heft 3/4, S. 67, Nr. 342). ON Löbnitz n. Halle: 1270 Lobeniz, aso. Grf. *L’ubanici (DS 15, 52; Eichler Slaw. ON 2, 139; Atlas Heft 3/4, S. 67, Nr. 343). ON †Löbnitz ö. Wettin, nw. Halle: 1288 Lobenicz, aso. Grf. *L’ubanici (DS 15, 89; Eichler Slaw. ON 2, 140; Atlas Heft 3/4, S. 68, Nr. 344). ON Löbnitz s. Pegau, nw. Borna: 1267 Lubaniz, 1378 Lobenicz, aso. Grf. *L’ubanici (Göschel 88 f.; Eichler Slaw. ON 2, 139; Hist. ONB Sachsen 1, 608; Atlas Heft 3/4, S. 68, Nr. 345). ON †Löbnitz sö. Lichtenburg, sö. Prettin: 1419 zu Lubenitz, aso. Grf. *L’ubanici (DS 38, 252; Eichler Slaw. ON 2, 140; Atlas Heft 3/4, S. 68, Nr. 346). ON †Löbnitz w. Kleinzerbst, nö. Bad Schmiedeberg: 1442 Lobenitz, aso. Grf. *L’ubanici (DS 38, 252; DS 31, 97; Eichler Slaw. ON 2, 139; Atlas Heft 3/4, S. 68, Nr. 347).
Personennamen in Ortsnamen
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ON †Löbbenitz bei Arnstedt-Mehringen, n. Hettstedt, nö. Mansfeld: 1329 Lobenyz, aso. Grf. *L’ubanici (Eichler Slaw. ON 2, 136 f.; Atlas Heft 3/4, S. 68, Nr. 348). – Verbindung mit dem ON-Suffix + -ovici: ON Lemnitz sw. Triptis, sw. Gera: 1378 Lubenwicz, Lubinwicz, aso. Grf. *L’ubanovici (Rosenkranz 54; DS 31, 94; Eichler Slaw. ON 2, 121; Atlas Heft 3/4, S. 68, Nr. 349). ON Leubnitz ö. Mühltroff, sö. Schleiz: 1300 Lubenwicz, aso. Grf. *L’ubanovici (ON Vogtl. 52; DS 31, 95; Eichler Slaw. ON 2, 126; Hist. ONB Sachsen 1, 586; Atlas Heft 3/4, S. 68, Nr. 350). ON Leubnitz s. Werdau: 1381 Lybenicz, aso. Grf. *L’ubanovici (DS 7, 44; DS 31, 95; Eichler Slaw. ON 2, 126; Hist. ONB Sachsen 1, 586; Atlas Heft 3/4, S. 68, Nr. 351). ON Leumnitz ö. Gera: 1407 Lewbenitz, 1409 Lewbenicz, aso. Grf. *L’ubanovici (Rosenkranz 54; DS 31, 95; Eichler Slaw. ON 2, 126; Atlas Heft 3/4, S. 68, Nr. 352). Ebenso wohl Laubsdorf, nso. Libanojce sö. Cottbus: 1480 Labensdorff, 1647 z Lubanojc, aso. Grf. *L’ubanovici (DS 36, 182; vgl. auch Wenzel 2003, S. 75. *L’ub’ata (1) l’ub-: aksl. l’ubч ‚lieb‘ + Suffix -ata; zum PN L’ub’ata vgl. Wenzel Wb. 1, 253, mit VglN. – Verbindung mit dem ON-Suffix -ici: ON Lübs s. Leitzkau: 975 Liubatici, 1226/1266 Lubetzs, aso. Grf. *L’ub’atici (DS 38, 255 f.; Eichler Slaw. ON 2, 154; Atlas Heft 3/4, S. 68, Nr. 353). *L’ubisˇ (1) l’ub-: aksl. l’ubч ‚lieb‘ + Suffix -isˇ; zum PN L’ubisˇ vgl. DS 32, 78 und Wenzel Wb. 1, 254, jeweils mit VglN. – Verbindung mit dem ON-Suffix -ici: ON †Liubsici w. Asendorf und Dornstedt, ö. Querfurt: 830/50 Liubsici, 961 Liubisici, aso. Grf. *L’ubisˇici (Eichler Slaw. ON 2, 136; Atlas Heft 3/4, S. 69, Nr. 357). *L’ubobył ( 1 ) l’ub-: aksl. l’ubч ‚lieb‘ + -był: aksl. bylч Part. Prät. Akt.: byti ‚sein‘. Der PN L’ubobył ist bisher lediglich im u.g. ON nachweisbar. Zum Erstglied s. Rymut zasób 12. – Verbindung mit dem ON-Suffix -j-:
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ON Liebon, oso. Libon´ w. Bautzen: 1332 Leubobel, aso. Grf. *L’ubobyl’ (DS 28, 168; Eichler Slaw. ON 2, 130; Wenzel ON OL 104; Atlas Heft 2, S. 39, Nr. 29). *L’ubochoł/*L’ubochol (evtl. KurzN *L’ub/och/oł, ol) (1) l’ub-: aksl. l’ubч ‚lieb‘ + -chol: vgl. chol- u. a. in russ. cholit’ ‚pflegen, hätscheln‘, oso. nso. pachoł ‚Knabe, Bursche‘. Der PN L’ubochoł/L’ubochol ist bisher lediglich im u.g. ON nachweisbar. Zum Zweitglied -choł/-chol bietet sich vorerst kein Anschluß. – Verbindung mit dem ON-Suffix -j-: ON Leibchel, nso. Lubochol nö. Lübben: 1004 Liubocholi, aso. Grf. *L’ubochol’ (DS 19, 183; DS 36, 183; Eichler Slaw. ON 2, 114; Wenzel ON NL 74; Atlas Heft 2, S. 39, Nr. 30). *L’ubogost (3) l’ub-: aksl. l’ubч ‚lieb‘ + -gost: aksl. gostц ‚Gast‘, gostiti ‚bewirten‘; zum PN vgl.: atsch. Lubhost (Svob. 77 f. m. weiteren VglN); sorb. L’ubost < L’ubogost: 1668 Lubost (Wenzel Wb. 1, 254); apoln. Lubgost (SSNO 3, 283); ursl. *L’ubogostц (Trub. 15, 177) sowie die ON: Leugas: 1224 Leubgast; Leugast: 1247 Oberlubegast (Eichler NOB II 295, beide *L’ubogosˇcˇ). – Verbindung mit dem ON-Suffix -j-: ON Liebegast, oso. Lubhozdz´ sw. Wittichenau: 1419 Lubegast, aso. Grf. *L’ubogosˇcˇ (DS 19, 183; DS 28, 166; Eichler Slaw. ON 2, 129; Wenzel ON OL 103; Atlas Heft 2, S. 39, Nr. 31). ON Laubegast sö. Dresden: 1408 Lubgast, aso. Grf. *L’ubogosˇcˇ (DS 11, 64; DS 19, 182 f.; Eichler Slaw. ON 2, 105; Atlas Heft 2, S. 39, Nr. 32). – mit dem ON-Suffix -ici: ON Löbstedt nw. Jena: 1319 Lubgastiz, aso. Grf. *L’ubogostici (DS 19, 208; Atlas Heft 2, S. 61, Nr. 19). *L’ubol/*L’uboł (1) l’ub-: aksl. l’ubч ‚lieb‘ + Suffix -ol/-oł. Der PN L’ubol/L’uboł ist bisher lediglich im u.g. ON nachweisbar. – mit dem ON-Suffix -ici: ON Lubolz, Groß, Klein, nso. Wjelike, Małe Lubolce nw. Lübben: 1345 Luboltz, aso. Grf. *L’ubolici (DS 36, 189; DS 31, 99; Eichler Slaw. ON 2, 153 f.; Wenzel ON NL 78; Atlas Heft 3/4, S. 69, Nr. 358).
Personennamen in Ortsnamen
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*L’ubor (3) l’ub-: aksl. l’ubч ‚lieb‘ + Suffix -or; zum PN L’ubor vgl. DS 32, 78, dort als fraglicher PN, mit VglN. – Verbindung mit dem ON-Suffix -ici: ON †Leiberitz sö. Bitterfeld: 1388/1419 Libericz, 1424 Luberitz, aso. Grf. *L’uborici (DS 14, 47; DS 31, 94; Eichler Slaw. ON 2, 115; Atlas Heft 3/4, S. 69, Nr. 359). ON †Löberitz n. Wettin, nw. Halle: 1288 Lobricz, aso. Grf. *L’uborici (DS 15, 89; DS 31, 96; Eichler Slaw. ON 2, 137; Atlas Heft 3/4, S. 69, Nr. 360). ON Löberitz nö. Zörbig, w. Bitterfeld: 1207 de Luberiz, aso. Grf. *L’uborici (DS 14, 47; DS 31, 96; Eichler Slaw. ON 2, 137; Atlas Heft 3/4, S. 69, Nr. 361). *L’uborad (2) l’ub-: aksl. l’ubч ‚lieb‘ + -rad: aksl. radч ‚froh‘; zum PN L’uborad vgl. DS 32, 78 mit VglN; vgl. weiterhin: aplb. *L’uborad: 1232 Luberadi (Gen.) (DS 32, 78); apoln. Luboradz (SSNO 3, 289), Luborad (Malec 1, 93); ursl. *L’uboradч (Trub. 15, 178) sowie in den ON: Leibarös: 1310 Leuberoz (Eichler NOB II 295); eosl. Lebrade Kr. Plön: 1480 Lubrade (Tr. M 98; Schmitz Plön 92 f.; Schmitz 1993, 97; Müller 2000, 106). – Verbindung mit dem ON-Suffix -j-: ON Lieberose, nso. Luberaz s. Beeskow: 1272 Luberose, aso. Grf. *L’uboraz´ (DS 19, 183; DS 36, 185; Eichler Slaw. ON 2, 129 f.); Wenzel ON NL 75; Atlas Heft 2, S. 39, Nr. 33). ON Liebersee sö. Belgern: 1251 Lubrose, aso. Grf. *L’uboraz´ (DS 19, 183; DS 38, 247; Eichler Slaw. ON 2, 130; Atlas Heft 2, S. 39, Nr. 34). *L’uborsˇ (1) l’ub-: aksl. l’ubч ‚lieb‘ + Suffix -or/sˇ. Der PN L’uborsˇ ist bisher lediglich im u.g. ON nachweisbar. – Verbindung mit dem ON-Suffix -ici: ON Löberschütz nö. Jena: 1227 (PN de) Lubersitz, 1262 Lubersiz, Luberschicz, aso. Grf. *L’uborsˇici (Fuhrmann 163; DS 31, 96 f.; Eichler Slaw. ON 2, 137; Atlas Heft 3/4, S. 69, Nr. 362). *L’ubosˇ (12) l’ub-: aksl. l’ubч ‚lieb‘ + Suffix -osˇ; zum PN L’ubosˇ vgl. Wenzel Wb. 1, 254, mit VglN. – Verbindung mit dem ON-Suffix -ici:
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ON Löbschütz sö. Bad Kösen, w. Naumburg: 1161/86 Lubscic, aso. Grf. *L’ubosˇici (DS 35, 209; DS 31, 98; Eichler Slaw. ON 2, 140; Atlas Heft 3/4, S. 69, Nr. 363). ON Löbschütz nö. Lommatzsch: 1216 Lubiziz, aso. Grf. *L’ubosˇici (DS 20, 172; DS 31, 98; Eichler Slaw. ON 2, 140; Hist. ONB Sachsen 1, 608; Atlas Heft 3/4, S. 69, Nr. 364). ON Lobstädt nw. Borna: 1279 (ad. a. 1215) Lobsciz, aso. Grf. *L’ubosˇici (Göschel 89 f.; DS 31, 98; Eichler Slaw. ON 2, 141; Hist. ONB Sachsen 1, 609; Atlas Heft 3/4, S. 69, Nr. 365). ON Löbschütz nö. Pegau, w. Borna: 1307 Lobscitz, aso. Grf. *L’ubosˇici (Göschel 89; DS 31, 98; Eichler Slaw. ON 2, 141; Hist. ONB Sachsen 1, 609; Atlas Heft 3/4, S. 69, Nr. 366). ON Löbschütz s. Kahla, s. Jena: 1365 Lobescnitz, Lobsnicz, aso. Grf. *L’ubosˇici (DS 35, 209; DS 31, 98; Fuhrmann 163; Eichler Slaw. ON 2, 140; Atlas Heft 3/4, S. 69, Nr. 367). ON Löbschütz sö. Nerchau, nö. Grimma: 1446 Lobeschicz, Lobißwitz, Lobischitz, aso. Grf. *L’ubosˇici (DS 13, 123; DS 31, 98; Eichler Slaw. ON 2, 140 f.; Hist. ONB Sachsen 1, 609; Atlas Heft 3/4, S. 69, Nr. 368). ON ehem. dt. Liebesitz s. Guben, ehem. nso. Lubosˇojce, h. poln. Luboszyce: 1452 Lubusyß, 1477–1557 Lubßitz, 1527 Lubeˇsis, aso. Grf. *L’ubosˇici (Bösselmann Mskr. NL 62 f.; NGS´ 7, 32 f.; DS 31, 96; Eichler Slaw. ON 2, 130; Atlas Heft 3/4, S. 69, Nr. 369). ON Lübschütz nw. Wurzen: 1012/18 Liubizici, aso. Grf. *L’ubosˇici (DS 13, 124; DS 31, 99; Eichler Slaw. ON 2, 154; Hist. ONB Sachsen 1, 624; Atlas Heft 3/4, S. 70, Nr. 370). – Verbindung mit dem ON-Suffix -ovici: ON †Lübschütz, Lüschwitz bei Ronneburg: 1209 (PN de) Lubschitz, …, 1229 Lubuwiz, …, 1316 (PN von) Lubschewicz, aso. Grf. *L’ubosˇ(ov)ici (Eichler Slaw. ON 2, 154; Atlas Heft 3/4, S. 70, Nr. 371). ON Liebschütz nö. Oschatz: 1233 Lubezic, 1307 (PN de) Lubeschwicz, aso. Grf. *L’ubosˇ(ov)ici (DS 20, 168; DS 31, 96; Eichler Slaw. ON 2, 130; Hist. ONB Sachsen 1, 596; Atlas Heft 3/4, S. 70, Nr. 372). ON Liebschütz sw. Ziegenrück, sö. Pößneck: 1258 Lobesiz, aso. Grf. *L’ubosˇ(ov)ici (DS 31, 96; Eichler Slaw. ON 2, 130; Atlas Heft 3/4, S. 70, Nr. 373). ON Liebschwitz s. Gera: 1303 (PN de) Lubelwicz, 1243 (PN de) Lubswiz, aso. Grf. *L’ubosˇ(ov)ici (Hengst GP; DS 31, 96; Eichler Slaw. ON 2, 130 f.; Atlas Heft 3/4, S. 70, Nr. 374).
Personennamen in Ortsnamen
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*L’ubota (1) l’ub-: aksl. l’ubч ‚lieb‘ + Suffix -ota; zum PN L’ubota vgl. Wenzel Wb. 1, 254, mit VglN. – Verbindung mit dem ON-Suffix -ici: ON Liptitz ö. Mutzschen, ö. Grimma: 1245 Lvps, 1372 Lupticz, aso. Grf. *L’ubotici (DS 20, 171; DS 31, 96; Eichler Slaw. ON 2, 134; Hist. ONB Sachsen 1, 604; Atlas Heft 3/4, S. 70, Nr. 375). *L’ubovad (1) l’ub-: aksl. l’ubч ‚lieb‘ + -vad: aksl. vaditi ‚anklagen, verleumden‘. Der PN L’ubovad ist bisher lediglich im u.g. ON nachweisbar. – Verbindung mit dem ON-Suffix -j-: ON †Lubas oso. Luboz OT v. Niedergurig, nö. Bautzen: 1490 Lubewoß, aso. Grf. *L’ubovaz´ (DS 28, 386 f.; Eichler Slaw. ON 2, 152; Wenzel ON OL 108: dort wird der ON auf der Grundlage des neuerlichen Belegs 1400 ff. von Lobewys als wahrscheinlich zur aso. Grf. *L’uboveˇz´ gestellt, zum PN *L’uboveˇd, mit einem Zweitglied zu urslaw. *veˇdeˇti ‚wissen, kennen‘, vgl. oso. weˇdz´ec´, nso. weˇz´es´ ‚wissen‘ und mit Vergleichsnamen: apoln. Bog(u)wiad, Niegowiad und Niewiad sowie atsch. *Zloveˇd; Atlas Heft 2, S. 39, Nr. 35). *L’ubusˇ (2) l’ub-: aksl. l’ubч ‚lieb‘ + Suffix -usˇ; zum PN L’ubusˇ vgl. DS 32, 78 und Wenzel Wb. 1, 254, jeweils mit VglN. – Verbindung mit dem ON-Suffix -ici: ON †Liubusize in der Gegend von Zerbst: 1003 Liubusize, aso. Grf. *L’ubusˇici (DS 38, 424; Eichler Slaw. ON 2, 136; Atlas Heft 3/4, S. 70, Nr. 376). B: -l’ub als Zweitglied zweigliedriger slawischer Vollnamen Hierzu sind folgende Vollnamen in Ortsnamen zu vergleichen: *Sel’ub im ON: †Zell(e)uben, Zelben n. Altenburg, sö. Primmelwitz, am linken Pleißenufer: 1278 villa Celuben, aso. Grf. *Sel’ubin- (Hist. ONB Sachsen 2, 635; Atlas Heft 2, Nr. 5, S. 76) und *V’sˇel’ub im ON: Wuschlaub nw. Hohenmölsen: um 1300 Wislop, aso. Grf. *V’sˇel’ub’ (DS 35, 338 f.; Atlas Heft 2, Nr. 88, S. 43), vgl. auch die ON: weißruss. Vseljub / poln. Wsielub’ (RGN 2, 216 / SG 14, 65).
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3 Schlußbemerkungen Mit der Bearbeitung der aus Ortsnamen des ehem. altsorbischen Gebietes rekonstruierten Personennamen wird für die Erforschung der Personennamen wie auch für die weitere Arbeit an Ortsnamen wertvolles Vergleichsmaterial gewonnen, das sich größtenteils auf alte Belege stützt, die in Einzelfällen bis ins 10. Jh. zurückreichen. Die Analyse slawischer Personennamen in Ortsnamen belegt, dass die aus den Ortsnamen rekonstruierten Personennamen mitunter den bisher einzigen Nachweis dieses Personennamen im ehem. altsorbischen Gebiet liefern, vgl. z. B. bei der Behandlung der Ableitungsbasis L’ub- die Personennamen L’ubobył und L’uborsˇ. Die Möglichkeiten der Auswertung der im Atlas altsorbischer Ortsnamentypen zusammengefassten Informationen sind mit der Schaffung dieses Atlasses selbst noch nicht erschöpft, denn das gespeicherte Material wie auch die Ergebnisse stehen als Grundlage und Ausgangspunkt für weitere Forschungen zur Verfügung, z. B. für eine strukturelle und semantische Analyse der in den Ortsnamen enthaltenen anthroponymischen Ableitungsbasen. Über die vorgestellten Ergebnisse hinaus ist der Atlas somit gleichzeitig auch Materialgrundlage und -quelle für Untersuchungen zur Struktur und Frequenz der in den Ortsnamen enthaltenen slawischen Personennamen (zweigliedrige Vollnamen ebenso wie Kurznamen). Eine über den Atlas hinausgehende weitere Nutzung wurde bei der Materialerfassung durch entsprechende Markierung der Daten bereits berücksichtigt.
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Inge Bily
Namen des Frühmittelalters – RGA-E Band 66 – Seiten 189–192 Nochmals zu Thietmars Umgang slavischen © Copyright 2009 Walter de Gruyter · Berlinmit · New York Namen in seiner Chronik
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Nochmals zu Thietmars Umgang mit slavischen Namen in seiner Chronik Ernst Eichler
Wir haben zwar vor längerer Zeit (1988) eine Analyse der Wiedergabe slavischer Namen (Ortsnamen, Personennamen usw.) in Thietmars Chronik vorgelegt, ebenso auch die wichtigste Literatur bewertet, doch bleibt noch eine Reihe von Problemen zu erörtern, die nach wie vor nicht befriedigend geklärt sind (Eichler 1988). In den letzten beiden Jahrzehnten ist zwar die Namenforschung der von Thietmar berührten Regionen mit Orten, die in einer Chronik genannt werden, weit vorangeschritten (vgl. Eichler 1985 ff.; Eichler-Walther 1984; Bily 1996 u. a.), doch eine systematische sprachhistorische Analyse der grafischen Wiedergabe von slavischen Namen in der Chronik, wie sie auch szt. bereits 1967, also vor mehr als vierzig Jahren, der Hallenser Slavist Dietrich Freydank in seiner Kritik von W. Trillmichs Thietmar-Ausgabe (Freydank 1967) gefordert hatte, steht immer noch aus. Wir haben es allerdings im Rahmen dieses Beitrags noch nicht vermocht, diesen Wunsch zu erfüllen und mußten uns für eine gewisse Zwischenlösung entscheiden, die darin besteht, daß einige zentrale Problem der Wiedergabe der slavischen Namen im grafischen Gewand der Chronik beleuchtet werden sollen, um auch ihren hohen Wert für die Sprachgeschichte erneut zu dokumentieren. Die Integration slavischer Onyme (Toponyme wie Anthroponyme) ist seit langem Gegenstand der Forschung, mit zunehmenden Erkenntnissen entsprechend der internationalen Sprachkontaktforschung. Vor allem die Lautersatzlehre, wie sie traditionell bezeichnet wird (seit E. Schwarz, E. Kranzmeyer und anderer Forschungen) hat sich als brauchbares Gerüst für die Rekonstruktion der slavischen Onyme bewährt. Neben sie trat jedoch auch die Betrachtung der Morpheme, vor allem solcher im Auslaut, die das Bild der Stämme und Wurzeln ergänzen muß (Eichler-Walther 1988), in der Nachfolge struktureller Betrachtungsweisen auch in anderen mehrsprachigen Gebieten, wie sie Europa und andere Erdteile in großem Reichtum aufzuweisen haben, ohne daß sie bisher genügend verglichen worden sind. Hier fügt sich das Zeugnis der Chronik Thietmars ein.
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Ernst Eichler
Unser Anliegen ist es, die Frage zu beantworten, auf welche Weise die Wiedergabe slavischer Namen bei Thietmar (es geht vor allem um Toponyme) unser bisheriges Bild von der phonologischen und morphematischen Struktur der Onyme bestätigen oder modifizieren kann. Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß die „fertigen“ übernommenen Toponyme (Integrate) vom Typus Bautzen, Leipzig usw. eine zweigliedrige Struktur Bautz/en, Leip/zig aufweisen, seitdem sie endgültig ins deutsche toponymische System übernommen bzw. integriert sind. Als solche müssen sie betrachtet und wissenschaftlich analysiert werden: die Ausgangsstruktur war slavisch, die „Endstruktur“ nach der Integrationsphase deutsch. Man muß sich klar machen, daß dies ein komplizierter Prozeß war. Die Toponyme slavischer Herkunft im Deutschen als Resultate des Integrationsprozesses gehen auch den Germanisten an – sie sind Gegenstand der deutschen Sprachgeschichte mit allen Problemen. die damit verbunden sind. Die in Thietmars Chronik enthaltenen Toponyme stehen gleichsam am Beginn der Entwicklungskette der Integrate vom Typus Libzi zu Leipzig usw. Eine systematische Auflistung aller in Thietmars Chronik aufgezeichneten Slavica wurde szt. in dem 1988 erschienenen Beitrag des Verfassers gefordert, ist jedoch bisher noch nicht geleistet worden. Doch kann durch einen begründeten Ausschnitt aus dem Namenbestand sehr wohl die Erkenntnis der Aussage der Toponyme für die slavische Sprachgeschichte beleuchtet werden. Wir haben dafür den Konsonantismus ausgewählt, da der Vokalismus weniger neue Erkenntnisse bieten kann und mehr auf eine 1 : 1 – Relation der Phoneme hinausläuft. Dagegen beinhaltet die strukturelle phonologische Divergenz zwischen deutschen und slavischen Konsonantenphonemen zahlreiche Fragestellungen, war doch der slavische Bestand wesentlich reicher als der deutsche, so daß es zu besonderen Erscheinungen des „Lautersatzes“ kommen mußte. An erster Stelle steht hier die divergente Zahl slavischer und deutscher Phoneme der Konsonanten der „s- und sˇ-Reihe“, die dazu führte, daß für die slavischen Phoneme nur eine beschränkte Anzahl deutscher, die noch dazu in der Entwicklung begriffen waren (man denke an den Wandel von mhd. sk zu sˇ, heute grafisch sch), bereitstand. Die grafischen Verhältnisse werden in der nachfolgenden Übersicht deutlich. Zunächst verfolgen wir Bezeichnungen der slavischen s-/sˇ-Laute in entsprechenden Namen: Slav. s: s-, zZuaracici: Svarozˇic Zelpuli: Selpol- (?) Zurbici: Surbici
Nochmals zu Thietmars Umgang mit slavischen Namen in seiner Chronik
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Slav. sˇ: s Budusin: BudysˇinLiubizici: L’ubisˇici Liubusua: L’ubusˇovMiseco: poln. Mieszko Misni: *Misˇna o. ä., tsch. Mísˇenˇ Slav. z: z Mezerici: Mezireˇcˇ’e Slav. zˇ: z Zuaracici: Svarozˇic (Göttername) Slav. c: c Libizi: *Lib-c-, Leipzig Zuaracici: Svarozˇic Slav. cˇ: c, z Cirmini: Cˇir´m-nGlomaci: Głomacˇ-, Lommatzsch, Milzeni: Mil’cˇane o. ä. Lunzini: Lacˇ-n-, Lenzen Mezerici: Mezireˇcˇ’e, dt. Meseritz Nemzi: NeˇmcˇSomit zeigt sich, daß die deutschen s-Laut-Grapheme ganz verschiedenen slavischen Spiranten und Affrikaten der s-Reihe entsprechen, was aus den strukturellen Differenzen der phonologischen Systeme – wenn auch in gewissen Grenzen – resultiert. Kehrt man die obige Zusammenstellung um, so ergibt sich: Die in der Chronik Thietmars zur Bezeichnung slavischer Namen (vor allem von Toponymen) verwendeten grafischen „Buchstaben“ im Bereich der s-Laute sind meist polyfunktional und können nicht direkt nur einem slavischen Phonem zugeordnet werden. Vgl.:s = slav. s, sˇ z = slav. z, zˇ, cˇ c = slav. c, cˇ Selten treten Ligaturen wie cz, zc auf (vgl. z. Beisp. Cziczani) – sie bedürfen einer besonderen Interpretation.
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Im Bereich der anderen Konsonanten herrscht weitgehende Stabilität in der Hinsicht, daß es so gut wie keine Veränderungen der Stimmbeteiligung gibt, also stimmhafte und stimmlose slavische Konsonanten (so die Klusile b, d, g und p, t, k) korrekt erscheinen. Diese Erkenntnis führt dazu, daß der Ortsname Libizi = Leipzig mit seinem Lib- nicht auf slavisch lipa ‚Linde‘ beruhen kann, weshalb eine neuere vorslavische Deutung im „Historischen Ortsnamenbuch von Sachsen“ (Bd. I, S. 578) eingeführt wurde und man mit einer Anlehnung an altsorb. lipa ‚Linde‘ rechnet. Werden die konsonantischen Relationen zwischen Graphem und Phonem mißdeutet, kommt es zu falschen Identifikationen wie im Falle von Gezerisce (Thietmar III, 16), der slavischen Bezeichnung für Tiefensee, südwestlich von Bad Düben (zu altsorb. jezero ‚See‘), so daß die Identifizierung mit Zöckeritz, südlich von Bitterfeld, verfehlt ist (vgl. auch Freydank, a.a.O. S. 658). Somit wird deutlich, daß die Aufzeichnung von slavischen Namen (wie auch anderer Namen, germanischer wie deutscher) durch Thietmar von einer gründlichen Kenntnis der Sprachverhältnisse zeugt und im Einzelfall weiterer Untersuchungen bedarf.
