Gernot Brähler Internationales Steuerrecht
Gernot Brähler
Internationales Steuerrecht Grundlagen für Studium und Ste...
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Gernot Brähler Internationales Steuerrecht
Gernot Brähler
Internationales Steuerrecht Grundlagen für Studium und Steuerberaterprüfung 6., vollständig überarbeitete Auflage Unter Mitarbeit von: Theresa Friedrich
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Univ.-Prof. Dr. habil. Gernot Brähler, Steuerberater, ist Fachgebietsleiter des Lehrstuhls für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Steuerlehre/Prüfungswesen, am Institut für Betriebswirtschaftslehre der Technischen Universität Ilmenau.
1. Auflage 2003 . . 4. Auflage 2008 5. Auflage 2009 6. Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010 Lektorat: Jutta Hauser-Fahr / Renate Schilling Gabler Verlag ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: Ten Brink, Meppel Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in the Netherlands ISBN 978-3-8349-2194-9
Vorwort zur 6. Auflage Sowohl das nationale als auch das internationale Steuerrecht gewinnen zunehmend an Komplexität. Im Rahmen des nationalen Steuerrechts werden unter dem Deckmantel der Steuervereinfachung erhebliche Verkomplizierungen des Steuerrechts bewirkt. Als Beispiel hierfür sei die misslungene Ausgestaltung der Abgeltungssteuer zu nennen. Die Verkomplizierung nationaler Vorschriften muss auch im Internationalen Steuerrecht nachvollzogen werden und führt zu einer beachtlichen Zunahme der notwendigen Fallunterscheidungen. Im internationalen Steuerrecht selbst muss insbesondere die aktuelle Rechtsprechung des EuGH beachtet werden, die erheblichen Einfluss auf das inländische Recht nimmt. Hier wird zurzeit insbesondere die Problematik der grenzüberschreitenden Verlustverrechnung heftig diskutiert. Aufgrund der hohen Komplexität und Änderungsgeschwindigkeit des Internationalen Steuerrechts ist es das Hauptanliegen dieses Lehrbuches, die Problembereiche grundlegend und nachvollziehbar darzustellen, um so ein Verständnis für internationale Sachverhalte zu schaffen. Zu diesem Zweck werden zahlreiche Abbildungen und zusammenfassende Darstellungen verwendet, die die Systematiken und Grundprinzipien des Internationalen Steuerrechts verdeutlichen. Viele Beispiele und Abschlussfälle dienen dabei der Überprüfung und Vertiefung des erworbenen Wissens. Im letzten Kapitel werden darüber hinaus die wichtigsten Urteile des EuGH in Kurzform aufbereitet und prüfungsbezogen präsentiert. Durch die Zunahme der Bedeutung des Internationalen Steuerrechts sowohl in der Theorie als auch in der Praxis ergibt sich eine große Wichtigkeit von Kenntnissen im internationalen Steuerrecht auch für die Steuerberaterprüfung. Der Steuerberateranwärter muss davon ausgehen, dass in den Teilbereichen Ertragsteuerrecht und Bilanzsteuerrecht mindestens ein Sachverhalt dem Internationalen Steuerrecht gewidmet ist. Kenntnisse des Aufbaus und der Funktionsweise von Doppelbesteuerungsabkommen sowie die Fähigkeit, ausgehändigte Auszüge eines Doppelbesteuerungsabkommens schnell erfassen und anwenden zu können, werden ebenfalls erwartet. Ich hoffe, dass die einhellig positiven Erfahrungsberichte der Leser der Vorauflagen bezüglich der Prüfungsaufgaben zum Internationalen Steuerrecht auch durch die Leser dieser 6. Auflage fortgesetzt werden können. Für die wertvolle Mithilfe bei der Formatierung und der technischen Umsetzung der Abbildungen und grafischen Darstellungen danke ich Herrn Dipl.-Kfm. Christoph Scholz herzlich. Das Buch basiert auf dem Rechtsstand 01. Januar 2010. Gernot Brähler
Inhaltsverzeichnis
VII
Inhaltsverzeichnis Vorwort ................................................................................................................................ V Abbildungsverzeichnis ................................................................................................... XIX Abkürzungs- und Symbolverzeichnis .......................................................................... XXV
KAPITEL I: 1
GRUNDZÜGE DES INTERNATIONALEN STEUERRECHTS
Prinzipien des Internationalen Steuerrechts.............................................................. 1 1.1 Bedeutung des Internationalen Steuerrechts.......................................................... 1 1.2 Begriff des Internationalen Steuerrechts ............................................................... 1 1.3 Grundsätze des Internationalen Steuerrechts ......................................................... 3 1.3.1 Das Souveränitätsprinzip und seine Grenzen .................................................. 3 1.3.2 Prinzipien der Besteuerung .............................................................................. 3 1.3.2.1 Anknüpfungsmerkmale (Besteuerung dem Grunde nach) .......................... 3 1.3.2.1.1 Anknüpfung an die Person des Steuerpflichtigen ................................. 4 1.3.2.1.2 Anknüpfung an das Steuergut .............................................................. 4 1.3.2.1.3 Anknüpfung an den Verbrauch............................................................. 4 1.3.2.1.4 Anknüpfung an Transaktionen ............................................................. 4 1.3.2.2 Sachlicher Umfang (Besteuerung dem Umfang nach) ................................ 5 1.3.3 Anwendung der Grundsätze im nationalen Außensteuerrecht ......................... 7 1.3.3.1 Definition des nationalen Außensteuerrechts .............................................. 7 1.3.3.1.1 Regelungskreise.................................................................................... 7 1.3.3.1.2 Grundlagen der Besteuerung in Deutschland ....................................... 7 1.3.3.2 Anknüpfungsmerkmale im nationalen Außensteuerrecht ........................... 9 1.3.3.2.1 Unbeschränkte Steuerpflicht im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht........................................................................ 9 1.3.3.2.1.1 Wohnsitz ...................................................................................... 9 1.3.3.2.1.2 Gewöhnlicher Aufenthalt ........................................................... 11 1.3.3.2.1.3 Sitz ............................................................................................. 11 1.3.3.2.1.4 Geschäftsleitung ......................................................................... 12 1.3.3.2.2 Beschränkte Steuerpflicht im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht...................................................................... 13 1.3.3.2.2.1 Voraussetzungen ........................................................................ 13 1.3.3.2.2.2 Isolierende Betrachtungsweise ................................................... 14 1.3.3.2.2.3 Objektcharakter .......................................................................... 16
VIII 2
Inhaltsverzeichnis Doppelbesteuerung ..................................................................................................... 16
2.1 Formen der Doppelbesteuerung .......................................................................... 16 2.1.1 Juristische Doppelbesteuerung ...................................................................... 17 2.1.2 Wirtschaftliche Doppelbesteuerung ............................................................... 17 2.1.3 Virtuelle Doppelbesteuerung ......................................................................... 18 2.2 Ursachen der Doppelbesteuerung ........................................................................ 19 2.3 Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ............................................ 20 2.3.1 Überblick ....................................................................................................... 20 2.3.2 Maßnahmenkatalog........................................................................................ 22 2.3.3 Regelungen für natürliche Personen .............................................................. 24 2.3.3.1 Grundlagen der Besteuerung natürlicher Personen in Deutschland .......... 24 2.3.3.1.1 Definition von Einkünften aus Kapitalvermögen ............................... 24 2.3.3.1.2 Besteuerung von laufenden Einkünften aus Kapitalvermögen ........... 25 2.3.3.1.3 Besteuerung von Veräußerungsgewinnen .......................................... 30 2.3.3.2 Unilaterale Maßnahmen ............................................................................ 33 2.3.3.2.1 Methode der direkten Steueranrechnung ............................................ 34 2.3.3.2.1.1 Direkte Steueranrechnung bei zu veranlagenden Einkünften .... 34 2.3.3.2.1.2 Direkte Steueranrechnung bei Kapitaleinkünften im Privatvermögen .......................................................................... 44 2.3.3.2.1.3 Direkte Steueranrechnung im Halb- bzw. Teileinkünfteverfahren ............................................................... 47 2.3.3.2.2 Steuerabzugsmethode ......................................................................... 48 2.3.3.2.2.1 Steuerabzugsmethode bei zu veranlagenden Einkünften ........... 49 2.3.3.2.2.2 Steuerabzugsmethode bei Kapitaleinkünften im Privatvermögen .......................................................................... 52 2.3.3.2.2.3 Steuerabzugsmethode im Halb- bzw. Teileinkünfteverfahren ............................................................... 52 2.3.3.2.3 Pauschalierung und Erlass .................................................................. 54 2.3.3.2.4 Entscheidungsalternativen .................................................................. 57 2.3.3.3 Bilaterale Maßnahmen .............................................................................. 58 2.3.3.3.1 Mögliche Ansätze ............................................................................... 59 2.3.3.3.2 Vermeidung der Doppelbesteuerung im Wohnsitzstaat ..................... 59 2.3.4 Regelungen für juristische Personen.............................................................. 63 2.3.4.1 Grundlagen der Besteuerung juristischer Personen in Deutschland .......... 63 2.3.4.2 Unilaterale Maßnahmen ............................................................................ 63 2.3.4.2.1 Methode der direkten Steueranrechnung ............................................ 63 2.3.4.2.1.1 Direkte Steueranrechnung bei Nicht-Dividendeneinkünften ..... 64 2.3.4.2.1.2 Direkte Steueranrechnung bei Dividendeneinkünften ............... 65 2.3.4.2.2 Steuerabzugsmethode ......................................................................... 67 2.3.4.2.2.1 Steuerabzugsmethode bei Nicht-Dividendeneinkünften ............ 67 2.3.4.2.2.2 Steuerabzugsmethode bei Dividendeneinkünften ...................... 68 2.3.4.2.3 Pauschalierung.................................................................................... 68 2.3.4.3 Bilaterale Maßnahmen .............................................................................. 69
Inhaltsverzeichnis
IX
2.3.4.4 Vermeidung der Doppelbesteuerung im supranationalen Recht: Umsetzung der Mutter-Tochter-Richtlinie im nationalen Recht ............... 69 2.4 Behandlung negativer ausländischer Einkünfte................................................... 69 2.4.1 Kein DBA oder DBA mit Anrechnungsmethode .......................................... 70 2.4.2 DBA mit Freistellungsmethode ..................................................................... 73 3
Inbound-Besteuerung: Ausländer mit wirtschaftlichen Interessen im Inland ..... 75 3.1 Einführung in die Problematik ............................................................................ 75 3.2 Grenzpendler ....................................................................................................... 76 3.2.1 Diskriminierungsverbot ................................................................................. 76 3.2.2 Fiktive unbeschränkte Einkommensteuerpflicht ............................................ 77 3.3 Beschränkt steuerpflichtige Einkünfte ................................................................ 81 3.4 Steuererhebung bei beschränkt Steuerpflichtigen ............................................... 83 3.4.1 Steuerabzug ................................................................................................... 83 3.4.1.1 Überblick ................................................................................................... 83 3.4.1.2 Zum Steuerabzug verpflichtende Tatbestände (Abs. 1) ............................ 84 3.4.1.3 Höhe des Steuerabzugs (Abs. 2) ............................................................... 85 3.4.1.4 Berücksichtigung von Betriebsausgaben/Werbungskosten (Abs. 3) ......... 86 3.4.1.4.1 Alte Regelung bis einschließlich VZ 2008 ......................................... 86 3.4.1.4.2 Neue Regelung ab VZ 2009 ............................................................... 88 3.4.1.5 Steuerabzugsverfahren und Anordnung des Steuerabzugs durch das Finanzamt .................................................................................................. 91 3.4.1.6 DBA-Fall ................................................................................................... 91 3.4.1.7 Abgeltungswirkung ................................................................................... 91 3.4.2 Veranlagungsverfahren .................................................................................. 92 3.4.3 Beispiel zur Veranlagung bei beschränkt steuerpflichtigen Einkünften ........ 93 3.4.4 Sondervorschriften für die beschränkte Steuerpflicht im Veranlagungsfall ............................................................................................ 95 3.4.4.1 Einschränkung von Steuerermäßigungen .................................................. 96 3.4.4.2 Tarifvorschriften ....................................................................................... 96 3.4.4.3 Abschließendes Beispiel zur beschränkten Steuerpflicht .......................... 97
KAPITEL II: 1
FUNKTIONSWEISE VON DOPPELBESTEUERUNGSABKOMMEN
Einführung in das Recht der DBA .......................................................................... 101 1.1 1.2
Entwicklung und Bedeutung von Vertragsmustern ........................................... 101 Deutsche Abkommenspolitik ............................................................................ 105
X
Inhaltsverzeichnis
2
DBA als Völkerrecht: Rechtliche Besonderheiten ................................................. 108 2.1 Rechtliche Grundlagen ...................................................................................... 108 2.1.1 Definition und Rechtsnatur eines DBA ....................................................... 108 2.1.2 Zustandekommen eines DBA und Überleitung in nationales Recht ............ 110 2.2 Verhältnis von DBA-Recht zum nationalen Recht ............................................ 111 2.3 Auslegung der DBA .......................................................................................... 113 2.3.1 Auslegung nach völkerrechtlichen Grundsätzen.......................................... 113 2.3.2 Autonome Auslegung .................................................................................. 115 2.3.3 Abkommenseigene Auslegungsregel: Art. 3 Abs. 2 OECD-MA ................ 116
3
Analyse der Struktur des OECD-Musterabkommens .......................................... 117 3.1 Grundlegende Systematik des OECD-MA ........................................................ 117 3.1.1 Abkommensaufbau ...................................................................................... 117 3.1.2 Wirkungsweise der Abkommen................................................................... 119 3.1.2.1 Erläuterung der Schrankennormen .......................................................... 127 3.1.2.2 Erläuterung der Methodenartikel ............................................................ 131 3.1.2.3 Überblick über die Abgrenzung der Besteuerungsrechte nach dem OECD-MA .............................................................................................. 134 3.2 Anwendung der Abkommen ............................................................................. 136 3.2.1 Anwendungsbereich der Abkommen........................................................... 136 3.2.1.1 Persönlicher Anwendungsbereich (Art. 1 OECD-MA) ........................... 136 3.2.1.2 Sachlicher Anwendungsbereich (Art. 2 OECD-MA) .............................. 143 3.2.1.3 Räumlicher Anwendungsbereich (Art. 29 OECD-MA) .......................... 144 3.2.1.4 Zeitlicher Anwendungsbereich (Art. 30, 31 OECD-MA) ....................... 144 3.2.2 Anwendung der Schrankennormen (Art. 6-22 OECD-MA) ........................ 145 3.2.2.1 Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen (Art. 6 OECD-MA) .............. 145 3.2.2.2 Unternehmensgewinne (Art. 7 OECD-MA)............................................ 150 3.2.2.2.1 Überblick .......................................................................................... 150 3.2.2.2.2 Betriebsstättenbegriff (Art. 5 OECD-MA) ....................................... 150 3.2.2.2.3 Besteuerungsrecht für Unternehmensgewinne (Art. 7 Abs. 1 OECD-MA) ...................................................................................... 156 3.2.2.2.4 Gewinnzurechnung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte (Abs. 2-6) ......................................................................................... 159 3.2.2.2.5 Abgrenzung des Art. 7 OECD-MA zu den übrigen Schrankennormen ............................................................................. 164 3.2.2.3 Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Luftfahrt (Art. 8 OECD-MA)...... 165 3.2.2.4 Verbundene Unternehmen (Art. 9 OECD-MA) ...................................... 166 3.2.2.5 Dividenden (Art. 10 OECD-MA)............................................................ 167 3.2.2.6 Zinsen (Art. 11 OECD-MA) ................................................................... 177 3.2.2.7 Lizenzgebühren (Art. 12 OECD-MA)..................................................... 184 3.2.2.8 Gewinne aus der Veräußerung von Vermögen (Art. 13 OECD-MA) ..... 190 3.2.2.9 Selbständige Arbeit (Art. 14 OECD-MA a.F.) ........................................ 194 3.2.2.10 Einkünfte aus unselbständiger Arbeit (Art. 15 OECD-MA) ................... 194
Inhaltsverzeichnis
XI
3.2.2.11 Aufsichtsrats- und Verwaltungsratsvergütungen (Art. 16 OECD-MA) .. 199 3.2.2.12 Künstler und Sportler (Art. 17 OECD-MA) ............................................ 199 3.2.2.13 Ruhegehälter (Art. 18 OECD-MA) ......................................................... 202 3.2.2.14 Öffentlicher Dienst (Art. 19 OECD-MA) ............................................... 203 3.2.2.15 Studenten (Art. 20 OECD-MA) .............................................................. 205 3.2.2.16 Andere Einkünfte (Art. 21 OECD-MA) .................................................. 206 3.2.2.17 Vermögen (Art. 22 OECD-MA) ............................................................. 209 3.2.3 Anwendung der Methodenartikel (Art. 23 A und B OECD-MA) ............... 210 3.2.3.1 Freistellungsmethode (Art. 23 A OECD-MA) ........................................ 210 3.2.3.2 Anrechnungsmethode (Art. 23 B OECD-MA) ........................................ 214 3.2.4 Besondere Bestimmungen (Art. 24-28 OECD-MA).................................... 217
KAPITEL III: STEUERLICHE BEHANDLUNG VON DIREKTINVESTITIONEN 1
Die wichtigsten Formen einer grenzüberschreitenden Unternehmenstätigkeit ............................................................................................ 221 1.1 Aktivitäten ohne Stützpunkt im Ausland: Direktgeschäfte ............................... 222 1.2 Aktivitäten mit Stützpunkt im Ausland: Direktinvestitionen ............................ 223 1.2.1 Betriebsstätte ............................................................................................... 224 1.2.2 Tochterkapitalgesellschaft ........................................................................... 225 1.2.3 Tochterpersonengesellschaft........................................................................ 226
2
Direktinvestition in Form einer Betriebsstätte ...................................................... 228 2.1 Gründe für die Wahl einer Betriebsstätte .......................................................... 228 2.2 Leistungsaustausch zwischen Stammhaus und Betriebsstätte ........................... 229 2.2.1 Überführung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens in eine ausländische Betriebsstätte .......................................................................... 231 2.2.1.1 Gesetzliche Regelungen .......................................................................... 231 2.2.1.2 Ausblick .................................................................................................. 236 2.2.2 Überführung von Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens in eine ausländische Betriebsstätte .......................................................................... 237 2.2.3 Dienst- und Verwaltungsleistungen ............................................................. 238 2.2.4 Dotationskapital ........................................................................................... 240 2.2.4.1 Allgemeine Grundsätze ........................................................................... 240 2.2.4.2 Zuordnung der Verbindlichkeiten ........................................................... 241 2.3 Besteuerung von Gewinnen aus einer ausländischen Betriebsstätte.................. 243 2.3.1 Nicht-DBA-Fall ........................................................................................... 243 2.3.1.1 Allgemeine Grundsätze ........................................................................... 243 2.3.1.2 Gewerbesteuerliche Aspekte ................................................................... 244
XII
Inhaltsverzeichnis 2.3.1.3 Beispiel zur Besteuerung des Betriebsstättengewinns im Nicht-DBAFall .......................................................................................................... 246 2.3.1.3.1 Einzelunternehmen als Stammhaus .................................................. 246 2.3.1.3.2 Kapitalgesellschaft als Stammhaus .................................................. 249 2.3.1.4 Verluste im Nicht-DBA-Fall ................................................................... 250 2.3.2 DBA-Fall ..................................................................................................... 252 2.3.2.1 Allgemeine Grundsätze ........................................................................... 252 2.3.2.2 Gewerbesteuerliche Aspekte ................................................................... 253 2.3.2.3 Beispiel zur Besteuerung des Betriebsstättengewinns im DBA-Fall....... 253 2.3.2.3.1 Einzelunternehmen als Stammhaus .................................................. 253 2.3.2.3.2 Kapitalgesellschaft als Stammhaus .................................................. 254 2.3.2.4 Verluste im DBA-Fall ............................................................................. 256
3
Direktinvestition in Form einer Tochterkapitalgesellschaft ................................. 258 3.1 3.2
Gründe für die Wahl einer Tochterkapitalgesellschaft ...................................... 258 Besteuerung der Gewinne aus einer ausländischen Tochterkapitalgesellschaft ................................................................................. 259 3.2.1 Nicht-DBA-Fall ........................................................................................... 260 3.2.1.1 Natürliche Person als Gesellschafter ....................................................... 260 3.2.1.1.1 Dividenden ....................................................................................... 260 3.2.1.1.2 Veräußerungsgewinne ...................................................................... 263 3.2.1.1.3 Gewerbesteuerliche Aspekte ............................................................ 264 3.2.1.2 Kapitalgesellschaft als Gesellschafter ..................................................... 264 3.2.1.2.1 Dividenden ....................................................................................... 264 3.2.1.2.1.1 Bilanzielle Darstellung............................................................. 268 3.2.1.2.1.2 Beteiligung über eine Mitunternehmerschaft ........................... 271 3.2.1.2.1.3 Exkurs: § 8b Abs. 5 KStG a.F. ................................................. 272 3.2.1.2.2 Veräußerungsgewinne ...................................................................... 273 3.2.1.2.3 Gewerbesteuerliche Aspekte ............................................................ 274 3.2.2 DBA-Fall ..................................................................................................... 275 3.2.2.1 Natürliche Person als Gesellschafter ....................................................... 275 3.2.2.1.1 Dividenden ....................................................................................... 275 3.2.2.1.2 Veräußerungsgewinne ...................................................................... 279 3.2.2.1.3 Gewerbesteuerliche Aspekte ............................................................ 280 3.2.2.2 Kapitalgesellschaft als Gesellschafter ..................................................... 280 3.2.2.2.1 Dividenden ....................................................................................... 280 3.2.2.2.2 Veräußerungsgewinne ...................................................................... 283 3.2.2.2.3 Gewerbesteuerliche Aspekte ............................................................ 283 3.3 Behandlung des Solidaritätszuschlags im Internationalen Steuerrecht ............. 283 3.4 Sonderfall: Inbound-Investition in eine deutsche Kapitalgesellschaft............... 286 3.4.1 Ausländische natürliche Person als Gesellschafter ...................................... 286 3.4.1.1 Dividenden .............................................................................................. 286 3.4.1.2 Veräußerungsgewinne ............................................................................. 287
Inhaltsverzeichnis
XIII
3.4.2 Ausländische Kapitalgesellschaft als Gesellschafter ................................... 288 3.4.2.1 Dividenden .............................................................................................. 288 3.4.2.2 Veräußerungsgewinne ............................................................................. 290 3.4.3 Gesellschafter-Fremdfinanzierung............................................................... 291 3.4.3.1 Einführung der thin-capitalization-rules im Jahr 1994 ............................ 291 3.4.3.2 Anpassung des § 8a KStG im Jahr 2004 ................................................. 292 3.4.3.3 Einführung der Zinsschranke im Jahr 2008............................................. 300 4
Direktinvestition in Form einer Personengesellschaft .......................................... 321 4.1 4.2 4.3 4.4
Gründe für die Wahl einer Tochterpersonengesellschaft .................................. 321 Die Zinsschranke bei Personengesellschaften ................................................... 321 Thesaurierungsbegünstigung gem. § 34a EStG ................................................. 322 Die Behandlung von Sondervergütungen .......................................................... 324
5
Grenzüberschreitende Verrechnung von Verlusten ............................................. 329
6
Exkurs: Erbschaftsteuer im Internationalen Steuerrecht .................................... 332 6.1 Persönliche Steuerpflicht im Erbschaftsteuerrecht ............................................ 333 6.1.1 Unbeschränkte Steuerpflicht ........................................................................ 333 6.1.2 Beschränkte Steuerpflicht ............................................................................ 334 6.1.3 Erweitert beschränkte Steuerpflicht nach dem AStG .................................. 335 6.2 Vermeidung der Doppelbesteuerung ................................................................. 336 6.2.1 Nicht-DBA-Fall ........................................................................................... 337 6.2.2 DBA-Fall ..................................................................................................... 338 6.3 Grundlegende Systematik des OECD-MA im Bereich der Erbschaftsteuer...... 340 6.3.1 Anwendungsbereich des Abkommens ......................................................... 340 6.3.2 Abkommensaufbau ...................................................................................... 340 6.3.3 Besteuerungsrechte ...................................................................................... 341
KAPITEL IV: INTERNATIONALE STEUERPLANUNG MIT HOLDINGGESELLSCHAFTEN 1
Internationale Steuergestaltung durch den Einsatz von Holdinggesellschaften .............................................................................................. 344 1.1 Begriff und Merkmale einer Holding ................................................................ 344 1.1.1 Der Begriff der Holding............................................................................... 344 1.1.2 Wesensmerkmale und Typisierung von Holding-Arten .............................. 345 1.1.2.1 Funktionale Differenzierung: Die Führungs- und Finanzholding ........... 347 1.1.2.2 Hierarchische Differenzierung: Dach- und Zwischenholding ................. 349 1.1.2.3 Lokale Differenzierung: Auslands- und Landesholding ......................... 350
XIV
Inhaltsverzeichnis
1.1.3 Steuerrechtliche Holdingformen in Deutschland ......................................... 350 1.1.3.1 Voraussetzungen der ertrag- und umsatzsteuerlichen Organschaft ......... 351 1.1.3.2 Die Mehrmütterorganschaft .................................................................... 352 1.1.3.3 Exkurs: Österreichische Gruppenbesteuerung ........................................ 353 1.1.4 Rechtsformüberlegungen ............................................................................. 355 1.2 Rahmenbedingungen für Holdinggesellschaften im deutschen Steuerrecht ...... 357 1.2.1 Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten gem. § 42 AO............... 359 1.2.2 Anti-Treaty-/Anti-Directive-Shopping-Regelung des § 50d Abs. 3 EStG .. 364 1.2.3 Subject-to-tax-Klausel des § 50d Abs. 9 EStG ............................................ 368 1.2.4 Zinsschranke ................................................................................................ 371 1.3 Internationale Gestaltungsstrategien ................................................................. 373 1.3.1 Ziele der internationalen Steuerplanung ...................................................... 373 1.3.2 Repatriierungsstrategien .............................................................................. 376 1.3.2.1 Umleitung von Einkünften ...................................................................... 376 1.3.2.1.1 Reduktion von Quellensteuern ......................................................... 377 1.3.2.1.2 Vermeidung von Doppelbesteuerungen ........................................... 382 1.3.2.1.3 Reduktion von Anrechnungsüberhängen.......................................... 384 1.3.2.2 Umformung von Einkünften ................................................................... 387 1.3.2.2.1 Reduktion von Quellensteuern ......................................................... 388 1.3.2.2.2 Einkünfteerzielung in Niedrigsteuerländern ..................................... 389 1.3.2.3 Temporäre Abschirmung von Einkünften ............................................... 391 1.3.3 Allokationsstrategien ................................................................................... 392 1.3.3.1 Verlagerung nach unten .......................................................................... 392 1.3.3.2 Verlagerung nach oben ........................................................................... 397 1.4 Standortbedingungen ......................................................................................... 402 1.4.1 Entscheidungsrelevante Standortkriterien ................................................... 402 1.4.2 Deutschland als Holdingstandort ................................................................. 403 2
EU-weite konsolidierte Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage...................... 404
KAPITEL V: 1
VERRECHNUNGSPREISE IM INTERNATIONALEN STEUERRECHT
Grundlagen ............................................................................................................... 407 1.1 Verrechnungspreis ............................................................................................. 407 1.2 Gestaltungsmöglichkeiten ................................................................................. 410 1.3 Fremdvergleichsgrundsatz................................................................................. 413 1.4 Dokumentationspflichten und Sanktionsvorschriften........................................ 417 1.4.1 Einführung spezieller Gesetzesvorschriften für Verrechnungspreise .......... 419 1.4.2 Dokumentationspflichten für Verrechnungspreise ...................................... 420 1.4.3 Sanktionsvorschriften .................................................................................. 423
Inhaltsverzeichnis 2
XV
Rechtliche Regelungen ............................................................................................. 425 2.1 Verhältnis der Korrekturvorschriften zueinander .............................................. 425 2.2 Nationales Recht ............................................................................................... 427 2.2.1 Verdeckte Gewinnausschüttung gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG ................. 427 2.2.2 Verdeckte Einlage........................................................................................ 430 2.2.3 Zinsschranke gem. § 4h EStG und § 8a KStG ............................................. 431 2.2.4 Berichtigung von Einkünften gemäß § 1 AStG ........................................... 432 2.2.5 Verwaltungsgrundsätze................................................................................ 434 2.3 Internationales Recht ......................................................................................... 435 2.3.1 Besteuerung verbundener Unternehmen gemäß Art. 9 Abs. 1 OECD-MA .................................................................................................. 435 2.3.2 Verrechnungspreisgrundsätze der OECD .................................................... 437 2.3.3 EU-Übereinkommen .................................................................................... 437
3
Methoden zur Festlegung der Verrechnungspreise .............................................. 439 3.1 Standardmethoden ............................................................................................. 441 3.1.1 Preisvergleichsmethode ............................................................................... 443 3.1.2 Wiederverkaufspreismethode ...................................................................... 445 3.1.3 Kostenaufschlagsmethode ........................................................................... 447 3.2 Gewinnorientierte Methoden ............................................................................. 450 3.2.1 Geschäftsvorfallbezogene Gewinnaufteilungsmethode ............................... 450 3.2.2 Geschäftsvorfallbezogene Nettomargenmethode ........................................ 451 3.2.3 Gewinnvergleichsmethode .......................................................................... 452 3.3 Advance Pricing Agreements ............................................................................ 452
4
Ausgewählte Anwendungsbereiche......................................................................... 459 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5
5
Lieferungen von Gütern und Waren .................................................................. 459 Dienstleistungen ................................................................................................ 460 Immaterielle Wirtschaftsgüter ........................................................................... 461 Finanzierungsleistungen .................................................................................... 462 Electronic Commerce ........................................................................................ 463
Fazit ........................................................................................................................... 463
KAPITEL VI: AUSSENSTEUERGESETZ 1
Einführung, Zielsetzung des AStG ......................................................................... 465
2
Das Verhältnis des AStG zu anderen steuerrechtlichen Vorschriften................. 466
XVI 3
Inhaltsverzeichnis Berichtigung von Einkünften – § 1 AStG ............................................................... 466
3.1 Überblick ........................................................................................................... 466 3.2 Tatbestandsvoraussetzungen ............................................................................. 468 3.2.1 Nahe stehende Person .................................................................................. 469 3.2.2 Geschäftsbeziehung zum Ausland oder Funktionsverlagerung ................... 473 3.2.2.1 Geschäftsbeziehung zum Ausland........................................................... 473 3.2.2.2 Funktionsverlagerung .............................................................................. 474 3.2.3 Unübliche Bedingungen .............................................................................. 480 3.2.4 Einkunftsminderung .................................................................................... 480 3.3 Berichtigungsumfang ........................................................................................ 480 3.4 Das Verhältnis des § 1 AStG zu anderen Berichtigungsvorschriften ................ 490 4
Wohnsitzverlagerung in niedrig besteuernde Gebiete – §§ 2-5 AStG ................. 491 4.1 Überblick ........................................................................................................... 491 4.2 Erweitert beschränkte Einkommensteuerpflicht – § 2 AStG ............................. 492 4.2.1 Persönliche Voraussetzungen ...................................................................... 492 4.2.1.1 Natürliche Person .................................................................................... 492 4.2.1.2 Deutsche Staatsangehörigkeit ................................................................. 492 4.2.1.3 Unbeschränkte Steuerpflicht vor Umzug ................................................ 493 4.2.1.4 Ansässigkeit in einem niedrig besteuernden Gebiet ................................ 493 4.2.2 Sachliche Voraussetzungen ......................................................................... 495 4.2.2.1 Wesentliche wirtschaftliche Interessen im Inland ................................... 495 4.2.2.2 Überschreiten der Freigrenze .................................................................. 496 4.2.2.3 Fiktion einer Geschäftsleitungsbetriebsstätte im Inland .......................... 497 4.2.3 Umfang der erweitert beschränkten Einkommensteuerpflicht ..................... 497 4.3 Erweitert beschränkte Erbschaft- und Schenkungsteuerpflicht – § 4 AStG ...... 502
5
Besteuerung des Vermögenszuwachses – § 6 AStG (sog. Wegzugsbesteuerung) .............................................................................................. 503 5.1 Überblick ........................................................................................................... 503 5.2 Voraussetzungen für die Besteuerung des Vermögenszuwachses .................... 505 5.2.1 Persönliche Voraussetzungen ...................................................................... 505 5.2.2 Sachliche Voraussetzungen ......................................................................... 506 5.2.3 Ergänzungstatbestände ................................................................................ 506 5.3 Rechtsfolgen ...................................................................................................... 508 5.4 Minderungsregelungen ...................................................................................... 509 5.4.1 Vorübergehende Abwesenheit ..................................................................... 510 5.4.2 Stundung der Steuerschuld im Rahmen der EU-Regelung .......................... 510 5.4.3 Stundung der Steuerschuld im Rahmen der Härtefallregelung .................... 513
6
Beteiligung an ausländischen Zwischengesellschaften – §§ 7-14 AStG ............... 514 6.1
Überblick ........................................................................................................... 514
Inhaltsverzeichnis
XVII
6.2 Grundproblematik der sog. Basisgesellschaften ................................................ 515 6.2.1 Begriff und Merkmale einer Basisgesellschaft ............................................ 515 6.2.2 Abschirmwirkung einer Basisgesellschaft ................................................... 516 6.2.3 Typische und atypische Basisgesellschaft ................................................... 517 6.3 Die Durchbrechung der Abschirmwirkung einer Basisgesellschaft .................. 521 6.3.1 Durchgriffsbesteuerung ............................................................................... 521 6.3.2 Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7-14 AStG) .............................................. 521 6.3.3 Verhältnis der §§ 7-14 AStG zu den Vorschriften der AO .......................... 522 6.4 Voraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung ........................................... 523 6.4.1 Inländerbeherrschung einer ausländischen Gesellschaft – § 7 AStG ........... 523 6.4.2 Zwischengesellschaft i.S.d. § 8 AStG.......................................................... 527 6.4.2.1 Erzielen von passiven Einkünften – § 8 Abs. 1 AStG ............................. 528 6.4.2.2 Niedrigbesteuerung – § 8 Abs. 3 AStG ................................................... 529 6.4.2.3 Keine EU/EWR-Gesellschaft – § 8 Abs. 2 AStG.................................... 530 6.4.3 Überschreiten der Freigrenze – § 9 AStG .................................................... 532 6.5 Rechtsfolgen ...................................................................................................... 533 6.5.1 Ermittlung des Hinzurechnungsbetrages ..................................................... 534 6.5.1.1 Ermittlung der Zwischeneinkünfte .......................................................... 535 6.5.1.2 Abziehbare Steuern ................................................................................. 536 6.5.1.3 Behandlung von Verlusten ...................................................................... 536 6.5.1.4 Veräußerungsgewinne – § 11 AStG ........................................................ 537 6.5.2 Besteuerung des Hinzurechnungsbetrages ................................................... 537 6.5.3 Behandlung tatsächlicher Ausschüttungen .................................................. 540 6.6 Steueranrechnung – § 12 AStG ......................................................................... 541 6.7 Nachgeschaltete Zwischengesellschaften – § 14 AStG ..................................... 543 7
Mitwirkungspflicht und Sachverhaltsaufklärung – § 16-17 AStG ...................... 546 7.1 7.2
8
Mitwirkungspflicht ............................................................................................ 546 Sachverhaltsaufklärung ..................................................................................... 547
Bestimmungen über die Anwendung von DBA – § 20 AStG ................................ 548
KAPITEL VII: DIE STEUERRECHTLICHEN VERFAHREN DES EUGH ZU DEN GRUNDFREIHEITEN DES EG-VERTRAGS 1
Die Grundfreiheiten des EG-Vertrags ................................................................... 549 1.1 1.2 1.3 1.4
Einführung......................................................................................................... 549 Warenverkehrsfreiheit – Art. 23 ff. EG ............................................................. 550 Arbeitnehmerfreizügigkeit – Art. 39 ff. EG ...................................................... 550 Niederlassungsfreiheit – Art. 43 ff. EG ............................................................. 550
XVIII
Inhaltsverzeichnis
1.5 1.6 1.7 1.8
Dienstleistungsfreiheit – Art. 49 ff. EG............................................................. 551 Kapitalverkehrsfreiheit – Art. 56 ff. EG ............................................................ 551 Schutzgehalt der Grundfreiheiten ...................................................................... 551 Rechtfertigungen für Diskriminierung und Beschränkung der Grundfreiheiten ................................................................................................. 553
2
Bedeutende EuGH-Rechtssachen zum Internationalen Steuerrecht ................... 557
Stichwortverzeichnis ........................................................................................................ 577
Abbildungsverzeichnis
XIX
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Abbildung 2: Abbildung 3: Abbildung 4: Abbildung 5: Abbildung 6: Abbildung 7: Abbildung 8: Abbildung 9: Abbildung 10: Abbildung 11: Abbildung 12: Abbildung 13: Abbildung 14: Abbildung 15: Abbildung 16: Abbildung 17: Abbildung 18: Abbildung 19: Abbildung 20: Abbildung 21: Abbildung 22: Abbildung 23: Abbildung 24: Abbildung 25: Abbildung 26: Abbildung 27: Abbildung 28:
Umfang des Internationalen Steuerrechts ..................................................... 2 Nationale und völkerrechtliche Grundlagen der Steuererhebung ................. 3 Anknüpfungsmerkmale und Prinzipien der Besteuerung ............................. 5 Universalitätsprinzip vs. Territorialitätsprinzip ............................................ 6 Kombination von Anknüpfungskriterien, Prinzipien und Umfang der Besteuerung .................................................................................................. 6 Zusammenspiel der Regelungskreise im Internationalen Steuerrecht .......... 7 Anknüpfungskriterien des deutschen Einkommensteuerrechts .................... 8 Anknüpfungspunkte für die unbeschränkte Steuerpflicht ............................ 9 Beschränkte Steuerpflicht........................................................................... 13 Möglichkeiten zur Differenzierung der Doppelbesteuerung ...................... 17 Möglichkeiten zur Vermeidung bzw. Minderung der Doppelbesteuerung ..................................................................................... 22 Maßnahmen zur Vermeidung bzw. Minderung der Doppelbesteuerung .... 23 Systematik der Besteuerung von laufenden Einkünften bis 31.12.2008 .... 25 Systematik der Besteuerung von laufenden Einkünften ab 01.01.2009 ..... 29 Systematik der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen bis 31.12.2008 .................................................................................................. 31 Systematik der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen ab 01.01.2009 .................................................................................................. 33 Methoden des § 34c EStG .......................................................................... 34 Darstellung des Anrechnungsüberhangs .................................................... 36 Anwendung der Steuerabzugsmethode ...................................................... 50 Vereinfachte Übersicht der Entscheidungsregeln bei zu veranlagenden Einkünften .................................................................................................. 58 Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nach OECD-MA ....... 60 Methoden des § 26 KStG ........................................................................... 64 Entscheidungsregeln................................................................................... 67 Beschränkung des Verlustausgleichs i.S.d. § 2a EStG ............................... 72 Verlustberücksichtigung bei DBA mit Freistellungsmethode .................... 74 Fiktive unbeschränkte Steuerpflicht von EU/EWR-Familienangehörigen ................................................................................................ 78 Anwendungskreis der fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht .................... 79 Verhältnis zwischen § 1 Abs. 3 EStG und § 1a EStG ................................ 80
XX
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 29: Regelungen für Steuerausländer nach §§ 1 Abs. 3, 1a EStG ...................... 80 Abbildung 30: Aufbau des § 50a EStG .............................................................................. 84 Abbildung 31: Betriebsausgaben-/Werbungskostenabzug im Rahmen des Steuerabzugsverfahrens für beschränkt Steuerpflichtige............................ 90 Abbildung 32: Überblick über die wichtigsten Vertragsmuster ....................................... 104 Abbildung 33: Einordnung des Rechts der DBA in das Internationale Steuerrecht i.w.S. ........................................................................................................ 108 Abbildung 34: Übersicht über den Abkommensaufbau des OECD-MA.......................... 119 Abbildung 35: Ansatzpunkt des OECD-MA .................................................................... 120 Abbildung 36: Zusammenspiel von Schrankennormen und Methodenartikel.................. 126 Abbildung 37: Abgrenzung der Besteuerungsrechte nach dem OECD-MA .................... 136 Abbildung 38: Prüfungsschema – persönliche Abkommensberechtigung ....................... 138 Abbildung 39: Subsumtion von Personengesellschaften unter den Personenbegriff........ 140 Abbildung 40: Übersicht über die Abkommensberechtigung einer Personengesellschaft ................................................................................ 142 Abbildung 41: Aufbau des Art. 6 OECD-MA .................................................................. 145 Abbildung 42: Aufbau des Art. 5 OECD-MA .................................................................. 151 Abbildung 43: Prüfungsschema des Art. 5 OECD-MA ................................................... 155 Abbildung 44: Übersicht über das Besteuerungsrecht des Betriebsstättenstaates ............ 156 Abbildung 45: Aufbau des Art. 7 OECD-MA .................................................................. 157 Abbildung 46: Aufbau des Art. 10 OECD-MA ................................................................ 168 Abbildung 47: Aufbau des Art. 11 OECD-MA ................................................................ 177 Abbildung 48: Abgrenzung Zinsen – Dividenden ............................................................ 180 Abbildung 49: Aufbau des Art. 12 OECD-MA ................................................................ 184 Abbildung 50: Besteuerungsprinzipien für laufende Einkünfte und Veräußerungsgewinne .............................................................................. 190 Abbildung 51: Regelungssystematik des Art. 15 OECD-MA .......................................... 197 Abbildung 52: Übersicht über die Besteuerungstatbestände der Art. 15 bis 21 und 28 OECD-MA ............................................................................................... 209 Abbildung 53: Grundformen der grenzüberschreitenden Unternehmenstätigkeit ............ 221 Abbildung 54: Mehrstufiger Aufbau der grenzüberschreitenden Unternehmensaktivität ............................................................................. 222 Abbildung 55: Summe der deutschen Direktinvestitionen im Ausland (2005-2007) ....... 223 Abbildung 56: Aufbau eines internationalen Konzerns.................................................... 225 Abbildung 57: Gewinnentstehung bzw. Gewinnverwendung bei intransparenten Einheiten .................................................................................................. 226 Abbildung 58: Beteiligung an einer ausländischen Personengesellschaft ........................ 227 Abbildung 59: Gewinnentstehung bzw. Gewinnverwendung bei transparenten Einheiten .................................................................................................. 228
Abbildungsverzeichnis
XXI
Abbildung 60: Leistungsaustausch zwischen Stammhaus und Betriebsstätte .................. 231 Abbildung 61: Dienst- und Verwaltungsleistungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte ............................................................................................ 239 Abbildung 62: Bestimmung des Dotationskapitals einer Betriebsstätte ........................... 240 Abbildung 63: Saldo an weitergeleitetem Fremdkapital .................................................. 242 Abbildung 64: Übersicht zu Hinzurechnungen und Kürzungen im GewStG ................... 245 Abbildung 65: Zusammenfassung § 2a EStG................................................................... 251 Abbildung 66: Zusammenfassung der Besteuerung der Betriebsstättengewinne ............. 256 Abbildung 67: Progressionsvorbehalt bei negativen Betriebsstätteneinkünften............... 257 Abbildung 68: Dreifachbesteuerung einer Dividende aus der Beteiligung an einer ausländischen Kapitalgesellschaft ............................................................ 259 Abbildung 69: Behandlung der Ausschüttung beim Empfänger ...................................... 265 Abbildung 70: Besteuerung der Beteiligung eines deutschen Anteilseigners an einer ausländischen Kapitalgesellschaft (I) ....................................................... 279 Abbildung 71: Besteuerung der Beteiligung eines deutschen Anteilseigners an einer ausländischen Kapitalgesellschaft (II) ...................................................... 282 Abbildung 72: Grundzüge der Dividendenbesteuerung ausländischer Anteilseigner ...... 289 Abbildung 73: Grundzüge der Besteuerung ausländischer Anteilseigner bei Veräußerungen ......................................................................................... 290 Abbildung 74: Nachgeschaltete Personengesellschaften.................................................. 300 Abbildung 75: Definition des EBITDA ........................................................................... 305 Abbildung 76: Wirkungsweise der Escape-Klausel ......................................................... 310 Abbildung 77: Prüfungsschema zur Anwendung von § 4h EStG und § 8a KStG ............ 319 Abbildung 78: Personengesellschaft und übereinstimmende Qualifikationen ................. 328 Abbildung 79: Personengesellschaft und abweichende Qualifikationen .......................... 329 Abbildung 80: Zuteilungsregeln bei Erbschaft- und Schenkungsteuer ............................ 342 Abbildung 81: Typologie der Holding-Arten ................................................................... 346 Abbildung 82: Beispiel für eine Holdingstruktur ............................................................. 347 Abbildung 83: Hierarchische Einordnung von Dach- und Zwischenholdings ................. 350 Abbildung 84: Übersicht über die Befreiung der Beteiligungserträge nach § 8b Abs. 1 KStG ............................................................................................. 357 Abbildung 85: Übersicht über die Befreiung der Beteiligungserträge nach § 8b Abs. 2 KStG ............................................................................................. 358 Abbildung 86: Abzugsbeschränkungen für Refinanzierungsaufwand ............................. 358 Abbildung 87: Übersicht über die Organschaft ................................................................ 359 Abbildung 88: Übersicht zum Gestaltungsmissbrauch..................................................... 364 Abbildung 89: Übersicht zur Anti-treaty-shopping-Vorschrift des § 50d Abs. 3 EStG ... 367 Abbildung 90: Übersicht zur „switch-over“-Klausel des § 50d Abs. 9 Nr. 1 EStG ......... 370 Abbildung 91: Übersicht zur „switch-over“-Klausel des § 50d Abs. 9 Nr. 2 EStG ......... 370
XXII
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 92: Instrumente und Aufgaben der internationalen Steuerplanung ................ 374 Abbildung 93: Ziele der internationalen Steuerplanung ................................................... 375 Abbildung 94: Treaty Shopping ohne bestehendes DBA ................................................. 379 Abbildung 95: Treaty Shopping bei bestehendem DBA .................................................. 380 Abbildung 96: Directive Shopping durch Einschaltung einer Europa-Holding ............... 382 Abbildung 97: Participation Exemption Shopping ........................................................... 384 Abbildung 98: Credit Mix Shopping ................................................................................ 387 Abbildung 99: Rule Shopping .......................................................................................... 389 Abbildung 100:Tax Rate Shopping ................................................................................... 390 Abbildung 101:Deferral Shopping zur Vermeidung des Heraufschleusens auf das Steuerniveau des Domizilstaates der Spitzeneinheit ................................ 392 Abbildung 102:Capital Gains Exemption Shopping ......................................................... 394 Abbildung 103:Deduction Shopping ................................................................................. 395 Abbildung 104:Deduction Shopping, Forderungsabschreibung bis VZ 2007 ................... 395 Abbildung 105:Verlagerung von Zinsaufwand ................................................................. 397 Abbildung 106:Group Relief Shopping............................................................................. 398 Abbildung 107:Cross Border Group Relief Shopping....................................................... 399 Abbildung 108:Übersicht über Repatriierungsstrategien .................................................. 400 Abbildung 109:Übersicht über Allokationsstrategien ....................................................... 401 Abbildung 110:Kriterien eines vorteilhaften Holdingstandortes ....................................... 403 Abbildung 111:Konzerninterner Leistungsaustausch ........................................................ 408 Abbildung 112:Beispiel Verrechnungspreise – Verrechnungspreisvolumen .................... 411 Abbildung 113:Beispiel Verrechnungspreise – Gewinnsituation ...................................... 411 Abbildung 114:Beispiel Verrechnungspreise – Steuerbelastung....................................... 412 Abbildung 115:Gewinnverlagerung .................................................................................. 412 Abbildung 116:Betriebsinterner Fremdvergleich .............................................................. 415 Abbildung 117:Betriebsexterner Fremdvergleich ............................................................. 416 Abbildung 118:Spezielle Vorschriften für Verrechnungspreise ........................................ 418 Abbildung 119:Anwendungsvoraussetzungen für § 90 Abs. 3 AO................................... 421 Abbildung 120:Dokumentationspflichten gem. GAufzV .................................................. 422 Abbildung 121:Sanktionsvorschriften gem. § 162 Abs. 3 und 4 AO ................................ 424 Abbildung 122:Verhältnis der Korrekturvorschriften zueinander ..................................... 426 Abbildung 123:Grenzüberschreitende verdeckte Gewinnausschüttung ............................ 429 Abbildung 124:Inhalt der Verwaltungsgrundsätze ............................................................ 434 Abbildung 125:Einordnung der Verrechnungspreismethoden .......................................... 441 Abbildung 126:Darstellung der Standardmethoden anhand der Wertschöpfungskette ..... 442 Abbildung 127:Beispiel – Wiederverkaufspreismethode .................................................. 446 Abbildung 128:Tabellarische Übersicht zu den Standardmethoden .................................. 449
Abbildungsverzeichnis
XXIII
Abbildung 129:Ablauf eines APA nach deutschem Recht ................................................ 457 Abbildung 130:Verlagerung einer Funktion...................................................................... 467 Abbildung 131:Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 AStG .............................................. 469 Abbildung 132:Wesentliche Beteiligung........................................................................... 470 Abbildung 133:Beherrschender Einfluss ........................................................................... 471 Abbildung 134:Besondere Einflussmöglichkeiten ............................................................ 472 Abbildung 135:Interessenidentität..................................................................................... 472 Abbildung 136:Definition der Funktionsverlagerung ....................................................... 475 Abbildung 137:Definition des Transferpakets .................................................................. 476 Abbildung 138:Median und Mittelwert ............................................................................. 482 Abbildung 139:Hypothetischer Fremdvergleich ............................................................... 485 Abbildung 140:Ermittlung des Fremdvergleichspreises ................................................... 489 Abbildung 141:Umfang der geltenden Steuerpflichtarten ................................................. 498 Abbildung 142:Durchbrechung der Abschirmwirkung durch §§ 7 bis 14 AStG .............. 515 Abbildung 143:Tatbestandsvoraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung ................ 523 Abbildung 144:Beteiligungsvoraussetzungen bei der Hinzurechnungsbesteuerung ......... 527 Abbildung 145:Unterschiedliche Besteuerung des Hinzurechnungsbetrages bei Beteiligungen im Privat- bzw. Betriebsvermögen .................................... 540 Abbildung 146:Übersicht Folgen der Hinzurechnungsbesteuerung bis 2008 ................... 541 Abbildung 147:Übersicht Folgen der Hinzurechnungsbesteuerung ab 2009 .................... 541 Abbildung 148:Hinzurechnung und Zurechnung .............................................................. 544 Abbildung 149:Grundfreiheiten des EG-Vertrags ............................................................. 550 Abbildung 150:Schutzgehalt der Grundfreiheiten ............................................................. 553 Abbildung 151:Geschriebene und ungeschriebene Rechtfertigungsgründe ...................... 556
Abkürzungs- und Symbolverzeichnis
Abkürzungs- und Symbolverzeichnis a.A. a.F. A/S ABl. Abs. AE AEAO AEAStG AG AHB AktG AO APA Art. AStG AStRG Aufl. AuslInvestmG B.V. BB BD BewG BFH BFH/NV BFHE BGBl. BGH BGHZ BMF BR-Drs. BS bspw. Bst. BStBl. BT-Drs. BVerfG BVerfGE bzgl.
anderer Ansicht alte Fassung Aktieselskab (dänische Aktiengesellschaft) Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft Absatz Anonymous Etairia (griechische Aktiengesellschaft) Anwendungserlass zur Abgabenordnung Anwendungserlass zum Außensteuergesetz Aktiengesellschaft Anrechnungshöchstbetrag Aktiengesetz Abgabenordnung Advance Pricing Agreement Artikel Außensteuergesetz Außensteuerreformgesetz Auflage Auslandsinvestmentgesetz Besloten Vennootschap (Niederländische GmbH) Betriebs-Berater (Zeitschrift) Bruttodividende Bewertungsgesetz Bundesfinanzhof Sammlung der amtlich nicht veröffentlichten Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Sammlung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundesminister(ium) der Finanzen Bundesrats-Drucksache Betriebsstätte beispielsweise Buchstabe Bundessteuerblatt Bundestags-Drucksache Bundesverfassungsgericht Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bezüglich
XXV
XXVI Corp. DB DBA DBSt. d.d. ders. DK DStR DStZ ECOFIN EFG e.G. EG EG EGV EinfErl Einl. ErbStG ErbStR Erg.Lief. ESt EStDV EStG EStG-StB EStR EU EuGH EWG EWIV EWS FG FGO FK FR GAufZV GbR GewSt GewStG GewStR GG GmbH GmbHR GmbH-StB GrEStG
Abkürzungs- und Symbolverzeichnis Corporated Der Betrieb (Zeitschrift) Doppelbesteuerungsabkommen Doppelbuchstabe Delniska druzba (slowenische Aktiengesellschaft) derselbe Dänemark Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) Deutsche Steuerzeitung (Zeitschrift) Rat „Wirtschaft und Finanzen“ der Europäischen Union Entscheidungen der Finanzgerichte (Zeitschrift) Eingetragene Genossenschaft Europäische Gemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Einführungserlass zum Außensteuergesetz Einleitung Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz Erbschaftsteuer-Richtlinien Ergänzungslieferung Einkommensteuer Einkommensteuerdurchführungsverordnung Einkommensteuergesetz Der Ertrag-Steuerberater (Fachzeitschrift) Einkommensteuer-Richtlinien Europäische Union Europäischer Gerichtshof Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht Finanzgericht Finanzgerichtsordnung Fremdkapital Finanz-Rundschau (Zeitschrift) Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung Gesellschaft bürgerlichen Rechts Gewerbesteuer Gewerbesteuergesetz Gewerbesteuer-Richtlinien Grundgesetz Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau (Zeitschrift) Der GmbH-Steuerberater (Fachzeitschrift) Grunderwerbsteuergesetz
Abkürzungs- und Symbolverzeichnis GrS GuV H h.M. HFR HGB Hrsg. hrsg. Hs. IAS Inc. INF IStR IWB JbFfSt KapESt KG KGaA KOM KSt KStDV KStG KStR KWG LSt Ltd. MA MK MNU MTRl. n.F. NJW NV NWB NZG ÖBGBl. OECD OECD-MA OECD-MK OFD oHG öKStG PIStB
XXVII
Großer Senat Gewinn- und Verlustrechnung Hinweis (in den deutschen Steuerrichtlinien) herrschende Meinung Sammlung der höchstrichterlichen Finanzrechtsprechung Handelsgesetzbuch Herausgeber herausgegeben Halbsatz International Accounting Standards Incorporated Die Information über Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift) Internationales Steuerrecht (Zeitschrift) Internationale Wirtschaftsbriefe (Zeitschrift) Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht Kapitalertragsteuer Kommanditgesellschaft Kommanditgesellschaft auf Aktien Mitteilungen der Europäischen Kommission Körperschaftsteuer Körperschaftsteuerdurchführungsverordnung Körperschaftsteuergesetz Körperschaftsteuer-Richtlinien Kreditwesengesetz Lohnsteuer Limited (englische oder irische Aktiengesellschaft) Musterabkommen Musterkommentar Multinationale Unternehmen Mutter-Tochter-Richtlinie neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) Naamloze Vennootschap (niederländische Aktiengesellschaft) Neue Wirtschaftsbriefe (Zeitschrift) Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht (Zeitschrift) Österreichisches Bundesgesetzblatt Organisation for Economic Cooperation and Development OECD-Musterabkommen OECD-Musterkommentar Oberfinanzdirektion offene Handelsgesellschaft Österreichisches Körperschaftsteuergesetz Praxis Internationale Steuerberatung (Zeitschrift)
XXVIII PLC PV R RFH RIW Rl. Rs. RStBl. Rt. Rz. S.A. S.A. de C.V. S.C. S.p.A. SE Sec. SEK Slg. SolZ SolZG SP. z o.o. s.r.o. Stbg StbJb StEntlG SteuerStud StRefG StSenkG StuB StuW StVergAbG TNI Treas. Reg. Tz. UBst. UmwStG UN UntStFG US-GAAP vGA VWG
Abkürzungs- und Symbolverzeichnis Public Limited Company Progressionsvorbehalt Richtlinie des deutsches Steuerrechts Reichsfinanzhof Recht der Internationalen Wirtschaft (Zeitschrift) Richtlinie (der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft) Rechtssache Reichssteuerblatt Részvénytársaság (ungarische Aktiengesellschaft) Randziffer Sociedad Anónima (spanische Aktiengesellschaft) Sociedad Anónima de Capital Variable (mexikanische Aktiengesellschaft) Sociedad Colectiva (spanische Offene Handelsgesellschaft) Società per Azioni (italienische Aktiengesellschaft) Societas Europaea (Europäische Aktiengesellschaft) Section (Paragraph) Arbeitsdokumente der Dienststellen der Europäischen Kommission Sammlung der Rechtsprechung des EuGH Solidaritätszuschlag Solidaritätszuschlaggesetz Spólka z orgaaniczona odpwiedzialnoscia (polnische GmbH) Spolecnost s rucenim omezeným (tschechische GmbH) Die Steuerberatung (Zeitschrift) Steuerberaterjahrbuch Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 Steuer und Studium (Zeitschrift) Steuerreformgesetz Steuersenkungsgesetz Steuer- und Bilanzpraxis (Zeitschrift) Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift) Steuervergünstigungsabbaugesetz Tax Notes International (Zeitschrift) Treasury Regulations (US-Steuervorschriften) Teilziffer Unterbuchstabe Umwandlungssteuergesetz United Nations Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz Generally Accepted Accounting Principles verdeckte Gewinnausschüttung Verwaltungsgrundsätze
Abkürzungs- und Symbolverzeichnis VZ WiSt WISU Wpg WÜRV z.v.E ZfB
Veranlagungszeitraum Wirtschaftswissenschaftliches Studium (Zeitschrift) Das Wirtschaftsstudium (Zeitschrift) Die Wirtschaftsprüfung (Zeitschrift) Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge zu versteuerndes Einkommen Zeitschrift für Betriebswirtschaft (Zeitschrift)
XXIX
Prinzipien des Internationalen Steuerrechts
Kapitel I:
1
Grundzüge des Internationalen Steuerrechts
1 Prinzipien des Internationalen Steuerrechts 1.1 Bedeutung des Internationalen Steuerrechts Mit fortschreitender internationaler Verflechtung der Wirtschaft dehnen immer mehr deutsche Unternehmen ihre Geschäftsbeziehungen über die nationalen Grenzen aus. Dabei operieren nicht mehr ausschließlich die großen Konzerne auf den globalen Absatz- und Beschaffungsmärkten. In zunehmendem Maße beginnen auch kleinere sowie mittelständische Unternehmen mit dem Aufbau und der Pflege weltweiter Wirtschaftsbeziehungen und der Gründung von Auslandsniederlassungen. Den wirtschaftlichen Vorteilen aus dem Status eines „Global Players“ können jedoch auf steuerlicher Seite Probleme entgegenstehen. Bei der Realisierung grenzüberschreitender Sachverhalte werden Unternehmen mit dem Steuerrecht anderer Staaten konfrontiert und können u.U. unter die Steuerhoheiten anderer Nationen fallen. Die unterschiedliche Beurteilung der Sachverhalte in den verschiedenen Steuersystemen der einzelnen Länder kann dazu führen, dass ein Geschäftsvorfall der Besteuerung sowohl im Inland als auch im Ausland unterliegt, so dass Doppel- bzw. Mehrfachbesteuerungen auftreten. Mehrfachbelastungen führen zu Wettbewerbsverzerrungen auf den internationalen Märkten und hemmen die volkswirtschaftliche Entwicklung durch Einschränkung des weltweiten Kapital-, Güterund Dienstleistungsverkehrs. Die Steuervorschriften können aber auch die grenzüberschreitenden Aktivitäten eines Unternehmens fördern, wenn durch besondere Gestaltungsmöglichkeiten, die sich aus der internationalen Tätigkeit ergeben, eine geringere Steuerbelastung oder gegebenenfalls sogar keine erreicht wird.
1.2 Begriff des Internationalen Steuerrechts Unter dem Internationalen Steuerrecht ist die Gesamtheit aller Normen zu verstehen, die die Besteuerung grenzüberschreitender Sachverhalte regeln. Damit werden sowohl die Normen des nationalen Rechts als auch die zwischenstaatlichen Vereinbarungen erfasst, mit deren Hilfe die verschiedenen nationalen Besteuerungsansprüche gegeneinander abgegrenzt werden. Zum Internationalen Steuerrecht im engeren Sinne gehören das Recht der Doppelbesteuerungsabkommen und Teile des Völkerrechts. Internationale Verträge werden erfasst, soweit sie Besteuerungsansprüche betreffen. Die Bestimmungen des Internationalen Steuerrechts im engeren Sinne entstammen dem Völkerrecht und regeln die Abgrenzung kollidierender Steuerhoheitsansprüche.
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Begriff des Internationalen Steuerrechts
Werden die völkerrechtlichen Normen um das nationale Außensteuerrecht erweitert, spricht man vom Internationalen Steuerrecht im weiteren Sinne. Die jeweiligen Bestimmungen in den Einzelsteuergesetzen (z.B. EStG, KStG, ErbStG, BewG) bezeichnet man als Allgemeines Außensteuerrecht. Bei den Regelungen des Speziellen Außensteuerrechts handelt es sich um Spezialvorschriften des innerstaatlichen Steuerrechts, die sich mit internationalen Beziehungen befassen (z.B. AStG).
Der Umfang des Internationalen Steuerrechts INTERNATIONALES STEUERRECHT i.e.S. Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung Abkommen zwischen mehreren Staaten von steuerlicher Bedeutung Entscheidungen internationaler Gerichte von steuerlicher Bedeutung Völkerrechtliches Gewohnheitsrecht von steuerlicher Bedeutung
NATIONALES AUßENSTEUERRECHT Allgemeines Außensteuerrecht
Spezielles Außensteuerrecht
INTERNATIONALES STEUERRECHT i.w.S.
Abbildung 1:
Umfang des Internationalen Steuerrechts
Prinzipien des Internationalen Steuerrechts
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1.3 Grundsätze des Internationalen Steuerrechts 1.3.1 Das Souveränitätsprinzip und seine Grenzen Die Unabhängigkeit eines Staatswesens von der Staatsgewalt eines anderen Staates gründet sich auf dem Souveränitätsprinzip. Demzufolge ist ein Staat auf seinem Hoheitsgebiet in der Festlegung seiner Steueransprüche sowie der Ausübung seiner Steuergewalt autonom. Jeder Staat ist allerdings verpflichtet, auch die Gebietshoheit anderer Staaten anzuerkennen und zu beachten. Dies schließt jedoch nicht das Recht eines Staates aus, sich auf fremdem Staatsgebiet ereignende Sachverhalte zu besteuern. Das Gewohnheitsrecht der Völker versagt aber dem einzelnen Staat, willkürlich außerhalb seines Hoheitsgebietes verwirklichte Sachverhalte seiner Besteuerung zu unterwerfen. Die Rechtmäßigkeit des Besteuerungsanspruchs eines Staates ist nur gegeben, wenn eine echte Verknüpfung (genuine link) zwischen dem inländischen Hoheitsgebiet und dem ausländischen Sachverhalt vorliegt. Es muss eine tatsächliche Bindung (Prinzip der tatsächlichen Anknüpfung) existieren. Der Grundsatz des Völkerrechts hat nach Art. 25 GG Vorrang vor der innerstaatlichen Gesetzgebung.
nationale Steuererhebung
völkerrechtliches Gewohnheitsrecht
Souveränitätsprinzip
Prinzip der tatsächlichen Anknüpfung
Abbildung 2:
Nationale und völkerrechtliche Grundlagen der Steuererhebung
1.3.2 Prinzipien der Besteuerung 1.3.2.1 Anknüpfungsmerkmale (Besteuerung dem Grunde nach) Jeder Staat bestimmt aufgrund des Souveränitätsprinzips autonom die Anknüpfungsmerkmale für das Entstehen eines Besteuerungsanspruches. Dabei orientiert er sich an folgenden Kriterien: x Person des Steuerpflichtigen, x Steuergut, x Verbrauch eines Wirtschaftsgutes, x Transaktionen.
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1.3.2.1.1
Grundsätze des Internationalen Steuerrechts
Anknüpfung an die Person des Steuerpflichtigen
Bei der Anknüpfung an die Person stützt sich die Begründung des Steuerrechtsverhältnisses auf subjektive Merkmale des Steuerpflichtigen. Dabei unterstellen die Grundsätze eine enge, persönliche Bindung zum steuererhebenden Staat. Diese ist gegeben beim: x Ansässigkeitsprinzip oder Wohnsitzstaatsprinzip: Anknüpfungspunkt ist die wirtschaftliche Gebietszugehörigkeit, d.h. Wohnsitz bzw. gewöhnlicher Aufenthalt bei natürlichen Personen sowie Sitz bzw. Ort der Geschäftsleitung bei juristischen Personen. x Nationalitätsprinzip: Es wird an die Staatsangehörigkeit bei natürlichen Personen sowie an den zivilrechtlichen Sitz bei juristischen Personen angeknüpft. Dieses Prinzip findet in Deutschland nur für juristische, nicht aber für natürliche Personen Anwendung.
1.3.2.1.2
Anknüpfung an das Steuergut
In Abgrenzung zu den genannten subjektiven Anknüpfungspunkten kann der Staat seinen Besteuerungsanspruch auch mit dem Bestehen einer sachlichen Beziehung zum Inland rechtfertigen. Anknüpfungspunkte der Besteuerung sind in diesem Fall durch das Steuergut verwirklichte Tatbestandsmerkmale. Ob persönliche Verbindungen zum Inland bestehen, ist dabei unbeachtlich. Grundsätze der Anwendung sind: x Quellenprinzip: Als Besteuerungsmerkmal gelten inländische Einkunftsquellen, z.B. Gewinnausschüttungen einer inländischen Kapitalgesellschaft an einen ausländischen Anteilseigner. x Belegenheitsprinzip: Zur Besteuerung herangezogen werden alle auf dem Staatsgebiet befindlichen (belegenen) Vermögensgegenstände, z.B. Einkünfte aus inländischem Grundvermögen.
1.3.2.1.3
Anknüpfung an den Verbrauch
Der Besteuerungsanspruch eines Staates leitet sich bei den Verbrauchsteuern aus dem Verbrauch oder Gebrauch bestimmter Waren ab. Folglich knüpft der Tatbestand der Steuerentstehung an einen tatsächlichen Vorgang oder Zustand an. Der Besteuerungsgrundsatz greift zurück auf: x Konsumptionsprinzip: Das Besteuerungsrecht beruht auf dem tatsächlichen Verbrauch bzw. Gebrauch bestimmter Güter innerhalb des Staatsgebietes.
1.3.2.1.4
Anknüpfung an Transaktionen
Transaktionen können im grenzüberschreitenden Güter- und Dienstleistungsverkehr als Grundlage der Besteuerung angesehen werden und begründen einen Steueranspruch bei indirekten Steuern. Unter einer Transaktion versteht man den auf einem Verpflichtungsge-
Prinzipien des Internationalen Steuerrechts
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schäft oder dem Gesetz beruhenden Übergang der Verfügungsmacht über einen Gegenstand bzw. die auf einem Verpflichtungsgeschäft beruhende Leistungserbringung zwischen den Transaktionspartnern. Das Recht der Steuererhebung eines Staates leitet sich ab vom: x Ursprungslandprinzip: Das Besteuerungsrecht wird dem Land eingeräumt, aus dem das Gut oder die Leistung stammt (z.B. USt). x Bestimmungslandprinzip: Der Staat, für den das Gut oder die Leistung bestimmt ist, nimmt das Recht auf Besteuerung in Anspruch (z.B. USt). x Belegenheitsprinzip: Der Staat, in dem das Gut belegen ist, belastet die Transaktion mit einer Steuer (z.B. GrESt) bzw. der Staat, auf dessen Territorium die Transaktion stattfindet.
1.3.2.2 Sachlicher Umfang (Besteuerung dem Umfang nach) Die Ausübung der Besteuerungsansprüche orientiert sich an Prinzipien, welche aus den jeweiligen Anknüpfungsmerkmalen resultieren. Die folgende Abbildung zeigt den Zusammenhang zwischen Anknüpfungsmerkmalen und Prinzipien der Ertrags- und Vermögensbesteuerung.
Person des Steuerpflichtigen
Wohnsitzstaatsprinzip und/oder Nationalitätsprinzip
Universalitätsprinzip
Steuergut
Quellenstaatsprinzip oder Belegenheitsprinzip
Territorialitätsprinzip
Anknüpfungsmerkmal
Abbildung 3:
Anknüpfungsmerkmale und Prinzipien der Besteuerung
Wird von einem Staat das gesamte im In- und Ausland erwirtschaftete Einkommen (Welteinkommen) einer Person als grundsätzlich steuerpflichtig behandelt, liegt eine Besteuerung nach dem Universalitätsprinzip vor. Der nationale Gesetzgeber wendet dieses Prinzip für die Steuern vom Einkommen bzw. Vermögen und Nachlässen im Inland unbeschränkt steuerpflichtiger natürlicher und juristischer Personen an. Bei der Anwendung des Territorialitätsprinzips erfasst der Steueranspruch eines Staates lediglich die innerhalb seines Staatsgebietes verwirklichten Tatbestände. In Deutschland gilt dieser Besteuerungsgrundsatz sowohl für Ertrag- als auch Verkehrsteuern.
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Grundsätze des Internationalen Steuerrechts
Universalitätsprinzip
Territorialitätsprinzip
Besteuerung des gesamten Welteinkommens und -vermögens
Besteuerung der innerhalb des Staatsgebiets verwirklichten Tatbestände
Abbildung 4:
Universalitätsprinzip vs. Territorialitätsprinzip
Bei der Besteuerung des Einkommens wenden die Staaten folgende Kombination an: x
unbeschränkte Steuerpflicht: Das Besteuerungsrecht kommt in Anlehnung an persönliche Merkmale des Steuerpflichtigen zustande. Der Sachumfang bezieht sich auf die Erfassung des gesamten Welteinkommens sowie des Weltvermögens (Universalitätsprinzip). Dadurch schließt der Staat Tatbestände in seinen Besteuerungsanspruch ein, die außerhalb seines Hoheitsgebietes verwirklicht werden, ohne Rücksicht darauf, wo die sachlichen Tatbestandsmerkmale der Besteuerung erfüllt werden.
x
beschränkte Steuerpflicht: Der Staat knüpft seinen Besteuerungsanspruch an Steuergüter. Die steuerliche Erfassung ist begrenzt auf das innerhalb des Staatsgebiets belegene Vermögen und das aus inländischen Quellen stammende Einkommen (Territorialitätsprinzip).
Zusammenspiel der Besteuerungsmerkmale unbeschränkte Steuerpflicht
beschränkte Steuerpflicht
Anknüpfungskriterien der Besteuerung
Person
Steuergut
Prinzipien
Wohnsitzstaatsprinzip, Nationalitätsprinzip
Quellenstaatsprinzip, Belegenheitsprinzip
Umfang der Besteuerung
Universalitätsprinzip
Territorialitätsprinzip
Abbildung 5:
Kombination von Anknüpfungskriterien, Prinzipien und Umfang der Besteuerung
Prinzipien des Internationalen Steuerrechts
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1.3.3 Anwendung der Grundsätze im nationalen Außensteuerrecht 1.3.3.1 Definition des nationalen Außensteuerrechts Unter dem nationalen Außensteuerrecht sind nationale Gesetzgebungsvorschriften zu verstehen, welche die steuerrechtlichen Konsequenzen grenzüberschreitender Tatbestände bestimmen. Somit unterliegt die Besteuerung grenzüberschreitender Sachverhalte in den jeweiligen Staaten den dort gültigen, vom nationalen Gesetzgeber beschlossenen Vorschriften. Diese nationalen Rechtsvorschriften werden nur durch den Abschluss von DBA für den berechtigten Personenkreis eingeschränkt.
1.3.3.1.1
Regelungskreise
Im Internationalen Steuerrecht treffen nationales Recht, d.h. die innerhalb des Territoriums eines Staates geltenden Vorschriften, und Völkerrecht, welches das gegenseitige Verhältnis souveräner Staaten bestimmt, aufeinander. Von besonderer Bedeutung sind DBA, die in ihrer Eigenschaft als völkerrechtliche Verträge Bestandteil des speziellen Völkerrechts sind. Die angesprochenen Regelungskreise bestehen unabhängig voneinander.
Beziehungen zwischen den Regelungskreisen Internationales Steuerrecht Völkerrecht DBA
Abbildung 6:
Nationales Recht
Zusammenspiel der Regelungskreise im Internationalen Steuerrecht
Das Verhältnis zwischen Völkerrecht und nationalen Rechtsvorschriften legt in Deutschland Art. 25 GG fest. Das Völkerrecht geht den nationalen Rechtsvorschriften grundsätzlich gem. § 2 AO vor.
1.3.3.1.2
Grundlagen der Besteuerung in Deutschland
Das deutsche Einkommensteuerrecht wendet zur Festlegung des Besteuerungsumfangs eine Kombination der Anknüpfungskriterien an:
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Grundsätze des Internationalen Steuerrechts
Anknüpfungskriterium
Abbildung 7:
Person
Steuergut
unbeschränkte Steuerpflicht
beschränkte Steuerpflicht
Anknüpfungskriterien des deutschen Einkommensteuerrechts
Das von den einzelnen souveränen Staaten implementierte Steuerrecht bestimmt im Allgemeinen, inwieweit von den auf dem jeweiligen Staatsgebiet ansässigen Personen1 Steuern erhoben werden und welche auf dem eigenen Territorium von Steuerausländern verwirklichten Tatbestände in die Steuerpflicht einbezogen werden. Folglich knüpft das nationale deutsche Steuerrecht bei der Festlegung der Besteuerungsmerkmale an zwei Grundsätze an: (1) Persönliche Bindung eines Steuersubjektes an Deutschland: In Deutschland ansässige Personen werden in Höhe ihres gesamten Welteinkommens, d.h. der Summe aller inländischen sowie ausländischen Einkünfte, der Besteuerung unterworfen = unbeschränkte Steuerpflicht (Besteuerung im Wohnsitzstaat), § 1 Abs. 1 EStG. (2) Sachliche Beziehung eines Steuerobjektes zu Deutschland: Nicht-Ansässige werden in Deutschland mit den Einkünften besteuert, die sie aus einer im Inland belegenen Quelle erzielen = beschränkte Steuerpflicht (Besteuerung im Quellenstaat), § 1 Abs. 4 EStG.
Beispiel
Andere Staaten wenden diese Prinzipien in analoger Weise an; dadurch kann es zu Doppelbesteuerungen kommen.
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Der in Köln lebende Bernd Stromberg besitzt ein Ferienhaus in Spanien, welches er in seinem Privatvermögen hält. Aus der Vermietung des Ferienhauses erzielt Stromberg Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Aufgrund der sachlichen Bindung des Steuerobjektes, welches in Spanien belegen ist, besteuert Spanien diese Einkünfte als Quellenstaat. Damit ist Stromberg in Spanien mit seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung aus dem in Spanien belegenen Ferienhaus beschränkt einkommensteuerpflichtig.
Die Ansässigkeit ist nicht in allen Staaten das für die unbeschränkte Steuerpflicht allein relevante Merkmal. Als Beispiel seien die USA genannt, wo die Staatsbürgerschaft maßgebend ist.
Lösung
Prinzipien des Internationalen Steuerrechts
9
Stromberg als Steuersubjekt ist aufgrund seines Kölner Wohnsitzes in Deutschland ansässig. In Folge dieser persönlichen Bindung ist er in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Die Bemessungsgrundlage im Wohnsitzstaat Deutschland umfasst sein Welteinkommen, d.h. die inländischen und ausländischen Einkünfte und damit auch die Einkünfte aus dem Ferienhaus in Spanien. Da die Vermietungseinkünfte aus dem spanischen Ferienhaus der Quellenbesteuerung im Ausland sowie der Wohnsitzbesteuerung in Inland unterworfen werden, unterliegt Stromberg grundsätzlich einer Doppelbesteuerung.
1.3.3.2 Anknüpfungsmerkmale im nationalen Außensteuerrecht 1.3.3.2.1
Unbeschränkte Steuerpflicht im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht
Anknüpfungspunkt für die unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland ist x bei natürlichen Personen nach § 1 Abs. 1 EStG das Vorliegen eines Wohnsitzes (§ 8 AO) oder der gewöhnliche Aufenthalt (§ 9 AO) im Inland, und x bei juristischen Personen (Körperschaften) gem. § 1 Abs. 1 KStG das Vorliegen der Geschäftsleitung (§ 10 AO) oder des Sitzes (§ 11 AO) im Inland. Die Besteuerung umfasst das Welteinkommen der ansässigen Personen (Steuerinländer), d.h. die Summe von inländischen und ausländischen Einkünften.
Unbeschränkte Steuerpflicht
natürliche Person
juristische Person
im Inland
im Inland
ª Wohnsitz (§ 8 AO) oder
ª Geschäftsleitung (§ 10 AO) oder
ª gewöhnlicher Aufenthalt (§ 9 AO)
ª Sitz (§ 11 AO)
Umfang: Welteinkommen
Abbildung 8:
1.3.3.2.1.1
Anknüpfungspunkte für die unbeschränkte Steuerpflicht
Wohnsitz
Gem. § 8 AO hat jemand dort einen Wohnsitz, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird.
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Grundsätze des Internationalen Steuerrechts
Mit „Wohnung“ sind die objektiv zum Wohnen geeigneten Räumlichkeiten gemeint.2 Diese müssen insgesamt ein den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Steuerpflichtigen entsprechendes Heim darstellen.3 Maßgebend ist der steuerrechtliche Wohnsitzbegriff, der im Gegensatz zum zivilrechtlichen steht und die tatsächliche Gestaltung betrachtet. Dem rechtsgeschäftlichen Willen wird grundsätzlich keine Bedeutung beigemessen; ausschlaggebend ist der objektive Zustand.4 Der Steuerpflichtige muss die Wohnung innehaben, d.h. er muss tatsächlich über sie verfügen können und sie nicht nur vorübergehend benutzen.5 Wer eine Wohnung von vornherein mit der Absicht nimmt, sie nur vorübergehend (weniger als sechs Monate) beizubehalten und zu benutzen, begründet dort keinen Wohnsitz.6 Benutzt wird eine Wohnung von demjenigen, der sich in ihr ständig oder zumindest mit einer gewissen Regelmäßigkeit tatsächlich aufhält.7 Die Frage, ob die Umstände für eine solche Benutzung sprechen, ist unter Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalls zu beurteilen.8 Wer einen Wohnsitz im Ausland begründet und seine Wohnung im Inland beibehält, hat auch im Inland einen Wohnsitz im Sinne von § 8 AO.9 Mehrere Wohnsitze, sowohl im Inals auch im Ausland, sind möglich. Der melderechtliche Wohnsitz ist für das Vorliegen eines Wohnsitzes irrelevant. Die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Wohnsitzes sind kumulativ: 9 Wohnung, 9 Innehaben, 9 Beibehalten, 9 Benutzen.
2
Vgl. BFH v. 23.11.1988, II-R-139/87, BStBl. II 1989, S. 182.
3
Vgl. BFH v. 14.11.1969, III-R-95/68, BStBl. II 1970, S. 153.
4
Vgl. BFH v. 23.11.1988, II-R-139/87, BStBl. II 1989, S. 182.
5
Vgl. BFH v. 24.04.1964, VI-236/62-U, BStBl. III 1964, S. 462; BFH v. 06.03.1968, I-38/65, BStBl. II 1968, S. 439.
6
Vgl. BFH v. 30.08.1989, I-R-215/85, BStBl. II 1989, S. 956.
7
Vgl. BFH v. 17.05.1995, I-R-8/94, BStBl. II 1996, S. 2; BFH v. 26.07.1972, I-R-138/70, BStBl. II 1972, S. 949.
8
Vgl. BFH v. 30.08.1989, I-R-215/85, BStBl. II 1989, S. 956; BFH v. 17.05.1995, I-R-8/94, BStBl. II 1996, S. 2.
9
Vgl. BFH v. 04.06.1975, I-R-250/73, BStBl. II 1975, S. 708.
Prinzipien des Internationalen Steuerrechts 1.3.3.2.1.2
11
Gewöhnlicher Aufenthalt
§ 9 AO definiert den gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo sich jemand unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Als gewöhnlicher Aufenthalt ist stets und von Beginn an ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten Dauer anzunehmen; kurzfristige Unterbrechungen bleiben unberücksichtigt. Dies gilt nicht, wenn der Aufenthalt ausschließlich zu Besuchs-, Erholungs-, Kur- oder ähnlichen privaten Zwecken vorgenommen wird und nicht länger als ein Jahr dauert. Der Begriff „gewöhnlich“ ist gleichbedeutend mit „dauernd“. „Dauernd“ erfordert keine ununterbrochene Anwesenheit und bedeutet auch nicht „immer“, sondern ist vielmehr i.S.v. „nicht nur vorübergehend“ zu verstehen.10 Die Sechs-Monats-Frist bestimmt den Zeitraum, ab welchem ein Aufenthalt nicht mehr als nur vorübergehend eingestuft wird.11 Der Tatbestand des gewöhnlichen Aufenthalts kann bei einem weniger als sechs Monate dauernden Aufenthalt verwirklicht werden, wenn Inlandsaufenthalte aufeinander folgen, die sachlich miteinander verbunden sind und der Steuerpflichtige von vornherein beabsichtigt, nicht nur vorübergehend im Inland zu verweilen.12 Zwar kann ein Steuerpflichtiger über mehrere Wohnsitze verfügen, aber nur einen gewöhnlichen Aufenthalt haben. Er kann sich nicht an mehreren Orten gleichzeitig aufhalten.13 Beachte folgende Kriterien zur Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthaltes: 9 tatsächliche körperliche Anwesenheit, 9 nicht nur vorübergehendes Verweilen, 9 Sechs-Monats-Frist.
1.3.3.2.1.3
Sitz
Dem „Wohnsitz“ (§ 8 AO) der natürlichen Personen entspricht der „Sitz“ der juristischen Personen.
10
Vgl. BFH v. 30.08.1989, I-R-215/85, BStBl. II 1989, S. 956; RFH v. 19.10.1940, GrS-D-3/40, RStBl. 1940, S. 925.
11
Vgl. BFH v. 30.08.1989, I-R-215/85, BStBl. II 1989, S. 956; RFH v. 19.10.1940, GrS-D-3/40, RStBl. 1940, S. 925.
12
Vgl. BFH v. 27.07.1962, VI-156/59-U, BStBl. III 1962, S. 429; BFH v. 03.08.1977, I-R-210/75, BStBl. II 1978, S. 118.
13
Vgl. § 9 Nr. 3 Satz 1 AEAO.
12
Grundsätze des Internationalen Steuerrechts
Ihren Sitz hat eine Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse nach § 11 AO an dem Ort, der durch Gesetz, Gesellschaftsvertrag, Satzung, Stiftungsgeschäft oder dergleichen bestimmt wird. Steuerliche Beachtung finden hierbei die durch Eintragung ins Register fixierten rechtlichen Gegebenheiten.
1.3.3.2.1.4
Geschäftsleitung
Die Geschäftsleitung ist in § 10 AO als der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung definiert. Unter „geschäftlicher Oberleitung“ ist die laufende Geschäftsführung zu verstehen. Dazu gehören die tatsächlichen und rechtsgeschäftlichen Handlungen, die der gewöhnliche Betrieb der Gesellschaft mit sich bringt, sowie organisatorische Maßnahmen, die zur gewöhnlichen Verwaltung der Gesellschaft gehören („Tagesgeschäfte“). Von der laufenden Geschäftsführung ist die Mitwirkung der Gesellschafter an einzelnen Geschäftsführungsentscheidungen abzugrenzen.14 Der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung befindet sich an dem Ort, wo der für die Geschäftsführung maßgebliche Wille gebildet wird, d.h. wo die Anordnungen für den „laufenden Geschäftsverkehr“ erfolgen. Bei einer an mehreren Orten tätigen Geschäftsführung ist der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung dort, wo sich die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse in organisatorischer und wirtschaftlicher Hinsicht bedeutungsvollste Stelle befindet. Es ist entscheidend, wo nach den tatsächlichen Verhältnissen des Einzelfalls regelmäßig die für die Geschäftsführung nötigen Maßnahmen von einiger Wichtigkeit angeordnet werden. Bei einer Aufteilung in kaufmännische und technische Leitung ist die kaufmännische bestimmend.15 Eine ausländische Kapitalgesellschaft ist in Deutschland unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig, wenn sich ihre Geschäftsleitung im Inland befindet.16 Die Merkmale der Geschäftsleitung sind: 9 Ort der Willensbildung des Unternehmens, 9 Ort der laufenden Geschäftsführung.
14
Vgl. BFH v. 07.12.1994, I-K-1/93, BStBl. II 1995, S. 175.
15
Vgl. BFH v. 23.01.1991, I-R-22/90, BStBl. II 1991, S. 554.
16
Vgl. BFH v. 23.06.1992, IX-R-182/87, BStBl. II 1992, S. 972.
Prinzipien des Internationalen Steuerrechts
1.3.3.2.2
13
Beschränkte Steuerpflicht im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht
1.3.3.2.2.1
Voraussetzungen
Die Besteuerungshoheit eines Staates ist nicht auf die Besteuerung von Steuerinländern beschränkt. Die Steuerpflicht einer Person kann auch aufgrund der sachlichen Beziehung eines Steuergutes zum Territorium des steuererhebenden Staates eintreten (Prinzip der tatsächlichen Anknüpfung). Der Umfang der beschränkten Steuerpflicht richtet sich nach den aus inländischen Quellen stammenden Einkünften. Merke: Der Besteuerungsanspruch für beschränkt Steuerpflichtige in Deutschland knüpft an bestimmte im Inland belegene Einkunftsquellen an (Quellenbesteuerung). Als beschränkt Steuerpflichtige (Steuerausländer) gelten in Deutschland: x natürliche Personen, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt unterhalten (§ 1 Abs. 4 EStG) oder x juristische Personen, die weder ihre Geschäftsleitung noch ihren Sitz im Inland haben (§ 2 Nr. 1 KStG), aber x in Deutschland Einkünfte erzielen.
Beschränkte Steuerpflicht (Quellenbesteuerung)
natürliche Person
juristische Person
im Inland
im Inland
ª weder Wohnsitz ª noch gewöhnlicher Aufenthalt
ª weder Geschäftsleitung ª noch Sitz
Umfang: Einkünfte aus inländischen Quellen
Abbildung 9:
Beschränkte Steuerpflicht
An welche Tatbestandsmerkmale die Einreihung als inländische Einkünfte und somit eine beschränkte Steuerpflicht in Deutschland geknüpft ist, legt § 49 EStG abschließend fest. Die Aufzählung der inländischen Einkünfte im Sinne der beschränkten Steuerpflicht des § 49 Abs. 1 EStG lehnt sich an die der sieben Einkunftsarten i.S.d. § 2 Abs. 1 EStG an, enthält aber Einschränkungen. Der Katalog gilt über §§ 2, 8 Abs. 1 Satz 1 KStG auch für das Einkommen juristischer Personen.
14
Grundsätze des Internationalen Steuerrechts
Merke: Eine abschließende Aufzählung inländischer Einkünfte, die der beschränkten Einkommensteuerpflicht unterliegen, enthält § 49 Abs. 1 EStG.
1.3.3.2.2.2
Isolierende Betrachtungsweise
Ein spezielles Merkmal der Besteuerung im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht ist die isolierende Betrachtungsweise des § 49 Abs. 2 EStG. § 49 Abs. 2 EStG: „Im Ausland gegebene Besteuerungsmerkmale bleiben außer Betracht, soweit bei ihrer Berücksichtigung inländische Einkünfte im Sinne des Absatzes 1 nicht angenommen werden könnten.“ Die isolierende Betrachtungsweise bewirkt, dass bei im Inland verwirklichten Tatbeständen die im Ausland realisierten Anknüpfungsmerkmale, die einer Erfassung als inländische Einkünfte i.S.d. § 49 Abs. 1 EStG entgegenstehen, nicht beachtet werden. Ziel ist es, Steuerausländer im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht – unabhängig vom Vorliegen von ausländischem Betriebsvermögen – gleich zu behandeln.17 Hauptanwendungsfall sind bestimmte inländische Einkünfte, die von Steuerausländern im Rahmen ihres ausländischen Gewerbebetriebes bezogen werden. Die Einfügung des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Bst. f DBst. aa EStG durch das JStG 200918 verringert jedoch den Anwendungsbereich der isolierenden Betrachtungsweise. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Bst. f DBst. aa EStG: „Inländische Einkünfte im Sinne der beschränkten Einkommensteuerpflicht (§ 1 Abs. 4 EStG) sind (…) Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§§ 15 bis 17), die (…) durch Vermietung und Verpachtung von inländischem unbeweglichem Vermögen, von Sachinbegriffen oder Rechten, die im Inland belegen oder in ein inländisches öffentliches Buch oder Register eingetragen sind oder deren Verwertung von einer inländischen Betriebsstätte oder anderen Einrichtung erfolgt, erzielt werden.“ Inwieweit sich der Anwendungsbereich der isolierenden Betrachtungsweise durch die Neuaufnahme des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Bst. f DBst. aa EStG verkleinert, zeigt sich anhand des folgenden Beispiels: Eine beschränkt steuerpflichtige Körperschaft vermietet ein in Deutschland belegenes Grundstück. Deutschland steht aufgrund des Belegenheitsprinzips das Besteuerungsrecht an den Vermietungseinkünften des im Inland belegenen Grundstücks zu. Da das entsprechende 17
Vgl. BFH v. 20.01.1959, I-112/57, BStBl. III 1959, S. 133.
18
Vgl. Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2009 (JStG 2009), BT-Drs. 16/10189, S. 58 f.
Prinzipien des Internationalen Steuerrechts
15
Grundstück zu einem ausländischen Betriebsvermögen gehört, sind diese Einkünfte als gewerbliche Einkünfte zu qualifizieren. Die Besteuerung der gewerblichen Einkünfte erfolgt nach Maßgabe des § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG. Bis VZ 2008 konnten die Vermietungseinkünfte aus dem obigen Sachverhalt nur als gewerbliche Einkünfte besteuert werden, wenn die Voraussetzung des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Bst. a EStG (Bestehen einer Betriebsstätte im Inland) erfüllt war. Da ein Grundstück allein nicht die Voraussetzungen einer Betriebsstätte gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Bst. a EStG i.V.m. § 12 AO erfüllte, war diese Voraussetzung nicht gegeben. Grundsätzlich wären die Vermietungseinkünfte also nicht von § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG erfasst worden, mit der Folge, dass Deutschland diese nicht hätte besteuern können. Nach Maßgabe der isolierenden Betrachtungsweise i.S.d. § 49 Abs. 2 EStG blieben die im Ausland gegebenen Besteuerungsmerkmale (Zugehörigkeit des Grundstücks zum ausländischen Betriebsvermögen und somit Einkünfte aus Gewerbebetrieb) jedoch außer Ansatz. Die inländischen Einkünfte wurden als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung qualifiziert und unterlagen somit unabhängig davon, ob das Grundstück zum ausländischen Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen gehörte, der beschränkten Steuerpflicht in Deutschland gem. § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG. Diese Regelung ändert sich ab VZ 2009. Durch die Einfügung des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Bst. f DBst. aa EStG werden die Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung von inländischen Grundstücken und Rechten, die zu einem ausländischen Betriebsvermögen gehören, fiktiv den Einkünften aus Gewerbebetrieb zugeordnet. Im Beispiel werden die Vermietungseinkünfte somit nicht mehr über die isolierende Betrachtungsweise als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG qualifiziert, sondern sie werden gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Bst. f DBst. aa EStG zu Einkünften aus Gewerbebetrieb erklärt.
Beispiel
Insgesamt bleibt die Regelung der isolierenden Betrachtungsweise als solche jedoch bestehen. Auch ab VZ 2009 ist es folglich möglich, dass eine ausländische Kapitalgesellschaft im Inland mehrere Einkunftsarten – z.B. Einkünfte aus Gewerbebetrieb und Kapitaleinkünfte gem. § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG – erzielt.19
19
Die beschränkt steuerpflichtige Blomkvist-GmbH ist an der inländischen SalanderGmbH beteiligt. Für die der Blomkvist-GmbH aus der Beteiligung zufließenden Dividendenerträge darf Deutschland als Quellenstaat eine Quellensteuer in beschränkter Höhe erheben, die im Sitzstaat der Gesellschaft angerechnet wird. Deutschland steht also ein Besteuerungsrecht an den Dividenden zu.
Vgl. Mensching, O., Neufassung des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG durch das Jahressteuergesetz 2009 – Auswirkungen auf beschränkt steuerpflichtige Investoren, DStR 2009, S. 96 f.
16
Formen der Doppelbesteuerung Da die Beteiligung an der Salander-GmbH zum ausländischen Betriebsvermögen der Blomkvist-GmbH gehört, gelten aufgrund der Subsidiaritätsklausel des § 20 Abs. 8 EStG auch die Dividenden als Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Diese Einkünfte aus Gewerbebetrieb können in Deutschland jedoch nur besteuert werden, wenn für den Gewerbebetrieb im Inland eine Betriebsstätte unterhalten wird (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Bst. a EStG). Diese Voraussetzung ist nicht gegeben, da die Beteiligung allein nicht die Tatbestandsmerkmale einer Betriebsstätte erfüllt (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Bst. a EStG i.V.m. § 12 AO). Dies würde dazu führen, dass Deutschland die Dividendeneinkünfte nicht besteuern könnte. Wegen der isolierenden Betrachtungsweise i.S.d. § 49 Abs. 2 EStG bleiben die im Ausland gegebenen Besteuerungsmerkmale (hier: Halten einer Beteiligung in einem ausländischen Betriebsvermögen) außer Betracht. Die Subsidiaritätsklausel des § 20 Abs. 8 EStG wirkt sich im Rahmen der isolierenden Betrachtungsweise nicht aus.20 In diesem Fall werden die Dividendeneinkünfte in Deutschland, unabhängig davon, dass die Beteiligung zum ausländischen Betriebsvermögen der Blomkvist-GmbH gehört, als Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG qualifiziert.
1.3.3.2.2.3
Objektcharakter
Grundsätzlich weisen die im Inland erhobenen Steuern den Charakter einer Objektsteuer auf, d.h. der Besteuerungsanspruch konzentriert sich auf ein Steuerobjekt, ohne dass den persönlichen Verhältnissen des Steuerpflichtigen Beachtung geschenkt wird. Welche Regelungen zur Berücksichtigung der subjektiven Leistungsfähigkeit, die das Einkommensteuergesetz beinhaltet, von beschränkt Steuerpflichtigen angewendet werden dürfen, bestimmt sich nach § 50 Abs. 1, 2 EStG.
2 Doppelbesteuerung 2.1 Formen der Doppelbesteuerung Im Fall einer grenzüberschreitenden Unternehmenstätigkeit unterliegt ein Steuerpflichtiger regelmäßig dem Steuerrecht mehrerer Staaten. Die Anwendung oben beschriebener Besteuerungsgrundsätze kann dazu führen, dass mehr als ein Staat steuerliche Forderungen an das wirtschaftliche Ergebnis der Geschäftstätigkeit knüpft. Grundsätzlich wird zwischen einer juristischen Doppelbesteuerung und einer Doppelbesteuerung im wirtschaftlichen Sinne unterschieden. Die Differenzierung richtet sich nach der Identität des Steuersubjekts. 20
Vgl. Kirchhof, P./ Söhn, H./ Mellinghoff, R., Einkommensteuergesetz Kommentar, 200. Erg.Lfg., Heidelberg 2009, § 49 Rz. K 397.
Doppelbesteuerung
17
Im Fall, dass zwar keine tatsächliche Doppelbesteuerung vorliegt, aber die theoretische Möglichkeit dazu gegeben ist, wird von virtueller Doppelbesteuerung gesprochen.
Formen der Doppelbesteuerung
Juristische Doppelbesteuerung
Abbildung 10:
Wirtschaftliche Doppelbesteuerung
Virtuelle Doppelbesteuerung
Möglichkeiten zur Differenzierung der Doppelbesteuerung
2.1.1 Juristische Doppelbesteuerung Zu einer Doppel- oder Mehrfachbesteuerung im juristischen Sinne kommt es, wenn derselbe Steuerpflichtige von zwei (oder mehr) souveränen Steuerhoheiten für denselben Steuertatbestand, d.h. für dieselben Einkünfte bzw. dieselben Vermögenswerte, im selben Zeitraum gleiche oder vergleichbare Steuern zahlen muss.
Beispiel
Die Merkmale der juristischen Doppelbesteuerung sind: 9 Identität des Steuersubjekts, 9 Identität des Steuerobjekts, 9 Identität des Besteuerungszeitraums, 9 Identität bzw. Gleichartigkeit der Steuer, 9 in zwei oder mehr Staaten. In Fortführung des vorhergehenden Beispiels unterliegt Stromberg ( Identität des Steuersubjekts) mit seinen Einkünften aus der Vermietung des Ferienhauses in Spanien ( Identität des Steuerobjekts) im gleichen Veranlagungszeitraum ( Identität des Besteuerungszeitraums) der Einkommenssteuer ( Identität der Steuer) in Spanien und Deutschland ( zwei Staaten). Damit liegt eine juristische Doppelbesteuerung vor.
2.1.2 Wirtschaftliche Doppelbesteuerung Bei wirtschaftlicher Doppelbesteuerung ist im Gegensatz zur juristischen Doppelbesteuerung keine Identität der Steuersubjekte gegeben. Es wird im gleichen Besteuerungszeitraum
18
Formen der Doppelbesteuerung
Beispiel
dasselbe Steuergut bei verschiedenen Steuerpflichtigen zu einer vergleichbaren Besteuerung herangezogen. Die Rottenmeier AG im Land A hält 100 % der Anteile an der HeidiKapitalgesellschaft mit Sitz in Land B. Der von der Tochtergesellschaft erzielte Gewinn ist im Sitzstaat der Tochtergesellschaft körperschaftsteuerpflichtig. Wird der Gewinn ausgeschüttet, so wird er Bestandteil des steuerpflichtigen Gewinns der Rottenmeier AG und muss nach dem Steuerrecht des Landes A von der Muttergesellschaft versteuert werden. Somit wird wirtschaftlich derselbe Gewinn zweimal besteuert, allerdings bei zwei verschiedenen Rechtssubjekten.
Da sowohl die Muttergesellschaft als auch das Tochterunternehmen eigenständige Rechtssubjekte darstellen (Trennungsprinzip), führt die Besteuerung der Gewinne im Ausland und die Besteuerung der ausgeschütteten Dividende im Inland nicht zu einer Doppelbesteuerung im juristischen Sinn, da zwei unterschiedliche Steuersubjekte besteuert werden. Nach betriebswirtschaftlichem Verständnis stellen beide Unternehmen jedoch eine wirtschaftliche Einheit dar. Somit handelt es sich um eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung.
2.1.3 Virtuelle Doppelbesteuerung
Beispiel
Im Gegensatz zur realen Doppelbesteuerung ist die virtuelle Doppelbesteuerung nur eine denkbare Doppelbesteuerung.21 Es besteht lediglich die theoretische Möglichkeit der doppelten Besteuerung, eine tatsächliche (effektive) Doppelbesteuerung ist nicht entstanden. Land A, Ansässigkeitsstaat, besteuert Gewinne aus Grundstücksverkäufen unabhängig von Lage (In- oder Ausland) und Besitzzeiten. Land B, Belegenheitsstaat, besteuert diesen Tatbestand nur innerhalb einer Spekulationsfrist von 5 Jahren. Die im Land A ansässige Vianne Rocher veräußert ihr in B gelegenes Grundstück nach Ablauf der Spekulationsfrist. Es tritt daher keine Doppelbesteuerung, sondern nur eine Einmalbesteuerung ein. Allerdings würde eine tatsächliche Doppelbesteuerung entstehen, wenn sie das Grundstück vor Ablauf von 5 Jahren verkauft. Eine virtuelle Doppelbesteuerung liegt also immer vor, wenn zwei Staaten das Recht der Besteuerung für sich beanspruchen, der eine Staat aber aufgrund nationaler Vorschriften sein Besteuerungsrecht nicht wahrnimmt.
Die zwischen den Vertragsstaaten geschlossenen DBA zielen bereits auf die Vermeidung einer virtuellen Doppelbesteuerung ab. Durch die strikte Aufteilung der Besteuerungsrechte kann auch eine nur virtuelle Doppelbesteuerung vermieden werden, so dass sogar eine 21
Vgl. BFH v. 28.04.1982, I-R-89/77, BStBl. II 1982, S. 556; BFH v. 14.12.1988, I-R-148/87, BStBl. II 1989, S. 319.
Doppelbesteuerung
19
gänzliche Steuerbefreiung erreicht werden kann.22 Der Ausschluss der virtuellen Doppelbesteuerung durch die DBA hat den Sinn, dass nicht überprüft werden muss, ob tatsächlich im anderen Vertragsstaat besteuert wird.
2.2 Ursachen der Doppelbesteuerung Eine Doppelbesteuerung ergibt sich für den Steuerpflichtigen einerseits daraus, dass er in mehreren Staaten gleichzeitig die Voraussetzungen der unbeschränkten bzw. beschränkten Steuerpflicht erfüllt und andererseits daraus, dass die einzelnen Staaten gleichzeitig auf das Universalitäts- und das Territorialitätsprinzip zur Besteuerung zurückgreifen und sich daher die Steueransprüche der einzelnen Staaten bei Verwirklichung grenzüberschreitender Sachverhalte überschneiden. Es lassen sich unterschiedliche Szenarien abgrenzen, die im Ergebnis zur Doppelbesteuerung führen können:
Beispiel
1. FALL:
Else Kling mit Wohnsitz in München erzielt Einkünfte aus im Ausland belegenem Vermögen. In Deutschland ist Else Kling unbeschränkt einkommensteuerpflichtig mit ihrem Welteinkommen (Universalitätsprinzip). Das Ausland unterwirft die aus einer auf seinem Staatsgebiet befindlichen Quelle stammenden Einkünfte der Besteuerung (Territorialitätsprinzip). Als Konsequenz führt die Überschneidung bei der Besteuerung der betreffenden Einkünfte zur Doppelbesteuerung.
Beispiel
2. FALL:
22
Unbeschränkte Steuerpflicht im Wohnsitzstaat und beschränkte Steuerpflicht im Quellenstaat.
Zwei (und mehr) unbeschränkte Steuerpflichten in unterschiedlichen Staaten. Dieser Fall tritt ein, wenn (a) sich die betreffenden Staaten bei der Festsetzung der unbeschränkten Steuerpflicht nicht an den selben Prinzipien orientieren oder (b) die Prinzipien in beiden Staaten zwar gleich sind, die Voraussetzungen der unbeschränkten Steuerpflicht aber in beiden Staaten gegeben sind.
a) Colt Sievers, US-Staatsbürger, wohnt seit vielen Jahren in Köln. Da Deutschland als subjektives Anknüpfungskriterium den Wohnsitz des Steuersubjektes gewählt hat, ist Colt Sievers in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Die USA hinge-
Zur Vermeidung von gänzlichen Steuerfreistellungen werden in DBA sog. subject-to-taxKlauseln vereinbart. Diese Klauseln machen den Steuerverzicht des einen Vertragsstaates abhängig von der tatsächlichen Besteuerung im anderen Staat. Ein ähnlicher Effekt kann durch eine sog. switch-over-Klausel erreicht werden.
20
Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung gen knüpfen an der Nationalität an; daher unterliegen alle Staatsangehörigen unabhängig davon, in welchem Staat sie ihren Wohnsitz haben, in den USA der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht. Aus der uneinheitlichen Wahl der Anknüpfungsgrundsätze ergibt sich für Colt Sievers die Doppelbesteuerung seines Welteinkommens im Wohnsitzstaat (Deutschland) sowie in dem Land, dessen Staatsbürgerschaft er besitzt (USA). b) Tyler Durden hat sowohl einen Wohnsitz in Deutschland als auch in Spanien (sog. Doppelwohnsitz).
Beispiel
3. FALL:
Der in Frankfurt ansässige Josef Matula gründet im Ausland I eine Betriebsstätte. In ihrem Vermögen hält die Betriebsstätte Anteile an einer Kapitalgesellschaft, die sich auf dem Hoheitsgebiet des Auslandes II befindet. Für den Steuerpflichtigen Josef Matula entsteht eine Doppelbesteuerung, wenn das Ausland II für die Dividende der Kapitalgesellschaft eine Quellensteuer (Kapitalertragsteuer) erhebt, und das Ausland I die Erträge aus der Beteiligung an der Kapitalgesellschaft den Einkünften der Betriebsstätte zurechnet.
4. FALL:
Beispiel
Zwei (und mehr) beschränkte Steuerpflichten in unterschiedlichen Staaten. Diese Konstellation entsteht, wenn ein Steuerobjekt in verschiedenen Staaten besteuert wird und das betroffene Steuersubjekt in keinem dieser Staaten ansässig ist.
Qualifikationskonflikte. Derselbe Sachverhalt wird in den beteiligten Staaten unter verschiedene steuerliche Normen subsumiert, so dass trotz Bestehens eines DBAs beide Staaten ein Besteuerungsrecht ableiten.
Vergütungen für die Darlehensgewährung eines Gesellschafters an seine Personengesellschaft werden im Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters als Zinseinkünfte, jedoch im Sitzstaat der Gesellschaft als Sondervergütungen qualifiziert und den gewerblichen Einkünften zugerechnet.
2.3 Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung 2.3.1 Überblick Doppelbesteuerungen reduzieren die Rentabilität einer Investition. Es besteht daher der Anreiz, Doppelbesteuerungen durch rein nationale Investitionen zu vermeiden. Um zwischen einer rein nationalen und einer grenzüberschreitenden Investition indifferent zu sein,
Doppelbesteuerung
21
müsste die ausländische Investition eine höhere Rentabilität vor Steuern aufweisen. Aus volkswirtschaftlicher Sicht behindern Doppelbesteuerungen eine effiziente zwischenstaatliche Allokation von Produktionsfaktoren. Auch aus fiskalischen Überlegungen ist es erstrebenswert, Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zu implementieren, da kurzfristig höhere Steuereinnahmen auf lange Sicht durch das verhinderte Wirtschaftswachstum und daraus resultierende geringere steuerpflichtige Erträge kompensiert werden. Ferner erfolgt aus steuerlicher Sicht bei einer Doppelbesteuerung keine Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Nach dem Grad der Kooperation mit anderen Staaten ergeben sich verschiedene Möglichkeiten zur Vermeidung der Doppelbesteuerung: x
unilaterale (einseitige) Maßnahmen: Regelungen der nationalen Steuergesetzgebung, die den (völligen oder teilweisen) Steuerverzicht eines Staates – unabhängig vom Vorgehen des anderen Staates – normieren, um Auslandsinvestitionen zu fördern.
x
bilaterale (zweiseitige) Maßnahmen: Gegenseitige Abkommen, in welchen zwei Staaten vereinbaren, die Steueransprüche der beteiligten Staaten untereinander aufzuteilen. Beispiel dafür sind die Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA). Durch DBA regeln die Vertragsstaaten, wie und in welchem Umfang bestehende Besteuerungsrechte beschränkt werden. Der Vertragscharakter der DBA bietet den Vorteil, dass kein Staat einseitig auf Besteuerungsrechte verzichtet, sondern als Gegenleistung für eigene steuerliche Beschränkungen Verzichtsnormen beim Vertragspartner aushandeln kann.23 Außerdem lassen sich durch internationale Verträge Doppelbesteuerungen umfassender und wirksamer vermeiden, als dies bei unabgestimmten unilateralen Maßnahmen der Fall ist.
x
multilaterale (mehrseitige) Maßnahmen: International gültige Vereinbarungen und mehrseitige völkerrechtliche Verträge der Staaten. Zu multilateralen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ist es aufgrund der Interessenpluralität der beteiligten Staaten nur in seltenen Fällen gekommen.24 In der internationalen Vertragspraxis spielen deshalb bilaterale Doppelbesteuerungsabkommen die entscheidende Rolle.
x
supranationale Maßnahmen: Maßnahmen, die von überstaatlichen Organisationen, denen von den einzelnen untergeordneten Mitgliedsstaaten hierfür gewisse Kompetenzen übertragen wurde, verbindlich für alle Mitgliedstaaten vorgeschrie-
23
Den auf Gegenseitigkeit beruhenden Charakter eines DBAs betont auch der BFH in seiner Entscheidung v. 19.05.1993, I-R-80/92, BStBl. II 1993, S. 656.
24
Beispiel für multilaterale Abkommen ist das EG-Abkommen über die Beseitigung der Doppelbesteuerung (Schlichtungsverfahren) im Falle einer Gewinnberichtigung bei Geschäftsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen sowie die Nordische Konvention auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen zwischen Dänemark, Finnland, Schweden, Norwegen, Island und seit 1989 den Färöer Inseln.
22
Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ben werden. Ein Beispiel ist die innerhalb der EU anzuwendende sog. MutterTochter-Richtlinie25.
Möglichkeiten zur Vermeidung bzw. Minderung der Doppelbesteuerung unilaterale Maßnahmen
Maßnahmen zur Vermeidung bzw. Minderung der Doppelbesteuerung
bilaterale Maßnahmen
multilaterale Maßnahmen
supranationale Maßnahmen
Abbildung 11:
Möglichkeiten zur Vermeidung bzw. Minderung der Doppelbesteuerung
2.3.2 Maßnahmenkatalog Das deutsche Einkommensteuerrecht kennt vier Methoden, die den unilateralen Verzicht des staatlichen Besteuerungsanspruchs regeln: x
Maßnahmen auf unilateraler Ebene: – Anrechnungsmethode, – Abzugsmethode, – Pauschalierungsmethode, und – Erlass.
Auf bilateraler Ebene, also im Rahmen von DBA, werden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung folgende Methoden angewandt: x
25
Maßnahmen auf bilateraler Ebene: – Freistellungsmethode unter Progressionsvorbehalt, – Anrechnungsmethode.
Die Richtlinie 90/435/EWG über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten vom 23. Juli 1990 (Beck’sche Textausgaben Steuergesetze, Nr. 2) wurde durch die Richtlinie 2003/123/EG geändert. Die neue Richtlinie war durch die Mitgliedstaaten bis spätestens 01.01.2005 in nationales Recht umzusetzen.
Doppelbesteuerung
23
Die Freistellungsmethode unter Progressionsvorbehalt wird also nur angewendet, wenn sie in einem DBA normiert ist. § 32b EStG regelt die nationale Konkretisierung des Progressionsvorbehalts. Er normiert die Progressionserhöhung freigestellter ausländischer Einkünfte. Merke: § 32b EStG ist keine unilaterale steuerliche Freistellung ausländischer Einkünfte, sondern lediglich eine Tarifanpassungsbestimmung.
Unilaterale und bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung bzw. Minderung der Doppelbesteuerung Unilaterale Maßnahmen Direkte Steueranrechnung (§§ 34c Abs. 1 EStG; 26 Abs. 1 KStG)
Methoden zur Vermeidung bzw. Minderung der Doppelbesteuerung
Steuerabzug (§ 34c Abs. 2, 3 EStG) Pauschalierung bzw. Erlass (§ 34c Abs. 5 EStG)
Bilaterale Maßnahmen Freistellung mit Progressionsvorbehalt
Anrechnungsmethode
Abbildung 12:
Maßnahmen zur Vermeidung bzw. Minderung der Doppelbesteuerung
Für die folgenden Ausführungen wird auf nationaler Ebene zwischen den Vorschriften der Ertragsbesteuerung natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz), den für Kapitalgesellschaften geltenden Normen (Körperschaftsteuergesetz) sowie den Vorschriften für die Erbschafts- und Schenkungsbesteuerung unterschieden.
24
Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
2.3.3 Regelungen für natürliche Personen 2.3.3.1 Grundlagen der Besteuerung natürlicher Personen in Deutschland Die Besteuerung natürlicher Personen in Deutschland hat sich durch das Unternehmensteuerreformgesetz 200826 insbesondere im Bereich der Einkünfte aus Kapitalvermögen grundlegend geändert. Im Folgenden werden die Unterschiede zwischen den bis einschließlich VZ 2008 gültigen Regelungen und der ab VZ 2009 geltenden Rechtslage erläutert.
2.3.3.1.1
Definition von Einkünften aus Kapitalvermögen
Bis einschließlich VZ 2008 umfassten die Einkünfte aus Kapitalvermögen nur laufende Einnahmen aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG a.F.). Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften wurden unter den Voraussetzungen des § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 EStG a.F. als sonstige Einkünfte besteuert. Darüber hinaus erfasste § 17 EStG Gewinne aus der Veräußerung von im Privatvermögen gehaltenen Anteilen an Kapitalgesellschaften, an der ein Steuerpflichtiger mittelbar oder unmittelbar innerhalb der letzten fünf Jahre zu mindestens 1 % beteiligt war, als gewerbliche Einkünfte. Ab VZ 2009 werden Einkünfte aus Kapitalvermögen neu definiert. Einkünfte aus Kapitalvermögen beinhalten dann sowohl laufende Einnahmen aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 EStG) als auch Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 2 EStG). Demnach unterliegen nunmehr auch Gewinne aus der Veräußerung von Wertpapieren, bei denen die Zeitspanne zwischen der Anschaffung in 2009 und der Veräußerung ein Jahr oder mehr beträgt, der Besteuerung (Wegfall der Steuerfreiheit nach einer Mindesthaltefrist von einem Jahr). Merke: Ab 01.01.2009 zählen zu den Einkünften aus Kapitalvermögen neben den laufenden Einnahmen aus Kapitalvermögen auch Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalvermögen, die bisher als sonstige Einkünfte besteuert werden. Ebenso ändert sich die Höhe des Kapitalertragsteuersatzes, der auf die Kapitaleinkünfte erhoben wird. Bis zum 31.12.2008 bestimmte sich die Höhe des Kapitalertragsteuersatzes in Abhängigkeit von den zugrunde liegenden Kapitalerträgen. Beispielsweise betrug der Kapitalertragsteuersatz, wenn die Kapitalertragsteuer vom Gläubiger getragen wurde, x auf Dividenden 20 % (§ 43a Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 43 Abs. 1 Nr. 1 EStG a.F.), x auf Zinsen 30 % (§ 43a Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 43 Abs. 1 Nr. 7 EStG a.F.), x auf Einnahmen aus der Beteiligung als stiller Gesellschafter oder aus partiarischen Darlehen 25 % (§ 43a Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 43 Abs. 1 Nr. 3 EStG a.F.). 26
Vgl. Unternehmensteuerreformgesetz 2008 v. 14.08.2007, BGBl. I 2007, S. 1912.
Doppelbesteuerung
25
Ab dem 01.01.2009 gilt für Kapitalerträge gem. § 43a Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 43 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, 6 bis 7a, 8 bis 12 und Satz 2 EStG ein einheitlicher Kapitalertragsteuersatz in Höhe von 25 %. Lediglich für Leistungen von Betrieben gewerblicher Art, die von juristischen Personen des öffentlichen Rechts unterhalten werden, beträgt der Kapitalertragsteuersatz 15 % (§ 43a Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 43 Abs. 1 Nr. 7b und 7c EStG).
2.3.3.1.2
Besteuerung von laufenden Einkünften aus Kapitalvermögen
Bis einschließlich VZ 2008 wurden grundsätzlich alle laufenden Einkünfte eines Steuerpflichtigen zu 100 % im Rahmen des Veranlagungsverfahrens mit dem persönlichen Steuersatz belastet. Einzige Ausnahme von diesem Grundsatz stellte die Besteuerung von Dividenden dar. Diese wurden unabhängig davon, ob sie in einem Privat- oder Betriebsvermögen entstanden sind, gemäß dem Halbeinkünfteverfahren nur zur Hälfte in die Bemessungsgrundlage einbezogen (§ 3 Nr. 40 Bst. d EStG a.F.). Korrespondierend zur Berücksichtigung der Einkünfte in der Bemessungsgrundlage konnten Steuerpflichtige ihre Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten, die mit der Einkunftserzielung in wirtschaftlichem Zusammenhang standen, im Fall von Nicht-Dividendeneinkünften vollständig und im Fall von Dividendeneinkünften nur zu 50 % (§ 3c Abs. 2 EStG a.F) steuerlich geltend machen. Die folgende Übersicht fasst die Besteuerung von Dividendeneinkünften und NichtDividendeneinkünften, wie sie bis zum 31.12.2008 galt, zusammen:
Besteuerung bis 31.12.2008
Dividendeneinkünfte im Betriebs- und Privatvermögen
Nicht-Dividendeneinkünfte
Dividenden werden zur Hälfte in die Bemessungsgrundlage einbezogen (§ 3 Nr. 40 Bst. d EStG a.F.)
Nicht-Dividendeneinkünfte werden zu 100 % in die Bemessungsgrundlage einbezogen
Abzug von 50 % der Betriebsausgaben / Werbungskosten (§ 3c Abs. 2 EStG a.F.)
Betriebsausgaben / Werbungskosten werden zu 100 % berücksichtigt
Besteuerung der verbleibenden 50 % der Dividende mit persönlichem Steuersatz
Besteuerung mit persönlichem Steuersatz
Abbildung 13:
Systematik der Besteuerung von laufenden Einkünften bis 31.12.2008
26
Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
Ab VZ 2009 hat der Gesetzgeber die Besteuerung laufender Einkünfte aus Kapitalvermögen neu geregelt. Bei natürlichen Personen ist zwischen Kapitalerträgen im Privatvermögen, Dividenden im Betriebsvermögen und den verbleibenden zu veranlagenden Einkünften
zu unterscheiden.
Kapitalerträge im Privatvermögen
Ab 01.01.2009 werden Einkünfte aus Kapitalvermögen, die natürliche Personen im Privatvermögen erzielen, im Rahmen der Einkommensteuer einem gesonderten Steuertarif, der sog. Abgeltungsteuer, unterworfen. Der Abgeltungsteuersatz beträgt 25 % zzgl. 5,5 % SolZ (§ 32d Abs. 1 Satz 1 EStG). Die Abgeltungsteuer wird nicht mittels eines Veranlagungsverfahrens von der Finanzverwaltung erhoben, sondern inländische Finanzinstitute behalten den auf die Einkünfte aus Kapitalvermögen entfallenden Kapitalertragsteuersatz von 25 % zzgl. SolZ an der Quelle mit abgeltender Wirkung ein (§ 43a Abs. 3 Satz 1 EStG). Die Berücksichtigung von Werbungskosten ist im Anwendungsbereich der Abgeltungsteuer in § 20 Abs. 9 EStG geregelt. Der Abzug von tatsächlich angefallenen Werbungskosten ist demnach ausgeschlossen. Stattdessen wird ein Sparer-Pauschbetrag gewährt. Dieser beträgt bei Einzelveranlagung 801 € und bei Zusammenveranlagung 1.602 €. Um die Entstehung eines Verlustvortrags zu verhindern, ist der Sparer-Pauschbetrag jedoch auf die um abzuziehende ausländische Steuern gekürzten Kapitalerträge beschränkt. Im Fall der Kirchensteuerpflicht eines Steuerpflichtigen verringert sich gem. § 32d Abs. 1 Satz 3 EStG die Abgeltungsteuer um 25 % der auf die Kapitalerträge zu entrichtenden Kirchensteuer. Durch diese Verminderung der Abgeltungsteuer zugunsten der Kirchensteuer wird der Sonderausgabenabzug der Kirchensteuer im Bereich der Kapitalerträge in das System der Abgeltungsteuer integriert. Eine zusätzliche Berücksichtigung der auf Kapitalerträge gezahlten Kirchensteuer im Rahmen einer Veranlagung ist nicht möglich (§ 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG). Auf diese Weise wird ein Veranlagungsverfahren vermieden. Somit berechnet sich bei Steuerpflichtigen, die einer Kirchensteuerpflicht unterliegen, die Einkommensteuer auf die erzielten Kapitalerträge folgendermaßen: ESt in Form der Abgeltungsteuer Einkünfte aus Kapitalvermögen x 25 % = ./. Kompensation des SA-Abzugs der KiSt ./. Kirchensteuer x 25 % = Einkommensteuer in Form der Abgeltungsteuer bei Kirchensteuerpflicht
Doppelbesteuerung
27
Der SolZ beträgt 5,5 % der Einkommensteuer. Die Kirchensteuer berechnet sich wie folgt: Kirchensteuer = Einkommensteuer x Kirchensteuersatz Um die teilweise Abzugsfähigkeit der Kirchensteuer von ihrer eigenen Bemessungsgrundlage im Rahmen der Abgeltungsteuer zu berücksichtigen, muss die obenstehende Formel zur Ermittlung der Einkommensteuer in Form der Abgeltungsteuer anhand einiger Rechenschritte umgeformt werden. Die endgültige Formel zur Berechnung der Abgeltungsteuer ist in § 32d Abs. 1 Satz 4 EStG normiert und berücksichtigt auch ggf. anrechenbare ausländische Steuern.
Beispiel
Der alleinstehende Major Richard D. Winters lebt in Berchtesgaden und unterhält bei einer örtlichen Bank eine Spareinlage. Er erhält von seiner Bank 150.000 € Zinsen. Es soll die Einkommensteuer, der SolZ und die Kirchensteuer (8 %) von Major Winters unter Berücksichtigung des Sparer-Pauschbetrags ermittelt werden.
Lösung
EinkommenEinkünfte nach § 20 EStG ./. 4 x anrechenbare ausländische Steuer = steuer 4 + Kirchensteuersatz
Die Einkünfte nach § 20 EStG betragen 149.199 € (= 150.000 € ./. 801 €). Einkommensteuer =
149.199 € = 36.568,38 € 4,08
Die Einkommensteuer beträgt 36.568,38 €, der SolZ 2.011,26 € (= 36.568,38 € x 5,5 %). Kirchensteuer wird i.H.v. 2.925,47 € (= 36.568,38 € x 8 %) erhoben. Die Gesamtsteuerbelastung von Major Winters beträgt 41.505,11 €. Dies entspricht einem Steuersatz von 27,67 %. Würde Major Winters keiner Kirche angehören, würden seine Kapitaleinkünfte mit 39.351,24 € (= 37.299,75 € ESt + 2.051,49 € SolZ) oder 26,23 % besteuert. Von der Anwendung der Abgeltungsteuer bestehen folgende Ausnahmen, die zu einer Besteuerung im Rahmen des Veranlagungsverfahrens führen: x
Die Anwendung der Abgeltungsteuer ist nicht vorgesehen, soweit Kapitalerträge Einkünften aus Forst- und Landwirtschaft, aus Gewerbebetrieb, aus selbständiger Arbeit oder aus Vermietung und Verpachtung zugerechnet werden müssen (§ 32d Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 8 EStG).
x Der Abgeltungsteuertarif ist nicht anzuwenden, wenn kumulativ folgende zwei Voraussetzungen erfüllt sind: Zum einen muss es sich um Kapitalerträge aus einer stillen Beteiligung oder um Kapitalforderungen handeln. Zum anderen müssen
28
Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung Gläubiger und Schuldner einander nahe stehen, oder es müssen bestimmte Finanzierungsformen gem. § 32d Abs. 2 Nr. 1 Bst. b und c EStG vorliegen. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, richtet sich die Besteuerung nach dem in § 32a EStG normierten Einkommensteuertarif (§ 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG). x Auf Antrag des Steuerpflichtigen können Gewinnausschüttungen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 nach dem Teileinkünfteverfahren besteuert werden. Voraussetzung ist, dass der Steuerpflichtige mittelbar oder unmittelbar entweder zu mindestens 25 % an der Kapitalgesellschaft beteiligt oder zu mindestens 1 % an der Kapitalgesellschaft beteiligt und für diese beruflich tätig ist (§ 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG). x Kapitalerträge, die nicht mit Kapitalertragsteuer belastet wurden, werden zwar veranlagt, unterliegen aber im Veranlagungsverfahren dem Abgeltungsteuersatz (§ 32d Abs. 3 EStG). x Steuerpflichtige haben das Recht, ihre Kapitalerträge zu veranlagen und die tarifliche Einkommensteuer festsetzen zu lassen. Dies ist z.B. dann sinnvoll, wenn ausländische Steuern oder ein Verlustvortrag noch nicht berücksichtigt wurden, der Sparer-Pauschbetrag nicht ausgenutzt wurde oder der Steuereinbehalt überprüft werden soll (§ 32d Abs. 4 EStG). Im Gegensatz zu der Veranlagung nach § 32d Abs. 6 EStG kann ein Antrag nach Abs. 4 auch nur für einen Teil der Kapitalerträge gestellt werden. x Steuerpflichtige können für eine Veranlagung sämtlicher Kapitaleinkünfte des Veranlagungszeitraums mit der tariflichen Einkommensteuer optieren, wenn dies zu einer niedrigeren Einkommensteuer führt (Günstigerprüfung). Dies ist bei Steuerpflichtigen, deren Grenzsteuersatz unter 25 % liegt, der Fall (§ 32d Abs. 6 EStG).
Dividenden im Betriebsvermögen
Ab 01.01.2009 werden Dividenden aus Anteilen an Kapitalgesellschaften, die zum Betriebsvermögen von Einzelunternehmern oder Personengesellschaften gehören, gemäß dem Teileinkünfteverfahren besteuert. Das Teileinkünfteverfahren ähnelt dem bisherigen Halbeinkünfteverfahren und teilt Dividenden in einen 40 %igen Anteil, den der Steuerpflichtige steuerfrei vereinnahmen darf, und einen 60 %igen Anteil, der dem persönlichen Steuersatz des Steuerpflichtigen unterworfen wird (§ 3 Nr. 40 Bst. d EStG). Die Betriebsausgaben, die in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Dividendenerzielung stehen, sind dementsprechend zu 60 % steuerlich abzugsfähig (§ 3c Abs. 2 EStG).
Verbleibende zu veranlagende Einkünfte
Im VZ 2009 erhöhen alle laufenden Einkünfte, die weder Kapitalerträge im Privatvermögen noch Dividenden im Betriebsvermögen darstellen, zu 100 % die Bemessungsgrundlage des Steuerpflichtigen. Angefallene Betriebsausgaben oder Werbungskosten können zu 100 %
Doppelbesteuerung
29
geltend gemacht werden. Im Veranlagungsverfahren werden diese Einkünfte dem persönlichen Steuersatz nach dem Einkommensteuertarif gem. § 32a EStG unterworfen. Zusammengefasst stellt sich die Besteuerung der laufenden Einkünfte ab 2009 wie folgt dar:
Besteuerung ab 01.01.2009
Kapitaleinkünfte im Privatvermögen
Dividenden im Betriebsvermögen
Zu veranlagende Einkünfte
Kapitaleinkünfte fließen nicht in die Bemessungsgrundlage ein (§ 32d EStG)
Dividenden fließen zu 60 % in die Bemessungsgrundlage ein (§ 3 Nr. 40 Bst. d EStG)
Zu veranlagende Einkünfte werden zu 100 % in die Bemessungsgrundlage einbezogen
Werbungskosten sind mit dem Sparer-Pauschbetrag abgegolten (§ 20 Abs. 9 EStG)
Abzug von 60 % der Betriebsausgaben (§ 3c Abs. 2 EStG)
Betriebsausgaben / Werbungskosten werden zu 100 % berücksichtigt
Besteuerung i.H.v. 25% zzgl. SolZ mit abgeltender Wirkung
Besteuerung der verbleibenden 60 % der Dividende mit persönlichem Steuersatz
Besteuerung mit persönlichem Steuersatz
Abbildung 14:
Systematik der Besteuerung von laufenden Einkünften ab 01.01.2009
30
Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
Die folgende Übersicht stellt die Besteuerung der laufenden Einkünfte bis einschließlich 2008 der ab 2009 gültigen Rechtslage gegenüber: Besteuerung bis 31.12.2008
Dividendeneinkünfte im Privat- oder Betriebsvermögen
NichtDividendeneinkünfte
Halbeinkünfteverfahren 50 % der Dividende steuerfrei, 50 % der Dividende: Veranlagung und Besteuerung mit persönlichem Steuersatz (§ 3 Nr. 40 Bst. d EStG a.F.)
Veranlagung und Besteuerung mit persönlichem Steuersatz
Besteuerung ab 01.01.2009
Kapitaleinkünfte im Privatvermögen
Dividendeneinkünfte im Betriebsvermögen
Zu veranlagende Einkünfte
Abgeltungsteuer Besteuerung mit 25 % zzgl. SolZ (§ 32d EStG)
Teileinkünfteverfahren 40 % der Dividende steuerfrei, 60 % der Dividende: Veranlagung und Besteuerung mit persönlichem Steuersatz (§ 3 Nr. 40 Bst. d EStG n.F.)
Veranlagung und Besteuerung mit persönlichem Steuersatz
2.3.3.1.3
Besteuerung von Veräußerungsgewinnen
Bis einschließlich VZ 2008 wurden Veräußerungsgewinne im Privatvermögen nicht unter Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 2 EStG) subsumiert, sondern zählten unter den Voraussetzungen des § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 EStG a.F. als private Veräußerungsgeschäfte zu den sonstigen Einkünften. § 23 Abs. 1 EStG a.F. sah vor, dass Veräußerungsgewinne im Privatvermögen, bei denen zwischen Erwerb und Veräußerung durch den Steuerpflichtigen ein bestimmter Zeitraum lag, steuerfrei vereinnahmt werden konnten. Der Zeitraum betrug bei sonstigen Wirtschaftsgütern, wie z.B. Wertpapieren, 1 Jahr (§ 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG a.F.). Veräußerungen, die innerhalb dieser Jahresfrist vorgenommen wurden, unterlagen gem. § 3 Nr. 40 Bst. j EStG a.F. dem Halbeinkünfteverfahren. Demnach waren Veräußerungsgewinne zur Hälfte im Veranlagungsverfahren mit dem persönlichen Steuersatz zu versteuern. Werbungskosten waren korrespondierend nur hälftig steuerlich abzugsfähig. Darüber hinaus galt für innerhalb eines VZ erzielte Veräußerungsgewinne im Privatvermögen nach § 23 Abs. 3 Satz 5 EStG a.F. eine Freigrenze i.H.v. 512 € (bis VZ 2007) bzw. 600 € (ab VZ 2008). Eine Ausnahme von dieser Regelung bildete § 17 EStG. Diese Vorschrift besagte, dass Gewinne aus der Veräußerung von im Privatvermögen gehaltenen Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, an der ein Steuerpflichtiger innerhalb der letzten fünf Jahre zu mindestens 1 % beteiligt war, Einkünfte aus Gewerbebetrieb darstellten. § 17 EStG war im Verhältnis zu § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG a.F. subsidiär anzuwenden (§ 23
Doppelbesteuerung
31
Abs. 2 Satz 2 EStG a.F.). Somit kamen die Regelungen des § 17 EStG nur dann zur Anwendung, wenn ein Steuerpflichtiger mit seinem Privatvermögen innerhalb der letzten fünf Jahre zu mindestens 1 % an einer Kapitalgesellschaft beteiligt war und zwischen Erwerb und Veräußerung der Beteiligung ein Zeitraum von einem Jahr oder mehr lag. Einkünfte nach § 17 EStG wurden dem Halbeinkünfteverfahren gem. § 3 Nr. 40 Bst. c EStG a.F. unterworfen. Somit blieb die eine Hälfte des Veräußerungsgewinns steuerfrei, während die andere mit dem persönlichen Steuersatz belastet wurde. 50 % der mit der Veräußerung in Zusammenhang stehenden Werbungskosten konnten dementsprechend im Rahmen der Veranlagung abgezogen werden (§ 3c Abs. 2 EStG a.F.). Der in § 17 Abs. 3 EStG normierte Freibetrag war zu beachten. Bis 31.12.2008 wurden Veräußerungsgewinne, die im Betriebsvermögen entstanden sind, im Rahmen des Halbeinkünfteverfahrens (§ 3 Nr. 40 Bst. a EStG a.F.) besteuert. Die Veräußerungsgewinne wurden hälftig in die Bemessungsgrundlage einbezogen und mit dem persönlichen Steuersatz des Steuerpflichtigen belastet. Der Abzug von Betriebsausgaben, die in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Erzielung des Veräußerungsgewinns standen, war wiederum auf 50 % begrenzt (§ 3c Abs. 2 EStG a.F.).
Besteuerung bis 31.12.2008
Privatvermögen
Verkauf nach einem Jahr
Verkauf innerhalb eines Jahres
Veräußerungsgewinne sind steuerfrei gem. § 23 Abs.1 Nr. 2 EStG a.F.
§ 17 EStG
Betriebsvermögen
H a l b e i n k ü n f t e v e r f a h r e n § 3 Nr. 40 EStG a.F. Bst. j
Bst. c
Bst. a
Veräußerungsgewinne werden zur Hälfte in die Bemessungsgrundlage einbezogen Abzug von 50 % der Betriebsausgaben/ Werbungskosten (§ 3c Abs. 2 EStG a.F.) Besteuerung der verbleibenden 50 % des Veräußerungsgewinns mit persönlichem Steuersatz, ggf. Freigrenze bzw. Freibetrag beachten
Abbildung 15:
Systematik der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen bis 31.12.2008
32
Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
Beispiel
Die Regelungen über private Veräußerungsgeschäfte i.S.d. § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 EStG a.F. entfalten ihre Wirkung über den VZ 2008 hinaus, da sie aus Vertrauensschutzgründen einem Bestandsschutz unterliegen und daher auf Wirtschaftsgüter, die vor dem 01.01.2009 erworben werden, weiterhin Anwendung finden (sog. „Grandfathering rule“ gem. § 52a Abs. 11 Satz 4 EStG). Die in Deutschland ansässige Carrie Bradshaw erwirbt am 30.12.2008 Aktien eines Damenschuhherstellers. Am 02.01.2010 verkauft sie die Aktien wieder und erzielt dabei einen Gewinn i.H.v. 2.500 €. Carrie kann den Gewinn steuerfrei vereinnahmen, da sie die Aktien vor dem 01.01.2009 gekauft hat und zwischen Erwerb und Veräußerung mehr als ein Jahr liegen. Merke: Gewinne aus der Veräußerung von Wertpapieren, die vor dem 01.01.2009 angeschafft wurden, unterliegen keiner Besteuerung, wenn die Mindesthaltefrist von einem Jahr eingehalten wird. Ab 01.01.2009 ist unabhängig vom Fortbestehen der bisherigen Norm für einen Übergangszeitraum die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen grundsätzlich neu gefasst. Im Privatvermögen entstandene Veräußerungsgewinne werden nun als Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 2 EStG besteuert.
Einkünfte aus Kapitalvermögen in Form von Veräußerungsgewinnen, die im Privatvermögen natürlicher Personen entstehen, werden am Entstehungsort von inländischen Finanzinstituten mit Abgeltungswirkung im Rahmen der Abgeltungsteuer mit dem Kapitalertragsteuersatz von 25 % zzgl. 5,5 % SolZ belastet. Ein individueller Nachweis von Werbungskosten ist im Geltungsbereich des § 32d EStG nicht vorgesehen. Diese werden gem. § 20 Abs. 9 EStG durch Gewährung des SparerPauschbetrags von 801 € bei Alleinveranlagung und 1.602 € bei Zusammenveranlagung abgegolten. Die Berücksichtigung der Abzugsfähigkeit der Kirchensteuer als Sonderausgabe wird im Rahmen der Abgeltungsteuer über eine Verminderung der Abgeltungsteuer um 25 % der auf die Kapitalerträge entfallende Kirchensteuer erreicht (§ 32d Abs. 1 Satz 3 EStG). Ein separater, zusätzlicher Sonderausgabenabzug für die auf diesem Wege bezahlte Kirchensteuer entfällt nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG. Neben den allgemeinen Ausnahmetatbeständen von der Anwendung der Abgeltungsteuer ist bei Veräußerungsgewinnen § 17 EStG zu beachten. § 17 EStG greift für natürliche Personen, die mit ihrem Privatvermögen innerhalb der letzten fünf Jahre zu mindestens 1 % an einer Kapitalgesellschaften beteiligt waren. Während bis zum 31.12.2008 § 23 EStG im Verhältnis zu § 17 EStG noch vorrangig anzuwen-
Doppelbesteuerung
33
den war (§ 23 Abs. 2 Satz 2 EStG a.F.), werden ab 01.01.2009 auch Veräußerungsgewinne gem. § 17 EStG besteuert, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung weniger als ein Jahr beträgt. Steuerpflichtige, die aus einer Beteiligung nach § 17 EStG einen Veräußerungsgewinn erzielen, werden ab VZ 2009 nach Maßgabe des Teileinkünfteverfahrens besteuert. Veräußerungsgewinne fließen gem. § 3 Nr. 40 Bst. c EStG zu 60 % in die Bemessungsgrundlage ein. In derselben Höhe können Werbungskosten, die mit der Erzielung des Veräußerungserlöses in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, steuerlich geltend gemacht werden (§ 3c Abs. 2 EStG). Ab 2009 gilt das Teileinkünfteverfahren ebenfalls für natürliche Personen und Personengesellschaften, die Veräußerungsgewinne im Betriebsvermögen erzielen (§ 3 Nr. 40 Bst. a EStG).
Besteuerung ab 01.01.2009
Privatvermögen Beteiligung unter 1 %
Beteiligung mindestens 1 %
Veräußerungsgewinne fließen nicht in die Bemessungsgrundlage ein (§ 32d EStG)
Teileinkünfteverfahren § 3 Nr. 40 EStG Bst. c Bst. a Veräußerungsgewinne werden zu 60 % in die Bemessungsgrundlage einbezogen
Werbungskosten sind mit dem Sparer-Pausch betrag abgegolten (§ 20 Abs. 9 EStG) Besteuerung i.H.v. 25 % zzgl. SolZ mit abgeltender Wirkung Abbildung 16:
Betriebsvermögen
Abzug von 60 % der Betriebsausgaben/ Werbungskosten (§ 3c Abs. 2 EStG) Besteuerung der verbleibenden 60 % des Veräußerungsgewinns mit persönlichem Steuersatz, ggf. Freigrenze bzw. Freibetrag beachten
Systematik der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen ab 01.01.2009
2.3.3.2 Unilaterale Maßnahmen Die zentrale Norm des § 34c EStG beinhaltet vier Regelungen zur Vermeidung bzw. Minderung der Doppelbesteuerung.
34
Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
Zentrale Norm § 34c EStG
Direkte Steueranrechnung
Abs. 1
Abbildung 17:
Abzugsmethode
Abs. 2 und 3
Pauschalierung und Erlass Abs. 5
Methoden des § 34c EStG
Merke: Die Anrechnungsmethode wird sowohl unilateral in den Vorschriften des nationalen Rechts als auch bilateral, d.h. in einem DBA, normiert.
2.3.3.2.1
Methode der direkten Steueranrechnung
Da in den Jahren 2008 und 2009 laufende Einkünfte unterschiedlich besteuert werden, wird im Folgenden zwischen x zu veranlagenden Einkünften, x Kapitaleinkünften im Privatvermögen, die der Abgeltungsteuer unterliegen, und x Dividenden und Veräußerungsgewinne im Betriebsvermögen, die nach Halb- bzw. Teileinkünfteverfahren besteuert werden, differenziert.
2.3.3.2.1.1
Direkte Steueranrechnung bei zu veranlagenden Einkünften
Die Methode der direkten Steueranrechnung gem. § 34c Abs. 1 EStG knüpft an die nach den Vorschriften des nationalen Rechts ermittelte Steuer auf das Welteinkommen an, die im Inland von einer unbeschränkt steuerpflichtigen Person geschuldet wird, und rechnet die im Ausland gezahlte Steuer auf die inländische Steuerschuld an. Nach der Höhe des Anrechnungsbetrags der ausländischen Steuer wird zwischen unbegrenzter und begrenzter Anrechnung unterschieden: x
unbegrenzte Anrechnung: Die inländische Steuerschuld ermäßigt sich um den gesamten im ausländischen Quellenstaat entrichteten Steuerbetrag. Dieses Vorgehen würde dazu führen, dass Deutschland die im Ausland gezahlte Steuer erstattet, soweit der Betrag der ausländischen Steuer die deutsche Steuerschuld übersteigt.
Doppelbesteuerung x
35
begrenzte Anrechnung: Die Anrechnung der ausländischen Steuer erfolgt bis zu der Höhe, in der die ausländischen Einkünfte mit deutscher Steuer belastet sind. Diese Methode der (lediglich) begrenzten Anrechnung findet in Deutschland Anwendung.
Nach § 34c Abs. 1 EStG kann eine Anrechnung des ausländischen Steuerbetrags auf die inländische Steuerschuld erfolgen, wenn folgende Tatbestandsmerkmale erfüllt sind: Voraussetzungen der direkten Anrechnung sind: x unbeschränkte Steuerpflicht, x Subjektidentität27, x ausländische Einkünfte i.S.d. § 34d EStG, x gleichartige Steuer im Ausland, d.h. die ausländische Steuer muss der deutschen Einkommensteuer entsprechen, x Identität des Abgabenzeitraums, x festgesetzte, gezahlte Auslandssteuer, die um einen entstandenen Ermäßigungsanspruch* gekürzt wurde.
* Häufig erfolgt die Quellenbesteuerung aufgrund des nationalen Rechts mit einem höheren Steuersatz als im DBA zwischen den Staaten vorgesehen. Beispiel: Der nationale Verrechnungssteuersatz auf Dividenden in der Schweiz beträgt 35 %. Gem. Art. 10 Abs. 2 Bst. d DBA Deutschland-Schweiz ist die Schweiz aber nur zur Erhebung eines Quellensteuersatzes auf Dividenden in Höhe von 15 % berechtigt. Deutschland rechnet die Schweizer Quellensteuer nur in der vom DBA zulässigen Höhe von 15 % an. Dies ist folgerichtig, da der deutsche Steuergesetzgeber den Steuerpflichtigen zur Ausschöpfung aller Möglichkeiten der Ermäßigung ausländischer Steuern disziplinieren möchte, um eine Subventionierung eines ausländischen Staates zu vermeiden. In Deutschland ist die Anrechnung der ausländischen Steuer begrenzt auf den Betrag der deutschen Einkommensteuer, der anteilig auf die ausländischen Einkunftsbestandteile entfällt.
Anrechnungshöchstbetrag =
deutsche Einkommensteuer auf das Welteinkommen
ausländische Einkünfte Summe der Einkünfte
Der Abzug eines Anrechnungsüberhangs, d.h. der Abzug einer den Anrechnungshöchstbetrag übersteigenden ausländischen Steuerschuld, sowie ein Vor- oder Rücktrag, ist nicht 27
Eine direkte Steueranrechnung liegt vor, wenn die Person des inländischen und ausländischen Steuerschuldners identisch ist. Fallen diese auseinander, handelt es sich um eine indirekte Anrechnung, die die wirtschaftliche Doppelbesteuerung zwischen Tochter- und Muttergesellschaft vermeiden will. Mit Einführung des Halbeinkünfteverfahrens ist die in § 26 Abs. 2 KStG a.F. geregelte indirekte Anrechnung entfallen.
36
Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
vorgesehen. Der Steuerpflichtige wird in Höhe des Anrechnungsüberhangs effektiv doppelt besteuert. Ist die ausländische Steuer niedriger als der Anrechnungshöchstbetrag, verbleibt dem Steuerpflichtigen eine „Überhangsteuer“ in Deutschland. Die Anwendung der Anrechnungsmethode mit Höchstbetragsregelung führt somit dazu, dass ein Steuerpflichtiger dem jeweils höheren deutschen oder ausländischen Steuerniveau unterliegt. In jedem Fall wird für die aus dem Ausland stammenden Einkunftsteile zumindest das deutsche Einkommensteuerniveau angewandt. Dadurch wird das Prinzip der Kapitalexportneutralität gewahrt: Der Steuerpflichtige soll so gestellt werden, als ob er im Inland investiert hätte. Da mindestens das deutsche Steuerniveau angewandt wird, werden für deutsche Investoren bei Anwendung der Anrechnungsmethode steuerlich motivierte Investitionen in Niedrigsteuerländern uninteressant.
Anrechnungsüberhang
nicht übertragbar
Ausländischer Steuerbetrag Anrechnungshöchstbetrag
Abbildung 18:
Darstellung des Anrechnungsüberhangs
Beispiel
Vorgehensweise: 1. 2. 3. 4.
Ermittlung des Welteinkommens. Ermittlung der deutschen Steuer auf das Welteinkommen. Ermittlung des Anrechnungshöchstbetrags. Anrechnung der ausländischen Steuer auf die deutsche Steuer unter Berücksichtigung des Anrechnungshöchstbetrags.
Grundbeispiel Begrenzte Steueranrechnung bei zu veranlagenden Einkünften Austin Powers erzielt im Jahr 2010 inländische Einkünfte i.H.v. 80.000 € sowie ausländische Einkünfte i.H.v. 40.000 € aus einem Land, mit dem kein DBA besteht. Der ausländische Steuersatz beträgt x im Fall a) 30 % (= 12.000 €) x im Fall b) 50 % (= 20.000 €)
An Sonderausgaben sind Austin Powers insgesamt 8.000 € angefallen.
Lösung
Doppelbesteuerung I.
37
Ermittlung des Welteinkommens (§ 2 EStG) inländische Einkünfte 80.000 € ausländische Einkünfte + 40.000 € Summe der Einkünfte 120.000 € Sonderausgaben ./. 8.000 € zu versteuerndes Einkommen (z.v.E.) 112.000 €
II.
Ermittlung der deutschen Steuer (§ 32a Abs. 1, 2 EStG) 0,42 x 112.000 € ./. 8.172 € = 38.868 €
III.
Ermittlung des Anrechnungshöchstbetrags (AHB) ausländische Einkünfte deutsche Einkommensteuer x auf das Welteinkommen Summe der Einkünfte 40.000 € = 12.956 € = 38.868 € x 120.000 €
AHB =
IV. Fall a)
Ergebnis Die im Ausland entrichtete Steuer i.H.v. 12.000 € kann zur Gänze angerechnet werden, da sie im Anrechnungshöchstbetrag (12.956 €) Deckung findet. Austin Powers wird mit dem im Inland geltenden Steuerniveau besteuert. Es entsteht keine Doppelbelastung.
Fall b) Die deutsche Einkommensteuerschuld wird um die anteilige ausländische Steuer i.H.v. 12.956 € gekürzt. Der entstandene Anrechnungsüberhang i.H.v. 7.044 € (= 20.000 € ./. 12.956 €) kann nicht ausgeglichen werden. In Höhe des Anrechnungsüberhangs kommt es zur Doppelbesteuerung. Merke: Eine Doppelbesteuerung wird durch die Anrechnungsmethode Höchstbetragsregelung nicht in jedem Fall vermieden.
mit
Erzielt ein Steuerpflichtiger Einkünfte aus der Tätigkeit in mehreren ausländischen Staaten, bestimmt § 68a Satz 2 EStDV, dass die Anrechnung für jeden Staat getrennt durchzuführen ist (sog. per-country-limitation), d.h. Anrechnungsüberhänge dürfen nicht zwischen den einzelnen Staaten verrechnet werden.
38
Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
Beispiel
Per-country-limitation Die ausländischen Einkünfte von Austin Powers i.H.v. 40.000 € setzen sich zusammen aus: x 30.000 € aus Staat A (Steuersatz: 30 %) x 10.000 € aus Staat B (Steuersatz: 40 %)
Lösung
Daraus ergibt sich für Austin Powers eine Steuerschuld i.H.v. 9.000 € im Staat A sowie i.H.v. 4.000 € im Staat B. I.
Ermittlung des Welteinkommens (§ 2 EStG) inländische Einkünfte 80.000 € ausländische Einkünfte aus Staat A + 30.000 € ausländische Einkünfte aus Staat B + 10.000 € Summe der Einkünfte 120.000 € Sonderausgaben ./. 8.000 € zu versteuerndes Einkommen (z.v.E.) 112.000 €
II.
Gem. § 32a Abs. 1, 2 EStG beträgt die inländische Einkommensteuer 38.868 €.
III.
Ermittlung des Anrechnungshöchstbetrags (AHB) ausländische Einkünfte deutsche Einkommensteuer x auf das Welteinkommen Summe der Einkünfte 30.000 € = 9.717 € Staat A = 38.868 € x 120.000 € 10.000 € = 3.239 € Staat B = 38.868 € x 120.000 € AHB =
IV.
Ergebnis Die von Austin Powers im Staat A gezahlte Steuer ist in voller Höhe auf die inländische Steuerschuld anrechenbar. Für die Einkünfte dieses Staates verbleibt ein ungenutzter Anrechnungshöchstbetrag i.H.v. 717 € (= 9.000 € ./. 9.717 €). Dagegen entsteht für die Steuerschuld des Staates B ein Anrechnungsüberhang i.H.v. 761 € (= 4.000 € ./. 3.239 €). Dieser bleibt als effektive Doppelbelastung bestehen, da Austin Powers keinen Ausgleich mit dem ungenutzten Anrechnungsbetrag des Staates A vornehmen darf.
Doppelbesteuerung
39
Merke: Anrechnungsüberhänge der ausländischen Steuern eines Staates dürfen nicht mit ungenutzten Anrechnungshöchstbeträgen eines anderen Staates verrechnet werden, sondern bleiben als effektive Doppelbelastung des Steuerpflichtigen bestehen (Folge der per-country-limitation).
Im Rahmen der Berechnung des Anrechnungshöchstbetrags werden allerdings gem. § 34c Abs. 1 EStG ausländische Einkünfte nicht berücksichtigt, die in dem Staat, aus dem sie stammen, nach dessen Recht nicht besteuert werden. Die Nichtberücksichtigung von ausländischen Einkünften, die im Ausland steuerfrei sind, wirkt sich auf den Anrechnungshöchstbetrag aus. Der Anrechnungshöchstbetrag ermittelt sich wie folgt: AHB =
ausländische Einkünfte deutsche Einkommensteuer x auf das Welteinkommen Summe der Einkünfte
Durch die Nichtberücksichtigung ausländischer Einkünfte, die im Ausland steuerfrei sind, verringert sich die Summe der ausländischen Einkünfte. Dadurch verringert sich auch der Anrechnungshöchstbetrag. Bezieht der Steuerpflichtige zu den steuerfreien Einkünften weitere Einkünfte aus demselben Land, die aber dort tatsächlich besteuert werden, und liegt der ausländische Steuersatz über dem deutschen Satz, ist diese Regelung von Nachteil für den Steuerpflichtigen. In diesen Fällen kommt es zu einem Anrechnungsüberhang, da das ausländische Steuerniveau über dem deutschen liegt. In Höhe des Anrechnungsüberhanges wird der Steuerpflichtige doppelt besteuert.
Beispiel
Da aufgrund der nicht erfolgten Besteuerung im Ausland keine Doppelbesteuerung entstanden ist, hält der Gesetzgeber eine weitere Begünstigung nicht für notwendig. Bei einer Berücksichtigung von im Ausland nicht besteuerten Einkünften bei der Berechnung des Anrechnungshöchstbetrags würden nach Ansicht des Gesetzgebers ausländische Steuern weit über das zur Vermeidung der Doppelbesteuerung erforderliche Maß hinaus angerechnet.28
28
Nichtberücksichtigung von im Ausland steuerfreien Einkünften Austin Powers erzielt inländische Einkünfte i.H.v. 80.000 € und ausländische Einkünfte i.H.v. 40.000 €. Von den ausländischen Einkünften sind 10.000 € im Ausland steuerfrei. Der ausländische Steuersatz beträgt 45 %. Austin Powers sind insgesamt 8.000 € an Sonderausgaben angefallen.
Vgl. Entwurf eines Gesetzes zum Abbau von Steuervergünstigungen und Ausnahmeregelungen (Steuervergünstigungsabbaugesetz – StVergAbG), BT-Drs. 15/119, S. 40.
Lösung
40
Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung I.
Ermittlung des Welteinkommens (§ 2 EStG) inländische Einkünfte ausländische Einkünfte Summe der Einkünfte Sonderausgaben zu versteuerndes Einkommen (z.v.E.)
II.
+ ./.
80.000 40.000 120.000 8.000 112.000
€ € € € €
Ermittlung der deutschen Steuer (§ 32a Abs. 1, 2 EStG) 0,42 x 112.000 € ./. 8.172 € =38.868 €
III.
Ermittlung des Anrechnungshöchstbetrags (AHB) ausländische Einkünfte deutsche Einkommensteuer x auf das Welteinkommen Summe der Einkünfte 30.000 € = 9.717 € = 38.868 € x 120.000 €
AHB =
Gem. § 34c Abs. 1 Satz 3 Hs. 2 EStG werden bei der Ermittlung des Anrechnungshöchstbetrags die ausländischen Erträge, die dort steuerfrei sind, nicht berücksichtigt. Dadurch sinkt der Anrechnungshöchstbetrag (zum Vergleich: Im Grundbeispiel betrug der Anrechnungshöchstbetrag 12.956 €.). IV.
Ergebnis Die von Austin Powers im Ausland gezahlte Steuer i.H.v. 13.500 € (= 30.000 x 0,45) ist nur in Höhe auf des Anrechnungshöchstbetrags von 9.717 € anrechenbar. Es verbleibt ein Anrechnungsüberhang i.H.v. 3.783 € (= 13.500 € ./. 9.717 €). Die Gesamtsteuerbelastung beträgt 42.651 € (= 13.500 € + 29.151 €).
Merke: Bei der Bestimmung des Anrechnungshöchstbetrags werden diejenigen ausländischen Einkünfte nicht berücksichtigt, die in dem Staat, aus dem sie stammen, nach dessen Recht nicht besteuert werden.
Gem. § 34c Abs. 1 Satz 4 EStG sind bei der Ermittlung von ausländischen Einkünften, die ein inländischer Betrieb erzielt, bereits Betriebsausgaben und Betriebsvermögensminderungen abzuziehen, die mit den Einnahmen dieser ausländischen Einkünfte lediglich in wirtschaftlichem Zusammenhang29 stehen. 29
Unter wirtschaftlichem Zusammenhang ist jede objektive kausale oder finale Verknüpfung zu verstehen. Im Gegensatz dazu verlangt ein unmittelbarer Zusammenhang eine klar abgrenzbare, unlösbare Beziehung.
Doppelbesteuerung
41
Beispiel
Da ein unmittelbarer Zusammenhang nicht erforderlich ist, verringert sich somit vergleichsweise die Summe der ausländischen Einkünfte. Dies bewirkt ebenfalls eine Verringerung des Anrechnungshöchstbetrags. Liegt das ausländische Steuerniveau über dem deutschen Steuerniveau, entsteht ein Anrechnungsüberhang. In Höhe des Anrechnungsüberhangs kommt es zu einer Doppelbesteuerung. Anrechnung ausländischer Steuern Der Unternehmer Shrek betreibt im Inland die Märchen-Bank. Diese erzielt im Jahr 01 einen Gewinn i.H.v. 80.000 € aus ausländischen Portfolioanlagen. In Zusammenhang mit den Portfolioanlagen sind 10.000 € Refinanzierungskosten angefallen.
Bei der Ermittlung des Anrechnungshöchstbetrags werden gem. § 34c Abs. 1 Satz 4 EStG nur 70.000 € als ausländische Einkünfte berücksichtigt. Der Anrechnungshöchstbetrag verringert sich somit. Merke: Gem. § 34c Abs. 1 Satz 4 EStG mindern Betriebsausgaben die ausländischen Einkünfte eines inländischen Betriebes auch dann, wenn sie bereits in wirtschaftlichem Zusammenhang zu den Einnahmen stehen; ein unmittelbarer Zusammenhang ist nicht erforderlich. Dadurch vermindert sich in solchen Fällen auch der Anrechnungshöchstbetrag.
Beispiel
Ein Steuerausländer, der in Deutschland bestimmte Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 EStG erzielt, unterliegt im Inland der beschränkten Steuerpflicht nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG.
Lösung
Im Wohnsitzstaat werden die ausländischen Nettoeinkünfte besteuert, da im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht grundsätzlich sämtliche Werbungskosten und Betriebsausgaben berücksichtigt werden. Im Gegensatz dazu führt der Quellenstaat im Allgemeinen eine Bruttobesteuerung durch. Insbesondere für ausländische Einkünfte aus Kreditgeschäften, Dividenden, Vergütungen für Lizenzen sowie Überlassung von Know-how sorgt dieser Effekt, der sog. Bemessungsgrundlageneffekt, dafür, dass der Anrechnungshöchstbetrag trotz niedriger Quellensteuersätze häufig überschritten wird.
Die inländische Steuer wird im Wege des Steuerabzugs an der Quelle erhoben; dadurch gilt die Einkommensteuer bei beschränkt Steuerpflichtigen als abgegolten (§ 50 Abs. 2 EStG). Der deutschen Kapitalertragsteuer unterliegen gem. § 43a Abs. 2 Satz 1 EStG die vollen Kapitalerträge ohne jeden Abzug. Es findet daher in Deutschland (= Quellenstaat) eine Bruttobesteuerung statt. Der Abzug von Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben ist nicht zulässig.
42
Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
Merke: Die Steuerbemessungsgrundlage sind üblicherweise im Quellenstaat die Einnahmen (Bruttobesteuerung), im Ansässigkeitsstaat hingegen die Einkünfte (Nettobesteuerung) i.S.d. § 2 Abs. 2 EStG.
Basis für die Berechnung des Anrechnungshöchstbetrags sind die Einkünfte; die anzurechnende Steuer wurde aber von den Einnahmen erhoben. Daraus folgt:
Beispiel
Der Betrag, bis zu dem die ausländische Steuer angerechnet werden kann, nimmt mit steigender Höhe der ausschließlich im Inland berücksichtigten Aufwendungen ab (Erosion der Bemessungsgrundlage). Ein Anrechnungsüberhang kann daher bereits bei relativ niedrigen Quellensteuersätzen entstehen. Bemessungsgrundlageneffekt Ethan Hunt erzielt im Jahr 2010 ausschließlich Einkünfte aus seiner Tätigkeit als Aufsichtsrat einer ausländischen Kapitalgesellschaft i.H.v. 8.400 €, die im Ausland dem Quellensteuerabzug unterliegen. An Betriebsausgaben sind ihm dafür 7.840 € angefallen. Es soll der maximale Quellensteuersatz des Auslands ermittelt werden, der nicht zu einem Überschreiten des Anrechnungshöchstbetrags in Deutschland führt.
Lösung
Der persönliche Einkommensteuersatz in Deutschland betrage aus Vereinfachungsgründen 42 %. I.
Ermittlung des Nettoeinkommens in Deutschland ausländische Einkünfte 8.400 € Betriebsausgaben ./. 7.840 € Nettoeinkommen 560 € Steuerbetrag = 0,42 x 560 € = 235 €
II.
Ermittlung des Anrechnungshöchstbetrags (AHB) Da er keine inländischen Einkünfte erzielt, entsprechen die ausländischen Einkünfte der Summe der Einkünfte. AHB = =
ausländische Einkünfte deutsche Einkommensteuer x auf das Welteinkommen Summe der Einkünfte 560 € = 235 € 235 € x 560 €
Doppelbesteuerung III.
43
Anrechnungsüberhang Aufgrund der hohen Werbungskosten sind nur 235 € anrechenbar, dies entspricht einer ausländischen Kapitalertragsteuer von weniger als 3 %. 235 € Maximal anrechenbarer = = 2,8 % ausländischer Steuersatz 8.400 € Für die von Ethan Hunt gezahlte ausländische Steuer entsteht somit ein Anrechnungsüberhang bereits ab einem Steuersatz von 2,8 %.
Aus den in Deutschland geltenden Vorschriften der begrenzten Anrechnung ergibt sich, dass bei einer Summe der inländischen und ausländischen Einkünfte, d.h. dem Welteinkommen, von höchstens 0 € eine Anrechnungsmöglichkeit von ausländischen Steuern vollständig entfällt. Denn in diesen Fällen ist der Anrechnungshöchstbetrag regelmäßig 0 €, da die deutsche Einkommensteuer auf das Welteinkommen 0 € beträgt. Die bei der Berechnung des Anrechnungshöchstbetrags heranzuziehende Größe der ausländischen Einkünfte setzt sich somit zusammen aus der Summe der im Ausland steuerpflichtigen Einnahmen vermindert um die Betriebsausgaben und Vermögensminderungen, die in wirtschaftlichem Zusammenhang mit diesen Einnahmen stehen. Dabei ist unerheblich, aus welcher Einkunftsart die Einnahmen resultieren, sofern es sich um Einkünfte i.S.d. § 34d EStG handelt. Merke: x Begrenzte Anrechnung: Anrechnung der Auslandssteuer nur bis zur Höhe der anteiligen deutschen Steuer. x Per-country-limitation: Anrechnungshöchstbeträge sind für jeden Staat gesondert zu ermitteln; Anrechnungsüberhänge des einen Staates dürfen nicht mit ungenutzten Anrechnungsbeträgen eines anderen Staates verrechnet werden.30 x Kürzung des Anrechnungshöchstbetrags: Aufgrund des Satzes 3 Hs. 2 und des Satzes 4 in § 34c Abs. 1 EStG ist zu beachten, dass im Ausland steuerfreie Einkünfte bei der Ermittlung des Anrechnungshöchstbetrags nicht mehr berücksichtigt werden und dass die ausländischen Einkünfte um Betriebsausgaben und Vermögensminderungen gekürzt werden, auch wenn diese lediglich in wirtschaftlichem Zusammenhang mit diesen Einnahmen stehen.
30
Im Gegensatz dazu werden bei der „over-all-limitation“ (praktiziert bspw. von den USA) sämtliche ausländische Einkünfte und sämtliche anzurechnende ausländische Steuern zusammengerechnet. Die USA kennen eine zusätzliche Anrechnungsbegrenzung durch die Bildung von insgesamt neun Einkunftskörben (baskets), denen die ausländischen Einkünfte und anrechnungsfähigen ausländischen Steuern getrennt zugerechnet werden. Innerhalb der baskets kann ein Anrechnungsüberhang zwei Jahre zurück und fünf Jahre vorgetragen werden („basket-limitation“).
44 x x
Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung Bemessungsgrundlageneffekt: Anwendung des Nettoprinzips im Inland führt grundsätzlich zur Reduktion des Anrechnungshöchstbetrags. Keine Anrechnungsmöglichkeit bei negativer Summe der Einkünfte.
2.3.3.2.1.2
Direkte Steueranrechnung bei Kapitaleinkünften im Privatvermögen
Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 EStG, die eine natürliche Person in ihrem Privatvermögen erzielt, werden ab VZ 2009 gem. § 32d EStG dem Abgeltungsteuersatz i.H.v. 25 % zzgl. SolZ unterworfen. Die Anrechnung ausländischer Steuern bei Kapitaleinkünften, die der Abgeltungsteuer unterliegen, wird in § 32d Abs. 5 EStG geregelt. Die Norm wurde durch das JStG 200931 neu gefasst und enthält nunmehr eine eigenständige Regelung für die Anrechnung ausländischer Steuern bei privaten Kapitalerträgen.32 Entsprechend dieser Regelung wurde auch die Vorschrift des § 34c EStG abgeändert. § 32d Abs. 5 EStG stellt die zentrale Norm für die Anrechnung ausländischer Steuern im Rahmen der Abgeltungsteuer dar. Die Kapitalerträge auszahlende Stelle (z.B. ein inländisches Kreditinstitut) hat die Anrechnung ausländischer Steuern nach Maßgabe des § 32d Abs. 5 EStG vorzunehmen (§ 43a Abs. 3 Satz 1 EStG). Auch für die Fälle, in denen aufgrund der Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG der allgemeine Einkommensteuertarif angewendet wird, weist die entsprechende Vorschrift auf § 32d Abs. 5 EStG hin. Ferner ist § 32d Abs. 5 in den Fällen des § 32d Abs. 3 EStG (Pflichtveranlagung zum Abgeltungsteuersatz) und § 32d Abs. 4 EStG (Wahlveranlagung zum Abgeltungssteuersatz) anzuwenden. § 32d Abs. 5 EStG a.F. sah bis zur Änderung durch das JStG 2009 die sinngemäße Anwendung des § 34c EStG vor. Aufgrund dieses Verweises war jedoch unklar, ob die von § 34c EStG vorgesehene per-country-limitation auch im Rahmen der Abgeltungsteuer anzuwenden war.33 Diese Unklarheit räumte das JStG 2009 aus. Mit der Neuregelung wird klargestellt, dass die per-country-limitation im Rahmen der Abgeltungsteuer keine Anwendung findet.34 Für die Anrechnung ist jeder einzelne ausländische Kapitalertrag isoliert zu be-
31
Vgl. Jahressteuergesetz 2009 (JStG 2009) v. 19.12.2008, BGBl. I 2008.
32
Bislang wurde in § 32d Abs. 5 EStG a.F. auf die Vorschrift des § 34c EStG verwiesen. Dies hatte zur Folge, dass die Anrechnung ausländischer Steuern im Privatvermögen analog zu der Anrechnung ausländischer Steuern bei zu veranlagenden Einkünften erfolgte.
33
Vgl. Baumgärtl, M./ Lange, U., in: Herrmann, C./ Heuer, G./ Raupach, A., Einkommensteuerund Körperschaftsteuergesetz, 236. Erg.-Lfg., Köln 2009, § 32d EStG, JK 09 E 5 f.
34
Vgl. Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2009 (JStG 2009), BT-Drs. 16/10189, S. 53.
Doppelbesteuerung
45
trachten. Es wird auf jeden einzelnen Zufluss aus einer Beteiligung, Forderung bzw. Veräußerung abgestellt und nicht auf sämtliche Einkünfte aus einem Staat (per country).35 Die maximal anzurechnende ausländische Steuer ist durch den Anrechnungshöchstbetrag begrenzt. Dieser ergibt sich gem. § 32d Abs. 5 EStG folgendermaßen: Anrechnungshöchstbetrag = 25 % x ausländischer Kapitalertrag Die Ermittlung des Anrechnungshöchstbetrags erfolgt jedoch unter Beachtung der peritem-limitation.36 Danach ist der Anrechnungsbetrag für jede Einkunftsquelle gesondert zu ermitteln.37 Dies bedeutet, dass Anrechnungsüberhänge nicht mit anderen Einkünften aus demselben oder anderen Staaten, die niedrigeren Belastungen mit Quellensteuern unterlegen haben, verrechnet werden können.38 Gem. § 32d Abs. 5 Satz 3 EStG kann die Steuer auf Kapitalerträge durch die Anrechnung höchstens bis auf null reduziert werden. Eine Steuererstattung ist nicht möglich.
Beispiel
Beträgt im Falle einer Günstigerprüfung die Belastung mit deutscher Steuer weniger als 25 %, so ist für die Berechnung des Anrechnungshöchstbetrages der ausländische Kapitalertrag mit dem entsprechend niedrigeren Steuersatz zu multiplizieren.39 Begrenzte Steueranrechnung bei Kapitaleinkünften im Privatvermögen Der deutsche Alan Shore bezieht in 2010 eine Bruttodividende i.H.v. 10.000 € von der Crane, Poole & Schmidt-GmbH aus Boston (USA). In den USA unterhält er ein Konto, auf dem ihm ein Zinsertrag i.H.v. 10.000 € zufließt. Er erzielt somit ausländische Einkünfte i.S.d. § 34d Nr. 6 EStG. Der KapESt-Satz in den USA betrage x 35 % für die Dividendeneinkünfte und x 15 % für die Zinseinkünfte.
Die Kirchensteuer und der Solidaritätszuschlag finden annahmegemäß im Beispiel keine Berücksichtigung.
35
Vgl. Baumgärtl, M./ Lange, U., in: Herrmann, C./ Heuer, G./ Raupach, A., Einkommensteuerund Körperschaftsteuergesetz, 236. Erg.-Lfg., Köln 2009, § 32d EStG, JK 09 E 6.
36
Vgl. Scheffler, W., Internationale betriebswirtschaftliche Steuerlehre, 3. Aufl., München 2009, S. 183.
37
Vgl. Schmidt, L./ Sigloch, J./ Henselmann, K., Internationale Steuerlehre, Wiesbaden 2005, S. 35.
38
Vgl. Hechner, F., Die Anrechnung ausländischer Steuern im System der Schedule nach den Änderungen durch das JStG 2009, BB 2009, S. 78; Baumgärtl, M./ Lange, U., in: Herrmann, C./ Heuer, G./ Raupach, A., Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, 236. Erg.-Lfg., Köln 2009, § 32d EStG, JK 09 E 6.
39
Vgl. Weber-Grellet, H., in: Schmidt, L., Einkommensteuergesetz, 28. Aufl., München 2009, § 32d EStG, Rz. 21.
Lösung
46
Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung I.
Beschränkte Steuerpflicht im Ausland Dividende: Zinsertrag:
II.
3.500 € KapESt 1.500 € KapESt
Ermittlung des Anrechnungshöchstbetrags Dividende: Zinsertrag:
III.
10.000 € x 35 % = 10.000 € x 15 % =
AHB = 0,25 x 10.000 € = 2.500 € AHB = 0,25 x 10.000 € = 2.500 €
Berechnung der inländischen Einkommensteuer
EinkommenEinkünfte nach § 20 EStG ./. 4 x anrechenbare ausländische Steuer = steuer 4 + Kirchensteuersatz
IV.
Einkommensteuer (Dividende)
=
Einkommensteuer (Zinsertrag)
=
10.000 € ./. 4 x 2.500 € 4 10.000 € ./. 4 x 1.500 € 4
=
0€
= 1.000 €
Ergebnis
Dividende: Die im Staat A entrichtete Steuer für die Dividende i.H.v. 3.500 € kann nicht in vollem Umfang auf die inländische Steuerschuld angerechnet werden. Es verbleibt ein Anrechnungsüberhang i.H.v. 1.000 € (= 3.500 € ./. 2.500 €). Zinsertrag: Im Falle des Zinsertrags unterschreitet die im Ausland gezahlte Steuer den Anrechnungshöchstbetrag um 1.000 € (= 2.500 € ./. 1.500 €). Daher kann die ausländische KapESt zur Gänze angerechnet werden. In Höhe der 1.000 € bleibt der Anrechnungshöchstbetrag ungenutzt. Aufgrund der per-item-limitation darf der sich aus der Dividendenbesteuerung ergebende Anrechnungsüberhang nicht mit dem ungenutzten Anrechnungsbetrag, der aus der Besteuerung des Zinsertrags resultiert, verrechnet werden.
Doppelbesteuerung 2.3.3.2.1.3
47
Direkte Steueranrechnung im Halb- bzw. Teileinkünfteverfahren
Das Halbeinkünfteverfahren fand bis 31.12.2008 auf Dividendeneinkünfte natürlicher Personen Anwendung. Der Geltungsbereich des Teileinkünfteverfahrens erstreckt sich ab VZ 2009 auf Dividendeneinkünfte, die im Betriebsvermögen realisiert werden. Für die Anwendung des Halbeinkünfte- bzw. des Teileinkünfteverfahrens ist es dabei unerheblich, ob es sich um inländische oder ausländische Dividenden handelt. Zu beachten ist, dass die ausländische Quellensteuer trotz Steuerfreistellung von 50 % bzw. 40 % der Dividende in Deutschland in vollem Umfang angerechnet werden kann. Allerdings ist der Anrechnungshöchstbetrag erneut zu beachten.
Beispiel
Begrenzte Steueranrechnung im Halb- bzw. Teileinkünfteverfahren Der Einzelunternehmer Austin Powers erwirtschaftet einmal im Jahr 2008 und einmal im Jahr 2010 im Betriebsvermögen eine ausländische Bruttodividende i.H.v. 40.000 €. Er erzielt somit ausländische Einkünfte i.S.d. § 34d Nr. 6 EStG. Der KapESt-Satz beträgt 20 %.
Lösung
Das Gesetz regelt die Anrechnung der auf die Auslandsdividende entfallenden Quellensteuer in § 34c Abs. 1 EStG unter Beachtung des Anrechnungshöchstbetrags. Werden die ausländischen Einkünfte im Verhältnis zur Summe der Einkünfte nur zu 50 % bzw. 60 % berücksichtigt, reduziert sich die auf die ausländischen Einkünfte entfallende deutsche Einkommensteuer und somit der Anrechnungshöchstbetrag. Es kann daher bereits bei üblichen KapESt-Sätzen ein Anrechnungsüberhang entstehen.
I.
Beschränkte Steuerpflicht im Ausland 40.000 € x 20 % = 8.000 € KapESt
II.
Unbeschränkte Steuerpflicht im Inland bis 2008 inländische Einkünfte ausländische Dividende davon steuerfrei 50 % / 40 % Summe der Einkünfte Sonderausgaben z.v.E.
+ ./. ./.
80.000 € 40.000 € 20.000 € 100.000 € 8.000 € 92.000 €
ab 2009
+ ./. ./.
80.000 € 40.000 € 16.000 € 104.000 € 8.000 € 96.000 €
48
Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung III.
Ermittlung des Steuerbetrags (§ 32a Abs. 1, 2 EStG) 2008: 0,42 x 92.000 € ./. 7.914 € = 30.726 € 2010: 0,42 x 96.000 € ./. 8.172 € = 32.148 €
IV.
Ermittlung des Anrechnungshöchstbetrags AHB =
V.
ausländische Einkünfte deutsche Einkommensteuer x auf das Welteinkommen Summe der Einkünfte
AHB 2008 =
30.726 €
x
20.000 € = 6.145,20 € 100.000 €
AHB 2010 =
32.148 €
x
24.000 € = 7.418,77 € 104.000 €
Ergebnis
2008: Die im Ausland gezahlte Steuer übersteigt den Anrechnungshöchstbetrag, so dass der höhere Steuersatz zum Tragen kommt. Es ergibt sich ein Anrechnungsüberhang i.H.v. 1.854,80 € (= 8.000 € ./. 6.145,20 €). 2010: Auch in diesem Jahr übersteigt die im Ausland gezahlte Steuer den Anrechnungshöchstbetrag. Es wird der höhere Steuersatz angewendet. Durch die Einführung des Teileinkünfteverfahrens und die Erhöhung des Grundfreibetrags reduziert sich der Anrechnungsüberhang auf 581,23 € (= 8.000 € ./. 7.418,77 €).
2.3.3.2.2
Steuerabzugsmethode
Die Steuerabzugsmethode gem. § 34c Abs. 2 EStG bewirkt eine Minderung der Doppelbesteuerung durch Abzug der ausländischen Steuer als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben bei der Einkunftsermittlung. Die geschuldete deutsche Einkommensteuer berechnet sich durch Anwendung des persönlichen Steuersatzes des Steuerschuldners (§ 32a EStG) auf die reduzierte Bemessungsgrundlage.
Doppelbesteuerung
49
Merke: Bei der Steuerabzugsmethode werden die im Quellenstaat erhobenen Steuern wie Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben bei der Ermittlung der Einkünfte abgezogen.
Da sich die Steuerminderung im Inland auf das Produkt aus ausländischem Steuerbetrag und inländischem Steuersatz des Steuerpflichtigen beschränkt, tritt lediglich eine Minderung der Doppelbesteuerung ein. Vorgehensweise: 1. Ermittlung des Welteinkommens unter Berücksichtigung des Abzugs der ausländischen Steuern von den jeweiligen ausländischen Einkünften. 2. Berechnung der deutschen Steuer auf das geminderte Welteinkommen.
2.3.3.2.2.1
Steuerabzugsmethode bei zu veranlagenden Einkünften
Hinsichtlich der Anwendungsvoraussetzungen lassen sich zwei Anwendungsbereiche unterscheiden: x
Abzug auf Antrag, § 34c Abs. 2 EStG Werden die Voraussetzungen des § 34c Abs. 1 EStG erfüllt, kann der Steuerpflichtige als Alternative zur direkten Anrechnung die Abzugsmethode wählen. Liegen Einkünfte aus mehreren ausländischen Staaten vor, kann das Wahlrecht für jedes Land unterschiedlich ausgeübt werden, allerdings muss sie für alle Einkünfte eines bestimmten Staates einheitlich erfolgen.
x
Abzug von Amts wegen, § 34c Abs. 3 EStG Die Anwendung der Abzugsmethode ist normiert, wenn die ausländische Steuer nicht auf den inländischen Steuerbetrag angerechnet werden kann. Das Gesetz sieht dies in drei Fällen vor: – die ausländische Steuer entspricht nicht der deutschen Einkommensteuer, – die ausländische Steuer wird nicht in dem Staat erhoben, aus dem die Einkünfte stammen, – die ausländische Steuer wird für Sachverhalte erhoben, die keine ausländischen Einkünfte i.S.d. § 34d EStG darstellen.
50
Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
Steuerabzugsmethode
Abzug auf Antrag (§ 34c Abs. 2 EStG)
Abzug von Amts wegen (§ 34c Abs. 3 EStG)
Wahlrecht zwischen Anrechnungsmethode und Abzugsmethode
Anwendung der Abzugsmethode ist Pflicht
Beispiel
Anwendung der Steuerabzugsmethode
Steuerabzugsmethode bei zu veranlagenden Einkünften Es gelten die Angaben des Grundbeispiels.
Lösung
Abbildung 19:
I.
Ermittlung des Welteinkommens mit Abzug der ausländischen Steuern (§ 2 EStG)
+ ./. = ./. = II.
inländische Einkünfte ausländische Einkünfte ausländische Steuer Summe der Einkünfte Sonderausgaben z.v.E.
Fall a) 80.000 + 40.000 ./. 12.000 108.000 ./. 8.000 100.000
€ € € € € €
Fall b) 80.000 + 40.000 ./. 20.000 100.000 ./. 8.000 92.000
€ € € € € €
Ermittlung der inländischen Steuer (§ 32a Abs. 1, 2 EStG) x x
im Fall a) im Fall b)
0,42 x 100.000 € ./. 8.172 € = 33.828 € 0,42 x 92.000 € ./. 8.172 € = 30.468 €
Doppelbesteuerung III.
51
Gegenüberstellung der Gesamtsteuerbelastung bei zu veranlagenden Einkünften Fall a)
Fall b)
Steuerabzugsmethode: ausl. Steuer inl. Steuer gesamt
12.000 € 33.828 € 45.828 €
20.000 € 30.468 € 50.468 €
Direkte Steueranrechnung: ausl. Steuer inl. Steuer gesamt
12.000 € 26.868 € 38.868 €
20.000 € 25.912 € 45.912 €
Beispiel
Vorteilhaftigkeit der Steuerabzugsmethode bei Verlusten im Inland Austin Powers macht in seiner Steuererklärung negative inländische Einkünfte i.H.v. 80.000 € geltend. Im Übrigen gelten die Angaben des Grundbeispiels.
Lösung
Obwohl die Abzugsmethode im Vergleich die Doppelbesteuerung in geringerem Umfang reduziert als die Methode der direkten Steueranrechnung, kann im Einzelfall ihre Anwendung vorteilhaft sein. Liegen inländische Verluste vor, die die ausländischen Einkünfte übersteigen, kann die ausländische Steuerschuld nicht angerechnet werden, da keine Steuer in Deutschland anfällt. Wählt der Steuerpflichtige in diesem Fall dagegen die Steuerabzugsmethode, wird die Auslandssteuer bei der Einkunftsermittlung berücksichtigt und wirkt sich daher auf den Verlustabzug nach § 10d EStG aus, d.h. der Verlustabzug erhöht sich um die ausländische Quellensteuer.
I.
Direkte Steueranrechnung Ermittlung des Welteinkommens (§ 2 EStG) inländische Einkünfte ausländische Einkünfte Summe der Einkünfte
./. + ./.
80.000 € 40.000 € 40.000 €
Da die Summe der Einkünfte negativ ist, kann keine Anrechnung der ausländischen Quellensteuer auf eine inländische Steuerschuld erfolgen. Der i.S.d. § 10d EStG verrechnungsfähige Betrag beläuft sich auf 40.000 €. Zu beachten ist, dass es trotz eines negativen Welteinkommens zu einer Steuerbelastung in Höhe der ausländischen Steuer kommt.
52
Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung II.
Steuerabzugsmethode Ermittlung des Welteinkommens (§ 2 EStG) Fall a) inländische Einkünfte + ausländische Einkünfte ./. ausländische Steuer = Summe der Einkünfte
./. + ./. ./.
80.000 40.000 12.000 52.000
Fall b) € € € €
./. + ./. ./.
80.000 40.000 20.000 60.000
€ € € €
Durch den Abzug der im Ausland gezahlten Steuer erhöht sich das negative inländische Ergebnis und damit der berücksichtigungsfähige Betrag i.S.d. § 10d EStG. Dieser ist abhängig von der im Ausland gezahlten Steuer im Fall a) 52.000 €, im Fall b) 60.000 €. Merke: Übersteigen die negativen inländischen Einkünfte die ausländischen Einkünfte, so dass das Welteinkommen negativ ist, erweist sich die Abzugsmethode als günstiger.
2.3.3.2.2.2
Steuerabzugsmethode bei Kapitaleinkünften im Privatvermögen
Für die Berücksichtigung ausländischer Steuern im Anwendungsbereich der Abgeltungsteuer sieht § 32d Abs. 5 Satz 1 EStG lediglich die Anrechnungsmethode vor.40 Da nicht auf die Regelungen des § 34c Abs. 2 bzw. Abs. 3 EStG verwiesen wird, findet die Steuerabzugsmethode im System der Abgeltungsteuer keine Anwendung. Dieses Vorgehen ist konsistent zu den Regelungen über die Berücksichtigung von Werbungskosten des Steuerpflichtigen. Ausgaben, die dem Steuerpflichtigen in Zusammenhang mit der Erzielung von Kapitalerträgen entstehen, sind durch Gewährung des Sparer-Pauschbetrags abgedeckt.
2.3.3.2.2.3
Steuerabzugsmethode im Halb- bzw. Teileinkünfteverfahren
Auch im Rahmen der Steuerabzugsmethode ist zwischen dem Halbeinkünfteverfahren, das bis 31.12.2008 auf Dividendeneinkünfte natürlicher Personen Anwendung fand, und dem Teileinkünfteverfahren, das die Besteuerung von Dividenden im Betriebsvermögen von natürlichen Personen und Personengesellschaften ab 01.01.2009 regelt, zu unterscheiden. Bis einschließlich VZ 2006 waren ausländische Quellensteuern auf Dividendenerträge in vollem Umfang abzugsfähig. Durch das Jahressteuergesetz 200741 wurde § 34c Abs. 2 40
Vgl. Entwurf eines Unternehmensteuerreformgesetzes 2008, BT-Drucks. 16/4841, S. 62; Schönfeld, J., in: Schaumburg, H./ Rödder, T. (Hrsg.), Unternehmensteuerreform 2008, München 2007, S. 656.
41
Vgl. Jahressteuergesetz 2007 (JStG 2007) v. 13.12.2006, BGBl. I 2006, S. 2878.
Doppelbesteuerung
53
EStG entsprechend geändert, um keinen doppelten Vorteil zu gewähren.42 Es durften bei der Ermittlung der Einkünfte nur die anteiligen ausländischen Steuern abgezogen werden, soweit sie auf zu versteuernde Einkünfte entfielen, die nicht steuerfrei waren. Diese Änderung hatte Auswirkung auf Dividendeneinkünfte im VZ 2007 und 2008, die grundsätzlich zur Hälfte steuerfrei vereinnahmt wurden. Ab 2009 gelten die Abgeltungsteuer und das Teileinkünfteverfahren, nach dem ausländische Steuern zu 60 % abzugsfähig sind.
Beispiel
Steuerabzugsmethode im Halb- bzw. Teileinkünfteverfahren Der Einzelunternehmer Austin Powers erzielt sowohl im Jahr 2008 als auch im Jahr 2010 im Betriebsvermögen eine steuerpflichtige, ausländische Bruttodividende i.H.v. 40.000 €. Der KapESt-Satz beträgt 20 %.
Lösung
Merke: Bei Dividendeneinkünften sind im Rahmen der Abzugsmethode ausländische Steuern im Halbeinkünfteverfahren zu 50 % abzugsfähig, im Teileinkünfteverfahren zu 60 %.
I.
Beschränkte Steuerpflicht im Ausland 40.000 € x 20 % = 8.000 € KapESt
II.
Ermittlung des Welteinkommens (§ 2 EStG) bis 2008
+ ./. ./. = ./. = III.
42
inländische Einkünfte ausländische Dividendeneinkünfte davon steuerbefreit (§ 3 Nr. 40 EStG) ausländische Steuer ( 50 % / 60 %) Summe der Einkünfte Sonderausgaben z.v.E.
ab 2009
80.000 € + 40.000 € + ./. 20.000 € ./. ./. 4.000 € ./. 96.000 € ./. 8.000 € ./. 88.000 €
Ermittlung des Steuerbetrags (§ 32a Abs. 1, 2 EStG) x
2008: 0,42 x 88.000 € ./. 7.914 € = 29.046 €
x
2010: 0,42 x 91.200 € ./. 8.172 € = 30.132 €
Vgl. Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2007 (JStG 2007), BR-Drs. 622/06, S. 90.
80.000 40.000 16.000 4.800 99.200 8.000 91.200
€ € € € € € €
54
Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung IV.
Gegenüberstellung der Teileinkünfteverfahren
Gesamtsteuerbelastung 2008
im
Halb-
bzw.
2010
Steuerabzugsmethode: ausl. Steuer inl. Steuer gesamt
8.000 € 29.046 € 37.046 €
8.000 € 30.132 € 38.132 €
Direkte Steueranrechnung: ausl. Steuer inl. Steuer gesamt
8.000 € 24.581 € 32.581 €
8.000 € 24.729 € 32.729 €
Der Gesamtsteuervergleich zeigt, dass sowohl in 2008 als auch in 2010 die Anrechnungsmethode zu günstigeren Steuerbelastungen führt als die Abzugsmethode, obwohl bei den Dividendeneinkünften in beiden Fällen der Anrechnungshöchstbetrag überschritten wurde, so dass ein Anrechnungsüberhang entstanden ist. Merke: Die Option für die Steuerabzugsmethode nach § 34c Abs. 2 EStG ist in den folgenden Fällen anzuraten: x bei inländischen Verlusten und zu veranlagenden Einkünften, x bei hohen Anrechnungsüberhängen (grundsätzlich nur im Fall von zu veranlagenden Einkünften), x u.U. bei Dividendeneinkünften und Veräußerungsgewinnen im Betriebsvermögen (jedoch nur in theoretischen Fällen von sehr hohen ausländischen Steuersätzen und/oder hohen Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen).
2.3.3.2.3
Pauschalierung und Erlass
Gem. § 34c Abs. 5 EStG ist es den obersten Finanzbehörden der Länder bzw. den von ihnen beauftragten Finanzbehörden gestattet, mit Zustimmung des Bundesministeriums der Finanzen die auf ausländische Einkünfte entfallende deutsche Einkommensteuer ganz oder teilweise zu erlassen oder diese in einem Pauschbetrag festzusetzen. Diese Methode wird angewandt, wenn sie aus ökonomischen Gründen zweckmäßig erscheint oder die Anwendung der Anrechnungsmethode besondere Schwierigkeiten bereitet.
Doppelbesteuerung
55
Diese Ermächtigungsvorschrift wird näher ausgeführt im: x Pauschalierungserlass,43 x Auslandstätigkeitserlass.44 Beide Erlasse sind von der Bereinigung durch das BMF-Schreiben45 vom 29.03.2007 nicht betroffen und bestehen weiterhin fort. Die in den Schreiben jeweilig ausgeführten Methoden sind nicht auf Dividendeneinkünfte anwendbar, so dass eine Unterscheidung zwischen Dividendeneinkünften und Nicht-Dividendeneinkünften diesbezüglich nicht notwendig ist. (1)
Pauschalierungserlass
Auf Antrag werden bestimmte ausländische Einkünfte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen pauschal mit 25 % besteuert. Diese Möglichkeit kann für jeden Staat einzeln beantragt werden. Die Pauschalierung wird jedoch für sämtliche Einkünfte eines Staates einheitlich ausgeführt. Begünstigungsfähige Einkünfte i.S.d. Erlasses sind: x Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die aus der aktiven Tätigkeit einer im Ausland belegenen Betriebsstätte stammen, x Einkünfte aus der Beteiligung an einer aktiv tätigen ausländischen Mitunternehmerschaft, wenn die Beteiligung zum Betriebsvermögen eines inländischen gewerblichen Unternehmens gehört, x Einkünfte aus selbständiger Arbeit, wenn diese aus einer auf ausländischem Staatsgebiet befindlichen Betriebsstätte (festen Einrichtung) stammen und durch technische Beratung, Planung bzw. Überwachung einer Anlagenerrichtung erzielt werden. Allerdings kann die von den pauschal besteuerten Einkünften im Ausland erhobene Steuer im Inland weder zusätzlich angerechnet noch bei der Einkunftsermittlung abgezogen werden. Die inländischen Einkünfte des Steuerpflichtigen werden, ohne Berücksichtigung der auf die begünstigten Auslandseinkünfte entfallenden ausländischen Steuer, mit seinem persönlichen Steuersatz besteuert (kein Progressionsvorbehalt).
43
Vgl. BMF v. 10.04.1984, IV C 6 – S 2293 – 11/84, BStBl. I 1984, S. 252, Beck’sche Textausgaben Steuererlasse, Nr. 1, § 34c/1.
44
Vgl. BMF v. 31.10.1983, IV B 6 – S 2293 – 50/83, BStBl. I 1983, S. 470, Beck’sche Textausgaben Steuererlasse, Nr. 20, § 34c/1.
45
Vgl. BMF v. 29.03.2007, IV C 6 – O 1000/07/0018, BStBl. I 2007, S. 369. Mit Wirkung dieses Schreibens werden alle zwischen dem 01.01.1980 und 31.12.2004 erlassenen BMF-Schreiben aufgehoben. Ausgenommen davon sind die in einer Positivliste aufgeführten Schreiben. Zu diesen zählen der Pauschalierungserlass und der Auslandstätigkeitserlass.
Beispiel
Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung Pauschalierung Es gelten die Angaben des Grundbeispiels.
Lösung
56
I.
Ermittlung der inländischen Einkünfte (§ 2 EStG) und des darauf entfallenden Steuerbetrags (§ 32a Abs. 1, 2 EStG) Bei der Ermittlung der inländischen Bemessungsgrundlage werden die ausländischen Einkünfte nicht berücksichtigt. Die Einkommensteuer wird folglich so berechnet, als ob Austin Powers keine ausländischen Einkünfte erzielt hätte. inländische Einkünfte 80.000 € Sonderausgaben ./. 8.000 € z.v.E. = 72.000 € Steuer auf inländische Einkünfte = 0,42 x 72.000 € ./. 8.172 € = 22.068 €
II.
Ermittlung der auf die Auslandseinkünfte entfallenden pauschalen inländischen Steuern pauschale Steuer auf ausländische Einkünfte = 0,25 x 40.000 € = 10.000 €
III.
Ermittlung der im Inland zu zahlenden Einkommensteuer Steuer auf inländische Einkünfte pauschale Steuer auf ausl. Einkünfte im Inland zu zahlende Einkommensteuer
IV.
22.068 € + 10.000 € = 32.068 €
Gegenüberstellung der Gesamtsteuerbelastung bei Nicht-Dividendeneinkünften Fall a) ausl. Steuer pauschale inl. Steuer auf ausl. Einkünfte inl. Steuer auf inländische Einkünfte Gesamt
12.000 10.000 22.068 44.068
Fall b) € € € €
20.000 10.000 22.068 52.068
€ € € €
Die Gesamtsteuerbelastung des Steuerpflichtigen ergibt sich bei Anwendung der Pauschalierungsmethode aus: der im Ausland gezahlten Steuer + der pauschal berechneten inländischen Steuer auf ausländische Einkünfte + der inländischen Steuer auf inländische Einkünfte = Gesamtsteuerbelastung
Doppelbesteuerung
57
Die Pauschalierungsmethode kann sich im Verhältnis zur Anrechnungsmethode vorteilhaft für den Steuerpflichtigen auswirken, wenn im Ausland nur eine geringe bzw. keine Steuer auf die Quelleneinkünfte erhoben wird. Sie kann jedoch nicht angewendet werden, sofern die Einkünfte in einem Staat erzielt werden, mit dem ein DBA besteht. (2)
Auslandstätigkeitserlass
Arbeitslöhne von Arbeitnehmern eines inländischen Arbeitgebers, die ihre Tätigkeit zum Teil im Ausland verrichten, können auf Antrag von der inländischen Besteuerung freigestellt werden. Allerdings werden die freigestellten Bezüge zur Ermittlung der deutschen Einkommensteuer bei der Berechnung des Steuersatzes berücksichtigt, der auf die Inlandseinkünfte anzuwenden ist (Progressionsvorbehalt i.S.d. § 32b EStG). Die Freistellung der Bezüge für eine Tätigkeit im Ausland setzt eine (mindestens) dreimonatige Tätigkeit i.S.v. Montagearbeiten ohne Unterbrechung voraus. Zu den begünstigungsfähigen Tätigkeiten, die der Erlass aufzählt, gehören: x Planung, Einbau, Aufstellung, Inbetriebnahme, Modernisierung, Überwachung und Wartung von Fabriken, Bauwerken oder Anlagen, x Einbau, Aufstellung und Instandsetzung von sonstigen Wirtschaftsgütern, x Beratungen im Hinblick auf die vorstehenden Aktivitäten. Des Weiteren soll betont werden, dass die Inanspruchnahme der Begünstigung des Auslandstätigkeitserlasses nicht zulässig ist, wenn zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem betreffenden Staat ein DBA besteht oder die Zahlungen von inländischen öffentlichen Kassen geleistet werden. Die Voraussetzungen für die Anwendung des Auslandstätigkeitserlasses sind kumulativ: 9 Inländischer Arbeitgeber, 9 Auslandstätigkeit für einen inländischen Lieferanten, Hersteller oder Auftragnehmer, 9 Durchführung von Montagearbeiten, 9 Tätigkeit muss mindestens drei Monate ununterbrochen im Ausland ausgeübt werden, 9 kein DBA mit dem ausländischen Staat, 9 Vergütungen werden nicht aus inländischen öffentlichen Kassen geleistet.
2.3.3.2.4
Entscheidungsalternativen
Sofern ein in Deutschland unbeschränkt Steuerpflichtiger ausländische Einkünfte aus einem Nicht-DBA-Staat erzielt, die nicht der Abgeltungsteuer unterliegen, hat er grundsätzlich die Wahl, x die im Ausland gezahlte, der deutschen Einkommensteuer entsprechende Steuer anzurechnen,
58
Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung x x x
diese bei der Ermittlung der Einkünfte abzuziehen, bei Vorliegen der im Pauschalierungserlass genannten ausländischen Einkünfte eine Pauschalierung zu beantragen oder bei Vorliegen von Einkünften aus nichtselbständiger begünstigter Tätigkeit i.S.d. Auslandstätigkeitserlasses die Option für die Freistellung unter Progressionsvorbehalt auszuüben.
Welche Entscheidungsalternative die optimale Wahl eines Steuerpflichtigen bei zu veranlagenden Einkünften darstellt, verdeutlicht der folgende Entscheidungsbaum in stark vereinfachter Form.
