Kapitalmarkt, Unternehmensfinanzierung und rationale Entscheidungen
Wolfgang Kürsten Bernhard Nietert Herausgeber
Kapitalmarkt, Unternehmensfinanzierung und rationale Entscheidungen Festschrift für Jochen Wilhelm
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Professor Dr. Wolfgang Kürsten Friedrich-Schiller-Universität Jena Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbes. Finanzierung, Banken und Risikomanagement Carl-Zeiss-Straße 3 07743 Jena E-mail:
[email protected] Privatdozent Dr. Bernhard Nietert Universität Passau c/o Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Finanzierung Innstraße 27 94032 Passau E-mail:
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Mit 56 Abbildungen und 22 Tabellen
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ISBN-10 3-540-27691-2 Springer Berlin Heidelberg New York ISBN-13 978-3-540-27691-3 Springer Berlin Heidelberg New York Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2006 Printed in Germany Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Einbandgestaltung: Erich Kirchner Herstellung: Helmut Petri Druck: Strauss Offsetdruck SPIN 11524830
Gedruckt auf säurefreiem Papier – 43/3153 – 5 4 3 2 1 0
Vorwort der Herausgeber
Die moderne Finanzierungstheorie hat in den letzten 50 Jahren eine stürmische Entwicklung genommen. Sie beginnt bei den klassischen Fragen der Portfolio Selection, der optimalen Kapitalstruktur und des Finanzmanagements der Unternehmung, reicht weiter über die Preisbildung auf arbitragefreien Kapitalmärkten und das Problem asymmetrisch verteilter Information in Finanzkontrakten, und „endet" gegenwärtig mit einer Vielzahl von aktuellen Forschungsgebieten, die teilweise eher Weiterentwicklungen von Bestehendem darstellen, teilweise aber auch neue Sichtweisen innerhalb des Faches „Finance" begründet haben. Zur ersten Kategorie dürfen wohl die Bewertung von Finanzderivaten, der Bereich des Corporate Finance oder das Financial Engineering gerechnet werden, während Modelle zur Marktmikrostruktur, die Theorie der Finanzintermediation oder der Ansatz des Behavioral Finance eher der zweiten Gruppe aktueller Forschungsgebiete angehören. In jüngerer Zeit treten auch zunehmend wieder Fragen der finanziellen Unternehmensführung in den Mittelpunkt der Betrachtung. Die Messung und Steuerung bank- und versicherungstypischer Risiken im Kontext regulatorischer Erfordernisse (Basel II, Solvency II) ist hierfür ebenso ein Beispiel wie die aktuelle polit-ökonomische Diskussion um das Shareholder Value-Prinzip und die Implikationen einer kapitalmarktorientierten Unternehmenssteuerung im Zeitalter der Globalisierung. Das Erklärungspotenzial des finanzierungstheoretischen Instrumentariums lässt sich schließlich dort beobachten, wo sich das Fach Problemstellungen zuwendet, die in Deutschland traditionell eher unter dem Blickwinkel anderer betriebswirtschaftlicher Teildisziplinen betrachtet werden. Ein aktuelles Beispiel für diese Entwicklung sind Fragen der wertorientierten Unternehmenssteuerung und der Unternehmensbewertung, denen in der Vergangenheit gerne das Augenmerk des Controlling oder des externen Rechnungswesens zuteil wurde, obwohl bei der Steuerung und Bewertung eines intertemporal-stochastischen und über Finanztitel am Kapitalmarkt handelbaren Zahlungsstromes „Unternehmen" eigentlich genuin finanzierungstheoretische Instrumentarien benötigt werden.
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Vorwort der Herausgeber
Jochen Wilhelm, der am 2. Oktober 2005 seinen 60. Geburtstag feiert, hat zu vielen Facetten der modernen Finanzierungstheorie beigetragen. Er studierte zunächst Mathematik und Volkswirtschaftslehre an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und war dann als wissenschaftlicher Assistent am Institut für Gesellschafts- und Wirtschaftswissenschaften (Bankseminar) der Universität Bonn bei Hans-Jacob Krümmel tätig. Dort erfolgten Promotion und Habilitation in Betriebswirtschaftslehre mit Arbeiten zu verallgemeinerten Lösungsprinzipien von Entscheidungsproblemen mit mehrfacher Zielsetzung sowie zur Kapitalmarkttheorie und Rationalität von Finanzentscheidungen der Unternehmung. Im Jahre 1984 wurde Jochen Wilhelm auf den Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Finanzierung an der Universität Passau berufen, den er bis heute innehat. Rufe an die Universität GHS Siegen sowie an die Universität Bonn lehnte er ab. Mit der ihm eigenen Zurückhaltung und Bescheidenheit hat es Jochen Wilhelm stets vermocht, den Bück von Zuhörern und Lesern unvoreingenommen auf das fachlich Wesentliche zu lenken und seinem Umfeld konstruktive und fruchtbare Impulse zu geben. Sein Rat als akademischer Lehrer, Autor, Gutachter und Herausgeber wissenschaftlicher Beiträge sowie in fachlichen Diskussionen und Vorträgen bleibt gefragt. Kollegen, Freunde und Schüler sind ihm hierfür zu Dank verpflichtet und widmen ihm anlässlich seines Geburtstages die vorliegende Festschrift. Sie enthält 27 wissenschaftliche Artikel zu den verschiedensten Fragen der Finanzierungstheorie, der rationalen Entscheidungen an Kapitalmärkten sowie der finanziellen Unternehmenssteuerung, in denen an vielen Stellen der Beitrag des Jubilars zur Entwicklung des Faches sichtbar wird. Die Herausgeber haben die Festschrift in vier Themenkomplexe gegliedert, die sich von „klassischen" Problemstellungen, wie etwa der Portfolio Selection, dem Hedging mit Finanzderivaten oder den Faktormodellen der Kapitalmarkttheorie bis hin zu „aktuellen" Fragen, wie beispielsweise der anreizkompatiblen Kreditrisikomessung im Kontext von Basel II, der Theorie des Shareholder Value-Prinzips oder der Bewertung fondsgebundener Lebensversicherungen spannen. Die vier Themengebiete haben in den Arbeiten von Jochen Wilhelm immer wieder eine Rolle gespielt; die Gliederung der Festschrift hat sich insoweit an sein (Euvre angelehnt. Der erste Themenkomplex „Portfolio Selection und Anlageentscheidungen in Finanzmärkten" beginnt mit dem Beitrag „Treffen Investoren mit konstanter relativer Risikoaversion auch im Buy-and-Hold-Kontext myopische Portfolioentscheidungen" von Günter Bamberg, Gregor Dorfleitner und Michael Krapp. Die Autoren nehmen eine vergleichende Betrachtung des Anlageerfolgs von Buy-and-Hold-Strategien und Umschichtungs-Strategien für Anleger mit konstanter relativer Risikoaversion (CRRA) vor; dabei erweisen sich Umschichtungs-Strategien als überlegen, womit nach Ansicht der Verfasser erklärt werden könne, weshalb Buy-and-Hold-Strategien bei Samuelson regelmäßig keine Erwähnung finden. Der Beitrag „Faktorstruktur und Marktmodelle" von Stefan Huschens befasst sich mit der häufig ungenügen-
Vorwort der Herausgeber
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den Trennschärfe hinsichtlich des Faktorbegriffs sowie der Ein- und MehrFaktormodelle in der Kapitalmarkttheorie. Huschens identifiziert vier Grundtypen von Faktoren und zeigt ihre Verbindung zur Statistik sowie zum Capital Asset Pricing Model (CAPM). Peter Steiner beschäftigt sich in seiner Abhandlung „Effiziente Portefeuillestrukturen: Von Harry Markowitz zur Kapitalmarktlinie" mit den wesentlichen Kenngrößen der klassischen Portfolio Selection. Er arbeitet die Bedeutung des global varianzminimalen Portfolios und der inversen Varianz-Kovarianz-Matrix zur Bestimmung optimaler Portfolios mit beliebigem Umfang heraus. Gerhard Speckbacher untersucht in dem Beitrag „Zur Rationalität des Prinzips der nachhaltigen Planung" die Bedeutung von Gleichheitsnormen für intertemporale Nutzenmaximierungsprobleme. Insbesondere lässt sich das Prinzip der nachhaltigen Planung als intertemporale Gleichheitsbedingung motivieren und für die Finanzanlageplanung nutzbar machen. Abgeschlossen wird der erste Themenkomplex mit dem Beitrag „Zur Makrostruktur von Finanzmärkten - Börsen als Finanzintermediäre im Wettbewerb" von Andreas Oehler, Der Autor identifiziert Börsen als Finanzintermediäre im weiteren Sinne und arbeitet den Netzwerkeffekt der Liquidität als wesentlichen Erfolgsfaktor heraus, der von „markt- vs. intermediärsbasierten" Finanzsystemen je nach der rechtlich-wirtschaftlichen Unabhängigkeit ihrer Intermediäre unterschiedlich effizient bereitgestellt wird. Den zweiten Themenkomplex „Messung und Steuerung von Risiken" eröffnen Christoph Kaserer und Niklas Wagner mit ihrem Beitrag „Zur Messung von Rendite und Risiko bei Private Equity-Investments". Sie beschäftigen sich mit dem Problem der Schätzung von Verteilungsparametern bei fehlendem liquiden Sekundärmarkt und schlagen vor, die nicht direkt beobachtbaren Wertprozesse von Private Equity-Investments „trägheitsadjustiert" aus den veröffentlichten Buchwerten von Venture Capital Fonds zu entnehmen. Hermann Locarek-Junge und Christiane Buch diskutieren in ihrem Beitrag „Sind Bankenrisiken messbar?", inwieweit die Marktpreis-, Kredit- und operationeilen Risiken der Kreditinstitute einheitlich über den Value-at-Risk (VaR) erfasst werden können. Sie kommen zu dem für die Bankpraxis ernüchternden Ergebnis, dass insbesondere die Quantifizierungsproblematik bei den Diversifikationseffekten zwischen den drei Risikokategorien einer einheitlichen Verwendung von VaR-Konzepten entgegensteht. Marco Wilkens, Hendrik Scholz und Oliver Entrop präsentieren den Beitrag „Performancemessung und Kapitalallokation im Handelsbereich einer Bank - zur Marktphasenabhängigkeit von RORAC und RAROC". Die Autoren problematisieren die systematische Reagibilität risikoadjustierter Rentabilitätskennzahlen bei fallenden bzw. steigenden Märkten und schlagen vor, zur Vermeidung von Fehlsteuerungen auf „normalisierte" RORAC- und RAROC-Maße überzugehen. Günter Franke verfolgt in dem Beitrag „Präferenzfreie Strategien zum Absichern von Wechselkursrisiken" das Ziel, myopische Absicherungspolitiken für Export unternehmen zu identifizieren, die ohne Vorgabe einer konkreten Nutzenfunktion auskommen. Unter der Annahme eines Ornstein- Uhlenbeck-Plozesses für den realen Wechselkurs kann der Verfasser zeigen, dass ein auf kurzfristige Devisenterminkon-
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Vorwort der Herausgeber
trakte angewiesenes Unternehmen eine einfache deltaneutrale Absicherungspolitik betreiben wird. Jack Wahl und Udo Broll untersuchen in dem Beitrag „Dynamisches Hedging" die Reichweite des Full-Hedge-Theorems diskreter Modellierungen für zeitstetige intertemporale Konsum- und Hedgingprobleme von Anlegern. Dabei können sie im Fall perfekt korrelierter Kursrisiken die Robustheit des Füll Hedge nachweisen, während sich bei vorhandenem Basisrisiko die intertemporale Konsum-Strategie des Anlegers nachhaltig ändert. Schließlich beschäftigt sich Wolf gang Kürsten in seinem Beitrag „Risikomanagement und aktionärsorientierte Unternehmenssteuerung - mehr Fragen als Antworten" mit der Rolle von Hedging im Kontext des Shareholder ValuePrinzips. Nach der entscheidungstheoretischen Identifikation des kontextspezifischen Risikomaßes erweisen sich die aus dem Schrifttum bekannten Hedgingmotive als wenig tragfähig, was nach Ansicht des Autors die eher grundlegende Frage aufwirft, inwieweit Risikomanagement bei aktionärsorientierter Unternehmensführung überhaupt eine zielorientierte unternehmerische Aufgabe darstellt. Der dritte Themenkomplex „Asymmetrisch verteilte Information" beginnt mit einem Beitrag von Thomas Hartmann-Wendeis zum Thema „Anreizkompatible Kreditrisikomessung" im Kontext der Eigenmittelunterlegungsnormen von Basel IL Anhand einer speziellen Modellierung von Ratingklassen wird gezeigt, dass Banken zu einem wahrheitsgemäßen Rating motiviert werden können, wenn die Bankenaufsicht einen antitonen Zusammenhang zwischen der Rating-Zuordnung und dem nominalen Kreditzins vorschreibt. Rolf Bahner und Susanne Krenn legen in „Veröffentlichungsverhalten bei finanziellen Restrukturierungen" eine empirische Untersuchung zum Ankündigungsverhalten von Unternehmen bei finanziellen Restrukturierungen vor. In einer Stichprobe der Meldungen von DAX 100 Unternehmen aus den Jahren 19912001 finden sie Evidenz für die Hypothese, dass vor allem neu berufene Vorstandsvorsitzende und Manager erfolgreicher Unternehmen eine glaubwürdige Kommunikationspolitik bevorzugen und keine Informationszurückhaltung zum Schutz der eigenen Wettbewerbsposition verfolgen. Hans Hirth^ Reno Basner^ Axel Cunow, Hans-Markus Callsen-Bracker und Sven Reichardt diskutieren in ihrer Abhandlung „Unternehmenskontrolle durch den Kapitalmarkt" ausgewählte Literaturbeiträge zur Unternehmenskontrolle bei heterogener Eigentümerstruktur. Zur Überwindung des Free Rider-Problems wird dort gerne die Existenz eines Großaktionärs empfohlen, mit dem aber Nebenwirkungen in Bezug auf die Risikoallokation sowie die Informationsproduktion und daher möglicherweise Fehlanreize für das Management verbunden sind. Peter Nippel geht in seinem Beitrag „Marktwertmaximierung im Rahmen von Kapitalerhöhungen bei ineffizientem Kapitalmarkt" der Frage nach, welche Auswirkungen Fehlbewertungen beim Aktienkurs auf das „Equity MarketTiming" von Managern haben. Der Verfasser entwickelt ein Modell, mit dem das gezielte Ausnutzen von Fehlbewertungen bei einer Kapitalerhöhung mit oder ohne Bezugsrecht beschrieben werden kann. Der Beitrag „Beteiligungsfinanzierung bei asymmetrischer Information: ein didaktisch einfacher Zugang"
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von Thomas Braun behandelt ebenfalls die Frage der geeigneten Finanzierungsform bei Vorliegen von Informationsvorteilen auf Seiten der internen Eigentümer. Für die Frage eines möglichen Verzichts auf rentable Neuinvestitionen im Sinne von Myers erweist sich als entscheidend, inwieweit bis zur Ankündigung der Kapitalerhöhung ein einheitlicher Informationsstand zwischen Alt- und Neuaktionären vorliegt. Thomas Schildbach widmet sich in dem Beitrag „Der Erfolg im Rahmen der internationalen Rechnungslegung konzeptionelle Vielfalt bei der Information des Kapitalmarkts" der Informationsaufgabe von Jahrsabschlüssen nach lAS/IFRS. Er arbeitet heraus, dass Jahresabschlüsse nach lAS/IFRS Lücken beim Vermögensausweis sowie Inkonsistenzen bei der Darstellung von Vermögensänderungen aufweisen und ihren Informationsaufgaben gegenüber Externen kaum hinreichend gerecht werden. Bernd Rudolph und Florian Haagen beschäftigen sich in ihrem Beitrag „Die Auswirkungen institutioneller Rahmenbedingungen auf die Venture Capital-Finanzierung in Deutschland" mit den institutionellen Unterschieden zwischen dem angelsächsischen und dem deutschen Venture Capital (VC)Markt. Die Autoren identifizieren landesspezifische Informationsasymmetrien und Vertragselemente der VC-Märkte und gehen insbesondere der Frage nach, ob sich Ursachen für die bislang vergleichsweise geringere Performance der VC-Industrie in Deutschland ausmachen lassen. Werner Neus untersucht in dem Beitrag „Kreditverträge, Vergleiche und Kredit Sicherheiten" die Robustheit eines Literaturresultats von Bester, wonach die Wahrscheinlichkeit der Einbeziehung von Kreditsicherheiten positiv von der Höhe des Projektrisikos abhängt, wenn der Kreditnehmer bei betrügerischem Verhalten mit harten Vertragsstrafen rechnen muss. Er weist nach, dass sich das Ergebnis unter einem Regime schwächerer Vertragsstrafen und kontextadäquater Risikomodellierung umkehrt, eine Schwäche agencytheoretischer Modelle, auf die Kürsten in ähnlichem Zusammenhang verschiedentlich hingewiesen hat. In eine vergleichbare Richtung geht der Beitrag „Die Modellierung des „Arbeitsleids" in Principal Agent-Modellen: pragmatisch oder beliebig?" von Ralf Trost Er kommt zu dem Schluss, dass sowohl die additive Separierbarkeit von Anstrengung und Entlohnung in Nutzenfunktionen als auch die monetäre Messbarkeit des Arbeitsleids für sich genommen akzeptable Annahmen zur Komplexitätsreduktion darstellen, in Kombination theoretisch aber nicht mehr zu rechtfertigen sind. Eric Theissen testet in seinem Beitrag „Intermediation und Informationsasymmetrie beim Aktienhandel" für den deutschen Aktienmarkt empirisch die Vermutung, dass Makler ihre privilegierte Informationslage in Bezug auf die Identität ihres Transaktionspartners zu Lasten der Anleger ausnutzen könnten. Die Ergebnisse anhand von Daten des Frankfurter Parketthandels bestätigen die Hypothese, lassen aber keine Aussage darüber zu, ob ein Markt mit Maklerbeteiligung einem ansonsten identischen Auktionsmarkt ohne Maklerbeteiligung vorzuziehen ist. Den vierten Themenkomplex „Bewertung" eröffnet Bernhard Nietert mit dem Beitrag „Unternehmens-Restrukturierung und unternehmensinterne Synergien - eine bewertungstheoretische Annäherung". Der Autor präsentiert
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Vorwort der Herausgeber
einen quantitativen Ansatz, der die Bewertung von Unternehmenszukäufen in Abhängigkeit der Wert-Treiber „Größe des Zukaufs" und „Verwandtschaftsgrad zum bisherigen Unternehmen" gestattet. Auch Harald Dyckhoff beschäftigt sich in seinem Beitrag „Semi-subjektive Unternehmensbewertung aus deskriptiv-entscheidungstheoretischer Sicht" mit der theoretischen Fundierung der Unternehmensbewertung. Ausgangspunkt ist die jüngst entstandene Kritik an der entscheidungstheoretischen Basis der Sicherheitsäquivalentmethode, die er um den Bezug zu einer Referenzalternative und in Anlehnung an einen präferenziellen Rahmen von Diedrich erweitert. In dem Beitrag „Derivatebewertung mit dem LIBOR-Marktmodell" von Matthias Muck und Markus Rudolf steht das Zinsmodell von Miltersen, Sandmann und Sondermann im Mittelpunkt, das als LIBOR-Marktmodell in die Literatur eingegangen ist. Die Verfasser demonstrieren die Anwendbarkeit des Modells bei der Bewertung von Zins-Caps. Markus Starck und Siegfried Trautmann beschäftigen sich in dem Artikel „Reduktionsmodelle zur Kreditderivatebewertung" mit der Bewertung von Credit Default Swaps; der Risikokäufer verpflichtet sich hier im Austausch gegen eine vereinnahmte Prämie, dem Risikoverkäufer bei Ausfall des Referenztitels eine Ausgleichszahlung zu leisten. Die Autoren untersuchen in einer Fallstudie, wie sich verschiedene Modellierungen des den Ausfallzeitpunkt bestimmenden Hazardprozesses auf die Bewertung von Credit Default Swaps in Reduktionsmodellen auswirken. Manfred Steiner und Bernhard Brunner wenden in ihrem Beitrag „Marktgerechte Bewertung von Power-Optionen" die Technik der marktgerechten Bewertung mittels impliziter Wahrscheinlichkeitsmaße auf pfadunabhängige PowerOptionen an. Einen Vergleich mit den auf Basis impliziter Volatilitäten bestimmten Black/Scholes-Fieisen zeigt, dass die relativ neue Technik bei einfachen Power-Optionen zu deutlichen Preisunterschieden führt. Der Beitrag „Überschussbeteiligung fondsgebundener Lebens- und Rentenversicherungen" von Klaus Sandmann beinhaltet schließlich eine theoretische Betrachtung fondsgebundener Versicherungsverträge und der ihnen innewohnenden finanziellen Risiken. Die Integration versicherungstechnischer mit Marktrisiken erfordert hier die Verbindung des versicherungstechnischen Prämienprinzips mit dem Prinzip der arbitragefreien Bewertung und weist insbesondere optionspreistheoretischen Methoden eine wichtige Rolle zu. Wir wünschen den Lesern des Buches viel Freude bei der Lektüre der einzelnen Beiträge und hoffen, dass sie sie zu eigenen Überlegungen anregen werden. Am Jenaer Lehrstuhl haben Andreas Krostewitz mit perfektem Projektmanagement und großem Engagement, Stefan Hauke mit aufwendiger und sehr sorgfältiger technischer Umsetzung sowie Haike Basier im Sekretariat mit ihrer vielfältigen Unterstützung wesentlich dazu beigetragen, dass die Festschrift in der gebotenen zeitlichen Stringenz entstehen konnte. Wolf gang Boffo von der Dr. Peter & Company AG, Norbert Gritzmann von der FACT Unternehmensberatung GmbH, Engelbert Götz vom IKF - Institut für Kapitalmarktforschung und Finanzmarketing, Stefan Kleine-Depenbrock von der cash.life AG sowie Michael Kozikowski von der KPMG Bayerische Treuhand-
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gesellschaft haben sich an der Finanzierung des Buches ebenso beteiUgt wie die WirtschaftswissenschaftUche Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Martina Bihn und der Springer-Verlag haben keinen Moment gezögert, die Festschrift in das Verlagsprogramm aufzunehmen. Ihnen allen sei an dieser Stelle herzlich gedankt. Unserem akademischen Lehrer danken wir für die vermittelten wissenschaftlichen Werte, die gewährte akademische Freiheit und manchen guten fachlichen und persönlichen Rat. Im Namen aller seiner Freunde und Kollegen wünschen wir ihm für die Zukunft Gesundheit und Schaffenskraft. Uns selbst wünschen wir, dass Jochen Wilhelm seine Freunde und Schüler auch weiterhin im Juli zur wissenschaftlichen Diskussion in seine Passauer Finanzwerkstatt und zum traditionellen Lehrstuhlausflug mit geselligem Beisammensein einladen wird.
Jena / Passau Im Juni 2005
Wolf gang Kürsten Bernhard Nietert
Inhaltsverzeichnis
Teil I Portfolio Selection u n d Anlageentscheidungen in Finanzmärkten Treffen Investoren mit k o n s t a n t e r relativer Risikoaversion auch im B u y - a n d - H o l d - K o n t e x t myopische Portfolioentscheidungen? Günter Bamberg, Gregor Dorfleitner, Michael Krapp
3
Faktorstruktur und Marktmodelle Stefan Huschens
15
Effiziente Portefeuillestrukturen: von H a r r y Markowitz zur Kapitalmarktlinie Peter Steiner
35
Zur R a t i o n a l i t ä t des P r i n z i p s der nachhaltigen P l a n u n g Gerhard Speckbacher
57
Zur M a k r o s t r u k t u r von F i n a n z m ä r k t e n — Börsen als F i n a n z i n t e r m e d i ä r e im W e t t b e w e r b Andreas Oehler
75
Teil I I M e s s u n g u n d S t e u e r u n g von Risiken Zur M e s s u n g von R e n d i t e u n d Risiko bei P r i v a t e Equity-Investments Christoph Kaserer, Niklas Wagner Sind Bankenrisiken m e s s b a r ? Hermann Locarek-Junge, Christiane Buch
95 109
XIV
Inhaltsverzeichnis
P e r f o r m a n c e m e s s u n g u n d Kapitalallokation im Handelsbereich einer B a n k — zur M a r k t p h a s e n a b h ä n g i g k e i t von R O R A C u n d R A R O C Marco Wilkens, Hendrik Scholz, Oliver Entrop
129
Präferenzfreie S t r a t e g i e n z u m Absichern von Wechselkursrisiken Günter Franke
149
Dynamisches Hedging Jack Wahl, Udo Broll
169
Risikomanagement und aktionärsorientierte U n t e r n e h m e n s s t e u e r u n g - m e h r Fragen als A n t w o r t e n Wolfgang Kürsten
179
Teil I I I A s y m m e t r i s c h verteilte Information Anreizkompatible Kreditrisikomessung Thomas Hartmann- Wendeis
207
Veröffentlichungsverhalten Restrukturierungen Rolf Hühner, Susanne Krenn
223
bei finanziellen
Unternehmenskontrolle durch den Kapitalmarkt Hans Hirth, Reno Basner, Axel Cunow, Hans-Markus Callsen-Bracker, Sven Reichardt
245
M a r k t w e r t m a x i m i e r u n g im R a h m e n von K a p i t a l e r h ö h u n g e n bei ineffizientem K a p i t a l m a r k t Peter Nippel
271
Beteiligungsfinanzierung bei a s y m m e t r i s c h e r Information: ein didaktisch einfacher Zugang Thomas Braun
291
D e r Erfolg im R a h m e n der i n t e r n a t i o n a l e n Rechnungslegung konzeptionelle Vielfalt bei d e r Information des K a p i t a l m a r k t s Thomas Schildbach
311
Die A u s w i r k u n g e n institutioneller R a h m e n b e d i n g u n g e n auf die V e n t u r e C a p i t a l - F i n a n z i e r u n g in D e u t s c h l a n d Bernd Rudolph, Florian Haagen
329
K r e d i t v e r t r ä g e , Vergleiche u n d K r e d i t s i c h e r h e i t e n Werner Neus
353
Inhaltsverzeichnis
XV
Die Modellierung des „ A r b e i t s l e i d s " in P r i n c i p a l AgentModellen: p r a g m a t i s c h o d e r beliebig? Ralf Trost
377
Intermediation und Informationsasymmetrie Aktienhandel Erik Theissen
393
beim
Teil I V B e w e r t u n g Unternehmens-Restrukturierung und unternehmensinterne Synergien — eine b e w e r t u n g s t h e o r e t i s c h e A n n ä h e r u n g Bernhard Nietert
411
Semi-subjektive U n t e r n e h m e n s b e w e r t u n g aus deskriptiventscheidungstheoretischer Sicht Harald Dyckhoff
437
D e r i v a t e b e w e r t u n g mit d e m L I B O R - M a r k t m o d e l l Matthias Muck, Markus Rudolf
453
Reduktionsmodelle zur Kreditderivatebewertung Markus 0. Starck, Siegfried Trautmann
473
M a r k t g e r e c h t e B e w e r t u n g von P o w e r - O p t i o n e n Manfred Steiner, Bernhard Brunner
493
Überschussbeteiligung fondsgebundener Lebens- u n d Rentenversicherungen Klaus Sandmann
519
Anhang Kurzlebensläufe der A u t o r e n
555
Verzeichnis der Veröffentlichungen von J o c h e n W i l h e l m
569
Teill
Portfolio Selection und Anlageentscheidungen in Finanzmärkten
Treffen Investoren mit konstanter relativer Risikoaversion auch im Buy-and-Hold-Kontext myopische PortfoHoentscheidungen? Günter Bamberg^, Gregor Dorfleitner^ und Michael Krapp^ ^ Universität Augsburg, Institut für Statistik und Mathematische Wirtschaftstheorie, D-86135 Augsburg
[email protected] michael.krappQwiwi.uni-augsburg.de ^ Wirtschaftsuniversität Wien, Institut für Finanzierung und Finanzmärkte, Nordbergstraße 15, A-1090 Wien gregor.dorfleitnerQwu-wien.ac.at
Gliederung 1
Einführung
4
2
Planungshorizont-Abhängigkeit im Portfolio-Kontext
5
3
Umschichtungs- versus Buy-and-Hold-Strategie
9
3.1
Strategievergleich für risikoneutrale Investoren
9
3.2
Strategievergleich für risikoaverse Investoren
10
4
Abschließende Bemerkungen
11
A
Anhang
12
A.l Vorüberlegung A.2 Beweis von Satz 1 Literaturverzeichnis
12 13 13
4
Günter Bamberg, Gregor Dorfleitner und Michael Krapp
1 Einführung Untersuchungen über Kapitalmärkte lassen sich zum einen danach gliedern, ob sie primär theoretisch oder empirisch orientiert sind. Zum anderen kann man sie untergliedern in präferenzabhängige und präferenzfreie Ansätze. Bei Letzteren wird von perfekten, arbitragefreien und vollständigen Kapitalmärkten ausgegangen; das Hauptinteresse gilt, wie zum Beispiel bei Wilhelm (1981), (1985), (2002), der präferenzfreien Bewertung von Derivaten oder von ganzen Unternehmungen. Sobald Kapitalmärkte nicht die für eine präferenzfreie Bewertung erforderlichen Eigenschaften besitzen, bleibt auch nach ausgeklügelten Hedging-Aktivitäten noch ein Restrisiko übrig,^ das präferenzabhängig behandelt werden muss. Die vorliegende Untersuchung ist bezüglich der oben verwendeten zweifach dichotomen Klassifikation dem Segment „theoretisch und präferenzabhängig" zuzuordnen. Ein Investor handelt per definitionem myopisch (kurzsichtig), wenn die in jeder Periode getroffene Portfolioentscheidung unabhängig von seinem Planungshorizont T ist. Eine weit verbreitete Ansicht ist, dass Investoren mit konstanter relativer Risikoaversion (CRRA) generell myopisch entscheiden. Wie P, A. Samuelson gezeigt und in vielen seiner Arbeiten^ argumentativ benutzt hat, handeln CRRA-Investoren in der Tat myopisch, wenn die zur Investition zur Verfügung stehenden Renditen unabhängig und identisch verteilt (das heißt i.i.d.) sind. Diejenige Rendite, die den EinperiodenNutzenerwartungswert des Endvermögens maximiert, maximiert auch den TPerioden-Nutzenerwartungswert für einen beliebigen Planungshorizont T. Bildet der Investor aus den basalen i.i.d. Renditen ein Portfolio, so ist die resultierende Portfoliorendite jedoch nur dann i.i.d., wenn er immer wieder, das heißt zu Beginn jeder Periode, durch Umschichtungen die zu Beginn der ersten Periode gültigen Gewichtungen erzeugt. Es gibt sicher Investoren, die eine derartige Umschichtungs-Strategie praktizieren. Wenn ein Aktienkurs relativ stark gestiegen ist, müssen solche Investoren zu Beginn der nächsten Periode ihr Engagement in der betreffenden Aktie reduzieren und dafür zurückgebliebene Aktien kaufen. Möglicherweise wird diese Strategie weniger (wie bei Samuelson) durch das BernouUi-Prinzip begründet als durch den vermeintlichen Schutz gegen Über- und Untertreibungen an der Börse. Letztere Begründung ist bei i.i.d. Renditen - im Gegensatz zu Renditen mit MeanReverting-Tendenzen - allerdings weniger überzeugend. Es gibt sicher auch Investoren, die auf permanente Umschichtungen und die strikte Einhaltung fester Portfoliogewichte verzichten. Die so genannten Market Timer schichten zwar in Abhängigkeit von der Kurshistorie und den neu gebildeten Erwartungen um, wollen aber dabei keine festen Portfoliogewichte wiederherstellen. Buy-and-Hold-Investoren (kurz: B+H-Investoren) verzichten dagegen aus ^ Vgl. z.B. Grünewald/Trautmann (1997) oder Albrecht/Maurer (2002, S. 471481). ^ Z.B. Samuelson (1971), (1990), (1991), (1994) oder Merton/Samuelson (1974).
Myopische Portfolioentscheidungen im Buy-and-Hold-Kontext?
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Transaktionskostengründen, Vereinfachungsgründen oder ähnlichen Gründen gänzlich auf Umschichtungen. Ein B+H-Investor entscheidet trotz konstanter relativer Risikoaversion nicht myopisch. Das heißt, die Anlageentscheidung eines B+H-Investors ist auch unter der CRRA-Prämisse entscheidend vom Planungshorizont abhängig. Bei Bamherg/Dorfleitner/Lasch (1999) wurde dies für lognormale Renditen demonstriert, bei Van Eaton/Conover (1998) für dichotom verteilte Periodenrenditen. Die Beispiele in der letztgenannten Arbeit waren so gewählt, dass der Planungshorizont-Effekt nur minimal ausfällt. Im nachfolgenden Abschnitt 2 sind Beispiele zu finden, bei denen die Abhängigkeit vom Planungshorizont deutlicher erkennbar wird. Da keine der Samuelson-Avheiten die B+H-Strategie erwähnt, stellt sich die Frage, ob beziehungsweise in welchem Sinne die permanente Umschichtung ä la Samuelson der B+H-Strategie überlegen ist. In Abschnitt 3.1 werden die beiden Strategien für risikoneutrale Investoren^ verglichen, in Abschnitt 3.2 für risikoaverse Investoren. Im letztgenannten Fall ist unter Nichtbeachtung von Transaktionskosten der maximale Nutzenerwartungswert bei Verfolgung der Umschichtungs-Strategie in der Tat stets mindestens so groß wie bei Verfolgung der B+H-Strategie.^ In diesem Sinne kann Samuelsons demonstrative Nichterwähnung der B+H-Alternative gerechtfertigt werden. Mit einigen abschließenden Bemerkungen in Abschnitt 4 schließt die Arbeit.
2 Planungshorizont-Abhängigkeit im PortfoHo-Kontext Der Einfachheit halber beschränken wir uns auf den Zwei-Asset-Fall, bei dem in jeder Periode t risikolos zum (konstanten) Periodenzins r oder risikobehaftet zur Rendite Rt (Rendite einer Aktie, eines Aktienindex etc.) investiert werden kann. Bildet man ein Portfolio mit dem Aktienanteil ai, so entsteht aus einem Anfangsvermögen WQ nach einer Periode das Endvermögen W,=wo'
[ai (1 + fii) + (1 - ai) (1 + r)] .
(1)
Analog entsteht durch die Aktienanteile a i , . . . , a^ das T-Perioden-Endvermögen WT
= wo'[ai ( l + Ä i ) + ( l - a i ) (1+r)]-. ..-[ÜT (l+i?T) + ( l - a T ) (1+r)] . (2)
Die Maximierung des Nutzenerwartungswerts EU{WT) bezüglich der Anteile a i , . . . ,aT ist ohne Prämissen bezüglich der Risikonutzenfunktion u äußerst schwierig. So kann der Maximierer ai von Eu{Wi) durchaus vom Anfangsvermögen Wo abhängen. Es wären unterschiedliche Anteile optimal, wenn beispielsweise 100 000 € oder 1000 000 € zu investieren wären. Entsprechend ^ Dies ist ein Sonderfall konstanter relativer Risikoaversion. ^ Dieser Satz wird im Anhang bewiesen.
6
Günter Bamberg, Gregor Dorfleitner und Michael Krapp
würde der optimale Anteil ÜT im Mehrperiodenfall von WQ abhängen und darüber hinaus auch von den Realisationen der vorangegangenen Periodenrenditen i ? i , . . . , RT-1' E S ist bekannt/ dass die Unabhängigkeit vom Anfangsvermögen WQ genau dann gilt, wenn die Risikonutzenfunktion u konstante relative Risikoaversion g besitzt, das heißt durch x^u{x)={l-g' Jnx,
für g ^ 1 '^^ für ^ == 1
(3)
gegeben ist. Deshalb wollen wir uns auf diese CRRA-Klasse (mit ^ ^ 0) beschränken und ohne Einschränkung der Allgemeinheit WQ = 1 setzen. Das Maximierungsproblem ist dann in den Anteilswerten a i , . . . , a^ (statt in zu investierenden Geldbeträgen) wohldefiniert. Da (3) nur positive Argumente zulässt, müssen wir Aktienkäufe auf Kredit {at > 1) und Leerverkäufe von Aktien {at < 0) ausschließen, das heißt 0 ^ a^ ^ 1 für alle t = 1 , . . . , T fordern. Der Nutzen des Endvermögens zerfällt wegen (3) multiplikativ oder additiv. 1
^
TT[a,(l4-i?t) + ( l - a , ) ( l + r ) ] i - ^
für
g^l
1 — p -••-•:
(4)
U{WT)
^ln[at(l+Ät) + (l-at)(l+r)],
für ^ = 1 .
t=i
Unterstellen wir ferner, dass die Periodenrenditen i ? i , . . . , RT stochastisch unabhängig sind, so zerfällt der Nutzenerwartungswert entsprechend: 1
EU{WT)
T
= y—
n m^t
(1 + Rt) + (1 - at) (1 + r)]i-^)
(5)
(1 + Rt) + (1 - at) (1 + r)] .
(6)
beziehungsweise für ^ = 1: T
Eln{WT) = Y,Eln[at t=i
Bei (5) wurde zusätzlich berücksichtigt, dass es sich bei den Anteilen a i , . . . , a^ um Zahlen handelt. Den Fall, dass at eine Funktion von ß i , . . . , Rt-i ist, diskutieren wir im Abschnitt 3.2. Man ersieht aus (5) und (6), dass der optimale Anteil a^ als Maximierer von Eu[at (1 + Rt) + (1 - at) (1 + r)]
(7)
bestimmt ist. Da (7) eine streng konkave Funktion von at darstellt, ist der optimale Aktienanteil a* eindeutig bestimmt. Ferner sieht man, dass der Planungshorizont T nicht in der Zielfunktion (7) vorkommt. Der CRRA-Investor, '^ Vgl. z.B. Schneeweiß (1967, S. 87) oder Mossin (1968).
Myopische Portfolioentscheidungen im Buy-and-Hold-Kontext?
7
der zu Beginn jeder Periode sein Portfolio aktiv (durch Optimierung von at) zusammenstellt, handelt demnach myopisch. Natürlich ist für die Myopie nicht nur die CRRA-Eigenschaft verantwortlich, sondern diese Prämisse in Verbindung mit den restlichen Annahmen (fixer sicherer Zinssatz, Unabhängigkeit der Periodenrenditen); hieraus resultiert eine konstante Opportunitätsmenge. Gehen wir mit den Prämissen noch einen Schritt weiter und schließen wir Kalenderanomalien in dem Sinne aus, dass alle Rt dieselbe Wahrscheinlichkeitsverteilung besitzen sollen, so ist der optimale Aktienanteil a^ von der Zeitperiode t unabhängig, die optimale Portfoliostrategie somit stationär und durch einen einzigen Anteil a* beschreibbar: Zu Beginn der ersten Periode wird der Aktienanteil a* festgelegt und zu Beginn jeder nachfolgenden Periode das Portfolio so umgeschichtet, dass der Aktienanteil wieder a* beträgt. Dabei ist a* = a r g m a x E t i [ a ( l + i ^ t ) + (l - a ) ( l + r ) ] . (8) a
Ein Buy-and-Hold-Investor verzichtet dagegen auf ein aktives Portfoliomanagement, bestimmt nur zu Beginn der ersten Periode einen Aktienanteil a und wartet dann bis zum Planungshorizont T ab. Für diesen Investortyp ist das Endvermögen natürlich nicht mehr nach (2) zu berechnen, sondern gemäß W^B+H f' = Wo
af[(l+ßt) + (l-a)(l+r)^
(9)
t=i
Die Maximierung des Nutzenerwartungswertes Eu{W^^^) bezüglich des (anfänglichen) Aktienanteils a liefert einen von T abhängigen optimalen Anteil a{T)^ wie die nachfolgenden Beispiele aufzeigen. Wir bleiben in dem oben abgesteckten Rahmen, das heißt CRRA-Investoren und i.i.d. Renditen Rt. Für T = 1 unterscheiden sich WT und W^"*"^ noch nicht, so dass a(l) = a* gilt. In den nachfolgenden Beispielen wird Rt jeweils als dichotom angenommen: (hoch)
(10)
{1 + Rt): (XZ n
(niedrig)
Beispiel 1. Wir übernehmen die von Samuelson (1991) verwendeten Beispielzahlen: p = 0,5; h = 3;n = 0;r = 0 sowie die Risikonutzenfunktion u{x) = lux. Das heißt, mit fifty-fifty-Wahrscheinlichkeit verdreifacht sich der Kurs beziehungsweise wird die Aktie wertlos. Hierfür berechnet man a(l) = a* = 0,25 sowie (mit Computerunterstützung):
Günter Bamberg, Gregor Dorfleitner und Michael Krapp Planungshorizont
optimaler
Aktienanteil a{T)
T
1
2
3
4
5
0,25
0,16
0,09
0,05
0,03
Wie man aus diesen Zahlen beziehungsweise der Abb. 1 ersieht, konvergiert der Aktienanteil mit wachsendem Planungshorizont T monoton gegen null. In diesem Beispiel ist der worst case katastrophal (Kurs verfällt völlig); deshalb wird a{T) laufend kleiner. a{T) > 0,25- • k
0,20«i.
0,150,10-
•i.
'•..
0,05-
'**• —1
1
1
2
1
1
3
4
1—
5
6
t >
7
8
9
10
Abb. 1. Vom Planungshorizont abhängiger Aktienanteil a{T) eines B+H-Investors
Dass der optimale Aktienanteil eines Buy-and-Hold-Investors auch mit T steigen kann, zeigen die nächsten beiden Beispiele. Beispiel 2. Die Daten des Beispiels 1 werden nur dahingehend verändert, dass der worst case etwas abgemildert wird: p = 0,5; h = 3; n = 0,4; r = 0; u{x) = Inx. Nun errechnet man Planungshorizont T 1 optimaler Aktienanteil a{T) 0,58
4
2 0,61
0,62
0,63
0,64
Beispiel 3. Als Nutzenfunktion wird jetzt eine Wurzelfunktion verwendet (entspricht g = 0,5): p = 0,5; h = 3; n = 0,2; r = 0; u{x) = y/x. Jetzt ergibt sich
Myopische Portfolioentscheidungen im Buy-and-Hold-Kontext?
Planungshorizont T 1 optimaler Aktienanteil a{T) 0,75
2
3
4
5
0,80
0,82
0,85
0,87
3 Umschichtungs- versus Buy-and-Hold-Strategie 3.1 Strategie vergleich für risikoneutrale Investoren Für den Sonderfall der Risikoneutralität ist in (3) die relative Risikoaversion g gleich 0 zu setzen. Es ergibt sich u(x) = x, so dass der Nutzenerwartungswert mit dem Erwartungswert des Endvermögens identisch ist. Aus (5) folgt für ^ = 0 und i.i.d. Renditen Rt'. E(Wr) = (E[a (1 + Rt) + (1 - a) (1 + r)])^ .
(11)
Aus (9) ergibt sich {wo = 1 gesetzt): E(W^|+«) = a(E(l + i?,))^ + (1 - a) (1 + r ) ^ .
(12)
Wegen E{WT)
= (aE(l + Rt) + (1 - a) (1 + r))^ ,
(13)
der Konvexität von (•)-^ für T ^ 2 und der Jensenschen Ungleichung folgt E{WT)
^ E(W^+^)
für alle a e [0; 1] .
(14)
Offensichtlich ist (12) eine lineare Funktion des Aktienanteils a; dagegen ist (13) eine konvexe Funktion von a (sofern T ^ 2 und E{Rt) ^ r sind). Die Maximalstelle ist deshalb ein Randmaximum, das für E(i?t) > r bei a = 1 liegt. Wegen (14) stellt sich die Situation wie in Abb. 2 dar. Da das Optimum bei a = 0 oder bei a = 1 liegt und dort die beiden Strategien (Umschichtung versus Buy-and-Hold) gleichwertig sind, besteht im Optimum ein Patt zwischen den beiden Strategien. Die abseits des Optimums gleichmäßige Überlegenheit der Buy-and-Hold-Strategie könnte die Vermutung suggerieren, dass es eine Risikoaversion ^ > 0, einen Planungshorizont T sowie eine Rendite Verteilung gibt, für die auch im Optimum die Buy-and-Hold-Strategie einen höheren Nutzenerwartungswert als die Umschichtungs-Strategie generiert. Die Suche nach einem derartigen Beispiel muss jedoch ergebnislos bleiben. Denn es gilt, wie im Abschnitt 3.2 begründet wird, die Ungleichung maxEii(W|+") S maxEt^(Wr) •
(15)
10
Günter Bamberg, Gregor Dorfleitner und Michael Krapp erwartetes Endvermögen
im+Rt)?
(l + r)
Abb. 2. Bei Risikoneutralität ist für jeden (optimalen oder suboptimalen) Aktienanteil die B+H-Strategie mindestens so gut wie die Umschichtungs-Strategie 3.2 Strategie vergleich für risikoaverse Investoren Die rechte Seite der zu verifizierenden Ungleichung (15) war auf den Sonderfall stationärer Portfoliostrategien zugeschnitten. Wir bleiben im Folgenden allgemeiner und setzen nur die Unabhängigkeit der Renditen i ? i , . . . , RT voraus. Legt man zu Beginn der Planung, das heißt in t = 0, die Aktienanteile a i , . . . , ay fest, so entwickelt sich das Endvermögen WT gemäß (2). Der Deutlichkeit halber wollen wir das Endvermögen mit WTC^^I? • • • ?Ö^T) bezeichnen. In Abschnitt 2 wurde der CRRA-Nutzenerwartungswert von Wriai,..., ar) bezüglich der Aktienanteile at maximiert. Im Optimum resultierten die (myopischen) Anteile a j . Die Optimalität der a^ gilt jedoch für eine weitaus größere Klasse von Portfoliostrategien: ai wird wie bisher definiert, a2 kann von der Realisation ri von J?i abhängen, usw. Allgemein kann at von der „Vorgeschichte" ( r i , . . . , rt-i) abhängen, das heißt at : IR^t-i
[0;1].
(16)
Dann ist der Nutzenerwartungswert von Wxiai,... ^ax) nicht mehr auf IR"^ zu maximieren, sondern auf einem (16) entsprechenden Funktionenraum. Im Optimum sind die bedingten Anweisungen (16) jeweils konstante Funktionen, deren Werte mit a^ übereinstimmen. Dies besagt das folgende im Anhang bewiesene Resultat: Satz 1. Die relative Risikoaversion g sei konstant, und die Periodenrenditen ü i , . . . , RT seien stochastisch unabhängig. Der Nutzenerwartungswert des Endvermögens WT sei bezüglich aller Portfoliostrategien, bei denen der Aktienanteil at von der Rendite-Realisation ( r i , . . . ,rt_i) abhängen darf, zu maximieren. Dann sind im Optimum die bedingten Anweisungen a t ( r i , . . . , r t - i )
Myopische Portfolioentscheidungen im Buy-and-Hold-Kontext?
11
konstant, das heißt jeweils eine von der Vorgeschichte unabhängige Zahl a*e[0;l]. Die Ausweitung der Optimalität von (aj,...,a2^) ist so weit reichend, dass auch die von der Buy-and-Hold-Strategie „ausgewählten" Aktienanteile erfasst werden. Denn wählt man bei der B+H-Strategie einen (anfänglichen) Aktienanteil ai, so ergeben sich die nachfolgenden Aktienanteile als ^/
^
^
ai-(l+ri)--(l4-rt-i) ai • (1 + ri) • • • (1 + rt-i) + (1 - ai) • (1 + r)* 1
Plant man vorab, das heißt in /; = 0, die Aktienanteile gemäß (17), so ist wie im Anhang gezeigt wird - das Endvermögen W T ( a i , . . . , ÜT) identisch mit dem bei der passiven B+H-Strategie erzeugten Endvermögen W^"^ (ai). Damit ist insgesamt nachgewiesen, dass im jeweiligen Optimum die B+HStrategie keinen höheren Nutzenerwartungswert des Endvermögens als die Umschichtungs-Strategie hervorbringen kann. Somit gilt in Verallgemeinerung von (15) für stochastisch unabhängige Periodenrenditen die Ungleichung msixEu[W^'^^{ai)]S
max E^[WT(ai,... ,aT)] .
(18)
Sind die Periodenrenditen Rt nicht nur unabhängig, sondern auch noch jeweils identisch verteilt (also i.i.d.), so gilt ai = • • • = ÜT- Die Ungleichung (18) ist dann mit der Ungleichung (15) identisch.
4 Abschließende Bemerkungen Haben CRRA-Investoren mehrere i.i.d. Renditen i?^, i?^, etc. zur Auswahl und müssen sie entscheiden, zu welcher Rendite sie ihr gesamtes Anfangsvermögen bis zum Planungshorizont T investieren wollen, so ist die Entscheidung unabhängig vom Planungshorizont. Diejenige Anlagealternative, die für eine Periode (das heißt für T = 1) optimal ist, maximiert auch für beUebiges T den Nutzenerwartungswert des Endvermögens. In diesem Sinne handeln CRRA-Investoren, die sich nur zwischen basalen Anlagemöglichkeiten entscheiden müssen, myopisch. Anders sieht es im PortfolioKontext aus. Dann muss zwischen Buy-and-Hold-Investoren unterschieden werden, die nur anfängliche Gewichtungen festlegen und danach bis zum Planungshorizont T passiv abwarten, welches Endvermögen sich realisiert hat, und zwischen Investoren, die eine Umschichtungs-Strategie zur permanenten Herstellung der anfänglichen Gewichte verfolgen. Im Portfolio-Kontext handeln Buy-and-Hold-Investoren auch dann nicht myopisch, wenn sie eine CRRA-Nutzenfunktion besitzen. Dagegen handeln CRRA-Investoren, die eine Umschichtungs-Strategie verfolgen, im Optimum stets myopisch. Deshalb ist es für den Portfolio-Kontext eine interessante Frage, ob in einem erweiterten Aktionenraum, in dem sowohl Buy-and-Hold-Strategien als auch
12
Günter Bamberg, Gregor Dorfleitner und Michael Krapp
Umschichtungs-Strategien zugelassen sind, für CRRA-Investoren die Buyand-Hold-Strategie optimal sein kann. In dem vorangegangenen Abschnitt wurde gezeigt, dass dann stets eine Umschichtungs-Strategie, und damit eine myopische Strategie, optimal sein muss. In diesem Sinne ist die (demonstrative?) Nichtbeachtung von Buy-and-Hold-Strategien in Samuelsons Arbeiten zu rechtfertigen. Mossin (1968) unterscheidet zwischen vollständiger Myopie^ und partieller Myopie. Letztere ist auch für alle Risikonutzenfunktionen mit linearer Risikotoleranz^ gültig. Sobald die Renditen nicht mehr stochastisch unabhängig sind, oder die relative Risikoaversion nicht mehr konstant ist, dürfte Myopie wohl kaum noch optimal sein. Wie die einschlägige Literatur über intertemporale Portfoliobildung {Wilhelm (1980), Ingersoll (1987, S. 235fr.)) zeigt, ist die optimale Umschichtungsstrategie in aller Regel nicht mehr myopisch, wenn wir unsere restriktiven Prämissen relaxieren. Die Beispiele in Samuelson (1991) zeigen, dass bei Renditen mit Mean-Reverting-Tendenzen auch CRRAInvestoren nicht mehr myopisch handeln. Ross (1999) gibt Bedingungen für die Renditeverteilung und für die Nutzenfunktion an, unter denen die Myopie selbst für i.i.d. Renditen verletzt ist.
A
Anhang
A . l Vorüberlegung Zunächst rechnen wir nach, dass bei der Wahl der Aktienanteile at gemäß (17) das Endvermögen WT{ai,... ^ÜT) identisch mit dem Buy-and-HoldEndvermögen W^'^^{ai) ist. Für den Fall T = 1 gilt offensichtlich Wi{ai) = ^ 1 ^ (^i)- Nun nehmen wir an, dass WT(Ö^I, • • • ? ^ T ) = Wj,^ (ai) gilt und schließen auf die Gültigkeit für T -h 1: ^T+i(ai,---,ö^T+i) =
= W T ( a i , . . . , a r ) • [aT+i (1 + i^r+i) + (1 - «T+i) (1 + r)] -
T+i
/
a i n ( l + i?t) = w^|-^>i)^Wf^>i) V
= 1
t=l
W^|+«(ai) ^ + 1
T
n
ain(l+i?t)\
f
+11
V /
T.
(1 + r)
W^+^{ar)
(19)
/ TT
T
\
ai n (1 + Rt) + K T ^ ' ' ( a i ) - ai n (1 + Rt)]^^ + r) '
= (l-ai)(l+r)^
Dieser Begriff wurde in der vorliegenden Untersuchung verwendet. ^ Diese Klasse wird als HARA (==Hyperbolic Absolute Risk Aversion) bezeichnet; sie umfasst CRRA.
Myopische Portfolioentscheidungen im Buy-and-Hold-Kontext?
13
A.2 Beweis von Satz 1 Der Nutzenerwartungswert EU{WT) des Endvermögens ist bezüglich der unbedingt beziehungsweise bedingt festlegbaren Aktienanteile ai, 02(^1)5 03(^1, ^2), . . . , «^(r'i,.. •, VT-I) ZU maximieren. Beim Beweis wird im Wesentlichen der Satz von der iterierten Erwartung und die Monotonie des Erwartungswertoperators ausgenutzt:^^ Eln(WT)^ (20) - 5 ; ^ E l n [ a , ( Ä i , . . . , Ä , _ i ) ( l + i?0 + ( l - a , ( Ä i , . . . , ß t - i ) ) ( l + r ) ] . ^ Wir konzentrieren uns auf den ^-ten Summanden und schreiben den Erwartungswertoperator E in der Form E^E^. Dabei bedeutet E^ die Erwartungswert-Bildung über i ? i , . . . , Rt-i und E^ die Erwartungswertbildung bezüglich Rt bei fester Realisation ( r i , . . . , r^-i) von ( i ? i , . . . , Rt-i)- Dann hat der t-te Summand von (20) die Form: EiE2ln[at(ri,...,rt_i)(l + ßt) + ( l - a t ( r i , . . . , r , _ i ) ) ( l - f r ) ] .
(21)
Im inneren Erwartungswert, das heißt in E^ln[-"], hat Rt wegen der Unabhängigkeit der Renditen für jedes ( r i , . . . ,rt_i) dieselbe Verteilung. Folglich wird der innere Erwartungswert maximal, wenn at(r'i,... ,rt_i) gleich dem (nur von r und der i?t-Verteilung abhängigen) Maximierer a* von Eln[a,(l + Rt) + (1 - at) (1 + r)]
(22)
gesetzt wird. Damit maximiert nur diejenige Vorschrift a t ( r i , . . . ,rt_i) den inneren Erwartungswert, die für alle ( r i , . . . ,rt_i) denselben Aktienanteil a* vorschreibt. Wegen der Monotonie von E^ wird von a* auch der t-te Summand (21) maximiert. Maximiert man in dieser Weise separat jeden Summanden, so ist natürlich auch der maximale Nutzenerwartungswert (20) erreicht. •
Literaturverzeichnis 1. Albrecht, R, Maurer, R. (2002): Investment- und Risikomanagement, Stuttgart, Schäffer-Poeschel-Verlag, 2002. 2. Bamberg, G., Dorfleitner, G., Lasch, R. (1999): Does the Planning Horizon Affect the Portfolio Structure?, in: W. Gaul und H. Locarek-Junge (Hrsg.): Classification in the Information Age, Berlin et al., Springer-Verlag, 1999, 100114. ^^ Wir führen den Beweis für ^ = 1, das heißt für u{x) = \nx. Für den Fall Q ^ 1 können dieselben Argumente genutzt werden; er ist aber von der Notation her etwas weniger durchsichtig.
14
Günter Bamberg, Gregor Dorfleitner und Michael Krapp
3. Grünewald, B., Trautmann, S. (1997): Varianzminimierende Hedgingstrategien für Optionen bei möglichen Kurssprüngen. In: Zeitschrift für betriebswirtschafthche Forschung, Sonderheft 38, 1997, 43-87. 4. Ingersoll, J. E. Jr. (1987): Theory of Financial Decision Making, Totowa 1987. 5. Merton, R. C., Samuelson, P. A. (1974): Fallacy of the Log-Normal Approximation to Optimal Portfolio Decision-Making Over Many Periods. In: Journal of Financial Economics, 1, 1974, 67-94. 6. Mossin, J. (1968): Optimal Multiperiod Portfolio Policies. In: Journal of Business, 41, 1968, 215-229. 7. Ross, S.A. (1999): Adding Risks: Samuelson's Fallacy of Large Numbers Revisited. In: Journal of Financial and Quantitative Analysis, 34, 1999, 323-339. 8. Samuelson, P.A. (1971): The „Fallacy" of Maximizing the Geometrie Mean in Long Sequences of Investing or Gambling, in: Proceedings of the National Academy of Sciences USA, 68, 1971, 2493-2496. 9. Samuelson, P. A. (1990): Asset Allocation Could be Dangerous to Your Health. In: The Journal of Portfolio Management, Spring 1990, 5-8. 10. Samuelson, P.A. (1991): Long-Run Risk Tolerance when Equity Returns are Mean Regressing: Pseudoparadoxes and Vindication of „Businessman's Risk", in: W. C. Brainard, W . D . Nordhaus und H.W. Watts (Hrsg.): Money, Macroeconomics, and Economic Theory. Essays in the Honor of James Tobin, Cambridge (Mass.), MIT-Press, 1991, 181-200. 11. Samuelson, P. A. (1994): The Long-Term Gase for Equities. In: Journal of Portfolio Management, 21, 1994, 15-24. 12. Schneeweiß, H. (1967): Entscheidungskriterien bei Risiko, Berlin et al., Springer-Verlag, 1967. 13. Van Eaton, R. D., Conover, J.A. (1998): Misconceptions about Optimal Equity Allocation and Investment Horizon. In: Financial Analysts Journal, March/April 1998, 52-59. 14. Wilhelm, J. (1980): Multiperiod Portfolio Selection and Capital Asset Pricing, In: Pandel, G. und Gal, T. (Hrsg.): Multiple Criteria Decision Making - Theory and Application, Berlin et al., S. 487-510. 15. Wilhelm, J. (1981): Zum Verhältnis von Capital Asset Pricing Model, Arbitrage Pricing Theory und Bedingungen für die Arbitragefreiheit von Finanzmärkten. In: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 33, 1981, 891-905. 16. Wilhelm, J. (1985): Arbitrage Theory, Berlin et al., Springer-Verlag (Lecture Notes in Economics and Mathematical Systems), 1985. 17. Wilhelm, J. (2002): Risikoabschläge, Risikozuschläge und Risikoprämien - Finanzierungstheoretische Anmerkungen zu einem Grundproblem der Unternehmensbewertung, Diskussionsbeitrag B-9-02 (Betriebswirtschaftliche Reihe der WirtschaftswissenschaftHchen Fakultät der Universität Passau), 2002.
Faktorstruktur und Markt modeile Stefan Huschens Technische Universität Dresden, Lehrstuhl für Quantitative Verfahren, Fakultät Wirtschaftswissenschaften, Mommsenstraße 13, D-01062 Dresden Stefan.huschensQmailbox.tu-dresden.de
Gliederung 1
Einleitung
16
2
Notation
16
3
Marktmodell, Marktfaktor und Marktportfolio
17
3.1 3.2
Ein Marktmodell mit unkorrelierten Störvariablen Ein Marktmodell mit korrelierten Störvariablen
17 18
3.3
Ein Marktmodell mit endogener Faktorrepräsentation
19
4
Logisch inkonsistente Modellbildungen
20
4.1 4.2
Inkonsistente Formulierung des Marktmodells Inkonsistente Einbettung des CAPM
20 21
4.3
Zur Einbettung einer linearen Bewertungsgleichung
23
5
Schlußbemerkungen
24
A
Anhang
27
A.l Beweise A.2 Faktoren, Hauptkomponenten und stochastische Regressoren in der Statistik Literaturverzeichnis
27 28 33
16
Stefan Huschens
1 Einleitung In der neueren finanzwirtschaftlichen Literatur, insbesondere derjenigen zur Risikoanalyse, gibt es eine gewisse terminologische Konfusion bezüglich des Faktorbegriffs und der Benennung eines Modells als Ein- oder Mehr-Faktormodell, als Ein- oder Mehr-Indexmodell, als Markt- oder Diagonalmodell. Ziel dieser Untersuchung ist die Klärung der unterschiedlichen stochastischen Annahmen dieser Modellvarianten und der Bezüge der verwendeten Faktorbegriffe zu den analogen Begriffen in der Statistik, wie stochastische Regressoren, Hauptkomponenten und Faktoren im Sinn der statistischen Faktorenanalyse. Die Untersuchung konzentriert sich dabei auf die sich um das ,Capital Asset Pricing Model' (CAPM) in der Standardversion rankenden Modellvarianten. Um den Rahmen dieses Beitrages nicht zu sprengen, erfolgt eine Beschränkung auf zeitdiskrete^ und endlich-dimensionale^ Modellierungen, wobei für alle Zufallsvariablen die Existenz endlicher Varianzen vorausgesetzt wird^. Auch soll nicht auf die inhaltUche Kritik am CAPM oder auf die anhaltende Debatte über die empirische Evidenz und Testbarkeit des CAPM^ eingegangen werden. Der Beitrag ist folgendermaßen aufgebaut. Im Abschnitt 2 wird die allgemeine Notation fixiert. Der Abschnitt 3 enthält grundlegende Begriffsbildungen zu Ein-Faktor- und Marktmodellen. Der Abschnitt 4 enthält einige Klarstellungen zu inkonsistenten stochastischen Annahmen bei Faktormodellen in der Kapitalmarkttheorie. Der abschließende Abschnitt 5 resümiert die unterschiedlichen Bedeutungsvarianten des Faktorbegriffs im Zusammenhang mit Marktmodellen und enthält eine Übersicht über verschiedene weitere Verwendungen des Faktorbegriffs in anderen Gebieten der Finanzmarkttheorie. Der Anhang enthält im Abschnitt A.l die Beweise zu den Theoremen und im Abschnitt A.2 eine Zusammenfassung und Abgrenzung der Begriffe Faktor, Hauptkomponente und stochastischer Regressor in der statistischen Bedeutung, da im Zusammenhang mit Faktor-, Index- und Marktmodellen immer wieder Begriffe aus der Statistik entlehnt, aber meistens modifiziert oder verallgemeinert verwendet werden.
2 Notation Vektoren werden als Spaltenvektoren aufgefaßt und mit X, Y usw. bezeichnet. Mit X ' wird der transponierte Vektor bezeichnet. Es bezeichnen E X den Er^ Für eine zeitstetige Modellierung des CAPM siehe Merton, R. (1990). Für Faktorstrukturen bei abzählbar unendlich vielen Anlagen siehe Chamherlain, G., M. Rothschild (1983). ^ Für Erweiterungen des CAPM bei endlichen Varianzen siehe Rachev, S., S. Mittnik (2000, S. 409-429), Huschens, S., J.-R. Kim (2000). ^ Siehe dazu Fama, E. F., K. R. French (2004), Barucci, E. (2003, S. 120-130), Jagannathan, R., Z. Wang (2002), Kruschwitz, L. (1999, S. 234-238), Roll, R. (1997).
Faktorstruktur und Marktmodelle
17
wartungswert einer Zufallsvariablen X, EX den Erwartungswertvektor eines Zufallsvektors X, YX die Varianz einer Zufallsvariablen X, VX die VarianzKovarianzmatrix eines Zufallsvektors X, C(X, Y) die Kovarianz der Zufallsvariablen X und y , C(X, Y) = E(X - EX)(Y - E Y ) ' = E(XYO - E X E Y ' die Kovarianzmatrix der Vektoren X und Y. Zwei Vektoren X und Y heißen unkorreliert, falls C(X,Y) eine Nullmatrix ist. Die Komponenten eines Zufallsvektors X heißen unkorreliert, falls VX eine Diagonalmatrix ist. Opxd bezeichnet eine p x d-NuUmatrix, Ipxd eine p x cf-Einsmatrix und I^^ eine ddimensionale Einheitsmatrix. r(A) bezeichnet den Rang einer Matrix A. Eine d X d-Matrix A heißt invertierbar oder regulär, falls r(A) = d, anderenfalls singulär.
3 Marktmodell, Marktfaktor und Marktportfolio 3.1 Ein Markt modeil mit unkorrelierten Störvariablen Das z. B. von Fama so bezeichnete Marktmodell^ für d Wertpapiere besteht aus der Gleichung Y = /x + /3F + U , (1) wobei Y der Vektor der stochastischen Renditen, F ein zunächst nicht näher spezifizierter Marktfaktor und U ein Vektor von Störvariablen ist, die als spezifische oder idiosynkratische Risikofaktoren interpretiert werden können. Die zentrale Modellannahme ist, dass die d + l Zufallsvariablen F und U insgesamt stochastisch unabhängig und symmetrisch stabil mit demselben Stabilitätsindex oder charakteristischen Exponenten 1 < a < 2 sind. Eine Implikation der Symmetrie ist E F = 0 und EU = O^xi, woraus sich E Y = /x ergibt. Im Fall 1 < a < 2 haben die Verteilungen zwar Erwartungswerte, aber keine endlichen Varianzen. Im Spezialfall a = 2 sind alle Faktoren normalverteilt und stochastisch unabhängig. Die folgende Definition eines Ein-Faktormodells umfaßt sowohl das Marktmodell von Fama in der oben angegebenen Formulierung für den Fall normalverteilter Renditen als auch verschiedene in der Literatur als Ein-Faktor- oder Ein-Indexmodell (single index model) bezeichnete ModelHerungen des Renditevektors. ^ Definition 1. Der Renditevektor Y erfüllt ein Ein-Faktormodell Faktor F, falls Y = oc-{-ßF-{-U
mit dem (2)
mit E U - C ( U , F ) = 0^xi
(3)
^ Fama, E. F. (1971). ^ Z.B. Sharpe, W. F., G. J. Alexander (1990, S. 217 u. 242), Jensen, M. C. (1969, S. 169).
18
Stefan Huschens
gilt. Falls die Varianz-Kovarianzmatrix von U eine Diagonalmatrix D mit positiven Diagonalelementen ist, liegt ein Ein-Faktormodell mit unkorrelierten Störvariablen vor. Das Ein-Faktormodell mit unkorrelierten Störvariablen wird in der Literatur auch als Diagonalmodell oder Ein-Indexmodell bezeichnet. Die Unkorreliertheit der Residualvariablen wird dabei als wesentlich für die Interpretation angesehen. „The key assumption of the single-index model is that e^ is independent of Sj for all values of i and j or, more formally, E{eiej) = 0. This implies the only reason Stocks vary together, systematically, is because of a co-movement with the market."^ Die Zufallsvariablen Cj im Zitat entsprechen den Komponenten des hier mit U bezeichneten Vektors. Ein Ein-Faktormodell mit unkorrelierten Störvariablen beschreibt, falls F eine unbeobachtbare (latente) Variable ist, eine Ein-Faktorstruktur im Sinne der statistischen Faktorenanalyse, vgl. Definition 3 im Abschnitt A.2.1. Falls F dagegen beobachtbar ist, handelt es sich um ein Regressionsmodell mit stochastischem Regressor, vgl. Abschnitt A.2.4. Ein grundsätzliches Problem bei dieser Modellklasse ist, dass die Zufallsvariable F nicht die Marktrendite, d. h. die Rendite des Marktportfolios, sein kann.^ Es gilt sogar viel weitergehend, dass es überhaupt kein Portfolio gibt, dessen Rendite sich wie der stochastische Marktfaktor F verhält. Theorem 1. Es gibt im Ein-Faktormodell mit unkorrelierten Störvariablen kein Portfolio mit einem Gewichtsvektor w, dessen Rendite w ' Y mit dem Marktfaktor F in dem Sinn identifiziert werden kann, dass P(w'Y = F) = 1 gilt. Zum Beweis siehe Abschnitt A.1.1. Typischerweise haben also alle Portfolios und damit auch alle irgendwie als Linearkombinationen gebildeten Indizes als Folge der additiven Störvariablen eine andere Stochastik als der Marktfaktor F. Dies macht eine Interpretation des Modells als „relating the return on a stock to the return on a stock market index"^ problematisch. Die Tatsache, dass die auf der linken Seite der Gleichungen stehenden Variablen Bestandteil der Rendite eines Marktindex oder eines Portfolios sind, führt dazu, dass die Störvariablen nicht unkorreliert sein können, wenn der Marktfaktor mit einer Rendite eines Portfolios identifiziert werden soll. 3.2 Ein Marktmodell mit korrelierten Störvariablen Das Ein-Faktormodell mit allgemeiner Struktur der Störvariablen, das durch (2) und (3) aus Definition 1 charakterisiert ist, wird von einigen Autoren, '^ Elton, E. J., M. J. Gruber (1995, S. 131). Natürlich impliziert E^eiCj) = 0 zusammen mit E{ei) = E{ej) = 0 die Unkorreliertheit, im Allgemeinen aber nicht die stochastische Unabhängigkeit. ^ Vgl. Fama, E. F. (1971, S. 46, Fußnote 17). ^ Elton, E. J., M. J. Gruber (1995, S. 130).
Faktorstruktur und Marktmodelle
19
die das Modell mit unkorrelierten Störvariablen Ein-Indexmodell oder Diagonalmodell nennen, als ,das Marktmodell' bezeichnet. „The market model is identical to the single-index model except that the assumption cov{ei, Sj) = 0 is not made."^° Der Marktfaktor F soll jetzt die Rendite des Marktportfolios sein. „Actually, although the single-index model can be defined in terms of any influenae (e. g., the rate of return on liverwurst), we usually think of the index as the rate of return on some market portfolio. The market model is always defined in terms of a market portfoUo."^^ Unabhängig von der inhaltlichen Interpretation gelten die Varianzzerlegungen YY = ßß'YF-\-YV (4) und V(w'Y) = {w'ßfYF
-f w ' V U w ,
(5)
die zur Risikozerlegung bei der Marktrisikomessung eingesetzt werden.^^ 3.3 Ein Marktmodell mit endogener Faktorrepräsentation Im folgenden Modell fungiert eine Linearkombination der Renditen als stochastischer Regressor. Diese Linearkombination kann die Rendite eines PortfoUos, z. B. des Marktportfolios, sein. Definition 2. Der d-dimensionale Renditevektor Y mit d > 1 erfülle ein Ein-Faktormodell mit dem Faktor F im Sinn von Definition 1. Falls eine Darstellung F = w ' Y mit einem geeigneten Vektor w 7^^ 0 existiert, heißt F endogener Faktor und man sagt, dass für Y ein Ein-Faktormodell mit endogener Faktorrepräsentation vorliegt. Mit dem Theorem 1 wurde gezeigt, dass ein Ein-Faktormodell, in welchem der Faktor durch die Rendite eines Port folios gegeben ist, unverträglich mit der Annahme unkorrelierter Störvariablen ist. Die entscheidende Annahme, welche die Identifikation des Marktfaktors mit der Rendite eines Portfolios verhindert, ist nicht die Diagonalgestalt der Varianz-Kovarianzmatrix VU und damit die Unkorreliertheit der Störvariablen, sondern die Annahme der Regularität der Varianz-Kovarianzmatrix der Störvariablen. Auch dann, wenn eine allgemeinere Struktur mit korreUerten Residualvariablen zugelassen wird, kann der Marktfaktor nur dann eine Rendite eines Port folios sein, wenn die Residualvariablen deterministisch linear abhängig sind, so dass VU eine singulare Matrix ist. Das folgende Theorem, dessen Beweis sich in Abschnitt A.1.2 findet, zeigt, dass die entscheidende Annahme, welche die Identifikation des Markt faktors mit der Rendite eines Port folios verhindert, die Regularität der Varianz-Kovarianzmatrix der Störvariablen ist. ^^ Elton, E. J., M. J. Gruber (1995, S. 152), z.B. auch Poddig, T., H. Dichtl, K. Petersmeier (2001, S. 256). ^^ Elton, E. J., M. J. Gruber (1995, S. 152). ^2 Huschens, S. (1998, S. 570-573).
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Stefan Huschens
Theorem 2. Wenn im Ein-Faktormodell mit endogener Faktorrepräsentation die Varianz-Kovarianzmatrix von Y regulär ist, dann ist die VarianzKovarianzmatrix des Vektors U singulär.
4 Logisch inkonsistente Modellbildungen 4.1 Inkonsistente Formulierung des Marktmodells Die Postulierung eines Marktmodells der Form Yj=aj+ß^F^Uj,
i-l,...,d,
(6)
für d risikobehaftete Wertpapiere, wobei F die Rendite des Marktportfolios bezeichnet, zusammen mit den Annahmen EU = C ( U , F ) = Odxi und der Annahme, dass VU eine Diagonalmatrix mit positiven Diagonalelementen ist, ist logisch inkonsistent. Entweder ist die Varianz-Kovarianzmatrix von U eine reguläre Varianz-Kovarianzmatrix, z. B. eine Diagonalmatrix mit positiven Diagonalelementen, dann kann F nicht die Rendite des Marktportfolios sein (Theorem 1), oder F ist die Rendite des Marktportfolios, dann ist VU singulär (Theorem 2) und damit keine Diagonalmatrix mit positiven Elementen. Diese logisch inkonsistente Modellstruktur wird in Lehrbüchern zur Vereinfachung gern verwendet^^, um damit z.B. die Diversifikation des unsystematischen Risikos zu illustrieren, da sich mit unkorrelierten Störvariablen einfach argumentieren lässt. Wenig hilfreich ist es auch, die Begriffe ,Marktfaktor' und ,Rendite des Marktportfolios' synonym zu verwenden.-^^ Dass bei der Formulierung von Verteilungsannahmen Restriktionen bezüglich der Residualvariablen zu beachten sind, ist natürlich in der Literatur nicht unbemerkt geblieben. Beispielsweise wird in einem Marktmodell die Annahme w ' U = 0 für den Gewichtsvektor w des Marktportfolios gemacht^^, die V(w'U) = w'VUw = 0 und die Singularität von VU impliziert. „Wie schon angedeutet, hat dieser Ansatz [nämlich ein Ein-Faktormodell für die Renditen, S.H.] nur empirischen Gehalt, wenn über die Störterme weitere Annahmen getroffen werden; dem Sharpe'schen Indexmodell entsprechend, wird postuliert, dass die Störterme wechselseitig unkorreliert sind. Diese Annahme steht offenbar im Konflikt mit (5) [entspricht der Gleichung w ' U = 0 oben, S.H.], so dass die Störterme im Marktmodell grundsätzlich nicht diversifizierbar sind und daher, wie oben verdeutlicht, Preiseinfluss haben (müssen)."^^ Und noch deutlicher: „Insbesondere sind Marktmodell (in dieser Spezifikation) und CAPM unvereinbar."^^ ^^ Z.B. Sharpe, W. F., G. J. Alexander (1990, S. 216-217), Uhlir, H., P. Steiner (1994, S. 170-172). ^^ Z.B. Kahler, J. (2002, S. 39). ^^ Ingersoll, J. E. (1987, S. 150, 152, 154, 156, 157). 1^ Wilhelm, J. (2001, S. 90). ^'^ Wilhelm, J. (2001, S. 90).
Faktorstruktur und Marktmodelle
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Irrig ist auch die Auffassung, dass eine Störgröße Uj und ein endogener Faktor F = w'Y deswegen nicht unkorreliert sein können, weil Uj ein Teil des Faktors oder Indexes F ist. „That is, if / is some average of security returns, then the assumption that Ui is uncorrelated with / cannot hold, since / contains Ui."^^ Da diese Auffassung die logische Widerspruchsfreiheit der in Definition 2 gemachten Annahmen grundsätzlich in Frage stellt, soll gezeigt werden, dass Darstellungen mit den in Definition 2 gemachten Voraussetzungen existieren. Das einfachste Beispiel für d = 2 ist durch die Gleichungen Y,=F
+ Ui,
Y2 = F + U2,
F=^ii^,
U2 =
-U,
gegeben. Das folgende allgemeine Konstruktionsverfahren zeigt gleichzeitig die grundsätzliche Vieldeutigkeit einer endogenen Faktorrepräsentation. ^^ Es sei Y ein d-dimensionaler Zufallsvektor mit E Y = fi und VY j^ Odxd- Gegeben sei ein Vektor w mit V(w'Y) = w'VYw > 0. Dann hat die Zufallsvariable F := w'Y eine positive Varianz, und mit ß := C(Y, F ) / V F ,
a := /x - /3wV,
\J:=Y-a-ßF
sind alle in Definition 2 gemachten Voraussetzungen erfüllt. Es lässt sich auch leicht verifizieren, dass bei dieser Konstruktion w'U = 0 und damit auch V(w'U) = 0 gilt2°, so dass VU singulär ist. Die entscheidenden Voraussetzungen dafür, dass aus der Gleichung (6) die Beziehung ßj = C{Yj,F)/YF folgt, sind EUj = 0 und C{Uj,F) = 0, während eine eventuelle Korrelation der Residualvariablen für diese Aussage irrelevant ist.21 4.2 Inkonsistente Einbettung des C A P M Das CAPM in seiner Standardform für d risikobehaftete Wertpapiere und eine risikofreie Anlage mit dem Zinssatz /io führt zu einer Bewertungsgleichung, die ein Ein-Faktormodell mit endogener Faktorrepräsentation im Sinn von Definition 2 impliziert.
^^ Jensen, M. C. (1969, S. 179). ^^ Zur Existenz, Konstruktion und Mehrdeutigkeit endogener Faktorrepräsentationen siehe Gourieroux, C. (1997, S. 162-168). 20 Aus
w'U = w'(Y -OL-ßF)
= F- wa - w'ßF
und w'/3 = 1, vgl. (11), erhält man w ' a = 0 und somit w ' U = 0. 2^ In diesem Punkt irrt Jensen, M. C. (1972, S. 364, Fußnote 23), ebenso wie in der Behauptung, dass die Unkorreliertheit der Residualvariablen unterschiedlicher Gleichungen zu den „usual regression assumptions" gehöre.
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Stefan Huschens
T h e o r e m 3 ( B e w e r t u n g s g l e i c h u n g u n d E i n - F a k t o r m o d e l l ) . Wenn den Renditevektor Y mit fi = E Y und regulärer Varianz-Kovarianzmatrix Bewertungsgleichung M-/^oldxi+/3(EF-/io)
für die
(T)
mit Koeffizienten ßo, einem Vektor w ^0, F = w ' Y und ßj = C{Yj,F)/YF für j = l , . . . , d ^ erfüllt ist, dann impliziert dies ein Ein-Faktormodell mit endogener Faktorrepräsentation Y = a + /3F + U im Sinn von Definition
(8)
2.
Bei der Bewertungsgleichung des C A P M ist w der Vektor der Marktanteile und F die Rendite des Marktportfolios. Aus Theorem 2 folgt, dass die Varianz-Kovarianzmatrix von U in Gleichung (8) keine Diagonalmatrix sein kann. Damit kann der Renditevektor Y auch keine Ein-Faktorstruktur im Sinn der Faktorenanalyse (Definition 3, vgl. Abschnitt A.2.1) besitzen, und bei der üblichen Bezeichnung des C A P M als ein Ein-Faktormodell^^ liegt ein allgemeinerer Faktorbegriff als der in der Faktorenanalyse übliche zugrunde. Bei der E i n b e t t u n g des C A P M in ein Modell für die zufälligen Renditen der Wertpapiere und des Marktportfolios wird aus der Bewertungsgleichung des C A P M die folgende Darstellung für die zufälligen Renditen gefolgert^^ Y = //ol^xi+/3(F-/^o)4-U.
(9)
Dies ist prinzipiell möglich, d a (7) eine Gleichung ist, welche die Erwartungswerte verknüpft. Es stellt sich allerdings die Frage, welche Eigenschaften dem Zufallsvektor U zugeschrieben werden dürfen. T h e o r e m 4 . Die Voraussetzungen von Theorem 3 implizieren ditevektor Y eine Darstellung der Form (9) mit
für den
Ren-
E U = C ( U , F ) = Odxi und VU = (Id-/3wOVY. Die letzte Gleichung zeigt, dass die Varianz-Kovarianzmatrix von U weit davon entfernt ist, eine Diagonalmatrix zu sein. Dass diese M a t r i x singulär ist. ^^ Barucci, E. (2003, S. 115): „The Capital Asset Pricing Model is a one-factor model for portfolio risk premia", Barucci, E. (2003, S. 110): „... the risk premium of a portfolio is a linear function of some factor risk premia". ^^ Z.B. Sharpe, W. F., G. J. Alexander (1990, S. 211). Der Zusammenhang (9) wird dort als „characteristic line" und „a type of return-generating process" bezeichnet.
Faktorstruktur und Marktmodelle wird klar, wenn m a n von links mit dem Vektor w ' multipliziert und Wß berücksichtigt, siehe (11), d a n n resultiert nämlich
23 = 1
w'VU-OixdVY-Oixd. Eine im Zusammenhang mit Gleichung (9) getroffene Annahme, dass die Varianz-Kovarianzmatrix V U eine Diagonalmatrix ist, ist also höchst problematisch. Stochastische A n n a h m e n können selbst von Nobel-Preisträgern nicht einfach beliebig getroffen werden, „assuming t h e r a n d o m components of security returns are uncorrelated"^'^, sondern müssen zumindest logisch konsistent im Sinn der Widerspruchsfreiheit sein. E n g mit dieser Fragestellung verknüpft ist auch, ob es zulässig ist, in einem Ein-Faktormodell der ,Arbitrage Pricing Theory' ( A P T ) den Faktor mit der Rendite des Marktportfolios zu identifizieren u n d so das C A P M als einen Spezialfall der A P T darzustellen.^^ Wieder folgt aus den Theoremen 1 und 2, dass es inkonsistent ist, unkorrelierte Residualvariablen zu unterstellen u n d gleichzeitig den Faktor mit der Rendite des Marktportfolios zu identifizieren. Eine andere Art von Inkonsistenz ergibt sich, wenn die Renditen als multinormal verteilt unterstellt werden, so dass Unkorreliertheit und stochastische Unabhängigkeit äquivalent sind, und d a n n zwar richtig gefolgert wird, dass Y bedingt auf F = f multinormalverteilt mit E{Y\F
= f) = fioUxi
+ ßif
- fio)
und V(Y|F = /) = VU ist, aber V U als invertierbare Matrix behandelt wird.^^ Dieses Problem ist relativ leicht überwindbar. „Let us consider t h e factor model Yt = BFt + Ut, where the factors are observable and m a y eventually be interpreted as endogenous factors Ft = A!Yt. In t h e last case, t h e variance-covariance m a t r i x of t h e residual t e r m Ut is singular and of rank n — K. We m a y always restrict to t h e case of a regulär matrix by deleting K equations from t h e preceding System. "^"^ 4 . 3 Zur E i n b e t t u n g e i n e r l i n e a r e n B e w e r t u n g s g l e i c h u n g In einem Portfoliomodell mit d risikobehafteten Wertpapieren und einer risikofreien Anlage mit dem Zinssatz //Q führen Arbitrageüberlegungen in einem vollständigen Markt zu einer linearen Bewertungsgleichung^^ 24 Sharpe, W. F., G. J. Alexander (1990, S. 217). 2^ Uhlir, H., P. Steiner (1994, S. 199): „Wird ferner davon ausgegangen, dass dieser einzige Faktor die Rendite des Marktportfeuilles ist ... ist erkennbar, dass das CAPM ein Spezialfall der ,Arbitrage Pricing Theory' ist." 2^ Z.B. Campbell, J. ¥., A. W. Lo, A, C. MacKinlay (1997, S. 189-210). 2^ Gourieroux, C. (1997, S. 172). 2« Wilhelm, J. (1985, S. 85).
24
Stefan Huschens M = /ioldxi+/3(EG-/^o),
(10)
die formal der Gleichung (7) sehr ähnlich ist, mit dem Unterschied, dass an die Stelle des Marktportfolios ein so genanntes wertbestimmendes Portfolio^^ v tritt. Dabei gilt /x = EY, G = Y'Y und ßj = C{Yj, G)/YG. Die formale Analogie darf nicht zu dem Schluss verleiten, dass es sich um eine Herleitung des CAPM mit Hilfe von Arbitrageüberlegungen handelt. Die Rendite G ist nicht notwendigerweise die Rendite des Marktportfolios und die Beta-Koeffizienten sind in den beiden Gleichungen (7) und (10) voneinander verschieden. Das wesentUche Ergebnis ist aber, dass sich wesenthche Teile des CAPM, wie der Risk-Return-Tradeoff und die Zerlegung des Portfoliorisikos in einen systematischen und einen unsystematischen, diversifizierbaren Teil mit Arbitrageüberlegungen, unabhängig von individuellen Präferenzen, ableiten lassen. Die Tatsache, dass G kein unbestimmter Marktfaktor, sondern die Rendite eines Portfolios ist, ermöglicht die analoge Anwendung der Theoreme 3 und 4. Ein mit der Gleichung (10) verträglicher (i-dimensionaler Renditeprozeß muss also eine Gleichung Y = //oldxi+/3(<:^-iUo) + U , mit EU = C(U, G) = Odxi und VU = (I^ - /Sv^VY erfüllen.
5 Schlußbemerkungen Ausgangspunkt für die Untersuchungen zu dieser Arbeit war die Beobachtung, dass in Lehrbüchern der Finanzwirtschaft Begriffe wie Ein-Faktormodell, EinIndexmodell, Marktmodell, Diagonalmodell usw. zwar häufig verwendet, aber in der Regel nicht klar definiert werden. Das ursprüngliche Vorhaben, gestützt auf Literaturrecherchen eine Ordnung dieser Begriffe vorzunehmen und die Bezüge zu ähnlichen Begriffen der statistischen Fachterminologie zu präzisieren, ist gescheitert, da sich auch bei Beschränkung auf zentrale Arbeiten oder Standardlehrbücher eine uneinheitliche Verwendung dieser Begriffe offenbart. Erstaunlicherweise erwecken aber die meisten Autoren selbst in Überblicksartikeln den Anschein, als sei die von ihnen gerade verwendete Terminologie eindeutig und üblich. Eine eindeutige oder auch nur überwiegende Verwendung des Begriffs nFaktormodell in einer bestimmten Bedeutung existiert nicht. Ein Faktor kann eine beobachtbare Variable im Sinn eines Regressors, eine unbeobachtbare Variable im Sinn der Faktorenanalyse oder eine Linearkombination endogener Variablen im Sinn der Hauptkomponentenanalyse sein. Faktoren können korreliert sein, es kann aber auch die Unkorreliertheitsannahme, die häufig in der statistischen Faktorenanalyse getroffen wird, impliziert sein. Sie können ^^ Wilhelm, J. (1981, S. 896). Dies ist ein spezielles Replikationsportfolio, vgl. auch Barucci, E. (2003, S. 117).
Faktorstruktur und Marktmodelle
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den Erwartungswert Null haben oder nicht und können die Varianz Eins haben oder nicht. Die einzig verlässliche Eigenschaft scheint diejenige zu sein, dass Faktoren unkorreliert mit eventuell zusätzlich vorhandenen Residualvariablen sind, aber selbst diese Eigenschaft wird manchmal in Frage gestellt.^^ Die Residualvariablen können, wie in der statistischen Faktorenanalyse, unkorreliert sein, sie können korreliert sein, dabei kann die Korrelationsmatrix Singular oder regulär sein. Die Postulierung eines Ein-Faktormodells ohne weitere einschränkende Definitionen oder Erläuterungen ist also kaum mehr als nichtssagend. Mindestens die folgenden vier Grundtypen von Faktoren können unterschieden werden: •
• •
•
Faktoren im Sinn der Regressionsanalyse, das sind beobachtbare exogene Variablen, z. B. Regressoren im linearen Regressionsmodell (vgl. Abschnitt A.2.4), oder Faktoren im Sinn der ein- oder mehrfaktoriellen Varianzanalyse (vgl. Abschnitt A.2.2). Faktoren im Sinn der statistischen Faktorenanalyse, d. h. unbeobachtbare exogene Variablen. Faktoren im Sinn der Hauptkomponenten der Hauptkomponentenanalyse (vgl. Abschnitt A.2.3). Diese können zwar ähnlich wie Regressoren interpretiert werden, sind aber endogene und keine exogenen Variablen. Endogene Faktoren bei einer linearen Faktorrepräsentation im Sinn von Definition 2.^^
Bei den Darstellungen der APT wird in der Regel nicht von Indizes, sondern von Faktoren gesprochen. Hier finden sich teilweise sämtliche Annahmen der klassischen statistischen Faktorenanalyse^^ wieder, wobei allerdings die kritische Annahme unkorrelierter Residualvariablen teilweise explizit gemacht wird^^, teilweise explizit nicht^^ und teilweise halbherzig und relativiert gemacht wird^^. Außerhalb der Theorien zur Erklärung der Preisstrukturen auf Kapitalmärkten gibt es im Bereich der Kreditrisikomodellierung Faktormodelle mit ^° Barucci, E. (2003, S. 132): „The idiosyncratic risk components are uncorrelated among themselves; they can instead be correlated with the K factors...". ^^ Siehe Gourieroux, C. (1997, Kap. 8) für eine allgemeinere Definition. ^2 Z.B. Ingersoll, J. E. (1987, S. 167). ^^ Z.B. Merton, R. (1990, S. 50), Uhlir, H., P. Steiner (1994, S. 196) und Barucci, E. (2003, S. 132), der allerdings Korrelationen zwischen den idiosynkratischen Risikofaktoren und den systematischen Faktoren zulassen will: „The idiosyncratic risk components are uncorrelated among themselves; they can instead be correlated with the K factors...". ^^ Siehe z.B. Campbell, J. Y., A. W. Lo, A. C. MacKinlay (1997, S. 220). ^^ Ingersoll, J. E. (1987, S. 166): „Only the assumptions of uncorrelated residuals cannot be guaranteed." Es ist jedenfalls nicht einfach zu finden, wo die Ankündigung „Relaxation of (2f) [das ist die Annahme unkorrelierter Störvariablen, S. H.] will be considered later", Ingersoll, J. E. (1987, S. 166), eingelöst sein soll.
26
Stefan Huschens
gemeinsamen und spezifischen Faktoren im Sinn der statistischen Faktorenanalyse. ^^ Andererseits werden aber Regressoren dann, wenn es sich inhaltUch u m Risikofaktoren (Risikotreiber) handelt, auch als Faktoren bezeichnet,^^ wobei unter U m s t ä n d e n eine größere Anzahl von Regressoren mit Hilfe der Hauptkomponentenanalyse zu unkorrelierten Regressoren zusammengefasst werden.^^ Eine weitere Verwendung des Faktorbegriffs findet sich bei Modellen zur zeitstetigen Modellierung von Zinsstrukturen^^. Bei den dort als Ein-, Zwei- und Mehr-Faktormodellen bezeichneten Modellen werden mit Faktoren die stochastischen Prozesse bezeichnet, die bei der stochastisch-dynamischen Modellierung der Entwicklung von Zinssätzen verwendet werden. Dabei wird bereits die Modellierung durch eine eindimensionale Brownsche Bewegung als Ein-Faktormodell bezeichnet. Andererseits werden aber auch Methoden der statistischen Faktorenanalyse und Hauptkomponentenanalyse zur Modellierung eingesetzt.^^ Der Begriff Faktor wird natürlich auch mehr oder weniger umgangssprachlich oder anschaulich verwendet. Wenn z. B. bei der Analyse von Risiken im Finanzbereich oder im medizinischen Bereich von Risikofaktoren die Rede ist, d a n n geht es eher d a r u m , die tatsächliche oder vermutete Kausalbeziehung zwischen einem Risikofaktor und einer erklärten Variablen zum Ausdruck zu bringen. Der Begriff Ein-Indexmodell ist teilweise ledigUch eine terminologische Variante des Ein-Faktormodells, teilweise wird mit seiner Verwendung impliziert, dass es ich bei der erklärenden Variable u m die Rendite eines beobachtbaren Index handelt, z . B . einen Aktienindex, der als Approximation (ProxyVariable) oder Substitut für ein Marktportfolio verwendet wird. Häufig wird mit der Verwendung des Begriffs Ein-Faktor- oder Ein-Indexmodell die Ann a h m e einer Diagonalgestalt der Varianz-Kovarianzmatrix der Residualvariablen verbunden.^-^ In demselben Sinn für beobachtbare Regressoren werden aber auch die Begriffe Ein-Faktormodell, Zwei-Faktormodell usw. verwendet42. Der Begriff Diagonalmodell wenigstens scheint hinreichend klar zu sein, u m lineare Mehrgleichungsmodelle zu charakterisieren, bei denen die Residuen aus verschiedenen Gleichungen unkorreliert sind, so dass die VarianzKovarianzmatrix der Residualvariablen eine Diagonalmatrix ist.
^^ Z.B. Kiesel, R., U. Stadtmüller (2003, S. 465). ^^ Z.B. Bucay, N., D. Rosen (2003, S. 318). ^^ Z.B. Bucay, N., D. Rosen (2003, S. 333). Dort werden die Hauptkomponenten allerdings als "independent factors" bezeichnet, was dann gerechtfertigt wäre, wenn die Beobachtungen auch multinormalverteilt wären, da dann aus der Unkorreliertheit auch die stochastische Unabhängigkeit folgt. ^^ Z.B. Duffie, D. (1996, Kap. 7). ^° Wilson, T. (1994). ^^ Elton, E. J., M. J. Gruber (1995, S. 131), Sharpe, W. F., G. J. Alexander (1990, S. 217 u. 242). ^2 Vgl. z.B. Jensen, M. C. (1969, S. 367-369), Ruppert, D. (2004, S. 242-246).
Faktorstruktur und Marktmodelle
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Der Begriff Marktmodell wird überwiegend dann verwendet, wenn ein stochastisches lineares Modell für die Renditen postuliert wird. Für einige Autoren impliziert der Begriff aber automatisch die Diagonalstruktur der VarianzKovarianzmatrix der Residuen, für andere nicht. Auch inhaltlich ist ohne weitere Angabe nicht klar, ob die erklärende Variable die Rendite des Marktportfolios oder ein unbestimmter Marktfaktor ist. Der bei der ModeUierung von Marktmodellen manchmal vorgenommene pauschale Bezug auf „Standardannahmen des Unearen Regressionsmodells" verkennt die Problematik, die dadurch entsteht, dass es sich bei diesen Modellen der Kapitalmarkttheorie zwangsläufig um Modelle mit stochastischen Regressoren handelt. Die in der Experimentplanung sinnvolle Formulierung des linearen Modells für nichtstochastische Regressoren, die auch üblicherweise die einführende Lehrbuchwelt im Bereich der Wirtschaftswissenschaften dominiert, ist in diesem Zusammenhang wenig hilfreich. Finanzwirtschaftliche Arbeiten können sich nur auf einen kleinen Kanon allgemein akzeptierter Begriffe stützen, die mit festen Modellannahmen verbunden sind. Dazu gehören beispielsweise die Annahmen des CAPM, nicht aber die Begriffe n-Faktormodell, n-Indexmodell, Marktmodell und Marktfaktor. Eine formale Vorgehensweise mit klaren Definitionen und einer Trennung von Voraussetzungen (Annahmen) und Aussagen (Sätzen, Theoremen) scheint unabdingbar. Als uneingeschränkt vorbildlich für dieses Vorgehen kann eine Monographie des mit dieser Festschrift zu Ehrenden gelten.^^
A Anhang A . l Beweise A.1.1 Beweis von Theorem 1 Für einen beliebigen Gewichtsvektor w gilt im Ein-Faktormodell mit unkorrelierten Störvariablen V(w'Y) = {w'ßfYF
+ w'Dw,
C(w'Y,F)=w'/3VF und somit V(w'Y -F)=
V(w'Y) - 2C(w'Y, F)+YF
= {1- w'ßfYF
+ w'Dw.
Selbst wenn man w'ß = 1 wählt, gilt V(w'Y - F) > 0 wegen w'Dw > 0. Für eine Portfoliorendite, die sich wie der Marktfaktor verhält, müsste aber P(w'Y = F) = 1 und somit V(w'Y - F) = 0 gelten. ^^ Wilhelm, J, (1985).
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Stefan Huschens
A.1.2 Beweis von Theorem 2 Aus Gleichung (2) und der Unkorreliertheit von F und U folgt YF = V(w'Y) = V ( w ' a + w'/3F + w'U) - {w'ßfYF Andererseits folgt ßj = C{Yj,F)/YF von F und C/j, und daher gilt
^ "
VF
+ w'VUw.
für j = 1 , . . . , d aus der Unkorreliertheit
"
YF
~
VF
~
^ ^
wegen F = w ' Y . Da die Varianz-Kovarianzmatrix von Y regulär ist, gilt V F > 0, so dass die Gleichung V F = V F + w'VUw nur erfüllt werden kann, wenn VU nicht regulär ist. A.1.3 Beweis von Theorem 3 Für e := Y - fi gilt Es = O^xi und F = E F + w'e. Somit folgt aus der Bewertungsgleichung (7) die Gleichung Y = fioUxi + ß{F - w'e -ßo) + e.
(12)
Mit OL := /io(ldxi — ß) uiid U := e — ßWe folgt die Darstellung (8). Aus Ee = Odxi folgt EU = Orfxi. Außerdem gilt C ( U , F ) = 0 ^ x 1 , wegen C(U, F) = C(Y -OL-ßF,F)=
C(Y, F ) - C(/3F, F ) = /3VF -
ßYF.
A.1.4 Beweis von Theorem 4 Mit U aus Abschnitt A.1.3 lässt sich (12) in der Form (9) schreiben, so dass EU = C(U, F) = 0^+1 erfüllt ist. Aus der Zerlegung (4) für VY folgt VU = VY - ßß'YF. Aus ßj = C{Yj,F)/YF und F = w ' Y erhält man ^
wV^ VF
und damit VU = VY - /3w'VY = {Id - /3wOVY. A.2 Faktoren, Hauptkomponenten und stochastische Regressoren in der Statistik A.2.1 Faktoren in der statistischen Faktorenanalyse Die statistische Faktorenanalyse^^ ist ein multivariates Analyseverfahren, bei dem die Faktoren unbeobachtbare Variablen sind, die auch Konstruktvariablen genannt werden. Ein d-dimensionaler beobachtbarer Zufallsvektor Y ^^ Basilevsky, A. (1994), Mardia, K. V., J. T. Kent, J. M. Bihhy (1979, Kap. 9), Anderson, T. W. (1984, Kap. 14).
Faktorstruktur und Marktmodelle
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mit Erwartungswertvektor fx = E Y und regulärer Varianz-Kovarianzmatrix S = VY wird in dem linearen Modellzusammenhang Y = /x + BZ + U
(13)
erklärt durch einen p-dimensionalen unbeobachtbaren Zufallsvektor Z, den Vektor der so genannten gemeinsamen Faktoren mit p < d, und einen ddimensionalen unbeobachtbaren Zufallsvektor U, den Vektor der spezifischen Faktoren oder Einzelrestfaktoren. Die Koeffizienten der reellwertigen d x pMatrix B heißen Faktor ladungen. Die unbeobachtbaren Variablen heißen auch latente Variablen. Für den Vektor Z wird EZ = Opxi und VZ = Ip unterstellt, so dass die p gemeinsamen Faktoren standardisiert und unkorreliert sind. Für den Vektor U wird EU = O^xi angenommen und dass VU eine Diagonalmatrix D ist. Außerdem wird C(Z,U) = Opxdi d.h. die wechselseitige Unkorreliertheit der gemeinsamen und spezifischen Faktoren, vorausgesetzt. Es gilt dann das so genannte Fundamentaltheorem der Faktorenanalyse S = BB'-hD.
(14)
Die Varianz-Kovarianzmatrizen E und D sind positiv definit, was äquivalent zur Rangbedingung r(I]) = r(D) = d ist. Die Varianz einer Linearkombination mit nichtstochastischen Koeffizienten w ist V(w'Y) = w'Ew = w'BB'w + w'Dw. Definition 3 (p-Faktorstruktur). Der Zufallsvektor Y mit der regulären dxd- Varianz-Kovarianzmatrix S hat eine p-Faktorstruktur (im Sinn der Faktorenanalyse), falls sich E als Summe einer Varianz-Kovarianzmatrix V mit r(V) = p < d und einer Diagonalmatrix D mit positiven Diagonalelementen darstellen lässt, S = V + D. Eine wesentliche Voraussetzung ist p < d. Für p = d ist eine Zerlegung möglich, bei der die Diagonalmatrix D eine Nullmatrix ist, und man erhält z. B. die Hauptkomponentenstruktur von S in der Form E = B B ' . Bestimmte statistische Test- und Schätzverfahren setzen die Kenntnis der gesamten Wahrscheinlichkeitsverteilung voraus. Typischerweise wird dann unterstellt, dass (Z,U) (p-h d)-dimensional multinormalverteilt ist, woraus dann folgt, dass die Vektoren Y und U d-dimensional und Z p-dimensional multinormalverteilt sind. Die Faktorenanalyse führt zu einer Zerlegung der Varianz der beobachtbaren Variablen in zwei Varianzanteile. Der erste Varianzanteil, die so genannte Kommunalität, wird durch die gemeinsamen Faktoren erklärt. Der zweite Varianzanteil, die so genannte spezifische Varianz, geht auf den jeweiligen spezifischen Faktor zurück. Zwei häufig bei der Faktorenanalyse verwendete Verfahren zur Bestimmung der Faktorladungen sind die Hauptfaktorenanalyse"^^ ^^ Mardia, K. V., J. T. Kent, J. M. Bibby (1979, Kapitel 9.3), Brachinger, H. W., F. Ost (1996, S. 662).
30
Stefan Huschens
(principal factor analysis), die auch Hauptachsen-Faktorenanalyse genannt wird, und die Hauptkomponentenmethode der Faktorenanalyse^^, die beide eine zentrale Idee aus der Hauptkomponentenanalyse, vgl. Abschnitt A.2.3, nämlich die Eigenwertzerlegung (Spektralzerlegung, Jordan-Zerlegung)^^ einer symmetrischen Matrix, verwenden.^^ A.2.2 Faktoren in der Varianzanalyse In der Varianzanalyse (analysis of variance, ANOVA) ist ein Faktor eine erklärende unbeobachtbare Variable, welche die Gruppenzugehörigkeit der Beobachtungen festlegt. Der Name Varianzanalyse ist insofern irreführend, als das Ziel der Varianzanalyse nicht in der Analyse von Varianzen, sondern in der Analyse von Mittelwerten besteht. Allerdings beruht die Varianzanalyse methodisch auf geeigneten Varianzzerlegungen, die dem Verfahren den Namen gegeben haben. Bei der einfachen oder einfaktoriellen Varianzanalyse wird eine erklärte Variable in mehreren disjunkten Gruppen beobachtet, wobei der Faktor mit den Ausprägungen r = 1 , . . . , i?, auch Faktorstufen genannt, die Zugehörigkeit zu R verschiedenen Gruppen festlegt. Bei einer Varianzanalyse mit mehreren Faktoren kann man inhaltlich Treatmentfaktoren und Klassifikationsfaktoren (z.B. Geschlecht, Altersgruppen) unterscheiden. Bei den Treatmentfaktoren erfolgt eine zufällige Zuordnung der Untersuchungseinheiten zu den Behandlungsstufen. Ein Faktor in der Varianzanalyse spielt die Rolle einer beobachtbaren, diskreten Regressorvariablen. A.2.3 Hauptkomponenten Die Hauptkomponentenanalyse^^ (principal component analysis) ist eine multivariate Analysetechnik für einen d-dimensionalen Zufallsvektor Y mit fj, = EY, bei der als Hauptkomponenten spezielle unkorrelierte Linearkombinationen H = A ( Y - /x) der erklärten Variablen Y bezeichnet werden, die eine Darstellung der Form Y = /x -h B H
(15)
ermöglichen.
^^ Brachinger, H. W,, F. Ost (1996, S. 661). ^^ Vgl. Mardia, K. V., J. T. Kent, J. M. Bihhy (1979, Theorem A.6.4). "^^ Für eine Klärung des Zusammenhanges zwischen Hauptfaktorenanalyse und Hauptkomponentenanalyse siehe Schneeweiß, H. (1995), und Schneeweiß, H., H. Mathes (1995) und Mardia, K. V., J. T. Kent, J. M. Bihhy (1979, Kap. 9.3). ^^ Jollife, L T. (2002), Mardia, K. V., J. T. Kent, J. M. Bihhy (1979, Kap. 8), Anderson, T. W. (1984, Kap. 11).
Faktorstruktur und Marktmodelle
31
Die erste Hauptkomponente Hi ist dabei diejenige Linearkombination a'i(Y — /x), die unter Beachtung der Normierung a'^ai — 1 maximale Varianz besitzt. Die zweite Hauptkomponente H2 ist eine Linear kombination a2(Y — /LA), die bezüglich der Restriktionen a2a2 = 1 und a2ai = 0 maximale Varianz besitzt, die dritte Hauptkomponente maximiert die Varianz von a3(Y—/Lt) bezüglich der Restriktionen aßas = 1, a3a2 = a3ai = 0, usw. bis zur d-ten Hauptkomponente.^^ Die Hauptkomponenten sind endogene Variablen, da sie Linearkombinationen der erklärten Variablen sind. A.2.4 Stochastische Regressoren Die im Zusammenhang mit den Modellen der Kapitalmarkttheorie relevanten Regressionskonzepte sind diejenigen mit stochastischen Regressoren. Wenn die Zufallsvariablen X und Y eine gemeinsame Wahrscheinlichkeitsverteilung mit endlichen Varianzen haben, dann ist durch die RegressionskoefBzienten ^ : - ^ ^ ^ ,
a-EY-ßEX
(16)
und die Residualvariable U:=Y-a-ßX das lineare Regressionsmodell Y = a + ßX + U
(17)
definiert. Es gelten dann EU = 0 und C(X, f/) = 0. In (17) nennt man die Zufallsvariable X einen stochastischen Regressor.^^ Die lineare Funktion f2{x) = a-\-ßx mit a und ß aus (16) heißt auch Regression 2. Art, wobei /2(^) den Ausdruck E ( ( y — a — hX)'^\X = x) bezüglich a und b minimiert. Dagegen ist die Regression 1. Art von Y auf X durch die Funktion fi{x) = E ( y | X = x) gegeben, die in der Regel nicht linear ist. Dabei minimiert fi{x) den Ausdruck E ( ( y - /(x))2|X = x) bzgl. aller f{x). Für die Parameterschätzung wird in der Regel die weitergehende Annahme gemacht, dass die Zufallsvariablen X und U stochastisch unabhängig sind oder dass zumindest E{U\X) = EU und Y{U\X) = YU gilt. Häufig betrachtet man ein Modell für n unabhängige Beobachtungen (Xe, Yi) bedingt auf n fixierte Werte x i , . . . , x^. Es gilt dann Yi = a-{- ßxi -\-Si,
i = 1,..., n
Dazu sind die Eigenwerte und Eigenvektoren der Varianz-Kovarianzmatrix E = VY zu bestimmen. Mit der Diagonalmatrix A der in abnehmender Größe sortierten Eigenwerte und einer Matrix zugehöriger orthonormierter Eigenvektoren mit BB' = I gilt dann BA = EB, BAB' - E und B'EB = A. Für H = A(Y - /i) mit A = B' gilt VH = AEA' = B'EB = A. Vgl. für eine Einführung in die Theorie der linearen Regression mit stochastischen Regressoren Schönfeld, P. (1971, Kap. 8).
32
Stefan Huschens
mit Si := Yi-
{a + ßxi).
Es gilt E{si\Xi = Xi) = E{Ui\Xi = Xi) und Y{s\Xi = Xi) = Y{Ui\Xi = Xi). Mit den zusätzlichen Annahmen E{Ui\Xi = Xi) = 0 und Y{Ui\Xi = xi) = o^ für i = 1 , . . . , n, wobei die Varianzen nicht von den x-Werten abhängen dürfen, erhält man dann eine Standardform des linearen Regressionsmodells mit nichtstochastischem Regressor. Diese beiden zusätzlichen Annahmen folgen aus der stärkeren Annahme der stochastischen Unabhängigkeit von Xi und Vi oder ergeben sich, falls die [Xi^Yi) bivariat normalverteilt sind. Falls EU = 0 erfüllt ist, gelten für die drei Annahmen A: ,[/ und X sind stochastisch unabhängig', B: ,E{U\X) = 0' und C: ,C(X, C/) = 0' die Implikationen A =^ B und B = > C, während die Umkehrungen im Allgemeinen falsch sind.^^ Das folgende Beispiel soll die Problematik verdeutlichen. Die Zufallsvariablen Z und X seien standardnormalverteilt und stochastisch unabhängig. Für U := ZX'^ + X^ — 1 gelten dann im Modell
Y:=a-\-ßX-{-U zwar die Standardeigenschaften EU = 0, YU > 0 und C(X, U) = 0,^^ aber es gilt U\X = X ~ N{x^ — l,x^) und damit insbesondere E{U\X = x) = x'^ — 1 und Y{U\X = x) = x^. Somit gilt zwar EY = a + /?EX, aber nicht E{Y\X) = a -h ßX. Falls U und X bivariat normalverteilt sind, folgt A aus C, so dass dann die drei Annahmen A, B und C äquivalent sind. Die Unterscheidung dieser Annahmen ist wesentlich für die Erwartungstreue der Schätzer nach der Methode der kleinsten Quadrate im Modell mit stochastischen Regressoren, die unter schärferen Annahmen als C bewiesen wird.^4 Eine Verallgemeinerung von (17) mit d simultanen Gleichungen für die erklärten Variablen Y i , . . . , V^ und einer erklärenden Variablen X erhält man mit
ßj:=^i^^,
aj:=EYj-ßjEX,
Uj :^Yj - aj - ßjX
und Y = a -|- ßX + U, wobei Y, a , /3 und U die entsprechenden ddimensionalen Vektoren sind. Dann gilt EU = C ( U , X ) = O^xi- Di^ VarianzKovarianzmatrix VU ist nicht notwendig eine Diagonalmatrix, so dass die Residualvariablen aus verschiedenen Gleichungen korreliert sein können. Wenn die Residualvariablen nicht unabhängig sind, liegt das Modell der seemingly unrelated regressions (SUR-Modell) vor. In diesem Modell gelten die Varianzzerlegungen VY = ßß'YX + VU und V(w'Y) = {w'ß)'^YX + w'VUw. ^2 Vgl. dazu Ingersoll, J. E. (1987, S. 15) und Schönfeld, P. (1971, S. 20-21). ^^ Diese erhält man aus EX = EX^ = 0, EX^ = 1 und EX^ = 3. ^"^ Vgl. z. B. Schönfeld, P. (1971, S. 21) oder Frohn, J. (1995, S. 143), auch wenn z. B. Kahler, J. (2002, S. 126) - allerdings ohne Beweis und Quelle - behauptet, die Erwartungstreue der KQ-Schätzer folge aus der Unkorreliertheit von Regressor und Residuen und damit mit der Annahme C.
Faktorstruktur und Marktmodelle
33
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Effiziente Portefeuillestrukturen: von Harry Markowitz zur Kapitalmarktlinie Peter Steiner Universität Graz, Institut für Banken und Finanzierung, Universitätsstraße 15/F2, A-8010 Graz baf inQuni-graz,at 1
Einleitung
36
2
Voraussetzungen
37
3
Das Grundmodell
38
4
Das Minimumvarianzportefeuille
42
5
Spezielle Portefeuillevorgaben
44
5.1 5.2 5.3 5.4
Die Die Die Die
44 44 45 46
6
Zusammenfassung
48
A
Anhang
49
A.l A.2 A.3 A.4 A.5
Anhang Anhang Anhang Anhang Anhang
49 50 50 51 53
B
Abkürzungen
Struktur bei Vorgabe eines Portefeuilleertrags Struktur bei Vorgabe eines Portefeuillerisikos Linie risikoefiizienter Portefeuilles Struktur bei Existenz einer risikolosen Veranlagung
1 2 3 4 5
Literaturverzeichnis
54 54
36
Peter Steiner
1 Einleitung Die bahnbrechenden Arbeiten von Harry M. Markowitz (1952, 1959) gelten als Grundlage der modernen Portefeuilletheorie. Da bei den Zielsetzungen der Investoren nur zwei (monetäre) Kriterien unterstellt werden, nämlich Risk (gemessen in der Varianz der (Wertpapier-)Renditen) und Return (als erwarteter relativer Rückfluss), spricht man in diesem Zusammenhang auch vom mean-variance approach oder vom /i-cr-Prinzip. Diesem Ansatz ist bei Vorliegen annähernd normalverteilter (transformierter) Renditen-"^ nichts entgegenzusetzen - und man benötigt keine einschränkenden Annahmen bzgl. der Risiko-Nutzenfunktionen der Investoren. Ausgehend vom Zwei-Wertpapier-Fall werden folgende Überlegungen angestellt. OffensichtHch besitzt man im Zwei-Wertpapier-Fall nur einen Freiheitsgrad bei der Portefeuillebildung: Wird das Gewicht der ersten Portefeuillekomponente festgesetzt, so resultiert aus der Forderung, dass die Summe der Gewichte eins ergeben muss, sofort das Gewicht der zweiten Portefeuillekomponente und daraus folgt wiederum der Portefeuilleertrag und die Portefeuillevarianz. Durch entsprechende Umformung der oben genannten Beziehungen könnte nun eine beliebige Vorgabe gewählt werden - z . B . ein (erwarteter) Portefeuilleertrag r* oder ein bestimmtes Risikoniveau er* - und die restlichen Größen wie die Gewichte wi, W2 sowie app oder rpp ergeben sich zwangsläufig. Diese Aussagen lassen sich auf den P-Wertpapier-Fall folgendermaßen übertragen: Die Vorgabe einer bestimmten (erwarteten) Portefeuille-Rendite oder die Vorgabe eines bestimmten Risikoniveaus führt zu genau einem risikoefläzienten Portefeuille. Allerdings ist bei mehr als zwei Wertpapieren Folgendes zu beachten. Existiert bei zwei Wertpapieren genau eine Linie möglicher Portefeuilles, so existiert bei mehr als zwei Wertpapieren eine Fläche möglicher Portefeuilles. Abbildung 1 soll dies verdeutlichen.^ Wird eine bestimmte Rendite oder ein bestimmtes Risikoniveau gefordert, so ist die graphische Lösung dieses Problems gemäß Abb. 1 intuitiv einsichtig; risikoeffiziente Portefeuilles können nur auf der Umhüllenden liegen, wobei das Minimumvarianzportefeuille MVP (mit dem expected return EM und der Standardabweichung VM^/^) den Übergang von inferioren zu dominanten Portefeuilles markiert. Eine Renditevorgabe (Risikovorgabe) impliziert genau ein risikoeffizientes Portefeuille mit einem eindeutig bestimmbaren Risiko (Ertrag). Darüber hinaus muss gelten: Ein auf der Umhüllenden liegendes Portefeuille impliziert genau eine Tangente, welche die Return-Achse in einem bestimmten Punkt, dem intercept, schneidet. Es muss daher ein Zusammenhang zwischen (erwarteter) Portefeuille-Rendite, dem Portefeuille-Risiko und ^ Die übliche Transformation besteht aus dem Logarithmieren der Preis- bzw. Kursverhältnisse. ^ Eine (erste) analytische Herleitung findet sich bereits bei Merton (1972), der eine Lösung mit Hilfe der Kegelschnitttheorie gefunden hat. So spricht Merton von the frontier in meanvariance space is a parabola bzw. is a hyperbola im ^[r]-er-Raum.
Effiziente Portefeuillestrukturen
37
der Tangente bzw. deren Schnittpunkt mit der Return-Achse bestehen, da nur eine dieser Größen frei wählbar ist. Für risikoeffiziente Portefeuilles muss ferner gelten, dass die Renditevorgabe mindestens so groß sein muss wie die Rendite EM des Minimumvarianzportefeuilles bzw. allgemein gilt, dass die gewünschte Portefeuille-Varianz mindestens so groß sein muss wie die Varianz VM des Minimumvarianzportefeuilles. Ahnliches gilt für den intercept: Wird dieser als Zinssatz für risikolose Anlagen {= rp) interpretiert, muss für risikoeffiziente Portefeuilles rp < EM gelten.
E[rpF]
* - apF
Abb. 1. Fläche möglicher Portefeuilles In weiterer Folge werden die Zusammenhänge zwischen (erwartetem) Portefeuilleertrag, Portefeuillerisiko und Zinssatz für risikolose Anlagen untersucht, wobei die Größen EM und VM des Minimumvarianzportefeuilles besonders deutlich in den Vordergrund rücken.
2 Voraussetzungen Bei der Bestimmung von investorindividuellen optimalen Portefeuilles ist der Grad an Risikoaversion, dargestellt durch den Risk-Return Präferenzparameter 0 , maßgebend. Dieser kann auch als (individueller) Gleichgewichtsparameter zwischen übernommenem Risiko und Höhe des erwarteten Returns interpretiert werden. Mit Hilfe dieses Parameters können sämtliche portefeuillespezifischen Fragen in allgemeiner Form einheitlich gelöst werden, nämlich:
38
Peter Steiner
a) Wie lautet das optimale Portefeuille, wenn der Risk-Return Präferenzparameter bekannt ist? Dies ist sicherlich eine rein theoretische Frage, da Investoren in aller Regel ihre Nutzenfunktion nur hinsichtlich deren Eigenschaften spezifizieren können, nicht aber hinsichtlich der Höhe des Risk-Return Präferenzparameters. b) Wie lautet das optimale Portefeuille, wenn ein bestimmter (erwarteter) Portefeuilleertrag gefordert wird? Diese Frage scheint realitätsnäher zu sein - Investoren können sich hinsichtlich ihrer Renditevorstellungen vergleichsweise gut artikulieren; offen bleibt jedoch die Frage, ob bei vergleichsweise hohen Renditewünschen das zu übernehmende Risiko noch adäquat eingeschätzt werden kann. c) Wie lautet das optimale Portefeuille, wenn ein bestimmtes (Höchst-) Risikoniveau zur Bedingung gemacht wird? Diese Frage ist ebenfalls sehr realitätsnahe; in den letzten Jahren sind Investoren gegenüber Renditeschwankungen zunehmend sensibilisiert und Risiko- bzw. Risikomanagementkonzepte haben nicht nur in der akademisch-theoretischen Literatur längst ihren Einzug gefunden. OflFen bleibt hier jedoch die Frage, mit welchem (erwarteten) Return übernommenes Risiko „fair" abgegolten werden soll, was letztendlich in die Frage nach einem fairen Preis für das Gut Risiko mündet. d) Wie lautet das optimale Portefeuille, wenn zusätzlich die Möglichkeit einer risikolosen Veranlagung bzw. Verschuldung möglich ist? Die Möglichkeit einer zusätzlichen Veranlagung mit einem (nahezu) sicheren Return ist faktisch in jeder Volkswirtschaft gegeben; es stellt sich somit die Frage nach der optimalen AUokation zwischen einem riskless asset und einem Bündel bzw. Portefeuille von risky assets.
3 Das Grundmodell Bevor nun auf die eigentlichen Problemlösungen eingegangen wird, werden die Gleichungen für den Portefeuilleertrag und die Portefeuillevarianz (siehe Formel (1) bzw. (2)) angeschrieben; dabei wird das Symbol „~" für Unsicherheit vereinfachend unterdrückt: rpF = Yli^i
'^i'^i
w
= [wi,.,wp] X rp
bzw.
Xr
(1)
Effiziente Portefeuillestrukturen
39
ajyp = wl' a n + w^ • 0-22 + ... + w^ • app-\+ 2 . t(;i . t(;2 • (712 + 2 . t(;i • K;3 . cri3 + ... + 2 • 1(71 • t/;p . aip-\-\- 2 ' W2 ' Ws ' a23 + 2 ' W2 ' W4 ' a24 -\- '" -^ '^ ' ^^2 ' Wp ' <72P + P
p
(2)
+ 2 • wp-i • wp • (Jp-i-p = X l j ^ i X I =1 '^' • ^^ ' '^^i "^ Wi\
(711 . .. CTip
[wi,,.Wp] X
= uF X K X !(;,
X
api . .. crpp_
Wp \
wobei mit K die Varianz-Kovarianz-Matrix bezeichnet wird; die Elemente der H a u p t diagonale stellen die Varianzen dar, und d a für die Kovarianzen a^j = (Tji y i^j gilt, ist die Varianz-Kovarianz-Matrix K symmetrisch. Die Frage nach einem optimalen Portefeuille m ü n d e t in der Feststellung, dass - bei bekannter Risk-Return Präferenz - einerseits ein möglichst hoher erwarteter Ertrag, andererseits aber ein möglichst geringes Risiko gefordert sind, unter der Nebenbedingung, dass die Summe der Portefeuillegewichte eins ergeben soll: f f^PF -^ max y <7pp —^ min
^ v^^ ^-^i=i
N u n kann aber nicht gleichzeitig der E r t r a g maximiert und das Risiko minimiert werden, d a j a ein bestimmter E r t r a g ein bestimmtes Risiko impliziert und vice versa. Wird unterstellt, dass die Nutzenfunktion U eines (beliebigen) Investors k durch den (erwarteten) Portefeuilleertrag und die Portefeuillevarianz determiniert wird, so erscheint auch aus nutzentheoretischen Überlegungen nur eine gemeinsame Betrachtung des (positiven) Nutzens aus den Erträgen und des (negativen) Nutzens aus dem Risiko sinnvoll.^ Die Frage nach dem optimalen Portefeuille muss daher dahingehend beantwortet werden, dass eigentlich U^{rpF,cr'pp) zu optimieren ist. Dazu ist es aber notwendig, den funktionalen Zusammenhang {trade off) zwischen dem Portefeuilleertrag und der Portefeuillevarianz zu bestimmen. Zur Lösung dieses Problems wird auf einen Ansatz von Rubinstein (1973) zurückgegriffen. Der Zusammenhang zwischen E r t r a g , Risiko und dem (individuellen) G r a d an Risikoaversion wird im (r, cr^)-Raum durch einen Risk-Return Präferenzparameter 0^ bewerkstelligt und lautet: f/' {rpF,
4 F )
= &'' • rPF - cr%F-
(3)
Die Beziehung Nutzen = Risk-Return Präferenzparameter mal erwartetem E r t r a g minus Varianz ^ Neben dem Verwenden von Nutzenfunktionen finden sich alternative Lösungsansätze bzgl. Zielkonflikten unter anderem bei Merton (1972) oder Wilhelm (1974).
40
Peter Steiner
stellt somit im Ertrags-Varianz-Raum dar:
eine Gerade mit dem Anstieg
rpF = 7^ Qk 'U^
(l/G^)
+ 7'0k ^ • app.
Die Interpretation von 0 (in weiterer Folge wird vereinfachend der investorindividuelle Index k unterdrückt) ist vergleichsweise einfach: •
•
Geometrisch entspricht 0 dem Kehrwert des Anstiegs jener Nutzenindifferenzkurve, die an die Linie effizienter Portefeuilles (allerdings im (r, a^)R a u m ) gelegt wird. Ökonomisch bedeutet der Risk-Return Präferenzparameter, dass für eine Risikoeinheit mehr - ausgedrückt durch die Varianz - ein Mehrertrag in Höhe von ( 1 / 0 ) gefordert wird.
Im traditionellen (r, cr)-Raum ist diese Beziehung nichtlinear: Der Anstieg ergibt sich aus d rpF 2 • apF d apF 0 und steigt somit bei zunehmendem Portefeuillerisiko, gemessen in der Standardabweichung^. Wurde der (individuelle) Risk-Return Präferenzparameter bestimmt - die E r m i t t l u n g von 0 wird nachfolgend gezeigt, so kann das maximale Nutzenniveau aus der Beziehung U* = 0 ' rpF — a'pp gefunden werden. Die Konstruktion der Risiko-Nutzenfunktion ferenzkurve) ergibt sich aus crpF = + {0'rpF-
(Nutzenindif-
U* .1/2
wobei die Risiko-Nutzenfunktion an der Stelle app — 0 mit dem Wert C/* = 0'TpF „startet"^. Durch Variation von rpp^ rpp > [/*/©, können nun beliebig viele P u n k t e der Risiko-Nutzenfunktion im (r, cr)-Raum gefunden werden. Das Optimierungsproblem max f7(.,.) - siehe Formel (3) - lautet nun (man beachte, dass die Zielfunktion aufgrund der Varianz- bzw. Kovarianzbeziehungen nicht in linearer Form vorliegt; für den (einzig notwendigen!) LagrangeMultiplikator wird A geschrieben):
L = 0'rpF-
(jj>p - A • f Yli=i
'^i~^) max.
wobei sowohl rpp als auch a'pp durch die Gewichte Wi der Portefeuillekandid a t e n determiniert werden. ^ Anzumerken ist, dass eine explizite Darstellung nur von cr(r), nicht aber von r{a) möglich ist. ^ Da apF = 0 ein risikoloses Portefeuille impliziert, kann rpp an dieser Stelle nur den Zinssatz rp für risikolose Anlagen darstellen.
Effiziente Portefeuillestrukturen
41
Für die Lösung des Optimierungsproblems sind die partiellen Ableitungen nach Wi und A zu bilden und null zu setzen. Man erhält ( P -fl) - nun lineare - Gleichungen^: 0-ri
2 • (7ii ... 2 • (Jip 1
e-rp 1
2 • cpi ... 2 • dpp 1 1 ... 1 0
0.
Wp
X
Vereinfachend wird folgendes definiert: ^ 0 • ri ^ 0 • rp 1
A
Wird ferner mit C die um die Nebenbedingung erweiterte, zweifache VarianzKovarianz-Matrix bezeichnet, so kann geschrieben werden: C Xw =e und für die Gewichtungsstruktur erhält man: w = C~^ X e.
(4)
Bezeichnet man jene Elemente der inversen Matrix C~-^, die zu den zweifachen Varianzen-Kovarianzen korrespondieren, mit Vij (aufgrund der Symmetrie der Varianz-Kovarianz Matrix gilt auch für die inversen Elemente Vij = Vji) und die Elemente der letzten Zeile bzw. letzten Spalte (diese sind identisch) mit Qi bzw. 7, so erhält man: ^11 • • • viP
c-i =
9i
91
V Vpi . .. vpp 91
•"
gp
9P
9P
_9i ••• 9P 7
7 .
Die Elemente gi,i = 1 , . . . , P , summieren sich zu eins (siehe Anhang 1) und die Matrix V hat die Eigenschaft, dass die Zeilen- bzw. Spaltensumme der Vij jeweils null ergibt (siehe Anhang 2). Die Gewichtungsstruktur gemäß Formel (4) lautet demnach Wi
vn . • .
Wp
Vpi . .. Vpp
X
ViP
91 • "9P
" 0 • ri 1
9i'
gp
7 _
X
&
'rp\
1
\
Das Vorliegen von (P + 1) Gleichungen begründet sich durch die einzige Nebenbedingung. Allgemein erhält man bei n Nebenbedingungen (P -h n) Gleichungen.
42
Peter Steiner
bzw. als Gleichungssystem angeschrieben erhält man: ^^1 = ^1 + 0 • (^11 • ri + . . . + t^ip • rp) wp = gp-\-0'
{vpi • ri + . . . + ^PP • rp)
A == 7 + 6) • (pi • ri + . . . +
PP
• rp).
(5)
Vereinfachend wird nun die Summe der inversen Elemente der i-ten Zeile, multipliziert mit den entsprechenden (erwarteten) Returns, mit di definiert: di = ^
l,...,P.
Vij
(6)
Allgemein gilt somit: d=
Vx
(7)
Beziehung (5) kann nun wie folgt angeschrieben werden und für das Gewicht der i-teii Portefeuillekomponente in Abhängigkeit des Risk-Return Präferenzparameters & erhält man die allgemeine Lösungsgleichung: 'Wi = Qi + O 'di.
(8)
Werden ferner die Werte di mit den entsprechenden Erträgen r^ (nochmals) multipliziert und über alle Portefeuillekandidaten P aufsummiert, so erhält man eine Risk-Return spezifische Kennzahl, die in weiterer Folge mit RR bezeichnet wird: i;ii . ..
"^i]
Vip'
RR = 2_^._ di'ri = (ri...rp) x
= r^ xY xr. (9)
X
Vpi
, .. Vpp ^
_rp\
4 Das Minimumvarianzportefeuille Wie bereits an früherer Stelle argumentiert wurde, stellt & den Kehrwert des Anstiegs einer Tangente an die Linie der möglichen Portefeuilles im (r, cr^)Raum dar. Da im Minimumvarianzportefeuille der Anstieg der Tangente gegen unendlich strebt, gilt für den Risk-Return Präferenzparameter an dieser Stelle: 9
MVP
=1=0. OO
Somit lautet die Gewichtungsstruktur des Minimumvarianzportefeuilles: MVP
(10)
d. h. die Gewichte des Minimumvarianzportefeuilles sind aus der inversen Matrix C"-*^ direkt ablesbar und scheinen dort in der letzten Zeile bzw. in der
Effiziente Portefeuillestrukturen
43
letzten Spalte auf. Für den Ertrag EM des Minimumvarianzportefeuilles erhält man daher: EM = w^""
• n + ... + w^P
.TP = Y!',^^gi-n=g^x
r.
(11)
Da ferner gezeigt werden kann (siehe Anhang 3), dass das Element 7 der Matrix C~-^ die negative zweifache Varianz des Minimumvarianzportefeuilles darstellt, das heißt es gilt FM = - | , (12) bildet C"-*^ das Minimumvarianzportefeuille quasi perfekt ab und es kann geschrieben werden: MVP
>.-i
Vpi
... Vpp
MVP Wp^
Für den Lagrange-Multiplikator ergibt sich somit X = J + 9 • (gi • ri + ... + gp • rp) = -2-VM
+ 0-EM.
(13)
Zusammenfassend ist festzuhalten: Die Gewichtungsstruktur eines risikoeffizienten Portefeuilles ergibt sich allgemein aus Wi^wf^^
+ G'di.
(14)
Die drei Kennzahlen EM, VM und RR reichen aus, um sämtliche angesprochenen Fragen bzgl. optimaler Portefeuilles bei Vorgabe einer Zielgröße vergleichsweise sehr einfach zu lösen. Der wesentliche Vorteil besteht darin, dass keine weiteren Restriktionen'^ bei der Portefeuille-Optimierung explizit zu berücksichtigen sind, wie etwa die Nebenbedingung, dass •
bei Vorgabe einer bestimmten Portefeuille-Rendite die Summe der gewichteten Einzelrenditen gerade den geforderten Ertrag ergeben muss;
•
bei Vorgabe eines bestimmten Varianz- bzw. Sigma-Niveaus die Summe der quadratgewichteten Varianzen/Kovarianzen gerade das entsprechende Risiko-Niveau ergeben muss;
^ Sollen Leerverkäufe ausgeschlossen werden, so ist die Nicht-Negativitätsbedingung für die Gewichte wi zu beachten. Für den Risk-Return Präferenzparameter O muss nun gelten: O > —gi/di für c?« > 0 bzw. G < —gi/di für d* < 0.
44 •
Peter Steiner eine risikolose Veranlagung zu rp möglich ist; bei vordergründiger Betrachtung ist die Nebenbedingung Summe der Gewichte Wi = 1 mit i = 1 , . . . , P insofern zu modifizieren, als dass nun die Summe der Gewichte plus dem Gewicht des risikolosen Wertpapiers eins ergeben muss: Die Optimierung umfasst nun nicht mehr P , sondern P + 1 Portefeuillekandidaten plus einer Nebenbedingung. Allerdings scheitert diese Vorgehensweise daran, dass aufgrund des risikolosen Wertpapiers stets nur dieses als Minimumvarianzportefeuille in der Inversen der erweiterten Varianz-Kovarianz-Matrix aufscheint.
5 Spezielle Portefeuillevorgaben 5.1 Die Struktur bei Vorgabe eines Portefeuilleertrags Wird der vorgegebene Portefeuilleertrag mit r* bezeichnet, so ist für die rechnerische Lösung folgender Weg einzuschlagen: Man bestimme den zu r* gehörigen Risk-Return Präferenzparameter 0 und setze in die allgemeine Lösungsgleichung (14) ein; als Resultat erhält man die Gewichtungsstruktur jenes Portefeuilles, welches gerade rpp = r* impliziert. Aufgrund folgender Überlegungen kann der Parameter 0 ermittelt werden. Wird in der Ertragsgleichung (1) das Gewicht Wi gemäß Formel (14) substituiert, so resultiert daraus:
Nun stellt aber der erste Summenausdruck obiger Gleichung den Ertrag EM des Minimumvarianzportefeuilles dar (vergleiche dazu Formel (11)) und der zweite Summenausdruck wurde in Gleichung (9) mit RR definiert. Es kann daher vereinfachend geschrieben werden: r* = EM -h 0 . RR,
(15)
d. h. ein beliebiger geforderter Ertrag in Höhe von r* ergibt sich aus der Rendite des Minimumvarianzportefeuilles plus Risk-Return Präferenzparameter 0 mal Kennzahl RR. Durch Umformung obiger Gleichung erhält man den Parameter 0 in Abhängigkeit des geforderten Ertrags: r*
-EM
Sinnvollerweise soll r* > EM gelten, da anderenfalls wegen 0 < 0 ein risikoineffizientes Portefeuille erzeugt wird. 5.2 Die Struktur bei Vorgabe eines Portefeuillerisikos Wird das vorgegebene Portefeuillerisiko - gemessen in der Standardabweichung - mit er* bezeichnet, so ist für die rechnerische Lösung folgender Weg
Effiziente Portefeuillestrukturen
45
einzuschlagen: Man bestimme den zu a* gehörigen (positiven) Risk-Return Präferenzparameter 0 und die Gewichtungsstruktur ergibt sich durch Einsetzen von 0 in die allgemeine Lösungsgleichung (14). Bei der Ermittlung von 0 ist folgendermaßen vorzugehen. Aus der Gleichung für die Portefeuille-Varianz (vergleiche Formel (2)) und unter Berücksichtigung von Beziehung (14) für die Portefeuillegewichte folgt: ll/2 (j
=
E E • 1/2
E'' E"" (^
,MVP
+ 0.cZ,).(t/;f^^ + 0 . c i , ) . a ,
E.=, E,=, -f"" • -r" • -^.-+ö^ • E.=, E,=, ^ '^ • ^.- • -^ 1/2
+ 2-0-E
E
it;
MVP
• dn ' Gi
Der erste Ausdruck der eckigen Klammer ergibt die Varianz VM des Minimumvarianzportefeuilles (vergleiche dazu Formel (12)). Für den zweiten bzw. dritten Ausdruck gilt (siehe Anhang 4 bzw. Anhang 5):
bzw.
ELE'-r"-^.-^i
0.
Somit ergibt sich zwischen einem geforderten Risikoniveau er* und dem RiskReturn Präferenzparameter 0 folgender Zusammenhang: 1/2
+ (VM + 0 2 . ^ )
(17)
Wird obige Beziehung nach Q aufgelöst, so erhält man als Lösung für den Parameter G in Abhängigkeit eines geforderten Portefeuille-Risikos von a*: 1/2
{(y*y
e=+
-VM\
RR
(18)
Wie aus Gleichung (18) ersichtlich ist, muss hier gelten, dass das geforderte Risikoniveau mindestens so groß ist wie die Varianz des Minimumvarianzportefeuilles, d.h. (ö-*)2> VM. 5.3 Die Linie risikoefflzienter Portefeuilles Werden die Beziehungen (15) und (16) bzw. (17) und (18) gemeinsam betrachtet, so erhält man:
46
Peter Steiner 1/2
rpF - EM _ RR
/2'{a%p.-VM)\
~ ^ ~ \
RR
)
bzw. rlpF-2' Im Risk-Return
rpF • EM + EM'^ = 2 - RR-a^p-2
RR- VM.
Raum erhält m a n somit die Beziehung rpF = EM-^[2'RR'
{a^p - VM)] ^'^
(19)
bzw.
4. = vM+(-|:JS!.
(20)
5.4 D i e S t r u k t u r b e i E x i s t e n z e i n e r r i s i k o l o s e n V e r a n l a g u n g Abbildung 2 demonstriert die graphische Lösung, wenn zusätzlich eine risikolose Veranlagung möglich ist.^ A n dieser Stelle ist zu erwähnen, dass nachfolgende Ausführungen als Alternative zur E r m i t t l u n g der Kapitalmarktlinie im Sinne des Capital Asset Pricing Model - angesehen werden können.^ Die Linie möglicher Portefeuilles zwischen dem risikolosen Wertpapier mit dem E r t r a g rp u n d der Standardabweichung ap = ^ u n d einem beliebigen Portefeuille PFH m i t dem E r t r a g rn u n d der Standardabweichung an stellt im (r, (7)-Raum eine Gerade d a r (nicht hingegen im Return-Varianz-Raum): Return
= ty • r / j -f- (1 — ^i^) • r^?
bzw. w =
Return
rn-rp
— rp ; 1 /9
Sigma
= \w^ - a%-\-{1 - wf - 0+ 2 - w - {1 - w)-ol Return rn
=
— rp -rp
Die explizite Berücksichtigung des ( P + l ) - t e n Wertpapiers bei der Optimierung scheitert daran, dass dieses Wertpapier risikolos ist. Abgesehen davon, dass die Inverse der Varianz-Kovarianz-Matrix nicht existiert, wird aufgrund von varlrp] = cov[rF;ri] = 0 das Minimumvarianzportefeuille zu 100% aus dem riskless asset gebildet und man erhält keine Information bezüglich der varianzminimierenden Zusammensetzung der risky assets. ^ In der Literatur wird - chronologisch-historisch bedingt - gerne von der Kapitalmarktlinie und Tobin-Separation einerseits und Beta und CAPM bzw. Beta und Sharpe/Lintner/Mossin andererseits gesprochen. Während z. B. Spremann (2003) diese Trennung konsequent beibehält, werden bei anderen Autoren die Herleitungen der Kapitalmarktlinie (im £^[r]-o--Raum) und der Wertpapiermarktlinie (im jEJ[r]-/3-Raum) mit einer gewissen Nonchalance verknüpfend dargestellt; siehe dazu beispielsweise Copeland/Weston/Shastri (2005) oder Elton/Gruher/Brown/Goetzmann (2003).
Effiziente Portefeuillestrukturen
47
E[rpFl
Abb. 2. Optimales Portefeuille unter Berücksichtigung einer risikolosen Veranlagung Daraus folgt die (bekannte) Beziehung Return
rp H
• oigma^ CTH
wobei der Anstieg k durch {rH—f^F)/<^H determiniert ist. Da sowohl im Ertrag TH als auch in der Standardabweichung (TH der Term & enthalten ist (siehe dazu die Beziehungen (15) und (17)), kann auch geschrieben werden: EM + 0'RR-rp Return = rp -\-k - Sigma = rp -{Sigma. (VM + 02.JRi?/2)^/^ Nun kann durch Drehung dieser Geraden bis zum Tangentialpunkt - Nutzenmaximierung vorausgesetzt -jenes riskante Portefeuille PF* gefunden werden, welches die optimale Kombination mit der risikolosen Anlage darstellt. Für die rechnerische Lösung ist in einem ersten Schritt der Anstieg k zu maximieren, d. h. es muss gelten: dk . . (fk ^ < 0 . d02 Dies führt nach einigen Schritten zu VM + 0^ •
RR
{EM
-{-0'RR-rp)==O.
Wird diese Beziehung nach 0 aufgelöst, so erhält man zwischen dem RiskReturn Präferenzparameter und dem Zinssatz für risikolose Anlagen folgenden Zusammenhang:
48
Peter Steiner
2-VM (21) EM -rp' Wie leicht nachgeprüft werden kann, ist die Bedingung zweiter Ordnung für ein Maximum {(Pk/dG'^ < 0) erfüllt, falls EM > rp gilt. Wird ferner Beziehung (21) nach rp aufgelöst, so erhält man für einen gegeben Risk-Return Präferenzparameter © den (gleichgewichtigen) Zinssatz für risikolose Anlagen: G =
rF = EM -
2-VM 0 '
(22)
Die Beziehung zwischen rp und 0 impliziert ein Portefeuille, das von investorindividuellen Risiko-Nutzeneinstellungen unabhängig ist: Es ergibt sich aus der Linearkombination der sicheren Anlage mit dem Tangentialportefeuille PF* (Tobin-Separation; Tobin (1958)), ist offensichtlich das einzige risikoeflB.ziente Portefeuille und stellt (bei homogenen Erwartungen) das Marktportefeuille dar. Wilhelm (1983) hat dieses wie folgt sehr treffend charakterisiert: „Das Marktportefeuille ist die gedankliche Zusammenfassung aller am Markt ausstehenden Finanztitel der Art und der Stückzahl nach zu einem Portefeuille".
6 Zusammenfassung Abschließend kann festgehalten werden: Unabhängig von bestimmten Portefeuillevorgaben beschränkt sich der eigentliche Optimierungsvorgang auf das Invertieren einer (zweifachen) Varianz-Kovarianz-Matrix, erweitert um eine Zeile bzw. eine Spalte. Das Generieren von Isoexpected Return Lines oder Isovariance Ellipses, wie beispielsweise in Haugen (2001) für den DreiWertpapier-Fall gezeigt wird, kann entfallen; darüber hinaus besitzt dieser Ansatz den Vorteil, dass - sieht man vom rechnerischen Aufwand der MatrixInvertierung ab - die Optimierung auf beliebig große Portefeuilleumfänge ausgedehnt werden kann: Die Ermittlung der interessierenden Portefeuilledaten wie Portefeuille-Return und Portefeuille-Varianz ist unabhängig vom Portefeuilleumfang; lediglich der Rechenaufwand bzgl. der Ermittlung der optimalen Portefeuillegewichte steigt linear mit der Anzahl der Portefeuillekandidaten. Obige Aussagen werden noch zusammenfassend dargestellt: Die Inverse der erweiterten, zweifachen Varianz-Kovarianz-Matrix liefert die wesentlichen Daten Gewichtungsstruktur w^^^^ und Varianz VM des Minimumvarianzportefeuilles: W
2 • (Jii ... 2 • (Jip 1 2 -CTpi ... 2 • (Tpp 1 1 ... 1 0 w
MVP
W
MVP
MVP
-2'VM
Effiziente Portefeuillestrukturen
49
In Verbindung mit Gleichung (14) erhält man nun jene Gewichtungsstruktur, die ein optimales, das bedeutet risikoeffizientes Portefeuille impliziert: •^MVP-
fwi
'dl-
+ 0\_Wp
dp
_W^P_
Werden zusätzlich die Kennzahlen EM und RR ermittelt, so kann bei Vorgabe entweder einer Portefeuillerendite in Höhe von rpp^ eines Portefeuillerisikos von (7PF oder eines Zinssatzes für risikolose Anlagen in Höhe von rp der RiskReturn Präferenzparameter & bestimmt werden, wodurch sich wiederum die jeweils anderen relevanten Größen ermitteln lassen: Vorgabe/Ermittlung
Parameter
rpF=EM-\-9'
r\ _ rpF — EM ^ — RR
RR
_
RR\V'^ e^'^)
apF = {VM +
f%{<jl^-VM)\
9 =
rp^EM-^^
1/2
RR
2'VM EM-rp
9
Eine Betrachtung des Portefeuille-Returns als Funktion des PortefeuilleRisikos - rpp = rpp{apF) - ermöglicht die Darstellung der Linie effizienter Portefeuilles: rpp = EM-\-[2'RR' (a^p - VM)] ^^^ .
A Anhang A . l Anhang 1
E
P i=l
9i = ^'
Da die inverse Matrix C ^^ multipliziert mit der Matrix C, die Einheitsmatrix E ergibt, d.h. 91 V
2 K
X
9P
9i ' 9P
1 _
_1
.
r 1 1 0
=
" 1 0 - 0 0 0 0
• 0 1
folgt aus der Multiplikation der letzten Zeile von C"-"- mit der letzten Spalte von C: V. p i - l + 7 . 0 = l, d.h. 5 ^ x 1 = 1. D
50
Peter Steiner
A.2 Anhang 2
E
P
Vij = 0 ,
j = 1, . . . , P .
Eine Betrachtung von ^px(p^i)^ multipliziert mit dem (-P+ l)-ten Spaltenvektor von C, und dem daraus resultierenden P-dimensionalen Null-Vektor, also von "1" "Ol ^11 ViP 9i =
X
1 _0_
vpp gp_
Vpi
_oJ
liefert: ^j=i
% • 1 + Pi • 0 = 0,
i = 1,.., P.
Daraus - und aufgrund der Symmetrie - resultiert yP
^r-^P
Y^ =1 ^^^' ^ Yi=i '^'^ ^ ^'
^'-^"" •^' •••' ^'
d.h.: V X1 = 0
bzw.
1^ X V = 0^ D
A.3 Anhang 3 Zu zeigen ist:
7 = -2-VM
VM = - 7
bzw.
Die Varianz VM des Minimumvarianzportefeuilles erhält man allgemein aus der Beziehung P
p
VM = ^.^^
'llj=i
^'' ^'^ 'gj=g^
xKxg,
Eine Betrachtung des letzten Zeilenvektors der Matrix C"-*^, multipliziert mit der C(p+i)xp-Matrix, und dem dazugehörigen P-dimensionalen Null-Vektor als Resultat, also von 2 • (Tu • • • 2 • (Jip
[91
9P 7
= [o...o],
X
2 ' api
1
• 2 • cfpp
•
1
Effiziente Portefeuillestrukturen
51
liefert 2 • 2 ^ . ^ ^ pi • cr^^- + 7 • 1 = 0,
j = 1,...,
und daraus folgt
Somit gilt allgemein: g' X K = - 7 ^ •r
bzw.
K X^= -^ •1
und man erhält daher folgende Struktur: du {91
92
...
'
(Jip
cTpi .
app
9p) X
"~ V
2
2 •••
2J •
Die Multiplikation des Gewichtungsvektors g mit einer beliebigen Spalte der Varianz-Kovarianz-Matrix führt immer zum gleichen Ergebnis —7/2, wobei 7 jenes Element der inversen erweiterten zweifachen Varianz-Kovarianz-Matrix darstellt, das an der Stelle (P-|- 1) x ( P + 1) platziert ist. Für die Varianz des Minimumvarianzportefeuilles muss daher gelten:
<7li
= {91 92 "'9p)
V
2
-1
7 2
2
(Jip
' 9i'\ X
CTpi
(-1
.
X
Jp\
. crpp_
)x
=
7 2 D
A.4 Anhang 4
E
P
^r-^P .P 2_^
. .
di'dj'CFij
=
RR
Werden die Elemente des Vektors d aufsummiert, so erhält man:
E , = i ^^' = ^1 • E , = i ^^1+-+''p' E , = i ""^pDa gemäß Anhang 2 gilt: V x 1 = 0, resultiert daraus ^p
52
Peter Steiner
d. h. es gilt: d^ X 1 = 0. Betrachtet m a n die Doppelsumme
E
p
p y^
z=l '
di ' dj ' aij = d^ X K X d,
•^j'=l
so lässt sich gemäß Formel (7) der Vektor d durch V x r ersetzen u n d m a n erhält:
d^xKxd
=
Aus der B e t r a c h t u n g von ^^]^(PA.I)
d'^xKxYxr, X C ( P + I ) X P = ^PXP,
1 0
2-ö'ii • • • 2-(7ip vn
viP 91
vpi ' ' ' vpp gp
2'Crpi • • • l'CTpp 1 ••• 1
also von
0
0
. . . O l
ergibt sich folgendes Resultat: Die Multiplikation der z-ten Zeile von C p ^ . p ^ w i < P, m i t der j - t e n Spalte von C(p_^i)xP? j ^ -P? liefert: ^ P
-Qi
1
für
ij^k
1 — Qi für i = k Das führt zu folgender Aussage: Wird die M a t r i x V m i t der Matrix K multipliziert, erhält m a n die Matrix (1/2) • G : t^ii . . vip
c^ii • • cTip
1
"(l-Ö'i) -Pi -5'2 (1 - 92)
-91 -92
2 * Vpi . . Vpp
-9P
cTpi . . app
Es gilt daher: V XK = -G 2
bzw. K X V = ^ G ^ . 2
N u n kann aber auch geschrieben werden:
-9P
(1-^p)
Effiziente Portefeuillestrukturen (f xKxd
= d^ xKxV =
53
xr
-'(fxG^xr
2
^i-Yli=i9i'ri = - • [dl...dp] X
d^ X r - ( ^
_ Qi-rA
l'{d^ xr-EM'd^x
'd^ X 1
1).
Da jedoch d^ x 1 = 0 ist, folgt daraus: RR 2* D A.5 Anhang 5
Zu zeigen ist:
p
p
YJ
Y].
wf^^-dj-a^j
= 0.
Betrachtet man die Doppelsumme >P
^—^P
P
.r-^P
E,=i E,=i ^^'^'^ • ^i • ^^^' = E,=i E,-^i ^^ • ^^- • ^^^^ so kann aufgrund von K x ^f = ~ i * 1 (siehe Anhang 3) auch geschrieben werden: ^P
v-^P
Da aber gemäß Anhang 4 gilt: d^ X i = 0, folgt für obige Doppelsumme: >P
'«-^P
n^^o
v-^P
'C-^P
D
Peter Steiner
54
B Abkürzungen C d
EM G
7 K A P
rp rpF (TpF CTij
VM w;wi
erweiterte, zweifache Varianz-Kovarianz-Matrix mit der Dimension ( P + 1 ) X ( P + 1 ) P-dimensionaler Vektor; resultiert aus der Multiplikation der Matrix V mit dem Renditevektor r ( P + l)-dimensionaler Vektor; resultiert aus dem erweiterten Renditevektor r (erwarteter) R e t u r n des Minimumvarianzportefeuilles (Hilfs-) Matrix mit der Dimension P x P (Gewichtungs-)Vektor mit der Dimension P ; Elemente der letzten Zeile bzw. letzten Spalte der Inversen der Matrix C Element der Hauptdiagonalen an der Stelle ( P + 1) x ( P + 1 ) der Inversen der Matrix C Varianz-Kovarianz-Matrix mit der Dimension P x P Lagrange-Multiplikator Anzahl der Portefeuillekandidaten Renditevektor mit der Dimension P ; Rendite der i-ten Portefeuillekomponente Zinssatz für risikolose Anlagen Portefeuillerendite Standardabweichung der Portefeuillerendite Kovarianz zwischen den Renditen der i-ten und der j - t e n Portefeuillekomponente Risk-Return Präferenzparameter (Teil-)Inverse der Matrix C mit den Elementen Vij und der Dimension P x P Varianz des Minimumvarianzportefeuilles Gewichtungsvektor mit der Dimension ( P + 1); Gewicht der i-ten Portefeuillekomponente, z = 1 , . . . , P
Literaturverzeichnis Breuer, Wolfgang; Gürtler, Marc; Schuhmacher, Frank (1999): Portfoliomanagement. Wiesbaden, Gabler. Copeland, Thomas E.; Weston, John F.; Shastri, Kuldeep (2005): Financial Theory and Corporate Policy. 4th ed., Addison Wesley. Elton, Edwin J.; Gruber, Martin J.; Brown, Stephen J.; Goetzmann, William N. (2003): Modern Portfolio Theory and Investment Analysis. 6th ed., John Wiley. Haugen, Robert A. (2001): Modern Investment Theory. 5th ed., Upper Saddle River, Prentice Hall. Lintner, John (1965): The Valuation of Risk Assets and the Selection of Risiky Investments in Stock Portfolios and Capital Budgets. In: The Review of Economics and Statistics, Vol. 47, 13-37. Markowitz, Harry M. (1952): Portfolio Selection. In: The Journal of Finance, Vol. 7, 77-91.
Effiziente Portefeuillestrukturen
55
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Zur Rationalität des Prinzips der nachhaltigen Planung Gerhard Speckbacher Wirtschaftsuniversität Wien, Institut für Unternehmensführung, Nordbergstraße 15, A-1090 Wien gerhard. speckbacherQwu-wien. a c . a t
Gliederung 1
Einführung
58
2
Kontextunabhängigkeit von Präferenzen als Rationalitätspostulat
59
3
Das Prinzip der Nachhaltigkeit
61
4
Utilitarismus vs. Nachhaltigkeit im Kontext intergenerationaler Verteilungsprobleme
62
Nachhaltige Planung und Kapitalwertkonsistenz bei Finanzinvestitionen
67
Ein einführendes Beispiel Modellorientierte Analyse
67 69
5 5.1 5.2
Literaturverzeichnis
72
58
Gerhard Speckbacher
1 Einführung Intertemporale Investitions- und Konsumplanungsprobleme sind hinsichtlich aller Sektoren einer Ökonomie von Bedeutung. Ebenso wie Individuen zwischen sofortigem Konsum und Ersparnisbildung abwägen, haben Unternehmen zwischen zusätzlichen Investitionen und zusätzlicher Dividendenausschüttung zu wählen, und staatliche Institutionen müssen entscheiden, in welchem Umfang heute Ressourcen verbraucht werden können, ohne die Entwicklungsmöglichkeiten zukünftiger Generationen zu gefährden. In ökonomischen Entscheidungsmodellen erfolgt der Vergleich unterschiedlicher Entscheidungsalternativen üblicherweise anhand der induzierten intertemporalen Konsumprofile bzw. anhand der aus einer subjektiven Bewertung resultierenden Konsumnutzenprofile. In aller Regel wird hierbei das Nutzenkonzept zugrunde gelegt, d. h. es wird angenommen, jedem intertemporalen Konsumprofil (oder Konsumnutzenprofil) könne ein numerischer Wert zugeordnet werden, dessen Höhe die Vor Ziehenswürdigkeit des jeweiligen Profils zum Ausdruck bringt. Normative Ansätze, bei denen ein Vergleich von Alternativen allein anhand der durch eine (reellwertige) Wohlfahrtsfunktion aggregierten, subjektiv bewerteten Konsequenzen für die Betroffenen erfolgt, werden als utilitaristische Ansätze bezeichnet.^ Auf einzelwirtschaftlicher Ebene werden Ansätze, bei denen die Entscheidung ausschließlich anhand der mit einem Nutzenwert bewerteten Entscheidungskonsequenzen erfolgt, als Nutzenmaximierungsansätze bezeichnet. ^ Obwohl der utilitaristische Ansatz im Bereich der Wirtschaftswissenschaften nach wie vor der vorherrschende normative Ansatz ist, fanden auch alternative Prinzipien Eingang in die ökonomische Theorie, wobei insbesondere im Zusammenhang mit intergenerationalen Verteilungsproblemen Gleichheitsnormen betont werden.^ Daneben spielen Gleichheitsnormen auch auf Unternehmensebene und auf individueller Ebene eine wichtige Rolle. So ist die Forderung nach Kapitalerhaltung als intertemporale Gleichheitsnorm in Bezug auf die Kapitalbasis eines Unternehmens interpretierbar. Ebenso sind Gleichheitsforderungen in Bezug auf die Vermögensentwicklung (intertemporale Vermögenserhaltung) oder Gleichheitsforderungen in Bezug auf das intertemporalen Konsumprofil (etwa im Sinne einer „Maximin-Regel") von praktischer Relevanz für individuelle Konsumentscheidungen. Der vorliegende Beitrag problematisiert zunächst die dem Wohlfahrtsbzw. Nutzenmaximierungsansatz zugrunde liegende Bedingung der Kontextunabhängigkeit von Präferenzen und verdeutlicht, dass diese Bedingung gerade bei „prinzipiengeleitetem Verhalten" häufig nicht erfüllt ist (Abschnitt 2). ^ Einen Überblick zu utilitaristischen Ansätzen bietet Gorovitz (1971). Zur Kritik des Utilitarismus, vgl. insbesondere Sen/Williams (1982). ^ Zur Anwendung von Nutzenmaximierungsansätzen in der Portfolioplanung vgl. Wilhelm (1980). ^ Vgl. dazu Phelps/Riley (1978), Epstein (1986), Asheim (1991) oder Hellwig/Speckbacher (1995).
Zur Rationalität des Prinzips der nachhaltigen Planung
59
Anschließend wird das Prinzip der nachhaltigen Planung als intertemporale Gleichheitsbedingung motiviert, die sich auf Konsum (nutzen) profile (konsumorientierte Nachhaltigkeit) oder auf die Entwicklung des eingesetzten, physisch gemessenen oder bewerteten Kapitalstocks (kapitalstockorientierte Nachhaltigkeit) beziehen kann (Abschnitt 3). In einem linearen StandardWachstumsmodell werden beide Ausprägungsformen des Nachhaltigkeitsprinzips operationalisiert und deren Vereinbarkeit mit dem utilitaristischen Ansatz der intertemporalen Nutzen- bzw. Wohlfahrtsmaximierung untersucht. Interessanterweise zeigt sich, dass die Forderung nach konsumorientierter Nachhaltigkeit einen Grenzfall des Wohlfahrts- bzw. Nutzenmaximierungsansatzes darstellt, während das Prinzip der kapitalstockorientierten Nachhaltigkeit kontextabhängige Präferenzen induziert und daher mit dem Nutzen- bzw. Wohlfahrtsmaximierungsansatz in fundamentaler Weise unvereinbar ist (Abschnitt 4). Abschließend wird dann in einem sehr einfachen Modellrahmen zur Finanzanlagenplanung ein spezielles Entscheidungskriterium zur nachhaltigen Planung diskutiert, welches die Forderung nach Kapitalerhaltung mit einer plausiblen Bedingung der Kapitalwertkonsistenz kombiniert (Abschnitt 5).
2 Kontextunabhängigkeit von Präferenzen als Rationalitätspostulat Unabhängig davon, welche konkrete Nutzenfunktion zugrunde gelegt wird, ist mit dem Nutzenmaximierungsansatz (utilitaristischer Ansatz) eine bestimmte Rationalitätsauffassung verbunden. Fundamentaler Bestandteil dieser Rationalitätsauffassung ist die Forderung, dass die Anordnung von je zwei zulässigen Alternativen (in den üblichen konsequenzialistischen Ansätzen identifiziert durch Ergebnisse bzw. Entscheidungskonsequenzen, z. B. Konsumbündel oder intertemporale Konsum (nutzen) profile) unabhängig davon sein muss, welche Alternativen in einer speziellen Entscheidungssituation sonst noch zulässig sind. Ein Entscheidungsverhalten wird nur dann als rational bezeichnet, wenn die Präferenz bezüglich Alternativen unabhängig vom speziellen Entscheidungskontext ist. Bei der Anwendung des Nutzenmaximierungsansatzes wird also vorausgesetzt, dass alle denkbaren Alternativen (durch eine Nutzenfunktion) konsistent angeordnet werden können, und die Anordnung zweier zulässiger Alternativen darf nicht davon abhängen, welche Teilmenge aus der Gesamtheit von Alternativen in einer speziellen Situation (neben diesen beiden Alternativen) zulässig ist. Insbesondere darf sich die Präferenz bezüglich zweier bestimmter, zulässiger Alternativen nicht ändern, wenn Alternativen wegfallen oder zusätzliche Alternativen hinzukommen. Die Kontextunabhängigkeit der Präferenzen im hier verwendeten Sinne ist offensichtlich eine notwendige Voraussetzung für die Darstellbarkeit von Präferenzen durch eine Nutzenfunktion. Von Kritikern dieser in der ökonomischen Theorie vorherrschenden Rationalität sauffassung wird angeführt, dass das Konzept kontextunabhängiger
60
Gerhard Speckbacher
Präferenzen sowohl in deskriptiver als auch in präskriptiver Hinsicht nicht haltbar ist.^ Zum einen zeigen zahlreiche Beispiele aus der Entscheidungspraxis, dass Handlungsalternativen in verschiedenen Entscheidungskontexten unterschiedlich angeordnet werden, zum anderen ist auch aus Sicht der präskriptiven Entscheidungstheorie unklar, warum kontextabhängiges Entscheidungsverhalten generell als irrational oder unvernünftig bezeichnet werden sollte.^ Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass rationales Verhalten in der Psychologie - im Gegensatz zu dem in der ökonomischen Theorie verbreiteten kontextunabhängigen Rationalitätsbegriff - üblicherweise situationsbezogen definiert wird.^ Häufig wird betont^, dass insbesondere „prinzipientreues" Verhalten der dem Nutzenmaximierungsansatz zugrunde liegenden Auffassung von Rationalität widerspricht. Anschaulich klar wird dies durch ein sehr einfaches Beispiel von Sen (1993), wonach das Prinzip, als Gast von einem angeschnittenen Kuchen nie das größte Stück zu nehmen, zu irrationalen Präferenzen im Sinne der üblichen ökonomischen Rationalitätsauffassung führt, obwohl das zugrunde liegende Verhalten begründbar, intersubjektiv nachvollziehbar und allgemein akzeptiert ist. W i r d in jeder Situation von den jeweils wählbaren Kuchenstücken auf keinen Fall das größte gewählt u n d werden die restlichen Stücke ihrer Größe nach präferiert, so ist die Anordnung von jeweils zwei Stücken kontextabhängig, d. h. sie hängt davon ab, ob eines der beiden Stücke das in dieser Situation insgesamt größte Stück ist. Das Entscheidungsverhalt e n ist also im Sinne der in der Ökonomie üblichen Rationalitätsauffassung irrational und insbesondere nicht durch eine Nutzenfunktion auf der gesamten Alternativenmenge (Menge aller Kuchenstücke von beliebiger Größe) charakterisierbar.^ Zum Rationalitätsparadigma in der Ökonomie, vgl. etwa Hogarth/Reder (1986). Zur Kritik, vgl. auch Sen (1993), Elster (1985) oder Anand (1993). Bei Sen (1993) und Anand (1993) findet sich auch der Begriff der Kontextabhängigkeit. Unabhängig davon kann Rationalität natürlich als kontextunabhängiges, an gewissen Axiomen orientiertes Entscheidungsverhalten definiert werden. Eine solche Definition ist aber offensichtlich willkürlich, obwohl zumindest die Wirtschaftstheorie durch diese Gleichsetzung von rationalem und kontextunabhängigem Verhalten entscheidend geprägt wurde (man denke etwa an die grundlegende und sehr einflussreiche Arbeit von Richter (1966)). Vgl. z.B. Simon (1986). Vgl. etwa Coughlin (1991), Elster (1985) oder Sen (1993). Dies zeigt sich bereits bei Betrachtung einer Grundgesamtheit von drei möglichen Kuchenstück-Größen („klein", „mittel", „groß"). Während in einer Situation, in der alle drei Kuchenstücke zulässig sind, das mittelgroße gegenüber dem kleinen Stück präferiert wird, wird in einer Situation in der nur das mittelgroße und das kleine Stück zur Wahl steht, gemäß dem obigen Höflichkeitsprinzip das kleine Stück gewählt. Die Präferenz auf der gesamten Alternativenmenge ist also nicht konsistent mit der Präferenz auf einer Teilmenge. Es kann daher insbesondere keine reellwertige Nutzenfunktion u{x) mit x ^ { „klein", „mittel", „groß"} geben, da ifc(„klein") > ^/(„mittel") und zugleich iA(„mittel") > ii(„klein") gelten müsste.
Zur Rationalität des Prinzips der nachhaltigen Planung
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Der folgende Abschnitt verdeutlicht, dass auch das Prinzip der kapitalstockorientierten nachhaltigen Planung kontextabhängige Präferenzen und damit inkonsistentes Entscheidungsverhalten im Sinne der in der Ökonomie üblichen Rationalitätsauffassung induziert, sofern sich die Nachhaltigkeitsforderung auf die Erhaltung des Kapitalstocks bzw. des (Anfangs-)Vermögens bezieht. Insbesondere gibt es keine Nutzenfunktion auf der Menge nichtnegativer intertemporaler Konsumpläne, die mit nachhaltiger Konsumplanung kompatibel ist. Im Sinne der in der Wirt Schaftstheorie üblichen Sichtweise liegt damit einer nachhaltigen Konsumplanung nicht maximierendes Verhalten zugrunde.^ Bezieht sich die im Nachhaltigkeitsprinzip zum Ausdruck kommende Gleichheitsbedingung nicht auf die Kapitalstockentwicklung, sondern auf die Konsumprofile selbst, so tritt diese Inkonsistenz nicht auf.
3 Das Prinzip der Nachhaltigkeit Nachhaltigkeit ist ein für alle Bereiche der Rohstoffökonomik grundlegendes Planungsprinzip.-^^ Eine lange (speziell deutsche) Tradition hat das Prinzip der Nachhaltigkeit im Bereich der Forstwirtschaft.-^-^ Am Beispiel der Forstwirtschaft lässt sich auch anschaulich erkennen, dass eine konkrete Operationalisierung des Prinzips der nachhaltigen Entwicklung davon abhängt, wie „das über die Zeit zu Erhaltende", also die Größe, auf die sich die dem Nachhaltigkeitsprinzip zugrunde liegende Gleichheitsnorm^^ bezieht, definiert wird. Zum einen lässt sich das Nachhaltigkeitsprinzip durch die Forderung eines über die Zeit konstanten, möglichst hohen (physisch oder wertmäßig quantifizierten) Holzertrages ausdrücken. Da sich das Prinzip der Nachhaltigkeit dann auf die intertemporale Entwicklung der Konsumentnahmen bzw. des Wertes dieser Entnahmen bezieht, kann in solchen Fällen von einem konsumorientierten Nachhaltigkeitskonzept gesprochen werden. Die konkrete Ausgestaltung konsumorientierter Nachhaltigkeitskonzepte hängt von der zugrunde gelegten Bewertung der entnommenen Quantitäten (z. B. mit Preisen oder mit einem Nutzenindex) ab. Zum anderen kann eine Umsetzung des Nachhaltigkeitsprinzips erfolgen, indem ein auf Dauer konstanter, physisch oder wertmäßig quantifizierter Baumbestand gefordert wird. In derartigen Fällen, in denen sich die Gleichheitsbedingung auf einen Kapitalstock bezieht, bietet sich an, von einem kapitalstockorientierten Nachhaltigkeitskonzept zu sprechen. ^^ ^ Vgl. z.B. Varian (1991, S. 116 ff.). ^° Vgl. z.B. Ströbele (1987). ^^ Vgl. Samuelson (1976). •^^ Für eine Diskussion der normativen Grundlagen des Nachhaltigkeitsprinzips und zu dessen Interpretation als Gleichheitsregel, vgl. im Einzelnen Speckbacher (1994). ^^ Auch dann, wenn der Kapitalstock im Sinne des Barwerts der Konsumentnahmen, d.h. als Erfolgskapital oder Ertragswert, definiert wird, kann von einem kapitalstockorientierten Nachhaltigkeitskonzept gesprochen werden. Eine am Er-
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Gerhard Speckbacher
Sowohl die Entscheidung, welche der beiden hier unterschiedenen Ausprägungen des Nachhaltigkeitsprinzips zugrunde gelegt wird, als auch die Festlegung einer bestimmten Art der Quantifizierung und der Bewertung der Konsumentnahmen bzw. des Kapitalstocks sind mit einem Werturteil verbunden.-^^ In umweltökonomisch orientierten Arbeiten zum kapitalstockorientierten Nachhaltigkeitskonzept^^ wird der konstant zu haltende Kapitalstock üblicherweise entweder physisch quantifiziert (was nur bei der isolierten Betrachtung einer homogenen Ressource unproblematisch ist) oder es wird eine Bewertung mit Preisen (Marktpreise oder Schattenpreise) vorgeschlagen. MögHchkeiten der Bewertung und insbesondere Fragen der technischen Substituierbarkeit von Ressourcen werden im Hinblick auf umweltökonomische Anwendungen kapitalstockorientierter Ansätze ausführlich von Pearce/Turner (1991) diskutiert. Unabhängig davon, wie das Bewertungsproblem gelöst wird, ist das kapitalstockorientierte Nachhaltigkeitskonzept aber offensichtlich nur anwendbar, wenn sich der betrachtete Kapitalstock im Zeitablauf (etwa durch physische Zunahme oder durch ansteigende Preise) vermehrt {Pearce/Turner 1991, S. 43 ff.).
4 Utilitarismus vs. Nachhaltigkeit im Kontext intergenerationaler Verteilungsprobleme Im Folgenden wird ein einfaches lineares Standardmodell zur Analyse intertemporaler Verteilungsprobleme zugrunde gelegt, wie es in ähnlicher Form etwa von Arrow (1973a) oder Epstein (1986) verwendet wurde. Zu entscheiden ist für einen endlichen Planungszeitraum über die periodigen Konsumentnahmen von einem Kapitalstock, der in jeder Periode mit einer festen Rate wächst, kt sei der zum Zeitpunkt t = 0 , . . . , T nach Tätigen der Konsumentnahmen vorhandene Kapitalstock, wobei der anfängliche Kapitalstock ko > 0 vorgegeben ist. Der Kapitalstock kt wächst bis zum Zeitpunkt t + 1 mit der Rate a^+i > 1. Bezeichnet c^+i die Konsumentnahmen zum Zeitpunkt t + 1, so ergibt sich der zum Zeitpunkt t + 1 nach Tätigen der Konsumentnahmen vorhandene Kapitalstock zu fct+i = at-^ikt - c t + i . Die Menge zulässiger Konsumprofile c = ( c i , . . . , c^^) ist dann in Abhängigkeit von den Parametern fco und a = ( a i , . . . , a^) gegeben durch C(fco,a) = {c= ( C I , . . . , C T ) >0:ct
= ath-i
- h, fct > 0, t = 1 , . . . , T } .
folgskapital orientierte Bewertung wurde bereits 1849 von Faustmann vorgeschlagen (vgl. dazu Samuelson 1976, S. 472 ff.). ^^ Eine Diskussion dieser Fragen findet sich in Pearce/Barhier/Markandya (1990), Pearce/Turner (1991), Daly (1990), Tietenberg (1988) und Speckbacher (1994). ^^ Beispielsweise Pearce/Turner (1991, insbesondere S. 48 ff.), Pearce/Barbier/Markandya (1990, S. 1), Arndt (1993) sowie Daly (1990).
Zur Rationalität des Prinzips der nachhaltigen Planung
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Von einem utilitaristischen Ansatz kann in diesem Zusammenhang gesprochen werden, wenn angenommen wird, dass die Bewertung von Handlungsalternativen (etwa alternativer Abbaupolitiken) ausschließlich anhand der Konsequenzen für den Konsumnutzen der betrachteten Generationen erfolgt, wobei der „trade-off" zwischen den Nutzenniveaus verschiedener Generationen durch eine Wohlfahrtsfunktion beschrieben wird. Formal wird dazu angenommen, dass alle Konsumprofile c = ( c i , . . . , c ^ ) > 0 durch eine reellwertige Wohlfahrtsfunktion W = W{Ui{ci),..., UT{CT)) angeordnet werden können. Hierbei bezeichnet Ut{ct) den kardinalen Konsumnutzen der zum Zeitpunkt t lebenden Population („t-Generation"), und Ut wird üblicherweise als streng monoton wachsend angenommen.-^^ Der normative Gehalt des utilitaristischen Ansatzes besteht nun in der Forderung, eine Abbaupolitik genau dann gegenüber einer alternativen Abbaupolitik zu bevorzugen, wenn der zugehörige Konsumplan c > 0 hinsichtlich seiner Nutzenkonsequenzen gegenüber dem durch die alternative Abbaupolitik induzierten Konsumplan c > 0 zu bevorzugen ist, wenn also W{Ui{ci),... ,UT{CT)) > W{Ui{ci),... ,UT{CT)) gilt. Durch eine bestimmte Wohlfahrtsfunktion W und durch bestimmte Nutzenbewertungen zu zukünftigen Zeitpunkten, Ut, wird also eine bestimmte Präferenz auf der Menge nichtnegativer Konsumprofile charakterisiert, die für jedes gegebene AUokationsproblem die optimale Abbaupolitik determiniert. Für jedes, durch gewisse Werte fcß und a* definierte AUokationsproblem ist genau dasjenige Konsumprofil optimal, welches die Wohlfahrtsfunktion W = W{Ui{ci),..., UT{CT)) über C{kQ,a*) maximiert. Im Unterschied zum utiUtaristischen Ansatz stellen Nachhaltigkeitskonzepte Anforderung an die Struktur des Konsum (nutzen) profils bzw. an das Profil der Kapitalstockentwicklung. Nach dem konsumorientierten Nachhaltigkeitskonzept ist ein Konsumprofil c GC{ko,a) genau dann nachhaltig, wenn Ui{ci) = U2{c2) = . . . = UT^CT) gilt. Offensichtlich existiert unter den üblichen Annahmen bezüglich der individuellen Nutzenfunktionen im vorliegenden Modell für jede Menge C(fco,ce) genau ein konsumorientiert nachhaltiges Konsumprofil; damit lässt sich eine Wahlfunktion 5^ definieren, die jedem Tupel (fco,a) das eindeutige, gemäß dem konsumorientierten Nachhaltigkeitskonzept aus der Menge C(fco,ce) gewählte Konsumprofil zuordnet. Der Zusammenhang zwischen diesem Nachhaltigkeitskriterium und dem Wohlfahrtsmaximierungsprinzip lässt sich leicht erkennen. Wird aus einer bestimmten Menge zulässiger Konsumprofile C{ko,a) gemäß dem konsumorientierten Nachhaltigkeitskonzept eindeutig das Konsumprofil c gewählt, gilt also Sj^{kQ, a) = c, so bedeutet dies, dass c gegenüber jedem anderen Konsumprofil in C{ko,(^) bevorzugt wird. Die Anwendung des konsumorientierten Nachhal^^ Vgl. z.B. Solow (1974). Auf eine Mitberücksichtigung des terminalen Kapitalstocks kT (bequest) im Kalkül wird hier aus Vereinfachungsgründen verzichtet. Die folgenden Überlegungen sind jedoch analog auf allgemeinere Modelle (insbesondere auf Modelle mit nicht endlichem Planungshorizont) übertragbar.
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tigkeitskonzepts offenbart also eine bestimmte Präferenz: Ein Konsumprofil c wird gegenüber einem Konsumprofil c strikt „offenbart präferiert", wenn es ein Tupel {ko^a) und damit eine Menge zulässiger Konsumprofile C{ko,a) gibt, so dass c (eindeutig) aus C{ko,a) gewählt wird, während c für C{ko,a) zwar auch zulässig ist, aber nicht gewählt wird. Wird diese offenbarte Präferenz mit P^ bezeichnet, so gilt hiermit formal für c^c'^ CPAC
<^
[ 3 Ä : o > 0 , a > l : c = 5^(^0,0;), c G C(fco,o^)].
Mit Hilfe der Wahl, die bei Vorliegen unterschiedlicher Mengen zulässiger Konsumprofile jeweils getroffen wird, kann die durch das zugrunde liegende Kriterium zum Ausdruck gebrachte Präferenz auf der Menge nichtnegativer Konsumprofile also „rekonstruiert" werden. Im vorliegenden Modell gilt (ebenso wie auch in wesentlich allgemeineren Modellen) offensichtlich CPAC
<^
min{C/i(ci),...,
UT{CT)}
> min{C/i(ci),..., /7T(CT)}.
Die durch das konsumorientierte Nachhaltigkeitskonzept zum Ausdruck gebrachten Präferenzen lassen sich damit durch eine Nutzenfunktion /(c) = min{C/i(ci),... ,C/T(CT)} auf der Menge nichtnegativer Konsumprofile repräsentieren.-^^ Das konsumorientierte Nachhaltigkeitskriterium erweist sich damit als Spezialfall der Wohlfahrtsmaximierung. Ähnliches gilt für den Fall, dass der Wohlfahrtsmaximierungsansatz, wie in ökonomischen Anwendungen gebräuchlich, auf zeit additive Wohlfahrtsfunktionen der Form W — W{Ui{')^..., U^i')) = Y^t=i ^t{Ut{'))qt eingeschränkt wird. Für den so spezifizierten utilitaristischen Ansatz stellt die konsumorientierte Nachhaltigkeitsbedingung einen Grenzfall dar,^^ denn mit W^p = ( ^ i ^ U;^) ^
gilt:
Um^ Wp = min{C/i,.... UT}.