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Namen des Frühmittelalters – RGA-E Band 66 – Seiten 193–233 © Copyright 2009 Walter de Belcsem/Belkesheim/Balsemerlande Gruyter · Berlin · New York
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Belcsem/Belkesheim/Balsemerlande – Betrachtungen zu einem angeblichen Gaunamen im elbslawisch-deutschen Berührungsgebiet Christian Warnke
1 Problemstellung Die Beschäftigung mit den Gauen besitzt in der Geschichtswissenschaft eine lange Tradition, wobei die Analyse der Gaue nach wie vor „zu den zentralen Problemstellungen in den an der Erforschung des Mittelalters beteiligten Wissenschaftszweigen“ gehört (Bauer 2000, 3; Borgolte 1989; Huschner 1993; Tiefenbach 1998; Nonn 1998). Seit der ersten kritischen Beschäftigung mit der Thematik ist eine Vielzahl von Untersuchungen erschienen (über die ältere Forschung: Niemeyer 1968; Prinz 1941), die mit unterschiedlichen Methoden in der historischen, speziell der sprach- und verfassungsgeschichtlichen Forschung an das Thema herangehen (Gerlich 1986, 247–254). Die in den letzten 25 Jahren vorgelegten Arbeiten zur Gauforschung betreffen den Südwesten Deutschlands (Nonn 1983; Borgolte 1984; Puhl 1999; Bauer 2000). Im Gegensatz zur älteren Forschung vertiefen diese Arbeiten „mehr und mehr das Ineinanderwirken der beiden gegenwärtig am intensivsten an der deutschen pagus- und Gauforschung beteiligten Disziplinen [Verfassungsgeschichte und Sprachgeschichte, C. W.]. Nach dem gegenwärtigen Stand ist sich die Forschung, auch in interdisziplinärer Perspektive, darüber einig, daß es im gesamten Verbreitungsgebiet von pagus/Gau z. T. erhebliche regionale Unterschiede gegeben hat“ (Bauer 2000, 5). Diese Unterschiede betreffen sowohl die Verwendung der Gauund Landschaftsnamen als auch ihre geographische Erstreckung. Die Forschung muß daher „stärker die beträchtlich divergierende Struktur der verschiedenen Teile des Frk.-Reiches zu bedenken haben: die spätant. CivitasEinteilung in der Galloromania, die rom.-germ. Mischzone Lotharingiens, die o.-rhein. Gebiete“ (Nonn 1998, 477). Diese Aufzählung muß erweitert werden durch die elbslawisch-deutsche Mischzone im Osten des deutschen Reichs. Für dieses Gebiet ist seit der Arbeit von Wolfgang Hessler aus dem
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Christian Warnke
Jahr 1957 keine zusammenhängende Untersuchung mehr erschienen (Hessler 1957; eine Untersuchung Ernst Eichlers behandelt die sorbischen Landschaftsnamen, Eichler 1966). Die Arbeit Hesslers berücksichtigt zahlreiche slawische Landschaftsnamen, mit denen sich viele namenkundliche Probleme verbinden (Hessler 1957, 14 f.; Eichler 1960; Hengst 1997), die nur in der Auseinandersetzung um einzelne Namen, ihre Lesung und Identifizierung und ihre historische Einordnung gelöst werden können (Eichler 1992; Eichler 2004). Die Beurteilung eines Namens muß dabei unbedingt die Überlieferung berücksichtigen. Dies ist besonders für den hier interessierenden Gau- bzw. Landschaftsnamen Belcsem zu berücksichtigen, denn von den zehn Belegen vor dem Jahr 1100 ist nur ein Beleg in einer Orginalurkunde überliefert. Seit Hessler haben sich Max Bathe und Heinrich Kunstmann intensiv, vorrangig aus sprachwissenschaftlicher Sicht, mit dem angeblichen Gaunamen Belcsem/Belkesheim/Balsemerlande auseinandergesetzt (Bathe 1967; Kunstmann 1987, 95–101). Beide Untersuchungen kommen dabei zu völlig unterschiedlichen Deutungen des Namens, die dazu noch im Gegensatz zur älteren Forschung stehen. Eine erneute Betrachtung des Namens unter Berücksichtigung der Überlieferung soll an dieser Stelle weiterführen.
2 Die herrschende Meinung zum Gau Belcsem und dem Balsemerlande Die Lage des angeblichen Gaus Belcsem wird in der Forschung mit der östlichen Altmark in Beziehung gebracht (zur Geschichte der Altmark: Wohlbrück 1855; Schulze 1963; Hardt/Schulze 1992). Der altmärkische Raum wurde im 8. Jh. von Slawen besiedelt, die in ein, aus archäologischer Sicht, seit dem 5. Jh. weitgehend siedlungsleeres Gebiet einwanderten. Diese Besiedlung erfolgte im Nordosten durch Dravänopolaben aus Richtung des Wendlandes und von Osten her durch die Wilzen (Kupka 1936; Schulze 1973). Die Sachsenkriege Karl des Großen brachten das Gebiet der späteren Altmark mit dem fränkischen Reich in Berührung und seit dem 9. Jh. spätestens 10. Jh. bildete die Elbe in diesem Gebiet die Reichsgrenze (Bathe 1940; Ernst 1976; Hardt 2000; Schmauder 2000). Obwohl die Forschung mit der Raumbezeichnung nichts so Rechtes anzufangen weiß, z. B. ordnet Hessler ihn als „Notbehelf “ den ‚Gauen um den Harz‘ zu (Hessler 1957, 39) und Kunstmann spricht von einem „eigenartigen Namen“ (Kunstmann 1987, 96), geht die herrschende Lehrmeinung von der Existenz eines Gau Belcsem aus. Dieser Gau wird zu den Gauen des
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Bistums Halberstadt gerechnet und in der heutigen östlichen Altmark lokalisiert (Wohlbrück 1855, 3; Hessler 1957, 39; Schulze 1963, 16). Seine Nennung im Immunitätsprivileg Ludwig des Frommen zu 814 als Belkesheim gilt dabei als früheste Erwähnung. Zwar wird eine spätere Verschreibung des Namens attestiert (Hessler 1957, 39), aber an der Existenz des Gaus im frühen 9. Jh. nicht gezweifelt. Weiter werden Belege aus dem 10. und 11. Jh. zur Bestätigung des Gaus Belcsem herangezogen. Die ursprüngliche Raumbezeichnung wird zumeist als slawisch angesprochen und als *Bela zemja (Weißes Land) gedeutet (Zeuss 1837, 661; Brückner 1879, 87; Kupka 1936, 36; Hessler 1957, 39; Schulze 1973, 142). Die jüngsten Untersuchungen von Max Bathe und Heinrich Kunstmann kommen jedoch zu wesentlich anderen Deutungen. Max Bathe erklärt die Gaubezeichnung aus dem Stammesnamen Belgae und dem Grundwort -haim zusammengesetzt und macht eine rein germanische Herkunft des Namens geltend (Bathe 1967, 635). Eine andere Ansicht vertritt Kunstmann, der mit Hessler darin übereinstimmt, daß es zwei Entwicklungsrichtungen bzw. zwei Grundtypen des Namens gibt, nämlich die mit cs/k und diejenige ohne cs/k. Für Kunstmann kann aus *beˇl- ‚weiß‘ niemals ein Belkesheim erklärt werden. Er nimmt deshalb als älteste Grundform des Namens *velчzemja an, wobei *velч- ‚groß‘ bedeutet. Die Namenformen, die ein k-Element enthalten (wie Belkesheim) gehen dabei auf die durch spätere suffixale Erweiterung entstandene Dublette *velчkч- zurück. Der Übergang von *velч- zu *beˇl- soll auf einen Betazismus zurückzuführen sein. Neben ‚groß‘ kann *velч- im übertragenen Sinne auch ‚alt‘ bedeuten. Nach Kunstmann ist Belcsem danach ursprünglich das ‚Altland‘ und steht mit der späteren dt. Altmark in Verbindung (Kunstmann 1987, 98 f.). Dann soll im 12. Jh. eine Umbildung des angeblichen Gaunamens Belcsem/Belkesheim in Balsamia/Balsemerlande erfolgt sein, die namengebend für das Halberstädter Archidiakonat Balsamie gewesen war (Hessler 1957, 39; Polenz 1961, 163; Bathe 1967, 632). Nach Hessler führte die Entwicklung des Sprachgebrauchs einfach „von Belsheim der Hildesheimer Tradition zu den Bezeichnungen Balsamia und Balsamerland“, wobei für ihn jedoch Belcsem und Balsamia lautlich nicht identisch sind (Hessler 1957, 39 und 41). Nach Kunstmann beruht die Umbildung des Namens höchstwahrscheinlich auf deutschem Einfluß, da der Wandel von e > a eine bekannte mitteldeutsche Erscheinung ist (Kunstmann 1987, 98; so auch Bathe 1967, 632). An dieser Stelle sei angemerkt, daß in der Forschung die Verwendung des Wortes *Balsamerland weit verbreitet ist. Da *Balsamerland jedoch keine Entsprechung in den Quellen hat, wird in diesem Beitrag die überlieferte Form Balsemerlande verwendet, die bei Helmold von Bosau als Nominativ auftritt (Helmold von Bosau, 175).
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Die Ausdehnung des Archidiakonats Balsamie, dessen Name und Existenz Ende des 12. Jh. überliefert ist, wird als deckungsgleich mit dem Gau Belcsem und dem Balsemerlande angenommen (Zahn 1928, 4; Diestelkamp 1932, 108; Erbe 1969, 157; Bathe 1971, 46), wobei die rekonstruierten Archidiakonatsgrenzen auch als Grenzen des früheren Gaues Belcsem gelten (Strombeck 1862, 46; Diestelkamp 1932, 107). Davon abweichende Meinungen lassen das Archidiakonat Balsamie aus den Gauen Mosidi und Belcsem bestehen (Wersebe 1829; Kupka 1936, 36; dagegen Schulze 1973, 142). Es gibt auch die Meinung, daß der Gau Belcsem mit dem Mintga identisch sei (Wersebe 1829, 95; Bathe 1971, 50). Ob der alte Gau Belcsem des 10. und 11. Jh. und das Balsemerlande des 12. Jh. überhaupt dasselbe Gebiet bezeichnen, steht in der Forschung nicht zur Diskussion; vielmehr geht es nur um die genaue Lage des Gebietes Belcsem/Balsemerlande. Abschließend sei noch auf den Vorschlag Rudolf Tureks hingewiesen, der den Namen Belcsem mit dem Völkernamen Bethenici des Bayrischen Geographen in Verbindung bringt (Turek 1957, 79), was aber von Kunstmann „als lautlich einfach unmöglich“ abgelehnt wird (Kunstmann 1987, 96). Das Siedlungsgebiet des Stammes wird im Elbe-Havel-Winkel lokalisiert.
3 Übersicht über die Quellenbelege Die Überlieferung von Bezeichnungen, die den Gau Belcsem bzw. das Balsemerlande betreffen, ist im Vergleich zu anderen Gaubezeichnungen sehr verschiedenartig. Dies betrifft sowohl die Quellenarten als auch die Anlässe der Erwähnung sowie die Schreibweise des Namens (Anhang, Tab. 2). Gerade die unterschiedlichen Schreibweisen haben die Deutung des Namens erschwert. Während Ernst Förstemann die Belege zu BEL- stellte und die Aufzählung mit Belckesheim begann (Förstemann 1872, 224), ordnete sie Hermann Jellinghaus in seiner Neubearbeitung des Förstemannschen Werkes zu BALLI- und stellte Balsamis voran (Förstemann 1913, 353). Erschwerend kommt noch hinzu, daß unterschiedliche Editionen der Quellen verschiedene Lesarten des Namens bringen. Im folgenden sei auf die einzelnen Quellen und Belege eingegangen, wobei einzelne Belege zu Themenschwerpunkten zusammengefaßt diskutiert werden. Auf die verschiedenen Lesarten der Editionen wird dort hingewiesen. Die Ziffern hinter den Überschriften beziehen sich auf die Nummerierung der Belegstellen im Tabellenanhang.
Belcsem/Belkesheim/Balsemerlande
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3.1 Die Halberstädter Bischofschronik (1–3) Die maßgebliche Edition weiß von drei Handschriften, deren Eine, die der Editio princeps von Leibniz zugrunde lag, verloren ist. Die älteste erhaltene Handschrift datiert von 1423, befand sich bis 1945 in der Bibliothek des Halberstädter Domgymnasiums und galt seitdem als vermißt (Kölzer 2005, 17). Mittlerweile ist sie in St. Petersburg wieder aufgetaucht (persönliche Bestätigung von Prof. Dr. Theo Kölzer). Die jüngste Handschrift entstammt dem Ende des 17. oder Anfang des 18. Jh. und wird in Hamburg aufbewahrt. Es herrscht Einigkeit in der Forschung, daß diese Chronik mehrere Bearbeitungsstufen aufweist und 1209 eine Endbearbeitung erfuhr. Unterschiedliche Auffassungen bestehen jedoch hinsichtlich der Anzahl und der Zeit dieser Fassungen (Menzel 1936; Schmeidler 1939; Jäschke 1970, 210; Handschuh 1982, 147 f.; Naß 1996, 114–122). Die Halberstädter Bischofschronik enthält zwei Urkunden und eine Papstbulle, die den hier interessierenden Gau erwähnen, wobei eine Urkunde und die Bulle nur hier überliefert sind. Im Immunitätsprivileg Ludwigs des Frommen von 814 und in einer Bestätigungsbulle Papst Benedikts VIII. (1012–1023) werden die Gaue aufgezählt, die das Bistum Halberstadt bilden. Die Beschäftigung mit der Immunitätsurkunde wird etwas breiteren Raum einnehmen, da es für unsere Untersuchung wichtig ist, zu erfahren, wann die Vorstellung aufkam, das Bistum Halberstadt sei von Karl dem Großen „statuta et determinata <…> hiis pagis: Darlingowe et Northuringowe et Belkesheim, Hartingowe, Suavia et Hasigowe“(Gesta episcoporum Halberstadensium, 80). In einer nicht vollständig wiedergegebenen Bulle Benedikts VIII. in den Gesta lautet die Diözesanbeschreibung dann „et hos pagos: Hardengowe, Derlingowe, Northuringen, Belkishem, Sueviam et Hasigowe“ und es folgt die Grenzbeschreibung des Halberstädter Sprengels entlang von Flußgrenzen (Gesta episcoporum Halberstadensium, 91). Betrachten wir zunächst das angebliche Immunitätsprivileg Ludwigs des Frommen. Daß eine Immunitätsurkunde, in der Ludwig die von seinem Vater Karl verliehene Immunität erneut bestätigt, mit Gauangaben des Sprengels ausgestellt worden wäre, verneint die Mehrheit der Forscher. Während die ältere Forschung das Diplom zumeist als völlig unecht verwarf (Belege bei Mühlbacher 1893, 282 f.), wies Engelbert Mühlbacher auf die fast vollständige Übereinstimmung mit der Immunitätsbestätigung für das Bistum Worms hin. Für ihn ist deshalb die Halberstädter Urkunde (B.-M. 535) „nur durch Interpolationen verunechtet, durch Einschiebung des einzelnen Wortes ‚Catholanensis‘ und dreier Sätze“ (Mühlbacher 1893,
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291). Bei diesen drei Sätzen handelt es sich um die Gaue der Diözese, die Zehntbestimmungen und einen Passus der Immunitätsformel, der auf die Gaue Bezug nimmt. Dieser Passus findet sich auch in der Immunitätsurkunde für Visbek (B.-M. 702), die weitgehende Übereinstimmung mit B.-M. 535 zeigt. Michael Tangl folgte Mühlbacher in der Annahme des späteren Einschubs der Gaue. Er setzte die Verunechtung in die Amtszeit Bischof Bernhards (ca. 923–968) und vermutet, daß Bernhard mit dem verunechteten Privileg die Ansprüche von Magdeburger Seite in den Jahren vor der Erzbistumsgründung 968 abweisen möchte (Tangl 1908, 390). Ernst Müller dagegen zweifelte nicht an der Echtheit der Gauangaben; für ihn standen sie bereits im Privileg (Müller 1930, 337 f.). Alle diese Meinungen gehen von der Echtheit des Immunitätsprivilegs aus, gegen die Klemens Honselmann starke Bedenken anmeldete. Er sieht die überlieferte sächsische Immunitätsverleihung erst mit Paderborn im Jahr 822 beginnen (Honselmann 1984, 27). Seine Meinung hat viel für sich, wie die Art der Gründung von Bistümern zur Zeit der Karolinger und Ottonen auf sächsischem und slawischem Gebiet zeigt. Nach Honselmann „gehörte dazu die Dotation durch den weltlichen Herrscher, die Umgrenzung des Bistums und die Zustimmung der kirchlichen Behörden“ (Honselmann 1984, 12); doch schon Tangl wurde bei der Suche nach „eigentlichen Gründungs- und Circumscriptionsurkunden“ für die sächsischen Bistümer nicht wirklich fündig. Die Schritte, „die zur Gründung der Magdeburger Kirchenprovinz und der neuen Bistümer Merseburg, Meißen und Zeitz führten, wurden in Zustimmungs- und Verzichtsurkunden, Synodalprotokollen und päpstlichen Bestätigungsprivilegien festgelegt“ (Tangl 1908, 390 f.). Ähnlich sieht es bei der Gründung des Bistums Bamberg unter Heinrich II. aus. Bistumscircumscriptionen finden sich jedoch weder in den Königsurkunden für Magdeburg, Meißen, Merseburg und Zeitz noch in denen für Bamberg. Dagegen enthalten die Urkunden für Havelberg und Brandenburg (D O I 76 und D O I 105), die sich beide als Gründungsurkunden verstehen, Sprengelumschreibungen und Landschaftsangaben. Die Stiftungsurkunde Havelbergs, datiert auf 946, ist lediglich in zwei Kopialbüchern des 17. und 18. Jahrhunderts erhalten. Bereits 1876 hat Ernst Dümmler Bedenken am Inhalt des Diploms geäußert (Köpke/Dümmler 1876, 168). In grundlegenden Untersuchungen haben dann Fritz Curschmann und Walter Schlesinger die Fälschung des Diploms nachgewiesen, die Schlesinger ins Ende des 12. Jh. setzt (Curschmann 1903; Schlesinger 1956). Unabhängig von Schlesinger kam Zygmund Sulowski in einer detaillierten Untersuchung zu dem Schluß, in der Stiftungsurkunde eine Fälschung zu sehen. Als Motiv sieht
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er ein Mittel Havelbergs im Streit mit dem im 13. Jh. gegründeten Bistum Kammin hinsichtlich der Grenze beider Diözesen. Aus diesem Grund datiert er die Urkunde um 1236 (Sulowski 1952). Für die Echtheit der Urkunde sprachen sich Joachim Huth und Liselott Enders aus (Huth 1985; Enders 1994), aber Clemens Bergstedt hat zu den vorgebrachten Argumenten noch einmal die Fülle der Indizien zusammengefaßt, die gegen die Echtheit der Urkunde sprechen (Bergstedt 1997). An der Echtheit der Brandenburger Urkunde (DO I 105) wird dagegen im allgemeinen nicht gezweifelt, jedoch hat Helmut Assing die Urkunde als verfälscht betrachtet (Assing 1998) und eine neue Kontroverse entzündet, die in mehreren Untersuchungen mittlerweile vier mögliche Gründungsjahre, nämlich 938, 948, 949 und 965 zur Diskussion stellt (Neumeister 2003; Ludwig 2002 und Ludwig 2008, 268 ff.; Kurze 1999; Assing 2000). Wolfgang Huschner weist darauf hin, daß die Frage, ob die äußeren Merkmale des DO I 105 für oder gegen dessen spätere Entstehung sprechen, erst „nach einer Untersuchung aller tradierten Diplome von Brun E [dem Schreiber von DO I 105, C. W.] und deren Vergleich mit orginalen Urkunden Ottos I. zwischen 948 und 965 beantwortet werden“ könne (Huschner 2001, 380). In seiner Habilitationsschrift kommt er auf diesen Vergleich leider nicht zurück (Huschner 2003). Bis hierher bleibt festzuhalten, daß nur die gefälschte Havelberger Urkunde, die verfälschte Brandenburger Urkunde und das Immunitätsprivileg für Halberstadt eine Bistumsumgrenzung enthalten, wobei sich die Halberstädter Urkunde auch noch auf eine angebliche Umschreibung Karls des Großen beruft. Diese Circumscription Karls bringt dann die Halberstädter Bischofschronik auch zum Jahr 803. Von der Forschung wird die Circumscription jedoch als unglaubwürdig abgetan, obwohl sich das Privileg Ludwigs ausdrücklich darauf bezieht. Wenn also die Circumscription Karls des Großen abgelehnt wird, ist auch der Verweis im Immunitätsprivileg auf diese Umschreibung verdächtig. Daß die Immunitätsurkunde für Halberstadt eine späte Fälschung ist, kann vielleicht auch durch folgende Beobachtung gestützt werden. Eine Betrachtung aller überlieferten Immunitätsverleihungen bzw. -bestätigugen für das Bistum Halberstadt zeigt einen inhaltlichen Bezug der Urkunden zueinander (Stengel 1910, 678). Als Vorurkunde der Immunitätsverleihung Heinrichs II. gilt die Ottos III.; als deren Vorurkunde wird die Ottos II. angesetzt usw. usf. Alle Immunitätsurkunden gehen auf die Ludwigs des Kindes zurück, die 902 ausgestellt wurde (vgl. Vorbemerken zu den DD LdK 15, O I 7, O II 34, O III 104, H II 13). In dieser Urkunde bestätigt Ludwig der bischöflichen Kirche zu Halberstadt auf Grund der von seinen Vorfahren verliehenen Privilegien den Besitz und die Immunität. Von Karl dem Gro-
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ßen oder Ludwig dem Frommen sowie deren Immunitätsverleihungen ist keine Rede. Es stellt sich unwillkürlich die Frage, ob das Privileg Ludwigs unbeachtet in Halberstadt herumlag, bis es endlich jemand in die Bischofschronik einarbeitete. Doch wenn Halberstadt kein echtes Privileg vorlag, woher dann die Übereinstimmung mit der Wormser Urkunde? Der Bischof von Worms, Hildebald, war seit 977 ‚Leiter‘ der deutschen Hofkanzlei Ottos II. und behielt als erster Kanzler das Amt auch nach seiner Erhebung zum Bischof. Er veranlaßte die Fälschung oder Verfälschung von 18 Königsurkunden zugunsten der Wormser Kirche, wodurch ihm die Sicherung und Erweiterung von Besitz- und Rechtstiteln für das Bistum Worms gelang (Huschner 2003, 170–173). Ein Mitglied seiner Hofkapelle war Erpho, ein Halberstädter Geistlicher, der im Jahr 998 auch die Nachfolge Hildebalds als Bischof von Worms antreten sollte (Uhlirz 1954, 307). Außerdem war Erpho ein enger Freund Ottos III. (Huschner 2003, 384). Es wäre durchaus denkbar, daß in diesen Zusammenhängen eine Fälschung für Halberstadt nach der Wormser Vorurkunde erfolgte, zumal der seit 996 in Halberstadt amtierende Bischof Arnulf selbst aus der Hofkapelle kam (Althoff 1998, 285). Bischof Arnulf ließ auch eine detaillierte Grenzbeschreibung seiner Diözese anfertigen, die in der Bischofschronik erhalten ist. Diese Grenzbeschreibung folgt in den Gesta auf einen Passus, dem eine echte Bestätigungsbulle des Papstes zugrunde liegen soll (Claude 1972, 102 und 298). In dieser Bulle bestätigte Papst Benedikt VIII. dem Bistum seinen Besitz in den dann aufgezählten sechs Gauen. Werden die drei echten Papstbullen für Bistümer nördlich der Alpen aus der Zeit Benedikts VIII. damit verglichen (Papsturkunden, Nr. 487 für Paderborn, Nr. 528 für Bamberg und Nr. 539 für Hildesheim), so ist festzustellen, daß diese weder Gaunennungen noch sonstige Grenzumschreibungen enthalten. Damit bleibt festzuhalten, daß die Gaunennungen sowohl des Immunitätsprivilegs als auch der Papstbulle höchstwahrscheinlich in die Zeit Bischof Arnulfs (996–1023) gehören. Beide Dokumente können mit guten Argumenten als gefälscht angesehen werden. Als Anlaß für die Fälschungen kommen die Wiedereinrichtung des Bistums Merseburg 1004 sowie ein Vorfall aus dem Jahr 1022 in Betracht, über den die Annales Quedlinburgenses berichten (Annales Quedlinburgenses, 569). In Grone gerieten Arnulf und der Erzbischof Gero von Magdeburg vor Kaiser Heinrich II. in eine scharfe Auseinandersetzung. Der Streitgegenstand wird nicht mitgeteilt, aber es hat einiges für sich die Ursache in Grenz- bzw. Besitzstreitigkeiten zu sehen, denn unter Geros Nachfolger Hunfried (1023–1056) kommt es zur Überlassung einiger Pfarrkirchen mit 22 Dörfern sowie wei-
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terer Güter an Halberstadt (Gesta archiepiscoporum Magdeburgensium, 398; Jäschke 1970, 195; Claude 1972, 298; Schlochtermeyer 1998, 91). Als dritte Erwähnung des Belcsemgaus bringen die Gesta ohne genaue Datierung (um 1055) eine Schenkung Heinrichs an Bischof Burchard, Grafschaften „in pagis Hardengowe, Derlengowe partimque Northuringen et Belchesheym“ betreffend (Gesta episcoporum Halberstadensium, 96). Über die genaue Datierung der Grafschaftsschenkung Heinrichs sind wir jedoch aus einem Orginaltranssumpt Adolfs von Nassau von 1295 unterrichtet. Danach schenkte der Kaiser dem Bistum die Grafschaft, qualem Bernhardus comes in pagis Hartegowe ac Derlingon partimque in Northuringon necnon Belchesheim obtinuit am 17. Jan. 1052 (D H III 281; UB Hochstift Halberstadt Nr. 77). Mit dieser Übertragung wurde der Bischof von Halberstadt Inhaber der Grafschaftsrechte in den genannten Gebieten. Die Grafschaften behielt er jedoch nicht in eigener Hand, sondern gab sie den bisherigen Inhabern zu Lehen. Doch um welche Grafschaft kann es sich bei partimque […] Belchesheim handeln? Die einzige Grafschaft, von der die Quellen im 10. und 11. Jh. in der Altmark neben der Markgrafschaft der Nordmark berichten, ist die vermutliche Burggrafschaft Arneburg, auf die im folgenden eingegangen wird.
3.2 Arneburg (4–7) Eine undatierte Urkunde Benedikts VII. (Papsturkunden, Nr. † 279), in der er das Kloster Arneburg, in ripa fluminis Albie in pago Belcseim in comitatu Thitmari situm, unter seinen Schutz nimmt und diesem verschiedene Rechte verleiht, ist in zwei Magdeburger Kopialbüchern überliefert, von denen das eine (Liber privilegiorum s. Mauricii Magdeburgensis) Ende des 11. Jh. und das andere (Copiale pallidum) ins 15. Jh. datiert wird. Der Liber privilegiorum enthält im ganzen 90 Urkunden, darunter auch sämtliche im Orginal verlorengegangenen älteren Papsturkunden für Magdeburg. Eine eingehende Untersuchung des Urkundenkodex bringt Walter Möllenberg (Möllenberg 1933). Die Abschrift der Benedikturkunde im Liber privilegiorum wurde nicht nach dem Orginal angefertigt, sondern nach einem Bericht, den ein Magdeburger Geistlicher um 1020 abfaßte und der auch die Königsurkunde D H II 111 enthält (Bresslau 1894, 158–160). Die Lesart des Namens im Kopialbuch scheint unklar zu sein. Förstemann bringt Beleseim (nach Raumer) und auch Zimmermann verwendet diese Schreibweise (Papsturkunden, Nr. † 279; so auch Lübke II, Nr. 217a). Bathe hat die Stelle nochmals eingesehen und plädiert für Belcseim, dem sich Jakobs anschließt (Bathe 1967, 629 f.; Jakobs 2008, 106).