Erfolgssituation im Inland Positives Inlandseinkommen
Ausländische Steuer geringer als Anrechnungshöchstbetrag
Ausländische Steuer höher als Anrechnungshöchstbetrag
Wahl der direkten Steueranrechnung (Regelfall);
Wahl zwischen direkter Steueranrechnung und Steuerabzugsmethode (Einzelfall prüfen)
im Einzelfall können Pauschalierung bzw. Erlass günstiger sein
Abbildung 20:
Inlandsverlust > ausl. Einkünfte
Wahl der Steuerabzugsmethode (Verlustabzug nach § 10d EStG)
Vereinfachte Übersicht der Entscheidungsregeln bei zu veranlagenden Einkünften
2.3.3.3 Bilaterale Maßnahmen Unter den bilateralen Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nehmen die Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) eine herausragende Rolle ein. Sie sind völkerrechtliche Verträge zwischen einzelnen souveränen Staaten. Anhand eines Systems von Verteilungs- bzw. Verzichtsnormen regeln die Vertragspartner die Ausübung kollidierender Besteuerungsansprüche.
Doppelbesteuerung
2.3.3.3.1
59
Mögliche Ansätze
Grundsätzlich hat der Wohnsitzstaat aufgrund des Welteinkommensprinzips immer das vollumfängliche Besteuerungsrecht. In Abhängigkeit von dem Quellenstaat zugestandenen Besteuerungsrecht sind zwei grundlegende Ansätze zur Vermeidung der Doppelbesteuerung im DBA-Fall vorgesehen: (1) Der Quellenstaat verzichtet in vollem Umfang oder zum Teil auf seinen Besteuerungsanspruch, d.h. die Auslandseinkünfte bleiben im Wohnsitzstaat steuerpflichtig. Auf in beschränktem Umfang anfallende ausländische Quellensteuern wendet das Inland die Anrechnungsmethode an. = Kapitalexportneutralität Beispiel: Dividenden (Art. 10 Abs. 1, Abs. 2 OECD-MA). (2) Ausländische Einkünfte unterliegen ausschließlich der Besteuerung im Quellenstaat. Im Wohnsitzstaat werden diese unter Anwendung des Progressionsvorbehalts freigestellt.46 = Kapitalimportneutralität Beispiel: Besteuerung einer Betriebsstätte im Quellenstaat (Art. 5 i.V.m. Art. 7 OECD-MA).
2.3.3.3.2
Vermeidung der Doppelbesteuerung im Wohnsitzstaat
Die steuerliche Behandlung ausländischer Einkünfte im Wohnsitzstaat muss in Verbindung mit dem Besteuerungsrecht des Quellenstaates gesehen werden. Es lassen sich korrespondierend für den Umfang der Wohnsitzbesteuerung zwei Möglichkeiten ableiten: x Anrechnungsverfahren, x Freistellungsverfahren (unter Progressionsvorbehalt). Wird das Besteuerungsrecht des Quellenstaates teilweise47 eingeschränkt, wendet der Wohnsitzstaat die Anrechnungsmethode an (Art. 23 B OECD-MA). Wird dem Quellenstaat das uneingeschränkte Besteuerungsrecht zugewiesen, wendet der Wohnsitzstaat üblicherweise das Freistellungsverfahren (unter Progressionsvorbehalt) an (Art. 23 A OECD-MA). Im Inland freigestellt werden: x Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen (Art. 6 OECD-MA), x Gewinne einer Betriebsstätte (Art. 5 i.V.m. Art. 7 OECD-MA), x Einkünfte aus unselbständiger Arbeit (im Regelfall) (Art. 15 OECD-MA). 46
Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Auslandsaktivität in einer festen wirtschaftlichen Verknüpfung mit dem Ausland steht.
47
Das Besteuerungsrecht des Quellenstaates ist der Höhe oder dem Grunde nach beschränkt.
60
Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
Die folgende Abbildung verdeutlicht die Aufteilung des Besteuerungsrechts auf den Quellen- bzw. Wohnsitzstaat nach Maßgabe des OECD-MA. Das Besteuerungsrecht des Quellenstaates und die Methode der Vermeidung der Doppelbesteuerung durch den Wohnsitzstaat korrespondieren folglich.
Ansätze zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nach OECD-MA Quellenstaat
Wohnsitzstaat
1. Ansatz
Begrenzung oder Aufhebung des Besteuerungsrechts
Anrechnung (Art. 23B OECD-MA)
2. Ansatz
Uneingeschränktes Besteuerungsrecht
Freistellung (mit Progressionsvorbehalt) (Art. 23A OECD-MA)
Abbildung 21:
Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nach OECD-MA
Doppelbesteuerungsabkommen zeichnen sich dadurch aus, dass eine Doppelbesteuerung durch die Zuteilung der Einkünfte auf die beteiligten Staaten vermieden wird. Geregelt wird dies über ein System des gegenseitigen Besteuerungsverzichts. Die Voraussetzungen sowie das Vorgehen der Anrechnungsmethode entsprechen der begrenzten Anrechnung (vgl. § 34c Abs. 1 EStG), deren Wirkungsweise bereits im Abschnitt der unilateralen Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung erläutert wurde. Bei Kapitalerträgen, die der Abgeltungsteuer unterliegen, gelten für die Anrechnung der ausländischen Quellensteuer gem. § 32d Abs. 5 Satz 2 EStG n.F. dieselben Grundsätze wie im Nicht-DBA-Fall.48 Ansatzpunkt der Freistellungsmethode ist die Bemessungsgrundlage. Ausländische Einkünfte unterliegen dem ausschließlichen Besteuerungsrecht des Quellenstaates. Der Wohnsitzstaat verzichtet auf die ihm zustehende Besteuerung des Welteinkommens eines Steuerpflichtigen und berücksichtigt bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens nur die im Inland erzielten Einkünfte.
48
Vgl. Baumgärtl, M./ Lange, U., in: Herrmann, C./ Heuer, G./ Raupach, A., Einkommensteuerund Körperschaftsteuergesetz, 236. Erg.-Lfg., Köln 2009, § 32d EStG, JK 09 E 7.
Doppelbesteuerung
61
Merke: Bei der Freistellungsmethode nimmt der Wohnsitzstaat die im Ausland erzielten Einkünfte zur Gänze von der Bemessungsgrundlage aus.
Je nachdem, welcher Steuersatz auf die im Inland steuerpflichtige Bemessungsgrundlage angewandt wird, lassen sich zwei Ausprägungen der Freistellungsmethode unterscheiden: x
völlige Freistellung: Auslandseinkünfte werden weder bei der Ermittlung der inländischen Bemessungsgrundlage berücksichtigt noch beeinflussen sie die Höhe des auf die Inlandseinkünfte anzuwendenden Steuersatzes. Die Doppelbesteuerung wird somit nicht nur vollständig vermieden, sondern der Steuerpflichtige ist bei Vorliegen eines progressiven Steuertarifs sogar günstiger gestellt als hätte er das Einkommen in einem einzigen Staat realisiert.
x
Freistellung unter Progressionsvorbehalt: Die Freistellung unter Progressionsvorbehalt ist in § 32b EStG normiert und findet aus folgenden Gründen im deutschen Steuerrecht Anwendung: Erfolgt die Freistellung ohne Progressionsvorbehalt, kann der Steuerpflichtige aufgrund der progressiven Ausgestaltung des Einkommensteuertarifs seine Steuerbelastung senken, wenn er sein Einkommen auf mehrere Staaten verteilen würde. Diese Wirkung bezeichnet man als „Splitting-Effekt“. Somit wäre die Steuerbelastung der (verbleibenden) inländischen Einkünfte eines Steuerpflichtigen mit Auslandsaktivitäten im Ergebnis immer niedriger als im Falle eines vergleichbaren Steuerpflichtigen, der Einkünfte in identischer Höhe ausschließlich im Inland erzielt. Obwohl beide Steuerpflichtigen gleich leistungsfähig sind, werden sie aufgrund der vollständigen Freistellung ungleich besteuert. Deswegen wird die Freistellung nur unter Progressionsvorbehalt gewährt. Die vom Steuerpflichtigen im Ausland erzielten Einkünfte bleiben zwar bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage im Inland unberücksichtigt, doch werden die ausländischen Einkünfte bei der Ermittlung der Höhe des Steuersatzes, mit dem die inländische Bemessungsgrundlage besteuert wird, einbezogen (Art. 23 A Abs. 3 OECD-MA).
Merke: Bei der Anwendung der Freistellungsmethode unter Progressionsvorbehalt wird auf die Bemessungsgrundlage, die der inländischen Besteuerung unterliegt, der Steuersatz angewandt, der auf das Welteinkommen entfallen würde.
Durch die Besteuerung der inländischen Einkünfte mit dem für das Welteinkommen maßgeblichen Steuersatz wird die Leistungsfähigkeit eines Steuerpflichtigen, welche sich anhand seines Welteinkommens bemisst, in der Progression erfasst. Die Voraussetzungen für die Anwendung des Progressionsvorbehalts sind: 9 Person ist im Inland unbeschränkt steuerpflichtig (§ 32b Abs. 1 EStG) 9 entsprechende Norm im DBA.
62
Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
Merke: Bei einem proportionalen Tarif im Inland geht der Progressionsvorbehalt ins Leere.
Beispiel
Freistellungsmethode unter Anwendung des Progressionsvorbehalts Die ausländischen Einkünfte i.H.v. 40.000 € von Austin Powers stammen aus einem Land, mit dem Deutschland ein DBA abgeschlossen hat. Darin ist für die betreffenden Einkünfte geregelt, dass dem ausländischen Staat das Besteuerungsrecht zusteht und Deutschland den Progressionsvorbehalt anwenden darf.
Lösung
Vorgehensweise: 1. Ermittlung des Welteinkommens, 2. Ermittlung des deutschen Durchschnittssteuersatzes auf das Welteinkommen, 3. Anwendung dieses deutschen Welteinkommenssteuersatzes auf die inländische Bemessungsgrundlage (= Welteinkommen ./. freigestellte ausländische Einkünfte).
I.
Ermittlung des Welteinkommens inländische Einkünfte 80.000 ausländische Einkünfte 40.000 Sonderausgaben ./. 8.000 Welteinkommen = 112.000
II.
€ € € €
Ermittlung des Durchschnittssteuersatzes auf das Welteinkommen (§ 32b Abs. 2 EStG) auf das Welteinkommen entfallender Steuerbetrag (§ 32a Abs. 1, 2 EStG) = 0,42 x 112.000 € ./. 8.172 € = 38.868 € 38.868 € Durchschnittssteuersatz = = 34,70 % 112.000 €
III.
Anwendung des Durchschnittssteuersatzes auf die inländischen Einkünfte (Progressionsvorbehalt gem. § 32b Abs. 1 EStG) Ermittlung des im Inland zu versteuernden Einkommens (§ 2 EStG) inländische Einkünfte Sonderausgaben inländisches z.v.E.
./. =
80.000 € 8.000 € 72.000 €
inländischer Steuerbetrag = 0,347 x 72.000 € = 24.984 € Ohne Anwendung des Progressionsvorbehalts, also bei völliger Freistellung, würde sich eine inländische Steuerschuld i.H.v. 22.068 € ergeben (= 72.000 € x 0,42 ./. 8.172 €).
Doppelbesteuerung
63
Die Vorteilhaftigkeit der Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei zu veranlagenden Einkünften wird deutlich, wenn die bei Anwendung der einzelnen Methoden jeweils anfallende Gesamtsteuerbelastung gegenüberstellt wird: Methode
Fall a)
Fall b)
Freistellung mit Progressionsvorbehalt Direkte Steueranrechnung Steuerabzugsmethode Pauschalierung
36.984 38.868 45.828 44.068
44.984 45.912 50.468 52.068
Ein Vergleich der nach den verschiedenen Methoden ermittelten Gesamtsteuerbelastung zeigt, dass die Freistellungsmethode im größten Umfang eine Doppelbesteuerung vermeidet. Die Anwendung der Anrechnungsmethode führt zur „second best“-Lösung.
2.3.4 Regelungen für juristische Personen 2.3.4.1 Grundlagen der Besteuerung juristischer Personen in Deutschland Das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 führte auch zu Veränderungen der Besteuerung juristischer Personen in Deutschland. So wurde mit Wirkung zum VZ 2008 der Steuersatz für Körperschaften von 25 % auf 15 % gesenkt (§ 23 KStG). Diese Steuerentlastung wird jedoch durch verschiedene Maßnahmen wie z.B. das Verbot des Betriebsausgabenabzugs der Gewerbesteuer wieder kompensiert (§ 4 Abs. 5b EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG).
2.3.4.2 Unilaterale Maßnahmen Im Körperschaftsteuerrecht muss zwischen Dividenden- und Nicht-Dividendeneinkünften unterschieden werden. Nur bei Nicht-Dividendeneinkünften wird die Anrechnungs- oder Pauschalierungsmethode angewendet, da sowohl Dividendeneinkünfte aus dem In- als auch Dividendeneinkünfte aus dem Ausland durch § 8b Abs. 1 KStG freigestellt werden.
2.3.4.2.1
Methode der direkten Steueranrechnung
Zentrale Norm zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf unilateraler Ebene ist § 26 KStG. Die hier festgeschriebenen Maßnahmen entsprechen in ihren Grundzügen der Methodik des § 34c EStG.
64
Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
§ 26 KStG
Direkte Steueranrechnung
Abs. 1
Abbildung 22:
Abzugsmethode
Pauschalierung
Abs. 6 Satz 1 i.V.m. § 34c Abs. 2, 3 EStG
Abs. 6 Satz 1 i.V.m. § 34c Abs. 5 EStG
Methoden des § 26 KStG
§ 26 KStG wird angewendet, wenn zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem betroffenen Staat kein DBA abgeschlossen wurde (§ 26 Abs. 6 Satz 1 KStG i.V.m. § 34c Abs. 6 Satz 1 EStG).
2.3.4.2.1.1
Direkte Steueranrechnung bei Nicht-Dividendeneinkünften
Grundsätzlich ist zur Vermeidung der Doppelbesteuerung die begrenzte Anrechnung der ausländischen Steuern bei der Ermittlung der Körperschaftsteuer anzuwenden. Die Begünstigung wird gewährt, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind: 9 unbeschränkte Steuerpflicht, 9 Steuersubjektidentität, 9 ausländische Einkünfte i.S.d. § 34d EStG, 9 gleichartige Steuer im Ausland, 9 festgesetzte, gezahlte Auslandssteuer, die um einen entstandenen Ermäßigungsanspruch gekürzt wurde, 9 identischer Abgabenzeitraum. Diese Bestimmung entspricht der des § 34c Abs. 1 EStG, da nach § 26 Abs. 6 KStG die Vorschriften des § 34c EStG entsprechend anwendbar sind. Merke: Die Voraussetzungen für die direkte Steueranrechnung nach § 26 Abs. 1 KStG sind mit denen der direkten Steueranrechnung des § 34c Abs. 1 EStG identisch.49
Die Höhe der anrechnungsfähigen Steuer wird bei der direkten Anrechnung nach dem KStG durch die gleichen Faktoren wie nach § 34c Abs. 1 EStG begrenzt:
49
Vgl. H 74 KStR.
Doppelbesteuerung x
65
Anrechnungshöchstbetrag Da die Körperschaftsteuer einen proportionalen Tarif hat, ist für die Ermittlung des Anrechnungshöchstbetrags von dem Körperschaftsteuersatz i.H.v. 15 % gem. § 23 Abs. 1 i.V.m. § 34 Abs. 1 KStG auszugehen. Dieser ist für Zwecke der Ermittlung des Anrechnungshöchstbetrags auf die ausländischen Einkünfte zu beziehen.
Beispiel
Durch ausländische Geschäftstätigkeit erzielt die Cherry Kfz-Ersatzteile AG Einkünfte i.H.v. 125.000 €. Auf diese Einkünfte entfiel im Fall a) eine ausländische Steuerschuld i.H.v. 15.000 €, im Fall b) eine Steuerschuld i.H.v. 40.000 €.
Lösung
Anrechnungshöchstbetrag = 15 % x ausländische Einkünfte
Ermittlung des Anrechnungshöchstbetrags:
AHB = 0,15 x 125.000 € = 18.750 €
Fall a) Die Cherry Kfz-Ersatzteile AG kann die ausländische Steuer in voller Höhe anrechnen, dabei bleibt ein anrechenbarer Betrag i.H.v. 3.750 € (= 18.750 € ./. 15.000 €) ungenutzt. Fall b) Es entsteht aufgrund der gezahlten Auslandssteuer ein Anrechnungsüberhang i.H.v. 21.250 € (= 40.000 € ./. 18.750 €). x
per-country-limitation Entsprechend der begrenzten Steueranrechnung des EStG ist für den Fall, dass eine Körperschaft in mehreren Staaten ausländische Einkünfte erwirtschaftet, der Anrechnungshöchstbetrag für jeden Staat getrennt zu ermitteln; der Übertrag eines ungenutzten Anrechnungsbetrags aus einem Staat auf einen nicht anrechenbaren Betrag eines anderen Staates ist nicht zulässig.
x
Kürzung des Anrechnungshöchstbetrags Die Paragrafen § 34c Abs. 1 Sätze 3 und 4 EStG gelten gem. § 26 Abs. 6 Satz 1 KStG auch für juristische Personen.
2.3.4.2.1.2
Direkte Steueranrechnung bei Dividendeneinkünften
Nach § 8b Abs. 1 KStG bleiben Dividenden, die eine ausländische Tochtergesellschaft an ihre inländische Muttergesellschaft ausschüttet, bei der Ermittlung des Einkommens grundsätzlich außer Ansatz (generelles Dividendenprivileg). Die Anrechnung der ausländischen Quellensteuer nach Maßgabe des § 26 Abs. 1 KStG ist daher nicht möglich, weil die Gewinnausschüttung im Inland unbesteuert bleibt. Für den inländischen körperschaftsteuerpflichtigen Anteilseigner wird der im Ausland gezahlte Steuerbetrag somit definitiv.
66
Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
Merke: Empfangene ausländische Dividenden sind beim inländischen, körperschaftsteuerpflichtigen Anteilseigner grundsätzlich nicht steuerpflichtig (§ 8b Abs. 1 KStG).
Die Steuerbefreiung von Beteiligungserträgen nach § 8b Abs. 1 KStG ergibt sich unabhängig von x dem Sitzstaat der ausschüttenden Körperschaft, x der Mindestbeteiligung, x der Mindesthaltefrist, x dem Bestehen eines DBA, x der Art der Einkünfte (aktiv/ passiv). Die Regelung des § 8b Abs. 1 KStG ist eine zwingende Konsequenz des klassischen Körperschaftsteuersystems, welches sonst zu einer stufenweisen Aufzehrung der Dividende innerhalb eines Konzerns führen würde (sog. Kaskadeneffekt).
Beispiel
Als problematisch erweist sich aber in diesem Zusammenhang der Grundsatz, dass Ausgaben, die mit steuerfreien Einnahmen in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, steuerlich nicht abzugsfähig sind (§ 3c Abs. 1 EStG). Der arbeitslose Saruman erhält Arbeitslosengeld. Durch die Fahrten zum Arbeitsamt sind ihm erhebliche Aufwendungen entstanden, die er als Werbungskosten geltend machen möchte. Da das Arbeitslosengeld gem. § 3 Nr. 2 EStG steuerfrei ist, kann Saruman konsequenterweise auch die Fahrtkosten zum Arbeitsamt gem. § 3c Abs. 1 EStG steuerlich nicht geltend machen. Würde diese Logik auf steuerfreie Dividenden übertragen, ergäbe sich hieraus eine Nichtabzugsfähigkeit von korrespondierenden Aufwendungen, z.B. Fremdkapitalzinsen, Beratungsgebühren oder Transaktionskosten. Da diese Ausgaben im Einzelnen nur mit großem Aufwand nachgewiesen werden können, hat sich der Gesetzgeber für eine pauschalierende Regelung entschieden. Gem. § 8b Abs. 5 KStG gelten 5 % der steuerfreien Dividende als Ausgaben, die nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden dürfen. Auf diese Weise besteht die Steuerfreiheit der Dividende nicht zu 100 %, sondern lediglich zu 95 %. Im Gegenzug erklärt § 8b Abs. 5 Satz 2 KStG allerdings die Vorschrift des § 3c Abs. 1 EStG für nicht anwendbar. Damit sind – mit Ausnahme des fiktiven Anteils von 5 % der steuerfreien Bezüge – sämtliche mit den steuerfreien Einnahmen zusammenhängenden Betriebsausgaben voll abzugsfähig. Merke: Gem. § 8b Abs. 1 i.V.m. 5 KStG sind Dividenden im Ergebnis zu 95 % steuerfrei gestellt. Sämtliche mit der Beteiligung in Zusammenhang stehenden Betriebsausgaben sind zur Gänze abzugsfähig.
Doppelbesteuerung
2.3.4.2.2
67
Steuerabzugsmethode
Anstelle der Methode der direkten Steueranrechnung kann nach § 26 Abs. 6 Satz 1 KStG i.V.m. § 34c Abs. 2, 3 EStG alternativ die Abzugsmethode angewandt werden. Die Vorschriften des EStG gelten entsprechend.50
2.3.4.2.2.1
Steuerabzugsmethode bei Nicht-Dividendeneinkünften
Das Vorgehen des Steuerabzugs knüpft an die Ermittlung der Einkünfte an; diese werden durch den Abzug der ausländischen Steuern gemindert. Das Verhältnis von Anrechnungs- und Abzugsmethode ergibt sich aus dem Gesetz: x Liegen die Voraussetzungen des § 34c Abs. 1 EStG vor, kann der Steuerpflichtige als Alternative zur direkten Steueranrechnung die Abzugsmethode wählen (§ 26 Abs. 6 Satz 1 KStG i.V.m. § 34c Abs. 2 EStG). x Werden die geforderten Bedingungen nicht erfüllt, bestimmt das Gesetz die Anwendung der Abzugsmethode als Instrument zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (§ 26 Abs. 6 Satz 1 KStG i.V.m. § 34c Abs. 3 EStG). x Die Methode der direkten Steueranrechnung knüpft an den Steuerbetrag an. Die Anrechnung der Auslandssteuer ist beschränkt auf die Höhe der inländischen Tarifbelastung (15 %). x Bei der Abzugsmethode verringern ausländische Steuern wie Betriebsausgaben den Umfang der Bemessungsgrundlage. Dadurch tritt eine Minderung des körperschaftsteuerlichen Gewinns sowie des Gewerbeertrags ein.
Wahlrecht nach § 26 Abs. 6 Satz 1 KStG i.V.m.§ 34c Abs. 2 EStG
9 ! Abbildung 23:
50
Grundsätzlich ist die direkte Steueranrechnung günstiger
9
bei hohen Anrechnungsüberhängen kann die Abzugsmethode vorteilhaft sein
!
Entscheidungsregeln
Vgl. R 74 Abs. 3 KStR.
68
Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
2.3.4.2.2.2
Steuerabzugsmethode bei Dividendeneinkünften
Gewinnausschüttungen von ausländischen an inländische Kapitalgesellschaften bleiben nach § 8b Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 KStG zu 95 % unbesteuert. Folglich erübrigt sich die Anwendung der Steuerabzugsmethode.
2.3.4.2.3
Pauschalierung
In Übereinstimmung mit den Regelungen des EStG ist für unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtige Subjekte gem. § 26 Abs. 6 Satz 1 KStG i.V.m. § 34c Abs. 5 EStG auch die Pauschalierung der Steuer auf Auslandseinkünfte möglich. Die im Rahmen des Pauschalierungserlasses51 festgesetzte Körperschaftsteuer auf pauschal zu besteuernde ausländische Einkünfte beträgt 25 %. Der Anwendungsbereich der Pauschalierungsmethode erstreckt sich auf die Einkünfte einer inländischen Körperschaft aus: x einer im Ausland belegenen Betriebsstätte, x der Beteiligung an einer ausländischen Personengesellschaft, x der Beteiligung an einer ausländischen Kapitalgesellschaft. Diese müssen im Ausland eine aktive Tätigkeit i.S.d. § 2a Abs. 2 EStG ausüben. Merke: Besondere Voraussetzungen gelten darüber hinaus für Beteiligungen an ausländischen Kapitalgesellschaften: 9 Beteiligungsquote mindestens 10 %, 9 unmittelbare Beteiligung, 9 Mindestbesitzzeit von 12 Monaten.
Der Pauschalierung kommt in der Praxis allerdings keine Bedeutung zu.52 Ausschlaggebend sind zwei Gründe: x
x
Der in § 23 Abs. 1 KStG festgesetzte Körperschaftsteuersatz beträgt 15 %. Damit ist die Höhe der Tarifbelastung geringer als der pauschale Steuersatz gemäß dem Pauschalierungserlass. Dividenden, die von einem ausländischen (oder inländischen) Tochterunternehmen an ihre Muttergesellschaft ausgeschüttet werden, sind nach § 8b Abs. 1 KStG, unabhängig von der Beteiligungsquote, der Besitzzeit sowie der Tätigkeit des Tochterunternehmens, steuerbefreit. Die sich auf diesen Fall erstreckende Regelung des Pauschalierungserlasses läuft somit ins Leere.
51
Vgl. BMF v. 10.04.1984, IV C 6 – S 2293 – 11/84, BStBl. I 1984, S. 252.
52
Vgl. R 74 Abs. 2 KStR.
Doppelbesteuerung
69
Merke: Die Pauschalierung nach § 26 Abs. 6 Satz 1 KStG i.V.m. § 34c Abs. 5 EStG ist für die steuerliche Praxis unbedeutend.
2.3.4.3 Bilaterale Maßnahmen Die bereits dargestellten Grundsätze der Zuteilung der Besteuerungsrechte zu Quellenstaat und Wohnsitzstaat für natürliche Personen gelten auch für Körperschaften. Korrespondierend zur Besteuerung im Quellenstaat ist im Wohnsitzstaat entweder die begrenzte Anrechnung der ausländischen Steuer oder die Anwendung der Freistellungsmethode unter Progressionsvorbehalt vorgesehen. Da der deutsche Körperschaftsteuersatz nach § 23 KStG nicht progressiv, sondern proportional verläuft, läuft der im Inland im Rahmen der Freistellungsmethode grundsätzlich anzuwendende Progressionsvorbehalt ins Leere.
2.3.4.4 Vermeidung der Doppelbesteuerung im supranationalen Recht: Umsetzung der Mutter-Tochter-Richtlinie im nationalen Recht Um die Mehrfachbelastung in internationalen Konzernen innerhalb der EU zu vermeiden, postuliert die Mutter-Tochter-Richtlinie, dass der Sitzstaat der Tochtergesellschaft keine Quellensteuer auf Dividendenausschüttungen erheben darf und dass korrespondierend dazu der Ansässigkeitsstaat der Muttergesellschaft die empfangenen Dividenden freistellen muss. Die Voraussetzungen zur Anwendung der Mutter-Tochter-Richtlinie sind kumulativ: 9 Ansässigkeit der Mutter- und der Tochterkapitalgesellschaft in EU-Mitgliedsstaaten, 9 Beteiligung der Mutterkapitalgesellschaft zu mindestens 10 %,53 9 Mindestbeteiligungsfrist von 24 Monaten. Die Umsetzung erfolgt in Deutschland durch § 43b EStG und § 8b KStG, wobei beide Bestimmungen weiter als die Mutter-Tochter-Richtlinie gefasst sind.
2.4 Behandlung negativer ausländischer Einkünfte Aufgrund des objektiven Nettoprinzips können positive und negative Einkünfte grundsätzlich entweder im laufenden Jahr ausgeglichen (§ 2 Abs. 3 EStG) oder verbleibende negative 53
In der Richtlinie 2003/123/EG wurde die ursprüngliche Mutter-Tochter-Richtlinie (90/435/EWG) geändert, indem eine stufenweise Absenkung des Beteiligungsschwellenwerts festgelegt wurde. Die Mindesthöhe einer Beteiligung zur Anwendung der Mutter-Tochter-Richtlinie verringerte sich demnach von ursprünglich 25 % (bis zum 31.12.2004) über 20 % (01.01.2005 bis 31.12.2006) und 15 % (01.01.2007 bis 31.12.2008) auf 10 % (ab 01.01.2009).
70
Behandlung negativer ausländischer Einkünfte
Einkünfte in anderen Jahren abgezogen werden (§ 10d EStG). Diesbezüglich sieht § 2a EStG jedoch Einschränkungen vor. Um zu vermeiden, dass zu Lasten des inländischen Steueraufkommens volkswirtschaftlich nicht erwünschte und nicht sinnvolle Verwendungszwecke – wie z.B. die Beteiligung an Touristikvorhaben oder der Erwerb von Plantagen oder Tierfarmen – verfolgt werden, begrenzt § 2a EStG den Abzug bestimmter ausländischer negativer Einkünfte von positiven inländischen Einkünften.54
2.4.1 Kein DBA oder DBA mit Anrechnungsmethode § 2a Abs. 1 und 2 EStG regelt die Behandlung ausländischer Verluste, wenn entweder mit dem ausländischen Staat kein DBA besteht oder in einem DBA die Anrechnungsmethode vereinbart wurde.55 Nach der bisherigen Fassung durften bestimmte, in § 2a Abs. 1 EStG a.F. aufgezählte, negative Einkünfte aus EU/EWR- und Drittstaaten grundsätzlich nur mit positiven Einkünften der jeweils selben Art und aus demselben Staat ausgeglichen werden. Diese Beschränkungen erstreckten sich auch auf den Verlustabzug nach § 10d EStG. Der uneingeschränkte Verlustausgleich war ausnahmsweise nur bei Erfüllung der Aktivitätsklausel des § 2a Abs. 2 Satz 1 EStG a.F. möglich. Europarechtliche Vorgaben56 veranlassten den Gesetzgeber allerdings, die bisherige Regelung zu überarbeiten und europarechtskonform auszugestalten. Aus diesem Grund begrenzt das JStG 2009 die von § 2a EStG vorgesehene Verlustausgleichs- und Verlustverrechnungsbeschränkung auf bestimmte negative Einkünfte aus Drittstaaten.57 Als Drittstaaten gelten gem. § 2a Abs. 2a Satz 1 Nr. 1 EStG solche Länder, die nicht Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sind. Nach § 2a Abs. 2a Satz 2 EStG zählen Länder, auf die das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, ebenfalls nicht zu den Drittstaaten, sofern mit diesen ein Amtshilfeabkommen geschlossen wur54
Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Wiederbelebung der Wirtschaft und Beschäftigung und zur Entlastung des Bundeshaushalts (Haushaltsbegleitgesetz 1983), BT-Drs. 9/2074, S. 62; Heinicke, W., in: Schmidt, L., Einkommensteuergesetz, 28. Aufl., München 2009, § 2a EStG, Rz. 1.
55
Vgl. Niemeier, G./ Schlierenkämper, K.-P./ Schnitter, G./ Wendt, W., Einkommensteuer, 22. Aufl., Achim 2009, S. 80.
56
Vgl. Rs. RITTER-COULAIS, EuGH v. 21.02.2006, C152/03, IStR 2006, S. 196; insbesondere Rs. REWE ZENTRALFINANZ, EuGH v. 29.03.2007, C-347/04, IStR 2007, S. 40 und das am 18.10.2007 durch die Europäische Kommission eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland. Die Europäische Kommission war der Ansicht, dass Deutschland gegen die Verpflichtung aus dem EG-Vertrag verstößt, wenn ausländische Verluste nach § 2a EStG nicht abziehbar sind, während inländische Verluste bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage steuermindernd berücksichtigt werden; vgl. Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2009 (JStG 2009), BT-Drs. 16/10189, S. 46.
57
Vgl. Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2009 (JStG 2009), BT-Drs. 16/10189, S. 46.
Doppelbesteuerung
71
de. Liechtenstein ist zwar ein EWR-Staat, jedoch besteht zwischen Deutschland und Liechtenstein derzeit kein Amtshilfeabkommen. Daher wird Liechtenstein wie ein Drittstaat behandelt.58 Grundsätzlich können die negativen Einkünfte aus Drittstaaten, die der Katalog des § 2a Abs. 1 EStG aufführt, nur eingeschränkt mit positiven Einkünften verrechnet werden, d.h.: x Der Verlustausgleich ist nur mit positiven Einkünften der jeweils selben Art zulässig, was bedeutet, dass die positiven Einkünfte unter dieselbe Nummer des Katalogs fallen müssen = Quellenidentität. x Verluste aus Drittstaaten können nur mit positiven Einkünften aus demselben Staat ausgeglichen werden; ein Ausgleich eines Drittstaatenverlustes mit inländischen Gewinnen oder mit Gewinnen, die in einem anderen Staat erzielt werden, ist also nicht möglich = Staatenidentität. x Die Beschränkungen des Ausgleichs zwischen negativen und positiven Auslandseinkünften gelten auch für den Verlustausgleich nach § 10d EStG. Ausnahmsweise erlaubt § 2a Abs. 2 EStG, dass die inländische Bemessungsgrundlage in bestimmten Fällen auch um Drittstaatverluste vermindert werden darf. Dieser sog. uneingeschränkte Verlustausgleich kommt für folgende Verluste in Betracht: x negative Einkünfte aus einer in einem Drittstaat belegenen gewerblichen Betriebsstätte (§ 2a Abs. 1 Nr. 2 EStG), x Verluste aus der Teilwertabschreibung eines zu einem Betriebsvermögen gehörenden Anteils an einer Drittstaaten-Körperschaft (§ 2a Abs. 1 Nr. 3 Bst. a EStG), x Verluste aus der Veräußerung, Entnahme oder Kapitalherabsetzung des Anteils an einer Drittstaaten-Körperschaft (§ 2a Abs. 1 Nr. 3 Bst. b EStG), x Verluste aus der Veräußerung einer im Privatvermögen gehaltenen Beteiligung i.S.d. § 17 EStG an einer Drittstaaten-Kapitalgesellschaft (§ 2a Abs. 1 Nr. 4 EStG).
Ein uneingeschränkter Verlustausgleich wird für die aufgezählten Einkünfte allerdings nur gewährt, wenn die Aktivitätsklausel des § 2a Abs. 2 Satz 1 EStG erfüllt ist. Diese schreibt vor, dass die Betriebsstätte bzw. Kapitalgesellschaft ausschließlich oder fast ausschließlich, d.h. zu mindestens 90 %59, bestimmte „aktive“ Tätigkeiten ausüben muss. Verluste aus EU/EWR-Staaten, mit denen ein DBA die Anrechnungsmethode60 vorsieht, können – im Gegensatz zur bisherigen Regelung – künftig uneingeschränkt mit inländi-
58
Vgl. Heinicke, W., in: Schmidt, L., Einkommensteuergesetz, 28. Aufl., München 2009, § 2a EStG, Rz. 8.
59
Vgl. BFH v. 30.08.1995, I-R-77/94, BStBl. II 1996, S. 122.
60
Deutschland hat mit sämtlichen EU-Staaten sowie mit Island und Norwegen ein DBA geschlossen, d.h. in Bezug auf diese Staaten gibt es keinen Nicht-DBA-Fall.
72
Behandlung negativer ausländischer Einkünfte
schen positiven Einkünften ausgeglichen werden.61 Ob die Aktivitätsklausel des § 2a Abs. 2 Satz 1 EStG erfüllt wird, ist für den Ausgleich von Verlusten aus EU/EWR-Staaten (mit Ausnahme von Liechtenstein) unbeachtlich. DBA mit Anrechnungsmethode oder kein DBA mit
Drittstaat ( + Liechtenstein) Grundsatz: eingeschränkter Verlustausgleich § 2a Abs. 1 EStG 9
Quellenidentität
9
Staatenidentität
9
Beschränkungen gelten auch für Verlustvortrag nach§ 10d EStG
EU/EWR - Staat
uneingeschränkter Verlustausgleich 9
Aktivitätsklausel ist unbeachtlich
Ausnahme: uneingeschränkter Verlustausgleich § 2a Abs. 2 EStG 9
Aktivitätsklausel beachten
Beispiel
Beschränkung des Verlustausgleichs i.S.d. § 2a EStG
Berücksichtigung ausländischer Verluste Der deutsche Denny Crane erzielt im Jahr 2010 inländische Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.H.v. 110.000 €. Außerdem erwirtschaftet er negative Einkünfte aus einer aktiv tätigen Betriebsstätte i.H.v. 45.000 € in Liechtenstein. Aus der Vermietung seiner Wohnhäuser in Liechtenstein und Spanien62 entsteht Denny Crane ein Verlust i.H.v. je 8.000 €.
Lösung
Abbildung 24:
Liechtenstein wird im Rahmen der Behandlung ausländischer Verluste wie ein Drittstaat behandelt, da zwischen Liechtenstein und Deutschland kein Amtshilfeabkommen geschlossen wurde. Das zu versteuernde Einkommen in Deutschland ermittelt sich aus den inländischen Einkünften aus Gewerbebetrieb abzüglich des Verlustes aus Gewerbebetrieb in Liechtenstein, da die Betriebsstätte eine aktive Tätigkeit ausübt (§ 2a Abs. 2 Satz 1 EStG). Die negativen Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung des Wohnhauses in Liechtenstein können bei der Ermittlung der Summe der Einkünfte nicht erfasst werden (§ 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Bst. a EStG). Denny Crane kann diese Verluste lediglich in den folgenden Jahren mit positiven Einkünften aus Vermietung
61
Vgl. Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2009 (JStG 2009), BT-Drs. 16/10189, S. 46.
62
Im DBA zwischen Deutschland und Spanien ist für die Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung einer in Spanien belegenen Immobilie die Anrechnungsmethode vereinbart; vgl. Art. 23 Abs. 1 Bst. b DBst. ee DBA-Spanien v. 05.12.1966.
Doppelbesteuerung
73
und Verpachtung, die aus Liechtenstein stammen, ausgleichen. Der Verlust aus der Vermietung und Verpachtung des Wohnhauses in Spanien mindert hingegen die Steuerbemessungsgrundlage. Nach der Neuregelung durch das JStG 2009 können jegliche Verluste aus EU-Staaten, mit denen ein DBA mit Anrechnungsmethode vereinbart ist, uneingeschränkt mit inländischen Gewinnen ausgeglichen werden.
2.4.2 DBA mit Freistellungsmethode Ist zur Vermeidung der Doppelbesteuerung in einem DBA die Freistellungsmethode vereinbart, so werden nicht nur positive sondern auch negative Einkünfte von der inländischen Besteuerung ausgenommen (Symmetriethese).63 Bislang konnten ausländische Verluste trotzdem im Rahmen des sog. negativen Progressionsvorbehalts (§ 32b EStG) berücksichtigt werden. Dabei wurde das Welteinkommen inklusive der ausländischen negativen Einkünfte ermittelt. Aufgrund der Verlustberücksichtigung ergab sich ein reduzierter Durchschnittssteuersatz auf das Welteinkommen, was letztlich die Gesamtsteuerbelastung im Inland verringerte. Hierbei war jedoch zu beachten, dass sich das Welteinkommen nach Maßgabe des § 2a Abs. 1 und Abs. 2 EStG ermittelte.64 Im Rahmen des JStG 2009 wurde als Folge der Änderungen des § 2a EStG auch die Vorschrift des § 32b EStG angepasst. Hinsichtlich der bereits mit Wirkung ab VZ 200865 geltenden Neuregelung ist zwischen Einkünften, die in EU/EWR-Staaten und in Drittstaaten erzielt werden, zu unterscheiden. Für in EU/EWR-Staaten verwirklichte Tatbestände zählt § 32b Abs. 1 Satz 2 EStG bestimmte Einkünfte auf, für die der Progressionsvorbehalt nunmehr gänzlich entfällt. Der Gesetzgeber geht dabei davon aus, dass ausländische Verluste unter dem Gesichtspunkt der EG-Grundfreiheiten im Rahmen des negativen Progressionsvorbehalts nicht beachtet werden müssen, wenn im Gegenzug auch ausländische Einkünfte nicht im Rahmen des positiven Progressionsvorbehalts berücksichtigt werden.66 Stammen die Einkünfte jedoch aus einer in einem EU/EWR-Staat belegenen gewerblichen Betriebsstätte, die die Aktivitätsklausel des § 2a Abs. 2 Satz 1 EStG erfüllt, sind neben ausländischen Gewinnen auch ausländische Verluste für die Berechnung des Durchschnittssteuersatzes auf das Welteinkommen zu berücksichtigen (§ 32b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG). 63
Vgl. BFH v. 28.06.2006, I-R-84/04, BStBl. II 2006, S. 861.
64
Vgl. H 2a EStR; Niemeier, G./ Schlierenkämper, K.-P./ Schnitter, G./ Wendt, W., Einkommensteuer, 22 Aufl., Achim 2009, S. 80.
65
Vgl. § 52 Abs. 43a Satz 2 EStG.
66
Vgl. Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2009 (JStG 2009), BT-Drs. 16/10189, S. 53.
74
Behandlung negativer ausländischer Einkünfte
Darüber hinaus bleibt der (positive und negative) Progressionsvorbehalt für sämtliche Einkünfte, die nicht in § 32b Abs. 1 Satz 2 EStG aufgelistet sind, anwendbar. Zu diesen Einkünften gehören u.a.: x Einkünfte aus einer selbstständigen Tätigkeit in einem EU/EWR-Staat, x Einkünfte aus einer unselbstständigen Tätigkeit in einem EU/EWR-Staat oder x Einkünfte aus der Veräußerung von unbeweglichem Vermögen, das in einem EU/EWR-Staat belegen ist. Für Einkünfte aus Drittstaaten67, mit denen ein DBA mit Freistellungsmethode geschlossen wurde, gilt weiterhin die Regelung der Freistellung unter Progressionsvorbehalt. Erwirtschaftet ein unbeschränkt Steuerpflichtiger in einem solchen Staat Verluste, werden diese im Inland bei der Ermittlung des Durchschnittssteuersatzes auf das Welteinkommen berücksichtigt. Bei der Ermittlung des Welteinkommens ist jedoch zu beachten, dass nur solche negativen Einkünfte uneingeschränkt mit anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden können, die die Voraussetzung des § 2a Abs. 2 EStG erfüllen.
DBA mit Freistellungsmethode
Negative Einkünfte aus Drittstaaten
Negative Einkünfte aus EU/EWR- Staaten
Verlustberücksichtigung erfolgt im Rahmen des negativen Progressionsvorbehalts
Grundsatz: Verlustberücksichtigung erfolgt im Rahmen des negativen Progressionsvorbehalts
Aber: Welteinkommen ermittelt sich nach Maßgabe des § 2a Abs. 1 und 2 EStG
Beispiel
Abbildung 25:
67
(Einschränkungen des§ 2a Abs. 1 EStG sind unbeachtlich) Ausnahme : Ausschluss des negativen Progressionsvorbehalts bei negativen Einkünften i.S.d § 32b Abs. 1 Satz 2 EStG
Verlustberücksichtigung bei DBA mit Freistellungsmethode
Negativer Progressionsvorbehalt Jerry Espenson erzielt im Jahr 2010 aus seinem inländischen Einzelunternehmen Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.H.v. 200.000 €. Daneben erwirtschaftet er negative Einkünfte i.H.v. 10.000 € aus der Vermietung einer in Dänemark belegenen Immobilie. Darüber hinaus entstehen ihm Verluste aus seinen aktiv tätigen Betriebsstätten in Dänemark und Indien. Der Verlust aus der dänischen Betriebsstätte beträgt 50.000 €, und der Verlust aus Indien beläuft sich auf 40.000 €. Für die Definition des Begriffs „Drittstaat“ verweist § 32b Abs. 1 Satz 3 EStG auf § 2a Abs. 2a EStG.
Lösung
Inbound-Besteuerung: Ausländer mit wirtschaftlichen Interessen im Inland
75
Für die aufgezählten Einkünfte aus Dänemark und Indien sehen die jeweiligen DBAs die Freistellungsmethode vor.68 Eine Verlustberücksichtigung kommt bei einem DBA mit Freistellungsmethode allenfalls im Rahmen des negativen Progressionsvorbehalts in Betracht. Durch das JStG 2009 wurde der (positive und negative) Progressionsvorbehalt für bestimmte Einkünfte aus EU/EWR-Staaten jedoch abgeschafft. So kann der Verlust aus der Vermietung und Verpachtung der dänischen Immobilie bei der Ermittlung der Steuerschuld in Deutschland gem. § 32b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 EStG nicht geltend gemacht werden. Im Gegensatz dazu bleibt der Progressionsvorbehalt nach § 32b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG anwendbar, wenn eine Betriebsstätte die Voraussetzungen des § 2a Abs. 2 Satz 1 EStG erfüllt. Da die Betriebsstätte in Dänemark eine aktive Tätigkeit i.S.d. § 2a Abs. 2 Satz 1 EStG ausübt, darf Jerry den aus ihr erwirtschafteten Verlust für die Ermittlung des Durchschnittssteuersatzes auf das Welteinkommen berücksichtigen (§ 32b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG). Für Verluste aus Drittstaaten gilt der negative Progressionsvorbehalt weiterhin. In die Ermittlung des besonderen Steuersatzes auf das Welteinkommen kann der Verlust allerdings nur nach Maßgabe des § 2a Abs. 1 und 2 EStG eingehen. Da die Betriebsstätte in Indien die Aktivitätsklausel des § 2a Abs. 2 Satz 1 EStG erfüllt, kann sie bei der Ermittlung des Durchschnittssteuersatzes auf das Welteinkommen steuermindernd berücksichtig werden.
3 Inbound-Besteuerung: Ausländer mit wirtschaftlichen Interessen im Inland 3.1 Einführung in die Problematik Im Falle der beschränkten Steuerpflicht richtet sich der staatliche Besteuerungsanspruch auf im Inland belegene Quellen, d.h. das Besteuerungsrecht des Staates knüpft an die sachliche Beziehung eines verwirklichten Tatbestandsmerkmals zum inländischen Territorium an (Quellenbesteuerung). Merke: Der beschränkten Steuerpflicht werden nur Einkünfte aus im Inland verwirklichten objektiven Tatbeständen (§ 1 Abs. 4 EStG) unterworfen. Ausländische Einkünfte werden nicht berücksichtigt (Territorialitätsprinzip).
Die beschränkte Steuerpflicht umfasst bei natürlichen Personen inländische Einkünfte i.S.d. § 49 Abs. 1 EStG. Der Umfang der Besteuerung beschränkt steuerpflichtiger Körperschaf68
Vgl. Art. 24 Abs. 1 Bst. a DBA-Dänemark v. 22.11.1995; Art. 23 Abs. 1 Bst. e DBA-Indien v. 19.06.1995.
76
Grenzpendler
ten bestimmt sich nach den inländischen Einkünften, die in §§ 2, 7 ff. KStG i.V.m. § 49 Abs. 1 EStG genannt werden. Aufgrund der Anknüpfung an objektive Tatbestände werden die persönlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen grundsätzlich nicht berücksichtigt (§ 50 Abs. 1, 2 EStG). Diese soll der Steuerausländer in seinem Wohnsitzstaat geltend machen. Insofern weist die Quellenbesteuerung einen objektsteuerlichen Charakter auf.
3.2 Grenzpendler 3.2.1 Diskriminierungsverbot Unter der Bezeichnung „Grenzpendler“ sind Personen zu verstehen, die im Ausland wohnen und somit im Inland weder ihren Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, aber „arbeitstäglich“ ins Inland einpendeln, um hier ihrer Arbeit nachzugehen. Dabei kann es sich sowohl um selbständige Unternehmer (Gewerbetreibende, Freiberufler) als auch um Arbeitnehmer handeln. Wegen ihrer täglichen Rückkehr ins Ausland sind sie in Deutschland beschränkt, in ihrem Heimatstaat unbeschränkt steuerpflichtig. Aufgrund der beschränkten Steuerpflicht werden in Deutschland persönliche Aspekte (Existenzminimum, Sonderausgaben etc.) grundsätzlich nicht berücksichtigt, da dies im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht erfolgen sollte. In ihrem Heimatstaat erzielen die Grenzpendler üblicherweise jedoch kein oder nur ein sehr niedriges Einkommen, so dass ihre persönlichen Umstände auch dort – mangels steuerpflichtigen Einkommens – steuerlich nicht berücksichtigt werden können. Die Bestimmungen der beschränkten Steuerpflicht wirken sich daher negativ auf das Recht der Freizügigkeit der Arbeit aus und diskriminieren Grenzpendler. Ohne besondere steuerliche Vorschriften wären Grenzpendler benachteiligt, so dass ein Verstoß gegen die Grundsätze des EU-Rechts vorläge. Art. 39 EG-Vertrag bestimmt: Das Recht eines Mitgliedsstaats, die Voraussetzungen und Modalitäten der Besteuerung der in seinem Hoheitsgebiet von Angehörigen eines anderen Mitgliedsstaats erzielten Einkünfte festzulegen, kann insoweit eingeschränkt werden, als es einem Mitgliedsstaat nicht erlaubt ist, Staatsangehörige eines anderen Mitgliedsstaats bei der Erhebung von direkten Steuern schlechter zu behandeln als eigene Staatsangehörige, soweit sie sich in der gleichen Lage befinden.
Für die (Neu)Formulierung des Diskriminierungsverbots war das „Schumacker-Urteil“69 grundlegend: Der belgische Staatsangehörige Roland Schumacker wohnte mit seiner Ehefrau sowie seinem Kind in Belgien. Er bezog aus der Ausübung einer nichtselbständigen Tätigkeit in Deutschland ein Gehalt, welches das ein69
Vgl. Rs. SCHUMACKER, EuGH v. 14.02.1995, C-279/93, DB 1995, S. 407 ff.
Inbound-Besteuerung: Ausländer mit wirtschaftlichen Interessen im Inland
77
zige Einkommen der Familie darstellte. Die Besteuerung in Deutschland richtete sich nach §§ 50, 50a EStG. Der Kläger beantragte beim FA/ FG/ BFH/ EuGH, ihn aus Billigkeitsgründen nach dem Splitting-Tarif (Steuerklasse III) zu besteuern. Problem: Da der Steuerpflichtige in keinem der beiden Länder die steuerliche Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse erreichen konnte, fiel er somit in die Lücke zwischen Wohnsitz- und Quellenstaatsbesteuerung.
Der EuGH gab dem Kläger Recht und forderte Deutschland auf, dafür zu sorgen, dass der Kläger alle Vorteile der unbeschränkten Steuerpflicht in Anspruch nehmen könne, obwohl er im Inland weder einen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt habe.
3.2.2 Fiktive unbeschränkte Einkommensteuerpflicht Nach Maßgabe des „Schumacker-Urteils“ wurde eine Sonderregelung in das EStG eingefügt, welche sich in ihrer Zielsetzung auf alle beschränkt Steuerpflichtigen erstreckt, die den wesentlichen Teil ihrer Einkünfte in Deutschland erwirtschaften. Unter der Voraussetzung, dass 9
mindestens 90 % der Gesamteinkünfte des beschränkt Steuerpflichtigen der deutschen Einkommensteuer unterliegen,
oder 9
die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte den Grundfreibetrag nach § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG in Höhe von 8.004 € nicht übersteigen,
können natürliche Personen, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, auf Antrag als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt werden, soweit sie inländische Einkünfte i.S.d. § 49 EStG erzielen (§ 1 Abs. 3 EStG). Dies gilt unabhängig von der Nationalität der betreffenden Steuerpflichtigen. Mit der Beschränkung auf 8.004 € für Auslandseinkünfte trägt der Gesetzgeber dem Gedanken des Existenzminimums Rechnung, welches ein Steuerpflichtiger in seinem Wohnsitzstaat zum Lebensunterhalt benötigt. Für VZ 2009 betrug die Betragsgrenze für Auslandeinkünfte 7.834 €.70
70
Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung der Beschäftigung und Stabilität in Deutschland, BTDrs. 16/11740, S. 1.
78
Grenzpendler
Merke: Eine beschränkt steuerpflichtige natürliche Person kann, soweit die gesetzlichen Bedingungen erfüllt werden, nach § 1 Abs. 3 EStG auf Antrag als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt werden (fiktive unbeschränkte Einkommensteuerpflicht).
Dadurch haben Personen, die auf Antrag als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt werden, nach Maßgabe des § 1 Abs. 3 EStG im Wesentlichen Anspruch auf dieselben die Bemessungsgrundlage mindernden Vorschriften wie Inländer. Darüber hinaus besteht aber das Problem, dass das deutsche EStG Begünstigungen enthält, die nicht nur die unbeschränkte Steuerpflicht des Einkünfteerzielers selbst voraussetzen, sondern auch die unbeschränkte Steuerpflicht des Ehegatten. Bei Grenzpendlern ist dies aber gerade nicht der Fall, so dass diese Vergünstigungen – ohne weitere Regelungen – nicht gewährt werden könnten. Familienspezifische Begünstigungen
Voraussetzung
Zusammenveranlagung mit Splittingtabelle (§ 26 Abs. 1 EStG)
Unbeschränkte Steuerpflicht des Ehepartners
Realsplitting (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG)
Unbeschränkte Steuerpflicht des Ehepartners
Die Gewährung dieser subjekt- und familienspezifischen Sonderregelungen ist hierbei durch die Einführung von § 1a EStG ermöglicht worden. Diese sind allerdings beschränkt auf Staatsangehörige von EU/EWR-Staaten. Die Ausgestaltung der fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht Familienangehörigen nach § 1a EStG zeigt die folgende Abbildung.
Privilegien für EU/ EWR-Bürger (§ 1a EStG)
Abbildung 26:
Splittingtarif (§ 26 Abs. 1 EStG)
Realsplitting (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG)
von
EU/EWR-
Ausl. Ehegatte wird im Inland als unbeschränkt einkommen steuerpflichtig behandelt Geschiedener oder dauernd getrennt lebender ausl. Ehegatte gilt im Inland als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig
Fiktive unbeschränkte Steuerpflicht von EU/EWR-Familienangehörigen
Die folgende Aufzählung stellt dar, welche Regelungen zur Minderung der Bemessungsgrundlage Grenzpendlern i.S.v. § 1 Abs. 3 EStG zugebilligt werden. Darüber hinaus zeigt
Inbound-Besteuerung: Ausländer mit wirtschaftlichen Interessen im Inland
79
sie die genannten besonderen Privilegien für Staatsangehörige von EU/EWR-Staaten (§ 1a EStG).
9 9 9 9
Besteuerung der Grenzpendler aus Drittstaaten (§ 1 Abs. 3 EStG)
Zusätzliche Privilegien für EU/EWR-Bürger (§ 1a EStG)
Sonderausgaben Außergewöhnliche Belastungen Kindergeld/ Kinderfreibetrag Grundfreibetrag
9 Zusammenveranlagung mit Splittingtarif (§ 26 Abs. 1 EStG) 9 Realsplitting (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG)
Die den Grenzpendlern zugebilligten Regelungen (§ 1 Abs. 3 EStG) dürfen sowohl von Staatsangehörigen eines Drittstaats als auch von EU/EWR-Bürgern angewandt werden. Die Sonderrechte des § 1a EStG können allerdings nur von EU/EWR-Staatsangehörigen in Anspruch genommen werden. Mit der Osterweiterung der EU sind folglich (nahezu) alle Grenzpendler betroffen.
Regelungskreis der fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht Staatsangehörige von Drittstaaten
EU/EWR-Bürger EU-Bürger
Anwendung von § 1 Abs. 3 EStG
9
9
Anwendung von § 1a EStG
-
9
Abbildung 27:
Anwendungskreis der fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht
Die Begünstigungen des § 1a EStG können nur von Steuerpflichtigen in Anspruch genommen werden, die Staatsangehörige eines EU/EWR-Staates sind und die die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 EStG erfüllen. Im Gegensatz zur fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht gem. § 1a EStG sind die nach § 1 Abs. 3 EStG gewährten Maßnahmen zur Minderung der Bemessungsgrundlage subjektbezogen, d.h. sie gelten lediglich für die Person des fiktiv unbeschränkt Steuerpflichtigen selbst. Der Bestimmung des § 1a EStG liegt demnach die Vorschrift des § 1 Abs. 3 EStG zugrunde, dieser geht aber über den Regelungskreis der fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht (§ 1 Abs. 3 EStG) hinaus. Insoweit stellt § 1a EStG einen Sonderfall von § 1 Abs. 3 EStG dar.
80
Grenzpendler
Anspruchsberechtigte Personen
Ehegatte
Steuerpflichtiger
–
9
9
9 Steuerpflicht im Inland
Fiktive unbeschränkte Steuerpflicht gem. § 1 Abs. 3 EStG
Abbildung 28:
Sonderregelungen gem. § 1a EStG
Verhältnis zwischen § 1 Abs. 3 EStG und § 1a EStG
Anhand des Umfangs der Steuerpflicht sowie der Modalitäten der Besteuerung im deutschen Einkommensteuerrecht lassen sich für natürliche ausländische Personen drei Kategorien unterscheiden:
Besteuerung einer ausländischen natürlichen Person im Inland
beschränkte Steuerpflicht § 1 Abs. 4 EStG
9 Im Ausland ansässiger Steuerpflichtiger, der im Inland Einkünfte erzielt
fiktive unbeschränkte Steuerpflicht § 1 Abs. 3 EStG
9 Bürger eines Drittstaates oder EU/EWR-Staates 9 Inländisches Einkommen > 90 % oder ausländische Einkünfte < 8.004 € 9 Bürger eines EU/EWR-Staates
Sonderregelungen § 1a EStG
9 Inländisches Einkommen > 90 % oder ausländische Einkünfte < 8.004 € 9 Einbeziehung des Ehegatten
Abbildung 29:
Regelungen für Steuerausländer nach §§ 1 Abs. 3, 1a EStG
Inbound-Besteuerung: Ausländer mit wirtschaftlichen Interessen im Inland
81
3.3 Beschränkt steuerpflichtige Einkünfte Der Gesetzgeber hat in § 1 Abs. 4 EStG bzw. §§ 2, 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 49 EStG festgelegt, an welche inländischen Tatbestände er die Besteuerung knüpft. Voraussetzung ist eine sachliche Beziehung des Steuertatbestands bzw. Steuerguts mit dem inländischen Territorium (Territorialitätsprinzip). Die Art und Weise der Besteuerung und die Besonderheiten der Steuererhebung ergeben sich aus §§ 50, 50a EStG. Die abschließende Aufzählung inländischer Einkünfte i.S.d. beschränkten Einkommensteuerpflicht nach § 49 Abs. 1 EStG lehnt sich im Aufbau an § 2 Abs. 1 EStG an, enthält aber für die einzelnen Einkunftsarten weitere Anknüpfungsmerkmale, die den Inlandsbezug konkretisieren sollen. Der beschränkten Steuerpflicht unterliegen nach § 49 Abs. 1 EStG: x
Einkünfte aus einer im Inland betriebenen Land- und Forstwirtschaft (Nr. 1),
x
Einkünfte aus Gewerbebetrieb (Nr. 2), – wenn sie mittels einer im Inland unterhaltenen Betriebsstätte (§ 12 AO) erzielt werden (Bst. a), – wenn dafür ein ständiger Vertreter (§ 13 AO) bestellt ist (Bst. a), – in den Sonderfällen Schifffahrt und Luftverkehr (Bst. b, c), – bei künstlerischen, sportlichen, artistischen, unterhaltenden oder ähnlichen Darbietungen (Bst. d)71, – im Falle der Veräußerung eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft i.S.d. § 17 EStG, die ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung im Inland hat (Bst. e) – die durch die Vermietung von im Inland belegenen Grundstücken, Sachinbegriffen oder Rechten erzielt werden, soweit die Einkünfte nicht zu einer inländischen Betriebsstätte gehören. Diese Regelung betrifft im Wesentlichen Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung von inländischen Grundstücken oder Rechten, die eine im Inland beschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft bezieht. Erfasst werden auch die Vermietungseinkünfte beschränkt steuerpflichtiger natürlicher Personen, soweit sie im Rahmen ihres ausländischen Gewerbebetriebes (Einzelunternehmen) erzielen werden.72 Bisher wur-
71
Zu Fragen bzgl. Ausübung oder Verwertung einer Tätigkeit als Künstler oder Berufssportler hat die Finanzverwaltung in einem Erlass Stellung genommen; vgl. BMF v. 23.01.1996, IV B 4 – S 2303 – 14/96, BStBl. I 1996, S. 89, Beck’sche Textausgaben Steuererlasse, Nr. 1, § 50a/2. Durch das Einfügen des Begriffes „unterhaltende“ Darbietungen wird die in Tz. 2.2.1 des oben genannten Erlasses vertretene Rechtsauffassung der Finanzverwaltung in das Gesetz übernommen; vgl. Melchior, J., Das Jahressteuergesetz 2009 im Überblick, DStR 2009, S. 9.
72
Vgl. Roth, A., in: Herrmann, C./ Heuer, G./ Raupach, A., Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, 236. Erg.-Lfg., Köln 2009, § 49 EStG, JK 09 E 7.
82
Beschränkt steuerpflichtige Einkünfte
–
den diese Vermietungseinkünfte über die isolierende Betrachtungsweise den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gem. § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG zugeordnet. Ab VZ 2009 zählen sie jedoch zu den gewerblichen Einkünften (Bst. f DBst. aa). Eine beschränkt steuerpflichtige Person, die im Privatvermögen inländisches unbewegliches Vermögen vermietet, fällt hingegen nicht in den Anwendungsbereich des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Bst. f DBst. aa EStG. Sie erzielt vor und nach 2009 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG.73 bei Veräußerung von unbeweglichem Vermögen, Sachinbegriffen oder Rechten in bestimmten Fällen (Bst. f DBst. bb).
x
Einkünfte aus selbständiger Arbeit, die im Inland ausgeübt oder verwertet wird oder worden ist oder für die im Inland eine feste Einrichtung oder eine Betriebsstätte unterhalten wird (Nr. 3),
x
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Nr. 4), – die im Inland ausgeübt oder verwertet wird (Bst. a), – dazu zählen auch Vergütungen für die Tätigkeit als Geschäftsführer, Prokurist oder Vorstandsmitglied einer Gesellschaft, die in Deutschland ansässig ist (Bst. c).
x
Einkünfte aus Kapitalvermögen (Nr. 5), und zwar: – Dividenden und Gewinnanteile, wenn der Schuldner seinen Wohnsitz, Geschäftsleitung oder Sitz im Inland hat (Bst. a), – Zinsen aus Forderungen mit dinglicher Sicherheit an im Inland belegenen Grundstücken oder grundstücksgleichen Rechten oder Schiffen, die im inländischen Schiffsregister eingetragen sind (Bst. c, DBst. aa), – Gewinne aus der Veräußerung von Wertpapieren und Forderungen, wenn diese dem ausländischen Begünstigten, der kein ausländisches Kreditinstitut ist, gegen Aushändigung der Zinsscheine bzw. Übergabe der Wertpapiere ausgezahlt oder gutgeschrieben werden. Es darf keine Verwahrung bzw. im Falle von Wertpapieren auch keine Verwaltung durch ein inländisches Kreditinstitut stattfinden (Bst. d).
Merke: Andere Zinseinnahmen, insbesondere Zinsen aus Guthaben bei Kreditinstituten sowie aus nicht dinglich gesicherten privaten Forderungen stammende Zinsen, sind bei beschränkt Steuerpflichtigen in Deutschland nicht steuerpflichtig. x
73
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, wenn das unbewegliche Vermögen, die Sachinbegriffe oder Rechte im Inland belegen sind. Hierzu zählen v.a. die be-
Vgl. Wassermeyer, F., Gesetzliche Neuregelung der Vermietung inländischen Grundbesitzes in § 49 Abs. 1 Nr. 2 Bst. f EStG, IStR 2009, S. 239.
Inbound-Besteuerung: Ausländer mit wirtschaftlichen Interessen im Inland
83
schränkt steuerpflichtigen Einkünfte aus der Vermietung eines im Privatvermögen gehaltenen inländischen Grundstücks oder Rechts. § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG ist subsidiär gegenüber § 49 Abs. 1 bis 5 und insbesondere gegenüber Nr. 2 Bst. f EStG anzuwenden (Nr. 6).74 x
Sonstige Einkünfte in den aufgelisteten Fällen: – Wiederkehrende Bezüge, soweit sie dem Steuerabzug unterliegen (Nr. 7), – Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften hinsichtlich inländischer Grundstücke und vergleichbarer Rechte (Nr. 8), – Bezüge, die auf Grund des Abgeordnetengesetzes, Europaabgeordnetengesetzes oder eines entsprechenden Landesgesetzes gewährt werden (Nr. 8a)75 – Einkünfte aus Leistungen, die zu keiner anderen Einkunftsart gehören, z.B. aus der gelegentlichen Vermittlung und Vermietung beweglicher Gegenstände, insbesondere Erfindungen, Patente, Know-how. Ab VZ 2009 werden auch Einkünfte aus unterhaltenden Darbietungen wie bspw. Talkshows erfasst (Nr. 9). – Leistungen aus Pensionsfonds, Pensionskassen und Direktversicherungen (Nr. 10).
3.4 Steuererhebung bei beschränkt Steuerpflichtigen In den meisten Fällen wird bei beschränkt Steuerpflichtigen zur Erhebung der Steuer der Steuerabzug an der Quelle gem. §§ 38, 43, 50a EStG angewandt. Eine Veranlagung entfällt in den meisten Fällen, da die inländische Steuer mit dem Steuerabzug als abgegolten gilt (§ 50a i.V.m. § 50 Abs. 2 EStG). Ein Veranlagungsverfahren wird nur nach Maßgabe des § 50 EStG durchgeführt.
3.4.1 Steuerabzug 3.4.1.1 Überblick Zur Sicherung des deutschen Besteuerungsrechts wird der Steueranspruch oftmals nur im Wege des Abzugsverfahrens geltend gemacht. Der im Inland ansässige Schuldner der Vergütung führt einen Teil des von ihm zu zahlenden Betrags direkt im Namen und auf Rechnung des beschränkt Steuerpflichtigen an das Finanzamt ab. Der Steuerpflichtige muss keine Steuererklärung abgeben und wird auch nicht veranlagt.
74
Vgl. Mensching, O., Neufassung des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG durch das Jahressteuergesetz 2009 – Auswirkungen auf beschränkt steuerpflichtige Investoren, DStR 2009, S. 97.
75
Vgl. R 22.9 EStR.
84
Steuererhebung bei beschränkt Steuerpflichtigen
Merke: Der Steuerabzug stellt eine spezielle Form der Steuererhebung bei bestehender Steuerpflicht dar, kann aber selbst keine eigene Steuerpflicht begründen. Lässt sich ein Sachverhalt nicht unter die in § 49 EStG genannten Tatbestände subsumieren, unterliegt er folglich nicht der beschränkten Steuerpflicht. Somit darf in diesen Fällen auch kein Quellensteuerabzug durchgeführt werden, selbst wenn ein Tatbestand i.S.d. § 50a EStG erfüllt wird.
Durch das JStG 2009 wurde § 50a EStG geändert, um insbesondere eine Anpassung an die Vorgaben des EuGH zu erreichen.76 Die folgende Übersicht zeigt die neue Struktur der Norm: Absätze
charakteristische Normbestandteile
Abs. 1
Tatbestände, die zum Steuerabzug verpflichten
Abs. 2
Höhe des Steuerabzugs
Abs. 3
Abzug von Betriebsausgaben/Werbungskosten
Abs. 4
Steuerabzug auf der zweiten Stufe
Abs. 5
Steuerabzugsverfahren, Haftung des Vergütungsschuldners
Abs. 6
Einbehalt und Abführung der Steuer durch einen Beauftragten
Abs. 7
Anordnung des Steuerabzugs
Abbildung 30:
Aufbau des § 50a EStG
3.4.1.2 Zum Steuerabzug verpflichtende Tatbestände (Abs. 1) Der neue § 50a Abs. 1 EStG fasst die bisher auf § 50a Abs. 1 bis 4 EStG verteilten Einkunftsarten beschränkt Steuerpflichtiger, für die die Einkommensteuer im Wege des Steuerabzugs erhoben wird, zusammen. Zunächst findet das Abzugsverfahren für beschränkt Steuerpflichtige in allen Fällen Anwendung, in denen auch im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht ein Quellensteuerabzug vorgesehen ist: x Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 38 Abs. 1 Satz 1, § 39d EStG), x Einkünfte aus Kapitalvermögen (§§ 43 ff. EStG). Bei beschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmern richtet sich der Lohnsteuerabzug nach der Steuerklasse I (§ 39d EStG). Für die Höhe der Kapitalertragsteuer ist § 43a EStG maßgeblich.
76
Vgl. Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2009 (JStG 2009), BT-Drs. 16/10189, S. 61.
Inbound-Besteuerung: Ausländer mit wirtschaftlichen Interessen im Inland
85
Beispiel
Zusätzlich schreibt der modifizierte § 50a EStG die Verpflichtung zum Steuerabzug für beschränkt Steuerpflichtige in folgenden Fällen vor: x Einkünfte aus inländischen künstlerischen, sportlichen, artistischen, unterhaltenden oder ähnlichen Darbietungen, die im Inland ausgeübt (Abs. 1 Nr. 1) oder verwertet (Abs. 1 Nr. 2) werden, soweit es sich nicht um Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit handelt, die dem Lohnsteuerabzug unterliegen, x Einkünfte aus der Überlassung der Nutzung oder des Rechts auf Nutzung von Rechten, z.B. Urheberrechte, gewerbliche Schutzrechte, Know-how (Abs. 1 Nr. 3), x Aufsichtsratsvergütungen (Abs. 1 Nr. 4), x Steuerabzug auf Anordnung des Finanzamts im Einzelfall (Abs. 7). Die US-amerikanische Musikband Metallica tritt am 17.10.2010 im Clubhaus BD in Ilmenau auf. Der Clubchef des Clubhauses zahlt ihr dafür eine Bruttovergütung i.H.v 1.500 €. Metallica haben weder ihren Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Da es sich bei der gezahlten Vergütung um Einkünfte aus einer im Inland ausgeübten künstlerischen Tätigkeit i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG handelt, sind die Voraussetzungen für die beschränkte Steuerpflicht gem. § 1 Abs. 4 EStG erfüllt. Die Steuererhebung für die Künstlervergütung erfolgt im Wege des Steuerabzugsverfahrens (§ 50a Abs. 1 Nr. 1 EStG). Der Clubchef muss als im Inland ansässiger Vergütungsschuldner den steuerpflichtigen Teil der Vergütung direkt im Namen und auf Rechnung von Metallica an das Finanzamt abführen. Die Bandmitglieder von Metallica brauchen in Deutschland keine Steuererklärung abzugeben.
3.4.1.3 Höhe des Steuerabzugs (Abs. 2) Die Höhe des pauschalierten Abzugssteuersatzes variiert nach den Einkunftsarten. Er beträgt gem. § 50a Abs. 2 EStG: x für Aufsichtsratsvergütungen 30 %, x für alle anderen Tatbestände des § 50a EStG 15 %77 der gesamten Einnahmen. Bei künstlerischen, sportlichen oder unterhaltenden Darbietungen wird ein Steuerabzug gem. § 50a Abs. 2 Satz 3 EStG nicht erhoben, wenn die Einnahmen je Darbietung 250 € nicht übersteigen. Der bisherige Staffeltarif entfällt.
77
Laut Gesetzesbegründung wird durch das Absenken des Steuersatzes von bisher 20 % auf jetzt 15 % bei natürlichen Personen berücksichtigt, dass Betriebsausgaben oder Werbungskosten auch weiterhin nicht abgezogen werden können; vgl. Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2009 (JStG 2009), BT-Drs. 16/10189, S. 62.
86
Steuererhebung bei beschränkt Steuerpflichtigen
Merke: Der Steuerabzug wird vom Bruttobetrag vorgenommen (§ 50a Abs. 2 Satz 1 EStG): Dem Steuerabzug unterliegt der volle Betrag der Einnahmen. Die mit diesen Einnahmen zusammenhängenden Aufwendungen können die Bemessungsgrundlage nicht mindern.
Aufgrund der Bruttobesteuerung hat der eigentlich niedrig anmutende Steuersatz von 15 % eine erhebliche Auswirkung, wenn Betriebsausgaben oder Werbungskosten anfallen: Einnahmen
Ausgaben
Steuer bei NETTO-Rechnung
100.000 €
0€ 25.000 € 50.000 € 85.000 € 100.000 €
15,00 % 20,00 % 30,00 % 100,00 % > 100,00 %
Wird von einem Anteil der Betriebsausgaben von beispielsweise 50 % ausgegangen, beträgt der Steuersatz netto 30 %. Merke: Erfolgt der Steuerabzug von den Bruttoeinnahmen, d.h. Betriebsausgaben oder Werbungskosten werden nicht abgezogen, dann beträgt der Steuersatz für die Tatbestände des § 50a EStG grundsätzlich 15 % (für natürliche und juristische Personen).
3.4.1.4 Berücksichtigung von Betriebsausgaben/Werbungskosten (Abs. 3) Aufgrund der hohen Belastungswirkung sieht der Gesetzgeber bestimmte Regelungen vor, um eine Überbesteuerung zu vermeiden. Durch die Neufassung der §§ 50, 50a EStG kam es hierbei zu wesentlichen Änderungen. Im Folgenden wird die Neuregelung des Betriebsausgaben- bzw. Werbungskostenabzugs der bisherigen Handhabung gegenübergestellt.
3.4.1.4.1
Alte Regelung bis einschließlich VZ 2008
Zunächst war zur Vermeidung einer Überbesteuerung eine Erstattung der einbehaltenen und abgeführten Steuer vorgesehen, soweit die Steuer 50 % des Unterschiedsbetrags zwischen den Einnahmen und den damit in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden Betriebsausgaben oder Werbungskosten überstieg (§ 50 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 Satz 3 EStG a.F.). Das sog. Steuererstattungsverfahren galt für beschränkt Steuerpflichtige, deren Einnahmen dem Steuerabzug gem. § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 EStG a.F. unterlagen. Dies betraf v.a. Künstler, Sportler und ähnliche Berufsgruppen,
Inbound-Besteuerung: Ausländer mit wirtschaftlichen Interessen im Inland
87
auch solche, die keine EU/EWR-Bürger waren.78 Durch das „Gerritse“-Urteil des EuGH79 war allerdings abweichend von der zunächst vorgesehenen Regelung des § 50 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 EStG a.F. nicht mehr Voraussetzung, dass die mit den Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden Betriebsausgaben oder Werbungskosten die Hälfte der Einnahmen überstiegen. Die Steuer wurde auf Antrag bereits dann erstattet, soweit sie den Betrag überschritt der sich bei Anwendung des tariflichen Steuersatzes nach § 32a Abs. 1 EStG auf die um den Grundfreibetrag erhöhten Einkünfte ergab.80 Darüber hinaus hat das BMF im Vorgriff auf eine geplante Gesetzesänderung mit einem Schreiben vom 05. April 2007 den „Steuerabzug für beschränkt Steuerpflichtige aus EU/EWR-Staaten mit Einkünften i.S.d. § 50 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und 2 EStG a.F.“81 eingeschränkt. Mit dem Schreiben reagierte das BMF auf das Urteil „FKP Scorpio Konzertproduktionen GmbH“ des EuGH82. In der Rechtssache „FKP Scorpio Konzertproduktionen GmbH“ hatte der EuGH entschieden, dass es mit dem EU-Recht nicht vereinbar sei, wenn die im unmittelbaren Zusammenhang mit den Einnahmen stehenden Betriebsausgaben eines beschränkt Steuerpflichtigen im Steuerabzugsverfahren nicht geltend gemacht werden können. Unter der Voraussetzung, dass die Betriebsausgaben oder Werbungskosten 50 % der Einnahmen überstiegen und der Vergütungsgläubiger Staatsangehöriger eines Mitgliedsstaates der EU war oder das Abkommen zum EWR Anwendung fand und er in einem dieser Mitgliedsstaaten seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt bzw. Sitz und Geschäftsleitung hatte, konnten Betriebsausgaben oder Werbungskosten im Falle der beschränkten Steuerpflicht nunmehr doch angerechnet werden. Traf diese Voraussetzung zu, betrug der Steuerabzug 40 % des positiven Unterschiedsbetrags zwischen Einnahmen und den mit diesen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden Betriebsausgaben oder Werbungskosten. Die in diesem Abschnitt erläuterten Regelungen zur Berücksichtigung von Betriebsausgaben oder Werbungskosten gelten bis einschließlich VZ 2008. Gem. § 52 Abs. 58 Satz 2 EStG ist das Steuererstattungsverfahren letztmalig auf Vergütungen anzuwenden, die vor dem 01.01.2009 zufließen. Ab VZ 2009 sind für die Berücksichtigung von Betriebsausgaben oder Werbungskosten Neuregelungen zu beachten.
78
Vgl. Loschelder, F., in: Schmidt, L., Einkommensteuergesetz, 28. Aufl., München 2009, § 50 EStG, Rz. 40.
79
Vgl. Rs. GERRITSE, EuGH v. 12.06.2003, C-234/01, IStR 2003, S. 458.
80
Vgl. BMF v. 03.11.2003, IV A 5 – S 2411 – 26/03, BStBl. I 2003, S. 535, Beck’sche Textausgaben Steuererlasse, Nr. 1, § 50a/6.
81
Vgl. BMF v. 05.04.2007, IV C 8 – S 2411/07/0002.
82
Vgl. Rs. FKP SCORPIO KONZERTPRODUKTIONEN GMBH, EuGH V. 03.10.2006, C-290/04.
88
Steuererhebung bei beschränkt Steuerpflichtigen
Beispiel
Der polnische Zodiac mit Wohnsitz in Österreich hat in Deutschland bei der Rocky Horror Picture Show einen Gastauftritt wahrgenommen. Für diesen erhält er 1.500 € brutto. Gleichzeitig sind ihm durch Fahrtkosten und Übernachtung Aufwendungen i.H.v. 800 € entstanden. Ohne die Regelung des BMF vom 05. April 2007 wäre Zodiac gem. § 50a Abs. 4 Satz 4 EStG a.F. ein Steuerabzug i.H.v. 300 € (1.500 x 20 %83) entstanden. Nach der Regelung des BMF vom 05. April 2007 müssen jedoch die Ausgaben in bestimmten Fällen berücksichtigt werden. Bei Zodiac handelt es sich um einen Staatsangehörigen eines Mitgliedsstaates der EU, der im Hoheitsgebiet seinen Wohnsitz hat. Darüber hinaus unterliegt sein Auftritt als künstlerische Leistung der Vorschrift des § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG a.F. Ferner ist Voraussetzung, dass die Ausgaben 50 % der Einnahmen übersteigen. Im vorliegenden Fall sind bei Einnahmen i.H.v. 1.500 € Ausgaben i.H.v. 800 € entstanden. Damit liegen die Ausgaben über 50 % der Einnahmen. Somit ist Zodiac berechtigt, eine Berücksichtigung der Betriebsausgaben zu verlangen. Der Steuerabzug darf nicht mehr als 40 % des Überschusses betragen. Demnach muss Zodiac nur einen Steuerabzug von 280 € (1.500 € ./. 800 € = 700 €; 700 € x 0,4) statt – im Falle ohne Berücksichtigung der Regelung des BMF vom 05. April 2007 – 300 € gelten lassen.
3.4.1.4.2
Neue Regelung ab VZ 2009
Ab VZ 2009 kann der Schuldner der Vergütungen – im Gegensatz zu der bisherigen Regelung – bei Einkünften i.S.d. § 50a Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 EStG n.F. Betriebsausgaben oder Werbungskosten von den Einnahmen abziehen. Mit der gesetzlichen Neuregelung wird das oben genannte EuGH-Urteil in der Rechtssache „FKP Scorpio Konzertproduktionen GmbH“ umgesetzt.84 Voraussetzung für den Betriebsausgaben-/Werbungskostenabzug ist, dass die Betriebsausgaben oder Werbungskosten: x in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Einnahmen stehen, x dem Vergütungsschuldner von einem beschränkt Steuerpflichtigen in einer für das Finanzamt nachprüfbaren Form nachgewiesen werden oder x vom Vergütungsschuldner übernommen worden sind und x bei einer beschränkt steuerpflichtigen natürlichen Person, die Staatsangehörige eines EU/EWR-Staates mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in einem die83
Für künstlerische oder sportliche Darbietungen sah § 50a Abs. 4 Satz 5 EStG a.F. eine Staffelung der Steuersätze vor. Bei Einnahmen aus den genannten Darbietungen von über 1.000 € betrug der Steuersatz 20%.
84
Vgl. Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2009 (JStG 2009), BT-Drs. 16/10189, S. 63.
Inbound-Besteuerung: Ausländer mit wirtschaftlichen Interessen im Inland
89
ser Staaten ist, bzw. bei einer beschränkt steuerpflichtigen Körperschaft, die nach den Rechtsvorschriften eines EU/EWR-Staates gegründet wurde und deren Sitz sowie Geschäftsleitung sich innerhalb des Hoheitsgebietes eines EU/EWR-Staates befinden, anfallen. Der Steuerabzug wird in diesen Fällen von den Nettoeinkünften vorgenommen. Er beträgt: x 30 %, wenn der Gläubiger eine natürliche Person ist (§ 50a Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 EStG n.F.) bzw. x 15 %, wenn der Gläubiger eine Körperschaft ist (§ 50a Abs. 3 Satz 4 Nr. 2 EStG n.F.). Merke: Ab VZ 2009 besteht für EU/EWR-Bürger die Möglichkeit, anstatt der Bruttobesteuerung (kein Abzug der Betriebsausgaben/Werbungskosten), die Nettobesteuerung (Abzug der Betriebsausgaben/Werbungskosten) zu wählen.
Beispiel
Die spanische Konzertpianistin Carla Espinosa mit Wohnsitz in Madrid gibt in München ein Galakonzert. Der deutsche Konzertveranstalter John Michael „J.D.“ Dorian zahlt ihr dafür eine Gage von 3.000 € brutto. Im Zusammenhang mit ihrem Konzertauftritt fallen Carla 800 € an Reise- und Übernachtungskosten an, die ihr der Konzertveranstalter nicht erstattet. J.D überlegt, ob es für Carla sinnvoll ist, die Nettobesteuerung i.S.d. § 50a Abs. 3 EStG n.F. zu beanspruchen.
Lösung
Allerdings führt die Ausübung des Wahlrechts, d.h. die Inanspruchnahme der Nettobesteuerung, bei natürlichen Personen nur zu einer Minderung des Steuerabzugs, wenn die Betriebsausgaben oder Werbungskosten mehr als 50 % der Bruttoeinnahmen betragen.85
Mit der Gage für ihr Galakonzert erzielt Carla Einnahmen aus künstlerischen Darbietungen i.S.d. 50a Abs. 1 Nr. 1 EStG. Bei Vornahme der Bruttobesteuerung ergibt sich ein Steuerabzug i.H.v. 15 % von den Bruttoeinnahmen. Der Steuerabzug beträgt dann 3.000 € x 15 % = 450 €. Um einen Betriebsausgabenabzug beanspruchen zu können, müssen die Voraussetzungen des § 50a EStG erfüllt sein. Die Aufwendungen stehen in unmittelbaren Zusammenhang mit Carlas Einnahmen aus künstlerischen Darbietungen. Außerdem handelt es sich bei Carla um eine Staatsangehörige eines Mitgliedsstaates der EU, die zudem im Hoheitsgebiet ihren Wohnsitz hat. Damit der Steuerabzug von den Nettoeinnahmen erfolgen kann, muss Carla ihre Ausgaben dem Vergütungsschuldner (hier
85
Vgl. Wilhelm, J., in: Herrmann, C./ Heuer, G./ Raupach, A., Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, 236. Erg.-Lfg., Köln 2009, § 50a EStG, JK 09 E 19.
90
Steuererhebung bei beschränkt Steuerpflichtigen dem Konzertveranstalter J.D.) in einer für das Finanzamt nachprüfbaren Form nachweisen. Wird der Betriebsausgaben- bzw. Werbungskostenabzug in Anspruch genommen, beläuft sich der Steuerabzug für natürliche Personen auf 30 % der Einkünfte. In diesem Fall beträgt der Steuerabzug bei Nettobesteuerung 30 % x (3.000 € ./. 800 € =) 2.200 € = 660 €. Da bei der Nettobesteuerung der Steuerabzug in diesem Fall höher (660 €) ist als der Steuerabzug bei der Bruttobesteuerung (450 €), sollte ein Betriebsausgaben- bzw. Werbungskostenabzug nicht beansprucht werden. Wenn die Betriebsausgaben in dem vorliegenden Fall nicht 800 € (und damit weniger als 50 % der Bruttoeinnahmen), sondern 2.000 € (d.h. mehr als 50 % der Bruttoeinnahmen) betragen würden, wäre die Nettobesteuerung für Carla vorteilhafter. Es würden dann 30 % x (3.000 € ./. 2.000 € = ) 1.000 € = 300 € an Abzugsteuern anstatt 450 € bei Bruttobesteuerung einbehalten.
Merke: Ein Betriebsausgaben-/Werbungskostenabzug und damit eine Besteuerung der Nettoeinkünfte kommt nur bei einem EU/EWR-Bürger bzw. einer EU/EWRKörperschaft in Frage. Der Steuersatz beträgt dann: x 30 % für natürliche Personen und x 15 % für juristische Personen.
Beschränkt Steuerpflichtiger
aus Drittstaat
aus EU/EWR-Staat WAHLRECHT
Kein BA/WK-A bzug Steuersatz grundsätzlich: • natürliche Personen: 15 % • juristische Personen: 15 %
Abbildung 31:
BA/WK-Abzug Steuersatz: • natürliche Personen: 30 % • juristische Personen: 15 %
Kein BA/WK-A bzug Steuersatz grundsätzlich: • natürliche Personen: 15 % • juristische Personen: 15 %
Betriebsausgaben-/Werbungskostenabzug im Rahmen des Steuerabzugsverfahrens für beschränkt Steuerpflichtige
Inbound-Besteuerung: Ausländer mit wirtschaftlichen Interessen im Inland
91
3.4.1.5 Steuerabzugsverfahren und Anordnung des Steuerabzugs durch das Finanzamt In § 50a Abs. 5 EStG ist das Verfahren des Steuerabzugs geregelt. Grundsätzlich hat der Vergütungsschuldner den Steuerabzug für Rechnung des Gläubigers vorzunehmen. Er haftet für die Einbehaltung und Abführung der Steuer. § 50a Abs. 6 erlaubt in Ausnahmefällen, dass die Steuer nicht vom Vergütungsschuldner, sondern von einem Beauftragten einbehalten und abgeführt wird. Für andere als die in § 50a Abs. 1 EStG genannten beschränkt steuerpflichtigen Einkünfte kann das Finanzamt im Einzelfall einen Steuerabzug anordnen, wenn dies den Zweck der Sicherung des Steueranspruchs erfüllt (§ 50a Abs. 7 EStG).
3.4.1.6 DBA-Fall Im DBA-Fall regeln die Bestimmungen des Abkommens, für welche Einkünfte dem Quellenstaat das Besteuerungsrecht zusteht. Allerdings ist auch in diesem Fall zunächst der Steuerabzug gem. § 50d Abs. 1 EStG vorzunehmen. In einem zweiten Schritt kann der Steuerpflichtige dann die Erstattung beantragen.86 § 50d Abs. 2 EStG sieht jedoch auch eine Freistellung vom Steuerabzug vor, sofern eine entsprechende Freistellungsbescheinigung vom Bundeszentralamt für Steuern vorliegt.87
3.4.1.7 Abgeltungswirkung § 50 Abs. 2 Satz 1 EStG: „Die Einkommensteuer für Einkünfte, die dem Steuerabzug vom Arbeitslohn oder vom Kapitalertrag oder dem Steuerabzug auf Grund des § 50a unterliegen, gilt bei beschränkt Steuerpflichtigen durch den Steuerabzug als abgegolten.“
Der Steuerabzug bewirkt, dass mit der Einbehaltung der Steuer an der Quelle die steuerlichen Pflichten aus der beschränkten Steuerpflicht in Deutschland erfüllt sind. Die im Abzugswege erhobene Steuer kann daher nicht auf die übrige in Deutschland erhobene Steuer
86
Zum Verfahren zur Entlastung eines ausländischen Anteilseigners von der deutschen Quellensteuer; vgl. BMF v. 01.03.1994, IV C 5 – S 1300 – 49/94, BStBl. I 1994, S. 203.
87
In § 50d Abs. 6 EStG ist die Freistellung von bestimmten Dividendenzahlungen, soweit auf diese nicht § 50d Abs. 2 EStG anwendbar ist, geregelt. Die Freistellung erfolgt durch das sog. „Kontrollmeldeverfahren. Dazu hat das BMF ein Schreiben mit Anwendungsbeispielen veröffentlicht; vgl. BMF v. 20.05.2009, IV – B 5 – S 2411/07/10021, DStR 2009, S. 1094.
92
Steuererhebung bei beschränkt Steuerpflichtigen
angerechnet werden.88 Folglich findet für die dem Steuerabzug unterliegenden Einkünfte keine (weitere) Veranlagung statt. Merke: Die im Abzugsverfahren erhobene Steuerbelastung ist für beschränkt Steuerpflichtige definitiv. Die Abgeltungswirkung gilt nach § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG auch für beschränkt steuerpflichtige Körperschaften. Merke: Das Steuerabzugsverfahren dient der Sicherung des deutschen Steueraufkommens. Die Abgeltungswirkung i.S.d. § 50 Abs. 2 EStG übt, insbesondere für die Finanzverwaltung, eine (Verwaltungs-)Vereinfachungsfunktion aus. Für einige Einkunftsarten sieht § 50 Abs. 2 Satz 2 EStG eine Ausnahme vor, bei denen die Abgeltungswirkung des Steuerabzugs nicht definitiv ist. In solchen Fällen wird zur Ermittlung der Steuerschuld ein Veranlagungsverfahren angewendet.
3.4.2 Veranlagungsverfahren Im Veranlagungsverfahren werden die Einkünfte und nicht die Einnahmen versteuert. Grundsätzlich erfolgt eine Steuererhebung durch Veranlagung dann, wenn beschränkt Steuerpflichtige Einkünfte erzielen, die keinem Steuerabzug unterliegen. Das Veranlagungsverfahren wird insbesondere angewandt für Einkunftsarten, bei deren Erzielung der Steuerpflichtige eine intensive Beziehung zum Inland eingeht: x x x x x x
Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (§ 49 Abs. 1 Nr. 1 EStG), Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG), Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§ 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG), in Ausnahmefällen bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG), Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG) sowie Sonstige Einkünfte (§ 49 Abs. 1 Nr. 8, 8a EStG).
Daneben haben beschränkt Steuerpflichtige aus EU/EWR-Staaten mit Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit (§ 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Bst. b EStG), aus im Inland ausgeübten oder verwerteten künstlerischen oder unterhaltenden Darbietungen oder mit Aufsichtsratsvergütungen (§ 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 EStG) die Möglichkeit, anstatt einer Steuererhebung im Steuerabzugsverfahren die Veranlagung zur Einkommensteuer zu beantragen. 88
Aus diesem Grund war beschränkt Steuerpflichtigen die Anrechnung der Körperschaftsteuer nach dem alten Verfahren verwehrt; vgl. § 50 Abs. 5 Satz 2 EStG a. F., § 51 KStG a.F.
Inbound-Besteuerung: Ausländer mit wirtschaftlichen Interessen im Inland
93
3.4.3 Beispiel zur Veranlagung bei beschränkt steuerpflichtigen Einkünften Alonzo Harris ist chilenischer Staatsbürger. In Valparaíso führt er einen Gewerbebetrieb, der auf die Herstellung von Lederwaren spezialisiert ist. Seit seiner Studienzeit in Heidelberg fühlt sich Alonzo Harris mit Deutschland besonders verbunden und kommt mehrmals im Jahr für ein paar Wochen nach Deutschland. Deshalb geht er hier gerne einigen geschäftlichen Aktivitäten nach. Im VZ 2010 waren dies im Einzelnen: x In Mannheim unterhält Alonzo Harris ein Warenlager für seine Lederprodukte. Da er keinen Angestellten hat, liefert er selbst die Waren aus. Die Verträge mit inländischen Geschäftspartnern schließt er jedoch vom Ausland aus ab. x Gleichzeitig ist er Gesellschafter der Schie & Bung OHG mit Sitz in Potsdam. Die Gesellschaft produziert Gummibärchen mit Anlagen, die sie zu diesem Zweck von Alonzo Harris angemietet hat. x Zum Betriebsvermögen seines chilenischen Einzelunternehmens gehört ein Einfamilienhaus in Freiburg. Dieses hat Alonzo Harris an eine deutsche Familie vermietet. x Während des Veranlagungszeitraums veräußert er eine in seinem Privatvermögen befindliche Beteiligung i.H.v. 10 % am Nennkapital der Knaxs GmbH in Frankfurt. Diese hatte er vor zehn Jahren erworben. Der Veräußerungsgewinn beläuft sich auf 60.000 €. x Da er vorübergehend einen Liquiditätsengpass hatte, war Alonzo Harris von April bis Juni auf einer Baustelle in München als Maurer angestellt. Für die Ausübung dieser Tätigkeit war ein Bruttolohn i.H.v. 5.000 € vereinbart. x Seinem Freund Hans Müller hat er zur Errichtung eines Einfamilienhauses ein Darlehen gewährt, das durch eine Hypothek an dem Einfamilienhaus gesichert ist. Für dieses Darlehen erhält Alonzo Harris von seinem deutschen Freund Zinsen. Lösung: Aufgrund der Angabe ist auszuschließen, dass Alonzo Harris gem. § 1 Abs. 1 EStG in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist, da weder die Voraussetzungen eines Wohnsitzes (§ 8 AO) noch des gewöhnlichen Aufenthalts (§ 9 AO) im Inland gegeben sind. Alonzo Harris könnte jedoch der beschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 4 EStG unterliegen, wenn er inländische Einkünfte i.S.d. § 49 EStG erzielt.
Die Vorschriften des deutschen Einkommensteuerrechts regeln, wann ein Ausländer Einkünfte aus inländischen Quellen bezieht, an die das Gesetz die beschränkte Steuerpflicht knüpft. Grundsätzlich haben völkerrechtliche Regelungen, z.B. DBA, Vorrang vor Normen der nationalen Gesetzgebung. Daher kann nach Maßgabe eines DBAs der Umfang des Besteuerungsrechts von Deutschland als Quellenstaat eingeschränkt werden, selbst wenn nach § 49 EStG inländische Einkünfte im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht vorliegen. Da Alonzo Harris chilenischer Staatsbürger ist und zwischen Deutschland und Chile bislang kein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung besteht, sind ausschließlich §§ 49 ff. EStG zu prüfen.
94
Steuererhebung bei beschränkt Steuerpflichtigen
(1) Warenlager in Mannheim Alonzo Harris ist in Höhe der Einkünfte, die er aus dem Verkauf seiner Lederwaren erzielt, gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Bst. a EStG in Deutschland beschränkt einkommensteuerpflichtig, da er eine Betriebsstätte i.S.d. § 12 AO in Mannheim unterhält. Es ist unerheblich, dass er keinen ständigen Vertreter bestimmt hat und daher die Geschäftsabschlüsse vom Ausland aus abschließt. Maßgebend ist allein, dass sich im Inland eine feste Geschäftseinrichtung befindet, die der Tätigkeit eines Unternehmers dient (§ 12 AO). (2) Mitunternehmerschaft Als Gesellschafter der Schie & Bung OHG in Potsdam ist Alonzo Harris Mitunternehmer i.S.d. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG. Da die OHG als Personengesellschaft kein eigenständiges Steuersubjekt darstellt, wird nach dem Einheitsprinzip der Gewinn der Gesellschaft im Wege der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung (§ 179 Abs. 1 i.V.m. § 180 Abs. 1 Nr. 2 Bst. a AO) ermittelt und auf die Gesellschafter aufgeteilt. Alonzo Harris ist mit den im Rahmen der Mitunternehmerschaft erzielten Einkünften nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Bst. a EStG beschränkt einkommensteuerpflichtig. Die Schie & Bung OHG wird als Personengesellschaft und damit als transparente Gesellschaft einer Betriebsstätte gleichgestellt. Die Alonzo Harris gehörenden Anlagen, welche zum unmittelbaren Einsatz im Betrieb bestimmt sind, werden seinem Sonderbetriebsvermögen I zugerechnet. Die dafür erzielten Mieteinnahmen gelten als gewerbliche Einkünfte gem. § 15 Abs. 1 Nr. 2 Hs. 2 EStG und müssen ihm nach Maßgabe der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung vorab zugerechnet werden. Die Summe der aus der Mitunternehmerschaft an der Schie & Bung OHG erzielten Einkünfte von Alonzo Harris setzt sich daher zusammen aus: Anteil am Gewinn der Schie & Bung OHG + Mieteinnahmen der überlassenen Anlagen = beschränkt steuerpflichtige Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Bst. a EStG) (3) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung Das im Inland belegene Einfamilienhaus gehört zum Betriebsvermögen des chilenischen Gewerbebetriebs von Alonzo Harris. Ab VZ 2009 fallen Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung von inländischen Grundstücken, die zum ausländischen Betriebsvermögen eines beschränkt Steuerpflichtigen gehören, unter § 49 Abs. 1 Nr. 2 Bst. f DBst. aa EStG, der die Vermietungseinkünfte fiktiv als Einkünfte aus Gewerbebetrieb erklärt. Als Anwendungsvoraussetzung verlangt § 49 Abs. 1 Nr. 2 Bst. f EStG, dass die Vermietungseinkünfte nicht zu Einkünften i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Bst. a EStG gehören. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt, da das Grundstück weder die in § 12 AO genannten Voraus-
Inbound-Besteuerung: Ausländer mit wirtschaftlichen Interessen im Inland
95
setzungen einer Betriebsstätte erfüllt noch ein ständiger Vertreter i.S.d. § 13 AO in Deutschland bestellt ist. (4) Veräußerung der Beteiligung Bei der Veräußerung der 10 % Beteiligung an der Knaxs GmbH, die dem Privatvermögen von Alonzo Harris zuzurechnen ist, handelt es sich um einen steuerbaren Tatbestand i.S.d. § 17 EStG, der nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Bst. e EStG zur beschränkten Einkommensteuerpflicht führt. Veräußerungsgewinne beschränkt steuerpflichtiger Anteilseigner unterliegen, wie inländische Anteilseigner auch, ab VZ 2009 dem Teileinkünfteverfahren. Der Veräußerungsgewinn wird daher, nach Maßgabe des § 3 Nr. 40 Bst. c EStG, bei der Ermittlung der Einkünfte nur zu 60 % berücksichtigt. Allerdings darf Alonzo Harris auch nur 60 % der mit der Veräußerung in Zusammenhang stehenden Kosten (einschließlich der Anschaffungskosten) abziehen (§ 3c Abs. 2 EStG). (5) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit Durch seine Tätigkeit als Maurer erzielt Alonzo Harris Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i.S.d. § 19 EStG. Da die Tätigkeit im Inland ausgeübt wird, unterliegen diese Einkünfte in Deutschland der beschränkten Steuerpflicht (§ 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG). Die auf die Bruttoeinnahmen (Bruttorechnung!) entfallende Einkommensteuer wird direkt vom Arbeitslohn abgezogen (§ 38 Abs. 1 EStG) und gilt nach § 50 Abs. 2 EStG als abgegolten. Für Alonzo Harris findet in der Folge insoweit keine weitere Veranlagung statt. (6) Zinseinkünfte Die Zinsen stammen aus einer aufgrund der Hypothek durch inländischen Grundbesitz unmittelbar gesicherten Forderung i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Damit ist eine sachliche Verknüpfung zwischen dem inländischen Sachverhalt und dem Belegenheitsstaat Deutschland gegeben, welche zu beschränkt steuerpflichtigen Einkünften gem. § 49 Abs. 1 Nr. 5 Bst. c DBst. aa EStG führt. Wäre das Darlehen nicht durch inländischen Grundbesitz gesichert, würden die Zinsen nicht unter § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG fallen, so dass diesbezüglich keine beschränkte Steuerpflicht in Deutschland bestünde.
3.4.4 Sondervorschriften für die beschränkte Steuerpflicht im Veranlagungsfall Im Gegensatz zur unbeschränkten Steuerpflicht gelten für beschränkt Steuerpflichtige gem. § 50 EStG das objektive und das subjektive Nettoprinzip nur in eingeschränktem Maß.
96
Steuererhebung bei beschränkt Steuerpflichtigen
3.4.4.1 Einschränkung von Steuerermäßigungen § 50 Abs. 1 EStG89 normiert: x Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4-8 EStG) oder Werbungskosten (§ 9 EStG) dürfen nur insoweit abgezogen werden, als sie mit inländischen Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Diese Beschränkung entspricht dem objektiven Nettoprinzip. x
Sonderausgaben (§ 10 EStG), Altersvorsorgebeiträge (§ 10a EStG), sowie Pauschbeträge und Vorsorgepauschale nach § 10c EStG sind nicht abzugsfähig. Somit ist das subjektive Nettoprinzip eingeschränkt.
x
Der Abzug des Freibetrags i.S.d. § 16 Abs. 4 EStG ist für Steuerausländer nicht vorgesehen.
x
Außergewöhnliche Belastungen (§§ 33, 33a, 33b EStG) werden grundsätzlich nicht berücksichtigt.
x
Die Beanspruchung von Steuerermäßigungen bei Aufwendungen für haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse und für die Inanspruchnahme haushaltsnaher Dienstleistungen (§ 35a EStG) ist für beschränkt Steuerpflichtige ausgeschlossen.
x
Der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende (§ 24b EStG) und der Kinderfreibetrag (§ 32 Abs. 6 EStG) werden nicht gewährt.
Merke: Spenden i.S.d. § 10b EStG, Pauschbeträge für Werbungskosten (§ 9a EStG), der Altersentlastungsbetrag (§ 24a EStG) und der Sparer-Pauschbetrag90 (§ 20 Abs. 9 EStG) können auch von beschränkt Steuerpflichtigen angesetzt werden.
3.4.4.2 Tarifvorschriften Ab VZ 2009 richtet sich die Steuer im Veranlagungsverfahren für beschränkt Steuerpflichtige nach § 32a Abs. 1 EStG (§ 50 Abs. 1 Satz 2 EStG). Der Grundfreibetrag wird grundsätzlich nicht gewährt. Die Nicht-Berücksichtigung des Grundfreibetrags erfolgt dadurch, 89
Das am 19. Juni 2009 vom Bundestag beschlossene Bürgerentlastungsgesetz sieht für die in § 50 Abs. 1 Satz 4 und 5 EStG aufgeführten anwendbaren Vorschriften für beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer Änderungen vor. Die entsprechenden Änderungen sind erstmals für VZ 2010 zu beachten; vgl. Gesetz zur verbesserten steuerlichen Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen (Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung), BR-Drs. 567/09, S. 10 f.
90
Vgl. Loschelder, F., in: Schmidt, L., Einkommensteuergesetz, 28. Aufl., München 2009, § 50 EStG, Rz. 14.
Inbound-Besteuerung: Ausländer mit wirtschaftlichen Interessen im Inland
97
dass das zu versteuernde Einkommen um den Grundfreibetrag erhöht wird. Dies hat nur eine Auswirkung auf den Steuersatz und führt nicht zu einer Besteuerung von tatsächlich nicht erzielten Einkünften. Letzteres ergibt sich daraus, dass die Erhöhung aufgrund des Formelaufbaus des Einkommensteuertarifs intern wieder korrigiert wird. Dazu dienen die Abzugsbeträge des § 32a Abs. 1 Satz 3 und 4 bzw. Satz 2 Nr. 4 und Nr. 5 EStG.91 Ausnahmsweise findet der Grundfreibetrag jedoch bei beschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmern, die Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG erzielen, Berücksichtigung. Der noch bis einschließlich VZ 2008 geltende Mindeststeuersatz von 25 % wurde durch das JStG 2009 abgeschafft. Hintergrund dafür ist das vom EuGH in der Rechtssache „Gerritse“ ergangene Urteil.92 Danach steht es mit dem EU-Recht nicht im Einklang, dass ein beschränkt Steuerpflichtiger auch dann einer Besteuerung mit einem Steuersatz von 25 % unterworfen wird, wenn sich im Falle der Anwendung des progressiven Steuertarifs auf sein um den Grundfreibetrag erhöhtes Einkommen ein geringerer Steuersatz ergeben würde.93 Als Reaktion auf das Urteil wurde bereits in der Vergangenheit bestimmt, dass der Mindeststeuersatz nur noch anwendbar war, wenn es sich bei dem beschränkt Steuerpflichtigen nicht um einen Staatsangehörigen der EU/EWR handelte. Folglich blieb der Mindeststeuersatz nur für beschränkt Steuerpflichtige aus Drittstaaten relevant. Da ab VZ 2009 der Mindeststeuersatz gänzlich gestrichen wurde, berechnet sich künftig die Steuer nicht nur für beschränkt Steuerpflichtige aus EU/EWR-Staaten, sondern auch für beschränkt Steuerpflichtige aus Drittstaaten nach § 32a Abs. 1 EStG, jedoch grundsätzlich ohne Berücksichtigung des Grundfreibetrags.
3.4.4.3 Abschließendes Beispiel zur beschränkten Steuerpflicht Freddy Schenk hat vor über zehn Jahren die Bundesrepublik Deutschland verlassen, um sich als Wildhüter zusammen mit seiner Freundin im Kongo eine neue Existenz aufzubauen. Sporadisch sucht er den Kontakt zu alten Freunden und seiner Familie in Deutschland. Außerdem erzielt er im Jahr 2010 noch einige Einkünfte in seiner alten Heimat. Sein inländisches Vermögen setzt sich folgendermaßen zusammen: x ein bei der Commerzbank geführtes Depot, in dem er Aktien der Gorilla AG hält, x eine Eigentumswohnung in Berlin, die er an einen Bundestagsabgeordneten vermietet hat, 91
Vgl. Loschelder, F., in: Schmidt, L., Einkommensteuergesetz, 28. Aufl., München 2009, § 50 EStG, Rz. 11; Grams, H./ Schön, I., Die Künstlerbesteuerung nach dem Referentenentwurf des BMF und dem Regierungsentwurf zum Jahressteuergesetz 2009, IStR 2008, S. 657 f.
92
Vgl Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2009 (JStG 2009), BT-Drs. 16/10189, S. 59.
93
Vgl. Rs. GERRITSE, EuGH v. 12.06.2003, C-234/01, BStBl. II 2003, S. 859 f.
98
Steuererhebung bei beschränkt Steuerpflichtigen x x
ein Sparkassenkonto, das mit einem Guthabenbetrag geführt wird, eine Hochseeyacht am Starnberger See.
Während des Veranlagungszeitraums haben sich folgende Sachverhalte zugetragen: (1) Die Gorilla AG hat eine Bruttodividende i.H.v. 7.500 € an Freddy Schenk ausgeschüttet. (2) Für das Konto werden ihm von der Sparkasse Zinsen i.H.v. 130 € gutgeschrieben. Außerdem erfährt Freddy Schenk von seinem privaten Kundenbetreuer, dass er angeblich „pauschale Kontoführungsgebühren“ einkommensteuerlich absetzen könne. (3) Da er in seiner Berliner Wohnung einige Reparaturen durchführen lassen musste, ist ihm ein Verlust i.H.v. 3.000 € entstanden. (4) Freddy Schenk musste sich aufgrund seiner Knieprobleme für zwei Wochen in die Behandlung eines deutschen Krankenhauses begeben. Die Rechnung für die ärztliche Behandlung beläuft sich auf 4.900 €. Wegen einer Sehbehinderung auf dem rechten Auge (30 %) möchte Freddy Schenk einen Behinderten-Pauschbetrag i.H.v. 310 € geltend machen. (5) Des Weiteren vermietet Freddy Schenk gelegentlich seine Hochseeyacht am Starnberger See. Er erzielt einen Gewinn i.H.v. 12.000 €. (6) Aus Freude über das gutgehende Geschäft spendet Freddy Schenk 250 € an Greenpeace und erhält dafür eine Spendenbescheinigung. Lösung: Einkommensteuerveranlagung § 1 Abs. 1 EStG regelt, dass nur natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz i.S.d. § 8 AO oder einen gewöhnlichen Aufenthalt gem. § 9 AO haben, unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind. Aus der Angabe ist zu folgern, dass Freddy Schenk weder einen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat. Es sind daher die Vorschriften über die beschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs. 4 EStG anzuwenden. Die Besteuerung beschränkt steuerpflichtiger Personen richtet sich nach den Vorschriften der §§ 49 bis 50d EStG. Zwischen Deutschland und Kongo besteht kein DBA.
(1) Die Bruttodividende i.H.v. 7.500 € zählt zu den beschränkt steuerpflichtigen Einkünften nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 Bst. a EStG. Da Einkünfte aus Kapitalvermögen in Deutschland dem Quellensteuerabzug i.H.v. 25 % (§§ 43 ff. EStG) unterliegen, wurden bereits 1.875 € im Abzugswege einbehalten. Freddy Schenk erhielt eine Nettodividende i.H.v. 5.625 €. Mit dem Steuerabzug vom Kapitalertrag gilt die beschränkte Steuerpflicht nach § 50 Abs. 2 EStG als abgegolten. In der Folge findet
Inbound-Besteuerung: Ausländer mit wirtschaftlichen Interessen im Inland
99
für diese Einkünfte keine Veranlagung statt. Die Steuerbelastung i.H.v. 25 % wird somit bei Freddy Schenk definitiv. (2) Zinsen aus Bankguthaben sind wegen fehlender Nähe zum Belegenheitsstaat Deutschland keine inländischen Einkünfte i.S.d. beschränkten Steuerpflicht (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Bst. c EStG). (3) Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus der Berliner Wohnung unterliegen nach § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG der beschränkten Steuerpflicht. Die Steuererhebung erfolgt nicht durch Steuerabzug, sondern durch Veranlagung. Da die damit zusammenhängenden Werbungskosten gem. § 50 Abs. 1 Satz 1 EStG zum Abzug zugelassen sind, kann Freddy Schenk die Reparaturkosten in Höhe von 3.000 € bei der Ermittlung der Einkünfte berücksichtigen. (4) Außergewöhnliche Belastungen gem. §§ 33 bis 33b EStG werden im Rahmen der Veranlagung beschränkt Steuerpflichtiger nach § 50 Abs. 1 Satz 3 EStG nicht berücksichtigt. Freddy Schenk kann also weder die Arztrechnungen i.H.v. 4.900 € noch den Behinderten-Pauschbetrag i.H.v. 310 € geltend machen. (5) Die Vergütungen für die Vermietung der Hochseeyacht sind Sonstige Einkünfte gem. § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG aufgrund der gelegentlichen Vermietung beweglicher Gegenstände (§ 22 Nr. 3 EStG) i.H.v. 12.000 €. Die Steuererhebung erfolgt durch Veranlagung. Es gilt somit das (eingeschränkte) Nettoprinzip. (6) Spenden i.S.d. § 10b EStG sind im Katalog der Sondervorschriften bei der Veranlagung beschränkt Steuerpflichtiger (§ 50 Abs. 1, 2 EStG) nicht miteinbezogen. Da ihm eine Spendenquittung ausgestellt wurde, kann Freddy Schenk den gespendeten Betrag i.H.v. 250 € bei der Ermittlung der Einkünfte steuermindernd berücksichtigen. Ermittlung der Einkünfte im Rahmen des Veranlagungsverfahrens (§ 2 EStG): Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung Sonstige Einkünfte Summe der Einkünfte Sonderausgaben z.v.E.
./. +
3.000 € 12.000 €
./.
9.000 € 250 € 8.750 €
Freddy Schenk ist Staatsangehöriger eines Drittstaates. Durch das JStG 2009 wurde der Mindeststeuersatz von 25 % gestrichen, und die Ermittlung des Steuerbetrags richtet sich nunmehr nach § 32a Abs. 1 Sätze 2 und 6 EStG. Dabei wird der Grundfreibetrag nicht berücksichtigt.
100
Steuererhebung bei beschränkt Steuerpflichtigen
Um die Nicht-Berücksichtigung des Grundfreibetrags technisch zu realisieren, ist das z.v.E. von 8.750 € um den Grundfreibetrag von 8.004 € auf 16.754 € zu erhöhen. Dadurch werden jedoch nicht 8.004 € zusätzlich besteuert. Die Erhöhung wird vielmehr durch die in der Formel für die Berechnung des Einkommensteuertarifs enthaltenen Abzugsbeträge wieder korrigiert.94 Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben ermittelt sich der Steuerbetrag für Freddy anhand der Formel gem. § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 EStG: (228,74 € x 0,3285 + 2.397 €) x 0,3285 + 1.038 = 1.850 €. Wäre Freddy ein Staatsangehöriger eines EU/EWR-Staates, ergäbe sich dieselbe Steuerschuld. Im Vergleich dazu beläuft sich die Steuerschuld eines in Deutschland unbeschränkt Steuerpflichtigen auf 110 €. Da einem im Inland unbeschränkt Steuerpflichtigen der Grundfreibetrag gewährt wird, ist zur Ermittlung der Steuerschuld die Formel des § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG heranzuziehen: (912,17 € x 0,0746 + 1.400 €) x 0,0746 = 110 €.
94
Vgl. Loschelder, F., in: Schmidt, L., Einkommensteuergesetz, 28. Aufl., München 2009, § 50 EStG, Rz. 11; Grams, H./ Schön, I., Die Künstlerbesteuerung nach dem Referentenentwurf des BMF und dem Regierungsentwurf zum Jahressteuergesetz 2009, IStR 2008, S. 657 f.
Einführung in das Recht der DBA
101
Kapitel II: Funktionsweise von Doppelbesteuerungsabkommen 1 Einführung in das Recht der DBA 1.1 Entwicklung und Bedeutung von Vertragsmustern DBA sind eines der wichtigsten Instrumente zur Vermeidung der Doppelbesteuerung. Obwohl jedes DBA gesondert zwischen den Staaten verhandelt wird, ähneln sich viele der weltweit abgeschlossenen Abkommen. Dies liegt vor allem an der Orientierung der Vertragspraxis an den von internationalen Organisationen erarbeiteten Vertragsmustern. Diese Musterabkommen werden bei den Vertragsverhandlungen zugrunde gelegt, und die Vertragspartner weichen nur in jenen Bereichen von der Vorlage ab, in denen sie ihre speziellen wirtschaftspolitischen und rechtlichen Bedürfnisse berücksichtigen wollen. Durch dieses Vorgehen werden die Transaktionskosten der Verhandlungen gesenkt. Die Musterabkommen selbst entfalten keine unmittelbare Rechtswirkung, sondern haben nur empfehlenden Charakter.95 Bilaterale Abkommen existieren seit der späten Mitte des 19. Jahrhunderts.96 Das Abkommensnetz in Mitteleuropa wurde aber erst nach dem ersten Weltkrieg verstärkt ausgebaut. Vor allem der Völkerbund97 bemühte sich seit dieser Zeit um eine Angleichung der Abkommenspraxis und entwickelte u.a. zwei bilaterale Musterabkommen98. Die Grundsätze dieser Musterabkommen dienten der OECD als Grundlage für ein bilaterales Vertragsmuster, da die Doppelbesteuerung zunehmend als Hemmnis bei den sich intensivierenden internationalen Wirtschaftsbeziehungen erkannt wurde. Im Juli 196399 gelang es dem Steuerausschuss der OECD, ein Musterabkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei den Steuern vom Einkommen und Vermögen zu präsentieren. Dieses OECDMusterabkommen (kurz: OECD-MA) sollte den Staaten als Verhandlungsgrundlage
95
Vgl. Wassermeyer, F., in: Debatin, H./ Wassermeyer, F. (Hrsg.), Doppelbesteuerung, Band I: Kommentierung des OECD-MA, 104. Erg.-Lfg., München 2008, Vor Art. 1 MA, Rz. 34; Vogel, K., in: Vogel, K./Lehner, M. (Hrsg.), Doppelbesteuerungsabkommen Kommentar, 5. Aufl., München 2008, Einl., Rz. 35 f.; Hundt, L., UN-Musterabkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zwischen Industriestaaten und Entwicklungsländern, RIW 1981, S. 309.
96
Das erste DBA überhaupt wurde am 16.04.1869 zwischen Preußen und Sachsen über die direkten Steuern abgeschlossen. Im September 2005 waren laut OECD mehr als 2.500 Abkommen weltweit in Kraft.
97
Der Völkerbund entstand am 10.01.1920 mit Inkrafttreten des Versailler Vertrages als eine Vereinigung von Staaten zur Sicherung des Weltfriedens.
98
Lateinamerikanisches Musterabkommen von Mexiko 1943 und Europäisches Abkommensmuster von London 1946.
99
Vgl. OECD-MK, Einl., Rz. 6.
102
Entwicklung und Bedeutung von Vertragsmustern
dienen, sowohl bei Neuabschlüssen als auch bei Revision der bereits bestehenden Abkommen. Ziel des Musterabkommens war eine größere Harmonisierung der bilateralen Abkommen der Mitgliedstaaten, indem auf einheitliche Begriffsbestimmungen, Systematik, Grundsätze und Auslegung bei Abschluss und Anwendung von DBA zurückgegriffen wurde. Zur Erläuterung des OECD-MA entwickelte die OECD einen Musterkommentar (kurz: OECD-MK). Dieser enthält auch Vorbehalte einzelner OECD-Mitgliedstaaten. Den dynamischen Entwicklungen im Bereich der Steuersysteme, der Organisation von internationalen Unternehmen, der Liberalisierung der Märkte und den vielseitigen Erfahrungen bei der bisherigen Anwendung des Abkommens wurde durch Revisionen des ursprünglichen Abkommens und des Kommentars 1977 und 1992 Rechnung getragen. Seit dem Musterabkommen des Jahres 1992 wird das Abkommen permanent und zeitnah angepasst. Die letzte Anpassung des OECD-MA sowie des OECD-MK erfolgte im Juli 2008. Merke: Die OECD hat zur Harmonisierung des internationalen Abkommensnetzes Vertragsmuster für DBA-Verhandlungen entwickelt (OECD-MA). Die einzelnen Artikel des OECD-MA werden durch den Musterkommentar der OECD erläutert (OECD-MK). Das OECD-MA hat für DBA zwischen Mitgliedstaaten der OECD stets eine maßgebliche Rolle gespielt. Die Musterabkommen haben nicht nur den Vertragsverhandlungen zugrunde gelegen, sondern die Mitgliedstaaten haben sich auch an den Aufbau und die Regelungssystematik des OECD-MA gehalten.100 Darüber hinaus hat das OECD-MA andere Abkommensmodelle stark beeinflusst. Die Mitglieder der OECD sind fast ausnahmslos westliche Industriestaaten mit gleicher wirtschaftlicher Interessenlage und einem nahezu ausgeglichenen Kapital-, Güter- und Dienstleistungsfluss. Hinzu kommt, dass die westlichen Industrienationen meist Kapitalexportländer sind und bei der Besteuerung das „Welteinkommen“ zugrunde legen. Diese wirtschaftliche und steuerliche Ausgangssituation liegt dem OECD-MA als Annahme zugrunde. Die Mitgliedstaaten der OECD haben daher gegen eine Einschränkung der Quellenbesteuerung zugunsten der Wohnsitzbesteuerung, wie es im OECD-MA praktiziert wird, nichts einzuwenden, weil durch diese Prinzipien im Allgemeinen kein Staat einseitig auf Steuereinnahmen verzichten muss. An der Grundannahme eines ausgeglichenen Wirtschaftsverkehrs fehlt es allerdings, wenn Wirtschaftsbeziehungen zwischen Industrie- und Entwicklungsländern101 betrachtet werden. Hier führte eine Einschränkung der Quellenbesteuerung zu einer einseitigen Reduktion der Steuereinnahmen der Entwicklungsländer. Daher haben einige lateinamerikanische Staaten 1971102 ein Gegenmodell zum OECD-MA 100
Vgl. Vogel, K., in: Vogel, K./ Lehner, M. (Hrsg.), Doppelbesteuerungsabkommen Kommentar, 5. Aufl., München 2008, Einl., Rz. 20 ff.; OECD-MK, vor Art. 1, Nr. 12-15.
101
Als Entwicklungsländer gelten bspw. die in der Anlage zu § 5 KStDV genannten Länder.
102
Damals Bolivien, Chile, Ecuador, Kolumbien und Peru. Venezuela trat erst 1973 der AndenGruppe bei. Chile schied 1976 aus.
Einführung in das Recht der DBA
103
entwickelt, das der Interessenlage von Entwicklungsländern durch eine uneingeschränkte Quellenstaatsbesteuerung angepasst ist (Modell der Anden-Gruppe103). Zwar wurde die strikte Anwendung des Quellenprinzips im Laufe der Zeit etwas abgemildert, dennoch hat aber aufgrund der geringen Kompromissbereitschaft dieses Ansatzes das Modell der Anden-Gruppe kaum Anwendung gefunden.104 Zur Förderung von Entwicklungsländern hat die UNO 1979 ein Musterabkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung erarbeitet und publiziert, das als Basis für Verhandlungen zwischen Industrienationen und Entwicklungsländern dienen sollte. Da in der UNO sowohl Industriestaaten als auch Entwicklungsländer repräsentiert sind, war sie die geeignete Institution, um ein Abkommensmuster zu entwickeln. Das UN-Modell105 nähert sich dem OECD-MA stark an, weicht aber inhaltlich insofern ab, als dass es vor allem durch ein verstärktes Quellenbesteuerungsrecht die Entwicklungsländer als typische Kapitalimportländer fiskalisch begünstigt.106 In das UN-Musterabkommen wurde im Sinne einer Vereinheitlichung der Rechtsanwendung der Kommentar zum OECD-MA einschließlich der Bemerkungen zum Kommentar wörtlich übernommen, sofern weitgehende Regelungsidentität bestand. Die Vereinigten Staaten von Amerika verwenden für ihre Verhandlungen seit 1976 ein eigenes Modell, das im Aufbau dem OECD-MA gleicht, aber inhaltlich in einigen Punkten abweicht, um die Interessen der Vereinigten Staaten stärker zu berücksichtigen.107 Das USModell verwendet als Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ausschließlich die Anrechnungsmethode und betont Maßnahmen, die eine „missbräuchliche“ Inanspruchnahme von DBA verhindern sollen.108 Die Maßnahmen zur Verhinderung der Steuerverkürzung gehen über die vom OECD-MA vorgesehenen Regelungen hinaus und sind fester Bestandteil der US-amerikanischen Abkommenspolitik. Am 20. September 1996 haben die USA ein neu überarbeitetes US-Modell veröffentlicht.
103
Heutige Bezeichnung: Anden-Gemeinschaft.
104
Vgl. Jacobs, O., Internationale Unternehmensbesteuerung, 6. Aufl., München 2007, S. 70.
105
Eine ausführliche Darstellung des UN-Modells mit Vergleich zum OECD-MA findet sich bei Surrey, S., United Nations Model Convention for Tax Treaties between Developed and Developing Countries, Vol. 5 der Schriftenreihe „Selected Monographs on Taxation“, hrsg. von Harvard Law School International Tax Program u. International Bureau of Fiscal Documentation, Cambridge, Massachusetts, Amsterdam 1980.
106
Vgl. Debatin, H., Handbuch der Vereinten Nationen für Verhandlungen über Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Industriestaaten und Entwicklungsländern, DB 1980, Beilage 15, S. 7.
107
Vgl. Shannon, H., Die Doppelbesteuerungsabkommen der USA, Heft 11 der Schriftenreihe „Münchener Schriften zum Internationalen Steuerrecht“, München 1987, S. 58 f.
108
Bereits der Titel des US-Modells verdeutlicht die Zielsetzung der US-Abkommenspolitik: „Zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung“.
104
Entwicklung und Bedeutung von Vertragsmustern
Merke: Trotz der Vereinheitlichungstendenzen weichen die einzelnen Abkommen der Länder meist in Details vom Musterabkommen ab. Um einen konkreten Fall beurteilen zu können, genügt es daher nicht, das Musterabkommen allein zu beherrschen. Es müssen sowohl das betroffene DBA selbst als auch Zusatzprotokolle etc. herangezogen werden. Die folgende Tabelle vermittelt einen Überblick über die wichtigsten Vertragsmuster mit ihren wesentlichen Eigenschaften.
Vertragsmuster
Beschränkung der Besteuerungsrechte und Vermeidung der Doppelbesteuerung x Einschränkung der Quellenbesteuerung zugunsten der Besteuerung im Ansässigkeitsstaat
OECD-MA
x Falls dem Quellenstaat dabei ein Besteuerungsrecht verbleibt Æ Freistellungs- oder Anrechnungsmethode, je nach Ausmaß der Verknüpfung der jeweiligen Einkünfte zum Quellenstaat x Ähnlich zum OECD-MA
US-MA
x Aber: ausschließliche Verwendung der Anrechnungsmethode x Ähnlich zum OECD-MA
UN-Modell
x Aber: verstärktes Quellenbesteuerungsrecht für Entwicklungsländer x dann Freistellungs- oder Anrechnungsmethode
Modell der Anden-Gruppe Abbildung 32:
x Weitestgehend uneingeschränkte Quellenbesteuerung
Relevanz
DBA zwischen westlichen Industriestaaten (Grundannahme des ausgeglichenen Wirtschaftsverkehrs)
DBA der USA (zur besonderen Berücksichtigung von USInteressen) DBA mit Entwicklungsländern (zur besonderen Förderung derer Interessen) Gering (Mangelnde Kompromissbereitschaft)
Überblick über die wichtigsten Vertragsmuster
Einführung in das Recht der DBA
105
1.2 Deutsche Abkommenspolitik Die Bundesrepublik Deutschland verfügt auf dem Gebiet der Besteuerung vom Einkommen und Vermögen über ein dichtes Netz von DBA. Mit allen wichtigen Industrienationen, nahezu allen Ländern Europas109 und vielen Entwicklungsländern, die sich als bevorzugte Zielländer für deutsche Investitionen herauskristallisiert haben, wurden DBA abgeschlossen. Insgesamt sind derzeit 89 Abkommen auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen in Kraft.110 Die Abkommen der BRD orientieren sich im Inhalt und Aufbau wesentlich am OECD-MA.111 Abweichungen erklären sich einerseits durch die unterschiedliche Zugehörigkeit des anderen Vertragsteils zu einer der drei Gruppen der Industrie- und Entwicklungsländer bzw. der Länder Süd- und Osteuropas und andererseits durch die spezifischen Ziele der deutschen Vertragspolitik.112 Vertragsverhandlungen zwischen Industrienationen sind durch eine weitgehende Parallelität der Zielvorstellungen gekennzeichnet. Solange die Wirtschaftsbeziehungen – wie zwischen vielen Industrienationen – symmetrisch geprägt sind, führt die gegenseitige Beschränkung von Besteuerungsrechten dazu, dass das DBA-Recht steueraufkommensneutral ist. Nur bei asymmetrischen Wirtschaftsbeziehungen verschiebt sich das Steueraufkommen zu Lasten eines Vertragspartners. Daher ist die deutsche Abkommenspraxis mit Entwicklungsländern durch ein verstärktes Quellenbesteuerungsrecht der Entwicklungsländer und durch die Aufrechterhaltung der Investitionsanreize, die Entwicklungsländer für den erwünschten und erforderlichen Kapitalimport setzen, gekennzeichnet. Die BRD erhält die Investitionsanreize durch eine ausgeweitete Anwendung der sog. Freistellungsmethode (erweiterte Betriebsstättendefinition)113 und durch das Instrument der fiktiven Anrechnung. Im Rahmen der fiktiven Anrechnung (sog. matching credit) wird nicht nur die in Entwicklungsländern gewöhnlich geringere Steuerbelastung angerechnet, sondern ein Betrag in Höhe der sonst entstehenden inländischen Steuerschuld.114 Im Ergebnis lassen sich die deutschen DBA mit Entwick109
Zwischen den Ländern der EU bestehen DBA auf Grundlage des OECD-MA; vgl. dazu auch EuGH v. 12.05.1998, Rs. C-336/96, FR 1998, S. 849.
110
Eine Übersicht über den aktuellen Stand der DBA und der Doppelbesteuerungsverhandlungen findet sich im Schreiben des BMF v. 22.01.2009, IV B 2 – S 1301/07/10017.
111
Vgl. Lehner, M./ Reimer, E., Generalthema I: Quelle versus Ansässigkeit – Wie sind die grundlegenden Verteilungsprinzipien des Internationalen Steuerrechts austariert?, IStR 2005, S. 547, 550.
112
Vgl. BMF, Monatsbericht Januar 2004, Berlin 2004, S. 66.
113
Durch eine erweiterte Betriebsstättendefinition werden weitere Geschäftseinrichtungen im Ausland als Betriebsstätte klassifiziert. Der ausländische Staat kann in der Folge auch deren Gewinne besteuern (Art. 7 Abs. 1 Satz 2 Hs. 1 OECD-MA). Deutschland wendet zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei Einkünften aus einer im Ausland gelegenen gewerblichen Betriebsstätte die Freistellungsmethode an, und dies bei einer erweiterten Betriebsstättendefinition somit umfassender.
114
Vgl. BMF v. 12.05.1998, IV C 6 – S 1301 – 18/98, DB 1998, S. 1258.
106
Deutsche Abkommenspolitik
lungsländern zwischen dem OECD-MA und dem UN-Modell einordnen. Deutschland hat bspw. bei den Verhandlungen zum DBA mit der Volksrepublik China von 1985115 das UNModell in Ergänzung zum OECD-MA als Muster zugrunde gelegt. In den Ländern Süd- und Osteuropas findet seit dem Ende des Kalten Krieges ein tiefgreifender gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Wandel statt. Das wirtschaftliche System wird von einer staatlich gelenkten Wirtschaft auf eine Marktwirtschaft umgestellt. Davon ist auch das Abgabensystem stark betroffen. DBA mit diesen Ländern berücksichtigen die sich aus dem Wandel ergebenden Besonderheiten. Die Ziele der deutschen Vertragspolitik stellen sich als Zielbündel dar, in dem die Vermeidung der Doppelbesteuerung lediglich ein Teilziel ist. Die Vermeidung der Doppelbesteuerung soll die Aktivitäten internationaler Unternehmen schützen und eine Besteuerung entsprechend der Leistungsfähigkeit garantieren. Folgende Ziele spielen eine Rolle bei Vertragsverhandlungen:
115
x
Wettbewerbspolitik: die Methoden der Vermeidung der Doppelbesteuerung (Anrechnung/Freistellung) orientieren sich an den wettbewerbspolitischen Überlegungen der Kapitalimport-/Kapitalexportneutralität. Deutschland wendet beide Methoden an. Für Einkünfte und Vermögensteile, die der ausländische Vertragspartner ausschließlich besteuert, bevorzugt Deutschland die Anwendung der Freistellungsmethode mit Progressionsvorbehalt als Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung. Im Gegensatz zu den unilateralen Maßnahmen Deutschlands (insbes. Anrechnungsmethode) erfolgt somit keine Heraufschleusung auf das deutsche Steuerniveau. Durch die vorteilhaftere Freistellungsmethode in den deutschen DBA kommt Investitionen in DBA-Ländern eine besondere Bedeutung zu. Die Anrechnungsmethode findet in deutschen DBA vor allem Anwendung, wenn der Quellenstaat eine Quellensteuer erheben darf. Die Anwendung der Methoden auf deutscher Seite ist (zum Teil) unabhängig von der Anwendung durch den anderen Vertragsstaat. So sieht das DBA mit den USA amerikanischerseits ausschließlich das Anrechnungsverfahren vor, während auf deutscher Seite sowohl das Anrechnungsverfahren als auch die Freistellungsmethode normiert werden.
x
Fiskalische Interessen: ein weiteres Ziel der BRD besteht in der Sicherung des Steueraufkommens. Durch DBA verpflichten sich die Vertragsstaaten zur Beschränkung ihrer Besteuerungsrechte. Solange die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen ausgeglichen sind, führt eine eingeschränkte Quellenbesteuerung mit einer korrespondierend durch die Anrechnungsmethode ebenfalls eingeschränkten Wohnsitzbesteuerung nicht zu einem verminderten Steueraufkommen. Entscheidend für das Verhandlungsziel ist damit die Struktur der Wirtschaftsbeziehungen.
Vgl. DBA-China v. 10.06.1985, BGBl. II 1986, S. 446, BStBl. I 1986, S. 329.
Einführung in das Recht der DBA x
107
Vermeidung doppelter Nichtbesteuerung, Bekämpfung von Missbräuchen und Steueroasen: in zunehmendem Maße enthalten deutsche DBA Regelungen, die eine Einmalbesteuerung, z.B. bei Qualifikationskonflikten, sicherstellen sollen. Sog. subject-to-tax-Klauseln116 (Vermeidung doppelter Nichtbesteuerung) bzw. sog. switch-over-Klauseln (Wechsel von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode)117 sollen aus Sicht der Verhandlungspartner unerwünschte Steuerverkürzungen vermeiden. Bisher gingen Störungen des Wettbewerbs der Steuerrechte vor allem von einer begrenzten Zahl von Niedrigsteuerländern aus. Nach neueren Entwicklungen sind auch auf dem Territorium der Hochsteuerländer der EU steuersparende Gestaltungen möglich. Rein nationale Unternehmen werden durch diese Wettbewerbsverzerrungen benachteiligt mit der Folge, dass die Gleichmäßigkeit der Besteuerung gefährdet ist. Bei zukünftigen Neuverhandlungen der DBA werden daher korrigierende Eingriffe zu erwarten sein.
Merke: Die deutschen DBA orientieren sich weitestgehend am OECD-MA. Abweichungen ergeben sich aus zwei wesentlichen Gründen: (1) Zugehörigkeit des Vertragspartners zu einer bestimmten Ländergruppe x Industrienationen (ausgeglichener Wirtschaftsverkehr) x Entwicklungsländer (verstärktes Quellenbesteuerungsrecht und Instrument des „matching credit“) x Länder Süd- und Osteuropas (Besonderheiten des Wandels hin zu marktwirtschaftlichen Systemen) (2) Ziele der deutschen Vertragspolitik x Wettbewerbspolitische Überlegungen (Kapitalimport- und –exportneutralität) x Fiskalische Interessen (Sicherung des Steueraufkommens) x Vermeidung doppelter Nichtbesteuerung und Bekämpfung von Missbrauch und Steueroasen
116
Durch die „subject-to-tax“-Klausel erhält der eine Staat das Besteuerungsrecht „zurück“, wenn der andere Staat aufgrund fehlender innerstaatlicher Normen diesen Tatbestand nicht besteuern kann.
117
Erhebt der Quellenstaat keine Steuer, so werden beim Anrechnungsverfahren diese Einkünfte im Wohnsitzstaat der Besteuerung im Rahmen des Welteinkommens unterworfen, während bei der Freistellungsmethode diese unberücksichtigt bleiben („switch-over“-Klausel).
108
Rechtliche Grundlagen
2 DBA als Völkerrecht: Rechtliche Besonderheiten 2.1 Rechtliche Grundlagen 2.1.1
Definition und Rechtsnatur eines DBA
Die einzelnen Staaten der Völkergemeinschaft sind in Bezug auf ihre Steuergesetzgebung und Steuerrechtsanwendung souverän. Dabei ist die Besteuerung wirtschaftlicher Aktivitäten völkerrechtlich zulässig, wenn der steuerliche Tatbestand eine tatsächliche Beziehung zum besteuernden Staat aufweist.118 Da davon ausgegangen werden kann, dass die einzelnen nationalen Steuergesetze völkerrechtskonform sind, widersprechen Doppelbesteuerungen, die aus dem Zusammenwirken mehrerer nationaler Steuergesetze entstehen, auch nicht geltendem Völkerrecht.119 Aufgrund der staatlichen Souveränität besteht ebenso die Möglichkeit, bestehende Besteuerungsansprüche bilateral zugunsten des Steuerpflichtigen einzuschränken, um Doppelbesteuerungen zu vermeiden. Das Recht der DBA stellt einen Teilbereich des Internationalen Steuerrechts i.e.S. dar. Es umfasst alle Rechtsnormen, deren Quelle die Doppelbesteuerungsabkommen sind.
Internationales Steuerrecht i.w.S.
Internationales Steuerrecht i.e.S.
Allgemeines Völkerrecht (ohne DBA)
Nationales Außensteuerrecht
Supranationales Recht (v.a. EU-Recht) Recht Recht der der DBA DBA
Abbildung 33:
Einordnung des Rechts der DBA in das Internationale Steuerrecht i.w.S.120
118
Vgl. BFH v. 16.12.1964, II-154-61-U, BStBl. III 1965, S. 135; BFH v. 18.12.1963, I-230-61-S, BStBl. III 1964, S. 254, 256 f.
119
Vgl. BFH v. 14.02.1975, VI-R-210/72, BStBl. II 1975, S. 498; BFH v. 18.12.1963, I-230-61-S, BStBl. III 1964, S. 257.
120
In Anlehnung an Scheffler, W., Besteuerung grenzüberschreitender Unternehmenstätigkeit, 2. Aufl., München 2002, S. 28.
DBA als Völkerrecht: Rechtliche Besonderheiten
109
Vertragliche Vereinbarungen zwischen zwei Staaten mit dem Ziel der Vermeidung der Doppelbesteuerung werden als Doppelbesteuerungsabkommen bezeichnet. Doppelbesteuerungsabkommen sind völkerrechtliche Verträge, deren Zustandekommen sich nach den Regeln des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge (WÜRV) vom 23. Mai 1969 bestimmt.121 Durch ein DBA verpflichten sich zwei souveräne Staaten, ihre durch innerstaatliches Recht bestehenden Besteuerungsansprüche zu beschränken.122 DBA begründen keine Besteuerungsansprüche, sondern schränken bestehende innerstaatliche Besteuerungsrechte ein,123 indem bestimmt wird, welche von mehreren kollidierenden Besteuerungskompetenzen zurückzutreten hat. DBA-Recht erfüllt die Funktion einer rechtlichen Schranke.124 Die vom Abkommen auferlegten Schranken können sich auf die Besteuerungsgrundlage oder lediglich auf die Besteuerungshöhe beziehen. Das Ausmaß der Schrankenwirkung bestimmt sich nach dem Grad der wirtschaftlichen Verknüpfung des Steuergutes mit den beteiligten Volkswirtschaften. Ob und inwieweit ein Staat von seinem durch ein DBA aufrechterhaltenen Besteuerungsrecht Gebrauch macht, richtet sich ausschließlich nach seinem innerstaatlichen Recht. Sind die innerstaatlichen Vorschriften weiter gefasst als die Regelung des DBA, so darf der Staat sein Besteuerungsrecht nur innerhalb der vom DBA gezogenen Grenzen ausüben. Sind hingegen die DBArechtlichen Regelungen weiter gefasst als die innerstaatlichen, so kann der Staat nur im Rahmen seiner nationalen Vorschriften besteuern. DBA können nach herrschender Meinung keine Besteuerungsrechte begründen. Merke: DBA können keine neuen innerstaatlichen Besteuerungsrechte schaffen. DBA können nur bestehende Besteuerungsrechte einschränken: Nationale Vorschriften > DBA
DBA
Nationale Vorschriften < DBA
Nationale Vorschriften
Falls nationale Vorschriften weiter gefasst sind als ein DBA, dann regelt ausschließlich dieses DBA die Besteuerung. Falls umgekehrt das DBA weiter gefasst ist, wird die Besteuerung durch das weniger weitgehende nationale Recht geregelt.
121
Vgl. BGBl. II 1985, S. 926.
122
Vgl. BFH v. 28.06.1972, I-R-35/70, BStBl. II 1972, S. 789.
123
Vgl. RFH v. 03.10.1935, III-A-267/34, RStBl. 1935, S. 1400; RFH v. 14.07.1938, III-78/38, RStBl. 1938, S. 937; BFH v. 15.01.1971, III-R-125/69, BStBl. II 1971, S. 380; Art. 13 Nr. 3 OECD-MK.
124
Die Bezeichnung des Rechts der DBA als Schrankenrecht geht auf Debatin, H., zurück; vgl. ders., Doppelbesteuerungsabkommen und innerstaatliches Recht, DStR 1992, Beihefter zu Heft 23, S. 2; a.A. Wassermeyer, F., in: Debatin, H./ Wassermeyer, F. (Hrsg.), Doppelbesteuerung, Band I: Kommentierung des OECD-MA, 104. Erg.-Lfg., München 2008, Art. 1 MA, Rz. 9.
110
Rechtliche Grundlagen
Für die Anwendung von DBA ergibt sich aus der Schrankenfunktion folgende zweistufige Prüfungsreihenfolge: Zunächst ist zu untersuchen, welchem Vertragsstaat in welcher Höhe für ein bestimmtes Steuergut das Besteuerungsrecht zugewiesen wird. In einem zweiten Schritt wird geprüft, ob und auf welche Weise das nationale Außensteuerrecht den Umfang und die Höhe der Steuerbelastung konkretisiert. Merke: DBA-Recht ist Schrankenrecht. Nationales Steuerrecht begründet Steueransprüche dem Grunde und der Höhe nach. Es bestimmt das „Ob“ und „Wie“. DBA setzen Schranken gegen diese nationale Steuerpflicht (das „Ob“). Die Schrankenwirkung kann sich auf die Besteuerungsgrundlage oder auf die Besteuerungshöhe beziehen.
2.1.2
Zustandekommen eines DBA und Überleitung in nationales Recht
Nach Art. 59 Abs. 1 GG vertritt der Bundespräsident die BRD völkerrechtlich. Für die Vertragsverhandlungen auf dem Gebiet der DBA stattet allerdings der Bundespräsident Vertreter des Bundesministeriums der Finanzen mit einer Vollmacht aus. Je nach Notwendigkeit werden Mitarbeiter anderer Ministerien, vor allem des Außenministeriums, hinzugezogen. Als Grundlage für die Erarbeitung eines Abkommenstextes dient das OECD-MA, für den Fall der Revision eines DBA der bereits bestehende Vertragstext. Für Vertragsverhandlungen zwischen Entwicklungsländern wird das OECD-MA gegebenenfalls modifiziert. Schlussprotokolle und Briefwechsel sind Bestandteile des Abkommens. Die Verhandlungsleiter unterzeichnen das Abkommen (Paraphierung). Im Gegensatz zu den allgemeinen Regeln des Völkerrechts (Art. 25 GG) sind DBA als spezielles Völkerrecht weder automatisch innerstaatliches Recht noch gehen sie diesem automatisch vor. Laut Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG bedarf ein völkerrechtlicher Vertrag, der sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung bezieht, der parlamentarischen Zustimmung in Form eines Zustimmungsgesetzes.125 Durch das Zustimmungsgesetz wird der Inhalt des DBA unmittelbar anwendbares, innerstaatliches Recht.
125
Bzgl. der Umsetzung von Völkerrechtsverträgen in innerstaatliches Recht besteht ein Theorienstreit: Vollzugstheorie vs. Transformationstheorie; die h.M. geht von der Vollzugstheorie aus, wonach ein DBA mit seinem gesamten völkerrechtlichen Inhalt anzuwenden ist. Das Zustimmungsgesetz wird als Anwendungsbefehl verstanden, der den völkerrechtlichen Vertrag innerstaatlich für verbindlich erklärt; vgl. Drüen, A., in: Tipke, K./ Kruse, H.-W., Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, Kommentar zur AO 1977 und FGO, 115. Erg.-Lfg., Köln 2008, § 2, Tz. 28; vgl. auch Vogel, K., in: Vogel, K./ Lehner, M. (Hrsg.), Doppelbesteuerungsabkommen Kommentar, 5. Aufl., München 2008, Einl., Rz. 61 f.
DBA als Völkerrecht: Rechtliche Besonderheiten
111
Zuletzt wird eine Ratifikationsurkunde ausgestellt, die die Vertragsparteien austauschen. Durch diese Urkunde erklären die Parteien formell ihre völkerrechtliche Gebundenheit an den Vertragstext. Die Bindungswirkung beginnt mit dem Austausch der Ratifikationsurkunden. Die erstmalige Anwendung des DBA wird in der Regel vertraglich vereinbart und fällt häufig mit dem Austausch der Ratifikationsurkunden zusammen. Merke: Vertreter des BMF sind vom Bundespräsidenten bevollmächtigt, in dessen völkerrechtlicher Vertretung DBA-Verhandlungen zu führen und die Unterzeichnung der Abkommen (Paraphierung) vorzunehmen. Die DBA als spezielles Völkerrecht müssen dann durch Zustimmungsgesetz in innerstaatliches Recht überführt werden. Der Austausch einer Ratifikationsurkunde bindet die Vertragspartner völkerrechtlich an das jeweilige DBA.
2.2 Verhältnis von DBA-Recht zum nationalen Recht Die Normen des durch Zustimmungsgesetz überführten DBA nehmen einfachen Gesetzesrang ein, d.h. sie stehen auf der gleichen Stufe wie nationale Steuergesetze.126 § 2 AO räumt bei wörtlicher Auslegung völkerrechtlichen Verträgen i.S.d. Art. 59 Abs. 2 GG einen Vorrang ein, so dass DBA aus dieser Sicht den nationalen Steuergesetzen vorgingen. Aber die Abgabenordnung ist nur ein einfaches Bundesgesetz, das keinen allgemeinen Vorrang völkerrechtlicher Verträge begründen kann.127 Nur die allgemeinen Regeln des Völkerrechts gehen gem. Art. 25 GG den nationalen Gesetzen vor. In diesem Fall bestimmt die ranghöhere Verfassung den Vorrang vor den rangniedrigeren Bundesgesetzen. Das völkerrechtliche Vertragsrecht ist spezielles Völkerrecht und gehört nicht zum Anwendungsbereich des Art. 25 GG. Entgegen der wörtlichen Auslegung des § 2 AO erhalten DBA einen höheren Rang nur über ihren „lex-specialis“- bzw. „lex-posterior“-Charakter.128 § 2 AO lässt die allgemeinen Kollisionsregeln der „lex specialis“ und „lex posterior“ in Kraft. Völkervertragsrecht
126
Vgl. BVerfG v. 26.03.1957, BVerfGE 6, S. 363.
127
Vgl. BFH v. 13.07.1994, I-R-120/93, BStBl. II 1995, S. 130.
128
Nach der „lex-specialis“-Regel geht die speziellere Norm der allgemeinen Norm vor. Nach der „lex-posterior“-Regel geht die spätere Norm der früheren Norm vor. Die Auslegung des § 2 AO ist umstritten. Für die Auflösung der Kollision nach allgemeinen Regeln („lex specialis“, „lex posterior“) spricht sich aus: Drüen, A., in: Tipke, K./ Kruse, H.-W., Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, Kommentar zur AO 1977 und FGO, 115. Erg.-Lfg., Köln 2008, § 2, Tz. 1 f.; Debatin, H., Doppelbesteuerungsabkommen und innerstaatliches Recht, DStR 1992, Beihefter zu Heft 23, S. 2; a.A. Wassermeyer, F., in: Debatin, H./ Wassermeyer, F. (Hrsg.), Doppelbesteuerung, Band I: Kommentierung des OECD-MA, 104. Erg.-Lfg., München 2008, Vor Art. 1 MA, Rz. 9.
112
Verhältnis von DBA-Recht zum nationalen Recht
kann entsprechend der „lex posterior“-Regel durch späteres innerstaatliches Recht geändert werden, allerdings mit der Besonderheit, dass eine allgemeine spätere Norm der früheren spezielleren Norm nicht vorgeht („lex generalis posterior non derogat legi speciali priori“). Nur ein spezielleres nachfolgendes Gesetz kann die DBA-Regelungen beeinträchtigen. Diese Vertragsbrüche werden als „treaty override“ bezeichnet. Ein „treaty override“ liegt vor, wenn Bestimmungen des nationalen Steuerrechts inhaltsgleiche Regelungen in einem bestehenden DBA mit Vorbehalten versehen, aufheben oder ändern. Die Zulässigkeit und innerstaatliche Wirksamkeit eines „treaty override“ hat der BFH grundsätzlich anerkannt.129 Im Außenverhältnis verletzt ein „treaty override“ die allgemeine Regel der Vertragstreue („pacta sunt servanda“). Dem Vertragspartner wird bei Vertragsbrüchen nach Art. 60 WÜRV ein Kündigungsrecht eingeräumt.130 Beispiele für „treaty override“ im deutschen Steuerrecht finden sich in § 8a KStG und § 20 AStG; § 50d Abs. 1 EStG enthält einen scheinbaren „treaty override“. § 8a KStG beschränkt die Fremdkapitalfinanzierung inländischer Kapitalgesellschaften, indem im Rahmen der Zinsschrankenregelung die Höhe der steuerlich abzugsfähigen Zinsaufwendungen begrenzt wird. Diese Regelung steht im Widerspruch zu Art. 9 Abs. 1 OECD-MA. § 20 Abs. 1 AStG erklärt die Abkommensregelungen für unbeachtlich bezüglich der Hinzurechnungsbesteuerung gem. §§ 7 bis 14 AStG. Durch § 20 Abs. 2 AStG sind die Regelungen eines DBA auch für Betriebsstätteneinkünfte unbeachtlich mit der Folge, dass die Anrechnungsmethode anstelle der Freistellungsmethode Anwendung findet („switch-over“Klausel). § 50d Abs. 1 EStG schreibt vor, dass entgegen der Reduzierung bzw. Befreiung von Quellensteuern gem. den Abkommensregelungen, Quellensteuern zunächst erhoben und abgeführt werden müssen. Erst anschließend wird der Zustand des Abkommens im Rahmen eines Erstattungsverfahrens hergestellt. § 50d EStG ist im Verhältnis zu bestehenden DBA das speziellere und spätere Gesetz. In den Fällen eines „treaty override“ versagt die Schrankenwirkung von DBA. Die durch ein DBA geschaffenen Beschränkungen der Besteuerungskompetenzen werden durch „treaty override“ ausgehöhlt und die Funktion eines DBA – Bindung beider Vertragsparteien in gleicher Weise – konterkariert.
129
Vgl. BFH v. 13.07.1994, I-R-120/93, BStBl. II 1995, S. 129 f.; BVerfG v. 26.03.1957, BVerfGE 6, S. 363.
130
Vgl. hierzu auch Rust, A./ Reimer, E., Treaty Override im deutschen Internationalen Steuerrecht, IStR 2005, S. 843 ff.
DBA als Völkerrecht: Rechtliche Besonderheiten
113
Merke: Eine Normenkollision zwischen DBA und nationalen Steuergesetzen ist nicht nach § 2 AO aufzulösen (trotz des Wortlauts), sondern nach den allgemeinen rechtlichen Grundsätzen. DBA gehen nur aufgrund ihres „lex-specialis“Charakters nationalen Steuergesetzen vor, es sei denn, Regelungen von DBA werden durch nachfolgende nationale Steuergesetze derogiert, d.h. verdrängt („treaty override“) – die Schrankenwirkung von DBA versagt in diesem Fall.
2.3 Auslegung der DBA 2.3.1
Auslegung nach völkerrechtlichen Grundsätzen
DBA sind völkerrechtliche Verträge, deren Auslegung nicht allein nach innerstaatlichen Regeln erfolgen kann, sondern völkerrechtliche Auslegungsgrundsätze mit einbeziehen muss.131 Die bisher gewohnheitsrechtlich geltenden Auslegungsregeln völkerrechtlicher Verträge wurden durch die Art. 31 bis 33 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge (WÜRV) kodifiziert. Die BRD ist durch das Zustimmungsgesetz vom 03. August 1985132 der Wiener Vertragsrechtskonvention beigetreten, so dass die Art. 31 bis 33 WÜRV auch für die Auslegung von DBA relevant sind. Ähnlich wie innerstaatliche Gesetze werden DBA als völkerrechtliche Verträge nach den grammatikalischen, systematischen, teleologischen und historischen Auslegungsmethoden interpretiert.133 Diese Grundregel wurde im Art. 31 Abs. 1 WÜRV festgeschrieben: „Ein Vertrag ist nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zwecks auszulegen.“ Grundlage der Auslegung ist danach also der Wortlaut in seiner gewöhnlichen, d.h. fachspezifischen Bedeutung (grammatikalische Auslegung). Die Begriffe einzelner Vertragsnormen sind aber nicht isoliert, sondern im Zusammenhang mit dem gesamten Vertragsdokument, einschließlich Präambel und Anlagen (Art. 31 Abs. 2 WÜRV) zu betrachten (systematische Auslegung). Der Zusammenhang wird in Art. 31 Abs. 2 und 3 WÜRV noch erweitert. Neben der Auslegung nach dem Wortlaut bzw. dem Zusammenhang kann eine Begriffsbedeutung auch aus dem Ziel und Zweck hergeleitet werden (teleologische Auslegung). Die historische Auslegung hat gem. Art. 32 WÜRV nur eine nachrangige Bedeu-
131
Vgl. hierzu auch BVerfG v. 04.05.1955, BVerfGE 4, 157/168.
132
Vgl. BGBl. II 1985, S. 926.
133
Vgl. BFH v. 15.06.1973, III-R-118/70, BStBl. II 1973, S. 811; BFH v. 24.04.1975, I-R-04/73, BStBl. II 1975, S. 605; BFH v. 20.02.1979, VII-R-16/78, BStBl. II 1979, S. 274.
114
Auslegung der DBA
tung. Zu beachten ist, dass erst die parallele Anwendung der vier Methoden die maßgebliche Bedeutung einer Vorschrift erschließt.134 Merke: Die Auslegung der DBA nach den völkerrechtlichen Grundsätzen der Art. 31 bis 33 des WÜRV hat zum Ziel, den objektiven Willen einer Vorschrift zu erfassen. Diesem Ziel dienen die grammatikalische, systematische, teleologische und historische Auslegung. Alle vier Methoden sind gleichberechtigt – mit gewisser Nachrangigkeit der historischen Auslegung – und müssen somit parallel angewendet werden. DBA werden üblicherweise in den Sprachen beider Verhandlungspartner abgefasst. Nach Art. 33 WÜRV ist der Abkommenstext in beiden Sprachen verbindlich, solange die Vertragsparteien nicht eine andere Vereinbarung treffen. Für die Auslegung von DBA spielen auch das OECD-MA und der OECD-MK eine wichtige Rolle.135 Das OECD-MA ist kein völkerrechtlicher Vertrag, sondern hat nur den Charakter einer Empfehlung. Das gleiche gilt für den OECD-MK. Da das OECD-MA und der OECD-MK nicht Bestandteil der deutschen Gesetzgebung geworden sind, kommt ihnen keine bindende Wirkung zu. Sie sind auch nicht Bestandteil des Völkergewohnheitsrechts. Umstritten ist die Subsumtion des MA und des MK unter den Art. 31 Abs. 1 bzw. Abs. 4 WÜRV bzw. den Art. 32 WÜRV.136 Im Rahmen der Auslegungsmethoden (Wortlaut, Systematik, Teleologie) werden das OECD-MA und der OECD-MK als wichtige Hilfsmittel herangezogen. Dies gilt besonders, wenn eine Orientierung des DBA am Aufbau und der Konzeption des OECD-MA zum Ausdruck kommt.137
134
Vgl. BFH v. 15.06.1973, III-R-118/70, BStBl. II 1973, S. 811.
135
Vgl. Wassermeyer, F., in: Debatin, H./ Wassermeyer, F. (Hrsg.), Doppelbesteuerung, Band I: Kommentierung des OECD-MA, 104. Erg.-Lfg., München 2008, Art. 3 MA, Rz. 76.
136
Vgl. BFH v. 16.12.1998, I-R-40/97, BStBl. II 1999, S. 208 f.; Wassermeyer, F., spricht sich für eine Subsumtion unter Art. 32 WÜRV aus; ders., in: Debatin, H./ Wassermeyer, F. (Hrsg.), Doppelbesteuerung, Band I: Kommentierung des OECD-MA, 104. Erg.-Lfg., München 2008, Vor Art. 1 MA, Rz. 38; so auch der OECD-Steuerausschuss laut Krabbe, H., OECDMusterabkommen 2000, IStR 2000, S. 197; a.A. Vogel, K., in: Vogel, K./ Lehner, M. (Hrsg.), mit weiteren Literaturverweisen, Doppelbesteuerungsabkommen Kommentar, 5. Aufl., München 2008, Einl., Rz. 125 f.
137
Vgl. Wassermeyer, F., in: Debatin, H./ Wassermeyer, F. (Hrsg.), Doppelbesteuerung, Band I: Kommentierung des OECD-MA, 104. Erg.-Lfg., München 2008, Vor Art. 1 MA, Rz. 34, 44, 51. So auch Vogel, K., in: Vogel, K./ Lehner, M. (Hrsg.), Doppelbesteuerungsabkommen Kommentar, 5. Aufl., München 2008, Einl., Rz. 130 f.
DBA als Völkerrecht: Rechtliche Besonderheiten
2.3.2
115
Autonome Auslegung
Beispiel
Bei der Auslegung von DBA ist zu beachten, dass DBA einen eigenständigen Regelungskreis mit einer eigenständigen Begriffssprache bilden.138 Dieser Umstand verlangt eine hierauf bezogene eigene Auslegung. Begriff der „Betriebsstätte“ Sowohl Art. 5 OECD-MA als auch § 12 AO definieren den Begriff der Betriebsstätte. Trotz der Verwendung desselben Begriffs in beiden Vorschriften ist der Ausdruck „Betriebsstätte“ nach Art. 5 OECD-MA ein rein abkommensrechtlicher Begriff, der enger gefasst ist als die Bestimmung nach der AO.
Die abgegrenzte Begriffswelt folgt aus der Schrankenrechtsfunktion des Abkommensrechts. Als völkerrechtliche Verträge greifen DBA in die innerstaatliche Steuerrechtsordnung zweier Staaten ein, um ein von der Doppelbesteuerung erfasstes Steuergut den beteiligten Staaten (evtl. anteilig) zuzuordnen. Um eine eindeutige Zuordnung zu erreichen und auf diese Weise eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, muss das DBA von beiden Staaten in gleicher Weise verstanden werden. Das Abkommen bestimmt aus sich heraus durch eigene Begriffsbestimmungen die Voraussetzungen für die abkommensrechtliche Ausübung des Besteuerungsrechts.139 Vor allem wenn es um die Beschränkung des Besteuerungsrechts geht, verwendet das Abkommen seine eigene Begriffswelt. Auf die Begriffswelt des innerstaatlichen Rechts der Vertragsparteien wird wesentlich Bezug genommen, wenn es um die Begründung der Steuerpflicht nach Art, Höhe oder Person geht.140 Der Regelungskreis des DBA besteht daher nicht völlig unabhängig von innerstaatlichem Recht. In bestimmten Bereichen setzt das Abkommen innerstaatliches Recht voraus bzw. innerstaatliches Recht bildet innerhalb einer Abkommensnorm den Bezugspunkt der Schrankensetzung.141
138
Vgl. BFH v. 15.01.1971, III-R-125/69, BStBl. II 1971, S. 380; BFH v. 15.06.1973, III-R-118/70, BStBl. II 1973, S. 811.
139
Z.B. durch den Begriff „Ansässigkeit“ nach Art. 4 OECD-MA.
140
Vgl. Wassermeyer, F., Auslegung völkerrechtlicher Verträge, in: Mössner, J./ Blumenwitz, J., Doppelbesteuerungsabkommen und nationales Recht, Heft 18 der Schriftenreihe „Münchener Schriften zum Internationalen Steuerrecht“, hrsg. von Klaus Vogel, München 1995, S. 25; Debatin, H., Doppelbesteuerungsabkommen und innerstaatliches Recht, DStR 1992, Beihefter zu Heft 23, S. 5.
141
So nimmt Art. 6 Abs. 2 OECD-MA bspw. ausdrücklich Bezug auf innerstaatliches Recht; das Abkommen setzt in Bezug auf das nach innerstaatlichem Recht des Belegenheitsstaates definierte Steuergut Schranken; vgl. Debatin, H., Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen als Gegenstand verfehlter Rechnungshofsrüge, DStZ 1989, S. 421; Debatin, H., System und Auslegung der Doppelbesteuerungsabkommen, DB 1985, Beilage 23 zu Heft Nr. 39, S. 4.
116
Auslegung der DBA
2.3.3 Abkommenseigene Auslegungsregel: Art. 3 Abs. 2 OECD-MA Das OECD-MA verfügt mit Art. 3 Abs. 2 OECD-MA (sog. lex-fori-Klausel) über einen eigenen Artikel, der die Frage lösen soll, wann ein Vertragsstaat einen Ausdruck des MA nach seinem innerstaatlichen Recht, der „lex fori“, auslegen darf. Art. 3 Abs. 2 OECD-MA wird auf zwei verschiedene Weisen interpretiert. Vertreter der völkerrechtlichen Theorie wollen innerstaatliches Recht nur subsidiär zur Anwendung bringen. Nach dieser Interpretation ergibt sich aus Art. 3 Abs. 2 OECD-MA folgende Auslegungsreihenfolge142: 1. 2. 3.
Wortlaut und Begriffsdefinition des DBA, Sinn- und Vorschriftenzusammenhang des DBA, Begriffsbestimmungen des innerstaatlichen Rechts.
Vertreter der landesrechtlichen Theorie143 betonen den Vorrang des innerstaatlichen Rechts. Dies folge aus dem zweiten Halbsatz des Art. 3 Abs. 2 OECD-MA „wenn der Zusammenhang nichts anderes erfordert“. Zunächst vollzieht sich die Auslegung nach dem Wortlaut und den Definitionen des Abkommens. Danach kann die Auslegung nach innerstaatlichem Recht erfolgen, „wenn der Zusammenhang nichts anderes erfordert“. Ein systematischer Vorrang der Auslegung aus dem Zusammenhang vor der Auslegung nach nationalem Recht sei nicht zu erkennen.144 Art. 3 Abs. 2 OECD-MA ist nach den Regeln der Art. 31 ff. WÜRV auszulegen, d.h. im Falle des Fehlens einer Definition im Abkommen selbst muss eine Auslegung aus dem Kontext unter Berücksichtigung von Ziel und Zweck vorgenommen werden. Zweck der Verträge ist die Vermeidung der Doppelbesteuerung. Eine Auslegung nach innerstaatlichem Recht des einen oder anderen Vertragsstaates steht im Widerspruch zur Erkenntnis des eigenen Regelungskreises und beeinträchtigt den Zweck der Abkommen, Doppelbesteuerungen durch ein einheitliches Abkommensverständnis zu vermeiden. Bei Rückgriff auf nationales Recht besteht die Gefahr, dass Doppelbesteuerungen entweder bestehen bleiben oder Doppelfreistellungen entstehen (Qualifikationskonflikte)145. Die Auslegung des Begriffs „erfordert“ des Art. 3 Abs. 2 OECD-MA führt zu dem Ergebnis, dass Gegenstand und Zweck der Abkommen einen vorschnellen Rückgriff auf inner-
142
So auch die Entscheidung des BFH v. 30.05.1990, I-R-179/86, BStBl. II 1990, S. 907.
143
Vertreter der landesrechtlichen Theorie ist u.a. Vogel, K., in: Vogel, K./ Lehner, M. (Hrsg.), Doppelbesteuerungsabkommen Kommentar, 5. Aufl., München 2008, Art. 3, Rz. 119.
144
Vgl. Djanani, C./ Brähler, G./ Hartmann, T., Die Finanzverwaltung und die autonome Abkommensauslegung, IStR 2004, S. 481 ff.
145
Vgl. zu dieser Thematik auch Gündisch, S., Analoge Abkommensanwendung zur Überwindung von Qualifikationskonflikten, IStR 2005, S. 829 ff.
Analyse der Struktur des OECD-Musterabkommens
117
staatliches Recht verbieten.146 Der völkerrechtlichen Theorie ist deshalb der Vorzug zu geben.147 Merke: Normen von DBA sind nach den Art. 31-33 WÜRV auszulegen. DBA verkörpern einen eigenständigen Regelungskreis mit einer eigenständigen Begriffssprache (autonome Abkommensauslegung). Entsprechend der völkerrechtlichen Theorie gilt folgende Auslegungsreihenfolge: 1. Wortlaut und Begriffsdefinition des DBA, 2. Sinn- und Vorschriftenzusammenhang des DBA, 3. Begriffsbestimmungen des innerstaatlichen Rechts.
3 Analyse der Struktur des OECD-Musterabkommens Für einen konkreten bilateralen Besteuerungsfall ist stets das DBA einschlägig, das zwischen den betroffenen Ländern abgeschlossen wurde. Da sich die internationale und deutsche Vertragspraxis weitgehend an den Aufbau und die Regelungssystematik des OECDMA halten, wird die Struktur und Wirkungsweise der Abkommen anhand des OECD-MA erläutert.
3.1 Grundlegende Systematik des OECD-MA 3.1.1
Abkommensaufbau
Das OECD-MA ist in sieben Abschnitte untergliedert: I.
Geltungsbereich des Abkommens (Art. 1, 2 OECD-MA) Dieser Abschnitt bestimmt den persönlichen und sachlichen Geltungsbereich, beantwortet also die Frage, für wen und für welche Steuerarten das Abkommen gilt.
II.
Begriffsbestimmungen (Art. 3-5 OECD-MA) Das Abkommen definiert in diesem Abschnitt entsprechend seiner Funktion als eigenständiger Regelungskreis mit eigenständiger Begriffssprache die im Abkommen verwendeten Begriffe. Abkommenseigene Definitionen finden sich darüber hinaus auch
146
Vgl. Gloria, C., Die Doppelbesteuerungsabkommen der Bundesrepublik Deutschland und die Bedeutung der Lex Fori-Klausel für ihre Auslegung, RIW 1986, S. 975 f.
147
So die h.M.; vgl. die Diskussion in Brähler, G., Deutsche Direktinvestitionen in den USA, Hamburg 2002, S. 211 ff.
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Grundlegende Systematik des OECD-MA in Artikeln außerhalb des II. Abschnitts. Zum Beispiel definiert Art. 10 Abs. 3 OECDMA den Dividendenbegriff und Art. 11 Abs. 3 OECD-MA den Zinsbegriff.
III. Zuweisung der Besteuerungsrechte an den Einkünften (Art. 6-21 OECD-MA) Der Abschnitt III legt mit Blickrichtung auf den Quellenstaat fest, inwieweit dessen Besteuerungsrechte hinsichtlich der aufgeführten Einkunftsarten aufrechterhalten oder beschränkt werden („Schrankennormen“).148 Die Auflistung verschiedener Einkunftsarten ähnelt den Katalogeinkünften des §2 EStG. Die abkommensrechtlichen Einkunftsarten sind aufgrund ihres eigenständigen Charakters aber von diesen zu unterscheiden und jede Ähnlichkeit als zufällig zu betrachten. IV. Zuweisung der Besteuerungsrechte am Vermögen (Art. 22 OECD-MA) Der IV. Abschnitt entspricht in seiner Funktion dem III. Abschnitt, bezieht sich jedoch auf die Vermögensbesteuerung („Schrankennorm“). V.
Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (Art. 23 A, B OECD-MA) Soweit die Art. 6-22 OECD-MA nicht schon selbst eine Doppelbesteuerung verhindern, definiert der V. Abschnitt die beiden Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung: Anrechnungs- und Freistellungsmethode149 („Methodenartikel“).
VI. Besondere Bestimmungen (Art. 24-29 OECD-MA) Der VI. Abschnitt regelt bestimmte Sondertatbestände, wie z.B. das Verständigungsverfahren oder den Informationsaustausch zwischen den Behörden. VII. Schlussbestimmungen (Art. 30, 31 OECD-MA) Die beiden Artikel des VII. Abschnitts regeln das Inkrafttreten und die Kündigung des Abkommens. Der III. und IV. Abschnitt, die die sog. Schrankennormen enthalten, bilden mit dem „Methodenartikel“ des V. Abschnitts den Kernbereich des OECD-MA. Die folgende Übersicht zeigt den Aufbau des OECD-MA:
148
In der Literatur finden sich alternative Bezeichnungen wie z.B. „Verteilungsartikel“; vgl. Debatin, H., Zum Grundverständnis der Doppelbesteuerungsabkommen, RIW 1988, S. 728; Vogel, K., in: Vogel, K./ Lehner, M. (Hrsg.), Doppelbesteuerungsabkommen Kommentar, 5. Aufl., München 2008, Einl., Rz. 70.
149
Statt „Freistellungsmethode“ wird auch der Begriff „Befreiungsmethode“ verwendet, so z.B. in der Überschrift des Art. 23 A OECD-MA im Originaltext.
Analyse der Struktur des OECD-Musterabkommens
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Titel und Präambel Abschnitt I. Geltungsbereich des Abkommens Art. 1 Unter das Abkommen fallende Personen Unter das Abkommen fallende Steuern Art. 2 Abschnitt II. Begriffsbestimmungen Art. 3 Allgemeine Begriffsbestimmungen Ansässige Person Art. 4 Art. 5 Betriebsstätte Abschnitt III. Besteuerung des Einkommens Art. 6 Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen Unternehmensgewinne Art. 7 Art. 8 Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Luftfahrt Verbundene Unternehmen Art. 9 Art. 10 Dividenden Art. 11 Zinsen Art. 12 Lizenzgebühren Art. 13 Gewinne aus der Veräußerung von Vermögen Art. 14 (aufgehoben) Art. 15 Einkünfte aus unselbständiger Arbeit Art. 16 Aufsichtsrat - und Verwaltungsratsvergütungen Art. 17 Künstler und Sportler Art. 18 Ruhegehälter Art. 19 Öffentlicher Dienst Art. 20 Studenten Art. 21 Andere Einkünfte
Schrankennormen Adressat: Quellenstaat
Kernbereich des OECD -MA
Abschnitt IV. Besteuerung des Vermögens Art. 22 Vermögen Abschnitt V. Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung Art. 23 A Befreiungsmethode Art. 23 B Anrechnungsmethode Abschnitt VI. Besondere Bestimmungen Art. 24 Gleichbehandlung Art. 25 Verständigungsverfahren Art. 26 Informationsaustausch Art. 27 Amtshilfe bei der Erhebung von Steuern Art. 28 Diplomaten und Konsularbeamte Art. 29 Ausdehnung des räumlichen Geltungsbereichs
Methodenartikel Adressat: Wohnsitzstaat
Abschnitt VII. Schlussbestimmungen Art. 30 Inkrafttreten Art. 31 Kündigung
Abbildung 34:
3.1.2
Übersicht über den Abkommensaufbau des OECD-MA
Wirkungsweise der Abkommen
Dem OECD-MA liegt als Ausgangsproblem die Kollision zwischen unbeschränkter Besteuerung im Wohnsitzstaat und beschränkter Besteuerung im Quellenstaat zugrunde:
120
Grundlegende Systematik des OECD-MA
Doppelzugriff!
Quellenstaat
Wohnsitzstaat
sachliche Beziehung zum Staat:
persönliche Bindung an den Staat:
Einkunfts -, Vermögensquelle
Ansässigkeit (Wohnsitz)
Quellenbesteuerung
Welteinkommensbesteuerung
Territorialitätsprinzip
Universalitätsprinzip
Abbildung 35:
Ansatzpunkt des OECD-MA
An dieser Ausgangssituation setzt das OECD-MA mit dem Ziel an, den Doppelzugriff auf Person und Quelle zu vermeiden, so dass im Idealfall keine Überschneidungen mehr bestehen. Grundlegend für das Verständnis der Wirkungsweise des MA ist die Stellung der Staaten einerseits als Quellenstaat und andererseits als Wohnsitzstaat. Bereits sprachlich wird diese entgegengesetzte Stellung in den Schrankennormen und im Methodenartikel deutlich. Nimmt das OECD-MA Bezug auf den Wohnsitzstaat, so ist in der Regel die Rede von „einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person“, seltener von „einer im anderen Vertragsstaat ansässigen Person“. Spricht das Abkommen den Quellenstaat an, so verwendet es korrespondierend mit der Wortwahl für den Wohnsitzstaat den Begriff „anderer Vertragsstaat“, seltener spricht es von „einem Vertragsstaat“. Vergleiche dazu die folgenden Beispiele: Art. 6 Abs. 1 OECD-MA – Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen „Einkünfte, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person (Wohnsitzstaat) aus unbeweglichem Vermögen (...) bezieht, das im anderen Vertragsstaat (Quellenstaat) liegt, können im anderen Staat (Quellenstaat) besteuert werden.“ Art. 23 A Abs. 1 OECD-MA – Befreiungsmethode „Bezieht eine in einem Vertragsstaat ansässige Person (Wohnsitzstaat) Einkünfte (...) und können diese Einkünfte (...) im anderen Vertragsstaat (Quellenstaat) besteuert werden, (...)“
Analyse der Struktur des OECD-Musterabkommens
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Art. 12 Abs. 1 OECD-MA – Lizenzgebühren „Lizenzgebühren, die aus einem Vertragsstaat (Quellenstaat) stammen und deren Nutzungsberechtigter eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person (Wohnsitzstaat) ist, können nur im anderen Staat (Wohnsitzstaat) besteuert werden.“ Dabei kommt nicht einem Staat die ausschließliche Rolle als Quellen- oder Wohnsitzstaat zu, sondern die Staaten sind wechselseitig angesprochen.150 Ein Staat ist für die in seinem Staatsgebiet ansässigen Personen Wohnsitzstaat, für die im anderen Vertragsstaat ansässigen Personen ist er Quellenstaat. Um den Doppelzugriff auf Person und Quelle zu vermeiden, bieten sich grundsätzlich die folgenden Möglichkeiten an: x Das OECD-MA kann das Besteuerungsrecht des Quellenstaates aufheben. x Das OECD-MA kann das Besteuerungsrecht des Wohnsitzstaates ausschließen. x Das OECD-MA kann als Kombination der beiden zuvor genannten Möglichkeiten das Besteuerungsrecht des Quellen- und des Wohnsitzstaates teilweise aufheben. Das OECD-MA sieht in Abhängigkeit von der Einkunftsart alle drei Möglichkeiten vor. Für die Vermeidung der Doppelbesteuerung verwendet das OECD-MA zwei ineinandergreifende Regelungsebenen: Zunächst legen die Art. 6 bis 22 OECD-MA („Schrankennormen“) grundsätzlich für den Quellenstaat fest, welche Steuerberechtigung diesem für die einzelnen Einkunfts- und Vermögenskategorien verbleibt. Die Steuerberechtigung des Quellenstaates kann aufgehoben, aufrechterhalten sowie in der Besteuerungsgrundlage oder Besteuerungshöhe beschränkt werden. Da sich die Schrankennormen nur in Ausnahmefällen an den Wohnsitzstaat richten, bleibt das Besteuerungsrecht des Wohnsitzstaates von den Schrankennormen grundsätzlich unangetastet. Der Wohnsitzstaat darf nach der Systematik des Abkommens alle Einkünfte bzw. jedes Vermögen des Steuerpflichtigen besteuern. Durch die Schrankennormen allein wird daher in der Regel eine Doppelbesteuerung noch nicht vermieden. Es bedarf einer zweiten Regelungsebene. In Abhängigkeit von der Quellensteuerberechtigung, die dem Quellenstaat nach den Art. 6 bis 22 OECD-MA verbleibt, bestimmt Art. 23 OECD-MA als „Methodenartikel“, auf welche Weise – Anrechnung oder Freistellung – der Wohnsitzstaat eine Doppelbesteuerung auszugleichen hat. Die Beschränkung der Besteuerungsrechte des Wohnsitzstaates besteht in der Freistellung ausländischer Einkünfte von der eigenen Besteuerung bzw. in der Anrechnung der Steuern des anderen Vertragsstaates auf die eigene Steuer. Dies soll an folgendem Beispiel verdeutlicht werden:
150
Vgl. Debatin, H., System und Auslegung der Doppelbesteuerungsabkommen, DB 1985, Beilage Nr. 23 zu Heft Nr. 39, S. 1.
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Grundlegende Systematik des OECD-MA
Art. 6 OECD-MA – Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen „(1) Einkünfte, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unbeweglichem Vermögen (...) bezieht, das im anderen Vertragsstaat liegt, können im anderen Staat besteuert werden.“ Ö Art. 6 OECD-MA bestimmt keine Regelung zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung; im Gegenteil wird dem Quellenstaat zusätzlich zum ohnehin berechtigten Wohnsitzstaat ein Besteuerungsrecht zugesprochen. Ö Es wird eine weitere Bestimmung benötigt, die eine Vermeidung der Doppelbesteuerung bewirkt. Dies ist der Methodenartikel (Art. 23 A bzw. Art. 23 B OECD-MA). Art. 23 A OECD-MA – Befreiungsmethode „(1) Bezieht eine in einem Vertragsstaat ansässige Person Einkünfte (...) und können diese Einkünfte (...) nach diesem Abkommen im anderen Vertragsstaat besteuert werden, so nimmt der erstgenannte Staat (...) diese Einkünfte (...) von der Besteuerung aus.“ Die Art. 6 bis 22 OECD-MA und der Art. 23 OECD-MA stehen in einem aufeinander abgestimmten Wirkungszusammenhang. Immer wenn nach den Art. 6 bis 22 OECD-MA ein Besteuerungsrecht des Quellenstaates (teilweise) aufrechterhalten bleibt, muss der Wohnsitzstaat nach Art. 23 OECD-MA Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ergreifen. Beide Regelungskategorien stellen ein System von Steuerverzichten dar, durch das eine Doppelbesteuerung vermieden wird und gleichzeitig die beteiligten Staaten in angemessener Weise am Steueraufkommen beteiligt werden. Wiederum lässt sich anhand der Sprache der Schrankennormen und des Methodenartikels die Wirkungsweise verdeutlichen: Beispiel: Art. 10 OECD-MA („Dividenden“) Art. 10 Abs. 1 OECD-MA „Dividenden, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Gesellschaft an eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person zahlt, können im anderen Staat besteuert werden.“
Ö Der Wohnsitzstaat des Empfängers kann Dividenden einer im Quellenstaat ansässigen Gesellschaft besteuern.
Analyse der Struktur des OECD-Musterabkommens
123
Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Hs. 1 OECD-MA „Diese Dividenden können jedoch auch in dem Vertragsstaat, in dem die die Dividenden zahlende Gesellschaft ansässig ist, nach dem Recht dieses Staates besteuert werden (...)“
Ö Auch der Quellenstaat, in dem die Gesellschaft ihren Sitz hat, kann besteuern.
Die Schrankennorm des Art. 10 OECD-MA führt noch nicht zu einer Vermeidung der Doppelbesteuerung. Erst aus dem Zusammenspiel mit dem Art. 23 OECD-MA ergibt sich, auf welche Weise der Wohnsitzstaat die Doppelbesteuerung auszugleichen hat. Das OECDMA stellt den Vertragsstaaten die beiden Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (Anrechnung, Freistellung) als gleichberechtigte Alternativen zur Verfügung. Deutschland vereinbart bei Dividendeneinkünften regelmäßig die Anrechnungsmethode gem. Art. 23 B OECD-MA: Art. 23 B Abs. 1 Bst. a OECD-MA – Anrechnungsmethode
Beispiel
Sprache und Wirkungsweise von Schrankennormen und Methodenartikel (1)
Lösung
„Bezieht eine in einem Vertragsstaat an- Ö Der Wohnsitzstaat rechnet die im sässige Person Einkünfte (...) und könQuellenstaat erhobene Quellensteuer nen diese Einkünfte (...) nach diesem Abauf die (auf Grundlage des Welteinkommen im anderen Vertragsstaat bekommens) ermittelte Steuerschuld der steuert werden, so rechnet der erstgeim Wohnsitzstaat ansässigen Person an. nannte Staat a) auf die vom Einkommen dieser Person zu erhebende Steuer den Betrag an, der der im anderen Staat gezahlten Steuer vom Einkommen entspricht (...)“
Nach Art. 10 Abs. 1 OECD-MA kann die Dividende in Deutschland als Lukes Wohnsitzstaat besteuert werden. Auch Australien kann als Quellenstaat, in dem die „Down under“ Public Company Limited by Shares als die Dividende zahlende Gesellschaft ansässig ist, die Dividende besteuern (Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Hs. 1 OECD-MA). Nach Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 Bst. b OECD-MA darf die Steuer aber
Der in Deutschland ansässige Luke Skywalker ist an der australischen „Down under“Public Company Limited by Shares, die einer deutschen AG entspricht, beteiligt. Von dieser erhält Luke eine Dividende i.H.v. 10.000 €. Zwischen Deutschland und Australien besteht ein DBA, das dem OECD-MA entspricht.
124
Grundlegende Systematik des OECD-MA 15 % nicht übersteigen. Demnach behält Australien eine KapESt von 1.500 € ein. In Deutschland als Ansässigkeitsstaat versteuert Luke die Bruttodividende im Rahmen seiner unbeschränkten Steuerpflicht (§ 1 Abs. 1 Satz 1 EStG). Einkünfte nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG unterliegen in Deutschland ab 2009 der Abgeltungsteuer gem. § 32d EStG. Dividenden werden demnach mit einem Einkommensteuersatz i.H.v. 25 % besteuert. Luke muss also eine ESt von 2.500 € zahlen. Soweit ist Luke mit australischer Quellensteuer i.H.v. 1.500 € und deutscher ESt i.H.v. 2.500 € belastet. Hätte Luke eine Dividende einer deutschen AG empfangen, so hätte er nur eine ESt von 2.500 € zahlen müssen. Durch alleinige Anwendung der Schrankennorm des Art. 10 OECD-MA ist eine Doppelbesteuerung folglich noch nicht vermieden. Aus diesem Grund ist Deutschland als Wohnsitzstaat gem. Art. 23 B Abs. 1 Bst. a OECD-MA verpflichtet, die in Australien abgeführte KapESt entsprechend anzurechnen. Dies erfolgt über die in § 32d Abs. 1 Satz 4 EStG normierte Formel: Einkommensteuer =
10.000 € ./. 4 x 1.500 € = 1.000 € 4
Da der Anrechnungshöchstbetrag i.H.v. 2.500 € (= 0,25 x 10.000 €) nicht überschritten wird, kann die ausländische Steuer in voller Höhe angerechnet werden. Somit muss Luke noch deutsche Einkommensteuer i.H.v. 1.000 € zahlen. Von dem Grundsatz, dass durch die Anwendung der Schrankennormen die Doppelbesteuerung noch nicht vermieden wird, sondern erst im Zusammenspiel mit dem Methodenartikel ausgeglichen wird, gibt es jedoch Ausnahmen. Einige Schrankennormen vermeiden eine Doppelbesteuerung von vornherein auf Ebene der Schrankennormen ohne Anwendung des Art. 23 OECD-MA. Die folgende Tabelle zeigt zwei Gruppen von Schrankennormen, die sich anhand ihrer Rechtsfolge charakterisieren lassen. Wiederum ist der Wortlaut der jeweiligen Abkommensnorm bedeutend.
Analyse der Struktur des OECD-Musterabkommens
Wortlaut
Beispiel
125
Art der Schrankennorm
Nur noch ein Staat besitzt das Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 Besteuerungsrecht. OECD-MA: „Gewinne eines Unternehmens Ö Schrankennorm mit abeines Vertragsstaats können nur in schließender Rechtsfolge diesem Staat besteuert werden, (...)“ (Die Rechtsfolge im Wohn„(...) können nur sitzstaat wird allein durch die in (...) besteuert Schrankennorm bestimmt.) werden (...)“ Ö Vermeidung der Doppelbesteuerung bereits auf Ebene der Schrankennorweiteres Beispiel: men; keine Anwendung des Art. 19 Abs. 1 Bst. a OECD-MA Methodenartikels mehr nötig Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2, Satz 2 Hs. 1 OECD-MA: „(...) es sei denn, das Unternehmen übt seine Geschäftstätigkeit im anderen Vertragsstaat durch eine dort gelegene Betriebsstätte aus.
Beide Staaten besteuern weiterhin. Erst die Anwendung des Methodenartikels bestimmt über Anrechnung oder Freistellung und gleicht eine Doppelbesteuerung aus.
Beispiel
Übt das Unternehmen seine Ge- Ö Schrankennorm mit offener „können (auch) schäftstätigkeit auf diese Weise aus, Rechtsfolge (Die Rechtsfolin (...) besteuert so können (lies: können auch!) die ge im Wohnsitzstaat wird werden“ Gewinne des Unternehmens im nicht durch die Schrankenanderen Staat besteuert werden, norm, sondern erst durch den jedoch nur insoweit, als sie dieser Methodenartikel bestimmt.) Betriebsstätte zugerechnet werden Ö Freistellung oder Anrechkönnen.“ nung (Art. 23 A o. B OECD-MA) weiteres Beispiel: Art. 10 Abs. 1 und 2 OECD-MA Sprache und Wirkungsweise von Schrankennormen und Methodenartikel (2) Die österreichische Pegaform GmbH aus Linz beliefert die in München ansässige Horch AG als Just-In-Time Lieferant direkt aus Österreich. Für die Pegaform GmbH war das vergangene Geschäftsjahr aufgrund der konjunkturellen Entwicklung außerordentlich erfolgreich. Fraglich ist, ob Deutschland die Gewinne der Pegaform GmbH besteuern darf, wenn zwischen Österreich und Deutschland ein dem OECD-MA entsprechendes DBA besteht.
126
Grundlegende Systematik des OECD-MA
Lösung
Nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 OECD-MA können die Gewinne des österreichischen Unternehmens Pegaform nur in Österreich besteuert werden, außer das Unternehmen verfügt in Deutschland über eine Betriebsstätte (Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 OECDMA). Da dies im vorliegenden Sachverhalt nicht der Fall ist, darf nur Österreich die Gewinne besteuern. Die Schrankennorm des Art. 7 Abs. 1 Hs. 1 OECD-MA teilt ausschließlich Österreich das Besteuerungsrecht zu. Für eine Anwendung des Art. 23 OECD-MA durch Deutschland besteht keine Notwendigkeit, da Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 OECD-MA die Doppelbesteuerung abschließend bereits auf Ebene der Schrankennormen vermeidet.
Wie die vorangehenden Beispiele zeigen, verwendet das OECD-MA in einigen Artikeln mit offener Rechtsfolge explizit die Formulierung „können (...) auch“ (vgl. Art. 10 Abs. 2 OECD-MA), wenn es Bezug nimmt auf das Besteuerungsrecht des Quellenstaates. In anderen Artikeln wird auf das Wort „auch“ verzichtet (vgl. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 OECDMA). Es heißt lediglich „können (...) im anderen Staat besteuert werden“. Auch ohne explizite Erwähnung des Wortes „auch“ ist diese Formulierung im Sinne von „können auch“ zu verstehen, denn das Besteuerungsrecht des Wohnsitzstaates bleibt grundsätzlich unangetastet, es sei denn, eine Schrankennorm mit abschließender Rechtsfolge weist das Besteuerungsrecht ausschließlich dem Quellenstaat zu. Die folgende Übersicht verdeutlicht die Wirkungsweise der beiden Regelungsebenen des OECD-MA mit dem Ziel, eine Doppelbesteuerung zu vermeiden. Quellenstaat
Wohnsitzstaat
Schrankennormen (Art. 6 - 22 OECD-MA)
Methodenartikel (Art. 23 OECD-MA)
Schrankennorm mit abschließender Rechtsfolge
Schrankennorm mit offener Rechtsfolge
„können nur“
„können (auch)“
Schrankennorm ist selbst Vermeidungsnorm keine Anwendung des Methodenartikels
Schrankennorm vermeidet noch nicht eine Doppelbesteuerung, da Wohnsitzstaat grds. das Besteuerungsrecht hat
Anwendung des Methodenartikels Freistellungsmethode
Anrechnungsmethode
Vermeidung der Doppelbesteuerung
Abbildung 36:
Zusammenspiel von Schrankennormen und Methodenartikel
Analyse der Struktur des OECD-Musterabkommens
127
Das OECD-MA ist zwar primär auf die Vermeidung einer effektiven, d.h. tatsächlich eintretenden Doppelbesteuerung gerichtet, doch aus Praktikabilitätsgründen gelten die Regelungen auch uneingeschränkt für sog. virtuelle Doppelbesteuerungen. Nach diesem Verbot einer denkbaren Doppelbesteuerung gelten die Normen des OECD-MA unabhängig davon, ob ein Staat sein Besteuerungsrecht tatsächlich ausübt.151 Merke: Das OECD-MA setzt an der Ursache der Doppelbesteuerung an: Kollision der Besteuerungsnormen im Wohnsitz- und im Quellenstaat. Zur Vermeidung des Doppelzugriffs verwendet das OECD-MA zwei aufeinander abgestimmte Regelungsebenen: Zunächst umgrenzen die Schrankennormen, Art. 6 bis 22 OECDMA, die Besteuerungsrechte des Quellenstaates. Danach gleicht der Wohnsitzstaat unter Anwendung des Methodenartikels, Art. 23 OECD-MA, eine aufrechterhaltene Quellenbesteuerung durch die Anrechnungs- oder Freistellungsmethode aus. Es muss unterschieden werden zwischen Schrankennormen mit offener und abschließender Rechtsfolge. Schrankennormen mit abschließender Rechtsfolge lassen Schrankennormen selbst zur Vermeidungsnorm werden.
3.1.2.1 Erläuterung der Schrankennormen Die meisten Schrankennormen des OECD-MA sind nach einem einheitlichen Schema aufgebaut.152 Sie enthalten folgende charakteristische Normbestandteile: x Beschränkung der Besteuerungsrechte zwischen den Vertragsstaaten, x Definition des Besteuerungsgegenstands, x Definition von (Gewinn)Ermittlungsgrundsätzen (Erfolgs-/Vermögenszuordnung), x Abgrenzung zu anderen Abkommensartikeln (Subsidiaritätsklauseln). Im Grundsatz steht dem Wohnsitzstaat das uneingeschränkte Besteuerungsrecht zu. Zusätzlich wird dem Quellenstaat ein Besteuerungsrecht in unterschiedlichem Umfang eingeräumt. Der Umfang des Besteuerungsrechts des Quellenstaates richtet sich dabei nach der Stärke der Beziehung der wirtschaftlichen Aktivität zur Volkswirtschaft des Quellenstaates. Bezüglich der Zuweisung des Besteuerungsrechts an den Quellenstaat lassen sich vier Gruppen von Besteuerungsrechten unterscheiden: x Zuweisung eines uneingeschränkten Besteuerungsrechts, x Begrenzung des Umfangs der Bemessungsgrundlage (Einschränkung des Besteuerungsrechts dem Grunde nach),
151
Vgl. BFH v. 28.04.1982, I-R-151/78, BStBl. II 1982, S. 567; BFH v. 20.10.1982, I-R-104/79, BStBl. II 1983, S. 403; BFH v. 14.12.1988, I-R-148/87, BStBl. II 1989, S. 321.
152
Vgl. Scheffler, W., Besteuerung der grenzüberschreitenden Unternehmenstätigkeit, 2. Aufl., München 2002, S. 88 ff.
128
Grundlegende Systematik des OECD-MA x x
Begrenzung der Höhe des Steuersatzes (Einschränkung des Besteuerungsrechts der Höhe nach), kein Besteuerungsrecht des Quellenstaates.
Der Umfang des Besteuerungsrechts des Quellenstaates wird durch die Schrankennormen der Art. 6 bis 22 OECD-MA bestimmt. Die vorgenommene Differenzierung soll im Folgenden durch die Erläuterung anhand des Wortlauts des OECD-MA weiter vertieft werden. x Zuweisung eines uneingeschränkten Besteuerungsrechts: Liegt eine unmittelbare, nachhaltige Verknüpfung mit der ausländischen Volkswirtschaft vor, so wird das Besteuerungsrecht des Quellenstaates uneingeschränkt aufrechterhalten. Solch eine enge Beziehung zur Volkswirtschaft des Quellenstaates wird bei Einkünften aus unbeweglichem Vermögen unterstellt, wenn das unbewegliche Vermögen im Quellenstaat belegen ist (Art. 6 OECD-MA). Im Wohnsitzstaat werden diese Einkünfte von der Besteuerung freigestellt. Diese Vorgehensweise wird als „Belegenheitsprinzip“ bezeichnet. x
Einschränkung des Besteuerungsrechts dem Grunde nach: Eine enge Verknüpfung zur ausländischen Volkswirtschaft liegt in dieser Kategorie nur vor, wenn sich diese durch bestimmte Anknüpfungsmerkmale konkretisiert hat. Im Bereich der Unternehmensgewinne ist dies der Fall bei Vorhandensein einer Betriebsstätte (Art. 7 OECD-MA). Nach dem „Betriebsstättenprinzip“ werden die durch die Betriebsstätte erzielten Einkünfte im Quellenstaat besteuert. Im Wohnsitzstaat werden diese Einkünfte freigestellt. In diesem Fall liegt eine unmittelbare, nachhaltige Teilnahme am Wirtschaftsverkehr des Quellenstaates vor. Durch die Freistellung unterliegt die Betriebsstätte bzw. das Stammhaus als Trägerunternehmen den gleichen steuerlichen Rahmenbedingungen, wie die auf diesem Markt agierenden einheimischen Unternehmen (Kapitalimportneutralität). Bei Einkünften aus selbständiger Arbeit durfte der Quellenstaat diese Einkünfte nur bei Vorliegen einer festen Einrichtung besteuern (Art. 14 OECD-MA a.F.). Art. 14 OECD-MA gleicht in seiner Funktion Art. 7 OECD-MA. Ab dem Jahr 2000 ist Art. 14 OECD-MA als eigenständige Vorschrift gestrichen worden und in Art. 7 OECD-MA aufgegangen. Im vorliegenden Zusammenhang soll Art. 14 OECD-MA dennoch als Beispiel dafür dienen, dass sich für die Einkunftsarten Unternehmensgewinne, selbständige Arbeit und unselbständige Arbeit eine hinreichende Verknüpfung zur Volkswirtschaft des Quellenstaates erst durch bestimmte Anknüpfungsmerkmale (hier: feste Einrichtung) konkretisiert.
Analyse der Struktur des OECD-Musterabkommens
129
Art. 14 Abs. 1 OECD-MA (a.F.) „Einkünfte, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus einem freien Beruf oder sonstiger selbständiger Tätigkeit bezieht, können nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, dass der Person im anderen Vertragsstaat für die Ausübung der Tätigkeit gewöhnlich eine feste Einrichtung zur Verfügung steht. Steht ihr eine solche feste Einrichtung zur Verfügung, so können (lies: können auch!) die Einkünfte im anderen Staat besteuert werden, jedoch nur insoweit, als sie dieser festen Einrichtung zugerechnet werden können.“
Ö Grundsatz: Besteuerung im Wohnsitzstaat Ö Ausnahme: Feste Einrichtung im Quellenstaat. Durch die feste Einrichtung entsteht eine nachhaltige Verknüpfung mit der Volkswirtschaft des Quellenstaates. Nur soweit Gewinne der festen Einrichtung zugerechnet werden können, bleibt das Besteuerungsrecht im Quellenstaat aufrechterhalten. (Beschränkung des Umfangs der Bemessungsgrundlage = Beschränkung dem Grunde nach)
Im Bereich der unselbständigen Arbeit gilt prinzipiell das „Arbeitsortsprinzip“, nach dem eine Besteuerung im Tätigkeitsstaat vorgenommen wird (Art. 15 OECDMA). Im Entsendungsfall wird eine unselbständige Tätigkeit erst nach einer Verweildauer im Quellenstaat von mindestens 184 Tagen mit der Volkswirtschaft des Quellenstaates als hinreichend eng verknüpft angesehen, außer die Vergütungen werden von einem Arbeitgeber oder einer Betriebsstätte gezahlt, die sich im Quellenstaat befinden. Liegen diese Anknüpfungsmerkmale nicht vor, darf im Entsendungsfall ausschließlich der Wohnsitzstaat besteuern. x
Einschränkung des Besteuerungsrechts der Höhe nach: Bei Einkünften aus bestimmten Leistungen (Dividenden, Zinsen) ist die Verbindung zur ausländischen Volkswirtschaft schwächer ausgeprägt. Die Besteuerung ist in diesen Fällen auf einen bestimmten Höchststeuersatz eingeschränkt, da die Erträge aus der Nutzung des Kapitals im Quellenstaat (= Sitzstaat der ausschüttenden Gesellschaft) bereits einer Besteuerung – allerdings bei einem anderen Steuersubjekt – unterliegen. Beispiel: Art. 11 OECD-MA („Zinsen“)
130
Grundlegende Systematik des OECD-MA Art. 11 Abs. 1 OECD-MA „Zinsen, die aus einem Vertragsstaat stammen und an eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person gezahlt werden, können im anderen Staat besteuert werden.“
Ö Einkünfte aus Zinsen können im Wohnsitzstaat besteuert werden.