Wp kann monoton transformiert werden in die äquivalente Wohlfahrtsfunktion Wp = Yjt=i(^t{'))~^' Dabei wird deutlich, dass die Nutzen-Gleichverteilung beim konsumorientierten Nachhaltigkeitskonzept nicht durch Diskontierung zukünftiger Nutzenniveaus erreicht wird. Vielmehr sind die „extremen"
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Das hier gewählte Vorgehen der Rekonstruktion einer Präferenzrelation aus den auf unterschiedlichen Alternativenmengen getroffenen Entscheidungen gründet in der „Revealed Preference-Theorie". Diese Theorie geht auf Samuelson (1938) zurück; weitere „klassische" Arbeiten sind Richter (1971) und Sen (1971). Vgl. auch Fuchs-Seliger (1976). Diese Spezifikation einer (nicht stetigen) Wohlfahrtsfunktion wird gelegentlich als Rawls'sches Maximin-Prinzip bezeichnet, obwohl eine solche intergenerationale Verteilungsregel von Rawls (1971, insbes. S. 284 ff.) selbst nicht befürwortet wird. Vgl. dazu schon Solow (1974). Vgl. Solow (1974, S. 29). Eine Diskussion der Zusammenhänge mit dem utilitaristischen Ansatz findet sich in Arrow (1973a) und (1973b).
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Substitutionsbeziehungen^^ bei diesem Kriterium Resultat der Bewertungen der jeweiligen Nutzenniveaus. Obwohl beim konsumorientierten Nachhaltigkeitskriterium im Gegensatz zur utilitaristischen Auffassung ein Abweichen von einer egalitären Verteilung auch durch beliebig hohe Vorteile für viele Generationen nicht gerechtfertigt werden kann, sofern dadurch auch nur einer Generation (beliebig geringfügige) Nachteile entstehen, besteht nicht nur in formaler Hinsicht große Ähnlichkeit mit dem utilitaristischen Ansatz. Genau wie bei utilitaristischen Normen erfolgt die Beurteilung von Alternativen beim konsumorientierten Nachhaltigkeitskonzept ausschließlich anhand der induzierten Konsumnutzen-Konsequenzen.^^ Das konsumorientierte Nachhaltigkeitskonzept zeichnet sich lediglich durch die extreme Art des „intertemporalen Abwägens" dieser Konsumnutzen-Konsequenzen aus. Wie im Folgenden gezeigt wird, ist das kapitalstockorientierte Nachhaltigkeitskonzept im Gegensatz dazu nicht ausschUeßlich anhand der induzierten Nutzenkonsequenzen formalisierbar, d. h. es gibt keine widerspruchsfreie Präferenzordnung auf der Menge nichtnegativer Konsumprofile, die das kapitalstockorientierte Nachhaltigkeitskriterium charakterisiert. Nach dem kapitalstockorientierten Nachhaltigkeitskonzept ist im hier verwendeten Modell ein Konsumprofil c G C(fco, <^) genau dann nachhaltig, wenn^^ kt = fc^+i, für alle t = 0 , . . . , T - 1.
(1)
Unter den obigen Annahmen existiert für jedes durch fco und a definierte AUokationsproblem und damit für jede Menge C{ko,a) genau ein kapitalstockorientiert nachhaltiges Konsumprofil. Analog zum Fall der konsumorientierten Nachhaltigkeit kann daher eine Wahlfunktion SB definiert werden, die jedem Tupel {ko,a) das aus der Menge C{ko,a) eindeutig gewählte, kapitalstockorientiert nachhaltige Konsumprofil zuordnet. Anhand der jeweiligen Entscheidungen gemäß dem kapitalstockorientierten Nachhaltigkeitskonzept auf unterschiedlichen Mengen von Konsumprofilen kann wie vorher versucht werden, die zugrunde liegende Präferenz zu rekonstruieren. Wird die durch Wahl des Konsumprofils c und gleichzeitige Zurückweisung des Konsumprofils c auf einer bestimmten Menge C(fco? <^) offenbarte strikte Präferenz mit Pg bezeichnet, so gilt entsprechend für c^^c: CPBC
^
[ 3 f c o > 0 , a > l : c = Seiko, a), c e C{ko,a)].
^^ Man prüft leicht nach, dass bei Verwendung der Wohlfahrtsfunktion Wp die Grenzraten der Substitution von Nutzenniveaus in verschiedenen Zeitpunkten für p -^ oo bei nicht identischen Nutzenniveaus null bzw. beliebig groß werden, d.h. es ergibt sich der Grenzfall „perfekter Komplemente" (z.B. Varian 1991, S. 37 f.). ^^ Der Ansatz ist also rein wohlfahrtsorientiert (welfarist). Dazu Sen (1979). ^^ Abschwächend könnte in (1) auch „<" gefordert werden, so dass die entsprechende Wahlfunktion mengenwertig ist. Die weiter unten beschriebenen Inkonsistenzen mit dem Nutzenkonzept gelten auch in diesem Fall {Speckbacher 1998).
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Eine Minimalforderung an diese offenbarte Präferenz ist, dass nicht gleichzeitig cPßC und CPBC gelten darf. Gibt es also eine (durch einen bestimmten Anfangskapitalstock und bestimmte Wachstumsraten determinierte) Menge von Konsumprofilen, aus der nach dem kapitalstockorientierten Nachhaltigkeit skonzept c gewählt und c abgelehnt wird, dann darf dieser offenbarten Präferenz auch bei Vorliegen einer anderen Menge von Konsumprofilen (die ebenfalls c und c enthält) nicht zuwider gehandelt werden. Diese Minimalforderung wird als „schwaches Axiom der offenbarten Präferenz" bezeichnet und garantiert die Asymmetrie der rekonstruierten Präferenz.^^ Ist diese Forderung nicht erfüllt, so lässt sich das zugrunde liegende Wahlverhalten nicht durch eine Präferenzordnung auf der Menge möglicher Konsumprofile rationalisieren. Insbesondere gibt es dann keine reellwertige Funktion / , die dieses Entscheidungsverhalten repräsentiert, d. h. die für beliebige nichtnegative Konsumpläne c^ c folgender Bedingung genügt: cPsC
^
f{c)>f{c).
Bereits im Fall T = 3 ist allerdings das „schwache Axiom" verletzt. Dies kann unter Ausnutzen eines Ergebnisses von John (1995) aus der NichtHomogenität der Nachfragefunktion geschlossen werden, oder durch ein entsprechendes Rechenbeispiel nachgewiesen werden (vgl. Speckbacher 1998, Hellwig/Speckbacher/Wentges 2000). Damit kann es - im Gegensatz zum konsumorientierten Nachhaltigkeitskonzept - keine konsistente Präferenzordnung auf der Menge möglicher Konsumprofile geben, die das kapitalstockorientierte Nachhaltigkeitskonzept im Allgemeinen beschreibt. Die durch dieses Kriterium zum Ausdruck gebrachte Präferenz ist im Sinne der traditionellen Konsumtheorie „nicht maximierend"^^ obwohl stets eindeutige und intertemporal effiziente (also Pareto-optimale) Konsumprofile gewählt werden. Insbesondere gibt es unabhängig von den zugrunde gelegten Nutzenbewertungen Ut keine Wohlfahrtsfunktion W = W{Ui{ci),,.. ,UT{CT)), die das kapitalstockorientierte Nachhaltigkeitskonzept charakterisiert. Der Grund hierfür liegt darin, dass Konsumprofile nicht alle für eine Anordnung nach dem kapitalstockorientierten Nachhaltigkeitsprinzip relevanten Informationen enthalten. Ein bestimmtes Konsumprofil kann ebenso durch einen geringen Anfangskapitalstock und gute Transformationsmöglichkeiten zustande kommen, wie durch einen hohen Anfangskapitalstock und schlechte Produktivität. Dieses Konsumprofil wird nach dem kapitalstockorientierten Nachhaltigkeitsprinzip allerdings unter Umständen in beiden Situationen unterschiedlich präferiert. Werden lediglich Problemklassen mit gleichem AnErsetzt man „Anfangskapitalstock" durch „Haushaltseinkommen" und interpretiert man die Wachstumsraten at als relative Preise für die Güter c i , . . . ,CT, SO erkennt man in der obigen Formulierung des schwachen Axioms genau die in der Haushaltstheorie übHche Formulierung (vgl. z.B. Richter 1971). ^^ Vgl. z.B. Varian (1991, S. 116 ff.); Varian (1991, S. 117) bezeichnet derartiges Verhalten sogar als „absurd".
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fangskapitalstock betrachtet (d. h. kann wo o.B.d.A. gleich eins gesetzt werden), dann ist im Konsumprofil die gesamte relevante Information enthalten und die beschriebene Inkonsistenz kann nicht mehr auftreten (vgl. dazu Speckbacher 1998).
5 Nachhaltige Planung und Kapitalwertkonsistenz bei Finanzinvestitionen Im folgenden Abschnitt wird das kapitalstockorientierte Nachhaltigkeitsprinzip als Entscheidungskriterium für Finanzinvestitionen untersucht. Es zeigt sich, dass das Kriterium der Nachhaltigkeit allein in derartigen Situationen lediglich eine Vorauswahl ermöglicht. Soll eine eindeutige Entscheidung getroffen werden, so ist das Kriterium mit anderen Entscheidungskriterien zu kombinieren. Denkbar ist einerseits eine Kombination der Forderung nach kapitalstockorientierter Nachhaltigkeit mit „utilitaristischen Kriterien" (hierzu Hellwig/Speckhacher/Weniges 2000). Andererseits kann auch versucht werden, das Prinzip der Nachhaltigkeit mit weiteren plausiblen Anforderungen an die Entscheidung zu kombinieren. Eine solche Anforderung ist die Forderung nach Kapitalwertkonsistenz, welche auf Hellwig (1981, 1987, 1993) zurückgeht. Die Kombination des Nachhaltigkeitsprinzips mit der Forderung nach Kapitalwertkonsistenz wird im Folgenden in einem sehr einfachen Modell diskutiert, welches einen Spezialfall allgemeiner Modelle von Hellwig (1981, 1987, 1996, 1998, 2002) darstellt. 5.1 Ein einführendes Beispiel Zur Motivation diene ein einfaches Beispiel zur Finanzanlagenplanung. Ein Investor möchte einen bestimmten Betrag VQ anlegen. Dabei stehen zwei jeweils dreijährige, in beliebiger Höhe durchführbare Anlagealternativen zur Wahl. Weitere Anlagemöglichkeiten existieren nicht und auch ein Leerverkauf der Anlagen ist nicht möglich {Wilhelm 1981). Anlage A garantiert eine jährlich ausbezahlte Verzinsung des eingesetzten Kapitals von 5% (Sparbrief), während es sich bei Anlage B um einen Zero-Bond handelt, bei dem nach drei Jahren das 1.16-fache des eingesetzten Kapitals zurückgezahlt wird. Die jährliche Rendite (interne Verzinsung) von Anlage B beträgt somit etwa 5.072%. Eine Entscheidung für B könnte mit dem höheren internen Zins dieser Anlage begründet werden und würde zumindest zu einem intertemporal effizienten Konsumplan führen, da bei jeder anderen Entscheidung die Konsummöglichkeiten in der dritten Periode geringer wären. Die Entscheidung soll nun aber nicht nach der Höhe des internen Zinses getroffen werden, sondern es soll eine Entscheidung gewählt werden, die einen Konsumplan ermöglicht, der intertemporal effizient ist und bei dem das Vermögen über den Planungszeitraum konstant bleibt. Allerdings erfüllt im vorliegenden Beispiel offensichtlich jede Kombinationen der beiden Anlagen
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diese Bedingung. Alle Aufteilungsentscheidungen, bei denen jeweils die Zinszahlungen konsumiert werden, führen zu einem effizienten Konsumplan und das investierte Kapital bleibt dabei in jeder Periode genau erhalten. Wird beispielsweise nur in A investiert und wird in jeder Periode genau 0.05Vo konsumiert, so bleibt das (nominelle) Vermögen konstant bei VQ. Dies gilt offensichtlich auch für das kapitaltheoretisch (als Barwert zukünftiger Konsumzahlungen zuzüglich dem Endwert in der letzten Periode) definierte Vermögen, sofern mit den für diese Entscheidung relevanten Zinsen Vt =0.05 diskontiert wird. Ist allgemein 0 < x < 1 der in Anlage A investierte Anteil des Anlagebetrages V^ und wird entsprechend in Anlage B der Betrag (1 — x)Vo investiert, so lautet der von der gewählten Aufteilung x abhängige Konsumplan bei Erhaltung eines EndVermögens Ws in Höhe von VQ: C = (Ci,C2,C3, Ws) = {xOmVo, xOmVo, x0mVo+{l-x)0.16Vo,
Vo).
Um zu einer Entscheidung zu kommen, wird nun neben der Nachhaltigkeit und der Effizienz des Konsumplanes die Vereinbarkeit der Entscheidung mit der Kapitalwertmethode gefordert. Kapitalwertkonsistenz in diesem Sinne wurde von Hellwig (1993) bereits für den Fall eines einperiodigen Portfoliomodells untersucht und dabei wurde die Äquivalenz dieses Kriteriums mit der Entscheidungsfindung anhand einer logarithmischen Risikonutzenfunktion nachgewiesen (vgl. dazu auch Friis/Speckbacher 1994). Jeder Anlageentscheidung sind Zinsen rt, t = 1,2,3, im Sinne von „Grenzraten der Transformation" zugeordnet, die den durch diese Entscheidung zum Ausdruck gebrachten „Trade-off" zwischen Zahlungen in verschiedenen Perioden beschreiben und sich als Opportunitätskosten der getroffenen Entscheidung interpretieren lassen. Wird beispielsweise der gesamte Anlagebetrag in Anlage A investiert, so erhält man rf = r2=r^= 0.05. Analog erhält man bei ausschheßlicher Investition in Anlage ß r f = r ^ = 0, r ^ = 0.16. Eine getroffene Entscheidung wird als kapitalwertkonsistent bezeichnet, wenn der resultierende Konsumplan bezüglich den dieser Entscheidung zugeordneten Zinsen kapitalwertmaximal auf der Menge aller zulässigen Konsumpläne ist. Es wird also gefordert, dass die dem gewählten (effizienten) Konsumplan zugeordneten Opportunitätskosten mit den Periodenrenditen übereinstimmen. Im vorliegenden linearen Modell impliziert Kapitalwertmaximalität (bzgl. bestimmter Abzinsungsfaktoren), dass ausschließlich in Anlagen mit nichtnegativem Kapitalwert investiert wird und dass Anlagen, in die nicht investiert wird, keinen positiven Kapitalwert haben. Wird der gesamte Betrag in Anlage A investiert und damit B abgelehnt, so darf der Kapitalwert von B - diskontiert mit den der Entscheidung für A zugeordneten Zinsen - nicht positiv sein, und der entsprechende Kapitalwert von A muss größer oder gleich Null sein. Entsprechendes muss bei ausschließlicher Investition in Anlage B gelten. Wird sowohl in A als auch B investiert, so muss der Kapitalwert beider Anlagemöglichkeiten (diskontiert mit den der „Mischinvestition" zugeordneten Zinsen) größer oder gleich Null sein.
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Die Entscheidung ausschließlich in A zu investieren (und damit B zu verwerfen) erfüllt dieses Kriterium nicht, denn der mit rf,r2^,r^ abgezinste Kapitalwert von B ist positiv. r^R/
^
X
0
(-^) = m
0
+ TmTöE
1.16^0
+ 1.05• 1.05• 1.05 " ^ " > ° -
^'^
Auch eine Entscheidung für B und gegen A ist nicht kapitalwertkonsistent, da der entsprechende Kapitalwert von A positiv ist: ^^.,
,
0.05Vb
0.05Fo
1.05Fo
,r
^
^ > ^ ) = ^ : ^ + i:öä:ö + i.o-i.o-i.i6-^°>Q-
^'^
Werden allerdings 72.3% des Anlagebetrages in Anlage A und der Rest in Anlage B investiert, so ergibt sich bei Konsum der Zinszahlungen in jeder Periode der Konsumplan C^ = {C^,C^,C^,Wi) = (0.036^0,0.036^0,0.08^0, Vb) und die zugeordneten Zinsen r f = r^ = 0.036, r f = 0.08. Die relevanten Kapitalwerte errechnen sich dann zu . ß
_ 1.051/0 1.05Vb 1.05Vb V -0 ^^^^ ~ 1.036 ^ 1.036 • 1.036 ^ 1.036 • 1.036 • 1.08 ~ ^ ~ '
^ ^
0 0 1.16Vb V -0 ^^^^ ~ 1.036 "^ 1.036 .1.036 ^ 1.036 • 1.036 • 1.08 ~ ^ ~ '
^^
woraus folgt, dass die Entscheidung für Z kapitalwertkonsistent ist. Wie im Folgenden noch gezeigt wird, ist die Entscheidung für Z die einzige zulässige Anlageentscheidung, die im Sinne der obigen Überlegungen kapitalwertkonsistent ist. C^ ist damit der einzige nachhaltige und kapitalwertkonsistent e Konsumplan. Die Idee hinter dem Kriterium der Kapitalwertkonsistenz ist Folgende: Ein Investor offenbart durch eine getroffene Entscheidung (bzw. durch den resultierenden Konsumplan) stets bestimmte Präferenzen bzgl. der intertemporalen Konsumverteilung. Diese Präferenzen werden durch die mit dem gewählten Konsumplan verbundenen „Transformationsraten", also durch die periodigen (Grenz-) Renditen beschrieben. Kapitalwertkonsistenz bedeutet nun die Forderung, dass die Entscheidung eines Investors bezüglich der durch diese Entscheidung offenbarten „Trade-oflFs" zwischen Konsum in verschiedenen Perioden (Periodenrenditen der gewählten Entscheidung) kapitalwertmaximal sein muss. 5.2 Modellorientierte Analyse Das Kriterium der Kapitalwertkonsistenz wird nun für das Problem der Aufteilung eines gegebenen Anlagebetrages auf zwei T-periodige, durch Zahlungsreihen charakterisierbare Finanzanlagen A und B in einem sehr einfachen Modell unter Sicherheit genauer analysiert und interpretiert. Die Anlagen A und
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B können auch beliebige Kombinationen von Finanzanlagen sein, allerdings wird unterstellt, dass am Ende der Laufzeit eine Rückzahlung des Anlagebetrages (zuzüglich Zinsen) erfolgt. Zur Vereinfachung der Notation wird von einem Anlagebetrag in Höhe von einer Geldeinheit ausgegangen (VQ = 1). Anlagemöglichkeit A sei die Zahlungsreihe a = ( — l , a i , a 2 , . . . , l + a r ) zugeordnet, und Anlagealternative B sei durch b = (—1,6i, Ö2? • • • ? 1+6^) charakterisiert, wobei a 7^ 6. Es gelte (it^h > 0 für alle t = 1 , . . . , T . Zu entscheiden ist über die Aufteilung des Anlagebetrages zwischen den Anlagen A und B. Eine Entscheidung (x, 1—x) bedeutet, dass der Teil 0 < rr < 1 des Anlagebetrages in Anlage A investiert wird und der Rest in Anlage B. Die aus einer Aufteilung des Anlagebetrages auf A und B im Verhältnis x zu 1 —x resultierende Zahlungsreihe bei Investition einer Geldeinheit sei mit r{x) = (—1, ri(rr), r2(a:),..., l-{-rT{x)) bezeichnet, wobei rt{x) = xat + (1 — x)bt^ ^ = 1 , . . . , T. K{x,y) sei der Barwert der Rückflüsse bei einer Aufteilung im Verhältnis x zu 1—x und bei Berücksichtigung des Endvermögens WT = 1, bezogen auf die sich bei einer alternativen Entscheidung {y, 1 — y) ergebenden Verzinsungen r(y), d.h.
^^"'^)
i^niy)^''''^Ul-^\i^niy))^UUi-^niy))
'' ^'^
Eine Entscheidung (x^l—x) mit 0 < x < 1 ist nun genau dann kapitalwertkonsistent, wenn Folgendes gilt: Kapitalwertkonsistenz x>0=^
K{l,x)
> 0, x = 0^
a: < 1 =^ K{0,x) > 0, x = l ^
K{l,x)
<0
(7)
K{0,x) < 0
(8)
Man beachte dabei, dass K{l,x) den Barwert der Anlage A bezogen auf die Entscheidung {x,l—x) (Aufteilung des Anlagebetrages auf A und B im Verhältnis x zu 1—x) bezeichnet, während K{0,x) den entsprechenden Kapitalwert von Anlage B bezeichnet. Nach (7) und (8) ist eine Entscheidung {x,l—x) genau dann kapitalwertkonsistent, wenn bei Diskontierung mit den durch diese Entscheidung definierten Zinsen Folgendes gilt: Ist die Entscheidung (x, 1—x) mit einer Investition in Anlage A verbunden (o: > 0), so darf der Kapitalwert von A nicht negativ sein, wird in A aber nicht investiert (x = 0), so darf der Kapitalwert von A nicht positiv sein (Bedingung (7)). Bedingung (8) drückt diesen Sachverhalt analog bezogen auf Anlage B aus. Es gilt nun, dass im vorliegenden Modell genau eine Entscheidung existiert, die im Sinne von (7) und (8) kapitalwertkonsistent ist. Um dies zu erkennen, beachte man zunächst xK{l,x)
-h (1 - x)K{0, x) = 0.
(9)
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Für jede kapitalwertkonsistente Entscheidung (x, 1—x) mit 0 < x < 1 gilt daher K{l,x) = K{0,x) = 0, also K{y,x) = yK{l,x) + (1 - y)K{0,x) = 0 für alle y > 0. Gilt hingegen x = 0, so folgt aus (7) K{1,0) < 0 und aus (9) K{0,0) = 0 und damit K{y, 0) = yK{l, 0) + (1 - y)K{0,0) < 0 für alle ^ > 0. Analog folgt für x = 1 aus (8) und (9) K{y, 1) < 0 für alle y>0. Somit erfüllt jede kapitalwertkonsistente Entscheidung (x, 1—x) für alle y > 0 die Bedingung K{y,x) < 0. Umgekehrt prüft man leicht nach, dass eine Entscheidung (x, 1—x), die die Bedingung K{y,x) < 0 für alle davon verschiedenen, zulässigen Alternativentscheidungen (y, 1—y) erfüllt, auch die Bedingungen (7) und (8) erfüllt. Eine Entscheidung {x,l—x) ist also genau dann kapitalwertkonsistent, wenn sie K{y, x) <0 für alle davon verschiedenen, zulässigen Alternativentscheidungen (y, 1—y) erfüllt. Angenommen, es gilt K{1,0) < 0, dann gilt offensichtlich auch K{x, 0) < 0 für jede Entscheidung (x, 1—x) mit 0 < ar < 1 und (0,1) ist die einzige kapitalwertkonsistente Entscheidung. Gilt K{0,1) < 0, dann gilt analog auch K{x, 1) < 0 für jede Entscheidung (x, 1—x) mit 0 < x < 1 und (1,0) ist die einzige kapitalwertkonsistente Entscheidung. Gilt allerdings jFf(l,0) > 0 und K(0,1) > 0 dann folgt K{1,X) ist positiv für A = 0 und Null für A = 1. Andererseits ist if (0, A) positiv für A = 1 und Null für A = 0. K{1, A) ist also größer bzw. kleiner als K{0, A) für A = 0 bzw. A = 1. Es gibt daher genau ein (Monotonie und Stetigkeit) 0 < Ä < 1 mit K{1,X) = K{0,X). Wegen XK{1,_X) + (1 - Ä)X(0, Ä) = 0 folgt daraus K{1, X) = K{0, X) = 0. Es gilt also K{x,X) < 0 für alle zulässigen Alternativentscheidungen (x, 1—x).o Ist (x, 1—x) die kapitalwertkonsistente Entscheidung und wird in jeder Periode genau rt{x) (bzw. im Falle eines Anlagebetrages VQ: rt(x)Vo) konsumiert, so ist der resultierende Konsumplan effizient und das investierte (kapitaltheoretisch definierte) Vermögen bleibt in jeder Periode exakt erhalten. Das nominell zu jedem Zeitpunkt vorhandene Vermögen entspricht dabei jeweils dem kapitaltheoretischen Vermögen zu diesem Zeitpunkt (definiert als Barwert zukünftiger Konsumzahlungen zuzüglich Endvermögen, bewertet mit den der Entscheidung zugeordneten Opportunitätskosten, also diskontiert mit den Zinsen rt{x)). Durch das beschriebene Kriterium wird die Bedingung der Kapitalwertkonsistenz mit dem Kriterium der kapitalstockorientierten Nachhaltigkeit kombiniert. Dabei stellt das Nachhaltigkeitsprinzip eine Konsumregel dar, die im vorliegenden linearen Modell für jede effiziente Entscheidung erfüllbar ist (es werden jeweils die Zinsen auf das eingesetzte Kapital konsumiert). Da das Modell in Abschnitt 4 als Spezialfall des obigen Modells interpretierbar ist (nur eine, jeweils einperiodige Anlagemöglichkeit; Kapitalwertkonsistenz ist dann trivialerweise für alle zulässigen Entscheidungen erfüllt), kann es keine Konsumnutzenfunktion geben, die dieses Entscheidungsverhalten im Allgemeinen charakterisiert. Es lässt sich aber zeigen, dass auf der Klasse von Problemen mit einheitlichem Anfangsvermögen eine konsistente Präferenzordnung existiert, die als maximales Element eine Entscheidung liefert, die im obigen Sinne nachhaltig ist {Speckbacher 1998).
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Gerhard Speckbacher
Offensichtlich ist obiges Kriterium der kapitalwertkonsistenten, kapitalstockorientierten Nachhaltigkeit eine Anwendung des von Hellwig (1980,1987, 1996, 1998, 2002) vorgeschlagenen Entscheidungskriteriums. Aufgrund der einfachen Struktur des hier verwendeten Modellrahmens lässt sich das Kriterium in eine Konsumregel (kapitalstockorientierte Nachhaltigkeit) und eine Investitionsregel (Entscheidung für ein bestimmtes Protfolio gemäß dem Kriterium der Kapitalwertkonsistenz) „zerlegen".
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Gerhard Speckbacher
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Zur Makrostruktur von Finanzmärkten Börsen als Finanzintermediäre im Wettbewerb Andreas Gehler * Universität Bamberg, Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbes. Finanz Wirtschaft, Kirschäckerstr. 39, D-96045 Bamberg finanzOsowi.uni-bamberg.de
Gliederung 1
Einführung
76
2
Finanzmärkte als Finanzintermediäre
78
3
Inter-Börsenwettbewerb
82
4
Intra-Börsenwettbewerb: Börsen als konkurrierende und komplementäre Intermediäre im Wertpapierhandel
84
Zusammenfassung
89
5
Literaturverzeichnis
89
* Der Autor dankt Joachim Fox, Dirk Schiefer und Martin Strobel für wertvolle Anregungen zu einer früheren Fassung.
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Andreas Oehler
1 Einführung Die Allokation von Finanzmitteln gilt in den Wirtschaftswissenschaften als die herausragende Funktion eines Finanzmarktes. Wesentliche Unterstützung erfährt die AUokationsfunktion durch die Informations- und Bewertungsefßzienz der Preise, die an einem Finanzmarkt zustande kommen.-^ Erst die Voraussetzung, dass die Marktpreise den aktuell verfügbaren Informationsstand der Wirtschaftssubjekte reflektieren, erlaubt die Steuerung der Finanzmittel in die günstigste Verwendung. Die entscheidende Grundlage hierfür stellt die Liquidität eines Marktes dar, die hier in Anlehnung an Schmidt/Iversen (1991) und Kempf (1998) als die Möglichkeit definiert wird, ein Wertpapier jederzeit sofort in kleinen oder großen Mengen ohne großen Preisaufschlag (Preisabschlag) kaufen (verkaufen) zu können.^ Liquidität oder eigentlich präziser die Liquidität der maßgeblich durch die Marktorganisation (Mikrostruktur) beeinflussten, dort zugelassenen Wertpapiere wird als wichtigstes Kriterium der operativen Funktionsfähigkeit eines Marktes angesehen.^ Die operative ESizienz stellt eine notwendige Bedingung für die Informationseffizienz dar. Als wesentlicher Problemkreis wird der Einfluss der Liquidität eines Wertpapiers auf dessen Preis angesehen.^ Insofern haben Preisänderungen potenziell eine informations- und eine liquiditätsbasierte Komponente.^ Die Charakteristik der Liquidität ist für Netzwerkeffekte verantwortlich wie sie aus Infrastruktur- oder Netzwerkindustrien z. B. der Telekommunikation oder der Elektrizitätswirtschaft her bekannt sind und die (theoretisch) eine Zentralisierung des Handels induzieren. Eine Fragmentierung wird daher als ineSizient im oben genannten Sinne aufgefasst, da insbesondere eine Abschöpfung des Orderstroms uninformierter Investoren im außerbörslichen Handel anzunehmen ist. Andererseits besitzen die an einem Finanzmarkt tätigen Intermediäre (Händler, Makler) den Anreiz, die quasi zentripetale Eigenschaft der Liquidität („liquidity attracts liquidity") zur Steigerung ihres Profits zu nutzen und den Zugang zu beschränken. Dies wiederum fördert die Abschöpfung in außerbörslichen oder Satelliten-Plattformen und damit den Wettbewerb und reduziert einen Teil der Kosten der Zugangsrestriktionen. Herrscht dagegen freier Marktzutritt, so wird die Abschöpfung peripherer Märkte nur bestehen bleiben, wenn uninformierten Marktteilnehmern bessere Konditionen geboten werden (vgl. etwa IPO-„Schnäppchen"). Wird die Zen^ Vgl. Fama (1970, 1991) sowie die Erörterung in Bienert (1996); vgl. auch Wilhelm (1991, 2001a und 2001b). ^ Damit werden neben der Erneuerungskraft zwei Zeitdimensionen (Sofortigkeit und Marktbereitschaft) und zwei Preisdimensionen (geringer Preiseinfluss von Mindestschluss- und Blockorders) deutlich. ^ Vgl. Harris (1990), Schmidt/Iversen/Treske (1993). ^ Vgl. Schmidt (1970, S. 70-73); vgl. auch Amihud/Mendelson 1986 und 2000), Hu (1997), Kempf/Uhrig (1996). ^ Vgl. ausführlich hierzu Oehler/Hacker (2004).
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tralisierung bzw. der freie Marktzutritt (vgl. zur offenen Börse weiter unten) theoretisch auch die beste Lösung im Sinne der genannten Effizienzkriterien sein, so sieht sich eine so gerichtete Vorgehensweise in der Praxis den aus der Reguherung z. B. der Telekommunikation oder der Elektrizitätswirtschaft bekannten Schwierigkeiten gegenüber, solange die relevanten Zugangsund Preisfeststellungsintermediäre aufgrund ihrer property rights (z.B. an den Orderinformationen) Anreize und MögUchkeiten einer Beschränkung (direkt oder indirekt via Pricing) haben (Mautgutproblem). Das free riding auf börsengenerierten, teil-transparenten Preisinformationen und die genannte außerbörsliche Abschöpfung reduziert dabei Ineffizienzen teilweise. Wesentliche Komponenten eines zentralisierten Handels zum öffentlichen Gut zu regulieren birgt dagegen die Gefahr des Mispricing und damit von Überkonsum oder Unterproduktion von Kern-Börsenleistungen. Vor diesem Hintergrund und insbesondere beeinflusst durch das neoinstitutionalistische Paradigma^ wird das Schrifttum zur Finanzmarkttheorie und -empirie seit geraumer Zeit durch eine Diskussion der so genannten Mikrostruktur der Märkte geprägt. Die Debatte widmet sich dem Ausmaß der Effizienz der Entscheidungen der einzelnen Marktteilnehmer, der Organisationsstruktur eines Marktes (Grund- und Mikrostruktur) sowie des Marktergebnisses (Preis).^ Ein wesentlicher Diskussionsstrang beschäftigt sich mit der Fragestellung, in welcher Weise Marktteilnehmer Informationen zu einem Marktpreis aggregieren und welche Auswirkungen asymmetrische Informationsstände haben^, die z.B. in der Form auftreten, dass Wirtschaftssubjekte mit privaten Informationen privilegiert sind. Ein anderer wichtiger Forschungszweig beschäftigt sich mit den Grundtypen einer Marktstruktur und hier vor allem der Preisbildung, um unter anderem Aussagen abzuleiten, in welchem Ausmaß die Grund- und Mikrostruktur die Effizienz des Marktergebnisses beeinflusst. Eher etwas abseits steht bislang eine theoretische wie empirische Erörterung der Makrostruktur von Finanzmärkten, also einer Diskussion des Wettbewerbs und der Fragmentierung von Märkten bzw. Wertpapierbörsen.^ Meist nur angefacht durch einige praxisorientierte Ereignisse wie Börsenfusionen oder -allianzen (z.B. Euronext, Deutsche Börse AG und London Stock Exchange) oder die Einrichtung von Privatanlegerbörsen während des Hypes in der Zeit des Jahrhundertwechsels (NASDAQ Europe, Consors-Börse) tritt diese Thematik ans Licht. In der Makroperspektive Platz greifender erscheint in jüngerer Zeit eher eine Erörterung von Finanzsystemarchitekturen, wobei hier oft stärker unter dem Blickwinkel potenzieller oder tatsächlicher Finanzkrisen argumentiert ^ Vgl. den Überblick im Abgleich mit der Neoklassik in Wilhelm (1991). ^ Vgl. z.B. Brunnermeier (1997), Stoll (1999), Oehler (2001). ^ Vgl. im Kontrast hierzu die neoklassische Perspektive wie sie z.B. in Wilhelm (2001a und 2001b) kurz wiedergegeben wird. ^ Vgl. aber die neueren Quellen wie z. B. Oehler (2000b), Heilmann (2002), Andersen (2003), Ramos (2003).
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Andreas Oehler
wird als unter der Perspektive der eingangs angeführten (AUokations-) Effizienz. Dabei wird im amerikanischen Schrifttum dominant die Dichotomie der finanzmarktbasierten (USA, GB) und der bank- oder intermediärbasierten Systeme („altes" Europa) gepflegt.-^^ Wie zu zeigen sein wird, verstellt dieses Leitbild etwas den Blick dafür, dass ein Finanzsystem aus der Interaktion verschiedenster Intermediäre resultiert, zu denen auch die Finanzmärkte gehören, zumal unter einem vertragstheoretischen oder neoinstitutionalistischen Paradigma. Die Zielsetzung der weiteren Ausführungen besteht darin, zunächst offen zu legen, dass Finanzmärkte bzw. die hier vor allem betrachteten Wertpapierbörsen auch nur eine Art von Finanzintermediären darstellen, die in Interessenkonflikt oder -harmonie mit anderen am Wertpapierhandel beteiligten Finanzintermediären wie Banken und Brokern existieren (Kapitel 2). Darüber hinaus wird die so gewonnene Erkenntnis in eine Wettbewerbsanalyse umgesetzt, die sich mit den Arten des Wettbewerbs genauso beschäftigt (Kapitel 3) wie mit den wesentlichen Erfolgsfaktoren und der spezifischen Intermediärstruktur des Intra-Wettbewerbs (Kapitel 4).
2 Finanzmärkte als Finanzintermediäre Arbeitsteiliges Wirtschaften erfordert in der Regel einen Ausgleich zwischen dem Finanzbedarf einzelner Wirtschaftssubjekte, der so genannten Finanzmittelnehmer, und dem Anlagebedarf anderer Wirtschaftssubjekte, der so genannten Finanzmittelgeber. In Anlehnung an die Definition in Bitz (2002) werden Unternehmen, deren primärer Geschäftszweck auf diesen Ausgleich gerichtet ist, als Finanzintermediäre im engeren Sinne bezeichnet. Als Anlageleistung nehmen sie einerseits Zahlungsmittel von originären Finanzmittelgebern gegen das Versprechen späterer Rückzahlung entgegen und stellen andererseits solche Zahlungsmittel als Finanzierungsleistung wiederum gegen das Versprechen späterer Rückzahlung zur Verfügung. Kernelement ist dabei, dass ein potenzielles Anspruchs- und Verpflichtungsverhältnis zwischen Finanzmittelgebern und Finanzmittelnehmern durch zwei eigenständige Verträge mit dem Finanzintermediär ersetzt wird. Hierbei werden die bekannten Transformationsleistungen bezüglich des Informationsbedarfs, des Betrages („Losgröße"), der Fristen und/oder des Risikos erbracht. ^^ Als ein Beispiel für viele: „Financial institutions and intermediaries and the role they play are largely ignored. In the US and UK financial markets do play an important role so the focus on markets is perhaps understandable in these countries. However, in most financial Systems, particularly those in Continental Europe, markets have played a much less important role historically. Banks and other intermediaries dominate the financial system.^^ {Allen (2002)). Vgl. auch Sabani (1993), Boot/Thakor (1995), Allen/Gale (2001), Tadesse (2001), Gorton/Winton (2002), Levine (2002), Rajan/Zingales (2003).
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Darüber hinaus erscheint es angesichts des Standes der Literatur und der realen Erscheinungsformen angemessen, den Begriff des Intermediärs weiter auszulegen und auch solche Unternehmen als Finanzintermediäre zu bezeichnen, die Kontrakte zwischen Finanzmittelgebern und Finanzmittelnehmern überhaupt ermöglichen oder einfacher und kostengünstiger herbeiführen. Solche Institutionen werden in Anlehnung an Bitz (2002) als Finanzintermediäre im weiteren Sinne bezeichnet. Sie erbringen Leistungen in den Bereichen der Vermittlung, Informationsabgabe und Risikoübernahme, die denen der Finanzintermediäre i.e.S. vergleichbar sind. Die genannten Leistungen der Finanzintermediäre i.e.S. und i.w.S. werden nun nicht nur durch ein einziges Unternehmen oder einen Intermediärtyp erbracht. Vielmehr besteht ein Finanzsystem aus einer Vielzahl interagierender und vertraglich verflochtener Finanzintermediäre. Typischerweise bestehen bzw. entstehen dabei nicht nur Kontrakte zwischen Finanzintermediären und originären Finanzmittelnehmern und/oder originären Finanzmittelgebern, sondern auch zwischen den Finanzintermediären selbst. Entsprechend lassen sich analog zu Bitz (2002) Finanzintermediäre auch nach den Adressaten und der Art ihrer (Transformations-) Leistungen klassifizieren. Abbildung 1 zeigt eine solche Einteilung der wesentlichen realen Erscheinungsformen. Finanzmittelne hmer (FN)
Zentralbanken Spezialbanken
KAG/Publikumsfonds
Wertpapiermakler
RückVersicherungsmakler
Versicherungsmakler
Rückversicherer
Börsendienste
Evidenzzentralen
Ratingagenturen
Wertpapierabwickler
KAG/Spezialfonds , T
(Universal-)banken
1
Realkreditinstitute
Leasing-ZFactoringgesellschaften Teilzahlungsbanken
Bausparkassen
KBGA/enture Financiers
Lebensversicherungen
Kreditvermittler
Sacliversicherungen
Kreditkartengesellschaften Finanzmittelgeber (FG)
Abb. 1. Finanzintermediäre und ihre Adressaten
80
Andreas Oehler
Der linke untere Quadrant der Abb. 1 zeigt die wesentlichen Typen von Finanzintermediären i.e.S., die gleichzeitig überwiegend originäre Finanzmittelnehmer und Finanzmittelgeber bedienen.^-^ Der rechte obere Quadrant dagegen führt Finanzintermediäre i.e.S. (z. B. Zentralbank, Rückversicherer) und i.w.S. (z.B. Evidenzzentrale, Rückversicherungsmakler) auf, die gleichzeitig Beziehungen zu überwiegend intermediären Finanzmittelnehmern und Finanzmittelgebern pflegen. Der rechte untere Quadrant enthält diejenigen Finanzintermediäre i.e.S. (z.B. Leasing- oder Factoringgesellschaft) und i.w.S. (z.B. Kreditvermittler), die sich typischerweise hinsichtlich der Finanzmittelverwendung nur an originäre Finanzmittelnehmer wenden. Der linke obere Quadrant der Abb. 1 hingegen berücksichtigt solche Intermediäre i.e.S. (z.B. Spezialfonds) und i.w.S. (z.B. Wertpapiermakler), die sich primär nicht an originäre Finanzmittelnehmer richten. Gleichzeitig wendet sich deren Leistungsangebot jedoch sowohl an originäre als auch an intermediäre Finanzmittelgeber, so dass dieser Quadrant etwas nach rechts, in die Mitte verschoben, erscheint. Eine Ausnahme stellen lediglich die Kapitalanlagegesellschaften dar, die in zwei Grundtypen am Markt auftreten. Wertpapierbörsen als wesentliche Glieder der Wertschöpfungskette im Wertpapierhandel (siehe unten, Abschnitt 4) werden in der neueren Finanzierungs- und Finanzmarkttheorie nicht mehr verstanden als ein anonymer Ort des Austausches von Angebot und Nachfrage risikobehafteter Zahlungsströme, die von „unsichtbarer Hand" (Leon Walras, Adam Smith) geordnet werden. Vielmehr wird eine Wertpapierbörse als eigenständige Institution, als ein Dienstleistungsunternehmen, verstanden, deren Funktion in der Intermediation zwischen Vertragspartnern besteht. Eine Börse ist also eine Unternehmensform, die als Leistung eine Handelsplattform für fungible Wertpapiere mit einer organisatorisch-technischen und einer rechtlichen Infrastruktur für den Ausgleich von Angebot und Nachfrage zur Verfügung stellt. Ähnlich zu anderen bekannten Finanzintermediären übernimmt eine Börse also grundsätzlich Aufgaben wie die Informationsbedarfs- (Kursinformationen, Marktsegmentierung, potenzielle Handelspartner), die Risiko- (Zulassung, Aufsicht, Portefeuillebildung), die Fristen--^^ und die Betragstransformation (unterschiedliche Ordergrößen), insbesondere, wenn man Kontrakt- oder Primärmarkt und Titel- oder Sekundärmarkt gemeinsam betrachtet. Mit diesen Leistungen steht
^^ Zur Begründung, Lebens- und Sachversicherer hinzuzurechnen, vgl. Bitz (2002). Vor allem, wenn originäre Geldgeber aus einem Vorsorgemotiv heraus zukünftige Zahlungsansprüche erwerben wollen. Aus der Perspektive des Versicherungsnehmers bzw. des Anlegers können Versicherungsverträge und Anlageformen funktional ähnliche, substitutionale Alternativen darstellen (ggf. auch: Versicherer treten als Geldgeber auf, wenn die Einzahlungen (u. a. von Kunden) die Auszahlungen (u.a. an die Kunden) übersteigen). ^^ Nur insoweit, als hohe Liquidität eine hohe Rücknahmewahrscheinlichkeit erwarten lässt (Risiken aus der Preisänderung bleiben aber beim Finanzmittelgeber).
Zur Makrostruktur von Finanzmärkten
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sie teilweise in unmittelbarer Konkurrenz zu anderen Finanzintermediären wie Maklern, Brokern, Händlern von Banken etc. Finanzmrtteinehmer (FN) Zentralbanken
Finanzmittelgeber (FG)
Abb. 2. Finanzmärkte als Finanzintermediäre in Konkurrenz oder Komplementarität zu anderen Finanzintermediären im Finanzsystem An dieser Stelle löst sich die Dichotomie zwischen „Markt" und „Intermediär" bzw. markt- und intermediärbasierten Finanzsystemen auf. Das in Abb. 2 in Fortentwicklung der Abb. 1 typisierte Geflecht^^ zeigt, dass der „Markt" auch keine andere Funktion erfüllt als (seltener) selbst in Kontrakte einzutreten (z. B. die Terminbörse Eurex bei Derivaten) oder diese zu vermitteln und (auch kostenmäßig) zu erleichtern (Regelfall). Mit einer verwandten Terminologie könnte man auch etwas verkürzt formulieren, dass „Intermediäre" „over the counter" arbeiten, während Börsen als „Markt" in der Regel hoch organisiert produzieren. Aus der Perspektive der gehandelten Produkte weist ein Finanzmarkt in der Ausprägung der Wertpapierbörse damit im Unterschied zu anderen Finanzintermediären das Charakteristikum auf, dass aufgrund der Standardisierung der Handelsobjekte lediglich der Preis als Preiheitsgrad in
^^ Man beachte hierbei, dass die „Achsen" der 4-Felder-Tafel bereits rechts unten und links oben Intermediäre kennzeichnen; daher können die Pfeile zwischen den „Intermediären" selbst entfallen.
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der Verhandlung über die Vertragskomponenten^'^ verbleibt.-^^ Wie im Folgenden (Kapitel 4) zu zeigen sein wird, besteht allerdings eine weitere Besonderheit für Wertpapierbörsen darin, dass sie im eigenen Geschäftsbereich teilweise konkurrierend und teilweise komplementär zu anderen Finanzintermediären tätig sind, wobei jene Finanzintermediäre ggf. auch zu den Shareholdern und/oder zu den Kunden der Börse zählen. „Markt" stellt somit ein Geflecht verschiedener im Wertpapierhandel tätiger Finanzintermediäre, darunter die Wertpapierbörsen, dar, die nach festgelegten Regeln interagieren. Zunächst ist jedoch kurz auf die Unterscheidung in einen Inter- und einen Intra-Börsenwettbewerb einzugehen.
3 Inter-Börsenwettbewerb Wettbewerb lässt sich als eine Veranstaltung mindestens zweier natürlicher oder juristischer Personen kennzeichnen, die unter einer bestimmten Zielstellung (vgl. die Einführung) das Optimum oder die relativ beste Leistung zu erzielen versuchen. Er ist ein Austausch- und Parallelprozess der Wirtschaftssubjekte mit einer Rivalität zwischen diesen auf einer Marktseite. Wettbewerb kann im Wege der Innovation einen temporären monopolähnlichen Vorsprung bedeuten, der aber stets unter der Bedrohung der Imitation und Weiterentwicklung steht. Gegenstand des Wettbewerbs zwischen Wertpapierbörsen, der so genannte Inter-Börsenwettbewerb, ist das optimale oder zumindest relativ beste Angebot für fungible Wertpapiere zu schaffen. Es handelt sich also um einen Wettbewerb um Orders und ggf. - aufgrund der Folgegeschäfte - auch um Listings. ^^ Gemäß Abb. 3 lassen sich drei Typen des Inter-Börsenwettbewerbs unterscheiden. Der vertikale Wettbewerb betrifft die Ausdifferenzierung produktspezifischer Handelsplattformen wie sie z. B. aus den Markt- und Themensegmenten der deutschen Börsen bekannt sind. Entsprechend sind Zulassungsund Folgepflichten oder auch die Preisfeststellungsverfahren (siehe unten Kapitel 4) unterschiedlich ausgeprägt. Lateraler Börsenwettbewerb bezieht sich
Typische Vertragskomponenten von Finanzdienstleistungsverträgen sind die finanziellen Ansprüche während der Vertragslaufzeit, die RückZahlungsansprüche bei Kontrakt ende, die Mitwirkungs- und Kontrollrechte und die Rechtsstellung in der Insolvenz (vgl. Bitz (2002); vgl. auch Voit (2002)) bzw. alle Risiko- und Ertragsteilungsregeln. Das sog. Massen- oder Mengengeschäft der Banken und Versicherer gilt zwar auch als hoch standardisiert, jedoch ist im Unterschied zu den genannten Handelsobjekten der idiosynkratische Vertragsbestandteil immer noch deutlich stärker ausgeprägt (z.B. die Bonität im Girogeschäft oder die Gesundheit im Risikolebensversicherungsgeschäft) . Vgl. Oehler (2000b).
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Information und Zugang Routing und Abwicklung Preisfeststellung und Abschluß Regulierung und Gütesiegel
Abb. 3. Inter-Börsenwettbewerb dagegen stärker auf die Substitutionsbeziehungen zwischen den Handelsobjekten. Je nach Anlagestrategie werden Underlying- oder Terminbörsen benutzt und bei existierender Substituierbarkeit der Produkte von den Investoren nach Transaktionskosten- und Risikogesichtspunkten ausgewählt. Als horizontaler Börsenwettbewerb wird schließlich im Kern die Rivalität um Listings bzw. um multiple Listings verstanden. Die Gestaltung der entsprechenden Handelsplattformen ist oft auf einzelne Kundensegmente wie private oder institutionelle Investoren zugeschnitten oder versucht, durch flexible, liquiditätswahrende institutionelle Regelungen eine gemeinsame Plattform anzubieten. Der Wettbewerb bezieht sich somit auf Elemente der so genannten Marktmikrostruktur.-^"^ Konkretisiert man diese Überlegungen im Hinblick auf die zu wählenden Wettbewerbsstrategien, so lassen sich im Kontext der klassischen Alternativen einer Kosten- bzw. Preisführerschaft und einer Qualitätsführerschaft, die - wie auch neuere theoretische Analysen zeigen - nicht konfiiktär zu verstehen sind, wesentliche Komponenten ableiten. Die Qualitätsführerschaft, die auf die (relativ) höchste Qualität für die Börsendienstleistung nach Art und Umfang abstellt, befasst sich mit den beiden Komponenten der Liquidität (Sofortigkeit und Preiseinfluss, Tiefe, Breite, Erneuerungskraft des Orderbuches) und der Preisbildung (Anpassungsefiizienz, Preisstetigkeit, BewertungseSizienz, Transparenz, Integrität/Fairness). Im Rahmen der Kosten- bzw. Preisführerschaft, die auf den günstig (st )en Preis für die Börsendienstleistung fokussiert, sind der Preis für die Sofortigkeit (Immediacy), das Entgelt für die Preisfindung (Spanne, auch IntraSpanne), die Prämie für Risikoreduktion (Gegenparteiauswahl), die Provisi-
^^ Zur detaillierten Analyse einzelner Faktoren differenziert nach privaten und institutionellen Investoren vgl. Oehler (2000a).
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on/Kommission, der Preis für den Zugang (Order-Routing), das Entgelt für die Abwicklung und der Preis für Informationen zu differenzieren. Wie im nachfolgenden Abschnitt zu zeigen sein wird, sind diese Komponenten nicht alle vom Betreiber einer Handelsplattform selbst gestaltet bzw. gestaltbar, da auch eine Intra-Börsenkonkurrenz existiert, die innerhalb der Wertschöpfungskette des Wertpapierhandels stattfindet und sich u. a. auf Zugang, Information und Preisfeststellung bezieht.
4 Intra-Börsenwettbewerb: Börsen als konkurrierende und komplementäre Intermediäre im Wertpapierhandel Für die wettbewerbliche Analyse ganzer Finanzsysteme oder auch nur einzelner Wertpapierbörsen erscheint es sinnvoll, die aus dem Unternehmenscontrolling und den Shareholder-Value-Ansätzen gut bekannte Wertkettenanalyse zu nutzen. Das Dienstleistungsunternehmen Börse ist Bestandteil der Wertschöpfungskette des gesamten Wertpapierhandels (Abb. 4).-^^ Pre / Post trade
Orderstrom
[ Private Equity Service \ Angel Networl< \ Venture Management Going Public Service \ (Segment) i Anlege r"auf Klärung" fAd-hoc Publizität f Derivate / Indizes /Statistiken /Regel-Transparenz
Abb. 4. Wertschöpfungskette des Wertpapierhandels Ein erstes wesentliches Kettenglied besteht in der Informationsintermediation (Pre- und Post-Trade-Information), die sich nur auf den Titelnaarkt bezieht, aber auch den Primärmarkt mit einbinden kann (Venture Management, Vgl. Oehler (2000a).
Zur Makrostruktur von Finanzmärkten
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Private-Equity- und Going-Public-Service, Angel-Networking). Die Wertkette erweitert sich um die Zugangsintermediation, also die Steuerung des Orderstroms (Order-Routing), die insbesondere die zeitliche und die räumliche bzw. virtuelle Konsolidierung ermöglicht. Die Preisintermediation ist die eigentliche Kernleistung des Wertpapierhandels, die oft auch als Synonym für eine Wertpapierbörse interpretiert wird. Im Zentrum stehen das Pricing und Matching, wobei die individuelle Mikrostruktur eines Marktes (Preisermittlung Order- oder quote-driven, Aufsicht etc.) dessen wettbewerbliche Attraktivität wesentlich mitbestimmt. Letztes Glied der Wertkette ist die Abwicklungsintermediation mit Clearing und Settlement. Unterscheidet man Marktstrukturen^^ (Abb. 5) zunächst nach der Art der Preisintermediation, so lassen sich solche ohne und mit Bietprivilegien unterscheiden. Händlermärkte sind dadurch gekennzeichnet, dass bestimmte Marktteilnehmer das ausschließliche Recht besitzen, Gebote für Finanztitel auf Kaufund Verkaufsseite zu stellen. Je nach Anzahl der Privilegierten sind monopolistische (Händlermonopolmarkt) oder oligopolistische Strukturen (Händlerauktionsmarkt) differenzierbar.
Grundstrukturen eines Aktienmarktes
Preisintermediation/ Bietprivileg
Zugangsintermediation/ Anzahl der Privilegierten
Preisintensität
1 Händlermarkt
1a Händlerauktion
1b Händlermonopol
2 Anlegermarkt
2a Offene 2bAgency Börse Auction
Gesamtkurs
Einzelkurs
Abb. 5. Intermediation und Privilegien in den Grundstrukturen eines Aktienmarktes Anlegermärkte sind dagegen dadurch charakterisiert, dass für die Handelsobjekte auf Kauf- und Verkaufsseite mehrere Wirt Schaftssubjekte Gebote abgeben können, die zweiseitige Auktion also grundsätzlich ohne privilegierte Preisintermediäre zu Transaktionen führt. Wird jedoch der Zugang zugunsten von Zugangsintermediären (Banken, Broker) privilegiert, so wandelt sich der ^^ Vgl. die ausführliche Erörterung verschiedener Grundstrukturen in Heilmann/Oehler/Lag er (2000) und Schmidt/Küster/Simic (2000).
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Grundtyp der offenen Börse, der via Elektronisierung gerade eine Renaissance erlebt, zum gegenwärtig in der Realität noch am häufigsten anzutreffenden Typ der Agency Auction, in der die Anleger sich bestimmter Agenten zur Gebotsabgabe bedienen müssen. Findet die Anlegerauktion grundsätzlich (sofern Gebote verfügbar sind) kontinuierlich statt, so stellt der Preis jedes einzelnen Abschlusses, der sog. Einzelkurs, das Auktions- oder Marktergebnis dar. Bei diskreter Gestaltung zu festgelegten Zeitpunkten (im Abstand mehrerer Stunden) kommt ein Handel zum Gesamtkurs zustande, bei dem zur Einheitskursfeststellung alle Gebote im definierten Zeitfenster gesammelt werden. Informationsbeschaffung und Informationsverarbeitung der potenziellen Marktteilnehmer setzt neben den grundsätzlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten den Zugang zu den bewertungsrelevanten Informationen voraus. Nur bei kostenpflichtiger Informationsbeschaffung und bei asymmetrischer Informationsverteilung ergeben sich Anreize zur Informationsbeschaffung und zum Handel. Würden die bewertungsrelevanten Informationen allen Interessenten via Preis kostenlos zur Verfügung gestellt, so erlahmte die Suche nach neuen Informationen (so genanntes Informationsparadoxon^^). Informations(bedarfs)intermediäre im Wertpapierhandel werden also genau dann wertschöpfend tätig werden (wollen), wenn nicht alle verfügbaren Informationen allen potenziellen Marktteilnehmern kostenlos im Preis transparent werden (vgl. Abb. 6). Eine durch Beschaffung und Verarbeitung bedingte oder durch eine Börse mittels Regeln der Mikrostruktur festgelegte Informationsasymmetrie stellt also letztlich einen Trade off dar zwischen der Attrahierung des Orderstroms Interessierter durch aussagekräftige Preise einerseits und der Attraktivität der Informationsbeschaffung und -Verarbeitung durch Informationsintermediäre andererseits. Darüber hinaus muss ein weiterer Trade off zwischen der Markttransparenz bezüglich der Informationen über das gesamte Handelsgeschehen und der Liquidität eines Marktes (vgl. die Definition in der Einführung, Kapitel 1) gefunden werden. Während einerseits eine möglichst vollständige und sofortige Verfügbarkeit der Informationen über das Handelsgeschehen bzw. den Orderstrom die Kosten für die Anbahnung von Geschäften reduzieren und gleichzeitig die tatsächliche wie wahrgenommene Fairness und Integrität des Börsenhandels steigern wird, so werden (institutionelle) Investoren, die einen asymmetrisch hohen Informationsstand bzw. einen Informationsvorsprung haben, free riding und damit vollständige Transparenz vermeiden wollen. Piazierungen besonders großer Orders, soweit nicht bereits eine Aufspaltung in mittlere Orders versucht wird (stealth trading)^^, werden zur Vermeidung eines unerwünschten market impact nur sehr ausgewählten Kontraktpartnern offenbart. Solche Investoren sind eher an einem geschlossenen
^° Vgl. Grossmann/Süglitz (1976), Rudolph (1994). ^^ Vgl. zur Transparenz und zum offenen und geschlossenen Order buch Oehler/Unser (1998).
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für Investoren und Emittenten (Risk-Return Trade off)
zur Preisfeststellung; hohe Liquidität: oTeilnahme •Aufkommen (Breite, Tiefe) •Geschwindigkeit
kostengünstige, transparente Preisfeststellung,
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(Abrechnung und Erfüllung) der Transaktionen
•kleine Spanne •geringer impact •häufige Feststellung
Trade oft iMmh^n LkißkMät mü Jmm^pmmz Abb. 6. Trade-ofF-Probleme im Intra-Börsenwettbewerb Orderbuch^^ und upstairs markets oder außerbörslichem Handel interessiert, um einer Verwässerung ihrer property rights an den potenziell kursbeeinflussenden Informationen ihrer Order vorzubeugen. Damit wird der Zeitpunkt der Veröffentlichung verzögert. Eine Verlagerung dieser Orderströme würde eine deutliche Senkung der Liquidität zur Folge haben, wodurch wiederum die Attraktivität der Börse im horizontalen Wettbewerb reduziert würde. Insofern ist es die Aufgabe einer Börse als Intermediär, durch Regeln der Markttransparenz zwischen Zugangs- und Preisfeststellungsintermediären einerseits und Preisfeststellungsintermediären und (potenziellen) Investoren andererseits einen Trade off zwischen orderstromattrahierender Liquidität und orderstromhemmender Transparenz herbeizuführen. Einerseits sind die Orderinformationen selbst soweit zu schützen, dass ein market impact zumindest ex ante vermieden und eine allgemeine Nutzung via free riding verhindert wird. Andererseits werden ex post die Kursinformationen (öffentlich) verbreitet, damit potenzielle Investoren über die Liquidität der Börse informiert werden. Die bisherige Erörterung hat zunächst gezeigt, dass die Börse nicht in erster Linie als Informationsproduzent, sondern eher als Informationsintermediär Regeln setzt und Informationen verbreitet, die die beiden Trade offs für einen möglichst effizienten Handelsprozess erlauben. Hinzu kommt noch eine weitere Perspektive: Im Wettbewerb mit anderen Börsen bzw. Handelsplattformen wird diejenige erfolgreich sein, die bei vergleichbarer Qualität die geringsten Transaktionskosten, also den niedrigsten Preis anbieten kann (vgl. oben Kapitel 3 zur Kosten-/ Preis- und QuaVgl. Oehler/Hacker (2004).
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litätsführerschaft). Aus der Sicht eines Börsenbetreibers wird es aber nicht sinnvoll sein, dem Wettlauf um Erlös- bzw. Kostenreduktion unbeteiligt zuzuschauen, sondern Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Solche Maßnahmen bestehen grundsätzlich darin, zu verhindern, dass Wettbewerber Anteile am Order aufkommen gewinnen oder vergrößern. Dies geschieht dadurch, dass der (weitere) Zutritt zum Ordervolumen oder zum so genannten Markt für Orders verhindert wird. Aus der Ökonomie der Märkte, insbesondere der Monopole, ist bekannt, dass wirksame Markteintritts- und Marktaustrittsbarrieren darin bestehen, dass ein Wettbewerber, der mit unterbietenden Preisen, also geringeren Transaktionskosten Ordervolumen attrahieren möchte, nicht (fast) ohne Investitionskosten eintreten und (fast) ohne sunk costs wieder austreten kann. Die Barrieren sind also um so effektiver bzw. die so genannte Zutrittsbedrohung ist um so kleiner, je höher die Markteintrittsinvestitionen einerseits und je geringer (je höher) die alternative Verwendbarkeit der Investitionen (die spezifischen Investitionen) beim Marktaustritt andererseits sind. Als Beispiel für eine (durch Regulierung erzeugte) relativ hohe Zutrittsbedrohung seien die Call-by-call-Tarife im Rahmen der Regulierung der Telekommunikationsindustrie genannt. Ein Beispiel aus dem Börsenbereich ist der aktuelle Versuch des Betreibers Deutsche Börse AG den deutschen Handel mit Optionsscheinen zu dominieren, indem (weitgehend) vorhandene Infrastrukturinvestitionen genutzt werden. Abbildung 4 hat das Zusammenwirken der Intermediäre im Wertpapierhandel und Abb. 5 die Grundstrukturen von Aktienmärkten verdeutlicht. Das Zugangsprivileg kann nun als Eintrittsbarriere verstanden werden, die die Nutzung der Handelsplattform der Börse limitiert. Liegt keine offene Börse vor, bei der im Extrem jeder Interessent oder „Orderlieferant" seine Orders ohne Nutzung eines Zugangsintermediärs (Broker, Banken) selbstständig den Preis(feststellungs)intermediären zuleiten kann, so existiert grundsätzlich die allererste Zutrittsbedrohung der Börse durch ihre jeweiligen Zugangsintermediäre. Diese können mit relativ geringem Aufwand den Order ström anderen Handelsplattformen oder Börsen zuleiten und eine Börse um die betriebsnotwendige Liquidität und Wettbewerbsattraktivität bringen. Diese Problematik des Intra-Wettbewerbs ist auch aus der Diskussion um die so genannte Orderinternalisierung, also die jeweilige intermediärinterne räumliche Orderkonsolidierung und Orderausführung bekannt. Inhouse-Systeme oder interne Märkte der Zugangsintermediäre leiten dann nur noch „Spitzen" an die Börse weiter und nutzen gleichzeitig die Preisinformationen dieser. Ein solches Vorgehen stünde möglicherweise gleichzeitig im Konflikt mit den Preisintermediären (Makler, Market Maker), denen dann Provisionseinnahmen entgingen. Neu belebt worden ist diese Problematik durch die Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (Investment Service Directive ISD) der EU, die u. a. einheitlich Zugang und Transparenz intermediärinterner Handelssysteme für andere Institutionelle wie Preisintermediäre regeln will.
Zur Makrostruktur von Finanzmärkten
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5 Zusammenfassung Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass letztlich die Verteilung des Einflusses der jeweiligen Intermediäre in der Governance-Struktur einer Börse darüber entscheidet, inwieweit die genannten Privilegien als Barrieren gegen andere Börsen genutzt werden können oder die Intermediäre, insbesondere die Zugangsintermediäre, eher unabhängig von einzelnen Börsen die Regeln festlegen. Nicht zuletzt dadurch wird deutlich, dass eine Börse als Dienstleister im Wertpapierhandel nur einen, wenn auch bedeutenden Wettbewerber in einer komplexen Intermediationsstruktur darstellt. Ein möglicher Unterschied in Finanzsystemen kann damit also nicht auf markt- vs. intermediärbasiert fokussiert werden als vielmehr auf Unterschiede in der rechtlichen und wirtschaftlichen Unabhängigkeit der im Wertpapierhandel tätigen Finanzintermediäre im Geflecht „Markt", die gemeinsam die Netzdienstleistung Liquidität bzw. deren Ausgleich erbringen. Besteht eine hohe Abhängigkeit oder Identität je Wertkettenelement, so verdichtet sich der Befund „intermediärbasiert", dominieren dagegen unabhängige Intermediäre je Segment, so herrscht der Eindruck „marktbasiert" vor. Ferner wird deutlich, dass die Regulierung des Wertpapierhandels im Finanzsystem aufgrund des Netzwerkeffektes der Liquidität und der jeweils dominanten Intermediärstruktur national kaum lösbar sein kann, da eine (einseitige) Erhöhung der Zutrittsbedrohung die nationalen Intermediäre benachteiligte.
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Teil II
Messung und Steuerung von Risiken
Zur Messung von Rendite und Risiko bei Private Equity-Investments Christoph Kaserer und Niklas Wagner Technische Universität München, Lehrstuhl für Finanzmanagement und Kapitalmärkte, D-80333 München
[email protected] niklas.wagnerQwi.tum.de
Gliederung 1
Einleitung
96
2
Rendite und Risiko bei Private Equity-Investments
98
2.1 2.2
Renditen auf Basis von Buchwerten Ein Modell für Glättungseffekte bei Buchwertrenditen
98 100
2.3
Parameterschätzung für das Modell
102
3
Empirische Untersuchung von Venture Capital Fonds
103
3.1
Beschreibung des Datensatzes
103
3.2
Schätzergebnisse
105
4
Zusammenfassung und Ausblick
106
Literaturverzeichnis
107
96
Christoph Kaserer und Niklas Wagner
1 Einleitung Die Vermögensanlage in so genannte „Private Equity" (PE)-Investments ist in den letzten Jahren weltweit zu einer Anlageklasse von hoher Bedeutung für institutionelle Anleger geworden. Als Gründe hierfür werden höhere erwartete Renditen sowie Diversifikationsvorteile genannt. Ausweislich der von der European Private Equity and Venture Capital Association (EVCA) veröffentlichten Statistiken wurden im Jahr 1992 4,2 Mrd. Euro in europäische PE-Fonds investiert; bis zum Jahr 2000 wurde dieses Anlagevolumen mehr als verzehnfacht. Insgesamt 48 Mrd. Euro flössen im Jahr 2000 den europäischen PE-Fonds zu. Nach den massiven Kursverluste an den Weltbörsen sank auch der Kapitalzufluss für PE-Fonds und stabilisierte sich auf 27 Mrd. € im Jahr 2002.-'^ Mittlerweile scheinen sich die Perspektiven dieser Branche wieder aufzuhellen. Glaubt man zumindest verschiedenen jüngst veröffentlichten Umfragen, so planen institutionelle Anleger wieder eine Erhöhung ihrer PE-Anlagen.^ So ist mittelfristig wohl damit zu rechnen, dass die Anlageklasse weiterhin eine wichtige Quelle der Unternehmensfinanzierung in Deutschland und Europa sein wird. Die wachsende Verbreitung der Anlageklasse Private Equity kann aus ökonomischer und kapitalmarktbezogener Sicht begründet werden. Da Management und Eigentum weniger stark voneinander getrennt sind als bei einer typischen Publikumsgesellschaft mit breit gestreuter Eigenkapitalfinanzierung, kann Private Equity möglicherweise Vorteile besserer Anreizmechanismen im Rahmen der Unternehmenskontrolle vorweisen. Aus Sicht des Kapitalmarktes kann auf etliche empirische Studien verwiesen werden, die - speziell in Bezug auf „Venture Capital", dem Teilsegment des „Private Equity", das der Finanzierung hochriskanter Gründungen dient - darauf hinweisen, dass derartige Anlagen Rendite- und insbesondere Diversifikationsvorteile bieten.^ Ungeachtet der möglichen Vorteile der Anlage in Private Equity, muss beachtet werden, dass das Fehlen eines organisierten, liquiden Sekundärmarktes für diese Anlageform zu bedeutsamen Nachteilen beim Eigentumstransfer führt.^ Dieses Liquiditätsrisiko äußert sich darin, dass ein gewünschter Transfer entweder gar nicht oder aber nur deutlich später und zu verschlechterten •"• Vgl. European Private Equity and Venture Capital Association EVCA, Financial Yearbook, Brüssel 2003, S.34. ^ Vgl. Mackewicz und Fleischhauer, Private Equity auf dem Vormarsch, Venture Capital Magazin, April 2004, S. 22-24, die bei einer Befragung von 200 europäischen institutionellen Investoren feststellen, dass diese ihren durchschnittlichen Anteil in PE von 1,1 auf 3,2% innerhalb der nächsten 5 Jahre erhöhen möchten. ^ Vgl. z.B. Cochrane (2001), Chen et al (2002), Kaplan und Schoar (2003), Ljungqvist und Richardson (2003), Rouvinez (2003) und Emery (2003). Eine Übersicht zu Venture Capital Anlagen und deren institutionelle Rahmenbedingungen findet sich beispielsweise in Gompers und Lerner (1999). ^ Eine entscheidende Frage hierbei ist, warum bestimmte Vermögensgegenstände nur wenig gehandelt werden. Das Fehlen eines liquiden Sekundärmarktes kann
Zur Messung von Rendite und Risiko bei Private Equity-Investments
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Konditionen durchführbar ist. Dies bedeutet zum einen, dass - anders als bei der Betrachtung üquider Märkte - die Liquidität neben Risiko und Rendite eine zentrale Variable im Investmentkalkül darstellen muss. Zum anderen stellt eine geringe Liquidität auch Herausforderungen an die statistische Messung der Rendite und insbesondere des Risikos der Anlageform. Dies bedeutet, dass die Liquiditätsproblematik bei Private Equity-Investments die Messung des Anlageerfolgs erschwert. Selbst wenn m a n nun die Anlageentscheidung aus der Sicht eines Investors betrachtet, für den die Liquidität seiner Vermögensgegenstände eher nebensächlich ist, (man denke etwa an eine Lebensversicherung mit wachsendem Versichertenbestand), b e t r i t t m a n wegen der oben beschriebenen Illiquidität der Anlageklasse Private Equity relativ schnell theoretisches und empirisches Neuland. Wie soll m a n etwa eine Anlageklasse in eine typische Vermögensallokationsentscheidung integrieren, wenn mangels Sekundärmarkthandel eine Veräußerung dieser Vermögensgegenstände nicht - oder zumindest nur mit erheblichen Schwierigkeiten - in Frage kommt? Inwiefern macht unter solchen U m s t ä n d e n die Maximierung einer erwarteten Endvermögensrendite bei gegebenem Streuungsrisiko Sinn? Natürlich hängt die Antwort auf diese Frage davon ab, was m a n hinsichtlich der Werthaltigkeit einer noch laufenden Private Equity-Anlage unterstellt. So könnte m a n argumentieren, dass es zwar keine organisierten Sek u n d ä r m ä r k t e gibt, die Beteiligungen aber dennoch werthaltig u n d damit auch veräußerbar sind.^ Folglich kommt es bei einer Definition des Anlageentscheidungsproblems darauf an, dass m a n die Verteilungsgesetze jenes Wertprozesses kennt, bei welchem eine jederzeitige Veräußerung der Private Equity-Beteiligung möglich ist. Damit bleibt aber eine entscheidende Frage offen: Wie soll m a n das Verteilungsgesetz des Wertprozesses schätzen, wenn m a n hierfür nur sehr wenige Beobachtungen von tatsächlich getätigten Transaktionen zur Verfügung h a t ? Genau dieser Frage widmet sich der vorliegende
grundsätzlich traditionell und institutionell begründet sein, aber möglicherweise darüber hinaus auch tiefergehende ökonomische Ursachen haben. So kann eine Ursache sein, dass Auszahlungen und Preis der Vermögensgegenstände durch die anderer Portfolios von Vermögensgegenständen dominiert werden und dies insbesondere dann, wenn Friktionen am Kapitalmarkt herrschen. Nietert und Wilhelm (2001) erweitern dementsprechend die Arbitragetheorie durch das Konzept nicht dominierter Portfolios, die als actively traded portfolios bezeichnet werden. Aus dieser Perspektive betrachtet, ist die Vorteilhaftigkeit von Private EquityInvestments besonders kritisch zu hinterfragen. Tatsächlich gibt es einen wachsenden Sekundärmarkt für Private Equity-Beteiligungen. AltAssets schätzt, dass gegenwärtig 3-5% des Volumens, welches jährlich in Private Equity weltweit investiert wird, im Rahmen von Sekundärmarktransaktionen angelegt wird; vgl. h t t p : / / w w w . a l t a s s e t s . c o m / c a s e f o r / s e c t o r s / 2 0 0 2 / nz3261.php.
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Christoph Kaserer und Niklas Wagner
Beitrag mit dem Ziel, einen ersten Vorschlag zu entwickeln, wie dieses Problem möglicherweise in den Griff zu bekommen ist.^ Der Beitrag befasst sich im Folgenden mit Methoden, die auf eine Erfolgsmessung bei Private Equity-Investments mit geringer Liquidität abzielen. Dazu wird in Abschnitt 2 ein Ansatz vorgestellt, welcher auf der Verwendung von Buchwertinformationen beruht. Eine wichtige Frage im Zusammenhang mit dem Buchwertansatz ist die, ob die Verwendung von Buchwerten zu Renditenäherungen führt, die einen Trägheitseffekt aufweisen. Abschnitt 3 beinhaltet eine empirische Untersuchung dieses Effektes. Die Ergebnisse werden auf Basis von europäischen Venture Capital Fonds des Zeitraumes 1980 bis 2002 erzielt. Abschnitt 4 beinhaltet eine Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse des Beitrags.
2 Rendite und Risiko bei Private Equity-Investments Bei der Betrachtung von Renditen von Private Equity-Investments gilt es generell die Renditen einzelner Anlagen („transaction level returns") und die Renditen von Fonds („funds level returns") zu unterscheiden. Bezieht man sich auf die Perspektive eines (institutionellen) Anlegers, so wird die Betrachtung üblicherweise von Fondsrenditen ausgehen. Das Fehlen eines liquiden Sekundärmarktes für Private Equity-Investments führt dazu, dass Vermögenstransfers nur sehr selten, und falls doch, dann möglicherweise mit starken Preisabweichungen vom fundamentalen Wert, beobachtet werden können. Es liegt damit keine verlässliche Renditezeit reihe vor. Um dennoch näherungsweise Angaben zum Wertprozess einer solchen Anlage machen zu können, muss auf andere Informationen der Anlage über ihre Laufzeit zurückgegrijSFen werden. Dabei bietet es sich an, auf üblicherweise vorhandene Buchwerte und auf realisierte Cash-Flows zurückzugreifen.^ 2.1 Renditen auf Basis von Buchwerten Beim Fehlen von Kapitalmarktinformationen zur Bewertung von Vermögensgegenständen ist die Verwendung von Buchwerten möglich. Da diese nicht auf Markttransaktionen beruhen, können sie allerdings nur als eine Näherung für den nicht beobachtbaren Marktwert verstanden werden. Langfristig, und insbesondere dann, wenn Restbuchwerte bei der Liquidation des betreffenden Fonds tatsächlich ausgeschüttet werden, bieten Buchwerte einen verlässlichen Renditemaßstab. Zwischenzeitig allerdings werden Bilanzierungsregeln ^ Für eine ausführliche Diskussion dieses Problems sowie einer Übersicht zu bislang in der Literatur diskutierten Lösungsvorschlägen vgl. Kaserer et al. (2004). ^ Alternativ könnte man auf die Verwendung von Buchwerten vollständig verzichten und sich lediglich auf realisierte Cash-Flows einer Private Equity-Anlage konzentrieren. Eine Diskussion dieser Vorgehensweise sowie konkrete Ergebnisse für europäische Private Equity Fonds findet sich in Kaserer und Diller (2004a, 2004b).
Zur Messung von Rendite und Risiko bei Private Equity-Investments
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und die Anwendung von Methoden der Bilanzpolitik zu einer Diskrepanz zwischen tatsächlich realisierter Rendite und Buchwertrendite führen. Dabei konzentrieren wir uns in diesem Beitrag vor allem auf das Vorhandensein von so genannten Trägheitseffekten, die dadurch auftreten, dass sowohl positive als auch negative Bewertungsveränderungen erst mit einer bestimmten Verzögerung in die Buchwerte eingehen. Die Problematik von Liquiditätseffekten bei der Messung von Risiken wurde im Bereich der empirischen Kapitalmarktforschung bereits seit Ende der GOiger Jahre diskutiert.^ Wir verwenden hier ein u. a. in dieser Literatur diskutiertes Zeitreihenmodell, um das Ausmaß der zeithchen Abhängigkeiten in den Buchwertrenditen zu beschreiben. Ausgangspunkt bildet ein idealer Markt, in dem sich - unter Informationseffizienz und vernachlässigbaren Transaktionskosten - sämtliche auszahlungsrelevante Information in einem Zeitpunkt t sofort im fairen Preis Pt widerspiegelt. Unter diesen Bedingungen sind die diskreten Periodenrenditen, Rt = Pt/Pt-i — 1, t = 1,...,T, stochastisch unabhängig. Verschärft man die statistischen Verteilungsannahmen, so wird man idealtypisch von unabhängig identisch verteilten (i.i.d.) Renditen Rt ausgehen, die einer gemeinsamen Verteilungsfunktion entstammen. Im vorliegenden Fall repräsentiert Rt die „wahre" Rendite eines Private Equity-Fonds für die Periode t, also die Renditerealisation, die der Investor unabhängig davon erzielen würde, ob er seine Anlage vorzeitig veräußern muss oder nicht. Im illiquiden Markt ist die wahre Rendite Rt nicht beobachtbar. Auf der Ebene eines einzelnen Private Equity-Investments ist stattdessen (im Fall der bereits erfolgten Liquidation) lediglich der Anfangswert (festgestellt am „vintage date") und der Liquidationswert (festgestellt am „exit date") des Investments bekannt. Wenngleich üblicherweise einige zusätzliche Transaktionen während der Laufzeit des Fonds stattfinden können, die weitere transkationsbezogene Bewertungen erlauben,^ so sind die Beobachtungen üblicherweise dennoch sehr spärlich. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn man die üblicherweise relativ lange Laufzeit der Fonds (z.T. zehn bis 15 Jahre) berücksichtigt. Betrachtet man das Problem auf der Ebene eines Fonds, so wird die Situation sogar noch schwieriger, da in diesem Fall lediglich aggregierte Daten vorliegen. Es kann nur auf den Anfangswert (festgestellt am „vintage date") und den Liquidationswert (festgestellt am „exit date") des Fonds zurückgegriffen werden. Zwischenzeitige Zahlungen von den Investoren zum Fonds oder umgekehrt erlauben in diesem Fall keine Aussage über die zwischenzeitige Bewertung des Fondsvermögens. ® Vgl. z.B. Scholes und Williams (1977), Roll (1981) und Cohen et al (1983), die sich mit der Frage der Schätzung von Beta-Koeffizienten, beschäftigen, sowie auch Lo und MacKinlay (1990) und Kapitel 2 und 3 in Campbell et al. (1997). Ein jüngerer Ansatz zu Modellierung von geglätteten Renditen stammt von Getmansky et al. (2003). ^ Beispiele hierfür sind Anfangsauszahlungen, die über mehrere Finanzierungsrunden aufgeteilt werden, oder auch spätere Teilverkaufe des bestehenden Fonds.
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Ein Weg aus diesem offensichtlichen Dilemma, der zumindest eine gewisse Bewertungsinformation bereitstellen kann, besteht darin, den Zusammenhang zwischen den unbeobachtbaren, wahren Renditen und den buchwertbasierten Renditen zu analysieren. Die Datengrundlage dafür bieten die Inventarwerte von Private Equity-Fonds, die vom Management halbjährlich oder quartalsweise bestimmt und an die Anleger berichtet werden. Die Bewertungsrichtlinien folgen meist einem Kodex der freiwilligen Selbstkontrolle und sind so ausgerichtet, dass als Bewertungsziel eine Ermittlung des fairen Wertes des Fonds erfolgen soll. Teilweise wird auch die Berücksichtigung des Kapitalmarktumfeldes bei der Fondsbewertung verlangt.-^^ Sicherlich spiegeln Bewertungen zu Buchwerten, JB^, nur in seltenen Ausnahmefällen den aktuellen Marktpreis, d. h. den Preis Pt zu dem der Fonds bzw. Fondsanteile am Markt erworben oder veräußert werden könnten, wider. Die Ursachen hierfür können vielschichtig sein. Zum einen können Bewertungsrichtlinien eine Erklärung liefern, da die Buchbewertung diesen Richtlinien folgen muss. Zum anderen spielt aber die Informationsverarbeitung durch das Fondsmanagement - im Vergleich zu einem, hier nicht vorhandenen, Markt - eine entscheidende Rolle. Als Folge unterliegt eine Bewertung zu Buchwerten sehr stark sowohl bilanziellen Richtlinien als auch individuellen, möglicherweise unbewussten, möglicherweise strategischen, Informationsverzerrungen. Eine beispielhafte Veranschaulichung des Sachverhaltes ist in Abb. 1 gegeben. Diese zeigt die Realisation eines wahren Preisprozesses (Pt) und gegebene Beobachtungen auf Buchwertbasis (Bt). 2.2 Ein Modell für Glattungseflfekte bei Buchwertrenditen Auf Grundlage der Buchwerte eines Fonds und der Cash-Flows einer Periode t, Ct, lassen sich die diskreten Periodenrenditen auf Buchwertbasis ermitteln. Es gilt: Qt = {Bt + Ct)/Bt-i - 1, t = 1,...,T. Ein allgemeiner Ansatz zur Modellierung der diskreten Periodenrenditen auf Buchwertbasis, Qt, basiert auf einem linearen Zeitreihenmodell aus der „autoregressive moving average" (ARMA)-Klasse.ii Nimmt man speziell an, dass sich längerfristig die Buchrenditen Qt aus einer Linearkombination der aktuellen Rendite Rt sowie aus k vergangenen Renditen ergeben, so kann man folgendes Modell formulieren: Qt=
y2^.
wiRt-i.
(1)
Um die Buchrendite als Summe von k -\- 1 wahren Renditen darzustellen, müssen sich die Gewichte Wi zu eins addieren, d.h. es muss gelten: ^° In Europa werden hier häufig die Bewertungsrichtlinien der EVCA als Maßstab herangezogen, in den USA erfüllen die U.S. Private Equity Valuation Guidelines (PEIGG) diese Punktion. Es handelt sich hier aber nicht um rechtsverbindliche Regelwerke. ^^ Vgl. Getmansky et al. (2003).
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Abb. 1. Realisation eines wahren Preisprozesses und gegebene Beobachtungen auf Buchwertbasis. Wo + wi + ,.. -i- Wk = 1 für 0 < Wi < 1. Das Modell (1) basiert ferner auf der Annahme, dass die beobachteten Buchrenditen lediglich durch Trägheitseffekte von den wahren Renditen abweichen, nicht jedoch durch mögliches Rauschen überlagert werden. Das heißt, es wird ein Management unterstellt, welches den fairen Wert des Fonds lediglich verzögert, aber unverzerrt, feststellt. Dieser Bewertungsvorgang geschieht annahmegemäß ohne systematische oder auch zufällige Bewertungsabweichungen. Aufgrund der Trägheit der Buchrenditen folgt allerdings, dass die Varianz der wahren Renditen anhand der Buchrenditen in der Regel unterschätzt wird (wobei der degenerierte Fall t^o = 1 identische Varianzen impliziert). Es gilt: Var{Qt) = Var{Rt) ^^^^^ wf < Var{Rt),
(2)
Betrachtet man zwei Anlagen n und Z, so ergibt sich (unter wo-{-wi-\-,,.-i-Wk = 1 und Verwendung der Cauchy-Schwarz Ungleichung) folgende Beziehung zwischen dem Korrelationskoeffizienten auf Basis von Buchrenditen und dem auf Basis der wahren Renditen:
Corr{Q^,Ql) =
EloKwl \/Eto«)'EloH)^
Carr{R'^,Rl)
(3) Das bedeutet, dass auch die Korrelationen der wahren Renditen in der Regel unterschätzt werden (wobei der Spezialfall identischer Lag-Strukturen, wf = wl Vi, identische Korrelationen impliziert). Als Folge wird man auf
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der Basis von Buchrenditen die wahre Varianz der Renditen eines PortfoUos unterschätzen. Betrachtet man speziell die Korrelation der Buchrenditen eines Fonds mit der Rendite eines Marktindexes M, für den die wahre Rendite R^ beobachtbar sei (d.h. WQ^ = 1), SO folgt speziell aus obiger Beziehung: Corr (i?f, Q\) =
.
"""
^ Carr (i?f, R[) < Corr {R^,R[).
(4)
\/Eto Hf Obige drei Beziehungen (2), (3) und (4) zeigen, dass man auf Basis des Modells bei Kenntnis der Gewichte Wi von den beobachteten Buchwertrenditen auf die Verteilung der unbeobachteten Renditen schließen kann. Da die Gewichte nicht beobachtbar sind, müssen sie aus den beobachteten Daten hergeleitet werden. Im folgenden Abschnitt wird auf die Schätzung der Gewichte eingegangen. 2.3 Parameter Schätzung für das Modell Ausgehend von Modell (1) kann man in der empirischen Spezifikation einen Mittelwert JJ, einführen und mittelwertbereinigte Buchrenditen, Qt — /i, betrachten. Diese Umformulierung belässt die Aussagen (2) bis (4) unverändert. Statt wie bisher von i.i.d. Renditen auszugehen, wird nun angenommen, dass die Renditen Rt einem weißen Rauschen folgen, d. h. sie sind (als abschwächende Annahme) unkorreliert identisch verteilt und besitzen (als zusätzliche Annahme) einen Erwartungswert von null, E(jRt) = 0. Die unbeobachtbaren Renditen stellen daher nun den Prozess der Innovationen des Modells dar. Nach einer Skaherung mit dem Gewicht I/WQ ergibt sich aus Gleichung (1) folgendes Modell:
Wo
^-^1=1 Wo
Dieses Ergebnis zeigt, dass - nach Mittelwertbereinigung und anschließender Skalierung - Modell (1) durch einen MA(fc)-Prozess repräsentiert werden kann. Sind mittelwertbereinigte Buchrenditen gegeben, so können die Parameter des Modells mittels der Maximum-Likelihood Methode geschätzt werden, wobei die Standardabweichung der Innovationen (Renditen) mit 1/wo skaliert wurde. Unter der Nebenbedingung für die Gewichte, wo-}-wi + ...-\-Wk = 1, folgen aus den Schätzungen für die k Parameter wi/wo, i = 1,...,fc,die Schätzungen für die fc + 1 Parameter Wi,i = 0, ...,fc, in Modell (1). Es gilt dann eine Proportionalisierungsvorschrift der Form ^0 =
—fc—7TTTT' 1 + 22i=i K / ^ o )
Wi=wo{wi/xvo),
i = l,...,fc,
(6)
so dass sich die Schätzer für die Gewichte ti;^, i = 0,..., fc, zu eins addieren.
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Es sollte angemerkt werden, dass durch die vorliegende Methode grundsätzhch nicht sichergestellt ist, dass alle Gewichte im Intervall [0;1] liegen. Als weiteren Kritikpunkt gilt es anzumerken, dass in den Modellen (1) und (5) keine zufälligen Abweichungen von der wahren, langfristigen Rendite zugelassen werden. Ebenso wird ein stationärer Prozess unterstellt, d. h. das Glättungsverhalten bleibt im Zeitablauf konstant. Da reale Bewertungsprobleme umfassender sind, kann dieses Modell lediglich als einfacher, vorläufiger Ansatz zur Behandlung von Trägheit bei Buchwertrenditen dienen, wenn die Prämisse haltbar erscheint, dass ansonsten eine langfristig faire buchhalterische Bewertung des Fondsvermögens vorliegt.
3 Empirische Untersuchung von Venture Capital Fonds In diesem Abschnitt erfolgt eine empirische Untersuchung des Glattungseffektes anhand des Ansatzes aus Abschnitt 2. Die Ergebnisse werden auf Basis von europäischen Venture Capital Fonds, die im Zeitraum 1980 bis 2002 aufgelegt wurden, erzielt. 3.1 Beschreibung des Datensatzes Der Datensatz der Untersuchung basiert auf quartalsweisen Buchwerten Bt und Cash-Flows Ct von 22 europäischen Venture Capital Fonds. Die Daten wurden von Thomson Venture Economis, New York, anonymisiert zur Verfügung gestellt. Alle Fonds wurden innerhalb der Periode vom 1. Januar 1980 bis zum 31. Dezember 2002 aufgelegt und liquidiert. Tabelle 1 gibt einen Überblick zum Auflegungs- und Liquidationsjahr der einzelnen Fonds sowie zur deren Laufzeit in Quartalen. Ferner werden alle Fonds einer von drei Klassen zugeordnet, nämlich der Klasse junger Gründungsfonds („early stage", ES), der Klasse hinsichtlich Unternehmensalter diversifizierter Fonds („balanced", B) oder der Klasse der Fonds reifer Unternehmen („developed", DEV). Die Verteilung der Buchrenditen aller Fonds weicht außergewöhnlich stark von der einer symmetrischen Verteilung mit leichten Rändern ab. Als Beispiel werden die Histogramme von zwei Fonds der Stichprobe in Abb. 2 dargestellt. Zum Vergleich wurde in den Graphen jeweils die Dichte der Normal Verteilung mit identischem ersten und zweiten Moment hinterlegt. Aufgrund der starken Tendenz zu Asymmetrie und Ausreißern bei den quartalsweisen Buchrenditen wird der Median als Lokationsschätzer bevorzugt. Die in Tabelle 1 angegebene Schätzung der mittleren Quartalsrendite der Fonds basiert dementsprechend auf dem Median der Renditen. Die Angabe der mittleren Rendite erfolgt annualisiert in Prozentpunkten (% p.a.). Dieser Schätzer für den (nicht um Risiko bereinigten) quartalsweisen Anlageerfolg schwankt zwischen -5,31% und 7,35%. Die nach diesem Maßstab sieben von 22 erfolgreichsten Fonds (Wert über 4%), wurden alle in den drei Jahren
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Tabelle 1. Übersicht zu den in der Stichprobe enthaltenen Venture Capital Fonds. Klasseneinteilung: ES „early stage", B „balanced", DEV „developed". Fonds
Klasse
DEV ES ES DEV ES DEV DEV B ES DEV ES DEV ES DEV DEV DEV ES DEV DEV ES ES B
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22
1980 1985 1986 1987 1985 1981 1986 1987 1989 1985 1983 1985 1981 1988 1990 1986 1985 1987 1988 1986 1986 1996
1998 1996 1997 2000 1999 1998 2000 2000 2002 1999 1997 1998 1997 2002 1995 1995 1996 1998 1995 1998 1998 2001
OÖD
aSO
.töö;
i,50;
73 46 42 50 54 67 57 53 53 58 46 52 64 55 21 38 45 46 28 47 48 18
4.04 -1.95 -0.21 7.28 0.05 1.74 6.67 7.35 1.74 5.66 0.25 0.51 0.48 0.94 1.99 3.75 -0.28 2.88 -5.31 4.02 4.47 -2.06
FondÄNf. 16
Fonds Nr. 6
D5Ö
Median Buchrendite in % p.a.
Gründungs- Liquidations- Laufzeit in jähr jähr Quartalen
2.dDN = ß?
Quartalsrenditen auf Buchwertbasis
Mm
-030
-0 20 -0.10 0.00
010
Ö2Ö
iMjsan:-0.01:49 &'td. Dev. == ^.09476 0 3a:N = 3^;
Quartalsrenditen auf Buciiwertliasis
A b b . 2. Histogramme der Buchrenditen der Fonds Nr. 6 und Nr. 16 sowie entsprechende Dichte der Normalverteilung.
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1998 bis 2000 liquidiert. Die sieben von 22 am wenigsten erfolgreichen Fonds (Werte bis 0,25%), wurden mit einer Ausnahme (Jahr 1999) in den Jahren 1995 bis 1997 oder im Jahr 2001 liquidiert. Diese Beobachtung deutet darauf hin, dass für diese Stichprobe das Liquidationsjahr („exit year") von ganz erheblicher Bedeutung für den Anlageerfolg gewesen ist. 3.2 Schätzergebnisse Die Schätzergebnisse des Modells aus Abschnitt 2.3 sind in Tabelle 2 wiedergegeben. Als Länge des Lags im Zeitreihenmodell wurde fc = 4 gewählt. Damit können jährliche Saisonalitäten in der Buchwertermittlung abgebildet werden. Die Ergebnisse der 22 Fonds weisen einen Parameter WQ von durchschnittlich 0,77 auf. Dies bedeutet eine im Mittel relativ hohe Effizienz der Buchrenditen derart, dass die ausgewiesenen Renditen zu einem relativ hohen Grad einem zufälligen (d. h. unkorrelierten) Informationsprozess unterliegen; im Fall Wo = 1 wäre der Buchwertrenditeprozess nicht autokorreliert. Einzelne Fonds (fünf von 22) weisen Parameterschätzungen von über 0,95 auf, d. h. die Hypothese einer „trägen" Bilanzierung erscheint für diese Fonds nicht haltbar, während der Effekt für die Mehrheit der Fonds attestiert werden kann. Betrachtet man die Lagkoeffizienten 1 bis 4, so ist auffällig, dass - während die Lags 1 bis 3 im Mittel eher leicht über null liegen - gerade zum Lag 4 die Verteilung der Koeffizienten eindeutig zum positiven Bereich tendiert. Dies deutet auf eine positive Abhängigkeit der ausgewiesenen Erfolgskennzahlen auf Jahresbasis hin. Ein Grund dafür können spezifische bilanzpolitische Aktivitäten zum Jahresende sein. In Tabelle 2 wird zudem die Standardabweichung der quartalsweisen Buchwertrenditen angegeben. Bezug nehmend auf die Ergebnisse aus Abschnitt 3.1 wird hier wiederum ein robuster Median-Schätzer verwendet. Die Stichprobenstandardabweichung basiert auf einem „median absolute deviation" (MAD)Schätzer^^ und wird anschließend annualisiert und in Prozentpunkten ausgedrückt (S_MAD in % p.a.). Zudem erfolgt eine Korrektur nach Beziehung (2), die auf den geschätzten Koeffizienten bis zum Lag 4 (S_MAD in % p.a. korrigiert) basiert. Vergleicht man beide Maße der buchwertbasierten Variabilität des jeweiligen Fonds Vermögens, so zeigen sich merkliche Erhöhungen der geschätzten jährlichen Standardabweichung. Nimmt man vereinfachend eine risikolose Rendite von 3% jährlich für den gesamten Zeitraum an, so kann man aus den obigen Ergebnissen (Median der Renditen in % p.a. und S_MAD in % p.a. korrigiert) die korrigierten, buchwertbasierten Sharpe Ratios der Fonds ableiten. Überraschend zeigt sich in Tabelle 2, dass im Mittel negative Kennzahlen vorliegen, d. h. selbst auf Grundlage der Buchwerte wurde häufig eine Rendite von 3% auf Jahresbasis verfehlt. Weniger als die Hälfte der Fonds, nämlich acht von 22, weisen eine Vgl. Huber (1981, S. 107).
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Tabelle 2. Ergebnisse der Parameterschätzungen für die Venture Capital Fonds, Modell (5). Die korrigierte Sharpe Ratio basiert auf einer risikolosen Rendite von 3% p.a. sowie der Kennzahlen Median Buchrendite und SJVIAD korrigiert. Fonds
SJVIAD S_MAD in % p.a. in % p.a. korrigiert
Sharpe Ratio korrigiert
Wo
Wi
W2
Ws
W4
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22
0.9926 0.8776 0.4807 0.5228 0.6588 0.8426 0.8368 0.9507 0.6450 0.8191 0.2424 0.8881 0.7662 0.9224 0.5416 0.9293 0.9974 0.9871 0.5708 0.9865 0.8838 0.5623
0.0000 -0.0409 0.4389 -0.0018 -0.3064 0.0008 -0.0026 0.0094 0.2125 0.0896 0.1485 0.0034 0.0763 0.0006 -0.0714 -0.0098 -0.0092 0.0015 0.0061 -0.0204 0.1039 -0.0204
0.0065 -0.0697 -0.0392 0.1576 0.2952 0.1676 -0.0081 0.0051 -0.0936 -0.0455 0.1292 -0.0418 -0.0631 0.0475 0.0238 -0.0025 -0.0041 0.0096 -0.0074 -0.0042 -0.0001 -0.0944
0.0000 -0.0067 -0.0512 -0.0009 0.1512 -0.0168 0.1885 0.0503 -0.0256 0.0457 0.2010 0.0010 0.0287 -0.0042 0.1354 -0.0049 0.0045 -0.0006 0.2098 0.0556 0.0264 0.5096
0.0001 0.2397 0.1708 0.3224 0.2012 0.0058 -0.0146 -0.0155 0.2617 0.0912 0.2789 0.1494 0.1918 0.0338 0.3706 0.0879 0.0114 0.0024 0.2207 -0.0174 -0.0141 0.0429
8.92 7.23 7.41 8.59 10.25 12.04 7.36 5.93 0.36 10.86 9.28 6.34 10.63 11.46 2.07 1.88 2.21 3.16 9.17 8.98 8.67 9.99
8.99 7.91 10.97 13.54 12.44 14.01 8.58 6.23 0.48 13.06 19.99 7.03 13.35 12.40 3.08 2.01 2.21 3.20 14.18 9.08 9.74 13.03
0.35 -1.76 -0.97 1.16 -0.84 -0.34 1.25 1.74 -1.81 0.74 -0.62 -0.94 -0.69 -0.58 -0.57 0.53 -2.21 -0.06 -2.21 0.34 0.47 -1.40
Mittelwert Median Varianz Stdabw. Min. Max.
0.7684 0.0277 0.0167 0.8397 0.0007 -0.0033 0.0435 0.0176 0.0088 0.2085 0.1327 0.0940 0.2424 -0.3064 -0.0944 0.9974 0.4389 0.2952
0.0680 0.0155 0.0158 0.1257 -0.0512 0.5096
0.1191 0.0895 0.0157 0.1254 -0.0174 0.3706
7.40 8.63 11.74 3.43 0.36 12.04
9.34 9.41 24.73 4.97 0.48 19.99
-0.38 -0.58 1.25 1.12 -2.21 1.74
positive Sharpe Ratio auf. Die Streuung der Werte ist allerdings stark: fünf der 22 Fonds weisen hohe Erfolge mit Sharpe Ratios über 0,5 auf.
4 Zusammenfassung u n d Ausblick Es wurde in der Einleitung argumentiert, dass das Nichtvorhandensein eines liquiden Sekundärmarktes zu erheblichen Schwierigkeiten bei der Durchführung
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einer quantitativen Anlagestrukturentscheidung führen kann. Dies hat insbesondere damit zu tun, dass uns die empirische Schätzung von Verteilungsgesetzen eines mangels Sekundärmarkthandel nicht direkt beobachtbaren Wertprozesses vor erhebliche Herausforderungen stellt. Ohne eine modelltheoretische Vorstellung darüber, welchen Zusammenhang es möglicherweise zwischen dem unbeobachtbaren tatsächlichen Wertprozess und einer anderen beobachtbaren Größe gibt, wird dieses Problem nicht zu lösen sein. In dem hier vorliegenden Beitrag wurde als eine erste Annäherung an dieses Problem vorgeschlagen, dass „wahre" - aber unbeobachtbare - Renditerealisationen bei Private Equity-Anlagen zumindest mit einer Verzögerung in den von den Fonds veröffentlichten Buchwerten eingehen. Unter Berücksichtigung eines solchen Trägheitseffektes in der bilanziellen Informationsverarbeitung konnte mittels der empirischen Schätzung eines einfachen MA(fc)-Prozesses gezeigt werden, dass derartige Effekte bei europäischen Venture Capital-Fonds tatsächlich vorliegen. Da die Renditeverteilungen auf Buchwertbasis allerdings hochgradig nicht-normal ausfallen, gilt es zu bedenken, dass Standardmethoden der Statistik häufig dem Problem von Ausreißern in den Daten ausgesetzt sind. Zur Ableitung des ersten und zweiten Moments der tatsächlichen Renditeverteilung und zur Bestimmung buchwertbasierter Sharpe-Ratios wurden daher robuste Verfahren verwendet. Natürlich ist das in diesem Beitrag vorgeschlagene Modell, welches den Zusammenhang zwischen tatsächlichen und buchwertbasierten Renditen beschreibt, nur als eine erste Näherung an das grundsätzliche Problem zu verstehen. Es sollte in erster Linie dazu dienen, ein Problembewusst sein für die Schätzung von Verteilungsparametern bei Private Equity-Renditen zu schaffen und gleichzeitig einen möglichen Lösungsweg aufzuzeigen. In dieser Forschungsrichtung wird es daher in Zukunft vor allem darauf ankommen, die modelltheoretischen Grundlagen zu verbessern.
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Sind Bankenrisiken messbar? Hermann Locarek-Junge und Christiane Buch Technische Universität Dresden, Lehrstuhl Finanzwirtschaft und Finanzdienstleistungen, Helmholtzstr. 10, D-01062 Dresden locarekOf inance.wiwi.tu-dresden.de buechQfinance.wiwi.tu-dresden.de
Gliederung 1
Einleitung
110
2
Systematisierung von Bankenrisiken
111
3
Klassische Methoden zur Ermittlung des Bankenrisikos . . . 112
3.1 3.2
Historische Simulation Varianz-Kovarianz-Methode
112 113
3.3
Monte-Carlo-Simulation
114
4
Alternative Methoden zur Ermittlung des VaR
115
4.1 4.2
Mischverteilungen Student t-Verteilung
118 119
4.3
Extremwerttheorie
119
5
Anwendung des VaR auf Bankenrisiken
121
5.1 5.2
Marktpreisrisiken Kreditrisiken
122 122
5.3
Operationelle Risiken
123
6
Fazit
125
Literaturverzeichnis
126
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Hermann Locarek-Junge und Christiane Buch
1 Einleitung Bankbetriebliche Risiken können in strategische Risiken und operative Risiken unterschieden werden. Strategische Entscheidungen werden als Zielsetzungen für die Entwicklung einer Bank verstanden, wobei die Nichterreichung dieser Ziele das jeweilige strategische Risiko charakterisiert. Als operative Risiken werden Marktpreis-, Kredit- und operationelle Risiken bezeichnet, die unmittelbar konkrete Ergebnisgrößen beeinflussen.^ Das Risiko auf Einzelund Portfolioebene in Banken wurde lange Zeit anhand der Standardabweichung gemessen. Dieses Risikomaß ist jedoch nur bedingt geeignet, da positive wie negative Abweichungen vom Mittelwert als Risiko bezeichnet werden. In der Praxis wird vor allem das Unterschreiten eines Mittelwertes als Risiko empfunden. Diese Sichtweise hat die zunehmende Anwendung von DownsideRisikomaßen, die eben diese negative Abweichung messen und zu denen auch der Value-at-Risk (VaR) gehört, verstärkt. Das VaR-Konzept ist ursprünglich von Baumol entwickelt worden^ und durch RiskMetrics^^ von J.P.Morgan und Reuters^ sowie den Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht, der die internen Modelle der Banken zur Ermittlung der erforderlichen Eigenkapitalunterlegung anerkannte, ein weit verbreitetes Instrument zur Risikomessung geworden. Der VaR-Ansatz ist eine Weiterentwicklung des Safety-First-Ansatzes, der die Zielsetzung der Ertragsmaximierung unter Vorgabe der Wahrscheinlichkeit einer Unterschreitung der Zielrendite verfolgt. Downside Lower Partial Moments (LPM) stellen eine Kennzahl für das Downside-Risiko einer Position dar. Das Lower Partial Moment 0-ter Ordnung {LPMo) ist die Ausfallwahrscheinlichkeit, die eine Aussage über die Häufigkeit der Unterschreit ung einer festgelegten Zielrendite trifft. Der VaR kennzeichnet umgekehrt den maximalen Verlust, der mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit eintritt, sagt aber nichts über die zu erwartende Verlusthöhe im Fall einer Unterschreitung aus. Ziel dieses Artikels ist ein kurzer Überblick über verschiedene Methoden zur Ermittlung des VaR und die kritische Überprüfung einer Anwendung des VaRKonzepts auf Marktpreisrisiken sowie einer Übertragung auf Kredit- und operationelle Risiken. Nach einer Einleitung werden im ersten Teil die klassischen VaR-Methoden, wie Historische Simulation, Varianz-Kovarianz-Methode und Monte-Carlo-Simulation vorgestellt. Aufgrund der einschränkenden Annahmen der klassischen Methoden und der spezifischen Charakteristika von Bankenrisiken werden im zweiten Teil alternative Methoden, wie die Extremwerttheorie betrachtet. Der dritte Teil analysiert die modelltheoretischen Schwächen des VaR-Konzepts bei der Übertragung auf Bankenrisiken, wobei sich ergibt, dass Bankenrisiken mit dem VaR nicht gemessen werden sollten. ^ Vgl. Büschgen (1998), S. 868. Eine weitere Möglichkeit der Systematisierung von Bankenrisiken ist die Unterteilung in systematische und unsystematische Risiken. Vgl. insbesondere zum Beta-Risiko als Kennzahl für das systematische Risiko Wilhelm (2001), S. 89ff. 2 Vgl. Baumol (1963), S. 176ff. ^ Vgl. J.P.Morgan; Reuters (1996).
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2 Systematisierung von Bankenrisiken Eine Möglichkeit, Bankenrisiken zu systematisieren, ist die Unterscheidung in strategische und operative Risiken. Strategische Risiken zeichnen sich durch ihre Einzigartigkeit aus, da sie zumeist auf Basis subjektiver WahrscheinUchkeitseinschätzungen getroffen werden. Operative Risiken können nach einer zielbezogenen Sichtweise in Liquiditäts- und Erfolgsrisiken sowie nach der Entstehung des Risikos innerhalb des betrieblichen Prozesses der Leistungserstellung in Risiken im internen Leistungsbereich einer Bank - sog. Betriebsrisiken - und Risiken im externen Leistungsbereich - sog. Geschäftsrisiken - eingeteilt werden. Liquiditätsrisiken resultieren vor allem aus der zeitlichen Struktur von Ein- und Auszahlungen, die Zentralbankgeld erfordern. Das Risiko besteht in der Möglichkeit, dass Mittelzu- und Mittelabfiüsse nicht synchron erfolgen. Als Substitutionsrisiko wird dabei die Gefahr fehlender Ersatzbeschaffung fristgerecht abgerufener Einlagen, das Terminrisiko als Konsequenz vertragsinkonformen Verhaltens, und das Abrufrisiko als Konsequenz vertragskonformen Verhaltens, das Einfluss auf die Kapitalbindungsdauer hat, bezeichnet. Erfolgswirksam können Betriebs- und Geschäftsrisiken sein. Betriebsrisiken werden im Folgenden als operationelle Risiken bezeichnet, die in Faktorrisiken sowie Abwicklungs- und Rechtsrisiken differenziert werden. Faktorrisiken ergeben sich aus der Beschaffung und dem Einsatz personeller oder sachlich-technischer Faktoren der Leistungserstellung bei Banken. Als Risiken personeller Art werden Risiken bezeichnet, die aus dem Einsatz von Mitarbeitern entstehen können. Risiken sachlich-technischer Art resultieren aus der Beschaffung und dem Einsatz von Betriebsmitteln. Risiken ablaufstruktureller Art sind zum einen das Risiko, dass aufgrund der arbeitsteiligen Organisation bankbetrieblicher Tätigkeiten Abgrenzungsschwierigkeiten auftreten, die latente Risiken für den Betriebsablauf einer Bank darstellen können. Rechtsrisiken können aus einer Veränderung der aktuellen Gesetzgebung und/oder Rechtssprechung oder einer fehlerhaften Formulierung von Verträgen entstehen. Geschäftsrisiken werden in Kreditrisiken und Marktpreisrisiken unterschieden. Die Ursachen von Marktpreisrisiken sind Zins-, Aktienkurs-, Wechselkurs- und sonstige Preisänderungen. Das Bonitätsrisiko stellt das Kreditrisiko i.w.S. dar und ensteht aus einer Bonitätsverschlechterung des Kreditnehmers. Das Kreditrisiko i.e.S. ergibt sich durch die Unsicherheit über die zukünftige Zahlungsfähigkeit des Schuldners und kann in einer endgültigen Zahlungsunfähigkeit des Schuldners enden."^
Vgl. Büschgen (1998), S. 880ff.
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3 Klassische Methoden zur Ermittlung des Bankenrisikos Der VaR ist definiert als derjenige Vermögensverlust einer risikobehafteten Vermögensposition, der am Ende eines bestimmten Zeitraums mit einer bestimmten Konfidenzwahrscheinlichkeit nicht überschritten wird.^ Er wird durch den Bezugszeitraum, das Konfidenzniveau u n d die A n n a h m e n möglicher zukünftiger Szenarien bestimmt. Die Wertänderung eines Portfolios^ am E n d e eines bestimmten Betrachtungszeitraums kann als Zufallsvariable bet r a c h t e t und der VaR in Abhängigkeit eines bestimmten Konfidenzniveaus 1 — a wie folgt formal bestimmt werden, wobei F die stetige Verteilungsfunktion der Zufallsvariablen „Vermögensposition" bezeichnet:^ VaRi-a
= m a x { - F - ^ ( a ) ; 0}
(1)
D a die Wertveränderung unbekannt ist, muss sie mit Hilfe geeigneter Methoden approximiert werden.^ In der Literatur werden die historische Simulation, die Monte-Carlo-Simulation u n d die Varianz-Kovarianz-Methode vorgeschlagen. Eine Erweiterung des VaR-Konzepts stellt der Conditional VaR dar. Er berücksichtigt Risiken jenseits des VaR und entspricht dem bedingten erwart e t e n Verlust, der über den VaR hinausgeht. Der Conditional VaR ist wie der VaR translationsinvariant, positiv homogen und monoton, weist aber zusätzHch die Eigenschaft der Subadditivität auf.^ 3.1 Historische Simulation Die historische Simulation stellt ein nicht parametrisches Verfahren dar, bei dem keine Annahmen über die Verteilung der Renditen getroffen werden. Nachdem die stetigen Renditen sortiert sind, wird die zum gewählten Konfidenzniveau zugehörige Renditerealisation gewählt, die kritische Rendite Va
Vgl. Huschens (2000a), S. 17. Das Portfolio kann aus einer oder mehreren risikobehafteten Vermögenspositionen bestehen. Vgl. Deutsch (2001), S.364f. Falls mit einer Konfidenzwahrscheinlichkeit 1—a kein Verlust entsteht, ist der VaR gleich Null. Der VaR ist eine Verlust schranke, die als positive Zahl angegeben wird. Im Folgenden werden die Begriffe Konfidenzniveau und Konfidenzwahrscheinlichkeit synonym verwendet. Vgl. zu den Approximationen Huschens (2000b), S. 188-195. Risikomaße, die translationsinvariant, positiv homogen, monoton und subadditiv sind, werden als kohärente Risikomaße bezeichnet. Vgl. Artzner; Delhaen; Eher; Heath (1999), S. 210 und 216, wobei der Conditional VaR dort als TailVaR bezeichnet wird, S. 223. Zum Konzept des Conditional VaR siehe Rockafellar; Uryasev (2002), S. 1446ff. sowie zur empirischen Analyse von VaR und Conditional VaR Yamai; Yoshiba (2002), S. 30.
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bestimmt und die entsprechende Wertänderung des Portfolios als VaR ermitteltiio VaRi-oi = maxl^Ct-i • (exprc^ — 1)} (2) Aufgrund der Verwendung historischer Daten lässt sich der VaR durch Skalierung nicht auf eine andere Haltedauer umrechnen. Ein Vorteil der historischen Simulation ist es, dass keine explizite Verteilungsannahme getroffen wird und somit Fehler wie bei einer unterstellten Normalverteilung ausgeschlossen werden können. Weiterhin wird die vergangene Entwicklung exakt widergespiegelt, d. h. es werden auch die tatsächlichen Eigenschaften der Verteilung, wie Schiefe oder Wölbung implizit berücksichtigt, es erfolgt keine Verzerrung aufgrund einer Durchschnittsbildung und der Rechenaufwand ist relativ gering. Problematisch ist jedoch, dass von einer Konstanz der Verteilung ausgegangen wird, da die Renditen mit der jeweils gleichen Gewichtung in die Berechnung eingehen. Diese Annahme impliziert, dass vergangene Renditen in die Zukunft extrapoliert werden können. Bei Verwendung langer Zeitreihen ist zudem die Renditestruktur zu beachten, da diese bei einem Strukturbruch die Ergebnisse verzerren könnte. Generell lässt sich sagen, dass der Schätzer für den VaR bei steigender Volatilität den tatsächlichen Wert unterschätzt und in Zeiten sinkender Volatilität überschätzt.^^ Schwierig ist außerdem, dass ein großer Stichprobenumfang benötigt wird, da sonst z.B. der VaR(99%) und der VaR(99^9%) identisch sein können. Bei einem hohen Konfidenzniveau und einem kleinen Stichprobenumfang besteht eine große Unsicherheit, da der ermittelte VaR nur von sehr wenigen extrem negativen Wertänderungen und in einem bestimmten Intervall nur von einem einzigen Wert abhängt. Daraus resultiert, dass zum einen vorliegende Informationen bei der Risikomessung in beträchtlichem Umfang unberücksichtigt bleiben und zum anderen der ermittelte VaR-Wert mit erheblichen Schätzfehlern belastet ist.-^^ 3.2 Varianz-Kovarianz-Methode Die Varianz-Kovarianz-Methode ist ein parametrisches Verfahren, das explizit verschiedene Portfoliopositionen und deren Korrelationen untereinander berücksichtigt.^^ Bei der Berechnung der Standardabweichung werden die jeweiligen Abweichungen gleichgewichtet. Es besteht aber auch die Möglichkeit, die Messung der Standardabweichung mit Hilfe der exponentiellen Gewichtung durchzuführen, bei der aktuelle Beobachtungen stärker gewichtet werden als
Die stetigen Renditen werden im Folgenden mit r» und der Wert des Portfolios zum Zeitpunkt t — 1 mit Kt-i bezeichnet. Vgl. Dresel (2003), S. 33. Vgl. Jorion (2001), S. 223f. und Hakenes; Wilkens (2003), S. 823. Es ist bei der Varianz-Kovarianz-Methode zwischen der Portfolio-NormalMethode, der Asset-Normal-Methode und der Delta-Normal-Methode zu unterscheiden. Vgl. Wilson (1997), S. 216ff.
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weiter zurückliegende Beobachtungen.^^ Die erwartungstreuen Schätzer für den Erwartungswert (i und die Standardabweichung a werden zur Berechnung des VaR zusammen mit dem a-Quantil, in Abhängigkeit vom gewählten Konfidenzniveau, benötigti-"^^ F ^ i (a) = I
^
(3)
Der VaR wird anschließend wie in (2) berechnet. In der Praxis wird der Erwartungswert oftmals mit Null angenommen, da bei täglichen Renditen die Abweichungen als nicht so groß erachtet werden. Diese Annahme eignet sich demzufolge nur für kurze Haltedauern.-^^ Der Vorteil der Varianz-KovarianzMethode liegt in der relativ einfachen Berechnung und, dass sie aufgrund der Normalverteilungsannahme eine einfache Skalierungsmöglichkeit auf verschiedene Haltedauern ermöglicht.-^^ Das Hauptproblem der Methode besteht aber in der Annahme eines bestimmten Verteilungstyps, von dem der Wert des VaR abhängt. Bei Finanzmarktzeitreihen wurde festgestellt, dass diese nicht normalverteilt sind und durch schwere Ränder gekennzeichnet sind.^^ Allerdings fand Vlaar heraus, dass die Annahme einer Student t-Verteilung, die einen schwereren Rand als die Normalverteilung aufweist, schlechtere Schätzergebnisse für den VaR liefert.-^^ Boudoukh; Richardson; Whitelaw (1998) entwickelten einen hybriden Ansatz, der die historische Simulation mit der Varianz-Kovarianz-Methode verbindet. Die Renditen werden exponentiell abnehmend gewichtet und der Größe nach geordnet, wobei mit der kleinsten Rendite begonnen wird. Die Gewichtungen werden dann ausgehend von der kleinsten Rendite so lange addiert, bis das gesuchte Quantil erreicht ist. Der VaR entspricht bei dieser Methode der Rendite, deren Gewichtung als letzte in die Summe einbezogen wurde.^^ 3.3 Monte-Carlo-Simulation Die Simulation der Wertänderungen erfolgt bei der parametrischen MonteCarlo-Simulation indem die vorhandenen Portfoliopositionen mit Hilfe synthetisch generierter Marktbewegungen modelliert werden. Für die Simulation ^^ Vgl. J.P.Morgan; Reuters (1996), S. 78ff. Der Stichprobenumfang wird im Folgenden mit N bezeichnet. ^^ Vgl. Bamberg; Baur (2001), S. 109f. ^^ Diese Methode wird als Mittelwert-Approximation bezeichnet. Vgl. Huschens (2000b), S. 188. ^^ Vgl. Huschens (2000b), S. 199. ^^ Finanzmarktzeitreihen weisen häufig „stylized features" auf: die Daten haben schwere Verteilungsränder und neigen zu Clusterbildung in den Extrema, die Volatilität verändert sich im Zeitablauf und die Daten sind nahezu unkorreliert, aber nicht unabhängig. Vgl. Borkovec; Klüppelberg (2000), S. 222. ^^ Vgl. Vlaar (2000), S. 1142. ^° Vgl. Boudoukh; Richardson; Whitelaw (1998), S. 65.
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der Renditeverteilung eines Portfolios werden zuerst die ersten und zweiten Momente aus den historischen Renditezeitreihen geschätzt. Dann wird für jeden Risikofaktor^^ ein Vektor von unabhängig standardnormalverteilten Zufallsvariablen gezogen. Zur Berücksichtigung der Korrelationen zwischen den einzelnen Renditezeitreihen müssen im Rahmen einer Portfoliobetrachtung aus den unabhängigen Zufallsvariablen multivariat standardnormalverteilte Zufallvariablen generiert werden. Dafür wird das Verfahren der CholeskyFaktorisierung angewendet, bei dem die Korrelationsmatrix C in zwei Teilmatrizen zerlegt und die Elemente der Teilmatrizen wie folgt ermittelt werden :^^ C = Ä^ 'A du — \ Ca y^,_^ c^k
^^j — l ^J^
(4) / ^, ^ Cjf^Cik I /Ca
Der VaR wird anschließend wie in (2) berechnet und als Renditen die multivariat standardnormalverteilten Zufallsvariablen eingesetzt. Ein Vorteil der Monte-Carlo-Simulation besteht in der Möglichkeit, je nach Annahme unterschiedliche Verteilungen der Renditen zu verwenden. Bei Annahme einer Normalverteilung ist auch wieder die Umrechnung auf verschiedene Haltedauern möglich. Allerdings stellt sich die Frage nach der tatsächlichen Verteilung der Renditen, wobei der ermittelte VaR-Wert umso genauer ist, je besser die tatsächliche Verteilung modelliert wurde. Für die Durchführung ist zudem eine große Datenbasis und ein hoher Implementierungs- und Rechenaufwand erforderUch.^^
4 Alternative Methoden zur Ermittlung des VaR Als Annahmen zur Berechnung des VaR werden in den klassischen Ansätzen das Vorliegen einer identisch und unabhängig verteilten Stichprobe (i.i.d.) und die Normalverteilung der Portfoliowertveränderungen getroffen. Die i.i.d.-Annahme resultiert in einer Normalverteilung der Port foliowert Veränderungen, da sich laut Zentralem Grenzwertsatz die Summe i.i.d.-verteilter Zufallvariablen bei wachsendem Stichprobenumfang immer besser der Normalverteilung anpasst.^^ Allerdings bestätigen empirische Untersuchungen nicht, dass Portfoliowertveränderungen generell i.i.d. sind.^^ Die Vorteile der Normalverteilung liegen in einer leichten Berechnung, der Additivität und, dass unterschiedliche Haltezeiträume miteinander verknüpft werden können. Da die Normalverteilung durch die ersten beiden Momente hinreichend genau bestimmt ^^ Marktrisikofaktoren sind z. B. Zinsen, Aktien- und Währungskurse. Vgl. Deutsch (2001), S. 363. 22 Vgl. Deutsch (2001), S. 379. 2^ Vgl. JoHon (2001), S. 226. 24 Vgl. Bamberg; Baur (2001), S. 130f. 2^ Vgl. Fama (1965), S. 68 und Fama (1991), S. 1578ff. zur Verteilung der stetigen Renditen von Aktienkursen.
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ist, kann der VaR bei Kenntnis des Erwartungswertes und der Varianz für jedes beliebige Konfidenzniveau ermittelt werden. Additivität bedeutet, dass die Verteilungsparameter als Summe aus mehreren Verteilungen stabil bleiben, z. B. gilt bei Normalverteilung einzelner Positionen und linearer Transformation die Normalverteilung auch für das gesamte Portfolio. Empirische Untersuchungen zeigen aber, dass die tatsächliche Verteilung der Portfoliowertveränderungen durch schwere Ränder charakterisiert ist.^^ Die Kurtosis misst als viertes Moment die Wölbung der Verteilung. Bei der Normalverteilung nimmt diese den Wert drei an. Anhand der beispielhaften Gegenüberstellung der theoretischen mit den empirischen Quantilen in Abb. 1 wird eine Abweichung der Verteilung der täglichen stetigen DAX-Renditen^^ von der Normalverteilung, die eine größere Häufigkeit geringerer Veränderungen impliziert, festgestellt. Die Normalverteilung unterschätzt die Eintrittswahrscheinlichkeiten in den Randbereichen deutlich.
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Theoretische Quantiie
Abb. 1. Q-Q-Plot der täglichen stetigen DAX-Renditen (5.1.1999 bis 25.8.2004) Gerade der negative Randbereich der Verteilung wird jedoch zur Bestimmung des VaR herangezogen. Aus diesem Grund sollte eine andere Verteilung als die Normalverteilung zugrundegelegt werden. Diese Verteilung sollte durch Additivität resp. Stabilität, das Vorliegen einer finiten Varianz, die durch die Existenz des zweiten Moments einer Verteilung gegeben ist, und eben die Berücksichtigung extremer Renditeveränderungen im linken Randbereich der Verteilung gekennzeichnet sein. Keine Verteilung weist jedoch alle drei Eigenschaften auf. So ist die Normalverteilung eine stabile Verteilung und besitzt ^^ Vgl. zu schweren Rändern bei Wechselkurs- und Zins-Zeitreihen Müller; Dacorogna;Pictet (1996), S, 201 ^^ Die Daten stammen von der Homepage des Handelsblattes http: //\jww. handelsblatt. com.
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eine finite Varianz, allerdings weist sie die Eigenschaft der schweren Ränder nicht auf. Demzufolge sind alternative Verteilungen zur Normalverteilung, die schwere Ränder modellieren können, entweder stabil und besitzen eine infinite Varianz oder sind instabil und besitzen eine finite Varianz.^^ Die Verteilungen, die schwere Ränder darstellen können, sind in bedingte und unbedingte Verteilungen zu differenzieren. Da bei bedingten Verteilungen die Momente der Verteilung zeitabhängig sind, wird die i.i.d-Annahme somit aufgegeben. Die Varianz wird als zeitabhängiger Prozess beschrieben, wobei relativ hohe gegenwärtige Volatilitäten auch relativ hohe Vorhersagen über zukünftige Abweichungen zur Folge haben und umgekehrt. Dieser Sachverhalt wird als „Volatilitätsanhäufung" (Volatility Clustering) bezeichnet und ist aus Abb. 2 beispielhaft ersichtlich.
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Abb. 2. Tägliche stetige DAX-Renditen (5.1.1999 bis 25.8.2004) Gewöhnliche Marktveränderungen weisen Abhängigkeiten auf. Extreme Marktbewegungen - auch Spikes genannt -, wie sie durch den VaR prognostiziert werden sollen, sind aber zeitlich unabhängig und zufällig verteilt. Aktuelle Informationen enthalten nur einen geringen Informationsgehalt über das Auftreten von extremen Marktbewegungen. Auch empirische Studien zeigen, dass mittelfristig die Abhängigkeiten nicht signifikant sind.^^ Aus diesem Grund sind die bedingten Modelle nicht anwendbar und wir konzentrieren uns im Weiteren auf unbedingte Verteilungen. ^^ Vgl. Dacorogna; Müller; Pictet; de Vries (1995), S. 2 und Jödicke; Schremper (1999), S. 8. ^^ Vgl. für Abhängigkeiten von Anleihen, Wechselkursen und Aktien Christo ffersen; Diebold (1997), S. 12ff. und für Abhängigkeiten von Wechselkursen West; Cho (1995), S. 18ff.
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4.1 Mischverteilungen Mischverteilungen, die aus zwei unterschiedlichen Normalverteilungen bestehen, werden als Normal Mixture Modelle (NMM) bezeichnet.^^ Der stochastische Prozess zur Generierung der Renditen einer Portfolioposition zu einem bestimmten Zeitpunkt lautet: U = Xurl + (1 - \it) r\t ^rl^N
[fx, al) ; r^ r. N (O, af) ; a^ < al (6)
Die Renditen und der Parameter A sind Zufallszahlen und werden untereinander als unabhängig angenommen. Die Varianz kann sich in diesem Modell aufgrund bestimmter Informationen verändern, womit die Annahme einer identischen Verteilung aufgegeben wird. Da die Veränderung der Verteilungsparameter jedoch nicht anhaltend, sondern zufällig und unabhängig erfolgt, ist diese Verteilung unbedingt. Schwere Ränder können mit Mischverteilungen beschrieben werden, da Normalverteilung h eine deutlich größere Streuung als Normalverteilung a aufweist und Normalverteilung a somit gewöhnliche Marktereignisse und Normalverteilung h außergewöhnliche Marktereignisse, wie z.B. einen Börsencrash, repräsentiert. Die Rendite wird zu jedem beliebigen Zeitpunkt in Anhängigkeit des Parameters A aus der jeweiligen Normalverteilung gezogen. A nimmt den Wert 1 mit einer Wahrscheinlichkeit p an, d. h. die Rendite wird aus Normalverteilung a gezogen. Mit einer Wahrscheinlichkeit 1 — p, d. h. die Rendite stammt aus Normalverteilung a, nimmt A den Wert 0 an. Die Bestimmung der Erwartungswerte und Varianzen der beiden Normalverteilungen sowie des Parameters A ist nicht mit der Maximum-Likelihood-Methode (ML) möglich, da für die Verteilung eines NMM nicht immer ein globales Maximum existiert.^^ Daher wird eine QuasiBayessche-Schätzfunktion angewendet,^^ welche die ML-Schätzung dahingehend verändert, dass ein Experte den einzelnen Parametern vorab bestimmte Wahrscheinlichkeiten zuordnet. Die Mischverteilung weist aufgrund der linearen Transformation normalverteilter Zufallsgrößen Stabilität auf. Nachteilig ist aber, dass die Varianz der Mischverteilung nicht stabil und somit aufwändiger zu ermitteln ist. Empirisch wurde nachgewiesen, dass die Mischverteilung die schweren Ränder, jedoch nicht die extremen Renditen modellieren kann.^^
30 31
Vgl. Ventakamaran (1997), S. 4f. Das ML-Prinzip besagt, dass der Wert des Schätzparameters zu wählen ist, bei dem die Wahrscheinlichkeit des Eintretens des Ereignisses maximal wird. Vgl. Bamberg; Baur (2001), S. 153. Die Quasi-Bayes'sche-Schätzfunktion ist dem Gibbs-Sampler von Zangari (1996), S. 18 vorzuziehen, da der Gibbs-Sampler die Parameter des MischVerteilungsmodells aufgrund der hohen Rechnerintensität nur auf monatlicher Basis aktualisieren kann. Vgl. Ventakamaran (1997), S. 5. Vgl. Ventakamaran (1997), S. 11 und Jödicke; Schremper (1999), S. 15.
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4.2 Student t-Verteilung Die Student t-Verteilung entsteht aus der invertierten Gammaverteilung der Renditen^^ als a-priori-Verteilung und der Normalverteilung als bedingter Verteilung der Renditen.^^ Für niedrige Freiheitsgrade weist die Student tVerteilung schwerere Ränder auf als für höhere Freiheitsgrade.^^ Quantile und VaR-Werte können analytisch leicht berechnet werden, falls die Zahl der Freiheitsgrade bekannt ist.^^ Problematisch ist, dass bei einer Portfoliobetrachtung für die Renditen der einzelnen Zeitreihen unterschiedliche Freiheitsgrade geschätzt wurden. Die Dichtefunktion einer multivariaten Student t-Verteilung wurde jedoch bisher nur für identische Freiheitsgrade angegeben. Es wird daher in der Literatur vorgeschlagen, zuerst die Portfolioaggregation vorzunehmen und nur an die Portfoliorendite eine Student t-Verteilung anzupassen. Diese Vorgehensweise erweist sich aber in der Praxis als umständlich, weil sich die Portfoliozusammensetzung häufig ändert.^^ Außerdem existiert für die Student t-Verteilung mit einem Freiheitsgrad keine finite Varianz^^ und die Parameter der Verteilung sind unter Additivität nicht stabil, sondern nähern sich aufgrund des Zentralen Grenzwertsatzes mit zunehmender Anzahl unabhängiger Realisationen der Nor mal Verteilung an.^^ 4.3 Extremwerttheorie Die klassische Extremwerttheorie beschreibt das Verhalten der extremen Werte einer Stichprobe über einem Schwellenwert. Es wird dabei ausgenutzt, dass das Ende einer Verteilung unter bestimmten Voraussetzungen einer verallgemeinerten Paretoverteilung folgt.'^^ Die Dichte- und Verteilungsfunktion der verallgemeinerten Paretoverteilung werden durch einen Lageparameter u^
Für die Varianz von Aktien wird die invertierte Gammaverteilung als passende Verteilung angenommen. Vgl. Praetz (1997), S. 52. Vgl. Jödicke; Schremper (1999), S. 16. Vgl. Jorion (2001), S. 93f. Die Anzahl der Freiheitsgrade kann mit der Method of Moments oder der MLMethode ermittelt werden, wobei sich bei letzterer ein etwas höherer Preiheitsgrad ergibt, d.h. die Randbereiche werden stärker betont. Vgl. Jödicke; Schremper (1999), S. 18. Vgl. Völker (2000), S. 102. Vgl. Bamerg; Baur (2001), S. 143. Vgl. Jödicke; Schremper (1999), S. 17. Die Voraussetzung hierfür ist, dass sich die Verteilung in einer „Maximum Domain of Attraction" (MDA) befindet, d.h. das Verhalten einer Verteilung am linken Rand darf sich qualitativ nicht ändern resp. man kann vom Verhalten im Inneren des Verhaltensträgers auf das Verhalten am Rand schließen. Vgl. Hakenes; Wilkens (2003), S. 825. Vgl. zur formalen Definition einer MDA Embrechts; Klüppelherg; Mikosch (1997), S. 128.
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einen Skalierungsparameter G und einen Gestaltparameter ^ charakterisiert:^^
Bei Wahl des Gestaltparameters ^ > 0 sind die Ränder der Paretoverteilung schwerer als bei der Normalverteilung. Die verallgemeinerte Paretoverteilung zeigt zwar eine gute Anpassung an die Verteilungsenden empirischer Renditen, aber die Dichtefunktion kann im Allgemeinen nicht angegeben werden, da der Gestaltparameter nicht bekannt ist. Ein Quantil als Vielfaches der Standardabweichung zu approximieren ist nicht möglich, weil die verallgemeinerte Paretoverteilung eine unendliche Varianz aufweist und die Stichprobenvarianz nicht konvergiert.^^ Zur Ermittlung des Gestaltparameters wird in der Literatur vor allem der Hill-Schätzer vorgeschlagen, der die Zuverlässigkeit der Schätzung dadurch verbessern soll, dass nur die Ränder einer Verteilung approximiert werden:^^ OCHill =
IU
~\X.J)^
(«)
Alternativ zum Hill-Schätzer kann auch die Peaks-Over-Threshold-Methode (POT) verwendet werden, ein semiparametrisches Verfahren, welches auch nur die Ränder einer Verteilung parametrisiert. Zur Ermittlung des VaR auf Basis der POT-Methode sind die Exzessmittelwerte der stetigen Renditen zu berechnen i"*^ EMW{ui) = E{ui- n In < Ui) (9) Die Exzessmittelwerte werden anschließend gegen die entsprechenden stetigen Renditen abgetragen und die Verlustschwelle per Augenmass als die Schwelle ermittelt, ab welcher die Exzessmittelwertfunktion linear wird. Die Wahl der Schwelle erfolgt heuristisch, wobei zu beachten ist, dass nicht wenige historische Renditen die Schwelle unterschreiten. Der Skaherungs- und der Gestaltparameter der Paretoverteilung werden so gewählt, dass diese den linken Rand der Exzessverteilung möglichst gut abbildet. Hierfür wird die MLMethode verwendet. Unter der Annahme, dass alle Renditerealisationen unabhängig voneinander auftreten, besteht die gemeinsame Dichtfunktion aus ^^ Vgl. Borkovec; Klüppelberg (2000), S. 228. Im Vergleich zu diesem Artikel wird hier angenommen, dass der extreme Wert einer Zufallsvariablen kleiner als der Schwellenwert ist und explizit der linke Rand einer Verteilung betrachtet. 43 Vgl. Völker (2000), S. 101. ^^ Mit u wird der Schwellenwert resp. Threshold bezeichnet. Neben dem HillSchätzer wird auch der Dekkers-Einmahl-de Haan-Schätzer angewendet. Vgl. Emhrechts; Klüppelberg; Mikosch (1997), S. 330ff. Vgl, für eine empirische Anwendung des Hill-Schätzers auf den DAX Berge; Fröhlich; Locarek-Junge (2004), S. 20. 45 Vgl. Borkovec; Klüppelberg (2000), S. 228ff.
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dem Produkt der einzelnen Dichtfunktionen resp. der Summe der logarithmierten Dichtefunktionen, die maximiert werden muss."*^ Der SkaUerungs- und der Gestaltparameter können z.B. mit Hilfe des MS-Excel-„Solvers" berechnet und das dem Konfidenzniveau entsprechende Quantil ermittelt werden, wobei die Anzahl der Unterschreitungen mit Nu bezeichnet wird: a = u - -
(10)
Die Methoden der Extremwerttheorie weisen den Vorteil auf, dass der Verlauf in den Randbereichen auch dann geschätzt werden kann, wenn die Parameter der restlichen Verteilung nicht vorliegen. Es können Aussagen über Eintrittswahrscheinlichkeiten von Marktbewegungen, die bis heute noch nicht eingetreten sind und damit außerhalb der Stichprobe liegen, getroffen werden. Problematisch ist aber die Schätzung über mehrere Perioden, da diese nur bei der Normalverteilung möglich ist. Es stellt sich zudem die Frage nach der Wahl des Schwellenwerts, unterhalb dessen Beobachtungen in den Schätzwert eingehen, da der Hill-Schätzer und die POT-Methode sehr sensitiv auf die Wahl von u reagieren. Bei der POT-Methode gibt es zu wenige Unterschreitungen, wenn u zu klein ist, und wenn u zu groß ist, wird die Exzessverteilung nicht mehr durch die verallgemeinerte Paretoverteilung approximiert.^^
5 Anwendung des VaR auf Bankenrisiken Der Vorteil des VaR-Konzepts besteht in der Ermittlung einer leicht interpretierbaren Größe, die sich relativ einfach in eine Eigenkapitalunterlegung umrechnen lässt. Allerdings ist die Wiedergabe einer komplexen Risikosituation in einer Zahl kritisch, da möglicherweise Strukturen und Abhängigkeiten nicht korrekt wiedergegeben werden. Eine weitere Schwäche des Ansatzes, die bereits im Rahmen des Conditional VaR angesprochen wurde, ist, dass die Höhe der Überschreitung des VaR nicht berücksichtigt wird. Außerdem ist der VaR nicht subadditiv, d.h. das aufaddierte Risiko mehrerer Positionen kann kleiner sein als das Risiko des Portfolios aus diesen Positionen. Somit stellt der VaR kein kohärentes Risikomaß mehr dar.^^ Generell lässt sich sagen, dass die Datenlage als nicht ausreichend scheint, um den VaR anzuwenden, da dieser von einer 100%-igen Entdeckungswahrscheinlichkeit der Risiken ausgeht. Schwierig ist auch die Aggregation der verschiedenen Bankenrisiken auf Gesamt bankebene. Vor allem die Ermittlung der Korrelationen zwischen Marktpreis-, Kredit- und operationeilen Risiken ist kaum möglich, da die entsprechenden historischer Daten nicht gegeben sind. ^^ Vgl. WÜkenes; Hakens (2003), S. 827. ^"^ Vgl. Embrechts; Klüppelberg; Mikosch (1997), S. 339 und 356. ^^ Vgl. für einen Überblick der in Banken verwendeten VaR-Modelle und deren Genauigkeit Berkowitz; O'Brien (2002), S. llOSff.
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5.1 M a r k t preisrisiken Der VaR als Risikomaß wird vor allem auf Marktpreisrisiken angewendet. In diesem Bereich ist zumindest im Vergleich zu den Kredit- und operationellen Risiken die Datenverfügbarkeit eher gegeben und der Umsetzungsaufwand aufgrund der technologischen Ausstattung von Banken gering. Allerdings sind die Anforderungen zur Berechnung des VaR mit den verschiedenen vorgestellten Methoden zu berücksichtigen. Insbesondere die Verteilungsannahme und die Auswahl sowie der Umfang der Stichprobe beeinflussen in hohem Maße die Ermittlung eines VaR-Wertes. Es können sehr unterschiedliche VaR-Werte berechnet werden, für die verschiedene Konfidenzintervalle gelten,^^ wobei sich die Frage stellt, ob aufgrund der sehr restriktiven Annahmen jeder Methode überhaupt der VaR als Risikomaß verwendet werden sollte. 5.2 Kreditrisiken Zur Messung des Kreditrisikos werden Expertensysteme, die einen Kreditnehmer anhand von Erfahrungswissen bewerten, statistische Modelle,^^ die als erklärende Variablen vor allem Bilanz- und Branchenkennziffern verwenden, sowie finanztheoretische Modelle angewendet. Ziel der Methoden ist die Schätzung der erwarteten Ausfälle, die sich aus den erwarteten Wahrscheinlichkeiten für einen Ausfall sowie der Höhe des möglichen Verlustes bei einem Ausfall zusammensetzen. Als Risiko wird die negative Abweichung der potenziellen Abweichung von der erwarteten Abweichung definiert. Die Ermittlung des Kreditrisikos kann theoretisch mit einem ausfallorientierten Credit VaR-Ansatz, der die Abweichungen von den erwarteten Ausfallwahrscheinlichkeiten abbildet und als maximales Volumen der Ausfälle innerhalb eines bestimmten Zeitraums bezeichnet wird, und einem bonitätsorientierten Credit VaR-Ansatz, der sämtliche durch eine Bonitätsverschlechterung bedingten Wertverluste einbezieht und den maximalen Wertverlust kennzeichnet, erfolgen. ^-^ Für Kreditrisiken ist der Aufbau einer Datenhistorie vergleichsweise einfach - anhand einer überschaubaren Anzahl von Merkmalen können Kredite klassifiziert und hinsichtlich ihrer Ausfälle beobachtet werden, so dass anhand der Klassifizierung eine relativ gute Risikoeinschätzung theoretisch möglich ist. Allerdings wird zur Messung des Kreditrisikos eine hinreichend lange Datenhistorie für Ausfallraten benötigt, die oftmals aufgrund des im 49 50
Vgl. Huschens (1998), S. 212ff. Zu den statistischen Verfahren zur Messung des Kreditrisikos gehören lineare Wahrscheinlichkeitsmodelle, Logit-Modelle, Probit-Modelle und Diskriminanzanalysen. Deutsche Bundesbank (2002), S. 50. Vgl. zu den durch die Bankenaufsicht genehmigten Verfahren zur Kreditrisikomessung Basel Committee on Banking Supervision (2001b), S. 7ff. Vgl. Rolf es (1999), S. 332. Empirisch wurde festgestellt, dass vor allem der ausfallorientierte Credit VaR in Banken verwendet wird. Vgl. Rathgeher; Willinsky (2002), S. 871.
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Kreditrisikobereich üblichen langen Zeithorizontes nicht vorhanden ist. Auch der Umsetzungsaufwand zur Implementierung des Credit VaR ist relativ hoch, da eine große Menge historischer Daten erforderlich ist, um zu statistisch signifikanten Ergebnissen zu gelangen und das Verlustniveau korrekt zu ermitteln. Bei Kreditrisiken stellt die Validierung des verwendeten Modells das Kernproblem dar. Anders als im Marktrisikobereich existiert noch keine ausreichende Datenbasis für das Backtesting von Kreditrisikomodellen. Besondere Probleme bereiten zudem die Modellierung von Portfolioeffekten und die Stabilität der Ausfallkorrelationen.^^ Im Vergleich zu Marktpreisrisiken ist die Modellierung von Kreditrisiken im Portfoliozusammenhang schwieriger, da die Ausfallereignisse diskret verteilt sind und die Datenlage insbesondere bei kleinen und mittelständischen Kreditnehmern nicht ausreichend ist. Bei börsennotierten Unternehmen lassen sich Aktienkurse und bei Unternehmensanleihen Zinsspannen beobachten, aus denen näherungsweise auf die Korrelation von Unternehmens wert Veränderungen geschlossen werden kann. Diese Informationen fehlen aber für kleine und mittelständische Kreditnehmer, so dass Migrationsmatrizen die einzige Informationsquelle über die Abhängigkeitsstruktur der Ausfälle darstellen.^^ Ein wesentlicher Unterschied zu Marktpreisrisiken besteht auch in den verschiedenen und interdependenten Risikoquellen, die durch das Modell verarbeitet werden müssen. Zur Messung des Ausfall- resp. Bonitätsrisikos wird aus der Insolvenz Wahrscheinlichkeit des Kreditnehmers die Wahrscheinlichkeit eines Kreditausfalls abgeleitet.^^ Gleichzeitig besteht ein Risiko, das die Wahrscheinlichkeit ausdrückt, dass eine Verwertung der Sicherheiten nicht zu einer Deckung des Ausfallbetrages ausreicht.^^ 5.3 Operationelle Risiken Im Bereich der Operationellen Risiken können die Methoden zur Risikomessung in Befragungstechniken, Indikator ausätze, Kausal-Methoden und stochastische Methoden unterschieden werden. Die Befragungstechniken versuchen anhand strukturierter Fragebögen oder Management Workshops und Indikatoransätze anhand bestimmter Kennzahlen oder Kennzahlensysteme^^ Operationelle Risiken zu identifizieren und zu quantifizieren. Im Rahmen der ^^ Vgl. Deutsche Bundesbank (2002), S. 54. ^^ Vgl. Huschens (2004), S. 1. ^^ Die Ausfallwahrscheinlichkeit ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Kapitaldienstfähigkeit unter die Kapitaldienstverpflichtung sinkt oder zumindest sich die Wahrscheinlichkeit erhöht, wenn der Wert der Forderung abnimmt. Vgl. zu den statistischen Grundlagen der Kreditrisikomessung Huschens; Locarek-Junge (2002), S. 106ff. ^^ Vgl. Mohr (2001), S. 197ff. ^^ Indikatoransätze werden in einfache Indikator ausätze, wie Basis-Indikatoransatz, Standard-Ansatz, Internal Measurement-Ansatz etc. und in Key-Indikatoransätze, wie Key Performance Indikatoren, Key Risk Indikatoren oder den Scorecard-Ansatz, unterschieden. Vgl. Faisst; Kovacs (2003), S. 343.
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Kausalmethoden werden spezielle Zusammenhänge zwischen Risikoquellen resp. Risikotreibern und den daraus resultierenden Schäden anhand statistischer Methoden untersucht.^^ Der Einsatz von Kausalmethoden scheint jedoch aufgrund des hohen Umsetzungsaufwandes nahezu ausgeschlossen zu sein.^^ Zu den fortgeschrittensten Ansätzen der Messung operationeller Risiken gehört der Verlustverteilungsansatz, der auf dem VaR-Konzept basiert.^^ Anhand interner Daten werden die Dichtefunktionen für die Verlusthöhe und Verlusthäufigkeit ermittelt und anschließend zu einer Gesamtverlustverteilung aggregiert.^^ Aufgrund der mangelhaften Datenverfügbarkeit sind auch die Modelle zur Messung operationeller Risiken schwieriger aufzustellen und vor allem schwieriger zu validieren, als dies bei Marktpreisrisiken der Fall ist. In einer großen Verlustdatenbank hat man nur ein Abbild der Vergangenheit. Risiken, die bisher noch nicht eingetreten sind, können nicht erfasst werden, die gesammelten Daten haben somit nur noch eine begrenzte Aussagekraft. Der VaR ist vor allem von den hohen Verlusten abhängig, wodurch sich das Problem der Datenverfügbarkeit verstärkt. Hier behilft man sich oftmals, indem man von häufig auftretenden niedrigen Verlusten auf die WahrscheinUchkeit der hohen Verluste schUeßt. Diese Vorgehensweise ist sehr fraglich. Es ist möglich, dass die niedrigen Verluste in völlig anderen Bereichen und unter anderen Bedingungen eintreten als die hohen Verluste, so dass Informationen über erstere keinen Rückschluss auf die Wahrscheinlichkeit der hohen Verluste zulassen. Es kommt hinzu, dass ein bereits eingetretener großer Schadensfall zu Änderungen in der Organisationsstruktur führen wird, so dass ein nochmaliges Auftreten dieses Ereignisses sehr unwahrscheinlich oder unmöglich ist. Das gilt auch für externe Daten, die meist die Datenproblematik bei Extremwerten abschwächen soUen.^^ Die Verlustdaten spielen bei der Quantifizierung des operationeilen Risikos eine große Rolle, da sie nicht auf subjektiven Einschätzungen beruhen und Ausdruck des tatsächlich vorhandenen Risikos sind. Generell kann festgestellt werden, dass die Sammlung der Verlustdaten beim operationeilen Risiko sehr anspruchsvoll ist, und dieser Prozess selbst viele Risiken birgt. Es stellt bereits eine Herausforderung dar, sämtliche Verluste als solche zu erkennen und an eine zentrale Stelle zu melden. Aufgrund der großen Bedeutung von seltenen aber schweren Verlusten ist es absolut unverzichtbar, sämtliche verfügbaren Verlustdaten zu berücksichtigen. Es wurde aber festgestellt, dass Banken in einem Datenkonsortium systematisch Verluste aus bestimmten Kategorien nicht melden, auch wenn es sich um betragsmäßig hohe Verluste handelt, was zu einer deutlichen Verzer-
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Als Beispiele für Kausalmethoden sind Bayessche Belief Netzwerke, Deltamethode und Neuronale Netze zu nennen. Faisst; Kovacs (2003), S. 343. Vgl. zur Berechnung des VaR mit neuronalen Netzen Locarek-Junge; Prinzler (1998), S. 385ff. Vgl. Faisst; Kovacs (2003), S. 346. Vgl. Deutsche Bundesbank (2002), S. 49ff. Vgl. Basel Committee on Banking Supervision (2001a), S. 11. Vgl. Güllich; Manser; Wegmann (2003), S. 3.
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rung der Aussagekraft (Selection Bias) führt.^^ Dadurch, dass die Mitgheder des Datenkonsortiums die Beiträge der anderen Mitgheder hinsichthch ihrer Vollständigkeit und Qualität nicht überprüfen können, haben einzelne Banken möghcherweise kein Interesse daran, ihre Daten einzupflegen, aber dennoch die gesammelten Daten zu nutzen. Neben den internen und externen Schadensfällen liefern aber auch kritische Ereignisse, die jedoch nicht zu einem Verlust geführt haben, wertvolle Informationen über bestehende Risiken.^^
6 Fazit Im vorliegenden Artikel wurde versucht, die Frage zu beantworten, ob Bankenrisiken messbar sind. Zur Risikomessung wird vor allem das VaR-Konzept in Banken eingesetzt, wobei dieses Konzept bisher nur für Marktpreisrisiken von der Bankenaufsicht genehmigt wurde. Für die Ermittlung des VaR können verschiedene Methoden verwendet werden, die sich bezüglich der Wahl der Verteilungsannahme der Risikofaktoren sowie des benötigten Rechen- und Implementierungsaufwandes unterscheiden. Risiken im Bankenbereich sind theoretisch messbar, allerdings ist die Wahl der Berechnungsmethode des hier vorgestellten VaR-Konzepts in hohem Maße von der Qualität und Quantität des zugrundeliegenden Datenmaterials sowie der Auswahl des Konfidenzniveaus, für das es abgesehen von den Vorgaben der Bankenaufsicht keine objektiven Kriterien gibt, abhängig. Praktisch führen die aufgezeigten datenbasierten Abhängigkeiten und modelltheoretischen Mängel, z.B. dass nur ein Punkt der geschätzten Verteilungsfunktion der Wertveränderungen betrachtet wird, deshalb zu einer eingeschränkten Aussagekraft der VaR-Wertes auf Einzelrisikoebene. Aber auch auf Gesamtbankebene ist die Integration aller bankbetrieblichen Risiken in ein einheitliches Messkonzept nicht möglich, da Diversifikationseffekte zwischen Marktpreis-, Kredit- und Operationellen Risiken nicht quantifiziert werden können und unterschiedliche Haltedauern in den einzelnen Portfolios die Aggregation erschweren. Es können an dieser Stelle nur die Vor- und Nachteile der einzelnen Ansätze und Methoden genannt und gewertet werden. Dem Leser sollte letztlich die Beantwortung der provozierenden Frage, ob Bankenrisiken mit dem VaR überhaupt messbar sind, überlassen bleiben. Nach fast zehnjähriger Diskussion um die besten Methoden der VaR-Schätzung in verschiedenen Gebieten der Wissenschaft und der Bankpraxis sollte inzwischen jedoch klar sein, dass die möglicherweise ehemals vorhandene naive Vorstellung, den VaR für die Markpreisrisiken zu implementieren und die Erfahrungen daraus auf andere Bankrisiken zu übertragen, verfehlt ist. Vielmehr zeigt spätestens die aktuelle Diskussion zum Kreditrisiko und zum operationellen Risiko, dass die Entscheidung für den VaR als Meßlatte des Marktpreisrisikos noch einmal überdacht werden sollte. ^2 Vgl. Güllich; Manser; Wegmann (2003), S. 3. ^^ Vgl. Hengmith (2004), S. Öff.
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Performancemessung und Kapitalallokation im Handelsbereich einer Bank — zur Marktphasenabhängigkeit von RORAC und RAROC Marco Wilkens, Hendrik Scholz und Oliver Entrop Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt, Lehrstuhl für ABWL, Finanzierung und Bankbetriebslehre, Auf der Schanz 49, D-85049 Ingolstadt marCO.wilkensQku-eichstaett.de hendrik.scholzOku-eichstaett.de Oliver.entropQku-eichstaett.de
Gliederung 1
Einleitung
130
2
R O R A C - und RAROC-Steuerung
131
2.1 2.2 2.3 2.4
Grundlagen Grundmodell des Handelsbereiches Performancemaße auf Basis des undiversifizierten Value-at-Risk . . . Performancemaße auf Basis des partiellen Value-at-Risk und Ableitung von Steuerungsimpulsen zur Kapitalallokation
131 132 135
3
137
Einfluss von Marktphasen auf Performancemaße und Kapitalallokation
138
3.1 3.2 3.3
Marktphasenabhängigkeit von RORAC und RAROC Marktphaseneinfluss auf die Steuerung von Handelsbereichen „NormaUsierung" von RORAC und RAROC
138 140 144
4
Fazit
145
Literaturverzeichnis
146
130
Marco Wilkens, Hendrik Scholz und Oliver Entrop
1 Einleitung In Literatur und Praxis wird vorgeschlagen, risikoadjustierte Rentabilitätskennzahlen wie RORAC und RAROC zur Geschäftssteuerung von Banken heranzuziehen. Letztlich beruhen diese Kennzahlen auf klassischen Performancemaßen^ wie der Sharpe Ratio und dem Jensen Alpha, die originär für die Beurteilung von Aktienfonds entwickelt wurden und entsprechend der jeweiligen Fragestellung der Banksteuerung adaptiert werden. In diesem Zusammenhang ist die Ex-ante-Zuweisung von (Risiko-)Kapital auf einzelne Teileinheiten der Bank vor dem Hintergrund der Ex-post-Performance dieser Einheiten eine wesentliche Zielsetzung. Allerdings ist schon die Eignung der klassischen Maße zur Analyse und zum Vergleich der Performance von den vergleichsweise einfach strukturierten Aktienfonds konzeptionell umstritten. So wird die Aussagefähigkeit der auf dem Gesamtrisiko basierenden Kennzahlen, insbesondere der Sharpe Ratio, bei „fallenden Märkten" grundsätzlich in Frage gestellt. Zwar sei gegen diese Performancemaße in „normalen" Perioden kaum etwas einzuwenden. Ihr Einsatz zur Beurteilung der Leistung von Fonds in Perioden sinkender Aktienkurse könne hingegen zu unplausiblen Rankings und falschen Ergebnissen führen.^ Scholz und Wilkens (2004a, b) zeigen diese „Marktphasenabhängigkeit" am Beispiel von Sharpe Ratio und RAP im Rahmen eines 1-Faktor-Modells analytisch auf und schlagen zur Lösung des Problems eine Marktphasenbereinigung vor. Die daraus resultierenden „normalisierten" Performancemaße sind auch in negativen Marktphasen aussagefähig. Das zentrale Ziel dieses Beitrags ist es, am Beispiel des Handelsbereiches einer Bank grundlegend zu zeigen, dass im Kontext der Banksteuerung die Verwendung von Kennzahlen wie RORAC und RAROC in verschiedenen Marktphasen ebenfalls zu systematischen Fehleinschätzungen der Leistungen der Teileinheiten und damit zu Fehlsteuerungsimpulsen bei der (Risiko-)Kapitalallokation führen kann. Zur Lösung dieses Problems wird analog zu Scholz und Wilkens (2004a, b) die Verwendung von normalisierten RORAC und RAROC vorgeschlagen. Der Beitrag ist folgendermaßen aufgebaut: Im zweiten Abschnitt werden im Rahmen eines kurzen Überblicks mögliche Ausgestaltungen von RORAC und RAROC aufgeführt, eingeordnet und jeweils für eine Ausgestaltung die Verbindung zu den klassischen, aus der Analyse von Aktienfonds bekannten Performancemaßen Sharpe Ratio beziehungsweise Jensen Alpha herausgearbeitet. Abschnitt drei analysiert die Marktphasenabhängigkeit der hier ausgewählten RORAC- und RAROC-Kennzahlen im Rahmen eines grundlegenden Modells für den Handelsbereich einer Bank unter Annahme eines ^ Vgl. zum Überblick exemplarisch Wilkens, M./Scholz, H. (1999a, b). 2 Vgl. Tinic, S. M./West, R. R, (1979, S. 551), Jobson, J. D./Korkie, B. M. (1981, S. 891), Theissen, E./Greifzu, M. (1998, S. 454), Akeda, Y. (2003).
Performancemessung und Kapitalallokation im Handelsbereich einer Bank
131
1-Faktor-Modells.^ Zur Lösung der oben angesprochenen Problematik möglicher „falscher" Rankings und „falscher" Steuerungsimpulse wird die Idee der Normalisierung der Maße RORAC und RAROC skizziert. Abschließend werden im vierten Abschnitt die Ergebnisse zusammengefasst und die Übertragbarkeit auf weitere Überlegungen sowie damit verbundener Forschungsbedarf aufgezeigt.
2 RORAC- und RAROC-Steuerung 2.1 Grundlagen Regelmäßig wird vorgeschlagen, die Geschäftssteuerung einer Bank oder ihrer Teile - wie dem Handelsbereich mit seinen Teileinheiten - auf der Grundlage von „Risk Adjusted Performance Measures" (RAPM) durchzuführen.^ Im Grundsatz handelt es sich hierbei um die Relation zwischen einer Ergebnisund einer Kapitalgröße: Kennzahl
Ergebnisgröße = —f, ^ ..^ Kaipitalgrope
,,, (1)
Sowohl die Ergebnis- als auch die Kapitalgröße werden in unterschiedlichen Zusammenhängen verschiedenartig konkretisiert und ausgestaltet. In Verbindung mit solchen Konkretisierungen finden in der Banksteuerung insbesondere die Kennzahlen „Return on Risk Adjusted Capital" (RORAC) und „Risk Adjusted Return on (Risk Adjusted) Capital" (RAROC) Verwendung, die im Zentrum der weiteren Betrachtungen stehen. Als Kapitalgröße dienen dabei häufig die der jeweiügen Einheit zugeordneten aufsichtsrechtlichen Eigenmittel oder das ökonomische Kapital. Im Folgenden sind die verschiedenen Möglichkeiten unter dem allgemeinen Oberbegriff Risikokapital subsumiert.^ Der RORAC und der RAROC eines beliebigen Teilbereiches einer Bank sind allgemein gegeben durch :^
Ziel des Beitrags ist es hingegen nicht, die Kennzahlen im Hinblick auf ihre grundsätzliche Eignung zur Banksteuerung - etwa in Bezug auf Konsistenz zur Shareholder-Value-Maximierung - zu analysieren. Zu einer Auseinandersetzung mit dem Shareholder-Value-Gedanken siehe Kürsten, W. (2000). Vgl. zum Überblick über RAPM-Kennzahlen z.B. Lehar, A. et al. (1998a, b) und die dort angegebene Literatur. Vgl. Hartmann-Wendels, T./Pfingsten, A./Weher, M. (2004, S. 349 f.). Zu abweichenden Definitionen des Begriffes Risikokapital, vgl. Völker, J. (2001, S. 160), Dresel, T. (2003, S. 43-45), sowie die dort angegebene Literatur. Vgl. z.B. Lehar, A. et al (1998a, S. 861 f., 1998b, S. 949), Hartmann-Wendels, T./Pfingsten, A./Weber, M. (2004, S. 349).
132
Marco Wilkens, Hendrik Scholz und Oliver Entrop (erwartetes) Nettoergebnis Risikokapital r)^^ i^'f^'^o.rtetes) risikoadjustiertes liA.riCJC' = =——— ; ; ; Risikoka'pitai
Nettoergebnis
.
(3)
Diese Kennzahlen können sowohl zur Ex-ante-Steuerung als auch zur Ex-postBeurteilung der Ergebnisse von Bankteileinheiten eingesetzt werdend Wird der Handelsbereich einer Bank RORAC- oder RAROC-basiert ex ante gesteuert, so ist das (Risiko-)Kapital so auf dessen Teileinheiten aufzuteilen, dass die entsprechende Kennzahl des gesamten Handelsbereiches maximal ist, wobei gegebenenfalls Nebenbedingungen wie einzuhaltende (Value-at-Risk-) Limite zu berücksichtigen sind.^ Da bei der Ex-ante-Steuerung die künftig realisierten Ergebnisse sowie gegebenenfalls die durch die Teileinheiten eingegangenen Risiken nicht bekannt sind, muss wie üblich auf erwartete Werte zurückgegriffen werden. Bei Kenntnis dieser Werte handelt es sich bei der Ex-ante-Steuerung de facto um ein Problem der Portfoliooptimierung unter Nebenbedingungen. In praxi tritt regelmäßig das Problem auf, dass die für die Ex-ante-AUokation notwendigen Determinanten der relevanten Größen wie Erwartungswerte und Standardabweichungen nicht bekannt sind, sondern ex post aus den Realisationen vergangener Perioden geschätzt werden (müssen). 2.2 Grundmodell des Handelsbereiches Der Handelsbereich einer Bank bestehe aus N Teileinheiten. Ihm wird in Summe nicht veränderbares Eigenkapital in Höhe von EKH zur Verfügung gestellt.^ Darüber hinaus finanziert sich der Handelsbereich durch Fremdkapital in Höhe von FKH, das als ausfallrisikofrei angenommen wird und zum risikofreien Zinssatz r/ zu verzinsen ist. Der Teileinheit i werden Eigen- und Fremdkapital in Höhe von EKi beziehungsweise FKi zur Verfügung gestellt, so dass sie in einer Periode insgesamt Vi = EKi + FKi
(4)
investieren kann. Die Summen der den Teileinheiten zugeordneten Eigen- und Fremdkapitalbeträge geben die entsprechenden Größen des gesamten Handelsbereiches wieder: N
^EKi 2=1
7
N
= EKH,
Y.^K, i=l
N
= FKH,
Y.^i
= VH = EKH + FKH.
(5)
2=1
Vgl. Steiner, M./Hirschbeck, T./Willinsky, C. (1998, S. 377). Darüber hinaus ist ggf. darauf zu achten, dass die Limite auch ausgeschöpft werden. Das Grundmodell ist analog zu Völker, J. (2001, S. 191 f.).
Performancemessung und Kapitalallokation im Handelsbereich einer Bank
133
Die Kapitalallokation auf die Teileinheiten ist dabei so vorzunehmen, dass der für eine b e s t i m m t e Haltedauer und ein Konfidenzniveau 1 — a bestimmte Value-at-Risk (VaR) des Eigenkapitals im Handelsbereich auf Basis des heutigen Eigenkapitals EKH einen Betrag VaR* nicht übersteigt.^^ Die erwartete Rendite der Teileinheit i pro Einheit investierten Kapitals wird mit //^ und die Standardabweichung mit ai bezeichnet. Die Kovarianz der Renditen der Teileinheiten i u n d j ist aij, die entsprechende Korrelation pij. Ist Wi = Vi/Vn
(6)
der Anteil des Gesamtkapitals, der der Teileinheit i zur Verfügung gestellt wird, so sind der Erwartungswert /iff und die Varianz a'jj der Renditen des gesamten Handelsbereiches sowie deren Korrelation piH zu der Rendite der Teileinheit i gegeben durch N NN
N
fj^H =
y^^wifij,
^H =
i=l
N
Y^^'^i'^j(^ij^ i=l
3= 1
N
PiH = Y.
Pij (^j/^H-
(7)
3= 1
Zu spezifizieren sind im Weiteren die in (2) beziehungsweise (3) verwendeten Ergebnisgrößen sowie mögliche Ausgestaltungen des Risikokapitals. Das Nettoergebnis der Teileinheit i wird dargestellt als Differenz aus dem erwarteten Wertzuwachs iiiVi des eingesetzten Kapitals Vi und dem Ergebnis einer risikofreien Opportunitätsanlage VfVi'}^ {erwartetes)
Nettoergebnisi
= {fii — rf)Vi,
(8)
Das risikoadjustierte Nettoergebnis entspricht dem erwarteten Wertzuwachs nach Abzug einer (risikoangepassten) Benchmarkrendite. Diese wird hier einheitenspezifisch-"^^ auf Basis des C A P M abgeleitet:^^ ^° Mit der im Folgenden vorgenommenen Unterscheidung zwischen VaR^ und VaR^ bedeutet dies VaR^H < VaR*, ^^ Häufig wird VfVi als Finanzierungskosten zum risikofreien Zins interpretiert. Gegebenenfalls abzuziehende Größen wie Kosten des technisch-organisatorischen Bereiches werden im Folgenden nicht explizit berücksichtigt, könnten aber über den erwarteten Wert erfasst werden. ^ A l t e r n a t i v wäre auch die Vorgabe einer einheitenunabhängigen, z.B. am durchschnittlichen (systematischen) Bankrisiko orientierten Benchmarkrendite möglich. Diese würde dann aber per definitionem nicht mehr in direktem Bezug zu den untereinander differierenden (systematischen) Risiken der einzelnen Teileinheiten stehen und somit zu falschen Anreizstrukturen führen. Vgl. zu detaillierteren Diskussionen Völker, J, (2001, S. 178), Straßherger, M. (2002, S. 193). ^^ Vgl. Albrecht, T. (1998, S. 264). Grundsätzlich kann auch auf andere kapitalmarktorientierte Modelle zurückgegriffen werden. Zu denken ist beispielsweise an Froot, K. A./Stein, J. (1998) sowie Guthoff, A. (2001), die zeigen, dass die CAPM-Rendite für Einheiten im Kooperationsdesign Bank aufgrund von Marktfriktionen allein keine ausreichende Benchmarkrendite darstellt. Vgl. hierzu auch Wilkens, M./Entrop, O./Scholz, H. (2004, S. 440 f.). Vgl. des Weiteren Völker, J. (2001, S. 183 f.), Straßherger, M. (2002, S. 96 f.).
134
Marco Wilkens, Hendrik Scholz und Oliver Entrop (erwartetes)
risikoadjustiertes
= [fii — [erwartete)
Nettoergebnisi
Benchmarkrenditei)Vi
= [jii - rf-ßi[iiM
-
(9)
rf))Vi,
wobei ßi gerade das C A P M - B e t a der Teileinheit i und JJLM (üe erwartete Marktrendite bezeichnet. Die (Ziel-)Risikoprämie als gedanklich mindestens zu erwirtschaftender Überschuss über rfVi entspricht dann [erwartete)
Zielrisikoprämiei
= ßi[iJiM — ^f)^i'^^
(10)
Das (erwartete) Nettoergebnis gibt also den (erwarteten) „Mehrertrag" gegenüber einer risikofreien Anlage an, während das (erwartete) risikoadjustierte Nettoergebnis den (erwarteten) „Mehrertrag" gegenüber einem Kapitalmarktengagement mit gleichem systematischen Risiko zu fairen Konditionen misst. Das (erwartete) Nettoergebnis sowie das (erwartete) risikoadjustierte Nettoergebnis des gesamten Handelsbereiches ergeben sich als Summe der jeweiligen (erwarteten) Einzelergebnisse der Teileinheiten. Das Risikokapital wird als Value-at-Risk-Größe des Eigenkapitals definiert. Dabei ist grundsätzlich zu unterscheiden, ob der Value-at-Risk auf Basis der Wertabweichungen vom erwarteten Wert des Eigenkapitals VaR\ oder auf Basis der Wertabweichungen vom heutigen Wert des Eigenkapitals VaR^ definiert wird. Unter der A n n a h m e der Normalverteilung der Renditen für die Teileinheiten i sowie den gesamten Handelsbereich ergibt sich:^^ VaR\
= -z di Vi,
VaR^i = -[zai+fii)Vi+rfFKi,
VaR\j
= -z GH VH,
VaR% = -[zaH+ßH)VH+rfFKH,
(11) (12)
wobei z das a-Quantil der Standardnormalverteilung bezeichnet.-^^ Unter der Voraussetzung, dass die Renditen aller Teileinheiten nicht vollständig positiv korreliert sind, ist die Summe der undiversifizierten VaR der Teileinheiten immer größer als der VaR des Handelsbereiches. Im R a h m e n der Steuerung des Handelsbereiches ist es sinnvoll, diese Diversifikationspotenziale zu berücksichtigen. Anstelle des undiversifizierten VaR der Teileinheiten wird daher häufig der Risikobeitrag der jeweihgen Teileinheit i zum VaR des ^^ Alternativ wird in der Literatur die (Ziel-)Risikoprämie auch als Produkt aus dem Risikokapital und einem Ziel-RORAC definiert. Vgl. z.B. Johanning, L. (1998, S. 82), Lehar, A. et al. (1998b, S. 949), Schierenheck, H./Paul, S. (2000, S. 210). Zur Überführung der beiden RAROC-Definitionen, siehe Völker, J. (2001, S. 178 f.). ^^ In der Literatur werden beide VaR-Varianten vorgeschlagen. Zur dezidierten Differenzierung, vgl. z.B. Völker, J. (2001, S. 69-73, 164). ^^ In der Literatur und Praxis wird insbesondere für kurze Zeithorizonte im Rahmen der VaR-Berechnung teilweise eine erwartete Rendite von null unterstellt. Der VaRl kann dann als Näherung für den VaRi angesehen werden, vgl. Steiner, M./Hirschbeck, T./Willinsky, C. (1998, S. 380). Für eine Steuerung auf der Grundlage von Ertrags-Risiko-Gesichtspunkten ist dies aber unplausibel.
Performancemessung und Kapitalallokation im Handelsbereich einer Bank
135
Handelsbereiches betrachtet.-^^ Dieser wird üblicherweise als Produkt des in Teileinheit i eingesetzten Kapitals und der partiellen Ableitung des VaR des Handelsbereiches nach dem in i eingesetzten Kapital definiert und im Weiteren als partieller Value-at-Risk (PVaR) bezeichnet.-^^ Da hier zwischen Eigenund Fremdkapital unterschieden wird, ist obige Definition anzupassen. Allgemein definieren wir für fc = 0,1 den PVaR als
^^"^^
- ~dEKr
'+~dFKr
'-
^ ^
Wird der VaR auf Basis der Abweichungen vom Erwartungswert (k = 1) berechnet, so gilt unter den getroffenen Verteilungsannahmen: PVaRJ = VaRJ piH = -z Gi Vi piu-
(14)
Es besteht damit kein Unterschied zur „üblichen" Definition des PVaRj ohne Differenzierung zwischen Eigen- und Fremdkapital.-^^ Alternativ kann der PVaR auf Basis der Abweichung vom heutigen Wert {k = 0) berechnet werden: PVaR^, = PVaR] -ßiVi+ Vf FKi. (15) Die Summe der PVaR] der Teileinheiten entspricht gerade dem Value-at-Risk VaR\j des Handelsbereiches.^° Diese Eigenschaft überträgt sich wegen (15) auf den PVaR^, Es gilt somit: N
VaRJj = Y^ PVaR], i=l
N
VaR% = J^ PVaR^
(16)
i=l
2.3 Performancemaße auf Basis des undiversifizierten Value-at-Risk Aufbauend auf den obigen Definitionen werden zunächst RORAC und RAROC auf Basis des undiversifizierten VaR aufgegriffen und wesentliche Analogien zu klassischen Performancemaßen dargestellt. Grundsätzlich sind in (2) und (3) als Risikokapitalgröße sowohl VaR^ als auch VaR] denkbar und werden Vgl. exemplarisch Zaig, E. et al (1996, S. 86). Die Begriffsbildung hierzu ist in der Literatur nicht eindeutig. Häufig wird die partielle Ableitung als marginaler Value-at-Risk (MVaR) bezeichnet, so dass sich dann der hier definierte PVaR als Produkt aus MVaR und eingesetztem Kapital ergibt. Zu MVaR und PVaR in verschiedenen Bezeichnungen, vgl. Garman, M. (1996, 1997), Zöller, R. (1996), Völker, J. (2001, S. 136), Hallerbach, W. G. (2003). Vgl. hinsichtlich der „übhchen" Definition Garman, M. (1996, S. 62), Zöller, R. (1996, S. 124), Völker, J. (2001, S. 137). Vgl. exemplarisch Garman, M. (1997, S. 70), Völker, J. (2001, S. 136).
136
Marco Wilkens, Hendrik Scholz und Oliver Entrop
in der Literatur auch vorgeschlagen. Im Zentrum der weiteren Betrachtung stehen RORAC^ und RAROC^ Wird das (erwartete) Nettoergebnis ins Verhältnis zu VaR} gesetzt, so ergibt sich für Teileinheit i:^^
RORACJ = ^ ^ ^ V 5 ^ = ^^^^^ = — • '
VaR}
-zGi
-z
(17) ^ ^
Der RORAC stellt in dieser Definition also die erwartete Überschussrendite über Tf ins Verhältnis zum (Gesamt-)Risiko pro Einheit Kapital. Damit entspricht der RORAC} der Sharpe Ratio^^ SRi multipliziert mit einer Konstanten. Folglich übertragen sich die eingangs skizzierten Schwächen der Sharpe Ratio auf den RORAC in dieser Ausgestaltung. Wird bei der Definition des RORAC alternativ der VaR^ verwendet, so geht der zuvor hervorgehobene eindeutige Bezug zur Sharpe Ratio verloren. Wie in Abschnitt 2.2 definiert, unterscheiden sich die Zähler von RORAC und RAROC durch die Berücksichtigung einer Zielrisikoprämie. Bezogen auf eine Einheit eingesetzten Kapitals stellt das risikoadjustierte Nettoergebnis gerade das Analogon zu dem aus der klassischen Performancemessung bekannten Jensen Alpha^^ (JA) dar. In der Performancemessung wird das Jensen Alpha aber üblicherweise nicht ins Verhältnis zu einer weiteren (Gesamt-)Risikogröße gesetzt.^^ Offensichtlich wird in (3) jedoch eine (hier CAPM-)adjustierte Rendite auf eine (Gesamt-)Risikogröße bezogen. Eine Orientierung an dieser Größe impliziert dann letztlich einen Engpass oder zumindest eine engpassähnliche Entscheidungssituation in genau dieser Risikogröße,^^ was bei der Definition des RORAC als Analogon zur Sharpe Ratio nicht notwendigerweise der Fall ist. Insofern wird damit angenommen, dass das Risikokapital von Banken knapp ist. Im Folgenden wird der RAROC auf Basis des VaR^ bestimmt. Es ergibt sich: P 4 pnr^o _ ( / i j - r / - A ( / X M - r / ) ) V i JAjVj ^ VaR^, ~ -{z a, + //,)^i + ^/ FK, Die entsprechenden Kennzahlen des Handelsbereiches RORACjj^ RAROCfj werden analog zu (17) beziehungsweise (18) definiert.
21 22 23 24
(18) und
Vgl. Steiner, M,/Hirschbeck, T./Willinsky, C. (1998, S. 367 f.). Vgl. Sharpe, W. F. (1966). Vgl. Jensen, M. C. (1968). In der Literatur anzutreffen sind hingegen Normierungen des Jensen Alpha über das systematische oder über das unsystematische Risiko von Fonds. Die erstgenannte Variante wird auch als Alpha-Beta Ratio und die zweite als Appraisal Ratio bezeichnet. Vgl. zu diesen Maßen Scholz, H. (2002, S. 61-67), und die dort angegebene Literatur. Vgl. Albrecht, T. (1998, S. 264 f.).
Performancemessung und Kapitalallokation im Handelsbereich einer Bank
137
2.4 Performancemaße auf Basis des partiellen Value-at-Risk und Ableitung von Steuerungsimpulsen zur Kapitalallokation Um Diversifikationseffekte zwischen den Teileinheiten bei der Kapitalallokation zu berücksichtigen, werden häufig partielle VaR verwendet.^^ Auf der Grundlage des PVaRj beziehungsweise des PVaR^ ergeben sich die entsprechenden PRORAC und PRAROC einer Teileinheit i zu: PRORACl
PRAROC,
= ( ^ ^ - ^ PVaR] p ^ ^
=
^ ^ , -z piH _ P ^ ^ .
(19)
(20)
Eine für praktische Steuerungszwecke vorteilhafte Eigenschaft des RORAC^ ist, dass der RORACjj des gesamten Handelsbereiches genau dann maximal ist, wenn die PRORACl aller Teileinheiten übereinstimmen.^'' In diesem Fall entspricht RORACjj gerade den PRORAC}, Diese Eigenschaft ermöglicht im Grundsatz die Ableitung von Steuerungsimpulsen aus der Ex-post-Performancemessung für die Ex-ante-Kapitalallokation. Differierende Ex-post-Pi?Oi?i4C/ implizieren für die Ex-ante-Kapitalallokation ein Umschichten der Kapazitäten von den Teileinheiten mit einem niedrigen PRORAC} in die mit einem höheren PRORACj."^^ Dies führt zu einer Annäherung der PRORAC} und PRORACj nach Umschichtung und damit zu einem sukzessiven Annähern an das Optimum des Handelsbereiches.^^ Es lässt sich zeigen, dass im Spezialfall rf = 0 ein analoges Ergebnis auch für den RAROC^ des Handelsbereiches zutrifft.