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Das Papstprivileg für Arneburg stimmt weitgehend mit einer datierten Urkunde Benedikts VII. für das Kloster Nienburg aus dem Jahr 983 überein, weshalb Zimmermann die Arneburger Urkunde ebenfalls ins Jahr 983 setzt (Papsturkunden, Nr. 278). Die Arneburger Urkunde wird allgemein für echt gehalten (Schulze 1963, 10 ff.; Claude 1972, 263; Schlesinger allerdings hielt die Urkunde wohl für unecht, Claude 1972, 263). Jedoch hat Mogens Rathsack die Echtheit sowohl der Nienburger als auch der Arneburger Urkunde angezweifelt. Rathsack wies nach, daß beide Urkunden zwischen 1003 und 1006 angefertigt wurden (Rathsack 1989, 607–609). Dagegen hat Herrmann Jakobs jüngst eine grundlegende Untersuchung vorgestellt, in der die Papstprivilegien für Thankmarsfelde/Nienburg, Alsleben und Arneburg eingehend behandelt werden (Jakobs 2008). Dabei stellt Jakobs die Echtheit dieser Urkunden fest und hält besonders das Arneburger Papstprivileg für eine „absolut unverdächtige Urkunde“. Rathsack und Jakobs stimmen darin überein, daß als Vorurkunden für Arneburg, nur die Papstprivilegien für Thankmarsfelde und Nienburg in Betracht kommen, die Rathsack beide als Fälschungen ansieht, Jakobs jedoch nicht. Für Jakobs ist das Verdikt „überhaupt nicht formal […], sondern lediglich mit vagen historischen Vermutungen begründet“ (Jakobs 2008, 12). Doch was geben die Quellen eigentlich her? Von einer Klostergründung in Arneburg berichtet nur das Papstprivileg Benedikts VII. Als Gründer des Klosters werden Graf Brun und seine Gemahlin Friederuna genannt (Schölkopf 1957, S. 87 f.), die das Kloster u. a. mit der Hälfte der Arneburg und des Burgbezirks ausstatteten. Bruns Tod fällt ins Jahr 978 (Thietmar III, 8), so daß die Klostergründung früher anzusetzen wäre. Thietmar von Merseburg, der an mancher Stelle über die Arneburg berichtet, erwähnt ein Kloster jedoch kein einziges Mal (Belege bei Jakobs 2008, 71). Jakobs vermutet daher zu Recht, daß das Kloster bereits 983 beim slawischen Aufstand zerstört und nicht wieder aufgebaut wurde. Da er die Arneburger Urkunde zu 983 datiert, „kann man zu Recht fragen, ob das Privileg jemals bis Arneburg in den Klosterschrein gekommen ist“ (Jakobs 2008, 72). Daran schließt sich die Frage an, wo das Privileg aufbewahrt wurde, bis es für die Königsurkunde D H II 111 genutzt wurde. Diese Orginalurkunde (die einzige zum Gau Belcsem) berichtet über den Ausgang eines Rechtsstreits und ist auf den 7. April 1006 datiert. Heinrich II. vermacht darin Besitzungen, die er zuvor vom Kleriker Ziazo und dem Grafen Uneco erworben hatte, u. a. Aernaburg totam in pago Belcsem in comitatu autem Werinzonis gelegen (D H II 111). Bei Förstemann findet sich noch die Schreibweise Belesem (nach Raumer). An der Echtheit dieser Urkunde wurde bisher nicht gezweifelt, Claude berichtet jeoch über eine persönliche Mitteilung Schlesingers, daß es nicht ausgeschlossen sei in
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D H II 111 eine Kanzleifälschung Erichs von Havelberg zu sehen (Claude 1972, 265). Was aber war die Ursache des Rechtsstreits, über den D H II 111 berichtet? Die Eltern Ziazos waren die Klostergründer Graf Brun und Friederuna. Im Gegensatz zum Kloster ließ Heinrich II. die zerstörte Arneburg wieder aufbauen, wodurch es offenbar zum Streit über die Erbansprüche Ziazos kam. Erzbischof Tagino vermittelte in diesem Streit, aus dem das Erzbistum Magdeburg als Nutznießer hervorging. Ziazos Ansprüche wurden zurückgewiesen, jedoch erhielt er anderen Landbesitz als Entschädigung (D H II 110). Das Arneburger Gebiet überließ Heinrich II. der Magdeburger Kirche, wie aus D H II 111 hervorgeht (Schulze 1963, 13; Claude 1972, 263 f.). Für Rathsack ist es nun wahrscheinlich, daß die Papsturkunde für Arneburg vom königlichen Kaplan Ziazo „angefertigt wurde, der Erbansprüche auf das Gebiet erhob und das Ziel verfolgte, mit Hilfe der unechten und verfälschten Papstprivilegien des Nachbarklosters Nienburg eine Art Prozeßakte zu schaffen.“ (Rathsack 1989, 609) Aus der Nienburger Urkunde (Papsturkunden, Nr. 278) hätte Ziazo dann auch die Formel zur Lageangabe (in ripa fluminis […], in pago […], in comitatu […]) für die Arneburger Urkunde übernommen, die er vervollständigte. Daß er in die in pagoFormel Belcseim eintrug, heißt nicht, daß es eine großräumige Landschaft in diesem Sinne mit einem solchen Namen gegeben hat. Jedoch kann die Übernahme des Namens Belcseim aus der Arneburger Papsturkunde in die Königsurkunde von 1006 in der Form Belcsem als sehr wahrscheinlich gelten (Rathsack 1989, 609). Die Argumente Rathsacks haben viel für sich, da für das Arneburger Kloster keine Verfügung Ottos II. bekannt ist, in der er das Kloster unter seinen Schutz genommen hätte. Selbst Jakobs gibt zu, daß es eine solche Urkunde wahrscheinlich nie gegeben hat (Jakobs 2008, 70). Überhaupt sind keine Spuren anderer Diplome im Papstprivileg für Arneburg zu finden, während in der Nienburger Urkunde zu drei Königsurkunden Beziehungen bestehen. Rathsacks Ergebnis, daß die Entstehungszeit des Papstprivilegs für Arneburg zwischen 1003 und 1006 liegt, wird geteilt und somit die Schreibweise Belcseim zu dieser Zeit angenommen. Der in D H II 111 erwähnte Graf Uneco soll aus der Sippe der Harzgrafen stammen und mit den Arneburger Grafen verwandt sein (Schölkopf 1957, 88). Doch welche Grafschaft hatte er inne? Uneco begegnet uns noch in zwei weiteren Urkunden, aus denen Grafschaftsrechte im Harzgau und in Werla hervorgehen (D OIII 183; D H II 222.). Die Pfalz Werla liegt wenige Kilometer westlich der Aller, also nicht weit von den überlieferten Orten des Derlingaus entfernt. Doch aus diesen Angaben abzuleiten, er
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könne keine Grafenrechte in Arneburg gehabt und kein Sohn Bruns gewesen sein, ist abzulehnen (Schölkopf 1957, 88). Was ist näher liegend, als bei Uneco an einen Sohn Bruns zu denken, da nach Bruns Tod die civitas Arneburg zur Hälfte im Besitz von Ziazo und zur anderen Hälfte im Besitz von Uneco ist? Aus der Urkunde Heinrichs II. geht nur hervor, daß Uneco seinen Besitz in Arneburg verkaufte; seine eventuellen Grafenrechte könnte er aber durchaus behalten haben. Hier kommen wir auf die Urkunde von 1052 (D H III 281) zurück, in der die Grafschaften erwähnt werden, die der Halberstädter Kirche geschenkt wurden und in denen Bernhard Graf war. Es werden Grafschaftsrechte im Harzgau und Derlingau sowie partimque im Nordthüringau und Belchesheim an die Halberstädter Kirche übertragen. Dies sind bis auf den Nordthüringau Grafschaften, die mit Uneco in Verbindung gebracht werden können und wahrscheinlich in der Familie geblieben sind (Schulze 1963, 73–76). Im Zusammenhang mit Arneburg steht eine weitere Urkunde, die in der actum-Zeile den hier behandelten Namen erwähnen soll. Diese Urkunde, die nur in einer Abschrift aus dem 17. Jh. überliefert ist, betrifft das Bistum Minden (Ortmans 1972). Im Jahre 969 wurde Milo Bischof von Minden, der während seines fast dreißigjährigen Episkopats (bis 996) zum königlichen Hof eine enge Verbindung hielt, die zur Verleihung mehrerer königlicher Privilegien führte. Der Bischof nahm mit seinen Truppen sowohl 991 als auch 993 an Feldzügen des Königs gegen die Brandenburg teil. 991 schlug sich Milo mit seinen Truppen so hervorragend, daß die sächsischen Heerführer den König um eine besondere Auszeichnung für Milo baten, welche dieser bereitwillig gab (D O III 73). Im Jahr 993 dagegen bat Milo, vor dem Feldzug im königlichen Lager an der Elbe, um eine Urkunde für das Marienstift auf dem Wedegenberg, einem Kloster in der Nähe Mindens. Am 15. August stellte Otto III. das Kloster unter seinen Schutz und verlieh den Nonnen, im Einvernehmen mit dem Bischof, das Recht die Äbtissin zu wählen. Die Datierungszeile der Urkunde lautet: actum Belsamis iuxta civitatem Nienburch vocatam (D O III 136). Die Mehrzahl der Forscher nimmt hier eine Verschreibung von Arneburg zu Nienburg an, da nach ihrer Meinung ja Belsamis auf den Gau Belcsem hinweise (Hessler 1957, 115; Claude 1972, 170). Im Register der Jahrbücher des Deutschen Reiches gibt Mathilde Uhlirz an: „Belsamis (Gau b. Stendal u. Arneburg)“ (Uhlirz 1954, 638), während sie im Text aber auf einen interessanteren Sachverhalt aufmerksam macht (Uhlirz 1954, 169). Dort wird das Nienburch der Urkunde mit dem Kloster Nienburg an der Saale gleichgesetzt und die Ortsbestimmung Belsamis iuxta civitatem Nienburch auf ein Feldlager bezogen, wie vergleichbare Ortsbestimmungen der während des Feldzugs Ottos II. in Süditalien ausgestell-
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ten Urkunden des Jahres 982 zeigen (nach Uhlirz, DD O II 268–275). In der Tat läßt sich eine solche Verbindung zwischen den Urkunden aufzeigen. Das Diplom für Minden soll vom Hofnotar HF verfaßt sein (Vorbemerkungen zu D O III 136), den Huschner mit Hildibald von Worms identifiziert und der auch an der Herstellung der Urkunden, auf die Uhlirz verweist, beteiligt war (nach Huschner die Urkunden: DD O II 269–271, 274, 275; Huschner 2003, 785 und 170–173). Bischof Hildibald nahm wahrscheinlich auch am Slawenfeldzug teil, wie indirekt aus den zeitlich unmittelbar nachfolgenden Diplomen hervorgeht (DD O III 138 u. 139; Uhlirz 1954, 170). Er kann also als Verfasser des Diploms gelten und bei der actumZeile eine ihm für ein Feldlager passende Formulierung gewählt haben. Daß an dieser Stelle durchaus Nienburg gemeint sei, hält auch Assing für nicht unwahrscheinlich (Assing 1993, 23). Doch was bedeutet dann in Belsamis in der actum-Zeile? Zunächst sei darauf hingewiesen, daß sich keine weitere Gaubezeichnung findet, die in einer actum-Zeile verwendet wird. Schon dies sollte nachdenklich stimmen.
3.3 Die Annales Corbeienses und der Annalista Saxo (8–9) Weitere Gaunennungen stehen im Zusammenhang mit der Überlieferung aus Corvey. Die Corveyer Annalen berichten zum Jahr 938, Ungariorum exercitus in Belxam deletus (Annales Corbeienses, 4). Diese Annalen sind die Fortführung von Aufzeichnungen, die in die Ostertafel eines angelsächsischen Codex eingetragen waren. Dieser Codex kam vermutlich 864 nach Corvey, wo die Aufzeichnungen zurückgreifend auf 822 vervollständigt und dann fortlaufend von vielen Händen bis zum Ende der Ostertafel 1063 und danach auf freien Blättern bis 1117 weitergeführt wurden (Wattenbach 1990, 857 f.). Dieser Codex ist im Original erhalten, so daß an der Schreibweise Belxam kein Zweifel besteht. Außer in den Annales Corbeienses wird die Bezeichnung Belxam in drei weiteren Quellen zur Corveyer Geschichte genannt. Im Chronicon Corbeiense, den Fasti Corbeienses und dem Registrum Sarachonis wird Belxa bzw. Belxam erwähnt (Eckhardt 1970). Diese drei Quellen, die nicht in mittelalterlichen Textzeugen vorliegen, sind schon früh in den Verdacht neuzeitlicher Fälschungen geraten oder werden als interpoliert betrachtet (Honselmann 1982, 67 f.; Eckhardt 1970, 157–173). Zurück zum Annaleneintrag, der insofern interessant ist, als keine weitere Quelle von einem Sieg über das ungarische Heer zum Jahr 938 in Belxam zu berichten weiß. Auch in der neuzeitlichen Wissenschaft findet dieser Annaleneintrag kaum Beachtung (folgende Untersuchungen erwähnen
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den Ungarnsieg 938 in Belxam bzw. den Quellenbeleg aus den Annales Corbeienses überhaupt nicht: Büttner 1956; Kellner 1997; Varga 2003; Bowlus 2006; dagegen bringt ihn Lüttich 1910, 95), wohingegen auf eine Erzählung Widukinds zum selben Jahr oft verwiesen wird. Dieser berichtet zum Jahr 938, daß die Ungarn plötzlich in Sachsen einfielen, ihr Lager an der Bode aufschlugen und von dort ausschwärmten. Ein Teil der Ungarn wurde von der Besatzung der Stedieraburg (Steterburg bei Wolfenbüttel) niedergemacht und ein anderer Teil der Schar, die sich nach Norden gewandt hatte, von einem Slawen in den Thrimining (Drömling) gelockt. In diesem unwegsamen, sumpfigen Gelände konnte dann ein Sieg errungen werden (Widukind II, 15). Bezieht sich also der Annaleneintrag in Belxam auf eine der beiden Örtlichkeiten? Es seien zunächst die anderen Einträge der Corveyer Annalen zu den Ungarneinfällen im 10. Jh. berücksichtigt: „906. <…> Ungarii in Saxoniam venerunt. <…>, 907. <…> Baioarium gens ab Ungariis pene deleta est. <…>, 915. Devastacio Hungariorum in Valun; et bellum in Heresburg <…>, 919. Ungarii Saxoniam crudeliter vastabant <…>, 933. Ungariorum exercitus ab Heinrico rege interfectus est. <…>, 938. <…>; et Ungariorum exercitus in Belxam deletus., 955. <…> et Ungariorum et Sclavorum exercitus ab rege Oddone deletus“ (Annales Corbeienses, 4). Zunächst fällt auf, daß die Schreiber nur in zwei von sieben Einträgen Ortsbezeichnungen verwenden. In den Einträgen zu 906 und 919 wird ohnehin nur allgemein von den Verwüstungen berichtet und das Lechfeld als Schlachtort kann 955 noch nicht so bezeichnet worden sein (Springer 2001, 199 f.). Der Grund, daß zu 907 kein Schlachtort genannt wurde, wird schlicht darin bestehen, daß von weit entfernten Orten keine genauen Nachrichten nach Corvey gelangten, z. B. sind viele Ungarneinfälle in die südlichen Reichsteile nicht in den Annales Corbeienses enthalten (zu den Jahren 909, 910, 913, 943 und 948; siehe Varga 2003, 27–35). Außerdem überliefern andere Quellen zu 907 auch keinen Ort der Schlacht. Daß die nähere Umgebung für die Menschen entscheidend war, spiegelt sich im Eintrag zu 915 wieder. Die Verheerungen der Ungarn in der Landschaft Valun und eine Schlacht bei Heresburg betreffen die Mönche des Klosters unmittelbar. In Heresburg wurde dem Kloster Corvey im Jahr 826 die reich ausgestattete Kirche geschenkt (Fahlbusch 1986) und Valun bezeichnet eine Landschaft westlich von Hildesheim (Springer 2005, 22), in der Corvey begütert war (Schütte 1982, § 42). Auch der Ungarneinfall 919 muß Corvey stark berührt haben, denn die Annalen bringen: „Ungarii Saxoniam crudeliter vastabant, et cum infinita praeda et maxima captivitate utriusque sexus ad proprias reversi sunt terras, Domino irascente adversum nos.“ Daß hier keine Orte genannt werden, mag ja
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noch angehen, aber daß im Jahr 933 nur lapidar vom Sieg Heinrichs gegen die Ungarn gesprochen wird und kein Ort erwähnt wurde, sollte aufmerken lassen. Widukind dagegen kennt den Ort der Schlacht „locum qui dicitur Riade“ (Widukind I 38; dazu Lintzel 1933), wobei Widukind in seinem Geschichtswerk überhaupt an Orten interessiert ist. So nennt er zum Jahr 929 auch die Burgen Wallislevu und Lunkini als er die Kämpfe mit den Redarii schildert. Die Corveyer Annalen berichten ebenfalls darüber und zwar im ausführlichsten Eintrag des 10. Jh., jedoch finden sich hier keine Ortsnennungen. Nun soll nach herrschender Meinung der Eintrag zu 938 in Belxam ein Gebiet um Stendal bezeichnen (Annales Corbeienses, 4, Anm. 2; Hessler 1957, 40). Dabei wird das in Belxam der Annalen mit der in pago BelcsemNennung der Urkunde von 1006 in Zusammenhang gebracht. Aus den Annalen selbst oder anderen zeitgenössischen Quellen (Widukind) geht dies nicht hervor. Eine nähere Beziehung des Klosters Corvey zu dem Gebiet um Stendal hat jedoch nicht bestanden, denn jenseits von Jeetze und Ohre hatte das Kloster überhaupt keinen Besitz (Schütte 1982). Nicht unberücksichtigt darf allerdings die Rolle Corveys als Missionsschule für bei den Slawen predigende deutsche Geistliche bleiben. Die Verbreitung der christlichen Lehre konnte nur bei ausreichender Kenntnis der slawischen Sprache erfolgen und „so ist für die Zeit ab 800 an eine systematische Beschäftigung mit slawischen Sprachen sowie mit der Kultur und Lebensweise der Slawen im Rahmen der Ausbildung von Geistlichen für die Missionsgebiete anzusetzen“ (Hengst 1990, 110). Falls Belxam einen slawischen Orts- oder Landschaftsnamen wiedergibt, kann somit von einer lautgerechten Überlieferung ausgegangen werden. Eine Möglichkeit der Erklärung besteht darin, in Belxam und Thrimining zwei Bezeichnungen für denselben Raum in einer slawischen bzw. germanischen Sprache zu sehen. Es bleibt allerdings die Frage bestehen, warum der ortsinteressierte Widukind, der sich für seine Chronik, „die allerdings nur allzu dürftigen Annalen seines Klosters <…> nutzbar gemacht“ hatte (Widukind, XVI), die Bezeichnung Belxam nicht aufgegriffen hat. Eine ähnliche Schreibweise des angeblichen Gaunamens, wie ihn die Corveyer Annalen bringen (Belxam), findet sich auch beim Annalista Saxo. Die Chronik umfaßt einen Berichtszeitraum von 741 bis 1139. Sie ist noch als Autograph überliefert und wird in ihrer Erstfassung auf 1148 bis 1152 datiert (Naß 1996). Hier interessiert die Mitteilung zur Schlacht am Tanger im Jahr 983, wobei die Kampfhandlungen in loco qui Belxem dicitur stattgefunden haben sollen (Annalista Saxo, 631). Nach Hessler schöpft der Annalista Saxo aus älteren Quellen (leider wird nicht mitgeteilt, um welche
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älteren Quellen es sich handeln soll), denn in der Mitte des 12. Jh. wird die Gegend am Tanger anders genannt (Hessler 1957, 39). Karl Uhlirz meinte sogar, die Angabe beziehe sich durch in loco auf einen bestimmten Ort, den er als Bellingen am linken Tangerufer lokalisiert (Uhlirz 1902, 205; zweifelnd Hessler 1957, 39). Die Schlacht am Tanger steht im Zusammenhang mit dem sogenannten Wendenaufstand von 983 (Brüske 1954, 39–45). Thietmar von Merseburg berichtet von der Einnahme Havelbergs und Brandenburgs durch Sclavi, die von der Forschung als Liutizen identifiziert werden. Von der Bewegung der Liutizen wurden auch die Obodriten unter ihrem Fürsten Mistiwoi mitgerissen. Sie verbrannten Hamburg, plünderten das Laurentiuskloster in Kalbe an der Milde und verwüsteten das altmärkische Gebiet bis zum Tanger (Holtzmann 1930). Erst hier konnte ein Aufgebot der ostsächsischen Großen die Slawen schlagen, die sich daraufhin nur im Schutze der Nacht durch eilige Flucht retten konnten (Thietmar III, 18 und III, 19). Diese Angaben Thietmars, besonders deren Chronologie und die Randbemerkungen im Orginalcodex, haben die Forschung sehr beschäftigt (Holtzmann 1930, 183). Die Schilderung des Annalista Saxo geht also auf Thietmar zurück, der von Klaus Naß auch als Hauptquelle (21 %) des gesamten Werks angesehen wird und dessen Chronik für den Berichtszeitraum von 967 bis 1018 sogar 77 % des Textes ausmachen (Naß 1996, 143). Dabei ist zu beachten, daß dem Annalista Saxo sowohl der Autograph Thietmars als auch dessen sogenannte Corveyer Überarbeitung vorlagen und vom Annalisten herangezogen wurden. Die im Annalista Saxo verwendete Textstelle Thietmar III, 18 soll dabei auf die Orginalfassung Thietmars zurückgehen. Der Einschub in loco qui Belxem dicitur im Annalista Saxo stammt nun von anderer Hand als die Thietmarstelle, wie schon Georg Waitz erkannte. Im Gegensatz zur älteren Forschung, die ein bis drei Schreiber annahm, kommt Naß auf mindestens sechs Schreiber. Den hier interessierenden Einschub hat der Schreiber F geliefert, dessen Korrekturen und Ergänzungen von besonderer Bedeutung sind, da dieser Schreiber als Autor des Werkes angesehen wird (Naß 1996, 8–14 und 31). Aus welcher Quelle mag nun der Annalista Saxo den Einschub entlehnt haben, denn aus der Sprache des 12. Jh. sind für das Gebiet des Tangers andere Bezeichnungen (Balsamia, Balsemerlande) überliefert. Die im Annalista Saxo verwendete Namenform Belxem steht der Erwähnung in den Corveyer Annalen (Belxam) am nächsten. Kann eine Entlehnung aus diesen Annalen stattgefunden haben? Die Verwendung der Annales Corbeienses im Annalista Saxo wurde schon früh erkannt (Naß 1996, 235–243). Aus dem Textvergleich geht jedoch hervor, daß der Annalista Saxo mehrere Zusatzinfor-
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mationen gegenüber den Annalen aufweist und an drei Stellen von den Datierungen der Annalen abweicht. „Sicher ist jedenfalls, daß sich mit den Übereinstimmungen zwischen dem Ann. Saxo und den Corveyer Annalen keine direkte Benutzung des Mscr. I 243 [des Originals der Annalen aus Corvey, C.W.] beweisen läßt. Die Parallelen von 856–1026 gehen wahrscheinlich auf reichere Corveyer Annalen zurück, die schon im 11. Jahrhundert in Magdeburg und Bremen vorlagen“ (Naß 1996, 243). Auch die chronologischen Abweichungen des Kompilators gegenüber den erhaltenen Annales Corbeienses lassen sich dadurch erklären, wobei der Annalista Saxo nicht der einzige Zeuge für eine reichere Fassung der Corveyer Annalen ist (Naß 1996, 243). Daß in den reicheren Corveyer Annalen zu 983 etwas über eine Schlacht am Tanger gestanden hätte, ist aber unwahrscheinlich, denn die Corveyer Annalen berichten weder 983 noch zu einem anderen Jahr von einem Slawenaufstand.
3.4 Hildesheim (10–11) Zwei Hildesheimer Urkunden, die den Namen als Belsheim/Belshem enthalten sind als Fälschungen des 12. Jh. entlarvt, geben aber vor, zwischen 1013 und 1022 entstanden zu sein (UB Hildesheim Nr. 67 und Nr. 69 = D H II 260). In den beiden gefälschten Urkunden, die fast identische Besitzaufzeichnungen bringen und in Abhängigkeit stehen, gibt es Gaunennungen (Scotelingau, Osterwalde, Muthwidde), die nur in diesen beiden Urkunden auftreten (Hessler 1957, 137, 145, 151). Auch alle Ortsnennungen zum Gau Flethniti treten bis auf Gandersheim nur in den beiden oben genannten Fälschungen auf. (Hessler 1957, 121–122). Hessler hat wahrscheinlich auf Grund der vielen vermeintlichen Ortszugehörigkeiten zum Fletnithi-Gau, den Aringau und den Valothungau als Teilgaue des Fletnithi-Gaues eingesetzt. Dafür besteht jedoch kein Grund. Weitere Gaue für die zahlreiche Ortszuweisungen nur in den beiden Fälschungen überliefert sind, sind die Gaue Marstem, Flutwidde und der Ostfalengau. Die Gaue werden zwar in anderen Urkunden erwähnt (Flutwidde und der Ostfalengau unter den Namen Mulbeze und Valen) jedoch werden in den Hildesheimer Fälschungen Orte zu diesen Gauen gezählt, für die es kein Orginalbeleg der Gauzuweisung gibt. In Hesslers Karte ergibt die Berücksichtigung einer der beiden Urkunden ein zusammengehöriges flächendeckendes Gebiet der Gaueinteilung für Ostfalen, das ohne die Fälschungen in mehrere kleine Gebiete mit zumeist ein oder zwei Ortsbelegen zerfällt. Der Fälscher bezweckte offensichtlich
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einen späteren Besitzstand bzw. Besitzanspruch durch eine Königsurkunde abzusichern. Da im 12. Jh. in den orginalen Kaiser- und Königsurkunden die in pago-Nennungen von Dörfern aufhörte, mußte der Fälscher für sein Diplom, daß er ja in den Anfang des 11. Jh. gesetzt hat, Namen für die in pago-Formel „beschaffen“. Dafür benutzte er zum einen Landschaftsnamen aus dem 12. Jh. und zum anderen verwendete er Gaubezeichnungen aus alten Urkunden, denen er die Orte des Hildesheimer Besitzstandes zuschrieb. Wie verhält es sich nun im Fall des hier interessierenden Gaunamens? Gab es eine Orginalurkunde, deren Besitzangaben in die Fälschung eingeflossen sind? In der Urkunde D H II 260 heißt es: „In pago Osteruualde in prefectura marchisi Bernhardi: Latonthorp. In pago Belsheim in ipsius prefectura: Bremeszhe, Eilerdesthor, Steinedal“. Es wurde schon bemerkt, daß ein Gau Osterwalde nur in dieser Fälschung erscheint. Allerdings testiert Ende des 12. Jh. ein Fridericus* de Ostirwalde mehrfach in den Urkunden des Markgrafen von Brandenburg. Das der Stammsitz des Geschlechts „wohl ursprünglich der Hauptort des Gaues Osterwalde gewesen ist“ (Schulze 1963, 78), darf bezweifelt werden, vielmehr wird die Gauangabe in D H II 260 nach dem Stammsitz gewählt worden sein. Seltsam ist auch die Verwendung des Wortes prefectura in D H II 260. Nach Schulze „bedeutet prefectura allerdings nicht nur den Machtbereich des Markgrafen, sondern steht synonym für comitatus“ (Schulze 1963, 17). Weitere prefectura Nennungen in der Urkunde scheinen dies zu bestätigen: „<…> prefectura ducis Bernhardi, <…>, prefectura Vdonis comitis, <…>, prefectura Herimanni comitis, <…>, prefectura Liudgeri comitis <…>, prefectura Ekberti, <…>, prefectura Liudolfi comitis, <…>, prefectura Bernhardi comitis <…>“. Merkwürdig ist nur, daß prefectura niemals in orginalen Kaiser- und Königsurkunden zur Bezeichnung von Lageangaben Verwendung fand. Das Wort kommt in den Herrscherurkunden des 10.–12. Jh. bis auf wenige Ausnahmen nicht vor. Die Ausnahmen stehen alle mit dem Kloster Werden in Verbindung und prefectura bezieht sich hier auf einen geistlichen Amtsbereich (DD H I 26, O II 80, O III 17, K II 2, K II 187, H III 32). Bei den Ortsbestimmungen fällt auf, daß überhaupt nur sehr wenige Orte, als in pago Belcsem gelegen, bezeichnet werden. Außer Arneburg (D H II 111; Papsturkunden, Nr. † 279) werden nur die Dörfer Bremezhe, Eilerdesthor und Steinedal in den Hildesheimer Fälschungen erwähnt. Während die letzten beiden übereinstimmend als Elversdorf und Stendal lokalisiert werden, gibt das Bremezhe Rätsel auf (Hessler 1957, 115). Daß Besitz in den drei Orten von Heinrich II. an das Kloster verschenkt wurde, ist ganz und gar unwahrscheinlich, denn Reichsgut in Form von Dörfern hat es in der östlichen Altmark nicht gegeben (Schulze 1963, 10). Heinrich II.