Art. 11 Abs. 2 OECD-MA „Diese Zinsen können jedoch auch in dem Vertragsstaat, aus dem sie stammen, nach dem Recht dieses Staates besteuert werden; die Steuer darf aber, wenn der Nutzungsberechtigte der Zinsen eine in dem anderen Vertragsstaat ansässige Person ist, 10 vom Hundert des Bruttobetrags der Zinsen nicht übersteigen. (...)“
Ö Auch der Quellenstaat, in dem die auszahlende Gesellschaft ihren Sitz hat, kann besteuern. Ö Die Verbindung zur Volkswirtschaft im Quellenstaat ist schwächer ausgeprägt. Der Steuersatz ist auf maximal 10 % begrenzt (Begrenzung der Höhe des Steuersatzes = Einschränkung des Besteuerungsrechts der Höhe nach).
153
Beispiel
Aufteilung des Steueraufkommens zwischen Wohnsitz- und Quellenstaat
Lösung
Der Wohnsitzstaat verhindert eine Doppelbesteuerung durch die Anrechnungsmethode. Beide Staaten begrenzen ihre Besteuerungskompetenz und teilen sich die Besteuerung.
Spanien darf nach Art. 11 Abs. 2 DBA Deutschland-Spanien, das diesbezüglich dem OECD-MA entspricht, maximal eine KapESt von 10 %, also 800 € erheben. In Deutschland werden die Zinseinkünfte mit dem Abgeltungsteuersatz i.H.v. 25 % (2.000 €) besteuert. Nach dem DBA Deutschland-Spanien153, welches die Anrechnungsmethode gem. Art. 23 B OECD-MA vorsieht, rechnet Deutschland die in Spanien erhobene KapESt auf die deutsche Steuerschuld mit der in § 32d Abs. 1 Satz 4 EStG normierten Formel an. 8.000 € ./. 4 x 800 € Einkommensteuer = = 1.200 € 4
Ludo Decker, der in Berlin wohnt, gewährt der Paparazzi S.L. in Madrid, Spanien, ein Darlehen in Höhe von 100.000 € zu einem Zinssatz von 8 %.
Vgl. DBA-Spanien v. 05.12.1966, BGBl. II 1968, S. 9, BStBl. I 1968, S. 296.
Analyse der Struktur des OECD-Musterabkommens
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Somit belastet Deutschland die Zinseinkünfte von Ludo i.H.v. 8.000 € noch mit 1.200 € Steuern. Deutschland und Spanien teilen das Steueraufkommen untereinander auf. Es kommt zu einer kapitalexportneutralen Besteuerung. Ludo wird in Höhe des inländischen Steuerniveaus besteuert. x
Kein Besteuerungsrecht des Quellenstaates: Bei einer nur schwach ausgeprägten Beziehung zum Quellenstaat wird das Besteuerungsrecht zugunsten des Wohnsitzstaates gänzlich aufgehoben. Dies gilt für die „anderen Einkünfte“ nach Art. 21 OECD-MA, also Einkünfte, die in den anderen Schrankennormen nicht behandelt wurden sowie für Lizenzeinkünfte nach Art. 12 OECD-MA. Das ausschließliche Besteuerungsrecht steht in diesem Fall grundsätzlich dem Wohnsitzstaat zu.
Die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen richtet sich nach den gleichen Grundsätzen. Bei unbeweglichem Vermögen und Betriebsstättenvermögen steht das Besteuerungsrecht dem Quellenstaat zu. Der Wohnsitzstaat stellt diese Gewinne von der Besteuerung frei, allerdings unter Anwendung eines Progressionsvorbehaltes. In allen anderen Fällen hat der Wohnsitzstaat das ausschließliche Besteuerungsrecht (Art. 13 OECD-MA). Merke: Grundsätzlich hat der Wohnsitzstaat das volle Besteuerungsrecht. Zusätzlich wird dem Quellenstaat ein Besteuerungsrecht in dem Ausmaße eingeräumt, das der Stärke der wirtschaftlichen Verknüpfung der beiden Staaten entspricht: (1) Uneingeschränkt, z.B. bei Einkünften aus unbeweglichem Vermögen, (2) dem Grunde nach eingeschränkt, z.B. bei Betriebsstättengewinnen, (3) der Höhe nach eingeschränkt, z.B. bei Zins- und Dividendeneinkünften. Kein Besteuerungsrecht erhält der Quellenstaat bei einer schwach ausgeprägten wirtschaftlichen Verknüpfung (z.B. bei Lizenzeinkünften).
3.1.2.2 Erläuterung der Methodenartikel Die Anwendung der Methodenartikel durch den Wohnsitzstaat hängt davon ab, inwieweit der Besteuerung im Quellenstaat Schranken auferlegt wurden. Darf der Quellenstaat nach den Schrankennormen weiterhin besteuern, so wird die Doppelbesteuerung im Wohnsitzstaat ausgeglichen. Adressat des Art. 23 OECD-MA ist in erster Linie der Wohnsitzstaat.154
154
Vgl. zu der Problematik Djanani, C./ Hartmann, T., Der Progressionsvorbehalt im Nichtansässigkeitsstaat und bei subjektiven Qualifikationskonflikten, IStR 2000, S. 321 ff.
132
Grundlegende Systematik des OECD-MA
Die Art. 23 A und B OECD-MA sehen für den Wohnsitzstaat grundsätzlich zwei Möglichkeiten vor: Freistellung oder Anrechnung. Nach der Freistellungsmethode werden die ausländischen Einkünfte nicht in die inländische Bemessungsgrundlage einbezogen. Allerdings können die ausländischen Einkünfte bei der Berechnung des inländischen Steuersatzes berücksichtigt werden, der auf die restlichen Einkünfte zur Anwendung gelangt (Freistellung unter Progressionsvorbehalt). Die Freistellungsmethode führt zur Besteuerung der ausländischen Einkünfte in Höhe des ausländischen Steuerniveaus (Kapitalimportneutralität). Der Steuerpflichtige sieht sich den gleichen steuerlichen Rahmenbedingungen gegenüber wie der im Quellenstaat ansässige Steuerpflichtige. Nach der Anrechnungsmethode fließen Einkünfte des Quellenstaates mit in die inländische Bemessungsgrundlage ein, allerdings werden Quellensteuern auf die inländische Steuerschuld (in begrenztem Umfang) angerechnet. Es erfolgt also immer eine Besteuerung zumindest in der Höhe des Steuerniveaus des Wohnsitzstaates (Kapitalexportneutralität). Für den Fall eines niedrigeren ausländischen Steuerniveaus spricht man von einer „Heraufschleusung“ auf das inländische Steuerniveau. Liegt das Steuerniveau des Quellenstaates über dem inländischen Steuerniveau, so bleibt der Steuerpflichtige mit dem höheren Steuerniveau des Auslands belastet. Im Inland wird maximal die auf die ausländischen Einkünfte entfallende deutsche Einkommensteuer angerechnet, §§ 34c Abs. 6 Satz 2 i.V.m. 34c Abs. 1 Satz 2 EStG („Anrechnungshöchstbetrag“). Das OECD-MA sieht beide Methoden als gleichwertige Alternativen. Welche Methode für welche Einkunftsart Anwendung findet, hängt von der individuellen Vereinbarung der Vertragsstaaten ab. Deutschland verwendet beide Methoden in seinen DBA. Dabei hängt die zur Anwendung gelangende Methode von der Entscheidung ab, in welchem Ausmaß die ausländischen Einkünfte steuerlich belastet sein sollen. Dies richtet sich wiederum nach der Nähe der Einkunfts- bzw. Vermögensquelle zur Volkswirtschaft des Quellenstaates und nach der volkswirtschaftlichen Förderungswürdigkeit der wirtschaftlichen Aktivitäten. Merke: Wenn der Quellenstaat nach den Schrankennormen weiterhin besteuern darf, soll eine Doppelbesteuerung durch die Anwendung des Methodenartikels (Art. 23 OECD-MA) seitens des Sitzstaates vermieden werden. Es stehen zwei grundsätzliche Methoden zur Auswahl: (1) Freistellungsmethode (Art. 23 A OECD-MA) Die ausländischen Einkünfte werden nicht in die inländische Bemessungsgrundlage mit einbezogen, möglicherweise aber in die Berechnung des inländischen Steuersatzes (Progressionsvorbehalt). Æ Kapitalimportneutralität (2) Anrechnungsmethode (Art. 23 B OECD-MA) Die ausländischen Einkünfte werden in die inländische Bemessungsgrundlage mit einbezogen. Die im Ausland bezahlten Quellensteuern werden in begrenztem Umfang auf die Steuerschuld im Inland angerechnet. Durch
Analyse der Struktur des OECD-Musterabkommens
133
den Anrechnungshöchstbetrag kommt immer das höhere in- oder ausländische Steuerniveau zum Tragen. Æ Kapitalexportneutralität In den deutschen DBA werden in Abhängigkeit von der Förderungswürdigkeit der wirtschaftlichen Aktivität und der Nähe zur Volkswirtschaft des Quellenstaats beide Methoden verwendet. Einkünfte sollen vorrangig im Quellenstaat besteuert und im Inland unter Progressionsvorbehalt freigestellt werden, wenn diese Quellen eng mit dem Quellenstaat verknüpft sind. Im OECD-MA wird für folgende Einkünfte die Freistellungsmethode verwendet: x Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen, x Einkünfte aus einer im Ausland belegenen gewerblichen Betriebsstätte, x Einkünfte aus selbständiger Arbeit im Rahmen einer festen Einrichtung bzw. Betriebsstätte im Quellenstaat, x Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Regelfall), x Einkünfte aus öffentlichen Kassen im Ausland, x Veräußerungsgewinne, bei Veräußerung von unbeweglichem Vermögen oder Betriebsstättenvermögen. Die Anrechnungsmethode findet Anwendung, wenn dem Wohnsitzstaat ein vorrangiges Besteuerungsrecht zugestanden wird, da die Beziehung zum Quellenstaat relativ schwach ausgeprägt ist. Dies ist bei folgenden Einkünften der Fall: x Dividendenzahlungen, x Zinszahlungen. Keine Methode der Vermeidung der Doppelbesteuerung findet Anwendung, wenn dem Quellenstaat ohnehin kein Besteuerungsrecht zugewiesen wird. Dies ist bei folgenden Einkünften der Fall: x Lizenzgebühren, x gewerbliche Einkünfte, soweit keine Betriebsstätte im Ausland vorhanden ist, x Einkünfte aus selbständiger Arbeit, soweit keine feste Einrichtung im Ausland vorliegt, x Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, wenn der Auslandsaufenthalt nicht länger als 183 Tage andauert und die Vergütung nicht von einem Arbeitgeber oder einer Betriebsstätte im Quellenstaat gezahlt wird, x Veräußerungsgewinne bei Veräußerung von Vermögen, das nicht unbeweglich oder einer Betriebsstätte zuzurechnen ist.
134
Grundlegende Systematik des OECD-MA
3.1.2.3 Überblick über die Abgrenzung der Besteuerungsrechte nach dem OECD-MA In der Spalte „Besteuerung im Wohnsitzstaat“ sind jeweils die nach Art. 23 A und B OECD-MA alternativ zur Verfügung gestellten Methoden und die regelmäßig in deutschen DBA für die entsprechende Einkunftsart vereinbarte Methode dargestellt. Einkunftsart („Schrankennorm“)
Besteuerung im Quellenstaat
unbewegliches Vermögen (Art. 6 OECD-MA)
Aufrechterhaltung des uneingeschränkten Besteuerungsrechts „Belegenheitsprinzip“
Unternehmensgewinne (Art. 7 OECD-MA)
Einschränkung des Besteuerungsrechts dem Grunde nach, Begrenzung auf Betriebsstättengewinne „Betriebsstättenprinzip“
See-, Binnenschiff- und Luftfahrt (Art. 8 OECD-MA)
Dividenden (Art. 10 OECD-MA)
Besteuerung im Wohnsitzstaat („Methodenartikel“) Freistellung (Art. 23 A OECD-MA) bzw. Anrechnung (Art. 23 B OECD-MA) Deutsche DBA: Freistellung unter PV Freistellung bzw. Anrechnung
Deutsche DBA: Freistellung unter PV
kein Besteuerungsrecht im Quellenstaat, da Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung entscheidend
Freistellung bzw. Anrechnung
Einschränkung des Besteuerungsrechts der Höhe nach
Anrechnung
Schachteldividenden: 5 %, Portfoliodividenden: 15 %
Deutsche DBA: Freistellung unter PV
Ausnahme: Freistellung für Dividenden bei Schachtelbeteiligungen
Zinsen (Art. 11 OECD-MA)
Einschränkung des Besteuerungsrechts der Höhe nach (10 %)
Anrechnung
Lizenzgebühren (Art. 12 OECD-MA)
Aufhebung des Besteuerungsrechts
uneingeschränktes Besteuerungsrecht
Analyse der Struktur des OECD-Musterabkommens Veräußerungsgewinne (Art. 13 Abs. 1 bis 4 OECD-MA)
135
Einschränkung des Besteuerungsrechts dem Grunde nach: Veräußerungsgewinne aus unbeweglichem Vermögen, Betriebsstättenvermögen, Vermögen einer festen Einrichtung, Schiffe, Luftfahrtzeuge; Aufhebung des Besteuerungsrechts
Freistellung bzw. Anrechnung
Selbständige Arbeit (Art. 14 OECD-MA a.F.)
Einschränkung des Besteuerungsrechts dem Grunde nach, bei Vorliegen einer festen Einrichtung
Freistellung bzw. Anrechnung Deutsche DBA: Freistellung unter PV
Unselbständige Arbeit (Art. 15 OECD-MA)
Aufrechterhaltung des uneingeschränkten Besteuerungsrechts, aber bei Entsendungen Einschränkung des Besteuerungsrechts dem Grunde nach gem. dem eingeschränkten „Arbeitsortprinzip“ (183Tage-Regel)
Freistellung bzw. Anrechnung Deutsche DBA: Freistellung unter PV, wenn 183-Tage-Regel erfüllt
Aufsichtsrats- und Verwaltungsvergütung (Art. 16 OECD-MA)
Aufrechterhaltung des uneingeschränkten Besteuerungsrechts
Freistellung bzw. Anrechnung Deutsche DBA: Anrechnung
Künstler und Sportler (Art. 17 OECD-MA)
Aufrechterhaltung des uneingeschränkten Besteuerungsrechts
Freistellung bzw. Anrechnung Deutsche DBA: Freistellung unter PV
Ruhegehälter (Art. 18 OECD-MA)
Aufhebung des Besteuerungsrechts
uneingeschränktes Besteuerungsrecht
Öffentlicher Dienst (Art. 19 OECD-MA)
Aufrechterhaltung des uneingeschränkten Besteuerungsrechts „Kassenstaatsprinzip“
Freistellung bzw. Anrechnung Deutsche DBA: Freistellung unter PV
(Art. 13 Abs. 5 OECDMA)
Deutsche DBA: Freistellung unter PV
uneingeschränktes Besteuerungsrecht
136
Anwendung der Abkommen
Studenten (Art. 20 OECD-MA)
Aufrechterhaltung des uneingeschränkten Besteuerungsrechts
Freistellung bzw. Anrechnung Deutsche DBA: Freistellung unter PV
Andere Einkünfte (Art. 21 OECD-MA)
Aufhebung des Besteuerungsrechts
uneingeschränktes Besteuerungsrecht
Ausnahme: Zurechnung zu einer Betriebsstätte im Quellenstaat
Ausnahme: Freistellung bzw. Anrechnung Deutsche DBA: Freistellung unter PV
Abbildung 37:
Abgrenzung der Besteuerungsrechte nach dem OECD-MA
3.2 Anwendung der Abkommen 3.2.1
Anwendungsbereich der Abkommen
3.2.1.1 Persönlicher Anwendungsbereich (Art. 1 OECD-MA) Als erster Artikel des Musterabkommens definiert Art. 1 OECD-MA den persönlichen Anwendungsbereich, d.h. er legt den Personenkreis fest, der in den Schutzbereich des Abkommens fällt. Art. 1 OECD-MA ist eine Schlüsselvorschrift, da bei Nichterfüllung der Voraussetzungen des Art. 1 OECD-MA das Abkommen nicht anwendbar ist. Art. 1 OECD-MA („Unter das Abkommen fallende Person“) „Dieses Abkommen gilt für Personen, die in einem Vertragsstaat oder in beiden Vertragsstaaten ansässig sind.“ Zwei Tatbestandsvoraussetzungen sind für eine Abkommensberechtigung zu erfüllen: es muss sich um eine „Person“ i.S.d. Abkommens handeln, und diese Person muss in mindestens einem der beiden Vertragsstaaten „ansässig“ sein. „Personen“ i.S.d. Abkommens sind nach Art. 3 Abs. 1 Bst. a OECD-MA „natürliche Personen, Gesellschaften und andere Personenvereinigungen“. Der abkommensrechtliche Begriff „Gesellschaft“ wird in Art. 3 Abs. 1 Bst. b OECD-MA näher festgelegt. Danach gelten als „Gesellschaft“ i.S.d. Abkommens „juristische Personen oder Rechtsträger, die für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden.“ Zur Erfordernis des Vorliegens einer „Person“ i.S.d. Abkommens tritt die Voraussetzung einer persönlichen Bindung an einen der beiden Vertragsstaaten: die „Ansässigkeit“ der
Analyse der Struktur des OECD-Musterabkommens
137
Person. Eine Person ist nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA in einem Vertragsstaat ansässig, wenn sie „nach dem Recht dieses Staates dort auf Grund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthalts, des Ortes ihrer Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals155 steuerpflichtig ist.“ Durch die ausdrückliche Verweisung auf das innerstaatliche Recht werden die genannten ortsbezogenen Ansässigkeitsmerkmale nach nationalem Recht bestimmt. Es stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis der abkommensrechtliche Begriff „Ansässigkeit“ zum innerstaatlichen Begriff der „unbeschränkten Steuerpflicht“ steht. Das OECDMA setzt zur Vermeidung der Doppelbesteuerung an der Kollision zwischen Wohnsitzund Quellenbesteuerung an. Auf innerstaatlicher Ebene entspricht dies dem Konflikt zwischen unbeschränkter Steuerpflicht und beschränkter Steuerpflicht. Dementsprechend bestimmt sich der Vertragsstaat, der als Wohnsitzstaat bzw. Ansässigkeitsstaat gilt, nach der unbeschränkten Steuerpflicht, die das innerstaatliche Recht beansprucht.156 Die Vorschrift des Art. 4 OECD-MA erfasst die verschiedenen ortsbezogenen Formen einer persönlichen Bindung an einen Staat, die in der Regel nach innerstaatlichem Steuerrecht eine unbeschränkte Steuerpflicht zur Folge haben. Soweit die unbeschränkte Steuerpflicht an die genannten ortsbezogenen Merkmale anknüpft, besteht durch die ausdrückliche Verweisung auf das innerstaatliche Recht Identität zwischen den Begriffen „Ansässigkeit“ und „unbeschränkte Steuerpflicht“.157 Die unbeschränkte Steuerpflicht nach innerstaatlichem Recht bildet daher eine Voraussetzung für die Ansässigkeit.158 Da die Ansässigkeit einer Person die unbeschränkte Steuerpflicht im Ansässigkeitsstaat voraussetzt, kann nur eine Person ansässig sein, die nach dem Steuerrecht dieses Staates Steuersubjekt ist. Daher kann Art. 4 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA wie folgt gelesen werden:
155
Ein solches „ähnliches Merkmal“ ist der Sitz einer Gesellschaft.
156
Vgl. Debatin, H., Standort und Orientierung des deutschen internationalen Steuerrechts, FR 1970, S. 11 f.
157
Vgl. BFH v. 10.08.1983, I-R-241/82, BStBl. II 1984, S. 12; BFH v. 29.01.1986, I-R-109/85, BStBl. II 1986, S. 444; Krabbe, H., OECD-Musterabkommen 2000, IStR 2000, S. 198; Debatin, H., Standort und Orientierung des deutschen internationalen Steuerrechts, FR 1970, S. 11 f.; a.A. Wassermeyer, F., in: Debatin, H./ Wassermeyer, F., (Hrsg.), Doppelbesteuerung, Band I: Kommentierung des OECD-MA, 104. Erg.-Lfg., München 2008, Art. 1 MA, Rz. 34, Art. 4 MA, Rz. 2.
158
Vgl. BFH v. 29.01.1986, I-R-109/85, BStBl. II 1986, S. 444; Krabbe, H., OECDMusterabkommen 2000, IStR 2000, S. 198.
138
Anwendung der Abkommen
Art. 4 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA („Ansässige Person“) „Im Sinne dieses Abkommens bedeutet der Ausdruck „eine in einem Vertragsstaat ansässige Person“ eine Person, die nach dem Recht dieses Staates dort auf Grund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthalts, des Ortes ihrer Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals (unbeschränkt) steuerpflichtig ist, (...)“ Nach Satz 2 des Art. 4 Abs. 1 OECD-MA gilt eine Person nicht als eine im Vertragsstaat ansässige Person, wenn diese nach innerstaatlichem Recht zwar als ansässig gilt, aber lediglich zu einer Quellensteuerbesteuerung herangezogen wird. Nach dem OECD-MK bezieht sich diese Konstellation vor allem auf ausländische Diplomaten und Konsularbeamte.159 Folgendes Prüfungsschema veranschaulicht die Voraussetzungen für den persönlichen Abkommensschutz:
Person Abs.1 1Bst. Bst. a OECD-MA Personi.S.d. i.S.d. Art. Art. 33Abs. a OECD -MA
natürliche Person
Gesellschaften
andere Personenvereinigungen
Ansässigkeit einemVertragsstaat Vertragsstaat Ansässigkeit in in einem (Art. MA) (Art.4 4Abs. Abs.11 OECDOECD -MA)
Wohnsitz
ständiger Aufenthalt
Ort der Geschäftsleitung
ähnliches Merkmal
juristische Personen und Rechtsträger, die wie juristische Personen behandelt werden (Art. 3 Abs. 1 Bst. b OECD-MA)
beide Voraussetzungen kumulativ erfüllt: Abkommensberechtigung i.S.d. Art. 1 OECD-MA
Abbildung 38:
Prüfungsschema – persönliche Abkommensberechtigung
Die Ansässigkeit hat aber nicht nur Bedeutung für die Erlangung des Abkommensschutzes, sondern auch für den Wirkungsmechanismus des OECD-MA. Die Schrankennormen (Art. 6 bis 22 OECD-MA) und der Methodenartikel (Art. 23 OECD-MA) setzen voraus, dass sich ein Staat in der Rolle des Quellenstaates und der andere in der Rolle des Ansässigkeitsstaates befinden. Daher können sich für die Regelungssystematik Probleme ergeben, wenn eine Person in beiden Vertragsstaaten ansässig ist. Für diesen Fall verwendet Art. 4 Abs. 2 bzw. 3 OECD-MA (sog. tie breaker rule) eine gesetzliche Fiktion, nach der nur einer der beiden Staaten als Ansässigkeitsstaat gilt. Mittels einer Rangfolge von Ansässigkeitsmerkmalen wird die engere persönliche Bindung zu einem der beiden Staatsgebiete 159
Vgl. Art. 4 Nr. 8 OECD-MK.
Analyse der Struktur des OECD-Musterabkommens
139
ermittelt. Für natürliche Personen ergibt sich dabei nach Art. 4 Abs. 2 OECD-MA folgende Rangfolge der Ansässigkeitsmerkmale: 1. 2. 3. 4. 5.
ständige Wohnstätte, Mittelpunkt der Lebensinteressen, gewöhnlicher Aufenthalt, Staatsangehörigkeit, Verständigungsverfahren.
Gesellschaften und andere Personenvereinigungen werden von Art. 4 Abs. 3 OECDMA erfasst, wonach Ansässigkeit nur am Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung vorliegt. Die Regelungen der Absätze 2 und 3 des Art. 4 OECD-MA bewirken, dass nur noch in einem Staat eine Ansässigkeit im Sinne des Abkommens vorliegt. Dies führt dazu, dass der Ansässigkeitsstaat seine Rechte als Wohnsitzstaat geltend machen kann, während der Vertragsstaat, der die Rolle des Quellenstaates übernimmt, nur noch in den Grenzen besteuern kann, die ihm die Schrankennormen vorgeben, obwohl die Voraussetzungen der unbeschränkten Steuerpflicht auch in seinem Staatsgebiet vorliegen. Diese Rechtsfolge kann für die Steuerplanung genutzt werden, indem eine doppelte Ansässigkeit bewusst herbeigeführt wird, um die Nachteile der beschränkten Steuerpflicht – insbesondere die Nichtberücksichtigung persönlicher Aspekte – zu vermeiden. Besonderheiten für die Abkommensberechtigung ergeben sich für Betriebsstätten und vor allem für Personengesellschaften. Eine Betriebsstätte ist weder eine Person i.S.d. Abkommens noch kommt ihr eine Steuersubjekteigenschaft zu, so dass eine Betriebsstätte grundsätzlich nicht abkommensberechtigt ist.160 Üblicherweise ist der Träger der Betriebsstätte (sog. Stammhaus) abkommensberechtigt (Einzelunternehmer, Kapitalgesellschaft, etc.). Bei Personengesellschaften steht die Frage im Vordergrund, ob die Personengesellschaft selbst den Abkommensschutz in Anspruch nehmen kann oder ob dieser eventuell nur ihren Gesellschaftern zusteht. Abkommensschutz wird nur einer Person gewährt, die in mindestens einem Vertragsstaat ansässig ist. Daher ist zunächst zu prüfen, ob sie Person i.S.d. Abkommens sein kann. Personengesellschaften können Person i.S.d. Abkommens sowohl nach Art. 3 Abs. 1 Bst. a OECD-MA („andere Personenvereinigungen“) als auch nach Art. 3 Abs. 1 Bst. a, b OECD-MA („Gesellschaft“ i.S.v. „Rechtsträger, die für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden“) sein.
160
Vgl. BFH v. 29.01.1986, I-R-109/85, BStBl. II 1986, S. 444; Prokisch, R., in: Vogel, K./ Lehner, M. (Hrsg.), Doppelbesteuerungsabkommen Kommentar, 5. Aufl., München 2008, Art. 1, Rz. 8.
140
Anwendung der Abkommen
Personengesellschaften als Person i.S.d. Abkommens „andere Personenvereinigungen“
„Rechtsträger, die für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden“
Art. 3 Abs. 1 Bst. a OECD-MA
Art. 3 Abs. 1 Bst. a, b OECD-MA
Beispiel: Deutsche OHG HGB), KG (§§ 161 ff. HGB)
Abbildung 39:
(§§ 105 ff.
Beispiel: Eine amerikanische partnership, die für eine in den USA mögliche Besteuerung als Kapitalgesellschaft optiert hat (sog. check-the-box-regulations)
Subsumtion von Personengesellschaften unter den Personenbegriff
Nach deutschem Verständnis fallen unter den Begriff „andere Personenvereinigungen“ die OHG, KG, GmbH & Co KG als Sonderfall der KG, GbR, Erbengemeinschaft, stille Gesellschaft und EWIV. Einige Länder, wie Ungarn und Spanien, unterwerfen Personengesellschaften wie Kapitalgesellschaften einer eigenen Besteuerung. Andere Länder gewähren Personengesellschaften ein Wahlrecht, steuerlich als Personen- oder Kapitalgesellschaft behandelt zu werden. So können in den USA seit der Einführung der sog. check-the-boxregulations Personengesellschaften für eine Besteuerung als Kapitalgesellschaft optieren.161 Unter den Begriff „Rechtsträger, die für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden“ fallen nach deutschem Körperschaftsteuerrecht z.B. nichtrechtsfähige Vereine, Anstalten, Stiftungen, andere Zweckvermögen (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG) und Betriebe gewerblicher Art von juristischen Personen des öffentlichen Rechts (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG).162 Trotzdem ist eine Personengesellschaft nicht immer abkommensberechtigt. Die Ursache hierfür liegt in der unterschiedlichen ertragsteuerlichen Behandlung von Personengesellschaften. Das Ertragsteuerrecht einiger Staaten besteuert Personengesellschaften intransparent, während andere Staaten Personengesellschaften steuerlich transparent behandeln.163 Bei einer intransparenten Behandlung werden Personengesellschaften selbst als Steuersubjekte eingestuft. Von einer transparenten Besteuerung wird gesprochen, wenn Personengesellschaften selbst keine Steuersubjekteigenschaft zukommt, sondern die dahinterstehenden Gesellschafter mit ihrem entsprechenden Gewinnanteil besteuert werden (Mitunternehmerkonzept).
161
Vgl. Brähler, G., Deutsche Direktinvestitionen in den USA, Hamburg 2002, S. 6.
162
Vgl. Vogel, K., in: Vogel, K./ Lehner, M. (Hrsg.), Doppelbesteuerungsabkommen Kommentar, 5. Aufl., München 2008, Art. 3, Rz. 16.
163
Vgl. Art. 1 Nr. 2-6 OECD-MK.
Analyse der Struktur des OECD-Musterabkommens
141
Abkommensberechtigt sind Personengesellschaften nur dann, wenn sie in einem der Vertragsstaaten unbeschränkt steuerpflichtig sind, also steuerliche Subjektfähigkeit besitzen.164 Folgende Fälle sind zu unterscheiden: (1) Wird in beiden Vertragsstaaten eine Personengesellschaft als Steuersubjekt behandelt und liegen Sitz oder Geschäftsleitung in einem der beiden Staaten, dann ist die Personengesellschaft Person i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Bst. a, b OECD-MA, da zumindest in einem Vertragsstaat eine unbeschränkte Steuerpflicht vorliegt, so dass nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA die Personengesellschaft in einem Vertragsstaat ansässig ist. Ist die Personengesellschaft in beiden Vertragsstaaten ansässig, so gilt sie nach Art. 4 Abs. 3 OECD-MA nur in einem Vertragsstaat als ansässig. In beiden Konstellationen ist die Personengesellschaft selbst abkommensberechtigt. (2) Wird eine Personengesellschaft in beiden Vertragsstaaten transparent besteuert, dann ist die Personengesellschaft Person i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Bst. a OECD-MA, aber sie unterliegt in keinem der beiden Staaten einer unbeschränkten Steuerpflicht. Mangels unbeschränkter Steuerpflicht ist sie somit in keinem der beiden Vertragsstaaten ansässig i.S.d. Art. 4 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA und deshalb auch nicht nach Art. 1 OECD-MA abkommensberechtigt. In diesem Fall können aber die Gesellschafter abkommensberechtigt sein, wenn diese Personen i.S.d. Abkommens und in einem Vertragsstaat ansässig sind.165 Sind die Gesellschafter in verschiedenen Ländern ansässig, so müssen mehrere Abkommen zur Beurteilung der Abkommensberechtigung herangezogen werden. Es ist das jeweilige DBA anzuwenden, das zwischen dem Quellenstaat und dem Wohnsitzstaat des Gesellschafters besteht. Abkommensberechtigt sind die Gesellschafter jeweils mit ihrem Anteil an der Mitunternehmerschaft. Die Beteiligung an einer nicht abkommensberechtigten ausländischen Personengesellschaft wird wie eine im Ausland belegene Betriebsstätte des jeweiligen Mitunternehmers behandelt.166 Der Gesellschafter gilt jeweils als das Stammhaus.167 Jeder einzelne Gesellschafter wird so behandelt, als betreibe er mit seinem Gesellschaftsanteil ein eigenes, von den Mitgesellschaftern unabhängiges Unternehmen, für das er eine Betriebsstätte am Ort der Geschäftsleitung der ausländischen Personengesellschaft unterhält.168 164
Vgl. hierzu auch BMF v. 19.03.2004, IV B 4 – S 1301 USA – 22/04, BStBl. I 2004, S. 411.
165
Die deutsche Rechtsprechung stellt in diesem Fall auf die einzelnen Gesellschafter ab; vgl. Jacobs, O., Internationale Unternehmensbesteuerung, 6. Aufl., München 2007, S. 545 ff.
166
Vgl. BFH v. 17.10.1990, I-R-16/89, BStBl. II 1991, S. 212; BFH v. 27.02.1991, I-R-15/89, BStBl. II 1991, S. 446; BFH v. 26.02.1992, I-R-86/91, BStBl. II 1992, S. 938; BFH v. 04.12.1991, I-R-140/90, BStBl. II 1992, S. 750.
167
Vgl. Prokisch, R., in: Vogel, K./ Lehner, M. (Hrsg.), Doppelbesteuerungsabkommen Kommentar, 5. Aufl., München 2008, Art. 1, Rz. 28; Debatin, H., Subjektiver Schutz unter Doppelbesteuerungsabkommen, BB 1989, Beilage 2 zu Heft 3, S. 8.
168
Vgl. BFH v. 31.07.1991, I-R-60/90, BFH/NV 1992, S. 11; BFH v. 22.01.1992, I-R-42/91, BFH/NV 1992, S. 600.
142
Anwendung der Abkommen
(3) Behandelt der Sitzstaat die Personengesellschaft als Steuersubjekt, während sie im Quellenstaat kein Steuersubjekt ist, dann ist sie Person i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Bst. a, b OECD-MA und im Sitzstaat aufgrund ihrer unbeschränkten Steuerpflicht gem. Art. 4 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA ansässig und somit abkommensberechtigt.169 Der Quellenstaat muss der Personengesellschaft als unter das Abkommen fallende Person den Abkommensschutz gewähren, auch wenn nach seinem innerstaatlichen Recht die Personengesellschaft kein Steuersubjekt ist.170 Für die Erfüllung des persönlichen Anwendungsbereiches ist es in diesem Fall ausreichend, dass der Sitzstaat dem Rechtsgebilde für seine Besteuerungszwecke eigene Steuersubjekteigenschaft zuspricht.171 (4) Wird die Personengesellschaft im Sitzstaat nicht als Steuersubjekt anerkannt, dafür aber im Quellenstaat, so ist die Personengesellschaft im Sitzstaat nicht unbeschränkt steuerpflichtig. Damit ist die Ansässigkeitsvoraussetzung zu verneinen, denn Art. 4 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA spricht von einer Person, „die nach dem Recht dieses Staates (also des Sitzstaates) dort aufgrund ihres (...) Ortes der Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals (unbeschränkt) steuerpflichtig ist, (...)“. Mangels unbeschränkter Steuerpflicht im Sitzstaat entfällt die Abkommensberechtigung der Personengesellschaft.172 Folgende Tabelle fasst die Abkommensberechtigung einer Personengesellschaft entsprechend den Fallkonstellationen zusammen. Abkommensberechtigung einer Personengesellschaft Steuersubjekt / unbeschränkte Steuerpflicht im
Abkommensberechtigung
Sitzstaat
Quellenstaat
ja
Ja
Ja
nein
Nein
Nein
ja
Nein
Ja
nein
Ja
Nein
Abbildung 40:
Übersicht über die Abkommensberechtigung einer Personengesellschaft
169
Vgl. BMF v. 19.03.2004, IV B 4 – S 1301 USA – 22/04, BStBl. I 2004, S. 411; BMF v. 28.05.1998, IV C 5 – S 1301 Spa – 2/98, BStBl. I 1998, S. 557.
170
Vgl. Debatin, H., Subjektiver Schutz unter Doppelbesteuerungsabkommen, BB 1989, Beilage 2 zu Heft 3, S. 5; Krabbe, H., OECD-Musterabkommen 2000, IStR 2000, S. 197.
171
Vgl. Djanani, C./ Brähler, G./ Hartmann, T., Die Finanzverwaltung und die autonome Abkommensauslegung, IStR 2004, S. 481 ff.
172
Vgl. Krabbe, H., OECD-Musterabkommen 2000, IStR 2000, S. 197.
Analyse der Struktur des OECD-Musterabkommens
143
Merke: Der persönliche Anwendungsbereich eines DBA erfordert eine Person i.S.d. Abkommens, die in mindestens einem Vertragsstaat ansässig, d.h. unbeschränkt steuerpflichtig, ist. Bei doppelter Ansässigkeit fingiert die „tie breaker rule“ (Art. 4 Abs. 2, 3 OECD-MA) einen einzigen Ansässigkeitsstaat. Betriebsstätten sind mangels Personeneigenschaft und mangels Steuersubjektfähigkeit nicht abkommensberechtigt. Zu prüfen bleibt die Abkommensberechtigung des Trägers der Betriebsstätte (Stammhaus). Bei einer Personengesellschaft ist auf die Behandlung in ihrem Sitzstaat abzustellen. Nach deutschem Verständnis ist eine PersGes zwar Person i.S.d. Abkommens, aber niemals abkommensberechtigt, da eine PersGes kein Steuersubjekt ist. Abkommensberechtigt sind jedoch die einzelnen Gesellschafter. Personengesellschaften sind abkommensberechtigt, wenn sie zumindest im Sitzstaat nach dessen innerstaatlichem Recht als Steuersubjekt behandelt werden.173
3.2.1.2 Sachlicher Anwendungsbereich (Art. 2 OECD-MA) Art. 2 OECD-MA legt die unter das Abkommen fallenden Steuern fest. Nach Art. 2 Abs. 1 OECD-MA gilt das Abkommen „für Steuern vom Einkommen und Vermögen, die für Rechnung eines Vertragsstaates oder seiner Gebietskörperschaften erhoben werden.“ Damit fällt die deutsche Kirchensteuer als nichtstaatliche Abgabe nicht unter den sachlichen Anwendungsbereich des Abkommens. Da sie allerdings an die Einkommensteuer anknüpft, wird mittelbar auch die Kirchensteuer erfasst. Die Art der Erhebung – Abzugssteuer an der Quelle oder Veranlagung – spielt keine Rolle. Abs. 2 umschreibt die Steuern vom Einkommen und Vermögen näher, ohne eine genaue Definition des Begriffs „Steuer“ vorzunehmen. Nach der Auslegungsregel des Art. 3 Abs. 2 OECD-MA kann daher § 3 Abs. 1 AO für die nähere Definition herangezogen werden. Nicht zum Steuerbegriff gehören die Sozialversicherungsbeiträge. Aus deutscher Sicht gehören in den Kreis der einbezogenen Steuern die Einkommen-, Körperschaft-, Vermögen-174, Grund- und Gewerbesteuer175. Art. 2 Abs. 3 OECD-MA stellt den Vertragsstaaten die Aufstellung eines möglichen Verzeichnisses der im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zu den Steuern vom Einkommen und Vermögen zählenden Steuern frei.
173
Vgl. hierzu auch BMF v. 19.03.2004, IV B 4 – S 1301 USA – 22/04, BStBl. I 2004, S. 411.
174
Die Vermögensteuer wird seit dem 01.01.1997 nicht mehr erhoben.
175
Die Gewerbekapitalsteuer ist seit dem 01.01.1998 abgeschafft.
144
Anwendung der Abkommen
Nach Abs. 4 ist das Abkommen auch auf zukünftige Steuern „gleicher oder im Wesentlichen ähnlicher Art“ anzuwenden, damit nicht bei jeder Änderung der innerstaatlichen Gesetze der Abschluss eines neuen Vertrages erforderlich ist.176 Der in Deutschland erhobene Solidaritätszuschlag ist eine im Verhältnis zur Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer ähnliche Steuer.
3.2.1.3 Räumlicher Anwendungsbereich (Art. 29 OECD-MA) Unter den räumlichen Anwendungsbereich fällt üblicherweise das Hoheitsgebiet der jeweiligen Vertragsstaaten, das vor allem durch die Staatsgrenzen bestimmt wird. Von dieser Regel gibt es allerdings auch Ausnahmen wie das DBA-Dänemark177, welches Grönland und die Färöer Inseln trotz staatsrechtlicher Zugehörigkeit zu Dänemark nicht in den räumlichen Anwendungsbereich aufnimmt. Das DBA-Niederlande178 gilt derzeit niederländischerseits nur für den in Europa belegenen Teil des Königreichs. In einigen Fällen gibt es die Möglichkeit, dass ein Staat in bestimmten Gebieten begrenzte Hoheitsrechte ausüben kann oder aus politischen Gründen eine Einbeziehung oder einen Ausschluss eines Gebietes vornimmt. Art. 29 Abs. 1 OECD-MA bietet die Möglichkeit, das Abkommen auf zuvor ausgeschlossene Gebiete, überseeische Gebiete oder Gebiete, dessen internationale Beziehungen der Vertragsstaat wahrnimmt, zu erstrecken. Diese Erstreckung des räumlichen Geltungsbereichs erfolgt durch bloßen Austausch von Noten, ohne Neuverhandlungen über das Abkommen. Nach Abs. 2 gilt eine Kündigung nach Art. 31 OECD-MA auch für Gebiete, auf die das Abkommen erstreckt wurde. Die meisten deutschen DBA enthalten keine dem Art. 29 OECD-MA entsprechende Regelung.179 Der räumliche Anwendungsbereich betrifft daher meist das Hoheitsgebiet des jeweiligen Vertragsstaates.
3.2.1.4 Zeitlicher Anwendungsbereich (Art. 30, 31 OECD-MA) Nach dem Recht einiger Staaten kommt völkerrechtlichen Verträgen unmittelbare innerstaatliche Wirkung zu, während sie in anderen Staaten – so auch in Deutschland nach Art. 59 Abs. 2 GG – der parlamentarischen Zustimmung bedürfen. Art. 30 Abs. 1 OECDMA (Ratifikationsklausel) bestimmt, dass das Abkommen erst für beide Vertragsstaaten
176
Vgl. Art. 2 Nr. 1 OECD-MK.
177
Vgl. DBA-Dänemark v. 22.11.1995, BGBl. II 1996, S. 2565, BStBl. I 1996, S. 1219.
178
Vgl. DBA-Niederlande v. 16.06.1959, BGBl. II 1960, S. 1781, BStBl. I 1960, S. 381.
179
Vgl. Waldhoff, C., in: Vogel, K./ Lehner, M. (Hrsg.), Doppelbesteuerungsabkommen Kommentar, 5. Aufl., München 2008, Art. 29, Rz. 9, 18.
Analyse der Struktur des OECD-Musterabkommens
145
völkerrechtlich verbindlich ist, wenn es beide ratifiziert haben.180 Abs. 2 bestimmt sowohl das Inkrafttreten als auch die erstmalige Anwendung. Art. 31 OECD-MA regelt die Kündigung und letztmalige Anwendung von DBA. DBA werden normalerweise auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Um sie außer Kraft zu setzen, bedarf es einer Kündigung unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten und einer vereinbarten Mindestlaufzeit des Vertrages. Die letztmalige Anwendung eines DBA fällt häufig mit dem Außerkrafttreten zusammen, kann aber auch abweichend davon geregelt werden.
3.2.2
Anwendung der Schrankennormen (Art. 6-22 OECD-MA)
3.2.2.1 Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen (Art. 6 OECD-MA) Art. 6 OECD-MA ist die erste Schrankennorm des III. Abschnitts des OECD-MA. Der Artikel regelt die Besteuerung von Einkünften, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unbeweglichem Vermögen, das im anderen Vertragsstaat liegt, bezieht. Art. 6 OECD-MA folgt dem typischen Aufbau einer Schrankennorm: Absätze Abs. 1 Abs. 2 und 3 Abs. 4
Erläuterung des Abs. 1
Abbildung 41:
charakteristische Normbestandteile spezifischer Regelungsinhalt Beschränkung der Besteuerungsrechte zwischen den Vertragsstaaten
Belegenheitsprinzip
Definition des Besteuerungsgegenstands
abkommensrechtliche Legaldefinition des Ausdrucks „unbewegliches Vermögen“
Abgrenzung zu anderen Abkommensartikeln (Subsidiaritätsklausel)
Vorrang des Belegenheitsprinzips vor dem Betriebsstättenprinzip
Aufbau des Art. 6 OECD-MA
Absatz 1 formuliert den Grundsatz der Besteuerung im Staat der Einkunftsquelle, d.h. im Belegenheitsstaat. Das Besteuerungsrecht steht dem Vertragsstaat zu, in dem das unbewegliche Vermögen belegen ist, aus dem die Einkünfte bezogen werden (Belegenheitsprinzip).181 Zu den Einkünften aus der Nutzung unbeweglichen Vermögens gehören nach Art. 6 Abs. 1 OECD-MA auch Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft.
180
Vgl. Wassermeyer, F., in: Debatin, H./ Wassermeyer, F. (Hrsg.), Doppelbesteuerung, Band I: Kommentierung des OECD-MA, 104. Erg.-Lfg., München 2008, Art. 30, 31 MA, Rz. 1.
181
Vgl. Art. 6 Nr. 1 OECD-MK.
146
Anwendung der Abkommen
Art. 6 Abs. 1 OECD-MA „Einkünfte, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unbeweglichem Vermögen (einschließlich der Einkünfte aus land- und forstwirtschaftlichen Betrieben) bezieht, das im anderen Vertragsstaat liegt, können im anderen Staat besteuert werden.“
Ö Besteuerungsrecht des Quellenstaates (Belegenheitsprinzip) Ö Schrankennorm mit offener Rechtsfolge
Nach der Formulierung des Absatzes 1 handelt es sich um eine Schrankennorm mit offener Rechtsfolge. Art. 6 Abs. 1 OECD-MA weist dem Quellenstaat, in dem das Vermögen belegen ist, das uneingeschränkte Besteuerungsrecht zu. Der Grund dafür liegt in der engen wirtschaftlichen Verbindung zwischen der Quelle der Einkünfte und dem Quellenstaat.182 Parallel dazu steht auch dem Wohnsitzstaat das uneingeschränkte Besteuerungsrecht zu. Eine Doppelbesteuerung wird deshalb erst durch das Zusammenspiel von Schrankennorm (Art. 6 OECD-MA) und Anwendung des Methodenartikels (Art. 23 OECD-MA) durch den Wohnsitzstaat vermieden. Deutschland stellt in seinen vereinbarten DBA die Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen in der Regel unter Progressionsvorbehalt frei. Die weiteren Absätze 2 bis 4 haben im Verhältnis zu Absatz 1 nur eine erläuternde Funktion. Die Absätze 2 und 3 definieren Begriffe des Absatzes 1 näher, Absatz 4 regelt das Verhältnis des Art. 6 zu den weiteren Schrankennormen. Art. 6 Abs. 2 OECD-MA „Der Ausdruck „unbewegliches Vermögen“ hat die Bedeutung, die ihm nach dem Recht des Vertragsstaates zukommt, in dem das Vermögen liegt. Der Ausdruck umfasst in jedem Fall das Zubehör zum unbeweglichen Vermögen, das lebende und tote Inventar land- und forstwirtschaftlicher Betriebe, die Rechte, für die die Vorschriften des Privatrechts über Grundstücke gelten, Nutzungsrechte an unbeweglichem Vermögen sowie Rechte auf veränderliche oder feste Vergütungen für die Ausbeutung oder das Recht auf Ausbeutung von Mineralvorkommen, Quellen und anderen Bodenschätzen; Schiffe und Luftfahrzeuge gelten nicht als unbewegliches Vermögen.“
Ö Verweis auf innerstaatliches Recht Ö Positivkatalog, Satz 2 hat Vorrang vor Satz 1
Ö Negativkatalog
Art. 6 Abs. 2 Satz 1 OECD-MA erläutert, was unter dem Ausdruck „unbewegliches Vermögen“ zu verstehen ist. Das MA macht die Begriffsdefinition des nationalen Rechts des 182
Vgl. Art. 6 Nr. 1 OECD-MK.
Analyse der Struktur des OECD-Musterabkommens
147
Belegenheitsstaates zum Vertragsinhalt des DBA, so dass dessen Verständnis des Ausdrucks „unbewegliches Vermögen“ auch für den Wohnsitzstaat verbindlich ist (Qualifikationsverkettung). Der Zweck der Qualifikationsverkettung liegt in der Festlegung eines für beide Vertragsstaaten verbindlichen Begriffsverständnisses. Auf diese Weise werden Qualifikationskonflikte vermieden, wenn bspw. ein Vermögensgegenstand nach dem Recht eines Staates nicht zum unbeweglichen Vermögen zählt.183 Merke: Durch Qualifikationsverkettungen in DBA soll ein einheitliches Begriffsverständnis durch den Quellen- und Wohnsitzstaat erreicht werden, um die Abkommensanwendung zwischen den beiden Staaten zu harmonisieren. Neben dem Begriff des „unbeweglichen Vermögens“ nimmt das OECD-MA auch beim Dividendenbegriff eine Qualifikationsverkettung vor. Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Hs. 1 OECD-MA enthält einen Katalog von Vermögenswerten, die „in jedem Fall“ unbewegliches Vermögen darstellen. Satz 2 genießt insoweit Vorrang vor Satz 1.184 Nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 OECD-MA zählen Schiffe und Luftfahrzeuge nicht zum unbeweglichem Vermögen. Diese Negativdefinition ist nur klarstellender Natur, da Art. 8 OECD-MA „lex-specialis“-Charakter gegenüber Art. 6 OECD-MA besitzt.185 Nach Abs. 3 der Vorschrift gilt das Belegenheitsprinzip für Einkünfte aus jeder Art der Nutzung unbeweglichen Vermögens.186 Dies schließt eine mittelbare Nutzung ein.187 Art. 6 Abs. 3 OECD-MA „Absatz 1 gilt für die Einkünfte aus der unmittelbaren Nutzung, der Vermietung und Verpachtung sowie jeder anderen Art der Nutzung unbeweglichen Vermögens.“ In einigen Fällen können Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen verschiedenen Einkunftsarten des OECD-MA gleichzeitig zugeordnet werden. Aus diesem Grund formuliert Art. 6 Abs. 4 OECD-MA den Vorrang des Belegenheits- vor dem Betriebsstättenprinzip der Art. 7, 14 OECD-MA.188
183
Vgl. Art. 6 Nr. 2 OECD-MK.
184
Vgl. Wassermeyer, F., in: Debatin, H./ Wassermeyer, F. (Hrsg.), Doppelbesteuerung, Band I: Kommentierung des OECD-MA, 104. Erg.-Lfg., München 2008, Art. 6 MA, Rz. 26.
185
Vgl. Grotherr, S./ Herfort, C./ Strunk, G., Internationales Steuerrecht, 2. Aufl., Achim 2003, S. 459.
186
Vgl. Reimer, E., in: Vogel, K./ Lehner, M. (Hrsg.), Doppelbesteuerungsabkommen Kommentar, 5. Aufl., München 2008, Art. 6, Rz. 131.
187
Vgl. BFH v. 28.04.1982, I-R-151/78, BStBl. II 1982, S. 566.
188
Vgl. BFH v. 14.07.1993, I-R-71/92, FR 1994, S. 60.
148
Anwendung der Abkommen
Art. 6 Abs. 4 OECD-MA „Die Absätze 1 und 3 gelten auch für Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen eines Unternehmens.“
Beispiel
Belegenheits- und Betriebsstättenprinzip; Isolierende Betrachtungsweise
Lösung
Der Vorrang des Belegenheitsprinzips bedeutet, dass stets dem Belegenheitsstaat das Besteuerungsrecht zusteht, unabhängig davon, ob das unbewegliche Vermögen zu einem Betriebsstättenvermögen (bzw. einer festen Einrichtung) oder zum Privatvermögen gehört.189 Absatz 4 verfolgt den Zweck, Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen auch dann in dem Staat zu besteuern, in dem das Vermögen liegt, wenn das Vermögen nicht zu einer dort gelegenen Betriebsstätte gehört.190 Auf diese Weise kann der Belegenheitsstaat unbewegliches Vermögen selbst dann besteuern, wenn er Unternehmensgewinne nach Art. 7 OECD-MA mangels Betriebsstätte nicht besteuern könnte.
Nach Art. 7 Abs. 1 OECD-MA können Unternehmensgewinne nur in Deutschland besteuert werden, außer das Unternehmen verfügt über eine Betriebsstätte in Dänemark. Die Vermietung der Ferienwohnung auf Fünen begründet keine Betriebsstätte, so dass Dänemark die Mieteinkünfte nicht besteuern könnte. Allerdings geht nach Art. 6 Abs. 4 OECD-MA das Belegenheitsprinzip des Art. 6 Abs. 1 OECD-MA dem Betriebsstättenprinzip des Art. 7 Abs. 1 OECD-MA vor, so dass Dänemark die Einkünfte aus der Vermietung der Ferienwohnung besteuern darf.
Die Hamburger Unternehmerin Grace vermietet ein auf der dänischen Insel Fünen gelegenes Ferienhaus für Erholungszwecke an ihre Angestellten. Das Grundstück gehört zum gewillkürten Betriebsvermögen.
Nach innerstaatlichem Recht wird Dänemark die isolierende Betrachtungsweise (analog § 49 Abs. 2 dEStG) – wie es für vergleichbare Sachverhalte in Deutschland bis einschließlich VZ 2008 vorgesehen war – anwenden, so dass Grace mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (!) beschränkt steuerpflichtig in Dänemark ist.
189
Da Art. 14 OECD-MA in Art. 7 OECD-MA aufgegangen ist, wurde im Art. 6 Abs. 4 OECD-MA der Halbsatz „(...) und für Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen, das der Ausübung einer selbständigen Arbeit dient“ gestrichen.
190
Vgl. Art. 6 Nr. 4 OECD-MK.
Analyse der Struktur des OECD-Musterabkommens
149
Merke: Nach dem Belegenheitsprinzip hat jener Staat das uneingeschränkte Besteuerungsrecht, mit dessen Volkswirtschaft eine unmittelbare, nachhaltige Verknüpfung vorliegt (z.B. Art. 6 OECD-MA). Bei Unternehmensgewinnen ist grundsätzlich das Vorhandensein einer Betriebsstätte entscheidend dafür, ob nur im Sitz- oder auch im Quellenstaat besteuert werden kann (Betriebsstättenprinzip). Für Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen hat das Belegenheitsprinzip Vorrang, Art. 6 Abs. 4 OECD-MA. Veräußerungen unbeweglichen Vermögens fallen nicht unter Art. 6 OECD-MA, sondern unter Art. 13 OECD-MA, der als „lex specialis“ Vorrang genießt. Entgelte für die Ausbeutungsrechte an unbeweglichem Vermögen werden hingegen von Art. 6 OECD-MA und nicht von Art. 12 OECD-MA („Lizenzen“) erfasst.
Beispiel
„Ob“ und „Wie“ der Besteuerung
Lösung
Der Regelungsbereich eines DBA beschränkt sich auf die Zuteilung der Besteuerungsrechte, genauer auf die Auferlegung von Besteuerungsgrenzen, d.h. das „Ob“ der Besteuerung wird bestimmt. Daher regelt Art. 6 OECD-MA nicht das „Wie“ der Besteuerung. Die Ermittlung der Einkünfte richtet sich ausschließlich nach innerstaatlichem Recht. Bezogen auf Deutschland werden die abkommensrechtlichen Einkünfte einer der sieben Einkunftsarten des EStG zugeordnet.191
Art. 6 Abs. 1 OECD-MA weist Deutschland als Belegenheitsstaat das uneingeschränkte Besteuerungsrecht zu („Ob“ der Besteuerung).
Der in London lebende Mr. Ripley ist Besitzer eines im friesischen Stil erbauten Hauses in Kampen/Sylt, das er ganzjährig an prominente Schauspieler und Künstler vermietet.
Deutschland füllt innerstaatlich dieses Besteuerungsrecht nach den Vorschriften über die beschränkte Einkommensteuerpflicht aus. Mr. Ripley ist eine natürliche Person, die im Inland weder über einen Wohnsitz (§ 8 AO) verfügt noch einen gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AO) begründet. Daher ist Mr. Ripley nach § 1 Abs. 4 EStG beschränkt steuerpflichtig, wenn er inländische Einkünfte i.S.d. § 49 EStG erzielt. Nach § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG fallen unter inländische Einkünfte i.S.d. § 1 Abs. 4 EStG Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 21 EStG. Mr. Ripley erzielt durch die Vermietung des Hauses in Kampen nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung („Wie“ der Besteuerung).
191
Vgl. BFH v. 24.09.1985, IX-R-143/83, BStBl. II 1986, S. 288; BFH v. 22.05.1991, I-R-32/90, BStBl. II 1992, S. 94; BFH v. 14.08.1991, I-R-133/90, BStBl. II 1992, S. 90.
150
Anwendung der Abkommen
3.2.2.2 Unternehmensgewinne (Art. 7 OECD-MA) 3.2.2.2.1
Überblick
Der Artikel über die Unternehmensgewinne ist einer der bedeutendsten innerhalb des OECD-MA. Der weitaus größte Teil der internationalen Wirtschaftsaktivitäten fällt unter diese Einkunftsart.192 Systematisch gehören Art. 7, 8 und 9 OECD-MA zusammen, da alle drei Unternehmensgewinne behandeln.193 Art. 8 OECD-MA steht zu Art. 7 OECD-MA in einem Verhältnis der Spezialität, denn er behandelt den Sonderfall der Unternehmensgewinne aus dem Betrieb von Seeschiff-, Binnenschiff- und Luftfahrt. Art. 9 OECD-MA regelt die Korrektur von Unternehmensgewinnen zwischen verbundenen Unternehmen. Nach Art. 7 OECD-MA führt nicht jede grenzüberschreitende unternehmerische Betätigung zu einer Besteuerung im Quellenstaat, sondern sie bedarf einer hinreichend engen Verknüpfung mit der Volkswirtschaft des Quellenstaates in Form einer Betriebsstätte. Für den Bereich der Unternehmensgewinne entscheidet das Vorliegen einer Betriebsstätte darüber, ob Unternehmensgewinne nur im Sitzstaat des Unternehmens oder auch im Quellenstaat besteuert werden können (Betriebsstättenprinzip). Der Betriebsstättentatbestand entscheidet somit darüber, welchem Steuerniveau die Gewinne eines Unternehmens unterliegen. Ist das ausländische Steuerniveau niedriger, so erscheint die Begründung einer Betriebsstätte im Ausland vorteilhaft, wenn der Wohnsitzstaat eine Freistellung der Einkünfte gewährt. Bei höherem ausländischen Steuerniveau ist die Begründung einer Betriebsstätte im Ausland aus steuerlicher Sicht möglichst zu vermeiden. Daher kommt dem Begriff der Betriebsstätte entscheidende Bedeutung zu. Was als Betriebsstätte gilt, bestimmt Art. 5 OECD-MA.
3.2.2.2.2
Betriebsstättenbegriff (Art. 5 OECD-MA)
Der Begriff der Betriebsstätte verfolgt den Zweck festzulegen, wann ein Vertragsstaat berechtigt ist, die Gewinne eines Unternehmens des anderen Vertragsstaates zu besteuern.194 Art. 5 OECD-MA zeigt folgenden Aufbau:
192
Vgl. Hemmelrath, A., in: Vogel, K./ Lehner, M. (Hrsg.), Doppelbesteuerungsabkommen Kommentar, 5. Aufl., München 2008, Art. 7, Rz. 2.
193
Vgl. Hemmelrath, A., in: Vogel, K./ Lehner, M. (Hrsg.), Doppelbesteuerungsabkommen Kommentar, 5. Aufl., München 2005, Art. 7, Rz. 7.
194
Vgl. Art. 5 Nr. 1 OECD-MK.
Analyse der Struktur des OECD-Musterabkommens
Absätze
spezifischer Regelungsinhalt
Abs. 1 Abs. 2 Abs. 3
allgemeine Betriebsstättendefinition Positivkatalog von Betriebsstätten sachliche Anknüpfungsmerkmale für Betriebsstätten Bauausführungen und Montagen
Abs. 4 Abs. 5 Abs. 6
Negativkatalog von Betriebsstätten persönliche Anknüpfungsmerkmale
Abs. 7 Abbildung 42:
151
abhängiger Vertreter unabhängiger Vertreter
Vertreterbetriebsstätte
Anti-Organ-Klausel für verbundene Unternehmen Aufbau des Art. 5 OECD-MA
Art. 5 Abs. 1 OECD-MA definiert eine Betriebsstätte ganz allgemein als „eine feste Geschäftseinrichtung, durch die die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird.“ Der Betriebsstättenbegriff setzt demnach voraus:195 x Das Bestehen einer Geschäftseinrichtung, d.h. einer Einrichtung wie Räumlichkeiten oder in gewissen Fällen maschineller Anlagen196 oder Ausrüstungen, x die Geschäftseinrichtung muss fest sein, d.h. sie muss sich an einem bestimmten Ort für eine gewisse Dauer befinden, x das Unternehmen muss seine Tätigkeit durch die feste Geschäftseinrichtung ausüben. Abs. 2 des Artikels ergänzt die allgemeine Betriebsstättendefinition des Abs. 1 durch einen beispielhaften Katalog von Betriebsstätten. Durch den Ausdruck „insbesondere“ wird deutlich, dass die Aufzählung nicht abschließend ist. Die aufgeführten Beispiele müssen die allgemeinen Betriebsstättenmerkmale des Abs. 1 erfüllen.197
195
Vgl. Art. 5 Nr. 2 OECD-MK.
196
Bspw. ein Server für den Internethandel.
197
Vgl. Art. 5 Nr. 12 OECD-MK.
152
Anwendung der Abkommen
Art. 5 Abs. 2 OECD-MA „Der Ausdruck „Betriebsstätte“ umfasst insbesondere: a) einen Ort der Leitung, b) eine Zweigniederlassung, c) eine Geschäftsstelle, d) eine Fabrikationsstätte, e) eine Werkstätte, f) ein Bergwerk, ein Öl- oder Gasvorkommen, einen Steinbruch oder eine andere Stätte der Ausbeutung von Bodenschätzen.“ Art. 5 Abs. 3 OECD-MA stellt eine „lex-specialis“-Vorschrift zu Abs. 1 dar, nach der eine „Bauausführung oder Montage (...) nur dann (als) eine Betriebsstätte“ anzusehen ist, „wenn ihre Dauer zwölf Monate überschreitet“. Bei Überschreiten der zwölf Monate ist eine Bauausführung oder Montage stets eine Betriebsstätte, auch wenn die allgemeinen Voraussetzungen des Abs. 1 nicht erfüllt sind. Bei Unterschreiten der Zwölf-MonatsGrenze wird keine Betriebsstätte begründet. Hinter der Frist von zwölf Monaten steht die Idee, dass erst ab einer gewissen Intensität der wirtschaftlichen Aktivität der Quellenstaat ein Besteuerungsrecht erhalten soll. Abweichend vom MA wird – häufig in Abkommen mit Entwicklungs- oder Schwellenländern – bereits bei Überschreiten einer Frist von sechs oder neun Monaten eine Betriebsstätte begründet. Damit erhält der Betriebsstättenstaat früher ein Besteuerungsrecht. In Anbetracht dessen, dass Bauleistungen eher von Unternehmen der Industriestaaten ausgeführt werden, begünstigt eine kürzere Frist die Entwicklungsländer.198 Art. 5 Abs. 4 OECD-MA stellt einen Negativkatalog auf, welche Einrichtungen nicht als Betriebsstätten gelten. Selbst wenn die Voraussetzungen des Abs. 1 erfüllt sind, werden die aufgeführten Einrichtungen nicht als Betriebsstätte behandelt („Ungeachtet der vorstehenden Bestimmungen (...)“). Auch Abs. 4 kommt „lex-specialis“-Charakter im Vergleich zu Abs. 1, 2 und 3 zu.199 Allen Tatbeständen des Negativkatalogs ist gemein, dass sie Hilfsoder vorbereitende Tätigkeiten darstellen. Diese Hilfs- oder vorbereitenden Tätigkeiten werden mittels einer gesetzlichen Fiktion („gelten nicht“) aus der Betriebsstättenbesteuerung herausgenommen.200 Hilfstätigkeiten und vorbereitende Arbei-
198
Deutschland hat eine Sechs-Monats-Frist in den DBA mit bspw. Australien, Bangladesch, China, Singapur und Zypern, eine Neun-Monats-Frist in den DBA mit bspw. Belgien, Estland, Kuwait, Lettland und Litauen, eine Zwölf-Monats-Frist in den DBA mit bspw. Frankreich, Großbritannien, Japan, Kanada, Korea, Kroatien, Österreich, Polen, Rumänien, der Russischen Föderation, der Schweiz und den USA, sowie eine nach Art der Bauausführung bzw. Montage differenzierende Sechs- oder Drei-Monatsfrist im DBA-Thailand vereinbart.
199
Vgl. BFH v. 23.01.1985, I-R-292/81, BStBl. II 1985, S. 419.
200
Vgl. Art. 5 Nr. 21 OECD-MK.
Analyse der Struktur des OECD-Musterabkommens
153
ten sind weit von einer tatsächlichen Gewinnerzielung entfernt, und es bereitet Schwierigkeiten, diesen Tätigkeiten Gewinne zuzurechnen.201 Art. 5 Abs. 4 OECD-MA „Ungeachtet der vorstehenden Bestimmungen dieses Artikels gelten nicht als Betriebsstätten: a) Einrichtungen, die ausschließlich zur Lagerung, Ausstellung oder Auslieferung von Gütern oder Waren eines Unternehmens benutzt werden; b) Bestände von Gütern oder Waren des Unternehmens, die ausschließlich zur Lagerung, Ausstellung, oder Auslieferung unterhalten werden; c) Bestände von Gütern und Waren des Unternehmens, die ausschließlich zu dem Zweck unterhalten werden, durch ein anderes Unternehmen bearbeitet oder verarbeitet zu werden; d) eine feste Geschäftseinrichtung, die ausschließlich zu dem Zweck unterhalten wird, für das Unternehmen Güter oder Waren einzukaufen oder Informationen zu beschaffen; e) eine feste Geschäftseinrichtung, die ausschließlich zu dem Zweck unterhalten wird, für das Unternehmen andere Tätigkeiten auszuüben, die vorbereitender Art sind oder eine Hilfstätigkeit darstellen; f) eine feste Geschäftseinrichtung, die ausschließlich zu dem Zweck unterhalten wird, mehrere der unter den Buchstaben a bis e genannten Tätigkeiten auszuüben, vorausgesetzt, dass die sich daraus ergebende Gesamttätigkeit der festen Geschäftseinrichtung vorbereitender Art ist oder eine Hilfstätigkeit darstellt.“ Die bisherigen Absätze knüpfen für die Begründung einer Betriebsstätte an sachliche Merkmale an. Durch Art. 5 Abs. 5 OECD-MA tritt ein persönlicher Anknüpfungspunkt für die Begründung einer Betriebsstätte hinzu. Der Absatz regelt sog. Vertreterbetriebsstätten. Die Tätigkeit eines abhängigen Vertreters führt zur Annahme einer fiktiven Betriebsstätte („(...) wird das Unternehmen (...) so behandelt, als habe es (...)“), wenn x er die Vollmacht hat, im Namen des Unternehmens Verträge abzuschließen, x diese Vollmacht gewöhnlich im anderen Staat ausübt, x keine vorbereitende oder unterstützende Tätigkeiten i.S.d. Abs. 4 durchführt, x er kein unabhängiger Vertreter i.S.d. Abs. 6 ist, x er ein unabhängiger Vertreter ist, aber außerhalb der ordentlichen Geschäftstätigkeit handelt. Bei Art. 5 Abs. 5 OECD-MA handelt es sich um einen Ersatztatbestand, d.h. das allgemeine Merkmal der festen Geschäftseinrichtung nach Abs. 1 geht vor.202 Falls eine feste
201
Vgl. Art. 5 Nr. 23 OECD-MK.
202
Vgl. Art. 5 Nr. 35 OECD-MK.
154
Anwendung der Abkommen
Geschäftseinrichtung vorhanden ist, so ist eine in diesem Rahmen ausgeübte Tätigkeit eines Vertreters als eine Tätigkeit anzusehen, die die Annahme einer Betriebsstätte rechtfertigt. Als abhängige Vertreter kommen nur Personen in Betracht, die weisungsgebunden handeln und in einem persönlichen Abhängigkeitsverhältnis zum Unternehmen stehen.203 Führt der abhängige Vertreter lediglich Hilfs- oder vorbereitende Tätigkeiten i.S.d. Abs. 4 aus, so wird eine Betriebsstätte nicht begründet, da für feste Einrichtungen Abs. 4 lex-specialis zu Abs. 1 ist und dies auch für den abhängigen Vertreter gelten soll. Unabhängige Vertreter begründen nach Abs. 6 keine Betriebsstätte des Unternehmens des anderen Vertragsstaates. Ein unabhängiger Vertreter ist eine Person, die keinen persönlichen Weisungen des Geschäftsherrn unterliegt und von ihm rechtlich, wirtschaftlich und persönlich unabhängig ist. Der Vertreter ist unabhängig, wenn er x von dem Unternehmen sowohl rechtlich als auch wirtschaftlich unabhängig ist und x bei der Tätigkeit für das Unternehmen im Rahmen ihrer ordentlichen Geschäftstätigkeit handelt.204 Sind diese beiden Voraussetzungen erfüllt, so begründet der unabhängige Vertreter keine Betriebsstätte des Unternehmens des anderen Vertragsstaates. Wird eine der beiden Voraussetzungen des Abs. 6 nicht erfüllt, dann ist Abs. 5 zu prüfen. Art. 5 Abs. 7 OECD-MA enthält die sog. Anti-Organ-Klausel. Die bloße Beherrschung einer Tochtergesellschaft durch die Muttergesellschaft führt nicht automatisch dazu, dass in der Tochtergesellschaft eine Betriebsstätte der Muttergesellschaft gesehen wird. Damit wird nur der Grundsatz bestätigt, dass die zivilrechtliche Selbständigkeit einer Tochtergesellschaft auch steuerrechtlich (abkommensrechtlich) anerkannt wird.205 Aus den Zusammenhängen der Absätze des Art. 5 OECD-MA ergibt sich die folgende Prüfungsreihenfolge. Die Absätze 1 bis 4 werden vor den Absätzen 5 und 6 geprüft, da letztere lediglich einen Ersatztatbestand darstellen. Liegt eine Betriebsstätte nach den Abs. 1 bis 4 vor, so kommt eine zusätzliche Vertreterbetriebsstätte nicht mehr in Betracht, da die Tätigkeit des Vertreters der Betriebsstätte zugerechnet wird.
203
Vgl. Görl, M., in: Vogel, K./ Lehner, M. (Hrsg.), Doppelbesteuerungsabkommen Kommentar, 5. Aufl., München 2008, Art. 5, Rz. 145.
204
Vgl. Art. 5 Nr. 37 OECD-MK.
205
Vgl. Art. 5 Nr. 40 OECD-MK.
Analyse der Struktur des OECD-Musterabkommens
155
vorrangig zu prüfen: Absätze 1-4
Abs. 4: Negativkatalog lex specialis zu Abs. 1-3
+
keine BS
+
BS
+
BS
+
BS
Abs. 3: lex specialis zu Abs. 1 12-Monats-Zeitraum überschritten?
Abs. 1, 2 allgemeine BS-Definition Positivkatalog des Abs. 2
subsidiär zu prüfen: Absätze 5 und 6
Abs. 5: Vertreterbetriebsstätte (abhängiger Vertreter) keine Tätigkeiten i.S.d. Abs. 4 -----------------------------------------------Tätigkeiten i.S.d. Abs. 4
+
keine BS
+ (-) Tatbestandsvoraussetzungen (nicht) erfüllt BS
Betriebsstätte
Abbildung 43:
Abs. 6: Vertreterbetriebsstätte (unabhängiger Vertreter)
+
keine BS
-
Prüfungsschema des Art. 5 OECD-MA
Der abkommensrechtliche Ausdruck der Betriebsstätte ist vom gleichnamigen Begriff Betriebsstätte206 (§ 12 AO) bzw. des (ständigen) Vertreters (§ 13 AO) des innerstaatlichen Rechts zu trennen, denn DBA bzw. das OECD-MA als Muster für den Abschluss von DBA verkörpern ihren eigenen Regelungskreis mit eigener Begriffssprache. Trotz Gleichnamigkeit besteht keine Funktionsgleichheit.207 Im Kontext des OECD-MA dient die Betriebsstätte bzw. der Vertreter als Kriterium für die Zuweisung des Besteuerungsrechts an den Quellen- oder Wohnsitzstaat. Im innerstaatlichen Zusammenhang wird der Betriebsstättenbegriff zur Bestimmung der materiellen Steuerpflicht verwendet.208 Die abkommensrechtliche Definition der Betriebsstätte ist im Vergleich zur Definition nach § 12 AO enger gefasst. § 12 AO kennt zum Beispiel nicht den Negativkatalog des Art. 5 Abs. 4 OECD-MA. In Bezug auf Bauausführungen und Montagen wird nach § 12 Satz 1
206
Zum Vorliegen einer Betriebsstätte nach deutschem Recht vgl. BFH v. 04.06.2008, I-R-30/07, BStBl. II 2008, S. 922; BFH v. 23.05.2002, I-R-8/00, BStBl. II, S. 512.
207
Vgl. BFH v. 28.06.1972, I-R-35/70, BStBl. II 1972, S. 789.
208
Vgl. §§ 34d Nr. 2 Bst. a, 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG; Debatin, H., Das Betriebsstättenprinzip der deutschen Doppelbesteuerungsabkommen (Teil I), DB 1989, S. 1693.
156
Anwendung der Abkommen
Nr. 8 AO eine Betriebsstätte schon nach sechs Monaten begründet, während im Abkommensrecht eine Frist von zwölf Monaten vorgesehen ist (Art. 5 Abs. 3 OECD-MA). Der Grund für die weitere innerstaatliche Fassung liegt darin, dass Deutschland die ihm per DBA zugewiesenen Besteuerungsrechte auf jeden Fall durch eine innerstaatliche Norm ausfüllen möchte. Daher muss nach innerstaatlichem Recht eine Betriebsstätte vorliegen, denn DBA können keine Besteuerungsrechte schaffen, sondern nur bereits bestehende einschränken. Wäre die innerstaatliche Definition enger gefasst als die abkommensrechtliche, so könnte Deutschland maximal im Rahmen der innerstaatlichen Definition besteuern, obwohl die ihm durch das DBA auferlegte Schranke großzügiger ausgestaltet wäre. Besteuerungsrecht des Quellenstaates bei Vorliegen einer Betriebsstätte Betriebsstätte nach Abkommensrecht
Betriebsstätte nach innerstaatlichem Recht
Besteuerungsrecht im Quellenstaat
nicht gegeben
nicht gegeben
nein
nicht gegeben
gegeben
nein
gegeben
nicht gegeben
nein
gegeben
gegeben
ja
Abbildung 44:
Übersicht über das Besteuerungsrecht des Betriebsstättenstaates209
Die Streichung des Art. 14 OECD-MA führt dazu, dass die Definition der Betriebsstätte auf die zuvor für freiberufliche Einkünfte maßgebende „feste Einrichtung“ anwendbar wird.210
3.2.2.2.3 Besteuerungsrecht für Unternehmensgewinne (Art. 7 Abs. 1 OECD-MA) Die Absätze des Art. 7 OECD-MA lassen sich drei verschiedenen Regelungsbereichen zuordnen. Abs. 1 der Vorschrift grenzt die Besteuerungsrechte des Quellen- und Wohnsitzstaates ab. Die Absätze 2 bis 6 enthalten Grundsätze über die Gewinnzuordnung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte und Abs. 7 regelt das Verhältnis dieses Artikels zu den weiteren Schrankennormen des OECD-MA.
209
Vgl. Djanani, C., Internationales Steuerrecht, 2. Aufl., Wien 1998, S. 156.
210
Vgl. Art. 5 Nr. 1.1 OECD-MK.
Analyse der Struktur des OECD-Musterabkommens
Absätze Abs. 1
charakteristische Normbestandteile
157
spezifischer Regelungsinhalt
Beschränkung der Besteuerungsrechte Betriebsstättenprinzip zwischen den Vertragsstaaten
Abs. 2
Fremdvergleichsgrundsatz („dealingat-arm’s-length“), direkte Methode
Abs. 3
des Definition von Ermittlungsgrundsät- Ergänzung Fremdvergleichgrundsatzes mit Bezen (Erfolgszuordnung): zug zur Aufwandsseite
Abs. 4 Abs. 5
Regeln über die Gewinnzurechnung indirekte Methode zwischen Stammhaus und Betriebs- keine Gewinnzurechnung bei Einstätte kaufstätigkeiten Kontinuität der nungsmethode
Abs. 6 Abs. 7
Gewinnzurech-
Abgrenzung zu anderen Abkommens- Subsidiarität der Unternehmensgeartikeln (Subsidiaritätsklausel) winne
Abbildung 45:
Aufbau des Art. 7 OECD-MA
Auch für die Behandlung eines Unternehmens findet das Regelungsschema des OECDMA, das Quellen- und Wohnsitzstaat anspricht, Anwendung. Nach Art. 3 Abs. 1 Bst. d OECD-MA wird unter einem „Unternehmen eines Vertragsstaates“ ein Unternehmen verstanden, „das von einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person betrieben wird“. Nach dieser Definition ist ein Unternehmen dem Vertragsstaat zuzuordnen, in dem die das Unternehmen betreibende Person, der Unternehmer, ansässig ist. Angesprochen ist der Wohnsitzstaat des Unternehmers.211 Unter einem „Unternehmen“ wird nach Art. 3 Abs. 1 Bst. c OECD-MA „die Ausübung einer Geschäftstätigkeit“ verstanden. Unter Geschäftstätigkeit sind gewerbliche und selbständige unternehmerische Tätigkeiten zu verstehen, denn nach Art. 3 Abs. 1 Bst. h OECDMA gehört zur unternehmerischen Tätigkeit auch eine „freiberufliche oder sonstige selbständige Tätigkeit.“ Der Einbezug selbständiger Tätigkeiten in den Anwendungsbereich des Art. 7 OECD-MA ergibt sich aus der Streichung des Art. 14 OECD-MA, der zuvor selbständige Einkünfte behandelte. Art. 7 Abs. 1 OECD-MA enthält die Grundregel und die Ausnahme von der Grundregel für die Besteuerung von Unternehmensgewinnen im Quellen- bzw. Wohnsitzstaat.
211
Vgl. Debatin, H., Das Betriebsstättenprinzip der deutschen Doppelbesteuerungsabkommen (Teil I), DB 1989, S. 1693.
158
Anwendung der Abkommen
Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 OECD-MA „Gewinne eines Unternehmens eines Vertragsstaates können nur in diesem Staat besteuert werden, (...)“
Grundregel Besteuerung von Unternehmensgewinnen ausschließlich im (Wohn-)Sitzstaat des Unternehmens Ö Schrankennorm mit abschließender Rechtsfolge
Nach der Grundregel können Unternehmensgewinne auch dann nicht im Quellenstaat besteuert werden, wenn die Gewinne teilweise oder ganz aus Einkunftsquellen des Quellenstaates stammen. Dies ist vor allem der Fall bei Direktgeschäften (Export).212 Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2, Satz 2 Hs. 1 OECD-MA
Ausnahme
„(...), es sei denn, das Unternehmen übt seine Geschäftstätigkeit im anderen Vertragsstaat durch eine dort gelegene Betriebsstätte aus. Übt das Unternehmen seine Geschäftstätigkeit auf diese Weise aus, so können die Gewinne des Unternehmens im anderen Staat besteuert werden, (...)“
Ausnahmetatbestand: Vorliegen einer Betriebsstätte im Quellenstaat (Betriebsstättenprinzip) Ö Schrankennorm mit offener Rechtsfolge
Liegt eine Betriebsstätte des Unternehmens im Quellenstaat vor, so darf auch der Quellenstaat Unternehmensgewinne besteuern. Aus der Tatsache, dass es sich um eine Schrankennorm mit offener Rechtsfolge handelt, folgt, dass der Wohnsitzstaat weiterhin besteuern darf. Eine Doppelbesteuerung vermeidet der Wohnsitzstaat durch Anwendung des Methodenartikels (Art. 23 OECD-MA). Deutschland stellt Betriebsstättengewinne grundsätzlich von der Besteuerung frei, allerdings unter Progressionsvorbehalt. Teilweise ist dieses Prinzip durch eine Aktivitätsklausel eingeschränkt. Danach muss die ausländische Betriebsstätte eine aktive Wirtschaftstätigkeit entfalten. Ist dies nicht gegeben, wird anstelle der Freistellungs- nur die Anrechnungsmethode gewährt. Der Umfang des Besteuerungsrechts des Quellenstaates richtet sich nach Art. 7 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 OECD-MA. Art. 7 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 OECD-MA „(...) jedoch nur insoweit, als sie dieser Betriebsstätte zugerechnet werden können.“
212
Umfang des Besteuerungsrechts Zurechnung der Gewinne nach dem Prinzip der wirtschaftlichen Verursachung, keine Attraktivkraft der Betriebsstätte
Vgl. aber die Protokolle zu Art. 7 zum DBA-Indonesien bzw. zum DBA-Philippinen.
Analyse der Struktur des OECD-Musterabkommens
159
Nach dem Prinzip des wirtschaftlichen Zusammenhangs erstreckt sich der Umfang des Besteuerungsrechts des Quellenstaates auf die von der Betriebsstätte erwirtschafteten Gewinne.213 Dies schließt Gewinne ein, die in Drittstaaten oder im Wohnsitzstaat des Unternehmens erzielt werden, solange sie der Betriebsstätte zugerechnet werden können. Das Besteuerungsrecht des Quellenstaates bezieht sich somit nicht auf Gewinne, die das Unternehmen in diesem Staat auf andere Weise als durch eine Betriebsstätte erzielt.214 Einige Staaten besteuern ein ausländisches Unternehmen, das in ihrem Staatsgebiet eine Betriebsstätte errichtet mit allen Gewinnen, die das Unternehmen in diesem Staat erzielt. Nach diesem Konzept wären u.U. auch Direktgeschäfte erfasst. Dieses sog. Prinzip der Attraktivkraft der Betriebsstätte wird durch Art. 7 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 OECD-MA abgelehnt.215 Merke: Im OECD-MA gilt das Prinzip der Attraktivkraft der Betriebsstätte nicht (Art. 7 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 OECD-MA). Demnach hat der Quellenstaat das Besteuerungsrecht nur bzgl. der von der Betriebsstätte erwirtschafteten Gewinne, nicht aber für Gewinne, die das ausländische Stammhaus im Quellenstaat auf andere Weise als durch die Betriebsstätte erzielt (z.B. Direktgeschäfte).
3.2.2.2.4
Gewinnzurechnung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte (Abs. 2-6)
Der Quellenstaat darf die Unternehmensgewinne besteuern, soweit sie der Betriebsstätte zugerechnet werden können. Die Beschränkung des Besteuerungsrechts des Quellenstaates auf diesen Teil der Unternehmensgewinne erfordert die Abgrenzung des Betriebsstättenergebnisses vom Stammhausergebnis. Daher bestimmen die Abs. 2 bis 6, auf welche Weise der Betriebsstätte Einkünfte zuzurechnen sind. Art. 7 Abs. 2 OECD-MA steht in engem Zusammenhang zu Art. 7 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 OECD-MA und enthält die Grundregel für die Gewinnabgrenzung zwischen Betriebsstätte und Stammhaus.
213
Vgl. BFH v. 20.07.1988, I-R-49/84, BStBl. II 1989, S. 140.
214
Vgl. Art. 7 Nr. 10 OECD-MK.
215
In den deutschen DBA ist eine Attraktivkraft der Betriebsstätte nur im DBA-Bulgarien nicht grundsätzlich verneint.
160 Art. 7 Abs. 2 OECD-MA
Anwendung der Abkommen Grundregel der Gewinnabgrenzung
„(...) so werden (...) in jedem Vertragsstaat für beide Vertragsstaaten verbindlich dieser Betriebsstätte die Gewinne zugerechnet, die sie hätte erzielen können, wenn sie eine gleiche oder ähnliche Geschäftstätigkeit Ö wirtschaftliche Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte unter gleichen oder ähnlichen Bedingungen als selbständiges Unternehmen ausgeübt hätte und im Verkehr mit dem Unter- Ö Fremdvergleichsgrundsatz nehmen, dessen Betriebsstätte sie ist, („dealing-at-arm’s-length“Prinzip) völlig unabhängig gewesen wäre.“ Um der Betriebsstätte den Anteil am Unternehmensgewinn zuzurechnen, den sie durch Wahrnehmung ihrer betrieblichen Funktionen erwirtschaftet hat, wird sie im Verhältnis zum Stammhaus als wirtschaftlich selbständig fingiert (wirtschaftliche Selbständigkeitsfiktion). Auf der Grundlage der Selbständigkeitsfiktion wird die Höhe des zuzurechnenden Betriebsstättengewinns anhand des Fremdvergleichs bestimmt. Der englische Ausdruck „dealing-at-arm’s-length“ versinnbildlicht die Unabhängigkeit, die die Betriebsstätte nach diesem Grundsatz vom Stammhaus für Zwecke der Gewinnzurechnung genießt.216 Die Selbständigkeitsfiktion gilt nicht für die Gewinnermittlung, sondern erst für die nachfolgende Gewinnzuordnung auf Stammhaus und Betriebsstätte. Die Gewinnermittlung erfolgt nach den jeweiligen nationalen Gewinnermittlungsvorschriften (also nach denen im Betriebsstättenstaat und denen im Ansässigkeitsstaat des Unternehmens). Zwischen Stammhaus und Betriebsstätte fehlt es an einem Interessengegensatz wie zwischen zwei unabhängigen Unternehmen. Beide Unternehmensteile, Stammhaus und Betriebsstätte, verfolgen das gleiche übergeordnete Unternehmensziel. Durch den unternehmensinternen Leistungsaustausch bestünde die Möglichkeit, Gewinne zu verschieben. Voneinander unabhängige Unternehmen würden ohne Grund dem jeweils anderen Unternehmen keine Vorteile zu Lasten der eigenen Position gewähren. Durch den Fremdvergleich werden die Einflüsse eliminiert, die Ausdruck eines Nahestehens der beiden Unternehmensteile sind und mit dem „dealing-at-arm’s-length“-Prinzip nicht im Einklang stehen.217 Das Prinzip behandelt Betriebsstätten wie ein selbständiges Unternehmen und legt die Bewertung der Gegenleistung entsprechend fest.
216
Vgl. Art. 7 Nr. 14 OECD-MK.
217
Vgl. BFH v. 30.05.1990, I-R-97/88, BStBl. II 1990, S. 877.
Beispiel
161
„Dealing-at-arm’s-length”-Prinzip des Art. 7 Abs. 2 OECD-MA
Lösung
Analyse der Struktur des OECD-Musterabkommens
Der Gesamterfolg des Unternehmens bei Veräußerung durch die Betriebsstätte beläuft sich auf 50 (= 150 ./. 100), wenn weitere Kosten bei der Betriebsstätte nicht betrachtet werden. Unter Missachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes teilt sich der Gesamterfolg auf in einen Produktionsgewinn von 30 (= 130 ./. 100) für das Stammhaus und einen Vertriebsgewinn von 20 (= 150 ./. 130) für die Betriebsstätte. Unter Anwendung des durch Art. 7 Abs. 2 OECD-MA aufgestellten Fremdvergleichsgrundsatzes hätte die Betriebsstätte als selbständiges, unabhängiges Unternehmen den Preis von 130 nicht akzeptiert, wenn die Produkte zu einem Marktpreis (= Fremdvergleichspreis) von 120 erhältlich sind. Daher wird der Betriebsstätte ein Vertriebsgewinn von 30 (= 150 ./. 120) und dem Stammhaus ein Produktionsgewinn von 20 (= 120 ./. 100) zugerechnet. Der Gesamtgewinn von 50 verändert sich durch die Gewinnzurechnung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz nicht.
Das irische Stammhaus liefert seiner deutschen Betriebsstätte Fertigfabrikate, für die Herstellungskosten von 100 angefallen sind, zu einem Preis von 130 pro Stück. Gegenüber externen Abnehmern kann das Stammhaus die Fertigfabrikate üblicherweise nur zu 120 pro Stück absetzen. Die Betriebsstätte vertreibt die Produkte zu einem Preis von 150 pro Stück.
Merke: Für die Gewinnzurechnung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte gilt das „dealing-at-arm’s-length“-Prinzip. Es wird eine wirtschaftliche Selbständigkeit der Betriebsstätte fingiert (Art. 7 Abs. 2 OECD-MA). Dadurch soll den Möglichkeiten zur Verschiebung von Gewinnen zwischen diesen beiden sich nahe stehenden Unternehmensteilen entgegengewirkt werden. Für die Gewinnabgrenzung wird die Selbständigkeit der Betriebsstätte fingiert. Dennoch sind Betriebsstätte und Stammhaus Teile ein und desselben Unternehmens, die nicht wie Dritte miteinander verkehren können. Daraus folgt, dass zwischen Betriebsstätte und Stammhaus keine Kauf-, Miet-, Pacht-, Darlehens-, Lizenz- oder sonstigen Verträge fingiert werden können, da sie zivilrechtlich nicht möglich sind und somit auch steuerrechtlich nicht anerkannt werden können (eingeschränkte Selbständigkeit)218. Der Betriebsstätte kann grundsätzlich erst ein Gewinn zugewiesen werden, wenn er durch einen Außenumsatz realisiert wurde.219
218
Vgl. hierzu auch BFH v. 20.07.1988, I-R-49/84, BStBl. II 1988, S. 140.
219
Über den Grad der Selbständigkeitsfiktion besteht ein Meinungsstreit: absolute (hypothetische) vs. eingeschränkte (hypothetische) Selbständigkeit. Die h.M. folgt der eingeschränkten Selbständigkeitsfiktion; vgl. Hemmelrath, A., in: Vogel, K./ Lehner, M. (Hrsg.), Doppelbesteuerungsabkommen Kommentar, 5. Aufl., München 2008, Art. 7, Rz. 78 ff.
162
Anwendung der Abkommen
Nach Art. 7 Abs. 2 OECD-MA gilt der Fremdvergleichsgrundsatz für beide Vertragsstaaten („in jedem Vertragsstaat“). Auf diese Weise kann trotz unterschiedlicher nationaler Gewinnermittlungsvorschriften eine doppelte Erfassung von Einkommensbestandteilen vermieden werden.220 Für die Gewinnzurechnung auf eine Betriebsstätte und ihr Stammhaus gibt es zwei Methoden: die direkte und die indirekte Methode. Die direkte Methode beruht auf der Fiktion der Selbständigkeit der Betriebsstätte. Nach der direkten Methode wird der Betriebsstättengewinn aufgrund einer eigenständigen Betriebsstättenbuchführung wie bei einem selbständigen Unternehmen ermittelt.221 Die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes wird gewährleistet, indem untersucht wird, ob und inwieweit die Gewinne auch angefallen wären, wenn die Betriebsstätte ein unabhängiges Unternehmen gewesen wäre.222 Eine gesonderte Betriebsstättenbuchführung wird in den meisten Fällen nicht nur aus steuerrechtlichen Gründen, sondern bereits aus betriebswirtschaftlichen Gründen vorliegen, da das Unternehmen zur Unternehmenssteuerung Informationen über die Rentabilität der Zweigniederlassung benötigt.223 Nach der indirekten Methode wird zunächst der gesamte Erfolg des Einheitsunternehmens nach den jeweiligen inländischen Gewinnermittlungsvorschriften ermittelt. Anschließend wird der Gesamtgewinn des Unternehmens nach bestimmten Schlüsseln auf das Stammhaus und die Betriebsstätte aufgeteilt.224 Hinter dieser Methode steckt die Annahme, dass alle Teile des Unternehmens entsprechend dem gewählten Schlüssel zum Gewinn des Gesamtunternehmens beitragen. Die verwendeten Schlüssel beziehen sich üblicherweise auf ein bestimmtes Verhältnis der Einnahmen (z.B. Umsatz, Provisionen), Aufwendungen (z.B. Löhne, Materialkosten) oder des Betriebsvermögens des Unternehmens. Das Hauptproblem der indirekten Methode besteht im Auffinden eines geeigneten Schlüssels, der den Gewinn verursachungsgerecht zuordnen kann. Die Gewinngröße wird durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst, der die bisher gefundenen Schlüssel nicht Rechnung tragen. Die direkte Methode genießt daher wegen einer exakteren Gewinnzurechnung Vorrang vor der indirekten Methode.225 Unter bestimmten Bedingungen kann dennoch die indirekte Methode Anwendung finden (Art. 7 Abs. 4 OECD-MA).
220
Vgl. Hemmelrath, A., in: Vogel, K./ Lehner, M. (Hrsg.), Doppelbesteuerungsabkommen Kommentar, 5. Aufl., München 2008, Art. 7, Rz. 71.
221
Vgl. BMF v. 24.12.1999, IV B 4-S-1300-111/99, BStBl. I 1999, S. 1076, Tz. 2.3.1, Beck’sche Textausgaben Steuererlasse, Nr. 800, § 12/1 (sog. Betriebsstättenerlass).
222
Vgl. Djanani, C., Internationales Steuerrecht, 2. Aufl., Wien 1998, S. 166.
223
Vgl. Art. 7 Nr. 16 OECD-MK.
224
Vgl. Betriebsstättenerlass Tz. 2.3.2.
225
Vgl. Art. 7 Nr. 25 OECD-MK; BFH v. 29.07.1992, II-R-39/89, BStBl. II 1993, S. 65; BFH v. 12.01.1994, II-R-95/89, IStR 1994, S. 176; Hemmelrath, A., in: Vogel, K./ Lehner, M. (Hrsg.), Doppelbesteuerungsabkommen Kommentar, 5. Aufl., München 2008, Art. 7, Rz. 101.
Analyse der Struktur des OECD-Musterabkommens
163
Entspricht die Verrechnung der zwischen Stammhaus und Betriebsstätte ausgetauschten Leistungen nicht dem Fremdvergleichsgrundsatz, so können die zugerechneten Gewinne berichtigt werden. Stellt wie im oben angeführten Beispiel das Stammhaus eine Warenlieferung der Betriebsstätte zu höheren Preisen in Rechnung als sie zwischen fremden Dritten vereinbart worden wäre, so führt dies zu einer Gewinnverlagerung zugunsten des Wohnsitzstaates. In diesem Fall wird der Gewinn entsprechend der sich nach Marktpreisen ergebenden Situation berichtigt. Der Betriebsstättengewinn wird bspw. im Rahmen einer späteren Betriebsprüfung erhöht. Art. 7 Abs. 3 OECD-MA ergänzt den allgemeinen Grundsatz des Fremdvergleichs und stellt für die Aufwandsseite klar, dass bei der Ermittlung des Gewinns einer Betriebsstätte „die für diese Betriebsstätte entstandenen Aufwendungen“ abgezogen werden können, „gleichgültig“, wo sie angefallen sind. Durch die Formulierung „für diese Betriebsstätte entstandenen Aufwendungen“ wird gleichzeitig die Grenze des Abzugs festgelegt. Aufwendungen, die wirtschaftlich nicht durch die Betriebsstätte verursacht wurden, dürfen nicht bei der Betriebsstätte abgezogen werden. Durch die ausdrückliche Erwähnung von „allgemeinen Verwaltungskosten“ und „Geschäftsführungskosten“ wird anerkannt, dass diese Kosten für die Gesamtheit des Unternehmens und damit auch für Betriebsstätten anfallen. Art. 7 Abs. 4 OECD-MA erwähnt die Bedingungen, unter denen eine Gewinnzurechnung nach der indirekten Methode möglich ist. Der Hauptnachteil der indirekten Methode liegt in der nicht verursachungsgerechten Ergebniszuordnung, weil sich ein Schlüssel, der die Gewinne verursachungsgerecht zuordnet, meist nicht bzw. nur schwer finden lässt. Der Aufteilungsschlüssel spiegelt oft nicht wider, dass der Gewinn der einzelnen Betriebsteile durch viele Faktoren bestimmt wird. Deshalb wird die indirekte Methode nur unter zwei Bedingungen zugelassen: x die Anwendung der indirekten Methode ist in einem der Vertragsstaaten üblich, x die Gewinnaufteilung entspricht den Grundsätzen des Art. 7 OECD-MA, d.h. die Anwendung eines Aufteilungsschlüssels kommt der Gewinnzurechnung entsprechend der gesonderten Buchführung nach der direkten Methode (Art. 7 Abs. 2 OECD-MA) möglichst nahe.226 Art. 7 Abs. 5 OECD-MA ist eine Ergänzung zu Art. 5 Abs. 4 Bst. d OECD-MA. Nach dieser Vorschrift des Negativkatalogs stellt eine feste Geschäftseinrichtung, die lediglich Einkaufstätigkeiten ausübt bzw. Informationen beschafft, keine Betriebsstätte dar. Da eine Einkaufsstelle keine Betriebsstätte darstellt, werden die Gewinnzurechnungsvorschriften auch nicht angewandt. Art. 7 Abs. 5 OECD-MA bezieht sich auf eine Betriebsstätte, die neben anderen unternehmerischen Tätigkeiten, durch die sie sich als Betriebsstätte qualifi-
226
Vgl. Art. 7 Nr. 54 OECD-MK.
164
Anwendung der Abkommen
ziert, auch Einkäufe tätigt. Abs. 5 stellt sicher, dass der Betriebsstätte für die Einkaufstätigkeit kein Gewinn zugerechnet wird.227 Art. 7 Abs. 5 OECD-MA „Auf Grund des bloßen Einkaufs von Gütern oder Waren für das Unternehmen wird einer Betriebsstätte kein Gewinn zugerechnet.“ Art. 7 Abs. 6 OECD-MA gebietet die kontinuierliche Anwendung einer Gewinnzurechnungsmethode, indem ein unbegründeter Wechsel von der direkten zur indirekten Gewinnermittlungsmethode als unzulässig angesehen wird. Art. 7 Abs. 6 OECD-MA „(...) sind die der Betriebsstätte zuzurechnenden Gewinne jedes Jahr auf dieselbe Art zu ermitteln, es sei denn, dass ausreichende Gründe dafür bestehen, anders zu verfahren.“ Vor allem ist es unzulässig, die Methode zu wechseln, nur weil die andere Zurechnungsmethode in einem bestimmten Jahr zu günstigeren Ergebnissen führt.228
3.2.2.2.5
Abgrenzung des Art. 7 OECD-MA zu den übrigen Schrankennormen
Art. 7 Abs. 7 OECD-MA regelt das Verhältnis des Art. 7 OECD-MA zu den übrigen Schrankennormen. Der Ausdruck „Unternehmensgewinne“ ist nicht im Abkommen definiert, und deshalb könnten alle Einkünfte eines Unternehmens als „Unternehmensgewinne“ zu behandeln sein.229 Welcher Artikel anzuwenden ist, wenn ein Unternehmen z.B. auch Einkünfte aus Dividenden erzielt, regelt Art. 7 Abs. 7 OECD-MA, der grundsätzlich der spezielleren Einkunftsart den Vorrang einräumt (Subsidiarität des Art. 7 OECD-MA). Deshalb gehen die Artikel über Dividenden (Art. 10 OECD-MA), Zinsen (Art. 11 OECDMA) und Lizenzgebühren (Art. 12 OECD-MA) dem Art. 7 OECD-MA vor, selbst wenn die Beteiligungen, Forderungen oder Lizenzen zum Betriebsvermögen eines Unternehmens gehören. Ansonsten könnte ein Quellenstaat bei Nicht-Bestehen einer Betriebsstätte Dividenden-, Zins- und Lizenzeinkünfte des Unternehmens nicht besteuern, da nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 OECD-MA nur der Wohnsitzstaat besteuern darf.230
227
Vgl. Art. 7 Nr. 57 OECD-MK.
228
Vgl. Art. 7 Nr. 58 OECD-MK.
229
Vergleichbar mit der Subsidiarität der letzten drei Einkunftsarten der sieben Katalogeinkünfte des § 2 EStG.
230
Dies entspricht dem Konzept des § 49 Abs. 2 EStG (sog. isolierende Betrachtungsweise); vgl. Grützner, D., in: Gosch, D./ Kroppen, H.-K/ Grotherr, S.. (Hrsg.), DBA-Kommentar, 21. Erg.Lfg., Herne/Berlin 2008, Art. 10 OECD-MA, Rz. 15.
Analyse der Struktur des OECD-Musterabkommens
165
Art. 7 Abs. 7 OECD-MA „Gehören zu den Gewinnen Einkünfte, die in anderen Artikeln dieses Abkommens behandelt werden, so werden die Bestimmungen jener Artikel durch die Bestimmungen dieses Artikels nicht berührt.“ Zu beachten bleiben aber Rückverweisungsklauseln in den erwähnten Art. 10, 11, 12 OECD-MA. Erzielt die Betriebsstätte Einkünfte aus Dividenden, Zinsen oder Lizenzen, so werden diese nach Art. 10 Abs. 4 OECD-MA, Art. 11 Abs. 4 OECD-MA bzw. Art. 12 Abs. 3 OECD-MA als Betriebsstättengewinne qualifiziert (sog. Betriebsstättenvorbehalt). Die Betriebsstätte erzielt nur Einkünfte aus Unternehmensgewinnen. Durch den Betriebsstättenvorbehalt wird das Besteuerungsrecht des Quellenstaates für Einkünfte aus Dividenden und Zinsen nicht in der Höhe beschränkt. Der Grund für den Betriebsstättenvorbehalt liegt in der engen wirtschaftlichen Verbindung zur ausländischen Volkswirtschaft, die ein Unternehmen durch eine Betriebsstätte eingeht. Der Betriebsstättenvorbehalt gilt nicht für Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen (Art. 6 Abs. 4 OECD-MA). Merke: Art. 7 OECD-MA ist gegenüber den spezielleren Art. 10, 11, 12 OECD-MA subsidiär anzuwenden (Art. 7 Abs. 7 OECD-MA), außer es erfolgt eine Rückverweisung auf Art. 7 OECD-MA durch den Betriebsstättenvorbehalt (= Qualifizierung der Dividenden-, Zins- und Lizenzeinkünfte einer Betriebsstätte als Betriebsstättengewinne).
3.2.2.3 Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Luftfahrt (Art. 8 OECD-MA) Art. 8 OECD-MA gehört systematisch gesehen auch zu den Unternehmensgewinnen, steht aber zu Art. 7 OECD-MA in einem Verhältnis der Spezialität („lex specialis“). Nach dem Zweck der Vorschrift sollen Gewinne der international tätigen Schifffahrts- und Luftverkehrsunternehmen, die in vielen Staaten Einnahmen erzielen, nur in einem Staat versteuert werden, damit es nicht zu einer Zersplitterung der Besteuerung kommt.231 Die Vorschrift dient der Vereinfachung der Besteuerung. Art. 8 OECD-MA ist daher als Schrankennorm mit abschließender Rechtsfolge („können nur“) ausgestaltet, die das Besteuerungsrecht ausschließlich dem Staat zuteilt, in dem sich der „Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung“ des Unternehmens befindet. Eine Anwendung des Methodenartikels (Art. 23 OECD-MA) zur Vermeidung der Doppelbesteuerung erübrigt sich aufgrund der abschließenden Rechtsfolge dieser Schrankennorm.
231
Vgl. Kempf, U./ Wolter, H., in: Gosch, D./ Kroppen, H.-K./ Grotherr, S. (Hrsg.), DBAKommentar, 21. Erg.-Lfg., Herne/Berlin 2008, Art. 8 OECD-MA, Rz. 1.
166
Anwendung der Abkommen
Unter Art. 8 Abs. 1 OECD-MA fallen nur Gewinne aus dem Betrieb von Seeschiffen und Luftfahrzeugen im „internationalen Verkehr“. Dieser Ausdruck ist näher in Art. 3 Abs. 1 Bst. e OECD-MA definiert. „Internationaler Verkehr“ ist danach „jede Beförderung mit einem Seeschiff oder Luftfahrzeug“, mit der Ausnahme von innerstaatlichen Beförderungen im Vertragsstaat, der nicht der Geschäftsleitungsstaat ist. Für alle nicht-internationalen Einkünfte des Unternehmens i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Bst. e OECD-MA gelten die allgemeinen Vorschriften des OECD-MA.
3.2.2.4 Verbundene Unternehmen (Art. 9 OECD-MA) Art. 9 OECD-MA regelt die Besteuerung zweier verbundener Unternehmen in ihren Sitzstaaten. Unter verbundenen Unternehmen sind Unternehmensverbindungen von rechtlich selbständigen Unternehmen (i.d.R. Kapitalgesellschaften) unter gemeinsamer Kontrolle zu verstehen. Aufgrund des Trennungsprinzips werden schuldrechtliche Verträge zwischen den einzelnen verbundenen Unternehmen zivilrechtlich und steuerrechtlich anerkannt. Mangels Interessengegensatz zwischen den beteiligten Unternehmen besteht die Möglichkeit, dass unternehmensinterne Leistungsbeziehungen mittels Verrechnungspreisen so ausgestaltet werden, dass Gewinne verlagert werden. Art. 9 Abs. 1 OECD-MA erlaubt es den Steuerbehörden, Gewinnberichtigungen vorzunehmen, wenn Transaktionen zwischen verbundenen Unternehmen unter anderen Bedingungen als denen des freien Marktes abgewickelt worden sind. Als Maßstab für die Angemessenheit der Verrechnungspreise dient das „dealing-at-arm’s-length“-Prinzip, wie es auch für die Beziehung Stammhaus-Betriebsstätte nach Art. 7 Abs. 2 OECD-MA Anwendung findet.232 Die Steuerbehörden eines Vertragsstaates dürfen Gewinnberichtigungen vornehmen, wenn aufgrund von „(...) Bedingungen (...), die von denen abweichen, die unabhängige Unternehmen miteinander vereinbaren würden (...)“ Gewinne nicht ausgewiesen werden. Die Vornahme der Gewinnkorrektur richtet sich nach den innerstaatlichen Korrekturvorschriften. Rechtsgrundlagen der Gewinnkorrektur sind in Deutschland § 1 AStG, der ebenso den „arm’s-length“-Grundsatz verwendet, die verdeckte Gewinnausschüttung nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG, die verdeckte Einlage sowie § 42 AO. Art. 9 Abs. 1 OECD-MA legt den innerstaatlichen Vorschriften zur Gewinnkorrektur Schranken auf. Nur wenn die Bedingungen dem „arm’s-length“-Prinzip nicht entsprechen, sind Gewinnkorrekturen zulässig.233 Nimmt nur ein Vertragsstaat eine Gewinnkorrektur vor, so entsteht für das verbundene Unternehmen eine (wirtschaftliche) Doppelbesteuerung, denn die Gewinne in Höhe des
232
Vgl. Art. 9 Nr. 1 OECD-MK.
233
Vgl. Art. 9 Nr. 2 OECD-MK.
Analyse der Struktur des OECD-Musterabkommens
167
Beispiel
„Dealing-at-arm’s-length”-Prinzip des Art. 9 Abs. 1 OECD-MA
Lösung
unangemessenen Teils wurden bereits beim Unternehmen im anderen Vertragsstaat versteuert.
In Kanada entsteht so ein vergleichsweise höherer Gewinn, der dort zu einem höheren Steueraufkommen führt. Nimmt nun Deutschland eine Gewinnkorrektur in Höhe des unangemessenen Teils des Verrechnungspreises vor, so wird der bereits in Kanada der Besteuerung unterlegene Gewinnanteil in Deutschland bei der MagicAutoGmbH besteuert. Als Folge tritt eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung ein, da dasselbe Steuergut „Gewinn“ in Höhe des korrigierten Betrages bei zwei eigenständig Steuerpflichtigen – Tool-Inc. und MagicAuto GmbH – besteuert wird.
Die Muttergesellschaft Tool-Inc. in Kanada stellt der in Deutschland ansässigen Tochtergesellschaft MagicAuto-GmbH für eine Werkzeuglieferung einen im Vergleich zu unabhängigen Unternehmen zu hohen Konzernverrechnungspreis in Rechnung.
Aus diesem Grund verpflichtet Art. 9 Abs. 2 OECD-MA den anderen Vertragsstaat, eine Gegenberichtigung in Höhe des unangemessenen Teils vorzunehmen, um die eingetretene wirtschaftliche Doppelbesteuerung auszugleichen.234 Der Zweck des Abs. 2 besteht in der Beseitigung einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung. In den tatsächlich abgeschlossenen DBA findet sich jedoch die Bestimmung des Absatz 2 selten wieder, bspw. in dem mit den USA, aber nicht in denen mit Bolivien, Frankreich, Großbritannien, Irland, Italien, Niederlanden, Norwegen, usw. Die Staaten befürchten, durch dieses Zugeständnis dem anderen Staat Rechte über die eigene Besteuerungshoheit einzuräumen.
3.2.2.5 Dividenden (Art. 10 OECD-MA) Art. 10 OECD-MA („Dividenden“) und der folgende Art. 11 OECD-MA („Zinsen“) unterscheiden sich von den übrigen Schrankennormen dadurch, dass sie eine Steueraufteilung zwischen Wohnsitz- und Quellenstaat vorsehen. Art. 10 OECD-MA regelt die Besteuerung von Dividendeneinkünften, die ein Gesellschafter erhält. Die folgende Abbildung zeigt die für Schrankennormen charakteristischen Normbestandteile und den spezifischen Regelungsinhalt der einzelnen Absätze des Art. 10 OECD-MA.
234
Vgl. Art. 9 Nr. 5 OECD-MK.
168
Absätze Abs. 1
Anwendung der Abkommen
charakteristische Normbestandteile
spezifischer Regelungsinhalt
Abs. 2
Beschränkung der Besteuerungsrech- Besteuerungsrecht d. Wohnsitzstaates te zwischen den Vertragsstaaten Besteuerungsrecht d. Quellenstaates
Abs. 3
Def. des Besteuerungsgegenstandes
Abs. 4
Abgrenzung zu anderen Abkommensartikeln (Subsidiaritäts- Betriebsstättenvorbehalt klausel)
Abs. 5 Abbildung 46:
Definition des Dividendenbegriffs
extraterritoriale Besteuerung Aufbau des Art. 10 OECD-MA
Art. 10 Abs. 1 OECD-MA bestätigt das Recht des Wohnsitzstaates des Dividendenempfängers, Dividenden zu besteuern. Die Schrankennorm richtet sich an den Quellenstaat und begrenzt sein Besteuerungsrecht, während das Besteuerungsrecht des Wohnsitzstaates uneingeschränkt aufrechterhalten bleibt. Eine Beschränkung seines Besteuerungsrechts erfährt der Wohnsitzstaat erst durch Art. 23 OECD-MA. Art. 10 Abs. 1 OECD-MA „Dividenden, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Gesellschaft an eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person zahlt, können im anderen Staat besteuert werden.“
Ö Die Grundregel des uneingeschränkten Besteuerungsrechts des Wohnsitzstaates wird für Dividendeneinkünfte bestätigt.
„Eine in einem Vertragsstaat ansässige Gesellschaft“ ist eine Gesellschaft i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Bst. b OECD-MA, die in einem Vertragsstaat nach Art. 4 Abs. 1 OECD-MA ansässig (also unbeschränkt steuerpflichtig) ist. Der Begriff „Dividende“ ist ebenso abkommensrechtlicher Natur, wird allerdings nicht im Abschnitt II des OECD-MA, der die Begriffsbestimmungen enthält, definiert, sondern in Abs. 3 des Art. 10 OECD-MA. Art. 10 Abs. 2 OECD-MA sieht auch für den Quellenstaat, d.h. für den Staat, in dem die Dividenden zahlende Gesellschaft ansässig ist, ein Besteuerungsrecht vor.
Analyse der Struktur des OECD-Musterabkommens
169
Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Hs. 1 OECD-MA „Diese Dividenden können jedoch auch in dem Vertragsstaat, in dem die die Dividenden zahlende Gesellschaft ansässig ist, nach dem Recht dieses Staates besteuert werden; (...)“
Ö Der Quellenstaat hat neben dem Wohnsitzstaat ein Besteuerungsrecht. Ö Schrankennorm mit offener Rechtsfolge
Als Schrankennorm mit offener Rechtsfolge vermeidet Art. 10 OECD-MA die Doppelbesteuerung von Dividendeneinkünften noch nicht, sondern es bedarf dafür der Anwendung des Methodenartikels (Art. 23 OECD-MA) durch den Wohnsitzstaat. Der Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft als Quellenstaat verfügt zwar über ein Besteuerungsrecht, allerdings wird dieses der Höhe nach auf bestimmte Höchststeuersätze beschränkt: Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 OECD-MA „(...) die Steuer darf aber, Ö Das Besteuerungsrecht des Quellenstaates wird der wenn der Nutzungsberechtigte der Dividenden Höhe nach beschränkt. eine in dem anderen Vertragsstaat ansässige Person ist, Unterscheide 2 Fälle: nicht übersteigen: a) 5 vom Hundert des Bruttobetrages der Dividen- Ö Höchststeuersatz für den, Schachteldividenden wenn der Nutzungsberechtigte eine Gesellschaft (jedoch keine Personengesellschaft) ist, die unmittelbar über mindestens 25 vom Hundert des Kapitals der die Dividenden zahlenden Gesellschaft verfügt; b) 15 vom Hundert des Bruttobetrags der Dividenden in allen anderen Fällen.“
Ö Höchststeuersatz für Portfoliodividenden
Nach Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 OECD-MA sind für Schachtel- und Portfoliodividenden unterschiedliche Quellensteuerhöchstsätze vorgesehen. Für Schachteldividenden beträgt der Quellensteuerhöchstsatz 5 %. Eine Schachtelbeteiligung liegt vor, wenn eine Gesellschaft am Grund- oder Stammkapital der ausschüttenden Gesellschaft unmittelbar zu mindestens 25 % beteiligt ist. Die Mindestbeteiligungsquote von 25 % ist ein in vielen Staaten angewandter Prozentsatz zur Abgrenzung unternehmerischer Beteiligungen von Portfoliobeteiligungen, denn eine 25 %ige Beteiligung garantiert ein gewisses Maß an Ein-
170
Anwendung der Abkommen
fluss auf die Gesellschaft (Sperrminorität).235 Zusätzlich muss die Empfängerin der Dividende eine Kapitalgesellschaft sein. In Ländern, die wie Deutschland Personengesellschaften transparent besteuern, ist der Klammerzusatz „jedoch keine Personengesellschaft“ nur klarstellender Natur, da eine Personengesellschaft ohnehin keine Gesellschaft i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Bst. b OECD-MA ist. Dividenden, die „in allen anderen Fällen“ gezahlt werden, werden als Streubesitz- oder Portfoliodividenden bezeichnet. Eine Portfoliodividende liegt vor, wenn der Nutzungsberechtigte eine natürliche Person, eine Personengesellschaft oder eine Gesellschaft ist, die entweder nicht über die erforderliche Mindestbeteiligung von 25 % verfügt oder nicht unmittelbar beteiligt ist. Dividendeneinkünfte aus einer Schachtelbeteiligung werden somit gegenüber Portfoliobeteiligungen bevorzugt. Der im Vergleich zu Portfoliodividenden geringere Quellensteuerhöchstsatz soll eine Mehrfachbelastung von Dividenden im Konzern (sog. Kaskadeneffekt) verringern und direkte Auslandsinvestitionen fördern.236 Die Beschränkung des Quellensteuerhöchstsatzes hat keine Auswirkung auf die Besteuerung der im Quellenstaat ansässigen, die Dividenden ausschüttenden Gesellschaft. Die Besteuerung der Gesellschaft vollzieht sich nach dem innerstaatlichen Recht des Quellenstaates. Art. 10 Abs. 2 Satz 3 OECD-MA stellt dies lediglich klar: „Dieser Absatz berührt nicht die Besteuerung der Gesellschaft in Bezug auf Gewinne, aus denen die Dividenden gezahlt werden.“ Die Differenzierung in Schachtel- und Portfoliodividenden wird auch im Wohnsitzstaat vollzogen, der durch Anwendung des Methodenartikels die doppelte Steuerbelastung zu vermeiden hat. Hier findet sich allerdings ein wichtiger Unterschied zwischen dem OECD-MA und den von Deutschland abgeschlossenen DBA: Das OECD-MA sieht für Dividenden i.S.d. Art. 10 gem. Art. 23 A Abs. 2 (lediglich) die Anrechnungsmethode vor. Demgegenüber unterscheidet die deutsche Abkommenspraxis zwischen begünstigten Schachteldividenden, für die der Wohnsitzstaat die Freistellungsmethode anwendet, sowie nicht begünstigten Portfoliodividenden, für die nur die Anrechnungsmethode Anwendung findet.
235
Der Prozentsatz von 25 % stammt aus dem Aktienrecht; vgl. Tischbirek, W., in: Vogel, K./ Lehner, M. (Hrsg.), Doppelbesteuerungsabkommen Kommentar, 5. Aufl., München 2008, Art. 10, Rz. 56.
236
Vgl. Art. 10 Nr. 10 OECD-MK.
Analyse der Struktur des OECD-Musterabkommens
171
Beispiel
Merke: Eine Schachtelbeteiligung liegt vor, wenn eine inländische Kapitalgesellschaft eine Beteiligung an einer ausländischen Gesellschaft zu unternehmerischen Zwecken hält, d.h. eine bestimmte Mindesthöhe erreicht (i.d.R. 25 %). Schachteldividenden werden in deutschen DBA wie folgt begünstigt: x Reduktion der KapESt auf 5 % x Freistellung auf Ebene der Mutterkapitalgesellschaft = sog. Internationales Schachtelprivileg Grund: Vermeidung einer Mehrfachbelastung mit KSt (Kaskadeneffekt). Art. 23 Abs. 1 DBA-Ungarn237 „Bei einer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Person wird die Steuer wie folgt festgesetzt: a) Soweit nicht Buchstabe b anzuwenden ist, werden die Einkünfte und die Vermögenswerte, die nach diesem Abkommen in der Ungarischen Volksrepublik besteuert werden dürfen, von der Bemessungsgrundlage für die Steuer der Bundesrepublik Deutschland ausgenommen. (...). Auf Dividenden ist Satz 1 nur anzuwenden, wenn die Dividenden einer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Gesellschaft von einer in der Ungarischen Volksrepublik ansässigen Gesellschaft gezahlt werden, deren stimmberechtigte Anteile zu mindestens 25 vom Hundert der erstgenannten Gesellschaft gehören. (…)“ = Internationales Schachtelprivileg
Nach innerstaatlichem deutschen Recht sind gem. § 8b Abs. 1 KStG alle von einer Kapitalgesellschaft bezogenen Inlands- und Auslandsdividenden (somit Schachtel- und Portfoliodividenden) grundsätzlich in vollem Umfang von der Steuer freigestellt. Die Steuerfreistellung nach § 8b Abs. 1 KStG knüpft weder an Mindestbeteiligungshöhen oder -fristen noch an Aktivitätsvorbehalte an. Merke: Aufgrund § 8b Abs. 1 KStG läuft das in den DBA vereinbarte Schachtelprivileg weitgehend ins Leere. Für „alle anderen Fälle“, d.h. für Ausschüttungen, die nicht an eine inländische Kapitalgesellschaft geleistet werden, gewährt Deutschland lediglich die Anrechnungsmethode. Aus der Gesamtbetrachtung der Behandlung von Schachtelbeteiligungen im Quellen- und Wohnsitzstaat folgt, dass sich Schachteldividenden als unternehmerisch geprägte Beteiligung in der Belastung Unternehmenseinkünften annähern.238 Portfoliobeteiligungen haben
237
Vgl. DBA-Ungarn v. 18.07.1977, BGBl. II 1979, S. 626, BStBl. I 1979, S. 348.
238
Vgl. Wassermeyer, F., in: Debatin, H./ Wassermeyer, F. (Hrsg.), Doppelbesteuerung, Band I: Kommentierung des OECD-MA, 104. Erg.-Lfg., München 2008, Art. 10 MA, Rz. 9.
172
Anwendung der Abkommen
Beispiel
Quellenbesteuerung in Deutschland
Lösung
im Gegensatz dazu eher Kapitalanlagecharakter und die daraus bezogenen Dividenden sind eher mit Zinsen vergleichbar.239
Nach Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Hs. 1 OECD-MA kann diese Dividende auch in Deutschland als dem Staat, in dem die EggNog GmbH ansässig ist, nach den deutschen Vorschriften („nach dem Recht dieses Staates“)240 besteuert werden. Johnnie Knoxville ist nach § 1 Abs. 4 EStG in Deutschland beschränkt einkommensteuerpflichtig, da er inländische Einkünfte i.S.d. § 49 EStG erzielt. Dividenden stellen Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG dar, die zu den inländischen Einkünften i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 5 Bst. a EStG zählen. Auf die Dividende wird eine KapESt (Quellensteuer) i.H.v. 25 % zzgl. SolZ i.H.v. 5,5 % erhoben (§§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 43a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, §§ 1 Abs. 1, 2 Nr. 1, 3 Abs. 2, 4 Satz 1 SolZG).
Der in den USA ansässige Johnnie Knoxville hält eine 15 %ige Beteiligung an der deutschen EggNog GmbH, von der er eine Dividende in Höhe von 10.000 € brutto bezieht.
Nach Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Bst. b OECD-MA wird die 25 %ige KapESt auf 15 % beschränkt. Johnnie Knoxville ist danach mit einer Quellensteuer von 1.500 € in Deutschland belastet.241 Da die ESt bei Kapitalerträgen im Wege des Steuerabzugs einbehalten wird, ist damit die Einkommensteuerpflicht von Johnnie abgegolten (§ 50 Abs. 2 Satz 1 EStG). Die USA dürfen die Dividende ebenfalls besteuern. Dies wird durch Art. 10 Abs. 1 OECD-MA bestätigt. Gleichzeitig sorgen die USA durch Anwendung der Anrechnungsmethode im Rahmen des Methodenartikels für die Vermeidung der Doppelbesteuerung. Das Privileg der Quellensteuerreduzierung kann nur beansprucht werden, wenn der „Nutzungsberechtigte der Dividende eine in dem anderen Vertragsstaat ansässige Person ist.“ Diese Voraussetzung verfolgt den Zweck, eine missbräuchliche Inanspruchnahme des Abkommens zu verhindern, indem nicht auf den Empfänger, sondern auf denjenigen abge-
239
Vgl. Tischbirek, W., in: Vogel, K./ Lehner, M. (Hrsg.), Doppelbesteuerungsabkommen Kommentar, 5. Aufl., München 2008, Art. 10, Rz. 11.
240
Vgl. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Hs. 1 OECD-MA.
241
Er muss aber die Differenz (zwischen 25 % und 15 %) im Erstattungswege gem. § 50d Abs. 1 EStG oder eine Freistellung (Reduktion) der Quellensteuer gem. § 50d Abs. 5 EStG beantragen.
Analyse der Struktur des OECD-Musterabkommens
173
stellt wird, dem das Kapital wirtschaftlich zuzurechnen ist.242 Falls der Nutzungsberechtigte nicht abkommensberechtigt ist, könnte er ansonsten durch Einschaltung von Zwischengesellschaften in den Genuss der Vorteile des Abkommens gelangen (sog. treaty shopping). Nach der Mutter-Tochter-Richtlinie243 darf innerhalb der EU bei Ausschüttungen einer Tochtergesellschaft an ihre in einem anderen EU-Mitgliedstaat ansässige Muttergesellschaft keine Quellensteuer mehr erhoben werden, wenn die Muttergesellschaft an der Tochtergesellschaft mindestens zu 10 %244 beteiligt ist und die Beteiligung 24 Monate ununterbrochen bestanden hat (Art. 3 Abs. 1 Bst. a, Abs. 2 MTRl). Deutschland verzichtet auf eine Erhebung der Quellensteuer nach § 43b Abs. 3 EStG bereits bei einer Beteiligung von 10 % der Muttergesellschaft an der ausschüttenden Tochtergesellschaft, wenn der andere Staat diese Regelung im umgekehrten Fall erwidert (Reziprozitätsvorbehalt) und bereits dann, wenn die Beteiligung lediglich zwölf Monate ununterbrochen bestanden hat (§ 43b Abs. 2 EStG). Die Mutter-Tochter-Richtlinie ist gem. Art. 7 Abs. 2 MTRl neben dem DBA anwendbar. Die jeweils günstigere Regelung – regelmäßig die MTRl – ist für den Steuerpflichtigen anzuwenden. Merke: Unter bestimmten Voraussetzungen darf bei grenzüberschreitenden Ausschüttungen von Tochter- an Muttergesellschaften innerhalb der EU keine Quellensteuer erhoben werden (MTRl). Nach § 43b EStG (der die MTRl weitergehender in deutsches Recht umsetzt) muss dazu x eine Beteiligung von über 10 %, x für mehr als zwölf Monate bestehen. Art. 10 Abs. 3 OECD-MA definiert den Dividendenbegriff. Diese Definition ist als abkommensrechtliche Legaldefinition für beide Vertragsstaaten verbindlich. Der Dividendenbegriff ist von Bedeutung für den Quellenstaat, da er den Rahmen des Besteuerungsgutes absteckt. Aber auch für den Ansässigkeitsstaat hat die Definition Bedeutung, denn Art. 23 A Abs. 2 OECD-MA bezieht sich auf Art. 10 OECD-MA und dessen Definition des Dividendenbegriffs. Durch diese sog. Qualifikationsverkettung245 wird eine har-
242
Vgl. BFH v. 18.12.1986, I-R-52/83, BStBl. II 1988, S. 524; BFH v. 22.08.1990, I-R-69/89, BStBl. II 1991, S. 38.
243
Vgl. Richtlinie 90/435/EWG des Rates v. 23.07.1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (ABl. L 225, S. 6), zuletzt geändert durch die Richtlinie 2006/98/EG des Rates v. 20.11.2006 (ABl. L 363, S. 129), Beck’sche Textausgaben Steuergesetze, Nr. 2; die Richtlinie wurde in Deutschland umgesetzt durch §§ 44d EStG, 26 Abs. 2a KStG (bis VZ 2000) bzw. § 43b EStG (ab VZ 2001).
244
Ab 01.01.2009 beträgt die Mindestbeteiligungshöhe 10 %. Vom 01.01.2007 bis 31.12.2008 betrug sie 15 % (Art. 3 Abs. 1 Bst. a MTRl).
245
Vgl. Debatin, H., Doppelbesteuerungsabkommen und innerstaatliches Recht, DStR 1992, Beihefter zu Heft 23, S. 4.
174
Anwendung der Abkommen
monisierte Abkommensanwendung sichergestellt. In diesem Fall wird durch die Qualifikationsverkettung ein einheitliches Verständnis von „Dividenden“ durch den Quellen- und Wohnsitzstaat gewährleistet.246 Art. 10 Abs. 3 OECD-MA „Der in diesem Artikel verwendete Ausdruck „Dividenden“ bedeutet Einkünfte aus Aktien, Genussaktien oder Genussscheinen, Kuxen, Gründeranteilen oder anderen Rechten – ausgenommen Forderungen – mit Gewinnbeteiligung sowie aus sonstigen Gesellschaftsanteilen stammende Einkünfte, die nach dem Recht des Staates, in dem die ausschüttende Gesellschaft ansässig ist, den Einkünften aus Aktien steuerlich gleichgestellt sind.“
dreigliedrige Definition: Ö 1. Gruppe (Beispiele) Ö 2. Gruppe (Auffangtatbestand) Ö 3. Gruppe (Generalklausel, Rückgriff auf nationales Recht des Quellenstaates)
Eine abschließende Bestimmung des Ausdrucks „Dividenden“ ist wegen der Vielfalt der nationalen Rechtsordnungen kaum möglich. Deshalb verwendet die Definition des Abs. 3 eine kurze Aufzählung von Beispielen, die in vielen Rechtsordnungen als Dividenden qualifiziert werden. Ergänzt wird die Aufzählung durch eine Generalklausel, die das innerstaatliche Verständnis des Quellenstaates zur abkommensrechtlichen Definition erhebt.247 Aus dem Ausdruck „sowie aus sonstigen Gesellschaftsanteilen“ ergibt sich, dass Gesellschaftsanteile den Oberbegriff der unter Abs. 3 fallenden Dividenden bilden.248 Der Begriff „Gesellschaftsanteile“ grenzt zum einen Gesellschaftsanteile von Anteilen an einer Personengesellschaft ab, und zum anderen werden Anteile von Forderungen abgegrenzt, deren Erträge unter Art. 11 OECD-MA („Zinsen“) fallen.249 Anteile am Gewinn von Personengesellschaften sind keine Dividenden, außer die Personengesellschaften werden in dem Staat, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung befindet, steuerlich wie Kapitalgesellschaften behandelt. Art. 10 Abs. 4 OECD-MA ist die korrespondierende Vorschrift zu Art. 7 Abs. 7 OECDMA. Art. 7 Abs. 7 OECD-MA bestimmt, dass Art. 7 OECD-MA („Unternehmensgewin-
246
Vgl. Djanani, C./ Brähler, G./ Hartmann, T., Die Finanzverwaltung und die autonome Abkommensauslegung, IStR 2004, S. 481 ff.
247
Vgl. Art. 10 Nr. 23 OECD-MK.
248
Vgl. Wassermeyer, F., in: Debatin, H./ Wassermeyer, F. (Hrsg.), Doppelbesteuerung, Band I: Kommentierung des OECD-MA, 104. Erg.-Lfg., München 2008, Art. 10 MA, Rz. 92.
249
Vgl. Tischbirek, W., in: Vogel, K./ Lehner, M. (Hrsg.), Doppelbesteuerungsabkommen Kommentar, 5. Aufl., München 2008, Art. 10, Rz. 188.
Analyse der Struktur des OECD-Musterabkommens
175
ne“) subsidiär anzuwenden ist und Art. 10 OECD-MA somit Vorrang genießt. Allerdings ist in diesem Fall der sog. Betriebsstättenvorbehalt des Art. 10 Abs. 4 OECD-MA zu beachten, der eine Rückverweisung auf den Artikel über Unternehmensgewinne enthält. Art. 10 Abs. 4 OECD-MA „Die Absätze 1 und 2 sind nicht anzuwenden, wenn der in einem Vertragsstaat ansässige Nutzungsberechtigte im anderen Vertragsstaat, in dem die die Dividenden zahlende Gesellschaft ansässig ist, eine Geschäftstätigkeit durch eine dort gelegene Betriebsstätte ausübt und die Beteiligung, für die die Dividenden gezahlt werden, tatsächlich zu dieser Betriebsstätte gehört. In diesem Fall ist Artikel 7 anzuwenden.“
Ö Subsidiarität des Art. 10 OECD-MA
Ö Betriebsstättenvorbehalt Ö Art. 7 OECD-MA genießt Vorrang
Art. 10 OECD-MA wird nicht angewendet, wenn der Nutzungsberechtigte in dem Vertragsstaat, in dem die Dividenden zahlende Gesellschaft ansässig ist, über eine Betriebsstätte verfügt und die Beteiligung zum Betriebsvermögen dieser Betriebsstätte gehört (Betriebsstättenvorbehalt). Aus dem Betriebsstättenvorbehalt folgt, dass der Quellenstaat Dividenden im Rahmen der Betriebsstättengewinne uneingeschränkt besteuern darf. Art. 10 Abs. 5 OECD-MA enthält das Verbot der extraterritorialen Besteuerung für den Nichtansässigkeitsstaat der Gesellschaft. Damit soll der Besteuerungspraxis einiger Staaten250 entgegengetreten werden, die die Gewinne der Betriebsstätten von Kapitalgesellschaften neben der Körperschaftsteuer einer zusätzlichen Besteuerung unterwerfen. Ziel ist es, die Ausschüttungen, die aus den Betriebsstättengewinnen stammen, zu besteuern, obwohl sich diese der Besteuerung durch den Betriebsstättenstaat entziehen. Der Betriebsstättenstaat versucht, diesen Steuerausfall, der sich daraus ergibt, dass eine Betriebsstätte im Gegensatz zu einer Kapitalgesellschaft keine Ausschüttungen vornehmen kann und somit keine Quellensteuern entstehen, über eine extraterritoriale Besteuerung zu kompensieren.251 Im Ergebnis sollen auf diese Weise Betriebsstätten und Tochterkapitalgesellschaften ausländischer Eigentümer steuerlich gleich behandelt werden.
250
Als Beispiel können die USA angeführt werden, die eine sog. branch profits tax erheben. Deutschland erkennt diese Praxis in Art. 10 Abs. 8 DBA-USA an.
251
Vgl. Djanani, C., Internationales Steuerrecht, 2. Aufl., Wien 1998, S. 187.
176
Anwendung der Abkommen
Merke: Art. 10 Abs. 5 OECD-MA verbietet dem Nichtansässigkeitsstaat eine extraterritoriale Besteuerung von Betriebsstättengewinnen. Deren gegenüber den ausgeschütteten Gewinnen von Tochterkapitalgesellschaften steuerlich günstigere Behandlung darf nicht durch über die KSt hinausgehende Besteuerung (sog. branch profits tax) egalisiert werden. Hintergrund: Eine Betriebsstätte kann keine Ausschüttungen vornehmen, weswegen bzgl. derer Gewinne auch keine Quellensteuern entstehen.
Art. 10 Abs. 5 OECD-MA „Bezieht eine in einem Vertragsstaat ansässige Gesellschaft Gewinne oder Einkünfte aus dem anderen Vertragsstaat, so darf dieser andere Staat weder die von der Gesellschaft gezahlten Dividenden besteuern, es sei denn, dass diese Dividenden an eine im anderen Staat ansässige Person gezahlt werden oder dass die Beteiligung, für die die Dividenden gezahlt werden tatsächlich zu einer im anderen Staat gelegenen Betriebsstätte gehört, noch Gewinne der Gesellschaft einer Steuer für nichtausgeschüttete Gewinne unterwerfen, selbst wenn die gezahlten Dividenden oder die nichtausgeschütteten Gewinne ganz oder teilweise aus im anderen Staat erzielten Gewinnen oder Einkünften bestehen.“
Zwei Regelungen zur extraterritorialen Besteuerung: Ö Verbot extraterritorialer Besteuerung von Ausschüttungen
Ö Verbot der Erhebung von Sondersteuern auf thesaurierte Gewinne
Die zweite Regelung des Abs. 5 bezieht sich darauf, dass nichtansässige Gesellschaften zu keiner Sondersteuer auf nicht ausgeschüttete Gewinne herangezogen werden dürfen.252 Diese Vorschrift scheint mit der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung nach §§ 7 ff. AStG zu kollidieren, die nicht ausgeschüttete Gewinne zwecks Verhinderung einer Steuerumgehung durch Annahme einer fiktiven Ausschüttung besteuert. Darin ist aber keine Verletzung des Art. 10 Abs. 5 OECD-MA zu sehen, da sich Art. 10 OECD-MA auf die Besteuerung im Quellenstaat richtet und nicht in die Besteuerung im Wohnsitzstaat eingreift. Abs. 5 spricht nur von der Besteuerung der Gesellschaft und nicht von derjenigen der Gesellschafter.253 Deutschland behandelt nach § 10 Abs. 5 AStG die fiktive Ausschüttung als Dividende i.S.d. Art. 10 OECD-MA, so dass Art. 10 Abs. 2 OECD-MA angewendet wird.
252
Vgl. Art. 10 Nr. 36 OECD-MK.
253
Vgl. Art. 10 Nr. 37 OECD-MK.
Analyse der Struktur des OECD-Musterabkommens
177
3.2.2.6 Zinsen (Art. 11 OECD-MA) Wie die Dividendeneinkünfte folgen auch Zinseinkünfte dem Konzept einer Steueraufteilung zwischen Quellen- und Wohnsitzstaat: die Besteuerung im Quellenstaat ist begrenzt und der Wohnsitzstaat rechnet die Steuer des Quellenstaates an, so dass beide Staaten auf einen Teil ihres Steueraufkommens verzichten. Da Art. 11 OECD-MA in etwa die gleiche Funktion innehat wie Art. 10 OECD-MA, nähern sich beide Artikel im Aufbau stark an. Die Absätze 1 bis 4 stimmen nahezu überein. Die folgende Abbildung zeigt den Aufbau des Art. 11 OECD-MA: Absätze Abs. 1
charakteristische Normbestandteile
spezifischer Regelungsinhalt
Abs. 2
Beschränkung der Besteuerungsrechte Besteuerungsrecht d. Wohnsitzstaates zwischen den Vertragsstaaten Besteuerungsrecht d. Quellenstaates
Abs. 3
Def. des Besteuerungsgegenstandes
Abs. 4
Abgrenzung zu anderen Abkommensartikeln (Subsidiaritäts- Betriebsstättenvorbehalt klausel)
Definition des Zinsbegriffs
Abs. 5
Ermittlung der Quelle der Zinsen
Abs. 6
Beschränkung des Anwendungsbereichs
Abbildung 47:
Aufbau des Art. 11 OECD-MA
Art. 11 Abs. 1 OECD-MA bestätigt lediglich das Recht des Wohnsitzstaates des Zinsempfängers, Einkünfte aus Zinsen uneingeschränkt besteuern zu können.254 Art. 11 Abs. 1 OECD-MA „Zinsen, die aus einem Vertragsstaat stammen und an eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person gezahlt werden, können im anderen Staat besteuert werden.“
254
Ö Die Grundregel des uneingeschränkten Besteuerungsrechts des Wohnsitzstaates wird für Zinseinkünfte bestätigt.
In DBA zwischen Industrienationen ist häufig wegen des ausgeglichenen Wirtschaftsverkehrs ein alleiniges Besteuerungsrecht des Wohnsitzstaates verankert; dies ist aber ebenso häufig bereits im nationalen Recht festgelegt; vgl. Pöllath, R./ Lohbeck, A., in: Vogel, K./ Lehner, M. (Hrsg.), Doppelbesteuerungsabkommen Kommentar, 5. Aufl., München 2008, Art. 11, Rz. 2, 11.
178
Anwendung der Abkommen
Art. 11 OECD-MA erfasst nur Einkünfte aus Zinsen, die die Voraussetzungen des Abs. 1 erfüllen. Stammen die Zinsen aus einem Drittstaat oder aus dem Ansässigkeitsstaat des Gläubigers, so gilt Art. 21 OECD-MA („andere Einkünfte“). Art. 11 Abs. 2 OECD-MA sieht auch für den Quellenstaat, d.h. für den Staat, aus dem die Zinsen stammen, ein Besteuerungsrecht vor. Dabei richtet sich die Art der Besteuerung nach dem innerstaatlichen Recht des Quellenstaates („nach dem Recht dieses Staates“). Art. 11 Abs. 2 Satz 1 Hs. 1 OECD-MA „Diese Zinsen können jedoch auch in dem Vertragsstaat, aus dem sie stammen, nach dem Recht dieses Staates besteuert werden; (...)“
Ö Der Quellenstaat hat neben dem Wohnsitzstaat ein Besteuerungsrecht. Ö Schrankennorm mit offener Rechtsfolge
Als Schrankennorm mit offener Rechtsfolge vermeidet Art. 11 OECD-MA die Doppelbesteuerung von Zinseinkünften noch nicht. Es bedarf dafür der Anwendung des Methodenartikels (Art. 23 OECD-MA) durch den Wohnsitzstaat. Deutschland vermeidet die Doppelbesteuerung, indem es sein Besteuerungsrecht durch die Anrechnungsmethode einschränkt. Der Vertragsstaat, aus dem die Zinsen stammen, verfügt als Quellenstaat zwar über ein Besteuerungsrecht, allerdings wird dieses der Höhe nach auf einen Höchststeuersatz von 10 % des Bruttobetrages der Zinsen beschränkt.255 Art. 11 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 OECD-MA „(...) die Steuer darf aber, wenn der Nutzungsberechtigte der Zinsen eine in dem anderen Vertragsstaat ansässige Person ist, 10 vom Hundert des Bruttobetrages der Zinsen nicht übersteigen.“
Ö Das Besteuerungsrecht des Quellenstaates wird der Höhe nach beschränkt. Ö Höchststeuersatz: 10 %
Eine Begrenzung auf einen Höchststeuersatz von 10 % im Quellenstaat erscheint ausreichend, da der Quellenstaat auch Erträge besteuern darf, die in seinem Staatsgebiet aufgrund von fremdfinanzierten Investitionen entstehen.256
255
Viele Industriestaaten – wie z.B. Deutschland – besteuern aber aufgrund des nationalen Rechts Zinsen aus ungesicherten Forderungen überhaupt nicht (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Bst. c EStG).
256
Vgl. Art. 11 Nr. 7 OECD-MK.
Analyse der Struktur des OECD-Musterabkommens
179
Die Quellensteuerbeschränkung tritt nur ein, wenn der Nutzungsberechtigte eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person ist. Auch im Zusammenhang mit Zinseinkünften wird über die Tatbestandsvoraussetzung „Nutzungsberechtigter“ versucht, eine missbräuchliche Inanspruchnahme durch Nicht-Abkommensberechtigte durch Einschaltung von abkommensberechtigten Zwischengesellschaften zu verhindern („treaty shopping“). Art. 11 Abs. 3 OECD-MA bestimmt, was für Zwecke des Abkommens unter „Zinsen“ zu verstehen ist (abkommensrechtliche Legaldefinition). Die Definition der Zinsen ist als abschließend zu betrachten.257 Es erfolgt – abweichend zum Dividendenbegriff – keine Verweisung auf das innerstaatliche Recht des Quellenstaates wie beim Dividendenbegriff (Art. 10 Abs. 3 OECD-MA). Art. 11 Abs. 3 OECD-MA „Der in diesem Artikel verwendete Ausdruck „Zinsen“ bedeutet Einkünfte aus Forderungen jeder Art, auch wenn die Forderungen durch Pfandrechte an Grundstücken gesichert oder mit einer Beteiligung am Gewinn des Schuldners ausgestattet sind, und insbesondere Einkünfte aus öffentlichen Anleihen und aus Obligationen einschließlich der damit verbundenen Aufgelder und der Gewinne aus Losanleihen. Zuschläge für verspätete Zahlungen gelten nicht als Zinsen im Sinne dieses Artikels.“
Ö abschließende Definition des Zinsbegriffs Ö Hervorhebung zweier Beispiele Ö Verzugszinsen erfüllen nicht den Zinsbegriff
Das OECD-MA erklärt nicht, was genau „Forderungen jeder Art“ sind. Im OECD-MK werden dazu beispielhaft Bareinlagen und Barkautionen sowie die im Vertragstext erwähnten öffentlichen Anleihen und Obligationen („insbesondere“) aufgeführt.258 Zur Abgrenzung der Zinsen i.S.d. des Art. 11 Abs. 3 OECD-MA von den Dividenden i.S.d. Art. 10 Abs. 3 OECD-MA vergleiche folgende Übersicht:
257
Vgl. Art. 11 Nr. 21 OECD-MK.
258
Vgl. Art. 11 Nr. 18 OECD-MK.
180
Anwendung der Abkommen
Zinsen i.S.d. Art. 11 Abs. 3 OECD-MA Dividenden i.S.d. Art. 10 Abs.3 OECD-MA Ö Entgelt für die Kapitalüberlassung zur Nutzung und Rückzahlung259
Ö Entgelt für die Kapitalüberlassung mit Unternehmerrisiko
Ö aufgrund schuldrechtlicher Basis260
Ö aufgrund gesellschaftsrechtlicher Basis
Ö Einkünfte aus Forderungen
Ö Einkünfte aus Gesellschaftsanteilen
Ö Vergütung für Fremdfinanzierung
Ö Vergütung für Eigenfinanzierung261
Abbildung 48:
Abgrenzung Zinsen – Dividenden
Art. 11 Abs. 4 OECD-MA löst das Konkurrenzverhältnis zwischen Art. 7 und Art. 11 OECD-MA, für den Fall, dass ein Unternehmen Zinseinkünfte erzielt. Art. 11 Abs. 4 OECD-MA steht im Zusammenhang mit Art. 7 Abs. 7 OECD-MA und enthält den auch für Dividendeneinkünfte geltenden Betriebsstättenvorbehalt. Art. 7 Abs. 7 OECD-MA gewährt dem spezielleren Artikel über die Zinsen den Vorrang vor der Anwendung des Artikels über Unternehmenseinkünfte, solange keine Rückverweisung mittels Betriebsstättenvorbehalts erfolgt. Werden Zinsen für Forderungen gezahlt, die Teil des Betriebsstättenvermögens des im anderen Staat ansässigen Gläubigers sind, so werden die Zinsen im Quellenstaat im Rahmen der Betriebsstättengewinne besteuert, und der Quellenstaat unterliegt nicht den Beschränkungen des Art. 11 OECD-MA. Der Betriebsstättenvorbehalt kann sich in Fällen, in denen den Zinseinkünften Betriebsausgaben oder Werbungskosten (z.B. Finanzierungsaufwand) gegenüberstehen, steuerlich günstig auswirken. Die Quellenbesteuerung nach Art. 11 Abs. 2 OECD-MA erfolgt auf Bruttobasis, so dass Betriebsausgaben oder Werbungskosten nicht abgezogen werden können.262 Die Besteuerung nach Art. 7 OECD-MA erfolgt auf Basis des Nettogewinns mit der Folge, dass ein Abzug von Betriebsausgaben (z.B. Finanzierungsaufwand) zulässig ist. Art. 11 Abs. 5 OECD-MA bestimmt, wann Zinsen „aus einem Vertragsstaat stammen“. Die Bestimmung legt also die Quelle der Zinsen fest. Die beiden Sätze der Vorschrift stehen in einem Grundsatz-Ausnahme-Verhältnis.263 Satz 1 der Vorschrift formuliert den Grundsatz, dass Zinsen ihre Quelle in dem Staat haben, in dem der Schuldner der Zinsen ansässig ist. Satz 2 enthält eine Ausnahme („aber“) von diesem Grundsatz für den Fall, 259
Vgl. Pöllath, R./ Lohbeck, A., in: Vogel, K./ Lehner, M. (Hrsg.), Doppelbesteuerungsabkommen Kommentar, 5. Aufl., München 2008, Art. 11, Rz. 4, 56.
260
Vgl. BFH v. 09.12.1981, I-R-179/77, BStBl. II 1982, S. 243; Wassermeyer, F., in: Debatin, H./ Wassermeyer, F. (Hrsg.), Doppelbesteuerung, Band I: Kommentierung des OECD-MA, 104. Erg.-Lfg., München 2008, Art. 11 MA, Rz. 10.
261
Vgl. Kluge, V., Das Internationale Steuerrecht, 4. Aufl., München 2000, S. 859; diese vereinfachte Trennung lässt sich aufgrund moderner Finanzinnovationen (Mischformen, sog. hybride Finanzierungsinstrumente) nicht vollständig aufrechterhalten.
262
Vgl. BFH v. 29.05.1996, I-R-167/94, IStR 1996, S. 336.
263
Vgl. Art. 11 Nr. 26 OECD-MK.
Analyse der Struktur des OECD-Musterabkommens
181
dass die Schuld in wirtschaftlichem Zusammenhang mit einer Betriebsstätte steht. Wurde bspw. ein Darlehen für eine Betriebsstätte aufgenommen, die die Zinsen wirtschaftlich trägt, so ist die Quelle der Zinsen in dem Vertragsstaat, in dem sich die Betriebsstätte befindet. Dies gilt selbst dann, wenn der Eigentümer der Betriebsstätte in einem dritten Staat ansässig ist. Durch die Ausnahmeregelung wird der Betriebsstättenstaat, der durch den Abzug des Zinsaufwandes beim Betriebsstättenergebnis eine Verringerung seiner Steuerbemessungsgrundlage erleidet, durch ein begrenztes Zinsbesteuerungsrecht entschädigt.264 Art. 11 Abs. 5 OECD-MA „Zinsen gelten dann als aus einem Vertragsstaat stammend, wenn der Schuldner eine in diesem Staat ansässige Person ist.
Lösung
Beispiel
Hat aber der Schuldner der Zinsen, ohne Rücksicht darauf, ob er in einem Vertragsstaat ansässig ist oder nicht, in einem Vertragsstaat eine Betriebsstätte und ist die Schuld, für die Zinsen gezahlt werden, für Zwecke der Betriebsstätte eingegangen worden und trägt die Betriebsstätte die Zinsen, so gelten die Zinsen als aus dem Staat stammend, in dem die Betriebsstätte liegt.“
Ö Grundsatz: Anknüpfung an Ansässigkeit des Schuldners Ö Ausnahme: Anknüpfung an Betriebsstätte, wenn wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Darlehensverbindlichkeit und Betriebsstätte
Grundsatz-Ausnahme-Verhältnis des Art. 11 Abs. 5 OECD-MA Die Geschäftsleitung der deutschen NoCash-GmbH nimmt bei der deutschen NoLimits-Bankgesellschaft mbH ein Darlehen auf, das ausschließlich den Zwecken einer in Belgien belegenen Betriebsstätte dient. Die Zinsen werden von der Geschäftsleitung gezahlt, aber der Betriebsstätte weiterbelastet. Die Zinsen mindern den Betriebsstättengewinn in Belgien. Als Quellenstaat der Zinsen gilt nach Art. 11 Abs. 5 Satz 2 OECD-MA Belgien, da die NoCash-GmbH als Schuldner der Zinsen im Vertragsstaat Belgien eine Betriebsstätte hat, die Schuld für diese eingegangen wurde und die Zinsen von der Betriebsstätte selbst getragen werden.
Art. 11 Abs. 6 OECD-MA verfolgt das Ziel, den Anwendungsbereich dieses Artikels zu beschränken, falls die vereinbarten Zinsen vom „dealing-at-arm’s-length“-Prinzip ab-
264
Vgl. Grützner, D., in: Gosch, D./ Kroppen, H.-K./ Grotherr, S. (Hrsg.), DBA-Kommentar, 21. Erg.-Lfg., Herne/Berlin 2008, Art. 11 OECD-MA, Rz. 145 f.
182
Anwendung der Abkommen
weichen. Als Folge gilt die Schrankenwirkung des Art. 11 OECD-MA nur für den Teil der Zinsen, der dem Fremdvergleich entspricht. Der unangemessene Teil der Zinsen wird nach dem Recht der Vertragsstaaten unter Berücksichtigung des Abkommens behandelt. Art. 11 Abs. 6 OECD-MA „Bestehen zwischen dem Schuldner und dem Nutzungsberechtigten oder zwischen jedem von ihnen und einem Dritten besondere Beziehungen und übersteigen deshalb die Zinsen, gemessen an der zugrundeliegenden Forderung, den Betrag, den Schuldner und Nutzungsberechtigter ohne
Ö Maßstab des „arm’slength“-Prinzip Ö Kausalität zwischen überhöhten Zinsen und besonderer Beziehung
kel nur auf den letzteren Betrag angewendet.
Ö Beschränkung des Anwendungsbereichs des Art. 11 OECD-MA
In diesem Fall kann der übersteigende Betrag nach dem Recht eines jeden Vertragsstaats und unter Berücksichtigung der anderen Bestimmungen dieses Abkommens besteuert werden.“
Ö Art. 11 OECD-MA findet für den unangemessenen Teil keine Anwendung
diese Beziehungen vereinbart hätten, so wird dieser Arti-
Als „besondere Beziehung“ stellen sich vor allem gesellschaftsrechtliche Verflechtungen (z.B. Mutter- und Tochtergesellschaft) dar, aber auch jede andere Interessengemeinschaft fällt unter diese Bezeichnung.265 Gerade im Verhältnis Mutter- und Tochtergesellschaft lässt sich durch schuldrechtliche Vereinbarungen, die sowohl zivilrechtlich als auch steuerrechtlich anerkannt werden, eine steueroptimale Gewinnverteilung herbeiführen. Aufgrund der wirtschaftlichen Zusammengehörigkeit führen diese Gestaltungen nicht zu Interessengegensätzen. Des Weiteren sind im Rahmen der Besteuerung grenzüberschreitender Zinszahlungen an natürliche Personen innerhalb der EU die Vorschriften der EU-Zinsrichtlinie266 (ZinsRL), die am 01.07.2005 in Kraft getreten ist, zu beachten. Die EU-Zinsrichtlinie verfolgt gem. Art. 1 Abs. 1 ZinsRL das Ziel, Zinserträge in der gesamten EU beim in der EU ansässigen wirtschaftlichen Eigentümer zu erfassen und in dessen Wohnsitzstaat zu besteuern. Die Verwirklichung dieses Ziels wird in den Mitgliedstaaten entweder über einen Informations-
265
Vgl. Art. 11 Nr. 34 OECD-MK. Der Begriff ähnelt der Definition der „nahestehenden Person“ nach § 1 Abs. 2 AStG.
266
Vgl. Richtlinie 2003/48/EG im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen des Rates v. 03.06.2003. In Deutschland erlangt die EU-Richtlinie aufgrund der Zinsinformationsverordnung (ZIV) v. 26.01.2004 Gültigkeit.
Analyse der Struktur des OECD-Musterabkommens
183
austausch oder innerhalb eines Übergangszeitraums durch Erhebung einer anonymen Quellensteuer sichergestellt.267 Mit Ausnahme von Belgien, Luxemburg und Österreich kommt es in allen anderen EUMitgliedstaaten bei grenzüberschreitenden Zinszahlungen zu einer automatischen Information von ausländischen Zahlstellen (insbesondere Banken) an die Steuerbehörden im Ansässigkeitsstaat des wirtschaftlichen Eigentümers der Zinserträge in Form einer Kontrollmeldung. Die Kontrollmeldung enthält Angaben zu Identität und Wohnsitz des Kapitalanlegers, Name und Anschrift der Zahlstelle, Kontonummer und die Höhe der Zinserträge.268 Auf diesem Weg soll eine Besteuerung der ausländischen Zinserträge im Ansässigkeitsstaat des Kapitalanlegers sichergestellt werden. In Belgien, Luxemburg und Österreich wird ausländischen Kapitalanlegern aus EUMitgliedstaaten für einen Übergangszeitraum ein Wahlrecht eingeräumt. EU-Bürger können entweder freiwillig ihre persönlichen Daten offen legen oder werden mit einer Zahlstellensteuer belastet. Die Zahlstellensteuer beträgt nach Art. 11 Abs. 1 ZinsRL derzeit 20 % (bis 01.07.2008: 15 % und ab 01.07.2011: 35 %). Der Quellenstaat erhält 25 % der Zahlstellensteuereinnahmen; die restlichen 75 % fließen dem Wohnsitzstaat zu (Art. 12 Abs. 1 ZinsRL). Die Zahlstellensteuer ist gem. Art. 11 Abs. 4 ZinsRL eine Quellensteuer ohne abgeltende Wirkung, d.h. der Ansässigkeitsstaat kann die Zinserträge weiterhin besteuern. Jedoch wird nach Art. 14 ZinsRL eine Doppelbesteuerung vermieden, indem der Ansässigkeitsstaat dem Steuerpflichtigen eine Steuergutschrift in Höhe der nach innerstaatlichem Recht auf die Zinserträge einbehaltenen Steuer gewährt. Übersteigt die Zahlstellensteuer die nach innerstaatlichem Recht geschuldete Steuer, so wird die Differenz durch den Wohnsitzstaat erstattet. Der Übergangszeitraum dieser Ausnahmeregelung endet gem. Art. 10 Abs. 2 ZinsRL mit dem Ende des ersten abgeschlossenen Steuerjahrs, das auf den späteren der beiden Zeitpunkte folgt: x
x
Tag des Abschlusses eines Abkommens zwischen der EU und der Schweiz, Liechtenstein, San Marino, Monaco und Andorra über die Erteilung von Auskünften auf Anfrage i.S.d. OECD-Musterabkommens zum Informationsaustausch in Steuersachen vom 18.04.2002 in Bezug auf Zinszahlungen sowie der gleichzeitigen Einführung und Anwendung der Quellensteuerregelung, Tag, an dem der Rat der EU feststellt, dass die USA sich zur Erteilung von Auskünften auf Anfrage i.S.d. OECD-Musterabkommens verpflichtet haben.
267
Vgl. Seiler, D./ Lohr, J.-A., Ausländische Zinseinkünfte sind kein (Bank-)Geheimnis mehr – die EU-Zinsrichtlinie aus Sicht des BMF – Besprechung des BMF-Schreibens vom 6.1.2005 zur Zinsinformationsverordnung vom 26.1.2004, DStR 2005, S. 537.
268
Vgl. Seiler, D., Transparenz bei Zinseinkünften im europäischen Raum – Frühestens ab Juli 2005 greifen die Regelungen der EU- Zinsrichtlinie für Kapitalanlagen, IStR 2004, S. 782; Lohr, J.-A./ Gieser, B., Aktuelles Beratungs-Know-how Besteuerung von Kapitalvermögen, DStR 2006, S 407.
184
Anwendung der Abkommen
Über bilaterale Abkommen der EU erlangen die Regelungen der EU-Zinsrichtlinie auch in Drittstaaten und abhängigen oder assoziierten Gebieten von EU-Mitgliedsstaaten Geltung. Während Anguilla, Aruba, die Kaimaninseln und Montserrat Kontrollmitteilungen übermitteln, kommt in Andorra, Liechtenstein, Monaco, San Marino, der Schweiz, auf den Britischen Jungferninseln, Guernsey, Isle of Man, Jersey, den Niederländischen Antillen und den Turks- und Caicosinseln die in Belgien, Luxemburg und Österreich praktizierte Regelung zur Anwendung.269 Die EU-Zinsrichtlinie ist ein Schritt in Richtung einer Harmonisierung der Besteuerung von Kapitalerträgen innerhalb der EU. Jedoch weist die bestehende Vorschrift Lücken auf. So werden durch die EU-Zinsrichtlinie ausschließlich Zinserträge und keine anderen Kapitalerträge (insbesondere Dividenden) erfasst. Zudem fallen juristische Personen nicht in den Anwendungsbereich der EU-Zinsrichtlinie.270 Aus diesen Gründen arbeitet die EUKommission aktuell an einer Reform der EU-Zinsbesteuerung.271
3.2.2.7 Lizenzgebühren (Art. 12 OECD-MA) Lizenzgebühren als Entgelte für die Nutzung geistigen Kapitals fallen unter Art. 12 OECD-MA. Den Aufbau des Art. 12 OECD-MA verdeutlicht die folgende Abbildung. Absätze
charakteristische Normbestandteile
spezifischer Regelungsinhalt
Abs. 1
Beschränkung der Besteuerungsrechte Besteuerungsrecht des Wohnsitzzwischen den Vertragsstaaten staates
Abs. 2
Def. des Besteuerungsgegenstandes
Abs. 3
Abgrenzung zu anderen AbkommensBetriebsstättenvorbehalt artikeln (Subsidiaritätsklausel) Beschränkung des Anwendungsbereichs
Abs. 4 Abbildung 49:
Def. des Begriffs „Lizenzgebühr“
Aufbau des Art. 12 OECD-MA
Das Besteuerungsrecht für Lizenzgebühren wird nach Art. 12 Abs. 1 OECD-MA ausschließlich dem Wohnsitzstaat des Lizenzgebers zugewiesen.272 269
Vgl. Schwarz, P., Schwachstellen der EU-Zinsrichtlinie, IStR 2006, S. 85.
270
Vgl. Schwarz, P., Schwachstellen der EU-Zinsrichtlinie, IStR 2006, S. 86.
271
Vgl. Kapalle, U., Zum Seminar C: Überlegungen zur Zinsbesteuerungsrichtlinie – Eine lex perfecta oder imperfecta?, IStR 2008, S. 544.
272
Viele deutsche DBA weichen hiervon ab und gewähren dem Quellenstaat ein der Höhe nach begrenztes Besteuerungsrecht. Die Besteuerung vollzieht sich dann entsprechend der Systematik des Art. 11 Abs. 1 und 2 OECD-MA; vgl. Pöllath, R./ Lohbeck, A., in: Vogel, K./ Lehner, M. (Hrsg.), Doppelbesteuerungsabkommen Kommentar, 5. Aufl., München 2008, Art. 12, Rz. 30.
Analyse der Struktur des OECD-Musterabkommens
185
Art. 12 Abs. 1 OECD-MA „Lizenzgebühren, die aus einem Vertragsstaat stammen und deren Nutzungsberechtigter eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person ist, können nur im anderen Staat besteuert werden.“
Ausschließliches Besteuerungsrecht des Wohnsitzstaates des Lizenzgebers. Ö Schrankennorm mit abschließender Rechtsfolge
Der Ausschluss der Quellenbesteuerung vermeidet eine Doppelbesteuerung bereits auf Ebene der Schrankennormen, so dass eine Anwendung des Methodenartikels (Art. 23 OECD-MA) ausscheidet. Gerechtfertigt wird ein ausschließliches Besteuerungsrecht des Wohnsitzstaates für Lizenzgebühren damit, dass der Wohnsitzstaat steuerlich die Forschungs- und Entwicklungskosten für das Wirtschaftsgut trägt, auf dem die Lizenzgebühren basieren.273 Die Abkommenspraxis gesteht aber häufig aufgrund des fehlenden Gleichgewichtes dem Quellenstaat ein beschränktes Besteuerungsrecht an den Lizenzgebühren zu und verpflichtet den Wohnsitzstaat zur Anrechnung.274 Art. 12 OECD-MA findet nur Anwendung, wenn die im Abs. 1 beschriebene Fallkonstellation vorliegt, d.h. die Lizenzgebühren müssen aus dem jeweils anderen Vertragsstaat stammen und dem „Nutzungsberechtigten“ zufließen. Nur in diesem Fall ergibt sich eine Befreiung von der Quellensteuer. Wie im Bereich der Dividenden- und Zinseinkünfte dient die Voraussetzung des „Nutzungsberechtigten“ der Verhinderung einer missbräuchlichen Inanspruchnahme des Abkommens. Abs. 2 des Artikels enthält die abkommensrechtliche Legaldefinition des Begriffs „Lizenzgebühr“. Die Definition ist als abschließend zu betrachten.275
273
Vgl. Pöllath, R./ Lohbeck, A., in: Vogel, K./ Lehner, M. (Hrsg.), Doppelbesteuerungsabkommen Kommentar, 5. Aufl., München 2008, Art. 12, Rz. 8.
274
Als Beispiele seien hier die DBA mit Luxemburg (5 %), Spanien (5 %) und Portugal (10 %) angeführt.
275
Vgl. Wassermeyer, F., in: Debatin, H./ Wassermeyer, F. (Hrsg.), Doppelbesteuerung, Band I: Kommentierung des OECD-MA, 104. Erg.-Lfg., München 2008, Art. 12 MA, Rz. 4.
186
Anwendung der Abkommen
Art. 12 Abs. 2 OECD-MA „Der in diesem Artikel verwendete Ausdruck „Lizenzge- Definition mit 2 Elementen: bühren“ bedeutet Vergütungen jeder Art, die 1. Element: jede Vergütung für die Benutzung oder für das Recht auf Benutzung 2. Element: Nutzungsüberlassung von Urheberrechvon Urheberrechten an literarischen, künstlerischen oder wissenschaftlichen Werken, einschließten lich kinematographischer Filme, und Rechten aus gewerbvon Patenten, Marken276, Mustern oder Modellen, lichem Vermögen sowie Plänen, geheimen Formeln oder Verfahren oder Mitteilung von Knowfür die Mitteilung gewerblicher, kaufmännischer oder how wissenschaftlicher Erfahrung gezahlt werden.“ Lizenzen zeichnen sich durch eine zeitlich begrenzte Überlassung einer Vermögensposition aus, wodurch sie sich von einer Veräußerung als endgültiger Übertragung einer Vermögensposition unterscheiden.277 Die Definition von Lizenzgebühren ist sehr weit gefasst, um ein Besteuerungsrecht des Quellenstaates so umfassend wie möglich auszuschließen. Daher beinhaltet die Definition geleistete Zahlungen für einen Lizenzvertrag genauso wie Schadensersatzzahlungen für unerlaubte Nachahmung oder anderweitige Rechtsverletzung.278 Achtung: In einigen deutschen DBA werden die Vergütungen für Mobilienleasing – in Abweichung vom OECD-MA – unter den Lizenzartikel subsumiert und stellen in diesen Fällen keine Unternehmenseinkünfte dar.
276
In der für Deutschland maßgebenden Fassung wird anstelle von „Marken“ der Ausdruck „Warenzeichen“ verwendet.
277
Vgl. BFH v. 01.12.1982, I-B-11/82, BStBl. II 1983, S. 368; BFH v. 23.05.1973, I-R-163/71, BStBl. II 1974, S. 289; BFH v. 25.02.1975, III-R-64/74, BStBl. II 1976, S. 529, 531.
278
Vgl. Art. 12 Nr. 8 OECD-MK.
Beispiel
Analyse der Struktur des OECD-Musterabkommens
187
Art. 12 DBA-Korea279 [Lizenzgebühren] Eine Subsumierung von Mobilienleasingraten unter den Artikel „Lizenzgebühren“ ist bspw. im DBA-Korea enthalten, wie folgender Auszug aus Art. 12 Abs. 3 DBA-Korea zeigt: „Der in diesem Artikel verwendete Ausdruck „Lizenzgebühren“ bedeutet Vergütungen jeder Art, die für (…) die Benutzung oder für das Recht auf Benutzung gewerblicher, kaufmännischer oder wissenschaftlicher Ausrüstung (…) gezahlt werden (…).“ Es erfolgt ein Quellensteuerabzug vom Bruttobetrag der Leasingraten in Korea (Art. 12 Abs. 1, 2 DBA-Korea) und eine Anrechnung dieser Quellensteuer in Deutschland (Art. 23 Abs. 1 Bst. b DBst. cc DBA-Korea). (Bei einer Subsumtion unter Unternehmensgewinne würde eine Nettogröße nach Tarif besteuert).
Beispiel
Abgrenzung von Lizenzgebühren
Lösung
In einigen Fällen können sich bei der Subsumtion von wirtschaftlichen Vorgängen unter Art. 12 Abs. 2 OECD-MA Abgrenzungsprobleme zu anderen Artikeln des Abkommens ergeben. Vergleiche dazu folgendes:
Professor Lawrence macht sein Know-how der Borschwagen AG zugänglich, die als Know-how-Nehmer die Erfahrung des Professors in eine optimierte Fertigungsstraße umsetzt. In der Gegenleistung ist eine Vergütung für die Mitteilung kaufmännischer Erfahrung i.S.d. Art. 12 Abs. 2 OECD-MA zu sehen. Nur für den Fall, dass Professor Lawrence selbst eine für die Just-In-Time-Fertigung optimale Fertigungsstraße ausarbeitet und als Empfehlung der Borschwagen AG übergibt, liegt keine „Mitteilung“ kaufmännischer Erfahrung vor, da Professor Lawrence sein Spezialwissen nicht nur zugänglich macht, sondern selbst anwendet und umsetzt. Daher kommt hier vielmehr eine selbständige Arbeit in Betracht, deren Vergütung von Art. 7 OECD-MA erfasst wird.280
Professor Lawrence aus Buntingford/Großbritannien gilt aufgrund langjähriger Erfahrung als Spezialist für die Konfiguration von Betriebsabläufen bei Just-In-TimeFertigung in der Automobilindustrie. Die deutsche Automobilfirma Borschwagen AG möchte dieses Wissen für ihre neu einzurichtende Fertigungsstraße nutzen und vereinbart mit Professor Lawrence vertraglich, dass er sein Spezialwissen der Firma bis zum Abschluss der Errichtung der Fertigungsstraße zur Verfügung stellt. Fraglich ist, ob es sich bei der Gegenleistung um eine Vergütung für die Mitteilung kaufmännischen Know-hows i.S.d. Art. 12 Abs. 2 OECD-MA oder um eine Vergütung für eine beratende, also selbständige Arbeit nach Art. 7 OECD-MA handelt.
279
Vgl. DBA-Korea v. 10.03.2000, BGBl. II 2002, S. 1630, BStBl. I 2003, S. 24.
280
Vgl. BFH v. 16.12.1970, I-R-44/67, BStBl. II 1971, S. 235, 237; Art. 12 Nr. 11 OECD-MK.
188
Anwendung der Abkommen
Beispiel
Betriebsstättenvorbehalt des Art. 12 Abs. 3 OECD-MA
Lösung
Die einzige Ausnahme vom ausschließlichen Besteuerungsrecht des Wohnsitzstaates des Lizenzgebers ist der in Art. 12 Abs. 3 OECD-MA enthaltene Betriebsstättenvorbehalt. Art. 12 Abs. 3 OECD-MA entspricht damit Art. 10 Abs. 4 bzw. Art. 11 Abs. 4 OECD-MA. Als Folge des Betriebsstättenvorbehalts tritt der eigentlich speziellere Art. 12 OECD-MA hinter Art. 7 OECD-MA zurück, so dass Lizenzgebühren im Quellenstaat als Teil der Gewinne der dort belegenen Betriebsstätte des im Wohnsitzstaat ansässigen Lizenzgebers besteuert werden können.
Art. 12 OECD-MA als lex specialis geht Art. 7 OECD-MA vor (Art. 7 Abs. 7 OECD-MA). Nach Art. 12 Abs. 1 OECD-MA können Einkünfte aus Lizenzgebühren nur in Italien als Wohnsitzstaat Donnie Brascos besteuert werden. Allerdings gehört in diesem Fall das Verfahren zur Betriebsstätte in Berlin, so dass aufgrund der Rückverweisung nach Art. 12 Abs. 3 OECD-MA (Betriebsstättenvorbehalt) auf Art. 7 OECD-MA Deutschland als Betriebsstättenstaat die Lizenzgebühren im Rahmen der Betriebsstättengewinne besteuern darf.
Der italienische Einzelunternehmer Donnie Brasco verfügt über eine Betriebsstätte in Berlin, in der ein sensationelles Verfahren zur Herstellung einer ofenfrischen Tiefkühlpizza entwickelt wurde. Das Verfahren wird der deutschen Backfrisch GmbH zur Verfügung gestellt. Es ist zu klären, welcher Staat die Lizenzgebühren besteuern darf.
Art. 12 Abs. 4 OECD-MA entspricht Art. 11 Abs. 6 OECD-MA und bezweckt, den Anwendungsbereich des Art. 12 OECD-MA einzuschränken, sobald aufgrund „besonderer Beziehungen“ die Lizenzgebühr vom „dealing-at-arm’s-length“-Prinzip abweicht. Die Bestimmung beugt steuerlich motivierten Gewinnverlagerungen vor. Für den Fall, dass die als Lizenzgebühr bezeichnete Leistung wirtschaftlich gesehen zum Teil keine Gegenleistung für die Benutzung bzw. das Recht auf Benutzung von bestimmten Rechten oder für die Mitteilung von Know-how darstellt, sondern eine Zuwendung oder ein Entgelt anderer Art ist, sollen insoweit keine Lizenzgebühren anzunehmen sein.281 Der als unangemessen eingestufte Teil der Vergütung wird unter die ihrem Charakter entsprechende Einkunftsart des innerstaatlichen Rechts bzw. des Abkommensrechts subsumiert.282 Darüber hinaus ist bei Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen aus unterschiedlichen EU-Mitgliedsstaaten die EU-Zins- und Lizenzgebüh-
281
Vgl. Wassermeyer, F., in: Debatin, H./ Wassermeyer, F. (Hrsg.), Doppelbesteuerung, Band I: Kommentierung des OECD-MA, 104. Erg.-Lfg., München 2008, Art. 12 MA, Rz. 115.
282
Vgl. Art. 12 Nr. 25 OECD-MK.
Analyse der Struktur des OECD-Musterabkommens
189
renrichtlinie283 (ZLRL) zu berücksichtigen. Die Richtlinie zielt darauf ab, steuerliche Hindernisse im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren innerhalb eines Konzerns zu beseitigen. Dieses Ziel wird dadurch erreicht, dass Zinsen und Lizenzgebühren nur im Ansässigkeitsstaat des Zahlungsempfängers und nicht im Quellenstaat, in dem das die Zinsen bzw. Lizenzgebühren zahlende Unternehmen ansässig ist, besteuert werden sollen.284 Unternehmen gelten als verbundenes Unternehmen i.S.d. der Zins- und Lizenzgebührenrichtlinie, wenn entweder zwischen zwei Unternehmen eine unmittelbare Beteiligung i.H.v. 25 % besteht oder wenn ein drittes Unternehmen unmittelbar zu mindestens 25 % an den beiden erstgenannten Unternehmen beteiligt ist (Art. 3 Bst. b ZLRL). Der sachliche Anwendungsbereich (Art. 2 ZLRL) der Richtlinie ist weit gefasst. So zählen zu den „Zinsen“ Einkünfte aus Forderungen jeder Art. Der Begriff „Lizenzgebühren“ umfasst bspw. Vergütungen jeder Art, die für die Benutzung oder das Recht auf die Benutzung von Urheberrechten, Patenten oder Marken gezahlt werden. In den persönlichen Anwendungsbereich der Richtlinie fallen primär Kapitalgesellschaften. Daneben kann aber auch eine Betriebsstätte vom Anwendungsbereich der Zins- und Lizenzgebührenrichtlinie erfasst werden. Voraussetzung ist in beiden Fällen die Niederlassung in einem EUMitgliedsstaat.285 Die Umsetzung der Zins- und Lizenzgebührenrichtlinie in deutsches Recht erfolgte rückwirkend zum 01.01.2004 in § 50d EStG.286 Deutschland erhebt für Zinszahlungen ins Ausland allerdings in der Regel keine Quellensteuer. Aus diesem Grund sind von den Regelungen in Deutschland in erster Linie Lizenzgebühren betroffen.287
283
Vgl. Richtlinie 2003/49/EG des Rates v. 03.06.2003 über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedsstaaten.
284
Vgl. Goebel, S./ Jacobs, C., Unmittelbare Anwendbarkeit der ZLRL trotz Umsetzung in § 50d EStG?, IStR 2009, S. 88.
285
Vgl. Jacobs, O. Internationale Unternehmensbesteuerung, 6. Aufl., München 2007, S. 169.
286
Vgl. Gesetz zu Anpassung der Vorschriften über die Amtshilfe im Bereich der Europäischen Union sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2003/49/EG des Rates vom 03.06.2003 über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedsstaaten (EG-Amtshilfe-Anpassungsgesetz) v. 02.12.2004, BStBl. I 2004. S. 1148 ff.
287
Vgl. Jacobs, O. Internationale Unternehmensbesteuerung, 6. Aufl., München 2007, S. 169.
190
Anwendung der Abkommen
3.2.2.8 Gewinne aus der Veräußerung von Vermögen (Art. 13 OECD-MA) Art. 13 OECD-MA regelt die Besteuerung der abkommensrechtlichen Einkunftsart „Veräußerungsgewinne“. Der Sinn dieser Einkunftsart liegt in der Erfassung und Besteuerung der stillen Reserven. Für Art. 13 OECD-MA gilt folgender Grundsatz: Der Vertragsstaat besitzt das Besteuerungsrecht für Gewinne aus der Veräußerung von Vermögen, dem nach dem Abkommen auch das Besteuerungsrecht für die laufenden Einkünfte aus diesem Vermögen zusteht.288 Die Besteuerungsprinzipien der Schrankennormen, die für die laufenden Einkünfte gelten, werden auf Veräußerungsgewinne übertragen. Veräußerungsgewinne
Laufende Einkünfte
Art. 13 OECD-MA
Besteuerungsprinzip Abs. 1
Veräußerung unbeweglichen Vermögens
Belegenheitsprinzip
Art. 6 OECD-MA
Abs. 2
Veräußerung beweglichen Vermögens
Betriebsstättenprinzip
Art. 7 OECD-MA
Abs. 3
Veräußerung von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen
Ort der tatsächlichen Art. 8 Geschäftsleitung OECD-MA
Abs. 4
Veräußerung von Anteilen an Grundstücksgesellschaften
Belegenheitsprinzip
Abs. 5
Veräußerung des nicht in Abs. 1, Wohnsitzprinzip (Auf- Art. 21 Abs. 1 2, 3 und 4 genannten Vermögens fangklausel) OECD-MA
Abbildung 50:
Art. 6 OECD-MA
Besteuerungsprinzipien für laufende Einkünfte und Veräußerungsgewinne
Nach Art. 13 Abs. 1 OECD-MA können Gewinne aus der Veräußerung unbeweglichen Vermögens im Belegenheitsstaat besteuert werden. Der Staat, der zuvor die Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen besteuern durfte, besteuert auch die Gewinne aus dessen Veräußerung.
288
Vgl. Art. 13 Nr. 4 OECD-MK.
Analyse der Struktur des OECD-Musterabkommens
191
Art. 13 Abs. 1 OECD-MA „Gewinne, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus der Veräußerung unbeweglichen Vermögens im Sinne des Artikels 6 bezieht, das im anderen Vertragsstaat liegt, können im anderen Staat besteuert werden.“
Ö Besteuerung nach dem Belegenheitsprinzip Ö Verweisung auf Definition des Art. 6 Abs. 2 OECDMA Ö Schrankennorm mit offener Rechtsfolge
Art. 13 Abs. 1 OECD-MA ist eine Schrankennorm mit offener Rechtsfolge, so dass der Wohnsitzstaat eine Doppelbesteuerung durch Anwendung des Methodenartikels (Art. 23 OECD-MA) vermeidet. Deutschland wendet in diesem Fall die Freistellungsmethode an.289 Der Begriff „unbewegliches Vermögen“ wird mittels einer Verweisung auf Art. 6 Abs. 2 OECD-MA festgelegt. Unter Art. 13 Abs. 1 OECD-MA fallen auch Gewinne aus der Veräußerung unbeweglichen Vermögens, das Betriebsvermögen ist oder einer selbständigen Arbeit dient, selbst dann, wenn es zum Umlaufvermögen gehört.290 Art. 13 Abs. 2 OECD-MA behandelt Veräußerungsgewinne aus beweglichem Betriebsstättenvermögen eines Unternehmens. Wie im Falle des Art. 7 Abs. 1 OECD-MA für die Gewinne einer Betriebsstätte folgt die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen aus Betriebsstättenvermögen dem Betriebsstättenprinzip. Art. 13 Abs. 2 OECD-MA „Gewinne aus der Veräußerung beweglichen Vermögens, das Betriebsvermögen einer Betriebsstätte ist, die ein Unternehmen eines Vertragsstaates im anderen Vertragsstaat hat, einschließlich derartiger Gewinne, die bei der Veräußerung einer solchen Betriebsstätte (allein oder mit dem übrigen Unternehmen) erzielt werden, können im anderen Staat besteuert werden.“
Ö Besteuerung nach dem Betriebsstättenprinzip , gilt sowohl für einzelne Vermögensgegenstände als auch für die Betriebsstätte als solche
Ö Schrankennorm mit offener Rechtsfolge
289
Vgl. Vogel, K., in: Vogel, K./ Lehner, M. (Hrsg.), Doppelbesteuerungsabkommen Kommentar, 5. Aufl., München 2008, Art. 23, Rz. 16.
290
Vgl. BFH v. 23.03.1971, I-R-128/70, BStBl. II 1972, S. 948.
192
Anwendung der Abkommen
Abs. 2 stellt eine Schrankennorm mit offener Rechtsfolge dar, so dass eine Doppelbesteuerung durch Steueranrechnung oder Steuerfreistellung (Art. 23 OECD-MA) im Wohnsitzstaat vermieden wird. Deutschland stellt diese Veräußerungsgewinne frei.291 Der Ausdruck „bewegliches Vermögen“ ist im Abkommen nicht explizit definiert, kann aber in Abgrenzung zum „unbeweglichen Vermögen“ nach Art. 6 Abs. 2 OECD-MA als das Vermögen angesehen werden, dass nicht zum „unbeweglichen Vermögen“ zählt.292 Art. 13 Abs. 2 OECD-MA stellt dabei klar, dass die Regelung dieses Absatzes sowohl für die Veräußerung einzelner Vermögenspositionen des beweglichen Vermögens als auch für die Veräußerung der Betriebsstätte als solcher gilt („einschließlich“). Abs. 2 spricht nur vom „beweglichen Vermögen“, was als Ausdruck des Vorrangs des Belegenheitsprinzips vor dem Betriebsstättenprinzip gedeutet werden kann. Dieser Vorrang gilt daher nicht nur für Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen (Art. 6 Abs. 4 OECD-MA), sondern auch für Veräußerungsgewinne. Art. 13 Abs. 3 OECD-MA behandelt Gewinne aus der Veräußerung von Schiffen und Luftfahrzeugen und legt fest, dass die Veräußerungsgewinne ausschließlich in dem Vertragsstaat besteuert werden können, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung befindet. Diese Regelung über Veräußerungsgewinne entspricht damit der Regelung über die Besteuerung von Einkünften aus dem Betrieb dieser Unternehmen (Art. 8 OECD-MA). Art. 13 Abs. 3 OECD-MA ist lex specialis gegenüber Art. 13 Abs. 2 und 4 OECD-MA.293 Art. 13 Abs. 4 OECD-MA ist durch die Revision des OECD-MA im Jahr 2003 neu eingefügt worden. Art. 13 Abs. 4 OECD-MA „Gewinne, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus der Veräußerung von Anteilen bezieht, deren Wert zu mehr als 50 vom Hundert unmittelbar oder mittelbar auf unbeweglichem Vermögen beruht, das im anderen Vertragsstaat liegt, können im anderen Staat besteuert werden.“
Ö Besteuerung nach dem Belegenheitsprinzip Ö Voraussetzungen für die Anwendung Ö Schrankennorm mit offener Rechtsfolge
291
Vgl. Vogel, K., in: Vogel, K./ Lehner, M. (Hrsg.), Doppelbesteuerungsabkommen Kommentar, 5. Aufl., München 2008, Art. 23, Rz. 16.
292
Vgl. Art. 13 Nr. 24 OECD-MK.
293
Vgl. Reimer, E., in: Vogel, K./ Lehner, M. (Hrsg.), Doppelbesteuerungsabkommen Kommentar, 5. Aufl., München 2008, Art. 13, Rz. 44.
Analyse der Struktur des OECD-Musterabkommens
193
Durch diesen neuen Abs. 4 gilt das Belegenheitsprinzip gleichfalls für Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Immobiliengesellschaften. Art. 13 Abs. 5 OECD-MA formuliert den Grundsatz der Besteuerung im Ansässigkeitsstaat, wenn die Veräußerungsgewinne nicht von den vorhergehenden drei Absätzen erfasst werden. Abs. 5 ist somit eine Auffangvorschrift, die subsidiär gegenüber Abs. 1 bis 4 anzuwenden ist. Art. 13 Abs. 5 OECD-MA „Gewinne aus der Veräußerung des in den Absätzen 1, 2 und 3 nicht genannten Vermögens können nur in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem der Veräußerer ansässig ist.“
Auffangvorschrift Ö ausschließliche Besteuerung im Wohnsitzstaat Ö Schrankennorm mit abschließender Rechtsfolge
Als Schrankennorm mit abschließender Rechtsfolge wird eine Doppelbesteuerung bereits auf Ebene der Schrankennormen vermieden. Art. 13 Abs. 5 OECD-MA findet seine parallele Ausgestaltung in Art. 21 Abs. 1 OECD-MA („andere Einkünfte“).
Beispiel
Vermögensveräußerung nach Art. 13 Abs. 5 OECD-MA
Lösung
Hauptanwendungsfall des Abs. 5 sind Veräußerungsgewinne aus im Privatvermögen gehaltenen Beteiligungen an Kapitalgesellschaften und Wertpapieren.294
Gem. Art. 13 Abs. 5 OECD-MA können die Veräußerungsgewinne nur im Wohnsitzstaat von Karl, also in Deutschland, besteuert werden. Veräußerungsgewinne sind eine abkommensrechtliche Einkunftsart, die das deutsche EStG in dieser Form nicht kennt. Nach dem deutschen EStG stellen sie gem. § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG Einkünfte aus Kapitalvermögen dar.
Der deutsche Privatmann Karl kauft am 17.01.2010 Aktien der französischen AuBonPain-SA, wobei die Beteiligung weniger als 1 % des Grundkapitals umfasst. Am 25.03.2011 veräußert Karl die Aktien gewinnbringend.
Unabhängig vom Zeitraum, der zwischen Anschaffung und Veräußerung der Aktien liegt, unterliegen Veräußerungsgewinne als Einkünfte aus Kapitalvermögen ab VZ 2009 der Abgeltungsteuer nach § 32d EStG. Die Abgeltungsteuer i.H.v. 25 % zzgl. 5,5 % SolZ wird gem. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 i.V.m. § 43a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG durch Abzug vom Kapitalertrag erhoben.
294
Vgl. Fischer-Zernin, J., in: Gosch, D./ Kroppen, H.-K./ Grotherr, S. (Hrsg.), DBA-Kommentar, 21. Erg.-Lfg., Herne/Berlin 2008, Art. 13 OECD-MA, Rz. 42.
194
Anwendung der Abkommen
3.2.2.9 Selbständige Arbeit (Art. 14 OECD-MA a.F.) Art. 14 OECD-MA a.F. behandelte bis zur Streichung aus dem Musterabkommen am 29.04.2000295 die Besteuerung von Einkünften aus selbständiger Arbeit. Art. 14 OECD-MA a.F. war eine Parallelregelung zu Art. 7 OECD-MA („Unternehmensgewinne“), so dass die Besteuerungsprinzipien beider Bestimmungen auf den gleichen Grundsätzen aufgebaut wurden (Betriebsstättenprinzip). Anstelle einer „Betriebsstätte“ legte Art. 14 OECD-MA a.F. den synonymen Tatbestand einer „festen Einrichtung“ als Voraussetzung für ein Besteuerungsrecht des Quellenstaates zugrunde. Der Begriff der „Betriebsstätte“ sollte gewerblichen Tätigkeiten vorbehalten bleiben, allerdings war der Unterschied zwischen beiden Begriffen nur schwer festzustellen. Aus diesem Grund und unter Berücksichtigung der Abgrenzungsprobleme, ob Tätigkeiten unter Art. 7 oder Art. 14 OECD-MA a.F. fallen, wurde Art. 14 OECD-MA gestrichen.296 Als Folge der Streichung des Art. 14 OECD-MA a.F. werden Einkünfte aus einem freien Beruf oder einer sonstigen selbständigen Tätigkeit wie Unternehmensgewinne nach Art. 7 OECD-MA behandelt. In Abweichung zum OECD-MA n.F. ist in den neueren deutschen Abkommen die Besteuerung von Einkünften aus selbständiger Arbeit nach wie vor in einer separaten Norm geregelt.297
3.2.2.10 Einkünfte aus unselbständiger Arbeit (Art. 15 OECD-MA) Die Besteuerung von Einkünften aus unselbständiger Arbeit verteilt sich auf folgende Artikel des OECD-MA: Art. 15 („unselbständige Arbeit“) und die im Verhältnis zu Art. 15 als „leges speziales“ einzuordnenden Art. 16 („Aufsichtsrats- und Verwaltungsratsvergütungen“), Art. 17 („Künstler und Sportler“), Art. 18 („Ruhegehälter“), Art. 19 („Öffentlicher Dienst“), Art. 20 („Studenten“) und Art. 28 („Diplomaten und Konsularbeamte“). Art. 15 OECD-MA behandelt die Besteuerung von Einkünften aus unselbständiger Arbeit. Unter Berücksichtigung des „lex-specialis“-Charakters der Art. 16 bis 20 und 28 OECDMA werden von Art. 15 Abs. 1 OECD-MA nur Vergütungen aus einem gegenwärtigen Arbeitsverhältnis mit einem privaten Arbeitgeber erfasst.298
295
Vgl. Art. 14 Vor Nr. 1 OECD-MK.
296
Vgl. Art. 14 Nr. 4, Vor Nr. 1 OECD-MK.
297
Vgl. Lehner, M./ Reimer, E., Generalthema I: Quelle versus Ansässigkeit – Wie sind die grundlegenden Verteilungsprinzipien des Internationalen Steuerrechts austariert?, IStR 2005, S. 549.
298
Vgl. Prokisch, R., in: Vogel, K./ Lehner, M. (Hrsg.), Doppelbesteuerungsabkommen Kommentar, 5. Aufl., München 2008, Art. 15, Rz. 7.
Analyse der Struktur des OECD-Musterabkommens
195
Die Systematik des Art. 15 Abs. 1 und 2 OECD-MA folgt der Regelungstechnik: Grundsatz – Ausnahme – Unterausnahme. Zunächst geht Art. 15 Abs. 1 OECD-MA im scheinbaren Grundsatz davon aus, dass Einkünfte aus unselbständiger Arbeit ausschließlich im Wohnsitzstaat zu besteuern sind (Wohnsitzprinzip). Allerdings dürfen diese Einkünfte auch im anderen Vertragsstaat besteuert werden, wenn in diesem Staat die Arbeit ausgeführt wird. Der Grundsatz und die Ausnahme bilden zusammen die Grundlage für die Anwendung des Arbeitsortprinzips. Nach dem Arbeitsortprinzip wird dem Staat die Steuerberechtigung eingeräumt, in dessen Staatsgebiet die unselbständige Arbeit ausgeübt wird. Art. 15 Abs. 1 OECD-MA „Vorbehaltlich der Artikel 16, 18 und 19 können Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, die Arbeit wird im anderen Vertragsstaat ausgeübt. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so können die dafür bezogenen Vergütungen im anderen Staat besteuert werden.“
Ö „leges speziales“ zu Art. 15 Ö Grundsatz: Wohnsitzprinzip, (Schrankennorm mit abschließender Rechtsfolge) Ö Ausnahme: Arbeitsortprinzip (Schrankennorm mit offener Rechtsfolge)
Art. 15 Abs. 2 OECD-MA (sog. Monteurklausel) enthält bei bestimmten Arbeitnehmerentsendungen eine Ausnahme von der Regel des Arbeitsortprinzips des Abs. 1. Das Besteuerungsrecht wird bei nur vorübergehenden Tätigkeiten im Tätigkeitsstaat dem Wohnsitzstaat belassen. Für den Ausschluss der Besteuerung im Tätigkeitsstaat müssen in diesem Fall drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein. Diese Ausnahme wurde vor allem aus Praktikabilitätsgründen eingeführt, da der Erfassungsaufwand im Tätigkeitsstaat bei kurzfristigen Tätigkeiten in keinem angemessenen Verhältnis zum Steueraufkommen steht.299
299
Vgl. Art. 15 Nr. 6.2 OECD-MK.
196
Anwendung der Abkommen
Art. 15 Abs. 2 OECD-MA „Ungeachtet des Absatzes 1 können Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person für eine im anderen Vertragsstaat ausgeübte unselbständige Arbeit bezieht, nur im erstgenannten Staat besteuert werden, wenn a) der Empfänger sich im anderen Staat insgesamt nicht länger als 183 Tage innerhalb eines Zeitraums von 12 Monaten, der während des betreffenden Steuerjahres beginnt oder endet, aufhält und b) die Vergütungen von einem Arbeitgeber oder für einen Arbeitgeber gezahlt werden, der nicht im anderen Staat ansässig ist, und c) die Vergütungen nicht von einer Betriebsstätte getragen werden, die der Arbeitgeber im anderen Staat hat.“
Ö Unterausnahme vom Arbeitsortprinzip, Besteuerung nur im Wohnsitzstaat, wenn drei Kriterien kumulativ erfüllt sind: Ö 183-Tage-Regel, abgestellt wird auf Aufenthaltsdauer (physische Anwesenheit)300 Ö Vergütung trägt üblicherweise Arbeitgeber im Wohnsitzstaat Ö Vergütung wird nicht durch Betriebsstätte im Tätigkeitsstaat getragen
Art. 15 Abs. 1 und 2 OECD-MA stellen das Arbeitsortprinzip in den Mittelpunkt, allerdings beschränkt Abs. 2 das Besteuerungsrecht des Tätigkeitsstaates bei vorübergehenden Arbeitnehmerentsendungen. Die Beschränkung wird an eine Intensitätsgrenze (183-TageRegel) und zwei fiskalisch motivierte Kriterien geknüpft. Die 183-Tage-Regel verfolgt die gleiche Funktion wie das Betriebsstättenprinzip. Als Intensitätsgrenze dient sie dem Zweck, dem Quellenstaat ein Besteuerungsrecht erst einzuräumen, wenn die grenzüberschreitende Tätigkeit mit der Volkswirtschaft des Quellenstaates hinreichend eng verknüpft ist. Das zweite und dritte Kriterium nach Art. 15 Abs. 2 Bst. b und c OECD-MA schaffen für den Quellenstaat einen Ausgleich für den Fall, dass ein Arbeitgeber bzw. eine Betriebsstätte im Tätigkeitsstaat Vergütungen für unselbständige Arbeit als Betriebsausgaben absetzt und auf diese Weise die steuerliche Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer im Tätigkeitsstaat schmälert. Dem Tätigkeitsstaat wird für diese Fälle ein Besteuerungsrecht für diese Vergütungen eingeräumt. Merke: Es gilt der Grundsatz, dass der Quellenstaat ab dem ersten Tag der Arbeitsaufnahme besteuern darf (Arbeitsortprinzip). Der Wohnsitzstaat des Arbeitnehmers bleibt aber besteuerungsberechtigt, wenn der Aufenthalt im Tätigkeitsstaat weniger als 183 Tage andauert und die Vergütungen von einem Arbeitgeber oder einer Betriebsstätte gezahlt werden, die sich nicht im Quellenstaat/Tätigkeitsstaat befinden.
300
Vgl. Art. 15 Nr. 5 OECD-MK.
Analyse der Struktur des OECD-Musterabkommens
197
Die folgende Abbildung verdeutlicht die Regelungssystematik und die darauf basierende Einräumung der Besteuerungsrechte nach Art. 15 Abs. 1 und 2 OECD-MA:
Einleitungssatz
Grundsatz
Ausnahme
Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 OECD-MA
Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 OECD-MA
Art. 15 Abs. 2 OECD-MA
Besteuerung im Ansässigkeitsstaat, wenn die Tätigkeit dort ausgeübt wird
Besteuerungsrecht des Tätigkeitsstaats (Arbeitsortprinzip)
Ausnahme vom Arbeitsortprinzip (Monteurklausel)
ja
Aufenthalt im Tätigkeitsstaat länger als 183 Tage (183-Tage-Regel) nein
ja
Vergütung von einem oder für einen Arbeitgeber im Quellenstaat bezahlt nein
ja
Vergütung von Betriebsstätte des Arbeitgebers im Quellenstaat getragen
nein
Abbildung 51:
Regelungssystematik des Art. 15 OECD-MA
Als „lex specialis“ zu Abs. 1 und 2 stellt Art. 15 Abs. 3 OECD-MA für Vergütungen, die die Besatzung von Seeschiffen, Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr oder Binnenschiffen erhält, eine Regel auf, die auch im Zusammenhang mit den Einkünften aus See-, Binnenschiff- und Luftfahrt nach Art. 8 OECD-MA gilt.301 Nur in dem Staat, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung befindet, können die Vergütungen besteuert werden. Art. 15 Abs. 3 OECD-MA „Ungeachtet der vorstehenden Bestimmungen dieses Artikels können Vergütungen für unselbständige Arbeit, die an Bord eines Seeschiffes oder Luftfahrzeuges, das im internationalen Verkehr betrieben wird, oder an Bord eines Schiffes, das der Binnenschifffahrt dient, ausgeübt wird, in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet.“
301
Vgl. Art. 15 Nr. 9 OECD-MK.