Zur grundsätzlichen Kritik an einer solchen Vorgehensweise im Zusammenhang mit der Vorgabe von VaR-Limiten auf Ebene der Teileinheiten, vgl. Kinder, C. (1999, S. 214), Dresel, T. (2003, S. 49). ^'^ Vgl. z.B. Völker, J. (2001, S. 200-202). Voraussetzung ist natürlich, dass ein Maximum existiert, was in praktisch relevanten Situationen regelmäßig der Fall ist. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass potenzielle Short-Positionen einer Bank in ihren Einheiten nicht praktikabel erscheinen. ^^ Hierbei ist ggf auf das Einhalten bzw. auch „Ausnutzen" des Handelsbereichslimits zu achten. ^^ Vgl. zu derartigen Überlegungen Theiler, U. (2002, S. 100), Hallerbach, W. G. (2003, S. 11). Zu einer Charakterisierung von Performancemaßen, auf deren Basis derartige Steuerungsimpulse abgeleitet werden können, vgl. Tasche, D. (2000). Die Steuerungsimpulse geben nur die „Richtung", nicht aber die Höhe der notwendigen Umschichtung an. Wie erwähnt, handelt es sich hier bei der RORACbeziehungsweise RAROC-Maximierung letztlich um ein 1-periodiges Problem der Portfoliooptimierung bzw. -Selektion.
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Marco Wilkens, Hendrik Scholz und Oliver Entrop
3 Einfluss von Marktphasen auf Performancemaße und Kapitalallokation 3.1 Marktphasenabhängigkeit von R O R A C und R A R O C Soll nun der Handelsbereich nach dem oben beschriebenen Kriterium (P)RORAC^- oder (P)RAROC^-basiert gesteuert werden, so sind zunächst die entsprechenden Kennzahlen (19) beziehungsweise (20) für die Teileinheiten zu bestimmen. Hierfür werden die notwendigen Verteilungsparameter wie Erwartungswerte und Standardabweichungen der Renditen regelmäßig auf Basis von Renditerealisationen vergangener Perioden über Standardschätzer approximiert. Da die Schätzperiode naturgemäß häufig vergleichsweise kurz ist, treten Schätzfehler auf, die zu „fehlerhaften" (P)RORACi und (P)RAROC^ führen können. Die Renditen der Teileinheiten werden primär durch zwei Komponenten determiniert: durch die Leistung der Teileinheiten sowie durch die allgemeine Marktentwicklung. Um diese Komponenten isoliert erfassen zu können, wird im Folgenden ein 1-Faktor-Modell unterstellt, wonach sich die Überschussrendite jeder Teileinheit i in Abhängigkeit von der Überschussrendite des Marktes ''"M,t — ff für jeden Zeitpunkt t ergeben: n,t = ^/ + JAi + ßi{rM,t - Tf) + Si^t
(21)
niit VM.t ^ N{jj,My <^M)5 ^i,t ~ ^(Oj^eJ- ßi kennzeichnet die Höhe des von der Teileinheit i eingegangenen systematischen Risikos, das heißt den Einfluss des Marktes auf die Rendite der Teileinheit, und wird der Einfachheit halber als positiv angenommen.^^ Die Rendite des Marktes sei normalverteilt zu den Parametern JJ^M und crj^.^^ Die Umsetzung positiver (negativer) Selektionsfähigkeiten durch die Teileinheiten wird über ein positives (negatives) Jensen Alpha JAi und das mit den Selektionsaktivitäten verbundene unsystematische Risiko über den Störterm Si erfasst. Dieser sei ebenfalls normalverteilt mit einem Erwartungswert von null und einer Varianz von cr^., wobei die Störterme der Teileinheiten über die Kovarianzmatrix S mit den Kovarianzen cr^-^^. korreliert, aber unabhängig von der Marktrendite sind. Die Rendite des Handelsbereiches lässt sich dann analog zu (21) darstellen, wobei sich das Jensen Alpha JAH und das Beta ßn des Handelsbereiches als mit den Wi gewichtete Summe der entsprechenden Größen der Teileinheiten ^^ Gedanklich wird davon ausgegangen, dass die Teileinheiten Aktienportfolios long halten, so dass keine mit Bondportfolios verbundenen Schwierigkeiten vorliegen, wie sie etwa aus der beschränkten Laufzeit von Bonds resultieren. Zur Portfoliotheorie für Bondportfolios vgl. Wilhelm, J. (1992). ^^ Diese Verteilungsannahme ist im Grundsatz zur Darstellung der Marktphasenabhängigkeit nicht notwendig, ergibt sich jedoch hier auf Basis der im Rahmen der VaR-Definition getroffen Annahme normalverteilter Renditen der Teileinheiten.
Performancemessung und Kapitalallokation im Handelsbereich einer Bank
139
ergeben, cr^^ entspricht der Summe über alle Kovarianzterme Wi Wj cre^ej • D^i" Renditengenerierungsprozess wird als zwischen den Perioden unabhängig und als zeitlich stabil angenommen. Damit wird insbesondere unterstellt, dass die Charakteristika {ßi^ JAi, S) der Teileinheiten über die betrachtete Zeit stabil waren beziehungsweise sind. Über (21) wird deutlich, dass die Marktrenditen einen wesentlichen Einfluss auf die Renditen der Teileinheiten haben können. Um diesen Markteinfluss auf die geschätzten Kennzahlen (P)RORACi und (P)RAROC° im Weiteren isoliert betrachten zu können, wird davon ausgegangen, dass neben r / die spezifischen Parameter JAi^ßi^E der Teileinheiten gemäß dem unterstellten Faktor-Modell bekannt sind. Auf dieser Grundlage ergeben sich nun die folgenden Schätzer der für (P)RORAC^ und (P)RAROC^ relevanten Verteilungsparameter der Renditen der Teileinheiten: iii=rf^-
JAi + ßi{ßM - Tf),
^i = ]/ßf^M + <^l^ ^ij = ßi ßj ^M + (^SiSj,
ß.j =
,
^-^^•^M+<^...
(22)
(23) (24)
(25)
über diese Gleichungen wird der Einfluss der Schätzungen ^M und CM der Verteilungsparameter des Marktes auf die Schätzungen der Verteilungsparameter der Renditen der Teileinheiten und damit auch die verschiedenen VaR-Definitionen deutlich. Während die (P)VaR^-Varianten gemäß (11) beziehungsweise (14) von der geschätzten Varianz des Marktes a|^ beeinflusst werden, liegt für die (P)VaR^-Varianten gemäß (12) beziehungsweise (15) zusätzlich eine Abhängigkeit von der jeweiligen durchschnittlichen Rendite des Marktes ßM für die Stichprobe vor. Diese Abhängigkeiten übertragen sich auf die betrachteten RAPM-Kennzahlen. Der Zähler des PRORACj gemäß dem ersten Quotienten in (19) wird durch ßM beeinflusst, während der Nenner abhängig von GM ist. Bei dem PRAROC^ ergibt sich gemäß (20) der Einfluss dieser beiden Schätzer (ausschließlich) über den Nenner. Analoge Zusammenhänge gelten für die entsprechenden Kennzahlen des Handelsbereiches. Analog zu den entsprechenden Begrifflichkeiten bei klassischen Performancemaßen wird diese Abhängigkeit der geschätzten (P)RORAC^ und (P)RAROC^ von den entsprechenden Schätzern der Marktparameter im Folgenden als Marktphasenabhängigkeit bezeichnet.^^ Hintergrund dieses Begriffes ist die Tatsache, dass die Schätzungen in praxi häufig auf Basis relativ kurzer Betrachtungszeiträume erfolgen. Die resultierenden Schätzer der Markt^^ Vgl. zur Marktphasenabhängigkeit der klassischen Maße Sharpe Ratio und RAP Scholz, H./Wilkens, M. (2004a, b).
140
Marco Wilkens, Hendrik Scholz und Oliver Entrop
Parameter stimmen dann nicht mit den „richtigen Werten" der Verteilungsparameter überein. Insofern kann beispielsweise eine zufällige positive Abweichung der durchschnittlichen Renditen des Marktes für einen bestimmten Betrachtungszeitraum vom „richtigen" Erwartungswert der Marktrenditen als zufällige, positive Marktphase bezeichnet werden. 3.2 Marktphaseneinfluss auf die Steuerung von Handelsbereichen In diesem Abschnitt werden die Auswirkungen der dargestellten Marktphasenabhängigkeit der Kennzahlen auf die Steuerung eines Handelsbereiches anhand eines Beispiels weiter untersucht und grafisch verdeutlicht. Ausgangspunkt ist ein exemplarischer Handelsbereich mit drei Teileinheiten, dem Eigenkapital von EKH = 500 zur Verfügung steht. Die einzuhaltende VaR°Obergrenze für den gesamten Handelsbereich bei a == 1 % beträgt VaR* = 400. Komplexität reduzierend wird ferner unterstellt, dass der Zinssatz für das risikolose Fremdkapital r / = 0% beträgt.^^ Die den Renditengenerierungsprozess (21) der Teileinheiten determinierenden Parameter auf Basis des Faktor-Modells sind in Tabelle 1 zusammengefasst. Tabelle 1. Beispielhafte Verteilungsparameter des Renditengenerierungsprozesses auf monatlicher Basis Marktparameter Marktrendite
fJ'M
CTM
1,00%
10,00%
Charakteristika der Teileinheiten Teileinheit 1 2 3
JAi 0,5% 1,0% 1,5%
ßi 0,2 0,5 1
Kovarianzmatrix E der Residuen der Teileinheiten Teileinheit 1 2 3
1 0,20% 0,00% 0,05%
2 0,00% 0,50 % 0,10%
3 0,05% 0,10% 1,00%
Verfolgt der Handelsbereich das Ziel, bei Ausnutzung des VaR^-Limits seinen RORAC^ zu maximieren, nimmt er auf Basis der angegebenen Parameter im Optimum insgesamt Fremdkapital in Höhe von 2.654,64 auf. Zusammen mit dem vorhandenen Eigenkapital von 500 wird das Kapital wie folgt auf die ^^ Diese Annahme sichert gleichzeitig die Möglichkeit, auf Basis der PRAROCfl geeignete Steuerungsimpulse abzuleiten, vgl. Abschnitt 2.4.
Performancemessung und Kapitalallokation im Handelsbereich einer Bank
141
Teileinheiten 1 bis 3 (TEl bis TE3) optimal alloziert: T E l erhält 1.491,10, TE2 1.083,51 und TE3 580,03.^^ Dies impliziert einen RORACjj des Handelsbereiches von 9,34%, der dann gerade den PRORAC} der drei Teileinheiten entspricht.
-10%
10%
Abb. 1. Geschätzte (P)RORAC'^ der Teileinheiten und des Handelsbereiches in Abhängigkeit vom Erwartungswertschätzer der Marktrenditen Die Bestimmung dieses Optimums erfolgte unter der Annahme, dass die Verteilungsparameter des (i.i.d.-)Marktes aus Tabelle 1 bekannt sind. In praxi liegen diese „wahren" Verteilungsparameter nicht vor. Stattdessen werden regelmäßig - wie bereits erwähnt - auf Basis relativ kurzer Betrachtungszeiträume Schätzer für die relevanten Verteilungsparameter bestimmt. Abbildung 1 veranschaulicht bei gegebener (optimaler) Kapitalausstattung ceteris paribus den Einfluss unterschiedlicher Schätzer für den Erwartungswert des Marktes auf die geschätzten (P)RORAC^ der Teileinheiten und des Handelsbereiches. Alle (P)RORAC-^-Linien schneiden sich bei einer Schätzung der durchschnittlichen Rendite des Marktes von 1%. Weicht der Schätzer der erwarteten Rendite des Marktes hingegen vom „richtigen" Wert von 1% ab, so weisen die Teileinheiten und der Gesamthandelsbereich unterschiedliche (P)RORAC^ auf. Erfolgt die Steuerung des Handelsbereiches nun wie oben skizziert, so wird die vorliegende optimale Kapitalallokation als nicht optimal ^^ Die Werte ergeben sich auf Basis des üblichen Optimierungsalgorithmus unter der angegebenen VaR^-Nebenbedingung, vgl. Völker, J. (2001, S. 200). Da sich beim RORAC^ bzw. im Weiteren beim PRORACl (bei r/ = 0) die jeweiligen Zähler und Nenner nur auf das zugeteilte Kapital beziehen, das annahmegemäß auch dem eingesetzten Kapital entspricht, ist eine Aufteilung in Eigen- und Premdkapital auf Ebene der Teileinheiten nicht erforderlich.
142
Marco Wilkens, Hendrik Scholz und Oliver Entrop
interpretiert. Das impliziert falsche Steuerungsimpulse, die zu einer Umschichtung des allozierten Kapitals von einer Teileinheit mit niedrigerem PRORAC} zu einer Teileinheit mit höherem PRORAC} führen.^^ Liegt dem Betrachtungszeitraum beispielsweise eine zufällige Marktphase mit durchschnittlich negativen Renditen des Marktes von ßM = —1% zu Grunde, so weist T E l einen überlegenen PRORAC^ von 4,00% auf, während TE3 einen unterlegenen Wert von 1,87% besitzt. Der RORAC des Handelsbereiches beträgt 2,90%. Auf dieser Basis ergibt sich somit ein Steuerungsimpuls, der eine Umschichtung eines Kapitalbetrages von TE3 zu T E l impliziert. Da jedoch für den Handelsbereich die optimale Kapitalallokation bereits vorliegt, bedingt jede hiervon wegführende Umschichtung ein Verlassen gerade dieses Optimums. Analoge Zusammenhänge gelten, wenn für den jeweiligen Betrachtungszeitraum zufällig eine überdurchschnittliche positive Marktphase mit {iM > 1% vorliegt. Abweichend vom zuvor beschriebenen Ranking der Teileinheiten ergibt sich jedoch für solche überdurchschnittliche Marktphasen, dass nun TE3 einen höheren und T E l einen niedrigeren PRORAC-^ als der gesamte Handelsbereich aufweist. Gegenüber der zuvor betrachteten zufälligen negativen Marktphase stellt dies eine Rankingumkehr dar. Dies ist damit als ein Impuls für eine entgegengesetzte Kapitalumschichtung interpretierbar. Die Marktphasenabhängigkeit kann folglich nicht nur zu falschen Steuerungsimpulsen führen. Je nach Art der Marktphase führt sie auch zu unterschiedlichen Rankings der Teileinheiten und mithin zu einer unterschiedlichen Beurteilung der Leistung der Teileinheiten, auch wenn diese - wie hier angenommen - konstante Charakteristika aufweisen. Diese Zusammenhänge gelten auch dann, wenn die Kapitalallokation nicht bereits optimal ist. In diesem Fall kann es durch die jeweilige Marktphase zufällig zu richtigen als auch zu falschen Steuerungsimpulsen kommen. Eine entsprechende Problematik ergibt sich, wenn die Schätzer für die Standardabweichung der Marktrenditen von deren richtigen Wert abweichen. In Abb. 2 sind die PRORAC-"^ der Teileinheiten und des Handelsbereiches auf Basis der Ausgangsdaten ceteris paribus nun in Abhängigkeit des Schätzers für die Volatilität der Marktrenditen abgetragen. Der Schnittpunkt der Linien kennzeichnet auch hier die optimale Kapitalallokation. Für niedrigere Schätzer als GM = 10% wird für die TE3 ein den anderen Teileinheiten überlegenes und für höhere geschätzte Werte ein unterlegenes PRORAC^ ausgewiesen. Eine umgekehrte Vorteilhaftigkeit ergibt sich jeweils für T E l . Die Marktphasenabhängigkeit ist analog beim RAROC^ anzutreffen. Unter der alternativen Zielsetzung der RAROC^-Maximierung bei Ausnutzung des VaR^-Limits wird im Optimum insgesamt Fremdkapital in Höhe von 2.909,74 aufgenommen und zusammen mit dem Eigenkapital wie folgt auf die Teileinheiten 1 bis 3 verteilt: TEl erhält 1.804,47, TE2 1.185,15 und TE3 420,12. Der Handelsbereich erzielt hierüber einen maximalen RAROC^ von ^^ Vergleichbare „Fehler" würden sich auf Basis geschätzter Parameter natürlich auch bei Verwendung eines Optimierungsalgorithmus ergeben.
Performancemessung und Kapitalallokation im Handelsbereich einer Bank 0,20-1
143
{P)R0RAÖ
0,05 H
0,00
1
0%
5%
10%
15%
25%
20%
30% A
A b b . 2. Geschätzte (P)RORAC^ der Teileinheiten und des Handelsbereiches in Abhängigkeit vom Schätzer der Standardabweichung der Marktrenditen
{P)RAROC^ ^. - "^ 0,10-
" *JH«-
Prrrrrr:rr» - ^' *"" "^
TEl
0,05 -
- - - T E 2 V— — TE3 „
1
1
-10%
-5%
n c\c\
U,UU
0%
Tin 1113
1
1
5%
10% /4f
A b b . 3 . Geschätzte (P)RAROC^ der Teileinheiten und des Handelsbereiches in Abhängigkeit vom Erwartungswertschätzer der Marktrenditen
6,79%, der gerade mit den P R A R O C ^ der drei Teileinheiten übereinstimmt. Analog zu den Ausführungen zur Marktphasenabhängigkeit des ( P ) R O R A C ergeben sich auch hier unterschiedliche Rankings der Teileinheiten u n d damit Steuerungsimpulse in Abhängigkeit der Schätzer des Erwartungswertes (vgl. Abb. 3) u n d der Standardabweichung (vgl. A b b . 4) der Renditen des Marktes.
144
Marco Wilkens, Hendrik Scholz und Oliver Entrop
0,20-1 (P)RORAC^ 0,15 H
30%
A b b . 4. Geschätzte (P)RAROC^ der Teileinheiten und des Handelsbereiches in Abhängigkeit vom Schätzer der Standardabweichung der Marktrenditen
3.3 „Normalisierung" von R O R A C und R A R O C Die Ausführungen der letzten beiden Abschnitte zusammenfassend kann konstatiert werden, dass Marktphasen offensichtlich ex post bestimmte RORAC und RAROC stark beeinflussen (können). Hieraus können Rangfolgen der Teileinheiten, die deren Leistung nicht angemessen wiedergeben, sowie damit verbunden, fehlerhafte Steuerungsimpulse hinsichtlich der Kapitalallokation des Handelsbereiches resultieren. Ursächlich für die aufgezeigte Steuerungsproblematik ist die Abhängigkeit der Kennzahlen RORAC und RAROC von der Marktphase, die bei Verwendung der üblichen Vorgehensweise zur Schätzung der relevanten Parameter wie Erwartungswerte und Standardabweichungen der Renditeverteilungen der Teileinheiten automatisch mit erfasst wird. Zur Beurteilung der Leistung der Teileinheiten und zur Steuerung des Handelsbereiches sollte bei der Performancemessung jedoch von den Einflüssen zufälliger Marktphasen abstrahiert werden. Für eine sachgerechte Vorgehensweise müssten die Kennzahlen folglich um den zufälligen Marktphaseneinfluss bereinigt und in diesem Sinne „normalisiert" werden. In praxi liegen für die Renditen der Teileinheiten häufig nur relativ kurze Zeiträume vor, aus denen die Verteilungsparameter geschätzt werden könnten. Demgegenüber ist in der Regel eine wesentlich längere Historie für die Marktrenditen vorhanden. Auf Basis dieser längeren Historie lassen sich die Verteilungsparameter des Marktes wegen der Konvergenz der Schätzer besser approximieren als auf Basis der kurzen Historie der Teileinheiten. Ein einfaches Verfahren zur Marktphasenbereinigung könnte vor diesem Hintergrund unter der Annahme der Konstanz der jeweiligen Parameter über die jeweiligen Zeiträume darauf beruhen, dass für das obige 1-Faktor-Modell das Jensen Al-
Performancemessung und Kapitalallokation im Handelsbereich einer Bank
145
pha und das Beta^^ der Teileinheiten sowie die Kovarianzmatrix der Residuen aus dem kurzen Zeitraum und die Verteilungsparameter des Marktes aus dem längeren Zeitraum geschätzt werden. Sodann können die Verteilungsparameter der Teileinheiten über (22) bis (25) approximiert und zur Bestimmung der RORAC- beziehungsweise RAROC-Kennzahlen herangezogen werden. Durch ein derartiges Vorgehen wären die Marktphasenabhängigkeit der Performancemessung und damit auch die Marktphasenabhängigkeit der darauf aufbauenden Kapitalallokation deutlich reduziert.
4 Fazit Im vorliegenden Beitrag wurde am Beispiel von RORAC ^ und RAROC^ gezeigt, dass der „übliche" Einsatz von ex post ermittelten RAPM-Kennzahlen zur Ex-ante-Kapitalallokation zu Fehlsteuerungen führen kann. Auf Basis eines grundlegenden 1-Faktor-Modells wurde unter bestimmten Annahmen herausgearbeitet, dass dies darauf zurückzuführen ist, dass in diese Kennzahlen sowohl die Leistung der jeweiligen Einheiten als auch die Marktentwicklung eingehen. Unterschiedliche Marktphasen können - auch bei konstanten Leistungen der Teileinheiten - wie beim klassischen Performancemaß Sharpe Ratio zu unterschiedlichen Rankings der Einheiten und in Folge zu falschen Kapitalallokationsentscheidungen führen. Zur Lösung dieser Problematik wird in diesem Beitrag die Normalisierung, das heißt die Marktphasenbereinigung der entsprechenden Kennzahlen vorgeschlagen. Im Kern beruht die grundlegende Idee darauf, die Leistung der Teileinheiten über einen speziellen Zeitraum ex post getrennt von den Verteilungsparametern des Marktes zu bestimmen. In diesem Beitrag wurde hierzu ein vergleichsweise einfaches Verfahren vorgeschlagen. Weiter zu untersuchen sein wird, welche Verfahren hierfür am besten geeignet sind. Zu berücksichtigen wären dabei insbesondere mögliche Abweichungen von der i.i.d.-Verteilungsannahme des Renditengenerierungsprozesses sowie gegebenenfalls die Verwendung geeigneter Mehrfaktormodelle. Im Anschluss können die Kennzahlen (P)RORAC und (P)RAROC dann analog zum dargestellten Verfahren unter Verwendung der jeweils bestmöghchen Schätzer bestimmt werden. Um die im Zentrum dieses Beitrages stehende Marktphasenabhängigkeit der Performancemaße möglichst klar herausarbeiten zu können, wurde ein einfaches Grundmodell für den Handelsbereich der Bank unterstellt, das letztlich einen zentralistischen Planungsansatz impliziert. Darüber hinaus wurde die Leistung der Teileinheiten über die Zeit als stabil und unabhängig von der Höhe des investierten Kapitals angenommen. Im Grundsatz lassen sich die herausgearbeiteten Ergebnisse aber auch auf andere Banksteuerungsmodelle übertragen. So kann den Teileinheiten Entscheidungsspielraum bei der ^^ Ein (zumindest durchschnittliches) Beta der Teileinheiten ist über die Bücher durch das Management ggf. sogar direkt beobachtbar.
146
Marco Wilkens, Hendrik Scholz und Oliver Entrop
Durchführung künftiger Geschäfte gegeben werden. Zur Begrenzung der Risikopositionen würden d a n n nicht nur auf E b e n e des Handelsbereiches, sondern auch auf Ebene der Teileinheiten einzuhaltende Risikolimite vorgegeben. Zu berücksichtigen wären beispielsweise auch mögliche Informationsasymmetrien zwischen den Teileinheiten und dem Bankmanagement. Bei dem Einsatz auch diflferenzierterer Banksteuerungsmodelle ist also grundsätzlich zu bedenken, dass die in diesem Beitrag exemplarisch aufgezeigte Marktphasenabhängigkeit von R O R A C und R A R O C zu erheblichen Fehlern bei der Ex-post-Performancemessung von Teileinheiten und damit zur Fehlallokation von Kapital führen kann. Die Ergebnisse sind dabei nicht auf den Handelsbereich beschränkt, sondern lassen sich im Grundsatz auf andere Geschäftsfelder übertragen. Sie sind immer d a n n relevant, wenn Einheiten von Banken beziehungsweise allgemein eine Bank oder auch andere Unternehmen über derartige Ansätze gesteuert werden. Handelsbereiche von Banken sind für Steuerungsmodelle dieser Art aber besonders gut geeignet, d a sie vergleichsweise kapitalmarktnah arbeiten und insofern auch gesteuert werden können beziehungsweise gesteuert werden sollten.
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Präferenzfreie Strategien zum Absichern von Wechselkursrisiken Günter Franke * Universität Konstanz, Lehrstuhl für Internationales Finanzmanagement, D-78457 Konstanz guenter.frankeQuni-konstanz.de
Gliederung 1
Einleitung
150
2
Literaturskizze
152
3
Das Entscheidungsmodell
154
4
Die optimale Politik
155
4.1 4.2
Bedingungen für eine präferenzfreie Politik Die optimale Exportpolitik
156 158
4.3
Die optimale Absicherungspolitik
160
5
Diskussion und Zusammenfassung
165
Literaturverzeichnis
166
Für wertvolle Verbesserungshinweise danke ich Axel Adam-Müller und Jeanette Roth.
150
Günter Pranke
1 Einleitung ^ In vielen Beiträgen wird die Politik von Unternehmen zum Absichern von Risiken untersucht. Da die Absicherungspolitik auf die Produktions- und Absatzpolitik zurückwirkt, werden oft beide Politiken gemeinsam untersucht. Prominentes Beispiel ist die Exportpolitik von Unternehmen bei Wechselkursrisiko. Frühe Arbeiten haben gezeigt, dass ein Unternehmen ohne Absicherung seine optimale Exportmenge reduziert, wenn der Wechselkurs riskant statt deterministisch ist. Die Begründung ist einfach: Bei Wechselkursrisiko wird der erwartete Gewinn aus einer marginalen Erhöhung der Exportmenge um eine Risikoprämie vermindert, so dass die optimale Exportmenge sinkt. Unter strengeren Annahmen an die Nutzenfunktion oder die Verteilungsfunktion des Wechselkurses folgt zudem, dass die optimale Exportmenge um so kleiner ist, je höher das Wechselkursrisiko ist. Der Einfluss des Wechselkursrisikos auf die Exportpolitik verschwindet, wenn es einen vollkommenen Kapitalmarkt gibt, in dem alle Risiken abgesichert werden können. Dann gilt die Fisher-Separation: Jeder stochastische Zahlungsbetrag kann zu einem gegebenen Marktpreis veräußert werden. Die optimale Exportmenge ist erreicht, wenn die Grenzkosten mit dem Grenzertrag übereinstimmen, also dem Marktwert des stochastischen Exportgrenzerlöses. Dies bedeutet nicht, dass das Unternehmen keinerlei Wechselkursrisiken übernimmt. Wenn es eine Risikoprämie für die Übernahme von Wechselkursrisiken gibt, dann lohnt es sich aus spekulativen Gründen, ein Wechselkursrisiko zu übernehmen. Die Wirklichkeit liegt zwischen der perfekten Absicherbarkeit und der Nicht-Absicherbarkeit von Risiken. Häufig existieren Terminkontrakte auf Wechselkursrisiken mit einer Laufzeit bis zu zwei Jahren, ebenso Optionskontrakte und Währungsswaps. Eine perfekte Absicherbarkeit von Wechselkursrisiken ist damit allerdings nicht gegeben. Folglich sind Export- und Absicherungsentscheidung nicht trennbar und müssen gemeinsam optimiert werden. Mag die gemeinsame Optimierung von Export und Absicherung schon im Einperioden-Modell schwierig sein, so ist sie es erst recht im MehrperiodenModell. Die optimale Exportpolitik in einer Periode mag abhängig sein von der in benachbarten Perioden. Dies ist zu erwarten, wenn der Wechselkurs nicht einem einfachen Prozess gehorcht und/oder die Risikopräferenz des Unternehmens nicht durch konstante absolute oder relative Risikoaversion gekennzeichnet ist. Dann hängt die optimale PoUtik in einer Periode nicht nur von der Verteilung des Wechselkurses am Ende der Periode ab, sondern auch •'• Jochen Wilhelm hat sich intensiv mit der intertemporalen Finanzmarkttheorie auseinandergesetzt, die auch in diesem Beitrag eine zentrale Rolle spielt. Zu erwähnen sind u.a. sein Beitrag (1992) zu Pristigkeitsstruktur und Zinsänderungsrisiko, in dem er das intertemporale Bond-Portfolio-Management mit der Zinsstrukturtheorie verknüpft. In einem anderen Beitrag (1999) veranschaulicht er das Ho-Lee Modell zur Zinsstruktur anschaulich anhand von intuitiv leicht nachvollziehbaren stochastischen Diskontfaktoren.
Präferenzfreie Strategien zum Absichern von Wechselkursrisiken
151
von der optimalen Nutzung des Entscheidungsspielraumes in zukünftigen Perioden, die ihrerseits von den Verteilungen des Wechselkurses in diesen Perioden abhängt. Mit anderen Worten, die optimale Politik in einer Periode hängt nicht nur von der Verteilung des Wechselkurses in dieser Periode ab, sondern auch vom zukünftigen Entscheidungsspielraum. Insbesondere dient die Absicherungspolitik in einer Periode nicht nur der Absicherung gegen das Wechselkursrisiko dieser Periode, sondern auch der Absicherung gegen stochastische Änderungen des zukünftigen Entscheidungsspielraums. In einer solchen Welt kann eine optimale Politik nicht von Periode zu Periode abgeleitet werden, vielmehr ist eine optimale Strategie über alle Perioden gleichzeitig abzuleiten. Dies ist eine komplizierte Aufgabe. Sie erfordert ein präzises Verständnis der Prozesse, denen die relevanten Risikofaktoren unterworfen sind, sowie der Dynamik sequentieller Entscheidungen. Daher stellt sich die Präge, ob es nicht Situationen gibt, in denen die optimale Politik einfachen Regeln folgt, so dass komplizierte Modelle überflüssig sind. Zweck dieses Beitrags ist es, mehrperiodige Modelle für ein Exportunternehmen zu untersuchen, in denen sich eine einfache Export- und Absicherungspolitik als optimal erweist. Eine Politik ist besonders einfach, wenn sie myopisch ist, wenn sie also nur von der Wechselkursverteilung der jeweiligen Periode abhängt und folglich keine Rücksicht auf das zukünftige Entscheidungsfeld zu nehmen braucht. „Einfache" Politiken machen indessen nur Sinn, wenn sie auf plausiblen Annahmen beruhen. Besonders problematisch ist die Vorgabe einer „Nutzenfunktion des Unternehmens", um die Risikoaversion der Entscheidungsträger zum Ausdruck zu bringen. Nicht nur haben diese unterschiedliche Risikopräferenzen, sondern auch die konkrete Abbildung in einer Nutzenfunktion wirft Probleme auf. Daher soll in diesem Beitrag untersucht werden, unter welchen Voraussetzungen die optimale Export- und Absicherungspolitik von der gewählten Nutzenfunktion unabhängig ist. Es leuchtet unmittelbar ein, dass diese Präferenzfreiheit nur bestehen kann, wenn es keine Risikoprämie im Devisenmarkt gibt. Gäbe es eine solche, dann würde ein sehr risikoaverses Unternehmen keine spekulative Position im Devisenmarkt eingehen, im Gegensatz zu einem wenig risikoaversen Unternehmen. Zwar gibt es auch im Devisenmarkt kleine positive oder negative Risikoprämien. Jedoch ist in einem freien Devisenmarkt, der nicht durch staatliche Intervention oder Regulierung verzerrt ist, mit einer Risikoprämie nahe bei 0 zu rechnen. Die Annahme einer Risikoprämie von 0 erscheint daher gerechtfertigt. Um die Analyse einfach zu gestalten, wird unterstellt, dass es neben dem Wechselkurs keine Risikofaktoren gibt, die das Unternehmen zu beachten hat. Dies ist zweifellos eine restriktive Annahme. Sie schließt auch Inflationsrisiken aus. Deterministische Inflationsraten werden durch eine entsprechende Anpassung der risikofreien Nominalzinssätze ausgeglichen. Das Modell kann daher vereinfacht werden, indem alle Parameter auf realer statt nominaler Basis definiert werden. Eine zentrale, aber durchaus plausible Annahme des Beitrags wird sein, dass der reale Wechselkurs einem Ornstein-Uhlenbeck-Prozess gehorcht. Das
152
Günter Franke
Unternehmen verkauft im fremden Markt unter den Bedingungen monopolistischen Wettbewerbs. Das bedeutet, dass der Exportgewinn eine ansteigende, streng konvexe Funktion des Wechselkurses ist. Das Unternehmen kann lediglich kurzfristige Devisenterminkontrakte zur Absicherung des Wechselkursrisikos einsetzen, so dass eine perfekte Absicherung nicht möglich ist. Dennoch erweist sich, unabhängig von der Nutzenfunktion, eine einfache deltaneutrale Absicherungspolitik als optimal. Bei dieser Politik verkauft das Unternehmen in jeder Periode Devisenterminkontrakte, so dass der Unternehmensgewinn aus Export und Absicherung vom Wechselkurs dann lokal unabhängig ist, wenn der Wechselkurs dem erwarteten Wechselkurs gleicht. Die Ergebnisse erlauben auch, den Einfluss der Wechselkursvolatilität auf den Unternehmenswert zu kennzeichnen. Zwei Hypothesen stehen sich gegenüber. Die traditionelle Risikoaversionshypothese besagt, dass eine Zunahme der Volatilität die Exporte dämpft und den Wert des exportierenden Unternehmens senkt. Die Exportoptionshypothese geht davon aus, dass der Export eine Realoption des Unternehmens ist. Der Wert dieser Option steigt mit der Volatilität des Wechselkurses. Folglich wächst der Wert des exportierenden Unternehmens mit der Wechselkursvolatilität. Beide Hypothesen widersprechen sich. Während die Risikoaversionshypothese auf Risikoaversion und nicht absicherbaren Wechselkursrisiken beruht, stellt die Exportoptionshypothese auf die Flexibilität des Unternehmens ab, seine Exportmenge dem Wechselkurs anzupassen. Wenn der Wechselkurs steigt (fällt), erhöht (senkt) das Unternehmen seine Exportmenge und erzielt dadurch einen Anpassungsgewinn. Je stärker der Wechselkurs variiert, umso höher ist der erwartete Anpassungsgewinn, umso höher ist der Wert des exportierenden Unternehmens. Beide Hypothesen sind indessen problematisch. Die Risikoaversionshypothese vernachlässigt die Realoption; die Optionshypothese unterstellt einen vollkommenen und vollständigen Kapitalmarkt, auf dem alle Risiken abgesichert werden können. Dieser Beitrag soll daher auch zur Klärung des Geltungsbereichs dieser Hypothesen beitragen. Der Beitrag ist wie folgt aufgebaut. Im 2. Abschnitt wird kurz auf die relevante Literatur eingegangen. Der 3. Abschnitt kennzeichnet die Modellsituation. Im 4. Abschnitt werden zunächst notwendige und hinreichende Bedingungen für eine präferenzfreie Politik angegeben. Dann wird die optimale präferenzfreie Export- und Absicherungspolitik abgeleitet. Im 5. Abschnitt werden die Ergebnisse diskutiert und ein Resümee gezogen.
2 Literaturskizze Es gibt eine sehr umfangreiche Literatur zum Absichern von Wechselkursrisiken in Einperiodenmodellen, z.B. Holthausen (1979), Benninga, Eldor und Zilcha (1985), Kawai und Zilcha (1986), Ware und Winter (1988), Broll und Wahl (1992), Adam-Müller (1995), Breuer (2000). In diesen Beiträgen werden
Präferenzfreie Strategien zum Absichern von Wechselkursrisiken
153
zahlreiche Fragen angesprochen, unter anderem die Frage, unter welchen Bedingungen Export- und Absicherungsentscheidungen trennbar sind. Separation existiert immer dann, wenn alle Exportrisiken vollständig abgesichert werden können. Dann tritt an die Stelle des stochastischen Exporterlöses der deterministische Marktwert des Erlöses. Sind die Exportrisiken nicht vollständig absicherbar, dann sind Export- und Absicherungsentscheidung untrennbar. Collier (1995) untersucht in einem allgemeinen Entscheidungsmodell, welche Änderungen der Verteilungsfunktion des exogenen Preisrisikos den risikoscheuen Entscheidungsträger veranlassen, seine risikobehaftete Aktivität einzuschränken. Adam-Müller (2002) analysiert die Export- und Absicherungsentscheidung unter Infiationsrisiko. Broll^ Wahl und Zilcha (1999) erweitern diese Modelle auf den Mehrperiodenfall und prüfen die Bedingungen für Separation und füll hedge. Neuherger (1999) untersucht revolvierende Strategien, um ein langfristiges Risiko durch Einsatz kurzfristiger Terminkontrakte abzusichern. In anderen Mehrperiodenmodellen wird Export als Realoption betrachtet. Die optimale Ausübung dieser Option analysieren Franke (1991), Sercu und van Hülle (1992) sowie Mello, Parsons und Triantis (1995). Franke (1991) zeigt, dass der Wert der Exportoption mit der Wechselkursvolatiliät wächst. Mello et al (1995) untersuchen eine Firma, die ihre Beschaffungs- und Absicherungspolitik flexibel gestaltet. Der Unternehmenserfolg hängt ab von den Fähigkeiten des Unternehmens, Absicherungsstrategie und Beschaffungsfiexibilität aufeinander abzustimmen. In einem allgemein gehaltenen Modell untersuchen Froot^ Scharfstein und Stein (1993) Risikomanagement als einen Mechanismus, Investitions- und Finanzierungsentscheidungen zu koordinieren. In ihrem Modell profitiert eine risikoneutrale Firma von einer Absicherungspolitik, wenn die Grenzrendite von Investitionen sinkt und das optimale Investitionsvolumen mit dem Unternehmensvermögen wächst. Franke (2003) wendet eine ähnliche Idee auf internationale Investitions- und Absicherungsstrategien an. Ungern-Sternberg und Weizsäcker (1990) ergänzen die Absicherungsentscheidung um strategische Aspekte. Inzwischen gibt es auch eine umfangreiche empirische Literatur zum Absichern von Export risiken. Alayannis und Ofek (2001) finden, dass Unternehmen Wechselkursderivate zum Absichern, nicht zum Spekulieren nutzen. Haushalter (2000) untersucht das Absicherungsverhalten von Öl- und Gasfirmen. Er beobachtet, dass höher verschuldete Unternehmen stärker absichern. Auch wird die Absicherungspolitik durch Economies of scale-Effekte und durch Basisrisiken beeinflusst. Adam (2002) untersucht, inwieweit Goldminenbetreiber ihr Preisrisiko absichern. Er beobachtet, dass im Durchschnitt die Firmen 28 Prozent ihrer erwarteten Produktion im ersten Jahr absichern, 15 Prozent im zweiten und 7 Prozent im dritten Jahr. Guay und Kothari (2003) finden, dass Unternehmen Finanzderivate nur in sehr bescheidenem Umfang zum Absichern von Risiken einsetzen. In einem theoretisch-empirischen Beitrag untersuchen Bodnar, Dumas und Marston (2002) die subtilere Frage, wie Unternehmen die Fremdwährungs-
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preise ihrer Exportprodukte Wechselkursänderungen anpassen und wie dies ihr Wechselkursrisiko beeinflusst. Damit werden auch Wettbewerbsaspekte einbezogen. Zahlreiche Papiere untersuchen Wechselkursprozesse. Einen Überblick bietet Engle (1996). Wie die Forward-Anomalie zeigt, können Risikoprämien im Devisenmarkt bestehen. Jedoch erscheinen diese gering und wechseln das Vorzeichen. Auch gibt es starke empirische Evidenz für Kaufkraftparität auf lange Sicht. Dies deutet auf mean-reversion in den realen Wechselkursen, die über einen Ornstein-Uhlenbeck Prozeß modelliert werden kann.
3 Das Entscheidungsmodell Untersucht wird die Politik einer Firma, die ein Produkt in den Perioden 1,2, ...,T exportiert. Der Wechselkurs ist stochastisch. In jeder Periode t entscheidet die Firma zu Beginn der Periode, also im Zeitpunkt (t — 1), über die Exportmenge. Sie bekommt den Exporterlös in Fremdwährung am Periodenende, also im Zeitpunkt t. Der Erlös wird dann zum Wechselkurs et in Heimatwährung getauscht. Der Wechselkurs ist definiert als Zahl der Einheiten der Heimatwährung pro Fremdwährungseinheit. Die Firma entscheidet über die Exportmenge, bevor sie den Wechselkurs et kennt. Sie kennt zu diesem Zeitpunkt den Wechselkurs e^-i. Der Exportmarkt ist durch monopolistischen Wettbewerb {Dixit und Stiglitz (1977)) gekennzeichnet. Die Produkte verschiedener Firmen sind unvollkommene Substitute. Die Nachfragekurve für das Produkt der Firma ist fallend, ausgehend von einem gegebenen Wechselkurs. Außerdem fällt der Preis, wenn die aggregierte Menge der von der Konkurrenz verkauften Produkte steigt. Ein Anstieg des Wechselkurses begünstigt die Firma wie auch ihre Konkurrenten, wenn sie ebenfalls im Heimatland domizilieren. Wenn die Konkurrenz ihr Exportvolumen erhöht, sinkt der Exporterlös der Firma. Es wird unterstellt, dass dieser indirekte, konkurrenzinduzierte negative Effekt einer Wechselkurserhöhung geringer ist als der direkte positive Effekt. Dies präzisiert Annahme 3.1. Xt bezeichne die Exportmenge der Firma in Periode t. Annahme 3.1: a) Bei einer gegebenen Exportmenge Xt der Firma steigt ihr Exporterlös in Heimatwährung mit dem Wechselkurs e^-i. b) Ein Anstieg des Wechselkurses e^-i veranlasst die Firma, ihre Exportmenge Xt zu erhöhen. c) Eine Konvexität des Exportergebnisses im Wechselkurs kann durch Konkurrenzeffekte nicht in Konkavität verändert werden. Annahme 3.1 besagt, dass die positiven Effekte eines Wechselkursanstiegs durch die Konkurrenz gemindert, aber nicht aufgehoben werden können. Dies
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erscheint bei monopolistischem Wettbewerb realistisch. Die Firma entscheidet hier über Xt im Zeitpunkt (^ — 1), wenn sie den Wechselkurs e^-i kennt. Dasselbe gilt für die Konkurrenten. Rt = Rt{Xt^et-i) sei der Exporterlös der Firma in Fremdwährung im Zeitpunkt t. Diese Funktion sei zweimal differenzierbar in Xt und Ct-i. Wenn die Konkurrenten ihre Exportmenge mit dem Wechselkurs et_i erhöhen, dann folgt dRt{Xt,et-i) /det-i < 0. Wie üblich, sei der Exporterlös in Fremdwährung eine steigende, konkave Funktion der Exportmenge Xt. Zur Vereinfachung der Schreibweise sei E:,{XU et_i) = dRt (•) /dXt
> 0 und B^^Xt, et_i) = d^Rt (•) /dX^
< 0.
Ct {Xt) sei die Kostenfunktion der Firma, wobei alle Kosten auszahlungswirksam seien. Sie ist in Heimatwährung angegeben. Die im Exportland anfallenden Kosten werden vom Fremdwährungserlös abgezogen. Die Kostenfunktion ist steigend und zweimal differenzierbar. Ist sie nicht konvex, dann sei ihre Konkavität genügend gering, um ein inneres Optimum für die Exportmenge zu gewährleisten. Es gebe keine Übertragungseffekte auf andere Perioden, d.h.. Erlöse und Kosten in Periode t sind unabhängig vom Geschehen in benachbarten Perioden. Kosten und Wechselkurse sind in realen Kaufkrafteinheiten des Heimatlandes definiert. Der reale Wechselkurs folge einem additiven Ornstein-Uhlenbeck-Prozess mit den Innovationen 6t ^ et = ^et-i + (1 - 7)e + ^t;
7 ^ (0,1);
t = 1 , . . . , T - 1.
(1)
e ist der langfristige Gleichgewichts-Wechselkurs, 7 die mean reversion-Geschwindigkeit und St die stochastische Komponente der Wechselkursänderung, die (a) unabhängig von e^-i und St-i sei und (b) einen Erwartungswert von 0 habe, et bezeichnet die Wechselkursinnovation. 7 und der Definitionsbereich von et sind so gewählt, dass negative Wechselkurse ausgeschlossen sind. Die Firma kann einperiodige Terminkontrakte auf den Wechselkurs handeln. Im Devisenmarkt gebe es weder eine Risikoprämie noch Transaktionskosten. Folglich gilt für den Terminkurs ft-i im Zeitpunkt (^ — 1) ft-i = Et-i{et)
= jet-i
+ (1 - 7)e;
t = 1 , . . . , T.
(2)
Die Firma kann Geld zum Einheitszinssatz risikofrei anlegen und aufnehmen. Dieser Zinssatz sei im Zeitablauf konstant. Die Firma maximiert stets ihren erwarteten Nutzen anhand einer zeitadditiven, konkaven Nutzenfunkti-
4 Die optimale Politik In diesem Abschnitt wird zunächst ein Lemma präsentiert, das in allgemeiner Form eine notwendige und hinreichende Bedingung für eine präferenzfreie Absicherungspolitik angibt. Sodann wird die optimale Exportpolitik abgeleitet.
156
Günter Franke
Es wird gezeigt, dass das voll abgesicherte Exportergebnis eine steigende, konvexe Funktion des Wechselkurses ist. Unter bestimmten Bedingungen ist diese Konvexität konstant. Für diesen Fall wird sodann die optimale dynamische Absicherungspolitik abgeleitet und anhand einer Graphik veranschaulicht. 4.1 Bedingungen für eine präferenzfreie Politik Da es sehr schwierig ist, eine „Nutzenfunktion der Firma" anzugeben, werden in diesem Teilabschnitt Bedingungen für eine präferenzfreie Politik abgeleitet. Die Firma optimiert ihre Export- und Absicherungspolitik. Bezüglich der Exportpolitik ist Präferenzfreiheit immer dann gegeben, wenn alle Exportrisiken perfekt abgesichert werden können und daher Separation gilt. Weder Präferenzen noch Wahrscheinlichkeitsurteile spielen dann eine Rolle für die Exportentscheidung. Diese Situation ist hier gegeben, wie im nächsten Teilabschnitt verdeutlicht wird. Schwieriger ist die Frage zu beantworten, unter welchen Bedingungen die optimale Absicherungspolitik präferenzfrei ist. Eine notwendige Bedingung wurde bereits genannt, nämlich dass die Risikoprämie im Devisenmarkt gleich 0 ist. Sonst würde, ceteris paribus, das spekulative Engagement im Devisenmarkt um so größer, je weniger risikoscheu die Firma ist. Sei Ut (TT^) eine beliebige konkave Nutzenfunktion im Zeitpunkt t. Der Gewinn des Unternehmens TTt setzt sich zusammen aus dem Exportergebnis und dem Absicherungsergebnis. Wenn das Unternehmen Zt-i Terminkontrakte im Zeitpunkt {t — 1) verkauft, dann erzielt es daraus im Zeitpunkt t ein Absicherungsergebnis Zt-i{ft-i-et)
= -Zt-iet.
(3)
Die Bedingung für eine optimale Zahl von zu verkaufenden Kontrakten lautet dann, ausgehend von der Nutzenfunktion Ut Et_i[«;(7r0(-£t)]=0
(4)
covt-i{u[{TXt),et) = 0,
(5)
oder
wobei u[ (nt) den Grenznutzen des Ergebnisses TT^ bezeichnet. Ist das Exportergebnis deterministisch, dann ist offenbar Zt-i = 0. Denn dann ist das Gesamtergebnis TT^ deterministisch und somit Gleichung (5) erfüllt. Da das Optimierungsproblem konvex ist, ist das Optimum eindeutig. Ist indessen (im Mehrperiodenmodell) das Exportergebnis stochastisch, dann ist es in diesem einfachen Modell von dem einzigen Risikofaktor „Wechselkurs" abhängig. Es kommt dann darauf an, das Exportergebnis bestmöglich
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durch Terminkontrakte abzusichern. Dies ist perfekt möglich, wenn das Exportergebnis eine lineare Funktion des Wechselkurses ist. Denn das Absicherungsergebnis ist ebenfalls linear im Wechselkurs. Der interessante Fall ist deshalb der, in dem das Exportergebnis eine nicht lineare Funktion des Wechselkurses ist. Für diesen Fall gilt das folgende Lemma. Zugrunde liegt ein Gesamtergebnis der Firma
wobei Tvf das Export er gebnis ist, Zt-i die Zahl der von einem Finanzderivat zu verkaufenden Einheiten und Bt das Ergebnis pro Einheit des Derivats. Ist für das Finanzderivat ein Preis im Zeitpunkt (*^ — 1) zu zahlen, so wird dieser risikofrei auf den Zeitpunkt t aufgezinst und von Bt abgezogen. In einem Markt ohne Risikoprämie gilt Et-i{3t) = 0. Lemma 4.1 Die optimale zu verkaufende Stückzahl des Finanzderivats präferenzfrei dann und nur dann, wenn bei optimaler Politik gilt Et-l{3t\7Tt{Bt)=7Tt)=0
V
TTt,
ist
(6)
wenn also dasselbe Gesamtergebnis iTt bei unterschiedlichen Ergebnisrealisationen 3t erzielt wird, die sich im Erwartungswert gerade ausgleichen, VTTt. Beweis. Zunächst wird gezeigt, dass Bedingung (6) hinreichend für Präferenzfreiheit von Zt-i ist. Die zu Bedingung (4) analoge Bedingung für den optimalen Einsatz des Finanzderivats kann umgeschrieben werden zu E^^t-i[E^^t-i{3t
\^t{3t) = 7Tt}u[{7rt)] = 0.
(7)
In Gleichung (7) wird zunächst bei gegebenem irt der Erwartungswert über 3t und sodann der über TTt-i gebildet. Betrachte für jedes mögliche Ergebnis irt die Werte von 3^, die dieses Ergebnis TT^ bei einer gegebenen Politik erzeugen. Wenn der bedingte Erwartungswert dieser 3t-Werte gleich 0 ist, dann wird u[{7rt) jeweils mit 0 multiphziert. Folghch ist Gleichung (7) erfüllt. Jetzt ist die Notwendigkeit von Bedingung (6) zu zeigen. Es gebe ein Ergebnisniveau TTt = TT^, für das Bedingung (6) nicht gilt. Gegeben sei eine optimale Politik Zt_i, ausgehend von einer gegebenen Nutzenfunktion. Gleichung (4) gilt dann analog für das Derivat. Nun werde die Nutzenfunktion Ut (TTt) an der Stelle n^ und in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft marginal verändert. Dann ist Bedingung (4) verletzt. Folglich ist die Absicherungspolitik nicht präferenzfrei. Also ist Bedingung (6) notwendig für Präferenzfreiheit der Absicherungspolitik. •
158
Günter Franke
Die Bedingung (6) für eine präferenzfreie Absicherungspolitik ist recht streng. Um sie zu veranschauhchen, unterscheiden wir positive Werte von 3t, 3 ^ , und negative Werte von 3^, 3 ^ . Dann besagt Bedingung (6), dass der Erwartungswert der positiven Werte 3 ^ , die zum optimalen Ergebnis n^ führen, übereinstimmen muss mit dem absolut genommenen Erwartungswert der negativen Werte 3 ^ , die ebenfalls zum Ergebnis TT^ führen. Dies muss für jedes Ergebnisniveau TT^ zutreffen. Diese Bedingung ist z.B. erfüllt, wenn 3t symmetrisch um 0 verteilt ist und das Ergebnis TVt (+^0 mit dem Ergebnis T ' Tt {—^t) übereinstimmt; V £t. Dieser Spezialfall wird später näher analysiert. 4.2 Die optimale Exportpolitik Im Folgenden wird zuerst die optimale Exportpolitik, dann die optimale Absicherungspolitik abgeleitet. Die optimale Exportpolitik ist leicht zu charakterisieren, wenn Separation besteht. Dies ist hier der Fall, weil es außer dem Wechselkurs keinen Risikofaktor gibt. Im Zeitpunkt (t — 1) entscheidet die Firma über die Exportmenge Xt, die im Zeitpunkt t den Fremdwährungserlös Rt {Xt,et-i) abwirft. Da im Zeitpunkt {t — 1) der einperiodige Devisen-Terminkurs gleich ft-i ist, ergibt sich ein abgesicherter, determinischer Erlös in Heimatwährung von Rt (Xt,et_i) ft-i- Dann ergibt sich die optimale Exportmenge aus der klassischen Bedingung „Grenzkosten = Grenzerlös": i?J(X*;e,_i)/,_i=C;(Xn.
(8)
Hinreichend für ein Gewinnmaximum ist R'^{X;;et_i)ft-x
(9)
wobei X^ von et-i abhängt. Proposition 4.1 verdeutlicht den Zusammenhang zwischen dem Exportergebnis und dem Wechselkurs e^-i. Proposition 4.1 Das voll abgesicherte Exportergebnis TT^ i^t-i) ^st eine ansteigende, konvexe Funktion. Beweis. Es gilt
Der erste Ausdruck auf der rechten Seite von (10) ist wegen (8) gleich 0, der zweite Ausdruck ist gemäß Annahme 3.1 a) positiv. Folglich ist Sn^/Set-i > 0.
Präferenzfreie Strategien zum Absichern von Wechselkursrisiken
159
Die Konvexität des Exportergebnisses ist d V ^ ^ a^[i^,(X*,6t-i)/t-i] , d[R[{X^,et)ft-i] de^_i 9e^_i det-i
dX* ^ det-i
Der zweite Ausdruck auf der rechten Seite ist positiv. Dies folgt aus (8) und Annahme 3.1 b). Differenziert man (8) nach e^-i, so folgt sgn— det-i = sgn
det-i
Gemäß Annahme 3.1 b) ist SX*/Set-i > 0, so dass der zweite Ausdruck positiv ist. Er dominiert gemäß Annahme 3.1 c) den ersten Ausdruck. • Die Konvexität des voll abgesicherten Exportergebnisses folgt aus der Realoption der Firma, ihre Exportmenge dem Wechselkurs anzupassen. Bei gegebener Exportmenge und Fehlen der Konkurrenz würde das Exportergebnis linear mit dem Wechselkurs steigen. Durch die Anpassung der Exportmenge kann die Firma das Exportergebnis steigern; dies äußert sich in der Konvexität des Exportergebnisses im Wechselkurs. Wie später gezeigt wird, vereinfacht sich die optimale Absicherungspolitik erheblich, wenn u. a. gilt, dass die Konvexität des Exportergebnisses im Wechselkurs konstant ist. Die Konvexität ist konstant, wenn dn^/det-i linear in et-i ist. Gemäß Gleichung (10) trifft dies zu, wenn (beachte: dft-i/det-i = 7) dR det-i*-ft-i + Rt{X^,et-i)j Da dRt/det-i
= 'jdRt/d ft-i
= at + btet-i;
h > 0.
ist, lässt sich diese Gleichung umschreiben zu
Rt{X:,et-i){l
- eth = cit + btet-i,
(12)
Hierin ist 9t = —dlnRt/dlnft-i die positive Elastizität des Exporterlöses bezüglich des Terminkurses, erzeugt ausschließlich durch KonkurrenzeflFekte. Gibt es keine Konkurrenz, dann ist 9t = 0. Ansonsten ist 9t G (0; 1). Es ist schwierig, genaue Aussagen zu den Konkurrenzeffekten zu machen (siehe auch Bodnar u. a. (2002)). Eine vereinfachende Annahme besteht darin, 9t als vom Wechselkurs unabhängig anzusehen. Dann wächst der Exporterlös Rt{X^,et-i) linear im Wechselkurs. Wenn also der Terminkurs um 1% steigt, sinkt der Exporterlös infolge der Konkurrenz um 9t%. Die Exportmenge muss dann so stark wachsen, dass nicht nur diese Erlösminderung ausgeglichen wird, sondern darüber hinaus der Exporterlös um 6^Z\et_ 1/7 wächst. Ast-i ist der zugehörige Anstieg des Wechselkurses e^-i. Bei konstanter Konvexität des Exportergebnisses und konstanter Elastizität 9t muss der Exporterlös gemäß (12) linear im Wechselkurs steigen. Folglich muss der Exporterlös in Heimatwährung eine quadratische Funktion des
160
Günter Franke
Wechselkurses sein. Demnach kann das abgesicherte Exportergebnis nur dann konstante Konvexität in et-i aufweisen, wenn auch die Kosten Ct {X^ (et-i)) hnear oder quadratisch im Wechselkurs sind. Die genannten Bedingungen sind auch hinreichend für konstante Konvexität des abgesicherten Exportergebnisses im Wechselkurs. Diese Ergebnisse fasst Proposition 4.2 zusammen. Proposition 4.2 Die Elastizität des Fremdwährungserlöses der Firma in Bezug auf den Wechselkurs, ausgelöst durch Konkurrenzeffekte, sei bei optimaler Exportpolitik vom Wechselkurs unabhängig. Das voll abgesicherte Exportergebnis weist in Bezug auf den Wechselkurs konstante Konvexität dann und nur dann auf wenn sowohl der voll abgesicherte Exporterlös in Heimatwährung als auch die Produktionskosten quadratische Funktionen im Wechselkurs sind. Proposition 4.2 enthält testbare Annahmen und Ergebnisse. Kritischer Überprüfung bedarf insbesondere die These, dass die Firma auch bei niedrigem Wechselkurs exportiert. Es mag sein, dass die Firma auch dann exportiert, weil sie in Erwartung zukünftig höherer Wechselkurse den Exportmarkt nicht aufgeben möchte. Dies ist insbesondere dann plausibel, wenn die Eintritts- und Austrittskosten des Exportmarktes vergleichsweise hoch sind oder/und der Wechselkurs rasch zum langfristigen Gleichgewicht zurück tendiert. Letztlich kann nur empirisch geklärt werden, ob das voll abgesicherte Exportergebnis konstante Konvexität im Wechselkurs aufweist. Immerhin mag dies eine vertretbare Approximation sein. 4.3 Die optimale Absicherungspolitik Aufgrund des Separationstheorems wurde die optimale Exportpolitik in einfacher Weise bestimmt. Der Fremdwährungserlös des Zeitpunktes t wird im Zeitpunkt (^ — 1) vollständig durch Devisenterminkontrakte gegen das Wechselkursrisiko abgesichert. Eine darüber hinausgehende spekulative Position in Terminkontrakten kommt nicht in Frage, weil im Devisenmarkt keine Risikoprämie verdient werden kann. Daher ist eine volle Absicherung im Zeitpunkt {t — 1) optimal. Das so erzielte Exportergebnis TT^ hängt jedoch vom Wechselkurs et-i ab, da die optimale Exportmenge Xt und der Terminkurs ft-i hiervon abhängen. Im Zeitpunkt {t — 2) ist et-i noch nicht bekannt. Folglich ist in diesem Zeitpunkt TT^ i^t-i) stochastisch. Die Firma entscheidet daher im Zeitpunkt {t—2) über ihre Absicherungspolitik. Verkauft die Firma im Zeitpunkt {t — 2) Zt-2 einperiodige Devisenterminkontrakte zum Terminkurs /t-2? so resultiert daraus im Zeitpunkt {t — 1) ein Ergebnis von Zt-2 {ft-2 — e^-i). Wird dieses bis zum Zeitpunkt t risikofrei angelegt, so ergibt sich im Zeitpunkt t insgesamt ein Ergebnis TT^ von TTt = 7rP{et-i) + Zt-2{ft-2
- et-i)rt-u^
(13)
Präferenzfreie Strategien zum Absichern von Wechselkursrisiken
161
Hierin bezeichnet Vt-i^t den risikofreien Aufzinsungsfaktor für Periode t. Die Bedingung für eine optimale Absicherung lautet dann Et-2Wt{7rt){ft-2
- et-i)] = Et-2H{7rt){-et-i)]
= 0.
(14)
Gemäß Lemma 4.1 ist die optimale Absicherungspolitik präferenzfrei, wenn Et-2{et-i\7rt{st-i)
=7rt) = 0 V TT^.
(15)
Dies folgt, weil bei einem Devisenterminkontrakt 3t-i= St-i gilt. Bedingung (15) ist z. B. erfüllt, wenn Proposition 4.3 gilt. Proposition 4.3 Das Exportergebnis TT^ i^t-i) weise konstante Konvexität auf und St-i gehorche einer um 0 symmetrischen Wahrscheinlichkeitsverteilung. Dann ist die optimale präferenzfreie Absicherung gegeben durch
det-i
(16) &t-i=Et-2{et-i)
Beweis. Die Absicherungspolitik (16) bedeutet eine deltaneutrale Absicherung des Exportergebnisses an der Stelle des erwarteten Wechselkurses Et-2{^t-i)' Diese Politik hat zur Folge, dass gemäß Gleichung (13) das Gesamtergebnis eine nach oben geöffnete Parabel ist, die ihren Scheitel bei et-i = Et-2 (et-i) hat. Folglich ist 7rt{Et-2{et-i) + st-i) = nt{Et-2{et-i)
- St-i);
V St-i,
(17)
Dann ist Bedingung (15) erfüllt, wenn V St-i die Wahrscheinhchkeit(sdichte) von -\-St-i mit der von —St-i übereinstimmt. Dies ist bei symmetrischer Wahrscheinlichkeitsverteilung der Fall. • Eine deltaneutrale Absicherung des Exportergebnisses an der Stelle des erwarteten Wechselkurses kann interpretiert werden als eine lokale Vollabsicherung, bezogen auf diesen Wechselkurs. Hiermit wird das Wechselkursrisiko minimiert. Eine spekulative Position entfällt auch im Zeitpunkt (t — 2), da keine Risikoprämie gezahlt wird. Die deltaneutrale Absicherung ist optimal, wenn Bedingung (17) gilt und St-i symmetrisch verteilt ist. Bedingung (17) ist bei deltaneutraler Absicherung auch erfüllt, wenn für das Exportergebnis gilt irPiEt-2{et-i) + e t - i ) - iTP{Et-2{et-i)) = 7rP(Et-2(et-i))-7rP(£t_2(et_i)-£t-i); V £t_i
^ ^
Gemäß dieser Bedingung weicht das Exportergebnis betragsmäßig von demjenigen beim erwarteten Wechselkurs gleichermaßen bei + 6 t - i und —St-i ab. Insofern besteht Symmetrie um den erwarteten Wechselkurs. Diese und eine
162
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symmetrische Verteilung von St-i genügen, um die Optimalität einer deltaneutralen Absicherung zu gewährleisten. Die Problematik der Bedingung (18) resultiert jedoch daraus, dass sie nicht gleichzeitig für verschiedene erwartete Wechselkurse Et-2 i^t-i) gilt, es sei denn, dass TT^ {^t-i) konstante Konvexität aufweist. Im Folgenden untersuchen wir die Absicherungspolitik in den vorangehenden Perioden und unterstellen einerseits konstante Konvexität von TT^ (^t-i) und andererseits, dass in jeder Periode r die Wechselkursinnovation Er symmetrisch um 0 verteilt ist. Dann lässt sich die optimale Absicherungspolitik in jeder Periode r charakterisieren. Vr^t sei der risikofreie Aufzinsungsfaktor zwischen den Zeitpunkten r und t. Proposition 4.4 Das Exportergebnis TT^ i^t-i) sei eine Funktion mit konstanter Konvexität; die Wechselkursinnovation Sr sei in jeder Periode symmetrisch um 0 verteilt. Dann ist es für die Firma optimal, im Zeitpunkt r Zr einperiodige Devisenterminkontrakte zum Kurs fr zu verkaufen mit 7
97rP(e(_i)
•
det-i
r = 0,...,*-2.
(19)
Beweis. Zunächst wird der Beweis für die Absicherungspolitik im Zeitpunkt {t — 2) erbracht. Das Gesamtergebnis im Zeitpunkt t ist bei Einbezug der Absicherungspolitik in den Zeitpunkten 0, ...,t — 2 gleich t-2 T=0
t-2
= 7rP(e,_i) - Y^ ZrSr+irr+i^t
(20)
r=0
Sei t-Oi-1
r=0
das Absicherungsergebnis aus den Perioden vor dem Zeitpunkt {t — a). Im Zeitpunkt {t — a) ist dieses bekannt. Daher beeinflußt es beide Seiten von (17) im Zeitpunkt (t — 2) gleichermaßen, so dass im Zeitpunkt {t — 2) die bereits diskutierte deltaneutrale Absicherungspolitik optimal ist. Diese Politik bewirkt, ausgehend von et-2, dass TT^ (et-i) eine nach oben geöffnete Parabel ist mit dem Scheitelpunkt bei et-i = Et-2 (^t-i)Jetzt wird die Absicherung im Zeitpunkt {t — 3) analysiert, ausgehend von der Politik Z^_2 {et-2)' Zts ist optimal, wenn gilt Et-s[u\7rt)st-2]=0, Aus Gleichung (1) folgt
(21)
Präferenzfreie Strategien zum Absichern von Wechselkursrisiken et-i
= 7^et_3 + (1 - 7^)e + 7^t-2 + ^ t - i -
163 (22)
St-i ist unabhängig von 6^-2- ^rt = TT^ (6:^-2,^t-i) wegen (22). Da St-2 und St-i symmetrisch verteilt sind, ist Bedingung (21) erfüllt, wenn
= 7rt{st-2,-et-i)
(23)
gilt. Zunächst sei Zt-2 = 0 unterstellt. Da Trf (^t-i) konstante Konvexität aufweist, bewirkt eine deltaneutrale Absicherung Z^-s, dass 7rt{£t-2,St-i)=M-^t-2,-et-i)]
V {et-2,st-i).
(24)
TTt ist eine nach oben geöflFnete Parabel, die ihr Minimum an der Stelle St-2 = £t-i = 0 aufweist. Bedingung (21) ist somit erfüllt. Wenn nun im Zeitpunkt {t — 2) eine optimale Absicherungspolitik Z^*_2 (et-2) = Zt-2 (^t-2) hinzugefügt wird, dann bewirkt diese, dass V St-2 7Tt{St-2,£t-l) =M^t-2^-et-l);
V £t-l.
(25)
Da aufgrund der deltaneutralen Politik Z^_^ auch (24) gilt, ist Bedingung (23) erfüllt. Analog verläuft der Beweis für die vorangehenden Zeitpunkte. • Proposition 4.4 wird in Abb. 1 veranschaulicht. Das Exportergebnis 7r^(et-i) ist eine ansteigende Kurve mit konstanter Konvexität. Durch Verkauf von Z^*_3 Devisenterminkontrakten im Zeitpunkt (^ — 3) erzielt die Firma ein deltaneutrales Gesamtergebnis an der Stelle Ets (e^-i). An dieser Stelle hat die Parabel TT^ (e^-i | Zts) ihr Minimum. Nach einer Periode, also im Zeitpunkt (t — 2), ändere sich der erwartete Wechselkurs des Zeitpunktes {t — 1) um 76:^_2 bzw. —^£^_2' Folglich ist die Position der Firma nicht mehr deltaneutral in Bezug auf den neuen Erwartungswert Et-2 (^t-i). Dies schlägt sich in der Zahl der Devisenterminkontrakte nieder, die die Firma im Zeitpunkt (t — 2) verkauft. Wäre Et-z (et-i) = Et-2 (^t-i)? dann würde sich die Zahl der Terminkontrakte im Zeitablauf nur ändern, weil der Aufzinsungsfaktor Vr^t kleiner wird und der Faktor 7*"'^"^ wächst. Dieser Faktor resultiert aus dem Ornstein-UhlenbeckProzess, wonach gilt dEr{et-i) der
^
,_^_i
Das Gesamtergebnis einschließlich der Absicherung im Zeitpunkt (t — 2) ist wiederum eine nach oben geöffnete Parabel, die ihr Minimum nun an der Stelle des neuen Erwartungswertes Et-2 (^t-i) annimmt.
164
Günter Franke
TT^iet-i)
TTtiet-ilZt-z,
Zt-2)
et-i Et-3(et-i)
+7€t-2
Abb. 1. Sie zeigt das ansteigende, konvexe Exportergebnis 7r^(et-i), ebenso das Gesamtergebnis TTt {et-i \ Zt-s) ohne Absicherung im Zeitpunkt (t —2) und schHeßhch das Gesamtergebnis TTt (et-i \ Zt-z^Zt-2) unter Einschluss der Absicherung im Zeitpunkt (t — 2); bedingt auf di7£°_2. Diese einfache Absicherungspolitik wird von folgenden Überlegungen gestützt: (1) Da es keine Risikoprämie im Devisenmarkt gibt, entfällt eine spekulative Position im Terminmarkt. (2) Konstante Konvexität des Exportergebnisses und symmetrische Verteilung der voneinander unabhängigen Wechselkursinnovationen erzeugen ein „voll symmetrisches" Absicherungsproblem. Daher gibt es keinen Anreiz für eine Teil- oder Übersicherung in der Mitte, d.h. an der Stelle des erwarteten Wechselkurses Er{et-i). (3) Diese Modellstruktur erzeugt keine Stochastik des zukünftigen Entscheidungsspielraums, gegen die sich die Firma ebenfalls absichern möchte. Daher ist die Absicherungspolitik besonders einfach. Sie ist jedoch nicht untypisch. Denn die deltaneutrale Absicherungspolitik in Periode r zielt nicht auf den erwarteten Wechselkurs am Periodenende, sondern auf den im Zeitpunkt (t — 1). Dennoch muss die Firma ein Restwechselkursrisiko tragen, weil sie nur Devisenterminkontrakte einsetzen kann. Dieses Risiko würde in einem zeitstetigen Modell mit einem Ornstein-Uhlenbeck-Diffusionsprozess verschwinden. Dann gäbe es einen dynamisch vollständigen Devisenmarkt, so dass alle Wechselkursrisiken abgesichert werden könnten.
Präferenzfreie Strategien zum Absichern von Wechselkursrisiken
165
5 Diskussion u n d Zusammenfassung Die in Proposition 4.4 angegebene Absicherungspolitik hat verschiedene Eigenschaften. Die Absicherungspolitik ist einfach. Komplexe intertemporale Strategien erübrigen sich. Um diese Politik zu implementieren, muss die Firma die Exportergebnisfunktion TT^ i^t-i) und den mean reversion-Parameter 7 kennen. Die Verteilungen der Wechselkursinnovationen muss sie nicht kennen. Allerdings müssen diese symmetrisch sein. Die deltaneutrale Absicherungspolitik ist präferenzfrei. Sie gilt für alle risikoaversen Firmen. Auch Belastungen, die vom Gesamtergebnis abhängen, wie z.B. Gewinnsteuern oder Kosten finanzieller Anpassung, verändern das Resultat nicht. Bisher wurde nur der Export in Periode t betrachtet. Dieselben Überlegungen gelten, wenn in jeder Periode exportiert wird. Die optimale Exportpolitik in Periode r wird ebenfalls anhand des Separationstheorems bestimmt. Wichtig ist, dass die Exportergebnisfunktion n^ (^r-i) ebenfalls konstante Konvexität aufweist. Dann kann für jede Exportperiode das Wechselkursrisiko gemäß Proposition 4.4 abgesichert werden. Die Gesamtzahl der zu verkaufenden Devisenterminkontrakte ist dann gleich der Summe der periodenbezogenen Kontrakte. Die Absicherungspolitik bleibt daher dieselbe. Häufig exportiert eine Firma mehrere Produktarten. Wichtig ist nun, dass das über alle Produktarten aggregierte Exportergebnis n^ i^t-i) konstante Konvexität aufweist. Dann bleibt die in Proposition 4.4 angegebene Absicherungspolitik optimal. Möglicherweise entscheidet die Firma über den Export erst, wenn sie den Wechselkurs, zu dem der Exporterlös abgerechnet wird, schon kennt. Dann ist die Exportentscheidung risikolos. Das Exportergebnis in Periode t ist dann Txf {et). Folglich sichert die Firma dieses Ergebnis nun auch in Periode t ab, nicht nur in den vorangehenden Perioden. Wenn i^f (e^) konstante Konvexität aufweist, ist es nach wie vor optimal, eine deltaneutrale Absicherungspolitik zu wählen, jetzt allerdings bezogen auf den Erwartungswert Er {et) anstelle von Er {et-i). Schließlich erlauben diese Ergebnisse auch einige Schlussfolgerungen bezüglich der Kontroverse zwischen Risikoaversionshypothese und Exportoptionshypothese. Die Ergebnisse stützen die zweite Hypothese. Wie Abb. 1 zeigt, begünstigt eine Zunahme der Wechselkursvolatilität die Firma. Die Firma nehme ihre Aktivitäten im Zeitpunkt {t — 3) auf. Wenn die Wechselkursvolatilität gering ist, liegt das Gesamtergebnis nahe beim Minimum von TTt {et-i I Zt-s). Je höher |^t-2| i^^? ^ ^ ^o höher ist das Gesamtergebnis. Eine Zunahme der Wechselkursvolatilität erzeugt daher eine Verbesserung im Sinne stochastischer Dominanz 1. Grades. Ähnlich wirkt eine Zunahme der Wechselkursvolatilität in Periode {t—1). Je größer \st-i\ ist, umso höher ist das Gesamtergebnis 7rt{et-2'-, ^t-i \ Zts, Zt-2)
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bei deltaneutraler Absicherung in den Zeitpunkten {t — 3) und {t — 2). Wied e r u m kommt es zu einer Verbesserung im Sinne stochastischer Dominanz 1. Grades. Die Risikoaversionshypothese greift nicht, weil das Exportrisiko in der Exportperiode gemäß dem Separationstheorem vollständig abgesichert werden kann. Wenn weitere nicht absicherbare Risiken bestehen, d a n n greift die Risikoaversionshypothese. Die Risikoaversion spielt d a n n eine Rolle für die Exportentscheidung. Dies impliziert nicht, dass Wechselkursvolatilität die F i r m a benachteiligt. Denn die Exportoption wächst i. a. im Wert mit der Wechselkursvolatilität. Allerdings ist zu fragen, ob bei einer Zunahme der Wechselkursvolatilität die Exportergebnisfunktion irf (et_i) unverändert bleibt. Wenn eine höhere Volatilität neue Wettbewerber zum Markteintritt oder vorhandene z u m M a r k t a u s t r i t t bewegt, d a n n ändert sich die Wettbewerbsintensität und d a m i t die Exportergebnisfunktion. Daher sind die Ergebnisse vorsichtig im Sinne einer komparativ statischen Analyse zu interpretieren, nicht im Sinn einer Gleichgewichtsanalyse, die auch den Zusammenhang zwischen Wechselkursvolatilität und Wettbewerbsintensität einbezieht.
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Dynamisches Hedging Jack Wahl^ und Udo Broll^ ^ Universität Dortmund, Lehrstuhl für Investition und Finanzierung, Vogelpothsweg 87, D-44227 Dortmund f inanceOwiso. uni-dortmund. de ^ Technische Universität Dresden, Fakultät Wirtschaftswissenschaften, Mommsenstraße 13, D-01062 Dresden udo.brollOmailbox.tu-dresden.de
Gliederung 1
Einführung
170
2
Zeitstetiger Konsum und Hedge
171
3
Perfektes Hedging
172
3.1
Konsum und Hedge-Rate
172
3.2
Intertemporales Konsumprofil
173
4
Imperfektes Hedging
175
4.1
Konsum und Hedge-Rate
175
4.2
Intertemporales Konsumprofil
176
5
Zusammenfassung
177
Literaturverzeichnis
177
170
Jack Wahl und Udo Broll
1 Einführung Bei der Globalisierung der Finanztitelmärkte zeigt die Kategorie Derivate den größten Steigerungfaktor. Die außergewöhnliche Expansion der Derivatemärkte in den Volkswirtschaften offenbart eine Änderung in der Art und Weise, wie Unternehmen, Banken und Anleger ihre Renditerisiken gestalten. Die Volatilitäten von Wertpapierrenditen, Zinssätzen, Wechselkursänderungen und Rohstoffpreisbewegungen haben die Entwicklung, Verbreitung und Vielfalt der Futures- und anderer Derivatemärkte stark gefördert. Wissenschaftliche Fortschritte in der theoretischen und empirischen Kapitalmarktanalyse, perfekte oder zumindest imperfekte Handelbarkeit von Renditerisiken und eine Neuorientierung der Risikenallokation in einem Marktsystem stellen einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der ökonomischen Effizienz nationaler und internationaler Finanztitelmärkte dar.^ Auch die wirtschaftwissenschaftliche Forschung in Deutschland hat sich schon vor geraumer Zeit intensiv mit Entscheidungsmodellen bei Risiko, Finanztitelmärkten und arbitrage-basierten Bewertungsmethoden beschäftigt.^ Im Lichte dieser Arbeiten ist es möglich, stochastische Entscheidungsmodelle, Probleme der effizienten Risikoallokation, Fragen zur Bedeutung der Handelbarkeit von Risiken im Risiko-Controlling und Auswirkungen des Einsatzes arbitragefrei bewerteter Derivate bei der Optimierung von zeitstetigen Portefeuilleentscheidungen zu behandeln. Unsere Untersuchung betrachtet einen Anleger mit einem Wertpapierbestand zur Finanzierung seiner Konsumauszahlungen. Die Wertpapierrendite ist unsicher und damit auch der realisierbare Konsum. Der Anleger hat die optimale intertemporale zeitstetige Konsum- und Hedgeentscheidung zu treffen. Das Renditerisiko wird als vollständig oder zumindest teilweise handelbar angesehen. Der risikoscheue Anleger entscheidet nach dem BernouUi-Prinzip auf einem friktionslosen Kapitalmarkt. Mittels eines Futures-Hedging ist der Anleger bestrebt, sein intertemporales Konsumprofil optimal zu gestalten^. Ziel unseres Beitrags ist es, die ökonomischen Auswirkungen eines dynamischen Hedgings mittels Futures auf der Grundlage geometrisch Brownscher Kursbewegungen zu untersuchen. Zum einen interessiert die Robustheit des FuU-Hedge-Theorems diskreter Modellierungen,^ zum anderen der Einfluss eines Futures-Hedging auf die Keynes-Ramsey-Regel für ein optimales intertemporales Konsumprofil.'^ Diese Regel ist Ausdruck der Bereitschaft des Anlegers, Konsum in der Gegenwart gegen Konsum in der Zukunft zu tauschen. Futures-Hedging erhöht diese Bereitschaft. ^ Vgl. Merton, R.C. (1971), Briys, E.; Crouhy, M.; Schlesinger, H. (1990) und Broll, U.; Wahl, J.E. (1996). ^ Vgl. die Monografien von Wilhelm, J. (1975), (1983) und (1985). ^ Vgl. Broll, U.; Wahl, J.E.; Zilcha, L (1995), Kürsten, W. (1997) und Broll, U.; Wahl, J.E.; Zilcha, L (1999). ^ Vgl. Benninga, S.; Zilcha, L; Eldor, R. (1984). "^ Vgl. Maußner, A.; Klump, R. (1996) und Turnovsky, S.J. (2000).
Dynamisches Hedging
171
Der Beitrag ist wie folgt aufgebaut: Nach einer Einführung stellt Abschnitt 2 die zeitstetige intertemporale Konsum- und Hedgeentscheidung eines Anlegers dar. Abschnitt 3 behandelt perfektes Futures-Hedging und seine Implikationen für den Konsum, die Hedge-Rate und das intertemporale Konsumprofil. Abschnitt 4 untersucht imperfektes Hedging mittels Futures und stellt die Bedeutung der Hedging-Effektivität für die Konsumstrategie heraus. Die Zusammenfassung erfolgt in Abschnitt 5.
2 Zeitstetiger K o n s u m u n d Hedge Ein Anleger verfügt über einen Wertpapier-Anfangsbestand, z.B. über eine Anzahl von Partizipationsscheinen an einem Aktienindex. Der Marktwert des Bestandes beträgt W und unterliegt einem Kursrisiko. Der stochastische Kassakurs S folgt annahmegemäß einer geometrisch Brownschen Bewegung: dS = fxSdt + aSdz.
(1)
Hierbei kennzeichnet z einen Wiener Prozess mit ji und a als Erwartungswert bzw. Volatilität der zufälligen prozentualen Kursänderung im Zeitablauf. Bei vollkommenem und arbitragefreiem Kapitalmarkt mit dem risikolosen Zinssatz k muss der Kurs des Futures mit Basisinstrument S der geometrisch Brownschen Bewegung dF ^{^-
k)Fdt + crFdz
(2)
gehorchen. Ist E der Erwartungswertoperator und gilt F — E{S) = 0, so liegt ein sogenannter unverzerrter Terminkurs vor. Eine negative (positive) Differenz kennzeichnet eine positive (negative) Risikoprämie. Dieser Zusammenhang überträgt sich auf die Differenz ji — k. Beachte, dass unter den gegebenen Annahmen sowohl die Kassakurs- als auch die Terminkurs-Entwicklung demselben stochastischen Prozess unterliegt. Demnach ist der Kassakurs perfekt positiv mit dem Futureskurs korreliert. In einem späteren Abschnitt lassen wir eine imperfekte Korrelation zu. Der Anleger will aufgrund seiner Präferenzen dem Marktwertrisiko des Wertpapierbestandes entgegenwirken. Indem er Futures im Umfang von H verkauft und dadurch eine kurze Position in Terminkontrakten einnimmt, erreicht er ein Hedging. Dieses Verhalten dient der Verwirkhchung einer bestimmten Konsumstrategie C, die die folgende Vermögensentwicklung beachten muss: dW = WdS/S - Cdt - HdF/F, (3) Die Vermögensgleichung verdeutlicht den Charakter der kurzen Futuresposition als Gegengewicht zur langen Wertpapierposition.
172
Jack Wahl und Udo Broll
Unter Berücksichtigung der Kursprozesse (1) und (2) und der Hedge-Rate X = H/W ergibt sich für die Vermögensentwicklung (3) dW - {[// - X(/i - k)]W - C}dt + aW{l - X)dz.
(4)
Der risikoscheue Anleger mit der Konsumnutzenfunktion U{C) und U"{C) < 0 < U'{C) entscheidet nach dem Bernoulli-Prinzip über sein intertemporales Konsumprofil für eine Zeitpräferenzrate r und die Laufzeit des Futures T: max^; /
U{C)e-'''dt,
(5)
unter der Vermögensentwicklung (4). Unter gewissen Marktbedingungen des Terminmarktes bewirkt die Absicherung mittels Futures eine vollständige Verstetigung des intertemporalen Konsumprofils. Dies zeigen die nachfolgenden Ausführungen.
3 Perfektes Hedging Der Anleger hat über seine optimale Konsumstrategie und seine optimale Hedge-Rate zu entscheiden. Kassakurs und Terminkurs sind perfekt positiv korreliert, da sie von demselben Wiener Prozess beeinflusst werden. 3.1 Konsum und Hedge-Rate Zur Lösung des Entscheidungsproblems ziehen wir die Wertfunktion V = V{W,t) heran. Die optimale Entscheidung hat die stochastische BellmanGleichung zu erfüllen: 0 = max {U{C) - rV + E{dV/dt)} .
(6)
Mit den partiellen Ableitungen der Wertfunktion, Vw = Viy(W,t), Vi^vr = Vww{W,i) und Vt = T^(W, t), ergibt sich nach den Ito-Regeln der stochastischen Integration das totale Differential dV = Vtdt + VwdW + ^VwwidWf,
(7)
Unter Berücksichtigung der Vermögensentwicklung (4) und der Erwartungswertbildung gilt für den Erwartungswert in der Bellman-Gleichung (6): E{dV/dt) = Vt + Vw{[/^ - X{fi - k)]W -C}
+ ^Vww{l
- Xfa'^W^,
(8)
Die notwendigen Bedingungen für die erwartungsnutzenmaximale Konsum- und Hedgeentscheidung lauten auf der Grundlage der Bellman-Gleichung:
Dynamisches Hedging U'{C') = V„,
173 (9)
^• = 1 - ^ .
(10)
mit der relativen Risikoversion R = —VwwW/Vw' Die Optimierungsbedingungen führen zu folgendem Ergebnis 1. (A) Bei optimaler Konsumstrategie hat der Grenznutzen des Konsums mit dem Grenznutzen des Geldes in jedem Zeitpunkt und Zustand übereinzustimmen. (B) Es gilt das Full-Hedge-Theorem. Das bekannte FuU-Hedge-Ergebnis in diskreter Zeit behält seine Gültigkeit auch im zeitstetigen Fall. Damit gilt bei unverzerrtem Terminmarkt eine Hedge-Rate von 1; bei positiver (negativer) Risikoprämie ist eine geringere (höhere) Hedge-Rate optimal. Der Grund für das Ergebnis liegt im perfekten Hedging. 3.2 Intertemporales Konsumprofil Im Folgenden ist zu untersuchen, wie die Absicherungsmöglichkeit des Kursrisikos mittels Futures das optimale intertemporale Konsumprofil des Anlegers tangiert. Insbesondere interessiert die Frage, ob das optimale Konsumverhalten auch unter stochastischen Rahmenbedingungen mit der sogenannten Keynes-Ramsey-Regel der Wachstumstheorie beschrieben werden kann, d. h. die Differenz zwischen Sicherheitszins und Zeitpräferenzrate die entscheidende Größe ist. Wir betrachten die partielle Ableitung der Wertfunktion nach W, Vw = Vw{W,t). Die in der Folge notwendig werdende optimale Konsumumschichtung hat auf der Grundlage der stochastischen Bellman-Gleichung zu erfolgen. Differentiation nach W, Berücksichtigung der Optimalitätsbedingungen (9) und (10) für Konsum bzw. Hedge und Nullsetzen des Ergebnisses ergibt: Vw{k - r) + Vtw + Vww{[f^ - X{ß - k)]W - C} + \vwww{l
- X) V l ^ 2 ^ Q
^-^^^
Mit den partiellen Ableitungen der nach W differenzierten Wertfunktion, Vww = Vww{W,t),Vwww = ywww{W,t) und Vwt = ywt{W,t)^ errechnet sich nach den Ito-Regeln der stochastischen Integration das totale Differential dVw = Vwtdt + VwwdW -f- WwwwidW)'^.
(12)
Unter Berücksichtigung der Vermögensentwicklung (4) erhalten wir dVw={Vwt + Vwwill^ - X{fi - k)]W - C} + ^Vwwwil + aVwwW{l
- X)dz.
-
Xfa^W^}dt (13)
174
Jack Wahl und Udo Broll
Gleichung (13) eingesetzt in die mit dt multiplizierte Gleichung (11) liefert eine stochastische Differentialgleichung für den Grenznutzen des Geldes: dVw = {r-
k)Vwdt + aVwwW{l
- X)dz.
(14)
Schließlich folgt aus der Optimalitätsbedingung (9) dU^C) = dVw- Unter zusätzlicher Berücksichtigung der optimalen Hedge-Rate X* nach Gleichung (10) ergibt sich das optimale intertemporale stochastische Konsumprofil als dU^C") = {r-
k)U\C'')dt
+ '^^^U\C'')dz.
(15)
(7
Gleichung (15) stellt das durch den Wiener Prozess stochastisch überlagerte Konsumprofil dar. Im Erwartungswert folgt nach Division durch dt und den Grenzkonsumnutzen die Keynes-Ramsey-Regel: E[-dU'{C^)/dt] U'{C-)
-^
^'
^^^)
Zusammenfassend können wir folgendes Ergebnis festhalten: Ergebnis 2. (A) Sichert der Anleger das Kursrisiko mittels Futures ab, dann folgt seine optimale Konsumstrategie der Keynes-Ramsey-Regel. (B) Ist der Terminkurs unverzerrt, dann ergibt sich dieselbe Keynes-Ramsey-Regel wie unter Sicherheit. Ergebnis 2 kann leicht mit folgendem Beispiel näher erläutert werden. Gegeben sei eine Konsumnutzenfunktion mit konstanter relativer Risikoaversion, gemessen durch den Parameter 7 > 0. Dann lautet die Keynes-Ramsey-Regel E{dC^/dt)
c*
^ k - r
7 •
^^
Wenn der Sicherheitszins k über der Zeitpräferenzrate r liegt, dann wird heutiger Konsum in die Zukunft verlagert, um Opportunitätskosten zu vermeiden. Diese Verlagerung gilt jedoch nur im Erwartungswert, betrifft also den erwarteten zukünftigen Konsum. Beachte, dass bei unverzerrtem Terminkurs die Keynes-Ramsey-Konsumrate deterministisch wird. Für den optimalen Konsumplan folgt aus Gleichung (15) C*(0-C*(0)exp' '^"^ 7 Fallen keine Opportunitätskosten an, stimmen also k und r überein, wird der optimale heutige Konsum auf gleichem Niveau für alle Zukunft festgeschrieben.
Dynamisches Hedging
175
4 Imperfektes Hedging Im Folgenden werden der Kassakurs und der Terminkurs von positiv, aber imperfekt korrelierten und ansonsten identischen Wiener Prozessen zs bzw. zp beeinflusst: cov{dzs^dzF) = pdt, mit dem Korrelationskoeffizient p und 0 < / > < 1. 4.1 Konsum und Hedge-Rate Unter Berücksichtigung der imperfekt korrelierten Wiener Prozesse mit identischem Erwartungswert und identischer Volatilität verändert sich die Vermögensentwicklung (3) zur Budgetentwicklung dW = {[p - X{p - k)]W - C}dt + aW{dzs - Xdzp).
(18)
Einsetzen in den Erwartungswert aus der Bellman-Gleichung (6) unter Berücksichtigung der Gleichungen (7) und (18) liefert: E{dV/dt) = Vt-{- Vw{[ß - X{ß - k)]W - C) + \vww(j''W\{l
- Xf
+ 2X(1 - p)}.
(19)
Die optimale Konsum- und Hedgeentscheidung des Anlegers muss entsprechend der Bellman-Gleichung folgenden Bedingungen genügen: U'{C*) = Vw, X*=P-'^-
(20) (21)
Ergebnis 3. (A) Bei optimaler Konsumstrategie hat der Grenznutzen des Konsums mit dem Grenznutzen des Geldes in jedem Zeitpunkt und Zustand übereinzustimmen. (B) Es gilt das Beta-Hedge-Theorem. Das Beta-Hedge-Ergebnis in diskreter Zeit behält wie das FuU-HedgeErgebnis auch im zeitstetigen Fall seine Gültigkeit. Fasst man den stochastischen Zusammenhang zwischen Kassakurs und Terminkurs als Regressionsbeziehung auf, dann läßt sich p als Steigungsparameter ß einer Regression von F auf 5 interpretieren; denn es gilt ß = cov(5, F)/var(F) = pstd{S)/std{F). Da annahmegemäß der Kassakurs- und der Terminkursprozess dieselbe Volatilität aufweisen, stimmt der Steigungsparameter ß mit dem Korrelationskoeffizienten p überein. Bei unverzerrtem Terminmarkt ist die Hedge-Rate gleich ß; bei positiver (negativer) Risikoprämie ist eine geringere (höhere) Hedge-Rate optimal. Der Grund für das Ergebnis liegt im imperfekten Hedging.
176
Jack Wahl und Udo Broll
4.2 Intertemporales Konsumprofil Die optimale Konsumstrategie hat der imperfekten Korrelation zwischen Kassakurs und Terminkurs Rechnung zu tragen. Das durch die KeynesRamsey-Regel beschriebene intertemporale Konsumprofil des Anlegers verliert seine Gültigkeit. Die verallgemeinerte Kejnies-Ramsey-Regel hat die Risikoaversion und die Hedging-Effektivität zu beachten. Die Ableitung der Bellman-Gleichung nach W unter Berücksichtigung der Optimalitätsbedingungen (20) und (21) für Konsum bzw. Hedge und Nullsetzen des Ergebnisses erzeugen: Vw{k - r ) + Vtw + Vww{[fi - X{fi - k)]W - C + a^W{l - p){l + X)} + IVwwwa'W'iil
- X)' + 2X(1 - p)} = 0.
(22)
In Verbindung mit Gleichung (12) und Vermögensentwicklung (18) erhalten wir dVw = {Vwt + Vww{[p - X{fi - k)]W - C} + lvwww(T^W\{l + aVwwW{dzs
- Xf
+ 2X(1 - p)}}dt
- Xdzp).
(23)
Gleichung (23) eingesetzt in die mit dt multiplizierte Gleichung (22) liefert die stochastische Differentialgleichung für den Grenznutzen des Geldes: dVw = {(r - k)Vw - a'^VwwWil +aVwwW{dzs
- p){l + X)}dt
- Xdzp).
(24)
Wegen dU'(C*) = dVw nach Optimalitätsbedingung (20) und unter Einbeziehung der optimalen Hedge-Rate X* nach Gleichung (21) ergibt sich die verallgemeinerte Keynes-Ramsey-Regel für imperfekt (positiv) korrelierte Kursrisiken. Im Erwartungswert gilt ^^~'u'iC*)^''^
= (fc - r) + [M - fc - RaM
+ ,)](! - , ) .
(25)
Als Schlussfolgerung für das optimale intertemporale Konsumprofil kann festgehalten werden: Ergebnis 4. (A) Sichert der Anleger unter Basisrisiko das Kursrisiko mittels Futures ab, dann folgt seine optimale Konsumstrategie der Keynes-RamseyRegel für imperfekt korrelierte Risiken. (B) Auch ein unverzerrter Terminkurs vereinfacht die Keynes-Ramsey-Regel nicht zur Keynes-Ramsey-Regel des Sicherheitsfalls. Bei konstantem relativem Risikoaversionsgrad 7 und unverzerrtem Terminkurs ergibt sich als Keynes-Ramsey-Regel
Dynamisches Hedging
177
Sind Sicherheitszins und Zeit präferenzrate identisch, nimmt der erwartete Konsum infolge des imperfekten Hedgings eindeutig ab. Diese Tendenz verstärkt sich, wenn die Hedging-Effektivität, d.h p^, abnimmt. Der negativen Auswirkung der Volatihtät auf das Sparverhalten des Anlegers wird umso mehr entgegengewirkt, je geringer das Basisrisiko, d. h. je weniger Imperfekt das Hedging ist.
5 Zusammenfassung Unser Beitrag untersucht ein zeitstetiges intertemporales Konsum- und Hedgeproblem eines Anlegers unter Ungewissheit. Die stochastische Dynamik der Preisentwicklungen von Kassa- und Termingeschäft unterliegt geometrisch Brownschen Bewegungen, die auf zunächst perfekt und dann Imperfekt korrelierten Wiener Prozessen aufbauen. Es zeigt sich, dass die d3niamische Hedgeentscheidung des Anlegers mittels Futures einer Entscheidungsregel folgt, die aus diskreten Modellen bekannt ist. In diesem Sinne erscheinen die diskreten Ergebnisse robust: Es gilt das Beta-Hedge-Theorem, das die FuU-Hedge-Entscheidung imphziert, wenn alle Kursrisiken perfekt korreliert sind, d. h. keine Basisrisiken vorliegen. Ansonsten bestimmt bei fairem Terminkurs der Regressionsparameter ß die optimale Hedge-Rate. Das intertemporale Konsumprofil des Anlegers wird entscheidend von dem Futures-Hedging beeinflusst. Bei unverzerrtem Teminkurs und perfektem Hedging ergibt sich die Keynes-Ramsey-Konsumregel unter Sicherheit: Der zukünftige optimale Konsum bestimmt sich aus der Diff'erenz zwischen risikofreiem Zins und Zeitpräferenzrate. Bei imperfektem Hedging gibt es ein Basisrisiko. Die optimale Konsumstrategie des Anlegers wird nachhaltig verändert. Die Keynes-Ramsey-Regel für Imperfekt korrelierte Risiken zeigt, dass das Futures-Hedging dazu beiträgt, den durch die Kursrisiken begünstigten Gegenwartskonsum zugunsten zukünftigen Konsums zurückzunehmen. Je weniger Imperfekt das FuturesHedging ist, desto stärker wird die Sparquote des Anlegers gefördert.
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Risikomanagement und aktionärsorientierte Unternehmenssteuerung - mehr Fragen als Antworten Wolfgang Kürsten Friedrich-Schiller-Universität Jena, Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insb. Finanzierung, Banken und Risikomanagement, Carl-Zeiß-Str. 3, D-07743 Jena
[email protected] ena.de
Gliederung 1
Problemstellung
180
2
Subjektivistische Ansätze zum Risikomanagement
182
3
Objektivistische Ansätze zum Risikomanagement
184
3.1 3.2
Vorbemerkung Das relevante Risikomaß bei aktionärsorientierter Unternehmenssteuerung Erstes Literaturmotiv für Risikomanagement: Vermeidung von Insolvenzkosten Zweites Literaturmotiv für Risikomanagement: Verminderung der Steuerlast Drittes Literaturmotiv für Risikomanagement: Verminderung von Agency Costs
184
4
Weitere Literaturansätze zum Risikomanagement
196
5
Der Stakeholder-Ansatz „revisited"
197
6
Zusammenfassung
199
A
Anhang
200
3.3 3.4 3.5
Literaturverzeichnis
186 188 191 194
201
180
Wolfgang Kürsten
1 Problemstellung Risikomanagement und Hedging - wir verwenden beide Termini synonym für Maßnahmen zur Verringerung der Volatilität im Cash Flow des Unternehmens - gehören nach herrschender Auffassung zu den Grundaufgaben moderner Unternehmenssteuerung. Ihre Bedeutung für die Sicherung des Unternehmenserfolgs könnte, gerade im Zeichen von Globalisierung und volatileren Märkten, noch weiter zunehmen. Die wachsende Internationalisierung und einhergehende Wechselkurssensitivität der Unternehmenstätigkeit, kürzere Produktlebenszyklen und schnelllebige Kundenwünsche sowie zunehmende Kursschwankungen an den Kapitalmärkten sind gern genannte Indizien für diesen Trend. Angesichts der jüngsten Preisschwankungen an den Rohstoff markten wird ein dergestalt marktinduziertes Risikomanagement besonders für Firmen mit realwirtschaftlichem Fokus als relevant angesehen. Bei Banken und Versicherungen werden auch andere Ursachen für eine wachsende Aufmerksamkeit gegenüber dem Risikomanagement genannt. Hier sehen sich die Unternehmen gestiegenen Anforderungen beim Aufbau interner Risikomodelle gegenüber (z.B. beim Internal Ratings Based Approach von „Basel II" im Bankensektor), folgen damit freilich primär den Vorgaben von Regulierungsbehörden, die ein besonderes Schutzbedürfnis der Bankkunden und Versicherten sowie anderer Unternehmen vor Risiken im Finanzsektor ausgemacht zu haben glauben, betreiben insoweit regulierungsinduziertes Risikomanagement So vergleichbar diese Beispiele hinsichtlich der Notwendigkeit von Risikomanagement im Ergebnis anmuten, offenbaren sie doch zugleich einen wichtigen Unterschied in Bezug auf die veranlassenden Akteure: Regulierungsinduziertes Hedging von Finanzunternehmen orientiert sich am berechtigten oder unberechtigten - Schutzinteresse der Stakeholder, während marktinduziertes Hedging eine bewusste Entscheidung der Unternehmensleitung darstellt. Als solche muss sie mit dem Interesse der Shareholder kompatibel sein. Für die ökonomische Analyse von unternehmerischem Risikomanagement macht es einen Unterschied, ob es aus dem Blickwinkel schlecht diversifizierter, mit Fixansprüchen ausgestatteter und tendenziell risikoaverser Stakeholder oder aus dem Interesse wohl diversifizierter, Residualansprüche besitzender und tendenziell risikofreudiger Shareholder heraus deduziert werden soll.-^ Im ersten Fall liegt die Sinnhaftigkeit risikosenkender Maßnahmen auf der Hand, im zweiten Fall das Gegenteil. In wesentlichen Teilen des Schrift1
Natürlich sind bspw. Arbeitnehmer als Stakeholder insoweit keineswegs „schlecht diversifiziert", als auch sie über Investmentfonds eine Streuung ihres Aktienbesitzes bewirken können. Im Unterschied zum idealtypischen Shareholder bleiben sie aber - über ihr investiertes Humankapital - mit einem wesentlichen Vermögensanteil undiversifiziert positioniert. Die polit-ökonomische Diskussion wie auch die Literatur „pflegt" daher das Bild einer (vermeintlich) natürlichen Interessendivergenz zwischen „tendenziell risikoaversen" Stakeholdern und „tendenziell risikofreudigen" Shareholdern, das wir hier lediglich nachzeichnen. In wel-
Risikomanagement und aktionärsorientierte Unternehmenssteuerung
181
t u m s wird dieser Aspekt bemerkenswerterweise nicht weiter problematisiert. Er wird vielmehr geschickt dadurch umgangen, dass die Autoren das hedgende Unternehmen als individualistisches, generell risikoaverses Wirtschaftssubjekt mit konkaver Nutzenfunktion modellieren,^ obwohl eine dem Shareholder Value-Prinzip verpflichtete Unternehmensleitung, wie schon gesagt, eigentlich risikofreudig agieren müsste. Ein anderer Teil der Literatur vermeidet die Modellierung über einen individualistischen Entscheidungsträger zu Gunsten einer objektivistischen Zielfunktion „Marktwertmaximierung", muss sich d a n n freilich mit der Irrelevanzaussage des Modigliani/Miller-Theoiems (1958) auseinandersetzen, das für Hedgingkontrakte nun aus diesem G r u n d keinen R a u m lässt.^ F ü r eine positive ökonomische Theorie des Risikomanagements im Kontext aktionärsorientierter Unternehmenssteuerung erscheint der objektivistische Zugang angemessener, solange das Shareholder ValuePrinzip genuin einer Zielfunktion „Marktwert des Eigenkapitals" das Wort redet.^ Dennoch hinterlässt auch dieser Teil der Literatur dort offene Fragen, wo eine positive Rolle von Risikomanagement aus einer plausibilistischen Relaxierung einzelner Modigliani/Miller-Präniissen heraus begründet, auf eine modelltheoretische Explizierung aber verzichtet wird.^ Der Beitrag will hier ansetzen und sich u m eine kritische Rekapitulation und Neubewertung etablierter Literaturauffassungen zum Risikomanagement in aktionärsorientierten Unternehmen bemühen. Hierzu werden zunächst Argumentationslinien des subjektivistischen Ansatzes (Abschnitt 2) u n d d a n n solche des objektivistischen Ansatzes (Abschnitt 3) nachgezeichnet bzw. modelltechnisch konkretisiert. Es folgt eine kurze Würdigung weiterer, den beiden Kategorien nicht klar zuordenbarer Ansätze (Abschnitt 4), bevor wir eine neue Sichtweise des stakeholderorientierten Hedging entwickeln (Abschnitt 5). Eine vorläufige Einschätzung zur Rolle des Risikomanagements in shareholderorientierten Unternehmen, zumindest aus theoretischer Sicht, beschließt die Abhandlung (Abschnitt 6).
eher Weise Risikofreudigkeit von Aktionären aus dem optionsähnlichen Anspruch des Eigenkapitals folgt, wird weiter unten noch deutlich werden. Vgl. stellvertretend für viele etwa Ederington (1979), Kürsten (1991,1997a), Spremann (1986) oder Broll/Wong/Zilcha (1999). Unkritisch ist es dagegen, solange lediglich von risikoaversen „Anlegern" gesprochen (z.B. Broll/Wahl (2005)) und die entwickelten Hedging-Regeln nicht automatisch als Handlungsanweisungen für Unternehmen verstanden werden. Vgl. etwa Smith/Stulz (1985), S. 392 oder Bessembinder (1991), S. 519. Vgl. ausführlich Kürsten (2000) zu den finanzierungstheoretischen Grundlagen des Shareholder Value-Prinzips. Vgl. etwa die plausibilistische Argumentation zur hedgingbedingten Verringerung der Agency Costs aus Myers^ (1977) Unterinvestitionsproblem bei Mayers/Smith (1987) und diejenige in Abschnitt 3.5 dieses Beitrags.
182
Wolfgang Kürsten
2 Subjektivistische Ansätze z u m Risikomanagement Die Modellierung individuellen Entscheidungsverhaltens bei Risiko folgt in der ökonomischen Literatur überwiegend dem P a r a d i g m a von Neumann/Morgenstem''scher Erwartungsnutzenmaximierung {Bernoulli-Vimzvp). Das Erwartungsnutzenmodell wird bei finanzierungstheoretischen Fragestellungen gerne als (//, a)-Kriterium operationalisiert^ und schreibt dem (üblicherweise) risikoaversen Entscheider die Maximierung eines Präferenzfunktionais ^{E{'),Var{'))
- ^ max\
(1)
vor, das positiv vom Erwartungswert E{') und negativ von der Varianz Var{') der Ergebnisgröße abhängt: $i > 0, ^ 2 < 0. An dieser Stelle erscheint es schlüssig, wenn Stulz (1996) Varianzminimierung als „prevailing academic theory of risk management" (S. 8) apostrophiert, wenngleich asymmetrische Risikomaße wie etwa Ruinwahrscheinlichkeiten und Lower Partial Moments, der Value-at-Risk oder neuerdings der (kohärente) Conditional Value-at-Risk die klassische Varianz zunehmend v e r d r ä n g e n / Eine (erste) positive Rolle von Risikomanagement im Kontext des (//, a)Modells (1) folgt bei angenommener Risikoaversion des W i r t Schaftssubjekts aus der Positivität von Qf_y^j.\ > 0 und ist trivial. Dem Untersuchungsobjekt des hedgenden Unternehmers näher kommt indes die Frage, ob dieser trotz Risikoaversion und risikofreier Anlagealternative ü b e r h a u p t risikobehaftet in „seinem" Unternehmen investiert sein sollte. Bezeichnet VQ sein Anfangsvermögen, R die risikobehaftete Unternehmensrendite und ro die sichere Rendite der risikofreien Anlageform, berechnet sich der optimale, riskant im Unternehmen investierte Anteil 0 * aus der Aufgabe Ein prominentes Beispiel ist die klassische Portfoliotheorie nach Markowitz (1959). Die Einschränkung des Bernoulli-Frinzips auf ein (/x, cr)-Kriterium erfordert bekanntlich die (heroische) Prämisse einer quadratischen Nutzenfunktion oder normalverteilter Ergebnisgrößen (vgl. z.B. Bamberg/Coenenberg (2004), S. 103 ff.). Asymmetrische, an Ausfallwahrscheinlichkeiten angelehnte Risikomaße haben frühzeitig Anwendungen in den Entscheidungsregeln nach Roy (1952), Kataoka (1963) und Telser (1955) gefunden, konnten sich aber lange nicht gegen das (//, er)-Paradigma durchsetzen und erleben erst in neuerer Zeit eine Renaissance (vgl. Kaduff/Spremann (1996), Reichling (1996)). Die Festlegung eines geeigneten Risikomaßes ist ohnehin kontextabhängig und ein Entscheidungsproblem an sich. Im Fall des von der Finanzdienstleistungsaufsicht propagierten Value-at-Risk (VaR) beispielsweise überwog zunächst der Vorteil seiner intuitiven Zugänglichkeit als in monetären Einheiten gemessenes Risikokapital, während inzwischen der Nachteil der i. a. fehlenden Subadditivität die Suche nach geeigneten Alternativen befördert hat. Eine viel versprechende Alternative ist der Conditional Value-at-Risk (CVaR, vgl. Rockafellar/Uryasev (2002)), der alle Anforderungen an ein kohärentes Risikomaß {Artzner et al. (1999)) erfüllt und sich zu einem der klassischen (yu, cr)-Regel ähnlichem (//, CVaR)-Prinzip ausbauen lässt (vgl. hierzu ausführlich die Monografie von Hanisch (2004)).
Risikomanagement und aktionärsorientierte Unternehmenssteuerung G''=argmax
$ {E {V {9)), Var {¥{&))),
183 (2)
ÖG[0,11
mit V{9) = Vo . (0(1 + i?) + (1 - 0 ) ( 1 + ro)). Der Ausdruck für ein inneres Optimum 2
Vo • Var{R)
^^
mit der absoluten Risikoaversion ÄRA = — | ^ > 0 zeigt, dass eine positive erwartete Risikoprämie E{R) — ro > 0 stets Nachfrage nach riskantem Investment auslöst und das riskant investierte Volumen 0* • VQ i^it sinkendem Unternehmensrisiko zunimmt:
^(^*^°)
d{-Var{R))
>0
(4)
In diesem Volumeneffekt liegt eine (zweite) positive Rolle für Varianz-Hedging im subjektivistischen Ansatz. Sie setzt voraus, dass der Investor außerhalb seines Unternehmens keine weiteren riskanten Anlagen hält. Für eine Rechtfertigung von Risikomanagement im Kontext wohl diversifizierter Shareholder kommt das Argument damit nicht in Betracht. In der polit-ökonomischen Diskussion über die gesellschaftlichen Auswirkungen des Shareholder Value-Prinzips sind es vielmehr die Stakeholder in der Gestalt von Mitarbeitern, Gläubigern, Kunden und Lieferanten, denen der Nachteil einer wenig diversifizierten Position und deshalb ein besonderes Schutzbedürfnis gegenüber dem „Interessenmonismus" der Shareholder zugesprochen wird.^ In dieser Sicht ist (3) wie folgt zu interpretieren: Wenn ein Stakeholder (z. B. ein Mitarbeiter) die riskante Position L = O"" -VQ (Z. B . ein Arbeitsverhältnis) im Unternehmen übernehmen soll, ist ihm dafür eine Risikoprämie RP = E{R) — ro (z. B. Gehaltszulage gegenüber einer kündigungsrisikofreien Beschäftigung) in Höhe von RP = 2' ÄRA • Var{R) • L
(5)
zu zahlen. Die Risikoprämie nimmt mit dem Varianzrisiko des Unternehmens zu. Umgekehrt kann das Unternehmen Stakeholder zu günstigeren Konditionen „bekommen", also die Shareholder-Position aufwerten, wenn es zuvor sein Risiko hedgt. Erst in diesem Sinne offeriert der subjektivistische Ansatz eine (dritte) positive Rolle für Hedging, die dem Shareholder Value-Gedanken entspricht. Wir kommen darauf später noch zurück. Die Reichweite der subjektivistischen Argumentation bleibt auch aus anderen Gründen beschränkt. Kehrt man etwa von dem speziellen (^, cr)-Präferenzfunktional (1) zum allgemeinen Erwartungsnutzenprinzip E{u{')) —> maxi Vgl. Karsten (2001) mit weiteren Nachweisen.
(6)
184
Wolfgang Kürsten
mit konkaver Nutzenfunktion u zurück, wird Risikomanagement in Gestalt des Paradigmas „Varianzminimierung" nicht länger einmütig unterstützt. Vielmehr kann es sein, dass ein im (//, (j)-Sinne dominanter Cash Flow von bestimmten 5erno^^//i-Entscheidern abgelehnt wird - und sich die oben genannte (erste) positive Rolle von Hedging in ihr Gegenteil verkehrt.^ U m die einmütige Befürwortung risikosenkender M a ß n a h m e n wiederherzustellen, müsste Hedging zu „decreasing risk" im Sinne des Rothschild/Stiglitz-Y^iiteriums führen.-^^ Eine Äquivalenz mit der klassischen Varianzminimierung würde d a n n nur unter bestimmten ( z . B . Normal-) Verteilungsannahmen erreicht. Auch die beiden anderen Hedgingfunktionen sind im Erwartungsnutzenkonzept in gleicher Weise zu restringieren, d a die zu (2) korrespondierende Aufgabe 0 * = arg max E{u{V{G))) (7) 0€[O,1]
auf eine notwendige Bedingung führt E{u'{V{9)))
. {E{R) - ro) + cov{u\V{G)),
R) = 0,
(8)
die den optimalen Anteil 0 zunächst lediglich implizit enthält und noch keinen Bezug zum P a r a d i g m a des Varianzhedgings erkennen lässt. Erst unter der A n n a h m e normalverteilter Unternehmensrückflüsse gestattet das L e m m a von Rubinstein die aus (3), (4) und (5) v e r t r a u t e Darstellung, wenn m a n die absolute Risikoaversion ÄRA — —^ des (//,cr)-Prinzips durch die durchschnittliche absolute Risikoaversion ÄRA = —-wfrrTw ersetzt.-^^ Das heißt im Umkehrschluss aber auch, dass jenseits der Normalverteilungsprämisse alle drei positiven Rollen des klassischen Varianzhedgings im subjektivistischen Ansatz ihre Berechtigung wieder verlieren.
3 Objektivistische Ansätze zum Risikomanagement 3.1 V o r b e m e r k u n g Bei aktionärsorientierter Unternehmenssteuerung sind Entscheidungen allein am monetarisierten Wohl der Aktionäre, also a m cum-Dividenden-Kurswert Ein numerisches Beispiel findet sich bei Hanoch/Levy (1969). Die im Sinne von Rothschild/Stiglitz^ (1970) „increasing risk" riskantere Verteilung wird von der weniger riskanten im Sinne stochastischer Dominanz 2. Ordnung dominiert (bei gleichen Erwartungswerten) bzw. unterscheidet sich von dieser durch einen „mean preserving spread". Sie wird von allen risikoaversen Bernoul/z-Entscheidern einmütig abgelehnt. Nach Rubinstein^s Lemma (1976) gilt für (fast) beliebige differenzier bare Funktionen / und gemeinsam normalverteilte Zufallsvariablen X und Y die Beziehung cov(f{X),Y) = E{f{X)) ' cov{X,Y), womit sich (8) auf die Form (3) bringen lässt.
Risikomanagement und aktionärsorientierte Unternehmenssteuerung
185
ihrer Beteihgungstitel auszurichten. Alle Entscheidungen haben sich mit anderen Worten der Zielvorschrift „Maximiere den Marktwert des Eigenkapitals" unterzuordnen. Das Shareholder Value-Prinzip ruht daher, soweit es auf die Maximierung von Marktwerten abstellt, auf dem theoretischen F u n d a m e n t der neoklassischen Investitions- und Finanzierungstheorie. •'^'^ Benötigt wird erstens die Existenz eines linearen Preisfunktionais TT („Marktwert") zur objektivistischen Bewertung von monetären Ansprüchen und zweitens, dass die handelnden W i r t Schaftssubjekte den jeweiligen Wert ihrer Ansprüche einmütig als Zielfunktion akzeptieren („unanimity"). Die Existenz des Preisfunktionais wird duch die A n n a h m e eines arbitragefreien Kapitalmarktes gesichert, u n d die unanimity-Eigenschaft folgt aus den Prämissen competitivity, spanning und Information. Auf die zahlreichen Fallstricke, die bei allzu sorglosem Umgang mit beiden T h e m e n lauern, h a t der Jubilar wiederholt hingewiesen.^^ Die hier interessierende Diskussion von Risikomanagement im Shareholder Value-Kontext müsste also grundsätzlich innerhalb des neoklassischen Referenzmodells, d . h . insbesondere unter Akzeptanz der spanning-Prämisse geführt werden. Spanning bedeutet, dass sich alle zu bewertenden Zahlungsströme des Unternehmens durch gehandelte Wertpapiere duplizieren lassen. Die a m Unternehmensprozess beteiligten Shareholder und Stakeholder können ihre präferierte Risikoallokation d a n n auch selbst erreichen und werden allfälligem Hedging von Seiten der Unternehmensleitung indifferent gegenüberstehen - sofern sie ihre Position noch nicht eingenommen haben (ex ante-Sicht) und die zukünftige Geschäftspolitik „ihres" Unternehmens korrekt antizipieren konnten (information-Prämisse). Folglich kann Risikomanagement im Shareholder Value-Kontext aus ex ante-Sicht höchstens d a n n eine Rolle spielen, wenn entweder spanning oder Information nicht erfüllt sind.-^^ Belastbare Ergebnisse zum Risikomanagement im Allgemeinen sind hier ohne Zugrundelegung spezifischer PräferenzVgl. ausführlich Kürsten (2000) mit weiteren Nachweisen. Die Zielvorschrift des Shareholder Value-Prinzips, so wie sie im Schrifttum und in der polit-ökonomischen Diskussion interpretiert wird, sieht weitere (z.B. Fremdkapital-) Ansprüche von Aktionären im Sinne individueller Anfangsausstattungen also gerade nicht vor, bewegt sich insoweit „außerhalb" der neoklassischen Modelle. So können etwa im CAPM-Kontext streng genommen nur Proportionalfinanciers abgebildet werden, sofern Eigen- und Premdkapitaltitel als eigenständige Titel handelbar sind. Auch darauf wird in der Literatur erstaunlich selten hingewiesen (anders etwa Wilhelm (1989) oder Kürsten (2000)). ^^ Zur Arbitragefreiheit von Kapitalmärkten vgl. Wilhelm (1985) oder, mit einer Anwendung im Zinsbereich, Nietert/Wilhelm (2005), zum unanimity-Theorem siehe zunächst DeAngelo (1981) sowie, anstelle vieler, Wilhelm (1989). Eine die Zusammenhänge zwischen Arbitragefreiheit, Marktbewertung, Kapitalmarktmodellen und Zielfunktionsakzeptanz klärende Darstellung findet sich bei Wilhelm (1981). ^^ Streng genommen dürfte dann nicht mehr mit Marktwerten argumentiert werden. Vgl. zu dieser Problematik die Überlegungen bei Wilhelm (1991).
186
Wolfgang Kürsten
und Informationsstrukturen nicht zu erwarten, und dass Aussagen zum Management des Varianzrisikos im Besonderen erreichbar sind, scheint angesichts der Freiräume beim Relaxieren der spanning-Prämisse zweifelhaft. Wohl auch deshalb hat die Literatur einen anderen Weg begangen und Hedging aus der Sicht einer schon eingenommenen Aktionärsposition zu begründen versucht (ex post-Sicht). Insbesondere wurde vorgeschlagen, bestimmte Vermögenspositionen wie Steuern und Insolvenzkosten qua Annahme als nicht-marktfähig zu erklären bzw. nicht dem Unternehmenswert hinzuzurechnen, ein Zugang, der in der Theorie der optimalen Kapitalstruktur unter dem Etikett „exogene Friktionen" geführt wird.^^ Die wesentlichen Literatur-Argumente sollen im Folgenden nachgezeichnet und theoretisch konkretisiert werden. 3.2 Das relevante Risikomaß bei aktionärsorientierter Unternehmenssteuerung Eine fruchtbare Diskussion über Risikomanagement und aktionärsorientierte Unternehmenssteuerung verlangt zunächst eine begründbare Konkretisierung dessen, was unter Risiko in diesem Kontext verstanden werden soll. Die Literatur beschränkt sich hier auf die Intuition ansprechende Vorschläge, etwa dort, wo Shareholder Value-Orientierung ad hoc mit der Verringerung erwarteter Insolvenzkosten gleichgesetzt und daraus die Insolvenzwahrscheinlichkeit als relevantes Risikomaß abgeleitet wird.-"^^ Wir wollen einen anderen Weg gehen und ein mit der relevanten Zielfunktion „Marktwert des Eigenkapitals" kompatibles Risikomaß entwickeln - in analoger Weise zum subjektivistischen Ansatz, dessen Reichweite ja ebenfalls erst beurteilt werden konnte, nachdem Präferenzfunktional und Risikomaß „passig" aufeinander abgestimmt waren.^'^ In Anlehnung an das von risikoaversen Erwartungsnutzenmaximierern dort einmütig als präferenzsteigernd begrüßte Risikomanagement bezüglich der Varianz bzw. dem Rothschild/Stiglüz-Ylisiko bietet es sich auch im Shareholder Value-Kontext an, auf eine einmütige Präferenzreaktion bei den Aktionären abzustellen - mit dem Unterschied, dass der Optionscharakter des Eigenkapitals bei beschränkter Haftung auf ein genuin risikofreudiges und eben nicht risikoaverses Verhalten der Shareholder schließen lässt. Dieser Unterschied ist es wohl auch, der im Schrifttum die Einführung der oben genannten exogenen Friktionen befördert hat, mit deren Vermeidung ein quasi künstliches Risikoaversionsmotiv in die a priori-Risikofreudigkeit der Aktionäre eingefügt wurde. ^^ Vgl. Modigliani/Miller (1963), Kraus/Litzenberg er (1973) und DeAngelo/Masulis (1980). ^^ Vgl. Hahnenstein/R öder (2003), aber auch das Gegenbeispiel in Abschnitt 3.3. dieses Beitrags. "^^ Vgl. erneut Abschnitt 2 weiter oben. Die „Passigkeit" von Risikomessung, Präferenzfunktional und Risikoaversionsverständnis spielt auch in den Schriften des Jubilars eine Rolle, vgl. hierzu Wilhelm (1992).
Risikomanagement und aktionärsorientierte Unternehmenssteuerung
187
Bezeichnet Y den unsicheren leistungswirtschaftlichen Rückstrom (Periodenendwert) des Unternehmens und D die RückZahlungsverpflichtung an die Gläubiger, zeigt sich die Risikofreudigkeit der Aktionäre an der Konvexität der charakteristischen Funktion des Eigenkapitals EK = max{Y
-D,0}.
(9)
Operationalisiert m a n im Erwartungswert gleiche, jedoch unterschiedlich riskante Projekt alternativen über den P a r a m e t e r a G [0,1], ordnet das Projekts p e k t r u m [0,1] ohne Beschränkung der Allgemeinheit nach zunehmendem Risiko und identifiziert das lineare Preisfunktional TT mit dem (empirischen) Erwartungswert, macht sich die Maximierung des Shareholder Value (SHV) in Bezug auf das Risiko a an der Aufgabe-^^ SHV{a,
D) = E{max{Y{a)
- D , 0})
—>
maxi
(10)
o:€[0,l]
fest. Wegen der dem Präferenzfunktional (10) inhärenten Risikofreudigkeit der Aktionäre ist für die Ableitung •^SHV{a,D) ein nicht-negatives Vorzeichen zu erwarten. Die geforderte Einmütigkeit unter den Aktionären wird erreicht, wenn das Vorzeichen für beliebige Premdkapitalnominale D nichtnegativ bleibt. Das nachfolgende Ergebnis zeigt, dass das relevante Risikomaß im Shareholder Value-Kontext damit eindeutig bestimmt ist. S a t z 1: (Beweis siehe Anhang) Das Unternehmen verfüge über ein nach dem Risiko differenziertes Spekt r u m (O;)Q;^[O,I] von möglichen einperiodigen Investitionsprojekten mit gleicher Anfangszahlung und gleichem Erwartungswert. Die Rückflüsse der Projekte Y{a) seien in dem Intervall [a, 6] mit der Verteilungsfunktion F ( a , y) verteilt. Die Haftung der Aktionäre für die RückZahlungsforderung der Gläubiger D ist auf das Unternehmensvermögen Y beschränkt u n d die Aktionäre bewerten ihre Position mit dem Erwartungs- bzw. Marktwert ^^ Theoretisch korrekt wäre der Erwartungswert in Bezug auf die risikoneutrale Verteilung. Die Literatur argumentiert jedoch fast durchgängig mit dem empirischen Erwartungswert, vgl. genauer etwa Kürsten (1997b), S. 826. Entsprechend differenziert ist, bei strenger Betrachtung, die Maximierung des Shareholder Value „in Bezug auf das Risiko a" zu verstehen. So wird sich ein mean preserving spread (bzgl. der empirischen Verteilung, vgl. Satz 1) nicht zwingend wertsteigernd für den (aus der risikoneutralen Verteilung berechneten) Shareholder Value auswirken. Auch dieser Aspekt wird hier, genauso wie im Schrifttum, nicht weiter problematisiert. Die Annahme gleicher Erwartungswerte schließlich erfolgt vor dem Hintergrund, zunächst nur reine RisikoeflPekte studieren und diese nicht mit Werteffekten vermischen zu wollen (vgl. hierzu Neveu (1969) i. V. m. Kürsten (1994), S. 14 f. und S. 28-30). Dass eine genaue Trennung zwischen Risiko- und Werteffekten der Schärfung der Argumente dienlich ist, wird in Abschnitt 5 noch einmal deutlich werden.
188
Wolfgang Kürsten (10) (Shareholder Value). Dann werden sich die Aktionäre bei der Auswahl zwischen zwei Projekten ai und «2 und beliebiger Gläubigerforderung D genau dann für das Projekt 0:2 entscheiden, wenn «2 ein höheres Risiko als a i im Sinne des Rothschüd/Stiglitz-Kiitenums aufweist.
Für die Rolle des Risikomanagements im aktionärsorientierten Unternehmen besagt das Resultat Folgendes: Sofern ein Wirt Schaftssubjekt die Position des Aktionärs schon eingenommen hat (ex post-Sicht), kann es seinen Shareholder Value erhöhen, wenn das Unternehmensrisiko im Rothschild/StiglitzSirme steigt und die Unternehmensleitung in diesem Sinne „negatives" Risikomanagement betreibt:
^SHV{a,D)
= -^J
F{a,y)dy=:F^{a,D)>0
(11)
Für eine positive Rolle von Hedging ist in einem shareholdergeleiteten Unternehmen mithin kein Platz: Das Subjektivistische Risikovermeidungsmotiv von risikoscheuen Wirt Schaftssubjekten und die objektivistische Risikofreude beschränkt haftender Aktionäre stehen sich bislang vielmehr unvereinbar gegenüber. 3.3 Erstes Literaturmotiv für Risikomanagement: Vermeidung von Insolvenzkosten In der Literatur wurde verschiedentlich vorgeschlagen, eine positive Rolle von Risikomanagement im Unternehmen aus der Verringerung erwarteter Insolvenzkosten (bankruptcy costs) als Folge von „financial distress" abzuleiten.^^ Über Hedging ließe sich, so die gängige Argumentation, eine Verringerung der Ausfallwahrscheinlichkeit POB (probability of bankruptcy) POB{a, D) = prob{Y{a) < D) = F ( a , D)
(12)
und damit eine Steigerung des Shareholder Value erreichen: „Risikomanagement schafft Shareholder Value, indem es durch eine Verringerung der Volatilität der Cash Flows und somit der Eintrittswahrscheinlichkeit finanzieller Schwierigkeiten den Barwert der bei finanziellen Schwierigkeiten entstehenden Transaktionskosten reduziert."^^ Bei Hahnenstein/Röder (2003) heißt es dazu gar: „The minimization of which (the POB, W. K.) can serve as a Substitute for the maximization of shareholders' wealth" (S. 316). Das Insolvenzkostenargument bemüht offensichtlich den plausibilistischen Charme des Risikomaßes „Ausfallwahrscheinlichkeit", ohne zuvor geprüft zu haben, ob ein Hedging der Ausfallwahrscheinlichkeit überhaupt im einmütigen ^^ Vgl. Smüh/Stulz (1985), Rawls/Smithson (1990), Fite/Pfleiderer (1995), Stulz (1996), Brown/Toft (2002) oder zuletzt Hahnenstein/Röder (2003). 20 Pntsch/Hommel (1997), S. 683.
Risikomanagement und aktionärsorientierte Unternehmenssteuerung
189
Interesse der Shareholder liegt.^-^ Im Lichte des im Shareholder Value-Kontext relevanten Risikomaßes aus Satz 1 ist das gerade nicht zu erwarten, da das Rothschild/Stiglitz-Blsiko, und mit ihm der Shareholder Value, genauso zunehmen wie auch abnehmen kann, wenn die Ausfallwahrscheinlichkeit in Folge von Risikomanagement sinkt.^^ Werden die Insolvenzkosten in Höhe von C etwa zum Anteil /3 G [0,1] von den Aktionären u n d zum Anteil 1 — ß von den Gläubigern getragen, beträgt der Shareholder Value^^ SHV{a,
D, C) - E{Y -D\Y>D)'{1= SHV{a,D,0)
F{a, D)) - ßC • F ( a , D)
- ßC ' F{a,D).
(13)
Die Auswirkung eines Hedging der Ausfallwahrscheinlichkeit auf das Aktionärsvermögen lässt sich nun gedanklich auf eine Änderung des Rothschild/ Stiglitz-Risikos zurückführen und in zwei Faktoren zerlegen: ' -SHVia, D, C) ^ J^P^l^-^ d(-POB) V. , / ^ g^
^ ) \ \l J da
SHVia, D, 0) + ßC
= -F„{a,D)-'--^SHVia,D,0)+ßC
(14)
Zwar reagiert der Shareholder Value gemäß Satz 1 eindeutig positiv auf eine Zunahme des Rothschild/Stiglitz-Risikos (2. Faktor in (14)), doch ist die Auswirkung auf die Ausfallwahrscheinlichkeit ambivalent (1. Faktor in (14)). ^^ Von anderem theoretischen Interesse könnte die Frage der Kompatibilität zwischen dem Präferenzfunktional >(•) = —POB{a, D) und dem Bernoulli-Pvimip sein. Hier lehrt ein Ergebnis von Schneeweiß (1967), S. 90, dass eine verteilungsunabhängige Übereinstimmung genau für die Nutzenfunktion u{y) — —1 {y < D) und u(y) = 0 {y > D) erreicht wird. Für das (/i, cr)-Prinzip wird Kompatibilität bekanntlich (verteilungsunabhängig) über die quadratische Nutzenfunktion erreicht, was sich ebenfalls auf das allgemeine Resultat von Schneeweiß zurückführen lässt. Vgl. hierzu Bamberg/Coenenberg (2004), S. 106 ff. ^^ Die Ursache liegt darin, dass sich die Verteilungsfunktionen Rothschild/Stiglitzdifferenzierter Projekte beliebig oft schneiden können, vgl. etwa die grafische Darstellung bei Kürsten (1997b), S. 830. ^^ Vgl. sinngemäß Smith/Stulz (1985), S. 395 f. oder Stulz (1996), hier wörtlich: „By eliminating the possibility of bankruptcy, risk management increases the value of the firm's equity by an amount roughly equal to Bc (bankruptcy costs) multiplied by the probability of bankruptcy if the firm remains unhedged (pBU)"(S. 13). Die Konkretisierung des Insolvenzkostenarguments (13) findet sich institutionell etwa in einer vereinbarten Nachschusspflicht für GmbH-Gesellschafter oder dort wieder, wo Manager-Eigentümer nach einer Insolvenz ihres Unternehmens eine neue Beschäftigung suchen und dabei Einbußen in Bezug auf ihr Privatvermögen hinnehmen müssen. Für nicht im Unternehmen beschäftigte Publikumsaktionäre kann man sich (13) dahingehend vorstellen, dass es insolvenzbedingt zu keiner Fortführung des Unternehmens und somit zu Vermögenseinbußen des Aktionärs aus künftigen Cash Flows kommt.
190
Wolfgang Kürsten
Insbesondere wird der im Schrifttum behauptete positive Effekt einer verringerten Ausfallwahrscheinüchkeit auf das Aktionärsvermögen nicht zwingend erreicht, wohl aber beispielsweise immer dann, wenn Fa{oL^D) < 0 ist, d.h. Rothschild/Stiglitz-Yiska,nteie Projekte weniger häufig ausfallen als sicherere. Schon diese (hinreichende) Bedingung für die genannte Literaturauffassung entspricht eher nicht der Intuition. Umgekehrt wird bei Fa{a,D) > 0 und „nicht zu großen" Insolvenzkosten C das Aktionärsvermögen nach einem Hedging der Ausfallwahrscheinlichkeit abnehmen. Ein numerisches Beispiel für beide Fälle geben wir jetzt an. (Gegen-)Beispiel: (für die Beziehung zwischen Ausfallwahrscheinlichkeit und Shareholder Value) Die Rückströme der beiden Projekte ai und a2
[95 Y — <50 [40
(0,50) (0,25) (0,25)
110 (0,50) Yc.,^< 40 (0,25) 20 (0,25)
(15a)
zeigen, dass a2 im Rothschild/SüglitzSixme riskanter ist als ai. In der Notation von Satz 1 gilt also 0 < a i < 0:2 < 1 und das riskantere Projekt «2 erzeugt unabhängig von der Höhe der Kreditnominale D den größeren Shareholder Value. Für eine Kreditforderung von D = bO und (von den Aktionären zu tragenden, ß = 1) Insolvenzkosten von C = 18 etwa rechnet man: 5ijy(a2,50,18) = 0,50 • 60 - 0,50 • 18 - 21 > 18 = 0,50 • 45 - 0,25 • 18 = SHV{ai,bO,
18)
^
^
Trotz des größeren Shareholder Value^^ fällt Projekt a2 aber doppelt so oft aus wie Projekt ai POB{a2,50)
- 0,50 = 2 • 0,25 = 2 • POB{ai, 50)
(15c)
bzw. erzeugt doppelt so hohe erwartete Insolvenzkosten. Ein an der Ausfallwahrscheinlichkeit orientiertes Risikomanagement wäre hier aus Aktionärssicht kontraproduktiv. Dieses Beispiel entspricht dem Fall ^ ^ ( a , D) > 0 aus (14). Das Ergebnis dreht sich um, wenn die Gläubigerforderung auf D = 96 steigt. Die Aktionäre präferieren wegen 24
In einer mehrstufigen Modellierung mit mindestens zwei Entscheidungszeitpunkten könnte ein rationaler Aktionär von Projekt ai nach Eintritt der Realisation y = 40 netto den Betrag C — {D — y) = 8 sparen, indem er duch Zahlung von D — y= 10 die Insolvenz abwendet (ich danke Herrn cand. rer. pol. Matthias Bergner für einen entsprechenden Hinweis). Entsprechende Überlegungen sind nach unserer Kenntnis im Schrifttum bisher nicht anzutreffen, bieten aber Raum für weiterführende Forschungsarbeiten.
Risikomanagement und aktionärsorientierte Unternehmenssteuerung SHV{a2,96,18)
= -2>
- 1 8 = 5iJV(ai,96,18)
191 (15d)
zwar weiterhin das riskantere Projekt a2. Allerdings ist es nun dieses Projekt, dessen Ausfallwahrscheinlichkeit und erwartete Insolvenzkosten um die Hälfte niedriger sind als bei der Alternative a i : POB{a2,96)
= 0,5 - I • 1 = ^ • POB{au 96)
(15e)
Dieses Beispiel entspricht dem Fall Fa{o^,D) < 0 in (14). Ein an den bankruptcy costs orientiertes Risikomanagement wäre nun durchaus im Shareholder-Interesse. Offenbar ist es keineswegs so, dass die Situation „abnehmender Shareholder Value trotz sinkender Ausfallwahrscheinlichkeit" gewissermaßen nur einen seltenen Sonderfall darstellte, den man vernachlässigen könnte. Vielmehr kann die Beziehung zwischen Shareholder Value und Ausfallwahrscheinlichkeit bei sich häufig schneidenden Verteilungsfunktionen beliebig oft im Vorzeichen wechseln, da sich das Verhältnis zwischen Rothschild/Stiglitz-Risiko und Ausfallwahrscheinlichkeit an jedem Schnittpunkt umdreht.^^ Ein an der Verringerung der Ausfallwahrscheinlichkeit bzw. der erwarteten Insolvenzkosten orientiertes Risikomanagement gereicht den Aktionären dann ebenso oft zum Vorteil wie zum Nachteil:^^ Laplace' „Prinzip des unzureichenden Grundes" verbietet es dann, Risikomanagement bei aktionärsorientierter Unternehmenssteuerung positiv durch das (Literatur-) Motiv verringerter Insolvenzkosten erklären zu wollen. 3.4 Zweites Literaturmotiv für Risikomanagement: Verminderung der Steuerlast Neben dem Insolvenzkostenargument ist im Schrifttum vorgeschlagen worden, eine positive Rolle von Risikomanagement an der Verringerung der erwarteten Ertragssteuerlast festzumachen, sofern „die unternehmerische Ertragssteuerlast durch eine konvexe Steuerfunktion bestimmt wird".^^ Hedging führe dann, so die Argumentation, wegen der Jensen^schen Ungleichung zu einer Verringerung der (konvexen) erwarteten Steuerlast und zu einer Steigerung des (konkaven) Nachsteuer-Firmenwerts. Smith/Stulz (1985) vertrauen der Vgl. erneut die grafische Darstellung bei Kürsten (1997b), S. 830. Die Beobachtung ist ein weiteres Beispiel für die häufig unzureichende Trennung zwischen den Unternehmensgesamtwert und den Shareholder Value steigernden Maßnahmen. Vgl. hierzu den ähnlich gelagerten Fall synergetischer Merger im Shareholder Value-Kontext bei Kürsten (2003). Pritsch/Hommel (1997), S. 684. Zum Steuerargument vgl. ursprünglich Mayers/Smith (1982) und Smith/Stulz (1985). Die empirische Evidenz des Arguments ist umstritten, vgl. hierzu Nance/Smith/Smithson (1993), Graham/Smith (1999) sowie Pritsch/Hommel (1997), S. 684 f. mit weiteren Nachweisen.
192
Wolfgang Kürsten
intuitiven Eingängigkeit ihres überwiegend grafisch gestützten Arguments: „While our treatment of taxes is not very sophisticated,... a more reahstic treatment of taxes would not add important insights to our analysis" (S. 396). Hier soll nun geprüft werden, ob das Steuerargument im Kontext des gemäß Satz 1 operationalisierten Shareholder Value-Prinzips tatsächlich Bestand hat. Dazu bezeichne s{y — D) den auf die Bemessungsgrundlage „Unternehmenswert abzüglich Gläubigerforderungen" im Fall y > D anzuwendenden Steuersatz. Die erwartete Steuerlast E{SL) lautet dann E{SL{a))
= E{max{s{Y{a)
- D) • {Y{a) - D), 0})
(16a)
und der Shareholder Value beträgt SHV{a)
= E{max{{l
- s{Y{a) - D)) • {Y{a) - D),0}),
(16b)
und beide hängen von der Risikopolitik a ab:
D
F{a, y)dy + {E{Y) - D)-\s{b
- D) • {b^ D)
j\s'{y -D).{y-D) + s{y - D)) • F{a, y)dy] l dE{SL{a)),, -Fc{a,D)
(17)
di-a)
Für den einfachen Fall einer linearen Steuerfunktion mit dem konstanten Grenzsteuersatz s{y — D) = s vereinfacht sich (17) zu ö ^ ( ^ ^ ( - ) ) . _ , . ^ ^ ( . , ^ ) < 0 und d{-a) dSHVja) = -{l-s)'Fc,{a,D) <0. d{-a)
(18)
Demnach nimmt zwar die erwartete Steuerlast schon in diesem Fall, also ohne konvexes Steuerschema, hedgingbedingt ab. Gleichzeitig verringert Risikomanagement aber auch den Shareholder Value, liegt damit nicht im Aktionär sinteresse. Der Grund besteht darin, dass hedgingbedingte Verluste beim Vorsteuer-Marktwert des Eigenkapitals infolge des linearen Tarifs proportional ^^ Der Ausdruck Fa{c^,D) = •§^j^ F{a,y)dy für die Ableitung der integrierten Verteilungsfunktion nach dem Risikoprarameter a ist wegen der Annahme Rothschild/Stiglitz-diEerenziertev Projekte stets nicht-negativ, vgl. Satz 1 bzw. (11).
Risikomanagement und aktionärsorientierte Unternehmenssteuerung
193
auf die Steuerlast und den Nachsteuer-Marktwert des Eigenkapitals umgelegt werden. Für den im Schrifttum bemühten Fall eines konvexen Steuertarifs mit steigenden Grenzsteuersätzen s'{y—D) > 0 („direkte Progression") lassen sich die relevanten Vorzeichen erst einsehen, wenn man auf die erwartete Steuerlast (eckige Klammer in (17)) den Mittelwertsatz der Integralrechnung anwendet. Der entsprechende Ausruck ^^dt-af^
- (6 - J5) . {s\yo - D) • (^o - ö ) + Kz/o - D)) • F«(a, yo) =: m{s,yo) - Fa{a,yo)
mit yo G (D,6),
(19)
zeigt, dass die erwartete Steuerlast bei konvexem Tarif {m{s^yo) >0) infolge von Rothschild/Stiglitz-Hedging genau dann zurückgeht, wenn gleichzeitig die Ausfallwahrscheinlichkeit in Bezug auf die „hypothetische" Fremdkapitalbelastung yo
. = -^-
dPOB{a,yo) 9^
mit dem Hedging zunimmt. Davon kann nicht allgemein ausgegangen werden, solange der kritische Rückstrom yo je nach Parameter-Situation an beliebiger Stelle innerhalb des Intervalls {D,b) liegen kann. Im Kontext des Beispiels (15a) mit JD = 40 und b = 110 würde etwa für yo = 100 eine Verringerung, für yo = 45 jedoch eine Erhöhung der erwarteten Steuerlast aus dem Risikomanagement resultieren. Die Ambivalenz der Steuerreaktion überträgt sich weiter auf die Reaktion des Shareholder Value. Zwar unterscheiden sich beide gemäß (17) lediglich um den (nicht-positiven, vgl. (11)) Term —jPa(a, D) = —{D — a) -Fa{oi, yi), mit yi G (a, D). Dennoch kann selbst bei konvexem Steuertarif wegen ö ^ ^ H p ) =-[{D-a)-
d{-a
F^{a,yi)+m{s,yo)
• F^{a,yo)]
(21)
^0 keine generelle Aussage über den Einfluss von Risikomanagement auf das Aktionärsvermögen gemacht werden, auch dann nicht, wenn die Steuerlast durch Risikomanagement tatsächUch abnehmen sollte.^^ Damit erweist sich auch das Man nehme etwa ein konvexes Steuerschema (m > 0) und den Fall Faioi^yo) < 0, in dem die Steuerlast nach Hedging abnimmt (vgl. (19)), die Ableitung (21) für „geeignet großes" D — a jedoch insgesamt negativ bleibt, der Shareholder Value also ebenfalls abnimmt. Über die Implikationen institutioneller Besonderheiten, wie etwa beschränkter Verlustverrechnung oder einer Kombination aus Preibetrag und konstantem Grenzsteuersatz (indirekte Progression), lassen sich ohne näheres Hinsehen keine Aussagen treffen.
194
Wolfgang Kürsten
Steuermotiv der Literatur für eine positive Begründung von Risikomanagement im Shareholder Value-Kontext als wenig belastbar. 3.5 Drittes Literaturmotiv für Risikomanagement: Verminderung von Agency Costs Nach dem informationsökonomischen Ansatz der Finanztheorie bestehen zwischen den Manager-Eigentümern des Unternehmens und seinen externen Financiers Informationsdifferenziale, die die Manager-Eigner zu ihren Gunsten ausnutzen können (und werden). Unter- und Überinvestitionsprobleme, das Risikoanreizproblem sowie perk consumption- und eJBFort-Probleme sind dafür prominente Beispiele.^^ Rationale Financiers können die resultierenden Wohlfahrtsverluste antizipieren und den leitungsbefugten Aktionären in Gestalt von Agency Costs in Rechnung stellen. Die fremdkapitalinduzierten Agency-Probleme werden durch die Möglichkeit des Kreditausfalls ausgelöst. Insbesondere Myers^ (1977) Unterinvestitionsproblem könne deshalb, so ein beliebtes Literaturargument, durch Hedging entschärft werden, da mit der Risikoverringerung die Chance der Eigentümer steige, die Erträge aus Investitionsprojekten selbst zu vereinnahmen: „The hedge shifts individual future States from default to nondefault outcomes, increasing the number of future States in which equity holders are the residual claimants."^^ Zur Überprüfung des Arguments zeichnen wir Myers' Unterinvestitionsproblem nach und unterstellen eine asymmetrische Informationsverteilung hinsichtlich des Investitionsvolumens I, über das die Manager-Eigner ohne Kontrolle der Fremdkapitalgeber (mit RückZahlungsanspruch D) allein befinden können. Bezeichnet k{I) eine Skalenfunktion mit abnehmendem Grenzertrag (fc(0) = 0 , k^ > 0, fc'' < 0) und ro = 0 den risikofreien Zins, führt die Maximierung des Shareholder Value^^ SHV{a, D, I) = E{max{k{I)
• Y{a) - D, 0}) - / —^ max\
(22)
auf die notwendige Bedingung für das (opportunistisch) optimale Investitionsvolumen /* = /* {a) fc'(/). /
ydF{a,y)-1=0.
(23)
JD/k
Bei symmetrischer Information würden sich Gläubiger und Aktionäre auf das gesamtwertmaximale Investitionsvolumen /o ^^ Vgl. Jensen/Meckling (1976) zu den Grundlagen und Kürsten (1995, 1997b) zu den Grenzen des Ansatzes mit weiteren Nachweisen. ^^ Bessemhinder (1991), S. 520. Vgl. auch Mayers/Smith (1987) und Campbell/Kracaw (1990). ^^ Der Marktwert des Eigenkapitals ist hier gegenüber (10) um die verausgabte Investitionssumme zu korrigieren, da diese noch disponibel ist.
Risikomanagement und aktionärsorientierte Unternehmenssteuerung E{k{I) • Y{a)) -I gemäß der Bedingung (man beachte E{Y{a)) k\I)
—> max\
195 (24)
= E{Y) = const.)
. E{Y) - 1 = 0
(25)
einigen und offensichthch mehr als bei asymmetrischer Information investieren /* < /o.
(26)
Der resultierende Verlust an Unternehmensgesamtwert ist von den ManagerEignern selbst zu tragen, wenn die Gläubiger die Unterinvestition korrekt antizipieren, und führt dort zu einem Verlust an Shareholder Value (Agency Costs) in Höhe von AC = SHV{a, D, IQ) - SHV{a, D, /*) = {k{Io) - k{r{a)))
. E{Y) - (lo - r{a))
(27) > 0.
Kann Hedging nun, wie im Schrifttum behauptet, das Unterinvestitionsproblem entschärfen und den Shareholder Value erhöhen, d. h. gilt ^ 4 ^ < 0 ? Zur Klärung der Frage differenzieren wir die Agency Costs nach dem Risikoparameter a^^ .
eAC
-91*
.
(
SHVi^\
-D „ ( B \ ^ ( D = si,n|^.F„(^a,-^j+F.(^a,-^j}^^^^
(28)
und finden (man beachte Fa(-) ^ 0 wegen (11)), dass das gewünschte Vorzeichen höchstens dann resultieren kann - aber nicht muss - , wenn das Risikomanagement eine kleinere Ausfallwahrscheinlichkeit des Unternehmens nach sich zieht. Das ist wegen der ambivalenten Beziehung zwischen dem im Shareholder Value-Kontext relevanten Rothschild/Stiglüz-Kisiko und der Ausfallwahrscheinlichkeit genauso häufig zu erwarten wie das Gegenteil. Dementsprechend kann auch das Agency Cost-Argument zu einer positiven Theorie des Hedging wenig beitragen.^^ Man verwendet die notwendige Bedingung •§jSHV{') =: SHVj = 0 aus (23) sowie 1 - k\r) ' E{Y) < 0, nimmt die Bedingung 2. Ordnung SHVn < 0 als erfüllt an und differenziert (23) implizit nach a. Das gilt auch für Campbell/Kracaw^s (1990) Agency Cost-Argumentation in Bezug auf das asset substitution-Problem. Die Autoren sehen hier eine positive Rolle von Hedging (nur) für den Fall, dass das riskantere Projekt zugleich den im Vergleich zum weniger riskanten Projekt größeren Marktwert aufweist - wovon nicht allgemein auszugehen ist -, von den Gläubigern über restriktive Vertragsklauseln {Smith/Warner, 1979) aber verhindert werden kann. Das zitierte Argument wird weiter unten noch aus anderen Gründen verworfen (vgl. Abschnitt 5).
196
Wolfgang Kürsten
4 Weitere Literaturansätze zum Risikomanagement In der Literatur werden weitere Motive für Risikomanagement genannt, die sich nicht eindeutig dem subjektivistischen oder dem objektivistischen Ansatz zurechnen lassen. Zu ihnen gehört die Vorstellung, wonach risikoaverse Manager die fehlende Diversifizierbarkeit ihres Humankapitals zum Anlass nehmen werden, zunächst das Unternehmensrisiko und damit ihr eigenes Einkommensrisiko durch Hedging zu verringern.^'* Die Überwindung dieses spezifischen Risikoaversionsmotivs des Managements hat in den 90er Jahren als Argument für die Begebung von Aktienoptionen gedient, mit deren Hilfe ein stärker risikofreudiges (Investitions-) Verhalten im Interesse der Aktionäre erreicht werden sollte.^^ Im Lichte der Vorhersagen des Capital Asset Pricing Model mit nicht-marktfähigen Einkommen ist eine andere Reaktion der Manager wahrscheinlicher: Die Manager werden den Unternehmens-Cash Flow eher dahingehend steuern, dass ein möglichst großer Teil ihres Einkommens über marktfähige Wertpapiere dupliziert werden kann und nur ein entsprechend geringes „unsystematisches" Restrisiko verbleibt.^^ Mit klassischem Varianzhedging hat das a priori nichts zu tun. Ein anderes Argument rekurriert auf Informationsasymmetrien zu Gunsten des Managements, die den Aktionären die genaue Einschätzung der Managementleistung erschweren. Bei wenig detaillierter Berichterstattung könnten die Manager über Risikomanagement versuchen, ihre Managementleistung in günstigerem Licht erscheinen zu lassen oder das „Rauschen" des Cash Flow zu unterdrücken, um so glaubhaft ihre überdurchschnittlichen Managementfähigkeiten zu signalisieren.^^ Gegebenfalls macht der Informationsvorsprung des Managements es ohnehin erforderlich, dass die Aktionäre Hedgingentscheidungen an das Management delegieren.^^ Unseres Erachtens bleibt auch bei diesem Erklärungsmuster dahingestellt, warum gerade das klassische Varianzhedging resultieren sollte, das die Hedgingliteratur paradigmenhaft unterstellt. Schheßlich stellt ein häuj&g genanntes Motiv auf die Kosten externer Finanzierung ab, die über eine StabiUsierung des internen Cash Flow via Risi-
^^ Vgl. Amihud/Lev (1981), Stulz (1984) und Aggarwal/Samwick (2003). ^^ Kritik an diesem sowie weiteren Argumenten in Bezug auf Stock Options übt Kürsten (2001). ^^ Vgl. Mayers (1972) und Brito (1977) sowie, im Kontext des Risikovermeidungsmotivs der Manager, Kürsten (2001), S. 255 f. Der Grad der Duplizierbarkeit von Unternehmens-Cash Flows durch Finanzmarkttitel spielt auch eine wichtige Rolle bei Fragen der Unternehmensbewertung. Wilhelm (2005) hat hier jüngst eine Neuformulierung verbreiteter Methoden der traditionellen Unternehmensbewertungsliteratur vorgestellt, die das Gebiet auf eine (finanzierungs-) theoretische Grundlage stellt. ^"^ Vgl. DeMarzo/Duffie (1995), Breeden/Viswanathan (1998). ^^ Vgl. DeMarzo/Duffie (1991).
Risikomanagement und aktionärsorientierte Unternehmenssteuerung
197
komanagement vermieden werden könnten.^^ Reicht der interne Cash Flow, so diese Argumentation, zur Finanzierung der geplanten Investitionsprojekte nicht aus, müssen externe Finanzierungsquellen in Anspruch genommen werden. Damit gehen Kosten einher, die letztlich von den Anteilseignern zu tragen sind. Beispielsweise führt externes Eigenkapital zu Kosten aus underpricing sowie Informationsdifferenzialen zwischen Alt- und Neuaktionären,^^ und Fremdfinanzierung zieht Agency Costs oder Rationierungseffekte nach sich.'*^ Mit Hilfe von Risikomanagement könnten nun nach Ansicht der Autoren die Abhängigkeit vom Kapitalmarkt verringert und externe Finanzierungskosten gespart werden. Die S3rmmetrie des traditionellen Varianzhedgings wird allerdings geringe Cash Flow-Realisationen genauso „abschneiden" wie hohe, so dass in der Logik des Arguments neben ersparten auch zusätzliche Kapitalkosten anfallen werden. Ohne Kenntnis des Einzelfalls ist das Argument einer Stabilisierung interner Cash Flows als positive Theorie für Hedging daher ebenfalls nicht brauchbar.
5 Der Stakeholder-Ansatz „revisited" Im Lichte der bisherigen Diskussion erweisen sich die verfügbaren Ansätze für eine positive Rolle von Risikomanagement in aktionärsorientierten Unternehmen theoretisch als wenig tragfähig."*^ Von Modellambivalenz weitgehend verschont und auch ökonomisch besonders eingängig erscheint uns lediglich das Argument, mit Hilfe von Risikomanagement zunächst den Fixanspruch der wenig diversifizierten, risikoaversen und daher „schutzbedürftigen" Stakeholder aufzuwerten, damit diese dann zu günstigeren Konditionen in das Unternehmen eintreten und den Residualanspruch der Shareholder auf der Kostenseite entlasten können. Wir bezeichnen diesen Ansatz, der in Abschnitt 2 schon einmal angeklungen war und dessen besonderes Schutzargument zu Gunsten der Stakeholder gerne als polit-ökonomische Rechtfertigung für die aufsichtsrechtliche Restringierung des Finanzsektors bemüht wird, als „Stakeholder-Ansatz".^^ Er lässt sich jenseits von (5) auch mit neoklassischen Marktwerten formulieren und kommt von daher grundsätzlich für eine positive Hedging-RoUe im Shareholder Value-Kontext in Betracht. Bezeichnet min{D^ Y{a)} die Position eines Stakeholders (z. B. Gläubiger, Arbeitnehmer, etc.) mit Fixanspruch D bei gegebenem Unternehmensrisiko a, lautet dessen Marktwert STV („Stakeholder Value") ^^ Vgl. Froot/Scharfstein/Stein (1993). ^° Vgl. Rock (1986), Myers/Majluf (1984) oder Braun (2005) in diesem Band. ^^ Vgl. Jensen/Meckling (1976) und Kürsten (1995, 1998). ^^ Auch die empirischen Befunde deuten nicht auf eine belastbare Bestätigung der Theorieansätze hin, vgl. etwa Nance/Smith/Smithson (1993) oder Berkman/Bradbury (1996) mit weiteren Nachweisen. ^^ Vgl. im Tenor ähnlich Stulz (1996), S. 13 f.
198
Wolfgang Kürsten STV{a, D) = E{min{D, Y{a)}).
(29)
Dabei besteht der Fixanspruch D = B - {1 -{-r) aus dem eingebrachten Ausgangsvermögen B (z.B. herausgelegter Kreditbetrag des Gläubigers, eingebrachtes Humankapital des Arbeitnehmers, etc.) und der geforderten Risikoprämie r (z. B. risikoadäquater Zins des Gläubigers, Humankapitalverzinsung des Arbeitnehmers, etc.) des Stakeholders. Der Marktwert des StakeholderEngagements entspricht im Gleichgewicht dem eingebrachten Vermögensbetrag 5 , d. h. der erwartete Kapitalwert (bzgl. des risikofreien Zinses VQ = 0) ist Null: STV{a,D)-B =0 (30) Die Logik des Stakeholder-Ansatzes setzt nun (implizit) voraus, dass die Stakeholder das Unternehmensrisiko a ex ante beobachten und ihre Risikoprämie r = r{a) daran anpassen können. Andernfalls könnten die Shareholder via Risikomanagement gar keine günstigeren Konditionen von Seiten der Stakeholder erwarten. Unter dieser Voraussetzung geht wegen der Konkavität ihres Anspruches ein höheres Risiko mit höheren bzw. ein Risikomanagement des Unternehmens mit niedrigeren Prämienforderungen der Stakeholder drja) d{-a)
^STV{a,DU STV{a,D)D
^^
.... ^ ^
einher, was den Residualanspruch der Aktionäre entsprechend be- bzw. entlastet. Haben wir damit eine positive Rolle von Risikomanagement aus Aktionärssicht gefunden? Wir meinen nein, denn die Risikopolitik der Shareholder wird nun der Aufgabe SHV(a,D)
—^
maxi
aG[0,l]
u. d. NB.
(32)
STV{a, ß • (1 + r{a))) -B
=0
folgen, die wegen der Wertadditivität SHV{a,D)
+ STV{a,D)
= E{Y{a))
(33)
äquivalent ist zu der Aufgabe, den Unternehmens^e5am^K;er^ zu maximieren: E{Y{a))
—> maxi
(34)
Q:G[0,1]
Ob Unternehmensgesamtwert-Maximierung gleichzeitig eine Präferenz der Aktionäre für Risikomanagement bedingt, hängt demnach von dem Zusammenhang zwischen „Wert" und „Risiko" innerhalb der Alternativenmenge, dem Risk-Return-Trade-Off ^ = d Risk{a)
^^^^
Risikomanagement und aktionärsorientierte Unternehmenssteuerung
199
ab. Die Einstellung der Aktionäre gegenüber dem Risikomanagement ist... ... positiv ... indifferent ... negativ
A<0 } genau dann, wenn ^ A - 0 A>0
(36)
gilt. Insbesondere resultiert aus dem Stakeholder-Ansatz ein positives HedgingMotiv nur dann, wenn wertvolle Projekte zugleich mit geringerem Risiko verbunden sind (A < 0). Genau um diesen Punkt greift Stulz^ (1996) Argumentation zu kurz: „To the extent risk management can protect ... corporate stakeholders, the Company can ... increase firm value" (S. 14). Ob der RiskReturn-Trade-Off A tatsächlich negativ ist, lässt sich allenfalls kasuistisch (und wohl empirisch) beurteilen. Etablierte theoretische Modelle wie etwa Markowitz' Portfolio Selection postulieren übrigens das Gegenteil (A > 0), hätten eine Präferenz für riskantere Unternehmenspolitiken zur Folge. Im Kontext Rothschild/Stiglitz-diSerenzierter Projekt alternativen schließlich, der weiter oben für eine aktionärsorientierte Unternehmenssteuerung als sinnvolle Modellumgebung identifiziert wurde (vgl. Satz 1), verhalten sich dem Stakeholder-Ansatz folgende Anteilseigner dem Risiko gegenüber indifferent (A = 0).
6 Zusammenfassung Der Beitrag enthält eine Kategorisierung und kritische Diskussion verbreiteter Literaturauffassungen zur Rolle von Risikomanagement in aktionärsgeführten Unternehmen. „Subjektivistische" Ansätze leiten ein natürliches HedgingMotiv aus der angenommenen Risikoaversion der Entscheidungsträger ab, können zu dem Untersuchungsgegenstand eines den Marktwert des Eigenkapitals maximierenden Aktionärs aber wenig beitragen. Dieser agiert wegen des Optionscharakters des Eigenkapitals genuin risikofreudig. Die mit Marktwerten operierenden, „objektivistischen" Literaturansätze versuchen deshalb, Risikomanagement aus exogenen Friktionen und den damit verbundenen Kosten heraus zu rechtfertigen. Eine genaue Identifikation des im Shareholder ValueKontext relevanten Risikomaßes durch Rothschild/Stiglitz-T)om.ma,nz zeigt, dass die der Gestalt konkretisierten Vorhersagen des Schrifttums der Beliebigkeit anheim fallen und als theoretisch gestütztes Argument für eine positive Rolle von Risikomanagement deshalb wenig belastbar sind. Ähnliches gilt für eine Reihe anderer Literaturmotive, die auf spezielle Informationsasymmetrien zwischen Anteilseignern und Management rekurrieren, die Dominanz des klassischen Varianzhedgings in der einschlägigen Literatur aber ebenfalls nicht schlüssig zu erklären vermögen. Eine neue Sichtweise des Hedgingproblems wurde für den „StakeholderAnsatz" entwickelt, der eine Vorteilhaftigkeit von Risikomanagement aus der natürlichen Risikoaversion von Stakeholdern mit Fixanspruch ableitet. Für die
200
Wolfgang Kürsten
Logik dieses Ansatzes ist die Antizipationsfähigkeit der Stakeholder in Bezug auf das Unternehmensrisiko erforderlich; dies bedingt dann aber, dass die Aktionäre ihre Unternehmenssteuerung nicht am Risiko, sondern am Unternehmensgesamtwert festmachen. Eine Präferenz für Risikomanagement resultiert hieraus lediglich, wenn genau die risikoärmsten Projekte den größten Marktwert aufweisen. Es handelt sich dabei um eine Prämisse, die aus empirischer Sicht allenfalls kasuistisch überprüft werden kann und die theoretisch das Gegenteil dessen darstellt, was etwa in der Markowitz^sehen Portfolio Selection einem der Paradigmen der modernen Finanzierungstheorie - unterstellt wird. In der Gesamtsicht ist eine robuste Theorie zur Erklärung von Risikomanagement bei aktionärsorientierter Unternehmenssteuerung bislang nicht erkennbar. Wir sehen hier vielmehr Forschungsbedarf und die Notwendigkeit des Eingeständnisses, mit dem Thema „Risikomanagement in Unternehmen" vorsichtiger umgehen zu müssen. Gegebenenfalls besteht auch Anlass, die neuerdings zurückhaltenden Befunde hinsichtlich der empirischen Relevanz von Derivaten im unternehmerischen Risikomanagement^^ im Lichte der aufgezeigten Theoriedefizite zu bewerten.
A Anhang Beweis von Satz 1:^^ Unterscheiden sich die auf dem Intervall [a, b] verteilten Projekte a G [0,1] nach dem Rothschild/Stiglitz-KhteYmm (1970) und sind sie o. B.d. A. nach aufsteigendem Risiko geordnet, gilt für die integrierten Verteilungsfunktionen bekanntlich — /
F(a,y)dy =: — F{a,x)
= F^(a,^) \
^
sonst.
(Al) Insbesondere sind die Erwartungswerte aller Projekte gleich (man beachte E{Y{a)) = b — F ( a , 6) = const.). Der Shareholder Value bei Belastung mit der Gläubigerforderung D lässt sich vermöge partieller Integration gemäß SHV{a, D) = E{Y{a)) - E{min{D,
=
E{Y)-D-\-F{a,D)
Y{a)})
(A2)
schreiben, wobei die Eigenschaft identischer Erwartungswerte schon berücksichtigt ist. Vor die Wahl zwischen zwei Projekten mit unterschiedlichem Risiko gestellt, wird sich der Aktionär (unabhängig von D) für das Rothschild/Stiglitz-xiskaiateie Projekt entscheiden: ^^ Vgl. Brown (2001) oder Guay/Kothari (2003) mit weiteren Nachweisen. ^^ Vgl. technisch schon Kürsten (1994), S. 31-35, jedoch dort in anderem Zusammenhang.
Risikomanagement und aktionärsorientierte Unternehmenssteuerung ^
SHV{a,
D) = Fa[a,D)>0
201 (A3)
Das beweist die eine Richtung von Satz 1. Umgekehrt sei es nun so, dass ein erwartungswertneutraler, hinsichtUch des Risikobegriffs noch unspezifizierter Projektwechsel von den Aktionären unabhängig von der konkreten Gläubigerforderung D begrüßt wird: ^ SHV(a, da
D)>0
für alle D e (a, 6)
(A4)
Die Annahme, es handele sich dabei nicht u m ein im Rothschild/Stiglitz-Simie riskanteres Projekt, führt nun zum Widerspruch. Denn es existierte d a n n ein DQ G (a, h) mit F ( a , DQ) < 0 (man beachte, dass an den R ä n d e r n Do ^ {<^5 ^} stets Fa{oL^a) = 0 und, wegen E{Y) = const., auch Fo,(a,6) = 0 gilt). F ü r die Gläubigerforderung DQ folgt nun mit (A2) ^
SHV{a,
Do) = ^
[E{Y)
-D
+ F{a,
Do))
<0, dass die Aktionäre das riskantere Projekt ablehnen, im Widerspruch zur Voraussetzung (A4). Die von den Aktionären einmütig begrüßte Risikoerhöhung muss also eine Risikozunahme im Rothschild/Stiglitz-Sinne sein. •
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Asymmetrisch verteilte Information
Anreizkompatible Kreditrisikomessung Thomas Hartmann-Wendeis Universität zu Köln, Seminar für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Bankbetriebslehre, Albertus-Magnus-Platz, D-50923 Köln hartmcinn-wendelsQwiso. uni-koeln. de
Gliederung 1
Basel II und internes Rating
2
Optimales Eigenkapital, Depositen und Insolvenzkosten . . . 210
2.1
Modellannahmen
210
2.2
Bankoptimales und regulatorisches Eigenkapital
213
3
Anreizkompatibles Rating
216
4
Zusammenfassung und Ausblick
219
Literaturverzeichnis
208
220
208
Thomas Hartmann-Wendeis
1 Basel II und internes Rating Die neue Baseler Eigenkapitalvereinbarung (Basel II), die der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht im Juni 2004 verabschiedet hat, soll bis Ende 2006 bzw. Ende 2007 umgesetzt werden. Kernstück der neuen Regelung ist, dass die Eigenmittelunterlegung für Kreditrisiken künftig nicht mehr pauschal acht Prozent des Kreditvolumens betragen soll, sondern vom jeweiligen Ausfallrisiko der vergebenen Kredite abhängen wird. Mit Mindesteigenkapitalanforderungen, die dem jeweiligen Risiko eines Kreditengagements angepasst sind, verfolgt der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht mehrere Ziele: So sollen Fehlanreize, die darin bestehen, dass Banken vorzugsweise geringe Kreditvolumina, die aber mit hohen Kreditrisiken verbunden sind, in ihren Büchern behalten, beseitigt werden. Weiterhin soll eine bessere Wettbewerbsgleichheit unter den Banken erreicht werden, indem Wettbewerbsvorteile für Kreditinstitute, die in hohem Maße von Umgehungsmöglichkeiten Gebrauch machen, beseitigt werden. Zudem sollen für die Banken Anreize geschaffen werden, die Methoden zur Messung und Steuerung von Risiken weiter auszubauen. Um dieses Ziel zu erreichen, soll die erforderliche Mindesteigenkapitalunterlegung umso geringer ausfallen, je fortgeschrittener die Methoden sind, die eine Bank anwendet. Insgesamt erhofft sich der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht von dem gesamten Maßnahmenbündel, das mit Basel II umschrieben wird, die Sicherheit und Solidität des Finanzwesens zu stärken. Zur Messung des Ausfallrisikos lassen die aufsichtsrechtlichen Bestimmungen unterschiedliche Methoden zu. Im Standardansatz hängt die Eigenmittelunterlegung davon ab, in welche Rating-Klasse der Schuldner durch eine externe Rating-Agentur eingestuft wird. Da nur wenige Untenehmen in Deutschland über ein externes Rating verfügen und externe Ratings auch künftig aus Kostengründen für die Mehrzahl der mittelständischen Unternehmen nicht in Frage kommen werden, wird dieser Ansatz in Deutschland nur begrenzte Anwendung finden. Von besonderer Bedeutung sind daher die internen RatingAnsätze. Diese sehen vor, dass ein Kreditinstitut jeden Kreditnehmer auf der Basis eines internen Beurteilungssystems einer Rating-Klasse zuordnet, die durchschnittliche Ausfallwahrscheinlichkeit der Kredite einer Rating-Klasse bildet dann die Grundlage für die Bemessung der Eigenmittelunterlegung. Die internen Rating-Ansätze umfassen zwei Verfahren: Beim einfacheren Basisansatz wird von der Bank lediglich die Ausfallwahrscheinlichkeit geschätzt, die anderen Kreditausfallparameter wie Verlust im Insolvenzfall (Löss Given Default), Ausfallbetrag im Insolvenzfall (Exposure at Default) und Laufzeit werden durch aufsichtsrechtlich vorgegebene Werte berücksichtigt. Im fortgeschrittenen Ansatz werden auch diese Parameter institutsintern geschätzt. Um das Ziel einer risikogerechten Eigenmittelunterlegung zu erreichen, muss gewährleistet sein, dass die Zuordnung der Ausfallwahrscheinlichkeiten zu den Krediten korrekt ist, d. h. im Durchschnitt muss der Anteil der ausgefallenen Kredite in einer Rating-Klasse der Ausfallwahrscheinlichkeit, die den Kreditnehmern dieser Rating-Klasse zugeordnet wird, entsprechen. Unzuläng-
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lichkeiten des Rating-Systems können zum einen darauf zurückzuführen sein, dass die angewandten Methoden zur Entwicklung des Rating-Systems oder die der Entwicklung zu Grunde liegende Datenbasis nicht angemessen sind. Zum anderen ist aber auch möglich, dass die Bonität der Kreditnehmer absichtlich günstiger beurteilt wird. Ein Motiv hierfür kann sein, dass der Kundenbetreuer z. B. aufgrund einer vom akquirierten Kreditvolumen abhängigen Entlohnung daran interessiert ist, möglichst viele Kredite zu vergeben, ohne dabei die Bonität der Kreditnehmer hinreichend zu beachten. Denkbar ist aber auch, dass eine zu günstige Bonitätseinschätzung der Kreditnehmer dazu genutzt werden soll, eine geringere Eigenmittelunterlegung zu erzielen. Basel II enthält eine Reihe von Vorschriften, die die Zuverlässigkeit der Bonitätseinschätzungen sicherstellen sollen. So wird verlangt, dass das RatingSystem in regelmäßigem Turnus validiert werden muss und die Bank über geeignete statistische Verfahren verfügen muss, um die Zuverlässigkeit des Rating-Systems überprüfen zu können (Backtesting). Um zu verhindern, dass Bonitätseinschätzungen absichtlich zu optimistisch ausfallen, fordert Basel II, dass die Zuordnung von Ratings und deren turnusmäßige Überprüfung nur von solchen Stellen innerhalb der Bank vorgenommen werden dürfen, die kein unmittelbares Interesse an der Kreditgewährung haben. Schließlich muss eine Bank sich an das eigene Rating-System soweit binden, dass sie es nicht nur für aufsichtsrechtliche Zwecke anwenden darf, sondern es auch für den Prozess der Kreditgewährung, für das Risikomanagement, für die interne Eigenkapitalallokation und für die Unternehmenssteuerung einsetzen muss. Absichtlich falsche Rating-Zuordnungen führen dann nicht nur zu einer fehlerhaft bemessenen Eigenmittelunterlegung, sondern auch zu Fehlentscheidungen innerhalb der Bank. Diese Koppelung der Rating-Zuordnung an interne Entscheidungen soll offensichtlich die korrekten Anreize für eine wahrheitsgemäße Bonitätsbeurteilung setzen. Fehlerhafte Ratings können entweder auf unzulängliche Systeme oder aber auf bewusste Fehlbeurteilungen zurückzuführen sein. Anreize zu einer absichtlichen Fehlbeurteilung können aus den persönlichen Motiven einzelner Mitarbeiter oder aber aus dem Bemühen, die regulatorische Eigenmittelunterlegung möglichst gering zu halten, erwachsen. Um fehlerhafte Rating-Zuordnungen zu verhindern, fordert Basel II die Überprüfung der Rating-Verfahren mit Hilfe statistischer Methoden, eine Funktionstrennung zwischen Markt und Marktfolge sowie die Selbstbindung der Bank an das eigene Rating-System im Hinblick auf bankinterne EntScheidungsprozesse. Ein Backtesting von Rating-Systemen mit Hilfe statistischer Methoden stößt auf erhebliche Schwierigkeiten. Kernproblem ist, dass statistische Verfahren des Backtestings entweder voraussetzen, dass die Kreditausfälle stochastisch unabhängig sind (vgl. Bühler/Engel/Kom/Stahl (2002); Frerichs/ Löffler (2003); Höse/Huschens (2003); Kurbat/Korablev (2002); Meyer zu Seihausen (2004)), oder aber dass die Ausfallkorrelationen bekannt sind {Tasche (2003)). Aufgrund von gesamtwirtschaftlichen Einflüssen, die auf die Bonität vieler Kreditnehmer einwirken, gibt es erhebliche stochastische Abhängigkei-
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ten in den Kreditausfällen, die Ermittlung von Ausfallkorrelationen ist ein Problem, das bis heute nicht zufriedenstellend gelöst worden ist. Statistische Verfahren können daher nur einen eingeschränkten Beitrag zur Überprüfung der Güte von Rating-Systemen leisten. Im Folgenden soll der Frage nachgegangen werden, ob die Selbstbindung der Bank an das eigene interne Rating-System dazu führen kann, dass die Bank motiviert wird, korrekte Rating-Einstufungen vorzunehmen, auch wenn sie grundsätzlich ein Interesse daran hat, günstige Rating-Einstufungen vorzunehmen, um die regulatorische Eigenmittelunter legung möglichst gering zu halten. Als EntScheidungsprozess, anhand dessen die Anreizkompatibilität der Selbstbindung untersucht werden soll, greifen wir die Kreditvergabe, genauer gesagt, die Konditionsgestaltung heraus. Hierzu interpretieren wir die Vorschriften von Basel II in der Weise, dass zwischen der Rating-Zuordnung und dem Kreditzins ein Zusammenhang bestehen muss in der Form, dass die Zuordnung zu einer besseren Rating-Klasse mit einem niedrigeren Kreditzins verbunden sein muss. Diese Interpretation wird auch durch die Deutsche Bundesbank gestützt, die die Ermittlung von Standardrisikokosten als das wichtigste Beispiel für eine bankinterne Verwendung des Ratings nennt, durch die eine Bank das Vertrauen, das sie in ihr eigenes Rating-System hat, dokumentieren kann {Deutsche Bundesbank (2003, S. 69)).
2 Optimales Eigenkapital, Depositen und Insolvenzkosten 2.1 Modellannahmen In diesem Abschnitt wird ein Modell entwickelt, in dessen Rahmen die aus Sicht der Bank optimale Eigenkapitalausstattung bestimmt werden kann. Weiterhin wird gezeigt, dass die Bankenaufsicht eine höhere Eigenmittelausstattung für notwendig erachtet, als aus Sicht der Bank - genauer gesagt, aus der Sicht der Eigenkapitalgeber der Bank - optimal ist. Damit wird der in der Realität vorzufindende Konflikt modelliert, der darin besteht, dass die Bankenaufsicht regelmäßig für strengere Anforderungen an die Eigenmittelunterlegung eintritt, die Banken dagegen für eine Lockerung der Eigenmittelanforderungen plädieren. Wir gehen für die Modellentwicklung von folgenden Annahmen aus: •
Die Bank betreibe ausschließlich das Kredit- und Einlagengeschäft. Das Kreditportefeuille der Bank bestehe aus einem einzigen Kredit, dessen Laufzeit ein Jahr betrage. Das Kreditvolumen sei I. Der Cash Flow des Kreditnehmers sei normalverteilt mit Erwartungswert /j, und Standardabweichung a. Mit f(x) sei die Dichtefunktion und mit F{x) die Verteilungsfunktion des Cash Flows bezeichnet.
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Alle Akteure sind risikoneutral, d. h. der heutige Wert künftiger unsicherer Zahlungen entspricht dem mit dem sicheren Zinssatz diskontierten Erwartungswert. Mit r sei der um eins erhöhte sichere Zinssatz bezeichnet, i^ bezeichne den um eins erhöhten Nominalzinssatz. Der Nominalzinssatz wird von der Bank so festgelegt, dass der Wert des Kredits im Zeitpunkt der Vergabe dem Kreditbetrag entspricht:^ /
I=-l
f
/»CO
xf{x)dx + f
i^I f{x)dx j (1)
= i ((M - i^I) • F {i^I) + i^I - a^f
(i^I))
Offensichtlich gilt i^ > z, sofern die Ausfallwahrscheinlichkeit größer Null ist. Die Differenz {i^ — i) wird in der Bankkostenrechnung als Standardrisikokosten bezeichnet. Wenn wir (1) implizit nach dem Erwartungswert differenzieren, di^ ^ F {i^I) dfi ~ / . ( 1 - F ( z ^ / ) )
^
sehen wir, dass der Nominalzinssatz um so geringer wird, je höher der Erwartungswert der Investitionsrückflüsse, die mit dem Kredit finanziert wird, ist.^ Die erwartete Rendite der Investition /i/J kann somit als ein Bonitätsmerkmal des Kreditnehmers angesehen werden. Der Kredit wird von der Bank ausschließlich durch Eigenkapital sowie durch Depositen refinanziert. Wir nehmen an, dass die Depositen durch eine Einlagensicherung vollständig vor Ausfällen geschützt sind. Eine vollständige Absicherung der Bankeinlagen entspricht in etwa der gegenwärtigen Situation in Deutschland. Spareinlagen bei Sparkassen und Genossenschaftsbanken sind durch die Institutssicherung beider Bankengruppen in voller Höhe gedeckt. Einlagen bei privaten Banken sind bis zu 30% des haftenden Eigenkapitals einer Bank je Einlage abgesichert, sofern das Institut nicht nur der gesetzlich vorgeschriebenen Sicherungseinrichtung, sondern auch der freiwilligen Einlagensicherung des privaten Bankgewerbes angehört. Nahezu alle Banken gehören dieser umfassenden Sicherungseinrichtung an. Die Beschränkung der Anlegerentschädigung auf 30% des haftenden Eigenkapitals je Sparer sichert faktisch alle Spareinlagen vollständig ab. Die Annahme einer vollständigen Absicherung der Einlagen rechtfertigt, dass der Depositenzinssatz in unserem Modell unabhängig vom Risiko des Kredit Portefeuilles ist. Wir nehmen weiterhin an, dass die Beiträge der Die Möglichkeit negativer Erträge soll zur Vereinfachung vernachlässigt werden. Zum Zusammenhang zwischen Kreditzins und Ausfallrisiko siehe ausführlicher Wilhelm (1982) sowie Wilhelm (1983, S. 208 ff.).