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mußte zunächst den Besitz in Arneburg von Ziazo und Uneco erwerben, bevor er diesen weiter verschenkte. Es ist also durchaus wahrscheinlich, daß es keine Orginalurkunde aus der Zeit des Markgrafen Bernhard gegeben hat, in der Besitz in pago Belsheim an das Kloster in Hildesheim gekommen wäre. Damit soll nicht gesagt sein, daß das Kloster im 12. Jh. keinen Besitz in den genannten Dörfern gehabt habe. Der Hildesheimer Fälscher könnte die Urkunde gekannt haben, welche die Grafschaftsschenkung Heinrich III. an Halberstadt betrifft, denn diese Urkunde bringt den Gaunamen in der Form Belchesheim (D H III 281). Dafür spricht auch die Schreibweise Northuringon in D H III 281, die auch in den Hildesheimer Fälschungen (Norththuringon) verwendet wird und im Verhältnis zu den zahlreichen Nordthuringia und Northuringo Nennungen in den Herrscherurkunden nicht sehr oft vorkommt. Es bleibt festzuhalten, daß die Nennung von Belsheim/Belshem in den Hildesheimer Fälschungen des 12. Jh. nicht zwingend einen Gau dieses Namens zu Beginn des 11. Jh. voraussetzt.
3.5 Albrecht der Bär (12–16) Es fällt auf, daß die Nennungen des Balsemerlandes in den Quellen fast alle einen Bezug zu Albrecht dem Bären haben, der seit 1134 Markgraf der Nordmark war (Partenheimer 2001). Helmold von Bosau berichtet in seinem Kapitel über Albrecht den Bären, wie der Markgraf (marchio) das ganze Land der Brizanen (Prignitz), Stoderanen (Havelland) und der vielen zwischen Elbe und Havel sitzenden Stämme unterwarf (wohl um 1147). Dann schickte Albrecht nach den Rheingegenden und zu den Holländern, Seeländern und Flamen, um diese in den Burgen und Dörfern der Slawen anzusiedeln (um 1150). Bis hierher erzählt Helmold nur über Zustände östlich und nordöstlich der Elbe (von der jetzigen Altmark aus betrachtet). Im folgenden berichtet er über Gegenden die südlich der Elbe liegen: „Sed et australe litus Albiae ipso tempore ceperunt incolere Hollandrenses advenae; ab urbe Saltvedele omnem terram palustrem atque campestrem, terram quae dicitur Balsemerlande et Marscinerlande, civitates et oppida multa valde usque ad saltum Boemicum possederunt Hollandri. Siquidem has terras Saxones olim inhabitasse feruntur, tempore scilicet Ottonum, ut videri potest in antiquis aggeribus, qui congesti fuerant super ripas Albiae in terra palustri Balsamorum, sed prevalentibus postmodum Slavis Saxones occisi, et terra a Slavis usque ad nostra tempora possessa“ (Helmold von Bosau, 175). Bei der Schilderung dieser Begebenheiten wird ein weiträumiges Gebiet erfaßt. Von Salzwedel an, über das Sumpfland, das
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Balsemer- und Marscinerlande bis zum böhmischen Wald besetzten die Holländer das Land. Das damit nicht der heute so bezeichnete Böhmische Wald gemeint sein kann, erkannte bereits von Wersebe, der an die Forsten von Burgstall und Colbitz, nördlich Magdeburgs, denkt (Wersebe 1816, 447 f.). Bernhard Schmeidler bringt die Nennung des Balsemerlandes mit dem „Gau Belcsem = Belze um Stendal“ in Verbindung, wohingegen das Marscinerlandes, wohl „mit dem Niederungslande an der Elbe zwischen Werben und Arneburg gleichzusetzen ist“ (so auch Teuchert 1972, 159). Eine andere Meinung sieht die Marsciner als Bewohner der Landschaft Morazani östlich von Magdeburg an (Schulze 1979, 79). Diese Vermutung hat viel für sich. Wird die Landaufzählung betrachtet, bildet terram palustrem atque campestrem ein Gebiet, das Schulze wohl zu Recht mit der Wische gleichsetzt. Dann kommt das Balsemerlande, dessen Verwendung im Kontext bei Helmold durchaus Gebiete beiderseits des gegenwärtigen Elbverlaufs bezeichnen kann, ansonsten wäre anzunehmen, daß die ganze nördliche Altmark, vormals von Saxones bewohnt, slawisch gewesen wäre. Diese Ansicht ist durchaus vertreten worden (Trautmann 1948, 12), aber entspricht wohl nicht den Tatsachen, vielmehr weisen die Ergebnisse der Ortsnamenforschung und der Archäologie darauf hin, „daß es in der Altmark schon früh zu einer Mischung von germanischer und slawischer Siedlung gekommen ist, indem die Slawen in ein zwar dünn besiedeltes, nicht aber siedlungsleeres Gebiet eindrangen“ (Schulze 1963, 3). Der Quelle nicht gerecht wird die Aussage Schulzes, Helmold von Bosau berichte von einer rein sächsischen Besiedlung der Altmark in ottonischer Zeit, die erst nach dem Slawenaufstand von 983 durch eine slawische Besiedlung abgelöst worden sei. „Diese Nachricht dürfte wohl nur als Versuch Helmolds, die Existenz slawischer Dörfer auf dem linken Ufer der Elbe zu erklären, zu werten sein“ (Schulze 1963, 4). Helmold von Bosau wunderte sich gewiß nicht darüber, daß links der Elbe Slawen wohnten und erklären wollte er dies sicher nicht. Zu diesen Schlüssen kann Schulze nur gelangen, weil er die Bezeichnung Balsemerlande von vornherein auf die östliche Altmark beschränkt sieht. Hier soll die Möglichkeit im Auge behalten werden, daß im Zusammenhang mit den Siedlungsvorgängen der Holländer ein Gebiet mit Balsemerlande bezeichnet wird, daß die östliche Altmark und den Elbe-HavelWinkel umfaßte. Diese Erwägung läßt die Aussage Helmolds verständlich erscheinen, denn der Elbe-Havel-Winkel ging nach dem Slawenaufstand oder später für die sächsische Landesherrschaft verloren. Südlich dieses Gebietes schloß sich dann das Marscinerland als ursprüngliches Siedlungsgebiet der Morazani an.
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Diese Überlegungen werden durch die sprachwissenschaftliche und Ortsnamenforschung gestützt. Max Bathe zeigte in einer Untersuchung anhand von drei ausgewählten Flurnamen, Moor, Ried und Fenn, daß die Namen drei einander nahezu ausschließende Verbreitungsgebiete haben. Fenn wird in einem Gebiet gebraucht, das von Salzwedel über die nordöstliche Altmark ins Elbe-Havel-Gebiet hineingreift und dann zahlreicher nach Süden wird, wobei es auf der Höhe östlich von Magdeburg plötzlich nahezu aufhört, Verwendung zu finden. Als Ergebnis kann Bathe festhalten, daß Fenn im Zuge der Ostlandbesiedlung an die Mittelelbe gekommen ist und die Siedler ursprünglich aus dem heutigen belgisch-niederländischen Grenzgebiet stammen (Bathe 1939, 215–218). Unterstützung finden diese Ausführungen in den Untersuchungen Hermann Teucherts zu den Sprachresten der niederländischen Siedlungen des 12. Jahrhunderts (Teuchert 1972, 158–164). Dagegen hält Jürgen Udolph die Fenn Bildungen für ererbte Appellativa und billigt nur den Fenn-Bildungen östlich der Elbe ein jüngeres Alter zu (Udolph 1994, 315–317). Abschließend bleibt festzuhalten, daß die Verwendung der Landschaftsbezeichnung Balsemerlande bei Helmold in keinem Zusammenhang zu den Gauangaben des 10. oder 11. Jahrhunderts steht. Mit Balsemerlande und dessen Bewohnern, den Balsemern, könnten in der Mitte des 12. Jh. durchaus Gebiete beiderseits der Elbe bezeichnet worden sein (siehe unten, Annales Pegavienses). Eine weitere Erwähnung des Balsemerlandes erfolgt im Marktprivileg Albrechts des Bären für Stendal (CDA I, Nr. 370). Diese undatierte Urkunde ist nur durch Drucke aus dem 18. Jh. und einer deutschen Übersetzung des 15. Jh. überliefert. Die Entstehung des Privilegs wird mittlerweile um 1160 angesetzt (Schultze 1960, 50 f. hält die Urkunde für eine Fälschung; dagegen Schulze 1979, 148 f.; vgl. auch Partenheimer 2001, 323). Jüngst hat sich Christian Popp zum Marktprivileg geäußert und meint, „daß die Urkunde in ihrer überlieferten Form sicherlich nicht in das 12. Jahrhundert gehört. Möglicherweise ist sie das Ergebnis einer Zusammenstellung des 13. Jahrhunderts, in die nichturkundliche Aufzeichnungen des 12. Jahrhunderts oder mündliche Traditionen eingeflossen sein könnten“ (Popp 2007, 25). Der Inhalt der Urkunde besagt, daß Albrecht der Bär Dei gracia marchio in terra dicionis mee, que dicitur Balsmarlant, forum rerum venalium institui in propria villa mea, que appelatur Stendale, cum antea competens in terra illa forum non esset. Denjenigen, die zu diesem Markt kommen, bewilligt er 5 Jahre Zollfreiheit. Weiterhin gewährt er den Einwohnern Stendals in urbibus dicionis mee, Brandenburg, Havelberg, Werbene, Arneburg, Tanghermunde, Osterburg und Saltwidele sowie in den benachbarten Orten Zollfreiheit etc. Was nun mit in terra dicionis mee gemeint ist, bleibt unklar. Johannes Schultze meint, durch
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diese Nennung betont Albrecht der Bär seine besonderen Rechte an dem Balsmarlant. „Man könnte darunter die Amtsgewalt des Grafen oder Markgrafen verstehen, doch scheint es eher auf den Anspruch der Landesherrschaft, des dominium terrae oder des Eigentums zu deuten, zumal Albrecht das darin gelegene Stendal propria mea villa benannte und der allodiale Charakter dadurch verbürgt ist, das Stadt und Landbezirk Stendal zu dem Eigenbesitz gehörten, den Albrechts Enkel 1196 dem Erzstift Magdeburg zueigen gab“ (Schultze 1957, 95). Das Albrecht der Bär in der Gegend von Stendal Allodialbesitz hatte, trifft sicherlich zu, aber der meiste Allodialbesitz in dieser Gegend gehörte der Familie Veltheim, den späteren Grafen v. Osterburg (Schulze 1963, 56–59). Einer der Zeugen der Urkunde ist Werner von Veltheim. Die Merkwürdigkeiten der Urkunde sprechen für eine spätere Entstehungszeit des Marktprivilegs, wobei die Formulierung marchio in terra dicionis mee, que dicitur Balsmarlant nicht beanstandet wird (Popp 2007, 26). In einer Urkunde vom 18. Januar 1161, die noch im Orginal vorliegt, findet sich eine weitere Nennung des Balsemerlandes, hier jedoch in der Form Balsamis (CDA I, Nr. 455). Die Urkunde berichtet über eine Schenkung die in der Vergangenheit liegt, denn Albrecht möchte mit dem Schriftstück, die durch die verfluchte Gier verursachten Betrügereien unterbinden. Die Schenkung betrifft qualiter allodium quoddam, quod emi in Balsamis, villam scilicet Slautiz und erfolgt an das Lorenzkloster zu Hillersleben in Gedenken an den Abt Irminhard. Leider geht aus der Urkunde nicht hervor, von wem das Dorf gekauft wurde. Slautiz wird mit Schleuß (sw. von Stendal) in Verbindung gebracht (Reischel 1931, 25; Hessler 1957, 40; Partenheimer 2001, 146). In einem Heberegister des Helmstedter St. Liutger-Klosters werden zehn Dörfer aufgeführt, die in Balsema liegen. Die Handschrift ist im Orginal überliefert und zerfällt hinsichtlich ihres Inhalts in drei Hauptgruppen, wobei der zweite Teil das Heberegister bildet. Die Entstehung des Heberegisters wird von Rudolf Kötzsche in die Jahre 1151–1160 gelegt (Urbare Werden, CXXXIXf.). Nun könnte der Besitz in den zehn Dörfern, die in Balsema liegen, zu einer früheren Zeit dem Kloster übertragen worden sein. Damit wäre die Bezeichnung Balsema älter. Jedoch gibt es zu der ersten Dorfnennung Lamen einen Zusatz von einer „etwas späteren Hand“: Beneficium comitis Alberti de Veltheim sunt isti 7 mansi in Lamen. Zwischen der Grafenfamilie Veltheim, dem Bistum Halberstadt, der Landschaft Balsema und dem Helmstedter Kloster gibt es interessante Zusammenhänge (Schulze 1963, 56–58). Mit Albert von Veltheim kann nur Albert (Adelbertus, Albrecht) gemeint sein, der in Urkunden der Jahre 1160, 1170, 1180, 1184, 1186 und 1188 genannt wird. In der ersten Urkunde
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wird er noch als Graf von Veltheim tituliert, in den anderen bereits als Graf von Osterburg bezeichnet. Diese Angaben passen zu einem beneficium von Albert vor 1160. Jetzt stellt sich die Frage, ob die restlichen Dörfer neben Lamen, auch von der Familie Veltheim übertragen wurden und wenn ja, wann dies geschehen ist. Es spricht vieles dafür, das beneficium der 7 Mansen in Lamen und die restlichen Dörfer des klösterlichen Besitzkomplexes in Balsema als Ganzes zu betrachten. Im Jahr 1157 kam Alberts Bruder Werner bei der Eroberung der Brandenburg ums Leben. Es wäre vorstellbar, daß der Vater der beiden, der auch Werner hieß, in diesem Zusammenhang Einkünfte aus Dörfern seines Besitzes zum Gedenken an den gefallenen Sohn dem Kloster vermachte. Krevese, das Eigenkloster der Veltheims wurde erst später gegründet (Diestelkamp 1932, 107). Für die Mönche in Helmstedt und besonders die in Werden wurde die Lage der Dörfer durch den Zusatz in Balsema kenntlich gemacht, da der meiste Besitz des Klosters rund um Helmstedt im Derlingau lag (Mutke 1913). Für unsere Zwecke bleibt festzuhalten, daß um die Mitte des 12. Jh. die Lage von 10 Dörfern mit in Balsema angegeben wurde.
3.6 Die Annales Pegavienses (17) Die sogenannten Pegauer Annalen sind in einer einzigen Handschrift, dem Original, aus dem 12. Jahrhundert überliefert (Annales Pegavienses, 233–270). Vom Orginalkodex fehlt seit dem 19. Jh. ein Blatt (fol 201) was erst jüngst entdeckt wurde. Das fehlende Blatt behandelt gerade die hier interessierenden Zusammenhänge (Peter 2006, 6 f.). Der Pegauer Annalist „folgt dem Zug der Historiographie der Reformklöster, ihre eigene Geschichte und das Leben ihres frommen, der Reform ergebenen Stifters darzustellen“ (Patze 1963, 2). Im Fall Pegaus war dies Wiprecht von Groitzsch (ca. 1050–1124), der 1096 ein Benedektinerkloster stiftete, das zunächst Mönche aus Münsterschwarzbach bewohnten. Zu diesen kamen 1103 Corveyer Mönche der Hirsauer Reform, von denen wohl Windolf lange Zeit die Abtswürde bekleidete (1105–1156). Windolf hat dann gegen Ende seines Lebens die Verdienste des Klostergründers, den er aus eigenem Erleben kannte, aufzeichnen lassen (Blaschke 1996, 1856). Die Annalen berichten zunächst über die Gründung des Klosters und beschäftigen sich in diesem Zusammenhang mit den Ahnen des Stifters. Diese genealogischen Ausführungen, in denen die hier interessierende Landschaftsbezeichnung auftritt, wurden von der Mehrzahl der Forscher als unglaubwürdig verworfen (Literatur bei Schultze 1965, 370 f.). Hans
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Patze hat dann den Annalen und der Geschichte des Klosters sowie seines Gründers eine eingehende Darstellung gewidmet, in der er zu einer durchaus positiven Beurteilung des Autors und seiner Nachrichten gelangte (Patze 1963, so auch Ludat 1971, 61). Dagegen hat Johannes Schultze sofort Einspruch erhoben. Der Streit entzündete sich vor allem „um die Glaubwürdigkeit der von dem Annalisten gebrachten Nachrichten über das Balsamerland (Balsamgau) und Tangermünde, die in enger Verbindung stehen mit der Person des angeblichen Großvaters des Klostergründers Wiprecht“ (Schultze 1965, 371). Dieser Großvater, ein heidnischer Fürst der Pommern namens Wolf, soll, nebst vielen anderen Abenteuern, sich in einem kriegerischen Unternehmen zum Eigentümer und Herrn des Balsemerlandes aufgeschwungen haben: Balsamorum regio sorte bellica cessit eius dominio. Nach dem Tod des Kriegshelden Wolf in Dänemark mußten seine Kinder fliehen. Der Sohn Wiprecht, der Vater Wiprechts von Groitzsch, ging ins Balsemerland (in Balsamorum regionem), welches er als väterliches Erbgut besaß. Wiprecht der Ältere heiratete dann die sächsische Grafentochter Sigona mit der er zwei Töchter und Wiprecht (den späteren von Groitzsch) zeugte. Die eine Tochter ehelichte Werner von Veltheim den Älteren (Annales Pegavienses, 235). Als Wiprecht der Ältere in jungen Jahren starb, gab Sigona ihren Sohn Wiprecht in die Obhut des Markgrafen Udo von Stade (gest. 1082), da sie ihre Trauer schnell verwand und nach Franken heiratete. Udo von Stade erteilte dem jungen Wiprecht die Schwertleite und belehnte ihn mit Tangermünde. Da sich jedoch verschiedene Adlige über Wiprecht beschwerten, übertrug der Markgraf dem jungen Hitzkopf das municipium Groitzsch im Tausch pro commutatione regionis Balsamorum (Annales Pegavienses, 236). All diese Angaben zum Balsemerlande werden von der Forschung bezweifelt. Wie könne denn ein Heide Besitz im sächsischen Balsemerlande erwerben und halten? Das Balsemerlande wird in dieser Vorstellung mit dem Balsamgau (Belxemgau) einem „kirchlich zum Bistum Halberstadt gehörigen Landstrich westlich der Elbe von der Ohre bis zur Stendaler Mark“ gleichgesetzt (Schultze 1965, 372; Patze 1963, 6; Brüske 1954, 228; Kupka 1936). Patze versucht sich nun damit zu helfen, daß er annimmt die Herrschaft Wolfs sei keine lückenlose Flächenherrschaft gewesen (Patze 1963, 6). Die Vorstellung von heidnischem Streubesitz inmitten sächsischer und christlicher Gewalten ist nicht unbedingt wahrscheinlich (Schultze 1965, 373). Wird nach dem Besitz der Stader Markgrafen im altmärkischen Raum nach dem Tausch gesucht, so stellt sich heraus, daß es keinen gibt. Zwar besitzen sie Grafenrechte im Raum Salzwedel, Eigengüter dagegen sind nur
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östlich der Elbe, im Elbe-Havel-Winkel festzustellen (Hucke 1956, 189 und Karte 1). Schon Riedel findet dafür eine Erklärung, indem er darauf hinweist, daß „ein der Lokalität völlig unkundiger Mönch“ die Raumbezeichnung Balsemerlande falsch verwendet, zumal die Gaue Belxem, Zemzizi und Liezizi vormals unter einem „markgräflichen Komitat“ vereinigt waren (Riedel 1831, 21 f.). Auch Schultze hält dies für die einfachste Lösung, denn dem Pegauer Annalisten waren „die hier in Betracht kommenden Gaubezeichnungen Zemzizi, Liezizi […] bestimmt unbekannt“ (Schultze 1965, 373). Hier soll auf eine weitere Möglichkeit hingewiesen werden, die schon bei der Behandlung Helmolds von Bosaus anklang. Der Elbe-Havel-Winkel könnte zur Zeit des Pegauer Annalisten durchaus Balsemerlande geheißen haben. Der Weg zu dieser Annahme wird nur durch die scheinbar immerwährende Gleichsetzung von Balsemerlande mit dem Gau Belcsem des 10. und frühen 11. Jh. verbaut. Aus den Angaben des Pegauer Annalisten ist eine solche Gleichsetzung allerdings nicht abzuleiten.
3.7 Das Archidiakonat Balsamie (18) Die Archidiakonatsbildung vollzog sich in den sächsischen Bistümern sehr unterschiedlich und wird für die Diözese Halberstadt für das Ende des 11. Jh. angesetzt (Hilling 1902, 25 f.; Diestelkamp 1931, 278 f.). Die Ersterwähnung eines Archidiakonats fällt allerdings erst ins Jahr 1120 (UB Hochstift Halberstadt, Nr. 147). Die Archidiakonate des Bistums Halberstadt entstanden in Anlehnung an die vormaligen Sendsprengel der Diözese und trugen auch deren Namen. Ausnahmen in dieser Hinsicht bilden das Archidiakonat Balsamie und der Osterbann, die in 4 Dekanate bzw. 8 Sedes eingeteilt waren (Strombeck 1862, 20 f.). Diese Unterabteilungen, die in den anderen Archidiakonaten Halberstadts nicht zu finden sind, sollen auf ursprüngliche Mutterpfarreien zurückgehen, die bei der Errichtung der Archidiakonate oder später zu den beiden Bannsprengeln vereint wurden. Die Zusammenfassung der Kirchen im Balsemerlande wird dabei mit einer Restauration des Christentums in der Altmark durch Albrecht den Bären erklärt (Hilling 1902, 46; Diestelkamp 1932, 167). Die 4 Dekanate sind jedoch erst durch ein Verzeichnis von 1400 überliefert. Zum Jahr 1194 berichten die Urkunden erstmals von einem archidiaconus Balsamie namens Romarus, wobei die erste Erwähnung auch in das Jahr 1184 vorverlegt wird, da zu diesem Jahr Romarus als archidiaconus ohne Zusatz Erwähnung findet (UB Hochstift Halberstadt, Nr. 306, Nr. 352). Der Name des Bannes ist bis zu Beginn des 16. Jahrhunderts 38 mal über-
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liefert. Neben der Form Balsamie, kommen noch die Ausdrücke des Balsambannes, in dem Balsembanne und Commisarius Balsames Banne vor (Zusammenstellung bei Bathe 1967, 631).
4 Diskussion Das Ergebnis der Quellenuntersuchung ist die Feststellung der zeitlichen Überlieferung des Namens (Tabelle 1). Die Nummerierung in der Spalte 1 bezieht sich auf den Tabellenanhang des Beitrages. Die Urkunde D O III 136 mit actum in Belsamis wird aus den oben genannten Gründen nicht berücksichtigt. Auch die Überlieferung zu Balsamie bleibt zunächst unberücksichtigt. Eine Deutung des Namens sollte von der chronologischen Anordnung ausgehen. Dies ist die Aufgabe der „historisch orientierten Slawistik“ (Eichler 2004, 34), es seien jedoch einige Anmerkungen erlaubt. Tabelle 1: Quellendatierung und überlieferte Namensformen in den Quellen Nr.
Quellendatierung
Schreibweise in der Quelle
10
938
Belxam
11
983
Belxem
5
1003–1006
Belcseim
6
1006
Belcsem
1
1012–1023
Belkesheim
2
1012–1023
Belkishem
3, 4
1052
Belchesheim
9
1022–1052/ 12. Jh.
Belshem
8
1022–1052/ 12. Jh.