Ö „lex specialis“ zu Abs. 1 und 2 Ö Schrankennorm mit offener Rechtsfolge
198
Anwendung der Abkommen
Eine Bestimmung des Arbeitsortes bei diesen Tätigkeiten wäre nur mit hohem Aufwand möglich, so dass Abs. 3 die Besteuerung vereinfacht.302 Außerdem schafft Abs. 3 einen Ausgleich für den Betriebsausgabenabzug für Vergütungen, der die Unternehmensgewinne in dem Staat der tatsächlichen Geschäftsleitung gemindert hat. Die Besteuerung am Wohnsitz der Besatzungsmitglieder bleibt unberührt, muss aber durch Anwendung des Methodenartikels vermieden werden.
Beispiel
Das OECD-MA enthält keine sog. Grenzgängerregelung, obwohl sie häufig in (deutschen) DBA anzutreffen sind. Als Grenzgänger werden Arbeitnehmer bezeichnet, die im Ansässigkeitsstaat nahe der Grenze wohnen, im Tätigkeitsstaat in der Nähe der Grenze arbeiten und täglich von der Wohnstätte zur Arbeit in den anderen Staat pendeln. In diesen Fällen verbleibt das Besteuerungsrecht dem Wohnsitzstaat; der Tätigkeitsstaat hat meist ein auf wenige Prozentpunkte begrenztes Besteuerungsrecht. Die Doppelbesteuerung wird durch die Anrechnungsmethode verhindert. Deutschland hat diese Regelung mit Frankreich, den Niederlanden (Zusatzprotokoll), Österreich und der Schweiz (Protokoll) vereinbart. Art. 15a DBA-Schweiz303 [Grenzgänger] „(1) Ungeachtet des Artikels 15 können Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die ein Grenzgänger aus unselbständiger Arbeit bezieht, in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem dieser ansässig ist. Zum Ausgleich kann der Vertragsstaat, in dem die Arbeit ausgeübt wird, von diesen Vergütungen eine Steuer im Abzugsweg erheben. Diese Steuer darf 4,5 vom Hundert des Bruttobetrages der Vergütungen nicht übersteigen, (…).“
Merke: Steuerpflichtige, die arbeitstäglich ins Ausland pendeln, um dort einer unselbständigen Tätigkeit nachzugehen, werden als Grenzpendler bezeichnet. Ihre steuerliche Behandlung richtet sich nach den Vorschriften der jeweiligen nationalen Steuergesetze (z.B. für die BRD das Wahlrecht des § 1 Abs. 3 EStG), die im Falle eines vereinbarten DBA nicht über dieses hinausgehen dürfen. Falls die Arbeitnehmer im einen Staat in der Nähe der Grenze wohnen und im anderen Staat (Tätigkeitsstaat) in der Nähe der Grenze arbeiten, werden sie als Grenzgänger bezeichnet. Für diese Fälle hat Deutschland in den DBA mit einigen Ländern spezielle Regelungen getroffen, wonach der jeweilige Tätigkeitsstaat weitgehend auf das Besteuerungsrecht verzichtet. Der Steuerpflichtige hat hierbei kein Wahlrecht.
302
Vgl. BFH v. 10.11.1993, I-R-53/91, BStBl. II 1994, S. 219.
303
Vgl. Protokoll v. 21.12.1992 zum DBA-Schweiz v. 11.08.1971, BGBl. II 1993, S. 1886, BStBl. I 1972, S. 927.
Analyse der Struktur des OECD-Musterabkommens
199
3.2.2.11 Aufsichtsrats- und Verwaltungsratsvergütungen (Art. 16 OECD-MA) Art. 16 OECD-MA als „lex-specialis“-Vorschrift zu Art. 15 OECD-MA behandelt nur Vergütungen, die eine natürliche oder juristische Person für ihre die Geschäftsführung überwachenden Tätigkeiten als Mitglied des Aufsichts- oder Verwaltungsrats erhält. Für diese Vergütungen weist der Artikel dem Quellenstaat das Besteuerungsrecht zu. Quellenstaat ist der Staat, in dem die Gesellschaft ansässig ist. Wird die Person gleichzeitig in einer anderen Funktion für die Gesellschaft tätig, z.B. als Angestellter oder Berater, so sind solche Vergütungen von denen für die Aufsichtsratstätigkeit zu trennen.304 Art. 16 OECD-MA „Aufsichtsrats- und Verwaltungsratsvergütungen und ähnliche Zahlungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person in ihrer Eigenschaft als Mitglied des Aufsichtsoder Verwaltungsrats einer Gesellschaft bezieht, die im anderen Vertragsstaat ansässig ist, können im anderen Staat besteuert werden.“
Ö Auch der Quellenstaat hat neben dem Wohnsitzstaat ein Besteuerungsrecht Ö Schrankennorm mit offener Rechtsfolge
Art. 16 OECD-MA ist eine Schrankennorm mit offener Rechtsfolge, so dass der Wohnsitzstaat der die Vergütungen empfangenden Person durch Anwendung des Methodenartikels eine Doppelbesteuerung vermeidet. Deutschland rechnet die ausländische Steuer meist an.305
3.2.2.12 Künstler und Sportler (Art. 17 OECD-MA) Art. 17 OECD-MA ist eine Spezialvorschrift für die Berufsgruppe der Künstler und Sportler. Die Norm legt fest, dass Künstler und Sportler in dem Vertragsstaat, in dem sie ihre Tätigkeit persönlich ausüben, einer Quellensteuer unterliegen können. Art. 17 OECD-MA hat gegenüber Art. 7 und Art. 15 OECD-MA „lex-specialis“Charakter. Für den Fall, dass der Künstler oder Sportler seine Tätigkeit selbständig oder gewerblich ausübt, ist es für den Quellenstaat somit unerheblich, ob der Künstler oder Sportler über eine Betriebsstätte in seinem Staatsgebiet verfügt (Art. 7 i.V.m. Art. 5 OECDMA). Wird die künstlerische oder sportliche Aktivität im Rahmen einer unselbständigen Tätigkeit ausgeübt, so ist der Quellenstaat aufgrund des spezielleren Art. 17 OECD-MA
304
Vgl. Art. 16 Nr. 2 OECD-MK.
305
Vgl. Wilke, K.-M., Lehrbuch des internationalen Steuerrechts, 8. Aufl., Herne/Berlin 2006, S. 206.
200
Anwendung der Abkommen
nicht an die 183-Tage-Regel306 gebunden. Für international auftretende Künstler und Sportler ist ein kurzer Aufenthalt am Tätigkeitsort charakteristisch, so dass ohne die Sonderregelung des Art. 17 OECD-MA Sportler und Künstler dem Tätigkeitsstaat keine Anknüpfung für eine Quellenbesteuerung bieten würden.307 Art. 17 Abs. 1 OECD-MA „Ungeachtet der Artikel 7 und 15 können Einkünfte, Ö Art. 17 als „lex spedie eine in einem Vertragsstaat ansässige Person cialis“ Ö beispielhafte Aufzähals Künstler, wie Bühnen-, Film-, Rundfunk-, und lung Fernsehkünstler sowie Musiker, oder als Sportler aus ihrer im anderen Vertragsstaat persönlich ausgeübten Ö Schrankennorm mit Tätigkeit bezieht, im anderen Staat besteuert werden.“ offener Rechtsfolge Obwohl Abs. 1 den Begriff „Person“ verwendet und somit nach der abkommensrechtlichen Legaldefinition des Art. 3 Abs. 1 Bst. a OECD-MA auch Gesellschaften und andere Personenvereinigungen für den Anwendungsbereich des Art. 17 Abs. 1 OECD-MA in Betracht kämen, können nur natürliche Personen Einkünfte als Künstler oder Sportler erzielen. Denn nur eine natürliche Person kann die beschriebenen Tätigkeiten „persönlich“ ausüben. Eine Definition der Begriffe „Künstler“ oder „Sportler“ nimmt das OECD-MA nicht vor. Im Abs. 1 wird lediglich eine beispielhafte Aufzählung von Personen vorgenommen, die als Künstler anzusehen sind.308 Der Anwendungsbereich der Vorschrift beschränkt sich auf vortragende, d.h. vor Publikum auftretende Künstler. Maler, Bildhauer oder Komponisten, die ein Werk ohne öffentliche Präsentation anfertigen, fallen nicht unter den Begriff. Hinsichtlich des Sportlerbegriffs gibt es keine Beschränkung auf professionelle309 Sportler, aber auch sie müssen öffentlich vor Publikum auftreten.310 Das Niveau der künstlerischen oder sportlichen Darbietung ist abkommensrechtlich irrelevant.311
306
Unselbständige Künstler und Sportler werden von ihrem Arbeitgeber in den Auftrittsstaat entsendet; sie würden daher erst nach 183 Tagen im Tätigkeitsstaat steuerpflichtig.
307
Vgl. Kluge, V., Das Internationale Steuerrecht, 4. Aufl., München 2000, S. 898 f.
308
Vgl. Art. 17 Nr. 3, 5 OECD-MK.
309
Manchmal sind in DBA Amateure von diesen Bestimmungen ausgenommen (bspw. DBA mit Großbritannien oder mit den Philippinen; Wortlaut: „berufsmäßige Künstler“).
310
Vgl. Stockmann, F., in: Vogel, K./ Lehner, M. (Hrsg.), Doppelbesteuerungsabkommen Kommentar, 5. Aufl., München 2008, Art. 17, Rz. 22; BFH v. 02.12.1992, I-R-77/91, FR 1993, S. 241.
311
Vgl. Wassermeyer, F., in: Debatin, H./ Wassermeyer, F. (Hrsg.), Doppelbesteuerung, Band I: Kommentierung des OECD-MA, 104. Erg.-Lfg., München 2008, Art. 17 MA, Rz. 22.
Analyse der Struktur des OECD-Musterabkommens
201
Beispiel
Künstlerbesteuerung
Lösung
Art. 17 Abs. 2 OECD-MA ist vor dem Hintergrund des folgenden Beispiels zu lesen:
Ein Besteuerungsrecht Großbritanniens an den Einkünften nach Art. 17 Abs. 1 OECDMA scheidet aus, da die WrestlingMania Inc. dort keine sportliche Tätigkeit persönlich ausübt. Für die von der Gesellschaft bezogenen Einkünfte ist Art. 7 OECD-MA („Unternehmensgewinne“) einschlägig. Großbritannien hätte nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 OECD-MA nur für den Fall ein Besteuerungsrecht an den Unternehmensgewinnen, wenn die WrestlingMania Inc. über eine Betriebsstätte i.S.d. Art. 5 OECD-MA in Großbritannien verfügen würde. Im vorliegenden Fall wird die Begründung einer Betriebsstätte bewusst vermieden mit der Folge, dass Großbritannien als Tätigkeitsstaat kein Besteuerungsrecht an den Einkünften hat.312 Über den schuldrechtlichen Arbeitsvertrag der WrestlingMania Inc. mit Batista bzw. über Ausschüttungen kommen die Einkünfte aus der sportlichen Tätigkeit Batista ohne Quellensteuerbelastung zugute.
Der US-amerikanische Wrestler „Batista“ plant eine Teilnahme an englischen Wrestling Veranstaltungen. Zu diesem Zweck gründet er in den USA die WrestlingMania Inc., deren Alleingesellschafter er wird und die ihn im Rahmen eines unselbständigen Arbeitsverhältnisses anstellt. Die WrestlingMania Inc. schließt Verträge mit englischen Veranstaltern ab, in denen sie sich verpflichtet, Batista für diverse Wettkämpfe zur Verfügung zu stellen. Die Einkünfte aus den Veranstaltungen fließen der WrestlingMania Inc. zu.
Art. 17 Abs. 2 OECD-MA stellt in jenen Fällen, in denen die Vergütung nicht dem Auftretenden zufließen, die Besteuerung im Quellenstaat sicher.313 Art. 17 Abs. 2 OECD-MA knüpft an Abs. 1 an und dehnt dessen Grundsätze auf andere Personen aus.314
312
Da Batista Angestellter der WrestlingMania Inc. ist, von ihr bezahlt und nur entsendet wird, würde er selbst nur bei Überschreiten der 183 Tage in Großbritannien steuerpflichtig.
313
Befindet sich Deutschland in der Rolle des Quellenstaates, so wird Art. 17 Abs. 2 OECD-MA durch § 49 Abs. 1 Nr. 2 Bst. d EStG innerstaatlich ausgefüllt. Um den Steueranspruch zu sichern, wird die Quellensteuer im Wege des Steuerabzugs (§ 50a Abs. 1, 2 EStG) mit den Steueranspruch abgeltender Wirkung (§ 50 Abs. 2 Satz 1 EStG) erhoben.
314
Vgl. Stockmann, F., in: Vogel, K./ Lehner, M. (Hrsg.), Doppelbesteuerungsabkommen Kommentar, 5. Aufl., München 2008, Art. 17, Rz. 107.
202
Anwendung der Abkommen
Art. 17 Abs. 2 OECD-MA „Fließen Einkünfte aus einer von einem Künstler oder Sportler in dieser Eigenschaft persönlich ausgeübten Tätigkeit nicht dem Künstler oder Sportler selbst, sondern einer anderen Person zu, so können diese Einkünfte ungeachtet der Artikel 7 und 15 in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem der Künstler oder Sportler seine Tätigkeit ausübt.“
Ö „Künstlerdurchgriff“ Ö Besteuerungsrecht des Quellenstaates, wie es nach Abs. 1 ohne Zwischengesellschaft bestünde
Deutschland verwirklicht innerstaatlich den Künstlerdurchgriff durch § 49 Abs. 1 Nr. 2 Bst. d EStG. Dieser normiert, dass unabhängig davon, wem die Einkünfte zufließen, die Einkünfte in Deutschland der Besteuerung unterliegen. Auch §§ 7 ff. AStG und 42 AO bieten Durchgriffsmöglichkeiten. Voraussetzung hierfür ist, dass im DBA dieser Künstlerdurchgriff vereinbart wurde.315 Merke:
Art. 17 Abs. 2 OECD-MA weist dem Tätigkeitsstaat eines Künstlers oder Sportlers das Recht der Besteuerung des Honorars auch dann zu, wenn dieses nicht an den Künstler direkt fließt (sog. Künstlerdurchgriff).
Achtung: Im DBA-Falle kommt der – in Deutschland durch § 49 Abs. 1 Nr. 2 Bst. d EStG normierte – Künstlerdurchgriff nur zum Tragen, falls er auch im jeweiligen Abkommen enthalten ist (Schrankenwirkung der DBA).
3.2.2.13 Ruhegehälter (Art. 18 OECD-MA) Nach Art. 18 OECD-MA können Ruhegehälter aus einem privaten Arbeitsverhältnis316 nur im Ansässigkeitsstaat des Empfängers besteuert werden (Wohnsitzstaatsprinzip), unabhängig davon, in welchem Staat die unselbständige Arbeit ausgeübt wurde bzw. unabhängig vom Sitz der die Altersversorgung tragenden Kasse. Art. 18 behandelt im Prinzip Ruhegehälter für ein Arbeitsverhältnis, das unter Art. 15 OECD-MA fallen würde. Nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA ist aber Art. 18 OECD-MA als „lex specialis“ vorrangig anzuwenden. Ruhegehälter sind nach Eintritt in den Ruhestand gezahlte Vergütungen, die vorwiegend der Versorgung des Empfängers dienen und für frühere unselbständige Arbeit gezahlt wer-
315
Der Künstlerdurchgriff fehlt bspw. im DBA mit Polen.
316
Vgl. hierzu auch Toifl, G., Pensionen im DBA-Recht, in: Gassner, W./ Lang, M./ Lechner, E./ Schuch, J./ Staringer, C., Arbeitnehmer im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Wien 2003, S. 289.
Analyse der Struktur des OECD-Musterabkommens
203
den, d.h. üblicherweise Betriebsrenten.317 Renten aus einem Versicherungsverhältnis einschließlich solcher aus der gesetzlichen Sozialversicherung gehören nicht zum Anwendungsbereich des Art. 18 OECD-MA, sondern werden von Art. 21 OECD-MA erfasst.318 Als Schrankennorm mit abschließender Rechtsfolge schließt Art. 18 OECD-MA ein Besteuerungsrecht des Quellenstaates aus. Ruhegehälter aus dem öffentlichen Dienst fallen unter Art. 19 Abs. 2 OECD-MA („lex specialis“).319 Art. 18 OECD-MA „Vorbehaltlich des Artikels 19 Absatz 2 können Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen, die einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person für frühere unselbständige Arbeit gezahlt werden, nur in diesem Staat besteuert werden.“
Ö Art. 19 Abs. 2 als „lex specialis“ Ö für private Ruhegehälter: Wohnsitzprinzip Ö Schrankennorm mit abschließender Rechtsfolge
Eine Doppelbesteuerung wird durch die abschließende Rechtsfolge bereits auf Ebene der Schrankennorm vermieden.
3.2.2.14 Öffentlicher Dienst (Art. 19 OECD-MA) Art. 19 OECD-MA stellt eine Sondervorschrift zu Art. 15 bzw. Art. 18 OECD-MA dar. Dabei geht Art. 19 Abs. 1 OECD-MA als „lex specialis“ Art. 15 OECD-MA für Vergütungen vor, die für eine gegenwärtige unselbständige Arbeit im Rahmen eines öffentlichrechtlichen Arbeitsverhältnisses geleistet werden. Während Art. 18 OECD-MA für private Ruhegehälter gilt, ist Art. 19 Abs. 2 OECD-MA als speziellere Vorschrift für Ruhegehälter einschlägig, die aus einem früheren öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnis herrühren. Im Grundsatz gilt für Vergütungen nach Art. 19 Abs. 1 Bst. a OECD-MA und Ruhegehälter nach Art. 19 Abs. 2 Bst. a OECD-MA, die für im öffentlichen Dienst geleistete Arbeit bezahlt werden, das sog. Kassenstaatsprinzip. Danach können diese Vergütungen bzw. Ruhegehälter nur in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem die zahlende öffentliche Körperschaft ihren Sitz hat. Das Kassenstaatsprinzip entspricht den Regeln internationaler Courtoisie und gegenseitiger Achtung souveräner Staaten, nach denen der Staat, der die Vergütungen und Ruhegehälter aus seinen Steuermitteln finanziert, das Besteuerungsrecht 317
Vgl. BFH v. 27.01.1972, I-R-37/70, BStBl. II 1972, S. 459; BFH v. 12.10.1978, I-R-69/75, BStBl. II 1979, S. 65.
318
Vgl. Art. 18 Nr. 3, 24, 26 OECD-MK; Ismer, R., in: Vogel, K./ Lehner, M. (Hrsg.), Doppelbesteuerungsabkommen Kommentar, 5. Aufl., München 2008, Art. 18, Rz. 11 f.
319
Vgl. Art. 18 Nr. 24 f. OECD-MK.
204
Anwendung der Abkommen
für diese Einkünfte beibehalten darf.320 Die Ruhegehälter der ehemals im öffentlichen Dienst tätigen Arbeitnehmer werden steuerlich wie die Aktivbezüge behandelt (Parallelregelung).321 Vom Kassenstaatsprinzip macht Art. 19 OECD-MA eine Ausnahme, wenn der Empfänger im Nicht-Kassenstaat ansässig und dessen Staatsangehöriger ist. In diesem Fall besteuert ausschließlich der Nicht-Kassenstaat die Vergütungen (Art. 19 Abs. 1 Bst. b OECD-MA) bzw. Ruhegehälter (Art. 19 Abs. 2 Bst. b OECD-MA). Von der Ausnahme ist vor allem das sog. Ortspersonal von Botschaften und Konsulaten betroffen. Bei diesem Personenkreis besteht zum Kassenstaat nur eine sehr schwache persönliche Beziehung, so dass eine ausschließliche Besteuerung im Empfangsstaat gerechtfertigt erscheint.322 Als „Staatsangehöriger“ wird nach Art. 3 Abs. 1 Bst. g UBst. i OECD-MA „jede natürliche Person, die die Staatsangehörigkeit eines Vertragsstaates besitzt“ verstanden. Art. 19 Abs. 1 Bst. a OECD-MA „Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, ausgenommen Ruhegehälter, die von einem Vertragsstaat oder einer seiner Gebietskörperschaften an eine natürliche Person für die diesen Staat oder der Gebietskörperschaft geleisteten Dienste gezahlt werden, können nur in diesem Staat besteuert werden.“
Ö Grundsatz: Kassenstaatsprinzip Ö Schrankennorm mit abschließender Rechtsfolge
Art. 19 Abs. 1 Bst. b OECD-MA Ö Ausnahme: Wohnsitzprinzip Ö Schrankennorm mit abschließender Rechtsfolge
„Diese Gehälter, Löhne und ähnlichen Vergütungen können jedoch nur im anderen Vertragsstaat (d.h. im Nicht-Kassenstaat) besteuert werden, wenn die Dienste in diesem Staat geleistet werden und die natürliche Person in diesem Staat ansässig ist und i) ein Staatsangehöriger dieses Staates ist oder ii) nicht ausschließlich deshalb in diesem Staat ansässig geworden ist, um die Dienste zu leisten.“
320
Vgl. Art. 19 Nr. 1, 2 OECD-MK; BFH v. 31.07.1991, I-R-47/90, RIW 1992, S. 85; FG Köln v. 18.12.1989, 7-K-5136/87, EFG 1990, S. 411; Croxatto, G., Die Begrenzung der staatlichen Steuerhoheit durch internationales Gewohnheitsrecht, StuW 1964, S. 879 ff.
321
Vgl. Art. 19 Nr. 4 OECD-MK.
322
Vgl. Waldhoff, C., in: Vogel, K./ Lehner, M. (Hrsg.), Doppelbesteuerungsabkommen Kommentar, 5. Aufl., München 2008, Art. 19, Rz. 30.
Analyse der Struktur des OECD-Musterabkommens
205
Art. 19 Abs. 2 Bst. a OECD-MA (Parallelregelung zu Abs. 1 Bst. a) „Ungeachtet des Absatzes 1 können Ruhegehälter und Ö Grundsatz: Kassenstaatsprinzip ähnliche Vergütungen, die von einem Vertragsstaat oder einer seiner Gebietskörperschaften oder aus einem von diesem Staat oder der Gebietskörperschaft errichteten Ö Schrankennorm mit Sondervermögen an eine natürliche Person für die diesem abschließender Staat oder der Gebietskörperschaft geleisteten Dienste geRechtsfolge zahlt werden, nur in diesem Staat besteuert werden.“ Art. 19 Abs. 2 Bst. b OECD-MA (Parallelregelung zu Abs. 1 Bst. b) Ö Ausnahme: Wohnsitzprinzip Ö Schrankennorm mit abschließender Rechtsfolge
„Diese Ruhegehälter und ähnlichen Vergütungen können jedoch nur im anderen Vertragsstaat (d.h. im Nicht-Kassenstaat) besteuert werden, wenn die natürliche Person in diesem Staat ansässig ist und ein Staatsangehöriger dieses Staates ist.“
Als Schrankennormen mit abschließender Rechtsfolge vermeiden diese Absätze des Art. 19 OECD-MA eine Doppelbesteuerung schon auf der Ebene der Schrankennormen. Art. 19 Abs. 3 OECD-MA macht eine Ausnahme von Abs. 1 und 2 für Betriebe gewerblicher Art der öffentlichen Hand. Werden Vergütungen aus öffentlichen Kassen nicht für die Erfüllung hoheitlicher Aufgaben, sondern für gewerbliche Tätigkeiten gezahlt, so fallen diese Vergütungen unter die allgemeinen Regeln der Art. 15, 16, 17 oder 18 OECD-MA. Art. 19 Abs. 3 OECD-MA „Auf Gehälter, Löhne, Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen für Dienstleistungen, die im Zusammenhang mit einer Geschäftstätigkeit eines Vertragsstaates oder einer seiner Gebietskörperschaften erbracht werden, sind die Artikel 15, 16, 17 oder 18 anzuwenden.“
Ö Abs. 3 als „lex specialis“ gegenüber Abs. 1 und 2 Ö Anwendung der allgemeinen Schrankennormen
3.2.2.15 Studenten (Art. 20 OECD-MA) Der Zweck des Art. 20 OECD-MA liegt in der Förderung des internationalen Ausbildungsaustausches. Damit Unterhalts- und Ausbildungszahlungen, die aus dem Wohnsitzstaat stammen, nicht durch eine Besteuerung im Gastland verringert werden, beinhaltet Art. 20 OECD-MA ein Besteuerungsverbot des Gastlandes für diese Zahlungen. Dies gilt auch für den Fall, dass der Auszubildende nach der Einreise im Gastland ansässig wird.
206
Anwendung der Abkommen
Art. 20 OECD-MA „Zahlungen, die ein Student, Praktikant oder Lehrling, der sich in einem Vertragsstaat ausschließlich zum Studium oder zur Ausbildung aufhält und der im anderen Vertragsstaat ansässig ist oder dort unmittelbar vor der Einreise in dem erstgenannten Staat ansässig war, für seinen Unterhalt, sein Studium oder seine Ausbildung erhält, dürfen im erstgenannten Staat nicht besteuert werden, sofern diese Zahlungen aus Quellen außerhalb dieses Staates stammen.“ Art. 20 OECD-MA unterscheidet sich von den übrigen Schrankennormen, da weder eine Steueraufteilung zwischen Quellen- und Wohnsitzstaat vorgenommen noch einem der beiden Vertragsstaaten das ausschließliche Besteuerungsrecht gewährt wird. Die Schrankennorm des Art. 20 OECD-MA stellt bestimmte Einkünfte im Gastland frei.323 Da der Zahlungsempfänger im Herkunftsland meist keiner Besteuerung unterliegt, wird durch Art. 20 OECD-MA eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung vermieden, da die Unterhalts- und Ausbildungszahlungen aus bereits versteuertem Einkommen oder Vermögen stammen.324
3.2.2.16 Andere Einkünfte (Art. 21 OECD-MA) Art. 21 OECD-MA ist eine Auffangklausel zugunsten des Wohnsitzstaates für Einkünfte, die von den vorherigen Schrankennormen (Art. 6 bis 20 OECD-MA) ihrer Art oder ihrer Quelle nach nicht erfasst werden.325 Art. 21 OECD-MA wird nur subsidiär angewendet, da zunächst eine Anwendbarkeit der Art. 6 bis 20 OECD-MA geprüft wird („Einkünfte, (...) die in den vorstehenden Artikeln nicht behandelt wurden“).326
323
Vgl. Meurer, S., in: Vogel, K./ Lehner, M. (Hrsg.), Doppelbesteuerungsabkommen Kommentar, 5. Aufl., München 2008, Art. 20, Rz. 3.
324
Vgl. Kolb, A., in: Gosch, D./ Kroppen, H.-K./ Grotherr, S. (Hrsg.), DBA-Kommentar, 21. Erg.Lfg., Herne/Berlin 2008, Art. 20 OECD-MA, Rz. 3.
325
Vgl. Art. 21 Nr. 1 OECD-MK.
326
Vgl. Lehner, M., in: Vogel, K./ Lehner, M. (Hrsg.), Doppelbesteuerungsabkommen Kommentar, 5. Aufl., München 2008, Art. 21, Rz. 11; Wassermeyer, F., in: Debatin, H./ Wassermeyer, F. (Hrsg.), Doppelbesteuerung, Band I: Kommentierung des OECD-MA, 104. Erg.-Lfg., München 2008, Art. 21 MA, Rz. 2.
Analyse der Struktur des OECD-Musterabkommens
207
Art. 21 Abs. 1 OECD-MA „Einkünfte einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person, die in den vorstehenden Artikeln nicht behandelt wurden, können ohne Rücksicht auf ihre Herkunft nur in diesem Staat besteuert werden.“
Ö Wohnsitzprinzip (Auffangklausel) Ö Schrankennorm mit abschließender Rechtsfolge
Unter den Artikel fallen z.B. Sozialversicherungsrenten,327 Lotteriegewinne, Unterhaltszahlungen oder Gewinne aus Finanzderivaten (Swaps, Futures)328. Am bedeutendsten ist der Artikel für sog. Drittstaateneinkünfte.329 Als Drittstaateneinkünfte werden Einkünfte bezeichnet, die außerhalb der Territorien der beiden Vertragsstaaten anfallen. Die Schrankennormen behandeln meistens die Konstellation, dass eine in einem Vertragsstaat ansässige Person Einkünfte aus dem anderen Vertragsstaat bezieht. Art. 21 Abs. 1 OECD-MA ist auch für Einkünfte anwendbar, die ihre Quelle in Drittstaaten haben („ohne Rücksicht auf ihre Herkunft“). Für diese Fälle müssen allerdings eventuell bestehende DBA mit dem Drittstaat beachtet werden. Sind die „anderen Einkünfte“ allerdings einer im Quellenstaat befindlichen Betriebsstätte zuzurechnen, so findet Art. 7 OECD-MA Anwendung (Art. 21 Abs. 2 OECD-MA). Art. 21 Abs. 2 OECD-MA „Absatz 1 ist auf andere Einkünfte Ö Einschränkung des Abs. 1 zugunsten des als solche aus unbeweglichem Vermögen im Sinne Quellenstaates, mit Ausdes Artikels 6 Absatz 2 nahme der Einkünfte aus nicht anzuwenden, wenn der in einem Vertragsstaat unbeweglichem Vermöansässige Empfänger im anderen Vertragsstaat eine Gegen schäftstätigkeit durch eine dort gelegene Betriebsstätte ausübt und die Rechte oder Vermögenswerte, für die die Ö Betriebsstättenvorbehalt Einkünfte gezahlt werden, tatsächlich zu dieser Betriebsstätte gehören. In diesem Fall ist Artikel 7 anzuwenden.“ Unbewegliches Vermögen ist von der Anwendung des Abs. 2 ausgenommen. Hieraus ergibt sich wiederum der Vorrang des Belegenheitsprinzips vor dem Betriebsstättenprinzip.
327
Sofern diese nicht nach dem Kassenstaatsprinzip dem Quellenstaat zugewiesen wurden. Die Behandlung ist uneinheitlich.
328
Bis einschließlich VZ 2008 ist die Besteuerung von Finanzderivaten in Deutschland uneinheitlich geregelt. Im Zuge der Einführung der Abgeltungsteuer zum 01.01.2009 werden alle Finanzprodukte einheitlich als Einkünfte aus Kapitalvermögen besteuert.
329
Vgl. Fischer-Zernin, J., in: Gosch, D./ Kroppen, H.-K./ Grotherr, S. (Hrsg.), DBA-Kommentar, 21. Erg.-Lfg., Herne/Berlin 2008, Art. 21 OECD-MA, Rz. 19.
208
Anwendung der Abkommen
Art. 6 OECD-MA bezieht sich auf Einkünfte, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unbeweglichem Vermögen bezieht, das im anderen Vertragsstaat liegt. Liegt das unbewegliche Vermögen im Wohnsitzstaat oder in einem Drittstaat, findet Art. 21 Abs. 1 OECD-MA Anwendung. Der Ausdruck „Rechte und Vermögenswerte“ fasst die in den Betriebsstättenvorbehalten aufgeführten Güter wie Beteiligungen, Forderungen, Rechte und Vermögenswerte zusammen. Somit gilt Art. 21 Abs. 2 OECD-MA für Dividenden, Zinsen und Lizenzen. Die Betriebsstättenvorbehalte der Art. 10 bis 12 OECD-MA beziehen sich immer auf die Konstellation, dass eine in einem Vertragsstaat ansässige Person Einkünfte aus dem anderen Vertragsstaat erzielt. Unterhält diese Person eine Betriebsstätte im Quellenstaat, so werden die Einkünfte der Betriebsstätte zugerechnet. Art. 21 Abs. 2 OECD-MA erweitert den Betriebsstättenvorbehalt der Art. 10 bis 12 OECD-MA auf Einkünfte aus dem Wohnsitzstaat und aus Drittstaaten. Art. 21 Abs. 2 OECD-MA hat nur klarstellenden Charakter. Für die Art. 10 bis 12 OECDMA ist ein Betriebsstättenvorbehalt notwendig, da Art. 7 Abs. 7 OECD-MA den Vorrang speziellerer Artikel vor dem Art. 7 OECD-MA anordnet. Von Art. 10 bis 12 OECD-MA werden aber Einkünfte aus dem Wohnsitzstaat oder Drittstaaten nicht behandelt, so dass ohnehin Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA anzuwenden ist, der auch Einkünfte aus dem Wohnsitzstaat und Drittstaateneinkünfte erfasst, wenn sie der Betriebsstätte zuzurechnen sind.330 Auf diese Weise steht dem Betriebsstättenstaat in jedem Fall ein Besteuerungsrecht zu. Die folgende Abbildung vermittelt einen Kurzüberblick über die verschiedenen Besteuerungstatbestände der Art. 15 bis 21 und 28 OECD-MA und über das Verhältnis dieser Normen zueinander.
330
Vgl. Lehner, M., in: Vogel, K./ Lehner, M. (Hrsg.), Doppelbesteuerungsabkommen Kommentar, 5. Aufl., München 2008, Art. 21, Rz. 44; a.A. Wassermeyer, F., in: Debatin, H./ Wassermeyer, F. (Hrsg.), Doppelbesteuerung, Band I: Kommentierung des OECD-MA, 104. Erg.-Lfg., München 2008, Art. 21 MA, Rz. 63-67.
Analyse der Struktur des OECD-Musterabkommens
209
Art. 15 Vergütungen aus einem gegenwärtigen Arbeitsverhältnis mit einem privaten Arbeitgeber
SONDERVORSCHRIFTEN
Art. 16
Art. 17
Art. 18
Art. 19
Art. 20
Art. 28
Vergütungen für Aufsichtsoder Verwaltungsratstätigkeiten
Vergütungen für die Berufsgruppe der Künstler und Sportler
Ruhegehälter aus einem privaten Arbeitsverhältnis
Zahlungen aus einem gegenwärtigen oder früheren öffentlichrechtlichen Arbeitsverhältnis
Studenten (Unterhalt, Studium, Ausbildung)
Diplomaten und Konsularbeamte
SONDERVORSCHRIFT
Art. 21 SUBSIDIÄRE AUFFANGKLAUSEL
Abbildung 52:
z.B. Renten aus einem Versicherungsverhältnis einschließlich solcher aus der gesetzlichen Sozialversicherung
Übersicht über die Besteuerungstatbestände der Art. 15 bis 21 und 28 OECD-MA
3.2.2.17 Vermögen (Art. 22 OECD-MA) Art. 22 OECD-MA als letzte Schrankennorm des OECD-MA regelt die Vermögensbesteuerung, die eine Ergänzung zur Besteuerung der Einkünfte darstellt.331 Daher erhält der Vertragsstaat, der die Einkünfte aus dem Vermögen besteuern darf, auch das Besteuerungsrecht hinsichtlich einer Vermögensteuer.
331
Vgl. Art. 22 Nr. 2 OECD-MK.
210
Anwendung der Abkommen
Aus deutscher Sicht gibt es keine Vermögensteuern mehr, die unter das Abkommen fallen könnten. Die Gewerbekapitalsteuer wurde mit Wirkung zum VZ 1998 abgeschafft, und eine Vermögensteuer wird seit VZ 1997 nicht mehr erhoben. Aus diesen Gründen soll auf Art. 22 OECD-MA nicht näher eingegangen werden.
3.2.3 Anwendung der Methodenartikel (Art. 23 A und B OECD-MA) Das OECD-MA verwendet zwei Typen von Schrankennormen. Schrankennormen mit abschließender Rechtsfolge („können nur“) vermeiden eine Doppelbesteuerung bereits auf Ebene der Schrankennormen, da entweder der Quellenstaat oder der Wohnsitzstaat von der Besteuerung ausgeschlossen wird. Schrankennormen mit offener Rechtsfolge („können auch“) schließen keinen der beiden Vertragsstaaten von der Besteuerung aus. In diesem Fall behält der Ansässigkeitsstaat das Besteuerungsrecht im Grundsatz bei, ist aber verpflichtet, eine Entlastung durch Anwendung der Methodenartikel (Art. 23 A und B OECDMA) herbeizuführen. Art. 23 A und B OECD-MA sehen zwei Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung im Wohnsitzstaat vor: die Freistellungsmethode mit Progressionsvorbehalt nach Art. 23 A OECD-MA und die Methode der verhältnismäßigen Anrechnung nach Art. 23 B OECD-MA.
3.2.3.1 Freistellungsmethode (Art. 23 A OECD-MA) Art. 23 A Abs. 1 OECD-MA regelt die Freistellungsmethode332 als erste Alternative zur Vermeidung der Doppelbesteuerung durch den Wohnsitzstaat. Nach der Freistellungsmethode werden im Wohnsitzstaat die Einkünfte von der inländischen Steuerbemessungsgrundlage ausgenommen, die im Quellenstaat besteuert werden können. Die Freistellungsmethode stellt also auf die Steuerbemessungsgrundlage ab. Art. 23 A Abs. 1 OECD-MA „Bezieht eine in einem Vertragsstaat ansässige Person Einkünfte (...)333 und können diese Einkünfte (...) nach diesem Abkommen (d.h. nach Art. 6-21 OECD-MA) im anderen Vertragsstaat besteuert werden, so nimmt der erstgenannte Staat (also der Wohnsitzstaat) vorbehaltlich der Absätze 2 und 3 diese Einkünfte (...) von der Besteuerung aus.“
332
Im Originaltext lautet die Überschrift für Art. 23 A OECD-MA „Befreiungsmethode“.
333
Sämtliche Auslassungszeichen im Originaltext des OECD-MA beziehen sich im Folgenden auf die Vermögensbesteuerung.
Analyse der Struktur des OECD-Musterabkommens
211
Die Freistellungsmethode führt zu einer Belastung der ausländischen Einkünfte in Höhe des ausländischen Steuerniveaus. Auf diese Weise erfährt der Steuerpflichtige eine steuerlich gleiche Behandlung mit den Wettbewerbern im Quellenstaat (Kapitalimportneutralität). Die deutschen DBA verwenden überwiegend die Freistellungsmethode (mit Progressionsvorbehalt) als Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung. Aus der Freistellung der ausländischen Einkünfte ergibt sich, dass auch negative ausländische Einkünfte von der inländischen Bemessungsgrundlage ausgenommen werden.334 Eine steuermindernde Wirkung der ausländischen Verluste ergibt sich lediglich über den Progressionsvorbehalt nach Art. 23 A Abs. 3 OECD-MA (sog. negativer Progressionsvorbehalt).335 Deutschland schränkt diesen durch § 2a EStG entgegen den Vorschriften des DBA innerstaatlich ein. In vielen DBA steht die Freistellungsmethode unter bestimmten Vorbehaltsklauseln, um eine missbräuchliche Inanspruchnahme der begünstigenden Freistellung zu verhindern. Werden die Voraussetzungen der Vorbehaltsklauseln nicht erfüllt, so wird anstelle der Freistellung nur die weniger günstige Anrechnungsmethode gewährt. So ist in diesen Fällen die Freistellung davon abhängig, ob die Einkünfte einer Betriebsstätte oder Tochtergesellschaft aus einer aktiven, d.h. produktiven Tätigkeit stammen (Aktivitätsvorbehalt). Unter eine aktive Tätigkeit fallen z. B. die Herstellung oder der Verkauf von Gütern und Waren, die Ausbeutung oder Verarbeitung von Mineralien, technische oder kaufmännische Dienstleistungen und Bank- oder Versicherungsgeschäfte. Zur Anrechnungsmethode wird auch nach der eventuell vereinbarten sog. „switch-over“Klausel gewechselt. Im Fall von Qualifikations- und Zurechnungskonflikten zwischen Quellen- und Wohnsitzstaat könnten ebenfalls „weiße Einkünfte“, d.h. Einkünfte, die weder im Quellen- noch im Wohnsitzstaat steuerbar sind, entstehen. Dies soll durch einen Übergang zur Anrechnungsmethode verhindert werden. Einen Wechsel von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode kennt auch das AStG bei Einkünften von Betriebsstätten (§ 20 Abs. 2 AStG). Dabei bestimmt das AStG, dass diese Vorschrift unabhängig von einem bestehenden DBA angewendet wird („treaty override“ – § 20 Abs. 1 AStG). Für Art. 10 (Dividenden) und Art. 11 (Zinsen) sieht das OECD-MA eine Aufteilung der Steuerberechtigung vor. Aus diesem Grunde findet sich im Art. 23 A OECD-MA, der eigentlich die Freistellungsmethode beinhaltet, folgender Abs. 2: 334
Vgl. BFH v. 25.02.1976, I-R-150/73, BStBl. II 1976, S. 454; BFH v. 09.08.1989, I-B-118/88, BStBl. II 1990, S. 176; BFH v. 26.03.1991, IX-R-162/85, BStBl. II 1991, S. 708.
335
Vgl. BFH v. 25.05.1970, I-R-109/68, BStBl. II 1970, S. 661; BFH v. 09.08.1989, I-B-118/88, BStBl. II 1990, S. 176; BFH v. 11.10.1989, I-R-124/86, BStBl. II 1990, S. 157; BFH v. 17.10.1990, I-R-182/87, BStBl. II 1991, S. 136.
212
Anwendung der Abkommen
Art. 23 A Abs. 2 OECD-MA „Bezieht eine in einem Vertragsstaat ansässige Person Einkünfte, die nach den Artikeln 10 und 11 im anderen Vertragsstaat besteuert werden können, so rechnet der erstgenannte Staat (also der Wohnsitzstaat) auf die vom Einkommen dieser Person zu erhebende Steuer den Betrag an, der der im anderen Staat gezahlten Steuer entspricht. Der anzurechnende Betrag darf jedoch den Teil der vor der Anrechnung ermittelten Steuer nicht übersteigen, der auf die aus dem anderen Staat bezogenen Einkünfte entfällt.“ Der zweite Satz der Vorschrift bestimmt, dass eine Anrechnung der ausländischen Quellensteuer maximal bis zu einem Anrechnungshöchstbetrag möglich ist, der im Zusammenhang mit Art. 23 B OECD-MA erörtert wird. Die in Art. 23 A Abs. 1 OECD-MA beschriebene Freistellungsmethode wird „vorbehaltlich der Absätze 2 und 3“ angewendet. Art. 23 A Abs. 3 OECD-MA räumt dem Wohnsitzstaat die Möglichkeit ein, die freigestellten Einkünfte zur Berechnung des Steuersatzes, der auf die restlichen Einkünfte zur Anwendung kommt, zu berücksichtigen (sog. Progressionsvorbehalt). Art. 23 A Abs. 3 OECD-MA „Einkünfte (...) einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person, die nach dem Abkommen von der Besteuerung in diesem Staat auszunehmen sind, können gleichwohl in diesem Staat bei der Festsetzung der Steuer für das übrige Einkommen (...) der Person einbezogen werden.“ Durch den Progressionsvorbehalt wirkt sich die Steuerfreistellung neben der Herausnahme aus der Steuerbemessungsgrundlage nicht auch noch zusätzlich steuermindernd auf einen progressiv ausgestalteten Steuertarif aus. Für die Körperschaftsteuer spielt der Progressionsvorbehalt keine Rolle, da der Körperschaftsteuersatz ein linearer Tarif ist. Positive ausländische Einkünfte führen zur Anwendung eines höheren Steuersatzes (positiver Progressionsvorbehalt). Bei negativen ausländischen Einkünften führt der Progressionsvorbehalt zu einer mildernden Wirkung auf den anzuwendenden Steuersatz (negativer Progressionsvorbehalt). Zur Erinnerung: Nach deutschem Steuerrecht werden sowohl der negative als auch der positive Progressionsvorbehalt für bestimmte Einkünfte aus EU/EWR-Staaten ausgeschlossen (§ 32b Abs. 1 Satz 2 EStG). Für Drittstaaten erfolgt der Progressionsvorbehalt nach Maßgabe des § 2a Abs. 1 und 2 EStG.336
336
Vgl. H 2a EStR; BFH v. 17.11.1999, I-R-7/99, BStBl. II 2000, S. 605.
Analyse der Struktur des OECD-Musterabkommens
213
Beispiel
Freistellung unter Progressionsvorbehalt
Lösung
Auf welche Weise die Freistellung unter Progressionsvorbehalt zu erfolgen hat, bestimmt sich nach innerstaatlichem Recht. Nach § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG kommt bei der Freistellung ein besonderer Steuersatz i.S.d. § 32b Abs. 2 Nr. 2 EStG zur Anwendung.
1. Ermittlung des z.v.E. (§ 2 EStG)
Ludo Decker hat seinen Wohnsitz in Deutschland und erzielt im Jahr 2010 inländische Einkünfte i.H.v. 90.000 € und ausländische Einkünfte i.H.v. 30.000 € aus der Vermietung eines Apartments in Kingston, Jamaika. Im Jahr 2010 sind Ludo Sonderausgaben i.H.v. 10.000 € entstanden. Ludo ist in Deutschland nach § 1 Abs. 1 EStG mit seinem Welteinkommen (§ 2 EStG) unbeschränkt steuerpflichtig.
inländische Einkünfte ausländische Einkünfte, freigestellt nach Art. 23 A Abs. 1 OECD-MA = Summe der Einkünfte ./. Sonderausgaben = z.v.E.
90.000 € 30.000 € 90.000 € 10.000 € 80.000 €
./.
Aufgrund des im DBA-Jamaika337 vereinbarten Progressionsvorbehaltes dürfen die inländischen Einkünfte mit dem Steuersatz besteuert werden, der für das um die ausländischen Einkünfte erhöhte Gesamteinkommen maßgeblich ist: 2. Berechnung des Durchschnittssteuersatzes (§ 32b Abs. 2 Nr. 2 EStG) inländische Einkünfte freigestellte ausländische Einkünfte = Summe der Einkünfte ./. Sonderausgaben = für die Berechnung des Steuersatzes maßgebliches Einkommen Ö Steuerbetrag (0,42 x 110.000 ./. 8.172) Ö Durchschnittssteuersatz (gerundet)
./.
90.000 € 30.000 € 120.000 € 10.000 € 110.000 € 38.028 € 34,57 %
3. Multiplikation mit dem zu versteuernden Einkommen
337
z.v.E.
x
Durchschnittssteuersatz
80.000 €
x
0,3457
=
Vgl. DBA-Jamaika v. 08.10.1974, BGBl. II 1976, S. 1194, BStBl. I 1976, S. 407.
27.656 €
214
Anwendung der Abkommen
Art. 23 A Abs. 4 OECD-MA zielt darauf ab, eine doppelte Nichtbesteuerung („weiße Einkünfte“) zu verhindern.338 Kommt der Quellenstaat zu dem Schluss, dass bestimmte Einkünfte unter einen Abkommensartikel fallen, der seinen Besteuerungsanspruch aufhebt oder begrenzt, während der Wohnsitzstaat eine andere Auslegung mit der Folge vertritt, dass die Einkünfte nur im Quellenstaat besteuert werden können, so wäre der Wohnsitzstaat nach Art. 23 A Abs. 1 OECD-MA verpflichtet, die Einkünfte freizustellen. Es ergäbe sich eine doppelte Freistellung bzw. im Fall der Dividenden und Zinsen lediglich eine begrenzte Besteuerung im Quellenstaat verbunden mit einer Freistellung im Wohnsitzstaat. Aufgrund des Abs. 4 fällt hier das Besteuerungsrecht auf den Wohnsitzstaat zurück. Ein Beispiel für eine solche Konstellation wäre die Annahme einer Betriebsstätte durch den Wohnsitzstaat, während der Quellenstaat das Vorliegen einer Betriebsstätte verneint. Art. 23 A Abs. 4 OECD-MA „Absatz 1 gilt nicht für Einkünfte (...) einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person, wenn der andere Vertragsstaat dieses Abkommen so anwendet, dass er diese Einkünfte (...) von der Besteuerung ausnimmt oder Absatz 2 des Artikels 10 oder des Artikels 11 auf diese Einkünfte anwendet.“
3.2.3.2 Anrechnungsmethode (Art. 23 B OECD-MA) Art. 23 B Abs. 1 OECD-MA beinhaltet die Anrechnungsmethode als zweite Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung im Wohnsitzstaat. Auch Art. 23 B OECD-MA regelt nur die Besteuerung im Wohnsitzstaat. Die Anrechnungsmethode vermeidet eine Doppelbesteuerung durch Anrechnung der ausländischen Steuer auf die inländische Steuerschuld. Die Anrechnungsmethode stellt also auf die Steuerschuld und nicht wie die Freistellungsmethode auf die Bemessungsgrundlage ab. Die Anrechnungsmethode führt zu einer Steueraufteilung zwischen dem Wohnsitzund Quellenstaat.
338
Vgl. Art. 23 A Nr. 56.1 OECD-MK.
Analyse der Struktur des OECD-Musterabkommens
215
Art. 23 B Abs. 1 OECD-MA „Bezieht eine in einem Vertragsstaat ansässige Person Einkünfte (...) und können diese Einkünfte (...) nach diesem Abkommen im anderen Vertragsstaat besteuert werden, so rechnet der erstgenannte Staat a) auf die vom Einkommen dieser Person zu erhebende Steuer den Betrag an, der der im anderen Staat gezahlten Steuer vom Einkommen entspricht; b) auf die vom Vermögen (...). Der anzurechnende Betrag darf jedoch in beiden Fällen den Teil der vor der Anrechnung ermittelten Steuer vom Einkommen (...) nicht übersteigen, der auf die Einkünfte, die im anderen Staat besteuert werden können (...) entfällt.“ Der Methodenartikel bestimmt in der Regel nicht, wie das innerstaatliche Anrechnungsverfahren technisch ausgestaltet sein soll. In Deutschland bestimmt § 34c Abs. 6 Satz 1 EStG, dass die unilateralen Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung im Grundsatz subsidiär gegenüber bilateralen Maßnahmen anzuwenden sind. Allerdings wird die Berechnung des Anrechungshöchstbetrags (§ 34c Abs. 1 Satz 2 EStG) nach § 34c Abs. 6 Satz 2 EStG für entsprechend anwendbar erklärt. Falls ein DBA eine Doppelbesteuerung nicht beseitigt oder nicht alle Steuern erfasst, so bleiben nach § 34c Abs. 6 Satz 3 EStG die unilateralen Maßnahmen der Steueranrechnung nach § 34c Abs. 1 EStG oder des Steuerabzugs nach § 34c Abs. 2 EStG subsidiär anwendbar. Über § 26 Abs. 6 Satz 1 KStG gelten diese Vorschriften auch für die Körperschaftsteuer. Wesentliches Merkmal der Anrechnungsmethode ist der Anrechnungshöchstbetrag nach Art. 23 B Abs. 1 Satz 2 OECD-MA, demzufolge nur der Betrag angerechnet wird, der der inländischen Steuer auf die ausländischen Einkünfte entspricht. Durch den Anrechnungshöchstbetrag profitiert ein Staat von einem niedrigeren ausländischen Steuerniveau, schützt sich aber gleichzeitig vor einer Erstattung ausländischer Steuer, sollte das ausländische Steuerniveau höher sein.339 Zur Erinnerung: Für zu veranlagende Einkünfte und Kapitaleinkünfte, auf die das Teileinkünfteverfahren Anwendung findet, ergibt sich der Anrechnungshöchstbetrag nach folgender Formel (§ 34c Abs. 1 Satz 2 EStG): AHB =
ausländische Einkünfte deutsche Einkommensteuer x auf das Welteinkommen Summe der Einkünfte
Aufgrund des proportionalen Tarifs wird der Anrechnungshöchstbetrag im Geltungsbereich der Abgeltungsteuer wie folgt ermittelt (§ 32d Abs. 5 EStG): Anrechnungshöchstbetrag = 25 % x ausländischer Kapitalertrag
339
Vgl. Vogel, K., in: Vogel, K./ Lehner, M. (Hrsg.), Doppelbesteuerungsabkommen Kommentar, 5. Aufl., München 2008, Art. 23, Rz. 145.
Beispiel
Anwendung der Abkommen Begrenzte Anrechnung
Lösung
216
1. Ermittlung des Anrechnungshöchstbetrags (§ 32d Abs. 5 EStG)
Es gelten die Angaben des vorherigen Beispiels mit der Änderung, dass Ludo die ausländischen Einkünfte aus einem gewährten Darlehen erhält. Auf die ausländischen Zinseinkünfte wurde eine Quellensteuer i.H.v. 6.500 € einbehalten. Bei Zinseinkünften vermeidet Deutschland eine Doppelbesteuerung durch die Anrechnungsmethode.
AHB = 0,25 x 30.000 € = 7.500 € 2. Anrechnung der Quellensteuer auf die Abgeltungsteuer (§ 32d EStG) EinkommenEinkünfte nach § 20 EStG ./. 4 x anrechenbare ausländische Steuer = steuer 4 + Kirchensteuersatz Einkommensteuer =
30.000 € ./. 4 x 6.500 € 4
= 1.000 €
Da die ausländische Quellensteuer i.H.v. 6.500 € den Anrechnungshöchstbetrag nicht übersteigt, wird sie im Inland in voller Höhe angerechnet. 3. Gesamtsteuerbelastung inländische Einkünfte = Summe der Einkünfte ./. Sonderausgaben = z.v.E. ESt nach § 32a Abs. 1, 2 EStG
90.000 € 90.000 € ./. 10.000 € 80.000 € 25.428 €
ESt aus Veranlagung + Abgeltungsteuer + ausländische Quellensteuer = Gesamtsteuerbelastung
+ +
25.428 € 1.000 € 6.500 € 32.928 €
Nicht im OECD-MA ist der sog. matching credit vorgesehen. Darunter versteht man die in manchen DBA zwischen Industrie- und Entwicklungsländern enthaltene einseitige Bestimmung, dass der Ansässigkeitsstaat (Industrieland) sich verpflichtet, eine höhere als die tatsächlich im Quellenstaat (Entwicklungsland) gezahlte Steuer anzurechnen. Damit können Entwicklungsländer Steuerermäßigungen als Investitionsanreiz bieten, ohne zu befürchten, dass diese durch das Anrechnungsverfahren im Ansässigkeitsstaat des Steuerpflichtigen
Analyse der Struktur des OECD-Musterabkommens
217
kompensiert werden. Deutschland hat eine solche Regelung bspw. in den DBA mit Bangladesch, China, Marokko, Tunesien und der Türkei vereinbart.340
3.2.4
Besondere Bestimmungen (Art. 24-28 OECD-MA)
Art. 24 OECD-MA („Gleichbehandlung“) enthält das Verbot der steuerlichen Diskriminierung. Es lassen sich vier Fälle unterscheiden: Der erste Fall knüpft an die Staatsangehörigkeit an. Staatsangehörige eines Vertragsstaates dürfen im anderen Vertragsstaat bei gleichen Verhältnissen keiner anderen oder belastenderen Besteuerung oder Verpflichtung ausgesetzt werden als Staatsangehörige des anderen Vertragsstaates. Da die Besteuerung natürlicher Personen in den meisten Staaten nicht an die Staatsangehörigkeit, sondern an den Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt anknüpft, ist dieses Diskriminierungsverbot von geringer praktischer Bedeutung. Das Diskriminierungsverbot wird auch auf Staatenlose ausgedehnt. Das zweite Diskriminierungsverbot bestimmt, dass eine Betriebsstätte der Besteuerung eines selbständigen Unternehmens im Betriebsstättenstaat gleichzustellen ist. Das dritte Diskriminierungsverbot betrifft eine Form der Diskriminierung, bei der Staaten den Abzug von Zinsen, Lizenzgebühren und sonstigen Entgeltzahlungen bzw. Schulden eines Unternehmens nur eingeschränkt oder gar nicht zulassen, wenn der Empfänger im Vertragsstaat dieses Unternehmens eine nicht ansässige Person ist.341 Die Gewinnberichtigungsvorschriften der Art. 9 Abs. 1, Art. 11 Abs. 6 und Art. 12 Abs. 4 OECD-MA bleiben allerdings von diesem Verbot unberührt. Nach dem vierten Verbot dürfen Unternehmen eines Vertragsstaates nicht schlechter gestellt werden, weil im anderen Vertragsstaat ansässige Personen an diesem beteiligt sind.342 Alle Diskriminierungsverbote stehen selbständig nebeneinander343 und gelten ungeachtet des Art. 2 OECD-MA („Unter das Abkommen fallende Steuern“) für Steuern jeder Art und Bezeichnung. Ergeben sich bei der Anwendung eines DBA Schwierigkeiten, so sieht Art. 25 OECD-MA („Verständigungsverfahren“) ein zwischenstaatliches Verständigungsverfahren zur übereinstimmenden Anwendung von DBA vor.344 Insgesamt besteht Art. 25 OECD-MA aus drei Verständigungsklauseln. Das Verständigungsverfahren i.e.S. dient der Lösung von Einzelfällen, in denen eine Person der Auffassung ist, abkommenswidrig durch einen oder beide Vertragsstaaten besteuert zu werden. In diesem Fall kann der Steuerpflichtige seine Auffassung der für ihn zuständigen Finanzbehörde darlegen. Ist die zuständige Behörde allein nicht in der Lage, Abhilfe zu schaffen, so leitet sie ein Verständigungsverfahren mit der entsprechenden Finanzbehörde des anderen Vertragsstaates ein. Innerstaatliche
340
Vgl. hierzu auch BMF v. 12.05.1998, IV C 6 – S 1301 – 18/98, BStBl. I 1998, S. 554.
341
Vgl. Art. 24 Nr. 73 OECD-MK.
342
Vgl. BMF v. 08.12.2004, IV B 4 – S 1301 USA – 12/04, BStBl. I 2004, S. 1181.
343
Vgl. Wassermeyer, F., in: Debatin, H./ Wassermeyer, F. (Hrsg.), Doppelbesteuerung, Band I: Kommentierung des OECD-MA, 104. Erg.-Lfg., München 2008, Art. 24 MA, Rz. 2.
344
Vgl. Art. 25 Nr. 1 OECD-MK.
218
Anwendung der Abkommen
Rechtsmittel bleiben von dem Verfahren unberührt. In Deutschland könnte bei einem Scheitern des Verfahrens eine Vermeidung der Doppelbesteuerung aus Billigkeitsgründen (§ 163 AO) in Frage kommen.345 Daneben gibt es ein Konsultationsverfahren, bei dem die zuständigen Behörden beider Vertragsstaaten in Einzelfällen aber auch allgemein bei Schwierigkeiten oder Zweifeln bezüglich der Auslegung oder Anwendung eines Abkommens versuchen, diese einvernehmlich zu lösen. Um Doppelbesteuerungen bei vertraglich nicht geregelten Fragen zu vermeiden, können die zuständigen Behörden beider Vertragsstaaten ebenfalls ein Konsultationsverfahren zum Schutz des Steuerpflichtigen einleiten. Bei den drei Verfahrensarten steht es den Behörden der Vertragsstaaten offen, direkt miteinander zu verkehren oder eine gemeinsame Kommission einzurichten. Der Hauptanwendungsfall des Art. 25 OECD-MA betrifft Gewinnkorrekturen bzw. -aufteilungen bei Verrechnungspreisen.346 Als Reaktion auf verschiedene praktische Probleme bei der Durchführung von Verständigungsverfahren – u.a. eine oftmals lange Verfahrensdauer – nahm die OECD im Juli 2008 ein obligatorisches Schiedsverfahren in Art. 25 Abs. 5 OECD-MA auf. Das Schiedsverfahren kann vom Steuerpflichtigen beantragt werden, wenn ein vorangehendes Verständigungsverfahren für die Dauer von zwei Jahren erfolglos geblieben ist und Maßnahmen eines oder beider Vertragsstaaten zu einer Besteuerung des Steuerpflichtigen geführt haben, die nicht dem Abkommen entspricht.347 Zusätzlich existiert in der EU das EUSchiedsabkommen, in dem ein obligatorisches Schiedsverfahren für Besteuerungskonflikte zwischen EU-Staaten enthalten ist. Im Gegensatz zu dem obligatorischen Schiedsverfahren nach dem OECD-MA, das sämtliche ungelöste Fragen eines Verständigungsverfahrens umfasst, ist das Schiedsverfahren nach dem EU-Schiedsabkommen auf Verrechnungspreiskonflikte beschränkt.348 Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten ist die Finanzverwaltung zur Durchführung des Abkommens bzw. des innerstaatlichen Rechts häufig auf Informationen von Finanzbehörden des anderen Vertragsstaates angewiesen, da ihre Ermittlungskompetenzen auf das eigene Staatsgebiet begrenzt sind.349 Den erforderlichen Informationsaustausch unter Einhaltung von Geheimhaltungspflichten ermöglicht Art. 26 OECD-MA („Informationsaustausch“).
345
Vgl. Art. 25 Nr. 1-3 OECD-MK.
346
Vgl. Grotherr, S./ Herfort, C./ Strunk, G., Internationales Steuerrecht, 2. Aufl., Achim 2003, S. 588.
347
Vgl. Nientimp, A./ Tomson, S., Das verbindlichen Schiedsverfahren nach dem neuen OECD-MA, IStR 2009, S. 615 ff.
348
Vgl. Bödefeld, A./ Kuntschik, N., Schiedsverfahren nach DBA, IStR 2009, S. 450.
349
Vgl. Art. 25 Nr. 1-3 OECD-MK; Eicker, K./ Stockburger, L., Internationale Verfahren zur Beseitigung der Doppelbesteuerung – Überblick und Folgerungen für die Praxis anlässlich des rückwirkenden Wiedereintritts der EU-Schiedskonvention zum 1.1.2004, IWB 2005, S. 206.
Analyse der Struktur des OECD-Musterabkommens
219
Die OECD führt seit 1996 Untersuchungen zum schädlichen Steuerwettbewerb durch. Im Bericht über den schädlichen Steuerwettbewerb von 1998 wurde festgestellt, dass das Fehlen eines effektiven Informationsaustauschs zwischen den Steuerbehörden verschiedener Länder einen der Hauptgründe für die Schädlichkeit eines Steuerregimes darstellt.350 Die daraufhin getroffenen Empfehlungen der OECD haben zu einer Ausweitung der Bestimmung des Art. 26 OECD-MA über den Informationsaustausch geführt. Bisher musste die gewünschte Information für die konkrete Durchführung eines DBA oder für die Durchführung des innerstaatlichen Rechts „erforderlich“ sein („große Auskunftsklausel“). Nach der Aktualisierung des OECD-MA im Jahre 2005 ist statt der Erforderlichkeit eine „voraussichtliche Erheblichkeit“ – nun auch lediglich für die Verwaltung selbst – ausreichend. So soll ein Informationsaustausch in „weitest möglichem Ausmaß“ erreicht werden.351 In der Abkommenspraxis werden demgegenüber oft lediglich „kleine Auskunftsklauseln“ vereinbart, nach denen Auskünfte nur für die konkrete Durchführung eines DBA ausgetauscht werden. Es gibt jedoch Staaten, die es verweigern, den ausländischen Finanzbehörden entsprechend den von der OECD entwickelten Standards auf Ersuchen die für ein Besteuerungsverfahren notwendigen Informationen zu erteilen und die damit die Steuerhinterziehung erleichtern. In diesem Zusammenhang ist das am 01.08.2009 in Kraft getretene Gesetz zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung (Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz) zu erwähnen. Das Gesetz wurde insbesondere als Reaktion auf die jüngsten Steuerhinterziehungsskandale im Zusammenhang mit dem Einsatz von Steueroasenländern verabschiedet. Es zielt darauf ab, die entsprechenden Staaten und Gebiete dazu zu veranlassen, die Standards der OECD zu akzeptieren und die notwendigen Auskünfte zu erteilen. Darüber hinaus sollen die Möglichkeiten der Sachverhaltsaufklärung durch die Finanzverwaltung verbessert werden.352 Durch das Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz wird es ermöglicht, bestimmte steuerliche Regelungen gänzlich oder teilweise nicht anzuwenden oder von der Erfüllung erhöhter Nachweispflichten abhängig zu machen, wenn Geschäftsbeziehungen zu Personen oder Vereinigungen mit Sitz oder Geschäftsleitung in einem ausländischen Staat bestehen, mit dem ein Auskunftsaustausch nach den Standards der OECD nicht durchgeführt werden kann.353 So sieht das Gesetz bei Geschäftsbeziehungen zu einem solchen unkooperativen Staat z.B. vor, bestimmte steuerliche Vorteile wie den Betriebsausgabenabzug, die Entlastung von Kapitalertragsteuer oder Abzugsteuer gem. § 50d Abs. 1 und 2 EStG oder die 350
Vgl. OECD, Harmful Tax Competition: An Emerging Global Issue, Paris 1998, S. 10 f., 21 ff., 33 ff., 44 ff., 67 ff.; Huber, M. F./ Helbing, A./ Kubaile, H./ Raab, J., Entwicklungen im internationalen Steuerrecht, Steuer Revue 2005, S. 923.
351
Vgl. Art. 26 Nr. 2, 5, 10.3 OECD-MK.
352
Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung (Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz), BT-Drs. 16/13106, S. 1.
353
Interessant sind dabei insbesondere solche Länder, die sich zwar den internationalen Standards unterworfen, diese aber noch nicht umgesetzt haben (sog. graue Liste der OECD). Zu diesen Ländern gehören bspw. Andorra, Monaco oder die Schweiz.
220
Anwendung der Abkommen
Steuerbefreiung für Dividenden nach § 8b Abs. 1 und 2 KStG sowie nach DBA nur zu gewähren, wenn besondere Mitwirkungs- oder Nachweispflichten erfüllt werden.354 Wenn mit einem Staat allerdings ein Abkommen besteht, das die Auskunftserteilung gem. Art. 26 OECD-MA vorsieht oder Auskünfte in vergleichbarem Umfang erteilt, gelten die besonderen Nachweis- und Mitwirkungspflichten grundsätzlich nicht. Die Bundesregierung strebt auf bilateraler und europäischer Ebene eine Verbesserung des Informationsaustauschs an, insbesondere mit Andorra, Liechtenstein und Monaco, die nach Auffassung der OECD als Steueroasen gelten. Mit Liechtenstein wurde bspw. am 02.09.2009 ein Abkommen über den Informationsaustausch unterzeichnet.355 Ebenso hat Monaco angekündigt, die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch mit der deutschen Finanzverwaltung im Bereich der Steuerhinterziehung, Geldwäsche und Korruption verbessern zu wollen.356 Art. 27 OECD-MA ist durch die Revision im Jahr 2003 neu eingefügt worden. Durch Art. 27 OECD-MA wird die Zusammenarbeit der beiden Vertragsstaaten in Bezug auf die Erhebung der Steuern weiter vertieft. Besteht ein berechtigter Steueranspruch des einen Vertragsstaates, so verpflichtet sich der andere Vertragsstaat bei entsprechender Anfrage diesen Anspruch zu erheben und zu vollstrecken. Mit Steueransprüchen sind jegliche dem einen Vertragsstaat geschuldeten Beträge gemeint, aber auch mit diesen Beträgen zusammenhängende Zinsen, Geldbußen und Kosten der Erhebung und Sicherung. Auf diese Weise soll das Steueraufkommen gesichert werden. Art. 28 OECD-MA schützt Diplomaten und Konsularbeamte vor Einschränkungen steuerlicher Vergünstigungen, die ihnen nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts oder nach besonderen Übereinkünften zustehen. Im Verhältnis zu diesen völkerrechtlichen Verträgen gelten DBA nur subsidiär.
354
Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung (Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz), BT-Drs. 16/13106, S. 5 f.
355
Vgl. http://www.bundesfinanzministerium.de.
356
Vgl. Jackson, R., Monaco agrees to exchange Information with Germany, TNI 2008, S. 827.
Die wichtigsten Formen einer grenzüberschreitenden Unternehmenstätigkeit
221
Kapitel III: Steuerliche Behandlung von Direktinvestitionen 1 Die wichtigsten Formen einer grenzüberschreitenden Unternehmenstätigkeit Für die Besteuerung der internationalen Geschäftstätigkeit eines Unternehmens ist es maßgeblich, welche Gestaltungsform für die Abwicklung der Auslandsgeschäfte gewählt wird. Diese organisatorische Struktur bildet die Grundlage für steuerliche Anknüpfungspunkte und beeinflusst so die Besteuerung der grenzüberschreitenden Tätigkeit. Auslandsaktivitäten beginnen in der Regel mit dem Aufbau von grenzüberschreitenden Handelsbeziehungen. Dabei erfolgt der Leistungsaustausch üblicherweise vom Inland aus, ohne dass ein fester Stützpunkt im Ausland errichtet wird (Direktgeschäft/Export). Die nächste Stufe besteht darin, dass der Handel mit dem Ausland nicht nur vom Inland aus getätigt wird, sondern dass das Unternehmen seine wirtschaftlichen Aktivitäten durch Investitionen auf das ausländische Staatsgebiet (Direktinvestitionen) verlagert bzw. erweitert. Die einfachste Form der Internationalisierung ist die Errichtung einer unselbständigen Niederlassung (Betriebsstätte). Als weitere Alternativen sind die Gründung oder die Beteiligung an einer ausländischen Kapital- oder Personengesellschaft denkbar.
Formen der Unternehmenstätigkeit im Ausland International tätiges Unternehmen
Handelsbeziehungen ohne Stützpunkt im Ausland
Außenhandel (Direktgeschäft)
Abbildung 53:
Betriebsstätte
Aktivitäten mit Stützpunkt im Ausland (Direktinvestitionen)
Tochterkapitalgesellschaft
Tochterpersonengesellschaft
Grundformen der grenzüberschreitenden Unternehmenstätigkeit
Die Gestaltungsalternativen der grenzüberschreitenden Unternehmensaktivitäten können auch in kombinierter Form auftreten: die vom inländischen Mutterunternehmen im Ausland gegründete Betriebsstätte kann in ihrem Betriebsvermögen Anteile an anderen Gesellschaften aus dem Betriebsstättenstaat oder aus Drittländern halten. Alternativ ist es möglich, dass
222
Aktivitäten ohne Stützpunkt im Ausland: Direktgeschäfte
inländische Mutterunternehmen Anteile an einer ausländischen Personen- oder Kapitalgesellschaft erwerben, die im selben Land bzw. in Drittstaaten eine Betriebsstätte oder Beteiligungen an weiteren Unternehmen besitzt. Aus den verbundenen Unternehmen ergibt sich eine mehrstufige Struktur, bestehend aus inländischer Spitzeneinheit, ausländischer Zwischeneinheit sowie ausländischer Grundeinheit.
Struktur eines zweistufigen Aufbaus von Auslandsbeziehungen: Inland
Ausland Spitzeneinheit
Grundeinheit Grenze
Struktur eines dreistufigen Aufbaus von Auslandsbeziehungen: Ausland A
Inland Spitzeneinheit
Zwischeneinheit Grenze
Ausland B Grundeinheit
Grenze
Abbildung 54: Mehrstufiger Aufbau der grenzüberschreitenden Unternehmensaktivität
1.1 Aktivitäten ohne Stützpunkt im Ausland: Direktgeschäfte Unter der Bezeichnung „Direktgeschäft“ wird der kommerzielle Leistungsaustausch über die Grenze ohne Errichtung eines festen Stützpunktes im Ausland verstanden. Das Unternehmen steht im Rahmen des Waren- und Dienstleistungsverkehrs in unmittelbarem Kontakt mit den ausländischen Abnehmern. Die Basis der Handelsbeziehungen sind schuldrechtliche Leistungsaustauschbeziehungen. Zu den Direktgeschäften zählen: x Güterexport, x Dienstleistungen, x Überlassung von Kapital, x Vermietung und Verpachtung von beweglichen und unbeweglichen Gegenständen, x Kurzfristige Bau- und Montageleistungen.
Die wichtigsten Formen einer grenzüberschreitenden Unternehmenstätigkeit
223
Die Eigenschaften eines Direktgeschäftes sind: 9 direkter Leistungsaustausch zwischen einem inländischen Unternehmen und seinen ausländischen Abnehmern, 9 auf Basis schuldrechtlicher Leistungsbeziehungen sowie 9 kein fester Stützpunkt im Ausland.
1.2 Aktivitäten mit Stützpunkt im Ausland: Direktinvestitionen Aktivitäten mit einem Stützpunkt im Ausland werden als Direktinvestitionen bezeichnet. Dabei wird zwischen Outbound-Investitionen (Steuerinländer engagieren sich im Ausland) und Inbound-Investitionen (Steuerausländer nehmen Direktinvestitionen im Inland vor) unterschieden. In der BRD ist in den letzten Jahren ein steigender Trend bei den Direktinvestitionen im Ausland zu beobachten.357
1.236,0 1.400
925,7
1.005,0
1.200 1.000
in Mrd. US-$
800 600 400 200 0
2005
2006
2007
Abbildung 55: Summe der deutschen Direktinvestitionen im Ausland (2005-2007)358 Werden nur die Neuinvestitionen seit Beginn der neunziger Jahre betrachtet, haben sich die Direktinvestitionen Deutschlands im Ausland versiebenfacht.359 Ausschlaggebend für die
357
358
359
Direktinvestitionen liegen nach der Definition der deutschen Zahlungsbilanz vor, sobald ein deutscher Investor unmittelbar mindestens 10 % der Anteile oder Stimmrechte hält; vgl. Deutsche Bundesbank, Monatsbericht Juni 2008, Zahlungsbilanzstatistik, S. 48. Vgl. Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2008, S. 720 und Statistisches Jahrbuch 2009, S. 735. Vgl. Deutsche Bundesbank, Monatsbericht Juni 2008, Zahlungsbilanzstatistik, S. 48.
224
Aktivitäten mit Stützpunkt im Ausland: Direktinvestitionen
starke Zunahme waren Merger- und Akquisitionsaktivitäten internationaler Unternehmen in diesem Zeitraum sowie der Privatisierungsschub vieler Länder speziell im Bereich der Energie-, Transport- und Telekommunikationsbranche. Auch der Liberalisierungstrend im Kapitalverkehr, insbesondere in Schwellenländern, wirkte sich investitionsfördernd aus. Im Vergleich der weltweit größten Investoren liegen deutsche Betriebe mit Nettoanlagen von ca. 1.236 Mrd. US-$ an vierter Stelle hinter den Spitzenreitern USA (2.791 Mrd. US$), Großbritannien (1.705 Mrd. US-$) und Frankreich (1.399 Mrd. US-$).360 Direktinvestitionen können aufgrund mehrerer Aspekte für deutsche Unternehmen interessant sein. Die wichtigste Rolle dürften absatzpolitische Überlegungen spielen, aber auch die Nutzung des internationalen Steuergefälles kann ein entscheidender Anlass für ein Auslandsengagement sein.
1.2.1 Betriebsstätte Eine Betriebsstätte liegt vor, wenn unternehmerische Aktivitäten im Ausland über eine feste Geschäftseinrichtung ohne eigene Rechtspersönlichkeit ausgeübt werden, die der Tätigkeit des Unternehmens unmittelbar dient.361 Die Struktur eines im Inland belegenen Stammhauses (Spitzeneinheit) mit dem damit verbundenen rechtlich unselbständigen Unternehmensteil im Ausland (Grundeinheit) wird als „Internationales Einheitsunternehmen“ bezeichnet. Da durch die Errichtung einer Betriebsstätte Ressourcen (Kapital und Personal)362 im Ausland gebunden werden, ist die Betriebsstätte im Regelfall eine auf Dauer angelegte Unternehmenseinrichtung.363 Großprojekte im Baugewerbe oder bei Montagetätigkeiten sind meist nicht auf Dauer angelegt. Diese können eine zeitlich begrenzte Betriebsstätte darstellen, wenn vorgegebene Mindestzeiten (zwischen sechs und zwölf Monaten) überschritten werden. Merkmale einer Betriebsstätte sind: 9 rechtlich unselbständige (Auslands-)Niederlassung einer inländischen Unternehmung, 9 wirtschaftliche Selbständigkeit, 9 Dauerhaftigkeit der Geschäftseinrichtung bzw. Anlage.
360
Vgl. Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2009, S. 735.
361
Vgl. § 12 AO; BFH v. 10.02.1988, VIII-R-159/84, BStBl. II 1988, S. 653.
362
Der BFH hat im sog. Pipeline-Urteil entschieden, dass auch die Errichtung einer technischen Anlage ohne das Vorhandensein von Personal als Betriebsstätte gilt; vgl. BFH v. 30.10.1996, II-R-12/92, BStBl. II 1997, S. 12. Auch ein Server kann allein eine Betriebsstätte begründen.
363
Vgl. BFH v. 28.08.1986, V-R-20/79, BStBl. II 1987, S. 162.
Die wichtigsten Formen einer grenzüberschreitenden Unternehmenstätigkeit
225
1.2.2 Tochterkapitalgesellschaft Für die Investition im Ausland wählen Unternehmen am häufigsten die Rechtsform der Kapitalgesellschaft, welche als juristische Person rechtlich eigenständig ist. Aus der Verbindung zwischen ausländischer Tochterkapitalgesellschaft (Grundeinheit) und inländischem Mutterunternehmen (Spitzeneinheit) entsteht ein internationaler Konzern.
Internationaler Konzern INLAND
AUSLAND
Beteiligungssphäre (Beteiligungsquote mind. 10% )
Mutterunternehmen
Konzerninterne Leistungsverflechtungen
Andere Gesellschafter Beteiligung
Tochterkapitalgesellschaft Konzernexterne Leistungsverflechtungen Kunde
Grenze
Abbildung 56:
Aufbau eines internationalen Konzerns
Tochterkapitalgesellschaften sind als juristische Personen eigenständige Rechtssubjekte, die mit ihren Gesellschaftern Rechtsgeschäfte abschließen können.364 Schuldrechtliche Verträge zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern werden aufgrund des Trennungsprinzips auch mit steuerlicher Wirkung anerkannt. Aus der zivil- und steuerrechtlich anerkannten eigenen Rechtspersönlichkeit der Tochterkapitalgesellschaft folgt, dass im Rahmen der Besteuerung immer zwei Ebenen berücksichtigt werden müssen (Sphärentrennung): die Ebene der Kapitalgesellschaft als intransparente Einheit und getrennt davon die Ebene der Anteilseigner.
364
Der Umfang der wirtschaftlichen Selbständigkeit richtet sich nach der Verteilung der Entscheidungsbefugnisse innerhalb des Konzerns.
226
Aktivitäten mit Stützpunkt im Ausland: Direktinvestitionen
Der nach den Besteuerungsvorschriften des Sitzstaates ermittelte Gewinn wird im Zeitraum der Entstehung von der Tochterkapitalgesellschaft selbst versteuert. Erst im Fall der Ausschüttung der Gewinne entstehen steuerpflichtige Einkünfte der Gesellschafter.
Steuerliche Gewinnbehandlung bei intransparenten Einheiten Intransparente Einheit Gewinnentstehung
Versteuerung der Gewinne durch die Einheit selbst
Gewinnverwendung
---
Abbildung 57:
Anteilseigner Keine Besteuerung beim Anteilseigner (Trennungsprinzip) Ausschüttungsfall: Besteuerung beim Anteilseigner
Gewinnentstehung bzw. Gewinnverwendung bei intransparenten Einheiten
Beachte folgende Charakteristika der Tochterkapitalgesellschaft: 9 rechtlich selbständige Unternehmenseinheit, 9 wirtschaftliche Selbständigkeit, 9 Trennungsprinzip.
1.2.3 Tochterpersonengesellschaft Für das organisatorische Gebilde in Form der ausländischen Tochterpersonengesellschaft als Grundeinheit und dem inländischen Mutterunternehmen als Spitzeneinheit gibt es keine einheitliche Bezeichnung. Die Bezeichnung „Konzern“ wird i.d.R. nur bei dem Zusammenschluss von Kapitalgesellschaften verwendet.
Die wichtigsten Formen einer grenzüberschreitenden Unternehmenstätigkeit
227
Ausländische Tochterpersonengesellschaft INLAND
AUSLAND Andere Mitunternehmer Beteiligung
Beteiligungssphäre
Inländische Anteilseigner
Unternehmensinterne Leistungsverflechtungen auf schuldrechtlicher Basis
Tochterpersonengesellschaft Unternehmensexterne Leistungsverflechtungen Kunde
Grenze
Abbildung 58:
Beteiligung an einer ausländischen Personengesellschaft
Personengesellschaften sind üblicherweise nur beschränkt rechtsfähig.365 Im internationalen Steuerrecht werden sie in den meisten Industriestaaten einer rechtlich unselbständigen Betriebsstätte gleichgestellt und sind in diesen Fällen kein eigenständiges Steuersubjekt. Aufgrund des in diesem Fall geltenden Transparenzprinzips wird nicht die Gesellschaft, sondern der Gesellschafter der Tochterpersonengesellschaft zur Besteuerung herangezogen; je nach seiner Rechtsform zur Einkommen- oder Körperschaftsteuer. Zwar wird der Gewinn selbständig von der Personengesellschaft ermittelt, die Besteuerung erfolgt jedoch direkt bei den Gesellschaftern (Mitunternehmern) in Höhe der auf sie entfallenden Anteile am Gewinn der Personengesellschaft zum Zeitpunkt der Gewinnentstehung.366 Die Gewinnverwendung stellt steuerlich irrelevante Entnahmen aus der Personengesellschaft dar. Nach deutschem367 Verständnis bilden aus Sicht der Gesellschafter der
365
Durch das BGH v. 29.01.2001, II-ZR-331/00, DB 2001, S. 423 wurde entschieden, dass die GbR im Zivilprozess parteifähig ist, soweit sie als Teilnehmerin am Rechtsverkehr eigene (vertragliche) Rechte und Pflichten begründet.
366
Die Zurechnung der Einkünfte auf die Gesellschafter erfolgt beispielsweise in Deutschland gemäß der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung nach § 179 Abs. 1, § 180 Abs. 1 Nr. 2a AO.
367
Andere nationale Steuerrechte ordnen die Vergütungen einer Personengesellschaft an ihre Gesellschafter für auf schuldrechtlicher Basis erbrachte Leistungen unter die jeweilige Einkunftsart ein, z.B. die USA und die Schweiz.
228
Gründe für die Wahl einer Betriebsstätte
Betrieb der Mitunternehmerschaft sowie die mit der Beteiligung zusammenhängenden schuldrechtlichen Leistungsbeziehungen eine einheitliche Einkunftsquelle.
Steuerliche Gewinnbehandlung bei transparenten Einheiten Transparente Einheit
Anteilseigner
Gewinnentstehung
Kein eigenständiges Steuersubjekt
Besteuerung des Gewinnanteils beim Anteilseigner (Transparenzprinzip)
Gewinnverwendung
---
Entnahmen: nicht steuerbar
Abbildung 59: Gewinnentstehung bzw. Gewinnverwendung bei transparenten Einheiten Probleme ergeben sich, wenn der eine Vertragsstaat das Transparenzprinzip, der andere das Intransparenzprinzip der Besteuerung von Personengesellschaften zu Grunde legt. Auf diese Weise entstehen Qualifikationskonflikte. Beachte folgende Charakteristika der Tochterpersonengesellschaft: 1. eingeschränkte Rechtsfähigkeit der Tochterpersonengesellschaft, 2. Transparenzprinzip, seltener Intransparenzprinzip, 3. in Deutschland ggf. Thesaurierungsbegünstigung gem. § 34a EStG.
2 Direktinvestition in Form einer Betriebsstätte 2.1 Gründe für die Wahl einer Betriebsstätte Der wesentliche Vorteil im Vergleich zur Tochterkapitalgesellschaft liegt in dem einfacheren Vorgang der Errichtung einer Betriebsstätte. So ist z.B. die bei Gründung einer Kapitalgesellschaft vorgesehene Vorgründungs- und Vorgesellschaft nicht notwendig. Ferner ist eine bei Kapitalgesellschaften vorgeschriebene Mindestkapitalausstattung (Grund-/ Stammkapital) bei Betriebsstätten nicht erforderlich. Auch stellt sich die Schließung einer Betriebsstätte als weitaus unkomplizierter dar als der Liquidationsvorgang einer Kapitalgesellschaft.368 Damit rentiert sich die Errichtung einer Betriebsstätte bereits bei kürzeren Engagements.
368
In Deutschland etwa ist bei einer GmbH ein dreijähriger Liquidationszeitraum erforderlich, § 11 Abs. 1 Satz 2 KStG.
Direktinvestition in Form einer Betriebsstätte
229
Auch steuerliche Gründe können für die Wahl der Betriebsstätte sprechen. Falls bspw. mit dem Investitionsland kein DBA besteht, können – unter den Voraussetzungen des § 2a EStG – Verluste der ausländischen Betriebsstätte unmittelbar im Inland steuerlich ausgeglichen werden, während negative Ergebnisse einer ausländischen Körperschaft grundsätzlich nicht mehr mit steuerlicher Wirkung berücksichtigt werden können. Merke: Aufgrund des § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG kann mit Wirkung ab 01.01.2002 keine Kapitalgesellschaft mehr Teilwertabschreibungen von Beteiligungen an anderen Kapitalgesellschaften steuerwirksam vornehmen. Ferner unterliegen bspw. Geldentnahmen des Stammhauses aus der Betriebsstätte nicht der Besteuerung. Quellensteuern fallen hier ebenfalls nicht an.
2.2 Leistungsaustausch zwischen Stammhaus und Betriebsstätte Eine Betriebsstätte ist zwar rechtlich unselbständig, wirtschaftlich aber eigenständig. Daher kann es bei einem innerbetrieblichen Leistungsaustausch zwischen Stammhaus und Betriebsstätte zu Konflikten bei der Zurechnung von Leistungen zum Stammhaus bzw. der Betriebsstätte kommen. Aus steuerlicher Sicht muss daher beim innerbetrieblichen Leistungsaustausch eine Kompromisslösung gefunden werden, die einerseits der rechtlichen Einheit zwischen Stammhaus und Betriebsstätte, aber andererseits auch der Selbständigkeitsfiktion des dealing-at-arm’s-length-Prinzips der Betriebsstätte Rechnung trägt. Interne Unternehmensbeziehungen können daher u.U. nur partiell steuerlich anerkannt werden. Nachfolgende Ausführungen gelten unter Annahme der direkten Gewinnaufteilungsmethode.
230
Leistungsaustausch zwischen Stammhaus und Betriebsstätte
Merke: Das dealing-at-arm’s-length-Prinzip begründet das Prinzip der wirtschaftlichen Zugehörigkeit einer Leistung zur Betriebsstätte. Daraus folgt, dass der Betriebsstätte für steuerliche Zwecke eine Eigenständigkeit beigemessen wird. Daraus ergibt sich folgender Widerspruch: Stammhaus und Betriebsstätte bilden rechtliche Einheit
Fiktion der steuerlichen Selbständigkeit der Betriebsstätte
x Leistungsbeziehungen zwischen Betriebsstätte und Stammhaus stellen lediglich unternehmensinterne Vorgänge dar. x Schuldrechtliche Verträge zwischen Stammhaus und Betriebsstätte können mangels rechtlicher Selbständigkeit der Betriebsstätte nicht abgeschlossen werden. x Die Betriebsstätte ist nur abrechnungstechnisch verselbständigt, aber kein eigenständiges Rechts- und Steuersubjekt. Diese muss daher für Zwecke der Gewinnzuweisung nach dem Prinzip der wirtschaftlichen Zugehörigkeit fingiert werden; dazu dient das dealing-at-arm’s-length-Prinzip. Aufgrund der rechtlichen Einheit führen Vorgänge zwischen den beiden Unternehmensteilen nicht zu einer Gewinnrealisation. Der Realisationstatbestand kann grundsätzlich nur durch Außenbeziehungen erfüllt werden. Merke: x Interne Leistungsbeziehungen erfüllen nicht die Voraussetzungen des Realisationsprinzips, da es an einem Leistungsaustausch zwischen zwei eigenständigen Rechtssubjekten fehlt. x Trotz Fremdvergleichspreis führt der unternehmensinterne Leistungsfluss nicht zu einer Gewinnrealisation! x Die Bewertung von internen Leistungsbeziehungen mit dem Fremdvergleichspreis (dealing-at-arm’s-length-Prinzip) dient ausschließlich der verursachungsgerechten Aufteilung der steuerlichen Bemessungsgrundlage des Einheitsunternehmens. x Ein Unternehmensteil soll sich am anderen nicht bereichern!
Direktinvestition in Form einer Betriebsstätte
231
Dies soll durch die nachstehende Abbildung noch einmal verdeutlicht werden: Inland
Stammhaus
Abbildung 60:
Ausland
Nicht möglich: 1 Kaufverträge 1 Miet-, Pachtverträge 1 Darlehensverträge
Betriebsstätte
Leistungsaustausch zwischen Stammhaus und Betriebsstätte
Die genannten Prinzipien werden anhand der folgenden Geschäftsvorfälle näher erläutert.
2.2.1 Überführung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens in eine ausländische Betriebsstätte 2.2.1.1 Gesetzliche Regelungen Die Überführung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens zielt nicht auf eine Weiterveräußerung durch die Betriebsstätte ab. Somit ist bei einer Verbringung von Wirtschaftsgütern in eine ausländische Betriebsstätte nicht mit einer zeitnahen Gewinnrealisierung zu rechnen. Diese Tatsache ist jedoch für den Gesetzgeber unerheblich, da er grundsätzlich die Besteuerung der stillen Reserven durch die Bundesrepublik Deutschland sicherstellen will. Es wird allgemein die Ansicht vertreten, dass im Inland geschaffene Werte auch im Inland zu besteuern sind. Bislang geschah dies im Falle der Überführung von Wirtschaftsgütern in eine ausländische Betriebsstätte über den von der Rechtsprechung entwickelten und durch das
232
Leistungsaustausch zwischen Stammhaus und Betriebsstätte
BMF369 angewandten Tatbestand der Entstrickung. Somit wurde bisher beim Wegfall des deutschen Besteuerungsrechts bei Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens eine Aufdeckung der stillen Reserven vorgenommen. Durch das „Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ (SEStEG)370 hat der Gesetzgeber371 diese Praxis im Rahmen eines allgemeinen Entstrickungstatbestandes nun gesetzlich normiert. Dabei wurden jedoch die bisherigen Regelungen372 zum Teil erheblich verschärft. Ab VZ 2007 gilt nunmehr die gesetzliche Fiktion, dass der Ausschluss oder die Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts gem. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG einer Entnahme373 für betriebsfremde Zwecke bzw. gem. § 12 Abs. 1 KStG einer Veräußerung oder Überlassung zum gemeinen Wert gleichgesetzt werden. Mit dieser Regelung wird eine reine Verbringung eines Wirtschaftsgutes in einen anderen Unternehmensteil im Ausland wie eine Entnahme oder Veräußerung behandelt mit der Folge, dass die in diesem Wirtschaftsgut enthaltenen stillen Reserven aufgedeckt werden müssen. Dabei verbleibt das Wirtschaftsgut jedoch im Gesamtunternehmen und scheidet in der Realität nicht aus. Ferner liegen auch keine betriebsfremden Zwecke vor, wie in der gesetzlichen Fiktion angenommen. Diese Systemwidrigkeit wird dabei, genauso wie der Verstoß gegen das Realisationsprinzip aufgrund der Besteuerung eines nicht realisierten Gewinns, in Kauf genommen, um das deutsche Besteuerungsrecht sicher zu stellen. Um der bisherigen EU-Rechtsprechung Rechnung zu tragen, wurde im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens durch § 4g EStG jedoch die Möglichkeit einer zeitlichen Streckung der Besteuerung eingefügt. Danach kann ein Ausgleichsposten in Höhe der aufzudeckenden stillen Reserven gebildet werden, der gem. § 4g Abs. 2 Satz 1 EStG innerhalb von fünf Jahren aufgelöst werden muss. Dies bedeutet allerdings eine Benachteiligung im Vergleich zu Inlandsinvestitionen und eine geminderte zeitliche Stundungswirkung im Vergleich mit dem bisherigen Vorgehen. Es wird ferner befürchtet, dass diese Neuregelung
369
Vgl. BMF v. 24.12.1999, IV B 4 – S 1300 – 111/99, Beck’sche Textausgaben Steuererlasse, Nr. 800, § 12/1, sog. Betriebsstättenerlass.
370
Vgl. Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (SEStEG) v. 07.12.2006, BGBl. I 2006, S. 2782.
371
Vgl. Entwurf eines Gesetzes über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (SEStEG), BT-Drs. 16/2710, S. 28.
372
Vgl. BMF v. 24.12.1999, IV B 4 – S 1300 – 111/99, Beck’sche Textausgaben Steuererlasse, Nr. 800, § 12/1.
373
Entnahmen werden gem. § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG mit dem gemeinen Wert angesetzt.
Direktinvestition in Form einer Betriebsstätte
233
den Zufluss von Investitionen nach Deutschland erschweren und zu einer Mehrbelastung der Unternehmen führen wird.374 Die Bildung des Ausgleichspostens ist jedoch im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage nur noch auf Antrag möglich, wenn das Wirtschaftsgut in eine ausländische Betriebsstätte innerhalb der Europäischen Union verbracht wird. Darüber hinaus ist der Ausgleichsposten nicht mehr über die Restnutzungsdauer des Wirtschaftsgutes, sondern grundsätzlich in fünf gleichmäßigen Jahresraten gewinnerhöhend aufzulösen. Die Verkürzung der bisherigen Möglichkeiten einer zeitlich gestreckten Besteuerung und Festsetzung auf fünf Jahre soll dabei einer Verfahrensvereinfachung dienen. Merke: Alte Regelung:
Beispiel
Der Ingolstädter Gabelstaplerhersteller Klaus produziert einen Gabelstapler zu Herstellungskosten i.H.v. 80.000 €. Das Fahrzeug wird anschließend von einer ausländischen Betriebsstätte in einem Mitgliedsstaat der EU genutzt. Die Nutzungsdauer des Gabelstaplers beträgt 8 Jahre. Der Marktpreis ist mit 100.000 € anzusetzen. Klaus stellt gem. § 4g Abs. 1 Satz 1 EStG einen Antrag auf Ansatz eines Ausgleichspostens.
Lösung
Neue Regelung:
Auflösung des Ausgleichspostens gemäß der (Rest-)Nutzungsdauer des Wirtschaftsgutes. Auflösung über 5 Jahre – unabhängig von der Nutzungsdauer.
Durch die Verbringung des Gabelstaplers wird das Besteuerungsrecht Deutschlands an dem Gabelstapler ausgeschlossen. Aus diesem Grund fingiert § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG eine Entnahme, die gem. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Alt. 2 EStG zum gemeinen Wert anzusetzen ist. Durch die Differenz zwischen dem gemeinen Wert (100.000 €) und dem Buchwert (80.000 €) ergibt sich eine zwangsweise Aufdeckung der stillen Reserven i.H.v. 20.000 €. Erfolgsneutraler Herstellungsvorgang: Buchung auf Ebene des Stammhauses: Diverse Aufwendungen (z.B. Personal)
80.000
Anlagevermögen 80.000 (Aktivierte Eigenleistung)
374
an Finanzkonto
80.000
an Ertrag aus Bestandserhöhung
80.000
Vgl. Bericht des Finanzauschusses zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung – Drs. 16/2710, 16/2934 – Entwurf eines Gesetzes über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (SEStEG), BTDrs. 16/3369, S. 4.
234
Leistungsaustausch zwischen Stammhaus und Betriebsstätte Weitergabe an die Betriebsstätte: unternehmensinterne, erfolgsneutrale Lieferung Buchung auf Ebene des Stammhauses: Bank/Forderungen
100.000 an Anlagevermögen Ertrag
80.000 20.000
Nach neuer Rechtlage kann auf Antrag die sog. Merkpostenmethode gem. § 4g EStG angewendet werden.375 Danach wird auf Ebene des Stammhauses ein passiver Ausgleichsposten in Höhe der aufzudeckenden stillen Reserven gebildet. Auf diese Weise ergibt sich zunächst eine Steuerneutralität auf Ebene des Stammhauses. Buchung auf Ebene des Stammhauses: Ertrag
20.000 an Ausgleichsposten (passiv) 20.000
Der Ausgleichsposten ist gem. § 4g Abs. 2 Satz 1 EStG – unabhängig von der tatsächlichen Restnutzungsdauer – jährlich zu jeweils einem Fünftel gewinnerhöhend aufzulösen. Damit ergibt sich eine jährliche Auflösung des Ausgleichspostens i.H.v. 4.000 € (20.000 € / 5 Jahre). Buchung auf Ebene des Stammhauses in den Jahren 1 bis 5: Ausgleichsposten (passiv)
4.000 an Ertrag
4.000
Die Auflösung der stillen Reserven entspricht in diesem Beispiel nicht dem herkömmlichen Abschreibungsverlauf des Fahrzeugs. Je nach Restnutzungsdauer des Wirtschaftsgutes kann die Auflösung der stillen Reserven somit auch langsamer (bei einer RND < 5 Jahre) oder schneller (bei einer RND > 5 Jahre) als die Abschreibung des Wirtschaftsgutes selbst erfolgen. Dies war nach der bisherigen Methode nicht der Fall. In der ausländischen Betriebsstätte ist analog zu § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 7 EStG korrespondierend der gemeine Wert anzusetzen, sofern die Regelungen des anderen Staates nicht eine abweichende Bewertung oder einen anderen Bewertungsmaßstab zugrunde legen. Buchung durch die Betriebsstätte: Anlagevermögen
375
100.000
an Bank/Verbindlichkeiten
100.000
Allerdings besteht aus Vereinfachungsgründen de facto ein Wahlrecht, den Gewinn oder Verlust bereits zum Zeitpunkt der Überführung bei der inländischen Besteuerung zu berücksichtigen. Würde der Antrag gem. § 4g Abs. 1 Satz 1 EStG nicht gestellt, würde es zu einer sofortigen Besteuerung der stillen Reserven kommen.
Direktinvestition in Form einer Betriebsstätte
235
Auf Ebene der Betriebsstätte ist der anzusetzende Wert mit der (Rest-) Nutzungsdauer des Fahrzeugs abzuschreiben. Dadurch werden die im Inland aufgedeckten und versteuerten stillen Reserven im Ausland in die AfA-Bemessungsgrundlage einbezogen. Es ergibt sich eine jährliche Abschreibung i.H.v. 12.500 € (= 100.000 / 8 Jahre). Buchung durch die Betriebsstätte bei linearer Abschreibung in den Jahren 1 bis 8: Abschreibungen
12.500
an Anlagevermögen
12.500
Zum Vergleich: Nach alter Rechtslage wäre auf Ebene des Stammhauses wie folgt verfahren worden: Auf Ebene des Stammhauses Klaus wäre der passive Ausgleichsposten über den Zeitraum der Restnutzungsdauer erfolgswirksam aufzulösen (20.000 € / 8 Jahre = 2.500 €/Jahr). Die Auflösung der stillen Reserven erfolgt entsprechend dem Abschreibungsverlauf des Fahrzeugs. Buchung auf Ebene des Stammhauses in den Jahren 1 bis 8: Ausgleichsposten (passiv)
2.500
an Ertrag
2.500
Die alte Regelung wäre in diesem Fall vorteilhafter gewesen, da der Ausgleichsposten über den Zeitraum der Restnutzungsdauer (= 8 Jahre) aufgelöst worden wäre. Die Auflösung des Ausgleichspostens hätte sich damit über einen längeren Zeitraum erstreckt (8 Jahre statt 5 Jahre), so dass die Steuerstundungswirkung größer gewesen wäre.
Merke: Durch die sog. Merkpostenmethode wird erreicht, dass 9 der Produktionsgewinn i.H.v. 20.000 € im Inland versteuert wird, 9 dem Realisationsprinzip zwar grundsätzlich entsprochen wird, da auf Ebene des Einheitsunternehmens kein Gewinn erzielt wird, weil dem Gewinn i.H.v. 20.000 € in Deutschland entsprechende Aufwendungen im Ausland gegenüberstehen, 9 das Realisationsprinzip aber verzerrt wird, da der passive Ausgleichsposten nicht über die tatsächliche Nutzungsdauer des Wirtschaftsgutes aufgelöst wird, 9 dem Prinzip der wirtschaftlichen Zugehörigkeit entsprochen wird, da die Betriebsstätte Aufwendungen i.H.v. 100.000 € geltend macht, so als ob sie das Fahrzeug von einem fremden Dritten erworben hätte.
236
Leistungsaustausch zwischen Stammhaus und Betriebsstätte Jedoch unterscheidet sich die neue Methode von der alten Regelung im Zeitpunkt der Besteuerung: 9 9
Ist die Restnutzungsdauer des Wirtschaftsgut < 5 Jahre, wird der Besteuerungszeitraum gestreckt. Ist die Restnutzungsdauer des Wirtschaftsgut > 5 Jahre, wird der Besteuerungszeitraum verkürzt.
Problematisch erscheint weiterhin, dass die Anwendung des § 4g EStG allein unbeschränkt Steuerpflichtigen gewährt wird und nur im Fall der Verbringung in einen Mitgliedsstaat der Europäischen Union anzuwenden ist. Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, kommt es zu einer sofortigen Versteuerung der stillen Reserven. Der gebildete Ausgleichsposten ist gem. § 4g Abs. 2 Satz 2 EStG vollumfänglich aufzulösen, wenn x das als entnommen geltende Wirtschaftsgut aus dem Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen ausscheidet (Nr. 1), x aus der Besteuerungshoheit der Europäischen Union ausscheidet (Nr. 2), oder x die stillen Reserven des Wirtschaftsgutes im Ausland aufgedeckt werden oder nach deutschem Recht hätten aufgedeckt werden müssen (Nr. 3).
2.2.1.2 Ausblick Der Gesetzgeber hatte die gesetzliche Normierung des Entstrickungstatbestandes in § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG im Rahmen des SEStEG damit begründet, mit der Neuregelung eine Klarstellung der geltenden Rechtslage zu schaffen.376 In der Rechtsprechung wurde bislang die Ansicht vertreten, dass die Überführung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens in eine ausländische Betriebsstätte eine Entnahme darstellt, wenn die Besteuerung der stillen Reserven gefährdet war (sog. Theorie der finalen Entnahme). Der BFH gab diese Ansicht in einem seiner jüngeren Urteile jedoch ausdrücklich auf. Er vertritt nunmehr die Auffassung, dass die stillen Reserven bzw. die etwaigen späteren Veräußerungsgewinne zwischen Deutschland und dem Betriebsstättenstaat aufgeteilt werden müssen.377 In der Begründung für seine Rechtsprechungsänderung gab der BFH an, dass die bisher geltende Theorie der finalen Entnahme u.a. auf einer nicht zutreffenden Beurteilung der Wirkung der Freistellungsmethode beruht. Nach neuerem Verständnis beeinträchtige die Freistellungsmethode die spätere Besteuerung von im Inland entstandenen stillen Reserven jedoch nicht, weil durch eine Freistellung der inländische Besteuerungszugriff nur für sol-
376
Vgl. Entwurf eines Gesetzes über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (SEStEG), BT-Drs. 16/2710, S. 28.
377
Vgl. BFH v. 17.07.2008, I-R-2008, IStR 2008, S. 814.
Direktinvestition in Form einer Betriebsstätte
237
che Gewinne verloren geht, die in der Betriebsstätte erwirtschaftet wurden. Das Besteuerungsrecht Deutschlands sei insoweit nicht gefährdet, da die stillen Reserven, die bis zum Zeitpunkt der Überführung entstanden sind, in Deutschland weiterhin besteuert werden können.378 Außerdem erkannte der BFH an, dass es für die Rechtslage vor dem SEStEG keine Rechtsgrundlage dafür gab, in der Überführung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens in ausländische Betriebsstätten einen Gewinnrealisierungstatbestand zu sehen. Damit wurde der Begründung des Gesetzgebers, dass die gesetzliche Regelung des Entstrickungstatbestandes nur eine Klarstellung der bis zum SEStEG geltenden Rechtslage darstellt, die Grundlage entzogen.379 Die Finanzverwaltung reagierte auf das Urteil des BFH mit einem Nichtanwendungserlass380, nach dem die Urteilsgrundsätze für die bis zum SEStEG geltende Rechtslage nicht über den entschiedenen Einzelfall hinaus anzuwenden sind. Für die Zukunft bleiben jedoch Entscheidungen des EuGH über die Europarechtskonformität der Entstrickungsregelung des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG abzuwarten. Es wird davon ausgegangen, dass die Regelung nicht mit den EG-Grundfreiheiten vereinbar ist und daher zumindest für die Überführung von Wirtschaftsgütern in das europäische Ausland mit einer Rechtsänderung gerechnet werden kann.381
2.2.2 Überführung von Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens in eine ausländische Betriebsstätte Bei der Überführung von Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens vom Stammhaus in die ausländische Betriebsstätte stellen sich die Fragen, x welchem Unternehmensteil welcher Gewinn zuzurechnen ist und x wann die Gewinnrealisation erfolgt. Nach bisheriger Rechtslage konnte bei Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens ebenfalls ein Ausgleichsposten gebildet werden, der bis zum Zeitpunkt der Weiterveräußerung gestundet wurde. Dieses Vorgehen sicherte eine verursachungsgerechte Erfolgszuordnung trotz Einhaltung des Realisationsprinzips. Eine Steuerstundung in dieser Form wird jedoch mit Einführung der in § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG normierten Fiktion der Entnahme nicht mehr gewährt.
378
Vgl. BFH v. 17.07.2008, I-R-2008, IStR 2008, S. 814.
379
Vgl. Kahle, H./ Franke, V., Überführung von Wirtschaftsgütern in ausländische Betriebsstätten, IStR 2009, S. 406.
380
Vgl. BMF-Schreiben v. 20.05.2009, IV C 6 – S 2134/07/10005, IStR 2009, S. 436.
381
Vgl. Kahle, H./ Franke, V., Überführung von Wirtschaftsgütern in ausländische Betriebsstätten, IStR 2009, S. 406.
238
Leistungsaustausch zwischen Stammhaus und Betriebsstätte
An der Zuordnung des Produktionsgewinnes zum Stammhaus und deren Besteuerung im Inland hat der Gesetzgeber nichts geändert. Es gilt weiterhin das dealing-at-arm’s-lengthPrinzip, nach dem jedem Unternehmensteil der Gewinn zuzurechnen ist, den er verursacht hat, d.h. zu dessen Erzielung er wirtschaftlich beigetragen hat. Jedoch wurde der Zeitpunkt der Gewinnrealisation grundsätzlich fiktiv auf den Zeitpunkt vorverlegt, zu welchem das Wirtschaftsgut im Inland als entnommen gilt, d.h. auf den Zeitpunkt, in dem das Wirtschaftsgut die deutsche Besteuerungssphäre verlässt. Die Verletzung des Grundsatzes der rechtlichen Einheit (eine Gewinnrealisation erfolgt erst im Zeitpunkt der Weiterveräußerung an Außenstehende) ist in diesem Fall für den Gesetzgeber irrelevant. Merke: Bei Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens wird die Besteuerung grundsätzlich zum Zeitpunkt der Entnahme durchgeführt. Die Bildung eines passiven Ausgleichspostens ist nicht (mehr) möglich. Unterbleibt die Zuordnung des in die ausländische Betriebsstätte verbrachten Wirtschaftsgutes zur inländischen Betriebsstätte, wird eine Besteuerung nicht ausgelöst. Die Zuordnung richtet sich unverändert nach den bereits geltenden Grundsätzen des Betriebsstättenerlasses.382 Merke: Der Ansatz eines Ausgleichspostens und dessen Auflösung über 5 Jahre ist nur bei Anlagevermögen möglich.
2.2.3 Dienst- und Verwaltungsleistungen Bei der Ermittlung des durch die Tätigkeit der Betriebsstätte erwirtschafteten Gewinns sind auch die Dienst- und Verwaltungsleistungen zu berücksichtigen, die Stammhaus und Betriebsstätte einander erbringen. Die zugehörigen Aufwendungen für diese Leistungen müssen dem leistungsempfangenden Unternehmensteil zugerechnet werden. Ein Gewinnaufschlag wird im Grundsatz nicht anerkannt: Erbringt das Stammhaus der Betriebsstätte oder umgekehrt Leistungen, so kann der Betriebsstätte bzw. dem Stammhaus nur der diesen Leistungen entsprechende Aufwand belastet werden, nicht jedoch eine zwischen unabhängigen Dritten übliche Vergütung, die regelmäßig einen Gewinnzuschlag enthält. Geschäftsführungs- und allgemeine Verwaltungskosten des Stammhauses sind weder grundsätzlich auf die Betriebsstätte aufzuteilen noch stets von der Aufteilung ausgeschlossen. Eine Aufwandszuordnung ist nur dann geboten, wenn und soweit die Aufwendungen
382
Vgl. Entwurf eines Gesetzes über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (SEStEG), BT-Drs. 16/2710, S. 28.
Direktinvestition in Form einer Betriebsstätte
239
durch eine spezielle Dienstleistung des Stammhauses an die Betriebsstätte ausgelöst werden oder wenn die Leistungen im Interesse des Gesamtunternehmens erbracht wurden. Erbringt das Stammhaus gegenüber einer Betriebsstätte Leistungen auf dem Gebiet der Werbung, der Rechtsberatung sowie des Revisions- und Prüfungswesens, so handelt es sich insoweit um spezielle Dienstleistungen, die eine entsprechende Aufwandszuordnung nach dem jeweiligen Leistungsnutzen erfordern. Grundsatz: Leistungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte werden in Höhe der hierbei entstandenen Aufwendungen ohne Gewinnzuschlag weiterberechnet. Vom Grundsatz der Aufwandszuordnung ohne Gewinnzuschlag sind jene Fälle zu unterscheiden, in denen die Erbringung von Dienstleistungen Gegenstand der eigentlichen Unternehmenstätigkeit ist. Ein Gewinnzuschlag setzt daher stets voraus, dass die einzelne Dienstleistung zum eigentlichen Geschäftsbetrieb des Stammhauses gehört und folglich auch gegenüber Außenstehenden erbracht wird. Ausnahme: Gehören Dienstleistungen zum eigentlichen Geschäftsbetrieb des Stammhauses, ist ein Gewinnzuschlag möglich.
Betriebsstätte Ausnahme: Gewinnzuschlag möglich, wenn Stammhaus Dienstleistungen auch Dritten am Markt anbietet Grundsatz: Grundsatz: Aufwandsverrechnung Aufwandsverrechnung ohne ohne Gewinnzuschlag Gewinnzuschlag bei bei speziellen speziellen Dienstleistungen undimLeistungen DL und Leistungen Gesamtim Gesamtunternehmensinteresse unternehmensinteresse
Stammhaus
Abbildung 61:
Zum eigentlichen Geschäftsbetrieb des Stammhauses gehörende Dienstleistungen, die Dritten am Markt angeboten werden
Dienst- und Verwaltungsleistungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte
240
Leistungsaustausch zwischen Stammhaus und Betriebsstätte
2.2.4 Dotationskapital 2.2.4.1 Allgemeine Grundsätze Unter Dotationskapital wird im Internationalen Steuerrecht das der Betriebsstätte vom Stammhaus zur Verfügung gestellte bzw. zu stellende Eigenkapital verstanden. Für dieses Eigenkapital kann aufgrund des Prinzips der rechtlichen Einheit keine Vergütung gefordert werden. Jedoch besteht auch für eine Betriebsstätte der Grundsatz der Finanzierungsfreiheit. Dies bedeutet, dass der Steuerpflichtige frei darüber entscheiden kann, ob die Tätigkeiten der Betriebsstätte mit „Eigenkapital“ oder mit Fremdkapital finanziert werden. Fremdkapital kann jedoch nur von Dritten stammen; dabei ist es ohne Bedeutung, ob die Betriebsstätte selbst oder das Stammhaus für die Betriebsstätte das Fremdkapital aufnimmt. Hierbei ist zu beachten, dass die Betriebsstätte im Rahmen der Fremdkapitalaufnahme an gewisse Eigenkapitalquoten gebunden ist. Fremdkapital wird als solches nur anerkannt, wenn die Betriebsstätte über ausreichendes Dotationskapital verfügt. Ansonsten könnte es zu Gewinnverschiebungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte kommen, wenn ein Unternehmensteil ausschließlich oder überwiegend kostenloses Eigenkapital zur Verfügung gestellt bekommt, während der andere Teil für sein Kapital Zinsen zahlen muss. Für die Bestimmung eines ausreichenden Dotationskapitals sind drei Ansätze möglich:383 Dotationskapital
Fremdvergleich (branchenübliche Eigenkapitalquote)
Abbildung 62:
interner Fremdvergleich (Schätzung)
Entscheidung des Stammhauses
Bestimmung des Dotationskapitals einer Betriebsstätte
Zunächst ist nach den Regelungen der direkten Methode ein äußerer Fremdvergleich (mit Funktions- und Risikoanalyse) zur Ermittlung der branchenüblichen Eigenkapitalquote vorzunehmen.384 Dabei werden von der Marktstellung her (bzgl. Marktchancen und -risiken) vergleichbare, unabhängige Unternehmen zur Bestimmung der Dotationskapitalhöhe herangezogen. Ist ein äußerer Fremdvergleich nicht möglich, kann das Eigenkapital des Einheitsunternehmens anhand einer Schätzung durch einen internen Fremdvergleich auf die einzelnen Betriebsteile – je nach der ausgeübten Funktion – aufgeteilt werden. Entspricht die Tätig-
383
Vgl. Betriebsstättenerlass Tz. 2.5.1.
384
Vgl. BFH v. 25.06.1986, II-R-213/83, BStBl. II 1986, S. 785.
Direktinvestition in Form einer Betriebsstätte
241
keit der Betriebsstätte der Funktion des Stammhauses oder ist sie ihr zumindest sehr ähnlich, kann die Eigen-/Fremdkapitalrelation der Spitzeneinheit einen geeigneten Anhaltspunkt für die Eigenkapitalquote der ausländischen Grundeinheit bieten (sog. Kapitalspiegeltheorie385). Schließlich kann auch unternehmensintern durch Beschluss des Stammhauses über die Höhe der Eigenkapitalausstattung entschieden werden;386 der Ermessenspielraum der Geschäftsleitung ist hierbei jedoch beschränkt, da eine der wirtschaftlichen Situation der Betriebsstätte unangemessene Dotierung, die gegen Fremdvergleichsmaßstäbe verstößt, nicht anerkannt wird.387 Die Ermittlung des Gewinns und des Vermögens hat so zu erfolgen, als ob mit angemessenem Dotationskapital kalkuliert worden wäre. Kommt es aufgrund des von der Betriebsstätte erwirtschafteten Gewinns zu einer Überdotierung, d.h. ist das Eigenkapital der Betriebsstätte im Vergleich zu dem des Stammhauses zu hoch, wird das der Überdotierung entsprechende Kapital dem Stammhaus zugerechnet.388
2.2.4.2 Zuordnung der Verbindlichkeiten Für die korrekte Aufwandszuweisung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte muss zwischen der externen und der internen Kapitalausstattung unterschieden werden. Die externe Kapitalausstattung umfasst dabei die direkte Fremdkapitalaufnahme und das durchgeleitete Fremdkapital. Zunächst kann die Betriebsstätte selbst als Kreditnehmerin auftreten (direkte Fremdkapitalaufnahme); von Dritten (z.B. Kreditinstituten) gewährte Darlehen sind unter den Voraussetzungen des Fremdvergleichs zuzurechnen. Das bedeutet, dass ein selbständiger gewerblicher Betrieb, der über dieselbe Eigenkapitalausstattung verfügt, genau diese Kreditsumme aufnehmen müsste, um am gleichen Ort und unter gleichen bzw. ähnlichen Konditionen ein vergleichbares Geschäftsergebnis zu erlangen; die Verbindlichkeiten müssten hierbei Schulden des Vergleichsunternehmens darstellen. Die dafür anfallenden Zinsen werden der Betriebsstätte als Aufwand zugerechnet ungeachtet der Tatsache, dass das Stammhaus der zivilrechtliche Schuldner ist.
385
In Tz. 2.5.1 des Betriebsstättenerlasses ist die Kapitalspiegeltheorie als mögliche Alternative zur Bestimmung des Dotationskapitals aufgeführt, obwohl der BFH die generelle Anwendung dieser Methode ausdrücklich abgelehnt hat; vgl. BFH v. 25.06.1986, II-R-213/83, BStBl. II 1986, S. 786.
386
Vgl. BFH v. 25.06.1986, II-R-213/83, BStBl. II 1986, S. 785.
387
Vgl. BFH v. 01.04.1987, II-R-186/80, BStBl. II 1987, S. 550.
388
Vgl. Betriebsstättenerlass Tz. 2.4.
242
Leistungsaustausch zwischen Stammhaus und Betriebsstätte
Daneben kann das Stammhaus zweckgebunden für eine Betriebsstätte ein Darlehen aufnehmen; dabei handelt es sich – soweit der Kreditbetrag der Betriebsstätte überlassen wird – um sog. durchgeleitetes Fremdkapital. Auch in diesem Fall stellen die Zinsen Aufwand der Betriebsstätte dar, da die Betriebsstätte diesen Aufwand verursacht hat. Die Kreditmittel müssen hierbei zu unveränderten Konditionen vom Stammhaus an die Betriebsstätte weitergegeben werden. Ein Gewinnzuschlag darf nicht verrechnet werden. Der nicht durch externe Mittel gedeckte Finanzierungssaldo stellt die interne Kapitalausstattung der Betriebsstätte dar, die sich aus dem Dotationskapital und dem weitergeleiteten Kapital zusammensetzt. Bei dem weitergeleiteten Fremdkapital handelt es sich um Fremdkapital, das vom Stammhaus zur Finanzierung des Gesamtunternehmens aufgenommen wurde und der Betriebsstätte anteilig zugeordnet wird. Es ermittelt sich durch Subtraktion des Dotationskapitals von der externen Kapitalausstattung.
./. ./. ./. = Abbildung 63:
Aktiva Dotationskapital direkte Fremdkapitalaufnahme durchgeleitetes Fremdkapital weitergeleitetes Fremdkapital
Saldo an weitergeleitetem Fremdkapital
Die anteiligen Zinsen werden der Betriebsstätte zugerechnet, soweit sie Drittaufwand darstellen; die abstrakte Berechnung eines Fremdvergleichszinssatzes ist nicht zulässig. Kann eine direkte Kreditzuordnung nach den beschriebenen Kategorien nicht durchgeführt werden – möglicherweise handelt es sich um einen Kreditpool –, wird der Zinsaufwand wie folgt aufgeteilt:389 Dotationskapital der Betriebsstätte x Zinsaufwand = Zinsaufwand der Betriebsstätte Gesamtkapital des Unternehmens Grundsätzlich ist festzuhalten, dass Finanzmittel – soweit sie dem Gesamtunternehmen dienen – vom Stammhaus zu halten sind.390 Ist das Kapital allerdings zur Absicherung der Geschäftstätigkeit oder für Investitionen der Betriebsstätte notwendig, muss eine Zuordnung zur Betriebsstätte erfolgen. Praktisch wird diese Forderung aufgrund von Abgrenzungsproblemen nur schwer umzusetzen sein.
389
Vgl. Betriebsstättenerlass Tz. 3.3.
390
Vgl. Betriebsstättenerlass Tz. 2.4.
Direktinvestition in Form einer Betriebsstätte
243
Notwendige Voraussetzung für die Anerkennung von Fremdkapital (nicht vom Stammhaus zur Verfügung gestelltes Kapital) durch die Finanzverwaltung391 ist außerdem, dass die Betriebsstätte mit einem – an ihren Funktionen gemessen – ausreichenden Dotationskapital ausgestattet ist. Verfügt die Betriebsstätte nicht über ausreichendes Dotationskapital, muss eine Aufstockung erfolgen. Hierbei sind zwei Alternativen möglich: Entweder stattet das Stammhaus die Betriebsstätte mit zusätzlichem Dotationskapital aus, oder Fremdkapital der Betriebsstätte wird bis zur Höhe des steuerlich angemessenen Dotationskapitals in Eigenkapital der Betriebsstätte umqualifiziert. Die Umqualifizierung erfolgt mittels einer Fiktion: Obwohl das Fremdkapital von der Betriebsstätte aufgenommen wurde, wird fingiert, dass der umzuqualifizierende Teil vom Stammhaus für dessen Belange aufgenommen und der Betriebsstätte ein angemessenes Dotationskapital überlassen wurde. Die Gewinnermittlung der Betriebsstätte erfolgt dann unter der Annahme, dass kein Zinsaufwand angefallen ist.
2.3 Besteuerung von Gewinnen aus einer ausländischen Betriebsstätte Grundsätzlich kann sowohl der Betriebsstättenstaat als auch der Staat, in dem das Stammhaus ansässig ist, den Gewinn der Betriebsstätte besteuern. Es sind daher Maßnahmen erforderlich, die eine Doppelbesteuerung der Betriebsstättengewinne vermeiden.
2.3.1 Nicht-DBA-Fall 2.3.1.1 Allgemeine Grundsätze Zur Vermeidung der Doppelbesteuerung sind im Nicht-DBA-Fall nur unilaterale Maßnahmen (bei natürlichen Personen bzw. Kapitalgesellschaften) möglich: a) direkte Anrechnung entrichteter ausländischer Steuern auf die inländische Steuerschuld (§ 34c Abs. 1 EStG bzw. § 26 Abs. 1 KStG), b) Abzug der entrichteten ausländischen Steuern bei der Einkünfteermittlung (§ 34c Abs. 2, 3 EStG bzw. § 26 Abs. 6 Satz 1 KStG i.V.m. § 34c Abs. 2, 3 EStG), c) Pauschalierung (§ 34c Abs. 5 EStG bzw. § 26 Abs. 6 Satz 1 KStG i.V.m. § 34c Abs. 5 EStG). Der Ansässigkeitsstaat des Stammhauses wird die im Betriebsstättenstaat entrichtete Steuer üblicherweise anrechnen.
391
Vgl. Betriebsstättenerlass Tz. 2.5.1.
244
Besteuerung von Gewinnen aus einer ausländischen Betriebsstätte
2.3.1.2 Gewerbesteuerliche Aspekte Eine Doppelbesteuerung aus gewerbesteuerlicher Hinsicht wird dadurch vermieden, dass das Ergebnis des Einheitsunternehmens um den Gewinn der ausländischen Betriebsstätte gekürzt wird (§ 9 Nr. 3 GewStG). Dies entspricht dem Territorialitätsprinzip der Gewerbesteuer, das in § 2 GewStG festgelegt wird und besagt, dass Gegenstand der Gewerbesteuer nur der im Inland ausgeübte Gewerbebetrieb ist. Der Gesetzgeber hat mit Wirkung zum VZ 2008 erhebliche Änderungen im Bereich der Gewerbesteuer vorgenommen. Die Gewerbesteuer stellt nunmehr bei der Gewinnermittlung gem. § 4 Abs. 5b EStG keine Betriebsausgabe mehr dar. Darüber hinaus beträgt die Steuermesszahl für alle Gewerbebetriebe einheitlich 3,5 %. Der Freibetrag i.H.v. 24.500 € für Einzel- und Personenunternehmen bleibt erhalten, jedoch entfällt für diese Steuerpflichtigen der bisherige Staffeltarif. Im Gegenzug erhöht sich der Gewerbesteuerentlastungsbetrag nach § 35 EStG auf das 3,8-fache des Gewerbesteuer-Messbetrages. In der folgenden Übersicht werden die Hinzurechnungs- und Kürzungsvorschriften392 des GewStG systematisch dargestellt. Diejenigen Vorschriften, die sich auf den Bereich des Internationalen Steuerrechts beziehen, werden hervorgehoben. Aufgrund der territorialen Beschränkung der GewSt haben die Vorschriften nur klarstellenden Charakter. Eine Belastung ausländischer Gewinnanteile erfolgt bei Portfoliodividenden, da eine Mindestbeteiligung an der auszahlenden Gesellschaft in Höhe von 15 % normiert ist.
392
Im Rahmen des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes wurde der Anteil, zu dem die Miet- und Pachtzinsen für unbewegliche Wirtschaftsgüter dem Gewinn aus Gewerbebetrieb hinzugerechnet werden sollen, von 65 % auf 50 % reduziert; vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums (Wachstumsbeschleunigungsgesetz), BT.-Drs. 17/15, S. 6.
Direktinvestition in Form einer Betriebsstätte Vermeidung von Mehrfacherfassungen bei Objektsteuern
Beschränkung auf inländischen Gewerbeertrag
Nr. 1 Bst. a: 25 % der Entgelte für Schulden Nr. 1 Bst. b: 25 % der Renten und dauernde Lasten Nr. 1 Bst. c: 25 % der Gewinnanteile stiller Gesellschafter Nr. 1 Bst. d: 5 % der Miet- und Pachtzinsen für bewegliche Wirtschaftsgüter Nr. 1 Bst. e: 12,50 % der Miet- und Pachtzinsen für unbewegliche Wirtschaftsgüter Nr. 1 Bst. f: 6,25 % der Aufwendungen für die zeitlich befristete Überlassung von Rechten Abzug eines Freibetrags i.H.v. 100.000 € von der Summe der Hinzurechnungen nach § 8 Nr. 1 GewStG Nr. 9: Zuwendungen
Nr. 5: Die nach § 3 Nr. 40 EStG zu 50 % (2008) bzw. 40 % (2009) oder § 8b Abs. 1 KStG zu 100 % steuerfreien Dividenden, wenn die Beteiligung an der inländischen KapGes < 15 % ist (gewerbesteuerliches Schachtelprivileg) Nr. 8: Verlustanteile aus inländischen Mitunternehmerschaften
Nr. 5: die nach § 3 Nr. 40 EStG zu 50 % (2008) bzw. 40 % (2009) oder § 8b Abs. 1 KStG zu 100 % steuerfreien Dividenden, wenn die Beteiligung an der ausländischen KapGes < 15 % ist (gewerbesteuerliches Schachtelprivileg) Nr. 8: Verlustanteile aus ausländischen Mitunternehmerschaften Nr. 12: Im Rahmen der Abzugsmethode als Betriebsausgabe abgezogene ausländische Steuer
Nr. 5: Zuwendungen
Nr. 1: 1,2 % des Einheitswerts der nicht von der GrSt befreiten Betriebsgrundstücke Nr. 2: Gewinnanteile aus inländischen Mitunternehmerschaften Nr. 2a: Gewinne aus Anteilen an inländischen KapGesen, wenn Beteiligung 15 % (nationales Schachtelprivileg)
Nr. 2: Gewinnanteile aus ausländischen Mitunternehmerschaften Nr. 3: Anteile ausländischer Betriebsstätten am Gewerbeertrag Nr. 7, Nr. 8: Gewinne aus Anteilen an ausländischen KapGesen, wenn Beteiligung 15 % (internationales Schachtelprivileg)
Gewährleistung des Objektsteuercharakters
Kürzungen, § 9 GewStG
Hinzurechnungen, § 8 GewStG
245
Abbildung 64:
Übersicht zu Hinzurechnungen und Kürzungen im GewStG
246
Besteuerung von Gewinnen aus einer ausländischen Betriebsstätte
Merke: Hinzurechnungen: § 8 Nr. 5: Dividenden, wenn Beteiligung < 15 % § 8 Nr. 8: Verlustanteile an in- und ausländischen Mitunternehmerschaften Kürzungen: § 9 Nr. 2: Gewinnanteile an in- und ausländischen Mitunternehmerschaften § 9 Nr. 2a: Gewinne aus Anteilen an inländischen Kapitalgesellschaften, wenn Beteiligung 15 % § 9 Nr. 3: Der Teil des Gewerbeertrages, der auf eine im eine im Ausland belegene Betriebsstätte entfällt § 9 Nr. 7: Gewerbesteuerliches Schachtelprivileg ( 15 %) § 9 Nr. 8: Erweiterung eines DBA-Schachtelprivilegs (nicht für Portfoliodividenden)
2.3.1.3 Beispiel zur Besteuerung des Betriebsstättengewinns im NichtDBA-Fall 2.3.1.3.1
Einzelunternehmen als Stammhaus
Der international tätige Einzelunternehmer Boromir, ansässig in Deutschland, erwirtschaftet im Jahr 01 einen Gesamtgewinn von 150.000 €. Auf das Stammhaus entfällt ein Teilgewinn von 100.000 € und auf die ausländische Betriebsstätte 50.000 €. Der Gewerbesteuerhebesatz beläuft sich auf 400 %. Der ausländische ESt-Tarif gestaltet sich wie folgt: für die ersten für die nächsten für die nächsten
10.000 € 30.000 € 30.000 €
10 % 20 % 30 %
Aus Vereinfachungsgründen werden außergewöhnliche Belastungen und Sonderausgaben nicht in die Berechnung miteinbezogen.
Lösung: Betriebsstätteneinkünfte, Besteuerung im Ausland Boromir ist mit dem Betriebsstättengewinn im Ausland (50.000 €) beschränkt einkommensteuerpflichtig. Die ausländische Steuer errechnet sich folgendermaßen:
Direktinvestition in Form einer Betriebsstätte 10.000 € x 10 % 30.000 € x 20 % 10.000 € x 30 %
247 1.000,00 € 6.000,00 € 3.000,00 € 10.000,00 €
Gem. § 9 Nr. 3 GewStG i.V.m. § 2 Abs. 1 GewStG ist Betriebsstättengewinn in Deutschland von der Gewerbesteuer befreit.
der
ausländische
Einzelunternehmer Boromir, Besteuerung in Deutschland 1. Berechnung der Gewerbesteuer:
./. = x = x =
Gewerbeertrag (§ 7 GewStG) Freibetrag (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 GewStG) Gewerbeertrag nach Freibetrag Steuermesszahl 3,5 % (§ 11 Abs. 2 GewStG) Steuermessbetrag (§ 14 Satz 1 GewStG) Hebesatz 400 % (§ 16 GewStG) Gewerbesteuerschuld
100.000,00 € 24.500,00 € 75.500,00 € 3,5 % x 2.642,50 € 400 % x 10.570,00 €
./.
2. Berechnung der Einkommensteuer: Im Inland ist Boromir unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Sein Einkommen errechnet sich folgendermaßen: Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG) + ausländische Einkünfte (§ 34d Nr. 2 Bst. a EStG) = Welteinkommen ESt nach Grundtabelle (§ 32a Abs. 1 EStG)
+
100.000,00 € 50.000,00 € 150.000,00 € 54.828,00 €
Ermittlung des Anrechnungshöchstbetrags (AHB): ausländische Einkünfte deutsche Einkommensteuer x auf das Welteinkommen Summe der Einkünfte 50.000,00 € = 54.828,00 € = 18.276,00 € x 150.000,00 €
AHB =
Da der Anrechnungshöchstbetrag höher als die ausländische Steuer i.H.v. 10.000,00 € ist, kann diese in voller Höhe angerechnet werden. Die inländische Steuerschuld i.H.v. 54.828 € vermindert sich allerdings nicht nur um die bereits im Ausland gezahlte Steuer, sondern auch um die pauschalierte Anrechnung der Gewerbesteuer. Gewerbliche Einzelunternehmer und Personengesellschafter können gem.
248
Besteuerung von Gewinnen aus einer ausländischen Betriebsstätte
§ 35 EStG die anfallende Gewerbesteuer pauschal auf ihre persönliche Einkommensteuerschuld anrechnen. Der Anrechnungsbetrag beträgt das 3,8-fache des Gewerbesteuermessbetrages; der Gewerbesteuermessbetrag ergibt sich aus der Gewerbesteuerschuld, die durch den Hebesatz von 400 % dividiert wird: GewSt-Anrechnungsbetrag =
10.570 € 4
x 3,8 = 10.041,50 €
Der Anrechnungsbetrag der Gewerbesteuer ist jedoch in zweifacher Weise begrenzt. Zum einen ist maximal die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer zu berücksichtigen (§ 35 Abs. 1 Satz 5 EStG). In diesem Beispiel beträgt die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer 10.570 €, so dass eine Anrechnung des Betrages von 10.041,50 € zur Gänze möglich ist. Zum anderen schränkt der Ermäßigungshöchstbetrag (EHB) nach § 35 Abs. 1 Satz 2 EStG den GewSt-Anrechnungsbetrag ein. Der Ermäßigungshöchstbetrag stellt sicher, dass die tarifliche Einkommensteuer nur in dem Umfang gemindert wird, in dem gewerbliche Einkünfte im zu versteuernden Einkommen enthalten sind. Da Boromir im vorliegenden Beispiel ausschließlich gewerbliche Einkünfte erzielt, spielt der Ermäßigungshöchstbetrag hier keine Rolle. Die im Inland festzusetzende Einkommensteuer ergibt sich wie folgt: ESt nach Grundtabelle (§ 32a Abs. 1 EStG) ./. anrechenbare ausländische Steuern ./. pauschale Anrechnung der GewSt (§ 35 EStG) = in Deutschland zu entrichtende ESt Solidaritätszuschlag (5,5 %, § 2 Nr. 1 i.V.m. § 4 SolZG)
./. ./.
54.828,00 € 10.000,00 € 10.041,50 € 34.786,50 € 1.913,26 €
Zur Erinnerung: Bemessungsgrundlage für den Solidaritätszuschlag ist gem. § 3 Abs. 2 SolZG die Einkommensteuer, die sich nach § 2 Abs. 6 EStG ergibt; gem. § 2 Abs. 6 Satz 1 EStG ist die tarifliche Einkommensteuer, vermindert um die anzurechnenden ausländischen Steuern, die festzusetzende Steuer. Die verbleibende Einkommensteuer, d.h. die ESt abzüglich der anrechenbaren ausländischen Steuer und abzüglich der pauschalen Anrechnung der GewSt, stellt also die Bemessungsgrundlage für den Solidaritätszuschlag dar. Gesamtsteuerbelastung des Einheitsunternehmens:
+ + + =
ausländische ESt + Gewerbesteuer in Deutschland zu entrichtende deutsche ESt + + Solidaritätszuschlag Gesamtsteuerbelastung
10.000,00 € 10.570,00 € 34.786,50 € 1.913,26 € 57.269,76 €
Direktinvestition in Form einer Betriebsstätte
2.3.1.3.2
249
Kapitalgesellschaft als Stammhaus
Die international tätige Boromir-AG, ansässig in Deutschland, erwirtschaftet im Jahr 01 einen Gesamtgewinn i.H.v. 150.000 €. Auf die deutsche Spitzeneinheit entfällt ein Teilgewinn von 100.000 €, die ausländische Betriebsstätte erzielt 50.000 €. Der ausländische Körperschaftsteuersatz beträgt 30 %. Der Gewerbesteuerhebesatz ist mit 400 % festgesetzt. Lösung: Betriebsstätteneinkünfte, Besteuerung im Ausland: Gewinn vor KSt = 50.000 € KSt (30 %) = 15.000 € Gem. § 9 Nr. 3 GewStG i.V.m. § 2 Abs. 1 GewStG ist Betriebsstättengewinn in Deutschland nicht gewerbesteuerpflichtig.
der
ausländische
Boromir-AG, Besteuerung in Deutschland: 1. Berechnung der Gewerbesteuer auf den im Inland erwirtschafteten Teil der Einkünfte:
x = x =
Gewerbeertrag (§ 7 GewStG) Steuermesszahl 3,5 % (§ 11 Abs. 2 GewStG) Steuermessbetrag (§ 14 Satz 1 GewStG) Hebesatz 400 % (§ 16 GewStG) Gewerbesteuerschuld
100.000 € 3,5 % 3.500 € x 400 % 14.000 €
x
2. Berechnung der Körperschaftsteuer: Gewinn + ausländische Einkünfte (§ 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 34d Nr. 2 Bst. a EStG) Welteinkommen KSt (15 %, § 23 Abs. 1 KStG) ./. anrechenbare ausländische KSt (§ 26 Abs. 1 KStG) (Anrechnungshöchstbetrag = 15 % von 50.000 =) in Deutschland zu entrichtende KSt Solidaritätszuschlag (5,5 %, § 2 Nr. 3 i.V.m. § 4 SolZG)
100.000 € +
50.000 € 150.000 € 22.500 €
./.
7.500 € 15.000 € 825 €
250
Besteuerung von Gewinnen aus einer ausländischen Betriebsstätte
Gesamtsteuerbelastung des Einheitsunternehmens: ausländische KSt + deutsche GewSt + in Deutschland zu entrichtende deutsche KSt + Solidaritätszuschlag Gesamtsteuerbelastung
+ + +
15.000 € 14.000 € 15.000 € 825 € 44.825 €
2.3.1.4 Verluste im Nicht-DBA-Fall Nach dem Welteinkommensprinzip sollen nicht nur in- und ausländische Gewinne besteuert, sondern auch in- und ausländische Verluste berücksichtigt werden. Demnach sind negative Einkünfte prinzipiell in den Verlustausgleich einzubeziehen. Im Nicht-DBA Fall können sich Einschränkungen des Verlustausgleichs der Besteuerung von Betriebsstätten lediglich aus § 2a EStG ergeben. Für die Verlustausgleichsbeschränkung des § 2a EStG ist zwischen EU/EWR- und Drittstaaten zu unterscheiden. Nach der Neuregelung des § 2a EStG durch das JStG 2009 werden Verluste aus EU/EWRStaaten nicht mehr von der Verlustausgleichsbeschränkung erfasst. D.h. jegliche Verluste aus EU/EWR-Staaten, mit denen kein DBA vereinbart ist, können uneingeschränkt mit positiven inländischen Einkünften ausgeglichen werden. Diese Regelung ist jedoch nur von theoretischer Bedeutung, da Deutschland mit sämtlichen EU-Staaten sowie mit Island und Norwegen ein DBA geschlossen hat. Zur Erinnerung: Liechtenstein wird im Rahmen der Regelungen zur Verlustberücksichtigung wie ein Drittstaat behandelt. Werden Verluste in Drittstaaten (§ 2a Abs. 2a EStG), mit denen kein DBA besteht, erwirtschaftet, mindern diese Verluste grundsätzlich das Welteinkommen. Für die Verlustberücksichtigung, bspw. für die Berücksichtigung eines Betriebsstättenverlustes, können sich aber Einschränkungen aus § 2a EStG ergeben. Durch die Regelung des § 2a EStG ist die Verlustausgleichsmöglichkeit davon abhängig, ob „steuerschädliche“ oder „steuernützliche“ Verluste vorliegen. Liegen „steuerschädliche“ Verluste aus Drittstaaten vor, so können diese nur eingeschränkt mit positiven Einkünften verrechnet werden. Dabei ist jedoch zu beachten, dass das positive Ergebnis für einen Verlustausgleich aus derselben Einkunftsart (Quellengleichheit), im selben oder in späteren Veranlagungszeiträumen und in demselben ausländischen Staat (Staatenidentität) erwirtschaftet worden sein muss (§ 2a Abs. 1 Satz 1 EStG). „Steuernützliche“ Verluste aus Drittstaaten können stets zur Gänze ausgeglichen werden.
Direktinvestition in Form einer Betriebsstätte
251
Zur Erinnerung:
land- und forstwirtschaftlichen Einkünften (Nr. 1) gewerblichen Einkünften (Nr. 2) Anteilen an ausländischen Körperschaften (Nr. 3) Anteilen an ausländischen Kapitalgesellschaften (Nr. 4) stillen Beteiligungen und partiartischen Darlehen (Nr. 5) Vermietung und Verpachtung (Nr. 6) zwischengeschalteten Inlandsbeteiligungen (Nr. 7)
Beispiel
Zusammenfassung § 2a EStG
„Steuernützliche“ Verluste Das international tätige Alex-Unternehmen (deutsche Spitzeneinheit, ausländische Betriebsstätte), ansässig in Deutschland, erwirtschaftet im Jahr 01 einen Gesamtgewinn von 45.000 €. Im Jahr 02 erleidet die in Madagaskar (Drittland, kein DBA mit Deutschland) belegene Betriebsstätte (aktiv tätige gewerbliche Betriebsstätte) einen Verlust von 40.000 €; die deutsche Spitzeneinheit erwirtschaftet ein positives Ergebnis von 30.000 €.
Lösung
Abbildung 65:
x x x x x x x
Aktivitätsklausel erfüllt: „Steuernützliche Verluste
„Steuerschädliche Verluste“
Im Drittstaat erwirtschaftete Verluste gem. § 2a Abs. 1 EStG aus:
Betriebsstätteneinkünfte, Besteuerung im Ausland: Aufgrund der Verlustsituation erfolgt in Madagaskar keine Besteuerung. Besteuerung in Deutschland: Da die Betriebsstätte eine aktive Tätigkeit ausübt, liegen „steuernützliche“ Verluste vor. Somit kann ein Ausgleich im Jahr 02 vorgenommen werden. Nach diesem verbleiben noch 10.000 € ausländische Verluste, die nach § 10d Abs. 1 EStG in das Jahr 01 zurückgetragen und mit dem damaligen Gewinn i.H.v. 45.000 € verrechnet werden können. Falls das Ergebnis des Jahres 01 nicht ausgereicht hätte, wäre außerdem ein Verlustvortrag ins Jahr 03 nach § 10d Abs. 2 EStG möglich gewesen.
Auf die Gewerbesteuer wirken sich Betriebsstättenverluste nicht aus, da aufgrund der Hinzurechnungsvorschrift des § 8 Nr. 8 GewStG das ausländische Betriebsstättenergebnis nicht in die deutsche gewerbesteuerliche Bemessungsgrundlage einbezogen wird.
252
Besteuerung von Gewinnen aus einer ausländischen Betriebsstätte
2.3.2 DBA-Fall 2.3.2.1 Allgemeine Grundsätze Im Abkommensfall wird die Doppelbesteuerung durch Freistellung des Betriebsstättenergebnisses unter Progressionsvorbehalt in Deutschland (Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 i.V.m. Art. 23 A OECD-MA) verhindert; der Betriebsstättengewinn unterliegt nur der ausländischen Steuer des Betriebsstättenstaates. Die abkommensrechtliche Freistellung erfolgt unabhängig davon, ob der Quellenstaat auch tatsächlich sein Besteuerungsrecht ausübt. Auf nationaler Ebene darf der Wohnsitzstaat des Stammhauses die Einkünfte aus ausländischen Betriebsstätten höchstens im Rahmen des Progressionsvorbehalts berücksichtigen. Für positive Einkünfte aus aktiv tätigen Betriebsstätten in EU/EWR Staaten und in Drittstaaten übt Deutschland dieses Recht auch regelmäßig aus. Liegt eine passive Tätigkeit vor, ist zu unterscheiden, ob die Betriebsstätte in einem Drittstaat i.S.d. § 2a Abs. 2a EStG oder in einem EU/EWR-Staat belegen ist. Die positiven Einkünfte einer passiven Betriebsstätte, die in einem Drittstaat (§ 32b Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 2a Abs. 2a EStG) belegen ist, werden ebenfalls von Deutschland in den Progressionsvorbehalt einbezogen. Im Falle einer passiven Betriebsstätte, die in einem EU/EWR-Staat belegen ist, wird der Progressionsvorbehalt nach den nationalen Vorschriften jedoch ausgeschlossen (§ 32b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG). Hintergrund für diese Regelung ist, dass im Zuge des JStG 2009 der Welteinkommenssteuersatz für in der EU/EWR verwirklichte Tatbestände nicht mehr unter Maßgabe des § 2a Abs. 1 und 2 EStG zu ermitteln ist. Dies hätte zur Folge, dass sowohl die Verluste aus einer aktiven als auch aus einer passiven EU/EWR-Betriebsstätte das Welteinkommen und somit den Welteinkommenssteuersatz mindern würden.393 Um den negativen Progressionsvorbehalt weiterhin auch für Einkünfte aus einer passiven EU/EWRBetriebsstätte auszuschließen, sah sich der Gesetzgeber– wohl unter dem Gesichtspunkt einer europarechtskonformen394 Ausgestaltung der Norm – gezwungen, gleichzeitig den
393
Nach altem Recht wurde der negative Progressionsvorbehalt durch die Anwendung des § 2a Abs. 1 EStG a.F. verhindert, denn dieser schloss die Minderung des Welteinkommens durch Verluste aus EU/EWR- und Drittstaaten-Betriebsstätten aus, wenn diese nicht die Aktivitätsklausel des § 2a Abs. 2 EStG a.F. erfüllten. Nach dem JStG 2009 bleibt die Verlustverrechnungsbeschränkung des § 2a EStG nur noch für passive Betriebsstätten, die in Drittstaaten belegen sind, relevant.
394
Laut Gesetzesbegründung geht der Gesetzgeber davon aus, dass ausländische Verluste unter dem Gesichtspunkt der EG-Grundfreiheiten im Rahmen des negativen Progressionsvorbehalts nicht beachtet werden müssen, wenn gleichzeitig ausländische Gewinne im Rahmen des positiven Progressionsvorbehalts nicht berücksichtigt werden müssen; vgl. Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2009 (JStG 2009), BT-Drs. 16/10189, S. 53.
Direktinvestition in Form einer Betriebsstätte
253
positiven Progressionsvorbehalt für die entsprechenden Betriebsstättengewinne abzuschaffen.395
2.3.2.2 Gewerbesteuerliche Aspekte Die Freistellung gilt auch für die Gewerbesteuer, da sie durch Art. 2 Abs. 2 OECD-MA in den abkommensrechtlichen Anwendungsbereich fällt; die Kürzungsvorschrift des GewStG geht daher ins Leere.
2.3.2.3 Beispiel zur Besteuerung des Betriebsstättengewinns im DBA-Fall 2.3.2.3.1
Einzelunternehmen als Stammhaus
Der Einzelunternehmer Boromir erwirtschaftet im Jahr 01 50.000 € in seiner aktiv tätigen ausländischen Betriebsstätte und 100.000 € im deutschen Stammhaus. Der Gewerbesteuerhebesatz beträgt 400 %. Der ausländische ESt-Tarif gestaltet sich wie folgt: für die ersten für die nächsten für die nächsten
10.000 € 30.000 € 30.000 €
10 % 20 % 30 %
Lösung: Betriebsstätteneinkünfte, Besteuerung im Ausland Boromir ist mit dem Betriebsstättengewinn im Ausland (50.000 €) beschränkt einkommensteuerpflichtig. Die ausländische Steuer errechnet sich folgendermaßen: 10.000 € x 10 % 30.000 € x 20 % 10.000 € x 30 %
1.000 € 6.000 € 3.000 € 10.000 €
Einzelunternehmer Boromir, Besteuerung in Deutschland Der Gewinn der ausländischen Betriebsstätte ist von der deutschen Besteuerung freigestellt (Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 i.V.m. Art. 23 A OECD-MA); zur Berechnung des Progressionsvorbehalts wird der Gewinn der Betriebsstätte jedoch in die Bemessungsgrundlage einbezogen.
395
Vgl. Wittkowski, A./ Lindscheid, F., Berücksichtigung ausländischer Betriebsstättenverluste nach dem JStG 2009, IStR 2009, S. 227 f.
254
Besteuerung von Gewinnen aus einer ausländischen Betriebsstätte
Die Berechnung der Gewerbesteuerschuld erfolgt analog zum Nicht-DBA-Fall. Die Gewerbesteuerschuld beträgt demnach 10.570,00 €. Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG) + ausländische Einkünfte = Welteinkommen fiktive ESt nach Grundtabelle (§ 32a Abs. 1 EStG) Durchschnittssteuersatz:
54.828,00 € 150.000,00 €
+
100.000,00 € 50.000,00 € 150.000,00 € 54.828,00 €
= 36,55 %
Die pauschale Anrechnung der Gewerbesteuer nach § 35 vermindert die inländische Steuerschuld von Boromir. GewSt-Anrechnungsbetrag =
10.570 € 4
x 3,8 = 10.041,50 €
Begrenzt wird die Anrechnung der Gewerbesteuer gem. § 35 EStG abermals durch die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer gem. § 35 Abs. 1 Satz 5 EStG und den Ermäßigungshöchstbetrag (EHB) nach § 35 Abs. 1 Satz 2 EStG, der eine anteilige Verminderung der Einkommensteuer gemäß dem Verhältnis der gewerblichen Einkünfte zum versteuernden Einkommen vorsieht. Im Beispiel kommen allerdings beide Beschränkungen nicht zur Anwendung. Gesamtsteuerbelastung des Einheitsunternehmers: + + + =
ausländische ESt Gewerbesteuer in Deutschland zu entrichtende ESt Solidaritätszuschlag Gesamtsteuerbelastung
+ + +
10.000,00 € 10.570,00 € 26.508,50 € 1.457,97 € 48.536,47 €
Die Berechnung zeigt, dass in dem hier gewählten Beispiel die Freistellungsmethode für den Steuerpflichtigen eindeutig günstiger ist als die Anrechnungsmethode, denn die inländische Steuer auf die ausländischen Einkünfte ist höher als die ausländische Steuer.
2.3.2.3.2
Kapitalgesellschaft als Stammhaus
Die Kapitalgesellschaft erwirtschaftet im Jahr 02 50.000 € in ihrer ausländischen Betriebsstätte und 100.000 € im deutschen Stammhaus. Der ausländische KSt-Satz beträgt 30 %, der Gewerbesteuerhebesatz 400 %.
Direktinvestition in Form einer Betriebsstätte
255
Betriebsstätteneinkünfte, Besteuerung im Ausland: Gewinn vor KSt = 50.000 € KSt (30 %) = 15.000 € Boromir-AG, Besteuerung in Deutschland: Für den Betriebsstättengewinn erfolgt die Freistellung nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 i.V.m. Art. 23 A OECD-MA; die deutsche Spitzeneinheit ist zur Entrichtung von Gewerbesteuer i.H.v. 14.000 € auf den in Deutschland erwirtschafteten Gewinn i.H.v. 100.000 € verpflichtet. Aufgrund des DBA ist der Betriebsstättengewinn auch von der GewSt freizustellen. Da der KSt-Satz gem. § 23 Abs. 1 KStG linear 15 % beträgt, hat der im DBA vorgesehene Progressionsvorbehalt keine Auswirkung. Gewinn KSt (15 %, § 23 Abs. 1 KStG) Solidaritätszuschlag (5,5 %, § 2 Nr. 3 i.V.m. § 4 SolZG)
100.000 € 15.000 € 825 €
Gesamtsteuerbelastung des Einheitsunternehmens: + + +
ausländische KSt deutsche GewSt deutsche KSt Solidaritätszuschlag Gesamtsteuerbelastung
+ + +
15.000 € 14.000 € 15.000 € 825 € 44.825 €
Die Gesamtsteuerbelastung entspricht derjenigen bei Anwendung des Anrechnungsverfahrens (im Nicht-DBA-Fall). Dies ist einerseits auf den proportionalen Verlauf des KStSatzes in Deutschland und andererseits auf den höheren Steuersatz im Ausland zurückzuführen. Dadurch entspricht der Anrechnungshöchstbetrag exakt der in Deutschland anfallenden KSt auf die ausländischen Einkünfte, so dass zwar einerseits keine zusätzliche Belastung in Deutschland entsteht, andererseits das ausländische Besteuerungsniveau voll erhalten bleibt. Die Prinzipien der Vermeidung der Doppelbesteuerung bei der Besteuerung von OutboundInvestitionen in der Form einer Betriebsstätte sollen wie folgt zusammenfassend dargestellt werden:
256
Maßnahmen
Besteuerung von Gewinnen aus einer ausländischen Betriebsstätte kein DBA
DBA
unilateral
Bilateral
Vermeidung der Anrechnung (§ 34c Abs. 1 Doppelbesteuerung EStG/ § 26 Abs. 1 KStG) Abzug (§ 34c Abs. 2, 3 EStG/ durch § 26 Abs. 6 Satz 1 KStG i.V.m. § 34c Abs. 2, 3 EStG) Pauschalierung (§ 34c Abs. 5 EStG/ § 26 Abs. 6 Satz 1 KStG i.V.m. § 34c Abs. 5 EStG Gewerbe-steuer Prinzip Abbildung 66:
Freistellung unter Progressionsvorbehalt (Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 i.V.m. Art. 23 A OECDMA)
Kürzung (§ 9 Nr. 3 GewStG i.V.m. § 2 Abs. 1 GewStG)
Freistellung gilt auch für die Gewerbesteuer (Art. 2 Abs. 2 OECD-MA)
Kapitalexportneutralität
Kapitalimportneutralität
Zusammenfassung der Besteuerung der Betriebsstättengewinne
2.3.2.4 Verluste im DBA-Fall Da im Abkommensfall nicht nur die Gewinne der Betriebsstätte, sondern auch deren Verluste von der deutschen Steuerpflicht freigestellt sind,396 wird die inländische Bemessungsgrundlage durch ein negatives Betriebsstättenergebnis nicht gemindert. Handelt es sich allerdings um eine aktive Betriebsstätte, kann ein Einzel- bzw. Mitunternehmer aufgrund der Freistellung unter negativem Progressionsvorbehalt (§ 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG) im Verlustentstehungsjahr von der Senkung des Einkommensteuersatzes profitieren. Dies gilt sowohl für aktive Betriebsstätten, die in EU/EWR-Staaten belegen sind als auch für aktive Drittstaaten-Betriebsstätten.
396
Vgl. RFH v. 25.01.1933, VI-A-199/32, RStBl. 1933, S. 478; BFH v. 12.01.1983, I-R-90/79, BStBl. II 1983, S. 382 ff.
Direktinvestition in Form einer Betriebsstätte Beachte:
257
Für Drittstaaten gilt die Verlustbeschränkungsregelung des § 2a EStG auch im DBA-Fall. Sie betrifft sowohl die Bemessungsgrundlage als auch die Steuersatzhöhe. Ein negativer Progressionsvorbehalt ist daher nicht möglich, sofern die Betriebsstätte keiner „aktiven Tätigkeit“ nachgeht.397 Für EU/EWR-Staaten wurde die Regelung des § 2a EStG mit Wirkung ab VZ 2008 hingegen abgeschafft. Ohne weitere gesetzliche Anpassungen hätte dies zur Folge gehabt, dass neben Verlusten aus aktiven EU/EWRBetriebsstätten auch Verluste aus passiven EU/EWR-Betriebsstätten das Welteinkommen und somit den Welteinkommenssteuersatz verringern. Um den negativen Progressionsvorbehalt für nach DBA steuerfreie Verluste aus passiven EU/EWR-Betriebsstätten weiterhin zu vermeiden, führte der Gesetzgeber § 32b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG in das Gesetz ein. Demnach wird der negative Progressionsvorbehalt ausgeschlossen, wenn die in der EU bzw. im EWR belegene Betriebsstätte nicht aktiv tätig ist.
Betriebsstättenverluste aus
Drittstaaten
aktive Betriebsstätte
passive Betriebsstätte
aktive Betriebsstätte
passive Betriebsstätte
negativer Progressionsvorbehalt gem. § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG
kein negativer Progressionsvorbehalt gem. §§ 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. 2a Abs. 1 EStG
negativer Progressionsvorbehalt gem. § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG
kein negativer Progressionsvorbehalt gem. § 32b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG
Abbildung 67: Beispiel
EU/EWR-Staaten
Progressionsvorbehalt bei negativen Betriebsstätteneinkünften
Der deutsche Einzelunternehmer Frodo Beutlin betreibt sowohl in Neuseeland (Drittstaat) als auch in Irland (EU-Staat) eine Betriebsstätte.398 Während die deutsche Spitzeneinheit im Wirtschaftsjahr 01 einen Gewinn von 24.000 € erwirtschaftet, erzielen die aktiv tätigen ausländischen Betriebsstätten einen Verlust i.H.v. je 5.000 €.
397
Vgl. H 2a EStR.
398
Nach den Vereinbarungen in den jeweiligen DBAs stellt Deutschland die Einkünfte aus in Neuseeland und Irland belegenen Betriebsstätten von der Besteuerung frei; vgl. Art. 23 Abs. 1 Bst. a DBA Deutschland-Neuseeland v. 20.10.1978; Art. 22 Abs. 2 Bst. a DBA Deutschland-Irland v. 17.10.1962.
Lösung
258
Gründe für die Wahl einer Tochterkapitalgesellschaft Betriebsstätteneinkünfte, Besteuerung im Ausland: Aufgrund der Verlustsituation erfolgt weder in Neuseeland noch in Irland eine Besteuerung. Einzelunternehmer Frodo, Besteuerung in Deutschland: Das Welteinkommen Frodos beträgt aufgrund der Betriebsstättenverluste 14.000 € (inländische Einkünfte 24.000 € ./. Verlust aus Neuseeland 5.000 € ./. Verlust aus Irland 5.000 €). Der negative Progressionsvorbehalt wirkt sich aus: fiktive ESt nach Grundtabelle (§ 32a Abs. 1 EStG) Durchschnittssteuersatz =
1.166 €
1.166 € = 8,33 % 14.000 €
Tatsächliche ESt: 24.000 € x 8,33 % = Solidaritätszuschlag (5,5 %, § 2 Nr. 1 i.V.m. § 4 SolZG)
1.999 € 110 €
Gesamtsteuerbelastung des Einheitsunternehmens: +
ESt Solidaritätszuschlag Gesamtsteuerbelastung
1.999 € + 110 € 2.109 €
Da der Gewinn i.H.v. 24.000 € unter dem Freibetrag von 24.500 € (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 GewStG) liegt, entsteht keine Gewerbesteuerschuld.
3 Direktinvestition in Form einer Tochterkapitalgesellschaft 3.1 Gründe für die Wahl einer Tochterkapitalgesellschaft Ein wesentlicher Vorteil einer ausländischen Direktinvestition in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft ist die Möglichkeit einer Haftungsbeschränkung. Ferner können aufgrund ihrer rechtlichen Selbständigkeit schuldrechtliche Verträge aller Art zugunsten der Tochtergesellschaft (unter Beachtung der Drittvergleichsgrundsätze) mit steuerlicher Wirkung abgeschlossen werden. Aufgrund des Intransparenzprinzips ist es des Weiteren möglich, Gewinne in der Tochterkapitalgesellschaft zu thesaurieren und somit von einer Besteuerung durch den Staat der Mutterkapitalgesellschaft – zumindest bis zur Ausschüttung – „abzuschirmen“. Betriebs-
Direktinvestition in Form einer Tochterkapitalgesellschaft
259
stättengewinne hingegen unterliegen bereits im Jahr der Gewinnentstehung der Besteuerung.
3.2 Besteuerung der Gewinne aus einer ausländischen Tochterkapitalgesellschaft Grundsätzlich werden Gewinne zum Zeitpunkt ihrer Entstehung auf Ebene der Tochterkapitalgesellschaft und bei Ausschüttung erneut bei den inländischen Anteilseignern versteuert, denn die Tochterkapitalgesellschaft und der Anteilseigner sind jeweils in ihrem Ansässigkeitsstaat unbeschränkt steuerpflichtig. Ferner fällt grundsätzlich ausländische Quellensteuer an, da der inländische Anteilseigner mit den Dividenden im Sitzstaat der ausschüttenden Tochtergesellschaft beschränkt steuerpflichtig wird. Bei Direktinvestitionen in Form einer Tochterkapitalgesellschaft besteht also die Gefahr einer Dreifachbesteuerung der ausgeschütteten Gewinne. Dies wird durch die nachstehende Abbildung verdeutlicht. Ansässigkeitsstaat
der Gesellschaft
des Gesellschafters Abbildung 68:
Steuerobjekt
Prinzip
Steuersubjekt
Steuerpflicht
Gewinn der Kapitalgesellschaft
Universalitäts- Kapitalgesellschaft Unbeschränkt prinzip o KSt
Ausschüttung (Dividende)
Territorialitäts- Anteilseigner prinzip o Quellensteuer
Beschränkt
Ausschüttung (Dividende)
Universalitäts- Anteilseigner prinzip o ESt bzw. KSt
Unbeschränkt
Dreifachbesteuerung einer Dividende aus der Beteiligung an einer ausländischen Kapitalgesellschaft
Merke: Da die ausländische Kapitalgesellschaft ein eigenständiges Steuersubjekt ist, kann die von ihr im Ausland entrichtete Körperschaftsteuer auf Seiten der deutschen Gesellschafter nicht berücksichtigt werden (Trennungsprinzip). Aus diesem Grunde sind Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zu ergreifen.
260
Besteuerung der Gewinne aus einer ausländischen Tochterkapitalgesellschaft
3.2.1 Nicht-DBA-Fall 3.2.1.1 Natürliche Person als Gesellschafter 3.2.1.1.1
Dividenden
Zur Vermeidung der Doppelbesteuerung sind bei Dividendeneinkünften folgende unilateralen Maßnahmen möglich: x Anrechnung (§ 34c Abs. 1 EStG), x Abzug (§ 34c Abs. 2, 3 EStG). Die Pauschalierungsmethode ist bei Dividendeneinkünften nicht möglich. Die ausländische Quellensteuer kann der inländische Anteilseigner bspw. auf seine inländische Steuerschuld anrechnen. Bis zum 31.12.2008 unterlagen Anteileigner mit Anteilen im Privat- oder Betriebsvermögen dem Halbeinkünfteverfahren nach § 3 Nr. 40 Bst. d EStG a.F. Ab 01.01.2009 fallen Anteilseigner, die sich mit ihrem Privatvermögen an ausländischen Kapitalgesellschaften beteiligen, in den Regelungsbereich der Abgeltungsteuer nach § 32d EStG. Natürliche Personen, die in ihrem Betriebsvermögen Anteile an Kapitalgesellschaften halten, unterliegen dem Teileinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 Bst. d EStG).
Beispiel
Gesellschafter, die mit ihrem Privatvermögen unmittelbar oder mittelbar x zu mindestens 25 % an einer Kapitalgesellschaft beteiligt sind oder x zu mindestens 1 % an einer Kapitalgesellschaft beteiligt und für diese beruflich tätig sind, haben ein Wahlrecht und können auf Antrag von der Abgeltungsteuer zum Teileinkünfteverfahren übergehen (§ 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG). Natürliche Person mit Anteilen im Privatvermögen ab 2009 (Nicht-DBA-Fall) Colonel Frank Slade, der die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, ist zu 20 % an der ausländischen Charlie Simms AG beteiligt und nicht für diese tätig. Die Charlie Simms AG erwirtschaftet im Jahr 01 einen Gewinn von 500.000 €, den sie im Jahr 02 voll ausschüttet. An Werbungskosten in Zusammenhang mit dem Bezug der ausländischen Dividenden entstehen Colonel Slade 10.000 €. Im Ausland sollen ein Körperschaftsteuersatz von 30 % sowie ein Quellensteuersatz von 20 % gelten. Aus Vereinfachungsgründen werden Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen und die Kirchensteuer nicht in die Berechnung miteinbezogen. Darüber hinaus sollen die Steuerzahlungen auf volle € gerundet werden. Bei Vorliegen von Dividenden ist als Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung mangels DBA unilateral die Anrechnungsmethode vorgesehen.
Lösung
Direktinvestition in Form einer Tochterkapitalgesellschaft
261
Charlie Simms AG (im Jahr 01): ./. =
körperschaftsteuerpflichtiges Einkommen Körperschaftsteuer (30 %) ausschüttungsfähiger Betrag
500.000 € ./. 150.000 € 350.000 €
Besteuerung von Colonel Slade im Ausland (im Jahr 02): anteiliger Ausschüttungsbetrag (20 %) = 70.000 € Quellensteuer (20 %) = 14.000 € Besteuerung von Colonel Slade im Inland (im Jahr 02):
./. =
steuerpflichtiges ausländisches Einkommen (§ 34d Nr. 6 i.V.m. § 32d EStG) Sparer-Pauschbetrag (§ 20 Abs. 9 EStG) Welteinkommen
./.
70.000 € 801 € 69.199 €
Im Geltungsbereich der Abgeltungsteuer ist der Abzug von Werbungskosten gem. § 20 Abs. 9 EStG auf den Sparer-Pauschbetrag begrenzt. Daher ist die Berücksichtigung der Werbungskosten von Colonel Slade i.H.v. 10.000 € nicht möglich. Einkommen= steuer
Einkünfte nach § 20 EStG ./. 4 x anrechenbare ausländische Steuer 4 + Kirchensteuersatz
Einkommensteuer =
69.199 € ./. 4 x 14.000 €399 4
= 3.300 €
Grundsätzlich zahlt Colonel Slade nach Anrechnung der ausländischen Quellensteuer in Deutschland Einkommensteuer in Höhe der Differenz von 5 % zum Abgeltungsteuersatz (0,05 x 70.000 € = 3.500 €). Da Colonel Slade in Deutschland aber der SparerPauschbetrag gewährt wird, ermäßigt sich seine ESt-Schuld um 200 € (= 0,25 x 801 €). Er zahlt also deutsche Einkommensteuer i.H.v. 3.300 €. Der Solidaritätszuschlag beträgt 182 € (= 0,055 x 3.300 €). Gesamtsteuerbelastung von Colonel Slade: + + =
399
ausländische Quellensteuer deutsche ESt Solidaritätszuschlag (5,5 %, § 2 Nr. 1 i.V.m. § 4 SolZG) Gesamtsteuerbelastung
Anrechnungshöchstbetrag: 0,25 x 69.199 € = 17.299,75 €.
+ +
14.000 € 3.300 € 182 € 17.482 €
262
Besteuerung der Gewinne aus einer ausländischen Tochterkapitalgesellschaft
Beispiel
Das folgende Beispiel stellt die Besteuerung bei Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens (bis 2008) und des Teileinkünfteverfahrens (ab 2009) dar. Natürliche Person mit Anteilen nach Halb- bzw. Teileinkünfteverfahren (NichtDBA-Fall) Der deutsche Einzelunternehmer Asterix ist zu 40 % an der ausländischen Obelix-AG beteiligt. Diese erwirtschaftet im Jahr 01 einen Gewinn von 60.000 €, den sie im Jahr 02 voll ausschüttet. In Deutschland erzielt Asterix im Jahr 02 außerdem Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i.H.v. 27.000 €. An Betriebsausgaben in Zusammenhang mit dem Bezug der ausländischen Dividenden entstehen Asterix 1.000 €. Im Ausland sollen ein Körperschaftsteuersatz von 30 % sowie ein Quellensteuersatz von 20 % gelten. Aus Vereinfachungsgründen werden außergewöhnliche Belastungen und Sonderausgaben nicht in die Berechnung miteinbezogen.
Lösung
Als Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung wählt Asterix die Anrechnungsmethode, da diese im Regelfall günstiger ist als die Abzugsmethode. Obelix-AG (im Jahr 01): ./. =
körperschaftsteuerpflichtiges Einkommen Körperschaftsteuer (30 %) ausschüttungsfähiger Betrag
./.
60.000 € 18.000 € 42.000 €
Besteuerung des Asterix im Ausland: (im Jahr 02) anteiliger Ausschüttungsbetrag (40 %) = 16.800 € Quellensteuer (20 %) = 3.360 € Besteuerung von Asterix im Inland (im Jahr 02): Besteuerung nach den Vorschriften des Jahres bis 2008 ab 2009 steuerpflichtiges ausländisches Einkommen (§ 34d Nr. 6, § 3 Nr. 40 Bst. d EStG) 16.800 € x 0,5 bzw. 0,6 8.400 € 10.080 € ./. Betriebsausgaben (§ 3c Abs. 2 EStG) 1.000 € x 0,5 bzw. 0,6 500 € 600 € + Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG) 27.000 € 27.000 € = Welteinkommen 34.900 € 36.480 €
Direktinvestition in Form einer Tochterkapitalgesellschaft ESt nach Grundtabelle (§ 32a Abs. 1 EStG) ./. anrechenbare ausländische Quellensteuer (§ 34c Abs. 1 EStG) 400 = in Deutschland zu entrichtende ESt Solidaritätszuschlag (5,5 %, § 2 Nr. 1 i.V.m. § 4 SolZG)
263 7.424 €
7.765 €
./. 1.681 € 5.743 € 316 €
2.018 € 5.747 € 316 €
3.360 € + 5.743 € + 316 € 9.419 €
3.360 € 5.747 € 316 € 9.423 €
Gesamtsteuerbelastung von Asterix: ausländische Quellensteuer + deutsche ESt + Solidaritätszuschlag (5,5 %, § 2 Nr. 1 i.V.m. § 4 SolZG) = Gesamtsteuerbelastung
3.2.1.1.2
Veräußerungsgewinne
Veräußerungsgewinne einer Beteiligung an einer ausländischen Kapitalgesellschaft können mangels Zuweisung des Besteuerungsrechts an einen Staat sowohl im Wohnsitzstaat des Anteilseigners als auch im Quellenstaat (= Sitzstaat der Tochtergesellschaft) der Besteuerung unterliegen. Dies ist dadurch begründet, dass sowohl der Anteilseigner als auch die Tochtergesellschaft in dem jeweiligen Staat unbeschränkt steuerpflichtig sind. Bis einschließlich VZ 2008 besteuerte Deutschland Veräußerungsgewinne, die ein deutscher Investor als natürliche Person im Privatvermögen hielt, nur, sofern eine Beteiligung i.S.d. § 17 EStG vorlag oder die Veräußerung der Beteiligung innerhalb einer Frist von einem Jahr nach Anschaffung erfolgte (§ 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG). Veräußerungsgewinne, die der deutsche Investor in einem inländischen Betriebsvermögen hielt, waren stets steuerpflichtig. Für die Veräußerungsgewinne kam das Halbeinkünfteverfahren zur Anwendung (§ 3 Nr. 40 Bst. c, Bst. j, Bst. a EStG).
§ 3 Nr. 40
Bst. c Bst. j Bst. a
Privatvermögen: Beteiligung i.S.d. § 17 EStG Privatvermögen: Private Veräußerungsgeschäfte, § 23 EStG Betriebsvermögen
Die Vorschriften des Jahres 2008 behielten für Wirtschaftsgüter, die vor dem 1. Januar angeschafft wurden, ihre Gültigkeit (§ 52a Abs. 11 Satz 4 EStG). Ab 2009 unterliegen Veräußerungsgewinne in Deutschland, die ein inländischer Anteilseigner als natürliche Person im Privatvermögen erwirtschaftet, dem Abgeltungsteuersatz nach § 32d EStG. Natürliche Personen, die an einer Kapitalgesellschaft i.S.d. § 17 EStG
400
Anrechnungshöchstbetrag 2008: 7.424 € x ((8.400 € ./. 500) / 34.900 €) = 1.681 €. Anrechnungshöchstbetrag 2009: 7.765 € x ((10.080 € ./. 600) / 36.480 €) = 2.018 €. Eine volle Anrechnung i.H.v. 3.360 € ist daher nicht möglich.
264
Besteuerung der Gewinne aus einer ausländischen Tochterkapitalgesellschaft
beteiligt sind oder ihre Anteile in einem inländischen Betriebsvermögen halten, müssen ihre Veräußerungsgewinne nach dem Teileinkünfteverfahren besteuern. § 3 Nr. 40
Bst. c Bst. a
Privatvermögen: Beteiligung i.S.d. § 17 EStG Betriebsvermögen
Da u.U. der Ansässigkeitsstaat der Tochterkapitalgesellschaft Veräußerungsgewinne zusätzlich besteuert, kann es zu einer Doppelbesteuerung kommen. Diese wird durch die Anwendung der unilateralen Maßnahmen – Anrechnung oder Abzug – vermieden. Die Pauschalierung scheidet bei Veräußerungsgewinnen als Vermeidungsmaßnahme aus.
3.2.1.1.3
Gewerbesteuerliche Aspekte
Aufgrund der Vorschrift des § 9 Nr. 7 GewStG wird die gewerbesteuerliche Bemessungsgrundlage um die Beteiligungserträge gekürzt, soweit die Beteiligung mindestens 15 % beträgt. Bei einer Beteiligung von weniger als 15 % unterliegen die Beteiligungserträge der Gewerbesteuer, da die Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 7 GewStG in diesem Fall keine Anwendung findet. Da die Dividenden aufgrund des Halbeinkünfteverfahrens bzw. des Teileinkünfteverfahrens nur zu 50 % bzw. 60 % im Gewerbeertrag (§ 7 GewStG) enthalten sind, ist in § 8 Nr. 5 GewStG eine gewerbesteuerliche Hinzurechnungsvorschrift verankert. Ohne die Hinzurechnung der steuerfreien 50 % bzw. 40 % der Dividende hätte die Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 7 GewStG, die eine volle Kürzung vorsieht, entsprechend angepasst werden müssen. Dividenden unterliegen im Ergebnis ab einer Beteiligung von 15 % nicht der Gewerbesteuer. Für Veräußerungsgewinne gilt die Hinzurechnungsvorschrift des § 8 Nr. 5 GewStG nicht. Es kommt somit nicht zu einer Hinzurechnung der steuerbefreiten 50 % bzw. 40 % des Veräußerungsgewinns für gewerbesteuerliche Zwecke. Da für Veräußerungsgewinne keine Kürzungsvorschrift in § 9 GewStG enthalten ist, unterliegen die Veräußerungsgewinne im Ergebnis zu 50 % bzw. 60 % der Gewerbesteuer.
3.2.1.2 Kapitalgesellschaft als Gesellschafter 3.2.1.2.1
Dividenden
In Deutschland sind (in- und) ausländische Dividenden an Kapitalgesellschaften aufgrund der Vorschrift des § 8b Abs. 1 KStG – unabhängig von der Beteiligungshöhe, der Beteiligungsdauer oder dem Vorliegen einer Aktivitätsbedingung – (grundsätzlich!) von der Besteuerung freigestellt. Würde – wie bei natürlichen Personen – die Hälfte des Ausschüttungsbetrags einer Besteuerung unterliegen, würde sich die Dividende bei Weiterausschüttung durch die daraus folgende kumulierte Besteuerung aufzehren (sog. Kaskadeneffekt).
Direktinvestition in Form einer Tochterkapitalgesellschaft
265
Um bei Beteiligungsketten zwischen Kapitalgesellschaften eine kumulierte Besteuerung desselben mehrmals ausgeschütteten Gewinns zu vermeiden, müssen die Beteiligungserträge von anderen Gesellschaften von der Körperschaftsteuer befreit werden. Damit bleibt es bei einer einmaligen Belastung des Gewinns mit dem Körperschaftsteuersatz, bis der Gewinn die Ebene der Körperschaften verlässt und an eine natürliche Person ausgeschüttet wird.401 Kapitalgesellschaft schüttet aus an
natürliche Person
EU/PersGes
KapGes
Abgeltungssteuer gem. § 32d EStG
Teileinkünfteverfahren gem. § 3 Nr. 40 EStG
95 % steuerfrei gem. § 8b Abs. 1, 5 KStG
bis zum 31.12.2008 war noch das Halbeinkünfteverfahren gem. § 3 Nr. 40 EStG anzuwenden
Beispiel
Behandlung der Ausschüttung beim Empfänger402
Im Betriebsvermögen der deutschen Cats AG befindet sich eine Beteiligung i.H.v. 10 % an der ausländischen Dogs AG, aus der ihr in 01 eine Dividende i.H.v. 27.000 € zufließt. Im Jahr 02 nimmt die Cats AG selbst eine Vollausschüttung des Jahresgewinns 01 an die Gesellschafter Bernhard und Bianca vor. Bernhard hält die Beteiligung im Betriebsvermögen, Bianca im Privatvermögen.
Lösung
Abbildung 69:
Die Dividende der Dogs AG an die Cats AG ist bei dieser nach § 8b Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 KStG zu 95 % steuerfrei. Die Dividende ist im Gewinn enthalten, welchen die Cats AG an die Gesellschafter Bernhard und Bianca ausschüttet. Der Gewinn unterliegt bei Bernhard der Besteuerung nach dem Halbeinkünfteverfahren bzw. dem Teileinkünfteverfahren gem. § 3 Nr. 40 Bst. d EStG, da die Beteiligung zum Betriebsvermögen von Bernhard zählt. Der Gewinnanteil von Bianca wird dem Abgeltungsteuersatz nach § 32d EStG unterworfen, da sie die Beteiligung im Privatvermögen hält.
401
Vgl. Djanani, C./ Brähler, G./ Lösel, C., Ertragsteuern, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2008, S. 263.
402
Vgl. Brähler, G., Umwandlungssteuerrecht, 5. Aufl., Wiesbaden 2009, S. 61.
266
Besteuerung der Gewinne aus einer ausländischen Tochterkapitalgesellschaft
Die Kapitalgesellschaft als Anteilseigner kann jedoch die ausländische Quellensteuer aufgrund ihrer beschränkten Steuerpflicht im Sitzstaat der Tochtergesellschaft nicht anrechnen bzw. abziehen. Durch die Dividendenfreistellung entfällt die Grundlage für die Anrechnung (§ 26 Abs. 1 i.V.m. Abs. 6 KStG) der im Ausland entrichteten Quellensteuer, da dies maximal in Höhe der durch das ausländische Einkommen verursachten deutschen Steuer möglich ist; gleiches gilt für den Abzug der ausländischen Quellensteuer bei der inländischen Einkünfteermittlung. Die Belastung mit ausländischen Quellensteuern ist somit definitiv. Darüber hinaus gilt § 8b Abs. 5 KStG nach derzeitiger Rechtslage nicht nur für Inlandsdividenden, sondern auch für Auslandsdividenden. Demnach gelten 5 % der steuerfreien Bruttodividende als Ausgaben, die nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden dürfen. Diese Regelung führt dazu, dass die Ausgaben, die mit den eigentlich steuerfreien Dividenden im Zusammenhang stehen, trotz des Verbotes gem. § 3c Abs. 1 EStG abgezogen werden dürfen. Merke: Pauschalierungsregel des § 8b Abs. 5 KStG x Nach § 8b Abs. 5 KStG gelten bei in- und ausländischen Dividenden, die bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz bleiben, 5 % der Einnahmen als Ausgaben, die nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden dürfen (unwiderlegbare gesetzliche Fiktion). x Alle mit der Beteiligung in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden tatsächlich entstandenen Aufwendungen können dafür uneingeschränkt gewinnmindernd geltend gemacht werden. x Auf die tatsächlichen Betriebsausgaben wird also § 3c Abs. 1 EStG nicht noch zusätzlich angewendet. x Aufgrund der Pauschalierungsregel des § 8b Abs. 5 KStG beläuft sich die Freistellung in- und ausländischer Dividenden lediglich auf 95 % der Bruttodividende. Der Grundsatz des § 3c Abs. 1 EStG findet somit im Rahmen von Dividendenausschüttungen keine Anwendung mehr. Dies soll wie folgt verdeutlicht werden: Anteilseigner Beteiligung an inländischer Kapitalgesellschaft ausländischer Kapitalgesellschaft
natürliche Person Privatvermögen
natürliche Person Betriebsvermögen
Kapitalgesellschaft
Kein Abzug möglich, aber SparerPauschbetrag gem. § 20 Abs. 9 EStG
§ 3c Abs. 2 EStG, d.h. Abzug von 60 %
§ 8b Abs. 5 KStG, d.h. fiktiver Abzug
In- und ausländische Dividenden werden folglich gleich behandelt.
Beispiel
Direktinvestition in Form einer Tochterkapitalgesellschaft
Die ausländische Chong Li-GmbH erzielt einen Gewinn i.H.v. 100.000 €, den sie nach Bezahlung der ausländischen KSt von 35 % an die zu 100 % beteiligte deutsche DuxGmbH ausschüttet. Ausschüttung der Chong Li-GmbH ausländische KSt Bruttodividende ausl. Quellensteuer (20 % / 5 % / 0 %) Nettodividende ./. deutsche GewSt / KSt / SolZ in D ausschüttungsfähiger Betrag
Lösung
267
Nicht-DBA-Fall DBA-Fall EU-Fall 100,00 100,00 100,00 ./. 35,00 ./. 35,00 ./. 35,00 65,00 65,00 65,00 ./. 13,00 52,00 ./. 0,97 51,03
./. 3,25 61,75 ./. 0,97 60,78
./. 0,00 65,00 ./. 0,97 64,03
Berechnung der inländischen Steuerbelastung nach § 8b Abs. 5 KStG: 1) Ermittlung des kombinierten Steuersatzes aus GewSt, KSt und SolZ 14,00 % (Hebesatz 400 %) + 100 x 15 % + 100 x 15 % x 5,5 % inländische Steuerbelastung
GewSt KSt SolZ
= = =
14,00 % 15,00 % 0,83 % 29,83 %
2) Ermittlung der Steuerbelastung 5 % der Bruttodividende – unabhängig davon, ob und in welcher Höhe im Ausland Quellensteuer einbehalten wird403 – gelten gem. § 8b Abs. 5 KStG als fiktive Betriebsausgaben (65 x 5 % = 3,25). In Höhe dieser fiktiven Betriebsausgaben unterliegen die Dividenden der Besteuerung mit dem oben ermittelten kombinierten Steuersatz, d.h. 3,25 x 29,83 % = 0,97 €. Es ergibt sich damit eine Mehrsteuer aufgrund der Versagung des Betriebsausgabenabzugs gem. § 8b Abs. 5 KStG i.H.v. 0,97 €. Diese ist in allen drei Fällen gleich hoch. Eine Weiterausschüttung der erhaltenen Dividende ist nur mehr um den Betrag von 0,97 € vermindert möglich. Es würde sich am pauschalen Betriebsausgabenabzugsverbot i.H.v. 5 % nichts ändern, wenn die Chong Li-GmbH eine inländische Kapitalgesellschaft wäre!
403
Vgl. BMF v. 10.01.2000, IV D 3 – S 1300 – 217/99, BStBl. I 2000, S. 71, Tz. 2.
268
Besteuerung der Gewinne aus einer ausländischen Tochterkapitalgesellschaft
Merke: Nicht der Steuersatz beträgt 5 %, sondern die nichtabzugsfähigen Betriebsausgaben, die außerhalb der Bilanz dem Ergebnis wieder hinzuaddiert werden müssen. Bei einer Bruttodividende (= Bardividende + KapESt) von 100 € beträgt die Steuerbelastung durch § 8b Abs. 5 KStG somit nicht 5 %, sondern 100 € x 5 % x 29,83 % = 1,4915 %.
3.2.1.2.1.1
Bilanzielle Darstellung
Beispiel Inlandsfall
Die buchhalterische Erfassung von Ausschüttungen in- und/oder ausländischer Kapitalgesellschaften ergibt sich aus einem komplexen Zusammenspiel von Vorschriften sowohl innerhalb als auch außerhalb der Bilanz. Dabei soll zwischen dem Fall der Ausschüttung einer inländischen Kapitalgesellschaft und einer ausländischen Kapitalgesellschaft unterschieden werden. Die in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtige Legolas-GmbH erhält im Jahr 01 von der ebenfalls inländischen Agent Smith AG eine Dividende i.H.v. 100.000 €. Nach Abzug von Kapitalertragsteuer i.H.v. 25 % (ohne Berücksichtigung des SolZ) fließen der Legolas-AG entsprechend 75.000 € auf ihr Bankkonto zu. Des Weiteren entstehen der Legolas-GmbH Aufwendungen, die mit dem Erwerb der Agent Smith AG unmittelbar zusammenhängen, i.H.v. 3.000 €.
Im Rahmen der handels- und steuerrechtlichen Gewinnermittlung werden grundsätzlich die Dividenden als Erträge und die Aufwendungen als Betriebsausgaben erfasst.
Direktinvestition in Form einer Tochterkapitalgesellschaft
269
Merke: Erhält die Legolas-GmbH einen Betrag i.H.v. 75.000 € auf ihr Bankkonto überwiesen, so lautet der Buchungssatz ausdrücklich nicht: Per Bank Jahresüberschuss
75.000 € an 75.000 €
Erträge 75.000 €
In diesem Fall wäre nicht berücksichtigt, dass bereits Kapitalertragsteuer i.H.v. 25.000 € von der Agent Smith AG für die Legolas-GmbH einbehalten worden ist. Diese Kapitalertragsteuer stellt jedoch eine Steuervorauszahlung der Legolas-GmbH dar, nur mit dem Unterschied, dass sie nicht von der GmbH selbst, sondern von der Agent Smith AG abgeführt wurde. Korrekterweise ist der Sachverhalt somit wie folgt zu erfassen: Per Bank 75.000 € an Kapitalertragsteuer 25.000 € Jahresüberschuss
Erträge 100.000 €
75.000 €
Lösung Inlandsfall
Außerhalb der Bilanz muss nun gem. § 10 Nr. 2 KStG die als Aufwand gebuchte Kapitalertragsteuer dem Ergebnis wieder hinzuaddiert werden; gleichsam muss die gesamte Bruttodividende (und nicht nur die Bardividende!) gem. § 8b Abs. 1 KStG vom zu versteuernden Einkommen wieder abgezogen werden. Die tatsächlichen Betriebsausgaben werden nicht außerhalb der Bilanz korrigiert, da gem. § 8b Abs. 5 Satz 2 KStG die Vorschrift des § 3c Abs. 1 EStG keine Anwendung findet. Allerdings müssen 5 % der Bruttodividende dem Ergebnis außerhalb der Bilanz wieder hinzuaddiert werden. Die Legolas-GmbH erzielt einen Jahresüberschuss vor Steuern i.H.v. 72.000 €. Dies ergibt sich durch die folgenden Buchungssätze: Per
Bank 75.000 € an Kapitalertragsteuer 25.000 €
Erträge 100.000 €
Per
Finanzierungskosten 3.000 € an
Bank
3.000 €
Aufwendungen GuV der Legolas GmbH Kapitalertragsteuer 25.000 € Dividendenerträge Finanzierungskosten 3.000 € Jahresüberschuss 72.000 €
Erträge 100.000 €
270
Besteuerung der Gewinne aus einer ausländischen Tochterkapitalgesellschaft Außerhalb der Bilanz sind folgende Anpassungen vorzunehmen:
+ ./. + =
Jahresüberschuss KSt-Vorauszahlungen Steuerfreie Dividenden 5 % Betriebsausgabenabzugsverbot Zu versteuerndes Einkommen
+ ./. + =
72.000 € 25.000 € 100.000 € 5.000 € 2.000 €
(§ 10 Nr. 2 KStG) (§ 8b Abs. 1 KStG) (§ 8b Abs. 5 KStG)
Beispiel Auslandsfall
Es errechnet sich ein positives zu versteuerndes Einkommen i.H.v. 2.000 €, das bei einem kombinierten Steuersatz von 29,83 % zu einer Steuerbelastung i.H.v. 596,60 € führt (unter Berücksichtigung der Erstattung der Vorauszahlung). Die in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtige Legolas-GmbH erhält im Jahr 01 von der ausländischen Trinity Inc. (= AG) eine Dividende i.H.v. 100.000 €. Nach Abzug von Kapitalertragsteuer i.H.v. 15 % (Voraussetzungen des Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 Bst. a OECD-MA sind nicht gegeben) fließen der Legolas-GmbH entsprechend 85.000 € auf ihr Bankkonto zu. Erneut entstehen der Legolas-GmbH Aufwendungen, die mit dem Erwerb der Trinity Inc. unmittelbar zusammenhängen, i.H.v. 3.000 €.
Lösung Auslandsfall
Der Auslandsfall unterscheidet sich von dem Inlandsfall lediglich darin, dass die im Ausland einbehaltene Quellensteuer i.H.v. 15 % auf Ebene der Legolas-GmbH nicht angerechnet werden kann, da sich die Freistellungs- und die Anrechnungsmethode gegenseitig ausschließen. Aus diesem Grunde verbietet sich die Verbuchung der 15 %igen Quellensteuer als Kapitalertragsteuer der Legolas-GmbH; stattdessen hat eine Verbuchung als nichtabzugsfähige Betriebsausgabe zu erfolgen. Die Legolas-GmbH erzielt einen Jahresüberschuss i.H.v. 82.000 €. Dies ergibt sich durch die folgenden Buchungssätze: Per
Bank 85.000 € Nabz. Betriebsausgabe 15.000 €
an
Erträge 100.000 €
Per
Finanzierungskosten
an
Bank
3.000 €
3.000 €
Aufwendungen GuV der Legolas GmbH Nabz. Betriebsausgabe 15.000 € Dividendenerträge Finanzierungskosten 3.000 € Jahresüberschuss 82.000 €
Erträge 100.000 €
Direktinvestition in Form einer Tochterkapitalgesellschaft
271
Außerhalb der Bilanz sind folgende Anpassungen vorzunehmen:
+ ./. + =
Jahresüberschuss Nichtabzugsfähige Betriebsausgaben Steuerfreie Dividenden 5 % Betriebsausgabenabzugsverbot Zu versteuerndes Einkommen
+ ./. + =
82.000 € 15.000 € 100.000 € (§ 8b Abs. 1 KStG) 5.000 € (§ 8b Abs. 5 KStG) 2.000 €
Es ergibt sich erneut für die Legolas-GmbH ein pauschales Betriebsausgabenabzugsverbot i.H.v. 5.000 € sowie ein zu versteuerndes Einkommen i.H.v. 2.000 €. Übersteigen die tatsächlich angefallenen Betriebsausgaben allerdings den Pauschalbetrag i.H.v. 5 % der Bruttodividende gem. § 8b Abs. 5 KStG, ist die Pauschalierungsregelung für den Steuerpflichtigen sogar vorteilhaft gegenüber der Anwendung des § 3c Abs. 1 EStG, da er sämtliche Betriebsausgaben in voller Höhe geltend machen kann und nur der geringere Betrag von 5 % als nichtabzugsfähig behandelt wird.
3.2.1.2.1.2
Beteiligung über eine Mitunternehmerschaft
Bezüge, die einer Körperschaft von einer anderen Körperschaft zufließen, bleiben nach § 8b Abs. 6 KStG auch dann außer Ansatz, wenn die inländische Kapitalgesellschaft nur mittelbar über eine Mitunternehmerschaft an dem ausländischen Tochterunternehmen beteiligt ist. Gewinnanteile einer Tochterkapitalgesellschaft, die einer inländischen Muttergesellschaft mittelbar im Rahmen des Gewinnanteils aus der Beteiligung an einer zwischengeschalteten Personengesellschaft zufließen, sind ebenfalls von der Besteuerung ausgenommen.
272
Besteuerung der Gewinne aus einer ausländischen Tochterkapitalgesellschaft
Beispiel: Die Tochterkapitalgesellschaft schüttet eine Dividende i.H.v. 100 an die Personengesellschaft aus.
Tochterkapitalgesellschaft Beteiligung 100 %
Der Gewinn der Personengesellschaft, der auch die Dividende der Tochterkapitalgesellschaft i.H.v. 100 enthält, beträgt 300.
Personengesellschaft Beteiligung 50 %
Beteiligung 50 %
Mutterkapitalgesellschaft 1
3.2.1.2.1.3
Mutterkapitalgesellschaft 2
Jeder Mutterkapitalgesellschaft wird ein steuerlicher Gewinnanteil i.H.v. 150 aus der Beteiligung an der Personengesellschaft zugerechnet. Die darin enthaltenen mittelbaren Gewinnanteile der Tochter i.H.v. 50 sind bei beiden Mutterkapitalgesellschaften gem. § 8b Abs. 6 KStG von der Besteuerung ausgenommen.
Exkurs: § 8b Abs. 5 KStG a.F.
Nach heutigem Recht werden sowohl inländische als auch ausländische Dividenden von der Regelung des § 8b Abs. 5 KStG erfasst. Diese Gleichbehandlung von In- und Auslandsdividenden war aber nicht immer gegeben. Nach der von 1999 bis 2003 geltenden Fassung des § 8b Abs. 5 KStG galt die Fiktion von nicht abzugsfähigen Betriebsausgaben i.H.v. 5 % nur für Auslandsdividenden (sog. Schachtelstrafe). Die 5 % nicht abziehbaren Betriebsausgaben wurden auch dann angesetzt, wenn der tatsächliche Beteiligungsaufwand geringer war als 5 %. Im Gegensatz dazu war für Dividendenerträge, die von einer inländischen Kapitalgesellschaft zuflossen, keine Fiktion von nicht abzugsfähigen Betriebsausgaben vorgesehen.404 Inlandsdividenden waren damit zu 100 % steuerfrei, während Auslandsdividenden insgesamt nur einer 95 %-igen Steuerfreistellung unterlagen. Bei einem tatsächlichen Beteiligungsaufwand unterhalb der 5 %-Grenze kam es zu einer Schlechterstellung von Auslands- gegenüber Inlandsbeteiligungen.405 Für EU/EWR-Fälle wurde schnell anerkannt, dass darin ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit lag. Für Drittstaatenfälle, bei denen nicht die Niederlassungsfreiheit, sondern nur die Kapitalverkehrsfreiheit geltend gemacht werden kann, wichen die Rechtsauffassun-
404
Gleichzeitig konnten gem. § 3c EStG mit der Inlandsbeteiligung im unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehende Aufwendungen nicht abgezogen werden.
405
Vgl. Watermeyer, H. J., in: Herrmann, C./ Heuer, G./ Raupach, A., Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, 236. Erg.-Lfg., Köln, 2009, § 8b KStG, Rz. 122 f.
Direktinvestition in Form einer Tochterkapitalgesellschaft
273
gen allerdings voneinander ab. In seinem Urteil vom 26.11.2008406 erklärte der BFH, dass § 8b Abs. 5 KStG a.F. ebenfalls gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstößt und damit auch gegenüber Drittstaaten unwirksam ist. Mit dem Urteil bestätigte der BFH seine frühere Rechtsauffassung. Die Meinung der Finanzverwaltung407, nach der § 8b Abs. 5 KStG a.F. gegenüber Drittstaaten weiterhin gilt, ist damit nicht mehr haltbar.408 Im Ergebnis ist die von 1999 bis 2003 geltende Fassung des § 8b Abs. 5 KStG nicht nur für EU-Staaten, sondern auch für Drittstaaten unanwendbar, da die alte Regelung zu einer Schlechterstellung von ausländischen gegenüber inländischen Dividenden führte. Anwendbar bleibt hingegen die Neufassung bzw. die aktuell geltende Fassung des § 8b Abs. 5 KStG. Der heute geltende § 8b Abs. 5 KStG fingiert nicht abzugsfähige Betriebsausgaben i.H.v. 5 % zusätzlich auch für Inlandsdividenden. Somit werden inländische Beteiligungserträge genauso schlecht gestellt wie ausländische Beteiligungserträge. Die Europarechtswidrigkeit des § 8b Abs. 5 KStG ist daher heute beseitigt.409
3.2.1.2.2
Veräußerungsgewinne
Nach § 8b Abs. 2 KStG bleiben Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an in- und ausländischen Kapitalgesellschaften durch Kapitalgesellschaften bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz. Die Begünstigung hängt ebenfalls weder von einer Mindestbeteiligungshöhe noch von einer Mindesthaltefrist410 noch von einer Aktivitätsbedingung ab. Die Befreiung gilt unabhängig von der Besteuerung in dem Sitzstaat der Gesellschaft, deren Anteile veräußert werden. Merke: Die Steuerbefreiung des § 8b Abs. 2 KStG gilt auch für die Gewerbesteuer. Die Hinzurechnungsvorschrift des § 8 Nr. 5 GewStG bezieht sich nur auf die Bezüge i.S.d. § 8b Abs. 1 KStG. Darüber hinaus gilt auch bei Veräußerungsgewinnen, dass 5 % des Gewinns aus einer Beteiligungsveräußerung gem. § 8b Abs. 2 KStG nach § 8b Abs. 3 Satz 1 KStG pauschal als nichtabzugsfähige Betriebsausgaben angesetzt werden müssen; § 3c Abs. 1 EStG ist im Gegenzug ebenfalls nicht mehr anzuwenden (§ 8b Abs. 3 Satz 2 KStG).
406
Vgl. BFH v. 26.11.2008, I-R-7/08, DStR 2009, S. 632.
407
Vgl. BMF-Schreiben v. 21.03.2007, IV B 7 – G 1421/0, IStR 2007, S. 340.
408
Vgl. Dörfler, O./ Ribbock, M., „BFH wendet Gemeinschaftsrecht unmittelbar an und schafft Rechtssicherheit“, BB 2009, S. 1515.
409
Vgl. Watermeyer, H. J., in: Herrmann, C./ Heuer, G./ Raupach, A., Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, 236. Erg.-Lfg., Köln 2009, § 8b KStG, Rz. 123.
410
Eine Ausnahme stellen Finanzunternehmen gem. § 8b Abs. 7 KStG dar.