212
•
Thomas Hartmann-Wendeis Bank zur Einlagensicherung ebenfalls nicht vom eingegangenen Kreditausfallrisiko abhängen. Die Einführung risikoabhängiger Prämiensysteme wird zur Zeit heftig diskutiert. Der Einlagensicherungsfonds des privaten Bankgewerbes sieht vor, dass die Banken jährlich einer bonitätsorientierten Klassifizierung unterzogen werden und in eine der drei Klassen A, B oder C mit jeweils drei Klassenstufen eingruppiert werden. Von der Zuordnung hängt ab, wie häufig eine Bank vom Einlagensicherungsfonds geprüft wird, daneben hat die Zuordnung auch einen Einfluss auf die Höhe des Beitrags zur Einlagensicherung. Dieser Einfluss erschöpft sich allerdings darin, dass Banken, die in die Klassen B und C eingestuft werden, zu einer erhöhten Umlage herangezogen werden, die das 2,5fache des Normalsatzes (zurzeit 0,3%o der Bilanzposition „Verbindlichkeiten gegenüber Kunden") nicht überschreiten darf (vgl. Bundesverband Deutscher Banken (2004)). Die Beiträge zum Einlagensicherungsfonds der privaten Kreditbanken sind somit zwar nicht völlig risikounabhängig, von einem Umlagesystem, das das Ausfallrisiko vollständig berücksichtigt, ist der Einlagensicherungsfonds allerdings weit entfernt. Dies würde im Übrigen voraussetzen, dass den Bonitätsstufen Ausfallwahrscheinlichkeiten zugeordnet werden können, was auf der Basis des derzeit angewandten Klassifizierungssystems nicht möglich ist. Eine stärkere Orientierung an Ausfallwahrscheinlichkeiten enthält das Klassifizierungssystem der genossenschaftlichen Institutssicherung, das ebenfalls eine bonitätsabhängige Beitragsstaffelung vorsieht, allerdings sind die möglichen Abschläge (maximal 10%) und Zuschläge (maximal 40%) vom bzw. zum Normalbeitrag wiederum nicht so stark ausgeprägt, dass sie das individuelle Ausfallrisiko einer Bank vollständig erfassen (vgl. Kollbach (2002)). Im Sparkassensektor wird zurzeit über die Einführung eines risikoorientierten Beitragssystems zur Institutssicherung diskutiert, eine konkrete Umsetzung dieses Vorhabens ist jedoch noch nicht in Sicht. Die Annahme eines flachen Beitragssatzes zur Einlagensicherung gibt die Realität somit zwar nicht korrekt wieder, sondern stellt eine Vereinfachung dar. Diese ändert an den wesentlichen Ergebnissen der Analyse nichts, solange die Beitragssysteme nicht vollständig risikoangepasst sind. Mit r^ sei der um eins erhöhte Zinssatz für Depositen bezeichnet, der den Beitrag zur Einlagensicherung bereits enthält. Wir nehmen an, dass der Depositenzinssatz (einschließlich des Beitrags zur Einlagensicherung) unter dem Marktzinssatz liegt. Dies kann man damit begründen, dass Banken Geldanlagemöglichkeiten anbieten, die auf die speziellen Spar- bzw. Konsumbedürfnisse der Kunden zugeschnitten sind und die die Sparer aufgrund von Marktunvollkommenheiten nicht zu Marktkonditionen selbst herstellen können (vgl. Hartmann-Wendels/Pfingsten/Weber (2004, S. 189 ff.)). Die Annahme, dass r^ < r gilt, hat zur Konsequenz, dass das Irrelevanztheorem von Modigliani und Miller nicht gilt, sondern dass es für Banken günstiger ist, Depositen statt Eigenkapital zur Refinanzierung des Kreditgeschäfts einzusetzen.
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Mit EK sei das eingesetzte Eigenkapital bezeichnet, so dass [/ — EK] die Höhe der hereingenommenen Depositen angibt. Der erwartete Rückfluss, der aus den Erträgen der Bank an die Einleger fließt, beträgt dann:
D=
xf{x)dx+ roll EK]f{x)dx Jo JrolI-BK] = (/x - r£,[7 - EK]) • F {roll - EK]) +rD[I- EK]
^ '
-a^-firoil-EK]) Aus ^
•
•
= F{ro[I - EK]) >0
ist zu erkennen, dass der erwartete Rückfluss der Einleger, der aus den Erträgen der Bank bestritten wird, umso höher ist, je größer der Erwartungswert des Cash Flows aus der Kreditvergabe ist. Die Bank ist dann insolvent, wenn der Rückfluss aus dem Kreditgeschäft nicht ausreicht, um die Forderungen der Einleger zu befriedigen. Tritt Insolvenz ein, so fallen Insolvenzkosten an, die dadurch entstehen, dass die Regulierungsbehörde die Erlaubnis zum Betreiben von Bankgeschäften entzieht und das Institut für den Geschäftsverkehr mit der Kundschaft schheßt, so dass keine künftigen Erträge mehr erzielt werden können. Auch der Verlust von Reputation der Bank bzw. ihres Managements sind mögliche Kosten, die durch die Insolvenz verursacht werden. Die Insolvenzkosten belaufen sich auf c pro Geldeinheit Fehlbetrag. Die erwarteten Insolvenzkosten betragen somit:
C^
j^
c{x~rD[EK])f{x)dx
- c ((/i - TDII - EK])F{rD[I - EK]) - a^firoil
^^^ -
EK]))
Differentiation von (3) nach fi zeigt,
— =
-c.F(rD[I-EK])<0
dass die erwarteten Insolvenzkosten mit zunehmendem Erwartungswert des Cash Flows der Investition sinken. 2.2 Bankoptimales und regulatorisches Eigenkapital Die Annahme eines unter dem Marktzinssatz liegenden Depositenzinssatzes sowie die Existenz von Insolvenzkosten haben zur Konsequenz, dass
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das Modigliani-Miller-Theorem der Irrelevanz der Kapitalstruktur nicht gilt.^ Stattdessen ist für die Bestimmung des aus Sicht der Bankeigentümer optimalen Eigenkapitalanteils folgender Trade-off maßgeblich: Da der Depositenzinssatz unter dem Marktzinssatz liegt, erzielt die Bank mit jeder Einheit Depositen, die sie anstatt Eigenkapital einsetzt, einen Ertrag in Höhe von {r — r£f). Dieser Arbitragegewinn wird in der Terminologie der Marktzinsmethode auch als Konditionsmarge bezeichnet (vgl. Schierenbeck (2001, S. 80 ff.)). Der Konditionsbeitrag, d. h. der insgesamt durch das Depositengeschäft erzielte Ertrag wird dann maximal, wenn die Bank ausschließlich Fremdkapital einsetzt. Mit zunehmendem Fremdkapitalanteil steigen allerdings die Insolvenzwahrscheinlichkeit und damit die erwarteten Insolvenzkosten. Zur Minimierung der Insolvenzkosten ist es daher optimal, möglichst überhaupt kein Fremdkapital einzusetzen. Der optimale Eigenkapitalanteil liegt dort, wo sich beide Effekte, die marginale Erhöhung des Konditionsbeitrags und der marginale Anstieg der erwarteten Insolvenzkosten gerade kompensieren. Um diesen Zusammenhang zu formalisieren, betrachten wir den Marktwert der Position der Eigenkapitalgeber der Bank V. Dieser setzt sich zusammen aus •
• • •
dem Barwert der erwarteten Rückflüsse aus dem Kreditgeschäft, wobei E = I-r die nicht diskontierten Rückflüsse aus der Kreditvergabe bezeichnen, dem Barwert der erwarteten Zahlungen an die Einleger, dem Barwert der erwarteten Insolvenzkosten und dem Barwert der Erträge, die die Eigenkapitalgeber der Bank dadurch erzielen können, dass sie ihr Kapital nicht zur Refinanzierung des Kreditgeschäfts, sondern am Kapitalmarkt zum Marktzinssatz anlegen. Die Erträge aus der Alternativanlage werden mit A bezeichnet.
V=-[E-D-C
+ A]
(4)
Den optimalen Eigenkapitalanteil erhalten wir, indem (4) nach EK differenziert und die erste Ableitung gleich Null gesetzt wird: ^^ dEK
^ {TD • (1 + c ) . F{rD[I - EK]) - (r - TD)} = 0 r
(5)
Daraus folgt für den optimalen Eigenkapitalanteil EK'^: F{rn[I-EK])
= - ^ — ^ (1 -h c) • ro
(6)
^ Zum Zusammenhang zwischen neoklassischer Finanzierungstheorie und finanzierungs-theoretischen Modellen der Prinicipal-Agent-Theorie siehe Wilhelm (1991).
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bzw.
^X* ^ / _ J_ . F-i (^Lzl£_) TD
\{l+c)'rDj
(7) ^^
Gleichung (6) ist anschaulich interpretierbar: F{rD[I—EK]) bezeichnet die Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Rückfluss aus dem Kreditgeschäft höchstens dem Zahlungsanspruch der Einleger entspricht, dieser Ausdruck kann damit als Insolvenzwahrscheinlichkeit der Bank interpretiert werden. Die rechte Seite von (6) bezeichnet das Verhältnis aus dem marginalen Ertrag des Depositengeschäfts, der der Differenz aus Markt- und Einlagenzins entspricht, und den zusätzlichen Insolvenzkosten bei einer marginalen Erhöhung des Depositenanteils. Das Depositengeschäft wird offensichtlich so weit ausgedehnt, bis die Insolvenzwahrscheinlichkeit der Bank dem Verhältnis aus Ertrag und Kosten des Depositengeschäfts entspricht.^ Differentiation von (7) nach dem Erwartungswert zeigt, TD
d/2
dass der aus Sicht der Bank optimale Eigenkapitalanteil eine linear fallende Funktion des Erwartungswerts ist. Das bankoptimale Eigenkapital ist damit umso geringer, je besser die Bonität des Kreditnehmers ist. Dieser Zusammenhang zwischen Eigenmittelunterlegung und Qualität des Kreditportfolios entspricht grundsätzlich dem Hauptanliegen von Basel II. Wenn wir annehmen, dass die mit dem Kredit finanzierte Investition konstante Skalenerträge aufweist, d. h. dass der erwartete Investitionsertrag linear mit dem Investitionsvolumen ansteigt, weist (7) eine interessante Eigenschaft auf: Der optimale Eigenkapitalanteil ist dann als ein konstanter Anteil am Kreditvolumen darstellbar. Die Vorschriften über die regulatorische Eigenmittelunterlegung weisen eine zu (6) bzw. (7) analoge Struktur auf. Ziel der Vorschriften zur Eigenmittelunterlegung ist es sicherzustellen, dass die Bank mit hoher Wahrscheinlichkeit (z. B. 99,9%) in der Lage ist, Verluste durch Eigenkapital auffangen zu können. Diese Konzeption liegt auch der Formel, nach der die Eigenmittelunterlegung im internen Rating-Ansatz von Basel II zu ermitteln ist, zu Grunde (vgl. Hartmann-Wendeis (2003, S. 117-120)). Entsprechend lautet - angepasst auf das hier entwickelte Modell - die Bestimmungsgleichung für die regulatorische Mindesteigenkapitalausstattung: F{rD[I-EKreg])
= l-a
(8)
bzw. EKreg = I - — 'F-\l-a)
(9)
TD
^ Zur Betreitschaft der Banken, Risiken aus dem Kreditgeschäft einzugehen siehe grundlegend Wilhelm (1982).
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Wenn wir den Erwartungswert des Cash Flows als Bonitätsmerkmal ansehen, so erfüllt (9) die für Basel II charakteristische Eigenschaft, dass das regulatorische Eigenkapital umso geringer ausfällt, je besser die Bonitätseinschätzung des Kreditnehmers ist. dEKrea dEK"" —'^— ^ — ^ — =" Ofl
Oß
1 < ^ TD
Die regulatorisch geforderte Mindesteigenkapitalaustattung ist immer dann größer als der aus Sicht der Bank optimale Eigenkapitalanteil, wenn gilt: ""^ > 1 - a (1 + c)rD
(10)
Im Folgenden soll davon ausgegangen werden, dass (10) gegeben ist. Diese Annahme spiegelt nicht nur den in der Realität beobachtbaren Interessenkonflikt zwischen Banken und Bankenaufsicht wider, sondern ergibt sich auch aus der Parameterkonstellation in (10), wenn wir für (1 — a) einen hinreichend kleinen Wert (z. B. 0,001) annehmen. Die Diskrepanz zwischen EK* und EKreg ist umso größer, je größer die Konditionsmarge {r — ro) und je geringer die Insolvenzkosten c sind. In Bezug auf // ist die DiJBFerenz zwischen regulatorischem und bankoptimalem Eigenkapital konstant.
3 Anreizkompatibles Rating Die aufgrund der Regulierung geforderte Eigenmittelunterlegung hängt von der Ausfallwahrscheinlichkeit, die hier durch den Erwartungswert des Cash Flows parameterisiert wird, ab. Dies ist sinnvoll, um die Mindesteigenkapitalausstattung der Bank in der Weise zu bemessen, dass eine als tolerabel angesehene (geringe) Ausfallwahrscheinlichkeit nicht überschritten wird. Problematisch wird eine solche Vorschrift jedoch, wenn die Ausfallwahrscheinlichkeit des Kreditnehmers für die Aufsichtsbehörde nicht beobachtbar ist und die Bank keinen Anreiz hat, die „wirkliche" Ausfallwahrscheinlichkeit bekannt zu geben. Da die Bank eine niedrigere als die regulatorisch geforderte Eigenmittelausstattung präferiert, hat sie vielmehr einen Anreiz, das Ausfallrisiko aus der Kredit vergäbe geringer als tatsächlich von ihr erkannt auszuweisen. Um die Zuverlässigkeit des internen Ratings zu gewährleisten, fordert Basel II neben einer Überprüfung der Rating-Systeme durch statistische Tests und neben organisatorischen Maßnahmen, dass das Rating-System in die Unternehmenssteuerung einbezogen wird (vgl. Basel Committee (2004, §§ 444, 445)). Wir wollen hier einen speziellen Aspekt dieser Einbindung in die interne Unternehmenssteuerung herausgreifen, indem wir diese Vorschrift so interpretieren, dass der Nominalzinssatz, den die Bank vom Kreditnehmer fordert, an das Rating gekoppelt sein muss. Der geforderte Nominalzins muss
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umso kleiner sein, je besser das Rating des Kreditnehmers ist. Dabei unterstellen wir, dass jede Ausprägung des Erwartungswerts des Cash Flows einer Rating-Klasse entspricht. Die Bank steht damit vor folgendem Entscheidungsproblem: Ordnet sie dem Schuldner bewusst ein besseres Rating zu, als diesem aufgrund der der Bank vorliegenden Informationen zukäme, so kann sie die regulatorisch geforderte Eigenmittelunterlegung senken und diese näher an die bankoptimale Eigenmittelunterlegung heranführen. Hierdurch kann sie in größerem Umfang von der Finanzierung durch Depositen Gebrauch machen und den Marktwert der Bank erhöhen. Diesem Vorteil stünde allerdings als Nachteil ein geringerer Zinsertrag aus dem Kreditgeschäft gegenüber, wenn zusätzlich gefordert wird, dass ein besseres Rating mit einem geringeren Nominalzinssatz einhergehen muss. Der Signalling-Theorie (vgl. Spence (1973, 1974)) können wir die Bedingungen entnehmen, die erfüllt sein müssen, damit eine Bank keinen Anreiz hat, das Rating eines Schuldners zu positiv darzustellen. Zentrale Voraussetzung ist, dass die Vor- und Nachteile, die mit der Zuordnung eines bestimmten Ratings verbunden sind, in einer geeigneten Weise von der „wahren" Bonität des Schuldners abhängen. Ist die Höhe des Nominalzinssatzes an die Ratingeinstufung gebunden, so entscheidet die Bank jeweils über Kombinationen von Nominalzinssatz und Eigenmittelunterlegung entsprechend der Zuordnung zu einer Rating-Klasse. Die Bank hat also die Wahl zwischen einer niedrigen Eigenmittelunterlegung und einem niedrigen Nominalzinssatz und zwischen einer höheren Eigenmittelunterlegung und einem höheren Nominalzinssatz. Wir betrachten nun Isoertragskurven als geometrischen Ort solcher Kombinationen von Nominalzinssatz und Eigenmittelunterlegung, die den gleichen Ertrag erbringen. Die Steigung dieser Isoertragskurven, d.h. die Grenzrate der Substitution zwischen Eigenkapitalunterlegung und Nominalzinssatz erhalten wir aus: di^ _ dEK
dV/dEK dV/di^
_
(1 + c)rD • F {rD[I - EK]) - (r - rp) / . (1 Fii^I))
Die Steigung der Isoertragskurve (11) ist negativ für alle EK < EK*, sie entspricht Null für EK = EK* und ist positiv im Bereich EK > EK* (vgl. Abb. 1). Das von der Isoertragskurve repräsentierte Marktwertniveau ist umso größer, je weiter die Kurve von der Abszisse entfernt liegt. Die entscheidende Bedingung dafür, dass die Wahl zwischen den verschiedenen Kombinationen aus Nominalzinssatz und Eigenmittelunterlegung entsprechend der „wahren" Bonität erfolgt, ist, dass die Isoertragskurven umso steiler verlaufen, je besser die „wahre" Bonität des Kreditnehmers ist, d. h. je größer die Ausprägung von fi ist.
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Thomas Hartmann-Wendels
EK*
EK
Abb. 1. Isoertragskurve hinsichtlich Eigenkapitalunter legung und Nominalzinssatz Wird (11) nach dem Erwartungswert abgeleitet, so wird deutlich, dass die Steigung der Isoertragskurven positiv mit /i korreliert ist: d_
rojl + e) . f{TD[I - EK]) • (1 / • [1 - F(i^/)]2
dEK
+
f(i^I).
F{i^I))
[mil + c) . F{rD[I - EK]) - (r - TD)]
(12)
/ . [1 _ F{i^I)Y
>0 Gleichung (12) wird auch als „Single-crossing-Bedingung" bzw. als „SpenceMirrlees-Eigenschaft" bezeichnet (vgl. Laffont/Marümort (2002, S. 91 ff.)). Die Bedeutung dieser Bedingung soll anhand von Abb. 2 erläutert werden. Wir betrachten zwei Kreditportfolien, deren Ausfallrisiken durch die Erwartungswerte /ii und /i2 mit /i2 > /^i parameterisiert werden, d. h. Kreditportfolio 1 ist mit einem höheren Ausfallrisiko als Kreditportfolio 2 verbunden. Mit ßi und ^2 sind die Isoertragskurven bezeichnet, die jeweils gelten, wenn fjii bzw. /Z2 das „wahre" Ausfallrisiko repräsentiert. Wird ein Kredit von der Bank in die zu /ii gehörende Rating-Klasse eingestuft, so beträgt die regulatorische Mindesteigenkapitalunterlegung EKi^ wird der Kredit dagegen in die zu //2 gehörende Rating-Klasse eingeteilt, so beläuft sich die Eigenkapitalunterlegung auf EK2 mit EKi > EK2> Die Nominalzinssätze, die zu diesen Rating-Klassen kompatibel sind, betragen i^^ und i^ mit i^ > 12 Wird das „wahre" Ausfallrisiko durch 112 gekennzeichnet, so ist es für die Bank vorteilhaft, die Kombination {i2,EK2) zu wählen, da hierdurch ein höheres Ertragsniveau erreicht werden kann als bei Wahl von (i^^EKi). In Abb. 2 ist dies daran zu erkennen, dass die zu /i2 gehörende Isoertragskurve, die durch den Punkt {i^,EK2) verläuft, oberhalb der Isoertragskurve /j,2
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i 1
l 2
EK2
EKj
EK
Abb. 2. Single-Crossing-Bedingung liegt, die durch den Punkt (i^^EKi) verläuft. Repräsentiert /^i dagegen das wahre Ausfallrisiko, so führt die Kombination {i^,EKi) zu einem höheren Ertragsniveau als die Kombination {i^,EK2)j da die zu fii gehörende Isoertragskurve, die durch den Punkt {i^, EKi) verläuft, oberhalb von //{ liegt, die durch (22^, EK2) verläuft. Die Single-Crossing-Bedingung stellt sicher, dass diese Eigenschaft für beliebige Werte von fi gilt, also auch dann, wenn /i nicht nur zwei Ausprägungen, sondern beliebige Werte (innerhalb eines Intervalls) annimmt.
4 Zusammenfassung u n d Ausblick Es konnte gezeigt werden, dass eine Bank zu einem wahrheitsgemäßen Rating motiviert werden kann, wenn zwischen Rating-Zuordnung und Kreditkonditionen eine eindeutige Beziehung besteht in der Weise, dass der Kreditzinssatz umso niedriger ist, je besser die Rating-Zuordnung ist. Zu beachten ist allerdings, dass dieses Ergebnis nur in einem Modell, das auf speziellen Annahmen beruht, erzielt wurde. In der Realität hängt die Rating-Zuordnung nicht von einem einzelnen Parameter der Wahrscheinlichkeitsverteilung künftiger Cash Flows ab, sondern von einer Vielzahl von Faktoren, wie z.B. der Ausprägung bestimmter Bilanzkennzahlen, der Beurteilung der Managementfähigkeiten und der Produkte des Kreditnehmers usw. (vgl. HartmannWendels/Lieberoth-Leden/Mählmann/Zunder (2005)). Aus der Vielzahl dieser Faktoren ergibt sich die Einstufung des Kreditnehmers in eine Rating-Klasse und die Zuordnung einer Ausfallwahrscheinlichkeit. Kreditrisiken unterschiedlicher Rating-Klassen lassen sich nicht - wie im Modell - nach dem Kriterium der stochastischen Dominanz erster Ordnung ordnen.
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Thomas Hartmann-Wendeis
Auch die Beziehung zwischen dem geforderten Kreditzins und der Ausfallwahr scheinUchkeit ist wesentlich komplizierter als im Modell angenommen. Maßgeblich für die Kreditkonditionen sind neben der Ausfallwahrscheinlichkeit auch der vermutliche Verlust im Insolvenzfall (Löss Given Default). Anders als im Modell gibt es in der Realität keine eindeutige Beziehung zwischen Ausfallwahrscheinlichkeit und Verlust im Insolvenzfall. Von Bedeutung sind auch die Laufzeit des Kredits sowie Art und Umfang der Besicherung, schließlich spielen auch Marktmacht und Verhandlungsgeschick eine Rolle. O b unter diesen Bedingungen Anreizkompatibilität des Rating-Systems gewährleistet werden kann, ist eine Frage, die durch das Modell nicht beantwortet werden kann. M a n wird somit nicht auf eine Überprüfung der Zuverlässigkeit von RatingSystemen mit Hilfe statistischer Tests verzichten können, eine Kompatibilität von Rating-Einstufung und Gestaltung der Kreditkonditionen sollte aber wie vom Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht vorgeshen - ein ergänzendes Kriterium sein, anhand dessen die Glaubwürdigkeit von Rating-Einstufungen überprüft werden kann.
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Veröffentlichungsverhalten bei Restrukturierungen
finanziellen
Rolf Bühner und Susanne Krenn Universität Passau, Lehrstuhl für BWL mit Schwerpunkt Organisation und Personalwesen, Innstraße 27, D-94030 Passau buehnerOuni-passau.de krennSuni-passau.de
Gliederung 1
Einleitung
224
2
Einflussfaktoren auf die Wahl der Ankündigungsform
227
2.1 2.2 2.3 2.4 2.5
Vorstandswechsel Unternehmenserfolg Unternehmensgröße Branche Unsicherheit
227 227 229 230 231
3
Daten und Methoden
232
3.1
Messung der abhängigen Variable
233
3.2
Messung der unabhängigen Variablen
235
4
Ergebnisse
236
5
Zusammenfassung
240
Literaturverzeichnis
241
224
Rolf Bühner und Susanne Krenn
1 Einleitung Die Bedeutung von Informationen wird im Rahmen der Finanzierungsliteratur und -theorie ausführlich diskutiert.^ Auch in einigen Arbeiten von Jochen Wilhelm^ dem dieser Beitrag gewidmet ist, spielt dieses Thema eine zentrale Rolle. So untersucht er in Wilhelm (2003) die Wirkung zusätzlicher Informationen über die Zahlungsverteilung von Unternehmen im Zeitablauf^ und die damit einhergehende verringerte Unsicherheit auf den Unternehmenswert und hebt in Wilhelm (1989) die Bedeutung von Information für eine marktwertmaximale Investitionspolitik hervor.^ Im Unterschied zu seinen Arbeiten, die formal-mathematischer Natur sind, wird in der vorliegenden Arbeit auf empirische Weise ein wichtiger Teilaspekt der Information, nämlich die freiwillige Anlegerkommunikation untersucht. Frühe Arbeiten zu freiwilligen Veröffentlichungen konzentrieren sich vor allem auf die Kapitalmarktreaktionen in Bezug auf die Ankündigung von Gewinnprognosen oder von anderen ergebnisbezogenen Veröffentlichungen. Außerdem wurden die Motive freiwilliger Veröffentlichungen diskutiert sowie der Einfluss verschiedener Unternehmenscharakteristika auf die Veröffentlichungsentscheidung untersucht. In aktuelleren Studien wurde zunehmend auch auf die Veröffentlichung qualitativer, nicht-finanzieller Informationen eingegangen. Neben der Frage, ob und unter welchen Umständen derartige Informationen veröffentlicht werden, wird dabei auch die Qualität sowie der Inhalt der von Unternehmen präsentierten Informationen analysiert.^ Unter Bezugnahme auf diese neueren Studien untersuchen wir in der vorliegenden Arbeit Bedingungen, die Einfluss auf das Ankündigungsverhalten von Unternehmen bei Finanzrestrukturierungen haben. Unter Finanzrestrukturierungen sind signifikante Veränderungen der Kapitalstruktur eines Unternehmens zu verstehen.^ In dem verwendeten Datensatz sind darunter Eigenkapital-, Fremdkapitalund Dividendenänderungen sowie Maßnahmen der Innenfinanzierung zusammengefasst.^ Im Unterschied zu bisherigen Studien berücksichtigen wir in unserer Analyse, dass Unternehmen grundsätzlich zwei Möglichkeiten haben, um finanzielle Restrukturierungsereignisse anzukündigen. Entweder berichten sie über die Absicht, eine bestimmte Maßnahme durchzuführen, oder sie melden die tatsächliche/bereits abgeschlossene Durchführung einer Aktivität.^ Die erste Variante wird im Folgenden als Plan-Ankündigung bezeichnet, bei der zweiten Für einen umfassenden Überblick vgl. Healy, P.M. und Palepu, K.G. (2001). Vgl. Wilhelm (2003). Vgl. Wilhelm (1983, S. 529). Vgl. z.B. Frankel, R. et al. (1999), Narayanan, V.K. et al (2000), Bens, D.A. (2002), Bushee, B.J. et al. (2003). Vgl. Donaldson, G. (1994, S. ^-S). Für eine Übersicht der in der vorliegenden Studie einbezogenen Maßnahmen, vgl. Tabelle 2 auf S. 234. Vgl. HeaHh, D. und Zaima, H. (1986, S. 71).
Veröffentlichungsverhalten bei finanziellen Restrukturierungen
225
Spielart sprechen wir von einer Ist- oder Implementierungs-Ankündigung. Da der Plan nicht immer mit dessen Implementierung einhergehen muss, unterscheiden wir drei Formen des Ankündigungsverhaltens: •
•
•
Plan-Ankündigungen, bei denen nur über die Absicht einer Restrukturierungsmaßnahme berichtet wird, eine Folgemeldung über die tatsächliche Umsetzung der Maßnahme jedoch ausbleibt. Implementierungs-Ankündigungen, bei denen nur die Realisierung einer Maßnahme gemeldet wird, ohne dass dieser eine Plan-Ankündigung vorausgeht. Plan-Ist-Ankündigungen, bei denen in zeitUcher Abfolge sowohl über die Absicht als auch über die erfolgte Implementierung berichtet wird.
Die Art und Weise, wie ein Unternehmen sich nach außen darstellt, hängt wesentlich vom (Informations-) Verhalten seiner verantwortlichen Manager, bei Aktiengesellschaften insbesondere dem Vorstandsvorsitzenden ab.^ Wir gehen davon aus, dass Manager^, die überwiegend über Implementierungen berichten, sich vorsichtig verhalten. Sie lassen die Anleger und andere Stakeholder über ihre Absichten im Unklaren und treten erst dann an die Öffentlichkeit, wenn das angestrebte Ziel erreicht ist. Eine mögliche Erklärung für dieses Verhalten liefert die Proprietary Cost Hypothese. Danach halten Unternehmen Informationen zurück, die ihrer Wettbewerbsposition schaden könnten. ^^ Ebenso ist denkbar, dass die Manager der Unternehmen negative persönliche Konsequenzen befürchten, falls sie die angekündigte Maßnahme nicht umsetzen können. Berichten sie in zeitlicher Abfolge sowohl über die Planung als auch über die Implementierung der Restrukturierungsmaßnahme, so werben sie bei den Adressaten ihrer Information um Vertrauen und schaffen eine Basis für ihre eigene Glaubwürdigkeit. Sie zeigen damit, dass sie ihre Versprechen halten und keine Erwartungen wecken, die sie nicht erfüllen können. Diese Form des Ankündigungsverhaltens dient zudem dazu, Informationsasymmetrien zwischen Eignern und Managern abzubauen. Dies gelingt nur, wenn die präsen-
Vgl. Staw, B.M. et al (1983, S. 586), Hamhrick, D.C. und Mason, P.A. (1984, S. 193). Der Begriff Manager wird im Folgenden mit dem Vorstandsvorsitzenden gleichgesetzt. Vgl. hierzu ausführlich u. a. Verrecchia, R.E. (1983), Darrough, M. und Stoughton, N. (1990), Wagenhofer, A. (1990), Feltham, G. und Xie, J. (1992), Darrough, M. (1993), Newman, P. und Sansing, R. (1993), Gigler, F. (1994), Verrecchia, R.E. (2001). In einer Umfrage unter US-amerikanischen Führungskräften wurde dieser Aspekt als sehr reales Risiko umfassender Berichterstattung über strategische Entscheidungen identifiziert (vgl. Higgins, R.B. und Diffenbach, J. (1989, S. 136)). Im Zusammenhang mit Finanzrestrukturierungen erscheint diese Begründung insbesondere dann ausschlaggebend, wenn die angekündigte Maßnahme Rückschlüsse auf strategische Schritte erlaubt.
226
Rolf Bühner und Susanne Krenn
tierten Informationen glaubwürdig sind.-^^ In der Literatur wird vorgeschlagen, die Glaubwürdigkeit von Informationen nach der Häufigkeit der Umsetzung früherer Plan-Meldungen zu beurteilen.-^^ Absichtserklärungen sind demnach nur dann glaubwürdig, wenn die angekündigten Pläne normalerweise auch in die Tat umgesetzt werden. Berichten die Manager nur über ihre Pläne, ohne dass in der Folge auch die Umsetzung der Maßnahmen gemeldet wird, so kann dies einmal daran liegen, dass die geplante Maßnahme (aus welchen Gründen auch immer) nicht umgesetzt wurde. Um nicht zusätzlich Aufmerksamkeit auf die NichtImplementierung zu lenken, wird auf eine entsprechende Meldung verzichtet. Weiterhin ist denkbar, dass bei manchen Ereignissen die Umsetzung (auch von der Öffentlichkeit) als selbstverständlich erachtet wird und deswegen keine Implementierungs-Meldung erfolgt. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dass eine Ankündigung erfolgt, ohne dass überhaupt die Absicht besteht, den Plan tatsächlich ausführen zu wollen. In diesem Fall kann die Ankündigung auf den bewussten Versuch des Managements zurückgeführt werden, außenstehende Stakeholder, insbesondere die Aktionäre zu beeindrucken. In der Verhaltensliteratur wird diese Form des Eindruckmachens als S3mibolisches Management bezeichnet.-^^ Im Folgenden wird untersucht, von welchen Faktoren die Wahl zwischen Plan-, Implementierungs- und Plan-/Ist-Ankündigungen abhängt. Auf Basis von Erkenntnissen früherer Studien zur Entwicklung einer Veröffentlichungstheorie^^ gehen wir dabei im Besonderen auf die Auswirkungen unternehmensspezifischer und externer Faktoren ein. Wir konzentrieren uns dabei auf die in diesem Zusammenhang am häufigsten diskutierten unternehmensspezifischen Faktoren des Unternehmenserfolgs und der Unternehmensgröße sowie auf die Branche und die Umwelt Unsicherheit als relevante externe Einflussfaktoren. Zunächst überprüfen wir, inwiefern sich ein Wechsel des obersten Managements auf die Wahl der Ankündigungsform auswirkt. Da wir börsennotierte Unternehmen untersuchen, konzentrieren wir uns auf den Wechsel des Vorstandsvorsitzenden, der normalerweise für die Unternehmenskommunikation verantwortlich zeichnet. Dieses Vorgehen ist durch die Upper Echelons Literatur gestützt, in der die Bedeutung und der Einfluss der Werte und kognitiven
Vgl. Healy, P.M. und Palepu, K.G. (2001). Signale im Allgemeinen und Anforderungen an ihre Glaubwürdigkeit werden in Wilhelm (1991) aus neoklassischer Sicht beleuchtet. Vgl. Weigelt, K. und Camerer, C. (1988, S. 444), Heil, O. und Robertson, T.S. (1991, S. 408). Vgl. hierzu u.a. Westphal, J.D. und Zajac, E.J. (1998, S. 129-131), Westphal, J.D. und Zajac, E.J. (2001, S. 205f.). Verrecchia, R.E. (2001, S. 98) weist darauf hin, dass bislang noch keine einheitliche Veröffentlichungstheorie existiert.
Veröffentlichungsverhalten bei finanziellen Restrukturierungen
227
Einstellungen des obersten Managements auf unternehmerische Entscheidungen hervorgehoben wird.-^^
2 Einflussfaktoren auf die Wahl der Ankündigungsform 2.1 Vorstandswechsel Die Folgen eines Wechsels an der Unternehmensspitze wurden in der Finanzund Managementhteratur eingehend untersucht.-^^ Viele Autoren auf diesem Gebiet betonen, dass ein Wechsel an der Unternehmensspitze eine disruptive Änderung darstellt, durch die es den Unternehmen möglich ist, sich stärker den Anforderungen der Umwelt anzupassen.-^^ Neuberufene Manager fühlen sich weniger dem Status Quo verpflichtet und stellen existierende Ziele, Prozesse und Normen eher in Frage.^^ Dies mündet in einer Erwartungshaltung gegenüber neuberufenen Managern, dass sie Neues wagen und Änderungen durchsetzen. Soweit sich der neuberufene oberste Manager dieser Erwartungen bewusst ist, wird er bestrebt sein, zu beweisen, dass er diese auch erfüllen kann. Durch eine glaubwürdige Informationspolitik kann er diesen Beweis erbringen und das Vertrauen in seine Person und seine Fähigkeiten stärken. Er signalisiert dem Markt, dass mit ihm die richtige Wahl getroffen wurde und dass die an ihn gestellten Erwartungen erfüllt werden. Indem er sowohl über seine Pläne als auch über deren Umsetzung berichtet, kann er zudem zeigen, dass sein Handeln das Ergebnis sorgfältiger Planung ist, und dass er imstande ist. Versprochenes in die Tat umzusetzen.-^^ Wir gehen daher von der folgenden Hypothese aus: Hypothese 1:
Ein Wechsel des Vorstandsvorsitzenden erhöht die Wahrscheinlichkeit für Plan-/Ist-Veröffentlichungen.
2.2 Unternehmenserfolg Der Einfluss des Unternehmenserfolges auf das Ankündigungsverhalten wird in der Literatur kontrovers diskutiert. Studien, die sich auf die „adverse selection"-Problematik stützen, kommen zu dem Schluss, dass Unternehmen ihre Ergebnisse nur dann veröffentlichen, wenn diese eine bestimmte Erfolgsschwelle überschreiten.^^ Umgekehrt wird argumentiert, dass die Angst vor ^^ Vgl. ausführlich zur Upper Echelons Theorie Hambrick, D.C. und Mason, P.A. (1984). ^^ Überbhcke geben, u.a. Furtado, E.P.H. und Karan, V. (1990), Kesner, I.F. und Sehora, T.C. (1994), Finkelstein, S. und Hambrick, D.C. (1996). ^^ Vgl. Virany, B. et al. (1992, S. 75f.). ^^ Vgl. u.a. Hambrick, D.C. und Fukutomi, G. (1991, S. 723). ^^ Vgl. Higgins, R.B. und Diffenbach, J. (1989, S. 133.). ^° Vgl. hierzu ausführlich u.a. Verrecchia, R.E. (1983), Jung, W. und Kwon, Y.K. (1988, S. 147-152), Wagenhofer, A. (1990, S. 348-351).
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Rolf Bühner und Susanne Krenn
Aktionärsklagen zu einer vermehrten Veröffentlichung schlechter Nachrichten führt.^^ Auch der Einfluss des Unternehmenserfolgs auf die Wahrscheinlichkeit für die Preisgabe von Gewinnprognosen konnte nicht eindeutig festgestellt werden. So wird in einigen Untersuchungen ein positiver Zusammenhang zwischen dem Unternehmensergebnis und der Wahrscheinlichkeit für die Preisgabe von Gewinnprognosen konstatiert,^^ während andere Studien keinen bzw. gar einen negativen Zusammenhang aufzeigen.^^ Im Zusammenhang mit einer Veröffentlichung der Unternehmensstrategie führen Higgins, R.B. und Diffenhach, J. (1989) an, dass kleine und gesunde Unternehmen weniger Vorteile aus einer umfassenden Kommunikation ziehen können als Unternehmen in einer Turnaround-Situation. Letztere würden davon profitieren, dass sie eine klare und glaubhafte Strategie präsentieren, mit deren Hilfe das Unternehmen gerettet werden kann.^^ Durch die Veröffentlichung ihrer Restrukturierungspläne können die Manager weniger erfolgreicher Unternehmen der interessierten Öffentlichkeit bzw. ihren (potenziellen) Anlegern signalisieren, dass sie die Notwendigkeit für Änderungen erkannt haben und aktiv an einer Verbesserung ihrer Situation arbeiten. Eine darauf folgende Meldung über die Umsetzung der angekündigten Maßnahme hilft ihnen, die Konstanz ihrer Aktivitäten und die Glaubwürdigkeit ihrer Informationen zu unterstreichen. Dadurch können sie Vertrauen in das Unternehmen sowie in ihre Managementfähigkeiten zurückgewinnen. Auch die so genannte Proprietary Cost Hypothese,^^ die zahlreichen theoretischen und empirischen Studien zugrunde liegt, liefert Hinweise auf einen möglichen Einfluss des Unternehmenserfolgs auf die Wahl der Ankündigungsform. Manager halten danach vertrauliche Informationen zurück, um ihre Wettbewerbsposition nicht zu gefährden. Insbesondere die Spitzenführungskräfte erfolgreicher Unternehmen müssen befürchten, dass neue Wettbewerber, angelockt durch ihren Erfolg, in ihre Märkte drängen.^^ Sie werden folglich bestrebt sein, ihren potenziellen wie aktuellen Konkurrenten keine Informationen zur Verfügung zu stellen, die diese in die Lage versetzen könnten, die Ursachen ihres Erfolges zu identifizieren.^^ Sie werden deshalb so wenig wie möglich über ihre Pläne bekannt geben. Es lassen sich demnach folgende zwei Hypothesen ableiten:
24
Vgl. ausführlich u.a. Skinner, D.J. (1994). Vgl. u.a. Penman, S.H. (1980, S. 150f.), Lev, B. und Penman, S.H. (1990, S. 60-67). Vgl. z.B. Ajinkya, B.B. und Gift, M.J. (1984, S. 436-438). Vgl. Higgins, R.B. und Diffenbach, J. (1989, S. 134). Vgl. Verrecchia, R.E. (1983, S. 181f.), Verrecchia, R.E. (2001, S. 141-160). Vgl. Porter, M. (1980, S. 14), Bain, J.S. (1987, S. 219f.). Vgl. Bens, D.A. (2002, S. 10).
VeröfFentlichungsverhalten bei finanziellen Restrukturierungen Hypothese 2a:
Hypothese 2b:
229
Mit steigendem Unternehmenserfolg steigt die Wahrscheinlichkeit für Implementierungs-Veröffentlichungen. Mit sinkendem Unternehmenserfolg steigt die Wahrscheinlichkeit für Plan-/Ist-Veröffentlichungen.
2.3 U n t e r n e h m e n s g r ö ß e Für den Zusammenhang zwischen Unternehmensgröße und Informationspolitik werden in der Veröffentlichungsliteratur mehrere Gründe angeführt. Einmal sind größere Unternehmen anfälliger für Schadensersatzverfahren seitens der Aktionäre, weil sie „tiefere Taschen" haben.^^ Diesen Aktionärsklagen versuchen die Manager der Unternehmen durch eine umfassende Veröffentlichungspolitik vorzubeugen. Weiterhin ist die Verbreitung von Veröffentlichungen für kleinere Unternehmen kostspieliger und schwieriger als für größere Unternehmen. Die Medien bringen beispielsweise eher Berichte über große Unternehmen und Analysten nehmen eher an Pressekonferenzen großer Unternehmen teil.^^ Hinzu kommt, dass auch in effizienten Kapitalmärkten Manager über bessere Informationen als Eigner verfügen.^^ Wie Barry, C.B. und Brown, S,J. (1986) zeigen konnten, bewirken hohe Informationsasymmetrien, dass das systematische Risiko einer Aktie steigt. Dies hat zur Folge, dass Investoren eine zusätzHche Prämie verlangen, um dieses Risiko zu kompensieren.^^ Indem die Manager ausführlich über ihre Pläne berichten und durch die Bekanntgabe der Umsetzung ihrer Vorhaben die Glaubwürdigkeit ihrer Informationen unterstreichen, können sie Informationsasymmetrien abbauen. Folglich wird das systematische Risiko der Aktie reduziert und die von Aktionären geforderte Risikoprämie sinkt. Insoweit können Manager durch eine glaubwürdige Unternehmenskommunikation die Kosten der Eigenkapitalbeschaffung mindern.^^ Da die Informationsasymmetrien zwischen Eignern und Managern bei größeren Unternehmen normalerweise höher sind als bei kleineren Unternehmen,^^ Vgl. Kasznik, R. und Lev, B. (1995, S. 124). Die Autoren konnten diesen Zusammenhang für die USA auch empirisch bestätigen. Sie stellten fest, dass Unternehmen dort umso mehr veröffentlichen, je größer der Umfang der gehandelten Aktien, da in diesem Fall der potentielle Schadensersatzanspruch steigt. Vgl. hierzu auch Lang, M. und Lundholm, R. (1993, S. 251). Vgl. Lang, M. und Lundholm, R. (1993, S. 250f.). Vgl. Healy, P.M. und Palepu, K.G. (2001, S. 420). Vgl. Barry, C.B. und Brown, S.J. (1985, S. 410-413), Barry, C.B. und Brown, S.J. (1986, S. 70). Zu einer ausführlicheren Diskussion von Risikoabschlägen, -Zuschlägen und -prämien aus finanzierungstheoretischer Sicht, vgl. Wilhelm, J. (2002). Für eine empirische Bestätigung dieses Zusammenhangs vgl. z. B. Graham, J.R. et al. (2004, S. 26). Vgl. Chow, C.W. und Wong-Boren, A. (1987, S. 538f.).
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Rolf Bühner und Susanne Krenn
müssen sie sich mit Blick auf ihre Kapitalbeschaffungskosten verstärkt um eine Verringerung der Informationsunterschiede bemühen. Wir unterstellen daher folgenden Zusammenhang: Hypothese 3:
Mit zunehmender Unternehmensgröße steigt die Wahrscheinlichkeit für Plan-/Ist-Veröffentlichungen.
2.4 B r a n c h e Die Branche, in der ein Unternehmen tätig ist, wird in der Veröffentlichungsliteratur ebenfalls als wichtiger Einflussfaktor auf das Informationsverhalten diskutiert. So stellten Clarkson, P,M. et al, (1994) fest, dass die Wahrscheinlichkeit für Gewinnprognosen entscheidend von der Branchenzugehörigkeit der Unternehmen abhängig ist.^^ Sie führen beispielsweise die hohe Wahrscheinlichkeit für Ergebnisvorhersagen bei Unternehmen der Immobilienbranche auf die hier normalerweise üblichen langfristigen Projekte zurück. Die Zahlungsströme dieser Projekte ließen sich relativ gut prognostizieren, eine Nichterfüllung der Voraussagen sei daher eher unwahrscheinlich und die Prognose damit weniger riskant. Die relativ geringe Wahrscheinlichkeit für Gewinnprognosen bei Unternehmen der Metall verarbeitenden Industrie begründen sie dagegen mit der Unsicherheit über die Entwicklung der Rohstoff preise. Heil, 0. und Robertson, T,S. (1991) vermuten eine glaubwürdigere Unternehmenskommunikation bei Unternehmen, die in oligopolistischen Märkten agieren.^^ In diesen Märkten bestünden hohe Umsatz- und Gewinnabhängigkeiten zwischen den Unternehmen. Diese würden bewirken, dass jedes Unternehmen über genügend Marktmacht verfügt, um der gesamten Branche zu schaden oder zu nützen. Die potenziellen Kosten falscher Signale (und damit einer unglaubwürdigen Unternehmenskommunikation) wären in diesen Branchen damit sehr viel höher als in Branchen mit polypolistischer Struktur. Kasznik, R. und Lev, B. (1995) führen an, dass für Unternehmen, die in Branchen mit einem relativ hohen Risiko tätig sind, ein entsprechend hoher Anreiz zu einer umfassenden Informationspolitik darin besteht, den Argwohn der Aktionäre zu mindern und mögliche Schadensersatzforderungen abzuwehren.^^ Lang, M. und Lundholm, R. (1993) weisen darauf hin, dass der Einfluss der Branchenzugehörigkeit auf das Ankündigungsverhalten auch auf Unterschiede in den beobachtbaren Informationsasymmetrien zurückzuführen ist.^'' Die Autoren haben beispielsweise bei Bio-Tech-Unternehmen, bei denen die Informationsunterschiede zwischen Managern und Anlegern verhältnismäßig hoch sind, die Preisgabe von mehr freiwilligen Veröffentlichungen beobachtet. Das oben diskutierte Motiv, durch eine glaubwürdige Unternehmenskommunikation die Kosten der Kapitalbeschaffung zu senken, ist insbesondere ^^ Vgl. hierzu und zum Folgenden Clarkson, P.M. et al. (1994, S. 433). ^^ Vgl. hierzu und zum Folgenden Heil, O. und Robertson, T.S. (1991, S. 409). ^^ Vgl. Kasznik, R. und Lev, B. (1995, S. 124). ^^ Vgl. hierzu und zum Folgenden Lang, M. und Lundholm, R. (1993, S. 251f.).
Veröffentlichungsverhalten bei finanziellen Restrukturierungen
231
auch für Unternehmen von Bedeutung, die in Branchen tätig sind, die einen höheren Eigenkapitalbedarf haben. Ihre Manager werden verstärkt darum bemüht sein, das Vertrauen von (potenziellen) Investoren/Anlegern durch eine glaubwürdige Informationspolitik zu gewinnen. Die vorgetragenen Argumente führen zu nachstehenden Hypothesen: Hypothese 4a:
Hypothese 4b:
Hypothese 4c:
Für Unternehmen, die in oligopolistischen Branchen tätig sind, steigt die Wahrscheinlichkeit für Plan-/ Ist-Veröffentlichungen. Für Unternehmen, die in Branchen mit hohen Informationsasymmetrien tätig sind, steigt die Wahrscheinlichkeit für Plan-/Ist-Veröffentlichungen. Für Unternehmen, die in kapitalintensiven Branchen tätig sind, steigt die Wahrscheinlichkeit für Plan-/ Ist-Veröffentlichungen.
2,5 Unsicherheit In Situationen mit hoher Umweltunsicherheit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Anpassungen der Strategie notwendig werden. Dies führt dazu, dass ehemals angekündigte Maßnahmen nicht mehr notwendig erscheinen bzw. nicht mehr richtig sind und deswegen nicht mehr weiterverfolgt werden. Für Außenstehende sind die Gründe einer Nicht-Implementierung jedoch nicht (immer) ersichtlich. Es besteht die Gefahr, dass sie die fehlende Implementierung angekündigter Maßnahmen als Widerspruch zu dem zuvor Gesagten interpretieren^^ und dafür mangelnde Managementqualitäten verantwortlich machen. Für den Manager drohen folglich negative persönliche Konsequenzen wie ein Verlust an Reputation oder ein Vertrauensentzug. Um dieses Risiko zu vermeiden, können Manager, deren Unternehmen mit einer instabilen Umwelt konfrontiert sind, entweder durch eine aktive Informationspolitik versuchen, den Strategiewechsel zu erklären, oder aber auf die Bekanntgabe ihrer Pläne verzichten. Da die erste Alternative mit relativ hohen Informationskosten verbunden ist und der Erfolg, Planabweichungen zu begründen, ungewiss ist, werden sie es vorziehen, über Maßnahmen erst zu berichten, wenn sie erfolgreich umgesetzt werden konnten. Aufgrund dieser Überlegungen vermuten wir den folgenden Zusammenhang: Hypothese 5:
Mit zunehmender Umwelt Unsicherheit steigt die Wahrscheinlichkeit für Implementierungs-Veröffentlichungen.
Vgl. Higgins, R.B. und Diffenbach, J. (1989, S. 136).
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Rolf Bühner und Susanne Krenn
3 Daten und Methoden Grundlage der empirischen Analyse ist eine Erhebung von Unternehmensmeldungen über Finanzrestrukturierungsereignisse der Jahre 1991-2001. Im Rahmen der Untersuchung wurde eine Stichprobe von Unternehmen des DAX 100 gebildet. Die endgültige Stichprobe umfasst Meldungen von 65 Unternehmen, für die vollständige Datensätze verfügbar waren. Tabelle 1 zeigt die Unternehmen in der Stichprobe. Tabelle 1. Unternehmen in der Stichprobe Agiv AVA Beiersdorf BMW Continental Depfa-Bank Douglas FAG Gehe Henkel IKB Kampa-Haus KSB Metallgesellschaft RWE Spar Wella
Allianz AXA Bewag Brau und Brunnen Daimler Dt. Babcock Dresdner Bank Feiten & Guillaume Gerresheimer Hochtief IVG Karstadt Linde Porsche SAP Südzucker
Altana BASF BHF Buderus DBV Dt. Bank Dürr Fresenius Grohe Höchst IWKA Klöckner-Werke Lufthansa Preussag S chmalenbach- Lubeca Varta
AMB Bayer Bilfinger und Berger Commerzbank Degussa Deutz Escada GEA Heidelberger Zement Holzmann Jungheinrich Kolbenschmidt MAN Rheinmetall Siemens Volkswagen
Die Ermittlung der Ankündigungen erfolgte auf Basis von Unternehmensberichten, die in der Zeit von 1. Januar 1991 bis zum 31. Dezember 2001 im Handelsblatt veröffentlicht wurden. Ankündigungstag ist der Tag der ersten öffentlichen Bekanntmachung in der ausgewählten Quelle. Von den ermittelten Ankündigungen wurden nur diejenigen berücksichtigt, die sich auf finanzielle Restrukturierungsaktivitäten bezogen. In einem weiteren Schritt wurde die Stichprobe um Folgemeldungen, d. h. Meldungen mit identischen Sachverhalten zu unterschiedlichen Ankündigungszeitpunkten, bereinigt. Dabei verblieb nur die Meldung in der Stichprobe, in der die Restrukturierungsaktivität erstmalig bekannt gegeben wurde, sowie die Meldung, in der erstmals über die Umsetzung der Maßnahme berichtet wurde. Die Daten zur Messung der unabhängigen Variablen wurden den Geschäftsberichten der Unternehmen entnommen.
Veröffentlichungsverhalten bei finanziellen Restrukturierungen
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Die Hypothesen wurden mit Hilfe des Verfahrens der multinomialen logistischen Regression getestet. Die angenommene logistische Funktion hat die folgende Form:
Pi steht für die Wahrscheinlichkeit einer Plan-Ankündigung, Xik sind die unabhängigen Variablen, und bk sind die zu schätzenden Koeffizienten. Pi kann auch geschrieben werden als: ^
expjbkXjk)
. .
Daraus folgt, dass Pi mit einer Erhöhung von bkXik monoton ansteigt und Werte zwischen Null und Eins annehmen kann. 3.1 Messung der abhängigen Variable In der Arbeit werden drei Ankündigungsarten unterschieden: •
•
•
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Plan-Ankündigungen liegen vor, wenn nur über die Absicht bzw. die Ziele und Pläne einer Restrukturierungsmaßnahme berichtet wird. Eine Folgemeldung über die tatsächliche Umsetzung der Maßnahme bleibt jedoch aus. Ein typisches Beispiel für eine Plan-Ankündigung ist: „Die Mitteilung der Volkswagen AG erfüllte gerade die FormvorSchriften: Man mache von der Ermächtigung zum Rückkauf eigener Stammaktien von bis zu 10% des Grundkapitals Gebrauch, teilte der Konzern am Freitag mit. [...] Offen blieb, wann, in welchem Umfang und damit auch zu welchen Preisen VW die Papiere aus dem Markt nehmen wird."^^ Eine Folgemeldung über den tatsächlich erfolgten Aktienrückkauf blieb aus. Implementierungs-Ankündigungen liegen vor, wenn die Realisierung einer Maßnahme gemeldet wird, ohne dass dieser eine Plan-Ankündigung vorausgeht. Ein typisches Beispiel für eine Implementierungs-Ankündigung ist: „Die Hauptversammlung [der Preussag Stahl AG] beschloss gestern zudem die Umstellung der Aktien in 5-DM-Aktien und anschließend in Stückaktien, "^o Plan-Ist-Ankündigungen liegen vor, wenn in zeitlicher Abfolge sowohl über die Absicht als auch über die erfolgte Implementierung einer Maßnahme berichtet wird. Ein typisches Beispiel für eine Plan-Ist-Ankündigung ist:
o. V. (2000, S. 16). o. V, (1998, S. 19).
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Rolf Bühner und Susanne Krenn Am 29.05.1998 erschien folgende Meldung im Handelsblatt: „[...] Finanzchef Diethart Breipohl kündigte für den 12. Juni die Einführung der Allianz Aktie in Paris an. Mittelfristig sei auch die Listung an der Börse New York geplant [...]"^i Die Implementierungs-Meldungen folgte am 03.11.2000: „[...] Die US-Börsenaufsicht SEC hatte am Dienstag grünes Licht für das Allianz-Listing gegeben. Am heutigen Freitag wird der Handel an der NYSE mit so genannten ADS (American Depositary Shares) offiziell unter dem Kürzel AZ aufgenommen TU 42
Die endgültige Stichprobe umfasst 1139 Ankündigungen. Davon liegt bei 512 Ankündigungen lediglich eine Plan-Meldung vor, bei 270 wird nur über die Implementierung einer Maßnahme berichtet und bei 357 handelt es sich um Plan-Ist-Ankündigungen. Tabelle 2 gibt eine Übersicht über die untersuchten Restrukturierungsmeldungen und die Häufigkeit ihrer Ankündigung. Für jedes Unternehmen und jedes Unternehmensjahr wird ermittelt, welche Ankündigungsart im jeweiligen Jahr dominiert. Das jeweilige Unternehmensjahr wird mit 1 für Plan-Ankündigungen, 2 für Implementierungs-Meldungen und 3 für Plan-Ist-Meldungen klassifiziert. Insgesamt werden 392 Unternehmensjahre berücksichtigt. Tabelle 2. Häufigkeit der Ankündigung von finanziellen Restrukturierungsereignissen Art der Ankündigung Restrukturierungsart: D ividendener höhung Dividende bleibt gleich Dividendensenkung Kapitalerhöhung, -minderung Kostensenkungsprogramme Aktiensplits Aktienrückkäufe Wechsel des Rechnungslegungssystems Aktien an neuer Börse listen/streichen F&E-Ausgaben Veränderung der Verbindlichkeiten Bonuszahlungen Aufiösung von Stimmrechtsbeschränkung Aktienverkäufe Gesamt
^^ o. V. (1998, S. 23). ^2 Busse, C. und Hussla, G. (2000, S. 28).
Gesamt
Plan Implementierung Plan-Ist 97 74 18 110 73 46 41 11 18 17 3 4 0 0 512
123 55 14 26 14 8 5 13 3 4 4 1 0 0 270
125 66 25 58 18 17 16 10 11 2 4 1 3 1 357
345 195 57 194 105 71 62 34 32 23 11 6 3 1 1139
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3.2 Messung der unabhängigen Variablen Vorstandswechsel wird als dichotome Variable gemessen und zeigt einen Wechsel des Vorstandsvorsitzenden im betrachteten Jahr an. Der Unternehmenserfolg wird, wie in der Literatur üblich,^^ jahresweise mit Hilfe der Gesamtkapitalrendite gemessen. Diese Kennzahl wird berechnet als der Jahresüberschuss vor Ertragssteuern und Zinsaufwand (EBIT) geteilt durch das durchschnittliche Gesamtkapital.^^ Den Ansätzen empirischer Untersuchungen folgend, wird die Unternehmensgröße jahresweise als der natürliche Logarithmus der Unternehmensumsätze gemessen. ^^ Zur Überprüfung von Brancheneinflüssen werden neun Proxy-Variablen gebildet. Diese betreffen die Branchen „Maschinenbau und Investitionsgüter", „Versicherungen", „Pharma, Chemie und Life Sciences", „Handel und Konsumgüter", „Banken und Finanzdienstleister", „Energie- und Wasserversorgung", „Baugewerbe", „Automobil, Transport und Logistik" sowie „Software und Elektronik". Zu den kapitalintensiven Branchen zählen nach den Berechnungen des Statistischen Bundesamtes in erster Linie „Energie- und Wasserversorgung", „Pharma, Chemie und Life Sciences" sowie „Banken und Finanzdienstleister" ^^. Eine geringe Kapitalintensität weist dagegen vor allem der Sektor „Baugewerbe" auf.^^ Die Konzentration in den einzelnen Wirtschaftszweigen berechnen wir über den Umsatzanteil der drei größten Unternehmen einer Branche.^^ Eine hohe Marktkonzentration ergibt sich danach vor allem für den Sektor „Automobil, Transport und Logistik". Hohe Informationsasymmetrien zwischen Eignern und Managern bestehen traditionell bei Chemie- und vor allem Pharma-Unternehmen.^^ ^^ Vgl. z.B. Westphal, J.D. und Zajac, EJ. (1994, S. 377), Zajac, E.J. und Westphal, J.D. (1995, S. 295), laquinto, A.L. und Fredrickson, J.W. (1997, S. 69), Gedajlovic, E.R. und Shapiro, D.M. (1998, S. 544). ^^ Vgl. Coenenberg, A.G. (2000, S. 1017f.). ^^ Vgl. z. B. Fomhrun, C. und Shanley, M. (1990, S. 245), Cannella, A. und Luhatkin, M. (1993, S. 779), Buchholtz, A.K. und Ribbens, B.A. (1994, S. 566), Boeker, W. (1997, S. 161), Westphal, J.D. und Zajac, E.J. (1998, S. 138), Narayanan, V.K. et al. (2000, S. 712), Sanders, W.G. (2001, S. 483). ^^ Das Statistische Bundesamt nimmt für die Ermittlung der Kapitalintensität eine etwas andere Brancheneinteilung vor, bei der die Bereiche Finanzierung, Vermietung (ohne Wohnungsvermietung) und Unternehmensdienstleister in einer Kategorie zusammengefasst werden. ^"^ Vgl. Institut der deutschen Wirtschaft Köln (2004, S. 26). ^^ Die Berechnung des in der Literatur üblichen „4-firm concentration ratio" (vgl. hierzu z.B. Harrigan, K.R. (1981, S. 396), Datta, D.K. und Rajagopalan, N. (1998, S. 842)) zur Ermittlung der Konzentration in einer Branche war aufgrund der uns verfügbaren Daten nicht möglich. Die Näherung über den Umsatzanteil der 3 größten Unternehmen erlaubt jedoch dennoch eine gute Beurteilung der Branchenkonzentration. '^^ Vgl. z.B. Cohen, L. (1992, S. Gl), Lang, M. und Lundholm, R. (1993, S. 251f.).
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Die Messung der Unsicherheit folgt dem Ansatz von Dess, G. G. und Beard, D. W. (1984) und verwendet die Streuung um die Regressionsgerade, die man bei der Regressionsschätzung der Umsatzdaten über die Zeit erhält.^^ Für jedes Jahr im Untersuchungszeitraum und für jedes Unternehmen der Stichprobe existiert ein Unsicherheitsmaß auf Basis der Umsatzdaten der jeweils vorausgegangenen fünf Jahre. Das Unsicherheitsmaß wird ermittelt aus dem Standardfehler der Regressionskoeffizienten dividiert durch den Mittelwert, um den unterschiedlichen Unternehmensgrößen Rechnung zu tragen. Da diese Messgröße die Abweichung von einer Trendlinie misst, ist es möglich, Unsicherheit als eine unvorhersehbare Veränderung der Umwelt des Unternehmens zu messen. Während des Untersuchungszeitraums können Änderungen in den Rahmenbedingungen der Unternehmenskommunikation Anpassungen des Veröffentlichungsverhaltens insgesamt bewirkt haben. Durch die zum Ol. Januar 1995 in Kraft getretenen Vorschriften über die Ad-hoc-PubUzität gemäß §15 Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) sind Auswirkungen auf die Informationspolitik der Unternehmen denkbar. Danach sind Unternehmen verpflichtet, Informationen die den Aktienkurs wesentlich beeinflussen können, sofort zu veröffentlichen. Wir führen daher eine Zeitvariable als Kontrollgröße ein, die erfasst, inwieweit die Zeit die Wahl der Ankündigungsart beeinflusst.
4 Ergebnisse Tabelle 3 gibt die deskriptive Statistik wieder. Wie die Ergebnisse zeigen, liegen die Korrelationskoeffizienten zwischen den unabhängigen Variablen unter 0.2. MultikoUinearität zwischen den unabhängigen Variablen stellt daher kein Problem dar. Diese ist erst bei Korrelationskoeffizienten von 0.6 und größer anzunehmen. Tabelle 3. Deskriptive Statistik und Korrelationskoeffizienten nach Pearson MW
StA
1. Wechsel d. Vorstands0.880 vorsitzenden 2. Unternehmenserfolg 0.037 3. Unternehmensgröße 15.117 4. Branche 4.330 5. Unsicherheit 0.026 6. Jahr 1996.170
0.322
1.
2.
3.
4.
5.
0.045 0.144 1.428 0.028 -0.109 2.640 -0.012 0.166 0.114 0.023 -0.005 0.047 -0.212 0.085 3.014 0.052 0.121 0.155 -0.011 -0.020
Korrelationskoeffizienten von |.085| oder größer sind signifikant auf dem .05 Niveau oder weniger. Vgl. Dess, G.G. und Beard, D.W. (1984, S. 58).
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Die Ergebnisse der multinomialen Regressionsanalyse sind in Tabelle 4 dargestellt. Tabelle 4. Ergebnisse der Regressionsanalyse (N=392)" Plan- vs. Plan-Ist-Ankündigungen
Implementierungs- vs. Plan-Ist-Ankündigungen
Plan- vs. ImplementierungsAnkündigungen
Parameterschätzer Wechsel des Vorstandsvorsitzenden Unternehmenserfolg Unternehmensgröße Branche 1 Maschinenbau u. Investitionsgüter 2 Versicherungen 3 Pharma, Chemie u. Life Sciences 4 Handel und Konsumgüter 5 Banken und Finanzdienstleister 6 Energieversorgung 7 Baugewerbe 8 Automobil, Transport u. Logistik 9 Software und Elektronik Unsicherheit
-1.208** -2.509 -0.030
-0.826^ -6.589^ -0.286*
0.382 -4.080 -0.256*
-1.093 -0.421 0.341 -1.113 -1.666^ -1.713^ -2.552** -0.513 0^ -0.534
-1.426 0.294 1.203 -1.497 -2.279* -1.938 -1.718^ -0.004 0^ -2.077
-0.332 0.715 0.862 -0.384 -0.613 -0.225 0.835 0.516 0^ -1.543
Nagelkerke's R'^: 0.346; ^ p < 0.100; * p < 0.050; ** p < 0.010; *** p < 0.001 " Die Koeffizienten der Jahres-Dummy-Variablen sind aus Übersichtlichkeitsgründen nicht angegeben. ^ Dieser Parameter wird auf Null gesetzt, weil er redundant ist. Bei der Interpretation der Ergebnisse sei der Leser daran erinnert, dass bei einer multinomialen Regressionsanalyse das Vorzeichen der Parameterschätzer für eine Kategorie die Wirkungsrichtung der Variable bezogen auf die Referenzkategorie anzeigt. Ein negatives Vorzeichen gibt an, dass bei einem hohen Wert der betrachteten Variable die Beobachtung eher der Referenzgruppe (Plan-Ankündigungen) angehört, bei einem positiven Wert des Parameterschätzers gehört die Variable eher der betrachteten Kategorie an. Ein negatives Vorzeichen weist mit anderen Worten also nicht auf einen negativen Zusammenhang zwischen der Variable und der betrachteten Kategorie hin. Es zeigt lediglich an, dass die Wirkung für die betrachtete Kategorie weniger stark ist als für die Referenzkategorie. Vorstandswechsel: Ein Wechsel des Vorstandsvorsitzenden erhöht nach den vorhegenden Ergebnissen die Wahrscheinlichkeit für Plan-Ist-Meldungen. Die
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Resultate sprechen demnach für den in Hypothese 1 vermuteten Zusammenhang, dass neuberufene Manager bestrebt sind, durch eine glaubwürdige Kommunikation finanzieller Restrukturierungsvorhaben das Vertrauen in ihre Person zu erhöhen. Sie versuchen zu beweisen, dass sie die an sie gestellten Erwartungen erfüllen können und dass mit ihnen die richtige Wahl getroflFen wurde. Unternehmenserfolg: Die Ergebnisse zeigen einen leicht signifikanten positiven Zusammenhang zwischen dem Erfolg eines Unternehmens und der Wahrscheinlichkeit für Plan-Ist-Meldungen an. Dieses Ergebnis widerspricht den in den Hypothese 2a und 2b aufgestellten Vermutungen. Die Manager erfolgreicher Unternehmen halten ihre Finanzrestrukturierungspläne offensichtlich nicht zurück, um ihren Konkurrenten keine wettbewerbsrelevanten Informationen preiszugeben. Diese aus der Proprietary Cost Hypothese abgeleitete Überlegung kann demnach, wenigstens für den von uns untersuchten Kontext der Ankündigung finanzieller Restrukturierungsmaßnahmen, nicht bestätigt werden. Die Spitzenführungskräfte erfolgreicher Unternehmen scheinen vielmehr zu versuchen, durch eine glaubwürdige Kommunikationspolitik die Attraktivität ihres Unternehmens als Investitionsobjekt zu unterstreichen. Dies steht im Einklang mit den Ergebnissen empirischer Untersuchungen, die sich auf „adverse selection"-Argumente stützen und einen positiven Zusammenhang zwischen dem Unternehmenserfolg und einer umfassenden und informativen Kommunikationspolitik feststellen konnten.^^ Eine mögliche Erklärung weshalb bei weniger erfolgreichen Unternehmen keine höhere Wahrscheinlichkeit für Plan-Ist-Ankündigungen festzustellen war, könnte sein, dass deren Manager sich in diesem Fall lieber vorsichtig verhalten. Sollten sie die angekündigten Pläne nicht umsetzen können, besteht die Gefahr, dass sie dadurch das Vertrauen der Anleger zusätzlich erschüttern. Unternehmensgröße: Den Ergebnissen zufolge sinkt mit zunehmender Größe eines Unternehmens die Wahrscheinlichkeit für Implementierungs-Meldungen. Dies bestätigt teilweise den in Hypothese 3 formulierten Zusammenhang. Ein Grund für dieses Ergebnis ist sicherlich darin zu sehen, dass die Aktivitäten großer Unternehmen seitens der Medien mit größerer Aufmerksamkeit verfolgt werden. Ihre Manager sehen sich deswegen vermutlich vielfach gezwungen, über ihre Pläne zu berichten. Mit eine Rolle spielen dürfte aber auch die Tatsache, dass in größeren Unternehmen normalerweise höhere Informationsasymmetrien zwischen Eignern und Managern bestehen. Um den damit verbundenen höheren Kapitalbeschaffungskosten entgegenzuwirken, haben die Spitzenführungskräfte größerer Unternehmen unter Umständen einen höheren Anreiz für eine glaubwürdige Kommunikation ihrer Finanzrestrukturierungsaktivitäten. Das Argument, dass größere Unternehmen anfälliger für Aktionärsklagen sind und diesen durch eine glaubwürdige Unternehmenskommunikation vorzubeugen versuchen, erscheint dagegen für Deutsch^^ Vgl. z.B. Lang, M. und Lundholm, R. (1993, S. 264f.), Tasker, S.C. (1998, S. 158), Frankel, R. et al (1999, S. 139-141).
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land und insbesondere für den von uns untersuchten Zeitraum weniger ausschlaggebend. Die diesbezüglich vorgebrachten Argumente früherer Studien der Veröffentlichungsliteratur beziehen sich in der Mehrheit auf Stichproben US-amerikanischer Unternehmen, für die Aktionärsklagen aufgrund unzureichender Informationspolitik eine sehr viel größere Rolle spielen. Branche: Unseren Vermutungen in den Hypothesen 4a-c zufolge wäre eine höhere Wahrscheinlichkeit für Plan-Ist-Ankündigungen bei Unternehmen der kapitalintensiven Branchen „Energie- und Wasserversorgung", „Banken und Finanzdienstleister" und „Pharma, Chemie und Life Sciences" (bei letzteren bestehen zudem hohe Informationsasymmetrien) sowie bei Unternehmen der Branche „Automobil, Transport und Logistik", die die höchste Marktkonzentration aufweist, zu erwarten. Unsere Ergebnisse können diese Überlegungen nur zum Teil stützen. Zwar ergibt sich für Energieversorgungsunternehmen sowie für Banken und Finanzdienstleister eine tendenziell höhere Wahrscheinlichkeit für Plan-Ist-Ankündigungen. Dies spricht für die Vermutung, dass Unternehmen aus kapitalintensiven Branchen verstärkt darum bemüht sind, durch eine glaubwürdige Informationspolitik das Vertrauen (potenzieller) Anleger zu gewinnen. Allerdings ist auch bei Unternehmen der Bauindustrie, die eine geringe Kapitalintensität aufweisen, eine höhere Wahrscheinlichkeit für Plan-Ist-Ankündigungen festzustellen. Ähnlich den Ergebnissen von Clarkson, P.M. et al. (1994) könnte dieses Ergebnis eventuell auf die hier normalerweise übliche Arbeit in langfristigen Projekten zurückzuführen sein. Diese führt unter Umständen dazu, dass es in diesen Unternehmen üblich ist, laufend über Pläne und später auch über deren Umsetzung zu berichten. Für Unternehmen der Branchen „Automobil, Transport und Logistik" und „Pharma, Chemie und Life Sciences" können wir dagegen keine signifikant höhere Präferenz für Plan-Ist-Ankündigungen feststellen. Eine hohe Marktkonzentration bzw. hohe Informationsasymmetrien haben bei Unternehmen in diesen Branchen offensichtlich keinen Einfluss auf das Ankündigungsverhalten bei finanziellen Finanzrestrukturierungsereignissen. Umweltunsicherheit: Entgegen der in Hypothese 5 aufgestellten Vermutung scheint eine unsichere Unternehmensumwelt keinen Einfluss auf die Wahl der Ankündigungsart zu haben. Manager, deren Unternehmen mit einer unsicheren Umwelt konfrontiert sind, scheinen demnach - wenigstens in dem von uns untersuchten Kontext der finanziellen Restrukturierungen - keine negativen Konsequenzen aus einer nicht erfolgten Umsetzung zu befürchten. Sie scheinen vielmehr darauf zu vertrauen, notwendige Strategiewechsel durch eine aktive Informationspolitik erklären zu können. Zeit: Es konnte zusammenfassend für den Zeitraum von 1991 bis 1997 ein signifikanter Einfluss der Zeit auf das Ankündigungsverhalten festgestellt werden. Tendenziell war in diesem Zeitraum eine höhere Wahrscheinlichkeit für Plan-Ist-Meldungen zu verzeichnen. Eine eindeutige Interpretation dieses Ergebnisses erscheint schwierig. Denkbar ist, dass in vielen Unternehmen versucht wurde, die Umstellung auf die Vorschriften des WpHG vorwegzunehmen.
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5 Zusammenfassung In der vorliegenden Studie wurden Einflussfaktoren auf das Ankündigungsverhalten bei finanziellen Restrukturierungen untersucht. Die vorhandene Stichprobe - Meldungen von DAX 100 Unternehmen aus den Jahren 1991-2001 umfasste dabei Eigenkapital-, Fremdkapital- und Dividendenänderungen sowie Maßnahmen der Innenfinanzierung. In Abgrenzung zu bisherigen Untersuchungen der Finanz- und Veröffentlichungsliteratur berücksichtigten wir, dass bei diesen Restrukturierungsereignissen für die verantwortlichen Manager die Wahl zwischen drei verschiedenen Ankündigungsarten besteht. Es kann nur über den Plan berichtet werden, eine Maßnahme durchzuführen (Plan-Ankündigungen) oder es kann lediglich die Umsetzung einer Aktivität gemeldet werden (Implementierungs-Ankündigungen). Daneben besteht die Möglichkeit, dass in zeitlicher Abfolge sowohl über den Plan als auch über dessen Umsetzung berichtet wird (Plan-Ist-Ankündigung). Wir haben unterstellt, dass für die Wahl zwischen diesen Ankündigungsalternativen maßgeblich der Vorstandsvorsitzende zuständig ist. Berichtet dieser überwiegend über Implementierungen, so verhält er sich vorsichtig. Entscheidet er sich vornehmlich für Plan-Ist-Ankündigungen, so ist ihm an einer glaubwürdigen Kommunikation gelegen. Eine überwiegende Verwendung von Plan-Ankündigungen kann auf mehrere Gründe zurückgeführt werden. Entweder konnte die geplante Maßnahme nicht umgesetzt werden, und es wurde auf eine entsprechende Meldung verzichtet. Oder die Umsetzung einer Maßnahme gilt als selbstverständlich und wird deswegen nicht explizit gemeldet. Daneben besteht die Möglichkeit, dass Ankündigung bewusst mit dem Ziel erfolgen. Stakeholder, insbesondere Anleger, zu beeindrucken, ohne dass die Absicht besteht, den Plan tatsächlich auszuführen. Ausgehend von den Ergebnissen bisheriger Studien der Veröffentlichungsund Managementliteratur untersuchten wir, inwieweit ein Wechsel an der Unternehmensspitze, unternehmensspezifische (abgebildet durch Größe und Erfolg des Unternehmens) sowie situative Faktoren (abgebildet durch Branchenzugehörigkeit und Umweltunsicherheit) die Wahl der Ankündigungsart beeinflussen. Daneben wurde eine Zeitvariable als Kontrollgröße eingeführt. Diese sollte erfassen, inwieweit im Zeitablauf Änderungen in der Wahl der Ankündigungsart zu beobachten waren. Die Ergebnisse bestätigen den von uns vermuteten Zusammenhang, dass neuberufene Vorstandsvorsitzende eine glaubwürdige Kommunikation von finanziellen Restrukturierungsereignissen bevorzugen. Dies bietet ihnen eine Möglichkeit, das Vertrauen in ihre Person zu erhöhen. Für den ersten der von uns untersuchten internen Einflussfaktoren konnten wir feststellen, dass sich die Manager größerer Unternehmen signifikant seltener für ImplementierungsAnkündigungen entscheiden. Zwei Begründungen erscheinen hierfür möglich. Einmal verfolgen die Medien die Aktivitäten großer Unternehmen mit größerer Aufmerksamkeit. Zum anderen sind große Unternehmen stärker gezwungen durch eine offene Kommunikationspolitik, welche unter anderem auch
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durch die Veröffentlichung von Restrukturierungsplänen gekennzeichnet ist, Informationsasymmetrien zwischen Eignern und Managern abzubauen. Die Ergebnisse bezüglich des zweiten untersuchten internen Einflussfaktors Unternehmenserfolg zeigen, dass die Manager erfolgreicher Unternehmen eine glaubwürdige Kommunikationspolitik bevorzugen. Auf diese Weise können sie die Attraktivität ihres Unternehmens als Investitionsobjekt zusätzlich unterstreichen. Bei den situativen Einflussfaktoren Branche und Umweltunsicherheit ergab sich eine höhere Wahrscheinlichkeit für Plan-/Ist-Ankündigungen bei Energieversorgungsunternehmen, Banken und Finanzdienstleister sowie bei Unternehmen der Baubranche. Somit konnten unsere Erwartungen, dass Unternehmen aus kapitalintensiven Branchen sich eher für eine glaubwürdige Kommunikation von finanziellen Restrukturierungsereignissen entscheiden, nur teilweise bestätigt werden. F ü r die Vermutung, dass Unternehmen aus oligopolistisch strukturierten oder aus Branchen mit hohen Informationsasymmetrien Plan-Ist-Ankündigungen bevorzugen, konnten wir dagegen keine Hinweise finden. Zwischen Umwelt Unsicherheit und Wahl der Ankündigungsart konnten wir ebenfalls keinen Zusammenhang feststellen. In dem von uns untersuchten Kontext finanzieller Restrukturierungsereignisse scheint die Stabilität der Umwelt keinen Einfluss auf die Wahl der Ankündigungsart zu haben. Schheßlich kontrollierten wir noch, inwieweit im Zeitablauf eine Änderung bei der Wahl der Ankündigungsart festzustellen ist. F ü r die J a h r e 1 9 9 1 1997 bestand eine höhere Wahrscheinlichkeit für Plan-Ist-Ankündigungen. Eine mögliche Erklärung bietet die Einführung der Publizitätsvorschriften nach §15 W p H G . Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Umsetzung der Vorschriften von vielen Unternehmen vorweggenommen wurde.
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Unternehmenskontrolle durch den Kapitalmarkt Hans Hirth, Reno Basner, Axel Cunow, Hans-Markus Callsen-Bracker und Sven Reichardt Technische Universität Berlin, Wilmersdorfer Str. 148, D-10623 Berlin
[email protected] [email protected] cLxel. cunowQtu-berlin. de hans-markus.callsen-brackerQtu-berlin.de sven.reichardtQtu-berlin.de
Gliederung 1
Unternehmenskontrolle und Corporate Governance
247
2
UnternehmenskontroUe und Anreizsetzung
248
3
Verwässerung von Aktionärsrechten
249
3.1 3.2
Ausgangssituation Unsicherheit über die Kosten der Übernahme und den Unternehmenswert nach einer erfolgreichen Übernahme
249 250
4
Interner Großaktionär
250
4.1 4.2 4.3
Ausgangssituation Vergleich der Handlungsalternativen Dividenden als Ersatz für Dilution
251 251 253
5
Risikoteilung
253
5.1
Ausgangssituation
253
5.2
Eigentümerstruktur
254
6
Insiderwissen
256
6.1 6.2
Ausgangsituation Die Interventionsentscheidung
256 257
6.3
Eigentümerstruktur
258
7
Marktliquidität und Informationskosten
259
7.1
Ausgangssituation
259
246
Hans Hirth et al.
7.2
Die Kosten des Monitoring
260
7.3
Die optimale Ausgestaltung des Managementvertrags
260
8
Marktliquidität
262
8.1
Ausgangssituation
262
8.2
Eigentümerstruktur
262
9
EfRzienzvergleich dreier Überwachungsalternativen
264
Ausgangssituation Effizienzvergleich Zielkonflikt zwischen Monitoring und Engagement des Managements 10.1 Ausgangssituation
264 265
10.2 Eigentümerstruktur
268
11
269
9.1 9.2 10
Fazit
Literaturverzeichnis
267 267
269
Unternehmenskontrolle durch den Kapitalmarkt
247
1 Unternehmenskontrolle und Corporate Governance Die Kontrolle eines Unternehmens kann innerhalb und außerhalb des Unternehmens erfolgen. Demzufolge kann zwischen einer internen und einer externen Unternehmenskontrolle unterschieden werden. In Kontinentaleuropa konzentriert sich die aktuelle Diskussion um die Corporate Governance vorwiegend auf die Festlegung von Regelungen, Normen und Vorschriften, die teilweise Gesetzescharakter, teilweise Empfehlungscharakter oder teilweise einen hybriden Charakter, wie z. B. Kodizes, haben. Ein wichtiger, in Deutschland entwickelter Kodex ist der German Code of Corporate Governance (GCCG). Ihm kann man eine Definition für Corporate Governance entnehmen, die das kontinentaleuropäische Verständnis dieses Begriffs widerspiegelt:^ „Corporate Governance bezeichnet den rechtlichen und faktischen Ordnungsrahmen für die Leitung und Überwachung eines Unternehmens." Diese Definition ist sehr weit gefasst, da sie offen lässt, • •
was zum faktischen Ordnungsrahmen zählt (der rechtliche gehört offenbar nicht dazu) und durch wen die Überwachung eines Unternehmens vorgenommen wird.
Die Anglo-Amerikaner akzentuieren dagegen stärker die Bedeutung des Kapitalmarktes. Diese kapitalmarktorientierte Sichtweise lässt sich gut an einer Definition, die von Shleifer und Vishny (1997) stammt, nachvollziehen:^ „Corporate Governance deals with the ways in which suppliers of finance to corporations assure themselves of getting a return on their investment." Im Zusammenhang mit der eindeutigen Kapitalmarktorientierung ist hier also eher die externe Unternehmenskontrolle angesprochen. Genau darum soll es auch im vorliegenden Beitrag gehen. Im Vordergrund steht dabei das Freerider-Problem der Unternehmenskontrolle. Es existiert, da die Kontrolle eines Unternehmens durch einen Kapitalgeber grundsätzlich mit einem positiven externen Effekt auf andere Kapitalgeber des Unternehmens verbunden ist. Kontrollvorteile liegen vor, wenn ein Groj(?aktionär die Unternehmenskontrolle ausübt, da sich so der externe Effekt verringert. Allerdings ist eine geblockte Eigentümerstruktur mit einigen Begleiterscheinungen verbunden. Dazu zählen die inefüziente Risikoallokation, die Herabsenkung der Marktliquidität, mögliche Informationsvorteile des Großaktionärs sowie ein mögliches Minderengagement des Managements, falls die Art der Kontrolle produktive Entscheidungsspielräume einengt. Im Übrigen werden auch alternative Durchsetzungsmöglichkeiten eines Großaktionärs, die nicht die Erlangung des Besitzes der Aktienmehrheit voraussetzen, analysiert. ^ Berliner Initiativkreis German Code of Corporate Governance (2002), S. 4. 2 Shleifer und Vishny (1997) S. 737.
248
Hans Hirth et al.
2 UnternehmenskontroUe u n d Anreizsetzung Schon Coase (1937) betrachtete ein Unternehmen als die Menge aller Vertragsbeziehungen, die im Rahmen des Unternehmens bestehen. Jensen und Meckling (1976) und Fama und Jensen (1983a, b) setzten diese Sichtweise fort. Demnach lassen sich Probleme einer Unternehmung oft auf Probleme bei der Vertragsgestaltung und Anreizsetzung zwischen den Vertragspartner her unterbrechen. Diese Erkenntnisse gelten sowohl für unternehmensinterne als auch unternehmensexterne Beziehungen. Um Letztere geht es hier. Vollständige Verträge zwischen Eigentümern und angestellten Managern könnten für jede denkbare Situation eine Handlung vorschreiben, die das Management dann jeweils auszuführen hat. Wegen der Vielzahl möglicher Situationen sind vollständige Verträge in der Regel nicht praktikabel, so dass beim Management gewisse Freiheitsgrade verbleiben, die es opportunistisch ausnutzen könnte und das so genannte Agency-Problem hervorrufen (zu Anreizverträgen beim Agency-Problem siehe Jensen und Meckling (1976), Fama (1980), Ross (1973), Stiglitz (1975), Mirrlees (1976), Holmström (1979, 1982)). Aber selbst wenn die Anzahl möglicher Situationen hinreichend begrenzt ist, müsste im Nachhinein immer noch kontrolliert werden, welche Situation vorlag und ob sich das Management vertragskonform verhalten hat. Allein der Nachweis dafür, dass eine bestimmte Situation vorgelegen hat, dürfte häufig schwer fallen und zum Agency-Problem führen, dem mit Anreizverträgen zu begegnen ist. Durch Anreizverträge soll das Management veranlasst werden, die Ziele der Eigentümer zu verfolgen. Wenn die Leistung des Managements selbst nicht Vertragsbestandteil sein kann, weil sie ex post nicht beobachtbar oder zumindest nicht vertraglich durchsetzbar ist, müssen sich die Anreize an geeigneten Ersatzgrößen orientieren. Dies ist vor allem dann problematisch, wenn das Management diese Ersatzgrößen auch auf anderem Weg als durch seine Leistung beeinflussen kann. Beispielsweise kann der Manager versucht sein, mit Blick auf seine Entlohnungsvereinbarung Bilanzzahlen zu manipulieren oder gute Nachrichten so lange zurückzuhalten, bis er Kaufoptionen als Vergütungsbestandteile durchgesetzt hat. Letztlich scheinen auch Anreiz vertrage nicht ohne ein Mindestmaß an zusätzlicher Kontrolle auszukommen. Alchian (1950) argumentiert, dass Kapitalkosten schon aus Wettbewerbsgründen minimiert werden müssen und der Markt selbst dafür geeignete Regelungen hervorbringt. Es verbleibt allerdings die Frage, wie solche Regelungen aussehen könnten. Im Folgenden werden einige Ansätze aus der Literatur vorgestellt, die eine unternehmenswertsteigernde Kontrolle des Managements durch große Kapitalgeber analysieren. Dabei wird regelmäßig unterstellt, dass die Eigentümer an der Maximierung ihrer Anteile an einem unverschuldeten Unternehmen interessiert sind.^
Zu den Schwächen dieses Ansatzes siehe Wilhelm (1987) und (2003).
Unternehmenskontrolle durch den Kapitalmarkt
249
3 Verwässerung von Aktionärsrechten 3.1 A u s g a n g s s i t u a t i o n Grossman und Hart (1980) legen in ihrem Modell die folgende Ausgangssituation zugrunde: Das amtierende Management eines im Streubesitz befindlichen Unternehmens leistet schlechte Arbeit und der Aktienkurs ist entsprechend tief. Ein Herausforderer schickt sich an, das Unternehmen gegen den Willen des amtierenden Managements zu übernehmen. Der Unternehmenswert v nach einer Übernahme wäre größer als der vor der Übernahme q, das heißt V > q. Die Übernahme wäre damit eine wohlfahrtsteigernde Marktreaktion im Rahmen des von Manne (1965) so bezeichneten „market for corporate control". Wenn allerdings v allen beteiligten Akteuren bekannt ist, entsteht das folgende Free-Rider-Problem: Kein Kleinaktionär möchte Aktien zu einem Preis P < v an den Herausforderer verkaufen, sondern an der Wertsteigerung {v — q) partizipieren. Die Kleinaktionäre verlangen deshalb einen Preis P = v. Falls die Übernahme selbst noch mit zusätzlichen Kosten K verbunden ist, kommt es überhaupt nicht zur Übernahme. Die Verhinderung künftiger vorteilhafter Übernahmen mindert natürlich bereits ex ante den Unternehmenswert, weil im Falle von Missmanagement das Problem nicht durch eine Übernahme gelöst werden kann. Um also bei einem Börsengang einen möglichst großen Erlös zu erzielen, könnten die Anfangsaktionäre über eine geschickte Ausgestaltung der Unternehmensverfassung dafür sorgen, dass es gegebenenfalls zu einer Übernahme kommen kann. Grossman und Hart (1980) schlagen hierzu die Dilution vor. Damit ist gemeint, dass sich ein Herausforderer nach einer erfolgreichen Übernahme an den verbliebenen Aktionären bereichern darf; ihre Rechte werden „verwässert". Das kann zum Beispiel durch ein überhöhtes Managergehalt oder durch den Verkauf von Aktiva unter dem Marktpreis an den Übernehmer geschehen. Auf diese Weise sinkt der Anreiz zum Free-riding und die Kleinaktionäre verlangen nur noch den Preis P = max{v—$, q), wobei $ den Betrag der „Bereicherung" des Herausforderers angibt. Der Gewinn G des Herausforderers beträgt dann: G = V — max{v — ^^q) — K — min{$, v — q) — K. Eine Übernahme findet also statt, wenn gilt: min{$, V — q) > K. Der Nutzen U des amtierenden Managements soll in diesem Fall UMin = 0 sein. Demgegenüber findet eine Übernahme nicht statt, wenn gilt: min{$, V — q) < K.
250
Hans Hirth et al.
In diesem Fall sei der Nutzen des amtierenden Managements U > 0. Dilution ist also eine freiwillige Transferleistung der Altaktionäre an den Herausforderer im Fall einer erfolgreichen Übernahme. Die Einführung einer Dilution ist vorteilhaft, wenn der ex ante Unternehmenswert dadurch wächst. 3.2 Unsicherheit über die Kosten der Übernahme und den Unternehmenswert nach einer erfolgreichen Übernahme Um zu überprüfen, ob der Unternehmenswert durch die Einführung der Dilution tatsächlich steigt, unterscheiden Grossman und Hart (1980) zahlreiche Fälle. Der allgemeinste Fall ist derjenige, bei dem sowohl Unsicherheit über die Kosten der Übernahme {K = K) als auch über den Wert des Unternehmens nach einer Übernahme {v — v) besteht. Bekannt ist allen Akteuren nur der Unternehmenswert q ohne Übernahmemöglichkeit und die Bedingung, dass V > q gilt. Bei Bewertung unter Risikoneutralität und möglicher Übernahme ergibt sich als Unternehmenswert damit: E{UW) = [1 — pr(^,q)]q + pr(^,q) • E[max{v — ^,q)\min{$, v — q) > K] mit pr(^, q) als Wahrscheinlichkeit einer Übernahme. Der Unternehmenswert setzt sich also aus zwei Termen zusammen. Der Unternehmenswert ohne Übernahmemöglichkeit {q) wird mit der Wahrscheinlichkeit dafür, dass keine Übernahme stattfindet, gewichtet. Mit der Gegenwahrscheinlichkeit wird der erwartete Unternehmenswert bei erfolgreicher Übernahme multipliziert. Selbst wenn man die realistische Annahme zugrunde legt, dass die Übernahmewahrscheinlichkeit pr(
4 Interner Großaktionär Nachdem im vorangegangen Kapitel gezeigt wurde, dass die Möglichkeit einer Firmenübernahme durch einen externen Herausforderer einen positiven Einfluss auf den Unternehmenswert hat, sollen nunmehr Handlungsalternativen
Unternehmenskontrolle durch den Kapitalmarkt
251
eines internen aktiven Großaktionärs untersucht werden, der durch Monitoring und Kontrolle mögliche InefRzienzen des aktuellen Managements aufdecken und diesen entgegensteuern kann. 4.1 Ausgangssituation Ohne weiteres ist nicht davon auszugehen, dass ein vom Großaktionär identifiziertes Verbesserungspotential per se vom amtierenden Management durchgeführt wird. Im Modell von Shleifer und Vishny (1986) stehen dem Großaktionär drei Alternativen zur Durchsetzung der Verbesserung zur Verfügung. Der Großaktionär könnte die zur Erreichung einer qualifizierten Mehrheit fehlenden Unternehmensanteile mittels eines öffentlichen Übernahmeangebots (Tender-ofFer) hinzukaufen. Die Kosten dieser Alternative setzen sich aus der zusätzlich zum aktuellen Aktienkurs zu zahlenden Prämie und fixen Übernahmekosten zusammen. Darüber hinaus könnte der Großaktionär Verbesserungen im Rahmen eines Stimmrechtskampfes (Proxy-fight) durchsetzen. Der Stimmrechtskampf ist dadurch gekennzeichnet, dass der Großaktionär die nötigen Beschlüsse auf der Hauptversammlung und im Aufsichtsrat - im Gegensatz zum Tender-offer - nicht dadurch erreicht, dass er aufgrund einer entsprechenden Ausstattung mit Unternehmensanteilen im Besitz der Stimmenmehrheit ist, sondern dadurch, dass er die anderen Stimmberechtigten von dem Verbesserungspotenzial überzeugt. Hier fallen im Unterschied zum Übernahmeangebot lediglich fixe Kosten an. Schließhch bietet der Jawboning-Mechanismus die letzte Möglichkeit, Unternehmenswertsteigernde Verbesserungen durchzuführen. Hier verbleibt, im Gegensatz zu den bereits besprochenen Alternativen das alte Management in der Unternehmensleitung und die Verbesserungen werden durch informelle Absprachen des Großaktionärs mit dem alten Management von diesem durchgeführt. Dieser Mechanismus wird als kostenlos, aber ineffizient insofern angenommen, als die erreichte Verbesserung aufgrund nötiger Kompromisse kleiner ausfällt. 4.2 Vergleich der Handlungsalternativen Anders als im Modell von Grossman und Hart (1980) ist der Großaktionär bereits im Besitz eines nicht unerheblichen Anteils der betrachteten Unternehmung. Doch mehr als die Hälfte der Anteile befindet sich in Streubesitz. Da auch hier jeder Anteilseigner von den Unternehmenswertsteigerungen profitieren würde, die Kosten dafür aber nur vom Großaktionär getragen werden, entsteht wiederum ein Free-Rider-Problem. Dieses Free-Rider-Problem führt nun jedoch nicht zum Marktversagen. Im Gegensatz zur Situation bei Grossman und Hart (1980) kann hier für den Großaktionär im Rahmen eines Tender-offers auch ein Übernahmepreis für die benötigten Anteile in Höhe des späteren, gesteigerten Unternehmenswertes profitabel sein. Dies liegt daran, dass er bereits aufgrund seiner
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Hans Hirth et al.
Anfangsausstattung von der durchgeführten Wertsteigerung profitiert. Damit sind Shleifer und Vishny (1986) in der Lage, Unternehmensübernahmen durch einen bereits existierenden Großaktionär auch ohne zusätzhche Annahmen über Bewertungsunterschiede oder Dilution zu erklären. Der Großaktionär kann nämUch eine „faire" Übernahmeprämie zahlen, die die verkaufenden Aktionäre für die ihnen entgangene Steigerung des Unternehmenswerts voll entschädigt. Eine Bereicherung auf Kosten der Kleinaktionäre findet daher nicht statt. Der Gewinn des Großaktionärs entspricht dann dem Wertzuwachs seiner Anfangsausstattung abzüglich der fixen Übernahmekosten. Ähnlich setzt sich der Gewinn des Großaktionärs beim (erfolgreichen) Proxy-fight zusammen. Sein Gewinn entspricht dabei dem Wertzuwachs seiner Anfangsausstattung abzüglich der Fixkosten des Proxy-fights. Damit unterscheidet sich der Gewinn des Großaktionärs beim Proxy-fight im Vergleich zum Tender-offer nur durch die Differenz zwischen den Fixkosten einer Übernahme und den Fixkosten eine Proxy-fights. Die Beobachtung zahlreicher Übernahmeversuche mit Hilfe eines Tenderoffers in den letzten Jahren lässt im Rahmen des vorgestellten Modells zumindest für den US-Markt den Schluss zu, dass der Proxy-fight der kostspieligere Mechanismus sei. Lockert man die Annahme, dass beide Mechanismen denselben Zielerreichungsgrad sicherstellen, könnte man die empirisch beobachtbare Vorliebe für ein Tender-offer auch so interpretieren, dass im Rahmen eines Proxy-fights ebenfalls Kompromisse (diesmal gegenüber anderen Aktionären) eingegangen werden müssen. Beim Vergleich von Tender-offer und Jawboning kommen die Autoren zu dem wenig überraschenden Ergebnis, dass der Jawboning Mechanismus vor allem bei hohen fixen Kosten des Tender-offers und geringen Efiizienzverlusten durch das Jawboning genutzt werden würde. Interessant sind allerdings die Einflüsse der Alternativenwahl des Großinvestors auf die Erwartungen der Kleinanleger. Aus der Entscheidung des Großaktionärs für ein öff'entliches Übernahmeangebot und damit gegen informelle Verhandlungen mit dem bestehenden Management schließen die Kleinanleger, dass die Opportunitätskosten in Form der Effizienzverluste erheblich sind. Der Grund hierfür kann jedoch neben einem geringen Effizienzparameter auch eine sehr große, in Aussicht stehende Unternehmenswert Steigerung sein. Dieses Kalkül fließt in die Erwartungen der Kleinaktionäre an eine „faire" Prämie ein und sorgt dafür, dass einerseits - dem Großaktionär schadend - die geforderten Prämien in die Höhe schnellen und andererseits - den Kleinaktionären schadend - effektivere Übernahmeversuche verhindert werden und daher mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit stattfinden. Unter Umständen könnten also beide Gruppen von einer Selbstbindung des Großaktionärs profitieren, nicht mit dem bestehenden Management zu verhandeln.
Unternehmenskontrolle durch den Kapitalmarkt
253
4.3 Dividenden als Ersatz für Dilation Shleifer und Vishny (1986) sehen in der praktizierten Ausschüttungspolitik vieler US-Kapitalgesellschaften eine Subvention aktiver Großaktionäre und einen Ersatz für eine in der Unternehmensverfassung verankerte Dilution. Sie gehen dabei von einer steuerlich motivierten Präferenz der institutionellen (Groß-) Anleger für Ausschüttungen und einer ebenfalls steuerlich begründeten Präferenz der Privatinvestoren für Kursgewinne aus, wie sie in den USA festzustellen war. Die von vielen US-Unternehmen, die mehrheitlich von Kleinanlegern gehalten werden, dennoch gezahlten großzügigen Dividenden können dann als Entschädigung für die kontrollierenden und damit unternehmenswert steigernden Großaktionäre interpretiert werden. Aus Sicht der Kleinanleger lässt sich ein optimales Dividendenniveau ableiten. Dieses ist dadurch gekennzeichnet, dass sich der Grenznutzen aus dem verstärkten Monitoring und die Grenzkosten in Form des Steuernachteils ausgleichen. Dieses Dividendenniveau veranlasst den Großaktionär dazu, im Unternehmen zu verbleiben und damit weiterhin seine wertsteigernde Funktion als Überwacher des Managements wahrzunehmen.
5 Risikoteilung Die Kehrseite der bereits mehrfach nachgewiesenen positiven Effekte einer konzentrierten Eigentümerstruktur ergibt sich aus der mit ihr abnehmenden Diversifikation der Anteilseigner. Zwar wäre eine AUokation, die durch vollständige Diversifikation in Form des Marktportfolios gekennzeichnet ist, unter Risikogesichtspunkten optimal. Ein besonders starkes Monitoring würde allerdings erreicht, wenn jedes Unternehmen einen Alleineigentümer hätte. Ob und inwieweit der Aktienmarkt eine unter Einbezug beider Gesichtspunkte optimale Eigentümerstruktur hervorbringt, beleuchten Admati, Pfleiderer und Zechner (1994) näher. 5.1 Ausgangssituation Die Autoren modellieren einen aus dem CAPM bereits bekannten Markt mit n riskanten Wertpapieren und einer sicheren Anlagemöglichkeit. Angenommen, es gebe einen Großaktionär, der exklusiven Zugriff auf kostenverursachendes Monitoring besitzt, mit dessen Hilfe er die erwarteten Einzahlungen der Unternehmen positiv beeinflussen kann. Der Rest der Anteile wird von unendlich vielen Kleinanlegern gehalten, die aufgrund der vernachlässigbaren Größe ihres jeweiligen Anteils auch gar keinen Anreiz hätten, in Monitoring zu investieren. Während sich die Kleinanleger als Mengenanpasser verhalten, kalkuliert der Großanleger die Kurswirkungen seiner Käufe und Verkäufe ein und handelt in diesem Sinne strategisch.
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Hans Hirth et al.
Es werden drei Perioden betrachtet. Zu Beginn der Periode 1 hält jeder Anleger exogene Anfangsausstattungen an Wertpapieren, wobei diese Anfangsausstattungen nicht negativ sind und damit Leerpositionen ausgeschlossen sind. Während der Periode 1 findet der Handel statt. Anschließend legt der Großaktionär zu Beginn der Periode 2 die jeweilige Monitoringintensität für jedes Unternehmen unter Berücksichtigung seines jeweiligen aktuellen Beteiligungsniveaus fest und führt dieses Monitoring dann durch. In der letzten Periode 3 werden die Rückflüsse der einzelnen Unternehmen realisiert. Die Rückflüsse der einzelnen Unternehmen sind normalverteilt. Der Großaktionär ist mit einer konvexen Kostenfunktion in Bezug auf seine Monitoringaktivitäten in jedem einzelnen Wertpapier konfrontiert. Dabei wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass die Kosten einer bestimmten Monitoringintensität ceteris paribus bei steigendem Beteiligungsniveau sinken - zum Beispiel, weil größere Großaktionäre einen stärkeren Einfluss auf das Management ausüben können. Es wird aber auch der Spezialfall behandelt, dass die Monitoringkosten unabhängig vom jeweiligen Beteiligungsniveau sind (allokationsneutrale Monitoringkosten). 5.2 Eigentümerstruktur Zunächst soll sich der Handel auf eine Runde beschränken, in der jeder Akteur nur einmal kaufen oder verkaufen kann. Dabei signalisiert der Großaktionär allen anderen mit seiner Kauf- oder Verkaufsentscheidung sein endgültiges für die Monitoringentscheidung entscheidendes Beteiligungsniveau. Eine anderweitig bindende Festlegung auf ein bestimmtes Monitoringlevel sei nicht möglich. Die Kleinaktionäre preisen diese Information aufgrund rationaler Erwartungen ein, sodass der Großaktionär wiederum nur anhand seiner Initialanteile, nicht jedoch aufgrund etwaiger zugekaufter Anteile an der Unternehmenswertsteigerung aus verstärktem Monitoringengagement profitieren kann. Die allseits berücksichtigte Fähigkeit eines Großaktionärs, Kontrolle auszuüben, führt nach der Interpretation von Admati, Pfleiderer und Zechner (1994) zu einer Transaktionssteuer für den Großaktionär. Seine Käufe heben den Kurs, seine Verkäufe senken den Kurs. Bevor auf die Gleichgewichtsallokation der Anteile der Groß- und Kleinanleger eingegangen wird, lassen sich zwei Referenzsituationen konstruieren. Die erste Referenzsituation besteht darin, dass der Großaktionär gar keine Möglichkeiten zur Kontrolle hat und sich in diesem Sinne passiv verhält. Da er allerdings unverändert seinen Kurseinfluss einkalkuliert, wären seine optimierten Anteile abhängig von seiner Anfangsaustattung. Die zweite Referenzsituation soll darin bestehen, dass sich auch der Großaktionär als Mengenanpasser verhält. Seine optimierten Anteile wären dann nicht mehr abhängig von seiner Anfangsaustattung, sondern würden sich lediglich nach seiner anteiligen Risikotoleranz richten. Diese Allokation wäre durch effiziente Risikodiversiflkation gekennzeichnet. Wie im CAPM hielten
Unternehmenskontrolle durch den Kapitalmarkt
255
alle Akteure einen Anteil des Marktportfolios, der ihrer persönlichen Risikoeinstellung entspricht. Betrachtet wird nun ein strategisch handelnder, aktiver Großaktionär mit allokationsneutralen Monitoringkosten. Hierbei ergibt sich ein interessantes Ergebnis. Sollte die Verteilung der Anfangsaustattungen von der bei optimaler Risikoallokation abweichen, so wird der Großaktionär, wie auch im Falle des nichtmöglichen Monitoring, in Richtung der risikoeffizienten AUokation streben. Die bei möglichem Monitoring wirkende „Transaktionssteuer" bremst diesen Prozess jedoch, sodass ein aktiver Großaktionär bei gegebener Anfangsausstattung weiter entfernt von der risikoeffizienten AUokation bleibt als ein passiver. Bei nichtallokationsneutralen Monitoringkosten besteht ein zusätzlicher Anreiz, bestehende Positionen auszubauen, da so die Grenzkosten der Überwachung gesenkt werden können. Hier sind keine eindeutigen Aussagen mehr möglich. Zum Beispiel erwirbt ein Großaktionär bei einer Anfangsausstattung, die unter der risikoeffizienten liegt, unter Umständen mehr als denjenigen Anteil, der einer risikoeffizienten AUokation entspräche. Wird nun die Beschränkung von nur einer möglichen Handelsrunde vor der Bestimmung des Monitoringlevels aufgehoben und ist es stattdessen möglich, dass nach jeder Handelsrunde noch eine weitere folgen kann, verliert der strategische Kalkül des Großaktionärs an Bedeutung. Dann ergibt sich unter Umständen, dass unabhängig von der Initialaustattung und der Monitoringtechnologie die risikoeffiziente Gleichgewichtsallokation folgt oder gar kein Gleichgewicht entsteht. Sowohl bei nur einer Handelsrunde als auch bei mehreren Handelsrunden führen die rationalen Erwartungen der Kleinaktionäre über das Monitoring des Großaktionärs dazu, dass der Großaktionär nur anhand seiner Initialanteile, nicht jedoch aufgrund zugekaufter Anteile an der Unternehmenswertsteigerung aus verstärktem Monitoring profitieren kann. Für den Großaktionär könnten jedoch verschiedene MögUchkeiten existieren, sich einen Anteil an der insgesamt zu erzielenden Wohlfahrtssteigerung zu sichern, die in der vorangegangen Modellierung nicht berücksichtigt wurden. Beispielsweise könnte der Großaktionär ein bedingtes öffentliches Übernahmeangebot abgeben. Solange die Wahrscheinlichkeit für jeden Kleinaktionär dafür, dass seine Verkaufsbereitschaft für den Erfolg der Übernahme letztlich ausschlaggebend ist, positiv ist, kann der Großaktionär einen Anteil der Wohlfahrtssteigerung für sich vereinnahmen. Je höher diese Wahrscheinlichkeit ist, desto größer ist der Anteil des Großaktionärs an der Wohlfahrtssteigerung. Eine andere Möglichkeit des Großaktionärs, sich Wohlfahrtsgewinne anzueignen, wäre zum Beispiel der Erwerb von Anteilen eines anderen, jedoch passiven Großaktionärs. Die Monitoringerträge könnten dann beide Großaktionäre unter sich aufteilen. Im Ergebnis ergibt sich jeweils eine Gleichgewichtsallokation, die sich unabhängig von der Anfangsaustattung einstellt, sich von der risikoeffizienten Verteilung unterscheidet, aber die Wohlfahrt maximiert.
256
Hans Hirth et al.
Genaueres kann für den Fall festgestellt werden, in dem nur ein riskantes Wertpapier existiert. Dann ist der vom Großaktionär gehaltene Anteil größer als bei risikoeffizienter Verteilung. Zwar trägt er dann einerseits höhere Risikokosten als bei effizienter Risikoallokation, aber er profitiert andererseits von seiner erhöhten Monitoringaktivität. Im Übrigen betrachten die Autoren die Möglichkeit, dass als Großaktionär auch ein Fonds auftreten kann, in den die Kleinanleger investieren. Alternativ dazu könnten die Kleinanleger aber auch direkt am Markt investieren. Dabei wird unterstellt, dass die Fondslösung den Kleinanlegern hilft, Transaktionskosten einzusparen. Im Ergebnis entsteht ein Zielkonffikt, weil einerseits durch den Fonds Transaktionskosten gespart werden können, andererseits jedoch die Monitoringkosten von den im Fonds aktiven Kleinanlegern getragen werden müssen. Die endogene marktgleichgewichtige Größe eines Fonds ergibt sich dadurch, dass die marginale Transaktionskostenersparnis der Fondsanleger den Grenzkosten für das Monitoring entsprechen müssen.
6 Insiderwissen Der in den vorhergehenden Abschnitten nachgewiesene permanente Anreiz von Großanlegern, in die Kontrolle des aktuellen Managements zu investieren, versetzt die Großaktionäre nicht nur in die Lage, Verbesserungspotenziale zu identifizieren und durchzusetzen, sondern bietet ihnen auch einen entscheidenden Informationsvorteil gegenüber den Kleinanlegern. Die Gewinn bringende Ausnutzung dieses Informationsvorteils untersuchen Kahn und Winton (1998). Dort bietet sich dem Großinvestor zusätzlich zu der Möglichkeit, korrigierend in die Geschäftsabläufe einzugreifen und somit „latent" intervenierend das Unternehmensergebnis zu steigern, auch die Alternative, Unternehmensanteile frühzeitig als Insider an der Börse abzustoßen. Mit der Wahl der zweiten Alternative sehen sich die Kleinanleger neben dem positiv wirkenden externen Effekt einer Intervention allerdings auch mit einem negativen konfrontiert. 6.1 Ausgangsituation Neben den bisher betrachteten Klein- und Großanlegern bezieht dieses Modell auch Market Maker und außenstehende potenzielle Spekulanten in die Untersuchung mit ein. Die Spekulanten können wie der Großanleger bereits vor den Kleinanlegern und Market Makern mit Sicherheit in Erfahrung bringen, ob Geschäfte des betrachteten Unternehmens erfolgreich sein werden oder nicht. Allerdings müssen Spekulanten Informationsbeschaffungskosten entrichten, die für den Großanleger zum Beispiel wegen seiner besonderen Nähe zum Management nicht anfallen. Es werden drei Zeitpunkte betrachtet. Im Zeitpunkt 0 existiert eine Eigentümerstruktur, die wiederum durch einen Großaktionär auf der einen und unendlich viele Kleinaktionäre auf der anderen
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Seite gekennzeichnet ist. Die ex ante Wahrscheinlichkeit für ein erfolgreiches Unternehmensergebnis ist zu diesem Zeitpunkt allen Akteuren bekannt. Im Zeitpunkt 0 müssen sich die potenziellen, noch unbeteiligten Spekulanten entscheiden, ob sie in Informationsbeschaffung investieren und somit auch aktiv am späteren Handel teilnehmen wollen oder nicht. Im Zeitpunkt 1 findet der Aktienhandel statt. Schließlich wird im Zeitpunkt 2 das Unternehmensergebnis allen Beteiligten mit Sicherheit bekannt. Bevor es zum Aktienhandel kommt, erfahren die informierten Akteure, also der Großanleger und die aktiven Spekulanten, zunächst dasjenige Unternehmensergebnis, das sich ohne Intervention mit Sicherheit einstellen würde. Bei in Aussicht stehendem Misserfolg fällt der Großaktionär ebenfalls im Zeitpunkt 1 seine Interventionsentscheidung. Sollte er sich entscheiden zu intervenieren, was mit Kosten verbunden ist, kann er den ansonsten mit Sicherheit eintretenden Misserfolg mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit in einen Erfolg umwandeln. Nach seiner Entscheidung zu intervenieren, können alle informierten Akteure sofort mit Sicherheit abschätzen, ob die Intervention Erfolg hat oder nicht. Erst anschließend kommt es zum Aktienhandel. Der Informationsvorteil der informierten Akteure manifestiert sich also darin, dass diese wissen, ob das Unternehmen mit Sicherheit auf einen Misserfolg oder einen Erfolg zusteuert. Die Kleinanleger und Market Maker kennen dagegen nur die ex ante Wahrscheinlichkeiten. Die Market Maker legen anhand dieser ex ante Wahrscheinlichkeiten und damit unabhängig von der tatsächlichen Angebots- und Nachfragesituation die Brief- und Geldkurse fest, zu denen der Aktienhandel stattfindet. Nachfrage und Angebot auf dem Aktienmarkt entstehen einerseits durch die Möglichkeit von Arbitragegewinnen seitens der Informierten; ihr Spielraum ist allerdings durch eine Budgetbeschränkung begrenzt. Andererseits unterliegen die Kleinaktionäre mit jeweils gleicher Wahrscheinlichkeit positiven oder negativen Liquiditätsschocks, die sie zum Kauf oder Verkauf von Aktien zwingen. Es kann aber auch sein, dass überhaupt kein Liquiditätsschock auftritt. 6.2 Die Interventionsentscheidung Eine Intervention beeinflusst die Gewinne des Großaktionärs zweifach. Der direkte Einfluss einer Intervention auf den Wert der vom Großaktionär gehaltenen Unternehmensanteile ist dabei aufgrund der gesteigerten Erfolgswahrscheinlichkeit immer positiv. Entscheidend ist daher der zweite Einfluss, nämlich der auf die Handelsgewinne. Eine Intervention hat hierauf nur einen positiven Einfluss, wenn damit der Wert der Informationen des Großaktionärs hinsichtlich des Unternehmensergebnisses in Bezug auf die uninformierten Akteure steigt. Da dem Großaktionär das Unternehmensergebnis mit Sicherheit bekannt ist, steigt sein Informationswert mit zunehmender ex ante Varianz des Unternehmensergebnisses bei den uninformierten Händlern, hier den Market Makern. Die Handelsgewinne einer Intervention steigen nur dann, wenn die allen bekannte ex ante Wahrscheinlichkeit eines Erfolgs unter Berücksichtigung
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einer möglichen Intervention kleiner ist als 50%. Grob formuliert bedeutet dies, dass der durch eine Intervention erreichte Anstieg der Erfolgswahrscheinlichkeit für den Großaktionär nur dann auch dessen Handelsgewinne erhöht, wenn die Uninformierten noch mit einem Misserfolg rechnen. Im Anschluss daran untersuchen die Autoren den „ Insiderhandel". Ausgehend von einer Situation, in der zwischenzeitlich kein Handel stattfinden kann, lässt sich ein kritisches Beteiligungsniveau ableiten, ab dem der Großaktionär im Falle eines in Aussicht stehenden Misserfolgs immer intervenieren wird. Liegt seine Anfangsbeteiligung unter diesem Niveau, so interveniert er nicht, weil die Interventionskosten höher wären als die Wertsteigerung seiner Anfangsbeteiligung. Die Fähigkeit, Insiderhandel zu betreiben, löst diese einfache Entscheidungsregel in reinen Strategien auf. Bei Insiderhandel existiert ein neues kritisches Beteiligungsniveau, unterhalb dessen weiterhin mit Sicherheit nicht interveniert werden würde, oberhalb dessen eine Intervention jedoch nur noch mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit durchgeführt wird. Dass die Intervention oberhalb des kritischen Beteiligungsniveaus nicht mehr mit Sicherheit durchgeführt wird, liegt daran, dass Gewinne nicht nur durch eine Werterhöhung der Anfangsbeteiligung, sondern auch über den Kapitalmarkthandel erwirtschaftet werden können. Die kritische Beteiligungsgrenze, oberhalb derer mit einer positiven Wahrscheinlichkeit interveniert wird, kann über oder unter dem kritischen Beteiligungsniveau ohne Insiderhandel liegen. Liegt die ex ante Wahrscheinlichkeit eines Unternehmenserfolgs (ohne Intervention) unter 50%, so ist die kritische Beteiligungsgrenze mit Insiderhandel kleiner als diejenige ohne Insiderhandel und umgekehrt. 6.3 Eigentümerstruktur Aus den obigen Überlegungen geht hervor, dass ein Unternehmen umso mehr wert ist, je größer der Anteil eines Großanlegers ist. Bei einem Börsengang eines Unternehmens wäre es daher für den Emittenten von Vorteil, einen möglichst großen Anteil der Aktien an einen institutionellen Anleger zu verkaufen, da dieser den Unternehmenswert und damit den Emissionserlös steigert. Doch wie verhält es sich, wenn beispielsweise ein außenstehender institutioneller Anleger auf dem Sekundärmarkt große Unternehmensanteile erwerben möchte und dann auch zu einem Insider wird? In diesem Fall berücksichtigen wiederum die verkaufenden Market Maker bzw. die Kleinaktionäre, von denen sich die Market Maker über entsprechende Nachkäufe eindecken müssen, in ihren geforderten Verkaufspreisen den um die potenzielle Intervention gestiegenen Unternehmenswert, sodass der Großaktionär allein aus seiner Interventionsmöglichkeit keinen Gewinn erwarten kann. Allerdings müssen die Kleinaktionäre nun außerdem berücksichtigen, dass sie bei späterem drohendem Liquiditätshandel mit informierten Anlegern (dem
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Großaktionär und den Spekulanten) Verluste erwirtschaften, was den anfänglichen Verkaufspreis drückt. Daraus lässt sich für den Großaktionär Gewinn erzielen.
7 Marktliquidität und Informationskosten 7.1 A u s g a n g s s i t u a t i o n Holmström und Tirole (1993) analysieren den Nutzen und die Kosten der Überwachung des Managements durch den Börsenhandel. Sie betrachten innerhalb ihres 3-periodigen Modells ein börsennotiertes Unternehmen, dessen Anteile von drei risikoneutralen Investorengruppen gehalten werden: • •
•
die Unternehmensgründer, die zu Beginn einen bestimmten Aktienanteil veräußern und ihre restlichen Anteile behalten, die liquiditätsorientierten Anleger, die einen Aktienanteil von den Unternehmensgründern kaufen, aber eher kurzfristig investieren und bei unvorhergesehenen Ereignissen wieder veräußern und ein Spekulant, der durch Beschaffung von Informationen (Monitoring) über den Liquidationswert des Unternehmens und entsprechendes Handeln an der Börse versucht, Spekulationsgewinne zu realisieren.
t = 0
- Gründer und Manager schließen Vertrag, der den Gewinnanteil, Rechte an Kurssteigerungen und Aktien für den Manager regelt - Gründer verkaufen Anteile an liquiditätsorientierte Investoren
t = l
- Manager arbeitet - Gewinn wird realisiert - Manager erhält seinen Gewinnanteil - Rest des Gewinns wird ausgeschüttet - Spekulant und liquiditätsorientierte Investoren handeln Aktien - Aktienkurs wird realisiert
- Unternehmen wird liquidiert - Manager erhält Entlohnung bei Kurssteigerung aus dem Liquidationserlös - Rest wird an alle Aktieninhaber (auch an den Manager) ausgeschüttet
A b b . 1. Handlungsablauf im Modell von Holmström und Tirole (1993)
Die Gründer betrauen einen risikoscheuen Manager mit der Unternehmensführung. Die Abfolge der darauf folgenden Handlungen ist aus A b b . 1 ersichtlich. Zu beachten ist dabei, dass der Manager durch seinen Arbeitseinsatz sowohl den erwarteten Unternehmensgewinn int = 1 als auch den erwarteten
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Liquidationserlös des Unternehmens in t = 2 unabhängig voneinander festlegen kann. Gewinn und Liquidationserlös sind jedoch auch von Umwelteinflüssen abhängig. Da der Einsatz des Managers für ihn mit Kosten verbunden ist und überdies von den Investoren nicht beobachtet werden kann, hat er zunächst den Anreiz, wenig zu arbeiten. Aus diesem Grund wird in ^ = 0 eine Vergütung vereinbart, die neben einem Fixanteil auch Anteile am Gewinn und an Kurssteigerungen in t = 1 sowie am Liquidationserlös in t = 2 beinhaltet. Das Recht an den Kurssteigerungen wird dem Manager gewährt, weil der vom Spekulanten beeinflusste Kurs in t = 1 andere Informationen über den Arbeitseifer des Managers beinhaltet als der Liquidationserlös. 7.2 Die Kosten des Monitoring Holmström und Tirole (1993) untersuchen zunächst die Aktienkurse bei gegebenem Anteil der Unternehmensgründer, Managementvertrag und -einsatz. Sie kommen dabei zu dem Ergebnis, dass die Intensität des Monitoring durch den Spekulanten weder vom Managementvertrag noch vom -einsatz beeinflusst wird. Folglich sind sowohl seine aus der Intensität des Monitoring resultierende Nachfrage als auch der von ihm erwartete Gewinn von diesen Größen unabhängig. Allerdings hängt der Umfang seines Börsenhandels vom Anteil, den die Gründer in t = 0 veräußern, ab, weil dieser für die MarktUquidität maßgeblich ist. Bei höherer Marktliquidität hat der Spekulant einen größeren Anreiz zur Informationsbeschaffung, denn die liquiditätsorientierten Anleger können seine Informationen und sein daraus resultierendes Handeln in diesem Fall weniger gut rekonstruieren. Da sich der Spekulant mehr Informationen beschafft, gehen mit steigender Marktliquidität letztlich mehr Informationen in den Aktienkurs ein. Gleichzeitig steigen die vom Spekulanten zu erwartenden Gewinne. Die Gewinne des Spekulanten können als Kosten für das durch ihn betriebene Monitoring interpretiert werden, die letzten Endes die Unternehmensgründer tragen - und zwar aus folgendem Grund: Der Spekulant handelt zwar mit den liquiditätsorientierten Investoren, so dass seine Gewinne zunächst auf ihre Kosten gehen. Die liquiditätsorientierten Anleger antizipieren jedoch diese Verluste und lassen sich von den Gründern durch einen niedrigeren Aktienpreis in t = 0 entschädigen. Folglich tragen die Unternehmensgründer die gesamten Kosten des Monitoring. Da die Größe des Anteils, der von den liquiditätsorientierten Investoren anfangs gekauft wird, für die Höhe der Marktliquidität maßgeblich ist, können die Unternehmensgründer über die Größe des Aktienpakets, das sie verkaufen, das Ausmaß des Monitoring und die damit verbundenen Kosten steuern. 7.3 Die optimale Ausgestaltung des Managementvertrags Wie bereits erwähnt, hat die Ausgestaltung des Managementvertrags keinen Einfluss auf das Verhalten des Spekulanten. Mithin kann die Analyse, wie
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der Vertrag mit dem Management optimalerweise ausgestaltet werden sollte, ohne Berücksichtigung seines Einflusses auf den Spekulanten erfolgen. Dabei wird in dem Modell der erwartete Gewinn der Unternehmensgründer und des Managers abzüglich seiner Kosten für Arbeitseinsatz und Risiko maximiert. Als kurzfristiges Anreizinstrument beinhaltet der optimale Vertrag eine Beteiligung des Managers am Gewinn. Die optimale Gewinnbeteiligung steigt mit sinkender Unsicherheit über den Gewinn, da der Gewinn in diesem Fall weniger von äußeren Faktoren und mehr vom Einsatz des Managers abhängig ist. Als Anreiz für ein langfristig ausgerichtetes Engagement des Managers sieht der optimale Vertrag eine Vergütung vor, die ihn sowohl am Liquidationserlös des Unternehmens als auch an Aktienkurssteigerungen beteiligt. Auf diese langfristig wirkenden Instrumente ist umso mehr Wert zu legen, je geringer die Unsicherheit über den Liquidationserlös des Unternehmens ist - d. h. je eindeutiger der Liquidationserlös vom Verhalten des Managers abhängt. Im Verhältnis zur Liquidationserlösbeteiligung ist auf Kurssteigerungen ein umso stärkeres Gewicht zu legen, je größer die Unsicherheit über den Liquidationserlös und je höher die Marktliquidität der Aktien ist. Letzteres wird dadurch begründet, dass mit einer höheren Marktliquidität ein stärkeres Monitoring durch den Spekulanten und damit auch ein höherer Informationsgehalt des Aktienkurses einhergeht. Insgesamt müssen kurz- und langfristige Anreizinstrumente bei Änderungen der die Risikokosten des Managers beeinflussenden Faktoren"^ im Gleichlauf nach oben oder unten angepasst werden. Wenn beispielsweise seine Kosten bei den langfristigen Anreizinstrumenten steigen,^ heißt die optimale Reaktion, nicht ausschließlich die langfristigen, sondern auch die kurzfristigen Anreize zu kürzen. Denn Letztere sind Opportunitätskosten für das langfristig ausgerichtete Engagement des Managers. Es kann festgehalten werden, dass die Größe des Anteils, den die Unternehmensgründer anfangs veräußern, das Ausmaß des Monitoring durch den Spekulanten über ihren Einfluss auf die Marktliquidität positiv beeinflusst. Der daraus resultierende höhere Informationsgehalt des Aktienkurses ermöglicht es, einen wirksameren Anreizvertrag mit dem Manager auszugestalten. Da das Monitoring jedoch auch mit Kosten verbunden ist, wird es für die Gründer optimal sein, nicht alle Aktien in die Hände der liquiditätsorientierten Investoren zu legen. Es gilt, den positiven Einfluss der Marktliquidität auf den Liquidationserlös aufgrund eines verbesserten Anreizvertrags gegen den negativen Einfluss auf den Aktienkurs in ^ = 0 abzuwägen.
^ Das sind z. B. seine Risikoaversion, die Varianzen des Gewinns und des Liquidationserlöses. ^ Dies ist z. B. der Fall, wenn die Varianz des Liquidationserlöses steigt.
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8 Marktliquidität Bolton und v. Thadden (1998) stellen die durch Streubesitz bedingten Liquiditätsvorteile den Nutzenvorteilen, die aus einer effizienten Kontrolle der Unternehmensführung durch Großaktionäre resultieren, gegenüber. Eine optimale Eigentümerstruktur zeichnet sich dadurch aus, dass sie diesen Zielkonffikt effizient löst. 8.1 Ausgangssituation Betrachtet werden drei Zeitpunkte. Im Zeitpunkt t = 0 wird das Unternehmen von den Altaktionären verkauft. Die bei diesem Verkauf entstehende Eigentümerstruktur ist Gegenstand der Analyse. Entweder wird das Unternehmen an viele Kleinaktionäre verkauft, so dass es sich im Streubesitz befindet, oder es entsteht eine geblockte Eigentümerstruktur. Im Zeitpunkt t = 1 tritt unter der Führung des aktuellen Managements entweder ein guter oder ein schlechter Umweltzustand ein. Beim guten Zustand wird sowohl in ^ = 1 als auch in t = 2 ein hoher Unternehmenswert realisiert. Das kontrollierende Eingreifen der Unternehmenseigentümer ist in diesem Fall nicht notwendig und würde keine Unternehmenswertsteigerung bewirken. Im schlechten Zustand hingegen ist der Wert der Unternehmung aufgrund schwer wiegender Managementfehler zunächst in t — 1 sehr niedrig. Nur eine Intervention seitens der Anteilseigner sorgt dafür, dass in t = 2 der Unternehmenswert wieder steigt.^ Bleibt die Kontrolle durch die Eigentümer im schlechten Zustand aus, arbeitet das aktuelle Management so weiter wie zuvor, ohne den Wert der Unternehmung zu steigern. Die Kontrolle des Managements ist mit Kosten verbunden, die der eingreifende Aktionär vollständig alleine tragen muss. Aus diesem Grund lohnt sich eine Intervention für ihn nur dann, wenn die Wert Steigerung seiner Anteile mindestens die Kontrollkosten aufwiegt. 8.2 Eigenttimerstruktur Es werden die beiden Alternativen „anfänglicher Streubesitz" und „anfängliche geblockte Eigentümerstruktur" miteinander verglichen. Befinden sich die Aktien in t = 0 nach dem Verkauf durch die Altaktionäre im Streubesitz, so muss im schlechten Zustand mindestens ein Investor so viele Aktien aufkaufen, dass er korrigierend in die Unternehmensleitung eingreifen und die nötige wertsteigernde Reorganisation mindestens kostenneutral durchführen kann. Um den Zielkonfiikt zwischen Marktliquidität und Kontrolle analysieren zu können, wird der Liquiditätsbedarf der Aktionäre modelliert. Jeder Investor möchte int = 1 mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit konsumieren. Dann ^ Eine Intervention der Anteilseigner soll sich mit Sicherheit auf den Unternehmenswert auswirken.
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müsste er seine Aktien in diesem Zeitpunkt verkaufen. Anteilseigner mit einem Liquiditätsbedarf in t = 1 werden „ungeduldig" genannt. Die anderen „geduldigen" Aktionäre konsumieren erst in t = 2 und müssen folglich ihre Aktien im Zeitpunkt t = 1 noch nicht verkaufen. Sollte bereits beim Verkauf durch die Altaktionäre eine geblockte Eigentümerstruktur entstanden sein, so wird sie bei Eintritt des schlechten Zustandes (und nur der ist hinsichtlich einer Analyse der Unternehmenskontrolle interessant) bis t = 2 überdauern. Hinter dieser Annahme steckt folgende Überlegung: Sollte der Großaktionär beschließen, seine Aktien zwischenzeitlich an mehrere Aktionäre zu verkaufen, so soll sich dies bei unterstelltem nicht-anonymen Aktienhandel sofort im Preis widerspiegeln. Es kommt zu einem Preissturz, der den Verkauf unattraktiv macht und somit den Großaktionär veranlasst, sein Aktienpaket zu behalten.^ Es besteht außerdem die Möglichkeit, das Aktienpaket ohne Verlust an einen einzigen anderen geduldigen Aktionär im Block zu verkaufen. In beiden Fällen bleibt die geblockte Eigentümer struktur bestehen. Bolton und v. Thadden (1998) messen die Marktliquidität an der Anzahl der Aktionäre. Die höchste Liquidität wird erreicht, wenn jeder Aktionär genau eine Aktie besitzt. Allerdings ist dieses Liquiditätsmaß kritisch zu sehen, da zum Beispiel eine Halbierung der Anzahl der Kleinaktionäre mit einer Verdoppelung des Anteils jedes Kleinaktionärs einhergehen könnte. Warum die Liquidität dann sinken sollte, ist nicht einzusehen. Akzeptiert man das verwendete Liquiditätsmaß, so geht die Bildung eines großen Kontroll-Aktienpaketes mit einer Reduzierung der Liquidität einher. Somit herrscht ein Zielkonflikt zwischen Marktliquidität und Unternehmenskontrolle. Zunächst wird der Fall betrachtet, dass im Zeitpunkt t = 0 bereits eine geblockte Eigentümerstruktur vorliegt. Diese Struktur würde, wie oben bereits argumentiert wurde, bis t = 2 überdauern. Der maximale ex ante Unternehmenswert ergibt sich, wenn es genau einen Großaktionär gibt, der gerade so viele Aktien besitzt, dass deren Wertsteigerung bei Intervention im schlechten Zustand die Kontrollkosten des Managements aufwiegt.^ Dies ist plausibel, da die Entscheidung zur Reorganisation von einem Großaktionär alleine getroffen werden kann. Weitere Großinvestoren würden nur die Liquidität reduzieren. Auch würde die Effizienz nicht durch einen größeren Aktienbesitz des Großaktionärs erhöht werden, da dies ebenfalls mit einer niedrigeren Liquidität der Aktie verbunden wäre, ohne dass die Kontrollwahrscheinlichkeit stiege. Für den Fall, dass das Unternehmen in t = 0 an viele Kleinaktionäre verkauft worden ist, kann das Trittbrettfahren der geduldigen Kleinaktionäre verhindern, dass es einem geduldigen Investor in t = 1 möglich ist, einen ^ Der beschriebene Wirkungsmechanismus ähnelt dem Mechanismus, den Admati, Pfleiderer und Zechner (1994) als „Transaktionssteuer" beschreiben. ^ Diese Argumentation unterscheidet sich von Admati, Pfleiderer und Zechner (1994) dadurch, dass die Größe des Aktienpaketes keinen positiven Einfluss auf die Wirkung der Intervention durch den Blockeigentümer hat.
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effizienten Kontrollblock aufzukaufen. Die geduldigen Kleinaktionäre sind nur bereit, ihre Aktien zu dem Wert zu verkaufen, der sich nach erfolgreicher Reorganisation ergibt. Würde jedoch der angehende Großaktionär die Aktien zu diesem Preis kaufen müssen, so wäre er nicht mehr in der Lage, die von ihm zu tragenden Kontrollkosten durch Wertsteigerung des eigenen Aktienpaketes decken zu können. Je mehr ungeduldige Aktionäre aufgrund ihres Konsumwunsches in t — 1 verkaufen wollen, umso einfacher wird es für den angehenden Großaktionär, ausreichend viele Aktien aufzukaufen, um seine Kontrollkosten decken zu können. Es existiert ein kritischer Wert für den Aktienanteil, den ungeduldige Aktionäre halten. Beim Überschreiten dieses kritischen Wertes ist der anfängliche Streubesitz optimal, da es genügend ungeduldige Aktionäre gibt, die in t = 1 ihre Anteile verkaufen wollen, so dass gegebenenfalls ein Großaktionär genügend Aktien ausreichend preiswert erwerben kann, um die Unternehmenspolitik zu verändern. Das Trittbrettfahrerproblem der geduldigen Aktionäre spielt dann keine Rolle mehr. Wären jedoch alle Aktionäre ungeduldig, so käme es zu keiner wertsteigernden Anteilskonzentration, da kein Aktienbesitzer auf die Wertsteigerung bis t = 2 warten möchte. Liegt der Aktienanteil der ungeduldigen Aktionäre unterhalb des kritischen Wertes, so ist die geblockte Eigentümerstruktur mit genau einem Großaktionär, der nur so viele Aktien besitzt, dass er gerade seine Kontrollkosten durch die Wert Steigerung seines Aktienpakets deckt, optimal. Zusammenfassend wird die Vorteilhaftigkeit des Streubesitzes positiv beeinflusst von einem höheren Aktienanteil, der von ungeduldigen Anlegern gehalten wird, von höheren Wertsteigerungsmöglichkeiten durch Intervention sowie von höheren Transaktionskosten auf dem Sekundärmarkt. Bolton und V. Thadden (1998) betonen, dass der Streubesitz zum Beispiel gerade dann vorteilhaft wird, wenn die gesetzlichen Rahmenbedingungen Übernahmen als Mittel zur Erlangung der Unternehmenskontrolle erleichtern. Die durchgängig geblockte Eigentümerstruktur wird dagegen umso attraktiver, je höher die Interventionskosten sind, also je mehr Aktien mindestens von dem eingreifenden Großaktionär gehalten werden müssen, um kostendeckend zu agieren.
9 Effizienzvergleich dreier Überwachungsalternativen 9.1 Ausgangssituation Bebchuk und Hart (2001) vergleichen drei Überwachungsalternativen miteinander: das feindliche Übernahmeangebot, die Kampfabstimmung auf der Hauptversammlung (Proxy-fight) und schheßlich eine Kombination aus beiden Ansätzen - der so genannte „Voting-on-acquisition-offer" (VAO).^ Bei diesem ^ Das feindliche Übernahmeangebot und der Proxy-fight wurden bereits bei Shleifer und Vishny (1996) und Großmann und Hart (1987) diskutiert.
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kombinierten Verfahren wird über das Übernahmeangebot auf der Hauptversammlung entschieden. Entscheidet sich die Mehrheit für den Verkauf ihrer Anteile, sind alle Aktionäre gezwungen, ihre Aktien an den Bieter zum gebotenen Preis zu verkaufen. Im umgekehrten Fall, also falls auf der Hauptversammlung das Gebot mehrheitlich abgelehnt wird, darf der Bieter nicht weiter mit seinem Übernahme versuch fortfahren. Gerade bei großen Unternehmen, die sich im Streubesitz befinden, treten bei den beiden ersten Mechanismen zur Unternehmenskontrolle Fehlanreize auf, die durch das kombinierte Verfahren vermieden werden können. 9.2 Effizienz vergleich Zunächst ist ein möglicher Interessenkonflikt zwischen dem Bieter und den übrigen Aktionären festzustellen. Und zwar könnte der Herausforderer weniger an den künftigen Cash Flows des Übernahmekandidaten interessiert sein, sondern mehr an „privaten Vorteilen", weil er z.B. nur für sich selbst Synergieeffekte realisiert oder einen Konkurrenten ausschaltet. Beides würde jedoch nicht den Wert der Aktien des übernommenen Unternehmens erhöhen. Ganzheitlich betrachtet, wäre ein Wechsel des Managements dann effizient, wenn die Geschäftspolitik der neuen Führung zu einer Maximierung der Summe aus Cash Flow und privaten Vorteilen führt. Sowohl der Proxy-fight als auch das Übernahmeangebot können vor diesem Hintergrund, wie im Weiteren gezeigt wird, zu gesamtwirtschaftlich ineffizienten Resultaten führen. Beim Proxy-fight kann ein effizienter Managementwechsel scheitern, falls die Kleinanleger nicht wissen, wie sich die zukünftigen Cash Flows unter neuer Führung entwickeln werden. Daher werden sie seine Kompetenz mit Hilfe des durchschnittlichen Kompetenzniveaus der am Markt vorhandenen Manager schätzen. Bebchuk und Hart (2001) nehmen in ihrer Analyse an, dass dieser Durchschnitt zumeist niedriger als das Kompetenzniveau des aktuellen Managements ist, so dass sich bei Proxy-fights die uninformierten Anleger regelmäßig für das aktuelle Management entscheiden. Ein eigentlich effizienter Wechsel kommt nicht zustande. Dem beschriebenen Problem kann mit drei verschiedenen Ansätzen begegnet werden: 1. Der Herausforderer könnte einen klaren Handlungsplan mit wertsteigernden Maßnahmen vorlegen, sodass den Aktionären die Vorteilhaftigkeit eines Führungswechsels klar werden würde. 2. Eine weitere MögHchkeit, um den Kleinaktionären glaubhaft zu signalisieren, dass der Herausforderer in der Lage ist, den Unternehmenswert zu steigern, besteht darin, dass er einen genügend großen Anteil der Aktien des Unternehmens hält. Denn dann würde ihn eine Reduzierung des Unternehmenswertes im Falle seiner Wahl zu einem gewissen Anteil selbst treffen. Das Signal wird unglaubwürdiger, sobald der Herausforderer private Vorteile realisieren kann. Sie könnten sogar so groß sein, dass sie einen
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möglichen Wert Verlust der gehaltenen Anteile überkompensierten. In diesem Fall kann durch eine Beteiligung nicht mehr glaubhaft eine zukünftige Wertsteigerung durch den Herausforderer signalisiert werden, bzw. der für ein glaubwürdiges Signal nötige Aktienanteil würde möglicherweise so groß werden, dass der Herausforderer aufgrund seiner Stimmrechte das amtierende Management direkt ersetzten könnte, so dass das Signal nicht mehr notwendig wäre. 3. Am Einfachsten lässt sich das Informationsproblem lösen, indem der Herausforderer ein Kaufgebot für das Unternehmen abgibt. Um die Anteilseigner zu überzeugen, dass ein Wechsel der Unternehmensführung in ihrem Interesse ist, muss nun keine Überzeugungsarbeit mit Hilfe von Signalen geleistet werden. Die Aktionäre sind in der Lage, mit Hilfe der Höhe des Kaufangebots und ihrer persönlichen Schätzung bezüglich der Wertentwicklung des Unternehmens eine effiziente Entscheidung zu treffen. Reine Übernahmeangebote sind jedoch mit zwei Kernproblemen verknüpft: 1. Beim Trittbrettfahrerproblem wird ein eigentlich effizienter Verkauf verhindert, weil alle Aktionäre erwarten, dass ihre Aktien nach geglückter Übernahme mehr als die für sie gebotenene Summe wert sein werden. Da alle Aktionäre die gleiche Überlegung anstellen und deshalb ihre Aktien nicht verkaufen, wird ein eigentlich effizienter Austausch der Unternehmensleitung unterbunden. 2. Beim Verlustminimierungsproblem (Pressure-to-tender-Problem) wird für die Aktien ein Preis geboten, der über dem Wert der Aktien bei erfolgreicher Übernahme aber unter dem Fortführungswert mit dem aktuellen Management liegt. Jeder einzelne rational handelnde Kleinaktionär entscheidet sich aus Angst, dass es zu einem Verkauf kommen könnte, seine Aktien zu verkaufen, um den eigenen möglichen Verlust bei Übernahme zu minimieren. Da alle Kleinaktionäre aufgrund des gleichen Kalküls agieren, kann es zu einem gesamtwirtschaftlich ineffizienten Verkauf kommen. Der VAO-Mechanismus beugt diesen beiden Problemen vor, so dass die weiter oben beschriebenen positiven Auswirkungen der Unternehmenskontrolle mit Hilfe von Übernahmeangeboten voll zum Tragen kommen. Kein Aktionär sieht sich bei dieser Vorgehensweise gezwungen, einem nicht effizienten Kaufangebot aus der Angst heraus zuzustimmen, dass die eigenen Aktien nach geglückter Übernahme weniger als im Zuge des gebotenen Übernahmepreises wert sein könnten. Er stimmt einfach auf der vorgeschalteten Abstimmung aller Anteilseigner gegen den Verkauf. Sollte sich dennoch eine Mehrheit für den Verkauf finden, muss er trotzdem verkaufen, was dann aber auch in seinem Interesse liegt. Dadurch, dass entweder alle verkaufen oder keiner, besteht für den einzelnen Aktionär nicht mehr die Möglichkeit des Trittbrettfahrens. Bebchuk und Hart (2001) empfehlen deshalb, den VAO-Mechanismus gesetzlich vorzuschreiben.
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10 Zielkonflikt zwischen Monitoring u n d Engagement des M a n a g e m e n t s Burkart, Gromb und Panunzi (1997) prüfen die Vor- und Nachteile der Kontrolle (Monitoring) des Managements durch einen Großaktionär. Auf der einen Seite ist es vorteilhaft, wenn der Handlungsspielraum des Managements überwacht und eingegrenzt wird. Auf der anderen Seite kann eine solche Eingrenzung hemmend auf das Engagement des Managements wirken - hier bei der Suche nach einem geeigneten Investitionsprojekt. Folglich besteht zwischen dem Vorteil eines intensiven Monitoring und dem eines höheren Engagements des Managements ein Zielkonflikt. 10.1 Ausgangssituation Ein Großaktionär hält einen bestimmten Aktienanteil des betrachteten Unternehmens; der Rest der Aktien befindet sich in Streubesitz. Der Manager, der das Unternehmen im Auftrag der Aktionäre führt, soll aus einer Vielzahl von Projekten eines auswählen. Es gibt aber nur zwei vorteilhafte Projekte, die positive Rückflüsse erwarten lassen. Das eine vorteilhafte Projekt erwirtschaftet den Aktionären mit Sicherheit den positiven Rückfluss U und dem Manager den Rückfluss b mit der Wahrscheinlichkeit A. Aus dem anderen erhält der Manager b mit Sicherheit und die Aktionäre 77 nur mit der Wahrscheinlichkeit A.-^^ Offensichtlich bevorzugen die Aktionäre das erste Projekt und der Manager das zweite. Die restlichen Projekte verursachen sowohl beim Manager als auch bei den Aktionären negative Rückflüsse. Im Zeitpunkt t = 1 wählt der Manager einen nicht beobachtbaren Arbeitseinsatz. Je größer sein Arbeitseinsatz ist, desto höher sind einerseits seine Kosten und desto höher ist andererseits die Wahrscheinlichkeit, dass er in t = 2 die beiden vorteilhaften Projekte aus der Vielzahl der Projekte identifizieren kann. In t = 1 hat außerdem der Großaktionär^^ die Möglichkeit zum Monitoring, das ihm ermöglicht, int = 2 auf den Wissensstand des Managers zu gelangen. Auch hier gilt: Je höher der Einsatz, desto höher die Kosten und desto höher die Wahrscheinlichkeit, das Wissen des Managers zu erfahren. Entscheidend ist, dass der Großaktionär höchstens soviel wissen kann wie der Manager. Int = 2 kann ein Projekt ausgewählt werden, und in t = 3 werden die Projektrückflüsse realisiert. Für die Projektwahl int = 2 sind drei Fälle denkbar. Erstens, wenn Manager und Aktionäre uninformiert sind, führen sie keines der Projekte durch, da eine Zufallsauswahl einen negativen erwarteten Rückfluss bedeutet. Zweitens, wenn der Manager und der Großaktionär über alle ^^ Die Abbildung bei Burkart, Gromb und Panunzi (1997) auf S. 697 beinhaltet einen Fehler. Bei Projekt N muss es nicht {0,0}, sondern {U^b} heißen. ^^ Auch hier ist Monitoring durch die Kleinaktionäre möglich; aufgrund der Kosten kommt es aber zum Trittbrett fahrerverhalten.
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Projektrückflüsse informiert sind, wird der Großaktionär den Manager dazu bewegen, das Projekt zu wählen, das den Aktionären den sicheren Rückfluss 77 erwirtschaftet. Drittens, wenn nur der Manager informiert ist, werden ihm die Aktionäre die Entscheidung überlassen, obwohl sie wissen, dass er das Projekt wählt, das nur ihm einen sicheren positiven Rückfluss bringt. Immerhin hat das von ihm gewählte Projekt für sie einen positiven Erwartungswert. Dem Management wird also ein gewisser Handlungsspielraum zugestanden: Obwohl die Aktionäre das Kontrollrecht haben, überlassen sie die Entscheidung dem Manager. Er besitzt im dritten Fall die tatsächliche Kontrolle. An dieser Stelle ist bedeutsam, dass die Aktionäre nicht beobachten können, ob ein Rückfluss b an den Manager geflossen ist oder nicht. Denn ansonsten könnte man dem Manager eine Strafe androhen, für den Fall, dass er b erhält und die Aktionäre leer ausgehen. 10.2 E i g e n t ü m e r s t r u k t u r Es wird nun der Emissionserlös^^ betrachtet, den der Unternehmensgründer erwarten kann, wenn er vor dem Zeitpunkt t = 1 alle Aktien verkauft und dabei den Streubesitzanteil festlegt. Es wird von Burkart, Qrornb und Panunzi (1997) gezeigt, dass ein geringerer Streubesitzanteil eine größere Kontrollanstrengung durch den Großaktionär impliziert. Dies hat zwei gegenläufige EflFekte auf den Emissionserlös: 1. Durch den höheren Kontrollaufwand steigt die Wahrscheinlichkeit, dass das von den Aktionären bevorzugte Projekt realisiert wird. Infolge dieses Effekts („control effect") steigt der Emissionserlös mit wachsendem Aktienpaket des Großaktionärs. 2. Die stärkere Kontrolle hemmt die Aktivität des Managers, da die Wahrscheinlichkeit sinkt, dass er das von ihm bevorzugte Projekt auswählen kann. Mit geringerer Aktivität des Managers sinkt gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit, dass überhaupt ein Projekt mit positivem Erwartungswert gewählt werden kann. Infolge dieses Effekts („initiative effect") sinkt der Emissionserlös mit wachsendem Aktienpaket des Großaktionärs. Durch diese beiden gegenläufigen Effekte verhält sich der Emissionserlös in Abhängigkeit von der Eigentümerstruktur nicht monoton. Vielmehr wird er maximal, wenn das Aktienpaket, das durch den Großaktionär gehalten wird, eine bestimmte Größe aufweist.-^^ Durch die Wahl der Eigentümerstruktur können also die Kontrolle und die Aktivität des Managements optimal eingestellt werden. Mit anderen Worten: Die Eigentümerstruktur ist ein geeignetes Instrument, um den Zielkonflikt zwischen Kontrolle und Aktivität zu lösen. •^^ Der Emissionserlös ergibt sich aus den erwarteten Rückflüssen aller Aktionäre abzüglich der Kontrollkosten. ^^ Dies steht in Einklang mit den Ergebnissen von Bolton und v. Thadden (1998) und im Widerspruch zu Kahn und Winton (1998).
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Die Größe des für den Emittenten optimalen Aktienpakets des Großaktionärs hängt von den Rückflussgrößen 11 und h ab. Ein größerer Rückfluss an die Aktionäre 77 vergrößert den Anreiz des Großaktionärs zum Monitoring, wodurch die Aktivität des Managers abnimmt. Ein höherer Rückfluss an den Manager h erhöht die Opportunitätskosten des Managements im Falle eines Eingreifens durch den Großaktionär, dessen Kontrollanreiz mit h ebenfalls steigt. Denn mit steigendem h steigen die Anstrengungen des Managers und damit die Wahrscheinlichkeit, dass er informiert ist. Also steigt auch der Anreiz des Großaktionärs, auf den Wissensstand des Managers zu kommen. In beiden Fällen - bei steigendem U und bei steigendem h - wird bei gegebener Eigentümerstruktur die Kontrolle stärker und die Bemühungen des Managers schwächer. Ein maximaler Emissionserlös wird dann dadurch wieder erreicht, dass der Anteil des Großinvestors gesenkt wird.
11 Fazit Im Beitrag werden ausgewählte Literaturbeiträge zur Unternehmenskontrolle durch den Kapitalmarkt vorgestellt. Wegen des Free-Rider-Problems bei stark gestreuter Eigentümerstruktur steht immer wieder die Existenz eines Großaktionärs im Mittelpunkt der Analysen. Seine Existenz ist wiederum mit einigen Nebenwirkungen für die Risikoallokation, die Generierung von Informationen und die Liquidität auf dem Kapitalmarkt verbunden. Vor dem Hintergrund des Kapitalmarkts lässt sich deshalb keineswegs empfehlen, dass Unternehmen möglichst nur einen Eigentümer haben sollten. Insbesondere kann die Kontrolle des Managements durch die Eigentümer unter Umständen zu Fehlanreizen für das Management führen.
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Marktwertmaximierung im Rahmen von Kapitalerhöhungen bei ineffizientem Kapitalmarkt Peter Nippel Christian-Abrechts-Universität zu Kiel, Institut für Betriebswirtschaftslehre, Lehrstuhl für Finanz Wirtschaft, Olshausenstraße 40, D-24098 Kiel peter.nippelQbwl.uni-kiel.de
Gliederung 1
Einführung
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2
Die Bedeutung von Fehlbewertungen bei alternativen Emissionsdesigns
274
2.1 2.2
Ausgangsüberlegungen Modellanalyse
274 275
3
Modellerweiterung: Erwartungsrevision und Kreditaufnahme als Finanzierungsalternative
281
3.1 3.2 3.3 3.4
Der Fall ohne Erwartungsrevision Unvollständige Erwartungsrevision Overoptimism Grenzen der Ausnutzung einer Überbewertung
281 282 284 286
4
Zusammenfassung
287
Literaturverzeichnis
288
272
Peter Nippel
1 Einführung In der Finanzierungstheorie gilt die Marktwertmaximierung unter bestimmten idealen Bedingungen als einzig sinnvolle und objektive Zielsetzung.-^ Eine Unternehmensleitung, die den Marktwert der Unternehmung maximiert, steigert das Vermögen der Kapitalgeber. Somit steigt auch deren Nutzen, selbst wenn ihnen die evtl. Änderung der Rendite-Risiko-Position aufgrund der von der Unternehmensleitung ergriffenen Maßnahmen nicht zusagt. Dies spielt keine Rolle, sofern die Kapitalgeber die Auswirkungen der unternehmerischen Entscheidungen durch private Transaktionen am Kapitalmarkt neutralisieren können. Schließlich steht es ihnen frei, ihre Finanzierungstitel zum gestiegenen Marktwert zu veräußern und den Erlös wieder in Anlagemöglichkeiten mit genehmer Rendite-Risiko-Struktur zu investieren.^ An der grundsätzlichen^ Sinnhaftigkeit des Marktwertkriteriums ändert sich auch unter dem Paradigma der neueren informationsökonomischen Finanzierungstheorie nichts. Manager von Unternehmen sollten auch (oder gerade) dann den Marktwert maximieren, wenn sie einen Informationsvorsprung vor externen Kapitalgebern haben. Der Informationsvorsprung als solcher ist nicht das Problem, sondern die Tatsache, dass dieser opportunistisch ausgenutzt werden kann. Die klassische Marktwertmaximierung ist jedoch selbst als normative Zielsetzung zu überdenken, wenn man die Annahme informationseffizienter Märkte aufgibt und Manager einen Informationsvorsprung hinsichtlich des „wahren" Unternehmenswertes haben können. Wenn der aktuelle Preis, zu dem Finanzierungstitel der Unternehmung gehandelt werden, aus Sicht des tatsächlich oder auch nur vermeintlich besser informierten Managements zu hoch oder zu niedrig ist, kann versucht werden, diese Fehlbewertung durch entsprechende Transaktionen auszunutzen. Dies kann jedoch nur insoweit gelingen, wie sich Marktpreise nicht unmittelbar im Anschluss an die Ankündigung der Transaktionen und noch vor deren Abschluss vollständig anpassen und damit dann die Informationen des Managements widerspiegeln.^ Nur dann können überbewertete Finanzierungstitel verkauft oder unterbewertete Titel gekauft werden. Solche Transaktionen zur Ausnutzung von Fehlbewertungen steigern jedoch nicht unbedingt den aktuellen Marktwert der Unternehmung. Sie dienen vielmehr dazu, die zukünftige Vermögensposition eines Teils der Kapitalgeber, so wie sie sich nach einem Ausgleich der Fehlbewertung am Kapitalmarkt dar1 Vgl. Wilhelm, 1983. ^ Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die Spanning Property erfüllt ist, vgl. Wilhelm, 1983, S. 529. ^ Siehe jedoch die Bemerkungen bei Wilhelm, 1991, S. 178 ff. ^ Es darf also nicht zu einem Signaling kommen, im Rahmen dessen die weniger gut informierten Kapitalmarktteilnehmer aus den Entscheidungen der Unternehmensleitung eindeutig auf deren Informationen zurückschließen können. Solche Signaling-Modelle kommentiert schon Wilhelm, 1991, S. 182, kritisch.
Kapitalerhöhungen
273
stellt, zu steigern. Von einem Verkauf überbewerteter Finanzierungstitel oder einem Kauf unterbewerteter Titel durch eine Unternehmung profitieren die bisherigen, an der Transaktion unbeteiligten, „langfristig" engagierten Kapitalgeber. Ein nahe liegender Anwendungsfall für diese Überlegung sind Kapitalerhöhungen. Wenn es aufgrund einer „zu hohen" Marktbewertung gelingt, überbewertete neue Aktien zu emittieren, profitieren die langfristig engagierten „passiven" Altaktionäre. Sofern die „zu hohe" Marktbewertung langfristig revidiert wird, ist deren Anteil an der Unternehmung nämlich mehr wert als ohne die Kapitalerhöhung (es sei denn, dass mit dem zusätzlichen Kapital sehr unvorteilhafte Projekte finanziert werden). Der Aspekt der Ausnutzung von Fehlbewertungen, und damit von Marktinefiizienzen durch Kapitalerhöhungen ist Gegenstand dieses Beitrags. Konkret wird untersucht, welche Unterschiede sich in dieser Hinsicht zwischen Kapitalerhöhungen mit oder ohne Bezugsrecht ergeben. Vor allem sollen jedoch die Bedingungen, unter denen eine bestehende Überbewertung im Rahmen einer Kapitalerhöhung ausgenutzt werden kann, genauer untersucht werden. Der Analyse-Rahmen gleicht im Wesentlichen dem des viel zitierten Aufsatz von Myers/Majluf (1984). Dort wird gezeigt, dass im Gleichgewicht niemals eine Kapitalerhöhung durchgeführt wird, wenn auch eine alternative Kapitalbeschaffung (insbes. eine Kreditaufnahme) möglich ist.^ Jenes Ergebnis basiert auf der impliziten Unterstellung sehr weitgehender Rationalität der Kapitalmarktteilnehmer. Hier wird von dieser Annahme abgewichen und somit der Weg zu einer Theorie der Kapitalerhöhung bei ineffizientem Kapitalmarkt und nicht vollständig rationalen Marktteilnehmern eingeschlagen. Damit werden letztlich solche empirischen Untersuchungen unterfüttert, die darauf hinweisen, dass Manager tatsächüch und erfolgreich „Equity-MarketTiming" betreiben.^ Die modell-theoretische Überlegung zeigt, dass es dabei nicht darauf ankommt, wie weit die Marktreaktionen hinter dem zurückbleiben, was bei vollständiger Rationalität zu erwarten wäre. Im Folgenden wird nach einem einleitenden Abschnitt (Kap. 2.1) zunächst ein Vergleich von Kapitalerhöhungen ohne und mit Bezugsrechten unter dem Aspekt des Anreizes für das Management der Unternehmung, eine Überbewertung auszunutzen, angestellt (Kap. 2.2). Anschließend werden im Rahmen einer Modellerweiterung eine Kreditaufnahme als alternative Finanzierungsmöglichkeit und Marktreaktionen auf die Ankündigung der Kapitalerhöhung in Form von Erwartungsrevisionen einbezogen (Kap. 3). Insbesondere soll dabei gezeigt werden, dass bei Vorliegen einer Überbewertung eine Kapitalerhöhung auch dann vorteilhaft sein kann, wenn der Kapitalmarkt dadurch zu einer Erwartungsrevision veranlasst wird. Diese darf allerdings nicht zu ei^ Vgl. Myers/Majluf, 1984, insbes. S. 208. ^ Vgl. z.B. Spiess/Affleck-Graves, 1995; Loghran/Ritter, 1997; Teoh/Welch/Wong, 1998; Baker/Wurgler, 2000; Jindra, 2000; Denis/Sarin, 2001, und Baker/Wurgler, 2002.
274
Peter Nippel
nem durch InformationsefRzienz im strengen Sinne gekennzeichneten Gleichgewicht führen.
2 Die B e d e u t u n g von Fehlbewertungen bei alternativen Emissionsdesigns 2.1 A u s g a n g s ü b e r l e g u n g e n Kapitalerhöhungen sind empirisch häufiger zu beobachten, wenn das Kursniveau an der Börse „hoch" ist7 Unternehmen scheinen hingegen i.d.R. eine solche Finanzierungsmaßnahme zu scheuen, wenn der Kurs der eigenen Aktien auf einem „niedrigen" Niveau dümpelt. Diese Beobachtung wäre unter den Annahmen eines vollkommenen Kapitalmarktes kaum zu erklären. Dort spielt das aktuelle Kursniveau keine Rolle für die Vorteilhaftigkeit einer Kapitalerhöhung. Die Vermögensposition der Altaktionäre kann dadurch genau dann gesteigert werden, wenn mit den erlösten Mitteln zusätzliche Investitionen mit positivem Kapitalwert durchgeführt werden und es nicht zu einer größeren Vermögensumverteilung zu Gunsten der neuen Aktionäre durch einen zu geringen Emissionskurs kommt. Eine unmittelbare Vermögensumverteilung resultiert, wenn der Emissionskurs unter dem aktuellen Börsenkurs (nach Ankündigung der Kapitalerhöhung) liegt.^ Eine positive Korrelation zwischen dem Bewertungsniveau und der Anzahl von Kapitalerhöhungen ließe sich somit zunächst nur dadurch erklären, dass bei „hohen" Kursen auch gleichzeitig die Ertragsaussichten der Unternehmen günstig sind und daher zusätzliche Investitionen eher lohnend erscheinen.^ Im Folgenden kommt es jedoch weniger auf das absolute Kursniveau als vielmehr auf eine darin möglicherweise enthaltene Über- oder Unterbewertung an. Eine Überbewertung liegt vor, wenn der aktuelle Börsenkurs über dem „wahren Wert" einer Aktie liegt. Unter dem „wahren Wert" ist dabei der Preis zu verstehen, der sich auf Basis aller vorhandenen Informationen über die bewertungsrelevanten Tatbestände (Fundamental-Daten) und ihrer korrekten Verarbeitung am Kapitalmarkt einstellen würde. Eine Überbewertung kann daher nur vorliegen, wenn der Kapitalmarkt nicht (streng) informationseffizient ist, so dass insbesondere überlegene Informationen des Managements So erreichte der Kurswert der Aktienemissionen von börsennotierten Unternehmen in Deutschland 1999 mit 31.341 Mio. Euro seinen vorläufigen Höchststand und ging danach deutlich zurück, auf 3.025 Mio. Euro in 2002, vgl. Deutsches Aktieninstüut, 2003, Tab. 03-1. Allerdings tritt dieses Problem bekanntlich bei einer Emission mit Bezugsrechten nicht auf. Der Emissionskurs ist dann irrelevant. Vgl. z.B. Franke/Hax^ 2004, S. 558. Vgl. dazu auch Cho/Masulis/Nanda, 1993, und Bayless/Chaplinski, 1996. Warum die Investitionen dann aber einer Kapitalerhöhung bedürfen und nicht etwa mit neuen Krediten finanziert werden können, ist eine weitere Frage.
Kapitalerhöhungen
275
bezüglich der fundamentalen Daten des Unternehmens nicht vollständig in der Marktbewertung berücksichtigt sind. Selbst wenn nicht nur das Management sondern auch professionelle Marktteilnehmer besser informiert sind als andere, kann es zu Abweichungen von dem „wahren Wert" kommen. Ursächlich dafür sind die Existenz von sog. Noise-Tradern und das daraus resultierende Risiko, das von Arbitrageuren zu tragen wäre. Damit werden Arbitragetransaktionen eingeschränkt, mit der Folge, dass sich die Marktpreise nicht ganz an die „wahren Werte" anpassen.-^^ Auch bei Vorliegen einer „spekulativen Blase" (Bubble) in der Marktbewertung kann eine Abweichung des Marktpreises von dem „wahren Wert" von Aktien konstatiert werden. Eine genauere Analyse des Zustandekommens einer Abweichung des Marktpreises vom „wahren Wert" ist jedoch nicht Gegenstand dieser Betrachtung. Für das Folgende ist nur von Bedeutung, dass es eine solche Abweichung geben kann. Zudem wird angenommen, dass das Management diese Abweichung erkennt. Damit hat das Management die prinzipielle Möglichkeit, auf eine solche Fehlbewertung zu reagieren. Gelingt es, aufgrund einer aktuellen Überbewertung im Rahmen einer Kapitalerhöhung „zu teure" neue Aktien zu emittieren, profitieren die Altaktionäre, sofern sie nicht an der Kapitalerhöhung pro rata teilnehmen. Motivation für das Management, eine Kapitalerhöhung durchzuführen, von der (auch) die Altaktionäre profitieren, kann aus diversen Corporate-Governance-Mechanismen resultieren, insbesondere auch aus einer direkten oder indirekten (bedingten) Beteiligung am Eigenkapital der Unternehmung. Wenn das Management selbst Aktien oder Aktienoptionen besitzt, und diese nicht veräußern kann oder darf, kann es eine aus eigener Sicht bestehende Überbewertung der Aktien am Markt nicht durch Sekundärmarkttransaktionen ausnutzen. Statt dessen kann es nur versuchen, überbewertete neue Eigenkapitaltitel zu emittieren.-"^^ 2.2 Modellanalyse 2,2.1 Kapitalerhöhungen ohne Bezugsrechte Vorerst sei angenommen, dass der Kapitalmarkt die Ankündigung einer Kapitalerhöhung nicht als Signal für eine wie auch immer geartete Fehlbewertung auffasst.-^^ Unter dieser Annahme betrachten wir zunächst Kapitalerhöhungen ohne Bezugsrechte für die Altaktionäre. Anschließend (Kapitel 2.2.2) werden Bezugsrechtsemissionen analysiert. Zur Vereinfachung wird allseitige Risikoneutralität und ein sicherer Zinssatz von null unterstellt. ^° Vgl. einführend Shleifer, 2000. ^^ Die Emission von neuen Aktien ist ein Substitut für einen nicht möglichen oder aus verschiedenen Gründen zu riskanten Leerverkauf von bereits existierenden Aktien. Vgl. Shleifer, 2000, Ch 2. ^^ Dies ist äquivalent zu der Annahme bei Shleifer/Vishny, 2003, dass der Kapitalmarkt keine Schlüsse aus der Ankündigung einer Übernahme zieht, vgl. ebenda, S. 299.
276
Peter Nippel
Der aktuelle Marktwert des Eigenkapitals der Unternehmung (im Folgenden stets kurz und ungenau als Wert der Unternehmung bezeichnet) betrage Po = V + A>0.
(1)
Er unterscheidet sich um den Betrag A einer Unter- oder Überbewertung von dem „wahren Wert" V. Das Management kennt jedoch den wahren Wert der Unternehmung, es besitzt diesbezüglich einen Informationsvorsprung. Dieser Informationsvorsprung kann ausgenutzt werden, wenn zu erwarten ist, dass sich der Marktwert der Unternehmung „langfristig", d. h. bis zu einem zukünftigen Zeitpunkt t = 1 an den „wahren Wert" anpasst. Davon gehe das Management aus, d.h., es erwartet einen zukünftigen Marktwert in Höhe von V: E{Pi) = V>0 (2) Ex post sind natürlich Abweichungen von diesem erwarteten Wert als Ausdruck des systematischen und unsystematischen Risikos hinzunehmen. Die Unternehmensleitung kann versuchen, eine aktuelle Überbewertung der Unternehmung am Kapitalmarkt, Z\ > 0, die z. B. aufgrund allgemeiner oder eine einzelne Branche betreffenden Euphorie besteht, auszunutzen, indem sie eine Kapitalerhöhung durchführt. Dabei werden neue Aktien zu einem Preis emittiert, der maximal dem aktuellen Börsenkurs^^ entsprechen kann und demzufolge bei einer Überwertung der alten Aktien auch „zu hoch" sein kann. Die Entscheidung, „heute" (in t = 0) eine Kapitalerhöhung anzukündigen, obliegt i.d.R. dem Management. Diesem wird hier unterstellt, den zukünftigen erwarteten Marktwert der alten Aktien, d.h. in ^ = 1, zu maximieren. Der zukünftige Marktwert der gesamten Unternehmung bei Durchführung einer Kapitalerhöhung wird vom Management in Höhe von E{Pi) = V + E + b
(3)
erwartet, wobei E für den Netto-Emissionserlös und b für den Kapitalwert der zusätzlichen Investitionen aus Sicht des Managements steht. Demzufolge ist der (erwartete) zukünftige Kurs eine Aktie der Unternehmung gleich
K =^^±^.
(4)
m-\-n wobei m für die Anzahl alter Aktien, und n für die Anzahl neuer Aktien aus der Kapitalerhöhung steht. Ohne Kapitalerhöhung erwartet das Management einen Kurs in Höhe von V Kl = - . m Nach Ankündigung, aber vor Durchführung der Emission.
(5)
Kapitalerhöhungen
277
Damit kann eine Kapitalerhöhung unter den gegebenen Prämissen vom Management als vorteilhaft angesehen werden, wenn K[> Ki<^ ^
> — m^n m E-\-h n TT ^ T > V -\-E-{-b " m + n
(6) = OL
~^
Für die Vorteilhaftigkeit der Kapitalerhöhung ist gemäß (6) natürlich die Höhe des Kapital wertes der mit den zusätzlichen Mitteln zu finanzierenden Projekte, 6, relevant. Des Weiteren ist die Kapitalerhöhung c.p. um so eher vorteilhaft, je weniger neue Aktien emittiert werden müssen, um den Emissionserlös von E zu erzielen, d. h. je geringer der Anteil a an der Unternehmung, der im Rahmen der Kapitalerhöhung veräußert wird. Die Anzahl der zu emittierenden neuen Aktien hängt bei gegebenem NettoEmissionsvolumen E von dem Emissionskurs je Aktie, KE-, und den direkten Transaktionskosten, T, ab: E =
UKE
-T^n=
^ ^
(7)
KE
Die Transaktionskosten resultieren aus dem Spread zwischen dem Emissionskurs, den die Investoren zahlen müssen, und dem Preis, zu dem die neuen Aktien vom Emissionskonsortium zwecks Platzierung übernommen werden. Der Emissionskurs KE kann maximal dem Börsenkurs entsprechen, der vom Kapitalmarkt unmittelbar nach Durchführung der Kapitalerhöhung erwartet wird.-^^ Dieser beträgt m-\-n wenn der Kapitalmarkt - wie hier zunächst angenommen wird - aufgrund der Kapitalerhöhung keine Änderung der Fehlbewertung vornimmt, und für den Kapitalwert der zusätzlichen Projekte eine Schätzung in Höhe von B einfließen lässt. B kann sich durchaus von der Erwartung b des Managements unterscheiden. Im Zeitpunkt der Entscheidung über die Kapitalerhöhung weiß das Management allerdings noch nicht, welche Bewertung der zusätzlichen Projekte, 5 , vom Kapitalmarkt vorgenommen werden wird. Diesbezüglich besteht also ein Prognoseproblem. ^^ Als besten Schätzer für B könnte das Management in die Prognose des Aktienkurses nach Kapitalerhöhung die eigene Schätzung des Kapitalwertes, 6, einfließen lassen. Damit wäre der Kurs K',^ = V + E + b + A ^^ Dies gilt unabhängig davon, ob die Kapitalerhöhung mit oder ohne Bezugsrechte erfolgt. 15 Vgl. auch Hax, 1971, S. 160 und 163.
278
Peter Nippel
die Obergrenze für den Emissionskurs im Entscheidungskalkül des Managements. Der tatsächliche Emissionskurs muss aber geringer gewählt werden, wenn die Markterwartungen, ß , weniger optimistisch sind als die des Managements, b. Um die Gefahr zu reduzieren, dass eine in der Planung als vorteilhaft identifizierte Kapitalerhöhung wegen eines zu hoch angesetzten Emissionskurses scheitert oder der Emissionskurs nach Ankündigung reduziert werden muss, kann also eine „vorsichtigere" Preissetzung schon in der Planung sinnvoll sein. Allgemein gelte daher: KE = XKOM=X
V +E +b+A E^T ^^^ ^ " ^ . ( T . + E + 6 + Z^)
^^^. ('')
mit X < 1. (1 — x) ist der prozentuale Discount, um den der geplante Emissionskurs unter dem prognostizierten Börsenkurs unmittelbar nach Kapitalerhöhung liegt. Der aus (10) resultierende Wert für den Anteil a, der auf die neuen Aktien entfällt, kann nun in das Entscheidungskriterium (6) eingesetzt werden. Man erhält damit als Bedingung für die Vorteilhaftigkeit der Kapitalerhöhung: E^b E+T > V-\-E-{-b x ( F + E + 6 + Z\) ^ + ^ -A + {b-^) V-\-E + b
+ ^^E>0
(11)
Offensichtlich ist die Kapitalerhöhung um so eher vorteilhaft, je größer die Fehlbewertung Z\, je größer der Kapitalwert 6, je geringer der Discount {1—x) und je geringer die Transaktionskosten T sind. Der positive Einfluss der Fehlbewertung auf die Vorteilhaftigkeit der Kapitalerhöhung macht die Möglichkeit zur Ausnutzung einer Überbewertung deutlich. Wenn A hinreichend groß ist, lohnt sich unter den gegebenen Annahmen die Kapitalerhöhung sogar dann, wenn keine vorteilhaften Projekte zur Verfügung stehen (6 < 0). Die Emission überbewerteter neuer Aktien wirkt sich positiv auf den zukünftigen vom Management erwarteten Kurs K[ aus. 2.2.2 Kapitalerhöhungen mit Bezugsrechten Im Falle einer Bezugsrechtsemission weicht das Entscheidungskriterium des Managements von (6) ab, wenn das Bezugsrecht in irgendeiner Weise einfließt. Davon ist auszugehen, wenn das Management das erwartete zukünftige Vermögen der Altaktionäre zu maximieren sucht. Denn der Wert des Bezugsrechts bzw. der Vorteil, mittels der Bezugsrechte neue Aktien „billig" erwerben zu können, fließt in diese Vermögensposition ein. Drei Alternativen für die Berücksichtigung des Bezugsrechts im Entscheidungskalkül des Managements sind zu unterscheiden: (a) den Altaktionären wird unterstellt, dass sie ihre Bezugsrechte komplett ausüben, (b), dass sie
Kapitalerhöhungen
279
die sog. Operation Blanche vornehmen, oder (c), dass sie alle Bezugsrechte veräußern. Unter der Annahme (a) würde eine Kapitalerhöhung dann im Interesse der Altaktionäre durchgeführt, wenn (l + -)K[-KE >Ki^b>T. (12) \ m/ m Hier spielt die Fehlbewertung am Kapitalmarkt naturgemäß keine Rolle, da die über- oder unterbewerteten neuen Aktien annahmegemäß nur an die Altaktionäre gehen. ^^ Unter Annahme (b) (Operation Blanche) beziehen die Altaktionäre nur genau so viele neue Aktien, wie sie mit dem Verkaufserlös des nicht benötigten Teils ihrer Bezugsrechte finanzieren können. Im Kalkül des Managements beträgt der rechnerische Wert eines Bezugsrechts^^ RM
= ^{KM
- KE),
(13)
wobei K'^f^ weiterhin für den vom Management erwarteten Kurs unmittelbar nach Kapitalerhöhung steht (vgl. (9)). Wenn Bezugsrechte zu diesem Preis veräußert werden können, muss ein Altaktionär einen Anteil von / f^(^^ . ^ seiner Bezugsrechte veräußern, um die Operation Blanche durchzuführen.^^ Damit wäre unter Berücksichtigung des vom Management prognostizierten Kurses i^oM ^^^ Kapitalerhöhung im Interesse der Altaktionäre, wenn
(I + ^^^P^—)K[>K,. V
(14)
m [n/m)KE + RM )
Einsetzen von (13) und einige Umformungen führen zu V
Z\ + ( 6 - T ) > 0 . ^E^h
(15)
Diese Bedingung für die Vorteilhaftigkeit der Kapitalerhöhung entspricht genau derjenigen im Fall ohne Bezugsrechte (vgl. (11)), wenn dort der Discount gleich null wäre, d. h. x = 1, Dann gäbe es auch im Fall einer Kapitalerhöhung ohne Bezugsrechte keine (antizipierte) Kapitalverwässerung. Die Identität von (15) mit (11) für x = 1 ist nicht verwunderlich, da bei Durchführung der Operation Blanche die Altaktionäre genauso wie die „passiven" Aktionäre bei der Emission ohne Bezugsrechte weder zusätzliches Geld investieren noch eine Einzahlung realisieren. ^^ Die Überlegung, dass im Falle von Bezugsrechtsemissionen Markt-Timing eine geringere Rolle spielt (vgl. etwa Burch et al., 2004, S.5) kann nur unter dieser Annahme bezüglich des Entscheidungskalküls des Managements gelten. ^^ Vgl. Krümmel, 1964, S. 491 f. und Hax, 1971, S. 158 f. ^^ Von Teilbarkeitsproblemen wird hier abgesehen.
280
Peter Nippel
Unter Annahme (c) ist der Verkauf der Bezugsrechte durch die Altaktionäre zu berücksichtigen. Das Vorteilhaftigkeitskriterium lautet damit: K[-^RM>KI.