Belsheim
Die Überlieferung des angeblichen Gaunamens erfolgt zumeist in Chroniken und Kopialbüchern. Daher unterliegt der Name zeitbedingten Schreibformen und ist nicht frei von Fehlern der Abschreiber. Bathe strebte aus diesen Gründen eine Anordnung der Belege nach der Formenverwandtschaft und nicht nach dem Alter an (Bathe 1967, 629 f.). Die hier vorgelegte Quellenkritik, welche zunächst die Schreibweise des Namens unberücksichtigt läßt, führt jedoch bei der chronologischen Anordnung der Belege im Fall des untersuchten Namens ganz zwanglos zu einer Zusammenstellung von ähnlichen Formen (Tabelle 1). Die Meinung, daß der strittige Name zwei Grundtypen erkennen lasse, einen mit und einen ohne k bzw. c (Hessler 1957, 39; Kunstmann 1987,
Belcsem/Belkesheim/Balsemerlande
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96 f.), ist bei Vernachlässigung der späten Hildesheimer Fälschungen hinfällig. Die Berücksichtigung der Grapheme x und cs für kz bzw. ks, sowie des Graphems ch für k (Kunstmann 1987, 99; Hengst 1990, 253 f.) lassen eine einheitliche Grundform erkennen. Die verbreitete Meinung, daß die Prägung des Namens Belkesheim schon zur Zeit Karls des Großen erfolgte, muß zurückgewiesen werden, da das Immunitätsprivileg für Halberstadt eine Fälschung des 11. Jh. ist. Erst im 10. Jh. kommen die Namen Belxam und Belxem vor. Jedoch ist aus den Annales Corbeienses und dem Annalista Saxo nicht zu erschließen, daß die beiden Namen eine großräumige Landschaft bezeichnen. Die Verwendung der Wörter Belxam und Belxem läßt eher das Gegenteil vermuten. Bei der Deutung des sorbischen Ortsnamen Behlitz (1378 Belicz) zieht Eichler „bielica >Niederung, niedrig gelegener, sumpfiger Wald<“ in Erwägung (Eichler 1985, 33). An anderer Stelle macht er darauf aufmerksam, daß bei alten Schreibungen solcher Ortsnamen [Behlitz, C.W.] neben dem Kurznamen *Beˇl auch immer mit dem Appelativum *beˇlica zu rechnen sei (Eichler 1958, 13). Die Wüstung Belitz (sö. Peißen) wird 1398 als Belcz überliefert. Auch hier wird die Deutung „feuchte Wiese, niedrig gelegenes Land“ erwogen (Schultheis 1967, 153). Die Ortsnamen Belitz (Kr. Güstrow, 1270 Beliz), Beelitz (Kr. Zauch-Belzig, 997 Belizi, 1217 Beliz), Beelitz (Kr. Stendal, 1215 Beliz) und Beelitz (Kr. Pyritz, 1235 Belitz) werden von Trautmann überwiegend als alte Flurnamen aufgefaßt (Trautmann II, 30, mit Belegnachweisen; siehe auch Trautmann I, 178). Interessant ist auch, daß der Ort Beelitz (Kr. Stendal, 1215 Beliz) nur einige Kilometer nw. von Arneburg liegt. Es besteht also durchaus die Möglichkeit, daß die Annales Corbeienses und der Annalista Saxo Schreibformen eines Flurnamens überliefern, der auf *beˇlica zurückzuführen ist und mit „sumpfiges Land“ wiedergegeben werden kann. Bathe schloß eine slawische Herkunft des Namens Belxem auch deswegen aus, da er einen Vergleich mit den slaw. Landschafts- und Stämmenamen Dravehn, Lipani, Brisani, Bethenici, Liczizi, Zemzizi und Moraciani zog. „Wäre urslaw. *beˇl- ‚weiß, Sumpf‘ verwendet worden, dann hätten sich *Beˇlin-, *Beˇljane, *Beˇlici ergeben müssen“ (Bathe 1967, 633). Dieses Argument wird hinfällig, wenn Belxam und Belxem als Flurnamen aufgefaßt werden. Wird das Belxam der Corveyer Annalen als „sumpfiges Land“ gedeutet, korrespondiert die Nachricht von 938 auch mit der Ortsbeschreibung bei Widukind, der das bis ins 18. Jh. hinein sumpfige Gebiet des Drömlings (Thrimining ) als den Ort der Ungarnniederlage angibt. Der Annalista Saxo berichtet dann also zum Jahr 983 von der Schlacht am Tanger, an einem Ort der ‚Sumpfland‘ genannt wird (in loco qui Belxem dicitur). Geht der heu-
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tige Ortsname Bellingen (Kr. Stendal) auf diese Ortsbezeichnung zurück, wie bereits Uhlirz vermutete (Uhlirz 1902, 205)? Der Ort Bellingen wird 1160 als Beldinkge und 1238 als Bellinge überliefert (Urbare Werden, 175; CDB V, 35). Das in den Belegen erscheinende -ing muß nicht als dt. -ingSuffix aufgefaßt werden. Die Lautverbindung -ing entstand auch, „indem zunächst slaw. -ek, -ik dem dt. -ig angeglichen und dann in hyperkorrekter Weise zu -ing umgebildet wurde“ (Neumann 1967, 80). Der Ortsname Bellingen könnte somit durchaus auf *beˇlica zurückzuführen sein. Zu Beginn des 11. Jh. findet der Name Belcsem dann erstmals in der in pago – Formel Verwendung. Der Kleriker Ziazo wollte seine Ansprüche an der Arneburg mit Hilfe einer gefälschten Papsturkunde von 983 untermauern. Dafür mußte er in die in pago-Formel einen Namen einsetzen und wählte Belcseim. Daß dieses slawische Wort ein weiträumiges Siedlungsgebiet bezeichnet hätte, ist auch hier nicht zu beweisen. Es könnte sein, daß das Niederungsgebiet vor den Toren Arneburgs namengebend war. Jedenfalls hatte die Fälschung Erfolg, der Name wurde als Belcsem in eine Orginalurkunde Heinrichs II. aus dem Jahre 1006 aufgenommen (D H II 111) und damit als ein Gauname ‚eingeführt‘, auf den später zurückgegriffen wurde. Die Namen Belcseim und Belcsem sind als Flurnamen anzusehen, zumal das nahe gelegene Beelitz (2 km westlich v. Arneburg) diese Deutung stützt. Daß die Namen Belxam, Belxem und Belcseim/Belcsem keine großräumigen Landschaftsbezeichnungen und keine Gaunamen sind, wird auch dadurch erhärtet, daß die Urkunden des 10. und 11. Jh., welche die Lage von Dörfern nördlich der Ohre kennzeichnen, keine Gauangaben für dieses Gebiet enthalten. In einer Orginalurkunde von 937 werden zunächst Orte in pago Northuringia aufgezählt, „et quicquid ad praefatum locum pertinens habuimus ex aquilonali parte Horaha fluminis in locis ita nominatis“ (D O I, 14). Im Jahr 973 heißt es: „ex aquilonali etiam parte Orae fluminis in locis ita nominatis“ (D O II, 29). Heinrich IV. schenkte im Jahr 1068 auf Bitten Burchards von Halberstadt dessen Bruder Lanfried Besitz in verschiedenen Orten „in comitatu Sigifridi comitis, in pago Northvringa <…> et ultra Ara Slauonica villa in potestate Vdonis marchionis sitos“ (D H IV 207). Die in pago-Formel ist bei den slawischen Dörfern nördlich der Ohre durch die geographischen Angaben aquilonali parte Horaha bzw. ultra Ara ersetzt worden, während potestas eine Parallelbezeichnung zu comitatus ist. Bis hierher bleibt festzustellen, daß Belxam, Belxem und Belcseim/Belcsem unterschiedliche Schreibformen eines Namens sind, der auf das Appelativum *beˇlica – ‚Niederung, niedrig gelegener, sumpfiger Wald‘ zurückgeht. Die überlieferten Formen bezeichnen dabei nicht dasselbe Gebiet, sondern
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sind Flurnamen an drei verschiedenen Orten. Belxam ist ein slawischer Name für das Gebiet des Drömlings, Belxem liegt am Tanger und Belcseim/ Belcsem ist eine Benennung für den Raum um Arneburg. Drei weitere Schreibformen des Namens sind in der Halberstädter Bischofschronik überliefert (Belkesheim, Belkishem, Belchesheym). Es ist zu prüfen, welches von den drei oben genannten Gebieten so benannt wurde. Bischof Arnulf ließ wahrscheinlich das gefälschte Immunitätsprivileg Ludwigs des Frommen, sowie die Papstbulle Benedikts VIII. anfertigen, die sich ausdrücklich auf das Immunitätsprivileg beruft. In beiden Fällen werden sechs Gaue des Bistums Halberstadt genannt. Daß die Gaue eines Bistums in Gründungsurkunden explizit aufgeführt werden, findet sich sonst nur in den gefälschten bzw. verfälschten Gründungsurkunden Havelbergs und Brandenburgs, aus denen Arnulf wahrscheinlich die Inspiration zu einer entsprechenden Aufzählung hatte. Für das nördlich der Ohre gelegene Gebiet seiner Diözese brauchte Arnulf einen Gaunamen und wählte Belkesheim, in Anlehnung an den einzigen in pago-Namen der für das nördlich der Ohre gelegene Gebiet bekannt war. Dabei kann es zu einer Umdeutung des slawischen Wortes Belcsem in ein deutsches Wort Belkesheim gekommen sein (Polenz 1961, 163). Die Namen Belcseim und Belcsem, die ein kleinräumiges Gebiet um Arneburg bezeichneten, wären dann als Gaunamen Belkesheim und Belkishem für das nördlich der Ohre gelegene Halberstädter Gebiet verwendet worden. Daß Bischof Arnulf die Urkunden für Arneburg gekannt haben kann, ist nicht unwahrscheinlich, da beide Schriftstücke in Magdeburg aufbewahrt wurden. Dies geht aus dem Bericht eines Magdeburger Geistlichen hervor, der um 1020 sowohl die Papstbulle (Papsturkunden, Nr. † 279) als auch das Königsdiplom (D H II 111) abschrieb (Bresslau 1894, 158–160). Es gibt Indizien, die darauf hinweisen, daß dem Halberstädter Fälscher bewußt gewesen war, daß der Gauname Belcsem/Belkishem nicht das gesamte Gebiet Halberstadts nördlich der Ohre benannte. In der Halberstädter Bischofschronik folgt unmittelbar nach der Papstbulle Benedikts VIII. eine genaue Umschreibung des Bistums entlang von Flüssen (Gesta episcoporum Halberstadensium, 91). Die Circumscription erwies sich als notwendig, da die Aufzählung aller Gaue des Bistums nicht das gesamte Gebiet der Diözese erfaßte. Für den Raum nördlich der Ohre überliefern sowohl die Gesta als auch andere Quellen des 11. Jh., außer Belcsem/Belkishem, keine weiteren in pago-Namen. Diese Namen bezogen sich jedoch ursprünglich auf ein kleinräumiges Gebiet bei Arneburg. Dafür spricht auch die Schenkung der Grafschaften des Grafen Bernhard an das Bistum Halberstadt im Jahr 1052, der u. a. Grafenrechte in Belchesheim innehatte (D H III 281). Diese Grafenrechte können sich nur auf
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die Burggrafschaft Arneburg beziehen, denn in den Quellen werden bis ins 12. Jh. keine anderen Grafschaften in der östlichen Altmark genannt. Die Markgrafschaft der Nordmark erstreckte sich über ein wesentlich größeres Gebiet und kann in D H III 281 nicht gemeint sein (Schultze 1957). Nach der Urkundennennung von 1052 überliefern die Quellen für 100 Jahre keine weiteren Landschaftsnamen in der östlichen Altmark. Ab 1150 bezeichnen dann die Namen Balsamis, Balsemia bzw. Balsemerlande ein Gebiet, das die Forschung mit dem Archidiakonat Balsamie gleichsetzt. Es ist nun zu fragen, ob das Archidiakonat nach der Landschaft oder die Landschaft nach dem Archidiakonat benannt ist. Die Archidiakonatsbezeichnung Balsamie ist später überliefert (1184/1194) als die Landschaftsnamen Balsamis, Balsemia etc. Das Archidiakonat könnte in der Zeit um 1160 entstanden sein, denn, bedingt durch den Zuzug von Kolonisten, ist eine kirchliche Neuorganisation anzunehmen. Dafür spricht auch die gleichmäßige Dotierung der Dorfkirchen mit zwei Hufen Land, „die darauf hindeutet, daß ein großer Teil der überaus zahlreichen Kirchen des Balsamgaues noch in der Zeit der Ostsiedlung, d.h. im Verlauf des 12. und 13. Jahrhunderts entstanden ist“ (Erbe 1969, 158). Ein weiterer Hinweis für die späte Entstehungszeit des Archidiakonats könnte die Erwähnung der 35 Pfarrkirchen sein, die Hildegrim Anfang des 9. Jh. in der Diözese Halberstadt gegründet haben soll (Gesta episcoporum Halberstadensium, 80; Annalista Saxo, 573). Diese genaue Angabe wurde von der Forschung zu Recht als späte Fälschung angesehen, kann sich aber auf die Anzahl der Archidiakonate zur Zeit der Fälschung beziehen, die in die Jahre zwischen 1120 und 1137 gelegt wird (Erbe 1969, 96). Gegen Ende des 12. Jh. bestanden bereits 38 Archidiakonate im Bistum Halberstadt (Hilling 1902, 48–50). Eines der drei neugeschaffenen Archidiakonate könnte das Archidiakonat Balsamie sein. Das Archidiakonat Balsamie hat also seinen Namen von der Landschaftsbezeichnung Balsamis. Doch gehen die Namen Balsemia oder Balsamis auf die BelcsemNennungen des 10. bzw. 11. Jh. zurück, wie es die Forschung annimmt (Heßler 1957, 39; Bathe 1967, 632; Kunstmann 1987, 98)? Ein äußerer Anschluß wird dabei in Belsheim und Belsamis gesehen, woraus sich Balsamis entwikkelte (Bathe 1967, 632). Wenn Belsamis aus der actum-Zeile des D O III 136 für diese Herleitung nicht betrachtet wird, wofür vieles spricht (siehe oben), ist die Entstehung des Namens Balsamis aus Belcsem nicht geklärt. Es soll hier noch die Möglichkeit erwogen werden, daß der Name Balsamia eine Neuschöpfung ist, die mit dem Ausbau der Landesherrschaft Albrechts des Bären in der östlichen Altmark im Zusammenhang steht. Die Frage sei erlaubt, warum die Lage des Dorfes Schleuß in der Schenkungsurkunde Albrechts des Bären an das Kloster Hillersleben (CDA I, Nr. 455) mit in Balsamis angegeben wird. Ergänzende Lageangaben in Form von
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Landschaftsnamen waren schon längst aus dem Gebrauch und wurden vordem sowieso fast ausnahmslos in Königs- und Kaiserurkunden angewendet. Kann es sein, daß hier ein Versuch faßbar wird, eine Landesbezeichnung einzuführen, die einen Teil von Albrechts Herrschaftsterritorium umschreibt? Dafür spricht auch die Titulierung im Stendaler Marktprivileg Dei gracia marchio in terra dicionis mee, que dicitur Balsmarlant. Das Siedlungsbild der östlichen Altmark, das geprägt ist von Straßenund Angerdörfern, unterscheidet sich von den Kleinsiedlungen der nordwestlichen Altmark (Enders 2004, 54). Die östliche Altmark war noch im 12. Jh. dünn besiedelt und erst durch Albrecht den Bären erfolgte die Aufsiedlung des Landes durch Deutsche, Holländer und Slawen. Albrecht der Bär war seit 1134 Markgraf der Nordmark, aber das Markgrafenamt war zunächst „ein nomineller Titel ähnlich dem der Bischöfe von Brandenburg und Havelberg“ (Enders 2004, 52). Das Gebiet der späteren Altmark gehörte zum sächsischen Herzogtum Heinrichs des Löwen und kirchenrechtlich zu den Bistümern Halberstadt und Verden. In den Auseinandersetzungen mit Heinrich dem Löwen nahm Albrecht der Bär eine führende Rolle ein. Die Titulierung marchio in terra dicionis mee, que dicitur Balsmarlant könnte die Ansprüche Albrechts dokumentieren. Doch was bedeutet der ab der Mitte des 12. Jh. in den Quellen bezeugte Name Balsamia/Balsamis/Balsemerlande? Eine Deutung des Namens Balsamia aus dem Mittelhochdeutschen sollte erwogen werden. Balsam weist auf die Balsampflanze hin, deren ätherische Öle seit langem bekannt und genutzt wurden. Das Wort stammt aus dem Lateinischen und wurde in die germanischen Sprachen übernommen (Heinzmann 1993, 93). Zahlreiche Belege im Mittelhochdeutschen bezeugen seine Verwendung im Hochmittelalter. Unter balsamen/balsemen findet sich im Mittelhochdeutschen Wörterbuch die Bedeutung ‚Balsam von sich geben‘ (Mittelhochdeutsches Wörterbuch I, 2006, 419). Die Quellenbelege zum Namen Balsamia erlauben den Schluß, daß die Bewohner des Landes *Balsamer bzw. *Balsemer genannt wurden (Bathe 1967, 632). Helmold berichtet über die Deichanlagen der alten Sachsen im ‚Sumpfgebiet der Balsamer‘ sowie über die Kolonisierung der Holländer im Balsemerlande (Helmold, 175). Wenn „vor allem die Rätsel des vielgestalten Namens [Belcsem, d.Verf.] gelöst und weniger die mit ihm verbundenen historisch-territorialen Fragen beantwortet werden sollen“ (Kunstmann 1987, 95) zeigt sich am hier behandelten Landschaftsnamen die Undurchführbarkeit eines solchen Vorhabens. Sowohl Untersuchungn von Historikern als auch von Linguisten sind notwendig um zu einer Deutung des Namens Belcsem/Belkesheim/ Balsemerlande zu gelangen. In diesem Sinne hofft der vorliegende Beitrag ein Anstoß zu sein.
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5 Ergebnis Einen Gau Belcsem hat es nicht gegeben. Die ältesten Quellenbelege Belxam, Belxem und Belcseim/Belcsem sind unterschiedliche Schreibformen eines Namens, der auf das Appellativum *beˇlica – ‚Niederung, niedrig gelegener, sumpfiger Wald‘ zurückgeht. Die überlieferten Namen bezeichnen dabei nicht dasselbe Gebiet, sondern sind Flurnamen an drei verschiedenen Orten. Belxam bezeichnet das Gebiet des Drömlings, Belxem liegt am Tanger und Belcseim/Belcsem ist eine Benennung für den Raum um Arneburg. Der Name Belcseim/Belcsem wurde Anfang des 11. Jh. in die in pago-Formel von Urkunden eingetragen und somit ein Gau ‚geschaffen‘. Der Landschaftsname Balsamis/Balsemia/Balsemerlande geht nicht auf die Namen Belxem oder Belcsem zurück, sondern entstand im 12. Jh. im Zusammenhang mit dem Landesausbau Albrechts des Bären in der östlichen Altmark. Das Archidiakonat Balsamie ist nach der Landschaft Balsamia benannt.
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Belcsem/Belkesheim/Balsemerlande
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Balsamorum regio3
Romarus Balsamie archidiaconus4
17
18
U (S) E (HQ) E (HQ) E (Ur) E (A) U
U (S) U (S) U (B) U (B) E (A) E (HQ) U
QA E (HQ) E (HQ) E (HQ) U (S) U
undat. 1080 1194
ca. 1160
1160
1160
1160
1160
983
938
undat. 1022? 1022
993
undat. 974–983 1006
undat. 1012–1024 undat. 1055 1052
Dat. 814
12. Jh. 1194
HS
ca. 1160
14. Jh.
14. Jh.
1160
16. Jh.
1150
Anf. 12. Jh. Ende 12. Jh. 9. Jh./12. Jh.
17. Jh.
um 11002 1006
1295
1423
1423
Dat. Überl. 1423
HS
HS
HS
HS
HS
Dr.
HS
Org.
Org.
Org.
Dr.
Org.
Org. TS KB
HS
HS
ÜA HS
MGH SSrG 32, S. 175 Helmold von Bosau MGH SSrG 32, S. 175 Helmold von Bosau Urbar Helmstedt Kötzsche S. 175 MGH SS 16, S. 235 Ann. Pegavienses UB Hochstift Halberstadt I, Nr. 352
CDA I 455
Urkunde Heinrich II. UB Hildesheim Nr. 67 MGH SS 3, S. 4 Annales Corbeienses MGH SS VI, S. 631 Annalista Saxo CDA I 370
MGH D H II 260
MGH D O III 136
Papsturkunden, Nr. †279 MGH D H II 111
Edition MGH SS 23, S. 80 Gesta episc. Halberstad. MGH SS 23, S. 91 Gesta episc. Halberstad. MGH SS 23, S. 96 Gesta episc. Halberstad. MGH D H III 281
Wiprecht von Groitzsch tauscht mit Udo von Stade das Balsemerlande gegen die Stadt Groitzsch Zeuge in einer Bestätigungsurkunde Bischof Gardolfs
Bericht über die Kolonisation der Holländer durch Albrecht den Bären Bericht über die Kolonisation der Holländer durch Albrecht den Bären Auflistung von 10 Dörfern die in Balsemia lagen
Schenkung von Schleuß an Hillersleben
Bericht über Slaweneinfall in die Altmark und Schlacht amTanger Marktprivileg für Stendal
Ungarn wurden besiegt
Besitzausstattung des Klosters St.Michael in Hildesheim
Besitzausstattung des Klosters St.Michael in Hildesheim
Schenkung für Kloster Wedegenberg
Heinrich II. schenkt Arneburg an das Erzbistum Magdeburg
Bestätigungsbulle Benedikt VIII. Heinrich schenkt der bischöflichen Kirche Halberstadt die Grafschaft Bernhards Heinrich schenkt der bischöflichen Kirche Halberstadt die Grafschaft Bernhards Benedikt VII. nimmt das Kloster Arneburg in Schutz
Regest Immunität für das Bistum durch Ludwig den Frommen
1 2 3 4
Belinesheim im Hamburger Codex, die anderen beiden Schreibweisen stimmen überein. Nach Möllenberg und Huschner, Zimmermann gibt Ende des 11. Jh. an. Drei weitere Nennungen als Balsamorum regionem, Balsamorum und regionis Balsamorum. Weitere Nennungen eines archidiaconus Balsamie sind bequem im UHH nachzuschlagen, auf eine Angabe wird verzichtet, da Balsamie ausnahmslos wortgetreu wiedergegeben wird.
Abk: HS-Handschrift, U-Urkunde, S-Schenkung, B-Bestätigung, KB-Kopialbuch, E-Erzählende Quelle, A-Annalen, Ur-Urbar, Dr.-Druck, TS-Transsumpt
16
15
14
13
12
11
10
9
8
7
6
5
4
3
2
Gaubezeichnung hiis pagis […] Belkesheim1 hos pagos […] Belkishem in pagis […] Belchesheym in pagis […] Belchesheim in pago Belcseim in pago Belcsem actum Belsamis in pago Belsheim in pago Belshem in Belxam in loco qui Belxem dicitur terra […] que dicitur Balsmarlant in Balsamis terram que dicitur Balsemerlande in terra palustri Balsamorum Balsemia
Nr. 1
Tabelle 2: Quellenbelege für den Gau Belcsem/Belkesheim/Balsemerlande
Belcsem/Belkesheim/Balsemerlande
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Namen des Frühmittelalters – RGA-E Band 66 – Seiten 235–250 Erschließung © Copyright 2009Probleme Walter deder Gruyter · Berlin · von NewOrtsYork und Personennamen
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Probleme der Erschließung von Orts- und Personennamen in mediävistischen Quellenwerken zum Alpen-Adria-Raum Reinhard Härtel Dieter Geuenich zum 65. Geburtstag
1 Die Problemstellung Wo es um die Erforschung mittelalterlicher Namen geht, dort können die Arbeitsgrundlagen grundsätzlich von dreierlei Natur sein: Entweder stellt man das Namengut in der jeweils maßgeblichen handschriftlichen Überlieferung zusammen und baut seine Arbeitsgrundlagen unmittelbar auf dieser auf. Das ist sicher der aufwendigste Weg, aber dafür entsprechen die so erstellten Arbeitsgrundlagen bestmöglich der aktuellen Fragestellung. Oder man stützt sich auf bereits vorhandene und geeignete Veröffentlichungen wie Editionen oder Lexika, die im Hinblick oder wenigstens unter Bedachtnahme auf gleichartige Fragestellungen erarbeitet worden sind. Wo solche Grundlagen existieren, wird man am ehesten groß angelegte, sozusagen flächendeckende Untersuchungen betreiben können und dennoch in vertretbarer Zeit zu Ergebnissen kommen. In vielen Fällen jedoch wird man auf den dritten Weg angewiesen (oder mit-angewiesen) sein: nämlich auf die Verwendung von Arbeitsgrundlagen, die in anderem Zusammenhang und ohne besondere Rücksicht auf die Namenforschung erarbeitet worden sind, z. B. von „Nur-Historikern“ für ihresgleichen. Klarerweise werden solche Arbeitsgrundlagen dann aus der Sicht der Namenforschung, je nach der speziellen Fragestellung, mehr oder weniger Wünsche offenlassen. Ich muss mich zu diesen „Nur-Historikern“ oder „Fast-Nur-Historikern“ zählen. Ich bin aber sehr dankbar dafür, dass mich ein freundliches Geschick, in erster Linie verkörpert in der Person von Dieter Geuenich, auch in das Umfeld der Unternehmungen „GREHAM“ und „Nomen et gens“ geführt hat. Ich gehöre also zu jenen, die urkundliche Texte für Historiker edieren und in diesem Zusammenhang auch die dazugehörigen Findmittel bereitstellen, und andererseits habe ich die Namenforschung so
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Reinhard Härtel
weit kennenlernen dürfen, um eine Ahnung davon zu haben, welche Informationen für diese von Interesse sind. Die Grenze zwischen einem Namenbuch einerseits und einem Namenregister zu einer Edition andererseits (oder gar einem Verbund-Namenregister zu einer Mehrzahl von Editionen) kann wohl kaum eindeutig definiert werden. Register zu historischen Editionen können auf eine bedeutende Anzahl von Fragestellungen weiterführende Auskunft geben und sind daher schon an sich so etwas wie historische Nachschlagewerke. Bei Vorliegen der entsprechenden inhaltlichen und technischen Voraussetzungen können solche Register durch Kumulation und gegebenenfalls auch Nachbehandlung unschwer zu wirklichen Nachschlagewerken ausgebaut werden, also zu prosopographischen Katalogen oder Namenbüchern. Wer ein Namenbuch benötigt, wird das Namenregister zu einer historischen Edition als Halbfabrikat empfinden, oder vielleicht auch als Viertel- bzw. als DreiviertelFabrikat, je nach seinem besonderen Zuschnitt. Umgekehrt kann man sich bei einem Namenregister zu einer Edition normalerweise darauf verlassen, dass es innerhalb des definierten Umfangs der in ihm berücksichtigten textlichen Überlieferung für jeden erfassten Namen sämtliche Belegstellen bringt. Dies (und erst dies) ermöglicht auch statistische Analysen. Andererseits ist das Leistungsspektrum solcher Register meist nicht besonders spezialisiert. Daher scheinen Lösungen, für welche eine breitere Akzeptanz erwartet werden kann und welche die Kumulation verschiedener Einzelwerke bzw. Einzelregister erlauben, hier am ehesten möglich. Im Folgenden soll es darum gehen, was Namenregister zu historischen Editionen können oder können sollten und was zu deren bestmöglicher Nutzung seitens der Namenforschung zu tun wäre. Die meisten der folgenden Überlegungen gelten für konventionelle Druckerzeugnisse wie für elektronische Versionen gleichermaßen. Auf diesen technischen und nicht grundsätzlichen Unterschied gehe ich daher im Folgenden nicht mehr besonders ein. Es liegt natürlich nahe, dass ich bei der Behandlung dieser Thematik von meinen eigenen Erfahrungen ausgehe, die ich bei meiner Editionsarbeit in einem in Europa einzigartigen Gebiet gemacht habe, nämlich in jenem sprachlich-kulturellen Dreiländereck, in dem die Romania, die Germania und die Slavia aneinandergrenzen und – im Mittelalter noch viel mehr als heute – einander gegenseitig durchdringen. Eine Reihe von interessanten Problemen, die Gegenstand von Beiträgen des vorliegenden Bandes sind, tritt hier in geballter Form auf. Nach heutigen Maßstäben handelt es sich innerhalb Österreichs um Steiermark und Kärnten, dazu um das Territorium der Republik Slowenien samt Istrien sowie um die italienische Region Friaul-Julisch-Venetien. Der weitaus größte Teil dieses Territoriums ist durch den historischen Begriff „Innerösterreich“ bündig umschrieben.
Probleme der Erschließung von Orts- und Personennamen
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Ganz besonders intensiv war die wechselseitige Durchdringung im Friaul und im heute zu Slowenien gehörigen adriatischen Küstenland. Hier wohnten Romanen, Deutsche und Slawen Jahrhunderte hindurch in einer Dichte und Nähe neben- und miteinander wie nirgendwo sonst, auch und gerade im Hochmittelalter, um welches es im Folgenden in erster Linie geht (Krahwinkler 1992; Cammarosano/De Vitt/Degrassi 1988). Das Friaul hatte durch die Ungarneinfälle des 10. Jahrhunderts erhebliche Bevölkerungsverluste erlitten. Die dadurch verödeten Landstriche wurden zu einem erheblichen Teil durch slawische Siedler wieder kultiviert. Schon deshalb finden sich die slawischen Personennamen im Friaul vor allem in den sozial tieferen Schichten, und viel eher auf dem Land als in der Stadt. In den anderen Teilen der umschriebenen Region finden sich Slawen auch von höherer Standesqualität. Für Studien über Akkulturationsprozesse ist dieser Raum jedenfalls ein besonders dankbares Feld. Wie anderswo war es auch hier gerade der Kontakt mit den anderen Völkern, der uns überhaupt erst eine größere Anzahl slawischer Namen aus diesem Raum überliefert hat. Und kaum ein slawischer Name in dieser Region ist uns durch einen Slawen überliefert worden (Härtel 1996, 343–358). Die schriftliche Überlieferung ist daher wohl ein interessanter Spiegel der historischen Wirklichkeit, die Beschäftigung mit ihr bedeutet aber ständig das Lösen von Gleichungen mit mehreren Unbekannten. Dass ich an dieser Stelle den frühmittelalterlichen Rahmen wieder einmal in Richtung Hochmittelalter überschreite, hat im Rahmen meiner Beteiligungen im Rahmen von „Nomen und gens“ sozusagen schon Tradition und dürfte angesichts des grundsätzlichen Zuschnitts der Thematik nicht von Nachteil sein. Vor allem aber gilt: Etwa zwei Wochen vor jener Tagung, für welche der hier vorliegende Beitrag verfasst worden ist, hat Steffen Patzold von Tübingen aus ein Rundschreiben versandt, welches Überlegungen zu einer organisierten Bündelung von Unternehmungen der Namenforschung enthielt, die auf der Tagung selbst besprochen werden sollten und dann auch tatsächlich besprochen worden sind. Und auch hier gab es keine Einschränkung auf das Frühmittelalter. Ich gehe im Folgenden auf diese Initiative ein und befasse mich – vor dem Hintergrund meiner Erfahrungen aus dem Alpen-Adria-Raum – im Wesentlichen mit der Frage der möglichsten Ausschöpfung historischer Editionsarbeit für die Namenforschung. Das Zurückkommen auf die eine und die andere Binsenweisheit wird dabei nicht zu umgehen sein. Ich erhebe nicht den Anspruch, grundsätzlich Neues zu sagen, wohl aber mag die Art der Zusammenschau von an sich bekannten Tatsachen Neues bieten. Am Ende meines Beitrags wird ein Zuruf an die Namenforschung stehen, der je nach Geschmack als Aufruf, als Appell oder als Einladung verstanden werden kann.