274
Besteuerung der Gewinne aus einer ausländischen Tochterkapitalgesellschaft
Merke: Durch die Pauschalierungsregeln der §§ 8b Abs. 3 und Abs. 5 KStG werden im Ergebnis Beteiligungsveräußerungen sowie Dividendenausschüttungen steuerlich gleich behandelt. Dies ist sinnvoll, da die Beteiligungsveräußerung als letztmalige Dividendenausschüttung angesehen werden kann. Die Steuerbefreiung der Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften ist ausgeschlossen, soweit die Anschaffungskosten der Beteiligung in früheren Jahren steuerlich erfolgswirksam auf den niedrigeren Teilwert abgeschrieben wurden (§ 8b Abs. 2 Satz 4 KStG). Korrespondierend zur Steuerfreistellung der Veräußerungsgewinne nach § 8b Abs. 2 KStG bestimmt § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG, dass sämtliche Verluste, die im Zusammenhang mit den in Abs. 2 genannten Anteilen entstehen, bei der Gewinnermittlung steuerlich unberücksichtigt bleiben. Insbesondere wird hierdurch das Verbot der Teilwertabschreibung auf Beteiligungen bestimmt.
3.2.1.2.3
Gewerbesteuerliche Aspekte
Aufgrund der Vorschrift des § 9 Nr. 7 GewStG wird die gewerbesteuerliche Bemessungsgrundlage um die Dividendenerträge gekürzt, soweit die Beteiligung mindestens 15 % beträgt. Bei einer Beteiligung von weniger als 15 % unterliegen die Beteiligungserträge der Gewerbesteuer, da die Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 7 GewStG in diesem Fall nicht anwendbar ist. Da die Dividenden aufgrund des § 8b Abs. 1 KStG nicht mehr im Gewerbeertrag enthalten sind (§ 7 GewStG), werden die Dividendeneinkünfte aufgrund der gewerbesteuerlichen Hinzurechnungsvorschrift des § 8 Nr. 5 GewStG in vollem Umfang wieder hinzugerechnet. Durch die volle Hinzurechnung der Dividende kann die Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 7 GewStG unverändert zur Anwendung kommen. Dividenden an Kapitalgesellschaften unterliegen daher – ebenso wie Dividenden an natürliche Personen – im Ergebnis ab einer Beteiligung von 15 % nicht der Gewerbesteuer. Für Veräußerungsgewinne gilt die Hinzurechnungsvorschrift des § 8 Nr. 5 GewStG nicht. Es kommt somit nicht zu einer Hinzurechnung der zur Gänze freigestellten Veräußerungsgewinne für gewerbesteuerliche Zwecke. Im Ergebnis unterliegen die Veräußerungsgewinne von Beteiligungen an Kapitalgesellschaften – abweichend zu den Veräußerungsgewinnen von natürlichen Personen – nicht der Gewerbesteuer. Erneut ist auf das pauschale Betriebsausgabenabzugsverbot der §§ 8b Abs. 3 und Abs. 5 KStG hinzuweisen, das durch § 7 Satz 1 GewStG auch auf die Gewerbesteuer durchschlägt und daher zu einer entsprechenden Belastung führt.
Direktinvestition in Form einer Tochterkapitalgesellschaft
275
3.2.2 DBA-Fall 3.2.2.1 Natürliche Person als Gesellschafter 3.2.2.1.1
Dividenden
Der deutsche Anteilseigner wird im Ausland durch seinen anteiligen Ausschüttungsbetrag beschränkt steuerpflichtig. Ist eine natürliche Person an einer ausländischen Kapitalgesellschaft beteiligt, wird das Besteuerungsrecht des Quellenstaates im Abkommensfall in der Regel der Höhe nach auf 15 % (Art. 10 Abs. 2 Bst. b OECD-MA) beschränkt. Zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ist bei Dividenden an natürliche Personen bilateral stets die Anrechnung der ausländischen Quellensteuer auf die inländische Steuerschuld vorgesehen (= Steueraufteilungsgedanke). Bis zum 31.12.2008 besteuerte Deutschland in- und ausländische Dividenden im Privatund Betriebsvermögen nach den Vorschriften des Halbeinkünfteverfahrens.
Beispiel
Natürliche Person mit Anteilen im Privatvermögen ab 2009 (DBA-Fall) Colonel Nathan R. Jessep, der die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, ist zu 20 % an der ausländischen Daniel Kaffee AG beteiligt und nicht für diese tätig. Die Kaffee AG erwirtschaftet im Jahr 01 einen Gewinn von 500.000 €, den sie im Jahr 02 voll ausschüttet. An Werbungskosten in Zusammenhang mit dem Bezug der ausländischen Dividenden entstehen Colonel Jessep 10.000 €. Im Ausland soll ein Körperschaftsteuersatz von 30 % sowie ein Quellensteuersatz von 20 % gelten. Aus Vereinfachungsgründen werden außergewöhnliche Belastungen, Sonderausgaben und die Kirchensteuer nicht in die Berechnung miteinbezogen.
Lösung
Ab VZ 2009 wird auf in- und ausländische Dividenden, x die dem Privatvermögen einer natürlichen Person zugeordnet werden, die Abgeltungsteuer (§ 32d EStG) erhoben, x das Teileinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 Bst. d EStG) angewandt, wenn die Beteiligung zum Betriebsvermögen einer natürlichen Person zählt.
Daniel Kaffee AG (im Jahr 01): ./. =
körperschaftsteuerpflichtiges Einkommen Körperschaftsteuer (30 %) ausschüttungsfähiger Betrag
./.
Besteuerung von Colonel Jessep im Ausland (im Jahr 02): anteiliger Ausschüttungsbetrag (20 %) = 70.000 € KapESt i.H.v. 15 % (durch DBA begrenzt) = 10.500 €
500.000 € 150.000 € 350.000 €
276
Besteuerung der Gewinne aus einer ausländischen Tochterkapitalgesellschaft Besteuerung von Colonel Jessep im Inland (im Jahr 02):
./. =
steuerpflichtiges ausländisches Einkommen (§ 34d Nr. 6 i.V.m. § 32d EStG) Sparer-Pauschbetrag (§ 20 Abs. 9 EStG) Welteinkommen
70.000 € 801 € 69.199 €
./.
Die Berücksichtigung von Werbungskosten ist im Geltungsbereich der Abgeltungsteuer auf den Sparer-Pauschbetrag begrenzt (§ 20 Abs. 9 EStG). Daher ist die Berücksichtigung der Werbungskosten von Colonel Jessep i.H.v. 10.000 € nicht möglich. Einkommen= steuer
Einkünfte nach § 20 EStG ./. 4 x anrechenbare ausländische Steuer 4 + Kirchensteuersatz
Einkommensteuer =
69.199 € ./. 4 x 10.500 €411 4
= 6.800 €
Grundsätzlich zahlt Colonel Jessep nach Anrechnung der ausländischen Quellensteuer in Deutschland in Höhe der Differenz von 10 % zum Abgeltungsteuersatz Einkommensteuer (0,1 x 70.000 € = 7.000 €). Da Colonel Jessep in Deutschland aber der SparerPauschbetrag gewährt wird, ermäßigt sich seine ESt-Schuld um 200 € (= 0,25 x 801 €). Er zahlt also deutsche Einkommensteuer i.H.v. 6.800 €. Der Solidaritätszuschlag beträgt 374 € (= 0,055 x 6.800 €). Gesamtsteuerbelastung von Colonel Jessep: + + =
ausländische Quellensteuer deutsche ESt Solidaritätszuschlag (5,5 %, § 2 Nr. 1 i.V.m. § 4 SolZG) Gesamtsteuerbelastung
10.500 € 6.800 €
+ +
374 € 17.674 €
Zum Vergleich mit dem Nicht-DBA-Fall: Gesamtsteuerbelastung von Colonel Slade: + + =
411
ausländische Quellensteuer deutsche ESt Solidaritätszuschlag (5,5 %, § 2 Nr. 1 i.V.m. § 4 SolZG) Gesamtsteuerbelastung
Anrechnungshöchstbetrag: 0,25 x 69.199 € = 17.299,75 €.
+ +
14.000 € 3.300 € 182 € 17.482 €
Direktinvestition in Form einer Tochterkapitalgesellschaft
277
Beispiel
Natürliche Person mit Anteilen nach Halb- bzw. Teileinkünfteverfahren (DBAFall) Der deutsche Gesellschafter Miraculix ist zu 40 % an der in einem DBA-Staat ansässigen Gallier-AG beteiligt. Diese erwirtschaftet im Geschäftsjahr 01 einen Gewinn von 60.000 €, den sie im Jahr 02 voll ausschüttet. In Deutschland erzielt Miraculix im Jahr 02 zusätzlich Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit i.H.v. 27.000 €. An Betriebsausgaben entstehen Miraculix in Zusammenhang mit dem Bezug der ausländischen Dividenden 1.000 €. Im Ausland soll annahmegemäß ein Körperschaftsteuersatz von 30 % sowie ein Quellensteuersatz von 20 % gelten. Aus Vereinfachungsgründen werden außergewöhnliche Belastungen und Sonderausgaben nicht in die Berechnung miteinbezogen.
Lösung
Wird die Gesamtsteuerbelastung im Nicht-DBA-Fall und im DBA-Fall bei Anwendung der Anrechnungsmethode gegenübergestellt, wird deutlich, dass aufgrund der begrenzten Anrechnung ausländischer Steuern die Besteuerung der Dividende jeweils dem deutschen Steuerniveau von 25 % entspricht (10.500 € + 6.800 € = 14.000 € + 3.300 € = 17.300 €). Lediglich durch die höhere in Deutschland zu entrichtende Einkommensteuer und den damit einhergehenden SolZ kommt es zu einer höheren Gesamtsteuerbelastung im DBA-Fall von 192 € (= 17.674 € ./. 17.482 €). Die Differenz in der Gesamtsteuerbelastung entspricht der Differenz des Solidaritätszuschlag von 192 € (= 374 € ./. 182 €). Das Ergebnis des Vergleichs erscheint zunächst paradox, ist aber darauf zurückzuführen, dass der deutsche Staat auf ausländische Steuern keinen Solidaritätszuschlag erheben kann.412
Gallier-AG: (im Jahr 01) ./.
körperschaftsteuerpflichtiges Einkommen Körperschaftsteuer (30 %) Gewinn 01
./.
60.000 € 18.000 € 42.000 €
Besteuerung von Miraculix im Ausland: (im Jahr 02) anteiliger Ausschüttungsbetrag (40 %) = 16.800 € KapESt i.H.v. 15 % (durch DBA begrenzt) = 2.520 € Aufgrund von Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Bst. b OECD-MA ist die Höhe der Kapitalertragsteuer im Quellenstaat auf 15 % begrenzt.
412
Vgl. Brähler, G., Steuerlich optimale Gestaltung von grenzüberschreitenden Umstrukturierungen, Wiesbaden 2006, S. 258 f.
278
Besteuerung der Gewinne aus einer ausländischen Tochterkapitalgesellschaft Besteuerung von Miraculix im Inland: (im Jahr 02) Besteuerung nach den Vorschriften des Jahres steuerpflichtiges ausländisches Einkommen (§ 34d Nr. 6, § 3 Nr. 40 Bst. d EStG) 16.800 € x 0,5 bzw. 0,6 ./. Betriebsausgaben (§ 3c Abs. 2 EStG) 1.000 € x 0,5 bzw. 0,6 + Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG) = Welteinkommen ESt nach Grundtabelle (§ 32a Abs. 1 EStG) ./. anrechenbare ausländische Quellensteuer (§ 34c Abs. 1 EStG) = in Deutschland zu entrichtende ESt Solidaritätszuschlag (5,5 %, § 2 Nr. 1 i.V.m. § 4 SolZG)
bis 2008
ab 2009
8.400 € 500 € 27.000 € 34.900 €
10.080 € 600 € 27.000 € 36.480 €
7.424 €
7.765 €
./. 1.681 € 5.743 € 316 €
2.018 € 5.747 € 316 €
2.520 € + 5.743 € + 316 € 8.579 €
2.520 € 5.747 € 316 € 8.583 €
3.360 € + 5.743 € + 316 € 9.419 €
3.360 € 5.747 € 316 € 9.423 €
Gesamtsteuerbelastung von Miraculix: ausländische Quellensteuer + deutsche ESt + Solidaritätszuschlag (5,5 %, § 2 Nr. 1 i.V.m. § 4 SolZG) = Gesamtsteuerbelastung Zum Vergleich mit dem Nicht-DBA-Fall: Gesamtsteuerbelastung von Asterix: ausländische Quellensteuer + deutsche ESt + Solidaritätszuschlag (5,5 %, § 2 Nr. 1 i.V.m. § 4 SolZG) = Gesamtsteuerbelastung
Der Vergleich zeigt, dass im Halbeinkünfteverfahren bzw. Teileinkünfteverfahren bei Vorliegen eines DBA die Doppelbesteuerung aufgrund der Beschränkung der Quellensteuer auf 15 % im größeren Umfang vermieden wird als im Nicht-DBA-Fall. Die Höhe der Quellensteuer ist für die endgültige Steuerbelastung bestimmend, da in beiden Fällen der Anrechnungshöchstbetrag überschritten wird. Abschließend wird die Besteuerung der Beteiligung einer inländischen natürlichen Person an einer ausländischen Kapitalgesellschaft wie folgt dargestellt:
Direktinvestition in Form einer Tochterkapitalgesellschaft
Anteilseigner
Nicht-DBA
DBA
Höhe der ausländischen Quellensteuer
nach den jeweiligen nationalen Bestimmungen
max. 15 % der BruttoDividende (BD), Art. 10 Abs. 2 Bst. b OECD-MA
Dividende im Privatvermögen im Inland
Bis 2008: steuerpflichtig nur zur Hälfte wg. Halbeinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 Bst. d EStG a.F.) Ab 2009: Abgeltungsteuersatz i.H.v. 25 % (§ 32d EStG) zzgl. SolZ
Bis 2008: steuerpflichtig nur zur Hälfte wg. Halbeinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 Bst. d EStG a.F.) Ab 2009: Abgeltungsteuersatz i.H.v. 25 % (§ 32d EStG) zzgl. SolZ
Dividende im Betriebsvermögen im Inland
Bis 2008: steuerpflichtig nur zur Hälfte wg. Halbeinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 Bst. d EStG a.F.) Ab 2009: steuerpflichtig zu 60 % wg. Teileinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 Bst. d EStG n.F.)
Bis 2008: steuerpflichtig nur zur Hälfte wg. Halbeinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 Bst. d EStG a.F.) Ab 2009: steuerpflichtig zu 60 % wg. Teileinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 Bst. d EStG n.F.)
Berücksichtigung der ausländischen Quellensteuer in Deutschland
Anrechnungsmethode (§ 34c Abs. 1 EStG), Abzugsmethode (§ 34c Abs. 2, 3 EStG)
Anrechnungsmethode (§ 34c Abs. 1 EStG)
Deutsche Gewerbesteuer
Freistellung bei Mindestbeteil. von 15 % (§ 9 Nr. 7 GewStG i.V.m. § 8 Nr. 5 GewStG, 50 %ige bzw. 60 %ige Hinzurechnung)
Freistellung bei Mindestbeteil. von 15 % (§ 9 Nr. 7 GewStG i.V.m. § 8 Nr. 5 GewStG, 50 %ige bzw. 60 %ige Hinzurechnung)
Natürliche Person
Abbildung 70:
3.2.2.1.2
279
Besteuerung der Beteiligung eines deutschen Anteilseigners an einer ausländischen Kapitalgesellschaft (I)
Veräußerungsgewinne
Nahezu alle DBA folgen der Regelung des Art. 13 Abs. 5 OECD-MA und weisen das Besteuerungsrecht dem Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters zu, hier also Deutschland. Zu einer Doppelbesteuerung kommt es aufgrund des alleinigen Besteuerungsrechts des Ansässigkeitsstaates des Gesellschafters nicht.
280
Besteuerung der Gewinne aus einer ausländischen Tochterkapitalgesellschaft
In Deutschland wurde bei Einkünften aus Veräußerungsgeschäften von natürlichen Personen, sofern diese nicht nach Ablauf einer einjährigen Haltefrist steuerfrei vereinnahmt werden konnten, bis 31.12.2008 das Halbeinkünfteverfahren angewendet (§ 3 Nr. 40 Bst. a EStG a.F.). Ab VZ 2009 muss zwischen Veräußerungsgewinnen im Privatvermögen und im Betriebsvermögen unterschieden werden. Veräußerungsgewinne im Privatvermögen (§ 20 Abs. 2 EStG) unterliegen dem Abgeltungsteuersatz (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 i.V.m. § 43a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG). Im Betriebsvermögen entstandene Veräußerungsgewinne werden nach dem dann gültigen Teileinkünfteverfahren besteuert (§ 3 Nr. 40 Bst. a EStG n.F.).
3.2.2.1.3
Gewerbesteuerliche Aspekte
Es gelten dieselben Vorschriften wie im Nicht-DBA-Fall: Bis einschließlich VZ 2008 waren Dividenden bei natürlichen Personen in Deutschland aufgrund des Halbeinkünfteverfahrens zur Hälfte steuerfrei. Ab 2009 kommt das Teileinkünfteverfahren, das Dividenden im Betriebsvermögen lediglich zu 40 % von der Steuer freistellt, zur Anwendung. Durch § 9 Nr. 7 GewStG i.V.m. § 8 Nr. 5 GewStG kann es in beiden Fällen zu einer vollständigen Freistellung von der Gewerbesteuer kommen. Bezüglich der Veräußerungsgewinne steht gem. Art. 13 Abs. 5 OECD-MA allein Deutschland das Besteuerungsrecht zu. Veräußerungsgewinne sind aufgrund von § 3 Nr. 40 Bst. a EStG i.V.m. § 7 GewStG in 2008 zur Hälfte und in 2009 zu 40 % von der Einkommensteuer und der Gewerbesteuer freigestellt.
3.2.2.2 Kapitalgesellschaft als Gesellschafter 3.2.2.2.1
Dividenden
Hält eine deutsche Kapitalgesellschaft eine Beteiligung von mindestens 25 % an einer ausländischen Körperschaft (Schachtelbeteiligung), wird die Quellensteuer abkommensrechtlich auf 5 % der Bruttodividende reduziert (Art. 10 Abs. 2 Bst. a OECD-MA). Bei einer niedrigeren Beteiligungsquote wird eine Quellensteuer von 15 % erhoben. Zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ist im Abkommensfall regelmäßig die Anrechnungsmethode für die ausländische Quellensteuer vorgesehen. Ist eine deutsche Kapitalgesellschaft bei einer Beteiligungsdauer von mindestens 12 Monaten zu mindestens 15 % (bis 2008) bzw. 10 % (ab 2009) ununterbrochen an einer EUansässigen Kapitalgesellschaft beteiligt, geht – auch im DBA-Fall – § 43b EStG (MutterTochter-Richtlinie) vor. In diesem Fall wird keine Quellensteuer erhoben. In Deutschland gilt die Steuerfreistellung der ausländischen Dividende gem. § 8b Abs. 1 KStG. Erneut ist auf die pauschale Regelung des § 8b Abs. 5 KStG hinzuweisen.
Beispiel
Direktinvestition in Form einer Tochterkapitalgesellschaft
281
Die US-amerikanische Wolverine Corp. (= AG) schüttet im Jahr 01 eine Dividende i.H.v. 150.000 € an die zu 100 % beteiligte deutsche Edel & Stark GmbH aus (Banküberweisung nach Abzug von 5 % Quellensteuer i.H.v. 142.500 €). An Finanzierungskosten in Zusammenhang mit dem Erwerb der Wolverine Corp. fielen der Edel & Stark GmbH 8.000 € an.
Lösung
Die Anteilseigner der Edel & Stark GmbH, Herr Felix Edel und Frau Sandra Stark, wollen den gesamten Betrag ausgeschüttet bekommen. 1. Ebene der Edel & Stark GmbH Der Jahresüberschuss der Edel & Stark GmbH beträgt 134.500 €. Dies ergibt sich durch die folgenden Buchungssätze: Per Bank 142.500 € Nabz. Betriebsausgabe 7.500 €
an
Erträge 150.000 €
Per Finanzierungskosten
an
Bank
8.000 €
8.000 €
Aufwendungen GuV der Edel & Stark GmbH Nabz. Betriebsausgabe 7.500 € Dividendenerträge Finanzierungskosten 8.000 € Jahresüberschuss 134.500 €
Erträge 150.000 €
Außerhalb der Bilanz sind folgende Anpassungen vorzunehmen:
+ ./. + =
Jahresüberschuss Nichtabzugsfähige Betriebsausgaben Steuerfreie Dividenden 5 % Betriebsausgabenabzugsverbot Zu versteuerndes Einkommen
+ ./. + =
134.500 € 7.500 € 150.000 € 7.500 € ./. 500 €
(§ 8b Abs. 1 KStG) (§ 8b Abs. 5 KStG)
Da die tatsächlich angefallenen Finanzierungskosten i.H.v. 8.000 € höher sind als der Pauschalierungsbetrag von 7.500 €, ist die Vorschrift des § 8b Abs. 5 KStG für die Edel & Stark GmbH vorteilhaft, da sie auf diese Weise steuerlich einen Verlust erwirtschaftet. 2. Ebene der Gesellschafter Felix Edel und Sandra Stark 2008: Gem. §§ 20 Abs. 1 Nr. 1, 3 Nr. 40 Bst. d EStG muss jeder Gesellschafter im Ausschüttungsfall 50 % von 134.500 €, davon die Hälfte, d.h. 33.625 €, mit seinem persönlichen Steuersatz versteuern.
282
Besteuerung der Gewinne aus einer ausländischen Tochterkapitalgesellschaft 2009: Die Besteuerung ab 2009 hängt davon ab, ob Felix Edel und Sandra Stark die GmbH-Anteile in ihrem Privat- oder Betriebsvermögen halten. Im Privatvermögen muss jeder Gesellschafter seinen Anteil an der Ausschüttung i.H.v. 67.250 € aufgrund § 32d EStG mit 25 % zzgl. SolZ versteuern. Die Einkommensteuer beträgt dann 16.812,50 €, der SolZ 924,69 €. Im Betriebsvermögen kommt gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Nr. 40 Bst. d EStG das Teileinkünfteverfahren zur Anwendung. Jeder Gesellschafter versteuert in diesem Fall 60 % seines Anteils (40.350 €) mit seinem persönlichen Steuersatz.
Zusammenfassend lassen sich die steuerlichen Regelungen für Kapitalgesellschaften wie folgt abbilden: Anteilseigner
Kapitalgesellschaft
Nicht-DBA
DBA
Höhe der ausländischen Quellensteuer
entsprechend den jeweiligen nationalen Bestimmungen
max. 5 % der BD bei mind. 25 %iger Beteiligung, sonst 15 %, Art. 10 Abs. 2 Bst. a bzw. Bst. b OECD-MA 0 % bei MTRl
Dividende im Inland
steuerfrei, § 8b Abs. 1 KStG, aber: 5 % der BD nichtabzugsfähige Betriebsausgabe, § 8b Abs. 5 KStG
steuerfrei, § 8b Abs. 1 KStG, aber: 5 % der BD nichtabzugsfähige Betriebsausgabe, § 8b Abs. 5 KStG
Berücksichtigung der ausländischen Quellensteuer in Deutschland
wegen Freistellung in Deutschland nicht möglich (irrelevant bei MTRl)
wegen Freistellung in Deutschland nicht möglich (irrelevant bei MTRl)
Deutsche Gewerbesteuer
Freistellung bei Mindestbeteil. von 15 % (§ 9 Nr. 7 GewStG i.V.m. § 8 Nr. 5 GewStG, volle Hinzurechnung)
Freistellung bei Mindestbeteil. von 15 % (§ 9 Nr. 7 GewStG i.V.m. § 8 Nr. 5 GewStG, volle Hinzurechnung)
Abbildung 71:
Besteuerung der Beteiligung eines deutschen Anteilseigners an einer ausländischen Kapitalgesellschaft (II)
Direktinvestition in Form einer Tochterkapitalgesellschaft
3.2.2.2.2
283
Veräußerungsgewinne
Veräußerungsgewinne, die aus dem Verkauf von Beteiligungen an ausländischen Kapitalgesellschaften resultieren, können im DBA-Fall nur im Wohnsitzstaat des veräußernden Gesellschafters besteuert werden (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA), d.h. in Deutschland. Als Schrankennorm mit abschließender Rechtsfolge wird daher eine Doppelbesteuerung bereits auf Ebene der Schrankennormen vermieden. In Deutschland gilt bei Veräußerungsgewinnen von Kapitalgesellschaften die 95 %ige Freistellung nach § 8b Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 KStG.
3.2.2.2.3
Gewerbesteuerliche Aspekte
Es gelten dieselben Regelungen wie im Nicht-DBA-Fall. Schachteldividenden und Veräußerungsgewinne unterliegen nicht der Gewerbesteuer (§ 8b Abs. 1 KStG i.V.m. §§ 7, 8 Nr. 5, 9 Nr. 7 GewStG und § 8b Abs. 2 KStG i.V.m. § 7 GewStG), wobei allerdings die Regelungen des § 8b Abs. 3 und Abs. 5 KStG über § 7 Satz 1 GewStG auch für die Gewerbesteuer bedeutsam sind.
3.3 Behandlung des Solidaritätszuschlags im Internationalen Steuerrecht Prinzipiell sind bei Zuschlagsteuern wie dem Solidaritätszuschlag steuerfreie Einkünfte nach § 3 Nr. 40 EStG bzw. § 8b KStG bei Ermittlung der Einkommensteuer zu berücksichtigen (§ 51a Abs. 2 EStG). Gem. § 3 Abs. 2 SolZG ist aber die gem. § 2 Abs. 6 EStG festzusetzende Einkommensteuer Bemessungsgrundlage für den Solidaritätszuschlag; die steuerfreien Beträge nach § 3 Nr. 40 EStG bzw. § 8b KStG sind also nicht in die Ermittlung einbezogen. Die Regelung des § 3 Abs. 2 SolZG hat als lex specialis Vorrang vor § 51a Abs. 2 EStG. Für die Berechnung des Solidaritätszuschlags ist x x
in 2008 das Halbeinkünfteverfahren und die Freistellung nach § 8b KStG und im Jahr 2009 der Abgeltungsteuersatz gem. § 32d EStG bzw. das Teileinkünfteverfahren und die Freistellung nach § 8b KStG
entsprechend zu berücksichtigen.
284
Behandlung des Solidaritätszuschlags im Internationalen Steuerrecht
Zur Verdeutlichung der Behandlung des Solidaritätszuschlags dienen die folgenden Übersichten, wobei zwischen natürlichen und juristischen Personen unterschieden wird. Für natürliche Personen wird die ab VZ 2009 geltende Rechtslage zugrunde gelegt: Empfänger Art der Einkünfte
Besteuerung
Berücksichtigung der im Ausland gezahlten Steuer
natürliche Personen Kapitalerträge im PV
Dividenden im BV
ohne / mit DBA Abgeltungsteuer gem. § 20 i.V.m. § 32d EStG
ohne / mit DBA Teileinkünfteverfahren gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG i.V.m. § 3 Nr. 40 Bst. d EStG
ohne DBA Besteuerung im Inland gem. § 15 Abs. 1 EStG
Anrechnungsmethode (Art. 23 B OECD-MA / § 34c EStG)
Anrechnungsmethode (Art. 23 B OECD-MA / § 34c EStG)
Anrechnungsmethode (§ 34c EStG)
veranlagte Einkünfte mit DBA Freistellung mit Progressionsvorbehalt gem. Art. 7 Abs. 1 Hs. 2 i.V.m. Art. 23 A OECD-MA keine Berücksichtigung, insbesondere keine Anrechnung
Gem. § 3 Abs. 2 SolZG ist die ESt Bemessungsgrundlage für den SolZ Solidaritätszuschlag folgt der Einkommensteuer
Auswirkungen auf den Solidaritätszuschlag
Kapitalerträge erhöhen die BMG, anrechenbare Steuern vermindern die BMG
Dividenden erhöhen die BMG zu 60 %, anrechenbare Steuern vermindern die BMG
Einkünfte erhöhen die BMG, anrechenbare Steuern vermindern die BMG
Ermittlung der tariflichen ESt unter Progressionsvorbehalt
Erhöhung oder keine Auswirkung auf die BMG
Erhöhung oder keine Auswirkung auf die BMG
Erhöhung oder keine Auswirkung auf die BMG
Erhöhung der BMG aufgrund des Progressionsvorbehaltes
Direktinvestition in Form einer Tochterkapitalgesellschaft Empfänger Art der Einkünfte
Besteuerung
Berücksichtigung der im Ausland gezahlten Steuer
285
Kapitalgesellschaften Dividenden
Nicht-Dividenden-Einkünfte
ohne / mit DBA
ohne DBA
mit DBA
Freistellung gem. § 8b Abs. 1 KStG aber pauschale Zurechnung gem. § 8b Abs. 5 KStG keine Berücksichtigung, insbesondere keine Anrechnung
Besteuerung im Inland gem. § 8 Abs. 1 KStG
Freistellung mit Progressionsvorbehalt gem. Art. 7 Abs. 1 Hs. 2 i.V.m. Art. 23 A OECD-MA
Anrechnungsmethode (§ 26 Abs. 1 KStG)
keine Berücksichtigung, insbesondere keine Anrechnung
Gem. § 3 Abs. 2 SolZG ist die KSt Bemessungsgrundlage für den SolZ Solidaritätszuschlag folgt der Körperschaftsteuer
Auswirkungen auf den Solidaritätszuschlag
Dividenden und ausländische Steuern haben keine Auswirkungen auf die Höhe der BMG, die pauschale Zurechnung erhöht die BMG
Einkünfte erhöhen die BMG, anrechenbare Steuern vermindern die BMG
Einkünfte und ausländische Steuern haben keine Auswirkung auf die Höhe der BMG
Erhöhung der BMG
Erhöhung oder keine Auswirkung auf die BMG
keine Auswirkung auf die BMG
286
Sonderfall: Inbound-Investition in eine deutsche Kapitalgesellschaft
3.4 Sonderfall: Inbound-Investition in eine deutsche Kapitalgesellschaft Da die Diskussion über die steuerliche Behandlung von Beteiligungen ausländischer Anteilseigner an inländischen Kapitalgesellschaften Kenntnisse über die Funktionsweise von DBA voraussetzt, erfolgt sie erst an dieser Stelle.
3.4.1 Ausländische natürliche Person als Gesellschafter 3.4.1.1 Dividenden Gewinnausschüttungen einer inländischen Kapitalgesellschaft an Anteilseigner, die im Inland weder über einen Wohnsitz noch über einen gewöhnlichen Aufenthalt verfügen, unterliegen nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 Bst. a EStG der beschränkten Steuerpflicht in Deutschland. Die Einkommensteuer gilt mit der einbehaltenen Kapitalertragsteuer i.H.v. 20 % (2008) bzw. 25 % (2009) jeweils zzgl. 5,5 % Solidaritätszuschlag (insgesamt 21,10 % bzw. 26,375 %) als abgegolten (§ 50 Abs. 2 Satz 1 EStG). Insofern findet keine Veranlagung statt. Im DBA-Fall ist das Besteuerungsrecht des Quellenstaates der Höhe nach begrenzt. Die Begrenzung richtet sich nach den mit dem anderen Staat abgeschlossenen Vereinbarungen. Nach Maßgabe des Art. 10 OECD-MA darf die Kapitalertragsteuer höchstens 15 % betragen. Im Abkommensfall darf kein Solidaritätszuschlag erhoben werden, da die Quellensteuerbelastung lt. DBA die Belastungs-Höchstgrenze darstellt. Die Quellensteuer auf Kapitaleinkünfte wird im Abzugswege erhoben. Der Kapitalertragsteuer liegen die Einnahmen (als Bruttobetrag) zugrunde; das Halb- oder Teileinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 EStG) gilt hier nicht. Quellensteuer ist also auf die volle Bruttodividende einzubehalten. Zur Klarstellung wird darauf hingewiesen, dass die Besteuerung auf Ebene des ausländischen Gesellschafters nach dem jeweiligen ausländischen Recht erfolgt.
Beispiel
Direktinvestition in Form einer Tochterkapitalgesellschaft
287
Gewinnausschüttung an eine ausländische natürliche Person Gesellschafter im NichtDBA-Staat 2008 Gewinn nach GewSt ./. KSt (15 %) ./. SolZ (5,5 %) Bruttodividende ./. KapESt (20 % / 25 % / 15 %) ./. SolZ (5,5 %)
./. ./. ./. ./.
Nettodividende
Gesellschafter im DBA-Staat
2009
100,00 15,00 0,83
100,00 15,00 0,83
84,17
84,17
16,83
21,04
./. ./.
100,00 15,00 0,83 84,17
./.
12,63
0,93
1,16
-,--
66,41
61,97
71,54
3.4.1.2 Veräußerungsgewinne Die Veräußerung eines Anteils an einer inländischen Kapitalgesellschaft durch einen Ausländer unterliegt in folgenden Fällen grundsätzlich der beschränkten Steuerpflicht im Inland: x Veräußerung einer qualifizierten Beteiligung aus dem Privatvermögen eines Gesellschafters i.S.d. § 17 EStG (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Bst. e EStG), x bis 2008: Privates Veräußerungsgeschäft i.S.d. § 22 Nr. 2, § 23 EStG (§ 49 Abs. 1 Nr. 8 EStG), ab 2009: Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 Abs. 2 EStG (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Bst. d EStG), x Veräußerung der Beteiligung an einer inländischen Kapitalgesellschaft, die im Betriebsvermögen der inländischen Betriebsstätte eines Steuerausländers gehalten wird (§ 49 Abs. 1 Nr. 2a EStG). Art. 13 OECD-MA weist das Besteuerungsrecht am Veräußerungsgewinn grundsätzlich dem Wohnsitz- bzw. Sitzstaat des Gesellschafters zu. Gehört die Beteiligung jedoch zu einer Betriebsstätte, so hat der Betriebsstättenstaat das Besteuerungsrecht. Damit ist üblicherweise im DBA-Fall der Besteuerungsanspruch Deutschlands auf Veräußerungsgewinne und -verluste im Rahmen einer inländischen Betriebsstätte beschränkt. Erzielt ein beschränkt Steuerpflichtiger in Deutschland einen Veräußerungsgewinn, gelten für ihn – abgesehen von den Sondervorschriften des § 50 EStG – die gleichen Vorschriften wie für unbeschränkt Steuerpflichtige. Bis 31.12.2008 unterlagen die Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an einer inländischen Kapitalgesellschaft dem Halbeinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 Bst. a EStG a.F.), sofern sie die Freigrenze i.H.v. 512 € (bis 2007) bzw. 600 € (ab 2008) überstiegen. Dieses wurde unabhängig davon angewandt, ob die Beteiligung zum Privat- oder Betriebsvermögen gehörte. Ab VZ 2009 muss zwi-
288
Sonderfall: Inbound-Investition in eine deutsche Kapitalgesellschaft
schen Anteilen im Privatvermögen und Anteilen im Betriebsvermögen unterschieden werden. Anteile, die dem Privatvermögen des Gesellschafters zugerechnet werden, unterliegen dem Abgeltungsteuersatz i.H.v. 25 % zzgl. SolZ. Dem Betriebsvermögen zugeordnete Anteile sowie Anteile i.S.d. § 17 EStG werden anhand des Teileinkünfteverfahrens zu 60 % besteuert. Unabhängig vom VZ kommt die isolierende Betrachtungsweise, die in § 49 Abs. 2 EStG normiert ist, zur Anwendung.
3.4.2 Ausländische Kapitalgesellschaft als Gesellschafter 3.4.2.1 Dividenden Bei ausländischen Kapitalgesellschaften als Gesellschafter gelten grundsätzlich die gleichen Regelungen wie bei natürlichen Personen als Gesellschafter. Zusätzlich sind folgende Sonderregelungen zu beachten: Sofern ein DBA vorliegt, reduziert sich der Quellensteuersatz auf 15 %; liegt eine Schachtelbeteiligung vor, beträgt im DBA-Fall die in Deutschland einbehaltene Kapitalertragsteuer lediglich 5 %. Bei Ausschüttungen an ausländische Kapitalgesellschaften, die in EUMitgliedsstaaten ansässig sind, ermäßigt sich die Quellensteuer nach § 43b EStG auf 0 %, sofern die Mutter-Tochter-Richtlinie Anwendung findet. Um die Quellensteuerreduktion lt. DBA auf 5 % oder gem. § 43b EStG auf 0 % zu erreichen, ist ein Erstattungsantrag (§ 50d Abs. 1 EStG) oder vorab ein (partieller) Freistellungsantrag (§ 50d Abs. 2 EStG) zu stellen. Eine Quellensteuerreduktion von Amts wegen ist grundsätzlich nicht vorgesehen. Liegt also kein Freistellungsbescheid im Zeitpunkt des Quellensteuerabzugs vor, muss zunächst zwingend der „reguläre“ Steuerabzug i.H.v. 21,10 % (2008) bzw. 26,375 % (2009) vorgenommen werden. Die Quellensteuer kann jedoch dann im Erstattungswege zurück erhalten werden. Zur Klarstellung soll wieder darauf hingewiesen werden, dass die Besteuerung auf Ebene des ausländischen Gesellschafters nach dem jeweiligen ausländischen Recht erfolgt; der in Deutschland geltende § 8b Abs. 1 KStG kommt im Ausland nicht zur Anwendung.
Beispiel
Direktinvestition in Form einer Tochterkapitalgesellschaft
289
Gewinnausschüttung an eine ausländische Kapitalgesellschaft, die keine Betriebsstätte in Deutschland unterhält SchachtelSchachtelbeteiligung Schachtelbeteiligung im beteiligung im im Nicht-DBA-Fall DBA-Fall EU-Fall Gewinn ./. KSt (15 %) ./. SolZ (5,5 %) = Bruttodividende ./. KapESt (20 % bzw. 25 % / 5 % / 0 %) ./. SolZ (5,5 %)
./. ./.
100,00 15,00 0,83
100,00 15,00 0,83
84,17
84,17
16,83
21,04
./. ./.
= Nettodividende *
./. ./.
100,00 15,00 ./. 0,83 ./.
100,00 15,00 0,83
84,17 ./.
84,17
4,21 ./.
0,00
0,93
1,16
-,--*
-,--*
66,41
61,97
79,96
84,17
§ 5 SolZG: Steuerbegrenzungen aufgrund eines DBA sind zuerst auf den SolZ anzuwenden.
Die abschließende Übersicht zeigt die Besteuerung von inländischen Dividenden ausländischer Anteilseigner.
Gewinnausschüttung
ausländische natürliche Person als Anteilseigner Nicht-DBA-Fall 9 Quellensteuer abgegolten durch KapESt i.H.v. 20 % (2008) bzw. 25 % (2009) zzgl. SolZ (§§ 43 ff. i.V.m. § 50 Abs. 2 EStG) DBA-Fall 9 Kapitalertragsteuer i.H.v. 15 % (Art. 10 Abs. 2 Bst. b OECD-MA) EU-Fall 9 Es gelten die DBA-Regelungen
Abbildung 72:
ausländische Kapitalgesellschaft als Anteilseigner
9 Dividendeneinkünfte unterliegen
KapESt -Abzug i.H.v. 20 % (2008) bzw. 25 % (2009) zzgl. SolZ (§§ 43 ff. i.V.m. § 50 Abs. 2 EStG)
9 Bei Schachtelbeteiligungen beträgt die Kapitalertragsteuer 5 % (Art. 10 Abs. 2 Bst. a OECD-MA)
9 Quellensteuer entfällt bei
Schachtelbeteiligungen (§ 43b EStG)
Grundzüge der Dividendenbesteuerung ausländischer Anteilseigner
290
Sonderfall: Inbound-Investition in eine deutsche Kapitalgesellschaft
3.4.2.2 Veräußerungsgewinne Bei ausländischen Kapitalgesellschaften als Gesellschafter gelten grundsätzlich die gleichen Regelungen wie bei natürlichen Personen als Gesellschafter, d.h. sie unterliegen nur in den in § 49 EStG genannten Fällen der beschränkten Steuerpflicht. Im Abkommensfall wird dem Sitzstaat der veräußernden Gesellschaft das alleinige Besteuerungsrecht zugewiesen. Zusätzlich sind folgende Sonderreglungen zu beachten: Gewinne aus der Veräußerung einer Beteiligung an einer inländischen Kapitalgesellschaft durch eine Kapitalgesellschaft sind nach § 8b Abs. 2 KStG i.V.m. § 8b Abs. 3 KStG zu 95 % steuerfrei gestellt. Es ist ferner rechtsunerheblich, ob sich die Anteile im Vermögen der in Deutschland unterhaltenen Betriebsstätte einer ausländischen Kapitalgesellschaft befinden oder ob die ausländische Kapitalgesellschaft mittelbar über eine inländische Personengesellschaft an der inländischen Kapitalgesellschaft beteiligt ist (§ 8b Abs. 6 KStG). Die inländische Besteuerung ausländischer Anteilseigner einer inländischen Kapitalgesellschaft im Falle der Veräußerung ihrer Beteiligung zeigt folgende Abbildung.
Veräußerung einer Beteiligung
durch eine ausländische natürliche Person
durch eine ausländische Kapitalgesellschaft
Nicht-DBA-Fall
9 bis 2008: Halbeinkünfteverfahren
9 Veräußerungsgewinn zu 95% steuerfrei
9 ab 2009: Anteile im Privatver-
9 Veräußerungsgewinn ist steuerfrei,
(§ 3 Nr. 40 Bst. a EStG a.F.), wenn Veräußerungsgewinn nach § 49 EStG beschränkt steuerplichtig vermögen: Abgeltungsteuer Anteile im Betriebsvermögen: Teileinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 Bst. a EStG)
(§ 8b Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 KStG), wenn Veräußerungsgewinn nach § 49 EStG beschränkt steuerpflichtig ist wenn Beteiligung der inländischen Betriebsstätte bzw. der inländischen Personengesellschaft einer ausländischen Kapitalgesellschaft zugerechnet wird (§ 8b Abs. 6 KStG)
DBA-Fall
9 Besteuerung im Wohnsitzstaat des Veräußerers (Art. 13 OECD-MA)
Abbildung 73:
9 Besteuerung im Wohnsitzstaat des Veräußerers (Art. 13 OECD-MA)
Grundzüge der Besteuerung ausländischer Anteilseigner bei Veräußerungen
Direktinvestition in Form einer Tochterkapitalgesellschaft
291
3.4.3 Gesellschafter-Fremdfinanzierung Grundsätzlich steht es dem Anteilseigner frei, seine Gesellschaft – über das handelsrechtliche Mindestkapital hinaus – mit Eigen- oder Fremdkapital auszustatten, sofern kein Missbrauch der Gestaltungsmöglichkeiten vorliegt. Der Gesetzgeber will jedoch verhindern, dass inländische Kapitalgesellschaften mit zu geringem Eigenkapital ausgestattet werden („thin capitalization“) und deren Gewinn durch hohe Fremdkapitalzinsen ins Ausland verlagert wird. Im Folgenden wird die Entwicklung der Gesetzgebung zur GesellschafterFremdfinanzierung von ihrer Einführung 1994 über die Neufassung im Jahr 2004 bis zur aktuellen Ausgestaltung in Form der Zinsschranke ab 2008 und deren Änderungen ab VZ 2010 dargestellt.
3.4.3.1 Einführung der thin-capitalization-rules im Jahr 1994 Um die Steuerbelastung in Deutschland aus KSt, GewSt, SolZ auf Ebene der Kapitalgesellschaft sowie KapESt und SolZ auf KapESt auf Ebene des Gesellschafters zu vermeiden, tendieren beschränkt steuerpflichtige Anteilseigner grundsätzlich dazu, ihre deutsche Kapitalgesellschaft überwiegend mit Fremdkapital statt mit Eigenkapital auszustatten. Zinszahlungen unterliegen – außer das Kapitalvermögen ist durch inländischen Grundbesitz gesichert (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Bst. c DBst. aa EStG) – nicht der beschränkten Steuerpflicht in Deutschland. Im Fall der Fremdfinanzierung entstehen in Deutschland keine bzw. nur geringe Steuereinnahmen. Der deutsche Fiskus profitiert damals wie heute lediglich über die gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Zinsen nach § 8 Nr. 1 Bst. a GewStG. Dies stellt nur einen Bruchteil der Steuereinnahmen dar, die Deutschland erzielen würde, wenn die inländischen Gewinne der Kapitalgesellschaft, die ohne überwiegende GesellschafterFremdfinanzierung entstünden, und deren Ausschüttung im Inland besteuert werden könnten. Aus diesem Grund hat Deutschland ab VZ 1994413 mit § 8a KStG eine gesetzliche Regelung zur Einschränkung der Fremdfinanzierung unbeschränkt steuerpflichtiger Kapitalgesellschaften durch ausländische Gesellschafter eingeführt. Die Rechtsfolge des § 8a KStG 1994 war die Umqualifizierung der Vergütungen für Fremdkapital, die an im Inland nicht veranlagte, wesentlich beteiligte Anteileigner gezahlt wurden, in eine verdeckte Gewinnausschüttung, wenn ein als zulässig festgelegter Fremdfinanzierungsrahmen überschritten wurde. Die Umqualifizierung erfolgte, indem der Betriebsausgabenabzug durch eine Hinzurechnung außerhalb der Bilanz wieder rückgängig gemacht wurde. Somit kam es in Deutschland zu einer Besteuerung der hinzugerechneten Beträge mit Körperschaftsteuer.
413
Vgl. Standortsicherungsgesetz v. 13.09.1993, BGBl. I 1993, S. 1569 ff.
292
Sonderfall: Inbound-Investition in eine deutsche Kapitalgesellschaft
In Fällen, in denen die Vergütung für das Fremdkapital nicht ins Ausland abgeflossen ist, sondern der darlehensgewährende Anteilseigner im Inland veranlagt wurde (§ 8a Abs. 1 Satz 2 KStG 1994), griff folglich § 8a KStG 1994 nicht. Es ergab sich somit eine unterschiedliche Behandlung von inländischen und ausländischen Anteilseignern, da ausschließlich für Vergütungen von Fremdkapital, die ins Ausland abgeflossen sind, eine Umqualifizierung vorgesehen war. Bei der Lankhorst-Hohorst GmbH, die von ihrer Muttergesellschaft, der niederländischen Lankhorst-Hohorst BV, ein festverzinsliches Darlehen erhalten hatte, nahm die Finanzverwaltung dementsprechend eine Umqualifizierung der Vergütungen für Fremdkapital gem. § 8a KStG 1994 vor. Die Lankhorst-Hohorst BV sah darin eine Diskriminierung ausländischer Anteilseigner und Muttergesellschaften, die im Widerspruch zur im EG-Vertrag normierten Niederlassungsfreiheit (Art. 43) gestanden hat und reichte im Jahr 2000 Klage gegen die Regelung des § 8a KStG 1994 beim EuGH ein. Der EuGH stellte in seinem Urteil vom 12.12.2002 fest, dass die Vorschrift des § 8a KStG 1994 „eine unterschiedliche Behandlung gebietsansässiger Tochtergesellschaften, je nachdem, ob ihre Muttergesellschaft ihren Sitz in Deutschland hat oder nicht“ 414, bewirkt hat. Die Ausübung der garantierten Niederlassungsfreiheit in Form der Gründung einer deutschen Tochtergesellschaft durch eine in einem anderen EU-Staat ansässige Gesellschaft wurde durch die Einschränkungen der Gesellschafter-Fremdfinanzierung weniger attraktiv. Die Regelung im Rahmen des § 8a KStG 1994 knüpfte generell an den Sitz der Muttergesellschaft an und verzichtete auf eine Prüfung der Steuerumgehungsabsicht im konkreten Einzelfall. Dadurch wurde eine unzulässige pauschale Missbrauchsvermutung impliziert. Dies hatte zur Folge, dass die Regelung des § 8a KStG 1994 zwar bestehen blieb, aber auf transnationale Sachverhalte innerhalb der EU in der bestehenden Formulierung keine Anwendung mehr finden durfte. Da im Rahmen der Umsetzung des Urteils von einer generellen Außerkraftsetzung abgesehen wurde, zahlreiche DBA aber ebenfalls einen Gleichbehandlungsgrundsatz enthalten, war für diese Fälle im Rahmen einer Einzelprüfung festzustellen, ob eine Anwendung des § 8a KStG 1994 weiterhin zulässig war.
3.4.3.2 Anpassung des § 8a KStG im Jahr 2004 Aufgrund der Europarechtswidrigkeit sah sich der Gesetzgeber gezwungen, eine Neuregelung zu finden, durch die keine Unterscheidung zwischen einem inländischen und einem ausländischen Anteilseigner vorgenommen wird. Im Rahmen der Verabschiedung des Korb-II-Gesetzes415 wurde § 8a KStG 1994 mit Wirkung ab VZ 2004 neu gefasst, um die geforderte Gleichbehandlung zu erreichen. Da die Finanzverwaltung eine Regelung zur
414
Vgl. Rs. LANKHORST-HOHORST, EuGH v. 12.12.2002, C-324/00, DB 2002, S. 2690, Rn. 27.
415
Vgl. Gesetz zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz vom 22.12.2003, BGBl. I 2003, S. 2840.
Direktinvestition in Form einer Tochterkapitalgesellschaft
293
Vermeidung einer übermäßigen Fremdfinanzierung einer Gesellschaft durch seinen Gesellschafter noch immer für erforderlich hielt, ist der Anwendungsbereich des § 8a KStG unter der Prämisse der Wettbewerbsneutralität und Gleichmäßigkeit auf inländische Gesellschaftskonstellationen ausgedehnt worden. Gleichzeitig wurden bisherige Ausweichgestaltungsmöglichkeiten unterbunden. Die bis dahin nur in Sonderfällen relevante Regelung wurde dadurch zu einer zentralen Vorschrift der Unternehmensbesteuerung, da nunmehr auch reine Inlandsfälle von der Regelung erfasst wurden.416 Sinn und Zweck des § 8a KStG a.F. war es weiterhin, eine Ausstattung mit Fremdkapital zu verhindern, die steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten ausgenutzt hat. Dies wurde erreicht, indem den Zinsaufwendungen nicht der steuerliche Abzug von der Bemessungsgrundlage verwehrt wurde, sondern in Höhe des als unangemessen angesehenen Zinsanteils eine verdeckte Gewinnausschüttung gem. § 8 Abs. 3 Nr. 2 KStG a.F. angenommen wurde. Auf diese Weise wurde der vorher (z.B. in Form von Zinszahlungen) geltend gemachte Betriebsausgabenabzug durch eine Hinzurechnung außerhalb der Bilanz wieder rückgängig gemacht. Folglich erhöhte sich die Bemessungsgrundlage der Körperschaft- und der Gewerbesteuer. Tatbestandsvoraussetzungen des § 8a KStG a.F. Führten Anteilseigner, die an einer Kapitalgesellschaft wesentlich beteiligt waren, dieser Fremdmittel zu, so galten die an sie gezahlten Vergütungen als vGA, wenn sie eine Freigrenze i.H.v. 250.000 € überschritten und den zulässigen Finanzierungsrahmen verlassen haben. Anteilseigner
§ 8a KStG a.F. galt für alle Anteilseigner, unabhängig davon, ob sie im Inland veranlagt waren oder nicht. Der Geltungsbereich der Vorschrift konnte auf einem Anteilseigner nahe stehende Personen i.S.d. § 1 Abs. 2 AStG ausgedehnt werden, sofern diese Vergütungen für Fremdkapital erhalten hatten. Die aus der Anwendung des § 8a KStG a.F. resultierende verdeckte Gewinnausschüttung konnte nur dem wesentlich beteiligten Anteilseigner zugerechnet werden. Gleichzeitig unterlagen die empfangenen Zinszahlungen aber bei der nahe stehenden Person der Besteuerung. Um eine Mehrfachbelastung zu verhindern, ist der das Fremdkapital gewährenden Gesellschaft der Vermögensvorteil in Form einer verdeckten Einlage des Gesellschafters zugeflossen. Bei dieser fielen damit die steuerpflichtigen Zinserträge weg, und es wurde die Situation hergestellt, als hätte der Anteilseigner der von ihm finanzierten Gesellschaft das Darlehen direkt gewährt.417
416
Vgl. BMF v. 15.07.2004, IV A 2 – S 2742a – 20/04, BStBl. I 2004, S. 593.
417
Vgl. BMF v. 15.07.2004, IV A 2 – S 2742a – 20/04, Tz. 12 - 14.
294
Sonderfall: Inbound-Investition in eine deutsche Kapitalgesellschaft
Beispiel
Darüber hinaus konnten die steuerlichen Folgen des § 8a KStG a.F. auch für konzernfremde Dritte eintreten, wenn diese im Bezug auf das überlassene Fremdkapital mit einer Rückgriffsmöglichkeit auf den Anteilseigner oder eine ihm nahe stehende Person ausgestattet waren. Als Dritter i.S.d. Vorschrift galt nur, wer nicht nahe stehende Person gewesen ist. Ein Kreditinstitut gewährt einer Kapitalgesellschaft ein Darlehen, das von Seiten der Gesellschafter mit einer Bürgschaft bzw. einer vergleichbaren Sicherheitsleistung (Garantieerklärung, Grundschuld) abgesichert ist, die im Fall der Zahlungsunfähigkeit einen Rückgriff ermöglicht.
Durch Einbeziehung fremder Dritter mit Rückgriffsmöglichkeit in den Regelungskreis der Vorschrift sollten Umgehungsgestaltungen vermieden werden, die sich wie folgt ergeben konnten: Der Anteilseigner gewährte der Körperschaft nicht selbst ein Darlehen, sondern hat eine Einlage bei einer Bank getätigt. Die Bank leitete die Einlage in Form eines Fremddarlehens an die zu finanzierende Kapitalgesellschaft weiter und hat die dafür gezahlten Zinsen anschließend dem Anteilseigner gutgeschrieben (sog. back-to-back-Finanzierung). Von Bedeutung war in diesem Fall, in welcher Höhe dem wesentlich beteiligten Anteilseigner oder einer diesem nahe stehenden Person unmittelbar oder mittelbar ein Vermögensvorteil zugeflossen war; nur auf diesen Betrag war eine Umqualifizierung anzuwenden. Die Umqualifizierung der Zinszahlungen an rückgriffsberechtigte Dritte in eine verdeckte Gewinnausschüttung i.S.d. § 8a Abs. 1 KStG a.F. wurde nicht angewandt, x
wenn dem Darlehen keine back-to-back Finanzierung zugrunde gelegen hat,
x
wenn die Kapitalgesellschaft den Nachweis dieser Voraussetzungen erbracht hat.
Kapitalgesellschaft
Die Regelung erstreckte sich auf eine wesentliche Beteiligung des Anteilseigners am Grund- oder Stammkapital einer Kapitalgesellschaft, insbesondere einer AG, GmbH oder KGaA. Von VZ 2004 bis einschließlich VZ 2007 waren neben unbeschränkt steuerpflichtigen auch beschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften mit ihren im Inland erwirtschafteten Einkünften eingeschlossen. Es war daher nicht mehr maßgeblich, dass sich der Sitz (§ 11 AO) bzw. die Geschäftsleitung (§ 10 AO) einer Kapitalgesellschaft im Inland befand – es reichte aus, wenn im Inland steuerpflichtige Einkünfte erzielt wurden (§ 2 Nr. 1 KStG i.V.m. § 49 EStG). Aufgrund anderer Gesellschaftsformen im Ausland bestand in letzterem Fall die Notwendigkeit, einen Typenvergleich durchzuführen, in dem festzustellen war, ob die Gesellschaft den Kriterien einer deutschen Kapitalgesellschaft i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG genügte. Andere unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtige Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die die Merkmale des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG nicht aufwiesen, fielen nicht unter § 8a KStG a.F.
Direktinvestition in Form einer Tochterkapitalgesellschaft
295
Wesentliche Beteiligung
Damit von einer Einflussnahme auf die steuerlichen Unternehmensentscheidungen ausgegangen werden konnte, war es erforderlich, dass ein Anteilseigner wesentlich an seinem Unternehmen beteiligt war. Eine wesentliche Beteiligung lag nach § 8a Abs. 3 KStG a.F. vor, wenn der Anteilseigner am Grund- und Stammkapital der Kapitalgesellschaft unmittelbar oder mittelbar, d.h. auch über eine Personengesellschaft, zu mehr als 25 % beteiligt war. Dabei reichte es aus, wenn diese Grenze einmal im Wirtschaftsjahr überschritten wurde. Umschichtungen in Form von Beteiligungskäufen und -verkäufen wurden berücksichtigt und führten nicht zu einer Umgehung der Umqualifizierung. Eine wesentliche Beteiligung konnte aber auch vorliegen, falls ein Gesellschafter, der für sich betrachtet zwar nicht wesentlich beteiligt war, mit anderen Gesellschaftern einen beherrschenden Einfluss auf die Kapitalgesellschaft ausüben konnte. Fremdmittel
Gegenstand der Bestimmung waren Vergütungen für langfristiges Fremdkapital, das ein Anteilseigner einer Körperschaft zugeführt hatte (§ 8a Abs. 1 Satz 1 KStG a.F.). Jegliches nicht nur kurzfristig erhaltenes Fremdkapital wurde von § 8a KStG a.F. erfasst, denn nach dem Sinn und Zweck sollte nur Fremdkapital berücksichtigt werden, dass die Funktion von Eigenkapital eingenommen hat. Kurzfristige Kredite, z.B. zur überbrückenden Liquiditätssicherung mit einer maximalen Laufzeit von sechs Monaten, sowie die Zuführung von Sachkapital, z.B. in Form von Leasing-, Pacht- oder Lizenzüberlassung, unterlagen daher nicht dem Regelungsbereich des § 8a KStG a.F. Freigrenze für Zinszahlungen
§ 8a Abs. 1 Satz 1 KStG a.F. enthielt aus Gründen der Praktikabilität, der Verwaltungsvereinfachung und der Entlastung mittelständischer Unternehmen eine Freigrenze von 250.000 €, bis zu der, unabhängig von der Art der Vergütung und der EigenkapitalFremdkapital-Relation, keine Umqualifizierung der Zinszahlungen vorgesehen war. Es handelte sich hierbei um eine Freigrenze, nicht um einen Freibetrag, d.h. bei Überschreiten war die Regelung auf den vollen Betrag anzuwenden. Diese Freigrenze war gesellschaftsbezogen und galt nicht für jeden einzelnen Teilhaber. Somit war bei Beteiligung mehrerer Anteilseigner die Summe der angefallenen Zinszahlungen an wesentlich beteiligte Gesellschafter zu berücksichtigen. Andererseits konnte die Freigrenze bei Beteiligung eines Anteilseigners an weiteren Gesellschaften mehrfach ausgeschöpft werden. Zulässiger Fremdfinanzierungsrahmen (safe haven)
Die Systematik des § 8a KStG a.F. knüpfte an zulässige Relationen zwischen Gesellschafter-Fremdkapital und anteiligem Eigenkapital des Gesellschafters an. Bei Überschreiten des sog. safe havens wurden die Vergütungen für Fremdkapital steuerlich nicht anerkannt und in eine verdeckte Gewinnausschüttung umqualifiziert.
296
Sonderfall: Inbound-Investition in eine deutsche Kapitalgesellschaft
Gewinn- und umsatzabhängige Vergütungen – beispielsweise eine stille Beteiligung, partiarische Darlehen oder Genussrechtskapital – führten in jedem Fall und in voller Höhe zu einer verdeckten Gewinnausschüttung (§ 8a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG a.F.). Die Möglichkeit eines Gegenbeweises bestand nicht, da gewinnabhängiges Fremdkapital eine größere Nähe zum Eigenkapital aufweist und daher eine stärkere Vermutung des Missbrauchs vorliegt.
Für Vergütungen in Form eines festen Zinssatzes bestimmte § 8a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG a.F., bis zu welchem Umfang das Verhältnis zwischen Eigenkapital und Fremdkapital keine Umqualifizierung der Vergütung ausgelöst hat. Grundsätzlich galten Zinszahlungen an einen Anteilseigner als verdeckte Gewinnausschüttung, soweit das ihm zuzurechnende Fremdkapital zu einem Zeitpunkt des Wirtschaftsjahrs das Eineinhalbfache des anteiligen Eigenkapitals des Anteilseigners überstiegen hat, d.h. eine Umgehung der Regelung durch ein kurzfristiges Unterschreiten der safe haven-Grenze – z.B. durch eine Sondertilgung zum Jahresende – war nicht möglich.
safe haven eines Gesellschafters
=
anteiliges Fremdkapital anteiliges Eigenkapital
=
1,5 1
Die Ermittlung des anteiligen Eigenkapitals erfolgte nach § 8a Abs. 2 KStG a.F. Ausgangspunkt war das handelsbilanzielle Eigenkapital der Kapitalgesellschaft zum Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs.
./. + + / ./. + / ./. + ./. =
Gezeichnetes Kapital ausstehende Einlagen Kapital- und Gewinnrücklage Gewinnvortrag/Verlustvortrag Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag 50 % des Sonderpostens mit Rücklageanteil Buchwert der Beteiligungen an Kapitalgesellschaften Eigenkapital der Kapitalgesellschaft
Das anteilige Eigenkapital ermittelte sich aus der Anwendung der Beteiligungsquote des Anteilseigners auf das Eigenkapital der Kapitalgesellschaft. Bei Holdinggesellschaften war keine Kürzung des Eigenkapitals um den Buchwert der Beteiligungen an Kapitalgesellschaften vorzunehmen (§ 8a Abs. 4 Satz 1 KStG a.F.). An die Stelle des Buchwerts der Beteiligungen an einer Personengesellschaft traten die anteiligen Buchwerte der Vermögensgegenstände der Personengesellschaft (§ 8a Abs. 2 Satz 3 KStG a.F.).
Direktinvestition in Form einer Tochterkapitalgesellschaft
297
Konnte jedoch der Nachweis erbracht werden, dass die Kapitalgesellschaft dieses Fremdkapital bei sonst gleichen Umständen auch von einem fremden Dritten erhalten hätte, so wurde die Behandlung der Vergütungen als verdeckte Gewinnausschüttung vermieden (sog. Drittvergleich). Gleiches galt, wenn die Gesellschaft nachweisen konnte, dass es sich um eine Mittelaufnahme zur Finanzierung banküblicher Geschäfte gehandelt hat.
Beispiel
Der in Großbritannien veranlagte Marty und der in Deutschland veranlagte Alex sind zu je 50 % an der in Deutschland unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtigen NY GmbH beteiligt. Das anteilige Eigenkapital der beiden an der Gesellschaft beträgt jeweils 500.000 €. Gegen einen angemessenen Zinssatz von 10 % gewährt Marty der Gesellschaft im VZ 2007 ein Darlehen i.H.v. 1.750.000 €. Im selben VZ stellt auch Alex zu gleichen Konditionen 2.000.000 € zur Verfügung.
Lösung
Eine Privilegierung von Holdinggesellschaften war in den Vorschriften des § 8a KStG a.F. nicht vorgesehen. Für sie betrug der safe haven für Fremdkapitalgewährungen ebenfalls das Eineinhalbfache des anteiligen Eigenkapitals.
Da die Freigrenze von 250.000 € gesellschaftsbezogen anzuwenden ist, sind die erfolgten Zinszahlungen zu addieren. Der Zinsaufwand der Gesellschaft beträgt 375.000 € und überschreitet somit die gewährte Freigrenze. Dies hat zur Folge, dass die Vergütungen in voller Höhe der Regelung des § 8a KStG a.F. unterliegen. Das Fremdkapital übersteigt das jeweilige anteilige Eigenkapital um mehr als das Doppelte. Der safe haven beträgt jedoch in beiden Fällen lediglich 1,5 x 500.000 € = 750.000 €. Bei dem ausländischen Anteilseigener Marty müssen die auf den übersteigenden Mehrbetrag i.H.v. 1.000.000 € (1.750.000 € ./. 750.000 €) gezahlten Vergütungen nach § 8a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG a.F. i.H.v. 10 % von 1.000.000 € = 100.000 € in eine verdeckte Gewinnausschüttung umqualifiziert werden. § 8a KStG a.F. war auch für inländische Anteilseigner und damit auch für Alex relevant. Bei ihm wird der zulässige safe haven um 1.250.000 € (2.000.000 € ./. 750.000 €) überschritten; dies hat zur Folge, dass die dafür gezahlten Zinsen i.H.v. 10 % von 1.250.000 € = 125.000 € auch bei ihm in eine verdeckte Gewinnausschüttung umqualifiziert werden.
Merke:
§ 8a KStG a.F. war auf alle Anteilseigner anzuwenden und stellte eine Gleichbehandlung von Steuerin- und -ausländern her.
298
Sonderfall: Inbound-Investition in eine deutsche Kapitalgesellschaft Tatbestandsvoraussetzungen des § 8a KStG a.F.:
Sachlich
x x x x
Zeitlich
x x x x
Personell
In- und ausländische Anteilseigner, ihnen nahe stehende Personen oder konzernfremde Dritte mit Rückgriffsmöglichkeit. Mittelbar oder unmittelbar wesentlich (> 25 % ) an einer Kapitalgesellschaft beteiligt, Zuführung von Fremdmitteln, Freigrenze von 250.000 € je Gesellschaft, Ausnahme des safe haven. Anwendung von VZ 2004 bis einschließlich VZ 2007.
Rechtsfolge des § 8a KStG a.F. Vergütungen für das schädliche Fremdkapital wurden nach § 8a Abs. 1 KStG a.F. in verdeckte Gewinnausschüttungen umqualifiziert, wenn sie über die gewährte Freigrenze hinausgingen und soweit diese den safe haven überstiegen haben. Die Umqualifizierung bezog sich nur auf die Vergütungen. Das Fremdkapital selbst wurde nicht umqualifiziert.
Zu beachten war, dass die allgemeinen Grundsätze der verdeckten Gewinnausschüttung nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG Vorrang vor § 8a KStG a.F. hatten. Erhielt der Gesellschafter für das überlassene Kapital eine überhöhte Vergütung, war der Teil der Vergütung, der das angemessene Zinsniveau überstiegen hat, nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG in eine verdeckte Gewinnausschüttung umzuqualifizieren.418 Eine Umqualifizierung nach § 8a KStG a.F. wurde nur für „angemessene“ Vergütungen vorgenommen, soweit sie den safe haven überschritten haben. Rechtsfolge auf der Ebene der Gesellschaft
Die Korrekturen wurden wie bei jeder verdeckten Gewinnausschüttung i.S.d. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG durch eine Hinzurechnung außerhalb der Bilanz vorgenommen. Die hinzugerechneten Beträge unterlagen nicht nur der Besteuerung auf der körperschaftsteuerlichen Ebene, sondern wurden auch in vollem Umfang mit Gewerbesteuer belastet. Rechtsfolge auf der Ebene des Anteileigners
Die Rechtsfolge auf der Ebene der Gesellschaft wurde auf der Ebene der Anteilseigner von Kapitalgesellschaften konsequent fortgeführt. Bei wesentlich beteiligten Anteilseignern wurden demnach die umqualifizierten Vergütungen in der Regel ebenso wie „normale“ Gewinnausschüttungen als Einkünfte i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG behandelt. Dies bedeutete, dass bei einer natürlichen Person als Empfänger das bis einschließlich 2008 gültige Halbeinkünfteverfahren gem. § 3 Nr. 40 EStG a.F. und bei einer juristischen Person als Empfänger § 8b Abs. 1 KStG anzuwenden
418
Vgl. BMF v. 15.12.1994, IV B 7 – S 2742a – 63/94, BStBl. I 1995, S. 25.
Direktinvestition in Form einer Tochterkapitalgesellschaft
299
war. Gleichfalls waren § 8b Abs. 5 KStG sowie § 3c EStG a.F. relevant.419 Für Zwecke der Gewerbesteuer musste auf der Ebene des empfangenden Anteileigners die Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 2a GewStG beachtet werden.420 Die Begünstigungen (Halbeinkünfteverfahren oder 95 % Freistellung) wurden jedoch gem. § 3 Nr. 40 Satz 1 Bst. d EStG a.F. und § 8b Abs. 1 Sätze 2 bis 4 KStG a.F. versagt, sofern die verdeckte Gewinnausschüttung den zu versteuernden Gewinn der Gesellschaft gemindert und nicht gleichzeitig das Einkommen einer dem Gesellschafter nahestehenden Person erhöht hat. Behandlung von Personengesellschaften durch § 8a KStG a.F. § 8a Abs. 5 KStG a.F. verhinderte Umgehungsstrukturen, bei denen eine Kapitalgesellschaft nicht direkt von ihrem Gesellschafter finanziert wurde, sondern die Darlehensgewährung und der entsprechende Fremdkapitalaufwand auf eine Personengesellschaft verlagert wurde, an der die Kapitalgesellschaft beteiligt war. Im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung bei der Personengesellschaft wurde der Zinsaufwand in die Kapitalgesellschaft geschleust.
Für sog. nachgeschaltete Personengesellschaften war § 8a Abs. 5 KStG a.F. einschlägig. Hierzu zählten Personengesellschaften, denen von einem wesentlich beteiligten Anteilseigner der Kapitalgesellschaft, von einer nahe stehenden Person oder von einem rückgriffsberechtigten Dritten Fremdkapital gewährt wurde. Das vom Anteilseigner an die nachgeschaltete Personengesellschaft gewährte Fremdkapital galt in diesen Fällen als der Kapitalgesellschaft überlassen. Dabei hatte eine Prüfung der Voraussetzungen auf Ebene der Kapitalgesellschaft stattzufinden, ein evtl. Drittvergleich jedoch bei der Personengesellschaft.
419
Vgl. BMF v. 15.07.2004, IV A 2 – S 2742a – 20/04, BStBl. I 2004, S. 593.
420
Beachte: Bis einschließlich VZ 2007 galt das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg schon ab einer Beteiligungshöhe von mindestens 10 %.
300
Sonderfall: Inbound-Investition in eine deutsche Kapitalgesellschaft
tatsächliche Zinszahlung fiktive Zinszahlung § 8a Abs. 5 KStG a.F.
Anteilseigner
Beteiligung > 25%
Mitunternehmeranteil GmbH
GmbH & Co. KG
fiktive Darlehensüberlassung § 8a Abs. 5 KStG a.F. tatsächliches Darlehensverhältnis
Abbildung 74:
Nachgeschaltete Personengesellschaften421
Weiterhin nicht erfasst wurden einer Kapitalgesellschaft vorgeschaltete Personengesellschaften, die von einem ihrer Mitunternehmer Fremdkapital zur Verfügung gestellt bekommen und dieses dann als Eigenkapital an die Kapitalgesellschaft weitergeleitet haben.
3.4.3.3 Einführung der Zinsschranke im Jahr 2008 Der Gesetzgeber hat mit Verabschiedung des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008422 die Vorschrift des § 4h in das EStG eingeführt. Die sog. Zinsschranke mit Geltung für sämtliche Rechtsformen hat zum Ziel, einem als übermäßig empfundenen Teil der Zinsaufwendungen die steuerliche Geltendmachung als Betriebsausgabe zu verwehren. Durch diese Gesetzesverschärfung verhindert der Gesetzgeber zum einen steuerliche Gestaltungsmaßnahmen zur Umgehung der bisherigen Regelungen. Zum anderen wird teilweise eine Gegenfinanzierung der im selben Gesetz beschlossenen Tarifsenkung der Körperschaftsteuer von 25 % auf 15 % erreicht. Für Körperschaften gelten zusätzlich die neu gefassten Regelungen zur Gesellschafter-Fremdfinanzierung des § 8a KStG.423
421
In Anlehnung an Dötsch, E./ Pung, A., Die Neuerungen bei der Körperschaftsteuer und bei der Gewerbesteuer durch das Steuergesetzgebungspaket vom Dezember 2003, DB 2004, S. 98.
422
Vgl. Unternehmensteuerreformgesetz 2008 (UntStRefG 2008) v. 14.08.2007, BGBl. I 2007, S. 1912.
423
Ihre Auffassung zu § 4h EStG und § 8a KStG hat die Finanzverwaltung in einem BMF-Schreiben ausgeführt; vgl. BMF v. 04.07.2008, IV C 7 - S 2742–a/07/10001.
Direktinvestition in Form einer Tochterkapitalgesellschaft
301
Allerdings stellte sich die durch das Unternehmenssteuerreformgesetz 2008 eingeführte Vorschrift des § 4h EStG in schlechten wirtschaftlichen Zeiten zum Teil als krisenverschärfend heraus. Vor dem Hintergrund der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise wurde die Zinsschrankenregelung deshalb überarbeitet. Das am 18.12.2009 im Bundesrat beschlossene Wachstumsbeschleunigungsgesetz424, das verschiedene Maßnahmen zum Abbau von Wachstumshindernissen vorsieht, beinhaltet eine Abmilderung der Zinsschranke. Die krisenentschärfenden Änderungen treten grundsätzlich ab 01.01.2010 in Kraft und umfassen konkret: Die dauerhafte Einführung einer erhöhten Freigrenze i.H.v. 3 Mio. €, die Einführung eines EBITDA-Vortrags und die Verbesserung der Möglichkeit zum Eigenkapitalquotenvergleich. Auf diese Neuregelungen wird im Folgenden an den entsprechenden Stellen eingegangen. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 4h EStG Personelle Tatbestandsvoraussetzungen Die Anwendung der Zinsschrankenregelung i.S.d. § 4h EStG setzt voraus, dass die Zinsen im Rahmen eines Betriebes aufgewendet werden. Eine Definition des Begriffs „Betrieb“ ist in § 4h EStG nicht enthalten. Es ist unstrittig, dass von diesem Kriterium neben Kapitalgesellschaften auch Einzel- und Personenunternehmen erfasst werden. Auf diese Weise wird im Vergleich zu § 8a KStG a.F. ein erweiterter Personenkreis in den Geltungsbereich der Vorschrift einbezogen.425
Auch der Umfang der relevanten Zinsaufwendungen wurde ausgedehnt. § 4h EStG ist unabhängig von der Person des Gläubigers auf alle Zinsaufwendungen eines Betriebes anzuwenden. Die vormalige Beschränkung auf Anteilseigner, ihnen nahe stehende Personen und Dritte mit Rückgriffsmöglichkeit ist entfallen. Sachliche Tatbestandsvoraussetzungen
Nach der Gesetzesbegründung zum Unternehmensteuerreformgesetz 2008 werden von den Bestimmungen der Zinsschranke Aufwand und Ertrag aus der zeitlich befristeten Überlassung von Geldmittel erfasst.426 Demnach sind Miet-, Leasing- und Lizenzentgelte für Zwecke der Zinsschranke nicht relevant. Jedoch schließt § 4h Abs. 3 Satz 4 EStG erfolgswirksame Beträge aus der Auf- und Abzinsung von Verbindlichkeiten und Kapitalforderungen (Disagio oder Damnum) ein.
424
Vgl. Gesetz zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums (Wachstumsbeschleunigungsgesetz) v. 22.12.2009, BGBl. I 2009, S. 3950.
425
Vgl. Schultz-Aßberg, I., in: Preißer, M./ von Rönn, M./ Schultz-Aßberg, I. (Hrsg.), Unternehmensteuerreform 2008, Freiburg Berlin München 2007, S. 58; Köhler, S., in: Ernst&Young/ BDI (Hrsg.), Die Unternehmensteuerreform 2008, Bonn 2007, S. 111.
426
Vgl. Begründung zum Entwurf eines Unternehmensteuerreformgesetzes 2008, BT-Drs. 16/4841, S. 49.
302
Sonderfall: Inbound-Investition in eine deutsche Kapitalgesellschaft
§ 4h Abs. 3 Satz 2 EStG definiert Zinsaufwendungen als „Vergütungen für Fremdkapital, die den maßgeblichen Gewinn gemindert haben“. Folglich sind nicht abzugsfähige Zinsen für die Anwendung der Zinsschranke unbeachtlich. Bei einer Kapitalgesellschaft sind dies: x Zinsen im Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen gem. § 3c Abs. 1 EStG, x Zinsen, die aus Überentnahmen nach § 4 Abs. 4a EStG resultieren, x Zinsaufwand einer Personengesellschaft, der beim Gesellschafter zu Sonderbetriebseinnahmen gem. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG führt, x Zinsen, die nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG als verdeckte Gewinnausschüttung gelten, x Zinsen auf hinterzogene Steuern gem. § 235 AO i.V.m. § 4 Abs. 5 Nr. 8a EStG. Ebenso fallen auch Zinsen nach § 233 ff. AO, Boni und Skonti nicht in den Anwendungsbereich des § 4h EStG.427 Zeitliche Tatbestandsvoraussetzungen
Die Zinsschrankenregelung wird gem. § 52 Abs. 12d EStG erstmalig auf Wirtschaftsjahre angewendet, die nach dem 25.05.2007 begonnen und nicht vor dem 01.01.2008 geendet haben. Bei Übereinstimmung von Wirtschafts- und Kalenderjahr ist § 4h EStG somit erstmals für das Wirtschaftjahr 2008 relevant. Darüber hinaus sind die abmildernden Neuregelungen durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz grundsätzlich erstmals für Wirtschaftjahre anzuwenden, die nach dem 31.12.2009 enden.428 Tatbestandsvoraussetzungen der Zinsschranke:
Personell Sachlich
Zeitlich
x x x x x x x
Vorliegen eines Betriebes, Unabhängigkeit von der Person des Gläubigers. Vorübergehende Überlassung von Geldmittel, Abzugsfähigkeit der Zinsaufwendungen, Keine Zinsen nach § 233 AO, Skonti oder Boni. Erstmalige Anwendung der Zinsschranke: WJ mit Beginn nach dem 25.05.2007 und Ende nach dem 31.12.2007. Erstmalige Anwendung der Neuregelungen: Grundsätzlich WJ, die nach dem 31.12.2009 enden.
427
Vgl. Begründung zum Entwurf eines Unternehmensteuerreformgesetzes 2008, BT-Drs. 16/4841, S. 49.
428
Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums (Wachstumsbeschleunigungsgesetz), BT.-Drs. 17/15, S. 5.
Direktinvestition in Form einer Tochterkapitalgesellschaft
303
Beispiel
Grundsätzliche Rechtsfolge des § 4h EStG Einführendes Beispiel An der konzernfreien deutschen Scrooge and Marley GmbH sind die Gesellschafter Ebenezer Scrooge und Jacob Marley zu jeweils 50 % beteiligt. Jacob Marley hat der Scrooge and Marley GmbH ein Darlehen gewährt, für das ihm jährlich 8 Mio. € Zinsen gezahlt werden. Im Jahr 2010 weist die Scrooge and Marley GmbH ein steuerliches EBITDA von 20 Mio. € aus. Es stellt sich die Frage, in welcher Höhe die Scrooge and Marley GmbH ihre Zinsaufwendungen im Jahr 2010 abziehen kann.
Die Berücksichtigung von Zinsaufwendungen bei Kapitalgesellschaften erfolgt gemäß dem in § 8a Abs. 1 KStG i.V.m. § 4h Abs. 1 EStG normierten Grundsatz. Bis VZ 2009 waren Zinsaufwendungen bis zur Höhe der Zinserträge ohne Einschränkungen abzugsfähig. Ein verbleibender Nettozinsaufwand, der sich durch Saldierung der Zinserträge von den Zinsaufwendungen ergab, konnte bis zur Höhe von 30 % des steuerlichen EBITDA abgezogen werden. Die Berücksichtigung der restlichen Zinsaufwendungen erfolgte durch Zinsvortrag in die kommenden Wirtschaftsjahre.
Beispiel
§ 4h Abs. 1 EStG wurde im Rahmen des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes neu gefasst. Zunächst sind die Änderungen nur verbaler Art. Auch die ab VZ 2010 geltende Fassung der Vorschrift besagt, dass Zinsaufwendungen grundsätzlich bis zur Höhe der Zinserträge uneingeschränkt abzugsfähig sind. Übersteigen die Zinsaufwendungen die Zinserträge, wird der übersteigende Betrag zusätzlich bis zur Höhe des verrechenbaren EBITDA steuermindernd berücksichtigt. Dabei entspricht das verrechenbare EBITDA 30 % des steuerlichen EBITDA. Im aktuellen Wirtschaftsjahr nicht abziehbare Zinsaufwendungen sind in die folgenden Wirtschaftsjahre vorzutragen und können dann, wenn die Voraussetzungen der Zinsschranke vorliegen, geltend gemacht werden. Somit führt die Zinsschranke grundsätzlich zu einem temporären Betriebsausgabenabzugsverbot. Fortführung des Beispiels Gemäß § 4h Abs. 1 Satz 1 sind Zinsaufwendungen i.H.d. Zinsertrags und zusätzlich bis zur Höhe des verrechenbaren EBITDA abzugsfähig. Da in diesem Beispiel keine Zinserträge existieren, stellt das verrechenbare EBITDA den maximal abzugsfähigen Zinsaufwand dar. Das verrechenbare EBITDA entspricht 30 % des steuerlichen EBITDA und beträgt somit 6 Mio. €. Damit kann die Scrooge and Marley GmbH im Jahr 2010 Zinsaufwendungen i.H.v. 6 Mio. € abziehen. Die nicht abzugsfähigen Zinsaufwendungen i.H.v. (8 Mio. € ./. 6 Mio. € =) 2 Mio. € werden in das Jahr 2011 vorgetragen.
Die Rechtsfolgen des § 4h EStG betreffen dabei lediglich die zinszahlende Gesellschaft. Auf Ebene des die Zinszahlung empfangenden Rechtsträgers ergeben sich dagegen keiner-
304
Sonderfall: Inbound-Investition in eine deutsche Kapitalgesellschaft
lei Auswirkungen bzw. Umqualifizierungen durch die Zinsschranke; insbesondere kommt es nicht zur Fiktion einer verdeckten Gewinnausschüttung.429 Merke: Im Gegensatz zu § 8a KStG a.F. kommt es im Geltungsbereich der Zinsschranke auf der Ebene des Anteilseigners nicht zu einer Umqualifizierung der Zinszahlungen in eine Gewinnausschüttung.430
Problematisch an den Regelungen zur Zinsschranke ist, dass Unternehmen vor allem in Krisenzeiten mit einem sinkenden steuerlichen EBITDA konfrontiert werden und aus diesem Grund oftmals hohe Zinsvorträge aufweisen. Um dieses Problem abzumildern, führte der Gesetzgeber vor dem Hintergrund der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise einen sog. EBITDA-Vortrag in das Gesetz ein. Dieser bewirkt, dass der die um die Zinserträge geminderten Zinsaufwendungen (sog. verbleibender Nettozinsaufwand) übersteigende Betrag des verrechenbaren EBITDA in die folgenden fünf Wirtschaftsjahre vorgetragen wird.431 Ermittlung des steuerlichen EBITDA Ursprünglich sollte ein verbleibender Nettozinsaufwand lediglich im Umfang von 30 % des steuerlichen EBIT berücksichtigt werden. Erst auf Betreiben des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages wurde das EBITDA als maßgebliche Größe in die Vorschrift zur Zinsschranke aufgenommen.432 Während die Korrektur des steuerlichen Gewinns um Zinsen und Steuern die Verhinderung eines Zirkelschlusses zum Ziel hat, verfolgt die Nichtbeachtung von Ab- und Zuschreibungen gemäß der Begründung des Finanzausschusses den Zweck, Anreize für Anlageinvestitionen zu setzen.433 Das EBITDA wird wie folgt definiert:
429
Vgl. Köhler, S., Erste Gedanken zur Zinsschranke nach der Unternehmensteuerreform, DStR 2007, S. 597.
430
Vgl. Köhler, S., in: Ernst&Young/ BDI (Hrsg.), Die Unternehmensteuerreform 2008, Bonn 2007, S. 107.
431
Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums (Wachstumsbeschleunigungsgesetz), BT-Drs. 17/15, S. 1, 4.
432
Vgl. Beschlussempfehlung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages zum Entwurf eines Unternehmensteuerreformgesetzes 2008, BT-Drs. 16/5452, S. 10.
433
Vgl. Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages zum Entwurf eines Unternehmensteuerreformgesetzes 2008, BT-Drs. 16/5491, S. 17.
305
Direktinvestition in Form einer Tochterkapitalgesellschaft
E
Earnings
steuerlicher Gewinn
B
Before
vor
I
Interest
Zinsen
T
Taxes
Steuern
D
Depreciation
AfA auf imm. VG
A
Amortization AfA auf Sachanlagen
Abbildung 75:
Hintergrund der Hinzurechnung zum Gewinn:
Vermeidung Zirkelschluss Vermeidung Zirkelschluss Investitionsförderung Investitionsförderung
Definition des EBITDA
Ausgangspunkt der Ermittlung des steuerlichen EBITDA ist das Handelsbilanzergebnis, aus dem sich nach Maßgabe der Vorschriften zur steuerlichen Gewinnermittlung der Steuerbilanzgewinn ergibt. Aus dem Steuerbilanzgewinn wird gemäß den Hinzurechnungs- und Kürzungsvorschriften des KStG die Summe der Einkünfte ermittelt.434 Bei der Ermittlung der Summe der Einkünfte finden die Zinsschrankenregelung nach § 4h EStG, der Verlustausgleich gem. § 10d EStG und Spenden nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG keine Berücksichtigung (§ 8a Abs. 1 Satz 2 KStG). Dieser korrigierten Summe der Einkünfte werden Zinsaufwendungen und Abschreibungen hinzugerechnet; Zinserträge werden abgezogen (§ 4h Abs. 1 Satz 2 EStG). Das Ergebnis bildet das steuerliche EBITDA einer Kapitalgesellschaft i.S.v. § 8a Abs. 1 Satz 1 KStG i.V.m. § 4h Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 3 Satz 1 EStG.
434
Vgl. zur Ermittlung der Summe der Einkünfte: Djanani, C./ Brähler, G./ Lösel, C., Ertragsteuern, 3. Aufl., Frankfurt a. M. 2008, S. 251-272.
306
Sonderfall: Inbound-Investition in eine deutsche Kapitalgesellschaft
Die Ermittlung des steuerlichen EBITDA wird in der folgenden Übersicht zusammengefasst: Gewinn nach IFRS/HGB +/ ./. Vorschriften der steuerlichen Gewinnermittlung (§§ 4 bis 7k EStG) Steuerbilanzgewinn +/ ./. Hinzurechnungen und Kürzungen nach KStG Summe der Einkünfte nach EStG/KStG Keine Berücksichtigung von §§ 4h, 10d EStG + Spenden (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG) Korrigierte Summe der Einkünfte ./. Zinsertrag + Zinsaufwand + AfA auf Wirtschaftsgüter (§ 7 EStG) + AfA auf Sammelposten (§ 6 Abs. 2a Satz 2 EStG) + AfA auf geringwertige WG (§ 6 Abs. 2 Satz 1 EStG) =
Steuerliches EBITDA
Die Multiplikation des steuerlichen EBITDA mit 30 % ergibt das verrechenbare EBITDA. Nachdem die Zinsaufwendungen um die Zinserträge gemindert wurden, kann der Restbetrag der Zinsaufwendungen bis zur Höhe des verrechenbaren EBITDA im aktuellen Wirtschaftsjahr abgezogen werden. Für das weitere Vorgehen sind zwei Fälle zu unterscheiden: x Übersteigt der Nettozinsaufwand das verrechenbare EBITDA (und eventuell vorhandene EBITDA-Vorträge), werden die nicht abziehbaren Zinsaufwendungen nach § 4h Abs. 1 Satz 5 EStG vorgetragen (Zinsvortrag). x Ist der Betrag des verrechenbaren EBITDA größer als ein verbleibender Nettozinsaufwand, so kann der übersteigende Betrag grundsätzlich ab VZ 2010 in die folgenden fünf Wirtschaftsjahre vorgetragen werden (EBITDA-Vortrag). Merke: Der Zinsvortrag ist negativ, d.h. Zinsaufwendungen wurden nicht zum Abzug zugelassen. Der EBITDA-Vortrag ist positiv, d.h. das Entstehen nicht abzugsfähiger Zinsaufwendungen wird eingeschränkt bzw. gänzlich verhindert.
Sowohl der Zins- als auch der EBITDA-Vortrag setzen voraus, dass keine der nachfolgend genannten Ausnahmetatbestände greifen. Ausnahmetatbestände Von der grundsätzlichen Rechtsfolge im Rahmen der Zinsschranke ergeben sich nach § 4h Abs. 2 Satz 1 Bst. a bis c EStG folgende Ausnahmen: Nettozinsaufwand überschreitet die Freigrenze von 3.000.000 € nicht
Direktinvestition in Form einer Tochterkapitalgesellschaft
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keine oder nur anteilige Konzernzugehörigkeit (Konzernklausel) Konzernzugehörigkeit des Betriebes, aber maximal zwei Prozentpunkte niedrigere EK-Quote im Vergleich (Escape-Klausel)
Das Vorliegen dieser grundsätzlichen Ausnahmetatbestände hat für alle Unternehmen – unabhängig von ihrer Rechtsform – zur Folge, dass ihr Nettozinsaufwand in voller Höhe abzugsfähig ist. Für Kapitalgesellschaften werden die Bestimmungen im Bezug auf die Konzernklausel und die Escape-Klausel verschärft, da hier die Vermeidung einer schädlichen Gesellschafter-Fremdfinanzierung in die Zinsschrankenregelungen integriert wurde. Freigrenze von 3.000.000 € (§ 8a Abs. 1 KStG i.V.m. § 4h Abs. 2 Satz 1 Bst. a EStG)
Im Rahmen des zum 01.01.2010 in Kraft tretenden Bürgerentlastungsgesetzes Krankenversicherung435 wurde die ursprüngliche Freigrenze von 1.000.000 € auf 3.000.000 € erhöht. Die Erhöhung der Freigrenze erfolgte rückwirkend ab Einführung der Zinsschranke und war zunächst befristet auf den 31.12.2009. Durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz wird die höhere Freigrenze nunmehr dauerhaft eingeführt. Der Ausnahmetatbestand der Freigrenze bedeutet, dass eine Kapitalgesellschaft ihren Nettozinsaufwand innerhalb eines Wirtschaftjahres bis zu einem Betrag von 2.999.999,99 € unbeschränkt steuerlich geltend machen kann. Die Freigrenze soll kleinen und mittelgroßen Unternehmen eine vollständige steuerliche Berücksichtigung ihrer Zinsaufwendungen ermöglichen. Merke: § 4h Abs. 2 Satz 1 Bst. a EStG sieht eine Freigrenze und keinen Freibetrag vor. Bei einem Nettozinsaufwand ab 3.000.000 € greift die Ausnahmeregelung nicht mehr, so dass der Betrag zur Gänze nichtabzugsfähig ist. Konzernklausel (§ 8a Abs. 2 KStG i.V.m. § 4h Abs. 2 Satz 1 Bst. b EStG)
Die Konzernklausel legt fest, dass der begrenzte Zinsabzug der Zinsschranke dann nicht zur Anwendung kommt, wenn eine Kapitalgesellschaft nicht oder nur anteilig zu einem Konzern gehört. Eine Kapitalgesellschaft ist dann ein Konzernunternehmen, wenn die Konzernmutter die Tochterkapitalgesellschaft auf Grundlage ihrer Rechnungslegung konsolidieren könnte (§ 4h Abs. 3 Satz 5 EStG) und/oder die Muttergesellschaft die Finanz- und Geschäftspolitik der Tochterkapitalgesellschaft einheitlich mit anderen Konzernunternehmen bestimmt (§ 4h Abs. 3 Satz 6 EStG). Diese vom Gesetzgeber für Zwecke der Zinsschranke geschaffene Konzerndefinition geht über die im deutschen Recht bislang bekannten Definitionen (§ 290 ff. HGB, § 16 ff. AktG) hinaus und führt zu einer Erweiterung des Konsolidierungskreises.436
435
Vgl. Gesetz zur verbesserten Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen (Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung) v. 19.06.2009, BR-Drs. 567/09, S. 2, 12.
436
Vgl. Begründung zum Entwurf eines Unternehmensteuerreformgesetzes 2008, BT-Drs. 16/4841, S. 50.
308
Sonderfall: Inbound-Investition in eine deutsche Kapitalgesellschaft
Merke: Die Möglichkeit zur Konsolidierung und nicht die tatsächliche Konsolidierung entscheidet über die Anwendbarkeit der Konzernklausel.
Die maßgebliche Rechnungslegung besteht laut § 4h Abs. 2 Satz 1 Bst. c Satz 8 und 9 EStG in erster Linie in den International Financial Reporting Standards (IFRS). Erst in zweiter Linie kommt nationales Handelsrecht von EU-Mitgliedsstaaten oder die Rechnungslegung nach Generally Accepted Accounting Principles der USA (US-GAAP) in Betracht. IFRS sieht nach IAS 27 eine Konsolidierung vor, wenn eine Muttergesellschaft eine Mehrheitsbeteiligung an der Tochtergesellschaft hält und x über mindestens die Hälfte der Stimmrechte verfügt (IAS 27.13a), x berechtigt ist, deren Finanz- und Geschäftspolitik zu bestimmen (IAS 27.13b), x das Recht, die Mehrheit der Leitungsorgane zu ernennen, inne hat (IAS 27.13c), x eine Stimmenmehrheit bei Sitzungen der Leitungsorgane besitzt (IAS 27.13d). Nach HGB ist eine Konsolidierung in folgenden Fällen vorgesehen: x einheitliche Leitung mehrerer Unternehmen (§ 290 Abs. 1 HGB), x Mehrheitsbeteiligung (§ 290 Abs. 2 Nr. 1 HGB), x Bestellungs- und Abberufungsrecht für Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungsoder Aufsichtsorgans durch die Muttergesellschaft (§ 290 Abs. 2 Nr. 2 HGB), x beherrschender Einfluss der Muttergesellschaft auf Grund von Verträgen bzw. Satzungsbestimmungen (§ 290 Abs. 2 Nr. 3 HGB). Nach US-GAAP wird bezüglich der Konsolidierung von Unternehmen auf ein Beherrschungsverhältnis abgestellt, das insbesondere dann vorliegt, wenn die Muttergesellschaft mehr als 50 % der Stimmrechte hält (SFAS 94.2). Nach Einführung der Zinsschranke soll weiterhin verhindert werden, dass Gewinne von Kapitalgesellschaften über Darlehenskonstruktionen ihren Anteilseignern als Zinsen zufließen. Aus diesem Grund wurden die Vorschriften zur Gesellschafter-Fremdfinanzierung bei Kapitalgesellschaften (§ 8a KStG) im Rahmen des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 neu gefasst. Zusätzliche Voraussetzung, um einen uneingeschränkten Abzug von Zinsaufwendungen über die Konzernklausel zu erreichen, ist gem. § 8a Abs. 2 KStG, dass Kapitalgesellschaften keine schädliche Gesellschafter-Fremdfinanzierung vornehmen. Hierfür müssen Kapitalgesellschaften nachweisen, dass ihre Vergütungen für Fremdkapital an x Anteilseigner, die zu mehr als 25 % unmittelbar oder mittelbar am Grund- oder Stammkapital beteiligt sind, oder x ihnen nahe stehende Personen i.S.d. § 1 Abs. 2 AStG oder x Dritte, die auf eine zuvor genannte Person zurückgreifen können, nicht mehr als 10 % des Nettozinsaufwands betragen.
Direktinvestition in Form einer Tochterkapitalgesellschaft
309
Der Gesetzesbegründung folgend liegt eine Rückgriffsmöglichkeit Dritter nach § 8a Abs. 2 KStG schon dann vor, wenn ein Anteilseigner oder eine ihm nahe stehende Person für die Erfüllung einer Schuld einstehen. Dieser Tatbestand wäre bereits bei back-to-backFinanzierungen ohne dingliche Besicherung durch den Kreditgeber oder Verfügungsbeschränkung des Anteilseigners oder der nahe stehenden Person erfüllt. Hierin liegt eine erhebliche Verschärfung der bisherigen Regelungen des § 8a KStG a.F.
Beispiel
William Thacker ist Alleineigentümer der Buchhandlung GmbH. 2010 verkauft er 60 % seiner Anteile an den Amazonas-Konzern, der seinen Konzernabschluss nach IFRS erstellt. Zu Beginn des Jahres 2011 erkauft der Amazonas-Konzern 30 % der Buchhandlung GmbH an Spike. Am 01.01.2011 gewährt Anna, die langjährige Ehefrau von William, der Buchhandlung GmbH ein Darlehen in Höhe von 15 Mio. €. Der vereinbarte Zinssatz beträgt 10 % p.a. Die Buchhandlung GmbH verbucht in 2011 keine weiteren Zinsaufwendungen, jedoch erhält sie Zinserträge in Höhe von 550.000 €. Es ist zu prüfen, ob die Konzernklausel in 2010 und/oder in 2011 zur Anwendung kommen kann. Darüber hinaus ist die Höhe des abzugsfähigen Zinsaufwands im Jahr 2011 zu ermitteln.
Lösung
Merke: Die Anwendung der Konzernklausel bei Kapitalgesellschaften setzt voraus: 9 keine Möglichkeit zur Konsolidierung durch einen Konzern, 9 keine schädliche Gesellschafter-Fremdfinanzierung nach § 8a Abs. 2 KStG.
2010: Die Anwendung der Konzernklausel ist nach § 8a Abs. 2 KStG i.V.m. § 4h Abs. 2 Satz 1 Bst. b EStG nicht möglich, da die Buchhandlung GmbH mehrheitlich zum Amazonas-Konzern gehört und dort konsolidiert wird. 2011: Die Buchhandlung GmbH gehört nur noch anteilig zum Amazonas Konzern. Eine Anwendung der Konzernklausel wäre nach § 4h Abs. 2 Satz 1 Bst. b EStG möglich, wenn keine schädliche Gesellschafter-Fremdfinanzierung i.S.d. § 8a Abs. 2 KStG vorliegt. Da William jedoch immer noch 40 % an der Buchhandlung GmbH hält und Anna nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 AStG eine ihm nahe stehende Person darstellt, ist zu prüfen, ob die Zinszahlungen an Anna 10 % des Nettozinsaufwands der Buchhandlung GmbH übersteigen. Die Zinszahlungen an Anna in Höhe von 1,5 Mio. € überschreiten den zulässigen Nettozinsaufwand von 95.000 € (= 10 % x (1,5 Mio. € ./. 550.000 €)) bei weitem. Die Konzernklausel kann demnach nicht angewendet werden. Allerdings liegt der Nettozinsaufwand mit 950.000 € unterhalb der in § 4h Abs. 2 Satz 1 Bst. a EStG genannten Freigrenze von 3 Mio. €, die über § 8a Abs. 1 KStG auch für Kapitalgesellschaften gilt. Somit können die Zinsaufwendungen in voller Höhe im Jahr 2011 berücksichtigt werden.
310
Sonderfall: Inbound-Investition in eine deutsche Kapitalgesellschaft
Escape-Klausel (§ 8a Abs. 3 KStG i.V.m. § 4h Abs. 2 Satz 1 Bst. c EStG)
Bei Erfüllung der Bedingungen der Escape-Klausel gewährt der Gesetzgeber auch konzernzugehörigen Kapitalgesellschaften einen unbeschränkten Abzug der Zinsaufwendungen. Die Escape-Klausel sieht einen Vergleich der Eigenkapitalquote der Tochterkapitalgesellschaft mit der Eigenkapitalquote des Konzerns vor. Bis VZ 2009 war ein Unterschreiten der Eigenkapitalquote des Konzerns um einen Prozentpunkt durch das Tochterunternehmen für die Anwendung der Zinsschrankenregelung unschädlich. Ab VZ 2010 gilt die Escape-Klausel als bestanden, wenn die Eigenkapitalquote des Tochterunternehmens nicht um mehr als zwei Prozentpunkte unter der des Konzerns liegt.437 Mit dieser Vorschrift soll ein klassisches Modell der internationalen Steuerplanung verhindert werden. Dieses Modell besteht darin, dass eine Muttergesellschaft mit Sitz in einem Niedrigsteuerland ihre deutsche Tochterkapitalgesellschaft überwiegend mit Fremdkapital ausstattet und die in Deutschland erwirtschafteten Gewinne in Form von Zinsen ins Ausland überträgt, d.h. eine Gewinnabsaugung ins niedrig besteuernde Ausland vornimmt. Deutschland (Hochsteuerland)
Ausland (Niedrigsteuerland)
Mutterunternehmen
Zinszahlung § 4h Abs. 2 Satz 1 Bst. c EStG Tochterunternehmen keine Anerkennung als Betriebsausgaben
Abbildung 76:
Wirkungsweise der Escape-Klausel
Der Eigenkapitalvergleich hat grundsätzlich auf Basis von Abschlüssen nach IFRS zu erfolgen. Ausnahmen hiervon sind möglich. So können Abschlüsse nach Handelsrecht eines EU-Mitgliedstaats verwendet werden, wenn es keine Pflicht zum Konzernabschluss nach IFRS gibt und der Konzern innerhalb der letzten fünf Wirtschaftsjahre keinen
437
Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums (Wachstumsbeschleunigungsgesetz), BT.-Drs. 17/15, S. 1.
Direktinvestition in Form einer Tochterkapitalgesellschaft
311
Abschluss nach den IFRS erstellt hat. Auf Konzernabschlüsse nach US-GAAP kann nur dann abgestellt werden, wenn weder ein Konzernabschluss nach IFRS noch nach dem Handelsrecht eines Mitgliedstaates der EU vorliegt. Der Konzernabschluss muss den Anforderungen, die das HGB an die Konzernrechnungslegung stellt, genügen oder die Voraussetzungen für einen Konzernabschluss mit befreiender Wirkung nach §§ 291, 292 HGB erfüllen. Merke: Mit der Definition von Konzernunternehmen in der Konzernklausel und dem Eigenkapitalvergleich auf IFRS-Basis im Rahmen der Escape-Klausel stellt das deutsche Steuerrecht erstmals auf internationale Rechnungslegungsnormen ab.
Liegen dem Einzelabschluss und dem Konzernabschluss unterschiedliche Rechnungslegungsstandards zugrunde, ist die Eigenkapitalquote der Tochtergesellschaft anhand einer Überleitungsrechnung an die Rechnungslegungsstandards des Konzernabschlusses anzupassen. Sich innerhalb der Rechnungslegung ergebende Wahlrechte sind im Konzern- und Einzelabschluss einheitlich auszuüben. Die jeweilige Eigenkapitalquote ergibt sich aus dem Verhältnis des modifizierten Eigenkapitals zur Bilanzsumme: Eigenkapitalquote
=
modifiziertes Eigenkapital Bilanzsumme
Bestehen gesellschaftsrechtliche Kündigungsrechte, muss das Eigenkapital mindestens in der Höhe angesetzt werden, wie es sich nach Maßgabe des HGB ergeben würde. Ebenso ist das Eigenkapital um Einlagen, die sechs Monate vor dem Abschlussstichtag eingelegt werden und innerhalb von sechs Monaten danach wieder entnommen werden, zu kürzen, da diese Einlagen nur kurzzeitig zur Verfügung stehen. Des Weiteren ist Sonderbetriebsvermögen einer Mitunternehmerschaft, das im Konzernabschluss enthalten ist, herauszurechnen. Diese und weitere Anpassungen zur Ermittlung des modifizierten Eigenkapitals sind in folgendem Schema dargestellt:
+ + ./. ./. ./. + / ./. =
Bilanziertes EK nach dem angewendeten Standard (bei Kündigungsrecht: mind. EK nach HGB) Anteiliger Firmenwert 50 % des Sonderpostens mit Rücklagenanteil Eigenkapital ohne Stimmrechte (Ausnahme: Vorzugsaktien) Anteile an anderen Konzerngesellschaften Nur kurzzeitig zur Verfügung stehende Einlagen Sonderbetriebsvermögen des Konzernabschlusses Modifiziertes Eigenkapital
Auch in Bezug auf die Bilanzsumme kann es zu Anpassungen kommen. Die Bilanzsumme einer Kapitalgesellschaft ist um die nicht im Konzernabschluss enthaltenen Kapitalforde-
312
Sonderfall: Inbound-Investition in eine deutsche Kapitalgesellschaft
rungen zu verringern, soweit diesen Verbindlichkeiten i.S.d. § 4h Abs. 3 EStG gegenüberstehen. Stellt sich heraus, dass ein im Rahmen des Eigenkapitalvergleichs vorgenommener Abschluss unrichtig ist und der Steuerpflichtige dadurch einen höheren Zinsaufwand steuerlich geltend machen konnte, wird ein Strafzuschlag nach § 4h Abs. 2 Satz 1 Bst. c Satz 14 EStG erhoben. Dieser beträgt mindestens 5 % bis maximal 10 % der nicht abziehbaren Zinsaufwendungen, sofern ein Mindestzuschlag i.H.v. 5.000 € überschritten wird (§ 4h Abs. 2 Satz 1 Bst. c Satz 14 und § 15 EStG i.V.m. § 162 Abs. 4 Satz 2 AO). Neben den Vorschriften des § 4h EStG müssen Kapitalgesellschaften zur Sicherstellung eines uneingeschränkten Abzugs ihrer Zinsaufwendungen über die Escape-Klausel den Nachweis erbringen, dass sie keine schädliche Gesellschafter-Fremdfinanzierung vornehmen. Für Zwecke der Escape-Klausel muss die konzernzugehörige Kapitalgesellschaft gem. § 8a Abs. 3 KStG belegen, dass nicht bei ihr selbst, sondern bei allen Rechtsträgern des Konzerns weltweit die Vergütungen für Fremdkapital an x Anteilseigner, die zu mehr als 25 % unmittelbar oder mittelbar am Grund- oder Stammkapital beteiligt sind, oder x ihnen nahe stehende Personen i.S.d. § 1 Abs. 2 AStG oder x Dritte, die auf eine zuvor genannte Person zurückgreifen können, nicht mehr als 10 % des Nettozinsaufwands betragen. Allerdings wird gem. § 8a Abs. 3 Satz 2 KStG nur auf Zinsaufwendungen aus Verbindlichkeiten, die im voll konsolidierten Konzernabschluss enthalten sind, abgestellt. Zudem wird die Rückgriffsmöglichkeit von Dritten auf einen konzernfremden Anteilseigner oder diesem nahe stehende Person eingeschränkt. Somit ist bei konzerninternen GesellschafterFremdfinanzierungen allein entscheidend, dass die Eigenkapitalquote der Kapitalgesellschaft die des Konzerns nur um bis zu zwei Prozentpunkte unterschreitet.438 Merke: Die Anwendung der Escape-Klausel bei Kapitalgesellschaften setzt voraus: 9 Konzern-EK-Quote ./. Tochterunternehmen-EK-Quote 2 %, 9 keine schädliche Gesellschafter-Fremdfinanzierung nach § 8a Abs. 3 KStG.
438
Vgl. Töben, T./ Fischer, H., Die Zinsschranke – Regelungskonzept und offene Fragen, BB 2007, S. 978.
Beispiel
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Die in Deutschland ansässige Jack GmbH, eine Billigfluggesellschaft, ist eine 100 %ige Tochter der renommierten Fluggesellschaft Kate SE, die ihren Sitz in Polen hat. Die Jack GmbH erzielt im VZ 2010 Zinserträge in Höhe von 20.000 €; der Zinsaufwand beträgt 5 Mio. €. Die Jack GmbH hat ein bilanziertes EK von 8,1 Mio. € und eine Bilanzsumme von 80 Mio. €. Die Jack GmbH hält eine 20 %-Beteiligung an der österreichischen Hurley GmbH, die mit 1,2 Mio. € bilanziert wurde. Die restlichen 80 % der Hurley GmbH gehören der Kate SE. Um Flugverspätungen über die Weihnachtsfeiertage zu vermeiden, stellt die Kate SE der Jack GmbH am 21.12.2010 einen zusätzlichen Bus zum Transport der Passagiere im Wert von 500.000 € zur Verfügung, den sie am 03.01.2011 wieder entnimmt. Bei allen Konzerngesellschaften entspricht das Wirtschaftsjahr dem Kalenderjahr. Es ist zu prüfen, ob die Jack GmbH von der Escape-Klausel profitieren kann, wenn die Kate SE eine EK-Quote von 10 % aufweist.
Lösung
Direktinvestition in Form einer Tochterkapitalgesellschaft
Für die Ermittlung der EK-Quote der Jack GmbH muss zunächst deren modifiziertes Eigenkapital berechnet werden. Hierfür werden vom bilanzierten EK der Jack GmbH i.H.v. 8,1 Mio. € die Anteile an der Hurley GmbH i.H.v. 1,2 Mio. € und der nur kurzfristig eingelegte Bus, der mit 500.000 € bewertet wird, abgezogen. Das modifizierte Eigenkapital beträgt 6,4 Mio. €; dividiert durch die Bilanzsumme ergibt sich eine EKQuote von 8 %. Nachdem die Jack GmbH die EK-Quote der Kate SE lediglich um 2 % unterschreitet, kann der gesamte Nettozinsaufwand in Höhe von 4.980.000 € in 2010 steuerlich berücksichtigt werden. Die Jack GmbH profitiert also von der EscapeKlausel.
Zinsvortrag Reichen die Zinserträge und das verrechenbare EBITDA (und eventuelle EBITDAVorträge) nicht aus, um die Abzugsfähigkeit der Zinsaufwendungen herzustellen und liegen auch keine Ausnahmetatbestände vor, kann ein Zinsvortrag in die folgenden Wirtschaftsjahre nach § 4h Abs. 1 Satz 5 EStG vorgenommen werden. Die vorgetragenen Zinsen erhöhen in diesen Jahren lediglich den Zinsaufwand und nicht den Gewinn (§ 4h Abs. 1 Satz 6 EStG). Der Zinsvortrag ist gem. § 4h Abs. 4 Satz 1 und 2 EStG durch das für die Besteuerung der Kapitalgesellschaft zuständige Finanzamt gesondert festzustellen. Merke: Ein Zinsvortrag entsteht, wenn keine Ausnahmetatbestände greifen und der Nettozinsaufwand größer ist als das verrechenbare EBITDA (und eventuelle EBITDA-Vorträge). Ein Zinsvortrag ist nicht zeitlich begrenzt.
Grundsätzlich erfahren Unternehmen durch die Einführung der Zinsschranke somit keine materiellen Nachteile. Die Berücksichtigung von Zinsaufwendungen wird ihnen nicht endgültig versagt, sondern es kommt lediglich zu einer Verschiebung in zukünftige Wirtschaftsjahre. Durch diese time-lags entstehen jedoch negative Zinseffekte aufgrund der späteren Geltendmachung der Betriebsausgaben. Wenn darüber hinaus bei einem Unter-
314
Sonderfall: Inbound-Investition in eine deutsche Kapitalgesellschaft
nehmen, das von der Zinsschranke betroffen ist, keine Änderungen der maßgeblichen Ermittlungstatbestände (z.B. Erhöhung des EBITDA oder Verminderung des Zinsaufwands) in späteren Veranlagungszeiträumen stattfindet, kann der Zinsvortrag auch in der Zukunft nicht steuerlich geltend gemacht werden. Auf diese Weise besteht die Gefahr eines permanenten Zinsvortrags.439 Untergang des Zinsvortrags Verschiedene gesetzliche Regelungen machen es dem Steuerpflichtigen zudem unmöglich, einen entstandenen Zinsvortrag vollständig oder anteilig zu nutzen. Zunächst normiert § 4h Abs. 5 Satz 1 EStG, dass ein Zinsvortrag bei Aufgabe oder Übertragung des Betriebes untergeht. Dasselbe Schicksal trifft gem. § 4h Abs. 5 Satz 2 EStG eine Mitunternehmerschaft in dem Umfang, in dem ein an ihr beteiligter Gesellschafter aus der Mitunternehmerschaft ausscheidet.
Beispiel
Für Kapitalgesellschaften erlangen über § 8a Abs. 1 Satz 3 KStG die Regelungen des § 8c KStG zum schädlichen Beteiligungserwerb sinngemäß Geltung. Demnach wird einer Kapitalgesellschaft die Inanspruchnahme eines Zinsvortrags verwehrt, wenn mehr als 50 % ihres gezeichneten Kapitals, ihrer Mitgliedschaftsrechte, Beteiligungsrechte oder Stimmrechte innerhalb von fünf Jahren mittelbar oder unmittelbar an einen Erwerber oder eine ihm nahe stehende Person übertragen wurden (§ 8c Abs. 1 Satz 2 KStG). Als Erwerber gilt nach § 8c Abs. 1 Satz 3 KStG auch eine Gruppe von Erwerbern mit gleichgerichteten Interessen. Findet ein schädlicher Beteiligungserwerb von lediglich mehr als 25 % statt, geht ein Zinsvortrag anteilig unter (§ 8c Abs. 1 Satz 1 KStG).
Die konzernfreie Erica Bain GmbH, deren alleiniger Gesellschafter die Detective Mercer AG ist, weist folgende Finanzdaten auf: Erica Bain GmbH steuerliches EBITDA Darlehen Mercer AG Zinssatz
2010 10 Mio. € 45 Mio. € 8%
2011 8 Mio. € 39 Mio. € 8%
Es ist der steuerlich abzugsfähige Zinsaufwand des Jahres 2010 und ein eventueller EBITDA- sowie Zinsvortrag zu bestimmen. Darüber hinaus ist der steuerlich abzugsfähige Zinsaufwand in 2011 zu ermitteln, wenn a) die Detective Mercer AG am 01.01.2011 60 % der Erica Bain GmbH an die David SE verkauft oder b) kein Verkauf erfolgt.
439
Vgl. Brähler, G./ Brune, P./ Heerdt, T., Die Auswirkungen der Zinsschranke auf die Aktivierung latenter Steuern, KoR 2008, S. 293.
Lösung
Direktinvestition in Form einer Tochterkapitalgesellschaft
315
Der Zinsaufwand der Erica Bain GmbH beläuft sich in 2010 auf 3.600.000 €. Die Freigrenze nach § 8a Abs. 1 KStG i.V.m. § 4h Abs. 2 Satz 1 Bst. a EStG wird überschritten. Die Anwendung der Konzernklausel ist nicht möglich, da 100 % des Nettozinsaufwands an die Detective Mercer AG fließen. Dies stellt eine schädliche Gesellschafter-Fremdfinanzierung gem. § 8a Abs. 2 KStG i.V.m. § 4h Abs. 2 Satz 1 Bst. b EStG dar. Somit sind die Zinsaufwendungen in 2010 nur bis zur Höhe des verrechenbaren EBITDA (30 % des steuerlichen EBITDA), d.h. bis zur Höhe von 3.000.000 €, abzugsfähig (§ 4h Abs. 1 Satz 1 EStG). Die restlichen 600.000 € sind in das Jahr 2011 vorzutragen (§ 4h Abs. 1 Satz 5 EStG). Ein EBITDA-Vortrag entsteht nicht, da die Zinsaufwendungen das verrechenbare EBITDA überschreiten. In 2011 ist zwischen den beiden Alternative Verkauf und kein Verkauf zu unterscheiden: a) Bei Verkauf von 60 % der Bain GmbH am 01.01.2011 geht der Zinsvortrag aus 2010 i.H.v. 600.000 € vollständig unter (§ 8a Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 8c Abs. 1 Satz 2 KStG). Der Zinsaufwand in 2011 beträgt 3.120.000 €. Hiervon sind 2.400.000 € (= 30 % von 8.000.000 €) in 2011 zu berücksichtigen; der Restzinsaufwand des Jahres 2011 i.H.v. 720.000 € (= 3.120.000 € ./. 2.400.000 €) ist als Zinsvortrag in das Wirtschaftsjahr 2012 vorzutragen. b) Der Zinsaufwand 2011 und der Zinsvortrag aus 2010 addieren sich zu einem Gesamtzinsaufwand i.H.v. 3.720.000 € (3.120.000 € (2011) + 600.000 € (2010)). Abermals können die Zinsaufwendungen in 2011 nur in Höhe des verrechenbaren EBITDA, also i.H.v. 2.400.000 €, abgezogen werden. Es entsteht demnach ein Zinsvortrag für das Jahr 2012 i.H.v. 1.320.000 € (= 3.720.000 € ./. 2.400.000 €).
Ein Zinsvortrag geht hingegen nicht unter, wenn eine der Ausnahmeregelungen des § 8c KStG greift. So bleibt ein Zinsvortrag erhalten, wenn die Beteiligung zum Zweck der Sanierung des Geschäftsbetriebs der Körperschaft erworben wird (§ 8c Abs. 1a EStG).440 Diese sog. „Sanierungsklausel“ wurde im Rahmen des Bürgerentlastungsgesetzes Krankenversicherung in das Gesetz eingefügt und soll helfen, die globale Finanz- und Wirtschaftskrise zu bewältigen.441 Während sie zunächst nur auf Anteilsübertragungen nach dem 31.12.2007 und vor dem 01.01.2010 anzuwenden war, sieht das Wachstumsbeschleunigungsgesetz die Aufhebung dieser zeitlichen Befristung vor.442 Für schädliche Beteiligungserwerbe, die nach dem
440
Vgl. Sistermann, C./ Brinkmann, J. Die neue Sanierungsklausel in § 8c KStG – Vorübergehende Entschärfung der Mantelkaufregelung für Unternehmen in der Krise, DStR 2009, S. 1453.
441
Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur verbesserten Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen (Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung), BT-Drs. 16/13429, S. 50.
442
Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur verbesserten Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen (Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung), BT-Drs. 16/13429, S. 25 f.; Entwurf eines Ge-
316
Sonderfall: Inbound-Investition in eine deutsche Kapitalgesellschaft
31.12.2009 getätigt werden, geht ein Zinsvortrag zudem gem. § 8c Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 8a Abs. 1 Satz 3 KStG nicht unter, wenn an dem übertragenden und an dem übernehmenden Rechtsträger dieselbe Person zu jeweils 100 % mittelbar oder unmittelbar beteiligt ist (sog. Konzernklausel). Darüber hinaus bleibt ein Zinsvortrag nach §§ 8c Abs. 1 Satz 6 und 7 i.V.m. 8a Abs. 1 Satz 3 KStG insoweit erhalten, als die auf den erworbenen Anteil entfallenden stillen Reserven des inländischen Betriebsvermögens die Verlustvorträge übersteigen (sog. Stille Reserven-Escape).443 Ein Zinsvortrag einer Kapitalgesellschaft geht vollständig unter: x Aufgabe oder Übertragung des Betriebes (§ 4h Abs. 5 Satz 1 EStG), x Schädlicher Beteiligungserwerb von mehr als 50 % (§ 8c Abs. 1 Satz 2 KStG), es sei denn, ein Ausnahmetatbestand greift. Ein Zinsvortrag einer Kapitalgesellschaft geht anteilig unter: x Gesellschafter scheidet aus Mitunternehmerschaft aus (§ 4h Abs. 5 Satz 2 EStG), x Schädlicher Beteiligungserwerb von mehr als 25 % (§ 8c Abs. 1 Satz 1 KStG), es sei denn, ein Ausnahmetatbestand greift. EBITDA-Vortrag Durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz wurde die Möglichkeit eingeräumt, einen nach Abzug des Nettozinsaufwandes verbleibenden Restbetrag des verrechenbaren EBITDA in die nachfolgenden Wirtschaftsjahre vorzutragen. Dieser sog. EBITDA-Vortrag kann rückwirkend ab VZ 2007 berechnet werden.444
Hintergrund für die die Einführung des EBITDA-Vortrags ist, dass sich die ursprünglichen Vorschriften zur Zinsschranke, die noch keinen EBITDA-Vortrag vorsahen, insbesondere in Krisenzeiten als nachteilig erweisen. Dies liegt daran, dass bei einer schlechten wirtschaftlichen Entwicklung eines Betriebs der handels- bzw. der steuerrechtliche Gewinn und damit auch das steuerliche EBITDA sinkt. Da das steuerliche EBITDA aber nach der ursprünglichen Zinsschrankenregelung die Basis für den abzugsfähigen Zinsaufwand darstellte, verminderte sich folglich auch der abzugsfähige Zinsbetrag. Dies hatte unter Umständen zur Konsequenz, dass sich in Krisenzeiten die Steuerbelastung eines Betriebs erhöhte, da dessen Zinsaufwand steuerlich keine Berücksichtigung mehr fand. Darüber hinaus sollte durch die Einführung des EBITDA-Vortrags der Gefahr der Entstehung eines permanenten Zinsvortrags in Zeiten der Finanzkrise begegnet werden.
setzes zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums (Wachstumsbeschleunigungsgesetz), BT.Drs. 17/15, S. 6. 443
Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums (Wachstumsbeschleunigungsgesetz), BT.-Drs. 17/15, S. 5 ff.; Bien, R./ Wagner, T., Erleichterungen bei der Verlustabzugsbeschränkung und der Zinsschranke nach dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz, BB 2009, S. 2633.
444
Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums (Wachstumsbeschleunigungsgesetz), BT.-Drs. 17/15, S. 1.
Direktinvestition in Form einer Tochterkapitalgesellschaft
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Um diesen Nachteil künftig zu vermeiden, kann, wenn das verrechenbare EBITDA in wirtschaftlich guten Jahren den Nettozinsaufwand des Betriebs übersteigt und keine Ausnahmereglung des § 4h Abs. 2 EStG greift, der nicht benötigte Betrag in die folgenden fünf Wirtschaftsjahre vorgetragen werden (§ 4h Abs. 1 Satz 3 EStG). Aufgrund des EBITDAVortrags können Zinsaufwendungen wie folgt berücksichtigt werden: 1. Schritt: Abzug der Zinsaufwendungen nach Maßgabe § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG, d.h. in Höhe der Zinserträge und des verrechenbaren EBITDA. 2. Schritt: Bleibt nach diesem Vorgehen ein Zinsaufwand übrig, so mindert dieser den vorhandenen EBITDA-Vortrag. Existieren mehrere EBITDA-Vorträge, ist der jeweils Älteste zuerst zu verbrauchen (§ 4h Abs. 1 Satz 4 EStG). Ein EBITDAVortrag, der nach fünf Jahren noch nicht verbraucht ist, entfällt.445
Insgesamt wird durch die Neuregelung erreicht, dass in wirtschaftlich schlechten Jahren mehr Zinsen abgezogen werden können, da ein geschrumpftes EBITDA durch einen EBITDA-Vortrag ausgeglichen wird.446
Beispiel
Merke: Der EBITDA-Vortrag ist ein Bonus, der als positiver Vortrag das Greifen der Zinsschranke in späteren Jahren verhindert oder einschränkt. Ein EBITDAVortrag entsteht, wenn keine Ausnahmetatbestände zur Zinsschrankenregelung greifen und der Nettozinsaufwand kleiner ist als das verrechenbare EBITDA. Dabei ist zu beachten, dass der EBITDA-Vortrag zeitlich auf fünf Jahre begrenzt ist.
Aus den Unternehmenszahlen der in Deutschland ansässigen Wayne GmbH errechnet sich für das Jahr 2010 ein steuerliches EBITDA i.H.v. 18 Mio. €. Im selben Jahr fallen Zinsaufwendungen i.H.v. 4 Mio. € an. Im Folgejahr geht die Ertragslage zurück, weshalb das steuerliche EBITDA in 2011 nur noch 16 Mio. € beträgt. Die Zinsaufwendungen steigen auf 8 Mio. €. Weiterhin ist bekannt, dass die Wayne GmbH mehrheitlich zum internationalen Joker-Konzern gehört und dort konsolidiert wird. Das Wirtschaftsjahr entspricht bei allen Konzerngesellschaften dem Kalenderjahr. Bei einem Vergleich der EK-Quoten des Jahres 2010 stellt sich heraus, dass die EK-Quote der Wayne GmbH die EK-Quote des Konzerns um 3 % unterschreitet. In 2011 liegt die EK-Quote der Wayne-GmbH sogar um 3,5 % unter der EK-Quote des JokerKonzerns. Die Wayne GmbH möchte wissen, in welcher Höhe sie in den beiden Jahren ihre Zinsaufwendungen abziehen kann und ob ihr die Neuregelung zum EBITDAVortrag zugutekommt.
445
Vgl. Herzig, N./ Bohn, A., Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz als Umsetzung des Sofortprogramms der Koalitionsparteien zum Unternehmensteuerrecht, DStR 2009, S. 2345.
446
Vgl. Korn, C., Steuerliche Maßnahmen im Koalitionsvertrag – Erste Umsetzung durch den Entwurf des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes, SteuK 2009, S. 47 ff.
318
Sonderfall: Inbound-Investition in eine deutsche Kapitalgesellschaft
Lösung
Die Freigrenze i.H.v. 3 Mio. € wird sowohl in 2010 als auch in 2011 überschritten (§ 8a Abs. 1 KStG i.V.m. § 4h Abs. 2 Satz 1 Bst. a EStG). Die Escape-Klausel kommt nicht zur Anwendung, da die EK-Quoten der Wayne GmbH die EK-Quoten des Konzerns in beiden Jahren um mehr als die zulässige Unschädlichkeitsgrenze unterschreiten (§ 8a Abs. 3 KStG i.V.m. § 4h Abs. 2 Satz 1 Bst. c EStG). Für das Jahr 2010 hat dies zur Folge, dass die Zinsaufwendungen bis zur Höhe des verrechenbaren EBITDA, d.h. bis zu einem Betrag von 5,4 Mio. € (= 30 % von 18 Mio. €) geltend gemacht werden können (§ 4h Abs. 1 Satz 1 EStG). Der Zinsaufwand des Jahres 2010 ist somit voll abzugsfähig. In Höhe der Differenz zwischen dem verrechenbaren EBITDA und dem Zinsaufwand kommt es zu einem EBITDAVortrag, der in die nächsten fünf Wirtschaftsjahre vorzutragen ist. In diesem Beispiel kann der nicht genutzte Betrag des verrechenbaren EBITDA i.H.v. 1,4 Mio. € (= 5,4 Mio. € ./. 4 Mio. €) in das Jahr 2011 vorgetragen werden. Aus den Angaben für das Jahr 2011 ergibt sich ein verrechenbares EBITDA von 4,8 Mio. € (30 % von 16 Mio. €). Im ersten Schritt können folglich 4,8 Mio. € an Zinsaufwendungen abgezogen werden (§ 4h Abs. 1 Satz 1 EStG). Der restliche Zinsaufaufwand i.H.v. 3,2 Mio. € (= 8 Mio. € ./. 4,8 Mio. €) kann im zweiten Schritt mit dem EBITDA-Vortrag von 1,4 Mio. € verrechnet werden. Ohne den EBITDAVortrag wären somit die nichtabzugsfähigen Zinsen im Jahr 2011 höher gewesen. Die nicht abziehbaren Zinsaufwendungen i.H.v. 1,8 Mio. € (3,2 Mio. € ./. 1,4 Mio. €) sind als Zinsvortrag in das Jahr 2012 zu übernehmen.
Auf Antrag kann der EBITDA-Vortrag im Wege einer Nebenrechnung bereits für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2006 beginnen und vor dem 01.01.2010 enden, berechnet werden. Eine Nutzung des Vortrags ist allerdings erst ab VZ 2010 vorgesehen. Wie der Zinsvortrag ist der EBITDA-Vortrag gem. § 4h Abs. 4 Satz 1 und 2 EStG durch das für die Besteuerung der Kapitalgesellschaft zuständige Finanzamt gesondert festzustellen.447 Untergang des EBITDA-Vortrags Die Neufassung des § 4h EStG sieht verschiedene Ereignisse vor, die zum Verlust des EBITDA-Vortrags führen. Während der jeweils nicht verbrauchte EBITDA-Vortrag nach einem Zeitraum von fünf Jahren entfällt, gehen die kumulierten EBITDA-Vorträge in folgenden Fällen gänzlich oder anteilig unter: x Der EBITDA-Vortrag geht vollständig bei Aufgabe oder Übertragung des Betriebs unter (§ 4h Abs. 5 Satz 1 EStG).
447
Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums (Wachstumsbeschleunigungsgesetz), BT.-Drs. 17/15, S. 4 f.
319
Direktinvestition in Form einer Tochterkapitalgesellschaft x
Der EBITDA-Vortrag geht anteilig bei Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer Mitunternehmerschaft unter (§ 4h Abs. 5 Satz 2 EStG).
Die Vorschriften des § 8c KStG zum schädlichen Beteiligungserwerb finden keine Anwendung, da § 8c KStG den EBITDA-Vortrag nicht explizit aufführt.448 Das folgende Prüfungsschema fasst die für Kapitalgesellschaften geltenden Regelungen der Zinsschranke nach § 4h EStG und der Gesellschafter-Fremdfinanzierung nach § 8a KStG zusammen:
Zinsaufwand ./. Zinsertrag + Zinsvortrag aus Vorjahren Nettozinsaufwand < verrechenbares EBITDA (+ EBITDA-Vortrag) Ja Nein
Uneingeschränkter Zinsabzug
Ja Nettozinsaufwand < 3.000.000 € Nein
Nettozinsaufwand < 3.000.000 € Nein Konzernklausel § 4h Abs. 2 Satz 1 Bst. b § 8a Abs. 2 KStG EStG
Keine oder nur anteilige Konzernzugehörigkeit
Keine oder nur anteilige Konzernzugehörigkeit
Zinsen aus Gesell-
+ schafterdarlehen < 10 % des Nettozinsaufwands
Zinsen aus Gesell-
+ schafterdarlehen < 10 % des Nettozinsaufwands Nein
Nein Escape-Klausel § 4h Abs. 2 Satz 1 Bst. c § 8a Abs. 3 KStG EStG
Eigenkapitalquotenvergleich
+
Zinsen aus Gesellschafterdarlehen an Anteilseigner außerhalb Konzern < 10 % des Nettozinsaufwands Nein
EBITDA-Vortrag (§ 4h Abs. 1 Satz 3 EStG)
Ja
Escape-Klausel § 4h Abs. 2 Satz 1 Bst. c § 8a Abs. 3 KStG EStG
Eigenkapitalquotenvergleich
+
Ja
Uneingeschränkter Zinsabzug
Konzernklausel § 4h Abs. 2 Satz 1 Bst. b § 8a Abs. 2 KStG EStG
Zinsen aus Gesellschafterdarlehen an Anteilseigner außerhalb Konzern < 10 % des Nettozinsaufwands Nein
Zinsschranke (§ 4h Abs. 1 Satz 1 u. 2 EStG) Abzug des verrechenbaren EBITDA zzgl. EBITDAVortrag als Zinsaufwand ggf. Zinsvortrag (§ 4h Abs. 1 Satz 5 EStG)
Abbildung 77:
Prüfungsschema zur Anwendung von § 4h EStG und § 8a KStG449
448
Vgl. Herzig, N./ Bohn, A., Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz als Umsetzung des Sofortprogramms der Koalitionsparteien zum Unternehmensteuerrecht, DStR 2009, S. 2345.
449
In Anlehnung an Brähler, G./ Brune, P./ Heerdt, T., Die Auswirkungen der Zinsschranke auf die Aktivierung latenter Steuern, KoR 2008, S. 291.
320
Sonderfall: Inbound-Investition in eine deutsche Kapitalgesellschaft
Nachgelagerte Personengesellschaften Die Umgehung der Regelungen zur Gesellschafter-Fremdfinanzierung mit Hilfe von nachgelagerten Personengesellschaften wird durch den Verweis in § 4h Abs. 2 Satz 2 EStG auf § 8a Abs. 2 und 3 KStG unterbunden. Im Gegensatz zur Rechtslage vor dem Unternehmensteuerreformgesetz 2008 wird eine Mindestbeteiligung der Kapitalgesellschaft in Höhe von 25 % an der Mitunternehmerschaft nicht mehr vorausgesetzt. Eine nachgelagerte Personengesellschaft entsteht – unabhängig von der Beteiligungshöhe –, wenn sich eine Kapitalgesellschaft mittelbar oder unmittelbar an einer Personengesellschaft beteiligt.450 Merke: Jede mittelbare oder unmittelbare Beteiligung einer Kapitalgesellschaft an einer Personengesellschaft führt zu einer nachgelagerten Personengesellschaft. Konzernfreie nachgelagerte Personengesellschaften müssen zusätzlich nachweisen, dass sie keine schädliche Gesellschafter-Fremdfinanzierung i.S.d. § 8a Abs. 2 KStG betreiben. Diese Personenunternehmen erreichen eine unbeschränkte steuerliche Anerkennung ihres die Freigrenze überschreitenden Nettozinsaufwands über die Konzernklausel (§ 4h Abs. 2 Satz 1 Bst. b EStG), wenn ihre Vergütungen für Fremdkapital an x Mitunternehmer, die zu mehr als 25 % unmittelbar oder mittelbar an der nachgelagerten Personengesellschaft beteiligt sind, oder x ihnen nahe stehende Personen i.S.d. § 1 Abs. 2 AStG oder x Dritte, die auf eine zuvor genannte Person zurückgreifen können, nicht mehr als 10 % des Nettozinsaufwands betragen. Konzernzugehörige nachgelagerte Personengesellschaften, deren Nettozinsaufwand höher als die Freigrenze ist, können nach Maßgabe der Escape-Klausel (§ 4h Abs. 2 Satz 1 Bst. c EStG) ihre Zinsaufwendungen uneingeschränkt als Betriebsausgaben abziehen, wenn sie die Voraussetzungen des § 8a Abs. 3 KStG erfüllen. Demnach muss die nachgelagerte Personengesellschaft nachweisen, dass weltweit kein Rechtsträger des Konzerns eine schädliche Gesellschafter-Fremdfinanzierung vornimmt. Merke: Nachgelagerte Personengesellschaften unterliegen im Bezug auf die Gesellschafter-Fremdfinanzierung denselben Vorschriften wie Kapitalgesellschaften.
450
Vgl. Schultz-Aßberg, I., in: Preißer, M./ von Rönn, M./ Schultz-Aßberg, I. (Hrsg.), Unternehmensteuerreform 2008, Freiburg Berlin München 2007, S. 87.
Direktinvestition in Form einer Personengesellschaft
321
4 Direktinvestition in Form einer Personengesellschaft 4.1 Gründe für die Wahl einer Tochterpersonengesellschaft Grundsätzlich entspricht die steuerliche Behandlung einer Direktinvestition in Form einer Personengesellschaft der Behandlung einer Betriebsstätte. Der Grund ist darin zu sehen, dass eine Betriebsstätte einen steuerlich unselbständigen Teil eines Unternehmens darstellt. Daher ist das Ergebnis steuerlich nicht bei der Betriebsstätte selbst, sondern bei deren Eigentümern zu erfassen. Aufgrund der begrenzten zivil- und steuerrechtlichen Selbständigkeit einer Personengesellschaft wird das Ergebnis aus der Tätigkeit direkt dem Gesellschafter zugerechnet (Transparenzprinzip). Weil die Personengesellschaft regelmäßig in ihrem Sitzstaat über eine feste Geschäftseinrichtung verfügt, die den einzelnen Gesellschaftern zuzuordnen ist, lässt sich folgern, dass die Beteiligung an der Personengesellschaft ausländischen Rechts steuerlich unter die Betriebsstätten-Alternative zu subsumieren ist. Grund hierfür ist die Unselbständigkeit der Personengesellschaft, die dazu führt, dass ihre Erfolge ebenso wie die der Betriebsstätte unmittelbar bei den einzelnen Gesellschaftern erfasst werden. Diese Sichtweise schlägt sich auch im OECD-MA nieder, indem aufgrund der mangelnden Selbständigkeit üblicherweise einer Personengesellschaft ebenso wie einer Betriebsstätte die Abkommensberechtigung versagt wird. Aus diesem Grunde erübrigt sich prinzipiell eine separate Berechnung der steuerlichen Behandlung von Direktinvestitionen in Form einer Personengesellschaft. Jedoch unterliegen auch Personengesellschaften den Vorschriften der Zinsschranke. Darüber hinaus soll auf die Thesaurierungsbegünstigung von Gewinnen nach § 34a EStG sowie auf die Behandlung von Sondervergütungen eingegangen werden.
4.2 Die Zinsschranke bei Personengesellschaften Die Beschränkung des Abzugs von Zinsen als Betriebsausgabe gem. § 4h EStG ist auch auf Personengesellschaften anzuwenden. Die Ausführungen zur Zinsschranke im Rahmen der Beschränkung der Gesellschafter-Fremdfinanzierung bei Kapitalgesellschaften behalten im Grundsatz auch für Personengesellschaften ihre Gültigkeit. Somit sind gem. § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG bei Personengesellschaften Zinsaufwendungen in Höhe der Zinserträge unbeschränkt abzugsfähig. Ein verbleibender Nettozinsaufwand ist zunächst bis zur Höhe des verrechenbaren EBITDA (= 30 % des steuerlichen EBITDA) und danach außerdem bis zur Höhe eines unter Umständen vorhandenen EBITDA-Vortrags zu berücksichtigen. Nichtabziehbare Zinsaufwendungen können in die folgenden Wirt-
322
Thesaurierungsbegünstigung gem. § 34a EStG
schaftsjahre vorgetragen werden. Es bestehen drei Ausnahmen von der Zinsschrankenregelung: x Freigrenze von 3.000.000 € (§ 4h Abs. 2 Satz 1 Bst. a EStG), x Konzernklausel (§ 4h Abs. 2 Satz 1 Bst. b EStG), x Escape-Klausel (§ 4h Abs. 2 Satz 1 Bst. c EStG). Bei Personengesellschaften ist jedoch zu beachten, dass im Rahmen der Ausnahmeregelungen der Konzernklausel und der Escape-Klausel die Zinsen aus Gesellschafterdarlehen unbeachtlich sind, da die Vorschriften zur Gesellschafter-Fremdfinanzierung des § 8a KStG ausschließlich für Kapitalgesellschaften gelten. Merke: Auch bei Personengesellschaften ist der Betriebsausgabenabzug von Zinsen nach § 4h EStG begrenzt. § 8a KStG ist jedoch lediglich bei Kapitalgesellschaften zu beachten.
4.3 Thesaurierungsbegünstigung gem. § 34a EStG Seit VZ 2008 haben Gesellschafter von Personengesellschaften die Möglichkeit, thesaurierte Gewinne mit einem ermäßigten Steuersatz von 28,25 % zzgl. SolZ zu versteuern. Die Gewährung der Thesaurierungsbegünstigung ist an folgende Voraussetzungen geknüpft: x Der Begünstigte muss eine natürliche Person sein und die Begünstigung für jeden Betrieb oder Mitunternehmeranteil separat beantragen (§ 34a Abs. 1 Satz 1 und 2 EStG), x Bei Mitunternehmern muss der Anteil am Gewinn entweder mehr als 10 % betragen oder 10.000 € übersteigen (§ 34a Abs. 1 Satz 3 EStG). Ausgangspunkt der Ermittlung des thesaurierungsfähigen Gewinns ist der nach § 4 Abs. 1 Satz 1 oder § 5 EStG ermittelte Gewinn. Dieser Gewinn ist gem. § 34a Abs. 2 EStG um den positiven Saldo der Entnahmen abzüglich der Einlagen zu kürzen.
./.
Gewinn nach § 4 Abs. 1 Satz 1 oder § 5 EStG positiver Saldo (Entnahmen ./. Einlagen)
=
thesaurierungsfähiger Gewinn
Thesaurierte und damit steuerlich begünstigte Gewinne unterliegen bei ihrer späteren Entnahme einer Nachversteuerung i.H.v. 25 % zzgl. SolZ (§ 34a Abs. 4 Satz 2 EStG). Im Falle der Nachversteuerung werden Gewinne im Ergebnis mit einem höheren Steuersatz belastet. Letztendlich entscheiden der Zinsvorteil der späteren Besteuerung und die Rentabilität des
Direktinvestition in Form einer Personengesellschaft
323
im Unternehmen belassenen Kapitals, ob sich die Thesaurierung nach § 34 EStG für den Steuerpflichtigen lohnt oder nicht.451 Zum Zweck der Nachversteuerung müssen die nicht entnommenen Gewinne in einer Größe, dem nachversteuerungspflichtigen Betrag, zusammengefasst werden. Der nachversteuerungspflichtige Betrag wird nach § 34a Abs. 3 Satz 3 EStG jährlich gesondert festgestellt und setzt sich gem. § 34a Abs. 3 Satz 2 EStG wie folgt zusammen:
./. + + / ./. ./. =
begünstigter Gewinn des laufenden VZ 28,25 % ESt zzgl. 5,5 % SolZ auf diesen Betrag nachversteuerungspflichtiger Betrag des Vorjahres übertragene nachversteuerungspflichtige Beträge nach § 34a Abs. 5 EStG Nachversteuerungsbetrag des laufenden VZ Nachversteuerungspflichtige Beträge zum Ende des VZ
Eine Nachversteuerung ist dann vorzunehmen, wenn ein nachversteuerungspflichtiger Betrag besteht und x der positive Saldo aus Entnahmen und Einlagen den Gewinn übersteigen (§ 34a Abs. 4 Satz 1 EStG), x der Betrieb aufgegeben oder veräußert wird (§ 34a Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 EStG), x der Betrieb in eine Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft eingebracht wird oder seine Rechtsform geändert wird (§ 34a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 EStG), wobei eine Buchwerteinbringung in eine Personengesellschaft jedoch nicht zur Nachversteuerung führt, x der Steuerpflichtige den Gewinn nicht mehr nach § 4 Abs. 1 Satz 1 oder § 5 EStG ermittelt (§ 34a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 EStG), x der Steuerpflichtige dies beantragt (§ 34a Abs. 6 Satz 1 Nr. 4 EStG) und x ein Wirtschaftsgut in ein anderes Betriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen gem. § 6 Abs. 5 Satz 1 bis 3 EStG übertragen wird (§ 34a Abs. 5 Satz 1 EStG). Steuerlich begünstigte Gewinne dürfen gem. § 34a Abs. 8 EStG nicht zum Ausgleich von negativen Einkünften verwendet werden. Die Finanzverwaltung hat ihre Auffassung zur Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a EStG in einem BMF-Schreiben veröffentlicht.452 Steuerpflichtige, die Einkünfte aus ausländischen Personengesellschaften erzielen, können grundsätzlich ebenfalls die Thesaurierungsbegünstigung in Anspruch nehmen.453 § 34a
451
Zur Kritik an dieser Vorschrift vgl. Brähler, G., Umwandlungssteuerrecht, 5. Aufl., Wiesbaden 2009, S. 11-13; Djanani, C./ Brähler, G./ Lösel, C., Ertragsteuern, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2008, S. 192 f.
452
Vgl. BMF v. 11.08.2008, IV C 6 – S 2290-a/07/10001.
324
Die Behandlung von Sondervergütungen
Abs. 1 Satz 1 EStG sieht keinen Inlandsbezug der nicht entnommenen Gewinne aus Personengesellschaften, die im zu versteuernden Einkommen enthalten sind, vor. Ebenso kann der nicht entnommene Gewinn über § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG auch aufgrund einer ausländischen Handelsbilanz ermittelt werden (§ 34a Abs. 2 EStG). In der Regierungsbegründung wird jedoch die Anwendung der Thesaurierungsbegünstigung bei steuerfreien Gewinnanteilen verneint.454 Werden demnach im Nicht-DBA-Fall die Einkünfte aus einer ausländischen Personengesellschaft im Ausland besteuert, so kann ein in Deutschland ansässiger Anteilseigner der Personengesellschaft die Thesaurierungsbegünstigung des § 34a EStG beantragen. Übersteigt die ausländische Steuer den Thesaurierungssteuersatz i.H.v. 28,25 %, entsteht eine Doppelbesteuerung im Umfang des Anrechnungsüberhangs. Im DBA-Fall muss zwischen der Anrechnungs- und der Freistellungsmethode unterschieden werden. Ist in einem DBA die Vermeidung der Doppelbesteuerung durch die Anrechnungsmethode vorgesehen, so kann der deutsche Gesellschafter der ausländischen Personengesellschaft die Thesaurierungsbegünstigung in Anspruch nehmen. Das OECD-MA normiert jedoch in Art. 7 Abs. 1 die Freistellung der in ausländischen Personengesellschaften erwirtschafteten Gewinne im Inland. Auf diese in Deutschland steuerfreien und nur im Rahmen des Progressionsvorbehalts beachtlichen Gewinne findet § 34a EStG keine Anwendung.
4.4 Die Behandlung von Sondervergütungen Die abkommensrechtliche Behandlung von Sondervergütungen ist in § 50d Abs. 10 EStG geregelt. Hintergrund für die Einführung des § 50d Abs. 10 EStG im Rahmen des JStG 2009 ist das BFH-Urteil455 vom 17.10.2007. Darin ging es um einen ausländischen Gesellschafter, der seiner deutschen gewerblichen Personengesellschaft ein Darlehen zur Verfügung stellte; sog. Inbound-Fall. Die dafür gezahlten Sondervergütungen in Form von Zinsen sind nach Ansicht der Finanzverwaltung als Unternehmensgewinne i.S.d. Art. 7 Abs. 1 OECD-MA zu behandeln. Der BFH vertritt hingegen die Meinung, dass Sondervergütungen nicht automatisch Unternehmensgewinne darstellen, sondern dass sie dem für sie nach Art der Vergütung geltenden spezielleren Artikel (hier: Zinsartikel) des DBA zu unterwerfen sind. Um zu diesem Ergebnis zu gelangen, orientiert sich der BFH in Übereinstimmung mit verschiedenen Literaturmeinungen an einer autonomen Auslegung der DBAs. Zusätzlich 453
Vgl. Goebel, S., Ungemach, M., Schmidt, S., Siegmund, O., Outbound-Investitionen über ausländische Personengesellschaften im DBA-Fall unter Inanspruchnahme des Thesaurierungsmodells i.S.d. § 34a EStG, IStR 2007, S. 877 f.
454
Vgl. Entwurf eines Unternehmensteuerreformgesetzes 2008, BT-Drs. 16/4841, S. 63.
455
Vgl. BFH v. 17.10.2007, I-R-5/06, DStR 2008, S. 659.
Direktinvestition in Form einer Personengesellschaft
325
wendet der BFH in seinem Urteil Art. 7 Abs. 7 OECD-MA an.456 Art. 7 Abs. 7 OECDMA setzt zunächst das Vorliegen von Unternehmensgewinnen und die Zuordnung der Sondervergütungen zu diesen Unternehmensgewinnen voraus. Nach innerstaatlichem Recht sind Sondervergütungen gewerbliche Einkünfte i.S.d. § 15 EStG. Da Einkünfte aus Gewerbebetrieb abkommensrechtlich Unternehmensgewinne darstellen, sind folglich auch Sondervergütungen den Unternehmensgewinnen i.S.d. Art. 7 OECD-MA zuzurechnen. Des Weiteren verlangt Art. 7 Abs. 7 OECD-MA, dass die Sondervergütungen die Definition eines spezielleren Artikels des DBA erfüllen.457 Ist dies der Fall, werden die Sondervergütungen von dem jeweils spezielleren Artikel erfasst. Handelt es sich bei den Sondervergütungen – wie im Urteilsfall – um Zinsen, sind diese folglich vorrangig dem Zinsartikel des jeweiligen DBA zuzuordnen. Eine Rückverweisung zu Art. 7 OECD-MA ist nur möglich, wenn der Betriebsstättenvorbehalt des Spezialartikels zur Anwendung kommt.458 Die vom BFH vorgenommene Einordnung der Sondervergütungen als Zinsen hat allerdings zur Konsequenz, dass Deutschland als Quellenstaat nur eine geringe oder teilweise auch gar keine Quellensteuer einbehalten darf. 459 Im Gegensatz zur Rechtsprechung des BFH, wonach Sondervergütungen gem. Art. 7 Abs. 7 OECD-MA nur Unternehmensgewinne darstellen, wenn sie keiner spezielleren DBA-Vorschrift zuzuordnen sind, sind die Sondervergütungen aus Sicht der Finanzverwaltung und einem Teil der Literatur stets als Unternehmensgewinne gem. Art. 7 Abs. 1 OECD-MA zu behandeln. Dass Sondervergütungen auch abkommensrechtlich unter Art. 7 Abs. 1 OECD-MA fallen, wird damit begründet, dass sie nach innerstaatlichem Steuerrecht zu den gewerblichen Einkünften i.S.d. § 15 EStG zählen. Der Rückgriff auf das nationale Steuerrecht ist nach Ansicht der Finanzverwaltung deshalb geboten, da der Begriff „Gewinne eines Unternehmens“ abkommensrechtlich nicht definiert ist. Die Auslegung dieses Begriffs erfolgt daher über die lex-fori-Klausel des Art. 3 Abs. 2 OECD-MA nach dem Verständnis des nationalen Rechts. Der Rückgriff auf das nationale Steuerrecht geht auf die Überlegung zurück, dass Personengesellschaften aus Abkommenssicht vollständig transparent sind und damit den Gesellschaftern Einkommensquellen vermitteln. Somit kommen Vergütungen, die die Personengesellschaft an ihre Gesellschafter zahlt, einer nicht anteiligen Gewinnverteilung gleich.460 Da auf den Anteil des Gewinns an einer Personengesellschaft abkommensrechtlich Art. 7 Abs. 1 OECD-MA anzuwenden ist, greift derselbe
456
Vgl. Korn, C., Grenzen des Einflusses innerstaatlichen Rechts auf die Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen – Erläutert am Beispiel von § 50d Abs. 10 EStG, IStR 2009, S. 641.
457
Vgl. Müller, M., Grenzüberschreitende Sondervergütungen und Sonderbetriebsausgaben im Spannungsfeld des Abkommensrechts, BB 2009, S. 753.
458
Vgl. Boller, T./ Eilinghoff, K./ Schmidt, S., § 50d Abs. 10 EStG i.d.F. des JStG 2009 – ein zahnloser Tiger?, IStR 2009, S. 109.
459
Vgl. Lohbeck, A./ Wagner, T., § 50d Abs. 10 EStG – Uneingeschränktes Besteuerungsrecht für Sondervergütungen im Inbound-Fall, DB 2009, S. 423 f.
460
Vgl. Korn, C., Grenzen des Einflusses innerstaatlichen Rechts auf die Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen – Erläutert am Beispiel von § 50d Abs. 10 EStG, IStR 2009, S. 641 f.
326
Die Behandlung von Sondervergütungen
Artikel auch für Sondervergütungen.461 Die Zuordnung der Sondervergütungen über Art. 7 Abs. 7 OECD-MA zu einer spezielleren Abkommensnorm ist insbesondere nach Meinung der Finanzverwaltung abzulehnen, da Sondervergütungen nicht aus dem allgemeinen Gewinnanteil herausgelöst und damit nicht einem anderen DBA-Artikel unterworfen werden können.462 Die Finanzverwaltung geht außerdem davon aus, dass Sondervergütungen in Form von Zinseinkünften immer dem Gewinn der inländischen Betriebsstätte (Personengesellschaft) zugeordnet werden.463 Somit hätte Deutschland im Inbound-Fall gem. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 OECD-MA ein Besteuerungsrecht an den Sondervergütungen. Mit dem neu eingefügten § 50d Abs. 10 EStG wird die Auffassung der Finanzverwaltung gesetzlich festgeschrieben. Damit soll der BFH an die Meinung der Finanzverwaltung gebunden werden. Außerdem ist mit der Neufassung beabsichtigt, dass Deutschland das uneingeschränkte Besteuerungsrecht an den Sondervergütungen zusteht.464 § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG: „Sind auf Vergütungen im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 zweiter Halbsatz und Nr. 3 zweiter Halbsatz die Vorschriften eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung anzuwenden und enthält das Abkommen keine solche Vergütungen betreffende ausdrückliche Regelung, gelten diese Vergütungen für Zwecke der Anwendung des Abkommens ausschließlich als Unternehmensgewinne.“
Die Neureglung bewirkt, dass die gezahlten Sondervergütungen auf nationaler Ebene für Zwecke der Anwendung eines DBA ausschließlich als Unternehmensgewinne gelten. Enthält ein DBA Vorschriften zu Sondervergütungen465, dann gelten für die Einordnung der Sondervergütungen die Regelungen des jeweiligen DBA. § 50d Abs. 10 EStG ist sowohl im Fall von Outbound-Investitionen in Form einer Personengesellschaft als auch im Fall der Inbound-Investition in eine deutsche Personengesellschaft anzuwenden.466
461
Vgl. Müller, M., Grenzüberschreitende Sondervergütungen und Sonderbetriebsausgaben im Spannungsfeld des Abkommensrechts, BB 2009, S. 753.
462
Vgl. Korn, C., Grenzen des Einflusses innerstaatlichen Rechts auf die Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen – Erläutert am Beispiel von § 50d Abs. 10 EStG, IStR 2009, S. 642.
463
Vgl. Entwurf eines BMF-Schreibens vom 10.05.2007, IV B 4 – S 1300/07/006.
464
Vgl. Boller, T./ Eilinghoff, K./ Schmidt, S., § 50d Abs. 10 EStG i.d.F. des JStG 2009 – ein zahnloser Tiger?, IStR 2009, S. 109; Lohbeck, A./ Wagner, T., § 50d Abs. 10 EStG – Uneingeschränktes Besteuerungsrecht für Sondervergütungen im Inbound-Fall, DB 2009, S. 423.
465
Z.B. sieht das DBA zwischen Deutschland und der Schweiz eine Regelung zur Behandlung von Sondervergütungen vor; vgl. Art. 7 Abs. 7 DBA-Schweiz v. 11.08.1971, BGBl. II 1972, S. 1021, BStBl. I 1972, S. 518.
466
Vgl. Bericht des Finanzausschusses zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung – Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2009 (JStG 2009), BT-Drs. 16/11108, S. 29.
Direktinvestition in Form einer Personengesellschaft
327
Wie nachfolgend gezeigt wird, hat die Neuregelung jedoch nicht zur Folge, dass Deutschland in jedem Fall das Besteuerungsrecht an den Sondervergütungen zusteht. Durch die Annahme von Unternehmensgewinnen in § 50d Abs. 10 EStG ist für Sondervergütungen ausschließlich Art. 7 OECD-MA anwendbar. Die Anwendung der spezielleren Art. 10 bis 13 OECD-MA bzw. des in diesen Artikeln vorgesehenen Betriebsstättenvorbehalts werden ausgeschlossen. Zur Erinnerung: Unternehmensgewinne werden grundsätzlich im Wohnsitzstaat des Unternehmens bzw. in diesem Fall im Wohnsitzstaat des die Sondervergütungen beziehenden Gesellschafters besteuert. Liegt im Quellenstaat eine Betriebsstätte vor und können die Unternehmensgewinne der Betriebsstätte zugerechnet werden, so ist die Besteuerung der Unternehmensgewinne im Betriebsstättenstaat möglich. Für das jeweilige Besteuerungsrecht ist es daher entscheidend, ob Sondervergütungen dem Gewinn der Betriebsstätte (bzw. der Personengesellschaft) zugerechnet werden können (Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA). Hinsichtlich der „tatsächlichen Zurechenbarkeit“ der Sondervergütung zur Betriebsstätte vertreten der BFH und die Finanzverwaltung unterschiedliche Ansichten. Obwohl die Finanzverwaltung grundsätzlich von einer Zugehörigkeit der Sondervergütungen zum inländischen Betriebsstättengewinn ausgeht, fehlt es in § 50d Abs. 10 EStG an einer Regelung, die diese Zurechnung ausdrücklich festlegt.467 Daher muss die Zurechnung der Sondervergütung zur Betriebsstätte nach den autonomen Grundsätzen des Abkommens erfolgen. Weltweit wird in der Regel davon ausgegangen, dass der Betriebsstätte nur solche Vergütungen zuzuordnen sind, die ihr zufließen, nicht hingegen solche (Sonder-) Vergütungen, die die Betriebsstätte zahlt. Im Falle einer Inbound-Investition in eine deutsche Personengesellschaft hat dies hat zur Konsequenz, dass Deutschland – anders als erhofft – die von der inländischen Personengesellschaft an ausländische Gesellschafter gezahlten Sondervergütungen regelmäßig nicht besteuern kann. Dies liegt daran, dass die Sondervergütungen überwiegend nicht der deutschen Betriebsstätte (hier: Personengesellschaft) zuzuordnen sind. Anders gestaltet sich das Ergebnis im Outbound-Fall. Hierbei steht Deutschland als Ansässigkeitsstaat der die Sondervergütungen beziehenden Person grundsätzlich das Besteuerungsrecht an den Sondervergütungen zu, da die Sondervergütungen auch in diesem Fall größtenteils nicht der ausländischen Betriebsstätte zugerechnet werden können (Art. 7 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA).468 Im Folgenden werden die Unterschiede der Besteuerung von Tochterpersonengesellschaften bei übereinstimmender und abweichender Steuersubjektqualifikation verdeutlicht. Zur Übersicht der Besteuerung von Tochterpersonengesellschaften bei übereinstimmender Steuersubjektqualifikation dient die folgende Abbildung:
467
Vgl. Lohbeck, A./ Wagner, T., § 50d Abs. 10 EStG – Uneingeschränktes Besteuerungsrecht für Sondervergütungen im Inbound-Fall, DB 2009, S. 424 f.
468
Vgl. Hils, M., Neuregelung internationaler Sondervergütungen nach § 50d Abs. 10 EStG, DStR 2009, S. 890 f.
328
Die Behandlung von Sondervergütungen Besteuerung im Ausland
beschränkte Steuerpflicht des Gesellschafters, da Beteiligung an einer ausNichtländischen PersGes der Errichtung DBAeiner Betriebsstätte im Ausland gleichFall gestellt wird
DBAFall
Besteuerung im Inland
unbeschränkte Steuerpflicht des Gesellschafters (Welteinkommensprinzip), ggf. Thesaurierungsbegünstigung, Vermeidung der Doppelbesteuerung durch Anrechnungsmethode oder Abzugsmethode
Betriebsstättenprinzip Personengesellschaft ist nicht (Art. 7 Abs. 1 OECD-MA) abkommensberechtigt, beschränkte Steuerpflicht des inländi- Vermeidung der Doppelbesteuerung schen Gesellschafters durch Freistellungsmethode
Abbildung 78:
Personengesellschaft und übereinstimmende Qualifikationen
Als Exkurs soll abschließend der Fall einer abweichenden Steuersubjektqualifikation diskutiert werden. Dieser Fall trifft beispielsweise bei Direktinvestitionen in Ungarn zu, da Personengesellschaften in Ungarn immer intransparent besteuert werden, oder bei Direktinvestitionen in den USA, wo auf Grund der sog. check-the-box-regulations dem in- oder ausländischen Steuerpflichtigen das Wahlrecht eingeräumt wird, eine Personengesellschaft der Besteuerung als transparente oder intransparente Rechtseinheit zu unterwerfen.469
469
Vgl. hierzu ausführlich Brähler, G., Deutsche Direktinvestitionen in den USA, Hamburg 2002, S. 123 ff.
329
Grenzüberschreitende Verrechnung von Verlusten Besteuerung im Ausland
Besteuerung im Inland
unbeschränkte Steuerpflicht Die abweichende Einordnung der PersGes der PersGes als eigenständi- durch das Ausland wirkt sich auf die inländiges Steuersubjekt sche Besteuerung nicht aus: Gewinnausschüttungen fühNichtren zu einer beschränkten DBA-Fall Steuerpflicht des Anteilseigners, die üblicherweise durch eine KapESt abgegolten wird
Unbeschränkte Steuerpflicht des Gesellschafters (Welteinkommensprinzip) und ggf. Thesaurierungsbegünstigung Vermeidung der Doppelbesteuerung durch Anrechnungsmethode (sowohl der „KSt“ als auch der KapESt)
unbeschränkte Steuerpflicht Die PersGes gilt auf Abkommensebene als der PersGes als eigenständi- eigenständige Person (Art. 3 OECD-MA); ges Steuersubjekt dieser Qualifikation ist auch für Deutschland verpflichtend auf Ebene des DBA zu folgen, Gewinnausschüttungen füh- so dass Deutschland im Rahmen der Gewinnren zu einer beschränkten entstehung kein Besteuerungsrecht zusteht. Steuerpflicht des Anteilseigners, die durch eine KapESt Im Rahmen der Gewinnverwendung wird abgegolten Deutschland ein Besteuerungsrecht an den wird „Ausschüttungen“ zugewiesen, da auf Ebene DBA-Fall des DBA Dividenden i.S.d. Art. 10 OECDEinschränkung der Quellen- MA vorliegen. besteuerung durch DBA der Höhe nach Da DBA allerdings keine innerstaatlichen Besteuerungsrechte erschaffen können, ist in Deutschland keine Besteuerung vorzunehmen, da Deutschland die Qualifikation innerstaatlich als Personengesellschaft beibehält, so dass von nichtsteuerbaren Entnahmen ausgegangen wird. Abbildung 79:
Personengesellschaft und abweichende Qualifikationen
5 Grenzüberschreitende Verrechnung von Verlusten Die Behandlung negativer und positiver ausländischer Einkünfte im Rahmen der Freistellungsmethode erfolgt symmetrisch. Sind ausländische positive Einkünfte aufgrund eines DBA von der inländischen Besteuerung freigestellt, so werden auch ausländische negative Einkünfte für die Besteuerung nicht berücksichtigt. Liegt ein DBA mit Freistellungsmethode vor, können sich ausländische Verluste allenfalls im Rahmen des negativen Progressi-
330
Die Behandlung von Sondervergütungen
onsvorbehalts (§ 32b EStG) unter Beachtung der Beschränkungen des § 2a Abs. 1 EStG auswirken. Für bestimmte Einkünfte, die innerhalb der EU oder des EWR erwirtschaftet werden, wird der Progressionsvorbehalt (sowohl der negative als auch der positive) ausgeschlossen. Im Falle einer in einem EU/EWR-Staat belegenen gewerblichen Betriebsstätte, die die Voraussetzungen der Aktivitätsklausel erfüllt, ist die Verlustberücksichtigung im Rahmen des negativen Progressionsvorbehalts jedoch möglich. Im Gegensatz zu der derzeit geltenden symmetrischen Behandlung von nach DBA freigestellten ausländischen Gewinne sowie Verlusten, galt bis einschließlich VZ 1998 eine andere Regelung. § 2a Abs. 3 EStG a.F. ermöglichte den Ausgleich und den Abzug von nach DBA freigestellten Verlusten aus ausländischen gewerblichen Betriebsstätten, die die Aktivitätsklausel erfüllten. Erwirtschaftet die Betriebsstätte in späteren Besteuerungszeiträumen wieder Gewinne, so hatte im Inland eine Nachversteuerung zu erfolgen.470 In der Vergangenheit gab es verschiedene EuGH-Entscheidungen und Schlussanträge471, die auf einen Verstoß des Prinzips der derzeit geltenden symmetrischen Besteuerung von ausländischen negativen und positiven Einkünften gegen das Gemeinschaftsrecht hinwiesen.472 Ging es dabei um ausländische Verluste aus EU-Staaten, war häufig die Niederlassungsfreiheit, die unabhängig von der Staatsangehörigkeit die Aufnahme und Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit innerhalb der EU gewährleisten soll, betroffen. In Bezug auf die Verrechnung ausländischer Verluste mit inländischen Gewinnen sind zwei Entscheidungen des EuGH von besonderer Bedeutung. Zum einen die Entscheidung in der Rs. MARKS AND SPENCER473, bei der es um die grenzüberscheitende Verrechnung von Verlusten innerhalb eines Konzerns ging, und zum anderen die Entscheidung in der Rs. LIDL BELGIUM474, bei der die Verrechnung von nach DBA freigestellten Betriebsstättenverlusten zu prüfen war.475 Der EuGH entschied in der Rs. MARKS AND SPENCER, dass eine Berücksichtigung der Verluste der EU-Tochtergesellschaften bei der britischen Konzernmutter nur dann möglich wäre, wenn die Verluste in dem jeweiligen Entstehungsstaat nachweislich endgültig nicht
470
Vgl. H 2a EStR.
471
Vgl. beispielsweise Rs. LAKEBRINK, EuGH v. 18.07.2007, C-182/06, DStR 2007, S. 1339; Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston, E. v. 08.11.2007 in der Rs. DEUTSCHE SHELL, C293/06, www.curia.eu.int.
472
Vgl. Rehm, H./ Nagler, G., Neues von der grenzüberschreitenden Verlustverrechnung, IStR 2008, S. 131 ff.
473
Vgl. Rs. MARKS AND SPENCER, EuGH v. 13.12.2005, C-446/03, IStR 2006, S. 19.
474
Vgl. Rs. LIDL BELGIUM, EuGH v. 15.05.2008, C-414/06, IStR 2008 S. 400.
475
Vgl. Watrin, C./ Wittowski, A./ Lindscheid, F., EuGH: Keine Sofortverrechnung ausländischer Betriebsstättenverlust, IStR 2008, S. 637.
Grenzüberschreitende Verrechnung von Verlusten
331
mehr genutzt werden können. Eine derartige endgültige Unmöglichkeit der Verlustnutzung liegt beispielsweise im Fall der Liquidation der Tochtergesellschaft vor.476 Die Rs. LIDL BELGIUM betraf explizit die Prüfung der nach der Abschaffung des § 2a Abs. 3 EStG a.F. geltenden Rechtslage, wonach ausländische Betriebsstättenverluste von der Besteuerung freigestellt werden, wenn auch die Betriebsstättengewinne für die Besteuerung im Inland außer Acht gelassen werden.477 Bei seiner Entscheidung hielt sich der EuGH eng an das MARKS AND SPENCER-Urteil. Er verwies zwar auf die generelle Möglichkeit der Verlustverwertung, jedoch war er der Meinung, dass die Nichtberücksichtigung ausländischer Betriebsstättenverluste im Wohnsitzstaat des Stammhauses grundsätzlich nicht gegen die Niederlassungsfreiheit verstößt, wenn die Verluste im Betriebsstättenstaat in späteren Besteuerungszeiträumen berücksichtigt werden können.478 Daraus lässt sich ableiten, dass allein endgültig im Betriebsstättenstaat nicht mehr verwertbare Verluste im Wohnsitzstaat des Stammhauses anzuerkennen sind.479 Auf die Frage, ob in Zukunft die Vorschrift des § 2a Abs. 3 EStG a.F. neu aufleben könnte und daher Betriebsstättenverluste unter der Voraussetzung einer späteren Nachversteuerung der ausländischen Betriebsstättengewinne beim Stammhaus verrechnet werden können, ging der EuGH nicht ein. Aus Zins- und Liquiditätsgesichtspunkten wäre eine Wiederbelebung der alten Vorschrift für die Unternehmen einerseits vorteilhaft gewesen.480 Andererseits hatte der Gesetzgeber die Norm aufgrund ihrer Missbrauchsanfälligkeit abgeschafft. Es sollten auch weiterhin keine Anreize dafür geschaffen werden, dass Unternehmen versuchen könnten, mit ausländischen Verlusten die Steuerlast in Hochsteuerländern zu reduzieren, während sie die Gewinne im Niedrigsteuerland versteuern würden. Einhergehend mit der Entscheidung des EuGH legte der BFH in seinem Schlussurteil481 in der Rechtssache LIDL BELGIUM fest, dass ein Abzug negativer Einkünfte aus einer ausländischen Betriebsstätte von inländischen positiven Einkünften grundsätzlich nicht möglich ist. Hinsichtlich solcher Verluste, die im Betriebsstättenstaat nachweislich unter keinen Umständen mehr geltend gemacht werden können, gestattete er jedoch einen Verlustabzug im Verlustentstehungsjahr. Obwohl die Regelungen des § 32b EStG und § 2a EStG im Rahmen des JStG 2009 mit Verweis auf Europarechtskonformität geändert wurden, gehen sie in keiner Weise auf die
476
Vgl. Rs. MARKS AND SPENCER, EuGH v. 13.12.2005, C-446/03, IStR 2006, S. 19; von Brocke, K., Ausländische Verluste Im Inland berücksichtigen, DATEV magazin August 2009, S. 33.
477
Vgl. Rehm, H./ Nagler, G., Neues von der grenzüberschreitenden Verlustverrechnung, IStR 2008, S. 129.
478
Vgl. Rs. LIDL BELGIUM, EuGH v. 15.05.2008, C-414/06, IStR 2008 S. 400.
479
Vgl. von Brocke, K., Ausländische Verluste Im Inland berücksichtigen, DATEV magazin August 2009, S. 35.
480
Vgl. Watrin, C./ Wittowski, A./ Lindscheid, F., EuGH: Keine Sofortverrechnung ausländischer Betriebsstättenverlust, IStR 2008, S. 640.
481
Vgl. BFH v. 17.07.2008, I R 84/04, DStR 2008, S. 1927.
332
Die Behandlung von Sondervergütungen
Rechtsprechung des EuGH ein, wonach trotz Freistellungsmethode finale Verluste im Inland zu berücksichtigen sind.482 Darüber hinaus reagierte die Finanzverwaltung auf das Schlussurteil des BFH in Sachen LIDL BELGIUM mit einem Nichtanwendungserlass483. Danach sind die Urteilsgrundsätze – insbesondere die Möglichkeit des phasengleichen Verlustabzugs von final im Betriebsstättenstaat nicht mehr verwertbaren Verlusten – über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht anzuwenden. Folglich ist eine Geltendmachung von endgültig im Betriebsstättenstaat nicht mehr nutzbaren Verlusten in Deutschland künftig nicht vorgesehen und ggf. nur über den Gerichtsweg zu erreichen. Um die Rechtsgrundlagen europarechtskonform auszugestalten, müssten jedoch finale Betriebsstättenverluste im Wohnsitzstaat des Stammhauses anerkannt werden.484 Es bleibt also abzuwarten, wann der Gesetzgeber auf die EU-Rechtsprechung reagiert und weitere Anpassungen bei der Regelung über die Behandlung ausländischer Verluste vornimmt.
6 Exkurs: Erbschaftsteuer im Internationalen Steuerrecht Zum 01.01.2009 ist in Deutschland das neue Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz485 in Kraft getreten. Die Neuregelung war notwendig geworden, da das Gesetz in seiner bisherigen Fassung gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 GG verstieß.486 Das neue Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz enthält zahlreiche Änderungen bei der Besteuerung von Erb- und Schenkungsfällen. Zu den Änderungen gehören u.a. die Erhöhung der Freibeträge für nahe Angehörige, die realitätsnähere Bewertung sämtlicher Vermögensklassen, Neuregelungen bei der Vererbung von Wohngrundstücken oder die Neugestaltung der Begünstigung des Übergangs von Betriebsvermögen. Durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz sollen auch im Bereich der Erbschaft- und Schenkungsteuer Wachstumshemmnisse beseitigt werden. Dazu wurden insbesondere die Unternehmensnachfolge und die Steuersätze (erneut) neu geregelt. Diese Änderungen sind erstmals für Erwerbe nach dem 31.12.2009 zu berücksichtigen.487
482
Vgl. Wittowski, A./ Lindenscheid, F., Berücksichtigung ausländischer Betriebsstättenverluste nach dem JStG 2009, IStR 2009, S. 228.
483
Vgl. BMF-Schreiben v. 13.07.2009, IV B 5 – S 2118 – a/07/10004, DStR 2009, S. 1585.
484
Vgl. Wittowski, A./ Lindenscheid, F., Berücksichtigung ausländischer Betriebsstättenverluste nach dem JStG 2009, IStR 2009, S. 230.
485
Vgl. Gesetz zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts (Erbschaftsteuerreformgesetz – ErbStRG) v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, S. 3018.
486
Vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts v. 07.11.2006, 1 BvL 10/02, BStBl. II, S. 192.
487
Vgl. Gesetz zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums (Wachstumsbeschleunigungsgesetz) v. 22.12.2009, BGBl. I 2009, S. 3950.
Exkurs: Erbschaftsteuer im Internationalen Steuerrecht
333
Im Folgenden werden die Grundzüge der Erbschaftsteuer im Internationalen Steuerrecht unter Beachtung der gesetzlichen Neuregelungen dargestellt.
6.1 Persönliche Steuerpflicht im Erbschaftsteuerrecht Das ErbStG spricht in § 2 zwar nicht expressis verbis von der unbeschränkten und der beschränkten Steuerpflicht, diese sind jedoch auch in der Erbschaftsteuer gebräuchlich. Zu ergänzen sind diese Vorschriften noch um diejenigen einer erweitert beschränkten Erbschaftsteuerpflicht nach § 4 AStG.
6.1.1 Unbeschränkte Steuerpflicht Anknüpfungspunkt für die unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland ist bei: 1. natürlichen Personen nach § 2 Abs. 1 ErbStG die Inländereigenschaft; 2. juristischen Personen (Körperschaften) gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Bst. d ErbStG Geschäftsleitung (§ 10 AO) oder Sitz (§ 11 AO) im Inland. Die unbeschränkte Steuerpflicht tritt ein, wenn entweder der Erblasser/Schenker oder der Erwerber zur Zeit der Steuerentstehung Inländer war. Die Besteuerung umfasst das gesamte übergegangene Weltvermögen nach Berücksichtigung von Freibeträgen etc. Übersicht über die Inländereigenschaft im Erbschaftsteuerrecht x x x
x
x
Als Inländer gelten nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG natürliche Personen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, deutsche Staatsangehörige, die sich nicht länger als fünf Jahre dauernd im Ausland aufgehalten haben, ohne im Inland einen Wohnsitz zu haben (erweitert unbeschränkte Steuerpflicht), unter bestimmten Voraussetzungen deutsche Staatsangehörige, ggf. einschließlich deren Angehörige, ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, wenn sie zu einer juristischen Person des öffentlichen Rechts in einem Dienstverhältnis stehen und dafür aus öffentlichen Kassen Arbeitslohn beziehen, Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die ihre Geschäftsleitung oder Sitz im Inland haben.
334
Persönliche Steuerpflicht im Erbschaftsteuerrecht
Beispiel
Am 03.04.2010 stirbt die in Budapest lebende Mia Wallace und hinterlässt ihr Vermögen ihrem in Rom lebenden Neffen Vincent Vega, der 1950 in München geboren und deutscher Staatsbürger ist. Er lebte bzw. lebt zwischen 1950-2007 in München ab 2008 in Rom.
Lösung
Zwar ist die Erblasserin Mia in Budapest und der Erbe Vincent in Rom ansässig, aber gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Bst. b ErbStG sind deutsche Staatangehörige, die sich nicht länger als 5 Jahre dauernd im Ausland aufgehalten haben, ohne im Inland einen Wohnsitz zu haben, in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig. Vega ist daher in Deutschland unbeschränkt erbschaftsteuerpflichtig.
6.1.2 Beschränkte Steuerpflicht Beschränkt steuerpflichtig sind alle diejenigen, die nicht unter die Tatbestände des § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ErbStG fallen.
Dies sind somit: x natürliche Personen, die weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, x deutsche Staatsangehörige, die sich länger als fünf Jahre dauernd im Ausland aufgehalten haben, ohne im Inland einen Wohnsitz zu haben und die weder selbst noch deren Angehörige Auslandsbedienstete i.S.d. Bst. c sind, x juristische Personen ohne Geschäftsleitung oder Sitz im Inland, aber x denen Inlandsvermögen i.S.d. § 121 BewG und Nutzungsrechten an solchen Gegenständen vererbt bzw. geschenkt wird. Sind an dem Vermögensübergang ausschließlich beschränkt Steuerpflichtige beteiligt, so beschränkt sich die Besteuerung nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 ErbStG auf das Inlandsvermögen i.S.d. § 121 BewG. Unter den Begriff Inlandsvermögen werden u.a. subsumiert: x inländisches land- und forstwirtschaftliches Vermögen, x inländisches Grundvermögen, x inländisches Betriebsvermögen im Rahmen einer Betriebsstätte, x Anteile an einer Kapitalgesellschaft, wenn die Gesellschaft Sitz oder Geschäftsleitung im Inland hat und der Gesellschafter entweder alleine oder zusammen mit anderen ihm nahe stehenden Personen i.S.d. § 1 Abs. 2 AStG am Grund- oder Stammkapital der Gesellschaft mindestens zu einem Zehntel unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist. § 2 Abs. 1 Nr. 3 Satz 3 ErbStG verschärft diesen Tatbestand u.a. noch dahingehend, dass diese Untergrenze nur bei der ersten Schenkung über-
Exkurs: Erbschaftsteuer im Internationalen Steuerrecht
x x
x
335
schritten sein muss. Für alle nachfolgenden Teilübertragungen ist die Höhe des Anteils irrelevant. unmittelbare Erfindungen, Gebrauchsmuster und Topographien, die in ein inländisches Buch oder Register eingetragen sind, Hypotheken, Grundschulden, Rentenschulden und andere Forderungen und Rechte, wenn sie durch inländischen Grundbesitz, durch inländische grundstücksgleiche Rechte unmittelbar oder mittelbar gesichert sind, Forderungen aus der Beteiligung an einem Handelsgewerbe als stiller Gesellschafter und aus partiarischen Darlehen, wenn der Schuldner Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt, Sitz oder Geschäftsleitung im Inland hat.
Beispiel
Erblasser Mr. Big hat seinen Wohnsitz in Italien. Sein Vermögen besteht aus einem Mietwohngrundstück in Düsseldorf (Grundstückswert 400.000 €), einem Sparguthaben bei einer Bank in Düsseldorf (Nennwert 20.000 €) und einem Grundstück im Ausland (200.000 €). Die Alleinerbin Carrie (Steuerklasse III) wohnt ebenfalls im Ausland.
Lösung
Für beschränkt Steuerpflichtige ist nach § 16 Abs. 2 ErbStG nur ein Freibetrag i.H.v. 2.000 € normiert. Die Besteuerung erfolgt nach dem Tarif gem. § 19 ErbStG.
Carrie ist beschränkt erbschaftsteuerpflichtig i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG. Ihre Steuerpflicht bezieht sich nur auf das Inlandsvermögen gem. § 121 BewG. Damit wird das Grundstück im Ausland nicht in die deutsche Steuerpflicht einbezogen. Das Sparguthaben gehört nicht zum Inlandsvermögen i.S.d. § 121 BewG. Der Steuerpflicht unterliegt somit lediglich das Grundstück in Düsseldorf mit dem Grundstückswert gem. §§ 182 Abs. 3, 184 BewG von 400.000 € abzüglich des Freibetrages i.H.v. 2.000 € (§ 16 Abs. 2 ErbStG). Der Wert des steuerpflichtigen Erwerbs beträgt somit 398.000 €, worauf ein Steuersatz von 30 % erhoben wird.
6.1.3 Erweitert beschränkte Steuerpflicht nach dem AStG Die erweitert beschränkte Steuerpflicht kommt nur dann in Betracht, wenn die beschränkte Steuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG gegeben ist. Jedoch müssen im Einzelnen nach § 4 i.V.m. § 2 AStG darüber hinaus noch folgende Voraussetzungen erfüllt sein: x
x
x
Der Erblasser muss in den letzten 10 Jahren vor seiner Auswanderung als Deutscher insgesamt mindestens 5 Jahre unbeschränkt einkommensteuerpflichtig gewesen sein, der Erblasser muss in einem ausländischen Gebiet den Wohnsitz haben, in dem er mit seinem Einkommen nur einer niedrigen Besteuerung unterliegt, oder in keinem ausländischen Staat ansässig sein und wesentliche wirtschaftliche Interessen im Inland haben.
336
Vermeidung der Doppelbesteuerung
Beispiel
Die erweitert beschränkte Steuerpflicht kommt für eine Dauer von 10 Jahren nach Wegzug ins Ausland in Betracht. Da aber nach der Regelung des § 2 Abs. 1 Nr. 1 Bst. b ErbStG die unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht ohnehin auf solche deutsche Staatsangehörige ausgedehnt wird, die sich nicht länger als 5 Jahre dauernd im Ausland aufgehalten haben, ohne im Inland einen Wohnsitz zu haben, kommt die erweitert beschränkte Erbschaftsteuerpflicht nur bei Erbfällen innerhalb der Restzeit des Zehn-Jahres-Zeitraums zum Zuge. Die deutsche Staatsangehörige Marla Singer verlegt am 01.02.05 ihren Wohnsitz von Berlin nach Liechtenstein (Niedrigsteuerland). Alle von ihr ausgehenden Erwerbe, die bis zum 31.01.10 anfallen, unterliegen der (erweitert) unbeschränkten Steuerpflicht (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 Bst. b ErbStG). Alle Erwerbe, die zwischen dem 01.02.10 und dem 31.12.15 anfallen, unterliegen der erweitert beschränkten Steuerpflicht.
Liegen die Voraussetzungen der erweitert beschränkten Erbschaftsteuerpflicht vor, so erstreckt sich die Steuerpflicht über das Inlandsvermögen i.S.d. § 121 BewG hinaus auf das sog. erweiterte Inlandsvermögen. Dazu gehören alle Wirtschaftsgüter, deren Erträge bei unbeschränkter Einkommensteuerpflicht nicht ausländische Einkünfte im Sinne des § 34c Abs. 1 Satz 1 EStG wären (§ 4 Abs. 1 AStG). Folglich werden folgende Vermögensgegenstände zusätzlich der Besteuerung unterworfen: x Kapitalforderungen gegen Schuldner im Inland, x Spar- und Bankguthaben bei Geldinstituten im Inland, x Ansprüche auf Renten und wiederkehrende Leistungen gegen Schuldner im Inland, x Erfindungen und Urheberrechte, die im Inland verwertet werden, x Versicherungsansprüche gegen Versicherungsunternehmen im Inland sowie x sämtliche bewegliche Wirtschaftsgüter, die sich im Inland befinden.
6.2 Vermeidung der Doppelbesteuerung Als Rechtsfolge der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegt der gesamte Vermögensanfall einschließlich der im Ausland belegenen Vermögensteile der deutschen Erbschaftsteuer. Wird in dem betreffenden ausländischen Staat ebenfalls eine Erbschaftsteuer erhoben, so kann dies zu einer doppelten Besteuerung desselben Erwerbs führen. Die Vermeidung der Doppelbesteuerung hängt davon ab, ob mit dem betreffenden Staat ein Doppelbesteuerungsabkommen bezüglich der Erbschaftsteuer abgeschlossen wurde oder nicht. Demnach muss auch im Erbschaftsteuerrecht eine Unterscheidung in DBA- und Nicht-DBA-Fall erfolgen.
Exkurs: Erbschaftsteuer im Internationalen Steuerrecht
337
6.2.1 Nicht-DBA-Fall Besteht mit dem betreffenden ausländischen Staat kein DBA, so kann nach § 21 ErbStG die im Ausland entrichtete Steuer auf die deutsche Steuer angerechnet werden (Anrechnung ausländischer Erbschaftsteuer). Um die ausländische Steuer anrechnen zu können, müssen jedoch die folgenden Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 Satz 1 ErbStG vorliegen: x x x x x
Antrag, kein Doppelbesteuerungsabkommen, unbeschränkte Steuerpflicht, Auslandsvermögen, Erwerber muss im Ausland zu einer der deutschen Erbschaftsteuer entsprechenden Steuer herangezogen werden, x festgesetzte, auf den Erwerber entfallende, gezahlte und keinem Ermäßigungsanspruch unterliegende ausländische Steuer, x Entstehung der deutschen Steuer innerhalb von 5 Jahren seit Entstehung der ausländischen Steuer. Analog zu den Steuern vom Einkommen kennt auch die Erbschaftsteuer einen Anrechnungshöchstbetrag. Dieser ermittelt sich gem. § 21 Abs. 1 Satz 2 ErbStG wie folgt: Anrechnungshöchstbetrag
=
deutsche ErbSt
x
steuerpflichtiges Auslandsvermögen steuerpflichtiges Gesamtvermögen
Beispiel
Sofern das Auslandsvermögen in verschiedenen ausländischen Staaten belegen ist, muss der Anrechnungshöchstbetrag für jeden einzelnen ausländischen Staat gesondert berechnet werden („per-country-limitation“), § 21 Abs. 1 Satz 3 ErbStG. Erblasser Mr. Burns ist am 01.06.2010 verstorben. Er hinterlässt das gesamte Vermögen seiner einzigen Tochter Maggie (30 Jahre), die in München lebt. Zu seinem Nachlass gehören Nachlassgegenstände, die mit 500.000 € bewertet worden sind. Nachlassverbindlichkeiten bestehen i.H.v. 50.000 €. Des Weiteren gehört ein in Italien belegenes Geschäftsgrundstück zum Nachlass, dessen gemeiner Wert 100.000 € beträgt. Maggie ist im Ausland i.H.v. 15.000 € zur Erbschaftsteuer herangezogen worden.
Lösung
338
Vermeidung der Doppelbesteuerung I. Ermittlung der deutschen Erbschaftsteuer + ./. = ./. =
Nachlassgegenstände (Inland) Grundstück (Ausland) Nachlassverbindlichkeiten Bereicherung (§ 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG) Freibetrag (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 15 ErbStG) steuerpflichtiger Erwerb (§ 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG)
+ ./. = ./. =
500.000 € 100.000 € 50.000 € 550.000 € 400.000 € 150.000 €
Der Steuersatz beträgt nach § 19 Abs. 1 ErbStG 11 %, da Maggie als Kind des Mr. Burns der Steuerklasse I zuzuordnen ist. Die Erbschaftsteuer beträgt demnach 16.500 € (150.000 € x 11 %). II. Ermittlung des Anrechnungshöchstbetrags 16.500 € x
100.000 €
= 3.000 €
550.000 €
III. Steuerfestsetzung Da die tatsächlich gezahlte ausländische Steuer höher ist als der Anrechnungshöchstbetrag, ist nur dieser anrechenbar, so dass Maggie noch 16.500 € ./. 3.000 € = 13.500 € Steuern in Deutschland zu entrichten hat.
6.2.2 DBA-Fall Doppelbesteuerungsabkommen, die sich auf die Erbschaftsteuer beziehen, wurden von Deutschland bisher sehr selten abgeschlossen. Derzeit bestehen mit der Schweiz, Dänemark, Griechenland, Schweden und den USA derartige Abkommen. Das ErbschaftsteuerDBA mit Österreich hat Deutschland zum 31.12.2007 gekündigt. Hintergrund der Kündigung war der Wegfall der Erbschaftsteuer in Österreich zum 31.07.2008. Die DBA mit Dänemark, Schweden und den USA beziehen sich auch auf die Schenkungsteuer. Wie ein solches Abkommen aufgebaut ist und wie die Besteuerungsrechte verteilt sind, zeigt der nachstehende Abschnitt. Wurde mit dem betreffenden Staat ein DBA abgeschlossen, so richtet sich die Vermeidung/Minderung der Doppelbesteuerung nach den darin vorgesehenen Methoden. Die DBA wenden auch im Erbschaftsteuerrecht die Anrechnungs- und Freistellungsmethode an. Die Anrechnung ausländischer Steuern nach § 21 ErbStG ist gem. § 21 Abs. 4 ErbStG auch dann anzuwenden, wenn das DBA die Anrechnungsmethode vorsieht. Insoweit soll auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.
339
Exkurs: Erbschaftsteuer im Internationalen Steuerrecht
Beispiel
Gleicher Sachverhalt wie im Ausgangsbeispiel, jedoch liegt das Grundstück nun in einem DBA-Staat. Maggie hat für den Erwerb 10.000 € Steuern in dem DBA-Staat bezahlt. Der Wert des Nachlassvermögens beträgt 500.000 €, die Nachlassverbindlichkeiten 50.000 €. Im DBA ist geregelt, dass unbewegliches Vermögen ausschließlich im Belegenheitsstaat besteuert wird.
Lösung
Die Freistellungsmethode soll anhand des folgenden Beispiels verdeutlicht werden.
Das Besteuerungsrecht für das Grundstück steht folglich nur dem DBA-Staat zu. Deutschland kann jedoch die Steuer von dem ihm zur Besteuerung überlassenen Teil des Vermögens nach dem Steuersatz erheben, der dem Wert des gesamten Nachlasses entspricht. Demnach kann Deutschland für die Festsetzung der Erbschaftsteuer das ausländische Grundstück bei der Ermittlung des anzuwendenden Steuersatzes auf das inländische Vermögen mit einbeziehen (Progressionsvorbehalt). I. Ermittlung des gesamten steuerpflichtigen Erwerbs + ./. = ./. =
Nachlassgegenstände (Inland) Grundstück (Ausland) Nachlassverbindlichkeiten Bereicherung (§ 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG) Freibetrag (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 15 ErbStG) steuerpflichtiger Erwerb (§ 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG)
+ ./. = ./. =
500.000 € 100.000 € 50.000 € 550.000 € 400.000 € 150.000 €
Steuersatz: 11 % (§ 19 ErbStG) II. Anwendung des Steuersatzes auf den inländischen steuerpflichtigen Erwerb ./. = ./. =
Nachlassgegenstände (Inland) Nachlassverbindlichkeiten Bereicherung Freibetrag inländischer steuerpflichtiger Erwerb
500.000 € ./. 50.000 € = 450.000 € ./. 400.000 € = 50.000 €
Festzusetzende Erbschaftsteuer:
50.000 € x 11 % = 5.500 €
Steuer ohne Progressionsvorbehalt:
50.000 € x 7 % = 3.500 €
340
Grundlegende Systematik des OECD-MA im Bereich der Erbschaftsteuer
6.3 Grundlegende Systematik des OECD-MA im Bereich der Erbschaftsteuer 6.3.1 Anwendungsbereich des Abkommens Das OECD-MA dient der Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Erbschafts- und Schenkungsteuern (sachlicher Anwendungsbereich). Unter den persönlichen Anwendungsbereich des OECD-Musterabkommens fallen neben Nachlässen von Erblassern, die im Zeitpunkt ihres Todes einen Wohnsitz in einem Vertragsstaat oder in beiden Vertragsstaaten hatten, auch Schenkungen, wenn der Schenker im Zeitpunkt der Schenkung seinen Wohnsitz in einem der beiden Staaten hatte (Art. 1 OECD-MA).
Beispiel
Jason Wynn verstirbt und hinterlässt seinem Sohn Al eine Villa in Dänemark. Der Sohn ist in Deutschland, Jason Wynn selbst war in Spanien wohnhaft.
Lösung
Im Unterschied zum deutschen Recht ist für die Anwendbarkeit des Musterabkommens nur der Wohnsitz des Erblassers/Schenkers, nicht aber der des Erben/Beschenkten für das Besteuerungsrecht bestimmend. Nach Art. 4 Abs. 1 OECD-MA ist der Wohnsitzbegriff weit auszulegen, und zwar im Sinne aller in den beiden Vertragsstaaten bestehenden subjektiven Steueranknüpfungsmerkmale. Auch bei einer weiten Auslegung des Wohnsitzbegriffs bleiben aber Fälle denkbar, in denen trotz Steuerpflicht in beiden Vertragsstaaten das grundsätzlich zwischen diesen Staaten bestehende DBA nicht anwendbar ist.
Deutschland besteuert den Erbanfall beim Erben Al aufgrund dessen unbeschränkter Steuerpflicht. Da die Villa in Dänemark belegen ist, wird Dänemark den Vorgang im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht einer Erbschaftsteuer unterwerfen. Das zwischen Dänemark und Deutschland abgeschlossene DBA ist nicht anwendbar, da der Erblasser in keinem der Vertragsstaaten ansässig war. Die Doppelbesteuerung kann nur durch unilaterale Maßnahmen (Anrechnung) beseitigt werden.
6.3.2 Abkommensaufbau Das OECD-MA ist in fünf Abschnitte untergliedert: I.
Geltungsbereich des Abkommens (Art. 1, 2 OECD-MA) Dieser Abschnitt bestimmt den persönlichen und sachlichen Geltungsbereich, beantwortet also die Frage, für wen und für welche Steuerarten das Abkommen gilt.
Exkurs: Erbschaftsteuer im Internationalen Steuerrecht II.
341
Begriffsbestimmungen (Art. 3-4 OECD-MA) Das Abkommen definiert in diesem Abschnitt entsprechend seiner Funktion als eigenständiger Regelungskreis mit eigenständiger Begriffssprache die im Abkommen verwendeten Begriffe.
III. Zuweisung der Besteuerungsrechte am Vermögen (Art. 5-8 OECD-MA) Abschnitt III legt mit Blickrichtung auf den Quellenstaat fest, inwieweit dessen Besteuerungsrechte hinsichtlich der aufgeführten Vermögensarten aufrechterhalten oder beschränkt werden („Schrankennormen“). IV. Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (Art. 9 A und B OECD-MA) Soweit die Art. 5-8 OECD-MA nicht schon selbst eine Doppelbesteuerung verhindern, definiert der IV. Abschnitt die beiden Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung: Anrechnungs- und Freistellungsmethode („Methodenartikel“). V.
Besondere Bestimmungen (Art. 10-14 OECD-MA) Der V. Abschnitt regelt bestimmte Sondertatbestände, wie z.B. das Verständigungsverfahren oder den Informationsaustausch zwischen den Behörden.
VI. Schlussbestimmungen (Art. 15, 16 OECD-MA) Die beiden Artikel des VI. Abschnitts regeln das Inkrafttreten und die Kündigung des Abkommens.
Der III. Abschnitt, der die sog. „Schrankennormen“ enthält, bildet mit dem „Methodenartikel“ des IV. Abschnitts den Kernbereich des OECD-MA.
6.3.3 Besteuerungsrechte Das OECD-MA zur Vermeidung der Doppelbesteuerung der Nachlässe und Erbschaften folgt im Aufbau jenem zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Einkommen- und Vermögensteuern. Im Wesentlichen gilt auch im Bereich der Erbschaftsteuer das Universalitätsprinzip: der Ansässigkeitsstaat besteuert den gesamten Nachlass, sofern er nicht dem anderen Staat explizit zur Besteuerung zugewiesen wird. Dem anderen Vertragsstaat werden dem Territorialitätsprinzip folgend Besteuerungsrechte an in seinem Staatsgebiet belegenem unbeweglichen Vermögen, Betriebsstätten bzw. festen Einrichtungen eingeräumt.
342
Grundlegende Systematik des OECD-MA im Bereich der Erbschaftsteuer Verteilung der Besteuerungsgüter Vermögensart
Besteuerungsrecht
OECD-MA
unbewegliches Vermögen (einschließlich unbeweglichem Unternehmensvermögen)
Belegenheitsstaat
Art. 5
Betriebsstättenstaat, Staat der festen Einrichtung
Art. 6
Ansässigkeitsstaat
Art. 7
Vermögen einer Betriebsstätte bzw. einer festen Einrichtung sonstiges Vermögen x
im Belegenheitsstaat oder im Ansässigkeitsstaat befindliches, nicht unter die vorrangig anzuwendenden Verteilungsnormen der Art. 5 oder 6 fallendes Vermögen
x
in Drittstaaten belegenes Vermögen Abbildung 80:
Zuteilungsregeln bei Erbschaft- und Schenkungsteuer
Beispiel
Art. 8 OECD-MA enthält eine ausdrückliche Regelung bzgl. des Schuldenabzugs. Bestimmend hierfür ist der wirtschaftliche Zusammenhang. In erster Linie werden Schulden von dem Vermögensteil abgezogen, dem sie wirtschaftlich zugehören oder mit dem sie sichergestellt sind (Art. 8 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA). Schulden, die zu einer Betriebsstätte oder einer festen Einrichtung gehören, werden von diesen Vermögenswerten abgezogen. Schulden ohne besonderen wirtschaftlichen Zusammenhang werden von den im Wohnsitzstaat zu versteuernden Nachlassaktiven abgezogen. Übersteigen die Schulden den Wert des Vermögens, dem sie nach diesen Bestimmungen zuzurechnen sind, werden sie von den Vermögenswerten abgezogen, die im selben Staat zu besteuern sind. Verbleibt in einem Staat auf diese Weise ein ungedeckter Schuldenrest, so ist er auf das im anderen Staat zu versteuernde Vermögen zu übertragen. Die Vorschrift des § 10 Abs. 6 Satz 1 ErbStG entfaltet insoweit keine Wirkung. Durch diese Regelung wird vermieden, dass in einem Land ein Schuldenüberhang besteht, während im anderen Land erbschaftsteuerpflichtiges Vermögen verbleibt. Herr Wallenberger, wohnhaft in Stuttgart, erbt von seinem zuletzt in Düsseldorf ansässigen Vater Vermögenswerte in Höhe von 2.000.000 €, wovon aufgrund der Zuteilungsregeln 700.000 € in Deutschland und 1.300.000 € in Dänemark der Besteuerung unterliegen. Die zu übernehmenden Schulden belaufen sich auf 1.000.000 € und stehen ausschließlich im wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem deutschen Vermögen.