(16)
Einsetzen von (13) führt zu K[-\--{Kl,M-KE)>K,^-^A + b-T>0. (17) m n-\-m Auch unter dieser Annahme spielt also die Unter- oder Überbewertung A eine Rolle in der Emissionsentscheidung. Für hinreichend hohe Werte von n, d. h. bei einem „geringen" Emissionskurs, ist unter Annahme (c) die Bedeutung der Fehlbewertung im Entscheidungskalkül größer als in den übrigen Szenarien: > 77 7:^—7 > 0 für „große" Werte von n. (18) n-\-m V + E-{-h "^ ^^ Die Relevanz der Anzahl neuer Aktien und damit des Emissionskurses für den Einfluss der Fehlbewertung ist bemerkenswert. Die Erklärung für diesen Zusammenhang ist darin zu sehen, dass in dem Kriterium (16) die Vorteilhaftigkeit der Kapitalerhöhung aus Sicht eines „langfristig" engagierten, passiven Altaktionärs betrachtet wird. Für diesen ist bei Z\ > 0 eine höhere Anzahl neuer Aktien vorteilhaft, da damit auch ein größerer Anteil des Verlustes, der durch Abbau der Fehlbewertung im Zeitablauf resultiert, von anderen Aktionären zu tragen ist. Für den umgekehrten Fall mit Z\ < 0 ist ein möglichst hoher Emissionskurs und damit ein möglichst kleines n vorzuziehen, da dann die Altaktionäre maximal von dem zu erwartenden Ausgleich der Unterbewertung profitieren. Wenn das Management weniger die Position der Altaktionäre als vielmehr den reinen Kurseffekt im Auge hat, bleibt es auch im Falle einer Bezugsrechtsemission bei dem Kriterium K[ > Ki (vgl. (6)). Da bei diesem Emissionsdesign der Emissionskurs i.d.R. einen größeren Discount gegenüber dem Börsenkurs unmittelbar vor Durchführung der Kapitalerhöhung aufweist (aus technischen Gründen aufweisen muss), und damit a größer ist als im Fall ohne Bezugsrechte, ist hier der Raum für Kapitalerhöhungen kleiner. Der Vergleich der Ergebnisse unter den alternativen Annahmen zum Entscheidungskalkül des Managements macht deutlich, dass die Bedeutung der Fehlbewertung im Entscheidungskalkül des Managements im Falle von Bezugsrechtsemissionen keineswegs zwingend geringer ist als bei Kapitalerhöhungen ohne Bezugsrechte. Sie kann sogar größer sein. Wenn also der Kapitalmarkt doch aus der Ankündigung einer Kapitalerhöhung auf eine Fehlbewertung schließt, d.h. eine Erwartungsrevision nicht ausgeschlossen wird, muss diese im Fall ohne Bezugsrechte nicht zwingend größer ausfallen als bei einer Emission mit Bezugsrechten. Ein empirisch beobachteter Unterschied in den Ankündigungseffekten^^ der beiden Emissionsformen ist nicht ohne weiteres ^^ Für die USA werden (bei der Analyse von Kapitalerhöhungen ohne Bezugsrechte) typischerweise signifikant negative Ankündigungseffekte dokumen-
Kapitalerhöhungen
281
mit Hinweis auf einen geringeren Anreiz des Managements, Bezugsrechtsemissionen zu timen^^, d.h. eine Überbewertung auszunutzen, erklärbar.
3 Modellerweiterung: Erwartungsrevision und Kreditaufnahme als Finanzierungsalternative 3.1 Der Fall ohne Erwartungsrevision Falls der Kapitalmarkt, wie bisher angenommen, die Erwartungen nicht aufgrund einer Ankündigung von Finanzierungsmaßnahmen revidiert, gelten die zuvor hergeleiteten Bedingungen (11), (12), (15), resp. (17) für die vom Management ermittelte Vorteilhaftigkeit einer Kapitalerhöhung. Um die weitere Untersuchung überschaubar zu halten, wird im Folgenden explizit nur auf den Fall der Kapitalerhöhung ohne Bezugsrechte abgestellt. Der Fall mit Bezugsrechten ist darin allerdings als Spezialfall enthalten, wenn dabei den Altaktionären unterstellt wird, dass sie (im Durchschnitt) die Operation Blanche durchführen (Annahme (b)). Hierfür galt das Vorteilhaftigkeitskriterium (15), das wiederum als Spezialfall (mit x = 1) des Kriteriums (11) aus der Betrachtung der Kapitalerhöhung ohne Bezugsrechte angesehen werden kann. Der zukünftige erwartete Kurs Ki nach Durchführung der Kapitalerhöhung und Abbau der Fehlbewertung gemäß (4) ist über die in den Anteil a einfließende Fehlbewertung (vgl. (10)) von dieser abhängig:
"^ + " 1_ m
""
.
(19)
V-^E + b-\-A
Er ist um so höher, je höher die aktuelle Fehlbewertung A. Daher konnte oben (vgl. Abschnitt 2.2.1, Ungleichung (11)) argumentiert werden, dass eine (hinreichend große) Überwertung Ä > 0 eine Kapitalerhöhung vorteilhaft erscheinen lässt. Dieses Ergebnis ist natürlich angesichts der Annahme, dass der Kapitalmarkt nicht auf die Ankündigung der Emission mit einer Revision der Erwartungen reagiert, trivial. Wenn eine Unterbewertung vorliegt, d. h. A < 0, sollte hingegen auf eine Kapitalerhöhung verzichtet werden, es sei denn, der Kapitalwert 6, der mit dem Emissionserlös zusätzlich durchzuführenden Projekte ist hinreichend tiert, vgl. Eckho/Masulis. 1995. Für Bezugsrechtsemissionen lässt sich ein solcher negativer Ankündigungseffekt in Deutschland nicht nachweisen, vgl. Gehhardt/Heiden/Daske, 2001, in Spanien bspw. allerdings schon, vgl. PastorLlorca/Martin- Ugedo, 2004. ^^ Diese These findet sich bspw. bei Burch et al., 2004, S. 5: „[...] the incentive to time offers will be much weaker if not absent altogether in the case of rights offerings." Vgl. auch Pastor-Llorca/Martm-Ugedo, 2004, S. 194.
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hoch. Jedoch ist selbst bei einem „hohen" Kapitalwert von einer Kapitalerhöhung abzusehen, wenn der Investitionsbetrag auch mittels einer anderen Finanzierungsmaßnahme, bei der es nicht zu einer Umverteilung zu Gunsten neuer Kapitalgeber kommt, aufgebracht werden kann. Wenn ein sicherer Kredit zur Finanzierung von E zu den gleichen Transaktionskosten von T aufgenommen werden kann, gilt für den zukünftigen Aktienkurs
womit diese Finanzierungsmaßnahme der Durchführung einer Kapitalerhöhung vorzuziehen ist, wenn
m
1^ + ^ + 6 - ^ + ^
m
y + E +6 V + E + b-^A
>
^+^+^
V-^E-{-b-\-A
(21)
X.
Wegen x < 1 ist also ein negativer Wert für A (Unterbewertung) schon hinreichend für die relative Vorteilhaftigkeit des Kredits. Wenn die Transaktionskosten der Kreditauftiahme geringer als T sind, steigt dadurch natürlich die relative Vorteilhaftigkeit des Kredits. Nur bei hinreichend hoher Überbewertung ist die Kapitalerhöhung vorzuziehen. Dann kann diese Maßnahme sogar vorteilhaft sein, wenn der Kapitalwert der zusätzlichen Investitionen kleiner ist als die Transaktionskosten. Unter den gegeben Annahmen (keine Erwartungsrevision) lässt sich also die wenig überraschende Schlussfolgerung ziehen, dass die Unternehmung bei (hinreichend hoher) Überbewertung zur Ausnutzung eben dieser Fehlbewertung eine Kapitalerhöhung durchführen sollte, bei Unterbewertung hingegen zur Finanzierung von vorteilhaften Projekten auf alternative Finanzierungsinstrumente zurückgreifen sollte, deren Wert nicht so stark wie bei Aktien vom „wahren Wert" der Unternehmung abhängt. Wenn jedoch gemäß dieser Überlegung tatsächlich nur bei Überbewertung eine Kapitalerhöhung durchgeführt würde, ist die Annahme, dass der Kapitalmarkt aus der Ankündigung keine Rückschlüsse auf die Fehlbewertung zieht, unsinnig. Im nächsten Abschnitt wird jedoch gezeigt, dass die gleichen Schlussfolgerungen fortbestehen, wenn eine Erwartungsrevision einbezogen wird, die jedoch nur unvollständig, beschränkt rational erfolgt. 3.2 Unvollständige Erwartungsrevision Die Erkenntnis, dass eine Kapitalerhöhung auf eine Überbewertung schließen läßt, wird zwar zu einer Erwartungsrevision seitens der Kapitalmarktteilnehmer führen, die einen Kursrückgang bedingt. Bei nicht vollständig rationalen Anlegern kann die Erwartungsrevision jedoch zu gering ausfallen. Es ist dann eine (fortbestehende) Inefßzienz in der Marktbewertung enthalten dergestalt.
Kapitalerhöhungen
283
dass der Aktienkurs immer noch „zu hoch" ist und die Aktienrendite in der Folge „gering" ausfällt, wenn die Überbewertung dann doch abgebaut wird. Darauf, dass eine solche Ineffizienz besteht und von Managern durch Ihre Finanzierungsentscheidungen ausgenutzt wird, weisen auch neuere empirische Untersuchungen hin.^^ Formal last sich die Marktineffizienz erfassen, indem angenommen wird, dass die Überbewertung von A > 0 auf i/A mit z/ G ]0,1 [ in Folge der Ankündigung der Kapitalerhöhung zurück geht, v = l wäre der im vorherigen Kapitel behandelte Fall ohne Erwartungsrevision, u = 0 würde unter den gegebenen Annahmen bei vollständiger Rationalität der Kapitalmarktteilnehmer und des Managements im Gleichgewicht folgen.^^ Insofern kann bei 1 > z/ > 0 von unvollständiger, beschränkt rationaler Erwartungsrevision gesprochen werden. Damit folgt für den Kurs K[ {u) nach Durchführung der Kapitalerhöhung und Abbau der Fehlbewertung:
"^^-i
V +E +l,-^^^
^ + ^ + '" V + E + b + i^A
(22)
Dieser Kurs ist bei a priori gegebener Überbewertung (Z\ > 0) und unvollständiger Erwartungsrevision (1 > z/ > 0) zwar geringer als der Wert in (19), aber immer noch größer als bei einer sicheren Kreditaufnahme, wenn der Discount nicht zu groß ist (d. h., x nicht zu klein ist):
^in < ^I(^) ^ ^"^^ ^ < 1m IF +E+6 m [ 4^ x>
E +T
V +E +b V + E-\-b-{-uA
V + E-\-b V-i-E + b + jyA (23)
Nur für u = 0 wäre die Kapitalerhöhung ohne Bezugsrechte aufgrund der mit X < 1 einhergehenden Kapitalverwässerung stets unterlegen. Eine Kapitalerhöhung mit Bezugsrechten (de facto gilt dann x = 1) ist wegen des Entfalls der Kapitalverwässerung hingegen im Falle einer Überbewertung immer mindestens so gut wie der sichere Kredit. Insgesamt folgt also, dass das Management eine Kapitalerhöhung mit Bezugsrechten c.p. einer Kapitalerhöhung ohne Bezugsrechte und einer Kreditaufnahme vorziehen sollte, wenn eine Überbewertung vorliegt und zu erwarten ist, dass nur eine unvollständige Erwartungsrevision erfolgen wird. Die Kapitalerhöhung sollte durchgeführt werden, wenn die Überbewertung hinreichend groß ist, so dass
^^ Vgl. die in Fußnote 6 genannte Literatur. ^^ Dies entspricht der Überlegung bei Myers/Majluf, 1984, insbes. S. 208, wobei allerdings unterstellt werden muss, dass das Management bei Indifferenz eine Kreditfinanzierung bevorzugt.
284
Peter Nippel
K[{iy) + RM > Kl
^ - V + E + b-{E m E +b iyÄ + V + E +b
+ T)
V +E +b V > V + E + b + uA
{b-T)>0. (24)
Ein Kapitalwert b, der die Transaktionskosten T übersteigt, ist demzufolge für Z\ ^ 0 und u ^ 0 schon hinreichend für die Vorteilhaftigkeit der Kapitalerhöhung. Bei streng positiven Werten für A und u kann die Emission sogar bei einem geringeren Kapital wert vorteilhaft sein. 3.3 O v e r o p t i m i s m Die unter der Annahme unvollständiger Erwartungsrevision erzielten Ergebnisse gelten auch unter der Annahme, dass der Kapitalmarkt eine Überbewertung nach Ankündigung der Kapitalerhöhung zwar erkennt aber einen Fortbestand der Fehlbewertung auch in Zukunft für möglich hält.^^ Wenn die Wahrscheinlichkeit für den Fortbestand der Überbewertung in Höhe von A mit p G ]0,1[ angesetzt wird, können wieder neue Aktien zu einem Preis emittiert werden, der über dem fundamentalen Wert liegt. Für den Anteil an der Unternehmung, der auf die neuen Aktien entfällt, gilt dann E-hT a = x{V + E + b + pE{AK))
mit
(25)
X < 1,
wobei E{AK) die vom Kapitalmarkt aufgrund der Ankündigung der Kapitalerhöhung geschätzte Fehlbewertung sei. Wenn das Management - wie bisher durchweg unterstellt - aber davon ausgeht, dass bis zum zukünftigen Zeitpunkt t = 1 die Fehlbewertung doch abgebaut ist, erwartet es einen zukünftigen Kurs nach Kapitalerhöhung in Höhe von KÜP)
E +T V + E +b 1 V + E + bV + E + b + pE{AK)\ m
•
(26)
Die Durchführung der Kapitalerhöhung ist damit der Kreditaufnahme vorzuziehen, wenn r^/ T^n ^ V+b-T K[^ < Kiip) ^ - ^ ^ <^ x>
V + E +b E +T 1 V + E + b< X V + E + b + pE{AK) V + E +b
V + E + b+
PE{AK)'
(27) ^^ So auch in der Theorie spekulativer Blasen bei Rationalverhalten, vgl. Blanchard/Watson, 1982.
Kapitalerhöhungen
285
Diese Bedingung ist strukturell identisch mit (23). Sofern die vom Kapitalmarkt geschätzte Fehlbewertung E{AK) positiv ist und eine positive Wahrscheinlichkeit für ihr Fortbestehen angenommen wird, kann eine Kapitalerhöhung der Kreditaufnahme überlegen sein. Für x = 1 (also insbes. auch bei einer Bezugsrechtsemission) ist PE{AK) > 0 hinreichend für die Vorteilhaftigkeit der Kapitalerhöhung. Bemerkenswert ist, dass es gar keine Rolle spielt, wie die Erwartung E{ÄK) gebildet wird und in welchem Verhältnis sie zu der tatsächlichen Fehlbewertung steht. Solange das Management davon ausgehen kann, dass der Kapitalmarkt hinreichend optimistisch ist bezüglich der zukünftigen Marktbewertung, d.h., wenn PE{AK) hinreichend groß ist, lohnt sich die Kapitalerhöhung aus Sicht des Managements. Die im Vergleich zu den Erwartungen des Managements als zu optimistisch zu bezeichnenden Erwartungen des Kapitalmarktes (Overoptimism) führen dazu, dass neue Aktien zu einem „zu hohen" Preis emittiert werden können. Damit kommt es zu einer Vermögensumverteilung zu Gunsten der Altaktionäre, die sich positiv im zukünftigen Kurs niederschlägt. Die Vermögensumverteilung bei Overoptimism des Kapitalmarktes spricht aus Sicht des Managements sogar dann für eine Kapitalerhöhung, wenn tatsächlich eine C/n^erbewertung vorliegt. Bei Unterbewertung kann von Overoptimism gesprochen werden, wenn der Kapitalmarkt eine Kurssteigerung für wahrscheinlicher hält als das Management. Dann wäre ebenfalls eine Emission neuer Aktien zu einem „zu hohen" Preis möglich. Entscheidend ist nur, dass das Management einen Kursrückgang (in Folge des Abbaus einer Überbewertung) für wahrscheinlicher bzw. eine Kurssteigerung (in Folge des Abbaus einer Unterbewertung) für unwahrscheinlicher hält als der Kapitalmarkt. Unter diesen Bedingungen lohnt sich die Kapitalerhöhung aus der Sicht des Managements sogar dann, wenn es dem Kapitalmarkt gelingt, eine Überbewertung korrekt einzuschätzen, d. h. E{ÄK) = A. Dazu muss bei A > 0 (bei A < 0) die Wahrscheinlichkeit für das Fortbestehen der Fehlbewertung aber vom Management mit pM < p geringer (bzw. mit pM > p höher) eingeschätzt werden als vom Kapitalmarkt, so dass PM^ < pA. Das Management erwartet dann einen zukünftigen Kurs in Höhe von m -j- n
1 ^7^^^;.^
m
A
V + E + b + pMA
^ + T V + E + b^pMA' X
(28)
17 , L ,—T" V + E -^b-\-pA
Die Kapitalerhöhung ist durchzuführen, wenn sie gegenüber der Unterlassung und gegenüber der Kreditaufnahme vorteilhaft ist, wobei Letztere nur bei b > T vorteilhaft sein kann. Der Kurs nach Kapitalerhöhung ist größer als der erwartete Kurs ohne Kapitalerhöhung, wenn
286
Peter Nippel K[{P,PM)>KI
.r ^V ^
r. , ^ E + T V + E + b+PMÄ ,, + E + b+p ^ A - - ^ y + E + 6 + pZ^ > ^ + P M ^ b+E V + E + b + PMÄ E + T^^ V + E + b + pA '
(29)
Außerdem ist der Kurs nach Kapitalerhöhung größer als bei Kreditaufnahme, wenn K[{JP,PM)
1 •^.
>K[D
.
E + T V + E + b + pMA
m V + E + b + pMA
F , L ,—T V + E + 0 + pA
^""^
^
. ^
V + E + b + puA V + E + b + pA
X
V + b-T + pMA m
(30) Beide Bedingungen (29) und (30) sind erfüllt, wenn die Differenz pA—pM^ > 0 hinreichend groß ist, d. h. der Kapitalmarkt optimistischer ist als das Management. Für X = 1 - oder äquivalent: im Fall mit Bezugsrechten - ist ein Kapitalwert b >T schon hinreichend für die Vorteilhaftigkeit der Kapitalerhöhung bei Overoptimism des Kapitalmarktes, d.h.. pA > PMA (vgl. (29)). 3.4 Grenzen der Ausnutzung einer Überbewertung Wie bereits in Kapitel 2.1 angesprochen wurde, sind Kapitalerhöhungen in Phasen mit „hohem" Kursniveau sehr viel häufiger zu beobachten. Dies „passt" zu den Überlegungen in den vorherigen Abschnitten, wenn man unterstellt, dass bei „hohen" Kursen eher mit einer Überbewertung zu rechnen ist. Dennoch führen nicht alle Unternehmen in solchen Phasen Kapitalerhöhungen durch, und die Zahl der neuen Aktien aus einer Kapitalerhöhung wird nicht beliebig groß gewählt, um den Vorteil aus der Fehlbewertung zu maximieren. Dies dürfte daran liegen, dass noch Grenzen der Ausnutzung der Fehlbewertung außerhalb des Modellrahmens zu beachten sind. Wenn zu erwarten ist, dass ein „sehr großes" Emissionsvolumen den Kapitalmarkt skeptisch macht, d. h. von den Anlegern die Gefahr gesehen wird, dass der nicht für vorteilhafte Projekte benötigte Teil des Emissionserlöses vom Management in unvorteilhafte Prestigeprojekte mit negativem Kapitalwert investiert wird, wird sich diese Befürchtung zunächst (nur) in dem Kurs KQ unmittelbar nach Durchführung der Kapitalerhöhung auswirken. Der zukünftige Kurs i^(, von dem angenommen wurde, dass er sich in Höhe des „wahren Wertes" einer Aktie einstellt, wird auch negativ beeinflusst, wenn sich die Befürchtungen der Anleger bewahrheiten, d. h. der tatsächliche Kapitalwert b negativ vom Emissionsvolumen abhängt. Die langfristige Kurssteigerung gelingt dem Management also nur insoweit, als es sich daran binden kann, den nicht benötigten Teil des Emissionserlöses in Projekten mit einen
Kapitalerhöhungen
287
Kapitalwert von null zu „parken", z.B. in geeigneten Anlagen am Kapitalmarkt. Ein anderer Aspekt, der die Möglichkeit zur Ausnutzung einer Überbewertung begrenzt, ist die Aufnahmefähigkeit des Kapitalmarktes. Die neu emittierten Aktien müssen schließlich von irgendjemand gehalten werden. Dies wäre kein Problem auf einem effizienten Markt. Dort ist die Nachfragefunktion für Aktien bekanntlich sehr elastisch^^, weil ein nicht fundamental gerechtfertigter Kursrückgang Arbitrageure auf den Plan rufen würde, die die betreffenden Aktien nun verstärkt nachfragen und sich durch den Leerverkauf von äquivalenten Anlagemöglichkeiten hedgen. Wenn eine solche Arbitrage nicht (perfekt) funktioniert, etwa weil es keine perfekten Substitute gibt, oder weil Arbitrageure nur begrenzt willens und in der Lage sind, sog. Noise-TraderRisiko zu tragen^^, muss hingegen mit einer fallenden Nachfragefunktion gerechnet werden.^^ Von den „normalen" Anlegern wird i.d.R. nur dann eine größere Menge von Aktien der betreffenden Unternehmung gehalten, wenn die erwartete Rendite steigt, d.h. der Preis sinkt. Geht man von einer fallenden Nachfragefunktion für die Aktien der Unternehmung aus, so wird der Kurs nach Kapitalerhöhung also c.p. um so kleiner sein, je mehr neue Aktien emittiert werden.
4 Zusammenfassung Die Marktwertmaximierung ist bei vollkommenem und vollständigem Kapitalmarkt „die objektiv richtige Zielfunktion"^'^ für unternehmerische Entscheidungen. Finanzierungsentscheidungen erweisen sich unter diesen Bedingungen allerdings als irrelevant, sie können nicht zu einer Marktwertsteigerung beitragen.^^ Erst Marktunvollkommenheiten machen Finanzierungsentscheidungen interessant. Hier stand mit der Betrachtung von Kapitalerhöhungen bei ineffizientem Kapitalmarkt ein Aspekt im Vordergrund, der im Rahmen der neueren Finanzierungstheorie nur wenig Beachtung gefunden hat: Die Ausnutzung von temporären Fehlbewertungen durch entsprechend terminierte Emissionen. Eine Fehlbewertung setzt insofern einen unvollkommenen Kapitalmarkt voraus, dass nicht alle Kapitalmarktteilnehmer kostenlos alle bewertungsrelevanten Informationen beschaffen können. Die mangelnde Beachtung des Aspekts des „Market Timing" bei Emissionen von Finanzierungstiteln in der Theorie, trotz der Hinweise auf die Bedeu=^^ Vgl. z.B. Brealey/Myers, 2003, S. 368 ff. 2^ Vgl. Shleifer, 2000, S. 28 ff. 26 Empirische Hinweise auf eine fallende Nachfragefunktion finden sich z.B. bei Shleifer, 1986, und jüngst Biktimirov et al., 2004. 2^ Wilhelm, 1983, S. 531. ^^ Vgl. Modigliani/Miller, 1958.
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Peter Nippel
tung dieses Aspekts in der Empirie^^ und in Befragungen von Praktikern^^, lässt sich leicht erklären: Market Timing im Sinne der Emission von überbewerteten jungen Aktien kann nur funktionieren, wenn der Kapitalmarkt nicht derart reagiert, dass er eine unverzerrte und damit im Ergebnis die Fehlbewertung vollkommen aufhebende Neubewertung der Unternehmensanteile zum Zeitpunkt der Ankündigung der Kapitalerhöhung vornimmt.^^ Dies in theoretischen Modellen zu erfassen, setzt ein Abweichen von der Annahme perfekter Rationalität der Kapitalmarktteilnehmer voraus. Deren Ergebnissen sind damit jedoch schnell dem Vorwurf der Beliebigkeit ausgesetzt. Diesen Vorwurf muss sich im Prinzip auch dieser Beitrag gefallen lassen. Allerdings konnte gezeigt werden, dass die Überlegungen in gewisser Weise robust sind. Die Vorteilhaftigkeit der Kapitalerhöhung bei Überbewertung ist unabhängig von dem Ausmaß der Abweichung von der Bewertung im Gleichgewicht bei rationalen Erwartungen der Kapitalmarktteilnehmer, sofern die Bewertung nach Ankündigung der Kapitalerhöhung zwischen dem ursprünglichen (zu hohen) Marktpreis und dem „wahren Wert" liegt. Auch „Overoptimism" im Sinne der Erwartung seitens des Kapitalmarktes, dass eine Überbewertung auch in Zukunft mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit fortbesteht, kann eine Kapitalerhöhung aus Sicht der Unternehmensleitung attraktiv erscheinen lassen. Voraussetzung dafür ist nur, dass das Management die Wahrscheinlichkeit für den Fortbestand der Überbewertung geringer einschätzt. Durch Marktunvollkommenheiten wird aber nicht nur die Möglichkeit zur Ausnutzung einer Überbewertung durch die Emission von neuen Aktien geschaffen, sondern auf der anderen Seite auch begrenzt. Einerseits kann am Kapitalmarkt die Befürchtung entstehen, dass mit dem Emissionserlös keine hinreichend vorteilhaften Projekte in der Unternehmung finanziert werden. Andererseits ist die Nachfrage nach den Aktien der Unternehmung nicht vollkommen elastisch, wenn der Markt unvollkommen und unvollständig ist. Dann führt die Emission neuer Aktien c.p. zu einem umso geringeren Kurs, je höher das Emissionsvolumen gewählt wird.
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Kapitalerhöhungen
289
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Beteiligungsfinanzierung bei asymmetrischer Information: ein didaktisch einfacher Zugang Thomas Braun Universität Bielefeld, Fakultät für Wirtschaftswissenschaften, Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Finanzwirtschaft, Postfach 10 Ol 31, D-33501 Bielefeld tbraunOwiwi.uni-bielefeld.de
Gliederung 1
Problemstellung
292
2
Modell
296
2.1 2.2
Annahmen Der Kalkül der Gründer
296 299
2.3
Die Gleichgewichte
301
3
Fazit
308
Literaturverzeichnis
309
292
Thomas Braun
1 Problemstellung Gegenstand des vorliegenden Beitrags sind die Bedingungen, unter denen Real-Investitionen mit Hilfe von Bar-Einlagen zuvor nicht beteiligter (Neu) Gesellschafter finanziert werden sollten, wenn alle anderen Finanzierungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind. Dabei tritt ein Problem auf, von dem sich der Markt für Aktien-Emissionen in Deutschland, der nach den Baisse-Jahren 2000 bis 2003 zwischenzeitlich völlig zum Erliegen kam, offensichtlich noch immer nicht erholt hat: Wenn das bereits investierte Unternehmensvermögen unterbewertet ist, findet ein Vermögenstransfer von den Alt-Gesellschaftern an die Neu-Gesellschafter statt, der es aus Sicht der Alt-Gesellschafter ratsam erscheinen lassen kann, eine günstige Real-Investitionsgelegenheit mangels alternativer Finanzierungsmöglichkeiten ungenutzt verstreichen zu lassen. Was für Baisse-Jahre gilt, gilt für Hausse-Jahre mit umgekehrtem Vorzeichen: Wenn das bereits investierte Unternehmensvermögen überbewertet ist, findet ein Vermögenstransfer zu Gunsten der Alt-Gesellschafter statt, der die in Rede stehende Finanzierungsvariante besonders attraktiv macht. Die in dieser Überlegung wurzelnde Skepsis gegenüber Kapitalerhöhungen, an denen die bisherigen Gesellschafter nicht teilnehmen, ist allerdings nicht nur in HausseZeiten angebracht, sondern immer dann, wenn von einem Informationsvorsprung der Alt-Gesellschafter bzw. des in deren Interesse handelnden Managements auszugehen ist. Selbst wenn man der Einfachheit halber unterstellt, dass jedermann den sicheren Gewinn aus dem zu finanzierenden Projekt auf Heller und Pfennig genau berechnen kann, kann die Ankündigung den Markt dazu veranlassen, sich von allzu kühnen Erwartungen über die Wertentwicklung des bereits investierten Unternehmensvermögens zu verabschieden und den weniger rosigen Szenarien dementsprechend größere Wahrscheinlichkeit zuzubilligen. Und zwar deshalb, weil er sich denken kann, dass eine allzu krasse Unterbewertung das Management unter den gegebenen Finanzierungsrestriktionen davon abgehalten hätte, das Projekt in Angriff zu nehmen. Unter diesen Umständen würde die Ankündigung einer Kapitalerhöhung, an der sich die Alt-Gesellschafter nicht beteiligen, vom Markt als schlechtes Zeichen mit entsprechenden Folgen für den Börsenkurs interpretiert. Der Kreis schließt sich, wenn das Management diese Anpassungsreaktion bei der Festlegung des Emissionskurses antizipiert und sich daher nur dann nicht von der Verwirklichung des Projektes abbringen lässt, wenn das bereits investierte Unternehmensvermögen tatsächlich überbewertet ist. Ob es soweit kommt, hängt maßgeblich davon ab, wie hoch die an das zu finanzierende Real-Investitionsprojekt geknüpften Gewinn-Erwartungen relativ zu der für möglich gehaltenen Unterbewertung sind. Je größer diese Relation ist, desto weniger skeptisch wird der Markt reagieren, weil die Szenarien, die das Management von einer Verwirklichung abhalten, immer unwahrscheinücher werden, so dass es immer weniger Anlass gibt, in einer tatsächlich angekündigten Kapitalerhöhung ein schlechtes Zeichen zu erkennen. Als Probe aufs Exempel mag der Fall dienen, in dem das Projekt einen höheren Gewinn verspricht als die größtmögliche bewertungsbe-
Beteiligungsfinanzierung bei asymmetrischer Information
293
dingte Umverteilung zu Lasten der Alt-Gesellschafter. In diesem Fall ist jegliche Skepsis des Marktes gegenüber einer Kapitalerhöhung, an der sich die AltGesellschafter nicht beteiligen, unbegründet, weil sich die Alt-Gesellschafter aufgrund der überwältigenden Gewinn-Aussichten unter keinen U m s t ä n d e n von den spezifischen Nachteilen der einzig möglichen Finanzierungsform von der Realisierung des Projektes abhalten lassen würden. Erstmalig wurden die Auswirkungen rationaler Erwartungen im Kontext der hier zu Grunde gelegten Entscheidungssituation in einem viel zitierten Beitrag von Myers und Majluf^ beschrieben oder, besser gesagt, angedeutet.^ Viel Kritik brachte den Autoren der Versuch ein, mit ihrem Beitrag in die Diskussion u m die optimale Kapitalstruktur einzugreifen, obwohl sie genau genommen eine Situation analysieren, in der nur eine bestimmte Finanzierungsmöglichkeit oflFen steht. Daher können sie auch nicht mehr beisteuern als die Vermutung, dass andere Finanzierungsmöglichkeiten, wie z. B. Innenfinanzierung oder Fremdfinanzierung, oder flankierende Maßnahmen, wie z. B. Ausgründungen (Spin OflFs), vor allem deswegen bevorzugt werden, u m das Problem einer Umverteilung zu Lasten der Alt-Gesellschafter einzudämmen oder diesem zu entgehen. Am konsequentesten gelingt dies durch Innenfinanzierung, weil eine Umverteilung ausgeschlossen ist, solange keine neuen Ansprüche an das Unternehmensvermögen geschaflFen werden. Risikolose Fremdfinanzierung ist ebenfalls ein Weg zum Ziel, weil sie Ansprüche entstehen lässt, für deren Bewertung die Informationsasymmetrie irrelevant ist,^ und eine Ausgründung sorgt zumindest dafür, dass keine neuen Ansprüche an das bereits investierte Unternehmensvermögen entstehen. Die Kritik setzt konsequenterweise an den Prämissen an. Dabei lassen sich im Wesentlichen zwei Ansatzpunkte unterscheiden: Entweder wird die beschränkte Menge zulässiger Finanzierungsformen bzw. die unvollständige Erfassung von Handlungsoptionen in Gegenwart alternativer Finanzierungsformen kritisiert und dement^ Vgl. Myers und Majluf (1984). ^ Während Myers und Majluf (1984, S. 200) noch vage mit mehr oder weniger attraktiven Emissionskonditionen argumentieren und bspw. der wiederholt geäußerten (S. 201 u. 203) Feststellung, dass es im Fall allseitiger Gewissheit über den Marktwert des bereits investierten Unternehmensvermögens kein Problem gibt, einen eigenen Unterabschnitt widmen, nennen Harris und Raviv (1991, S. 307 ff.) das Kind beim Namen und weisen explizit auf eine Unterbewertung des bereits investierten Unternehmensvermögens und den dadurch bewirkten Vermögenstransfer von den Alt-Gesellschaftern an die Neu-Gesellschafter als Ursache des Problems hin. ^ Die auf Myers (1984) zurückgehende Metapher einer von der Innenfinanzierung angeführten Hackordnung (pecking order) der Finanzierungsformen erscheint auf den ersten Blick als Fehlgriff, weil risikoloses Premdkapital grundsätzlich ebenso wie die Innenfinanzierung geeignet ist, das durch eine Unterbewertung des bereits investierten Unternehmensvermögens verursachte Umverteilungsproblem gar nicht erst aufkommen zu lassen. Bedenkt man jedoch, dass in Wirklichkeit bei Fremdkapital stets ein, wenn auch möglicherweise sehr kleines, Restrisiko bleibt, hat die Metapher durchaus ihre Berechtigung.
294
Thomas Braun
sprechend erweitert"* oder es wird moniert, dass Myers und Majluf das ÜberInvestitionsproblem als Folge einer mit wachsendem Innenfinanzierungsspielr a u m schwindenden Kontrolle des Managements durch den Kapitalmarkt^ mit der A n n a h m e stets nicht negativer Kapitalwerte der Investitionsgelegenheiten bewusst ausklammern.^ Der vorliegende Beitrag akzeptiert die Prämissen von Myers und Majluf und geht daher von einer rein eigenfinanzierten, von den Gründern geführten Aktiengesellschaft aus^ und zeigt, dass asymmetrische Information für Gründer, die auf das Kapital neuer Gesellschafter angewiesen sind, unter U m s t ä n d e n gar kein Problem ist. Maßgeblich hierfür ist der Risiko-Zusammenhang zwischen den Marktwerten des bereits investierten u n d des neu hinzukommenden Unternehmensvermögens. Grundsätzlich basiert das Modell von Myers und Majluf (1984) auf der Vorstellung, dass Alt- und Neu-Aktionäre eines einzigen Unternehmens zunächst vollkommen homogene Erwartungen hinsichtlich des ökonomisch relevanten Entscheidungsfeldes der Alt-Aktionäre haben. Erst unmittelbar vor der Ankündigung der Kapitalerhöhung machen die Alt-Aktionäre eine Insider-Beobachtung. Die Neu-Gesellschafter sind sich dessen bewusst und prüfen daher gegebenenfalls, ob die von den Alt-Aktionären gefällte Entscheidung, den K a p i t a l m a r k t zwecks Verwirklichung eines beVgl. Harris und Raviv (1991, S. 309 ff.), wobei der hier zu findende Hinweis auf Brennan und Kraus (1987) besonders hervorzuheben ist. Brennan und Kraus zeigen, dass die Verwendung eines Teils des Emissionserlöses zur Rückzahlung von Krediten zum risikolos diskontierten Gegenwartswert der noch ausstehenden Zahlungen eine Unterbewertung signalisieren kann. Vgl. Jensen (1986). Einen ersten Versuch, Auswirkungen von Interessenkonflikten zwischen Eignern und Managern einerseits und asymmetrischer Information andererseits auf die optimale Kapitalstruktur simultan zu analysieren, findet sich bei Noe und Rehello (1996). Dadurch wird ausgeschlossen, dass die mit der Verwirklichung der Investitionsgelegenheit verbundene Vergrößerung der Haftungsmasse zu einer besseren Besicherung von Ansprüchen Dritter führt. Die damit verbundene Umverteilung zu Lasten der Eigner kann genau so wie die durch eine Beteiligungsfinanzierung ausgelöste Umverteilung dazu führen, dass an sich wertsteigernde Investitionsgelegenheiten ungenutzt bleiben. Dieser Sachverhalt ist seit Myers (1977) in der Literatur als Unter-Investitionsproblem bekannt. Aufgrund der Vorrangstellung von Gläubiger-Ansprüchen kann es offensichtlich zu einer Überlagerung des Problems der Beteiligungsfinanzierung durch das Unter-Investitionsproblem kommen. Nicht gesehen wurde bislang, dass dies der Skepsis des Marktes gegenüber Kapitalerhöhungen den Boden entziehen könnte, wenn allgemein bekannt ist, dass Gläubiger-Ansprüche eine an sich vorteilhafte Investitionsgelegenheit für die Eigner genau dann uninteressant machen, wenn das bereits investierte Unternehmensvermögen überbewertet ist. Dies ist nicht der einzige Hinweis darauf (s. Fn. 4), dass das von Myers und Majluf (1984) aufgeworfene Problem tendenziell an Brisanz verliert, wenn das Unternehmen in der Ausgangssituation bereits teilweise fremdfinanziert ist.
Beteiligungsfinanzierung bei asymmetrischer Information
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stimmten Projektes in Anspruch zu nehmen, mit allen zuvor für möglich gehaltenen Szenarien vereinbar ist. Dabei kommt ihnen die Tatsache entgegen, dass Alt- und Neu-Gesellschafter von einem ursprünglich gleichen Informationsstand ausgehen. Dies kann - muss aber nicht - zu einer vollständigen Entschlüsselung der Insider-Information führen. D a die Alt-Aktionäre die gleichen Vorstellungen von rationalen Erwartungen u n d angemessener Bewertung zukünftiger risikobehafteter Zahlungen haben wie die Neu-Aktionäre, sind die Alt-Aktionäre jedenfalls ihrerseits in der Lage zu antizipieren, welche Auswirkungen der Gang an den K a p i t a l m a r k t auf die Erwartungen potenzieller Neu-Aktionäre hat. Das versetzt die Alt-Aktionäre in die Lage, den höchsten Emissionskurs, zu dem die jungen Aktien platziert werden können, ohne die Hilfe einer Investmentbank bestimmen zu können.^ Im Einzelnen gehen Myers und Majluf davon aus, dass einerseits das Management den Marktwert der Investitionsgelegenheit im Zeitpunkt der Ankündigung der Kapitalerhöhung bereits mit Sicherheit kennt und andererseits der Markt ganz unspezifisch von stochastisch voneinander unabhängigen Marktwerten^ des bereits investierten und des erst noch anzuschaffenden Sachanlagevermögens ausgeht.^^ Damit wird z. B. ausgeschlossen, dass die folgende Überlegung zum Tragen kommt: Eine hinreichend positive Korrelation zwischen den relevanten Marktwerten vorausgesetzt,^^ könnte es sich dem Markt erschließen, dass die Gründer aufgrund der gerade d a n n mit hoher Wahrscheinlichkeit t r ü b e n Erfolgsaussichten der Investitionsgelegenheit ^^ im eigenen Interesse besser auf die Kapitalerhöhung verzichten, wenn das Unternehmen überbewertet ist. Dies würde Harris und Raviv (1991, S. 306 ff.) interpretieren das Modell von Myers und Majluf (1984) im Sinne einer Querschnittsbetrachtung, bei der nicht ein einziges Unternehmen über den Gang an die Börse nachdenkt, sondern viele. Die relativen Häufigkeiten von - gemessen am Marktwert des bereits investierten Unternehmensvermögens - guten und schlechten Unternehmen, die sich darunter befinden, treten an die Stelle der subjektiven Wahrscheinlichkeiten für hohe und niedrige Marktwerte des bereits investierten Unternehmensvermögens eines einzigen Unternehmens. Die guten Unternehmen müssen in Anbetracht allseits gleichwertiger Investitionsgelegenheiten abwägen, wie weit sie bereit sind, den Emissionskurs zu senken, um nicht mit den schlechten Unternehmen in einen Topf geworfen zu werden. Im Ergebnis unterscheiden sich diese beiden Interpretationen nicht. Letztendlich treten lediglich relative Häufigkeiten an die Stelle subjektiver Wahrscheinlichkeiten für den Eintritt bestimmter Ereignisse. ^ Myers und Majluf (1984, S. 206, Legende zu Tabelle 1). ^° Sie schließen damit Kapazitätserweiterungsinvestitionen oder Investitionen mit Hedge-Charakter entweder aus oder unterstellen zumindest, dass der Markt nicht über den Zweck solcher Investitionen informiert ist. ^^ Im Sinne einer Querschnittsbetrachtung entspricht dies der Annahme, dass die Gruppe der wertvollen Unternehmen einen höheren Anteil von Unternehmen mit vergleichsweise höherwertigen Investitionsgelegenheiten aufweist als die Gruppe der weniger wertvollen Unternehmen. ^^ Dabei kann es sich um ein ex ante betrachtet durchaus viel versprechendes Investitionsvorhaben handeln.
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Thomas Braun
der Mutmaßung den Boden entziehen, dass das Management vor der Ankündigung einer Kapitalerhöhung eine Überbewertung beobachtet haben könnte, und somit das Unter-Investitionsproblem von Myers und Majluf lösen.
2 Modell 2.1 Annahmen 1. Die im Interesse aller bisherigen Gesellschafter handelnden Gründer eines rein eigenfinanzierten Unternehmens haben die (exklusive) Gelegenheit, in ^2 eine Investition zu tätigen. Als Gegenleistung für eine sichere Auszahlung in Höhe von Z2 können dem bereits vorhandenen Sachanlagevermögen mit Marktwert O2 (O steht für old) weitere Vermögensgegenstände mit einem Marktwert von N2 {N steht für new) hinzugefügt werden. 2. Das Modell erstreckt sich über drei Zeitpunkte: ^2 ist der Planungshorizont, in dem das Projekt ggf. zeit gleich mit der Durchführung der Kapitalerhöhung realisiert wird, ti ist der Zeitpunkt, in dem die Kapitalerhöhung spätestens angekündigt werden muss, damit das Projekt in ^2 realisiert werden kann, to ist der letzte Handelszeitpunkt vor dem Zeitpunkt ^23. Zukünftige Zahlungen werden generell mit ihrem Erwartungswert bewertet. Diese Annahme kann etweder mit Risikoneutralität oder (nach einer Maßtransformation) mit der Replizierbarkeit der zu bewertenden Zahlungen begründet werden.-^^ 4. Sei V2 der Marktwert des gesamten Eigenkapitals in ^2 für den Fall, dass das Projekt umgesetzt wird. Da die Aktiengesellschaft rein eigenfinanziert ist und O2 > 0 gilt, kann die Vergrößerung der Haftungsmasse um den Marktwert der neu hinzukommenden Assets N2 > 0 nicht zu einer besseren Besicherung von Ansprüchen Dritter führen. ^^ Somit gilt V2 = 02 + N2.
(1)
5. Es gibt keine andere MögHchkeit der externen Finanzierung,^^ als zusätzlich zu den ria alten Aktien rij junge Aktien zum Emissionskurs fc, der in Die Existenz eines Informationsvorsprungs lässt sich allerdings nur dann mit arbitragefreier Bewertung in Einklang bringen, wenn der Markt unvollkommen und/oder unvollständig ist, da sich andernfalls die Gelegenheit ergibt, den Informationsvorsprung in unendlich große Arbitragegewinne umzumünzen; vgl. hierzu Wilhelm (1991, S. 186-189). Um solche Komplikationen zu vermeiden, wird im Folgenden Risikoneutralität unterstellt. Vgl. Karsten (2003) zu möglichen Konsequenzen einer besseren Besicherung von Gläubigern für die Eigenkapitalgeber im Fall von Unternehmenszusammenschlüssen. Ein Spin Off wird aus exogen gegebenen Gründen, wie z. B. hohen Transaktionskosten, nicht in Erwägung gezogen.
Beteiligungsfinanzierung bei asymmetrischer Information
297
f 1 bekannt gegeben wird aber erst in ^2 zu zahlen ist, an neue Gesellschafter auszugeben. Ein dem Markt bekannter Innenfinanzierungsspielraum wird stets konsequent genutzt. Damit reduziert sich der Kapitalbedarf in Höhe der Summe aus Anschaffungsauszahlung z^ und Emissions-Kosten C2 ggf. um den Marktpreis nicht betriebsnotwendiger Finanz-Aktiva fi
Demnach gestatten weder die Finanzierungsform noch der Emissionserlös e : = n^k = Z2^- c^ - /2
(2)
Rückschlüsse auf die Information der Gründer. Mit der Kapitalerhöhung angekündigte Projekte werden stets entsprechend der Ankündigung durchgeführt. 6. Seien Q = {(^1,(^2,(^3,(^4} die Menge der Elementarereignisse und 02{(^l) = 0 2 ( ^ 2 ) =Oh
/
02M=02M=0,
^^^^^'^^
^ ^N
die Marktwerte für das bereits investierte Sachanlagevermögen in ^2- Diese können von den Gründern bereits in ^i beobachtet werden. In Verbindung mit den Definitionen Oh := {^ I 02(0;) = Oh} = {uJi,(^2} Ol := {uj> I 02{uj) = Ol} = {(jJ3,(u;4} lässt sich die Information der Gründer in den Zeitpunkten ti (i = 0,1,2) mit Hilfe der Zerlegungen
Zi = {0h,0i} 22 = {{^1}, {^2}, {^3}, {^4}} abbilden. 7. Der Markt verfügt in ti nur über die bereits in to bekannte öffentliche Information. Allerdings nimmt der Markt die Ankündigung einer Kapitalerhöhung zum Emissionskurs k in ti zum Anlass, bislang gehegte Erwartungen auf den Prüfstand zu stellen. Stellt sich dabei heraus, dass die Finanzierung des Projektes zu den angekündigten Konditionen bei Eintritt eines der beiden möglichen Ereignisse für die Gründer uninteressant ist, so dann kann sich der Markt denken, dass die Gründer das andere Ereignis beobachtet haben. 8. Bislang unterscheiden sich die Annahmen nicht wesentlich von denen des Modells von Myers und Majluf (1984). Der einzige wirklich nennenswerte Unterschied besteht darin, dass eine diskrete Wahrscheinlichkeitsverteilung für O2 an die Stelle der von Myers und Majluf angenommenen logarithmischen Normalverteilung tritt, was allerdings den nicht zu unterschätzenden Vorteil einer wesentlich einfacher nachzuvollziehenden Argumentation hat. Eine, wie sich zeigen wird, ökonomisch bedeutende Beschränkung der Allgemeinheit des Modells von Myers und Majluf besteht
298
Thomas Braun in der Annahme, dass die Gründer in t i nicht nur den zukünftigen Marktwert des bereits investierten Unternehmensvermögens mit Sicherheit bestimmen können, sondern auch den zukünftigen Marktwert des in Frage stehenden Investitionsvorhabens.^^ Im Allgemeinen erscheint es jedoch plausibler davon auszugehen, dass der Informationsvorsprung der Gründer in Bezug auf das bereits vorhandene Vermögen von anderer Qualität ist als ein eventueller Informationsvorsprung in Bezug auf das erst noch zu realisierende Projekt. Daher wird hier angenommen, dass die Gründer unter keinen U m s t ä n d e n bereits in ti Gewißheit über A^2 erlangen. Wegen Oh = {^1,^2} Ol = {us^u;^} erfordert dies A^2(^i) 7^ -^2('^2) und A^2(^3) 7^ ^2(004). Diese Bedingung ist unter den vereinfachenden Annahmen
N2{LÜ2)
= N2{u;4) =ni
^
< ^i/^j
erfüllt. Die subjektiven Wahrscheinlichkeitsvorstellungen der Marktteilnehmer seien durch
Po^ :=P({a>i, <^2}) Po, : = P ({W3, W4}) PNH
: - P ( { ^ i , W3}) = P({c.i})+P({a;3}) = PNH\Oy,POH •^VNH\OIPOI
mit ._
P({^i})
._.
F({a;3})
und 1E|0;,(^2) = ni+pNH\OH iPh - ni) = 'EQ{N2)
+ (pNy,\OH -PN^Xf^h
= fi + poiiy ^Ol{N2)
=n-po^u
Myers und Majluf (1984, S. 198).
- ni)
Beteiligungsfinanzierung bei asymmetrischer Information
299
mit
l^ '= {PNn\OH
-PNn\Oi){nh-ni),
beschrieben. 2.2 Der Kalkül der Gründer Sei ^(h) :=
^^ ::::, 1 _ ^^^ = 1_ ^ ria + rij {ua + nj)k {ria + nj)k
(3)
der den Gründern verbleibende Unternehmensbruchteil. Beachtet man die Definition tJ = E ß ( 0 2 + A^2) und die Annahme, dass der Emissionskurs bereits in ti bekannt gegeben wird, aber erst in ^2 zu zahlen ist, dann folgt: Lässt die Ankündigung einer Kapitalerhöhung keine Rückschlüsse auf die Insiderinformation zu, muss k
— ^ Ua + na-
(4)
gelten; lässt sie den Rückschluss auf den Eintrit des Ereignisses Oi zu, dann muss
,
(5)
na 4-nagelten. Durch Einsetzen von (4) und (5) in (3) ermittelt man die entsprechenden Obergrenzen des Gründeranteils ln'=l-^
(6) V
und ^^* •= ^ ~ E | o , ( 0 2 + iV2)-
^'^^
Für die Gründer kommt eine Emission zum Emissionskurs k oflFensichtlich nur in Frage, wenn 7(fc) • (E|o,(02 + N2))> 02{0i) + h gilt. In Verbindung mit der Definition
(8)
300
Thomas Braun FoAk)
: = E | o , ij{k)
• (O2 + iVa) - O2)
= 7(fc)-E|o,(02+iV2)-02(Oi) für die von den Gründern nach Beobachtung des Ereignisses Oi erwartete Veränderung ihres im Unternehmen gebundenen Realvermögens, falls sie das Projekt durchführen und durch die Ausgabe junger Aktien zum Emissionskurs k an neue Gesellschafter finanzieren, besitzt die zu (8) äquivalente Bedingung
Fom>h
(9)
eine unmittelbar einleuchtende Interpretation: Die Gründer führen das P r o jekt nur durch, wenn der dadurch zu erwartende Realvermögenszuwachs größer ist als der Innenfinanzierungsbeitrag, den sie mit der Veräußerung des Finanzanlagevermögens zum Marktwert /2 leisten.-^"^
17
Addition von e auf beiden Seiten der Ungleichung (9) und anschließende Substitution von e gemäß der durch (3) implizierten Beziehung e = (1 - 7(/c)) • {ria 4- nj)k führt auf ^{k) . E|o,(iV2) + (1 - T W ) • {{na + nj)k
- 02{0i))
> Z2 + C2.
Hieraus erhält man in Verbindung mit der Definition NPV2 := N2 - Z2 für den Kapitalwert (Net Present Value) die Bedingung E,o,(iVPy2) + (1 - 7 W ) • {{na + nj)k - E | o , ( 0 2 + N2)) > C2. Demnach ist ein positiver erwarteter Kapitalwert selbst unter der Annahme C2 = 0 keine hinreichende Bedingung dafür, dass die Investitionsgelegenheit unter den gegebenen Finanzierungsrestriktionen genutzt wird. Grund ist die Tatsache, dass der Marktwert des Investitionsvorhabens nur zum Bruchteil 7 direkt an die AltGesellschafter fällt. Da der Bruchteil 1 — 7 des Unternehmens veräußert werden muss, um das Vorhaben zu finanzieren, gehen eventuelle Bewertungsdivergenzen mit eben diesem Bruchteil in den Vermögensvergleich der Gründer ein. Offensichtlich stellen Unterbewertungen eine potenzielle Bedrohung für die Verwirklichung an sich wertsteigernder Investitionsvorhaben dar, da sie sich zu Lasten der Altund zu Gunsten der Neu-Gesellschafter auswirken. Dies kann dazu führen, dass Gelegenheiten zur Erhöhung des Marktwertes, die bei entsprechendem Innenfinanzierungsspielraum oder nicht mit der Unterbewertungsproblematik behafteten externen Finanzierungsmöglichkeiten realisiert würden, nicht genutzt werden. Daher betonen Myers und Majluf den positiven Einfluss eines möglichst großen Innnenfinanzierungsspielraums. Dieser schlägt sich in entsprechend geringeren Anforderungen an den Emissionserlös und mithin ausweislich (3) in einem sinkenden Anteil der Neu-Gesellschafter nieder.
Beteiligungsfinanzierung bei asymmetrischer Information
301
2.3 D i e G l e i c h g e w i c h t e Wie bereits einleitend erwähnt, ist die in der Größe ^ '= {PNH\OH -PNn\Oi){nh
-
ni)
zum Ausdruck kommende Korrelation zwischen den Marktwerten des bereits investierten und des neu hinzukommenden Vermögens von Ausschlag gebender Bedeutung für d a s Gleichgewicht:^^ In Verbindung m i t der Definition Ao
:=Oh-oi>0
gibt es unter der Voraussetzung ^ > P o . f ^ ^ A o + e) \POH )
(10)
insgesamt fünf Intervalle mit signifikant voneinander abweichender Struktur der möglichen Gleichgewichte, nämlich^^ a) b) ^)
V < —Ao ^^ - A o < V < ^ ^ A o v-poie^o
< ^ ^ i7+po,(A<,+i/)-eAo
d ) ^ ; + p o , ( A „ + . ) - e A o
e)
<
^ A o
^ A „ < u.
Maßgeblich für die Intervallgrenzen sind die folgenden Äquivalenzen: E | o . { O , + N,) = \ l + PO,(A„ + . ) falls i = h ' '^ ^ l '^ ~ POh (Ao + i^) falls z = l
^ ^
z / 1 - A o ^ E | 0 . ( 0 2 + iV2) I ü I E , o , ( 0 2 + N2).
(12)
impliziert
Hieraus folgt unter Berücksichtigung von (6) u n d (7) 1/1 - A o ^ 7 0 . =7n = lo^ ^ FoAko,)
| Fo,{kn)
| Fo,{ko,)
(13)
^^ Wie bereits erwähnt, kann man PNh\Oh i ^ Kontext eines Selbstselektionsmodells als relative Häufigkeit der Unternehmen mit guten Investitionsgelegenheiten in der Gruppe der guten Unternehmen interpretieren. ^^ (10) ist äquivalent zu
^ ° ' ' A„<
,
V ^
und gewährleistet mithin die Existenz von Fall c).
^ A o
302
Thomas Braun
für i = l,h. Ferner gilt^^
^ > _Po,e
^^ ^ Fo,{ko,) I Fo,{kn).
^ V — poi e
(14)
^
Und schließlich impliziert Fo. (k) - Fo, (k) = j{k) • (Ao + z/) - A , die Äquivalenz^ ^
7(fc)
für fc > 0. 2.3.1 Fall a) Im Fall PN^\OH - PN^iOt < --r—TlT
^ " ^
-^o
(16)
impliziert (15) Fo,{k)
= 70z • ^0l{02
+ A^2) - 0 2 ( 0 0
^ {' - E,o.(oI-|-iV.)) ^'-^(^^ + ^^) - ^'-^^^^) =:E,o,(Ar2)-e
und
Fo^ (k^) = (1 - I ) E,o JO2 + iV2) - o^ = n + po^ 2^ - = (^ + po^ (Ao + i^)) = n + poi ly — e— -poi (Ao + i^) zeigen. ^^ Myers und Majluf (1984, S. 198) gehen von rih = ni ^ v = 0 aus und beschränken sich somit auf den in Abschnitt 2.3.2 behandelten Fall b). Zur selben Konsequenz führt die Annahme, dass die Gründer und der Markt die gleiche Information über den Marktwert der Investitionsgelegenheit haben. Diese impliziert in Verbindung mit dem Informationsvorsprung der Gründer bezügUch des bereits investierten Unternehmensvermögens PN^lOh — PN^IOI ^ U = 0.
Beteiligungsfinanzierung bei asymmetrischer Information
303
einerseits und (12) in Verbindung mit (5) koh
< koi
andererseits. Sei NPV2
:= N2 - Z2
der Kapitalwert (Net Present Value) des Projektes, d a n n kommt dessen Verwirklichung somit niemals in Betracht, falls Foiikoi)
< /2 ^ E | o , ( i V P y 2 ) < C2
gilt.22 Im Fall FoAko,)
< f2 <
Fo,{ko,)
werden die Gründer das Projekt stets fallen lassen, wenn sie das Ereignis Oh beobachten. Das weiß auch der Markt, so dass es den Gründern gelingt, den M a r k t durch die Ankündigung einer Kapitalerhöhung zum Emissionskurs koi davon zu überzeugen, dass das Ereignis Oi eingetreten sein muss, was den höchsten ü b e r h a u p t in Frage kommenden Emissionskurs koi in den Augen des Marktes gerade noch gerechtfertigt erscheinen lässt. Im Fall f2 < Fo^ko,)
<
Fo,{ko,)
ist der Emissionskurs koi in den Augen des Marktes nicht mehr gerechtfertigt, weil die Ankündigung einer Kapitalerhöhung zum Emissionskurs koi keinen G r u n d hefert, den Eintritt von Ereignis Oh auszuschließen. Diesen G r u n d könnte wegen dFo,
dFo, d-y
eine Herabsetzung des Emissionskurses auf
k = Fslih) ^ Fo,{k) = h< Fo,{k) liefern, was sich aber nur unter der Bedingung - F Q ^ ( / 2 ) > kQ lohnt, weil der Emissionskurs ka auch ohne Signal erzielt werden kann. Im Fall ^^ Die im Text behauptete Äquivalenz besitzt eine ökonomisch unmittelbar einleuchtende Erklärung: Bei angemessener Bewertung sind Umverteilungseffekte ausgeschlossen. In diesem Fall erschöpft sich der Einfluss der Finanzierung auf die Investitionsentscheidung darin, dass die pagatorischen Kosten der AktienEmission C2 durch den Kapitalwert des Projektes NPV2 gedeckt werden müssen. Mathematisch lässt sich die Äquivalenz wie folgt zeigen: Fn. 20 lässt sich entnehmen, dass Foiikoi) < / 2 ^ ^Ol{N2) - e < /s ^ ^Oi{N2) -Z2 <e + f2-Z2 gilt. Hieraus folgt die Äquivalenz unter Berücksichtigung von e = Z2 + C2 — f2'
304
Thomas Braun Fodka)
< f2 <
werden daher junge Aktien zum Kurs Ol eintritt. Im Fall
Fo,{ko,)
FQ'^(/2)
emittiert, wenn das Ereignis
f2
< f2 < Fo,{ko)
realisiert, obwohl es, wie aus Fod^O,)
E|o,(iVP1^2) < C2
ersichtlich, an sich einen Verlust erwarten lässt. Die Gründer können sich diesen erwarteten Verlust leisten, weil die Neu-Gesellschafter einen überhöhten Emissionskurs zahlen.^^ 2.3.2 Fall b) Im Fall _ A , < z. < ^ ^ ^ i ^ A o < ^ : : - ^ A o = —
- f - ^
Ao
(17)
gilt gemäß (12) E,o,(02 -^N2)
E , o J 0 2 + ATs).
In Verbindung mit den hierzu äquivalenten Relationen lOi <1Q<
IOH
(18)
impliziert (15), dass im relevanten Bereich koi < k < ko^ weiterhin
Fodk)
Beteiligungsfinanzierung bei asymmetrischer Information
305
offensichtlich bestenfalls ein Emissionskurs in Höhe von kf2 erzielt werden, so dass die Verwirklichung des Projektes unter der Bedingung Fo,{kf2)
< f2 <
FoAkü)
muss die Ankündigung einer Kapitalerhöhung zum Kurs k^ als negatives Signal verstanden werden. Eine Vermeidung dieses Signals ist ausgeschlossen, weil dazu eine Anhebung des Emissionskurses nötig wäre, die aber unter keinen Umständen durchsetzbar ist. Also kann die Kapitalerhöhung bestenfalls zum Kurs koi erfolgen, was aber aus Sicht der Gründer nur dann vorteilhaft ist, wenn /2 < Foi{koi) gilt. Wegen
^ < = r ^ A , ^ FoAkü) < Fo,{ko,) gilt: Falls Fo,{ko,)
< f2 < Fo,{ko,)
gilt, wird das Projekt mit einer Kapitalerhöhung zum Emissionskurs koi finanziert, falls das Ereignis Oi eintritt. Und falls /2
Fodkü) < h < Fodko.) bei Eintritt des Ereignisses Oh infolge des Mangels an Finanzierungsalternativen zu einer Wohlfahrts-Einbuße, weil das Projekt trotz /2 < Fo,{ko,)
^ C2 < E|o,(iVPF2)
nicht durchgeführt wird.^^ Diese Wohlfahrts-Einbuße geht offensichtlich voll zu Lasten der Gründer. ^^ Das gilt jedenfalls dann, wenn bei allen denkbaren Finanzierungsalternativen Einmal-Kosten in Höhe der Emissionskosten C2 entstehen.
306
Thomas Braun
2.3.3 Fall c) Im Fall POie
. ^,,^1-70^ Ao
77——-,
Ao
(19)
tritt nur eine wesentliche Änderung gegenüber dem Fall b) ein, nämlich ^ r ^ ^ A . < V ^ Fo,{ko,) <
Fo,{kn).
V-pOiB
Hierdurch verringert sich die Zahl der zu berücksichtigenden Fälle auf zwei: Falls FoAkn)
wird das Projekt jedenfalls mit einer Kapitalerhöhung zum Emissionskurs k^ finanziert. Zu der unterlassungsbedingten Wohlfahrtseinbuße bei Eintritt von Ereignis Oh im Fall Fo,{ka)
< f2 <
FoAko,)
tritt nun noch die Wohlfahrtseinbuße durch eine verlustbringende Investition bei Eintritt von Ereignis Oi im Fall Fo,{ko,)
(20)
gilt weiterhin E|o,(02 + iVa) < tJ < E , o J 0 2 + A^2) ^ lOi <1Q<
lOn-
Da (15) unter der Bedingung (19) Fo,{ko^) < Fo^{ko^) impliziert, wird es denkbar, dass die Emission zum höchst möglichen Emissionskurs kof, platziert werden kann. Insgesamt ergeben sich die folgenden Möghchkeiten: Im Fall
Beteiligungsfinanzierung bei asymmetrischer Information
307
FoAkoJ
< f2 <
FodkoJ
wird das Projekt mit einer Kapitalerhöhung zum Emissionskurs ko^ finanziert, falls das Ereignis Oh eintritt. Tritt im Fall
das Ereignis Oh ein, dann werden die Gründer über eine Herabsenkung des Emissionskurses nachdenken. Dabei gilt analog zu Abschnitt 2.3.1, dass es keinen Sinn macht, den Eintritt des Ereignisses Oh mit einem Emissionskurs k < k^ zu signaUsieren. Zudem ist hier noch zu beachten, dass es gemäß (15) mit dem Erreichen der Schwelle
- - - ( ^ ) wegen i^<^—n^^o^Fo,{k)
{mk
unmöglich wird, den Eintritt des Ereignisses Oh zu signalisieren. Nun impliziert (20) mittelbar J""'^ v-poie
Ao
Fo,{ko,) <
Fo,{kn)
und unmittelbar 7[kn)
z^ + Ao
so dass die folgenden Fälle zu beachten sind: Im Fall Fo,{k,) < f2 <
Fo,{ko,)
wird das Projekt bei Eintritt von Oh mit Hilfe einer Kapitalerhöhung zum Kurs FQ^{f2) durchgeführt. Im Fall FoAkn)
< f2 < Fo,{k,)
wird das Projekt keinesfalls realisiert. Und im Fall f2
308
Thomas Braun
2.3.5 Fall e) Im Fall l-T^A IQ
/
^ (
^
\
(Oh-oi
^<'^^^(^) ( ^ )
^P-^lo.-mio,
(21)
tritt nur eine wesentliche Änderung gegenüber dem Fall d) ein, nämlich dass ky < kf2 offensichtlich keine Rolle mehr spielt. Somit bleiben noch vier mögliche Gleichgewichte: Im Fall
FoAkoJ
3 Fazit Die Modellannahmen des Modells von Myers und Majluf sind einer ganz bestimmten Gruppe von Unternehmen auf den Leib geschneidert: jungen noch von den Gründern geführten Unternehmen, die tatsächlich darauf angewiesen sind, den Kreis der Gesellschafter zu erweitern, um die für die Weiterentwicklung von Innovationen und die Erschließung von Märkten notwendigen Investitionen tätigen zu können. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich, dass asymmetrische Information per se dabei überhaupt kein Hindernis darstellt, wenn man davon ausgeht, dass sowohl die Gründer als auch der Markt übereinstimmend davon ausgehen, dass der Marktwert der zu finanzierenden Projekte und der
Beteiligungsfinanzierung bei asymmetrischer Information
309
Marktwert des bereits investierten Vermögens hinreichend positiv korrehert sind. Konkret konnte die Bedingung
identifiziert werden. Wenn m a n einerseits von stark positiv korreherten Marktwerten und andererseits davon ausgeht, dass 1. die Gründer die unternehmerische F ü h r u n g behalten wollen, was den Faktor "^"Z. ? nach oben begrenzt^^ 2. das Risiko von Investitionen auf dem Weg von der Grundlagenforschung bis zur Marktreife und eventuell noch Markterschließung eher zu- als abnimmt, was den Faktor ^^Z^ nach oben begrenzt, d a n n erscheint die Bedingung (22) mit Blick auf den oben beschriebenen Unternehmenstypus nicht allzu restriktiv. Akzeptiert m a n diese Annahmen, so gelangt m a n zu dem Schluss, dass sich asymmetrische Information in Verbindung mit mangelnden Finanzierungsalternativen per se nicht als Innovationsbremse auswirkt. Dabei will allerdings bedacht sein, dass Gleichgewichte mit rationalen Erwartungen eine gemeinsame Informationsbasis auf beiden Seiten des Marktes voraussetzen. Schließt m a n fehldenden Kapitalbedarf seitens junger Wachstumsunternehmen als Erklärung aus, d a n n drängt sich der Schluss auf, dass der P r i m ä r m a r k t für Eigenkapitaltitel in den letzten J a h r e n vor allem deswegen so schlecht lief und weiterhin so schlecht läuft, weil eine solche gemeinsame Informationsbasis fehlt.
Literaturverzeichnis 1. Brennan, M. J. ; Kraus, A. (1987): Efficient Financing under Asymmetrie Information. In: Journal of Finance, 42, 1987, S. 1225-1243. 2. Harris, M. ; Raviv, A. (1991): The Theory of Capital Structure. In: Journal of Finance, 46, 1991, S. 297-355. 3. Jensen, M.C. (1986): Agency Costs of Free Cash Flow, Corporate Finance, and Takeovers. In: American Economic Association Papers and Proceedings 1986, S. 323-329. 4. Kürsten, W. (2003): Synergetische Merger, Co-Insurance und Shareholder Value. In: Die Betriebswirtschaft, 63, 2003, S. 239-256. 5. Myers, S. C. (1977): Determinants of Corporate Borrowing. In: Journal of Financial Economics, 5, 1977, S. 147-175. 6. Myers, S. C. (1984): The Capital Structure Puzzle. In: Journal of Finance, 39, 1984, S. 575-592. ^^ Genau dann, wenn die Projekte ex ante betrachtet sehr attraktiv erscheinen, womit die Abgabe eines positiven Signals durch die Ankündigung einer Kapitalerhöhung ausgeschlossen ist, muss ^~7^ y < 1 gelten, wenn die Gründer die Mehrheit der Stimmen behalten wollen.
310
Thomas Braun
7. Myers, S. C. ; Majluf, N. S. (1984): Corporate Financing and Investment Decisions when Firms have Information that Investors do not have. In: Journal of Financial Economics, 1984, S. 187-221. 8. Noe, T. H. ; Rebello, M. J. (1996): Asymmetrie Information, Managerial Opportunism, Financing, and Payout Policies. In: Journal of Finance, 51, 1996, S. 637-661. 9. Wilhelm, J. (1991): Spurensuche: Neoklassische Elemente in der „neuen" Finanzierungstheorie. In: Ordelheide, Rudolph, Büsselmann (Hrsg.): Betriebswirtschaftslehre und Ökonomische Theorie, Tagungsband der 51. Wissenschaftlichen Jahrestagung des Verbands der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft e.V. 1990 in Frankfurt a. M. (Veranst.), Schaffer-Poeschel-Verlag, Stuttgart, 1991, S. 173196.
Der Erfolg im Rahmen der internationalen Rechnungslegung - konzeptionelle Vielfalt bei der Information des Kapitalmarkts Thomas Schildbach Universität Passau, Lehrstuhl für BWL mit Schwerpunkt Revision und Unternehmensrechnung, D-94030 Passau schildbachQuni-passau.de
Gliederung 1
Problemstellung
312
2
l A S / I F R S aus der Sicht der Suche nach einem nachhaltigen Gewinn
313
2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 3 3.1
Konzeptioneller Hintergrund des nachhaltigen Gewinns Klassische Ansätze zur Normalisierung der Zahlungen im Zeitablauf Innovative Ansätze zur Normalisierung der Zahlungen im Zeitablauf Die Bewertung von Abschreibungen auf Basis von Zeitwerten als Element eines alternativen nachhaltigen Gewinns Vorsicht und Imparität im Rahmen von lAS/IFRS l A S / I F R S mit dem Ziel der Ermittlung des Vermögens und eines Erfolgs als VermögensdifFerenz
313 313 314 317 318 320
3.4
Konzeptioneller Hintergrund der angestrebten Vermögensdarstellung Der Vervollständigung des Vermögensausweises dienende Ansatzvorschriften Der umfassenderen Vermögensdarstellung dienende Bewertungsvorschriften Vermögensänderung und Erfolg
322 322
4
Ergebnis
324
3.2 3.3
Literaturverzeichnis
320 321
327
312
Thomas Schildbach
1 Problemstellung Um Kapitalien über den Markt in die jeweils besten Verwendungen lenken zu können, benötigen die Marktteilnehmer Informationen, die ihnen helfen, die Werte der Unternehmen abzuschätzen, deren Titel auf dem Markt gehandelt werden. Solange die Unternehmen nicht unmittelbar über ihre Werte informieren, müssen die Werte von Unternehmen aus den Zahlungen hergeleitet werden, die in Zukunft voraussichtlich zwischen Unternehmen und Eignern fließen werden.^ Dabei zeichnen sich diese künftigen Zahlungen durch ihren Umfang, ihre zeitliche Struktur und ihre Sicherheit aus. Anders als die Jahresabschlüsse nach GoB und HGB, die zusätzlich die Ausschüttungen an die Eigner begrenzen und über die Maßgeblichkeit an die Steuerbilanz gebunden sind,^ dienen Jahresabschlüsse nach lAS/IFRS und nach US-GAAP praktisch ausschließlich dieser Informationsaufgabe. Die im Detail heterogenen Informationswünsche der verschiedenen, an dem Unternehmen interessierten Personen werden dabei insoweit als übereinstimmend angesehen, als die für aktuelle und potenzielle Eigner nützlichen Informationen zur Abschätzung der an sie künftig fließenden Zahlungen auch den wichtigsten Bedürfnissen der anderen Gruppen entsprechen sollen.^ Jahresabschlüsse geben allerdings weit überwiegend vergangenes Geschehen auf Basis meist historischer Maßgrößen wieder. Insoweit informieren sie weder direkt über den Wert des Unternehmens noch unmittelbar über Umfang, zeitliche Struktur und Sicherheit der künftig zwischen Unternehmen und Eignern fließenden Zahlungen. Indirekt aber - und dafür spricht nicht zuletzt die hervorgehobene Rolle, die traditionelle Jahresabschlüsse auch innerhalb der externen Rechnungslegung nach US-GAAP und lAS/IFRS spielen - werden Jahresabschlüsse als besonders geeignet angesehen, um aus ihnen auf Umfang, Struktur und Sicherheit der künftigen Zahlungsüberschüsse zu schließen. Nach Ansicht des FASB - verdeutlicht in SFAC 1.44 - sind sie jedenfalls bloßen Zahlungsrechnungen in dieser Eigenschaft überlegen.^ Sowohl im Rahmen des Framework des lASC als auch im Rahmen der SFAC des FASB bleibt aber offen, auf welchem Weg genau der traditionelle Jahresabschluss seine Informationsfunktion erfüllt. Überraschenderweise werden die Techniken der Bilanzanalyse, mit deren Hilfe aus den Jahresabschlusszahlen der Vergangenheit die Erwartungen über die Zukunft abgeleitet werden, im Rahmen von SFAC 1.48 als über die externe Rechnungslegung hinausgehend bezeichnet und daher auch nicht näher betrachtet. Der folgende Beitrag versucht, am Beispiel des lAS/IFRS die möglichen Wege der Informationsvermittlung aufzuzeigen. Verschiedene konkrete Vorschriften zur Rechnungslegung nach lAS/IFRS sprechen jeweils für spezifische ^ Zu einer breiteren Bedeutung des Marktwerts vgl. Wilhelm (1987, S. 179-204). 2 Vgl. Seibert (2003, S. 696). ^ Vgl. International Accounting Standards Board (2004, Framework 10). ^ Vgl. Beaver (1998, S. 49); Revsine/Collins/Johnson (2004, S. 278).
Der Erfolg im Rahmen der internationalen Rechnungslegung
313
Konzeptionen, auf deren Basis die so ermittelten Zahlen die Externen informieren sollen. Diese Konzeptionen, ihre Varianten im Detail, mögliche Durchbrechungen und der letztlich resultierende Mix von Vorgehensweisen werden herausgearbeitet, um auf dieser indirekten Basis auf den vermutlichen Informationsgehalt der Jahresabschlüsse nach lAS/IFRS zu schließen. Als allein der Information verpflichtete, aufgabenspezifisch entwickelte und prinzipienorientierte Standards müssten gerade lAS/IFRS einer solchen Konsistenzprüfung zugänglich sein. Freilich stellt das Ausmaß konzeptioneller Geschlossenheit nur einen der möglichen Anhaltspunkte für den theoretisch wie praktisch nur begrenzt bestimmbaren Informationsgehalt von Jahresabschlüssen dar.
2 lAS/IFRS aus der Sicht der Suche nach einem nachhaltigen Gewinn 2.1 Konzeptioneller Hintergrund des nachhaltigen Gewinns Bei der Suche nach dem nachhaltigen einkommensapproximativen Gewinn oder den „permanent earnings"^ geht es um den Versuch, die vom Unternehmen in Zukunft voraussichtlich an die Eigner fließenden Nettozahlungen näherungsweise durch einen fiktiven, unendlichen und gleich bleibenden Zahlungsstrom zu erfassen.^ Die Verfahren der Gewinnermittlung und gegebenenfalls die der späteren Analyse und Bereinigung, bei der nachhaltige von vorübergehenden Erfolgsbestandteilen getrennt und die Ausmaße der Risiken abgeschätzt werden, stehen somit im Dienst der Zahlungsstromprognose als Grundlage der Abschätzung des Unternehmenswerts7 2.2 Klassische Ansätze zur Normalisierung der Zahlungen im Zeitablauf Auch im Rahmen der lAS/IFRS werden klassische Ansätze der Erfolgsrechnung aufgegriffen, mit deren Hilfe die meist zeitlich konzentrierten Investitionsauszahlungen auf Basis von Abschreibungen über die Nutzungsdauer verteilt oder Auszahlungen für Werkstoffe mit Hilfe des Materialaufwands den Perioden des Verzehrs statt den Perioden der Lieferung oder der Bezahlung zugeordnet werden.^ Die Abschreibungen abnutzbarer Sachanlagen müssen nicht nur planmäßig („on a systematic basis" lAS 16.50) erfolgen, sie sind auch unabhängig vom aktuellen Zeitwert fortzusetzen (lAS 16.52), solange sie nicht zu Werten unterhalb des Restwerts führen. Die gewählte Abschreibungsmethode soll schließlich so weit wie möglich die Struktur widerspiegeln, in der ^ Beaver (1998, S. 49 und 71). ^ Vgl. Wagner (1994, S. 1183-1187). '^ Vgl. Coenenberg (2003, S. 1014-1030); Revsine/Collings/Johnson (2004, S. 5369). ^ Vgl. Revsine/Collins/Johnson (2004, S. 42-45 und 279).
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das Nutzungspotenzial der Anlage im Zeitablauf verzehrt wird (lAS 16.60). Die Bewertung von Vorräten darf nach Abschluss des jüngsten Improvement Project nur noch auf Basis von FIFO oder der Durchschnittsbewertung erfolgen (lAS 2.25). Damit soll sowohl einer allein steuerlich motivierten erfolgsmindernden Verzerrung der Aufwendungen auf Basis von LIFO (lAS 2, BC 12) als auch der entgegen gerichteten Verzerrung vorgebeugt werden, die eintritt, wenn eventuell bewusst alte Bestände verbraucht und dadurch die Aufwendungen niedrig gehalten werden (lAS 2, BC 13). Speziell die Bewertung mit dem gewogenen Durchschnitt nivelliert die Aufwendungen im Sinne der klassischen Vorstellungen von normalisierten und aus diesem Grund am ehesten extrapolierbaren Größen. Der Gedanke der Erfolgsverteilung hat sich partiell auch im Beitrag der Financial Instruments behauptet. Soweit sich das Unternehmen nicht nach lAS 39.9 für eine erfolgswirksame Zeitbewertung entschieden hat, werden bis zur Endfälligkeit zu haltende Finanzinvestitionen sowie Forderungen und Ausleihungen auf Basis fortgeführter AnschaflFungskosten nach der Effektivzinsmethode bewertet (lAS 39.46 (a) und (b)). Indem letztere alle regelmäßigen Zahlungen und Kursdifferenzen in den Zins und die Fortschreibung der Bilanzansätze einbezieht, nivelliert auch sie die Wertentwicklung und den Zins. 2.3 Innovative Ansätze zur Normalisierung der Zahlungen im Zeitablauf 2.3.1 Die einebnende Erfolgsrealisation bei langfristiger Fertigung Wenn sich die Fertigstellung eines meist kundenspezifischen Produkts - etwa eines Bauwerks - über mehr als eine Abrechnungsperiode erstreckt (langfristige Fertigung), führen die Bewertung zu Herstellungskosten und das Realisationsprinzip bei unterstelltem Gewinn aus dem Gesamtprojekt zu höchst unterschiedlich auf die Perioden verteilten Ergebnissen. Bei kundenspezifischen Produkten fallen die Vertriebsbemühungen und -aufwendungen regelmäßig vor der Fertigung an. Da Vertriebskosten auch im Rahmen von IFRS nicht in die Herstellungskosten einbezogen werden dürfen (lAS 2.16 (d)), entstünden bei konventioneller Bewertung und Erfolgserfassung zunächst Verluste in Höhe der Vertriebskosten und in den späteren Perioden vor Fertigstellung Verluste in Höhe der anteiligen allgemeinen Verwaltungskosten (lAS 2.16 (c)). Im Jahr der Fertigstellung erst würde der Gesamterfolg aus dem Produkt zuzüglich der in den Vorperioden aufgrund nicht aktivierbarer allgemeiner Verwaltungskosten und Vertriebskosten angefallenen Verluste erfasst. Unternehmen, deren Fertigung sich regelmäßig über mehrere Perioden erstreckt und bei denen die Zahl der in den Perioden fertig gestellten Produkte im Zeitablauf variiert, würden folglich stark schwankende Ergebnisse ausweisen. Sofern sich das Ergebnis eines langfristigen Fertigungsauftrags verlässlich schätzen lässt und mit einem positiven Ergebnis zu rechnen ist, schreibt lAS
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11.22 eine gleichmäßige Erfolgsrealisation nach der Percentage of CompletionMethode vor. Dabei werden die oben beschriebenen Erfolgsunstetigkeiten beseitigt, indem Umsatz, Aufwendungen und Erfolg proportional zu einem von mehreren möglichen Maßen der erbrachten Leistung verteilt werden. Unvermeidbare Schätzfehler, die jeweils auf Basis neuer Erwartungen zu korrigieren sind, werden dabei im Bück auf die angestrebte Verstetigung des Erfolgsausweises in Kauf genommen (lAS 11.29), obwohl sie sehr große Ausmaße annehmen können.^ 2.3.2 Die verzögerte Erfassung von Aufwendungen für Altersversorgung Soweit Unternehmen ihren Mitarbeitern im Rahmen leistungsorientierter Pensionspläne wohldefinierte Vermögensleistungen für die Zeit des Ruhestands zusagen, können die damit für das Unternehmen verbundenen wirtschaftlichen Lasten im Zeitablauf starke Veränderungen erfahren. Die Gründe liegen nur zum Teil in Abweichungen zwischen Plan und Ist bzw. revidiertem Plan bei den Lebensaltern der Mitarbeiter, ihrer Fluktuation, der künftigen Gehaltsentwicklung oder bei den gegebenenfalls zusätzlich abgedeckten Kosten der medizinischen Versorgung. Gewichtig sind vor allem zwei andere Faktoren. Nach lAS 19.78 ist der Barwert der Pensionsverpflichtung jeweils auf Basis des Zinses zu bestimmen, der am Bilanzstichtag auf dem Markt für erstklassige Industrieobligationen erzielt wird. Da Altersversorgungszusagen über lange Fristen laufen, haben Veränderungen dieses Zinses große Auswirkungen auf die Höhe der Verpflichtung. Daneben ist es zumindest in den angelsächsischen Ländern üblich, die Pensionen primär aus dem Vermögen eines zu diesem Zweck besonders eingerichteten Pensionsfonds zu zahlen. Auf dem Unternehmen lastet dann nur der Teil der künftigen Verpflichtungen aus den Pensionszusagen, der nicht durch den Pensionsfonds abgedeckt wird. Soweit freilich das Vermögen des Pensionsfonds etwa mit den Kursen der im Fonds gehaltenen Wertpapiere zu- oder abnimmt, verändert sich mit genau entgegen gesetztem Vorzeichen auch die dem Unternehmen verbleibende restliche Last aufgrund der Altersversorgungszusagen. Die aus den beschriebenen und einigen anderen Faktoren resultierenden Veränderungen der wirtschaftlichen Belastungen des Unternehmens aus Altersversorgungszusagen im Zeitablauf - die versicherungsmathematischen Gewinne oder Verluste - werden im Rahmen der lAS/IFRS allerdings durch ein aufwendiges Verfahren der „delayed recognition" (lAS 19.60) von den Periodenerfolgen weitgehend ferngehalten. In die Erfolgsrechnung gehen neben den planmäßigen Pensionsaufwendungen nach dem allein zulässigen Anwartschaftsbarwertverfahren und den Zinsen auf den Barwert der bisher erworbenen Altersversorgungsansprüche die oben in ihren Ursachen näher beschriebenen versicherungsmathematischen Gewinne oder Verluste grundsätzlich nur Vgl. Briloff (1972, S. 119).
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zum Teil ein. Der Saldo der bis zum Beginn der Periode aufgelaufenen und in Vorjahren noch nicht erfassten versicherungsmathematischen Gewinne und Verluste wird in einem ersten Schritt mit einem für Gewinn- und Verlustsalden betraglich gleich großen „Korridor" verglichen. Der Absolutbetrag dieses Korridors entspricht dem Maximum aus 10% des Barwerts der von den Mitarbeitern im Rahmen des Pensionsplans erworbenen Altersversorgungsansprüche und 10% des Zeitwerts des Vermögens des zugehörigen Pensionsfonds. Soweit der Saldo der bis zum Beginn der Abrechnungsperiode aufgelaufenen und zuvor nicht erfassten versicherungsmathematischen Gewinne und Verluste innerhalb des Korridors bleibt, brauchen nach lAS 19.92 in der laufenden Periode keine versicherungsmathematischen Gewinne oder Verluste in der Erfolgsrechnung erfasst zu werden. Soweit der Saldo hingegen außerhalb des Korridors liegt, ist der überschießende aufgelaufene versicherungsmathematische Gewinn oder Verlust anteilig in die Erfolgsrechnung einzubeziehen. Zur Berechnung des erfolgswirksam zu erfassenden Anteils wird der überschießende Betrag durch die durchschnittliche Anzahl der Jahre geteilt, die die von dem Pensionsplan begünstigten Arbeitnehmer voraussichtlich noch in aktiver Arbeit verbringen werden (lAS 19.93). Zusätzliche Lasten aus nachträglich gewährten oder erhöhten Pensionszusagen werden ebenfalls grundsätzlich nur anteilig erfasst, allerdings linear über den Zeitraum, in dem sie unverfallbar werden, und ohne Prüfung an einem Korridor. Als negative Komponente der Aufwendungen für Altersversorgung wird schließlich nicht der in der Periode aus dem Vermögen des Pensionsfonds effektiv erwirtschaftete Erfolg, sondern der erwartete Erfolg aus dem Fondsvermögen in die Gewinn- und Verlustrechnung einbezogen (lAS 19.105). Wirtschaftlich ähnelt das Vorgehen dem Ansatz kalkulatorischer Wagnisse in der Kostenrechnung. Die versicherungsmathematischen Gewinne und Verluste werden vorläufig abseits des Jahresabschlusses mit Hilfe von Nebenbüchern in der Hoffnung erfasst, dass sie sich im Zeitablauf weitgehend ausgleichen. Nur der über den Korridor hinausgehende Saldo dieser Gewinne und Verluste geht anteilig in die Gewinn- und Verlustrechnung einerseits sowie in die Bilanz andererseits ein. Das bedeutet faktisch, dass im Interesse eines kontinuierlichen und in diesem Sinne nachhaltigen, prognosefähigen Gewinns auf den vollständigen Ausweis der Belastungen aus Altersversorgungszusagen im Fall eines Nettoüberschusses unverrechneter versicherungsmathematischer Verluste verzichtet wird bzw. dass im Fall eines Nettoüberschusses unverrechneter versicherungsmathematischer Gewinne die Belastungen aus Altersversorgungszusagen zu hoch ausgewiesen werden. Damit werden zugleich die positiven Eigenschaften der Abbildung von Altersversorgungsverpflichtungen nach lAS 19 relativiert. Zwar orientieren sich diese Verpflichtungen - anders als im HGB - an den künftigen Gehaltsniveaus und am aktuellen Kapitalmarktzins, aufgrund der „delayed recognition" kann aber nur ein Teil der Verpflichtung oder mehr als die Verpflichtung in der Bilanz abgebildet sein.^^ Selbst die den Vgl. Dyckman/Dukes/Davis (1995, S. 976).
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Konventionen der traditionellen Rechnungslegung entsprechend notgedrungen nur relative Vollständigkeit des Vermögens- und Schuldenausweises wird dem Interesse kontinuierlicher Altersversorgungsaufwendungen geopfert. Dass der Fehl- oder Mehrbetrag nach lAS 120 (c) (iv) in den Notes angegeben werden muss, bestätigt die Bilanzverzerrung im Interesse des Erfolgsausweises und beweist zugleich Zweifel an der Nützlichkeit des so bereinigten Erfolgs für die Leser. Gerade in den letzten Jahren hat sich obendrein gezeigt, dass im Rahmen der Jahresabschlüsse nach lAS oder nach den in dieser Frage ähnlichen US-GAAP sowohl Überdeckungen als vor allem auch Unterdeckungen von Pensionsverpflichtungen praktisch nicht selten auftreten und sehr bedeutsam sein können. ^^ 2.4 Die Bewertung von Abschreibungen auf Basis von Zeitwerten als Element eines alternativen nachhaltigen Gewinns Traditionell wird in der deutschen wie in der angelsächsischen Bilanzlehre die These vertreten, als Erfolg aus der eigentlichen Betriebstätigkeit sei weniger die Differenz aus Erträgen und Aufwendungen auf Anschaffungswertbasis als vielmehr die Differenz aus Erträgen und Aufwendungen auf Wiederbeschaffungswertbasis relevant. Nach Edwards und Bell eignen sich derartige Gewinne, die sie „current operating profits" nennen, in besonderer Weise als Basis zur Schätzung künftiger betrieblicher Erfolge. ^^ Im Rahmen eines Wahlrechts zur Neubewertung von Sachanlagen und mit freilich geringer praktischer Relevanz^^ - von immateriellen Anlagen, für die es einen aktiven Sekundärmarkt gibt, öffnen lAS 16 und 38 partiell bezogen auf den planmäßigen Verzehr der genannten Güter die Ermittlung von Erfolgen auf Wiederbeschaffungswertbasis. Bei Entscheidung für die Neubewertung werden die Wertsteigerungen der entsprechenden Anlagen erfolgsneutral zunächst in einer Neubewertungsrücklage erfasst und später - parallel zu den planmäßigen Abschreibungen, spätestens aber bei Ausscheiden der Anlage aus dem Unternehmen - direkt in die Gewinnrücklagen überführt. Die planmäßigen Abschreibungen der entsprechenden Anlagen sind anschließend auf Basis der höheren Zeitwerte vorzunehmen, so dass insoweit das theoretische Leitbild umgesetzt wird. Außerplanmäßige Wertminderungen hingegen werden solange erfolgsneutral behandelt, wie sie frühere erfolgsneutrale Wertsteigerungen rückgängig machen. Alle anderen Wertminderungen - insbesondere auch solche, die ohne vorherige Wert Steigerungen eintreten - müssen wie die außerplanmäßigen Abschreibungen im Rahmen der Nominalkapitalerhaltung erfolgswirksam berücksichtigt werden. lAS 16 entspricht daher weniger der Konzeption der Substanzerhaltung als vielmehr derjenigen des doppel^^ Vgl. Wagenhof er (2003, S. 307). ^2 Edwards/Bell (1964, S. 36 und 88-109); ähnlich schon Schmidt (1951, S. 77 und 139-144). ^^ Vgl. Wagenhofer (2003, S. 371).
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ten Minimums von Karl Hax}^ Durch die erfolgsneutrale Erfassung der Steigerungen des Zeitwerts der neu bewerteten Sachanlagen hebt sich die hier beschriebene Form der Zeitbewertung allerdings grundlegend von anderen, später zu behandelnden Formen ab. Die Wert Steigerungen werden zu keinem Zeitpunkt im Erfolg erfasst, weil sie über die Neubewertungsrücklage direkt in das Eigenkapital in Form der Gewinnrücklagen eingehen. Die mit Hilfe der Neubewertung von Sachanlagen partiell umgesetzte Konzeption des Erfolgs auf Basis von zeitnah bewerteten Aufwendungen wird im Rahmen von lAS nicht durch entsprechende Möglichkeiten zur Vorratsbewertung ergänzt. Es wurde im Gegenteil jüngst die Möglichkeit zur LIFO Bewertung, die dieser Konzeption zumindest vorübergehend nahe kommt, für die Zukunft versperrt, weil sie die tatsächlichen Verbrauche von Vorräten nicht verlässlich widerspiegele. Bei den nicht dem Sachziel des Unternehmens, sondern der Erwirtschaftung von hohen laufenden Erträgen und/oder Wertsteigerungen dienenden Renditeimmobilien hingegen wird die Grundkonzeption der endgültig erfolgsneutral im Eigenkapital zu erfassenden Wertsteigerungen exklusiv für den Fall aufgegriffen, in dem betrieblich genutzte Immobilien des Anlagevermögens zu Renditeimmobilien mutieren. Da die Zeitbewertung von Renditeimmobilien ansonsten unmittelbar erfolgswirksam erfolgt, ist nicht zu erkennen, wie die Sonderbehandlung im Fall der Umwidmung aus dem Anlagevermögen einerseits mit der Erfolgskonzeption dieses Abschnitts zusammenhängt und andererseits gegenüber der sonstigen Behandlung von Renditeimmobilien zu rechtfertigen ist. 2.5 Vorsicht und Imparität im Rahmen von l A S / I F R S Die imparitätische Vorgehensweise, bei der Chancen im Jahresabschluss eher zurückhaltend, Risiken dagegen großzügiger erfasst werden, lässt sich weniger mit dessen Informationsfunktion^^ als vielmehr dessen Ausschüttungsbemessungsfunktion speziell im Blick auf den Gläubigerschutz rechtfertigen. Während überhöhte Ausschüttungen aufgrund eines unvorsichtig großen Gewinns nämlich im Zweifel nicht zurückgefordert werden können, lassen sich vorsichtig niedrige Dividenden später leicht durch nachgeholte Ausschüttungen korrigieren. Obwohl lAS/IFRS der Information des Kapitalmarktes dienen, halten sie in vielen Fällen an traditionellen Formen vorsichtiger Abbildung fest. So sind Vorräte nach lAS 2.28 und Anlagen nach lAS 36.58 auf den niedrigeren beizulegenden Wert („net realizable value" bzw. „recoverable amount") abzuschreiben. Für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften („onerous contracts") müssen nach lAS 37.66 Rückstellungen gebildet werden. Die im Abschnitt C. 1. für die langfristige Fertigung beschriebene Verteilung nach der ^^ Hax (1957, S. 32-42). ^^ Relativierend Kieso/Weygandt/Warfield ne/Collins/Johnson (2004, S. 22).
(2001, S. 418, 457 und 622); Revsi-
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Percentage of Completion-Methode ist nur im Fall positiver Erfolge vorgesehen. Droht aus einem langfristigen Fertigungsauftrag insgesamt ein Verlust, so ist dieser bei Übernahme des Auftrags bzw. dann unmittelbar und in voller Höhe anzusetzen, wenn er sich auf Basis der Erwartungen abzeichnet (lAS 11.36). Für unsichere Verpflichtungen sind Rückstellungen zu bilden, wenn sowohl die Wahrscheinlichkeit, dass die Verpflichtung besteht, als auch diejenige, dass es zur Erfüllung der Verpflichtung zum Abfluss von Ressourcen kommen wird, über 50% betragen (lAS 37.15 und 37.23). Zusätzlich muss sich die Höhe der Verpflichtung verlässUch schätzen lassen (lAS 37.25), was allerdings nur von extremen Ausnahmefällen abgesehen als grundsätzlich erfüllt angenommen wird. Unsichere Ansprüche hingegen dürfen ausnahmsweise nur dann angesetzt werden, wenn der Zufluss der wirtschaftlichen Vorteile praktisch sicher ist. Wiederholt wird in der Literatur auf die Verzerrungen des bilanziellen gegenüber dem nachhaltigen Gewinn hingewiesen, die entstehen, wenn objektivierungs- und vorsichtsbedingt die Ausgaben zur Schaffung immateriellen Vermögens nicht aktiviert werden. ^^ Im Jahr der Investition in immaterielles Vermögen unterschreitet der bilanzielle den nachhaltigen Gewinn, in den Jahren der bloßen Nutzung des immateriellen Vermögens ist es dann umgekehrt. Die allgemeine Definition von Vermögen als einer Ressource, die aus Ereignissen der Vergangenheit resultiert und den Zufluss eines künftigen wirtschaftlichen Vorteils an das Unternehmen erwarten lässt, (Framework 49 a und lAS 38.7) zerstreut zunächst mögliche Befürchtungen eines engen Vermögensverständnisses. Die Detailvorschriften zum Ansatz von immateriellem Vermögen relativieren dann aber die großzügig anmutende allgemeine Vermögensdefinition erheblich. Selbsterstelltes (originäres), vom Goodwill abgrenzbares, kontrollierbare Vorteile versprechendes immaterielles Anlagevermögen ist nur dann aktivierungspflichtig, wenn es eindeutig (lAS 38.41) in der Phase bereits der Entwicklung, nicht mehr der Forschung, entstanden ist und wenn zusätzlich die Erfüllung sechs weiterer Kriterien nachgewiesen wird. Da zu diesen Kriterien auch die Absicht zählt, die immaterielle Anlage fertig zu stellen und zu nutzen oder zu verkaufen, mutiert die Aktivierungspflicht faktisch zu einem Wahlrecht. Die Absicht zur Fertigstellung und Nutzung muss nämlich dem Management frei stehen, und ihr Vorliegen oder Nicht vorliegen lässt sich nicht überprüfen. In der Bilanz nach lAS/IFRS kommen dementsprechend allenfalls wahlweise mehr originäre immaterielle Anlagen zum Ansatz als in der vorsichtsgeprägten HGB-Bilanz. Insoweit wird das Problem der Verzerrung des nachhaltigen Gewinns zwar einerseits fallweise abgemildert, aufgrund des auch praktisch äußerst bedeutsamen Wahlrechts und seiner Folgen für die Vergleichbarkeit andererseits aber auch weiter verschärft.
Vgl. Moxter (1998, S. 314); Streim/Bieker/Leippe (2001, S. 187-195).
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3 l A S / I F R S mit d e m Ziel der E r m i t t l u n g des Vermögens u n d eines Erfolgs als VermögensdifFerenz 3.1 Konzeptioneller Hintergrund der angestrebten Vermögensdarstellung Soweit Jahresabschlüsse auf die Ermittlung eines nachhaltigen, für die Zukunft repräsentativen Erfolgs abzielen und zu diesem Zweck versuchen, die historischen Anschaffungsauszahlungen möglichst leistungsgerecht auf die verschiedenen Abrechnungsperioden zu verteilen, weisen sie dem bilanziellen Vermögen eine untergeordnete Rolle zu. Es umfasst im Idealfall jeweils nur diejenigen Anteile an den historischen Anschaffungskosten, welche den künftig aus den Anlagen noch zu erwartenden Nutzungspotenzialen an den gesamten Nutzungspotenzialen der Anlagen entsprechen. Von dem Vermögen im Sinne des aktuellen Werts der Vermögensgegenstände oder gar im Sinne des Werts des Unternehmens ist der daraus resultierende Bilanz ausweis nicht nur praktisch, sondern auch konzeptionell weit entfernt. Jahresabschlüsse nach lAS/IFRS sollen dem Kapitalmarkt entscheidungsrelevante Informationen liefern. Restwerte auf Basis früherer Anschaffungsausgaben, die die inzwischen eingetretene Wertentwicklung der Güter nicht widerspiegeln, werden als irrelevant angesehen und eignen sich insoweit nicht für eine unmittelbare Vermögensdarstellung. Genau diese aber wird zunehmend für erforderlich gehalten. Als geeigneter Wertmaßstab, der eine entscheidungsrelevante Darstellung des Vermögens ermöglicht, gilt der aktuelle Zeitwert („fair value") der Vermögensgegenstände, der sich im Idealfall als Wert auf einem vollkommenen und vollständigen Markt ergibt. Eine solche zeitnahe und marktwertorientierte Darstellung des Vermögens eröffnet zugleich neue Perspektiven für den Erfolg. Soweit es gelingt, die Vermögen im Zeitablauf jeweils zutreffend zu erfassen, lassen sich im Erfolg die dementsprechenden Vermögensänderungen darstellen. Zwar gilt auch dieser Erfolg überwiegend als relevant, auf welchem Weg genau er allerdings für die Entscheidungen der Marktteilnehmer nützlich werden kann, bleibt offen. Die theoretischen Fundamente dieser Vermögens- und Erfolgsermittlung dürften nicht zuletzt in den Arbeiten von Edwards und Bell, Chambers und vor allem Sterling gelegt worden sein.^^ Auf der Suche nach theoretisch überzeugenden Jahresabschlusskonzeptionen zeigten die Zeitwerte der Vermögensgegenstände unter den Bedingungen eines vollkommenen und vollständigen Marktes geradezu ideale Eigenschaften.-^^ Sie spiegeln nicht nur Veräußerungsund Wiederbeschaffungswerte wider, sondern bringen auch die Barwerte der künftigen Zahlungen zum Ausdruck, welche die Unternehmen aus der Nutzung dieser Vermögensgegenstände zu erwarten haben. Die Summe der Zeitwerte der Vermögensgegenstände drückt zugleich den Gesamtwert des Unterneh^'^ Edwards/Bell (1964); Chambers (1966); Sterling (1979); Beaver (1998, S. 67). ^^ Vgl. Schneider (1998, S. 1475).
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mens für alle Kapitalgeber aus, so dass für einen residualen Goodwill unter den getroffenen Annahmen der Marktvollkommenheit kein Raum bleibt. Der Erfolg als Vermögensdifferenz beschreibt die Veränderung des Zukunftserfolgswerts. Wenn vom Sonderfall der Sicherheit abgesehen wird, umfasst dieser Erfolg nicht nur die Verzinsung des Erfolgskapitals, sondern auch die Wertänderungen aufgrund der inzwischen eingetretenen Umweltzustände. Allerdings ergibt sich der Erfolg als Nebenprodukt der Vermögensermittlung. Anders als in der Welt unvollkommener und unvollständiger Märkte wird er nicht mehr benötigt, damit der Markt seine Erwartungen bilden kann. 3.2 Der Vervollständigung des Vermögensausweises dienende Ansatzvorschriften Zur Vervollständigung des Vermögensausweises setzen lAS/IFRS zunächst auf Ansatzvorschriften. In diesem Sinne wurde beispielsweise der auf zeitlich genau absehbare vorübergehende Unterschiede bei der Erfassung von Aufwendungen oder Erträgen nach Handels- und Steuerrecht (so genannte „timing differences") abstellende lAS 12 nach dem „income statement approach" im Jahr 1996 neu gefasst und auf die Unterschiede zwischen den Ansätzen und Werten von Aktiva oder Passiva in Handelsbilanz und Steuerbilanz (so genannte „temporary differences") ausgerichtet, der den „balance sheet approach" umsetzt.^^ Die Neufassung erweitert die Pflicht zur Bildung von latenten Steuern sowohl auf Unterschiede zwischen beiden Bilanzen, die erfolgsneutral entstanden sind, als auch auf zeitlich nicht genau absehbare (quasi-permanente) Differenzen. Das Vermögen wird auf Basis dieser umfassenden Steuerabgrenzung zwar vollständiger ausgewiesen, zugleich zwingen Prognoseprobleme aber zum Verzicht auf die Diskontierung künftiger Steuermehr- oder -minderbelastungen, was die Vermögensdarstellung ebenso beeinträchtigt wie die Unsicherheiten über künftige Möglichkeiten zur Steuerersparnis. Hinsichtlich des originären immateriellen Vermögens haben die zweifellos intensiven Bemühungen um eine umfassendere Vermögensdarstellung - wie bereits dargestellt - nur begrenzte Veränderungen gebracht. Zwar müssen Aufwendungen für die Schaffung immaterieller Anlagen aktiviert werden, sobald die Phase der Entwicklung erreicht ist und sechs konkrete Bedingungen erfüllt werden, da aber zumindest die Erfüllung einer dieser Bedingungen dem Ermessen des Managements unterliegt, wurde faktisch nur ein Ansatzwahlrecht für einen Teil der Entwicklungsaufwendungen geschaffen. Mit dem vor allem im Bereich des immateriellen Vermögens unvollständigen und obendrein wahlrechtsabhängigen Bilanzansatz von Vermögen bietet die Rechnungslegung nach lAS/IFRS allenfalls geringfügig erweiterte Einblicke in das Vermögen des Unternehmens, die freilich von der Ausübung faktischer Ansatzwahlrechte abhängen. Ein weiterhin höchst unvollständiger und obendrein von der Ausübung von Ansatzwahlrechten abhängiger Vermögensausweis schafft Vgl. Wagenhof er (2003, S. 324).
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zudem nur fragwürdige Grundlagen zur Ermittlung eines vollen Erfolgs durch Vermögens vergleich. 3.3 Der umfassenderen Vermögensdarstellung dienende Bewertungsvorschriften Über das Wahlrecht bei der Bewertung der Sachanlagen und immateriellen Anlagen mit aktivem Sekundärmarkt hinaus wird der Bereich des Vermögens, das mit dem Zeitwert („fair value") bewertet werden muss oder darf, schrittweise erweitert. Pflichten zur fair value Bewertung gibt es für alle derivaten Finanzinstrumente und für die nicht derivaten Finanzinstrumente, soweit sie dem „trading" dienen oder als „available for sale" gehalten werden. Ebenfalls mit dem fair value zu bewerten ist ferner das lebende Vermögen eines Agrarbetriebes wie vor allem etwa das Nutzvieh oder die Bäume einer Edelholzplantage. Zwischen Pflicht und Abhängigkeit von der Branchenübung steht die Bewertung von Vorräten zum jeweiligen fair value, wenn es sich, wie bei Metallen etwa, um Güter handelt, die problemlos auf leistungsfähigen Märkten gehandelt werden können (lAS 2.4), oder wenn so genannte „commodity broker-traders" betrachtet werden, die Waren für Dritte auf eigene Rechnung kaufen oder verkaufen und daher die Vorräte zum kurzfristigen Handel halten (lAS 2.3 (b) und 2.5). Wahlrechte zur Bewertung mit dem fair value gewähren lAS/IFRS über die anfangs genannten Anlagen hinaus für alle nicht ohnehin mit dem fair value zu bewertenden financial instruments, ausgenommen solche Eigenkapitalanteile, die nicht auf aktiven Märkten gehandelt werden und deren Wert nicht verlässlich bestimmt werden kann. Bis zu einem möglichen Widerruf dieses Rechts dürfen damit vor allem auch Forderungen und Verbindlichkeiten eines Unternehmens sowie der langfristigen Anlage dienende Wertpapiere wahlweise derart zum Zeitwert bewertet werden, dass die Wert ander ungen unmittelbar in den Erfolg einbezogen werden (lAS 39.9, 39.46 und 39.55). Wahlweise zum fair value dürfen ferner Immobilien bewertet werden, die nicht dem Sachziel des Unternehmens, sondern der Erzielung von hohen laufenden Erträgen und/oder Wertsteigerungen dienen (Renditeimmobilien), sowie Beteiligungen im Einzelabschluss dann, wenn analog zu lAS 39.9 die ihnen zugrunde liegenden Eigenkapitalanteile auf einem aktiven Markt gehandelt werden und einen verlässlich bestimmbaren Wert besitzen (lAS 27.37). Ein zusätzliches Recht zur Zeitbewertung von Sachanlagen, Renditeimmobilien und auf aktiven Märkten bewerteten immateriellen Anlagen gewährt IFRS 1.16 bis 18 im Rahmen der Umstellung auf lAS. 3.4 Vermögensänderung und Erfolg Der konzeptionellen Unsicherheit über die Rolle eines Erfolges entsprechend, der im Idealfall die Veränderung des Unternehmens widerspiegelt, werden die aus Veränderungen der fair values resultierenden Erfolge im Rahmen von lAS/IFRS höchst unterschiedlich behandelt.
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Sofern Anlagevermögen, auf aktiven Märkten gehandeltes immaterielles Vermögen oder im Anlagevermögen gehaltene, zu Renditeimmobilien mutierte Betriebsimmobilien wahlweise zu Zeitwerten bewertet werden, gehen nur Wertminderungen unter die Anschaffungskosten in den Erfolg ein. Wertsteigerungen über die Anschaffungskosten führen analog zur Substanzerhaltungskonzeption niemals zu positiven Erfolgen. Völlig aus der GuV verbannt bleiben alle Wertdifferenzen, die sich ergeben, wenn im Rahmen der Umstellung auf lAS von den Rechten zum Ansatz des Vermögens mit dem fair value oder einem ähnlichen zeitnahen Wert Gebrauch gemacht wird. Die entstehenden Differenzen sind direkt in den Gewinnrücklagen oder einem anderen geeigneten Eigenkapitalkonto zu erfassen (IFRS 1.11). Bis zu dem Zeitpunkt verschoben, zu dem das mit Zeitwerten bewertete Vermögen aus dem Unternehmen ausscheidet, wird der Erfolgsausweis in anderen Fällen. Wertpapiere, die weder dem kurzfristigen Handel dienen noch bis zur Endfälligkeit gehalten werden sollen und daher als „available for sale" gelten, müssen zwar jeweils mit ihrem aktuellen fair value bewertet werden, die dabei entstehenden Wertänderungen aber sind grundsätzlich nicht in der Erfolgsrechnung, sondern vorübergehend direkt im Eigenkapital zu erfassen (lAS 39.55 (b)). Ausnahmsweise erfolgswirksam werden nur außerplanmäßige Abschreibungen und Wert ander ungen berücksichtigt, die bei auf Fremdwährung lautenden Papieren aus der Änderung des Kurses dieser Währung resultieren. Die im Eigenkapital „geparkten" kumulativen Wertänderungen werden erst dann erfolgswirksam, wenn „available for sale" Wertpapiere aus dem Vermögen des Unternehmens ausscheiden (lAS 39.55 (b)). Zumindest möglich ist die Erfolgsverzögerung auch bei Wertänderungen aus dem Ansatz von Beteiligungen an Tochter- und Gemeinschaftsunternehmen sowie an assoziierten Unternehmen, die wahlweise statt zu Anschaffungskosten nach den Vorgaben des lAS 39 bewertet werden dürfen (lAS 27.37). Da solche Anteile schwerlich zu kurzfristigen Handelszwecken dienen und nicht bis zur Endfälligkeit gehalten werden können, werden sie in der Regel als „available for sale" einzuordnen sein. Die bei ihnen entstehenden Wertsteigerungen sind dann analog zum obigen Vorbild zu behandeln, sofern das Unternehmen nicht von dem Recht des lAS 39.9 Gebrauch macht und die Anteile der fair value Bewertung mit unmittelbarer Erfassung aller Wertänderungen im Erfolg widmet. Unmittelbar erfolgswirksam werden Veränderungen der fair values in verschiedenen Fällen. Bei dem pflichtgemäß zum jeweiligen fair value zu bewertenden lebenden Agrarvermögen werden alle Zeitwertänderungen unverzüglich erfolgswirksam. Von dem Ausnahmefall eines wirksamen cash flow hedge abgesehen, müssen auch die fair value Veränderungen bei Derivaten und bei aktiven oder passiven Finanzinstrumenten, die dem „trading" dienen oder die der unmittelbar erfolgswirksamen Zeitbewertung gewidmet wurden, ohne Verzögerung erfolgswirksam erfasst werden. Bei monetären Positionen, die auf fremde Währung lauten, sind zumindest die auf Veränderungen des Kurses dieser fremden Währung resultierenden Wertänderungen simultan mit den Kursänderungen im Erfolg zu erfassen. Werden Renditeimmobilien wahlweise
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mit Zeitwerten bewertet, so führen die Veränderungen der fair values ebenfalls ebenso unverzögert zu Gewinnen oder Verlusten wie im Fall einer Umwidmung von Sachimmobilien des Vorratsvermögens zu Renditeimmobilien. Auch die Zeit bewert ung von Vorräten in den Ausnahmefällen schließlich, in denen die Produkte eines Unternehmens unmittelbar auf leistungsfähigen Märkten gehandelt werden oder in denen es um die Aktivitäten von „commodity brokertraders" geht, schlägt sich ohne Verzögerung direkt im Erfolg nieder.
4 Ergebnis Hinter den Rechnungslegungsvorgaben der lAS/IFRS verbergen sich unterschiedliche und widersprüchliche Vorstellungen sowohl über die Konzeptionen, auf deren Basis Jahresabschlüsse unternehmensexternen Interessenten entscheidungsrelevante Informationen übermitteln sollen, als auch über das Verhältnis zwischen dem Unternehmen und seinem Jahresabschluss einerseits sowie dem Markt andererseits. Teilweise werden lAS/IFRS von der Vorstellung des nachhaltigen einkommensapproximativen Gewinns geleitet. Insoweit steht eine Gewinn- und Verlustrechnung im Mittelpunkt, die den Erfolg und die ihn prägenden Erträge und Aufwendungen so präsentieren soll, dass die Außenstehenden nach Kräften unterstützt werden, wenn sie künftige Fähigkeiten des Unternehmens nach Umfang, zeitlicher Struktur und Risiko abschätzen wollen, Zahlungen an die Eigner zu alimentieren. Für diese Aufgabe als besonders wichtig wird der - gegebenenfalls weiter auf Segmente aufgeteilte - Erfolg aus dem eigentlichen betrieblichen Kombinationsprozess der Faktoren angesehen, der die Fähigkeit des Unternehmens und seiner Führung widerspiegelt, unter den durch Beschaffungs- und Absatzmärkte gesetzten Bedingungen ein eigenes Erfolgspotenzial zu schaffen. Die übrigen Erfolgsbestandteile, im Blick auf die gewünschte Projektion in die Zukunft möglichst zweckmäßig abgegrenzt und aufgegliedert, ergänzen den betrieblichen Erfolg. Das Vermögen spiegelt nicht den Wert des Unternehmens, sondern eine Kombination von noch zu verrechnenden „Resten" wider. Bei den aktuellen Bemühungen um umfassenden Ansatz des Vermögens und dessen Bewertung mit aktuellen fair values steht dagegen die Vermögensdarstellung im Mittelpunkt. In der idealen Welt vollkommener und vollständiger Märkte oder - das wird offensichtlich gehofft - einer Welt, die diesem Ideal nahe kommt, fasst dieses Vermögen die wichtigen Eigenschaften des Unternehmens im Markt zusammen. Der Erfolg des Unternehmens aus betrieblicher Tätigkeit wird in dieser Welt nicht von individuellen unternehmerischen Qualitäten, sondern durch den Wettbewerb auf den Märkten geprägt, und zwar so, dass gerade die risikoadäquate Verzinsung des Kapitals erzielt wird. Da sich der Erfolg aus dem Vermögen ergibt, ist er zur Vermögensermittlung nicht mehr erforderlich und insoweit auch völlig uninteressant. Überhaupt braucht der vollkommene und vollständige Markt nicht die Informationen der Unter-
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nehmen, sondern prägt umgekehrt deren Werte und die Informationen, die sie im Jahresabschluss offen legen sollten. Welche Informationsbasis den Markt dazu befähigt, wenn Unternehmen nur seine Werte nutzen, ihm aber keine Informationen liefern, bleibt in dieser Welt ebenso offen wie die Rolle der Informationsfunktion des Jahresabschlusses überhaupt. Auch der Erfolg im Sinne der gesamten Vermögensdifferenz ist grundsätzlich uninformativ. In einer Welt der Unsicherheit werden zwar über die bloße Verzinsung hinaus die durch Eintritt von Umweltzuständen induzierten Wertänderungen angezeigt, da diese aber erneut nur Marktwerte widerspiegeln und im Grunde Ergebnisse antizipierter Zufallsprozesse sind, steigern sie das Wissen nicht wirklich. Sollten Wertänderungen auf der originären Tüchtigkeit des Managements beruhen, wären sie zwar interessant, führten aber zu konzeptionellen Problemen. Zunächst wäre zu klären, wie zufällige Wertsteigerungen von Management induzierten getrennt werden können. Schwer wiegt die Tatsache, dass die Möglichkeit zu Wertsteigerungen durch innovative Managementleistung Inkonsistenzen erzeugt. Vermögen müsste abhängig von der Tüchtigkeit der Person, die es nutzt, unterschiedliche Werte besitzen. Dann aber gäbe es keine allgemeingültigen fair values, sondern nur individuelle values in use. Interessant ist der Erfolg im Sinne der gesamten Vermögensdifferenz somit nur dann, wenn die theoretische Konzeption, auf die er sich stützen lässt, der Realität widerspricht. Die Schöpfer von lAS/IFRS können sich nicht zwischen den unterschiedlichen Konzeptionen entscheiden und verfolgen sie nebeneinander, obwohl sich die Konzeptionen widersprechen. Das klassische Konzept des nachhaltigen Gewinns wird bei der Behandlung von Altersversorgungszusagen gemäß lAS 19 sogar nach dem Vorbild der kalkulatorischen Wagnisse derart weiter entwickelt, dass im Interesse der Ergebnisnormalisierung die für die anderen Konzeption zentrale Pflicht zu Vermögens- und Schuldausweis über das im Jahresabschluss unvermeidliche Maß hinaus ausgehöhlt wird. Der Wert des Pensionsfonds und seine Änderungen spielen selbst nach Erfolgsrealisation nur mit großen Verzögerungen eine Rolle, während vergleichbare Investments ansonsten zu Zeitwerten bewertet werden. Über den expected return on plan assets können die Manager obendrein den Erfolg völlig losgelöst von den effektiven Renditen des Fondsvermögens beeinflussen. Zwischen den Alternativen der anschaffungswert- oder der wiederbeschaffungswertorientierten Gewinnermittlung als Basis nachhaltig zu erwartender Überschüsse wird ebenfalls keine klare Linie gefunden. Der Vorratsverzehr auf Zeitwertbasis scheint der Information schädlich zu sein, denn LIFO wurde jüngst untersagt. Anlagenabschreibungen auf Zeitwertbasis dagegen werden für potenziell informativ gehalten, wie das Recht zur Neubewertung beweist. Auch hier aber ist man sich unsicher und hofft offenbar auf informationsdienliche Wahlrechtsausübung im Einzelfall, was nicht nur völlige Integrität auf Seiten der Rechnungsleger voraussetzt, sondern auch das Vorhandensein von Wissen, über das der in Widersprüchen verstrickte Standard-Setter selbst nicht verfügt. Dass die Schwäche des Erfolgsausweises aufgrund der unzurei-
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chenden Periodisierung von Forschung und Entwicklung als Folge der schwierigen Probleme in der Sache nicht wirklich behoben werden, ist zu respektieren, das zusätzliche Nachweis- und Ansatzwahlrecht für die Entwicklungsausgaben hingegen nicht, denn es schadet der Information höchstwahrscheinlich. Auch das undurchsichtige Durchmischen der informationsorientierten Rechnungslegungsvorschriften mit vorsichtsorientierten Bilanzansätzen und Werten, die weder wie etwa die Anschaffungskosten zugleich einfach und nachprüfbar sind noch erkennbar der Ermittlung nachhaltiger Gewinne dienen, weckt Zweifel. Sie dürften im Rahmen von lAS/IFRS eher Relikte traditioneller kaufmännischer Zurückhaltung darstellen als Elemente einer bewusst informationsorientierten Rechnungslegung. Die Konzeption des möglichst zutreffenden Vermögensausweises auf Basis der fair value Bewertung wird verfolgt, obwohl die Unmöglichkeit ihrer praktischen Umsetzung bekannt ist. Das bilanzielle Vermögen bleibt vor allem wegen der Schwierigkeiten bei der Erfassung immaterieller Assets notwendigerweise ein Torso. Die nicht zu leugnende Existenz derivativer Firmenwerte führt obendrein anschaulich vor Augen, dass die Summe der fair values aller bilanziellen Assets selbst dann nicht dem Unternehmenswert entspricht, wenn - wie im Fall eines Unternehmenserwerbs nach der Erwerbsmethode sämtliche erworbenen separierbaren immateriellen Vermögensgegenstände in die Bilanz aufgenommen werden. Zu den Lücken beim Vermögensausweis kommen Inkonsistenzen bei der Darstellung der Vermögensänderung im Erfolg, die wahrscheinlich nicht zuletzt auch die ungeklärte Rolle des Erfolgs im Rahmen der gewünschten umfassenden und marktgestützten Vermögenspräsentationen widerspiegeln. lAS/IFRS kombinieren nämlich fast alle denkbaren Vorgehensweisen. So werden Veränderungen der fair values im Zeitablauf teilweise imparitätisch und teilweise symmetrisch sofort im Erfolg erfasst. Andere Wert ander ungen schlagen sich zwar unverzüglich im Vermögen der Bilanz nieder, werden aber entweder bis zur endgültigen Realisation vorübergehend oder in Sonderfällen von Wertsteigerungen auch endgültig erfolgsneutral unmittelbar im Eigenkapital erfasst. Schließlich bleibt es in vielen Fällen bei einer Bewertung mit fortgeführten Anschaffungskosten, so dass Wertsteigerungen erst bei Realisation auf Bilanz und Erfolgsrechnung durchschlagen. Nach welcher der umrissenen Verfahrensvarianten die verschiedenen Vermögensgegenstände und Schulden zu behandeln sind, wird dabei vielfach nicht eindeutig geregelt. Vielmehr bleiben die Entscheidungen häufig auf Basis von Wahlrechten oder Ermessensspielräumen den Rechnungslegern und Prüfern überlassen. Soweit diese Wahlrechte im Einzelfall im Blick auf eine möglichst informative Rechnungslegung ausgeübt werden sollen, müssten in den Unternehmen Theorien der Erfolgsdarstellung bekannt sein, über die jedenfalls der lASB nicht verfügt. Erneut wird also letztlich ein ungelöstes Problem auf die Unternehmen abgewälzt, die selbst bei bestem Willen die „most useful Information" nicht liefern können.
Der Erfolg im Rahmen der internationalen Rechnungslegung
327
Bis zum empirischen Beweis des Gegenteils, der bisher jedenfalls noch nicht gelang, sprechen theoretische Vielfalt und Widersprüchlichkeiten der l A S / I F R S eher gegen als für einen hohen Informationsgehalt der auf ihrer Basis abgeleiteten externen Rechnungslegung.
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Die Auswirkungen institutioneller Rahmenbedingungen auf die Venture Capital-Finanzierung in Deutschland Bernd Rudolph und Florian Haagen Ludwig-Maximilians-Universität München, Institut für Kapitalmarktforschung und Finanzierung, Schackstraße 4, D-80539 München [email protected] haagenObwl.uni-muenchen.de
Gliederung 1
Einleitung
330
2
Interessenskonflikte und Lösungsansätze durch VC-Finanzierungen
331
2.2 2.3
Vertragselemente zur Begrenzung von Adverser Selektion und Moral Hazard Vertragselemente in Abhängigkeit von der Art des Risikos Das Engagement spezialisierter VC-Gesellschaften
332 333 335
3
Venture Capital Finanzierung in Deutschland
336
3.1
Institutionelle Rahmenbedingungen für VC-Finanzierungen in Deutschland Bedeutung institutioneller Gesichtspunkte für die Theorie Bedeutung wandelbarer Finanzierungstitel in der VC-Finanzierung Besonderheiten der Venture Capital Vertragsgestaltung in Deutschland
2.1
3.2 3.3 3.4 4
Bedeutung des institutionellen Rahmens
Literaturverzeichnis
336 338 339 344 348 348
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Bernd Rudolph und Florian Haagen
1 Einleitung Seit einigen Jahren hat sich auch in Deutschland die Einsicht durchgesetzt, dass jungen Unternehmen zur Finanzierung ihrer Investitionen spezielle Finanzierungsmöglichkeiten wie beispielsweise Venture Capital (VC) zur Verfügung stehen müssen. Ein funktionstüchtiger Finanzierungsmarkt für junge Untenehmen gilt sogar als entscheidender Faktor für das Innovationsklima eines Landes. Angeregt durch den Börsenboom Ende der neunziger Jahre erwachte der deutsche Venture Capital Markt aus seinem Dornröschenschlaf und startete eine rasante Aufholjagd. Allein in dem Zeitraum von 1996 bis 2000 wuchs das VC-Investitionsvolumen von 0,5 auf 3,7 Milliarden Euro.^ Seit dem Verfall der Kurse an den Börsen hat sich die Entwicklung am Markt für Beteiligungsfinanzierung allerdings wieder verlangsamt.^ Dennoch wird davon ausgegangen, dass VC in Deutschland auch in der Zukunft eine nachhaltige Bedeutung bei der Finanzierung junger Unternehmen spielen wird und dementsprechend diese Finanzierungstechnik weiterentwickelt und an die neue Marktlage angepasst werden muss. Gerade wegen der großen praktischen Bedeutung von VC-Finanzierungen ist es aus wissenschaftlicher Sicht notwendig, die bisher recht einseitig auf den angelsächsischen Bereich ausgerichteten Untersuchungen auch für den deutschen Markt weiter voranzutreiben. Interessanterweise wurde mehrfach gezeigt, dass VC-Gesellschaften (VCG) in den USA höhere Erträge als ihre deutschen Konkurrenten erwirtschaften, wobei bzgl. der verwendeten Finanzierungsstrukturen auffallende Unterschiede bestehen.^ Dabei stellt sich auch die Frage, ob die Unterschiede auf institutionelle Besonderheiten oder aber auf die mangelnde Erfahrung deutscher VCG zurückzuführen sind. Bislang jenseits des wissenschaftlichen Interesses findet man beispielsweise das für die Finanzierung junger Unternehmen in Deutschland häufig eingesetzte Finanzierungsinstrument der stillen Beteiligung. Auch die Finanztheorie betrachtet in den letzen Jahren verstärkt den Einfluss des institutionellen Umfeldes auf die Vertragsgestaltung bei der Finanzierung von Unternehmen.^ Insbesondere wurden dabei Vergleiche zwischen verschiedenen Volkswirtschaften angestellt, die einen Hinweis auf die Bedeutung nationaler Eigenheiten hinsichtlich der Rahmenbedingungen liefern.^ Dementsprechend sollen im folgenden Beitrag einige wichtige institutionelle Unterschiede zwischen dem in der Literatur vielfach behandelten angelsächsischen und dem deutschen VC-Markt herausgearbeitet und der Frage nachgegangen werden, ob die hier zu findenden institutionellen Strukturen ökonomisch reVgl. BVK (2004, S. 5). Für das Jahr 2003 meldet der Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK) nur noch Investitionen von 0,7 Mrd.€. Vgl. BVK (2004, S. 5). Vgl. Hege et al. (2003, S. Iff.). Vgl. Merton/Bodie (2004). Vgl. bspw. bei VC-Finanzierungen Kaplan et al. (2004), Bottazzi et al. (2004), Hege et al. (2003).
Venture Capital-Finanzierung in Deutschland
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levante Unterschiede markieren, die für die unterschiedliche Performance der VC-Industrie in Deutschland verantwortlich gemacht werden können. In Abschnitt 2 werden allgemein die Informationsasymmetrien und Interessenskonflikte bei der Finanzierung junger Unternehmen herausgearbeitet und die Venture Capital-Finanzierung als Lösungsansatz vorgestellt. Abschnitt 3 widmet sich dann den Besonderheiten der VC-Finanzierung in Deutschland, wobei Abschnitt 3.1 die institutionellen Rahmenbedingungen betrachtet, die deutsche Venture Capital Gesellschaften bei der Gestaltung von Finanzierungsstrukturen berücksichtigen müssen. Abschnitt 3.2 gibt einen Überblick über institutionelle Vorkehrungen, die aus theoretischer Perspektive in der Literatur beleuchtet worden sind. Die Abschnitte 3.3 und 3.4 widmen sich dann der vergleichenden Analyse spezieller Finanzierungsinstrumente in den USA und Deutschland. Es werden insbesondere die Charakteristika der wandelbaren Finanzierungstitel in den USA und der stillen Beteiligung bei der VC-Finanzierung in Deutschland herausgearbeitet und verglichen. Dabei zeigen sich vielfältige Parallelen bei den Cashflow-Strukturen sowie bei den Monitoring- und Kontrollrechten. In Abschnitt 4 werden dann einige Forschungsanstöße aus der vorgenommenen Analyse abgeleitet.
2 Interessenskonflikte u n d Lösungsansätze durch VC-Finanzierungen Folgt man den Überlegungen der neoklassischen Finanzierungstheorie mit gleichem Informationsstand der beteiligten Vertragsparteien und vollkommenen Kapitalmärkten, dann kann es keine Finanzierungsschwierigkeiten für junge Unternehmen geben. Jedes Unternehmen bekommt in Umfang und Konditionen entsprechend seinem Risiko Finanzmittel über den Kapitalmarkt zur Finanzierung seiner kapitalwertpositiven Investitionsprojekte zur Verfügung gestellt. In einer solchen Welt lässt sich keine Intermediärsfunktion erklären, nicht die der Kreditinstitute und auch nicht die spezieller VC-Gesellschaften. Allerdings kann in der Realität nicht davon ausgegangen werden, dass zwischen dem externen Kapitalgeber und einem jungen Unternehmen bzw. jungen Unternehmer ein gleicher Wissensstand vorliegt. Zur theoretischer Analyse der dadurch auftretenden Problemfelder eignet besonders die „neue" Finanzier ungstheorie.^ Dabei entspricht das Verhältnis zwischen dem Kapitalgeber und einem Gründer in der Frühphasenfinanzierung ziemlich genau dem Leitbild der Prinzipal-Agenten-Theorie.^ Bei näherer Betrachtung der Strukturen lassen sich aus Sicht des Kapitalgebers unterschiedliche Problemfelder isolieren, für die Lösungen gefunden werden müssen. Zur Lösung dieser Probleme werden verschiedene Instrumente vorgeschlagen und genutzt, die man als typische Handlungsalternativen von VC-Gesellschaften herausstellen kann.^ ^ Vgl. Wilhelm (1991, S. 180). ^ Vgl. Kaplan/Strömberg (2001, S. 1). ^ Vgl. Kaplan/Strömberg (2003a, S. If.).
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2.1 Vertragselemente zur Begrenzung von Adverser Selektion und Moral Hazard •
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Vor Vertragsbeginn muss die VCG damit rechnen, dass der Gründer seine Qualitäten und Fähigkeiten, die zur Durchführung des Projekts notwendig sind, besser einschätzen kann als die VCG. Das daraus resultierende adverse Selektionsproblem kann durch das Vertragsdesign begrenzt werden. Lazear (1986) zeigt, dass eine hohe performanceabhängige Gehaltskomponente für den Entrepreneur (bzw. den Unternehmer) dazu geeignet sein kann, gute Gründer zu identifizieren, da nur diese einen solchen Vertrag annehmen. Andere Screeningmodelle belegen die Wirksamkeit eines ähnlichen Mechanismus bspw. bei der Verteilung der Liquidationsrechte.^ Nach Abschluss des Finanzierungsvertrages und Auszahlung der Mittel muss die VCG damit rechnen, dass der Unternehmer seinen Arbeitseinsatz reduziert, um bspw. noch andere Projekte voranzutreiben (shirking) oder seine Ressourcen zur Steigerung seines persönlichen Nutzens einzusetzen. Diese Probleme können bei Neugründungen in besonderer Weise auftreten, weil Entrepreneure häufig nach Anerkennung für ihre wissenschaftlichen oder technischen Erfolge streben.-^^ Dann besteht ein besonderer Anreiz, Anstrengungen für die Forschungs- und Entwicklungsarbeit zu leisten und dabei aber die administrativen und finanziellen Seiten der Unternehmensführung zu vernachlässigen.-^^ Die Situation erscheint daher so prekär, weil der Arbeitseinsatz des Gründers für die VCG nicht beobachtbar ist, der Gründer nur zum Teil an den Grenzerträgen seiner Arbeit beteiligt ist und den negativen Nutzen (Arbeitsleid) voll tragen muss.-^^ In dieser klassischen Moral-Hazard-Situation sollten bei Risikoneutralität der Beteiligten die Erträge ganz dem Gründer und dem Kapitalgeber ein Fixum zufallen. Bei Risikoaversion des Gründers und des Kapitalgebers (dem häufig wegen seiner Diversifikationsmöglichkeiten eine weniger ausgeprägte Risikoaversion unterstellt wird) wird die optimale Aufteilung der Erträge auch davon bestimmt, welches Risiko der Entrepreneur an seinem eigenen Projekt übernehmen will. Je größer die Unsicherheit, umso höher muss seine performanceabhängige Komponente ausfallen, um Arbeitsleid und Risikoaversion zu kompensieren. Für die VCG erscheint es zum Schutz der eingebrachten Mittel aufgrund vor- und nachvertraglicher Unsicherheit wichtig, dass sie in speziellen Situationen die Möglichkeit besitzt, die Entscheidungsmacht im Unternehmen zu übernehmen. Dies könnte bspw. dann der Fall sein, wenn sich abzeichnet, dass das Venture nicht zu einem kommerziellen Erfolg geführt werden kann. Bei etablierten Unternehmen steht hierfür das Insolvenzrecht zur Verfügung, das in einem sehr späten Stadium der UnternehmensVgl. Vgl. Vgl. Vgl.
bspw. Ross (1977) oder Diamond (1991). Gebhardt/Schmidt (2002, S. 242). Gompers/Lerner (1999, S. 128). Jensen/Meckling (1976).
Venture Capital-Finanzierung in Deutschland
•
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entwicklung dafür sorgt, dass die Entscheidungsgewalt auf die Gläubiger übergeht. Im Fall der Finanzierung eines jungen Unternehmens möchte die VCG ihr Investment möglichst schnell abschreiben. Der Unternehmer wird dagegen versuchen, den Tatbestand der Erfolglosigkeit möglichst lange zu verbergen oder durch weitere riskante Projekte seine Firma zu retten („gambling for resurrection").-^^ Dessein (2004) schlägt für solche Situationen vor, dass eine umweltzustandabhängige Zuordnung von Kontrollrechten stattfindet, bei der der Gründer oder die VCG jeweils die Entscheidungsmacht erlangen.-"^^ Das Schutzbedürfnis der VCG erstreckt sich auch auf die Gefahr eines „Hold-up" durch die Humankapitalspezifität des Gründers. Die Erfolgschancen eines jungen Unternehmens sind häufig sehr stark an die Person des Gründers gebunden, so dass die VCG gegenüber einer Erpressung des Entrepreneurs, das Unternehmen zu verlassen, um bessere Konditionen durchzusetzen, besonders verletzlich erscheint.^^ Zur Begrenzung dieses Problemfeldes werden Verträge so gestaltet, dass sie dem Gründer im Falle eines Ausscheidens prohibitiv hohe Kosten aufzuerlegen, damit er keinen Anreiz hat, Vertragsabsprachen nachträglich neu zu verhandeln.-^^ Dies kann bspw. durch Wettbewerbsklauseln geschehen, die es einem Unternehmer verbieten, nach seinem Aussteigen Tätigkeiten aufzunehmen, die in irgendeiner Form in Konkurrenz zu der „alten" Firma stehen. Auch wird häufig vereinbart, dass Entrepreneure, die ein Start-up verlassen, ihre bis dahin erworbenen Anteile zu ungünstigen Konditionen an das Unternehmen abtreten müssen.
2.2 Vertragselemente in Abhängigkeit von der Art des Risikos Wie ausgeprägt sich die gerade beschriebenen Konflikte im Einzelnen darstellen und folglich in welcher Form sie begrenzt werden können oder müssen, hängt von dem Grad der Unsicherheit des Investments ab. Das Risiko einer Investition in ein junges Unternehmen kann dabei zweckmäßigerweise in drei Bereiche gegliedert werden, die als internes und externes Risiko sowie als Risiko bei der Umsetzung des Geschäftsplans bezeichnet werden.^^ •
Das interne Risiko bezieht sich auf Unsicherheiten, die entstehen, wenn der Entrepreneur einen Informationsvorsprung über den Stand der Geschäftsentwicklung besitzt. Die Gefahr steigt für die VCG, wenn die Fähigkeiten des Gründers unbekannt sind, wenn dessen Handlungen nicht beobachtbar sind und der Entrepreneur große Freiheiten bei der Verwendung der ihm zu Verfügung gestellten Mittel besitzt.
^^ Vgl. ^^ Vgl. ^^ Vgl. 1^ Vgl. 17 Vgl.
Gebhardt/Schmidt (2002, S. 243). auch Aghion/Bolton (1992). Chandler/Hanks (1994, S. 86); Kaplan/Strömberg (2003a, S. 1). Houben (2003, S. 55). Kaplan/Strömberg (2003a, S. 2-4).
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•
Bernd Rudolph und Florian Haagen Als externes Risiko wird dagegen die Unsicherheit beschrieben, über die der Gründer u n d der Investor den gleichen Informationsstand besitzen u n d die von ihnen nicht beeinflussbar ist. Dieses so genannte technologische Risiko spielt bei der G r ü n d u n g von Unternehmen eine überaus tragende Rolle. Als Beispiel kann die Entwicklung der zukünftigen Marktlage, die mögliche Reaktion der Wettbewerber oder auch die politische Entwicklung genannt werden. Häufig wird in der finanztheoretischen Literatur bezüglich der Finanzierung junger Unternehmen von einem Informationsvorsprung auf Seiten des Entrepreneurs hinsichtlich der Erfolgsaussicht seines Unternehmens ausgegangen. Der Gründer kennt und versteht sein P r o d u k t a m besten und kann dementsprechend auch dessen potenziellen Wert antizipieren. •'^^ Allerdings gehen bspw. Cornelli/Yosha (2003) davon aus, dass zu Beginn einer Finanzierung beide Parteien einen annähernd gleichen (schlechten) Informationsstand besitzen.-^^ Das Risiko bei der Umsetzung des Geschäftsplanes b e r u h t auf der Komplexität der Geschäftsidee und der Schwierigkeit bei deren VerwirkUchung. Dieses Risiko liegt zum Teil wieder im Machtbereich des Entrepreneurs. Ist die Unsicherheit ausgeprägt, steigt die Gefahr eines Hold-up's, d a das Unternehmen umso mehr von der Gründerperson abhängig ist.^^
Die von der V C G angebotene Vertragsstruktur bei der Finanzierung eines jungen Unternehmens muss alle drei Risiken berücksichtigen und entsprechend deren Ausprägung Lösungen anbieten. Im Falle eines hohen internen Risikos steigen die mit der asymmetrischen Informationsverteilung verbundenen Agency-Konfiikte. Der klassischen Moral-Hazard-Theorie folgend, sollte in diesen Situationen vermehrt auf erfolgsabhängige Vergütungskonstruktionen zurückgegriffen werden und die V C G in mehr Umweltzuständen die Kontrolle übertragen bekommen.^^ F ü r ein hohes externes Risiko gibt es keine eindeutige aus der Theorie abzuleitende Empfehlung. Einerseits sollte der Entrepreneur nicht mit einer performanceabhängigen Gehaltsstruktur belastet werden, d a eine Beeinflussung nicht in seinem Machtbereich liegt.^^ Andererseits wird es mit steigendem externen Risiko für den Investor schwieriger die Handlungen des Gründers zu kontrollieren, so dass nach Prendgast (2002) dennoch der Unternehmer entsprechend seiner Leistung bezahlt werden sollte. Steigt das Risiko eines Hold-up's sollten verstärkt Wettbewerbs- und Rückgabeklauseln angewandt werden.
^^ ^^ 2° 2^ 22
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
bspw. Denis (2004, S. 310). Cornelli/Yosha (2003, S. 3). Kaplan/Strömberg (2003a, S. 4). Kaplan/Strömberg (2003a, S. 3). Holmström (1979).
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2.3 Das Engagement spezialisierter VC-Gesellschaften Zusätzlich zu den oben beschriebenen Qualitäts- und Verhaltensunsicherheiten der jungen Unternehmen stellen sich die umgekehrten Probleme für ein Start-up. Ein bedeutender Erfolgsfaktor bei VC- Finanzierungen ist die aktive Beteiligung der VCG im Unternehmen mit Hilfestellung bei der Administration, der Anbahnung von Geschäftsverbindungen, der Besetzung von offenen Positionen oder strategischen Managemententscheidungen.^^ Im Idealfall ergänzen sich dabei die Fähigkeiten des Unternehmers und der VCG. Während die Gründer oft technisch geprägtes Wissen in das Unternehmen einbringen, helfen die Investoren, die typischerweise auftretenden mangelhaften betriebswirtschaftlichen und administrativen Kenntnisse auszugleichen. Dies geschieht entweder durch eine direkte Einflussnahme auf den Geschäftsbetrieb oder durch die Hilfe bei der Suche geeigneter Kooperationspartner. Da die Hilfestellungen auf Seiten der VCG Kosten verursachen, muss sichergestellt werden, dass auch nach erfolgtem Vertragsabschluß die zugesicherten Leistungen erbracht werden. Folglich wird häufig bei VC-Finanzierungen von einer zweiseitigen Principal-Agent-Beziehung gesprochen. Die VCG haben hier unterschiedliche Lösungen gefunden und sich dementsprechend positioniert. Ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal für VCG besteht in der Ausrichtung ihrer Möglichkeiten, einen Mehrwert (Value added) für die Portfoliounternehmen zu erarbeiten. Diese Möglichkeiten richten sich insbesondere nach dem Angebot zusätzlicher Beratungsleistungen und Hilfestellungen. Nach ihrer Bedeutung geordnet findet man vor allem: Hilfe bei weiteren Finanzierungsrunden Mitwirkung bei der strategischen Führung und operativen Planung Rekrutierung von Mit Unternehmern Einbringung möglicher Kunden und Netzwerkpartner Nach der Intensität der Unterstützungsleistungen werden aktive, halbaktive und passive Fonds unterschieden. Die Intensität korreliert in der Regel mit der Lebensphase des Beteiligungsunternehmens. Während Start-up's fast immer aktive Fonds erforderlich machen, kann man sich in der Reifephase auf ein passives Mandat beschränken. Die Diff^erenzierungen deuten an, dass sich VCG hinsichtlich der geschäftspolitischen Ausrichtung bzw. dem strategischen Investmentfokus (Branchen, Technologien, Regionen und Finanzierungsphasen) unterscheiden. Hieraus lässt sich der Spezialisierungs- bzw. Diversifikationsgrad der VCG ableiten, von der ihre „Sektorenkompetenz" abhängig ist. Abbildung 1 gibt einen Überblick über die Beratungskompetenzen der VCG, abhängig von der Betreuungsintensität und der Tiefe der Beratungsleistung.
23
Vgl. Sahlman (1990, S. 508).
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Bernd Rudolph und Florian Haagen Betreuungsintesität AUrounder
Spezialist
aktiv
Breites Know-how, vor allem Managementfähigkeiten, weniger Hilfe bei technischen Details
Spezielles Know-how, Wissenstransfer, Abbau von Informationsasymmetrien, ExUntemehmer, Wissenschaftler
passiv
Breites Know-how beschränkt sich auf die Rolle des Kapitalgebers, der nur in Ausnahmefällen einschreitet
Portfolio-Selection-Fähigke iten. Warn- und Kontrollfunktion, ggfls. Beratung, Ex-Unternehmer, Wissenschaftler
Tiefe der Beratungsleistung Abb. 1. Segmentierung der Beratungsleistungen von VC-Gesellschaften
3 Venture Capital Finanzierung in Deutschland 3.1 Institutionelle R a h m e n b e d i n g u n g e n für V C - F i n a n z i e r u n g e n in Deutschland Eine eingehende Analyse der Vertragsgestaltung bei VC-Finanzierungen in Deutschland setzt die Darstellung der institutionellen Besonderheiten im Vergleich zu anderen VC-Märkten voraus. In der Literatur wird herausgestellt, dass sich das Umfeld für VC in Deutschland hauptsächlich hinsichtlich der Entwicklung des Kapitalmarktes, der Mentalität der Gründer, des gesellschafts- und steuerrechtlichen Rahmens sowie der Rolle des Staates unterscheidet.^^ •
Immer wieder ist in Deutschland auf die durch das bankbezogene Finanzsystem bedingte mangelhafte Entwicklung des Kapitalmarktes hingewiesen worden, die auch als Ursache für eine unterentwickelte VC-Kultur verantwortlich gemacht worden ist.^^ Traditionell spielte in der Tat der Kapitalmarkt als Exitkanal für VC-Finanzierungen in Deutschland keine so herausragende Rolle wie bspw. in den USA.^^ Erst mit der 1997 erfolgten Einführung des Neuen Marktes änderte sich das Bild, so dass innerhalb kurzer Zeit zahlreiche VC-Finanzierungen über die Börse abgelöst wurden. Seit dem Kursabsturz und der Schließung des Neuen Marktes ist es für
^"^ Für einen detaillierten Überblick bzgl. der Rahmenbedingungen von VC, vgl. Weitenauer (2000, S. 23-51); Schefczyk (2000, S. 69-93); Gaida (2002, S. 191294). ^^ Vgl. bspw. Black/Gilson (1998), Becker/Hellmann (2002). 2^ Vgl. Franzke et al (2004, S. 233).
Venture Capital-Finanzierung in Deutschland
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VCG allerdings wieder extrem schwierig, ihr Engagement über ein Initial Public Offering (IPO) erfolgreich abzuschließen. Zwangsweise findet wieder die Mehrzahl der Verkäufe von Portfoliounternehmen als Trade-Säle statt.2'^ Bei der Betrachtung des deutschen VC-Marktes wird häufig die spezielle Mentalität der deutschen Gründer hervorgehoben. Deutsche Entrepreneure werden als sehr risikoavers beschrieben, die nur ungern zu einer externen Eigenkapitalfinanzierung bereit sind und Entscheidungsbefugnisse nicht aufgeben wollen.^^ Dies schlägt sich in einer eher negativen Einstellung gegenüber VCG nieder, die sich aktiv in das Management eines Unternehmens einbringen wollen. Die ablehnende Haltung gegenüber externen Investoren dürfte wiederum die Vertragsgestaltung beeinfiussen. Eine Besonderheit des deutschen VC-Marktes ist die hohe Quote staatlicher Förderung. Seitdem sich unter deutschen Politikern die Einsicht durchgesetzt hat, dass durch VC vielen Firmen zu einer erfolgreichen Gründung verholfen wurde und sie somit ein wichtiges Instrument zur Entwicklung der Wirtschaft und von Arbeitsplätzen darstellen, wurden zahlreiche öffentliche Förderprogramme bereitgestellt. Schefczyk (2000) geht davon aus, dass in der BRD 38% der VC-Investitionen entweder als Kooperationsform mit einer staatlichen Gesellschaft oder vollkommen von der öffentlichen Hand finanziert werden. Diese Einrichtungen, die einen Teil des Risikos des Investments übernehmen, werden als zusätzlicher Antriebsfaktor für die sprunghafte Entwicklung der VC-Branche Ende der neunziger Jahre gesehen.^^ Zu fragen ist in diesem Zusammenhang, ob die staatliche Unterstützung zu Ineffizienzen auf dem Markt führt. Beispielsweise vertreten Bascha/Walz (2002) die These, dass die weit verbreitete staatliche Syndizierung als Ursache für die relativ geringe Verbreitung anreizsteuernder Finanzierungsmittel ausgemacht werden kann. Hinsichtlich der gesellschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen können verschiedene Gesichtspunkte hervorgehoben werden. Von diesen prägen insbesondere die in Deutschland für Beteiligungen verfügbaren rechtlichen Fondsstrukturen den VC-Markt. Da diese Strukturen die Ausgestaltung der Finanzierungsinstrumente beeinflussen, sollen sie hier kurz vorgestellt werden.
Am deutschen Markt bieten sich für einen externen Investor insbesondere folgende Beteiligungsmöglichkeiten an: •
Die Beteiligung an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), wobei als besondere Ausgestaltung häufig noch stille Beteiligungen zusätzlich erworben werden (kapitaüstische VCG; geschlossener Fonds).
2^ Vgl. BVK (2004, S. 7). ^^ Vgl. stellvertretend für viele Betsch et al. (2000, S. 34-39). 29 Vgl. Fiedler/Hellmann (2001, S. 19).
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Bernd Rudolph und Florian Haagen Die Beteiligung an einer GmbH & Co. KG mit der Möglichkeit, dass Kommanditanteile an Dritte weiter gereicht werden können (mitunternehmerische VCG; geschlossener Fonds). Die Unternehmensbeteiligungsgesellschaft (UBG) als Spezialfall der kapitalistischen VCG nach den Vorschriften des Gesetzes über Unternehmensbeteiligungsgesellschaften (UBGG). Unterschieden wird seit dem 3. Finanzmarktförderungsgesetz zwischen zwei Arten von Unternehmensbeteiligungsgesellschaften: - Die offene Unternehmensbeteiligungsgesellschaft mit Beschränkungen in der Gesellschafterstruktur (maximale Beteiligungsquote eines Einzelgesellschafters von nicht mehr als 40 Prozent) und relativ freier Anlagepolitik, und - die integrierte Unternehmensbeteiligungsgesellschaft ohne Auflagen in der Gesellschafterstruktur, aber strikteren Anlagegrenzen (Haltefrist für den Erwerb von Mehrheitsbeteiligungen statt 8 Jahren von 1 Jahr). Spezialfonds im Sinne des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften (Investmentaktiengesellschaften). Die Kapitalanlagegesellschaft benötigt dabei eine Banklizenz und muss alle Vorschriften des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften beachten.
Festzuhalten bleibt, dass sich das institutionelle Umfeld in Deutschland grundsätzlich von dem der angelsächsischen Länder unterscheidet. Allerdings sind die Strukturen in den letzten Jahren in Bewegung gekommen. Inwiefern dieser Prozess durch das Platzen der Börsenblase gebremst wurde oder sich wieder umkehrt, bleibt abzuwarten. 3.2 Bedeutung institutioneller Gesichtspunkte für die Theorie Bei den in den letzten Jahren veröffentlichten theoretisch orientierten Arbeiten, die sich mit der optimalen Vertragsgestaltung bei VC-Finanzierungen auseinandersetzen, lag der Fokus überwiegend auf der Betrachtung der Beziehung zwischen den Unternehmen und den VCG im Zeitablauf. Die Arbeiten von Admati/Pfleiderer (1994), Bergemann/Hege (1998), Dessein (2004) zeigen, wie sich die besonderen Agency-Probleme bei der Start-up Finanzierung durch Syndizierung, Kapitalkonditionierung oder Aufteilung von Kontrollrechten begrenzen lassen. Auch konnte die theoretische Literatur in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte beim Verständnis der Wirkungsmechanismen unter dem doppelseitigen Moral-Hazard-Problem zwischen Gründer und VCG verzeichnen. Modelle von Casamatta (2003), Inder st/Müller (2004), Schmidt (2003), Schindele (2004) und Repullo/Suarez (2003) erklären unterschiedliche Aspekte der Selektion und Überwachung von Unternehmern bzw. der Bedeutung einer aktiven Unterstützung im Unternehmen. Erst in letzter Zeit wurden Versuche unternommen, institutionelle Besonderheiten in die Betrachtungen mit einzubeziehen. Black/Gilson (1998) untersuchen die Entwicklung von VC in einem bankenorientierten Finanzsystem.
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Als wichtigsten Grund für das späte Entstehen einer VC-Kultur in Deutschland geben die beiden Autoren die jahrelange Nichtexistenz eines funktionierenden Börsenmarktes für den Verkauf von Port foliounternehmen an. Diese These relativieren Becker/Hellmann (2002). Für sie ist ein aktiver Börsenmarkt zwar notwendig, aber nicht entscheidend für den Aufbau einer VCKultur. Ihnen zufolge ist vielmehr das Zusammenwirken mehrerer Faktoren eines Landes ausschlaggebend, wie bspw. eine gelebte Gründerkultur bzw. geeignete Governancestrukturen. Auch die Möglichkeiten einer VCG, ihr Investment zu verkaufen, beeinflusst die Vertragsstruktur der VC-Finanzierung. Hellmann (2004) zeigt, wie die Entscheidung über die zukünftige Exitstrategie auf die Finanzierungsstruktur einwirkt. In seinem Modellrahmen besteht in bestimmten Umweltzuständen ein Anreiz für die VCG oder den Gründer, eine inefiiziente Ausstiegsentscheidung zu fällen. Durch den Einsatz von Convertibles können die Entscheidungsrechte abhängig von den eintretenden Umweltzuständen jeweils derjenigen Partei zugewiesen werden, die eine efiiziente Wahl treffen wird. Ein hervorstechendes Merkmal des Modells von Hellmann (2004) besteht darin, dass es auch den Einsatz bestimmter Vertragsklauseln, wie beispielsweise die automatische Konvertierung bei einem Börsengang zu erklären vermag. Bottazzi/da Rin/Hellmann (2004) untersuchen den Einfluss rechtlicher Rahmenbedingungen auf die Vertragsgestaltung zwischen VCG und Portfoliounternehmen. Sie leiten aus einem doppelseitigem Moral-Hazard-Modellrahmen die These ab, dass in einem Land mit besserem rechtlichen Schutz VCG die jungen Unternehmen aktiver überwachen, früher unterstützend eingreifen und einen verstärkten Schutz vor Verlusten anstreben. In einer empirischen Untersuchung zeigen sie, dass in Ländern mit schwächerem gesetzlichen Anlegerschutz wie bspw. in Deutschland VCG einen signifikant geringeren Monitoringeinsatz aufbringen und auch eine Verlustbegrenzung der Investition nicht so ausgeprägt ist. Nicht behandelt werden in diesen Studien die gesellschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen, unter denen die VC-Finanzierungen stattfinden. Diese sind aber die Rahmendaten für den Einsatz von empfohlenen Vertragsklauseln und Finanzierungsinstrumenten. Zum Verständnis der Auswirkungen institutioneller Besonderheiten werden im Folgenden spezielle Finanzierungsinstrumente gegenübergestellt, die einerseits für das kapitalmarktorientierte Finanzsystem in den USA typisch sind und andererseits in dem bankenorientiertem Finanzsystem in Deutschland häufig beobachtet werden können. 3.3 Bedeutung wandelbarer Finanzierungstitel in der VC-Finanzierung Die Finanztheorie hält zur Begrenzung der Agency-Konflikte prinzipiell zwei Lösungsmechanismen parat.^^ Durch dinreizkompatible Vertragsgestaltungen Vgl. Denis (2004, S. 310f.).
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können die jeweiligen Interessen des Investors und Gründers angeglichen werden. Dies geschieht bspw. indem das Einkommen des Entrepreneurs von einem beobachtbaren Merkmal abhängt, dass durch seinen Arbeitseinsatz positiv von ihm zu beeinflussen ist. Mit Hilfe einer zusätzlichen Aufteilung der Kontrollrechte lassen sich opportunistische Verhaltensweisen weiter einschränken. Als Reaktion auf die besonders ausgeprägten Anreizkonflikte der VCFinanzierung haben sich eine Reihe spezialisierter Finanzierungs- und Vertragsformen herausgebildet, wobei wandelbare Finanztitel (Convertibles) zur Begrenzung dieser Konflikte eine dominante Stellung einnehmen. 3.3.1 Anreizsteuerung durch wandelbare Vorzugsaktien Ein in der Theorie häufig empfohlenes Instrument bei der Finanzierung junger Unternehmen ist der Einsatz wandelbarer Finanzierungstitel. Am weitesten verbreitet sind dabei in Stammaktien wandelbare Vorzugsaktien {convertible preferred Stocks), die der VC-Geber erhält. Der Gründer hingegen bekommt normale Stammaktien. Finanzieren VCG junge Unternehmen mit wandelbaren Vorzugsaktien, so erhalten sie zusätzlich zu einem regulären Stimmrecht^^ einen bevorrechtigten Dividendenanspruch, der meist nicht sofort höhere Zahlungen auslöst, sondern sich langfristig akkumuliert.^^ Dieser Anspruch berechtigt die VCG einen vorher festgelegten Gewinnanteil (meist einen auf das eingesetzte Kapital bezogenen Prozentsatz) für sich zu beanspruchen, noch bevor weitere Gewinne an die Stammaktionäre ausgeschüttet werden. Auch besitzt die VCG als Halter von Vorzugsaktien im Liquidationsfall einen bevorrechtigten Anspruch am Konkursvermögen, der sich auf die Höhe des Dividendenanrechts beläuft. Wandelbare Vorzugsaktien können mit Erreichen eines bestimmten vorher festgelegten Zeitpunkts in unbeschränkt am Wertzuwachs teilnehmende Stammaktien {common shares) eingetauscht werden. Abbildung 2 zeigt die Pay-off-Struktur wandelbarer Vorzugsaktien. Aus der Graphik wird deutlich, dass wandelbare Vorzugsaktien in ihrer Zahlungsstruktur zunächst einem Fremdkapitaltitel entsprechen, wohingegen sie nach erfolgter Wandlung einen Eigenkapitalcharakter aufweisen. Eine Konversion der Vorzugsanteile in Stammaktien lohnt sich für einen Investor ab Punkt C. Von diesem Zeitpunkt an überwiegen die Vorteile einer Partizipation an der Steigerung des Firmenwertes gegenüber denen eines bevorrechtigten Auszahlungsanspruchs im Falle einer Insolvenz. Allerdings werden bspw. in den USA bei der Finanzierung junger Unternehmen häufig auch sogenannte teilhabende wandelbare Vorzugsaktien {participating preferred Stocks) eingesetzt.^^ Deren Pay-off-Struktur entspricht der einer konvertierbaren Vorzugsaktie, wobei die VCG mit diesen Papieren auch ^^ Dieses Stimmrecht orientiert sich meist an der Anzahl von Stammaktien, die eine VCG nach der Wandlung erhalten würde. ^2 Vgl. Bascha (2001, S. 26). ^^ Vgl. Kaplan/Strömherg (2003b, S. 286).
Venture Capital-Finanzierung in Deutschland
y
/\
V=V Pay-ojf
v= c=
d
/>"" nV 1
341
•^
X
C
Firmenwert Konvertierungszeitpunkt
n=
Anteil der VCG am Unternehmen
d=
Nennwert der Vorzugsdividenden
Abb. 2. Pay-off-Struktur wandelbarer Vorzugsaktien nach Ausschüttung ihres Gewinnanteils noch Anrecht auf einen Anteil an den Erträgen erhält.^^ Abbildung 3 zeigt diese Pay-off-Struktur.
V = Y
Firmenwert Anteil der VCG am Unternehmen Nennwert der Vorzugsdividenden
Abb. 3. Pay-off-Struktur teilhabender wandelbarer Vorzugsaktien Interessant ist, dass eine VCG keinen Anreiz besitzt, diese Vorzugsaktien in Stammaktien einzutauschen. Ihre Erlöse liegen stets über denen, die sie nach einer Wandlung realisieren könnte. Um dennoch eine effiziente Anreizsteuerung zu gewährleisten, kommt der Konvertierungsoption eine besondere Bedeutung zu. Die Ausgestaltung der Konvertierungsregeln stellt das zentrale Element zur Induzierung anreizkompatibler Strukturen bei einer Finanzierung mit
34
Vgl. Baums/Möller (2000, S. 9).
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Convertibles dar.^^ Die conversion rights können so gestaltet sein, dass eine Wandlung in das Ermessen der VCG gestellt oder an den Eintritt eines bestimmten Ereignisses, wie z.B. das Erreichen eines Meilensteins oder die Eröffnung eines IPO-Verfahrens, gekoppelt wird.^^ Zu Beginn der Finanzierung wird das Umtauschverhältnis in der Regel auf 1:1 festgesetzt, es kann aber im Zeitablauf, bspw. bei Erreichen (Verfehlen) eines Meilensteins, zu Gunsten des Entrepreneurs (der VCG) angepasst werden.^^ Bei einer Untersuchung der Anreizstrukturen ist zu beachten, dass sich durch eine Wandlung der Anteile an der Verteilung der Kontrollrechte innerhalb des jungen Unternehmens in der Praxis nichts ändert. Im Gegensatz zu der häufig in der Theorie verwendeten Argumentation besitzen VCG in der Regel bereits vor einer Konversion durch vertragliche Vereinbarungen eine Stellung im Unternehmen, die sie in Bezug auf die Kontrollrechte einem Eigentümer gleichstellen.^^ Entscheidend ist der Unterschied hinsichtlich einer Beteiligung an zukünftigen Erträgen und Verlusten, da eine VCG nach der Wandlung den Gründern gleichgestellt und folglich auch an Verlusten voll beteiligt ist. 3.3.2 Empirische Ergebnisse zur Venture Capital Finanzierung In den USA ist die Umsetzung des in der Theorie empfohlenen Einsatzes von Convertibles weit fortgeschritten. Kaplan/Strömberg (2003b) weisen in einer detaillierten Untersuchung des amerikanischen Marktes nach, dass von 213 untersuchten Investments 204 zumindest teilweise mit wandelbaren Vorzugsaktien finanziert wurden, wobei in 170 Fällen VCG ausschließlich convertible preferred Stocks einsetzten.^^ Abbildung 4 zeigt die von Kaplan/Strömberg (2003b) festgestellte Verteilung der Finanzierungsinstrumente. Von den insgesamt 94.4% der beobachteten Finanzierungsrunden, in denen convertible preferred Stocks eingesetzt wurden, partizipierten VCG in 38.5% an den über die Vorzugsdividende hinaus erwirtschafteten Erträgen (participating preferred Stocks). Dieses Ergebnis unterstreicht die Bedeutung, die teilhabenden wandelbaren Finanzierungsinstrumenten in den USA zukommt. Fragwürdig bleibt allerdings, in wiefern solche Aussagen auch auf andere Volkswirtschaften übertragen werden können. In einer Studie von Cumming (2002) kommt der Autor zu dem Ergebnis, dass Convertibles bei der VCFinanzierung in Kanada eine relativ unbedeutende Rolle spielen, sie werden nur in 5.1% der Fälle eingesetzt. Vielmehr ist eine Vielzahl unterschiedlicher Formen der Finanzierung feststellbar, wobei besonderes häufig auf „normales" Eigenkapital zurückgegriflPen wird. Cumming (2002) vertritt die These, dass ^^ Vgl. hierzu bspw. die Modelle von Schmidt (2003), Comelli/Yosha (2003) oder Hellmann (2004). ^^ Vgl. Baums/Möller (2000, S. 21). ^^ Vgl. Baums/Möller (2000, S. 21). ^^ Vgl. Hellmann (2004, S. 3). ^^ Vgl. Kaplan/Strömberg (2003b, S. 286).
Venture Capital-Finanzierung in Deutschland
343
1 CPS and convertible zero-coupon debt
79,4% 1 1,9% 1
1 CPS and common stock
7,5%
1 CPS and straight preferred stock
3,7% 1,9% 0,5% 1,4% 1,4% 1,9% 0,5%
1 Convertible preferred Stocks (CPS)
1 CPS, straight preferred stock, and common stock 1 Convertible debt and common stock 1 Straight preferred stock and common stock 1 Multiple classes of common stock 1 Convertible zero-coupon debt 1 Common stock
1 1 1 1 1 1 1
Abb. 4. Verteilung der Finanzierungsinstrumente bei VC-Investments in den USA, vgl. Kaplan/Strömberg (2003b, S. 284) Lerneflfekte bzgl. des Umgangs mit Convertibles deren unterschiedliche Verbreitung in verschiedenen Ländern nicht ausreichend erklären können. Vielmehr müssen auch institutionelle Rahmenbedingungen in die Argumentation miteinbezogen werden. Für Europa zeigt Schweinbacher (2002) eine durchschnittliche Verwendung wandelbarer Titel von lediglich 20%, wobei er als Ursache für den geringeren Einsatz die im Vergleich zur USA weniger liquiden Märkte für den Verkauf von Portfoliounternehmen sieht. In Deutschland spielen Convertibles bei der Finanzierung junger Unternehmen nur eine untergeordnete Rolle. In einer Befragung von VCG nach den durchschnittlich verwendeten Finanzierungstiteln ermitteln Bascha/Walz (2002), dass gerade einmal in 10.6% der Fälle konvertierbare Titel eingesetzt werden. Die Mehrheit der Investments findet als stille Beteiügung statt, wobei 33.1% voll und weitere 5.6% zumindest zum Teil auf diese Weise durchgeführt werden.'*^ Allerdings muss bei einer Interpretation dieser Zahlen berücksichtigt werden, dass Bascha/Walz (2002) nur durchschnittliche Angaben von VCG bezüglich der von ihnen eingesetzten Finanzierungstitel abfragen. Andere Untersuchungen sehen den Anteil stiller Beteiligungen durchaus niedriger. Betsch et al. (2000) dokumentieren in einer Befragung aller damals am Neuen Markt gelisteten Unternehmen lediglich 13% der Finanzierungen als stille Beteiligung. Auch Schefczyk (1998) kann nur einen Anteil von 15% feststellen. Festzuhalten bleibt, dass sich die in der Theorie postuHerte Finanzierung mit Convertibles nicht unbedingt in jedem institutionellen Rahmen als empirisch umgesetzte Lösung erweist. Zwar wenden VCG in den USA die empfohlene Anreizstruktur in der Praxis verstärkt an, dieses Ergebnis kann aber für andere Volkswirtschaften nicht bestätigt werden. Nationale BesonderheiVgl. Bascha/Walz (2002, S. 15).
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ten der Finanzierungsmerkmale, der Regulierung oder anderer institutioneller Rahmenbedingungen können einen Einfluss auf die jeweilige optimale Vertragsgestaltung bei VC-Finanzierungen ausüben. Eine Aussage über die Anreizeffizienz dieser Vertragsgestaltungen ist dabei nicht ohne weiteres möglich. Vielmehr ist es notwendig alle mit einem Finanzierungsvertrag verbundenen Merkmale in die Analyse mit einzubeziehen. Für den deutschen Markt soll dies exemplarisch an Hand einer Betrachtung der stillen Beteiligung geschehen. 3.4 Besonderheiten der Venture Capital Vertragsgestaltung in Deutschland 3.4.1 Stille Beteiligung als in Deutschland spezielles Venture Capital Finanzierungsinstrument Alle empirischen Untersuchungen für Deutschland haben als Ergebnis gemein, dass VCG eine grundlegend andere Struktur bei der Finanzierung bevorzugen als dies bei amerikanischen Gesellschaften der Fall ist. Die in Deutschland besondere Form der stillen Beteiligung scheint dabei trotz der unterschiedlichen empirischen Ergebnisse eine bedeutsame Rolle zu spielen, so dass zum Verständnis der VC-Industrie eine genauere Betrachtung dieses Finanzierungsinstrumentes notwendig erscheint. Das deutsche Recht unterscheidet zwischen der typischen und atypischen stillen Beteiligung.^^ Der VC-Geber stellt dem Unternehmen Eigenkapital zur Verfügung, ohne dabei selbst direkt Anteile zu übernehmen. Damit erwirbt er ein Recht auf Beteiligung am Gewinn. Mit Beendigung der stillen Beteiligung bekommt der stille Gesellschafter den eingezahlten Betrag wieder zurückerstattet. Bei der typischen stillen Beteiligung wird meistens eine Beteiligung am Verlust ausgeschlossen, wohingegen bei der atypischen stillen Gesellschaft eine Partizipation am Unternehmenswert und/oder an der Geschäftsführung vorgesehen ist. Aus diesem Grund ähnelt eine typische stille Beteiligung eher einem Fremdkapitalinvestment, wohingegen eine atypische Beteiligung einen hohen Eigenkapitalcharakter aufweist."^^ In der VC-Finanzierung spielt allerdings die atypische Beteiligung keine Rolle, sie wird so gut wie nie eingesetzt.^^ Als größter Vorteil der stillen Beteiligung kann der hohe Grad an Flexibilität bei der Gestaltung von Nebenabreden gesehen werden. Diese ermöglichen es, auf die jeweilige Vertragssituation maßgeschneiderte Lösungen zu generieren. Insbesondere können die Zahlungsströme auf die jeweiligen Umweltzustände konditioniert werden, um so von Unternehmenserfolg- oder misserfolg abhängige Cashflow-Strukturen zu schaffen.^"^ Entscheidend für die Vorteilhaftigkeit einer stillen Beteiligung in der VC-Finanzierung bleibt letztendlich deren genaue Ausgestaltung, d. h. wann die Flexibilität in der Praxis ^•^ Die Regelungen zu stillen Beteiligung finden sich in den §§ 230-237 HOB. ^2 Vgl. Fink (2003, S. 138). ^^ Vgl. Betsch et al (2000, S. 189). ^^ Vgl. Bascha/Walz (2002, S. 6).
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insbesondere hinsichtlich des Einsatzes zusätzlicher vertraglicher Nebenabreden genutzt wird. Eine theoretisch denkbare Anwendungsvariante stellt die Replikation wandelbarer Finanzierungspapiere dar. 3.4.2 Replikation wandelbarer Finanzierungsinstrumente durch die stille Beteiligung Ein ausgeprägter Einsatz der stillen Beteiligung scheint auf den ersten Blick verwunderlich, da Convertibles in der Theorie eine so dominante Stellung zur Anreizbegrenzung einnehmen. Eine Verwendung wandelbarer Wertpapiere setzt nach deutschem Recht voraus, dass das Portfoliounternehmen als AG oder als Kommanditgesellschaft auf Aktien geführt wird. Da die meisten Unternehmen als GmbH gegründet werden, ist folglich ein Einsatz von convertible Stocks ausgeschlossen.'*^ Durch ein Investment als stille Beteiligung ist es jedoch möglich, diese Finanzierungsform durch unterschiedliche Nebenabreden so zu gestalten, dass deren Charakteristika bzgl. Aufteilung der Kontroll- und Cashflowrechte annähernd denen wandelbarer Wertpapiere entsprechen.'*^ Eine genauere Analyse der Konstruktionsmerkmale stiller Beteiligungen zeigt, wie sich eine solche Vertragsstruktur in der Praxis umsetzen lässt: Monitoring- und Kontrollrechte stimmen nahezu mit denen eines konvertierbaren Titels überein. •
•
Ein stiller Gesellschafter hat gesetzlich nur das Recht auf Einsichtnahme des Jahresabschlusses und der Unterlagen, die zu dessen Überprüfung notwendig sind."*^ Dagegen besitzen Halter wandelbarer Vorzugsaktien/Anleihen zunächst keine Einblicks- oder Kontrollrechte. Diese werden bei VCFinanzierungen dem Investor erst durch zusätzliche vertragliche Regelungen (Covenants) zugesichert. Generell sind sowohl bei participating preferred Stocks als auch bei einer stillen Beteiligung eine Vielzahl vertraglicher Nebenabreden denkbar.^^ Die stille Beteiligung bietet diesbezüglich ein hohes Maß an Flexibilität. So können die in den USA üblichen Klauseln auch in Deutschland vereinbart werden. Die Bandbreite reicht von Zustimmungsvorbehalten bei Änderung der Geschäftspolitik über die Gewährung von Weisungsrechten gegenüber der Geschäftsleitung bis zum Recht, Geschäftsführungsbefugnisse zu übernehmen.^^ Vgl. Bascha (2001, S. 170). Vgl. Stein (2003, S. 48f). Vgl. § 233 Abs. 1 HGB. Gerade in der VC-Finanzierung wird von vertraglichen Klauseln häufig Gebrauch gemacht. Für eine Übersicht von üblichen Covernants, vgl. Sahlman (1990) und deren Verbreitung, vgl. Kaplan/Strömberg (2003b). Vgl. Streuer (2003, S. 21).
346 •
Bernd Rudolph und Florian Haagen Im Falle einer Zahlungsunfähigkeit werden die Kontrollrechte auf den Insolvenzverwalter übertragen, der die Interessen der Investoren vertritt. Auch hier gibt es kaum Unterschiede zwischen stiller Beteiligung und wandelbaren Finanzier ungstiteln.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass bei der Verteilung von Kontrollund Mitspracherechten starke Parallelen bei einem Einsatz von Convertibles und stiller Beteiligung bestehen bzw. diese durch vertragliche Regelungen hergestellt werden können. Auch die Verteilung der Cashflowrechte lässt sich bei der stillen Beteiligung an die der wandelbaren Vorzugsaktien anpassen. •
•
•
Zunächst wird allgemein für einen stillen Gesellschafter eine bevorrechtigte Beteiligung am Liquidationserlös vereinbart. Diese wird meist auf die Höhe der Einlage zuzüglich angefallener Dividenden begrenzt. Der stille Gesellschafter ist wie der Halter von participating preferred Stocks stets zu einem Teil am Gewinn beteiligt, wobei allerdings die Höhe der Gewinnbeteiligung individuell ausgehandelt wird. Letztlich kann zusätzlich eine Optionsvereinbarung getroffen werden, die es der VCG ermöglicht, ihre stille Beteiligung in voll am Wertzuwachs teilnehmende Eigenkapitalanteile zu tauschen. Eine solche Option kann entweder in das Ermessen der VCG gestellt oder an ein bestimmtes Ereignis wie ein bevorstehender IPO gekoppelt werden.
Abbildung 5 zeigt die Pay-off-Struktur, die sich durch eine solche Konstruktion darstellen lässt.
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.
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c
'^
Pay-off v= c=
Finnenwert
n-
Anteil der VCG am Unternehmen
d=
Nennwert der Vorzugsdividenden
Konvertierungszeitpunkt
Abb. 5. Exemplarische Pay-off-Struktur einer stillen Beteiligung mit zusätzlicher Wandlungsoption Aus der Graphik wird ersichtlich, dass die Pay-off-Struktur einer stillen Beteiligung annähernd der einer wandelbaren Vorzugsaktie entspricht. Ein
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interessanter Aspekt stellt die variabel auszuhandelnde Gewinnbeteiligung des stillen Gesellschafters dar. Wird eine sehr niedrige Partizipation vereinbart, entspricht die Cashflow-Struktur eher der einer „normalen" wandelbaren Vorzugsaktie. Wird hingegen eine relativ hohe Gewinnteilnahme festgelegt, stimmt die Pay-off-Struktur mit der eines teilhabenden wandelbaren Papiers überein. Somit lassen sich theoretisch durch eine Finanzierung mit einer stillen Beteiligung identische Anreizstrukturen implementieren, wie dies bei amerikanischen VCG durch Convertibles üblich ist, ohne dabei direkt solche Finanzierungstitel einsetzen zu müssen. Abbildung 6 fasst dieses Ergebnis mit einem Vergleich von stiller Beteiligung und wandelbarer Vorzugsaktie zusammen:
Stille Beteüigung
Informations- und Kontrollrechte
Gesetzlicher Einblick in Jahresabschluss; vertraglich Vielzahl von Gestaltungsmöglichkeiten
Grundsätzlich am Gewinn beteiligt Kann auf Einlage Verlustbeteiligung begrenzt werden Kann durch Option Beteiligung an vertraglich vereinbart Steigerung des werden Unternehmenswertes Zuteilung von Wird bevorrechtigt berücksichtigt Liquidationserlösen Wird durch die Wandlungsoption Anreizsteuerung induziert Gewinnbeteiligung
Wandelbare Vorzugsaktie Vor Wandlung: Keine gesetzlichen Informations- und Kontrollrechte; vertraglich hohe Gestaltungsflexibilität Nach Wandlung: Volle Informations- und Kontrollrechte Ist nur bis Nennwert an Gewinnen beteiligt Ist auf Nennwert beschränkt Wird durch Wandlung realisiert Wird bevorrechtigt berücksichtigt Wird durch die Wandlungsoption induziert
Abb. 6. Gegenüberstellung der Kontroll- und Cashflowstrukturen von stiller Beteiligung und wandelbarer Vorzugsaktie Es zeigt sich, dass die typisch deutsche Finanzierungsform einer stillen Beteiligung nahezu vollständig in der Lage ist, die Monitoring-, Kontroll- und Anreizstruktur sowohl einer „normalen" wandelbaren Vorzugsaktie als auch einer teilhabenden wandelbaren Vorzugsaktie zu implementieren. Folglich darf nicht durch den Hinweis auf gut definierte Finanzierungsinstrumente auf eine Überlegenheit der Finanzierungspraktiken einzelner Länder geschlossen werden. Inwiefern die durch nationale Besonderheiten bevorzugten Vertragselemente denen in der Theorie empfohlenen unterlegen sind oder durch eine unter-
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Bernd Rudolph und Florian Haagen
schiedliche Umsetzung ebenbürtig gegenüberstehen, kann dabei nur durch eine detaillierte Untersuchung aller Vertragsmerkmale festgestellt werden, die nicht losgelöst von institutionellen Rahmenbedingungen stattfinden darf.
4 Bedeutung des institutionellen Rahmens So bedeutend Venture Capital für die deutsche Wirtschaft ist, so wenig ist tatsächlich über die genauen Vertragsstrukturen bekannt. Erst seit wenigen Jahren wird überhaupt versucht, unterschiedliche Finanzierungspraktiken bei VC-Investments als Auswirkungen institutioneller Besonderheiten verschiedener Volkswirtschaften zu verstehen. Es kann aber festgehalten werden, dass so genannte „institutions matter", also institutionelle Rahmenbedingungen einen Einfluss auf die Gestaltung der Finanzierungskontrakte ausüben, wodurch wiederum der Erfolg der jungen Unternehmen beeinflusst wird. Eine detaillierte Untersuchung des deutschen VC-Marktes, die die speziellen Kontraktstrukturen und den Einsatz stiller Beteiligungen besser nachvollziehen ließe, steht bislang nicht zur Verfügung. Erste Erklärungsansätze, die auch institutionelle Rahmenbedingungen berücksichtigen, konzentrieren sich auf die Rolle des Staates und der Besteuerung von Investitionserlösen.^^ Bisher verfügbare Arbeiten sind dabei nur bedingt in der Lage, die Verteilung des Einsatzes der Finanztitel bei VC-Investitionen in Deutschland zu erklären. Auch die für den angelsächsischen Raum entwickelten Forschungsergebnisse können hier nicht weiterhelfen. Eine umfassende Begründung des optimalen deutschen Vertragsdesigns kann nur unter Einbezug des geltenden institutionellen Rahmens gelingen. Dabei darf die Finanzierungsstruktur nicht losgelöst von vertraglichen Regelungen betrachtet werden. Einzig eine Analyse des Zusammenspiels von Finanzierungstitelkonstruktion und Covernants kann einen Rückschluss auf die Effizienz deutscher VC-Verträge zulassen.