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2 Namenregister zu historischen Editionen Namenregister zu historischen Editionen erschließen grundsätzlich deren Namenbestand, legen aber das Hauptgewicht auf die Erschließung der Nachweise für die genannten Personen und Orte und nicht in erster Linie auf die Namen selbst. Es steht also nicht so sehr die Bezeichnung an sich, sondern mehr die bezeichnete Person oder der bezeichnete Ort im Vordergrund oder, noch genauer, der Hinweis auf jene Stellen, an denen man das Auftreten dieser Personen und Orte in ihren jeweiligen kontextualen Verknüpfungen studieren kann. Solche Namenregister gibt es bekanntlich schon seit Jahrhunderten. In einmal mehr, dann wieder weniger zufriedenstellender Weise werden dort die Namen der in dem edierten Material vorkommenden Personen und Orte aufgelistet, normalerweise in alphabetischer Ordnung. Wenn es gut geht, werden zu den aufgelisteten Namen nicht nur die Fundstellen angegeben, sondern es gibt auch darüber hinausgehende Erläuterungen. Die Erarbeitung eines umfangreicheren Registers, welches gehobenen Ansprüchen genügen soll, ist im Allgemeinen ebenso aufwendig wie wenig bedankt. Die beste Namenregister-Lösung ist selbstverständlich jene, welche die Bedürfnisse einer Vielheit von Benützern erfüllt, insbesondere dann, wenn diese bei der bequemen Benützung für die verschiedensten Fragestellungen gar nicht merken, „wie schwierig alles ist“. Nicht zufällig bleiben die Register zu Editionen bisweilen jahrzehntelang unbearbeitet. Um nur bei meinem eigenen Arbeitsbereich zu bleiben: Die Register zu Hermann Wiesfleckers Regesten der Grafen von Görz und Tirol aus den Jahren 1949 und 1952 sind erst 2006 erschienen, also mit 57 bzw. 54 Jahren Rückstand (Kubanda/Brandstätter 2006). Es handelt sich keineswegs um einen Einzelfall. Gegenüber der heute allerorten gepriesenen elektronischen Suche im Volltext schränkt das traditionelle Namenregister die Find-Möglichkeiten natürlich ein, zumal jedes Register (von den so gut wie unvermeidlichen Bearbeitungsfehlern abgesehen) durch Anlage und Struktur nur bestimmte Zugriffsarten bzw. Fragestellungen erlaubt. Andererseits bietet das traditionelle Namenregister, wenn es qualitätvoll bearbeitet ist, gegenüber der Volltextsuche nicht nur für die Geschichtsforschung, sondern auch für die Namenforschung einen erheblichen Fundus an Zusatzinformationen. Vor allem sind, eine Binsenweisheit, in einem guten Register die einzelnen Namenformen bestimmten Individualitäten (Personen oder Orten) zugeordnet, wenn auch, wie gesagt, öfters mit Unsicherheiten und Fehlern behaftet. Während eine prosopographische Datenbank den Zweck haben kann, dass gewisse Zusammenhänge (beginnend mit der Identität von Personen)
Probleme der Erschließung von Orts- und Personennamen
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überhaupt erst festgestellt werden sollen, etwa im Rahmen einer Familienrekonstitution, setzt die Publikation eines Registers den Abschluss solcher Arbeiten im Großen und Ganzen schon voraus. Ich habe es bei der Arbeit an Namenregistern selbst vielfach erlebt, dass jene Elemente, welche eine Person bezeichnen oder näher beschreiben, in grammatisch höchst komplexer Weise über Textpassagen von beachtlicher Länge verteilt sein können. Daher zähle ich mich zu jenen Pessimisten, welche die (ansonsten natürlich höchst nützliche) Volltextsuche bis auf weiteres nicht als vollwertigen oder gar überlegenen Ersatz für ein gutes Namenregister anerkennen können. Zwar werden automatisierte Regelwerke durchaus mit allen möglichen orthographischen Varianten und mit den Flexionsformen des im Volltext enthaltenen Namenmaterials fertig, aber zu der oft sehr breiten Streuung der Elemente einer Personenbezeichnung (bzw. -benennung) innerhalb des fortlaufenden Textes kommt noch dazu, dass in vielen Fällen auf Personen nur angespielt wird bzw. dass anstelle von Namen Umschreibungen gebraucht werden, bis hin zum schlichten nobis für den institutionellen Empfänger in einer Traditionsnotiz. Solche Umschreibungen sind mit Volltextsuche wohl überhaupt nicht systematisch aufspürbar; für die Erforschung des Namengebrauchs ist der fallweise „Ersatz“ von Eigennamen aber wohl ebenso interessant wie der Gebrauch der Eigennamen selbst. Der Mehrwert von guten Registern gegenüber der Volltextsuche bzw. gegenüber einer sozusagen mechanisch erstellten Liste besteht also in erster Linie in der Unterscheidung und Identifikation von Personen und Orten auch bei sehr stark abgewandelten, ungenauen, abgekürzten, nur umschriebenen bzw. angedeuteten, verschriebenen oder schlicht falschen Angaben im zugrunde liegenden Text, und zusätzlich in den ergänzenden Beschreibungen bzw. Erläuterungen. Vor allem findet in einem solid gearbeiteten Namenregister die unendliche Vielfalt der in den Texten dokumentierten Beziehungen zwischen Personen, aber auch zwischen Personen und Orten angemessene Berücksichtigung. Zwischen Personen geht es vor allem um verwandtschaftliche und rechtliche Bindungen, zwischen Personen und Orten um vor allem um Adelsprädikate und Bewohner an ein und demselben Ort. Das sind wichtige Hilfestellungen für die Feststellung von Namenvererbung, von Nachbenennung z. B. nach Lehnsherren, und von örtlichen bzw. regionalen Besonderheiten. Dazu kommt noch die Funktion der jeweiligen Person im betreffenden Text (z. B. als Siegler in einer Urkunde), gegebenenfalls auch eine Statusangabe (ob als lebend oder als bereits verstorben erwähnt). Spezielle Erfordernisse für das Ortsregister sind neben der Lokalisierung der Aufbau einer sinnvollen Hierarchie von Ortsbezeichnungen von sozusagen erster, zweiter und dritter Ordnung,
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also von lokal hierarchisierten Ober- und Unterbegriffen. Auch hier kann es Umschreibungen geben (z. B. Urbs für Rom). Es kann nicht nachdrücklich genug darauf hingewiesen werden, dass die Überzeugung von der Nicht-Ersetzbarkeit von Namenregistern durch die Volltextsuche auch von solchen Persönlichkeiten vertreten wird, die sich intensiv mit der Anwendung der modernen elektronischen Möglichkeiten auf die Edition im Allgemeinen und auf die Erschließung von edierten Texten im Besonderen befassen, und dies eben wegen der im (guten) Register geschehenen Zusammenstellung der bloßen Namens-Vorkommen zu aussagekräftigen Stichwörtern. Register können wohl mit Computer-Unterstützung leichter bzw. schneller erarbeitet werden als das vor gar nicht langer Zeit unvermeidlich war, aber der Computer allein kann aus einem Text kein Register erzeugen, das den in mediävistischen Editionen üblichen Standards entspricht (Vogeler 2006, 453 f.). Selbstverständlich haben die üblichen Register zu historischen Editionen gewisse Defizite gegenüber den Ansprüchen der Namenforschung, oder es sind solche Defizite jedenfalls sehr häufig. In erster Linie geht es hier um die vielfach nicht gegebene Auszeichnung von urschriftlicher oder abschriftlicher (bzw. unechter) Überlieferung, wodurch sich ein enormer Mehraufwand für die Namenforschung ergibt. Denn diese ist natürlich – anders als die übliche „nur-historische“ Nutzung des Registers – in überdurchschnittlichem Maß an Informationen darüber interessiert, aus welcher Zeit die Niederschrift der betreffenden Namensnennung tatsächlich stammt. Auch ist der unkomplizierte Rückgriff auf den Quellen-Wortlaut im Umfeld des gesuchten Namens zumeist nicht gegeben. Gerade das Friaul bildet in dieser Hinsicht ein wahrhaft abschreckendes Beispiel. Ich habe die Intensität der dort betriebenen toponomastischen Studien immer wieder bewundern können, aber diese haben einen entscheidenden Schwachpunkt. Allzu oft beruhen diese Studien auf dem Namengut, wie es in Sammlungen des 19. Jahrhunderts enthalten ist, und diese Sammlungen werden ihrerseits in höchst allgemeiner Form zitiert, und zwar derart, dass es sehr oft unmöglich ist nachzuprüfen, ob eine bestimmte Namenform in gerade dieser Form aus einer Urschrift entnommen ist oder ob sie aus einer Abschrift von zweiter, dritter, vierter oder x-ter Hand herrührt. Bis heute erscheinen einschlägige namenkundliche Druckwerke, in denen sich als Quellenangabe z. B. ein schlichtes „J.“ findet. Damit ist die Sammlung von Vincenzo Joppi gemeint, mit über 700 Handschriften, in denen sich von zusammengehefteten Originaldokumenten bis zu Abschriften des späten 19. Jahrhunderts n-ten Grades schlicht einfach alles findet. (di Prampero 1882 passim; Frau 1978, passim). Infolgedessen kommt es vor, dass auch in einem modernen etymologischen Ortsnamen-
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lexikon aus einem Toponym, das nur in einer einzigen Urkunde überliefert ist, dies aber in verschiedenen Abschriften mit verschiedener Orthographie, mehrere Einträge werden, und diese verschiedenen Einträge erhalten dann auch noch eine jeweils andere Etymologie (Frau 1968, 24). In den anderen Gebieten des hier zur Rede stehenden Raumes verfügt man über inhaltlich vergleichbare Werke, die auf besseren Grundlagen aufbauen konnten. Aber man braucht nur das alte Ortsnamenbuch für das gesamte Herzogtum Steiermark (Zahn 1893) und das moderne für deren jetzt zu Slowenien gehörigen Teil (Blaznik 1986–1989) anzusehen, und dazu das Ortsnamenbuch von Kärnten (Kranzmayer 1956–1958) nebst den besonderen Darstellungen zu den slowenischen Ortsnamen in Kärnten (Zdovc 1993; Pohl 2002) und schließlich das maschinschriftlich vervielfältigte topographische Namenbuch für das mittelalterliche Krain (Kos 1975) zu vergleichen, um erhebliche Unterschiede in Arbeitsgrundlagen und Ausrichtung wahrzunehmen. Es macht z. B. einen großen Unterschied, ob für verschiedene Schreibweisen eines Namens jeweils ein oder zwei Belege, z. B. die ältesten, als genügend erachtet werden oder nicht. In dieser Hinsicht weitgehende Ansprüche sind ohnehin nur bis in hochmittelalterliche Zeit realisierbar (so bei Hausner/Schuster 1999–2004), oder bei Beschränkung auf einen sehr kleinen Raum. Entsprechende Werke für die Personennamen sind im Alpen-Adria-Raum (wie vielerorts) gegenüber jenen für die Ortsnamen ein Stiefkind; die alpenslawischen Personennamen bilden eine rühmliche Ausnahme (Kronsteiner 1975). Das einzige Mittel, solchen Zuständen (leider nur schrittweise) abzuhelfen, ist die Verfügbarkeit von modernen Editionen mit verlässlichen Namenregistern, samt unmittelbarem Hinweis darauf, ob eine gegebene Namenform einer zeitgleichen Niederschrift entnommen ist oder nicht (und im Falle eines Originals: ob dieses echt ist oder nicht). Ich gestehe, ich habe mich selbst erst mit fortschreitender Zeit diesem Standard angenähert, insbesondere im Zug der Erarbeitung eines Register-Systems („EdiReg“), das in Graz jetzt bei mehreren Unternehmungen im Umfeld unserer Mediävistik angewandt worden ist und angewandt wird. Oberstes Prinzip war, Kompromisse gegenüber dem Standard der Register der Diplomata-Ausgaben der Monumenta Germaniae Historica nur in Einzelheiten der Darstellungsweise einzugehen, aber nirgendwo im Grundsätzlichen.
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3 EdiReg All dessen, was ein Namenregister und damit auch die Vorstufe zu einem Namenbuch ausmacht, wird man sich in besonderer Weise bewusst, wenn man die Elektronik zu Hilfe nehmen möchte und die Arbeitsschritte, die für die Erstellung eines Namenregisters nötig sind, zu formalisieren genötigt ist. Was dabei herausgekommen ist, wird jetzt in Graz mehrfach verwendet. Das dafür entwickelte Programmsystem hat den Arbeitsnamen „EdiReg“, den ich der Einfachheit halber auch jetzt beibehalte. Ich habe schon 1985 ein mit einem sehr entfernten Prototyp von „EdiReg“, der in enger Zusammenarbeit mit Manfred Thaller produziert worden ist, ein Namenregister zu einer Edition hochmittelalterlicher Urkunden und publiziert (Härtel 1985, 131–156) und erläutert (Härtel 1987, 3–7) sowie einige grundsätzliche Überlegungen zum Registerproblem, vor allem auf der Basis mediävistischer Erfahrungen, auch gesondert vorgestellt (insbesondere Härtel 1989, 67–84). Im Zuge eines vom FWF (gewissermaßen der österreichischen DFG) geförderten Projekts wurde in den frühen 90er Jahren anhand mehrerer und vor allem verschiedenartiger Editionsunternehmungen besonders im Umfeld der Geisteswissenschaftlichen Fakultät der Universität Graz ein möglichst breit gefächerten Ansprüchen gerecht werdendes Anforderungsprofil formuliert und eine geeignete Struktur entwickelt. Das Vorhaben war ebenso anspruchsvoll wie flexibel ausgelegt und hat wohl eben deshalb innerhalb der Projektlaufzeit zwar einen beachtlichen Grad an Perfektion erreicht, aber trotzdem noch etliche wichtige Wünsche offen lassen müssen. Nach einer durch anderweitige Pflichten erzwungenen Pause habe ich im Frühjahr 1997 auf der Basis aller bis dahin gemachten Erfahrungen das Namenregister (und parallel dazu auch das Wortregister) neu programmiert. Diese Neuprogrammierung ging aber nicht von dem bis dahin Erreichten aus, sie setzte vielmehr auf einer sozusagen „niedrigeren“ Stufe neu an, und anders als bisher ausschließlich auf der Grundlage von Manfred Thallers „kleio“. Das nun vorliegende Ergebnis ist zwar in seinen Wahlmöglichkeiten wesentlich weniger elastisch als ursprünglich beabsichtigt, es erfüllt aber die vordefinierten Anforderungen in ungleich vollkommenerer Weise und erlaubt es trotzdem, im Rahmen der vordefinierten Eingabe-Kategorien mit verhältnismäßig kleinen Änderungen alle möglichen Derivate oder auch prosopographische Datenbasen oder Namenbücher herzustellen, die den jeweiligen besonderen Bedürfnissen entsprechen. Ein qualitätvolles Namenregister von herkömmlicher Art ist ebenso wie ein prosopographischer Katalog letztlich nichts anderes eine komplex
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ineinander verschachtelte Summe vieler einzelner vielfach, aber nicht nur alphabetischer Indizes. Diese Verschränkung geschieht zum Teil auf ein und derselben hierarchischen Ebene, so etwa im Fall des Verhältnisses zwischen den Stichworten samt Fundstellenangaben einerseits und den Verweisen von den quellenmäßigen Formen auf die jeweils betreffende Stichwort-Form andererseits. Zum anderen Teil handelt es sich um „SubIndizes“ unterhalb der Stichwort-Ebene, so im Fall der Zusammenstellung aller quellenmäßigen Namenformen unmittelbar nach der als Stichwort gewählten Form. Zahl und Art dieser „Teil-Indizes“ richten sich nach der Art des gewünschten Registers: Personen und Orte jeweils allein oder zusammengefasst, mit oder ohne Berücksichtigung der Beziehungen zwischen Personen und Orten, usw. Die Ineinander-Verschränkung der „Teil-Indizes“ geschieht unter gleichzeitiger Beachtung sehr verschiedener Sortiergrundsätze: Da ist zum einen natürlich das Alphabet (natürlich mit vom Standardalphabet abweichenden und frei wählbaren Sondervereinbarungen). Dazu kommen die chronologische Ordnung (für die Nachweise zu ein und demselben Namen bzw. zu der damit bezeichneten Person) und ebenso die soziale Rangordnung (bei gleichnamigen Personen). Selbstverständlich sind auch diese Rangordnungen vom Benützer frei definierbar, bzw. es können Namenregister nach den verschiedensten Grundsätzen und Sortierordnungen ausgegeben werden. Vor allem aber gilt: Die nach diesem System erstellten Register können mühelos und in beliebiger Anzahl kumuliert werden. Wer sich mit so etwas einmal befasst hat, wird gut verstehen, dass es dabei nicht ganz ohne händische Nachjustierungen abgeht. Auf diese Weise sind inzwischen das Urkundenbuch des bedeutendsten Frauenklosters im Friaul (Härtel 2005, 267–314), ein Urkundenbuch zu den Patriarchenurkunden im heutigen Slowenien (Bernhard 2006, 365–472) und die Ausgabe der früh- und hochmittelalterlichen Staatsverträge zwischen dem Patriarchat Aquileia und der Republik Venedig (Härtel 2005a, 195–200) mit Registern versehen worden. Für drei weitere kirchliche Institutionen des Friaul sind die Datensätze für die Namenregister schon vorbereitet und verfügbar, einzeln oder auch kumuliert. Die angeführten Editionen sind (samt Registern) in Österreich, in Slowenien und in Italien erschienen, und deren redaktionelle Sprache ist dementsprechend einmal das Deutsche, dann das Slowenische und ebenso das Italienische. Ich sage es gleich vorweg: An die sprachübergreifende Kumulierung haben wir uns noch nicht gewagt. In Zusammenarbeit zwischen der Grazer Mediävistik und der Handschriftenabteilung der Universitätsbibliothek wurde vor kurzem versucht, vor allem die an letzterer betriebenen Studien zu den Nekrologen des süd-
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lichen Österreich mit diesen Register-Arbeiten zu verknüpfen. Dieses Unternehmen ist allerdings ins Stocken geraten, vor allem weil sich die als „Dachkonstruktion“ oder „gemeinsame Oberfläche“ über den verschiedenen Systemen anempfohlene Super-Software doch als weniger „super“ herausgestellt hat, als die vollmundige Ankündigung derer, die das eigentlich wissen sollten, zunächst erhoffen ließ. Eben jetzt aber wird mit etwas weniger hochfliegendem Universalitäts-Anspruch, und diesmal in Zusammenarbeit mit der Historischen Landeskommission für Steiermark eine Art digitales Alpen-Adria-Urkundenbuch in Angriff genommen, in erster Linie um die Forschung nicht jahrzehntelang auf die vollständig bearbeiteten gedruckten Bände warten zu lassen, samt den entsprechenden Erschließungs-Hilfen. Hierbei kommen zunächst die editorisch wie technisch nach besonders ähnlichen Grundsätzen strukturierten Editionen und Namenregister zum Zug: das sind vor allem die Friulana-Slovenica und die Neubearbeitung des (im Falle des ersten Bandes) schon 140 Jahre alten Urkundenbuchs der Steiermark. Die (hochmittelalterlichen) Nekrologe werden, so steht zu hoffen, der erste Ergänzungs-Kandidat sein. Wir haben gelernt, nicht alles auf einmal zu wollen.
4 Ähnlichkeiten und Unterschiede All diese Arbeiten und Vorarbeiten haben zu den unterschiedlichsten Beobachtungen und infolgedessen auch Überzeugungen Anlass gegeben, vor allem jener, dass Historiker (als Editoren und als Bearbeiter von Registern) sich kaum je systematisch alle die Mehrarbeit antun werden, die nötig sein wird, um auch die Philologen bzw. die Namenforscher unter diesen wirklich zufrieden zu stellen. Aber sogar innerhalb der historisch-mediävistischen Editionen und deren Registern besteht wohl mehr Diversifikation als eigentlich nötig. Das bezieht sich nicht auf die Nebensächlichkeiten der typographischen Darstellung. Es geht um die Kategorien. Es ist unglaublich, wie anders Namenregister zu mediävistischen Editionen in Italien (dort bin ich näher in die Materie eingedrungen als in Slowenien) strukturiert sein können als im deutschen Sprachraum. In Slowenien wird in allerjüngster Zeit – innerhalb ein und derselben Editionsreihe – mit verschiedenen Gestaltungen der Zweisprachigkeit (slowenisch und deutsch) experimentiert (Bizjak 2006, 231–246; Preinfalk 2007). Im Friaul (wie auch anderswo in Italien) werfen Register sehr oft Beinamen und Prädikate bzw. Herkunftsbezeichnungen nicht eigens aus (Scalon 1982, 435–474), und es gibt sogar das schlimme Beispiel eines Urkundenbuchs aus jüngerer Zeit, dessen Namenregister nur die Einleitung und die Kopfregesten berücksichtigt
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(Torre 1979). Mustergültig ist dagegen das Register zur Edition der älteren Urkunden des Klosters S. Maria in Valle zu Cividale, abgesehen von einem Schönheitsfehler: Zu den quellenmäßig gebotenen Namen werden (wenn es sich um Orte handelt) die modernen Bezeichnungen hinzugefügt, aber es gibt keinen Verweis von den modernen Ortsnamen auf die quellenmäßigen Formen. So wird man z. B. von den drei quellenmäßigen Formen Lecio und Lez/Lezio jeweils auf die vierte quellenmäßige Form Legio verwiesen, aber das nützt jenen Benützern wenig, die von der heutigen Bezeichnung Illeggio ausgehen müssen (Maffei 2006, 469 f.). Ich habe, wie bereits angemerkt, 2005 zwei das Friaul betreffende Urkundeneditionen publiziert, die eine im Rahmen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien, die andere im Rahmen einer venezianischen Editionsreihe. Für die venezianische Ausgabe hatte ich mich natürlich an die Normen der betreffenden Buchreihe zu halten. Ich brauche wohl nicht näher auszuführen, wie man sich bei der gleichzeitigen Bearbeitung zweier inhaltlich nahverwandter, formal aber völlig unterschiedlich gestalteter Namenregister fühlt. In einem solchen Fall wird einem das Fehlen internationaler Standards besonders schmerzlich bewusst. Zugleich fällt einem dabei noch etwas anderes auf: Es gibt wohl je nach Editionszweck und Textsorte, und ohne eigentliche Notwendigkeit auch darüber hinaus, eine Unzahl miteinander konkurrierender, mehr oder weniger deutlich ausformulierter Editionsgrundsätze. Beim aufmerksamen Studium der bestehenden Register zu den verschiedenartigsten Editionen zeigt sich jedoch, ebenso wie schon im Zug der Kooperation mit mehreren Editionsunternehmungen aus verschiedenen historischen Teildisziplinen bei der Vorbereitung von „EdiReg“, dass die Erwartungen an Namenregister seit jeher sehr ähnlich und die einzelnen Bestandteile der dazu herangezogenen Daten in beachtlichem Maße gleichartig sind. Die Probleme der Kumulierung liegen daher weniger in der Verschiedenartigkeit der einer solchen Kumulierung zu Grunde liegenden Register-Elemente als in deren wechselnder Zusammensetzung, also in ihrer durchaus ungleichen Vollständigkeit oder Unvollständigkeit. Dazu kommt natürlich die sprachliche Problematik, und dies sowohl in dem, was man als den „redaktionellen Kitt“ des Registerdaten bezeichnen kann, als auch in der Mehrsprachigkeit der als Stichworte heranzuziehenden Namenformen selbst. Mit rein technischen Überlegungen ist es hier nicht getan, denn insbesondere der Ortsnamengebrauch stößt auch heute noch, viele Jahrzehnte nach einer schlimmen Vergangenheit, immer noch auf viele Empfindlichkeiten. Gerade die heute weit verbreitete bequeme Ausflucht, sich statt deutscher (oder anderer) Exonyme immer der jeweils gültigen amtlichen Schreibung zu bedienen, führt in diesem mehrsprachi-
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gen Gebiet, wo Flitsch auch Bovec oder Plezzo heißen kann, leicht zu absurden Folgerungen. So führen etliche Adelsfamilien bis in unsere Tage einen deutschen Ortsnamen im Prädikat, dessen Übersetzung (als Adelsprädikat) in die heutige amtssprachliche Form höchst problematisch wäre. Natürlich gab es das Übersetzungsproblem von Ortsnamen schon im Hochmittelalter (z. B. Fontanabona – Gutenprunn), aber in solchen Fällen liegt das Problem lediglich in der eindeutigen Identifizierung. Das schon erwähnte Urkundenbuch zu den Patriarchenurkunden für das heute slowenische Territorium (Bernhard 2006) hat daher zwei aufeinanderfolgende, getrennte, inhaltlich aber identische Namenregister angehängt: eines mit slowenischen Namenformen und slowenischer Redaktionssprache, das andere ganz auf Deutsch. Es ist sozusagen ein Glück, dass Italien nicht auch noch an dem Unternehmen beteiligt war. Wie multinationale Register-Unternehmungen unter solchen Vorzeichen aussehen sollen, wage ich mir gar nicht erst vorzustellen. Das Rezept kann (für früh- und hochmittelalterliche Zeit) nur heißen: so wenig redaktioneller Text wie möglich, soviel Latein wie es irgend geht. Aber dieses sogenannte alte Innerösterreich hat aus guten Gründen in jüngerer Zeit auch ein dreisprachiges Handbuch zur Verwaltungsgeschichte bekommen – mit drei Registern jeweils in deutscher, slowenischer und italienischer Sprache (¸ontar 1988). All dies verschränkt sich mit jenen Problemen, die für umfassende Namenregister auch im einsprachigen Bereich gegeben sind: Wenn ein auf ältere Zeit bezogenes Werk sich in erster Linie an die Rufnamen hält und ein späteres in erster Linie an die Familiennamen, dann wird die systematische Recherche in der Übergangszeit eine saure Sache. Auch wenn es hier vor allem um Früh- und Hochmittelalter geht, sollen Probleme nicht isoliert gesehen werden, sondern zusammen mit den Randzonen zu anderem. Angesichts dieser nicht geringen Probleme rund um die Namenregister ist es eigentlich erstaunlich, dass es wohl eine Editionswissenschaft und gewisse generelle Richtlinien für die Textedition gibt, wenn auch nach Ländern bzw. Sprachen sowie nach Perioden und Editionszwecken akzentuiert, und ebenso eine Lexikographie, doch demgegenüber erscheint mir das als unterentwickelt, was ich versuchsweise als Registerologie oder als Erschließungswissenschaft bezeichnen würde. Es gibt wohl viele gut begründete Hausbräuche und reichlich Do-it-yourself mit vorzüglichen Lösungen im Einzelfall, aber generell zu nennende Richtlinien oder Vereinbarungen oder überhaupt eine systematische Befassung mit dem Gegenstand in der Dichte, wie sie angemessen wäre, gehen mir ab, und doch lädt die vergleichsweise Homogenität der in Namenregistern enthaltenen Elemente zu einem solchen Nachdenken nachdrücklich ein.