Lösung
Exkurs: Erbschaftsteuer im Internationalen Steuerrecht
343
Die Zurechnung der Schulden ausschließlich aufgrund des wirtschaftlichen Zusammenhanges würde dazu führen, dass Dänemark die Erbschaftsteuer auf der Bemessungsgrundlage von 1.300.000 € erhebt, obwohl an Nettovermögen insgesamt nur 1.000.000 € vorhanden ist. Der deutsche Schuldenüberhang ist daher in Dänemark zu berücksichtigen.
Ein im Inland berücksichtigungsfähiger ausländischer Schuldenüberhang entsteht erst, wenn der Wert des ausländischen Vermögens – ermittelt zum Verkehrswert – die dort zu berücksichtigenden Schulden unterschreitet. Erlaubt das innerstaatliche Recht einen über die Abkommensregelung hinausgehenden Schuldenabzug, bleibt dieser unberührt.488 Doppelbesteuerungsabkommen können gemäß der ihnen zukommenden Schrankenwirkung keine innerstaatlichen Besteuerungsrechte begründen, sondern diese nur begrenzen. Die zwischenstaatliche Verpflichtung zum Schuldenabzug stellt eine solche Einschränkung dar.
488
Vgl. aber Art. 8 Abs. 6 OECD-MA.
344
Begriff und Merkmale einer Holding
Kapitel IV: Internationale Steuerplanung mit Holdinggesellschaften 1 Internationale Steuergestaltung durch den Einsatz von Holdinggesellschaften In diesem Kapitel wird als Anwendungsbeispiel des Internationalen Steuerrechts die internationale Steuerplanung durch die Einschaltung von Holdinggesellschaften erklärt. Hierbei wird deutlich werden, dass zu großen Teilen auf bereits dargestelltes Wissen zum Internationalen Steuerrecht zurückgegriffen werden kann und internationale Steuerplanung somit hauptsächlich auf einer geschickten Ausnutzung von Basiskenntnissen beruht. Grenzüberschreitend tätige Unternehmen unterliegen oftmals einer Vielzahl von Steuerhoheiten, wobei sich die einzelnen Gesetzgebungen mehr durch Unterschiede als durch Gemeinsamkeiten auszeichnen. Das starke Steuergefälle zwischen den Ländern und die teilweise divergierende Qualifikation von Sachverhalten eröffnen global tätigen Unternehmen die Möglichkeit, ihre Konzernsteuerquote durch das Ausnutzen der unterschiedlichen Steuergesetzgebungen zu senken. Eine entscheidende Rolle spielen dabei Holdingstrukturen, die die erforderliche Flexibilität und Innovationskraft bieten, auf wandelnde Strukturanforderungen im Zuge der fortschreitenden Globalisierung zu reagieren. Insbesondere aufgrund steuerlicher und betriebswirtschaftlicher Überlegungen aber auch vor dem Hintergrund haftungsrechtlicher Fragestellungen sind viele Großkonzerne489 im Zuge des „leanmanagement“-Gedankens von überholten Stammhausstrukturen zu einer Konzernholding490 mit rechtlich selbständigen Tochtergesellschaften umstrukturiert worden. Aufgrund der relativ hohen Standortflexibilität von Holdinggesellschaften nehmen steuerliche Faktoren einen weitaus bedeutenderen Stellenwert für die Wahl des Standortes ein als bei der Standortsuche für produzierende Einheiten im Konzern.
1.1 Begriff und Merkmale einer Holding 1.1.1
Der Begriff der Holding
„Holding“ leitet sich aus dem englischen „to hold“ ab und ist keine gesetzlich geregelte Gesellschaftsform, sondern ein von der Rechtsform unabhängiger Klassifikationsbegriff.491 489
Vgl. u.a. Hoch Tief AG (2001); Salzgitter AG (2001); Bayer AG (2003), Porsche Automobil Holding SE (2007).
490
Vgl. Lutter, M., Die Holding, in: Lutter, M. (Hrsg.), Holding Handbuch, 4. Aufl., Köln 2004, S. 4; Keller, T., Unternehmungsführung mit Holdingkonzepten, 2. Aufl., Köln 1993, S. 38.
491
Vgl. Bremer, S., Der Holdingstandort Bundesrepublik Deutschland, Frankfurt a.M. u.a. 1996, S. 5.
Internationale Steuergestaltung durch den Einsatz von Holdinggesellschaften
345
Eine Holding bzw. Holdinggesellschaft bezeichnet den betrieblichen Hauptzweck einer Unternehmung, der darin besteht, eine auf Dauer angelegte Beteiligung an einem oder mehreren rechtlich selbständigen Gesellschaften zu halten und zu verwalten.492 In Abhängigkeit von den spezifischen Ausprägungsmerkmalen der Holding kann deren Tätigkeitsbereich über die allgemeine Verwaltungsfunktion hinausgehen und sich von der Finanzierung der Holdinggruppe bis hin zur Führung des Holdingkonzerns zur sog. konzernleitenden Holding ausweiten.493 Letzteres erfordert hinreichende Eigentumsrechte in Form entsprechender Kapital- und Stimmrechtsanteile, um Weisungs- und Entscheidungsbefugnisse gegenüber den abhängigen Konzerngesellschaften vorzunehmen. Holdingstrukturen eignen sich somit zur finanziellen und strukturellen Organisation von Unternehmensgruppen, weil sie die Kontrolle des Beteiligungsbesitzes erleichtern und eine wirtschaftlich einheitliche Leitung der Gruppe sicherstellen.494 Die Rechtsform der Holdinggesellschaft ist dabei unerheblich; es kommen grundsätzlich Kapitalgesellschaften nach nationalen oder europäischen Recht, Personengesellschaften sowie Stiftungen und Einzelunternehmungen in Betracht. Merkmale der Holding:495 9 Spitzeneinheit als Konzernzentrale, 9 Keine eigene produktionswirtschaftliche Aktivität,496 9 Ausübung von Verwaltungs- und Koordinationsaufgaben, 9 Übernahme strategischer Planung und Führung des Unternehmensverbundes, 9 Rechtliche Selbständigkeit einzelner Konzerneinheiten.
1.1.2
Wesensmerkmale und Typisierung von Holding-Arten
Die Vielzahl von bestehenden Besonderheiten bezüglich der Holdingvarianten lässt sich u.a. nach x Funktion, x hierarchischer Einordnung oder x lokaler Ausrichtung
492
Vgl. Keller, T., Unternehmungsführung mit Holdingkonzepten, 2. Aufl., Köln 1993, S. 32.
493
Vgl. Scheffler, E., Vor- und Nachteile der Holding, in: Lutter, M. (Hrsg.), Holding Handbuch, 4. Aufl., Köln 2004, S. 31.
494
Vgl. Kessler, W., Die Euro-Holding, München 1996, S. 10.
495
Vgl. Schulte, C., Holding-Strategien, Wiesbaden 1992, S. 30.
496
Vgl. Walter, W., in: Ernst & Young, Körperschaftssteuergesetz, Kommentar, § 14 KStG, 64. Erg.-Lfg., Bergisch-Gladbach 2008, Rz. 201.
346
Begriff und Merkmale einer Holding
der Holding differenzieren, wodurch keinesfalls Doppelfunktionen ausgeschlossen werden sollen. In der nachfolgenden Tabelle sind die Bezeichnungen dargestellt, die im Zeitablauf aufgrund besonderer Zielvorgaben bzw. Einsatzbereiche der jeweiligen Holding sowie deren charakteristischen Merkmale entstanden sind. Typisierungsmerkmal
Ausprägungsformen
Eigentümer bzw. Branchengruppe
Familienholding, Staatsholding, Gewerkschaftsholding, Postholding, Mitarbeiterholding
Branchenzugehörigkeit der Untergesellschaften
Industrieholding, Versicherungsholding, Bankholding, Zeitungsholding, Energieholding, Automobilholding
Funktion der Holding
Finanzholding, Führungsholding
Tätigkeit der Holding
Reine Holding, gemischte Holding
Hierarchische Einordnung der Holding
Dachholding, Zwischenholding
Lokale Ausrichtung
Auslandsholding, Landesholding
Art der Entstehung
Geborene Holding, gestaltete Holding
Abbildung 81:
Typologie der Holding-Arten497
Eine gebräuchliche Anwendung von Holdinggesellschaften ist beispielsweise die Bündelung von regionalen Beteiligungen in einer Landesholding, wie in der unteren Abbildung veranschaulicht. Im Beispiel sind alle Auslandsaktivitäten des Konzerns in der GmbH 3 zusammengefasst, an die wiederum Zwischenholdings angeschlossen sind.
497
Abbildung in Anlehnung an Schulte, C., Holding-Strategien, Wiesbaden 1992, S. 31.
Internationale Steuergestaltung durch den Einsatz von Holdinggesellschaften
347
Dach- oder Konzernholding
GmbH 1
GmbH 2
UKLandesholding
UKPlc. A
Abbildung 82:
UKPlc. B
GmbH 3 Auslandsholding
AsienRegionalholding
Malaysia
Korea
Niederlande Zwischenholding
Singapur
Monaco AG
Beispiel für eine Holdingstruktur
1.1.2.1 Funktionale Differenzierung: Die Führungs- und Finanzholding Die Intensität, mit der die Unternehmensspitze auf den Unternehmensverbund einwirkt, ist das entscheidende Differenzierungsmerkmal für die funktionale Betrachtungsweise einer Holdingstruktur. Grundsätzlich ist von den Holdingorganisationen der Stammhauskonzern, der lange Zeit die dominierende Organisationsform deutscher Großunternehmen war, abzugrenzen. Im Unterschied zu den Holdingformen, die sich dadurch auszeichnen, dass das gesamte operative Geschäft in rechtlich selbständige Tochtergesellschaften ausgegliedert ist, finden beim Stammhauskonzern alle wichtigen Unternehmenstätigkeiten beim Mutterunternehmen selbst statt.498 Tochtergesellschaften dienen lediglich der eigenen wirtschaftlichen Tätigkeit des Stammhauses und sind, von der rechtlichen Selbständigkeit abgesehen, wie abhängige Betriebsabteilungen organisiert. Die Tätigkeit der Management- oder Führungsholding499 als Dach- bzw. Muttergesellschaft geht über das reine „Halten“ der Beteiligungen hinaus.500 Sie übt allerdings keinen Einfluss auf die operative Tätigkeit der abhängigen Beteiligungsgesellschaften aus, übernimmt aber deren strategische Steuerungs- und Konzernkoordinationsfunktionen.
498
Vgl. Scheffler, E., Konzernmanagement, 2. Aufl., München 2005, S. 59 f.
499
Vgl. Bühner, R., Management-Holding – Unternehmensstruktur der Zukunft, Landsberg/Lech 1992, S. 33.
500
Vgl. Lutter, M., Die Holding, in: Lutter, M. (Hrsg.), Holding Handbuch, 4. Aufl., Köln 2004, S. 12.
348
Begriff und Merkmale einer Holding
Insbesondere werden Funktionen wie die x Festlegung einer einheitlichen strategischen Gesamtzielsetzung, x Festlegung einer entsprechenden Unternehmenspolitik (u.a. durch die Besetzung von Führungspositionen), x Koordination der Aktivitäten der Geschäftsfelder und der Sparten unter Sicherstellung der Kompatibilität mit der Unternehmensstrategie sowie x ggf. Bereitstellung von Dienst- und Serviceleistungen für den untergeordneten Teilkonzern übernommen.501 Zusätzlich kann durch den Abschluss von Unternehmensverträgen eine intensivere Einflussnahme vereinbart werden, die über die Ausübung der Kapital- und Stimmrechte hinausgeht. Gegenstand eines solchen Vertrages können Vereinbarungen bezüglich einer Personalunion der Führungspositionen in der Holding und den Tochtergesellschaften sein oder die Festlegung eines gemeinsamen Finanz- oder Personalmanagements. Übt die Holding die einheitliche Leitung über ihre Beteiligungen aus, wird sie als konzernleitende Holding aktiv.502 Die Trennung von strategischer und operativer Ebene erleichtert die Schaffung flacher Hierarchien und fördert die Nutzung von Skalen- und Synergieeffekten zwischen den Geschäftsfeldern über die Schnittstelle der Holding-Spitze, welche die zentralen Dienstleistungen erbringt. Im Gegensatz dazu verzichtet das Unternehmen an der Verbundspitze einer Finanz- bzw. Vermögensholding auf sämtliche Führungsfunktionen gegenüber den operativen Gesellschaften. Diese sog. reine Holding beschränkt sich auf das Halten und Verwalten der Beteiligungen und stellt mangels einheitlicher Leitung keinen Konzern i.S.d. § 18 AktG dar. Unabhängig von der Beteiligungsquote werden lediglich mitgliedschaftsrechtliche Aufsichtspflichten wahrgenommen, ohne unternehmerischen Einfluss auf die Geschäftspolitik der Tochtergesellschaften auszuüben.503 Im Rahmen der Finanzierungsfunktion sorgt die Holding für die Gewährleistung und Optimierung des Finanzbedarfs der Unternehmensgruppe unter Liquiditäts-, Rentabilitäts- und Stabilitätsaspekten. Dabei kann sie bspw. selbst zentral für die Gruppe am Kapitalmarkt auftreten und den Gesellschaften Eigenmittel zuführen oder Sicherheiten gegenüber Kreditgebern für eine dezentrale Kapitalbeschaffung durch die Untergesellschaften stellen (sog. back-to-backFinanzierung).504
501
Vgl. Bremer, S., Der Holdingstandort Bundesrepublik Deutschland, Frankfurt a.M. u.a. 1996, S. 15; Keller, T., Unternehmensführung mit Holdingkonzepten, Köln 1990, S. 37; Schulte, C., Holding-Strategien, Wiesbaden 1992, S. 33 f.
502
Vgl. Scheffler, E., Konzernmanagement, 2. Aufl., München 2005, S. 62.
503
Vgl. Keller, T., Unternehmensführung mit Holdingkonzepten, 2. Aufl., Köln 1993, S. 35 f.
504
Vgl. Bremer, S., Der Holdingstandort Bundesrepublik Deutschland, Frankfurt a.M. u.a. 1996, S. 14.
Internationale Steuergestaltung durch den Einsatz von Holdinggesellschaften
349
1.1.2.2 Hierarchische Differenzierung: Dach- und Zwischenholding Eine Dachholding ist die Spitzeneinheit eines geschlossenen und hierarchisch aufgebauten Unternehmensverbundes, die selbst die Unternehmensleitungsfunktion innehat.505 Durch die Ausübung einer einheitlichen Leitung auf die untergeordneten Hierarchieebenen wird eine Konzernholding i.S.d. § 18 AktG begründet. Die Funktion einer Dachholding kann daher nicht von einer reinen Holding ausgefüllt werden, weil diese typischerweise keine Führungsfunktion gegenüber ihren Tochtergesellschaften ausübt. 506 Die Zwischenholding als rechtlich selbständige Gesellschaft ist in der Hierarchie unterhalb der Dachholding angesiedelt. Durch die Zwischenschaltung wird eine zusätzliche Beteiligungsebene im Unternehmensverbund geschaffen, so dass eine mehrstufige Unternehmensstruktur entsteht. Innerhalb des Unternehmensverbundes übernimmt eine Zwischenholding oft die Funktion einer Bereichsleitung in der ordnungsstrukturellen Form einer nationalen Landesholding oder internationalen Auslandsholding. Neben betriebswirtschaftlichen Vorteilen wie der organisatorischen Gestaltung, haftungsrechtlichen Absicherung und der liquiditätsmäßigen Versorgung stellt die Zwischenholding ein zentrales steuerliches Gestaltungsinstrument der internationalen Steuerplanung dar.507 Merkmale einer Zwischenholding:508 9 Zwischeneinheit als rechtliches oder steuerliches Gestaltungsmedium, 9 Beschränkung von Haftungsrisiken, 9 Nutzung des internationalen Steuergefälles, 9 Umleitung, Umformung oder zeitliche Abschirmung von Einkünften. Die folgende Abbildung dient der Veranschaulichung bezüglich des Wirkungszusammenhangs, den die Zwischenschaltung einer Holdinggesellschaft auf eine bestehende Konzernstruktur entfaltet.
505
Vgl. Keller, T., Unternehmensführung mit Holdingkonzepten, Köln 1990, S. 38; Keller bezeichnet einen Beteiligungsverbund als geschlossen, wenn die Dachgesellschaft alle Anteile an den Untergesellschaften hält.
506
Vgl. Lutter, M., Die Holding, in: Lutter, M. (Hrsg.), Holding Handbuch, 4. Aufl., Köln 2004, S. 16.
507
Vgl. Schänzle, T., Steuerorientierte Gestaltung internationaler Konzernstrukturen, Köln 2000, S. 15.
508
Vgl. Jacobs, O., Internationale Unternehmensbesteuerung, 6. Aufl., München 2007, S. 968.
350
Begriff und Merkmale einer Holding
Konzernkreis der Dachholding
Dachholding
Zwischenholding
Konzerntochter
Beteiligungsgesellschaft Beteiligungsgesellschaft
Konzernkreis der Zwischenholding
Abbildung 83:
Hierarchische Einordnung von Dach- und Zwischenholdings509
1.1.2.3 Lokale Differenzierung: Auslands- und Landesholding Die Untergesellschaften einer Auslandsholding (internationale Holding) haben ihren Sitz in verschiedenen Staaten. Die Holding kann zugleich als Zwischenholding für mehrere ausländische Tochtergesellschaften Finanzierungs- und Führungsaufgaben übernehmen. Durch die relativ hohe Mobilität einer internationalen Holdinggesellschaft kann der Konzern lokale steuerliche Standortvorteile wie z.B. niedrige Besteuerung von ausländischen Beteiligungs- und Zinserträgen, einen guten Zugang zum internationalen Kapitalmarkt oder besondere Finanzierungsinstrumente durch die Wahl des Domizilstaates der Holding ausnutzen. Im Gegensatz zur Auslandsholding hält die Landesholding nur Beteiligungen an Unternehmen, die im selben Staat ansässig sind. Dabei kann sie ebenso wie die Auslandsholding als Obergesellschaft eines Unternehmensverbundes oder als Zwischenholding ausgestaltet sein und dabei Finanz- oder Führungsfunktionen übernehmen. Der Sitz einer Landesholding ist durch die Tochtergesellschaften bestimmt und hängt nicht wie bei einer Auslands510 holding primär von steuerlichen Faktoren ab.
1.1.3
Steuerrechtliche Holdingformen in Deutschland
Vor dem Hintergrund eines nicht vorhandenen eigenständig kodifizierten Konzernsteuerrechts und zahlenmäßig überschaubaren holdingspezifischen Gesetzesvorschriften speziell 509
Abbildung in Anlehnung an Keller, T., Unternehmensführung mit Holdingkonzepten, Köln 1990, S. 39.
510
Vgl. Keller, T., Unternehmensführung mit Holdingkonzepten, Köln 1990, S. 40.
Internationale Steuergestaltung durch den Einsatz von Holdinggesellschaften
351
im Zusammenhang mit rein inländischen Sachverhalten greift das deutsche Steuerrecht auf die ertragsteuerliche Individualbesteuerung der einzelnen Rechtssubjekte des Holdingkonzerns zurück.511 Gleichwohl trägt es durch das Rechtsinstitut der Organschaft dem Konzernsachverhalt Rechnung und wird der wirtschaftlichen Betrachtungsweise des Holdingkonzerns als einheitlichem Unternehmensverbund mit auf Dauer angelegten Beteiligungen i.S.d. § 271 Abs. 1 HGB gerecht. Die Organschaft, die aus einem Organträger und wenigstens einer Organgesellschaft besteht, ermöglicht die steuerliche Zusammenfassung von mindestens zwei rechtlich selbständigen Steuersubjekten für die Ermittlung der ertrag- und umsatzsteuerlichen Besteuerungsgrundlagen.512 Mangels eines steuerartenübergreifenden Organschaftskonzepts ist die steuerliche Anerkennung der Organschaft von der jeweiligen Erfüllung der steuerartspezifischen Voraussetzungen abhängig.513
1.1.3.1 Voraussetzungen der ertrag- und umsatzsteuerlichen Organschaft Die Voraussetzungen für die Begründung einer körperschaftsteuerlichen Organschaft i.S.d. § 14 Abs. 1 KStG sind: x x
eine finanzielle Eingliederung gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG sowie ein Ergebnisabführungsvertrag gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1, Satz 2 KStG.
Die gleichen Tatbestandsvoraussetzungen gelten gem. § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG ebenfalls bezüglich der gewerbesteuerlichen Organschaft. Folglich existiert ein gemeinsames Organschaftskonzept unter ertragsteuerlichen Gesichtspunkten. Die Tatbestandsmerkmale eines gewerblichen Unternehmens i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG, die ein Organträger erfüllen muss, knüpfen nach Auffassung der Finanzverwaltung514 und der h.M.515 an die Voraussetzungen des Gewerbebetriebs gem. § 2 GewStG an. Somit wird nicht nur ein Gewerbebetrieb kraft Rechtsform gem. § 8 Abs. 2 KStG und eine gewerblich geprägte Personengesellschaft516 i.S.d. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG akzeptiert, sondern auch eine Personengesellschaft i.S.d § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 EStG (z.B. OHG, 511
Vgl. Schaumburg, H./ Jesse, L., Die nationale Holding aus steuerrechtlicher Sicht, in: Lutter, M. (Hrsg.), Holding Handbuch, 4. Aufl., Köln 2004, S. 646.
512
Vgl. Grashoff, D., Steuerrecht 2005, München 2005, S. 148.
513
Vgl. Thiel, R., Grundsätzliche Probleme des Körperschaftsteuerrechts, StbJb 1961/62, S. 201 ff.; Herzig, N., Einführung, in: Herzig, N. (Hrsg.), Organschaft, Stuttgart 2003, S. 3.
514
Vgl. BMF v. 26.08.2003, IV A 2 – S 2770 – 18/03, Tz. 2; Walter, W., in: Ernst & Young, Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 14 KStG, 64. Erg.-Lfg., Bergisch-Gladbach 2008, Rz. 188.
515
Vgl. Walter, W., in: Ernst & Young, Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 14 KStG, 64. Erg.Lfg., Bergisch-Gladbach 2008, Rz. 188.
516
Mit Einführung des StVgAb G v. 16.05.2003 wurde die Verwendung explizit verboten.
352
Begriff und Merkmale einer Holding
KG). Letztere sowie Personengesellschaften i.S.d. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG (z.B. GmbH & Co KG) werden jedoch nur unter der Voraussetzung anerkannt, dass eine finanzielle Eingliederung zur Organträger-Personengesellschaft selbst besteht und diese Personengesellschaft eine eigene gewerbliche Tätigkeit i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG (originäre gewerbliche Tätigkeit) ausübt.517 Die Konsequenz aus der Voraussetzung der gewerblichen Prägung ist, dass eine Holdinggesellschaft Organträger sein kann, unabhängig von der Ausgestaltung der Holdingfunktion518 sowie der Ausübung von geschäftsleitenden Tätigkeiten. Die umsatzsteuerliche Organschaft tritt unabhängig vom Abschluss eines Ergebnisabführungsvertrages ein, sobald die Organgesellschaft finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG eingliedert wird. Die Rechtsfolge dieser Eingliederung ist mangels erforderlicher Selbständigkeit die Versagung der Unternehmereigenschaft für die Organgesellschaft, wodurch ihre steuerbaren Umsätze dem Organträger als verbleibendem Unternehmer zuzurechnen sind.
1.1.3.2 Die Mehrmütterorganschaft Die Möglichkeit einer Mehrmütterorganschaft, in der sich mehrere Unternehmen die allein die Voraussetzungen der finanziellen Eingliederung nicht erfüllen, zu einer GbR zusammenschließen, um ein Organschaftsverhältnis zu begründen, wurde letztmalig für VZ 2002519 anerkannt.520 Die seit diesem Zeitpunkt nicht mehr mögliche Anerkennung der gewerblich geprägten Personengesellschaften gem. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG als Organträger ohne gleichzeitige originäre gewerbliche Tätigkeit erfolgte ebenfalls, um Gestaltungen mit dem Ziel zu verhindern, das steuerliche Ergebnis einer Mehrmütterorganschaft zu erreichen.521 In der Praxis erfolgte die Bildung einer Mehrmütterorganschaft z.B. für die Durchführung eines Joint Ventures, indem sich mehrere Unternehmen zur Ausübung einer einheitlichen Willensbildung in Form einer GbR zusammengeschlossen haben, die daraufhin als Organ-
517
Vgl. BMF v. 10.11.2005, IV B 7 – S 2770 – 24/05, BStBl. I 2005, Tz. 1, 15; R 58 Satz 1 KStR.
518
Die frühere Rechtsprechung differenzierte zwischen vermögensverwaltender und geschäftsleitender Holding; RFH v. 01.04.1941, I-290/40, RStBl. 1942, S. 947; BFH v. 17.12.1969, I-252/64, BStBl. II 1970, S. 257; BFH v. 15.04.1970, I-R-122/66, BStBl. II 1970, S. 554; BFH v. 03.12.1976, III-R-98/74, BStBl. II 1977, S. 235; BFH v. 09.12.1980, VIII-R-11/77, BStBl. II 1981, S. 339; BFH v. 13.09.1989, I-R-110/88, BStBl. II 1990, S. 24.
519
Vgl. StVergAbG v. 16.05.2003, BGBl. I 2003, S. 660, BStBl. 2003 I S. 318.
520
Vgl. BMF v. 10.11.2005, IV B 7 – S 2770 – 24/05, BStBl. I 2005, Tz. 6.
521
Vgl. Walter, W., in: Ernst & Young, Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 14 KStG, 64. Erg.Lfg., Bergisch-Gladbach 2008, Rz. 235; BMF v. 10.11.2005, IV B 7 – S 2770 – 24/05, BStBl. I 2005, Tz. 17.
Internationale Steuergestaltung durch den Einsatz von Holdinggesellschaften
353
träger gegenüber einer nachgeordneten Kapitalgesellschaft aufgetreten ist.522 Aus körperschaftsteuerlicher Sicht wurde den Gesellschaftern der GbR im Verhältnis ihrer Beteiligungen direkt im Rahmen der sog. Durchleitung der Gewinn bzw. Verlust zugerechnet. Auf diese Weise konnten anfängliche Verluste unmittelbar von den Gesellschaftern genutzt werden und mussten nicht als Verlustvortrag bei der Organgesellschaft verbleiben. Gewerbesteuerlich konnte diese Wirkung nicht erzielt werden, da die GbR selbst Gewerbesteuersubjekt war und somit eine Abschirmwirkung gegenüber ihren Gesellschaftern entfaltet hat.523 Diese Abschirmwirkung entfiel allerdings aufgrund der Rechtsprechung des BFH524 mit der Folge, dass die tatsächlichen Muttergesellschaften und nicht die GbR als Organträger der nachgeordneten Kapitalgesellschaft angesehen wurden.
1.1.3.3 Exkurs: Österreichische Gruppenbesteuerung Mit Einführung des Steuerreformgesetzes 2005525 zum 01.01.2005 hat Österreich das bisher bestehende Organschaftsmodell, das im Wesentlichen dem deutschen Modell vor dem Steuersenkungsgesetz entsprach, durch eine modernere Gruppenbesteuerung ersetzt. Dieser Entschluss stellte einen Vorgriff auf die damals anhängige Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Marks & Spencer526 dar, wodurch eine grenzüberschreitende Verlustanrechnung ausländischer Tochtergesellschaften in Österreich unter bestimmten Voraussetzungen zugelassen wurde. Gleichzeitig erfolgte eine Reduzierung der Voraussetzungen zur Begründung einer Gruppe, bestehend aus Gruppenträger und Gruppenmitgliedern im Vergleich zur früheren Organschaft, auf nachfolgende Kriterien: x Finanzielle Eingliederung bei mehr als 50 %iger Beteiligung am Grund- oder Stammkapital und Stimmrechtsmehrheit, x Mindestzugehörigkeit zur Gruppe von 3 Jahren sowie x Stellung eines Gruppenantrags beim Finanzamt des Gruppenträgers. Die Auswirkungen dieser Maßnahmen gehen weit über die deutschen Gesetzesänderungen527 hinaus. Demzufolge können nicht nur Beteiligungsgemeinschaften, die die Errich-
522
Vgl. Jonas, B., Abschaffung der Mehrmütterorganschaft und Ersatzlösungen, in: Herzig, N. (Hrsg.), Organschaft, Stuttgart 2003, S. 306.
523
Vgl. Schaumburg, H./ Jesse, L., Die nationale Holding aus steuerrechtlicher Sicht, in: Lutter, M. (Hrsg.), Holding Handbuch, 4. Aufl., Köln 2004, S. 836.
524
Vgl. BFH v. 09.06.1999, I-R-43/97, BStBl. II 2002, S. 695; BFH v. 09.06.1999, I-R-37/98, BFH/NV 2000, S. 347.
525
Vgl. StRefG 2005 v. 06.05.2004, ÖBGBl. I Nr. 57/2004, S. 7.
526
Vgl. Rs. MARKS & SPENCER, EuGH v. 13.12.2005, C-446/03, NZG 2006, S. 105 ff.
527
Vgl. StSenkG v. 23.10.2000, BGBl. I 2000, S. 1433; UntStFG v. 20.12.2001, BGBl. I 2001, S. 3858, BStBl. I 2002, S. 35.
354
Begriff und Merkmale einer Holding
tung sog. Mehrmüttergruppen ermöglichen, für die Funktion des Gruppenträgers genutzt werden, sondern es werden auch grenzüberschreitende Gruppenbildungen ermöglicht. Darüber hinaus bietet der Gruppenantrag ein rein steuerliches, vom Gesellschaftsrecht gelöstes und sehr flexibles Zurechnungskonzept.528 Die steuerliche Ergebniszurechnung der Gruppenbesteuerung stellt eine Ausnahme von der Individualbesteuerung dar. So erfolgt einerseits gem. § 9 Abs. 6 öKStG weiterhin die ertragsteuerliche Gewinnermittlung für jedes inländische Gruppenmitglied individuell. Auf der anderen Seite werden die Ergebnisse dem Gruppenträger zugerechnet und bei diesem der Besteuerung unterworfen. Daraus resultierende Steuerausgleichszahlungen sind gem. § 9 Abs. 6 öKStG bilanzwirksam, aber steuerneutral und entsprechend der Gruppenvertragsvereinbarungen auszugleichen. Zentrales Element der Gruppenbesteuerung gem. § 9 Abs. 6 öKStG und insofern wesentliches Unterscheidungskriterium zur bisherigen Gesetzlage ist die Möglichkeit der grenzüberschreitenden Verlustverrechnung im Bezug auf ausländische Gruppenmitglieder. Der österreichische Gesetzgeber ermöglicht – obwohl ausländische Gewinne selbst mangels Besteuerungsrecht nicht steuerpflichtig sind – angefallene ausländische Verluste im Verhältnis zur Beteiligung sofort mit steuerpflichtigen Gewinnen der ansässigen Gruppenmitglieder zu verrechnen. Erfolgt eine spätere Verwertung dieser Verluste durch das ausländische Gruppenmitglied im Ausland, z.B. in Form einer Verrechnung mit zukünftigen Gewinnen, löst dieser Tatbestand allerdings eine Nachversteuerung der in der Vergangenheit in Abzug gebrachten Verluste in Österreich aus. Dies hat zur Folge, dass sich das zu versteuernde Einkommen der in Österreich ansässigen Gruppenmitglieder im Verhältnis zur Beteiligung um den verwerteten Betrag des ausländischen Gruppenmitglieds erhöht. Ziel dieser gesetzlichen Regelung ist die Vermeidung einer doppelten Verlustberücksichtigung innerhalb der Gruppe, einmal in Österreich im Zeitpunkt der Entstehung des Verlustes und ein weiteres Mal im Ausland im Rahmen eines Verlustvortrags in späteren Jahren. Aufgrund der EuGH-Entscheidung in der Rechtssache Marks & Spencer am 13.12.2005 ist nun auch Deutschland zu entsprechenden Gesetzesänderungen verpflichtet, die im Gegensatz zum bisherigen Organschaftsmodell eine grenzüberschreitende Verlustverrechnung ermöglichen können. Ob und in wieweit die österreichische Gruppenbesteuerung übernommen werden kann, bleibt abzuwarten. Merke: Die österreichische Gruppenbesteuerung ermöglicht eine, x Vereinfachte Gruppenbildung aufgrund reduzierter Voraussetzungen, x Verrechnung von Auslandsverlusten mit inländischen Gewinnen, x Errichtung einer Mehrmüttergruppe.
528
Vgl. Prinz, U., Neue österreichische Gruppenbesteuerung - Steuersystematische und steuerplanerische Erwägungen aus deutscher Sicht, GmbHR 2005, Heft 14, S. 918.
Internationale Steuergestaltung durch den Einsatz von Holdinggesellschaften
1.1.4
355
Rechtsformüberlegungen
Die Entscheidung für eine bestimmte Rechtsform eines Holdingunternehmens ist konstitutiv und wird von unterschiedlichen Einflussfaktoren wie den rechtlichen und betriebswirtschaftlichen Zielen sowie den allgemeinen Umweltbedingungen bestimmt.529 Die Unternehmensstruktur einer internationalen Konzernholding basiert überwiegend auf kapitalgesellschaftlichen Rechtsformen.530 Die Gründe hierfür liegen in der sehr viel homogeneren gesellschafts- und steuerrechtlichen Behandlung von Kapitalgesellschaften in den verschiedenen nationalen Steuersystemen. Bei Personengesellschaften hingegen bestehen in weitaus größerem Maße steuerliche Qualifikationskonflikte531 bei grenzüberschreitenden Aktivitäten. Auf europäischer Ebene kann auf die Rechtsform der Europäischen Aktiengesellschaft (Societas Europaea, SE)532 zurückgegriffen werden, die sich gerade durch ihre uneingeschränkt anerkannte Rechtspersönlichkeit und die freie Standortwahl innerhalb der Europäischen Union (EU) auszeichnet. Voraussetzung für die Verwendung der SE ist die gemeinschaftliche Gründung durch zwei Kapitalgesellschaften, die in unterschiedlichen EUMitgliedstaaten ansässig sind.533 Darüber hinaus hat die EU-Kommission im Juni 2008 einen Vorschlag zur Einführung der Rechtsform einer Europäischen Privatgesellschaft (Societas Privata Europaea, SPE) unterbreitet.534 Die Behandlung von Kapitalgesellschaften als eigenständige Rechtssubjekte, auch wenn sie wirtschaftlich in einen Konzern eingegliedert sind, ist ein international anerkannter und geltender Rechtsgrundsatz, der zur rechtlich getrennten Behandlung von Gesellschaftern und Gesellschaft führt. Durch die Geltung des Trennungsprinzips lässt sich auch eine Beschränkung der Haftung auf das Gesellschaftsvermögen erreichen. Dieses Prinzip der rechtlichen Selbständigkeit und damit der eigenständigen Steuersubjekteigenschaft von Kapitalgesellschaften verhindert den Durchgriff auf die Anteilseigner der Gesellschaft, solange die Abschirmwirkung der Kapitalgesellschaft nicht missbräuchlich ausgenutzt
529
Vgl. Jacobs, O., Unternehmensbesteuerung und Rechtsform, 3. Aufl., München 2002, S. 5 f.
530
Vgl. Haarmann, W., Besteuerungsfragen beim Einsatz von Holdinggesellschaften im Rahmen des Aufbaus internationaler deutscher Konzerne, in: Fischer (Hrsg.), Internationaler Unternehmenskauf und -zusammenschluss im Steuerrecht, Köln 1992, S. 86 f.; Schaumburg, H./ Jesse, L., Die nationale Holding aus steuerrechtlicher Sicht, in: Lutter, M. (Hrsg.), Holding Handbuch, 4. Aufl., Köln 2004, S. 648.
531
Vgl. Schaumburg, H./ Jesse, L., Die internationale Holding aus steuerrechtlicher Sicht, in: Lutter, M. (Hrsg.), Holding Handbuch, 4. Aufl., Köln 2004, S. 848.
532
SE-Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates v. 08.10.2001, ABl. EG Nr. L 294/22 v. 10.11.2001.
533
Vgl. Marsch-Barner, R., in: Lutter, M. (Hrsg.), Holding-Handbuch, 4. Aufl., Köln 2004, S. 935 ff.
534
Vgl. Vorschlag für eine Verordnung des Rates über das Statut der Europäischen Privatgesellschaft, SEK 2008 2098.
356
Begriff und Merkmale einer Holding
wird, um Gläubigern zu schaden.535 Darüber hinaus werden in den meisten Fällen die Tochtergesellschaften internationaler Konzerne in einer einheitlichen Rechtsform organisiert sein, um durchgehende Organisationsstrukturen und eine einfache Umsetzung der Vorgaben der Spitzeneinheit zu gewährleisten.536 Als Folge der steuerlichen Abschirmwirkung der Gesellschaft gegenüber ihren Eigentümern können negative Einkünfte auf Gesellschaftsebene nicht mit positiven Einkünften auf Gesellschafterebene verrechnet werden. Weiterhin können der Gesellschaft gegenüber gewährte Steuerbefreiungen im Allgemeinen nicht vom Gesellschafter in Anspruch genommen werden. Als Beispiel sind die im deutschen Steuerrecht gem. § 8b Abs. 1 KStG (unter Beachtung des § 8b Abs. 5 KStG) von der Besteuerung auf Ebene der Gesellschaft ausgenommenen Dividendeneinkünfte zu nennen. Bei Weiterausschüttung an natürliche Personen verlieren diese ihre Steuerfreiheit. Bis einschließlich VZ 2008 wurden Dividendeneinkünfte gem. § 3 Nr. 40 EStG a.F. unter Berücksichtigung von § 3c Abs. 2 EStG a.F. zur Hälfte dem persönlichen Steuersatz des Gesellschafters unterworfen (Halbeinkünfteverfahren). Ab dem VZ 2009 muss bei der Besteuerung von Dividendeneinkünften natürlicher Personen zwischen Anteilen im Privat- oder Betriebsvermögen unterschieden werden. Dividenden, die in einem Betriebsvermögen erwirtschaftet werden, unterliegen dem Teileinkünfteverfahren und werden zu 60 % besteuert (§ 3 Nr. 40 EStG). Korrespondierend zu dieser Vorschrift werden Werbungskosten zu 60 % steuerlich anerkannt (§ 3c Abs. 2 EStG). Auf im Privatvermögen erzielte Dividenden kommt der Abgeltungsteuersatz gem. § 32d EStG i.H.v. 25 % zzgl. SolZ zur Anwendung. Für ausländische Konzernspitzen ist neben der Abschirmwirkung die Möglichkeit zur Vermeidung der Doppelbesteuerung für die Rechtsformwahl ausschlaggebend. Durch die eigene Rechtspersönlichkeit sind Kapitalgesellschaften grundsätzlich abkommensberechtigt (Art. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Bst. a OECD-MA). Demnach können sie selbst die Vorzüge eines DBA, wie das internationale Schachtelprivileg gem. Art. 23 A Abs. 1 OECD-MA, in Anspruch nehmen und gezielt grenzüberschreitende Doppelbesteuerungen verhindern. Personengesellschaften selbst sind dagegen in der Regel mangels Steuersubjektfähigkeit nicht abkommensberechtigt; an ihre Stelle treten jedoch die Gesellschafter, die entweder als natürliche Person oder in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft den Abkommensschutz in Anspruch nehmen können. Den weiteren Betrachtungen werden ausschließlich Gesellschaften in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft zugrunde gelegt.
535
Vgl. BGH v. 16.09.1985, II-Z-R 275/84, BGHZ 95, 330; BGH v. 20.02.1989, II-Z-B 10/88, BGHZ 107, 1.
536
Vgl. Schaumburg, H./ Jesse, L., Die nationale Holding aus steuerrechtlicher Sicht, in: Lutter, M. (Hrsg.), Holding Handbuch, Köln 2004, 4. Aufl., S. 650.
Internationale Steuergestaltung durch den Einsatz von Holdinggesellschaften
357
1.2 Rahmenbedingungen für Holdinggesellschaften im deutschen Steuerrecht Das deutsche Steuerrecht kennt nur wenige holdingspezifische Rechtsnormen. Diesbezüglich maßgeblich sind insbesondere die x 95 %ige Steuerfreiheit für Beteiligungserträge und Veräußerungsgewinne nach § 8b Abs. 1 und 2 KStG, x Abzugsfähigkeit von Refinanzierungsaufwand (§ 8b Abs. 3 und 5 KStG) und die x Organschaft gem. §§ 14 bis 19 KStG, § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG. Da die beiden erstgenannten Problembereiche bereits in den einführenden Kapiteln erläutert wurden bzw. das letztgenannte kein Spezifikum des Internationalen Steuerrechts darstellt, sollen sie im Folgenden lediglich überblickartig dargestellt werden: Beteiligungsertragsbefreiung § 8b Abs. 1 KStG: Schachteldividenden Tatbestandsvoraussetzungen x unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften, x Ausschüttung von Dividenden oder dividendenähnlichen Beträgen, x beliebige Ansässigkeit der ausschüttenden Körperschaft. Rechtsfolgen – 95 %ige Steuerfreiheit der Dividenden („Verlängerung des internationalen Schachtelprivilegs“), – 5 % der Dividenden von in- und ausländischen Gesellschaften gelten fiktiv als nichtabziehbare Betriebsausgaben (§ 8b Abs. 5 KStG), – Im Gegenzug dürfen sämtliche Ausgaben, die im Zusammenhang mit den in- und ausländischen Dividenden entstanden sind, unbegrenzt abgezogen werden (§ 3c Abs. 1 EStG gelangt nicht zur Anwendung). Abbildung 84:
Übersicht über die Befreiung der Beteiligungserträge nach § 8b Abs. 1 KStG
358
Rahmenbedingungen für Holdinggesellschaften im deutschen Steuerrecht Veräußerung von Beteiligungen an Kapitalgesellschaften § 8b Abs. 2 KStG Tatbestandsvoraussetzungen x unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften, x Veräußerung einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, x beliebige Ansässigkeit der Kapitalgesellschaft, an der die Beteiligung gehalten wird. Rechtsfolgen – 95 %ige Steuerfreiheit des Veräußerungsgewinns, soweit dieser nicht auf früheren Teilwertabschreibungen beruht (§ 8b Abs. 2 Satz 4 KStG), – 5 % des Veräußerungsgewinns gelten fiktiv als nichtabziehbare Betriebsausgaben (§ 8b Abs. 3 KStG), – Im Gegenzug dürfen sämtliche Ausgaben im Zusammenhang mit der Veräußerung unbegrenzt abgezogen werden (§ 3c Abs. 1 EStG gelangt nicht zur Anwendung), – Keine Berücksichtigung von Veräußerungsverlusten (§ 8b Abs. 3 Satz 3 KStG).
Abbildung 85:
Übersicht über die Befreiung der Beteiligungserträge nach § 8b Abs. 2 KStG Abzugsbeschränkungen § 3c EStG, § 20 Abs. 9 EStG, § 8b Abs. 3, 5 KStG
Aufwendungen von natürlichen Personen x Halb- bzw. Teileinkünfteverfahren (2009) gem. § 3 Nr. 40 EStG: Abzugsverbot von 50 % (2008) bzw. 40 % (2009) der Aufwendungen, die mit Einnahmen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, die zu 50 % (2008) bzw. 40 % (2009) steuerfrei sind (§ 3c Abs. 2 EStG). x Abgeltungsteuer (2009) gem. § 32d EStG: Werbungskosten gelten ab VZ 2009 als mit dem Sparer-Pauschbetrag abgegolten (§ 20 Abs. 9 EStG). Aufwendungen von Kapitalgesellschaften x 5 % der Einnahmen gelten fiktiv als nichtabziehbare Betriebsausgaben, die tatsächlichen Aufwendungen können in voller Höhe geltend gemacht werden, da § 3c Abs. 1 EStG für nicht anwendbar erklärt wird (§ 8b Abs. 3 und 5 KStG). Abbildung 86:
Abzugsbeschränkungen für Refinanzierungsaufwand
Internationale Steuergestaltung durch den Einsatz von Holdinggesellschaften
359
Ertragsteuerliche Organschaft § 14 KStG, § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG Tatbestandsvoraussetzungen x Organgesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung im Inland gem. §§ 14 Abs. 1 Satz 1, 17 KStG (doppelter Inlandsbezug), x Organträger lediglich mit Geschäftsleitung im Inland (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG)537, x unbeschränkt steuerpflichtiger Organträger (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 KStG), x gewerbliches bzw. gewerblich tätiges Unternehmen als Organträger gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 KStG bzw. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG unter den Voraussetzungen des § 2 GewStG bzw. für PersGes § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG , x finanzielle Eingliederung des Organs (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG), x Gewinnabführungsvertrag (§ 291 Abs. 1 AktG) mit mindestens fünfjähriger Laufzeit (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KStG), x Gleiche Voraussetzungen auch für die Gewerbesteuer (§ 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG). Rechtsfolgen – Zurechnung des Einkommens der Organgesellschaft auf den Organträger Damit wird der wirtschaftlichen Einheit der Organschaft Rechnung getragen und die verbundenen Unternehmen werden wie ein Unternehmen besteuert. Abbildung 87:
Übersicht über die Organschaft
Weiterhin werden die Gestaltungsmöglichkeiten für Holdingkonzerne durch Vorschriften eingeschränkt, die den gezielten Missbrauch von Zwischenholdings zur Steuerverkürzung verhindern und den Abfluss von Besteuerungssubstrat in niedriger besteuernde Länder einschränken sollen. Zu prüfen sind dabei aus nationaler Sicht vor allem die Problembereiche x Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten gem. § 42 AO, x Anti-Treaty-/Anti-Directive-Shopping Regelung des § 50d Abs. 3 EStG, x Zinsschranke gem. § 4h EStG.
1.2.1 Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten gem. § 42 AO Zur Vermeidung von Steuerumgehungen und damit zum Schutz des nationalen Steueraufkommens haben viele Staaten Gegenmaßnahmen ergriffen. In Deutschland wird dies unter anderem durch die allgemeinen Normen der §§ 41, 42 AO (Durchgriffsbesteuerung) erreicht. § 42 AO hat das Ziel, den „Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts“
537
Abschaffung der sog. doppelten Inlandsanbindung durch das UntStFG v. 20.12.2001, BGBl. I 2001, S. 3858, BStBl. 2002 I, S. 35.
360
Rahmenbedingungen für Holdinggesellschaften im deutschen Steuerrecht
zu verhindern. Die Vorschrift wurde im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2008538 neu gefasst. Daraufhin hat die Finanzverwaltung durch Veröffentlichung eines BMF-Schreibens539 den Anwendungserlass zur Abgabenordnung bezüglich § 42 AO geändert. Bis einschließlich VZ 2007 blieb im Gesetz unbestimmt, wann eine Gestaltung als rechtsmissbräuchlich anzusehen ist. Unter § 42 AO sind in der alten und der neuen Fassung einerseits Versuche von Inländern zu subsumieren, ihre der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegenden Einkünfte durch die Verlagerung von Erträgen auf Gesellschaften in Niedrigsteuerländer so weit wie möglich zu reduzieren (Basisgesellschaften540 oder Zwischengesellschaften). Andererseits sind auch Gestaltungen von Ausländern zur Umgehung der beschränkten Steuerpflicht auf Rechtsmissbräuchlichkeit zu überprüfen. Im einfachsten Fall streben in Nicht-DBA-Ländern ansässige Gesellschafter einer im Zielland eigens errichteten Gesellschaft durch sog. treaty shopping-Gestaltungen eine Reduzierung von Quellensteuern an; der Begriff „treaty shopping“ bezeichnet somit das „Hineinkaufen“ in den Anwendungsbereich eines DBA. Die Anwendbarkeit der allgemeinen Missbrauchsverhinderungsvorschriften des § 42 AO a.F. erstreckte sich, nach anfänglich abweichender Rechtsprechung541, sowohl auf nationale als auch internationale Sachverhalte der beschränkten und unbeschränkten Steuerpflicht.542 Zur Beurteilung missbräuchlicher Gestaltungsmaßnahmen durch Steuerausländer orientierte sich die Rechtsprechung an den für Inländer geltenden Missbrauchskriterien der Basisgesellschaften. Grundsätzlich ist eine Gestaltung mit dem Ziel, Steuern zu sparen, nicht per se als missbräuchlich anzusehen.543 Ein Rechtsmissbrauch lag nach § 42 AO a.F. vor, wenn eine Gestaltung gewählt wurde, die, gemessen am erstrebten Ziel, unangemessen gewesen ist, und wenn die Rechtsordnung das Ergebnis missbilligt hat. Im Ausland errichtete (funktionslose) Basisgesellschaften erfüllen den Tatbestand des Rechtsmissbrauchs vor allem dann, wenn
538
Vgl. Jahressteuergesetz 2008 (JStG 2008) v. 20.12.2007, BGBl. I 2007, S. 3150.
539
Vgl. BMF v. 27.06.2008, IV A 3 – S 0062/08/10006.
540
Für den Begriff der Basisgesellschaften existiert keine eigenständige Definition. Wichtigstes Kriterium ist die Errichtung in einem Land, das die gewählte Rechtsform niedrig besteuert; vgl. Jacobs, O., Internationale Unternehmensbesteuerung, 6. Aufl., München 2007, S. 465.
541
Vgl. sog. Monaco-Urteil, BFH v. 29.10.1981, I-R-98/80, BStBl. II 1982, S. 150.
542
Vgl. BFH v. 21.12.1994, I-R-65/94, BFHE 176, S. 571; BFH v. 29.10.1997, I-R-5/96, BStBl. I 1998, S. 235, BFH v. 20.03.2002, I-R-63/99, BStBl. I 2002, S. 819.
543
Vgl. BFH v. 22.08.1951, IV-246/50-S, BStBl. III 1951, S. 181; BFH v. 08.01.1958, I-131/57 U, BStBl. III 1958, S. 97; BFH v. 14.10.1964, II-175/61 U, BStBl. III 1964, S. 667; BFH v. 02.03.1966, II-113/61, BStBl. III 1966, S. 509; BFH v. 29.11.1966, I-216/64, BStBl. III 1967, S. 392; BFH v. 13.09.1972, I-R-130/70, BStBl. II 1973, S. 57.
Internationale Steuergestaltung durch den Einsatz von Holdinggesellschaften
361
für ihre Errichtung wirtschaftliche Gründe fehlen und wenn sie keine eigene wirtschaftliche Tätigkeit entfalten.544 Wirtschaftliche Gründe liegen nicht vor bei (Negativkatalog): x Errichtung einer Gesellschaft mit dem alleinigen Ziel, Steuern zu sparen,545 x Ausländische Gesellschaft (Briefkastengesellschaft) entfaltet keine eigene wirtschaftliche Tätigkeit,546 x Errichtung einer Gesellschaft zum Halten der Beteiligung an einer inländischen Kapitalgesellschaft und zur Finanzierung dieser mit Fremdkapital,547 x Halten von Gesellschaftskapital ohne weitere Tätigkeiten,548 x Ausschließliche Wahrnehmung von Gesellschaftsrechten bei Tochtergesellschaften ohne gleichzeitige Ausübung von geschäftsleitenden Funktionen.549 Für die Errichtung einer (Zwischen-)Gesellschaft kommen folgende wirtschaftliche Gründe in Betracht (Positivkatalog): x Die Gesellschaft ist die Spitze eines weltweit aufgebauten Konzerns,550 x Die Gesellschaft wird errichtet, um Beteiligungen von einigem Gewicht im Basisland und/oder in Drittländern zu erwerben,551 x Es ist nicht erforderlich, dass die Gesellschaft als geschäftsleitende Holding (Konzernleitung) auftritt, sondern es reicht die Wahrnehmung einzelner Funktionen wie die Finanzierung mehrerer Tochtergesellschaften,552 die Bürgschaftsübernahme553, das Ausnutzen von günstigen Finanzierungsmöglichkeiten im Ausland554 oder der finanziellen Ausstattung von Tochtergesellschaften.555 Folglich war das Tatbestandsmerkmal des Missbrauchs gem. § 42 AO a.F. nicht erfüllt, wenn sich die eigene wirtschaftliche Tätigkeit der Gesellschaft durch entsprechende Ent-
544
Vgl. BFH v. 16.01.1976, III-R-99/74, BStBl. II 1976, S. 401; BFH v. 29.01.1975, I-R-135/70, BStBl. II 1975, S. 553.
545
Vgl. BFH v. 29.07.1976, VIII-R-142/73, BStBl. II 1977, S. 264.
546
Vgl. BFH v. 19.01.2000, I-R-94/97, BStBl. II 2001, S. 222; BFH v. 20.03.2002, I-R-63/99, BStBl. 2002, S. 819.
547
Vgl. BFH v. 09.12.1980, VIII-R-11/77, BStBl. II 1981, S. 339.
548
Vgl. BFH v. 29.07.1976, VIII-R-142/73, BStBl. II 1977, S. 264.
549
Vgl. BFH v. 24.02.1976, VIII-R-155/71, BStBl. II 1977, S. 265.
550
Vgl. BFH v. 29.07.1976, VIII-R-41/74, BStBl. II 1977, S. 261.
551
Vgl. BFH v. 29.07.1976, VIII-R-1/74, BStBl. II 1977, S. 261.
552
Vgl. BFH v. 09.12.1980, VIII-R-11/77, BStBl. II 1981, S. 339.
553
Vgl. BFH v. 29.07.1976, VIII-R-116/72, BStBl. II 1977, S. 268.
554
Vgl. BFH v. 29.07.1976, VIII-R-116/72, BStBl. II 1977, S. 268.
555
Vgl. BFH v. 23.10.1991, I-R-40/89, BStBl. II 1992, S. 1026.
362
Rahmenbedingungen für Holdinggesellschaften im deutschen Steuerrecht
scheidungsbefugnisse, Übernahme des wirtschaftlichen Risikos, Handel auf eigene Rechnung oder die Ausübung von „geschäftsleitenden Funktionen“556 auszeichnet hat. Merke: Je komplexer, künstlicher und außergewöhnlicher die verwendete Gestaltung ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Rechtsmissbrauch angenommen wird.557 Ab VZ 2008 wird die Rechtsmissbräuchlichkeit von Gestaltungen nach den Maßstäben des neu gefassten § 42 AO bewertet (Art. 97 § 7 EGAO). War in einem ersten Referentenentwurf noch eine deutliche Verschärfung der Vorschriften des § 42 AO geplant, so orientieren sich die aktuellen Regelungen im Wesentlichen an den von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien und stellen somit keine inhaltliche Neuerung dar.558 Der in § 42 AO a.F. noch unbestimmte Missbrauchsbegriff wird jetzt in § 42 Abs. 2 Satz 1 AO definiert. Demnach liegt ein Missbrauch vor, wenn Steuerpflichtige oder Dritte durch eine unangemessene rechtliche Gestaltung einen im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil erlangen. Wie zuvor besteht jedoch für Steuerpflichtige gem. § 42 Abs. 2 Satz 2 AO die Möglichkeit, die gewählte Gestaltung durch außersteuerliche Gründe zu legitimieren. Das Verhältnis der allgemeinen Missbrauchsnorm (§ 42 AO) zu speziellen Missbrauchsnormen wird neu geregelt. § 42 AO ist nun gegenüber spezielleren Missbrauchsnormen subsidiär anzuwenden (§ 42 Abs. 1 Satz 2 AO) und stellt im Gegensatz zur bisherigen Regelung (§ 42 Abs. 2 AO a.F.) keinen Auffangtatbestand dar. Der Anwendungsbereich von § 42 AO wurde somit durch die Neuregelung eingeengt. Merke: Durch das Jahressteuergesetz 2008 wurde die bisherige Rechtsprechung zu rechtsmissbräuchlichen Gestaltungen in § 42 AO aufgenommen und erhielt somit Gesetzesrang. § 42 AO kommt ab dem VZ 2008 nur dann zur Anwendung, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen einer spezielleren Missbrauchsnorm nicht erfüllt sind. Die Rechtsfolge von § 42 AO wurde durch das Jahressteuergesetz 2008 nicht geändert. Es gilt weiterhin, dass bei einer als missbräuchlich qualifizierten Gestaltung ein angemes-
556
Vgl. BFH v. 09.12.1980, VIII-R-11/77, BStBl. II 1981, S. 339; BFH v. 23.10.1991, I-R-40/89, BStBl. II 1992, S. 1026.
557
Vgl. Frotscher, G., Internationales Steuerrecht, 2. Aufl., München 2005, S. 120.
558
Vgl. Schnitger, A., Änderungen der grenzüberschreitenden Unternehmensbesteuerung sowie des § 42 AO durch das geplante Jahressteuergesetz 2008 (JStG 2008), IStR 2007, S. 734; Häuselmann, H., Steuerliche Änderungen durch das Jahressteuergesetz 2008 vom 8.11.2007, BB 2008, S. 24.
Internationale Steuergestaltung durch den Einsatz von Holdinggesellschaften
363
Beispiel
sener Sachverhalt als Besteuerungsgrundlage angenommen wird.559 Bei treaty shopping durch Steuerausländer führt dies zur Außerachtlassung der Gesellschaften, die zur Erlangung der Abkommensvorteile gegründet wurden.560 Bei zwischengeschalteten Basisgesellschaften unbeschränkt Steuerpflichtiger wird das Bestehen der Gesellschaft nicht anerkannt. Der deutsche Gesellschafter wird so behandelt, als würde er die Anteile an der Grundeinheit direkt halten (Durchgriffsbesteuerung). Eine in den Niederlanden ansässige Stiftung ist an zwei – nach niederländischem Recht gegründeten – Kapitalgesellschaften mit Sitz und Geschäftsleitung in den Niederlanden beteiligt. Diese schließen sich zu einer GbR zusammen.561 Die GbR erwirbt in Deutschland ein Grundstück, für dessen Finanzierung sie ein Darlehen von der Stiftung aufnimmt. Die Zinsaufwendungen sind dabei dauerhaft höher als die in Deutschland steuerpflichtigen Mieteinnahmen, wodurch inländische Verluste entstehen. Diese schließen eine Ertragsbesteuerung der Vermietungstätigkeit im Inland aus. Die GbR übt sonst keine eigene wirtschaftliche Tätigkeit aus. Die Stiftung erzielt ihrerseits in den Niederlanden steuerfreie Zinseinkünfte. Hätte die Stiftung die inländischen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung unmittelbar selbst erzielt, wäre es nicht zu Verlusten aus Vermietung und Verpachtung der GbR, sondern zu (beschränkt) steuerpflichtigen positiven Einkünften auf Ebene der Stiftung gekommen. Damit steht fest, dass die von der Stiftung und der GbR gewählte Gestaltung ausschließlich steuerlich motiviert war. Somit wird nach § 42 AO die Vermietung des inländischen Grundbesitzes steuerlich der Stiftung zugerechnet. Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten: § 42 AO Tatbestandsvoraussetzungen: x Rechtsmissbrauch durch unangemessene Gestaltung, fehlende wirtschaftliche Gründe für die Einschaltung von Zwischengesellschaften und keine eigene wirtschaftliche Tätigkeit der (Basis-)Gesellschaft, x Umgehung des Steuergesetzes: Bei einer angemessenen Gestaltung wäre eine höhere Steuer zu zahlen als auf dem gewählten Weg.562
559
Vgl. BFH v. 27.08.1997, I-R-8/97, BStBl. II 1998, S. 163.
560
Vgl. BFH v. 17.07.1968, I-121/64, BStBl. II 1968, S. 695.
561
Vgl. BFH v. 27.08.1997, I-R-8/97, BStBl. II 1998, S. 163.
562
Vgl. BFH v. 01.12.1982, I-R-37/81, BStBl. II 1982, S. 2; BFH v. 03.03.1988, V-R-183/83, BStBl. II 1989, S. 205; BFH v. 12.07.1989, I-R-46/85, BStBl. II 1990, S. 113; BFH v. 19.04.1994, VIIIR-3/93, BStBl. II 1995, S. 705.
364
Rahmenbedingungen für Holdinggesellschaften im deutschen Steuerrecht Rechtsfolgen: – Fiktion der rechtlich angemessenen Gestaltung gem. § 42 Abs. 1 Satz 3 AO: Die Steuer ist so zu erheben, wie sie bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entstanden wäre (Durchgriffsbesteuerung).563 Zivilrechtliche Auswirkungen ergeben sich aufgrund der Fiktion jedoch nicht.
Abbildung 88:
1.2.2
Übersicht zum Gestaltungsmissbrauch
Anti-Treaty-/Anti-Directive-Shopping-Regelung des § 50d Abs. 3 EStG
Neben der allgemeinen Missbrauchsnorm des § 42 AO existiert im deutschen Steuerrecht insbesondere für den Bereich des internationalen Steuerrechts die speziellere Anti-treatyshopping-Vorschrift des § 50d Abs. 3 EStG, die zuletzt durch das Jahressteuergesetz 2007 geändert wurde.564 § 50d Abs. 3 EStG versagt in bestimmten Fällen eine steuerliche Entlastung bzw. Freistellung, die dem Steuerpflichtigen nach einem Abkommen zur Doppelbesteuerung (DBA), der Mutter-Tochter-Richtlinie (§ 43b EStG) oder der Bestimmung über Zinsen und Lizenzgebühren zwischen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (§ 50g EStG) gewährt wird. § 50d Abs. 3 EStG: Eine ausländische Gesellschaft hat keinen Anspruch auf völlige oder teilweise Entlastung nach Absatz 1 (Erstattung eines Steuerabzugs) oder 2 (teilweise bis gänzliche Unterlassung des Steuerabzugs), soweit Personen an ihr beteiligt sind, denen die Erstattung oder Freistellung nicht zustände, wenn sie die Einkünfte unmittelbar erzielten, und 1. für die Einschaltung der ausländischen Gesellschaft wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen oder 2. die ausländische Gesellschaft nicht mehr als 10 Prozent ihrer gesamten Bruttoerträge des betreffenden Wirtschaftsjahres aus eigener Wirtschaftstätigkeit erzielt oder 3. die ausländische Gesellschaft nicht mit einem für ihren Geschäftszweck angemessenen eingerichteten Geschäftsbetrieb am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt. Diese Vorschrift ist im Zusammenhang mit der sog. Monaco-Entscheidung565 des BFH zu sehen, die eine Anwendbarkeit des § 42 AO auf Gestaltungen von beschränkt Steuerpflichtigen nicht vorgesehen hat. Das Ergebnis war eine faktische Legitimation von treaty shopping durch beschränkt Steuerpflichtige. § 50d Abs. 3 EStG zielt speziell auf gesellschafts563
Vgl. BFH v. 13.10.1992, VIII-R-3/89, BStBl. II 1993, S. 477.
564
Vgl. Jahressteuergesetz 2007 (JStG 2007) v. 13.12.2006, BGBl. I S. 2878.
565
Vgl. BFH v. 29.10.1981, I-R-98/80, BStBl. II 1982, S. 150.
Internationale Steuergestaltung durch den Einsatz von Holdinggesellschaften
365
rechtliche Beteiligungen an ausländischen Gesellschaften ab, die in einem Vertragsstaat ansässig sind, und versagt den Abkommensschutz, ohne einen Rechtsmissbrauch vorauszusetzen. Als Reaktion auf das sog. Hilversum II Urteil des BFH vom 31.05.2005566 wurde die bisherige Regelung durch das JStG 2007 nunmehr dahingehend konkretisiert, dass zwei weitere Voraussetzungen unter den Nummern 2 und 3 eingefügt wurden. Diese sollen der Festigung und der Konkretisierung der Vorschrift als Missbrauchsregelung dienen567 sowie den Sinn und Zweck des § 50d Abs. 3 EStG verdeutlichen. Nach der Gesetzesbegründung sollen mit der Regelung bestimmte Gesellschaftsgebilde unterbunden werden. Grund hierfür ist, dass diesen Gestaltungen unterstellt wird, lediglich auf die Vermeidung der Kapitalertragsteuer zwischen EU-Gesellschaften (directive shopping) gem. § 43b EStG oder die Reduzierung der Kapitalertragsteuer aufgrund des Abkommensschutzes durch ein DBA (treaty shopping) abzuzielen. Voraussetzung für die Versagung des Abkommensschutzes ist grundsätzlich eine an der ausländischen Gesellschaft beteiligte Person, die bei einer direkten Beziehung zum Inland einer höheren Steuerbelastung unterliegen würde. Zusätzlich ist es ab VZ 2007 notwendig, dass eine der drei folgenden Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt ist; dabei ist § 50d Abs. 3 EStG bereits anzuwenden, sobald eine einzige dieser Voraussetzungen zur Anwendung kommt: x Für die Einschaltung der ausländischen Körperschaft müssen wirtschaftliche oder sonstige beachtliche Gründe fehlen, was insbesondere dann der Fall ist, wenn die ausländische Körperschaft überwiegend zur Sicherung von Inlandsvermögen in Krisenzeiten dient (Nr. 1).568 x Um die bisherige Praxis zu vermeiden, auch minimale Tätigkeiten als „eigene Wirtschaftstätigkeit“ zu deklarieren, wurde mit dem JStG 2007 zusätzlich eine 10 % Grenze hinsichtlich der notwendigen Bruttoerträge der Gesellschaft aus eigener Wirtschaftstätigkeit eingefügt (Nr. 2). Dies soll Gesellschaften ohne eigene Wirtschaftstätigkeit von der Entlastung gem. § 50d EStG ausschließen.569 Diese Voraussetzung soll die bisher geforderte „eigene Wirtschaftstätigkeit“ ersetzen, die aufgrund der bisherigen Und-Verknüpfung und der einfachen Nachweisbarkeit in der Vergangenheit oftmals zum Ausschluss des § 50d Abs. 3 EStG geführt hat.570 Eine reine Verwaltung von Wirtschaftsgütern stellt gem. § 50d Abs. 3 Satz 3 EStG keine eigene Wirtschaftstätigkeit dar. x Als Nachweis, dass eine Gesellschaft keine Zwischengesellschaft ist, wurde die Voraussetzung einer dem Geschäftszweck angemessenen Geschäftsausstattung
566
Vgl. Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2007 (JStG 2007), BR-Drs. 622/06, S. 100; BFH v. 31.05.2005, I-R-74, 88/04, BStBl II 2006, S. 118.
567
Vgl. Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2007 (JStG 2007), BR-Drs. 622/06, S. 100.
568
Vgl. Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2007 (JStG 2007), BR-Drs. 622/06, S. 100.
569
Vgl. Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2007 (JStG 2007), BR-Drs. 622/06, S. 101.
570
Vgl. Beußer, T., Der neue § 50d Abs. 3 EStG bei Nutzungsvergütungen, IStR 2007, Heft 9, S. 318.
366
Rahmenbedingungen für Holdinggesellschaften im deutschen Steuerrecht und die Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr eingefügt. Dabei ist die Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr bereits durch Dienstleistungen nur gegenüber einem Auftraggeber erfüllt.571 Gem. § 50d Abs. 3 Satz 2 EStG sind für die Bestimmung ausschließlich die Verhältnisse der ausländischen Gesellschaft maßgeblich. Diese isolierende Betrachtungsweise bedeutet hinsichtlich der bisherigen Rechtsauffassung eine Verschärfung, da nicht mehr das Gesamtbild für die Beurteilung ausschlaggebend ist.572
Beispiel
Die einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen wurden im BMF-Schreiben vom 03.04.2007 weiter ausgeführt.573 Eine in Saudi-Arabien ansässige Person ist an einer Kapitalgesellschaft in Luxemburg beteiligt, die wiederum Anteile an einer deutschen GmbH hält. Alleiniges Ziel der Einschaltung der Kapitalgesellschaft in Luxemburg ist es, mit den Dividendenzahlungen der GmbH in den Schutzbereich der Mutter-Tochter-Richtlinie574 gem. § 43b EStG zu gelangen. Auf diese Weise könnte die deutsche Kapitalertragsteuer vermieden werden, die sich daraus ergibt, dass Deutschland mit Saudi-Arabien kein DBA abgeschlossen hat. Die zwischengeschaltete Gesellschaft erwirtschaftet weniger als 10 % ihrer Bruttoerträge des betreffenden Wirtschaftsjahres aus eigener Wirtschaftstätigkeit. Damit liegt die Voraussetzung des § 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 EStG vor. Eine kumulative Erfüllung der Voraussetzungen des § 50d Abs. 3 ist nicht notwendig. In der Folge verbietet § 50d Abs. 3 EStG die Anwendung des § 43b EStG hinsichtlich der Beteiligungshöhe des in Saudi-Arabien ansässigen Gesellschafters. Stattdessen wird eine unmittelbare Ausschüttung an diesen fingiert, auf die Kapitalertragsteuer i.H.v. 20 % (2008) bzw. 25 % (2009) der Dividende zzgl. Solidaritätszuschlag i.H.v. 5,5 % erhoben wird.
Es ist somit von hoher Bedeutung, dass der (Zwischen-)Gesellschaft noch andere Aufgaben zugewiesen werden als lediglich das Halten einer Beteiligung. Wird sie als Zwischenholding ausgestaltet, wird § 50d Abs. 3 EStG nur in den Fällen anzuwenden sein, in welchen die ausländische Gesellschaft nicht mehr als 10 % ihrer gesamten Bruttoerträge aus eigener
571
Vgl. Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2007 (JStG 2007), BR-Drs. 622/06, S. 101.
572
Beim sog. Hilversum II Urteil wurde die Anwendung des § 50d Abs. 3 EStG unter anderem daher abgelehnt, dass noch mehrere aktive Schwestergesellschaften existierte. Insofern wurden außerhalb der ausländischen Gesellschaft liegende Aspekte in die Bewertung miteinbezogen. Vgl. Beußer, T., Der neue § 50d Abs. 3 EStG bei Nutzungsvergütungen, IStR 2007, Heft 9, S. 319.
573
Vgl. BMF v. 04.04.2007, IV B 1 – S 24411/07/0002.
574
Vgl. Richtlinie 90/435/EWG des Rates v. 23.07.1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (ABl. L 225, S. 6), zuletzt geändert durch die Richtlinie 2006/98/EG des Rates v. 20.11.2006 (ABl. L 363, S. 129), Beck’sche Textausgaben Steuergesetze, Nr. 2; die Richtlinie wurde in Deutschland umgesetzt durch §§ 44d EStG, 26 Abs. 2a KStG (bis VZ 2000) bzw. § 43b EStG (ab VZ 2001).
Internationale Steuergestaltung durch den Einsatz von Holdinggesellschaften
367
Wirtschaftstätigkeit erzielt. Somit wird nach der neuen Gesetzeslage nunmehr auch in den Fällen, in denen es sich nicht nur um eine reine Zwischenholding handelt, § 50d Abs. 3 EStG anzuwenden sein. Es bestehen darüber hinaus zum Teil Zweifel, ob die neue Regelung mit EU-Recht im Einklang steht.575 Die bisherige Rechtsprechung hat zudem bislang bei typischen Holdingtätigkeiten wie der Zusammenfassung der Konzernleitung und Konzernfinanzierung keine rechtsmissbräuchliche Basisgesellschaft unterstellt.576 Insofern bleibt abzuwarten, inwiefern die Regelung in der Praxis zur Anwendung kommen und ob es nicht noch eine weitere Korrektur der Vorschrift geben wird. Merke: Der Anspruch einer ausländischen Gesellschaft auf Befreiung oder Ermäßigung von Kapitalertrags- oder Abzugssteuern nach § 50a EStG ist gem. § 50d Abs. 3 EStG eingeschränkt x soweit Personen an der Gesellschaft beteiligt sind, denen eine Steuerentlastung (Erstattung oder Freistellung) nicht zustände, wenn sie die Einkünfte unmittelbar erzielten und x einer der drei in § 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bis 3 EStG genannten Tatbestände vorliegt. Auf Gestaltungen von unbeschränkt Steuerpflichtigen, die auf ein „Hineinkaufen“ in ein DBA abzielen, ist § 50d Abs. 3 EStG nicht anwendbar; diese fallen unter § 42 AO. Anti-treaty-shopping-Vorschrift: § 50d Abs. 3 EStG Tatbestandsvoraussetzungen: x Bestehen einer ausländischen Gesellschaft, und x den beteiligten Personen stehen bei unmittelbarer Erzielung der Einkünfte weder Erstattung noch Freistellung zu, und x das Fehlen wirtschaftlicher oder sonst beachtlicher Gründe, oder x die ausländische Gesellschaft nicht mehr als 10 % ihres Bruttoertrages aus eigener Wirtschaftstätigkeit erzielt, oder x sie nicht mit einem für ihren Geschäftszweck angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb am wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt. Rechtsfolgen: – Abkommensschutz wird versagt. Abbildung 89:
Übersicht zur Anti-treaty-shopping-Vorschrift des § 50d Abs. 3 EStG
575
Vgl. Beußer, T., Der neue § 50d Abs. 3 EStG bei Nutzungsvergütungen, IStR 2007, Heft 9, S. 320.
576
Vgl. BFH v. 29.01.1975, I-R-135/70, BStBl. II 1975, S. 553; BFH v. 29.07.1976, VIII-R-41/74, BStBl. II 1977, S. 261; BFH v. 09.12.1980, VIII-R-11/77, BStBl. II 1981, S. 339; BFH v. 23.10.1991, I-R-40/89, BStBl. II 1992, S. 1026.
368
Rahmenbedingungen für Holdinggesellschaften im deutschen Steuerrecht
1.2.3
Subject-to-tax-Klausel des § 50d Abs. 9 EStG
Im Rahmen von DBA vermeidet Deutschland als Wohnsitz oder Sitzstaat eine Doppelbesteuerung in der Regel durch Freistellung, wenn es sich um Einkünfte aus einer aktiven Tätigkeit im anderen Staat handelt. Dadurch kann es im Falle von Qualifikations- und Zurechnungskonflikten zwischen Quellen- und Wohnsitzstaat gegebenenfalls zu einer dem Sinn und Zweck der Freistellungsmethode widersprechenden Nichtbesteuerung kommen. Teilweise beinhalten die DBA daher eine „switch-over“-Klausel, um die Entstehung „weißer Einkünfte“ (d.h. Einkünfte, die weder im Quellen- noch im Wohnsitzstaat steuerpflichtig sind) durch einen Übergang zur Anrechnungsmethode zu verhindern. Diese kann eine Nichtbesteuerung jedoch nicht gänzlich verhindern. Zu einer Nichtbesteuerung aufgrund von Qualifikations- und Zurechnungskonflikten kann es kommen, wenn die beteiligten Staaten x von unterschiedlichen Sachverhalten ausgehen, x die Abkommensbedingungen unterschiedlich auslegen oder x aufgrund von Vorschriften, die Art. 3 Abs. 2 OECD-MA entsprechen, Abkommensbegriffe nach ihrem nationalen Recht auslegen.577
Beispiel
Die in Deutschland ansässigen natürlichen Personen, Bellatrix Lestrange und Dolores Umbridge, sind Gesellschafter der in Spanien errichteten Personengesellschaft Voldemort SC. Die Voldemort SC vertreibt im Ausland pyrotechnische Artikel und betreibt dazu neben einem Lager auch ein Ladengeschäft (feste Geschäftseinrichtung). Nach dem DBA nimmt Deutschland die Gewinne der Voldemort SC von der Besteuerung aus; Spanien behandelt die SC dagegen als eigenständiges Steuersubjekt. Umbridge veräußert ihren Anteil an der Gesellschaft.
Lösung
In diesen Fällen läuft das Ziel der Freistellung, eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, ins Leere.
Da die SC in Spanien ein eigenes Steuersubjekt darstellt, behandelt Spanien die Veräußerung wie eine Veräußerung der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft. Der Veräußerungsgewinn wird in Spanien nicht besteuert, da Spanien davon ausgeht, dass Deutschland als Wohnsitzstaat des Gesellschafters die Besteuerung vornimmt (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA). Deutschland behandelt die Veräußerung des Anteils dagegen wie die anteilige Veräußerung einer Betriebsstätte. Gem. Art. 13 Abs. 1, Abs. 2 OECDMA wird in diesem Fall das Besteuerungsrecht dem Betriebsstättenstaat Spanien zugewiesen.
577
Vgl. Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2007 (JStG 2007), BR-Drs. 622/06, S. 102.
Internationale Steuergestaltung durch den Einsatz von Holdinggesellschaften
369
Im Ergebnis wird die Veräußerung des Gesellschaftsanteils aufgrund der unterschiedlichen steuerlichen Behandlung weder in Spanien noch in Deutschland besteuert, so dass weiße Einkünfte vorliegen. Gem. Art. 23 Tz. 32.6 OECD-MK besteht bei einer doppelten Nichtbesteuerung keine Verpflichtung des Wohnsitzstaates, die Einkünfte freizustellen. Daher hat der Gesetzgeber mit dem JStG 2007 eine sog. subject-to-tax-Klausel bzw. eine unilaterale switch-overKlausel578, nach der die Abkommensvorteile im Quellenstaat nur gewährt werden, wenn die betreffenden Einkünfte im Wohnsitzstaat der Besteuerung unterliegen,579 neu in das EStG eingefügt. Nach aktueller Rechtslage wird eine Freistellung gem. § 50d Abs. 9 EStG nicht mehr gewährt, wenn x der andere Staat die Bestimmungen des Abkommens so anwendet, dass die Einkünfte in diesem Staat von der Besteuerung steuerfrei sind oder nur ermäßigt besteuert werden (§ 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG) oder x die Steuerfreiheit daraus resultiert, dass die Person im anderen Staat nicht aufgrund ihres Wohnsitzes, ständigen Aufenthalts, des Ortes ihrer Geschäftsleitung, des Sitzes oder ähnlichem unbeschränkt steuerpflichtig ist (§ 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG). Dividenden sind gem. § 50d Abs. 9 Satz 2 EStG von dieser Regelung ausgenommen, sofern sie nicht bei der Ermittlung des Gewinns der ausschüttenden Gesellschaft abgezogen wurden. Der Gesetzgeber beabsichtigt mit dieser neuen Regelung, Steuergestaltungen zu verhindern, die darauf abzielen, die zu einer Nicht- bzw. Niedrigbesteuerung führenden DBARegelungen bewusst auszunutzen.580 Dabei ist die Regelung konsequenterweise nur anzuwenden, wenn es sich um Einkünfte handelt, die nach einem DBA von der deutschen Steuer abgeschirmt sind. Steuerbefreiungen, die aus dem innerstaatlichen Recht resultieren, bleiben daher von der Regelung ausgenommen. § 50d Abs. 9 Nr. 1 EStG erstreckt sich dabei nur auf die beschriebenen Qualifikationskonflikte. So sind beabsichtigte Konflikte von der Regelung ausgenommen und damit beispielsweise Verluste weiterhin nach den bisher geltenden Regelungen des deutschen Steuerrechts zu behandeln. § 50d Abs. 9 Nr. 2 EStG erfasst dagegen Einkünfte, die aufgrund einer beschränkten Steuerpflicht im anderen Vertragsstaat nicht erfasst werden. Die Vorschrift greift jedoch nicht, wenn der andere Staat die Einkünfte bereits nach innerstaatlichem Recht allgemein, d.h. im Rahmen einer unbeschränkten Steuerpflicht,
578
Vgl. Wied, E., in: Heuermann, B. (Hrsg.), Blümich EStG Kommentar, 98. Erg.Lief, München 2008, § 34c, Rz. 147a.
579
Vgl. OECD-MK, Art. 1, Rz. 15.
580
Vgl. Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2007 (JStG 2007), BR-Drs. 622/06, S. 103.
370
Rahmenbedingungen für Holdinggesellschaften im deutschen Steuerrecht
von der Besteuerung ausgenommen hat. Eine Nichtbesteuerung liegt nicht vor, wenn aufgrund einer Verlustberücksichtigung keine Steuer festgesetzt wurde. 1. Unilaterale „switch-over“-Klausel: § 50d Abs. 9 Nr. 1 EStG Tatbestandsvoraussetzungen: x Unbeschränkt Steuerpflichtiger in Deutschland (= Ansässigkeitsstaat), x der Einkünfte aus einem anderen Staat bezieht, x mit dem ein DBA besteht, x welches die Einkünfte in Deutschland freistellt, x der andere Staat das DBA anwendet, x und daraus eine Nicht- bzw. Minderbesteuerung im Quellenstaat entsteht. Rechtsfolgen: – Möglichkeit der Freistellung nach DBA wird versagt. Abbildung 90:
Übersicht zur „switch-over“-Klausel des § 50d Abs. 9 Nr. 1 EStG
2. Unilaterale „switch-over“-Klausel: § 50d Abs. 9 Nr. 2 EStG Tatbestandsvoraussetzungen: x Unbeschränkt Steuerpflichtiger in Deutschland (= Ansässigkeitsstaat), x der Einkünfte aus einem anderen Staat bezieht, x mit dem ein DBA besteht, x welches die Einkünfte in Deutschland freistellt, x und eine Nichtbesteuerung im Quellenstaat nur deshalb erfolgt, weil der Steuerpflichtige dort nicht ansässig ist, d.h. im Quellenstaat nur beschränkt steuerpflichtig ist. Rechtsfolgen: – Möglichkeit der Freistellung nach DBA wird versagt. Abbildung 91:
Übersicht zur „switch-over“-Klausel des § 50d Abs. 9 Nr. 2 EStG
Der neu eingefügte § 50d Abs. 9 EStG stellt zwar nicht wie teilweise postuliert581 ein treaty override dar, da der Gesetzgeber selbst in der Begründung feststellt582, dass er nicht in die Besteuerungsrechte anderer Staaten eingreifen möchte. Jedoch erscheint problematisch, dass im Zeitablauf eine immer größere Zahl von abkommensrechtlichen und unilateralen Freistellungsklauseln geprüft werden müssen, bevor eine Steuerfreiheit endgültig gewährt werden kann. Dies führt zu einem immer komplexeren deutschen Außensteuerrecht, welches nicht nur für die Steuerpflichtigen und die Beratung einen Mehraufwand bedeutet,
581
Vgl. Bron, J., Das Treaty Override im deutschen Steuerrecht vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen, IStR 2007, Heft 12, S. 431.
582
Vgl. Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2007 (JStG 2007), BR-Drs. 622/06, S. 103.
Internationale Steuergestaltung durch den Einsatz von Holdinggesellschaften
371
sondern auch Gerichte und Finanzbehörden in einem immer umfassenderen Maße beschäftigt. Darüber hinaus ist die Konformität mit dem Europarecht nicht in allen Fällen endgültig geklärt. Hinsichtlich der Anwendung des § 50d Abs. 9 EStG ist zu beachten, dass die Regelungen gem. § 52 Abs. 1 und des Abs. 59a Satz 6 EStG nicht erst ab VZ 2007 anzuwenden sind, sondern § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 zudem rückwirkend für alle Veranlagungszeiträume anzuwenden ist, soweit die entsprechenden Steuerbescheide noch nicht bestandskräftig geworden sind.
1.2.4
Zinsschranke
Bis einschließlich des VZ 2007 galt auch für Holdinggesellschaften nach § 8a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG a.F. der für sonstige Kapitalgesellschaften maßgebliche begünstigte safe haven vom Eineinhalbfachen des anteiligen Eigenkapitals. safe haven =
Fremdkapital Eigenkapital
=
1,5 1
Holdinggesellschaften wurden allerdings durch § 8a Abs. 4 KStG a.F. im Vergleich zu sonstigen Kapitalgesellschaften privilegiert. Gem. § 8a Abs. 4 Satz 1 KStG a.F. mussten sie ihr Eigenkapital nicht um den Buchwert der Beteiligungen am Grund- oder Stammkapital einer Kapitalgesellschaft mindern (sog. Buchwertkürzung). Dadurch sank ihr Eigenkapital nicht, so dass im Ergebnis der safe haven der Holdinggesellschaft vergleichsweise gestiegen ist. Um dieses Holdingprivileg in Anspruch nehmen zu können, musste es sich bei der Kapitalgesellschaft um eine eigens zu diesem Zweck definierte Holdinggesellschaft handeln. Eine Holdinggesellschaft war gem. § 8a Abs. 4 Satz 1 KStG a.F. eine Kapitalgesellschaft, deren Haupttätigkeit583 darin bestanden hat, Beteiligungen an Kapitalgesellschaften zu halten und diese Kapitalgesellschaften zu finanzieren (1. Alternative) oder deren Vermögen zu mehr als 75 % ihrer Bilanzsumme584 aus Beteiligungen an Kapitalgesellschaften bestanden hat (2. Alternative). Des Weiteren mussten durch die Holding mindestens zwei unmittelbare
583
Vgl. BMF v. 15.12.1994, IV B 7 – S 2742a – 63/94, BStBl. I 1995, S. 25, Tz. 81; demnach müssen 75 % der Bruttoerträge aus der Beteiligungs- und Finanzierungstätigkeit stammen (vgl. H 45 KStR).
584
Maßgeblich sind dabei die Buchwerte; die Beteiligungsquoten müssen dabei in Anlehnung an § 271 Abs. 1 HGB jeweils mehr als 25 % betragen (vgl. BMF v. 15.12.1994, IV B 7 – S 2742a – 63/94, BStBl. I 1995, S. 25, Tz. 83).
372
Rahmenbedingungen für Holdinggesellschaften im deutschen Steuerrecht
Beteiligungen an in- oder ausländischen Kapitalgesellschaften gehalten werden.585 Gem. § 42 AO als funktionslos qualifizierte Gesellschaften blieben unberücksichtigt.586 Mit Beginn des VZ 2008 wurde die Zinsschrankenregelung gem. § 4h EStG eingeführt und die Gesellschafter-Fremdfinanzierung nach § 8a KStG neu gefasst. Die Regelungen des § 4h EStG und § 8a KStG beziehen sich auf Zinsaufwendungen eines Betriebes. Gem. § 15 Satz 1 Nr. 3 KStG gelten Organgesellschaft und Organträger für Zwecke der Zinsschranke als ein Betrieb. Somit werden die Zinsaufwendungen und Zinserträge aufgrund von Darlehensgewährungen zwischen Organträgern und Organgesellschaften auf Ebene der Organträger verrechnet. Die Regelungen und Ausnahmen des § 4h EStG und des § 8a KStG gelten auf der Ebene von Organträgern, nicht jedoch auf der Ebene von Organgesellschaften. Gem. § 8a Abs. 1 KStG i.V.m. § 4h Abs. 1 EStG sind die mit den Organgesellschaften verrechneten Zinsaufwendungen des Organträgers zunächst in Höhe der Zinserträge unbeschränkt steuerlich abzugsfähig. Ein verbleibender Nettozinsaufwand wird i.H.d. verrechenbaren EBITDA (30 % des steuerlichen EBITDA) berücksichtigt. Ein nicht genutzter Betrag des verrechenbaren EBITDA kann in die folgenden fünf Wirtschaftsjahre vorgetragen werden. Übersteigen die Zinsaufwendungen das verrechenbare EBITDA sowie eventuelle EBITDA-Vorträge, entsteht ein zeitlich unbefristeter Zinsvortrag. Allerdings kann ein vollständiger Zinsabzug vorgenommen werden, wenn einer der drei folgenden Ausnahmetatbestände vorliegt: x Freigrenze für Zinsaufwendungen des Organträgers i.H.v. 3.000.000 € (§ 8a Abs. 1 KStG i.V.m. § 4h Abs. 2 Satz 1 Bst. a EStG) ist nicht überschritten. x Konzernklausel (§ 8a Abs. 2 KStG i.V.m. § 4h Abs. 2 Satz 1 Bst. b EStG) ist erfüllt, d.h. – Keine Möglichkeit zur Konsolidierung des Organträger durch ein Konzernunternehmen und – Nachweis, dass die Vergütungen für Fremdkapital an Anteilseigner, ihnen nahe stehende Personen oder rückgriffsberechtigte Dritte nicht mehr als 10 % des Nettozinsaufwands betragen. x Escape-Klausel (§ 8a Abs. 3 KStG i.V.m. § 4h Abs. 2 Satz 1 Bst. c EStG) ist erfüllt, d.h. – Konsolidierung des Eigenkapitals des Organkreises durch den Organträger nach den Vorschriften des jeweiligen Rechnungslegungsstandards zur Konsolidierung des Konzernkreises,587
585
Vgl. BMF v. 15.12.1994, IV B 7 – S 2742a – 63/94, BStBl. I 1995, S. 25, Tz. 84, 85.
586
Vgl. BMF v. 15.12.1994, IV B 7 – S 2742a – 63/94, BStBl. I 1995, S. 25, Tz. 84.
587
Vgl. Entwurf eines Unternehmensteuerreformgesetzes 2008, BT-Drs. 16/4841, S. 77.
Internationale Steuergestaltung durch den Einsatz von Holdinggesellschaften
373
– Unterschreitung der Konzerneigenkapitalquote um maximal 2 % durch die konsolidierte Eigenkapitalquote und – Nachweis, dass bei allen Rechtsträgern des Konzerns die Vergütungen für Fremdkapital an Anteilseigner, ihnen nahe stehende Personen oder rückgriffsberechtigte Dritte nicht mehr als 10 % des Nettozinsaufwands betragen.
1.3 Internationale Gestaltungsstrategien Der folgende Abschnitt stellt zunächst allgemeine Überlegungen in Bezug auf die Aufgaben und Ziele der Steuerplanung im internationalen Konzern an. Ausgehend vom Oberziel, der betriebswirtschaftlichen Gewinnmaximierung nach Steuern, werden im weiteren Verlauf mögliche Strategien und konkrete Gestaltungsmittel durch den Einsatz von Holdinggesellschaften dargestellt, deren Gestaltungsziel die Minimierung der Konzernsteuerquote ist.
1.3.1
Ziele der internationalen Steuerplanung
Bei grenzüberschreitender Wirtschaftstätigkeit eröffnen sich vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten zur Reduzierung der Steuerlast, bspw. durch das Ausnutzen von Steuergefällen, von uni- und bilateralen Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung sowie von Qualifikationskonflikten. Das Ziel der Steuerplanung im Konzern liegt in der geschickten Nutzung dieser bestehenden Gestaltungsmöglichkeiten, um die konzernweite Steuerquote zu verringern. Die Instrumente und Aufgaben des Steuerplaners sind breit gefächert und lassen sich in drei Bereiche unterteilen:588 x Strukturplanung: Die Errichtung einer effizienten Konzernstruktur gehört zu den Kernaufgaben der Steuerplanung. In diesem Zusammenhang sind Entscheidungen über Rechtsformwahl und die Anbindung von Beteiligungsgesellschaften zu treffen. Diese können entweder direkt von der Spitzeneinheit oder mittelbar über eine Zwischenholding gehalten werden. Um eine steueroptimale Aufgabenverteilung innerhalb des Unternehmensverbundes zu ermöglichen, kann deshalb der Aufbau von Holdingstrukturen notwendig sein. x Steuerung der Bemessungsgrundlagen: Das Gesamtergebnis der Konzerneinheiten ist im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auf die einzelnen Einheiten aufzuteilen. Die Allokation erfolgt dabei über Verrechnungspreise für konzerninterne Lieferungen und Leistungen, Finanzierungsgestaltungen, der Nutzung von Qualifikationskonflikten und über die Aufteilung von betrieblichen Funktionen und Risiken im Konzern. x Vermeidung konzerninterner Gewinnrealisierungen: Die dynamische Unternehmung muss sich laufend an neue Rahmenbedingungen anpassen. Geänderte wirtschaftliche, rechtliche oder steuerliche Sachverhalte erfordern oftmals kon588
Vgl. Jacobs, O., Internationale Unternehmensbesteuerung, 6. Aufl., München 2007, S. 856.
374
Internationale Gestaltungsstrategien zerninterne Anpassungen, Reorganisationen und die Übertragung von Wirtschaftsgütern auf andere Konzerneinheiten. Ziel des Steuerplaners muss es sein, auftretende steuerliche Belastungen durch Transaktionssteuern gering zu halten sowie die Aufdeckung stiller Reserven möglichst zu vermeiden. Instrumente und Aufgaben der internationalen Steuerplanung
Planung der Gruppenstruktur, z.B.:
Steuerung der Bemessungsgrundlagen, z.B.:
x Vermeidung von Doppelbesteuerungen x Rechtsformwahl x Einsatz von Holdinggesellschaften
x Nutzung des Steuergefälles dem Grunde und der Höhe nach x Finanzierungspolitik x Verrechnungspreise x Qualifikationskonflikte
Abbildung 92:
Vermeidung konzerninterner Gewinnrealisierungen, z.B.: x Aufschub der Aufdeckung von stillen Reserven x Vermeidung von Verkehrsteuerbelastungen
Instrumente und Aufgaben der internationalen Steuerplanung589
Im Folgenden wird insbesondere der Einsatz von Zwischenholdings zur konzernweiten relativen Steuerminimierung anhand von Gestaltungsbeispielen näher erläutert. Dazu bedarf es in vielen Fällen der vorherigen Einbringung von Beteiligungen an den entsprechenden Grundeinheiten in die zwischenzuschaltende Holding seitens der Spitzeneinheit. Dieser Einbringungsvorgang ist unter Berücksichtigung der §§ 20 bis 23 UmwStG sowohl für nationale als auch europäische Sachverhalte in Folge der Umsetzung der Fusionsrichtlinie590 steuerneutral möglich, d.h. ohne Aufdeckung stiller Reserven, wenn die Spitzeneinheit im Gegenzug Gesellschaftsrechte an dem übernehmenden Rechtsträger erhält.591 Die gewählten Beispiele sind aus didaktischen Gründen stark abstrahiert und sollen in erster Linie die verschiedenen Möglichkeiten der Steuerung aufzeigen. Durch die Zwischenschaltung einer Holding in Form einer Kapitalgesellschaft ist auf den ersten Blick zu erwarten, dass sich die Gefahr einer steuerlichen Mehrbelastung durch die verlängerte Dividendenroute erhöht. Grund hierfür ist die eigenständige Rechtsfähigkeit der Kapitalgesellschaft, die eine zusätzliche Besteuerungsebene im Konzern im Vergleich zur direkten Anbindung der Tochtergesellschaften erzeugt. 589
Abbildung in Anlehnung an Jacobs, O., Internationale Unternehmensbesteuerung, 6. Aufl., München 2007, S. 857.
590
Vgl. Rl. 90/434/EWG v. 23.07.1990.
591
Vgl. Brähler, G., Umwandlungssteuerrecht, 5. Aufl., Wiesbaden 2009, S. 437 ff.
Internationale Steuergestaltung durch den Einsatz von Holdinggesellschaften
375
Bei Einbeziehung von Drittstaaten ergeben sich jedoch durch die Kombination von verschiedenen Steuersystemen interessante Gestaltungsmöglichkeiten, so dass Steuervorteile gegenüber der direkten Anbindung von Tochtergesellschaften erlangt werden können. Eine umsichtige Gestaltungsplanung kann deshalb ungünstige Steuerwirkungen vermeiden und günstige Steuerwirkungen gezielt herbeiführen. Auf diese Weise werden einerseits Mehrbelastungen durch die international ausgerichtete Konzernstruktur verhindert, andererseits durch den gezielten Einsatz von aktiven Gestaltungen holdingspezifische Minderbelastungen für den Unternehmensverbund ermöglicht. Die Vermeidung von Doppelbesteuerungen, Reduzierung von Quellensteuern, Ergebniskonsolidierung und Minimierung von Veräußerungsgewinnen dienen vorrangig der Vermeidung von Steuermehrbelastungen, während die Vermeidung von Anrechnungsüberhängen sowie die Einkünfteerzielung in Niedrigsteuerländern und steuerwirksame Beteiligungsfinanzierung der Prämisse der Erzielung von Steuerminderbelastungen zuzuordnen sind.
Minimierung der Steuerquote im Konzern Vermeidung von konzernspezifischen Mehrbelastungen x Vermeidung von Doppelbesteuerungen x Reduzierung von Quellensteuern x Ergebniskonsolidierung x Minimierung der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen
Abbildung 93:
Erzielung von konzernspezifischen Minderbelastungen x Vermeidung von Anrechnungsüberhängen x Einkünfteerzielung in Niedrigsteuerländern x steuerwirksame Beteiligungsfinanzierung
Ziele der internationalen Steuerplanung
Die Gestaltungsmaßnahmen können in zwei Bereiche gegliedert werden, wobei die in der Folge getrennt voneinander vorgestellten Strategien in der betrieblichen Praxis miteinander kombiniert werden können:592 x
592
Durch die Anwendung von Repatriierungsstrategien wird eine zeitnahe bzw. verzögerte Rückführung von operativen Gewinnen der Grundeinheiten an die Konzernspitze ermöglicht. Angestrebt wird eine minimale steuerliche Belastung des konzerninternen Einkommensflusses durch die Einschaltung einer Holding-
Vgl. Kessler, W., Die Euro-Holding, München 1996, S. 82.
376
Internationale Gestaltungsstrategien gesellschaft als zusätzlichem Gestaltungsobjekt. Direkte Auswirkungen auf das erzielte Konzernergebnis resultieren aus dieser Gestaltung nicht, da lediglich der konzerninterne Einkommenstransfer verändert wird. Die Repatriierungsstrategien lassen sich in die Umleitung, Umformung und temporäre Abschirmung von Einkünften unterteilen. x
1.3.2
Die Anwendung von Allokationsstrategien führt zur steuerinduzierten Zuordnung von Erträgen und/oder Aufwand im Konzernverbund, wodurch der konzernexterne Einkommenstransfers beeinflusst wird und eigene Einkünfte von der zwischengeschalteten Holding erzielt werden. Das Gesamtergebnis des Konzerns ändert sich ebenfalls durch diese Gestaltung nicht, jedoch wird die Zuordnung der konzernexternen Einkünfte zu den Gesellschaften beeinflusst. Abhängig von der Verlagerungsrichtung der Einkünfte wird zwischen der Verlagerung nach unten oder oben unterschieden (top down bzw. bottom up).
Repatriierungsstrategien
Die Hauptaufgabe der Zwischenholding bei der Anwendung der Repatriierungsstrategien besteht im Regelfall lediglich in der Aufnahme der auf Ebene der Grundeinheit angefallenen Gewinne und deren (zeitnahe) Weiterausschüttung (sog. Durchschüttung) an die Spitzeneinheit, um letztlich bei dieser eine steueroptimale Vereinnahmung zu realisieren. In Folge der Zwischenschaltung einer meist in einem Drittstaat ansässigen Holdinggesellschaft in den Dividendenfluss entsteht eine verlängerte Dividendenroute. Diese kann im Vergleich zur direkten Anbindung der Grundeinheit an die Spitzeneinheit zur Reduzierung der Steuerbelastung für die Gewinnausschüttung führen. Sinnvoll ist eine derartige Gestaltung allerdings nur dann, wenn zum einen die Holding in einem Staat ansässig ist, der die entsprechenden Erträge im Ergebnis nicht oder nur gering besteuert. Zum andern muss die auf der verlängerten Dividendenroute insgesamt anfallende Quellensteuer, zuzüglich ggf. erhobener Körperschaftsteuer, niedriger sein als bei direkter Beteiligung an der Grundeinheit.593 Daneben sind aber auch die Kosten für die Errichtung und Erhaltung der Holding in das betriebswirtschaftliche Kalkül einzubeziehen.
1.3.2.1 Umleitung von Einkünften Die auf Ebene der Grundeinheit erwirtschafteten Einkünfte werden nicht direkt an die Spitzeneinheit ausgeschüttet, sondern auf dem Umweg über eine zwischengeschaltete Holdinggesellschaft vereinnahmt. Die eigenständige Rechtsfähigkeit einer Holding in Form einer Kapitalgesellschaft ermöglicht es der Spitzeneinheit, indirekt von den Vergünstigungen in deren Sitzstaat zu profitieren, ohne ursprünglich selbst dazu berechtigt gewesen zu sein. Durch diese sog. verbesserte Dividendenroute kann sowohl eine Reduzierung der juristi-
593
Vgl. Kessler, W., Die Euro-Holding, München 1996, S. 83 f.
Internationale Steuergestaltung durch den Einsatz von Holdinggesellschaften
377
schen Doppelbesteuerung durch Quellensteuern als auch eine Minderung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung durch Ertragsteuern erreicht werden. Den bekanntesten Anwendungsfall einer derartigen Gestaltung stellt das treaty shopping dar. Durch die Umleitung des Dividendenstroms über eine Zwischenholding kann die Belastung mit Quellensteuern im Vergleich zur direkten Anbindung reduziert oder in einigen Fällen sogar gänzlich beseitigt werden. Ein Spezialfall des treaty shopping ist das directive shopping, bei dem die Quellensteuerfreiheit von Dividendenausschüttungen innerhalb der EU aufgrund der Mutter-Tochter-Richtlinie ausgenutzt wird.
1.3.2.1.1
Reduktion von Quellensteuern
Besteht ein DBA zwischen den beteiligten Ländern, resultieren daraus in vielen Fällen höhere steuerliche Entlastungen als bei alleiniger Inanspruchnahme von unilateralen Maßnahmen des Ansässigkeitsstaates. Es liegt daher nahe, durch die Einschaltung einer formal abkommensberechtigten Gesellschaft die Vergünstigungen eines DBA auch ohne originäre Abkommensberechtigung der Gesellschafter zu nutzen, um eine möglichst hohe Reduzierung der Quellenbesteuerung zu erreichen. Dieses Ziel wird in der steuerplanerischen Praxis durch die Wahl eines entsprechenden Holdingstandortes in einem Drittstaat mit günstigem DBA-Netzwerk und der Zwischenschaltung einer dort ansässigen Kapitalgesellschaft in den Dividendenstrom verwirklicht. Die Zwischenholding dient dabei als „conduit company“594 zur Erreichung der Abkommensberechtigung.595 Die treaty shopping-Gestaltungen lassen sich in drei Fälle einteilen: x Zwischen Sitzstaat der Anteilseigner und Ansässigkeitsstaat der Tochtergesellschaft besteht kein DBA (Nicht-DBA-Fall). x Der Sitzstaat der Anteilseigner hat ein DBA mit dem Domizilstaat der Tochter abgeschlossen (DBA-Fall). x Gesellschaften mit Sitz außerhalb der EU halten mehrere Beteiligungen in verschiedenen Mitgliedsstaaten der EU (EU-Fall). Eine treaty shopping-Gestaltung ist nur dann vorteilhaft, wenn die Summe der Quellensteuern im Sitzstaat der Grundeinheit und im Holdingstandort geringer ist als bei direkter Anbindung der Grundeinheit, wobei zusätzliche Kosten der Zwischengesellschaft zu berücksichtigen sind. x Treaty Shopping: Nicht-DBA-Fall Besteht zwischen dem Quellen- und dem Wohnsitzstaat des Empfängers der Einkünfte kein DBA, unterliegen die Ausschüttungen ungemindert der Quellensteuer. Um diese zu reduzieren, wird die Beteiligung in eine Zwischenholding eingebracht, die in einem Drittstaat 594
Der englische Begriff „conduit“ lässt sich treffend mit „Kanal“ oder „Rohrleitung“ übersetzen.
595
Vgl. Hintzen, B., Die deutsche Zwischenholding als Gegenstand der internationalen Steuerplanung, Frankfurt a. M., u.a. 1997, S. 50.
378
Internationale Gestaltungsstrategien
Beispiel
angesiedelt ist, der mit dem Sitzstaat der Tochter- sowie dem Sitzstaat der Muttergesellschaft ein DBA abgeschlossen hat, das die Verringerung der Quellensteuer vorsieht. Der Empfänger der Dividende kommt so in den Genuss der Vorteile des Abkommens zwischen Dritt- und Quellenstaat. Eine in den Niederländischen Antillen ansässige Gesellschaft hält eine Beteiligung an der deutschen X-GmbH. Da im DBA zwischen Deutschland und den Niederlanden die NL-Antillen nicht in den räumlichen Geltungsbereich miteinbezogen wurden (Art. 27 DBA-Niederlande), unterliegen die ausgeschütteten Dividenden ungemindert der deutschen Kapitalertragsteuer in Höhe von 20 % (2008) bzw. 25 % (2009) der Bruttodividende zzgl. 5,5 % Solidaritätszuschlag. Durch die Einbringung der Beteiligung in eine Zwischenholding in einem Drittstaat, der mit Deutschland ein DBA abgeschlossen hat, kann die deutsche Kapitalertragsteuer dem OECD-MA zufolge auf 15 % (Portfoliodividenden) reduziert werden. Im Fall einer Schachtelbeteiligung (> 25 %) bzw. einer Holding in einem EU-Staat (ab 15 % (2008) bzw. 10 % (2009)) wird die Kapitalertragsteuer sogar auf 5 % (OECD-MA) bzw. 0 % (MTRl) begrenzt. Um eine solche Begünstigung zu realisieren, wird eine Holding mit Sitz in den Niederlanden zwischengeschaltet, da die Niederlande sowohl mit Deutschland als auch mit den NLAntillen ein DBA abgeschlossen haben. Folglich unterliegt auch die Weiterausschüttung aus den Niederlanden an die NL-Antillen den begünstigenden Regelungen des konkreten DBA in Höhe von 15 % bzw. bei einer Beteiligung von mindestens 25 % nur einer 5 %igen Quellensteuerbelastung.
Anmerkung: Eine derartige Gestaltung fiele mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit unter die Missbrauchsvorschrift des § 50d Abs. 3 EStG mit der Folge, dass Deutschland keine Reduzierung der Quellensteuer gewähren würde. Um zu vermeiden, dass die gewählte Gestaltung als rechtsmissbräuchlich eingestuft wird, müsste die Holdinggesellschaft eine eigene wirtschaftliche Tätigkeit ausüben, die über das reine Halten und Verwalten der Beteiligungen hinausgeht.
Internationale Steuergestaltung durch den Einsatz von Holdinggesellschaften
Direkte Anbindung ohne DBA
379
Treaty Shopping Zwischenschalten einer Holding in DBA-Staat
Mutter (NL-Antillen)
Dividenden Dividenden
Mutter (NL-Antillen)
Dividende Dividende
DBA
Tochter (Deutschland)
21,1 %/ 26,38 % QSt* Holding Gewinn Gewinn (Niederlande)
* 20 % bzw. 25 % KapESt zzgl. 5,5 % SolZ (§ 43 EStG i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 5 SolZG)
Abbildung 94:
5 % QSt
Dividende Dividende
MTRl
0 % QSt Tochter (Deutschland)
Gewinn Gewinn
Treaty Shopping ohne bestehendes DBA
Beispiel
x Treaty Shopping: DBA-Fall Auch wenn zwischen Sitz- und Quellenstaat bereits ein DBA besteht, lassen sich möglicherweise durch die Umleitung von Dividenden mittels Zwischenholding weitere Steuereinsparungen erreichen. Voraussetzung ist jedoch, dass der Sitzstaat der Grundeinheit mit dem Holdingstaat weitergehende Steuerbeschränkungen in dem DBA vereinbart hat. Eine in Kanada ansässige Kapitalgesellschaft ist zu 100 % an einer in Italien ansässigen Tochterkapitalgesellschaft beteiligt. Nach Art. 10 Nr. 2 Bst. b DBA KanadaItalien ist die in Italien zu entrichtende Quellensteuer (Kapitalertragsteuer) auf 15 % des Bruttobetrags der Dividende begrenzt. Bringt die kanadische Muttergesellschaft die italienische Beteiligung in eine niederländische Holding-Kapitalgesellschaft ein, reduziert sich die Quellensteuerbelastung auf 5 %. Gemäß der Mutter-TochterRichtlinie sind Dividenden, die aus Italien in die Niederlande fließen, von der Besteuerung ausgenommen. Die Niederlande beschränken darüber hinaus gem. Art. 10 Nr. 2 Bst. a DBA Kanada-Niederlande die Höhe der Quellensteuer auf 5 % der Bruttodividende.
380
Internationale Gestaltungsstrategien
Direkte Anbindung
Treaty Shopping QSt 5 % gem. DBA Kanada-Niederlande; Ausschüttung innerhalb der EU quellensteuerfrei gem. MTRl
QSt 15 % gem. DBA Kanada-Italien
Mutter (Kanada)
Dividende DBA
Tochter (Italien)
Mutter (Kanada) DBA
15 % QSt Gewinn
Dividende
Holding (Niederlande)
5 % QSt Dividende
MTRl
0 % QSt Tochter (Italien)
Abbildung 95:
Gewinn
Treaty Shopping bei bestehendem DBA
x Directive Shopping: EU-Fall Seit der Einführung der europäischen Mutter-Tochter-Richtlinie für verbundene Unternehmen und den daraus resultierenden quellensteuerfreien Gewinnausschüttungen innerhalb der EU erlangt das directive shopping als Sonderfall des treaty shopping besondere praktische Relevanz. Der Begriff „directive“ bezeichnet im Englischen eine Richtlinie i.S.d. Art. 249 EG-Vertrag und bedeutet im Zusammenhang mit dem umgangssprachlichen directive shopping das „Hineinkaufen“ in den Anwendungsbereich von EU-Richtlinien. Ein „Hineinkaufen“ kann sowohl durch EU-Spitzeneinheiten als auch durch im Drittland ansässige Spitzeneinheiten mittels Zwischenschaltung abkommensberechtigter Tochtergesellschaften geschehen. Sinn und Zweck des ersten Falls ist die Wahl eines geeigneten Holdingstandorts in einem EU-Mitgliedstaat, der aufgrund bestehender DBA im Verhältnis zu Grundeinheiten in Drittstaaten eine quellensteueroptimale Dividendenroute gewährt.596 Der zweite Fall bezieht sich auf die Suche nach einem zweckmäßigen Standort für eine sog. Europa-Holding, die sämtliche Aktivitäten innerhalb der EU bündelt und die Gewinne anschließend an den Sitzstaat der Spitzeneinheit weiterleitet (sog. steueroptimale Exit-
596
Vgl. Kessler, W., Internationale Holdingstandorte, in: Schaumburg, H./ Piltz, D. (Hrsg.), Holdinggesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Forum der Internationalen Besteuerung, Band 22, Köln 2002, S. 85.
Internationale Steuergestaltung durch den Einsatz von Holdinggesellschaften
381
Beispiel
Lösung).597 Die Standortwahl fällt letztlich auf den EU-Mitgliedstaat, der den günstigsten Quellensteuersatz per DBA für die Durchschüttung an diesen Drittstaat eingeräumt hat. Die in Kanada ansässige Umbrella Industries Ltd. betreibt ihre europäischen Aktivitäten über vier innerhalb der EU ansässige Tochtergesellschaften, an denen sie jeweils zu 100 % beteiligt ist. Da in der gegenwärtigen Gruppenstruktur vergleichsweise hohe Quellensteuern anfallen, sucht der kanadische Geschäftsführer eine steueroptimale Lösung für die Vereinnahmung der Erträge der europäischen Töchter.
Gestaltungsmöglichkeit: Die europäischen Beteiligungen werden in einer Europa-Holding gebündelt. Von den europäischen Staaten bietet derzeit Spanien die günstigsten Voraussetzungen für die Weiterleitung von Dividenden in einen Nicht-EU-Staat. Für anerkannte Auslandsholdings598 wird dort unilateral eine steuerfreie Dividendeneinnahme und eine vollständige Quellensteuerfreiheit für abfließende Dividenden und Veräußerungsgewinne gewährt. Es ist daher sinnvoll, die Beteiligungen in eine spanische Gesellschaft einzubringen. Die Quellensteuerbelastung kann auf diese Weise von 7,5 % auf 0 % gesenkt werden.
597
Vgl. Kessler, W., Die Euro-Holding, München 1996, S. 9.
598
In Spanien werden diese „ETVE“ (Entidad de Tenencia de Valores Extranjeros) genannt.
382
Internationale Gestaltungsstrategien
Vor der Reorganisation: Umbrella Industries Ltd. (Kanada)
QSt-Belastung 7,5 %
DBA
Tochter S.A. (Frankreich) QSt: 5 %
Tochter S.p.a. (Italien) QSt: 15 %
Tochter Ltd. (England) QSt: 5 %
Tochter GmbH (Deutschland) QSt: 5 %
Unterschiedliche Begrenzung der Höhe der Quellensteuer auf eine Ausschüttung in den einzelnen DBA mit Kanada Nach der Einschaltung einer Europa-Holding (Directive Shopping): Umbrella Industries Ltd. (Kanada)
QSt-Belastung 0%
DBA
Europa-Holding B.V. (Spanien)
Unilateraler Verzicht Spaniens auf Quellensteuer
MTRl
Tochter S.A. (Frankreich)
Tochter S.p.a. (Italien)
Tochter Ltd. (England)
Tochter GmbH (Deutschland)
Verzicht auf Quellensteuer für Ausschüttungen innerhalb der EU gem. Mutter-Tochter-Richlinie
Abbildung 96:
1.3.2.1.2
Directive Shopping durch Einschaltung einer Europa-Holding
Vermeidung von Doppelbesteuerungen
Der Grund für eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung ist i.d.R. das gleichzeitige Bestehen von unbeschränkter Steuerpflicht im Ansässigkeitsstaat der Spitzeneinheit und beschränkter Steuerpflicht im Domizilstaat der operativen Gesellschaft. International werden drei verschiedene Methoden zur Vermeidung der ertragsteuerlichen Mehrfacherfassung praktiziert:
Internationale Steuergestaltung durch den Einsatz von Holdinggesellschaften x x x
383
Uni- und bilaterale Anwendung der Anrechnungsmethode.599 Uni- und bilaterale Anwendung der Freistellungsmethode.600 Unilaterale Anwendung der Anrechnungsmethode mit internationalem Schachtelprivileg für Einkünfte aus DBA-Ländern.601
Ein wesentliches Merkmal der Anrechnungsmethode ist das Heraufschleusen der Steuerbelastung auf das Steuerniveau des Ansässigkeitsstaats des Dividendenempfängers. Dieses Vorgehen setzt jedoch voraus, dass eine Spitzeneinheit, deren Domizilstaat nur für DBA-Einkünfte eine Freistellung gewährt, Dividenden aus einem Nicht-DBA-Staat mit geringerer Steuerbelastung empfängt. Dessen ungeachtet kann durch die Zwischenschaltung einer Holding in einem DBA-Staat das Heraufschleusen vermieden werden (sog. participation exemption shopping),602 und ggf. das DBA-Schachtelprivileg in Anspruch genommen werden, um die Dividenden steuerfrei zu vereinnahmen.603 Das „Hineinkaufen“ in ein Schachtelprivileg ist auch dann sinnvoll, wenn im Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers grundsätzlich ein internationales Schachtelprivileg (participation exemption) existiert, der Steuerpflichtige aber die notwendigen Voraussetzungen dafür nicht erfüllt. Dies ist bspw. dann der Fall, wenn es sich um eine natürliche Person handelt oder bestimmte Mindestbeteiligungsgrenzen bzw. eine Mindestbesitzzeit nicht erreicht werden.
Beispiel
x
Participation Exemption Shopping Eine in Dänemark ansässige Kapitalgesellschaft hält eine Beteiligung i.H.v. 18 % an einer spanischen Tochterkapitalgesellschaft. In Dänemark ist ein internationales Schachtelprivileg (Participation Exemption) erst ab einer Beteiligungshöhe von 20 % sowie einer Mindesthaltedauer von 12 Monaten vorgesehen; die als Portfolioeinkünfte qualifizierten Dividenden unterliegen somit der dänischen Körperschaftsteuer.
Gestaltungsmöglichkeit: Trotz eines innereuropäischen Sachverhalts gelangt die Mutter-Tochter-Richtlinie nicht zur Anwendung, da die notwendige Beteiligungshöhe von 20 % nicht erreicht ist. Dennoch kann die Steuerbelastung reduziert werden, indem die spanische Beteiligung z.B. in eine in Deutschland ansässige Gesellschaft eingebracht wird. Gem. § 8b Abs. 1 KStG können die
599
Vor allem in der anglo-amerikanischen Rechtstradition, insbes. Großbritannien und USA.
600
Vor allem in Ländern mit sog. klassischem Körperschaftsteuersystem, insbes. Deutschland (seit VZ 2001), Niederlande, Luxemburg und Österreich. Im klassischen System gibt es derzeit meist nach innerstaatlichem Recht ein Schachtelprivileg.
601
Dies war in Deutschland vor der Einführung des StSenkG der Fall; in Kanada nach wie vor gültig.
602
Analog zu der Definition des „treaty shopping“ kann darunter das „Einkaufen in ein Schachtelprivileg“ verstanden werden.
603
Vgl. Hintzen, B., Die deutsche Zwischenholding als Gegenstand der internationalen Steuerplanung, Frankfurt a. M., u.a. 1997, S. 52.
384
Internationale Gestaltungsstrategien
Gewinnausschüttungen grundsätzlich steuerfrei604 von der deutschen Gesellschaft vereinnahmt werden, ohne Berücksichtigung einer Mindestbeteiligung oder Mindestbesitzzeit. Bei Weiterausschüttung an Dänemark werden die Dividenden aus Deutschland nicht mehr als Portfoliodividenden qualifiziert (Beteiligung 100 %; die Mindesthaltedauer kann auch nach erfolgter Ausschüttung erfüllt werden605) und sind folglich durch das dänische Schachtelprivileg von der Besteuerung ausgenommen.
Participation Exemption Shopping
Direkte Anbindung Mindestbeteiligung für Schachtelprivileg in DK (Beteiligung > 20 %) nicht erreicht Mutter A/S (Dänemark)
Keine Mindestbeteiligung bzw. Mindestbesitzdauer in Deutschland gefordert; Beteiligung an der Holding qualifiziert für das Schachtelprivileg
KSt: 28 %
Mutter A/S (Dänemark)
18 %
100 %
Tochter S.A. (Spanien)
Holding (Deutschland)
KSt: 0 %
KSt: 0 %
18 %
Tochter S.A. (Spanien)
Abbildung 97:
1.3.2.1.3
Participation Exemption Shopping
Reduktion von Anrechnungsüberhängen
Für Spitzeneinheiten, deren Sitzstaat die Anrechnungsmethode zur Minderung der Doppelbesteuerung verwendet, kann es im Fall einer Begrenzung der Anrechnungsmöglichkeit aufgrund einer per-country-limitation zu Anrechnungsüberhängen („excess tax credit“) kommen.
604
Gem. § 8b Abs. 5 KStG werden 5 % der Bruttodividenden als nicht abzugsfähige Betriebsausgaben qualifiziert.
605
Vgl. International Bureau of Fiscal Documentation, European Tax Handbook 2009, Band 20, Amsterdam 2009, Denmark, S. 183.
Internationale Steuergestaltung durch den Einsatz von Holdinggesellschaften
385
Eine per-country-limitation bestimmt bei einem proportionalen Tarif einen identischen Anrechnungshöchststeuersatz für alle Länder, in denen operative Tochtergesellschaften ansässig sind. Dementsprechend kann zum einen die Situation eintreten, dass das ausländische Steuerniveau unter dem inländischen liegt, wodurch ein Teil der Anrechnungsmöglichkeiten mangels Übertragbarkeit auf andere Länder verfällt. Zum anderen ist es möglich, dass im Gegensatz dazu ein höherer ausländischer Steuersatz existiert, so dass ein Anrechnungsüberhang als effektive Doppelbesteuerung verbleibt. Durch die Anwendung einer sog. over-all-limitation eröffnet sich die Möglichkeit, ungenutzte Anrechnungsbeträge eines Landes auf andere Länder zu übertragen mit dem Ziel, eine drohende Definitivbelastung in Form von Anrechnungsüberhängen zu reduzieren bzw. zu vermeiden. Eine betroffene Spitzeneinheit kann durch die Zwischenschaltung einer sog. mixer company ihre Einkünfte aus mehreren Staaten in einer Zwischenholding zusammenfassen. Dadurch werden die Nachteile der per-country-limitation in ihrem Sitzstaat umgangen und faktisch eine overall-limitation der Anrechnungsbeträge bewirkt. Voraussetzung ist dabei, dass der Sitzstaat der Holding den Anrechnungshöchstbetrag mittels einer over-all-limitation festlegt oder die Dividenden freistellt. Der Ansässigkeitsstaat der Spitzeneinheit muss ferner die Anrechnung der von den Enkelgesellschaften gezahlten Steuern in Drittstaaten erlauben, wenn die Dividenden im Holdingstaat freigestellt sind. Eine solche Gestaltung erweist sich nur dann als vorteilhaft, wenn tatsächlich relevante Anrechnungsbeträge anfallen und diese auch mit entsprechenden Anrechnungsüberhängen kompensiert werden können. Darüber hinaus sind profitable operative Einheiten notwendige Voraussetzung, da negative Ergebnisse bei einer over-all-limitation den Anrechnungshöchstbetrag reduzieren und damit die Vorteilhaftigkeit der gesamten Gestaltung gefährden.
Beispiel
x
Credit Mix Shopping und die Anwendung von EUFT606 in England Die Muttergesellschaft ist in England ansässig und hält 100 % der Anteile an einer deutschen Tochter-GmbH und an einer Tochter-AG in der Schweiz. Die deutsche und die schweizer Tochter erwirtschaften jeweils einen Gewinn vor Steuern i.H.v. 1.000.000 €. Der deutsche Gewinn ist mit Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer (Hebesatz 400 %) und Solidaritätszuschlag i.H.v. 38,65 % (bis 2007) bzw. 29,83 % (ab 2008) belastet. Die Höhe der Ertragsteuern in der Schweiz liegen in dem gewählten Kanton bei 16 %607.
606
Eligible Unrelievied Foreign Tax (= Steuergutschrift zur Verrechnung mit Anrechnungsüberhängen im englischen Steuersystem).
607
Das Schweizer Steuersystem erfasst Erträge auf Bundesebene und auf Kantonsebene getrennt. Die Bundessteuer beträgt 8,5 %. Da die Steuern von der Bemessungsgrundlage abziehbar sind, ergibt sich eine effektive Steuerbelastung auf Bundesebene von 7,8 %. Die regionalen Steuern schwanken zwischen 6 % und 32 % des Einkommens vor Steuern. In dem Fallbeispiel betragen die Regionalsteuern 8,2 %.
386
Internationale Gestaltungsstrategien In England wurde bis 2001 die Anrechnungsmethode mit per-country-limitation zur Vermeidung von Doppelbesteuerungen angewendet. Daraus ergab sich je Land ein Anrechnungshöchstbetrag i.H.v. 300.000 €608, und es kam infolgedessen einerseits zu einem Anrechnungsüberhang von 86.500 € für die deutschen Einkünfte und andererseits zu einem ungenutzten Anrechnungsbetrag von 140.000 € für die Einkünfte aus der Schweiz. Die Differenz von 140.000 € verfiel ungenutzt und konnte nicht auf den Anrechnungsüberhang in Deutschland übertragen werden. Ab 2001 gelten nach entsprechenden Gesetzesänderungen nunmehr verschärfte Anrechnungsregelungen. Zum einen wurde die starre per-country-limitation für in England ansässige Gesellschaften durch eine modifizierte609 over-all-limitation ersetzt.610 Zum anderen wurde ein sog. Mixer-Cap eingeführt, der eine Durchschnittsbildung der Steuerbelastungen einer ausländischen Mixer-Company nicht mehr anerkennt, sondern den Anrechnungshöchstbetrag für die nachgelagerten ausländischen Gesellschaften direkt berechnet.
Gestaltungsmöglichkeit: Bis 2001 war der direkten Anbindung an die Muttergesellschaft die Zwischenschaltung einer niederländischen Holding (mixer company), die sowohl die deutsche als auch die schweizer Tochter gehalten hat, vorzuziehen. Die Holding konnte die Beteiligungserträge in den Niederlanden steuerfrei einnehmen und „vermischte“ die mit unterschiedlich hohen Steuern belasteten Erträge, so dass es zu einer Durchschnittsbildung kam (Belastung: (368.500 € + 160.000 €) / 2.000.000 € = 27,32 %) und der britische Anrechnungshöchstbetrag von 600.000 € fast vollständig ausgenutzt wurde. Von 2001 bis 2007 ist wahlweise die direkte Anbindung an die Muttergesellschaft oder die Zwischenschaltung einer in England ansässigen Gesellschaft sinnvoller. Insbesondere die Nutzung der modifizierten over-all-limitation für englische Gesellschaften ermöglicht, im Rahmen des EUFT, die länderübergreifende Verrechnung von Anrechnungsüberhängen mit ungenutzten Anrechnungsbeträgen. Des Weiteren ist durch Einführung des Mixer-Cap eine ausländische mixer-company wirkungslos. Ab 2008 beträgt der Ertragsteuersatz für Kapitalgesellschaften in Deutschland 29,83 %. Eine vollständige Anrechnung der deutschen Steuer ist in England problemlos möglich.
608
Die Anrechnung darf die Höhe der britischen Ertragsteuern (30 %) auf die ausländischen Gewinne nicht überschreiten.
609
Ausländische Ertragsteuern werden nicht uneingeschränkt anerkannt, sondern nur bis zu einer maximalen Höhe von 45 %.
610
Vgl. Endres, D., Typische Holdingstrukturen anhand von Beispielfällen, WPg-Sonderheft 2003, S. 60; Jacobs, O., Internationale Unternehmensbesteuerung, 6. Aufl., München 2007, S. 985 ff.
Internationale Steuergestaltung durch den Einsatz von Holdinggesellschaften
Bis 2001 sinnvolle Gestaltung durch Einschaltung einer mixer company
Fast vollständige Anrechnung möglich
Ertragsteuern GB: 30,00 %
Mutter Ltd. (England)
Mixer-Holding Belastung: (Niederlande) 27,32 %
Tochter GmbH (Deutschland) KSt, GewSt, SolZ: 38,65 %
Tochter GmbH (Schweiz) Ertragsteuern: 16,00 %
387
Ab 2001 direkte Anbindung der Tochtergesellschaften
Anrechnungsüberhang für deutsche Dividenden i.H.v. 8,65 % (2007)
Nutzung des Anrechnungs guthabens durch EUFT für schweizer Dividenden i.H.v. 14,00 %
Nach Verrechnung verbleiben 53.500 € Anrechnungsguthaben in 2007 Mutter Ltd. (England)
Tochter GmbH (Deutschland) KSt,GewSt, SolZ: bis 2007: 38,65 %
Tochter GmbH (Schweiz) Ertragsteuern: 16,00 %
Ab 2008 werden Gewinne von Kapitalgesellschaften in Deutschland mit 29,83 % besteuert. Es entsteht somit bei deutschen Dividenden kein Anrechnungsüberhang. Abbildung 98:
Credit Mix Shopping
1.3.2.2 Umformung von Einkünften Bei der Umformung von Einkünften (sog. secondary sheltering611) ist der Steuerpflichtige bestrebt, die ausländischen Einkünfte in eine Einkunftsart umzuformen, für die ein bestehendes DBA vergleichsweise günstigere Regelungen bietet.
611
Im Gegensatz zum „primary sheltering“ soll nicht nur der Zugriff des Ansässigkeitsstaates der Spitzeneinheit verhindert werden, sondern die Erträge sollen in Form einer anderen Einkunftsart an die Spitzeneinheit weitergeleitet werden.
388
Internationale Gestaltungsstrategien
Typischer Anwendungsfall ist die Vergabe von verzinslichen Gesellschafterdarlehen an Stelle der Ausstattung mit Eigenkapital. Gewinnausschüttungen werden dadurch schon auf Ebene der operativen Einheit in Zinsaufwand umgeformt, so dass korrespondierend (oft quellensteuerfreie) Zinserträge bei der Holding anfallen. Des Weiteren können Ziele wie die Verlagerung von Erträgen in Niedrigsteuerländer oder die Transformierung von „steuerschädlichen“ Einkünften durch die Einschaltung zusätzlicher Gesellschaften in „steuerbegünstigte“ Einkünfte verfolgt werden.612
Beispiel
Unter dem Begriff „rule shopping“ werden Gestaltungen zur Umgehung „eigentlich“ zutreffender Regelungen verstanden, um noch günstigere Regelungen in Anspruch nehmen zu können.613 Im Gegensatz zum treaty shopping genießt der Steuerpflichtige bereits Abkommensschutz, versucht aber, durch Ausnutzen von Gestaltungsspielräumen die Anwendung bestimmter Vorschriften herbeizuführen. Zinsen statt Betriebsstättengewinne Zwei niederländische Staatsangehörige sind Gesellschafter einer deutschen oHG. Weiterhin sind sie Gesellschafter einer Schweizer AG, die an der oHG still beteiligt ist. Die Einkünfte aus der typischen stillen Beteiligung an der oHG wären ohne die Einschaltung der AG beschränkt steuerpflichtige Sondervergütungen und dem Ergebnis der oHG zuzurechnen. Durch die Einschaltung der AG sind die Zahlungen an diese als Zinsen abzugsfähige Betriebsausgaben bei der oHG und eben keine Gewinnanteile nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG.614
1.3.2.2.1
Reduktion von Quellensteuern
In der Grundform der Vergabe von Gesellschafterdarlehen an untergeordnete Gesellschaften kann eine Holdinggesellschaft das von der Spitzeneinheit erhaltene Eigenkapital in Form von Gesellschafterdarlehen an die Grundeinheit weiterleiten. Somit wird die Gewinnausschüttung der operativen Einheit in Zinsaufwand transformiert, der auf Ebene der Holding als Zinsertrag zu versteuern ist. Eine derartige Konstruktion ist nur dann vorteilhaft, wenn der Sitzstaat Zinsen niedriger als Dividenden besteuert und die Erträge in der Holding nicht oder nur gering mit Quellen- und Ertragsteuern belastet werden. Eine alternative Möglichkeit ist die Vergabe von Darlehen durch die Spitzeneinheit an die Holding; dementsprechend findet die Umqualifizierung dann auf Ebene der Holding statt. Dies ist dann vorteilhaft, wenn der Holdingstaat keine oder nur geringe Quellensteuern auf Zinsen erhebt und die Ertragsteuerbelastung im Staat der Spitzeneinheit niedriger ist als auf Ebene der Holding.
612
Vgl. Kessler, W., Die Euro-Holding, München 1996, S. 86 ff.
613
Vgl. Wassermeyer, F., in: Debatin H./ Wassermeyer, F. (Hrsg.), Doppelbesteuerung, Band I: Kommentierung des OECD-MA, 104. Erg.-Lfg., München 2008, Art. 1 OECD-MA, Rz. 68 ff.
614
Vgl. BFH v. 10.11.1983, IV-R-62/82, BStBl. II 1984, S. 605.
Internationale Steuergestaltung durch den Einsatz von Holdinggesellschaften x
389
Beispiel
Rule Shopping: Reduktion der Quellensteuer Zinsen statt Dividenden Der in einem DBA-Staat ansässige Gesellschafter einer deutschen GmbH stattet diese (im nach § 4h EStG und § 8a KStG zulässigen Rahmen) mit Darlehen aus. Er strebt dabei die Vermeidung der deutschen Quellensteuer auf Dividenden an, da für Zinsen üblicherweise keine oder nur eine geringe Quellensteuer erhoben wird.
Mit Einschaltung einer Holding könnte die Umqualifizierung je nach Vorteilhaftigkeit auf Ebene der Grundeinheit oder auf Ebene der Holding vorgenommen werden. Rule Shopping: Umqualifizierung auf Ebene der Holding
Rule Shopping: Umqualifizierung auf Ebene der Grundeinheit Mutter
Dividende
Mutter
Zinserträge
FK Holding
Zinserträge
Holding
BAAbzug
Tochter
BAAbzug
Tochter
Gewinn
FK
Abbildung 99:
1.3.2.2.2
Rule Shopping
Einkünfteerzielung in Niedrigsteuerländern
Tochtergesellschaften von international operierenden Konzernen sind in Staaten mit zum Teil höchst unterschiedlichen Steuersystemen und Ertragsteuersätzen ansässig. Diese Gegebenheit kann durch die geschickte Planung der Gewinnentstehung in den einzelnen Tochtergesellschaften unter Beachtung des internationalen Steuergefälles genutzt werden, um die Konzernsteuerquote zu senken, indem Aufwand in hoch besteuernden Ländern und die korrespondierenden Erträge in niedrig besteuernden Ländern realisiert werden. Während Gewinnabgrenzungen zwischen den produzierenden Einheiten vor allem über eine gezielte Verrechnungspreispolitik vorgenommen werden, steht bei Einschaltung einer Zwischenholding die Gestaltung der Beteiligungsfinanzierung im Mittelpunkt. Vor diesem Hintergrund werden auf Ebene der operativen Gesellschaft im hoch besteuernden Quellenstaat durch die Aufnahme von konzerninternen Darlehen Gewinnausschüttungen in
390
Internationale Gestaltungsstrategien
Zinsaufwand umgeformt. Die korrespondierenden Zinserträge fließen einer Holding zu, deren Ansässigkeitsstaat die Zinserträge gering oder überhaupt nicht besteuert. Derartige Gestaltungen führen nur dann zu einer niedrigeren Gesamtsteuerbelastung, wenn die als Dividenden repatriierten Zinserträge bei der Spitzeneinheit keiner – die Gestaltung wirkungslos werden lassender – Steuerbelastung mehr unterliegen. Darüber hinaus erschwert eine Hinzurechnungsbesteuerung615 im Sitzstaat der Spitzeneinheit weitgehend die Verlagerung von Einkünften in Niedrigsteuerländer. x Beispiel
Tax Rate Shopping Die in England ansässige Muttergesellschaft führt ihr Europageschäft über eine in Brüssel ansässige Holdinggesellschaft, die die Beteiligung an einer sehr profitablen deutschen sowie einer schweizer Tochtergesellschaft hält. Wird der deutschen Gesellschaft über die schweizer Tochtergesellschaft ein Darlehen gewährt, kann ein Teil der Gewinne in Zinsaufwendungen umgeformt werden. Die korrespondierenden Zinserträge werden in der Schweiz lediglich einer Ertragsbesteuerung von 16 %616 unterworfen.
Tax Rate Shopping Mutter Ltd. (England)
Keine Hinzurechnungsbesteuerung in Belgien
Holding (Belgien)
Tochter (Deutschland)
FK
Tochter (Schweiz)
Gewinn Zinsaufwand KSt, GewSt, SolZ: 29,83 %
Gewinn Ertragsteuern: 16,00 %
Gewinnverlagerung in Niedrigsteuerland durch Umformung von Gewinnen in Zinsaufwendungen Abbildung 100: Tax Rate Shopping 615
Vgl. hierzu das folgende Kapitel zum AStG.
616
Vgl. hierzu das Beispiel zum Credit Mix Shopping.
Internationale Steuergestaltung durch den Einsatz von Holdinggesellschaften
391
1.3.2.3 Temporäre Abschirmung von Einkünften Die temporäre Abschirmung von Einkünften (primary sheltering) ist vor allem für Spitzeneinheiten interessant, deren Ansässigkeitsstaaten die Anrechnungsmethode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung verwenden. Dabei kommt es bei höheren Steuersätzen im Staat der Spitzeneinheit systembedingt immer zu einem Heraufschleusen auf dieses Steuerniveau. Bei einer unmittelbaren Beteiligung an der Tochtergesellschaft kann dieser Effekt nur durch die Thesaurierung der Dividenden durch die Tochter unterbunden werden. Allerdings ist in vielen Fällen der Verbleib der Erträge in der operativen Gesellschaft unerwünscht, da sie nicht mehr für andere Investitionsprojekte im Konzern zur Verfügung stehen würden. Durch die Zwischenschaltung einer Holdinggesellschaft, die in einem Staat ansässig ist, der für Dividenden ein Schachtelprivileg gewährt (deferral shopping)617, lassen sich die Erträge der Grundeinheit vor der Besteuerung des Domizilstaates der Spitzeneinheit bewahren. Wird die Dividendenkette derartig (temporär) unterbrochen und werden die Einkünfte auf Ebene der Holdinggesellschaft thesauriert, stehen dem Unternehmensverbund die Finanzmittel für Reinvestitionen zur Verfügung. Die Holding wird auf diese Weise zu einer „Finanzdrehscheibe“ im Konzern. Darüber hinaus entstehen Steuerstundungs- und Zinseffekte, da die höhere Ertragsteuerbelastung des Staates der Muttergesellschaft zeitlich hinausgezögert werden kann. Falls die Steuersätze im Ansässigkeitsstaat der Spitzeneinheit niedriger sind als in jenem der Tochtergesellschaft, kommt es durch die per-country-limitation im Ausschüttungsfall häufig zu Anrechnungsüberhängen und damit zu Definitivbelastungen durch Quellensteuern, die in gleicher Weise durch die Holding vermieden werden könnten.
Beispiel
x
617
Deferral Shopping: Vermeidung des Heraufschleusens auf das Steuerniveau des Ansässigkeitsstaates des Dividendenempfängers Werden die Dividenden einer schweizer Tochtergesellschaft direkt an die amerikanische Muttergesellschaft ausgeschüttet, geht der Vorteil des niedrigen Steuersatzes in der Schweiz verloren. Wird hingegen eine niederländische Holdinggesellschaft zwischengeschaltet, können die Dividenden aus der Schweiz aufgrund unilateraler Maßnahmen steuerfrei vereinnahmt, thesauriert und reinvestiert werden.
„Deferral“ wird wörtlich mit „Abgrenzung“ übersetzt.
392
Internationale Gestaltungsstrategien
Mutter (USA)
Holding (Niederlande)
KSt: 35 %
Dividende
QSt: 5 % bzw. 0 % bei Beteiligungshöhe > 80 % Reinvestition QSt: 0 %
Tochter (Schweiz) Ziel: Folge:
Gewinn
KSt: 16 %
Vermeidung des Heraufschleusens auf das höhere US-amerikanische Steuerniveau Zins- und Liquiditätsvorteile durch Thesaurierung bei der Holding
Abbildung 101: Deferral Shopping zur Vermeidung des Heraufschleusens auf das Steuerniveau des Domizilstaates der Spitzeneinheit
1.3.3
Allokationsstrategien
Bei den dargestellten Repatriierungsstrategien war die Holdinggesellschaft stets lediglich ein zusätzliches Element, das in den konzerninternen Zahlungsstrom von der Grund- an die Spitzeneinheit zwischengeschaltet wurde, selbst aber keine Einkünfte realisierte. Allokationsstrategien erweitern den Einsatzbereich von Holdinggesellschaften, indem diese selbst Einkünfte erzielen und so die Zurechnung der konzernexternen Einkünfte auf die einzelnen Konzernebenen beeinflussen. Das ökonomische Ergebnis des Gesamtkonzerns verändert sich dabei wie bei den Repatriierungsstrategien nicht. Der Einsatz von Allokationsgestaltungen ist zu empfehlen, wenn durch die Realisation der Ergebnisse bei der Holding eine geringere Belastung als auf Ebene der Grund- oder Spitzeneinheit entsteht. Je nach Ausgangspunkt ist dabei eine Verlagerung nach unten (top down) von der Spitzengesellschaft in die Holding oder eine Verlagerung nach oben (bottom up) von der Grundeinheit in die Holding denkbar.
1.3.3.1 Verlagerung nach unten Eine Verlagerung von Einkünften von der Spitzeneinheit in die Holding ist nur dann möglich, wenn diese unmittelbar wirtschaftlich mit der Beteiligung zusammenhängen. Denkbar sind die Realisation von Veräußerungs- und Liquidationsgewinnen (bzw. -verlusten), die Vornahme von Teilwertabschreibungen auf Beteiligungen und Gesellschafterdarlehen
Internationale Steuergestaltung durch den Einsatz von Holdinggesellschaften
393
sowie die Verlagerung von Aufwendungen, die mit dem Erwerb, dem Halten oder der Finanzierung von Beteiligungen zusammenhängen.
Beispiel
x Capital Gains Exemption Shopping Grundsätzlich unterliegen Veräußerungsgewinne (capital gains) sowohl im Domizilstaat der Grundeinheit im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht als auch im Sitzstaat der Spitzeneinheit aufgrund der unbeschränkten Steuerpflicht einer Besteuerung. Durch ein DBA wird das Besteuerungsrecht regelmäßig dem Ansässigkeitsstaat des Veräußerers zugesprochen (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA). Eine Verlagerung von Veräußerungs- und Liquidationserlösen in die Zwischenholding ist dann sinnvoll, wenn der Holdingstandort die Erlöse günstiger besteuert als der Sitzstaat der Muttergesellschaft oder diese sogar vollständig freistellt.
Eine in Frankreich ansässige Gesellschaft hält ihre Beteiligung an einer italienischen Tochtergesellschaft mittelbar über eine deutsche Zwischenholding. Die italienische Tochter erfuhr seit dem Erwerb der Beteiligung eine beträchtliche Wertsteigerung und soll nun gewinnbringend veräußert werden. Zur Ausgliederung stehen alternativ der Verkauf der deutschen Holding oder der Verkauf der Beteiligung an der italienischen Tochter durch die Holding zur Diskussion. Da zwischen allen beteiligten Staaten DBA bestehen, wird der Veräußerungserlös jeweils im Ansässigkeitsstaat des Veräußerers besteuert. Eine Veräußerung der Anteile an der Holding wäre mit einer Realisation des Veräußerungsgewinns bei der Muttergesellschaft und der Besteuerung in Frankreich verbunden, da Frankreich kein Schachtelprivileg für Veräußerungsgewinne gewährt. Verkauft stattdessen die Holding ihre Anteile, ist der Veräußerungserlös gem. § 8b Abs. 2 KStG von einer Besteuerung befreit und kann von der Holding als Dividende an die französische Muttergesellschaft weitergeleitet werden. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass gem. § 8b Abs. 3 KStG 5 % der Bruttoveräußerungsgewinne als nichtabzugsfähige Betriebsausgaben qualifiziert werden, im Gegenzug aber sämtliche Aufwendungen uneingeschränkt abzugsfähig sind.
394
Internationale Gestaltungsstrategien
Capital Gains Exemption Shopping Mutter (Frankreich)
Dividende
Holding Veräußerungs(Deutschland) gewinn
Tochter (Italien)
Steuerfrei: Schachtelprivileg für Dividenden in Frankreich Steuerfrei: § 8b Abs. 2 KStG
Gewinn
Abbildung 102: Capital Gains Exemption Shopping x Deduction Shopping Für grenzüberschreitend tätige Konzerne sind die Möglichkeiten der steuerwirksamen Berücksichtigung von defizitären Tochtergesellschaften stark eingeschränkt. Lediglich ein Verlustvortrag bzw. -rücktrag zum Ausgleich mit positiven Einkünften der Tochtergesellschaft in anderen Perioden ist in den meisten Ländern möglich. Für deutsche Spitzeneinheiten ist durch das Steuersenkungsgesetz auch die Möglichkeit entfallen, auf defizitäre Beteiligungen im Ausland steuerwirksame Teilwertabschreibungen vorzunehmen (§ 8b Abs. 3 Satz 3 KStG). Im Falle von dauerhaften Verlusten der Tochter wird auch ein Liquidationsverlust bei Aufgabe des Engagements auf Ebene der deutschen Spitzeneinheit nicht mehr anerkannt. Da Verluste nicht verrechnungsfähig sind, stellt es jedoch einen Verstoß gegen das Nettoprinzip dar, wenn sich auch Liquidationsverluste steuerlich nicht auswirken dürfen. Durch die Verlagerung des Liquidationsverlustes auf eine Holding in einem Land, das eine Berücksichtigung des Liquidationsverlustes erlaubt, bleibt der Verlust für den Unternehmensverbund erhalten und lässt sich zumindest zur Verrechnung mit anderen positiven Einkünften der Zwischenholding nutzen.
Internationale Steuergestaltung durch den Einsatz von Holdinggesellschaften
Direkte Anbindung
395
Deduction Shopping Liquidationsverlust bleibt in der Holding nutzbar zur Verrechnung mit anderen Einkünften
Liquidationsverlust kann steuerlich nicht geltend gemacht werden: § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG
Mutter Liquidations(Deutschland) verlust
Keine TWMutter (Deutschland) Abschreibung 100%
Tochter (Spanien)
operativer Verlust
Holding Liquidations(Niederlande) verlust
Tochter (Spanien)
operativer Verlust
Abbildung 103: Deduction Shopping In Deutschland können für in- und ausländische Beteiligungen weder Teilwertabschreibungen noch Veräußerungs- und Liquidationsverluste steuerlich geltend gemacht werden (§ 8b Abs. 3 Satz 3 KStG). Bis einschließlich VZ 2007 konnte diese Regelung durch Gewährung von Gesellschafterdarlehen umgangen werden. Der Gläubiger konnte die Verluste in Form von Wertberichtigungen auf die Darlehensforderungen berücksichtigen. Direkte Anbindung
Deduction Shopping
Liquidationsverlust kann steuerlich nicht geltend gemacht werden: § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG
Indirekte Berücksichtigung des Liquidationsverlustes über eine Forderungsabschreibung
Mutter Liquidations(Deutschland) verlust
Mutter Forderungs(Deutschland) abschreibung FK
Tochter (Deutschland)
operativer Verlust
Holding Liquidations(Deutschland) verlust Tochter (Deutschland)
operativer Verlust
Abbildung 104: Deduction Shopping, Forderungsabschreibung bis VZ 2007
396
Internationale Gestaltungsstrategien
Ab VZ 2008 sind unter Gewinnminderungen i.S.d. § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG auch Gewinnminderungen aus Darlehensforderungen oder der Inanspruchnahme von Sicherheiten zu subsumieren, die x ein zu mehr als 25 % am Grund- oder Stammkapital beteiligter Gesellschafter oder x ein auf diesen Gesellschafter rückgriffsberechtigter Dritter oder x eine den Vorgenannten nahe stehende Person i.S.v. § 1 Abs. 2 AO erleidet (§ 8b Abs. 3 Satz 4 und 5 KStG). Somit bewirken Wertberichtigungen auf Darlehensforderungen dieser Personen keine Steuerminderung mehr. Diese Regelung kommt im Ausnahmefall gem. § 8b Abs. 3 Satz 6 KStG nicht zur Anwendung, wenn der Steuerpflichtige den Nachweis erbringt, dass auch ein fremder Dritter im Hinblick auf die eigenen Sicherungsmittel der Gesellschaft und bei sonst gleichen Umständen das Darlehen gewährt oder auf die Rückforderung verzichtet hätte. Da Verluste aus Darlehensforderungen und der Inanspruchnahme von Sicherheiten keine steuerliche Berücksichtigung finden, unterliegen folgerichtig auch daraus entstehende Gewinne keiner Besteuerung (§ 8b Abs. 3 Satz 8 KStG). Unter Gewinnminderungen aus Darlehensforderungen oder der Inanspruchnahme von Sicherheiten sind auch Forderungen aus Rechtshandlungen, die mit einer Darlehensgewährung wirtschaftlich vergleichbar sind, zu verstehen. x Debt-push-down Bei der steueroptimalen Gestaltung der Beteiligungsfinanzierung ist im Rahmen der Steuerung der Bemessungsgrundlage auch die Finanz- und Kapitalausstattung der einzelnen Konzerngesellschaften festzulegen. Die Finanzierung kann dabei unmittelbar durch die Spitzeneinheit oder mittelbar über eine Zwischenholding bzw. Finanzierungsgesellschaft erfolgen. Dies geschieht bei Außenfinanzierung durch Eigen- oder Fremdkapital oder über eine Innenfinanzierung aus thesaurierten Gewinnen bzw. gebildeten Rücklagen. Im rein national tätigen Konzern ist die Neutralität der Finanzierung gewährleistet, da bei einem Gesellschafterdarlehen der gewinnmindernde Zinsaufwand der Tochter bei der Muttergesellschaft einen Zinsertrag in gleicher Höhe darstellt, der dem gleichen Steuersatz unterliegt wie die Gewinne der Tochtergesellschaft.
Bei internationalen Konzernen ist eine steuerneutrale Finanzierung hingegen nicht garantiert, wenn bspw. Dividenden einer höheren Quellensteuer unterliegen als Zinsen. Ist zusätzlich der Körperschaftsteuersatz im Sitzstaat der Tochtergesellschaft höher als im Sitzstaat der Muttergesellschaft, wird die Steuerdifferenz noch größer. Die Entscheidung der Spitzeneinheit zwischen Eigenkapital- und Fremdkapitalfinanzierung ist somit eine Wahl zwischen Dividenden- und Zinseinkünften sowie eine Bestimmung des Besteuerungsortes.
Internationale Steuergestaltung durch den Einsatz von Holdinggesellschaften
Direkte Anbindung
Debt-Push-Down
Zinsaufwand führt in der niedrig besteuernden Schweiz (Belastung i.H.v. ca. 16 %) zu Aufwand
Durch Weiterleitung des Darlehens kann der Zinsaufwand im höher besteuernden Inland (Belastung i.H.v. 29,83 %) abgezogen werden
FK Mutter AG (Schweiz)
397
FK Mutter AG (Schweiz)
Bank
Bank FK
Tochter GmbH (Deutschland)
Tochter GmbH (Deutschland)
Abbildung 105: Verlagerung von Zinsaufwand Die Steuerplanung zielt auf eine Verlagerung von Aufwendungen in hoch besteuerte Konzerneinheiten bei gleichzeitiger Übertragung von Erträgen in niedrig besteuernde Länder ab. Dahinter steht der Gedanke, dass die Zinsaufwendungen dort anfallen sollen, wo sie die größte steuerliche Wirkung entfalten. Bei der Entscheidung zwischen Eigen- und Fremdkapitalvergabe an ausländische Konzerneinheiten kann allerdings das Steuergefälle nicht das einzige Kriterium bleiben, da insbesondere die Regelungen zur Unterkapitalisierung, sog. thin capitalization rules, in die Betrachtung einzubeziehen sind.
1.3.3.2 Verlagerung nach oben Um steuerlich die wirtschaftliche Einheit des Konzerns zu berücksichtigen, wurden in den meisten Staaten spezielle Rechtsinstitute geschaffen, die eine Gruppenbesteuerung zulassen. Vorteilhaft ist eine Besteuerung des Unternehmensverbundes vor allem durch die sofortige Ergebniskonsolidierung von Gewinnen und Verlusten im Konzern. In Deutschland wird dies durch das Rechtsinstitut der Organschaft gem. §§ 14 ff. KStG realisiert. Durch die Begründung einer derartigen Organschaft wird dem Organträger das Einkommen der Organgesellschaften zugerechnet (Verlagerung nach oben) und unterliegt bei diesem mit dem konsolidierten Ergebnis der Besteuerung. In manchen Ländern wie z.B. England sind außerdem die Eliminierung von Zwischengewinnen sowie die steuerneutrale Übertragung von Wirtschaftsgütern innerhalb des Organkreises unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Als Folge müssen erst dann Steuern bezahlt werden, wenn der Konzern als Ganzes ein positives Ergebnis erwirtschaftet (group relief shopping).
398
Internationale Gestaltungsstrategien
Group Relief Shopping
Mutter
Inland Ausland
a
Holding
Organschaft Tochter 1
Tochter 2
Abbildung 106: Group Relief Shopping Die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Einheit eines Konzerns endet allerdings im Allgemeinen an den jeweiligen Landesgrenzen. Die Möglichkeit, grenzüberschreitende Organschaften zu errichten, ist in Dänemark, Frankreich618 sowie seit dem 01. Januar 2005 in Österreich durch die Gruppenbesteuerung gegeben. Für internationale Konzerne sind somit die Grundlagen für eine grenzüberschreitende Verlustberücksichtigung (cross border group relief shopping) größtenteils eingeschränkt.
618
Frankreich erhebt allerdings strenge Auflagen für eine grenzüberschreitende Organschaft; vgl. International Bureau of Fiscal Documentation, European Tax Handbook 2009, Band 20, Amsterdam 2009, France, S. 240.
Internationale Steuergestaltung durch den Einsatz von Holdinggesellschaften
399
Cross Border Group Relief Shopping
Mutter
Inland Dänemark
a
Holding
Organschaft Tochter 1
Tochter 2
Frankreich Tochter 3
Abbildung 107: Cross Border Group Relief Shopping Die folgenden Schaubilder stellen nochmals die unterschiedlichen Ziele und Strategien dar, die dem Steuerplaner durch den Einsatz von Holdinggesellschaften offen stehen.
400
Internationale Gestaltungsstrategien
Repatriierungsstrategien
Umleitung von Einkünften
Umformung von Einkünften
Temporäre Abschirmung von Einkünften
Î Verbesserte Dividendenroute
Î Umqualifikation in eine andere Einkunftsart, für die günstigere DBARegelungen gelten
Î Umgehung der negativen Folgen der Anrechnungsmethode
Gestaltungsziele x Reduktion von Quellensteuern x Vermeidung von Doppelbesteuerung x Reduktion von Anrechnungsüberhängen
x Reduktion von Quellensteuern x Einkünfteerzielung in Niedrigsteuerländern
x Vermeidung des Heraufschleusens auf ein höheres Steuerniveau im Ansässigkeitsstaat x Reduktion von Anrechnungsüberhängen
beispielhafte Gestaltungsmittel x Umleitung von Dividenden über Zwischenholding mit niedrigeren Quellensteuersätzen (treaty shopping/ directive shopping) x Umleitung von Dividenden über Zwischenholding mit günstigerem Schachtelprivileg (participation exemption shopping) x Umleitung über Holding mit günstigem Schachtelprivileg (credit mix shopping)
x Umformung von Dividenden in Zinsen (rule shopping) x Gewinnverlagerung in Niedrigsteuerland durch Umformung von Gewinnen in Zinsaufwendungen (tax rate shopping)
Abbildung 108: Übersicht über Repatriierungsstrategien
x Temporäre Abschirmung durch steuerfreie Gewinnthesaurierung auf Ebene der Holding (deferral shopping)
Internationale Steuergestaltung durch den Einsatz von Holdinggesellschaften Allokationsstrategien
Verlagerung nach unten
Verlagerung nach oben
ÎVerlagerung von Einkünften der Spitzeneinheit in die Holding
ÎVerlagerung von Einkünften der Grundeinheit in die Holding
Gestaltungsziele x Minimierung der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen x Steuerwirksame Beteiligungsfinanzierung
x Sicherstellung der Konsolidierung von Gewinnen und Verlusten im Konzern (Organschaft)
beispielhafte Gestaltungsmittel x Verlagerung von Veräußerungsgewinnen in Holding in einem Land mit günstigerem Schachtelprivileg für Veräußerungsgewinne (capital gains exemption shopping) x Verlagerung von Veräußerungsund Liquidationsverlusten in Holding in einem Land mit weitergehenden Abzugsmöglichkeiten (deduction shopping) x Verlagerung von Aufwendungen in hoch besteuerte Konzerneinheiten bei gleichzeitiger Übertragung von Erträgen in niedrig besteuernde Länder (debt-push-down)
x Verlagerung der Gewinne und Verluste der Grundeinheiten in Holding (group relief shopping / cross border group relief shopping)
Abbildung 109: Übersicht über Allokationsstrategien
401
402
Standortbedingungen
1.4 Standortbedingungen Durch die äußerst unterschiedlichen steuerlichen Zielsetzungen der Einschaltung einer Holdinggesellschaft kann keine allgemeine Empfehlung für einen „optimalen“ Holdingstandort ausgesprochen werden. Die Auswahl wird im Einzelfall davon abhängig sein, in wieweit der entsprechende Standort die Anforderungen des Konzerns im Zusammenhang mit dem angestrebtem Gestaltungsziel erfüllen kann. Anders als bei der Wahl von Produktionsstandorten ist eine Holdinggesellschaft nur wenig von außersteuerlichen Standortfaktoren abhängig; dementsprechend ist eine Vielzahl von Ländern mit zum Teil sehr unterschiedlichen Steuersystemen auf ihre Eignung zu überprüfen. Zusammen mit der oft hohen Änderungsgeschwindigkeit der steuerrechtlichen Bestimmungen und der unterschiedlichen Gewichtung der entscheidungsrelevanten Kriterien ergibt sich in Abhängigkeit vom jeweiligen Einzelfall ein höchst komplexes Entscheidungsfeld. Dementsprechend können dieselben Merkmale, die für die Standortentscheidung eines Konzerns von besonderer Relevanz waren, wiederum völlig unerheblich für die Wahl eines anderen Standorts sein.
1.4.1
Entscheidungsrelevante Standortkriterien
Unabhängig von einer konkreten Zielvorstellung sollte ein vorteilhafter Holdingstandort die in der folgenden Tabelle dargestellten Merkmale aufweisen. Die jeweilige Gewichtung der einzelnen Standortkriterien resultiert primär aus der individuellen steuerlichen Zielverfolgung, die mit Einschaltung der Holding erreicht werden soll. Beispielsweise sind für eine erfolgreiche Vermeidung von Quellensteuern durch treaty shopping ein möglichst umfassendes DBA-Netz sowie eine Steuerfreistellung von Beteiligungserträgen im Ansässigkeitsstaat der Holdinggesellschaft Voraussetzung. Die Sicherstellung der Abzugsfähigkeit von Aufwand in Zusammenhang mit den Beteiligungen durch deduction shopping gelingt nicht, wenn der Domizilstaat der Holding Refinanzierungsaufwendungen und Teilwertabschreibungen nicht anerkennt.
Internationale Steuergestaltung durch den Einsatz von Holdinggesellschaften Außersteuerliche Kriterien x politische Stabilität und positives wirtschaftliches Klima x stabile und frei konvertierbare Währung x keine Kapital- und Gewinntransferbeschränkungen x geringe gesetzliche oder administrative Auflagen (z.B. keine lokalen Mindestkapitalbeteiligungen, großzügige Aufenthaltsregelungen für Ausländer)
403
Steuerliche Einflussfaktoren x Freistellung von Dividenden- und Betriebsstätteneinkünften sowie von entsprechenden Veräußerungsgewinnen x Abzugsfähigkeit von Refinanzierungskosten, Teilwertabschreibungen und Betriebsstättenverlusten x umfangreiches Abkommensnetz (zur Minimierung von Quellensteuern auf eingehende Erträge)
x gute Infrastruktur, wie z.B. Kommunikations- und Verkehrsverbindungen
x keine Quellensteuern auf abfließende Lizenzgebühren, Zinsen und Dividenden
x flexibles Gesellschaftsrecht und geringe Errichtungskosten für Gesellschaften
x niedrige laufende Besteuerung der Holding und ihrer Mitarbeiter
x hohe Qualität an Beratungsleistungen bzw. von Arbeitskräften
x positives lokales Steuerklima (z.B. unbegrenzter Verlustvortrag, keine Hinzurechnungsbesteuerung, großzügige Regelungen zur Gesellschafter-Fremdfinanzierung, Prüfungspraxis der Steuerverwaltung) x Verzicht auf Substanz- und Kapitalverkehrsteuern
Abbildung 110: Kriterien eines vorteilhaften Holdingstandortes619
1.4.2
Deutschland als Holdingstandort
Deutschland hat ein klassisches Körperschaftsteuersystem mit einem proportionalen Steuersatz von 15 %. Die grundsätzliche Steuerfreistellung inländischer und ausländischer Dividendeneinkünfte von Kapitalgesellschaften (§ 8b Abs. 1 KStG) erlaubt zusammen mit dem Verzicht auf Quellensteuern innerhalb der EU (§ 43b Abs. 2 EStG) eine zu 95 % steuerfreie Vereinnahmung und Weiterausschüttung von Beteiligungserträgen durch in Deutschland ansässige Zwischenholdings bei gleichzeitigem unbeschränktem Abzug von Finanzierungskosten bzw. diesbezüglicher Aufwendungen. Auch die Umschichtung des Beteiligungsportfolios von Holdinggesellschaften ist durch die ebenfalls 95 %ige Steuerfreiheit von Veräußerungsgewinnen (§ 8b Abs. 2 KStG) begünstigt, wobei gleichsam sämtliche damit zusammenhängende Aufwendungen zum Abzug zugelassen sind. Aufgrund der
619
Tabelle in Anlehnung an: Jacobs, O., Internationale Unternehmensbesteuerung, 6. Aufl., München 2007, S. 922 f.
404
Standortbedingungen
Lockerung der Voraussetzungen für die Begründung einer ertragsteuerlichen Organschaft (§ 14 KStG, § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG) können in Zukunft auch reine Finanzholdinggesellschaften eine Organträgerschaft übernehmen und so eine sofortige Ergebniskonsolidierung im Beteiligungsportfolio erreichen. Den Verbesserungen der Standortfaktoren für Holdinggesellschaften stehen jedoch Maßnahmen zur Verbreiterung der Bemessungsgrundlage entgegen, die die Vorteilhaftigkeit Deutschlands als Holdingstandort relativieren. Dazu zählen insbesondere die pauschale Hinzurechnung von 5 % der steuerfreien Bezüge gem. § 8b Abs. 3, 5 KStG, die durch die Zinsschranke (§ 4h EStG) eingeschränkte Berücksichtigung von Zinsaufwendungen, das Verbot von Teilwertabschreibungen (§ 8b Abs. 3 Satz 3 bis 8 KStG) sowie restriktivere Abschreibungsregeln. Viele ausländische Investoren scheuen darüber hinaus das schnelle Änderungstempo der deutschen Steuergesetzgebung und die damit verbundene Rechtsunsicherheit. Ein Beispiel für die ausschließlich an Staatsinteressen ausgerichtete, sprunghafte Gesetzgebung in Deutschland war die Einführung des sog. Körperschaftsteuer-Moratoriums in § 37 Abs. 2a KStG, die als willkürlich und vollkommen unsystematisch bezeichnet werden kann620 und im Rahmen des SEStEG durch § 37 Abs. 4, Abs. 5 KStG eine weitere Verschärfung erfahren hat. Das relativ hohe Steuerniveau für die Holdingmitarbeiter und die Prüfungspraxis durch die Finanzverwaltung werden von vielen Investoren als weitere Standortnachteile für Deutschland angesehen.621 Häufig werden daher Holdinggesellschaften bevorzugt in Länder mit einer längeren Holdingtradition verlagert, wie bspw. die Niederlande oder Luxemburg.
2 EU-weite konsolidierte Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage Für zukünftige internationale Steuergestaltungen ist die vorgesehene EU-weite konsolidierte Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage von Relevanz. Das Konzept einer EU-weit einheitlichen Bemessungsgrundlage wurde als Lösungsansatz für eine Harmonisierung der Unternehmensbesteuerung im Binnenmarkt vorgeschlagen. Es basiert auf einer Studie der Europäischen Kommission, die unternehmensteuerliche Hindernisse für die grenzüberschreitende Geschäftstätigkeit identifiziert und Möglichkeiten einer harmonisierten Unternehmensbesteuerung untersucht.622
620
Vgl. Djanani, C./ Brähler, G./ Wesel, K., Das „Körperschaftsteuer-Moratorium“ oder die „Notbremse“ des Fiskus, StB 2003, S. 284 ff.
621
Vgl. Jacobs, O., Internationale Unternehmensbesteuerung, 6. Aufl., München 2007, S. 993.
622
Vgl. Pomp, R. D./ Gerten, A., Die Gemeinsame Konsolidierte KörperschaftsteuerBemessungsgrundlage: (R)Evolution der Konzernbesteuerung?, IStR 2008, S. 377.
EU-weite konsolidierte Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage
405
Der Vorteil einer gemeinsamen konsolidierten Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage liegt einerseits in der Reduzierung der steuerlichen Befolgungskosten, die aus dem Umgang mit den unterschiedlichen Steuersystemen resultieren. Andererseits ermöglicht die harmonisierte Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage eine grenzüberschreitende Verlustverrechnung, den Abbau von Behinderungen bei grenzüberschreitenden Reorganisationen sowie eine Reduzierung der zahlreichen Sachverhalte, bei denen es aufgrund widerstreitender Festsetzung der konzerninternen Verrechnungspreise zu Doppelbesteuerungen kommt.623 Die Europäische Kommission hat vier Möglichkeiten für die Schaffung einer EU-weiten Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage vorgeschlagen:624 x Home State Taxation: Unternehmen mit grenzüberschreitenden Tätigkeiten haben die Möglichkeit, eine konsolidierte steuerliche Gewinnermittlung nach den Regelungen des Sitzlandes der Muttergesellschaft zu wählen. x Common Consolidated Corporate Tax Base: Ermittlung des konsolidierten Konzernerfolgs nach einem einheitlichen, harmonisierten Regelwerk. x Harmonised Tax Base: Für dieses Modell ist ebenfalls ein EU-weit einheitliches Regelwerk vorgesehen. Die Besonderheit ist, dass eine rechtsformübergreifende Angleichung der Gewinnermittlungsvorschriften auch für national tätige Unternehmen gelten soll. x European Union Company Income Tax: Das Aufkommen aus dieser Alternative soll der EU zustehen. Neben einer einheitlichen Bemessungsgrundlage ist auch ein einheitlicher Steuersatz vorgesehen. Bei allen Alternativen erfolgt zunächst eine Ermittlung der jeweiligen Gewinne der Konzernglieder nach einheitlichen Regelungen. Im zweiten Schritt werden die separat ermittelten Gewinne zu einem konsolidierten Gesamterfolg zusammengefasst. Dieser wird in einem dritten Schritt über eine formelhafte Zerlegung auf die Mitgliedsstaaten verteilt.625 Die Kompetenz der Festlegung der Steuersätze bleibt bei den Mitgliedsstaaten. Im jeweiligen Mitgliedsstaat ergibt sich die Steuerschuld demnach durch Multiplikation des dem Mitgliedsstaat zugewiesenen Gewinnanteils mit dem nationalen Steuersatz.626 Die Arbeiten der Europäischen Kommission konzentrieren sich auf das Konzept des „Common Consolidated Corporate Tax Base“. Dieses und das Konzept des Harmonised Tax Base sollten im Jahr 2008 in einem Richtlinienvorschlag präsentiert werden. Da es jedoch hinsichtlich der Common Consolidated Corporate Tax Base zu viele ungeklärte
623
Vgl. Jacobs, O., Internationale Unternehmensbesteuerung, 6. Aufl., München 2007, S. 276.
624
Vgl. European Commission, Company taxation in the internal market, Brussels 2001, S. 373.
625
Vgl. Spengel, C./ Oestreicher, A., Gemeinsame (konsolidierte) Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage in der EU und Umsetzungsfragen, DStR 2009, S. 773 ff.
626
Vgl. Spengel, C., Seminar I: Gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB) und Drittstaatenfragen, IStR 2008, S. 557.
406
Standortbedingungen
Fragen gab, konnte die Kommission einen solchen Richtlinienvorschlag noch nicht vorlegen. Die endgültige Ausgestaltung einer harmonisierten Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage bleibt folglich noch abzuwarten.
Grundlagen
Kapitel V:
407
Verrechnungspreise im Internationalen Steuerrecht
1 Grundlagen 1.1 Verrechnungspreis Die Verrechnungspreisproblematik war im Jahre 2007 nach einer Umfrage unter großen multinationalen Unternehmen das wichtigste Thema im Internationalen Steuerrecht neben der Steuerminimierung und der Vermeidung der Doppelbesteuerung.627 Bedeutung gewinnt das Thema auch in der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise. Vor dem Hintergrund sinkender Staatseinnahmen und rückläufiger Unternehmensgewinne ist die Handhabung von Verrechnungspreisen schwieriger als je zuvor.628 Für den Umfang des Leistungsaustausches zwischen Konzerngesellschaften gibt es bis heute keine genauen Daten. Es wird jedoch geschätzt, dass der Anteil des Austauschs innerhalb von Konzernen fast 70 % des Welthandels ausmacht.629 Das gesamte Verrechnungspreisvolumen der EU belief sich im Jahr 2001 nach Schätzungen auf über 810 Mrd. US-$.630 Die wichtigsten Positionen der grenzüberschreitenden Leistungsbeziehungen innerhalb eines Konzerns sind: x Übertragung von Wirtschaftsgütern (Warenlieferungen, Kauf und Verkauf von Anlagevermögen, Sacheinlagen), x Gebrauchsüberlassung von materiellen Wirtschaftsgütern (Miete, Pacht), x Gebrauchsüberlassung von immateriellen Gütern (Lizenz-, Know-how-Verträge), x Dienstleistungen (Assistenz-, Management-, Kontrollleistungen), x Kapitalverkehr (Darlehen, Verlustabdeckung, Bürgschaft, Garantie). In der folgenden Abbildung ist beispielhaft ein Unternehmen mit seinen internationalen konzerninternen Lieferungs- und Leistungsverflechtungen grafisch dargestellt:
627
Vgl. Ernst & Young, Global Transfer Pricing Surveys 2007-2008, S. 4 ff.
628
Vgl. Ernst & Young, Global Transfer Pricing Surveys 2009, S. 6; Engler, G., Änderung von Verrechnungspreisen in der Rezession, IStR 2009, S. 685.
629
Vgl. Wehnert, O., Generalthema I: Verrechnungspreise und immaterielle Wirtschaftsgüter, IStR 2007, S. 558; Waldens, S./ Köplin, M., Strategisches Verrechnungspreismanagement – so sind Sie am Markt eine Armlänge voraus, PIStB 06/2006, S.159.
630
Vgl. Rasch, S., Konzernverrechnungspreise im nationalen, bilateralen und europäischen Steuerrecht, Köln 2001, S. 11 f.
408
Verrechnungspreis
Konzerninterner Leistungsaustausch Tochtergesellschaft (Vertrieb)
Niederlande
Tochtergesellschaft Deutschland (Dienstleistung)
Muttergesellschaft
Portugal
(Produktion) Wa renlieferungen Einbringung von Dienstleistungen Finanzierungsleistungen
Konzern
Abbildung 111: Konzerninterner Leistungsaustausch Obwohl aus Sicht des Konzerns die Realisierung des Gewinns einen Außenumsatz erfordert, müssen aus steuerlichen Gründen die einzelnen Gesellschaften ihren Gewinn ermitteln, wobei aufgrund der rechtlichen Selbständigkeit auch konzerninterne Lieferungen und Leistungen zu berücksichtigen sind. Da diese aber nicht auf einem tatsächlichen Markt gehandelt werden, können für konzerninterne Leistungen nur Verrechnungspreise angesetzt werden. Diese Verrechnungspreise stellen somit ein Substitut für fehlende Marktpreise dar; sie schaffen fiktive interne Märkte.631 Da mit Hilfe von Verrechnungspreisen Gewinne verschoben werden können, kommt auf Grund der fortschreitenden Internationalisierung der Unternehmenstätigkeit den Verrechnungspreisen eine immer größere Bedeutung zu. Insbesondere westliche Industrieländer mit vergleichsweise hohen Steuersätzen haben in den letzten Jahren die Vorschriften zur Verrechnungspreisbestimmung und zur Dokumentationspflicht deutlich verschärft, allen voran die USA632 und Japan. Dort können beispielsweise auf berichtigte Verrechnungspreise zusätzlich empfindliche Strafzuschläge erhoben werden (USA: 20-40 %, Japan: bis zu 35 % der nachzuzahlenden Steuern). Dieses Vorgehen ist jedoch kritisch zu beurteilen, da 631
Vgl. Raupach, A., Verrechnungspreissysteme multinationaler Unternehmen, Herne/Berlin 1999, S. 34.
632
Vgl. US-Bußgeldvorschriften, Treas. Reg. 1.6662-6 i.V.m. US-Verrechnungspreisvorschriften, Sec. 482.
Grundlagen
409
zur Verhängung von Strafzahlungen ein Verschulden des Steuerpflichtigen notwendig wäre, wofür häufig die Beweise fehlen. Die Höhe der Strafzuschläge ist dabei von der Schwere des Verstoßes der Unternehmen abhängig. Auch der deutsche Gesetzgeber hat die Regelungen zur Verrechnungspreisbestimmung im Rahmen des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 erweitert und konkretisiert. Führen berichtigte Verrechnungspreise zu Gewinnkorrekturen im Inland und wird im Ausland keine Gegenberichtigung vorgenommen, droht dem Unternehmen eine Doppelbesteuerung in Höhe der Gewinnkorrektur. Zur Beseitigung einer solchen Doppelbesteuerung sehen DBA ein Verständigungsverfahren zwischen den Finanzbehörden der beiden betroffenen Staaten vor. Lediglich bei mangelnder Mitwirkung des Steuerpflichtigen kann die Finanzverwaltung als Sanktion ein Verständigungsverfahren ablehnen.633 Die Bestimmung eines exakten Verrechnungspreises erweist sich in Ermangelung des zwischen unabhängigen Unternehmen üblichen Preisbildungsprozesses durch Angebot und Nachfrage in der Praxis meist als äußerst schwierig bzw. nahezu unmöglich, da sämtliche den Verrechnungspreis bestimmende Parameter (wie z.B. die Stellung der Unternehmen im Markt, das Abhängigkeitsverhältnis der beiden beteiligten Unternehmen) berücksichtigt werden müssen. Es wird daher anstatt eines exakten Verrechnungspreises eine Bandbreite festgelegt, innerhalb der der angemessene Verrechnungspreis als jener Preis, der zwischen unabhängigen Dritten zustande gekommen wäre (Fremdvergleichsgrundsatz), liegt. Merke: Der Verrechnungspreis ist derjenige Preis, den eine Gesellschaft eines Konzerns einer anderen Gesellschaft desselben Konzerns für erbrachte Lieferungen oder Leistungen in Rechnung stellt. Die Bestimmung eines exakten Verrechnungspreises ist äußerst schwierig, da er durch eine Vielzahl von Parametern beeinflusst wird und eine Verifizierung durch den Markt fehlt. Verrechnungspreise werden auch zur Steuerung von Unternehmen(steilen) eingesetzt und erfüllen betriebswirtschaftliche Koordinations- und Kontrollfunktionen.634 Im Rahmen der Koordinationsfunktion wird die optimale Ressourcenallokation anhand der Verrechnungspreise gesteuert; sie vereinfachen die Planungsentscheidungen (Wahlmöglichkeit zwischen Fremdbezug oder Eigenproduktion) und ermöglichen die Verkaufspreiskalkulation.635 Insofern sind Verrechnungspreise eine wichtige Voraussetzung, um eine Profit-
633
Vgl. Vögele, A. (Hrsg.), Handbuch der Verrechnungspreise, 2. Aufl., München 2004, S. 583.
634
Vgl. Ewert, R./ Wagenhofer, A., Interne Unternehmensrechnung, 7. Aufl., Berlin 2008, S. 573 ff.; Djanani, C./ Winning, M., in: Kutschker, M. (Hrsg.), Perspektiven der internationalen Wirtschaft, Wiesbaden 1999, S. 247 f.
635
Vgl. Raupach, A., Verrechnungspreissysteme multinationaler Unternehmen, Herne/Berlin 1999, S. 39 f.
410
Gestaltungsmöglichkeiten
Center-Organisation aufbauen zu können. Die Kontrollfunktion besteht darin, dass durch Soll-Ist-Vergleiche die geplanten Ergebnisse der einzelnen Kostenstellen den tatsächlichen gegenübergestellt werden können. Durch diese Wirtschaftlichkeitskontrolle und die Ermittlung der Ursachen für eventuelle Ergebnisabweichungen werden dem Konzernmanagement Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt. Außerdem ist mit Hilfe von Verrechnungspreisen eine getrennte Erfolgsermittlung der autonomen Teilbereiche eines Unternehmens möglich (Erfolgsermittlungsfunktion).636
1.2 Gestaltungsmöglichkeiten Den Verrechnungspreisen kommt insofern besondere Bedeutung zu, als mit ihrer Hilfe die Gewinne eines Konzerns zwischen den Konzernunternehmen aufgeteilt werden. Der absolute Gewinn des Konzerns (vor Steuern) bleibt dabei zwar gleich. Es verändern sich jedoch die Gewinne der einzelnen Konzernunternehmen.
Beispiel
Der besondere Reiz der Verrechnungspreise liegt nun darin, dass bei einem entsprechenden Transaktionsvolumen bereits kleine Preisänderungen große Wirkungen auf Gewinne und Verluste der einzelnen Konzernunternehmen haben. Dabei wird man im Konzerninteresse bemüht sein, die Gewinne in jenen Unternehmen entstehen zu lassen, die bspw. entweder niedrig besteuert werden oder hohe Verlustvorträge aufweisen, um die Konzernsteuerquote zu minimieren. Gewinnverlagerungen ins Ausland durch unangemessene konzerninterne Verrechnungspreise werden von dem jeweilig betroffenen Fiskus jedoch verständlicherweise nicht akzeptiert.
636
Die in Polen ansässige Muttergesellschaft Michael Scofield Sp. Z o. o. (MG) stellt Tätowierungsnadeln zu Herstellungskosten von 2 €/Stück her und verkauft diese zu alternativen Verrechnungspreisen (siehe Tabelle) an ihre deutsche Tochtervertriebsgesellschaft (TG), die Lincoln Burrows GmbH. Die Burrows GmbH verkauft nun 10 Mio. dieser Nadeln zu 3 €/Stück an einen unabhängigen Abnehmer, was zu einem Umsatzvolumen von 30 Mio. € führt.
Vgl. Mössner, J. (Hrsg.), Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 3. Aufl., Köln 2005, S. 404.
Grundlagen
411 Verrechnungspreisvolumen
Verrechnungspreise (€/Stück)
von MG an TG verkaufte Nadeln
Gesamtverrechnungspreisvolumen (€)
a)
2,00
10 Mio.
20 Mio.
b)
3,00
10 Mio.
30 Mio.
c)
2,10
10 Mio.
21 Mio.
d)
2,50
10 Mio.
25 Mio.
e)
2,90
10 Mio.
29 Mio.
Abbildung 112: Beispiel Verrechnungspreise – Verrechnungspreisvolumen Aus der Tabelle geht das Verrechnungspreisvolumen für die gewählten Alternativen a) - e) hervor. Aufgrund der alternativen Verrechnungspreise ergeben sich unterschiedlich hohe Volumina. Gewinnsituation Gewinn Scofield Sp. Z o. o. (Verrechnungspreisvolumen abzüglich HK v. 20 Mio. €)
Gewinn Burrows GmbH (Umsatzvolumen abzügl. Verrechnungspreisvolumen)
Konzerngewinn (€)
a)
0,0 Mio.
10,0 Mio.
10 Mio.
b)
10,0 Mio.
0,0 Mio.
10 Mio.
c)
1,0 Mio.
9,0 Mio.
10 Mio.
d)
5,0 Mio.
5,0 Mio.
10 Mio.
e)
9,0 Mio.
1,0 Mio.
10 Mio.
Abbildung 113: Beispiel Verrechnungspreise – Gewinnsituation Hieraus wird ersichtlich, dass der Konzerngewinn unabhängig von dem jeweils zugrunde gelegten Verrechnungspreis immer gleich hoch ist. Die Gewinne der Scofield Sp. Z o. o. und der Burrows GmbH variieren jedoch stark in Abhängigkeit vom jeweiligen Verrechnungspreis.
412
Gestaltungsmöglichkeiten Steuerbelastung Ertragsteuer Scofield Sp. Z o. o. (€) (Steuersatz 20 %)
Ertragsteuer Burrows GmbH (€) (Steuersatz 30 %)
Ertragsteuer Gesamtkonzern (€)
a)
0,0 Mio.
3,0 Mio.
3,0 Mio.
b)
2,0 Mio.
0,0 Mio.
2,0 Mio.
c)
0,2 Mio.
2,7 Mio.
2,9 Mio.
d)
1,0 Mio.
1,5 Mio.
2,5 Mio.
e)
1,8 Mio.
0,3 Mio.
2,1 Mio.
Abbildung 114: Beispiel Verrechnungspreise – Steuerbelastung Die Steuerbelastung des Konzerns setzt sich aus der jeweiligen Steuerbelastung der beiden Gesellschaften zusammen. Im vorliegenden Beispielfall wird deutlich, dass die Ertragsteuerbelastung des Gesamtkonzerns am geringsten ist, wenn der gesamte Gewinn bei der Scofield Sp. Z o. o. anfällt, und somit dem niedrigeren Ertragsteuersatz von 20 % unterliegt. Dies wird dadurch erreicht, dass die Scofield Sp. Z o. o. einen Verrechnungspreis festsetzt, der genau mit dem Absatzpreis der Burrows GmbH übereinstimmt, so dass diese keinen Gewinn erwirtschaftet. Die folgende Abbildung soll dies noch einmal grafisch verdeutlichen:
Gewinnverlagerung Deutschland Steuersatz 30 % B-GmbH
Polen Steuersatz 20 % Gewinn
S-Sp. Z o. o.
Vor der Gewinnverlagerung Nach der Gewinnverlagerung
Ziel: Verlagerung des Gewinns nach Polen Abbildung 115: Gewinnverlagerung
Grundlagen
413
Merke: Mit Hilfe von Verrechnungspreisen kann eine Gewinn- bzw. Verlustverlagerung von einem Konzernunternehmen zu einem anderen Konzernunternehmen herbeigeführt werden, so dass eine möglichst geringe Steuerbelastung für den gesamten Konzern entsteht. Über das tatsächliche Ausmaß des Spielraums von Gewinnverlagerungen durch die Gestaltung von Verrechnungspreisen gibt es unterschiedliche Auffassungen. Einerseits wird die Meinung vertreten, dass Verrechnungspreise grundsätzlich nach betriebswirtschaftlichen und organisatorischen Grundsätzen festgelegt werden, und dass aufgrund der Verankerung des Fremdvergleichsgrundsatzes kaum Spielraum für eine Gewinnverlagerung gegeben sei.637 Die US-Finanzbehörde hingegen schätzt die Steuereinbußen aus Verrechnungspreismanipulationen auf jährlich ca. 2,8 Mrd. US-$.638 Außerdem geht aus einer Umfrage, welche die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young durchgeführt hat, hervor, dass im Jahr 2007 die Verrechnungspreise bei mehr als 50 % der befragten Unternehmen durch die Finanzverwaltung geprüft wurden. Diese Überprüfung führte bei 27 % der befragten Unternehmen zu einer Berichtigung der angesetzten Verrechnungspreise.639
1.3 Fremdvergleichsgrundsatz Zentraler Grundsatz für die Verrechnungspreisbestimmung ist der Fremdvergleichsgrundsatz (sog. dealing-at-arm’s-length-Prinzip). Bis einschließlich VZ 2007 war dieses Prinzip in den „Grundsätzen für die Prüfung der Einkunftsabgrenzung bei international verbundenen Unternehmen (Verwaltungsgrundsätze)“640 in Tz. 2.1. als grundlegender Maßstab verankert. Durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008641 ist der Fremdvergleichsgrundsatz mit Wirkung zum 01.01.2008 in § 1 Abs. 1 Satz 1 und 2 AStG neu gefasst worden.
637
Vgl. Vögele, A. (Hrsg.), Handbuch der Verrechnungspreise, 2. Aufl., München 2004, S. 614.
638
Vgl. Boos, M./ Rehkugler, H./ Tucha, T., Internationale Verrechnungspreise – Ein Überblick, DB 2000, S. 2390.
639
Vgl. Ernst & Young, Global Transfer Pricing Surveys 2007-2008, S. 4.
640
Vgl. BMF v. 23.02.1983, Grundsätze für die Prüfung der Einkunftsabgrenzung bei international verbundenen Unternehmen (Verwaltungsgrundsätze), IV C 5 – S 1341 – 4/83, BStBl. I 1983, S. 218 (im Folgenden zitiert als VWG 1983), Tz. 2.1.1.
641
Unternehmensteuerreformgesetz 2008 (UntRefStG 2008) v. 14.08.2007, BGBl. I 2007, S. 1912.
414
Fremdvergleichsgrundsatz
Fremdvergleichsgrundsatz gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 und 2 AStG: „Werden Einkünfte eines Steuerpflichtigen aus einer Geschäftsbeziehung zum Ausland mit einer ihm nahe stehenden Person dadurch gemindert, dass er seiner Einkünfteermittlung andere Bedingungen, insbesondere Preise (Verrechnungspreise) zugrunde legt, als sie voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder vergleichbaren Verhältnissen vereinbart hätten (Fremdvergleichsgrundsatz), sind seine Einkünfte unbeschadet anderer Vorschriften so anzusetzen, wie sie unter den zwischen unabhängigen Dritten vereinbarten Bedingungen angefallen wären. Für die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes ist davon auszugehen, dass die voneinander unabhängigen Dritten alle wesentlichen Umstände der Geschäftsbeziehung kennen und nach den Grundsätzen ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter handeln.“ Dieser Grundsatz verlangt, dass der Verrechnungspreis für eine Lieferung oder Leistung, die zwischen einem Steuerpflichtigen und einer ihm nahe stehenden Person bzw. zwischen verbundenen Unternehmen erbracht wird, genauso bemessen sein muss, als wenn die Transaktion zwischen unabhängigen Dritten stattgefunden hätte. Dies bedeutet, dass die Verrechnungspreise dem Fremdvergleich standhalten müssen. Der fiktiven Figur des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters kommt in diesem Zusammenhang eine „normalisierende und objektivierende Funktion“642 zu. Es wird davon ausgegangen, dass dieser nur Geschäfte nach betriebswirtschaftlichen Aspekten innerhalb seines Handlungsraums tätigt. Der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter ist eine Person, die alles weiß und sich fast nie irrt.643 Er ist somit eine Person, die dem Fremdvergleich verpflichtet ist. Der bis einschließlich 2007 gültige Fremdvergleichsgrundsatz wird um die Fiktion der Kenntnis aller wesentlichen Umstände der Geschäftsbeziehung erweitert. Diese Formulierung soll verhindern, dass Geschäfte, die aufgrund mangelnder Information oder Qualifikation der Beteiligten zustande gekommen sind, Grundlage einer Fremdvergleichspreisbestimmung werden.644 Hierdurch wird jedoch unzutreffend impliziert, dass Geschäftspartner bei Abschluss eines Geschäftes immer vollständig informiert sind.645 Dies ist in der Realität häufig nicht der Fall und steht deshalb im Widerspruch zum Fremdvergleichsgrundsatz. Der Fremdvergleichsgrundsatz liegt sämtlichen nationalen Regelungen zur Verrechnungspreisbestimmung zugrunde; damit ist er neben der Berichtigung von Einkünften nach § 1 AStG auch Grundlage für die verdeckte Gewinnausschüttung und die verdeckte Einlage. Im
642
Vgl. Vögele, A. (Hrsg.), Handbuch der Verrechnungspreise, 2. Aufl., München 2004, S. 179.
643
Vgl. BFH v. 28.11.1991, I-R-13/90, BStBl. II 1992, S. 359.
644
Vgl. Entwurf eines Unternehmensteuerreformgesetzes 2008, BT-Drs. 16/4841, S. 85.
645
Vgl. Kaminski, B., Änderungen im Bereich der internationalen Einkunftsabgrenzung, RIW 2007, S. 595.
415
Grundlagen
internationalen Recht ist das dealing-at-arm’s-length-Prinzip in Art. 9 Abs. 1 OECD-MA festgelegt und wurde daher in alle deutschen DBA übernommen. Die genannten Rechtsquellen definieren den Fremdvergleich jedoch nicht alle exakt gleichlautend. Auf die genaue Definition des Fremdvergleichs in der jeweiligen Rechtsquelle wird im entsprechenden Unterkapitel im nächsten Abschnitt eingegangen. Es bestehen verschiedene Arten des Fremdvergleichs. So lässt sich unterscheiden zwischen einem betriebsinternen und einem betriebsexternen Fremdvergleich. Der betriebsinterne Fremdvergleich vergleicht eine Transaktion, die ein Konzernunternehmen mit einem anderen, zum gleichen Konzern gehörigen Unternehmen durchführt, mit einer Transaktion, die dasselbe Konzernunternehmen mit einem fremden Unternehmen tätigt. Diese Art des Fremdvergleichs liegt der verdeckten Einlage gem. § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 7 EStG und der verdeckten Gewinnausschüttung gem. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG zugrunde.
Betriebsinterner Fremdvergleich
Konzern
Transaktion T ra n
= Konzernunternehmen
sakti on
= fremdes Unternehmen
Abbildung 116: Betriebsinterner Fremdvergleich Im Gegensatz dazu wird beim betriebsexternen Fremdvergleich eine Transaktion zwischen zwei Konzernunternehmen mit einer zwischen zwei anderen, unabhängigen Unternehmen durchgeführten Transaktion verglichen. Auf den betriebsexternen Fremdvergleich wird bei der Berichtigung von Einkünften nach § 1 AStG abgestellt.
416
Fremdvergleichsgrundsatz
Betriebsexterner Fremdvergleich
Konzern
Transaktion
Transaktion = Konzernunternehmen = fremdes Unternehmen
Abbildung 117: Betriebsexterner Fremdvergleich Demnach können die beiden Arten des Fremdvergleichs (betriebsinterner und -externer), die sich aus den verschiedenen Rechtsquellen ergeben, in Verbindung mit den verschiedenen Methoden zur Verrechnungspreisbestimmung zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Daher ist die Frage zu klären, welche Bestimmungen vorrangig sind. Mit dem BFH-Urteil vom 17. Mai 1995646 zielte die Rechtsprechung darauf ab, den Fremdvergleich, der der verdeckten Gewinnausschüttung zugrunde liegt (interner Fremdvergleich), dem aus § 1 AStG (externer Fremdvergleich) anzugleichen. Dies wird erreicht, indem auch beim betriebsexternen Fremdvergleich der Maßstab des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewandt wird. Der Verrechnungspreis zwischen zwei verbundenen Unternehmen wird deshalb mit dem Preis verglichen, den zwei andere, unabhängige Unternehmen vereinbart hätten. Diese Vorgehensweise ist jedoch umstritten. Des Weiteren ist zwischen einem konkreten und einem hypothetischen Fremdvergleich zu unterscheiden. Ein konkreter Fremdvergleich lässt sich nur durchführen, wenn Transaktionen nicht nur zwischen den Konzernunternehmen selbst, sondern auch mit unabhängigen Dritten tatsächlich stattgefunden haben. Ist dies nicht der Fall, muss anhand eines hypothetischen Fremdvergleichs ermittelt werden, welchen Preis unabhängige Unternehmen untereinander vereinbart hätten. Ein konkreter Fremdvergleich ist nur im Rahmen der Preisvergleichsmethode möglich. In der Praxis wird jedoch mangels vergleichbarer Transaktionen mit fremden Dritten meist auf den hypothetischen Fremdvergleich abgestellt.
646
Vgl. BFH v. 17.05.1995, I-R-147/93, BStBl. II 1996, S. 204.
Grundlagen
417
Außerdem ist zu unterscheiden zwischen einem direkten und einem indirekten Fremdvergleich. Bei einem direkten Fremdvergleich müssen die entscheidenden Faktoren der verglichenen Transaktionen (nahezu) deckungsgleich sein, während bei einem indirekten Fremdvergleich ähnliche Geschäftsbeziehungen zugrunde gelegt werden, die um die Abweichungen von den tatsächlichen Gegebenheiten korrigiert werden. Wegen der Vielfältigkeit der in der Realität gegebenen Sachverhalte findet der direkte Fremdvergleich – wie auch der konkrete Fremdvergleich – in der Praxis kaum Anwendung. Der Fremdvergleichsgrundsatz führt nicht zu einer exakten Bestimmung des Verrechnungspreises. Er bildet vielmehr die Grundlage, auf der verschiedene Methoden basieren, die zur Verrechnungspreisbestimmung herangezogen werden können. In der Praxis ermitteln Konzernunternehmen ihre Fremdvergleichspreise mittels verschiedener Methoden. Die Finanzverwaltung verfügt – im Gegensatz zu den Unternehmen – aufgrund ständiger Betriebsprüfungen über eine Vielzahl von Datenbeständen über den Leistungsaustausch zwischen unabhängigen Unternehmen und nutzt diese Daten auch bei der Angemessenheitsprüfung von Verrechnungspreisen zwischen verbundenen Unternehmen. Dieser Informationsvorsprung der Finanzverwaltung führt regelmäßig zu Auseinandersetzungen über die korrekte Bemessung der Verrechnungspreise. Merke: Grundlage der Verrechnungspreisbestimmung ist der Fremdvergleichsgrundsatz. Demnach müssen Transaktionen zwischen abhängigen Unternehmen zu den gleichen Bedingungen bzw. Preisen verrechnet werden, wie sie zwei unabhängige Unternehmen bei gleichen bzw. ähnlichen Bedingungen vereinbart hätten. Hierbei dienen die verkehrsübliche Sorgfalt des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters und nach neuem Recht auch die Kenntnis aller wesentlichen Umstände der Geschäftsbeziehung als Maßstab. Es lassen sich verschiedene Arten des Fremdvergleichs unterscheiden: x betriebsinterner/betriebsexterner Fremdvergleich, x konkreter/hypothetischer Fremdvergleich, x direkter/indirekter Fremdvergleich.
1.4 Dokumentationspflichten und Sanktionsvorschriften Die in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Dokumentationspflichten bei der Verrechnungspreisbestimmung stehen nach einer erheblichen Verschärfung im Jahr 2005 grundsätzlich in Einklang mit der internationalen Praxis sowie den Verrechnungspreisgrundsätzen der OECD.647 Die Dokumentations- und Mitwirkungspflichten des Steuer647
Vgl. Vögele, A./ Brem, M., Die neue Rechtsverordnung zu § 90 Abs. 3 AO: Systematik zu Aufbau und Struktur der Verrechnungspreisdokumentation, IStR 2004, S. 48 f.
418
Dokumentationspflichten und Sanktionsvorschriften
pflichtigen in Bezug auf Verrechnungspreise sind in § 90 Abs. 3 AO gesetzlich verankert. Zur genaueren Bestimmung von Art, Inhalt und Umfang der gem. § 90 Abs. 3 AO zu erstellenden Aufzeichnungen ist die vom BMF erlassene und für den Steuerpflichtigen verbindliche Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung (GAufzV)648 heran zu ziehen. Ferner sind im BMF-Schreiben vom 12. April 2005 die VerwaltungsgrundsätzeVerfahren649 veröffentlicht, die der Konkretisierung und Erläuterung der gesetzlichen Regelungen dienen sollen, insbesondere in Bezug auf die Verrechnungspreisdokumentation. Allerdings ist nur die Finanzverwaltung an diese Verwaltungsgrundsätze gebunden. Bei einer Verletzung dieser Dokumentationspflichten droht dem Dokumentationspflichtigen die Anwendung von Sanktionsvorschriften. Für den Fall, dass ein Steuerpflichtiger seine Mitwirkungspflichten nicht oder nicht rechtzeitig erfüllt, wurden die Schätzungsvorschriften für die Verrechnungspreise durch § 162 Abs. 3 AO verschärft. Mit § 162 Abs. 4 AO wird den Finanzbehörden darüber hinaus die Möglichkeit eingeräumt, Strafzuschläge bei Verletzung der Dokumentationspflichten zu verhängen. Vorschriften für Verrechnungspreise
Inhalt
§ 90 Abs. 3 AO
Erweiterung der Mitwirkungs- und Dokumentationspflichten für Verrechnungspreise
§ 162 Abs. 3 AO
Schätzungsvorschriften bei Verletzung der Mitwirkungs- und Dokumentationspflichten gem. § 90 Abs. 3 AO
§ 162 Abs. 4 AO
Strafzuschläge bei Verletzung der Mitwirkungs- und Dokumentationsvorschriften gem. § 90 Abs. 3 AO
§ 1 bis 8 GAufzV
Konkretisierung der Dokumentationspflichten hinsichtlich Art, Inhalt und Umfang
Abbildung 118: Spezielle Vorschriften für Verrechnungspreise
648
Vgl. GAufzV v. 13.11.2003, BGBl. I 2003, S. 2296.