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Venture Capital-Finanzierung in Deutschland
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Kreditverträge, Vergleiche und Kreditsicherheiten Werner Neus Universität Tübingen, Abteilung für Bankwirtschaft, Mohlstraße 36, D-72074 Tübingen Werner. neus@\ini-tuebingen. de
Gliederung 1
Einführung
354
2
Grundlegende Modellannahmen
356
3
Kreditverträge und Vertragsstrafen
358
3.1 3.2 3.3 3.4
Das Insolvenzspiel Der Kreditvertrag Schadensersatz statt hoher Vertragsstrafe Quantitative Abschätzung
358 362 364 365
4
Einbeziehung von Bürgschaften
367
4.1 4.2 4.3
Bürgschaft bei hoher Vertragsstrafe Bürgschaft bei Schadensersatz Zum Einfluss des Risikos auf die Nützlichkeit der Bürgschaft
367 370 372
5
Zusammenfassung
373
Literaturverzeichnis
374
354
Werner Neus
1 Einführung Kreditverträge gehören zu den bevorzugten Analyseobjekten von Wirtschaftswissenschaftlern. Die Anzahl untersuchter Facetten der Kreditfinanzierung ist hoch und reicht von Fragen der Risikoübernahmebereitschaft der Kreditgeber^ über die Einbeziehung von Vertragsklauseln jenseits von Kredithöhe und -zins bis hin zur S t r u k t u r von Finanzierungsverträgen schlechthin, wobei sich unter verschiedenen Bedingungen der Kreditvertrag endogen als optimal erweist^. Die Frage der Einbeziehung von Kreditsicherheiten spielt in fast allen Entwicklungsrichtungen von Modellen der Kreditfinanzierung eine wichtige Rolle. Sicherheiten werden dabei weit überwiegend so in die Modelle einbezogen, dass m a n sie als haftungserweiternde Maßnahmen, beispielsweise also Bürgschaften, auffassen kann^. Da es zur Einbeziehung von Sicherheiten in Modelle der Kreditfinanzierung bereits verschiedene Überblicksbeiträge gibf*, erübrigt sich eine weitere erschöpfende Analyse. Stattdessen wird in diesem Beitrag eine gewisse Unverträglichkeit eines bestimmten komparativ-statischen Ergebnisses der theoretischen Analyse von Kreditverträgen mit Regelmäßigkeiten hervorgehoben, denen eine empirische Relevanz zugeschrieben wird. Interessant ist nämlich (unter anderem) die Frage, welche Eigenschaften von zu finanzierenden Projekten eher dazu führen, dass mit Kosten verbundene Kreditsicherheiten in den Kreditvertrag einbezogen werden. Die Antwort darauf besteht in der zunächst überraschenden Erkenntnis, dass es weit überwiegend die weniger riskanten Projekte sind, welche mit Kreditsicherheiten einhergehen. Bei unbeobachtbarer Projektqualität (adverse Selektion) folgt dies daraus, dass gegebenenfalls gerade die Kreditnachfrager mit risikoarmen Projekten die geeignete Relation von Signalkosten und -nutzen haben, u m sich von den Nachfragern mit risikoreichen Projekten zu separieren. Bei unbeobachtbarem Kreditnehmerverhalten (Risikoanreizproblem) werden Kreditsicherheiten nur d a n n in den Kreditvertrag einbezogen, wenn sich der Kreditnachfrager dadurch glaubwürdig an die risikoarme Projekt Variante binden kann^. Beides steht im Widerspruch zu der üblichen Vorstellung, dass Kre-
Mit dieser Fragestellung hat sich Wilhelm (1977, 1982) eingehend beschäftigt. Für eine Welt mit unbeobachtbaren Cash-flows - in Anlehnung an Townsend (1979) - haben dies Gale und Hellwig (1985) nachgewiesen, für eine MoralHazard-Welt leitete Innes (1990) den Kreditvertrag endogen als optimal ab. Dies ist nicht der Sache nach geboten, sondern daraus abgeleitet, dass in einem Einperiodenmodell, wie es üblicherweise verwendet wird, interne Sicherheiten gar nicht einbezogen werden können. Dies schränkt den Anwendungsbereich der weiteren Argumentation aber nicht ein, da Mehrperiodenmodelle in der Tradition von Bolton und Scharf stein (1990) auch interne Sicherheiten zulassen, welche exakt die gleichen ökonomische Wirkungsmechanismen auslösen. Siehe zum Beispiel Rudolph (1984) und Neus (1998). Dies sind die Aussagen innerhalb des Modellrahmens von Stiglitz und Weiss (1981). Siehe dazu näher Neus (1998), S. 219 ff.
Kreditverträge, Vergleiche und Kreditsicherheiten
355
ditsicherheiten die Aufgabe haben, die bei hohem Kreditrisiko beschränkte Kreditvergabebereitschaft von Banken zu fördern. Vor diesem Hintergrund legte Bester (1994) ein bemerkenswertes Modell vor, das zum gegenteiligen, aus praktischer Sicht aber plausibleren Ergebnis kommt. Er wählt als Ausgangspunkt die Modellwelt von Gale und Hellwig (1985), in der zwar Projektqualität und Projektwahl beobachtbar sind, nicht aber der realisierte Cash-flow des Investitionsprojektes. Diese Welt erweitert Bester durch die Einbeziehung gemischter Strategien: Einerseits entscheidet der zahlungsfähige Kreditnehmer über die Wahrscheinlichkeitsverteilung zwischen Zahlungseinstellung und Erfüllung des Kreditvertrages, andererseits wählt der Kreditgeber die Wahrscheinlichkeiten für die Auslösung eines Insolvenzverfahrens und die Reduktion der Kreditforderung. Bei seiner Entscheidung steht der Kreditgeber vor dem Problem, dass die Zahlungseinstellung eine unausweichliche Folge der Zahlungsunfähigkeit, aber auch Ergebnis einer strategischen Entscheidung des Kreditnehmers sein kann. In diesem Modellrahmen beeinflussen Sicherheiten die Anreize dergestalt, dass die gesamten Kreditkosten trotz der mit den Sicherheiten verbundenen Kosten sinken können. Überdies ist der kritische Wert der Kosten, bis zu dem die Einbeziehung von Sicherheiten lohnt, eine steigende Funktion des Kreditrisikos. Demzufolge werden bei hohem Kreditrisiko selbst dann noch Sicherheiten einbezogen, wenn dies bei risikoarmen Krediten nicht mehr der Fall ist. Das 5e5^er-Modell erlaubt es also, theoretische Ergebnisse in Einklang mit in der Praxis als gesichert geltenden Vermutungen zu bringen^. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte Nachricht ist, dass dieses schöne Ergebnis alles andere als robust ist. Ziel dieses Beitrags ist die Überprüfung der Sensitivität der Modellergebnisse im Hinblick auf zwei Annahmen. Dabei zeigt sich: •
Zum einen hängt das Bestersche Ergebnis kritisch von einer spezifischen Risikodefinition ab. Bester setzt nämlich Risiko mit der Ausfallwahrscheinlichkeit des Projekts gleich. Sofern alle anderen Parameter konstant gehalten werden, geht damit aber eine Minderung der erwarteten Rendite einher, so dass nicht wirklich klar ist, ob die Erhöhung des Risikos oder die Minderung der erwarteten Erträge die Ergebnisse herbeiführt. Diesen Punkt hat bereits Kürsten (1994, 1997) in verschiedenen Beiträgen vorgebracht, wenn auch seine Kritik den Beitrag von Bester auszuklammern scheint'^. Die theoretisch konsistente Modellierung finanzwirtschaftlicher
Dabei ist zu beachten, dass keineswegs alles, was in der Praxis als gesicherte Erkenntnis gilt, sich auch empirisch handfest belegen lässt. Zwar belegt der Überblicksaufsatz von Bigus, Langer und Schiereck (2004) in eklektischer Weise die Praktikersicht, andererseits zeigen bspw. Elsas und Krahnen (2002), dass der Zusammenhang zwischen Projektrisiko und Kreditsicherheiten statistisch nicht signifikant ist. Vgl. Kürsten (1997), S. 852f.
356
•
Werner Neus Entscheidungen gehört zu den Motiven, die auch in den Arbeiten von Wilhelm eine wichtige Rolle spielen^. Zum anderen basiert die 5e5^er-Lösung im Ergebnis auf der Vereinbarung einer sehr harten Vertragsstrafe für den Fall, dass das betrügerische Verhalten des Kreditnehmers entdeckt wird. Es gibt jedoch Anhaltspunkte dafür, dass nach deutschem Recht derartige Vertragsstrafen vor Gericht nicht unbedingt Bestand haben müssen^.
Die Einbeziehung dieser Punkte in die Modellanalyse zeigt: Beide Modifikationen des Bester-Modells, einerseits die Verwendung eines Risikomaßes, das eine Variation bei fester erwarteter Rendite erlaubt, andererseits ein Szenario mit schwächeren zulässigen Vertragsstrafen, sind für sich genommen hinreichend dafür, dass das Bestersche Ergebnis sich wieder umkehrt: Dann sind es doch wieder eher die risikoarmen Projekte, bei denen die Sicherheiten gestellt werden. Die weiteren Ausführungen sind wie folgt gegliedert: Zunächst werden die grundlegenden Modellannahmen vorgestellt. In Abschnitt 3 werden StandardKreditverträge unter Einbeziehung einer Vertragsstrafe für betrügerisches Verhalten, aber noch ohne Sicherheiten untersucht. Anschließend geht es in Abschnitt 4 darum, welchen Einfluss in unterschiedlichen Szenarien die zusätzliche Einbeziehung von Kreditsicherheiten auf die Kreditverträge und die Agency-Kosten besitzt. Der Beitrag endet mit einer Bewertung der Ergebnisse.
2 Grundlegende Modellannahmen Ausgangspunkt ist ein Unternehmer, der die Gelegenheit hat, eine Investition durchzuführen, welche die Anfangsauszahlung / erfordert. Für den dadurch generierten, unsicheren Cash-flow X gilt \H [N
mit TT mit 1-TT
Weiter gilt AT < (1 + i) • / < iJ sowie E(X) > (1-hi)-/oder ^ ^ - 1 = / i > i. Dabei bezeichnet i den Kalkulationszinsfuß, der angesichts der allgemein unterstellten Risikoindiff'erenz dem risikolosen Zinssatz entspricht. Die genannten Bedingungen implizieren, dass eine Insolvenz nie ausgeschlossen werden kann und dass die Investition einen positiven Kapitalwert^^ hat bzw. die erwartete Rendite der Investition größer ist als der Kalkulationszinsfuß. ^ Siehe zum Beispiel Wilhelm (1987, 1991). ^ Siehe dazu näher Thießen (1996). ^^ Wann immer im Folgenden vom Kapitalwert der Investition die Rede ist, steht dies sprachlich vereinfachend für den erwarteten Endwert der Investition: E{X) —
Kreditverträge, Vergleiche und Kreditsicherheiten
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Das Investitionsprojekt wird durch einen Bankkredit finanziert. Der Kreditvertrag sieht für die Bank die Verpflichtung vor, den Investitionsbetrag / aufzubringen. Im Gegenzug muss der Unternehmer bei FälHgkeit des Kredits am Ende des einperiodigen Planungshorizontes inklusive Zinskomponente eine Rückzahlung in Höhe von J^ leisten. Zur Bedienung dieser Forderung steht zunächst lediglich der Cash-flow X der Investition zur Verfügung. Ein möglicherweise bei Fälligkeit des Kredits verfügbares Privatvermögen des Unternehmers ist durch eine Haftungsbeschränkung geschützt. Die Bank steht mit anderen Banken im Wettbewerb, so dass sie eine erwartete Rückzahlung von (1 4- i) • / erhält. Jedoch kann die Bank, anders als der Unternehmer, den realisierten Cashflow nicht ohne weiteres beobachten. Auch einer gerichtlichen Überprüfung ist der Cash-flow ohne weiteres nicht zugänglich. Daher kann der Unternehmer selbst im Erfolgsfall, also bei Realisierung des hohen Cash-flows i l , behaupten, die Investition sei fehlgeschlagen, und lediglich eine Zahlung in Höhe des niedrigen Cash-flows N leisten. Diese Zahlung von N allerdings kann kostenlos erzwungen werden, da eine geringere Zahlungsfähigkeit bei den getroff'enen Annahmen ausgeschlossen ist. Auf Basis der Rückzahlung von N würde keine Bank den kompletten Investitionsbetrag flnanzieren, weil der Rückfluss stets kleiner wäre als der Kreditbetrag. Dennoch kann ein Kreditvertrag zustande kommen: Denn die Bank hat die Möglichkeit, durch eine mit Kosten in Höhe von K verbundene Kontrolle den realisierten Cash-flow eindeutig und verifizierbar zu identifizieren. Angesichts gegebener institutioneller Regelungen ist es sinnvoll, die Kontrolle als ein geordnetes Konkursverfahren^-"^ zu identifizieren; demnach bezeichnet K die Konkurskosten. Stellt sich im Konkurs heraus, dass der Unternehmer über den Cash-flow falsche Angaben gemacht hat, wird er mit einer Vertragsstrafe von S belegt. Einem Konkursverfahren kann eine Verhandlung^^ darüber vorausgehen, ob sich die Bank angesichts behaupteter Liquiditätsschwierigkeiten des Unternehmers zu einer Minderung der RückZahlungsverpflichtung von R auf A'' bereit findet, also auf den Betrag, den die Bank auch in einem Konkursverfahren zu erwarten hätte. Bei einem solchen außergerichtlichen Vergleich könnten sich beide Beteiligte die Konkurskosten sparen; dies senkt die informationsund anreizbedingten Kosten (Agency-Kosten) und verbilligt die Finanzierung des Projekts. Andererseits läuft die Bank bei einer weitgehenden NachgieSeit Anfang 1999 lautet der rechtliche Terminus „Insolvenz". Da im Weiteren stehts zwischen Konkurs und Vergleich unterschieden wird und das aktuelle Recht diese Unterscheidung nicht zulässt, werden hier durchweg die traditionellen Begriffe verwendet. Wie bei Bester wird auch hier der Vergleich nicht ausmodelliert. Der kleinste Forderungsnachlass, der es erlaubt, ein Insolvenz verfahren zu vermeiden, liegt in der Reduktion von R auf N. Es wird im Weiteren davon ausgegangen, dass die Bank in der Lage ist, darüber hinausgehende Anfragen des Unternehmers abzuwehren.
358
Werner Neus
bigkeit Gefahr, vom Unternehmer auch dann eine unzureichende Zahlung zu erhalten, wenn tatsächlich die Zahlungsfähigkeit gegeben ist. Im Weiteren werden die bislang eingeführten Parameter im Sinne einer anschauhcheren Interpretation auf den Investitionsbetrag / normiert und in den banktypischen, einseitigen Risikomaßen Ausfallwahrscheinlichkeit (probability of default, PD) und bedingte Ausfallrate (loss given default, LGD) ausgedrückt. Es gilt TT -
1 -
PD,
N = {1- LGD) • / , l +
^=
f,-PD^{l-LGD)
npD
^'
Die dritte Gleichung impliziert: Werden die Risikomaße PD und LGD im Sinne einer komparativen Statik variiert, wird zugleich der hohe Cash-flow H so angepasst, dass sich die erwartete Rendite JLL nicht verändert•'^^. Damit wird dem Petitum Rechnung getragen, dass eine Risikoerhöhung möglichst im Sinne eines Mean-preserving Spread analysiert werden sollte.
3 Kreditverträge und Vertragsstrafen Das gesamte Modell entspricht einem mehrstufigen Spiel. Ein solches Spiel ist rekursiv zu lösen. Das heißt, zunächst wird bei beliebigem, aber festem Kreditvertrag (mit den Parametern Rückzahlungsbetrag R und Vertragsstrafe S) das nachvertragliche Verhalten von Unternehmer und Bank untersucht (Abschnitt 3.1). Dieses Teilspiel wird als Insolvenzspiel bezeichnet. Anschließend wird für die bedingt optimalen Strategien im Insolvenzspiel der zugehörige optimale Kreditvertrag ermittelt (Abschnitt 3.2). 3.1 Das Insolvenzspiel Das nach der Kreditvergabe ablaufende Spiel folgt dem in Abb. 1 wiedergegebenen Spielbaum. Zuerst realisiert sich der Zufall und es stellt sich heraus, wie hoch der zu verteilende Cash-flow tatsächlich ist. Mit Wahrscheinlichkeit TT erweist sich die Investition als ein Erfolg und es fällt der hohe Cash-flow H an, mit der Gegenwahrscheinlichkeit aber nur der niedrige Cash-flow iV, der kleiner ist als ^^ Diese etwas spezielle Form der komparativen Statik mag ad hoc klingen. Tatsächlich steht sie jedoch lediglich für eine analytische Vereinfachung der Zerlegung des Cash-flows in eine unsichere Basiskomponente, die dann um „noise" additiv ergänzt wird. Rothschild und Stiglitz (1970) zeigen, dass die additive Verknüpfung mit „noise" zum Mean-preserving Spread äquivalent ist.
Kreditverträge, Vergleiche und Kreditsicherheiten
359
U: H - R B: R
U: H - R - S B: R + S - K
U: H - N B: N
U: 0 B: N - K
U: 0 B: N
Abb. 1. Insolvenzspiel. der investierte Betrag / . Für den Unternehmer besteht mangels unmittelbarer Beobachtbarkeit des Cash-flows die Möglichkeit, lediglich den geringeren Betrag N zu zahlen, obwohl er die Forderung in Höhe von R hätte befriedigen können. Diese Strategie der freiwilligen Zahlungseinstellung bezeichnet man als strategische Insolvenz, im Gegensatz zur liquiditätsbedingten Insolvenz, wenn sich das Projekt als Fehlschlag herausgestellt hat. Wenn die Bank die Zahlung von N erhält, kann dies Folge einer fehlgeschlagenen Investition sein oder Folge einer strategischen Insolvenz. Nur im Rahmen eines mit Kosten in Höhe von K verbundenen Konkursverfahrens kann die Bank überprüfen, ob es sich um eine liquiditätsbedingte oder eine strategische Insolvenz handelt. Die Bank hat sich demnach zu entscheiden, ob sie nach unvollständiger Befriedigung der Forderung ein Konkursverfahren auslöst oder nicht. Bei Verzicht auf ein förmliches Konkursverfahren wird im Wege eines Vergleichs die Forderung der Bank vom Rückzahlungsbetrag R auf den tatsächlich gezahlten Betrag N verringert. Im Weiteren bedeutet Vergleich also, dass sich die Bank mit einer Minderung der RückZahlungsverpflichtung von R auf N einverstanden erklärt, ohne den realisierten Cash-flow tatsächlich zu überprüfen-^^. Für den Fall einer aufgedeckten strategischen Insolvenz sieht der Kreditvertrag vor, dass der Unternehmer eine Vertragsstrafe in Höhe von S an die Bank zu zahlen hat. Dies ist vor allem im Hinblick auf die dadurch ausgelösten Anreiz Wirkungen interessant. Die Vertragsstrafe muss generell dem Intervall 0 < S < H — R entnommen sein. Die Obergrenze ergibt sich aus dem Be^^ Es geht also nicht wirklich um Vergleichsverhandlungen („debt renegotiation"), wie es im Titel des Beitrags von Bester heißt, sondern lediglich um die Bereitschaft, auf die bedingungslose Durchsetzung von Forderungen partiell zu verzichten. Echte Vergleichsverhandlungen im Fall mehrerer Gläubiger und die sich daraus ergebende Rolle von Sicherheitenpools untersucht Leitner (2002), S. 54 ff.
360
Werner Neus
trag, der dem Unternehmer verbleibt, nachdem er im Konkursverfahren zur Befriedigung der Forderung der Bank gezwungen wurde; eine darüber hinausgehende Strafe ist durch die Haftungsbegrenzung ausgeschlossen. Generell ist die Vertragsstrafe eine endogen zu bestimmende Variable des Kreditvertrages. Zu Vergleichszwecken wird dem in Abschnitt 3.3 eine gesetzlich fixierte Sanktionsregel gegenübergestellt, die im Schadensersatz besteht. Das bedeutet: Sofern in einem Konkursverfahren ein hinreichendes Zahlungspotential des Unternehmers besteht, muss er der Bank die ihr durch den Konkurs entstehenden Kosten ersetzen. Es gilt dann also S = K. Für die Bestimmung eines nicht-trivialen Gleichgewichts im Insolvenzspiel ist auf die Konzeption gemischter Strategien zurückzugreifen. Es gibt nämlich kein Gleichgewicht in reinen Strategien, wenn die Vertragsstrafe S größer ist als eine kritische Grenze. Zwar gibt es unterhalb dieser Grenze ein Gleichgewicht im Insolvenzspiel, wobei die Bank sicher den Vergleich wählt und der Unternehmer sicher die strategische Insolvenz. Auf dieser Basis allerdings würde die Bank bei der vorgelagerten Kreditvergabeentscheidung den Kredit verweigern. Das Insolvenzspiel ist also nur dann Teil des Gleichgewichtspfades, wenn im Insolvenzspiel gemischte Strategien gewählt werden. Der Unternehmer wählt die Strategie „A^ zahlen" (also die strategische Insolvenz) mit der Wahrscheinlichkeit z, die Bank die Strategie „Konkursauslösung" mit der Wahrscheinlichkeit k. Unter diesen Bedingungen erzielt die Bank einen erwarteten Gewinn von^^ GBI
= TT' [{1 - z)' R^ z • k ' {R- K -^ S) + z ' {1 - k)' N] + (1 - TT). [fc • (AT - if) + (1 - fc) . AT] - (1 + z) . / .
Der erwartete Gewinn des Unternehmers beträgt Gu^=7r'[{l-z)'{H-R)
+ Z'k'{H-R-S)-\-Z'{l-k)'{H-
N)].
Die gesuchten Gleichgewichtswahrscheinlichkeiten zi und ki werden - sofern eine innere Lösung existiert - von Unternehmer bzw. Bank so gewählt, dass der jeweilige Gegenspieler indifferent ist, welche Wahrscheinlichkeit er selbst wählt ^^. Die grundsätzlich denkbaren Randlösungen werden im Folgenden eigens angesprochen. Aus ^ ^ =7r'Z'(R + S-N-K)-(l-7r)'K =0 dk ergibt sich In diesem Beitrag werden insgesamt vier Modellvarianten vorgestellt (hohe Vertragsstrafe bzw. Schadensersatz, jeweils mit und ohne Bürgschaft). Die Indizierung der Variablen bezieht sich stets auf die ModellVarianten. Diese Eigenschaft gilt stets beim Vorliegen von Gleichgewichten in echt gemischten Strategien. Wäre der jeweilige Gegenüber nicht indifferent, würde er eine Randlösung wählen.
Kreditverträge, Vergleiche und Kreditsicherheiten
361
zi hängt noch von den im Zuge der Kreditvergabe endogenen Variablen R und S ab. Sofern sich die Bank für ein tragfähiges Kreditangebot entschieden hat, nimmt zi einen Wert kleiner eins an-^^ - wobei die Logik natürlich andersherum verläuft. Der komplementäre Fall muss daher nicht verfolgt werden. Weiter erhält man aus ^ ^
= TT' [{R - N) - k ' {R + S - N)] = 0
Bei einem Verzicht auf jede Sanktion nach einem entdeckten Betrug (5 = 0) müsste die Bank stets ein Konkursverfahren auslösen, wenn ihre Forderung nicht vollständig befriedigt wird. Anderenfalls würde der Unternehmer niemals freiwillig zahlen. Kontrolliert die Bank aber stets das vorliegende Vermögen, wird der Unternehmer nie freiwillig die Zahlung einstellen. Im Ergebnis läuft man hier in das gleiche Zeitinkonsistenzproblem hinein wie im Beitrag von Diamond (1984), wenn sich die Bank nicht glaubhaft daran binden kann, stets den Konkurs auszulösen. Der Fall ohne jede Sanktion wird daher nicht weiter beachtet. Bei positiver Sanktion hat das Insolvenzspiel eine eindeutige Lösung in gemischten Strategien, die durch (1) und (2) beschrieben wird. Bei der Interpretation dieser Lösung des Insolvenzspiels ist zu beachten, dass die Gleichgewichtsstrategien zu ausgewogenen Anreizen führen. Daher erweisen sich die mittelbaren Wirkungen als maßgeblich, nicht die unmittelbaren. Einige plausible Zwischenergebnisse lassen sich bereits hier festhalten: •
•
17
Eine Erhöhung der Vertragsstrafe S steigert (c.p., also insbesondere bei konstantem Rückzahlungsbetrag R) die Neigung des Unternehmers zu vertragskonformem Verhalten. Ursache hierfür ist, dass die der Bank zufallende Sanktion deren Anreize zur Konkursauslösung erhöht, was durch eine geringere Wahrscheinlichkeit für einen strategischen Konkurs kompensiert werden muss. Ebenso erhöht die Vertragsstrafe für den Unternehmer die Kosten der strategischen Insolvenz, so dass die Bank mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit für die Konkursauslösung antworten kann. Entsprechend führt ein höherer Rückzahlungsbetrag R dazu, dass die Bank bei einem Konkursverfahren mehr zu gewinnen hat und dass sich für den Unternehmer die Entlastungen bei einer strategischen Insolvenz Es muss also gelten (1 — TT) - K < TT - {R-\- S — N + K). Diese Bedingung setzt keine zusätzliche Restriktion. Wäre sie nicht erfüllt, käme es im Insolvenzspiel zu einem Gleichgewicht in reinen Strategien, das aber nicht Teil des Gleichgewichts im gesamten Spiel sein kann, weil die Bank dabei zwingend einen erwarteten Verlust erzielte (siehe oben).
362
•
•
Werner Neus vergrößern. Als kompensatorische Wirkungen zieht dies eine verringerte WahrscheinUchkeit für Zahlungseinstellung sowie eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für die Konkursauslösung nach sich. Bemerkenswert ist die Wirkung einer Verringerung der im Rahmen eines Konkursverfahrens zu erwartenden Zahlung N (also einer Erhöhung der bedingten Ausfallrate LGD). Die Verringerung von N erhöht den Vorteil des Unternehmers im Rahmen einer strategischen Insolvenz, daher muss die Bank eine höhere Wahrscheinlichkeit für eine Konkursauslösung wählen. Aus Sicht der Bank ist bei geringerem N durch eine Konkursauslösung mehr zu gewinnen, daher muss der Unternehmer eine geringere Wahrscheinlichkeit für eine strategische Insolvenz wählen. Schließlich sieht man, dass höhere Konkurskosten K die Neigung der Bank zur Konkursauslösung senken, so dass der Unternehmer eine höhere Wahrscheinlichkeit für die Zahlungseinstellung wählt. Weil umgekehrt der erwartete Gewinn des Unternehmers durch die Konkurskosten nicht unmittelbar beeinflusst wird, bleibt die Wahrscheinlichkeit für die Konkursauslösung unverändert.
3.2 Der K r e d i t v e r t r a g Im Insolvenzspiel sind die Bestandteile des Kreditvertrages, also der Rückzahlungsbetrag jR und die Vertragsstrafe 5, vorgegeben. Bei Abschluss des Kreditvertrages, also bei endogener Festlegung von R und 5, werden die damit zugleich festgelegten Gleichgewichtslösungen des Insolvenzspiels antizipiert. Die Anreizverträglichkeit muss also beachtet werden. Weiter ist zu beachten, dass die Bank unter Wettbewerb agiert. Zum einen erzielt sie für ihr eingesetztes Kapital von / lediglich eine erwartete Verzinsung in Höhe der Opportunitätskosten i und somit einen erwarteten Gewinn von Null. Zum anderen muss die Bank aus der Menge der einen erwarteten Gewinn von Null erzeugenden Kreditverträge genau den Vertrag auswählen, der für den Unternehmer den höchsten erwarteten Gewinn mit sich bringt. Analytisch entspricht dies der Maximierung des Unternehmergewinns bei Beachtung der Teilnahmebedingung der Bank. Tatsächlich lässt sich das Optimierungsproblem aber noch weiter vereinfachen: Da nämlich das Investitionsprojekt, sofern es durchgeführt wird, einen festen Kapitalwert erzeugt und zugleich der Bank exakt die Opportunitätskosten abgegolten werden, verbleibt als einzige wohlfahrtsbeeinflussende Wirkung die Höhe der erwarteten Konkurskosten und damit zuletzt die Wahrscheinlichkeit dafür, dass es zur Auslösung eines Konkursverfahrens kommt. Für diese zu minimierende WahrscheinUchkeit -0 gilt allgemein V^l(Ä, 5) - [1 - TT + TT . Zi{R, S)] • ki{R, S). Unter Verwendung von (1) und (2) erhält man , ,r. r.^
(l-n)'(R-N)
Kreditverträge, Vergleiche und Kreditsicherheiten
363
Die als Restriktion zu beachtende Nullgewinnbedingung auf Seiten der Bank lautet, ebenfalls unter Berücksichtigung von (1) und (2), Gßi - [TT . Ä + (1 - TT) • iV - (1 + Z) • ^] - V^l (R. S) . K
In der eckigen Klammer steht der erwartete Gewinn für den Fall, dass der Unternehmer stets seinen Verpflichtungen nachkommt, wenn er kann, und die Bank niemals ein kostenträchtiges Konkursverfahren auslöst. Davon werden die erwarteten Insolvenzkosten subtrahiert. Umformen von (4) führt zu ^
[ 7 r - i ? + ( l - 7 r ) - A ^ - ( l + i)-7]
^
^
Es zeigt sich, dass zwischen dem Rückzahlungsbetrag R und der Vertragsstrafe 5 eine negative Beziehung bestehen muss. Es gilt nämlich dSi dR
|GBI=O
^s'= ~ [7r-ü^i-1:''-!\:^\t'\-'L-^<-i
weil wegen N < I der Quotient ein negatives Vorzeichen hat. Weiter folgt
{S-K)-iR-N).S' dR weil 5 ' < - 1 und R + S - N - K > 0.^^ Es sollte demnach stets der kleinste Rückzahlungsbetrag und also die größte Vertragsstrafe gewählt werden, wenn darüber frei befunden werden kann. Hintergrund dieses Ergebnisses ist, dass die Vertragsstrafe nicht nur eine Umverteilung mit sich bringt - dann wäre sie irrelevant. Vielmehr verschiebt sie zugleich die Anreize zugunsten eines vertragskonformen Verhaltens des Unternehmers. Konkret ergibt sich
Si =
H-R.
Damit erhält man über (4) weiter Ri
{l +
i)'I'{H-N-K)-{l-7r)'N'{H-N) 7r'{H-N)-K
Die Gesamtlösung wird komplettiert, wenn auf Basis des optimalen Kreditvertrages mit Vertragsstrafen die konkreten, gleichgewichtigen Wahrscheinlichkeiten ermittelt werden. Hier kommt man zu •K-{H-N
-KY
^* Die letzte angegebene Ungleichung ist durch die in Fn. 16 angegebene Randbedingung impliziert.
364
Werner Neus [{l +
i).I-N]^{H-N-K)
Damit lassen sich schließlich die Agency-Kosten in Höhe der erwarteten Konkurskosten angeben mit
~
PD'ji-^ LGD)' OL \i-VLGD-OL
^^
Die minimalen Agency-Kosten steigen also mit dem Risiko der Investition [PD und LGD)^ naturgemäß auch mit der Höhe der Insolvenzkosten a, sinken aber bei zunehmender erwarteter Rendite fi}^ Letzteres ermöglicht nämlich eine noch stärkere Sanktionierung. 3.3 Schadensersatz statt hoher Vertragsstrafe Die bisherige Darstellung folgt, von geringfügigen, eher darstellungstechnischen Modifikationen abgesehen, dem Modell von Bester, Im Hinblick auf die Untersuchung der Robustheit seines Hauptergebnisses wird nun ein alternatives Szenario vorgestellt. Bei Bester ist es möglich, dem Unternehmer (besser eigentlich: der Schuldnerunternehmung) bei entdecktem vertragswidrigem Verhalten eine extreme Vertragsstrafe aufzuerlegen. Die im Folgenden untersuchte Variante ist eine plausible Formulierung der Beobachtung, dass viele Klauseln in Kreditverträgen (Covenants) vor deutschen Gerichten für unwirksam erklärt werden, weil Richter sie als sittenwidrig einschätzen^^. Die Befürchtung, dass dies ungeachtet der ökonomischen Effizienz - auch für eine hohe Vertragsstrafe gelten könnte, ist nicht von der Hand zu weisen. Dagegen dürfte sich die unbedingte Zurückverlagerung der Konkurskosten K auf den Unternehmer als unproblematisch erweisen, wenn sich im Konkurs die tatsächlich gegebene Zahlungsfähigkeit des Unternehmers offenbart. Dieses zweite Szenario wird im Weiteren als Schadensersatz bezeichnet. Aus rein theoretischer Sicht kann über das Vertragsstrafen-Szenario natürlich eine Entscheidung getroffen werden. Im Sinne des Mechanism Design ist es - wie gesehen - sogar optimal, eine möglichst scharfe Sanktion zu wählen. Die Heranziehung geltender institutioneller Bedingungen ist gleichwohl als relevante Alternative anzusehen. Deren analytische Behandlung kann hier knapp gehalten werden, weil sie ausgehend von dem oben abgeleiteten Ergebnis zur optimalen Sanktion ^^ Es sei daran erinnert, dass bei einer Variation von PD und LGD im Rahmen der komparativen Statik die erwartete Rendite der Investition konstant gehalten wird. ^^ Siehe dazu die sehr lesenswerte Zusammenstellung bei Thießen (1996).
Kreditverträge, Vergleiche und Kreditsicherheiten
365
Si = H — R den gleichen Überlegungen folgt. An die Stelle des endogenen Ergebnisses Si wird nun aber die exogene Vorgabe S2 = K gesetzt. Auf dieser Basis erhält man für die weiteren endogenen Variablen^^: (l + i ) . / - ( l - ^ ) . ( j V - j ^ ) •fl2 =
,
22(^2,^2) =
fc2(i?2,52) =
{l+i)-I-N
{l-'n)-K +
{l + i)-I-N
+
{l + i)-I-N
{l-iT)-K' {l-7r)-K
+K
A2='tp2-K={l-TT)-K = PD-a-I
.
(6)
Da die hohe Vertragsstrafe die endogen optimale Lösung darstellt, fallen die Agency-Kosten bei der Beschränkung auf die Schadensersatz-Regel höher aus. Dies ergibt sich aus einer höheren Wahrscheinlichkeit für die strategische Insolvenz {z2 > zi) sowie einer höheren Wahrscheinlichkeit für die Konkursauslösung (^2 > kl). 3.4 Quantitative Abschätzung Zur Überprüfung der Plausibilität der gewählten Modellvariante und für die spätere Abschätzung der Wohlfahrtswirkung von Bürgschaften ist es nicht uninteressant, die Modellergebnisse zu quantifizieren. Dazu werden Parameterwerte unterstellt, welche grob die realen Anteile Not leidender Kredite, durchschnittliche Rückzahlungsquoten von Krediten^^ sowie Konkurskosten reflektieren: • • • • •
Der risikolose Zinssatz beträgt i = 6%. Die Ausfallwahrscheinlichkeit des Investitionsprojektes nimmt den Wert PD = 2% an. Die bedingte Ausfallrate liegt bei LGD = 50%. Die Investition erzielt eine erwartete Rendite von jj. = 25%. Ausgedrückt in Anteilen am Investitionsvolumen betragen die Konkurskosten a = 15%.
Damit kommt man zu den Ergebnissen in Tabelle 1.
22
Aus (3) erkennt man, dass bei S = K die Konkurswahrscheinlichkeit ip durch den Kreditvertrag gar nicht mehr beeinflusst werden kann und stets mit der Wahrscheinlichkeit für den Fehlschlag des Projektes übereinstimmt. In diese Abschätzung wurden Sicherheiten einbezogen, welche aus dem Unternehmensvermögen stammen. Da hier nur ein Kreditgeber vorliegt, ist nur dies angemessen.
366
Werner Neus Tabelle 1. Abschätzung der endogenen Variablen Variable
Hohe Vertragsstrafe
Schadensersatz
2
0,50 % 75,04 % 1,87 % 7,43 % 0,28 %
0,53 % 79,30 % 2,00 % 7,45 % 0,30 %
k t/'
r=
{R-I)/I All
Man erkennt, dass generell die Wahrscheinlichkeit z für eine strategische Insolvenz positiv, aber recht klein ist. Dies ist durchaus mit einer ersten Anschauung des Kreditmarktes vereinbar. Weiter ist ersichtlich, dass die Bank bei behaupteten Zahlungsschwierigkeiten mit einer fühlbaren Wahrscheinlichkeit auf die Auslösung eines Konkursverfahrens verzichtet. Die Einbeziehung einer über den Schadensersatz hinausgehenden Vertragsstrafe führt dazu, dass die Gesamt-Insolvenzwahrscheinlichkeit '\\) kleiner ist als die Wahrscheinlichkeit für ein fehlgeschlagenes Projekt. Dies unterstreicht die ökonomische Effizienz der Verhandlungsbereitschaft auf Seiten der Bank. Die numerische Auswertung belegt überdies erneut, dass die Schadensersatz-Regel nach allen Kriterien zu einer weniger vorteilhaften Lösung führt als eine hohe Vertragsstrafe. Jedoch erweisen sich die quantitativen Unterschiede als wenig dramatisch. Zur Abschätzung der Robustheit lässt sich weiter überprüfen, wie sich die angegebenen Werte für die Agency-Kosten verändern, wenn ausgehend von dem Basisbeispiel die beiden hier relevanten Risikomaße (also Ausfallwahrscheinlichkeit und bedingte Ausfallrate) variiert werden. Für die numerische Auswertung wird eine Ausfallwahrscheinlichkeit von 5% (statt wie zuvor 2%) gewählt bzw. eine bedingte Ausfallrate von 90% (statt wie zuvor 50%). Tabelle 2. Einfluss des Risikos auf die Agency-Kosten ( ^ / / ) Szenario Basisbeispiel höhere PD höherer LGD
Hohe Vertragsstrafe
Schadensersatz
0,28 % 0,70 % 0,29 %
0,30 % 0,75 % 0,30 %
Ein höheres Risiko im Sinne einer höheren Ausfallwahrscheinlichkeit führt stets zu höheren Agency-Kosten. Offensichtlich reagieren die Ergebnisse überdies viel empfindlicher auf eine höhere Ausfallwahrscheinlichkeit als auf eine Erhöhung der bedingten Ausfallrate.
Kreditverträge, Vergleiche und Kreditsicherheiten
367
4 Einbeziehung von Bürgschaften Von einer Bürgschaft des Unternehmers für seine Unternehmung kann m a n sich eine Erhöhung seiner Zahlungsanreize erwarten, da er bei Verwertung der Bürgschaft einem höheren Verlust ausgesetzt ist. W ä r e sie mit keinerlei Kosten verbunden, ergäbe sich demnach die triviale Lösung, stets die maximal mögliche Bürgschaft zu vereinbaren^^. Daher wird angenommen, dass der Vermögensminderung B, die für den Unternehmer mit einer in Anspruch genommenen Bürgschaft verbunden ist, lediglich eine Vermögenssteigerung in Höhe von (1 — ^ ) • JB für die Bank gegenübersteht. Die verbleibende Differenz in Höhe von ß • B stellt die mit der Bürgschaft verbundenen Kosten der Vermögensübertragung dar^^. Die Bürgschaft wird im Folgenden in die beiden bereits vorgestellten Varianten des Modells (hohe Vertragsstrafe und Schadensersatz) einbezogen. 4.1 Bürgschaft bei hoher Vertragsstrafe Abbildung 2 gibt die angesichts der Bürgschaft modifizierten Auszahlungen im Insolvenzspiel wieder. U m die weitere Darstellung nicht unnötig zu überladen, wird angesichts der Ergebnisse in Abschnitt 3 direkt unterstellt, dass für die Vertragsstrafe der maximal mögliche Wert, also S = H — R, gewählt wird.
j"
U: H - R B: R
Unternehmer zahlt R
Erfolg der Investition
Unternehmer zahlt N
^
^
Konkurs
1
1^
Vergleich
U: H - N - B B: N + (l-ß>B
Misserfolg der Investition
^4 ^
U: -B B: H - K + (l-ß>B
U: -B B: N - K + (l-ß>B
Konkurs 1
Vergleich
^
U: -B B: N + (l-ß>B
A b b . 2. Insolvenzspiel mit Bürgschaft bei hoher Vertragsstrafe. ^^ Dies würde überdies bedeuten, dass die Kreditfinanzierung „durch die Hintertüre" durch eine Selbstfinanzierung durch den Unternehmer ersetzt wird. ^^ Man kann sich vorstellen, dass gebundenes Privatvermögen des Unternehmers liquidiert werden muss, dessen Veräußerung aufgrund einer gewissen Spezifität zu einem geringeren Erlös auf dem Markt führt.
368
Werner Neus
Ausgangspunkt für die weiteren Berechnungen sind die nun etwas weniger übersichtlichen Gleichungen für den erwarteten Gewinn von Bank und Unternehmer: GB3 =
7r'[{l-z)'R^Z'k'{H-K^{l-ß)'B) + ^-(l-fc)-(iV + ( l - / ? ) . ß ) ] + (l-7r).[A:.(iV-K + ( l - / 9 ) . ß ) + (l-fc).(iV+(l-/9).ß)]-(l + i)-/,
Gu3 =
^'[{l-z)'{H-R)-\-Z'k'{-B)-{-Z'{l-k)'{H-N-B)]-{l-7r)'B.
Zunächst sind wieder die Gleichgewichtsstrategien zs{R,B) und ks{R^B) im Insolvenzspiel zu ermitteln. Aus den notwendigen Bedingungen für das Optimum von Bank bzw. Unternehmer erhält man wenn z>z, (I_^).K [Ol] wenn z = z, ^ , . ^jj - N - K) ' 0 wenn z < zs ^ ^
k={
1 wenn k < ks n _ ivr _ TD z= { [0,1] wenn k = ks = ^ _ ^ . 0 wenn k > ks
^'^
(8)
Es ist ersichtlich, dass die Einführung der Bürgschaft das Verhalten der Bank nicht unmittelbar beeinflusst, während der Unternehmer schon bei geringeren Werten k für die Konkursauslösung von der strategischen Insolvenz Abstand nimmt. Die Beste-Antwort-Funktionen in Abhängigkeit von der Bürgschaft lassen sich wie folgt graphisch darstellen:
A
k(z)
r*: 1 • ks
1 :G3 1
1 1 1
1
•••
z3(B = 0) = zi k3(B = 0) = ki
•
1
•
|z(k)
• • •
i<.t T 1
•"
•": ^
1
dB
dB
^
1
Z3
Abb. 3. Reaktionsfunktionen mit Bürgschaft bei hoher Vertragsstrafe. Ausgangspunkt ist das Gleichgewicht ohne Bürgschaft, das durch den Punkt Gs gekennzeichnet ist. Aus (7) und (8) geht hervor, dass sich durch Einführung der Bürgschaft ks nach unten verschiebt, während zs unverändert bleibt. Nimmt die Höhe der Bürgschaft einen kritischen Wert an.
Kreditverträge, Vergleiche und Kreditsicherheiten
Bs{R) =
369
R-N,
ergibt sich ^3 = 0 und man erhält multiple Gleichgewichte: Alle Lösungen mit k = 0 und z € [0; 2:3] stellen Gleichgewichte dar. Aus der Menge dieser Gleichgewichte ist jedoch dasjenige mit k = z = 0 dominant, weil es mit der geringsten Wahrscheinlichkeit zur Inanspruchnahme der Bürgschaft führt. Die Erhöhung der Bürgschaft über Bs hinaus führt zu einem eindeutigen Gleichgewicht in k = z = 0. Jedoch ist auch dies ohne weiteres strikt suboptimal, weil die gleichen Wahrscheinlichkeiten mit ^ 3 , also einer geringen Bürgschaftshöhe und also geringeren erwarteten Bürgschaftskosten erreicht werden könnten. Der Pfad möglicher Gleichgewichte folgt daher den eingezeichneten Pfeilen. Insbesondere ist hervorzuheben, dass nunmehr - anders als im Fall ohne Bürgschaft - nicht mehr unbedingt ein Gleichgewicht in echt gemischten Strategien resultiert. Nun lässt sich zeigen^^, dass es grundsätzlich sinnvoll sein kann, eine Bürgschaft in den Kreditvertrag einzubeziehen, sich also in der Graphik ausgehend von Punkt G3 vertikal abwärts zu bewegen. Ob dies lohnend ist, hängt von der Höhe der Bürgschaftskosten ß ab. Lohnt sich die Einführung der Bürgschaft überhaupt, steigt deren Vorteil streng monoton bis zur Höhe von Bs. Da, wie gesehen, eine größere Bürgschaft als Bs generell nicht sinnvoll sein kann, verbleiben letztlich nur zwei diskrete Alternativen als relevant: der Verzicht auf die Bürgschaft oder die Wahl einer Bürgschaft von S3. Die Lösung für den Fall ohne Bürgschaft wurde bereits in Abschnitt 3.2 ermittelt. Insbesondere gilt für die Höhe der Agency-Kosten
Für den Fall der Bürgschaft in Höhe von B = Bs {R) erhält man unter Berücksichtigung der Nullgewinnbedingung für die Bank sowie von fc3 = 2:3 = 0 für den zugehörigen Rückzahlungsbetrag (l + 0 - J - ( l - 7 r ) - / ? - i V l-(l-7r)./3 sowie abschließend für die Bürgschaft Bs =
{l-\-i)'I-N l-(l-7r)./3-
Wegen ^3 = 0 fallen keinerlei Konkurskosten an. Jedoch sind die Kosten der Verwertung der Bürgschaft zu berücksichtigen, die nach liquiditätsbedingter Zahlungsunfähigkeit des Unternehmers anfallen, obwohl sich die Bank stets mit dem Vergleich einverstanden erklärt. Man erhält demnach für die AgencyKosten ^^ Auf die Wiedergabe der etwas umfänglichen Herleitung im Einzelnen wird verzichtet.
370
Werner Neus (9)
Durch Vergleich von (5) und (9) kommt man unmittelbar zu einem kritischen Wert für die Bürgschaftskosten, unterhalb dessen die Einbeziehung der Bürgschaft von Vorteil ist {As < Ai).Es gilt K
ßs ^
IT • {H - N -
(10)
K)'
Die Interpretation dieser Gleichung wird in Abschnitt 4.3 vorgenommen. 4.2 Bürgschaft bei Schadensersatz Der nunmehr einbezogene Unterschied in den Auszahlungen des Insolvenzspiels sieht eher harmlos aus. Statt der maximalen Vertragsstrafe von S = H — R wird lediglich der Schadensersatz realisiert; das heißt, der Unternehmer muss nach entdecktem vertragswidrigen Verhalten der Bank den ihr entstandenen Schaden in Höhe der Konkurskosten ersetzen: S = K. Damit ist offensichtlich nur dann eine relevante Variation verbunden, wenn gilt H—R> K?^ Dies wird im Weiteren unterstellt, so dass man erhält:
^
[
Unternehmer zahlt R
«--^
^ Erfolg der Investition r
U: H - R B: R
Unternehmer zahlt N
U: H - R - - B K B: R + ( l -•ß)-B
Konkurs
BC
•^'
Vergleich
U: H - N - B B: N + (l--ß)-B
j^
Misserfolg der Investition
^ Konkurs Vergleich
U: - B B: N - K f (l-ß)-B
U: - B B: N + (l--ß)B
Abb. 4. Insolvenzspiel mit Bürgschaft bei Schadensersatz. Der erwartete Gewinn von Bank und Unternehmer beträgt nunmehr
^^ Anderenfalls würde die Schadensersatzregel mangels Masse ins Leere laufen.
Kreditverträge, Vergleiche und Kreditsicherheiten GB4 = T^-
371
[{l - z) • R + z • k • {R+ {1 - ß) • B) + z • {1 - k) • (N + (1 - ß) • B]
+ {1 -T:) • [k • (N - K + {1 - ß) • B) + {1 - k) • (N + {l - ß) • B]
beziehungsweise
Gu4 =
H{'^-z)iH-R)-^Z'kiH-R-K-B)+zil-k)'{H-N-B)]-{l-7r)'B.
Wiederum ist zunächst das Insolvenzspiel bei gegebenem Kreditvertrag {R, B) zu lösen. Für die Beste-Antwort-Funktionen erhält man 1 wenn z > z, (^ _ ^ ) . ^ k = { [0,1] wenn z = z^ = ^ , ^ _ ^ . , 0 wenn z < Z4 ^ ^ 1 wenn k < k4 [0,1] wenn k = k4 0 wenn k > k^
u _ AT _ n R-N
+ K
Infolge der verringerten Vertragsstrafe verändert sich zwar nicht die Struktur der möglichen Gleichgewichte des Insolvenzspiels bei Variation der Bürgschaft. Jedoch ist der Startpunkt G4 ein anderer, weil - wie oben erläutert - gilt: ^2 > kl und Z2 > zi. Bei Verwendung einer der Abb. 3 entsprechenden Graphik läge G4 also weiter rechts oben als G3. Mit der gleichen Logik und Algebra wie in Abschnitt 4.1 (Bürgschaft bei hoher Vertragsstrafe) erweist sich wieder lediglich die Wahl zwischen dem völligen Verzicht auf die Bürgschaft sowie der Vereinbarung der maximalen Bürgschaft als relevant. Insbesondere kann auch hier durch die Vereinbarung der Bürgschaft erreicht werden, dass im Gleichgewicht weder der Unternehmer eine positive Wahrscheinlichkeit für eine strategische Insolvenz wählt {z^ = 0) noch die Bank eine positive Wahrscheinlichkeit für die Auslösung eines Konkurses (^4 = 0). Bei Einbeziehung der Bürgschaft in den Kreditvertrag wird also - vorausgesetzt, die Einbeziehung ist überhaupt lohnend - unter der Schadensersat zregel die gleiche Lösung realisiert wie bei der hohen Vertragsstrafe: {l +
ri4 = riz — —
BA
= JBQ
=
i).I-{l-7r).ß.N l-{l-n)-ß il+i)-I-N l-(l-7r).^
^ - ^ - ( l - . ) . ^ - i ^ ^ ( ^ .
(11)
Die Lösung lässt sich auch so interpretieren, dass durch Einbeziehung der Bürgschaft in den Kreditvertrag die institutionellen Defizite, die mit einer Beschränkung auf die Schadensersatzregel verbunden sind, geheilt werden können.
372
Werner Neus
Offen ist nun noch die Frage nach der kritischen Grenze für die Bürgschaft skosten, bis zu der die Einbeziehung von Bürgschaften tatsächhch von Vorteil ist. Hier weichen die Ergebnisse der beiden Szenarien voneinander ab, weil sich die Ausgangspunkte unterscheiden. Der Vergleich von (6) und (11) führt zu ^ ' " (l + i ) . / - i V + ( l - 7 r ) . i f
^^^^
4.3 Zum Einfluss des Risikos auf die Nützlichkeit der Bürgschaft Die Hauptzielrichtung des vorliegenden Beitrags ist, den Zusammenhang zwischen dem Risiko eines Investitionsprojektes und der Vorteilhaftigkeit der Einbeziehung von Sicherheiten in den Kreditvertrag differenziert zu beleuchten. Nach den vorstehenden Herleitungen ist dies nun ohne weiteres möglich. Es lässt sich festhalten: •
•
Aus (10) ergibt sich: Im Modell mit hoher Vertragsstrafe führt eine höhere Erfolgswahrscheinlichkeit n c.p. zu einem niedrigeren kritischen Wert ßs für die Bürgschaftskosten. Nach der vielfach zitierten Lesart von Bester bedeutet dies, Bürgschaften werden eher bei riskanten Projekten vereinbart. Aus (12) ergibt sich: Beschränkt man die Vertragsstrafe auf den reinen Schadensersatz, steigt der kritische Wert /?4 für die Bürgschaftskosten bei zunehmender Wahrscheinlichkeit TT. Dies lässt die Folgerung zu, dass wie in den meisten anderen Modellen der Kreditfinanzierung auch - Bürgschaften eher mit geringeren Risiken einhergehen.
Die beiden genannten komparativ-statischen Folgerungen beziehen sich auf die isolierte Variation der Erfolgswahrscheinlichkeit des Investitionsprojektes. Jedoch ist dies bekanntlich ein fragwürdiges Risikomaß^^, weil zugleich der erwartete Cash-flow, also die Rendite der Investition verändert wird. Ob die Wirkungen tatsächlich durch das zunehmende Risiko oder aber vielleicht durch die abnehmende Rendite des Projekts ausgelöst werden, lässt sich nicht eindeutig beantworten. Es ist demzufolge zweckmäßig, eine Variation von Risikomaßen so vorzunehmen, dass keine Uneindeutigkeiten zurückbleiben. Nimmt man eine solche Modifikation, wie in Abschnitt 2 beschrieben, vor, kommt man zu
^' = i + LGD + a.PD-
^^^'^
^^ Es sei überdies daran erinnert, dass bei einer reinen Risikoerhöhung im Sinne des Mean-preserving Spread ein erhöhtes Risiko bei einer festen Höhe der Rückzahlungsverpflichtung durchaus mit einer verringerten Ausfallwahrscheinlichkeit einhergehen kann. Siehe dazu nochmals Kürsten (1997), S. 830.
Kreditverträge, Vergleiche und Kreditsicherheiten
373
Diese Gleichungen zeigen eine für beide Szenarien übereinstimmende Wirkung einer Risikoerhöhung auf den kritischen Wert für die Bürgschaftskosten: •
Hält man die erwartete Rendite des Projekts konstant, betrachtet man also einen Mean-preserving Spread nach Rothschild und Stiglitz (1970), sinkt der kritische Wert für die Bürgschaftskosten bei zunehmendem Risiko^^. Es sind also die risikoarmen Projekte, bei denen eine Bürgschaft vereinbart wird. Dies gilt unabhängig davon, ob man Risiko durch die Ausfallwahrscheinlichkeit PD oder durch die bedingte Ausfallrate LGD misst, und auch unabhängig davon, ob eine hohe Vertragsstrafe vereinbart wird oder lediglich die Schadensersatzregel gilt.
Übersteigt der Kapitalwert der Investition die Konkurskosten (// — i > a), liegt der kritische Wert für ß bei der Schadensersatzregel (Fall 4) höher als bei hoher Vertragsstrafe (Fall 3). Dies ergibt sich letztlich daraus, dass der Ausgangspunkt ohne Einbeziehung von Sicherheiten eine inferiore Wohlfahrtssituation mit sich bringt. Die quantitative Abschätzung der kritischen Bürgschaft skosten mit der Parameterkonstellation wie in Abschnitt 3.4 führt zu ßs = 24,88% und /?4 = 26,64%. Da bei einer Bürgschaft keinesfalls davon auszugehen ist, dass sie mit anteiligen Transaktionskosten von über 20% verbunden ist, lässt sich folgern, dass in aller Regel Kreditverträge Bürgschaften enthalten sollten.
5 Zusammenfassung Das Hauptergebnis des vorliegenden Beitrags lässt sich schnell zusammenfassen: Das Modell von Bester (1994) zur Einbeziehung von Sicherheiten in Kreditverträgen impliziert zwar ein interessantes komparativ-statisches Ergebnis, nämlich einen positiven Zusammenhang zwischen dem Projektrisiko und der Wahrscheinlichkeit der Einbeziehung von Sicherheiten in den Kreditvertrag. Dieses Ergebnis ist jedoch in gleich zwei Richtungen höchst instabil: •
Zum einen führt eine (zwar aus theoretischer Sicht exogen vorgegebene, aus institutioneller Sicht aber sehr plausible) Beschränkung zulässiger Vertragsstrafen dazu, dass sich das Vorzeichen der Korrelation zwischen Projektrisiko und Nützlichkeit der Bürgschaft gegenüber dem Bester-Modell umkehrt ^^.
^^ A forteriori geht aus (10') hervor, dass es die wenig rentablen Projekte sind, die eher mit Sicherheiten einhergehen. Bei einer unkompensierten Reduktion der Erfolgswahrscheinlichkeit wirkt also die Verringerung der erwarteten Rendite, nicht das höhere Risiko. ^^ Das von Bester gewählte Szenario könnte im Übrigen auch im Hinblick auf die Art und Weise der Einbeziehung der Bürgschaft in Frage gestellt und sinnvoll modifiziert werden. Da die Bürgschaft akzessorisch ist, würde sowohl die Befriedigung der Hauptforderung im Konkurs als auch die Verminderung der Haupt-
374 •
Werner Neus Zum anderen führt auch eine sachgerechte Operationahsierung des Begriffs „Projektrisiko" dazu, dass unabhängig von dem die Vertragsstrafe betreffenden Szenario das Projektrisiko negativ auf die Wahrscheinhchkeit der Einbeziehung von Sicherheiten in den Kreditvertrag wirkt.
Die an verschiedenen Stellen des Beitrags vorgenommenen quantitativen Abschätzungen zeigen zwar, dass die Implikationen des Modells der allgemeinen Anschauung nicht offensichtlich widersprechen. Jedoch sollten die angegebenen Zahlen eher als plausibles Beispiel denn als eine Überprüfung der empirischen Validität angesehen werden. Insbesondere ist zu konstatieren, dass wesentliche Probleme der Kreditsicherung schon deshalb ausgeklammert bleiben, weil ein einziger Kreditgeber unterstellt wurde. Die Erweiterung des Modells auf mehrere Banken als Kreditgeber und die Modellierung des Nebeneinanders von haftungserweiternden Maßnahmen (wie eben der Bürgschaft) und Sicherheiten aus dem Unternehmensvermögen (zum Beispiel einer Grundschuld) wäre gewiss besonders lohnend. Dies liegt jedoch jenseits der Zielsetzung des vorliegenden Beitrags.
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Kreditverträge, Vergleiche und Kreditsicherheiten
375
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Die Modellierung des „Arbeitsleids" in Principal Agent-Modellen: pragmatisch oder beliebig? Ralf Trost Technische Universität Ilmenau Fakultät für Wirtschaftswissenschaften, FG Finanzwirtschaft/Investition, Helmholtzplatz 3, D-98693 Ilmenau [email protected]
Gliederung 1
Einleitung
378
2
Das Principal Agent-Modell für den Moral Hazard-Fall . . . 379
2.1 2.2 2.3
Allgemeines Modell Vereinfachende Annahmen LEN-Modell
379 381 382
3
Nutzenunabhängigkeit von Entlohnung und Anstrengungsniveau
383
4
Gemeinsamkeit und Unterschied zwischen den Annahmen 386
5
Diskussion: Ist die neo-institutionalistische Theorie „beliebig"?
Literaturverzeichnis
387 389
378
Ralf Trost
1 Einleitung Das Paradigma der Principal Agent-Theorie ist ein zentrales Element der neoinstitutionalistischen Finanzierungstheorie^ und beschreibt die Auswirkungen von Informationsasymmetrien in ökonomischen Beziehungen zwischen Parteien, deren Verhalten durch das Artefakt des homo oeconomicus, also reine Orientierung am Eigennutz, gekennzeichnet ist. Dabei delegiert ein Prinzipal Entscheidungsbefugnis an - im Standardmodell - einen Agenten, wodurch diesem diskretionäre Handlungsspielräume entstehen. „The relationship of agency is one of the oldest and commonest codified modes of social interaction"^, schreibt Ross, auf den auch die Bezeichnung „Agency" zurückgeht. Dabei ist der Begriff des „Delegierens" gegebenenfalls sehr weit und abstrahierend aufzufassen. Als einige wenige Beispiele für Principal Agent-Beziehungen seien genannt: Unternehmenseigner und angestellte Manager, Kreditgeber und Kreditnehmer oder Versicherer und Versicherte. Die vorliegende Arbeit befasst sich lediglich mit der als Moral Hazard oder auch Hidden Action bezeichneten Problematik und hierbei mit einem speziellen Modellierungsaspekt: Der Nutzen eines Resultates für den Agenten hängt nämlich zum einen von seiner erfolgsabhängigen Entlohnung ab, zum anderen aber auch vom so genannten Anstrengungsniveau, welches er für das Erzielen des Resultates aufgebracht hat. Der Agent hat somit eine auf diesen beiden Attributen definierte zweidimensionale Nutzenfunktion, die kalkulatorisch schwer zu beherrschen ist. Daher werden im Allgemeinen zusätzliche Annahmen gesetzt, die zu einer Simplifizierung der Nutzenfunktion führen. In der Literatur sind zwei solche Vereinfachungen anzutreffen, wobei die eine Bestandteil des insbesondere im deutschen Sprachraum breit verwendeten LEN-Modells und die andere Bestandteil des sogenannten First Order Approaches ist. Eine Analyse der inhaltlichen Bedeutung der Annahmen für die zugrunde liegende Präferenzordnung des Agenten zeigt ihre Unvereinbarkeit. Folglich sind in der Literatur vorzufindende Aussagen immer dann schlecht vergleichbar, wenn sie sich auf verschiedene der beiden Annahmen stützen. Werden gar beide Annahmen simultan gesetzt, bedeutet dies die Verwendung eines inkonsistenten Modells. Der Sachverhalt fügt sich ein in die grundsätzliche Diskussion über den Wert der neo-institutionalistischen Theorie. Das Papier ist folgendermaßen aufgebaut: In Abschnitt 2 werden zunächst das allgemeine Principal Agent-Modell und dann die beiden Vereinfachungen dargelegt. Ferner wird das LEN-Modell kurz dargestellt. Der Zusammenhang zwischen additiv bzw. multiplikativ separierbaren zweidimensionalen Nutzenfunktionen und der so genannten Nutzenunabhängigkeit der Attribute wird ^ Die Anwendung ist natürlich nicht auf dieses Teilgebiet der Betriebswirtschaftslehre beschränkt. 2 Ross (1973, S. 134).
Die Modellierung des „Arbeitsleids" in Principal Agent-Modellen
379
in Abschnitt 3 erläutert. Abschnitt 4 legt darauf aufbauend eine grundsätzliche Gemeinsamkeit, aber insbesondere auch die Unvereinbarkeit der beiden Annahmen dar. Abschnitt 5 ordnet die Feststellung in die Debatte um die neo-institutionalistische Finanzierungstheorie ein und weist auf eine in der Literatur anzutreffende fehlerhafte Modellbildung hin.
2 Das Principal Agent-Modell für den Moral Hazard-Fall 2.1 Allgemeines Modell Ein Agent übt im Auftrag eines Prinzipals eine Tätigkeit aus. Der Grund für die Delegation kann einfach sein, dass der Prinzipal die Tätigkeit aus Kapazitätsgründen nicht selbst ausführen kann, oder auch, dass der Agent über besseres einschlägiges Wissen oder Fähigkeiten verfügt. Wie bereits erwähnt wurde, ist dies gegebenenfalls sehr weit zu interpretieren: So kann bei einer Kreditbeziehung der Kreditnehmer als Agent angesehen werden, der im Auftrag des Kreditgebers (Prinzipal) ein Projekt durchführt. Die in der Modellierung verwendeten Begrifflichkeiten orientieren sich am unmittelbarsten Anwendungsfall, in dem zwischen dem Prinzipal und Agent eine hierarchische Beziehung wie zwischen Unternehmenseigner und angestelltem Manager besteht. Beide Parteien sind (individuelle) Nutzenmaximierer im Sinne des BernouUiprinzips.^ Das Ergebnis der Tätigkeit des Agenten wird monetär ausgedrückt. Es unterliegt neben der Aktivität (Anstrengung, Engagement, Sorgfalt) des Agenten zusätzlich unbeeinfiussbaren äußeren Einwirkungen, welche - zumindest aus Sicht der Beteiligten - „zufällig" sind. Seine Aufteilung zwischen Prinzipal und Agent wird durch eine als Entlohnungsfunktion bezeichnete Regel determiniert. Extremfälle dieser Regel sind die fixe, also ergebnisunabhängige Entlohnung des Agenten sowie die Pacht, bei der dem Prinzipal ein feststehender Betrag zufließt. Die Festlegung der Entlohnungsfunktion erfolgt ex ante durch den Prinzipal. Der Agent kann darauf eingehen oder auch nicht.^ Dies hängt davon ab, ob seine minimalen Erwartungen erfüllt werden (Kooperationsbedingung). Hierfür muss es mindestens ein Aktivitätsniveau geben, für welches sein Nutzenerwartungswert einen Mindestwert (Reservationsniveau) erreicht. Nachdem die Entlohnungsfunktion festhegt, folgt die Aktion des Agenten. Diese besteht aus der Wahl eines Aktivitätsniveaus. Die Informationsasymmetrien können unterschiedlicher Art sein und werden idealtypisch^ in drei Kategorien gefasst.^ Die hier betrachtete Kategorie ^ Der im Weiteren verwendete Terminus Nutzenfunktion ist als Synonym zum Begriff Risikonutzenfunktion zu verstehen. ^ Verhandlungstheoretische und/oder verhaltenswissenschaftliche Aspekte der Vertragsgestaltung werden auf diese Art aus den Überlegungen ausgeklammert. ^ In der Realität treten sie üblicherweise gemischt auf. ^ Vgl. Spremann (1990).
380
Ralf Trost
wird als Hidden Action (synonym: Moral Hazard*^) bezeichnet:^ Prinzipal und Agent haben ex ante die gleiche Information, allerdings kann der Prinzipal das vom Agenten gewählte Anstrengungsniveau nicht beobachten und auch nicht auf dieses aus dem eingetretenen Ergebnis zurückschließen. G r u n d ist die Einwirkung der exogenen Zufallsgröße. E x post liegt also Informationsasymmetrie vor. Angesichts dieser Situation versucht der Prinzipal, unter Antizipation des eigennützigen Verhaltens des Agenten die Entlohnungsfunktion derart festzulegen, dass der Agent in Verfolgung seines eigenen Interesses weitestmöglich zugleich auch im Sinne des Prinzipals handelt.^ Zur formalen Abbildung der geschilderten Sachverhalte werden folgende Bezeichnungen u n d A n n a h m e n eingeführt: • •
• • •
•
Anstrengungsniveau^^: a G A^ wobei A ein Intervall in ^ mit Unter grenze 0 ist. Erfolg (Gewinn•'^•^): vom gewählten Anstrengungsniveau a abhängige Zufallsvariable G{a) mit von a unabhängigem Träger; für ai > a2 ist G(ai) besser als G{a2) im Sinne der Stochastischen Dominanz 1. Ordnung. Entlohnung des Agenten: die von a £ A abhängige Zufallsvariable ß{G{a)) mit der Entlohnungsfunktion ß : 9? ^ 9^. Nutzenfunktion des Prinzipals: l i : 9i —> 3? mit u'{x) > 0 und u''{x) < 0 für alle x G 3? (Risikoneutralität bzw. Risikoaversion) ^^. Nutzen des Ergebnisses für den Prinzipal: Die von a G A abhängige Zufallsvariable u[G{a) — ß{G{a))\ ist der Nutzen des nach der Entlohnung des Agenten verbleibenden Residualgewinns. Der Nutzenerwartungswert istEu[G{a)-ß{G{a))]. Nutzenfunktion des Agenten: w\ ^ x A -^ '^ mit •^w{h^a) > 0 und •^w{b,a) < 0 für alle 6 G 5R und alle a e A (Risikoneutralität bzw. Risikoaversion in der Entlohnung) sowie •^w{b,a) < 0 für alle 6 G Si und alle ae A („ Arbeitsleid" )^^.
Die Einführung dieses Begriffes Hidden Action statt des älteren Moral Hazard geht (ebenso wie Hidden Information) auf Arrow (1985) zurück. ^ Im Falle der Hidden Information sind dem Prinzipal Charakteristika des Agenten wie Risikoeinstellung, Talent, Qualifikation oder sonstige Informationen ex ante nicht bzw. nicht vollständig bekannt. Hidden Intention beschreibt Situationen, in denen der Prinzipal auch eindeutig identifiziertes Fehlverhalten des Agenten ex post nicht sanktionieren kann. ^ Man spricht hier von einem anreizkompatiblen Entlohnungsmechanismus. ^^ Hierfür ist auch die aus dem Englischen übernommene Bezeichnung Effort gängig. ^^ Die für die Praxis der erfolgsabhängigen Entlohnungen zentrale Frage nach dem verwendeten Gewinnbegriff wird hier nicht problematisiert. ^^ Um die Notation einfach zu halten, wird vorausgesetzt, dass alle Funktionen in dieser Arbeit hinreichend oft differenzierbar sind. ^^ Die Einführung des Konstruktes „Arbeitsleid" in das ursprüngliche Modell von Ross (1973) geht auf Harris u. Raviv (1978) zurück.
Die Modellierung des „Arbeitsleids" in Principal Agent-Modellen • •
381
Nutzen des Ergebnisses für den Agenten: die von a E A abhängige Zufallsvariable w[ß{G{a)),a]. Der Nutzenerwartungswert ist Ew[ß{G{a)),a]. Reservationsniveau des Agenten: Wm-m-
Das Moral Hazard-Problem im Principal Agent-Modell ist damit durch folgendes Optimierungsproblem definiert: f Eu[G{a) - ß{G{a))] -^ max! unter (1) Kooperationsbedingung: Ew[ß{G{a))^a] > tt^min Anreizbedingung: a G arg max Ew[ß{G{ä)),ä] äeA Ohne zusätzliche Annahmen treten nicht nur Probleme mit Existenz und Eindeutigkeit der Lösung dieses Optimierungsproblems auf. Es ist auch mangels griffiger Lösungen für weitergehende Analysen ungeeignet. Wagenhof er und Ewert stellen hierzu fest: „Die Analyse stößt sehr rasch an Grenzen und erlaubt häufig nur mehr sehr wenig an generellen Einsichten in die Struktur der Lösung. Die mathematischen Schwierigkeiten führen bisweilen sogar dazu, dass überhaupt nur mehr der Ansatz des Problems aufgestellt werden kann, und eine formale Herleitung von generellen Ergebnissen - ganz zu schweigen eine Lösung - nicht einmal mehr versucht wird."^"^ 2.2 Vereinfachende Annahmen Die im Folgenden untersuchten Vereinfachungen beziehen sich beide auf die zweidimensionale Nutzenfunktion des Agenten. Um das Problem leichter handhabbar zu machen, wird diese auf eindimensionale Funktionen zurückgeführt. 2.2.1 Additive Separierbarkeit der Nutzenfunktion des Agenten (Ansatz A) Es wird angenommen, dass w in den Attributen Entlohnung und Anstrengungsniveau additiv separierbar ist: w{b,a) =: Vadd{b) - Ladd{a) ^/be^WaeA
(2)
Dabei ist Vadd{') eine eindimensionale Nutzenfunktion mit den übhchen Eigenschaften der Risikoneutralität bzw. Risikoaversion {Vadd(') ^ ^' '^add(') — 0). Die Funktion Ladd{') beschreibt das Arbeitsleid; sie ist positiv und streng monoton steigend. Meist wird sie als konvex angenommen. Diese Modellierung wird im Folgenden als Ansatz A bezeichnet und ist gängiger Bestandteil des so genannten First Order Approach^^, in dem die ^^ Wagenhof er u. Ewert (1993, S. 374). ^^ Die Einführung geht auf Holmstrom (1979) zurück.
382
Ralf Trost
Anreizbedingung durch die Betrachtung der ersten Ableitung des Nutzenerwartungswertes ersetzt wird. Diese Bedingung ist nicht hinreichend für ein Optimum und - wenn die optimale Lösung nicht eindeutig ist - noch nicht einmal notwendig.-^^ 2.2.2 Monetäre Messbarkeit des Arbeitsleids (Ansatz M) Ein anderer Weg wird bei der im Weiteren Ansatz M genannten Annahme beschritten. Hier wird mittels einer Funktion LM{') das Arbeitsleid in monetären Größen gemessen, so dass sich ein Trade-off zwischen der tatsächlichen Entlohnung ß{G{a)) und dem durch a e A hervorgerufenen, monetär gemessenen Arbeitsleid LM{O) ergibt. Die resultierende Ergebnisgröße kann nunmehr mittels einer „herkömmlichen" eindimensionalen Nutzenfunktion VM : 9i —^ 3ft mit v'^{') > 0 und t'j^(-) < 0 bewertet werden: w{b, a) =: VM{b - LM{a))
(3)
Für LM{') werden formal die gleichen Eigenschaften vorausgesetzt wie für Laddi') in Ansatz A (positiv, streng monoton steigend, konvex). Die Art der Skalierung ist aber eine andere: In Ansatz M werden die beiden Attribute auf monetärer Ebene saldierbar gemacht, während dies in Ansatz A auf Nutzenebene erfolgt. Ansatz M ist Teil des LEN-Modells. Wegen seiner breiten Verwendung für die Analyse finanzwirtschaftlicher Sachverhalte insbesondere im deutschen Sprachraum wird es im folgenden Unterabschnitt kurz skizziert. 2.3 LEN-Modell Das von Spremanv}'^ im deutschen Schrifttum^^ eingeführte LEN-Modell^^ engt das Principal Agent-Modell durch eine ganze Reihe sehr starker Annahmen ein, welche es dann ermöglichen, explizite Ergebnisse zu erhalten. Neben dem hier diskutierten Ansatz M sind dies: Die Entlohnung wird a priori als linear gesetzt (mit den Parametern Fixum F und Prämiensatz s). Sowohl für den Prinzipal als auch den Agenten wird konstante absolute Risikoaversion unterstellt (exponentielle oder lineare Nutzenfunktionen). Der erwirtschaftete Gewinn ist eine normalverteilte Zufallsvariable, wobei der Erwartungswert 16
Vgl. z.B. Kleine (1995, S. 55). Vgl. Spremann (1987), aber auch Grossman u. Hart (1983) und Holmstrom u. Milgrom (1987). Grossman u. Hart (1983) verwenden dabei ein in den Aktionen des Agenten diskretes Modell wie auch Kleine (1996). Vgl. Meinhövel (1999, S. 91): „... wurde im deutschen Sprachraum eine Fallkonstellation entwickelt, die den Vereinfachungsbestrebungen eine gemeinsame und gegenseitig anerkannte Basis bietet." Diedrich (2003, S. 451) nennt das LENModell „eine Erfolgsgeschichte". LEN steht für lineare Entlohnung, exponentielle Nutzenfunktionen, normalverteilte Zufallsvariablen.
Die Modellierung des „Arbeitsleids" in Principal Agent-Modellen
383
gleich dem Anstrengungsniveau multipliziert mit einem positiven reellen Parameter k (Produktivität) ist. Die Standardabweichung a ist bezüglich des Anstrengungsniveaus invariant (Homoskedastizität). Das Arbeitsleid wird als quadratisch mit Skalierungsfaktor £ > 0 angesetzt. Die Normalverteilungsannahme schlägt auf die für Prinzipal und Agent relevanten Ergebnisgrößen durch. Zusammen mit den konstanten absoluten Risikoaversionen führt dies dazu, dass die Sicherheitsäquivalente der relevanten Zufallsvariablen - mit denen anstelle der Nutzenerwartungswerte gerechnet werden kann - einfach bestimmt werden können.^^ Für den Agenten lautet das Sicherheitsäquivalent für alle a G A SÄ [ß{G{a)) - LM{a)] = E [ßiG{a))] - | • Var [ß{G{a))] - LMia).
(4)
a ist der Risikoaversionskoeffizient des Agenten. Aus (4) wird unter Verwendung der genannten Parameter dann konkret SÄ [ß{G{a)) - LM{a)] = s - k - a +F - £ - a'^ - ^ - s'^ - a^, ein Ausdruck, der in Analysen weiterer kalkulatorischer Behandlung einfach zugänglich ist. Das LEN-Modell stellt nicht nur die Basis vielfältiger Analysen dar. Es wurde auch gegenüber dem hier beschriebenen Grundmodell in den unterschiedlichsten Richtungen erweitert. Als Beispiele seien genannt: • • • • •
Kombination von Hidden Action und Hidden Information^^, mehrperiodige Modelle^^, asymmetrische Information über Reservationsniveau und Risikoaversion des Agenten^^, statt des Outputs ein (unpräzises) Maß für die Performance des Agenten als Basis des Entlohnungsschemas^'^, beschränkte oder diskrete Alternativenmengen des Agenten^^.
3 Nutzenunabhängigkeit von Entlohnung und Anstrengungsniveau In diesem Abschnitt sollen die speziellen Formen der Nutzenfunktion des Agenten mit den zugehörigen Eigenschaften der zugrunde liegenden Präferenzordnung in Zusammenhang gebracht werden. Auskunft gibt zum Beispiel ^° Vgl. ^^ Vgl. ^^ Vgl. 23 Vgl. 24 Vgl. 2^ Vgl.
Bamberg u. Spremann (1981). Hartmann-Wendels (1989). z.B. Holmstrom u. Milgrom (1987), Diedrich (2003) oder Franke (2003). Göx et al. (2002). Kopel (1998). Kleine (1996).
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das einschlägige Standardwerk von Keeney und Raiffo?^. Definition: Das Attribut Entlohnung heißt nutzenunabhängig vom Attribut Anstrengungsniveau, wenn die Präferenzen zwischen Zufallsvariablen im Attribut Entlohnung unabhängig davon sind, welchen konkreten Wert a das Attribut Anstrengungsniveau annimmt Lemma 1. Das Attribut Entlohnung ist genau dann nutzenunabhängig vom Attribut Anstrengungsniveau, wenn es Funktionen hi{'), h2{')und hs{') gibt, mit denen die zweidimensionale Nutzenfunktion w die Darstellung w{b,a) = hi{a)-i-h2{a)'hs{b)
Wa£A
V6 G 3«
(5)
besitzt. Dabei ist hs{') eine (im Falle der Risikoaversion konkave) streng monoton steigende Nutzenfunktion und h2{-) > 0.'^'^ Der Sachverhalt ist schon anschaulich klar: hs{') ist eine Nutzenfunktion bezüglich der Entlohnung. Verschiedene Nutzenfunktionen vermögen ein und die selbe Präferenzordnung genau dann widerzuspiegeln, wenn sie positive monotone Transformationen voneinander sind. Der einzige Einfluss eines gegebenen Wertes a darf folglich in der Gestalt dieser Transformation liegen. Genau dies gibt (5) wieder. Wichtige Spezialfälle von (5) sind: 1. Additive Nutzenfunktion: Für /^2(•) = 1 ist die Nutzenfunktion additiv separierbar: w{b,a) = hi{a)^hs{b)
\/aeA
\/be^.
(6)
Mit den zusätzlichen Setzungen hi{a) = —Ladd{o) "^CL ^ A und hz{b) = Vadd{b) V6 G 3i ergibt sich genau die Nutzenfunktion gemäß (2) aus Ansatz A. 2. Multiplikative Nutzenfunktion: Für /ii(-) = 0 erhält man mit w{b,a) = h2{a)'hs{b)
WaeA
Wbe^
(7)
eine multiplikativ separierbare Nutzenfunktion. Lemma 1 gilt offenbar analog, wenn man die Rollen der beiden Attribute Entlohnung und Anstrengungsniveau vertauscht. Hierbei sei für den Moment davon abstrahiert, dass Zufallsvariablen im Attribut Anstrengungsniveau eigentlich nicht Teil des beschriebenen Principal Agent-Modells sind, da das Anstrengungsniveau gewählt wird, also deterministisch ist. Aus (5) und dem sich ergebenden spiegelbildlichen Pendant folgt die nächste Aussage. 2^ Vgl. Keeney u. Raiffa (1976). Vgl. auch Kleine (1995, S. 49f.). 2^ Vgl. Keeney u. Raiffa (1976, S. 226), Grossman u. Hart (1983, S. 11).
Die Modellierung des „Arbeitsleids" in Principal Agent-Modellen
385
L e m m a 2. Die Attribute Entlohnung und Anstrengungsniveau sind genau dann gegenseitig nutzenunabhängig, wenn die zweidimensionale Nutzenfunktion w mittels zweier eindimensionaler Funktionen auf den beiden Attributen entweder rein additiv (vgl (6)) oder rein multiplikativ (vgl. (7)) darstellbar ist. Die beiden Spezialfälle geben also genau die gegenseitige N u t z e n u n a b h ä n gigkeit wieder. Zur Interpretation der Nutzenunabhängigkeit des Attributes Anstrengungsniveau vom A t t r i b u t Entlohnung ist es instruktiver, sich die auf deterministische Ereignisse eingeschränkte Folgerung anzuschauen: Wenn die Nutzenfunktion w rein additiv oder rein multiplikativ in den beiden A t t r i b u t e n ist, gilt für alle a i , a 2 G A und alle 6 G 5R die Implikation^^ / i i ( a i ) + h2{ai) • hs{bi) > hi{a2) + /i2(a2) • hs{bi) => / i i ( a i ) + h2{ai) • hs{b2) > hi{a2) + /i2(ö^2) • hs{b2). Dies ist die von Grossman und Hart'^^ eingeführte Bedingung: Die Präferenzen bezüglich deterministischer Anstrengungsniveaus sind unabhängig von der Entlohnung. In der gegenseitigen Nutzenunabhängigkeit liegt also die Gemeinsamkeit von Präferenzen, welche durch additiv bzw. multiplikativ separierbare Nutzenfunktionen wiedergegeben werden. Das bedeutet offensichtlich aber nicht, dass zwangsläufig keinerlei Interdependenzen zwischen den beiden A t t r i b u t e n vorliegen. L e m m a 3 . Im Falle der additiv separierbaren Nutzenfunktion (6) ist die Reaktion des Nutzens w{b, a) auf eine (infinitesimale) Änderung in einem Attribut unabhängig vom gegebenen Niveau des anderen Attributes. Unter der multiplikativ separierbaren Nutzenfunktion ist dies nicht der Fall. Die Gültigkeit der Aussage ergibt sich unmittelbar aus den Ableitungen der Nutzenfunktionen. Unter der additiv separierbaren Nutzenfunktion (6) gilt für alle a E A und alle b e^ —w{b,a)
= h[{a)
bzw.
—w{b,a)
= h'^{b)
und unter der multiplikativ separierbaren Nutzenfunktion —w{b,a)
== h[{a) • /i3(6)
bzw.
-—w{b,a)
= h2{a) • /i3(6)
für alle a £ A und alle 6 € SR. ^^ Der Kürze wegen wurde hier die Darstellung für Additivität (/i2(-) = 1) und für Multiplikativität (/ii(-) = 0) wieder aggregiert. 29 Vgl. Grossman u. Hart (1983, S. 11).
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4 Gemeinsamkeit u n d Unterschied zwischen den Annahmen Ansatz A ist identisch mit der Annahme (6) der additiven Separierbarkeit der Nutzenfunktion mit hi{a) = —Ladd{o) für alle a Q A und hz{h) = Vadd{b) für alle 6 G 5R. Ansatz M wird im Allgemeinen im Rahmen des LEN-Modells unterstellt, in dem insbesondere für den Agenten konstante absolute Risikoaversion angenommen wird, d.h. eine Nutzenfunktion der Gestalt —e~^'^. Das Argument X steht hier für die Differenz aus Entlohnung und auf monetärer Ebene gemessenem Arbeitsleid. Es gilt also für alle a e A und alle 6 G 3?:^^ w{b,a) = VM{b-LM{a))
= -e'^^^-^^^^)).
Somit impliziert Ansatz M die Annahme einer multiplikativ separierbaren Nutzenfunktion: w{b,a) = - e " ^ - ^ • e^'^^(^) = hs{b) • h2{a). Die Feststellungen aus Abschnitt 3 können damit auf Ansatz A und Ansatz M übertragen werden. Satz: (1) Unter Ansatz A wie auch unter Ansatz M (und damit sowohl im First Order Approach als auch im LEN-Modell) wird angenommen, dass sowohl die Präferenzen bezüglich der (zufallsabhängigen) Entlohnungen unabhängig vom vorliegenden Anstrengungsniveau sind als auch die Präferenzen bezüglich der (deterministischen) Anstrengungsniveaus unabhängig von der Entlohnung. (2) Unter Ansatz A (insbesondere im First Order Approach) ist die Nutzenänderung bei einer Änderung entweder in der Entlohnung oder im Anstrengungsniveau stets unabhängig vom gegebenen Wert der jeweils anderen Variablen. Unter Ansatz M (insbesondere im LEN-Modell) ist dies nicht der Fall. Über die Sinnhaftigkeit der in diesem Satz geschilderten Eigenschaften mag man spekulieren können. Die unter (1) beschriebene Eigenschaft der gegenseitigen Nutzenunabhängigkeit erscheint durchaus unproblematisch, ja sogar natürlich. Bezüglich des in (2) behandelten Gesichtspunktes sei die Meinung vertreten, dass es durchaus plausibel ist, wenn beispielsweise das Ausmaß der Nutzenabsenkung, welche durch eine zusätzliche Einheit des Anstrengungsniveaus hervorgerufen wird, davon abhängig ist, wie groß das Entlohnungsniveau ist. In diesem Sinne scheint dies für die Annahme M und damit auch in dieser Hinsicht - für das LEN-Modell zu sprechen.^^ ^° Vgl. auch Grossman u. Hart (1983, S. 11) für den Fall LM{a) = a. ^^ Die weiteren, sehr restriktiven Annahmen des LEN-Modells werden in dieser Arbeit nicht problematisiert. Es sei nur kurz die Problematik der Einschränkung
Die Modellierung des „Arbeitsleids" in Principal Agent-Modellen
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5 Diskussion: Ist die neo-institutionalistische Theorie „beliebig"? Die Diskussion über die Erklärungs- oder gar Lösungsbeiträge, welche die neo-institutionalistische Finanzierungstheorie leisten kann, ist nicht neu. Insbesondere in den letzten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts erwarteten viele Forscher - motiviert durch die Defizite der neoklassischen Modelle - viel von den Modellen, die realistischere Modellierungen durch die Berücksichtigung von u. a. Informationsasymmetrien versprachen. Die Frage ist, ob die „neue" Finanzierungstheorie angesichts ihres fehlenden allgemeinen Modellrahmens in der Lage ist, über „weiche", den neuen Denkmustern folgende Überlegungen^^ hinaus eindeutige und glaubwürdige Ergebnisse zu erzeugen. So postulieren Franke und Hax: „Die Wahl der Finanzierungsweise kann . . . als Lösung eines Prinzipal-Agenten-Problems gesehen werden. "^^ Als allgemeine Aussage mag dies unbestreitbar sein, doch wie belastbar konkrete Schlüsse sind, ist die Frage. Hax et al. schreiben: „Im Gegensatz zu den kapitalmarkttheoretischen Gleichgewichtsmodellen ist die Analyse von Interessenskonflikten im Rahmen der principal-agent-Theorie jedoch ein geeigneter Ansatz, mit dem die Vielfalt an Finanzierungsformen und die Existenz zahlreicher institutioneller Regelungen wie beispielsweise Kreditbesicherung . . . erklärt werden kann."^^ Genau zu diesem Punkt aber arbeitet Kürsten^^ heraus, dass Kreditsicherheiten im so genannten Risikoanreizproblem sowohl anreizmildernd als auch anreizverschärfend wirken können und dass die Ursache in einer inadäquaten Operationalisierung des Agency-Problems liegt. So scheint die von Terberger geäußerte Euphorie bezüglich der neo-institutionalistischen Theorie zumindest übertrieben: „Die Einführung von Informations- und Anreizproblemen, so kann man wohl ohne Einschränkungen schlussfolgern, hat sich tatsächlich als trojanisches Pferd erwiesen, das die Mauern der neoklassischen Mikrotheorie zum Einsturz bringt."^^ Auf die Tatsache, dass die Argumentationsketten in der „neuen" Finanzierungstheorie ohne die Neoklassik „in der Luft hängen", hat aber bereits Wilhelm hingewiesen: „Die neoklassische Denkweise ist unverzichtbarer Bestandteil der 'neuen' Finanzieauf lineare Entlohnungsschemata erwähnt. Bereits Mirrlees (1974) wies darauf hin, dass hiermit im Allgemeinen die optimale Lösung von vornherein ausgeschlossen wird. Breuer (1993, 1995), Pfingsten (1995) und Wagenhofer u. Ewert (1993) erörtern, unter welchen Konstellationen lineare Entlohnungsschemata optimal sind. ^^ So z.B. bei Picot (1989), der anhand der unterschiedlichen Konstellationen von Informationsasymmetrien Anforderungen an betriebliche Informations- und Kommunikationssysteme ableitet. ^^ Franke u. Hax (2003, S. 425). ^^ Hax et al (1988, S. 711). ^^ Vgl. Kürsten (1997). ^^ Terberger (1993, S. 271).
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rungstheorie . . . Nach der Beseitigung von typischen Informationsasymmetrien hegen meist wieder Situationen vor, für die neoklassische Überlegungen gelten."^^ Und: „Zumindest gewisse Modellansätze der 'neuen' Finanzierungstheorie kommen zu zweifelhaften Ergebnissen, gerade weil sie Grundresultate der neoklassischen Finanzierungstheorie nicht berücksichtigen . . . Es ist . . . die neoklassische Finanzierungstheorie nicht die Leiter, die man umstoßen kann, nachdem man auf ihr zu der 'neuen' Finanzierungstheorie aufgestiegen ist."3^ Den in dieser Arbeit diskutierten Sachverhalt näher bringt die Fortsetzung des obigen Zitats von Terberger: „Die ökonomische Theorie ist dadurch weicher geworden; sie wurde ihres strengen analytischen Skeletts beraubt und muss sich mit einem schwankenden theoretischen Fundament begnügen. . . . Gerade der Einsturz der theoretischen Basis ojffenbart also ganz neue Argumentations- und Handlungsspielräume, deren Nutzung allerdings einen gewissen Pragmatismus voraussetzt, um nicht ob der Fülle von unbeantworteten Fragen in Handlungsunfähigkeit zu versinken. "^^ Was nun „Pragmatismus" in der Bildung und Anwendung wissenschaftlicher Modelle ist, darüber mag man trefflich sinnieren können. Meinhövel stellt in seiner Fundamentalkritik^^ des Principal Agent-Modells die Behauptung auf (bezogen auf die Anwendung des Modells auf die unterschiedlichsten Anwendungsbereiche): „Die Beliebigkeit des Konzepts ist bei dieser Form wissenschaftlicher Arbeit nahezu unbegrenzt... "^^ Um auf die separierbaren Nutzenfunktionen des Agenten zurückzukommen: Man mag es pragmatisch nennen oder beliebig - in der Verwendung des Principal Agent-Modells zur Analyse der unterschiedlichsten Situationen ist eine bunte Mischung anzutreffen von Arbeiten, welche dem LEN-Modell mit seiner multiphkativ separierbaren Nutzenfunktion vertrauen^^, und solchen, die auf den First Order Approach mit additiv separierbarer Nutzenfunktion setzen. "^^ Angesichts der vorne stehenden Sachverhalte jedoch steht fest, dass die Auswahl zwischen den Ansätzen A und M nicht beliebig ist und somit auch kei^'^ Wilhelm (1991, S. 194). ^^ Wilhelm (1991, S. 174). ^^ Terberger (1993, S. 271). ^^ Grob zusammengefasst moniert Meinhövel (1999) die seines Erachtens Unbrauchbarkeit des Vergleichs zwischen First Best-Lösung und realisierbarer Auftragstätigkeit, die mangelnde marktliche Einordnung sowie die empirische Überprüfbarkeit. ^^ Meinhövel (1999, S. 213). ^^ Vier Beispiele: Graßhoff u. Schwalbach (1999), Hofmann (2002, 2003), Wagenhof er (1996). In (deutschsprachigen) Lehrbüchern wird das LEN-Modell wegen seiner didaktischen Einfachheit ohnehin bevorzugt, vgl. z. B. Breuer (1998), Franke u. Hax (2003) oder Krakel (2004). ^^ Vier Beispiele: Hirschauer et al. (2004), Knobloch (2001), Petersen (1989), Winter (1996). Für einen Lehrtext vgl. Pf äff u. Zweifel (1998).
Die Modellierung des „Arbeitsleids" in Principal Agent-Modellen
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neswegs nach „rechentechnischer Opportunität" getroffen werden sollte. Mit der Wahl einer der Modellierungen ist jeweils die Unterstellung einer charakteristischen Eigenschaft für die zugrunde liegende Präferenzordnung verbunden. Hier sollte jedenfalls stets eine bewusste Wahl getroJBFen werden und es sollte transparent gemacht werden, welche Eigenschaft der Präferenzordnung man damit unterstellt. Ansonsten setzt sich die neo-institutionalistische Theorie auch an dieser Stelle dem gegen sie erhobenen Vorwurf der Beliebigkeit, resultierend aus dem Fehlen eines festen, allgemein verbindlichen Modellrahmens, aus. Aber auch wenn man nur von einer gewissen Modell-Heterogenität sprechen möchte - die Gefahren sind nicht zu unterschätzen: In Arbeiten von Laux, von Kiener, von Müller und von Winter nämlich werden zum einen eine additiv separable Nutzenfunktionen gemäß (2) und zugleich Sicherheitsäquivalente gemäß (4) unterstellt.^^ Dies ist offensichtlich unmöglich, denn definitionsgemäß ist der Nutzen des Sicherheitsäquivalents gleich dem Nutzenerwartungswert. Der Nutzen ist eine zweidimensionale Funktion, so dass das Sicherheitsäquivalent damit eine zweidimensionale Größe sein muss, während sein Nutzen eindimensional ist: w{SÄ[ß{G{a)),a])
= Ew{ß{G{a)),a)
= Evadd{ß{G{a))) - Ladd{a).
Für diese zweidimensionale Größe gilt unter additiv separierbarer Nutzenfunktion, dass Sicherheitsäquivalente separat in den Attributen bestimmt werden können,^^ SÄ[/3(G(a),a] = (SÄ[/3(G(a))],SÄ(a)) = (SÄ[/?(G(a))],a), sie ist aber sicherlich nicht gleich der (eindimensionalen) Differenz aus dem Sicherheitsäquivalent der unsicheren Entlohnung und dem Arbeitsleid. Offenkundig wurden in den genannten Modellen die Ansätze A und M „gemischt"."^^ Eine solche Modellierung ist aber weder beliebig noch pragmatisch. Sie ist schlicht falsch.
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Intermediation und Informationsasymmetrie beim Aktienhandel Erik Theissen Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, BWL I, Lehrstuhl für Finanzwirtschaft, Adenauerallee 24-42, D-53113 Bonn [email protected]
Gliederung 1
Problemstellung
394
2
Ein einfaches M o d e l l
396
3
Datenbasis
400
4
Empirische Ergebnisse
402
5
Schlussfolgerungen
407
Literaturverzeichnis
408
394
Erik Theissen
1 Problemstellung Die Kapitalmarkttheorie geht regelmäßig von der Annahme aus, die Wertpapiermärkte befänden sich im Gleichgewicht.-^ In diesem Gleichgewicht kann es für ein Wertpapier nur einen Preis geben, und dieser Preis reflektiert alle Informationen (zumindest alle öffentlich verfügbaren Informationen) über den Wert des Wertpapiers. Eine solche Betrachtungsweise ist für viele Anwendungen sinnvoll. Gleichgewichtsmodelle wie das Capital Asset Pricing Model (CAPM)^ ließen sich ohne solche Annahmen gar nicht herleiten. Ist man jedoch an einer detaillierten Analyse der Funktionsweise der Wertpapiermärkte interessiert wie sie die Marktmikrostrukturforschung anstrebt, so muss man derartige Annahmen aufheben. Die Frage etwa, wie neue Informationen Eingang in die Preise finden, lässt sich schlechterdings nicht beantworten, wenn man von vornherein annimmt, die Märkte befänden sich im Gleichgewicht. Die Antwort auf solche Fragen hängt davon ab, wie der Handel auf einem Wertpapiermarkt organisiert ist. Gestaltungsalternativen der Marktorganisation sind etwa die Wahl zwischen dem Auktionsprinzip und dem MarketMaker-Prinzip, die Wahl zwischen kontinuierlichem und diskontinuierlichem Handel und die Entscheidung, ob elektronisch oder auf dem Parkett gehandelt werden soll. Dabei ist der kontinuierliche Handel nach dem Auktionsprinzip die derzeit populärste Variante. Sie wird sowohl in elektronischen Handelssystemen als auch im Präsenzhandel angewendet. Beim Handel nach dem Auktionsprinzip wird Liquidität dadurch geschaffen, dass Investoren limitierte Kauf- und Verkaufsaufträge erteilen, die im Orderbuch gesammelt werden. Dadurch werden Handelsmöglichkeiten für andere Marktteilnehmer geschaffen, die durch die Erteilung uniimitierter Aufträge genutzt werden können. Viele Börsen vertrauen allerdings nicht allein auf die durch das Orderbuch geschaffene Liquidität, sondern setzen darüber hinaus einen Intermediär ein, der einerseits Abschlüsse vermitteln und andererseits zusätzliche Liquidität schaffen soll. Beispiele hierfür sind der Specialist an der New York Stock Exchange (NYSE), der Skontroführer (früher: Makler) an den deutschen Präsenzbörsen, der Designated Sponsor in Xetra oder der Animateur im Handelssystem von Euronext. Von diesen Intermediären wird erwartet, dass sie Liquidität bereitstellen, die ohne ihre Beteiligung nicht bereitgestellt würde. Das deutet darauf hin, dass diese Tätigkeit an sich nicht profitabel ist. Folglich muss ein Anreiz geschaffen werden, diese Tätigkeit auszuüben. Der Anreiz besteht regelmäßig darin, dass dem Intermediär bestimmte Privilegien eingeräumt werden. Diese können in reduzierten Transaktionskosten oder in verbessertem Informationszugang bestehen. Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit der zweiten Variante - verbessertem Informationszugang - und untersucht deren Auswirkungen am Beispiel ^ Für einen Überblick, vgl. Wilhelm (2001a). ^ Vgl. dazu etwa Wilhelm (2001b).
Intermediation und Informationsasymmetrie beim Aktienhandel
395
des Präsenzhandels an der Frankfurter Wertpapierbörse. Der Makler^ ist hier in zweierlei Hinsicht privilegiert. Erstens hat er im Gegensatz zu den anderen Marktteilnehmern Einblick in das Orderbuch und verfügt damit über bessere Informationen über die Auftragslage. Zweitens kann er nachdem er erfahren hat, wer der Transaktionspartner sein wird, entscheiden, ob er eine Transaktion auf eigene Rechnung durchführt oder ob er einen Auftrag aus dem Orderbuch zur Ausführung kommen lässt. Einen Abschluss auf eigene Rechnung (ein Aufgabegeschäft^), bei dem er selbst Gegenpartei wird, kann er allerdings nur dann herbeiführen, wenn er einen besseren Preis bietet als den des besten limitierten Auftrags im Orderbuch. Aus Sicht des Orderbuchs (bzw. aus Sicht der Investoren, die die darin enthaltenen Aufträge erteilt haben) kann sich hieraus ein Adverse-SelectionProblem (Informationsrisiko) ergeben. Unter den potenziellen Transaktionspartnern befinden sich regelmäßig auch Investoren, die private Informationen über den Wert des Wertpapiers haben. Transaktionen mit solchen Marktteilnehmern sind Verlust bringend, denn diese Marktteilnehmer werden nur dann handeln, wenn der Abschluss für sie Gewinn bringend ist.^ Wenn nun die Identität eines potenziellen Transaktionspartners Rückschlüsse auf sein Handelsmotiv zuläßt, so kann der Makler • •
bei einem Transaktionspartner, bei dem er keine überlegenen Informationen vermutet, selbst als Gegenpartei auftreten, bei einem Transaktionspartner, bei dem er überlegene Informationen vermutet, dagegen eine Transaktion gegen das Orderbuch durchführen.
Dieses Verhalten würde dazu führen, dass Transaktionen, in denen der Makler als Gegenpartei auftritt, ein geringeres Informationsrisiko aufweisen als Transaktionen, bei denen er nicht beteiligt ist. In diesem Sinne würden die Informationsrisiken an die Anleger, die limitierte Aufträge erteilt haben, weitergereicht. Ziel des vorliegenden Beitrags ist es, die gerade implizit formulierte Hypothese empirisch zu testen. Die dazu verwendeten Daten entstammen dem Präsenzhandel an der Frankfurter Wertpapierbörse. Es wurde jedoch bereits darauf hingewiesen, dass Intermediäre mit Informationsprivilegien auch an anderen Börsen (und auch in elektronischen Handelssystemen) tätig sind. Daher sollten die Ergebnisse von Relevanz nicht nur für den Handel in Frankfurt, sondern auch darüber hinaus sein. ^ Der im empirischen Teil des Beitrags verwendete Datensatz stammt aus der Zeit vor der Novelle des Börsengesetzes, durch die die Makler durch Skontroführer ersetzt wurden. Daher wird in weiteren Verlauf stets von „Maklern" gesprochen. ^ Das Börsengesetz (in der im Zeitpunkt der Datenerhebung gültigen Version) unterscheidet Eigen- und Aufgabegeschäfte. Der Makler trägt jedoch in beiden Fällen das ökonomische Risiko aus der Transaktion, so dass eine Differenzierung für die Zwecke der vorliegenden Arbeit nicht erforderlich ist. ^ Vgl. grundlegend Glosten und Milgrom (1985).
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Die Rolle von Intermediären im Aktienhandel ist bereits früher untersucht worden. Neben theoretischen Arbeiten^ gibt es auch eine Reihe empirischer Untersuchungen. Dabei konnte einerseits gezeigt werden, dass die Einschaltung von Maklern bzw. Specialists zur Erhöhung der Liquidität und zur Verbesserung der Preisbildung beiträgt.^ Andererseits gibt es aber auch Arbeiten, in denen den Intermediären ganz im Sinne der oben dargestellten Argumentation ein Ausnutzen ihres Informationsvorsprungs nachgewiesen wird.^ Für den deutschen Aktienmarkt wurde eine entsprechende Untersuchung bislang allerdings noch nicht durchgeführt.^ Der Beitrag ist wie folgt aufgebaut. Im Folgenden Abschnitt wird ein einfaches theoretisches Modell formuliert, aus dem die zu testenden Hypothesen abgeleitet werden. Der sich anschließende Abschnitt beschreibt Datensatz und Methodik, der darauf folgende Abschnitt die Ergebnisse der empirischen Untersuchung. Eine Zusammenfassung schließt den Beitrag ab.
2 Ein einfaches Modell In diesem Abschnitt wird ein sehr einfaches Modell eines Auktionsmarktes unter Einschaltung eines Intermediärs entwickelt. Die bereits diskutierten Informationsprivilegien des Intermediärs werden dabei berücksichtigt. Gehandelt wird ein riskantes Wertpapier im Austausch gegen ein riskoloses, zinsfreies Wertpapier (als Numeraire). Das riskante Wertpapier wird im Zeitpunkt ^2 liquidiert und hat dann mit gleicher Wahrscheinlichkeit einen Wert von H oder L mit H > L. Der unbedingte Erwartungswert des Liquidationswertes ist Vo = 0, b{H -f- L), Die Differenz a = {H — L) kann als Maß des Risikos des Wertpapiers interpretiert werden. Die Transaktionsgröße ist auf 1 normiert. Es gibt drei Arten von Marktteilnehmern: • •
Eine große Zahl von (als risikoneutral angenommenen) Anlegern, die limitierte Aufträge zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren erteilen. Eine große Zahl von Anlegern, die uniimitierte Aufträge zum Kauf oder Verkauf des Wertpapiers erteilen. Ein Anteil TT dieser Anleger ist informiert und kennt den Liquidationswert des Wertpapiers. Informierte Anleger kaufen Wertpapiere, wenn der Wert hoch ist und der Briefpreis kleiner als H ist; sie verkaufen Wertpapiere wenn der Wert niedrig und der Geldpreis Vgl. etwa Benveniste et al. (1992), Glosten (1989), Leach und Madhavan (1993), Seppi (1997). So etwa Madhavan und Sofianos (1998) für die USA und Freihube et al. (1999) für Deutschland. So Angel (1997) und Ready (1999). Oehler und Hacker (2004) untersuchen ebenfalls Aufgabegeschäfte der Makler. Der von Ihnen verwendete Datensatz enthält jedoch nur die Aufgabegeschäfte, so dass die Hypothese einer selektiven Maklerbeteiligung mit ihrem Datensatz nicht untersucht werden kann.
Intermediation und Informationsasymmetrie beim Aktienhandel
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größer als L ist. Uninformierte Anleger kaufen oder verkaufen Wertpapiere mit gleicher Wahrscheinlichkeit; ihr Angebot bzw. ihre Nachfrage sind preisunelastisch. Ein Intermediär, der im Folgenden als Makler bezeichnet wird. Der Makler ist risikoneutral und maximiert den Erwartungswert des Gewinns aus der Teilnahme am Handel. Der Makler verwaltet das Orderbuch, bei ihm laufen alle Aufträge zusammen. Ein Händler, der einen uniimitierten Auftrag erteilt, wendet sich an den Makler. Dieser kann den Auftrag d a n n entweder gegen das Orderbuch ausführen oder selbst als Gegenpartei auftreten. In diesem Fall muss er einen besseren Preis bieten als derjenige Preis, der sich bei Ausführung gegen das Orderbuch ergäbe.
^0
Errichtung des Orderbuches durch limitierte Aufträge
ti
Händler erscheint Makler erhält Signal und entscheidet über Teilnahme an der Transaktion
t2
Transaktion findet statt Liquidation des Wertpapiers
A b b . 1. Zeitliche Struktur Abbildung 1 zeigt die zeitliche Struktur des Modells. Im Zeitpunkt ^o werden die limitierten Aufträge erteilt und dadurch das Orderbuch errichtet. Mit G bzw. B sei der Preis des höchstlimitierten Kaufauftrags bzw. der Preis des niedrigstlimitierten Verkaufsauftrags im Orderbuch bezeichnet. Im Zeitpunkt ti wird einer der Anleger, die uniimitierte Aufträge erteilen, zufällig ausgewählt. Dabei handelt es sich mit Wahrscheinlichkeit TT u m einen informierten Anleger. Bevor ein Investor mit dem Makler handeln kann, erhält der Makler ein Signal, das Informationen über das Handelsmotiv des Investors liefert.-"^^ Das Signal wird wie folgt modelliert: Ein Investor ist mit Wahrscheinlichkeit TT informiert. Das Handelsmotiv eines zufälUg ausgewählten Investors kann daher abgebildet werden durch eine Zufallsvariable z, die den Wert 1 annimmt. "^° Im vorliegenden Modell wird die Existenz eines solchen Signals vorausgesetzt und es wird untersucht, wie sie sich auf die Marktergebnisse auswirkt. Desgranges und Foucault (2002) entwickeln ein Mehrperiodenmodell, in dem ein Investor in jeder Periode entweder informiert oder uninformiert ist. Es existieren Gleichgewichte, in denen er dem Makler seine Informationen preisgibt. Dadurch sichert er sich bessere Konditionen in Perioden, in denen er keine Informationen hat, aber aufgrund eines Hedging-Bedarfs trotzdem an Transaktionen interessiert ist. In diesem Modell wird die Existenz eines informativen Signals somit endogen erklärt.
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wenn der Investor informiert ist und den Wert 0 wenn der Investor uninformiert ist. z ist binomialverteilt mit Wahrscheinlichkeit TT. Bei Ankunft des (zufäüig gewählten) Investors erhält der Makler ein Signal ^, das mit Wahrscheinlichkeit Az + (1 — A)7r den Wert 1 und mit der Gegenwahrscheinlichkeit A(l - z) + (1 - A)(l - TT) den Wert 0 annimmt. Die Zufallsvariablen y und z sind bivariat binomialverteilt; der Parameter A, 0 < A < 1, ist der KorrelationskoefRzient. Ist die Korrelation 0, so ist das Signal des Maklers uninformativ. Ist die Korrelation dagegen 1, so verrät das Signal das Handelsmotiv des Investors mit Sicherheit. Die nachfolgende Tabelle zeigt die gemeinsame Verteilung der Zufallsvariablen y und z. Tabelle 1. Gemeinsame Häufigkeitsverteilung von Handelsmotiv z und Signal y 2=0
z=\
E
y=0 y= l
( l - 7 r ) 2 + A7r(l-7r) 7 r ( l - 7 r ) ( l - A)
7r(l - 7r)(l - A) TT^ + A7r(l - TT)
(1 - TT) TT
r
(I-TT)
TT
1
Der Makler nutzt sein Signal, um Rückschlüsse auf das Handelsmotiv des Investors zu ziehen. Anwendung der Regel von Bayes auf die in Tabelle 1 gezeigten gemeinsamen Wahrscheinlichkeiten liefert die bedingten Wahrscheinlichkeiten P{z = l\y = 1)= TT+ X{l-7r) P{z = 0\y = 0) = {1 - TT) + XTT
P{z = 0\y = 1) = {1 - X){1 - TT) P{z = l\y = 0) = {l-X)7r
Aus diesen Wahrscheinlichkeiten ergeben sich die Reservationspreise, also diejenigen Preise, die beim Kauf bzw. Verkauf durch einen Investor mit Signalrealisation 0 bzw. 1 gerade zu einem erwarteten Gewinn von 0 für den Makler führen würden: VB,y=i = P{z = l\y = l)H + P{z = 0\y = l)Fo = Vo + ! [ ± 0 _ z Z [ ) ^ ^ VB,y=o = P{z = l\y = 0)H + P{z = 0\y = 0)Vo = ¥0 + ""^^ ~ ^K VG,y=i =P{z = l\y = l)L-^P{z
= 0\y = 1)^0 = V^o -
VG,y=o = P{z = l\y = 0)L-^P{z
= 0\y = 0)^0 = V^o -
llSLlIll^a ^^^^^a
Der Makler wird diese Reservationspreise nun mit den besten Geld- bzw. Briefpreisen des Orderbuchs, G bzw. ß , vergleichen und daraufhin entscheiden, ob er ein Aufgabegeschäft tätigt oder den vorliegenden uniimitierten
Intermediation und Informationsasymmetrie beim Aktienhandel
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Auftrag gegen das Orderbuch ausführt. Ein Aufgabegeschäft ist dann (im Erwartungswert) profitabel, wenn der Makler den besten Geld- bzw. Briefkurs des Orderbuchs verbessern kann (denn das muss er ja, wenn er ein Aufgabegeschäft abschließen will) und der erzielbare Preis immer noch günstiger ist als der Reservationspreis. Es muss also Vß^y < B — A bzw. Vc^y > G-\- A gelten, wobei A die Mindestpreisvariation (minimum tick size) ist. Im Folgenden wird die Mindestpreisvariation vernachlässigt; es wird implizit angenommen, sie sei beliebig klein. Wenn der Makler ein Eigenhandelsgeschäft tätigt, ist der resultierende Preis das Ergebnis einer Verhandlung zwischen dem Makler und dem Händler. Der Preis wird zwischen den Orderbuchpreisen G bzw. B einerseits und den oben definierten Reservationspreisen andererseits liegen. Wo genau er in diesem Intervall liegt, hängt von der Verhandlungsmacht der beteiügten Parteien ab. Für die qualitativen Implikationen des Modells ist das ohne Belang. Für den Fall eines uniimitierten Kaufauftrags zeigt die folgende Tabelle die Entscheidung des Maklers in Abhängigkeit vom besten Briefpreis des Orderbuchs. Der Fall eines uniimitierten Verkaufsauftrags ist symmetrisch. Tabelle 2. Die Entscheidung des Maklers über ein Aufgabegeschäft Signal des Maklers 0 1
Für den besten Briefkurs im Orderbuch gilt B > VB,y=i VB,y=i > B > VB,y=o B < VB,y=o Aufgabegeschäft Aufgabegeschäft
Aufgabegeschäft Orderbuch
Orderbuch Orderbuch
Diese Entscheidung des Maklers hat natürlich Rückwirkungen auf die Ausführung der limitierten Aufträge im Orderbuch und die daraus resultierenden Gewinne bzw. Verluste. Im Einzelnen gilt (für den Fall eines uniimitierten Kaufauftrags; der Fall des Verkaufs ist wiederum symmetrisch): • •
•
Falls B > VB,y=i, so wird nie ein limitierter Auftrag ausgeführt. Falls B < VB,y=o^ so wird der Makler nie ein Eigenhandelsgeschäft tätigen. Alle uniimitierten Aufträge werden gegen das Orderbuch ausgeführt. Daraus resultieren jedoch Verluste, denn der erzielte Preis ist kleiner oder gleich dem Reservat ionspreis, der sich im Fall einer Signalrealisation von 0 ergibt. Falls Vß^yz^i > B > VB,y=o, so tätigt der Makler im Fall einer Signalrealisation von 0 ein Aufgabegeschäft, bei einer Signalrealisation von 1 erfolgt dagegen die Ausführung gegen das Orderbuch. Solange VB,y=i > B gilt, entstehen dabei Verluste für die Anleger, die die limitierten Aufträge erteilt haben.
Aus den vorstehende Ausführungen folgt, dass es nur eine Konstellation gibt, in der limitierte Aufträge zur Ausführung gelangen, ohne dass die Anleger, die
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die Aufträge erteilt haben, Verluste erleiden: Der beste Briefpreis im Orderbuch entspricht dem Reservationspreis für den Fall einer Signalrealisation von 1. Ist die Signalrealisation tatsächlich 1, so wird der Auftrag gegen das Orderbuch ausgeführt; der erwartete Gewinn aus der Ausführung ist 0. Ist dagegen die Signalreahsation 0, so führt der Makler ein Eigenhandelsgeschäft durch. Dieses Geschäft ist mit positivem Gewinn verbunden (es sei denn, die Verhandlungsmacht läge vollständig bei den Anlegern, dann wäre der Gewinn des Maklers 0). Die Situation auf der Geldseite des Orderbuchs ist symmetrisch. Das hierdurch beschriebene Gleichgewicht führt zu den folgenden empirisch testbaren Hypothesen: Hypothese 1. Die effektive Geld-Brief-Spanne ist bei Eigenhandelsgeschäften des Maklers kleiner als bei Transaktionen, die gegen das Orderbuch ausgeführt werden (da der Makler einen besseren Preis bieten muss). Hypothese 2. Die Informationsrisikokosten (gemessen durch die Adverse-Selection-Komponente der Geld-Brief-Spanne) sind bei den Aufträgen, die durch ein Aufgabegeschäft des Maklers ausgeführt werden, geringer als bei den Aufträgen, die gegen das Orderbuch ausgeführt werden. Hypothese 3. Der Bruttogewinn (gemessen durch die realisierte Geld-BriefSpanne) ist dagegen bei den Transaktionen größer, bei denen der Makler ein Eigenhandelsgeschäft ausführt. Diese Hypothesen werden im Folgenden empirisch getestet. Der Test basiert auf der Messung der Geld-Brief-Spanne und ihrer Zerlegung in zwei Bestandteile: Einen Teil (die Adverse-Selection-Komponente), der die Informationsrisikokosten misst und einen Teil (die realisierte Spanne), der den (Brutto) Gewinn der Liquiditätsanbieter misst.
3 Datenbasis Der für die empirische Untersuchung verwendete Datensatz umfasst eine Stichprobe von fünfzehn Aktien^^ im Zeitraum vom 26. September bis 25. Oktober 1996 (21 Handelstage). Tabelle 3 enthält Informationen zu Marktkapitalisierung und Handelsvolumen der in der Stichprobe enthaltenen Werte. Der Datensatz enthält jeweils die vollständigen Informationen über alle Kursfeststellungen und die im Orderleitsystem BOSS [Börsen-Order-ServiceSystem) zum Zeitpunkt der einzelnen Kursfeststellungen festgehaltenen Informationen über die Zusammensetzung des Orderbuches. Für die Analyse
^^ Für eine genauere Darstellung des Datensatzes, in der auch die Auswahl der Aktien erläutert wird, vgl. Freihube et al. (1999).
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wurden die folgenden Informationen für alle Transaktionen des kontinuierlichen Handels^^ verwendet: • • • •
Kurs und Umsatz Beteiligung des Maklers (Stückzahl, Kauf oder Verkauf) Geld- u n d Briefpreis unmittelbar vor der Transaktion Geld- und Briefpreis unmittelbar nach der Transaktion
Die Geld- und Briefpreise sind die vom Makler im Verlauf des Präsenzhandels publizierten Pretrades. Diese sind zwar rechtlich nicht bindend (sie stellen Kurstaxen dar), faktisch können sie jedoch als verbindliche Geld- und Briefpreise betrachtet werden.
Tabelle 3. Die Aktien in der Stichprobe Unternehmen Bayer BMW Continental Daimler Deutsche Babcock Deutsche Bank Dresdner Bank FAQ Kugelfischer Heidelberger Zement Karstadt Mannesmann Siemens VEW Viag Volkswagen ungewichteter Mittelwert Standardabweichung
Markt kapitalisierung (Dez., 1996, Mio. DM)
Handelsvolumen (26.09.-25.10.1996, DM)
44.359 21.106 2.627 54.575 287 36.130 21.406 1.274 5.478 4.368 24.484 39.944 6.778 16.063 22.236 19.219 16.657
509.122.058 238.669.568 78.669.577 716.676.154 13.864.642 624.281.975 324.571.252 80.216.114 35.305.468 84.340.264 511.915.206 573.450.588 17.560.672 261.068.535 473.479.658 287.991.098 188.790.714
Die Angaben zur Marktkapitalisierung wurden dem Fact Book 1996 der Deutschen Börse AG entnommen. Die Angaben über das Handelsvolumen wurden auf Basis des hier verwendeten Datensatzes ermittelt und umfassen somit alle über BOSS-CUBE erfassten Geschäfte sowie die Zuruforder und die Aufgabegeschäfte der Makler im Parketthandel.
^^ Transaktionen zum Eröffnungs-, Kassa- und Schlusskurs sind folglich nicht enthalten. Außerdem wurden alle Beobachtungen eliminiert, bei denen der Transaktionspreis um mehr als 5% vom Spannenmittelpunkt abwich. Diese Filterregel zum Ausschluss von Ausreißern unterscheidet sich von der bei Freihube et al. (1999). Das führt dazu, dass die Ergebnisse bezüglich der Buchspanne und der quotierten Spanne zwar ähnlich, aber nicht identisch sind.
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Die Daten aus dem elektronischen System BOSS wurden ergänzt um die Daten manuell erfasster so genannter Zuruforders. Diese Aufträge werden dem zuständigen Kursmakler im Verlauf des Präsenzhandels von den auf dem Parkett anwesenden Marktteilnehmern zur Berücksichtigung bei den laufenden Kursfeststellungen aufgegeben. Die Orderbuchinformationen und die Daten zu den Pretrades hat die Handelsüberwachungsstelle (HÜSt) an der Frankfurter Wertpapierbörse nach Einverständnis aller betroffenen Kursmakler bereitgestellt. Die von den Kursmaklern im Rahmen des Präsenzhandels getätigten Aufgabegeschäfte wurden von diesen selbst manuell erfasst. Der Datensatz enthält mit den Informationen zu den Eigengeschäften der Makler personenbezogene Daten. Im Folgenden werden daher nicht die Ergebnisse der individuellen Aktien dargestellt. Statt dessen werden die Aktien in drei nach Handelsvolumen gebildete Gruppen zusammengefasst und jeweils (ungewichtete) Durchschnittswerte für diese Gruppen berichtet.
4 Empirische Ergebnisse Tabelle 4 gibt zunächst einen Überblick über das Ausmaß der Partizipation der Makler am Handelsgeschehen. Der Makler ist an über 82% aller Transaktionen beteiligt. Dabei übernimmt er allerdings in vielen Fällen nur einen Spitzenausgleich, sein Anteil am Handelsvolumen ist geringer und liegt bei durchschnittlich 38%. Ein Vergleich der Maklerpartizipation zwischen den drei Gruppen verdeutUcht, dass die Maklerpartizipation bei den hquideren Aktien höher ist.-^^ Die Aktivität des Maklers sollte zu einer Erhöhung der Marktliquidität führen. Inwieweit das der Fall ist, lässt sich durch eine Analyse der GeldBrief-Spannen überprüfen.-^"^ Ausgangspunkt ist dabei die Buchspanne. Das ist diejenige Geld-Brief-Spanne, die sich alleine aufgrund der Aufträge im Orderbuch - also gerade ohne Beteiligung des Maklers - ergäbe. Die Buchspanne beträgt im Durchschnitt 0,67% und ist, wie zu erwarten, für Aktien mit geringerem Handelsvolumen höher. Die vom Makler in Form der Pretrades publizierte quotierte Geld-BriefSpanne ist deutlich geringer und beträgt im Durchschnitt 0,39%. In diesen quotierten Spannen kommt die Bereitschaft des Maklers zum Ausdruck, Aufgabegeschäfte zu tätigen und dabei zu Preisen abzuschließen, die (aus Sicht 13
Zu diesem Ergebnis (das dem von Madhavan und Sofianos (1998) für die New York Stock Exchange widerspricht) kamen bereits Freihube et al. (1999). Dort werden auch mögliche Erklärungen für den positiven Zusammenhang zwischen Handelsvolumen und Maklerpartizipation diskutiert. Die bei Abschlüssen auf dem Parkett zu zahlende Maklercourtage wird im Folgenden nicht berücksichtigt. Die dokumentierten Geld-Brief-Spannen unterschätzen daher die tatsächlichen Transaktionskosten.
Intermediation und Informationsasymmetrie beim Aktienhandel
403
des Kontrahenten) besser sind als die sich aus dem Orderbuch ergebenden Preise. Die quotierte Geld-Brief-Spanne überschätzt die Transaktionskosten dann, wenn es Transaktionen zu Preisen innerhalb der quotierten Spanne gibt. Da es im Frankfurter Parketthandel häufig zu solchen Abschlüssen kommt, sollte auch die effektive Geld-Brief-Spanne als Liquiditätsmaß verwendet werden. Sie wird üblicherweise nach der Formel
\Pt-MQ,\ berechnet, wobei P der Transaktionspreis und MQ der Mittelpunkt der quotierten Geld-Brief-Spanne vor der Transaktion ist. Diese Formulierung unterstellt, dass jede Transaktion zu einem Preis oberhalb des Spannenmittelpunkts eine käuferinitiierte Transaktion ist und entsprechend jede Transaktion zu einem Preis unterhalb der Spannenmitte eine verkäuferinitiierte Transaktion ist. Der hier verwendete Datensatz lässt jedoch erkennen, dass das nicht immer gerechtfertigt ist. Es gibt Fälle, in denen der Transaktionspreis unter [über] dem Spannenmittelpunkt liegt und trotzdem der Makler als Verkäufer [Käufer] auftritt. Daher wurden zunächst alle Transaktionen danach kategorisiert, ob sie käufer- oder verkäuferinitiiert sind. Dies geschah nach der folgenden Regel: • • •
Tritt der Makler als Käufer auf, ist die Transaktion verkäuferinitiiert; Tritt der Makler als Verkäufer auf, ist die Transaktion käuferinitiiert; Ist der Makler gar nicht an der Transaktion beteiligt, erfolgt die Kategorisierung gemäß dem Algorithmus von Lee und Ready (1991).
Diese Einteilung wird in der Indikatorvariable It zusammengefasst, die für käuferinitiierte Transaktionen den Wert 1 und für verkäuferinitiierte Transaktionen den Wert -1 annimmt. Auf dieser Basis wird dann die effektive Spanne definiert als:
Jt{P,-MQt) ''^'' = ^ MQ, Die Zahlen in Tabelle 4 zeigen, dass die effektive Spanne im Durchschnitt mit 0,16% deutlich niedriger ist als die quotierte Spanne.-^^ Das ist Ausdruck der Tatsache, dass zahlreiche Transaktionen zu Preisen innerhalb der quotierten Spanne stattfinden. Eine nicht unerhebliche Zahl von Abschlüssen erfolgt sogar zu einem Preis, der dem Mittelpunkt der quotierten Spanne entspricht. Bei diesen Transaktionen ist die effektive Spanne Null. Bis hier entsprechen die Ergebnisse denen früherer Arbeiten (insbesondere Freihube et al. 1999) und lassen die Tätigkeit der Makler in einem positiven ^^ Freihube et al. (1999) verwenden die oben angesprochene übliche Berechnungsweise der effektiven Spanne. Dementsprechend fallen die dort für die effektive Spanne angegebenen Werte höher aus.
404
Erik Theissen Tabelle 4. Maklerpartizipation und Geld-Brief-Spannen
Gruppe 1 Gruppe 2 Gruppe 3 (ungew.) Mittelwert
Anteil Transaktionen mit Maklerpartizipation, in %
Partizipationsrate (Anteil am Handelsvolumen), in %
Buchspanne, in%
quotierte Spanne, in%
effektive Spanne, in%
94,00 79,46 72,68
51,77 39,01 23,84
0,2792 0,4606 1,2628
0,1139 0,2182 0,8447
0,0465 0,0908 0,3486
82,05
38,21
0,6675
0,3923
0,1620
Die Aktien wurden nach ihrem Handelsvolumen in drei Gruppen eingeteilt; Gruppe 1 enthält die Aktien mit dem höchsten Handelsvolumen Licht erscheinen. Sie quotieren Spannen, die enger sind als die Buchspanne und stellen auf diese Weise zusätzliche Liquidität bereit. Zudem schließen sie häufig zu Preisen innerhalb der quotierten Spanne ab, was zu einer weiteren Verringerung der Transaktionskosten führt. Die zentrale Hypothese des vorliegenden Beitrags ist aber nun, dass die Makler bei der Entscheidung für ein Aufgabegeschäft selektiv vorgehen. Sie werden tendenziell dann ein Aufgabegeschäft tätigen, wenn sie die Informationsrisikokosten gering einschätzen. Im Folgenden werden die aus dieser Überlegung heraus zuvor entwickelten Hypothesen getestet. Hypothese 1 besagt, dass die effektive Spanne bei Transaktionen mit Maklerbeteiligung geringer ist. Um diese Hypothese zu testen, werden zunächst alle Transaktionen nach der Partizipation des Maklers in drei Gruppen eingeteilt: • • •
Transaktionen ohne Maklerbeteiligung (Partizipationsrate 0) Transaktionen mit Maklerbeteiligung, bei denen aber der Makler nicht allein als Gegenpartei auftritt (Maklerpartizipation zwischen 0 und 1) Transaktionen, bei denen der Makler entweder einziger Käufer oder einziger Verkäufer ist (Partizipationsrate 1).
Tabelle 5 zeigt die durchschnittliche effektive Spanne für diese drei Gruppen. Bei Transaktionen ohne Maklerbeteiligung beträgt sie 0,296%. Bei Transaktionen mit teilweiser bzw. hundertprozentiger Maklerbeteiligung ist sie mit 0,102% bzw. 0,185% deutlich geringer. Derartige Unterschiede zwischen den effektiven Spannen bei Transaktionen mit und ohne Maklerbeteiligung zeigen sich bei allen 15 Aktien der Stichprobe. Bei 10 Aktien sind die Unterschiede statistisch signifikant auf dem 5%-Niveau, bei einer weiteren Aktie sind sie signifikant auf dem 10%-Niveau. Daher kann die erste Hypothese als bestätigt angesehen werden. Etwas seltsam erscheint auf den ersten Blick, dass die effektive Spanne bei teilweiser Maklerpartizipation deutlich kleiner ist als bei hundertprozentiger Partizipation. Eine mögliche Erklärung beruht auf der Tatsache, dass unter
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den Transaktionen mit teilweiser Partizipation viele Abschlüsse sind, bei denen der Makler nur eine geringe Stückzahl zum Spitzenausgleich übernimmt. Er mag bereit sein, sich in diesem Fall mit einer geringen (oder sogar negativen) Spanne zufrieden zu geben, da er ja die Courtage für das gesamte Transaktionsvolumen erhält. Tabelle 5. Maklerpartizipation und effektive Halbspanne Partizipationsrate P Gruppe 1 Gruppe 2 Gruppe 3 (ungew.) Mittelwert
0
effektive Spanne, i n % 0
1
0,0833 0,1732 0,6313
0,0361 0,0404 0,2297
0,0579 0,1036 0,3946
0,2960
0,1020
0,1854
Die Aktien wurden nach ihrem Handelsvolumen in drei Gruppen eingeteilt; Gruppe 1 enthält die Aktien mit dem höchsten Handelsvolumen Die Hypothesen 2 und 3 beziehen sich auf die Informationsrisikokosten und die realisierte Spanne. Bevor sie getestet werden können, ist zunächst zu erläutern, wie die Spanne in diese beiden Komponenten zerlegt werden kann. Diese Dekomposition erfolgt nach dem von Huang und Stoll (1996) vorgeschlagenen Verfahren. Das Verfahren beruht auf der Überlegung, dass sich wegen des Informationsgehalts einer Transaktion die Preise nach der Transaktion anpassen werden. Nach einer käuferinitiierten Transaktion werden die Preise tendenziell steigen, nach einer verkäuferinitiierten Transaktion werden sie sinken. Es sei At ein Zeit Intervall, von dem man annimmt, dass sich nach dieser Zeit die Preise vollständig angepasst haben. Man verwendet nun den Spannenmittelpunkt im Zeitpunkt t-\-At als Schätzwert für den tatsächlichen Wert des Wertpapiers nach dieser Anpassung. Aus der Gegenüberstellung dieses Werts mit dem ursprünglichen Transaktionspreis erhält man nun die realisierte Halbspanne als Schätzwert für die Bruttogewinne der Liquiditätsanbieter:
MQt Die Informationsrisikokosten ergeben sich als Differenz zwischen der halben effektiven Spanne und der realisierten Halbspanne. Sie messen den Teil der effektiven Halbspanne, der sich nicht in Bruttogewinnen der Liquiditätsanbieter niederschlägt, sondern in Transaktionen mit besser informierten Marktteilnehmern verloren geht. Zu bestimmen ist nun noch die Länge des Intervalls Ät. Im Folgenden werden zwei unterschiedliche Intervalllängen verwendet:
406 •
•
Erik Theissen Es wird zum einen der auf die jeweilige Transaktion nächstfolgende Spannenmittelpunkt verwendet. Diese Vorgehensweise unterstellt, dass der Preiseinfluss einer Transaktion vom Makler (zumindest im Durchschnitt) sofort richtig eingeschätzt und in den nachfolgend publizierten Pretrades verarbeitet wird. Zum anderen wird eine „Wartezeit" von fünf Minuten berücksichtigt und dann der Spannenmittelpunkt der nächsten nach mindestens fünf Minuten publizierten Pretrades verwendet. Tabelle 6. Informationsrisikokosten und realisierte Spanne I
Partizipationsrate P
Informationsrisikokosten, % 0
Gruppe 1 Gruppe 2 Gruppe 3 (ungew.) Mittelwert
0,0304 0,0633 0,2482
0,0101 0,0082 -0,0175
0,0132 0,0303 0,0503
0,0112 0,0233 0,0568
0,0077 0,0133 0,1281
0,0156 0,0219 0,1517
0,1140
0,0003
0,0313
0,0304
0,0497
0,0631
Realisierte Spanne, % 0
Die Aktien wurden nach ihrem Handelsvolumen in drei Gruppen eingeteilt; Gruppe 1 enthält die Aktien mit dem höchsten Handelsvolumen
Tabelle 6 zeigt die Ergebnisse, die sich bei Verwendung der ersten Variante ergeben. Für alle drei nach dem Handelsvolumen gebildeten Aktiengruppen ergibt sich für die Informationsrisikokosten ein Bild, das mit der Hypothese vereinbar ist: Die Informationsrisikokosten sind bei den Transaktionen mit teilweise oder vollständiger Maklerbeteiligung deutlich geringer als bei Transaktionen ohne Maklerbeteiligung. In Bezug auf die realisierte Spanne ergibt sich dagegen ein weniger eindeutiges Bild. Die Hypothese, dass sie für Transaktionen mit Maklerbeteiligung höher sei, kann für die Gruppe der Aktien mit dem geringsten Handelsvolumen bestätigt werden. Bei den Aktien mit dem höchstem Handelsvolumen gilt dies nur für Transaktionen mit hundertprozentiger Maklerbeteiligung. Bei der mittleren Gruppe ist die realisierte Spanne bei Transaktionen ohne Maklerbeteiligung am höchsten, was im Widerspruch zu Hypothese 3 steht. Die Ergebnisse für die zweite Variante sind in Tabelle 7 dargestellt. Dabei ergibt sich ein ähnliches Bild: Die Informationsrisikokosten sind für Transaktionen mit Maklerbeteiligung generell niedriger. Die realisierte Spanne ist für Transaktionen mit Maklerbeteiligung in der ersten und dritten Gruppe generell höher. In der mittleren Gruppe ist sie nur für Transaktionen mit hundertprozentiger Maklerbeteiligung höher. Wie sind nun diese Ergebnisse zu interpretieren? Offensichtlich gelingt es den Maklern tendenziell, Transaktionen mit erhöhtem Informationsrisiko zu identifizieren und bei diesen Abschlüssen keine Aufgabegeschäfte zu tätigen. Das führt in der Konsequenz dazu, dass die limitierten Aufträge im Orderbuch einem erhöhten Informationsrisiko ausgesetzt sind.
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Tabelle 7. Informationsrisikokosten und realisierte Spanne II Realisierte Spanne, % 0 0
Paxtizipationsrate P
Informationsrisikokosten, % 0 0
Gruppe 1 Gruppe 2 Gruppe 3 (ungew.) Mittelwert
0,0391 0,0678 0,4381
0,0121 0,0022 0,0406
0,0192 0,0156 0,0585
0,0020 0,0199 -0,1141
0,0068 0,0182 0,0491
0,0098 0,0349 0,1408
0,1817
0,0183
0,0311
-0,0307
0,0247
0,0618
Die Aktien wurden nach ihrem Handelsvolumen in drei Gruppen eingeteilt; Gruppe 1 enthält die Aktien mit dem höchsten Handelsvolumen Erhöhte realisierte Spannen für Transaktionen mit Maklerbeteiligung können für die Gruppe der am wenigsten liquiden Aktien generell nachgewiesen werden. Für die liquideren Werte sind die Ergebnisse weniger eindeutig. Eine denkbare Erklärung für diese Asymmetrie besteht in der Konkurrenz durch das elektronische Handelssystem IBIS. Im Untersuchungszeitraum hatte IBIS nur bei den liquideren Werten ein dem Parketthandel vergleichbares Umsatzvolumen vorzuweisen. Diese Konkurrenz mag die Makler dazu gezwungen haben, die Vorteile der geringeren Informationsrisikokosten in Form einer geringeren effektiven Spanne ganz oder teilweise an die Kontrahenten weiterzugeben. Bei den weniger liquiden Werten war dagegen das Handelsvolumen in IBIS vernachlässigbar. ^^ Insofern ist es plausibel, dass die Makler bei den weniger liquiden Aktien über Marktmacht verfügten, die höhere realisierte Spannen erlaubte.
5 Schlussfolgerungen Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit der Rolle von Intermediären im Aktienhandel und führt eine empirische Untersuchung anhand von Daten des Frankfurter Parketthandels durch. Die hier tätigen Makler tragen einerseits zu einer Erhöhung der Liquidität des Handels bei. Dies wurde bereits in früheren Arbeiten dokumentiert. Andererseits besteht jedoch die Möglichkeit, dass die Makler ihren Informationsvorsprung zu Lasten der Anleger, die limitierte Aufträge erteilen, ausnutzen. Dieser Verdacht wird in einem sehr einfachen Modell formalisiert. Die daraus resultierenden Hypothesen - geringere Informationsrisikokosten und höhere realisierte Spannen bei Transaktionen mit Maklerbeteiligung - werden dann empirisch getestet. ^® Bis Anfang 1996 konnten in IBIS überhaupt nur 40 Aktien, darunter die 30 DAXWerte, gehandelt werden. Erst im Januar 1996 wurde die Zahl der handelbaren Aktien durch Einbeziehung der MDAX-Werte erhöht. Es sei darauf hingewiesen, dass es sich bei den weniger liqmden Aktien der Stichprobe immerhin noch tun MDAX-Werte handelt.
408
Erik Theissen
Die Hypothese geringerer Informationsrisikokosten kann dabei eindeutig bestätigt werden. Eine höhere reahsierte Spanne bei Transaktionen mit Maklerbeteihgung ist dagegen hauptsächUch bei Aktien mit geringem Handelsvolumen feststellbar. Dies mag mit der hier fehlenden Konkurrenz durch den parallelen elektronischen Handel zusammenhängen. Die Ergebnisse erlauben zwar detaillierte Einblicke in die Tätigkeit der Makler, sie erlauben aber keine Aussage darüber, ob die Institution des Maklers insgesamt vorteilhaft ist. Hierfür wäre es erforderlich, einen Markt mit Maklerbeteiligung mit einem ansonsten identischen Auktionsmarkt ohne Maklerbeteiligung zu vergleichen.
Literaturverzeichnis 1. Angel J. (1997): Who gets price improvement on the NYSE? Working Paper, Georgetown University, October. 2. Benveniste, L., Marcus, A., Wilhelm, W. (1992) : What's special about the specialist? In: Journal of Financial Economics, 32, 1992, 61-86. 3. Desgranges, G., Foucault, Th. (2002): Reputation-based pricing and price improvements in dealership markets. Working Paper, University of Cergy-Pontoise und Groupe HEG, Mai. 4. Preihube T., Kehr C.-H., Krahnen J., Theissen E. (1999): Was leisten die Kursmakler? Eine empirische Untersuchung am Beispiel der Frankfurter Wertpapierbörse. In: Kredit und Kapital, 32, 1999, 426-460. 5. Glosten L. (1989): Insider trading, liquidity, and the role of the monopolist specialist. In: Journal of Business, 62, 1989, 211-235. 6. Glosten L., Milgrom P. (1985): Bid, ask and transaction prices in a specialist market with heterogeneously informed traders. In: Journal of Financial Economics, 14, 1985, 71-100. 7. Huang R., Stoll H. (1996): Dealer versus auction markets: A paired comparison of execution costs on NASDAQ and the NYSE. In: Journal of Financial Economics, 41, 1996, 313-357. 8. Leach J., Madhavan A. (1993): Price experimentation and security market structure. In: Review of Financial Studies, 6, , 1993, 375-404. 9. Lee G., Ready M. (1991): Inferring trade direction from intraday data. In: Journal of Finance, 46, 1991, 733-746. 10. Madhavan A., Sofianos G. (1998): An empirical analysis of NYSE specialist trading. In: Journal of Financial Economics, 48, 1998, 189-210. 11. Gehler A, Hacker M. (2004): Kurseinfluss mittlerer und großer Transaktionen am deutschen Aktienmarkt. In: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 74, 2004, 4 6 1 486. 12. Ready M. (1999): The specialist's discretion: Stopped Orders and price improvement. In: Review of Financial Studies, 12, 1999, 1075-1112. 13. Seppi D. (1997): Liquidity-based competition for order flow. In: Review of Financial Studies, 11, 1997, 789-816. 14. Wilhelm, J. (2001a): Kapitalmarkttheorie. In: R. Bühner (Hrsg.): ManagementLexikon, München et al., Oldenbourg Verlag, 2001. 15. Wilhelm, J. (2001b): Gapital Asset Pricing Model. In: R. Bühner (Hrsg.): Management-Lexikon, München et al., Oldenbourg Verlag, 2001.
Teil IV
Bewertung
Unternehmens-Restrukturierung und unternehmensinterne Synergien - eine bewertungstheoretische Annäherung Bernhard Nietert Universität Passau, Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, Innstraße 27, D-94032 Passau nietertQuni-passau.de
Gliederung 1
Einleitung
412
1.1 1.2
Einführung in die Problemlage Methodik der Untersuchung
412 414
2
Unternehmensinterne Synergien
419
2.1 2.2
419
2.3
Modellierung unternehmensinterner Synergien Kritische stand alone Risikoprämien von UnternehmensRestrukturierungen Kritischer Erwartungswert der Synergie-Rendite
422 429
3
Zusammenfassung und Ausblick
430
A
Anhang
431
A.l Begründungsskizze für die Vermögensdynamik und gewählte Definition der Synergie-Renditen A.2 Notwendige Bedingungen und kritische Risikoprämien bei unternehmensinternen Synergien Literaturverzeichnis
431 433 435
412
Bernhard Nietert
1 Einleitung 1.1 Einführung in die Problemlage Seit Mitte der neunziger Jahre bildet die Stärkung von Kernkompetenzen einen wichtigen Bestandteil der Unternehmensstrategie^. Durch Verkauf von Randbereichen und Zukauf von Teilen, die zum Kerngeschäft passen, sind Unternehmensleitungen bestrebt, Synergien und damit Steigerungen des Unternehmenswertes zu erreichen, die weit über die eines bloßen going concern hinausgehen^. Zu den bekanntesten Beispielen derartiger Unternehmens-Restrukturierungen in Deutschland gehören der Umbau der DaimlerChrysler AG von einem Technologie- zu einem internationalen Automobilkonzern und die Konzentration der E.ON AG auf die Bereiche Strom, Wasser und Gas. Derartige massive Unternehmens-Restrukturierungen bringen aber auch Risiken für die Unternehmenseigner mit sich. Zum einen ist nicht sicher, in welcher Höhe Restrukturierungs- und Synergie-Gewinne überhaupt realisiert werden können^. Zum anderen weisen Unternehmen nach der Restrukturierung ein anderes Risikoprofil auf als vorher, eine Tatsache, die Unternehmenseigner zu, je nach Eigner-Spezifika unterschiedlich hohen, Umschichtungen ihres Privatvermögens zwingt. - Insofern verwundert es wenig, dass Unternehmenseigner den Erfolg von Unternehmens-Restrukturierungen unterschiedlich beurteilen: Immerhin 12% der DaimlerChrysler-Aktionäre bewerteten auf der Hauptversammlung im April 2004 die Konzernstrategie von Jürgen Schrempp negativ, während auf E.ON Hauptversammlungen bisher keine Opposition gegen die Unternehmens-Restrukturierung geäußert wurde. Das Ziel dieses Beitrags besteht darin, Unternehmens-Restrukturierungen und Synergien, die durch einen Zukauf von (Teil-) Unternehmen verursacht werden, sowie unterschiedliche Spezifika von Eignern zu einem theoretischen Bewertungsmodell zu vereinen, um Ansatzpunkte für unterschiedliche Beurteilungen des Zukaufs durch die Unternehmenseigner zu identifizieren. Das zentrale Analyseinstrument in diesem Zusammenhang besteht in einer bewertungstheoretisch ermittelten kritischen stand alone Risikoprämie für die Unternehmens-Restrukturierung. Diese kritische stand alone Risikoprämie stellt diejenige Risikoprämie dar, die die Unternehmens-Restrukturierung über die Synergie-Rendite hinaus erwirtschaften muss, und trennt positiv von negativ beurteilten Unternehmens-Restrukturierungen. Spezifika von Eignern werden eingefangen über die Unterscheidung zwischen Investoren, die ihren Anteil am Unternehmen variieren können - nachfolgend kurzfristige In^ Vgl. zum Beispiel Achleitner/Wahl (2003, S. 2 und 66). 2 Vgl. beispielsweise Rappaport (1986, S. 10 und 103), Weber (1991, S. 99) und Weiß (2001, S. 670). ^ Vgl. z.B. Porter (1985, S. 318) und Rappaport (1986, S. 209). Daraus wird dann die Notwendigkeit abgleitet, Synergien explizit zu managen (vgl. z. B. Paprottka (1996) und Krüger (2001)).
Unternehmens-Restrukturierung und unternehmensinterne Synergien
413
vestoren genannt - und solche, bei denen das nicht mögUch ist - langfristige Investoren. Die kritische stand alone Risikoprämie der Unternehmens-Restrukturierung ergibt sich aus dem Zusammenspiel von Erwartungswert- und RisikoWirkungen, die von Unternehmens-Restrukturierungen und Synergien verursacht werden. Dabei kommt sowohl dem Ausmaß der Unternehmens-Restrukturierung als auch der Korrelation der Restrukturierungs- und SynergieRisiken mit dem bisherigen Portfolio des Entscheiders eine zentrale Rolle zu. Darüber hinaus ist die kritische stand alone Risikoprämie der UnternehmensRestrukturierung für kurzfristige Investoren präferenzunabhängig, weil die Variation des Unternehmensanteils eine optimale Diversifikation des Unternehmensrisikos erlaubt. Dagegen liegt für langfristige Investoren eine präferenzabhängige Beurteilung der Unternehmens-Restrukturierung vor - die fehlende Gestaltbarkeit des Unternehmensanteils erfordert eine explizite Bewertung des Unternehmensrisikos mittels einer Nutzenfunktion. Dieser Beitrag greift eine Idee auf, die Wilhelm in Deutschland als einer der Ersten vertreten hat: bewertungstheoretisches know-how von der Finanzwirtschaft auf die Beurteilung von Unternehmenspolitiken zu übertragen^. In diesem Zusammenhang erweitert meine Arbeit die Literatur an zwei Stellen. Einerseits nähert sich die Literatur dem Bereich Unternehmens-Restrukturierungen/Synergien entweder über verbale Chancen-Risiken-Abwägungen (vgl. beispielsweise Porter (1985) und Rappaport (1986)) oder empirisch (vgl. z.B. Sirower (2001)). Mein Beitrag untersucht dagegen Unternehmens-Restrukturierungen und Synergien bewertungstheoretisch, d.h. wählt einen präskriptiven anstatt eines (primär) deskriptiven Zugangs. Auf diese Weise können die Einflussfaktoren der Restrukturierungs-Entscheidung genau herausgearbeitet und Lösungen für zwei Fragen vorgeschlagen werden, deren Antwort die beschreibende Literatur noch schuldig bleiben musste: Erstens, inwieweit beeinflusst die relative Größe der Akquisition die Performance des akquirierenden Unternehmens und, zweitens, wie hoch sollte der Erwartungswert der Synergie-Rendite sein, wenn es sich um verwandte Akquisitionen handelt?^ - Andererseits erfolgt eine Verallgemeinerung der Modellierung unternehmensinterner Synergien, indem sie als Funktion des Restrukturierungsumfangs aufgefasst werden. Kürsten (2003) unterstellt volumenunabhängige Synergien, Pfäff/Pfeiffer/Gathge (2002) modellieren Synergien als Funktion des Volumens des alten Investitionsprogramms, aber als unabhängig vom Ausmaß der zu bewertenden Unternehmens-Restrukturierung^. Entsprechend dem Untersuchungsziel ergibt sich folgender Aufbau der Arbeit: Im restlichen Teil von Kapitel 1 wird der Modellrahmen vorgestellt. Ka^ Wilhelm (1983) diskutiert Verschuldungs-, Dividenden- und Investitionspolitik, Wilhelm (1989) die Einmütigkeit von Unternehmenseignern und Wilhelm (2005) die Bewertung ganzer Unternehmen. ^ Vgl. beispielsweise Sirower (2001, S. 172) für das erste und Sirower (2001, S. 193 f.) für das zweite Problem. ^ Vgl. Kürsten (2003, S. 245) und Pf äff/Pfeiffer/Gathge (2002, S. 202).
414
Bernhard Nietert
pitel 2 untersucht das Zusammenspiel von Unternehmens-Restrukturierung, Eigner-Spezifika und unternehmensinternen Synergien. Die Arbeit schheßt (Kapitel 3) mit einer Zusammenfassung und einem Formel-Anhang. 1.2 Methodik der Untersuchung 1.2.1 Beurteilungskriterium Zur Beurteilung des Erfolgs von Unternehmens-Restrukturierungen wird folgendes Beurteilungskriterium herangezogen: Eigner bewerten die Unternehmens-Restrukturierung dann positiv, wenn die tatsächliche stand alone Risikoprämie der Unternehmens-Restrukturierung über der von Eignern geforderten stand alone Risikoprämie liegt; eine negative Beurteilung ergibt sich, falls die tatsächliche die geforderte stand alone Risikoprämie unterschreitet. Entspricht dagegen die tatsächliche der geforderten stand alone Risikoprämie, sind Eigner indifferent zwischen Durchführung und Unterlassen der Unternehmens-Restrukturierung. Die stand alone Risikoprämie der UnternehmensRestrukturierung bezeichnet dabei die Risikoprämie, die die UnternehmensRestrukturierung über die Synergie-Rendite hinaus erwirtschaften muss. Die geforderte (kritische) Risikoprämie wird in Anlehnung an Cox/Ingersoll/Ross^s (1985) und SchöheVs (1995) Vorgehensweise bei der DerivateBewertung wie folgt ermittelt: Zuerst differenziert man die Zielfunktion der Unternehmenseigner nach dem Ausmaß der Unternehmens-Restrukturierung. Dann löst man diese notwendige Bedingung nach der stand alone Risikoprämie der Unternehmens-Restrukturierung auf. 1.2.2 Modellrahmen Die Wahl des Modellrahmens wird von zwei Überlegungen bestimmt. Einerseits zeichnen sich Unternehmen durch Zahlungsströme aus und sind deshalb in einem mehr periodigen Modellrahmen zu beurteilen. Andererseits sollten kritische Risikoprämien (möglichst einfach) zu berechnen sein, um auf diese Weise das Zusammenspiel von Unternehmens-Restrukturierungen/Synergien und Eigner-Spezifika in das Zentrum der Untersuchung stellen zu können. Insofern bietet sich als Kompromiss der Modellrahmen des einfachsten dynamischen Entscheidungsproblems an: der des zeitstetigen Portfolio-Problems von Merton (1969) zur Charakterisierung von Entscheidern und Alternativanlagen und der von Leland (1998) zur Modellierung von Realinvestitionsobjekten. Konkret seien folgende Annahmen formuliert:
Unternehmens-Restrukturieriing und unternehmensinterne Synergien -
415
Annahme 1: Anlagemöglichkeiten
Es stehen ein Unternehmen, eine risikofreie Anlage (mit identischem SoUund Habenzinssatz) und eine^ riskante Anlage für Investitionszwecke zur Verfügung. Es sei angenommen, die Wertentwicklung der riskanten Anlage folge einer geometrisch Brown'schen Bewegung, d. h. die riskante Anlage Pf weise eine normalverteilte Rendite auf
^^EM^apfdt^-apfdzpfit)
(1)
Die Rendite der sicheren Anlage 0 laute dPo{t) ^ rät Po{t)
(2)
wobei dPi{t) die Änderung des Preises Pi{t) des Titel i {i G {Pf, 0}), r die risikolose Verzinsung pro Zeiteinheit, dt eine infinitesimale Änderung der Zeit, apf die erwartete Rendite (pro Zeiteinheit) der riskanten Anlage, apf die Standardabweichung (pro Zeiteinheit) der Rendite der riskanten Anlage und dzpfit) das Inkrement des Wiener-Prozesses der riskanten Anlage bezeichnet. -
Annahme 2: freiwillige Unternehmens-Restrukturierung
Achleitner/Wahl (2003)^ unterscheiden zwischen unfreiwilligen und freiwilligen Unternehmens-Restrukturierungen. Unfreiwillige Unternehmens-Restruktur ierungen sind nicht durch die Unternehmensleitung motiviert, sondern durch externe Faktoren, die außerhalb des Entscheidungsbereichs des Managements liegen (beispielsweise staatliche Gewalt in Form einer Fusionskontrolle). Freiwillige Unternehmens-Restrukturierungen werden dagegen mit dem Ziel der Unternehmenswertsteigerung durchgeführt, wobei sowohl das „Ob" als auch das „Wie" der Unternehmens-Restrukturierung im Ermessen der Unternehmensleitung liegen. Darüber hinaus ist zwischen leistungswirtschaftlichen Restrukturierungen einerseits^ und finanziellen Restrukturierungen (beispielsweise durch Umbau der Kapitalstruktur) andererseits^° zu differenzieren. - Da Unternehmens-Restrukturierungen in dieser Arbeit als Entscheidungsproblem aufgefasst werden, sind ausschließlich freiwillige Unternehmens-Restrukturierungen von Interesse. Darüber hinaus erfolgt eine Beschränkung auf leistungswirtschaftliche Unternehmens-Restrukturierungen. 7
Diese riskante Anlage kann im Sinne der Portfolio-Separation von Merton (1971, S. 348) interpretiert werden und fasst deshalb die Gesamtheit aller unsicheren Titel (mit Ausnahme des Unternehmens) zu einer Zahlungsgröße zusammen. Vgl. Achleitner/Wahl (2003, S. 48). Vgl. beispielsweise Weiß (2001, S. 670). Vgl. z.B. Rappaport (1986, S. 103).
416
Bernhard Nietert
Modelltechnisch sei eine Unternehmens-Restrukturierung wie folgt eingefangen: Vor der Restrukturierung besteht das Unternehmen aus einem alten Investitionsobjekt lOait, das zu einem früheren Zeitpunkt als dem Betrachtungszeitpunkt 0 initiiert worden war. Im Zeitpunkt 0 wird von der Unternehmensleitung eine einmalige Unternehmens-Restrukturierung in Form eines Zukaufs^-^ eines (Teil-) Unternehmens in einem bestimmten Ausmaß entweder vorgenommen (ex post Beurteilung) oder vorgeschlagen (ex ante Beurteilung)^^. Eine solche Vorgehensweise unterstellt demnach, Unternehmenseigner könnten die Restrukturierung nur beurteilen, besäßen aber kein Initiativrecht für Unternehmens-Restrukturierungen. Konkret wird die Unternehmens-Restrukturierung in Form des Zukaufs stilisiert als neues Investitionsobjekt lOneu modelliert, das einmalig im Zeitpunkt 0 in einem für alle Eigner exogenen Anteil Wneu (am restrukturierten Gesamt unternehmenswert) durchgeführt wird/wer den soll. Die Rendite des Unternehmens nach Restrukturierung besteht damit aus (1 — w^eu) Teilen der Rendite des alten Investitionsobjektes und Wneu Teilen der Rendite des neuen Investitionsobjektes (der Restrukturierungs-Maßnahme). Geht Wneu gegen eins, wird das Unternehmen massiv restrukturiert, weil die RenditeRisiko-Charakteristika des Unternehmens zum großen Teil durch die der Restrukturierungs-Maßnahme geprägt werden. Liegt Wneu dagegen in der Nähe von null, wird eine kleine Unternehmens-Restrukturierung vorgenommen; die Rendite-Risiko-Charakteristika des Unternehmens bleiben größtenteils durch das alte Investitionsobjekt determiniert. Beispielsweise galt Wneu ^ 0,38 bei der Fusion von Daimler Benz und Chrysler, bei der Daimler Benz sich mit einem Unternehmen vereinigte, dessen Marktwert 62%^^ des eigenen Marktwertes betrug. Unterstellt man in Anlehnung an Leland (1998)^^ folgenden stochastischen Prozess für die Wertentwicklung der (stand alone) Werte der Investitionsobjekte, nimmt also an, die Renditen ptfJ beider Investitionsobjekte seien normalverteilt, ergibt sich: P ""^^ ,X = Oialt d t -h dalt d Zalt {t)
(3)
und ^^ Von daher betrachtet diese Arbeit nicht den Fall der Desinvestition. ^^ Eine ex post Beurteilung liegt vor, wenn Unternehmenseigner, beispielsweise im Rahmen der Hauptversammlung, ihre Meinung zu dem von der Unternehmensleitung bereits umgesetzten Restrukturierungsprogramm kundtun, wie bei DaimlerChrysler oder E.ON geschehen. Dagegen beinhaltet eine ex ante Beurteilung, dass die Unternehmensleitung eine konkrete Unternehmens-Restrukturierung vorschlägt und Eigner darüber (vor ihrer Realisierung) abstimmen. ^^ Vgl. http://www.daimlerchrysler.eom/dccom/0,,0-5-7199-49-72456-1-0-00-0-0-135-7164-0-0-0-0-0-0-0,00.html, Aufruf am 28.09.2004. ^^ Vgl. Leland (1998, S. 1216).
Unternehmens-Restrukturierung und unternehmensinterne Synergien (t)
417 (4)
wobei Pi{t) den stand alone Wert des Investitionsobjektes i (i G {a/t, nett}), a^ den im Zeitablauf konstanten Erwartungswert der stand alone Rendite des Investitionsobjektes i pro Zeiteinheit und a^ die im Zeitablauf konstante Standardabweichung der stand alone Rendite des Investitionsobjektes i pro Zeiteinheit bezeichnet. Dabei seien dzait{t) und dzneu{t) korreliert mit (dem im Zeitablauf konstanten) Korrelationskoeffizient paitneu^ dzait{t) und d zpf (t) mit (dem im Zeitablauf konstanten) Korrelationskoeffizient PaitPf sowie dzneu{i) und dzpf{t) mit (dem im Zeitablauf konstanten) Korrelationskoeffizient pneuPf' ~ Alle diese Größen sind für den Unternehmenseigner exogen vorgegeben. Nimmt man zusätzlich an, das Unternehmen sei unverschuldet, gewinnt man für seine stand alone Rendite dPu{t) Pu[t)
...
_
.
^ _
. ,, (5)
4- (1 — Wneu) ' O-altdZaltit)
+ Wneu * CTneu d
Zneu{t)
wobei Pc/(t) den stand alone Wert des Unternehmens nach Restrukturierung bezeichnet. -
Annahme 3: Entscheider
Zur Berücksichtigung von Eigner-Spezifika, die über bloße Unterschiede in der Risikoeinstellung hinausgehen, wird angenommen, das Unternehmen besitze zwei Eigner, die verschiedenen Klassen angehören: einen lang- und einen kurzfristigen Investor. Ein langfristiger Investor, meistens ein Groß-Eigner, hält aus Gründen, die außerhalb dieses Modellrahmens liegen, einen in seiner Höhe fixierten Anteil ivu am Unternehmen U, obwohl die Unternehmensanteile grundsätzlich an Börsen handelbar sind. Beispielsweise kann der Anteil wu vonnöten sein, um die Unternehmensleitung daran zu hindern, Mittel des Unternehmens für privaten Konsum abzuziehen (vgl. z.B. Shleifer/Vishny (1986)) oder der GroßEigner schichtet nicht um, weil er ansonsten den Markt bewegen würde (vgl. z.B. Holthausen/Leftwich/Mayers (1987)). Der kurzfristige Investor, meistens ein Klein-Eigner, hält keinen fixierten Anteil am Unternehmen, weswegen der Unternehmensanteil wu{t) für ihn Handlungsvariable ist. - Mit anderen Worten, für den langfristigen Investor stellt die Zahlung aus dem Unternehmen strukturell (er kann die Zusammensetzung der Unternehmenszahlungen nicht beeinflussen, da die Anteile am alten Investitionsobjekt und der Restrukturierungs-Maßnahme für ihn exogen sind) und volumenmäßig exogenes Einkommen (er kann die Höhe der Unternehmenszahlungen nicht ändern, da wu exogen ist) im Sinne von Mayers (1972) und Brito (1977) dar. Für den kurzfristigen Investor liegt lediglich strukturell exogenes Einkommen
418
Bernhard Nietert
vor; die Höhe der Unternehmenszahlungen kann dagegen über Variation von wu{t) gesteuert werden. SchUeßhch sei unterstellt, sowohl der lang- als auch der kurzfristige Investor seien risikoavers und ausschheßlich an der Maximierung des Erwartungsnutzens ihres Endvermögens interessiert. -
Annahme 4: vollkommene Märkte
Das betrachtete Marktsegment sei arbitragefrei und durch identische Soll- und Habenzinssätze sowie Abwesenheit von Transaktionskosten und Steuern gekennzeichnet. Darüber hinaus können Titel zeitstetig gehandelt werden. Basierend auf den Annahmen 1 bis 4, lassen sich die Entscheidungsprobleme von kurz- und langfristigem Investor wie folgt formulieren: -
kurzfristiger Investor
Berücksichtigt man, dass die sichere Anlage dem Budget-Ausgleich gemäß wokit) = 1 — wu{t) — wpfk{t) dient und ihr Anteil Wokit) insofern keine Handlungsvariable darstellt, lautet die Dynamik des Vermögens Wk{t) des kurzfristigen (k) Investors^^: dWk{t)=r-Wk{t)'dt + Wu{t)
' Wk{t)
• [(1 - Wneu) ' {o^alt - r ) -h Wneu ' {o^neu
-\-wpfk{t) 'Wk{t){apf + Wu{t)
• Wk{t)
-r)dt
• [(1 - iJüneu) • O-altd Zalt{t)
+ wp}k{t) • Wk{t) •
-r)]dt
+
apfdzpf{t) (6)
mit:
Wk{0) = Wo,/c (Vermögen, das dem kurzfristigen Investor modellexogen im Zeitpunkt 0 zur Verfügung steht)
wobei dWk{t) die Änderung des Vermögens des kurzfristigen Investors und '^Pfk{t) den Anteil der riskanten Anlage im Portfolio des kurzfristigen Investors bezeichnet. Mit der unterstellten Zielfunktion, den Handlungsvariablen und der Beschreibung der Umwelt (6), erhält man folgende Formulierung des Entscheidungsproblems für den kurzfristigen Investor: Max mit:
^o{e--^^^^^|
Vermögensdynamik (6)
Vgl. Anhang A.l für eine Begründungsskizze.
(7)
Unternehmens-Restrukturierung und unternehmensinterne Synergien
419
wobei Eo den Erwartungswert bedingt unter den im Zeitpunkt 0 zur Verfügung stehenden Informationen bezeichnet, rj eine Zeit präferenzrate, Wk{T) das im Planungshorizont T zur Verfügung stehende Vermögen des kurzfristigen Investors und 1 — 7 (7 < 1) seine relative Risikoaversion. Zur Entlastung der Notation sei von einer für lang- und kurzfristigen Investor identischen Informationsmenge, relativen Risikoaversion und Zeit präferenzrate ausgegangen. -
langfristiger Investor
Auch für den langfristigen (/) Investor ist der Anteil der sicheren Anlage wo/(^) keine Handlungsvariable, weil sie das Budget ausgleicht. Zudem ist wu exogen. Ansonsten übertragen sich aber Vermögensdynamik und Zielfunktion analog, weshalb das Entscheidungsproblem des langfristigen Investors nicht mehr explizit aufgeführt wird.
2 Unternehmensinterne Synergien Synergien seien, Krüger (2001) folgend^^, charakterisiert als Verbundeffekte, die sich „aus dem Zusammenführen bisher getrennter Einheiten beziehungsweise Prozesse ergeben, sei es unternehmensintern oder unternehmensübergreifend." - Finanzierungstheoretisch gesprochen bedeuten Synergien die Aufhebung der Annahme fehlender technologischer Externalitäten^^: Die Durchführung eines Investitionsobjektes beeinflusst nun die Zahlungen des Unternehmens und/oder die anderer Titel. 2.1 Modellierung unternehmensinterner Synergien Unternehmensinterne Synergien beschränken sich offensichtlich auf Verbundeffekte innerhalb des Unternehmens, d. h. zwischen altem Investitionsobjekt und Unternehmens-Restrukturierung. Damit bleiben sowohl die Rendite der sicheren als auch der riskanten Anlage von Verbundeffekten unberührt. Das Auftreten unternehmensinterner Synergien ist an die Durchführung der Unternehmens-Restrukturierung lOmu gebunden; ohne Durchführung der Unternehmens-Restrukturierung lOneu entstehen keine Synergien. Darüber hinaus werden in der Management-Literatur noch weitere Charakteristika unternehmensinterner Synergien genannt: Zum Ersten fallen Synergien nicht automatisch an, sondern müssen explizit erarbeitet werden^^. Insofern sollte besser von Synergie-Potenzialen, also möglichen Synergien, aber nicht von ^^ Krüger (2001, S. 736). ^^ Vgl. DeAngelo (1981, S. 22) und Wilhelm (1989, S. 186). ^® Aus dieser Tatsache leiten beispielsweise Paprottka (1996) und Krüger (2001) die Notwendigkeit eines Synergie-Managements ab.
420
Bernhard Nietert
Synergie-Effekten, d.h. Ergebnissen aus möghchen Synergien^^, gesprochen werden. Zum Zweiten zeigt die Analyse der Ursachen von Synergie-Potenzialen in Paprottka (1996)^° (Größen bedingte Kosteneffekte über mutative Betriebsgrößenvariation, kontinuierliche Kosteneffekte über die Lernkurve, der Tradeoff zwischen Senkung von Transaktions- und Erhöhung von Organisationskosten sowie Risikoeffekte von Synergien in Form verbesserter Diversifikation), dass die Höhe der Synergie-Potenziale vom Umfang der Unternehmens-Restrukturierung Wneu mit (aber möglicherweise nicht allein) bestimmt wird. Dabei legt der Verlauf von Durchschnittskosten- und Lernkurven jedoch einen degressiven Zusammenhang nahe. Schließlich ist zwischen positiven - beispielsweise wenn altes Investitionsobjekt und Unternehmens-Restrukturierung in einem komplementären Absatzverbund stehen - und negativen SynergiePotenzialen - beispielsweise bei einem substitutiven Absatzverbund (Stichwort: Produkt-Kannibalismus) - zu differenzieren^^. Diese soeben angeführten Charakteristika unternehmensinterner Synergien seien wie folgt in einem formalen Modell umgesetzt: Zum Ersten werden Synergie-Potenziale als Gemeinerlöse angesehen, d. h. sie sind nicht einem bestimmten Investitionsobjekt zuordenbar. Zum Zweiten wird dem Vorliegen von Synergie-Potenzialen (und nicht Synergie-Effekten) dadurch Rechnung getragen, dass die Synergie-Zahlungen als unsicher modelliert werden. Zum Dritten wird eine Verbindung zwischen Umfang der Unternehmens-Restrukturierung Wneu und der Höhe des Synergie-Potenzials hergestellt gemäß einer Idee von Cvitanic/Ma (1996) und Cuoco/Cvitanic (1998), nämlich FeedbackEffekte nicht direkt über Wirkungen auf die Rendite, sondern indirekt über die Momente der Rendite-Verteilung abzubilden; konkret seien Erwartungswert und Standardabweichung der Synergie-Renditen als Funktion von Wneu aufgefasst, die potenzielle Abhängigkeit von weiteren Einflussfaktoren sei aber nicht explizit funktional abgebildet. Dabei weisen positive Synergie-Potenziale abnehmende „Grenzerträge" auf, d. h. der Erwartungswert steigt unter proportional in Wneu (konkaver Verlauf), die Standardabweichung dagegen überproportional (konvexer Verlauf). Bei negativen Synergien nimmt der Erwartungswert überproportional mit steigendem Wneu ^^ bei einer sich gleichzeitig überproportional erhöhenden Standardabweichung (beides Mal konvexer Verlauf). Zum Vierten sei unterstellt, die Synergie-Zahlungen seien von unbegrenzter Dauer und fielen nicht nur eine begrenzte Periode lang an. Die weitere Formalisierung von Synergien-Potenzialen wird erleichtert, wenn man die Synergie-Zahlungen in Synergie-Renditen, also den Quotienten aus (Bar-) Wert der Synergien-Zahlung und dem stand alone Wert des
^^ Vgl. Weber (1991, S. 204). 2^ Vgl. Paprottka (1996, S. 51-64). ^^ Eine ausführlichere Diskussion der Ursachen positiver und negativer SynergiePotenziale sowie weitere Beispiele dazu finden sich u.a. bei Angermayer/Oser (2001, S. 667 ff.).
Unternehmens-Restrukturierung und unternehmensinterne Synergien
421
Unternehmens nach Restrukturierung Pu{^) transformiert^^. Zusätzhch sei folgender stochastischer Prozess für die Synergie-Rendite gewählt, der sich durch (zeitlich) identisch und (zeitlich) unabhängig normalverteilte SynergieRenditen auszeichnet: Syn{t-\-dt)
/-
\ j
/_
Jr'uit)
neu
Xj
/ X
/o\
wobei Syn{t -h dt) den (Bar-) Wert des Synergie-Potenzials im Zeitpunkt t -\- dt bezeichnet, asyn {ü)neu) den im Zeitablauf konstanten Erwartungswert der Synergie-Rendite pro Zeiteinheit und (Jsyn {'i^neu) die im Zeitablauf konstante Standardabweichung der Synergie-Rendite pro Zeiteinheit. Dabei seien die Synergie-Renditen mit den Renditen der anderen Titel über (im Zeitablauf konstante) KorrelationskoefHzienten verbunden^^, d . h . dzait{t) und dzsynait{t) sind korreliert mit paitSynait, dzneu{t) und dzsynait{t) sind korreliert mit PneuSynait sowie dzsynait{t) und dzpf(t) sind korreliert mit PSynaitPf' " Alle dicsc Größen sind für den Unternehmenseigner exogen vorgegeben. Unterstellt ist ein Modell Gleichung mit Potenziale ist a^^^ = —asym
man, Gleichung (8) bilde positive Synergie-Potenziale ab, für negative Synergie-Potenziale daraus ableitbar, indem die —1 multipliziert wird. Die Rendite der negativen Synergied a n n normalverteilt mit Erwartungswert pro Zeiteinheit Varianz pro Zeiteinheit [cr^l^^]
= (o'Syn)
und Kovarianz
pro Zeiteinheit —crsynO'jpSynj {j ^ {ß^^, ^ß'^, Pf})Integriert m a n Gleichung (8) in Gleichung (5), lautet die Unternehmensrendite p ^/j.J nach Berücksichtigung von Unternehmens-Restrukturierungen und unternehmensinternen Synergien dPjjit)
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\\ T
^^^
(9) 4- (1 - Wneu) • CTalt d Zalt{t) + <^Syn {"^neu)
+ Wneu ' CFneu d
Zneuif)
dzsyn{t)
woraus sich entsprechende Vermögensdynamiken für den kurz- und den langfristigen Investor gewinnen lassen. - Mit anderen Worten, durch ihre additive Verknüpfung verhalten sich unternehmensinterne Synergien in dem gewähl^^ Eine Begründungsskizze, warum diese Form der Synergie-Potenziale gewählt wurde, findet sich in Anhang A.l. ^^ Dabei sei davon ausgegangen, die Korrelationskoeffizienten seien unabhängig von Wneu- Eine derartige Vereinfachung erleichtert die rechentechnische Handhabung, ohne materiell die Ergebnisse zu verändern, wie Merton (1973, S. 873, Fn. 18) im Rahmen seiner Untersuchung der Portfolio-Selektion unter stochastischer Opportunitätsmenge ausführt.
422
Bernhard Nietert
ten Modellrahmen wie ein drittes Investitionsobjekt innerhalb des Unternehmens^^. 2.2 K r i t i s c h e s t a n d a l o n e R i s i k o p r ä m i e n v o n Unternehmens-Restrukturierungen U m Ansatzpunkte für die unterschiedliche Bewertung von Unternehmens-Rest rukturierungen durch Unternehmenseigner identifizieren zu können, werden die kritischen stand alone Risikoprämien für den kurz- und den langfristigen Investor getrennt berechnet. 2.2.1 K u r z f r i s t i g e r I n v e s t o r Nach Durchlaufen der in der Methodik der Untersuchung (Abschnitt 1.2.1) aufgeführten zwei Schritte erhält^^ m a n für die vom kurzfristigen Investor geforderte stand alone Risikoprämie der Unternehmens-Restrukturierung im A u s m a ß Wneu
V^neu
'^jkrit
1 - h r^Q-^
\ r.] ' Wneu
pTQ-l
+
fix
1
- ^neu)
' {Otalt - r) + aSyn{Wneu)\
V
^^^^
apf-r
^
y_
l-^rTQ-^(A.Wneu
mit:
(
dvar(Rnormalu)
i
dvar(Rsynu)
c\ ^ dcOv(Rnormal dWneu
U'^Rpf)
_|_ 2 . ^ COviRnormal
, 9 ^ 8 COv(Rsyn '
dWrveu
U]Rsyn
u)
\
U',Rpf)
j /
wobei Ri die (Perioden-) Rendite des Titels i {i e {U^Pf}) bezeichnet, „normal" sich auf Größen der reinen Unternehmens-Restrukturierung ohne
^"^ Synergien müssen deshalb nicht als weiteres Argument in die indirekte Nutzenfunktion aufgenommen werden, wie es beispielsweise bei einer nichtlinearen Verknüpfung mit dem Drift-Term in Form von aneu (Syriait) der Fall wäre (vgl. Breeden (1979, S. 268)). ^^ Vgl. Anhang A.2 für eine Herleitung. Da der Entscheider mit (zeitlich) unabhängig und (zeitlich) identisch verteilten Renditen konfrontiert ist (konstante Opportunitätsmenge) und über eine zustandsunabhängige Nutzenfunktion verfügt, gilt diese kritische stand alone Risikoprämie nicht nur im Zeitpunkt 0, sondern auch zu allen andern Zeitpunkten ^ > 0.
Unternehmens-Restrukturierung und unternehmensinterne Synergien
423
Berücksichtigung von Synergien bezieht und „Syn" auf solche, die ausschließhch aus Synergien bestehen, ß stellt die Varianz/Kovarianzmatrix der Unternehmensrendite und der riskanten Anlage dar und F den Vektor der Risikoänderungen, die die Unternehmens-Restrukturierung mit sich bringt. Laut Gleichung (10) setzt sich die vom kurzfristigen Investor geforderte kritische stand alone Risikoprämie der Unternehmens-Restrukturierung aus drei Bestandteilen zusammen. Erstens, der stand alone Risikoprämie des alten Investitionsobjektes (1. Term in der ersten Zeile von Gleichung (10)), da sein Anteil am restrukturierten Unternehmen und damit seine Wirkung auf die Unternehmensrendite sinkt. Zweitens der Wirkung der Unternehmens-Restrukturierung auf die erwarteten Synergie-Renditen (2. Term in der ersten Zeile von Gleichung (10)). - Beide Effekte stellen auf reine ErwartungswertKonsequenzen der Unternehmens-Restrukturierung ab. Der dritte Effekt der Unternehmens-Restrukturierung besteht in ihrer bewerteten Risiko-Wirkung (zweite Zeile von Gleichung (10)). Die Risiko-Wirkung spiegelt sich im Vektor r wider und umfasst zwei grundsätzliche Risikoquellen: Risiko-Wirkungen im Zusammenhang mit dem Unternehmen (1. Zeile des Vektors F) und RisikoWirkungen im Zusammenhang mit der riskanten Anlage (2. Zeile des Vektors F). Risiko-Wirkungen im Zusammenhang mit dem Unternehmen beinhalten einerseits die Veränderung des Unternehmensrisikos - weg vom Risiko des alten Investitionsobjektes hin zu einer Mischung der Risiken aus altem Investitionsobjekt und Unternehmens-Restrukturierung 10neu --, andererseits die Reaktion der Synergie-Risiken auf das Ausmaß der Unternehmens-Restrukturierung. Die Risiko-Wirkungen im Zusammenhang mit der riskanten Anlage sind gekennzeichnet durch Änderungen der Kovarianz zwischen UnternehmensRendite inklusive Synergien mit der Rendite der riskanten Anlage. Die Bewertung beider Risikoquellen geschieht mit Hilfe des so genannten Marktpreises des Risikos (Gegenüberstellung des Vektors der Erwartungswerte des alten Investitionsobjektes sowie der riskanten Anlage und Risiko ß ) , der simultan aus dem Rendite-Risiko-Trade-off des gehandelten Unternehmens und der riskanten Anlage bestimmt wird. Gleichung (10) demonstriert aber auch, dass die vom kurzfristigen Investor geforderte kritische stand alone Risikoprämie der Unternehmens-Restrukturierung präferenzunabhängig ist. Weil sowohl das Unternehmen als auch die riskante Anlage vom kurzfristigen Investor gehandelt werden können, liegt kein volumenmäßig exogenes Einkommen vor, dessen Risikobeitrag mittels einer Nutzenfunktion bewertet werden müsste. 2.2.2 Langfristiger Investor Abgesehen vom exogenen Unternehmensanteil wu ermittelt sich die vom langfristigen Investor geforderte kritische stand alone Risikoprämie für die Unter-
424
Bernhard Nietert
nehmens-Restrukturierung im Ausmaß iVneu auf dieselbe Weise wie die für den kurzfristigen Investor^^:
y^neu
"^Jkrit — ^alt
2
^
o -
ormal U
\
^f
J
(11) Laut Gleichung (11) setzt sich die vom langfristigen Investor geforderte kritische stand alone Risikoprämie für die Unternehmens-Restrukturierung aus prinzipiell denselben Bestandteilen wie die für den kurzfristigen Investor zusammen, d. h. erstens der stand alone Risikoprämie des alten Investitionsobjektes (1. Term in Gleichung (11)) und, zweitens, den Wirkungen der Unternehmens-Restrukturierung auf die erwarteten Synergie-Renditen (2. Term in Gleichung (11)). Neben diese beiden Erwartungswert-Konsequenzen treten die bewerteten Risiko-Wirkungen (3. und 4. Term in Gleichung (11)). Genau an dieser Stelle wird jedoch ein Unterschied zur kritischen stand alone Risikoprämie des kurzfristigen Investors deutlich. Lediglich das Risiko im Zusammenhang mit der riskanten Anlage wird mit dem Marktpreis des Risikos basierend auf der riskanten Anlage bewertet (3. Term in Gleichung (11)). Das Risiko im Zusammenhang mit dem Unternehmen muss dagegen mittels einer Nutzenfunktion bewertet werden (4. Term in Gleichung (11)). In ihm kommt nämlich das volumenmäßig und strukturell exogene Einkommen aus dem Unternehmen zum Ausdruck, das durch Transaktionen in wpfi{t) im Allgemeinen nicht vollständig eliminiert werden kann. Deshalb ist die kritische stand alone Risikoprämie der Unternehmens-Restrukturierung lOneu für den langfristigen Investor sowohl ausstattungsabhängig - die Höhe des Unternehmensrisikos hängt von der Höhe des exogenen Unternehmensanteils wu ab - als auch eine Funktion der relativen Risikoaversion 1 — 7 des langfristigen Investors (Präferenzabhängigkeit). 2.2.3 Weiter gehende Analyse der kritischen stand alone Risikoprämie von Unternehmens-Restrukturierungen Der literaturübliche Zugang zur weiter gehenden Analyse von Bewertungsformeln besteht in einer ceteris paribus Analyse. Allerdings sind die Wechselwirkungen zwischen den Einflussfaktoren auf die kritische stand alone Risikoprämie für den kurz- (10) und den langfristigen (11) Investor zu vielfältig, um analytisch eindeutige Aussagen treffen zu können. 26
Vgl. Anhang A.2 für eine Herleitung.