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5 Was ist zu tun? Ich nähere mich damit dem angekündigten Appell bzw. der avisierten Einladung. Wenn es schon Klagen gibt, dass historische Editionen auf philologische Erfordernisse wenig Rücksicht nehmen und wenn damit auch die Wünsche der Namenforschung nur unvollkommen Erfüllung finden, so gibt es da vielleicht doch eine Art von Bringschuld, bevor man sich beklagt. Ich hielte es für weiterführend, Wünsche der Namenforschung an die Adresse der Editoren im Bereich der Geschichtswissenschaft zu formulieren, mit Bedachtnahme einerseits auf das Wünschbare und Nützliche, und andererseits auf das Machbare und Zumutbare, und eventuell mit einer Rangordnung vom unbedingt Notwendigen oder höchst Zweckmäßigen bis zum eventuell auch noch Brauchbaren (es gibt ja auch im Bereich der Namenforschung unterschiedliche Fragestellungen mit verschiedenen Bedürfnissen). Viel wichtiger als alle technischen Fragen, die sich ohnehin von Zeit zu Zeit neu stellen werden, sind die konzeptuellen: Wie soll das Textgut der Personen- und Ortsbezeichnungen strukturiert und kategorisiert werden; oder genauer: Welches ist das notwendige Minimum an Kategorien (z. B.: nomen proprium, beschreibende Ergänzung, urschriftliche oder abschriftliche Überlieferung), und welches ist das optionale Maximum (z. B. Klassifizierung der beschreibenden Ergänzungen in Titel, Standesbezeichnungen, Beinamen, Familiennamen und Berufsbezeichnungen). Ich persönlich halte eine gewisse interne Strukturierung der „beschreibenden Ergänzung“ für unerlässlich. Ich habe in meinem nächsten Umfeld den Aufbau einer großen prosopographischen Datenbank für die südöstlichen Reichsgebiete (zwischen Donau und Karawanken) bis ins Hochmittelalter mitangesehen (zu dieser Kropacˇ 1991 und öfter). In dieser waren für die einzelnen Personen neben dem nomen proprium nur eine Beschreibung (ohne weitere Binnen-Strukturierung) und dazu noch die folgenden Angaben vorgesehen: die Funktion im Dokument (Aussteller, Zeuge usw.), die Position der Nennung (z. B. vierter der Zeugen) sowie die Angabe, ob die Person zur Zeit ihrer Nennung am Leben oder bereits verstorben war. Dazu kamen Hinweise auf Verwandte oder andere Bezugspersonen innerhalb des jeweiligen Dokuments, soweit dieser Bezug dem Dokument selbst zu entnehmen war. Aber eine Unterscheidung der Beschreibungs-Elemente etwa nach Rangbezeichnungen, ortsbezogenen Prädikaten, Berufen usw. war nicht Bestandteil des Konzepts. Diese Datenbasis gibt es nun schon seit fast zwei Jahrzehnten. Benützt worden ist sie noch nie, und es ist unschwer zu erraten warum.
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Zu den optionalen Elementen einer Datenbasis für Namenregister gehört in meinen Augen auch die Unterscheidung von Selbst- und Fremdbezeichnung. Verschiedentlich zeigt sich ja, dass der Schreiber bzw. der Verfasser für die Gestaltung der Personenbezeichnung wichtiger ist als die genannte Person selbst. Klassifikation und Auszählen bzw. Statistik genügen nicht. Ich führe die Problematik an, weil sich an diesem Beispiel zeigt, dass die Interessen von Diplomatikern, die an der Dokumentation der Schreiberfunktion einer Person interessiert sind, und von Namenforschern, die an der Unterscheidung von Selbst- und Fremdbezeichnung interessiert sind, aus jeweils ganz anderen Gründen auf ein und dieselben Detailangaben (bzw. Kategorien) Wert legen können. Das alles ist nicht als Fixierung auf ein Ideal gedacht, das Anspruch auf umfassende Verwendung erheben sollte. Es gibt wohl schon genug Datenbasen, die so ziemlich unvereinbar nebeneinander bestehen. Aber der erste Schritt zu einer Besserung dieses Zustandes muss wohl sein, sich über die Bedürfnisse der einzelnen Disziplinen in systematisch-überblickender Weise klar zu werden und dabei zugleich einer Rangordnung des Wichtigen und des weniger Wichtigen näher zu kommen. Bei alledem ist die Machbarkeit im Auge zu behalten, und zwar nicht nur die Machbarkeit in technischer Hinsicht, sondern vor allem hinsichtlich der Zumutbarkeit von Zusatzarbeit für die Vertreter der Nachbardisziplinen außerhalb von deren eigentlichem Fach- und Interessengebiet. Personennamen und Ortsnamen sollten hierbei im Zusammenhang gesehen werden, und zwar wegen des bisweilen sehr komplizierten Beziehungsgeflechts zwischen Personen und Orten, was sich bei der Formalisierung für die elektronische Verarbeitung in anspruchsvollen Vernetzungen niederschlägt. So sind römische Kardinäle Würdenträger der Römischen Kirche insgesamt und zugleich Inhaber einzelne Kirchen in Rom, die ihrerseits bestimmten Patronen geweiht sind und darüber hinaus auch noch spezielle Titel aufweisen können. Für den internationalen Arbeitskreis für Onomastik und Prosopographie des europäischen Mittelalters, der auf der Magdeburger Tagung aus der Taufe gehoben worden ist, könnte sich die wohl lohnende Aufgabe einer theoretischen und (wenn es geht) auch praktischen Grundlegung einer – sagen wir es so – „Namen-Registerologie“ stellen, damit die Nutzung des ungeheuren Namenguts in Registern zu historischen Editionen optimiert werden kann, und zwar sowohl im Nachhinein wie erst recht für die Zukunft. Forscherpersönlichkeiten, die in der philologischen wie in der historischen Fachwelt gleichermaßen Ansehen genießen, wären nicht nur die Berufensten, das zu tun, sie hätten wohl auch die größte Chance, über die Fachgrenzen hinweg Gehör zu finden. Wenn man hierbei meint,
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dass Erfahrungen aus dem Alpen-Adria-Raum und damit aus einem „Europa in der Nussschale“ nützlich sein können, so stehen diese Erfahrungen gerne zur Verfügung.
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Namen des Frühmittelalters – RGA-E Band 66 – Seiten 251–266 Anthroponymie et migrations: lesYork difficultés d'une enquête © Copyright 2009 Walter de Gruyter · Berlin · New
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Anthroponymie et migrations: les difficultés d’une enquête Monique Bourin/Pascal Chareille
Dans ce colloque qui ouvre des perspectives multiples et variées sur les problèmes de l’anthroponymie et même plus largement de l’onomastique au Haut Moyen Age, nous voudrions présenter les résultats, encore très incomplets, d’une enquête intitulée „Anthroponymie et migrations: migrations, réseaux, métissages dans la Chrétienté médiévale“. Il s’agit d’un travail collectif1, commencé il y a quatre ans, travail dont nous avons présenté les objectifs principaux et les méthodes lorsque les professeurs Geuenich et Runde nous ont ouverts des pages de Name und Gesellschaft im Frühmittelalter. Pourtant cette enquête est un peu en porte-à-faux par rapport à la période à laquelle est consacré le colloque actuel. Loin de traiter spécifiquement du Haut Moyen Age, elle s’étend sur l’ensemble de la période médiévale. Bien entendu, elle n’a pas la prétention à la moindre exhaustivité, ni chronologique ni spatiale: nous nous sommes contentés de quelques études de cas, en fonction des richesses documentaires et des ressources humaines. Nous avons étudié des périodes différentes, des régions différentes, et des échelles différentes, locales, régionales ou plus petites encore. Peut-être à cause de cette ampleur et de ces disparités, bien que nous en ayons présenté les résultats au mois de mai 2007 lors d’un colloque que nous avons organisé à la Casa de Velazquez, à Madrid2, sur le thème des migrations et de l’anthroponymie, les plus larges des études, celles qui brassent des corpus de milliers d’individus, sont encore à approfondir.
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Coordonné avec Patrice Beck, en collaboration étroite avec divers collègues, notamment Pierre Darlu, directeur de recherches au CNRS et Pascual Martinez Sopena, professeur à l’Université de Valladolid. Anthroponymie et déplacements: migrations, réseaux, métissage dans la chrétienté médiévale. Casa de Velazquez, Madrid 28–29 mai 2007, Colloque organisé par le LAMOP (Université de Paris1 – CNRS) et la Casa de Velazquez.
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De ce programme nous présenterons ici une petite partie, celle qui a trait au Haut Moyen Age, et celle-ci même partiellement3. Et il ne s’agit pas de rassembler toutes les données présentées à Madrid qui ont trait au Haut Moyen Age, mais seulement celles qui ont été conduites dans le cadre de l’enquête du CNRS. Autre raison de porte à faux, cette enquête a été conçue en grande partie pour répondre à des questions que nous nous posons à propos de l’anthroponymie postérieure à l’an mil, celle qui associe deux éléments dissociés, le nom et le surnom. Nous voulons cerner quand et comment le surnom s’est fixé dans une transmission globalement héréditaire. Dans ce questionnement central, le problème des rapports entre migration et anthroponymie est évidemment crucial. En cas de déplacement durable ou définitif d’une personne, qu’arrive-t-il à son surnom? Pour lui et pour ses héritiers. Gardet-il son surnom? Change-t-il de surnom, notamment pour être désigné comme un homme d’ailleurs, émigré, le nouveau surnom conservant la mémoire de son lieu d’origine? La réponse à cette question a évidemment une importance non négligeable tout d’abord simplement pour mesurer la mobilité des personnes à l’époque médiévale. On analyse en général l’exode rural (pour employer un terme aux accents contemporains) en observant les surnoms de lieu des habitants, ce type de surnom étant considéré comme le souvenir de l’origine géographique de celui qui le porte, avant son installation dans son nouveau lieu de résidence. Est-ce satisfaisant? Sans doute pas pour au moins deux raisons. D’une part si un bon nombre de ces migrants n’a pas changé de surnom à leur arrivée en ville, l’historien sous-estime l’importance des apports de population, et peut-être certaines de leurs modalités. D’autre part, si le surnom est précocement héréditaire, la migration que révèle un surnom peut être plus ancienne que le document qui contient le surnom d’origine „étrangère“; la mémoire de la migration est conservée, peut-être depuis plusieurs générations. Un surnom d’origine atteste, en règle générale, d’une migration, pas de la date à laquelle elle s’est produite. Si nous l’avons formulé en premier lieu dans le cadre de l’anthroponymie à deux éléments, le questionnement sur le comportement anthroponymique 3
Nous avons laissé de côté le travail présenté avec Lluis To Figueras à propos de la Catalogne. Au cours de ce colloque d’autres communications ont été consacrées au Haut Moyen Age, les communications de Walter Kettemann, Migrations et retours. Quelques exemples du milieu monastique autour de l’an 800, de même que celle de David Peterson (université de Burgos), Antroponimia y toponimia vasca en el condado de Castilla: consideraciones metodologicas.
Anthroponymie et migrations: les difficultés d'une enquête
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aux lendemains de migrations est généralisable. Quel type de nom transmet à ses enfants, et plus largement à ses descendants, un homme, une femme, un couple, venus d’ailleurs? Fidélité à ses origines ou acculturation aux pratiques locales? La question n’est pas nouvelle. Elle a une actualité brûlante dans la France d’aujourd’hui. La question se pose pour le Haut Moyen Age dans des termes particuliers lorsque se rencontrent, à l’intérieur des territoires ayant appartenu à l’Empire romain, l’anthroponymie germanique et l’anthroponymie romaine ou romane, l’une caractérisée par la variation thématique et forte de tradition familiale et l’autre, en train d’oublier le système aristocratique des tria nomina (Heinzelmann 1977). La question se pose aussi aux frontières de la chrétienté latine, par exemple au contact entre les populations musulmanes, arabisantes, et les chrétiens de l’Espagne de la première Reconquête. Dans tous les cas, il convient évidemment d’être particulièrement attentif aux modalités politiques et sociales dans lesquelles se font les déplacements et les rencontres. Transfert autoritaire d’esclaves, exil de population chassées par les circonstances, arrivée de vainqueurs? Cette recherche à la thématique complexe s’est révélée pleine d’embûches et de pièges et des difficultés d’ordre méthodologique pèsent sur les réponses. Le matériel dont nous disposons est en effet constitué de corpus de noms bruts, sans contexte et sans indications prosopographiques. Comment repérer comme un migrant, dans ces conditions, celui qui s’est immédiatement acculturé et a troqué son nom originel contre une identité aux résonances locales? Ou bien au contraire, comment identifier un migrant qui conservé son nom d’avant la migration, un nom qui ne sonne pas comme celui d’un étranger? C’est d’ailleurs peut-être justement parce qu’il ne le signale pas comme étranger que le migrant l’a conservé. En outre notre sensibilité à détecter l’étranger dans un corpus de noms est peut-être moins fine et sûre que celle des contemporains.
Noms germaniques, noms latins: une proportion inégale selon les lieux et instable L’onomastique, qu’elle s’intéresse aux noms de lieux ou de personnes, a été une piste trop facilement et dangereusement suivie pour apprécier la densité de l’occupation romaine et la force des invasions barbares“. Jadis il fut tentant de faire des personnes portant un nom germanique des étrangers venant d’au-delà du limes et de mesurer la puissance des „invasions“ à la fréquence des anthroponymes germaniques dans une région. Puis l’ambiguïté des choix anthroponymiques fut reconnue et les chercheurs s’accordent
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Monique Bourin/Pascal Chareille
aujourd’hui à penser que toute recherche anthroponymique consacrée aux migrations du Haut Moyen Age doit donc commencer par procéder à un inventaire prudent avant toute interprétation en termes de mouvements de population ou plus encore d’„invasions“, tant il est évident que nombre de familles romaines donnèrent à leurs enfants des noms germaniques. Dans les diverses régions que nous avons étudiées4, nous avons observé la situation au plus tôt à partir du VIIIe siècle et nous avons essayé, autant que faire se peut, de ne pas nous cantonner à des listes de noms aristocratiques ou à des listes de clercs, mais à analyser un corpus aussi „commun“ que possible. Ces régions ont une caractéristique commune: elles comportent une proportion non négligeable de noms qui ne sont pas germaniques. Ils peuvent être franchement romains, mais aussi bibliques, grecs, ou auguratifs. Ils appartiennent à un même fond latin, où la chrétienté occidentale s’associe à un vieux fonds de noms romains. Non négligeable, mais avec une fréquence inégale, même pour des lieux peu éloignés. Ainsi dans les Abruzzes, Laurent Feller a dénombré la fréquence des noms germaniques dans divers documents (Feller 2002). Le taux de germanicité s’établit à 50 % parmi les esclaves du Val Trita, révoltés contre le monastère de Saint Vincent du Volturne, selon une liste établie aux environs de 8505. Dans une liste un peu antérieure, établie par le monastère de Farfa, à Peltuinum, liste d’alleutiers celle-ci, le pourcentage est à peine supérieur: 54 %. Mais le taux monte à près de 70 % dans les documents du monastère de Casauria, un peu plus tard, dans la deuxième moitié du IXe siècle, documents qui émanent pour l’essentiel des élites sociales. Dans le polyptyque de Wadalde6 qui date du début du IXe siècle et concerne la Provence, on peut tomber à 25 % de noms germaniques, pour les hommes comme pour les femmes dans certaines régions, par exemple les régions proches de la Durance, avec de fortes nuances micro-régionales7. 4
5
6
7
Nous nous référons ici à des études menées avant l’enquête „anthroponymie et migrations“, et publiées dans le tome 1 du volume 5 de Genèse médiévale de l’anthroponymie médiévale, Tours 2002. L’objectif de cette étude était de faire apparaître les discriminations anthroponymiques entre serfs et libres, pas d’y chercher les conséquences anthroponymiques des migrations. Les résultats issus de cette liste sont corroborés par les propositions analogues obtenues lors d’un plaid en 872. Le texte a été publié par Bregi 1975a. Le polyptique a été abondamment étudié. Par J.F. Bregi lui-même (Bregi 1975b), mais aussi par Jean Pierre Poly (Poly 1976) et Monique Zerner (Zerner 1981). Je le citerai sous le nom de Polyptyque de Wadalde, du nom de l’évêque qui l’a fait réaliser au début du IXeme siècle ou sous le nom de Polyptyque de (Sain Victor de) Marseille. Voir aussi Bergh 1941 et Sauze 1984. Pour obtenir des effectifs de noms suffisants, des regroupements ont été faits entre villae proches.
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Anthroponymie et migrations: les difficultés d'une enquête
Pourcentages de noms germaniques dans le polyptyque de Wadalde hommes
femmes
Chaudols
57 %
38 %
Forcalquier
54 %
38 %
Castellane-Rougon
45 %
39 %
Seillans Bargemon
23 %
29 %
Basse Durance
37 %
23 %
Plan de Campagne
29 %
44 %
On notera que le taux de germanicité décroît du Nord au Sud, avec une unique exception, Plan de Campagne pour les femmes. Le polyptyque de Saint-Germain-des-Prés8 qui en est contemporain, concerne essentiellement l’Ile de France: ici le taux de noms germaniques dépasse les 90 % (Bourin et Chareille2002). La „germanicité“ ne s’y répartit pas également dans les divers statuts sociaux. Dans le polyptyque de Saint-Germain-des-Prés, la différence anthroponymique est faible entre colons et serfs, mais l’effectif des serfs est si faible que la comparaison est difficile à soutenir. Elle est plus fiable et nette dans celui de Wadalde: chez les hommes adultes les 2/3 des mancipia portent des noms germaniques et seulement 1/4 des colons. Le statut des femmes étant souvent omis, la comparaison n’est possible que pour les hommes. La germanicité progresse fortement au cours des IXème et Xème siècles. La mesure a été faite en Catalogne par Michel Zimmermann (Zimmermann 1995): les 3/4 des noms repérés au long des listes catalanes étaient latins au moment de la conquête franque. Ce ne sont pas de vieux noms latins; le corpus était donc actif. Quels que soient les moteurs de l’évolution, vers 950, il n y’ a plus que 20 % des noms latins dans une documentation de niveau social équivalent Mais si l’on en juge par le polyptique de Wadalde, cette progression des noms germaniques est complexe, inégale selon les conditions juridiques. Les enfants issus de ménages de colons portent à 56 % des noms latins, mais à la 8
Dit encore polyptyque d’Irminon. L’édition utilisée est celle de Hägermann 1993. Sur le polyptyque, la bibliographie est également très vaste. On se contentera de citer quelques références plus particulièrement orientées vers l’anthroponymie: Bessmertny 1984, Goetz 1987, Hägermann 1997.
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Monique Bourin/Pascal Chareille
génération de leurs parents, trois quarts des noms l’étaient. Réduction donc de la proportion de noms latins en cours chez les colons. Mais le phénomène est inverse chez les enfants de mancipia: ils sont 45 % à porter un nom latin alors que leurs parents étaient 33 %. Les évolutions sont inverses mais aboutissent à rapprocher les choix anthroponymiques entre les deux groupes.
Les mixages anthroponymiques familiaux A comparer ainsi les taux de noms germaniques et de noms latins, on risque de donner l’idée de groupes aux pratiques anthroponymiques franchement séparées. Rien ne serait plus faux Reprenons l’exemple du polyptyque de Wadalde: 414 individus de sexe masculin portant 261 noms différents et 389 individus de sexe féminin portant 229 noms différents, issus de 13 villae différentes. Certaines familles portent de manière dominante des noms latins ou des noms germaniques, mais toutes participent des deux corpus et jouent parfaitement avec la variation thématique qui est parfois utilisée pour créer des hybrides associant une racine germanique et une racine latine, tels que Magneberga. La colonge ad Estravilio en fournit un exemple parmi bien d’autres. Adalbertus et Martina ont eu trois enfants, dont un fils debilis. C’est donc la fille Genesia, et son mari anonyme et étranger qui portent la succession, tandis que la deuxième fille est (encore?) célibataire. La mère, sa fille et une de ses petites filles portent un nom latin, le même, Martina, pour la grandmère et sa petite fille. Mais le nom latin n’est pas réservé aux femmes puisque Dadebertus a certes transmis son lemme final à son fils Adalbertus, mais aussi à la petite fille, Berta, sans doute l’aînée, que lui a donnée sa fille Genesia. Quant à la fille Ermesinda, elle porte aussi un nom germanique.
Anthroponymie et migrations: les difficultés d'une enquête
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Bien d’autres colonges, dans les diverses villae énoncées dans le polyptyque, offrent la même „mixité“ anthroponymique. Celle d’inter Vineas, où Unuldis et son mari, de statut servile, Ingoaldus, ont six enfants, Martinus, Onoria, Deda, Donobertus, Ingobertus et Arubertus. La mixité est évidente; la transmission des lexèmes l’est moins, sans être absente. Elle est en revanche très manifeste dans la colonge in Cenazello où Dructaldus, un accola, et sa femme, une extranea anonyme, ont engendré cinq enfants, Dructomus, Dutberta, Dructerigus, Sinderaldus et Joannis, seul petit dernier à porter un nom latin ou plutôt biblique. Deux des enfants, Dructerigus et Sinderaldus, étant ad scolas, on peut former des conjectures sur les raisons qui ont conduit au choix de ce nom si souvent porté par les clercs. L’analyse des situations anthroponymiques des couples parentaux, selon qu’ils sont homogènes ou mixtes, montre que l’homogénéité anthroponymique des couples accroît très peu, chez leurs enfants, la proportion de noms de même nature que celle de leurs parents. La mixité est donc vraiment généralisée. – dans les 7 familles, pourvues de 28 enfants, dont les parents portent tous deux un nom germanique, 50 % des enfants ont un nom germanique et 50 % un nom latin – dans les 24 familles, pourvues de 99 enfants, dont les deux parents portent un nom latin, 40 % des enfants portent un nom germanique, 55 % un nom latin et 5 % un nom hybride ou incertain – dans les 24 familles, pourvues de 103 enfants, dont les parents portent un nom de nature différente, 40 % des enfants ont un nom germanique et 52 % un nom latin Il n’y a pas de différence significative dans ces choix anthroponymiques des couples aux noms „mixtes“ selon le genre des enfants.
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Monique Bourin/Pascal Chareille
Le poids de la Nachbenennung familiale. Si la mixité linguistique des noms est la règle dans les familles dénombrées par le polyptyque de Wadalde, elle est pourtant associée à une assez forte transmission des noms entre les générations. Le polyptyque étant limité à deux, voire trois générations, l’héritage des noms ne peut se suivre que brièvement, mais il est manifeste. Voies de la transmission anthroponymique dans le polyptyque de Wadalde garçon
fille
total
Père qui transmet
28
14
42
Mère qui transmet
4
6
10
total
32
20
52
dont notamment: mère
fils
genesia
genesius
dominica
dominico
savina père
fille
savina fils
fille
stephanus
stephana
basilius
basilia
martinus
martina
stephanius
stephania
teobertus
teoberta
beno
benedictus
Au total les cas de transmission par la mère semblent moins courants. Si les transmissions au sein du même genre sont plus fréquentes que dans l’hérédité croisée, elles existent néanmoins dans les deux cas. Malgré le poids de la Nachbenennung familiale, le mixage intense entre noms latins et noms germaniques au sein des mêmes familles rend très dif-
Anthroponymie et migrations: les difficultés d'une enquête
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ficile le repérage de noms localement „typés“ qui permettraient, par ricochet, de repérer l’intrus, l’étranger, le migrant. Une telle démarche doit se faire villa par villa, puisque les différences de l’une à l’autre dont fortes. Suffisamment fortes pour que Jean Pierre Poly ait pu penser à l’installation forcée de populations germaniques au Nord de la Durance9. Les effectifs sont trop faibles alors pour confirmer statistiquement les intuitions et les impressions. On croit bien voir dans certains lieux l’émergence de noms typiques et locaux. Ainsi Maurus/Maurinus/Maurellus et Dominicus/Dominica dans les colonges voisines In Pentinacus, in Ginestedo, ad Estravilio, in Coila, in Veiranicus et ad Marga. En revanche il ne nous a pas été possible de repérer des étrangers. L’impression dominante, dans la Provence des années 800, est celle d’un syncrétisme anthroponymique; il complique la tâche de celui qui veut suivre les migrations par l’anthroponymie.
Les parentés anthroponymiques entre Wadalde et Irminon Pire est encore la tâche lorsqu’on en vient à la comparaison entre les corpus de racines (lemmes) utilisées par les noms germaniques des deux polyptyques contemporains, mais très éloignés géographiquement et, sans doute, culturellement, celui de Saint-Germain-des-Prés et celui de Marseille. Dans l’un comme dans l’autre, repérer l’étranger ou des étrangers est d’autant plus difficile que les deux corpus de racines se révèlent d’une grande proximité. Toutes générations confondues, les deux polyptyques contiennent 75 premiers lemmes portés par des hommes dans le polyptyque de Marseille et 263 dans celui de Saint-Germain-des-Prés, beaucoup plus abondant. Un seul des 25 premiers lemmes les plus courants de Marseille n’est pas attesté dans le polyptyque de Saint-Germain-des-Prés, et encore s’agit-il de sanctae qui n’est pas à proprement parlé un lemme germanique mais qui intervient dans la composition de plusieurs noms masculins provençaux, Sanctoaldus, Sanctaefredus, Sanctaebertus, Sanctaemerus. Pour les femmes, la situation est analogue: 63 premiers lemmes attestés par le polyptyque de Marseille et 244 à Saint-Germain-des-Prés. Deux seulement des 25 premiers lemmes de Marseille ne sont pas attestés à Saint-Germain-des-Prés: hrom et sanctae, et encore hrom existe-t-il dans le corpus masculin.
9
Poly 1976.
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Comparaison des palmarès des premiers lemmes dans les polyptyques de Saint-Victor-de-Marseille (Wadalde) et Saint-Germain-des-Prés (Irminon) NOMS D’HOMMES (lemme 1) rang
irminon
wadalde
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19
athal gair erman hroth hildi theud ragin agil berin rad hari ingal wald land ald berht god wini sig
theud berht hroth gair maur sanctae athal austar bed ing rik wald arin druht gis gunth leud rad urs
total h. concernés
4503
209
total h. corpus
4893
414
noir souligné gras+souligné gras
attesté dans les 2 corpus et dans les 2 palmarès ci-dessus attesté dans les 2 corpus mais dans 1 seul des palmarès ci-dessus attesté dans Wadalde et manquant dans Irminon attesté dans Irminon et manquant dans Wadalde
Même si les proximités sont moins criantes, la différence n’est pas non plus violente pour les noms latins (non-germaniques). Certes parmi les 13 noms non-germaniques les plus portés dans le polyptyque de Marseille, il en est 7 qu’on ne retrouve pas dans celui de Saint-Germain (ci-dessous en gras+souligné) et de même, dans ce même type de noms, parmi les 15 noms les plus fréquents du polyptyque de Saint-Germain, il en est 6 qu’on ne retrouve pas dans celui de Marseille (ci-dessous en gras). Mais dans le palmarès des 9
Anthroponymie et migrations: les difficultés d'une enquête
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noms les plus portés dans les deux polyptyques, il en est cinq communs et les trois noms de tête sont les mêmes, bien qu’ils ne figurent pas exactement dans le même ordre: Martinus, Iohannes et Dominicus.
Palmarès comparés des noms non-germaniques dans les polyptyques de Saint-Germain (Irminon) et Marseille (Wadalde) HOMMES (noms non-germaniques) rang
irminon
wadalde
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15
martin# iohann# dominic# electius benedict# stephan# abraham constantin# petrus remigi# anastasi# andreas elegi# ionas salomon
iohann# dominic# martin# stephan# deidon# maxim# petrus benign# cels# christidon# honorat# maurus paul#
total h. concernés
385
218
total h. corpus
4893
414
N.B. Elegius n’est pas attesté dans Wadalde chez les hommes, mais il y a chez les femmes une Elegia et une Eligia. La différence est sans doute plus visible pour les femmes, même si dans les deux cas Dominica se trouve en première ligne du palmarès, Johanna en cinquième place et Petronilla aux environs de la dixième place. Il se pourrait qu’ici comme là se perçoive fortement le fait que ces domaines sont terres monastiques. Pourtant, on ne peut généraliser la situation de proximité des corpus de lemmes entre les polyptyques de Marseille et de Saint-Germain-des-Prés et
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Monique Bourin/Pascal Chareille
suggérer qu’au IXe siècle les corpus et les palmarès se ressemblent uniformément à travers l’Europe chrétienne. La comparaison entre les données rassemblées par Laurent Feller10 pour les Abruzzes et celles du polyptyque de Marseille montre qu’il n’en est rien. La distance11 semble bien plus grande entre les données agrégées des listes des Abruzzes et le polyptyque de Wadalde qu’entre celui-ci et le polyptyque de Saint-Germain-des-Prés. L’originalité des Abruzzes apparaît: sur les treize noms les plus portés dans les Abruzzes, cinq (Palumbus, Ursulus, Allo, Lupulus, Theudoaldus, cidessous en gras) ne sont pas mentionnés dans le polyptyque de Wadalde, tandis que deux seulement (Deidon#, Maxim#, ci-dessous en gras souligné) des treize noms en tête du palmarès du polyptyque de Wadalde ne sont pas attestés dans la documentation abruzzaise. Palmarès comparés des noms entre les listes des Abruzzes et le polyptyque de Wadalde HOMMES (ensemble des noms) rang
abruzzes
wadalde
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13
petrus lupus palumbus iohann# Urs# maurus ursulus allo aud/hari benedictus lupulus paulus theud/wald
iohann# dominic# martin# stephan# theud hroth/berht athal/berht deidon# maxim# petrus theud/rik urs
total h. corpus
840
414
N.B. Les données abbruzzaises retenues concernent la période de la fin VIIIe-début IXe s. 10 11
Feller 1998. Le concept de distance est ici tout à fait „naïf “. Il existe des instruments beaucoup plus rigoureux pour mesurer les distances entre des corpus onomastiques: présentation de ces outils dans Chareille 2003 et dans des articles ultérieurs à paraître.