649
Vgl. BMF v. 12.04.2005, Grundsätze für die Prüfung der Einkunftsabgrenzung zwischen nahe stehenden Personen mit grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen in Bezug auf Ermittlungsund Mitwirkungspflichten, Berichtigungen sowie auf Verständigungs- und EU-Schiedsverfahren (Verwaltungsgrundsätze-Verfahren), IV B 4 – S 1341 – 1/05, BStBl. I 2005, S. 570 (im Folgenden zitiert als VWG-Verfahren 2005).
Grundlagen
419
Merke: Die Dokumentationspflichten im Bereich der Verrechnungspreise wurden durch § 90 Abs. 3 AO erheblich ausgeweitet. Eine Konkretisierung dieser Dokumentationspflichten erfolgte in der GAufzV. Die Sanktionen bei Verletzung der Mitwirkungs- und Dokumentationspflichten wurden durch § 162 Abs. 3 und 4 AO ebenfalls verschärft.
1.4.1
Einführung spezieller Gesetzesvorschriften für Verrechnungspreise
Die Mitwirkungs- und Dokumentationspflichten gem. §§ 90, 162 AO sowie ergänzender Verwaltungsanweisungen, die speziell für Verrechnungspreise gelten, ersetzen die allgemeinen Aufzeichnungs- und Mitwirkungspflichten nicht, sondern ergänzen diese. Merke: Die speziellen gesetzlichen Vorschriften für Verrechnungspreise heben die allgemeinen Mitwirkungs- und Dokumentationspflichten weder auf noch schränken sie diese ein. Diese speziellen Dokumentations-, Mitwirkungs- und Sanktionsvorschriften dienen der Ergänzung der bestehenden Vorschriften und erweitern diese zum Teil erheblich. Gem. § 90 Abs. 1 AO unterliegt der Steuerpflichtige einer allgemeinen Mitwirkungspflicht. In diesem Rahmen ist er zur Mitwirkung bei der Ermittlung des Sachverhalts verpflichtet, d.h. er muss für die Besteuerung erhebliche Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offen legen und die ihm bekannten Beweismittel angeben. Unter Umständen müssen Unternehmen auch im Rahmen der erhöhten Mitwirkungspflichten gem. § 90 Abs. 2 AO Unterlagen aus dem Ausland beschaffen und vorlegen, wenn dies erforderlich sein sollte. Im Rahmen der allgemeinen Dokumentationspflicht ist der Steuerpflichtige dazu angehalten, Unterlagen für die Finanzverwaltung zu erstellen und aufzubewahren. So unterliegt der Steuerpflichtige z.B. den allgemeinen Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten gem. § 140 ff. AO. Darüber hinaus muss er gem. § 97 Abs. 1 AO und § 200 Abs. 1 AO vorhandene Aufzeichnungen, Bücher, etc. zur Verfügung stellen und der allgemeinen Auskunftspflicht gem. § 93 AO i.V.m. § 200 AO nachkommen. Die Einführung spezieller Gesetzesvorschriften für Verrechnungspreise erfolgte in erster Linie als Reaktion des Gesetzgebers auf Entscheidungen des BFH: x Die Vorschriften über die allgemeinen und erhöhten Mitwirkungspflichten sowie über die allgemeine Dokumentationspflicht wurden durch die VWG 1983 konkretisiert. Zudem werden die Mitwirkungspflichten der Steuerpflichtigen in den VWG-Verfahren 2005 näher erläutern.
420
Dokumentationspflichten und Sanktionsvorschriften x
x
1.4.2
Der BFH hat jedoch mit seinem Beschluss vom 10.05.2001650 sowie seinem Urteil vom 17.10.2001651 entschieden, dass ausgehend von den rechtlich verankerten allgemeinen Aufzeichnungs- und Mitwirkungspflichten keine speziellen Aufzeichnungs- oder Dokumentationspflichten für Verrechnungspreise abgeleitet werden dürfen, die über §§ 140 ff. AO und §§ 238 ff. HGB hinausgehen. Auch die VWG 1983 würden keine zwingenden Dokumentationsvorschriften für Verrechnungspreise begründen. Verwaltungsgrundsätze bilden keine eigenständige Rechtsnorm, so dass nur die Finanzverwaltung an sie gebunden ist. Der Beschluss des BFH vom 10.05.2001 und seine Grundsatzentscheidung vom 17.10.2001 waren insofern ein Rückschlag für die Finanzbehörden. Um die Gesetze und Vorschriften für Verrechnungspreise gesetzlich zu fixieren und zu konkretisieren, hat der Gesetzgeber auf diese Entscheidungen mit dem StVergAbG reagiert, wodurch die Mitwirkungs-, Dokumentations- und Sanktionsvorschriften in Bezug auf Verrechnungspreise in Deutschland erstmals gesetzlich festgehalten wurden.
Dokumentationspflichten für Verrechnungspreise
Durch § 90 Abs. 3 AO werden die allgemeinen Mitwirkungspflichten von § 90 AO um einen dritten Absatz ergänzt und erheblich ausgeweitet. Voraussetzungen für die Aufzeichnungspflicht für Verrechnungspreise gem. § 90 Abs. 3 AO sind eine x Geschäftsbeziehung i.S.d. § 1 Abs. 5 AStG x mit Auslandsbezug x mit einer nahe stehenden Person i.S.d. § 1 Abs. 2 AStG. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, muss der Steuerpflichtige Aufzeichnungen über Art und Inhalt seiner Geschäftsbeziehungen zu den nahe stehenden Personen führen. Der Begriff der Geschäftsbeziehung richtet sich nach § 1 Abs. 5 AStG. Demnach stellt jede den Einkünften zugrunde liegende schuldrechtliche Beziehung, die keine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung ist, eine Geschäftsbeziehung dar. Mit dieser Formulierung soll klargestellt werden, dass es für das Bestehen einer Geschäftsbeziehung i.S.d. § 1 Abs. 5 AStG irrelevant ist, ob sie betrieblich oder gesellschaftsrechtlich veranlasst ist.652
650
Vgl. BFH v. 10.05.2001, DB 2001, S. 1180.
651
Vgl. BFH v. 17.10.2001, I-R-103/00, IStR 2001, S. 745.
652
Vgl. Schnitger, A., Internationale Aspekte des Entwurfs eines Gesetzes zum Abbau von Steuervergünstigungen und Ausnahmeregelungen (Steuervergünstigungsabbaugesetz – StVergAbG), IStR 2003, S. 76.
421
Grundlagen
Geschäftsbeziehung i.S.d. § 1 Abs. 5 AStG
Nein
Ja Vorgang mit Auslandsbezug Ja Nahe stehende Person i.S.d. § 1 Abs. 2 AStG
Nein
Nein
Ja Spezielle Dokumentationspflichten für Verrechnungspreise
Keine speziellen Dokumentationspflichten für Verrechnungspreise
Abbildung 119: Anwendungsvoraussetzungen für § 90 Abs. 3 AO Die Aufzeichnungspflicht umfasst auch die wirtschaftlichen und rechtlichen Grundlagen für eine den Grundsatz des Fremdvergleichs beachtende Vereinbarung von Preisen und anderen Geschäftsvorfällen mit nahe stehenden Personen. Dies begründet explizit eine Pflicht zur Verrechnungspreisdokumentation. Bei gewöhnlichen Geschäftsvorfällen existiert keine gesetzliche Vorgabe, bis zu welchem Zeitpunkt die Dokumentation zu erfolgen hat. Bei außergewöhnlichen Geschäftsvorfällen bestimmt § 90 Abs. 3 Satz 3 AO dagegen, dass die Aufzeichnungen zeitnah zu erstellen sind. Als zeitnah gelten gem. § 3 Abs. 1 Satz 2 GAufzV ein Zeitraum von sechs Monaten nach Ablauf des Wirtschaftsjahres, in dem sich der außergewöhnliche Geschäftsvorfall ereignet hat. § 3 Abs. 2 GAufzV enthält dabei eine beispielhafte Aufzählung, welche Geschäftsvorfälle als außergewöhnlich anzusehen sind, z.B. Vermögensübertragungen im Zuge von Umstrukturierungsmaßnahmen. Die Vorlage sämtlicher Aufzeichnungen musste bis einschließlich VZ 2007 nach Aufforderung durch die Finanzbehörde gem. § 90 Abs. 3 Satz 8 AO grundsätzlich innerhalb einer Frist von 60 Tagen erfolgen. Ab 01.01.2008 wird diese Frist bei außergewöhnlichen Geschäften gem. § 90 Abs. 3 Satz 9 AO auf 30 Tage verkürzt. Gem. § 90 Abs. 3 Satz 5 AO werden die Dokumentationspflichten in der GAufzV konkretisiert, um eine einheitliche Rechtsanwendung sicherzustellen. Nach § 1 Abs. 1 GAufzV wird sowohl eine Sachverhaltsdokumentation, d.h. Angaben über Art, Umfang und Abwicklung der Geschäftsbeziehungen zu nahe stehenden Personen einschließlich der wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen, als auch eine Angemessenheitsdokumentation, d.h. Aufzeichnungen über die Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes, verlangt. Dabei ist es wichtig, dass der Steuerpflichtige bei der Erstellung dieser Aufzeichnungen gem. § 1 Abs. 1 Satz 2 GAufzV sein ernsthaftes Bemühen zur Einhaltung des
422
Dokumentationspflichten und Sanktionsvorschriften
Fremdvergleichsgrundsatzes erkennen lässt. Für die Finanzverwaltung sind insbesondere eine ausreichende Beweisvorsorge und die Erstellung einer konzerninternen Verrechnungspreisrichtlinie Zeichen ernsthaften Bemühens.653
Dokumentationspflichten
Sachverhaltsdokumentation • Allgemeine Informationen über Beteiligungsverhältnisse, Geschäftsbetrieb und Organisationsaufbau • Geschäftsbeziehungen zu nahe stehenden Personen • Funktions- und Risikoanalyse • Aufzeichnungen in besonderen Fällen
Angemessenheitsdokumentation • Verrechnungspreisanalyse
Abbildung 120: Dokumentationspflichten gem. GAufzV Zur Sachverhaltsdokumentation gehört gem. § 4 Nr. 1 und Nr. 2 GAufzV die Darstellung von Beteiligungsverhältnissen und Geschäftsbeziehungen zwischen dem Steuerpflichtigen und den nahe stehenden Personen, eine Übersicht der organisatorischen und operativen Konzernstruktur sowie die Beschreibung des Tätigkeitsbereichs des Steuerpflichtigen. Gem. § 4 Nr. 3 GAufzV soll auch eine Funktions- und Risikoanalyse durchgeführt werden, die über die jeweils vom Steuerpflichtigen und der nahe stehenden Person im Rahmen der Geschäftsbeziehungen ausgeübten Funktionen und die übernommenen Risiken informieren soll. Um ausreichend zu dokumentieren, dass der gewählte Verrechnungspreis angemessen ist (Angemessenheitsdokumentation), d.h. dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht, muss der Steuerpflichtige gem. § 4 Nr. 4 GAufzV die angewandte Verrechnungspreismethode darstellen, die Wahl seiner Methode begründen und Unterlagen über die Berechnungen und die zum Vergleich genommenen Daten aufbereiten und aufbewahren. Für diese Daten sind gem. § 1 Abs. 3 GAufzV Markt- und Wettbewerbsverhältnisse darzustellen, die für die Vereinbarung des Fremdvergleichspreises von Bedeutung sind. Zur Verrechnungspreisanalyse kann sowohl der externe Fremdvergleichspreis als auch der interne Fremdvergleichspreis benutzt werden. Entsprechend der gewählten Methode hat der Steuerpflichtige zur Plausibilitätskontrolle Vergleichsdaten aufzuzeichnen. Dies sind z.B. Daten über vergleich-
653
Vgl. Vögele, A./ Brem, M., Die neue Rechtsverordnung zu § 90 Abs. 3 AO: Systematik zu Aufbau und Struktur der Verrechnungspreisdokumentation, IStR 2004, S. 49; Baumhoff, H./ Ditz, X./ Greinert, M, Grundsätze der Dokumentation internationaler Verrechnungspreise nach der Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung, DStR 2004, S. 164.
Grundlagen
423
bare Geschäfte mit Dritten oder die Dokumentation von Kostenaufteilungen, Gewinnzuschlägen und ähnlichen Daten. Die Ermittlung und Rechtfertigung von Verrechnungspreisen ist grundsätzlich auch mit Hilfe einer Datenbankanalyse möglich. Der BFH hat den Einsatz von Datenbanken bei der Bestimmung von Verrechnungspreisen erlaubt;654 allerdings muss die Datenbank qualitative Mindestanforderungen erfüllen. Aufgrund der schwierigen Herleitung der Vergleichbarkeit mit den in der Datenbank erfassten Unternehmen kommt es bei Betriebsprüfungen regelmäßig zu Streitigkeiten zwischen den geprüften Unternehmen und den Finanzbehörden. Verschärft wird die Situation noch durch die Auffassung des BMF, dass der Einsatz von Datenbanken i.d.R. abzulehnen ist.655 Die geforderten Aufzeichnungen für Verrechnungspreise sind grundsätzlich gem. § 2 Abs. 3 Satz 1 GAufzV geschäftsvorfallbezogen zu erstellen. Allerdings dürfen vergleichbare Geschäftsvorfälle in Gruppen zusammengefasst werden. Somit sind weiterhin hauptsächlich transaktionsbasierte Verrechnungspreismethoden, wie die Preisvergleichsmethode, die Wiederverkaufspreismethode sowie die Kostenaufschlagsmethode, anwendbar. Pauschale Gewinnvergleichsmethoden werden dagegen abgelehnt.656 Die GAufzV enthält keine konkreten formalen Anforderungen an eine Verrechnungspreisdokumentation. Art, Inhalt und Umfang der zu erstellenden Aufzeichnungen bestimmen sich nach den Umständen des Einzelfalls. Gem. § 2 Abs. 1 Satz 3 GAufzV müssen es die Aufzeichnungen einem sachverständigen Dritten lediglich ermöglichen, innerhalb einer angemessenen Frist festzustellen, welche Sachverhalte der Steuerpflichtige im Zusammenhang mit seinen Geschäftsbeziehungen zu nahe stehenden Personen verwirklicht hat und ob und inwieweit er dabei den Fremdvergleichsgrundsatz beachtet hat. Merke: Übergeordnete Aufgabe der Verrechnungspreisdokumentation ist die Dokumentation des Sachverhalts, d.h. Angaben über Geschäftsbeziehungen mit nahe stehenden Personen, und die Dokumentation der Angemessenheit des gewählten Verrechnungspreises. Die GAufzV konkretisiert diese Dokumentationspflichten; die Umsetzung in der Praxis richtet sich nach dem Einzelfall.
1.4.3
Sanktionsvorschriften
Werden die Mitwirkungspflichten gem. § 90 Abs. 3 AO dadurch verletzt, dass x vorgesehene Aufzeichnungen nicht vorgelegt werden, x vorgelegte Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar sind, oder x Aufzeichnungen zu außergewöhnlichen Geschäftsvorfällen nicht zeitnah erstellt wurden, 654
Vgl. BFH v. 17.10.2001, I-R-103/00, IStR 2001, S. 745.
655
Vgl. VWG-Verfahren 2005, Tz. 3.4.12.4.
656
Vgl. BR-Drs. 583/03 v. 15.08.2003.
424
Dokumentationspflichten und Sanktionsvorschriften
wird widerlegbar vermutet, dass die im Inland steuerpflichtigen Einkünfte, die gem. § 90 Abs. 3 AO ermittelt wurden, höher sind als vom Steuerpflichtigen erklärt. Auf welche Weise die Vermutung der Finanzbehörde widerlegt werden kann, ist derzeit noch unklar. Es ist aber anzunehmen, dass von den Gerichten hohe Anforderungen an eine solche Widerlegung der Vermutung gestellt werden.657 Bislang liegen jedoch noch keine Urteile aus gerichtlichen Auseinandersetzungen vor. Kann der Steuerpflichtige die Vermutung nicht widerlegen, darf die Finanzverwaltung eine Schätzung vornehmen, wenn sie die Einkünfte nicht auf andere Weise ermitteln kann. Kann für die Einkünfte nur eine geschätzte Bandbreite bestimmt werden, besteht die Möglichkeit, diese Bandbreite gem. § 162 Abs. 3 Satz 2 AO zu Lasten des Steuerpflichtigen auszuschöpfen. Eine andere Sanktionsvorschrift ist in § 162 Abs. 4 AO geregelt, welcher in bestimmten Fällen einen Strafzuschlag vorsieht. Legt ein Steuerpflichtiger Aufzeichnungen nicht vor oder sind diese nicht verwertbar, wird eine Mindeststrafe von 5.000 € verhängt. Werden die Einkünfte des Steuerpflichtigen gem. § 162 Abs. 3 AO korrigiert, so kann der Strafzuschlag abhängig von der Schwere des Verstoßes 5 bis 10 % der Einkommenskorrektur betragen, mindestens aber 5.000 €. Bei verspäteter Vorlage von verwertbaren Aufzeichnungen beträgt der Strafzuschlag gem. § 162 Abs. 4 Satz 3 AO mindestens 100 € für jeden vollen Tag der Fristüberschreitung, wobei der Zuschlag allerdings auf 1.000.000 € begrenzt ist. Auf die Festsetzung eines Zuschlags kann verzichtet werden, wenn die Nichterfüllung der Dokumentationsvorschriften gem. § 90 Abs. 3 AO entschuldbar erscheint oder das Verschulden nur geringfügig ist.
Sanktionsvorschriften
Nichtvorlage oder Vorlage nicht verwertbarer Aufzeichnungen • Schätzung der Einkünfte durch das Finanzamt. Ist dies nur innerhalb einer Bandbreite möglich, Ausschöpfung dieser Bandbreite zu Lasten des Stpfl.
Verspätete Vorlage verwertbarer Aufzeichnungen • Strafzuschlag von mind. 100 € für jeden vollen Tag der Fristüberschreitung, insgesamt höchstens 1.000.000 €
• Strafzuschlag von 5 – 10 % des Einkommenskorrekturbetrags, mind. 5.000 €
Abbildung 121: Sanktionsvorschriften gem. § 162 Abs. 3 und 4 AO
657
Vgl. Vögele, A./ Vögele, F., Vorschriften zur Verrechnungspreisdokumentation im StVergAbG, IStR 2003, S. 467.
Beispiel
425
Beispiel für Sanktionsvorschriften Die Maverick-AG mit Sitz in Deutschland verkauft Spielzeugflugzeuge an die GooseInc., ihr amerikanisches Tochterunternehmen. Der für die Flugzeuge von beiden Unternehmen festgelegte Verrechnungspreis beträgt für die gesamte Lieferung 350.000 €. Bei einer Betriebsprüfung der Maverick-AG stellt der Finanzbeamte Iceman jedoch fest, dass der fremdübliche Verrechnungspreis einer solchen Lieferung innerhalb einer Bandbreite von 380.000 € bis 420.000 € liegt. Die von der Maverick-AG daraufhin nachgereichten Unterlagen, die die Angemessenheit des gewählten Verrechnungspreises beweisen sollen, werden vom Finanzamt als vollkommen unverwertbar eingestuft. Der Steuersatz der Maverick-AG in Deutschland sei 25 %.
Lösung
Rechtliche Regelungen
Das Finanzamt erhöht das Einkommen der Maverick-AG gem. § 8 Abs. 3 KStG i.V.m. § 162 Abs. 3 AO um 70.000 € auf 420.000 €. Die Korrektur am oberen Ende der Bandbreite ist gem. § 162 Abs. 3 Satz 2 AO möglich. So entsteht eine zusätzliche steuerliche Belastung i.H.v. 17.500 € (= 70.000 € x 25 %). Wegen der nachgereichten unverwertbaren Aufzeichnungen wird durch die Finanzbehörde zusätzlich ein Strafzuschlag gem. § 162 Abs. 4 Satz 2 AO i.H.v. 7.000 € (= 70.000 € x 10 %) festgelegt.658 Die Gesamtbelastung der Maverick-AG beträgt 24.500 € (17.500 € + 7.000 €).
2 Rechtliche Regelungen Im Folgenden werden die rechtlichen Regelungen der Verrechnungspreisproblematik (Einkünftekorrekturnormen) zum einen auf nationaler Ebene (unilaterales Recht) und zum anderen auf internationaler Ebene (bilaterales Recht) dargestellt. Im Internationalen Steuerrecht muss zwischen den OECD-Richtlinien (bei Bestehen eines DBA) und dem EUÜbereinkommen unterschieden werden. Ziel sämtlicher unten angeführter rechtlicher Regelungen ist es zu verhindern, dass einerseits Unternehmen aufgrund unangemessener Verrechnungspreise Gewinnverlagerungen herbeiführen und dass es andererseits aufgrund von nachfolgenden Gewinnberichtigungen zu Doppelbesteuerungen kommt.
2.1 Verhältnis der Korrekturvorschriften zueinander Die gesetzlichen Regelungen zur Verrechnungspreisbestimmung im nationalen Steuerrecht ergeben sich aus den Rechtsnormen zur Einkünftezuordnung, die gleichzeitig auch die
658
Dieser Strafzuschlag ist als steuerliche Nebenleistung i.S.d. § 3 Abs. 4 AO eine nichtabzugsfähige Betriebsausgabe, so dass gem. § 12 Nr. 3 EStG bzw. § 10 Nr. 2 KStG eine Hinzurechnung außerhalb der Bilanz vorzunehmen ist, die zu einer zusätzlichen Steuerbelastung führt.
426
Verhältnis der Korrekturvorschriften zueinander
Vorschriften für die Einkünftekorrektur sind. Nach Tz. 1.1.1. der VWG 1983 gehören die Vorschriften über die verdeckte Gewinnausschüttung (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG), die verdeckte Einlage (§ 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 u. 7 EStG), die Zinsschranke (§ 4h EStG und § 8a KStG) sowie die Berichtigung von Einkünften bei Geschäftsbeziehungen zum Ausland (§ 1 AStG) dazu. Die bilateralen Vorschriften aus Art. 9 OECD-MA haben lediglich eine Schrankenwirkung und können daher keine innerstaatlichen Besteuerungsrechte begründen. Die folgende Abbildung zeigt das Verhältnis der verdeckten Gewinnausschüttung, der verdeckten Einlage, der Zinsschranke und der Berichtigung von Einkünften bei Geschäftsbeziehungen zum Ausland zueinander. § 1 AStG hat gegenüber den vorgenannten Regelungen nur subsidiären Charakter; dies geht aus dem Gesetzestext hervor („unbeschadet anderer Vorschriften“). In Fällen, in denen die Anwendung von § 1 AStG zu weitergehenden Berichtigungen als die verdeckte Gewinnausschüttung, die verdeckte Einlage oder die Zinsschranke führt, werden diese ergänzend vorgenommen (§ 1 Abs. 1 Satz 3 AStG).
Verhältnis der Korrekturvorschriften zueinander
§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG Verdeckte Gewinnausschüttung
§ 8 Abs. 1 KStG i.V.m.. § 4 Abs. 1 Satz 1 u. 7 EStG Verdeckte Einlage
§ 1 AStG Berichtigung von Einkünften
§ 4h EStG i.V.m.. § 8a KStG Zinsschranke
Schrankenwirkung der bilateralen Gewinnkorrekturvorschriften
Abbildung 122: Verhältnis der Korrekturvorschriften zueinander
Rechtliche Regelungen
427
Verwaltungsgrundsätze bilden keine eigenständigen Rechtsnormen, da sie lediglich für die Finanzverwaltung eine bindende Wirkung haben. Sie konkretisieren und erläutern lediglich bestehendes Recht.
2.2 Nationales Recht 2.2.1
Verdeckte Gewinnausschüttung gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG
Unter einer verdeckten Gewinnausschüttung wird eine Vermögensminderung oder eine verhinderte Vermögensmehrung verstanden, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt und es sich dabei nicht um eine offene Ausschüttung handelt.659 Aus der oben formulierten Definition der verdeckten Gewinnausschüttung ergeben sich vier Tatbestandsmerkmale: (1) Es muss sich zum einen um eine Vermögensminderung oder eine verhinderte Vermögensmehrung handeln. In Bezug auf die Verrechnungspreisproblematik bedeutet dies, dass die Verrechnungspreise von den Unternehmen zu hoch bzw. zu niedrig angesetzt worden sein müssen. (2) Die Vermögensminderung muss durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sein. Hierfür gibt es zwei Bewertungsmaßstäbe. Zum einen wird eine solche Veranlassung vermutet, wenn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter diese Vermögensminderung nicht akzeptiert hätte (Fremdvergleichsgrundsatz).660 Dieser Grundsatz dient als Maßstab für die Ermittlung der Minderung des Einkommens. Wenn eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte, liegt somit eine verdeckte Gewinnausschüttung vor.661 Bei diesem Fremdvergleich handelt es sich, wie bereits angesprochen, um den betriebsinternen Fremdvergleich. Zum anderen gibt es für Vereinbarungen zwischen einem beherrschenden Gesellschafter662 und der Gesellschaft strenge Anforderungen.663 Werden diese nicht erfüllt, wird eine verdeckte Gewinnausschüttung angenommen.
659
Vgl. R 36 Abs. 1 Satz 1 KStR; BFH v. 06.12.1995, I-R-88/94, BStBl. II 1996, S. 383.
660
Vgl. Tz. 1.3.1.1. der VWG 1983 i.V.m. R 31 KStR.
661
Vgl. BFH v. 06.12.1995, I-R-88/94, BStBl. II 1996, S. 383.
662
Vgl. BFH v. 13.12.1989, I-R-99/87, BStBl. II 1990, S. 454; BFH v. 14.3.1990, I-R-6/89, BStBl. II 1990, S. 795.
663
Vgl. Vögele, A. (Hrsg.), Handbuch der Verrechnungspreise, 2. Aufl., München 2004, S. 57 ff.
428
Nationales Recht (3) Die Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung muss sich auf die Höhe des Einkommens auswirken, d.h. den Jahresüberschuss beeinflusst haben. (4) Außerdem darf die verdeckte Gewinnausschüttung nicht im Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung stehen.
Wenn mehrere Geschäfte zwischen den verbundenen Unternehmen getätigt werden, ist ein sog. Vorteilsausgleich möglich. Darunter wird der Ausgleich von Vor- und Nachteilen verstanden, die sich aus mehreren in sich abgeschlossenen Geschäften ergeben. Dies ist aber nur möglich, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:664 x Die Geschäfte müssen in einem inneren Zusammenhang stehen, x Der Ausgleich würde auch zwischen Fremden stattfinden, x Die Vor- und Nachteile müssen quantifizierbar sein, x Die Vorteilsverrechnung muss im Voraus vereinbart gewesen sein oder zur Geschäftsgrundlage des nachteiligen Geschäfts gehören. Der Saldo, der nach der Durchführung eines Vorteilsausgleichs verbleibt, stellt eine verdeckte Gewinnausschüttung bzw. eine verdeckte Einlage dar. Auch zwischen Schwestergesellschaften (Dreiecksverhältnis) kann es zu verdeckten Gewinnausschüttungen kommen. Im Rahmen der Verrechnungspreisproblematik sind vor allem grenzüberschreitende verdeckte Gewinnausschüttungen von Bedeutung. Dabei lassen sich die folgenden vier Grundfälle unterscheiden: x Eine inländische Muttergesellschaft liefert an ihre ausländische Tochtergesellschaft Güter zu einem unangemessen hohen Entgelt. x Eine inländische Muttergesellschaft erwirbt von ihrer ausländischen Tochtergesellschaft Güter zu einem unangemessen niedrigen Entgelt. x Eine inländische Tochtergesellschaft liefert an ihre ausländische Muttergesellschaft Güter zu einem unangemessen niedrigen Entgelt. x Eine inländische Tochtergesellschaft erwirbt von ihrer ausländischen Muttergesellschaft Güter zu einem unangemessen hohen Entgelt. Diese Geschäftsvorfälle sind um Geschäfte mit nahen Angehörigen, bspw. Schwestergesellschaften, zu erweitern. Die folgende Abbildung stellt noch einmal grafisch dar, welche Geschäftsvorfälle zwischen der Mutter- und der Tochtergesellschaft, die in unterschiedlichen Ländern ansässig sind, zu einer verdeckten Gewinnausschüttung führen.
664
Vgl. VWG 1983, Tz. 2.3.2.
429
Rechtliche Regelungen
Grenzüberschreitende verdeckte Gewinnausschüttung Muttergesellschaft
Lieferung
Erwerb
Erwerb
Lieferung
Zu hohes Entgelt
Zu niedriges Entgelt
Grenze
Tochtergesellschaft
Abbildung 123: Grenzüberschreitende verdeckte Gewinnausschüttung § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG regelt die Rechtsfolgen einer verdeckten Gewinnausschüttung.
§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG: Auch verdeckte Gewinnausschüttungen sowie Ausschüttungen jeder Art auf Genussrechte, mit denen das Recht auf Beteiligung am Gewinn und am Liquidationserlös der Kapitalgesellschaft verbunden ist, mindern das Einkommen nicht. Wird der Jahresüberschuss durch eine verdeckte Gewinnausschüttung gemindert, erfolgt eine Hinzurechnung außerhalb der Bilanz. Die verdeckte Gewinnausschüttung wird auf Ebene des Gesellschafters wie eine offene Ausschüttung versteuert. Mit dem Rechtsinstitut der verdeckten Gewinnausschüttung soll die Abgrenzung zwischen der gesellschaftsrechtlichen Ebene und der schuldrechtlichen Ebene gesichert werden. Zuwendungen an den Gesellschafter aufgrund seiner Stellung („durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst“) dürfen den zu versteuernden Gewinn nicht mindern, da es sich hierbei um eine Einkommensverwendung handelt. Merke: Eine verdeckte Gewinnausschüttung ist eine Vermögensminderung oder eine verhinderte Vermögensmehrung, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt und keine offene Ausschüttung ist (R 36 Abs. 1 Satz 1 KStR). Diese darf gem. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG das Einkommen nicht mindern und muss dementsprechend dem zu versteuernden Einkommen hinzugerechnet werden.
430
Nationales Recht
Beispiel
Die Brick Top GmbH ist im Diamantengeschäft tätig. Einziger Gesellschafter der GmbH ist die Franky Four Fingers AG. Aus Anlass der alljährlichen Gesellschafterversammlung überreicht regelmäßig der Geschäftsführer der Brick Top GmbH den Gesellschaftern der Franky Four Fingers AG Rohdiamanten. Hierbei handelt es sich um eine verdeckte Gewinnausschüttung in Form einer Vermögensminderung, da die Entnahme von Rohdiamanten eine Vermögenszuwendung der GmbH an die Gesellschafter der Muttergesellschaft darstellt und deshalb das Vermögen der Brick Top GmbH gemindert wird.
Beispiel
Aufgrund steuerlicher Überlegungen schüttet die Brick Top GmbH keine Gewinne aus; stattdessen gewährt sie der Franky Four Fingers AG einen zinslosen Kredit über 100.000 €. Üblicher Zinssatz in dieser Branche ist 12 %. In diesem Beispiel handelt es sich um eine verdeckte Gewinnausschüttung in Form einer verhinderten Vermögensmehrung, da die Brick Top GmbH auf mögliche Einnahmen in Höhe von 12.000 € p.a. verzichtet und dies zu einem niedrigeren Ergebnis für das Unternehmen führt.
2.2.2
Verdeckte Einlage
Die verdeckte Einlage ist das Gegenstück zur verdeckten Gewinnausschüttung; sie ist aber im Gesetz nicht explizit verankert. Aufgrund von § 8 Abs. 1 KStG gelten die Vorschriften des Einkommensteuergesetzes. Der Begriff der Einlage ist dort folgendermaßen definiert: § 4 Abs. 1 Satz 7 EStG: Einlagen sind alle Wirtschaftsgüter (Bareinzahlungen und sonstige Wirtschaftsgüter), die der Steuerpflichtige dem Betrieb im Laufe des Wirtschaftsjahres zugeführt hat. Die Gesellschafter tätigen in der Regel Einlagen im Rahmen der Gründung, der Rücklagenzuführung oder der Kapitalerhöhung. Diese sind durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst. Einlagefähig sind nur bilanzierungsfähige Vermögensgegenstände (Erhöhung von Aktiva bzw. Verminderung von Passiva). Im Gegensatz dazu stellen Nutzungen und Leistungen keine einlagefähigen Wirtschaftsgüter dar.665 Dies bedeutet, dass die Nutzungsüberlassung von Wirtschaftsgütern durch den Gesellschafter keine Vermögensmehrung der Gesellschaft darstellt und somit auch nicht zu einer Einlage führt. Im Gegensatz dazu kann aber eine Nutzungsüberlassung der Gesellschaft an den Gesellschafter sehr wohl zu einer verdeckten Gewinnausschüttung führen.666
665
Vgl. BFH v. 26.10.1987, GrS-2/86, BStBl. II 1988, S. 348.
666
Dieser Unterschied zwischen der verdeckten Gewinnausschüttung und der verdeckten Einlage wird in der Literatur kritisiert; vgl. hierzu u.a. Rasch, S., Konzernverrechnungspreise im nationalen, bilateralen und europäischen Steuerrecht, Köln 2001, S. 106.
Rechtliche Regelungen
431
Merke: Eine verdeckte Einlage liegt vor, wenn der Gesellschafter der Gesellschaft Vermögensvorteile zuführt, die nicht als gesellschaftsrechtliche Einlage ausgewiesen werden, aber ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis haben.667 Bei verdeckten Einlagen wird – analog zur verdeckten Gewinnausschüttung – auf den betriebsinternen Fremdvergleich abgestellt. Im Unterschied zur offenen Einlage werden bei der verdeckten Einlage keine Gesellschaftsrechte gewährt. Die Rechtsfolge der Einlage ist im Einkommensteuergesetz geregelt: § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG: Gewinn ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen. Dies bedeutet also, dass die offenen, aber auch die verdeckten Einlagen auf Ebene der Gesellschaft den Gewinn nicht erhöhen dürfen. Der Gesellschafter seinerseits kann die Einlage nicht als Betriebsausgabe geltend machen, sondern muss diese als nachträgliche Anschaffungskosten gem. § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG auf die Beteiligung aktivieren. Merke: Eine verdeckte Einlage liegt vor, wenn der Gesellschafter der Gesellschaft Vermögensvorteile zuführt, die keine gesellschaftsrechtlichen Einlagen (i.e.S.) darstellen, aber ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis haben. Nutzungsüberlassungen sind keine einlagefähigen Güter.
2.2.3
Zinsschranke gem. § 4h EStG und § 8a KStG
Die Vorschriften der Zinsschranke nach § 4h EStG und § 8a KStG begrenzen den Abzug von Zinsaufwendungen grundsätzlich auf das verrechenbare EBITDA. Übersteigt das verrechenbare EBITDA den Nettozinsaufwand, so entsteht in Höhe des Differenzbetrags ein EBITDA-Vortrag. Im umgekehrten Fall, d.h. der Nettozinsaufwand übersteigt das verrechenbare EBITDA und die ggf. vorliegenden EBITDA-Vorträge, sind die nicht abzugsfähigen Zinsen in nachfolgende Wirtschaftsjahre vorzutragen. Konzernzugehörige Gesellschaften, deren Zinsaufwand 3.000.000 € oder mehr beträgt, können einen uneingeschränkten Zinsabzug über die Escape-Klausel erreichen. Diese erfordert gem. § 4h Abs. 2 Satz 1 Bst. c EStG eine im Vergleich zum Konzern um maximal zwei Prozentpunkte geringere Eigenkapitalquote der Tochtergesellschaft. Für Tochtergesellschaften in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft gelten darüber hinaus die Vorschriften des § 8a Abs. 3
667
Vgl. R 40 Abs. 1 KStR; BFH v. 07.07.1992, VIII-R-24/90, BStBl. II 1993, S. 333.
432
Nationales Recht
KStG. Tochterkapitalgesellschaften müssen demnach den Nachweis erbringen, dass die Rechtsträger des Konzerns weltweit keine schädliche Gesellschafter-Fremdfinanzierung vornehmen.
2.2.4
Berichtigung von Einkünften gemäß § 1 AStG
§ 1 AStG verfolgt genau wie die verdeckte Gewinnausschüttung und die verdeckte Einlage das Ziel, Einkünfte zu berichtigen, die aufgrund gesellschaftlicher Verhältnisse unsachgerecht (zu niedrig bzw. zu hoch) ausgewiesen wurden. Jedoch haben die Vorschriften aus § 1 AStG wie bereits erwähnt nur subsidiären Charakter, sofern sie nicht weitergehende Berichtigungen zur Folge haben. Dies führt dazu, dass § 1 AStG in der Praxis kaum Anwendung findet. Lediglich bei Vorteilszuwendungen aufgrund einer schuldrechtlichen Beziehung, d.h. es besteht keine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung, und im Falle einer kostenlosen oder zu günstigen Nutzungsüberlassung einer inländischen Muttergesellschaft an eine ausländische Tochtergesellschaft kommt diese Vorschrift zum Einsatz. Wie bereits erläutert, stellen Nutzungsüberlassungen und Leistungen zwischen Muttergesellschaft und Tochtergesellschaft keine einlagefähigen Güter dar. Daher findet eine Gewinnberichtigung bei einer zu niedrig oder gar nicht angesetzten Nutzungsüberlassung im Rahmen der verdeckten Einlage nicht statt. Da es bei § 1 AStG nicht auf die Einlagefähigkeit ankommt, ist diese Norm als Auffangvorschrift anzuwenden.668 § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG: Werden Einkünfte eines Steuerpflichtigen aus einer Geschäftsbeziehungen zum Ausland mit einer ihm nahe stehenden Person dadurch gemindert, dass er seiner Einkünfteermittlung andere Bedingungen, insbesondere Preise (Verrechnungspreise), zugrunde legt, als sie voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder vergleichbaren Verhältnissen vereinbart hätten (Fremdvergleichsgrundsatz), sind seine Einkünfte unbeschadet anderer Vorschriften so anzusetzen, wie sie unter den zwischen voneinander unabhängigen Dritten vereinbarten Bedingungen angefallen wären. Es zeigen sich vier Tatbestandmerkmale: (1) Es muss zum einen die Minderung des Gewinns eines im Inland ansässigen Steuerpflichtigen vorliegen.
668
Vgl. Wassermeyer, F./ Baumhoff, H., Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Köln 2001, Rz. 77.
Rechtliche Regelungen
433
(2) Diese muss aus einer Geschäftsbeziehung mit dem Ausland entstanden sein. Steuerpflichtiger i.S. dieser Gesetzesstelle kann sowohl eine unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtige natürliche Person als auch eine Körperschaft sein.669 (3) Zum anderen muss der ausländische Geschäftspartner des Steuerpflichtigen eine ihm nahe stehende Person sein. (4) Außerdem müssen zwischen den Beteiligten unübliche Bedingungen vereinbart worden sein, die voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder ähnlichen Verhältnissen nicht vereinbart hätten. Hierbei handelt es sich jedoch nicht wie bei der verdeckten Gewinnausschüttung um den betriebsinternen Fremdvergleich, sondern um einen betriebsexternen Fremdvergleich, was zu einer unterschiedlichen Bewertung der Bedingungen aufgrund der unterschiedlichen Fremdvergleichsmaßstäbe führen kann. Sind diese Tatbestandsmerkmale erfüllt, so wird eine Korrektur dahingehend vorgenommen, dass die Einkünfte bzw. Entgelte für Lieferungen und Leistungen so angesetzt werden, wie sie unabhängige Dritte miteinander vereinbart hätten.
Beispiel
Die Hamburger Mickey GmbH überlässt ihrem Mehrheitsgesellschafter, der in London ansässigen Turkish Inc., einen Wohnwagen, der bisher von Außendienstmitarbeitern auf Geschäftsreise verwendet wurde, zur Nutzung als Geschäftsraum zu einem Mietpreis von 1.000 € p.a. Marktüblich wäre ein Entgelt i.H.v. 8.000 € p.a.
Lösung
Der oben beschriebene Vorteilsausgleich bei mehreren Geschäften, die in engem Zusammenhang stehen, ist auch bei der Berichtigung von Einkünften nach § 1 AStG möglich.
Eine Einkünfteberichtigung im Rahmen der verdeckten Einlage kommt nicht in Betracht, da eine Nutzungsüberlassung kein einlagefähiges Wirtschaftsgut darstellt. Daher greift die Auffangvorschrift des § 1 AStG. Da im vorliegenden Beispielsfall alle Tatbestandsmerkmale des § 1 AStG erfüllt sind, ist eine Berichtigung (d.h. Erhöhung) der zu versteuernden Einkünfte der Mickey GmbH um 7.000 € p.a. vorzunehmen.
Merke: § 1 AStG erfasst Einkunftsminderungen, die nicht in den Anwendungsbereich der verdeckten Gewinnausschüttung oder der verdeckten Einlage fallen. Die Anwendung des § 1 AStG ist an die Erfüllung bestimmter Tatbestandsmerkmale geknüpft. Rechtsfolge ist die Einkünftekorrektur entsprechend den Drittvergleichsgrundsätzen (betriebsexterner Fremdvergleich).
669
Vgl. BFH v. 30.05.1990, I-R-97/88, BStBl. II 1990, S. 875.
434
2.2.5
Nationales Recht
Verwaltungsgrundsätze
Verwaltungsgrundsätze bilden keine eigenständigen Rechtsnormen, sondern konkretisieren und erläutern lediglich bestehendes Recht. Die Grundsätze stellen für die Finanzverwaltung eine sie selbst bindende Vorgehens- und Betrachtungsweise dar. Nur die Finanzverwaltung ist somit an sie gebunden. Daher können sich Steuerpflichtige auf die Bindung der Finanzverwaltung berufen, sind aber ihrerseits nicht an die Grundsätze gebunden. Dies schafft für den Steuerpflichtigen Rechtssicherheit gegenüber der Finanzverwaltung. Die VWG 1983 spiegeln die Auffassung der Finanzverwaltung zur Abgrenzung und Berichtigung von Einkünften sowie zur Bestimmung von Verrechnungspreisen wieder. Sie lassen sich nach ihrem Inhalt im Wesentlichen in drei Kategorien einteilen. Sie enthalten entweder x norminterpretierende Aussagen, die die gesetzlichen Regelungen auslegen, x Rechtsverweisungen, die lediglich auf bestehende Gesetze verweisen bzw. deren Inhalt wiedergeben oder x Darstellungen der Verrechnungspreismethoden.670 In der folgenden Tabelle sind die konkreten Inhalte der VWG 1983 dargestellt. Inhalt der Verwaltungsgrundsätze Tz. 1:
Aufzählung und Erläuterung der rechtlichen Regelungen für die Einkunftsabgrenzung
Tz. 2:
Darstellung des Fremdvergleichsgrundsatzes nach dem Verständnis der Finanzverwaltung; Beschreibung der Standardmethoden
Tz. 3-6:
Spezielle Regelungen für die verschiedenen Lieferungs- und Leistungsarten
Tz. 7-10: Verschiedene Verfahren; Durchführung der Berichtigung von Einkünften Abbildung 124: Inhalt der Verwaltungsgrundsätze Zur gesetzlichen Verankerung der Dokumentations- und Mitwirkungspflichten eines Steuerpflichtigen in Bezug auf seine Verrechnungspreise wurde durch das StVergAbG der § 90 Abs. 3 AO eingeführt und am 13.11.2003 die GAufzV erlassen. Bei der Anwendung dieser gesetzlichen Regelungen in der Praxis traten jedoch regelmäßig Unklarheiten auf. In den VWG-Verfahren 2005 konkretisiert und erläutert das BMF die bestehenden Vorschriften und versucht damit, die praktische Anwendung zu erleichtern. Dazu wird die Auffassung
670
Vgl. Vögele, A. (Hrsg.), Handbuch der Verrechnungspreise, 2. Aufl., München 2004, S. 89.
Rechtliche Regelungen
435
der Finanzverwaltung insbesondere bezüglich der Angemessenheitsdokumentation, dem Kernstück der Verrechnungspreisdokumentation, wiedergegeben.
2.3 Internationales Recht Im folgenden Kapitel werden die internationalen Vorschriften und Regelungen vorgestellt, die zum Einsatz kommen, wenn zwischen den Ansässigkeitsstaaten der verbundenen Unternehmen ein Doppelbesteuerungsabkommen vorliegt oder wenn beide Staaten Mitglied der Europäischen Union sind.
2.3.1
Besteuerung verbundener Unternehmen gemäß Art. 9 Abs. 1 OECD-MA
Nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA sind grundsätzlich Unternehmensgewinne im Ansässigkeitsstaat der Unternehmung zu versteuern. Wird im Ausland eine Betriebsstätte errichtet, so steht dem ausländischen Staat ein Besteuerungsrecht für die in der Betriebsstätte erwirtschafteten Gewinne zu. Jedes der verbundenen Unternehmen hat somit den von ihm erwirtschafteten Gewinn im jeweiligen Ansässigkeitsstaat zu versteuern. Ein verbundenes Unternehmen ist gem. Art. 9 Abs. 1 OECD-MA dann gegeben, wenn ein Unternehmen unmittelbar oder mittelbar an der Geschäftsleitung, der Kontrolle oder dem Kapital eines anderen Unternehmens beteiligt ist oder wenn dieselben Personen unmittelbar oder mittelbar an der Geschäftsleitung, der Kontrolle oder dem Kapital zweier Unternehmen beteiligt sind. Um eine verursachungsgerechte Besteuerung im Sinne des Art. 7 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA zu ermöglichen, muss eine Gewinnabgrenzung zwischen den verbundenen Unternehmen stattfinden. Die Transaktionen zwischen diesen Unternehmen müssen dem betriebsexternen Fremdvergleich gem. Art. 9 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA standhalten. Dieser ist nicht erfüllt, wenn beide Unternehmen in ihren kaufmännischen oder finanziellen Beziehungen an vereinbarte oder auferlegte Bedingungen gebunden sind, die von denen abweichen, die unabhängige Unternehmen miteinander vereinbart hätten. § 1 AStG entspricht prinzipiell diesem Grundsatz. Die in § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG neu eingefügte Fiktion der Kenntnis aller wesentlichen Umstände der Geschäftsbeziehung ist jedoch nicht mit dem internationalen Fremdvergleichsgrundsatz nach Art. 9 OECD-MA zu vereinbaren.671 Nach internationaler Sichtweise müssen unabhängige Dritte lediglich frei zugängliche oder mit überschaubarem Aufwand recherchierbare Informationen gegen sich gelten lassen.672 Sie 671
Vgl. Wassermeyer, F., Modernes Gesetzgebungsniveau am Beispiel des Entwurfs zu § 1 AStG, DB 2007, S. 536.
672
Vgl. Baumhoff, H., in: Flick, H./ Wassermeyer, F./ Baumhoff, H., Außensteuerrecht: Kommentar, 62. Erg.-Lfg., Köln 2008, § 1 AStG, Rz. 122.
436
Internationales Recht
verfügen entgegen der Gesetzesformulierung in der Regel nicht über vollständige Informationen.673 Hält die Gewinnabgrenzung zwischen den verbundenen Unternehmen dem Fremdvergleich nicht stand, so hat derjenige Staat, dessen Besteuerungsgrundlage unsachgerecht gemindert wurde, das Recht, diese im Zuge der so genannten Erstberichtigung gem. Art. 9 Abs. 1 OECD-MA zu korrigieren. Da das Ziel von Doppelbesteuerungsabkommen die Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung ist, sollte der andere Staat eine Gegenberichtigung nach Art. 9 Abs. 2 OECD-MA vornehmen, um einseitigen Gewinnkorrekturen und somit Doppelbesteuerungen entgegenzuwirken. Jedoch haben die Korrekturnormen der DBA keine „self-executing“-Wirkung;674 sie räumen dem betroffenen Staat lediglich eine Ermächtigung zur Korrektur ein.675 Die eigentliche Rechtsgrundlage für eine Einkünftekorrektur muss sich aus dem nationalen Recht des berichtigenden Staates ergeben, wie z.B. die verdeckte Gewinnausschüttung (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG), die verdeckte Einlage (§ 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 und 7 EStG) und die Berichtigung von Einkünften (§ 1 AStG) im deutschen Steuerrecht. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass für den Fall, dass ein Staat keine nationalen Korrekturvorschriften besitzt, auch bei Vorliegen eines DBA keine Gewinnberichtigung vorgenommen werden kann.676 Die DBA-Gewinnberichtigungsklauseln i.S.d. Art. 9 Abs. 1 OECD-MA stellen zwar keine eigenständige Rechtsgrundlage dar, definieren aber den Fremdvergleichsmaßstab für alle Staaten verbindlich als gemeinsames Abgrenzungskriterium, so dass ihnen eine „Schrankenwirkung“ beizumessen ist. Die beteiligten Staaten dürfen deshalb nur nach dem Maßstab des Fremdvergleichs Gewinnkorrekturen durchführen. Diese Bindungswirkung ist in der Literatur umstritten;677 allerdings halten sich die OECD-Staaten an eine weitgehende Selbstbindung.678 Da eine über den Fremdvergleichsmaßstab hinausgehende Korrektur nach h.M. nicht zulässig ist, haben Unternehmen – jedenfalls theoretisch – Rechtssicherheit bezüglich des Korrekturmaßstabs.
673
Vgl. Kaminski, B., Änderungen im Bereich der internationalen Einkunftsabgrenzung, RIW 2007, S. 595.
674
Vgl. BFH v. 12.03.1980, I-R-186/76, BStBl. II 1980, S. 531.
675
Vgl. Mössner, J. (Hrsg.), Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 3. Aufl., Köln 2005, S. 441.
676
Vgl. Eigelshoven, A., in: Vogel, K./Lehner, M. (Hrsg.), Doppelbesteuerungsabkommen Kommentar, 5. Aufl., München 2008, Art. 9, Rz. 19.
677
Vgl. u.a. Vögele, A. (Hrsg.), Handbuch der Verrechnungspreise, 2. Aufl., München 2004, S. 123 ff.; Mössner, J. (Hrsg.), Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 3. Aufl., Köln 2005, S. 442.
678
Vgl. Vögele, A. (Hrsg.), Handbuch der Verrechnungspreise, 2. Aufl., München 2004, S. 125.
Rechtliche Regelungen
437
Merke: Unternehmensgewinne von verbundenen Unternehmen dürfen gem. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA im Ansässigkeitsstaat des Unternehmens, von dem sie erwirtschaftet wurden, versteuert werden. Als Maßstab für die Gewinnabgrenzung gilt der Fremdvergleichsgrundsatz nach Art. 9 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA. Die DBA-Gewinnberichtigungsklauseln bilden jedoch keine eigenständige Rechtsgrundlage, sondern verpflichten lediglich die beteiligten Staaten, den Fremdvergleich als Maßstab anzuerkennen (Schrankenwirkung).
2.3.2
Verrechnungspreisgrundsätze der OECD
Die OECD hat zur Erläuterung des Art. 9 OECD-MA, zur Klärung besonderer Aspekte der Verrechnungspreisproblematik und insbesondere auch zur Präzisierung des Maßstabs des Fremdvergleichsgrundsatzes in den Jahren 1995 und 1996 überarbeitete „Verrechnungspreisgrundsätze für multinationale Unternehmen und Steuerverwaltungen“ herausgegeben.679 In der aktuellen Auflage der Verrechnungspreisgrundsätze aus dem Jahr 2009680 sind verschiedene Änderungen enthalten. Insbesondere wurde dabei auf den neuen Art. 25 Abs. 5 OECD-MA (obligatorisches Schiedsverfahren) eingegangen. Weitere Neuerungen sind für die Kapitel I bis III geplant. Ein entsprechender Diskussionsentwurf wurde von der OECD am 09.09.2009 veröffentlicht.681 Eine rechtliche Bindung der OECDMitgliedsstaaten an die Grundsätze besteht nicht. Es steht den Mitgliedsstaaten frei, die Grundsätze in nationales Recht umzusetzen. Die Verrechnungspreisgrundsätze sind lediglich ein amtliches, hochrangiges Rechtsgutachten und eine Orientierungshilfe.682
2.3.3
EU-Übereinkommen
Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten innerhalb der Europäischen Union ist außer den Doppelbesteuerungsabkommen auch europäisches Recht zu beachten. Im Rahmen der Gewinnabgrenzung und Verrechnungspreisbestimmung ist das „Übereinkommen über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen“ von Bedeutung. Das Übereinkommen wurde bereits am 23.07.1990 unterzeichnet, es ist jedoch erst am 01.01.1995 in Kraft getreten. Damit das Übereinkommen als ein völkerrechtlicher Vertrag Gültigkeit erlangen konnte, musste es zunächst von sämtlichen Mitgliedsstaaten der EU ratifiziert werden. Es wird als wichtiger Schritt für die
679
Vgl. OECD, Verrechnungspreisgrundsätze für multinationale Unternehmen und Steuerverwaltungen, 1995/96, Einführung.
680
Vgl. OECD, Verrechnungspreisgrundsätze für multinationale Unternehmen und Steuerverwaltungen, 2009.
681
Vgl. http://www.oecd.org/document/34/0,3343,en_2649_33753_1915490_1_1_1_1,00.html.
682
Vgl. Rasch, S., Konzernverrechnungspreise im nationalen, bilateralen und europäischen Steuerrecht, Köln 2001, S. 199 f.
438
Internationales Recht
Harmonisierungsbestrebungen auf dem Gebiet der Steuern in der EU gewertet.683 Das Übereinkommen verlängert sich jeweils um weitere fünf Jahre, wenn kein Mitgliedsstaat Widerspruch einlegt.684 Ziel des Übereinkommens ist es, Doppelbesteuerungen bei der Berichtigung von Verrechnungspreisen zu vermeiden. Gem. Art. 1 des EU-Übereinkommens muss es sich dabei um eine Doppelbesteuerung aufgrund einer nicht koordinierten Gewinnberichtigung eines Rechtsgeschäfts zwischen verbundenen Unternehmen handeln, die in zwei verschiedenen Mitgliedsstaaten ansässig sind. Als Maßstab hierfür gilt der in Art. 4 des EUÜbereinkommens verankerte Fremdvergleichsgrundsatz. Hierbei wurde Art. 9 Abs. 1 OECD-MA wörtlich übernommen. In Art. 14 des EU-Übereinkommens werden zwei Möglichkeiten der Beseitigung der Doppelbesteuerung genannt: entweder Zuteilung des Besteuerungsrechts auf einen der beiden Staaten oder Aufteilung des Besteuerungsrechts zwischen beiden Staaten. Aufgrund dieser Regelung besteht eine Schutzwirkung für verbundene Unternehmen vor einer einseitigen Gewinnkorrektur und somit einer Doppelbesteuerung.685 Die Beseitigung der Doppelbesteuerung erfolgt in einem dreistufigen Verfahren. Zuerst muss die Finanzbehörde eines Vertragsstaats in einem Vorverfahren (Art. 5 des EUÜbereinkommens) das betroffene Unternehmen rechtzeitig von der Gewinnberichtigung unterrichten. Ist das Unternehmen und das verbundene Unternehmen mit der Gewinnberichtigung einverstanden und darf auch das verbundene Unternehmen eine entsprechende Gegenberichtigung vornehmen, führt dies zur Beendigung des Verfahrens. Erachtet jedoch ein Unternehmen die Gewinnberichtigung für nicht konform mit dem Fremdvergleichsgrundsatz, hat es die Möglichkeit, dies seiner zuständigen Finanzbehörde mitzuteilen. Diese wiederum kontaktiert die Finanzverwaltung des anderen Staates, und es wird ein Verständigungsverfahren gem. Art. 6 Abs. 1 des EU-Übereinkommens eingeleitet. Kommt es nicht innerhalb einer Frist von zwei Jahren (Art. 7 Abs. 1 des EUÜbereinkommens) zu einer Einigung, beginnt ein Schlichtungsverfahren. Hierzu wird ein beratender Ausschuss eingesetzt, der innerhalb von sechs Monaten (Art. 11 Abs. 1 des EUÜbereinkommens) eine Stellungnahme zur Beseitigung der Doppelbesteuerung vorlegen muss. Die endgültige Entscheidung hierüber obliegt den beteiligten Finanzbehörden. Sie sind dabei nur an die Beseitigung der Doppelbesteuerung, nicht jedoch an die Stellungnahme des Ausschusses gebunden (Art. 12 Abs. 1 des EU-Übereinkommens).
683
Vgl. u.a. Saß, G., Zum EG-Abkommen über die Beseitigung der Doppelbesteuerung (Schlichtungsverfahren) im Falle einer Gewinnberichtigung bei Geschäftsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen, DB 1991, S. 984; Rasch, S., Konzernverrechnungspreise im nationalen, bilateralen und europäischen Steuerrecht, Köln 2001, S. 263 f.
684
Vgl. EU ECOFIN, Council of Ministers Conclusions, 19.05.1998.
685
Vgl. Schaumburg, H., Internationales Steuerrecht, 2. Aufl., Köln 1998, S. 817.
Methoden zur Festlegung der Verrechnungspreise
439
Dieses EU-Übereinkommen stellt insbesondere wegen der zeitlichen Befristung des Verfahrens eine wertvolle Hilfe für Unternehmen dar, zumal die beteiligten Finanzverwaltungen im Gegensatz zu den Vereinbarungen in den DBA verpflichtet sind, sich zu einigen.686 Zusätzlich hat die Europäische Kommission im Jahr 2002 ein EU-Verrechnungspreisforum eingesetzt, dessen Mitglieder Vorschläge erarbeiten, die zu einer einheitlicheren Anwendung der Verrechnungspreisvorschriften innerhalb der EU führen sollen. Bisher wurden u.a. der „Vorschlag eines Verhaltenskodexes zur effektiven Durchführung des Schiedsübereinkommens“687 sowie der „Vorschlag eines Verhaltenskodexes zur Verrechnungspreisdokumentation für verbundene Unternehmen“688 veröffentlicht. Letzterer zielt darauf ab, dass multinationale Unternehmen den Finanzbehörden der EU-Mitgliedstaaten eine standardisierte Verrechnungspreisdokumentation vorlegen können. Er wurde im Juni 2006 vom Rat der Europäischen Union in Form einer Entschließung bestätigt.689 Darüber hinaus wurde im Februar 2007 ein Bericht über die „Tätigkeit des Gemeinsamen EU-Verrechnungspreisforums im Bereich der Streitvermeidungs- und Streitbeilegungsverfahren und über die Leitlinien für Verrechnungspreiszusagen in der EU"690 erstellt. Erklärtes Ziel ist es, mit Hilfe von Leitlinien für Verrechnungspreiszusagen zu verhindern, dass es innerhalb der EU zu Streitfällen oder Doppelbesteuerung kommt.
3 Methoden zur Festlegung der Verrechnungspreise Wie bereits im vorherigen Abschnitt dargelegt, stellen sowohl die internationalen als auch die nationalen Einkünftekorrekturnormen auf den allgemein anerkannten Fremdvergleichsgrundsatz ab, wenngleich mit einigen geringen Unterschieden, wie beispielsweise der Differenzierung nach betriebsexternem bzw. betriebsinternem Fremdvergleich. Die deutsche Rechtsprechung hat sich für eine Vereinheitlichung der Korrekturmaßstäbe entschieden, so dass der Maßstab des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters auch auf den betriebsexternen Fremdvergleich Anwendung findet.691 Verbundene Unternehmen müssen ihre Verrechnungspreise für den konzerninternen Leistungsaustausch grundsätzlich so bestimmen, wie sie ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter auch mit fremden Dritten vereinbart hätte. Als Unterstützung zur Verrechnungspreisbestimmung innerhalb des vorgegebenen gesetzlichen Rahmens können Unternehmen auf eine Reihe von Methoden zur Berechnung der Verrechnungspreise zurückgrei686
Vgl. Kaminski, B., Verrechnungspreisbestimmung bei fehlendem Fremdvergleichspreis, Neuwied 2001, S. 409 f.
687
Vgl. Mitteilung der Europäischen Kommission v. 23.04.2004, KOM/2004/297.
688
Vgl. Mitteilung der Europäischen Kommission v. 07.11.2005, KOM/2005/543.
689
Vgl. http://register.consilium.europa.eu/pdf/de/06/st09/st09738.de06.pdf.
690
Vgl. Mitteilung der Europäischen Kommission v. 26.02.2007, KOM/2007/71.
691
Vgl. BFH v. 17.05.1995, I-R-147/93, BStBl. II 1996, S. 204.
440
Internationales Recht
fen. Aufgrund der zahlreichen Parameter, die den Verrechnungspreis beeinflussen, gibt es nach herrschender Meinung692 nicht den exakten Verrechnungspreis, sondern nur gewisse Bandbreiten,693 innerhalb derer der Verrechnungspreis liegen muss.694 Neben den drei Standardmethoden, die zur Bestimmung von Verrechnungspreisen grundsätzlich zulässig sind, gibt es die sog. gewinnbasierten Methoden, wobei die geschäftsvorfallbezogenen Methoden und die globalen Gewinnaufteilungsmethoden zu unterscheiden sind. Da ausschließlich die geschäftsvorfallbezogenen Methoden dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen, sind nur diese in den OECD-Verrechnungspreisrichtlinien sowie den deutschen VWG-Verfahren 2005 zugelassen und unter bestimmten Voraussetzungen anzuwenden.695 Während anhand der Standardmethoden die Angemessenheit von einzelnen Preisen überprüft wird, geht es bei den gewinnorientierten Methoden um die Aufteilung des Gewinns zwischen verbundenen Unternehmen. Die folgende Abbildung stellt die Einordnung der verschiedenen Verrechnungspreismethoden, unabhängig von ihrer rechtlichen Zulässigkeit, graphisch dar:
692
Vgl. Wassermeyer, F./ Baumhoff, H., Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Köln 2001, S. 180 f.
693
Vgl. OECD, Verrechnungspreisgrundsätze für multinationale Unternehmen und Steuerverwaltungen, 2009, Tz. 1.45; VWG-Verfahren 2005, Tz. 3.4.12.5.
694
Diese Auffassung unterstützt auch der BFH in seinem Urteil v. 17.10.2001, I-R-103/00, IStR 2001, S. 745.
695
Vgl. OECD, Verrechnungspreisgrundsätze für multinationale Unternehmen und Steuerverwaltungen, 2009, Tz. 3.1; VWG-Verfahren 2005, Tz. 3.4.10.3 Bst. b, c.
441
Methoden zur Festlegung der Verrechnungspreise
Verrechnungspreismethoden Transaktionsbasierte Methoden (Standardmethoden) Preisvergleichsmethode
Wiederverkaufspreismethode
Gewinnbasierte Methoden Kostenaufschlagsmethode
Geschäftsvorfallbezogene Methoden Geschäftsvorfallbezogene Gewinnaufteilungsmethode
Geschäftsvorfallbezogene Nettomargenmethode
Globale Gewinnaufteilungsmethoden Gewinnvergleichsmethode
Global formelhafter Gewinnzuordnungsansatz
Abbildung 125: Einordnung der Verrechnungspreismethoden Im Rahmen einer Betriebsprüfung kontrolliert die Finanzverwaltung, ob die vom Unternehmen festgelegten Verrechnungspreise nach dem Grundsatz des Fremdvergleichs angemessen sind. Dies erfolgt vorrangig anhand der vom Unternehmen gewählten Methode, sofern diese geeignet ist den Verrechnungspreis nach dem Fremdvergleichsgrundsatz zu bestimmen und die Wahl sachlich nachvollziehbar ist.696 Eine Berichtigung der Verrechnungspreise wird vorgenommen, wenn die Überprüfung zu abweichenden Ergebnissen führt oder der Betriebsprüfer zu der Ansicht gelangt, dass die vom Unternehmen gewählte Methode nicht vertretbar ist.
3.1 Standardmethoden Bei der Bestimmung von Verrechnungspreisen kann auf drei Standardmethoden zurückgegriffen werden. Diese werden von den deutschen VWG 1983 (Tz. 2.2.), § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG, den OECD-Verrechnungspreisrichtlinien (Tz. 2.1) und auch den USVerrechnungspreisrichtlinien (Sec. 1.482-3(a)) aufgeführt. Dazu zählen die Preisvergleichsmethode, die auf den am Markt erzielbaren Preis abstellt, die Wiederverkaufs-
696
Vgl. Jacobs, O. (Hrsg.), Internationale Unternehmensbesteuerung, 6. Aufl., München 2007, S. 724 f.
442
Standardmethoden
preismethode, die vom Wiederverkaufspreis abzüglich einer Handelsspanne ausgeht, und die Kostenaufschlagsmethode, die auf die Herstellungskosten einen bestimmten Gewinn aufschlägt. Welche Methode am besten geeignet ist, richtet sich nach dem Einzelfall. Je nach Art der Transaktion zwischen Konzernunternehmen kann dennoch eine grundsätzliche Aussage bezüglich der Methodenverwendung getroffen werden. Bspw. wird bei der Lieferung von beweglichen Gütern an ein verbundenes Unternehmen i.d.R. die Preisvergleichsmethode bevorzugt.697 Die Standardmethoden können auch vermischt oder modifiziert werden, um sie an die Marktanforderungen anzupassen.698 Die folgende Grafik stellt anhand der Stufen der Wertschöpfung dar, wie der Verrechnungspreis mit Hilfe der drei Standardmethoden zustande kommt.
Grafische Darstellung der Standardmethoden Stufen der Wertschöpfung Marktpreis c) a)
Verrechnungspreis b) Herstellungskosten
Verbundene Unternehmen
Fremde Unternehmen
Abbildung 126: Darstellung der Standardmethoden anhand der Wertschöpfungskette Bei der Preisvergleichsmethode (a) orientiert sich der Verrechnungspreis an dem Preis, den zwei fremde Unternehmen vereinbart haben bzw. hätten. Bei der Kostenaufschlagsmethode (b) wird dagegen von den Herstellungskosten des liefernden verbundenen Unternehmens ausgegangen, diese werden um einen angemessenen Gewinnaufschlag erhöht. Bei der Wiederverkaufspreismethode (c) wird von der entgegengesetz-
697
Vgl. Ernst & Young, Global Transfer Pricing Surveys 2007-2008, S. 19.
698
Vgl. VWG 1983, Tz. 2.4.2.
Methoden zur Festlegung der Verrechnungspreise
443
ten Seite auf den Verrechnungspreis geschlossen, indem vom Marktpreis, zu dem das verbundene Unternehmen das Gut weiterveräußert, eine marktübliche Handelsspanne abgezogen wird, um den Lieferpreis an das verbundene Unternehmen zu ermitteln. Eine Rangfolge dieser Methoden existiert nicht,699 allerdings sollte die Methode gewählt werden, die den tatsächlichen Marktverhältnissen am nächsten kommt und für die die zuverlässigsten Daten zur Verfügung stehen.
3.1.1
Preisvergleichsmethode
Die Preisvergleichsmethode700 (comparable uncontrolled price method – CUP) ist die einzige, die einem tatsächlichen Fremdvergleich entspricht. Es handelt sich daher um die direkteste und verlässlichste Methode.701 Hierbei wird der zwischen zwei verbundenen Unternehmen vereinbarte Verrechnungspreis für eine Lieferung oder Leistung mit dem Marktpreis verglichen, der zwischen Fremden bei vergleichbaren Geschäften vereinbart wurde. Der innere Preisvergleich setzt voraus, dass ein Unternehmen vergleichbare Geschäfte zum einen mit einem verbundenen Unternehmen und zum anderen mit einem fremden Unternehmen getätigt hat. Der Verrechnungspreis wird mit dem Marktpreis, den das verbundene Unternehmen mit dem fremden Dritten vereinbart hat, verglichen. Die Tatsache, dass eines der verbundenen Unternehmen an dem Zustandekommen des Marktpreises beteiligt war, ist nicht hinderlich, solange keine unüblichen Bedingungen, etwa zum Zweck der Manipulation der Vergleichsbasis, für diese Geschäfte vereinbart wurden. Im Gegensatz dazu bedarf es für einen äußeren Preisvergleich zweier fremder Unternehmen, die vergleichbare Geschäfte wie die verbundenen Unternehmen tätigen. Da bei Zustandekommen dieses Preises keines der verbundenen Unternehmen beteiligt war, gibt es üblicherweise keine Bedenken bezüglich der Validität des Marktpreises. Der äußere Preisvergleich kommt i.d.R. für standardisierte und marktgängige Güter und Dienstleistungen in Betracht, sowie für Güter, die börsennotiert sind oder für die branchenübliche Preise existieren. Für börsennotierte Güter existiert ein Börsenpreis, zu dem diese auf Waren- oder Terminbörsen gehandelt werden. Maßgeblich ist in diesem Fall auch der Zeitpunkt, da sich Börsenpreise innerhalb kurzer Zeit verändern können. Branchenübliche Preise sind Listenpreise für Waren, die in großen Mengen gehandelt werden. Voraussetzung für die Anwendbarkeit dieser Methode ist, dass eine direkte oder zumindest indirekte Vergleichbarkeit der Geschäfte gegeben ist. Eine direkte Vergleichbarkeit (di699
Vgl. VWG 1983, Tz. 2.4.1.
700
Vgl. VWG 1983, Tz. 2.2.2.
701
Vgl. OECD, Verrechnungspreisgrundsätze für multinationale Unternehmen und Steuerverwaltungen, 2009, Tz. 2.7.
444
Standardmethoden
rekter Preisvergleich) der Geschäfte ist möglich, wenn die maßgebenden Bewertungs- und Einflussfaktoren (z.B. Menge, Lieferbedingungen, Service) ähnlich oder identisch sind. Im Gegensatz dazu können bei einem indirekten Preisvergleich auch Geschäfte verglichen werden, die sich stärker unterscheiden. Es muss allerdings möglich sein, die abweichenden Faktoren zu eliminieren und den Preis für das Geschäft zu korrigieren.702
Beispiel
Häufig ergeben sich in der Praxis Probleme bei der Anwendung der Preisvergleichsmethode. Insbesondere ist es im konkreten Einzelfall häufig unmöglich, die Vergleichbarkeit der Geschäfte herzustellen, da sich nicht alle Einflussfaktoren quantifizieren und/oder eliminieren lassen. Vergleichspreise sind gerade dann, wenn die konzerninternen Lieferungen oder Leistungen nicht börsennotiert oder branchenüblich sind, nur sehr schwer zu ermitteln. Für Leistungen, die ausschließlich innerhalb von Konzernen anfallen, gibt es de facto keine externen Vergleichswerte.703 Die kolumbianische Tochtergesellschaft Banana Joe Corp. liefert 100 t Bananen an die deutsche Muttergesellschaft Mücke AG zu einem Preis, der 10 % über dem Börsenpreis für Bananen zum Lieferdatum liegt. Da keine abweichenden Bedingungen vereinbart wurden, die einen höheren Preis als den an der Warenterminbörse bestimmten üblichen Börsenpreis rechtfertigen, ist der Verrechnungspreis überhöht.
Beispiel
In diesem Beispielfall liegt die Vermutung nahe, dass der Verrechnungspreis für Zwecke der Gewinnverlagerung nach Kolumbien bewusst zu hoch angesetzt wurde, um das dortige Steuerniveau, das deutlich geringer ist als in Deutschland, auszunutzen. Die US-amerikanische Teddy Inc. stellt Jeanshosen unter dem sehr bekannten Label Sammy Jeans her. Die in München ansässige Tochtervertriebsgesellschaft Leonard Shelby GmbH vertreibt diese Jeanshosen in Deutschland. Die George AG aus Hamburg ist der einzige Konkurrent, der ebenfalls Jeanshosen von gleicher Qualität herstellt und diese an unabhängige Vertriebsgesellschaften in ganz Europa verkauft. Die George AG hat jedoch im Gegensatz zur Teddy Inc. keinen besonderen Markennamen und verkauft ihre Jeanshosen daher an Wiederverkäufer 30 % günstiger als die Teddy Inc.
Da im Beispielfall die Produkte aufgrund des Markenimages nicht direkt vergleichbar sind, kommt im Falle eines äußeren Preisvergleichs lediglich die indirekte Variante in Betracht. Dabei muss der Wert des Produktimages quantifiziert werden, um feststellen zu können, ob ein Aufschlag von 30 % gerechtfertigt ist. Dieses Beispiel zeigt, dass eine exakte Bestimmung des Verrechnungspreises in der Praxis sehr schwer durchführbar ist.
702
Vgl. VWG 1983, Tz. 2.1.7.
703
Vgl. Mössner, J. (Hrsg.), Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 3. Aufl., Köln 2005, S. 461.
Methoden zur Festlegung der Verrechnungspreise
445
Eine andere Möglichkeit ist die Anwendung eines inneren Preisvergleichs. Dieser lässt sich allerdings nur dann durchführen, wenn die Teddy Inc. ihre Jeanshosen neben der Leonard Shelby GmbH auch an fremde Dritte zu denselben Bedingungen veräußert. Ist dies der Fall, können diese Marktpreise mit den tatsächlich vereinbarten Verrechnungspreisen verglichen werden, und es lässt sich so feststellen, ob diese gerechtfertigt sind.
3.1.2
Wiederverkaufspreismethode
Die Wiederverkaufspreismethode704 (resale price method – RPM), auch Absatzmethode genannt, verwendet als Basis den Absatzpreis bzw. den Marktpreis, zu dem ein Unternehmen Waren, die es von einem verbundenen Unternehmen erworben hat, an fremde Dritte weiterveräußert. Ausgehend vom Absatzpreis wird dieser retrograd durch Abzug einer marktüblichen Handelsspanne gekürzt, um so den Preis zu erhalten, den das verbundene Unternehmen für die Ware beim wiederverkaufenden Unternehmen in Rechnung stellen kann. Dieser stellt den Verrechnungspreis dar. Die marktübliche Handelsspanne wird i.d.R. ausgehend vom Absatzpreis prozentual in Form einer Rohgewinnmarge angesetzt und hauptsächlich durch drei Komponenten determiniert: durch die entstandenen Kosten des Wiederverkäufers, die Funktionen und Risiken, die der Wiederverkäufer innerhalb des Konzerns übernimmt, und durch einen angemessenen Gewinnaufschlag. Daraus ergibt sich, dass der absolute Betrag der Handelsspanne aufgrund variabler Markt- bzw. Absatzpreise und Stückzahlen im Voraus nicht feststeht. Der Verrechnungspreis lässt sich anhand der Wiederverkaufspreismethode folgendermaßen ermittelt:
./. =
Marktpreis bei Wiederverkauf marktübliche Handelsspanne des Wiederverkäufers Verrechnungspreis
Das Hauptproblem der Wiederverkaufspreismethode besteht darin, die marktübliche Handelsspanne festzulegen. Diese lässt sich zum einen aus vergleichbaren Geschäften des verbundenen Unternehmens mit fremden Dritten ableiten (innerer Preisvergleich). Zum anderen kann die Handelsspanne eines unabhängigen Unternehmens herangezogen werden, das vergleichbare Geschäfte tätigt (äußerer Preisvergleich).705 In diesem Fall müs-
704
Vgl. VWG 1983, Tz. 2.2.3.
705
Vgl. OECD, Verrechnungspreisgrundsätze für multinationale Unternehmen und Steuerverwaltungen, 2009, Tz. 2.15.
446
Standardmethoden
sen die Vergleichsunternehmen jedoch unter anderem eine ähnliche Stellung im Markt haben, eine ähnliche Kostenstruktur aufweisen, über vergleichbare Kundenbeziehungen verfügen, ein vergleichbares unternehmerisches Risiko tragen und ähnliche Konditionen vereinbaren.706 Eine Quantifizierung ist äußerst schwierig, da ein großer Teil der benötigten Daten nicht verfügbar ist. Problematisch wird die Ermittlung der Handelsspanne auch dann, wenn das Produkt vor der Weiterveräußerung verändert wird oder in ein anderes Produkt integriert wird, so dass seine ursprüngliche Identität verloren geht.
Beispiel
Diese Methode eignet sich also, sofern die zuvor genannten Probleme bei der Bestimmung der marktüblichen Handelsspanne beseitigt werden können, besonders für Unternehmen im Vertriebsbereich,707 wenn ein verbundenes Unternehmen an ein anderes verbundenes Unternehmen Lieferungen oder Leistungen erbringt und diese dann vom anderen verbundenen Unternehmen an fremde Dritte weiterveräußert werden. Die AVI GmbH, Tochtergesellschaft der amerikanischen Crocodile Dundee Corp., vertreibt in Deutschland von der Muttergesellschaft produzierte Krokodillederhandtaschen. Die DOUG AG vertreibt in Deutschland vergleichbare Handtaschen. Sie kauft diese allerdings bei unabhängigen Herstellern zu einem Preis von 100 € ein. Die Handelsspanne der DOUG AG beträgt 50 %, ausgehend vom Absatzpreis. Darin enthalten sind die Kosten des Unternehmens sowie ein angemessener Gewinnaufschlag. Somit bietet sie die Handtaschen zu einem Preis von 200 € zum Verkauf an. Da die AVI GmbH deutlich geringere Kosten hat und auch kein Risiko übernimmt, muss die Handelsspanne im Vergleich zur DOUG AG geringer ausfallen. Es soll eine Rohgewinnmarge, die 10 % unter der der DOUG AG liegt, als angemessen unterstellt werden. Wenn die AVI GmbH ihre Handtaschen zum gleichen Preis anbietet wie ihr Konkurrent, bedeutet dies somit, dass der Verrechnungspreis bei 120 € liegen muss. Beispiel zur Wiederverkaufspreismethode – Handtaschen DOUG AG
AVI GmbH
200
200
./. 100
./. 80
100
120
Absatzpreis ./. Handelsspanne (50 % / 40 %) Stückverrechnungspreis Abbildung 127: Beispiel – Wiederverkaufspreismethode
706
Vgl. Mössner, J. (Hrsg.), Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 3. Aufl., Köln 2005, S. 481.
707
Vgl. BFH v. 17.10.2001, I-R-103/00, IStR 2001, S. 745.
Methoden zur Festlegung der Verrechnungspreise
3.1.3
447
Kostenaufschlagsmethode
Die dritte Standardmethode ist die Kostenaufschlagsmethode708 (cost plus method). Ausgangspunkt dieser Methode sind die Selbstkosten des liefernden Unternehmens. Die Kosten werden dabei anhand von Kalkulationen ermittelt, die das Unternehmen auch bei seiner Preispolitik gegenüber fremden Dritten verwendet. Falls keine Geschäfte mit Fremden getätigt werden, so ist die Kalkulation nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen vorzunehmen.709 Einbezogen werden dabei sowohl Einzel- als auch Gemeinkosten. Der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter hat somit einen Spielraum bei der Wahl der Kalkulationsmethode. Soweit betriebswirtschaftliche Gründe dafür sprechen, kann er bei der Verwendung der Kostenaufschlagsmethode variieren. Dies ist beispielsweise bei verschiedenen Produkten oder Geschäftsbereichen erforderlich. Außerdem kann er frei wählen, ob er als Basis die Ist-, Soll- oder Plankosten heranzieht;710 üblicherweise werden die Istkosten verwendet.711 Die Selbstkosten sind um einen angemessenen (betriebs- oder branchenüblichen) Gewinnaufschlag zu erhöhen. Zur Bestimmung des angemessenen Gewinnaufschlags ist sowohl ein innerer Preisvergleich („betriebsüblich“) als auch ein äußerer Preisvergleich („branchenüblich“) möglich. Beim inneren Vergleich wird die Gewinnspanne, die das liefernde Unternehmen mit dem verbundenen Unternehmen vereinbart hat, mit derjenigen verglichen, die gegenüber fremden Dritten vereinbart wurde. Beim äußeren Vergleich dagegen werden branchenübliche Preise herangezogen, die fremde Dritte miteinander vereinbaren. Eine generelle Aussage über die angemessene prozentuale Höhe der Gewinnspanne lässt sich nicht treffen. Es muss daher jeweils der konkrete Einzelfall betrachtet werden. Ebenso wie bei der Wiederverkaufspreismethode spielen auch bei der Kostenaufschlagsmethode Funktion und Risikoverteilung der verbundenen Unternehmen eine bedeutende Rolle. So ist denkbar, dass nur ein geringer Gewinnaufschlag verrechnet werden darf, wenn es sich bei der Lieferung oder Leistung lediglich um einen durchlaufenden Posten handelt. Wenn das gesamte Geschäftsrisiko dagegen beim liefernden Unternehmen liegt, kann eine deutlich höhere Gewinnspanne gerechtfertigt sein. Aufgrund der Überlegung, dass ein Unternehmen Gewinn erzielen muss, um langfristig überleben zu können, ist es auf längere Sicht gesehen nicht möglich, dass der Verrechnungspreis keinen Gewinnaufschlag enthält.
708
Vgl. VWG 1983, Tz. 2.2.4.
709
Vgl. VWG 1983, Tz. 2.2.4.
710
Vgl. VWG 1983, Tz. 2.1.6.c und Tz. 2.4.3.
711
Vgl. OECD, Verrechnungspreisgrundsätze für multinationale Unternehmen und Steuerverwaltungen, 2009, Tz. 2.42.
448
Standardmethoden
Somit ergibt sich für Kostenaufschlagsmethode:
die
Berechnung
des
Verrechnungspreises
nach
der
Selbstkosten des liefernden Unternehmens + angemessener Gewinnaufschlag = Verrechnungspreis
Beispiel
Die in Texas ansässige Happy Inc. hat einen neuartigen Golfball entwickelt, der 20 % weiter fliegt als ein herkömmlicher Golfball. Dabei stellt sie den Kern des Golfballs selbst her, liefert danach das halbfertige Produkt an die deutsche Tochtergesellschaft Shooter GmbH in Stuttgart, die die Schale um den Kern des Golfballs fertigt und den Vertrieb des Golfballs übernimmt. Aufgrund der einzigartigen Eigenschaften des Balls gibt es kein vergleichbares Produkt auf dem Markt.
Lösung
Wenn sowohl die Preisvergleichs- als auch die Wiederverkaufspreismethode nicht anwendbar sind, kommt die Kostenaufschlagsmethode als letzte Möglichkeit in Frage.712 Sie eignet sich besonders dann, wenn keine Marktpreise für die Lieferungen oder Leistungen als Vergleichsmaßstab zur Verfügung stehen. Dies ist insbesondere bei konzernspezifischen Gütern und Dienstleistungen der Fall, die nicht marktfähig sind. In der Praxis wird diese Methode beispielsweise bei konzerninternen Dienstleistungen, für die Lieferung halbfertiger Erzeugnisse zwischen verbundenen Unternehmen oder bei langfristigen Liefervereinbarungen zwischen verbundenen Unternehmen angewandt.
Zur Ermittlung des Verrechnungspreises bietet sich ausschließlich die Kostenaufschlagsmethode an, da sowohl die Preisvergleichsmethode als auch die Wiederverkaufspreismethode nicht anwendbar sind. Die Happy Inc. ermittelt ihre Selbstkosten nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen auf Basis ihres Kostenrechnungssystems. Hinzu kommt ein Gewinnaufschlag, der im Vergleich zu den anderen Golfbällen, die die Happy Inc. herstellt, aufgrund der Neu- und Einzigartigkeit des Balls und des somit höheren erzielbaren Absatzpreises über dem betriebsüblichen Gewinnaufschlag liegt. Die Summe aus den Selbstkosten und dem ermittelten Gewinnaufschlag der Happy Inc. bildet den Verrechnungspreis für die Shooter GmbH.
Die folgende Tabelle stellt abschließend die Funktionsweise der Verrechnungspreisermittlung und die Anwendungsbereiche der drei oben beschriebenen Standardmethoden in einer tabellarischen Übersicht gegenüber.
712
Vgl. Raupach, A., Verrechnungspreissysteme multinationaler Unternehmen, Herne/Berlin 1999, S. 112 f.
449
Methoden zur Festlegung der Verrechnungspreise
Tabellarische Übersicht zu den Standardmethoden Methode
Ermittlung des VP
Anwendungsgebiete
x Vergleich mit Marktpreis, der Grundsatz: mit oder zwischen Fremden x standardisierte und marktgängige für vergleichbare Geschäfte Güter und Dienstleistungen vereinbart wurde Beispiele: x innerer/äußerer Preisvergleich x börsennotierte Güter Preisvergleichsmethode x direkter/indirekter Preisverx Güter, für die branchenübliche gleich Preise existieren x gewerbliche Dienstleistungen x Kredite x Lizenzverträge
Wiederverkaufspreismethode
Kostenaufschla gsmethode
x Ausgangspunkt: Absatzpreis, Grundsatz: den das verbundene Unter- x besonders geeignet für Unternehmen beim Wiederverkauf nehmen, die Lieferungen oder erzielt hat Leistungen von verbundenen Unternehmen beziehen und diese x Abzug einer marktüblichen dann weiterveräußern (WiederHandelsspanne bestehend aus verkäufer) den Kosten des wiederverkaufenden Unternehmens, einer Beispiele: Vergütung für übernommene x Vertriebsgesellschaften Funktionen und Risiken sowie einem angemessenen Gewinnaufschlag x Ausgangspunkt: Selbstkosten des Unternehmens, das die Lieferungen oder Leistungen an ein verbundenes Unternehmen erbringt x Hinzurechnung eines angemessenen (betriebs- oder branchenüblichen) Gewinnaufschlags
Grundsatz: x Lieferungen und Leistungen, für die keine Marktpreise existieren Beispiele: x konzernspezifische Güter und Dienstleistungen x konzerninterne Dienstleistungen x halbfertige Erzeugnisse x langfristige Liefervereinbarungen
Abbildung 128: Tabellarische Übersicht zu den Standardmethoden
450
Gewinnorientierte Methoden
3.2 Gewinnorientierte Methoden Die gewinnorientierten Methoden lassen sich unterteilen in geschäftsvorfallbezogene Methoden und globale Gewinnaufteilungsmethoden. Die geschäftsvorfallbezogenen Methoden werden von der OECD bereits seit den OECD-Verrechnungspreisrichtlinien 1995/96 unter bestimmten Voraussetzungen akzeptiert.713 Die deutschen Finanzbehörden haben diese erstmalig in den VWG-Verfahren 2005 zur Anwendung zugelassen.714 Die globalen Gewinnaufteilungsmethoden werden dagegen sowohl von der deutschen Finanzverwaltung als auch durch die OECD-Richtlinien abgelehnt, da sie nicht dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen. Die USA gehen diesbezüglich einen Sonderweg; sie erkennen in ihren Verrechnungspreisrichtlinien die Gewinnvergleichsmethode als gleichwertig zu den Standardmethoden an.715 Lediglich der global formelhafte Gewinnzuordnungsansatz, bei dem der konsolidierte Gewinn des Konzerns aufgrund eines festgelegten Zerlegungsschlüssel aufgeteilt werden soll, wird einhellig abgelehnt und daher im Folgenden nicht näher erläutert.
3.2.1
Geschäftsvorfallbezogene Gewinnaufteilungsmethode
Bei der geschäftsvorfallbezogenen Gewinnaufteilungsmethode (profit split method) wird der aus einem einzelnen Geschäft erwartete Gewinn im Voraus zwischen den verbundenen Unternehmen aufgeteilt. Auf den tatsächlich erwirtschafteten Gewinn kommt es dabei nicht an. Die Gewinnaufteilung erfolgt dabei anhand der zu erbringenden Leistungen, der Funktionen der Unternehmen und der Risikoverteilung. Die geschäftsvorfallbezogene Gewinnaufteilungsmethode soll zur Anwendung kommen, wenn zwischen Geschäften eine so enge Beziehung besteht, dass eine getrennte Beurteilung nicht möglich ist. In solchen Fällen können die verbundenen Unternehmen eine Art „Mitunternehmerschaft“ gründen und eine Gewinnaufteilung vornehmen.716 Die Gewinnaufteilung kommt außerdem in Frage, wenn keine ähnlichen Geschäfte zwischen unabhängigen Unternehmen ermittelt werden können.717 In der Praxis kann diese Methode beispielsweise bei der konzerninternen Nutzungsüberlassung von immateriellen Gütern zum Einsatz kommen, für die mangels valider Daten kein Fremdvergleich mit Hilfe der Standardmethoden möglich ist. 713
Vgl. OECD, Verrechnungspreisgrundsätze für multinationale Unternehmen und Steuerverwaltungen, 1995/96, Tz. 3.50.
714
Vgl. VWG-Verfahren 2005, Tz. 3.4.10.3 Bst. b, c.
715
Vgl. US-Verrechnungspreisrichtlinien, Sec. 1.482-3.
716
Vgl. OECD, Verrechnungspreisgrundsätze für multinationale Unternehmen und Steuerverwaltungen, 2009, Tz. 3.5.
717
Vgl. OECD, Verrechnungspreisgrundsätze für multinationale Unternehmen und Steuerverwaltungen, 2009, Tz. 3.6.
Beispiel
Methoden zur Festlegung der Verrechnungspreise
451
Die amerikanische Goldie Corp. überlässt ihrer deutschen Tochtergesellschaft Marv GmbH die Rechte an der in den USA bekannten Marke „Hard Goodbye“, um diese auch in Deutschland zu vermarkten. Mit Hilfe einer Funktionsanalyse wird ermittelt, dass das Verhältnis ihrer Leistungsbeiträge am daraus erzielten Gewinn 50:50 beträgt, weshalb unter Anwendung der Beitragsmethode auch eine Gewinnaufteilung von 50:50 vereinbart wird. Daraufhin schließt die Marv GmbH mit der Kevin GmbH eine Lizenzvereinbarung über die Nutzung der Marke „Hard Goodbye“ in Deutschland ab. Vom Gesamtgewinn stehen der Goldie Corp. und der Marv GmbH jeweils die Hälfte zu.
3.2.2
Geschäftsvorfallbezogene Nettomargenmethode
Die geschäftsvorfallbezogene Nettomargenmethode (transactional net margin method – TNMM) vergleicht die bei einem Geschäft zwischen verbundenen Unternehmen erzielte Nettogewinnspanne mit der Nettogewinnspanne, die bei vergleichbaren Geschäften vom Konzernunternehmen mit fremden Dritten oder von unabhängigen Unternehmen erzielt wird. Dazu muss der erzielte Nettogewinn im Verhältnis zu einer Basis, z.B. Kosten, Umsatz oder Kapital, betrachtet werden. Entscheidender Unterschied zum angemessenen Gewinnaufschlag bei der Kostenaufschlagsmethode oder der marktüblichen Handelsspanne bei der Wiederverkaufspreismethode ist, dass bei der Nettomargenmethode nur die Nettomarge eines einzelnen Geschäftsvorfalls betrachtet wird.
Beispiel
Die OECD-Verrechnungspreisrichtlinien sehen einen Vorteil der Nettomargenmethode gegenüber der Wiederverkaufspreismethode und der Kostenaufschlagsmethode darin, dass sich Funktionsunterschiede zwischen den konzerninternen und -fremden Geschäften weniger stark auf die Nettogewinnspanne auswirken als auf die Bruttogewinnspanne.718 Kritik erfährt die Nettomargenmethode jedoch, da sie unabhängig von der Kostenstruktur und dem wirtschaftlichen Verhalten eines Unternehmens einen sicheren Gewinn annimmt.719 Die amerikanische Lisa Ramos Corp. ist die Tochtergesellschaft der in München ansässigen Samuel Ramos GmbH. Bei einer Transaktion im „electronic-commerce“Bereich zwischen beiden Unternehmen beträgt die Nettogewinnspanne der Lisa Ramos Corp. 3 %. Da die unabhängige John Creasy Inc. bei einem vergleichbaren Geschäft eine Nettomarge in Höhe von 2,9 % erzielt, ist davon auszugehen, dass der zwischen den Konzernunternehmen vereinbarte Verrechnungspreis angemessen ist.
718
Vgl. OECD, Verrechnungspreisgrundsätze für multinationale Unternehmen und Steuerverwaltungen, 2009, Tz. 3.27.
719
Vgl. Jacobs, O. (Hrsg.), Internationale Unternehmensbesteuerung, 6. Aufl., München 2007, S. 768.
452
Advance Pricing Agreements
3.2.3
Gewinnvergleichsmethode
Die Gewinnvergleichsmethode (comparable profits method – CPM) findet insbesondere in den USA Anwendung. Die OECD-Verrechnungspreisrichtlinien und auch die deutschen VWG-Verfahren 2005 lehnen diese Methode aufgrund ihrer Unvereinbarkeit mit dem Fremdvergleichsgrundsatz ab, da der Bezug zum jeweiligen Geschäftsvorfall verloren geht.720 Die Überprüfung der Verrechnungspreise erfolgt in einem dreistufigen Verfahren. Im ersten Schritt werden Renditekennzahlen, wie z.B. die Umsatzrentabilität, bei vergleichbaren Fremdunternehmen ermittelt. Je unterschiedlicher die Vergleichsunternehmen sind, desto unpräziser werden dabei die Vergleichskennzahlen. Daraufhin wird im zweiten Schritt überprüft, ob der Gewinn des verbundenen Unternehmens innerhalb einer bestimmten Bandbreite der ermittelten Vergleichskennzahlen liegt. Ist dies der Fall, so gelten die Verrechnungspreise als angemessen. Andernfalls werden in einem dritten Schritt die Verrechnungspreise so lange angepasst, bis dies der Fall ist.721 Dies führt u.U. bei einem Teil der verbundenen Unternehmen zu einer Sollgewinnbesteuerung. Der Bezug zu Einzelgeschäften, wie dies bei den Standardmethoden üblich ist, geht völlig verloren.
Beispiel
Diese Methode setzt zum einen voraus, dass die Vergleichsunternehmen dem verbundenen Unternehmen sehr ähnlich sind, und zum anderen, dass die Erfolgsunterschiede ausschließlich auf die Verrechnungspreise zurückzuführen sind. Die kolumbianische Vertriebstochtergesellschaft John Hartigan Corp. erzielt bei einem Umsatz von 1.000.000 € einen Gewinn in Höhe von 80.000 €, d.h. eine Umsatzrendite von 8 %. Das unabhängige Vergleichsunternehmen Jack Rafferty Inc. erzielt dagegen bei vergleichbaren Geschäften nur eine Umsatzrendite von 5 %. Aufgrund der erheblichen Abweichung bei der Umsatzrentabilität kann angenommen werden, dass die Verrechnungspreise der John Hartigan Corp. unangemessen sind. Der Gewinn wird deshalb auf 50.000 € (= 5 % von 1.000.000 €) korrigiert.
3.3 Advance Pricing Agreements Häufig ergeben sich im Rahmen einer Betriebsprüfung Differenzen bezüglich der Angemessenheit der Verrechnungspreise zwischen der Finanzbehörde und dem Steuerpflichtigen. Während die Steuerbehörden daran interessiert sind, das Steueraufkommen zu sichern,
720
Vgl. OECD, Verrechnungspreisgrundsätze für multinationale Unternehmen und Steuerverwaltungen, 2009, Tz. 3.74; VWG-Verfahren 2005, Tz. 3.4.10.3 Bst. d.
721
Vgl. US-Verrechnungspreisrichtlinien, Sec. 1.482-5.
Methoden zur Festlegung der Verrechnungspreise
453
verfolgen die Unternehmen bei der Verrechnungspreisbestimmung betriebswirtschaftliche Ziele. Um einen möglichen Konflikt über die Angemessenheit eines Verrechnungspreises schon im Vorfeld auszuräumen, sind im Jahr 2006 auch in Deutschland sog. Advance Pricing Agreements (APAs) eingeführt worden, die eine Alternative zu den ex post durchgeführten Verrechnungspreisüberprüfungen bieten sollen. APAs sind eine verbindliche Vorwegauskunft der Finanzbehörden gegenüber dem Steuerpflichtigen. In seinen Ausführungen zum APA orientiert sich die Finanzverwaltung maßgeblich an den OECD Leitlinien von 1995722, die von der Mehrzahl der Industriestaaten angewendet werden. APAs stellen gemäß der Definition der OECD ein Instrument zur Vermeidung künftiger Verrechnungspreiskonflikte dar. Inhaltlich wird durch ein APA vor allem die anzuwendende Verrechnungspreismethode bestimmt. Im BMF-Schreiben vom 05.10.2006 heißt es dazu, dass ein APA „vor der Verwirklichung von Geschäftsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Staaten eine dem Fremdvergleich entsprechende Verrechnungspreismethode zur Bestimmung von Verrechnungspreisen für bestimmte Geschäftsvorfälle in einem bestimmten Zeitraum“ festlegt. Darüber hinaus ist es möglich, weitere Kriterien für die Verrechnungspreisbestimmung zu vereinbaren. Darunter fallen beispielsweise die Ermittlung von Fremdvergleichswerten sowie Regeln für ihre Fortschreibung im APA-Zeitraum, sachgerechte Anpassungsrechnungen, Anwendungsvoraussetzungen und sog. Gültigkeitsbedingungen im Hinblick auf künftige Ereignisse („Critical Assumptions“). Absprachen ähnlich dem APA gibt es bereits seit 1991 in den USA (Revenue Procedure 9111 und 91-22 vom 01.03.1991) und wurden zwischenzeitlich auch in vielen anderen Ländern (z.B. Kanada, Australien und den Niederlanden) eingeführt. Bedeutsam sind APAs vor allem für international verbundene Unternehmen und damit in der Regel Großkonzerne. Steuerrechtliche Folgen ergeben sich im deutschen Steuerrecht grundsätzlich aus dem Gesetz. Ist ein gesetzlich normierter Tatbestand erfüllt, knüpft sich daran eine genau bezeichnete Rechtsfolge für den Steuerpflichtigen. Die Steuerpflicht selbst wird von der Finanzverwaltung durch Verwaltungsakt festgestellt. Steuerrechtliche Fragestellungen können somit nicht Gegenstand von Verträgen oder Zusagen sein, so dass eine diesbezügliche Vereinbarung zwischen der Finanzverwaltung und dem Steuerpflichtigen unzulässig wäre.723 Aus diesem Grund wurde in Deutschland der Weg eines zweiteiligen Verfahrens gewählt.
722
Vgl. OECD, Verrechnungspreisgrundsätze für multinationale Unternehmen und Steuerverwaltungen, 1995/96.
723
Vgl. BMF v. 05.10.2006, Schreiben betreffend Merkblatt für bilaterale oder multilaterale Vorabverständigungsverfahren auf der Grundlage der DBA zur Erteilung verbindlicher Vorabzusagen über Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen (sog. „Advance Pricing Agreements“ – APAs), IV B 4 – S 1341 – 38/06, BStBl. I 2006, S. 594, Tz. 1.2.
454
Advance Pricing Agreements
Beispiel
Die Xerxes AG mit Sitz in Deutschland und einer Tochtergesellschaft Georgiou AE in Griechenland importiert griechische Spezialitäten nach Deutschland. Diese werden von der Georgiou AE nach original griechischen Rezepten hergestellt. Die Zutaten stammen von griechischen Bauern, die ihre Produkte teilweise exklusiv an die Georgiou AE liefern. Aufgrund der in Griechenland niedrigeren Unternehmenssteuern (25 %) möchte die Xerxes AG einen möglichst hohen Preis für die einzelnen Produkte an die Georgiou AE zahlen. Um Planungssicherheit zu erreichen, schickt die Xerxes AG eine Kalkulation an das örtliche Finanzamt, um sich schriftlich bestätigen zu lassen, dass eine spätere Betriebsprüfung der Verrechnungspreise nicht zu einer Gewinnerhöhung führt. Das Finanzamt reagiert daraufhin mit einem ablehnenden Schreiben unter dem Hinweis, dass vorhergehende Absprachen in dieser Form nicht möglich sind.
Nach dem Schreiben der Finanzverwaltung „Merkblatt für bilaterale oder multilaterale Vorabverständigungsverfahren auf der Grundlage der DBA zur Erteilung verbindlicher Vorabzusagen über Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen (sog. „Advance Pricing Agreements“ – APAs)“724 kann das dort ausgeführte Verfahren nur eingeleitet werden, soweit ein DBA anwendbar ist, das eine Klausel über das Verständigungs- und Konsultationsverfahren gemäß Art. 25 Abs. 1 und Abs. 3 OECD-MA enthält. Ist diese Voraussetzung gegeben, kann das Verfahren auf Abschluss eines APAs eingeleitet werden, welches nach deutschem Recht aus zwei Teilen besteht: x Einem völkerrechtlichen Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt), und einem anderen betroffenen Staat,725 die sog. Vorabverständigung, und x einer verbindlichen Zusage durch das zuständige Finanzamt, die sog. Vorabzusage. Dem APA-Verfahren sollte gemäß dem BMF-Schreiben vom 05.10.2006 eine informelle Vorbesprechung (Prefiling) mit dem BZSt als zuständiger Finanzbehörde für die Vorabverständigung vorausgehen, bei der der Steuerpflichtige auch zunächst anonym bleiben kann. In diesem Gespräch sollte das Verfahren erläutert und z.B. Absprachen über Gegenstand und Inhalt des APA-Antrages sowie die dazu erforderlichen Unterlagen getroffen werden. Ferner kann auch mit dem BZSt geklärt werden, wie es die Aussichten auf Einigung mit der ausländischen zuständigen Behörde einschätzt.726
724
Vgl. BMF v. 05.10.2006, Schreiben betreffend Merkblatt für bilaterale oder multilaterale Vorabverständigungsverfahren auf der Grundlage der DBA zur Erteilung verbindlicher Vorabzusagen über Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen (sog. „Advance Pricing Agreements“ – APAs), IV B 4 – S 1341 – 38/06, BStBl. I 2006, S. 594.
725
Im Falle eines multilateralen Antrages, wird jeder Antrag wie ein Einzelner behandelt.
726
Vgl. Kramer, J.-D., APA – Vorabverständigungsverfahren und Vorabzusagen über Verrechnungspreise, IStR 2007, S. 175 f.
Beispiel
Methoden zur Festlegung der Verrechnungspreise
455
Nachdem die Xerxes AG bei ihrem örtlichen Finanzamt keinen Erfolg hatte, hört sie, dass es dennoch möglich sei, vor Durchführung einer Betriebsprüfung eine verbindliche Auskunft über die Gültigkeit der Verrechnungspreise zu bekommen. Dazu müsste sie sich jedoch nicht an ihr örtliches Finanzamt, sondern an das Bundeszentralamt für Steuern wenden. Die Xerxes AG nimmt nun Kontakt zum BZSt auf und reicht nach einem positiv verlaufenden Vorgespräch einen Antrag auf Abschluss eines bilateralen APAs ein. Dieser Antrag enthält alle erforderlichen Angaben, die das BZSt auf dem Merkblatt des BZSt „Erforderliche Angaben für die Einreichung eines bi- oder multilateralen APAAntrages“727 angegeben hat.
Das offizielle Verfahren wird jedoch erst eröffnet, insofern der Steuerpflichtige auf die Einlegung von Rechtsmitteln gem. § 354 AO verzichtet und die sog. Grundgebühr i.H.v. 20.000 €728 gemäß § 178a AO entrichtet hat. Diese wird bei Rücknahme oder Ablehnung des Antrags nicht zurückgezahlt. Die Gebührenerhebung zielt nur teilweise auf eine Erstattung der entstehenden Kosten ab. Der Gesetzgeber möchte mit den Gebühren vielmehr die Finanzbehörden gegenüber unerheblichen oder schlecht vorbereiteten Anträgen schützen.729
Beispiel
Im weiteren Verfahren muss der Steuerpflichtige alle für die Finanzbehörde relevanten Informationen, die für den Einzelfall bereits im Vorgespräch benannt wurden, vorlegen. Dazu gehören v.a. die Identität des Unternehmens, die genaue Darstellung des Sachverhalts, die Verrechnungspreismethode sowie weitere verrechnungspreisbestimmende Faktoren, mit denen die Finanzbehörde die Angemessenheit von Verrechnungspreisen überprüfen kann. Danach nimmt das BZSt Kontakt mit der zuständigen Behörde des im Antrag bezeichneten anderen Staates auf. Ziel ist eine Vereinbarung über die anzuwendende Verrechnungspreismethode. Die ausländische Gesellschaft kann im Ausland ebenfalls Antragsteller sein, wenn dies nach ausländischem Recht möglich ist. Im Falle der Xerxes AG tritt das Bundeszentralamt für Steuern nach Vorlage aller Informationen, die über die im Antrag gemachten Angaben hinaus gehen, mit den griechischen Finanzbehörden in Kontakt. Es wird ohne Beisein der Xerxes AG über die anzuwendende Verrechnungspreismethode eine Vereinbarung geschlossen.
Gleichzeitig zum Antrag auf eine Vorabverständigung kann der Steuerpflichtige einen Antrag auf eine Vorabzusage bei seinem zuständigen Finanzamt stellen. Diesem kann allerdings erst nach einer erfolgten positiven Vorabverständigung entsprochen werden. Es
727
Vgl. http://www.bzst.bund.de/003_menue_links/017_apa/201_merkblatt/005_apa_antrag_voraussetzungen.pdf.
728
Auf Antrag ist in bestimmten Fällen eine geringere Gebühr möglich.
729
Vgl. Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2007 (JStG 2007), BR-Drs. 622/06, S. 90.
456
Advance Pricing Agreements
handelt sich dabei um die innerstaatliche Durchführung des durch die Vorabverständigung geschlossenen völkerrechtlichen Vertrages. Gemäß Art. 25 Abs. 2 OECD-MA ist die zuständige Landesfinanzbehörde verpflichtet, auf Antrag eine verbindliche Vorabzusage gleichen Inhalts zu erteilen.
Beispiel
Die Vorabzusage selbst stellt einen begünstigenden Verwaltungsakt gem. § 130 Abs. 2 AO dar und ist im Hinblick auf die Gültigkeitsbedingungen und die Bindung des Antragsstellers an Sachverhalt und Einspruchsverzicht mit einem Widerrufsvorbehalt versehen. Das Finanzamt wird daher seiner Zusage so lange folgen und nicht widerrufen, wie die vorher festgelegten Gültigkeitsbedingungen eingehalten werden. Als Bestandteil der Vereinbarung hat der Steuerpflichtige einen jährlichen Bericht („Compliance Report“) vorzulegen. In diesem soll dargelegt werden, dass der in Vorabverständigung und Vorabzusage zugrunde gelegte Sachverhalt verwirklicht wurde und die Gültigkeitsbedingungen eingehalten wurden. Dieser Jahresbericht wird vom BZSt geprüft. Dies schließt jedoch eine spätere Außenprüfung des Sachverhaltes nicht aus. Darüber hinaus sind Unstimmigkeiten zwischen Jahresbericht und Steuererklärung durch das Finanzamt zu prüfen und dem BZSt gegebenenfalls mitzuteilen. Die Xerxes AG hat bei der Kontaktaufnahme mit dem BZSt gleichzeitig einen Antrag auf Vorabzusage bei ihrem Finanzamt gestellt. Nach Beendigung der Vorabverständigung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Griechenland wird der Xerxes AG ein positiver Bescheid über diesen Antrag zugestellt. Alle im Folgenden zu erlassenden Steuerbescheide dürfen nicht von dieser getroffenen Zusage abweichen, so dass die von der Georgiou AE angesetzten Preise als Betriebsausgaben steuerlich anerkannt werden müssen.
Bei einer unwesentlichen Abweichung von den Gültigkeitsbedingungen entscheiden BZSt und zuständige Finanzbehörde gemeinsam, ob das APA fortbestehen oder in Absprache mit dem anderen Staat geändert werden soll. Bei einer wesentlichen Abweichung ist dem APA die Grundlage entzogen. In diesem Fall kann die Vorabzusage ab dem Zeitpunkt der Nichterfüllung widerrufen werden. In allen anderen Fällen können BZSt und zuständige Finanzbehörde auf Antrag des Steuerpflichtigen (Änderungsantrag) Kontakt zum anderen Staat aufnehmen, um das APA entsprechend anzupassen. Liegt kein Änderungsantrag vor oder ist eine Einigung mit dem anderen Staat nicht möglich, wird das APA rückwirkend zum Zeitpunkt der Nichterfüllung ungültig. Auch in diesem Fall kann die Vorabzusage widerrufen werden. Die Laufzeit eines APA sollte nach dem BMF-Schreiben vom 05.10.206 nicht weniger als drei und nicht mehr als fünf Jahre betragen. Für eine Verlängerung ist rechtzeitig ein Ver-
457
Methoden zur Festlegung der Verrechnungspreise
längerungsantrag zu stellen. Das Verlängerungsverfahren soll einfach und schnell730 durchgeführt werden können. Für eine Verlängerung ist grundsätzlich die Zustimmung des anderen Staates notwendig. Merke: Ein APA besteht aus zwei separaten Verfahrensteilen x zum einen dem Vorabverständigungsverfahren zwischen der Bundesrepublik Deutschland und einem anderen Staat x und zum anderen der Vorabzusage des Finanzamts gegenüber dem Steuerpflichtigen. Durch die Zweiteilung ist jedoch ein APA nach deutschem Recht außerordentlich kompliziert ausgestaltet. So setzt es beispielsweise eine enge Zusammenarbeit zwischen Steuerpflichtigem, Finanzbehörde sowie zwischen der Finanzbehörde des Steuerpflichtigen und des BZSt voraus.
Advance Pricing Agreements
Schritt 1b:
Deutschland
Ausland
Antragsteller
Konzerngesellschaft
Schritt 1a:
Antrag auf Erteilung Antrag auf Abschluss einer Vorabzusage eines APA
Schritt 3: Erteilung der Vorabzusage
Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) Schritt 2b:
Zuständige Finanzbehörde VorabverständigungsVorabverst ändigungs- in Griechenland verfahren
Schritt Schritt 2a: 2a:
Örtlich zuständiges Finanzamt
Abbildung 129: Ablauf eines APA nach deutschem Recht
730
Über die allgemeine Verfahrensdauer bis zum Abschluss eines APAs liegen in Deutschland bisher noch keine Erfahrungswerte vor. In den USA beträgt das Verfahren im Durchschnitt beispielsweise drei Jahre.
458
Advance Pricing Agreements
Entscheidender Vorteil eines APAs ist, dass der Steuerpflichtige Sicherheit darüber erlangt, dass im Rahmen einer Betriebsprüfung der durch APAs vereinbarte Verrechnungspreis von der Finanzbehörde akzeptiert wird, sofern keine Abweichungen von den Gültigkeitsbedingungen festgestellt werden, und er somit auf einer verlässlichen Grundlage seine geschäftlichen Dispositionen vornehmen kann (Planungssicherheit). Obwohl die Alternative der verbindlichen Vorwegauskünfte in Form der APAs auf positive Resonanz731 stößt, gibt es auch einige entscheidende Nachteile von APAs. Der größte Nachteil besteht sicherlich darin, dass der Steuerpflichtige umfassende interne Daten preisgeben muss, die der Finanzverwaltung tiefe Einblicke in das Unternehmen ermöglichen und diese die gewonnenen Informationen auch anderweitig, z.B. bei einer Betriebsprüfung, nutzen darf. Ein weiterer, aber für deutsche APAs zu vernachlässigender Nachteil ist, dass die APAs teilweise732 nur unilateral bindende Abkommen darstellen. Dies bedeutet, dass zwar die Finanzbehörde, mit der das APA geschlossen wurde, daran gebunden ist. Dies gilt jedoch nicht für die Finanzbehörde eines anderen Staates, weshalb der Abschluss eines unilateralen APAs Unternehmen nicht vor einer Doppelbesteuerung schützt. Bei bilateralen und multilateralen APAs erhöht sich zwar noch die Komplexität des Verfahrens, dafür ist die getroffene Vereinbarung gleich für zwei oder mehrere Staaten bindend. Zum erfolgreichen Abschluss eines APAs muss es letztendlich noch zu einer Einigung des Unternehmens mit den Finanzbehörden kommen. Nicht zuletzt ist das Verfahren zur Erzielung einer verbindlichen Vorwegauskunft sehr kompliziert und zeitaufwendig und daher auch sehr kostspielig.733 Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Advance Pricing Agreements dazu geeignet sind, mögliche Differenzen und Konflikte bei der Verrechnungspreisermittlung auszuschalten. Es ist jedoch eine Frage des Risikomanagements des einzelnen Unternehmens, ob es sich für eine Überprüfung der Verrechnungspreise im Rahmen einer Betriebsprüfung mit der Gefahr von unerwünschten Steuerwirkungen entscheidet oder ein APA beantragt, um im Vorhinein Rechtssicherheit zu erlangen.
731
So wurden in den USA allein im Jahr 2006 82 APAs abgeschlossen und drei abgeändert. Vgl. Internal Revenue Service, Announcement and report concerning advance pricing agreements, Februar 2007, S. 1, 10.
732
Vgl. Kramer, J.-D., APA – Vorabverständigungsverfahren und Vorabzusagen über Verrechnungspreise, IStR 2007, S. 175.
733
Vgl. hierzu auch OECD, Verrechnungspreisgrundsätze für multinationale Unternehmen und Steuerverwaltungen, 2009, Tz. 4.148 ff.
Ausgewählte Anwendungsbereiche
459
4 Ausgewählte Anwendungsbereiche Im Folgenden wird die Anwendung der verschiedenen Verrechnungspreismethoden für ausgewählte konzerninterne Lieferungen und Leistungen dargestellt.
4.1 Lieferungen von Gütern und Waren Der Austausch von Gütern und Waren hat den größten Anteil am konzerninternen Leistungsverkehr und ist daher für die Verrechnungspreisbestimmung der wichtigste Anwendungsbereich. Der Fremdvergleichspreis und somit der angemessene Verrechnungspreis für den konzerninternen Warenaustausch ist im Vergleich zu anderen Leistungen jedoch vergleichsweise einfach zu ermitteln. Dabei handelt es sich um den Preis, den Fremde für Lieferungen x gleichartiger Güter oder Waren, x in vergleichbaren Mengen, x in den belieferten Absatzmarkt, x auf vergleichbarer Handelsstufe, x zu vergleichbaren Lieferungs- und Zahlungsbedingungen und x auf wirtschaftlich vergleichbaren Märkten vereinbart hätten (oder haben).734 Allerdings sind auch hier bei der Bestimmung der Verrechnungspreise für den jeweiligen Einzelfall eine Reihe von Umständen und Einflussfaktoren mit einzubeziehen: x Art, Beschaffenheit, Qualität und Innovationsgehalt der Güter, x Verhältnisse des Marktes, auf dem die Güter zum Einsatz kommen oder an Dritte veräußert werden, x Funktionen und Handelsstufen, die von den verbundenen Unternehmen wahrgenommen werden, x Liefervereinbarungen, wie z.B. Haftungsverhältnisse, Zahlungsfristen, Rabatte, Skonti, Gefahrentragung, Gewährleistung, x Vorteile und Risiken bei längerfristigen Beziehungen und x besondere Wettbewerbssituationen. Maßgeblich sind dabei die Verhältnisse im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses.735 Werden die Güter und Waren von einem Eigenproduzent sowohl an verbundene als auch an fremde Dritte geliefert, ist die Preisvergleichsmethode am besten geeignet. Vertreibt der Eigenproduzent seine Güter und Waren dagegen ausschließlich über verbundene Vertriebs-
734
Vgl. VWG 1983, Tz. 3.1.1.
735
Vgl. VWG 1983, Tz. 3.1.2.1.
460
Dienstleistungen
gesellschaften ist die Wiederverkaufspreismethode zu bevorzugen. Sofern es sich bei der Produktionsgesellschaft um einen sog. Lohnfertiger handelt, bietet sich die Kostenaufschlagsmethode an.736 In der Praxis werden die Verrechnungspreise für Waren und Güter meistens anhand der Preisvergleichsmethode ermittelt.737
4.2 Dienstleistungen Bei der Verrechnung von Dienstleistungen innerhalb eines Konzerns muss zwischen gesellschaftlich und betrieblich veranlassten Dienstleistungen unterschieden werden. Gesellschaftlich bedingte Dienstleistungen dürfen aufgrund des Fremdvergleichsprinzips grundsätzlich nicht verrechnet werden.738 Hierzu gehören insbesondere Entgelte für x den Rückhalt im Konzern,739 x das Recht, den Konzernnamen zu führen, x Tätigkeiten des Vorstands, des Aufsichtsrats und der Gesellschafterversammlung der Muttergesellschaft, x die rechtliche Organisation, x die Produktions- und Investitionssteuerung des Gesamtkonzerns, x Tätigkeiten, die sich aus der Gesellschafterstellung ergeben, einschließlich der allgemeinen Organisation sowie der Kontrolle und Revision, die der Konzernspitze dienen, x Schutz und Kontrolle der Beteiligung und x die Konzernführung.740 Falls Entgelte für solche Dienstleistungen verrechnet wurden, muss eine Einkünftekorrektur vorgenommen werden. Im Gegensatz dazu können Entgelte für betrieblich bedingte Dienstleistungen innerhalb eines Konzerns verrechnet werden. Voraussetzung hierfür ist, dass für dieselben Leistungen zwischen fremden Dritten ein Entgelt bezahlt worden wäre. Die Leistungen müssen außerdem tatsächlich erbracht worden, eindeutig abgrenzbar und messbar sein sowie im
736
Vgl. Mössner, J. (Hrsg.), Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 3. Aufl., Köln 2005, S. 514 ff.
737
Vgl. Ernst & Young, Global Transfer Pricing Surveys 2007-2008, S. 19.
738
Vgl. hierzu auch die Übersicht bei Jacobs, O. (Hrsg.), Internationale Unternehmensbesteuerung, 6. Aufl., München 2007, S. 741 f.
739
Hierbei handelt es sich um die sog. passive Konzernwirkung. Dazu gehören bspw. eine erhöhte Kreditwürdigkeit, verbilligte Einkaufsmöglichkeiten, Risikostreuung, etc. Vgl. hierzu auch Mössner, J. (Hrsg.), Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 3. Aufl., Köln 2005, S. 544.
740
Vgl. VWG 1983, Tz. 6.3.2.
Ausgewählte Anwendungsbereiche
461
Interesse der empfangenden Gesellschaft liegen.741 Solche verrechenbare Leistungen sind insbesondere x die Übernahme von Buchhaltungsarbeiten, x die zeitlich begrenzte Überlassung von Arbeitskräften, x die Aus- und Fortbildung von Mitarbeitern, x die Bereitstellung von marktüblichen Dienstleistungen und x die Auftragsforschung. In der Praxis werden Dienstleistungen üblicherweise über eine der drei folgenden Alternativen verrechnet: Zum einen die Verrechnung über Lieferpreise, die hauptsächlich bei Nebenleistungen zum Einsatz kommt. Die zweite Möglichkeit ist die Kostenumlage. Hierbei handelt es sich um eine pauschale Abrechnung betrieblich veranlasster Dienstleistungen ohne Gewinnaufschlag. Die Aufteilung der Kosten erfolgt dabei mit Hilfe besonderer Aufteilungsschlüssel. Als dritte Möglichkeit bietet sich die Einzelabrechnung an, die sich an den drei Standardmethoden orientiert.742
4.3 Immaterielle Wirtschaftsgüter Werden einem verbundenen Unternehmen immaterielle Wirtschaftsgüter überlassen, muss dies ebenfalls gemäß dem Grundsatz des Fremdvergleichs erfolgen. Dabei ist für die Veräußerung bzw. Gewährung von Marken, Patenten, Know-how, etc. ein angemessener Verrechnungspreis im Rahmen einer Lizenzvereinbarung zu vereinbaren.743 Falls keine vergleichbaren Marktpreise zur Verfügung stehen, ist der Verrechnungspreis durch den Ansatz von Nutzungsentgelten auf der Basis einer sachgerechten Bemessungsgrundlage, wie z.B. Umsatz oder Menge, zu ermitteln.744 Für die Bewertung von Lizenzen hat das Bundesamt für Finanzen die sog. Lizenzkartei erstellt, die von Betriebsprüfern als Datenbank bei der Überprüfung der Angemessenheit von Lizenzvereinbarungen genutzt werden kann.745 Die Bewertung muss dennoch unter Berücksichtigung der im Einzelfall geltenden Faktoren wie z.B. den Marktbedingungen, dem Geltungsbereich und Umfang der Lizenz, den Gewinnerwartungen, dem Innovationsgrad sowie der Gültigkeitsdauer der Lizenz erfolgen. Aufgrund der Individualität von immateriellen Wirtschaftsgütern sind die drei Standardmethoden allerdings nur bedingt geeignet, einen angemessenen Verrechnungspreis zu ermitteln.
741
Vgl. VWG 1983, Tz. 6.2.
742
Vgl. Schaumburg, H., Internationales Steuerrecht, 2. Aufl., Köln 1998, S. 1243 ff; Mössner, J. (Hrsg.), Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 3. Aufl., Köln 2005, S. 550.
743
Vgl. Mössner, J. (Hrsg.), Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 3. Aufl., Köln 2005, S. 527 f.
744
Vgl. VWG 1983, Tz. 5.2.2.
745
Vgl. VWG 1983, Tz. 5.2.2.; VWG-Verfahren 2005, Tz. 2.6.
462
Finanzierungsleistungen
Gemäß den VWG 1983 kann bei der Bewertung einer Lizenzgebühr davon ausgegangen werden, dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter diese nur bis zu einer bestimmten Höhe bezahlt, so dass seinem Unternehmen ein angemessener Betriebsgewinn aus der Lizenz verbleibt.746 Insofern kann für die Bestimmung einer angemessenen Lizenzgebühr auf die geschäftsvorfallbezogene Gewinnaufteilungsmethode zurückgegriffen werden.
4.4 Finanzierungsleistungen Gewährt eine Muttergesellschaft einer Tochtergesellschaft ein Gesellschafterdarlehen, so erfolgt die Prüfung der Angemessenheit in zwei Stufen. Zunächst muss geprüft werden, ob es sich um eine ernst gemeinte Darlehensgewährung handelt oder um eine verdeckte Einlage. Eine verdeckte Einlage ist dann anzunehmen, wenn mit einer Rückzahlung nicht ernsthaft zu rechnen ist oder wenn die schuldrechtliche Vertragsgestaltung äußerst ungewöhnlich ist. Bei dieser Prüfung handelt es sich um eine Prüfung dem Grunde nach.747 Liegt keine verdeckte Einlage vor, ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob die Darlehensvergütung angemessen ist (Prüfung der Höhe nach). Der Fremdvergleichspreis ist dabei der Zinssatz, zu dem fremde Dritte den Kredit am Geld- oder Kapitalmarkt gewährt hätten.748 Die Höhe des Zinssatzes wird im Einzelfall von zahlreichen Faktoren beeinflusst. Dazu gehören insbesondere x Kredithöhe und Laufzeit, x Art und Zweck des Kredits, x Sicherheiten und Kreditwürdigkeit des Schuldners, x Wechselkursrisiken, x Refinanzierung (bei durchgeleiteten Krediten) und x Verhältnisse am Kapitalmarkt.749 Diesbezüglich sind auch die in § 4h EStG und § 8a KStG normierten Regelungen der Zinsschranke zu berücksichtigen, wonach der Nettozinsaufwand von Unternehmen, sofern kein Ausnahmetatbestand erfüllt ist, nur in Höhe des verrechenbaren EBITDA abgezogen werden darf. Ein ungenutztes verrechenbares EBITDA kann in die folgenden fünf Wirtschaftsjahre vorgetragen werden. Reichen die Zinserträge, das verrechenbare EBITDA und die ggf. bestehenden EBITDA-Vorträge nicht aus, um die Zinsaufwendungen vollständig abziehen zu können, kommt es in Höhe der verbleibenden Zinsaufwendungen zumindest zu einem Zinsvortrag.
746
Vgl. VWG 1983, Tz. 5.2.3.
747
Vgl. VWG 1983, Tz. 4.1.
748
Vgl. BFH v. 25.11.1964, I-116/63-U, BStBl. III 1965, S. 176.
749
Vgl. VWG 1983, Tz. 4.2.2.
Fazit
463
4.5 Electronic Commerce Im innerkonzernlichen, elektronischen Geschäftsverkehr wird zwischen Offline- und Online-Geschäften unterschieden. Bei Offline-Geschäften wird das Internet lediglich zur Vertragsanbahnung und für den Vertragsabschluss genutzt, während die Ausführung auf konventionellem Wege erfolgt. Dagegen wird bei Online-Geschäften die gesamte Transaktion, insbesondere der steuerrelevante Leistungsvorgang, über elektronische Netze abgewickelt. Während sich bei Offline-Geschäften keine spezifischen Verrechnungspreisprobleme ergeben und somit auf die Standardmethoden zurückgegriffen werden kann, kommt es bei Online-Geschäften zwischen verbundenen Unternehmen ebenso wie zwischen selbständigen und unselbständigen Unternehmensteilen (z.B. als Betriebsstätte gestaltete Internet-Server) zu speziellen Verrechnungspreisproblemen. Die Gründe hierfür liegen in den Charakteristika des Electronic Commerce wie insbesondere x Digitalisierung von Gütern und Leistungen, x schwierige Identifizierung und Bewertung der immateriellen Güter (z.B. Software), x häufiger Verlust einer festen Bindung an einen Ort, x gegenseitige Beeinflussung von Leistungen (insbesondere beim Global Development). Beim elektronischen Geschäftsverkehr zwischen verbundenen Unternehmen sind die Verrechnungspreise grundsätzlich mit der Preisvergleichsmethode oder bei fehlenden Fremdvergleichsdaten mit der Kostenaufschlagsmethode zu bestimmen. Sofern diese Standardmethoden aufgrund der internetspezifischen Besonderheiten nicht zu sachgerechten Ergebnissen führen, ist auf die geschäftsvorfallbezogene Nettomargenmethode zurückzugreifen.750
5 Fazit Die Bestimmung der Verrechnungspreise ist und bleibt auch in naher Zukunft eines der wichtigsten und schwierigsten Themen der Steuerdiskussion nicht nur in Deutschland. Dies hängt zum einen mit der stetig zunehmenden internationalen Verflechtung von Konzernen, aber auch mit der Schwierigkeit der Verrechnungspreisbestimmung zusammen. Die aktuelle Brisanz zeigt sich insbesondere durch den Erlass eines BMF-Schreibens für ein Verfahren zur Vereinbarung von APAs und die Verankerung der Fiktion von der Kenntnis aller wesentlichen Umstände der Geschäftsbeziehung im Fremdvergleichsgrundsatz. Auf europäischer Ebene versucht die Europäische Kommission mit dem im Jahr 2002 eingesetzten EU-Verrechnungspreisforum eine einheitlichere Anwendung der Verrechnungspreisvorschriften innerhalb der EU zu erreichen.
750
Vgl. Vögele, A. (Hrsg.), Handbuch der Verrechnungspreise, 2. Aufl., München 2004, S. 1015 ff.
464
Electronic Commerce
Aufgrund der Heterogenität der zwischen verbundenen Unternehmen zu verrechnenden Lieferungen und Leistungen gibt es keine generelle Empfehlung hinsichtlich der anzuwendenden Methode zur Verrechnungspreisbestimmung. Vielmehr muss im Einzelfall, unter Berücksichtigung eventueller anderer Zielsetzungen der Verrechnungspreisbestimmung, entschieden werden, welche Vorgehensweise, welche Methodenwahl und welche Grundlagen hierfür herangezogen werden sollen. Bei der Verrechnungspreisbestimmung bestehen deshalb nach wie vor Spielräume, die die Unternehmen für ihre Zwecke nutzen können. Nicht ohne Grund unterhalten die großen Steuerberatungsgesellschaften eigene Abteilungen, die sich ausschließlich mit Verrechnungspreisen beschäftigen.
Einführung, Zielsetzung des AStG
465
Kapitel VI: Außensteuergesetz 1 Einführung, Zielsetzung des AStG Das Außensteuergesetz (AStG)751 wurde erstmals 1972 als Art. 1 des sog. Außensteuerreformgesetzes (AStRG)752 eingeführt. Nach zahlreichen Änderungen und Ergänzungen wurde im Jahr 2004 der sehr ausführliche Anwendungserlass (AEAStG)753 veröffentlicht, der die Handhabung des Gesetzes erleichtern und Unklarheiten beseitigen sollte. Durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008754 wurden die Vorschriften des § 1 AStG zur Berichtigung von Einkünften erweitert und verschärft. In § 1 AStG sind nun eine gesetzliche Definition des Fremdvergleichsgrundsatzes und Regelungen zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen enthalten. Darüber hinaus wurde mit dem Jahressteuergesetz 2008755 die Vereinbarkeit der Hinzurechnungsbesteuerung nach §§ 7 ff. AStG mit der bestehenden Rechtsprechung des EuGH wiederhergestellt. Das AStG wurde erlassen, um die Nutzung des internationalen Steuergefälles zur internationalen Steuerflucht zu verhindern, die Gleichmäßigkeit der Besteuerung bei Auslandsbeziehungen wieder herzustellen und damit die wirtschaftliche Chancengleichheit zu wahren. Das AStG lässt sich im Wesentlichen in vier Hauptbereiche gliedern: x die Berichtigung von Einkünften bei international verflochtenen Unternehmen (1. Teil des AStG – § 1 AStG), x die erweitert beschränkte Steuerpflicht bei Wohnsitzverlagerung in niedrig besteuernde Gebiete (2. Teil des AStG – §§ 2 bis 5 AStG), x die Besteuerung des Vermögenszuwachses von Anteilen an einer inländischen Kapitalgesellschaft bei Wohnsitzwechsel ins Ausland (3. Teil des AStG – § 6 AStG), x die Hinzurechnungsbesteuerung bei Beteiligungen an ausländischen Zwischengesellschaften (4. Teil des AStG – §§ 7 bis 14 AStG). Der fünfte Teil des AStG (§ 15 AStG) enthält Regelungen betreffend Familienstiftungen. Teil sechs (§§ 16-18 AStG) kodifiziert eine Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen bei
751
Gesetz über die Besteuerung bei Auslandsbeziehungen (Außensteuergesetz 1972 – AStG 1972) v. 08.09.1972, BGBl. I 1972, S. 1713.
752
Gesetz zur Wahrung der steuerlichen Gleichmäßigkeit bei Auslandsbeziehungen und zur Verbesserung der steuerlichen Wettbewerbslage bei Auslandsinvestitionen (Außensteuerreformgesetz – AStRG) v. 08.09.1972, BGBl. I 1972, S. 1713.
753
BMF v. 14.05.2004, IV B 4 – S 1340 – 11/04, BStBl. Sondernummer 1 2004, S. 3, Beck’sche Textausgaben Steuererlasse, Nr. 725.
754
Unternehmensteuerreformgesetz 2008 v. 14.08.2007, BGBl. I 2007, S. 1912.
755
Jahressteuergesetz 2008 (JStG 2008) v. 20.12.2007, BGBl. I 2007, S. 3150.
466
Überblick
Auslandsgeschäften und Verfahrensweisen zur Sachverhaltsaufklärung. Die Schlussvorschriften des AStG sind im siebenten Teil (§§ 19 bis 22 AStG) zusammengefasst.
2 Das Verhältnis des AStG zu anderen steuerrechtlichen Vorschriften Im Anwendungserlass wird das Verhältnis des AStG zu anderen steuerrechtlichen Vorschriften unter Tz. 0 behandelt. Danach tritt das AStG ergänzend zu den Bestimmungen der Abgabenordnung und anderen Steuergesetzen hinzu, welche die Besteuerung von Auslandsbeziehungen regeln. Weiter heißt es dort, dass Doppelbesteuerungsabkommen dem AStG nicht entgehen stehen.
3 Berichtigung von Einkünften – § 1 AStG 3.1 Überblick Ziel des § 1 AStG ist es, sowohl die Verlagerung von Einkünften als auch Funktionsverlagerungen durch inländische Steuerpflichtige ins Ausland zu verhindern. Eine Verlagerung von Einkünften wird erreicht, indem Geschäfte mit einer nahe stehenden Person im Ausland zu Bedingungen getätigt werden, welche die Einkünfte des inländischen Steuerpflichtigen mindern und die Einkünfte des ausländischen Geschäftspartners erhöhen. Es macht dabei keinen Unterschied, ob es sich beim Ausland um ein Niedrigsteuerland handelt oder nicht.
Beispiele
Eine Verlagerung von Funktionen ins Ausland kann durch unterschiedliche wirtschaftliche und rechtliche Ursachen begründet sein. – Die in Osnabrück ansässige Tugg Speedman GmbH liefert Kabelbäume an die Automobilindustrie. Aufgrund der hohen Lohn- und Lohnnebenkosten in Deutschland möchte die Speedman GmbH ihre Produktion in die Ukraine verlagern, um gegenüber asiatischen Konkurrenten wettbewerbsfähig zu bleiben. – Die Rafe McCawley AG produziert in Dortmund Christbaumschmuck. Die Herstellung von Saisonware bedingt eine im Jahresverlauf schwankende Kapazitätsauslastung. Das in Bezug auf Kündigungsschutz, Mitbestimmung und Wochenarbeitszeit flexiblere rumänische Arbeitsrecht bietet günstigere Rahmenbedingungen als die deutschen Vorschriften. Aus diesem Grund entschließt sich die McCawley AG, zukünftig in Rumänien zu produzieren.
Berichtigung von Einkünften – § 1 AStG
467
– Der international tätige Mike Terry Konzern mit Sitz in Frankfurt a. M. verlegt seine Konzernzentrale nach Irland. Der Terry Konzern begründet die Verlagerung der Konzernverwaltung mit dem geringeren Steuerniveau in Irland. Mit der Verlagerung von Funktionen fließen nicht nur materielle Wirtschaftsgüter und in Deutschland geschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter und Vorteile, wie z.B. Know-how, Patente und Wissen im Bereich Technik und Produktion, Marken- und Namenrechte und Kundeninformationen, sondern auch mit der Funktion verbundene zukünftig erwartete Unternehmensgewinne von Deutschland ins Ausland ab.756 Der Gesetzgeber will mit dem durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 zum 01.01.2008 eingeführten Tatbestand der Funktionsverlagerung (§ 1 Abs. 3 Satz 9 AStG) erreichen, dass die übergehenden Vermögenswerte und zukünftigen Gewinne vor Verlassen der inländischen Besteuerungssphäre letztmalig in Deutschland besteuert werden. Hierfür wird die verlagerte Funktion auf der Grundlage des Fremdvergleichs bewertet, so dass die durch Ausübung der Funktion entstandenen stillen Reserven ebenfalls aufgedeckt werden müssen. Auf diesem Wege soll die Neuregelung zur Sicherung des inländischen Steueraufkommens beitragen.
Deutschland
Bewertung und Besteuerung der übergehenden Funktion in Deutschland
Ausland
Unternehmen Funktion
Verlagerung
Funktion
der Funktion
Abbildung 130: Verlagerung einer Funktion
756
Vgl. Entwurf eines Unternehmensteuerreformgesetzes 2008, BT-Drs. 16/4841, S. 84.
468
Tatbestandsvoraussetzungen
Inländische Steuerpflichtige können sowohl unbeschränkt steuerpflichtige, als auch beschränkt bzw. erweitert beschränkt steuerpflichtige Personen sein. Außerdem fallen Personengesellschaften, Gemeinschaften und ähnliche Gebilde grundsätzlich auch unter die Regelung des § 1 AStG.
Beispiel
Wenn die zwischen den nahe stehenden Personen vereinbarten Leistungsbeziehungen einem Fremdvergleich nicht standhalten, so sind die Einkünfte unbeschadet anderer Vorschriften so anzusetzen, wie sie unter unabhängigen Dritten angefallen wären („dealing-atarm’s-length“-Prinzip). Die deutsche Möbelfabrik Möblig-AG kauft von der belgischen Betriebsstätte ihrer deutschen Tochtergesellschaft Spänig-GmbH Spanplatten zu einem überhöhten Preis.
Für die Anwendung des § 1 AStG verweist der Anwendungserlass auf die „Grundsätze für die Prüfung der Einkunftsabgrenzung bei international verbundenen Unternehmen (Verwaltungsgrundsätze)“757, in denen der Begriff „nahe stehende Person“ geregelt ist.758 Die Berichtigungsbeträge werden nach der in § 1 Abs. 3 AStG normierten Vorgehensweise ermittelt. Diese ab VZ 2008 gültige gesetzliche Grundlage wird durch das im Jahr 2005 vom BMF veröffentlichte „Schreiben betr. Grundsätze für die Prüfung der Einkunftsabgrenzung zwischen nahestehenden Personen mit grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen in Bezug auf Ermittlungs- und Mitwirkungspflichten, Berichtigungen sowie auf Verständigungs- und EU-Schiedsverfahren (VerwaltungsgrundsätzeVerfahren 2005)“759 ergänzt.
3.2 Tatbestandsvoraussetzungen Die Anwendung des § 1 AStG setzt voraus, dass x der Geschäftspartner eine nahe stehende Person ist, x eine Geschäftsbeziehung zum Ausland besteht oder eine Funktion verlagert wird, x unübliche Bedingungen vereinbart sind und x eine Einkunftsminderung des inländischen Steuerpflichtigen vorliegt.
757
Vgl. BMF v. 23.02.1983, IV C 5 – S 1341 – 4/83, BStBl. I S. 218, Beck’sche Textausgaben Steuererlasse, Nr. 725, § 1/1.
758
Vgl. Tz. 1.0.1 AEAStG.
759
Vgl. BMF v. 12.04.2005, IV B 4 – S 1341 – 1/05, BStBl. I 2005, S. 570, Beck’sche Textausgaben Steuererlasse, Nr. 725, § 1/5.
Berichtigung von Einkünften – § 1 AStG
Nahe stehende Person i.S.d. § 1 Abs. 2 AStG Ja Geschäftsbeziehung i.S.d. § 1 Abs. 5 AStG oder Funktionsverlagerung i.S.d. § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG Ja Unübliche Bedingung Ja Einkünfteminderung des inl. Steuerpflichtigen Ja Berichtigung der Einkünfte des inl. Steuerpflichtigen
469
Nein
Nein
Nein Nein Keine Berichtigung der Einkünfte des inl. Steuerpflichtigen
Abbildung 131: Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 AStG
3.2.1
Nahe stehende Person
Die Merkmale einer „nahe stehenden Person“ regelt § 1 Abs. 2 AStG. Zusätzlich enthalten die Verwaltungsgrundsätze unter Tz. 1.3.2 weitere Ausführungen. Es lassen sich vier Merkmalsgruppen unterscheiden: Wesentliche Beteiligung, Beherrschender Einfluss, Besondere Einflussmöglichkeiten und Interessenidentität.
Tatbestandsvoraussetzungen
470 Wesentliche Beteiligung unmittelbare o. mittelbare
Geschäftspartner
Steuerpflichtiger Beteiligung von mind. 25 % oder
Dritter jeweils unmittelbare o. mittelbare Beteiligung von mind. 25 %
Abbildung 132: Wesentliche Beteiligung Unter einer wesentlichen Beteiligung ist nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 AStG eine Beteiligung von mindestens einem Viertel zu verstehen. Diese Beteiligung muss der Steuerpflichtige an der nahe stehenden Person halten oder umgekehrt. Nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 AStG ist es auch möglich, dass eine dritte Person an den beiden Personen wesentlich beteiligt ist, beispielsweise ein Mutterkonzern, der wesentliche Beteiligungen an zwei Tochtergesellschaften hält.
Beispiel
Es ist diesbezüglich unerheblich, ob es sich um eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung handelt. Allerdings ist eine Zusammenrechnung unmittelbarer und mittelbarer Beteiligungen oder mehrerer mittelbarer Beteiligungen nicht zulässig.760 Bei der Berechnung der mittelbaren Beteiligung einer Person an einer Gesellschaft sind die Beteiligungen, die eine vermittelnde Gesellschaft hält, in dem Verhältnis zu berücksichtigen, das der mittelbaren oder unmittelbaren Beteiligung der Person an der vermittelnden Gesellschaft entspricht.761 Die Beteiligungen werden also proportional zugerechnet. Simon Kruger ist an der dänischen Yoga-GmbH zu 40 % beteiligt. Die dänische Yoga-GmbH besitzt 70 % der Aktien der finnischen Novo-AG. Damit ist Kruger mittelbar zu 28 % (= 40 % von 70 %), also wesentlich, an der finnischen Novo-AG beteiligt. Die finnische Novo-AG ist für ihn eine nahe stehende Person im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 1 AStG.
760
Vgl. Wassermeyer, F., in: Flick, H./ Wassermeyer, F./ Baumhoff, H., Außensteuerrecht: Kommentar, 62. Erg.-Lfg., Köln 2008, § 1 AStG, Rz. 838.
761
Vgl. Tz. 1.3.2.3 Verwaltungsgrundsätze.
Berichtigung von Einkünften – § 1 AStG
471
Bei der wesentlichen Beteiligung muss es sich nicht um eine Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft handeln, d.h. Anteilseigner kann auch eine Personengesellschaft oder ein Einzelunternehmen sein.762 Darüber hinaus kann die wesentliche Beteiligung in einer stillen Beteiligung oder einem partiarischen Darlehen bestehen. Beherrschender Einfluss unmittelbarer o. mittelbarer Geschäftspartner
Steuerpflichtiger beherrschender Einfluss oder
Dritter jeweils unmittelbarer o. mittelbarer beherrschender Einfluss
Abbildung 133: Beherrschender Einfluss Gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 AStG ist dem Steuerpflichtigen ein Geschäftspartner nahe stehend, wenn der Steuerpflichtige auf die Person unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder umgekehrt. Sie sind sich gem. § 1 Abs. 2 Nr. 2 AStG auch dann nahe stehend, wenn eine dritte Person unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss auf die beiden erstgenannten Personen ausüben kann, was z.B. im Verhältnis von Schwestergesellschaften zu ihrer Muttergesellschaft der Fall ist. Ein beherrschender Einfluss kann auf rechtlicher oder tatsächlicher Grundlage oder dem Zusammenwirken beider beruhen. Der beherrschende Einfluss muss dabei jedoch nicht wirklich ausgeübt werden. Es genügt schon die Möglichkeit, um das Nahestehen von Personen zu begründen.763 Ein beherrschender Einfluss liegt beispielsweise vor, wenn ein Unternehmen völlig von einem Kapitalgeber oder von einem Rohstofflieferanten abhängig ist. Eine Verflechtung durch beherrschenden Einfluss kann auch auf beteiligungsähnlichen Rechten oder unmittelbarer bzw. mittelbarer Beteiligung derselben Personen an der Geschäftsleitung zweier Unternehmen beruhen.764
762
Vgl. BFH v. 30.05.1990, I-R-97/88, BStBl. II 1990, S. 875.
763
Vgl. Tz. 1.3.2.4 Verwaltungsgrundsätze.
764
Vgl. Tz. 1.3.2.5 Verwaltungsgrundsätze.
472
Tatbestandsvoraussetzungen
Beispiel
Die Terminatrix-GmbH benötigt für die Produktion von ökologischem Radiergummi Kautschuk aus ökologischem Anbau. Einziger Anbieter von Kautschuk aus ökologischem Anbau ist die John Connor AG. Die John Connor AG erlangt dadurch einen beherrschenden Einfluss auf die Terminatrix-GmbH, da diese bezüglich der Rohstoffe von der John Connor AG vollständig abhängig ist.
Besondere Einflussmöglichkeiten
Steuerpflichtiger
Ausübung eines außerhalb der Geschäftsführung begründeten Einflusses
Geschäftspartner
Abbildung 134: Besondere Einflussmöglichkeiten Die dritte Möglichkeit, das Nahestehen zweier Personen zu begründen, besteht in einem außerhalb der Geschäftsbeziehung begründeten Einfluss auf die andere Person (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 AStG). Der Einfluss muss sich dabei auf die Geschäftsbeziehung selbst erstrecken. Auch hier reicht die Möglichkeit aus, einen solchen Einfluss ausüben zu können.765 Bei dieser Art von Einflussmöglichkeit kann es sich beispielsweise um Abhängigkeitsverhältnisse handeln, die ihren Grund in persönlichen oder verwandtschaftlichen Verbindungen haben. Interessenidentität
Steuerpflichtiger
eigenes Interesse an der Einkünfteerzielung des Anderen
Geschäftspartner
Abbildung 135: Interessenidentität Ein Nahestehen von Personen wird auch in dem Fall angenommen, wenn der Steuerpflichtige oder sein Geschäftspartner ein geschäftliches oder persönliches Interesse an der Einkunftserzielung des Anderen hat.
765
Vgl. Tz. 1.3.2.6 Verwaltungsgrundsätze.
Berichtigung von Einkünften – § 1 AStG
3.2.2
473
Geschäftsbeziehung zum Ausland oder Funktionsverlagerung
3.2.2.1 Geschäftsbeziehung zum Ausland Zunächst ist im Rahmen des Tatbestandsmerkmals Geschäftsbeziehung zum Ausland der Begriff Ausland zu definieren. Mit dem Begriff Ausland ist dabei jedes Gebiet gemeint, das nicht zum Inland gehört. Da es sich um eine Geschäftsbeziehung mit einer nahe stehenden Person handeln muss, d.h. mit einer vom Steuerpflichtigen verschiedenen Person, sind grenzüberschreitende Geschäfte innerhalb eines Unternehmens, z.B. zwischen Stammhaus und Betriebsstätte oder zwischen zwei Betriebsstätten, von dieser Regelung ausgeschlossen. Was genau unter einer Geschäftsbeziehung zu verstehen ist, regelt § 1 Abs. 5 AStG. Danach ist jede den Einkünften zugrunde liegende schuldrechtliche Beziehung, die keine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung ist, eine Geschäftsbeziehung, wenn sie bei dem Steuerpflichtigen oder der nahe stehenden Person Teil einer Tätigkeit ist, deren Einkünfte nach den §§ 13, 15, 18 oder 21 EStG zu behandeln sind oder wären, wenn die Tätigkeit im Inland vorgenommen würde. Auf diese Weise soll jede tatsächliche oder rechtliche Leistungsbeziehung zwischen Gesellschafter und Gesellschaft außerhalb der gesellschaftsvertraglichen Ebene von § 1 Abs. 1 AStG erfasst werden. Keine Geschäftsbeziehung sind demnach die Beziehungen, die das Nahestehen selbst begründen, d.h. die das Verhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschafter regeln. Dazu gehört insbesondere die Überlassung von Eigenkapital, da sie nicht aufgrund einer schuldrechtlichen, sondern einer gesellschaftsrechtlichen Vereinbarung erfolgt.766 Der BFH hat in seinem Urteil vom 28.04.2004 dem Tatbestand einer Geschäftsbeziehung zum Ausland i.S.d. § 1 Abs. 1 und 4 AStG a.F. eine personale Beziehung zwischen inländischem Steuerpflichtigen und der ausländischen nahe stehenden Person vorausgesetzt, und somit eine Gesetzeslücke aufgezeigt.767 Konkret urteilte der BFH, dass bei zinsloser Darlehensgewährung eines Steuerpflichtigen an eine inländische nahe stehende Person eine personale Beziehung nicht gegeben ist, wenn letztgenannte Person die Darlehensmittel zur Finanzierung einer ausländischen Betriebsstätte heranzieht.768 Ein vom BMF veröffentlichter Nichtanwendungserlass769 betreffend dieses BFH-Urteils erscheint zumindest fragwürdig, da dessen Anwendung bei anderen Sachverhalten zu neuen Rechtsproblematiken führt.770
766
Vgl. Tz. 1.4.2. AEAStG.
767
Vgl. Andresen, U., Keine Einkünftekorrektur nach § 1 Abs. 1 AStG bei Begebung eines zinslosen Darlehens an inländische GmbH mit Schweizer Betriebsstätte, IStR 2005, S. 123 f.
768
Vgl. BFH v. 28.04.2004, I-R-5, 6/02, IStR 2004, S. 758.
769
Vgl. BMF v. 22.07.2005, IV B 4 – S 1341 – 4/05, DStR 2005, S. 1315 f., Beck’sche Textausgaben Steuererlasse, Nr. 725, § 1/6.
770
Vgl. Strunk, G./ Kaminski, B., Anmerkungen zum BMF-Schreiben zum Vorliegen von Geschäftsbeziehungen im Sinne des § 1 Abs. 4 AStG, IStR 2006, S. 141, 144.
474
Tatbestandsvoraussetzungen
3.2.2.2 Funktionsverlagerung § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG definiert eine Funktionsverlagerung sinngemäß als Verlagerung einer Funktion. Diese wenig aussagekräftige Definition771 wird in der vom BMF mit Zustimmung des Bundesrats erlassene Funktionsverlagerungsverordnung (FVerlV)772 konkretisiert, deren rechtliche Basis die in § 1 Abs. 3 Satz 13 AStG normierte Ermächtigung bildet. Unter einer Funktion sind gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 FVerlV gleichartige betriebliche Aufgaben zu verstehen, die zu einer Geschäftstätigkeit zusammengefasst und von bestimmten Stellen oder Abteilungen im Unternehmen erledigt werden. Eine Funktion ist ein organischer Teil des Unternehmens und liegt nicht erst dann vor, wenn die Voraussetzungen für einen Teilbetrieb i.S.d. Steuerrechts erfüllt sind (§ 1 Abs. 1 Satz 2 FVerlV). Merke: Die Anforderungen an das Vorliegen einer Funktion sind wesentlich geringer als an das Vorliegen eines Teilbetriebs. Eine Funktionsverlagerung setzt voraus, dass ein inländisches Unternehmen (verlagerndes Unternehmen) ein ausländisches, nahe stehendes Unternehmen (übernehmendes Unternehmen) durch Nutzungsüberlassung oder Übertragung von Wirtschaftgütern oder sonstigen Vorteilen und den damit einhergehenden Chancen und Risiken in die Lage versetzt, eine Funktion auszuüben, die bisher vom verlagernden Unternehmen übernommen wurde und dort nur noch eingeschränkt ausgeübt oder aufgegeben wird (§ 1 Abs. 2 Satz 1 FVerlV). Gemäß der Begründung zu § 1 Abs. 2 FVerlV liegt auch dann eine Funktionsverlagerung vor, wenn das verlagernde Unternehmen die Grundlagen zur Funktionsausübung dem übernehmenden Unternehmen zur Verfügung stellt und das übernehmende Unternehmen die Funktion in anderer Art und Weise ausübt.773 Eine zeitlich befristete Übernahme der Funktion durch das übernehmende Unternehmen stellt nach § 1 Abs. 2 Satz 2 FVerlV ebenfalls eine Funktionsverlagerung dar. Einzelne Geschäftsvorfälle, die innerhalb von fünf Jahren verwirklicht werden und bei Gesamtbetrachtung die Voraussetzungen einer Funktionsverlagerung erfüllen, werden entsprechend qualifiziert (§ 1 Abs. 2 Satz 3 FVerlV).
771
Vgl. Baumhoff, H./ Ditz, X./ Greinert, M., Auswirkungen der Unternehmensteuerreform 2008 auf die Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen, DStR 2007, S. 1650.
772
Verordnung zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatz nach § 1 Abs. 1 des Außensteuergesetzes in Fällen von grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen (Funktionsverlagerungsverordnung – FVerlV), BR-Drs. 352/08.
773
Vgl. Verordnung zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatz nach § 1 Abs. 1 des Außensteuergesetzes in Fällen von grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen (Funktionsverlagerungsverordnung – FVerlV), BR-Drs. 352/08, S. 11.
Berichtigung von Einkünften – § 1 AStG
475
Definition der Funktionsverlagerung
Deutschland Funktion • Eine Funktion ist die Zusammenfassung gleichartiger betrieblicher Tätigkeiten zu einer Geschäftstätigkeit • Eine Funktionsverlagerung besteht im Übergang von Wirtschaftsgütern oder sonstigen Vorteilen sowie von Chancen und Risiken • Gesamtbetrachtung einzelner Geschäftsvorfälle innerhalb von 5 Jahren und ggf. Qualifikation als Funktionsverlagerung Verlagerndes Unternehmen
Ausland • Art und Weise der Funktionsausübung ist unbeachtlich • Zeitliche Befristung der Funktionsübernahme spielt keine Rolle Nahestehendes Unternehmen
Abbildung 136: Definition der Funktionsverlagerung Im Gegensatz zum Konzept der Einzelbewertung der übergehenden Wirtschaftsgüter und Vorteile sieht die Definition der Funktionsverlagerung grundsätzlich eine Bewertung der Funktion als Ganzes vor. Die Funktion als Ganzes wird gem. § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG als Transferpaket bezeichnet und umfasst nach § 1 Abs. 3 FVerlV alle materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter und sonstigen Vorteile sowie Chancen und Risiken, die mit der Funktion in Zusammenhang stehen. Durch das Abstellen auf die Chancen und Risiken wird eine Aufdeckung und Besteuerung der übergehenden Gewinnerwartungen erreicht. Somit werden auch stille Reserven, die im Rahmen einer Funktionsverlagerung an das übernehmende Unternehmen übertragen werden, einer Besteuerung unterzogen.
Tatbestandsvoraussetzungen
476 Transferpaket
Materielle und immaterielle Wirtschaftsgüter und sonstige Vorteile + Chancen und Risiken der verlagerten Funktion
Aufdeckung und Besteuerung der Gewinnerwartungen und damit der stillen Reserven Abbildung 137: Definition des Transferpakets Es kann zwischen vier grundlegenden Formen der Funktionsverlagerung unterschieden werden:774 Funktionsausgliederung: Ein inländisches Unternehmen verlagert eine Funktion vollständig auf ein ausländisches, nahe stehendes Unternehmen. Beispiel
x
Funktionsabschmelzung: Ein inländisches Unternehmen überträgt Teile einer von ihm bislang vollständig ausgeübten Funktion auf ein ausländisches, nahe stehendes Unternehmen. Beispiel
x
774
Der deutsche Pharmakonzern Dr. Neville AG schließt seine Produktionsstandorte in Deutschland und verlagert die Produktion auf seine 100%ige Tochtergesellschaft Anna s.r.o. in Tschechien.
Die österreichische Georg Dreyman GmbH stellt Überwachungskameras her. Den Vertrieb in Deutschland übernimmt die in Heilbronn ansässige Tochtergesellschaft der Dreyman GmbH, die Gerd Wiesler GmbH. Die Wiesler GmbH leitet den Vertrieb in Deutschland seit zehn Jahren eigenverantwortlich (Eigenhändler) und hat in dieser Zeit einen Kundenstamm aufgebaut. Die Dreyman GmbH plant, ihre Vertriebsaktivitäten in Europa zentral von Österreich aus zu koordinieren. Aus diesem Grund soll der Kundenstamm und der Fuhrpark der Außendienstmitarbeiter der Wiesler GmbH auf die Dreyman GmbH übertragen werden. Die Wiesler GmbH ist zukünftig als Kommissionär nur noch für Lagerhaltung und Versand der Kameras zuständig.
Vgl. Baumhoff, H./ Ditz, X./ Greinert, M., Auswirkungen der Unternehmensteuerreform 2008 auf die Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen, DStR 2007, S. 1650.
Berichtigung von Einkünften – § 1 AStG
Funktionsabspaltung: Ein inländisches Unternehmen verlagert eine Funktion vollständig oder teilweise auf ein ausländisches, nahe stehendes Unternehmen. Voraussetzung für die Qualifikation einer Funktionsabspaltung als schädliche Funktionsverlagerung ist, dass es sich nicht nur um die Erbringung einer Dienstleistung handelt (§ 1 Abs. 7 Satz 1 FVerlV). Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn das verlagernde deutsche Unternehmen dem ausländischen, nahe stehenden Unternehmen zwar Maschinen für die Produktion zur Verfügung stellt,775 aber keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter oder Vorteile gem. § 1 Abs. 3 Satz 10 AStG überträgt. Immaterielle Wirtschaftsgüter gelten nach § 1 Abs. 5 FVerlV dann als wesentlich, wenn sie für die verlagerte Funktion notwendig sind und ihr Fremdvergleichspreis 25 % der Summe der im Transferpaket enthaltenen Wirtschaftsgüter und Vorteile übersteigt. Bei Vorliegen einer Dienstleistungserbringung wird das ausländische Unternehmen beispielsweise als Lohnfertiger oder verlängerte Werkbank tätig. Der zwischen den einander nahe stehenden Unternehmen für die Dienstleistung vereinbarte Verrechnungspreis muss dem Fremdvergleich entsprechen. Beispiele
x
477
– Der deutsche Landmaschinenhersteller Michael Clayton AG lässt eine spezielle Antriebswelle für den asiatischen Markt in den Niederlanden bei der Karen Crowder B.V. fertigen. Die Clayton AG ist zu 85 % an der Crowder B.V. beteiligt und stellt dieser für die Produktion der Antriebswelle ausschließlich immaterielle Wirtschaftsgüter in Form von Konstruktionsplänen und umfangreichem Fertigungs-Know-how zur Verfügung. Es liegt eine schädliche Funktionsverlagerung vor. – Die Michael Clayton AG beauftragt ihre niederländische Tochtergesellschaft, Arthur Edens B.V., 10.000 Anhängerkupplungen herzustellen. Die Clayton AG stellt der Edens B.V. dafür Maschinen, jedoch keine immateriellen Wirtschaftsgüter zur Verfügung. Es handelt sich um eine Auftragsfertigung. Die Edens B.V. wird lediglich als Lohnfertiger tätig, so dass keine schädliche Funktionsverlagerung vorliegt.
x
Funktionsverdopplung bzw. Funktionsvervielfältigung: Ein deutsches Unternehmen übt eine Funktion im Inland aus. Gleichzeitig wird in einem oder mehreren ausländischen, nahe stehenden Unternehmen mit dem Aufbau und der Wahrnehmung der gleichen Funktion begonnen. Entgegen dem ersten Entwurf einer Funktionsverlagerungsverordnung, nach dem eine Funktionsverdopplung grundsätzlich als schädliche Funktionsverlagerung gelten sollte, stellt die jetzt gültige Verordnung folgende Anforderungen an die Qualifikation einer Funktionsverdopplung als Funktionsverlagerung: Es ist nur dann von einer schädlichen Funktionsverlagerung auszugehen, wenn die Funktion im Inland aufgrund der Funkti-
775
Vgl. Hervé, Y./ Hofer, M./ Voltmer-Darmanyan, L., Praxis der Funktionsverlagerung nach der Unternehmensteuerreform 2008, BC 09/2007, S. 259.
Tatbestandsvoraussetzungen
478
onsverdopplung innerhalb von fünf Jahren eingeschränkt ausgeübt wird (§ 1 Abs. 6 Satz 1 FVerlV). Macht ein Steuerpflichtiger jedoch gem. § 1 Abs. 6 Satz 2 Hs. 2 FVerlV glaubhaft, dass die eingeschränkte Funktionsausübung nicht in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Funktionsverlagerung steht, liegt keine Funktionsverlagerung nach § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG vor.
Beispiel
Der Nachweis eines nicht unmittelbar bestehenden wirtschaftlichen Zusammenhangs hat in Form einer plausiblen Darstellung der tatsächlichen und objektiven Umstände zu erfolgen.776 Fraglich bleibt jedoch, anhand welcher Kriterien die Einschränkung der Funktionsausübung (z.B. Umsatz, Mitarbeiterzahl oder Kapazitätsauslastung) gemessen wird.777 Die Llewelyn Moss GmbH ist in Ingolstadt ansässig und liefert an diverse Automobilhersteller Kompressoren für Klimaanlagen. Die Produktionskapazitäten der Moss GmbH sind seit längerem ausgeschöpft, so dass sich die Geschäftsleitung der Moss GmbH entschließt, im Rahmen ihrer mexikanischen Tochtergesellschaft Anton Chigurh S.A. de C.V. ein neues Produktionswerk für Kompressoren zu errichten. Der Umfang der Produktionstätigkeit der Moss GmbH in Deutschland nimmt in Folge der Funktionsverdopplung innerhalb der nächsten fünf Jahre ab. Es liegt eine Funktionsverlagerung vor.
Folgende Tatbestände stellen generell keine Funktionsverlagerung dar und sind daher unschädlich: Die ausschließliche Veräußerung oder Nutzungsüberlassung von Wirtschaftsgütern oder Erbringung von Dienstleistungen, sofern diese Geschäftsvorfälle nicht Teil einer Funktionsverlagerung sind (§ 1 Abs. 7 Satz 1 FVerlV). Beispiel
x
x
Die Octave Parago GmbH, ein Kosmetikhersteller aus Saarbrücken, veräußert den Fuhrpark ihrer Außendienstmitarbeiter an ihre französische Tochtergesellschaft, die Marc Maronnier SE. Der Veräußerungspreis entspricht dem Fremdvergleichsgrundsatz.
Die Entsendung von Personal in Konzernen ohne Übergang von Funktionen (§ 1 Abs. 7 Satz 2 Hs. 1 FVerlV).
776
Vgl. Verordnung zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatz nach § 1 Abs. 1 des Außensteuergesetzes in Fällen von grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen (Funktionsverlagerungsverordnung – FVerlV), BR-Drs. 352/08, S. 14.
777
Vgl. Kroppen, H.-K./ Rasch, S., Die Funktionsverlagerungsverordnung, IWB Fach 3 Gruppe 1, S. 2344.
Berichtigung von Einkünften – § 1 AStG
479
Beispiel
In Fällen, in denen das Personal eines Unternehmens Dienstleistungen für ein nahe stehendes Unternehmen erbringt, ist für diese Leistungserstellung der fremdübliche Verrechnungspreis zu bestimmen.778
x
Die deutsche Alex Hitchens AG hat sich auf die Produktion von Korbwaren spezialisiert, die sie in der Schweiz über ihre Tochtergesellschaft Allegra Cole AG vertreibt. Zur Unterstützung bei den Jahresabschlussarbeiten entsendet die Hitchens AG ihren Mitarbeiter Albert Brennaman für zwei Wochen an die Cole AG.
Unabhängige Dritte sehen den Vorgang nicht als Erwerb oder Veräußerung von Funktionen an (§ 1 Abs. 7 Satz 2 Hs. 2 FVerlV). Gemäß der Begründung zur Funktionsverlagerungsverordnung ist diese Ausnahme beispielsweise gegeben, wenn Verträge fristgerecht gekündigt werden oder auslaufen. Bei Vorliegen einer Funktionsverdopplung und bei Erfüllen der Voraussetzungen des § 1 Abs. 7 Satz 2 Hs. 2 FVerlV begründet eine geringfügige oder zeitlich begrenzte Einschränkung der Funktionsausübung einen unbeachtlichen Bagatellfall.779
Die weite Definition von Funktionsverlagerungen durch den Gesetzgeber sorgt zum einen für mangelnde Rechtssicherheit bei Unternehmen und birgt zum anderen die Gefahr einer Vielzahl von Verständigungsverfahren zwischen ausländischen und deutschen Steuerbehörden, da die Vorschriften zur Funktionsverlagerung nicht mit den OECD-Verrechnungspreisrichtlinien vereinbar sind.780 Zusätzlich zu den Regelungen des AStG und zur Funktionsverlagerungsverordnung hat der BMF am 17.07.2009 einen Entwurf der Verwaltungsgrundsätze zur Funktionsverlagerung781 veröffentlicht. Diese Verwaltungsgrundsätze dienen der Finanzverwaltung als Leitfaden für die Prüfung der Einkunftsabgrenzung zwischen nahestehenden Personen bei
778
Vgl. Verordnung zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatz nach § 1 Abs. 1 des Außensteuergesetzes in Fällen von grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen (Funktionsverlagerungsverordnung – FVerlV), BR-Drs. 352/08, S. 14 f.
779
Vgl. Verordnung zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatz nach § 1 Abs. 1 des Außensteuergesetzes in Fällen von grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen (Funktionsverlagerungsverordnung – FVerlV), BR-Drs. 352/08, S. 13.
780
Vgl. Kroppen, H.-K./ Rasch, S./ Eigelshoven, A., Die Behandlung der Funktionsverlagerung im Rahmen der Unternehmensteuerreform 2008 und der zu erwartenden VerwaltungsgrundsätzeFunktionsverlagerung, IWB Fach 3 Gruppe 1, S. 2208; Kroppen, H.-K./ Rasch, S., Die Funktionsverlagerungsverordnung, IWB Fach 3 Gruppe 1, S. 2341.
781
Vgl. Entwurf des BMF-Schreibens „Grundsätze der Verwaltung für die Prüfung der Einkunftsabgrenzung zwischen nahe stehenden Personen in Fällen von grenzüberschreitenden Funktionsverlagerungen (Verwaltungsgrundsätze-Funktionsverlagerung)“ v. 17.07.2009.
Berichtigungsumfang
480
Funktionsverlagerungen über die Grenze. Insbesondere nimmt der BMF in diesem Entwurf Stellung zu dem Regelungsziel und dem Regelungsrahmen von Funktionsverlagerungen sowie zu einzelnen Merkmalen des § 1 Abs. 3 Satz 9 bis 12 AStG und der Funktionsverlagerungsverordnung.782 Außerdem werden Einzelfragen aufgegriffen und besondere Aspekte bestimmter Funktionsverlagerungen thematisiert. Eine endgültige Fassung des BMFSchreibens betreffend die Grundsätze der Funktionsverlagerung liegt bislang allerdings noch nicht vor.
3.2.3
Unübliche Bedingungen
Dritte Voraussetzung für die Anwendung von § 1 AStG ist, dass zwischen den Beteiligten Bedingungen vereinbart wurden, die von denen abweichen, die voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder ähnlichen Verhältnissen vereinbart hätten. Dieser Fremdvergleich ist nach Maßgabe von § 1 Abs. 3 Satz 1 bis 8 AStG durchzuführen.
3.2.4
Einkunftsminderung
Schließlich müssen durch die unüblichen Bedingungen die Einkünfte des inländischen Steuerpflichtigen gemindert werden, d.h. es muss eine Einkünfteverlagerung ins Ausland vorliegen. Im umgekehrten Fall, d.h. wenn die Einkünfte des inländischen Steuerpflichtigen durch solche Geschäfte erhöht werden, ist eine Gewinnkorrektur nach unten nicht vorgesehen. Bei der Prüfung, ob Einkünfte durch unübliche Bedingungen gemindert worden sind, stellt sich die Frage, ob das Ergebnis einzelner Geschäfte oder eines gewissen Zeitraums, z.B. eines Wirtschaftsjahres, betrachtet werden muss. § 1 AStG spricht von der Minderung von „Einkünften“. Daraus lässt sich schließen, dass das Ergebnis eines Zeitraums gemeint ist, da nach deutschem Steuerrecht Einkünfte immer für den Zeitraum eines Wirtschaftsjahres ermittelt werden. Die positiven und negativen Geschäftsergebnisse eines Wirtschaftsjahres werden miteinander verrechnet, und nur das saldierte Ergebnis wird betrachtet.
3.3 Berichtigungsumfang Der Berichtigungsumfang wird durch die Höhe der Einkunftsminderung bestimmt. Die Einkünfte des inländischen Steuerpflichtigen sind so anzusetzen, wie sie unter den zwischen unabhängigen Dritten vereinbarten Bedingungen erzielt worden wären (Grundsatz des Fremdverhaltens).783
782
Vgl. Hervé, Y., Köhler, H., Müller, R., Besteuerung von Funktionsverlagerungen: Neue Maßstäbe der Finanzverwaltung – Entwurf eines BMF-Schreibens vom 17.7.2009, BRZ 2009, S. 511 ff.
783
Vgl. Tz. 1.1 AEAStG.
Berichtigung von Einkünften – § 1 AStG
481
Im Fall einer Geschäftsbeziehung zum Ausland ist der Verrechnungspreis, im Fall einer Funktionsverlagerung das Entgelt für die Verlagerung des Transferpakets zu ermitteln. In beiden Fällen ist mit Wirkung zum 01.01.2008 das in § 1 Abs. 3 Satz 1 bis 8 AStG normierte dreistufige Verfahren zur Preisermittlung anzuwenden (§ 1 Abs. 3 Satz 1 AStG bzw. § 2 Abs. 1 FVerlV).
Beispiel
Stufe 1 Die Preisermittlung auf der ersten Stufe setzt das Vorliegen von uneingeschränkt vergleichbaren Fremdvergleichswerten voraus. Fremdvergleichswerte sind gem. Tz. 3.4.12.7 Bst. a Verwaltungsgrundsätze-Verfahren 2005 dann uneingeschränkt vergleichbar, wenn identische Geschäftsbedingungen vorliegen oder Unterschiede in den Geschäftsbedingungen sich nicht auf die Preisgestaltung auswirken bzw. durch Anpassungen beseitigt worden sind. Werden diese Voraussetzungen eingehalten, erfolgt die Ermittlung des Fremdvergleichspreises bzw. des Entgelts für das Transferpaket nach den Standardmethoden, d.h. der Preisvergleichsmethode, der Wiederverkaufsmethode oder der Kostenaufschlagsmethode (§ 1 Abs. 3 Satz 1 AStG).
Die J. D. Dorian AG betreibt mehrere Krankenhäuser in Deutschland. Von ihrer ungarischen Tochtergesellschaft, der Dr. Cox Rt., bezieht die Dorian AG Skalpelle zu einem Stückpreis von 35 €. Der deutsche Wettbewerber der Dr. Cox Rt., die Elliot Reid GmbH aus Braunschweig, bietet Skalpelle der gleichen Art und Güte zum selben Preis an. Folglich hat die Dorian AG unter Anwendung der Preisvergleichsmethode einen dem Fremdvergleich entsprechenden Verrechnungspreis festgelegt.
Können mehrere mögliche Werte ermittelt werden, kann ein Steuerpflichtiger den für ihn vorteilhaftesten Wert innerhalb der sich ergebenden Bandbreite ansetzen.784 Nimmt ein Steuerpflichtiger Werte an, die außerhalb der Bandbreite liegen, muss er diese nach § 1 Abs. 3 Satz 4 AStG auf den Median der Bandbreite korrigieren. Der Median ist dadurch definiert, dass mindestens die Hälfte der Beobachtungswerte kleiner oder gleich und mindestens die Hälfte der Beobachtungswerte größer oder gleich diesem Wert sind.785 Somit haben einzelne Werte, die nach oben oder unten aus der Datenmenge ausreißen, prinzipiell eine geringere Bedeutung für den Median als für den Mittelwert, der häufig auch als Durchschnittswert bezeichnet wird. Die Korrektur des Fremdvergleichspreises auf den Median widerspricht der Rechtsprechung des BFH, der dem Steuerpflichtigen zugesteht, jeden Wert der Bandbreite auszuwählen.786 Der Gesetzgeber verfolgt mit dieser Verfahrensweise das Ziel, den Steuerpflichtigen von einer für ihn günstigen Festsetzung eines Wertes abzuhalten und somit das deutsche Besteuerungsrecht sicherzustellen.787 784
Vgl. Baumhoff, H./ Ditz, X./ Greinert, M., Auswirkungen der Unternehmensteuerreform 2008 auf die Ermittlung internationaler Verrechnungspreise, DStR 2007, S. 1463.
785
Vgl. Bamberg, G./ Baur, F./ Krapp, M., Statistik, 13. Aufl., München 2007, S. 17.
786
Vgl. BFH v. 17.10.2001, I R 103/00, BStBl. II 2004, S. 171.
787
Vgl. Entwurf eines Unternehmensteuerreformgesetzes 2008, BT-Drs. 16/4841, S. 85.
Berichtigungsumfang
482
In der sich anschließenden Abbildung ist folgende Zahlenreihe in Form von Rechtecken dargestellt: 5, 7, 11, 12, 14, 15, 16, 18 und 19. Es soll der Median und der Mittel- bzw. Durchschnittswert ermittelt werden.
Median und Mittelwert 20 18 16 14 12 10
Median Mittelwert
8 6 4
Abbildung 138: Median und Mittelwert Der Median ist der Wert, auf den zutrifft, dass mindestens die Hälfte der neun Beobachtungswerte kleiner oder gleich und mindestens die Hälfte der beobachteten Werte größer oder gleich ist. Bei neun Beobachtungswerten stellt der fünfte Wert den Median dar. Dieser beträgt im Beispiel 14. Der Mittelwert kann berechnet werden, indem sämtliche beobachteten Werte addiert und durch ihre Anzahl dividiert werden ((5 + 7 + 11 + 12 + 14 + 15 + 16 + 18 + 19) / 9). Der Mittelwert liegt im Beispiel bei 13.
Beispiel
Der Median ergibt sich bei ordinal skalierten Stichproben folgendermaßen:788 x bei einer ungeraden Anzahl (n) von Fremdvergleichspreisen (X): X(n + 1) / 2 x bei einer geraden Anzahl (n) von Fremdvergleichspreisen (X): ½ (X(n / 2) + X(n / 2) + 1) Es soll der Median der folgenden 10 (n) Verrechnungspreise (X) ermittelt werden: 1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
480 €
489 €
490 €
498 €
501 €
503 €
507 €
509 €
513 €
513 €
Median = ½ (X(n / 2) + X(n / 2) + 1) = ½ (X(10 / 2) + X(10 / 2) +1) = ½ (X5 + X6) = ½ (501 + 503) = 502 € Der Median der Verrechnungspreise beträgt 502.
788
Vgl. Bamberg, G./ Baur, F./ Krapp, M., Statistik, 13. Aufl., München 2007, S. 17 f.
483
Berichtigung von Einkünften – § 1 AStG
Beispiel
Stufe 2 Liegen keine uneingeschränkt vergleichbaren Fremdvergleichswerte vor, sind gem. § 1 Abs. 3 Satz 4 AStG auf der zweiten Stufe eingeschränkt vergleichbare Werte sachgerecht anzupassen und einer Verrechnungspreismethode zugrunde zu legen. Eine auf der zweiten Stufe entstandene Bandbreite ist gemäß der Regierungsbegründung nach Maßgabe des Verwaltungsgrundsätze-Verfahrens 2005 einzuengen. Dort ist in Tz. 3.4.12.5 die Einengung von Bandbreiten durch weitergehende Analysen (Bst. b) oder Kontrollrechnungen mit Hilfe anderer Verrechnungspreismethoden (Bst. c) vorgesehen. Letztes Mittel zur Begrenzung der Bandbreite ist ein mathematisches Verfahren (Bst. d), das eine Einengung der Bandbreite um 25 % der kleinsten und 25 % der größten Werte vorsieht. Werden Werte außerhalb der eingeengten Bandbreite angenommen, erfolgt gem. § 1 Abs. 3 Satz 4 AStG eine Korrektur auf den Median der zulässigen Bandbreite.
Die Daniel Plainview AG ist zu 75 % an der slowenischen Eli Sunday d.d. beteiligt. Die Plainview AG hat ihren Geschäftssitz in Stuttgart und stellt Waschmaschinen her. Die Motoren der Waschmaschinen werden von der slowenischen Sunday d.d. hergestellt und an die Plainview AG geliefert. Aufgrund der besonderen Motorentechnik konnten lediglich acht eingeschränkt vergleichbare Fremdvergleichspreise ermittelt werden, die zwischen 37 € und 65 € für einen Motor liegen: 1
2
3
4
5
6
7
8
37 €
41 €
43 €
48 €
51 €
53 €
58 €
65 €
Lösung
Eine Einengung dieser Bandbreite mit Hilfe von weitergehenden Analysen oder Kontrollrechnungen ist nicht möglich. Die Plainview AG zahlt bislang 54 € pro Motor an die Sunday d.d. Es soll der Verrechnungspreis für die Motoren bestimmt werden. Zunächst ist die Bandbreite der Fremdvergleichspreise gem. Tz. 3.4.12.5 Bst. d des Verwaltungsgrundsätze-Verfahrens 2005 einzuengen, indem die jeweils 25 % größten und kleinsten Werte gestrichen werden. Die Bandbreite wird also um die zwei kleinsten und die zwei größten Werte verringert (= 25 % x 8 Werte).
37 €
41 €
1
2
3
4
43 €
48 €
51 €
53 €
58 €
65 €
Die Bandbreite reicht nunmehr von 43 € bis 53 €. Der von der Plainview AG bezahlte Verrechnungspreis liegt außerhalb der auf die mittleren vier Werte eingeengten Bandbreite und ist deshalb nach § 1 Abs. 3 Satz 4 AStG auf den Median zu korrigieren.
484
Berichtigungsumfang Median = ½ (X(n / 2) + X(n / 2) + 1) = ½ (X(4 / 2) + X(4 / 2) +1) = ½ (X2 + X3) = ½ (48 + 51) = 49,50 € Der Median und somit der Verrechnungspreis für einen Motor beträgt 49,50 €. Hätte die Plainview AG ursprünglich einen um 1 € niedrigeren Verrechnungspreis festgelegt, hätte sie eine Korrektur auf den Median der Bandbreite vermeiden können, da ein Verrechnungspreis i.H.v. 53 € innerhalb der eingeengten Bandbreite gelegen hätte.
Stufe 3 Können weder uneingeschränkt vergleichbare noch eingeschränkt vergleichbare Fremdvergleichswerte festgestellt werden, erfolgt die Ermittlung des Verrechnungspreises oder des Entgelts für das Transferpaket auf der dritten Stufe auf Basis eines hypothetischen Fremdvergleichs (§ 1 Abs. 3 Satz 5 AStG). Unter Beachtung der Fiktion der Kenntnis aller wesentlichen Umstände der Geschäftsbeziehung und des Handels nach den Grundsätzen ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter wird aufgrund von Funktionsanalysen, welche die Verteilung von Funktionen und Risiken auf die Geschäftspartner berücksichtigen,789 und innerbetrieblichen Planrechnungen der Mindestpreis des leistenden bzw. verlagernden Unternehmens (Preisuntergrenze) und der Höchstpreis des empfangenden bzw. übernehmenden Unternehmens (Preisobergrenze) ermittelt. Für die Bestimmung der Preisuntergrenze und der Preisobergrenze sind die Gewinnerwartungen der beteiligten Unternehmen, die Gewinnpotentiale, maßgeblich. Die Preisspanne zwischen Preisunterund Preisobergrenze bildet nach § 1 Abs. 3 Satz 6 AStG den Einigungsbereich. Im Folgenden unterscheiden sich die Verrechnungspreisermittlung und die Ermittlung des Entgelts für Transferpakete bei Funktionsverlagerungen.
789
Vgl. Rödl, C., Internationales Steuerrecht und Steuerhinterziehung, in: Wabnitz, H.-B./ Janovsky, T. (Hrsg.), Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, 3. Aufl., München 2007, Rn. 90.
485
Berichtigung von Einkünften – § 1 AStG
Hypothetischer Fremdvergleich Preisobergrenze Höchstpreis aus Sicht des Leistungsempfängers aufgrund des Gewinnpotentials
Fiktion des Handelns nach den Grundsätzen ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter
Einigungsbereich
Fiktion der Kenntnis der wesentlichen Umstände der Geschäftsbeziehung
Mindestpreis aus Sicht des Leistenden aufgrund des Gewinnpotentials
Durchführung von Funktionsanalysen und innerbetrieblichen Planrechnungen
Preisuntergrenze Abbildung 139: Hypothetischer Fremdvergleich Innerhalb des Einigungsbereichs ist der Verrechnungspreis bei der Einkunftsermittlung anzusetzen, der dem Fremdvergleichsgrundsatz mit der höchsten Wahrscheinlichkeit entspricht (§ 1 Abs. 3 Satz 7 AStG). Wird kein anderer Verrechnungspreis glaubhaft gemacht, so bildet der Mittelwert des Einigungsbereichs die Basis der Einkunftsermittlung. Legt ein Steuerpflichtiger einen nach Ansicht der Finanzverwaltung unzutreffenden Einigungsbereich fest und muss aufgrund dieser Tatsache von einem anderen Einigungsbereich ausgegangen werden, kann auf eine Berichtigung der Einkünfte nach § 1 Abs. 3 Satz 8 AStG verzichtet werden, wenn der vom Steuerpflichtigen ermittelte Verrechnungspreis innerhalb des korrekten Einigungsbereichs liegt. Bei Funktionsverlagerungen ergeben sich die Gewinnpotentiale des verlagernden und des übernehmenden Unternehmens aufgrund von Funktionsanalysen, die vor und nach der Funktionsverlagerung durchzuführen sind (§ 3 Abs. 2 Satz 1 FVerlV). Hierbei sind auch Standortvorteile, die aus der Verlagerung der Funktion ins Ausland resultieren, zu berücksichtigen. Die Gewinnpotentiale sind nach § 1 Abs. 5 FVerlV definiert als der jeweilige barwertige Reingewinn nach Steuern, auf den ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter nicht unentgeltlich verzichtet hätte bzw. für den ein solcher Geschäftsleiter bereit wäre, ein Entgelt zu bezahlen. Für die Abzinsung der jeweiligen Gewinnpotentiale ist gem. § 3 Abs. 2 Satz 3 FVerlV von angemessenen Kapitalisierungszinssätzen und von einem von der Funktionsausübung abhängigen Kapitalisierungszeitraum auszugehen. Der Kapitalisierungszinssatz ist ausgehend vom risikolosen Zinssatz unter Berücksichtigung der Steuerbelastung der Zinsen und eines funktions- und risikoadäquaten Zuschlags zu ermitteln (§ 5 Satz 1 FVerlV). Sofern keine Gründe für einen bestimmten Kapitalisierungszeitraum glaubhaft gemacht werden, ist nach § 6 FVerlV von einem unbegrenzten Kapitalisierungszeitraum auszugehen. Erneut wird, wenn der Steuerpflichtige keinen Trans-
Berichtigungsumfang
486
Beispiel
Die irische Maggie Fitzgerald Ltd. ist eine 100 %ige Tochtergesellschaft der Frankie Dunn GmbH, die in München Boxhandschuhe produziert und weltweit vertreibt. Obwohl die Produktion der Boxhandschuhe in München für die Dunn GmbH profitabel ist, entschließt sie sich, die Produktion nach Irland zu verlagern. Der abgezinste Gewinn nach Steuern der Dunn GmbH beträgt vor der Verlagerung 180.000 € und nach der Verlagerung 120.000 €. Der abgezinste Gewinn nach Steuern der Fitzgerald Ltd. steigt aufgrund der Funktionsverlagerung von 50.000 € auf 160.000 €. Uneingeschränkt oder eingeschränkt vergleichbare Fremdvergleichswerte können nicht ermittelt werden. Es soll das Entgelt für das Transferpaket berechnet werden, wenn die Dunn GmbH keinen Transferpreis glaubhaft macht.
Lösung
ferpreis glaubhaft macht, auf den Mittelwert des Einigungsbereichs abgestellt (§ 1 Abs. 3 Satz 7 AStG).
1. Berechnung der Preisuntergrenze der Dunn GmbH:
./.
abgezinster Gewinn nach Steuern vor der Verlagerung abgezinster Gewinn nach Steuern nach der Verlagerung Preisuntergrenze
./.
180.000 € 120.000 € 60.000 €
./.
160.000 € 50.000 € 110.000 €
2. Berechnung der Preisobergrenze der Fitzgerald Ltd.:
./.
abgezinster Gewinn nach Steuern nach der Verlagerung abgezinster Gewinn nach Steuern vor der Verlagerung Preisobergrenze
3. Bestimmung des Mittelwerts des Einigungsbereichs: Der Einigungsbereich liegt zwischen 60.000 € und 110.000 €. Da kein Wert innerhalb des Einigungsbereichs vom der Dunn GmbH glaubhaft gemacht wird, ist der Mittelwert zu ermitteln. Der Mittelwert beträgt 85.000 € (= (110.000 € + 60.000 €) / 2). Während die Preisobergrenze durch das Gewinnpotential des übernehmenden Unternehmens determiniert ist, muss bei der Bestimmung von Preisuntergrenzen des Einigungsbereichs zwischen drei Fallgruppen unterschieden werden: (1) Das verlagernde Unternehmen erzielt mit der zu verlagernden Funktion Gewinn. Der Mindestpreis muss dann gem. § 7 Abs. 1 Satz 1 FVerlV das durch die Funktionsverlagerung wegfallende Gewinnpotential zuzüglich eventuell anfallender Schließungskosten kompensieren. Dabei sind Handlungsoptionen des verlagernden Unternehmens zu berücksichtigen (§ 7 Abs. 1 Satz 2 FVerlV).
Berichtigung von Einkünften – § 1 AStG
487
(2) Das verlagernde Unternehmen kann die Funktion aus rechtlichen, tatsächlichen oder wirtschaftlichen Gründen im Inland nicht ausüben. Mögliche Gründe sind beispielsweise die Verlagerung der Funktion auf Verlangen eines Kunden (z.B. aufgrund der Just-in-time-Produktion in der Automobilindustrie) oder die Erschließung eines ausländischen Marktes aus dem Inland verspricht keinen Erfolg.790 Der Mindestpreis entspricht dann nach § 7 Abs. 2 FVerlV dem Liquidationswert der Wirtschaftsgüter einschließlich der Schließungskosten. Auch negative Preisuntergrenzen sind möglich. Diese werden gegebenenfalls durch Ermittlung des Mittelwerts aus Preisunter- und Preisobergrenze wieder positiv. (3) Das verlagernde Unternehmen erzielt aus der zu verlagernden Funktion dauerhaft Verluste. In diesem Fall ist der niedrigere absolute Betrag aus zu den erwartenden Verlusten und den gegebenenfalls anfallenden Schließungskosten als Mindestpreis anzusetzen (§ 7 Abs. 3 Satz 1 FVerlV). Mögliche Beispiele sind gem. § 7 Abs. 3 Satz 2 FVerlV nur zum Teil durch die Zahlungen des übernehmenden Unternehmens gedeckte Schließungskosten oder eine Ausgleichszahlung für die Übernahme der Verluste vom verlagernden Unternehmen an das übernehmende Unternehmen. Auf die Ermittlung des Entgelts für Transferpakete kann nach § 1 Abs. 3 Satz 10 AStG verzichtet werden, wenn keine immateriellen Wirtschaftsgüter oder Vorteile überlassen wurden oder das Gesamtergebnis der Einzelpreisbestimmung im Vergleich zur Preisbestimmung anhand des Transferpakets dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht. Das Gesamtergebnis der Einzelpreisbestimmung muss jedoch gem. § 2 Abs. 3 Satz 2 FVerlV innerhalb des Einigungsbereichs liegen. So muss beispielsweise bei einer Funktionsabspaltung, bei der keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter übergehen und das übernehmende Unternehmen die übernommene Funktion ausschließlich gegenüber dem verlagernden Unternehmen wahrnimmt, keine Ermittlung des Entgelts für Transferpakete durchgeführt werden. In diesem Fall kann vereinfachend die Kostenaufschlagsmethode zur Anwendung kommen (§ 2 Abs. 2 Satz 1 FVerlV). Wird das übernehmende Unternehmen jedoch zu einem späteren Zeitpunkt auch für andere Unternehmen tätig und erzielt es dabei einen höheren Preis als nach der Kostenaufschlagsmethode, wird gem. § 2 Abs. 2 Satz 2 FVerlV nachträglich von einer Funktionsverlagerung ausgegangen. Im Rahmen einer Funktionsabschmelzung können auch gesetzliche oder vertragliche Schadenersatz- oder Ausgleichsansprüche des verlagernden Unternehmens die Grundlage der Besteuerung bilden, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass die Schadensersatz- oder Ausgleichsansprüche auch für fremde Dritte bei der Preisbestimmung maßgeblich sind (§ 8 Satz 1 FVerlV). Voraussetzung ist jedoch nach § 8 Satz 2 FVerlV wiederum, dass der Steu-
790
Vgl. Verordnung zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatz nach § 1 Abs. 1 des Außensteuergesetzes in Fällen von grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen (Funktionsverlagerungsverordnung – FVerlV), BR-Drs. 352/08, S. 22.
488
Berichtigungsumfang
erpflichtige glaubhaft macht, dass keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter oder Vorteile übergehen. Sind folgende Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Satz 11 AStG erfüllt, gilt die widerlegbare Vermutung, dass bei den Geschäftspartner zum Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses Unsicherheiten in Bezug auf die Preisvereinbarung bestand und unabhängige Dritte deshalb eine nachträgliche Preisanpassungsklausel vereinbart hätten: x Ermittlung von Verrechnungspreisen oder Ermittlung des Entgelts für Transferpakete im Rahmen eines hypothetischen Fremdvergleichs, x wesentliche immaterielle Wirtschaftsgüter und Vorteile, deren Wert mehr als 25 % der Summe der Einzelpreise aller Wirtschaftsgüter und Vorteile beträgt (§ 1 Abs. 5 FVerlV), sind Bestandteil der Geschäftsbeziehung oder Funktionsverlagerung, x die tatsächliche Gewinnermittlung weicht erheblich von der angenommenen Gewinnermittlung im Zeitpunkt der Verrechnungspreisbestimmung ab. Wurde auf eine solche Regelung verzichtet und tritt eine erhebliche Abweichung innerhalb von zehn Jahren nach dem Geschäftsabschluss ein, wird einmalig ein angemessener Anpassungsbetrag auf den Verrechnungspreis erhoben. Diese Berichtigung erfolgt in dem Jahr, das auf die Abweichung folgt (§ 1 Abs. 3 Satz 12 AStG).
Berichtigung von Einkünften – § 1 AStG
• • 1. Stufe • Uneingeschränkt vergleichbare Werte • Ermittlung von Verrech- • nungspreisen anhand: - Preisvergleichsmethode - Wiederverkaufsmethode - Kostenaufschlagsmethode • Wahl eines Werts außerhalb der Bandbreite Ö Korrektur auf den Median der Bandbreite
489
3. Stufe • Hypothetischer Fremdvergleich • Ermittlung der Preisunter- und Preisobergrenze Ö Gewinnpotential 2. Stufe • Preisspanne ergibt den EiniEingeschränkt vergleich- gungsbereich bare Werte • Fremdvergleichspreis ist Wert Einengung der Bandmit der höchsten Wahrscheinbreite durch: lichkeit bzw. Mittelwert des Weitergehende Analysen Einigungsbereichs Kontrollrechnungen • Transferpreis bei FunktionsverMathematische Verfahren lagerungen ergibt sich durch Wahl eines Werts außer- Abzinsung der Gewinnpotentiale halb der Bandbreite mit einem angemessenen KapiÖ Korrektur auf den talisierungszinssatz über den Median der zulässigen Kapitalisierungszeitraum Bandbreite • Verzicht auf Transferpreisbestimmung, wenn keine Verlagerung immaterieller WG oder Gesamtergebnis der Einzelpreisbestimmung dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht
Widerlegbare Vermutung einer nachträglichen Preisanpassungsklausel bei Anwendung des hypothetischem Fremdvergleich, Übergang wesentlicher immaterieller WG oder Abweichung von der angenommenen Gewinnermittlung innerhalb von 10 Jahren. Abbildung 140: Ermittlung des Fremdvergleichspreises Der Berichtigungsbetrag wird nach Tz. 5.3.3 der Verwaltungsgrundsätze-Verfahren 2005 außerhalb der Steuerbilanz zugerechnet. In der Literatur hat sich ein beachtlicher Teil der Autoren gegen diese Vorgehensweise ausgesprochen.791 Argument dafür ist, dass durch die Vorgehensweise der Verwaltungsgrundsätze die Gefahr der Doppelbesteuerung bei späterer Beteiligungsveräußerung besteht. Der BFH hat sich aber in seinem Urteil vom 30.05.1990 der Verwaltungsauffassung angeschlossen.792 Des Weiteren wurde klargestellt, dass bei einer drohenden Doppelbesteuerung ein Anspruch auf Erlass von Steuern aus sachlichen Billigkeitsgründen besteht.
791
Vgl. Wassermeyer, F., in: Flick, H./ Wassermeyer, F./ Baumhoff, H., Außensteuerrecht: Kommentar, 62. Erg.-Lifg., Köln 2008, § 1 AStG, Rz. 811 m.w.N.
792
Vgl. BFH v. 30.05.1990, I-R-97/88, BStBl. II 1990, S. 857.
490
Das Verhältnis des § 1 AStG zu anderen Berichtigungsvorschriften
Für den Fall, dass die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlage eines Steuerpflichtigen nicht ermitteln kann, sieht § 1 Abs. 4 AStG eine Schätzung des Berichtigungsbetrages nach § 162 Abs. 3 AO vor. Bei fehlenden geeigneten Anhaltspunkten für die Schätzung ist als Schätzmaßstab die übliche Verzinsung des eingesetzten Kapitals oder eine unter normalen Umständen zu erwartende Umsatzrendite vorgesehen. Merke: Für die Anwendung des § 1 AStG müssen folgende vier Voraussetzungen gegeben sein: 9 nahe stehende Personen (wesentliche Beteiligung, beherrschender Einfluss, besondere Einflussmöglichkeiten oder Interessenidentität), 9 Geschäftsbeziehung zum Ausland oder Funktionsverlagerung, 9 Vereinbarung von unüblichen Bedingungen, 9 Einkunftsminderung beim inländischen Steuerpflichtigen. Sind diese Voraussetzungen gegeben, werden die Einkünfte des inländischen Steuerpflichtigen in dem Maße korrigiert, dass sie dem Umfang entsprechen, wie sie bei Geschäften unter üblichen Bedingungen, d.h. wie unter fremden Dritten, angefallen wären.
3.4 Das Verhältnis des § 1 AStG zu anderen Berichtigungsvorschriften Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG findet § 1 AStG nur „unbeschadet anderer Vorschriften“ Anwendung. Dies bedeutet, dass die Anwendung anderer Gewinnkorrekturvorschriften nicht eingeschränkt wird. § 1 AStG wird somit lediglich subsidiär angewandt. Wenn aber die Gewinnkorrekturmöglichkeit einer anderen Vorschrift nicht so weit reicht wie die des § 1 AStG, wird § 1 AStG ergänzend angewendet (§ 1 Abs. 1 Satz 3 AStG). Somit fungiert § 1 AStG als Auffangvorschrift.793 Zu einer Überschneidung der Anwendungsbereiche kann es zwischen § 1 AStG und verdeckter Gewinnausschüttung bzw. zwischen § 1 AStG und verdeckter Einlage kommen. Die Vorschriften über die verdeckte Gewinnausschüttung (R 36 KStR) und die verdeckte Einlage (R 40 KStR) haben innerhalb ihrer Geltungsbereiche generell jeweils Vorrang vor § 1 AStG.794 Somit kommt § 1 AStG nur zur Anwendung, wenn es sich nicht um eine verdeckte Gewinnausschüttung oder eine verdeckte Einlage handelt. Praktische Bedeutung hat § 1 AStG bei der Ergebnisabgrenzung zwischen international verbundenen Unternehmen daher nur im Fall der zu günstigen oder kostenlosen Nutzungsüberlassung bzw. Dienstleistungserbringung und Funktionsverlagerung.
793
Vgl. Tz. 1.1.2 AEAStG.
794
Vgl. BMF v. 12.04.2005, IV B 4 – S 1341 – 1/05, Tz. 5.3.3, BStBl. I 2005, S. 570, Beck’sche Textausgaben Steuererlasse, Nr. 725, § 1/5.