Unternehmens-Restrukturierung und unternehmensinterne Synergien
425
Gewisse Einblicke in die Verlaufsmuster der kritischen stand alone Risikoprämien (10) und (11) lassen sich jedoch mit einem Zahlenbeispiel erreichen. Ein Zahlenbeispiel kann zwar keine generalisierbaren Aussagen über Verläufe kritischer stand alone Risikoprämien liefern, es ist aber zumindest in der Lage, zwei Zwecke zu erfüllen: Erstens kann es illustrieren helfen, dass die kritischen stand alone Risikoprämien (10) und (11) tatsächlich einen theoretischen Erklärungsansatz für Phänomene beinhalten, die in der empirischen Literatur lediglich beobachtet werden. Zweitens kann ein Zahlenbeispiel ParameterKonstellationen identifizieren, die Aussagen der (rein) beschreibenden Literatur widersprechen. Das Zahlenbeispiel greift auf folgende Rahmendaten zurück: Unternehmens-Restrukturierungen werden als beliebig teilbar angenommen, wobei die Obergrenze für Restrukturierungs-Maßnahmen auf w^^^^ = 0? ^ gesetzt sei, d. h. lOait und lOneu werden im Verhältnis eins zu eins durchgeführt. Diese Obergrenze ist durchaus großzügig bemessen, wenn man bedenkt, dass der Zusammenschluss von Daimler Benz mit dem Großunternehmen Chrysler ein Wneu ^ 0,38 mit sich brachte^^. Die Risikoprämien des alten Investitionsobjektes und der riskanten Anlage lauten aait — f = 0,12 sowie apf — r = 0,05, ihre Standardabweichungen aait = 0,6 sowie apf — 0,25; die Standardabweichung der Restrukturierungs-Maßnahme betrage cr^eu = 0,5. Bezüglich der Korrelationskoeffizienten wird unterstellt: palt Pf = PneuPf = paitsyn = PneuSyn = PPfSyn = 0,3. Synergie-Renditen seien in diesem Zahlenbeispiel ausschließlich als Funktion von Wneu modelliert, wobei der Zusammenhang für den Erwartungswert positiver Synergie-Renditen konkav, der für den Erwartungswert negativer Synergie-Renditen und die Standardabweichung der Synergie-Renditen konvex sei. Konkret: erwartete Synergie-Rendite bei positiven asyn = ^_. ' (\/l + '^neu — l) sowie bei negativen Synergien O^Syn = - ^
• {{l + Wneuf
" 1 j Uud jCWCils aSyn
= | ' ( ^ ( 1 + Wneuf
- 1j
für
die Standardabweichungen der Synergie-Renditen. Auf diesen Spezifikationen aufbauend, ermittelt man für die kritische stand alone Risikoprämie RPneu der Unternehmens-Restrukturierung für den kurzfristigen Investor in Abhängigkeit vom Ausmaß der Unternehmens-Restrukturierung Wneu (wquerneu). Mit Hilfe der Verläufe der kritischen stand alone Risikoprämie in Abb. 1 und Abb. 2 lassen sich nun die beiden Zwecke des Zahlenbeispiels, das Aufzeigen theoretischen Erklärungs-Potenzials bisher nur beschriebener Phänomene und das Widerlegen von Aussagen der (rein) beschreibenden Literatur, erreichen. Sirower (2001)^^ ermittelt empirisch einen negativen Zusammenhang zwischen Größe des Akquisitionsziels und negativer Kursreaktion beim akquirierenden Unternehmen. 2'' Vgl. Fußnote 13. 2^ Vgl. Sirower (2001, S. 193-194).
426
Bernhard Nietert
o 0
0.6-
o
0
/
0.40 /
"*"
0.2-
0
^^yi^o' 0.2 '^o'^^
0.3
0.4
0.5
wquerneu 0.1 + f + + + 10 0 o
rhoaltneu = 0.9 rhoaltneu = 0.4 rhoaltneu = 0
A b b . 1. kritische stand alone Risikoprämie der Unternehmens-Restrukturierung (10) bei positiven unternehmensinternen Synergien
0.2 0.3 wquerneu >0 0
0.4
0.5
rhoaltneu = 0.9 rhoaltneu = 0.4 rhoaltneu » 0
A b b . 2. kritische stand alone Risikoprämie der Unternehmens-Restrukturierung (10) bei negativen unternehmensinternen Synergien
Laut Abb. 1 und A b b . 2 muss die kritische s t a n d alone Risikoprämie mit steigendem Restrukturierungsumfang (teilweise) stark zunehmen^^, obwohl die Synergie-Erwartungswerte ebenfalls steigen; d . h . der Kaufpreis der Akquisition muss einen wachsenden Größenabschlag in sich tragen. Bei einem höheren Restrukturierungsumfang gewinnen nämlich die Rendite-RisikoCharakteristika der Unternehmens-Restrukturierung zunehmend an Bedeut u n g und die Standardabweichung der Synergie-Renditen nimmt stärker zu als ihr Erwartungswert. - Das theoretische Erklärungspotenzial der kritischen Risikoprämie (10) für die von Sirower (2001) beobachtete negative Kursreaktion besteht in der Größenordnung der kritischen stand alone Risikoprämie. Die breiten Parameter-Konstellationen des Zahlenbeispiels legen nämlich nahe, dass eine solche kritische stand alone Risikoprämie bei einem hohen Restruk^^ Eine negative kritische stand alone Risikoprämie bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Durchführung der Unternehmens-Restrukturierung auf Grund ihrer Synergie- und Risiko-Wirkungen selbst dann im Interesse des kurzfristigen Investors ist, wenn die Restrukturierungs-Maßnahme für sich alleine betrachtet (stand alone) eine negative Risikoprämie aufweist.
Unternehmens-Restrukturierung und unternehmensinterne Synergien
427
turierungsumfang nur selten tatsächlich erzielt werden kann. Folglich werden Unternehmenseigner ihren Anteil am akquirierenden Unternehmen reduzieren, weil die Unternehmens-Restrukturierung nicht in ihrem Interesse ist; der Kurs des akquirierenden Unternehmens sinkt. Bachmann (2001)^^ beobachtet Unternehmen, von denen manche Diversifikationsstrategien betreiben, manche sich dagegen auf Kernkompetenzen konzentrieren. Operationalisiert man „Konzentration auf Kernkompetenzen" als Durchführung von Investitionsobjekten mit hohem Verwandtschaftsgrad und einen hohen Verwandtschaftsgrad als einen hohen positiven Korrelationskoeffizienten Paitneui dann illustrieren Abb. 1 und Abb. 2 das Erklärungspotenzial der kritischen Risikoprämie (10) für die Beobachtungen von Bachmann (2001): Hohe Verwandtschaftsgrade erfordern eine höhere stand alone Risikoprämie für die Unternehmens-Restrukturierung (bei identischen Synergie-Renditen) als niedrigere Verwandtschaftsgrade. Insofern stellt eine Konzentration auf das Kerngeschäft (bei identischen Synergien) höhere stand alone RenditeAnforderungen als eine Diversifikationsstrategie. Umgekehrt formuliert, selbst wenn sich ein Unternehmen auf sein profitables Kerngeschäft konzentriert und dadurch hohe tatsächliche Renditen erzielt, handelt es damit noch nicht automatisch im Sinne seiner Eigner, weil eine derartige Unternehmenspolitik laut Gleichung (10) auch eine hohe stand alone Risikoprämie erfordert. Achleitner/Simon (2003)^^ führen aus, Risikodiversifikation auf Unternehmensebene sei nicht erforderlich, weil Investoren selbst diversifizieren könnten. Laut Abb. 1 und Abb. 2 zieht jedoch eine sich mit dem Restrukturierungsumfang iJüneu ändernde Risikostruktur des Unternehmens selbst für einen optimal diversifizierten kurzfristigen Investor eine sofortige Anpassung der kritischen stand alone Risikoprämie nach sich. Deshalb ist ein kurzfristiger Investor gerade nicht indifferent gegenüber Risikodiversifikation im Unternehmen^^. Dies gilt umso mehr für einen langfristigen Investor, der seinen Anteil am Unternehmen nicht variieren kann. Zur Verdeutlichung dieser letzten Aussage seien in der Abb. 3 die Kombinationen für die relative Risikoaversion (RRA), den Unternehmensanteil wu (wUquer) und das Ausmaß der Unternehmens-Restrukturierung Wneu (wquerneu) eingetragen, für die die kritische stand alone Risikoprämie des lang- mit der des kurzfristigen Investors übereinstimmt („ÜbereinstimmungsRisikoprämie"). Für Parameter-Konstellationen oberhalb dieses Gebirges verlangt der kurzfristige Investor eine höhere kritische stand alone Risikoprämie für die Unternehmens-Restrukturierung, für solche darunter der langfristige. Die Tatsache, dass die kritische stand alone Risikoprämie für die Unternehmens-Restrukturierung des schlechter diversifizierten langfi:istigen Investors unter der des optimal diversifizierten kurzfristigen Investors liegen kann. ^° Vgl. Bachmann (2001, S. 59). ^^ Vgl. Achleitner/Simon (2003, S. 81). ^^ Dies wäre nur der Fall, wenn die Unternehmenszahlungen duplizierbar wären. Eine genauere Diskussion dieses Aspektes findet sich in Wilhelm (1989).
428
Bernhard Nietert
0.2 wquerneu
0-4
A b b . 3 . „Übereinstimmungsrisikoprämie" bei positiven unternehmensinternen Synergien
scheint auf den ersten Blick überraschend: Einerseits gehen Teile der Literatur, beispielsweise Zugehör (2001)^^, davon aus, der Renditeanspruch von Groß-Investoren sei höher als der von Klein-Eignem. Andererseits bedeutet eine schlechtere Diversifikation ein höheres Risiko, ein höheres Risiko müsste aber einen höheren Renditeanspruch nach sich ziehen. - Gerade dieses Diversifikations-Argument enthält jedoch den Schlüssel zum Verständnis der Abb. 3 und damit für eine partielle Widerlegung von Zugehör (2001). Da der langfristige Investor wegen des exogenen Unternehmensanteils üju (meist) schlecht diversifiziert ist, sieht er bereits kleine Verbesserungen der Diversifikation als vorteilhaft an und stellt deshalb keine so hohen Anforderungen (d. h. verlangt eine niedrigere kritische stand alone Risikoprämie) an die Unternehmens-Restrukturierung wie ein optimal diversifizierter kurzfristiger Investor. Dies gilt insbesondere bei hohem wu und hoher relativer Risikoaversion, mit anderen Worten: hohem Diversifikationsdruck. - Schließlich ist noch zu begründen, warum bei dem Restrukturierungsumfang Wneu = 0,1191 die kritischen stand alone Risikoprämien von kurz- und langfristigem Investor nicht in Übereinstimmung gebracht werden können (schluchtartiger Einbruch in Abb. 3). Bei einem derartigen Restrukturierungsumfang beträgt der präferenz- und Vgl. Zugehör (2001, S. 38).
Unternehmens-Restrukturierung und unternehmensinterne Synergien
429
ausstattungsabhängige vierte Term für den langfristigen Investor in Formel (11), d.h. ^ • (1 - 7) • r ^ j _cov{Rr^ormalu'.RpfHcov(Rsyr.u;Rpf) 1 * Wu, gerade null. Insofern spielen für die relative Lage der kritischen stand alone Risikoprämien von lang- und kurzfristigem Investor relative Risikoaversion und wu keine Rolle; die kritische Risikoprämie des langfristigen Investors liegt entweder immer unter der des kurzfristigen Investors (wie in Abb. 3) oder immer darüber. 2.3 Kritischer Erwartungsw^ert der Synergie-Rendite Laut Sirower (2001)^^ fehlt bisher in der Literatur eine theoretisch fundierte Beziehung zwischen Verwandtschaftsgrad eines Zukaufs von (Teil-) Unternehmen und der erwarteten Mindest-Synergie-Rendite dieses Zukaufs. Präziser formuliert untersucht eine derartige Bewertungsbeziehung, wie hoch bei gegebenem Synergie-Risiko und gegebener stand alone Risikoprämie der Unternehmens-Restrukturierung der Erwartungswert der Synergie-Rendite sein müsse, damit die Unternehmens-Restrukturierung im Umfang Wneu ™ Sinne der Unternehmenseigner sei. Umstellen von Gleichung (10) nach dem Synergie-Erwartungswert liefert /X O^Syn[yJneu)
daSyni'Wneu) ö^^
= Ck
/.o\ (12)
mit: {O^neu - r ) - {aalt " C/c = -^ —7
r)
irTß-i(J pTQ-1 1
A l - '^neu) \
' {OLalt " T ) "h Wneu ' (<^nen " ^) OLpf - r
Löst man die Diffenzialgleichung (12) unter Berücksichtigung der Randbedingung asyn{^) = 0, also der Überlegung, dass ohne Unternehmens-Restrukturierung keine Synergien anfallen, ergibt sich für die kritische erwartete Synergie-Rendite des kurzfristigen Investors OiSyn{Wneu)krit
= Ck ' {l - 6 ^ - « - )
(13)
Die kritische erwartete Synergie-Rendite des langfristigen Investors erhält man, indem man aus Gleichung (11) eine DiflFerenzialgleichung für den Synergie-Erwartungswert des langfristigen Investors ableitet und diese unter Vgl. Sirower (2001, S. 172).
430
Bernhard Nietert
Berücksichtigung der Randbedingung asyn (0) = 0 bezüghch des SynergieErwartungswertes löst: OLSyn{:Wneu)krit = Cl • Wneu
(14)
mit: Cl = aalt -r - {aneu - r) _^l,pT
fO\
2
Vv
OLpf - r
^p/ ormal U
2
V
^f
J
Gleichungen (13) und (14) bestimmen die kritische erwartete SynergieRendite als Funktion der Erwartungswert- und Risiko-Faktoren, die bereits aus der Diskussion der kritischen stand alone Risikoprämien (10) und (11) bekannt sind, mit einem Unterschied: Die Bewertungswirkung der SynergieErwartungswerte in (10) und (11), primär - ^ ^ ^ i f ^ ^ , wird in (13) und (14) durch die nun exogen vorgegebene stand alone Risikoprämie der Unternehmens-Restrukturierung aneu — '^ ersetzt. Operationalisiert man den Verwandtschaftsgrad von Akquisitionen mittels des KorrelationskoefEzienten paitnew, geben die Gleichungen (13) und (14) die gesuchte exakte Beziehung zwischen Restrukturierungsumfang, Verwandtschaftsgrad von Akquisitionen und kritischer erwarteter Synergie-Rendite an.
3 Zusammenfassung u n d Ausblick Ausgangspunkt dieses Beitrags war die Tatsache, dass Unternehmens-Restrukturierungen sowohl Chancen als auch Risiken in sich bergen und deshalb von Unternehmenseignern ambivalent beurteilt werden. Diese Arbeit hat deshalb die kritische stand alone Risikoprämie, die positiv von negativ beurteilten Unternehmens-Restrukturierungen trennt, für zwei verschiedene Eigner-Gruppen, kurz- und langfristige Investoren, bestimmt. Die kritische stand alone Risikoprämie ergibt sich aus dem Zusammenspiel von Erwartungswert- und Risiko-Wirkungen, die von UnternehmensRestrukturierung und Synergien verursacht werden. Dabei kommt sowohl dem Ausmaß der Unternehmens-Restrukturierung als auch der Korrelation der Restrukturierungs- und Synergie-Risiken mit dem bisherigen Portfolio des Entscheiders eine zentrale Rolle zu. Auch wenn Bewertungsergebnisse nur für normalverteilte Renditen und in stetiger Zeit, also in einem stilisierten Modellrahmen abgeleitet wurden, so lassen sich doch interessante Konsequenzen für praktische Anwendungen gewinnen: Die Tatsache, dass kurzfristige Investoren für durchaus breite
Unternehmens-Restrukturierung und unternehmensinterne Synergien
431
Parameter-Konstellationen höhere Rendite-Forderungen an UnternehmensRestrukturierungen stellen als langfristige Investoren, kann erklären helfen, warum bei Unternehmens-Restrukturierungen eher Konflikte zwischen der Unternehmensleitung und kurzfristigen Investoren als zwischen Unternehmensleitung und langfristigen Investoren zu erwarten seien. Darüber hinaus enthalten die unterschiedlichen geforderten Risikoprämien für UnternehmensRestrukturierungen eine mögliche Erklärung des Abstimmungsverhaltens von Fonds auf der Hauptversammlung von DaimlerChrylser im April 2004: Langfristig orientierte Fonds hatten überwiegend - mit Ausnahme der SparkassenFondsgesellschaft Deka - für die Beibehaltung der bisherigen Konzernstrategie gestimmt und im Gegensatz zu einer Gruppe von Kleinanlegern gerade keine massive Restrukturierung in Form eines Strategiewechsels gefordert^^.
A Anhang A . l Begründungsskizze für die Vermögensdynamik und gewählte Definition der Synergie-Renditen Ausgangspunkt ist die Stückzahl-Darstellung des Vermögens eines Entscheiders, wobei nicht weiter zwischen kurz- und langfristigem Investor unterschieden werden soll. Das Vermögen zu einem beliebigen Zeitpunkt t -\- At {t > 0) Wit + Ät) = Nu{t) • [N,H • {Paitit + At){P„eu{t + At)+ Npfit) • {Ppf{t + At)-
e - ^ * -Paitit)) e'-'^'-P„eu{t))+Syn{t
e--^'-Ppfit))
+ At)]
+ e - ^ * .W^(t) (A.l)
- Ni{t) bezeichnet die Stückzahl des Titels i, die im Zeitpunkt t ge- beziehungsweise verkauft wird setzt sich zusammen aus dem sicher aufgezinsten Vermögen im Zeitpunkt t, dem Vermögensmehrwert im Zeitpunkt t + At (Differenz zwischen Wert im Zeitpunkt t -\- At und sicher aufgezinsten Wert im Zeitpunkt t) des alten Investitionsobjektes, der Unternehmens-Restrukturierung lOneu und der riskanten Anlage sowie den Synergie-Zahlungen im Zeitpunkt t-\-At, - Nebenbei bemerkt, die Synergie-Formulierung in Gleichung (A.l) unterstellt, Synergien träten nicht sofort bei Durchführung der Restrukturierung auf, sondern entfalteten erst ab dem Zeitpunkt t -\- At Wirkungen. Führt man eine Reihenentwicklung für die Exponential-Funktion der Form ^r-A t _ 1^7^.^ t^o{A t) durch , wobei o {A t) Terme beinhaltet, deren Einfluss kleiner als der von At ist, d. h. die eine Funktion zweiter oder höherer Potenz von At sind, und formt um, ergibt sich Vgl. iww.handelsblatt.com vom 14.04.2004.
432
Bernhard Nietert
W{t +At)-Wit) W{t)
_ Nu{t) • Pu{t) W{t) • [Paitit + At)-{l+r-At
+
Pu{t)
Nujt) • Fuji) Wit)
[Pneu{t + At)-{l
+ r-At
+ ^MLMl.Synit +
+ o{At))- Pait{t)]
Npf{t)-Ppf{t)
+ 0{At)-
+ At)
fPpf{t + At)
W{t) V + r-At + o{At)
N PMß)
Pneu{t)]
Ppfit)
il+r-At
+ o{At)
(A.2) mit:
Pu{t) = Nalt' Pait{t) 4- Nneu ' Pneu{t) (stand alone Unternehmenswert nach Restrukturierung)
Berücksichtigt man, dass die Quotienten w(t) beziehungsweise p a) Anteile darstellen und ^'^^'^p.ft)^'^^^ = ai - Ät + ai - gi^t-^-At • \ / ^ + o{At) (mit: Qi^t+At standardnormalverteilte Zufallsvariable im Zeitpunkt t -^ A t) für jeden Titel i angenommen wird, vereinfacht sich Gleichung (A.2) weiter zu ÄW[t) W{t)
= Wu{t)
• \aalt ' At
+ aalt'9alt,t+At
+ wu{t) a„ • At + aneu Syn{t + At) Pu{t) + ^ P / ( 0 • \^Pf ' At-\-apf' -\-r'At
'VAi-r-Atl
'9neu,t-\-At
' VÄt
9Pf,t-[-At • VÄi
• (1 - T - At
-Wneu) Wr,
-r-Atj
+ o{At) (A.3)
Definiert man dt = lim At und dziit) = lim gnA-At At-^O
At-^O
^At und berück-
'
sichtigt, dass Um o{At) dann vernachlässigbar ist, wird die in Gleichung (8) verwendete Definition der Synergie-Renditen und die Vermögensdynamik des Entscheiders deutlich.
Unternehmens-Restrukturierung und unternehmensinterne Synergien
433
A.2 Notwendige Bedingungen und kritische Risikoprämien bei unternehmensinternen Synergien -
kurzfristiger Investor
Die Hamilton/Jacobi/Bellman-Gleichung lautet 0=
Jt-{-Jwr'Wk{t) / ( l - Wneu) ' {O^alt - r)
+ JwWk{t)
' {Wu{t)
-i-Wr,
Wpfk{t))
apf — r
\ + ^JwwWiit)
{Wu{t)
\
{Oineu - r ) +
Wpfk{t))
(var{Rnormalu) + VCir{Rsynu) + 2 • COv{RnormalU', Rsynu)
COv{RnormalU] Rpf)\ ^COv{RsynU\Rpf)
COv{RnormalU\ Rpf) -\-COv{RsynU\Rpf)
G
Wu{t) :^pfk{t)
Pf
Q
(A.4) mit Randbedingung:
J [T^^ (T), T] = e"^'^
"^^[j^
wobei J kurz für J[W(t),t] ist und die indirekte Nutzenfunktion bezeichnet, während J^ beziehungsweise 3^ Ableitungen nach der Zeit beziehungsweise dem Vermögen darstellen. „Normal" bezieht sich auf Größen der reinen Unternehmens-Restrukturierung ohne Berücksichtigung von Synergien, „Syn" auf solche, die ausschließlich aus Synergien bestehen und i? steht für die Varianz/Kovarianzmatrix der Renditen des Unternehmens und der riskanten Anlage. Differenziation und Auflösen nach wu{t) und wpf{t) liefert \^Pfk{t)J
~
JwwWkit) Q
apf - r
(A.5) Diff'erenziert man die Hamilton/Jacobi/Bellman-Gleichung nach Wneu und dividiert die Ableitung^^ durch wu{t), gewinnt man ^^ Ist der kurzfristige Investor nicht am Unternehmen beteiligt, d. h. gilt wu{t) = 0, spielt für ihn die Unternehmens-Restrukturierung keine Rolle. Insofern interessiert er sich auch nicht für die Bestimmung einer kritischen Risikoprämie. Aus diesem Grund ist es durchaus sinnvoll, bei der Bewertung von Unternehmens-Restrukturierungen von einem positiven Unternehmensanteil wu {t) = 0 auszugehen.
434
Bernhard Nietert 9 asyn{ü)neu) ^"z OWneu
O^neu - r = aalt -T / dvar{Rnormal
u)
'
dWneu
\
'
_i_ dvar{Rsynu)
1 JwW rjr /,x -^—^ Wkit) ^ JW I 2 . ^COv{Rnormal
dWneu
U',RSynu)\
d Wneu
dWneu
\
OWneu
""
/
WTjit)
\
/
V
'
(A.6) Da die optimalen Anteile wu{t) und wpfk{t) laut (A.5) ebenfalls eine Funktion der Risikoprämie der Unternehmens-Restrukturierung lOneu sind, erweisen sich weitere Umformungen als erforderlich. Einsetzen für wu{t) und '^Pfk{t) gemäß (A.5) liefert p T o - i^ ffAQ ) •. "^neu .T, \j =-^.0/-alt, {O^neu - r ) • M - -1 r'^Q 2
V
^ r -
^^^^^(^^^^)
apf -r
)
woraus Gleichung (10) folgt. -
langfristiger Investor
Für den langfristigen Investor liegt ein exogener Unternehmensanteil wu vor, weswegen er über das Vermögen Wi{t) verfügt und einen anderen Anteil an der riskanten Anlage wpfi{t) als der kurzfristige Investor hält. Mit diesen Modifikationen ist aber die Hamilton/Jacobi/Bellman-Gleichung (A.4) weiter verwendbar; insofern werden die weiteren Berechnungen verkürzt dargestellt. Der optimale Anteil der riskanten Anlage lautet
_ _ COV {Rnormal Wu '
U] Rpf)
2
+ COV {RsynU'i
Rpf)
Aus einer Überlegung, die analog zur der ist, die für den kurzfristigen Investor auf Gleichung (A.6) geführt hat, gewinnt man - wu ist definitionsgemäß positiv - für die vom langfristigen Investor geforderte kritische Risikoprämie o^neu -r
= aalt -r
^
Einsetzen von (A.8) in (A.9) liefert
- -——Wi{t)r^
..
(A.9)
Unternehmens-Restrukturierung und unternehmensinterne Synergien ^neu
^ — ^alt
^
docsyni'^neu) dWn
1 JWW yrr / .X
p T (^\
2 Jw 2 t/p^
435
Vv Wl{t)
• r
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Jy^
^
JwwWi{t)j
COv(Rr^ormal
U ]Rpf)
<^Pj
-f
a^j. + COv{Rsyrr
U ;Rpf)
' WU
er
(A.10) Berücksichtigt m a n zusätzlich die Tatsache, dass J[VF(t),t] = e ^"^ •A(^) M I giit37^ ergibt sich Gleichung (11).
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436
Bernhard Nietert
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Semi-subjektive Unternehmensbewertung aus deskriptiv-entscheidungstheoretischer Sicht Harald Dyckhoff Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen, Lehrstuhl für Unternehmenstheorie, Umweltökonomie und industrielles Controlling, Templergraben 64, D-52056 Aachen lutQlut.rwth-aachen.de
GHederung 1
Problemstellung
438
2
Abhängigkeit der Präferenzen von einer Referenzalternative
441
3
Begründung der Sicherheitsäquivalentmethode
445
4
Konkretisierung und Messung der Präferenzen
447
5
Fazit
449
Literaturverzeichnis
451
438
Harald Dyckhoff
1 Problemstellung Kann die in der betriebswirtschaftlichen Literatur und Praxis verbreitete Sicherheitsäquivalentmethode der Unternehmensbewertung, nämlich die Diskontierung von Periodensicherheitsäquivalenten mit risikolosen Zinssätzen, theoretisch gerechtfertigt werden? Über diese Frage ist jüngst eine engagiert geführte Diskussion aufgeflammt. Auslöser war der unter strenger Voraussetzung reiner Subjektivität der Bewertung geführte Nachweis von Kürsten, dass eine theoretische Fundierung kaum gelingt: „Bei mit der Axiomatik des Bernoulli-Prinzips verträglicher Modellierung als mehrattributives Entscheidungsproblem lässt sich eine der Sicherheitsäquivalentmethode entsprechende Bewertungsvorschrift nur unter heroischen Prämissen an die individuellen Präferenzen und nur für den Trivialfall risikoneutraler Wirt Schaftssubjekte deduzieren."^ Um dies zu vermeiden, macht Diedrich den Vorschlag, periodenbezogene Sicherheitsäquivalente aus vier allgemeinen präferenziellen Bedingungen abzuleiten, die je nach Bedarf weiter gehend konkretisiert werden können und nicht unbedingt auf den Axiomen der Erwartungsnutzentheorie basieren müssen.^ Die Bedingungen von Diedrich begründen allerdings nur die Zulässigkeit nahezu beliebiger periodenbezogener Risikopräferenzen, nehmen aber keinen Bezug auf die subjektiven Zeit Präferenzen. Die Diskontierung der daraus ableitbaren Periodensicherheitsäquivalente speziell mit risikolosen Zinssätzen ist so noch nicht zu rechtfertigen. Diedrich verweist deshalb auf eine in der traditionellen Unternehmensbewertungsliteratur (allerdings meist nur implizit) übliche Prämisse, nämlich auf „die in der Investitionsrechnung gängige Vorstellung [..], dass das Bewertungssubjekt hinreichend große Beträge zu einem einheitlichen Zinssatz risikolos anlegen oder aufnehmen kann."^ Dadurch geschieht die Bewertung nicht mehr rein subjektiv, sondern enthält mit dem unterstellten sicheren Kapitalmarktzins eine objektive Komponente. Ein solcher Ansatz, der zwar die Existenz eines Kapitalmarktes unterstellt, welcher aber nicht zur Duplikation eines jeden Wertpapiers ausreicht, wird von Kruschwitz und Löffler als semi-subjektiv bezeichnet.^ Dann ist „aber nicht auszuschließen, dass das Bewertungssubjekt die notwendigerweise vorhandene sichere Anlage- oder Verschuldensmöglichkeit nutzt, um den unsicheren Zahlungsstrom aus dem Unternehmen zu modifizieren. Entsprechende Kapitalmarkttransaktionen können Auswirkungen auf die periodenbezogenen Sicherheitsäquivalente und damit auf das Ergebnis der Bewertung haben, auch wenn ihr Kapitalwert im Bewertungszeitpunkt null ist."^ Um dies auszuschUeßen, verschärft Diedrich seine präferenziellen Bedin^ Kürsten, W. (2002, S. 143). 2 Vgl. Diedrich, R. (2003, insbesondere S. 283f). ^ Diedrich, R. (2003, S. 281). ^ Vgl. Kruschwitz, L./ Löffler, A. (2003, S. 1335). ^ Diedrich, R, (2003, S. 285).
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gungen, sodass periodenbezogene Sicherheitsäquivalente nicht nur unabhängig von den unsicheren Zahlungen in anderen Zeitpunkten, sondern außerdem noch von sicheren Zahlungen im selben Zeitpunkt sein sollen. Er folgert daraus: „Es handelt sich um eine sehr weit reichende Einschränkung der möglichen Präferenzstrukturen, die etwa bei Zugrundelegung der Erwartungsnutzentheorie mit additiv separabler Nutzenfunktion nur bei durchgängig konstanter absoluter Risikoaversion und mithin exponentiellen periodenbezogenen Nutzenfunktionen erfüllt ist."^ Zu einer ähnlichen Schlussfolgerung kommen auch Kruschwitz und LöfflerJ Im Unterschied zu Diedrich fordern sie keine generelle Unabhängigkeit der periodenbezogenen Sicherheitsäquivalente von sicheren Zahlungen im gleichen Zeitpunkt, sondern definieren ein mehrperiodiges Sicherheitsäquivalent über eine Maximierungsaufgabe, die ein rational handelndes Bewertungssubjekt löst, indem es nicht irgendeine Kapitalmarkttransaktion realisiert, sondern seine Finanzpolitik optimiert. Bei risikobehafteten Zahlungsströmen können aber auch sie die Sicherheitsäquivalentmethode wieder nur für konstante absolute Risikoaversion theoretisch begründen. Für logarithmische Bernoulli-Funktionen zeigen sie, dass ein entsprechender ökonomischer Rechtfertigungsversuch misslingt. Die bisherigen Rechtfertigungsversuche der Sicherheitsäquivalentmethode sind in jedem Fall enttäuschend, bringen sie doch „einschneidende Restriktionen hinsichtlich der messbaren Präferenzen mit sich".^ Beim rein subjektiven Ansatz sind zwar nahezu beliebige Risikopräferenzen, aber nur extrem eingeschränkte Zeitpräferenzen möglich, verbunden mit einer konstanten Zeit präferenzrate, die dem sicheren Kapitalmarktzinssatz entspricht. Beim (um Finanztransaktionen mit risikolosem Zins) erweiterten subjektiven bzw. semi-subjektiven Ansatz darf das Subjekt dagegen zwar fast beliebige Zeitpräferenzen haben, muss dafür aber - nach bislang gültiger Beweislage im Wesentlichen konstante absolute Risikoneigungen besitzen. Alle bisherigen Ansätze (semi-) subjektiver Unternehmensbewertung basieren damit nach wie vor auf „heroischen Prämissen an die individuellen Präferenzen"^. An der Einschätzung von Kürsten^ dass es sich bei der Sicherheitsäquivalentmethode um eine „entscheidungstheoretische Schimäre"^^ handelt, haben auch die Begründungsversuche von Diedrich sowie Kruschwitz und Löfßer substanziell wenig geändert.
^ Diedrich, R. (2003, S. 290); vgl. dazu auch Kürsten, W. (2003), insbesondere Abschnitt 3. Im einperiodigen Kontext entspricht die Aussage unter Voraussetzung üblicher Axiome der Nutzentheorie inhaltlich der Irrelevanz deterministischer Fixkosten bei unsicheren Entscheidungen ausschließlich für den Fall konstanter absoluter Risikoaversion (vgl. Dyckhoff, H. (1991)). •^ Vgl. Kruschwitz, L. / Löffler, A. (2003). ^ Kürsten, W. (2003, S. 313). ^ Kürsten, W. (2002, S. 143). ^° Kürsten, W. (2002, S. 137).
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Harald Dyckhoff
Dabei könnte man es bewenden lassen und sich verstärkt der „objektiven" bzw. marktorientierten Unternehmensbewertung zuwenden. Dieser Ansatz kommt ohne die Kenntnis individueller Präferenzen aus, indem er real beobachtbare Marktpreise riskanter Wertpapiere bzw. Assets verwendet, sofern sie sich dazu eignen, die Cashflows des zu bewertenden Unternehmens zu duplizieren. Wilhelm hat nachgewiesen, dass der Unternehmenswert vollständig aus Marktpreisen ableitbar ist und ansonsten nur von den Eigenschaften des Cashflow-Prozesses abhängt, falls Märkte zur Verfügung stehen, die eine komplette Duplikation des Cashflow-Prozesses durch Portfolio-Strategien erlauben („spanning").^^ Kruschwitz und Löffler weisen in diesem Zusammenhang allerdings darauf hin, dass sich in den Marktpreisen der „Assets die Nutzenvorstellungen aller relevanten Marktteilnehmer irgendwie niederschlagen, weswegen auch das objektive Bewertungskonzept letztlich präferenzabhängig ist."^^ Die wesentliche Prämisse ist dabei, dass die Wertpapiermärkte es schaffen, den Kurs eines Papiers dem „wahren Wert" (Fundamentalwert) anzugleichen, auch dann, wenn sich einige der Marktteilnehmer irrational verhalten. In der Tat zeigen die Erkenntnisse der experimentellen Wirtschaftsforschung, dass die Institution des Marktes in vielen Fällen „intelligenter" als seine Teilnehmer ist und deren irrationales Verhalten ausgleicht.-^^ Allerdings trifft diese Aussage nicht auf Finanzmärkte zu, an denen Wertpapiere mit längerer Lebensdauer gehandelt werden. Die Marktteilnehmer entscheiden dann nämlich häufig nicht anhand ihres Wissens über den Fundamentalwert der Handelsobjekte, sondern auf Grund ihrer Annahmen über das Verhalten der anderen Marktteilnehmer. Ruffieux bezweifelt wegen dieses experimentell belegten spekulativen Verhaltens die Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte.-^^ Die Spekulationsblase der 1990er Jahre ist dafür ein weiterer, allseits bekannter empirischer Beleg. Wenn aber die Marktpreise der für Duplikationen herangezogenen Assets nicht ihren Fundamentalwert widerspiegeln, dann fehlt auch der objektiven Unternehmensbewertung eine solide theoretische Basis. Andererseits kommt man in der Realität nicht an einer Bewertung von (Anteilen an) Unternehmen vorbei. Semi-subjektive Bewertungsansätze mit plausiblen, nicht zu komplexen Annahmen über die individuelle Finanzierung an den Kapitalmärkten gewinnen dadurch als Methoden der Entscheidungsunterstützung für die Praxis an Bedeutung. Umgekehrt lässt sich die Sicherheitsäquivalentmethode der Unternehmensbewertungspraxis als eine Heuristik verstehen, die zur Komplexitätsreduktion tatsächlich verwendet wird, auch wenn sie nicht allen normativen Ansprüchen eines rationalen Verhaltens der präskriptiven Entscheidungslehre entspricht. Aus dem Blickwinkel der deskriptiven Entscheidungslehre stellt sich dann die Frage, wie eine axiomatische Basis für ein solchermaßen beobachtbares Verhalten von Wirtschaftssubjekten aussehen könnte. Die bis^^ Vgl. Wilhelm, J. (2003, S. 25). ^2 Kruschwitz, L. / Löffler, A. (2003, S. 1336). ^^ Siehe die Übersicht von Ruffieux, B. (2004). ^"^ Vgl. Ruffieux, B. (2004, S. 68).
Semi-subjektive Unternehmensbewertung
441
herigen Erklärungsansätze sind, wie zuvor dargestellt, nicht plausibel, weil sie eine - in dieser Rigidität in der Realität so nicht feststellbare^^ - durchgängig konstante absolute Risikoneigung voraussetzen (müssen). Wilhelm weist im Rahmen finanzierungstheoretischer Überlegungen ausdrücklich darauf hin, „dass das Sicherheitsäquivalent vom Anfangsvermögen [..] und vom sonstigen nicht marktfähigen Einkommen [..], aber auch von den weiteren Risikoallokationsmöglichkeiten[..], die durch die marktfähigen Anlageformen erschlossen werden, abhängt."^^ Damit eine solche Abhängigkeit von anderen, nicht unmittelbar unternehmensbezogenen, individuellen Vermögens- und Einkommensbestandteilen jedoch mit der üblichen Sicherheitsäquivalentmethode kompatibel ist, muss sie zwangsläufig eine spezielle Gestalt haben, die aus präskriptiver Sicht mehr oder minder plausibel sein mag^^. Eine solche funktionale Gestalt abzuleiten und ihre Eigenschaften zu analysieren, ist das Ziel des vorliegenden Beitrags. Dazu wird der einleitend genannte axiomatische Ansatz von Diedrich verallgemeinert und messtheoretisch konkretisiert. Somit soll die Frage beantwortet werden, wie durch eine Modifikation der präferenziellen Bedingungen von Diedrich das theoretische Fundament so verbreitert werden kann, dass für die praktische Anwendung realistischere Risiko- und Zeitpräferenzen gleichzeitig zugelassen sind. Den Ansatzpunkt dafür bildet die empirische Feststellung, dass menschliches Entscheidungsverhalten häufig durch einen Bezug auf bestimmte Referenzpunkte der Bewertung geprägt ist.
2 Abhängigkeit der Präferenzen von einer Referenzalternative „Bewerten heißt vergleichen."^^ Verglichen werden aus entscheidungstheoretischer Sicht grundsätzlich Handlungsalternativen a einer Menge A im HinbHck auf ihre unsicheren Ergebnisse Xt(a, z) für die Zeitpunkte t = 0 , 1 , . . . , n eines Bewertungszeitraums in den jeweiligen Umfeldzuständen z aus Z. Jeder Umfeldzustand z korrespondiert in eindeutiger Weise mit einer Entwicklung der Zukunft von t = 0 bis t = n. Hinsichtlich der Alternativenmenge A und der Zustandsmenge Z werden keine besonderen Annahmen getroffen, soweit sie nicht schon durch die nachfolgenden präferenziellen Bedingungen sowie das Kapitalmarktaxiom impliziert sind. Eine theoretisch wie auch praktisch kaum zu überschätzende Einschränkung der Allgemeinheit bedeutet jedoch die in der Unternehmensbewertungs^^ Vgl. Friend, I./Blume, M. E. (1975). ^^ Wilhelm, J. (2002, S. 9); vgl. auch Wilhelm, J. (2003). ^^ Andernfalls wären Sicherheitsäquivalente im Sinne der klassischen Entscheidungstheorie nicht die geeigneten Anknüpfungspunkte für die Wertzumessung {Wilhelm, J, (2003, S. 26)). ^^ Ballwieser, W. (1988, S. 798).
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literatur übliche Annahme, dass das betrachtete Subjekt die Bewertung eines Unternehmens einzig und allein an Hand zahlungswirksamer Ergebnisse vornimmt und damit alle anderen Lebensumstände nicht-finanzieller Natur ausklammert. Diese auch bei Diedrich nicht explizierte Grundannahme bedeutet nicht nur eine Art wechselseitiger Präferenzunabhängigkeit zwischen den monetären und nicht-monetären Handlungskonsequenzen, sondern viel mehr das völlige Ausblenden wesentlicher Aspekte menschlichen Handelns. Ein noch harmloses und empirisch sicherlich zutreffendes Beispiel ist der Fall, bei dem eine Person zwei verschiedene Unternehmen a und b mit identischen unsicheren Cashflows, d.h. X(a) = X(fe), deshalb nicht als gleichwertig empfindet, weil sie das Unternehmen a selber gegründet hat, Unternehmen b aber nicht. Nichtsdestotrotz ist die Grundannahme, dass die Präferenzen des Bewertungssubjekts allein von den Cashflows abhängen, nicht jedoch von andersartigen Konsequenzen oder eventuell sogar unmittelbar von den Alternativen selbst, im Rahmen ökonomischer Analysen zur Unternehmensbewertung prinzipiell sinnvoll. Dabei dürfen die Cashflows a priori nicht als Zahlungsüberschüsse des Unternehmens interpretiert werden, sondern stellen vielmehr die gesamten Konsumausgaben des jeweiligen Subjekts dar, welche außerdem noch von seinen sonstigen Lebensumständen und seinem Gesamtvermögen abhängen •^^. Das Ergebnis Xt{a,z) einer Alternative a im Zustand z für den Zeitpunkt t ist demnach reellwertig und stellt eine Zahlung dar. Mit Xt^a : Z —> di und ^t,a(^) '= ^t(ö5^) wird die im Bewertungszeitpunkt t = 0 unsichere Zahlung der Alternative a im Zeitpunkt t bezeichnet. Bei einem entsprechenden Kontext kann es sich speziell um eine Zufallsvariable handeln (ohne hier auf die zugehörigen mathematischen Voraussetzungen näher einzugehen). Im Fall ^t,a{z) = xt^a für alle z e. Z Hegt ein sicheres Ergebnis vor. Das Ergebnis im Bewertungszeitpunkt t — ^ gilt üblicherweise als sicher. Nachfolgend wird die Abhängigkeit der sicheren Cashflows x = (a:o, Xi^.,,^Xn) und der unsicheren Cashflows X = (XQ, X i , ...,X„) von der jeweiligen Alternative a bzw. vom Zustand z nur bei Bedarf expliziert. Steht die Zahlung nur des Zeitpunktes t im Vordergrund, so lautet die verkürzte Schreibweise der Vektoren: x = (a:t,x_t) und X = (Xt,X_t). Diedrich setzt voraus, dass die Präferenzen des Bewertungssubjekts bezüglich des Bewertungsobjekts in einer (schwachen) Präferenzrelation auf der Menge aller denkbaren unsicheren Cashflows zum Ausdruck kommen, ohne dies als eigenes Axiom hervorzuheben.^^ Diese Grundannahme wird hier dahingehend modifiziert, dass sich die subjektiven Präferenzen nicht mehr allein an dem Cashfiow der jeweiligen Alternative, sondern außerdem noch an ei^^ Wilhelm, J. (2003, S. 5ff.) differenziert deshalb konsequent zwischen Cashflows des Bewertungsobjekts und den Konsumauszahlungen des Investors. Davon abweichend geht der hier verfolgte entscheidungstheoretische Ansatz unmittelbar von den Konsumauszahlungen aus und stellt über bestimmte vereinfachende Prämissen den Bezug zu den Cashflows des Bewertungsobjekts her. 2° Vgl. Diedrich, R. (2003, S. 282).
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nem bestimmten, im Allgemeinen jedoch unsicheren Referenzcashflow einer gegebenenfalls fiktiven Referenzalternative orientieren: 0*. (Präferenzabhängigkeit von einer Referenzalternative) Es existiert eine Präferenzrelation auf der Menge A aller in Frage kommenden Alternativen. Die Präferenzrelation ist unabhängig von dritten („irrelevanten") Alternativen mit Ausnahme einer Referenzalternative ä mit dem zugehörigen Referenzcashflow X := X(ä). Referenz alternative und -cashflow sind quasi Parameter der Präferenzrelation. Formal gesehen handelt es sich bei der Annahme 0* um eine Verallgemeinerung des Ansatzes von Diedrich, Diedrich behandelt den Spezialfall einer (nicht näher beschriebenen) Referenzalternative mit den Zahlungen Null als für alle Umfeldzustände fixierten Referenzcashflows, d. h. X := X(ä) — 0. Analog zu Diedrich wird unterstellt, dass die Präferenzrelation nicht unmittelbar auf den Alternativen, sondern indirekt über die zugehörigen Zahlungsströme definiert ist. In seiner Bedingung 1 fordert Diedrich die Vollständigkeit und Transitivität der Relation. Dadurch ist aber schon der Grundstein für die Repräsentation der Präferenzrelation durch eine bis auf streng monoton steigende („positiv monotone") Transformationen eindeutig bestimmte, d.h. ordinal messende Nutzenfunktion gelegt.^^ Es fehlt in Abhängigkeit von der Mächtigkeit der Alternativenmenge gegebenenfalls noch eine strukturelle Eigenschaft, die aber inhaltlich von geringerer Bedeutung ist, sodass die nachfolgende Modifikation der Bedingung 1 von Diedrich durch die Voraussetzung der Existenz einer Nutzenfunktion keine nennenswerte Einschränkung der Allgemeinheit bedeutet :^^ 1*. (Ordinale Nutzenmessung) Die Präferenzrelation ist vollständig und transitiv; sie ist definiert über die Cashflows der Alternativen und wird repräsentiert durch die Nutzenfunktion ${a) =
U{X{a)]X).
Die beiden Bedingungen 0* und 1* ergänzen bzw. ersetzen die Bedingung 1 von Diedrich. Die übrigen Bedingungen von Diedrich bleiben formal unverändert erhalten, sind jedoch im Hinblick auf die explizit eingeführte Referenzalternative mit den zugehörigen unsicheren Referenzcashflows entsprechend allgemeiner zu interpretieren. Sie werden nachfolgend inhaltlich wiedergegeben, jedoch nur teilweise formalisiert.^^ So lauten die Bedingungen 2 bis 4: 2. (Monotone Präferenzen im Hinblick auf sichere Zahlungen) Sind die Cashflows zweier Alternativen in einem Zeitpunkt sicher, zu den anderen Zeiten ^^ Dies wird von Diedrich, R. (2003, S. 282), angemerkt, aber nicht weiter verfolgt. 22 Vgl. Bamberg, G. / Coenenherg, A. G. (2002, S. 36). 2^ Gegenüber Diedrich, R (2003, S. 282f.) ist die Reihenfolge der dritten und vierten Bedingung vertauscht. Außerdem weicht die Symbolik etwas ab.
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zwar unsicher aber identisch, so wird der Cashflow mit der größeren Zahlung vorgezogen. 3. (Existenz periodenbezogener Sicherheitsäquivalente) F ü r jeden unsicheren Cashflow X = ( X t , X _ t ) und jede Periode t gibt es eine sichere Zahlung St in t, sodass das Subjekt indifferent zwischen X und (s^,X_£) ist; St heißt Sicherheitsäquivalent der Periode (bzw. des Zeitpunkts) t, 4. (Unabhängigkeit der Periodensicherheitsäquivalente) Das Sicherheitsäquivalent einer Periode hängt nicht von den Zahlungen in den anderen Perioden ab. Die präferenziellen Bedingungen 2 bis 4 implizieren folgende Aussage: F ü r jeden unsicheren Cashflow X existiert ein eindeutig bestimmter Strom s sicherer Zahlungen, gegenüber dem das Subjekt indifferent ist.^^ Dabei ist der sichere Cashflow s gegebenenfalls fiktiv, d. h. nicht unbedingt realisierbar. Wenn die Sicherheitsäquivalente der verschiedenen Perioden simultan durch den gesamten unsicheren intertemporalen Cashflow X bestimmt würden, wären Zeitund Risikopräferenzen im Allgemeinen nicht voneinander zu trennen. Die obigen präferenziellen Bedingungen, insbesondere die vierte, sind jedoch stärker und führen zu einer gewissen (wenn auch noch nicht additiven) Separabilität der Zeit- und der Risikopräferenzen^^. Denn das gemäß Bedingung 3 für jede Periode existierende Sicherheitsäquivalent St ist wegen der Monotoniebedingung 2 außerdem eindeutig sowie wegen Bedingung 4 sogar unabhängig von den anderen Perioden bestimmbar. Somit gilt St = St{Xt] Xt), weil Bedingung 4 die Unabhängigkeit von anderen Referenzzahlungen als denen der betreffenden Periode einschließt. Im Falle eines sicheren Periodenergebnisses folgt daraus insbesondere, dass das Periodensicherheitsäquivalent identisch mit diesem ist. Folglich sind sämtliche Aspekte der Risikopräferenz schon in den einzelnen Periodensicherheitsäquivalenten erfasst. Die darüber hinaus gehende intertemporale Bewertung erfolgt d a n n deterministisch. Das ursprüngliche intertemporale Entscheidungsproblem bei Unsicherheit setzt sich damit zusammen aus n + 1 Entscheidungsproblemen bei Unsicherheit für jede einzelne Periode sowie einem anschließenden intertemporalen Entscheidungsproblem bei Sicherheit. Das bedeutet, dass sich die Nutzenfunktion U der Bedingung 1* dekomponieren lässt in die n -\-1 Funktionen St = St{Xt]Xt) für t = 0 , 1 , ...,n sowie die Funktion V{s), wobei V eine intertemporale Wertfunktion^^ ist, angewandt ^^ An Stelle der Bedingungen 2 bis 4 kann man als schwächere Bedingung diese Eigenschaft unmittelbar fordern. Dann ist aber die Unabhängigkeit und Eindeutigkeit der einzelnen Periodensicherheitsäquivalente nicht mehr garantiert, was wesentlich für die nachfolgende Separation der Zeit- und Risikopräferenzen ist. ^^ Die von Wilhelm, J. (2003, S. 11) festgestellte Möglichkeit, Zins-Zeit-Effekte von Risiko-Bewertungseffekten zu trennen, ist bei ihm eine Konsequenz der bekannten Fisher-Separation im Falle des Spanning, hier jedoch eine Folge der präferenziellen Prämissen des Investors. ^^ In der multiattributiven Nutzentheorie im Anschluss an Keeney, R. L. / Raiffa, H. (1993) wird im Falle sicherer Entscheidungen von Wertfunktionen und nur bei
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auf den Strom s = (so,..., Sr^) der Periodensicherheitsäquivalente: t/(X;X) = y(so(Xo;Xo),...,s„(X„;X„))
(1)
In den Sicherheitsäquivalenten St kann allerdings im Allgemeinen durch den Index t noch eine gewisse Form der Zeitpräferenz zum Ausdruck kommen, sofern die Sicherheitsäquivalente der verschiedenen Perioden nicht alle nach ein und demselben, zeitunabhängigen Schema ermittelt werden, wie dies in dem späteren Beispiel der Funktionen des Typs (10) der Fall ist. Umgekehrt kann V in Sonderfällen zeitliche Neutralität beinhalten. Im Allgemeinen sind durch die Funktionen V{s) jedoch unterschiedlichste Formen zeitlicher Präferenzen darstellbar, solange sie wegen Bedingung 2 streng monoton in jedem einzelnen Zeitpunkt t sind.^^
3 Begründung der Sicherheitsäquivalentmethode Zur Begründung der Sicherheitsäquivalentmethode führt Diedrich zwei zusätzliche Bedingungen ein, ein Kapitalmarktaxiom und eine weitere Präferenzbedingung. ^^ 5. (Unvollständiger Kapitalmarkt) Das Bewertungssubjekt hat die Möglichkeit, in jedem Zeitpunkt ^ = 0, l,...,n—1 genügend hohe Finanzmittel zum einperiodigen Zinssatz r sicher anzulegen beziehungsweise zu beschaffen. Andere Kapitalanlage- oder -aufaahmemögUchkeiten kommen nicht in Betracht. 6. (Additivität der Periodensicherheitsäquivalente bezüglich sicherer Zahlungen) Ist das Subjekt für eine beliebige Periode t indifferent zwischen (Xt,X_t) und (5t,X_t), so ist es auch indifferent zwischen (Xt4-2/t,X_t) und {st 4- yt?X_t) für alle sicheren Zahlungen yt in t. Um die Darstellungen einfach halten zu können, wird bei der folgenden Ableitung die Abhängigkeit der Präferenzen und anderer Größen von der Referenzalternative bzw. dem Referenzcashflow nicht gesondert hervorgehoben, sondern erst wieder bei der Interpretation der Ergebnisse aufgegriffen. Unsicherheit von Nutzenfunktionen gesprochen (vgl. Eisenführ, F. / Weber, M. (1999)). ^^ Übersichten und axiomatische Begründungen verschiedener Formen intertemporaler Wertfunktionen geben Dyckhoff, H. (1988) sowie Eisenführ, F. / Weber, M. (1999), Kapitel 11. In den Standardwerken zur Entscheidungstheorie werden Zeitpräferenzen nur stiefmütterlich behandelt (vgl. Bamberg, G. / Coenenberg, A. G. (2002, S. 30)). ^^ Vgl. Bedingungen 5 und 3' bei Diedrich, R. (2003, S. 285), wobei Letzte hier die Bedingungen 4 und 6 umfasst. Die Unzulässigkeit von Transaktionen in riskanten Wertpapieren gemäß Bedingung 5 ist dabei für den semi-subjektiven Ansatz essentiell {Wilhelm, J. (2003, S. 24)).
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Harald Dyckhoff
Der kanonische Unternehmenswert CQ einer Verteilung X intertemporaler Cashflows bei rein subjektiver Bewertung, d. h. ohne das Kapitalmarktaxiom 5, ist über folgende Gleichung mit c = (co,0, ...,0) definiert:^^ C/(c) = U{X)
(2)
Unter Berücksichtigung des Kapitalmarktaxioms ist diese Definitionsgleichung jedoch zu modifizieren. Das Subjekt wird seinen Nutzen über eine entsprechende Finanzpolitik maximieren woUen.^^ Hier wird allerdings eine einschränkende Verhaltensannahme gemacht. 7. (Begrenzte Rationalität) Das Subjekt legt sich im Bewertungszeitpunkt t = 0 unbedingt, d. h. unabhängig von den tatsächlichen späteren Realisationen Xt der unsicheren Zahlungen Xt, auf eine bestimmte deterministische Politik f = ( / i , . . . , / n - i , 0 ) fest, welche seinen Nutzen U bezüglich X maximiert. Es wird vorausgesetzt, dass für jeden in Frage kommenden Cashflow X eine solche optimale Finanzpolitik f = f (X) existiert. Speziell mit p = (po^Pi, •••,Pn-i,0) sei die optimale Politik p = p(c) für den sicheren Zahlungsstrom c = (CQ, 0,..., 0) des noch zu bestimmenden Unternehmenswerts für X bezeichnet. Ein um eine Periode in die Zukunft verschobener intertemporaler Zahlungsstrom y wird durch Vy dargestellt, also etwa Vf = ( 0 , / o , / i , . . . , / n - i ) . Damit lautet die erweiterte Definitionsgleichung für den Unternehmenswert: C/(c + p - (1 + r) Vp) - C/(X + f - (1 + r) Vf)
(3)
Da aus den Bedingungen 2 bis 4 die Gestalt (1) der Nutzenfunktion U folgt, ist (3) erfüllt, falls die zugehörige intertemporale Wertfunktion V der folgenden Gleichungskette genügt, wobei die zweite Gleichung aus Bedingung 6 folgt: y ( c + p - (1 + r)Vp) = V{s{X + f - (1 + r)Vf)) = F(s(X)+f-(l+r)Vf)
^^
Eine hinreichende Bedingung^ ^ dafür ist die Identität der Funktionsargumente: c + p - (1 + r ) V p = s(X) + f - (1 + r) Vf (5) Setzt man abkürzend y := f — p sowie q := l-\-r, so ist (5) äquivalent zu: c + ^Vy = s(X)Hhy
(6)
2^ Vgl. Kürsten, W. (2002, S. 139). ^° Vgl. Kruschwüz, L. / Löfßer, A. (2003) 31 Da p und f als optimale Finanzpolitiken im Allgemeinen von der jeweiligen Nutzenfunktion abhängen, d. h. von V sowie bei f auch von s, ist (5) umgekehrt nicht unbedingt eine notwendige Bedingung für (4).
Semi-subjektive Unternehmensbewertung
447
Unter Berücksichtigung der Definitionen der einzelnen Größen kann (6) für die einzelnen Perioden wie folgt spezifiziert werden: t = 0: t = l,...,n-l: t = n:
Co = so{Xo) + yo qyt-i = St{Xt)-\-yt qyn-i= Sn{Xn)
(7)
Durch sukzessives, rekursives Einsetzen dieser Gleichungen ineinander, beginnend mit Periode 0, ergibt sich zwingend die bekannte Formel der Sicherheitsäquivalentmethode (mit üblicherweise so{Xo) = a:o = 0): Co = so{Xo) +yo = so{Xo) + q~^[si{Xi) + yi] = SoiXo) + q-'s,{X,)
+ q-^[s2{X2) + 2/2]
= ... =So{Xo)i-q-^Si{Xi)
(8)
+ q-^S2{X2) + ... + q-''Sn{Xn)
Damit ist gezeigt, dass bei Wahl des Unternehmenswertes CQ gemäß (8) bzw. bei Berücksichtigung der Abhängigkeit vom Referenzpunkt gemäß Co = So{Xo;Xo)
+ ... + q-^'Sr.iXn^Xn)
(9)
die Definitionsgleichung (3) stets erfüllt ist, obwohl die optimalen Finanzpolitiken f und p in (9) nicht vorkommen. Unter Voraussetzung der gegenüber Diedrich durch 0*, 1* und 7 modifizierten präferenziellen Bedingungen sowie des Kapitalmarktaxioms 5 erhält die Sicherheitsäquivalentmethode demnach eine neue theoretische Begründung; ihre Plausibilität ist nachfolgend noch zu diskutieren.
4 Konkretisierung und Messung der Präferenzen GrundsätzUch setzen die Bedingungen 0* bis 7 in keiner Weise die Existenz von BernouUi-Funktionen und nicht einmal Wahrscheinlichkeiten voraus, sodass auch Entscheidungen bei Ungewissheit abgedeckt sind. Die Funktion st{Xü Xt) - v-\E{v{Xt)))
+ oj-\Eiüj{Xt
- Xt)))
(10)
stellt also nur eines von vielen denkbaren Beispielen für die Gestalt eines Periodensicherheitsäquivalents dar, hier das bezüglich der Periodenreferenzcashflows modifizierte einperiodige BernouUi-Prinzip mit dem Erwartungswertoperator E und den beiden monotonen Bernoulli-Funktionen v und LÜ. In dem von Diedrich behandelten Spezialfall X := X(ä) = 0, bei dem die Referenzcashflows aller Perioden und Umfeldzustände identisch mit Null (und damit auch sicher) sind, erhält man für (10) das bekannte Sicherheitsäquivalent des BernouUi-Prinzips. Bei (10) handelt sich um eine Unterart des folgenden Typs von Sicherheit säquivalenten :
448
Harald Dyckhoff stiXt;Xt) = stiXt) + Ät{AXt)
(11)
Dabei bezeichnet AXt := Xf — Xt die unsicheren Differenzzahlungen der betrachteten Alternative relativ zur Referenzalternative; St und Ät sind zwei beliebige periodenbezogene Sicherheitsäquivalente, die beide von den Referenzzahlungen Xt abhängen, im ersten Fall unmittelbar und ausschließlich, im zweiten nur parametrisch. Weil die Referenzcashflows (zwar unsicher aber) bestimmt sind, ist St für das Subjekt eine konstante Größe und entspricht dem Sicherheitsäquivalent der Referenzalternative für Periode t. Das gesamte Periodensicherheitsäquivalent ergibt sich nach (11) als Summe aus dem Sicherheitsäquivalent der Referenzzahlungen und einem Sicherheitsäquivalent der DiflFerenzzahlungen der Periode, wobei das zweite abweichend vom Sonderfall (10) im Allgemeinen auch noch (parametrisch) von den Referenzzahlungen abhängen und somit grundsätzlich auch stochastische Abhängigkeiten zwischen beiden Teilcashflows periodenbezogen berücksichtigen kann^"^. Eingesetzt in (9) folgt für die Sicherheitsäquivalente des Typs (11) mit o.B.d.A. Xo = Xo: Co - (5o + . . . + g - " s , ) + (g-^4i(Z\Xi) + . . . + g - " 4 , ( z i X n ) ) = co-^Äco (12) Der Gesamtwert CQ setzt sich damit additiv aus dem Referenzwert co und aus dem Mehrwert ÄCQ zusammen. Beide ergeben sich als Summe diskontierter Periodensicherheitsäquivalente, nämlich einmal derjenigen der Referenzcashflows und zum Zweiten derjenigen der Differenzcashflows, wobei die Berechnungsvorschrift der jeweiligen Sicherheitsäquivalente unterschiedlich sein kann, wie das Beispiel (10) mit unterschiedlichen Bernoulli-Funktionen illustriert. Der Vergleich verschiedener Alternativen untereinander braucht sich demnach bei festgelegter Referenzalternative nur an dem Mehrwert Äco{a) der jeweiligen Alternative a zu orientieren, weil der Referenzwert CQ für alle Alternativen identisch ist. Versteht man die Referenzalternative beispielsweise (abweichend von Diedrich) als Unterlassensalternative, d. h. als (im Hinblick auf mögliche Kapitalmarkttransaktionen schon optimierten) zukünftigen „Status quo" des Bewertungssubjekts ohne das zu bewertende Unternehmen, so stellen die Differenzcashflows die durch das Unternehmen bewirkten Veränderungen des Status quo dar - vergleichbar einer Differenzinvestition. Dadurch wird augenscheinlich, dass das Subjekt sich auf der Basis des hier entwickelten axiomatischen Rahmens nur auf den Unternehmensmehrwert ACQ ZU konzentrieren braucht und seine sonstige individuelle Vermögenssituation ignorieren kann. Die Einbeziehung der relevanten Referenzalternative hilft somit bei der Klärung der Anwendungsbedingungen der Sicherheitsäquivalentmethode hinsichtlich der anzusetzenden Cashflows. ^^ Insoweit entspricht dies der Feststellung von Wilhelm, J. (2003, S. 24), dass auch nicht marktfähiges Einkommen über die Kovarianz mit dem Bewertungsobjekt eine Rolle spielt.
Semi-subjektive Unternehmensbewertung
449
Erlaubt die durch die Referenzalternative verallgemeinerte präferenzielle Basis darüber hinaus auch ein breiteres Spektrum an Risikopräferenzen? Dies scheint auf den ersten Blick nicht der Fall zu sein. Denn zusammen mit den anderen Bedingungen impUziert die Additivitätsbedingung 6: st{Xt + yt;Xt) = st{Xt;Xt)i-yt
(13)
Das bedeutet für die Sicherheitsäquivalente des Typs (11): Ät{AXt
+ yt) = st{Xt + yu Xt) - st = st{Xt',Xt) -^yt-st = Ät{AXt)
+ yt
(14)
Damit erfüllt das Sicherheitsäquivalent Ät die Additivitätsbedingung 6 so, wie sie ursprünglich von Diedrich für das gesamte Periodensicherheitsäquivalent formuliert worden ist. Dies entspricht bekanntlich im Wesentlichen einer konstanten absoluten Risikoneigung. Allerdings bezieht sich diese Aussage nunmehr nur auf das Sicherheitsäquivalent der Differenzcashflows, nicht unbedingt auf dasjenige der Referenzcashflows. Die Bernoulli-Funktion o; in (10) muss also exponentiell sein, während v beliebig sein darf. Das Subjekt kann deshalb ohne weiteres hinsichtlich der Ausgangsniveaus des Referenzcashflows beliebige Risikopräferenzen aufweisen, obwohl es gleichzeitig eine konstante absolute Risikoneigung hinsichtlich der Abweichungen von diesen Ausgangsniveaus haben muss.
5 Fazit Eine derartige Präferenzstruktur ist durchaus realistisch und bei nicht zu großen Differenzcashflows auch rational vertretbar, sofern das Subjekt die Referenzalternative im Zeitablauf weitgehend konstant hält und nur bei gravierenden Veränderungen seiner Vermögenssituation anpasst.^^ Konstante absolute Risikoneigung bezüghch „normaler" Abweichungen von den zukünftig erwarteten Referenzcashflows in den jeweiligen Umfeldzuständen kann zumindest in erster Näherung als eine für praktische Zwecke der Unternehmensbewertung gute Approximation der realen subjektiven Präferenzen akzeptiert werden. So gesehen ist der hier durch Einführung einer Referenzalternative gegenüber Diedrich abgeschwächte präferenzielle Rahmen mit dem durch (1) und (11) konkretisierten Nutzenmodell nicht nur mit nahezu beliebigen (deterministischen) Zeit Präferenzen, sondern gleichzeitig auch mit einer Vielzahl periodenbezogener Risikopräferenzen vereinbar. Verglichen mit den einleitend beschriebenen Erkenntnissen ist die theoretische Basis der Sicherheitsäquivalentmethode diesbezüglich wesentlich erweitert worden. Allerdings hat die ^^ Intertemporale Veränderungen der Präferenzen sind auch im Hinblick auf die Zeitpräferenzen bekannt; vgl. Ahlbrecht, M. j Weher, M. (1995) sowie aktuell im Hinblick auf die Altersvorsorge Normann, M. / Langer, T. (2002).
450
Harald Dyckhoff
Berechnung des Unternehmens(mehr)werts grundsätzlich die individuelle Referenzalternative des jeweiligen Subjekts zu beachten. Kritik am präsentierten Ansatz könnte sich daran entzünden, dass er den bewährten Rahmen der Erwartungsnutzentheorie verlässt. Dies trifft aber schon auf die präferenziellen Bedingungen von Diedrich zu. Immerhin stellt die Abhängigkeit von einer Referenzalternative jedoch einen noch weiter gehenden „Modellwechsel"^^ dar, sodass darauf einzugehen ist. Versteht man die Verwendung der Sicherheitsäquivalentmethode als ein in der Wirtschaftspraxis häufiger vorkommendes reales Phänomen, so erklärt das hier entwickelte Modell dieses Phänomen für ein wesentlich breiteres und realistischeres Spektrum subjektiver Präferenzen als bisherige Modelle. Aus der empirischen und experimentellen Wirtschaftsforschung ist die vielfältige Existenz von Referenzpunkteffekten belegt, sodass das Erwartungsnutzenmodell aus deskriptiver Sicht sogar eher schon als problematisch angesehen werden muss. In eine andere Richtung gehende Forderungen, etwa von Finanzierungstheoretikern, das Kapitalmarktaxiom durch Einbeziehung komplexerer Transaktionen „realistischer" auszugestalten, gehen an der Sache vorbei, weil Erklärungsmodelle (hier für die Verwendung der traditionellen Sicherheitsäquivalentmethode in der Praxis) umso besser sind, je weniger sie voraussetzen. Die Verhaltensbedingungen 5 und 7 sind in diesem Sinne Ausdruck „minimaler" Annahmen über die beschränkte Rationalität des Subjekts. Grundsätzlich ernster zu nehmen sind dagegen Einwände gegen den Modellwechsel aus präskriptiver Sicht. Dem kann jedoch entgegengehalten werden, dass es zwar reale Anwendungen der Erwartungsnutzentheorie auch im intertemporalen Kontext gibt,^^ diese jedoch eher Ausnahmen für außergewöhnlich wichtige Entscheidungssituationen darstellen, in denen sich der Aufwand für den Einsatz dieser Methode lohnt. Für die Praxis muss deshalb häufig auf Heuristiken ausgewichen werden, die nicht allen Rationalitätsaxiomen der multiattributiven Nutzentheorie entsprechen. Andernfalls wäre etwa auch die praktische Nutzung der auf dem /i-cr-Prinzip beruhenden Portfoliotheorie nach Markowitz im Allgemeinen als problematisch anzusehen. Das hier vorgestellte Modell besitzt zumindest eine gewisse Plausibilität. Inwieweit danach handelnde Personen sich „irrational" verhalten, bleibt noch zu untersuchen. Wer damit nicht einverstanden ist, steht in der Pflicht, eine bessere Entscheidungshilfe für die Unternehmenspraxis nicht nur großer, sondern auch kleiner Unternehmen vorzustellen und zu begründen. Dazu hat Wilhelm überzeugend nachgewiesen: „Wenn kein Spanning gegeben ist, muss im Allgemeinen bei der Unternehmensbewertung auf Präferenzen zurückgegriffen werden."^^ ^^ So die Wortwahl von Kürsten, W. (2003, S. 307) in seiner Entgegnung zu der Kritik von Diedrich, R. (2003, S. 281) hinsichtlich eines viel zu engen entscheidungstheoretischen „Korsetts". ^^ Vgl. die Fußnote 12 bei Kürsten, W. (2003) sowie Eisenführ, F. / Weber, M. (1999). ^^ Wilhelm, J. (2003, S. 23).
Semi-subjektive Unternehmensbewertung
451
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Derivatebewertung mit dem LIBOR-Marktmodell Matthias Muck und Markus Rudolf * WHU - Otto Beisheim Hochschule, Dresdner Bank Stiftungslehrstuhl für Finanzen, Burgplatz 2, D-56179 Vallendar [email protected] markus.rudolfOwhu.edu
Gliederung 1
Das Miltersen/Sandmann/Sondermann-Modell
454
2
Modellrahmen
458
3
Bewertung von Zinsderivaten mit dem Black Modell
461
4
Bewertung von Zinsderivaten mittels Simulation
463
5
Zusammenfassung
469
A
Anhang: LIBOR-Marktmodelle und H J M
470
Literaturverzeichnis
471
* Die Autoren danken Michael Admas, Frank Guse und Valentin Ulrici für hilfreiche Anmerkungen und Hinweise.
454
Matthias Muck und Markus Rudolf
1 Das Miltersen/Sandmann/Sondermann-Modell Die Vorgehensweise bei der Bewertung von Zinsderivaten orientiert sich an der für Akienderivate entwickelten Methodik. In einem ersten Schritt sind Annahmen über die Stochastik der Zinskurve - d.h. die zu Grunde liegenden stochastischen Prozesse - zu treffen. Darauf aufbauend werden in einem zweiten Schritt Portfolios bestimmt, die die Wertentwicklung des Derivats in Abhängigkeit von der Zinsentwicklung replizieren. Die Bewertung von Zinsderivaten ist jedoch wesentlich schwieriger als die von Aktienderivaten. Zum einen müssen mehrere Zinssätze parallel modelliert werden und nicht nur ein einziger Basiswert. Zum anderen wirft auch die Wahl einer geeigneten Prozessspezifikation für die Zinsdynamik einige Probleme auf. Heath, Jarrow und Morton (1992) [10] (HJM) entwickeln einen fundamentalen Modellrahmen zur arbitragefreien Bewertung von Zinsderivaten. Sie gehen dabei von einer kontinuierlichen Zinskurve aus, d. h. sie unterstellen die Existenz von (stetig kapitalisierten) Zinssätzen, die für eine infinitesimal kurze Zeitperiode gelten und modellieren ihr Verhalten^. Die meisten Zinsstrukturmodelle mit ihren z.T. recht unterschiedlichen Verteilungsannahmen sind als Spezialfälle von HJM zu identifizieren^. Einige gehen von einer Normalverteilung der zukünftigen Zinssätze aus. Prominente Beispiele hierfür sind die Modelle von Ho und Lee (1986) [11] und Hüll und Whüe (1990) [13] ^ Eine Prozessspezifikation, die zu einem normalverteilten stetig kapitalisierten Zinssatz rstetig führt, könnte z.B. lauten drstetig
= fJ'nit) ' dt + (7n ' dW{t).
(1)
Dabei ist ^n{t) der Drift, an die Volatilität und W(t) ein Standard-Wienerprozess^. Die Lösung dieser stochastischen Differenzialgleichung ist I stetig \^) — 'stetig ( 0 ) +
/
lin{s)'ds
+
(Tn'W{t).
Jo
Die Variable W{t) ist eine normalverteilte Zufallszahl mit Erwartungswert Null und Varianz t. Es liegt auf der Hand, dass rstetig mit positiver Wahrscheinlichkeit negativ werden kann. Das ist eine sehr unschöne Modelleigenschaft, denn in der Realität werden - abgesehen von einigen wenigen pathoEine Übersicht über gebräuchliche Verfahren zur empirischen Schätzung einer kontinuierlichen Zinskurve ist Wilhelm (2001) [29], S. 2362 zu entnehmen. Zur Allgemeingültigkeit von HJM, vgl. Baxter (1997) [2]. Das Modell von Ho und Lee (1986) [11] ist zwar ursprünglich in diskreter Zeit formuliert. Im Grenzübergang konvergiert es jedoch zu einem Spezialfall von HJM. Wilhelm (1999) [28] liefert eine solche zeitstetige Version und diskutiert den Zusammenhang zwischen beiden Modellansätzen. Eine solche stochastische Differenzialgleichung liegt z.B. für die Shortrate in der zeitstetigen Variante des Modells von Ho und Lee (1986) [11] vor.
Derivatebewertung mit dem LIBOR-Marktmodell
455
logischen Fällen - nur positive Zinssätze beobachtet^. Als möglicher Ausweg bietet sich die Spezifikation einer lognormalen Zinsdynamik an, unter der negative Zinssätze per se ausgeschlossen wären. Black und Scholes (1973) [4] unterstellen in ihrem Modell zur Bewertung von Optionen auf Aktien ebenfalls Log-Normalität der Aktienpreise. Analog könnte ein lognormaler Prozess des stetig kapitalisierten Zinssatzes spezifiziert werden ^ ^ ^ ^ = lllog-n '^stetig
' dt -h (Jlog-n '
dW{t).
Hier bezeichnet ßiog-n den Drift des log-normalen Prozesses und aiog-n die Volatilität. Die Lösung dieser stochastischen DiJ9Ferenzialgleichung ist ebenfalls wohlbekannt und lautet rstetig{t)
= VstetigiO)
• exp [{ßlog-n
" 0.5 • a ^ ) • t + aiog-n
' W{t)]
.
Diese Prozessspezifikation ist allerdings auch problematisch: Die Log-Normalitätsannahme führt mit positiver Wahrscheinlichkeit zu explodierenden Zinssätzen, d.h. die Preise von Nullcouponanleihen können den Wert Null annehmen. Das wäre aber gleichbedeutend mit einer Arbitragemöglichkeit. In einer Reihe von Papieren schlagen Sandmann und Sondermann einen Ausweg aus diesem Dilemma vor. Sie lösen sich von der bis dahin in der Literatur vorherrschenden Fokussierung auf stetig kapitalisierte Zinssätze für infinitesimal kurze Zeitperioden und betrachten an deren Stelle einfache Zinssätze für diskrete Zeitperioden. Diese Vorgehensweise weist zum einen den Vorteil auf, dass es sich um eine „direktere" Modellierung handelt. Schließlich ist es marktüblich, diese diskreten und nicht etwa stetige Zinssätze zu quotieren. Zum anderen zeigen Sandmann und Sondermann (1997) [27], dass man für den diskreten (effektiven) Zinssatz VeffekUv = e'^^*^**^ — 1 einen lognormalen Prozess ansetzen kann, ohne dass der korrespondierende stetige Zinssatz explodiert ^'^ef
fektiv
IJ.e'dt + ae'dW{t),
(2)
'^effektiv
Hier ist /ig der Drift der Veränderung des efltektiv beobachtbaren Zinssatzes und ae dessen Volatilität. Der entsprechende stetig kapitalisierte Zinssatz ist dann gegeben durch rstetig = ln(l -}- VeffekUv) und folgt dem Prozess drstetig = {1- e-'"«*-^-) (Ue-^{1-
e"'^«*^*^-) aA dt + a - dW{t)]
. (3)
^ Um die Arbitragefreiheit des Modells von Ho und Lee (1986) [11] zu garantieren, muss also die Existenz von Bargeld, das ohne Kosten gehalten werden kann, ausgeschlossen werden. Andernfalls würden negative Zinssätze eine Arbitragemöglichkeit implizieren. Musiela und Rutkowski (1997, S. 330) [22] bezeichnen dies auch als eine schwache Form der Arbitragefreiheit.
456
Matthias Muck und Markus Rudolf
Sandmann und Sondermann (1995) [26] geben eine Wahrscheinlichkeitsverteilung für den stetigen Zinssatz an. Sie lautet f{x,fi,(T)
=
fl,.exp(-M^l^):^),
/i =
E[ln{reffektiv{t)]
ä =
Var[ln{reffektiv{t)]^
X G [0, oo] sonst
Abbildung 1 illustriert, dass dieser Prozess tatsächlich nicht explodiert und gleichzeitig immer positiv bleibt. Die Wahrscheinlichkeitsverteilungen im Zeitablauf für (1), (2) und (3) sind den Abbildungen 2, 3 und 4 zu entnehmen.
5
10
15
Zeithorizont in Jahren Abb. 1. Quantile der Zinssätze nach dem normalen, log-normalen und dem Sandmann Sondermann Modell Aufbauend auf dieser Idee entwickeln Miltersen, Sandmann und Sondermann (1997) [20] (MSS) ein in sich geschlossenes arbitragefreies Modell, in dem sie explizit log-normale Prozesse für diskrete Terminzinssätze spezifizieren. Es gelingt ihnen zu zeigen, dass diese Vorgehensweise mit dem HJMModell kompatibel ist. Ihr unter dem Namen LIBOR-Marktmodell bekannt gewordener Ansatz hat eine breite Akzeptanz in Wissenschaft und Praxis gefunden. Diese Popularität mag sich zum einen dadurch erklären, dass mit den diskreten Terminzinssätzen Größen modelliert werden, die direkt auf den Märkten beobachtbar sind. Dadurch erhöht sich die Intuition des Modells und damit auch die Interpretierbarkeit der Ergebnisse. Zum anderen liegt ein besonderer Vorteil darin begründet, dass das LIBOR-Marktmodell für bestimmte Zinsoptionen - den Zinscaplets - zu einer Bewertungsformel führt, die mit der sog. „Black-Formel" übereinstimmt. Diese Formel erfreute sich zwar bis
Derivatebewertung mit dem LIBOR-Marktmodell
— 1 Jahre —2 Jahre —3 Jahre --4 Jahre --5 Jahre —7 Jahre —10 Jahre
A 1 1 IA| p^ ^ ^ \ ^ ^ ~ ^
ü 0 ü CO
CO
L£
-5%
—^-^-S^^g^^wt^^rrff
5%
457
15% Stetiger Zinssatz
1
25%
A b b . 2. Zeitliche Entwicklung der Wahrscheinlichkeitsverteilungen - normales Modell
A / \ l\ £ ^ ^;::^ ^ : : ^ ^ ^ ^
.o "c "CD s: ü (/) ^. sz
Co
-5%
5%
15% Stetiger Zinssatz
— 1 Jahre —2 Jahre ™3 Jahre 1 —4 Jahre i —5 Jahre 1 —7 Jahre 1 —10 Jahre
25%
A b b . 3 . Zeitliche Entwicklung der Wahrscheinlichkeitsverteilungen - log-normales Modell
458
Matthias Muck und Markus Rudolf
1 Jahre 2 Jahre 3 Jahre 4 Jahre 5 Jahre 7 Jahre 10 Jahre
CD
"E 'CD Sl Ü CO
-5%
5%
15%
25%
Stetiger Zinssatz Abb. 4. Zeitliche Entwicklung der Wahrscheinlichkeitsverteilungen - Sandmann Sonder mann Modell dahin unter Praktikern großer Beliebtheit, ein Nachweis ihrer Anwendbarkeit in einem arbitragefreien Zinsstrukturmodell stand aber noch aus. Die Existenz dieser geschlossenen Lösung erleichtert darüber hinaus die Kalibrierung des Modells anhand von am Markt beobachteten Caplet-Preisen erheblich. Parallel zu der Arbeit von MSS entstanden noch zwei weitere grundlegende Beiträge zu Marktmodellen der Zinsstruktur. Brace, Gatarek und Musiela (1997) [5] greifen die Arbeit von MSS auf und beleuchten einige technische Detailfragen, die MSS offen lassen^. Jamshidian (1997) [16] leitet ein Marktmodell für Terminswapsätze her, das kompatibel mit der Black-Formel für Optionen auf Zinsswaps (Swaptions) ist. Der vorliegende Aufsatz ist wie folgt gegliedert: Abschnitt 2 erläutert zunächst die grundlegenden Eigenschaften des LIBOR-Marktmodells. Abschnitt 3 geht auf die Bewertung von Caplets mit Hilfe der Black-Formel ein. Abschnitt 4 verdeutlicht die Implementation mittels Simulation zur Bewertung von Zinsderivaten, für die keine geschlossene Lösung existiert. Abschnitt 5 fasst zusammen.
2 Modellrahmen Dieser Abschnitt diskutiert die wesentlichen Charakteristika des LIBORMarktmodells. Betrachtet wird ein friktionsloser Kapitalmarkt mit zeitkonti^ So beweisen sie z. B. die Zulässigkeit einer abschnittsweise konstanten Volatilitätsfunktion, wie sie in Abschnitt 4 dieses Aufsatzes verwendet wird. Darüber hinaus behandeln sie den Mehrfaktorfall, während sich MSS der Einfachheit halber auf ein Einfaktormodell beschränken.
Derivatebewertung mit dem LIBOR-Marktmodell
459
nuierlichem Handel. Alle Wertpapiere sind beliebig teilbar. Es wird unterstellt, dass eine kontinuierliche Zinskurve beobachtet wird, d. h. für jeden Zeitpunkt zwischen TQ (heute) und r gibt es eine Nullcouponanleihe, die fällig wird und einen Euro auszahlt. Aus dem Kontinuum an Nullcouponanleihen wird eine Untermenge B, bestehend aus n Anleihen mit RückZahlungsterminen {Ti,...,Tn} herausgegriffen (Ti < T2 < ... < Tn < r ) . Der Einfachheit halber sei ferner angenommen, dass alle Verfalltermine den gleichen Abstand 5 voneinander haben, d.h. Ti = T^_i + 5,Vi G {1, ...,n}. Es bezeichne Bi{t) die Nullcouponanleihe mit Fälligkeit in Ti zum Zeitpunkt t. Fi{t) ist der Terminzinssatz für die Periode [T^,T^+i] mit Kapitalisierungsperiode Ö. Es gilt
Des Weiteren steht FQ (0) = W ^IQN — 1 ] für den heutigen Kassazinssatz mit der Laufzeit 5. Die Unsicherheit in der Ökonomie wird getrieben durch einen cf-dimensionalen Standard-Wienerprozess W{t) = (VFi(t),..., Wrf(t)), d. h. Wi{t),..., Wd(t) sind unabhängige Risikofaktoren. Die Volatilitäten (Sensitivitäten) des i-ten Terminzinssatzes (i G {l,..,n}) gegenüber den d Risikofaktoren sind gegeben durch die deterministische Funktion t G [0,Ti] 1-^ ^i{t) G R^. Die Bewertung von Derivaten erfolgt im Allgemeinen nicht unter dem tatsächlichen (empirischen) Wahrscheinlichkeitsmaß, sondern unter risikoadjustierten Wahrscheinlichkeiten. So ist es z. B. weithin bekannt, dass der Wert einer Call-Option auf eine Aktie im Modell von Black und Scholes (1973) [4] gleich dem Barwert der erwarteten Auszahlung der Option unter dem risikoneutralen WahrscheinUchkeitsmaß ist. Die Definition des bewertungsrelevanten Wahrscheinlichkeitsmaßes erfolgt immer mit Bezug auf ein gehandeltes iV'wmeraire-Wertpapier. Unter diesem Maß sind die Preise aller Wertpapiere, dividiert durch das Numeraire (lokale) Martingale. Die Preise von europäischen Optionen ergeben sich durch Erwartungswertbildung über die (stochastische) Auszahlung dividiert durch den Wert des Numeraires. In dem genannten Aktienoptionsbeispiel ist das Numeraire das sog. stetig kapitalisierte Geldmarktkonto, d. h. der Gegenwert von einem Euro, der zum risikolosen Zinssatz bis zum Verfall der Option investiert wird. Im Modell von Black und Scholes (1973) [4] wird für das Numeraire ein deterministischer Prozess angesetzt^. Man kann allerdings auch ein Wertpapier wählen, dessen Wertentwicklung stochastisch ist, wie z.B. eine Nullcouponanleihe^. Unter dem Terminmaß P^ wird nachfolgend das Wahrscheinlichkeitsmaß verstanden, unter dem alle Wert papierpreise dividiert durch den Preis der Nullcouponanleihe mit Fälligkeit in Ti (lokale) Martingale sind. Es ist ^ Black und Scholes (1973) [4] gehen von einem deterministischen Zinssatz aus. Folglich ist auch die Wertentwicklung des Geldmarktkontos deterministisch. ^ Vgl. z.B. Geman, El-Karoui und Röchet (1995) [8].
460
Matthias Muck und Markus Rudolf
möglich, ein arbitragefreies HJM-Modell zu spezifizieren, so dass jeder Terminzinssatz Fi unter „seinem" Terminmaß P^+i einem log-normalen Prozess der Form ^^Mt)-dW^^-^{t).
(5)
folgt und somit einen Drift von Null aufweist^. Genauere Ausführungen hierzu sind dem Anhang zu entnehmen. Der Operator • steht hier und im Folgenden für das innere Produkt (Skalarprodukt)^^. Der Prozess W^'+^{t) € R^ ist ein d-dimensionaler Wienerprozess unter dem Maß P^+i. Die Bezeichnung Terminmaß rührt daher, dass der Terminzinssatz unter diesem Wahrscheinlichkeitsmaß ein Martingal ist. Wendet man P^-^i an, so lässt sich (unter technischen Bedingungen) der heutige Wert 7r(X) eines europäischen Derivats mit einer stochastischen Auszahlung X in T^, j G {l,...,i}, anhand der Bewertungsgleichung 7r(X) - Ep,^,
X Bi-\-l{Tj)
Bi^m
(6)
ermitteln, wobei Ep der Erwartungswertoperator unter dem Maß P ist. Man beachte, dass in (6) der Wert des Derivats dividiert durch den Preis des Numeraires ein Martingal ist: Der heutige Wert dieses Quotienten entspricht seinem zukünftigen Erwartungswert (die Auszahlung X ist der Wert des Derivats bei Verfall). Des Weiteren sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die Martingaleigenschaft unter P^+i nur für den Terminzinssatz Fi{t) gilt. Die übrigen Terminzinssätze Fk{t), k ^ i, folgen zwar ebenfalls lognormalen Prozessen der Form (2), der Drift des Prozesses ist aber von Null verschieden. Terminzinssätze sind nur jeweils unter ihrem „eigenen" Terminmaß Martingale. Der vorliegende Zusammenhang wird in Abschnitt 3 genutzt, um eine geschlossene Lösung für ein Caplet herzuleiten. Die Analyse unter dem Terminmaß erleichtert manchmal die Herleitung einer geschlossenen Lösung, wenn das betrachtete Zinsderivat ledighch von der Entwicklung eines einzelnen Terminzinssatzes abhängt. Doch häufig ist eine solche Lösung selbst dann nicht zu bestimmen. Das kann z.B. der Fall sein, wenn die Höhe der Auszahlung von der Realisation mehrerer Terminzinssätze am Verfalltag abhängt (wie z.B. die im Abschnitt 4 diskutierten Swaptions). Für solche Kontrakte führt Jamshidian (1997) [16] mit dem LIBOR-Kassamaß S ein Wahrscheinlichkeitsmaß ein, das sich zur numerischen Bewertung im Rahmen von Monte-Carlo Simulationen eignet. Das Numeraire ist hier ein diskret kapitalisiertes Geldmarktkonto, dessen Wert zum Zeitpunkt t mit G{t) ^ Vgl. MSS für das Einfaktormodell sowie Brace, Gatarek und Musiela (1997) [5] für den Mehrfaktorfall. ^° Das innere Produkt zweier Vektoren a und 6 mit a' — (ai,...,an) und h' = (6i,..., 6n) ist definiert als a • 6 = Z^iLi ^^^*-
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bezeichnet wird. Dieses wird gebildet, indem man zunächst heute eine Geldeinheit in die Nullcouponanleihe mit der jeweils kürzesten Laufzeit investiert. Diese Anlage wird mit dem aktuellen Kassazinssatz Fo(0) verzinst. Ihr Wert zum Zeitpunkt Ti ist bekannt und beträgt G(Ti) = 1 + 6Fo{0) = l/J5i(To). Dieser Geldbetrag wird nun wiederum in die Nullcouponanleihe mit der dann kürzesten Restlaufzeit investiert, d. h. mit Fälligkeit in T2. Aus heutiger Sicht ist ihr Preis B2{Ti) zwar stochastisch, in Ti kann er aber am Markt beobachtet werden. Insgesamt werden ^ Kr^\ NuUcouponaleihen erworben. Folglich beläuft sich der Wert des diskret kapitalisierten Geldmarktkontos in T2 auf G{T2) = B (T ) ~ B (T YB (T ) ^ ^^^^ -^2(^2) = 1. In T2 wird dieser Gesamtbetrag wiederum in die Nullcouponanleihe mit der dann kürzesten Laufzeit mit Fälligkeit in T3 investiert. In allgemeiner Schreibweise ergibt sich der Wert des diskret kapitalisierten Geldmarktkontos also als G{t) -
^"('^
wobei r]{t) den jeweils nächsten Fälligkeitstermin zum Zeitpunkt t bezeichnet (ist z. B. Tj < * < Tj+i, dann gilt r]{t) = i + 1). Für den Preis des unter (6) bewerteten Derivats gilt nun folgende Bewertungsgleichung 7r(X) = Es
X G{Tj)\
(7)
Man beachte an dieser Stelle, dass beide Bewertungsgleichungen (6) und (7) zu den gleichen Preisen für das Derivat kommen (müssen). Die Wahl des Wahrscheinlichkeitsmaßes hat keinen Einfluss auf die Bewertung (NumeraireIrrelevanz). Folgen die Terminzinssätze unter den jeweiligen Terminmaßen lognormalen Prozessen (4), so zeigen z.B. Musiela und Rutkowski (1997, 351-353) [22], dass für die Dynamik des Terminzinssatzes unter dem LIBORKassamaß gilt
dF,{t) = F,{t) • J2 ^ ' ^illfh
^'^'^dt + F,{t). 7.(t). dW^t), (8
3 Bewertung von Zinsderivaten mit d e m Black Modell Zinscaps gehören zu den meistgehandelten Zinsoptionen weltweit. Ein Zinscap kann interpretiert werden als ein Versicherungskontrakt gegen steigende Zinssätze: In regelmäßigen Abständen (an den sog. Referenztagen) wird ein kurzfristiger variabler Zinssatz (z. B. EURIBOR) mit einem festgelegten Strike Kc verglichen. Der Inhaber erhält eine Ausgleichszahlung, falls der variable Zinssatz diesen Strike übersteigt. Diese Ausgleichszahlung wird berechnet auf einen Nominalbetrag N und ist umso höher, je weiter der variable Zinssatz den
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Strike übersteigt. Unternehmen, die Fremdkapital zu variablen Zinssätzen aufgenommen haben, können mit Hilfe dieser Zahlungen in Hochzinsphasen ihren Zinsaufwand verringern. Ihr Risiko gegenüber steigenden Zinsen lässt sich so von oben „deckein" (cap = engl, für „Deckel"). Ein Zinscap ist also zu sehen als ein Portfolio, bestehend aus einzelnen „Call-Optionen" auf einen kurzfristigen Zinssatz. Diese werden üblicherweise als Caplets bezeichnet. Angenommen, die Referenztage eines Caps stimmen mit den Terminen {Ti,...,Tn} überein und der zu Grunde liegende variable Zinssatz ist der EURIBOR mit Laufzeit 5. Das Caplet mit Verfall in Ti (Zinsvergleich in Ti) zahlt in T^+i folgenden Betrag aus Auszahlung
= S'N - max {Fi{Ti) - K c , 0).
(9)
Man beachte, dass Fi{Ti) mit dem EURIBOR für die Laufzeit 6 zum Zeitpunkt Ti übereinstimmt. Der Gesamtwert des Caps ergibt sich nun aus der Summe der Einzelwerte seiner Caplets. Gemäß (6) folgt der Wert des Caplets mit Verfall in Ti aus der Bewertungsgleichung m8.x{Fi{Ti)-Kc,0) Bi-^i{Ti^i) = Bi+i{0) . (5. AT. Ep,^, [max(F,(T,) - Kc, 0)],
Caplet = 5i4-i(0) -S-N
- Ep.^
weil jede Anleihe einen Rückzahlungswert von 1 hat und somit gilt JB^_|.I(T^+I) = 1. Die Berechnung des Erwartungswerts führt unter Beachtung von (5) zu der analytischen Formel Caplet = ß , + i ( 0 ) . (5. iV • [Fi{0) • ^di)
- Kc • ^(c^s)]
(10)
mit
di=
^" ^ ^
d2=di-d
^ = ]Jl
hM^dt,
wobei I • I für die Euklid'sehe Norm in R^ steht und ^(•) der Operator für die Verteilungsfunktion der kumulierten StandardnormalVerteilung ist. Diese Formel ist identisch mit der sog. Black-Formel^^; allerdings wird für diese i.d.R. nur ein Volatilitätsparameter a Black angegeben. Es gilt er Black'^/Ti — 'd. Die Anwendung von (10) lässt sich am besten anhand eines Beispiels verdeutlichen. Man betrachte ein Caplet auf den 12-Monats-EURIBOR mit Strike Kc = 8%, Verfall in 5 Jahren und Nominalbetrag N = 100 € . Die Bewertung erfolgt im Rahmen eines Zweifaktor LIBOR-Marktmodells mit einjährigen Terminzinssätzen (also d = 2, S = 1). Der einfach kapitalisierte Terminzinssatz für die Periode [T5,T6] = [5,6] beträgt heute -^5(0) = 8.3%, seine Volatilitäten sind zeitlich konstant und gegeben durch ^^ Vgl. Black (1976) [3]. Für eine Anwendung der Black-Formel auf Caplets vgl. z.B. Hüll (2003, 515-520) [12].
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75 = ("i^ 51^) • Ferner sei der Preis einer Nullcouponanleihe mit Verfall in 6 Jahren JB6(0) = 68.51%. Zunächst ist der Parameter i9 zu ermitteln. Es gilt 1 2
f
d
dt = 0.2 • \ / 5 .
\ Jo
Die entsprechende Black-Volatilität ist also er Black = 0 . 2 . Nun ergeben sich di und c?2 als I n ^ + i . 0.22 . 5 dl = — ^ ^ ^ 0.3059 0.2-^/5 d2 = 0.3059 - 0.2 . \/5 = -0.1413. Daraus folgt der Wert des Caplets Caplet = 100 • 0.6851 • [0.083 • ^(0.3059) - 0.08 • ^(-0.1413)] = 1.09. Zur Bewertung weiterer Caplets auf den 12-Monats-EURIBOR mit Verfall in Ti = l Jahr, T2 = 2 Jahre, T3 = 3 Jahre usw. ist die Black-Formel entsprechend simultan anwendbar, da jeder Terminzinssatz konsistent und arbitragefrei so modelliert werden kann, dass er unter dem entsprechenden Terminmaß einem stochastischen Prozess der Form (5) folgt.
4 Bewertung von Zinsderivaten mittels Simulation Manchmal ist es nicht möglich, Zinsderivate mit Hilfe einer geschlossenen Lösung zu bewerten. In solchen Fällen bietet sich die Anwendung von MonteCarlo Simulationstechniken an. In Abschnitt 2 wurde gezeigt, dass sich der Preis eines Derivats immer durch Bildung eines Erwartungswerts ermitteln lässt. Unter dem LIBOR-Kassamaß wird dazu z. B. die Bewertungsgleichung (7) verwendet. Die Idee der Monte-Carlo Simulation ist es, eine große Anzahl M von Zufallspfaden für die Risikofaktoren und damit für die Terminzinssätze zu generieren. An die Stelle einer analytischen Berechnung des Erwartungswerts tritt eine Approximation durch den Durchschnitt aller simulierten Realisationen. Unter dem LIBOR Kassania^ ist z.B. für den i-ten Simulationspfad {i G {1,...,M}) die Auszahlung Xi des Derivats sowie eine Realisation des Geldmarktkontos Gi{T) zu bestimmen. Der Erwartungswert aus (7) wird dann angenähert durch <X)
1_ M
M
E i=i
Xi Gi{T)
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Der Terminzinssatzprozess unter dem Kassamaß ist gegeben durch (8). Die Simulation dieses Prozesses kann z. B. über die Anwendung eines Euler-Schemas auf die logarithmierten Terminzinssätze erfolgen. Dazu betrachte man ein beliebiges Zeitintervall [^1,^2] der Länge Ä. Vereinfachend wird unterstellt, dass Drift und Volatilität des Prozesses in diesem Zeitintervall konstant sind, d. h. dFi{t) « Fi{t) fii{ti). dt + Fi{t) • ji{ti) • dW^{t),
Der daraus resultierende Approximationsfehler für kleine Diskretisierungsschritte A ist vernachlässigbar. Die Lösung der stochastischen DiflFerenzialgleichung (11) ist bekanntlich
Fi{t2) = Fi{h). exp I Liit,) - \\ii{h)A
A + 7,(ti) • z ) | .
(12)
Dabei ist z = W^{t2) — W^{ti) ein d-dimensionaler Vektor normalverteilter Zufallszahlen mit Erwartungswert Null und Varianz A. Die Vorgehensweise sei anhand eines Zahlenbeispiels verdeutlicht: In einem Zweifaktor LIBOR-Marktmodell werden Terminzinssätze für Perioden der Länge S = 0.5 Jahre betrachtet, d.h. Fi{t) gilt für die Periode [0.5,1], F2{t) gilt für [1,1.5] usw. Es wird ein Simulationsprogramm mit einem Diskretisierungsschritt der Länge Z\ = 0.1 Jahre implementiert. In beispw. 1.6 Jahren sei u.a. die Realisation des simulierten Terminzinssatzes mit der dann kürzesten Laufzeit ^4(1.6) = 5.00% und der mit der zweitkürzesten Laufzeit ^5(1.6) = 6.00%. Die zugehörigen Volatilitäten sind gegeben durch 74(1.6) = f^, ^) und 75(1.6) = (^, lY Im Rahmen der Simulation der beiden Risikofaktoren werden zwei unabhängige normalverteilte Zufallszahlen mit Erwartungswert 0 und Varianz A = 0.1 gezogen. Es sei angenommen, dass der Zufallszahlengenerator das Ergebnis z = ( ^ ? — ^ ) liefert. Nun sind die Terminzinssätze ^4(1.7) und F5(1.7) in ^2 = 1.7 Jahre zu bestimmen. Dazu ermittelt man zunächst die beiden Drifts /i4(1.6) und )U5(1.6) gemäß (11). Es gilt (7/(1.6) = 4 ) ^^ .. .. _ (5^4(1.6). 74-74 _ 0 . 5 . 0 . 0 5 . ( ^ . ^ + 3 ^ . ^ ) _ ^'^^'^^ 1 + ^^4(1.6) 1 + 0.5.0.05 ^-^^^^^ ,. . , ^^4(1.6)-75(1.6) »74(1.6) ^ SFsil.ß) • 75(1.6) . 75(1.6) /^5(1.6) = 1 , ,Tpn a^ + 1 +(5^4(1.6) 1 +(5^5(1.6) 0.5.0.05.(^.^ + ^.1) 1 + 0.5.0.05 0.00304.
0 . 5 . 0 . 0 6 . ( ^ . ^ + 1.1) 1+0.5.0.06
Nun können die simulierten Terminzinssätze ^4(1.7) und ^5(1.7) unter Beachtung von (12) berechnet werden als
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1 F4I.7) = F^il.6) • exp I ( M4(l-6) - ^ • 174(1.6)1'1 • A + 74(1.6)2
•]
= 0.05.exp|(0.00098-l.-L).0.1+(^.1-1. A ^ 5.24% F5(1.7) - F5(1.6). exp |
(LLS{1.6)
- \ • |75(1.6)|'') • A + 75(1.6)^
^ 6.36% Analog ist für die übrigen Zeitpunkte und Terminzinssätze vorzugehen. Zum Verfalltermin eines Derivats lassen sich so die Auszahlung des diskret kapitahsierten Geldmarktkontos für den jeweihgen Zufallspfad berechnen. Abschließend bleibt die Frage zu erörtern, wie gut die Simulation die tatsächliche Lösung approximiert. Zu diesem Zweck wird ein LIBOR-Marktmodell unter dem nachfolgenden (möglichst realistischen) Szenario implementiert.-^^ Es wird davon ausgegangen, dass die Terminzinssatzdynamiken zeitlich homogen sind, d. h. Varianzen und Korrelationenen hängen ausschließlich von der Restlaufzeit der Terminzinssätze ab. Abbildung 5 zeigt die abschnittsweise konstante Volatilitätsfunktion, Abbildung 6 die Korrelationsstruktur. Man beachte, dass die Volatilitätsstruktur einen „gebuckelten" Verlauf aufweist: Terminzinssätze mit einer Restlaufzeit von 1.5-2.5 Jahren weisen deutlich höhere Volatilitäten auf als die übrigen. Diese Eigenschaft wird typischerweise auf den Caplet-Märkten in den meisten wichtigen Währungsräumen beobachtet. Die Korrelationsstruktur wird so gewählt, dass „benachbarte" Terminzinssätze (d. h. Terminzinssätze mit nahe beieinander liegenden Fälligkeiten) eine höhere Korrelation aufweisen als solche, die recht weit voneinander entfernt sind. Insgesamt werden d = l unkorrelierte Risikofaktoren verwendet, d.h. W(i) G R^. Die VolatilitätskoefBzienten der Terminzinssätze werden so gewählt, dass die Korrelationsmatrix möglichst gut angenähert wird^^. Ausgangspunkt der Simulationsexperimente ist die tatsächliche Zinskurve vom 2. Januar 2002 im Euroland. Es werden zunächst Caplets bewertet, die am Geld sind (d. h. die Strikes entspricht den jeweihgen Terminzinssätzen) und einen Nominalbetrag von 100 € aufweisen. Die Bewertung geschieht sowohl mit Hilfe der Simulation als auch auf Basis der Black-Formel (10). Abbildung 7 ^^ Eine ausführliche Diskussion zu den aus empirischer Sicht wünschenswerten Modelleigenschaften zeitliche Homogenität und Volatilitätsbuckel sowie zur Form der Korrelationsstruktur ist z. B. Rebonato (2002) [24] zu entnehmen. ^^ Technisch geschieht dies, indem die vorgegebene Korrelationsmatrix in ihre sog. „Spektrale Repräsentation" zerlegt wird, d. h. es werden ihre Eigenvektoren (normiert auf die Länge 1) und die zugehörigen Eigenwerte bestimmt. Für eine genaue Beschreibung des Verfahrens vgl. z. B. Longstaff, Santa-Clara und Schwartz (2001) [19]. Der Erklärungsgehalt der ersten 7 Faktoren ist in dem vorliegenden Fall mit 98% zwar hoch, aber nicht untypisch, vgl. z.B. Rebonato (1998, 61-63) [23].
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vergleicht die analytischen und die simulierten Caplet-Preise für einen Diskretisierungsschritt von Ä = 0.05 J a h r e n unter Verwendung von 200'000 Simulationspfaden. Es stellt sich heraus, dass die simulierten Caplet-Preise die theoretischen Preise sehr gut approximieren. Der Simulationsfehler beträgt jeweils weniger als O.Ol € ^ ^ .
0.25 0.2 :« 0.15
§
0.1 0.05
0.5
1.5
2.5
3.5
4.5
5.5
6.5
7.5
8.5
9.5
Restlaufzeit Terminzinssatz
A b b . 5. Exemplarische (gewölbte) Pristenstruktur der Volatilitäten der Terminzinssätze Zusätzlich wird das LIBOR-Marktmodell auf Kontrakte angewendet, für die keine geschlossene Lösung existiert: Optionen auf Zinsswaps (Swaptions). Unter einem Zinsswap versteht m a n eine Vereinbarung, feste gegen variable Zinszahlungen gegeneinander auszutauschen, die auf einen genau spezifizierten Nominalbetrag berechnet werden. Beide Vertragsparteien gehen ein verpflichtendes Geschäft ein. Der Festsatz (Swapsatz) richtet sich nach der beobachteten Zinskurve. Er ist so zu wählen, dass sich die Barwerte der zukünftigen variablen und festen Zahlungen entsprechen. Bei einer Zahler-Swaption erwirbt der Käufer das Recht, bei Optionsverfall einen festgelegten Zinssatz zu zahlen (Strike Kz) und im Gegenzug einen variablen Zinssatz ( z . B . 6Monats-EURIBOR) zu empfangen. Entsprechend erwirbt der Käufer einer Empfänger-Swaption das Recht, einen Festsatz Kß zu empfangen u n d einen ^^ Es fällt auf, dass die simulierten Caplet-Preise die analytischen Preise jeweils geringfügig unterschätzen. Das liegt daran, dass im Rahmen der „Anpassung" der Faktorgewichte an die Korrelationsmatrix 98% aber nicht 100% der Varianz erklärt werden. Dadurch unterschätzt der Simulationsalgorithmus die Varianzen der Terminzinssätze leicht, was gleichbedeutend ist mit einer Unterschätzung der Caplet-Preise aufgrund des positiven Zusammenhangs zwischen Optionspreis und Volatilität.
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Korrelationskoeffizient
Restlaufzeit 2. Terminzins
Restlaufzeit 1. Terminzins
A b b . 6. Exemplarische Korrelationsstruktur der Terminzinssätze
0.4 0.35
M Analytisch D Simuliert
0.3 0.25 H (0
£
0.2 H
Q.
0.15 0.1 0.05 O^
^^ Verfall
A b b . 7. At-the-money Caplet-Preise: analytische versus simulierte Preise
variablen Zinssatz zu bezahlen. Ob die Option bei Fälligkeit tatsächlich ausgeübt wird, hängt vom dann gültigen Zinsniveau ab. Liegt der Marktswapsatz bei Verfall unter dem Strike, so wird die Empfänger-Swaption ausgeübt: Durch die Swaption hat der Inhaber das Recht, in einen Swap einzutreten und im Gegenzug zu den von ihm geleisteten variablen Zinszahlungen einen höheren Swapsatz KE ZU erhalten als zu den regulären Marktkonditionen. Genau spiegelbildlich ist die Position des Käufers einer Zahlerswaption zu sehen. Diese wird immer dann ausgeübt, wenn der Marktswapsatz bei Verfall höher als Kz
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ist. Durch die Ausübung der Swaption verbilHgen sich für ihn die Festsatzzahlungen. Eine Erklärung des genauen Auszahlungsprofils ist z. B. Rudolf (1998) [25] oder auch Rebonato (2002, 34-35) [24] zu entnehmen.
3.5 3
^Zahler D Empfänger
2.5 H 0)
2
0- 1.5 1 0.5 0
N-f^
K^ *o- N^ K^ ^ ^ ^ y \>y w" <^
Abb. 8. Swaptions-Preise: simulierte Preise von Zahler- und Empfänger-Swaptions Abbildung 8 stellt die heutigen Preise von Zahler- und Empfänger-Swaptions gegenüber, die mit Hilfe des Simulationsalgorithmus (200'000 Zufallspfade, Diskretisierungsschritt Ä = 0.05 Jahre) ermittelt wurden. Die Bezeichnungen entsprechen dabei den Marktusancen, d.h. eine 5x3 Swaption ist z. B. eine Option auf einen 3-jährigen Zinsswap, die in 5 Jahren verfällt. Die möglichen zukünftigen Festsatzzahlungen haben einen Abstand von 6 Monaten. Der Nominalbetrag ist jeweils 100 € . Die Strikes entsprechen dabei den sog. Terminswapsätzen. Unter dem Terminswapsatz versteht man den Festsatz, zu dem zwei Vertragsparteien bereit wären, heute einen Zinsswap einzugehen, der jedoch erst in der Zukunft beginnt. Aus Arbitrageüberlegungen heraus müssen sich die Swaption-Preise (unabhängig von dem verwendeten Modell) entsprechen^^. Es zeigt sich, dass die simulierten Preise korrespondierender Zahler- und Empfänger-Swaptions tatsächlich sehr eng beieinander ^^ Diesen Zusammenhang kann man sich wie folgt klar machen: Angenommen ein Investor hat eine Zahler-Swaption gekauft und eine Empfänger-Swaption verkauft. Die Strikes entsprechen jeweils dem Terminswapsatz. Liegt der Marktswapsatz bei Verfall unter dem Strike, dann wird die Empfänger-Swaption ausgeübt: Der Investor hat diese Option verkauft, d. h. er muss den Terminswapsatz (= Strike) zahlen und empfängt dafür den variablen Zinssatz. Die Zahler-Swaption verfällt wertlos. Liegt der Marktswapsatz bei Verfall dagegen über dem Terminswapsatz, so übt der Investor seine gekaufte Zahler-Swaption aus: Er zahlt den Terminswapsatz (= Strike) und empfängt den variablen Zinssatz. Die Empfänger-Swaption ist
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liegen: Die PreisdiflFerenzen betragen selten mehr als O.Ol € . Das Simulationsprogramm führt also auch für Derivate, deren Wert von der Entwicklung mehrerer Terminzinssätze abhängt (unter einem realistischen Szenario) zu plausiblen Ergebnissen.
5 Zusammenfassung Das LIBOR-Marktmodell hat eine breite Akzeptanz unter Akademikern und Praktikern gefunden. Es weist mehrere Stärken auf: So erlaubt es eine lognormale und damit positive Modellierung von Zinssätzen. Des Weiteren ist es kompatibel mit der von vielen Praktikern verwendeten Black-Formel zur Bewertung von Caplets und liefert eine bis dahin fehlende theoretische Begründung für die Anwendbarkeit dieser Formel in einem arbitragefreien Zinsstrukturmodell. Die Kompatibilität mit dem Black-Modell erleichtert darüber hinaus die Kalibrierung des Modells an Marktdaten erheblich. Schließlich kann in das LIBOR-Marktmodell größere ökonomische Intuition einfließen, denn es werden tatsächlich am Markt beobachtbare Größen direkt modelliert und nicht eher theoretische Konstrukte wie „augenblickliche" Terminzinssätze im traditionellen HJM-Modell. Aus diesen Gründen ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass auf die ursprünglichen Veröffentlichungen von MSS, Brace, Gatarek und Musiela (1997) [5] und Jamshidian (1997) [16] hin zahlreiche Anstrengungen zur Weiterentwicklung des Modells unternommen wurden. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Erklärung des sog. Smile-Effekts. Darunter versteht man die empirische Beobachtung, dass Caplets verschiedene implizite Black-Volatilitäten für unterschiedliche Strikes bei gleicher Laufzeit aufweisen. Arbeiten zu dieser Fragestellung stammen z. B. von Zühlsdorff (1999) [30], Andersen und Andreasen (2000) [1], Joshi und Rebonato (2003) [17], Lin (1999) [18] sowie Glasserman und Kou (2003) [9]. Sie haben gemeinsam, dass sie die Prozessspezifikation der diskreten Terminzinssätze von MSS modifizieren bzw. erweitern, um alternative Verteilungen der Terminzinssätze zu erhalten. Eine weitere wichtige Fragestellung ist die Bewertung von Swaptions. Im LIBOR-Marktmodell gibt es keine geschlossene Lösung zur Bewertung dieser Kontrakte. Zwar kann man diese im Rahmen von Monte-Carlo Simulationen bewerten. Eine geschlossene Lösung würde jedoch z. B. im Rahmen der Modellkalibrierung den rechnerischen Aufwand erheblich reduzieren. Aus diesem Grund schlagen u.a. Hüll und White (2000) [14] und Jäckel und Rebonato (2000) [15] Näherungsformeln vor, die sich einfach implementieren lassen und die zu akkuraten Ergebnissen führen. Schließlich sollen an dieser Stelle auch die empirischen Studien zum LIBOR-Marktmodell nicht unerwähnt bleiben. Hier sind in erster Linie die Beiträge von Longstaff, Santa-Clara und Schwartz dieses Mal wertlos. Das bedeutet, dass das betrachtete Portfolio die Position eines Zahlers in einem Terminswap repliziert. Da es sich bei einem Terminswap um ein beidseitig verpflichtendes Geschäft handelt, muss dessen fairer Wert heute gleich Null sein. Folglich müssen sich auch die beiden Swaption-Preise entsprechen.
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(2001) [19] sowie De Jong, Driessen und Pelsser (2001) [7] zu nennen, die die Bewertung von Caps und Swaptions auf dem US-amerikanischen Markt analysieren. Für den europäischen Markt gibt es dagegen kaum vergleichbare systematische Studien. Eine Ausnahme bildet hier z. B. Muck (2003) [21], der die Bewertungsrelevanz von möglichen überraschenden Zentralbankinterventionen mit Hilfe eines LIBOR-Marktmodells mit Sprüngen untersucht.
A Anhang: LIBOR-Marktmodelle und HJM Es bezeichne / ( t , T ) , t £ [0,T], T G [0,r], einen (stetig kapitalisierten) Terminzinssatz zum Zeitpunkt t, der für eine infinitesimal kurze Zeitperiode beginnend in T gültig ist. HJM unterstellen, dass der Prozess der Terminzinssätze unter dem empirischen Wahrscheinlichkeitsmaß P gegeben ist durch dfit, T) = M (t, T, fit, T)) dt + ait, T, fit,
T))dW''it).
Ist das Modell arbitragefrei, so kann ein risikoneutrales Wahrscheinlichkeitsmaß Q gefunden werden, unter dem gilt dBi{t) = Bi{t) • {f{t,t)dt Vi{t) = -
+ Vi{t)dW'^{t)) ,
a{t,u)du.
Unter Beachtung von (4) führt eine Anwendung von Ito's Lemma zu dem risikoneutralen Terminzinssatzprozess
dFiit) = ^ 1 ^ (Ä(.) + iV.it) - V,+,it))dW'i). Der Drift /r^(-) spielt an dieser Stelle keine große Rolle, weil er durch Anwendung des Girsanov Theorems aus der Prozessgleichung eliminiert werden kann. Das Girsanov Theorem besagt (informell gesprochen), dass bei einem Wechsel des Wahrscheinlichkeitsmaßes lediglich der Drift, nicht aber die Volatilität des Prozesses angepasst werden muss. Eine geschickte Wahl für das Wahrscheinlichkeitsmaß ist das Terminmaß P^+i unter dem alle ß. Z^), j ^ h (lokale) Martingale sind. Das bedeutet dFiit) = ^ | i ^ • iViit) -
Vi+,it))dW^^^K
Gibt man nun die lognormale Terminzinssatzvolatilität 7^(t) vor und setzt Viit)-Vi+,it)-
i^^^^(^)
SO erhält man den Terminzinssatzprozess
,
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dFi{t)=Fiit)'ji{t)'dW^'+'{t). Damit ergibt sich eine direkte Beziehung zur VolatiUtätsfunktion im Modell von HJM, denn es gilt Vi{t) — Vi^i(t)
= — / Jt
a{t,u)du-\-
/ Jt
a{t,u)du=
/ JTi
a{t^u)du.
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472
Matthias Muck und Markus Rudolf
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Reduktionsmodelle zur Kreditderivatebewertung Markus O. Starck und Siegfried Trautmann CoFaR Center of Finance and Risk Management, Johannes Gutenberg-Universität Mainz, D-55099 Mainz starckQf inance. uni-mainz. de trautOfinance.uni-mainz.de
Gliederung 1
Einleitung
474
2
Kernelemente eines Reduktionsmodells
475
2.1 2.2
Deterministische Ausfallwahrscheinhchkeiten Stochastische Ausfallwahrscheinlichkeiten
475 477
2.3
Wiedergewinnungsmodelle
479
3
Risikoneutrale Bewertung
481
3.1 3.2 3.3 3.4 4
Wertdarstellungen für Kreditderivate Alternative Wertdarstellungen für Anleihen Kalibrierung des Hazardprozesses Bewertung mittels Monte Carlo-Simulation Fallstudie
481 484 485 485 486
4.1
Datengrundlage und Kalibrierung der Modelle
486
4.2
Vergleich von berechneten und marktgegebenen CDS-Prämien . . . . 489
5
Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
491 492
474
Markus O. Starck und Siegfried Trautmann
1 Einleitung Ein Kreditderivat verbrieft einen Anspruch auf Zahlungen, deren Höhen sich aus Eigenschaften eines oder mehrerer Kredite ableiten. Je nach Vereinbarung können Zahlungen durch so genannte Kreditereignisse wie z.B. Ratingänderungen, Verzug der Zins- oder Tilgungszahlungen, Insolvenz oder Schuldenrestrukturierung ausgelöst werden. Des Weiteren können Marktpreise von an Börsen gehandelten Anleihen, Zinsspannen (Credit Spreads) oder, bei Ausfall, die Ausfallhöhe herangezogen werden. Diese Merkmale beziehen sich auf die Messung der Kreditqualität bzw. auf deren Änderungen. Mit Hilfe von Kreditderivaten lassen sich somit verschiedene Kreditrisiken eines oder mehrerer Kreditengagements isolieren und an Dritte übertragen, ohne dass die jeweiligen Schuldner davon erfahren müssen. Kreditderivate werden daher oft zur Absicherung gegen Änderungen der Kreditqualität eingesetzt. Sie dienen aber auch dem Risikoverkauf von Einzelpositionen, zur Diversifikation von Risikokonzentrationen oder dem bewussten Eingehen von Risiken zwecks Renditesteigerung. Sie ermöglichen ein aktives Management der Risiken eines Kredit p ort folios. Das am häufigsten gehandelte Kreditderivat ist der Credit Default Swap (CDS). Der Sicherungsgeber (Risikokäufer) erhält während einer festgelegten Laufzeit regelmäßig eine Prämie und verpflichtet sich im Gegenzug, dem Sicherungsnehmer (Risikoverkäufer) bei Ausfall eines Referenztitels eine Ausgleichszahlung zu leisten. Die International Swaps and Derivatives Association (ISDA) entwickelt Rahmenverträge für Kreditderivate, um deren Handel zu standardisieren und zu vereinfachen. Für die Bewertung sind geeignete Modelle zu entwickeln, welche die Wertentwicklung der zugrunde liegenden Anleihen und die damit verbundenen Kreditrisiken berücksichtigen. Für die Modellierung von Kreditrisiken lassen sich zwei Ansätze nennen. Firmenwertmodelle (structural models) folgen der Idee Black/Scholes' (1973) und Merton^s (1974), eine ausfallrisikobehaftete Anleihe mit Hilfe einer Option auf den Unternehmenswert zu bewerten. Der Wert einer ausfallrisikobehafteten Null-Kuponanleihe entspricht dabei dem Wert einer sicheren Anlage in Höhe des Nennwertes abzüglich des Wertes eines Puts auf den Firmenwert. Der Wert und die Verbindlichkeiten einer Unternehmung sind allerdings nicht direkt beobachtbar und deren Schätzung ist meist schwierig. Der vorliegende Artikel behandelt die zweite Modellklasse, die einen Ausfall losgelöst von fundamentalen Unternehmensdaten beschreibt und daher Reduktionsmodelle (reduced-form models) genannt wird. Einen wichtigen Spezialfall der Reduktionsmodelle stellen die Intensitätsmodelle von Jarrow/Tumbull (1995), Jarrow/Lando/Turnbull (1997) und Lando (1998) dar. Zentraler Bestandteil eines Reduktionsmodells ist die Modellierung der stochastischen Ausfallzeit, deren mögliche Varianten im Folgenden beschrieben und anhand eines Fallbeispiels kalibriert werden sollen.
Reduktionsmodelle zur Kreditderivatebewertung
475
2 Kernelemente eines Reduktionsmodells Zentraler Bestandteil eines Reduktionsmodells ist die Modellierung des Ausfallzeitpunktes. Tritt ein Ausfall einer Unternehmung vor Laufzeitende der Verbindlichkeit ein, so können die vertraglich vereinbarten Zahlungen nicht in vollem Umfang erfolgen. In einer sehr allgemeinen Formulierung definiert man, dass ein Kreditereignis zu demjenigen Zeitpunkt eintritt, in dem ein wachsender stochastischer Prozess eine exponentialverteilte Zufallsvariable überschreitet.^ Definition 1. Sei F = {Ft : 0 < t < T} ein wachsender, rechtsstetiger Prozess, der in Fo = 0 startet Weiterhin sei eine positive Zufallsvariable rj gegeben, die exponentialverteilt mit Parameter 1 ist (rj ^ Exp{l)) und unabhängig von der Entwicklung von F. Der Ausfallzeitpunkt (kurz: die Ausfallzeit^ r ist definiert durch T = M{te{0,T]:Ft>v},
(1)
wobei die Vereinbarung Inf 0 = +oo gelte. Wegen FQ = 0 < rj ist r strikt positiv. Der Prozess F heißt Hazardprozess. Das zugrundeliegende stochastische Modell^ kann man sich so vorstellen, als würde hinter einem Vorhang genau einmal eine Zufallszahl rf gezogen. Den Marktteilnehmern wird nur deren Verteilung, aber nicht die Realisation genannt. Es werden die Eigenschaften des Hazardprozesses und zusätzUch zu jedem Zeitpunkt t die Realisation des Hazardprozesses Ft sowie Eintritt oder Ausbleiben des Ausfalls für diesen Zeitpunkt bekannt gegeben. Basierend auf diesem Informationsstand bestimmen die Marktteilnehmer nun Ausfallwahrscheinlichkeiten; sie können aber den Ausfallzeitpunkt nicht vorhersagen, da sie die Realisation von rj nicht kennen. 2.1 Deterministische Ausfallwahrscheinlichkeiten Mit der Spezifikation des Hazardprozesses können nun gewünschte Eigenschaften der Ausfallzeit in einem Reduktionsmodell festgelegt werden. Für den Spezialfall, dass der Hazardprozess eine Funktion F{t) und somit deterministisch ist, kann mit den Gleichungen Eine allgemeinere Definition der Ausfallzeit, die zusätzlich auch Firmenwertmodellen zugrunde gelegt werden kann, geben Belanger/Shreve/Wong (2004). Der formale Modellrahmen ist durch eine stochastische Basis (i7, ö,G, Q) gegeben. Der Hazardprozess ist an eine Filtration F = {Tt : 0 < t < T} adaptiert, die durch einen Sprungdiffusionprozess erzeugt wird. Hinzu kommt die Information über einen eventuellen Ausfall: Q = {Gt : 0 < t < T} = {J^t^ ö^(l{r
476
Markus O. Starck und Siegfried Trautmann
F{t)= Q{T
(2)
jeweils von der Hazardfunktion r{t) auf die Verteilungsfunktion JF der Ausfallzeit und umgekehrt geschlossen werden. Abbildung 1 verdeutlicht die Hazardfunktionen der folgenden Modelle ( M l ) bis (M4):^
nm . . . - (M2)
ri(co)
r(M2)
^M4)^(M1)
^(M3) f
A b b . 1. Beispiele für Hazardfunktionen Die Realisation 77(0;) ist nicht bekannt. Daher ist der Ausfall bei stetiger Hazardfunktion nicht vorhersehbar.
( M l ) Im einfachsten Fall gilt r{t) = At, wobei A eine positive Konstante ist. F ü r die AusfallwahrscheinHchkeit folgt
Q{r
= l - e -r{t)
1
-xt
und m a n sieht, dass die Ausfallzeit r exponentialverteilt mit P a r a m e t e r A ist ( r ~ Exp(A)). Diese Verteilung besitzt auch der erste Sprungzeitpunkt eines homogenen Poisson-Prozesses, ( M 2 ) F ü r eine Ausfallzeit mit Exponentialverteilung Exp(Ai) in der i-ten Periode [t^-i, t^), i = 1 , . . . , AT, lautet die Hazardfunktion ^ Da der Ausfallzeitpunkt oft auch als erster Sprungzeitpunkt eines PoissonProzesses modelliert wird, geben wir teilweise auch dessen jeweilige Bezeichnung an.
Reduktionsmodelle zur Kreditderivatebewertung N
477
N
^ ( 0 "= 22 ^{ti-i
- ti-i) + 22 ^{t>ti}K{ti -
ti-i),
wobei to = 0 gesetzt wird. Die Konstanten A^ werden dabei auch als Ausfallintensitäten, Ausfallraten oder Hazardraten bezeichnet. (M3) Ändert sich die Ausfallintensität in einem Reduktionsmodell kontinuierlich mit der Zeit, so spezifiziert man eine so genannte Intensitätsfunktion X{t) > 0. Die Ausfallzeit r mit Hazardfunktion r{t) = J^ \{u)du stimmt dann mit der Definition des ersten Sprungzeitpunktes eines inhomogenen PoissonProzesses überein. (M4) Eine eventuelle Zahlungsunfähigkeit einer Unternehmung offenbart sich oft bei Fälligkeit der Anleihen. Bei der Kalibrierung des Hazardprozesses kann man dies durch Einbau von größeren Sprüngen zu den Fälligkeitsterminen berücksichtigen. Sollen Ausfälle nur zu vorgegebenen Zeitpunkten stattfinden wie z. B. in zeitdiskreten Modellen, so wählt man eine stückweise konstante Hazardfunktion mit Sprüngen zu den vorgebenen Zeitpunkten. Für Zeitpunkte t^, i = 1 , . . . , A^, erfüllt dies die Treppenfunktion N
m = Y,Mt>uMti-u-i) i=i
mit to = 0. In diesem Fall gilt Q(r < t^) = 1 — exp [ — ^i^i
K{ti — ^i-i))
oder einfacher Q(T < tk) = 1 — exp [—^tYji=i Kji ^t = ti — to, falls die Zeitpunkte t^, i = 0 , . . . , A^, äquidistant sind. Ein solches zeitdiskretes Modell ist Ausgangspunkt der Modellierungen von Jarrow/Tumhull (1995, S. 56-70). 2.2 Stochastische Ausfallwahrscheinlichkeiten Ein Reduktionsmodell, in dem die Höhe der Ausfallwahrscheinlichkeiten oder die Höhe der Ausfallintensität unsicher ist, ist durch einen stochastischen Hazardprozess gekennzeichnet. Die Ausfallwahrscheinlichkeit lässt sich mit der Technik der üerierten Erwartungswertbildung Q{r
EQ^rKT}]
= EQlQiri <
= EQ[EQ[l[r
T T I ^ T ) ] =EQ[1-
e"^-]
als Erwartungswert einer Funktion des Hazardprozesses bestimmen. Wir unterscheiden nun die folgenden Modellierungen für den Hazardprozess: (M5) Für Ft — At, wobei A eine positive Zufallszahl ist, ist die Ausfallzeit bei gegebener Realisation A(ct;) eine Exp(A(ct;))-verteilte Zufallsvariable. Da jedoch die Realisationen von A und r] nicht bekannt sind, ist die Verteilungsfunktion der Ausfallzeit stochastisch. Die Ausfallzeit kann hier als erster
478
Markus O. Starck und Siegfried Trautmann
Sprungzeitpunkt eines zeithomogenen, bedingten Poisson-Prozesses aufgefasst werden. (M6) Eine Verallgemeinerung stellen stochastische Intensitäten für einzelne Perioden dar. Der Hazardprozess lautet dann ähnlich wie im Modell (M2) N
^t^Yl
N
'^{t>ti}\{^i) {u - ti-i)+J2 i=l
Mt,.i
Jährhche Ratingänderungen können z.B. durch Markovketten mit diskretem Zustandsraum {XAAA^ - -- I^C} für die Ausfallintensität modelliert werden. (M7) Intensitätsmodelle stellen einen wichtigen Spezialfall der Reduktionsmodelle dar. Diese sind durch einen absolut stetigen Hazardprozess Ft = JQ Xudu, t E [0,T], gekennzeichnet, wobei der Intensitätsprozess X progressiv messbar bzgl. einer Filtrierung F ist. Positive Ausfallwahrscheinlichkeiten für einen festen Zeitpunkt sind hier nicht möglich. Dies ist z. B. bei den Intensitätsmodellen von Jarrow/Lando/Turnbull (1997, S. 494 ff.) und Lando (1998) mit zustandsdiskreter und zustandskontinuierlicher Intensität der Fall. Die Wahrscheinlichkeit
Q{T
Xudu
für einen Ausfall vor T ist identisch mit der Wahrscheinlichkeit, dass ein Fbedingter Poisson-Prozess mit Intensitätsprozess X im Intervall [0, T] mindestens einmal springt. (M8) Unterstellt man, dass ein Ausfall nur zu fest vorgegebenen Zeitpunkten mit zufälliger Wahrscheinlichkeit stattfinden kann, so wählt man einen stückweise konstanten Hazardprozess F mit nichtnegativen stochastischen Sprunghöhen zu den vorgegebenen Zeitpunkten. (M9) Generell können alle wachsenden Prozesse als Hazardprozess verwendet werden. Besonders interessant sind dabei Hazardprozesse, die nicht absolut stetig sind, die also nicht mit Hilfe eines Intensitätsprozesses angegeben werden können. Nimmt man z. B. einen wachsenden Levy-Prozess mit unendlicher oder endlicher Aktivität, so führt dies zu unendlich vielen Sprüngen der bedingten Ausfallwahrscheinlichkeit in einem Zeitintervall bzw. zu endlich vielen Sprüngen zu zufälligen Zeitpunkten. Als Beispiel für ein Reduktionsmodell der Klasse (M9), das kein Intensität smodell ist, kann ein Gamma-Prozess als Hazardprozess angegeben werden. Ein Gamma-Prozess G mit Wachstumsrate // und Varianz v hat Gammaverteilte unabhängige Inkremente. Das Inkrement g = Gt+/i ~ Gt über einen Zeitraum h hat Erwartungswert /i/i, Varianz vh und Dichte
Reduktionsmodelle zur Kreditderivatebewertung
479
wobei r die aus der Analysis bekannte Gammafunktion bezeichnet. Verwendet man den Gamma-Prozess als Hazardprozess, so erhält man die Ausfallwahrscheinlichkeit OO
M^T
Q{T
= 1-
dg
/i + z^
wobei die Substitution x = {fi -}- y)g angewandt wird. Diese Ausfallwahrscheinlichkeit erhält man auch für das Modell (Ml) mit A = —^hi (-jj-^y Die Entwicklung der bedingten Ausfallwahrscheinlichkeit Q(r < T\iFt) im Zeitablauf ist im Modell (M9) allerdings stochastisch und weist im Falle des Gamma-Prozesses unendlich viele Sprünge in einem Zeitintervall auf. 2.3 Wiedergewinnungsmodelle Ein wichtiger Bestandteil eines Kreditderivatemodells ist die Modellierung der Ausfallhöhe im Falle eines Ausfalls. Im Folgenden wird für die Modellierung des Wiedergewinnungswertes Z, der annahmegemäß direkt nach einem Ausfall zur Verfügung stehen soll, eine Wiedergewinnungsquote ö E [0,1] und eine der drei Bezugsgrößen Nennwert der Anleihe, Wert einer ausfallrisikolosen und sonst identischen Anleihe und Marktwert der Anleihe unmittelbar vor Ausfall eingeführt:^ • Totalverlust:
Zt = 0,
• nennwertbasierte Wiedergewinnung:
2^NW _
5- 1,
• äquivalente Wiedergewinnung:
^ÄW _
5- Bt{T),
• marktwertbasierte Wiedergewinnung:
^•MW _\6
•B^{T).
Dabei bezeichnet Bt{T) den Wert einer Anleihe mit der gleichen Ausstattung, die aber ausfallrisikolos ist. 5 j l ^ ( T ) bezeichnet den Preis der ausfallrisikobehafteten Anleihe unmittelbar vor Ausfall. ^ An Stelle einer konstanten Wiedergewinnungsquote kann man auch eine stochastische Wiedergewinnungsquote, die unabhängig von Kassazinsrate und Hazardprozess ist, einführen. In den Formeln ist dann nur 6 durch die erwartete Wiedergewinnungsquote zu ersetzen.
480
Markus O. Starck und Siegfried Trautmann
Für die Bewertung von Anleihen stellt sich immer die Präge, welches Wiedergewinnungsmodell den Zahlungsstrom im Falle eines Ausfalls möglichst realistisch abbildet. Dagegen ist diese Fragestellung für die Bewertung sonstiger Kreditderivate nicht immer relevant, da nur die für ein Kreditereignis vertraglich vereinbarten Ausgleichszahlungen zu bewerten sind. Letztere kann z. B. bei einem CDS eine im Voraus fest vereinbarte Zahlung oder auch eine Verlust- und zeitabhängige Zahlung sein. 1)
Heutige Bondpreise mit - nennwertbasierter Wiedergewinnung — • — - äquivalenter Wiedergewinnung —•— - marktwertbasierter Wiedergewinnung — • — - Totalverlust bei Ausfall —x— Wert der Wiedergewinnung im Ausfailzeitpunkt: - nennwertbasiert - A - äquivalent -• - marktwertbasiert - • -
0,9 3
C 0,8
1 O)
1 0.7 0)
•3^"J*^*^Ai: .A. . - j ^ . . -A. . -4^. . ^ . . ^ . . ^ . . ^ . . 4 - . . 4 - . . 4 . . . 1
o 0,6 1i;..A-'^--h-\f'äc-
i T3 > C 3
^.^••.. X^ * * ' * -H ^ V '^,^ '••.V'
0,5
j
^ S f s » ^ ^^^^"^"^^ negative modellendogene ^^"^S^*^ ^""^'A^^^ Ausfallhöhe ^ ^ ^ « ^^^'^'*'-*-—iL.^
|
a> .12 0,4
2?
• "•^'/^ >^ ».'*--->^!r"*--«^ ^^•O***^«^ • -T^Ks^
O 0.3 CQ
' • •^lft>^^^^'***m^_
'•^!||fL^
^**'***vtm ^ " ^ ^ ^ ^ P * * ^
^"••^»^^
0,2
^^*^^I3
0,1
modellendogene Ausfallhöhe 1 0
0
2
4
6
8
10
12
14
16
Restlaufzeit
Abb. 2. Wert von Null-Kuponanleihen und deren Wiedergewinnungswert
Abbildung 2 veranschaulicht die Höhe der nennwertbasierten, äquivalenten und marktwertbasierten Wiedergewinnung (A, ü bzw. •) einer Null-Kuponanleihe (NKA) mit Wiedergewinnungsquote 5 = 0,6 im Modell (Ml) mit A = 0,08, sowie r = 0,05 für Restlaufzeiten von T = 0 bis 20 Jahren. Im nennwertbasierten und äquivalenten Wiedergewinnungsmodell sind die absoluten Ausfallvolumina abhängig vom Nennwert bzw. Wert eines ausfallrisikolosen aber sonst gleichen Anspruchs. Im Falle nennwertbasierter Wiedergewinung kann es insbesondere bei NKA mit langen Restlaufzeiten vorkommen, dass der Wert der Wiedergewinnung oberhalb des Marktwertes des ausfallrisikobehafteten Anspruchs liegt.
Reduktionsmodelle zur Kredit der ivatebewertung
481
3 Risikoneutrale Bewertung Die Bewertung einer Option im klassischen Modell von Black/Scholes (1973) und Merton (1974) beruht auf der Duplikation ihrer Auszahlung durch ein zeitkontinuierlich angepasstes Portfolio aus Aktie und Geldmarktkonto.^ Damit der Markt arbitragefrei ist, müssen der Wert des Portfolios und der Wert der Option übereinstimmen. Die Duplikaton der Zahlungsströme einer ausfallrisikobehafteten Anleihe ist dagegen nicht möglich, da die Assets einer Unternehmung im Unterschied zu Aktien nicht am Markt gehandelt werden und deren Wert nicht ohne Weiteres feststellbar ist. Der Markt bzw. das Modell heißt dann auch unvollständig. Der Bewertungsansatz in Reduktionsmodellen besteht nun darin, die Parameter des Modells an gegebene Marktpreise von ausfallrisikolosen und ausfallrisikobehafteten Anleihen zu kalibrieren und anschließend die Zahlungsströme weiterer Kreditderivate mit diesem Modell zu bewerten. Der folgende Abschnitt beschreibt die Zahlungsprofile von häufig gehandelten Kreditderivaten und präsentiert die entsprechenden Bewertungsformeln. 3.1 Wertdarstellungen für Kredit der ivate Bei gegebenem Kassazinsratenprozess r lässt sich der Wert einer ausfallrisikolosen NKA mit Nennwert 1 und Laufzeit T durch Bo{T) =
EQ
darstellen. Der Wert einer unsicheren Zahlung einer Geldeinheit im Zeitpunkt T, die nur dann erfolgt, falls kein Ausfall im Zeitraum [0, T] stattfindet, entspricht dem Wert einer ausfallrisikobehafteten Null-Kuponanleihe mit Laufzeit T und Totalverlust bei Ausfall. Dieser Preis ist durch Bo{T)=EQ[lir>T}e-^o'sds definiert. Da wir im Folgenden Unabhängigkeit zwischen Zins- und Ausfallrisiken unterstellen, kann man diesen Wert wegen Bo{T) = EQ [l{r>T}] EQ [S'IO ^^''^] = Q{T > T)Bo{T) = EQ[e-^-]Bo{T)
(3)
auch als Produkt aus risikoneutraler Überlebenswahrscheinlichkeit und Kurs einer ausfallrisikolosen NKA angeben. In allgemeinster Form ist der Preis eines Kreditderivats mit kumulativem Cash Flow-Prozess C und mit Ausgleichszahlung Z (bzw. mit Wiedergewinnung Z bei Anleihen) im Ausfallzeitpunkt durch Zur klassischen Theorie der arbitragefreien Bewertung vgl. Wilhelm (1985).
482
Markus O. Starck und Siegfried Trautmann EQ
J{t,T]
(4)
J{t,T]
gegeben. Bielecki/Rutkowski (2002, S. 230) zeigen, dass für den heutigen Wert der Wiedergewinnung bzw. Ausgleichszahlung EQ [l^r
= EQ /10,T]
=
EQ
J]0,T]
gilt. Im Falle eines absolut stetigen Hazardprozesses i~i = /^ Xgds kann dieser Wert wegen vereinfacht werden zu EQ [l{r
^^^^'XuZudu J]0,T]
(5)
Sind dagegen t i , . . . , t^ die einzig möglichen Ausfallzeit punkte, so ist der Wert durch
J2Q{r = ti)Bo{ti)EQ[Zt„ gegeben. Eine ausfallrisikobehaflete Kuponanleihe mit Kupon k ist spezifiziert durch den kumulativen Cash Flow-Prozess Ct = 22 ^{*>^}^ + ^{*>^} u=l
und eine Wiedergewinnung in Höhe von Z. Im Falle äquivalenter oder marktwertbasierter Wiedergewinnung gehen wir von entsprechender Wiedergewinnung der Kupons aus und bewerten die Anleihe als Portfolio aus NKA mit Nennwerten fc, fc,..., fc, 1 und den Kuponterminen als Laufzeiten:
i=l
Reduktionsmodelle zur Kreditderivatebewertung
483
Ein Digital Credit Default Put (DCDP) verbrieft die Auszahlung C = 0 und die Ausgleichszahlung Zt = 1 im. Ausfallzeitpunkt. Ist die Ausgleichszahlung erst bei Fälligkeit T der Referenzanleihe fällig, so kann die Bewertung mit Zt = e~ it ^«^* erfolgen. Die Prämienzahlungen des Sicherungskäufers eines CDS werden als „fixed leg" bezeichnet Ct = c a ^ l { t > t , } , i
wobei wir im Folgenden von vierteljährlicher Zahlung der (annualisierten) CDS-Prämie c in t^ = 1/4, 2 / 4 , . . . , T ausgehen und (bei Nicht-Berücksichtigung einer Daycount-Convention) von a = 90/360 == 1/4. Bei Eintritt eines Kreditereignisses zahlt der Sicherungsnehmer eine letzte anteilige Prämie für die Zeit nach der vorherigen Prämienzahlung und der Sicherungsgeber leistet die Ausgleichszahlung Z. Bei Vertragsabschluss wird die Prämie c in Basispunkten per annum so festgelegt, dass der Wert des „fixed leg" und des „floating leg" übereinstimmen, also dass Er
^^y^^'^{r>ti}Bo{U)
= EQ [l{,
gilt, wobei Zr — Z^ — c •mod(r, a ) . Mit dem Rest bei der Division von r durch a, also mod(r, a), berechnet man dabei den Bruchteil des Jahres seit der letzten Prämienzahlung. Für a = 1/4 lautet die faire Prämie _
EQ [l{,
\ Et,e{i|,...,T} l{r>t,}ßo(^i) + l{r
Versichert ein CDS die modellendogene Höhe des Ausfalls, so lautet - die Ergebnisse des nächsten Abschnitts vorwegnehmend - die Ausgleichszahlung im Ausfallzeitpunkt bei einer NKA mit •
nennwertbasierter Wiedergewinnung -zT
= max { ß r (T) - Zfw, o} = max [B^{T)
- <5, o} ,
•
äquivalenter Wiedergewinnung
•
marktwertbasierter Wiedergewinnung bei existierender Intensität -^MW ^ ^MW(2^) _ _^MW ^ (j _ ^^^^ Y J- r. + (l-S)Kds
J't
484
Markus O. Starck und Siegfried Trautmann
3.2 Alternative Wert dar st eilungen für Anleihen Ein Vorteil der Annahme der äquivalenten Wiedergewinnung ist, dass die Bewertung einer ausfallrisikobehafteten Zahlung zerlegt werden kann in die Bewertung einer ausfallrisikolosen Zahlung und einer ausfallrisikobehafteten Zahlung mit Totalverlust. So entspricht z. B. der Wert einer ausfallrisikobehaften Null-Kuponanleihe B^^ mit äquivalenter Wiedergewinnung und Wiedergewinnungsquote S wegen B^iT)
^ EQ [l{r>T}Bo{T) + = EQ[l{r>T}Bo{T)
l{r
+l{r
= EQ[SBO{T)
+ 1 { . > T } ( 1 - S)Bo{T)]
= {5 +
{1-5)Q{T>J))BO{T)
= 6Bo{T) ^ {1 - S)Bo{T)
(6)
dem Wert eines Portfolios bestehend aus 5 ausfallrisikolosen NKA und (1 — ^) ausfallrisikobehafteten NKA mit Totalverlust bei Ausfall. Für die Bewertung einer NKA mit äquivalenter Wiedergewinnung ist nur die Wahrscheinlichkeit für einen Ausfall innerhalb der Laufzeit von Bedeutung, während die genaue Verteilung der Ausfallzeit irrelevant ist, da ein Ausfall immer zu einem sicheren Wert S zu Laufzeitende führt. Dagegen erkennt man am Wert B^^{T) einer NKA mit nennwertbasierter Wiedergewinnung B^'^iT)
^ EQ [ 1 { . > T } 5 O ( T ) + = EQ [l{,>T}ßo(T) + = Bo{T) +
l^r
5EQ[lir
dass die Eigenschaften der Ausfallzeit für die Bewertung relevant sind. Für die in Abschnitt 2.2 vorgestellten Intensitätsmodelle (M7) mit Hazardprozess Ff = /Q Ag ds lässt sich analog zum ausfallrisikolosen Fall eine besonders elegante Darstellung des Preises herleiten. Duffie/Singleton (1999) zeigen, dass der Wert einer NKA mit marktwertbasierter Wiedergewinnung sich durch
als Erwartungswert der mit der ausfallquoteadjustierten Kassazinsrate Vs -\- (1 — 6)Xs diskontierten versprochenen Zahlung darstellen lässt. Bei Totalverlust ist der Preis einer NKA ßt(T) = l{,>,}£Q[e-/"'-»+^^<^^ :Ft ein Erwartungswert der mit der ausfallrisikoadjustierten Kassazinsrate Vg + A^ diskontierten Zahlung.
Reduktionsmodelle zur Kreditderivatebewertung
485
3.3 Kalibrierung des Hazardprozesses Zur Kalibrierung eines Reduktionsmodells werden zunächst diejenigen risikoneutralen Ausfall Wahrscheinlichkeiten Q{T < ti) benötigt, unter denen das Modell gerade die gegebenen Kurse von ausfallrisikobehafteten Anleihen Bo{ti)i ^ = I5 • • • 5-^5 liefert. Diese Ausfallwahrscheinlichkeiten werden durch vorgegebene Kurse und Modellannahmen über die Höhe der Wiedergewinnung impliziert und sie ergeben sich je nach Wiedergewinnungsmodell für die Anleihe aus den Gleichungen (6), (7) und (3) wie folgt: •
bei Totalverlust: Q{r
= l- | ^
,
• •
bei äquivalenter Wiedergewinnung: Q{T
^^
(T)(I-5)
'
Anschließend sind die Parameter der Hazardfunktion bzw. des Hazardprozesses so anzupassen, dass Q{r < ti) = EQ [l — e"^*^] an den Stellen ti erfüllt ist. In den seltensten Fällen hat eine Unternehmung jedoch ausschließlich NKA emittiert. Die gesuchten Parameter des Hazardprozesses können dann so ermittelt werden, dass die Summe der quadrierten Abweichungen zwischen Marktpreisen und Modell werten minimiert wird.^ 3.4 Bewertung mittels Monte Carlo-Simulation Der Wert eines Kreditderivats wird mit numerischen Verfahren bestimmt, wenn keine geschlossene Formel vorliegt. Ein nahe liegender Ansatz ist, Ausfallzeiten zu erzeugen und den Wert des Derivats als arithmetisches Mittel der diskontierten Auszahlungen zu bestimmen. Wir stellen nun eine Monte Carlo-Simulation ohne Simulation der Ausfallzeiten vor. Sie basiert darauf, dass unter dem Erwartungswert die Indikatorfunktionen l{^>i.} und l{T-=ti} i^it Hilfe der iterierten Erwartungswertbildung durch risikoneutrale WahrscheinUchkeiten ersetzt werden können; denn der Wert des Kreditderivats kann wegen jE'Q[l{^>t.}] = EQ[EQ[l^r>ti}\^T]] = Eg[e~^*i] und {r = U} = {r < ti}\{T < U-i} auch durch
^ Wilhelm/Brüning (1992) liefern im Zusammenhang mit der Schätzung der Zinsstruktur eine arbitragetheoretische Begründung alternativer Abweichungsmaße. Neben der Summe der quadratischen Abweichungen wird noch die Summe der Absolutbeträge der Abweichungen und der Absolutbetrag der größten Abweichung diskutiert.
486
Markus O. Starck und Siegfried Trautmann
EQ i=0
0 n =
EQ
y ^ e~^** g- El=o '^tk (*fc+i-tfc)^^_ n
i=0
berechnet werden. Dabei bezeichnen t o , . . . , t^, ^o = 0, t^ = 7 , die Zeitpunkte, in denen eine Zahlung Ct- vor einem Ausfall oder ein Ausfall mit gleichzeitiger Wiedergewinnung bzw. Ausgleichszahlung stattfinden kann. Der Algorithmus für die Bewertung lautet nun folgendermaßen: 1. Erzeuge m Pfade für die Entwicklung der Kassazinsraten, des Hazardprozesses, des Cash Flow-Prozesses und der Wiedergewinnung bzw. Ausgleichszahlung. 2. Berechne den Schätzer ^
m
^
n
m
+ 1 ^ ^
n
( e - ^ t , _ , K ) _ ^ - r . , K ) ^ e-^t=J)-t,K-)(t.+i-*.)^^^(^.)
für den Wert des Kreditderivats.
4 Fallstudie In der folgenden Fallstudie werden einige der vorgestellten Reduktionsmodelle an Kursdaten von Anleihen der Deutschen Telekom AG kalibriert und anschließend auf diese Anleihen referenzierte Credit Default Swaps bewertet. Ziel ist es, die oben vorgestellten Reduktionsmodelle auf ihre Praxistauglichkeit zu überprüfen. Die tägliche Kalibrierung dieser Modelle erfolgt auf der Basis der jeweiligen Schlussquotierung von Telekom-Anleihen an 664 Handelstagen. Anschließend werden Marktpreise und Modellwerte für Credit Default Swaps veranschaulicht und verglichen. 4.1 Datengrundlage und Kalibrierung der Modelle Die Fallstudie basiert auf Rentendaten, um das Kreditrisiko direkt aus dem Underlying eines CDS zu ermitteln. Die Datenbasis besteht aus täglichen Schlussquotierungen von börsennotierten Euro-denominierten Anleihen der
Reduktionsmodelle zur Kreditderivatebewertung
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A b b . 3 . CDS Prämie für Laufzeiten von 1, 3, 5, 7 und 10 Jahren
Deutschen Telekom AG für den Zeitraum 04.01.1999-02.11.2004.'^ Schlusskurse von CDS-Prämien mit Laufzeit 5 Jahren liegen für den Zeitraum 03.09.2001-02.11.2004 vor. Als Referenzgröße für den risikolosen Zins dienen Kassazinsraten, die mit den von der Deutschen Bundesbank bereitgestellten Svensson-Parametern ermittelt werden.^ Der betrachtete Zeitraum umfasst sowohl die interessanten Jahre 2002 und 2003, in denen die Ausfallraten für die Telekommunikationsbranche besonders hoch eingeschätzt wurden, als auch die anschüeßend eher ruhige Zeit ab 2004. Die Entwicklung der CDS-Prämien veranschaulicht Abb. 3. Die Prämien steigen hier mit zunehmender Laufzeit an. Tabelle 1 gibt deskriptive Statistiken in Basispunkten nach Laufzeiten unterteilt an, wobei die Daten der besseren Vergleichbarkeit wegen für den fünfjährigen CDS ab 12.09.2003 (*) und 03.09.2001 (**) angegeben werden. Wir stellen nun für die verwendeten Modelle die Kalibrierung des Hazardprozesses für Donnerstag, den Ol. April 2004, vor. Um die in Abschnitt 3.2 vorgestellte Kalibrierung vorzunehmen, werden die erwarteten Hazardprozesswerte so kalibriert, dass sie die Summe der quadrierten Abweichungen zwischen Marktpreisen und Modellwerten von Anleihen minimieren. Die Kalibrierung erfolgt für die nennwertbasierte Wiedergewinnung mit Wiedergewinnungsquote 5 = 0,4. Für die Implementierung wird die Zeitachse monatlich an den
^ Wir schließen Kuponanleihen mit variabler Verzinsung wie Floating Rate Notes (5 Anleihen) und Step-up Bonds (10 Anleihen) sowie eine Pflichtwandelanleihe aus. Somit verbleiben in der Datenbasis Kursdaten zu 7 festverzinslichen Anleihen. ^ Siehe Svensson (1994) und www.bundesbank.de/statistik/statistik_ zeitreihen.php.
488
Markus O. Starck und Siegfried Trautmann Tabelle 1. Deskriptive Statistiken der CDS-Prämien
7 Laufzeit 1 3 5* 10 5 ** Beobachtungsbeginn 22.01.04 25.09.03 12.09.03 19.01.04 12.09.03 03.09.01 Anzahl Beobachtungen 197 224 290 138 239 664 18,56 40,42 64,23 76,9 Mittelwert 54,65 138,8 Standardabweichung 7,981 9,86 8,646 10,23 8,261 98,4 Schiefe -0,2485 -0,6016 -0,5716 -0,05464 -0,898 0,7454 2,027 2,087 Kurtosis 2,735 3,071 4,527 2,169 Median 21 43 56 66 77,9 86,5 36,04 62 73,5 88 96,9 410 Maximium 2 44,5 32,5 Minimum 16 32,5 49,5 4 7,604 mittlerer Bid-Ask-Spread 6,274 8,005 2,655 4,184
Stellen 0, 1/12, 2/12, . . . , 5 unterteilt. Da später 1-, 3- und 5-jährige CDS bewertet werden, werden die Teilperioden [0,1), [1,3) und [3,5) unterschieden. Für den Ol. April 2004 erfolgt beispielhaft die Modellkalibrierung auf Basis der Preisdaten der folgenden sechs Anleihen der Deutschen Telekom: Anleihe 1 Kupon 5,25 Fälligkeit 24.09.04 T 0,47539 Kurs 101,40
2 4,25 17.01.05 0,7896 101,52
3 5,5 30.09.05 1,4891 104,39
4 5,25 22.01.07 2,7978 105,64
5 7,5 29.05.07 3,1448 112,63
6 5,25 20.05.08 4,1202 106,56
Dies führt auf die folgenden alternativen Hazardfunktionen: ( M l ) Für die Hazardfunktion r{t) = Xt ist nur ein Parameter zu schätzen. Die Summe der quadrierten Preisabweichungen 6
^ ( ß ^ ' ^ ^ ( T O - (Kurs + Stückzinsen))2 wird mit einer Intensität A = 0,0067525 minimiert. (M2) Das Reduktionsmodell (M2) mit konstanten Ausfalhntensitäten Ai, A2 und A3 für die Perioden [0,1), [1,3) bzw. [3,5) soll nun kalibriert werden. Die Kalibrierung ergibt r ( l ) = 0,0057034, r ( 3 ) = 0,023019 und r ( 5 ) = 0,025639 und damit Ai = 0,0057034, A2 = 0,0076729 und A3 = 0,0051278. Die Hazardfunktion lautet dann r{t) = l{0l}Al • 1 + l{t>3}A2 • 2 + 1{^>5}A3 • 2 . (M3) Es soll eine kubische Hazardfunktion kalibriert werden. Um negative Intensitäten auszuschließen und einen wachsenden Hazardprozess zu gewährleisten, verwenden wir r{t) = max{Ai5 + A25^ -|- A35^|5 < t} bei Kalibrierung und Bewertung und erhalten
Reduktionsmodelle zur Kreditderivatebewertung
489
r{t) = max{0,00358275 + 0,0033475^ - 0,000686495^|s < t}, (M4) Mit der Treppenfunktion r{t) = l{t>i}0,017063 + l{t>3}0,0041461 + l{t>5}A3 und beliebigem Parameter A3 > 0 ist das Modell an die Kurse kalibriert und Ausfälle können nur in t — 1, 3, 5 stattfinden. Will man Ausfälle jeweils genau einen Monat nach Abschluss bzw. Auslaufen einer CDS-Transaktion zulassen, so erhält man die Hazardfunktion r{t) = l{t>i/i2}0,0040406+ I{t>i3/i2}0? 012669 + l{t>37/i2}0,004169 und wir bezeichnen die Modellvariante mit (M4'). 4.2 Vergleich von berechneten und markt gegebenen CDS-Prämien Die Modelle werden nun an tägliche Schlussquotierungen von Anleihen kalibriert und jeder beobachteten CDS-Prämie werden sechs theoretische CDSPrämien gegenübergestellt. Die beobachteten CDS-Prämien werden also nicht für die Modellkalibrierung herangezogen. Wir bewerten neben einem Digital CDS fünf Varianten eines CDS, die sich hinsichtlich der Ausgleichsleistung unterscheiden, für die Laufzeiten 1, 3 und 5 Jahre bei vierteljährlicher Prämienzahlung inkl. anteihger Prämie bei Ausfall. Bei Ausfall leisten die CDSVarianten entweder eine Ausgleichszahlung in Höhe von 1, den Anteil 1 — S des Nennwerts (in Höhe von EUR 1), das (1 — (5)-fache einer ausfallrisikolosen Kuponanleihe mit gleicher Restlaufzeit oder die mit den Modellen berechnete Verlusthöhe einer Anleihe mit nennwertbasierter, äquivalenter oder marktwertbasierter Wiedergewinnung. Tabelle 2 enthält die über alle Tage gemittelte CDS-Prämie, den mittleren Bewertungsfehler sowie den mittleren absoluten Bewertungsfehler. Negative bzw. positive Bewertungsfehler zeigen an, dass die Modellprämie im Mittel unter bzw. über der Marktprämie liegt. Die Modelle liefern für die Laufzeit 5 Jahre im Mittel zu geringe CDSPrämien. Die kleinsten Preisabweichungen weist dabei ein CDS mit Ausgleichszahlung (1 - S)B^{5) im Modell (M2) auf (siehe auch Abb. 4). Dagegen fallen die CDS-Prämien für die Laufzeiten 1 und 3 Jahre eher zu hoch aus. Nur die Modellierung von Sprüngen direkt nach Abschluss bzw. Auslaufen einer CDS-Transaktion in Modell (M4') bewirkt geringere CDS-Prämien für alle Laufzeiten und für den einjährigen CDS auch die kleinsten Preisfehler. Weil die durchschnittliche Prämie eher unterhalb der marktgegebenen Prämie liegt, liefert hier eine CDS-Bewertung mit Berücksichtigung der Zinsausfälle die besten Resultate. In Abbildung 3 steigen die beobachteten CDS-Prämien mit zunehmender Laufzeit. Dieser Laufzeiteneffekt ist bei Modell (Ml) wegen der konstanten Ausfallintensität fast nicht vorhanden. Für den Digital CDS werden sogar identische Prämien für alle Laufzeiten berechnet. Als Gründe für die beobachteten Abweichungen zwischen Modellprämien und Marktprämien kommen Illiquiditätseffekte insbesondere bei Anleihen mit kurzer Laufzeit in Frage. Des Weiteren wurden nur Hazardfunktionen, aber nicht Hazardprozesse bei der Bewertung eingesetzt. Die Stochastik der
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Reduktionsmodelle zur Kreditderivatebewertung
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Abb. 4. CDS Prämie und Anleihenspread
Spreadentwicklung sowie eventuelle Abhängigkeiten zwischen Zins- und Intensität sentwicklung bleiben daher unberücksichtigt. Wir verwenden eine Kassazinsstruktur, die auf (fast) ausfallrisikolosen Bundsanleihen basiert. HouweUng/Vorst (2005) kalibrieren dagegen Reduktionsmodelle (vergleichbar mit (Ml) und (M3)) mit der Swap-Kurve als Benchmark für den risikolosen Zins. Sie erhalten geringere Preisfehler als mit der Government-Kurve. Eine weitere Abweichungsursache resultiert möglicherweise aus der Vernachlässigung der Lieferoption, die üblicherweise der Sicherungsnehmer für sich in Anspruch nehmen kann. Eine unterschiedliche Besicherung der Anleihen hat zur Folge, dass nach Eintritt einer Insolvenz die Anleihen aus der Insolvenzmasse verschieden bedient werden. Der Sicherungsnehmer hat möglicherweise mehrere Anleihen zur Auswahl, die er an den Sicherungsgeber des CDS liefern kann, wodurch für ihn eine Cheapest-to-Deliver-Option besteht.
5 Zusammenfassung Reduktionsmodelle erklären Marktpreise von gehandelten Unternehmensanleihen und sonstigen Kreditderivaten ohne Bezugnahme auf fundamentale Unternehmensdaten. Die Modelle unterscheiden sich insbesondere hinsichtlich der Spezifikation des so genannten Hazardprozesses^ auf dessen Basis der Ausfallzeitpunkt modelliert wird. Wir stellen in dieser Arbeit neun verschiedene Modellierungen für die Ausfallzeit dar, von denen vier auf Hazardfunktionen und fünf auf Hazardprozessen basieren. In einer Fallstudie wird untersucht.
492
Markus O. Starck und Siegfried Trautmann
wie sich Wahlmöglichkeiten bei der Spezifikation des Hazardprozesses und der Wiedergewinnungsmodelle auf die Bewertung von Credit Default Swaps auswirken. Eine empirische Untersuchung könnte überprüfen, ob ein Ausfall oder eine Intensitätsänderung zu Zeitpunkten der Veröffentlichung von Bilanzen und Quartalsberichten bzw. an den Zeitpunkten planmäßiger Kuponzahlungen und Anleihentilgung wahrscheinlicher ist als an gewöhnlichen Handelstagen und ob sich dies auf die Bewertung von Kreditderivaten auswirkt. In diesem Fall wäre zu überprüfen, ob Reduktionsmodelle, die neben Ausfallintensitäten auch positive Ausfallwahrscheinlichkeiten für einzelne Tage zulassen, für die Bewertung besser geeignet sind als Intensitätsmodelle.
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Marktgerechte Bewertung von Power-Optionen Manfred Steiner^ und Bernhard Brunner^ ^ Universität Augsburg, Lehrstuhl für Finanz- und Bankwirtschaft, Universitätsstraße 2, D-86135 Augsburg msüif red. steinerQwiwi. uni-augsburg. de ^ risklab germany GmbH, Nymphenburger Str. 112-116, D-80636 München [email protected]
Gliederung 1
Einleitung
494
2
Der Power-Optionsvertrag
495
3
Konstruktion einer impliziten R N D
497
4
Markt gerechte Preisformeln von Power-Optionen
500
4.1
Grundformen
500
4.2
Weitere Vertragsvarianten
504
5
Praktische Umsetzung
507
5.1 5.2
Daten Schätzung der RND
507 510
5.3
Ergebnisse
512
6
Zusammenfassung
514
A
Marktgerechte Bewertung von Standardoptionen
515
Literaturverzeichnis
516
494
Manfred Steiner und Bernhard Brunner
1 Einleitung Obwohl die klassische Black/Scholes-Bewertung noch heute die Basis der allgemeinen Optionspreistheorie darstellt, wird ihre Bedeutung im praxisorientierten Einsatz immer geringer. Dies liegt daran, dass eine Vielzahl empirischer Studien der letzten Jahre Diskrepanzen aufgedeckt hat zwischen Black/Scholes-Modellpreisen und den Marktpreisen real gehandelter Optionen. Um diese zu verifizieren, werden die Optionspreise meist in implizite Volatilitäten umgerechnet. Diese definieren diejenige Volatilität, die eingesetzt in die Black/Scholes-Preisformel gerade zu dem am Markt beobachtbaren realen Optionspreis führt. Während die Black/Scholes-Modellwelt eine konstante Volatilität voraussetzt, lässt eine Untersuchung realer Marktpreise erkennen, dass die daraus abgeleitete implizite Volatilität abhängt von der Ausstattung des Optionsvertrags. Genauere Analysen konventioneller Standardoptionen haben dabei ergeben, dass eine Abhängigkeit von Basispreis und Restlaufzeit vorliegt. Eine grafische Darstellung der berechneten impliziten Volatilitäten zeigt dabei eine systematische Abweichung, die als so genannter „Smile" oder auch „Smile-Effekt" bekannt ist. Dieser wird meist als Indiz für das Versagen des Black/Scholes-Ansatzes in der Realität genannt. Als Ursache werden die zum Teil sehr restriktiven Annahmen der Black/Scholes-Theorie angesehen. Um den empirisch nachgewiesenen Smile-Effekt zu beheben, sind in jüngster Zeit einige theoretisch-mathematischen Ansätze konzipiert worden, die zum Teil zu sehr komplexen Optionspreismodellen führen. Diese stellen zwar ein allgemeineres Modell dar, kommen aber nach wie vor auf Basis-Elemente der Black/Scholes-Formel zurück. Aus diesem Grund hat sich ein neuer Trend in der Optionsbewertung entwickelt, der einem praxisgerechten Einsatz entgegenkommt. Diese so genannte markt gerechte Optionsbewertung orientiert sich dabei näher am allgemeinen Markt geschehen. Dabei werden die Informationen der Marktteilnehmer über künftige Marktentwicklungen in die Optionsbewertung einbezogen, indem man die beobachtbaren Marktpreise von liquiden Optionsverträgen bei der Bewertung beliebiger derivativer Finanzverträge berücksichtigt. Hierzu werden meist börsennotierte Standardoptionen benutzt, da diese in sehr vielen Marktsegmenten die höchste Liquidität besitzen. Generell unterscheidet man bei der marktgerechten Bewertung zwei Ansätze: die marktgerechte Bewertung auf Basis von impliziten Preisprozessen oder impliziten Wahrscheinlichkeitsmaßen. Bei einer Bewertung auf Basis von impliziten Preisprozessen wird ein ausgewählter Preisprozess so kalibriert, dass dieser kompatibel ist mit vorgegebenen Marktpreisen gehandelter Standardoptionen. ^ Damit ist die Bewertung zwar marktgerecht, der rechentechnische Aufwand ist allerdings zum Teil sehr groß und verursacht numerische Probleme, die bei den berechneten Optionspreisen zu Arbitrageverletzungen Beispiele hierzu sind Derman/Kani (1994) [16], Rubinstein (1994) [35], Derman et ai (1996) [18], Derman/Kani (1998) [17] oder Brüten-Jones/Neuberg er (2000) [9].
Marktgerechte Bewertung von Power-Optionen
495
führen können. Die marktgerechte Bewertung mittels impliziter Wahrscheinlichkeitsmaße basiert auf dem risikoneutralen Bewertungsansatz. Das für eine faire Bewertung notwendige Wahrscheinlichkeitsmaß wird dabei implizit aus den Preisen marktgehandelter Standardoptionen abgeleitet und für die Bewertung beliebiger Optionsverträge verwendet. Dies gewährleistet eine marktgerechte Bewertung, die rechentechnisch sehr effizient ist, und sich damit vor allem für den praktischen Einsatz anbietet. Der Nachteil dieser Methode ist, dass sich die konventionelle Umsetzung auf die marktgerechte Bewertung von einfachen pfadunabhängigen Optionsverträgen beschränkt.^ Die Anwendung der marktgerechten Bewertung auf Basis von impliziten Wahrscheinlichkeitsmaßen konzentriert sich in der bisherigen Literatur fast ausschließlich auf Digital-Optionen als Basisverträge pfadunabhängiger Optionen. Aus diesem Grund werden im Folgenden pfadunabhängige PowerOptionen marktgerecht bewertet. Sie werden in Abschnitt 2 kurz vorgestellt und zudem ihre allgemeine Bewertung erläutert. Für eine markt gerechte Bewertung ist die Ableitung einer impliziten risikoneutralen Dichtefunktion notwendig. Ansätze hierzu werden in Abschnitt 3 diskutiert. In Abschnitt 4 werden marktgerechte Preisformeln verschiedener Varianten von Power-Verträgen berechnet. Darauf aufbauend werden in Abschnitt 5 konkrete marktgerechte Preise bestimmt mittels realer Transaktionsdaten von DAX-Optionen. Diese werden abschließend mit ihren Black/Scholes-Preisen verglichen, die auf Basis von impliziten Volatilitäten berechnet werden.
2 Der Power-Optionsvertrag Power-Optionen unterscheiden sich von gewöhnlichen Standardoptionen darin, dass ihr Auszahlungsprofil bei Fälligkeit nicht linear ist. Sie gehören damit zur Klasse der nichtlinearen Optionstypen und sind in den meisten Fällen durch quadratische Auszahlungsfunktionen charakterisiert. Die absolute Auszahlung bei Power-Optionen fällt damit in den meisten Fällen höher aus als bei konventionellen Optionen. Diese attraktive Eigenschaft wird vom Investor allerdings durch eine höhere Optionsprämie bezahlt. Um jedoch die zum Teil sehr hohen Optionspreise zu vermeiden, werden Power-Optionen meist mit Auszahlungsobergrenzen, so genannten Caps, emittiert. Ebenso betrachtet werden Power-Straddles. Diese setzen sich, wie für Straddles üblich, aus einer Call- und Put-Variante der Power-Optionsklasse zusammen. Ein Power-Straddle reagiert damit in erster Linie auf Volatilitätsschwankungen, während er gegenüber anderen Marktparametern weniger sensibel reagiert. Damit eignet er sich vor allem für den Handel von impliziten
^ Eine Ausweitung auf die Bewertung beliebiger, insbesondere pfadabhängiger Optionen oder Verträge auf mehrere Underlying ist bei Brunner (2004) [11] zu finden.
496
Manfred Steiner und Bernhard Brunner
Volatilitäten, der immer mehr Attraktivität erfährt.^ Spekulations- oder Absicherungsintensionen lassen sich dabei gleichermaßen verfolgen.^ Die im Folgenden betrachteten Power-Varianten sind alle pfadunabhängig. Ihre Auszahlung hängt also nur vom Kursstand des Underlyings bei Fälligkeit ab und nicht vom konkreten Preispfad. Eine Bewertung der Optionen ist deswegen ohne explizite Kenntnis des Preisprozesses möglich. Ist der zugrunde liegende Kapitalmarkt arbitragefrei und friktionslos, so haben Ross (1976) [34] und Cox/Ross (1976) [15] gezeigt, dass sich der gegenwärtige Preis H(T) eines Derivats mit Fälligkeit T mit Hilfe des risikoneutralen Bewertungsprinzips berechnen lässt.^ Bezeichne im Folgenden St den gegenwärtigen Preis eines beliebigen Underlyings und p : R —^ R die Auszahlungsfunktion eines pfadunabhängigen Optionsvertrags bei Fälligkeit T. Der gegenwärtige Preis dieses Vertrags entspricht damit dem diskontierten Erwartungswert der Auszahlung bei Fälligkeit bezüglich eines äquivalenten Martingalmaßes Q, gemäß: /*oo
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g{x) qs^x) dx,
(1)
mit qsri^) als risikoneutrale Dichtefunktion (RND) und E*^[ • \J^] als Erwartungswert bezüglich Q bedingt an der Filtration Tt^ Der risikolose Zinssatz r sei dabei konstant.^ Die Annahmen der Black/Scholes-Theorie führen zu einer lognormalverteilten RND. Eine Bewertung verschiedener Power-Verträge ist hier mittels einfacher analytischer Berechnungen möglich, wobei sich sogar geschlossene Preisformeln angeben lassen.^ Um die bekannten Diskrepanzen zwischen den theoretischen Black/ScholesPreisen und den tatsächlichen Marktpreisen zu vermeiden, wird im Folgenden eine marktgerechte Bewertung durchgeführt auf der Basis einer so genannten impliziten RND. Darunter versteht man die RND, die eingesetzt in die Bewertungsgleichung (1) zu Optionspreisen von Standardoptionen führt, die kompatibel sind mit ihren realen Marktpreisen. Die Einschränkung auf Standardoptionen ist dabei nicht zwingend, sondern resultiert vielmehr aus deren Liquidität. Verwendet man nun die implizite RND zur Bewertung von beliebigen weniger liquiden pfadunabhängigen Optionsverträgen, so lassen sich auf diese Weise marktgerechte Preise bestimmen.
Dies zeigt vor allem die aktuelle Entwicklung am Derivatenmarkt. Hier haben sich bereits verschiedene derivative Kontrakte auf die impliziten Volatilitätsindizes VIX und VDAX etabliert. Vgl. Reed (1994) [33] oder Shimko (1995) [40]. Für eine ergänzende Untersuchung spezieller wirtschaftlicher Aspekte in der Arbitragetheorie vgl. Nietert/Wühelm (2001) [29]. Für eine Ausweitung auf stochastische Zinsentwicklungen vgl. Wilhelm (1999) [46] und Wilhelm (2001) [47]. Vgl. Tompkins (1999b) [44] und Tompkins (1999a) [43].
Marktgerechte Bewertung von Power-Optionen
497
3 Konstruktion einer impliziten RND Zur Herleitung einer impliziten RND existieren verschiedene Ansätze, die sich allgemein in drei Gruppen einteilen lassen. Der naheliegendste Ansatz besteht in der direkten Schätzung der RND. Dabei wird eine konkrete Dichtefunktion vorgegeben, deren Parameter so adjustiert werden, dass Arbitragemöglichkeiten vermieden werden und daraus berechnete Standardoptionspreise konsistent sind mit ihren Marktpreisen. Populäre Varianten sind Mischungen von Lognormalverteilungen^^ oder Edgeworth-Expansionen-^^. Ein weiterer Ansatz besteht in der Schätzung der Optionspreisfunktion von Standardoptionen aus vorgegebenen Marktpreisen. Aus dieser lässt sich anschließend über das Breeden/Litzenberger-Theorem^^ die implizite RND ableiten. Beispiele hierzu stammen von Bates (1991) [6] oder Ait-Sahalia/Lo (1998) [1]. Ebenso ist es möglich, anstelle der Optionspreisfunktion die implizite Volatilitätsfunktion zu schätzen.-^^ Der Vorteil liegt darin, dass sich durch den Übergang zur Volatilität der nichtlineare Charakter der Funktion reduzieren lässt. Die verwendete Black/Scholes-Preisformel dient hier lediglich als Abbildungsvorschrift. Die restriktiven Annahmen der Black/Scholes-Theorie werden nicht unterstellt. Wie Abb. 1 zeigt, lassen sich die in den einzelnen Ansätzen jeweils geschätzten Funktionen ineinander überführen. Damit enthalten die Optionspreisfunktion, die implizite Volatilitätsfunktion und die RND die gleiche Informationsmenge. Die einzelnen Ansätze zur Konstruktion einer impliziten RND besitzen unterschiedliche Vor- und Nachteile. Sind sehr wenige Marktpreise von Standardoptionen vorhanden, hat die Wahl einer konkreten Dichtefunktion den Vorteil, dass bereits eine explizite Struktur für die RND vorgegeben wird. Sind umgekehrt viele Transaktionsdaten verfügbar, schneidet die Schätzung der impliziten Volatilitätsfunktion besser ab, da die Approximation in der Regel sehr gut ist, ohne dass dabei Arbitragemöglichkeiten entstehen. Die im Folgenden benötigte RND wird mittels der Methode von Brunner/Hafner (2003) [12] erzeugt. Der Ansatz vereint im Grunde die Vorteile ^° Die meisten Ansätze nehmen für die zu konstruierende RND eine Konvexkombination von Lognormalverteilungen an. Vgl. beispielsweise Bahra (1996) [3], Bahra (1997) [4], Gemmill/Saflekos (2000) [19], Jondeau/Rockinger (2000) [24]. Eine weitere Variante stellt die Modellierung mittels einer Mischung von Normalverteilungen dar. Vgl. hierzu Söderlind/Svensson (1997) [42] und Söderlind (2000) [41]. ^^ Vgl. beispielsweise Longstaff (1995) [26], Corrado/Su (1996) [14], Ruhinstein (1998) [36], Backus et al. (1997) [2], Jondeau/Rockinger (2000) [24] und Potters et al (1998) [32]. ^2 Vgl. Breeden/Litzenherger (1978) [8] und Banz/Milier (1978) [5]. ^^Vgl. z.B. Shimko (1993) [39], Malz (1997) [27], Campa et al. (1998) [13], Brown/Toft (1999) [10], Bliss/Panigirtzoglou (2002) [7] oder Brunner/Hafner (2003) [12].
498
Manfred Steiner und Bernhard Brunner
Cf'-\QiK,T))
QiK^T)
cTt{K,T) C,^%K,T,atiK,T))
/»OO
-'-(^-')/
{x-K)qs.