Anthroponymie et migrations: les difficultés d'une enquête
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En revanche la différence avec les données du cartulaire de Saint-Victorde-Marseille pour le XIe siècle est écrasante. La comparaison des lemmes n’a plus grand sens; on ne joue plus avec la variation thématique. La physionomie générale de la répartition des noms a totalement changé. La concentration s’est fortement accentuée. La plupart des noms mentionnés dans le cartulaire n’existent pas dans le polyptyque de Wadalde. Certes, il est peu de disparition parmi les plus noms les plus fréquents, mais leur place dans le palmarès a subi des profonds bouleversements. Dominicus qui était le second des noms dans l’ordre de fréquence est 88e dans l’ensemble de la période 980–1100, les occurrences datant surtout de la deuxième moitié du XIe siècle. Johannes était n° 1, il est 29e sur l’ensemble de la période 980–1100, 37e sur la seule période 1010–1040. Au tournant du XIe siècle (980–1010), Pontius – qui n’est pas germanique – occupe (déjà) le rang 1; viennent ensuite wili/helm (3 occurrences), Amelius (non germanique), fulk, hroth/stain et isan/hard (2 occurrences). On le voit, les effectifs sont trop faibles pour dresser un palmarès fiable pour la fin du Xe siècle, mais à l’exception de Vuilelmus, aucun de ces noms n’était mentionné dans le polyptyque de Wadalde. HOMMES (ensemble des noms) rang
SVM 1010–1040
wadalde
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
ponti# wili/helm isan/hard petrus hroth/stain fulk gaut/frith hug ber/mund durandus land/berht aig/hard
iohann# dominic# martin# stephan# theud hroth/berht athal/berht deidon# maxim# petrus theud/rik urs
total h. corpus
1625
414
gras+souligné gras
attesté dans Wadalde et manquant dans SVM en 1010–1040 attesté dans SVM en 1010–1040 et manquant dans Wadalde
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Ce renouvellement est encore plus marqué pour les femmes puisque dans les deux palmarès de tête on ne retrouve qu’un nom commun, Stephania; tous les autres sont distincts. Parmi les treize noms féminins les plus courants dans la première moitié du XIe siècle, selon les actes conservés dans le Cartulaire de saint-Victor, douze n’existaient pas dans le polyptyque de Wadalde et dans le palmarès des noms de femmes du polyptyque seul Maria, au deuxième rang dans le polyptyque, est attesté dans le cartulaire mais à une place beaucoup moins brillante. L’examen comparé des données anthroponymiques des polyptyques de Saint Germain des Prés et de Saint Victor de Marseille, auxquelles s’ajoutent des listes des Abruzzes et des dépouillements dans des documents provençaux plus récents, datant de la première moitié du XIe siècle, suggère que l’évolution chronologique, parcourue en deux siècles, est d’une toute autre ampleur que n’étaient les différences géographiques au début du IXe siècle, du moins de ce côté des Alpes. Ce sont au contraire les parentés des corpus de Saint-Victor-de-Marseille et de Saint-Germain-des-Prés qui constituent le résultat le plus évident de l’enquête. On peut peut-être voir, dans certains traits communs, une influence monastique commune, par delà les caractéristiques régionales. Il se peut aussi que l’échelle à laquelle nous avons travaillé, imposée par le traitement statistique, et ne permettant que fort peu de faire apparaître les nuances locales ait accentué les parentés de corpus. L’échelle régionale gomme peut-être certaines disparités, celles-là même qui auraient pu faire ressortir le migrant, l’homme portant un nom d’ailleurs. Pourtant d’autres secteurs de l’enquête ont bien permis de faire ressortir les „bizarreries“ anthroponymiques et de les interpréter, au moins partiellement comme des migrations. Ainsi Carlos Reglero de la Fuente12 a repris le dossier de l’anthroponymie arabisante dans les terres de Castille, dans la région de Burgos, au cours de la première moitié“ du Xe siècle. Pour que l’anthroponymie permette de faire ressortir des anomalies, peut-être révélatrices de migrations, il faut des caractéristiques linguistiques ou culturelles suffisamment tranchées pour qu’elles puissent pallier l’absence de renseignements contextuels; ceux-ci manquent pour permettre l’observation de différences plus fines, du moins dès lors qu’il ne s’agit pas des grands de ce monde. L’appui des textes narratifs, comme les chroniques pour les régions au contact du monde andalou, donne du poids aux observations anthroponymiques susceptibles de livrer des indices de migrations. Paradoxa-
12
A paraître aux éditions de la Casa de velazquez, Onomastica arabizante y migraciones en los siglos IX y X.
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lement, du moins pour le haut Moyen Age, l’enquête, au point où elle en est, a montré plus d’homogénéité anthroponymique qu’elle n’a permis de répondre à la question des migrations.
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Monique Bourin/Pascal Chareille
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Namen des Frühmittelalters – RGA-E Band 66 – Seiten 267–277 und ·Personennennung im Kontext © Copyright 2009 Namenüberlieferung Walter de Gruyter · Berlin New York
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Namenüberlieferung und Personennennung im Kontext. Bedingungen und Möglichkeiten von Erfassung und Auswertung in der Datenbank „Nomen et gens“ Walter Kettemann/Christa Jochum-Godglück
Das Anliegen des Kurzreferates während der Magdeburger Tagung war es, die wesentlichen konzeptionellen Prinzipien der Datenbank „Nomen et gens“ knapp und anschaulich vorzustellen. Dies ist auch mit den nachfolgenden Ausführungen beabsichtigt, impliziert damit aber zugleich, dass die fachwissenschaftlich-methodische und technische Komplexität der Datenbank für die Darstellung zwar angemessen, jedoch in stark reduzierter Weise präsentiert werden muss. Die der Datenbank zu Grunde liegenden Prinzipien reflektieren die von Philologen und Historikern gemeinsam diskutierten und festgelegten methodischen Bedingungen der interdisziplinären Arbeit im Projekt „Nomen et gens“. Über den Aufbau und die großen sachlichen Bestandteile der Datenbank sowie deren Funktionen wurde bereits an anderer Stelle berichtet1. Seit dem Jahre 2007 ist die technische Betreuung der Datenbank in die Obhut des Fachgebiets „Electronic Commerce und Datenbanken“ an der Fakultät für Elektrotechnik, Informatik und Mathematik der Universität Paderborn übergegangen. Dort werden unter der Leitung von Stefan Böttcher im Hinblick auf eine internetbasierte Publikation der Datenbank als öffentlich zugängliche Dokumentation und projektinterne Forschungsdatenbank notwendige technische Arbeiten und Optimierungen durchgeführt. In diesem Zusammenhang wurde auch eine sachliche Erweiterung vorgenommen: Um die Zugriffsmöglichkeiten von Seiten der Quellen vielseitiger und zugleich präziser zu gestalten, kam eine neue eigenständige Einheit „Handschriften“ zu den bereits vorhandenen großen 1
Kettemann 2006. Die Datenbank umfasst in ihrem Grundbestand derzeit über 60 000 Namenbelege aus Quellen verschiedener Gattungen der Völkerwanderungszeit und des frühen Mittelalters bis zum Jahre 800. Zum Projekt „Nomen et gens“ im Allgemeinen siehe: Goetz/Haubrichs 2005, Teil 1.
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Bestandteilen – Quellen, Einzelbelege, Personen, Namenkommentar und Literatur – hinzu. Die methodisch wichtigste Grundentscheidung für die Datenbank ist die konsequente Trennung zwischen der Dokumentation der überlieferten Quellenbefunde und den auf dieser Basis erarbeiteten Ergebnissen der Projektarbeit, die den beiden großen Erkenntniszielen Namenkunde und Personenkenntnis verpflichtet ist. Für die Konzeption der Datenbank bedeutet dies, dass die Bereiche der Quellendokumentation einerseits und der Auswertungen andererseits datentechnisch voneinander getrennt in jeweils eigenständigen technischen Einheiten gespeichert sein müssen2. Abbildung 1 veranschaulicht in ihrer horizontalen Dimension diesen Sachverhalt: Dem maßgeblichen Parameter der Quellendokumentation, dem überlieferten Personennamen- beziehungsweise Personenbeleg3, auf der einen Seite entsprechen auf der anderen Seite die für die Auswertung maßgebenden Parameter Name und Person. Die vertikale Dimension von Abbildung 1 macht deutlich, dass die mit Hilfe der Datenbank in Angriff genommene Arbeit in vielfältige Diskurse quellenkundlicher, namenkundlicher und historischer Forschung eingebettet ist und auf diese Bezug nehmen muss. Die Bezugnahmen auf den Forschungszusammenhang werden in der Datenbank praktisch insofern ermöglicht, als eine bibliographisch und sachlich differenziert erschlossene Literaturdokumentation zur Verfügung steht, die von verschiedenen Arbeitsbereichen her aufgerufen und genutzt werden kann. Was in Abbildung 1 als Korrelat zum „Stand der Forschung“ als „namen- und personenkundliche Artikel“ ausgewiesen ist, repräsentiert die Einbettung der aus dem Projekt „Nomen et gens“ resultierenden Ergebnisse in den weiteren Forschungszusammenhang4. So notwendig die strikte Trennung zwischen der Dokumentation des Quellenbefundes und den Auswertungen in methodischer Hinsicht ist: Zum effektiven Werkzeug für Philologen und Historiker wird die Datenbank erst dann, wenn zwei weitere Bedingugen erfüllt sind:
2
3 4
Die Datenbank „Nomen et gens“ basiert auf einem relationalen Datenbanksystem. Die in zahlreichen Tabellen abgespeicherten Daten sind in einigen wenigen Formularen zusammengeführt und verfügbar, die weitgehend den oben genannten großen sachlichen Bestandteilen der Datenbank entsprechen. Im Folgenden werden diese Einheiten daher – dem am Bearbeiter und Nutzer orientierten projektinternen Sprachgebrauch folgend – auch als Formulare bezeichnet. Zur Unterscheidung von Personennamenbeleg und Personenbeleg: Kettemann 2006, 47 f. Für die inzwischen zahlreichen Publikationen aus der Forschungsarbeit der „Nomen et gens“-Gruppe sei als Einstieg verwiesen auf die folgenden Publikationen: Goetz/Haubrichs et al. 2005, Geuenich/Runde (Hg.) 2006.
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Abb. 1. Konzeption der datenbankbasierten Projektarbeit „Nomen et gens“
a) Die Erfassung sowohl der Quellenbefunde als auch der durch die Auswertung zu gewinnenden Erkenntnisse muss nach Maßgabe der beteiligten Fachdisziplinen ausreichend differenziert sein. b) Quellendokumentation und Auswertungen müssen so zueinander in Beziehung gesetzt werden, dass sachlich gebotene Interaktionen zwischen beiden Bereichen der Datenbank kontrolliert – das heißt: unter Berücksichtigung fachwissenschaftlich definierter Kriterien – möglich sind. Aus der Perspektive der beteiligten Fachwissenschaften zerfallen diese Interaktionen in zwei Typen: die parameter-geleitete Recherche und die an Kriterien gebundene Dokumentation. Wie die fachwissenschaftlich-methodischen Bedingungen – Trennung zwischen Überlieferungsbefund und Auswertung, ausreichende Differenziertheit und sachlich gebotene Relationen – für die „Nomen et gens“-Datenbank konzeptionell berücksichtigt sind, sei anhand des am einfachsten nachvollziehbaren Beispiels erläutert, des Verhältnisses der Einheiten/Formulare „Einzelbelege“ und „Personen“.
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Der in einer bestimmten Quelle überlieferte Namenbeleg lässt sich anhand einer ganzen Reihe expliziter und impliziter Informationen differenziert erfassen, die sich aus der Namenform selbst und zusätzlich aus dem textlichen Zusammenhang ergeben. Der einzelne Namenbeleg ermöglicht und erfordert daher eine multiparametrale Erfassung, die im Rahmen des Formulars „Einzelbelege“ geschieht. Eine aus den Quellen rekonstruierte historische Person bedarf ebenfalls der multiparametralen Beschreibung, wobei ein Großteil der Parameter identisch mit jenen ist, welche sich für die Erfassung des Namenbelegs der Quelle nahelegen. Formallogisch sind es jedoch unterschiedliche Kriterien, die zur Setzung eines Parameterwertes bei der Erfassung des Namenbelegs einerseits und der auswertenden Rekonstruktion einer historischen Person andererseits führen. Im ersteren Falle – bei der Erfassung des Quellenbefundes zu einem überlieferten Namenbeleg – gibt für den Parameter „Ethnie“ der vorhandene Quellenbefund den Ausschlag, z. B. den Wert „Alemanne“ zu setzen; im zweiten Falle – für die Rekonstruktion der Person – kann nur auf Grund der Gesamtheit der zur Verfügung stehenden Quellenzeugnisse und deren Gewichtung entschieden werden, so dass gegebenfalls eine andere ethnische oder gentile Zuordnung vorgenommen oder auf eine solche ganz verzichtet werden muss. Wenn das Postulat sachlicher Differenziertheit also multiparamentrale Erfassung bedingt, dann verlangt jenes der Trennung von Überlieferung und Auswertung danach, dass bestimmte Parameter in verschiedenen Einheiten/Formularen gleichzeitig vorhanden sein müssen, um, wo sachlich geboten, mit unterschiedlichen Werten gefüllt werden zu können. Für die Einheiten/Formulare „Einzelbelege“ und „Personen“ liegt die einzige sachlich gerechtfertigte Relation in einer Zuordnung von überlieferten Namenbelegen zu historisch rekonstruierten Personen, wobei diese Relation ihrerseits bedingt sein muss, insofern eine Zuordnung zwischen Namenbeleg und Person von „sicher“ bis nur „möglich“ qualifiziert sein kann5. Wird bereits an diesem einfachen Beispiel klar, in welchem Maße das Datendesign fachwissenschaftlich fundiert sein muss, so lassen sich die vielfältigen Möglichkeiten, die eine solchermaßen reflektierte Konzeption zulässt, an einem weiteren Beispiel aus dem Bereich der Quellendokumentation exemplarisch begründen, indem aufgezeigt wird, wie quellenkundliche Einsichten technisch umgesetzt sind. 5
In Abb. 3 ist diese Einschränkung der 1:1-Relation vom Namenbeleg zur Person durch ein Asterisk kenntlich gemacht: De facto muss die Möglichkeit gegeben sein, alternative Personenzuordnungen anzugeben, wenn eine eindeutige Entscheidung nicht gefällt werden kann.
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Der einzelne überlieferte Namenbeleg ist im Rahmen des Formulars „Einzelbelege“ multiparametral erfasst. Unter anderem steht er in einer eindeutigen Relation zu einer Quelle, die im Formular „Quellen“ ihrerseits multiparametral erschlossen ist. Diese Quelle kann in mehreren Handschriften überliefert sein, so dass – im Rahmen der Datenbank – die Quelle in Relation zu mehreren Handschriften stehen muss, die ihrerseits ebenfalls multiparametral in einer technischen Einheit „Handschriften“ erfasst sind. Wenn eine Quelle in mehreren Überlieferungsträgern erhalten ist, kann jedoch auch der einzelne Namenbeleg einer Quelle in mehreren Varianten vorliegen. Diesen Sachverhalt berücksichtigt die eigenständige Einheit „Textkritik“, die als Unterformular über das Formular „Einzelbelege“ zugänglich ist. Die „Textkritik“ steht sachlich in einer doppelten Abhängigkeit: a) im Verhältnis n:1 zur Einheit des Formulars „Einzelbelege“, da ein Namenbeleg in mehreren Varianten von verschiedenen Handschriften der Quelle überliefert sein kann; b) in einem Verhältnis von 1:1 zu jeweils einer von mehreren (n) Handschriften jener Quelle, die aufgrund ihres Vorliegens in mehreren Überlieferungen den Namenbeleg in verschiedenen Varianten bieten kann6. Die Art der Erfassung der textkritischen Varianten eines Namenbelegs und seiner Bezüge zur Quelle sowie zu den diese überliefernden Handschriften macht zugleich deutlich, in welcher Weise – im Gegensatz zur gedruckten Edition – die Quellenerfassung im Rahmen einer Datenbank mehrdimensional sein kann. Abbildung 3 stellt abschließend in stark vereinfachter Form und unter Ausschluss der Literaturdokumentation das Datendesign der Datenbank „Nomen et gens“ dar7. Nur die wichtigsten Relationen zwischen den einzelnen Einheiten sind durch Pfeile veranschaulicht: Die aus der Perspektive des einzelnen überlieferten Namenbelegs relevanten Bezüge sind dabei mit durchgängiger Pfeillinie, die übrigen mit gestrichelter Linie gekennzeichnet. Ein Asterisk hinter der Angabe einer 1:1-Relation zeigt an, dass aus Gründen eines möglichen Non liquet bei der Zuordnung alternative Zuordnungsvorschläge in der Datenbank nötig und möglich sind. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn ein Namenbeleg nicht sicher einer von mehreren 6
7
Die Kodierung der Relation als n(1:1) in den Abbildungen 2 und 3 fasst diesen Sachverhalt knapp zusammen. An dieser Stelle sei Frau Rita Hartel, die gemeinsam mit Herrn Daniel Brockpähler in Paderborn an der technischen Optimierung der Datenbank arbeitet, freundlich für die Überlassung einer differenzierten graphischen Dokumentation der aktuellen technischen Datenorganisation gedankt, die für die Herstellung der Abbildungen 2 und 3 mit herangezogen wurde.
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Abb. 2. Relationen zwischen Quelle, einzelnem Namenbeleg, dessen textkritischen Varianten und den diese bedingende Überlieferung in mehreren Handschriften
Personen zugeordnet werden kann oder eine eindeutige Lemmatisierung nicht möglich erscheint. Die im Schaubild als ‚Satelliten‘ um die Einheiten/Formulare „Einzelbelege“ und „Personen“ gruppierten Parameter sind grundsätzlich ebenso wie die nach Spiegelstrichen aufgelisteten Angaben den Einheiten „Einzelbelege“ beziehungsweise „Personen“ direkt zugehörig. Der Unterschied besteht lediglich darin, dass diesen im Schaubild wie in der Datenbank extern repräsentierten Parametern mehrere Werte gleichzeitig zugewiesen sein können, etwa drei Varianten zu einem Namenbeleg oder z. B. die Angaben sacerdos und monachus in der Rubrik „Amt/Stand/ Weihe“ zu einem einzigen Namenbeleg. Wie auf der Grundlage dieser Konzeption mit der Datenbank „Nomen et gens“ gearbeitet werden kann, ist im Folgenden aus philologischer Perspektive erläutert. Walter Kettemann
Abb. 3. Datendesign „Nomen et gens“ mit grundlegenden Relationen
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Die Aufgabe der Philologen – die ausführliche Analyse der Personennamen auf der Basis der von den Historikern im Formular „Einzelbelege“ zur Verfügung gestellten Belege mitsamt ihrer Varianten sowie aller weiteren Angaben, die sich durch die Zugriffsmöglichkeiten auf die Formulare „Quellen“ und „Personen“ gewinnen lassen8 – soll hier etwas genauer und mit wenigen Beispielen skizziert werden: Zunächst wird im Formular „Einzelbelege“ in einem eigenen Feld der sich aus diesem Beleg ableitbare Lemmaansatz angegeben, der die Rekonstruktion eines vor den Einzelsprachen liegenden germanischen Namens mit stammauslautendem Vokal beider Namenelemente und der germanischen Endung darstellt (bei Komposita). Sofern eine sichere Entscheidung für ein Namenelement oder die Bildungsweise eines Namens nicht möglich ist, wird auch die jeweilige Alternative vermerkt. Von hier aus ansteuerbar ist das Formular „Namenkommentar“, das zu jedem Namen in Textformat eine ausführliche Darstellung bietet. Umgekehrt kann man vom „Namenkommentar“ zu allen hierunter subsumierten Einzelbelegen und den diesen zugeordneten Informationen gelangen. Der Namenkommentar bezieht sich auf alle diejenigen Namenbelege, die nach den Regeln der Namenkunde und sprachlichen Analyse hierher gehören (oder zumindest möglich sind) und damit auch mehrere Personen mit identischem Namen bezeichnen können. Sofern eine Person über mehrere Namen verfügt, werden diese streng getrennt unter den jeweiligen Lemmata behandelt und durch Verweis miteinander in Beziehung gesetzt.9 Dies gilt auch, wenn etwa Namenverwechslungen vorliegen.10 Bereits hier, an der Schnittstelle von dem von Historikern erhobenen, quellenkundlich abgesicherten Einzelbeleg mitsamt zahlreicher Zusatzinformationen und dessen Interpretation durch die Philologen wird die interdisziplinäre Verzahnung der beteiligten Fachwissenschaften besonders deutlich: Zahlreiche Belege wie Chrodobertus, Chrodebertus, Chrodbertus, lassen sich mit dem philologischen Wissen, dass eine der Graphien des romanischen Lautersatzes für das anlautenden [hr] des germanischen Erstelements *hro¯ qa-z M. ‚Ruhm, Ansehen‘ ist, an die Seite von Hrotbertus (mit frühalthochdeutscher Lautung) und Rotbertus (mit althochdeutscher Weiterentwicklung von [hr] zu [r]) stellen und liefern damit einen Mosaikstein zur prosopographischen Beschreibung mehrerer frühmittelalterlicher Personen mit dem Namen *hro¯ qa-bertha-z (Zweitelement *bertha-z Adj. ‚be8 9
10
Vgl. ausführlich Kettemann 2006. Zu Doppelnamen, ihrer Kategorisierung und den Gründen für die Genese vgl. Trapp 2006. Ein 750 in Lucca in der Toscana genannter Priester verfügte sogar über die drei Namen Petronius, Petronaci und Flavibert. Vgl. dazu Schorr/Jarnut 2006. So etwa im Falle des Alemannenkönigs Chnodomarius, der bei Zosimos offenbar irrtümlich Wadomarius genannt wird. Vgl. dazu Kettemann 2005, 164, 169.
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rühmt‘). Im Falle der gelegentlich behaupteten Identität des Bischofs von Tours Chrodebertus mit einem gleichnamigen Bischof Frodebertus kann die Namenforschung allerdings weder bestätigen noch dementieren. Aus ihrer Perspektive ist eine solche Gleichsetzung möglich (dann mit Annahme der Graphie für den romanischen Lautersatz von anlautendem germanischen [hl]), aber nicht ohne Alternative (dann mit Annahme des germanischen Erstelements *fro¯ da-z Adj. ‚klug‘); die Entscheidung liegt hier bei den Historikern.11 Nicht wenige Fehllesungen und Fehlzuweisungen, sowohl von Philologen wie Historikern verursacht, lassen sich im Zuge der philologischen Arbeiten korrigieren, hier wiederum teilweise unterstützt von Neueditionen und quellenkritischen Kommentaren von Seiten der Historiker.12 Dass die Namenforschung auch Hilfestellung für die Quellenkritik bieten kann, zeigen Fälle von frühmittelalterlichen Heiligenviten, die auch durch die Analyse dort genannter Personennamen teilweise neu-, zumindest aber exakter datierbar sind. Damit werden umgekehrt auch hagiographische Texte, die einen hohen Anteil an den erzählenden Quellen des 4. bis 8. Jahrhunderts bilden, aus philologischer Sicht bislang jedoch eine eher problematische Quellengruppe darstellten, zu einem weitgehend noch zu entdeckenden Fundus für die Namenforschung.13 Ein Namenkommentar gliedert sich wie folgt: In der Kopfzeile steht der Lemmaansatz, gefolgt von der oder den in eckigen Klammern vermerkten, u. U. in der Fachliteratur bereits etablierten Nennform, die für Historiker einen höheren ‚Wiedererkennungswert‘ hat, allerdings auch bestimmten Konventionen folgen und quellennah sein muss (unter dem Lemma *hludaw¯ıga-z [germ. *hluda-z Adj. ‚berühmt‘ + germ. *w¯ıga-z ‚Kämpfer‘] die für die Merowingerzeit übliche Form Chlodwig [mit romanischer Ersatzlautschreibung für anlautendes germanisches [hl] für König Chlodwig I., aber die für die Karolingerzeit mit bereits geschwundenem initialen [h] typische Form Ludwig für König Ludwig den Frommen).14 Der Kopftext begründet den Ansatz des Lemmas. Aufgeführt werden das oder (bei Komposita) die zugrunde liegenden Namenelemente oder Bildungssuffixe, deren Bedeutung sowie einzelsprachliche Verweisformen. Sofern alternative Namenelemente oder Bildungsweisen in Frage kommen, wird dies hier ebenfalls vermerkt. Unter dem nachfolgenden Stichwort „Phonologie/Graphematik“ werden phonetisch und graphematisch interessante Erscheinungen des
11 12 13
14
Vgl. Jochum-Godglück/Brendler/Patzold 2005. Vgl. Haubrichs 2000; Goetz/Haubrichs 2005, 20 f. Vgl. Patzold/Schorr 2006; zu dem hagiographischen Bestand des Projekts „Nomen et gens“ jetzt auch Patzold 2008, 142 ff. Vgl. dazu jetzt wieder Schorr 2008, 169 f.
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bzw. der Namenbelege in Laut- bzw. Graphemfolge konsekutiv behandelt. Das Schwergewicht liegt hier also auf der Behandlung derjenigen Phänomene, die von den ‚normalen‘ germanischen bzw. romanischen und ihren einzelsprachlich nachfolgenden Lautentwicklungen abweichen. Wenn gleiche lautliche oder graphematische Befunde bei mehreren Belegen und/ oder ihren Varianten (zu einer oder mehreren Personen) vorliegen, werden diese zusammenfassend betrachtet – dies gilt auch für die übrigen Gliederungspunkte des Namenartikels. Unter „Morphologie“ wird die Bildungsweise des Namens beschrieben, bei Komposita etwa Erhalt oder Veränderung des Fugenvokals. Angegeben wird hier auch, ob eine Latinisierung des Namens vorliegt. Im Abschnitt „Namenlexik“ werden gegebenenfalls die dem Namen alternativ zugrunde liegenden Elemente diskutiert bzw. eine Begründung für die Entscheidung für ein Namenelement geliefert. Vor allem werden hier aber Aufkommen und Verbreitung der Bildungselemente des Namens sowie des Namens selbst ausführlich erörtert. Bei der Darstellung der Namenelemente wird nach deren Stellung als Erst- oder Zweitelement differenziert. Die Diskussion der Namenelemente wird an einer Stelle gebündelt präsentiert; bei ihrem jeweilig späteren Auftreten erfolgt dann ein Verweis dorthin. Der Anspruch, eine sowohl nach phonologischen, graphematischen und morphologischen Entwicklungen sowie nach Frequenz, zeitlichem Beginn, Konjunkturen der Verbreitung und arealer Distribution differenzierte Darstellung zu geben – dies betrifft natürlich insbesondere häufig vertretene Namenelemente und Namen –, legt notwendigerweise einen suksessiven Ausbau des Artikels nahe und wird erst nach Integration aller entsprechenden Belege seine endgültige Form finden. Am Ende eines Namenkommentars steht dann ein Vorschlag zur Deutung. Christa Jochum-Godglück
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