Wohnsitzverlagerung in niedrig besteuernde Gebiete – §§ 2-5 AStG
491
4 Wohnsitzverlagerung in niedrig besteuernde Gebiete – §§ 2-5 AStG 4.1 Überblick Verlegt eine Person ihren Wohnsitz ins Ausland, ist sie nicht mehr unbeschränkt mit ihren gesamten Einkünften in Deutschland, sondern nur noch beschränkt mit den inländischen Einkünften steuerpflichtig. Um die Steuerflucht von inländischen Steuerpflichtigen mit relativ hohen Einkünften aus Deutschland – z.B. erfolgreiche Sportler wie Michael Schumacher oder Steffi Graf – zu erschweren, wurde mit den §§ 2 bis 5 AStG die erweitert beschränkte Steuerpflicht eingeführt. §§ 2 und 5 AStG beziehen sich auf die Einkommensteuer, § 4 AStG bezieht sich auf die Erbschaft- und Schenkungsteuer, § 3 AStG bezog sich auf die Vermögensteuer, wurde aber zum 01.01.1997 aufgehoben, da die Vermögensteuer seit diesem Zeitpunkt nicht mehr erhoben wird. Die erweitert beschränkte Steuerpflicht betrifft deutsche Staatsangehörige, die nach ihrem Wegzug in ein niedrig besteuerndes Gebiet weiterhin wesentliche wirtschaftliche Interessen in Deutschland haben. Diese müssen für die folgenden zehn Jahre nach ihrem Umzug ihre gesamten deutschen Einkünfte, d.h. die inländischen Einkünfte i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG, in Deutschland versteuern. Die Erweiterung der beschränkten Steuerpflicht liegt also darin, dass nicht nur die im Katalog des § 49 EStG aufgeführten inländischen Einkünfte (beschränkt) steuerpflichtig werden, sondern die Einkünfte, die im Katalog des § 2 EStG genannt sind. Die Vorschrift des § 2 EStG nennt die steuerpflichtigen Einkünfte für unbeschränkt Steuerpflichtige und ist daher entsprechend weiter gefasst als die Vorschrift des § 49 EStG für beschränkt Steuerpflichtige. Allerdings wird dadurch nicht das Welteinkommen erfasst, sondern nur die inländischen Einkünfte, da sich die erweitert beschränkte Einkommensteuerpflicht zwar auf den in § 2 EStG genannten Einkunftskatalog erstreckt, jedoch § 2 Abs. 1 AStG die ausländischen Einkünfte aus dem Anwendungsbereich herausnimmt. Diese Regelung über die erweitert beschränkte Steuerpflicht gilt nur für natürliche Personen. Ausländische Staatsangehörige sind von der erweitert beschränkten Steuerpflicht nicht betroffen. Grundsätzlich gehen Doppelbesteuerungsabkommen den Bestimmungen zur erweitert beschränkten Steuerpflicht (§§ 2 bis 5 AStG) vor. Allerdings muss angemerkt werden, dass es kaum Niedrigsteuerländer gibt, mit denen DBA abgeschlossen wurden. Eine Ausnahme ist die Schweiz, wobei die Schweiz nicht als typisches Niedrigsteuerland anzusehen ist; in das DBA Deutschland-Schweiz sind Sonderregelungen zur erweitert beschränkten Steuerpflicht aufgenommen worden.
492
Erweitert beschränkte Einkommensteuerpflicht – § 2 AStG
Die Vorschriften über die erweitert beschränkte Steuerpflicht stoßen in der Literatur immer wieder auf Kritik. Vor allem die Begünstigung von unbeschränkt Steuerpflichtigen, die keine deutsche Staatsangehörigkeit haben, wird als ungerecht empfunden; die Regelungen der erweitert beschränkten Steuerpflicht betreffen nur unbeschränkt Steuerpflichtige mit deutscher Staatsbürgerschaft. Weiterhin wird kritisiert, dass sachliche Gründe für einen Wohnsitzwechsel nicht beachtet werden und die erweitert beschränkte Steuerpflicht in vielen Fällen leicht umgangen werden kann.795
4.2 Erweitert beschränkte Einkommensteuerpflicht – § 2 AStG 4.2.1
Persönliche Voraussetzungen
Von der erweitert beschränkten Steuerpflicht sind nur natürliche Personen betroffen, die in den letzten zehn Jahren vor dem Ende ihrer unbeschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG als Deutsche insgesamt mindestens fünf Jahre unbeschränkt einkommensteuerpflichtig waren und in einem ausländischen Gebiet ansässig sind, in dem sie nur einer geringen Besteuerung unterliegen, aber noch wesentliche wirtschaftliche Interessen in Deutschland haben.
4.2.1.1 Natürliche Person Aus der Formulierung des § 2 Abs. 1 Satz 1 AStG geht hervor, dass nur natürliche Personen, aber keine juristischen Personen der erweitert beschränkte Steuerpflicht unterliegen können. Dies liegt daran, dass bei juristischen Personen ein Wechsel zur beschränkten Steuerpflicht nur durch Auflösung im Inland und Neugründung im Ausland möglich ist. Dabei findet nach § 12 KStG eine Gewinnrealisierung der bisher gebildeten stillen Reserven statt, die im Inland der Körperschaftsteuer unterliegt. Somit kann auf eine Vorschrift wie § 2 AStG für juristische Personen verzichtet werden.
4.2.1.2 Deutsche Staatsangehörigkeit Als Deutscher gilt, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Dabei ist es unerheblich, ob der Steuerpflichtige in der relevanten Zeitspanne zusätzlich eine andere Staatsangehörigkeit innehat. Die deutsche Staatsangehörigkeit muss im Zehn-Jahres-Zeitraum vor der Auswanderung mindestens fünf Jahre gemeinsam mit der unbeschränkten Steuerpflicht vorgelegen haben. Die erweitert beschränkte Steuerpflicht kann also nicht dadurch verhindert werden, dass der Steuerpflichtige beim Wegzug ins Ausland seine deutsche Staatsangehörigkeit aufgibt.
795
Vgl. Kluge, V., Das Internationale Steuerrecht, München 2000, S. 200 ff.
Wohnsitzverlagerung in niedrig besteuernde Gebiete – §§ 2-5 AStG
493
4.2.1.3 Unbeschränkte Steuerpflicht vor Umzug
Beispiel
Der deutsche Staatsangehörige Paul Vitti lebt seit seiner Geburt (02.01.1965) in Deutschland. Da seine Mutter Schweizerin ist, besitzt er auch die schweizerische Staatsangehörigkeit. Am 01.06.2002 verlegt er erstmals seinen Wohnsitz nach Monaco. Da es ihm dort nicht sonderlich gefällt, kehrt er am 01.03.2004 wieder nach Deutschland zurück. Am 01.09.2006 beschließt er, seine deutsche Staatsangehörigkeit aufzugeben, und verlegt am 01.02.2010 seinen Wohnsitz endgültig in die Schweiz. Die anderen Voraussetzungen für die erweitert beschränkte Steuerpflicht liegen vor.
Lösung
Die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht muss – genau wie die deutsche Staatsangehörigkeit – in den letzten zehn Jahren vor dem Wegzug für mindestens fünf Jahre bestanden haben. Die Zehn-Jahres-Frist wird von dem Tag an zurückgerechnet, an dem der Steuerpflichtige seinen Wohnsitz im Inland aufgibt. Die fünfjährige unbeschränkte Steuerpflicht muss nicht ununterbrochen bestanden haben. War der Steuerpflichtige in den letzten zehn Jahren vor dem Wegzug mehrere Male im Inland unbeschränkt steuerpflichtig, sind diese Zeiträume zusammenzurechnen.
Bei seinem ersten Wegzug nach Monaco tritt für Vitti die erweitert beschränkte Steuerpflicht ein, da er in den zehn Jahren vor dem Wegzug mehr als fünf Jahre unbeschränkt steuerpflichtig war und die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Nach seinem endgültigen Wegzug in die Schweiz wird Vitti nicht erweitert beschränkt steuerpflichtig, da er im letzten Zehn-Jahres-Zeitraum vor Wegzug (01.02.2000 bis 01.02.2010) weniger als fünf Jahre als Deutscher (mit deutscher Staatsangehörigkeit) unbeschränkt steuerpflichtig war (01.02.2000 bis 01.06.2002 und 01.03.2004 bis 01.09.2006; insgesamt also nur 4 Jahre und 10 Monate).
4.2.1.4 Ansässigkeit in einem niedrig besteuernden Gebiet Weitere Voraussetzung für die Begründung der erweitert beschränkten Steuerpflicht ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 AStG die Ansässigkeit in einem niedrig besteuernden ausländischen Gebiet oder keine Ansässigkeit in einem Gebiet. Ansässig ist eine Person dort, wo sie aufgrund ihres Wohnsitzes, ihres gewöhnlichen Aufenthalts oder eines ähnlichen Merkmals nach dortigem Recht steuerpflichtig ist. Dabei muss es sich um eine umfassende Besteuerung handeln, also nicht nur um eine Quellenbesteuerung. Keine Ansässigkeit liegt vor, wenn ein Steuerpflichtiger beispielsweise ständig seinen Wohnsitz bzw. Aufenthalt wechselt.796 In diesem Fall wird von einer niedrigen Be-
796
Als Beispiel lässt sich ein Kreuzfahrtschiff nennen, auf dem sich Steuerpflichtige ein Appartement kaufen und dies bewohnen, um auf diese Weise einen ständigen Aufenthalt und damit eine unbeschränkte Steuerpflicht zu vermeiden.
494
Erweitert beschränkte Einkommensteuerpflicht – § 2 AStG
steuerung ausgegangen. Behält ein Auswanderer seinen Wohnsitz im Inland bei (Doppelwohnsitz), greift bei ihm die erweitert beschränkte Steuerpflicht nicht, weil er unbeschränkt steuerpflichtig ist.
Beispiel
Der Deutsche Walter Kovacs alias Rorschach lebt seit seiner Geburt in Deutschland. 2008 gewinnt er in einer Quizsendung einen Geldbetrag in Höhe von 500.000 €, den er bei einer deutschen Bank anlegt und hiermit Zinseinnahmen erzielt. Am 01.01.2009 verlegt Rorschach seinen Wohnsitz nach Großbritannien, und am 01.06.2010 zieht Rorschach nach Andorra, wo er keinerlei Einkommensteuer zahlen muss.
Lösung
Die erweitert beschränkte Steuerpflicht greift auch dann, wenn der Steuerpflichtige zuerst in einem Land ansässig wird, in dem die Steuerbelastung mit der deutschen vergleichbar ist, und erst später in ein Niedrigsteuerland umzieht. Die Ansässigkeit in dem Niedrigsteuerland muss lediglich innerhalb des Zehn-Jahres-Zeitraums nach Beendigung der unbeschränkten inländischen Steuerpflicht bestehen.
Rorschach ist vom 01.01.2009 bis zum 01.06.2010 in Deutschland beschränkt steuerpflichtig, da Großbritannien kein Niedrigsteuerland ist. Nach seinem Umzug nach Andorra wird er erweitert beschränkt steuerpflichtig. Bleibt Rorschach in Andorra ansässig, besteht die erweitert beschränkte Steuerpflicht bis zum 31.12.2019.
In welchen Fällen eine niedrige Besteuerung vorliegt, regelt § 2 Abs. 2 AStG. Eine niedrige Besteuerung liegt demnach vor x bei einem günstigeren Steuertarif oder x bei einer Vorzugsbesteuerung. Ein günstigerer Steuersatz ist nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 AStG gegeben, wenn die Einkommensteuer einer unverheirateten Person, die ein zu versteuerndes Einkommen von 77.000 € hat, in dem ausländischen Gebiet um mehr als ein Drittel geringer ist als die deutsche Einkommensteuer.797 Es wird ein abstrakter Steuerbelastungsvergleich vorgenommen, da dieser Vergleich unabhängig vom tatsächlichen Einkommen und den persönlichen Verhältnissen des Steuerpflichtigen durchgeführt wird. Im VZ 2010 beläuft sich die deutsche Einkommensteuerbelastung bei unbeschränkter Steuerpflicht gem. § 32a Abs. 1 bis 3 EStG für ein zu versteuerndes Einkommen von 77.000 € auf 24.168 €. Das entspricht einem durchschnittlichen Steuersatz von 31,39 %. Die ausländische Einkommensteuer darf – unter gleichen Voraussetzungen – nicht unter 16.112 € (= 24.168 € ./. x 24.168 €) oder 20,92 % liegen, damit das ausländische Gebiet nicht als Niedrigsteuerland qualifiziert wird.
797
Vgl. Tz. 2.2.2. AEAStG; demnach zählt der Solidaritätszuschlag nicht zur deutschen Einkommensteuer.
Wohnsitzverlagerung in niedrig besteuernde Gebiete – §§ 2-5 AStG
495
Mit Vorzugsbesteuerung ist gem. § 2 Abs. 2 Nr. 2 AStG jede Art von Steuervergünstigung gemeint, die aufgrund von persönlichen Merkmalen zu einer steuerlichen Bevorzugung einer bestimmten Person oder Personengruppe gegenüber der sonst üblichen Steuerbelastung führt. Eine solche Steuervergünstigung kann beispielsweise Steuerfreiheit, Pauschalbesteuerung oder bevorzugte Besteuerung von deutschen Einkünften sein. Die Vorzugsbesteuerung muss von dem Steuerpflichtigen nicht tatsächlich in Anspruch genommen werden. Es reicht aus, wenn die Inanspruchnahme der Vorzugsbesteuerung zu einer erheblichen Steuerminderung führen würde. In welchem Fall aber eine Steuerminderung erheblich ist, regelt weder das Gesetz noch der Anwendungserlass. Der Steuerpflichtige hat die Möglichkeit, die Vermutung einer niedrigen Besteuerung zu widerlegen. Dazu muss er nachweisen, dass seine vom Einkommen insgesamt zu entrichtende Steuer mindestens zwei Drittel der Einkommensteuer beträgt, die er bei unbeschränkter Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 EStG zu entrichten hätte. Dieser Nachweis erfolgt durch einen konkreten Belastungsvergleich. Dazu werden alle weltweit zu entrichtenden Steuern vom Einkommen des Steuerpflichtigen (Istbesteuerung) der Einkommensteuer, die bei Vorliegen der unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland zu entrichten wäre (Sollbesteuerung), gegenübergestellt.798 Bei der Ermittlung der Sollbesteuerung werden die tatsächlichen persönlichen Verhältnisse (z.B. Familienstand, Kinder) berücksichtigt. Beträgt die Istbesteuerung mehr als zwei Drittel der Sollbesteuerung, wird die Vermutung der Niedrigbesteuerung fallengelassen.
4.2.2
Sachliche Voraussetzungen
4.2.2.1 Wesentliche wirtschaftliche Interessen im Inland Zusätzlich zu den bisher erläuterten persönlichen Tatbeständen müssen noch starke wirtschaftliche Verbindungen – sog. wesentliche wirtschaftliche Interessen – zum Inland bestehen. Es kann sich dabei um unmittelbare (§ 2 Abs. 3 AStG) oder mittelbare (§ 2 Abs. 4 AStG) wesentliche wirtschaftliche Interessen handeln. § 2 Abs. 3 AStG definiert für unmittelbare wesentliche wirtschaftliche Interessen drei unterschiedliche Tatbestände, von denen einer erfüllt sein muss, um die erweitert beschränkte Steuerpflicht zu begründen: x
798
Nach § 2 Abs. 3 Nr. 1 AStG hat ein Steuerpflichtiger wesentliche wirtschaftliche Interessen, wenn er – unabhängig von der Höhe – Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt. Diese liegen vor, wenn er Einzelunternehmer, Mitunternehmer oder Kommanditist eines inländischen Gewerbebetriebs oder Inhaber einer Beteiligung i.S.d. § 17 Abs. 1 EStG ist. Für einen Kommanditist gilt, dass wesentliche wirtschaftliche Inlandsinteres-
Vgl. Göttsche, M., Wohnsitzverlagerung natürlicher Personen ins Ausland, Neuwied 1997, S. 204.
496
Erweitert beschränkte Einkommensteuerpflicht – § 2 AStG sen erst dann gegeben sind, wenn mehr als 25 % der nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ermittelten Einkünfte der Gesellschaft auf ihn entfallen. Darunter fallen beispielsweise auch Zinsen, Geschäftsführergehälter und andere Vorabvergütungen. Problematisch ist, dass sich § 2 Abs. 3 Nr. 1 AStG auf den Beginn des VZ bezieht. Zu diesem Zeitpunkt können die Einkünfte des Kommanditisten aber noch nicht festgestellt werden. Diese Vorschrift ist somit praktisch nicht durchführbar.
x
Der zweite Tatbestand bezieht sich auf die Höhe der nichtausländischen Einkünfte. Nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 AStG hat eine Person wesentliche wirtschaftliche Interessen, wenn ihre Einkünfte, die bei unbeschränkter Einkommensteuerpflicht nicht ausländische Einkünfte i.S.d. § 34d EStG sind, im VZ mehr als 30 % ihrer gesamten Einkünfte betragen oder 62.000 € übersteigen. Bei der Prüfung, ob die Einkunftsgrenze überschritten wird, ist nach deutschen Gewinnermittlungsvorschriften vorzugehen.
x
Der letzte Tatbestand (§ 2 Abs. 3 Nr. 3 AStG) bezieht sich auf den Umfang des Vermögens einer Person. Einbezogen wird nur das Vermögen, dessen Erträge bei unbeschränkter Einkommensteuerpflicht nicht ausländische Einkünfte im Sinne des § 34d EStG wären. Es interessiert nicht, ob sich das Vermögen in Deutschland befindet oder nicht, ausschlaggebend sind die möglichen – nicht tatsächlichen – inländischen Erträge des Vermögens. Beträgt dieses Vermögen mehr als 30 % des Gesamtvermögens der Person oder übersteigt es 154.000 €, liegt ein wesentliches wirtschaftliches Interesse vor.
Mittelbare wesentliche wirtschaftliche Interessen bestehen nach § 2 Abs. 4 AStG dann, wenn eine Person unter den Voraussetzungen des § 5 AStG an einer ausländischen Gesellschaft beteiligt ist, die ihrerseits unmittelbare wesentliche wirtschaftliche Interessen in Deutschland hat. Nach den §§ 5, 7 bis 14 AStG handelt es sich dann um eine sog. Zwischengesellschaft, was zur Folge hat, dass dem Auswanderer die über die Zwischengesellschaft gehaltenen wesentlichen wirtschaftlichen Interessen entsprechend seiner Beteiligung zugerechnet werden. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass ein erweitert beschränkt Steuerpflichtiger die Anwendung des § 2 AStG dadurch zu umgehen versucht, dass er entsprechende inländische Vermögensgegenstände in eine Auslandsbeteiligung einbringt.
4.2.2.2 Überschreiten der Freigrenze Die erweitert beschränkte Steuerpflicht gelangt nicht zur Anwendung, wenn die hiernach steuerpflichtigen Einkünfte in einem VZ insgesamt weniger als 16.500 € betragen, selbst wenn sonst alle anderen persönlichen und sachlichen Voraussetzungen gegeben sind (§ 2 Abs. 1 Satz 3 AStG). Diese Freigrenze wurde eingeführt, damit die komplizierten Regelungen der erweitert beschränkten Steuerpflicht bei Fällen von geringfügiger Bedeutung nicht angewandt werden müssen. In diesem Fall bleibt es bei der beschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 4 EStG i.V.m. §§ 49 bis 50a EStG.
Wohnsitzverlagerung in niedrig besteuernde Gebiete – §§ 2-5 AStG
497
Merke: Die erweitert beschränkte Steuerpflicht kommt erst zur Anwendung, wenn alle persönlichen und sachlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Die persönlichen Voraussetzungen sind: 9 natürliche Person in den letzten zehn Jahren vor Wegzug als Deutscher mindestens fünf Jahre unbeschränkt einkommensteuerpflichtig, 9 Ansässigkeit in einem niedrig besteuernden ausländischen Gebiet. Die sachlichen Voraussetzungen sind: 9 unmittelbare oder mittelbare wesentliche wirtschaftliche Interessen im Inland, 9 Überschreiten der Freigrenze.
4.2.2.3 Fiktion einer Geschäftsleitungsbetriebsstätte im Inland Als Reaktion auf das BFH-Urteil vom 19.12.2007799 hat der Gesetzgeber im Rahmen des JStG 2009 einen neuen Satz 2 in § 2 Abs. 1 AStG eingefügt. Die Neuregelung betrifft Fälle, in denen gewerbliche Einkünfte eines erweitert beschränkt Steuerpflichtigen keiner ausländischen Betriebsstätte bzw. keinem im Ausland tätigen ständigen Vertreter zugeordnet werden können. Da für diese Einkünfte das Vorliegen einer Geschäftsleitungsbetriebsstätte im Inland angenommen wird, unterliegen diese – entgegen der Rechtsprechung des BFH – der erweitert beschränkten Steuerpflicht.800
4.2.3
Umfang der erweitert beschränkten Einkommensteuerpflicht
Sind die persönlichen und sachlichen Voraussetzungen für die erweitert beschränkte Steuerpflicht erfüllt, ist der Steuerpflichtige nach § 2 Abs. 1 AStG bis zu zehn Jahre nach Ende des Jahres, in dem seine unbeschränkte Steuerpflicht endet – also für längstens elf Jahre – mit allen Einkünften, die nicht ausländische Einkünfte i.S.d. § 34d EStG sind, erweitert beschränkt steuerpflichtig. Innerhalb dieses Zeitraums muss jedes Jahr erneut geprüft werden, ob die Voraussetzungen für die erweitert beschränkte Steuerpflicht erfüllt sind.
799
In seinem Urteil nahm der BFH in der im Ausland belegenen Wohnung eines erweitert beschränkt Steuerpflichtigen in einem Niedrigsteuerland eine Geschäftsleitungsbetriebsstätte an. Dieser ordnete er gewerbliche Einkünfte zu und entzog die Einkünfte damit dem Anwendungsbereich des § 2 AStG; vgl. BFH v. 19.12.2007,I-R-19/06, DB 2008, S. 854.
800
Vgl. Bericht des Finanzausschusses zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung – Drucksachen 16/10189, 16/10494, 16/10665 Nr. 3 – Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2009 (JStG 2009), BTDrs. 16/11108, S. 43 f.
498
Erweitert beschränkte Einkommensteuerpflicht – § 2 AStG
Die erweiterte beschränkte Einkommensteuerpflicht erstreckt sich über die in § 49 EStG genannten Einkünfte hinaus auf alle anderen Einkünfte, die nicht ausländische Einkünfte nach § 34d EStG sind (sog. erweiterte Inlandseinkünfte).801 Die folgende Abbildung zeigt den Umfang der beschränkten, der erweitert beschränkten und der unbeschränkten Steuerpflicht:
Einkünfte i.S.d. § 49 EStG
Sonstige inländische Einkünfte (= Einkünfte, die nicht ausländische Einkünfte i.S.d. § 34d EStG sind)
Ausländische Einkünfte i.S.d. § 34d EStG
beschränkte Steuerpflicht erweitert beschränkte Steuerpflicht unbeschränkte Steuerpflicht
Abbildung 141: Umfang der geltenden Steuerpflichtarten Neben den Einkünften i.S.d. § 49 EStG fallen unter die erweitert beschränkte Steuerpflicht beispielsweise Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung von beweglichem Vermögen im Inland. Das zu versteuernde Einkommen wird im Rahmen des Veranlagungsverfahrens ermittelt. Ehepaare werden getrennt veranlagt. Betriebsausgaben und Werbungskosten dürfen nur insoweit abgezogen werden, als sie mit inländischen Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen.802 Die Verlustverrechnung ist grundsätzlich erlaubt. Hier gelten die allgemeinen Regelungen (insbesondere § 32b EStG). Da die Verrechnung ausländischer Verluste bereits ausführlich behandelt wurde, ist auf die vorherigen Ausführungen zu verweisen. Bis einschließlich VZ 2008 musste § 2 Abs. 5 Satz 3 AStG beachtet werden. Danach durfte die erhobene Einkommensteuer die Steuerabzugsbeträge nicht unterschreiten. Die Finanzverwaltung und ein Teil der Literatur vertraten die Meinung, dass diese Vorschrift einen Mindeststeuersatz von 25 % begründete. Diese Meinung war allerdings umstritten.803 Durch das JStG 2009 wurden § 2 Abs. 5 Satz 3 AStG sowie der Mindeststeuer-
801
Vgl. Tz. 2.5.0.1 AEAStG.
802
Vgl. BFH v. 28.03.1984, I-R-129/79, BStBl. II 1984, S. 620.
803
Vgl. Flick, H./ Wassermeyer, F./ Baumhoff, H., Außensteuerrecht: Kommentar, 62. Erg.-Lfg., Köln 2008, § 2 AStG, Rz. 119.
Wohnsitzverlagerung in niedrig besteuernde Gebiete – §§ 2-5 AStG
499
satz jedoch aufgehoben.804 Ab VZ 2009 ist die Steuerhöhe somit nach dem allgemeinen Tarif des § 32a EStG zu ermitteln, wobei die Steuerbemessungsgrundlage gem. § 50 Abs. 2 Satz 1 EStG um den Grundfreibetrag zu erhöhen ist.805 Im Gegensatz zur „normalen“ beschränkten Steuerpflicht (§ 50 Abs. 2 EStG) ist mit dem einbehaltenen Quellensteuerabzug die Einkommensteuer nicht abgegolten. Allerdings sind die einbehaltenen Steuern auf die festzusetzende Einkommensteuer anzurechnen. Ausnahmen von dieser Regelung gibt es insbesondere bei Einkünften, die dem Steuerabzug vom Arbeitslohn unterlegen haben und bei Kapitaleinkünften, für die Abgeltungsteuer einbehalten wird. Für diese Einkünfte bleibt die Abgeltungswirkung bestehen. Die dem Lohnsteuerabzug unterliegenden Einkünfte scheiden aus der Veranlagung aus, werden aber in den Progressionsvorbehalt einbezogen. Im Gegensatz dazu sind ab VZ 2009 Kapitaleinkünfte, die der Abgeltungsteuer unterliegen, weder bei der Veranlagung noch im Rahmen des Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen.806 Für den Steuersatz, der bei dem ausländischen Steuerpflichtigen anzuwenden ist, sieht § 2 Abs. 5 AStG einen Progressionsvorbehalt vor. Dies bedeutet, dass die der erweitert beschränkten Steuerpflicht unterliegenden Einkünfte mit dem Steuersatz besteuert werden, der sich aus dem Welteinkommen des Steuerpflichtigen ergibt.
Beispiel
Die erweitert beschränkte Steuerpflicht könnte zu einer höheren Steuer führen als die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht. Um das zu verhindern, normiert § 2 Abs. 6 AStG, dass in solchen Fällen die Steuer auf den Betrag gekürzt wird, der sich bei unbeschränkter Steuerpflicht ergäbe. Dazu muss der Steuerpflichtige aber von sich aus den Nachweis erbringen, dass dieser Fall tatsächlich vorliegt. Der erfolgreiche Boxer Jean-Luc Picard wechselt auf Anraten seines Managers Ende 2007 den Wohnsitz. Er zieht von Hannover, wo er seit seiner Geburt im Hause der Eltern gewohnt hat, nach Monaco in eine angemietete Wohnung. Nachdem er sich dort eingelebt hat, erwirbt er in der Nachbarschaft eine Eigentumswohnung, die er ab Februar 2010 vermietet. Die nach deutschem Steuerrecht ermittelten Mieteinkünfte belaufen sich auf 4.000 € im Jahr 2010.
804
Vgl. Jahressteuergesetz 2009 (JStG 2009) v. 19.12.2008, BGBl. I 2008, S. 2794.
805
Vgl. Menck, T. in: Blümich, W., EStG KStG GewStG, 103. Erg.-Lfg., München 2009, § 2 AStG, Rz. 58.
806
Vgl. Menck, T. in: Blümich, W., EStG KStG GewStG, 103. Erg.-Lfg., München 2009, § 2 AStG, Rz. 60.
500
Erweitert beschränkte Einkommensteuerpflicht – § 2 AStG x x x x
x
Einkünfte aus einem vermieteten Mehrfamilienhaus in Berlin, die sich in 2010 auf 3.000 € beliefen. Gewinnanteile an der Glücksklee OHG i.H.v. 1.500 €. Den OHG-Anteil hat er vor Jahren von einem Onkel geerbt. Einnahmen aus Wettkämpfen in der BRD i.H.v. 35.000 €, für die ein Steuerabzug von 5.250 € vom Vertragspartner vorgenommen wurde. Bei einem Aufenthalt in Deutschland entdeckte Picard in den Auslagen eines Juweliers in Düsseldorf eine Uhr, die er für 2.700 € erwarb. Sein Kollege James T. Kirk, der die Uhr bei ihm sah, bat ihn so inständig, diese an ihn zu verkaufen, dass Picard zwei Tage nach Erwerb der Uhr dieser Bitte zum Preis von 3.300 € nachkam. Im Januar und Februar 2010 war Picard als angestellter Geschäftsführer der Sporting GmbH in Köln tätig. Seine Einkünfte beliefen sich auf 4.500 €. Hierfür hat die Sporting GmbH Lohnsteuer einbehalten.Ansonsten hat Picard lediglich Einnahmen aus Wettkämpfen in Italien erzielt. Diese beliefen sich auf 7.500 €.
Lösung
Es ist die in Deutschland von Picard im Jahr 2010 zu bezahlende Einkommensteuer zu ermitteln. Picard unterliegt im Rahmen seiner erweitert beschränkten Steuerpflicht dem Veranlagungsverfahren. 1) Bestimmung des Steuersatzes im Rahmen des Progressionsvorbehaltes: § 2 Abs. 5 Satz 1 AStG: „Ist Absatz 1 anzuwenden, so kommt der Steuersatz zur Anwendung, der sich für sämtliche Einkünfte der Person ergibt.“ Welteinkommen muss ermittelt werden.
ABER: § 2 Abs. 5 Satz 2 AStG: Auf Einkünfte, die dem Steuerabzug vom Kapitalertrag (außer Einkünfte, die mit Abgeltungsteuer belastet sind) oder dem Steuerabzug auf Grund des § 50a EStG unterliegen, ist § 50 Abs. 2 EStG (= Abgeltungswirkung) nicht anzuwenden.
501
Wohnsitzverlagerung in niedrig besteuernde Gebiete – §§ 2-5 AStG Daraus ergibt sich: EINKÜNFTE (in €) aus
beschränkt steuerpflichtige Einkünfte
erweitert beschränkt steuerpflichtige Einkünfte
Eigentumswohnung Festgeldzinsen
4.000 ---
(20.000) *
Mehrfamilienhaus
3.000
3.000
OHG-Beteiligung
1.500
1.500
Wettkämpfe BRD
(35.000) **
Verkaufsgewinn Uhr
---
Geschäftsführergehalt
(4.500) ****
35.000 *** 600 (4.500) *****
Wettkämpfe Italien SUMME
ausländische Einkünfte i.S.d. § 34d EStG
7.500 4.500
40.100
11.500
*
Ab VZ 2009 werden die Festgeldzinsen dem Sondertarif des § 32d EStG (Abgeltungsteuer) unterworfen. Sie sind weder in die Veranlagung noch in den Progressionsvorbehalt einzubeziehen.
**
Gem. § 50 Abs. 2 EStG gilt bei beschränkt Steuerpflichtigen die ESt für Einkünfte, die dem Steuerabzug auf Grund des § 50a unterliegen (hier: § 50a Abs. 1 Nr. 1 EStG), durch den Steuerabzug als abgegolten.
***
Da Einkünfte vorliegen, die dem Steuerabzug auf Grund des § 50a EStG unterliegen, ist § 50 Abs. 2 EStG gem. § 2 Abs. 5 Satz 2 AStG nicht anzuwenden, d.h. die Abgeltungswirkung tritt nicht ein. Somit werden die Einnahmen aus den Wettkämpfen zur Gänze in die Bemessungsgrundlage der erweitert beschränkten Steuerpflicht einbezogen.
**** Gem. § 50 Abs. 2 EStG gilt bei beschränkt Steuerpflichtigen die ESt für Einkünfte, die dem Steuerabzug vom Arbeitslohn unterliegen, durch den Steuerabzug als abgegolten. ***** Das Verbot der Abgeltungswirkung gem. § 2 Abs. 5 Satz 2 AStG gilt nicht für Einkünfte, die der Lohnsteuer unterliegen. Aus diesem Grunde bleibt die Abgeltungswirkung des § 50 Abs. 2 EStG bei Einkünften, die dem Steuerabzug vom Arbeitslohn unterlegen sind, im Rahmen des § 2 Abs. 5 Satz 2 AStG bestehen.
502
Erweitert beschränkte Erbschaft- und Schenkungsteuerpflicht – § 4 AStG
+ + + =
Erweitert beschränkt steuerpflichtige Einkünfte ausländische Einkünfte Geschäftsführervergütung Summe des Welteinkommens Grundfreibetrag (§ 50 Abs. 2 Satz 1 EStG) Welteinkommen zzgl. Grundfreibetrag
40.100 € + 11.500 € + 4.500 € 56.100 € 8.004 € 64.104 €
Steuerschuld: 18.751 € Steuersatz: 18.751 € / 56.100 € = 33,42 % 2) Anwendung des berechneten Steuersatzes auf das erweitert beschränkte steuerpflichtige Einkommen: Erweitert beschränkt steuerpflichtiges Einkommen x 33,42 % ./. Steuerabzug Wettkämpfe Deutschland Verbleibende Steuerschuld Merke: 9 9
9
40.100 € 13.401 € ./. 5.250 € 8.151 €
Die erweitert beschränkte Steuerpflicht besteht bis zu zehn Jahren nach Ende des Jahres, in dem die unbeschränkte Steuerpflicht endet. Die Abgeltungswirkung (§ 50 Abs. 2 EStG) des Steuerabzugs gem. § 50a EStG gilt bei der erweitert beschränkten Steuerpflicht nur für den Steuerabzug vom Arbeitslohn oder für den Steuerabzug vom Kapitalertrag bei Einkünften, die der Abgeltungsteuer unterliegen. Es wird der Steuersatz angewendet, der sich für das Welteinkommen des erweitert beschränkt Steuerpflichtigen ergibt (Progressionsvorbehalt).
4.3 Erweitert beschränkte Erbschaft- und Schenkungsteuerpflicht – § 4 AStG Die erweitert beschränkte Erbschaft- bzw. Schenkungsteuerpflicht erfasst Erblasser bzw. Schenker, die im Todes- bzw. Schenkungszeitpunkt der erweitert beschränkten Einkommensteuerpflicht nach § 2 AStG unterliegen. Sind die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 1 AStG im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld gegeben, unterliegt nicht nur das Inlandsvermögen i.S.d. § 121 BewG der Erbschaftsteuer, sondern das sog. erweiterte Inlandsvermögen. Darunter fallen alle Vermögenswerte, deren Erträge bei unbeschränkter Einkommensteuerpflicht nicht ausländische Einkünfte i.S.d. § 34d EStG wären, z.B. Bankguthaben bei Kreditinstituten im Inland, Versicherungsansprüche gegen Versicherungsunternehmen im Inland.807
807
Eine Aufzählung findet sich in Tz. 4.1.1 AEAStG.
Besteuerung des Vermögenszuwachses – § 6 AStG (sog. Wegzugsbesteuerung)
503
Bezüglich der Erbschaft- und Schenkungsteuer gibt es eine erweitert unbeschränkte Steuerpflicht (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 Bst. b ErbStG). Diese bezieht sich auf deutsche Staatsangehörige, die sich nicht länger als fünf Jahre im Ausland aufgehalten haben und sieht vor, dass diese Personen unbeschränkt erbschaft- und schenkungsteuerpflichtig sind. Dies bedeutet, dass die erweitert beschränkte Steuerpflicht erst nach Ablauf dieser Frist greifen kann; die erweitert unbeschränkte Steuerpflicht geht der erweitert beschränkten Steuerpflicht vor. Die Zehn-Jahres-Frist des § 2 Abs. 1 Satz 1 AStG verändert sich dadurch aber nicht. Die erweitert beschränkte Erbschaft- und Schenkungsteuerpflicht findet nach § 4 Abs. 2 AStG keine Anwendung, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass für die Teile des Erwerbs, die nach § 4 Abs. 1 AStG zusätzlich in die Steuerpflicht einbezogen sind, im Ausland eine der deutschen Erbschaftsteuer entsprechende Steuer zu entrichten ist, die mindestens 30 % der deutschen Erbschaftsteuer beträgt.
5 Besteuerung des Vermögenszuwachses – § 6 AStG (sog. Wegzugsbesteuerung) 5.1 Überblick Veräußert ein unbeschränkt Steuerpflichtiger eine im Privatvermögen gehaltene Beteiligung i.S.d. § 17 EStG, unterliegt der Veräußerungsgewinn der Einkommensteuer. Bei beschränkt Steuerpflichtigen zählen solche Gewinne nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Bst. e EStG zu den Inlandseinkünften und werden in Deutschland besteuert. Der Wegzug eines unbeschränkt Steuerpflichtigen führt aber in vielen Fällen zum Wegfall des deutschen Besteuerungsrechts – nämlich dann, wenn mit dem ausländischen Staat ein DBA besteht und in diesem das Besteuerungsrecht für solche Veräußerungsgewinne dem Wohnsitzstaat zugewiesen wird, wie es in Art. 13 Abs. 5 OECD-MA vorgesehen ist. Daher sah § 6 AStG bisher bereits vor, dass bei der Verlegung des Wohnsitzes in das Ausland der Wertzuwachs einer Beteiligung i.S.d. § 17 EStG – also die Differenz zwischen den Anschaffungskosten und dem gemeinen Wert zum Zeitpunkt des Wegzugs – der deutschen Einkommensteuer zu unterwerfen ist. Durch diese Regelung wurde die Besteuerung der stillen Reserven im Entstrickungsfall sichergestellt, auch ohne Vorliegen einer tatsächlichen Veräußerung. Bisher wurde die Steuer auf den Wertzuwachs mit Eintreten der Tatbestandsvoraussetzungen unmittelbar festgesetzt und erhoben. Diese Vorgehensweise wurde jedoch bei einer den deutschen Bestimmungen ähnlichen französischen Vorschrift mit dem EuGH-Urteil „de Lasteyrie du Saillant“ vom 11.03.2004808 als Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit gewertet. Die Europäische Kommission nahm das Urteil zum Anlass, ein Vertragsverlet808
Vgl. Rs. DE LASTEYRIE DU SAILLANT, EuGH v. 11.03.2004, C-9/02, DStR 2004, S. 551 ff.
504
Überblick
zungsverfahren gegen die deutsche Wegzugsbesteuerung einzuleiten. Diese Ereignisse brachten die Bundesrepublik Deutschland dazu, § 6 AStG an die europarechtlichen Anforderungen anzupassen. Das Grundkonzept der Wegzugsbesteuerung des § 6 AStG ist dabei erhalten geblieben. Die Änderungen durch das SEStEG809 betrafen im Kern die Rechtsfolgen. Deutschland hat das Recht, alle während der unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland erwirtschafteten Gewinne zu besteuern. Die Europäische Kommission sieht daher keinen Widerspruch zu den Europäischen Grundfreiheiten, wenn dieses Besteuerungsrecht der stillen Reserven im Zeitpunkt des Wegzugs des Steuerpflichtigen letztmalig genutzt wird. Jedoch soll die Besteuerung erst erhoben werden, wenn tatsächlich ein Veräußerungsgewinn vorliegt. Somit wird in der gesetzlichen Neufassung die Steuer grundsätzlich festgesetzt, allerdings im Falle eines EU/EWR-Staatsangehöriger, der seinen Wohnsitz in einen anderen EU/EWR-Staat810 verlegt, gem. § 6 Abs. 5 Satz 1 AStG zinslos gestundet. Um bei Wegzug in einen Drittstaat unbillige Härten zu vermeiden, besteht weiterhin die Möglichkeit, unabhängig vom Bestehen eines DBAs, von der Billigkeitsregelung gem. § 6 Abs. 4 AStG Gebrauch zu machen, nach der auf Antrag eine Stundung der Steuer in regelmäßigen Teilbeträgen auf einen Zeitraum von maximal 5 Jahren möglich ist. Durch die Tatsache, dass der Wertzuwachs noch dem unbeschränkt Steuerpflichtigen zuzurechnen ist, wird § 6 AStG nicht durch bestehende DBA eingeschränkt. Die Abkommensregelungen eines DBA können erst dann greifen, wenn der Steuerpflichtige seinen Wohnsitz in dem anderen DBA-Land begründet hat. Auch beim Wegzug in ein Nicht-DBA-Land kommt die Wegzugsbesteuerung des § 6 AStG weiterhin zur Anwendung, obwohl Gewinne aus der Veräußerung von Beteiligungen i.S.d. § 17 EStG nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Bst. e EStG im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht erfasst werden. Eine Stundung gem. § 6 Abs. 5 AStG ist in diesen Fällen ebenfalls möglich.
809
Vgl. Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (SEStEG) v. 07.12.2006, BGBl. I 2006, S. 2782.
810
Da gem. Satz 2 Amtshilfe und gegenseitige Beitreibung der geschuldeten Steuer Voraussetzung für die Stundung ist, sind die EWR-Staaten Island und Liechtenstein von diesem Vorgehen ausgenommen. In diesen Fällen könnte jedoch von der Härtefallregelung gem. § 6 Abs. 4 AStG Gebrauch gemacht werden, nach der die Steuer auf Antrag in regelmäßigen Teilbeträgen auf einen Zeitraum von maximal 5 Jahren gestundet wird.
Besteuerung des Vermögenszuwachses – § 6 AStG (sog. Wegzugsbesteuerung)
505
Merke: 9 § 6 AStG fingiert bei einem Wohnsitzwechsel die Veräußerung von im Privatvermögen gehaltenen Beteiligungen von mindestens 1 % (d.h. Anteile i.S.d. § 17 EStG). 9 Keine Voraussetzung ist der Wegzug in ein Niedrigsteuerland, d.h. auch durch den Wegzug z.B. in die USA findet § 6 AStG Anwendung.
5.2 Voraussetzungen für die Besteuerung des Vermögenszuwachses 5.2.1
Persönliche Voraussetzungen
§ 6 AStG ist nur bei einem eng begrenzten Personenkreis anzuwenden. Es muss sich um natürliche Personen handeln, die insgesamt mindestens zehn Jahre nach § 1 Abs. 1 EStG unbeschränkt steuerpflichtig waren. Unerheblich ist, welche Staatsangehörigkeit der Steuerpflichtige hat, ob er seinen Wohnsitz in ein Niedrig- oder Hochsteuerland verlegt und ob mit dem neuen Wohnsitzstaat ein DBA besteht oder nicht. Wichtig ist nur, dass durch die Aufgabe des inländischen Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes die unbeschränkte Steuerpflicht endet.
Beispiel
Der spanische Staatsangehörige Carlos Solis verlegt auf Wunsch seiner Freundin im März 2005 seinen Wohnsitz nach Deutschland. Anfang 2007 erbt er von seinem verstorbenen Onkel Mike Delfino eine Beteiligung in Höhe von 30 % an der deutschen Wisteria GmbH. Onkel Mike war schon im Mai 1992 von Spanien nach Deutschland ausgewandert. Nachdem die Beziehung mit seiner Freundin gescheitert ist, zieht Carlos im Oktober 2010 wieder zurück nach Spanien.
Lösung
Der Zeitraum der unbeschränkten Steuerpflicht muss nicht zusammenhängend bestanden haben. Bei Unterbrechungen sind die Zeiträume zusammenzurechnen, in denen unbeschränkte Steuerpflicht bestand. Sind die Anteile ganz oder teilweise unentgeltlich auf den Steuerpflichtigen übergegangen – z.B. durch Schenkung oder Erbfall – sind für die ZehnJahres-Frist die Zeiträume mit einzubeziehen, in denen der bzw. die Rechtsvorgänger bis zur Übertragung der Anteile unbeschränkt steuerpflichtig war bzw. waren.
Zwar war Carlos im Zeitpunkt der Rückkehr nach Spanien in Deutschland noch keine zehn Jahre unbeschränkt steuerpflichtig, da er aber die Anteile an der Wisteria GmbH von seinem Onkel unentgeltlich erworben hat, ist nach § 6 Abs. 2 AStG der Zeitraum der unbeschränkten Steuerpflicht seines Onkels Mike mit zu berücksichtigen. Folglich ist die Voraussetzung der Zehn-Jahres-Frist erfüllt und Carlos Anteile an der Wisteria GmbH unterliegen der Wegzugsbesteuerung gem. § 6 AStG.
506
Voraussetzungen für die Besteuerung des Vermögenszuwachses
5.2.2
Sachliche Voraussetzungen
Beispiel
Patch Adams lebt seit seiner Geburt 1940 in Deutschland. Im Jahr 2009 erbt er nach dem Tod des Vaters zusammen mit seinen neun Geschwistern dessen Beteiligung an der deutschen Topfstiel-AG in Höhe von 5 %. Folglich besitzt nun jedes der zehn Geschwister eine Beteiligung von 0,5 % an der Topfstiel-AG. Patch möchte seinen Lebensabend im sonnigen Süden verbringen und verlegt im Juli 2010 seinen Wohnsitz nach Spanien.
Lösung
Die Wegzugsbesteuerung kommt nur dann zur Anwendung, wenn es sich um eine im Privatvermögen gehaltene Beteiligung an einer inländischen oder ab VZ 2007 auch ausländischen Kapitalgesellschaft handelt und für diese Beteiligung im Zeitpunkt des Wegzugs die Voraussetzungen des § 17 EStG – ausgenommen die tatsächliche Veräußerung – gegeben sind. Es ist somit erforderlich, dass der Steuerpflichtige innerhalb der letzen fünf Jahre mindestens zu einem Prozent unmittelbar oder mittelbar an der Kapitalgesellschaft beteiligt war. Es genügt, wenn die Beteiligung in diesem Zeitraum nur kurzfristig ein Prozent oder mehr betragen hat. Somit ist es möglich, dass § 6 AStG auch dann greift, wenn die Beteiligung zum Zeitpunkt des Wegzugs die Grenze von einem Prozent unterschreitet. Beim unentgeltlichen Erwerb innerhalb des Fünf-Jahres-Zeitraums ist diese Voraussetzung auch dann schon erfüllt, wenn der Rechtsvorgänger irgendwann in diesem Zeitraum eine Beteiligung von mindestens einem Prozent besaß.
Zwar unterschreitet die Beteiligung im Zeitpunkt des Wegzugs die Grenze von 1 %, doch muss nach § 17 Abs. 1 Satz 5 EStG bei unentgeltlichem Erwerb von Anteilen die Höhe der Beteiligung des Rechtsvorgängers innerhalb der letzen fünf Jahre berücksichtigt werden. Demnach löst die Wohnsitzverlegung von Patch die Wegzugsbesteuerung aus, da sein Vater in diesem Zeitraum eine Beteiligung in Höhe von 5 % besessen hat.
5.2.3
Ergänzungstatbestände
Nach § 6 Abs. 1 AStG kommt die Wegzugsbesteuerung dann zur Anwendung, wenn der Steuerpflichtige seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt ins Ausland verlegt. Um Umgehungsmöglichkeiten auszuschließen, stehen der Wohnsitzverlagerung drei Ergänzungstatbestände sowie ein Auffangtatbestand gleich, die nach der Änderung durch das SEStEG in § 6 Abs. 1 AStG aufgeführt werden: x
Unentgeltliche Anteilsübertragung auf beschränkt Steuerpflichtige: Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AStG löst die Schenkung von Anteilen an einen nicht unbeschränkt Steuerpflichtigen die Rechtsfolgen des § 6 Abs. 1 AStG aus. Ferner umfasst Nr. 1 abweichend zur bisherigen Regelung auch die Übertragung von Anteilen von
Besteuerung des Vermögenszuwachses – § 6 AStG (sog. Wegzugsbesteuerung)
507
Todes wegen. Der Erbfall wird somit nicht mehr von der Wegzugsbesteuerung ausgenommen. x
Begründung einer Ansässigkeit in einem DBA-Staat: § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AStG erweitert die Wegzugsbesteuerung auf die Fälle, in denen ein Steuerpflichtiger eine Doppelansässigkeit in einem DBA-Staat begründet. Zwar behält der Steuerpflichtige seinen Wohnsitz im Inland bei und bleibt weiterhin unbeschränkt steuerpflichtig. Besteht aber mit dem zweiten Wohnsitzstaat ein DBA und befindet sich in diesem Land der Mittelpunkt der persönlichen Lebensinteressen des Steuerpflichtigen, gilt abkommensrechtlich der ausländische Staat als Ansässigkeitsstaat. Nach den meisten DBA steht nur dem Ansässigkeitsstaat das Besteuerungsrecht für Gewinne aus der Veräußerung wesentlicher Beteiligungen zu. Der Verlust des Besteuerungsrechts für die bisher entstandenen stillen Reserven soll durch diesen Ergänzungstatbestand vermieden werden.
x
Einlage der Anteile in ein Betriebsvermögen in einem DBA-Staat: Bei der Einlage von inländischen Beteiligungen i.S.d. § 17 EStG in einen ausländischen Betrieb oder in eine ausländische Betriebsstätte des Steuerpflichtigen greift nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AStG die Wegzugsbesteuerung ebenfalls. Die bisherige Regelung erforderte den konkreten Ausschluss des deutschen Besteuerungsrechts durch ein DBA. In der neuen Gesetzesfassung ist diese Voraussetzung weggefallen. Somit ist der Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts nunmehr unerheblich. In diesem Fall tritt die Wegzugsbesteuerung in Kraft, obwohl der Steuerpflichtige weiterhin im Inland ansässig ist.
x
Auffangtatbestand: Sofern das Besteuerungsrecht durch andere Gründe, als der in Satz 1 oder Nr. 1 bis 3 genannten ausgeschlossen oder eingeschränkt wird, greift nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AStG die Wegzugsbesteuerung ebenfalls. Dies soll beispielsweise Fälle umfassen, in denen Deutschland durch ein bestehendes DBA Veräußerungsgewinne freistellt oder die ausländischen Steuern auf diese angerechnet werden müssen.811
811
Vgl. Bericht des Finanzausschusses zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung – Drs. 16/2710, 16/2934 – Entwurf eines Gesetzes über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (SEStEG) v. 25.09.2006 BT-Drs. 16/3369, S. 14.
508
Rechtsfolgen
Merke: Damit die Besteuerung des Vermögenszuwachses i.S.d. § 6 AStG erfolgen kann, müssen folgende Tatbestandsmerkmale gegeben sein: 9 natürliche Person, die insgesamt mindestens 10 Jahre unbeschränkt steuerpflichtig war, 9 Aufgabe des inländischen Wohnsitzes (oder Ergänzungstatbestand), 9 im Privatvermögen gehaltene Beteiligung an einer inländischen oder ausländischen Kapitalgesellschaft, die innerhalb der letzten fünf Jahre mindestens 1 % betrug (§ 17 EStG).
5.3 Rechtsfolgen Sind die oben genannten persönlichen und sachlichen Voraussetzungen gegeben, ist als Rechtsfolge § 17 EStG anzuwenden. Damit unterliegt der Wertzuwachs der Beteiligung an einer inländischen oder ausländischen Kapitalgesellschaft der deutschen Einkommensteuer. Da keine Veräußerung der Anteile stattfindet, wird nach § 6 Abs. 1 Satz 4 AStG an Stelle des Verkaufspreises der gemeine Wert der Anteile im Zeitpunkt der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht angesetzt. Der gemeine Wert wird nach § 9 Abs. 2 BewG durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die den Preis beeinflussen. Es wird somit von einer fiktiven Veräußerung der Anteile auf dem freien Markt ausgegangen. Bei börsennotierten Wertpapieren ist nach § 11 Abs. 1 BewG der letzte notierte Kurs maßgebend, bei anderen Anteilen wird sich an Verkäufen orientiert, die innerhalb des letzten Jahres stattgefunden haben. Liegen solche Verkäufe nicht vor, muss der gemeine Wert unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten der Gesellschaft oder einer anderen anerkannten und im gewöhnlichen Verkehr für nichtsteuerliche Zwecke verwendeten Methode ermittelt werden. Dem gemeinen Wert der Anteile sind grundsätzlich ihre tatsächlichen Anschaffungskosten gegenüberzustellen. Hat der Steuerpflichtige die Anteile bereits zu dem Zeitpunkt besessen, als er zum ersten Mal unbeschränkt steuerpflichtig wurde, z.B. durch Zuzug aus dem Ausland, und nimmt der ausländische Wegzugsstaat ebenfalls eine Wegzugsbesteuerung vor, tritt gem. § 17 Abs. 2 Satz 3 EStG an Stelle der Anschaffungskosten der Wert, den der ausländische Wegzugsstaat bei der Berechnung einer mit § 6 AStG vergleichbaren Steuer angesetzt hat, höchstens jedoch der gemeine Wert. Durch Letzteres wird eine Doppelbesteuerung der im Ausland gebildeten stillen Reserven vermieden. Hat der Steuerpflichtige die Anteile unentgeltlich erworben, sind als Anschaffungskosten nach § 17 Abs. 2 Satz 5 EStG die Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers anzusetzen, der die Anteile zuletzt käuflich erworben hat. Ist die Differenz zwischen den Anschaffungskosten und dem fikti-
Besteuerung des Vermögenszuwachses – § 6 AStG (sog. Wegzugsbesteuerung)
509
ven Veräußerungserlös negativ, darf dieser fiktive Veräußerungsverlust nicht berücksichtigt werden.812 Aus der Anwendung des § 17 EStG folgt, dass nur der Wertzuwachs besteuert werden darf, der nach § 17 Abs. 3 EStG den Freibetrag von 9.060 € übersteigt. Allerdings muss beachtet werden, dass der Freibetrag bei steigendem Wertzuwachs abnimmt (§ 17 Abs. 3 Satz 2 EStG). Nach dem erfolgten Wohnsitzwechsel bleibt der Auswanderer in Deutschland beschränkt steuerpflichtig. Veräußert er seine Anteile, unterliegt der Veräußerungsgewinn grundsätzlich nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Bst. e i.V.m. § 17 EStG der beschränkten Steuerpflicht, sofern das deutsche Besteuerungsrecht nicht durch ein DBA eingeschränkt wird. Zur Ermittlung des Veräußerungsgewinns wird der Veräußerungserlös den Anschaffungskosten gegenübergestellt; Veräußerungskosten dürfen dabei abgezogen werden. Um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, ist der so ermittelte Veräußerungsgewinn um den bereits versteuerten Wertzuwachs zu kürzen. Ergibt sich dadurch ein Verlust, darf dieser nach geltendem Recht mit anderen positiven, der beschränkten Steuerpflicht unterliegenden Einkünften ausgeglichen werden.813 Besteht mit dem Wohnsitzstaat des Steuerpflichtigen ein DBA, durch das das deutsche Besteuerungsrecht ausgeschlossen wird, kann es für den Steuerpflichtigen zur Doppelbesteuerung kommen, wenn der Ansässigkeitsstaat ebenfalls die bisherigen Anschaffungskosten heranzieht. Es besteht die Gefahr, dass der in Deutschland bereits versteuerte Teil des Vermögenszuwachses im neuen Wohnsitzstaat ein zweites Mal besteuert wird. Merke: Sind die oben genannten Voraussetzungen gegeben, erfolgt eine Besteuerung des Wertzuwachses der Beteiligung auch ohne Veräußerung. Veräußert der beschränkt Steuerpflichtige zu einem späteren Zeitpunkt die Beteiligung tatsächlich, darf (sofern das deutsche Besteuerungsrecht nicht durch ein DBA eingeschränkt wird) zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung der bereits versteuerte Wertzuwachs vom Veräußerungsgewinn abgezogen werden.
5.4 Minderungsregelungen Bei der Wegzugsbesteuerung entsteht die Steuerpflicht für den Steuerpflichtigen, obwohl ihm keine entsprechende Liquidität zur Begleichung der Steuerschuld zur Verfügung steht. Da dies für den Steuerpflichtigen eine nicht unerhebliche Belastung darstellt, hat der Gesetzgeber verschiedene Möglichkeiten geschaffen, die Steuer zu stunden oder gegebenenfalls ganz zu erlassen.
812
Vgl. BFH v. 28.02.1990, I-R-43/86, BStBl. II 1990, S. 615.
813
Vgl. R 49.1 Abs. 4 EStR.
510
5.4.1
Minderungsregelungen
Vorübergehende Abwesenheit
Verlegt ein unbeschränkt Steuerpflichtiger seinen Wohnsitz nur vorübergehend in ein anderes Land, normiert § 6 Abs. 3 AStG, dass der Steueranspruch unter bestimmten Voraussetzungen entfällt. Der Steuerpflichtige muss allerdings vor dem Wegzug glaubhaft machen, dass er innerhalb von fünf Jahren erneut unbeschränkt steuerpflichtig wird. Die Steuerschuld wird zwar während der Abwesenheit endgültig oder vorläufig festgesetzt, aber nach Rückkehr des Steuerpflichtigen ist der Bescheid – je nachdem, ob dieser endgültig oder vorläufig erlassen wurde – nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO aufzuheben oder nach § 165 Abs. 2 AO zu ändern. Die Frist kann vom Finanzamt um höchstens fünf Jahre verlängert werden, wenn der Steuerpflichtige glaubhaft macht, dass seine Abwesenheit durch berufliche Gründe veranlasst ist und die Rückkehrabsicht unverändert fortbesteht. Veräußert der Steuerpflichtige in der Zwischenzeit seine Anteile oder greift ein Ersatztatbestand nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 oder 3 AStG, bleibt es bei der Wegzugsbesteuerung.
5.4.2
Stundung der Steuerschuld im Rahmen der EU-Regelung
Mit dem SEStEG wurde für Angehörige von EU-Mitgliedsstaaten eine völlig neue Möglichkeit, die Steuerschuld zu stunden, in § 6 AStG eingefügt. Bisher hat die Besteuerung gem. § 6 AStG bei Wegzug aus Deutschland in einen anderen EU-Mitgliedsstaat im Falle eines unbeschränkt steuerpflichtigen Staatsangehörigen eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union gegen die Niederlassungsfreiheit verstoßen.814 Deshalb wurde § 6 Abs. 5 AStG neu in das Gesetz eingefügt. Demnach wird Staatsangehörigen eines Mitgliedsstaates der EU oder des EWR-Raums die gem. § 6 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 bis 3 AStG geschuldete Steuer von Amts wegen ohne Sicherheitsleistung zinslos gestundet. Voraussetzung für diese Stundung ist gem. § 6 Abs. 5 Satz 2, dass sich der andere Staat bereits zur Amtshilfe verpflichtet hat und bei der Beitreibung der geschuldeten Steuer Hilfe leistet. Daher sind die EWR-Staaten Island und Liechtenstein von dieser Begünstigung ausgenommen. In diesen Fällen kann jedoch unter bestimmten Voraussetzungen von der Härtefallregelung gem. § 6 Abs. 4 AStG Gebrauch gemacht werden. Die Dauer der Stundung ist unter Erfüllung der Mitwirkungspflichten815 gem. § 6 Abs. 7 AStG zeitlich nicht begrenzt. Sie wird so lange gewährt, bis der Steuerpflichtige einen Veräußerungsgewinn erzielt oder einen der Veräußerung gleichgestellten Tatbestand erfüllt.
814
Vgl. Entwurf eines Gesetzes über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (SEStEG) v. 25.09.2006 BT-Drs. 16/2710, S. 52.
815
Der Steuerpflichtige hat z.B. einen jährlichen Bericht einzureichen, in welchem er bestätigt, dass die Anteile ihm bzw. seinem Rechtsnachfolger weiterhin zuzurechnen sind und dem Finanzamt seine aktuelle Anschrift mitteilt. Ferner hat er den Eintritt eines Widerrufsgrundes binnen eines Monats dem zuständigen Finanzamt mitzuteilen.
Besteuerung des Vermögenszuwachses – § 6 AStG (sog. Wegzugsbesteuerung)
511
Dies gilt gem. § 17 Abs. 4 EStG beispielsweise im Falle der Auflösung einer Gesellschaft oder einer Kapitalherabsetzung. Der Veräußerung wird ebenfalls gleichgestellt, x wenn die Gesellschaftsanteile auf eine Person unentgeltlich übertragen werden, die im EU/EWR-Raum keiner unbeschränkten Steuerpflicht unterliegt (§ 6 Abs. 5 Satz 4 Nr. 2 AStG), x wenn die Anteile entnommen werden oder ein vergleichbarer Vorgang nach inländischem Recht zum Ansatz des Teilwerts oder des gemeinen Werts führt (§ 6 Abs. 5 Satz 4 Nr. 3 AStG), x wenn der Steuerpflichtige oder sein Rechtsnachfolger seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt in einen Drittstaat verlagert (§ 6 Abs. 5 Satz 4 Nr. 4 AStG). Um Umwandlungsvorgänge, in denen die ursprünglichen Anteile untergehen und neue Anteile erworben werden, von der Wegzugsbesteuerung auszunehmen, können diese auf Antrag gem. § 6 Abs. 5 Satz 5 AStG von der Wegzugsbesteuerung ausgenommen werden. In der Folge gelten diese Umwandlungsvorgänge nicht als Veräußerungen i.S.d. § 6 Abs. 5 Satz 4 Nr. 1 AStG und führen nicht zu einem Widerruf der Stundung, sofern der Anteilseigner einen Antrag auf Ansatz des Buchwertes der Anteile stellen könnte.816 Ist der Gesamtbetrag der Einkünfte negativ, wird bei Anwendung des § 10d EStG der fiktive Veräußerungsgewinn gem. § 6 Abs. 1 AStG trotz Festsetzung nicht berücksichtigt. Der Verlustrücktrag bzw. Verlustvortrag ist rückwirkend anzupassen, sobald die Stundung widerrufen wird. Feststellungs- und Steuerbescheide, die unter Anwendung des § 6 Abs. 5 Satz 6 erlassen wurden, sind unter Beachtung der Festsetzungsverjährung gem. § 175 Abs. 1 Satz 2 AO aufzuheben oder zu ändern. Im Falle einer tatsächlichen Veräußerung der Anteile gem. § 6 Abs. 5 Satz 4 Nr. 1 AStG ist der tatsächlich erzielte Verkaufspreis bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns maßgeblich. Sofern im Zeitpunkt des Widerrufs der Stundung der tatsächlich erzielte Veräußerungsgewinn niedriger ist als der zuvor angenommene Vermögenszuwachs, ist diese Wertminderung gem. § 6 Abs. 6 AStG zu berücksichtigten, sofern sie nicht auf gesellschaftsrechtliche Maßnahmen817 zurückzuführen ist und betriebliche Gründe für die Wertminderung vorliegen. Ferner darf die Minderung nicht bereits durch den Zuzugsstaat berücksichtigt worden sein. Eine Anrechnung über den zuvor angenommenen fiktiven Veräußerungsgewinn gem. § 6 Abs. 1 AStG hinaus ist nicht möglich. Auch in diesem Fall sind die Feststellungs- und Steuerbescheide unter Beachtung des § 175 Abs. 1 Satz 2 AO insoweit aufzuheben oder zu ändern.
816
Vgl. Entwurf eines Gesetzes über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (SEStEG) v. 25.09.2006 BT-Drs. 16/2710, S. 54.
817
Eine auf eine Gewinnausschüttung zurückzuführende Wertminderung kann zwar nicht vom Erlös gem. § 6 Abs. 1 AStG abgezogen werden, jedoch ist die auf die Ausschüttung entrichtete Kapitalertragssteuer auf die geschuldete Steuer anzurechnen.
512
Minderungsregelungen
Beispiel
Die in Charlottenthal wohnhafte deutsche Staatsbürgerin Sydney Bristow kauft 1980 eine Beteiligung von 5 % an der SD-6 AG mit Sitz und Geschäftsleitung in Los Angeles zu einem Kaufpreis von 250.000 €. Im Jahr 2005 verlegt Sydney ihren Wohnsitz nach Frankreich. Der gemeine Wert der Anteile beträgt zu diesem Zeitpunkt 450.000 €.
Lösung
Sydney ist zum Zeitpunkt des Wegzugs mehr als zehn Jahre unbeschränkt steuerpflichtig. Ferner handelt es sich um eine Beteiligung i.S.d. § 17 EStG. Daher ist die Wegzugsbesteuerung des § 6 AStG anwendbar. Bei der Bestimmung des Wertzuwachses tritt gem. § 6 Abs. 1 Satz 4 AStG der gemeine Wert zum Zeitpunkt der Wohnsitzverlegung an die Stelle des Veräußerungspreises. Demnach beträgt der grundsätzlich zu versteuernde Wertzuwachs im Zeitpunkt des Wegzugs: gemeiner Wert ./. Anschaffungskosten = Wertzuwachs
./.
450.000 € 250.000 € 200.000 €
Beispiel
Im obigen Beispiel veräußert Sydney im September 2010 die Beteiligung an Marcus Dixon für 375.000 €.
Lösung
Nach § 6 Abs. 5 AStG ist die Steuerschuld auf den Wertzuwachs von Amts wegen ohne Hinterlegung einer Sicherheitsleitung und ohne Erhebung jeglicher Zinsen auf einen unbestimmten Zeitraum hin zu stunden, da es sich bei Sydney um eine Staatsbürgerin eines EU-Mitgliedsstaates handelt, die ihren Wohnsitz in einen anderen Mitgliedsstaat der EU (Frankreich) verlegt.
Im Veräußerungszeitpunkt ist die Stundung gem. § 6 Satz 4 Nr. 1 AStG zu widerrufen. Zusätzlich muss noch berücksichtigt werden, dass der Wert der Beteiligung zum Zeitpunkt der Veräußerung (= 375.000 €) vom Wert der Beteiligung zum Zeitpunkt des Wegzugs (= 450.000 €) abweicht. Da die Wertminderung von 450.000 € auf 375.000 € im Verkaufszeitpunkt betrieblich veranlasst war, nicht durch zwischenzeitliche Gewinnausschüttungen verursacht wurde, und im Zuzugsstaat nicht berücksichtigt wird, kann Sydney diese Differenz gem. § 6 Abs. 6 Satz 1 AStG vom zu besteuernden Wertzuwachs abziehen. Demnach ist der im Zeitpunkt der Veräußerung noch zu versteuernde Wertzuwachs gleich dem erzielten Veräußerungsgewinn:
Besteuerung des Vermögenszuwachses – § 6 AStG (sog. Wegzugsbesteuerung)
Veräußerungspreis ./. Anschaffungskosten = Veräußerungsgewinn
./.
513
375.000 € 250.000 € 125.000 €
Sydney hat somit lediglich den Wertzuwachs der Beteiligung i.H.v. 125.000 € im Zeitpunkt der Veräußerung zu versteuern, da die Wertminderung zwischen Wegzug und Veräußerung i.H.v. 75.000 € vom ursprünglich festgesetzten Wertzuwachs abgezogen werden kann.
Merke: Bei Wegzug eines EU-Bürgers in einen anderen EU/EWR-Staat wird die Steuer gem. § 6 Abs. 1 AStG ohne Antrag und ohne Sicherheitsleitung zinslos von Amts wegen gestundet.
5.4.3
Stundung der Steuerschuld im Rahmen der Härtefallregelung
Beispiel
Stellt die Steuerschuld gem. § 6 AStG für den Steuerpflichtigen eine erhebliche Härte dar, räumt ihm § 6 Abs. 4 AStG den Anspruch auf Stundung der Steuerschuld ein, sofern nicht bereits die Stundung gem. § 6 Abs. 5 AStG zur Anwendung kommt. § 6 Abs. 4 AStG erweitert damit die Stundungsvorschrift nach § 222 AO. Dem Steuerpflichtigen wird ermöglicht, die Steuerschuld über einen Zeitraum von fünf Jahren in regelmäßigen Teilbeträgen zu tilgen. Das Finanzamt fordert aber im Gegenzug eine Sicherheitsleistung vom Steuerpflichtigen. Für die Stundung können nach § 234 Abs. 1 AO Stundungszinsen erhoben werden.818 Veräußert der Steuerpflichtige innerhalb des Stundungszeitraums Anteile, entfällt für ihn im Regelfall die erhebliche Härte, und die Stundung wird insoweit aufgehoben, als sie sich auf die veräußerten Anteile erstreckt.
818
Der in Freiburg wohnhafte Sam Baldwin erwarb 1994 für 150.000 € eine Beteiligung von 40 % an der LKW-Handels-GmbH mit Sitz und Geschäftsleitung in Stuttgart. Mitte 1994 übertrug er die Beteiligung unentgeltlich auf seinen Sohn Jonah. Der gemeine Wert der Anteile betrug zu diesem Zeitpunkt 400.000 €. Jonah verlegte im Februar 2010 seinen Wohnsitz in die USA. Der gemeine Wert der Anteile betrug zu diesem Zeitpunkt 450.000 €. Mitte 2010 veräußert Jonah die Beteiligung an den Hauptgesellschafter in Stuttgart für 500.000 €.
Vgl. BFH v. 16.10.1991, I-R-145/90, BStBl. II 1992, S. 321.
514
Überblick
Lösung
Da Jonah im Zeitpunkt des Wegzugs mehr als zehn Jahre unbeschränkt steuerpflichtig war und es sich um eine Beteiligung i.S.d. § 17 EStG handelt, ist die Wegzugsbesteuerung des § 6 AStG anzuwenden. Dadurch, dass Jonah die Beteiligung von seinem Vater geschenkt bekam, sind bei der Bestimmung des Wertzuwachses als Anschaffungskosten nach § 17 Abs. 2 Satz 5 EStG die Kosten anzusetzen, die der Vater für den Kauf der Beteiligung aufgewendet hat. Demnach beträgt der zu versteuernde Wertzuwachs im Zeitpunkt des Wegzugs: gemeiner Wert ./. Anschaffungskosten
./.
= Wertzuwachs
450.000 € 150.000 € 300.000 €
Da in diesem Fall kein Wegzug in einen EU-Mitgliedsstaat, sondern in einen Drittstaat stattfindet, ist § 6 Abs. 5 AStG nicht anwendbar. Jonah kann allerdings die Begünstigung nach § 6 Abs. 4 AStG anwenden. Danach ist die Steuerschuld auf Antrag für einen Zeitraum von höchstens fünf Jahren zu stunden. Da Jonah in Deutschland weiterhin beschränkt steuerpflichtig ist, hat er den Veräußerungsgewinn aus dem Verkauf der Beteiligung nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Bst. e i.V.m. § 17 EStG der deutschen Einkommensteuer zu unterwerfen. Allerdings darf der Veräußerungsgewinn um den bereits versteuerten Wertzuwachs gekürzt werden. Demnach beträgt der noch zu versteuernde Veräußerungsgewinn: Veräußerungspreis ./. Anschaffungskosten Veräußerungsgewinn ./. bereits versteuerter Wertzuwachs = zu versteuernder Veräußerungsgewinn
./. ./.
500.000 € 150.000 € 350.000 € 300.000 € 50.000 €
Mit der Veräußerung der Beteiligung wird die Stundung der Steuerschuld aufgehoben.
6 Beteiligung an ausländischen Zwischengesellschaften – §§ 7-14 AStG 6.1 Überblick Die §§ 7 bis 14 AStG regeln das Problem der Basisgesellschaften in Niedrigsteuerländern. Vor Einführung des AStG konnten Gewinne ausländischer Gesellschaften im Inland nur besteuert werden, wenn sie an inländische Gesellschafter ausgeschüttet wurden, außer es lag ein Missbrauchstatbestand i.S.d. § 42 AO vor. Mit Hilfe von sog. Basis- oder Zwischengesellschaften war es also möglich, Gewinne im Ausland zu thesaurieren und sie
Beteiligung an ausländischen Zwischengesellschaften – §§ 7-14 AStG
515
gegen die deutsche Besteuerung abzuschirmen. Dieser Abschirmeffekt, der aus dem Trennungsprinzip resultiert, wird durch die Hinzurechnungsbesteuerung durchbrochen, sofern die Einkünfte der ausländischen Gesellschaft aus passiven Tätigkeiten stammen und einer niedrigen Besteuerung unterliegen. Diese Zwischeneinkünfte werden nach Ablauf des Wirtschaftsjahres, in denen sie erwirtschaftet werden, den inländischen Anteilseignern entsprechend ihrer Beteiligung an der Zwischengesellschaft zugerechnet. Der inländische Anteilseigner wird damit steuerlich so gestellt, als hätte die ausländische Gesellschaft eine Gewinnausschüttung in Höhe der Zwischeneinkünfte vorgenommen. Grundsatz: Trennungsprinzip
Anteilseigner
KAPITALGESELLSCHAFT
Anteilseigner
Gewinnentstehung
Anteilseigner
Ausnahme: Hinzurechnungsbesteuerung
Anteilseigner
KAPITALGESELLSCHAFT
Anteilseigner
Gewinnentstehung
Anteilseigner
Abbildung 142: Durchbrechung der Abschirmwirkung durch §§ 7 bis 14 AStG
6.2 Grundproblematik der sog. Basisgesellschaften 6.2.1
Begriff und Merkmale einer Basisgesellschaft
Der Begriff der Basisgesellschaft ist gesetzlich nicht definiert. Unter Basisgesellschaften werden selbständige, von in Hochsteuerländern ansässigen Kapitalgebern gegründete oder erworbene Rechtsträger verstanden, deren statutarischer Sitz in einem ausländischen Staat mit i.d.R. günstigen steuerlichen Bedingungen liegt. Sie verfolgen wirtschaftliche Interessen ausschließlich oder fast ausschließlich außerhalb ihres Sitzstaates. Von Basisgesellschaften sind die sog. Briefkasten- oder Domizilgesellschaften zu unterscheiden. Hierunter wird eine nach dem Recht des betreffenden Staates errichtete Gesellschaft verstanden, die über kein eigenes Personal, keine eigenen Liegenschaften oder Rechte an solchen und keinen eigenen Geschäftsbetrieb verfügt, also keine wirtschaftlichen Funktionen ausübt. Häu-
516
Grundproblematik der sog. Basisgesellschaften
fig ist lediglich eine bestimmte Adresse oder ein bestimmtes Postfach vorhanden (daher die Bezeichnung „Briefkastengesellschaft“). Die Geschäfte einer Briefkasten- oder Domizilgesellschaft werden oft von einem so genannten Verwaltungsrat wahrgenommen. Dieser besteht üblicherweise aus ortsansässigen Rechtsanwälten, Notaren, Anlageberatern oder Treuhandunternehmen, die manchmal für Hunderte solcher Gesellschaften unter derselben Anschrift tätig werden.
6.2.2
Abschirmwirkung einer Basisgesellschaft
Werden Leistungen über eine Basisgesellschaft abgerechnet, vermindern sich die Besteuerungsgrundlagen in den Hochsteuerländern durch die Erhöhung von Betriebsausgaben und Verringerung von Betriebseinnahmen, während sich die Besteuerungsgrundlagen im Basisland, wo sie einer geringeren Besteuerung unterliegen, entsprechend erhöhen (primäre Abschirmwirkung). Mögliche Gestaltungen sind: x Auslagerung von Eigen- oder Fremdkapital auf die Basisgesellschaft mit den daraus resultierenden Dividenden- oder Zinszahlungen, x Vornahme von Investitionen oder Vergabe von Forschungsaufträgen durch die Basisgesellschaft mit anschließender entgeltlicher Überlassung an Unternehmen in Hochsteuerstaaten (z.B. Mieten, Pachten, Lizenzgebühren), x Umleitung des Handelsverkehrs (Ein- und Verkauf) über die Basisgesellschaft mit entsprechend hoher Gewinnspanne, wobei die Wirtschaftsgüter aber nur rechtlich, nicht aber real über die Basisgesellschaft fließen, x entgeltliche Wahrnehmung von bestimmten Dienstleistungen (z.B. Buchführung, Marktforschung) oder Verwaltungsfunktionen durch die Basisgesellschaft, x treuhänderische Tätigkeit der Basisgesellschaft. Die in der Basisgesellschaft steuerfrei oder steuergünstig angesammelten Gewinne sollen – wenn möglich steuerfrei – in den Wirtschaftskreislauf des Hochsteuerlandes zurückgeführt werden (sekundäre Abschirmwirkung). Je nachdem, ob der Steuerpflichtige eine natürliche oder eine juristische Person ist, stehen verschiedene Möglichkeiten zur Auswahl. Eine natürliche Person kann eine steuerfreie Rückführung durch die Gewährung eines nicht rückzahlbaren Darlehens oder die Zahlung von Aufsichtsratsvergütungen erreichen. Aufsichtsratsvergütungen können grundsätzlich im Sitzstaat versteuert werden. Der Ansässigkeitsstaat wendet die Freistellungsmethode mit Progressionsvorbehalt an. Wurde die Basisgesellschaft dagegen von einer juristischen Person errichtet, sind deren Ausschüttungen unter den Voraussetzungen eines Schachtelprivilegs bzw. der Mutter-Tochter-Richtlinie819 steuerbefreit.
819
Vgl. Richtlinie 90/435/EWG des Rates v. 23.07.1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (ABl. L 225, S. 6), zuletzt geändert durch die Richtlinie 2006/98/EG des Rates v. 20.11.2006 (ABl. L 363, S. 129), Beck’sche Textausgaben Steuergesetze, Nr. 2; die Richtlinie wurde in Deutschland durch § 43b EStG umgesetzt.
Beteiligung an ausländischen Zwischengesellschaften – §§ 7-14 AStG Merke: 9 9
6.2.3
517
Primäre Abschirmwirkung: Abrechnung von Leistungen über Basisgesellschaften zur Verminderung von Besteuerungsgrundlagen in Hochsteuerländern. Sekundäre Abschirmwirkung: möglichst steuerfreie Rückführung von steuerfrei oder steuergünstig angesammelten Gewinnen der Basisgesellschaft in den Wirtschaftskreislauf des Hochsteuerlandes.
Typische und atypische Basisgesellschaft
Bezüglich des Ortes der wirtschaftlichen Interessen einer Basisgesellschaft wird zwischen typischen und atypischen Auslandsbasen unterschieden. Im Fall einer typischen Basisgesellschaft existieren internationale Geschäftsbeziehungen zwischen dem Inland und einem Drittland, in welche die Basisgesellschaft zwischengeschaltet wird. Im Gegensatz dazu werden bei einer atypischen Basisgesellschaft rein nationale Beziehungen internationalisiert, wobei der wirtschaftliche Vorgang derselbe bleibt. Deshalb ist die atypische Basisgesellschaft ganz besonders dem Missbrauchsverdacht ausgesetzt. Merke: 9 9
Typische Basisgesellschaft: internationale Geschäftsbeziehungen zwischen Inland und Drittland, in die eine Basisgesellschaft zwischengeschaltet wird. Atypische Basisgesellschaft: Internationalisierung von nationalen Geschäftsbeziehungen durch Zwischenschaltung einer Basisgesellschaft.
Beispiel
518
Grundproblematik der sog. Basisgesellschaften Typische Basisgesellschaft Ausgangssituation: Die in Land A ansässige Handelskönig-GmbH liefert Waren an Abnehmer in Land C gegen einen Kaufpreis von 2.000 €. Bei der Handelskönig-GmbH sind Aufwendungen in Höhe von 1.000 € angefallen. In Land A gilt ein Körperschaftsteuersatz von 50 %. Wird die Ware direkt von A nach C geliefert, entsteht bei der Handelskönig-GmbH ein Gewinn von 1.000 €. Hieraus resultiert eine Steuerbelastung von 500 €.
Land A s = 50 %
Land C Bestimmungsland Ware
HandelskönigGmbH K
Abnehmer
2.000 €
= 1.000 €
GB = 1.000 € S = 500 € GN = 500 €
Bezeichnungen:
s S K GB GN
= = = = =
Steuersatz Steuer Aufwand Bruttogewinn Nettogewinn
In den Lieferverkehr wird die in Land B ansässige Profit-AG zwischengeschaltet. Die Handelskönig-GmbH liefert an die Profit-AG für 1.000 €, die Profit-AG liefert für 2.000 € an die Abnehmer in Land C weiter. Die Profit-AG ist in einer Steueroase ansässig, so dass der bei ihr angefallene Gewinn von 1.000 € keiner steuerlichen Belastung unterliegt. Bei der Handelskönig-GmbH stehen sich Erlöse und Aufwendungen von je 1.000 € gegenüber, so dass keine steuerliche Belastung entsteht. Schüttet die Profit-AG ihren Gewinn von 1.000 € an die Handelskönig-GmbH aus, entsteht – unter den Voraussetzungen eines internationalen Schachtelprivilegs – keine zusätzliche steuerliche Belastung.
519
Beteiligung an ausländischen Zwischengesellschaften – §§ 7-14 AStG
Land A s = 50 %
Internationales Schachtelprivileg
Land B s=0% Ware
Ware HandelskönigGmbH
1.000 €
Land C Bestimmungsland
Profit-AG
2.000 €
Abnehmer
K = 1.000 €
K = 1.000 €
primäre Abschirmwirkung
GB = 1.000 € S = 0€ GN = 1.000 €
GBZ = GNZ = 0 €
Ausschüttung D S
= 1.000 € = 0€
(internationales Schachtelprivileg)
GN = 1.000 €
Beispiel
sekundäre Abschirmwirkung
Bezeichnungen:
s S K GB GN GZ D
= = = = = = =
Steuersatz Steuer Aufwand Bruttogewinn Nettogewinn Zwischengewinn Dividende
Atypische Basisgesellschaft Ausgangssituation: Die in Land A ansässige Plump-GmbH weist ein Eigenkapital von 20.000 € auf. Sie erwirtschaftet einen operativen Gewinn von 1.000 €. In Land A gilt ein Körperschaftsteuersatz von 50 %. Hieraus resultiert eine Steuerbelastung von 500 €.
520
Grundproblematik der sog. Basisgesellschaften
Land A s = 50 % Plump-GmbH GB = 1.000 €
S = GN =
500 € 500 €
Einschaltung einer atypischen Basisgesellschaft: Die Plump-GmbH beteiligt sich nun mit 100.000 € an der Money-AG in Land B, wo ein Körperschaftsteuersatz von 0 % gilt. Die Geschäftsleitung der Money-AG wird einem in Land B ansässigen Treuhandunternehmen überlassen. Die Money-AG gewährt der Plump-GmbH ein Darlehen in Höhe von 10.000 € zu einem Zinssatz von 10 %. Hierdurch entsteht bei der Money-AG ein Gewinn in Höhe von 1.000 €, der infolge des in Land B geltenden Körperschaftsteuersatzes von 0 % steuerfrei bleibt. Bei der Plump-GmbH stehen dem operativen Gewinn von 1.000 € abzugsfähige Zinsen in gleicher Höhe gegenüber, so dass auch in Land A keine Steuer anfällt. Bei Bestehen eines internationalen Schachtelprivilegs kann die Money-AG ihren Gewinn ohne steuerliche Folgen an die Plump-GmbH ausschütten.
Land A s = 50 %
internationales Schachtelprivileg
Land B s=0%
Beteiligung Plump-GmbH
Money-AG Darlehen
GB ./. Zinsen GZ + Dividende ./. S
1.000 € Zinsen: 1.000 € ./. 1.000 € (primäre Abschirmwirkung) 0€ 1.000 € Dividende: 1000 € ./. 0 € (sekundäre Abschirmwirkung)
Zinsen ./. S GN
1.000 € 0€ 1.000 €
(internationales Schachtelprivileg)
GN
1.000 € Bezeichnungen: s S GB GN GZ
= = = = =
Steuersatz Steuer Bruttogewinn Nettogewinn Zwischengewinn
Beteiligung an ausländischen Zwischengesellschaften – §§ 7-14 AStG
521
6.3 Die Durchbrechung der Abschirmwirkung einer Basisgesellschaft Da die Einschaltung von Basisgesellschaften zu ungerechtfertigten Steuervorteilen führt, haben viele Staaten Maßnahmen zur Durchbrechung der Abschirmwirkung von Basisgesellschaften getroffen. In Deutschland ist entweder die Durchgriffsbesteuerung oder die Hinzurechnungsbesteuerung vorgesehen.
6.3.1
Durchgriffsbesteuerung
Eine Kapitalgesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung im Ausland ist daraufhin zu überprüfen, ob sie überhaupt als eigenständiges Steuersubjekt gilt. Die bei einer Nichtanerkennung als selbständige Kapitalgesellschaft vorgenommene Durchgriffsbesteuerung bewirkt, dass die Einkünfte der ausländischen Grundeinheit direkt dem inländischen Gesellschafter zugerechnet werden und von diesem im Inland zu versteuern sind. Die als Basisgesellschaft fungierende ausländische Kapitalgesellschaft wird nicht als intransparente Einheit angesehen, das Trennungsprinzip kommt insoweit nicht zur Anwendung. Im Zusammenhang mit der Durchgriffsbesteuerung sind insbesondere die folgenden Normen der Abgabenordnung relevant: x Scheingeschäfte (§ 41 Abs. 2 AO, z.B. Briefkastenfirmen), x Treuhandverhältnisse (§ 39 AO) sowie x Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten (§ 42 AO). Die Zwischenschaltung einer juristischen Person wird als Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten beurteilt, wenn für die Errichtung einer ausländischen Kapitalgesellschaft wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen und wenn die ausländische Kapitalgesellschaft keine eigene wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet.
6.3.2
Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7-14 AStG)
Bei der Hinzurechnungsbesteuerung wird die ausländische Kapitalgesellschaft zwar als eigenständiges Steuersubjekt anerkannt, die Besteuerung wird jedoch so durchgeführt, als ob die Auslandstochter das erzielte Ergebnis in vollem Umfang an ihre Gesellschafter ausgeschüttet hätte. Den an der ausländischen Kapitalgesellschaft beteiligten Steuerinländern werden Einkünfte prozentual in Höhe ihrer Beteiligung zugerechnet. Das Trennungsprinzip wird also durch eine Ausschüttungsfiktion durchbrochen. Ziel der Hinzurechnungsbesteuerung ist es, die Abschirmwirkung zu unterlaufen, die eintritt, wenn ein unbeschränkt Steuerpflichtiger bestimmte in- oder ausländische Einkünfte nicht mehr persönlich erzielt, sondern wenn er zwischen sich und der Einkunftsquelle eine ausländische Kapitalgesellschaft zwischenschaltet und die Einkunftsquelle auf diese Kapitalgesellschaft mit der Folge überträgt, dass die Einkünfte nunmehr von dieser erzielt werden (sog. Zwischengesellschaft).
522
Die Durchbrechung der Abschirmwirkung einer Basisgesellschaft
Die Hinzurechnungsbesteuerung verfolgt noch ein weiteres Ziel, das sog. Belastungsziel. Durch die Hinzurechnungsbesteuerung soll das Belastungsniveau niedrig besteuerter passiver Auslandseinkünfte auf das Belastungsniveau vergleichbarer inländischer Erträge angehoben werden. Grund dafür ist, dass Gewinnausschüttungen nach § 8b Abs. 1 KStG steuerfrei sind oder gem. § 3 Nr. 40 EStG dem Halbeinkünfteverfahren (2008) bzw. dem Teileinkünfteverfahren (2009) unterliegen. Es soll sichergestellt werden, dass diese Einkünfte ausreichend vorbelastet sind. Zur Erreichung des Belastungsziels wurde im Rahmen des StSenkG eine Definitivbesteuerung in Höhe von 38 % eingeführt. Durch das UntStFG wurde diese Definitivbesteuerung zwar rückgängig gemacht, die Zielsetzung bleibt allerdings bestehen.
6.3.3
Verhältnis der §§ 7-14 AStG zu den Vorschriften der AO
In der Regel werden andere Vorschriften – unter anderem die Vorschriften der §§ 39 und 41 AO – von den §§ 7 bis 14 AStG nicht berührt. Eine Ausnahme stellte bis einschließlich VZ 2007 das Verhältnis zu § 42 AO dar. § 42 AO ging der Hinzurechnungsbesteuerung vor, was aus den unterschiedlichen Rechtsfolgen der beiden Normen hergeleitet wurde.820 Im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung wurde die Zwischengesellschaft als Einkunftserzielungssubjekt behandelt. Die Rechtsfolge des § 42 AO führte hingegen dazu, dass die Einkünfte nicht von der Zwischengesellschaft, sondern von den Gesellschaftern selbst erzielt wurden. Dadurch war die Hinzurechnungsbesteuerung von vornherein ausgeschlossen.821 Dieser logische Vorrang wurde allerdings in zweifacher Hinsicht eingeschränkt: x Die Anwendung des § 42 AO setzte voraus, dass sich die gewählte Gestaltung auch nach dem Gesetzeszweck der §§ 7 bis 14 AStG noch als ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts dargestellt hat. Das Erzielen von passiven Einkünften an sich rechtfertigte noch keinen Missbrauchsvorwurf, sondern hat lediglich die Hinzurechnungsbesteuerung ausgelöst. Es mussten weitere Umstände hinzutreten, die eine Gestaltung als missbräuchlich gekennzeichnet haben, damit § 42 AO zur Anwendung gekommen ist. x § 42 AO setzte voraus, dass die gewählte Gestaltung zu einer Steuerersparnis geführt hat. Hat die Hinzurechnungsbesteuerung eine höhere Besteuerung bewirkt, kam die Anwendung des § 42 AO nicht in Betracht.822 Ab VZ 2008 kodifiziert § 42 Abs. 1 Satz 2 AO, dass § 42 AO subsidiär anzuwenden ist, sofern die Tatbestandsvoraussetzungen eines Einzelsteuergesetzes, das der Verhinderung der Steuerumgehung dient, erfüllt sind. Somit haben die spezielleren Vorschriften der Hinzurechnungsbesteuerung nach §§ 7 bis 14 AStG ab dem Jahr 2008 Vorrang vor § 42 AO. 820
Vgl. auch Tz. 7.0.2 AEAStG.
821
Vgl. BFH v. 23.10.1991, I-R-40/89, BStBl. II 1992, S. 1026; BFH v. 10.06.1992, I-R-105/89, BStBl. II 1992, S. 1029.
822
Vgl. BFH v. 12.07.1989, I-R-46/85, BStBl. II 1990, S. 113.
Beteiligung an ausländischen Zwischengesellschaften – §§ 7-14 AStG
523
Es sei noch darauf hingewiesen, dass die Einkünfte einer ausländischen Gesellschaft nicht nach § 42 AO bzw. §§ 7 ff. AStG dem inländischen Anteilseigner zugeordnet werden können, wenn die ausländische Gesellschaft ihre tatsächliche Geschäftsleitung im Inland hat. In diesem Fall greift bereits die Regelung des § 10 AO, was zu einer unbeschränkten Steuerpflicht im Inland führt.
6.4 Voraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung Die Hinzurechnungsbesteuerung greift nur, wenn fünf Voraussetzungen erfüllt sind, die in den §§ 7 bis 9 AStG festgelegt sind: x Inländerbeherrschung einer ausländischen Gesellschaft (§ 7 AStG), x Erzielen von passiven Einkünften (§ 8 Abs. 1 AStG), x Keine EU/EWR-Gesellschaft (§ 8 Abs. 2 AStG), x Niedrige Besteuerung der passiven Einkünfte (§ 8 Abs. 3 AStG), x Überschreitung der Freigrenze (§ 9 AStG).
Inländerbeherrschung einer ausländischen Gesellschaft Ja Passive Einkünfte Ja Niedrige Besteuerung im Ausland Ja Keine EU/EWR-Gesellschaft Ja Überschreiten der Freigrenze Ja Hinzurechnungsbesteuerung d. Einkünfte d. ausl. Gesellschaft
Nein Nein Nein Nein Nein Keine Hinzurechnungsbesteuerung
Abbildung 143: Tatbestandsvoraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung
6.4.1
Inländerbeherrschung einer ausländischen Gesellschaft – § 7 AStG
Zur Hinzurechnungsbesteuerung können nach § 7 Abs. 1 AStG nur unbeschränkt steuerpflichtige Personen herangezogen werden, die an einer ausländischen Gesellschaft – allein oder zusammen mit anderen unbeschränkt oder erweitert beschränkt Steuerpflichtigen – zu mehr als der Hälfte beteiligt sind.
524
Voraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung
Unbeschränkt steuerpflichtige Personen können sowohl natürliche als auch juristische Personen sein. Die unbeschränkte Steuerpflicht muss am Ende des maßgebenden Wirtschaftsjahres der ausländischen Gesellschaft bestehen. Der unbeschränkt Steuerpflichtige muss an einem ausländischen Rechtsträger beteiligt sein, der mit einer in § 1 KStG genannten Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse vergleichbar ist. Es muss sich um ein Unternehmen handeln, das weder Sitz noch Geschäftsleitung im Inland hat und folglich nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist, das aber unbeschränkt steuerpflichtig wäre, wenn es Sitz oder Geschäftsleitung im Inland hätte. Beim Vergleich der ausländischen Gesellschaft mit den deutschen Gesellschaftsformen ist ausschlaggebend, ob die ausländische Gesellschaft nach ihrem rechtlichen Aufbau und ihrer wirtschaftlichen Stellung mit einer deutschen Gesellschaftsform vergleichbar ist.823 Grundsätzlich erfolgt die Hinzurechnungsbesteuerung nur, wenn ein unbeschränkt Steuerpflichtiger allein oder gemeinsam mit anderen unbeschränkt Steuerpflichtigen bzw. mit erweitert beschränkt Steuerpflichtigen zu mehr als 50 % an der ausländischen Gesellschaft beteiligt ist. Dabei wird auch von einer Inländerbeherrschung der ausländischen Gesellschaft gesprochen. Bei der Überprüfung, ob eine Inländerbeherrschung vorliegt, sind die Beteiligungen der einzelnen Personen zur sog. Beteiligungsquote zu addieren. Dabei ist nach § 7 Abs. 2 Satz 1 AStG von den Verhältnissen am Ende des maßgeblichen Wirtschaftsjahres auszugehen. Die Beteiligungsquote darf nicht mit der Hinzurechnungsquote verwechselt werden: Die Beteiligungsquote gibt darüber Auskunft, ob eine Inländerbeherrschung der ausländischen Gesellschaft gegeben ist. Die Hinzurechnungsquote dagegen besagt, in welchem Umfang dem unbeschränkt Steuerpflichtigen Einkünfte der ausländischen Gesellschaft zuzurechnen sind. § 7 Abs. 2 bis 4 AStG sieht verschiedene Tatbestände vor, die eine Beteiligung an einer ausländischen Gesellschaft begründen. § 7 Abs. 2 Satz 1 AStG setzt voraus, dass die Beteiligungen den Steuerpflichtigen unmittelbar gehören oder ihnen (z.B. aufgrund der §§ 39, 41 und 42 AO) steuerlich zuzurechnen sind. Neben den Beteiligungen müssen die Stimmrechte beachtet werden, die den Steuerpflichtigen zuzurechnen sind. Es wird die Quote herangezogen, die bei der Berechnung zu einem höheren Ergebnis führt.
823
Vgl. RFH v. 12.02.1930, RStBl. 1930, S. 44; BFH v. 17.07.1968, I-121/64, BStBl. II 1968, S. 695.
Beispiel
Beteiligung an ausländischen Zwischengesellschaften – §§ 7-14 AStG
525
An der ausländischen Xanthippe-GmbH sind der unbeschränkt steuerpflichtige Chili Palmer zu 20 %, der erweitert beschränkt steuerpflichtige Harry Zimm zu 25 % und der Ausländer Martin Weir zu 55 % beteiligt. Die Aufteilung der Stimmrechte sieht folgendermaßen aus: auf Chili Palmer entfallen 35 %, auf Harry Zimm 20 % und auf Martin Weir 45 % der Stimmrechte. Würde nur die Beteiligungsquote betrachtet, wäre die Xanthippe-GmbH mit 45 % nicht inländerbeherrscht. Da Chili Palmer und Harry Zimm zusammen aber 55 % der Stimmrechte innehaben, ist die Xanthippe-GmbH inländerbeherrscht. Folglich unterliegt Chili Palmer mit seiner Beteiligung in Höhe von 20 % der Hinzurechnungsbesteuerung. Harry Zimm unterliegt als erweitert beschränkt Steuerpflichtiger nicht der Hinzurechnungsbesteuerung nach §§ 7 bis 14 AStG. Für ihn ergibt sich nach § 5 AStG lediglich die Zurechnung der – aus deutscher Sicht – nicht ausländischen Einkünfte der ausländischen Gesellschaft.
Inland
Ausland
Harry Zimm 25 %
20 %
Martin Weir 55 %
45 %
35 % Xanthippe-GmbH
Chili Palmer 20 %
Beteiligungsquote Stimmrechtsquote
Außer den unmittelbaren Beteiligungen an einer ausländischen Gesellschaft sind nach § 7 Abs. 2 Satz 2 AStG auch mittelbare Beteiligungen zu beachten, die über andere ausländische Gesellschaften gehalten werden. Es ist nicht erforderlich, dass diese vermittelnden Gesellschaften ihrerseits auch inländerbeherrscht sind. § 7 Abs. 3 AStG regelt den Fall, in dem unbeschränkt Steuerpflichtige über eine oder mehrere Personengesellschaften an einer ausländischen Gesellschaft beteiligt sind. Die Vorschrift besagt, dass Beteiligungen über Personengesellschaften stets als unmittelbare Beteiligungen an der ausländischen Gesellschaft anzusehen sind. Damit sind auch diese Beteiligungen bei der Berechnung der Beteiligungsquote zu berücksichtigen. Schließlich sind nach § 7 Abs. 4 AStG die Anteile einer weisungsgebundenen Person dem Weisungsberechtigten zuzurechnen. Dies gilt aber nur für die Berechnung der Beteiligungsquote. Für die Hinzurechnungsquote ist die Beteiligung am Nennkapital maßge-
526
Voraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung
bend.824 Weisungsgebunden sind Personen, die den Weisungen ihrer Auftraggeber so folgen, dass sie keinen wesentlichen Entscheidungsspielraum haben. Hauptsächlich betrifft diese Regelung die Fälle, in denen unbeschränkt Steuerpflichtige für die Wahrnehmung von Stimmrechten oder Beteiligungen Notare, Rechtanwälte oder Banken beauftragen. Zur Feststellung, ob eine Mindestbeteiligung vorliegt, sind gem. § 7 AStG anzusetzen: x x x x x
Anteile (Stimmrechte), die unbeschränkt Steuerpflichtigen unmittelbar gehören, Anteile (Stimmrechte) von Personen, die die persönlichen Voraussetzungen des § 2 AStG erfüllen, Mittelbare Beteiligungen, d.h. Anteile (Stimmrechte), die eine andere ausländische Gesellschaft vermittelt, Anteile (Stimmrechte), die von im Inland oder im Ausland errichteten Personengesellschaften gehalten werden, Anteile (Stimmrechte) einer weisungsgebundenen Person.
Abweichend von den bisher erläuterten Voraussetzungen enthält § 7 Abs. 6 AStG eine Sonderregelung für Zwischengesellschaften, die Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter i.S.d. § 7 Abs. 6a AStG erzielen. Nach der Definition in § 7 Abs. 6a AStG sind Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter Einkünfte einer ausländischen Zwischengesellschaft, die aus dem Halten, der Verwaltung, Werterhaltung oder Werterhöhung von Zahlungsmitteln, Forderungen, Wertpapieren, Beteiligungen (ausgenommen der in § 8 Abs. 1 Nr. 8 und 9 AStG genannten Einkünfte) oder ähnlichen Vermögenswerten stammen. Dies gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige nachweisen kann, dass die Einkünfte aus einer Tätigkeit stammen, die einer unter § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AStG fallenden eigenen – so genannten aktiven – Tätigkeit der ausländischen Gesellschaft dient (ausgenommen des Investmentgeschäfts – § 1 Abs. 1 Nr. 6 KWG). In diesem Fall liegen keine Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter vor. Für Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter erfolgt eine Hinzurechnung bereits dann, wenn ein unbeschränkt Steuerpflichtiger allein zu mindestens 1 % an der ausländischen Gesellschaft beteiligt ist. Es muss sich dabei um eine Beteiligung am Nennkapital handeln; Stimmrechtsbeteiligungen werden nicht beachtet. Eine Inländerbeherrschung der Gesellschaft muss nicht vorliegen. Allerdings müssen die Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter mehr als 10 % der den gesamten Zwischeneinkünften zugrunde liegenden Bruttoerträge der ausländischen Gesellschaft darstellen und den Betrag von 62.000 € (für Wirtschaftsjahre, die vor dem 31.12.2007 begonnen haben) bzw. 80.000 € (für Wirtschaftsjahre, die ab dem 31.12.2007 beginnen) übersteigen. Nach § 7 Abs. 6 Satz 3 AStG ist die Beteiligungshöhe für die Anwendung der Hinzurechnungsbesteuerung sogar ganz unerheb-
824
Vgl. BFH v. 26.10.1983, I-R-200/78, BStBl. II 1984, S. 258.
Beteiligung an ausländischen Zwischengesellschaften – §§ 7-14 AStG
527
lich, wenn die ausländische Gesellschaft ausschließlich oder fast ausschließlich825 Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter erzielt, es sei denn, mit den Aktien der ausländischen Gesellschaft findet ein wesentlicher und regelmäßiger Handel an einer anerkannten Börse statt, wie es beispielsweise bei Fonds der Fall ist. Die Beteiligungshöhe ist gem. § 7 Abs. 8 AStG ebenfalls unbeachtlich, wenn ein unbeschränkt Steuerpflichtiger über eine ausländische Gesellschaft an einer Gesellschaft i.S.d. § 16 REIT-Gesetzes beteiligt ist. Des Weiteren findet diese Regelung keine Anwendung, wenn die Aktien der ausländischen Gesellschaft regelmäßig und in wesentlichem Umfang an einer anerkannten Börse gehandelt werden. Merke: Im Normalfall findet eine Hinzurechnung erst statt, wenn eine Inländerbeherrschung der ausländischen Gesellschaft gegeben ist. Das trifft nicht auf Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter zu. Bei solchen Einkünften findet eine Hinzurechnung bereits statt, wenn ein unbeschränkt Steuerpflichtiger zu mindestens 1 % an der ausländischen Gesellschaft beteiligt ist; u.U. ist die Beteiligungshöhe sogar unerheblich.
„normale“ passive Einkünfte
Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter (wenn zugrundeliegende Bruttoerträge > 10 % der gesamten zugrunde liegenden Bruttoerträge und Bagatellgrenze überschreiten)
Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter (wenn zugrundeliegende Bruttoerträge 90 % der gesamten zugrundeliegenden Bruttoerträge und kein Aktienhandel an Börse)
Beteiligung von unbeschränkt Steuerpflichtigen u. erweitert beschränkt Steuerpflichtigen i.S.v. § 2 AStG > 50 %
Beteiligung 1 %
keine Mindestbeteiligung
Abbildung 144: Beteiligungsvoraussetzungen bei der Hinzurechnungsbesteuerung
6.4.2
Zwischengesellschaft i.S.d. § 8 AStG
§ 8 AStG enthält drei Tatbestandsmerkmale, die erfüllt sein müssen, damit eine ausländische Gesellschaft Zwischengesellschaft ist: x Bei den Einkünften der Gesellschaft muss es sich um passive Einkünfte handeln, x die Einkünfte müssen einer niedrigen Besteuerung unterliegen, x die Gesellschaft ist keine EU/EWR-Gesellschaft.
825
Dies bedeutet, dass mindestens 90 % der Bruttoerträge Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter zu Grunde liegen.
528
Voraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung
6.4.2.1 Erzielen von passiven Einkünften – § 8 Abs. 1 AStG Das Gesetz verzichtet auf die Nennung der passiven Einkünfte. Vielmehr sind passive Einkünfte solche, die nicht aktive i.S.d. § 8 Abs. 1 AStG sind. Durch diese inverse Definition soll möglichst wenig Spielraum für Steuergestaltungen verbleiben. Die gewählte Definition macht die Vorschrift jedoch unübersichtlich.
Beispiel
Erzielt eine ausländische Gesellschaft sowohl aktive als auch passive Einkünfte, werden die gesamten Einkünfte entsprechend aufgeteilt. Dabei ist die funktionale Betrachtungsweise zu berücksichtigen, wonach Einkünfte aus wirtschaftlich zusammengehörenden Tätigkeiten einheitlich zu bewerten sind. Es ist die Tätigkeit maßgebend, auf der nach allgemeiner Verkehrsauffassung das wirtschaftliche Schwergewicht liegt.826 Fallen im Rahmen einer aktiven Tätigkeit betriebliche Nebenerträge an, sind diese den Einkünften aus der aktiven Tätigkeit zuzuordnen. Eine ausländische Gesellschaft produziert und verkauft Möbel. Zeitweilig überschüssige Geldmittel werden bei einer Bank angelegt. Die daraus resultierenden Zinserträge stellen in diesem Fall keine passiven Einkünfte dar, da es sich um betriebliche Nebenerträge handelt und das wirtschaftliche Schwergewicht der Gesellschaft auf der Produktion von Möbeln liegt.
Die Einkünfte aus den Tätigkeiten des § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 7 AStG bzw. die Einkünfte des § 8 Abs. 1 Nr. 8, 9 und 10 AStG sind grundsätzlich aktive Einkünfte. Allerdings gibt es bei manchen Tätigkeiten zahlreiche Einschränkungen und Ausnahmen. Im Einzelnen sind folgende Einkünfte nach § 8 Abs. 1 AStG grundsätzlich aktiv:827
826
Vgl. BFH v. 16.05.1990, I-R-16/88, BStBl. II 1990, S. 1049.
827
Die Abbildung ist eine Erweiterung der Darstellung von Bächle E./ Rupp, T., Internationales Steuerrecht, Stuttgart 2002, S. 381.
Beteiligung an ausländischen Zwischengesellschaften – §§ 7-14 AStG
529
Aktive Einkünfte
§ 8 AStG
ª Aktive Tätigkeiten durch Branchenzugehörigkeit x Land- und Forstwirtschaft x industrielle Tätigkeit
Abs. 1 Nr. 1 Abs. 1 Nr. 2
ª Aktive Tätigkeiten mit Funktionsnachweis x Banken und Versicherungsunternehmen x Handel x Dienstleistung x Nutzungsüberlassung von Rechten usw. x Vermietung/Verpachtung beweglicher Sachen x Veräußerung eines Anteils an einer anderen Gesellschaft
Abs. 1 Nr. 3 Abs. 1 Nr. 4 Abs. 1 Nr. 5 Abs. 1 Nr. 6a Abs. 1 Nr. 6c Abs. 1 Nr. 9
ª Aktive Tätigkeit wegen DBA-Befreiung bei persönlicher Erzielung der Einkünfte durch Inländer x Vermietung/Verpachtung von Grundstücken
Abs. 1 Nr. 6b
ª Aktive Tätigkeit aufgrund weitgehender Auslandsorientierung x Aufnahme und darlehensweise Vergabe von Kapital
Abs. 1 Nr. 7
ª Aktive Tätigkeit zur Vermeidung der Ungleichbehandlung von Konzernstrukturen x Gewinnausschüttungen von Kapitalgesellschaften
Abs. 1 Nr. 8
ª Aktive Tätigkeit zur Vermeidung der Benachteiligung bei Umwandlungen x aus Umwandlungen, sofern nicht der Anteil einer Kapitalgesellschaft betroffen ist, dessen Veräußerung nicht auch Nr. 9 erfüllen würde.
Abs. 1 Nr. 10
6.4.2.2 Niedrigbesteuerung – § 8 Abs. 3 AStG Einkünfte aus passiver Tätigkeit sind nur dann Zwischeneinkünfte, wenn sie einer niedrigen Besteuerung unterliegen. Das Gesetz normiert in § 8 Abs. 3 AStG zwei Fälle niedriger Besteuerung: x Die Belastung durch Ertragsteuern beträgt nicht mehr als 25 %, x die Steuerbelastung der Zwischengesellschaft wird um Steuern gemindert, die die ausschüttende Gesellschaft zu tragen hat (indirekte Steueranrechnung). Diese Alternative entfällt jedoch für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2007 beginnen. Als Ertragsteuern gelten alle Steuern vom Gesamteinkommen oder von Teilen des Einkommens. Für Wirtschaftsjahre, die vor dem 31.12.2007 begonnen haben, ist bei der Ermittlung der Belastung mit Ertragsteuern grundsätzlich davon auszugehen, dass diese dem
Voraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung
530
Steuersatz des ausländischen Staates entsprechen. § 8 Abs. 3 Satz 2 AStG, der im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2008 neu eingeführt wurde, normiert, dass für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2007 beginnen (§ 21 Abs. 17 Satz 1 AStG), die tatsächlich erhobenen und nicht die rechtlich geschuldeten Steuern maßgeblich sind. Des Weiteren müssen auch in Betracht kommende Vorzugssätze, Befreiungen für Einkünfte aus passiver Tätigkeit und Steuern dritter Staaten berücksichtigt werden. Kommt der Ertragsteuersatz des ausländischen Staates nicht zur Anwendung oder werden die Einkünfte in diesem Staat anders ermittelt als nach deutschem Steuerrecht, muss die Ertragsteuerbelastung durch eine Belastungsrechnung ermittelt werden. Im Rahmen der Belastungsrechnung wird die Ertragsteuerbelastung durch die Gegenüberstellung der nach deutschem Steuerrecht ermittelten Zwischeneinkünfte und den von der ausländischen Gesellschaft zu entrichtenden Ertragsteuern ermittelt. Die Formel für die Ermittlung der Ertragsteuerbelastung lautet:
Ertragsteuerbelastung =
Ertragsteuern Summe der Zwischeneinkünfte
100
Eine Aufstellung der Ertragsteuersätze, der Steuervergünstigungen und Privilegien der wichtigsten Staaten mit niedrigen Steuersätzen, die insbesondere für die §§ 7 bis 14 AStG in Betracht kommen, enthält die Anlage 1 des AEAStG.
6.4.2.3 Keine EU/EWR-Gesellschaft – § 8 Abs. 2 AStG Das Urteil des EuGH in der Rs. Cadbury Schweppes828 hat zu der Normierung einer Ausnahmeregelung für Zwischengesellschaften aus EU/EWR-Staaten geführt.829 Auf Zwischengesellschaften aus EU/EWR-Staaten findet die Hinzurechnungsbesteuerung nach §§ 7 ff. AStG keine Anwendung mehr, wenn sie nachweisen, dass sie die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 AStG erfüllen. Inhaltlich unterscheiden sich die Vorschriften des neu gefassten § 8 Abs. 2 AStG nicht von dem bereits zuvor vom BMF veröffentlichten Nichtanwendungserlass830 der Hinzurechnungsbesteuerung bei aktiven EU/EWR-Zwischengesellschaften.
828
Vgl. Rs. CADBURY SCHWEPPES, EuGH v. 12.09.2006, C-196/04, Slg. 2006, I-7995 ff.
829
Vgl. Schnitger, A., Änderungen der grenzüberschreitenden Unternehmensbesteuerung sowie des § 42 AO durch das geplante Jahressteuergesetz 2008 (JStG 2008), IStR 2007, S. 731.
830
Vgl. BMF v. 08.01.2007, IV B 4 - S 1351 -1/07, BStBl. I 2007, S. 99.
Beteiligung an ausländischen Zwischengesellschaften – §§ 7-14 AStG
531
Merke: EU/EWR-Zwischengesellschaften, die nachweislich die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 AStG erfüllen, können auch niedrig besteuerte, passive Einkünfte erzielen, ohne in den Anwendungsbereich der Hinzurechnungsbesteuerung zu fallen.
Die Anwendung von § 8 Abs. 2 AStG setzt voraus, dass die Zwischengesellschaft, an der ein unbeschränkt Steuerpflichtiger i.S.d. § 7 Abs. 2 AStG beteiligt ist, Sitz oder Geschäftsleitung in einem Mitgliedsstaat der EU oder einem Vertragsstaat des EWRAbkommens hat. Eine Beteiligung an einer Zwischengesellschaft, die Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter erzielt (§ 7 Abs. 6 AStG), ist nicht unter die Ausnahmeregelung des § 8 Abs. 2 AStG zu subsumieren.831 Darüber hinaus muss die Zwischengesellschaft einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit in dem EU/EWR-Staat nachgehen. Der Gesetzgeber sieht eine tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit als gegeben an, wenn eine Zwischengesellschaft stabil und kontinuierlich am Wirtschaftsverkehr des EU/EWR-Staats teilnimmt.832 Indiz für eine solche Teilnahme am Wirtschaftsverkehr ist eine unbefristete wirtschaftliche Tätigkeit in einer festen Einrichtung. Dies kann anhand der räumlichen, technischen und personellen Ausstattung der ausländischen Zwischengesellschaft nachgewiesen werden. Der Leistungsaustausch der Zwischengesellschaft mit verbundenen Unternehmen steht der Qualifikation als tatsächlicher wirtschaftlicher Tätigkeit nicht entgegen, sofern gem. § 8 Abs. 2 Satz 5 AStG der Fremdvergleichsgrundsatz eingehalten wird. Es sind nur solche Einkünfte der Zwischengesellschaft durch die Ausnahmeregelung begünstigt, die aufgrund einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit erzielt wurden (§ 8 Abs. 2 Satz 5 AStG). Die Voraussetzungen einer stabilen und kontinuierlichen Teilnahme am Wirtschaftsverkehr sind gemäß der Regierungsbegründung nicht gegeben, wenn die Zwischengesellschaft ihre Kernfunktionen nicht selbst ausübt, nur gelegentlich Kapitalanlagen vornimmt oder lediglich Beteiligungen ohne Wahrnehmung einer Geschäftleitungsfunktion verwaltet.833 Ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb erfüllt nicht zwangsläufig das Kriterium einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit. Weitere Voraussetzung von § 8 Abs. 2 AStG ist nach Satz 2, dass zwischen der Finanzverwaltung des Ansässigkeitsstaats der Zwischengesellschaft und den deutschen Finanzbehörden aufgrund der Amtshilferichtlinie834 oder eines zwei- bzw. mehrseitigen Abkommens besteuerungsrelevante Informationen ausgetauscht werden. Folglich kann 831
Vgl. Schnitger, A., Änderungen der grenzüberschreitenden Unternehmensbesteuerung sowie des § 42 AO durch das geplante Jahressteuergesetz 2008 (JStG 2008), IStR 2007, S. 732.
832
Vgl. Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2008 (JStG 2008), BT-Drs. 16/6290, S. 92.
833
Vgl. Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2008 (JStG 2008), BT-Drs. 16/6290, S. 92.
834
Richtlinie 77/799/EWG zur Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedsstaaten im Bereich der direkten Steuern v. 19.12.1977.
Voraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung
532
die Ausnahmeregelung von der Hinzurechnungsbesteuerung auf liechtensteinische Zwischengesellschaften nicht angewendet werden.835 Auf Einkünfte, die ausländische Zwischengesellschaften aus nachgelagerten Zwischengesellschaften oder Betriebsstätten von Staaten außerhalb des EU- oder EWR-Wirtschaftsraums beziehen, findet die Regelung des § 8 Abs. 2 AStG keine Anwendung (§ 8 Abs. 2 Satz 3 und 4 AStG).
Beispiel
Unbeschränkt oder erweitert beschränkt Steuerpflichtige, die an einer ausländischen Gesellschaft beteiligt sind, werden gem. § 18 Abs. 3 Satz 1 AStG auch dann nicht von der Pflicht zur Abgabe einer Erklärung zur gesonderten Feststellung entbunden, wenn sie in den Anwendungsbereich des § 8 Abs. 2 AStG fallen. Die Paulie Bleeker AG aus Remscheid ist zu 90 % an der Juno MacGutt Ltd. aus Dublin ( Ansässigkeit in einem EU-Staat) beteiligt. Die Bleeker AG hat sich auf die Fertigung von Baby-Schnullern spezialisiert. Die MacGutt Ltd. erzielt Zinseinkünfte und übernimmt darüber hinaus den Vertrieb der Baby-Schnuller in Irland ( Informationsaustausch zwischen den Finanzverwaltungen beider Länder aufgrund der Amtshilferichtlinie). Zur Wahrnehmung ihrer Vertriebstätigkeit unterhält die MacGutt Ltd. in Dublin ein repräsentatives Büro und hat 20 Mitarbeiter angestellt ( tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit). Die MacGutt Ltd. fällt somit unter die Ausnahmeregelung des § 8 Abs. 2 AStG.
Merke: Die Hinzurechnungsbesteuerung kommt nach § 8 Abs. 2 AStG nicht zur Anwendung, wenn folgende Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind: 9 Ansässigkeit der Zwischengesellschaft in einem EU/EWR-Staat, 9 tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit der Zwischengesellschaft, 9 Informationsaustausch zwischen den deutschen und den Steuerbehörden im Ansässigkeitsstaat.
6.4.3
Überschreiten der Freigrenze – § 9 AStG
Für Gesellschaften, die sowohl Einkünfte aus aktiver als auch aus passiver Tätigkeit erzielen, sieht § 9 AStG eine Bagatellgrenze vor. Die Hinzurechnungsbesteuerung unterbleibt, wenn die passiven Erträge höchstens 10 % der gesamten Bruttoerträge der Gesellschaft betragen (relative Freigrenze) und die passiven Einkünfte einer Gesellschaft oder eines Steuerpflichtigen den Betrag von 62.000 € (für Wirtschaftsjahre, die vor dem 31.12.2007 begonnen haben) bzw. 80.000 € (für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2007 beginnen) nicht übersteigen (absolute Freigrenze). Ist ein Steuerpflichtiger an mehreren ausländi835
Vgl. Schnitger, A., Änderungen der grenzüberschreitenden Unternehmensbesteuerung sowie des § 42 AO durch das geplante Jahressteuergesetz 2008 (JStG 2008), IStR 2007, S. 733.
Beteiligung an ausländischen Zwischengesellschaften – §§ 7-14 AStG
533
Beispiel
Die unbeschränkt steuerpflichtigen Miles Edward O’Brian und Benjamin Sisco sind an der ausländischen Keks-GmbH zu jeweils 50 % beteiligt. Sisco hält außerdem eine Beteiligung in Höhe von 60 % an der ausländischen Krümel-AG. Im Jahr 2010 erzielten die Keks-GmbH und die Krümel-AG jeweils Zwischeneinkünfte in Höhe von 78.000 €. Die Zwischeneinkünfte betragen in beiden Firmen jeweils weniger als 10 % der gesamten Bruttoerträge.
Lösung
schen Gesellschaften beteiligt, darf die Summe aller ihm zurechenbaren Hinzurechnungsbeträge die absolute Freigrenze von 62.000 € bzw. 80.000 € nicht übersteigen.
Gesellschaftsbezogen kommt die Hinzurechnungsbesteuerung nicht zur Anwendung, da die Zwischeneinkünfte in beiden Firmen unter der absoluten Freigrenze von 80.000 € liegen und diese weniger als 10 % der Bruttoerträge ausmachen. Gesellschafterbezogen müssen die Zwischeneinkünfte aller Beteiligungen beachtet werden. O’Brian ist nur an der Keks-GmbH beteiligt. Auf ihn entfallen Zwischeneinkünfte in Höhe von 39.000 €. Demnach kommt die Hinzurechnungsbesteuerung bei ihm nicht zur Anwendung. Auf Sisco entfallen Zwischeneinkünfte der Keks-GmbH in Höhe von 39.000 € und Zwischeneinkünfte der Krümel-AG in Höhe von 46.800 €. Demnach betragen die Zwischeneinkünfte, die auf seine Anteile entfallen, insgesamt 85.800 €. Die Freigrenze des § 9 AStG ist somit überschritten und die Hinzurechnungsbesteuerung kommt bei Sisco zur Anwendung.
Merke: Damit die Hinzurechnungsbesteuerung zur Anwendung kommt, müssen folgende Tatbestandsvoraussetzungen gegeben sein: 9 unmittelbare oder mittelbare Inländerbeherrschung der ausländischen Gesellschaft (es müssen sowohl Beteiligungen als auch Stimmrechte beachtet werden), wobei für Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter eine Sonderregelung gilt, 9 passive Einkünfte, 9 niedrige Besteuerung der passiven Einkünfte, 9 keine EU/EWR-Gesellschaft, 9 Überschreiten der relativen oder der absoluten Freigrenze.
6.5 Rechtsfolgen Sind die Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 7 bis 9 AStG erfüllt, sind nach § 7 Abs. 1 AStG jedem unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner die Zwischeneinkünfte der ausländischen Gesellschaft entsprechend seiner Hinzurechnungsquote zuzurechnen. Die Hinzurechnungsquote entspricht der unmittelbaren Beteiligung am Nennkapital der ausländischen Gesellschaft, die auf den unbeschränkt Steuerpflichtigen entfällt. Ist für die Ge-
Rechtsfolgen
534
winnverteilung nicht die Beteiligung am Nennkapital maßgebend oder hat die ausländische Gesellschaft kein Nennkapital, ist für die Aufteilung der Zwischeneinkünfte der Maßstab der Gewinnverteilung zugrunde zu legen. Der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegen – sofern die Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind – alle unbeschränkt Steuerpflichtigen unabhängig von der Beteiligungshöhe, d.h. auch bei sehr geringer Beteiligung. Dem unbeschränkt Steuerpflichtigen können im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung nur die Zwischeneinkünfte zugerechnet werden, die der ausländischen Gesellschaft nach Abzug der bereits von der Zwischengesellschaft entrichteten Steuer auf die Zwischeneinkünfte und auf das damit in Zusammenhang stehende Vermögen noch verbleiben. Dieser Betrag nennt sich „Hinzurechnungsbetrag“. § 10 Abs. 1 AStG regelt die Ermittlung des Hinzurechnungsbetrags. Der Hinzurechnungsbetrag wird dem inländischen Anteilseigner erst nach Ablauf des maßgebenden Wirtschaftsjahres der ausländischen Gesellschaft zugerechnet; dabei wird der Anteilseigner so gestellt, als hätte die ausländische Gesellschaft eine Gewinnausschüttung in Höhe des Hinzurechnungsbetrages vorgenommen. Für die Besteuerung ist der Hinzurechnungsbetrag deshalb der Einkunftsart zuzuordnen, zu der die entsprechenden Gewinnausschüttungen dieser ausländischen Gesellschaft gehören. Merke: In Höhe des ermittelten Hinzurechnungsbetrags kommt es unter Umgehung der Abschirmwirkung des Trennungsprinzips zu einer fiktiven Gewinnausschüttung.
6.5.1
Ermittlung des Hinzurechnungsbetrages
Der Hinzurechnungsbetrag wird auf Grundlage der erwirtschafteten passiven Einkünfte der ausländischen Gesellschaft unter Beachtung der Vorschriften des § 10 Abs. 1 und 3 AStG ermittelt. Danach wird der Betrag um die abzuziehenden Steuern und gegebenenfalls um einen Verlustabzug der ausländischen Gesellschaft vermindert. Ist der Hinzurechnungsbetrag negativ, entfällt die Hinzurechnung. Ist die ausländische Zwischengesellschaft (Obergesellschaft) wiederum an einer oder mehreren anderen ausländischen Zwischengesellschaften (Untergesellschaften) beteiligt, werden die Zwischeneinkünfte der nachgeschalteten Untergesellschaften der vorgeschalteten Obergesellschaft zugerechnet. Gewinne, die die Zwischengesellschaft u.a. aus der Veräußerung von Anteilen an einer Untergesellschaft erzielt, sind nach § 11 AStG aus dem Hinzurechnungsbetrag in dem Umfang auszunehmen, in dem Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter dieser Untergesellschaft bereits durch eine Hinzurechnung besteuert wurden. Somit ergibt sich folgendes vereinfachtes Schema für die Ermittlung des Hinzurechnungsbetrages:836
836
Vgl. AEAStG Anlage 3.
Beteiligung an ausländischen Zwischengesellschaften – §§ 7-14 AStG
+ ./. ./. ./.
535
Zwischeneinkünfte (§ 10 Abs. 3 AStG) übertragende Zurechnung nachgeschalteter Zwischengesellschaften i.S.d. § 14 AStG vom Hinzurechnungsbetrag auszunehmende Veräußerungsgewinne (§ 11 AStG) abzuziehende ausländische Steuern (§ 10 Abs. 1 AStG) Verlustabzug (§ 10 Abs. 3 Satz 5 AStG i.V.m. § 10d EStG)
= Hinzurechnungsbetrag
6.5.1.1 Ermittlung der Zwischeneinkünfte Zur Feststellung der Höhe der Zwischeneinkünfte der ausländischen Gesellschaft wird eine Gewinnermittlung durchgeführt. Der deutsche Steuerpflichtige ist verpflichtet, den Gewinn zu ermitteln, da es sich bei dem Hinzurechnungsbetrag um Auslandseinkünfte des Steuerpflichtigen handelt. Es sind bei der Gewinnermittlung die Vorschriften des deutschen Steuerrechts entsprechend anzuwenden. Die Anwendung dieser Vorschriften wird aber durch § 10 Abs. 3 Satz 4 AStG in der Weise eingeschränkt, dass steuerliche Vergünstigungen, die an die unbeschränkte Steuerpflicht oder an das Bestehen eines inländischen Betriebs bzw. einer inländischen Betriebsstätte anknüpfen sowie die Vorschriften des § 8b Abs. 1 und 2 KStG, unberücksichtigt bleiben. Die Regelungen der Zinsschranke (§ 4h EStG i.V.m. § 8a KStG) sind ebenfalls nicht zu beachten. Hinsichtlich der Gewinnermittlungsmethode besteht das Wahlrecht, die Zwischeneinkünfte durch Vermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG oder durch EinnahmenÜberschuss-Rechnung nach § 4 Abs. 3 EStG vorzunehmen. Allerdings kann das Wahlrecht bei mehreren inländischen Beteiligten nur einheitlich ausgeübt werden. Wird das Wahlrecht nicht oder nicht einheitlich ausgeübt, sind die Gewinne durch Vermögensvergleich zu ermitteln. Sind bei einer ausländischen Gesellschaft die Voraussetzungen für die Hinzurechnungsbesteuerung erstmals gegeben, ist – unabhängig von der Gewinnermittlungsmethode – für den Zeitpunkt des Beginns des betreffenden Wirtschaftsjahres eine „eröffnende Hinzurechnungsbilanz“ zu erstellen. Darin ist das gesamte Vermögen der ausländischen Gesellschaft auszuweisen. Erzielt die ausländische Gesellschaft gemischte Einkünfte, sind die passiven Einkünfte von den aktiven Einkünften abzugrenzen. Dafür gibt es zwei Möglichkeiten: x Im Rahmen der Gesamtermittlung wird vom Gesamtbetrag der nach deutschem Steuerrecht ermittelten Einkünfte die Summe der darin enthaltenen aktiven Einkünfte abgezogen. x Bei der Sonderermittlung können die passiven Einkünfte separat durch eine Teilbilanz bzw. Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermittelt werden, sofern die passiven Einkünfte aufgrund der Buchführung der Zwischengesellschaft leicht und eindeutig zu erfassen sind.
536
Rechtsfolgen
Sind aktive und passive Einkünfte so eng verbunden, dass sie nicht gesondert ausgewiesen werden können, sind die gesamten Einkünfte nach dem Umsatz aufzuteilen, falls kein besserer Aufteilungsmaßstab gegeben ist. Bei Ermittlung der Zwischeneinkünfte dürfen nach § 10 Abs. 4 AStG nur solche Betriebsausgaben abgezogen werden, die mit den passiven Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Aufwendungen, die für das Aufstellen einer Hinzurechnungsbilanz entstehen, dürfen nicht bei der Ermittlung der Zwischeneinkünfte berücksichtigt werden, können aber Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen darstellen bzw. Betriebsausgaben bei Gewinneinkünften.837
6.5.1.2 Abziehbare Steuern § 10 Abs. 1 AStG bestimmt, dass bei der Ermittlung des Hinzurechnungsbetrages die Steuern abgezogen werden dürfen, die auf die Zwischeneinkünfte sowie auf das diesen Zwischeneinkünften zugrunde liegende Vermögen entfallen. Es ist unerheblich, ob die Steuern vom Sitzstaat der Zwischengesellschaft oder von einem Drittstaat erhoben wurden. Zu beachten ist allerdings, dass nur die Steuern abgezogen werden dürfen, die im maßgebenden Wirtschaftsjahr von der Zwischengesellschaft auch tatsächlich gezahlt wurden. Anstatt des Steuerabzugs kann der inländische Steuerpflichtige auch die Steueranrechnung nach § 12 Abs. 1 AStG wählen.
6.5.1.3 Behandlung von Verlusten Bei der Ermittlung der Zwischeneinkünfte dürfen negative passive Einkünfte mit positiven passiven Einkünften derselben Zwischengesellschaft verrechnet werden. Ergibt sich nach Abzug der bezahlten Steuern ein negativer Hinzurechnungsbetrag, entfällt nach § 10 Abs. 1 Satz 3 AStG die Hinzurechnung. Der Verlust kann im gleichen Wirtschaftsjahr mit positiven Zwischeneinkünften vor- und nachgeschalteter Gesellschaften der Zwischengesellschaft ausgeglichen werden oder nach § 10 Abs. 3 Satz 5 AStG entsprechend den Vorschriften des § 10d EStG entweder zurück- oder vorgetragen werden. Bedingung dafür ist allerdings, dass der Verlust die Freigrenze des § 9 AStG übersteigt. Ist ein inländischer Steuerpflichtiger an mehreren Zwischengesellschaften beteiligt, dürfen Verluste der einen Zwischengesellschaft nicht mit positiven Hinzurechnungsbeträgen einer oder mehrerer anderer Zwischengesellschaften verrechnet werden. Der Grund für die fehlende Möglichkeit einer Verlustverrechnung liegt darin, dass die §§ 7 ff. AStG das Trennungsprinzip nicht zur Gänze aufheben, sondern lediglich eine Ausschüttungsfiktion schaffen.
837
Vgl. BFH v. 15.03.1995, I-R-14/94, BStBl. II 1995, S. 502.
Beispiel
537
Der unbeschränkt steuerpflichtige Andrew Bechett ist sowohl an der ausländischen Black-corporation als auch an der ausländischen White-corporation beteiligt. Zwischen den Gesellschaften besteht keine Verbindung, aber beide erwirtschafteten im Jahr 02 Zwischeneinkünfte. Die für Bechett anzusetzenden Hinzurechnungsbeträge betragen: Black-GmbH: 85.000 € White-AG: ./. 65.000 €
Lösung
Beteiligung an ausländischen Zwischengesellschaften – §§ 7-14 AStG
Der negative Hinzurechnungsbetrag der White-corporation darf nicht mit dem positiven Hinzurechnungsbetrag der Black-corporation verrechnet werden. Hinsichtlich des Verlusts der White-corporation gibt es nur die Möglichkeit, den Verlust gem. § 10d EStG entweder zurück- oder vorzutragen. Die 85.000 € der Black-corporation werden Bechett in vollem Umfang hinzugerechnet.
6.5.1.4 Veräußerungsgewinne – § 11 AStG Durch die Regelung des § 11 AStG soll eine Doppelbesteuerung vermieden werden, wenn bei einer ausländischen Tochtergesellschaft (Untergesellschaft) der ausländischen Zwischengesellschaft (Obergesellschaft) Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter thesauriert werden und die Obergesellschaft ihre Anteile an der Untergesellschaft veräußert. Da die Untergesellschaft Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter, also passive Einkünfte erzielt, ist davon auszugehen, dass diese Zwischeneinkünfte bis zur Veräußerung der Anteile gem. § 14 AStG der Obergesellschaft zuzurechnen waren und somit schon einmal der Hinzurechnungsbesteuerung unterlagen. Um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, sieht § 11 AStG vor, dass der Veräußerungsgewinn in dem Umfang vom Hinzurechnungsbetrag auszunehmen ist, in dem die Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter der Untergesellschaft für das gleiche Wirtschafts- bzw. Kalenderjahr oder für die vorangegangenen sieben Wirtschafts- bzw. Kalenderjahre als Hinzurechnungsbetrag der Einkommenoder Körperschaftsteuer unterlegen haben und diese Einkünfte nicht ausgeschüttet wurden. Die Beweislast obliegt dem Steuerpflichtigen. Für die Veräußerung eines Anteils an einer Gesellschaft i.S.d. § 16 REIT-Gesetz gelten die Regelungen entsprechend.838
6.5.2
Besteuerung des Hinzurechnungsbetrages
Sind mehrere unbeschränkt steuerpflichtige Personen an der ausländischen Zwischengesellschaft beteiligt, wird der Hinzurechnungsbetrag den Hinzurechnungsquoten entsprechend aufgeteilt. So ergibt sich für jeden Anteilseigner ein individueller Hinzurechnungsbetrag.
838
Vgl. Jahressteuergesetz 2009 (JStG 2009) v. 19.12.2008, BGBl. I 2008, S. 2794.
538
Rechtsfolgen
Entscheidet sich der Steuerpflichtige für eine Steueranrechnung, wird der Hinzurechnungsbetrag um die auf den Steuerpflichtigen entfallenden Steuern, die bei der Ermittlung des Hinzurechnungsbetrages abgezogen wurden, erhöht (§ 12 AStG). Dies ergibt den sog. anzusetzenden Hinzurechnungsbetrag. Die Besteuerung des anzusetzenden Hinzurechnungsbetrages regelt § 10 Abs. 2 AStG. Merke: Der Hinzurechnungsbetrag ergibt sich aus der fiktiven Gewinnausschüttung und ist nicht zu verwechseln mit einer eventuell später erfolgenden tatsächlichen Gewinnausschüttung.
Es muss unterschieden werden, ob die Anteile an der Zwischengesellschaft im Privatvermögen oder im Betriebsvermögen gehalten werden. Einkünfte aus im Privatvermögen gehaltenen Anteilen gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG und gelten unmittelbar nach Ablauf des maßgebenden Wirtschaftsjahres der Zwischengesellschaft als zugeflossen. Von diesen Einnahmen werden die Werbungskosten abgezogen, die in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Beteiligung stehen (z.B. Kosten für die Aufstellung der Hinzurechnungsbilanz). Der anzusetzende Hinzurechnungsbetrag unterliegt somit dem individuellen Steuersatz des Anteilseigners. Merke: Auf den Hinzurechnungsbetrag ist weder das Halb- (bis 2008) bzw. Teileinkünfteverfahren (ab 2009) gem. § 3 Nr. 40 Bst. d EStG noch die Abgeltungsteuer (ab 2009) nach § 32d EStG noch die Dividendenfreistellung gem. § 8b Abs. 1 KStG anzuwenden (§ 10 Abs. 2 Satz 3 AStG).
Gehören Anteile an der Zwischengesellschaft zum Betriebsvermögen, zählt der anzusetzende Hinzurechnungsbetrag zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb, aus Land- und Forstwirtschaft oder aus selbständiger Arbeit und erhöht den Gewinn des Betriebs für das Wirtschaftsjahr, das nach dem Ablauf des maßgebenden Wirtschaftsjahres der Zwischengesellschaft endet. Der Hinzurechnungsbetrag wird somit – je nach Gesellschaftsform – mit dem individuellen Einkommensteuersatz oder mit 25 % (bis 2007) bzw. 15 % (bis 2008) Körperschaftsteuer, mit Gewerbesteuer und Solidaritätszuschlag besteuert. Merke: Wird eine Beteiligung an einer Zwischengesellschaft im Privatvermögen gehalten, wird der anzusetzende Hinzurechnungsbetrag mit dem persönlichen Steuersatz versteuert. Bei Beteiligungen im Betriebsvermögen erhöht der anzusetzende Hinzurechnungsbetrag den ermittelten Betriebsgewinn. Hinsichtlich des Steuersatzes kommt es auf die Rechtsform des Unternehmens an. Das Halbbzw. Teileinkünfteverfahren, die Abgeltungsteuer oder die Dividendenfreistellung kommen auf die Hinzurechnungsbeträge nicht zur Anwendung.
Beteiligung an ausländischen Zwischengesellschaften – §§ 7-14 AStG
539
Auf die Besteuerung des Hinzurechnungsbetrages sind die begünstigenden Regelungen eines DBA seit der Streichung der §§ 10 Abs. 5 bis 7 AStG nicht mehr anzuwenden. Mit den begünstigenden Regelungen ist das Schachtelprivileg gemeint, durch das ausländische Dividendeneinkünfte bei inländischen Kapitalgesellschaften steuerfrei gestellt werden. Das Schachtelprivileg war allerdings üblicherweise mit einer Aktivitätsklausel versehen, so dass die Freistellungsmethode bei passiver Tätigkeit im Ausland ohnehin nicht zur Anwendung gekommen ist. Insbesondere in älteren DBA wurde jedoch keine Aktivitätsklausel vereinbart, so dass trotz Erzielens passiver Einkünfte unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 6 AStG a.F. die Begünstigung des Schachtelprivileges genutzt werden konnte. Zur konsequenten Durchsetzung der Ziele der Hinzurechnungsbesteuerung im Verhältnis zu den wenigen Ländern, die sich in bestimmten Bereichen für Ausländer als Gebiete mit Vorzugssteuersätzen anbieten und damit potenziell unfairen Steuerwettbewerb betreiben, wurden die §§ 10 Abs. 5 bis 7 AStG aufgehoben.839 Der DBA-Schutz wird auf diese Weise durchbrochen („treaty override“), so dass sich die Besteuerung des Hinzurechnungsbetrags allein nach innerstaatlichem deutschem Recht richtet.
839
Vgl. die Gesetzesbegründung in BT-Drs. 15/119, S. 54.
Rechtsfolgen
540
Besteuerung Hinzurechnungsbetrag Beteiligung im Privatvermögen
Beteiligung im Betriebsvermögen
Hinzurechnungsbetrag erhöht Einkünfte aus Kapitalvermögen
Hinzurechnungsbetrag erhöht ermittelten Betriebsgewinn
Berücksichtigung von Werbungskosten
Personengesellschaften Einzelunternehmen
Kapitalgesellschaften
Einkünfte aus Gewerbebetrieb, Land-/Fortwirtschaft, selbst. Arbeit Besteuerung: individueller ESt-Satz
Besteuerung: individueller ESt-Satz und GewSt
Besteuerung: 15 % KSt und GewSt
Abbildung 145: Unterschiedliche Besteuerung des Hinzurechnungsbetrages bei Beteiligungen im Privat- bzw. Betriebsvermögen
6.5.3
Behandlung tatsächlicher Ausschüttungen
Werden im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung erfasste ausländische Einkünfte zu einem späteren Zeitpunkt tatsächlich als Dividenden ausgeschüttet, können diese gem. § 3 Nr. 41 Bst. a EStG bzw. § 8b Abs. 1 KStG grundsätzlich zur Gänze steuerfrei vereinnahmt werden; insbesondere kommt das Halb- bzw. Teileinkünfteverfahren nach § 3 Nr. 40 EStG oder die Abgeltungsteuer gem. § 32d EStG nicht zur Anwendung. Allerdings ist erneut auf § 8b Abs. 5 KStG hinzuweisen. Auf diese Weise wird vermieden, dass Einkünfte, die bereits der Hinzurechnungsbesteuerung als fiktive Ausschüttung unterlegen haben, bei tatsächlicher Ausschüttung erneut mit Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer belastet werden.
Beteiligung an ausländischen Zwischengesellschaften – §§ 7-14 AStG
541
Folgen der Hinzurechnungsbesteuerung bis 2008
Anteilseigner
Zeitpunkt der Gewinnentstehung
Zeitpunkt der Gewinnverwendung
natürliche Person
steuerpflichtig, kein § 3 Nr. 40 Bst. d EStG
steuerfrei, § 3 Nr. 41 Bst. a EStG
Kapitalgesellschaft
steuerpflichtig, kein § 8b Abs. 1 KStG
steuerfrei, § 8b Abs. 1 KStG
Abbildung 146: Übersicht Folgen der Hinzurechnungsbesteuerung bis 2008 Folgen der Hinzurechnungsbesteuerung ab 2009
Anteilseigner
Zeitpunkt der Gewinnentstehung
natürliche Person Anteile im PV
steuerpflichtig, kein § 32d EStG
natürliche Person Anteile im BV
steuerpflichtig, kein § 3 Nr. 40 Bst. d EStG
Kapitalgesellschaft
steuerpflichtig, kein § 8b Abs. 1 KStG
Zeitpunkt der Gewinnverwendung
steuerfrei, § 3 Nr. 41 Bst. a EStG
steuerfrei, § 8b Abs. 1 KStG
Abbildung 147: Übersicht Folgen der Hinzurechnungsbesteuerung ab 2009 Im Ergebnis erhält der Anteilseigner als natürliche Person somit nicht die Begünstigungen durch das Halb- bzw. Teileinkünfteverfahren oder die Abgeltungsteuer, d.h. er muss den vollen Betrag versteuern. Es handelt sich somit nicht um eine dividendengleiche Besteuerung, was dadurch gerechtfertigt wird, dass keine ausreichende Vorbelastung auf Ebene der ausländischen Kapitalgesellschaft stattgefunden hat.
6.6 Steueranrechnung – § 12 AStG Im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung sollen Steuervorteile, die durch Zwischenschaltung ausländischer Gesellschaften erzielt werden können, verhindert werden. Durch eine Ausschüttungsfiktion muss der unbeschränkt steuerpflichtige Anteilseigner die auf ihn zurechenbaren Einkünfte der Zwischengesellschaft nach deutschem Steuerrecht versteuern. Allerdings soll dem inländischen Beteiligten durch diese Regelung keine Mehrbelastung auferlegt werden. Deshalb werden bei der Hinzurechnungsbesteuerung die Steuern, die die ausländische Zwischengesellschaft bereits entrichtet hat, berücksichtigt. Der unbeschränkt steuerpflichtige Anteilseigner hat die Wahl, diese Steuern durch den in § 10 Abs. 1 AStG vorgesehenen Abzug bei der Ermittlung des Hinzurechnungsbetrages oder alternativ nach § 12 AStG durch die Anrechnung dieser Steuern auf seine Einkommen- bzw. Körperschaft-
Steueranrechnung – § 12 AStG
542
steuer zu berücksichtigen. Sind mehrere unbeschränkt Steuerpflichtige an einer Zwischengesellschaft beteiligt, kann jeder von ihnen für sich entscheiden, ob er vom Steuerabzug oder der Steueranrechnung Gebrauch macht. Beim Steuerabzug wird der Hinzurechnungsbetrag um die Steuern gemindert, die zu Lasten der Zwischengesellschaft von ihren Einkünften und von dem diesen Einkünften zugrunde liegenden Vermögen erhoben wurden und bereits gezahlt wurden.
Lösung
Beispiel
Im Rahmen der Steueranrechnung wird der Hinzurechnungsbetrag durch die abziehbaren Steuern nicht gemindert. Es muss daher der Hinzurechnungsbetrag nach § 12 Abs. 1 Satz 2 AStG um die bereits abgezogenen Steuern erhöht werden. Die Steuern werden dann auf die Steuerschuld des Anteilseigners angerechnet. Erzielt die Zwischengesellschaft gemischte Einkünfte, dürfen nur die Steuern angerechnet werden, die auf die Zwischeneinkünfte entfallen. Zu beachten ist, dass die Steueranrechnung auf Ebene des inländischen Steuerpflichtigen stattfindet. Es dürfen also nur die Steuern angerechnet werden, die dem Steuerpflichtigen gemäß der Beteiligung am Nennkapital der Zwischengesellschaft zuzurechnen sind. Im Regelfall ist die Steueranrechnung für den inländischen Steuerpflichtigen günstiger als der Steuerabzug. Der unbeschränkt steuerpflichtige Martin Riggs ist zu 100 % an der ausländischen Zwischengesellschaft Car-Company beteiligt. Er hält die Beteiligung in seinem Privatvermögen. Die ermittelten Zwischeneinkünfte der Car-Company betragen 400.000 €. Die Car-Company hat 50.000 € Steuern i.S.d. § 10 Abs. 1 Satz 1 AStG bezahlt. Riggs durchschnittlicher Einkommensteuersatz beträgt 40 %. Steuerabzug nach § 10 Abs. 1 AStG: Zwischeneinkünfte ./. Steuern Hinzurechnungsbetrag Einkommensteuer Gesamtsteuerbelastung
./.
400.000 € 50.000 € 350.000 € 140.000 € 190.000 €
Steueranrechnung nach § 12 AStG: Zwischeneinkünfte 400.000 € ./. Steuern ./. 50.000 € Hinzurechnungsbetrag 350.000 € + Steuern + 50.000 € anzusetzender Hinzurechnungsbetrag 400.000 € Einkommensteuer 160.000 € ./. anzurechnende Steuern ./. 50.000 € zu entrichtende ESt 110.000 € Gesamtsteuerbelastung 160.000 €
Beteiligung an ausländischen Zwischengesellschaften – §§ 7-14 AStG
543
Nach § 12 Abs. 2 AStG sind die Vorschriften des § 34c Abs. 1 EStG und des § 26 Abs. 1 und 6 KStG entsprechend anzuwenden. Da es sich um einen Rechtsfolgenverweis handelt, müssen die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschriften nicht erfüllt sein. Allerdings muss der in diesen Regelungen vorgesehene Höchstbetrag auch bei der Anwendung von § 12 Abs. 2 AStG berechnet werden. Dieser Höchstbetrag bestimmt die maximale Höhe der anrechenbaren Steuern und berechnet sich folgendermaßen:
Anrechnungshöchstbetrag = deutsche Steuer
anzusetzender Hinzurechnungsbetrag Summe der Einkünfte
Gewinnausschüttungen, die in den vorangegangenen sieben Jahren der Hinzurechnungsbesteuerung unterlagen, sind nach § 3 Nr. 41 EStG steuerfreie Einnahmen. Da sie steuerfrei sind, besteht grundsätzlich keine Möglichkeit, die bei Ausschüttung an den inländischen Gesellschafter tatsächlich anfallenden ausländischen Quellensteuern anzurechnen oder abzuziehen. Durch § 12 Abs. 3 AStG besteht die Alternative, dass auf Antrag auch Quellensteuern abgezogen oder angerechnet werden, die von steuerfreien Gewinnausschüttungen einbehalten wurden.
6.7 Nachgeschaltete Zwischengesellschaften – § 14 AStG Der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegen nicht nur Zwischeneinkünfte ausländischer Zwischengesellschaften, an denen inländische Steuerpflichtige unmittelbar beteiligt sind (Obergesellschaften), sondern auch Zwischeneinkünfte nachgeschalteter Zwischengesellschaften (Untergesellschaften). Dadurch wird die Umgehung der Hinzurechnungsbesteuerung durch Zwischenschaltung mehrerer ausländischer Gesellschaften verhindert. Sind die Voraussetzungen nach § 14 Abs. 1 AStG erfüllt, werden die Zwischeneinkünfte einer Untergesellschaft der Obergesellschaft zugerechnet (übertragende Zurechnung). Das geschieht in der letzen logischen Sekunde vor Ablauf des Wirtschaftsjahrs der Untergesellschaft.840 Maßstab für die Zurechnung ist die Beteiligung der Obergesellschaft am Nennkapital der Untergesellschaft.
840
Vgl. BFH v. 28.09.1988, I-R-91/87, BStBl. II 1989, S. 13.
Nachgeschaltete Zwischengesellschaften – § 14 AStG
544
Inland unbeschränkt Steuerpflichtiger
Ausland
100 %
Obergesellschaft
Hinzurechnung nach § 7 AStG
100 %
Untergesellschaft
Zurechnung nach § 14 AStG
Abbildung 148: Hinzurechnung und Zurechnung Voraussetzung für die übertragende Zurechnung nach § 14 AStG ist, dass die Obergesellschaft an der Untergesellschaft unmittelbar beteiligt ist und beide Gesellschaften gem. § 7 AStG inländerbeherrscht sind. An der Obergesellschaft müssen nicht dieselben inländischen Steuerpflichtigen beteiligt sein wie an der Untergesellschaft. Liegen Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter vor, erfolgt die übertragende Zurechnung bereits ab einer Beteiligungshöhe von 1 %.
Mit Einführung des Korb-II-Gesetzes wurden die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 AStG verschärft. Eine Zurechnung gilt nicht, wenn die passiven Einkünfte den aktiven Einkünften einer höherstufigen Gesellschaft dienen. Das „Dienen“ muss nun derart sein, dass die passive Tätigkeit in „unmittelbarem Zusammenhang“ mit der aktiven Tätigkeit der Obergesellschaft steht. Ausgenommen von der Zurechnung sind Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter gem. § 7 Abs. 6a AStG wie z.B. Zinseinkünfte aus der Anlage liquider Mittel. Der Zurechnung unterliegen nur niedrig besteuerte Einkünfte der ausländischen Gesellschaft. Den Tatbestand der niedrigen Besteuerung normiert § 8 Abs. 3 AStG. Ob eine Niedrigbesteuerung vorliegt, ist für jede Untergesellschaft gesondert zu überprüfen. Es kann vorkommen, dass beispielsweise nur die Einkünfte der Untergesellschaft niedrig besteuert wurden, die Einkünfte der Obergesellschaft dagegen mit einem normalen Steuersatz. In diesem Fall werden die Zwischeneinkünfte der Untergesellschaft gem. § 14 AStG der Obergesellschaft zugerechnet. Da die Obergesellschaft keine eigenen Zwischeneinkünfte hat, entspricht der Hinzurechnungsbetrag der Obergesellschaft genau den ihr zugerechneten Zwischeneinkünften der Untergesellschaft. Unerheblich ist gem. BFH-Urteil vom 09.07.2003, ob die ausländische Gesellschaft tatsächlich besteuert worden ist, sondern wie sie hätte besteuert werden müssen.841
841
BFH v. 09.07.2003, I-R-82/01, BStBl. II 2004, S. 4.
Beteiligung an ausländischen Zwischengesellschaften – §§ 7-14 AStG
545
Merke: Unter „übertragender Zurechnung“ wird die Zurechnung der Zwischeneinkünfte von Untergesellschaften auf Obergesellschaften verstanden; unter „Hinzurechnung“ die Zurechnung der Zwischeneinkünfte von Obergesellschaften auf unbeschränkt Steuerpflichtige.
Voraussetzungen für die übertragende Zurechnung sind: 9 unmittelbare Beteiligung der Obergesellschaft an der Untergesellschaft, 9 Inländerbeherrschung beider Gesellschaften, 9 niedrig besteuerte Einkünfte der Untergesellschaft. Für jede Untergesellschaft ist die Freigrenze des § 9 AStG gesondert zu prüfen. Für den unbeschränkt Steuerpflichtigen sind alle unmittelbar und über § 14 AStG in die Hinzurechnung gelangenden Zwischeneinkünfte zusammenzurechnen. Nur wenn der Gesamtbetrag 62.000 € (für Wirtschaftsjahre, die vor dem 31.12.2007 begonnen haben) bzw. 80.000 € (für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2007 beginnen) nicht übersteigt, kommt die Hinzurechnungsbesteuerung nicht zur Anwendung. Die Einkünfte der Untergesellschaft, die der Zurechnung unterliegen, sind nach § 10 AStG zu ermitteln. Dabei ist für jede Untergesellschaft der Gewinn unabhängig zu ermitteln. Die zu Lasten der Untergesellschaft erhobenen Steuern i.S.d. § 10 Abs. 1 AStG sind abzuziehen. § 10 Abs. 1 Satz 3 AStG ist bei der Zurechnung nicht anzuwenden.842 Negative und positive Zwischeneinkünfte von Untergesellschaft und Obergesellschaft werden gegeneinander verrechnet. Ein Verlustvor- oder -rücktrag i.S.d. § 10 Abs. 3 Satz 5 AStG i.V.m. § 10d EStG ist möglich. Allerdings dürfen sich Verluste nur einmal auswirken. Nimmt die Untergesellschaft einen Verlustvortrag i.S.d. § 10 Abs. 3 Satz 5 AStG i.V.m. § 10d EStG vor, kann der gleiche Verlust im Verlustjahr nicht mit positiven Zwischeneinkünften der Obergesellschaft verrechnet werden. Die Vorschriften des § 14 Abs. 1 AStG sind entsprechend anzuwenden, wenn einer Untergesellschaft weitere ausländische Untergesellschaften nachgeschaltet sind. Das bedeutet, dass der jeweils vorgeschalteten Gesellschaft die Zwischeneinkünfte entsprechend der Beteiligung zugerechnet werden. Somit erhöhen sich die Zwischeneinkünfte der vorgeschalteten Gesellschaft. Bei der Obergesellschaft werden die zugerechneten Zwischeneinkünfte der nachgeschalteten Untergesellschaften zusammen mit den eigenen Zwischeneinkünften im Hinzurechnungsbetrag erfasst. Dieser Hinzurechnungsbetrag wird nach § 10 Abs. 2 AStG dem inländischen Steuerpflichtigen nach Ablauf des maßgeblichen Wirtschaftsjahres zugerechnet.
842
Vgl. BFH v. 20.04.1988, I-R-41/82, BStBl. II 1988, S. 868.
546
Mitwirkungspflicht
7 Mitwirkungspflicht und Sachverhaltsaufklärung – § 16-17 AStG Die Prüfung von Auslandsbeziehungen ist für deutsche Steuerbehörden nicht problemlos möglich, da sie im Ausland selbst grundsätzlich keine Sachverhaltsermittlungen durchführen dürfen. Aus diesem Grund sieht die Abgabenordnung für den Steuerpflichtigen die Mitwirkungspflicht bei Auslandsgeschäften und die Anzeigepflicht über Auslandsbeziehungen vor (§§ 90 Abs. 2, 138 Abs. 2 AO). Diese Vorschriften werden durch die §§ 16 und 17 AStG ergänzt; dem Steuerpflichtigen werden dadurch erhöhte Mitwirkungspflichten auferlegt.
7.1 Mitwirkungspflicht § 16 AStG bestimmt eine umfassende Offenlegungspflicht des Steuerpflichtigen bei Geschäftsbeziehungen zu nicht oder nur unwesentlich besteuerten Personen im Ausland. Dadurch wird die Benennungspflicht nach § 160 AO erweitert. § 160 AO sieht vor, dass Schulden, Lasten, Betriebsausgaben und Werbungskosten steuerlich nicht zu berücksichtigen sind, wenn der Steuerpflichtige auf Verlangen der Finanzbehörde die Gläubiger oder Empfänger nicht genau benennt. Durch § 16 AStG wird diese Regelung verschärft. Der Steuerpflichtige muss demnach von vornherein die Gläubiger und Empfänger benennen, nicht erst auf Verlangen der Finanzbehörde. Voraussetzung für die Mitwirkungspflicht i.S.d. § 16 AStG ist, dass eine Geschäftsbeziehung zu einer ausländischen Person besteht, die mit ihren Einkünften aus dieser Geschäftsbeziehung nicht oder nur unwesentlich besteuert wird. „Person“ i.S.d. § 16 AStG ist jede natürliche oder juristische Person einschließlich Personengesellschaften. Was unter einer unwesentlichen Besteuerung zu verstehen ist, definiert § 16 AStG nicht. Die Finanzverwaltung legt den Begriff der unwesentlichen Besteuerung im Sinne der niedrigen Besteuerung nach § 8 Abs. 3 AStG aus, d.h. eine unwesentliche Besteuerung liegt vor, wenn ein Steuersatz von weniger als 25 % gegeben ist. Diese Ansicht ist allerdings in der Literatur stark umstritten.843 Der Steuerpflichtige ist seiner Mitwirkungspflicht erst dann nachgekommen, wenn er alle Beziehungen, die zu der ausländischen Person bestehen oder bestanden haben, offen legt. Er muss alle für ihn bestehenden rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten ausschöpfen844 und außerdem im Rahmen der ihm obliegenden Beweisvorsorgepflicht Beweismittel schaffen, beschaffen und sichern.845 Erfüllt der Steuerpflichtige seine Offenlegungspflicht 843
Vgl. Wassermeyer, F., in: Flick, H./ Wassermeyer, F./ Baumhoff, H., Außensteuerrecht: Kommentar, 62. Erg.-Lfg., Köln 2008, § 16 AStG, Rz. 25.
844
Vgl. BFH v. 13.03.1985, I-R-7/81, BStBl. II 1986, S. 318.
845
Vgl. BFH v. 16.04.1980, I-R-75/78, BStBl. II 1981, S. 492.
Mitwirkungspflicht und Sachverhaltsaufklärung – § 16-17 AStG
547
nicht, ist die steuerliche Berücksichtigung von Schulden, Lasten, Betriebsausgaben oder Werbungskosten nicht möglich. Auf Verlangen der Finanzbehörde kann der Steuerpflichtige seine Offenlegungspflicht dadurch erfüllen, dass er gem. § 95 AO eine eidesstattliche Versicherung darüber abgibt, dass er nicht oder nur in begrenztem Umfang in der Lage ist, Tatsachen offen zu legen, sowie darüber, dass seine Angaben über bestimmte Tatsachen richtig und vollständig sind. Es soll noch einmal darauf hingewiesen werden, dass durch § 90 Abs. 3 AO spezielle Mitwirkungs- und Dokumentationspflichten in Bezug auf Verrechnungspreise bestehen. Die Nichteinhaltung der Aufzeichnungspflichten führt zu Sanktionen gem. § 162 Abs. 3 und 4 AO. Merke: § 16 AStG stellt eine Ergänzung zu den allgemeinen abgabenrechtlichen Vorschriften dar und ist somit nicht nur in Bezug auf das AStG anzuwenden.
7.2 Sachverhaltsaufklärung Im Gegensatz zu § 16 AStG ist § 17 AStG eine spezielle Vorschrift zur Anwendung der §§ 5 und 7 bis 15 AStG. § 17 AStG verpflichtet betroffene Steuerpflichtige, den Sachverhalt aufzuklären und die erforderlichen Beweismittel zu beschaffen. Dazu gehören vor allem die Offenlegung von Geschäftsbeziehungen zwischen dem Steuerpflichtigen und der ausländischen Gesellschaft sowie die Vorlage von sachdienlichen Unterlagen, vor allem von Bilanzen und Erfolgsrechnungen der ausländischen Gesellschaft. Auf Verlangen der Finanzbehörde müssen die Unterlagen mit dem im Ausland vorgeschriebenen oder üblichen Prüfungsvermerk einer anerkannten Wirtschaftsprüfungsstelle oder einer vergleichbaren Stelle versehen sein. Die betroffenen Steuerpflichtigen können sich nicht darauf berufen, dass sie ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachkommen können, wenn sie sich nach Lage des Falls die Möglichkeit dazu hätten verschaffen oder einräumen lassen können. Kommt ein Steuerpflichtiger seiner Mitwirkungspflicht nicht oder nicht vollständig nach, sind nach § 17 Abs. 2 AStG die Zwischengesellschaftseinkünfte der ausländischen Gesellschaft gem. § 162 AO zu schätzen. Gibt es keine geeigneten Anhaltspunkte für eine Schätzung, werden die Einkünfte mit mindestens 20 % des gemeinen Werts der von dem betroffenen Steuerpflichtigen gehaltenen Anteile angesetzt.
548
Sachverhaltsaufklärung
8 Bestimmungen über die Anwendung von DBA – § 20 AStG § 20 AStG wurde durch das Steueränderungsgesetz 1992846 eingeführt. Bis zu diesem Zeitpunkt war das Verhältnis der Hinzurechnungsbesteuerung zu den DBA umstritten. Mit § 20 Abs. 1 AStG hat der Gesetzgeber eine Regelung geschaffen, in der klargestellt wird, dass §§ 7-18 AStG und § 20 Abs. 2 AStG durch DBA nicht berührt werden. Dies bedeutet, dass die Hinzurechnungsbesteuerung durch DBA-Regelungen nicht eingeschränkt wird (treaty override). § 20 Abs. 2 AStG schließt eine Umgehung der Hinzurechnungsbesteuerung durch die Gründung einer Betriebsstätte anstelle einer Kapitalgesellschaft aus. Eine Umgehung wäre möglich, da die Einkünfte einer Betriebsstätte, die sich in einem Land mit dem ein DBA besteht befindet, grundsätzlich von der inländischen Besteuerung befreit werden (Betriebsstättenprinzip Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 OECD-MA) und die Hinzurechnungsbesteuerung nur bei Kapitalgesellschaften Anwendung findet. Um dies zu vermeiden, stellt § 20 Abs. 2 AStG ausländische Betriebsstätten einer ausländischen Kapitalgesellschaft gleich. Erfüllt eine ausländische Betriebsstätte alle Voraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung, so wird sie fiktiv wie eine Kapitalgesellschaft behandelt. Die Rechtsfolgen der Hinzurechnungsbesteuerung treten so auch bei einer ausländischen Betriebsstätte in Kraft. Ziel ist es, den DBA-Schutz in Form der Anwendung der Freistellungsmethode, der eigentlich für ausländische Betriebsstättengewinne gilt, außer Kraft zu setzen. Es soll nur noch die Anrechnungsmethode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung anwendbar sein (Erweiterung der sog. switch-over-Klausel). Der EuGH hat in seinem Urteil in der Rs. COLUM847 einen Verstoß des § 20 Abs. 2 AStG gegen die in Art. 43 ff. EG-Vertrag garantierte BUS Niederlassungsfreiheit verneint und somit dessen Europarechtskonformität festgestellt.
846
Gesetz zur Entlastung der Familien und zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Investitionen und Arbeitsplätze (Steueränderungsgesetz 1992 – StÄndG 1992) v. 12.03.1992, BGBl. I 1992, S. 297 ff.
847
Vgl. Rs. COLUMBUS, EuGH v. 06.12.2007, C 298/05, BB 2008, S. 201.
Die Grundfreiheiten des EG-Vertrags
549
Kapitel VII: Die steuerrechtlichen Verfahren des EuGH zu den Grundfreiheiten des EG-Vertrags 1 Die Grundfreiheiten des EG-Vertrags 1.1 Einführung Die Errichtung eines Gemeinsamen Marktes innerhalb der Europäischen Union ist die Grundvoraussetzung für die Erreichung der in Art. 2 EG-Vertrag (EG)848 formulierten Ziele. Die Prinzipien von Marktfreiheit und -gleichheit sowie freiem Wettbewerb sind hierbei elementar. Zur Herbeiführung bzw. zur Einhaltung dieser Prinzipien haben die EUMitgliedstaaten geeignete Maßnahmen zu treffen. Diese politisch, ökonomisch und rechtlich komplexen Prozesse führen zu zahlreichen Rechtsstreitigkeiten, mit denen sich der EuGH befasst hat und weiterhin befassen wird. Insbesondere die Rechtsprechung des EuGH zu den sog. Grundfreiheiten des EG-Vertrags hat vielfach erhebliche Auswirkungen auf bestehende Gesetze der EU-Mitgliedstaaten.849 Einen Überblick über die Grundfreiheiten gibt die folgende Abbildung. Warenverkehrsund Dienstleistungsfreiheit können unter dem übergeordneten Begriff der sog. Produktverkehrsfreiheiten zusammengefasst werden, Arbeitnehmerfreizügigkeit und Niederlassungsfreiheit als „Freizügigkeiten der Personen“ (sog. Personenverkehrsfreiheiten).
848
Vgl. Konsolidierte Fassung des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft v. 25.03.1957, (ABl. C 325 v. 24.12.2002).
849
Vgl. Lang, M., Steuerharmonisierung: Motor in der EU stottert, Die Presse 2005, S. 6; Schaumburg, H., Außensteuerrecht und europäische Grundfreiheiten, DB 2005, S. 1129.
550
Niederlassungsfreiheit – Art. 43 ff. EG
Grundfreiheiten des EG-Vertrags
Arbeitnehmerfreizügigkeit
Niederlassungsfreiheit
Personenverkehrsfreiheiten Kapitalverkehrsfreiheit
Dienstleistungsfreiheit
Warenverkehrsfreiheit
Produktverkehrsfreiheiten
Abbildung 149: Grundfreiheiten des EG-Vertrags
1.2 Warenverkehrsfreiheit – Art. 23 ff. EG Ziel dieser Grundfreiheit ist ein freier Warenverkehr zwischen den EU-Mitgliedstaaten. Ein- und Ausfuhrzölle (oder in der Wirkung ähnliche Abgaben) zwischen den Staaten der EU sind genau so wie mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen (oder in der Wirkung ähnliche Maßnahmen) verboten. Es dürfen keinerlei Maßnahmen getroffen werden, die grenzüberschreitenden gegenüber rein inländischem Warenverkehr benachteiligen.
1.3 Arbeitnehmerfreizügigkeit – Art. 39 ff. EG Die Normierung des Gebots der Gleichbehandlung aller EU-Bürger hinsichtlich Beschäftigung, Entlohnung und sonstiger Arbeitsbedingungen schützt die Mobilität abhängig Beschäftigter innerhalb der Gemeinschaft grundsätzlich. Vergleichsmaßstab für eventuelle Verstöße gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit ist die Behandlung der eigenen Staatsangehörigen durch den jeweiligen EU-Mitgliedstaat unter objektiv gleichen Umständen.
1.4 Niederlassungsfreiheit – Art. 43 ff. EG Die Niederlassungsfreiheit ermöglicht den Unionsbürgern die auf Dauer angelegte Aufnahme und Ausübung einer selbständigen Tätigkeit innerhalb der EU unabhängig von der Staatsangehörigkeit (sog. unternehmerische Freizügigkeit). Dies gilt neben natürlichen Personen ausdrücklich auch für Gesellschaften, insbesondere Kapitalgesellschaften mit
Die Grundfreiheiten des EG-Vertrags
551
eigener Rechtspersönlichkeit. Die Schutzwirkung dieser Grundfreiheit erstreckt sich dabei auf zwei Ebenen: 1. Neu gegründete Wirtschaftsaktivitäten in anderen Mitgliedstaaten unabhängig davon, ob in der Form einer Tochtergesellschaft, Zweigniederlassung oder Agentur,850 2. die Ebene der jeweiligen Muttergesellschaft bzw. des Stammhauses851.
1.5 Dienstleistungsfreiheit – Art. 49 ff. EG Die Dienstleistungsfreiheit schützt die vorübergehende Erbringung von (gewerblichen, kaufmännischen, handwerklichen oder freiberuflichen) entgeltlichen Dienstleistungen in einem anderen EU-Mitgliedstaat ohne dauerhafte Niederlassung. Es geht hierbei ausschließlich um kurzfristige und auftragsspezifische Leistungserbringungen. Ausdrücklich wird auch der Empfänger der Dienstleistung geschützt (sog. Verbraucherfreiheit).
1.6 Kapitalverkehrsfreiheit – Art. 56 ff. EG Die Kapitalverkehrsfreiheit ermöglicht den EU-Mitgliedstaaten reibungslosen grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr, sowie Transfer von Geld- und Sachkapital (z.B. Investitionen, Finanzdienstleistungen, Zugang von Wertpapieren zum Kapitalmarkt) untereinander und in Drittländer durch ein grundsätzliches Verbot jeglicher diesbezüglicher Beschränkungen. Merke: Die EU will mit den im EG-Vertrag normierten Grundfreiheiten Wettbewerbsbeschränkungen grundsätzlich verhindern. In bedeutenden steuerrechtlichen Urteilen hat der EuGH die Grundfreiheiten im Sinne dieses Ziels gewahrt.
1.7 Schutzgehalt der Grundfreiheiten Die Grundfreiheiten sind entsprechend ständiger Rechtsprechung des EuGH unmittelbar anwendbares Recht, wodurch die Bürger der EU direkt berechtigt und verpflichtet werden. Kollidieren nationale und EU-Regelungen, besteht ein Anwendungsvorrang des Gemein-
850
Vgl. Rs. SAINT GOBAIN, EuGH v. 21.09.1999, C-307/97, Slg. 1999, I-6161; Rs. X UND Y, EuGH v. 21.11.2002, C-436/00, Slg. 2002, I-10829.
851
Vgl. Rs. X AB UND Y AB, EuGH v. 18.11.1999, C-200/98, Slg. 1999, I-8261; Rs. AMID, EuGH v. 14.12.2000, C-141/99, Slg. 2000, I-11619.
552
Schutzgehalt der Grundfreiheiten
schaftsrechts gegenüber nationalem Recht.852 Dies bedeutet keinen Geltungsvorrang der EU-Regelungen, da das nationale Recht weiterhin für innerstaatliche Sachverhalte und gegenüber Nicht-Unionsbürgern (Drittstaaten) anzuwenden ist. Merke: Rein innerstaatliche Sachverhalte werden durch die Regelungen des EGVertrags nicht berührt. Voraussetzung für die Anwendung des Gemeinschaftsrechts ist also ein Sachverhalt, der die Grenzen von EU-Mitgliedstaaten überschreitet. Ein allgemeines Diskriminierungsverbot wird durch Art. 12 EG normiert, wonach jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit im Grundsatz verboten ist. Die Grundfreiheiten sind spezielle Diskriminierungsverbote, welche Art. 12 EG konkretisieren. Zwischen dem allgemeinen Diskriminierungsverbot und den speziellen Diskriminierungsverboten besteht ein Ausschließlichkeitsverhältnis, so dass innerhalb des Schutzbereiches einer Grundfreiheit das allgemeine Diskriminierungsverbot subsidiär anzuwenden ist. Grundsätzlich wird der Schutzgehalt der Grundfreiheiten durch Diskriminierungsverbot und Verbot der Beschränkung von Grundfreiheiten gewahrt.853 Das sog. offene Diskriminierungsverbot knüpft an das Tatbestandsmerkmal der Staatsangehörigkeit an. Nationale Regelungen, die Ungleichbehandlungen von Unionsbürgern anderer EU-Mitgliedstaaten gegenüber Inländern allein wegen der Nationalität verursachen, sind unzulässig. Auch sog. versteckte Diskriminierung ist prinzipiell verboten.854 Hierunter wird die Differenzierung nach scheinbar neutralen Kriterien wie z.B. der Ansässigkeit verstanden, wobei im Ergebnis Unionsbürger anderer Mitgliedstaaten schlechter gestellt sind als Inländer. Darüber hinaus verbietet das sog. Beschränkungsverbot (Art. 14 Abs. 2 EG) im Grundsatz auch alle nicht diskriminierenden Beschränkungen, d.h. Maßnahmen, die bspw. zusätzliche Kosten verursachen, wodurch die Inanspruchnahme von Grundfreiheiten weniger attraktiv wird.
852
Vgl. Rs. COSTA/E.N.E.L., EuGH v. 15.07.1964, 6/64, Slg. 1964, 1251; Rs. INTERNATIONALE HANDELSGESELLSCHAFT, EuGH v. 17.12.1970, 11/70, Slg. 1970, 1125; Rs. SIMMENTHAL, EuGH v. 09.03.1978, 106/77, Slg. 1978, 629.
853
Vgl. Kluth, W., in: Calliess, C./ Ruffert, M. (Hrsg.), Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag, 2. Aufl., Neuwied/Kriftel 2002, Art. 18 EGV, Rz. 5.
854
Vgl. Rs. SOTGIU, EuGH v. 12.02.1974, 152/73, Slg. 1974, 153; Rs. BIEHL, EuGH v. 08.05.1990, 175/88, Slg. 1990, I-1789.
Die Grundfreiheiten des EG-Vertrags
553
der Grundfreiheiten
Diskriminierungsverbot offen
versteckt
Ungleichbehandlung aufgrund der Staatsangehörigkeit
Diskriminierung ohne ausdrückliche Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit (z.B. Ansässigkeit als Differenzkriterium im Steuerrecht)
Beschränkungsverbot
Sämtliche Maßnahmen, die die Inanspruchnahme der Grundfreiheiten behindern oder weniger attraktiv machen
Beispiel
Abbildung 150: Schutzgehalt der Grundfreiheiten Versteckte Diskriminierung (Rs. BIEHL – EuGH v. 08.05.1992, 157/88) Der deutsche Staatsbürger Biehl verlegte seinen Wohnsitz (nach elf Jahren) im November 1983 von Luxemburg zurück nach Deutschland. In Luxemburg erzielte er zuvor Einkünfte aus unselbständiger Arbeit, wobei für das Steuerjahr 1983 zu viel ESt einbehalten wurde. Biehls Erstattungsantrag wurde von den luxemburgischen Steuerbehörden mit der Begründung abgelehnt, dass er nicht das komplette Jahr 1983 in Luxemburg ansässig war. Der EuGH gab Biehl Recht. Die Verwehrung der Erstattung verstößt gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit des Art. 39 (ex-Art. 48) EG. Im vorliegenden Sachverhalt wurde Biehl anhand des Kriteriums der Ansässigkeit ungleich behandelt (versteckte Diskriminierung).
1.8 Rechtfertigungen für Diskriminierung und Beschränkung der Grundfreiheiten Eine Einschränkung der Grundfreiheiten ist insbesondere im Steuerrecht immer dann gegeben, wenn nationale Regelungen eines EU-Mitgliedstaats Personen, die in anderen Mit-
554
Rechtfertigungen für Diskriminierung und Beschränkung der Grundfreiheiten
gliedstaaten ansässig sind, formell oder materiell benachteiligen.855 Allerdings kann eine Ungleichbehandlung unter bestimmten Umständen gerechtfertigt sein, ohne gegen Gemeinschaftsrecht zu verstoßen. Es kommen einerseits offene Diskriminierungen, andererseits versteckte Diskriminierungen oder Beschränkungen in Betracht, sofern sie ein Ziel verfolgen, das mit dem EG-Vertrag vereinbar ist. Bezüglich offener Diskriminierungen wird von sog. geschriebenen Rechtfertigungsgründen gesprochen, bei versteckten Diskriminierungen und Beschränkungen von „ungeschriebenen Rechtfertigungsgründen“. Erstere spielen im Steuerrecht so gut wie keine Rolle. Letztere betreffen zwingende Gründe des Allgemeinwohls,856 wobei sich in der EuGH-Rechtsprechung einige konkretisierende Gründe herauskristallisiert haben: x Steuerumgehende Gestaltungen857 im Falle rein künstlicher Konstruktionen,858 x die Kohärenz des Steuersystems;859 nach dieser ist zwischen der Gewährung einer steuerlichen Vergünstigung und dem Ausgleich dieser Vergünstigung durch eine Steuererhebung – beim selben Steuersubjekt und betreffend des selben Steuersachverhalts – ein systematischer Zusammenhang zu berücksichtigen,860 x die Wirksamkeit der (grenzüberschreitenden) Steueraufsicht,861 x das Territorialitätsprinzip862 (= Prinzip, nachdem jeder Staat auf eigenem Territorium hoheitlich agieren kann).
855
Vgl. Frotscher, G., Internationales Steuerrecht, 2. Aufl., München 2005, S. 42.
856
Vgl. Rs. GEBHARD, EuGH v. 30.11.1995, C-55/94, Slg. 1995, I-4165.
857
Vgl. Rs. AVOIR FISCAL, EuGH v. 28.01.1986, C-270/83, Slg. 1986, 285.
858
Vgl. Rs. ICI, EuGH v. 16.07.1998, C-264/96, Slg. 1998, I-4711.
859
Vgl. Rs. BACHMANN, EuGH v. 28.01.1992, C-204/90, Slg. 1992, I-276 (hier wurde der Begriff der Kohärenz erstmals als möglicher Rechtfertigungsgrund vom EuGH genannt); Rs. GEBHARD, EuGH v. 30.11.1995, C-55/94, Slg. 1995, I-4165.
860
Vgl. Rs. EUROWINGS, EuGH v. 26.10.1999, C-294/97, Slg. 1999, I-7463.
861
Vgl. Rs. REWE, EuGH v. 29.02.1979, 120/78, Slg. 1979, 649. Zuvor muss lt. EuGH (Rs. BACHEuGH v. 28.01.1992, C-204/90, Slg. 1992, I-276) der jeweilige EU-Mitgliedstaat alle Möglichkeiten der sog. EG-Amtshilferichtlinie ausschöpfen – Richtlinie 77/799/EWG des Rates der EG vom 19.12.1977 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern (ABl. L 336, S. 15-20), zuletzt geändert durch die Richtlinie 2004/56/EG des Rates der EU v. 21.04.2004 (ABl. L 127, S. 70 f.).
MANN,
862
Vgl. Rs. FUTURA PARTICIPATIONS, EuGH v. 15.05.1997, C-250/95, Slg. 1997, I-2492.
Die Grundfreiheiten des EG-Vertrags
555
Merke: Der Rechtfertigungsgrund der Kohärenz des Steuersystems schützt eine nationale Gesamtregelungssystematik, nach der mehrere steuerrechtliche Bestimmungen miteinander korrespondieren und gemeinsam eine mit Europarecht vereinbare Regelung darstellen.
Beispiel
Der EuGH ließ diesen Rechtfertigungsgrund für eine Einschränkung von Grundfreiheiten bisher nur in zwei Rechtssachen greifen.863
Kohärenz (Rs. BACHMANN – EuGH v. 28.01.1992, C-204/90) Der deutsche Staatsbürger Bachmann verlegte seinen Wohnsitz nach Belgien, um dort einer unselbständigen Tätigkeit nachzugehen. In Deutschland zahlte er Beiträge für eine noch zuvor abgeschlossene Lebensversicherung. Die Steuerbehörden in Belgien versagten ihm einen Abzug der Versicherungsprämien bei der dortigen EStVeranlagung, da dieser nach belgischem Recht nur möglich ist, wenn die Versorgungsprämien in Belgien besteuert werden können (sog. nachgelagerte Besteuerung). Im Sachverhalt besteht ein wechselseitiger Zusammenhang zwischen der Abzugsfähigkeit von Versicherungsprämien und der Besteuerung der Versorgungsprämien. Bei einer Rückverlegung von Bachmanns Wohnsitz nach Deutschland wäre die nachgelagerte Besteuerung nicht sichergestellt. Demzufolge ließ der EuGH in diesem Fall die Kohärenz des belgischen Steuersystems als Rechtfertigungsgrund für eine Einschränkung von Arbeitnehmerfreizügigkeit und Dienstleistungsfreiheit zu.
Die Auslegung der Rechtfertigungsgründe durch den EuGH ist sehr eng und erfolgt gemäß bestimmter Prüfungskriterien. Die Ungleichbehandlung muss x Situationen betreffen, die objektiv miteinander vergleichbar sind, x ein berechtigtes und mit dem EG-Vertrag zu vereinbarendes Ziel betreffen, das aufgrund zwingender Gründe des Allgemeininteresses zu rechtfertigen ist, x dem in Art. 5 EG manifestierten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen.
863
Vgl. Rs. BACHMANN, EuGH v. 28.01.1992, C-204/90, Slg. 1992, I-276; Rs. GEBHARD, EuGH v. 30.11.1995, C-55/94, Slg. 1995, I-4165.
556
Rechtfertigungen für Diskriminierung und Beschränkung der Grundfreiheiten
Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit: x x x x x
Art. 30 EG Art. 39 Abs. 3 EG Art. 46 EG Art. 55 i.V.m. Art. 46 EG Art. 58 EG
„geschriebene“ Rechtfertigungsgründe
Versteckte Diskriminierung bzw. Beschränkung: x Zwingende Gründe des Allgemeininteresses - Verhinderung der Steuerumgehung - Kohärenz des Steuersystems - Wirksamkeit der Steueraufsicht - Territorialitätsgrundsatz x unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit - Wahl der mildesten Maßnahme die die Zielerreichung noch ermöglicht - Eingriffsbeschränkung vs. Nutzen durch Schutz des Gemeinwohls
„ungeschriebene“ Rechtfertigungsgründe
Abbildung 151: Geschriebene und ungeschriebene Rechtfertigungsgründe Laut ständiger Rechtsprechung des EuGH ist eine Einschränkung von Grundfreiheiten nicht zu rechtfertigen, wenn x ein EU-Mitgliedstaat Steuermindereinnahmen vermeiden will, indem er Inländern das Ausnutzen von Steuervorteilen in anderen Ländern durch Regelungen wie bspw. zu Wegzugs- und Hinzurechnungsbesteuerung verwehrt,864 x lediglich die Rechtsvorschriften in der EU nicht harmonisiert sind,865 x ein EU-Mitgliedstaat steuerliche Vorteile ausgleichen will (steuerliche Besserstellung von EU-Ausländern in anderen Bereichen zum Ausgleich steuerlicher Nachteile gegenüber Inländern in einem Bereich),866 x die Ungleichbehandlung auf einem DBA beruht,867 x EU-Mitgliedstaaten rein wirtschaftliche Ziele wie z.B. Wirtschaftsförderung durch das Schaffen von Investitionsanreizen verfolgen.868
864
Vgl. Rs. ICI, EuGH v. 16.07.1998, C-264/96, Slg. 1998, I-4695.
865
Vgl. Rs. AVOIR FISCAL, EuGH v. 28.01.1986, C-270/83, Slg. 1986, 285.
866
Vgl. Rs. AVOIR FISCAL, EuGH v. 28.01.1986, C-270/83, Slg. 1986, 285.
867
Vgl. Rs. AVOIR FISCAL, EuGH v. 28.01.1986, C-270/83, Slg. 1986, 285.
868
Vgl. Rs. DECKER, EuGH v. 28.04.1998, C-120/95, Slg. 1998, I-1831; Rs. VERKOOIJEN, EuGH v. 06.06.2000, C-35/98, Slg. 2000, I-4113.
Bedeutende EuGH-Rechtssachen zum Internationalen Steuerrecht
557
Merke: Diskriminierungen und Beschränkungen der Grundfreiheiten können in Einzelfällen durch geschriebene und ungeschriebene Gründe gerechtfertigt sein. Der EuGH trifft in seinen diesbezüglichen Verfahren sehr enge Auslegungen und geht gemäß fester Prüfungskriterien vor. In ständiger Rechtsprechung hat sich vor allem eine Reihe von Tatbeständen herauskristallisiert, die keine Rechtfertigungsgründe darstellen.
2 Bedeutende EuGH-Rechtssachen zum Internationalen Steuerrecht Im Folgenden werden die wichtigsten Rechtssachen des EuGH zum Internationalen Steuerrecht überblickartig dargestellt. Bei Verfahren bzw. Urteilsbildung stehen mögliche Verstöße gegen die Grundfreiheiten des EG-Vertrags im Mittelpunkt. Wesentliche nationale Steuervorschriften der EU-Mitgliedstaaten wurden vom EuGH für europarechtswidrig befunden.869 Der EuGH hat in den bedeutendsten steuerrechtlichen Verfahren zu den Grundfreiheiten des EG-Vertrags deren Schutzgehalt stets gewahrt.
869
Vgl. Lang, M., Steuerharmonisierung: Motor in der EU stottert, Die Presse 2005, S. 6.
Stichwortverzeichnis
577
Stichwortverzeichnis A Abgeltungsteuer 26, 30, 32, 34, 44, 52, 57, 215, 260, 275, 284, 290, 358, 499, 538 Abgeltungswirkung 32, 90, 499, 558 Abhängiger Vertreter 151 Abkommensaufbau 117, 340 Abkommensberechtigung 136, 321, 377 Abkommensberechtigung einer Personengesellschaft 139, 142 Abschirmwirkung 353, 355, 515, 521 Advance Pricing Agreements 452 Aktivitätsklausel 70, 158, 251 Allokationsstrategien 376, 392, 401 Amurta (EuGH-Urteil) 573 Andere Einkünfte 136, 206 Angemessenheitsdokumentation 421 Anknüpfungsmerkmale 3, 5, 9, 14 Anrechnungshöchstbetrag 35, 39, 45, 47, 65, 132, 212, 215, 337, 543 Anrechnungsmethode 22, 34, 52, 59, 63, 70, 102, 112, 123, 130, 132, 158, 170, 178, 190, 211, 214, 280, 324, 383, 548 Anrechnungsüberhang 35, 39, 43, 67, 384 Ansässigkeitsprinzip 4 Anti-Directive-Shopping 359, 364 Anti-Organ-Klausel 151, 154 Anti-Treaty-Shopping 367 Anwendungsbereich (OECD-MA) - persönlich 136, 340 - räumlich 144 - sachlich 143, 340 - zeitlich 144 Arbeitnehmerentsendung 195 Arbeitnehmerfreizügigkeit 549, 550 Arbeitsortprinzip 135, 195 Attraktivkraft 159 Auffangklausel 176, 192
Aufsichtsrats- und Verwaltungratsvergütungen 82, 92, 135, 194, 199, 516 Aufzeichnungspflichten 419, 547 Ausgleichsposten 232 Auslandstätigkeitserlass 55 Auslegung der DBA 113 B Bachmann (EuGH-Urteil) 555 Basisgesellschaft 360, 514, 515, 521 Belegenheitsprinzip 4, 5, 14, 128, 134, 145, 190 Bemessungsgrundlageneffekt 41 Berichtigung von Einkünften, vgl. Einkünftekorrekturnormen Beschränkte Steuerpflicht 6, 8, 13, 75, 95, 328, 334 Beschränkungsverbot von Grundfreiheiten 552, 553 Bestimmungslandprinzip 5 Betriebsrenten 203 Betriebsstätte 14, 55, 71, 133, 139, 150, 207, 217, 221, 224, 229 Betriebsstättenbegriff 150 Betriebsstättenprinzip 128, 134, 145, 150, 157, 190, 194, 207, 328 Betriebsstättenvorbehalt 165, 168, 175, 180, 184, 188, 207 Biehl (EuGH-Urteil) 559 Bilaterale (zweiseitige) Maßnahmen 22, 58, 69 Billigkeitsregelung 504 Branch profits tax 176 Bruttobesteuerung 41, 86, 561 C Cadbury Schweppes (EuGHRechtssache) 530, 566 Capital gains exemption shopping 393
578 Check-the-box-regulations 140, 328 Columbus (EuGH-Urteil) 548, 574 Credit mix shopping 385 D De Lasteyrie du Saillant (EuGH-Urteil) 503, 562 Dealing-at-arm’s-length-Prinzip 160, 166, 181, 188, 229, 238, 413 Debt-push-down 396, 401 Deduction shopping 394, 401 Deferral shopping 391, 401 Dienst- und Verwaltungsleistungen 238 Dienstleistungsfreiheit 551 Directive Shopping 365, 377, 380, 400 Direkte Methode 157, 162 Direktgeschäfte 159, 222 Direktinvestition 228, 258, 321 Diskriminierungsverbot (Grenzpendler) 76, (OECD) 217, (EG-Vertrag) 552 Dividenden 24, 25, 28, 47, 52, 55, 63, 68, 82, 122, 134, 164, 167, 260, 264, 275, 280, 286, 288 Dokumentationspflichten für Verrechnungspreise 418, 420 Doppelbesteuerung 16 Dotationskapital 240 Drittstaateneinkünfte 207 Durchgriffsbesteuerung 359, 521 E EBITDA 304, 306, 313 EBITDA-Vortrag 304, 306, 316 Einigungsbereich 484, 485 Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen 59, 120, 133, 145, 190, 207, 565 Einkünfte aus unselbstständiger Arbeit 59, 194 Einkünftekorrekturnormen 425, 439 Entstrickung 232 Electronic Commerce 463 Erbschaftsteuer 332, 340, 502 Erlass 22, 54 Ermäßigungsanspruch 35, 64, 337
Stichwortverzeichnis Ermittlung der Bemessungsgrundlage 61 Erweitert beschränkte Erbschaft- und Schenkungsteuerpflicht 502 Erweitert beschränkte Steuerpflicht 335, 465, 491, 498 Escape-Klausel 307, 310, 372 EU-Zinsrichtlinie 182 Extraterritoriale Besteuerung 175 F Fiktive unbeschränkte Einkommensteuerpflicht 77 Freistellung unter Progressionsvorbehalt 58, 61, 132, 213 Freistellungsmethode 22, 60, 69, 73, 105, 112, 132, 170, 210, 324, 338, 368, 539 Fremdkapital - durchgeleitetes Fremdkapital 242 - weitergeleitetes Fremdkapital 242 Fremdvergleichsgrundsatz, vgl. Dealingat-arm’s-length-Prinzip Fremdvergleichspreis/Fremdvergleichswert 230, 422, 459, 462, 489 Funktionsverlagerung 467, 473, 485 Futura Participations (EuGH-Urteil) 559 G Gemeiner Wert 337, 512 Gerritse (EuGH-Urteil) 87, 97, 561 Geschäftsleitung 12 Gesellschafter-Fremdfinanzierung 291, 403, 432, 571 Gewerbesteuer 244 Gewinne aus der Veräußerung von Vermögen 190 Gewinnorientierte Methoden 450 Gewinnpotential 486, 489 Gewinnzuschlag 238 Gewöhnlicher Aufenthalt 4, 11, 139 Grenzgänger 198 Grenzpendler 76, 198 Group relief shopping 397, 401 Grundfreiheiten 73, 237, 504, 549 Gruppenbesteuerung 353, 397
Stichwortverzeichnis H Halbeinkünfteverfahren 25, 30, 31, 47, 52, 260, 263, 278, 290, 298, 356, 522 Hinzurechnungsbesteuerung 112, 465, 515, 521, 540, 541, 543, 548, 556 Hinzurechnungsbetrag 534, 536, 537, 542 Holding 296, 344 Holding-Arten 345 Hypothetischer Fremdvergleich 417, 485, 489 I Inbound-Besteuerung 75 Inbound-Investitionen 223, 286 Indirekte Methode 157, 162 Informationsaustausch 118, 183, 218, 341 Inländerbeherrschung 523, 533, 545 Internationale Steuerplanung 344 Intransparente Besteuerung 140, 226, 328 Isolierende Betrachtungsweise 14, 82, 148, 288, 366 J Juristische Doppelbesteuerung 17 K Kapitalexportneutralität 36, 59, 106, 132, 256 Kapitalimportneutralität 59, 128, 132, 211, 256 Kapitalspiegeltheorie 241 Kapitalverkehrsfreiheit 272, 551 Kaskadeneffekt 66, 170, 264 Kassenstaatsprinzip 135, 203 Kohärenz 554 Konsultationsverfahren 218, 454 Konsumptionsprinzip 4 Konzern 225 Konzernklausel 307, 322, 372 Kostenaufschlagsmethode 441, 447, 489 Künstler und Sportler 135, 194, 199
579 Künstlerdurchgriff 202 L Lakebrink (EuGH-Urteil) 330, 572 Landesrechtliche Theorie 116 Lankhorst Hohorst (EuGH-Urteil) 292, 560 Lasertec (EuGH-Urteil) 571 Lidl Belgium (EuGH-Urteil) 330, 576 Lizenzgebühren 121, 133, 184 M Manninen (EuGH-Urteil) 563 Marks and Spencer (EuGH-Urteil) 564, 330 Matching credit 105, 216 Median 481, 482, 489 Meilicke (EuGH-Urteil) 563, 569 Meindl (EuGH-Urteil) 568 Merkpostenmethode 235 Methodenartikel 118, 121, 126, 131, 210 Mittelwert 481, 485, 489 Mixer company 385 Monteurklausel 195 Multilaterale (mehrseitige) Maßnahmen 21 Mutter-Tochter-Richtlinie 22, 69, 173 N Nachgeschaltete Zwischengesellschaft 543 Nahe stehende Person 293, 308, 312, 372, 469 Nationales Außensteuerrecht 2, 108 Nationalitätsprinzip 4 Negative ausländische Einkünfte 69, 211, 250, 329, 356, 511, 536, 565, 572 Niederlassungsfreiheit 272, 292, 330, 503, 550 Nutzungsberechtigter 175, 179, 185 O OECD-Musterabkommen 101, 117, 340 OECD-Musterkommentar 102
580 Offene Diskriminierung 552 Öffentlicher Dienst 135, 203 Organschaft 351, 359, 398 Outbound-Investitionen 223 Over-all-limitation 43, 385 P Participation exemption shopping 383 Passive Einkünfte 523, 527, 528, 537 Pauschalierung 54, 68 Pauschalierungserlass 55 Per-country-limitation 37, 43, 65, 337, 384 Person 4, 136 Personengesellschaft 139, 226, 299, 320, 321 Personenverkehrsfreiheiten 549 Portfoliodividende 169, 170 Preisvergleichsmethode 441, 442, 443, 449 Primary sheltering 387, 391 Prinzip der tatsächlichen Anknüpfung 3, 13 Produktverkehrsfreiheiten 549 Progressionsvorbehalt 23, 57, 59, 131, 212, 252, 257, 330, 499 Q Qualifikationskonflikte 20, 107, 116, 228 Qualifikationsverkettung 147, 173 Quellenbesteuerung 13, 75, 102, 377 Quellenprinzip 4 R Rechtfertigungsgründe für die Beschränkung von Grundfreiheiten 553 Repatriierungsstrategien 376, 400 Rewe Zentralfinanz (EuGH-Urteil) 70, 570 Ritter-Coulais (EuGH-Urteil) 70, 565 Ruhegehälter 135, 194, 202 Rule shopping 389, 400
Stichwortverzeichnis S Sachverhaltsdokumentation 421 Safe haven 295, 371 Sanktionsvorschriften für Verrechnungspreise 418 Schachtelbeteiligung 169, 280 Schlichtungsverfahren 438 Schrankennorm 118, 121, 127, 145, 164, 341 - mit abschließender Rechtsfolge 125, 126, 158, 185, 193, 203, 205, 210 - mit offener Rechtsfolge 125, 126, 146, 158, 169, 178, 191, 199, 210 Schrankenwirkung 109, 202, 436 Schumacker (EuGH-Urteil) 76, 558 Schutzgehalt der Grundfreiheiten 551 Scorpio (EuGH-Urteil) 87, 567 Secondary sheltering 387 Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Luftfahrt 165, 197 Selbstständige Arbeit 135, 194 Selbstständigkeitsfiktion 160, 229 SEStEG 232, 237, 404, 506, 510 Sitz 9, 11 Solidaritätszuschlag 248, 277, 283 Souveränitätsprinzip 3 Splitting-Effekt 61 Steuerabzugsmethode 48, 67 Steuerabzugsverfahren 91, 567 Steueranrechnung 34, 44, 47, 63, 67, 541 Studenten 136, 205 Stundung 237, 504, 510, 513, 562 Subject-to-tax-Klausel 19, 107, 369 Supranationale Maßnahmen 21, 69 Switch-over-Klausel 19, 107, 211, 368, 548 T Tax rate shopping 390, 400 Teileinkünfteverfahren 28, 33, 47, 52, 215, 260, 264, 275, 279, 290, 358, 538 Territorialitätsprinzip 5, 19, 75, 81, 244, 554 Thesaurierungsbegünstigung 322
Stichwortverzeichnis Tie breaker rule 138, 143 Tochterkapitalgesellschaft 225, 258 Tochterpersonengesellschaft 226, 321 Transferpaket 475, 476, 487 Transparenzprinzip 227, 321 Treaty override 112, 211, 370, 539, 548 Treaty shopping 173, 179, 360, 365, 377, 379, 400 Trennungsprinzip 18, 166, 225, 259, 355, 515, 521 U Überführung von Wirtschaftsgütern 231, 237 UN-Modell 103 Unabhängiger Vertreter 151, 154 Unbeschränkte Steuerpflicht 6, 9, 78, 137, 328, 329, 333, 493, 503 Unilaterale (einseitige) Maßnahmen 21, 33, 63 Universalitätsprinzip 5 Unselbständige Arbeit 135, 194 Unternehmensgewinne 134, 148, 150, 324, 435 Unternehmerische Freizügigkeit 550 Ursprungslandprinzip 5 US-Modell 103 V Veranlagungsverfahren 25, 27, 29, 83, 92 Verbot der extraterritorialen Besteuerung 175 Verbundene Unternehmen 166, 438 Verdeckte Einlage 426, 430, 436, 490 Verdeckte Gewinnausschüttung 291, 296, 426, 427, 571 Verluste (ausländische), vgl. negative ausländische Einkünfte
581 Verlustverrechnung 354, 498, 559, 564, 566, 570, 576 Vermögen 209 Verrechnungspreis 166, 407, 479, 485, 489 Verständigungsverfahren 118, 217, 341, 409, 438 Versteckte Diskriminierung 552 Vertreterbetriebsstätte 153 Verwaltungsgrundsätze 413, 427, 434, 468 Virtuelle Doppelbesteuerung 18, 127 Völkerrechtliche Theorie 116 Vorteilsausgleich 428, 433 Vorabverständigung 454 Vorabzusage 454 W Warenverkehrsfreiheit 550 Weiße Einkünfte 211, 214 Wegzugsbesteuerung 503, 562 Wiederverkaufspreismethode 442, 445 Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge (WÜRV) 109, 113 Wirtschaftliche Doppelbesteuerung 17, 166, 382 Wohnsitz 9 Wohnsitzprinzip 190, 195, 203 Wohnsitzstaatsprinzip 4 Wohnsitzverlagerung 491, 506 Z Zinsen 82, 129, 134, 177 Zinsschranke 300 Zinsvortrag 313 Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter 526, 537 Zwischengesellschaft 360, 365, 496, 514