JK
QST(X)
Abb. 1. Zusammenhänge zwischen Optionspreisen, impHziten VolatiHtäten und der RND für europäische Calls"^^ der beiden alternativen Ansätze. In den Randbereichen der RND, in denen kaum Optionsdaten zur Verfügung stehen, wird mit der Mischung zweier Lognormalverteilungen eine plausible Struktur der Dichtefunktion vorgegeben. Die Wahrscheinlichkeit, die der Markt den beiden Randbereichen zuordnet, wird dabei ausgenutzt, um die Parameter der Verteilungen so zu kalibrieren, dass die Bedingungen für eine anschließend arbitragefreie Optionspreisfunktion stets erfüllt werden. Der Bereich, in dem genügend Optionsdaten zur Verfügung stehen, wird dagegen mit Hilfe einer beliebigen Interpolation bzw. Regression konstruiert. Hier ist besonders die Flexibilität des Ansatzes hervorzuheben, da Interpolation und Extrapolation voneinander unabhängig sind und somit ein beliebiges Interpolationsschema verwendet werden kann. Damit lassen sich gerade die überaus liquiden at-the-money Verträge durch ein adäquates Interpolationsschema sehr genau nachbilden. Ein weiterer großer Vorteil der Methode liegt in der praktischen Anwendung. Hier ist der Ansatz sehr stabil und effizient, da es stets möglich ist, eine plausible implizite RND mittels eines geringen rechentechnischen Aufwands zu erstellen. Dies zeigt auch die empirische Umsetzung der Methode. Zudem lässt sich in eini^^ Dabei bezeichnet at{K,T) die implizite Volatilitätsfunktion in Abhängigkeit von Basispreis K und Fälligkeit T und Cf^ den zugehörigen Black/Scholes-Preis eines europäischen Call. Mit Cf^ wird die Inverse der Black/Scholes-Preisformel des europäischen Call bezeichnet, die in Abhängigkeit vom Optionspreis Ct{K,T) die zugehörige implizite Volatilität bestimmt.
Markt gerechte Bewertung von Power-Optionen
499
gen Situationen zeigen, dass das Vorgehen von Brunner/Hafner (2003) [12] gegenüber anderen Ansätzen besser abschneidet.-^^ Die erzeugte RND ist somit stückweise definiert und für einen beliebigen Fälligkeitstermin T von der Form:
qsT{^]0L,9u) =
Qsri^] OL) q^{x) q^J^x\ 9u)
falls falls falls
0 < x < KL (2)
KL<X
Ku < x.
Innerhalb des Basispreisintervalls [KL^KU] erhält man den Funktionsabschnitt der RND q^ aus der geschätzten impliziten Volatilitätsfunktion. In den beiden Randbereichen wird die RND durch eine Mischung zweier Lognormalverteilungen q^ und g^^ modelliert. Deren Parametervektoren 6^ und 9u werden dabei so gewählt, dass keine Arbitrageverletzungen erzeugt werden.-"^^ Bezeichnen ^(x; ry, p) und n{x) die Dichtefunktionen einer gewöhnlichen Lognormalverteilung bzw. einer Standardnormalverteilung und a/^ {K, T) die geschätzte implizite Volatilitätsfunktion in Abhängigkeit von Basispreis K und Fälligkeit T zum aktuellen Zeitpunkt t, so erhält man die allgemeine Form der impliziten RND: (\Li{x\r}L,i,yli)^{l->
+(j,^{x,T)
^Us
^<X
falls
KL<X
xat^{x,T)^/T^ 9o,-^(X,r)| OK K=x
xdix) d2{x)y/T^t + a,^(x,T)
fdcjt^{K, dK
T) K=x
K=x
y\ui{x\r]u,i,uui)^{'^-^u)^{x\r]u,2,i'u2)
f^Us
Ku<x, (3)
mit: di{x) =
d2{x)= di{x) -
(T/^{x,T)VT-n: (4)
^^ Vgl. hierzu die Untersuchungen bei Brunner/Hafner (2003) [12]. ^^ Vgl. hierzu Brunner/Hafner (2003) [12].
500
Manfred Steiner und Bernhard Brunner
und Oi = (A^,r7^,l,^'^l,r/^,25^^^^2) ^^^ Parametervektor für i G {L, C/}. Dabei regelt A^, iG{L, f/}, das Mischungsverhältnis der beiden Lognormalverteilungen. Ft{T) ist der aktuelle Forwardpreis, hier definiert als: Ft{T) = e'^^-'^St.
(5)
4 Marktgerechte Preisformeln von Power-Optionen Um die Flexibilität des Verfahrens von Brunner/Hafner (2003) [12] aufrecht zu erhalten, wird zunächst keine spezielle Interpolationstechnik angenommen. Die anschließenden Bewertungen erfolgen deswegen in Abhängigkeit von der impliziten Volatilitätsfunktion a^-^ (if, T) für den Bereich der beobachtbaren Basispreisspanne M = [KL^KU], sowie den Parametrisierungen der beiden Randverteilungen. Unter der Vielzahl von möglichen Vertragsspezifikationen werden zunächst Basis Versionen der Power-Optionen betrachtet. Die Bezeichnung Basisversion bezieht sich in diesem Kontext darauf, dass sich die im Anschluss dargestellten oft bekannteren Power-Varianten mit Hilfe dieser Optionsverträge arbitragefi:ei duplizieren lassen. 4.1 Grundformen Zu den Grundformen der Klasse der Power-Optionen zählen hier die in Tabelle 1 zusammengefassten Versionen. Tabelle 1. Auszahlungsfunktionen der Basisversionen von Power-Optionen Notation
Typ
Auszahlungsfunktion
PiC
Power-Call
(max{5T - K; 0})^
PiP P2C P2P
Power-Put Power-Call Power-Put
(max{K - ST] 0})^ max{S'|^ - i^^ 0} max{iC2 - S^; 0}
Für die marktgerechte Bewertung eines Power-Call der ersten Variante gilt durch Anwendung des Martingalansatzes: PiCt{K,T)=e-^^^-'^
{x-Kfqs^{x]eLM)dx, JK
Vgl. hierzu Tompkins (1999b) [44].
(6)
Markt gerechte Bewertung von Power-Optionen
501
Für Basispreise aus dem mittleren Funktionsabschnitt der RND, also KG[KL^KU], erhält man durch Einsetzen der RND aus Gleichung (3) und einfache analytische Berechnungen für den fairen Preis der Option: pKu
i{d2{x))
JK
+
dx
OK
{^t^{x.T)y
K=x ^
K=Ku
+ e-'-^'^-''^\u'nl,ie<^N{zu,i{Ku)
+ 2uu,i) (7)
Ohne eine weitere Spezifizierung der impliziten Volatilitätsfunktion ist es an dieser Stelle allerdings nicht möglich, den verbleibenden Integralterm analytisch zu lösen. ^^ Notiert der Basispreis außerhalb des Intervalls [Ki,Kir], so gilt im Fall K>Ku: PiCt{K,T)
= e-^^^-*^\uvl,y"'^N{zu,iiK)
- e-'-(^-*) 2K(\umAN{zu,i{K)
+ 2uu,i)
+ uu,i)
+ (1 - \u)r}u,i^{zu,2{K) + e-<'^-''^K''\uN{zu,i{K))
+ vu,2^
+ e-^(^-*>(l -
\u)N{zu,2{K)) (8)
Für eine eventuelle numerische Berechnung des eindimensionalen Integrals existieren jedoch effiziente Algorithmen. Vgl. beispielsweise Schwarz (1988) [38], S. 319 ff., Piessens et al (1983) [31], S. 11 ff.
502 und für
Manfred Steiner und Bernhard Brunner K
ln{^)-l{a,^ix,T))\T-t)
da,^{K,T) dx
+
K=x ,
+(l-Az,)»?i,2e"^'^M^i,2(if) + 2z/L,2))
(9) K=Ku
+ (1 - XL)VL,2N{ZL,2{K)
+ e-^^^-'\Ft{T)
-
+ PL,2))
+ (1 - XL)r,L,2))
{XLVLA
K=KL
+ e-^^'^-'^K^XLN{zL,^{K)) + e-'-(^-*)
+ e-'-(^-*)(l -
XL)N{zLa{K))
(Xuvl,ie''"^''N{zu,i{KuH2vu,i) +0-Xu)rfu,2e'''^''N{zu,2{Ku)+2uu,2^,
mit:
^iAK)
Inriij -hiK
\f
i&{L,U},
j = l,2.
(10)
'^^3
Für die Bewertung der Put-Variante ist die folgende Beziehung hilfreich: PiPt{K,T)-^P,Ct{K,T)
= e-'^^-'^
[
{K - xf
qs,{x',eLM)dx
Jo
+ 6-'^(^-*)/ JK
{x-Kfqs,{x;9L.9u)dx
/»OO
= e-(T-t)/ x^qs^{x;eL,eu)dx Jo 2e-'-(^-*)i^F,(r) + e-'-(^-*)ü:2
(11;
Marktgerechte Bewertung von Power-Optionen
503
Die Berechnung der letzten beiden Terme erfolgt durch Ausnutzung der Integrations- und Forwardbedingung der RND. Der erste Term entspricht ohne dem Diskontierungsfaktor gerade dem zweiten nicht zentralen Moment der RND. Für dieses gilt: pOO
i
+ / X
H
OK
+ Kl,n{d,{Ku))VT=i
^^L^^
+ (\urih,ie<-N{zu,i{Ku)+2vu,i)
ÄT7—7^\dx
3 /^,^^^Ar-TÖ<7,•^(^,T) -Kln{d2{KL))VT^t dK + {l-\uWu,-2e''"-'N{zu,2{Ku)+
K=KL
2vu,2))(12)
Zusammen mit der Relation in Gleichung (11) lassen sich damit auch PutVersionen marktgerecht bewerten. Es gilt: PiPt{K,T)
= e-'-^^-*) (rx^srix;
OL, ÖU) dx-2KFt{T)+K^
-PiQiK,T).
(13) Der marktgerechte Preis einer Power-Option der zweiten Variante aus Tabelle 1 lässt sich durch die bereits hergeleiteten Preisformeln ebenfalls einfach berechnen. Dabei wird für den Call die folgende Umformung ausgenutzt: /»OO
P2Ct{K,T) = e-'"^^-*) /
(a;2 -
K^)qs^{x;OL^OU)dx
JK
= e-r(T-t) r
{^^x - Kf
+ 2Kx -2K^)
qs^{x;eL,9u)dx
^^^^
JK
^PiCt{K,T)
+
2K-Q{K,T).
Auf analoge Weise lässt sich für die Put-Variante zeigen: ^^ P2Pt{K,T) = e--(^-*) / {K^ - x"") qs^ix; OL, du) dx Jo fK
= e riT-t)
/ Jo = -PiPt{K,T)
_ ((i;^ - xf + 2Kx - 2K^) +
qs^{x;eL,0u)dx
2K-Pt{K,T). (15)
^^ Die marktgerechten Preisformeln für die europäische Call- und Put-Option aus (14) bzw. (15) sind im Anhang berechnet.
504
Manfred Steiner und Bernhard Brunner
Damit lassen sich marktgerechte Optionspreise für Basispreise aus jedem Teilabschnitt einfach ermitteln, indem die bereits hergeleiteten Preisformeln gemäß der Zusammensetzung in Gleichung (14) bzw. (15) eingesetzt werden. 4.2 Weitere Vertragsvarianten Mit den ermittelten Preisformeln der beiden Grundtypen von Power-Optionen lassen sich nun eine Reihe weiterer Vertragsformen dieser Kategorie marktgerecht bewerten. Wie bereits erwähnt, werden dazu Duplizierungsstrategien ausgenutzt, die auf den gerade bewerteten Optionsverträgen basieren. Eine solche Variante von Power-Optionen ist der so genannte PowerStraddle {PS). Dieser besitzt bei Fälligkeit das Auszahlungsprofil: = max{(5T - Kf;0}.
PST{K,T)
(16)
Während es sich bei den beiden Basisvarianten um so genannte asymmetrische Power-Optionen handelt, ist diese Version vom symmetrischen Typ. Für die Auszahlungsfunktion gilt nämlich: maxKS'x — K)'^; 0} = {ST — K)'^. Sie ist symmetrisch bezüglich des Basispreises und somit für Call- und Put-Varianten identisch, da {ST — K)^ = {K — ST)'^- Der Kontrakt des Power-Straddle lässt sich mit Hilfe eines Portfolios duplizieren, bestehend aus einer Put- und einer Call-Version einer bereits bewerteten Basisversion der Power-Optionen, gemäß: /»OO
PSt{K,T) = e---^^-*) / (x - Kf Jo - e-^^^-'y^K-xfqs^ix; == PiPt{K,T)
+
qs^ix;0L,OU)
dx
OL, 6U) dx+jJx-Kfqs^ix;
Ö^,%)d:rj
PiCt{K,T). (17)
Die bisher angesprochenen Varianten von Power-Optionen besitzen für den Einsatz in der Praxis einen entscheidenden Nachteil: Sie sind sehr teuer. Dies liegt daran, dass die Auszahlung der Option im Geld bei Fälligkeit mit zunehmendem Underlyingkurs sehr schnell wächst: nämlich quadratisch und nicht mehr linear, wie dies bei Standardoptionen der Fall ist. Um diesen Effekt zu kompensieren und die Power-Optionen damit für potentielle Investoren attraktiver zu gestalten, wird die börsengehandelte Option in der Regel zusätzlich mit einer positiven Auszahlungsobergrenze"^^, einem Cap, emittiert.^^ Die ^° Im trivialen Fall einer Auszahlungsobergrenze von null ist die zugrunde liegende Option stets wertlos. ^^ HSBC Trinkaus &; Burkhardt emittiert beispielsweise Power-Optionen auf Indizes mit einem Cap von EUR 25. Detaillierte Informationen hierzu sind unter www. hsbctrinkaus.de zu finden.
Markt gerechte Bewertung von Power-Optionen
505
Auszahlungsfunktionen von Power-Optionen der ersten Variante kombiniert mit einer derartigen Vertragsspezifikation sind im Allgemeinen von der Form: PiC^^^(if, T) = minj(maxIS'T - K; 0})^ Gap), PiP^"P(Jf,T) = mini (max{K - ST; 0}f; C a p } . Damit gilt für den jeweiligen Cap: C a p = {K^^P-Kf
mit K^''^>K
^ K^"" = ^/C^+K
C a p = {K-K^^Pf
mit K^^^
für die Call-Version, für die Put-Version. (19)
Demzufolge entspricht die Auszahlungsfunktion des Call mit Cap für Schlusskurse unterhalb des Werts K^^'''^ der ohne Cap. Für die Put Optionen sind dagegen die Auszahlungsprofile oberhalb des Werts Kp^^ identisch. Der Auszahlungsbetrag, den die Optionen an diesen Stellen bezahlen, wird dann auch für die restlichen Bereiche fixiert. Die maximale Auszahlung des Call (Put) wird somit für alle Underlyingkurse oberhalb K^^^ (unterhalb Kp^^) erreicht und entspricht gerade dem Wert des Cap. Durch Diskontierung des Erwartungswertes der Auszahlung und weiteren analjrtischen Umformungen erhält man schließlich für den Call: PiQ^^^(X,T) = e-^(^-*) /
"
{x-K)'qs,{x;eL,0u)dx
JK
' /
[Kg^^-K)
qs,{x;eL,9u)dx
/»CO
= p - r ( T - f ) //»CO /
_ T^x2,
^e-r-u-tj /
(x-K)-'qs^{x;eL,9u)dx
JK
/ ° l p ( ^ ' ~ ( ^ c " " / ) 9s.(^; ^L, 9u) dx + 2ife-'-(^-*' / JK^""
(x - Kg^n qs^ix; 0L, OU) dx ^ '
= PxCt{K,T) - P s Q ( i ^ c " " , T ) + 2 K - C t ( ^ K ^ " " , T ) = PiQiK, T) - PiQ (K^^^.T)
+ 2 ( / f - Ü : ^ " P ) - a (üTc"'', T ) . (20)
Der marktgerechte Preis der Option lässt sich damit durch Kombination der bisher ermittelten Optionspreisformeln bestimmen. Für die Put-Version lässt sich durch analoge Arbitrageüberlegungen eine ähnliche Duplizierungsstrategie angeben, gemäß:
506
Manfred Steiner und Bernhard Brunner
p^pCap^j^^r)
= PiPtiK,T)
+ P'iPt(K^'"^,T)
-2K-Pt(Xp^^^T]
= PiPt{K, T) - PiPt (ifp"P, T ) + 2(Kp'"' -KyPt
(^K^Z T ) . (21)
Wird die zweite Basisvariante aus der Klasse der Power-Optionen mit einem Cap emittiert, so erhält man die Auszahlungsprofile: P2C^'''^{K,T) = min{max{5|.
-K'^;0};Cap},
= min{max{ü:2 _ 5 2 . Q | . Q ^ ^ y
P2PT''^{K,T)
Damit gilt für den Cap: Cap = {K^°-^\ -K'^ mit X^"" >K ^ K^"^ = ^/Ca.p+K'^ für dieCall-Version, Cap = K'^-(K^"-n
mit K^""
Betrachtet man zunächst die Call-Version, so lässt sich durch Diskontierung der erwarteten Auszahlung die folgende Relation ableiten: P2Cf''''{K, T) = e-'-(^-*) /
^ (a;2 - K^) qs,{x; OL, Qu) dx
JK
+ e-^(^-*) ^ ~ ^ ( ( J ^ c " " ) ' - ^ ' )
/•CO
= e-'-(^-*) /
(x^ - K^) qsrix; ÖL, QU) dx
JK
- e-'-(^-*' £ ^ ^ {x-'-K^)
- (^K^^'f-K'^
qs^ix; 6^, 6^) dx
/»OO
= e-^(^-*) /
(x^ - K^) qsM
6L, 9U) dx
JK
- e-^(^-*) £ ^ ^ [x" - {K^"")^^ =
qs.{x; ÖL, ÖU) dx
P2Ct{K,T)-P2Ct(K^''^,T). (24)
Ebenso gilt für den Put: P^P^'^'^K, T) = P2Pt{K, T) - P2Pt [K^^^^T).
(25)
Ihre marktgerechten Preise ergeben sich erneut durch Einsetzen der bisher berechneten Preisformeln in die obigen Gleichungen.
Marktgerechte Bewertung von Power-Optionen
507
Zuletzt wird noch der markt gerechte Wert des zuvor in Gleichung (16) definierten Power-Straddle berechnet, der nun ebenfalls mit einem zusätzlichen Cap ausgestattet wird. Das Auszahlungsprofil lautet damit: P5^^^(Ü:,T) =min{max{(5T-X)^;0};Cap}
=min{(5T-if)^;Cap}.
(26) Die für den Power-Straddle charakteristische symmetrische Auszahlungsfunktion führt in diesem Fall dazu, dass der maximale Auszahlungsbetrag sowohl bei stetig zunehmender als auch bei abnehmender Kursentwicklung erreicht wird. Seien K^^^, mit iff^^ < K , und ÜTf^^, mit KS^^>K, die Kursniveaus, bei denen die maximale Auszahlung erreicht wird, dann gilt: Cap = {K^^P - Kf
mit Kf^^ >K
=> iCf^^ -
Cap = {K^""^ - Kf
mit ÜTf^^
^
K+^/C^,
K^""^ = K-
(27)
./C^.
Für den Preis des Power-Straddle folgt damit: psCav^K, T) = e-^^^-'^ + e-^^^-'^
/
( i f f ^ - Kfqsrix; /
ÖL. OU) dx
{x - Kf qs^{x; ö^, Ou) dx (28)
Jj^Cap T^Cap
+ e-r(T-t) / ^
{x-KfqsT{x;0L,9u)dx
JK
+ e-^^^-'^ /
{K^^^ - KY qs,{x;OL,0U)
dx.
Unter Ausnutzung der bisherigen Berechnungen gilt schließlich: pS^ap^K, T) = PiP,^^^(K, T) + PiQ^^^(i^, T).
(29)
5 Praktische Umsetzung 5.1 D a t e n Die verwendete Datenbasis beinhaltet alle Transaktionen der DAX-Option und des DAX-Future, die an der Eurex im Jahr 2000 gehandelt wurden.^^ Der Deutsche Aktienindex, kurz DAX, wurde am 23. Juni 1988 an der Frankfurter Wertpapierbörse eingeführt und beinhaltet als gewichteter Index die 30 höchstkapitalisierten und liquidesten Aktien führender Unternehmen, die an der deutschen Börse amtlich gehandelt werden. Nach der statistischen ^^ Die Autoren danken der Eurex herzlich für die kostenlose Bereitstellung der Daten.
508
Manfred Steiner und Bernhard Brunner
Indexformel, der Laspeyres-Formel berechnet,^^ stellt er einen gewichteten Performance-Index dar, d. h. sämtliche Dividenden- und Bezugsrechtserlöse aus den enthaltenen Aktien werden rechnerisch reinvestiert. Die DAX-Option stellt einen europäischen Optionsvertrag dar, der bei Fälligkeit einen Barausgleich und keine physische Lieferung der DAX-Titel vorsieht, sofern die Option ausgeübt wird. Ihr letzter Handelstag ist jeweils der dritte Freitag eines Verfallmonats. Als Verfallmonate existieren die drei nächsten aufeinander folgenden Kalendermonate, die drei darauf folgenden Monate aus dem Zyklus März, Juni, September und Dezember sowie die beiden darauf folgenden Monate des Zyklus Juni und Dezember. Damit sind zu jedem Zeitpunkt Optionskontrakte für acht Fälligkeitstermine und Restlaufzeiten von bis zu zwei Jahren verfügbar. Jeder Verfallmonat wird mit mindestens fünf Basispreisserien angeboten, davon ein Basispreis am Geld und jeweils zwei im bzw. aus dem Geld. Die Abstufung der Basispreisserien erfolgt in Schrittweiten von 50, 100 und 200 Indexpunkten für die jeweilige Restlaufzeit von 6, 12 bzw. 24 Monaten. Neben der DAX-Option fließen auch die Preisdaten des DAX-Future in die Berechnung der impliziten RNDen für den DAX ein. Als Verfallmonate werden hier die jeweils nächsten drei Quartalsmonate des Zyklus März, Juni, September und Dezember angeboten. Die maximale Laufzeit eines Kontrakts beträgt damit neun Monate. Letzter Handelstag des jeweiligen Verfallmonats ist dabei der dritte Freitag - sofern dieser Tag ein Börsentag ist, andernfalls der unmittelbar vorausgehende Börsentag.'^^ Die Berechnung der benötigten impliziten Volatilitäten aus den gegebenen Marktdaten erfolgt durch eine Kombination aus Bisektions- und NewtonRaphson-Verfahren.^^ Benötigt werden dazu neben dem beobachtbaren Optionspreis mit zugehörigem Basispreis und Fälligkeitstermin der entsprechende risikolose Zins und der aktuelle Underlyingpreis. Die Restlaufzeit der Option bestimmt sich aus der Differenz zwischen Fälligkeit und dem aktuellen Handelstag. Sie wird in Jahren angegeben, berechnet durch die Anzahl der verbleibenden Kalendertage, bezogen auf 365 Jahrestage.^^ Der risikolose Zins wird aus täglichen Euribor-Zinssätzen des Jahres 2000 für Laufzeiten von 1, 3, 6 und 12 Monaten abgeleitet. Die genaue Bestimmung für eine angenommene Restlaufzeit erfolgt durch lineare Interpolation der jeweils angrenzenden
2^ Vgl. Perridon/Steiner (2002) [30], S. 242 f. ^^ Eine detaillierte Beschreibung zur Abwicklung des Options- und Futuregeschäfts ist im Regelwerk der Eurex zu finden, das in der jeweils aktuellen Fassung an der Eurex zur Verfügung gestellt wird (www. eurexchange. com). 2^ Vgl. Hang (1998) [21], S. 169 ff. ^^ Nach wie vor ist unklar, ob die Volatilität in Handelstagen oder Kalendertagen zu messen ist. Vgl. Hüll (2003) [22], S. 251 f. Der Unterschied ist jedoch lediglich bei Optionen mit sehr kurzer Laufzeit relevant. Diese werden aber in der Arbeit nicht berücksichtigt.
Marktgerechte Bewertung von Power-Optionen
509
Laufzeiten der vorgegebenen Euribor-Zinssätze. Der daraus resultierende Wert wird anschließend in einen äquivalenten stetigen Zinssatz umgerechnet.^^ Bezeichne im Weiteren n, mit n E N, die Handelsminute des jeweiligen Optionsgeschäfts. Der Indexstand St^n in Minute n am Tag t wird aus dem entsprechenden Futurekontrakt Ft^n abgeleitet, der an dem betrachteten Handelstag das größte Handelsvolumen besitzt. Der Fälligkeitstermin dieses Future wird mit Tp bezeichnet. In der Regel handelt es sich dabei um den nächst gelegenen Fälligkeitstermin. Der Wert Ft^niTp) bezeichnet den durchschnittlichen Preis der Futuregeschäfte mit Fälligkeit Tp^ die in Minute n am Tag t zustande gekommen sind. Um den entsprechenden Indexstand zu erhalten, werden die Unterschiede zwischen Future- und Forwardgeschäften vernachlässigt, und das theoretische Bewertungsmodell: Ft,niTF) = St,ne^^^^-'^
(30)
nach St^n aufgelöst.^^ Kommt in Minute n kein Handelsabschluss im Future zustande, werden alle Optionsgeschäfte dieser Minute aus dem Datensatz herausgenommen. Dieses Vorgehen gewährleistet, dass die zeitliche Differenz zwischen Optionspreis und Indexstand höchstens eine Minute beträgt. Für empirische Untersuchungen ist es allgemein übhch, die impliziten Volatilitäten in Abhängigkeit von der einfachen Moneyness der Option auszudrücken, definiert als:^^ M = Mt,n{K,T)
= - = ^
(31)
Dabei bezeichnet Ft^n{T) den theoretischen Futurepreis mit Fälligkeitstermin T, berechnet durch Gleichung (30) für den zuvor ermittelten Indexstand St^nAllgemein ist zu beobachten, dass out-of-the-money Optionen frequenter gehandelt werden als ihre in-the-money Varianten. Um die impliziten Volatilitäten innerhalb eines möglichst großen Intervalls an Basispreisen vernünftig schätzen zu können, werden sowohl Calls als auch Puts verwendet. Um Arbitragemöglichkeiten in Form einer Verletzung der Put-Call-Parität zu vermeiden, muss gewährleistet sein, dass die impliziten Volatilitäten eines Call und Put mit identischen Ausstattungsmerkmalen übereinstimmen. Wie aber eine genauere Untersuchung zeigt, treten systematische Abweichungen von der Put-Call-Parität auf. Dieses Phänomen ist auf Dividendenzahlungen und deren steuerliche Wirkung zurückzuführen.^^ Um diese Verzerrung zu bereinigen, wird für jeden Tag in Abhängigkeit von der jeweiligen Options- und ^^ Der risikolose Zinssatz hängt damit vom aktuellen Zeitpunkt t und der Anlagedauer T — t ab. Um die Notation einfach zu halten, wird hier aber auf eine Indizierung verzichtet. ^^ Dieses Vorgehen, den Underlyingpreis implizit aus den beobachtbaren Futuregeschäften zu berechnen, wird auch in der Studie von Jackwerth/Rubinstein (1996) [23] angewandt. 2^ Vgl. auch Natenberg (1994) [28], S. 51. ^^ Vgl. Hafner/Wallmeier (2001) [20], S. 5 ff.
510
Manfred Steiner und Bernhard Brunner
Futurefälligkeit ein impliziter Korrekturterm für das Underlying berechnet, so dass die Put-Call-Parität wieder erfüllt ist.^^ Dieses Vorgehen ist für jeden betrachteten Handelstag einmal durchzuführen. Mit dem korrigierten Indexstand werden anschließend die impliziten Volatilitäten aus den vorgegebenen Marktdaten berechnet. Dabei werden im Vorfeld alle Optionsdaten eliminiert, die einfache Arbitragerestriktionen in Form der üblichen Wertober- und Wertuntergrenzen verletzen. Des Weiteren werden alle berechneten Volatilitäten mit Werten über 150% vernachlässigt. 5.2 Schätzung der R N D Die Konstruktion der RND erfolgt hier nach dem Ansatz von Brunner/Hafner (2003) [12]. Dazu wird in einem ersten Schritt der Funktionsabschnitt der impliziten Volatilitätsfunktion geschätzt, für den konkrete Transaktionsdaten vorliegen. Der Ansatz von Brunner/Hafner (2003) [12] hat dabei den Vorteil, dass hierzu beliebige Interpolations- bzw. Regressionstechniken angewandt werden können. Da eine reine Interpolation zu Lasten von Stabilität und Glätte der Dichtefunktion geht, wird hier auf eine Regression zur Schätzung der impliziten Volatilitätsfunktion zurückgegriffen. Hierzu müssen allerdings genügend Optionsdaten von marktgehandelten Verträgen vorhanden sein. Da die implizite RND nicht laufend angepasst wird, sondern immer nur für einen Handelstag geschätzt werden soll, werden die verfügbaren Optionsdaten über diesen Tag aggregiert, so dass genügend Daten zur Verfügung stehen.^^ Als Regressionsverfahren wird die von Brunner/Hafner (2003) [12] vorgeschlagene Technik verwendet. Dabei wird anstelle der konventionellen Volatilitätsfunktion das gesamte Volatilitätssurface geschätzt. Dies hat den Vorteil, dass bei der Schätzung der Basispreisstruktur der impliziten Volatilität zusätzlich deren Restlaufzeitstruktur einbezogen wird. Das genaue Regressionsmodell lautet: at{M,T;e) = ßo-\-ßiM + ß2M^-^DßsM^^ß4VT^^ßsMVT^,
(32)
mit: f n
fiir
M <^ 0
(33)
und ö = (/?o,/?i,/?2?/?3,/?4,/?5)' als Parametervektor der Regressionskoeffizienten.^^ Die Definition der Moneyness wurde erweitert, gemäß:
33
Für eine detaillierte Beschreibung dieser Methode vgl. Hafner/Wallmeier (2001) [20], S. 5 ff., und Wallmeier (2003) [45], S. 173 ff. Für eine Motivation dieser Vorgehensweise, die impliziten Volatilitäten von marktgehandelten Optionen über einen Handelstag zu aggregieren, vgl. Hafner/Wallmeier (2001) [20], S. 14. Streng genommen sind die einzelnen Parameter vom gegenwärtigen Zeitpunkt t abhängig. Auf eine zusätzliche Indizierung wird aber verzichtet.
Marktgerechte Bewertung von Power-Optionen
M='''^0,
511
(34)
Die erweiterte Moneyness-Definition hat den Vorteil, dass die Struktur der impliziten Volatilitätsfunktion in Abhängigkeit vom Basispreis für die verschiedenen Restlaufzeiten ähnlich erscheint. Die Auswirkungen des Restlaufzeiteffekts auf die Struktur der impliziten Volatilität werden damit kompensiert. Das allgemeine Niveau der impliziten Volatilität wird allerdings nicht beeinflusst. Die Schätzung einer zweidimensionalen Volatilitätsfunktion in Abhängigkeit von der Moneyness und der Restlaufzeit wird somit erleichtert. Für Put- und Call-Optionen, die sehr weit im Geld notieren, reagiert die implizite Volatilität allgemein sehr stark auf Veränderungen des zugrunde liegenden Underlying. Das Ausmaß lässt sich dabei durch das Verhältnis von Optionsdelta und -vega quantifizieren. Während die Delta-Komponente gegen eins konvergiert, konvergiert das Optionsvega gegen null je weiter die Option im Geld notiert. Die quantifizierbare Bewegung der impliziten Volatilität unter Annahme eines unveränderten Optionspreises bei einer marginalen Veränderung des Underlying nimmt damit in diesem Bereich zu. Da jedoch kleinere Fehler bei der Bestimmung des jeweiligen Indexstands der betrachteten DAX-Option nicht zu vermeiden sind, wird die Varianz der Störgröße im Regressionsmodell zunehmen, je weiter die Optionen im Geld notieren. Die Annahme der Heteroskedastizität lässt sich durch Streuungsdiagramme der Residuen bestätigen. Mit Hilfe des White-Tests ist die Nullhypothese der Homoskedastizität in etwa 60% aller Fälle auf dem 1%-Signifikanzniveau abzulehnen. Um der Heteroskedastizität nachzukommen, wird eine gewichtete Kleinsten-Quadrate-Schätzung durchgeführt, wobei die Gewichtungsfaktoren gerade umgekehrt proportional zum Verhältnis aus Delta und Vega^^ gewählt werden. ^^ Auf Grund der Vielzahl von Transaktionen ist es nicht verwunderlich, dass einige wenige Fälle auftreten, in denen die impliziten Volatilitäten sehr stark vom allgemeinen Marktniveau abweichen. Diese sind beispielsweise auf Fehleingaben eines Marktteilnehmers zurückzuführen, können aber unter bestimmten Bedingungen annulliert werden. Um diese Fälle auszuschließen und damit Verzerrungen zu vermeiden, werden alle Beobachtungen vernachlässigt, deren Standardabweichungen mehr als vier Standardabweichungen aller Residuen betragen. Die Standardabweichung entspricht dabei der Quadratwurzel aus dem gewichteten Durchschnitt der quadrierten Residuen. Anschließend wird die Schätzmethode noch einmal auf die reduzierte Datenbasis angewenOptionsdelta und -vega berechnen sich durch Einsetzen der entsprechenden impliziten Volatilität sowie der restlichen Parameter in die Black/Scholes-Formel des Optionsdelta bzw. -vega. Der negative Delta-Wert von Puts wird mit —1 multipliziert, um eine insgesamt positive Gewichtung zu erhalten. Das gleiche Vorgehen wird auch bei Hafner/Wallmeier (2001) [20] bzw. Wallmeier (2003) [45] angewendet.
512
Manfred Steiner und Bernhard Brunner
det, bis keine weiteren Beobachtungen mehr auszuschUeßen sind.^^ Eine genauere Untersuchung der Auswirkungen dieser Datenreduzierung ergab, dass diese die Schätzergebnisse nur an wenigen Tagen merkhch beeinflusste. Bei einer näheren Betrachtung der zugrunde hegenden Datenmenge fällt auf, dass das Intervall der beobachtbaren Basispreise nicht von der Restlaufzeit abhängt sondern lediglich vom Preisniveau des Forwards. Für das betrachtete Jahr 2000 war die überwiegende Mehrheit aller gehandeltenjOptions^eise bei Betrachtung einer logarithmierten einfachen Moneyness InM, mit M definiert als Quotient aus Basis- und Forwardpreis, dem Intervall zwischen —0.3 und -hO.2 zuzuordnen, unabhängig vom Fälligkeitstermin, und wies eine Restlaufzeit bis zu einem halben Jahr aus. Deshalb wurden alle Beobachtungen außerhalb dieser Grenzen ausgeschlossen, um die Stabilität der anschließenden Regression zu stützen. Die Volatilitätsfunktion für eine beliebige Restlaufzeit (T — t) G (0,0.5] erhält man, indem man das geschätzte Volatilitäts-Surface aus (32) für die gewünschte Restlaufzeit innerhalb des Moneyness-Intervalls [—0.3,0.2] auswertet. Damit erhält man den mittleren Abschnitt der impliziten Volatilitätsfunktion. ^^ Aus dem geschätzten Abschnitt der impliziten Volatilitätsfunktion lässt sich nun mit Hilfe des Breeden/Litzenberger-Resultats der entsprechende Abschnitt der RND ableiten. Ausgehend von der Schätzung der impliziten Volatilitätsfunktion bezieht sich die konstruierte implizite RND ebenfalls auf den betrachteten gesamten Handelstag. Der hierzu benötigte Forwardpreis wird deswegen durch Mittelwertbildung der an diesem Tag beobachtbaren Underlyingkurse berechnet, mit Hilfe der Beziehung:
F,(r) = e'-(^-*)lf:%.
(35)
Dabei bezeichnen St,i, i = 1 , . . . , A^, die an diesem Tag ermittelten Handelsabschlüsse für das entsprechende Underlying. Die Konstruktion der vollständigen impliziten RND erfolgt anschließend durch das von Brunner/Hafner (2003) [12] vorgeschlagene Extrapolationsverfahren. 5.3 Ergebnisse Im Folgenden werden mit Hilfe der eben hergeleiteten impliziten RND konkrete markt gerechte Preise von Power-Optionen bestimmt. Mit der Option PiC wird die Call-Variante der ersten Grundform von Power-Optionen betrachtet. ^^ Eine solche Vorgehensweise wird auch als ^-S'ipma-i^epe/ oder getrimmte Regression bezeichnet. Vgl. Kmenta (1997) [25], S. 265, Sachs (1972) [37], S. 219. ^^ Treten dabei für diesen Funktionsabschnitt bereits Arbitrageverletzungen auf, wird das angenommene Basispreisintervall soweit verkleinert, bis mögliche Arbitrageverletzungen vermieden werden.
Markt gerechte Bewertung von Power-Optionen
513
Die Herleitung ihrer markt gerechten Preisformel erfolgte in Abschnitt 4.1. Mit Hilfe der geschätzten impliziten Volatilitätsfunktion aus (32) und den damit berechneten restlichen Parametern lassen sich für verschiedene Basispreise konkrete marktgerechte Preise bestimmen. Für die Interpretation der Ergebnisse werden die berechneten Marktpreise mit ihren Black/Scholes-Preisen in Verbindung mit der geschätzten impliziten Volatilität verglichen. Diese berechnen sich mit der üblichen Notation für die betrachtete Power-Option gemäß: (36)
mit: di = -^
^-7== , d2 = di-aVT^t. (37) ayl — t Als Volatilität wird die implizite Volatilität eingesetzt. Für Basispreise innerhalb des Intervalls [KL,KU] erhält man diese mit Hilfe des Regressionsmodells. Außerhalb des Intervalls muss die implizite Volatilität dagegen aus der berechneten RND abgeleitet werden. Hierzu wird zunächst die Optionspreisfunktion europäischer Standardoptionen für Basispreise der äußeren Abschnitte mit Hilfe des Martingalansatzes berechnet. Anschließend werden daraus die impliziten Volatilitäten in den Randbereichen mittels einer Kombination aus Bisektions- und Newton-Raphson-Verfahren bestimmt.^^ Die beiden Berechnungsansätze der marktgerechten Bewertung und der Bewertung mittels Black/Scholes-Preisen in Verbindung mit impliziten Volatilitäten werden nun für einen beliebigen Handelstag verglichen. Die Abb. 2 skizziert die auftretenden Preisdifferenzen für verschiedene Restlaufzeiten in Abhängigkeit vom Basispreis. Während die linke Grafik die absolute Differenz in der Form: PiCt{K,T)-PiCf'{K,T,a) beschreibt, zeigt die rechte Grafik die relative DiflFerenz in Prozent ausgedrückt, gemäß: PiCt{K,T)-PiCf%K,T,a) PiCf^{K,T,a) Die sehr hohen absoluten Preisdifferenzen resultieren aus den ebenfalls sehr hohen Optionswerten für kleinere Basispreise. Für eine Interpretation der Werte ist deswegen die relative Preisdifferenz heranzuziehen. Die Abweichungen für kleinere Basispreise sind dabei gravierender, da diese mit sehr hohen Optionspreisen verbunden sind. Hier wird deutlich, dass die eigentlichen Marktpreise signifikant unterhalb ihrer Black/Scholes-Preise notieren. ^^ Um numerische Probleme bei der Invertierung zu vermeiden, werden hier Calls und Puts kombiniert, so dass in beiden Randbereichen nur solche Optionen verwendet werden, die aus dem Geld notieren.
514
Manfred Steiner und Bernhard Brunner
Abb. 2. Absolute (linke Grafik) und relative Preisdifferenz (rechte Grafik) zwischen marktgerechter und Black/Scholes-Bewertung eines Power-Call auf den DAX für die Restlaufzeiten von 30, 90 und 180 Tagen in Abhängigkeit vom Basispreis am 1. November 2000 bei einem Indexstand von 7046.89 Erklären lässt sich dieser Effekt dadurch, dass die implizite Volatilität mit zunehmendem Basispreis immer mehr abnimmt. Diese Struktur bezeichnet man allgemein als Skew, der gerade für Index-Optionen typisch ist. Während die Black/Scholes-Formel mit einer konstanten Volatilität rechnet, die hier der impliziten Volatilität an der Stelle des Basispreises K entspricht, wird bei der marktgerechten Bewertung berücksichtigt, dass die implizite Volatilität im Auszahlungsbereich des Power-Call geringer ausfällt. Der marktgerechte Preis ist dementsprechend niedriger. Die zunehmende positive relative Abweichung für größere Basispreise ist eher numerischen Effekten zuzuschreiben, die wegen der sehr kleinen Optionspreise in diesem Bereich auftreten. Die Optionspreise und damit auch die absolute Abweichung konvergieren nämlich für größere Basispreise gegen null. Bei der Betrachtung von unterschiedlichen Restlaufzeiten wird deutlich, dass die absolute Preisdifferenz mit zunehmender Restlaufzeit ebenfalls zunimmt, da auch die einzelnen Optionspreise im Wert steigen. Die relative Preisdifferenz zeigt allerdings, dass die Abweichungen für längere Restlaufzeiten in der Regel geringer ausfallen, da der Skew-EflFekt hier weniger stark ausgeprägt ist.
6 Zusammenfassung Innerhalb der Optionsbewertung zeichnet sich ein neuer Trend ab. Während die Black/Scholes-Bewertung nur noch theoretischen Stellenwert genießt, rückt in der Praxis die marktgerechte Bewertung von Derivaten immer mehr in den Vordergrund. Ziel der Arbeit war es deswegen, diese anzuwenden, um mit der Power-Option einen wichtigen Vertreter pfadunabhängiger Derivate marktgerecht zu bewerten.
Markt gerechte Bewertung von Power-Optionen
515
Der erste Teil der Arbeit beschäftigte sich dabei mit der theoretischen Vorgehens weise. Mit Hilfe der Methode von Brunner/Hafner (2003) [12] zur Konstruktion einer impliziten RND wurden marktgerechte Preisformeln für verschiedene Varianten von Power-Optionen hergeleitet. Dabei ist es gelungen, durch analytische Berechnungen den numerischen Aufwand zu reduzieren. Im zweiten Teil der Arbeit erfolgte die praxisgerechte Umsetzung. Auf der Basis von DAX-Optionsdaten und DAX-Futuredaten wurden implizite RNDen berechnet. Damit war es möglich, marktgerechte Preise einfacher Power-Optionen zu bestimmen. Diese wurden mit ihren Black/Scholes-Preisen verglichen, die mittels impliziter Volatilitäten bestimmt werden. Als Resultat waren zum Teil sehr deutliche Preisunterschiede festzustellen.
A Marktgerechte Bewertung von Standardoptionen Für europäische Standardoptionen mit Basispreisen aus dem Intervall M = [KL^KU] lassen sich die Marktpreise einfach bestimmen, da gilt: /•OO
Ct{K,T) = e-'-(^-*) /
(x-K)
qs^{x) dx
JK
= e-'-(^-*)(F,(T)iV(di(ir))
-KN{d2iK))), (38)
PtiK,T)
= e-^^'^-'U
(K-x)
qs^{x) dx
Jo =
e-''-^-*^(KN{-d2{K))-Ft{T)N{-diiK)fj.
Der Marktpreis entspricht in diesem Fall dem Black/Scholes-Preis in Verbindung mit der impliziten Volatilität und ist damit lediglich von der gewählten Interpolationstechnik abhängig. Die Extrapolation in den Randbereich spielt dabei keine Rolle. Die Relation in (38) gilt jedoch nur, falls die zugehörige RND so konstruiert wurde, dass die Martingaleigenschaft für europäische Calls und Puts erfüllt wird. Andernfalls sind die mit Gleichung (1) berechneten Marktpreise nicht konsistent mit den Marktpreisen aus der geschätzten impliziten Volatilitätsfunktion bzw. aus dem geschätzten Volatilitäts-Surface. Für die nach der Methode von Brunner/Hafner (2003) [12] konstruierte RND ist die Martingaleigenschaft jedoch stets erfüllt. Soll eine Standardoption mit Basispreis außerhalb des Intervalls [KL^KU] bewertet werden, so ist die genaue Extrapolation der RND für die Preisbildung entscheidend.^^ Man erhält für einen europäischen Call mit Basispreis K>Ku:
^^ Die Interpolation spielt hier nur indirekt über die Spezifizierung der Parameter in den äußeren beiden Funktionsabschnitten der RND eine Rolle.
516
Manfred Steiner und Bernhard Brunner
Ct{K,T) = e-'^^-*hu{vu,iN{zu,i{K)
+ uu,i) -
+ e-^(^-*)(l - At;) inuM^uAK)
KN{zu,i{K)))
+ vu,2) -
KN{zua{K))). (39)
F ü r den Fall K < KL erhält m a n mittels analoger Berechnung: Ct{K,T)
= e-'-(^-*)Ai {r^L,iN{zL,i{K)
+ VL,I) -
+ e - ^ ( ^ - * ) ( l - \L) {VL,2N{ZL,2{K)
KN{ZL,I{K)))
+ VL,2) -
+ e-'-(^-*)(Ft(T) - (AL7?L,I + (1 -
KN{ZL,2{K)))
\L)r}L,2)).
(40) Dabei gilt jeweils:
z,j{K)
In r]i^j —hiK = - ^
^ ^,
i€{L,[/},
j = l,2.
(41)
Die Preise für die entsprechenden P u t s lassen sich über die Put-CallP a r i t ä t für europäische Optionen berechnen.
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Überschussbeteiligung fondsgebundener Lebens- und Rentenversicherungen Klaus Sandmann Rheinische Friedrich Wilhelms-Universität Bonn, Betriebswirtschaftliche Abteilung 3, Adenauerallee 24-42, D-53113 Bonn k.sandmannQuni-bonn.de
Gliederung 1
Einleitung
520
2
Überschussbeteiligung
522
2.1 2.2
Direktüberschussbeteiligung Üb er Schussbeteiligung bei periodischer Prämienzahlung
527 533
3
Fondsgebundene Kapitallebensversicherung mit Mindestgarantie
535
Erweiterung: Fondsgebundene Lebens- und Rentenversicherung
546
Schlussbetrachtung
550
4 5
Literaturverzeichnis
551
520
Klaus Sandmann
1 Einleitung Fondsgebundene Versicherungen stellen eine Verbindung zwischen einer kapitalbildenden Lebensversicherung und einer Investitionsstrategie dar. Ziel dieser Verträge ist zum einen die Übernahme eines Versicherungsschutzes und zum anderen der Vermögensaufbau mittels eines Investment Fonds. Die fondsgebundene Lebensversicherung bietet die Möglichkeit, an dem Wertzuwachs des Kapitalmarktes auch über eine Lebensversicherung zu partizipieren. Dies bedeutet, dass die Rendite derartiger Versicherungen in stärkerer Weise mit derjenigen des Kapitalmarkes verbunden ist und darüber hinaus eine vertragsorientierte Zuordnung ermöglicht wird. Ein fondsgebundener Versicherungsvertrag setzt sich aus einer garantierten Leistung und einer Überschussbeteiligung zusammen. Die Überschussbeteiligung stellt eine Aufteilung erzielter Überschüsse zwischen dem Versicherungsgeber und dem Versicherungsnehmer dar. Der Verzicht auf einen Teil der Überschüsse seitens des Versicherungsnehmers kann als implizite Prämie aufgefasst werden. U. a. wird es somit ermöglicht, die explizit zu leistende Prämienzahlung des Versicherungsnehmers in der Höhe zu begrenzen. Neben der klassischen Form der Kapitallebensversicherung werden eine Vielzahl von Vertragskombinationen aus Lebensversicherungen und Investitionsstrategien angeboten. Einen ersten Überblick zu den verschiedenen Vertragsgestaltungen findet sich bei Ekern und Persson (1996). Ein wesentlicher Vorteil dieser Vertragsgestaltung besteht in der vertragsbezogenen Zuordnung des Überschusses. Ein erster Ansatz der Systematisierung dieser Verträge beruht auf der isoherten Betrachtung der Investitionsstrategie. Grundsätzlich sind hierbei zwei Aspekte zu unterscheiden: •
•
Bezüglich der Prämiengestaltung ist zwischen einer einmaligen Prämienzahlung und einer periodischen Prämienleistung seitens des Investors zu unterscheiden. Bezüglich der Leistung ist zwischen einer Schlussüberschussbeteiligung und einer Direktüberschussbeteiligung zu unterscheiden. Letztere kann in Form einer verzinslichen Gutschrift oder mittels einer Prämienverrechnung erfolgen.
Das Ziel der folgenden Untersuchung ist zweifach. Einerseits gilt es, unterschiedliche Überschussbeteiligungsmöglichkeiten zu untersuchen. Andererseits wird die Beziehung zwischen der auf das Versicherungsrisiko konzentrierten Sichtweise und derjenigen auf das Finanzrisiko thematisiert. Es wird sich hierbei zeigen, dass Ergebnisse der Optionsbewertungtheorie in diesem Kontext einen wichtigen Beitrag leisten. Hintergrund der Untersuchung ist die Hypothese, dass ein fondsgebundener Versicherungsvertrag, der sich in eine Linearkombination bestehend aus einer Risiko-Lebens- oder Rentenversicherung und einem Fondssparvertrag zerlegen lässt, keinen sinnvollen Vertrag darstellt. Die finanziellen Risiken des Fondssparvertrages verbleiben vollständig beim Versicherungsnehmer. Die
Überschussbeteiligung fondsgebundener Lebens- und Rentenversicherungen
521
Leistungen der Risiko-Lebens- oder Rentenversicherung genügen dem Absicherungsmotiv nicht, da für vertretbare Prämien derartige Verträge meist eine nominale also nicht inflationsangepasste und in der Höhe geringe Ablaufleistung garantieren. In der Konsequenz vertraut der Versicherungsnehmer ungeschützt auf die unsichere Ablaufieistung des Fondssparvertrages. Die Förderung derartiger linearer Verträge erscheint vor diesem Hintergrung fragwürdig. Sie führt nicht zu einer höheren Bereitschaft der Risikoübernahme seitens der Versicherungsgebers. Vielmehr wird Sie als Teil der garantierten Verzinsung verstanden, reduziert also den Garantiezins des Versicherungsgebers. Vor diesem Hintergrund werden nicht-lineare Versicherungsverträge diskutiert. Diese verbinden Versicherungsrisiken (Todesfall und Langlebigkeit) mit finanziellen Risiken. Das Risikomanagement derartiger Verträge beruht somit sowohl auf den Diversifikationsmöglichkeiten des Todesfall- wie Langlebigkeitsrisikos wie auch auf der Risikobegrenzung mittels Duplikation im Fall der Finanzmarktrisiken. Hauptergebnis wird sein, dass die Gesamtprämie des Versicherungsnehmers sich zerlegen lässt in einen Investitionsbetrag und einen Versicherungsbetrag. Letzterer entspricht dem monetären Wert der Versicherungsleistung hinsichtlich der Todesfall- und Finanzmarktrisiken. Es zeigt sich, dass dieser Betrag monoton in der Höhe des Investitionsbetrages sinkt. Mit anderen Worten, fondsgebundene Verträge ermöglichen dem Versicherungsgeber eine Risikoreduzierung, obwohl zusätzliche finanzielle Garantien übernommen werden. WesentUch für die Gültigkeit dieses Ergebnisses ist die Fähigkeit des Versicherungsgebers, die finanziellen Risiken mittels Duplikation zu diversifizieren, während die Diversifikation der nicht-handelbaren Risiken im Kollektiv und über die Zeit erfolgen muss. Eine vertragsorientierte Zuordnung der Überschüsse muss somit auch unterscheiden zwischen den durch die Finanzmarktentwicklung entstandenen Überschüssen und denjenigen im Bereich des Todesfall- oder Langlebigkeitsrisikos. Die Begründung dieses Sachverhaltes beruht auf einer zweistufigen Argumentation. Im ersten Schritt werden die Eigenschaften möglicher Überschussbeteiligungen untersucht, die sich eindeutig aus der Wertentwicklung eines Fonds ergeben. Dies ermöglicht einerseits eine vertragsorientierte Zuordnung, andererseits wird deutlich, dass die Überschussbeteiligung eine implizite Prämie darstellt, die genutzt werden kann, um die Gesamtkosten seitens des Versicherungnehmers zu reduzieren. In einem zweiten Schritt erfolgt dann die Erweiterung der Betrachtung hin auf einen durch das Todesfall- und Langlebigkeitsrisiko bestimmten Lebens- und Rentenversicherungsvertrag. Es wird deutlich, dass die Eigenschaften der Überschussbeteiligung sowohl qualitativ wie auch quantitativ verantwortlich sind für die zuvor angesprochene Risikoreduzierung.
522
Klaus Sandmann
2 Überschussbeteiligung Ausgangspunkt der nachfolgenden Überlegung ist zunächst eine einmalige Investition zum Zeitpunkt ^o = 0 in Höhe des Betrages A. Da es sich um eine einmalige Investition handelt, die zum Zeitpunkt T eine Rückzahlung bedingt, lässt sich zwischen den zwei folgenden grundsätzlichen Möglichkeiten unterscheiden: • •
festverzinsliche Investition, Fondssparvertrag.
Im Fall der festverzinslichen Investition ist die Höhe der Rückzahlung zu Vertragsbeginn bekannt. Sei g > 0 die Zinsrate p.a. der festverzinslichen Investition, so ist die Höhe der Rückzahlung zum Zeitpunkt T > to gegeben durch A-exp{^-T}. Es besteht keine Unsicherheit über die Höhe der Rückzahlung. Zur Vereinfachung wird im Folgenden von einer flachen Zinsstruktur ausgegangen. Sei 6 der Kapitalmarktzins p.a., so ist der Barwert in to der Rückzahlung gleich
A-exp{{9-ö)T}. In Analogie zum Nettoprämienprinzip der Lebensversicherungen wird ein festverzinslicher Sparvertrag als fair bezeichnet, falls der Barwert der Rückzahlung gleich dem Barwert der Investition ist. Im Fall der einmaligen Investition zum Zeitpunkt ^o vereinfacht sich dies zu A = A' exp{(^ — 5) -T} = Barwert der Rückzahlung ^=^g = S, d.h., ein festverzinslicher Sparvertrag ist dann und nur dann fair, falls die garantierte Zinsrate g mit dem Kapitalmarktzins S übereinstimmt.-^ Im Fall eines Fonds sparvertrag es werden Anteile eines risikobehafteten Wertpapiers erworben. Seien 5(to) der Kurswert des Wertpapiers zum Zeitpunkt to und S[T) der Kurswert zum Zeitpunkt T. Zum Zeitpunkt to können somit ^4-^ Anteile des risikobehafteten Wertpapiers erworben werden. Die Rückzahlung der Investition zum Zeitpunkt T ist bestimmt durch ^ 4 ^ •5(T). Der im Fall des festverzinslichen Sparvertrages nahe liegende Vergleich der Barwerte zwischen Ein- und Auszahlungen stößt nun auf das Problem, dass 1
Diese Überlegungen lassen sich unmittelbar auf die Situation einer stochastischen Zinsentwicklung übertragen. Im allgemeinen Fall ist der festverzinsliche Sparvertrag fair, falls die Garantiezinsrate g mit der T-Perioden Rendite übereinstimmt. Dies ist unabhängig von dem speziellen Zinsstrukturmodell und folgt unmittelbar aus der Bedingung der Arbitragefreiheit. Zur Vereinfachung wird im Weiteren von einer deterministischen und konstanten Zinsentwicklung ausgegangen.
Überschussbeteiligung fondsgebundener Lebens- und Rentenversicherungen
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die Höhe der Rückzahlung bei Vertragsbeginn nicht bekannt ist. Vielmehr muss der Wert des Wertpapiers zum Zeitpunkt T als eine Zufallsvariable aufgefasst werden. Sei ( ß , F , P) ein Wahrscheinlichkeitsraum, so stellt der Wert des Wertpapiers eine reelle Zufallsvariable 5 : i? -^ R dar, die bezüglich (i7,F) — (R, B) messbar ist.^ Weiter sei angenommen, dass der Erwartungswert und die Varianz des Wertpapierkurses zum Zeitpunkt T existieren, d. h., es gilt Ep[S{T)] < oo, Vp[S{T)] = Ep[S\T)]
- {Ep[S{T)]f
< oo.
Wie im Fall der Prämienprinzipien bei Versicherungsschäden wird nun eine Bewertungsregel benötigt, die die Bestimmung des Barwertes einer risikobehafteten Wert p apier anläge ermöglicht. Im Gegensatz zu den Überlegungen zu Versicherungsrisiken konzentrieren sich die folgende Überlegungen jedoch auf finanzielle Risiken. Dies führt nun zu den folgenden Annahmen: • •
Das Risiko eines Finanzmarktes besteht ausschließlich in der Kursveränderung der gehandelten Wertpapiere. Die Kurse der gehandelten Wertpapiere erlauben es den Marktteilnehmern nicht, eine Arbitragemöglichkeit auszunutzen. Hierbei liegt eine Arbitragemöglichkeit vor, falls ein Wertpapierportfolio existiert, das einen risikolosen Gewinn ermöglicht.
Unter diesen Annahmen folgt, dass die arbitragefreie Bewertung H(.) eines Wertpapiers, verstanden als Abbildung der Wertpapierauszahlung^ H : {Menge der Wertpapiere}
—> R
linear, strikt positiv und stetig seien muss. Insbesondere gilt somit H ( a . 5i(T) + ß . S2{T)) = a • H(5i) + ß • H(52), H(5(T)) > 0 falls 5(T, A) > 0 VA G F , H(0) = 0. Mit Blick auf den betrachteten Fondssparvertrag bedeutet dies, dass dieser genau dann fair ist, falls A = ^ H ( 5 ( T ) ) ^ ^ e ( 5 ( T ) ) = S{to), d.h., falls der Barwert des risikobehafteten Wertpapiers gleich dem Kurs des Wertpapiers zu Vertragsbeginn ist. U. a. setzt dieses Ergebnis voraus, dass ^ Mit F beziehungsweise IB werden die zugehörigen er-Algebren bezeichnet. ^ Vergleiche hierzu Harrison und Kreps (1979) sowie Harrison und Pliska (1981, 1983), Wilhelm (1981, 1985, 1999).
524 • • •
Klaus Sandmann keine Insider Informationen vorliegen, die zu einer Differenz zwischen dem gehandelten Wert des Wertpapiers und seinem Barwert führen, Dividenden, die zwischenzeitlich anfallen, reinvestiert werden, keine zusätzlichen Gebühren/Transaktionskosten für den Kauf oder Verkauf des Wertpapiers anfallen.
Zur Vereinfachung der nachfolgenden Überlegungen wird im Weiteren das risikobehaftete Wertpapier mit einem dividendengeschützten Fonds, d. h., Dividenden werden reinvestiert, gleichgesetzt. Aufbauend auf den beiden Formen festverzinslicher Sparvertrag und Fondssparvertrag bei einmaliger Prämie lassen sich nun zwei Varianten betrachten. Beiden gemeinsam ist, dass sie Kombinationen der zuvor genannten Verträge darstellen. Eine lineare oder konvexe Vertragskombination kommt einer Aufteilung des Anfangsvermögens auf die beiden vorgenannten Verträge gleich. Sei a G [0,1] der Investitionsanteil, so wird der Betrag a • A für den Erwerb der Fondsanteile verwendet und der Betrag (1 — a) • A in die festverzinsliche Sparform investiert. Die Rückzahlung zum Zeitpunkt T entspricht somit (l-a).A-ea;p{5-T}+a.^.5(T). Den vorherigen Überlegungen folgend, ist der Vertrag somit genau dann jair^ falls der Fonds fair ist und g = S gilt. Die Auszahlung der fondsgebundenen Anlage mit Mindestgarantie lässt sich auf zwei Arten interpretieren. Sei A wiederum der zu investierende Betrag, so gilt für die Auszahlung max
5(to)
• 5 ( r ) , A- e x p { 5 - r } | = A - e x p { 5 - T } + A - m a x | | | g - e x p { ö - T } , o | .
Diese Darstellung zerlegt die Auszahlung des Vertrages in einen festverzinslichen Sparvertrag mit einer garantierten Zinsrate g. Zusätzlich erhält der Investor einen Bonus proportional zur Anfangsinvestition, falls der Ertrag des risikobehafteten Fonds die garantierte Zinsrate g übersteigt. Umgekehrt lässt sich die Auszahlung auch darstellen als
Hier liegt nun die Interpretation einer Investition in einen risikobehafteten Fonds nahe, wobei zusätzlich eine zur Anfangsinvestition proportionale Zahlung erfolgt, falls der Ertrag niedriger als eine garantierte Zinsrate g ist. Die weitere Analyse setzt nun voraus, dass die Bewertungsregel H(.) auf den Versicherungsvertrag übertragen werden kann. Diese, auf den ersten Blick unkritische Vorgehensweise, stellt jedoch tatsächlich eine Annahme dar. Wilhelm (1981, S. 528ff.) folgend ist dies nur zulässig, falls durch die Einführung
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525
des Versicherungsproduktes die Rendite-Risiko Allokation nicht verändert wird. Hinreichend hierfür wäre z.B. die Annahme, dass die Einzelverträge schon vor Einführung des Versicherungsvertrages gehandelt wurden. In einem allgemeineren Rahmen entspricht dies dem Konzept der relativen Bewertung d.h. einem partiellen Gleichgewicht in dem mögliche RückkopplungseJBFekte ausgeschlossen werden. Unter dieser Annahme verdeutlicht die erste Darstellung, dass füig = 5 kein fairer Vertrag vorliegt. Dies folgt unmittelbar aus der Positivität der Bewertungsregel H. Ein fairer Vertrag wäre gegeben, falls A=
A'exp{{g-ö)'T}+A'¥l
S{to)
- e x p { ^ . T } , o | >A^exp{{g-6yT},
woraus notwendig g < 6 folgt. Die zweite Darstellung verdeutlicht jedoch, dass kein fairer Vertrag existiert, falls es sich um einen fairen Fonds handelt. Vielmehr muss der Investor eine über den Investitionsbetrag hinausgehende Prämie leisten, um die obige Garantie zu erhalten. Dies verdeutlicht, dass die Garantieleistung des Vertrages nicht in dieser einfachen Form angegeben werden kann. Vielmehr ist es notwendig, analog der linearen oder konvexen Vertragsgestaltung, diese aus der Sicht einer Investitionsstrategie zu betrachten. Sei a wiederum der Investitionsanteil mit a £ [0,1[, so lässt sich die Auszahlung darstellen als (1 - a) • A . exp{^ • T} + a . max |
^
• ^(T), A • exp{^ • T}\ .
Die bisherigen Überlegungen verdeutlichen, dass für a = 1 kein fairer Vertrag vorliegt und im g = S notwendig a gleich Null folgt. Die sich stellende Frage ist somit, für welche Parameter g und a es sich um einen fairen Vertrag handelt. Die formale Bedingung an g und a lautet ausgehend von der ersten Darstellung: A = A.exp{(ö-<5)-T} + a - ^ - H f m a x | | | ^ - e x p { ö - T } , 0 ^aig)
= -
1—P{(.-<5)-T} m a x{|fg-exp{ö-T},0}]' H
mit a{S) — 0. In einem ersten Schritt soll nun die Existenz und Eindeutigkeit eines fairen Vertrages untersucht werden. Hierzu ist es notwendig, die Eigenschaften der Bewertungsregel H genauer zu betrachten. Zur Vereinfachung wird die folgende Bezeichnung eingeführt: R{g) -
f S(T) H max l - — y - exp{^ • T}, 0
Aus finanzwirtschaftlicher Sicht stellt R{g) den Wert einer Call-Option mit Ausübungszeitpunkt T und Basispreis exp{g • T} bezüglich des Ertrags im
526
Klaus Sandmann
risikobehafteten Fonds dar. Hierbei ist R{g) > 0 und R{g) streng monoton fallend in ^r, da H streng positiv ist. Darüber hinaus gilt: f S(T) R{9) = H max < ^,. , — exp{g • T}, 0 \S{to) S{T) exp{g•T} >H L5(io) e[5(T)] exp{{g-S)-T} Sito) = l-exp{{g-S)-T}. Aus der letzteren Bedingung folgt: l-exp{{g-6)-T} "(ö)
<1
ygG]-oo,S].
R{9)
Zusammenfassend besagen diese Ergebnisse, dass für jede Mindestzinsgarantie g* < S ein eindeutiger Investitionsanteil a* e [0,1] existiert, so dass A • exp{g* • T} + a* • A • max | | | ^ - exp{g* • T}, o | die Auszahlung eines fairen Vertrages mit Anfangsinvestition A ist. Umgekehrt stellt sich die Frage, ob zu jedem Investitionsanteil a* G [0,1] eine eindeutige Mindestzinsgarantie g* existiert. Diese Frage besitzt eine positive Antwort, falls gezeigt werden kann, dass l-exp{{g-5)'T} 0^(9)
R{9)
streng monoton fallend in g ist. Hierzu ist es jedoch notwendig, eine weitere Annahme an die Kursentwicklung des Fonds zu stellen. Übersteigt der Fondswert zum Zeitpunkt T mit positiver Wahrscheinlichkeit den mit der Zinsrate g aufgezinsten Anfangswert, d. h. gilt Prohs {S{T) > S{to) • exp{g • T}) > 0, so folgt unmittelbar dRig) dg
d H dg
"^"^{Hy-^'p^^-'^^''}]
e [-T.exp{,.T}ir^^_^^^.,^j =
-T-exp{{g-S)-T}.I{
>-T-exp{{g-5)-T}.
.'^P^'^-^>te>exp{.T}}
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527
Mit dieser Vorbemerkung folgt da{g) dg
_Ri9)-{-T-exp{{g-S)-T})-il-exp{ig-5)T}).^ Rig)^ (1 _ e(9-sy^) (_T • e^9-s)T^ + ( i _ eCs-^)^) . T • e(»-^)-^ _
d.h., a{g) ist streng monoton fallend in g. Die numerische Bestimmung der fairen Vertragskombinationen (p*,a*) ist im Weiteren abhängig von zusätzlichen Annahmen an die Kursentwicklung des Fonds. Da die entscheidende Komponente des Vertrages sich als eine Call-Option darstellen lässt, bietet es sich an, das Black-Scholes Modell anzuwenden. Unter den Annahmen des Black-Scholes Modells ergibt sich der Barwert der Schlussüberschussbeteiligung zu^ Rig) = H max
{^-»'(»•^'•°}
N{d,)-eKp{{g-5)-T}-N{d2),
{5-g±1/2-a^J-T wobei N{') die kumulative Standardnormalverteilung bezeichnet. Die Menge der fairen Fondssparverträge mit Mindestzinsgarantie g <5 und proportionaler Schlussüberschussbeteiligung a ist unter dieser Modellannahme gegeben durch {g^a{g)) mit
a[g) =
l-^ik-3'n
iV(di)-exp{(p-5).T}.iV(d2)' Wird beispielsweise angenommen, dass der betrachtete Wertpapierfonds eine Volatilität von 25% aufweist, so gibt Tabelle 1 das Verhältnis zwischen der garantierten Verzinsung g und der Rate der Überschussbeteiligung a für einen fairen Vertrag wieder. Wie zu erwarten, ergibt sich eine negative Überschussbeteiligung, falls die Garantie den Markzinssatz überschreitet. 2.1 Direktüberschussbeteiligung Ein wesentlicher Kritikpunkt an der dargestellten proportionalen Schlussüberschussbeteiligung ist ihre ausschließliche Abhängigkeit von dem Kurswert des Fonds zum Fälligkeitstermin T. Mit anderen Worten ergibt sich eine über die garantierte Mindestverzinsung g hinausgehende Zahlung, falls die langfristige Rendite ^lf^\^tr)] oberhalb von g liegt. Dies bedeutet u.a., dass ein ^ Eine vertiefte Begründung zum Black-Scholes Modell beruht auf der Duplikation der Auszahlung einer Call-Option, vgl. hierzu z.B. Hüll (2003). Insbesondere setzt dies die in Wilhelm (1981) verdeutlichte dynamische Vollständigkeit des Finanzmarktes hinsichtlich der Auszahlung der Option voraus.
528
Klaus Sandmann
Tabelle 1. Garantieverzinsung und Überschussbeteiligung bei einmaliger Prämie. Faire Fondssparverträge bei einmaliger Prämie mit proportionaler Schlussüberschussbeteiligung, Volatilität 25%, Marktzinssatz 10% Garantiezins
Proportionale Schlussüberschussbeteiligung
g
Laufzeit in Jahren 3 4 5
-0,01 0,00 0,01 0,02 0,03 0,04 0,05 0,06 0,07 0,08 0,09 0,10 0,11
^(öO 1
2
0.67068 0.63543 0.59648 0.55346 0.50593 0.45343 0.39542 0.33132 0.26049 0.18221 0.09567 0 -0.10579
0.79438 0.76207 0.72485 0.68200 0.63265 0.57582 0.51038 0.43501 0.34819 0.24817 0.13289 0 -0.15326
0.85786 0.82958 0.79592 0.75587 0.70824 0.6516 0.58424 0.50414 0.40887 0.29552 0.16062 0 -0.19136
0.89658 0.87206 0.84204 0.80530 0.76036 0.70544 0.63830 0.55627 0.45600 0.33341 0.18348 0 -0.22471
10
0.92232 0.97644 0.90111 0.96596 0.87444 0.95121 0.84096 0.93055 0.79897 0.90175 0.74637 0.86178 0.68049 0.80645 0.59800 0.73001 0.49471 0.62449 0.36535 0.47888 0.20326 0.27785 0 0 -0.25511 -0.38476
20 0.99662 0.99389 0.98916 0.98113 0.96774 0.94571 0.90989 0.85216 0.75968 0.61201 0.37642 0 -0.60364
Kurseinbruch zum Fälligkeitstermin T möglicherweise zu einem vollständigen Verlust des zwischenzeitlich schon als sicher erachteten Überschusses führen kann. Nicht zuletzt im Hinblick auf die Einbettung derartiger Investitionsformen in einen Lebensversicherungsvertrag ist es notwendig, die Überschussbeteiligung an die Kursveränderung in vorgegebenen Zeit Intervallen zu knüpfen. Hierzu bieten sich zwei mögliche Wege an: • •
Die Überschussbeteiligung wird pro Zeitperiode bestimmt. Die Überschussbeteiligung wird an die Kursentwicklung einer Portfoliostrategie gekoppelt.
Beide Möglichkeiten werden im Folgenden diskutiert. Zunächst wird wiederum von einer einmaligen Prämienzahlung ausgegangen, d.h., zum Zeitpunkt to werden a • -^^ Fondsanteile erworben. Seien ^ = {0 = to < ^i < • • • < tM = T} vorgegebene Zeitpunkte. Zur Vereinfachung seien die Zeitabstände jeweils gleich, d. h. Ät = ti^i — ti Vi == 0, • • • , M — 1. Der Wertzuwachs im Fondsvermögen vom Zeitpunkt ti auf den Zeitpunkt t^+i ist somit gegeben durch: «•^(5(ti+i)-5(i,)). Dieser Betrag kann verglichen werden mit dem Wertzuwachs vom Zeitpunkt ti auf den Zeitpunkt ti^i bei Anlage des gesamten Fondsvermögen zum Zeitpunkt ti zur Mindestgarantieverzinsung ^, d. h. mit
Überschussbeteiligung fondsgebundener Lebens- und Rentenversicherungen
529
Der Überschuss pro Periode bezüglich der Mindestverzinsung g ist dann dejäniert durch: max
{" • 5 M • ^^^^'^'^ " ^^*^)^ '""S^)'
^^^'^ • ^''"'* " ^^
Dies kann als proportionale Direktüberschussbeteiligung zum Zeitpunkt ti^i aufgefasst werden. Im Fall eines Vertrages mit einmaliger Prämienzahlung A zum Zeitpunkt to erscheint es jedoch nicht sinnvoll, diese Direktüberschussbeteiligung zum Zeitpunkt U^i an den Investor auszuschütten. Vielmehr erfolgt üblicherweise eine Gesamtausschüttung zum Zeitpunkt des Vertragsendes. Im Weiteren wird angenommen, dass die einzelnen Überschüsse ebenfalls zum Zinssatz g angelegt werden.^ Die Gesamtausschüttung des Vertrages erfolgt erst zum Zeitpunkt T und berechnet sich zu:
Es schließen sich zwei Fragen an: •
•
Welcher Unterschied besteht zwischen der proportionalen Direktüberschussbeteiligung mit verzinster Ausschüttung zum Zeitpunkt T und dem sonst identischen Vertrag mit proportionaler SchlussüberschussbeteiUgung? Wie lässt sich die Menge der fairen Verträge charakterisieren, d.h. für welche Kombination von {g,a) handelt es sich um einen fairen Vertrag?
Die Antwort auf die erste Fragestellung leitet sich aus einer einfachen Dominanzüberlegung ab. Es gilt
^ Alternative könnte eine unverzinsliche oder eine Verzinsung zum Marktzinssatz 6 betrachtet werden. Der vorliegende Fall stellt insofern einen Grenzfall dar, da bei g < 6 implizit eine zusätzliche Prämie durch den Versicherungsnehmer geleistet wird. Erfolgt hingegen eine Verzinsung zum Marktzins, so entspricht dies dem Fall einer Direktgutschrift.
530
Klaus Sandmann M-l
^(*o) "^^n 5(i,)
h
M
"•:5^"'^^
i=l
'
'^
M-l
^
i=0
J
= a . — — max {S{tM) - S{to) • e^*^, 0} . Letzterer Wert entspricht der Auszahlung einer proportionalen Schlussüberschussbeteiligung, d. h., eine proportionale und zur Mindestverzinsung g angesammelte Direktüberschussbeteiligung führt zu einer Auszahlung, die niemals unter der des sonst identischen Vertrages mit Schlussüberschussbeteiligung liegt. Ist somit (^J,a*) ein fairer Vertrag mit proportionaler Schlussüberschussbeteiligung und (^2,a^) ein fairer Vertrag mit proportionaler Direktüberschussbeteiligung, so ist für P2 = g* notwendig a^ < a*. Umgekehrt folgt, dass bei gleichem Garantiezins und gleicher Partizipationsrate eines Vertrages mit Schlussüberschussbeteiligung und eines sonst identischen Vetrages mit verzinslicher Direktüberschussbeteiligung notwendig die Verzinsung der Direktüberschüsse unterhalb des Garantiezinssatzes liegen muss. Wie im Fall der Schlussüberschussbeteiligung sind auch die fairen Verträge (p^,«^) einer proportionalen und verzinsten Direktüberschussbeteiligung charakterisiert durch ^d = ^{9d)'=
n fi*^
Vp^G]-00,(5]
Wiederum folgt aus der Arbitragefreiheit der Bewertungsregel H H
S{ti)^^..iS{t, S{to) {
+ l) s{ti)
^^,^,, rAtX^]
^^^^ S{U-\-l) S{to) ^-5-{T-ti+i)
n.At ^(^0 e^ S{to) _^g.At^-S'{T-ti)^
Dies ermöglicht nun eine grobe Abschätzung des Wertes Rd{gd) nach unten. Wiederum ist diese Abschätzung unabhängig von weiteren Annahmen an die Kursentwicklung des Fonds. M-l
Rdig^) > Yl (e(^-^)-(^-*^+^) -e(^-^)-(^-*^)) = 1 -e(^-^)^. i=0
woraus unmittelbar folgt
Überschussbeteiligung fondsgebundener Lebens- und Rentenversicherungen
531
Der Proportionalitätsfaktor der Direktüberschussbeteiligung ist somit für jede Mindestgarantie gd kleiner als 1. Ebenso gilt für gd = S notwendig ad{S) = 0. Wird, wie im Fall der Schlussüberschussbeteiligung, zusätzlich gefordert Probs {S{ti^i) > S{U)e^'^^) > 0 Vi - 0, • • • , M - 1, so folgt wiederum, dass ad{g) streng monoton fallend ist. Eine darüber hinausgehende quantitative Auswertung muss natürlich auf einer speziellen Modellstruktur aufbauen. Wird sich auf das Black-Scholes Modell zurückgezogen, so erhält die Unabhängigkeit der logarithmierten Aktienkurszuwächse bei konstantem Marktzinssatz eine zusätzliche Bedeutung. Die Annahme über die Kursentwicklung des Fonds erlaubt es, diesen wie folgt darzustellen: S{U+i) = SiU) exp | ( ^ - ^a^)At + a{WiU+i) - Witi))\
.
Unter Ausnutzung der Unabhängigkeit der Zuwächse der Brown'schen Bewegung berechnet sich der Arbitragepreis einer einzelnen ÜberschussbeteiUgung unter dem äquivalenten Martingalmaß zu: E 3 - ^ ^ | | g m a x j ^ ^ - e^^^ o}] = e-^(^^^^ wobei dl/2 = —^ pj —, Vi = 0, • • • , M — 1. Die Summation über alle Zeitpunkte ti ergibt für den Wert der Größe Rd{gd) den nachfolgenden Ausdruck: M-l
Diese Berechnungen ermöglichen es, die Menge der fairen Verträge bei proportionaler Direktüberschussbeteiligung in überraschend einfacher Art und Weise darzustellen. Faire Verträge sind bestimmt durch 1 _ e^9-^)T OL{g) =
Rd{g)
i _ ^{9-S)At
N{di)-e(9-s)AtN^d^y
d.h. es besteht keine Abhängigkeit von der Restlaufzeit sondern eine Abhängigkeit von der Länge At = t^+i —U der Überschussperiode. Dieses Ergebnis ist nur für die spezielle Struktur des Black-Scholes Modell gültig, d. h.
532
Klaus Sandmann
Tabelle 2. Garantieverzinsung und Überschussbeteiligung bei proportionaler Direktüberschussbeteiligung Faire Fondssparverträge bei einmaliger Prämie mit proportionaler Direktüberschussbeteiligung, Volatilität 25%, Marktzinssatz 10%, Laufzeit 5 Jahre Garantierte Verzinsung
Proportionale Direktüberschussbeteiligung a{g)
g
-0,01 0,00 0,01 0,02 0,03 0,04 0,05 0,06 0,07 0,08 0,09 0,10 0,11
Anzahl der Vergleichstermine pro Jahr 4 3 1 einmalige Prämie Schlussüberschuss
12
6
0.27289 0.2515 0.22949 0.20684 0.18352 0.15952 0.13482 0.10939 0.08322 0.05628 0.02855 0 -0.02938
0.36296 0.33627 0.30847 0.27952 0.24936 0.21795 0.18523 0.15115 0.11565 0.07867 0.04014 0 -0.04182
0.42453 0.39483 0.36361 0.3308 0.29631 0.26006 0.22195 0.18189 0.13977 0.0955 0.04894 0 -0.05146
0.47187 0.44023 0.40672 0.37124 0.33364 0.29382 0.25164 0.20695 0.15961 0.10946 0.05631 0 -0.05967
0.67068 0.63543 0.59648 0.55346 0.50593 0.45343 0.39542 0.33132 0.26049 0.18221 0.09567 0 -0.10579
0.92232 0.90111 0.87444 0.84096 0.79897 0.74637 0.68049 0.598 0.49471 0.36535 0.20326 0 -0.25511
wird beispielsweise zusätzlich die Zinsentwicklung als stochastisch angenommen, so ist diese Aussage nicht mehr gültig. Tabelle 2 verdeutlicht die quantitativen Effekte einer proportionalen Direktüberschussbeteiligung im R a h m e n des Black-Scholes Modells. Neben der proportionalen Überschussbeteiligung, die potenziell einen unbeschränkten Überschuss besitzt, ist auch eine maximale Beschränkung des Überschusses durch den Versicherungsgeber möglich. Dies kann als beschränkt e Direktüberschussbeteiligung bezeichnet werden. Formal stellt sich die beschränkte Direktüberschussbeteiligung zu einem Zeitpunkt im u> g wie folgt dar min|max j - ^
( 5 ( i , + i ) - 5 ( t , ) • e^'^*) , o | , ^ 5 ( i , ) ( e « - ^ * - e«-^*)|
Die Gesamtausschüttung dieses Vertrages ergibt sich wiederum durch Summation über die Zeitpunkte wobei die Zahlungen zum Zinssatz g verzinst werden, d.h. ^,...^|e..a-.....^|M(„»{S|l)_,,...„}_„»{|ffi)_e-..o})
Überschussbeteiligung fondsgebundener Lebens- und Rentenversicherungen
533
Die Berechnung des Barwertes der Auszahlung beruht auf den folgenden Ergebnissen: E E
•"ti-lw-'"'•»} ^-5TSiß^{S(^_^,^, S{to)
\ S{U)
= e
-S{T-U)
( SAt
(e^^*iV(di)-e»^*7V(d2))
, o | l = e-^(^-*^)(e^^*iV(di)- e«^*Ar(d2)),
m i t dl /2 : = •
aVÄt (S-u±^a^)At '^"' '•= ^vTt
•
Die Menge der fairen Vertragskombinationen {g^^u"") mit beschränkter Direktüberschussbeteiligung lässt sich beschreiben als Lösung der Gleichung M-l i=0 1 _
p(9-S)T
N{di)-e^''-^^^'N{d2)
= N{di)-e^9-^^^'N{d2)
- 1 + e^9-5)At
Diese Beziehung zwischen g und u kann wie folgt interpretiert werden: Ist e^ der Basispreis einer Put-Option mit Restlaufzeit At^ so ist e^ der Basispreis einer sonst identischen Call-Option, so dass die beiden Optionswerte übereinstimmen. Hieraus folgt unmittelbar, dass u = g — 5 eine Lösung darstellt. Für g < 8 folgt aus der Put-Call-Parität, dass u> g gilt. Allgemein berechnet sich u{g) als Lösung des obigen Nullstellenproblems, wobei u streng monoton fallend in g ist. 2.2 Überschussbeteiligung bei periodischer Prämienzahlung Abschließend soll die Situation bei periodischer Sparleistung betrachtet werden. Seien hierzu wiederum {0 = to < ti < • • • < IM = T} mit At = ti^i — ti Vi = 0, • • • , M — 1 eine vorgegebene Diskretisierung der Zeitachse und TT die periodische Sparleistung zum Zeitpunkt t^, i = 0, • • • , M—1. Wiederum kann zwischen einer Schlussüberschussbeteiligung und einer Direktüberschussbeteiligung unterschieden werden. Mittels der periodischen Sparleistung können zu jedem Zeitpunkt Fondsanteile erworben werden. Sei a G [0,1[ wie zuvor der Investitionsanteil, so werden -^rfr Fondsanteile zum Zeitpunkt ti erworben. Der Wert des Portfolios zum Zeitpunkt tM =T ist somit gleich:
534
Klaus Sandmann M-l :-7r
^
.=0
^(**)'
wobei zum Zeitpunkt IM-I die letzte Sparleistung erfolgt. Die Auszahlung eines Fondssparvertrages mit proportionaler Überschussbeteiligung und garantierter Zinsrate g bei periodischer konstanter Sparleistung ist nun bestimmt durch: M-l
C
M-l
^(l-a).7r.e^-(^-*^)+a.maxi7r. E M-l
fM-1
^.rp^
i=0
l i=0
^^^')
^.rps
M-l
ITH'^ E
^
^"'^"^"'^^
M-l
^
i=0
)
Diese Gleichung lässt sich vereinfachen durch M-l
M-l
i=0
i=0
. _
_g.rp
Weiter ist der Barwert der eingezahlten Sparprämien gleich M-l
E-
e
'''^=7r-
\-e
S'T
i=0
Die Bestimmung der Fairen Prämie dieses Vertrages führt auf die Bewertung so genannter Asiatischer Optionen. Selbst unter den Annahmen des BlackScholes Models erweist sich die Bewertung Asiatischer Optionen als aufwändiges numerisches Problem. Gute Bewertungsschranken lassen sich aus den Arbeiten von Curran (1994) und Rogers und Shi (1995) ableiten. Die exakte Lösung der dortigen Integralgleichungen und eine Diskussion der verschiedenen Ansätze findet sich bei Nielsen und Sandmann (2003). Ohne deren Bewertung im Einzelnen zu untersuchen, gibt die folgende Abschätzung einen Hinweis auf die qualitativen Effekte.
- {!' l i - I ' — .o) . I'.axjig - ..-.).«} . Für den Barwert der Auszahlung gilt dann unter den Annahmen des BlackScholes Modells: H
".»rgf|-g.-..>o|
M-l
sE«[-«{|g-'<^-'".o}] M-l
Überschussbeteiligung fondsgebundener Lebens- und Rentenversicherungen
535
wobei cfi/2(i) := ~^ ^/r-t- ~ ^^ weiter der Wert einer Europäischen Call-Option im Black-Scholes Modell monoton wachsend in der Restlaufzeit ist, gilt für alle i = 0, • • • , M - 1: N{di{i)) - e-(^-^)-(r-*0 . N{d2^)) < N{di{0)) - e-(^-^)-^ . N{d2{0)), Hieraus folgt die weitere Abschätzung: M-l
J2 e~^''' (iV(rfi(i)) -e-(^-^>(^-*^) •iV(d2(i))) M-l i=0
Mit diesen Vorüberlegungen lässt sich der Proportionalitätsfaktor a eines fairen Vertrages mit periodischer Prämienzahlung abschätzen durch M-l
^ - 1 Q^rp^
M-l
M-l
^
max ' ^ i=0
a(sf) =
H max{E.^-^|gl-Ei^ö^e.-(-*^),0}] >M-i
^5.t, _ jg-syr
v-M-i
^^.t,
N{di)-e(9-5)'T]sr(^d2)' wobei dl/2 •— ^1/2(0) = J^ - Diese grobe Abschätzung des Optionswertes lässt vermuten, dass bei einer periodischen Prämie der faire fondsgebundene Vertrag bei gleicher Mindestgarantie g einen höheren Proportionalitätsfaktor besitzt als der sonst identische Vertrag mit einmaliger Prämie in Höhe des Barwertes der Summe der periodischen Prämien. Insbesondere gilt dies auch für den Vergleich zur Direktüberschussbeteiligung.
3 Fondsgebundene Kapitallebensversicherung mit Mindestgarantie Die Grundidee dieses Versicherungsvertrages besteht in der nicht-linearen Kombination einer Kapitallebensversicherung und einer Investitionsstrategie. Zur Vereinfachung wird zunächst ein Versicherungsvertrag mit einmali-
536
Klaus Sandmann
ger Prämienzahlung zu Vertragsbeginn betrachtet.^ Die Vertragseigenschaften werden durch die folgenden Größen festgelegt: n = einmalige, zu Vertragsbeginn zu zahlende Prämie 6 = konforme (logarithmierte) Zinsrate, d.h., es wird zur Vereinfachung von einer flachen und deterministischen Zinsstruktur ausgegangen S(t) = Wert des Fonds zum Zeitpunkt t T = Vertragsende der fondsgebundenen Kapitallebensversicherung g^ (t) = Dichtefunktion der Todesverteilung eines Lebens im Alter x h = Mindestgarantie im Todesfall, h>0 a = Investitionsanteil der Prämie, a G [0,1] Zu Vertragsbeginn leistet der Versicherungsnehmer die Gesamtprämie 77. Der Betrag a • 77 wird genutzt zum Erwerb von Investitionsanteilen. Ist der Kurswert des Fonds zum Zeitpunkt t = 0 gleich 5(0), so werden f^ Fondsanteile erworben. Der Wert dieser Fondsanteile zu jedem Zeitpunkt t ist dann gleich a ' n • ^ 1 ^ . Der Versicherungsvertrag sieht nun folgende Auszahlung des Versicherers vor: •
Stirbt der Versicherte vor Vertragsende, d. h. zu einem Zeitpunkt 0 < t < T, so ist die Auszahlung der Versicherung gleich:
ma^U,«-iT.M,ol=;i+^". .,o] = h. -^(*) •""•m-^
Überlebt der Versicherte das Vertragsende, so ist die Auszahlung der Versicherung zum Zeitpunkt T gleich: /i, ,aa• - i 7 - | | } } = /^+^" - ^^^^ m a :< xU "•^•5(öy-'^.
In beiden Fällen entspricht die Auszahlung dem Maximum zwischen der garantierten Summe h und dem Fondsvermögen zu diesem Zeitpunkt. Zur Berechnung der Prämie einer fondsgebundenen Lebensversicherung wird angenommen, dass das Todesfallrisiko und das Fondsänderungsrisiko unabhängig voneinander sind. Unter dieser Annahme ist die Faire Prämie 77* einer fondsgebundenen Kapitallebensversicherung mit Mindestgarantie und einmaliger Prämienzahlung zu Vertragsbeginn bestimmt als Lösung der folgenden Gleichung: 0 = 77* -
/ (exp{-J -u} 'h^ call[u, a • 77*, h]) • gx{u)du Jo - {exp{-5 'T}'h + call[T, a • IT*, /i]) • (1 - G?^(T)).
^ Diese Vertragssituation eines fondsgebundenen Lebensversicherungvertrages wurde erstmals von Brennan und Schwarz (1976) untersucht. Während Brennan und Schwarz zu einem festen Investitionsbetrag und einer vorgegebenen Versicherungssumme die Prämie im Rahmen des Black-Scholes Modells berechnen, wird hier die fairen Prämie im Fall eines endogenen Investitionsanteils betrachtet.
Überschussbeteiligung fondsgebundener Lebens- und Rentenversicherungen
537
Hierbei bezeichnet call[u,a • i7*,/i] den Preis (Barwert) der Auszahlung a • il* • ^tef — h\ zum Zeitpunkt u und Gx{t) = /Q gx{u)du die Todesverteilung eines Lebens im Alter x. Die Lösung dieser Gleichung der Fairen Prämie wird wesentlich beeinflusst von den Eigenschaften der Bewertung einer Call-Option, Zur Charakterisierung der Lösung dieses Vertrages ist es sinnvoll, zunächst die beiden Extremsituationen zu betrachten. Wird von einer reinen Kapitallebensversicherung ausgegangen, so entspricht dies einem Investitionsanteil in der Höhe Null, d. h. a = 0. In diesem Fall ist call[u^ 0, h] = 0, d. h. die Faire Prämie ist gleich der einer reinen Kapitallebensversicherung, 77*(a = 0) -
/
(exp{-5 'u}'h)
- gx{u)du + e x p { - ^ • T} • /i • (1 -
Gx{T)).
Darüber hinaus ist dies eine untere Schranke für die Faire Prämie bei a > 0, d.h., i7*(0) n — exp{—S - u} -h. Für h > 0 bedeutet dies: / (exp{—5 ' u} ' h-\- call[u, a • 77*, /i]) • gx{u)du Jo + {exp{-5 • T} • ^ + call[T, a • n"", h]) • (1 - Gx{T))
> [ n'gx{u)du^n'{i-Gx{T)) = n, Jo
d. h. in dieser Situation existiert keine Faire Prämie. Ist hingegen h = 0, so wird keine Garantieleistung gewährt, d. h. es handelt sich nur um einen Fondssparvertrag. In diesem Fall ist bei a = 1 jede Prämie eine Faire Prämie. Mit diesen Vorbemerkungen, die nicht von der Modellierung des Fondsänderungsrisikos abhängen, kann nun die Situation einer fondsgebundenen Kapitallebensversicherung betrachtet werden. Für einen Investitionsanteil a G]0, 1[, gilt es, die Lösung der Ausgangsgleichung 0 = i7* — / (exp{—(5' u} ' h -\- call[u, a • 77*, h]) • gx{u)du Jo - (exp{-5 • T} • /i -f- call[T, a • TT*, /i]) • (1 - Gx{T)) zu bestimmen und deren Eigenschaften zu charakterisieren. Wird nun h > 0 angenommen, so ist offensichtlich, dass die garantierte Versicherungssumme
538
Klaus Sandmann
h proportional zur Versicherungsprämie 77 sein muss. Weiter legt die Homogenität des Optionspreises es nahe, die Steigung der garantierten Versicherungssumme wiederum proportional zum Investitionsanteil a zu setzen, d. h. es bietet sich folgende Substitution an: h = ß%a)'n,
ß%a{b)) = a{b)'b.
Anders formuliert bedeutet dies: Für einen gegebenen Wert des Parameters b ist die Faire Prämie der fondsgebundenen Kapitallebensversicherung mit Mindestgarantie h und Investitionsanteil a{b) gleich h a{b)'b' Die verbleibende Aufgabe besteht darin, die Funktion a{b) zu berechnen. Wird die Substitution in die Bestimmungsgleichung eingesetzt und die Homogenität der Optionspreise ausgenutzt, so ergibt sich für den Investitionsanteil a{b) in Abhängigkeit von b : a{b)=
^
Riby T
R{b) := / (exp{—^ - u} -b-h call[u, 1,6]) • gx{u)du Jo + (exp{-(5 • T} • 6 + call[T, 1, b]) • (1 - G:,{T)). Da die Funktion R: [0, o o [ ^ R streng monoton wachsend und konvex ist mit \\iah-^oR{b) = 1 und lim^-^oo ^(^) = oo ist die Funktion a : [0, oc[—> [0,1] streng monoton fallend und konvex mit lim a{b) = 1 und 6—»0
lim a{b) = 0. 6—»-oo
Weiter gilt da{b) ' b _ d__b_ _ R{b) - b • g § ^ db ~ dbR{b)~ R^{b) Da der Call-Preis monoton fallend im Basispreis ist, gilt dR{b) d. h. die Funktion a{b) - b ist monoton wachsend in b. Für die Faire Prämie bedeutet dies, dass
als Funktion von a streng monoton wächst. Weiter lässt sich zeigen, dass die Funktion a{b) - b streng konkav in b ist. Hierzu ist es notwendig die zweite Ableitung zu betrachten, d. h.
Überschussbeteiligung fondsgebundener Lebens- und Rentenversicherungen d^a{b) -b Ö62
d^
539
b
962 ^(6)
i?3(6)
<0,
da R{b) monoton wachsend und konvex in b ist. Wird nun wiederum die Umkehrung betrachtet, d. h., die Faire Prämie als Funktion des Investitionsanteils, so ist diese gegeben durch iJ*(a(&))
'' a{b) . b
und verhält sich konvex in a. Anschaulich bedeutet dies, dass die Prämie U* (a) einer fondsgebundenen Kapitallebensversicherung monoton in dem Investitionsanteil a wächst und dieses Wachstum zunimmt. In Verbindung mit der Aussage, dass die Prämie der reinen Kapitallebensversicherung eine untere Schranke darstellt, stellt dies ein ernüchterndes Ergebnis dar. Darüber hinaus hat die Diskussion gezeigt, dass dieses qualitative Ergebnis nicht von der speziellen Struktur des Black-Scholes Modells abhängt, sondern in einem viel allgemeineren Rahmen gültig ist und durch den Optionscharakter der finanziellen Versicherung bestimmt wird. Tatsächlich ist hierfür die Monotonie und Konvexität der finanziellen Garantien verantwortlich. Diese Eigenschaften weisen jedoch eine Vielzahl von finanziellen Garantien auf. Dies legt den Schluss nahe, dass eine derartige Versicherung sich nicht eignet, Risiken abzudecken, wie sie im Lebens- und Rentenversicherungsbereich derzeit diskutiert werden. Die folgende einfache Überlegung zeigt jedoch, dass dieser Schluss voreilig ist. Nicht ausschlaggebend ist an dieser Stelle, dass die Auszahlung des Vertrages weiterhin in dieser einfachen Form belassen wird, da die Wahl einer komplexeren Struktur mit finanziellen Garantien qualitativ zu dem gleichen Ergebnis führen würde. Wird also weiterhin diese einfache Vertragssituation betrachtet, so lässt sich die Gesamtprämie einer fondsgebundenen Kapitallebensversicherung in folgende zwei Beträge zerlegen: • •
In den Investitionsbetrag a • 77 der, wie die Gesamtprämie, streng monoton wachsend und konvex in a G [0,1[ ist. In den Versicherungsbetrag (1 — a) • i7.
Von besonderem Interesse ist nun der Versicherungsbetrag (1 — a) • 77. Dieser stellt das monetäre Äquivalent für die Übernahme der unterschiedlichen Risiken dar, da der Investitionsbetrag anschaulich in jedem Fall an den Versicherungnehmer zurückfließt. Je höher also der Versicherungsbetrag ist, umso höher ist die durch den Versicherungsnehmer zu leistende Prämie für die Übernahme der Risiken durch den Versicherungsgeber. Aus Sicht des Versicherungsgebers bedeutet dies, dass ein hoher Versicherungsbetrag mit einem hohen zu tragenden Risiko korrespondiert. Unter der Annahme einer stetigen Verteilung des Fondsrisikos gilt für den Wert der Call-Option
540
Klaus Sandmann da
da
da
Wird die Ausgangsgleichung der Prämienbestimmung nach IJ aufgelöst und die Ableitung nach a betrachtet, so folgt:
dn(a) da
^, ,
dn(a) da
Dies bedeutet für den Versicherungbetrag d(l-a)'nia)
^,,
,,
, dn(a) ^
d.h. er ist monoton fallend in a. Mit anderen Worten, es kann durch die Wahl des Investitionsanteils a das Versicherungsrisiko reduziert werden. In diesem Sinne ist die reine Kapitallebensversicherung sogar als riskanter einzustufen, als die hier betrachtete fondsgebundene Versicherung. Dies mag zunächst überraschend wirken, lässt sich jedoch auch anschaulich verdeutlichen. Die betrachtete fondsgebundene Versicherung weist bezüglich des Versicherungsrisikos einen engen Bezug zu einer reinen Risikolebensversicherung mit degressiver Versicherungssumme auf.^ Eine degressive Versicherungssumme reduziert die zu leistende Prämie des Versicherungsnehmers und das Risiko des Versicherungsgebers. In einer fondsgebundenen Kapitallebensversicherung passt sich die Versicherungssumme an die (stochastische) Kursentwicklung des Fonds an. Dieser Effekt führt zu einer Prämienreduktion in Abhängigkeit des Fondsvermögens und damit des Investitionsanteils. Abschließend soll dieser Effekt mittels eines einfachen numerischen Beispiels verdeutlicht werden. Hierzu wird wiederum auf das Black-Scholes Modell zurückgegriffen. Der arbitragefreie Preis einer Call-Option lässt sich darstellen als der erwartete diskontierte Wert der Auszahlung unter dem äquivalenten Martingalmaß, d. h. er ergibt sich zu: call[u,a' n,h]=a'
n ' N{di) - hexp{-5 Inf;,
mit dl/2 =
^;^,
• u}N{d2)
A±0.S'(7^'U
\hexp{ — d'U} J y/Ü
Weiter sei angenommen, dass die Auszahlung der Versicherung nicht unmittelbar bei Eintritt des Todesfalls erfolgt, sondern zu vorgegebenen Zeitpunkten ti < t2 < "' < tjsf. Beispielsweise heißt dies, dass die Auszahlung im Todesfall immer erst am Ende eines Monats erfolgt. Diese Annahme vereinfacht die ^ Eine Risikolebensversicherung mit degressiver Versicherungssumme h(t) wird beispielsweise zur Sicherung eines Hypothekenkredites verwendet. In diesem Fall passt sich die Versicherungssumme (schrittweise) an die Entwicklung der Restschuld an. Eine ausführliche Diskussion zur Hypotheken Versicherung privaten Wohnungseigentums findet sich in Steiner und Wilhelm (1998).
Überschussbeteiligung fondsgebundener Lebens- und Rentenversicherungen
541
Berechnung der Prämie, da das Integral über die Todeszeitpunkte durch eine Summe ersetzt werden kann. Entsprechend den allgemeinen Überlegungen ist somit die folgende Darstellung der Funktion a{b) zu berechnen:
R{h) := Y^ (exp{—5 • t^} • 6 + call[ti, 1, b]) • /
gx{u)du
+ {exp{-5 • T} . 6 + call[T, 1, b]) • (1 - G , ( T ) ) . Zur Veranschaulichung der Berechnungsschritte werden die folgenden Parameter betrachtet: ö T gx{t) h X ti—ti-i (j
= 6%, konforme (logarithmierte Zinsrate), =30 Jahre (Laufzeit des Vertrages), = Dichtefunktion der Todesverteilung eines Lebens im Alter x, = 1000 € (Mindestgarantie im Todesfall), = 3 0 Jahre (Alter des Versicherungsnehmers bei Vertragsabschluss), = ^ (monatliche Auszahlung), = 0.25 (Volatilität).
Die Todesverteilung wird nach Makeham modelliert. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Leben im Alter x die kommenden U Perioden überlebt und bis zum Zeitpunkt U^i stirbt, ist gleich: ti + l
/
7
_
7
gx{u)du = mit lx=y's'' 'g^\ g = 0,99959845, y = 1000401,71.
^ 5 = 0,99949255 c = 1,10291509
Die theoretischen Überlegungen haben eine schrittweise Zerlegung des resultierenden Bewertungsproblems zur Folge. •
•
• •
Im ersten Schritt wurde das Problem auf die Berechnung des Investitionsanteils a{b) in Abhängigkeit eines Wertes b reduziert. Hierbei ist der Wert b als Hilfsparameter zu interpretieren (vgl. Abb. 1). Ziel des zweiten Schrittes ist die Umkehrung des ersten. Die Notwendigkeit ergibt sich aus der ursprünglichen Fragerichtung. Diese geht von einem gegeben Investitionsanteil aus. Anschaulich muss die Funktion b{a) bestimmt werden (vgl. Abb. 2). Der dritte Schritt (Abb. 3) dient der Berechnung der Steigung ß der Mindestgarantie h als Funktion des Investitionsanteils a, d. h. ß*{a) = a • 6. Im vierten Schritt (Abb. 4) erfolgt schließlich die Berechnung der Fairen Prämie als Funktion des Investitionsanteils a und der garantierten Versicherungssumme h.
542
Klaus Sandmann b-Werte
:\
: \ :
\
\ b»19.2334
\
a=0.25
^^^-^.__ b«19.2334
r-—^
a-0.25
Abb. 1. Investitionsanteil als Funktion Abb. 2. 6 als Funktion des Investides Parameters b. tionsanteils a.
a«25%/^
^
800
1000
h«2404,40 h«2127.90
^
h»1716,25
y^
^
yy^.^ ^ ^^^y<:>^
h«1117.20
^>^^
^ 0.1
0.2
0.3
0.4
0.5
0.6
0.7
0.8
0.9
0
100
200
300
400
500
600
700
900
Abb. 3. /5* als Funktion des Investi- Abb. 4. Garantierte Summe h als Funktionsanteils a. tion des Investitionsanteils OL. Die Schritte 1 bis 4 lassen sich auch mittels Tabelle 3 verdeutlichen. Wie zuvor besteht der eigentliche Rechenschritt in der Berechnung der Funktion des Investitionsanteils af(6). Tabelle 3 gibt schon die Umkehrabbildung wieder, d.h. die Funktion 6(a). Ebenso wird der in Abb. 5 dargestellte Zusammenhang zwischen dem Investitionsbetrag und dem Versicherungsbetrag in Abhängigkeit des Investitionsanteils berechnet. Eine andere Darstellung der Ergebnisse wird in Tabelle 4 gegeben. Hier zeigt sich die Abhängigkeit der Prämie vom Alter des Versicherungsnehmers und der Vertragslaufzeit. Wird im Unterschied zu der einmaligen Prämie eine periodische Prämie betrachtet, so ändert sich an der grundsätzlichen Lösungsüberlegung nichts. Aufgrund der periodischen Prämienzahlung erhält das Fondsvermögen jedoch eine veränderte Darstellung. Seien {0 = to < ti < • • • < t^v-i} die Zeitpunkte der periodisch zu zahlenden Prämie TT. Das Vertragsende sei gleich tiv = T. Werden zu jedem Zahlungstermin der periodischen Prämie wiederum Fondsanteile im Wert von ot • TT hinzugekauft, so ist das Fondsvermögen zu einem Zeitpunkt t G [0, T] gleich
Überschussbeteiligung fondsgebundener Lebens- und Rentenversicherungen
543
Praemie einer Fondgebundenen Kapitallebensversichemng mit Mindestgarantie 1
1
T
•
J
•
•
1
'
•T
570 520
-
/h
470 420 370 CO
1
Gesamtpraemie
320
^y^
o
2 Q.
\
270 Praemie bei a=0
220
y"'
170 120 70 Investitionsbetrag 20 ^-- -""' 01
,
0.2
,
0.3
,
1
0.4
1
1
0.5 0.6 Investitionsanteil (a)
0.7
,
_i
0.8
0.
Abb. 5. Faire Prämie als Funktion des Investitionsanteils a. Tabelle 3. Berechnung der Fairen Prämie für ein Leben im Alter x = 30 Jahre einer fondsgebundenen Kapitallebensversicherung mit Laufzeit 30 Jahre, monatlicher Auszahlung, 6 = 0.06 und Mindestgarantie 1000 € . a
h
oo 0,0 0,05 101,2969881 0,17 29,12740194 0,25 19,23495839 0,37 12,18596027 0,45 9,457503674 0,57 6,661155804 0,65 5,280739311 3,605630334 0,77 0,85 2,628700197 0,97 1,061079957
/?* = a • 6
TT _ 1000 11 — ß*
0,0 5,064849405 4,95165833 4,808739598 4,508805301 4,255876653 3,796858808 3,432480552 2,776335358 2,234395167 1,029247559
197,0042805 197,4392366 201,9525446 207,9546999 221,7882417 234,9692159 263,3756088 291,3344984 360,1870348 447,5484081 971,5835532
a-n
(1 - a ) • 77
0,0 9,871961829 34,33193259 51,98867498 82,06164944 105,7361471 150,124097 189,367424 277,3440168 380,4161468 942,4360466
197,0042805 187,5672748 167,6206121 155,9660249 139,7265923 129,2330687 113,2515118 101,9670744 82,843018 67,13226121 29,1475066
n*{t)
P{t):=a^7r-
Yl S{t)
i=0
s{uy
wobei n*{t) := max{z G ¥l\ti < t}. Die Auszahlung der fondsgebundenen Kapitallebensversicherung mit Mindestgarantie und periodischer Prämie ist dann bestimmt durch:
544
Klaus Sandmann
Tabelle 4. Faire Prämie (einmalige Zahlung) einer fondsgebundenen Kapitallebensversicherung mit Mindestgarantie 1000 € , Volatilität a = 0,25, 6 = 0.06 bei unterschiedlichem Investitionsanteil. Laufzeit a
ALTER
12
18
25
30
0 0 0 0.1 0.1 0.1 0.3 0.3 0.3 0.5 0.5 0.5 0.7 0.7 0.7 0.9 0.9 0.9
25 30 35 25 30 35 25 30 35 25 30 35 25 30 35 25 30 35
500.11 501.24 503.07 500.27 501.44 503.34 508.92 510.11 512.03 542.97 544.21 546.22 629.24 630.53 632.63 917.51 918.63 920.43
356.80 359.32 363.39 357.42 360.01 364.19 370.15 372.80 377.10 407.15 410.07 414.73 492.38 495.69 500.98 775.18 778.86 784.82
244.51 249.35 257.12 245.72 250.63 258.56 259.72 264.99 273.35 294.06 299.97 309.34 369.43 376.53 387.76 622.12 631.79 646.89
190.01 197.00 208.08 191.53 198.64 209.92 205.29 212.96 225.07 236.52 245.31 259.06 303.86 314.75 331.60 532.04 548.16 572.44
Stirbt der Versicherte vor Vertragsende, d. h. zu einem Zeitpunkt 0 < ^ < T, so ist die Auszahlung der Versicherung gleich: n*{t)
max
2*(t)
S{t) S{U)
/^'«•-EöM ='^+ i=0
a-TT'
J2 i=0
s{t) -h
S{ti)
Überlebt der Versicherte das Vertragsende, so ist die Auszahlung der Versicherung zum Zeitpunkt T gleich: N
max
.''"•'•Si3}
h+
a - T T - ^
i=0
S{T) S{ti)
Im Unterschied zur Situation bei einmaliger Prämie zu Vertragsbeginn muss nun der Wert einer Option bzgl. der durchschnittlichen Kurssteigerung bestimmt werden. Dieser Optionstyp ist eng mit so genannten Asiatischen Optionen verbunden. Eine einfache und geschlossene Lösung existiert nicht, d. h. es müssen Näherungslösungen verwendet werden. Die Faire Prämie TT* bei periodischer Prämienzahlung ist dann als Lösung der folgenden Gleichung bestimmt:
Überschussbeteiligung fondsgebundener Lebens- und Rentenversicherungen
-
/ (exp{-5 -u] 'h^ Jo
545
callasian[u, a • TT*, /i]) • gx{u)du
- (exp{-(5 • T} • /i + callasian[T, a • TT*, Ji]) • (1 -
Gx{T)).
Hierbei bezeichnet callasian[^iOL • TT*, /i] den Preis (Barwert) der Auszahlung
Aus qualitativer Sicht zeigt sich wiederum, dass die periodische Prämie sich monoton und konvex im Investitionsanteil verhält.^ Darüber hinaus zeigt sich, dass die periodische Prämie dieses, von der durchschnittlichen Wertentwicklung des Fonds abhängigen, Vertrages geringer ist, als diejenige eines vergleichbaren Vertrages mit einmaliger Prämie. Diese Beobachtung ist für sich genommen noch nicht überraschend. Begründet ist dies in dem geringeren Risiko der durchschnittlichen Fondsentwicklung. Aus dieser Beobachtung ergibt sich jedoch auch unmittelbar, dass ein fondsgebundener Versicherungsvertrag bei periodischer Prämienzahlung und einer periodischen Überschussbeteiligung ein höheres Risiko für den Versicherungsgeber darstellt. Insofern führt ein derartiger Vertrag auch zu einer höheren Prämienbelastung. Gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion zur privaten Altersvorsorge ist diese Beobachtung von Bedeutung. Die derzeitige Vertragspraxis setzt eine periodische Überschussbeteiligung voraus. Begründet wird dies mit dem finanziellen Sicherungsbedürfnis des Versicherungsnehmers und einer vertragsorientierten und verursachungsgerechten Zuteilung der Überschüsse. Im Hinblick auf die private Altersvorsorge führt dies jedoch zu einer erheblichen finanziellen Belastung während der Erwerbstätigkeit, die den Erfolg sowohl aus gesellschaftlicher wie auch aus unternehmerischer Sicht beeinträchtigt. Dem Sicherungsbedürfnis des Versicherungsnehmers, wie auch der Verursachungsgerechtigkeit der Überschussbeteiligung trägt auch eine finanzielle Garantie hinsichtlich der durchschnittlichen Fondsentwicklung mit einer Schlussüberschussbeteiligung Rechnung.
^ Eine detaillierte Untersuchung zu dieser Vertragssituation unter Einschluss des Zinsänderungsrisikos findet sich in Nielsen und Sandmann (2002). Dort wird auch eine Näherungslösung für die finanzeilen Garantien hergeleitet, die es auch für lange Vertragslaufzeiten erlaubt, gute Abschätzungen anzugeben. Ebenso wird die Monotonie und Konvexität der periodischen Prämie nachgewiesen.
546
Klaus Sandmann
4 Erweiterung: Fondsgebundene Lebens- und Rentenversicherung Der Ausgangspunkt der Überlegungen zu einer Lebens- und Rentenversicherung unterscheidet sich nicht grundlegend von der bisherigen Vertragsstruktur. Die Grundstruktur des Vertrages entspricht dem einer Rentenversicherung, d. h. der Versicherungsnehmer zahlt bis zum Laufzeitende T der Lebensversicherungsperiode eine zu Vertragsbeginn festgelegte periodische Prämie. Wie im Fall einer Risikolebensversicherung erhalten die Erben des Versicherungsnehmers bei seinem Tod vor dem Zeitpunkt T eine feste garantierte Summe. Überlebt der Versicherungsnehmer den Zeitpunkt T, so zahlt der Versicherungsgeber eine bei Vertragsbeginn festgelegte periodische Rente bis zum Tod des Versicherungsnehmers. Über diese Grundstruktur hinaus wird ein Anteil der periodischen Prämie des Versicherungsnehmers zum Aufbau eines Fondsvermögens verwendet. Ziel dieses Fondsvermögens ist es, eine über die garantierten Leistung hinausgehende Versicherungsleistung zu ermöglichen. Wird mit t^ = T der Verrentungszeitpunkt bezeichnet, so erhält der Versicherungsgeber zu jedem Zeitpunkt ti ^ T_ := {fd = IQ < ti < • • • < tiv-i}, tjsf-i
P{t,a,K):=
Yl i=0
s{t) a-^iU) S{ti)
with n*{t) := max{j € ]No|tj < t}. Überlebt der Versicherungsnehmer den Zeitpunkt tjsf = T, so ist der Wert des Fondsvermögens bestimmt durch N-l
i=0
S{t) S{ti)
Verstirbt der Versicherungsnehmer zu einem Zeitpunkt t G]to,T] so leistet der Versicherungsgeber über die garantierte Summe gi{t) hinaus eine Zusatzzahlung (Bonus). Diese Zusatzzahlung ist proportional zur positiven Differenz zwischen dem Fondsvermögen zu diesem Zeitpunkt und der garantierten Summe. Die gesamte Versicherungsleistung im Todesfall vor dem Verrentungszeitpunkt wird mit Gi{t) bezeichnet und ist gleich: Gi{t) := gi{t)+rji
• [P{t,a,K)
- gi{t)]^
^t G]to,r].
Für a = 0 stimmt die Zahlung mit der einer Risikolebensversicherung überein. Der Parameter r/i G [0,1] entspricht der Rate der Schlussüberschussbeteiligung bezüglich des Fondsvermögens vor der Verrentung.
Überschussbeteiligung fondsgebundener Lebens- und Rentenversicherungen
547
Überlebt der Versicherungsnehmer den Verrentungszeitpunkt T , erhält er oder sie bis zum Tod eine periodische Rentenzahlung. Unter den verschiedenen Möglichkeiten der Dej&nition einer derartigen Rentenzahlung werden im Folgenden zwei Formen angesprochen. Im ersten Fall (Verrentungsverfahrens I) erhält der Versicherte über die garantierte Rente hinaus zu jedem Zeitpunkt tj > T einen Zusatzbetrag, der von dem Fondsvermögen zum Zeitpunkt T abhängt. Die über den Zeitpunkt T hinausgehende Wertentwicklung des Fonds beeinflusst die Rentenzahlung nicht mehr. Anschaulich löst der Versicherungsgeber zum Zeitpunkt T das Fondsvermögen auf und dividiert den Betrag durch die Anzahl der erwarteten Rentenzahlungen L. Übersteigt dieser Betrag die garantierte Rentenzahlung, so erhält der Versicherungsnehmer eine Zusatzzahlung, andernfalls ist die Rentenzahlung durch den garantierten Betrag bestimmt. Zusätzlich werden die Rentenzahlungen mit dem risikolosen Zinssatz aufgezinst. Wird mit q{t) die Höhe der garantierten Rentenzahlung bezeichnet und gibt {r{t)}t den stochastischen Prozess des kurzfristigen Zinssatzes an, so ist die Höhe der Rentenzahlung zu jedem Zeitpunkt tj ,j>N bestimmt durch
Q{tj)-q{tj)^rj2
^.p{T,a,K)-q{tj)
wobei der (stochastische) Aufzinsungsfaktor ßt^r von Zeitpunkt t auf den Zeitpunkt T > t definiert ist durch /?t,r •= exp {f^ r{u)du} .^ Der Wert L gibt hierbei die erwartete Anzahl der verbleibenden Rentenperioden an u n d bestimmt sich somit aus der Todesverteilung. Die Konstante 772 € [0,1] stellt die R a t e der Überschussbeteiligung während der Rentenperiode dar. Die garantierte Rentenzahlung übernimmt die Funktion einer unteren Absicherung der Rentenhöhe. Zusätzlich zu der Rentenzahlung verbleibt die Zahlung Gp{') im Fall des Todes während der Rentenperiode zu klären. Unter dem Verrentungsverfahren I wird angenommen, dass der Versicherungsnehmer eine Garantie bezüglich der gesamten Rentenzahlung übernommen hat, d. h. in diesem Fall die Leist u n g bestimmt ist durch n*{t)
Gp{t):=r}s
\/t>T
= tN.
j=N
Der Parameter 773 G [0,1] stellt die R a t e der Überschussbeteiligung im Todesfall während der Rentenphase dar. Die Situation einer KapitallebensversicheMit Blick auf die Darstellung der Auszahlungen ist die Einführung eines stochastischen Zinsstrukturmodells nicht weiter problematisch. Hinsichtlich der Bewertung und der Bestimmung eines Fairen Vertrages ergeben sich jedoch weitgehende Konsequenzen. Ein erster Ansatz wäre beispielsweise die Verwendung der zeitstetigen Fassung des Ho-Lee Modells, vgl. hierzu z.B. Wilhelm (1999).
548
Klaus Sandmann
rung mit garantierter Versicherungssumme gi{t) und garantierter Rentenzahlung q{t) ist durch einen Investitionsanteil a gleich Null gegeben. Abbildung 6 gibt eine grafische Darstellung der unterschiedlichen Zahlungen und Zahlungszeitpunkte wieder.
überleben
m[9pitN+i)-Ef^^Q{tj)] Tod
*iV+l -h
Überleben V3\9PitN)-Ej=NQitj)\
Tod tjV
überleben Tod
il-a)-K{tN-i)
G(t):=5rj(t)+r7i[aEil"^'i^(ti)^-^/(*)]'^
K{tN-i)
*iV-l
= Prämie
a'K{tN-i) Fonds
Überleben
G(t):=gi(t)+m[c^j:Lo^(ti)mh-^'^^^r Tod
(l-a).X(ti) tl
+
K{ti) = Prämie
a'K{ti) Überleben
G(t) := 91 (t) + r/i [ a K ( t o ) ^ - gj{t)] ^ Tod
(l-a).K(to)
to +
K(to) = Prämie
a • K{to) Fonds
Abb. 6. Zahlungszeitpunkte und Zahlungen einer fondsgebundenen Lebens- und Rentenversicherung Eine weitere Möglichkeit der Definition der verschiedenen Zahlungen besteht darin, diese von der Wertentwicklung des Fonds auch über den Zeitpunkt T hinaus abhängen zu lassen (Verrentungsverfahrens II). Zum Zeitpunkt T ist die Anzahl der Fondsanteile gleich
Überschussbeteiligung fondsgebundener Lebens- und Rentenversicherungen
549
Ohne eine darüber hinausgehende Versicherung könnte die Rentenhöhe in Übereinstimmung mit den vorherigen Überlegungen durch den Verkauf von j^ Portfolioanteilen zu jedem Zeitpunkt tj > T finanziert werden. Unter dem Verrentungsverfahren II wird nun eine finanzielle Sicherung dieses Betrages geboten, d. h. die periodische Rentenzahlung ist definiert durch:
-P{tj,a,K)-q{tj)
Q{tj):=q{tj)-h
\/tj =
t]S[,...,t]S[^L->
Qitj) := q{tj) wobei L wie zuvor definiert ist. Im Unterschied zum Verrentungsverfahren I ist die periodische Rentenzahlung nun abhängig von der Wertentwicklung des Fonds auch über den Zeitpunkt T hinaus. Darüber hinaus bietet es sich nun an, die Todesfallzahlung während der Rentenphase nicht mehr durch eine absolute Summe zu begrenzen, sondern an den verbleibenden Wert des Portfolios zu knüpfen, d. h. Gp{t):=7^^^P{t,a,K)
L + Ar-l-n*(t)1 +
\/t>T.
Im einfachsten Fall sind die verschiedenen garantierten Beträge vertraglich durch konstante Größen gegeben. Dies stellt jedoch nicht den einzigen interessanten Fall dar. Ein Beispiel für eine Zeitpunkt abhängige Definition der verschiedenen Garantiewerte ist: n*(t)
9l{^) ''= Y. ^^P{^i • (^ - ^^)> 'ßi'^'K
\/t G]0,T[,
i=0
q{t) := exp{62 • t} • /32 • a • X
Vt > T,
L-N
gp{t) := ^
q{U)
\/t > T,
i=N
wobei K > 0 die konstante periodische Prämie des Versicherungsnehmers angibt, ßi und /?2 nicht-negative Konstanten sind und ^i > 0 und ^2 > 0 garantierte interne Zinsraten darstellen. Ein wesentlicher Nachteil einer konstanten oder zeitabhängigen Definition der Garantieleistungen ist ihre Unabhängigkeit von der Inflationsrate. Mit Blick auf die Laufzeit der Verträge wird somit dem Sicherungsbedürfnis des Versicherungsnehmers nicht Genüge getan, d. h. eine vollständige Sicherung des Alterseinkommen durch derartige Verträge erscheint fraglich. Ein möglicher Ansatz dieses Problem zu berücksichtigen, besteht in der Einbeziehung der stochastischen Zinsrate. In diesem Fall werden die garantierten Beträge in Form des Barwertes zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses angegeben. Die Auszahlung ist insofern gleich dem aufgezinsten Betrag. Z. B. würde dies durch die folgende Festlegung erreicht:
550
Klaus Sandmann gi{t) := exp | / r{u)du\ g(0 :=expl
• gj = ßo,t • Qi
I r{u)du 1 • g - /3o,f ?
pp(t) :=: exp <^ / r(w)dix \'9~P-=- ßo,t ' Qp
Vt G]0, T [ , V^ > T, Vt > T,
wobei gi^gp und g positive Konstanten darstellen.
5 Schlussbetrachtung Ein fondsgebundener Versicherungsvertrag verbindet versicherungtechnische und Marktrisiken. Während das versicherungstechnische Risiko durch den Ausgleich im Kollektiv und den Ausgleich in der Zeit begrenzt wird, beruht die Begrenzung des Marktrisikos auf der Handelbarkeit. Aus der Übernahme derartiger Risiken folgt für das Versicherungsunternehmen die Notwendigkeit, die finanziellen Risiken durch aktive Handelsstrategien am Finanzmarkt zu begrenzen. Eine ausschließliche Diversifikation ist nicht ausreichend. Die Bewertung des Gesamtvertrages beruht auf einer Verbindung eines versicherungstechnischen Prämienprinzipes mit der Bewertung unter Ausschluss von Arbitrage. Wird im Fall der Lebensversicherung das Äquivalenzprinzip angewendet, so wird hiermit eine lineare Bewertungsregel angenommen. Ebenso handelt es sich bei der Bewertung unter Ausschluss von Arbitrage um eine Hneare Bewertungsregel. Diese Eigenschaften bleiben bei der Betrachtung der Fairen Prämie erhalten. Die Einführung von Mindestgarantien hat jedoch zur Folge, dass der Gesamtvertrag nicht in zwei getrennte Vertragswerke zerlegt werden kann. Insofern steuert das versicherungstechnische Risiko den Auszahlungszeitpunkt und das Markrisiko die Auszahlungshöhe. Ein wesentlicher Schwerpunkt der bisherigen Forschung ist die vertragsorientierte Analyse, wie sie sich in den Arbeiten von Aase und Persson (1993), Bacinello und Ortu (1994) sowie Nielsen und Sandmann (1996, 2002) findet. Im Zentrum steht hier die Prämienbestimmung spezieller Versicherungsvertäge in einen zunehmend allgemeineren Modell des Finanzmarktes. Die wichtige Frage der Risikobegrenzung wird in diesen Arbeiten nicht gestellt. Miltersen und Persson (2003) unternehmen einen Schritt in diese Richtung und untersuchen die Entwicklung der Risikoreserve eines Versicherungsgebers. Ihre Untersuchung befasst sich jedoch nicht mit der Finanzmarktstrategie des Versicherungsgebers, einer Fragestellung wie sie beispielsweise Hipp und Plum (2000) aufwerfen. Mit der Verabschiedung der Rentenreform erhält die private Altersvorsorge eine deutlich stärkere Bedeutung. Insbesondere durch fondsgebundener Lebens- und Rentenversicherungen werden Todesfall-, Langlebigkeits- und Finanzmarktrisiken explizit miteinander verbunden. Die Ausführungen zu
Überschussbeteiligung fondsgebundener Lebens- und Rentenversicherungen
551
den verschiedenen Überschussbeteihgungen betreffen jedoch nur einen Aspekt der gesamten Fragestellung. Aus einer übergeordneten Perspektive muss ein Rentenversicherungssystem als ein komplexes dynamischen System verstanden werden. Neben den angesprochenen Risiken wirkt die Regulierung der Vermögensanlagen auf die Stabilität dieses Systems. Die Steuerungsmechanismen, die dem Versicherungsgeber zur Verfügung stehen, sind einerseits durch die Prämien- und Leistungsgestaltung gegeben. Andererseits ermöglichen die Struktur des Anlagevermögens und der Risikoausgleich innerhalb einer Risikoklasse eine Begrenzung der finanziellen Risiken. Insbesondere der Risikoausgleich innerhalb einer Risikoklasse sollte hierbei als ein wichtiges Instrument der Begrenzung der finanziellen Risiken verstanden werden. Die Ausgestaltung der Überschussbeteiligung hat hierbei eine wichtige Funktion.
Literaturverzeichnis 1. Aase, K. K. und Persson, S. (1994): Pricing of Unit-Linked Life Insurance Policies; Scandinavian Actuarial Journal, 26-52. 2. Bacinello, A. R. und Ortu, F. (1993): Pricing Equity-Linked Life Insurance with Endogenous Minimum Guarantees; Insurance, Mathematics and Economics 12, 245-257. 3. Brennan, M. J. und Schwartz, E. (1976a): The Pricing of Equity-Linked Life Insurance Policies with an Asset Value Guarantee; Journal of Financial Economics, 3, 195-213. 4. Brennan, M. J. und Schwartz, E. (1976b): Pricing and Investement Strategies for Equity Linked Life Insurance; Huebner Foundation Monograph 7, Wartoon School, University of Pennsylvania, Phildelphia. 5. Bühlman, H. (1996): Mathematical Methods in Risk Theory; Springer: Heidelberg. 6. Curran, M.: (1994): Valuing Asian and Portfolio Options by Conditioning on the Geometrie Mean Price; Management Science, 40(12), 1705-1711. 7. Ekern, S. und Persson, S.-A. (1996): Exotic Unit-Linked Life Insurance Contracts; The Geneva Papers on Risk and Insurance Theory, 21, 35-63. 8. Gerber, H. U. (1995): Life Insurance Mathematics; Springer: Heidelberg. 9. Harrison, J. M. und Kreps, D. M. (1979): Martingales and Arbitrage in Multiperiod Securities Markets; Journal of Economic Theory, 20, 381-408. 10. Harrison, J. M. und Pliska, S. R. (1981): Martingales and Stochastic Integrals in the Theory of Continuous Trading; Stochastic Processes and their Applications, 11, 215-260. 11. Harrison, J. M. und Pliska, S. R. (1983): A Stochastic Calculus Model of Continuous Trading: Complete Markets; Stochastic Processes and their Applications, 15, 313-316. 12. Hipp, C. und Plum, M. (2000): Optimal investment for insurers; Insurance, Mathematics and Economics, 27, 215-228. 13. Hüll, J. C. (2003): Options, Futures, and other Derivatives, Prentice-Hall, New York. 14. Miltersen, K. und Persson, S.-A. (2003): Guaranteed Investment Contracts: Distributed and Undistributed Excess Return; Scandinavian Actuarial Journal.
552
Klaus Sandmann
15. Nielsen, J. A. und Sandmann, K. (1996): Uniqueness of the Fair Premium for Equity-Linked Life Contracts; The Geneva Papers on Risk and Insurance Theory, 21, 65-102. 16. Nielsen, J. A. und Sandmann, K. (2002): The Fair Premium of an Equity Linked Life and Pension Insurance, in P. Schönbucher and K. Sandmann (eds.): Advances in Finance and Stochastics: Essays in Honor of Dieter Sondermann, Springer Verlag, Heidelberg. 17. Nielsen, J. A. und Sandmann, K. (2003): Pricing Bounds on Asian Options; Journal of Financial and Quantitative Analysis, 38(2), 449-473. 18. Rogers, L. und Shi, Z. (1995): The Value of an Asian Option; Journal of Applied Probability, 32, 1077-1088. 19. Steiner, J. und Wilhelm, J. (1998): Hypothekenversicherung versus Bankhypothek zur Finanzierung privat genutzten Wohneigentums; Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis, 68, 49-70. 20. Wilhelm, J. (1981): Zum Verhältnis von Capital Asset Pricing Model, Arbitrage Pricing Theory und Bedingungen der Arbitragefreiheit von Finanzmärkten; Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 33, 891-905. 21. Wilhelm, J. (1983): Marktwertmaximierung - Ein didaktisch einfacher Zugang zu einem Grundlagenproblem der Investitions- und Finanzierungstheorie; Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 53, 516-534. 22. Wilhelm, J. (1985): Arbitrage Theory; Lecture Notes in Economics and Mathematical Systems, Springer Verlag, Berlin et al. 23. Wilhelm, J. (1999): A fresh view on the Ho-Lee model of the term structure from a stochastic discounting perspective - Eine Neubetrachtung des Ho-LeeModells der Zinsstruktur aus Sicht des stochastischen Diskontierens; Kürsten, W. / Wilhelm, J. (Hrsg.): Finance and Banking, Sonderheft CR Spektrum, Springer-Verlag 1999, Vol. 21, 9-34.
Anhang
Kurzlebensläufe der Autoren
Prof. Dr. Günter Bamberg Jg. 1940, studierte von 1960 bis 1966 Mathematik an den Universitäten Saarbrücken und Bonn. 1968 promovierte er an der Universität Saarbrücken mit einer Arbeit über Spieltheorie. Von 1966 bis 1970 war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Karlsruhe tätig, zunächst zwei Jahre an der mathematischen Fakultät. Zwei weitere Jahre arbeitete er an der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät, wo er sich 1970 auch für Statistik und Ökonometrie habilitierte. Seit 1970 ist Günter Bamberg Inhaber des Lehrstuhls für Statistik der Universität Augsburg. Rufe an die Universitäten Osnabrück und Heidelberg lehnte er ab. In den Jahren 1983 bis 1999 war er Mitherausgeber der „Statistical Papers", seit dem Jahr 2000 gibt er das „Operations Research Spectrum" mit heraus. Günter Bambergs derzeitige Forschungsschwerpunkte sind Statistik, Operations Research, Entscheidungstheorie, Quantitative Managementansätze, Kapitalmarkttheorie. Dipl.-Kfm. Reno Basner wurde 1979 in Anklam geboren. Nach Abitur und Wehrdienst studierte er seit dem SS'99 an der Ernst-Moritz-Arndt Universität Greifswald Betriebswirtschaftslehre. Ab dem WS '99/00 arbeitete er als studentischer Mitarbeiter am Lehrstuhl für Personalökonomie und später in der gleichen Funktion am Lehrstuhl für Controlling. Mit Ablegen des Diploms wechselte Herr Basner im WS'02/03 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Lehrstuhl für Finanzierung und Investition der TU Berlin bei Prof. Dr. Hirth. Seine Forschungsschwerpunkte sind Kapitalmarktgleichgewichte auf unvollkommenen Märkten und nationalökonomische Fragestellungen. Prof. Dr. Thomas Braun 1960 geboren in Bad Homburg v.d.H., 1978 Abitur daselbst, 1981-1985 Studium der Betriebs- und Volkswirtschaftslehre mit Abschluss als Dipl.-Kfm. in Frankfurt a.M., 1986-1990 wissenschaftlicher Mitarbeiter von Prof. Dr. Jochen
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Kurzlebensläufe der Autoren
Wilhelm (1989: Promotion), 1991-1997 Mitarbeiter von Prof. Dr. Ralf Ewert an den Universitäten Tübingen und Frankfurt a.M. (1996: Habilitation), seit 1998 Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, insb. Finanzwirtschaft der Universität Bielefeld. P D Dr. Udo Broll studierte nach kaufmännischer Ausbildung und Berufstätigkeit Volkswirtschaftslehre. Promotion und Habilitation über außenwirtschaftliche Themen an der Universität Konstanz. Danach Lehrstuhlvertretungen in München, Bonn und Saarbrücken. Seine Lehr- und Forschungsinteressen liegen in makround mikroökonomischen Fragestellungen der internationalen Wirtschaftsbeziehungen, des internationalen Handels und der Risikopolitik internationaler Unternehmen. Dr. Bernhard Brunner studierte Wirtschaftsmathematik an der Universität Augsburg. Parallel dazu arbeitete er im Risikomanagement der HVB in verschiedenen Bereichen. Nach Abschluss des Studiums war er für drei Jahre wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Augsburg am Lehrstuhl für Finanz- und Bankwirtschaft. Im Rahmen seiner wissenschaftlichen Tätigkeit erhielt er verschiedene Auszeichnungen, so z. B. 2003 den Best Paper Award der Swiss Society for Financial Market Research. Neben seiner Tätigkeit als Dozent war er auch an mehreren Beraterprojekten in den Bereichen Risikomanagement und Financial Engineering beteiligt. Nach seiner Promotion über markt gerechte Optionsbewertung wechselte er als Financial Engineer zu risklab germany nach München. DipL-Vw. Christiane Buch Jahrgang 1973. Ab 1995 Studium der Volkswirtschaftslehre an der Universität Potsdam. Abschluss als Diplom-Volkswirtin 2001. Seit 2002 wissenschafthche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Finanzwirtschaft und Finanzdienstleistungen an der Technischen Universität Dresden. Prof. Dr. Rolf Bühner ist Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Passau. Er promovierte und habilitierte an der Universität Augsburg. Seine Forschungsschwerpunkte liegen auf dem Gebiet strategischer Wertfragen sowie im Organisations-, Qualitäts- und Personalbereich. Auf diesen Gebieten ist er beratend tätig und arbeitet mit der Praxis zusammen. Er ist Autor namhafter Bücher und hat in führenden Fachzeitschriften zahlreiche Artikel veröffentlicht. Seine Lehr- und Forschungstätigkeiten führten ihn nach Australien, Japan und in die Vereinigten Staaten. DipL-Ing. Hans-Markus Callsen-Bracker wurde 1977 in Husum geboren. Von 1997-2003 studierte er an der TU BerUn Wirtschaftsingenieurwesen mit den Schwerpunkten Finanzierung & Investiti-
Kurzlebensläufe der Autoren
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on sowie Nachrichtentechnik. 2000-2001 studierte er mit Unterstützung eines DAAD-Stipendiums im MBA Programm der University of Illinois in UrbanaChampaign. Zur Zeit arbeitet er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl von Prof. Hans Hirth. Sein Forschungsschwerpunkt ist Bilanzpolitik und Kapitalmarktreaktion. Dipl.-Kfm. Axel Cunow wurde 1979 in TempUn/Uckermark geboren. Nachdem er dort im Sommer 1998 sein Abitur erworben hatte, nahm er ab Oktober ein betriebswirtschaftliches Studium an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald auf. Seit dem 3. Semester arbeitete er als Tutor für Statistik, Einführung in die BWL und Investition und Finanzierung. Im Herbst 2000 wurde er als Stipendiat in die Begabtenförderung der Stiftung der Deutschen Wirtschaft aufgenommen. Im Dezember 2001 schloss er sein Studium ab und ist seit Januar 2002 Mitarbeiter von Prof. Dr. Hirth, zunächst in Greifswald und seit Oktober 2002 an der TU-Berlin. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Kapitalmarkttheorie und Informationsökonomik. Prof. Dr. Gregor Dorfleitner Jg. 1967, 1988-1990 Studium der Elektrotechnik an der Berufsakademie Ravensburg, Dipl.-Ing. (BA); anschließend Studium der Mathematik an der Universität Augsburg, Diplom-Mathematiker 1995. Von 1996 bis 2004 Mitarbeiter am Lehrstuhl von Prof. Bamberg, 1998 Promotion zum Dr. rer. pol., 2003 Habilitation in Betriebswirtschaftslehre. Seit April 2004 ist Gregor Dorfleitner Professor für Finanzierung an der Wirtschaftsuniversität Wien. Interessensgebiete: Risiko-Management, Derivate, Statistik, empirische Kapitalmarktforschung. Prof. Dr. Harald Dyckhoff Jg. 1951, studierte nach zweijährigem Wehrdienst von 1971 bis 1978 zunächst Mathematik und Physik sowie anschließend Operations Research an der RWTH Aachen. An der FernUniversität Hagen promovierte er 1982 in Wirtschaftstheorie und habilitierte sich 1987 für Betriebswirtschaftslehre. Nach der Übernahme einer Professur an der Universität Essen erhielt er Rufe an die RWTH Aachen, die FU Berhn und die LMU München. Seit 1988 ist er Inhaber des Lehr Stuhls für Unternehmenstheorie, insbesondere Umweltökonomie und industrielles Controlling, an der RWTH Aachen (bis 1996 Industriebetriebslehre). Seine Hauptforschungsgebiete sind die Produktions- und Entscheidungstheorie, das Wertschöpfungscontrolling sowie das Performance Measurement. Dipl.-Math. Oliver Entrop ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Finanzierung und Bankbetriebslehre an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt in Ingolstadt. Nach dem Studium der Mathematik
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Kurzlebensläufe der Autoren
und Betriebswirtschaftslehre an der Universität Göttingen war er dort bis zum Wechsel nach Ingolstadt wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Betriebswirtschaftliche Geldwirtschaft. Prof. Dr. Günter Franke geb. 1944, studierte von 1963 bis 1967 Betriebswirtschaftslehre zunächst an der Universität Hamburg, dann an der Universität des Saarlandes. Nach seiner Promotion ging er im Jahr 1971 als Visiting Associate Professor an die Pennsylvania State University. 1975 habilitierte er sich an der Universität des Saarlandes im Bereich Betriebswirtschaftslehre. Bis 1983 war er als Ordinarius für Finanzwirtschaft an der Universität Gießen tätig, seitdem ist er Ordinarius für Internationales Finanzmanagement an der Universität Konstanz. Seit 1998 leitet er das interdisziplinäre „Zentrum für Finanzen und Ökonometrie" an der Universität Konstanz. Jetzt koordiniert er die transregionale DFG-Forschergruppe „Preis-, Liquiditäts- und Kreditrisiken: Messung und Verteilung". Dipl. Kfm. Florian Haagen ist nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre seit Juni 2004 wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am Institut für Kapitalmarktforschung und Finanzierung der Ludwig-Maximilians-Universität München. Derzeitiges Forschungsprojekte umfassen die Finanzierungsstrukturen wagniskapitalfinanzierter Unternehmen in Deutschland sowie die Bedeutung externer Ratings für den deutschen Mittelstand. Prof. Dr. Thomas Hart mann-Wendeis wurde 1957 in Düsseldorf geboren. Nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre in Köln war er Mitarbeiter von Herrn Professor Dr. Herbert Hax am Seminar für Finanzierungslehre an der Universität zu Köln. Der Promotion 1985 über „Dividendenpolitik bei asymmetrischer Informationsverteilung" folgte 1990 die Habilitation an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln. Das Thema der Habilitationsschrift lautete „Rechnungslegung der Unternehmen und Kapitalmarkt aus informationsökonomischer Sicht". Noch im gleichen Jahr wurde er auf einen Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insb. Betriebliche Finanzwirtschaft an die RWTH Aachen berufen und lehrte dort das Fach „Finanzierung und Banken". 1997 wurde er zum Prorektor für Haushaltsplanung und Finanzen der RWTH Aachen gewählt. Zum Wintersemester 1998/99 folgte er einem Ruf auf den Finanzierungslehrstuhl der Universität zu Köln, von dort wechselte er zum Wintersemester 1999/2000 auf den Bankenlehrstuhl an der gleichen Fakultät. Die Haupt arbeitsgebiete von Herrn Professor Dr. Hart mann-Wendeis sind die Neue Institutionenökonomik, die Theorie der Regulierung sowie das Risikomanagement bei Banken, insbesondere das Management von Kreditrisiken.
Kurzlebensläufe der Autoren
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Prof. Dr. Hans Hirth wurde 1963 in Wilhelmshaven geboren. Nach einer Tätigkeit als Zeitsoldat bei der Marine studierte er in Kiel und Köln mit Abschluß als Diplom-Kaufmann und Diplom-Volkswirt. 1994 erfolgte die Promotion an der Universität Köln, 1996/97 eine Lehrstuhlvertretung an der Universität Bonn und 1999 die Habilitation an der Universität Tübingen. Anschließend folgte Professor Hirth einem Ruf an die Universität Greifswald auf eine Professur für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Interne Unternehmensrechnung und Controlling. Einen Ruf an die Universität Stuttgart-Hohenheim auf eine Professur für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen, lehnte er ab und nahm 2002 einen Ruf an die TU Berlin an. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Kapitalmarkttheorie und Informationsökonomik. Prof. Dr. Stefan Huschens ist seit 1994 Inhaber des Lehrstuhls für Quantitative Verfahren, insbesondere Statistik an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Technischen Universität Dresden. Die Promotion mit einer wirtschaftswissenschaftlichen Dissertation und die Habilitation in Statistik und Volkswirtschaftslehre erfolgten an der Universität Heidelberg. Die wichtigsten Forschungsgebiete sind zur Zeit statistische Methoden und stochastische Modelle der Markt- und Kreditrisikomessung ( h t t p : //www. t u - d r e s d e n . de/wwqvs/publ). Prof. Dr. Christoph Kaserer ist wissenschaftlicher Direktor des an der Technischen Universität München (TUM) ansässigen Center for Entrepreneurial and Financial Studies (CEFS) und seit April 2002 Ordinarius an der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der TUM und Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftlehre - Finanzmanagement und Kapitalmärkte. Das CEFS beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Fragen der Unternehmensfinanzierung, insbesondere auf nicht organisierten Kapitalmärkten. Zu den Forschungsschwerpunkten des Lehrstuhls gehören insbesondere Fragen der Unternehmensfinanzierung und -kontrolle, empirische Kapitalmarktforschung, Risiko- und Portfoliomanagement sowie Fragenstellungen im Bereich der Finanzintermediation. Die Arbeiten von Herrn Univ.Prof. Dr. Kaserer wurden in führenden internationalen und deutschen wissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlicht. Er ist Herausgeber der Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft und verfügt in Ergänzung zu Forschung und Lehre über umfangreiche Erfahrungen als Berater und Gutachter, nicht zuletzt auch im Auftrag für die schweizerische und deutsche Regierung und die European Venture Capital Association (EVCA). Vor seiner Tätigkeit an der TUM war er ordentlicher Professor für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Finanzmanagement und Rechnungswesen, an der Universite de Fribourg (CH). Nach einem Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Wien, Österreich, promovierte und habilitierte er sich an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Würzburg, wo er auch als wissen-
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Kurzlebensläufe der Autoren
schaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bank- und Kreditwirtschaft tätig war. Dr. Michael Krapp Jg. 1971, Michael Krapp studierte von 1991 bis 1993 Sozioökonomie und von 1993 bis 1996 Betriebswirtschaftslehre an der Universität Augsburg, 2000 promovierte er zum Dr. rer. pol., 2005 habilitierte er sich für Betriebswirtschaftslehre. Seit 1996 ist Michael Krapp als wissenschaftUcher Mitarbeiter am Lehrstuhl von Professor Bamberg tätig. In den Jahren 2001 bis 2004 nahm er einen Lehrauftrag für Entscheidungstheorie und Operations Research an der KathoUschen Universität Eichstätt-Ingolstadt wahr. Seine Arbeitsgebiete sind Entscheidungstheorie, Institutionenökonomik und Quantitative Planungsmethoden. DipL-Kffr. Susanne Krenn ist seit Oktober 2001 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Organisation und Personalwesen, Universität Passau. Ihr Studium absolvierte sie in Passau. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich Auslandsdiversifikation und Unternehmenskommunikation. Prof. Dr. Wolfgang Kürsten Jahrgang 1960, studierte von 1978 bis 1983 Mathematik an der Universität Erlangen-Nürnberg. Von 1983 bis 1987 war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Wolfgang Harbrecht an der Universität Passau tätig und promovierte mit einer Arbeit über Secondhand-Märkte und geplante Obsoleszenz in Volkswirtschaftslehre. Danach wechselte Wolfgang Kürsten zum Zentralbereich Unternehmensplanung und -entwicklung der Siemens AG nach München. Von 1989 bis 1993 arbeitete er als akademischer Rat a. Z. am Lehrstuhl von Jochen Wilhelm an der Universität Passau und habilitierte sich dort mit einer finanzierungstheoretischen Arbeit über das Risikoanreizproblem. Es folgten 1993 der Ruf auf einen Lehrstuhl für Finanzwirtschaft an der TU Braunschweig, eine Lehrstuhlvertretung daselbst und weitere Rufe an die Universitäten Bielefeld und Magdeburg sowie an die TU Dresden. Von 1994 bis 1997 war er Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, insb. Finanzierung und Finanzmärkte an der Universität Magdeburg. 1997 folgte er dem Ruf auf den Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insb. Finanzierung, Banken und Risikomanagement an der Universität Jena, den er bis heute innehat. Weitere Rufe an die Universitäten Hannover, auf das Ordinariat für Bankbetriebslehre an der Universität Zürich sowie an die Katholische Universität Eichstätt lehnte er ab. Von 1997 bis 2001 war Wolfgang Kürsten Mitherausgeber des OR Spectrum - Quantitative Approaches in Management. Seit 2001 ist er als Schriftführender Herausgeber bzw. Department Editor der Zeitschrift für Betriebswirtschaft (ZfB) tätig. Von 1999 bis 2001 leitete er die Arbeitsgruppe Finanzwirtschaft und Finanzinstitutionen in der Gesellschaft für Operations Research und
Kurzlebensläufe der Autoren
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von 2002 bis 2004 war er Vorsitzender der wissenschaftlichen Kommission der Erich-Gutenberg-Arbeitsgemeinschaft. Seit 2004 ist er Vorsitzender der wissenschaftlichen Kommission Bankbetriebslehre/Finanzierung im Verband der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft. Zu seinen Hauptforschungsgebieten zählen anreizkompatible Finanzkontrakte, bankbetriebliches Risikomanagement, Hedging mit Finanzderivaten, UnternehmensbeWertung und kapitalmarktorientierte Unternehmenssteuerung. Prof. Dr. Hermann Locarek-Junge Jahrgang 1957. 1978-1983 Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität Augsburg, 1980-1986 Parallelstudium der Informatik an der Fernuniversität Hagen, 1987 Promotion zum Dr. rer. pol., seit 1995 Lehrstuhlinhaber des Lehrstuhls für Finanzwirtschaft und Finanzdienstleistungen an der Technischen Universität Dresden. Dr. Matthias Muck schloss sein Studium der Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Unternehmensführung im Herbst 2000 als Diplomkaufmann an der Wissenschaftlichen Hochschule für Unternehmensführung (WHU) - Otto Beisheim Hochschule ab. Im Sommer 2003 wurde er an der WHU aufgrund seiner Dissertationsschrift „Arbitragemodelle der Zinsstruktur: Implementation und Bewertung von Zinsderivaten" promoviert. Seitdem ist er als Wissenschaftlicher Assistent am Dresdner Bank Stiftungslehrstuhl für Finanzen von Professor Dr. Markus Rudolf und als Dozent an der WHU tätig. Seine Publikationen beschäftigen sich mit Zinsstrukturmodellen, Risikomanagement und Basel IL Prof. Dr. Werner Neus geb. 1959 in Bonn; Studium der Betriebswirtschaftslehre in Köln; Diplom 1985; 1984-1994 Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Herbert Hax am Lehrstuhl für Finanzierungslehre der Universität Köln; Promotion 1988; Habilitation 1994; 1993-1994 Lehrstuhlvertretungen in Bonn, Aachen und Tübingen; seit 1995 Inhaber des Lehrstuhls für Bankwirtschaft an der EberhardKarls-Universität Tübingen; Ruf an die Ruhr-Universität Bochum 1999; seit 1998 Mitglied des Vorstands der Deutschen Gesellschaft für Finanzwirtschaft (DGF); seit 2002 Mitglied des Vorstands der German Economic Association for Business Administration (GEABA); seit 1998 Sprecher des Graduiertenkollegs „Unternehmensentwicklung, Marktprozesse und Regulierung in dynamischen Entscheidungsmodellen". P D Dr. Bernhard Nietert ist seit 2003 wissenschaftlicher Oberassistent am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Finanzierung der Universität Passau. Sowohl Promotion (Thema: „Dynamische Portfolio Selektion") als auch Habilitation (Thema: „Theoretische Erklärungsansätze für die unternehmensinterne Steuerung von Risiken") erfolgten an der Universität Passau und
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Kurzlebensläufe der Autoren
wurden von Professor Dr. Jochen Wilhelm betreut. Die wichtigsten Forschungsgebiete von PD Dr. Bernhard Nietert sind Arbitrage- und Bewertungstheorie, Investitions- und Beteiligungs-Controlling, Portfolio Selektion und Risiko Management (http://www.wiwi.mii-passau.de/lehrstuehle/ wilhelm/wimitarb. html). Prof. Dr. Peter Nippel geb. 1963, Studium der Betriebswirtschaftslehre an den Universitäten Trier und Köln. Assistententätigkeit, Promotion und Habilitation in Köln. 1996 Lehrstuhlvertretung an der Universität Bonn, seit 1997 Inhaber des Lehrstuhls für Finanzwirtschaft an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Interessensgebiete: Unternehmensfinanzierung, Investitionstheorie. Prof. Dr. Andreas Oehler Jahrgang 1960, studierte in Mainz und Mannheim mit Abschluss DiplomKaufmann 1985 und promovierte an der Universität Mannheim zum Dr. rer. pol. 1989. Daran schloss sich eine kürzere Zeitspanne bei einer internationalen Unternehmensberatung in Frankfurt an. Von 1991 bis 1994 leitete Herr Oehler ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziertes Forschungsprojekt im Rahmen des Schwerpunktprogramms „Empirische Kapitalmarktforschung" und wurde im September 1994 an der FernUniversität Hagen im Fach Betriebswirtschaftslehre habilitiert. Seit Sommersemester 1994 hat Herr Oehler den Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Finanzwirtschaft, an der Universität Bamberg inne. Arbeits- und Interessengebiete sind: Finanz Wirtschaft, insbes. Finanzmärkte, empirische und experimentelle Finanzmarktforschung, Kreditrisikomanagement, Marktmikrostrukturtheorie sowie Behavioral Finance und Bankbetriebslehre, insbes. kundenorientierte Organisationsstrukturen, Multi-Channel Banking sowie Direct Banking. DipL-Ing. Sven Reichardt wurde 1975 in Goslar geboren. Nach Abitur und Wehrdienst studierte er an der TU Berlin Wirtschaftsingenieurwesen mit der Fachrichtung Technische Chemie. Seit 1998 arbeitet er am Lehrstuhl für Finanzierung und Investition der TU Berlin zunächst als Tutor bei Prof. Dr. Serfling und daran anschließend seit 2002 als wissenschaftlicher Mitarbeiter von Prof. Dr. Hirth. Sein Forschungsschwerpunkt liegt im Bereich Venture Capital. Prof. Dr. Markus Rudolf ist Ordinarius und Inhaber des Dresdner Bank Stiftungslehrstuhls für Finanzen an der WHU Otto-Beisheim-Hochschule sowie Leiter des Finanzzentrums an der WHU. Er ist seit 2000 Gastprofessor an der Wirtschaftsuniversität Wien. Er promovierte im Herbst 1994 und habilitierte sich im Mai 1999 an der Universität St. Gallen. Unter anderem verbrachte er Forschungsaufenthalte an der University of Cahfornia at Los Angeles (UCLA), an der Uni-
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versity of British Columbia (UBC) in Vancouver und an der Kellogg Business School in Evanston, Illinois. Seine jüngsten Publikationen beschäftigen sich mit der Bewertung von Wachstumsunternehmen, Surplus Management und Zinsstrukturmodellen. Er ist zudem akademischer Direktor der „Campus for Finance Neujahrskonferenz". Außerdem ist er Co-Editor der Zeitschrift „Financial Markets and Portfolio Management" und akademischer Direktor der jährlichen Konferenz der Schweizerischen Gesellschaft für Finanzmarktforschung (SGF). Prof. Dr. Bernd Rudolph Banklehre; Studium der Volks- und Betriebswirtschaftslehre in Bonn; Promotion zum Dr. rer. pol. und Habilitation an der Universität Bonn. Von 1979 bis 1993 Professor an der Universität Frankfurt, seit 1993 Universitätsprofessor an der Universität München: Institut für Kapitalmarktforschung und Finanzierung. Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Instituts für Bankhistorische Forschung, Frankfurt a. M. und des Deutschen Aktieninstituts, Frankfurt a. M.; Mitglied des Verwaltungsrats des ifo-Instituts, München; verschiedene Aufsichtsrats- und Beiratsmandate in deutschen Unternehmen. Herausgeber der Schriftenreihe Risikomanagement und Finanzcontrolling, Mitherausgeber der Untersuchungen über das Spar-, Giro- und Kreditwesen sowie der Schriften zur quantitativen Betriebswirtschaftlehre. Geschäftsführender Herausgeber der Zeitschrift Kredit und Kapital, Mitherausgeber der Zeitschrift Perspektiven der Wirtschaftspolitik des Vereins für Sozialpolitik. Prof. Dr. Klaus Sandmann ist seit 2002 Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Rheinischen Friedrich- Wilhelms- Universität Bonn. Nach dem Abschluss des Studiums der Mathematik an der Universität des Saarlandes 1986, erfolgte 1990, unter seinem akademischen Lehrer Dieter Sondermann, die Promotion zum Dr. rer. pol. an der Universität Bonn. Die Dissertationsschrift zur Bewertung von Zinssatzoptionen wurde 1991 mit dem GEFRUB- und 1992 mit dem GMÖORPreis ausgezeichnet. 1996 erfolgte die Habilitation an der Universität Bonn. 1996 wurde er als Professor für Betriebswirtschaftslehre an die Johannes Gutenberg- Universität Mainz berufen, wo er bis 2002 lehrte. Die wichtigsten Forschungsgebiete betreffen die Finanzmarkttheorie, insbesondere die Bewertung exotischer Optionen, die Modellierung der Zinsunsicherheit sowie die Untersuchung fondsgebundener Lebens- und Rentenversicherungen. Zu den wichtigsten Beiträgen gehört die Entwicklung des LIBOR Market Modells. Er ist Autor eines Lehrbuchs zur Stochastik der Finanzmärkte. Seine wissenschaftlichen Arbeiten wurden veröffentlicht u. a. in der Zeitschrift für Betriebswirtschaft, im Journal of Financial and Quantitative Analysis, in Finance and Stochastics, in Mathematical Finance und im Journal of Finance.
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Prof. Dr. Thomas Schildbach geb. 1945, ist seit 1981 Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Revision und Unternehmensrechnung an der Universität Passau. Er hat an der Universität zu Köln Betriebswirtschaftslehre studiert und dort auch in diesem Fach promoviert (1973) sowie sich habilitiert (1979). Seine Forschungsgebiete sind die Entscheidungstheorie, das interne und das externe Rechnungswesen, die Unternehmensbewertung und die Theorie der Prüfung (www.wiwi.uni-passau.de/lehrstuehle/schildbach/index.html). Dr. Hendrik Scholz ist wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Finanzierung und Bankbetrieblehre an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt in Ingolstadt. Nach der Berufsausbildung zum Bankkaufmann studierte Hendrik Scholz Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftspädagogik an der Universität Göttingen. Vor seinem Wechsel nach Ingolstadt promovierte er dort zum Thema „Performanceanalyse von Aktieninvestment fonds" und war wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Betriebswirtschaftliche Geldwirtschaft. Prof. Dr. Gerhard Speckbacher 1985-1990 Studium der Wirtschaftsmathematik und Begleitstudium der Philosophie an der Universität Ulm, Diplom-Wirtschaftsmathematiker (Dipl. Math.oec), 1992 Promotion zum Dr. rer. pol., 1997 Habilitation und Lehrbefugnis für Wirtschaftswissenschaften, 1997-1998 Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Internes Rechnungswesen und Controlling an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald. 1999 Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Unternehmensrechnung an der Kathohschen Universität Eichst ätt-Ingolstadt. Seit April 2000 Professor für Unternehmensführung und Vorstand des Instituts für Unternehmensführung an der Wirtschaftsuniversität Wien. DipL-Math. oec. Markus O. Starck, M.Sc. ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am CoFaR Center of Finance and Risk Management an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Er studierte Wirtschaftsmathematik an der Universität Karlsruhe und Apphed Mathematics an der University of Massachusetts at Amherst, MA, USA. Im Rahmen seiner Dissertation beschäftigt sich Herr Starck mit Reduktionsmodellen zur Kreditderivatebewertung und mit der Portfolio-Optimierung beim Index Tracking. Prof. Dr. Manfred Steiner ist Inhaber des Lehrstuhls für Finanz- und Bankwirtschaft der Universität Augsburg. Nach mehrjähriger Tätigkeit im Bankwesen studierte er Betriebswirtschaftslehre an der Universität München und promovierte und habilitierte an der Universität Augsburg. Er erhielt zahlreiche Berufungen an Universitäten im deutschsprachigen Raum. Vor seiner Tätigkeit in Augsburg lehrte
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er an der Universität Münster. Er ist der Verfasser bekannter Lehrbücher aus dem Bereich der Finanzwirtschaft und des Wertpapiermanagements. Forschungsschwerpunkte, die sich in zahlreichen Veröffentlichungen niedergeschlagen haben, sind empirische Kapitalmarktforschung, Computational Finance, Risikomanagement und Bewertung von Finanzinstrumenten. Er ist Mitglied im Arbeitskreis „Finanzierungsrechnung" der Schmalenbachgesellschaft, Ges. für Betriebswirtschaft und im Organisationskomitee der internationalen Konferenz „Computational Finance". Prof. Dr. Peter Steiner Geboren am 19.12.1951 in Wien. 1970-1975 Studium Wirtschaftsingenieurwesen/Maschinenbau an der Technischen Universität Graz; 1975-1981 Studium Betriebswirtschaftslehre an der Karl Franzens Universität Graz und Sponsion zum Mag.rer.soc.oec. sowie 1985 Promotion zum Dr.rer.soc.oec. 1989 Habilitation und venia legendi für das Fach Betriebswirtschaftslehre. Im Wintersemester 1990/91 Vertretung der C4 Professur „Finanzierung und Banken" an der Universität Osnabrück. 1991-1994 an der Wirtschaftsuniversität Wien; Leiter des Extraordinariats ABWL/DCF (Department of Corporate Finance). 1995-1997 an der Universität Ulm, Fakultät für Mathematik und Wirtschaftswissenschaften; Leiter der Abteilung „FinanzWirtschaft". Seit 1997 an der Karl Franzens Universität Graz, Vorstand des Instituts für „Banken und Finanzierung". Member der European Finance Association und der Southern und Southwestern Finance Association; Mitglied der German Finance Association; Gründer (gemeinsam mit Prof. Dr. H. Uhlir) der Austrian Working Group on Banking and Finance; Vorstandsmitglied der Österreichischen Bankwissenschaftlichen Gesellschaft; Fachvorsitzender der wissenschaftlichen Abteilung Forum für Bankmanagement; Schriftleiter des Bankarchiv. Wichtigste Publikationen: Beiträge in Fachzeitschriften, insbesondere aus den Bereichen des Corporate Finance und der Security Analysis. Sein Buch „Wertpapieranalyse" befindet sich bereits in der fünften Auflage, die Monographie „Betriebliche Finanzierung" wird voraussichtlich 2005 erscheinen. Hauptarbeitsgebiete stellen Themen aus Bewertungstheorie, Corporate Finance, Financial Economics, Informationsökonomik und Wertpapieranalyse dar. Prof. Dr. Erik Theissen Jahrgang 1965, lehrt Finanzwirtschaft an der Rheinischen Friedrich WilhelmsUniversität Bonn. Nach einer Banklehre und dem Studium der Betriebswirtschaft an der Justus-Liebig-Universität Gießen promovierte er 1997 an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt. Nach einem zwischenzeitlichen einjährigen Forschungsaufenthalt an der HEG, Jouy-en-Josas / Frankreich habilitierte er sich 2001 ebenfalls in Frankfurt. Seit April 2001 ist er ordentlicher Professor für Betriebswirtschaftslehre in Bonn. Seine Hauptforschungsgebiete
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sind die Organisation von Wertpapiermärkten und allgemein die empirische Kapitalmarktforschung. Prof. Dr. Siegfried Trautmann ist Inhaber des Lehrstuhls für Finanzwirtschaft an der Johannes GutenbergUniversität Mainz. Er studierte an der Universität Karlsruhe Wirtschaftsingenieurwesen mit dem Schwerpunkt Operations Research und Informatik. Nach Promotion und Habilitation an der Universität Karlsruhe lehrte er bis August 1990 an den Universitäten Karlsruhe, Bonn und Stuttgart. Er war Gastprofessor an der Universität Basel und dem lAS Wien sowie Gastwissenschaftler an der Cornell University und der UCLA. Sein Forschungsinteresse gilt insbesondere der Preisbildung und der Absicherung von Finanzderivaten in vollständigen und unvollständigen Finanzmärkten, der Portefeuilleoptimierung und der Performancemessung. Er hat dazu eine Reihe von Arbeiten in Fachzeitschriften (u. a. European Finance Review, Journal of Banking and Finance, Mathematical Methods of Operations Research) veröffentlicht. Prof. Dr. Ralf Trost Studium der Mathematik an der TH Darmstadt (Diplom 1985); wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Statistik der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Augsburg (Dr. rer. pol. 1989); Wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Statistik der Wirtschaftsund Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Augsburg (Dr. rer. pol. habil. 1995); Vertretung Professur „Controlling" an der Universität Ulm (Sommersemester 1991); Vertretung Professur „Betriebswirtschaftslehre (Quantitative Methoden)" an der Universität Bielefeld (Sommersemester 1995); Inhaber der Professur „Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbes. Finanzwirtschaft/Investition" und Leiter des Fachgebietes „Finanz Wirtschaft/Investition" an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Technischen Universität Ilmenau (seit Wintersemester 1995/1996) F D Dr. Niklas Wagner studierte Wirtschafts- und Sozialwissenschaften mit quantitativem Schwerpunkt in Augsburg, anschließend 1998 Promotion zum Dr. rer. pol. (Universität Augsburg). Von 1998 bis 2000 Post-Doc in den U.S.A. (U.C. Berkeley und Stanford University). 2004 Habilitation im Fach Betriebswirtschaftslehre (TU-München). Tätigkeiten als Hochschulassistent (TU-Dresden und TU-München). Praxiserfahrung als Mitarbeiter der HypoVereinsbank AG. VeröflFentlichungen u. a. im Journal of Banking and Finance, Journal of Empirical Finance, Statistical Papers, OR Spectrum. Gutachter für internationale Fachzeitschriften. Mitgliedschaften u.a.: AFA, DGF, GOR. Prof. Dr. Jack Wahl ist Inhaber des Lehrstuhls für Investition und Finanzierung an der Universität Dortmund. Er ist Diplom-Kaufmann der Universität Saarbrücken, promovier-
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te an der Universität Gießen und habilitierte sich an der Universität Konstanz. Neben einer mehrjährigen Tätigkeit in einem Sonderforschungsbereich war er Visiting Scholar am MIT und Visiting Assistant Professor of Finance an der University of Michigan Business School. Seine Forschungsinteressen liegen in Fragestellungen zur Risikogestaltung bei Banken und Unternehmen, zum Unternehmenshedging, zur Risikoaversion und zur Informationseffizienz. Prof. Dr. Marco Wilkens ist Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Finanzierung und Bankbetriebslehre an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt in Ingolstadt. Nach seiner Ausbildung zum Bankkaufonann und anschließender zweijähriger Berufspraxis studierte er an der Hochschule für Wirtschaft und Politik und an der Universität Hamburg Betriebswirtschaftslehre. Nach seiner Promotion wechselte er an die Universität Göttingen, wo er sich habilitierte und bis zum Wechsel nach Ingolstadt am Institut für Betriebswirtschaftliche Geldwirtschaft tätig war.
Verzeichnis der Veröffentlichungen von Jochen Wilhelm
Monographien Objectives and Multi-Objective Decision Making Under Uncertainty, in: Lecture Notes in Economics and Mathematical Systems, Springer Verlag, Berlin et al., 1975. Finanztitelmärkte und Unternehmensfinanzierung, in: Heidelberger betriebswirtschaftliche Studien, Springer Verlag, Berlin et al., 1983. Arbitrage Theory, in: Lecture Notes in Economics and Mathematical Systems, Springer Verlag, Berlin et al., 1985.
Aufsätze in Zeitschriften, Sammelwerken, Tagungsbänden u n d Festschriften (mit Pandel, G.): Rational Solution Principles and Information Requirements as Elements of Multiple Criteria Decision Making, in: Thieriez,H./Zionts, S. (Hrsg.): Multiple Criteria Decision Making - Jouy-enJosas, France, 1975, Berhn-Heidelberg-New York, 1976, S. 215-230. Der effektive Jahreszins - Begriff, Bedeutung und Rechentechnik, in: Teilzahlungswirtschaft 23, 1976, S. 12-15. Ein verallgemeinertes Konzept von Lösungsprinzipien für Entscheidungsprobleme bei mehrfacher Zielsetzung, in: Dathe, H. N. et al. (Hrsg.): Proceedings in Operations Research 1976, Physica-Verlag, Würzburg-Wien, 1976, S. 123-133.
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(mit Pandel, G.): Zur Entscheidungstheorie bei mehrfacher Zielsetzung (wiederabgedruckt in russischer Sprache in: Statistitscheskie Modell, Moskau, 1979, S. 215-230), in: Zeitschrift für Operations Research 20, 1976, S. 1-21. (mit Pandel, G.): Dwa algorithma reschenija sadatschi vektornoj optimiszii (Zwei Lösungsalgorithmen für das Vektormaximumproblem), Wiederabdruck in: Two algorithms for solving vector-optimization problems, in: Plenum Pubhshing Corporation, Jg. 1977, S. 1721-1727, in: Avtomatika y Telemechanika Heft 11, 1976, S. 109-117. Generalized Solution Principles and Outranking Relations in Multi-Criteria Decision-Making, in: European Journal of Operational Research 1, 1977, S. 376-385. Risikohorizont und Kreditspielraum, in: Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Porschung 29, 1977, S. 117-127. Zur Diskussion über das Bernoulli Prinzip - Anmerkungen zu einem Aufsatz von Bitz und Rogusch, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft 47, 1977, S. 203-205. Zur Bewertung von Optionen und Optionsscheinen (Warrants), in: Kredit und Kapital 11, 1978, S. 497-516. Multiperiod Portfolio Selection and Capital Asset Pricing, in: Pandel, G./Gal, T. (Hrsg.): Multiple Criteria Decision Making - Theory and Application, Springer Verlag, Berlin-Heidelberg-New York, 1980, S. 487-510. Zum Verhältnis von Capital Asset Pricing Model, Arbitrage Pricing Theory und Bedingungen der Arbitragefreiheit von Pinanzmärkten, in: Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Porschung 33,1981, S. 891-905. Bilanzpolitik, Mehrperiodendiversifikation und kapitaltheoretische Unternehmenswerte - Anmerkungen zu dem gleichnamigen Beitrag von Klaus Spremann und Günther Bamberg -, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft 52, 1982, S. 863-867. Die Bereitschaft der Banken zur Risikoübernahme im Kreditgeschäft, in: Kredit und Kapital 15, 1982, S. 572-601. Arbitrage, Transaction Costs, and the Structure of Asset Returns, in: Göppl, H./Henn, R. (Hrsg.); Geld, Banken und Versicherungen, 1982/Band I, Verlag Versicherungswirtschaft e.V., Karlsruhe, 1983, S. 651-666. Die Risikostruktur der Zinssätze - Eine Anwendung der Theorie der Pinanztitelmärkte, in: Mazanec, J./Scheuch, P. (Hrsg.), Marktorientierte Unternehmensführung, Pachverlag an der Wirtschaftsuniversität Wien, Wien, 1984, S. 111-131.
Verzeichnis der Veröffentlichungen von Jochen Wilhelm
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Marktwertmaximierung - Ein didaktisch einfacher Zugang zu einem Grundlagenproblem der Investitions- und Finanzierungstheorie, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft 53, 1983, S. 516-534. A Consistent Model for the Pricing of Derivative Assets in a Discrete Time Framework, in: Bamberg, G./Spremann,K. (Hrsg.): Risk and Capital, Springer Verlag, Berlin et a l , 1984, S. 122-137. Bernoulli-Prinzip - und kein Ende? in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft 55, 1985, S. 635-639. Die Vorteilhaftigkeit des Leasing aus finanzierungstheoretischer Sicht, in: Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung 37, 1985, S. 485-499. Zum Verhältnis von Höhenpräferenz und Risikopräferenz - Eine theoretische Analyse, in: Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung 38, 1986, S. 467-492. On Stakeholders' Unanimity, in: Bamberg, G./Spremann,K. (Hrsg.): Agency Theory, Information, and Incentives, Springer Verlag, Berlin-Heidelberg, 1987, S. 179-204. Arbitrageorientierte Bewertung von Finanztiteln: Eine Neuformulierung, in: Heilmann,W.-R. et al. (Hrsg.): Geld, Banken und Versicherungen, 1987/Band H, Verlag Versicherungswirtschaft e.V., Karlsruhe, 1988, S. 1155-1177. Der Teilwert und seine Ermittlung auf der Grundlage des GümbelAlgorithmus' - Eine arbitrage-theoretische Analyse, in: Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschafthche Forschung 40, 1988, S. 360-369. Erwartungsstruktur und bestandsökonomische Darstellung aus kapitalmarkttheoretischer Sicht, in: Rudolph, B./Wilhelm, J. (Hrsg.): Bankpolitik, finanzielle Unternehmensführung und die Theorie der Finanzmärkte - Festschrift für Hans-Jacob Krümmel zur Vollendung des 60. Lebensjahres, Duncker & Humblot, Berlin, 1988, S. 475-500. Spurensuche: Neoklassische Elemente in der „neuen" Finanzierungstheorie, in: Ordelheide, D./Rudolph, B./Büsselmann,E. (Hrsg.): Betriebswirtschaftslehre und Ökonomische Theorie - Tagungsband der Jahrestagung des Verbandes für Hochschullehrer für Betriebswirtschaft e.V. in Frankfurt am Main 1990, Stuttgart, 1991, S. 173-196. Fristigkeitsstruktur und Zinsänderungsrisiken - Vorüberlegungen zu einer Markowitz-Theorie des Bond-Portfolio-Managements, in: Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschafthche Forschung 44/3, 1992, S. 209-246.
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Verzeichnis der Veröffentlichungen von Jochen Wilhelm
(mit Brüning, L.): Die Fristigkeitsstruktur der Zinssätze: Theoretisches Konstrukt und empirische Evaluierung - Untersuchung mit Daten des Kapitalmarktes der Bundesrepublik Deutschland, in: Kredit und Kapital 25/2, 1992, S. 259-294. (mit Steiner, J.): Hypothekenversicherung versus Bankhypothek zur Finanzierung privat genutzten Wohneigentums - ein Vorteilhaftigkeitsvergleich, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft 68, 1998, S. 49-70. A fresh view on the Ho-Lee model of the term structure from a stochastic discounting perspective - Eine Neubetrachtung des Ho-Lee-Modells der Zinsstruktur aus Sicht des stochastischen Diskontierens, in: Kürsten,W./Wilhelm, J. (Hrsg.), Finance and Banking, Sonderheft OR Spektrum, Springer-Verlag, 1999, Vol. 21/1-2, S. 9-34. Das Gaußsche Zinsstrukturmodell - Eine Analyse auf der Basis von Wahrscheinlichkeitsverteilungen, in: Schmidt,H./Ketzel,E./Prigge,S. (Hrsg.): Wolfgang Stützel - Moderne Konzepte für Finanzmärkte, Beschäftigung und Wirtschaftsverfassung, J. C. B. Mohr (Paul Siebeck), Tübingen, 2001, S. 245-269. Unternehmensbewertung - Eine finanzmarkttheorethische Untersuchung, erscheint in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft 75, Heft 6, 2005. Bemerkungen über Kapitalkosten vor und nach Steuern - Anmerkungen zu dem gleichnamigen Beitrag von Kruschwitz und Löffler, erscheint in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft 75, 2005. Replik zu Kruschwitz und Löffler, erscheint in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft 75, 2005. (mit Nietert,B.): Non-Negativity of Riskless Interest Rates, Arbitrage Theory, and the Null-Alternative Cash, erscheint in: Finance Letters, 2005.
Handbuchartikel Ausschüttungspolitik, in: Wittmann, W. et al. (Hrsg.): Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, Teilband 1 A-H, 5. Auflage, Schäffer-Poeschel Verlag, Stuttgart, 1993, Sp. 213-227. Zinsstruktur, in: Gerke,W./Steiner,M. (Hrsg.): Handwörterbuch des Bankund Finanzwesens, 2. Überarb. und erw. Auflage, Schäffer-Poeschel Verlag, Stuttgart, 1995, Sp. 2051-2060.
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Capital Asset Pricing Model, in: Bühner, R. (Hrsg.): Management-Lexikon, R. Oldenbourg Verlag, München-Wien, 2001, S. 129-131. Kapitalmarkttheorie, in: Bühner, R. (Hrsg.): Management-Lexikon, R. Oldenbourg Verlag, München-Wien, 2001, S. 407-409. Zinsstruktur, in: Gerke, W./Steiner,M. (Hrsg.): Handwörterbuch des Bankund Finanzwesens, 3. Auflage, Schäffer-Poeschel Verlag, Stuttgart, 2001, Sp. 2357-2366.
Buchbesprechungen Bohr,K./Drukarczyk, J./Drumm,H./Scherrer, G. (Hrsg.): Unternehmensverfassung als Problem der Betriebswirtschaftslehre (Tagungsband des Verbandes der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft Regensburg 1981), in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft 54, 1984, S. 922-927 (Besprechung mit H. Bruse). Süchting, J.: Bankmanagement, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft 54, 1984, S. 627-629. Müller, S.: Arbitrage Pricing of Contingent Claims, in: Journal of Instititutional and Theoretical Economics 142, 1986, S. 642-643. Kischka, R: Bestimmung optimaler Portfolios bei Ungewißheit, in: Journal of Economics 46, 1986, S. 334-335. Kobold, K.: Interest Futures Markets and Capital Market Theory, in: Journal of Institutional and Theoretical Economics 143, 1987, S. 688-689. Devinney, T. M.: Rationing in an Theory of the Banking Firm, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft 57, 1987, S. 435-436. Bromiley, R: Corporate Capital Investment - A Behavioral Approach, in: Journal of Economics 48, 1988, S. 105-107. Fischer, E. O.: Dynamische Kapitalstrukturoptimierung unter Unsicherheit: Theorie und Empirie, in: Zeitschrift für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften 110, 1990, S. 609-610. Büschgen, H.: Zinstermingeschäfte, in: Journal of Institutional and Theoretical Economics 146, 1990, S. 387-388. Franke, G./Hax,H.: Finanzwirtschaft des Unternehmens und Kapitalmarkt, in: Kredit und Kapital 23, 1990, S. 284-286.
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Loistl, O.: Kapitalmarkttheorie, in: Kredit und Kapital 26, 1993, S. 329-332. Schöbel,R.: Kapitalmarkt und zeitkontinuierliche Bewertung, in: Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung 50, 1998, S. 501-503 (Besprechung mit B. Nietert).
Sonstige Beiträge Diskussionsergebnisse des Arbeitskreises B2, Tagung Bankmanagement für neue Märkte 1986, in: Krümmel,H.J./Rudolph, B. (Hrsg.): Bankmanagement für neue Märkte, Frankfurt/M., 1987, S. 174-176. Diskussionsergebnisse des Arbeitskreises A2, Tagung Finanzintermediation und Risikomanagement 1988, in: Krümmel, H. J./Rudolph, B. (Hrsg.): Finanzintermediation und Risikomanagement, Frankfurt/M., 1989, S. 131132. Leasing aus finanztheoretischer Sicht (Vortrag anläßlich der Fachtagung „Leasing in Theorie und Praxis" in Köln 1988), in: Mitteilungen und Berichte Nr. 7 (1989) des Forschungsinstituts für Leasing an der Universität zu Köln, 1989, S. 11-33. Diskussionsergebnisse des Arbeitskreises B2, Tagung Corporate Finance 1990, in: Krümmel, H. J./Rudolph, B. (Hrsg.): Corporate Finance, Frankfurt/M., 1991, S. 169-172.
Herausgeberschaften BankpoUtik, finanzielle Unternehmensführung und die Theorie der Finanzmärkte - Festschrift für Hans-Jacob Krümmel zur Vollendung des 60. Lebensjahres (hrsg. mit B. Rudolph), Duncker & Humblot, Berlin. Finance and Banking (hrsg. mit W. Kürsten), Sonderheft OR Spektrum, Springer-Verlag 1999. Die Dimensionierung des Unternehmens (hrsg. mit R. Bühner und K.D. Haase), SchäflFer-Poeschel Verlag, Stuttgart 1995.